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Full text of "Neue Jahrbücher für Philologie und Paedogogik"

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4 


NEUE  JAHRBÜCHER 


FÜR 


PHILOLOGIE  TOD  PAEDAGOGIK. 


GEGENWARTIG  HERAUSGEGEBEN 


VON 


ALPRED  FLECKEISEN  vm>  RICHARD  RICHTER 

PB0F>S80B  nr  DRXSDBK  BBCTOB  UVO  PBOFB880B  IN  LEIFZIO 


DBEIUNDSECHZiaSTEB   JAHRGANG. 
EINHÜNDERTÜNDSIEBENUNDVIERZIQSTEB   BAND. 


LEIPZIG 

DRUCK  UND  VERLAG  VON  B.  Q.  TEUBNER. 
1893. 


:k V^'-  i'-p 

JAHRBÜCHER 

FÜR  L/    ^   •;/..    ;. 

CLASSISCHE  PHILOLOGIE 


HERAUSGEGEBEN 


VON 


ALFRED  FLECKEISEX. 


NEÜNUNDDREISZIGSTER  JAHRGANG  1893 

ODER 

DER   JAHNSCHEN    JAHRBÜCHER   FÜR   PHILOLOGIE    UND  PAEDAOOGIK 
EINHUNDERTUNDSIEBENUNDYIERZIGSTER   BAND. 


LEIPZIG 

DEüCK;  und  VEELAa  VON  B.  G.  TEüBNER. 


VERZEICHNIS  DER  MITARBEITER 
AN  DEN  JAHRGÄNOEN  1885  BIS  1898. 

(die  in  parenthese  beigresetzten  zahlen  beziehen  sich  aafdas  nmchstehende  inhaltsverzeiehnit. 

die  namen  der  miUrbeiter  zu  den  ersten  dreiszig-  jahrgring«n  sind  za  anfangr  der  Jahrring« 

1860,  1864,  1874  und  1884  abgedrackt.) 


1.  Heikkioh  Adams  in  Mühlheim  an  der  Bahr 

2.  Wilhelm  Allers  in  Holzminden 

3.  CoNSTANTiN  Amoermanh  in  Meiszen 

4.  August  Eduard  Amspach  in  Cleve 

5.  Otto  Apelt  in  Weimar  (32.  62.  95) 

6.  Hans  yon  Arnim  in  Rostock  (54) 

7.  Richard  Arnoldt  in  Prenzlaa 

8.  Friedrich  Back  in  Birkenfeld 

9.  Emil  Baehrens  in  Groningen  (f  1888) 

10.  Clemens  Bäumker  in  Breslau 

11.  Hermann  Ball  in  Berlin 

12.  Paul  Barth  in  Leipzig 

13.  Adolf  Bauer  in  Graz 

14.  LuDWia  Bauer  in  Augsburg 

15.  AuoüST  Beck  in  Basel 

16.  Arnold  Behr  in  Kreuznach  (16) 

17.  Jan  Wibbrt  Beck  in  Groningen 

18.  Julius  Beloch  in  Rom 

19.  Max  Bkncker  in  München  (11) 

20.  Theodor  Bbrndt  in  Herford 

21.  Hermann  Besser  in  Dresden 

22.  Gustav  Bilfinger  in  Stuttgart 

23.  Ernst  Bischoff  in  Leipzig 

24.  Friedrich  Blank  in  Linz 

25.  Friedrich  Blass  in  Halle  (19) 

26.  Hugo  Blümner  in  Zürich 

27.  Rudolf  Bobrik  in  Beigard  (f  1891) 

28.  Waltuer  Böhme  in  Schleiz  (20) 

29.  Wilhelm  Böhme  in  Stolp 

30.  Felix  Böltb  in  Frankfurt  am  Main 

31.  Carl  de  Boor  in  Breslau 

32.  Ernst  Brandes  in  Marienburg 

33.  Karl  Brandt  in  Friedeberg  (Neumark) 

34.  Samuel  Brandt  in  Heidelberg  (15) 

35.  Theodor  Braune  in  Berlin 

36.  Theodor  Breiter  in  Hannover  (50) 

37.  Arthur  Breusino  in  Bremen  (f  1892) 

38.  Julius  Briz  in  Sorau  (f  1887) 

39.  Felix  Brüll  in  Andernach  am  Rhein  (57} 

40.  Johannes  Brüll  in  Heiligenstadt 


VI  Verzeichnis  der  mitarbeiter. 

41.  Kabl  Brügmann  in  Leipzig 

42.  Richard  Bünger  in  Oörlitz 

43.  Theodor  Büttner- Wobst  in  Dresden 

44.  Karl  Burescu  in  Athen 

45.  Karl  Busche  in  Leer  (Ostfriesland) 

46.  Georg  Bdsolt  in  Kiel 

47.  Erich  Bussler  in  Freienwalde  an  der  Oder  (31) 

48.  Friedrich  Cauer  in  Tübingen  (14) 

49.  Paul  Cauer  in  Kiel 

50.  Christian  Clasen  in  Hadamar  (33) 

51.  Albert  Cohn  in  Berlin 

52.  Leopold  Cohn  in  Breslau 

53.  Carl  Conradt  in  Greifenberg  (Pommern) 

54.  Robert  Crampe  in  Halle 

55.  Christian  Cron  in  Augsburg  (f  1892) 

56.  Otto  Crusiüs  in  Tubingen  (3) 

57.  Heinrich  Deiter  in  Aurich 

58.  Andreas  Deuerlino  in  Barghausen  (Oberbaiern) 

59.  Otto  Dinoeldein  in  Büdingen 

60.  Eugen  Dittrich  in  Leipzig  (64) 

61.  Alfred  DÖhrino  in  Königsberg  (Preuszen) 

62.  Andreas  Björn  Drachmann  in  Kopenhagen 

63.  Anton  August  Drakgbr  in  Aurich 

64.  Hans  Draheim  in  Berlin 

65.  Reinhold  Dressler  in  Würzen 

66.  Wilhelm  Drexlbr  in  Halle 

67.  Heinrich  Düntzbr  in  Köln 

68.  Karl  Dziatzko  in  Göttingen 

69.  Peter  Eoenolff  in  Mannheim 

70.  Adam  Eussner  in  Würzburg  (f  1889) 

71.  Gustav  Faltin  in  Neu-Ruppin  (f  1889) 

72.  Adolf  Faust  in  Mülhausen  (Elsasz) 

73.  Alfred  Flbckeisen  in  Dresden  (25.  26.  38.  64) 

74.  Johann  Karl  Fleischmann  in  Bamberg 

75.  Richard  Förster  in  Breslau 

76.  Peter  Wilhelm  Forchhammer  in  Kiel  (f  1893) 

77.  Joseph  Franke  in  Warendorf  (Westfalen)  (5) 

78.  Karl  Frey  in  Bern  (71) 

79.  Karl  Frick  in  Höxter 

80.  Gustav  Friedrich  in  Schweidnitz  (1) 

81.  Wilhelm  Friedrich  in  Mühlhansen  (Thüringen) 

82.  Nicolaus  Fritsch  in  Trier 

83.  Oskar  Froehde  in  Berlin  (52) 

84.  Robert  Fuchs  in  Straszburg-Neudorf  (Elsasz) 

85.  Anton  Funck  in  Kiel 

86.  Richard  Gabde  in  Danzig 

87.  Walther  Gbbhardi  in  Gnesen  (f  1887) 

88.  Johannes  Geffcken  in  Hamburg  (23) 

89.  Heinrich  Gblzbb  in  Jena 

90.  Albert  Gemoll  in  Striegau 

91.  Ejirl  Ernst  Georges  in  Gotha 

92.  Martin  Clarbntius  Gertz  in  Kopenhagen 

93.  Alfred  Gieseckb  in  Leipzig 

94.  Friedrich  Giesing  in  Dresden 

95.  Gustav  Gilbebt  in  Gotha 

96.  Hans  Gilbebt  in  Meiszen 

97.  Waltheb  Gilbert  in  Schneeberg 

98.  Eduard  Gorbel  in  Fulda  (90.  91) 

99.  Karl  Gobbbl  in  Soest 


Verzeichnis  der  mitarbeiter.  VlJ 

100.  Alfred  Goethe  in  Glogau 

101.  Gboeg  Goetz  in  Jena 

102.  RicHABD  Götze  in  Leer  (Ostfriesland] 

103.  Theodor  Gomperz  in  Wien 

104.  EfiwsT  Graf  in  Marburg  (Hessen) 

105.  ßBRBTHAKn  Gross«  in  Arnstadt 

106.  Eduard  Gbufb  in  Zabern  (Elsasz) 

107.  Otto  Grupps  iß  Berlin 

108.  Gott  HOLD  GosiDBaiiANN  in  Gieszen 

109.  Lcuwia  Güelitt  in  Steglitz  bei  Berlin  (76) 

110.  Paul  Habel  in  Breslau 

111.  Karl  Hachtmam»  in  Bernbnrgl  (41) 

112.  Carl  MIberlix  in  Halle 

113.  Albin  Häbler  in  Leipzig  (34) 

114.  Hermann  Hagen  in  Bern 

115.  Franz  Härder  in  Berlin 

116.  Otto  Harnecker  in  Friedeberg  (Nenmark) 

117.  Felix  Hartmann  in  Grosz-Lichterfelde 

118.  THEOixiit  ÜAE^i  ER  in  Dresden 

119.  KjiwaT  Ha  sb  in  ßartenstein  (Ostprenszen)  (20.  21.  74) 

120.  HsRMAN  Haupt  in  Gieszen 

121.  Max  Hecqt  in  Gumbinnen 

122.  Hervann  Heckkr  in  Bensberg  bei  Köln 

123.  Ferdinand  Hebrdegen  in  Erlangen 

124.  Friedrich  Heiden hain  in  Strasburg  (Westprenszen)  (94) 

125.  Gustav  Heidtmann  in  Pfaffendorf  bei  Cobleoz 

126.  Rudolf  Hslm  in  Berlin  (46) 

127.  Georg  Helmbeich  in  Aupburg"  (55) 

128.  Peter  D.  Cb,  Hennihgs  in  Husum  (89) 

129.  Otto  Hense  in  Freiburg  (Breisgau) 

130.  Karl  Heraeus  in  Hamm  (f  1891) 

131.  WiLBSLM  H^EAisus  iTJ  OiTünbacJi  am  Main 

132.  Hminricm  Hers^l  in  ZüUichau 

133.  Martin  Hertz  in  Breslau 

134.  Eduard  Hiller  in  Halle  (f  1891) 

135.  Hbbmah»  Hitzig  in  Ääricb 

136.  Otto  Höfer  in  Dresden 

137.  Max  Hölzl  in  Dresden 

138.  Wilhelm  Hqebbcbelhakn  in  Dorpat 

139.  Emanubl  Hoppuann  In  Wien 

140.  Ferdinamd  väk  Uoffb  in  Trier 

141.  Hbrmai«n  Hollander  in  Osnabrück 

142.  Carl  Hosius  in  Münster  (Westfalen)  (40) 

143.  Georg  Hubo  in  Stolberg  (Rbeinland)  (78) 

144.  Karl  Hude  in  Kopenhageo 

146.  Fhik deich  Hültsce  in  Droflclen  (82) 

146.  Theodor  Hultzsch  in  Torgau 

147.  Max  Ihm  in  Halle 

148.  Otto  Immisch  in  Leipzig 

149.  Karl  Jacobt  in  Hamburg 

150.  Carl  ton  Jan  in  Straszburg  (Elsasz) 

151.  CoNSTANTiN  JoHN  lu  Uracb 

152.  Walther  Judeich  in  Marburg 

153.  Emil  August  JüiraHAHsr  in  Berlin 

154.  Adolf  Kannengiesser  in  Lüneburg 

155.  Karl  Heinrich  Keck  in  Kiel 

156.  Bruno  Keil  in  Straszburg  (Elsasz) 

157.  Otto  Keller  in  Prag  (63.  81) 

158.  Karl  Kempf  in  Berlin 


VIII  Verzeichnis  der  mitarbeiter. 

159.  Franz  Kern  in  Berlin 

160.  MoRiz  KiDERLiM  in  München  (7.  79) 

161.  Huao  VON  Kleist  in  Leer  (Ostfriesland)  (2) 

162.  Richard  Klotz  in  Leipzig  (f  1892) 

163.  Hermann  Kluoe  in  Cöthen  (10) 

164.  UüüÄü  Käaacb:  in  Berlin 

165.  Frii£i>b(ch  Kkoke  in  Osnabrück 

166.  Xabl  Kacn  In  DusBeldorf 

167.  WitHKLM  Koch  in  Tiel  (HoÜund)  (43) 

168.  £^kia  KÖfiiNER  in  Chemnitz 

169.  Wilhelm  Heinrich  Kolsteji  in  Entin  (f  1887} 

170.  Georg loä  Koi^B-rkKiixityK^  in  Philippopel 

171.  Arthüä  Kopf  in  Königsberg  (Preuszen) 

172.  Hermaww  Küthe  in  Breslau 

173.  Carl  Kbaüth  in  Erfurt  (75) 

174.  Max  Ke&nkel  in  Dresden 

175.  Hermami«  KRfF.0»  in  Bannen 

176.  Alpred  Kunze  in  Plauen  (Vogtland) 

177.  Eduard  Kurtz  in  Riga 

178.  Edmund  Lammert  in  Leipzig 

179.  Kael  Lanq  in  LürrÄch 

180.  Edmuhd  Labob  in  Greifswald 

181.  JuLitie  Lasö«  in  Neumark  (Westpreasaen)  (26.  42) 

182.  EjcßARD  Lbbman»  in  Neusteltiii 

183.  FniKDöicH  Leomhard  Lents  in  Köm^berg  (Preuszen)  (f  1888) 

184.  Heineich  Lkwt  in  MÜlhansen  (Elaasz)  (85) 
186.  Reinieb  L»yd8  in  Oroningen  (61) 

186.  WiLÄSL«  LiEBEXAM  In  Jena 

187.  Karl  Julius  Liebbqlp  in  HudoUtndt  (€3) 

188.  Hüoo  LiERS  in  Waltlenhnrg  (Schlesien) 

189.  Oskar  Liksenbahth  in  Kreuznach 

190.  Justus  IlEUit.iMH  LiFfiiXJS  in  Leipzig 

191.  Philipp  Loewe  in  Breslau 

192.  Arthur  Ludwich  in  Königsberg  (Preuszen) 

193.  Max  Lüdecke  in  Bremen 

194.  Ferdinand  Lüders  in  Hamburg 

195.  Vilhelm  Lundström  in  Upsala  (9) 

196.  Bksitdard  Lupus  iu  Straszburg  (Elsasz) 

197.  KnAifz  LüfERBACUJsa  in  Burgdorf  (Schweiz)  (60) 

198.  Karl  Macke  in  Ahrweile 

199.  Huao  MAQJtua  in  Berlin  (69) 

200.  Karl  MAsiTitrs  in  Drcsd&n 

201.  Max  Man  Titti  in  Nieder! ösznitz  bei  Dresden 

202.  Theodor  Matth  as  in  Zittau  (30) 

203.  Bertold  MACBENBREcaER  in  Leipzig 

204.  Theodor  MAtTKBR  in  Wornii* 
206.  Oswald  Mat  in  Neisze 

206.  H£J.        :    Mayer  in  Freiburg  (Breisgau) 

207.  Karl  Meiser  in  Rej^eti^burg 

208.  Karl  Meissner  tu  Bembrirg 

209.  Richard  MEiSTEit  in  Leipzig 

210.  Otto  Meltzsr  in  Dresden 

211.  Ludwig  Mehdblssoun  in  Dorpat 

212.  HEmRics  Menge  in  Mainz 

213.  Rudolf  Menge  in  Halle 

214.  Joseph  Mbnrad  in  Burghausen  (Oberbaiern) 
216.  Martin  Mertens  in  Köln 

216.  Heinrich  Meusel  in  Berlin 

217.  Heinrich  Meuss  in  Hirschberg  (Schlesien) 


Verzeiclinis  der  mitarbeiter.  ix 

218.  Peter  Meyer  in  München- Gladbach  (47) 

219.  Friedeich  Mie  in  Rostock  (92) 

220.  Albert  Müller  in  Flensburg 

221.  C.  F.  Wilhelm  Müller  in  Breslau  (27.  88) 

222.  Carl  Friedrich  Müller  in  Kiel 

223.  Gerhard  Heinrich  Müller  in  Straszburg  (Elsasz) 

224.  Hermann  Johannes  Müller  in  Berlin 

225.  Moritz  Müller  in  Stendal 

226.  Paul  Richard  Müller  in  Merseburg 

227.  Hermann  Mülleb-Strübino  in  London  (61)  (f  1893) 

228.  Bruno  Nake  in  Berlin 

229.  Carl  Nauck  in  Königsberg  (Neumark)  (f  1890) 

230.  Alfred  Nehrino  in  Berlin  (6.  80) 

231.  Johann  Netusil  in  Charkow 

232.  Hermann  Nbtzker  in  Forst  (Lausitz) 

233.  Jules  Nicole  in  Genf 

234.  Karl  Nieberdino  in  Gleiwitz 
236.  Konrad  Niemeyer  in  Kiel 

236.  Richard  Nortel  in  Berlin 

237.  Hermann  Nohl  in  Berlin 

238.  Johannes  Oberdick  in  Breslau 

239.  Raimund  Oehler  in  Wahlstatt  (37) 

240.  Jacob  Oeri  in  Basel  (83) 

241.  Theodor  Oesterlen  in  Stuttgart  (36) 

242.  Franz  Olck  in  Königsberg  (Preuszen) 

243.  Richard  Opitz  in  Leipzig 

244.  Theodor  Opitz  in  Dresden  (97) 

245.  August  Otto  in  Breslau 

246.  Friedrich  Otto  in  Wiesbaden 

247.  Robert  Paehler  in  Wiesbaden 

248.  Rudolf  Paukstadt  in  Cbarlottenburg  (77) 

249.  Ludwig  Paul  in  Dresden 

250.  Rudolf  Peppmüller  in  Stralsund   (45) 

251.  Hermann  Peter  in  Meiszen 

252.  Karl  Petsch  in  Kiel 

253.  Friedrich  Philippi  in  Osnabrück  (58) 

254.  Robert  Philippson  in  Magdeburg 

255.  Victorinus  Pingel  in  Kopenhagen  (53) 

256.  Theodor  Plüss  in  Basel 

257.  Wilhelm  Pökel  in  Prenzlau  (13.  18) 

258.  Friedrich  PÖtzschke  in  Plauen  (Vogtland) 

259.  Franz  Poland  in  Dresden 

260.  Friedrich  Polle  in  Dresden  (87) 

261.  Hans  Pomtow  in  Berlin 

262.  Paul  Prki bisch  in  Gumbinnen 

263.  Hermann  Probst  in  Bonn 

264.  August  Procksch  in  Altenburg 

265.  Gustav  Radtke  in  Wohlau 

266.  Ernst  Redslob  in  Weimar 

267.  Paul  Regell  in  Ilirschberg  (Schlesien) 

268.  Alexander  Reichabdt  in  Dresden 

269.  Leopold  Reinhardt  in  Gels  (Schlesien) 

270.  Friedrich  Reuss  in  Trarbach  an  der  Mosel  (22) 

271.  Johannes  Richter  in  Nakel 

272.  Adolf  Rieder  in  Gumbinnen 

273.  Adolf  Römer  in  Kempten 

274.  Hermajtn  Rönsch  in  Lobenstein  (f  1888) 

275.  Wilhelm  Heinrich  Röscher  in  Würzen 

276.  Emil  Rosenberg  in  Hirschberg  (Schlesien) 


X  Verzeichnis  der  mitarbeiter. 

277.  Otto  Rossbach  in  Kiel 

278.  Konrad  Rossbero  in  Hildesheim 

279.  Carl  Rothe  in  Friedenau  bei  Berlin 

280.  Max  Rubbnsohn  in  Berlin  (17.  84) 

281.  Conrad  Rüobr  in  Dresden  (67) 

282.  Franz  Rühl  in  Königsberg  (Prenszen) 

283.  Heinrich  Rumpf  in  Frankfurt  am  Main  (f  1889) 

284.  Paul  Rusch  in  Stettin 

285.  Alois  Rzach  in  Prag  (96) 

286.  Leonard  Sad^e  in  Freiburg  (Breisgau) 

287.  Qeoroios  M.  Sakorraphos  in  Athen  (73) 

288.  Rudolf  von  Scala  in  Innsbruck  (68) 

289.  Karl  Schäfer  in  Pforta 

290.  Carl  Schirlitz  in  Nenstettin  (65) 

291.  Peter  Olroo  Schjött  in  Christiania 

292.  Karl  Schliack  in  Cottbus 

293.  Josef  Hermann  Schmalz  in  Tauberbischofsheim  (59) 

294.  Wilhelm  Schmid  in  Tübingen 

295.  Adolf  Schmidt  in  Jena  (f  1887) 

296.  Bernhard  Schmidt  in  Freiburg  (Breisgau)  (44) 

297.  Max  C.  P.  Schmidt  in  Berlin 

298.  MoRiz  Schmidt  in  Jena  (f  1888) 

299.  Otto  Eduard  Schmidt  in  Meiszen 

300.  Wilhelm  Schmitz  in  Köln 

301.  Max  Schneider  in  Gotha 

302.  Richard  Schneider  in  Duisburg 

303.  Max  Schneidewin  in  Hameln 

304.  Alfred  Erdmann  Schöne  in  Leipzig 

305.  Hermann  Schrader  in  Hamburg 

306.  Karl  Schrader  in  Düren 

307.  Wilhelm  Schrader  in  Halle 

308.  Ferdinand  Schröder  in  Cleve 

309.  Hermann  Schütz  in  Potsdam 

310.  Ernst  Schulze  in  Homburg  vor  der  Höhe 

311.  Karl  Paul  Schulze  in  Berlin 

312.  Paul  Schulze  in  Dessau 

813.  Otto  Schwab  in  München  (66) 
314.  Ludwig  Schwabs  in  Tübingen 
S15.  Wilhelm  Schwartz  in  Berlin 

316.  Wilhelm  Schwarz  in  Neuwied  (12.  35) 

317.  Emil  Schweder  in  Kiel  (58) 

318.  Ernst  Schweikeiit  in  München-Gladbach  (70) 

319.  Alfred  Scotland  in  Strasburg  (Westpreuszen) 

320.  Otto  Sesck  in  Qreifswald 

321.  Johannes  Seoebade  in  Oldenburg 

322.  Friedrich  Seiler  in  Wernigerode 

323.  Paul  Seliger  in  Berlin 

324.  Hermann  Siebeck  in  Gieszen 

325.  Johann  Alphons  Simon  in  Köln 

826.  Jakob  Sitzler  in  Tauberbischofsheim 
327.  Franz  Skutsch  in  Breslau  (56) 
828.  Wilhelm  Soltau  in  Zabern  (Elsasz) 

329.  Julius  Sommerbrodt  in  Breslau 

330.  Adolf  Sonnt  in  Kiew 
831.  Martin  Sorof  in  Berlin 

332.  Hugo  Stadtmüller  in  Heidelberg  (72) 

333.  Peter  Stamm  in  Rössel  (Ostprenszen) 

334.  Otto  Stange  in  Dresden  (39) 

335.  Thomas  Stanol  in  München  (8.  28) 


Verzeichnis  der  mitarbeiter.  XI 

336.  Karl  Steomann  in  Geestemünde 

337.  Paul  Stengel  in  Berlin 

338.  Wilhelm  Sternkopf  in  Dortmund  (51.  57) 

339.  Hermann  Steudino  in  Würzen 

340.  Wilhelm  Studemund  in  Breslau  (f  1889) 

341.  Joseph  Sturm  in  Freiburg  (Schweiz) 

342.  Franz  Susemihl  in  Qreifswald  (4.  24.  93) 

343.  Ludwig  von  Stbel  in  Marburg 

344.  August  Tbubbr  in  Eberswalde 
345j^MiL  Tewrewk  von  Ponor  in  Budapest 

346.  Georg  Thiele  in  München  (48) 

347.  Georg  Thilo  in  Heidelberg  (f  1893) 

348.  Adolf  Thimme  in  Verden 

349.  Albert  Tuumb  in  Freiburg  (Breisgau) 

350.  Paul  Tbenkel  in  Z erbst 

351.  Ludwig  Tbiemel  in  Coblenz 

352.  Karl  Troost  in  Frankenstein  (Schlesien) 

353.  Karl  Tümpel  in  Neustettin 

354.  Geobg  Friedrich  Unger  in  Würzburg  (29) 

355.  Gustav  Ungebmann  in  Düren 

356.  Hermann  Usener  in  Bonn 
367.  Rudolf  Vabi  in  Budapest  (49) 

358.  Jacob  Simon  ?an  Veen  in  Assen  (Niederlande) 

359.  Johannes  van  der  Vliet  in  Haarlem 

360.  Friedrich  Vogel  in  Nürnberg 

361.  Theodor  Vogel  in  Dresden 

362.  DiEDERicH  Volkmann  in  Pforta 

363.  Ferdinand  Vollbrecht  in  Hannover 

364.  Friedrich  Vollmer  in  Düsseldorf  (56) 

365.  Ludwig  Volts  in  Gieszen 

366.  Richard  Wagner  in  Dresden 

367.  Friedrich  Walter  in  München 

368.  Georg  Wartenberg  in  Berlin 

369.  Ferdinand  Weck  in  Metz 

370.  Nicolaus  Wrcklbin  in  München 

371.  Andbeas  Wbidneb  in  Dortmund 

372.  Wilhelm  Wbinbergbr  in  Wien 

373.  Alexander  Wbiske  in  Halle 

374.  Fritz  Weiss  in  Niederlösznitz  bei  Dresden  (f  1893) 

375.  Edmund  Weissbnborn  in  Mühlhaasen  (Thüringen) 

376.  Joseph  Weisweiler  in  Posen 

377.  Paul  Weizsäcker  in  Calw 

378.  Max  Wellman-x  in  Stettin 

379.  Heinrich  Welzhofer  in  Freiburg  (Breiagau) 

380.  Joseph  Werner  in  Frankfurt  am  Main 

381.  Konbad  Werxickb  in  Halle 
882.  Martin  Wetzbl  in  Paderborn 

383.  Friedrich  Wilhelm  in  Crossen  an  der  Oder  (86) 

384.  Albrecht  Wodbig  in  Schwedt  an  der  Oder 
38&  Robert  Wöhler  in  Greifswald 

386.  Emil  Wöbier  in  Leipzig 

387.  Kon  BAD  Zacher  in  Breslau 

388.  Christoph  Zibgler  in  Stuttgart  (f  1888; 

389.  Albkrt  Zimmermann  in  WilhelmsbaTen 

390.  Güstat  Zippkl  in  Königsberg  (Prenszen) 

391.  Marcus  Zucker  in  Erlangen. 


INHALTSVERZEICHNIS. 

(die  in  parenthese  beigesetzten    zaiilen  bezieiien  sich  auf  das  voranstellende  Verzeichnis 

der  mitarbeiter.) 


Seite 

1.  zum  panegyrikos  dee  Isokrates  (80) 1 

2.  zu  Thnkydides  (161) 26 

8.  zur  topographie  von  Alexandreia.    I.    Jnliopolis-Nikopolls  (66)  34 

4.  anz.  y.  EMaass  Aratea  (342) 37 

6.  der  angriff  des  M.  Lepidns  and  M.  Brutus  auf  das  reformwerk 

Sullas  (77) 49 

6.  über  bidens  hostia  (230) 64 

7.  zum  ersten  und  zweiten  buche  des  Quintilianus  (160) 69 

8.  zu  Valerius  Maximns  (336) 78 

9.  Statiana  (196) 79 

10.  vorhomerische  kampfschildemngea  in  der  Ilias  (163) 81 

11.  inschriftliches  (19) 94 

12.  die  Danaidensage  (316) 96 

18.  zur  Odyssee  (257) 112.  120 

14.  anz.  y.  BKeil  Solonische  yerfassung  (48) 113 

15.  über  den  yer fasser  des  buches  de  moriibus  persecutorum  (34)    121.  203 

16.  frag^ente    einer    handschrift    der    Macrobius-    und    Plinius- 
excerpte  (16) 139 

17.  zu  Schillers  Übersetzung  der  Aeneide  (280) 143 

18.  miscelle  (267) 144 

19.  Tir€p€(&ou  Kar*  'AGiivoT^vouc  (25) 145 

20.  zu  Xenophons  anabasis  (119.  28) 161.  260 

21.  der  dualis  bei  Polybios  (119) 162 

22.  anz.  y.  CJorio  codici  ignorati  usw.  fasc.  I  (270) 166 

28.  die  gründung  yon  Tarent  (88) 177 

24.  zu  Aristoteles  poUtik  (342) 192 

26.  zu  Plautus  (181.  73) 193.  432 

26.  zu  Terentius  Phormio  (73) 199 

27.  ante  annos^  yor  jähren  (221) 201 

28.  zu  Ciceros  dialog  Hortensius  (336) 224 

29.  die  zinsurkunde  zu  ol.  88,  3  — 89,  ^  (CIA.  I  278)  (854)    ....  226 
80.  urteile    griechischer    prosaiker   der   classischen    zeit   über   die 

Stellung  der  griechischen  frau  (202) 261 


Inhaltsverzeichnis.  XIII 

feite 

31.  die  reihen  folge  der  tragödien  in  Aischylos  Prometbeia  (47)  .    .   276 

32.  zn  Piatons  Philebos  (6) 283.  320 

83.   kritische  bemerkungen  zur  geschichte  Timoleons  (schlasz)  (50)  289 

34.  zur  kosmogonie  der  stoiker  (113) 298 

35.  Juliopolis  und  Nikopolis  (316) 301 

36.  die  reibenfolge   der  briefe  des  ersten  bucbea  von  Horatius  und 
das    Verhältnis    zwischen    Horatius    und   Maecenas    vom    j.  21 

an  (241) 305 

37.  die  häfen  von  Karthago  (239) 321 

38.  zu  Terentius  Hantontimor  um  enos  (73) 332 

39.  zu  Ovidius  metamorpbosen  (334) 333 

40.  zn  den  handschriften  des  Lucanus  (142) 337 

41.  zu  Tacitus  Agricola  (Hl) 353 

42.  zu  Caesar  de  hello  Qallico  (181) 357 

43.  über  die  quellen  zu  den  feldzügen  Julians  gegen  die  Germanen 
(167) 362 

44.  Steinhaufen  als  fluchmale,  Hermesheiligtümer  und  grabhügel  in 
Griechenland  (296) 369 

46.    Theognidea  (250) 395 

46.  de  Aristophanis  Avium  v.  586  (126) 399 

47.  zu  Piatons  Gorgias  (218) 401 

48.  zum  griechischen  roman  (346) 403 

49.  Oppiani    Cilicis    codicum    in    bibliothecis    hodie    adservatorum 
series  (357) 409 

50.,  zu  Manilius  (36) 417 

51.  über  zwei  briefe  Ciceros  an  C.  Trebonius  (338.  185)    .    .    .  424.  843 

52.  der  begriff  und  die  aufgäbe  der  litteraturwissenschaft  (83)   .    .  433 
58.   zu  Sophokles  Antigene  (255) 446.  824 

64.  der  angebliche  streit  des  Zenon  und  Theophrastos  (6)    .    .    .    .  449 

65.  zu  Galenos  (127) 467 

66.  ad  Statu  Silvas  symbolae.    I.  II  (327.  364) 469.  826 

57.  in  Ciceronis  orationem  Pompeianam  (39.  338) 484.  777 

58.  über  den  Ursprung  und  die  ältere  form  der  Pentingerschen  tafel 
(317.  253) 485.  845 

59.  zu  Yarros  res  rusticae  (293) 512 

60.  zu  Livius  (197) 512 

61.  Studien  zur  Verfassung  von  Athen  während  des  peloponnesischen 
krieges.    I  über  die  civilbeamten  (227) 513 

62.  zu  Piatons  Politeia  (5.  187) 555.  816 

63.  zu  Livius  (157) 557 

64.  zu  Plinius  naturalis  historia  (60.  73) 559 

65.  die    reihenfolge    der  fünf  ersten  reden  in   Piatons  Symposion 
(290)  . 561.  641.  721 

66.  über    ^dXtCTa    bei    zahlen    und    maszbegrlffen  Jm    classischen 
Sprachgebrauch  (313) 586 

67.  zu  Demosthenes  rede  vom  trierarchischen  kränze  (281)  ....  593 

68.  Fabius  und  Nikias  (288) 699 


XIV  Inhaltsverzeichnis. 

seile 

69.  Studien  zar  überlief erung  und  kritik  der  metamorphosen  Ovids. 

II  der  archetypus  (199) 601 

70.  der  lyrische  anfbau  der  ersten  epode  des  Horatius  (318)  .    .    .  638 

71.  zu  Herodotos  (78) 665 

72.  zur  griechischen  anthologie  (332) 667 

73.  zu  Aristoteles  Politeia  und  zu  Herodians  geschichte  (287)    .    .  677 

74.  über  den  dualis  bei  Lukianos  (119) 681 

75.  verschollene  länder  des  altertums.     I  (173) 689.  763 

76.  in  Ciceronis  epistulas  ad  Atticum  (109) 704 

77.  zu  Catullus  (248) 706 

78.  über  die  ausdehnung  des  gebiets  der  Helvetier  (143) 707 

79.  altes  und  neues  zu  den  drei  ersten  büchern  des  Quintilianns  (160)  711 

80.  über  die  Originalität  von  Senecas  naturales  qnaestiones  (230)   .  718 

81.  zu  Strabon  (167) 747 

82.  zur  Syntaxis  des  Ptolemaios  (145) 748 

83.  zu  Demosthenes  (240) 762 

84.  eine  Übersetzung  des  Paulus  Diaconus  aus  der  griech.  antho- 
logie (280) 764 

86.    zu  Hesychios  (184) !    .    .  766 

86.  zu  TibuUus  (Lygdamus)  (383) 769 

87.  zu  Phaedrus  fabeln  (260) 778 

88.  zu  Pomponius  Mela  (221) 780 

89.  zu  Ciceros  Cato  maior  (128) 781 

90.  zu  Oyidius  metamorphosen  und  Qermanicus  (98) 782 

91.  de  Oermanici  phaenomenon  prooemio  (98) 783 

92.  zum  fünfkampf  der  Griechen  (219) 786 

93.  zur  teztüberlieferung  der  Aristotelischen  politik  (342) 817 

94.  zu  Suetonius  vita  des  Horatius  (124) 844 

95.  zu  Piatons  Menon  (5) 850 

96.  zu  den  Sibyllinischen  orakeln  (285) 861 

97.  die  Trierer  Sallnsthandschrift  (244) 853 


ERSTE  ABTEILUNG 
FÜR  CLASSISCHE  PHILOLOGIE 

HERAUSGEGEBEN  VON  AlFRED  FlECKEISEN. 


1. 

ZUM  PANEGYRIKOS  DES  IS0KRATE8. 


FBlass  (attische  beredsamkeit  III  2  s.  350  f.)  nimt  an,  der 
kyprische  krieg  sei  385  beendigt,  der  panegjrikos  des  Isokrates  380 
herausgegeben  worden,  der  Verfasser  des  ausgezeichneten  Werkes 
wird  es  zweifellos  freundlich  aufnehmen ,  wenn  im  nachstehenden 
der  versuch  gemacht  wird  diese  beiden  ausätze  und  einige  andere  von 
seinen  aufstellungen  zu  modificieren. 

Der  kypflsche  krieg  hat  nach  Diodoros  XIV  98  im  jähre  des 
archon  Nikoteles  (391/90)  begonnen.  Diodors  mitteilungen  über 
den  kyprischen  krieg  gehen  auf  Ephoros  zurück;  fr.  134  findet  sich 
wörtlich  in  XIV  98  vor.  es  spricht  noch  manches  andere  für  diese 
annähme,  wie  Volquardsen  (unters,  über  die  quellen  der  griech.  und 
sicilischen  geschichten  bei  Diodor  buch  XI  bis  XVI  s.  61  f.)  über- 
zeugend nachgewiesen  hat.  es  fragt  sich  nur,  ob  der  obige  chrono- 
logische ansatz  Diodors  richtig  ist.  es  scheint  so.  im  sommer  390 
werden  von  Teleutias  attische  schiffe  weggenommen,  die  nach  Kypros 
iiA  CUfijiaxiqi  Tr|  GuaTÖpou  bestimmt  sind  (Xen.  Hell.  IV  8,  24). 
für  391  als  erstes  kriegsjahr  sprechen  auch  die  folgerungen,  die  sich 
aus  dem  lebenslauf  Konons  und  seinen  beziehungen  zu  Euagoras  er- 
geben. Euagoras  hatte  wesentlich  beigetragen  zu  dem  seesies^e  bei 
Enidos  (Isokr.  9,  56),  er  ist  schwerlich  von  den  Persern  abgefallen, 
solange  sein  freund  sich  bei  diesen  in  leitender  Stellung  befand. 
Konon  wurde  dann  392  (Hell.  IV  8,  16)  von  Tiribazos  gefangen  ge- 
setzt, aber  wahrscheinlich  von  seinem  nachfoiger  Struthas  frei- 
gelassen, da  dieser  augenscheinlich  nach  Kleinasien  gesandt  wurde, 
weil  die  vorschlage  des  Tiribazos  die  billigung  des  königs  nicht  ge- 
funden hatten  (Hell.  IV  8,  17).  da  nun  auch  Deinon  bei  Nepos 
{Conon  5)  der  ansieht  ist,  Konon  sei  damals  entkommen,  so  dürfen 
wir  Lysias  (19,  39  6  xap  Kövujvoc  Gdvaioc  kqI  ai  bia9f^Kai,  Sc 

Jahrbfieher  für  cUss.  philol.  1893  hft.  1.  1 


2  GFriedricb:  zum  pant^gyrikoB  des  Isokrates. 

bieöeto  iv  KuTTpüJ  usw.  §  41  aiitöc  yä^y  iv  Tri  vöcuj  u)v  ei3  q>pov(Iiv 
bl^Öexo)  dabin  verstehen,  dai*2  er  auf  Kypros  gecitorbfn  sei.  es  ist 
nun  schwerlich  grundlos ',  wenn  in  dieser  etwa  388  gehaltenen  rede 
(Blaas  ao.  I  530)  das  vermögen  des  Timotheos  auf  4  talente  ge- 
scbätitt  wird  {Lysias  19,  34.  38).  von  seinem  vater  hatte  aber 
Timotheos  17  talente  geerbt  (19,  40).  es  musle  albo  seit  dessen 
tode  eine  nicht  ganz  kurze  zeit  vergangen  sein,  da  unterdessen 
13  talente  verbraucht  worden  waren,  demnach  wird  Konon  noch 
im  j\  392  frei  gelassen  und  bald  darauf  auf  Kypros  gesiorbtm  sein ; 
vöcui,  wie  Lysias  in  der  oben  cilierten  stelle  andeutet,  wahrschein- 
lich aber  an  den  mishandlungen  und  martern,  die  er  während  der 
gefangenschftft  von  Tiribazos  erduldet,  vveiiigstens  lä.szt  sich  aus 
Diod,  XV  43,  5  dergleichen  vermuten:  UTTOTTieücac  ö  'l(piKpdTT|C 
^fj  cu\Xr|Cp0r|  Kai  xi^ujpiac  lOxri »  KaÖaircp  Kövuüv  ^naOev  6  *AeT)- 
vaToc,  tKpive  Xädpa  q)£UT€iv  ek  toö  cTpaTOTTebou.  auch  würde 
Struthas,  der  die  Athener  begünstigt«  und  den  krieg  gegen  Sparta 
mit  ernst  und  energie  wieder  aufnahm  (Hell.  lY  8,  17),  sich  kaum 
der  dienste  des  Konon  begeben  haben,  wenn  er  nicht  bei  seiner  an- 
kunft  einen  gebrochenen  mann  vorgefunden  hätte.  Konon  wird  nun 
die  Zeitumstände  für  günstig  genug  angesehen  haben,  und  besonders 
eein  groll  gegen  Perftien  wird  grosz  genug  gewesen  sein,  dasz  er  den 
Euagoras  zum  ab  fall  drängte»  der  krieg  wird  also  wirklich  391  be- 
gonnen haben  entsprechend  dem  ansatze  dee  Diodoros. 

Der  krieg  wurde  von  den  PerBera  lässig  geführt;  Euagoraf?, 
dor  sich  mit  dem  könig  Akoris  von  Ägypten  verbündet,  konnte  sich 
sogar  der  stadt  Tyros  bemächtigen  (Öiod,  XV  2).  "beim  friedens- 
schlusse  des  Antalkidas  aber  wurde  er  dem  könig  preisgegeben 
(Isokr.  4,  141  ev  bfe  xaTc  cuv0r|Kaic  fKbOTOc  kxiv-  Hell.  Y  1,  31). 
der  könig  war  nun  im  stände  alle  seine  kräfte  gegen  ihn  zu  richten 
(Diod*  XIV  110)^  386/5  ziehen  die  Peröer  unter  Tiribazos  und 
Orontes  gegen  ihn,  in  einer  Seeschlacht  wird  er  besonders  durch 
das  feldhermgeschick  von  Glus,  des  Tiribazos  Schwiegersohn,  ge- 
schlagen (Diod.  XV  3)  und  dann  in  Salamis  eingeschlos^sen.  heim- 
lich gebt  er  dann  nach  Ägypten,  indem  er  seinen  söhn  Pnytagoras 
in  Salamis  zurücklä^izt,  385/4  (Diod,  XV  8)  kehrt  Euagoras  au^ 
Ägypten  zurück»  nachdem  er  daselbst  zwar  neue  mittel  erhalten» 
aber  nicht  so  viel  wie  er  erwartet  hatte,  so  läszt  er  sich  denn  mit 
Tiribazos  auf  Verhandlungen  ein,  die  sich  indessen  zerschlagen »  da 
er  den  könig  nur  als  Suzerän^  nicht  als  souverän  anerkennen  will, 
inawischen  wird  Tiribazos  von  Orontes  beim  könig  verleumdet ,  er 
mnsz  das  beer  verlassen  und  w^ird  später  einer  gerichtlichen  nnter* 
Buchung  wegen  bocbverrats  unterworfen,  der  zurückbleibende 
Orontes  siebt  siich  durch  die  meuterei  des  beeres^  das  dem  Tiribazos 
ergeben  war,  veranlasst  dem  Enagora«  auf  seine  eignen  bedingungen 

^  der  Sprecher  mu  der  scb träger  des  AristophaoeSi  des  aohncB  dea 
Nikopbemoft,  des  intimen  freundes  des  Koaon ,  und  bat  somit  ofenbar 
zum  bekannteD kreise  des  Timc^tbeos  gehiJri, 


GFriedrich:  £am  panegyrikos  des  Isokrates.  3 

bin  frieden  zu  gewähren,  nach  dem  abschlasz  desselben  ÜLllt  Glos 
aus  furcht,  in  die  voraussichtliche  katastrophe  seines  Schwieger- 
vaters verwickeh  zu  werden ,  vom  könig  ab  und  knüpft  seinerseits 
mit  Akoris  von  Ägypten  beziehungen  an  (Diod.  XV  8  f.).  danach 
gienge  also  der  kyprische  krieg  385/4  zu  ende,  und  er  hätte  6  jähre 
gedauert. 

Die  zehnjährige  dauer  desselben  wird  aber  ausdrücklich  be- 
stätigt von  Isokrates  und  Diodoros:  Isokr.  9,  64  ^xxxxopq,  b€  TioXe- 
fir)cac  fxTi  biKa  tujv  outoiv  KÜpiov  auTÖv  KareXiTrev,  divirep  fjv  Kai 
npiv  €ic  TÖv  TröXefiov  eiceXöeiv.  Diod.  XV  9,2  6  ^€v  ouv  KimpiOKÖc 

7l6X€|iOC  b€Ka€Tf|C  CX€bÖV  T€TtVTm€VOC  Kttl  TO  TlXcOV  TOÖ  XPÖVOU 

Tiepi  7rapacK€udc  dcxoXriOeic,  biexfi  xpovov  xöv  im  Tiäci  cuve- 
XtüC  TToXe^TiGeic  toutov  töv  xpÖTrov  KareXtiOT].  eine  längere  dauer 
virürde  auch  den  Verhältnissen  entsprechen,  thatsäcblich  schlieszt 
Euagoras ,  indem  er  nur  Salamis  (Diod.  XV  9,  2)  behält,  einen  un- 
günstigen frieden,  von  all  den  hoffnungen,  mit  denen  jedenfalls  der 
krieg  begonnen,  hat  sich  keine  erfüllt,  durch  den  Zwiespalt  der  be- 
fehlshaber  jedoch,  besonders  dann  auch  durch  den  abfall  des  Glus,  der 
wohl  nicht  erst  nach  abschlusz  des  friedens  erfolgt  sein  wird  (denn 
er  steht  offenbar  in  Zusammenhang  mit  der  früher  erzählten  Unzu- 
friedenheit des  heeres),  durch  all  diese  umstände  veränderte  sich  die 
läge  bedeutend  zu  Euagoras  gunsten.  es  lag  nahe,  dasz  er  sich  mit 
Glus  verband ,  und  dann  war  die  krisis  nicht  nur  überwunden,  son- 
dern zu  seinem  vorteil  gewendet,  also  trotz  der  bestimmten  be- 
hauptung  Diodors  spricht  alles  dafür,  dasz  der  krieg  über  den  von 
ihm  angegebenen  Zeitpunkt  fortgedauert  hat. 

Bei  diesen  Vermutungen  müste  es  sein  bewenden  haben,  wenn 
nicht  der  parallelbericht  desTheopompos  in  einem  excerpt  desPhotios 
(cod.  s.  176  Bk.)  erhalten  wäre,  daselbst  heiszt  es  s.  120*  14  ff.: 
Kai  7r€pi€X€i  6  öujbe'KaTOc  Xötoc  Trepi  xe  TTaKubpioc  xoö  Aitutttiujv 
ßaciX^ujc,  ujc  Trpöc  le  touc  BapKaiouc  ^CTreicaTO  Kai  uTrepGuaröpou 
fTipaiTe  TOÖ  KuTrpiou,  ^vavxia  Tipdxxujv  xip  TTepcij.  6v  xe  xpoTiov 
Tiapd  böEav  GuaTÖpac  xnc  Ku7rpia»v  dpxnc  CTreßii,  'Aßbu^ova 
KaxacxuJV  xöv  Kixiea,  xaüxric  ^rrdpxovxa.  dann  *  22:  öttujc  xe 
ö  ßaciXeüc  GuaTÖpa  cuve7reic9ii  TioXe^ficai,  cxpaxriTÖv  ^mcxricac 
AüxoqppobäxTiv  xöv  Aubiac  caxpdiniv,  vaüapxov  öe  '€Kaxö^vuiv  • 
KCl  Tiepi  xfic  eiprivTic,  f\v  auxöc  xoTc  ''tXXiiciv  dßpdßeucev.  Sttuic 
xe  TTpöc  GuaTÖpav  dmKpax&xepov  diroXe^ei  kcu  irepi  xfic  ^v  KÜ7rpu> 
vau^axiac  •  Kai  ibc  'AOrivaiujv  i]  ttöXic  xaic  npöc  ßaciXea  cuvOriKaic 
dTreipäxo  d^fi^veiv,  AaKebaijiövioi  bl  uTi^poTKa  qppovoövxec  irape- 
ßaivov  xdc  cuv9nKac  •  xiva  xe  xpÖTiov  xf|v  ^m  'AvxaXKibou  ?9evxo 
eiprivTiv  •  Kai  ujc  Tipißa2Ioc  dTToXe^ncev,  ömuc  xe  €öaTÖpa  dTreßou- 
Xeucev,  öttujc  xe  auxöv  GuaTÖpac  Tipöc  ßaciXea  biaßaXujv  cirv^- 
ßaXe  ^ex*  'Opövxou  koi  ibc  NeKxevißioc  irapeiXnqpöxoc  xf|v  AItüttxou 
ßaciXeiav  npöc  AaKebai|ioviouc  irp^cßeic  dire'cxeiXev  GuaTÖpac 
xiva  xe  xpÖTTOv  6  irepi  Küirpov  auxuj  7röXe|ioc  bieXuOn.  ^  3 :  eTxa 
xiva  xpöxov  "AKUjpic  6  AiipiTmoc  Tipöc  xoüc  Tlicibac  diroiricaxo 


GFriedrich:  zürn  panegyrikoa  des  Isokratee. 


cu^^axiav,  irepi  t€  rfic  x*JLjpac  aöiujv  Kai  tujv  *Ac7T€vbiLuv.  die 
reihen  folge  der  ereignisse  ist  dieselbe.  Dach  dem  Antalkidas-frieden 
werden  die  Operationen  gegen  Euagorat»  mit  gröszerm  nachdruck 
aufgenommen,  eine  Seeschlacht  wird  geliefert,  dann  findet  sich  ganz 
fihnlich  wie  bei  Diodoroa  (XV  5)  die  notiz  eingeschoben,  dasz  die 
Spartaner  die  bestimmungen  des  königsfriedens  verletzt*  darauf 
fortgesetzter  krieg  des  Tiribazos.  bei  Pbotios  beiszt  es  dann  weiter: 
ÖTiuJc  T6  Cijatöpqi  ^TreßouXeucev,  öttlüc  bk  auxöv  CüaTopac  irpöc 
ßaciX^a  biaßaXüüv  cuveßaXe  ^€T*  'Opövtou.  in  der  enibprechenden 
stelle  Diodors  (XV  8,  3)  steht,  Orontes  habe  den  Tiribazos  beschul- 
digt, dasz  er  Tipicßeiac  npocbcxciai  iiap*  auTOu  (Euagoras)  Ktti 
cuXXaXfci  ncpl  KoivoTTpairiac,  öpotuDC  bt  küx  npöc  AaKEbaipoviouc 
cuvTiOexai  cu^fiaxiav  ibiqi,  (piXoc  u>v  auriüv.  ganz  ohne  anhält 
werden  diese  beschuldigongen  des  Oronteä  nicht  gewesen  sein,  und 
wie  in  aller  weit  soll  Euagoras  den  Tiribazos  beim  groszkönig  haben 
verleumden  kennen?  der  Sachverhalt  springt  sofort  in  die  äugen, 
wenn  man  die  berichte  der  beiden  historiker  combiniert.  die  Unter- 
handlungen zwischen  Tiribazog  und  Euagoras  haben  sich  zerschlageu. 
darauf  greift  jener  zu  einem  andern  mittel:  cuXXaXei  Tiepi  koivo- 
irpaTloiC,  er  spiegelt  dem  Euagoras  vor,  dasz  er  abfallen  wolle^  um, 
wie  einst  Tisi^&phemes  den  Klearcbos,  wie  später  Mitbradates  den 
Datames  ( Nepos  Da^  10  f.),  den  Bnagoras  sicher  zu  machen  und 
durch  hinterlist  in  seine  gewalt  zu  bekommen.  Euagoras  durch- 
schaut diese  ranke ,  und  da  ihm  die  eifersucbt  der  beiden  oberfeid- 
berrn  schwerlich  ein  geheimnis  geblieben,  liefert  er  dem  Orontes 
mit  des  Tiribazos  briefen  die  mittel  denselben  zn  verderben,  man 
stellt  sieb,  als  seien  die  vorschl&ge  des  Tiribazos  ernst  gemeint 
gewesen,  die  anklage  aber  betreffs  der  Lakedaimonier  bezieht 
eich  offenbar  auf  die  frühern  Verhandlungen  mit  Antalkidas  (Hell. 
IV  8,  12  ff.),  wie  die  Verteidigung  des  Tiribazos  beweist  (Biod. 
XV  10,  2).  da  nun  die  aufldsung  im  persischen  beere  beginnt  und 
Glus  abfällt,  so  erhält  Euagoras  loft:  er  bricht  die  Unterhandlungen 
mit  Orontes  ab  und  weisz  sich  seiner  gegner  zu  erwehren ,  bis  ein 
neuer  könig  in  Ägypten  aufkommt,  der  mit  der  befestignng  der 
eignen  her»cbaft  genug  zu  thun  hat,  so  dasz  er  an  Unterstützung 
«Ines  auswärtigen  fürsten  nicht  denken  kann,  nachdem  Euagoraa 
dann  noch  vergebens  bei  den  Spartanern  angeklopft,  macht  er  mit 
Fersien  seinen  frieden,  Kai  ibc  NeKXevißioc  TTapeiXi](pÖTOC  Tr|V 
AItwtttou  ßaciXciav,  heiszt  es  bei  Photios-Theopompos.  da  nun 
nach  Diod.  XV  9,  3  Akoris  am  schlusz  der  unter  385/4  erzählten 
ereignisbe,  soweit  sie  Ägypten  beireffen,  noch  am  leben  ist,  miisz 
der  kypribche  krieg  über  385/4  hinaus  fortgesetzt  worden  sein. 
Nektanabis  wird  bei  Diod.  XV  42  zuerst  unter  dem  j.  374/3  er- 
wähnt, Akoriü  (XV  29)  zuletzt  unter  dem  >  377/6.  danach  wäre 
Nektanabis  zwischen  377  und  374  könig  von  Ägypten  geworden, 
und  der  kyprische  krieg  hätte  etwa  bis  376  gedauert,  dann  kämen 
aber  weit  mehr  als  10  jabre  heraus,  wenn  wir  nicht  den  regierunga- 


MTV«?  de§  3ifiramifcfaK  irfiäiBr  unseaasL  : 

ist  iwwr.^t^  ^77'^  CäiünK  be:   ^knnf::  i 

2^  aber  sitfa:  S^toe    Obo^.  ±.  1^ 

rnyw  fs  fioas^ÖMif  niiac  be:  Akiir&.  sanösa.  be.  J^äGoeiae. 

iarm  ds  ^w«»Tiwtw>  kbnr:  üOiozi  wl  ää.  nusbr  ai.  IKactsniD^    mt  not 

l^xbopanqrt3i  b&  Pbotiiä.  xe  aii  sl  3^«clBIlrä[I£^  be.  1iiihiibiq&    Iniae 

isa  S^fto^  Ohflär.  S.  f — 4  bd^  nwir.  lüo:  tmsK  ibt  O^iAnnnKc:  ii& 

l^i0Cif»an^»D£  araxammBL    t^  A'äHn».  XU  i»S^ '  ::  md.  su^a.  sonc 

ist  £fis&  1^  biii±  bei  gTStüimg  ligrjKaiäisr  gr^ippHirfi:  tul  l^^ini' 

bemrtß  vordäiL  si. -JUiBE.  ^  -  f.    Tp_  AiielZI  3^*^.  XT^"  tHTT*,. 

«e  ^Hm  Bomh  kfiniffir.  zmfsS&.  inrarnBsgsx^.  ons  xzifiL  ä^  2ht  znsr 

W^njiKi   inircffisi  HOC   migs  «a^sr  isnc:  nots  fibc  Cäi 

biih  bed  Sekaoffibk  vs&  msKen:  ISx  iueök:  esmnnnusL  isl 

g¥veaeiL     qk  mm  iiki  zws:  jmsübBii..   äs:  i»ems:  an:  ^Tmsavompm: 

Twibif  frobfir  sesaBii  ak  KT7.  q&  -s  aber  aiUDbe5'^iei&  i™rLMM»  bssanxc 
isL  di£i  I^odnr&ft  •»  be:  seiiKr  gnTTiprarünr  juän  irnrntr  ^sbkl  nma. 
das  BT  bfiBcmöfirF  szi:  ^x  ^»"™^*«*«"  jösdi  ^m  mopeiii.  ir^  ^laieiBi  ^ 
anüBtg  nr^&l,  äuz  Jw^SKnabk  'vrr^iH!!.  irünsr  kani^  ^»üfö*a:  «pf 
nrar  ihl  em  bBSücasüiidieir  irfibflr  ak  ^TTT.  imiDinehar  nemiigx.  vcr 
der  ixafa^äxsmhm^  ö&  ^TmäruBt  auf  woibki:  ost  TmeaaiaMuyt  vnrc 
ran  Dtod.  XT  ^  m:  ^rfinoimi:  aa§  sv^eissx  aeebimä»  «rrzäsii  OMMir 
aber  fSuh  bf^CTimn  en.  jaöxr  irübe^.  in  qk  anämnaa:  üar  JKazifiziiiaiir 
Z7B  7.  &  abbenzfonr  üs  Cäiabr^  i^ng:  &i#^  mi:  disHen-  es^ugm^ 
iBiQg  yiwaiiiiiiflr.:  oanx.  ansörüficnei:  hasaz  ^k  iL.  üssl  ;pmnaiiän& .  m 
dsn  äs  leiSBDdeB  fnmöi^izf-  o»  nsoeL  mmäei^  aiia^!»)tffzruexHx  swr. : 
UV  TIC  ^ouIlsttec  tut»  ^O^ikiTyiin  r  tüh  fiapBaptm  tüa  ^  im^tpiv 

""AtdrjvBdii^v  ouuibxk  ^vsd  cce:  tut»  ruuiinxu^  -eg^wn:  furrui  ^^ 
GBss&h  'der  rweiit  aLbeiziümH:  bnnc^  jkorrt.  nsqm^  x#l  Vx  «^  -6*5»^ 
xfiaa  vdDsc  aisi'  moer  aBai  umslaziaei:  ^vs^nteiiffic .  öa&  übt  srwsr 

1^0  ao^  äjt  zuT^skxtBnänii^  oot  Cimbnae  ^smi^*..  mti.  «iü:  niniff 
dpsnsnaf»  in  mt  rw^h^e  bSJfit:  vm:  n^  |»ieiz:  fgerasL.  ai«r  ^obk 
^crze  zedl  Laui.  Cäsabria^  fiii:i.  m  A^j^pisL  ncän  *«^^»?w<*-*n  ijs:i»!a;^ 
ocss  XffiOE  aL.  fiaffi:  finmiM.  &  amgmmt.  usc  I^fauutfliHai^  150,71: 
öv  ^tfv  orv  Tpörm  laiai  c^u»  :  CäiatE-Är  -njitti  cmnrnc:  ^^7=5*1^ 
irovvf}cioic  TTB^uiEiir  €i  Bt^oii  .  cbl  lui  Tuprunn»  tm**rs5^¥£» 
ev  AiTTin^  «m  6t^  €»  Kun^  TpCTnxT  trmßs»  «a.  üttc  tbit  ev 
Axtinrni;  i2Ffr.  äk  leis^f-  si>iiLkr  MfWfüg:  zugiengi  .  Uksi  S^jfruosiifjtr 
i2sii77t£Uir  nr :  öeim  ok  z^röitac  kmmsL  nur  ^FfifFCo:  jzuKrrir  i^zmot 
ernth'uet  wnrösm  sebi.  veni^sSiBiii  :s:  "^m.  eix^iOL  zugt  wr  t^sfw^ 
Bac^  A^jpteB  lax*  ^T?*  nkiis^  btäEamn..  crkiSs:h^iu&  w»:i^  -.  nae^ 
des  an^uiainiissii.  ok-  21mm  ^i^pei.  ^üagtcift  ^FBrnasm .  wjrt  wimk 
eoK  aerramE^  aämeörxmg  fFesFBC  kn£^;er»caftr  nmeniebipprig»g.  «is^ 


6 


GFriedriuh:  zura  panegyrikas  des  leokrates. 


getreten  sein,  man  bort  nur  immer  von  rüstungen  gegen  Ägypten, 
die  aber  nie  z\a  ende  kommen  (Nepos  Dat.  3»  5.  Diod.  XV  29.  41). 

Aus  dem  allem  aber  folgt,  dasz  man  wohl  den  regieriingö- 
antritt  des  Nektanabis  früher  ansetzen  darf,  und  es  wird  seine 
richtigkeit  haben,  das?.  Euagoras  sich  bis  zu  diesem  ereignis  hielt, 
dasz  er  dann  aber  die  heffiiung  auf  ein  völliges  gelingen  seiner  plane 
aufgab  und  sich  Artaxerxos  unterwarf,  dies  wird  spätestens  anfang 
381  geschehen  sein,  nachdem  der  krieg  b€Ka€Tfic  cx^hov  gewesen 
war  (Diod.  XV  9,  2). 

Und  wie  ist  Diodors  irrtum  entstanden?  es  ist  einleuchtend, 
dasz  Ephoros,  der  in  30  hü  ehern  die  gei^amte  geschieh  te  von  der 
Wanderung  der  Herakleiden  bis  340  darstellte,  in  einzelnen  partien 
nicht  öO  ausführlich  sein  konnte  wie  Theopompos,  der  in  70  büchern 
die  zeit  von  411  an  behandelt  hat.  Ephoros  hat  also  zweifellos  anti- 
cipierend,  wie  etwa  Xenophon  die  BcTTaXiKd  (Hell.  VI  4,  33  ff.), 
die  geschichte  ganzer  Jahre  in  Einern  atem  dargestellt.  Diodoroa  hat 
dies  beibehalten ,  ihm  ist  indessen  vielfach  entgangen ,  dasz  es  die 
ereignisse  mehrerer  jähre  waren,  die  er  da  in  6inem  zusammenhange 
behandelt  fand,  und  erbat  das  ganze  unter  ein  einziges  Olympiaden- 
jähr  gebracht,  obgleich  nur  das  eingangsereignis  oder  das  baiipt- 
factum  darunter  gehörte,  in  unserra  falle  wurde  er  durch  die  werte 
bietft  XPÖVOV  TÖV  ^Tii  näci  CUV€XU)C  TToX€^T|0€ic  (Diod.  XV  9,  2)» 
die  wahrscheinlich  so  bei  Ephoros  geständen  haben ,  noch  ganz  be- 
sonders irregeleitet,  da  er  annehmen  muste,  mit  den  zwei  jähren  sei 
der  ganze  krieg  zu  ende  gewesen,  während  doch  nur  die  zusammen- 
hängende  energische  kriegfübrung  gemeint  war  im  gegensatz  zu 
der  frühern  und  nachfolgenden  desultorischen. 

Yergleicben  wir  nun  mit  dem  gefundenen  ergebnis,  dasz  der 
kyprische  krieg  von  391  bis  spüteatens  anfang  381  gedauert  hat, 
die  in  betracht  kommenden  stellen  des  panegyrikos. 

§  r2«i  Tfjv  jiiv  T€  MavTiv^uiv  ttöXiv  eipfivTic  ^bn  fCTtvriM^vnc 
dvctCTaTOV  dtroiTicav  (die  Spartaner)  icai  xr^v  Örigaiu^v  Kab^tiav 
KWTAaßov,  KQi  vöv  "OXuvOiouc  Kai  0X€iadouc  TTOXlOpKOijClV, 
'AfiuvTot  bi  Tuj  MäKebövoiv  ßactXei  Kai  Aiovuciu)  tu)  CiKeXiac 
Tupdvvuj  Kai  TUJ  ßapßdpuj  T(\nf\c  *Aciac  xpaToövTi  cufiirpaTTOuciv, 
Öiruüc  WC  fJ€TiCTTiv  dpxrjv  ^Eouciv.  die  Kadmeia  wurde  383  besetzt, 
379  befreit,  in  dem  letztern  jähre  wurde  Olynth  bezwungen,  die 
belagerung  von  Phlius  begann  381,  die  Unterwerfung  fand  nach 
dem  zusammenbange  bei  Xenophon  (Hell,  V  3,  10  C)  auch  wohl 
erst  379  statt,  mit  Amyntas  kamen  die  Spartaner  in  freundliche 
beziehungen  durch  ihren  kämpf  gegen  Olynth,  nach  Diod.  XV  23 
Bchlossen  380/79  Dionysios  und  Artaxerxea  bündnisse  mit  Sparta. 
§  126  ist  also  380  geschrieben,  als  der  krieg  gegen  Euagoras  längst 
beendigt  war. 

§  141  ^erd  be  raux*  ^tt*  6uatöpav  cxpaTeücac,  8c  apx^^  M^v 
|iiäc  TTÖXeuJC,  iv  bk  xaic  cüv9riKaic  f^boTÖc  ^cxiv,  oIkültv  bk  vfjcov 
Kaxd  iLifev  edXoTTav  irpobebucTiixTiKev^  vnkp  bk  Tfjc  x^pac  Tpicxi- 


GFriedrich:  zam  panegyrikos  des  Isokrates.  7 

Xiouc  Ix^i  ^övov  TreXTacrdc,  dXX*  Smuc  oötuü  raireivfic  buvdM€U)C 
ou  buvarai  ir€piT€V€c6ai  ßaciXeuc  TioXemliv,  dXX'  f\br\  jifcv  S£  iTT\ 
biaT€Tpiq)€V,  €1  bk  bei  rd  jieXXovra  toic  TeT^vimevoic  T€K^oup€c6ou, 
TToXu  TiXeiuiv  iXmc  iciw  ?T€pov  dTrocrfivai  Tipiv  dxeivov  dicrro- 
XiopidlOfivai.  380  konnte  nicht  gesagt  werden ,  dasz  der  krieg  sich 
aller  voraossicht  nach  noch  lange  hinziehen  werde,  denn  seit  einem 
jähre  war  er  beendigt,  nnter  diesen  amstSnden  ist  es  anch  unmög- 
lich, die  6  jähre  von  der  Seeschlacht  386  an  zu  rechnen,  es  ist 
eben  kein  krieg  mehr,  schon  381  wären  es  nur  5  jabre.  die  6  jähre 
müssen  demnach  vom  beginn  des  krieges  391  gerechnet  werden, 
§  141  ist  385  geschrieben,  und  zu  diesem  Zeitpunkt  stimmt  auch 
alles  übrige  was  in  dem  §  steht 

Nach  §  134  Toiv  CTpoTOTreboiv  toTv  Tiepi  KÜTipov  ^di^ev  ai- 
TÖv  TOI  fi^v  xP^cöai,  TÖ  bk  TToXiopKeTv,  dMq>OT€poiv  auTOiv  Tf\C 
*eXXdboc  6vT0iv  und  §  135  tujv  xe  ^cxd  Tipißd2Iou  CTpareuo^^- 
vuüv  KOI  Toö  ireloö  xö  xPIcimiiTarov  ix  TÄvb€  toiv  töttujv  fjOpoi- 
crai  usw.  ist  der  krieg  noch  in  vollem  gange,  Tiribazos  ist  sogar 
noch  beim  beere,  die  beiden  stellen  müssen  also  auch  385  ge- 
schrieben sein. 

§  160  £f.  wird  behauptet,  der  gegenwärtige  Zeitpunkt  sei  be- 
sonders geeignet  einen  krieg  gegen  Persien  zu  beginnen.  Ägypten 
und  Kjpros  ist  abgefallen ,  Tjros  ist  in  der  band  seiner  feinde,  es 
kann  nur  in  der  gewalt  des  Euagoras  sein ,  der  Tjros  während  des 
krieges  genommen  (Diod.  XV  2,  2).  auch  nach  dieser  stelle  ist 
jedenfalls  der  kyprische  krieg  noch  nicht  zu  ende,  und  wenn  §  162 
gesagt  wird :  *6KaT6^vu)c  b*  6  Kopiac  ImcraQyLOC  rf}  ^ev  dXriOeicji 
TToXuv  fjbn  xpövov  dq)^CTT]K€V,  ÖMoXoTiicei  b*  ßiav  fmeic  ßouXTiedi- 
fi€V,  so  ist  das  genau  dasselbe,  was  Diod.  XV  2  unter  dem  j.  386/5 
berichtet:  Tiap*  *6KaTÖ^vou  bk  toö  Kopiac  buvdcTOu,  XäBpq,  cu^- 
irpdTTOVTOC  ouTui,  XPnMOTUJV  Aa߀  (Euagoras)  TiXfiGoc  eic  biaipo- 
q)f|V  EeviKUJV  öuvd^€U)v.  die  worte  aber  §  153  touc  bk  ^€6*  auTiüv 
(den  Persem)  elc  KÜTrpov  CTpaT€uca|i^vouc  ^dXXov  f\  touc  aiXMCi^^- 
TOUC  ußpiZov  müssen  nicht  durchaus  so  gefaszt  werden,  als  ob  der 
ganze  kyprische  krieg  beendigt  wäre;  es  ist  vielmehr  bei  CTpaTCU- 
CQfX^vouc  wie  bei  CTpaTCUCac  in  §  141  an  einen  einzelnen  feldzug 
zu  denken,  wie  ja  auch  die  andern  in  §  153  angeführten  beispiele 
hervorragende  einzelfiLlle  sind,  wahrscheinlich  ist  an  die  CTdcic  der 
fiicdoq>öpot  TOIV  TTtpcÜJV  bei  Diod.  XV  3,  2  zu  denken ,  die  Glus 
und  die  andern  feldherm  mit  mühe  unterdrückten,  freilich  war  da 
die  persische  leitung  an  der  not  des  heeres  nicht  unmittelbar  schuld 
gewesen,  aber  Isokrates  ist  in  solchen  dingen  nicht  gewissenhaft, 
wenn  es  nur  sonst  seiner  tendenz  entspricht,  eine  reihe  von  stellen 
des  panegyrikos,  und  nicht  nur  §  141 ,  ist  also  derart,  dasz  sie  385 
verfaszt  sein  müssen,  während  §  126  nicht  vor  380  geschrieben  sein 
kann,  es  fragt  sich  nun,  hat  Isokrates  den  panegyrikos  380  heraus- 
gegeben und  hat  er  die  disharmonien  nur  unausgeglichen  gelassen, 
oder  wurde  die  rede  385  oder  384  herausgegeben  (und  der  ton,  die 


8 


GFriedricb:  zum  panegyrikoB  des  Isokrates. 


Terhältnisse  Schemen  dafür  zu  sprecben)  und  wurden  dann  die 
§§  122—132,  deren  scbärfe  auch  sonst  gegen  den  concilianten,  ja 
diplomatischen  ton  der  Übrigen  rede  abstiebt»  erst  später  einge- 
schoben oder,  was  wahrscheinlicher,  in  ihre  jetzige  Fassung  gebracht 
und  —  sollten  sie  als  zu&atz,  als  Änderung  empfunden  werden  ? 

An  diesem  punkte  der  Untersuchung  kommt  von  anderer  saite 
eine  hilfe.  es  ist  nemlich  längst  die  frappante  ähntichkeit  bemerkt 
worden,  die  zwischen  paneg.  §  139  und  HelL  V  1,  36  besteht,  dort 
heiszt  es:  et  bfe  toOto  m^v  jitfi  yetovev»  dvTmdXojv  5*  Svtuuv  f||uu)v 
Ktti  AaKebaijLioviaiv  irpocB^jievoc  toTc  diepoic  €7TiKubeCT€pa  rd 
npdtMCt'r**  OdTep'  ^Tioiricev,  oubiv  €cti  toöto  cT))uteov  ific  ^kcivou 
^db)ir]C.  iv  tdp  TOic  toioütoic  xaipok  TToXXdicic  ^ixpai  buvd|neic 
^etdXac  tdc  ^oirdc  ^noiricav:  dagegen  HelK  V  1,36:  dv  bk 
TUJ  noXt^üj  ^idXXov  ctvTippÖTTmc  toTc  evavTioic  TTpaitovrcc  oi 
AaKtbaijLiövio L  ttoXü  ^TTiKubecrepoi  ete vovto  ^k  tfic  in'  'AvraX* 
xlbou  cipfivTiC  KaXou|ievT]c.  auffällig  ist  besonders  das  wort  im- 
Kubfic,  das  innerhalb  der  attischen  prosa  nur  an  diesen  beiden  stellen 
vorkommt,  da  es  nun  auch  in  bezug  ayf  dasselbe  ereignis  gebraucht 
wird,  so  ist  eine  beziehung  zwischen  den  beiden  stellen  nicht  abzu* 
weisen. 

Vielleicht  hat  Isokrates  den  Xenophon  benutzt?  es  scheint 
nicht  so,  denn  die  Anabasis  bat  er  offenbar  nicht  gekannt,  er  spricht 
§  146  von  6(X)0  Söldnern,  die  d^n  berühmten  rQckzug  ausgeführt; 
wahrend  es  noch  in  Kerasus  (Anab.  V  3,  3)  H600  waren,  und  wenn 
Isokrates  §  146  ferner  meint,  diese  siSldner  seien  oÜK  dpiCTivbriV 
^TT€iX€T^€VOi ,  dXX'  0*1  bid  «pauXoTiiTOC  ^v  imc  outojv  oux  oioi  T€ 
ficav  Cfiv,  so  berichtet  Xenophon  (Anab.  VI  4,  8)  gerade  das  ent- 
gegengesetzte: TU>v  Tdp  CTpaTitumv  oi  TiXeTcTOi  ^cav  ou  cirdvci 
ßiou  dKTTeTTXeuKÖtec  im  xauTriv  iriv  ^icOocpopdv  usw.  erst  40  jähre 
später  in  der  rede  an  Philippos  (§  W  f.)  seheint  Isokrates  auf  die 
Anabasis  bezug  zu  nehmen,  gerade  die  widersinnige  behauptung, 
der  könig  habe  den  söldnern  versprochen  sie  ^vxeXf]  tov  ^icOöv 
dirobouc  dTTOTr^|i^J€iv»  spricht  dafür:  denn  in  diesem  zusammen- 
hange steht  evTcXf^  tov  picGöv  weder  in  der  Anabasis  des  Xenophon, 
noch  kann  es  so  in  irgend  einer  anabasis  gestanden  haben,  man 
darf  annehmen,  dasz  Isokrates  den  Xenophon  nicht  vor  sich  hatte, 
als  er  jene  stelle  schrieb,  und  ^o  scheint  dvieXfi  tov  picööv  eine 
deplacierte  reminiscenz  an  Anab,  I  4,  13  zu  sein-  da  verspricht 
Kyros  den  Griechen  tov  fiicOöv  dvTeXii  ju^Xpi  äv  KaTacTricr|  touc 
"EXXnvac  eic  *lujviav  naXiv. 

So  wenig  aber  wie  auf  die  Anabasis  nimt  Isokrates  bezug  auf 
die  Hellenika,  denn  §  144,  wo  er  offenbar  in  cbronologischer  reiben- 
folge  zu  verfahren  beabsichtigt,  nennt  er  den  Derkylidas  vor  Thibron. 
Drakon  wird  zwar  Hell,  III  2,  11  in  Verbindung  mit  Atarneus  ge- 
nannt, aber  das  ist  auch  das  einzige;  alles  übrige  was  Isokrates  mit- 
teilt steht  nicht  dort*  dasz  Agesilaos  mit  hilfe  der  Kjreier  beinahe 
ttber  den  Halys  gegangen,  brauchte  er  naltlrlich  nicht  von  Xenophon 


GFriedrich :  zum  panegyrikos  des  Isokrates.  9 

zu  erfahren,  auch  die  bemerkung  (§  153),  die  Perser  hätten  das 
heer  des  Agesilaos  acht  monate  unterhalten,  steht  so  nicht  bei  Xeno- 
phon,  der  Hell.  III  5,  26  von  40  talenten  spricht,  die  Tithraustes 
dem  Agesilaos  gegeben. 

Ist  demnach  Xenophon  nicht  von  Isokrates  benutzt  worden,  so 
musz  ^as  umgekehrte  angenommen  werden,  dafür  beweist  zunächst 
die  evidente  Übereinstimmung  von  Hell.  VI  5,  46  f.  mit  paneg.  54  ff. 
hier  ist  ja  jede  benutzung  des  Xenophon  seitens  des  Isokrates  aus- 
geschlossen, ferner  bemerkt  Blass  ao.  11  448  f.,  dasz  die  Hellenika, 
wenigstens  in  den  fünf  letzten  büchern ,  einen  bedeutenden  einflusz 
des  epideiktischen  stils  merken  lassen,  eine  für  Xenophon  auffällige 
glätte  und  fülle  der  periodik,  zugleich  eine  subjective  färbung,  eine 
Vermischung  von  geschichtserzählung  und  tadel-  und  lobrede.  die 
Sätze  erschienen  auch  eher  würdevoll  und  prunkend  als  schlicht  und 
anmutig;  doch  seien  sie  nach  Isokratischem  maszstab  keineswegs 
untadellich  gebaut,  es  sei  halbentwickelte  epideiktische  Schreibart, 
das  ist  alles  vollkommen  zutreffend  und  im  falle  des  Xenophon  be- 
sonders erklärlich,  da  er  die  reden  des  Isokrates  nur  in  der  ferne 
studieren  konnte,  dagegen  an  dem  Unterricht  des  meisters  niemals 
teil  genommen  hat.' 

Fem  er  hat  Bosenstiel  in  einer  Göttinger  diss.  von  1882  (de 
Xenophontis  historiae  graecae  parte  bis  edita)  die  bemerkung  ge- 
macht^  dasz  Xenophon  in  der  Kupou  Tiaiöeia  und  der  Anabasis  vor- 
wiegend ä^q)i  m.  acc,  SirecOai  und  fi€iwv  gebraucht,  dasz  dagegen 
in  den  Hellenika  fieiov  nur  Einmal  vorkommt,  Tiepi  m.  acc,  dXdrrujv, 
äKoXouGeiv  an  der  mehrzahl  der  stellen  steht,  letzteres  aber  ist  der 
attische  gebrauch;  bei  Isokrates  kommen  dfiqpt  m.  acc,  SnecOai, 
)i€iujv  gar  nicht  vor. 

Nach  diesem  allem  ist  eine  abhängigkeit  des  Xenophon  von 
Isokrates,  nicht  aber  das  umgekehrte  Verhältnis  anzunehmen,  paneg. 
§  139  musz  also  vor  Hell.  V  1,  36  geschrieben  und  veröffentlicht 
sein,  es  wäre  demnach  für  die  vorliegende  frage  von  der  grösten 
Wichtigkeit  zu  wissen,  wann  diese  stelle  der  Hellenika  verfaszt 
worden  ist. 

Die  ab  Fassung  von  Hell.  I — V  1,  36  wird  von  WNitsche  (über 
die  abfassung  von  Xenophons  Hellenika,  Berlin  1871,  s.  6)  früher 
gesetzt  als  die  der  nächsten  bücher  und  zwar  in  das  jähr  384.  von 
Hell.  I  —  II  3,  10  kann  man  mit  groszer  bestimmtheit  behaupten, 
dasz  der  ansatz  nicht  zutrifft,  wie  der  unterz.  in  einem  andern  zu- 
sammenhange nachzuweisen  hofft.  Hell.  11  3,  11  —  V  1,  36  sind 
aber  wahrscheinlich  in  dem  angegebenen  jähre  verfaszt.  hiergegen 
polemisiert  ESchwartz  (quellenuntersuchungen  zur  griechischen  ge- 
schichte,  im  rh.  mus.  bd.  XLIV  [1889]  s.  161  ff.),  indem  er  (s.  184) 

*  man  sieht,  ganz  ohne  gmnd  ist  es  nicht,  wenn  bei  Photios  (s.486  Bk.) 
Xevoq>i£)V  ö  fpOXXou  neben  Theopompos  und  Ephoros  unter  den  hörern 
des  Isokrates  genannt  wird,  der  diese  ansieht  zuerst  aufgebracht,  hat 
sich  von  seinem  Stilgefühl  leiten  lassen. 


10 


GFriedrich:  zum  panegyriko»  des  Isokrates» 


die  ansieht  aufstellt,  die  EeUenika  seien  im  onfang  der  dOer  jabre 
des  vierten  jh.  in  feinem  zuge  niedergesctirieben  worden;  die  durch- 
gehende tendenz  des  werkes  aber  gehe  dahin  (a.  178),  die  Athener 
zum  festhalten  an  Sparta  und  zu  rücksichtsloser  Feindschaft  gegen 
Theben  zu  veranlassen,  es  kann  nun  keine  fmge  sein,  dasz  das 
politische  programm  Xenophons  wirklich  in  der  Formel  gegipfelt 
hat:  Sparta  hegemon  zu  lande,  Athen  zur  see,  und  dasz  ihm  das 
hervortreten  Thebens  zuwider  gewesen  ist.  hierzu  kommt  dann  die 
starke  persönliche  abneigung  des  Ägesilaos  gegen  Theben,  die  sich 
in  einem  langen  umgange  dem  Xenophon  mitgeteilt,  und  ao  ergibt 
aieh  die  fÄrbung,  die  wir  auf  jeder  seite  der  Hellenika  wahrnehmen, 
von  seibat I  ohne  dasz  eine  eigentliche  tendenz  anzunehmen  wfire, 
die  rllcksichi,  die  Xenophon  unaufhörlich  gegen  Athen  zeigt,  erklärt 
sich  doch  hinreichend  aus  dem  umstände,  dasz  er  Athener  war, 
Athener  und  ein  anständiger  mann.  —  Athen  hatte  zudem  in  dem 
Jahrzehnt  371 — 361  wiederholt  an  der  aeite  Spartas  gektirapffc,  ohne 
dasz  etwas  besonderes  herausgekommen  wäre,  und  da  sollte  d6r 
mann^  der  am  Schlüsse  seines  werkes  die  feder  mit  so  tiefer  ent- 
mutigung  aus  der  band  legt,  dieses  selbe  werk  in  der  abwicht  ge- 
schrieben haben,  seinen  landsleuten  jenes  btlndnis  aufs  neue  zu 
emplehlen?  dasz  Sparta  auszordem  ein  bankrotter  staat  war,  wird 
Xenophon  sich  zwar  nicht  eingestanden  haben,  aber  ganz  verborgen 
hat  er  sich  die  Wahrheit  nicht,  man  darf  nicht  vergessen,  das 
I4e  capitel  der  AaKcl>ai^oviu/V  TroXiT€ia  hat  Xenophon  auch  ge- 
schriebt^n. 

Und  wie  will  Schwartz  Hell.  11  4,  43  (xai  fi^dcavTCC  ÖpKOUC 
f[  \xi\v  M*l  MvriviKaKTiceiv,  ^ti  Kai  vuv  6|liou  T€  TToXiTcuovTai  Kai 
Tok  öpKotc  {pjLievei  6  bfjiioc)  mit  seinem  ansalze  in  einklang 
bringen?  denn  jene  werte  hatten  doch  nur  so  lange  einen  sinn,  als 
der  404/3  entstandene  gegensatz  in  der  bürgerschaft  bestand,  als 
die  tiefe  erbitterung,  die  die  anarchie  in  den  gemütern  hinterlassen 
und  mit  der  wir  ja  aus  Lysias  reden  gründlich  vertraut  sind,  nicht 
gewichen  war.  nachdem  eine  neue  generation  aufgekommen  und 
ein  Umschwung  in  den  verhiillnissen  mit  neuen  interessen  den  alten 
«wist  in  Vergessenheit  gebracht,  wliren  jene  werte  vollkommen 
inhaltslos  gewesen,  ein  Umschwung  aber  trat  ein  im  jähre  des  Naosi- 
nlkos  378/7  mit  der  gründving  des  zweiten  athenischen  seebnndes. 
vor  diesem  Zeitpunkt  müssen  also  jene  werte  geschrieben  sein, 

Schwartz  behauptet  weiter  (ao.  s.  181),  in  Hell.  II 3, 10— V  1, 36 
lasse  sich  eine  besondere  tendenz  nicht  erkennen,  da  aber  ein  'nütz- 
lichkeitsaposter  wie  Xenophon  schwerlich  ohne  besondern  zweck 
geschrieben  habe,  so  spreche  eben  dieser  mangel  einer  tendenz  gegen 
die  annähme  einer  gesonderten  darstellung  des  in  betracht  kommen- 
den Zeitraums ;  auch  sei  der  kömgsfriede  kaum  ein  geeigneter  ein- 
schnitt  gewesen,  es  musz  Schwartz  sofort  zugegeben  werden,  dasz 
im  j.  384  noch  weniger  als  360  die  tendenz  die  gewesen  sein  kann, 
Athen  für  Sparta  zu  gewinnen,  aber  die  gründe  sind  andere.  Sparta 


GFriednch:  zum  paoegjrikos  des  UokimUm.  11 

fühlte  sich  384  im  bnnde  mit  Peräien  allen  Schwierigkeiten  ge- 
wachsen und  glaubte  wohl  kaom  Athens  je  zn  bedthrfeo.  aaeh  bat 
Xenophon  sich  schwerlich  der  Illusion  hingeben  kennen,  dasz  die 
Worte  eines  mannes,  der  wegen  irpoboda  ans  Athen  rerbannt  war, 
dort  gehör  finden  würden,  eine  derartige  tendenz  ist  also  abzu- 
weisen, fQr  diesen  teil  der  Hellenika  ebenso  sehr  wie  f&r  die  spitcni 
bficher.    dagegen  ist  yielleicht  eine  andere  anzunehmen. 

Tendenz  mosz  sich  notwendig  da  zeigen,  wo  nachweislieh  ron 
der  wabrheit  abgewichen  wird,  dies  geschieht  aber  Hell,  n  4, 29  ff. 
die  vermittelnde  politik  des  Paasanias  403  erscheint  da  in  einem 
seltsamen  lichte:  Paasanias  wird  einfach  als  intrigant  dargestellt, 
n  4,  31  n€^nu)v  bk  npecßeic  6  TToriKaviac  irpdc  toük  ^v  TTcipoict 
^K€X€U€v  dTTi^vai  ^TTi  Ttt  teuTÄv  *  ^7T€\  b*  ouK  ^irciOovTO,  irpoccßoX- 

X€V  ÖCOV  dno  ßof]C  Iv€K€V,  OTTUK  ^f|  bflXoC  €111  €U^€vf|C  auToic  uhf. 

§  35  ö  be  TTaucaviac  Tponaiov  CTTjcd^cvoc  dv€xwpnc^ '  wn  oub' 
Q}c  uipTi2l€T0  auToTc,  dXXd  XdBpa  Tii\imuy  ebibaocc  touc  iy  TTcipoici 
da  xpn  XeTOVTttc  irpccßeic  neMireiv  Trpoc  dourov  kqi  touc  irapov- 
TQC  Iqpopouc.  Ol  b'  ^TreiOovTO.  biicu]  be  kqi  touc  ^v  tuj  acrci, 
KQi  ^KcXeuc  npöc  cq)ac  irpocievai  die  irXeicrouc  cuXXeroM^ouc, 
X^TOVTQc  6ti  oubcv  b^ovTQi  Toic  ^v  TUl  TTcipoicT  iroXc^cTv,  dXXd 
biaXuO^VTCC  KOiv^  d^q)ÖT€pol  AoDC€bai|iovioic  qpiXoi  civoi.  eine 
grosze  Tolksbewegung  vollzieht  sich  nicht  so  lastspielartig.  es  ist 
wahrscheinlich,  dasz  ohne  zuthon  und  noch  vor  der  ankunft  des 
Pausanias  die  annähemng  der  beiden  parteien  bis  zu  einem  gewissen 
punkte  gediehen  war,  und  dasz  seine  kunst,  wie  immer  in  solchen 
fidlen,  nur  darin  bestehen  konnte,  der  nattlrlichen  entwicklang 
nachzuhelfen  und  sie  zum  abschlusz  zu  bringen,  ein  solcher  verlauf 
wird  denn  auch  durch  Aristoteles  'AOiiv.  iroX.  c.  38  vollaof  bestätigt 
danach  waren  schon  vor  dem  eintreffen  des  spartanischen  kOnigs 
Verhandlungen  mit  denen  im  Peiraieus  erofoet  worden,  schon  vor- 
her war  die  masse  des  volks  auf  ihre  seite  getreten;  und  als  Pausanias 
kam,  blieb  ihm  nur  übrig  als  ehrlicher  makler  frieden  zu  stiften, 
und  dazu  liesz  er  sich  aus  Sparta  zehn  biaXXoncTai  (nach  HelL  II  4, 38 
waren  es  15)  kommen. 

Absicbtlich  entstellt  und  geradezu  gefölscbt  hat  Xenophon  nicht; 
also  musz  er  anschauungen  von  männem  wiedergeben,  in  deren  mitte 
er  gelebt ,  mit  deren  äugen  zu  sehen  er  sich  gewöhnt  hat,  and  diese 
müssen  unter  den  gegnem  des  Pausanias  gesucht  werden. 

Noch  einmal  tritt  Pausanias  bei  einer  wichtigen  gelegenheii 
hervor,  bei  seinem  zuge  nach  Haliartos  395.  durch  seine  Verspätung 
(III  5,  17  ff.)  verschuldet  er  den  fall  des  Ljsandros.  nicht  einmal 
die  leichen  der  gefallenen  vermag  er  kämpfend  zu  gewinnen,  er  er- 
hält sie  erst  nach  schimpflichen  Zugeständnissen,  den  Lakedai- 
moniem  muste  die  zomader  schwellen,  wenn  sie  (§  24)  lasen:  TOu- 
Tujv  bk  npax6€VTUJV  oi  m^v  AaKcbaifxövioi  dOupuic  dir^cav,  o\  be 
Orißaioi  pdXa  ußpicriKuic,  d  kqi  ^lKpov  Tic  tuiv  xuipiujv  tou  im- 
ßairi,  iraiovTCC  ^biuuKOv  cic  Tdc  öbouc. 


12 


G Friedrich:  zum  panegyrikos  des  Isokrates. 


Agesipolis  tritt  an  die  stelle  des  Temrteilteii  vaters.  390  unter* 
uimt  der  junge  könig  meinen  ersten  feldzug  (Hell«  lY  7)  gegen  Argos. 
es  wird  ihm  eine  lächerliche  eifersucht  auf  Agesilaos  z u gea ehr i eben, 
wie  weit  dieser,  erkundigt  er  sich,  aufßeinem  kürzlichen  feldzug 
gegen  Ärgos  vorgerückt,  wie  weit  er  das  land  verwüstet.  Ägesi- 
polis  wird  mit  einem  tt€vtO(ÖXoc  verglichen,  einmal  waren  die  reiter 
der  Thebauer  von  den  Argeiern  nicht  eingelassen  worden  aus  furcht, 
die  Spartaner  könnten  zugleich  mit  eindringen,  wie  fledermätise 
klebten  sie  nun  an  den  mauern»  es  halten  viele  umkommen  können* 
aber  die  kretischen  bogenßcliützen  mnsten  gerade  auf  einem  streif- 
zuge  nach  Fauplia  abweisend  sein.  Agesipolis  hatte  entschieden 
pech.  auf  alle  weiee  geben  ihm  ausserdem  die  götter  ihr  mis fallen 
an  seinem  zuge  zu  erkennen,  endlich  eutschlieszt  er  sich  zur  heim- 
kehr,  nachdem  er  den  Argeiem  viel  geschadet,  natürlich:  denn  er 
war  unerwartet  gekommen,  äie  dirpocboKriTuuc  auroic  ^pßaXüuv. 

Es  ist  demnach  die  gesamte  Agiadische  königsfamilie  ^  die  in 
einer  ungünstigen  beleucbtung  gezeigt  wird;  und  da  nicht  anzu- 
nehmen ist,  dasz  Xenophon  einfach  gelogen,  so  gibt  er,  wie  geBagt^ 
offenbar  die  anschauungen  seines  kreises  wieder;  und  das  kann  kein 
anderer  sein  als  der  des  Etirypontidischen  hauses,  der  des  Agesilaos. 

Man  hat  zuweilen  wohl  im  anschiusz  an  Plutarchos  (Ages.  23) 
einen  gegensatz  des  Antalkidas  gegen  Agesilaos  herausÜBden  wollen» 
als  habe  es  immer  (vgl,  Ranke  weltgeäch.  I  2  s.  96)  eine  partei  ge- 
geben ,  die  den  krieg  gegen  Persien  geiuisbilligt  diese  habe  dann 
ihre  auffassung  durchgesetzt,  und  die  preisgäbe  der  asiatischen 
Griechen  sei  gegen  Agesilaos  willen  erfolgt,  das  angehot  vielleicht 
gar  hinter  seinem  rücken  gemacht  worden,  zweifellos  ist  es  Agesi- 
laos schmerzlich  gewesen«  als  er  Asien,  den  Schauplatz  seiner  thaten 
und  entwürfe,  verlassen  muste.  als  aber  allen  persönlichen  absiebten 
durch  die  schlacht  bei  Knidos  ein  für  alle  mal  ein  ende  gemacht 
worden  war,  als  es  galt  zu  retten  was  zu  retten  war,  hat  ihm  jene 
bestimm ung  des  Antalkidas- friedens  schwerlich  Überwindung  ge- 
kostet, er  war  noch  über  ganz  andere  Sentimentalitäten  hinaus,  wie 
später  die  besetzung  der  Kadmeia  und  des  Sphodrias  anschlag  auf 
den  Peiraieus  bewies.  Antalkidas  war  realpolitiker,  Agesilaos  war 
es  nicht  minder,  es  ist  in  dieser  bezieh ung  charakteristisch,  dasz  er 
sich  des  bei  falls  des  Theopompos  erfreut,  dem  die  Ideologen  gründ- 
lich zuwider  waren,  nach  diesem  (fr.  24)  ist  Agesilaos  tujV  tÖtc 
CuJVTtuv  ^TTupav^CTatoc«  —  Dasz  der  gegensatz  zu  diesem  nicht  in 
Antalkidas,  sondern  anderswo  zu  suchen  ist,  darüber  läszt  Diodoros 
keinen  zwei  fei.  er  berichtet  nemlich  (XV  1 9, 4)  unter  dem  j.  383/2 : 
KQTä  bk  TOUTOV  TÖv  xpovov  Ol  ßaciXtic  itjjv  AaK£haijLioviu*v  bie- 
(pcpovTO  TTpöc  dXXfjXouc  Taic  aip^ceciv.  'AyTlciTToXic  pfev  Tap>  tipr|- 
viKÖc  ujv  Kai  biKmoc,  €ti  he  cuvecci  biaqpepüJV,  ^cpn  belv  ^^jucveiv 
TOic  öpKOic  Kai  Tiapa  idc  KOivctc  <uver|Kac  pri  KaTabouXoucÖai 
TOÜc  ''QXnvac*  dbo£eiv  ^äp  dTTtcprivaio  iriv  CTrapiriv  toic  |itv 
IT^pcaic  ^KbÖTOUc  TieTioiT|^€VTiv  TOÜC  Kttid  TTiv  *Aciav  "EXXrivac, 


GFriedrich:  zum  panegyrikos  des  Isokrates.  13 

-auTfjv  bfe  cucKeuaZojn^viiv  xdc  Kaxd  Tf|v  *€XXdba  nöXeic,  Sc  dv 
Tttic  KOivaTc  cuv6r|Kaic  ujfiocav  xripriceiv  aurovÖMOuc.  6  b'  'Axiici- 
Xaoc,  uiv  q)uc€i  bpacxiKÖc,  qpiXoiröXefioc  fjv  Kai  ttic  täv  'GXXriviwv 
f|Y€Jbioviac  dvT€iX€TO.  Agesipolis  war  hiernach  gem&sz  den  tradi- 
tionen  seines  hauses  gegen  eine  eigennützige  handhabung  des  königs- 
friedens,  wie  er  vielleicht  schon  früher  gegen  die  abtretang  der 
griechischen  colonien  gewesen  war.  in  dem  nie  ganz  ausgeglichenen, 
jetzt  mit  schärfe  wieder  hervortretenden  widerstreite  der  beiden 
königsfamilien  ergriff  Xenophon  die  partei  des  freundes. 

Wenn  Schwartz  sich  darüber  wundert,  dasz  der  einschnitt 
gerade  387  gemacht  sein  soll,  so  übersieht  er,  dasz  der  friede  des 
Antalkidas  den  abschlusz  des  ersten  abschnittes  von  des  Agesilaos 
regierung'  bildet,  es  lag  nahe  gerade  jetzt  eine  bilanz  zu  ziehen; 
es  muste  sich  herausstellen,  ob  die  warnung  des  Diopeithes  (Hell. 
III  3,  3)  vor  dem  lahmen  königtum  recht  hatte,  und  war  denn  die 
illegitimit&t  des  Leotjchides  vollständig  erwiesen  ?  es  ist  doch  be- 
merkenswert, dasz  gerade  der  hauptpunkt  bei  dem  erbstreit  von 
Xenophon  übergangen  wird,  denn  Plutarchos  (Ages.  3)  und  Nepos 
(Ages.  1,  4)  berichten  übereinstimmend,  dasz  Leotjchides  von  dem 
sterbenden  vater  anerkannt  worden  war. 

Dieser  teil  der  Hellenika  erweist  sich  also  als  eine  rechtfertigung 
und  verherlichung  des  Agesilaos  gegen  Agesipolis  und  die  seinen, 
gegen  die  anhänger  des  Leotjchides,  gegen  alle  die  mit  dem  ver- 
lauf und  den  resultaten  des  letzten  krieges  unzufrieden  waren,  das 
schlusztableau  ist  der  triumphierende  Agesilaos  (Bell.  V  1,  32  ff.). 

Und  nur  aus  dieser  tendenz,  alles  licht  auf  Agesilaos  fallen 
zu  lassen,  erklärt  es  sich,  dasz  die  schlacht  bei  Knidos,  das  wich- 
tigste ereignis  des  krieges,  mit  ihren  ungeheuren  folgen  im  hinter- 
grund  gehalten  wii-d  (IV  3,  10  ff.),  nebenher  abgethan  und  ein- 
geschaltet zwischen  die  ausführlich  dargestellten  schlachten  am 
l^emea-bache  und  bei  Koroneia.^ 

Im  nächsten  teile  der  Hellenika  erscheint  Agesipolis  als  ein 
anderer  (Hell.  V  3,  8  f.).  er  hat  inzwischen  offenbar  an  terrain  ge- 
wonnen, es  ist  ein  Xenophontisches  problem  tö  ^GcXövtujv  dpx€iv 
(Oik.  21,  12).  von  Teleutias,  des  Agesilaos  bruder,  wird  Hell.  V 
1,  3  f.  gerühmt,  dasz  er  es  auf  das  vollkommenste  gelöst.  V  3,  8  f. 
wird  Agesipolis  in  dieser  beziehung  über  ihn  gestellt,  denn  nach- 
dem die  allseitige  bereitwilligkeit  sich  ihm  anzuschlieszen  hervor- 
gehoben worden,  wird  hinzugefügt:    cuvecTpaieucvTC  hk  kui  ^k 

'  man  darf  von  einer  regierung  des  Agesilaos  sprechen,  denn  wenn 
Aucb  in  Sparta  das  königtum  zu  einem  schatten  seiner  ehemahgen  be- 
deutung  herabgesunken  war,  so  that  auch  hier  die  persönlichkeit  viel; 
nnd  vor  allem  Agesilaos  verstand  die  ephoren  zu  nehmen  und  zu  be- 
handeln (Plut.  Ages.  4).  vgl.  auch  die  ausnahmesteUung  des  Agis  bei 
Thuk.  Vni  6.  ^  Schwartz  (ao.  s.  188)    meint,  Xenophon  habe  über 

die  bildung  der  persischen  flotte,  über  die  thätigkeit  des  Konon  am 
hofe  des  Artaxerxes  und  über  den  seesieg  bei  Knidoa  eine  menge  einzei- 
heiten  bei  Ktesias  finden  können,     in  welchem  teile  der  TTepciKd? 


14 


GFriedrich:  zum  panegyrikos  des  Isokratea. 


TÜJV  cu|iMax^^iA>v  TTöXcujv  dÖeXovTöi,  Kcl  GeiTaXüjv  t^  iirTieic, 
TVLUcGfjvai  Tuj  'AtTicmoXtbi  ßoi/Xopevoi,  Kai  'AjmjVTac  be  Kai  Acp- 
bac  ^Ti  TTpoSujjOTepov  fj  TipöcBev.  bemerkeD^wert  ist  auch 
der  tnmVi  Tvoicöfivai  TtJu  'AxriaiTÖXibi  ßouXö^evou  und  es  ist 
iluszerst  charakteristisch,  dasz  vide  von  den  perioiken  und  E^voi 
TÜüv  Tpocptpiuv  KaXouji^vu>v  ihm  mit  liebt?  folgen  und  dasz  das  zur 
demokratie  neigende  Phlius  ihn  zuvorkoromend  und  reichlich  (§10 
TToXXa  Kai  laxtUJC)  mit  geld  unterstützt,  während  es  später  (Hell. 
V  J-5,  23  f.)  über  den  köpf  des  Agesilaoa  hinweg  mit  den  ephore 
verhandeln  will.  — 

Die  ansieht  des  Xenophon  über  Agesipolis  ist  also  in  diesem 
teile  seines  Werkes  eine  wesentlich  andere,  demnach  musz  Hell. 
IV  7,  wo  über  ihn  entgegengesetzt  geurteilt  wird,  vor  V  3»  8  f. 
geschrieben  sein  und  auch  früher  herausgegeben,  da  Xenophon  sonst 
die  disharmonie  würde  ausgeglichen  haben.  — 

Weiter  geht  aus  II  4,  29  ff.  hervor,  da^sz  der  kreis,  dessen  auf 
fasBung  öich  in  Xenopjhons  werk  widerspiegelt,  es  misbilligte,  daa 
damals  (403)  Athen  nicht  ganz  unschädlich  gemacht  worden  warj 
auch  diese  ansieht  war  nach  360  kaum  am  platze,  nachdem  Spa 
von  Athen  in  der  schweren  krisis  370/69  gerettet  und  später  wieder 
holt  unterstützt  worden  war.  dagegen  wird  die  Verurteilung  de 
Pausanias  (Hell.  III  5,  25)  unter  anderm  damit  begründet ^  ÖTi  TÖ^ 
bfl^ov  TUJV  'Aörivaiijuv  Xaßujv  ^v  Ttp  rfeipaiei  avfiKe,  es  ist  begreif 
lieh,  dasz  man  beim  ausbruch  des  korinthischen  kriegeB,  wo  ma 
Athen  auf  selten  der  gegner  sah,  in  Sparta  tief  bedauerte  dem  Lj 
Bundros  403  nicht  freie  band  gelassen  zu  haben,  es  versteht  äicl| 
nun  von  selbst,  dasz  ein  buch  in  derselben  zeit  geschrieben  se 
tnuBz ,  von  deren  anschauungen  es  getragen  ist. 

Ferner  erkennt  man  aus  Hell,  IV  4»  15,  wie  Xenophon  es 
innerster  genngthunng  hervorhebt,  dasz  die  Spartaaer  loyal  gege 
Phlius  gehandelt,  denn  obwohl  sie  diese  stadt  1  batsächlich  in  de 
gewalt  halten,  haben  sie  die  rückkehr  der  emigranten  nicht  einmal" 
erwihnt,  Xenophon  hätte  dies  nicht  schreiben  können,  seine  genug- 
tbuitng  wäre  lächerlich,  wenn  er  damals  schon  die  spätere  behand- 
lung  von  Phlius  und  die  besetzung  der  Kadmeia  gekannt  hätte, 
ßchwartz  ao.  s,  182  erkennt  einen  widerspiiich  nicht  an:  IV  4,  15 
hätten  die  Spartaner  von  sich  aus  die  rückkehr  der  emigranten  nicht 
betrieben^  V  2,  8  f.  ebenso  wenig,  die  emigranten  hätten  vielmehr 
davon  angefangen,  dasz  griechische  emigranten  unter  allen  uc  ~ 
ständen  und  jeder  zeit  in  ihre  heimat  zmückzukommen  versuchten 
ißt  bekannt ,  und  Xenophon  hat  das  am  besten  gewust.  auch  39S 
werden  sie  den  Spartanern  ihr  anliegen  vorgetragen  haben,  nur  wai 
damals  die  läge  Spartas  derart,  dasz  es  zu  seinen  sonstigen  Schwie- 
rigkeiten nicht  neue  hinzufügen  konnte ^  nnd  so  unterblieb  ein  ein- 
gehen auf  die  bitten  der  emigranten  mit  gutem  gründe,  nach  dem 
Antalkidas-frieden,  durch  den  die  Verhältnisse  sich  so  sehr  zu  gunsten 
Spartas  geändert,  zeigte  man  sich  sofort  zum  einschreiten  bereit. 


GFrledrich:  zum  panegjrikos  des  Isokratee.  15 

der  umstand  also,  dasz  V  2,  8  f.  die  etnigranten  die  Vermittlung 
Spartas  anrufen,  beseitigt  nicht  den  scheinbaren  Widerspruch  in  der 
handlungsweise  derLakedaimonier^  den  scheinbaren  Widerspruch: 
denn  thatsächlich  handelten  sie  beide  male  in  Übereinstimmung  mit 
den  Verhältnissen  und  ihrem  interesse.  nur  suchte  Xenophon  nicht 
hierin  den  grund  ihrer  politik ,  sondern  er  sah  ihn  mit  Wohlgefallen 
in  der  von  ihm  angenommenen  lojalität  der  gesinnung.  in  diesen 
irrtum  konnte  er  nicht  mehr  verfallen,  nachdem  er  die  spätem 
ereignisse  kennen  gelernt  hatte,  denn  dasz  ihm  die  äugen  auf- 
gegangen, beweist  eben  cap.  14  der  AaKebaifxoviuiV  iroXiTeia  und 
der  umstand,  dasz  er  wahrscheinlich  selbst  in  einer  spätem  zeit  seine 
rückkehr  nach  Athen  betrieben*,  jedenfalls  aber,  wie  die  schrift  tiber 
die  einkünfte  zeigt,  anteil  an  dem  politischen  leben  seiner  Vaterstadt 
genommen  hat. 

Femer  erscheint  dieser  teil  der  Hell.  (II  3,  11 — V  1,  36)  auch 
äuszerlich  als  ein  für  sich  bestehendes  ganze:  denn  die  eingangs- 
Worte  ol  bfe  TpidKOvia  fipdGricav  )Lifev  direi  Taxicia  xd  jnaxpa  leixTi 
Kai  rd  ircpt  töv  TTeipaid  KaOrjp^Ori  klingen  ganz,  als  sei  nicht  schon 
vorher  ausführlich  von  beiden  ereignissen  die  rede  gewesen,  als  werde 
damit  vielmehr  eine  neue  schrift  begonnen,  wie  es  denn  wahrschein- 
lich ist,  dasz  Hell.  I  —  II  3,  10  nicht  zugleich  mit  herausgegeben 
worden  ist.  ferner  hat  Nitsche  (ao.  s.  3)  richtig  gesehen  und  des 
weitern  nachgewiesen,  dasz  ^zu  lande  sowohl  als  zur  see  die  ein- 
zelnen kriegsschauplätze ,  soweit  es  gieng,  in  der  erzählung  ge- 
sondert behandelt  und  die  begebenheiten  auf  ihnen  jedesmal  bis 
zu  d^m  punkte  der  erzählung  geführt  seien,  auf  welchem  sie  der 
friedensschlusz  traf,  dieser  friede  war  also  als  schlusz  gedacht, 
und  als  ein  wirkliches  ende  erweisen  sich  V  1 ,  35  f.  mit  ihrer 
recapitulation. 

Die  stilistische  Vollendung  der  schrift  ist  grosz,  in  dieser  be- 
ziehung  steht  sie  neben  dem  OiKOVO]LiiKÖC  und  der  Kupou  uaibeia, 
Xenophons  besten  werken,  diese  Vollendung  läszt  ebenso  wie  die 
thatsache  der  tendenz  auf  die  absieht  der  Veröffentlichung  schlieszen. 
und  wamm  hätte  diese  nicht  erfolgen  sollen  ? 

Da  nun  im  vorstehenden  so  viel  von  tendenz  die  rede  ist,  er- 
scheint es  notwendig  noch  einmal  darauf  hinzuweisen ,  dasz  Xeno- 
phon die  beleuchtung,  in  der  jetzt  die  ereignisse  in  seinem  werke 
sich  darstellen,  nicht  von  sich  aus  hinzugefügt  hat ;  er  gibt  vielmehr 
nur  die  anschauungen  wieder,  wie  sie  innerhalb  seiner  coterie,  des 
engem  freundeskreises  des  Agesilaos,  geläufig  waren,  diese  anschau- 
ungen hat  er  ganz  zu  den  seinigen  gemacht,  die  schlacht  bei  Enidos 
ist  ihm  wirklich  ein  secundäres  ereignis  gegenüber  den  kämpfen  am 


^  die  zurückberufuDg  ebenso  wie  die  bereitwilligkeit,  womit  man 
in  Athen  seine  söhne  legitimierte,  scheinen  an  dienste  anzuknüpfen, 
die  Xenophon  auf  dem  congress  von  Sparta  geleistet,  in  dem  er  zwi- 
schen den  Staatsmännern  seiner  Vaterstadt  und  Agesilaos  vermittelnd 
eintrat. 


16 


GFriedrich:  zum  panegyrikos  des  Isokrates. 


Nemea-bacbe  und  bei  Koroneia;  und  wenn  er  für  Agesilaos  eintrat, 
80  glaubte  er  wahrscheinlicli  der  Wahrheit  nicht  minder  zu  dienen 
als  seinem  freunde,  es  wäre  indessen  ein  irr  tum  zu  meinen ,  dasz 
jene  tendenz,  die  verherlichung  des  Ägesilaos,  den  anstosz  zu  dem 
werke  gegeben  und  dasz  es  ohne  diese  tendenz  ungeschrieben  ge» 
blieben  wäre,  im  gegen  teil  hat  äicii  Xenophon  offenbar  mit  seinem 
buche  zugleich  als  geschieh tschreiber  einführen  wollen,  für  diese 
annähme  spricht  die  atilistische  Vollendung  und  die  composition  ein- 
zelner teile,  wie  nemlich  der  congress  zu  Sparta  (Hell.  VI  3)  schwer- 
lich so  verlaufen  ist,  wie  Xenophon  ihn  berichtet,  wie  da  nur  einige 
charakteristische  punkte  hervorgehoben  werden  und  die  läppische 
rede  des  Ktillias  und  die  tüppische  des  Autokles  den  von  staata- 
männischem  geiste  erfüllten  auslassuogen  des  Kallish*atoE  zur  folie 
dienen,  gerade  so  und  noch  viel  mehr  ist  die  er^ählang  von  der 
katastrophe  des  Theramenes  vom  künstlerischen  Standpunkte  zu 
beurteilen»  aus  dem  streben  die  scene  effectvoll  zu  gestalten  er- 
klären sich  die  leiten  historischen  iinrichtigkeiten«  Xenophon  hat 
alles  in  einen  groszen  prunkvollen  auftritt  zusammengedrängt 
währ*ind  nach  Aristoteles  ('AÖr|V.  ttoX»  37)  die  sache  von  langer 
band  vorbereitet  war  und  in  mehreren  Zwischenstufen  verlief,*  wie  i 
langsam  und  schwierig  vollzog  sich ,  um  unsere  ansieht  an  einem  I 
modernen  beispiel  darzulegen,  die  Convention  von  Tauroggen!  wie  ^ 
effectvoll,  wie  ganz  analog  der  groszen  scene  in  den  Hellenika,  reich 
ausgestattet  mit  rede  und  gegenrede,  könnte  sie  geschildert  werden! 
dasz  aber  in  der  darstell ung  der  anarchie  bei  Xenophon  der  partei- 
mann  so  gut  wie  ganx  hinter  den  künstler  zurücktritt,  daa  beweist ' 
die  sorgi^ltige  atisführung,  die  die  reden  des  Thrasybulos  auszeichnet, 
Vorliebe  für  den  deraos  oder  den  ccjuvöc  Cieipieuc  wird  man  Xeno- 
phon doch  nicht  zuschreiben  wollen,  entläszt  er  den  letztern  doch 
(lY  8,  31)  mit  den  skeptischen  worien:  Kai  GpacußouXoc  ptlv  hf\ 
pdiXa  boKÜJv  dvfip  dTOtSöc  elvai  outujc  feT6Xeun|C£V.  —  Und  wenn 
jemand  dem  Xenophon  den  vorwurf  machen  wollte,  seine  Vorliebe 
für  Agesilaos  beruhe  nicht  auf  freier  binj^abe,  sein  werk  sei  gleich- 
sara  auf  besteilung  geschrieben,  er  sei  'officiöser  scribent  des  lake- 
dairaonischen  hauptquartiers',  wie  Busolt  (ao.  a.  660)  ihn  nennt,  so 
braucht  man  dem  nur  Hell,  IV  5,  6  ff.  entgegenzuhalten,  wo  dea 
Agesilaos  bochgefUhl  mit  ironie  vorgeführt  wird.  ■ 

Dasz  die  Hellenika  aber  überhaupt  veröffentlicht  worden  sind,f 
dafür  spricht  der  hin  weis  auf  die  Anabasis  des  Themistogenes*  in 
einem  nachgelassenen  werke  hatte  ein  solches  citat  keinen  sinn,  da 
dann  die  eigne  Anabasis  des  Xenophon  entweder  schon  heraus- 
gegeben war  oder  zugleich  mit  herausgegeben  wurde*  die  Hellenika 
haben  schwerlich  publiciert  werden  können ,  als  Xenophon  wieder 


*    «nderseiU   verdteuen   die    angaben   Xenophons  über   diesen   xeit* 
raoni  in  sehr  vielen  punkttin  den  vorzu^  vor  denen  dea  Aristoteles,    vgl, 
die   entf^e^engesetcte    unäicht    Aßanore;  (lUlerarlflche  u.  historische  {0T*i 
flehungeD  zu  ArUtoteUs  'AGqvaiuiv  troXtveta,  München  1891). 


GFriedrich:  zum  panegyrikos  des  leokrates.  17 

bürger  von  Athen  geworden  war.  mit  der  bloszen  höflicbkeit  wäre 
es  dann  nicht  getban  gewesen;  er  hätte  Sparta  and  Agesilaos  nicht 
80  im  Vordergrund  belassen,  die  grUndung  des  athenischen  seebundes 
nicht  übergehen  können.  Athen  genähert  hat  sich  Xenophon  371. 
dies  jähr  wäre  also  der  terminus  ante  quem  der  herausgäbe,  es  kann 
demnach  von  den  Hellenika  nur  erschienen  sein,  was  vor  dieser  zeit 
geschrieben  ist;  und  da  nach  Nitsches  überzeugender  beweisführung 
(ao.  s.  7)  V  2 — VII  deutlich  ein  ganzes  bilden,  wo  6in  teil  sich  auf 
den  andern  bezieht,  so  beweist  auch  diese  erwägung  für  eine  beson- 
dere ausgäbe  von  II  3,  11 — V  1,  36,  worin  eben  das  Themistogenes- 
citat  sich  befindet,  alle  umstände  aber  sprechen  für  384  als  jähr 
der  Veröffentlichung,  es  ist  richtig,  dasz  Pausanias  (Hell.  III  5,  25. 
V  2,  6)  dann  gerade  385/4  gestorben  sein  müste.  es  hindert  uns 
nichts  dies  anzunehmen. 

Da  nun  dieser  teil  der  Hellenika  allem  anschein  nach  384  ge- 
schrieben und  herausgegeben  worden  ist,  so  musz  die  erste  Ver- 
öffentlichung des  panegyrikos,  der  vorher  erschienen,  anfang  384 
oder  noch  385  erfolgt  sein,  für  diesen  ansatz  lassen  »ich  noch  andere 
gründe  anführen. 

Bekanntlich  hat  Isokrates  unmittelbar  nach  abschlusz  des  Philo- 
kratischen  friedens  eine  rede  an  Pbilippos  gesandt,  sie  ist  durch 
seinen  gleichnamigen  schüler  Isokrates  von  Apollonia  überbracht 
und  vorgelesen  worden,  wenigstens  scheint  dies  aus  des  Speusippos 
brief  (ep.  Socrat.  30)  hervorzugehen,  der  nach  den  überzeugenden 
ausführungen  von  Blass  (ao.  III  2  s.  343  f.)  als  echt  anzusehen  ist: 
§  14  heiszt  es:  jüi^  Gaujudieiv  bi.  (sc.  dEioT  'IccKpairic) ,  el  kqi  ttujc 
dvatvoüc  ö  TTovTiKÖc  fiuiXüiepov  Kai  qpauXörepov  noioT  qpaivecOai 
TÖV  XÖTOV.  §  83  aber  lautet  nach  Blass:  dir^CTaXKe  bi  coi  XÖTOV, 
6v  TÖ  iLifev  npujTov  frpctM'Cv  (fTpa9€V  cod.  Par.)  'ATnciXduj ,  jüiiKpä 
<bfe>  btacK€udcac  öcrepov  dTtiwXei  xqj  CiKeXiac  Tupdvvqj  Aiovuciiu, 
TÖ  be  TpiTOv  Td  pfev  d9€Xu)v  Td  bk  irpoceeic  djuvricieucev  ^AXeEdvbpijj 
TUJ  GerraXifj ,  tö  bfe  TcXeuTaTov  vuv  npöc  cfe  rXicxpiwc  aüiöv  dir- 
r)K6vTiC€V.  Blass  (III  2  s.  352)  will,  dasz  man  für  Agesilaos,  zu  dem 
Isokrates  keine  beziehungen  gehabt  habe,  Archidamos,  für  Alexan- 
dros  die  söhne  lasons  einsetze  und  auszerdem  die  Zeitfolge  ändere ; 
man  habe  so  die  drei  verstümmelten  briefe  des  Isokrates  1,  6,  9, 
dem  Speusippos  aber  habe  davon  nicht  mehr  vorgelegen  als  uns. 
denn  das  tXicxpiwc  dirriKÖVTicev  in  Verbindung  mit  den  imperfecten 
£TPCt9€V  und  ^TTU)X€i  beweise,  dasz  nach  annähme  des  Speusippos 
die  reden  an  die  genannten  fürsten  nicht  abgesandt  worden  seien, 
in  Wirklichkeit  aber  seien  die  reden  abgeschickt  worden;  da  sie  jedoch 
gröstenteils  dem  panegyrikos  hätten  entlehnt  sein  müssen,  so  habe 
Isokrates  von  den  reden  nur  das  veröffentlicht,  was  für  das  publicum 
neu  war,  eben  die  uns  vorliegenden  proömien. 

In  der  rede  an  Philippos  (§  87)  wird  der  brief  an  Dionysios  er- 
wähnt, und  es  ist  nicht  daran  zu  zweifeln,  dasz  er  in  dem  jetzt  weg- 
gelassenen teile  ähnliches  enthielt  wie  das  dem  Philippos  empfohlene, 

Jahrbücher  für  olass.  philol.  1898  hA.  1.  2 


18 


GFriedricb:  zum  panegyrikos  des  I^okrates. 


also  vor  allem  die  mabnuDg  zum  kämpf  gegen  Persien,  worauf  sollte 
sich  sonst  beiiehen  ep.  1»  5  X^T^^V  hk  |i€AAuj  irepi  jLieTOtXuJV  Tipay- 
\käTU)V  Kai  Ttepl  iLv  oübcvi  Tdiv  Mvtujv  dKOÖcai  ^dXXov  f\  coi 
npOcr|K£i?  demoach  trifft  für  Dionysios  die  nachricht  des  Speu- 
sippos  jedenfalls  zu:  Isokrates  bat  eine  äbnlicbe  rede  (Speusippos 
sagt  bosbaft  dieselbe)  an  den  tyrannen  Sikeliens  gesandt  wie  an 
Philippos* 

Blass  gibt  nun  ao.  weiter  selbst  zu,  dasz  das  im  brief  an  die 
Btiefsdbne  lasons  angekündigte  tbema  mit  dem  des  panegyrikos 
nicbt  identiscb  sei*  man  erwartet  in  der  tbat  als  Fortsetzung  eber 
etwas  im  sinne  der  rede  an  Nikokles.  vielleicbt  ist  damit  der  ge- 
sicbtspunkt  ricbtig  angedeutet,  von  dem  aus  es  begreiflieb  wird, 
dasz  wir  auch  diesen  brief  nur  als  torso  besitzen,  vom  kämpfe 
gegen  Persien  kann  kaum  die  rede  gewesen  sein,  die  Verhältnisse 
in  Thessalien  waren  vielleicht  nicbt  einmal  befestigt  genug :  denn  der  i 
brief  musz  sofort  nach  Äleiandros  ermordung  (359 :  vgl.  AScbae^^H 
Bemostbenes  I'  s.  133)  geschrieben  worden  sein,  wo  die  drei  stifV 
söhne  des  lason  sieb  nach  als  TiipavvOKTOvoi  (Diod,  XYI  14)  feiern 
lieszen.  denn  später  veränderten  sie  ihre  art  durchaus ,  besonders 
nachdem  Ljkophron  und  Peitbolaos  sieb  mit  den  Phokem  verbündet» 
im  anfang  scheint  in  der  tbat(Photiofi  s^  142'^  7  fiT.)  ihre  balbsch weiter 
Thebe,  in  jeder  beziebnng  die  rechte  tocbter  lasons,  für  ihre  brüder 
regiert  zu  haben. 

Jedenfalls  können  hiernach  die  Stiefsöhne  des  lason  nicht  an 
stelle  des  Alexandros  gesetzt  werden,  und  die  mitteilung  des  Speu- 
sippos,  dasz  der  letztere  der  empfänger  des  XoYOC  gewesen,  musz  un- 
verändert bleiben,  da  aber  wirklich  ein  brief  an  Dionjsios  eiistierti 
der  den  bedingungen  des  von  Speusippos  mitgeteilten  entspricht, 
so  gewinnt  auch  die  andere  naehriebt  an  Wahrscheinlichkeit,  dasz 
Isokrates  bei  seinem  suchen  nach  einem  beiden,  der  seinen  lieblings- 
gedanken  ausführen  sollte,  sich  auch  an  Alexandros  gewandt  bat. 
dieser  fürst  erscheint  wie  einer  der  zahlreichen  kleinen  tyrannen  aus 
der  renaissancezeit:  gewalttbätig ,  gewissenlos,  ausschweifend,  am 
ende  wüst>  aber  besonders  in  seiner  bessern  zeit  nicht  ohne  grosse 
Züge,  und  war  Pbilippos  scblieszlicb  anders  geartet,  den  Isokrates 
ganz  ebenso  zu  gewinnen  versucht  hat?  dasz  nun  von  diesem  briefe 
an  Äleiandros  ein  prooimion  nicht  übrig  geblieben,  beweist  nicht 
gegen  unsere  annähme,  man  kann  sich  auch  in  den  proömien  wieder- 
holen und  aus  diesem  gründe  auf  ihre  Veröffentlichung  verzichten. 

Wenn  aber  Alexandros  im  texte  des  Speusippischen  briefes  ge- 
lassen werden  tnusz,  so  ist  nicht  einzusehen,  wei^balb  die  fernere 
nachricht  irrtümlich  sein  sollte,  dasz  Isokrates  seine  ideen  auch  dem 
Agesilaos  vorgetragen  habe,  man  musz  im  gegenteil  mit  bestimmt- 
heit  erwarten,  dasz  er  sich  an  den  mann  gewandt  hat,  der  wirklich 
gegen  die  Perser  im  felde  gestanden,  und  zu  der  ep.  ad  Dion*  C 
aufgestellten  und  in  der  rede  an  Philippos  (§12)  wiederholten  an- 
sieht wird  Isokrates  wohl  frühzeitig  gekommen  sein,  dasz  zu  allen 


GFriedrich:  zum  panegyrikos  des  Isokrates.  19 

reden  so  viel  sei  wie  zu  keinem  reden ,  dasz  um  etwas  zu  erreichen 
man  sich  an  den  einzelnen  wenden  müsse,  Yorausgesetzt  nur  dasz 
er  empfönglich  dafür  sei  (§13  etirep  judXXouct  Tivec  npocdEeiv 
auTOic  TÖv  voCv).  die  reihenfolge,  in  der  Speusippos  die  fürsten 
nennt,  spricht  schlieszlich  entschieden  dafür,  dasz  nicht  etwa  eine 
Verwechslung  mit  Archidamos  vorliegt,  denn  diesen  scheint  Iso- 
krates zum  kämpfe  gegen  Persien  nur  aufgefordert  zu  haben  in 
erinnerupg  an  die  gleichnamigen  thaten  des  vaters. 

"OcTic  CUV  oi€Tai,  heiszt  es  paneg.  §  16,  touc  dXXouc  koiv^  ti 
irpäEeiv  difaQ6\ ,  Ttpiv  Sv  touc  irpoecTiüTac  auT&v  biaXXdHq ,  Xiav 
diiXilic  ^X^i  KQi  TTÖppu)  TUJV  ixpaf^aTiDV  ^CTiv.  also  auch  hier  im 
paneg jrikos  die  meinung^  die  leitenden  männer  mUsten  zuerst  ge- 
wonnen werden,  es  scheint  der  panegjrikos  selbst  zu  sein,  nicht 
eine  rede  in  der  dieser  von  neuem  verarbeitet  und  eingeflochten  war, 
den  Isokrates  an  Agesilaos  gesandt  hat.  denn  ist  es  nicht  das  ver- 
httltnis  von  Athen  gerade  zu  Sparta,  das  ihn  im  panegjiikos  vom 
ersten  bis  zum  letzten  wort  unaufhörlich  beschäftigt?  und  wie  ver- 
söhnend muste  in  Sparta  §  119  wirken,  wo  die  thaten  des  Eonon^ 
die  für  Athen  einen  so  glücklichen  Umschwung  bedeuteten,  als  un- 
selig für  Hellas  bezeichnet  werden ! 

Wenn  aber  der  panegyrikos  an  Agesilaos  gesandt  worden  ist, 
so  kann  dies  nur  kurz  nach  dem  Antalkidas-frieden  geschehen  sein, 
bevor  die  politik  des  Agesilaos  die  verhängnisvolle  Wendung  ge- 
nommen ,  die  80  sehr  einer  panhellenischen  auffassung  widersprach, 
und  die  Isokrates  später  so  oft  beklagt  hat.  in  dem  frieden  des 
Antalkidas  war  aufgegeben  'forden ,  wofür  Agesilaos  noch  so  eben 
gekämpft ;  und  nicht  erst  in  Plutarchs  zeit  (Ages.  23)  wird  die  an- 
sieht aufgekommen  sein ,  dasz  Antalkidas  der  feind  des  Agesilaos 
gewesen ,  dasz  der  friede  gegen  dessen  willen  abgeschlossen  worden 
sei.  welchen  verbündeten  muste  Isokrates  bei  einer  so  nahe  liegen- 
den annähme  in  Agesilaos  für  die  ausführung  seiner  plane  erwarten  l 
als  dann  freilich  Agesilaos  sich  als  realpolitiker  der  schlimmsten  art 
entpuppte,  als  Mantineia  sich  den  dioikismos  gefallen  lassen  muste, 
als  die  Eadmeia  besetzt  und  der  oljnthische  bund  gesprengt  wurde,, 
da  kann  Isokrates  seine  rede  nicht  mehr  nach  Sparta  gesandt  haben, 
der  panegjrikos  musz  also  auch  nach  diesen  erwägungen  385/4  zu- 
erst erschienen  sein. 

Und  nun  erhält  auch  jene  stelle  Xenophons  mit  ihrem  frappanten 
^TTiKublic  ihre  beziehung.  Xenophon  hat  den  worten  des  Isokrates- 
(paneg.  139),  schlieszlich  hätte  der  Perserkönig  die  entscheidung^ 
herbeigeführt  (diTiKub^cTepa  id  TtpaTJuaTa  Gdrep*  ^ttoitic€v  und 
dann  später  ^v  Tdp  TOic  toioütoic  Kaipoic  TToXXdKic  jniKpal  öuva^eic 
fxexdXac  Tdc  ßoirdc  ^noiricav)  eine  entgegengesetzte  wendung 
gegeben  in  Hell.  V  1,36  dv  bfe  tuj  TToXdjLiifi  fiäXXov  dvTippÖTTUic 

TOTC  dvaVTlOlC   7TpdTT0VT€C   Ol  AaK€bai)ülÖVlOl  TTCXU    ^TTlKUbdCTepOk 

^TCVOVTO  dK  Tfic  dir*  'AvTaXKibou  eiprjvTic  KaXoujudvric*  TTpocTdrai 
tdp  T€VÖ|Lievot  usw.    also  die  Lakedaimonier  selbst  durch  ihre  eign& 

2* 


2ü 


GFriedrichT  zum  panegvrikos  des  Isokrates. 


kraft  sind  weit  angesehener  ans  den  wirren  Jeg  korinlhiächen  krieges 
hervorgegangen,  als  sie  vorher  waren;  denn  sie  sind  die  herren  in 
Hellas«  dies  die  antwort  und  absage  des  Agesilaos  an  Isokrates.  es 
kam  nun  alles  gerade  so,  wie  dieser  es  nicht  gewünscht  hatte,  statt 
gegen  die  barbaren  zu  ziehen,  lag  dem  Agesilaos  nur  daran  seine 
freunde  in  ihre  heimatstädte  zurückzuführen ,  ihnen  und  damit  sich 
und  Sparta  allenthalben  das  llbergewicht  zu  verschaffen»  anstatt 
Versöhnung  der  Hellenen  unter  einander,  die  Isokrates  mit  recht  als 
vorl>edingung  für  ein  gemeinsames  vorgehen  gegen  den  erbfeind 
ansiih,  und  die  ja  Philippos  später,  freilich  viel  handgreiflicher,  zu 
Stande  brachte,  anstatt  Versöhnung  —  basz  und  gewaltlhaL  man  be- 
greift nun,  dasz  die  380  eingefügten  oder,  was  sehr  viel  wahrschein- 
licher, in  ihre  jetzige  fassung  gebrachten  §§  122  —  132  allein  in  der 
ganzen  rede  von  unmittelbarer  empfindung  eingegeben  scheinen, 
dasz  allein  aus  ihnen  ein  pathos  strömt,  das  zu  herzen  geht,  wie  ca 
von  herzen  kommt,  denn  dasz  sie  durch  ihre  bitterkeit  von  dem 
versöhnlichen  tone  der  übrigen  rede  so  gehr  abstechen,  dasz  das  die 
Worte  eines  mannes  sind,  der  nur  durch  ernste  und  eindringliche 
Worte  der  Wahrheit  noch  etwas  zu  erreichen  hofft,  ist  längst  gefühlt 
und  hervorgehoben  worden.'  die  saclie  erbölt  besonders  ein  gesiebt^ 
wenn  man  nicbt  bei  dem  allgemeinen  eindruck  stehen  bleibt,  son- 
dern einzelheiten  vergleicht,  während  zb.  §  137  und  noch  an  andern 
stellen  die  preisgäbe  der  asiatischen  Griechen  allen  Hellenen  ins* 
gesamt  zur  last  gelegt  wird  (rrjv  T£  T^P  'Aciav  biuj)ioXÖYTiTai  Kai 
Tiap'  fimiiv  Kai  irapä  AaKebaiMoviuiv  ßaciX^iwc  eTvai),  ist  die  auf- 
fassung  §  122  eine  ganz  andere  (/i€^iipac9ai  b^  AaKebaipovioic,  ön 
TTiv  H^v  dpx^v  ek  töv  tiöX€mov  KaxecTTicav  üjc  ^XeuSEpijDcovTcc 
Touc  "6XXr|vac,  ^rri  hk  xeKeuific  oütuj  tioXXoüc  aijiijuv  CKbomuc 
^TTOVTicav  usw.).  nach  dieser  letzten  stelle  werden  die  Spartaner 
ganz  allein  verantwortlich  gemacht. 

Es  ist  nun  bemerkenswert  und  spricht  für  das  von  uns  ange- 
nommene Verhältnis  des  Isokrates  ?.u  Ägesiloos,  dasz  jener  niemals 
aufgehört  hat  es  zu  beklagen,  dasz  Agesilaos  durch  seine  partei- 
politik  zu  einer  groszen  panhellenischen  nicht  mehr  habe  gelangen 
können:  vgl.  epist,  ad  Ärcbid.  13  und  PhiL  86  ff.  in  dem  briefe 
an  Dionysios  (§  8)  sieht  er 
politik  aUj   während  er  von 

noch  in  später  zeit  (panath.  95  ff.)  wiederholen  sich  die  leidenschaft- 
lichen invectiven  gegen  Sparta;  und  wenn  man  bedenkt,  dasz  dies 
damals  schon  vollkommen  quantitö  ncgligeable  war,  erschrickt  man 
über  die  Vehemenz^  mit  der  der  greis  offene  tbüren  einrennt. 

Der  träumer  bat  in  so  vielen  dingen  einen  sichern  historischen 
instinct  bewiesen,   sein  urteil  über  die  scblacbt  bei  Knidos  hat  sein 


in.  1^  uno  rnu.  öt>  n.    in  uem   orieie 
Sparta  geradezu  als  bindernis  jener  ■ 
Alben  sagt,  es  sei  bereit  mitzuthun.   ^ 


^  WOocken  'Isokrateft  nnä  Älhen'  s.  45:  -ebeniio  reo  ist  daa  ver- 
sichtende  urteil,  welchea  Isokrates  über  Sparlas  hellenieche  politik 
fUtU,  imd  das  «ehr  schlecht  zu  der  versblmlkben  tibaicht  der  rede 
elimmt' 


GFriedrich:  zum  panegyrikos  des  Isokrates.  21 

scbüler  Theopompos ,  man  darf  sagen,  sanctioniert,  indem  er  sie  als 
eigentliches  ende  der  griechischen  geschichte  ansah ;  mit  einer  grosz- 
machtspolitik  war  es  fürder  vorbei,  vielleicht  hat  Isokrates  auch  in 
den  jähren  387 — 385  richtig  gesehen,  es  war  damals  vielleicht  noch 
einmal  der  augenblick,  wo  Sparta  bei  einem  groszherzigen  entgegen- 
kommen, bei  groszherzigem  eingehen  auf  geschichtlich  erworbene 
ansprüche  die  Hellenen  für  sich  hätte  gewinnen  und ,  wie  in  den 
groszen  tagen  der  befreiungskriege ,  die  ganze  kraft  von  Hellas  in 
einem  kämpfe  gegen  Persien  zusammenfassen  können:  der  grosze 
moment  fand  ein  kleines  geschlecht,  und  Isokrates  hat  dies  nie 
verziehen. 

Ganz  unmotiviert  feiert  er  in  der  merkwürdigen  stelle  panath. 
74  ff.  in  Agamemnon  das  ideal  seines  beiden,  sollte  jede  beziehung 
auf  Agesilaos  ausgeschlossen  sein,  der  sich  (Hell.  HI  4,  3)  auch  ein- 
mal in  der  Agamemnon -pose  ge£eillen  hatte?  man  darf  nicht  über- 
sehen, der  Verfasser  ist  ein  greis,  der,  wie  die  invectiven  gegen 
Sparta  beweisen,  sich  von  gewissen  gedankenreihen  nicht  mehr  los* 
machen  kann. 

NACHTRAG. 

Unter  den  im  vorstehenden  vorgetragenen  ansichten  hat  bereits 
Engel  die  betreffs  des  publicierungsjahres  des  panegjrikos  in  seiner 
Schrift  *de  tempore  quo  divulgatus  sit  Isocratis  panegjricus'  (Star- 
gard  1861)  mehr  aufgestellt  als  bewiesen,  der  unterz.  hofft  diese 
frage  in  Verbindung  mit  den  andern  streitigen  punkten  wesentlich 
gefördert  zu  haben.  —  Über  die  Veröffentlichung  des  zweiten  teile» 
der  Hellenika  ist  noch  folgendes  zu  bemerken,  der  umstand ,  dasz 
Kallisthenes  seine  *eXXiiviKd  mit  dem  j.  387  begann  (Diod.  XIV 117)» 
legt  die  Vermutung  nahe,  dasz  ein  historiker  vor  ihm  gerade  mit 
diesem  jähre  abschlosz,  wie  wir  es  von  zahlreichen  alten  geschicht- 
schreibern  wissen,  dasz  sie  so  an  Vorgänger  anknüpften,  da  wir  nun 
keine  kenntnis  von  einem  geschichtswerk  besitzen ,  das  mit  387  ab- 
schlosz,  so  glaubt  GFUnger  (jahrb.  1886  s.  103  ff.)  an  Eratippos 
denken  zu  müssen,  der  das  werk  des  Thukjdides  bis  zu  diesem  zeit* 
punkt  fortgeführt  habe,  nach  seinen  überzeugenden  ausiUhrungen 
verdienen  die  angaben  des  Dionjsios  (de  Thuc.  16  (bc  xat  KpariTi- 
7T0C  6  cuvaKjLidcac  aöiui  [sc.  Thucydidi]  Kai  xd  7TapaX€i96dvTa 
utt'  auTOu  cuvataTibv  T^TPO^^v  usw.)  weit  den  vorzug  vor  denen 
des  beträchtlich  später  lebenden  Markellinos  (v.  Thuc.  33  i'xOj  bi, 
ZiüTTupov  XiipeTv  vojLiiZiü  X^tovia  toOtov  iv  GpdKij  TereXeuTTi* 
K^vm,  Kfiv  dXri6€\J€iv  \0}X\lr}  KpdTmTTOC  aÖTÖv).  Kratippos  ist 
demnach  ein  Zeitgenosse  des  Thukydides  gewesen,  nicht  in  gleicher 
weise  richtig  dagegen  urteilt  Unger  über  den  inhalt  von  des  Era- 
tippos werk,  worüber  wir  bei  Plutarchos  eine  nachricht  besitzen; 
de  gloria  Athen.  1  fiv  Tdp  dv^Xqc  Touc  Tipdiroviac,  oux  ^Eeic  touc 
Tpd90VTac.  dveXe  Tfjv  rTepiKX^ouc  TroXiTciav  xal  id  vaüfxax« 
npöc  *Piiu  0op|Liiu)Voc  Tpöiraia  xal  idc  Ttepi  KuGripa  koI  M^Topct 


S3 


GFriedrich:  zum  panegyrikos  des  iBokratea. 


KQi  Köpivöov  dvbpatßBißc  Nikiou  xai  i^v  ArmocÖEVOuc  TTüXov 
Kai  Touc  KXcujvoc  TeipaKOCiouc  aix^ioXuüTOuc  xai  ToXpibav  FTeXo- 

TTÖVVriCOV    TT€plTTX€OVTa    KOI     MupÜJVibllV    VIKUJVXa    ßOlUITOUC     ^v 

OivütpÜTOiC'  Kai  OouKubibiic  coi  biaT€XpanTOL  äveXc  ta  irepl 
'€XXiicTTovTov  'AXKißidtbou  v€avi€Ü|iaTa,  Km  xä  irpöc  Aecßov  Gpa- 
cüXou,  Kai  ifiv  UTTÖ  0iipa^€vouc  ti^c  öXiTopx^^i*^  Kai^iXuciv  Kai 
BpacußouXov  icm  'Apxtvov  Kai  toijc  oittö  <l>v\f\Q  ^ß5o|if|KOVTa  kutci 
Tfjc  CirapTiaTaiv  fiTtMOviac  dviciaM^vouc  icai  Kovmva  näXiv  iix- 
ßipdlovia  Tctc  'Aörivac  eic  ifiv  SaXaiiav*  Kai  KpaiiTTiröc  coi 
dv^prixai.  Hfvoqpüjv  p^v  Tdp  aöiöc  ^auioö  ^iyovev  icxopia  *  .  ol 
b*  öXXoi  TToviec  iCTOpiKol  KXeibTiiiOC  (schrieb  nach  378),  AiuXXoc 
(scbhisz  294),  *iX6xopoc  (schlusz  262),  ^uXapxoc  (schlasz  220) 
dXXoTpiuüV  leTÖvaciv  IpTUJV  ujcircp  bpajuduuv  \iTTOKpiTai  usw. 
die  veaviey^aia  des  Alkibiades  setzt  TJnger  richtig  411—408»  die 
unterneb mung  des  Thrasybulos  fällt  selbstverständlieh  403  und  die 
tbaten  des  Konon  in  das  j,  394/3.  dagegen  soll  sich  des  Thrasylos 
gros2tbat  auf  den  kämpf  desselben  gegen  25  syrakusiscbe  schiffe  bei 
Metbymna  beziehen,  wovon  4  genommen  wurden,  während  alle  an- 
dern entkamen  (Xen.  Hell.  I  2,  11  f,).  das  ist  doch  gar  2u  unbe- 
dentend.  es  ist  vielmehr  an  die  schlacbt  bei  den  Arginusen  zu  den- 
ken: denn  diese  in  sein  liegen  ja  in  unmittelbarer  nähe  von  Lesboei 
auch  hatte  die  Schlacht  den  entsatz  des  In  Mytilene  blockiert 
Konon  zum  zweck.  Thrasylos  aber  eommandierte  in  der  scblacl 
nach  Diod.  XIII  97  und  erscheint  auch  sonst  als  hauptperaon,  afj 
Androtion  bei  Paus.  YI  7  ÖTi  Kai  'AOtivaioK  ^c  ©pdcuXov  Kai  touc 
iv  *ApTivoücaic  öpoO  tuj  ÖpacuXtp  cTpaiTiTTicavTac  übw.  und 
Ljsias  21,  7  ^ireibri  hl  iKdvouc  ^Iv  ir^ek  dTraücaTE  xfic  dpxrjc, 
TOÜc  hk  iitra  SpacuXou  5€Ka  eiXccOe  usw.  Äristophanes  Frö.  1195  f. 
sagt  freilich:  eubaipujv  dp*  fiv,  ei  KdcipaTri-niciv  T€  juei'  *€paci' 
vibou.  aber  Eraainides  war  ebenso  die  hauptperson  im  process  (Xen, 
HelU  I  7^  2.  29)  wie  Thrasylos  in  der  schlaeht.  beide  nennt  daher 
Xen,  apomn.  1  1,  18  neben  einander:  dmOujiricavTOC  TOÖ  bri^ou 
ttapd  Touc  v6^ouc  ^vvea  cipaBiTOuc  jxxq.  \^j\<p\jj  toöc  dfaqpi  Öpd- 
cuXov  Kai  '€pacivibr|v  dnoKTeivai  TidVTac*  --  Die  worte  Kai  tt^v 
©r^pa^^vouc  ific  öXiTapxiotc  xaiaXuciv  glaubt  Unger  auf  den  stürz 
des  Theramenes  durch  diu  dreigzig  beziehen  zu  müssen ,  und  es  sei 
daher  zu  schreiben  xi^iv  0r|pafi^voyc  uttö  Tfjc  öXixapxiac  KaTdXuciv. 
aber  unsere  stelle  beginnt:  äv  ^äp  dv^XrjC  TOÜc  HpOTTOVTac  es 
ist  hiernach  Theramenes  als  handelnder  zu  denken,  nicht  als  leiden* 
der.  jede  andere  auffassung  wird  auch  durch  die  übrigen  beispiele 
Plütarchs  ausgeschlossen,  wo  eben  in  Übereinstimmung  mit  dem 
einführenden  satze  jeder  der  genannten  männer  als  die  leitende 
persönlichkeit  erscheint,  hiernach  ist  Kai  rf[V  uiTÖ  Oripa^^VOUC  Tf]C 
dXiTapxiac  KaiäXuciv  im  texte  zu  belassen,  und  es  musz  auf  den 
stürz  der  vierhundert  im  j.  411  bezogen  werden,  eine  zeit  die  Thu- 
kydides  freilich  schon  behandelt,  auf  die  aber  Kratippos  bei  dem  be- 
richte vom  stürze  des  Theramenes  durch  die  dreiszig  zurückgegriffen 


GFriedrich:  zum  panegyrikos  des  Isokrates.  23 

haben  musz.  diese  annähme  wird  um  so  wahrscheinlicher,  da  für  ein 
anderes  ereignis  ein  gleiches  verfahren  des  Eratippos  feststeht,  denn 
auch  von  dem  Hermokopidenprocess  war  in  dem  werke  des  Eratippos 
noch  einmal  die  rede,  vita  Andocidis  (X  orat.)  3 — 5  )üi€Td  bi  raOra 
aiTiaOcic  (Andokides)  dceßeiv  d)c  kqi  auTÖc  touc  *6pixäc  TtepiKÖipac 
xai  €ic  TOI  TTic  ArijLiTiTpoc  d|LiapTd)V  fxucTiipia,  (4)  bid  tö  irpöiepov 
dKÖXacTOv  övTtt  vuKTU)p  KUifüidcavTa  OpaOcai  ti  tujv  dTaXfidTUJV 
ToO  GeoO,  Ktti  elcaTTcXG^vra,  ineibi]  oök  ^ßouXriGri  6v  dEqTOuv  ol 
KttTTiTOpoi  boöXov  ^Kboövai,  biaßXriGfjvai  xal  npöc  Tf|v  aWav  ific 
beuTcpac  Tpocpnc  öttotttov  T^v^cGai,  (5)  f)v  |Li€T'  ou  ttoXuv  xpövov 
ToO  ^TTi  CiKcXiav  CTÖXou  cuv^ßn  T€V^cGai,  KopivGiu)v  elcrreiLiijjdv- 
TCüv  .  .  AcovTivouc  T€  Kttl  AtT^CTaiouc  fivbpac  tbia,  fxeXXövTwv 
ßoTiGeiv  auToTc  täv  'AGrivaiiwv,  (o*i)  vÜKTUip  toüc  irepl  Tf|v  dTopdv 
*€p]Liäc  7T€pi€K0ijjav,  ibc  KpdiiTTTTÖc  911CI,  (6)  KpiGelc  usw.  es  fragt 
sich  nur,  bei  welcher  gelegenheit  Eratippos  von  dem  process  ge- 
sprochen. Unger  meint,  bei  gelegenheit  der  gesandtschafb  des  An- 
dokides 392/1 :  denn  sonst  trete  Andokides  in  der  politischen  ge- 
schichte  von  411  an  nicht  hervor,  es  ist  aber  zunächst  äuszerst 
fraglich,  ob  Eratippos,  selbst  wenn  seine  geschichte  über  394/3 
hinausreichte,  dieser  gesandtschaft  erwtthnung  gethan.  denn  die 
griechischen  historiker  pflegen  derartige  erfolglose  Unterhandlungen, 
die  auch  sonst  ftir  den  fortgang  des  krieges  ohne  bedeutung  waren, 
gewöhnlich  mit  stillschweigen  zu  übergehen,  während  sie  in  den 
Stadtgeschichten  von  Athen  erwähnt  wurden,  deren  tendenz  auf 
möglichst  vollständige  aufzählung  des  geschehenen  gerichtet  war 
(Müller  FHG.  I  einl.  s.  LXXXV).  kein  historiker  spricht  von  der  ge- 
sandtschaft der  Spartaner  nach  Athen  unter  dem  archon  Euktemon 
(408/7),  während  Androtion  darüber  berichtete  (s.  das  fragment  in 
diesen  jahrb.  1871  s.  316).  ebenso  wenig  wüsten  wir  von  einem 
friedensgesuch  der  Spartaner  nach  der  Schlacht  bei  den  Arginusen, 
wenn  nicht  Aristoteles  ('AG.  ttoX.  34)  es  erwähnte,  und  zwar  augen- 
scheinlich nach  einer  Atthis,  die  aber  nicht  die  des  Androtion  war. 
nach  diesen  analogien  ist  es  äuszerst  wahrscheinlich,  dasz  auch  Era- 
tippos ,  immer  vorläufig  zugegeben  dasz  er  noch  über  diesen  Zeit- 
raum berichtete,  so  wenig  notiz  von  des  Andokides  gesandtschaft 
genommen  wie  Xenophon,  während  dies  nach  der  äiTÖGecic  zur  dritten 
rede  des  Andokides  durch  Philochoros  geschah.  —  Ferner  aber  sind 
in  der  vita  des  Andokides  die  §§  4  und  5  nicht  immer  im  texte  ge- 
wesen ,  sondern  eingeschoben  worden ,  nachdem  sie  vorher  wohl  an 
den  rand  geschrieben  waren  (vgl.  Blass  zdst.  und  Müller  FHG.  11 
s.  76),  und  es  ist  nicht  ausgemacht,  ob  alles,  was  wir  jetzt  §  4  und  5 
lesen,  aus  Eratippos  entnommen  ist.  es  scheint  vielmehr  nur  §  5 
auf  ihn  zurückzugehen ,  wonach  der  frevel  den  Eorinthern  zur  last 
gelegt  wird.  —  Jedenfalls  aber  hatte  Eratippos  nur  dann  veran- 
lassung auf  jenes  ereignis  zurückzukommen ,  wenn  er  einer  andern 
auffassung  huldigte  als  Thukjdides,  der  das  gerücht,  die  Eorinther 
seien  die  urheber  des  freveis  gewesen,  mit  stillschweigen  übergeht. 


34 


GFri^rich:  xum  pauegjrikoa  des  Isokratea. 


dasz  es  ein  weit  Tperbreiteles  war^  beweist  d*jr  umstand,  dasz  auch 
Plutarchos  (Alk.  18)  und  Pliilochoroe  (fr.  110)  davon  redenj  letzterer 
scbeint  es  sogar  für  begründet  gebalten  zn  baben.  es  war  offonbar 
sofort  nacb  dem  frevel  unter  so  vielen  andern  aufgekommeD,  ernst- 
lieb  geglaubt  kann  es  nur  sein^  als  man  in  Atben  geneigt  war  den 
Alkibiades  zu  entlasten,  db.  zur  ^eit  seiner  rückkebr  nacb  Atben.  in 
das  j*  408  also  gebßrt  die  naebricbt  des  Kratippos ,  und  wenn  sie 
nicbt  die  objecÜi^e  wabrheit  bietet,  so  gibt  sie  jedenfalls  die  auf- 
fassuDg  wieder,  der  man  in  Ätben  damals  zuneigte,  vielleicbt  bat 
die  naebricbt  aucb  nur  in  dieser  bedingten  form  bei  Kratippos  ge- 
standen, es  ist  demnacli  wenig  wabrsebeinlicb ,  dasz  er  bei  anderer 
gelegenheit  als  bei  der  rückkebr  des  Alkibiades  von  jenem  frevel  ge- 
sprocben,  und  es  ist  kein  grund  anzunebmen^  dasz  er  sein  gedcbicbts- 
werk  über  das  jabr  394/3  hinaus  fortgesetzt  babe,  zu  dem  die  in- 
haltBangabe  Plutarcbs  fübrt. 

Eralippos  war  femer,  wie  Unger  ao,  ebenso  emleucbtend  nach- 
weist, Atbener,  wie  alle  andern  die  Plutarchos  nennt,  da  dieser  nun 
für  alle  andern  nachweislich  die  cbronologiscbe  folge  innehält ,  so 
ist  dasselbe  betreffs  des  Kratippos  anzunehmen  und  seine  lebens- 
zeit  zwischen  Tbukydides  und  Xenopbon  zu  stellen,  es  sind  Athener, 
die  Plutarchos  anführt^  und  da  vom  rühme  der  Athener  die  rede  ist^ 
so  können  notwendig  nur  solche  genannt  werden,  die  in  athenischem 
sinne  geschrieben  haben,  hieraus  ergibt  sich  sofort  der  grund,  wes- 
halb Xenopbon  nur  als  Verfasser  der  anabasis  in  betracht  kommt, 
was  Ünger  aufföUig  und  unbegreiflich  findet,  während  es  sich  bei 
der  tendenz  der  Plutarchiscben  scbrift  von  selbst  versteht,  dasz  ein 
in  lakedaimoniscbem  sinne  verfasztes  buch  wie  Xenophons  '€XXi]viKä 
ungenannt  bleibt.  —  Da  nun  Kratippos  Athener  und  Verfasser  einer 
in  athenischem  sinne  gebaltenen  geschiebte  war,  so  fragt  es  sieb, 
was  wohl  der  passende  abscblusz  eines  solcben  werkes  war.  es  kann 
keinem  zweifel  unterliegen  dasz,  wie  das  jabr  387  ein  specifiscb 
spartanischer  war,  so  die  tbaten  des  Konon  (394/3)  besser  das  finale 
eines  atbenerfreundlicben  huches  bildeten, 

Ünger  hat  ja  nun,  wie  oben  bemerkt,  recht,  wenn  er  es  seltsam 
findet,  daSÄ  Kallisthenes  seine  'EXXrjviKd  gerade  mit  dem  Antalkidas- 
frieden  begonnen  hat.  es  liegt  in  der  tbat  die  annabme  nahe,  das2 
er  an  das  werk  eines  Vorgängers  anknüpfte,  nur  ist  das  wahrschein- 
lich nicbt  Kratippos.  es  gibt  aber  ein  griecbiscbes  geschichtswerk, 
das  mit  dem  j.  387  endete,  die  Sonderausgabe  des  zweiten  teiles  von 
Xenophons  '€XXr|VtKä.  dasz  diese  sich,  ihre  existenz  überbaupt  an* 
genommen  —  und  sie  kann  nach  dem  früher  darüber  gesagten  kaum 
bezweifelt  werden  —  bis  Kulliütbenes  erhalten,  ist  selbstverstfind- 
lieb.  spÄter  verschwand  sie  dann  gegenüber  dem  gesaratwerk.  Dio- 
doroß  oder  vielmehr  seine  gewährsmänner  konnten  den  Kallistbenes 
nicht  mehr  als  fortsetzer  des  Xenopbon  bezeichnen,  da  ihnen  eben 
nur  das  bis  zur  schlacht  bei  Mantineia  reichende  gesamt  werk  vorlag. 

ScHWfiiDNiTz.  Gustav  Friedrich* 


HrKleist:  zu  Thukydides.  25 

2. 

ZU  THUKYDIDES. 


1.  n  11,  4  noXXäKtc  .  .  t6  ^occov  nXtidoc  bebioc  £|ieivov 
^^uvaTO  Touc  nXcovac  bia  tö  KaTaq)povouvTac  äiropaaceuouc 
TCV^cOau  ich  halte  es  hier  nicht  ftlr  richtig  mit  Steup  bebtoc 
ä^eivov  ZQ  streichen.  Classen  hatte  erklärt:  bebiöc  ä^eivov 
i^jüiuvaTO  nemlich  als  im  entgegengesetzten  falle,  worauf  Steop  (an- 
hang)  nicht  ohne  gnmd  verwundert  fragt,  oh  denn  die  minderzahl 
selbstversüLndlich  die  mehrzahl  zurückschlagen  müsse  und  dies  nur 
um  so  besser  thue,  wenn  die  gröszere  vorsieht  auf  ihrer  seite  sei. 
allein  man  kann  ja  auch,  wie  schon  Poppo  wollte,  ergänzen :  tö  £X. 
nX.  beb.  fifieivov  i^  touc  irXeovac  f{  o\  irX^ovcc  tö  fXaccov 
TTXf]6oc,  und  diese  auffassung  empfiehlt  sich  schon  insofern,  als 

—  wie  es  mir  wenigstens  trotz  Steups  abweichender  ansieht  scheinen 
will  —  der  sonstige  worüaut  der  stelle  geflissentlich  darauf  hin- 
weist ,  dasz  es  sich  hier  um  einen  vergleich  zwischen  zwei  subjecten 
in  6inem  und  demselben  falle,  nicht  um  einen  vergleich  zwischen 
zwei  verschiedenen  ein  und  dasselbe  subject  betreffenden  f&llen 
handelt,  müszig  aber,  wie  ihn  Ejrüger  nennt,  kann  ich  den  so  ge- 
wonnenen gedanken  keineswegs  finden,  zu  einem  d^uvecOat  — 
wäre  nemlich  die  annähme  —  kommt  es  auf  beiden  Seiten  —  und 
in  der  that  kann  ja  Archidamos  hier  nicht  den  fall  in  betracht  ziehen 
wollen,  dasz  etwa  die  mehrzahl  ohne  weiteres  die  flucht  ergriffe  — r; 
das  dfxuvecOai  aber  gelingt  unter  der  Voraussetzung  des  bebi^vou 
der  minderzahl  oft  besser,  oder:  die  mehrzahl  zieht  unter  der  Voraus- 
setzung des  änopdCKCUOi  t^v^cOai  oft  im  kämpfe  den  kurzem, 
demnach  wäre  es  nicht  nötig  mit  Krüger  fifxeivov  zu  tilgen ;  Steup 
nimt  nun  aber  auch  an  der  behauptung  anstosz ,  dasz  es  für  eine 
minderzahl,  die  sich  einer  unvorsichtig  vorgehenden  mehrzahl  er- 
wehren wolle,  am  meisten  auf  eigne  vorsieht  ankomme,  allein 
zunftchst  will  ja  Archidamos  offenbar  nur  sagen,  dasz  ceteris paribus 
derjenige  teil,  auf  dessen  seite  die  geringere  zahl ,  aber  die  gröszere 
vorsieht  sei ,  oft  die  Oberhand  behalte ,  und  femer  lehrt  der  ganze 
Zusammenhang,  dasz  unter  Vorsicht'  hier  nichts  anderes  als  'gefechts- 
bereitschaft'  (iTap€CK€uac|Li€voii€  xujpeTv  —  äirapaaceuouc  T€V€c8ai 

—  TrapeaceuäcOai)  verstanden  werden  soll,  deren  bewustsein  übri- 
gens, wie  Archidamos  ausdrücklich  bemerkt,  auch  den  kampfes- 
mut  ZU  erhöhen  geeignet  sei  (§  5  outuj  .  .  npöc  .  .  TÖ  dirt^vai  .  . 
euipuxÖTaTOi  &v  cTev).  der  hiernach  sich  ergebende  gedanke 
dürfte  aber  doch  eine  unanfechtbare  Wahrheit  sein. 

2.  II  11,  7  Ttäci  Top  ^v  TOic  öpinaci  Kai  ^v  Tip  irapauTiKa 
öpav  ndcxovTdc  ti  driGcc  öpip^  npocni7TT€i.  sehen  wir  zunächst 
von  ^v  ToTc  ö)üi|Liaci  Kai  ab,  so  glaube  ich  nicht,  dasz  irgend  ein 
Grieche  die  worte  wesentlich  anders  verstehen  konnte,  als  sie  Krüger 
erklärt:  '(alle  beföllt  zorn),  wenn  sie  irgend  welche  der  ihrigen  so 


EvEleiet:  zu  Thukjdides. 


eben  ungewohntes  erdtilden  sehen^;  Tqjr  gebort  nach  Kroger  zu  opSv, 
und  TrdcxovTac  als  prädicatsaccusativ  zu  einem  zu  ergänzenden 
^auTOiic,  stellt  man  nun  mit  Stenp  ^v  tiü  toic  ö^^aci  Kai  nap- 
auma  usw.,  so  scheint  mir  alles  in  Ordnung  zu  sein,  da  sich  der 
befriedigende  sinn  ergibt :  alle  übermannt  der  zom ,  wenn  sie  mit 
eignen  äugen  und  ganz  unmittelbar  mit  ausehen  müssen,  dasz  ihnen 
etwas  ungewohntes  widerfahrt,  diese  Identität  der  leidenden  und 
schauenden  findet  Steup  freilich  Bt5rend.  soll  denn  etwa  hier  an- 
gedeutet werden f  meint  er,  dasz  diejenigen ,  die  etwas  erleiden i  für 
gewöhnlich  zunächst  nur  davon  hören?  kideBsen  einen  streng  all- 
gemeinen satz  will  hier  Archidamos  schwerlich  aussprechen^  er  denkt 
eben  an  nachteile  und  Schädigungen  ^  wie  sie  ein  volk  im  kriege  er- 
leiden kann ,  und  von  diesen  dürfte  die  mehrzahl  doch  m  der  that 
in  den  meisten  fallen  zunächst  durch  hören,  nicht  durch  sehen  unter- 
richtet werden. 

3.  ebd.  Kai  oi  XoYiC|nfi  ^Xtixicia  xpuLiM^voi  Ou^oj  TiXeicia  ic 
fpYOV  KaöiCTaviai.  üsener  und  Stahl  haben  oi  streichen  wollen, 
Classen  aber  hält  es  für  einen  wirksamem  fortschriit  des  gedankens^ 
wenn  hervorgehoben  werde ,  dasss  gerade  die  unbesonnensten  auch 
am  leidenschaftlichsten  bandeln,  in  der  that  würden  biemach  fol- 
gende gründe  angeführt  werden »  um  ein  ausrücken  der  Athener 
wahrscheinlich  zu  machen:  1)  die  macbt  und  trelfliche  zurUstiing  der 
feinde,  2)  die  aufreizende  Wirkung  des  unmittelbaren  anschauens, 
3)  der  umstand  dasz  die  unhesonnensten  am  leidenschaftlichsten 
handeln,  4)  im  weitern  fortgang  der  umstand,  dasz  die  Athener  eher 
au  das  gegenteil  gewöhnt  sind,  dasz  sie  es  für  ganz  in  der  Ordnung 
halten  selber  ein  nacbbarland  zu  verwüsten,  aber  nicbt  der  Ver- 
wüstung des  eignen  lande«  ruhig  zuzusehen,  aber  der  dritte  der  an- 
geführten  gedanken  erfordert  den  Untersatz:  nun  sind  die  Athener 
die  unbesonnensten  (oder  doch  unbesonnen),  und  das  wird  Thukj- 
dides  den  Archidamos  doch  wohl  kaum  wollen  behaupten  lassen. 
man  vermeidet  diese  ungehörigkeit,  wenn  man  mit  Steup  erklärt: 
*und  die,  welche  infolge  leidenschaftlicher  erregung  am  wenigsten 
Überlegung  anwenden,  schreiten  am  meisten  zur  that/  dann  enthält 
der  salz  allerdings  keinen  neuen  wahrscheinlichkeitsgrund,  sondern 
bildet  nur  eine  fortsetzung  des  zweiten  gedankens:  unmittelbares 
anschauen  erregt  leidenschaft,  diese  läszt  es  nicht  zur  Überlegung 
kommen,  und  mangel  an  Überlegung  erleichtert  den  Übergang  2^ur 
that.  diese  fortfübrung  könnte  man  sich  wohl  gefallen  lassen,  wenn 
man  es  nur  für  glaublich  halten  könnte,  dasz  irgend  ein  Grieche  so 
wie  Steup  will  construiert,  nemlich  Bv^\h  mit  XPLU|i€VOi  verbunden 
hätte;  aber  durch  die  entsprechung  XoTiCM«?*  ^XdxiCTa  —  ÖUfnJ» 
nXcTcta  wird  ja  das  Öu^uj  durchaus  als  dem  folgenden  zugehörig 
gekennzeichnet,  es  wird  also  doch  wohl  die  Streichung  des  oi  not- 
wendig sein,  wonach  sich  der  gedankengang  ergäbe:  unmittelbares 
anschauen  erregt  in  allen  zorui  und  unter  solchen  umständen  sind  wir 
alle  am  wenigsten  geneigt  Überlegungen  anzustellen  und  lassen 


HvEleist:  zu  Thokydides.  27 

uns  am  ehesten  von  unserer  leidenschaft  zur  that  fortreiszen.  durch 
diese  auffassung  erledigt  sich  auch  der  einwand  Steups,  dasz  za 
irXetCTa  ic  fpTOV  KaOtCTavrai  das  subject  ^alle  welche  einen  solchen 
anblick  haben'  nicht  recht  passen  würde;  hiemach  würden  eben 
nicht  verschiedene  subjecte,  sondern  verhaltungsweisen  eines  und 
desselben  subjectes  unter  verschiedenen  umstftnden  mit  einander 
verglichen. 

4.  II  35,  1  (prooimion  der  leichenrede)  xat  \ii\  iv  iv\  dvbpl 
TToXXwv  dperac  xivbuveuecOai  eö  t€  xai  x^ipov  cIttövti  itictcu- 
Of^vat.  die  construction  läszt  sich  verschieden  .auffassen,  aber  der 
sinn  scheint  in  jedem  falle  dieser  zu  sein:  (es  wäre  gut),  wenn 
nicht  der  glaube  an  vieler  männer  tüchtigkeit  von  6ines  mannes 
gröszerer  oder  geringerer  redegabe  abhängig  gemacht  würde,  hier- 
gegen erhebt  sich  naturgemäsz  der  einwand:  'das  ist  doch  nur  der 
fall,  wenn  der  redner  übertreibt,  wenn  er  die  tüchtigkeit  der  ge- 
fallenen in  seiner  darstellang  über  das  masz  hinaus  erhöht,  das  die 
hörer  schon  lange  vor  beginn  der  rede  für  sich  festgesetzt  haben; 
dann  wird  es  allerdings  einer  ungewöhnlichen  beredsamkeit  bedürfen, 
um  für  diese  von  der  mitgebrachten  ansieht  abweichende  Schätzung 
allgemeinen  glauben  zu  erwecken,  hält  sich  aber  der  redner  in  ge- 
hörigen schranken,  geht  er  über  jenes  masz  nicht  hinaus,  dann  wird 
er  ja  ohne  weiteres  bei  jedem  hörer  glauben  und  Zustimmung  finden.' 
auf  diesen  durchaus  naheliegenden  und  eben  darum  wohl  nicht  be- 
sonders ausgedrückten  einwurf  scheint  mir  nun  Perikles  mit  den 
folgenden  salzen  zu  antworten:  *wenn  es  nur  darauf  ankäme  das 
masz  des  lobes  mit  einer  bereits  feststehenden  Schätzung  (bÖKT|Ctc) 
der  hörer  in  Übereinstimmung  zu  bringen,  dann  wäre  freilich  die 
aufgäbe  nicht  allzu  schwer,  aber  wo  auch  diese  Schätzung  selber 
sich  nicht  feststellt,  wo  eine  feste,  dh.  bei  allen  übereinstimmende 
abschätzung  des  wahren  Sachverhaltes  der  natur  der  sache  nach  so 
gut  wie  ausgeschlossen  ist,  da  dürfte  es  doch  recht  schwer  sein  dem 
masze  entsprechend  (^eTpiuJc)  zu  reden ,  das  rechte  oder  allen  recht 
erscheinende  masz  im  reden  zu  treffen,  denn  was  dem  6inen,  dem 
kundigen  und  wohlwollenden  hörer,  zu  wenig  erscheint,  das  kann 
eben  dem  andern,  dem  unkundigen,  der  sich  nur  ungern  entschlieszt 
an  leistungen  zu  glauben,  die  über  sein  eignes  vermögen  hinaus- 
gehen, schon  zu  viel  erscheinen,  da  nun  aber  einmal  die  altvordem 
diese  art  der  leichenfeier  für  recht  erkannt  haben,  so  musz  auch  ich 
wünsch  und  meinung  eines  jeden  unter  euch  nach  möglichkeit  zu 
treffen  suchen.'  bei  dieser  auffassung  verschwindet  der  Widerspruch, 
den  Steup  (anhang)  innerhalb  des  c.  35  finden  will;  aber  freilich  ent- 
steht nun  die  frage:  wie  will  denn  der  redner  in  aller  weit  es  allen 
recht  machen,  wenn  die  urteile  der  kundigen  und  unkundigen  wirk- 
lich so  weit  auseinandergehen?  entweder,  scheint  es,  spricht  er  nur 
dem  6inen  teile  zu  dank,  oder  er  schlägt  den  angedeuteten  mittel- 
weg  ein ,  und  dann  wird  keiner  von  beiden  so  recht  zufrieden  ge- 
stellt werden,  allein  der  fortgang  der  rede  zeigt  ja,  wie  sich  Perikles 


28 


HrKleist:  zn  ThukydideB. 


ftus  dieser  bedrängnis  zu  helfen  weisz.  auf  das  lob  der  tbaten 
eben  nach  rechtä  oder  links  hin  anstosz  geben  musz,  läszt  er  sich 
Überhaupt  nicht  ein  {vgl,  36,  4),  er  verzichtet  Yöllig  darauf,  wie  es 
wohl  bei  solchen  gelegenheiten  in  Athen  und  anderswo  (vgl.  42, 2)  her- 
gebracht gewesen  sein  mag ,  seine  beiden  nach  art  eines  Homeriden 
zu  verberlichen  (vgh  41,  4),  dagegen  spricht  er  lang  und  breit  von 
Verfassung,  gesetzen^  sitten  und  anschauungen  der  Athener  in  bezug 
auf  frieden  und  auf  krieg,  er  charakterisiert  die  geistesricbtung  de» 
Volkes  im  allgemeinen,  er  weist  auf  die  aus  solchem  boden  hervor- 
gewachsene geistige  und  politische  grösze  des  Staates  hin,  um  dann 
zu  erklären:  nun,  und  von  den  gesinnungen^  die  Athen  groat 
gemacht  haben ,  waren  eben  auch  diese  erfüllt; :  es  waren  echte  undj 
rechte  Athener,  das  haben  sie  durch  ihren  tod  bewiesen,  nicht  dil 
thaten,  sondern  die  grün ds ätze  und  beweggründe  preist  da 
verhUUnismäszig  kurze  dem  Inaivoc  der  gefallenen  gewidmete  c.  42^ 
und  gerade  so  dürfte  es  dem  redner  wirklich  gelungen  sein  beide 
teile  zu  befriedigen,  denn  wenn  es  heiszt:  8  .  .  T^v  nöXiv  öpvrica^^ 
a\  TÜüvbe  Kol  Td;v  TOiüüvbe  dpeiai  tKÖc^ricav,  so  war  das  gewie  auch 
für  die  'kundigen  und  wohlwollenden*  nicht  zu  wenig  gesagt;  ander 
seits  aber  enthält  dies  urteil,  wie  der  redner  aosdrücklich  belontij 
auch  keine  Übertreibung,  und  das  werden  gewis  auch  die  'unkun- 
digen* gern  anerkannt  haben ,  weil  sich  ohne  frage  jeder  von  ihnen 
zutraute,  dieselben  gesinnungen  bethäügen  zu  können,  die  ai 
den  gefallenen  gerühmt  wurden*  dies  war  sicherlich  nicht  UTitp  li\\ 
q)uciv  auTOÖ  (35,  2)»  und  so  konnte  sich  denn  hier  aufs  passendste 
die  mahnung  anschlieszen,  dasz  sich  die  Überlebenden  auch  wirklich , 
in  bezug  auf  die  bldvo  la  ^c  tolic  ttoAcjuIouc  den  bestatteten  gleich 
erweisen  möchten* 

5.   Den  gedankengang  in  c.  42  glaube  ich  übrigens  einiger 
maszen  anders  als  C lassen  und  Steup  auffassen  zu  müssen*  welcherlei ' 
tugenden  werden  denn  den  gefallenen  nachgerühmt?  L  zun&chst  gar 
nicht  allein  kriegerische,  da  es  ganz  allgemein  heiszt:  Mie  grt^sze 
der  Stadt,  die  ich  gepriesen  habe,  verdanken  wir  den  tugendon  dieser 
und  solcher  männer*,  und  vorher  von  der  grösze  der  stadt  im  frie- 
den und  im  kriege  die  rede  gewesen  hi,    dieses  lob  hat  den  Vor- 
zug wahr  zu  sein,   was  man  nicht  von  vielen  lobprelsungen,   dil 
hellenischen  milnnern  gesollt  werden,  sagen  kann.    IL  ihr  tod  be-^ 
weist  ihre  mannes tagend ,  wenigstens  ihre  mannbaftigkeitim 
kämpfe  gegen  die  feinde  für  das  Vaterland,  und  diese  musz  man 
auch  denen,  die  etwa  in  anderer  beziehung  wi.*Diger  Irefflich  waren, 
als  einen  alle  mängel  und  fehler  aufwiegenden  und  überwiegendt^n 
Vorzug  anrechnen.    III«  inwiefern  beweist  ihr  tod  mannhafiigkeit?! 
1)  keiner  von  ihnen  hat  gezögert  sich  in  die  gefahr  zu  begebellt 
a)  keiner  sich  durch  die  hoffnung  auf  fernem  lebe n k gen niS, 
oder  durch  die  hoffnung  eines  lebensgenusäes,  der  ihm  bisher  ver^T 
sagt  gewesen,  noch  einmal  teithaft  zu  werden  davon  zurückhält 
lussen  in  die  Schlacht  zu  gehen,    b)  btärkere  antriebe  für  »i«  waren 


HvEleist:  zn  Thukjdides.  29 

o)  Vaterlandsliebe  und  ehrliebe;  daram  waren  sie  entschlossen 
nicht  durch  Vermeidung,  sondern  durch  mutiges  bestehen  der  kriegs- 
gefahr  jenen  äaszem  gutem  nachzustreben  (ich  halte  42,  4  mit  Steup 
an  der  überlieferten  lesart  €q)t€cOai  fest  und  fasse  fi€T'  auToO  als 
bezeichnung  des  mittels  sowohl  für  ToOc  fi€V  TifiujpeTcOai  als  ftir 
TiJüV  bk  dq)i€c9ai).  ß)  unterstützt  wurden  diese  mächtigen  antriebe 
(1)  durch  die  frohe  hoffnung  auf  einen  günstigen  end  er  folg 
des  kampfes  (das  futurum  xaTopG  uü  c  €  t  v  scheint  mir  von  den  hgg. 
nicht  genügend  beachtet  zu  werden)  und  (2)  durch  das  stolze 
Selbstvertrauen,  das  sie  in  bezug  auf  jede  einzelne  ihnen  im 
verlaufe  der  schlacht  entgegentretende  aufgäbe  für  geziemend  er- 
achteten, sie  haben  es  2)»  als  sie  ihr  leben  im  gefechte  bedroht 
sahen,  für  schimpflich  und  unter  ihrer  würde  erachtet  aus  dem 
kämpfe  zu  fliehen  und  sich  durch  die  flucht  zu  retten,  das  ehr- 
gefühl  und  die  selbstschätzung ,  die  hohe ,  stolze  meinung  von  sich 
(so  verstehe  ich  ööEa)  waren  stärker  in  ihnen  als  die  furcht 

6.  Hiernach  scheint  sich  mir  auch  erst  die  richtige  auffassung 
von  c.  45  zu  ergeben,  ^jedermann  pflegt  den  nicht  mehr  seienden 
zu  loben.'  gewis,  aber  eben  nicht  die  q)ucic,  sondern  die  ge sinn ung 
desselben,  wir  sagen  ja  nicht  unterschiedslos  von  jedem  verstor- 
benen :  er  war  ein  Herakles  oder  ein  genie,  wohl  aber  erkennen  wir, 
wo  es  nur  irgend  angeht ,  bereitwillig  an,  dasz  er  ein  guter,  braver, 
edler,  tüchtiger,  tapferer  usw.  mensch  war,  höchst  wahrscheinlich, 
weil  wir  im  stillen  alle  diese  prädicate  auch  für  uns  in  anspruch 
nehmen,  in  dieser  dp€Tf|  sollen  nun  die  söhne  oder  brüder  der 
gefallenen  mit  ihnen  wetteifern  —  denn  ihre  q)ucic  können  sie  ja 
auch  nicht  ändern  —  und  selbst  bei  dem  höchbten  aufgebote  sitt- 
licher anstrengung  dürften  sie  sich  kaum  die  anerkennung  erringen, 
dasz  sie  den  verstorbenen  nicht  allzu  weit  nachstehen,  weil  der  nei  d 
sich  nur  gegen  den  nebenbuhler  richtet  und  das,  was  nicht  mehr  im 
wege  steht,  mit  eifersuchtslosem  wohlwollen  geehrt  wird,  ein  Wider- 
spruch des  gedankens  mit  der  in  c.  35  enthaltenen  meinung ,  dasz 
man  auch  lobpreisungen  verstorbener  aus  neid  leicht  für  über- 
trieben halte,  fände  hiernach  also  nicht  statt,  weil  dort  eben  allein 
von  der  q)ucic  und  den  thaten ,  in  denen  sie  sich  bekundet  haben 
soll,  die  rede  ist.  zuzugeben  wäre  nur,  dasz  in  c.  45  die  begründen- 
den Sätze  TÖv  .  .  ouK  övxa  fiirac  etuiOev  diTaiveiv  und  tö  .  .  ^f| 
^fiTTO&ujv  dvavTQTUJViCTiu  euvota  T€Ti^T|Tai  gar  zu  allgemein  ge- 
halten wären,  aber  da  zwischen  den  beiden  stellen  fast  die  ganze 
rede  liegt,  so  konnte  dieser  scheinbare  Widerspruch  schwerlich  auf- 
fallen; wem  er  aber  auffiel,  den  muste  doch  schon  der  gar  nicht  zu 
verkennende  umstand,  dasz  an  beiden  Sätzen  etwas  richtiges  sei,  auf 
den  gedanken  bringen,  dasz  beide  einer  einschränkung  bedürfen. 

Was  ferner  die  beiden  athetesen  Steups  (Tiaid  ^^  . .  ^  döeXqpoic 
6pai  ^etav  töv  dytuva  [töv  top  ouk  övia  Sttoc  eiwGev  ^iraiveiv,] 
xai  ^öXic  Sv  Ka9'  U7r€pßoXf|v  dpetfic  oüx  6^oToi ,  dXX*  öXituj  x^i- 
pouc  KpiOeiTC.   cpöövoc  tdp  [toic  Cwci]  Tipöc  TÖ  dvTiTTaXov,  TÖ  bk 


30 


HyRleiBtr  za  Thokjdidea. 


ixf\  ^MTTObujv  dvavTcrruJvicTUi  euvoia  Tcri^iiTai)  anbetrifft,  so  bat 
auch  fftr  micb  ToiC  2IiUCt  ganz  das  anheben  einer  in  den  text  ge- 
ratenen erklSLrung  yon  npöc  TÖ  dvrtTraXov,  die  icb  übrigens  dem 
sinne  nach  nicht  für  ungenau  balten  könnte;  aber  die  Streichung  de& 
Satzes  TÖv  T^p  OiiK  övta  usw.  scheint  mir  keineswegs  erforderlich. 
Steup  (anhang)  meint  zwar,  da  von  den  beiden  Sätzen  TÖv  yäp  U8W. 
und  cpOövoc  T^p  nsw.  der  zweite  den  ersten  begründe,  so  wäre  es 
ganz  wunderbar,  wenn  der  erste  die  allgemeine  behauptung:  ihr 
sahne  und  brUder  werdet  einen  schweren  wettkampf  zu  bestehen 
haben,  der  zweite  aber  die  n&here  angäbe  stützen  solle:  auch  bei 
der  höchsten  anstrengung  werdet  ihr  es  ksum  so  weit  bringen,  dasz 
man  euch  nur  nicht  gerade  fUr  weit  schlechter  erklärt*  ich  finde 
dies  nicht  nur  nicht  wunderbar,  sondern  durchaus  in  der  Ordnung, 
dasz  der  wettkampf  überhaupt  schwierig  ist^  erklärt  sich  aus  der 
allseitigen  geneigtheit  von  den  toten  gutes  zu  denken  und  zu  reden 
im  allgemeinen,  dsaz  er  aber  s  o  schwierig  ist,  das  erklärt  sich  erst  aus 
dem  umstände,  dasz  der  die  anerkennung  der  lebenden  schmälernde 
oder  hindernde  q>dövoc  bei  den  toten  ganz  fortflllt,  dasz  die  efivota 
gegen  diese  nicht  blosz  vorhanden,  sondern  vOllig  dvavTa^ ^ViCTOC  ist. 
7-  Von  der  gliederung  der  leichenrede  scheinen  mir  weder  die 
hgg.  noch  Franz  Müller  in  seinen  dibpositionen  ein  ganz  zutreffen- 
des bild  zu  geben,  und  ebenso  vermisse  ich  den  nachweis«  dasz  in 
der  Schilderung  des  athenischen  Tolks-  nnd  staatslebens  pun  k  i  für 
p u n  k  t  die  hervorkehning  des  gegensatzes  zu  den  Spatianern  Üb* 
abaichtigi  war.  dem  ist  aber  thatsächlich  so,  und  so  erklärt  sich 
erst  die  häufige  Wiederholung  des  oö,  das  überwiegen  der  negativen 
bestimmungen*  diese  Charakteristik  nun,  der  hauptteil  der  leichen- 
rede, hat  nach  meiner  auffassung  ihre  eigne  einteitnng  (c,  3G)  und 
ihren  eignen  schlusz  (c*  41).  c-  36  betrachtet  zwar  auch  FMüUer 
als  ein  besonderes  prooimion  nebst  protbeeis,  aber  seine  aufstellung 
Ton  fünf  verschiedenen  fTraivot  ist  ganz  verfehlt;  die  rede  enthält 
eben  nur  zwei  fTtaivot,  den  des  athenischen  Staates  und  den  der  ge- 
fallenen, die  einleitung  sagt  nemlich:  'die  vorfahren,  die  väter,  die 
altersgeoossen  sind  des  lobes  würdig,  ihr  verdienst  ist  die  bobaup- 
tung  der  freiheit,  die  begrflndang  und  der  aoübau  der  athenischen 
macht,  icb  will  aber  nicht  ihre  thaten  weitlüaßg  boHprcchon, 
sondern  euch  den  geist*  unseres  Staats-  und  valkslebens,  aus  dem 
sich  alle  äuszem  erfolge  erklärenp  zum  bewnstsein  za  bringon  suchen.' 
der  schlusz  sagt:  'diesem  geiste  unseres  titaats-  und  Volksleben»,  der 
es  dem  einzelnen  ermöglicht  seine  per^on  bei  uns  ^u  d^r  höch- 
sten Vielseitigkeit,  anmut  und  tüchtigkeit  auszubilden,  ferdaukim 
wir  auch  unsere  groaze  äuszere  macht,  die  uns  In  der  g«»genwart 
bei  freund  und  feind  achtung  verschafft,  verdanken  wir  alle  Jene  er- 
folge, die  auch  ohne  die  ansschmückende  darstell ung  eines  liomeros 
uns  die  be  wunderung  aach  der  noch  weit  sichttrn/    diit  dazwiNcben 

*  vgl,  Iflokrates  Artop,  U  IcTi  yäp  ^lUxA  «öUuüc  o<»Mv  Ittpov  f| 
itoitTcia. 


.X       M'  küjafc. 


32 


HvEleiBt:  zu  Thukydides, 


bestehen,  dasz  man  voa  dem  ruh m würdigte ten  leide  betroffen  werde, 
und  nur  wenigen  soll  es  beschieden  sein,  im  leben  'neben  manig- 
fachem  ungemach  auch  positives  glück'  zu  erfabren.  wie  reimt  sich 
denn  dies  mit  den  gleich  in  demselben  cap.  folgenden  aussprücben: 
TToXXdKic  ?E€Te  iJTfo^vrjjLiaTa  €V  äXXuüv  eutiixiotic,  aic  ttote  Kai 
auTOi  i^T*iXX€c0e  und  tov  *  .  TrXeiova  K€p5oc  öv  T^tnyx^ire 
ßlov  fiteicöc'?  überdies  scheinen  mir  doch  die  capitel  37  und  38 
der  leichenrede  dafür  zu  zeugen,  dasz  Perikles  keineswegs  so  pessi- 
mistischen anschauungen  huldigte,  und  wäre  dies  der  fall  gewesen, 
80  durfte  er  doch  nicht  ohne  weiteres  dieselbe  Überzeugung  bei 
den  eitern  voraussetzen.  Steup  hebt  dies  im  anhange  hervor,  um 
seine  von  Cla^sen  abweichende  interpunction  und  construction  zu 
begründen ,  vergiszt  aber  ganz  die  folgerung  zu  ziehen »  dasz  damit 
diese  bemerkungen  als  trostgründe  ganz  unbrauchbar  wurden, 
glaubten  die  eitern  nicht  an  diese  sätze,  so  konnten  sie  gewis  auch 
keinen  tro&t  in  ihnen  inden,  und  blosz  auf  die  autontät  des  Perikles 
hin  werden  sie  doch  diesen  starken  behauptungen  nicht  geglaubt 
haben,  auf  allgemeine  Zustimmung  konnten  dagegen  folgende  aus- 
fübrungen  rechnen;  ^ihr  wlszt  ja  aus  eigner  er  fahrung  1)  dasz  den 
menschen  von  jugend  auf  misgeschick  in  der  verschiedensten 
gestalt  heimsucht^  und  dasz  das  ein  besonderer  glücke  fall,  eine 
günstige  ftigung  ist,  wenn  sich  mit  seinem  leide  zugleich  das  höchste 
masz  von  ehre  verknüpft»  ihr  wiszt  2)  dasz  nach  göltlicbem  rat* 
schltisz  die  summe  des  Unglücks  der  des  glucks  im  raenÄchen leben 
gleich  ist.'  ich  glaube  demnach  lesen  zu  müssen:  iv  iroXuTpöwoic 
Yäp  Eupcpopatc  ^KtciavTat  ipacptviec  roh'  cutux^c  (wobei  öv  zu 
ergänzen  und  rpaqptVTCC  als  begründung  zu  diiicTavTai  aufzufassen), 
ol  fiv  xfjc  euTTpeTrecTäxTic  Xdxujciv,  uicirep  oih€  fi^v  vOv  TeXeuific, 
iü^€ic  hi  XüiTT)C|  Kai  UJC  (so  vermutete  t^chon  Clfissen)  tveuboiijuovilcai 
Te  6  ßioc  i^oiiwc  Kai  ^vxaXaiTfUjpficai  (mit  Steup  nach  Her- 
werdens Vermutung)  EuvepeTprjÖij. 

9.  II  44,  2  xö^tTTÖv  pfcv  ouv  olha  neiSeiv  6v.  Steup 
schreibt  o?b*  dnaXTeiV  öv.  es  ist  zuzugeben,  das?.  diraX-feiv 
sehr  wohl  in  den  Zusammenhang  passen  würde,  als  notwendig 
kann  ich  aber  trotzdem,  falls  man  nur  TteiÖciV  auf  'die  absiebt  des 
redners  im  ganzen,  die  absieht  die  eitern  zu  trösten'  bezieht,  diese 
Änderung  nicht  anerkennen,  die  Überlieferung  liesze  sich ,  wie  mir 
scheint,  etwa  durch  folgende  auflassung  des  gedankengimges  ver- 
teidigen: 1)  hinweis  auf  das  allgemeine  menschenloos.  2)  einwand: 
das  dTTaXYcTv  (worauf  es  ja  hier  In  der  that  anklemmt)  kann  bewirkt 
werden  a)  durch  rreiOeiv,  h)  durch  das  allmähliche  vergessen, 
welches  die  zeit  bringt,  nun  ist  in  diesem  falle  die  hilfe  des  ver- 
gessens  ausgeschlossen,  da  die  ennnerung  an  das,  was  sie  verloren, 
durch  die  anschauung  fremden  glückes  in  den  eitern  immer  wieder 
kraft  gewinnt  und  überdies  durch  lange  gewohnheit  des  besitzes  2U 
tief  in  ihnen  befestigt  ist  durch  ueiOciv  allein  wird  aber  schwt| 
lieh  das  ziel  zu  erreichen  sein.   3)  antworte  schon  recht!   aber  weq 


anek  der  hhtw&s  sb£  -ins  alLsomszift  suBise&kiaioQ:^  3ii3K  ^mflgc^  sd 

gründe  smitteixt.  üa  ^irar  'iffliL  naogi^  vier  Vn^  füllte  ieoIük^  jq^ 
daaz  dar  sc&msz  ercrl^liok  wirti.  £09»  ar%miii^  iifisesc  sza  :& 

010  gfn«»«  TU  der  «•iifwnttg-  ooids.  MüXan  x^imr  2B.  draBÜ^BIL»   iio  iaBm 

öiiri^sis,  wcnA  ^  kamniiBi.  aodL  k^^  bewirasi.  vetias.  :^  vEs 
Aü^iefii  sjHsr  jjl  dem.  gKHtankitxi .  dsifiK  iiec  CBä»s  JtCBS  leöifiBfr*.  -äi»  £s 
xeis  des  äeitmarze»  sor  korx  jen  werde.  :ziiä  in  ism  Mmrusts^msi  ies 
dnrdt  die  ^dhne  »ii:k  t^  :äe  ^irlAOicGat  rahmB^  —  Dnrcii  Ar 
XO^^ciroir  |ii€V  QWi  wsw^  wird  jLso  t?iner>eig  üb  TiimiSnfflitiniBmfc 
d«"  Ht>Jt»>rf^ii  gründe  aaefkaimc  anderais&s-  üe  jm^inmi^  aeuar«, 
fireilifik  aoük  Biekc  ¥x>lli||  aoanscneiiiifir  'ZQfsCmüseLTQrtMimJieL.  Stanp 
würde  diesem  uLangel  «a  jeIb&t^vertx:u&aL  'jül  dem.  rodmar  sthr  jet^ 

ein«  sokflen.  «a^abe  gegsnüioer  Tiel  aeitfrimpc 

IXüiz  ab«'  der  redner  aoek  aof  die  Tor^Hle  ainwis^;.  wsicke  isn 
Staate  dnxiik  dii&  gebort  andiärar  kbuiisr  fsrmwäis&L  würdoi»  :ski5cc 
sick  wokl  daraodv  da^z  *ü*»s<»  aoB^aziaBiiflrsediiiic  •*Q*'*f  docn  Tii*»ftr  jus-* 
scklieazlick  dea.  'zweck  hat  die  ^Usat  der  is^oulefiiai  so.  3?Ssur*.  äa 
ist  Tielmekr  aar  efa  Sei  ier  mit  o*  43  begnimHiiäat  xaiiamecrc. 
zu  der  aoek  die  ia  c.  44  ailenEn^si  überwiesseade  TUzpfZuiidiCL  iieaär^ 

10.  n  46v  1  cij^iiTTizt  TL^i  €iial  \aT^i  «axd  töh  wuunp  der 
cixov irpocpopcu  KailpT<M  oiteirroiiEvaiTaLic«  T^tofseBicii]^^ 
Qsw.  EJrügvr  uad  CIaäS(!3L  iteiimea  ja,  daisc  -«**k  nwTrh  jmi  «üoi.  dur 
redaer  wie  ia  e.  3ä  dorek  Qit^i.  Ö€  aad  wai  tu€  itsmaL  TorgsiBueza. 
aitgegoftst^t»  w^Ikread  Stähl  sobi  Sienp  lie  oeidea  KOI  liä  ttinaniipr 
entspreekead  aasek«*a^  waoack  <i«anL  ailenüatcs  'ab  ülcenna  THwnhTmw 
proprie  KOi  Xarfw  ^u}i  cifirtTaL  scnbtdidimL  ^cac'.  Steop  inde^  iab£ 
eine  beziupiakiiLe  aof  TQrgao^^er  kiisr  dnrckaus  imnasüriick  miti  -fe* 
die  zizkdn;r  uaTerbCiodiick  :Mäa  würde,  aileia  aciioa  Gaüaea  kac 
djLTaaf  aoäaerkaaia  gemadiiC;^  daaz  <ftaek  der  g«g!eagacz  \crfUi  —  i^rfm 
dem  sekloäzeapiUi  mit  dem.  ftia[piPingM:apir.ifM  gy^neinham  i&^  die 
zakön»*  koaatoi  äiek  also  aekr  waki  iiiffirbei  des  ia  der  ffinierianig'  iur- 
Torgvkobeaca  grgynriatyi  zwiseksa  tk^r  imBcksdes  Prarikies  oad.  der 
seiacr  TOrgSager  enaaera^  oad  wer  oatiar  ikai^  ärükexe  Imckenredea 
angehört  katte,  mäste  siek  sagot:  'aüerdiag»^  audL  Piarikle^  hat  jetzc 
Korrd  TÖv  ^»c^ov  (TgL  ^o^evo'«  tui  vöjluu  c.  Ja^  3  sae  löciiearede 
gebaltea,  aber  <^eäe  hat  mit  dea  &üker  bei  Mickea  «wta»>wm  ^ 
bahenea  redea  wmiig  oder  niekcs  gemtÜBäam.  «r  hat  ja  niakc  üe 
tbatea  der  Tor^^brea  nsw.^  soadeni  dtoL  goat  oaserea  itaata-  und 
Tolkslebeas  gepriesea^  uad  demgemjiiä  lat  aoek  ieia  liroavac  der 
gefalloiea  oad  :^iiie  vapcavcoc  aa  die  überiebim^dea  ganz  aader^ 
an^g^fiailea,  wie  er  d«»aa  aoek  die  eitiva  aiekt  ^owokl  bejaoimfia  ala 
tröätea  za  müsäea  glaabte.' 

Lsaa  IS  OarraisaLASD.  Hugo  ¥oa  KLaxar. 


J^ihrMcbv  for  dMB.  pküoL  am  Ut.1. 


34 


OCmsiue :  zm  topographie  von  Alexandria.  I, 

3. 

ZUR  TOPOGRAPHIE  VON  ALEXAISIDRIA. 


I.    JÜLIOPOLIS  —  NIKOPOLIS. 

WSchwarz  bemerkt  ('mne  welthantlelsstrasze*  jahrb.  1892 
B.  635  f.):  ^Juliopolis,  daa  von  Plinius  VI  102  als  ausgüugspunkt 
der  gan^^en  bandelsstrasze  erwähnt  wird,  ist  uns  vollständig 
unbekannt  geblieben,  kein  anderer  Schriftsteller  ala  Plinius  kennt 
diese  stadt»'  das  ist  that&ichlich  unrichtig,  vor  wenigen  jähren  erst 
habe  ich  in  dieser  Zeitschrift  (1887  s.  673)  auf  das  neu  erschlossene 
Zeugnis  der  Plutarchisch-Seleukischeu  proverbia  Alexandriaa  24  (a.  13 
meiner  ausgäbe  bei  Teubner  1887)  aufmerksam  gemacht  \  das  icb, 
da  mein  btichlein  wenigen  zur  band  sein  wird,  hier  folgen  lasse: 

äcpu^voc   'JTTTTapxiüJv:   Kaid   Toic   irpoTOTopac  niiüjv 
buo  Ki0apti/boi  bidcripoi  tTevovTO,  'Initapxiuiv  Kai  'Pou- 
9TVOC,    Kai  bi\  äfwVQc  ^vcrdvioc  ircvTaexripiKOÖ 
äyo^ivox)  iv  louXioTTÖXei*  Kaxd  t6  c8oc  6  UitTrap- 
Xiuuv  dxctvfic  ^ctri  lapaxrj  ttj  Ttepl  lö  öeaipov  airociujTri^cac. 
Uipparcbions  lampenüeber:  eine  theateranekdote,  wie  sie  uns  Dion 
(XXXII  8.  G64  E.)  hätte  erzählen  können.*  Juliopolis  ist,  da  in  dem 
schriftchen  nur  alexandrinische  verhältnisöe  berücksichtigt  werden» 
ganz  in  der  n&be  der  hauptstadt  zu  suchen;  sein  penteterischor  musi- 
scher agon  mvLS'i  Alexandriens  jütouco^avetc  (Dion  £.  677  f.)  in  heilen 
baufen  herbeigelockt  haben. 

Schwarz  hält  die  identificierung  d  ieaes  Juliopolis  mit 
NikopoliSf  die  auch  ich  ao,  voraussetzte,  für  unstatthaft,  eher, 
meint  er,  könnte  Juliopolis  sich,  wie  Mannert  vermutet  hat,  mit 
E 1  a  u  s  i  8  decken,  aber  gerade  dieser  alte  name  wäre  nun  isnd  nimmer 
aufgegeben  worden:  er  hängt  unlöslich  ztisammen  mit  religiösen 
Stiftungen  und  einrichtungen ,  vor  denen  man  auch  in  römischen 
kreisen  res  pect  hatte.  Schwarz  entscheidet  sich  denn  auch  scbliesz- 
lieh  dafür^  dasz  Juliopolis  ein  'besonderer  ort* gewesen  sei;  da  Stra- 
bon  ihn  nicht  kenne,  müsse  er  unter  den  letzten  Juliern  gei 
gründet  sein;  Nero  habe  besondere  beziehungen  zu  Ägypten«  etfl 
sei  demnach  *mehr  als  wahrscheinlicb'  (s.  636 ,  ''zweifellos^  s.  637), 
dasz  Juliopolis  unter  Nero  angelegt  wurde,  der  seine  her- 
kunft  aus  der  gens  Julia  stets  besonders  nachdrücklich  betont  babe. 

*  die  ebd.  «,  674  ftu gedeutete  bjpothese  über  die  eine  diAbHthra 
(als  dämm-  und  pontonbrückenbau  von  der  LocMas  über  die  cada  und 
äcopuä  »um  Pharos  hinüber)  soll  demnächst  ausgeführt  werden.  *  dies 
ist  die  tadelloae  iiberJieferimg  der  ersten  hBs.-clAsse,  die  im  Parisiiiaa 
durch  du«  bekanntere,  aber  unpaseendö  ^iXlouTTÖXei  verdrängt  ist.  die- 
selbe Interpol fttion  (Ileliopolix  int  luiiopotU)  in  schlechten  hss.  bei 
Plinitifl    ao.  '    OÖ   T^p   i^^hxoy  ^vctkeIv   (im    tbeater   zit    Alejcandria) 

TDC0€6€  ifXtfj0ouc  Böpußov  ou5^  ^lupidctv  dvBpi^irujv  . .  diretpoic  dvavTlov 
ßX^neiv   UBW.     vg-l.   auch    meine    Bcbrift   ^tnr  hol.  überliefe  rang  .  .  und' 
queüenkuude  der  p&roemlograpben'  (Göttingen,  Dietericb  I8dl)  a.  30 


OCrnBins:  zar  iopographie  Yon  Alexandria.  L  35 

'die  Alexandriner  gaben  einer  vorstadt  diesen  namen,  um  den  kaiser 
zu  ehren,  der  sich  sehr  geschmeichelt  ftlhlen  muste,  dasz  von  einer 
Stadt  Juliopolis  die  berühmteste  der  antiken  handelsstraszen  ihren 
aasgang  nahm,  die  Verhältnisse  der  Neronischen  zeit  spiegeln  sich 
demnach  in  dem  berichte  wieder ,  den  uns  Plinius  erhalten  hat  .  . 
ihm  zu  ehren  rechnete  man  die  entfernungen  von  dieser 
Stadt:  man  sagte  ihm,  dasz  man  von  Juliopolis  eine  strecke  von 
309  milien  Nilaufwttrts  fahren  müsse,  um  nach  Eoptos  zu  gelangen 
.  .  so  ist  es  erklärlich ,  weshalb  man  die  entfernungen  von  dem  un- 
bedeutenden Juliopolis  berechnete  und  nicht  von  der  nur 
2  milien  entfernten  mutterstadt  Alexandria'  (s.  637). 

Diese  ganze  hypothesenreihe  hängt  an  der  Voraussetzung,  dasz 
Strabons  Nikopolis  nicht  Juliopolis  sei,  dasz  Strabon  also 
die  Stadt  noch  nicht  gekannt  habe,  die  Voraussetzung  ist  falsch. 
Schwarz  beruft  sich  darauf,  dasz  Juliopolis  *nach  Plinius  VI  102 
2  milien  oder  höchstens  3  km.'  von  Alexandria  entfernt  war,  'Niko- 
polis hingegen  entweder  20  Stadien  dh.  über  3,5  km.  (losephos  jüd. 
krieg  IV  11)  oder  gar  30  Stadien  dh.  über  5,3  km.  (Strabon  795)': 
daher  'Juliopolis  nicht  mit  Nikopolis  identisch'  sein  könne,  nach 
dieser  methode  müste  das  Strabonische  Nikopolis  vor  allem  von  dem 
losephischen  getrennt  werden,  wie  konnte  Schwarz  nur  verkennen, 
dasz  die  duo  müia  passuum  bei  Plinius  und  die  eiKOCi . .  crdbiot  bei 
losephos  rundzahlen  sind,  die  ganz  dieselbe  entfemung  approxi- 
mativ ausdrücken  und  sich  gegenseitig  aufs  überzeugendste  be- 
stätigen !  ein  paar  hundert  meter  fahren  bei  solchen  angaben  st«ts 
in  die  hölle.  ein  abweichender  ansatz  bei  Strabon  würde  unser  pro- 
blem  überhaupt  nicht  berühren ,  sondern  lediglich  selbst  ein  neues 
problem  aufgeben,  die  scheinbare  abweichung  verschwindet  aber 
spurlos ,  sobald  man  nicht  nur  die  zahlen ,  sondern  die  stellen  ver- 
gleicht, losephos  IV 1 1  (V  14, 42)  erzählt,  wie  Titus  wider  Jerusalem 
aufbricht:  ö  hi.  TrpoeXOuJV  tt€2[^  fi^XP^  NiKOiröXcuiC,  cIkoci  hk 
aÖTTi  öi^x^i  TTic  'AXeEavbpeiac  crabiouc  .  .  dvanXei  biäToO  NeiXou 
KQTä  TÖv  Mevbfictov  vöfiov  \xlxpi  iTÖXeuJc  0mou€ujc  usw.  :  er  be- 
nutzt also  die  Nilcanäle  zu  seiner  expedition  nach  Osten ,  ganz  wie 
die  Indienfahrer  bei  Plinius.  Strabon  berichtet  s.  795 :  biä  hk,  TOO 
iTrTrobpöjiou  bieXGövTi  f|  NiköttoXic  Icnv,  ?xowca  KaxoiKiav 
^TTi  GaXdTTi]  TTÖXewc  ouk  ^Xärru)'  xpidKOvia  hi  eiciv  dird 
Tflc  'AXeEavöpeiac  cxdbioi.  toötov  hi.  iT\\kx\cvi  6  Ceßactöc  xöv 
TÖTTOV,  ÖTi  dvTaöGa  ^viKtt  T^  jidxq  usw.  losephos  und  Plinius 
sprechen  von  einer  stadt^  die  in  der  Verlängerung  des  hippodromos, 
wohl  bei  der  kreuzung  des  kanobischen  Nilarmes  und  des  canals 
von  Alexandria-Schedia  gelegen  ist:  das  gibt  nach  dem  plane  von 
Kiepert-Mahmud  (zs.  d.  ges.  f.  erdk.  VII)  etwas  über  drei  kilometer. 
bei  Strabon  folgt  die  fragliche  angäbe  unmittelbar  auf  die  er  wäh- 
nung einer  KaTOiKia  im,  GaXdTTr|,  einer  'vorstadt  am  meere, 
nicht  kleiner  als  eine  Stadt',  miszt  man  von  der  angegebenen  stelle 
nach   nordnordwest  zur   küste  hinüber,    wo  tempelreste  gefunden 


36 


0  Cr  Q  Blas :  zur  topographie  yoti  Alex  and  ria.  I. 


sind ,  so  kriegt  maB  juät  zwei  kilometer  zwischen  den  zirkel.  man 
beziehe  al^o  Strabons  angäbe  dabin  wohin  sie  gelbst  weist ,  auf  die 
hafenvorstadt  von  Juliopolis  —  nnd  alles  ist  in  bester  Ordnung: 
vom  kanobiscben  thor  nach  Nikopolis  $ind  es  etwa  drei^  von  dort 
bis  zur  KaTOiKia  eni  öaXäirri  annähernd  zwüi ,  im  ganzen  also  flinf 
kilometer. 

Die  entfernungsang  ab  en  bei  beiden  namen  stimmen  also  so 
gut »  wie  man  nur  verlangen  kann,  ebenso  gut  und  besser  stimmt 
was  wir  sonst  von  ihnen  wissen.  Titus  will  von  Alexandria  nach 
Osten  Nil  aufwärts  fahren:  die  stelle  wo  er  sein  beer  einschifft 
(KÖKeTGev  ^Hißficac  iriv  cTpaitdv  juaKpuiv  TrXoituv  dvaTiXti  usw*), 
ibt  NikopoHs  (losephoä).  der  ausgangspunkt  der  kauffahrtei- 
scbiffef  die  von  Alexandria  Nilaufwärts  nach  Koptos  usw.  aegel* 
ten,  war  Juliopolis  (Plinius).  »cai  T^p  dpupißtoipov  icai  ctdbioV 
Kai  Ol  TTCVTETTlpiKOi  dtÜJV£C  €K€l  CUVTC^OUViat .  Ttt  hl  TiaXaiot 
u)XiT*JUpr|Tai :  das  ist  das  einzige  was  wir  sontst  von  Nikopolis  er- 
fahren (Strabon).  eine  theatergeschicbte  äxujvoc  evcTüVTOC  itev» 
TaeTfipiKoO  äxoMtvou  ^v  IouXiottöXei  Kard  tö  ^8oc:  das  ist  die 
einzige  lebendige  Überlieferung  aus  dem  alten  Juliopolis  (Plu- 
tarch).  hier  ist  jeder  zufnll  ausgeschlossen*  zwei  städte,  von  denen 
aus  ganze  flotten  den  ^il  hinauf  zu  segeln  pflegten  und  in  denen  viel- 
besuchte penteteriscbe  feste  gefeiert  wurden,  können  nicht  c,  3  km. 
dstlicb  von  Alexandria  gelegen  haben. 

Das  gegenseitige  Verhältnis  der  beiden  namen  würde  sich  nur 
auf  grund  neuer  nrkunden  genauer  bestimmen  lassen,  doch  gestattet 
unser  material  wenigstens  fragen  und  Vermutungen,  'l^ikopolig' 
wird  durchweg  bei  historikern  erw&bnt,  bei  Strabon»  Dion^ 
losephos,  und  zwar  in  Einern  atem  mit  dem  siege  des  Augustus  und 
aonstjgen  haupt-  und  staat&actionen  der  Körner.  *  Juliopolis'  taucht 
an  zwei  stellen  auf,  hinter  denen  einheimische  gewährsleute 
ötehen.  war  'Nikopolis'  die  officielle  römische  bezeicbnung?  und 
haben  die  besiegten  für  sie  das  weniger  verletzende  'Juliopolis*  ein- 
gesetzt? sie  hätten  damit  die  beziehung  zu  ihrem  KTiCirjC  fest- 
gebalten,  ohne  sich  doch  unmittelbar  an  seine  eigenscbaft  aU 
eroberet  mahnen  zu  lassen. 

TüBLNuEN*  Otto  Cruöius. 


FSasemihl:  ans.  v.  EMaass  Äxatea.  37 


PHILOLOGISCHE   UNTERSUCHUNGEN  HERAUSGEGEBEN  VON  A.  KlBSS- 
LING  UND  ü.  V.  WlLAMOWITZ-MOBLLENDOEPP.    ZWÖLFTES 

heft:  Aratea  scripsit  Ebnestus  Maass.    Berlin,  Weid- 
mannsche  bachhandlang.    1892.    416  8.    gr.  8. 

Die  alexandrinischen  Studien  schreiten  rüstig  vorwärts,  dem 
hervorragenden  werke  von  Schmekel  über  die  mittelstoa  sind  die 
Aratea  von  EMaass  auf  dem  fosze  gefolgt,  welche  zur  berichtigung 
und  bereicherung  unserer  erkenntnis  auf  dem  gebiete  der  alexan- 
drinischen litteratur  in  einem  grade  beitragen  wie  abgesehen  von 
Meinekes  analecta  Alezandrina,  den  dozographi  von  Diels  und  dem 
Antigonos  von  Wilamowitz  schwerlich  ein  anderes  buch. 

Ich  fasse  in  meiner  besprechung  vorwiegend  diese  allgemeinere 
Seite  ins  äuge  und  gehe  daher  über  die  mühselige  arbeit  der  beiden 
ersten  capitel  'de  Achille  grammatico  Arati  interprete'  (s.  7 — 59) 
und  *de  Arati  codice  Hipparcheo*  (s.  61 — 117)  für  die  methodische 
teztgestaltung  des  Aratos  verhältnismäszig  rasch  hinweg,  von  den 
beiden  hss.,  in  welchen  allein  auch  die  einleitung  des  Achilleus  ent- 
halten ist,  lernen  wir  die  ältere  und  wertvollere,  Vatic.  191,  erst 
hier  näher  kennen,  und  da  ergibt  sich  nun  aus  einer  betrachtung 
ihrer  über-  und  Unterschriften ,  dasz  auch  die  erste  biographie  des 
Aratos,  wie  schon  Menage  that,  dem  Achilleus  als  eingang  zu  seiner 
einleitung  zuzuschreiben  ist.  es  ergibt  sich  femer  eine  berichtigung 
der  lesart  s.  34  ^  Pet. ,  aus  welcher  hervorgeht ,  dasz  Eratosthenes 
wirklich  irepi  TTJc  ÖKxaeTTipiboc  schrieb  und  nachwies,  dasz  der  alte, 
unter  dem  namen  des  Eudozos  umlaufende  kalender  (ÖKraerripfc) 
nicht  von  dieseiiä  herrühre,  wonach  denn  von  andern  seiten  bald  auf 
Eriton  von  Nazos,  bald  auf  Dositheos  als  wirklichen  Verfasser  herum- 
geraten wurde  (s.  Susemihlgr.-alez.  LG.  II  s.  672.  681.  702  f.), 
auch  ein  neues  fragment  des  Aristophanes  kommt  zum  Vorschein,  und 
es  zeigt  sich ,  dasz  noch  die  scholien  zu  Aratos  und  Germanicus  aus 
dem  von  Achilleus  im  dritten  jh.  nach  Ch.  (s.  s.  20  f.)  benutzten 
Aratcommentar  des  stoikers  Diodoros  von  Alezandreia  (s.  SusemihI 
ao.  II  8.  776.  Diels  ao.  s.  19—22)  geschöpft  haben. 

Von  groszem  allgemeinem  Interesse  ist  der  dritte  abschnitt 
'de  Arati  interpretum  qui  fertur  catalogo'  (s.  119 — 164).  in  jenem 
cod.  Vat.,  der  auch  von  den  beiden  hss.  des  Hipparchos  die  bessere 
ist,  stehen  nemlich  auch  zwei  Verzeichnisse  (A  und  A*)  mit  der 
Überschrift  Ol  Trepi  ToO  TroiT|TOÖ  cuvTaEdfievoi,  von  denen  das  zweite 
eine  ergänzung  des  ersten  ist,  und  die  Maass  schon  früher,  aber 
nicht  ganz  richtig  behandelt  hat;  ein  drittes  (B),  inzwischen  von 
ßöhme  richtig  geordnetes  ^  findet  sich  im  Vat.  381  (aus  dem  fünf- 
zehnten Jh.),  dessen  Überschrift  aber  vielmehr  o\  Tiepl  TOÖ  ttÖXou 
cuVTd£avT€C  lautet.  Maass  nun  zeigt  jetzt,  dasz  Wilamowitz  mit 
recht  auch  dort  iröXou  für  ttoit|toO  verlangte,  indem  er  aufgrund 
einer  sorgföltigen  Untersuchung  über  die  bedeutungen  von  nöXoc 


38 


FSusemihl:  anz.  t.  EMaass  Aratea< 


darlegt,  dasz  es  hier  wie  öfter  im  siune  von  oüpöVÖC  steht  und  wir 
also  drei  listen  astronomigcher  Schriftsteller  teils  in  prosa  teils  in 
poesie  Yor  uns  haben*  noch  andere,  aber  weit  stärker  7 erü tummelte 
listen  dieser  art  sind  im  cod,  Arcerianus  der  gromatiker  (s.  Lach* 
manns  ausg*  s.  251  anm.  Haupt  opusc,  III  s.  360),  femer  in  der 
zweiten  und  aus  gemeinsamer  quelle  in  der  ersten  biograpbie  des 
Aratos  und  in  Cramers  anecd.  Oxon.  IH  s.  413  erhalten  (■=■  ECD). 
ein  YoU ständigeres  älteres  gemeinsames  original  lag  in  letzter  instanz 
allen  diesen  katalogen  zu  gronde,  in  sehr  lehrreicher  weise  zieht 
Maass  die  ähnlichen  auf  uns  gekommenen  Verzeichnisse  anderer 
schriftsteiler  zum  vergleiche  heran  und  prüft  genau  altes,  was  wir 
von  den  in  diesem  enthaltenen  astrono  mit  eben  wissen,  dabei  ergibt 
sich  für  einzelne  von  ihnen,  üamentlich  Bo^'Üios,  noch  einiges  neue 
und  genauere,  was  ich  aber  hier  nicht  weiter  verfolgen  kann\  und 
die  unbedingte  Zuverlässigkeit  dieser  listen. 

In  zweien  von  ihnen  (A  und  B)  erscheint  ntin  auch  Erstes,  und 
•dies  führt  auf  die  ganz  besonders  wertvolle  vierte  abteilung  *de 
Cratete  Mallota*  (s.  165 — 203).  dasz  Krates  commentare  zu  Aratos 
and  Hesiodos  geschrieben  hätte,  ist  unerweislich,  vielmehr  im  höch- 
sten grade  wahrscheinlich  (s,  33.  167  ff.),  dasz  er  auf  erstem,  und 
wenigstens  sehr  möglich  (s,  213  anm.  4),  dasz  er  auf  letztem  nur 
bei  Homer  zu  sprechen  kam*^  bei  Homer  aber  hat  man  sich  daran 
gewöhnt  die  nur  durch  Suidas  bezeugte  biöpÖujcic  (cuvetaSe  5iöp- 
OuJCiv  'IXidboc  Kai  'Obucceiac  iv  ßißXioK  ö')  nicht  als  eine  ausgäbe, 
was  doch  das  wort  bedeutet,  sondern  als  einen  nngenauen  ausdnick 
ftlr  den  commentar  (biopSumKct  oder  nepl  biopSiüCeiuc)  anzugehen, 
bis  Hillscher  mit  recht  Villoisons  Unterscheidung  beider  werke  er- 
neuerte, aber  er  blieb  dabei  in  zwei  Irrtümern  stecken »  dasz  die  Ilias 
und  die  Odyssee  jede  von  Krates  in  neun  bücher  geteilt',  und  dasz 
die  'OpripiKd  einerlei  mit  dem  commentar  seien,  die  entdeckung  des 
Wesens  und  der  Wirksamkeit  dieser  dritten  Homerarbeit  ist  nun  wohl 
die  gröste  glanzpartie  in  dem  buche  von  Maass.  es  war  eine  zu- 
sammenhangende einleitungs-  und  erleuteriingsschrift ,  in  welcher 
die  stoisch -allegoriscben  auslegungen  des^  Krates  standen,  frtlher 
gab  es  nur  eine  einzige  ausdrückliche  anführnng  schoL  A  0  193, 
jetzt  ist  eine  zweite  schol,  Genev.  <t>  193  hinzugekommen;  beide 
lauten  iy  ß'  'O^rjptKUJV  und  beweisen,  dasz  im  zweiten  buche  dieser 
tichrift  von  der  Homerischen  kosmogonie  und  kosmologie  gehandelt 
wurde,  und  wenn  nun  in  der  astronomenliste  A*  auch  'Apiciapxoc 

'  wenn  Maa^s  «,  163  mit  Zeller  meint,  Zenodotoa  von  AleÄHndreia 
aei  vielleicht  identisch  mit  dem  gleiehnaml^en  aloiker,  dem  «chüler  des 
Babyloniers  Dio^eot^Sf  so  8.  dagegen  Stisemihl  I  3.  885.  11  s,  15  anm.  83. 

*  mit  recht  dngegc^ni  wie  ich  lengeben  mtisz,  n^tt^ilt  MHaBa  an  der 
snletzt  fing-e rührten  stelle,  da^z  kein  genii^cnder  grußd  ist  dem  Kratea 
die  BotWTtKd  abzusprecheD.  er  vermutet,  dn.«z  deiselHe  hier  die  acht- 
zahl    der  Mnsen  an^rab.  '  dies  hätte  öläpOüiciv  'IXidöoc  <cV  ßtßXloiC 

0'^  Kai  'Obucccbc  Cv  ßißXiotc  B'  heisxen  müssen^  wie  schoD  bei  Susemlhl 
£1  B,  703  f.  bemerkt  b»t, 


'  csrscimjBi.  sc  ivcaäem  ois  Mmbi  "vrEÖL  mc  jhüiv  vir  tot 
cie^nft  xi^  1]Liaboc  wm  tttvczanc  ibskrifi.   lüak  &iw  ii.  ^Hl — ff^ 

CBd  S$cbakl^  is  «a  pÄnt^seiiBB  fükicai.  «Duo. 

likge  be  Sex.  Eb^  ba;:^.  X  313 — -^I^  xsi  Frzämi  xx  T«rr.  «l  i.Sl 
s.  21,  14  €  K.  w.  aljf  «t'SgagZ-Jr^.  af  ioEBsciJT«  iZ^^cn 

Hoieriicbca  sBte^nsäxu^  S»  FzrzkjTisu  tmi  suBt  ■ 
miUellMr  stUEBie  s.  SxsieKfil  11  i^  &^  ^  &j£ii(  inaii  «s  fbr  öl 
iteres,  uuioff  des  pBH>ic-Haüjs3Ls4eä»i9i  iB>gffitfgQ& .  üts-  xsös 
mriir  gcBATser  tT^  bainekKi»ies  vsrk.  Iüasi  i«e«*eBi;  snr.  äs  <s 
Tielmd&r  die  X)iiiynm  d»  Ena«»  vk«&,  us  •aaüK  sicÄ  mck  3k 
den  Homoscliobcm  sad  bG  S^nbcB .  ftr  -aiB  ise  Ptgiäj^ü»  vül 
nicht,  vie  Sckrvler  glinbie«  A|KuaQcrQ&.  «m^arx  «öfcs*  PiHCDnnmu 
die  gemeinsame  mhtel^peraGB  vir,  boc^  tküc»  ^ 
dem  dtat  ba  Philod.  T.  H.'  XI  147  -sa  Tffi 
stellt  Mttss  IS.  169  f.  195';  nxkf .  «ie  Waeäa 
zun  erdglobos,  senden  däoaöxcB  |«t«  ^er ' 
die  halbkngidnSrmige  nöekm^mg  äer  bnncds'idB  «rä^  fvccr.  jpr 
ns.421.  471.  Stnb.I3a.nKa.«>Ks»^»3L  «-l^c»  nrt: 
ich  wnge  nicht  Hl  enis^csd».  jgAf  fafl»  anattS  Maas  rüwir^rif^  vür- 
scheinlich,  daa  Kratei»  die  Dsk  in  4^  die  Odrsfee  5x  5  bfinflisr  iKTe, 

IneinemciNnKtmm'ieKecfacdemcPazäuB:*  s.di>& — dCC  v^r« 
gegen  Mcineke  der  bei  Achilkvs  s.  143<  ^btr2ic$Er;e  ^zmTpctfi^^ 
der  eines  geographischen  gedichus  des  'S«^i>a^kxbZji  ceme^iienäEi. 

Der  ffinfte  teil  'de  Aiati  Scripts  ocfiershzf'  >  3Ge« — ä*$ 
führt  uns  wieder  ra  Armtoi  zsrUck.  aaach  er  «KiÜSh  aaauih»  neoe. 
Maass  erkllrt  sich  mit  recht  daftr,  dasz  'Acrpon  genöittmcr  iöbl 
der  dem  Arato?  ingeediricbenen  aürmnaisc^ai  vevh»  in  der  ce- 
samtansgabe  seiner  Schriften  «v.  vwl  xeögt.  dasi  seh  i 
liehe  gmppentitel  bei  Snidas  md  »«st  i 
'EmcToXoi  und  Kora  Xcttöv^  dh.  kleinere  ge*&^ie.  ix 
wieder  als  onterabteflcngen  die  '(■Tfpduuarni  ^nd  TTflrrvM,  rk^ 
locht  aach  die  'GLefEiai,  Tiivoi  nnd  'Enn^öcia  gu?4iea.  rxinig 
wird  in  dem  reneichnis  bei  Snidas  abgeieäh  TiAOUc  de  TTdiKi' 
Cirovboqwpouc;,  richtig  wird  bemerkt«  dasz  hier  tc«  des  p:«tä<cben 
briefen  die  unechten  prosaisiriien .  Tcn  SabidiisLs  FzUJa  iabricaerien 
geschieden  sind,  welchen  Maass  mit  Marcks  sjmb.  cril.  &s  episickgr. 
Or.  (Bonn  1^3;  s.  7  für  den  bri  Enseb:«»«  p.  e.  X  3.  f  3  erx&eö»- 
den  Pollio,  leitgenossen  des  Soteridas,  kilt.  di«  Xoprrec  rechnet 
er  mit  zu  den  Koia  Xeirrov.  nicht  klar  ist  die  dirssellnng  &  ^4  iL: 
es  ist  wobl  richtig,  wenn  die  lesart  bei  Saidas  cuv^cov  qwepuamiv 
OfipiOKuiv  dirm^bdov  gebilligt  nnd  eine  «nmlcng  Ton  gegenmitteln 
wider  tiergifte  verstanden  wird;  wenn  es  dann  aber  (s.  225;  heiszt: 


40 


FSusemihl:  aoz.  v.  EMaasB  Arateii, 


*idque  corroborat  Galenus  XIV  144  sq.  K.*  naw.,  so  s^pricbt  Galenot* 
hier  ja  umgekeht  von  einer  an  Weisung  zur  giftmischerei  unter  dem 
namen  des  Aratos,  und  es  hindert  auch  nichts,  dasz  beide  nehen 
einander  existierten,  dasz  Aratos  seine  ausgäbe  der  Odyssee  schon 
in  Makedonien  plante  und  begann ,  erhellt,  was  Maass  gewis  nicht 
bestleiten  wird,  aus  seinem  von  Antigonos  aus  Karystoä  erzählten 
ge^präch  mit  Timon,  welches  nur  dort  stattgefunden  haben  kann 
(s,  Supern ihl  I  s.  111  anm.  515).  um  so  mehr  hätte  der  vf.  meinen 
zweifei  {I  s,  291)  beachten  sollen,  ob  es  zu  einer  ausgäbe  der  ilias, 
za  welcher  Antiochos  I  ihn  antrieb,  wirklich  gekommen  ist  v.  I 
B.  54,  58  E  heiszt  es:  Kai  xfiv  *Oöucc£iav  bitJupÖiüce,  Kai  KaXeixai 
TIC  öiöpSuJCic  oÖTUJC  *ApdT£ioc  ibc  'ApKTdpxeioc  Kai  'ApiCToqpdveioc» 
und  dies  hätte  doch  von  der  biöpÖüJCic  ific  IXidboc  el>enüo  gut  gelten 
müssen,  wenn  es  eine  solche  gab.  bei  Saldaü  »leht  nur  biöpBujciV 
'Obucceiac,  und  in  v.  I  s.  55j84f,  flickt  erat  Maass,  indem  er  iroirmaia 
und  ou  MÖVOV  td  Oaivöjicva  mit  recht  streicht ,  btöpSuiciv  hinter 
Ttepi  T€  'O^ripou  Kai  'IXldöOC  schwerlich  mit  recht  ein,  gewi^  war 
TTCpi  'Oprjpou,  wie  er  annimt,  eine  ähnücbe  erleiiterung.-i^chrift  wie 
jene  beiden  des  Krates  und  des  Aristarchos,  aber  ich  denke:  Kai 
'tXidboc  gebort  mit  zu  ihrem  titel :  Aratos  kam  nach  der  ausgäbe  der 
Odyssee  nicht  dartlber  hinaus  in  die.^er  schrift  besonders  auch  tlber 
die  textrecension  der  Ilias  zu  handeln,  in  einem  nur  lateinisch  erhal- 
tenen stück  der  dritten  biogruphie  steht;  didicit  quidefn  et  Odffsseamf 
et  Geaaustius  inqnii  quasi  praesidens  (dh.  iiEim^^voc)  ab  imperaiore 
et  iliadem  saipsisse  seu  Homer  um  dirigere,  Maass  meint,  der  Über- 
setzer habe  etwa  gelesen:  fTpft^t  Kai  IXidboc  btöpOoJCiV.  aber 
sagt  man  denn  öiöpöuuciv  Tpdq)€lvV  ich  glaube»  er  las  etwa: 
fXpOH^^  *«oit  irepi  Tfjc  IXidboc  f|  loö  töv  ''Ofi^lpov  biopOouv  oder 
vielmehr:  Kai  iriv  'IXidba  <eK5ib6vai>  ftpö^J^  nepi  toö  töv  "OMt^pov 
biopöoöv.  wer  hinter  GecrattMius  steckt^  ist  schwer,  wo  nicht  un- 
möglich zu  sagen,  ich  dachte  {I  s.  291  a.  26  vgl.  s,  290  a.  23)  dem 
Zusammenhang  entsprechend  an  Dositheos,  was  freilich  den  schrift- 
zUgen  fern  liegt.  Maass  vermutet  ö  T^  KapucTloc  und  versteht  auf 
grund  der  eben  beillhrten  er  Zählung  des  Antigonos  von  Karystos 
diesen,  aber  dieser  wird  sonst  meines  wissens  nirgends  so  schlecht- 
weg *der  Karystier'  genannt «  man  würde  so  eher  an  Karystios  (von 
Pergamon)  denken^  und  Maass  selbst  fühlt ^  dasz  ye  nicht  passt,  da 
er  daneben  6  hk  vorschlägt;  damit  mindert  sich  aber  wieder  die 
buchst abenähnlichkeit  Asklepiadeö  von  Myrleia  hatte  den  Solier 
Aratos  als  Tarser  bezeichnet,  die  gleiche  variatiou  findet  sieb  bei 
dem  Solier  Chrysippos.  Maass  vermutet  hier  nun  wieder ,  dasz 
Aratos  vom  syri.^chen  hofe  aus  in  Tarsos  material  für  die  Homer- 
receneion  sammelte,  mebr  als  eine  blosze  möglichkeit  ist  das  ntcbt, 
die  Sache  kann  ebenso  gut  ähnlich  wie  bei  Chrysippos  zusammen- 
hängen, dessen  vater  aus  Tarsos  war:  'das  musz  in  den  kilikitichen 
Verhältnissen  der  zeit,  welcher  beide  angehören,  irgend  welchen 
grand  haben*,  schrieb  Wilamowitz  Antig.  v,  K.  s.  111  anm.  18.  dasz 


FSnsemihl:  anz.  ▼.  EMaam  Aratea.  41 

Tarsos  schon  damals  ein  bedeutender  studienort  gewesen  sei,  hat 
Maass  nicht  bewiesen  und  läszt  sich  nicht  beweisen,  and  auch  später 
war  es  Tarsos  nach  Strabons  zengnis  (XIY  673)  fär  einheimisehe 
und  nicht  für  fremde.^ 

Das  sechste  stfick  'memoriae  Arateae  et  Hesiodeae'  (s.  249 
— 278)  enthält  eine  reiche  samlung  von  nachahmungen  nnd  remi- 
niscenzen  der  Oaivö^eva  bei  gleichzeitigen  und  sp&tem  dichtem 
und  weist  nach,  dasz  Aratos  die  *€pTa  und  die  Theogonie,  nicht 
aber  die  'AcTpovo^ia  unter  dem  namen  des  Hesiodos  vor  äugen  ge- 
habt hat,  die  vielmehr  wahrscheinlich  erst  nach  ihm  entstand. 

Von  besonderer  Wichtigkeit  ist  der  siebente  teil  *£udoxi 
Cnidii  fragmenta  ex  Hipparcho  conlecta'  (s.  279 — 304),  indem  hier 
der  grund  zur  richtigen  Würdigung  des  Aratos  als  astronomen  gelegt 
wird ,  in  bezug  auf  welche  Maass  endlich  einmal  das  eingewurzelte 
Vorurteil  zu  boden  wirft,  als  wäre  derselbe  im  wesentlichen  nur  ein 
poetischer  paraphrast  des  Eudoxos  gewesen,  schon  im  fünften  capitel 
(s.  236  ff.)  hat  er  die  bisher  allgemein  verkannte  thatsache  aufgedeckt, 
dasz  die  erzählung,  Aratos  sei  von  Antigonos  Gonatas  beauftragt 
worden  das  KdTOTTTpov  des  Eudoxos  in  verse  zu  bringen  (v.  I  s.  53, 
47  ff.  III  s.  58,  20  f.  59,  27  ff.),  an  welcher  bisher  allein  Buhle 
zweifelte,  lediglich  auf  jenen  untergeschobenen  briefen  beruht,  und  er 
hat  bereits  dort  die  absurdität  derselben  nachgewiesen,  im  siebenten 
zeigt  sich  nun,  dasz  von  den  beiden  ausgaben  der  betreffenden  schrift 
des  Eudoxos,  "evoiTTpov  (nicht  KdroTTTpov)  und  <t>aivöfieva,  von 
denen  jene  die  frühere,  in  Eyzikos,  diese  die  spätere,  in  Knidos  ver- 
faszte  gewesen  zu  sein  scheint,  nach  Hipparchos  die  von  Aratos  be- 
nutzte vielmehr,  wie  auch  Theon,  der  verfiBLSser  der  dritten  biographie, 
s.  59,  31  f.  nach  ihm  annimt,  die  <t>aivö^€va  waren,  und  dasz  doch 
auch  Hipparchos,  von  dem  jene  anschuldigung  seines  sklavischen 
anschlusses  an  dieselben  ausgieng,  gelegentlich  zugestehen  musz, 
dasz  er  doch  hie  und  da  richtigeres  gebe  als  Eudoxos. 

Der  achte  abschnitt  'de  Coo  poetarum  sodalicio'  (s.  305 — 328), 
welcher  in  nicht  wenigen  stücken  wohl  am  meisten  und  nicht  bei 
mir  allein  Widerspruch  finden  dürfte,  führt  uns  nun  weiter  in  diese 
frage  und  in  die  mit  ihr  zusammenhängende  nach  ort  und  zeit  der 
ab£ässung  des  gedichts  hinein.  Hipparchos,  Achilleus  und  vielleicht 
auch  Poseidonios  nehmen  ausdrücklich  an,  dasz  dasselbe  nicht  in 
Makedonien;  sondern  in  Griechenland  entstanden  ist,  und  wenn  man 
auf  die  frage,  warum  sich  Aratos  die  Oaivö^eva  und  nicht  das 
^GvoTTTpov  des  Eudoxos  zum  leitstem  wählte,  auch  zunächst,  wie 
gegen  Maass  bemerkt  sei,  einfach  zu  antworten  ist:  *weil  wohl  jeder 


*  die  vermatuDg,  dasz  Krates  vor  seiner  thätigkeit  in  Pergamon 
dort  gelehrt  habe,  läszt  sich  an  sich  hören,  aber  die  behauptung  s.  246 
anm.  19:  'ubi  Cratetem  Panaetius  audiverit,  Tarsi  an  Pergami,  dubi- 
tabile'  ist  sonach  dennoch  unrichtig.  Pergamon  liegt  doch  am  näch- 
sten, wenn  man  aber  einmal  zweifeln  will,  könnte  man  eher  hierin 
eine  spnr  finden,  dasz  Krates  eine  zeit  lang  in  Rhodos  gelehrt  habe. 


42 


FSaßemihh  an»,  v.  EMaase  Äratea. 


die  zweite  aufläge  eines  buch»,  wenn  sie  ihm  zu  geböte  stebt^  der 
ersten  vorziehen  wird',  so  begi'eift  sich  doch  nunmehr,  dasz  Aratos 
somit  überhaupt  nur  diese  gebrauchen  konnte  mit  der  polhöhe  von 
Koidüs  und  nicht  die  erste  mit  der  polhöho  von  Kyzikos. 

Nun  will  aber  Maasß  die  Oatvopeva  zu  einem  in  K03  entstan- 
denen Jugendgedichte  des  Aratos  stempeln,  dagegen  spricht  zu- 
nächst schon,  dasz  Meleagros  Anth.  Pal.  IV  1,  49  f*  die  kleinen 
poetischen  jugendergüsse  desselben  vielmehr  deutlich  genug  zu  jenen 
als  einem  werke  gereiftem  alters  in  gegensatz  stellt.  ^  rechnet  man 
ferner,  dasz  Philetas  etwa  295,  da  Philadelphos  15  jähre  zählte,  als 
dessen  lebrer  nach  Alexandreia  gieng,  so  kann  man  die  blQte  des 
koitichen  dichierbundes  nach  seiner  r Uckkehr  katim  vor  292  setzen. 
Aratos  trifft  ferner  den  Kai  um  ach  os  in  Athen  kaum  nach  289  ^  da 
letzterer  schwerlich  nach  288  noch  dort  lebte:  denn  um  280  steht 
er  schon  im  vollen  glänze  des  bofdiehters  in  Alexandreia,  und  seine 
schul meisterzeit  in  Eleusis  Hegt  Überdies  noch  dazwischen  (s.  zu 
diesem  allem  Susemihl  I  s.  174  f.  287  anm.  10,  347  f.  359).  die 
frist  ist  kurZ|  in  welcher  Aratos  das  gedieht  in  Kos  verfaszt  und 
dann  dort  im  kreise  der  pastoralen  bundesbrüder  vorgetragen  haben 
könnte  I  zu  kurz  doch  wohl,  je  weniger  er  es  blosa  aus  Eudoios  nnd 
Theophra:ätos  oder  pseudo-Tbeophrastos  7T£pi  cr||i€tujv*  zusammen- 
geschrieben hat.  gegen  die  entstehung  in  Athen  weisz  Maass  nur 
die  verse  über  den  maslii  (cxTvoc)  1051 — 1059  geltend  zu  machen, 
der  in  Attika  selten  war.  aber  da  Aratos  doch  ohne  zweifei  ftlr  ein 
weiteres  publicum  schrieb  als  blosz  für  dasjenige,  unter  welchem  er 
bei  der  abfassnng  seines  gedichtes  sieh  befand^  so  genügt  es^  wenn  er 
nur  früher  in  gegenden  gelebt  hatte,  die  denselben  in  fUlle  trugen, 
zumal  da  hier  überdies  der  Vorgang  von  Theophr.  ao.  §  55  nachweis- 
lich ist/  auch  andere  poeten  haben  die  lotosblume  und  die  weisre 
Wasserrose  an  orten  besungen ,  wo  sie  höchstens  im  kübel  wachsen. 
und  wer  wird  es  so  leicht  meinem  werten  freunde  glauben,  dasz 
das  pantheistische  prooimion  auf  Zeus,  welches  stark  genug  an  den 
hjmnos  des  Klean thea  erinnert,  aus  der  vorötoischen  periode  des 
diöbters  sei?    wenn  es  in  demselben  v.  15  f.  x^ipe  TTCtiep  .  .  auTÖC 


^  Maasa  i.  230  bemerkt  dnsu:  'utique,  anteqnam  €FhA(^ni>mcniii^ 
conipoDerentiir,  exstitisKc  puflilln  istü,  si  triittnii  Melea^ri  dictum 
examtnareflf  largieDdum  etfset.  eed  tarnen  excodtt  hoc  omBetti  probabili- 
t>«tem/  warum?  vermutlicli  iveil  er  MeleajärroA  für  keioeo  selir  cltiaai- 
schen  zeugen  ItUlt,  und  liarin  kann  ich  ihm  ;illerdiogs  nicht  gaojs 
unrecht  geben,  daher  denn  nucb  fiir  mlcb  dte  «»che  hiermit  noch 
nicht  abgeihun  ist.  ^  das»  diese  schrift  die  bauptquelle  des  Aratos 

für  die  wetterzeichcn  war,  bült  M&ass  s.  240  f.  gegen  Böhme,  durch 
den  auch  ich  I  s,  299  mich  liatte  in»  st-b wanken  bringen  laKscUi  auf- 
recht, leider  hatte  er  clAbel  gleich  mir  noch  die  gute  disa,  von  Heeger 
*de  Theophrasti  it€pl  CT||i£injv  libello*  (Jena  1889)  übersehen»  in  wel- 
cher Böhme  bereit«  gründlich  widerlegt  ist,  '  Miias«  s.  344  acbreibt 
in  besng  hierauf:  'nihil  enim  fatemar  referr©|  quod*  naw,  ist  das  mehr 
als  ein  machtspmcb?  freilich  weit  küwer  wird  dort  die  aache  ab 
gemacht. 


FSasemihl:  anz.  v.  EMaass  Aratea.  43 

xai  iTpOT^pri  T^ver)  heiszt,  so  scheint  mir  die  deutung  'deine'  und 
nicht  'unsere'  frühere  generation ,  wie  letzteres  Maass  will ,  natür- 
licher; und  der  dichter  hat  also  dann  auch  hier  der  mythologie  darin 
nachgegeben,  dasz  Zeus  doch  nicht  der  älteste  gott  ist;  ffir  die  aus- 
gleichung  solcher  Widersprüche  war  ja  bei  den  stoikem  die  allego- 
rische auslegung'da.  aber  gesetzt,  unter  der  irpoT^pf]  T^vef)  seien 
auch  hier,  da  von  den  Titanen  sonst  nirgends  im  gedieht  die  rede 
ist,  die  heroen  verstanden,  und  alles  zugegeben,  was  Maass  noch 
sonst  für  den  vertrag  dieses  prooimions  und  damit  des  ganzen  ge- 
dichtes  bei  einem  Symposion  geltend  macht;  warum  müste  dieses 
Symposion  denn  eines  der  pastoralen  bundesbrüder  in  Eos  und  könnte 
nicht  vielmehr  eines  der  stoiker  gewesen  sein?  welche  bedeutung 
auch  bei  diesen  die  Symposien  hatten ,  geht  doch  zur  genüge  schon 
daraus  hervor,  das  Persaios  cu)iiTOTiKd  uiTO^vr|^aTa  schrieb  (s.  Suse- 
mihl  I  s.  68.  70  anm.  258.  260.  265).  nein,  wenn  nicht  alles  teuscht, 
steht  die  sache  wirklich  so ,  und  Aratos  schuf  das  gedieht  in  Athen, 
nachdem  er  dem  stoischen  orden ,  wenn  auch  nur  als  laienbruder, 
beigetreten  war ,  und  das  prooimion  ist  nicht  blosz  ein  denkmal  des 
ersten  Vortrags,  sondern  auch  eine  dauernde  dedication  an  die  stoiker. 
hielten  diese  doch,  wie  Maass  s.  158.  164  selbst  hervorhebt,  den 
Aratos  unter  allen  dichtem  nftchst  Homer  am  höchsten  und  sahen  ihn 
offenbar  annähernd  als  den  ihren  an.  Maass  hat  gewis  recht,  wenn  er 
bestreitet,  dasz  die  nachricht  über  die  astrologenschule  des  Berosos 
in  Eos  bei  Vitruvius  IX  7,  2,  wie  auch  ich  noch  glaubte  ^  eine  fabel 
sei,  aber  seine  Vermutung,  dasz  Aratos  seine  Oaivö^eva  gegen  diese 
gerichtet  habe,  ist  doch,  wie  mir  scheint,  nicht  dadurch  gerecht- 
fertigt, dasz  dieselben  in  der  that  nichts  astrologisches  enthalten, 
sondern  wäre  es  erst  dann,  wenn  sich  wenigstens  eine  spur  von  aus- 
drücklicher polemik  gegen  die  astrologie  in  ihnen  fände,  gerade 
diese  stillschweigende  und  zurückhaltende  antiastrologische  formung 
ist  dagegen  bezeichnend,  wenn  das  gedieht  zwar  nicht  aus  dem  cen- 
trum,  aber  doch  aus  der  peripherie  des  stoicismus  erwachsen  ist. 
denn  dasz  in  bezug  auf  dio  im  allgemeinen  unter  den  stoikem  be- 
liebte astrologische  mantik  doch  stets  unter  ihnen  verschiedene  an- 
sichten  herschten,  darf  man  wohl  daraus  schlieszen,  dasz  der  vor- 
sichtige Panaitios  sie  unbedingt  verwarf,  die  übrige  mantik  dagegen 
nur  anzweifelte  (s.  Susemihl  11  s.  69),  und  dasz  Bo6thos,  darin  noch 
über  Aratos  hinausgehend;  jeden  einflusz  der  gestirne  auf  die  Witte- 
rung bestritt,  dagegen  die  sonstigen  wetterzeichen  gelten  liesz 
(s.  Maass  s.  152  ff.  Schmekel  s.  320).  die  wetterzeichen  sind  doch 
aber  auch  ein  stück  von  mantik  (vgl.  Schmekel  ao.),  und  es  war 
daher  gut  stoisch  gedacht,  wenn  sich  Aratos  in  diesem  seinem  poeti- 
schen und  populären  handbuch  der  astronomie  und  witterungskunde 

^  ao.  I  8.  605  anin.  411.  da  das  zweite  gedieht  des  Theokritos  wahr- 
scheinlicb  in  Kos  entstanden  ist  (s.  SasemibI  I  s.  200  anm.  8*^),  so  hat 
die  Vermutung  von  Maass  s.  .S27  f.,  dasz  dort  v.  159  anter  dem  assy- 
rischen fremden  Berosos  za  verstehen  sei,  viel  für  sich. 


44 


FSueemibl:  &nz.  v,  EMaass  Aratea. 


in  betreff  der  lektem  auf  sie  bescbränkte.  dasz  sie  der  zweck  des 
ganzen  und  die  astronomiächen  ßiisfUhniDgen  nur  Yomufge schickt 
wären  ^  um  für  die  zeichen  am  bimmel  die  nötige  Orientierung  7M 
geben^  kann  leb  freilieb  Maass  wiederum  trotz  des  prooimions  nicbt 
einräumen  I  so  sehr  auch  gerade  dies  beweisen  würde  ^  dasz  Äratos 
doch  kein  eigentlicher  mann  der  astronomischen  Wissenschaft  von 
fach  war*  denn  die  astronomischen  wetterzeicben  sind  doch  nur  der 
kleinere  teil  der  von  ihm  dargestellten  und  beschränken  sich  auf 
sonne^  mond  und  krippe  nebst  krebs  nnd  sonstiger  nmgegend.  oder 
wenn  Maass  recht  hat,  so  wäre  doch  somit  eine  künslleriscbe  einbeit 
des  gedicbts  auch  auf  diese  weise  nicbt  gewonnen,  ja  &ie  würde  so 
erst  recht  in  die  brücbe  geben* 

Dasz  Äratos   tüchtige  eigne  astronomiscbe  kenntnisse  besas«^ 
bat  Maass  sattsam  bewiesen  und  in  dem  berühmlen  epigramm  (27) 
des  Kallimacbos  die  lesart  cÜTT^Voc  diptJTiviric  mit  Scaligers  von 
Wilamowitz  nicht  einmal  erwähnter  leichter  verbessening  CUYJOVOI, 
aus  welcher  bervorgebt,  dasz  jener  auch  selbst  beobachtete,  in  ihr 
wohlverdientes  recht  wieder  einsetzt»  aber  es  will  mir  doch  scheinen,^! 
dasz  er  seinerseits  nun  in  das  entgegengesetzte  extrem  verfällt  wioj 
Hipparcbos  und  dessen  nachfolger*    vermutlich  indessen  scheint  es 
auch  ntir  so,  und  es  bat  nicbt  im  willen  des  vf,  gelegen ^  dasz  seine 
darstellung  wenigstens  auf  mich  diesen  eindruck  macht*    dasz  sich-] 
schon  vor  Hipparcbos  unter  den  eigentlichen  fach-astronomen  be- 
denken gegen   die  ausreichende   sachkunde  und   beobachtung   de»J 
iiichters  erhoben  hatten,  dürfte  doch  wohl  aus  der  entschieden  apo* 
löge  tischen   baltung   seines   ältesten  uns   bekannten  communtatorsi 
Attalos  hervorgeben,    der  grosze  astronom  Hippaichos  war  femer  ] 
sicherlich  kein  ungerechter,    aber  freilich  ein  überstrenger  mann: 
nicht  ungerecht,  aber  allerdings  sehr  unbillig  war  sein  tadel  der 
geographie  des  Eralostbenes ,  stark  übertrieben,  aber  doch  wohl  bis 
£U  einem  gewissen  grade  richtig  sein  urteil  über  Aratos,  zumal  da 
sogar  ein  stoiker  wie  Poseidonios  in  dasselbe  einstimmte  (s*  u.). 

Maass  vermerkt  es  übel «  dasz  ich  die  vierte  biographie  des 
Aratos  mit  Busch  für  die  fehlerreicbste  erklärt  habe,  aber  ich  habe 
bewiesen ^  dasz  sie  zweimal  im  gegensatz  zur  zweiten  und  dritten 
das  richtige  umkehrt  und  dabei  nur  Einmal  an  der  ersten  gesellscbaft 
bat ,  und  dasz  sie  drittens  den  Persaios  fälschlich  zum  lehrer  statt 
zum  mitschtiler  des  Aratos  macht  dies  bindert  mich  natürlich  nicht 
das  gute  anzuerkennen,  was  sie  darbietet,  wir  lernen  aus  ibr^  dasi 
Aratos  einen  famulus,  den  matbematiker  Nikandros,  auch  aus  Kolo 
pbon,  hatte,  und  dasz  daraus  die  fabeleien  über  ihn  und  den  lebr- 
dicbter  Nikandros  von  Kolopbon  als  vermeintliche  Zeitgenossen  ent- 
standen sind.*^  in  ihr  steht  nun  femer  s.  60,  22  C:  Ivioi  hi  (paci 

»  anal  Alex,  II  a.  IX  f,  (wo  leider  8.  IX  t,  4  IV-  hinter  I*  ansf^efalle 
aod  a,  3  lU*  »tatt  U*  ifedraekt  ist),         '**  die  betreffeodeii  wort«  0.60«^ 
26  f.  cuvr)KMnc€  —  aöxöv  stehen  jetzt  an  falscher  atelle,  sie  gehören 
vor  22  £vioi|  da  ms  unmittelbar  au  16—2*2  (paCvcTai  «ich  anscfalid^xen. 


Tov  'ApoTOV  Mvoc^iu  inrrpoc  jETovivm,  'ApUTO&nfKn;  hi  xrvoc 
lioBfyiirnKOv;  ^laKOvccn.  iorrpov  be  T^XMjjouuEvac  cod  liuuriff» 
T€vec8ai  ^  xok  'Avtttovcaj  ßociickac  «oiciii:  xAcäiri^nicm  vm 
Ivioi  oder  nvec  sind  bekizkBtIk:ii  iniskcr  rem  totb  iiereia  mh  imsKir 
Torsieht  anfroiiehTnqi,  }«ksfftili  kber  «^teo»  €Bi««öer  ^  ssasaBi  zu 
billigoi  oder  aber  za  vctmafea,  auf  dem  'bo^KTKl'  des  Asnärcm» 
Gonat&s  diese  TorBdarüt  bier  mh  aziitdeiiiMS  £&  w«Ik9  wSe^  ireHicai 
thörieht,  das  ist  natörlicfa  eise  nadüiciil  i&  täc^  tob  dorciiBkiitäger 
enUtebimg.  aber  ver  an  AxisUtÜKTOs  als  leLrEir  T2Bi«re^  Aisso»  is 
der  matbemalik  oad  astronoiiüe  ^lasbt^  wyt  Maaäs  lanzi.  der  hai 
m.  e.  k^ne  ursaefae  die  aB^!&be  über  den  vaxer  darcs  ahixtreuKB 
und  anzuDehineB,  dasz  die  aad^m  fiDef^imstiicBeBden  mmi^EnatiEm 
über  dessen  namen  riefatig  sekm  und  kanercr  skÄit  Tieboeiir  MnaiiMg 
bie&^z,  was  allerdings  zumal  bei  den  gcnaDem  nac^aiciiti^  ^ber  öcb 
wirklidien  vater  Atbenodoros  t.  II  s.  56,  ^  £.  fbc^  wenig  güaübtidi 
ist.  ¥iel  nlber  liegt  also  meines  bedfinkens  die  aimabtne .  dasz  wir 
einen  analogen  faU  mit  dem  eben  angeffiixrten  haben:  jene  iviai 
wosten  richtig,  dasz  der  uns  ascli  scoisl  ^s.  Soäeodiil  I  &.  28€ 
anm.  7.  703)  bekannte  malbemaxiker  Arisuaberas  einen  sekfikr 
Aratos  hatte,  der  wirklich  ein  söhn  des  Mnafyni»  war,  aber  ein  an- 
derer als  sein  gleichnamiger  Zeitgenosse,  der  allerdings  anc^  nuüie- 
matisch  und  astronomisch  gebadete  dichter,  der  if^m  des  Aliseno- 
doros  und  der  Letophiie.  geselzt  aber  aoch ,  ^  wire  dies  nnr  ecne 
gleichberechtigte  möglichkeit  (ond  mindestens  als  eine  solebe  wird 
es  doch  anch  Maass  anerkennen  mfise<ai;,  so  genügt  das  sdKm,  um 
seiner  hjpothese,  Aristotberos  sei  der  bei  Tbeokr.  7,  99  ff.  Aiiftis 
genannte  freond  des  Aratos  cnd  sei  also  aoeh  diciiter  imd  milgüed 
des  koischen  hirtenbondes  gewesen ,  den  boden  za  entzieben. 

Nicht  besser  steht  es  mit  einer  andern  eonjeeUir.  ans  dem  e|H- 
gramm  des  Aratos  Anth.  PaL  XII  129  hat  jfingst  Kniark  in  diesen 
Jahrb.  1891  s,  770  mit  redit  geschlossen,  dasz  dessen  bei  Tbec^. 
7,  105.  118  Philinos  genannter  geliebter  ans  der  koiscSien  seit  (wo- 
mit ^ilich  nicht  ¥iel  gewonnen  ist)  Philokles  hiesz,  und  la  t.  5 
äXXä  TTpiiivcuc  bemerkt  er  richtig:  «hier  wird  offenbar  ein  be- 
kannter Priener  gemeint  sein ,  also  dJÜL'  6  ITpiTpfCUC. »  weiter  darf 
m.  e.  eine  Torächtige  kritik  nicht  gehen:  wenn  llanss  rielmehr 
dXXd  'Pinvöc  Torschlägt,  fibersehreilet  dies  in  m«nen  sagen  die 
grenze  des  erlaubten  selbst  dann ,  wenn  die  begr&ndimg  Ton  Wila- 
mowitz  daför,  dasz  Bhianos  schon  dies«-  zeit  angehört  habe,  probe- 
baltig  w&re.  dasz  sie  es  nicht  ist,  glaube  ich  ao.  s.  399  f.  anm.  144 
gezeigt  za  haben,  and  so  lange  ich  nicht  widerlegt  bin,  bleibt  daher 
die  fiberlieferang  in  kraft,  dasi  Bhianos  ein  Zeitgenosse  des  Erato- 
sthenes  war.  aoch  was  Maass  s.  336  f.  anm.  4  beibringt,  entscheidet 
nichts :  mag  die  Herakleia  des  Bhianos  immerhin  die  quelle  Ton  Prop. 
I  20,  25  fL  sein,  so  bleibt  es  doch  ebenso  möglich,  d&^z  Bhianos 
selbjit  dem  Apollonios  I  1298  ff.  1316  ff.  gefolgt  ist,  wie  das  um- 
gekehrte,  auch  dasz  Nikias  Ton  Milet  mit  Theokritos  in  Kos  zn- 


46 


FSasemibI:  anz.  v.  EMaase  Aratcti. 


sammeugelebt  habe«  durfte  s.  333  nicht  einfach  &U  ihatsache  hin- 
gestellt werden,  nachdem  ich  ao.  I  s.  200.  600  anm,  129  auf  di«1 
Bporen  hingewiesen  habe,  die  vielmehr  darauf  führen,  daaz  er  in - 
BamoB  bei  Erasistratos  medicin  studiert  und  sich  also  von  da  aus 
mit  dem  in  Kos  weilenden  Theokritos  befreundet  habe. 

Es  folgen  vier  epimetra :  *de  MenecrateEpbesio  poeta*(s.328  f*), 
'de  Rhiano'  (s.  330 — 332),  'de  Argonantieorum  recitatione'  (b.  332 
—  337),  'de  picturia  Arateis'«  Im  ersten  wird  ein  neues  fragment  und 
zwar  wabrächeinlich  für  das  ack  erb  äuge  dicht  des  Menekrates  von 
Ephesos  gewonnen Y  ind^m  mit  grnnd  angenommen  wird,  dasz  der 
scbol.  Eur.  Rhes.  27  (s,  341  Schw,)  citierte  Menekrates  kein  anderer  sei»  j 

Wiebtiger  ist  das  zweite,    so  wenig  ich ,  wie  gesagt ,  Maass  zu- 
geben kann ,  daaz  Ehianos  sich  in  Kos  auf  seine  Homerausgabe  vor-^ 
bereitet  habe,  so  sehr  musz  ich  ihm  einräumen,  dasz  Meinekes  vei>J 
legung  von  dessen  thötigkeit  nach  Alexandreia  ohne  anhält  ist,  und! 
dasz  das  ioteresse  des  Ehianos  für  den  tod  des  Aristomenes  geradtj 
in  Rhodos  vielmehr  für  Rhodos  als  denjenigen  ort  spricht,  wo  erj 
vielfach  umhergeworfen,  endlich  blieb,  und  dazu  würde  der  an 8cMus*| 
der  Bhianischen  poesie  an  die  von  Kallimachoa  verp{jnte  Homeri^ 
sierende  des  Rhodiers  Apollonios  aufs  beste  passen,    aber  die  (aller* 
dings  auch  nur  zweifelnd  vorgetragene)  conjectur  bei  Steph,  Bf]vi]sl 
K£bpedT?ic  xfic  Kapiac  für  Kepedxric  f\  Kpr|C  ist  doch  zu  gewaltaam  J 
und  ich  möchte  doch  lieber  glauben,  dasz  aus  Suidas  u»  *PiavÖC| 
vielmehr  KripaiTrjC  herzustellen  sei,  und  halte  dann  immer  noch  ein»] 
Umstellung  für  leichter:  Kprjc  fiv  B?ivaToc  f\  KripcitTiic. 

Im  dritten  epimeirum  bat  Maass  übersehen,  dasz  ich  in  m.  gr.-al  J 
L6.  II  s.  670  meine  Zustimmung  zu  Lindes  Vermutung  bereits  selbslj 
berichtigt  habe,  indem  ich  mit  üsener  nunmehr  in  den  biographiea 
die  üotiz  fri  ?qnißov  6 via  beanstandete  und  vielmehr  die  andere  6*|jfe| 
im  TÖ  noicTv  iioi%aTa  ^ipdirexo  für  die  wabracheinlich  richtige 
erklUrte/^    doch   darin   bat  Maass  recht:   der  ganze  zweite  teil  in 
jeder  der  beiden  biographien  ist  je  eine  unzertrennliche  einbeit  und  j 
ein  pbantasiegebilde.  aber  dabei  kann  doch  ein  stück  wirklicher  Über- 
lieferung mit  benutzt  sein.  "  nach  einer  altern  beobachtung  (s,  üsener  ] 
bei  Gercke  rhein.  mus.  XLIV  [1889]  s.  135  f,)  musz  man  wohl,  wiei 
mir  Knaack  bemerkte,  annehmen,  dasz  Apollonios  zunächst  nur  mit| 
den  beiden  ersten  bticbern  der  Argonautika  hervortrat  und  diese  also 
noch  in  Alexandreia  entstanden  und  vorgelesen  wurden,  der  relative 
ausdruck  ö\\fi  steht  nicht  im  wegts:  wer,  bereits  30— 32  jähre  alt,| 
sein  erstes  gedieht  vortrug,  auf  den  passi  das  6\\ti.  b*  ini  TÖ  rroieiVl 
TTOUrmaTa  dTpdrrcTO.  eben  darum  darf  man  diese  nachricht  auch  nicht 
60  pressen  wie  Maass:  'a  Callimacbo  igitur  grammaticam,  non 
po^tiin  didicit  Alexandriae.'    der  sinn  ist  docb  nur,  dasz  Apollonios,} 

'*  die  geburt  de«  Apollonios  ist  hiernach  mit  Gercke  schon  vor  21)5 
AU  eetaen.  "  nuf  v.  II  g.  51,  6  Kai  coqpKxeüei  (»TiTopiKOÖc  X6touc 

darfte  Mhabs  sich  üichi  heruf*sn:  at  hon  Liode  bemerkti  das»  v.  1  dids«^ 
Verkehrtheit  otchi  but  (60,  12  ^iraibcucc). 


FSosemilil:  anz.  t.  EMaMs  Aiatea^  47 

bevor  er  selbst  dichtete,  zuerst  und  längere  zeit  in  den  wegen  seines 
]  ehrers  gieng:  TÖ  ^^v  iTpunrov  cuviiiv  KaXXifidxui  tiu  ibu|i  bibocKaXi}!, 
öi|i^  b*  usw.  (vgl.  Usener  bei  Sasemihl  ao.),  was  denn  so  freilieh  nur 
in  der  grammatik  möglich  war,  aber  doch  mit  einschlnaz  der  poeti- 
schen theorie  gemeint  sein  musz ,  da  sonst  der  doreh  ^€V  —  b*  be- 
zeichnete (freilich  in  diesem  schlechten  excerpt  aas  der  nrbiographie 
nar  verstümmelt  zum  aasdmck  gebrachte)  gegensatz  nicht  za  stände 
kommt :  er  verliesz  mit  seinem  eignen  dichten  die  grondsStze  seines 
lehrers,  denen  er  früher  selbst  lange  gehuldigt  hatte,  'poeticam 
artem  Callimacham  tradidisse  Äpollonio  in  Yitis  non  dicitor,  gram- 
maticam  dicitur*  sagt  Maass.  aber  letzteres  steht  ebenso  wenig  aus- 
drücklich da,  musz  vielmehr  in  v.  I  erst  aus  den  angezogenen  worten, 
in  Y.  n  aus  ^^aOrJTeuce  KaXXifidxqi  iy  *AX€£avbp€ia  övti  ypomia- 
TiKUJ  erschlossen  werden. 

Ich  knüpfe  hieran  gleich  den  zehnten  abschnitt  'de  ApoUonii 
Canobo'  (s.  357 — 369),  in  welchem  dargethan  wird,  dasz  das  choliam- 
bische  gedieht  Eanobos  des  Apollonios  nicht,  wie  man  bisher  glaubte, 
eine  stiftangssage ,  sondern  die  geschichte  des  nach  seinem  un- 
glücklichen tode  anter  die  steme  versetzten  Eanobos,  Steuermannes 
des  Menelaos,  behandelte,  woraus  es  sich  denn  erklärt,  dasz  im 
astronomenverzeichnis  A*  auch  'AttoXXuivioc  tP^^^M^'^^^^c  erscheint. 

Das  neunte  capitel  'Epimenidea  et  Archilochea' (s.  339 — 355) 
legt  zunächst  dar,  dasz  unter  den  Aiöc  UTT09f\Tai  bei  Aratos  164 
Epimenides  in  seiner  Theogonie  zu  verstehen  ist,  und  dasz  aus  ihr 
mit  einem  zweifei  an  der  Wahrheit  (ei  dreov  brj)  derselbe  bekannte 
kretische  mythos  von  der  geburt  und  erziehung  des  Zeus  auf  Kreta 
30  ff.  angezogen  wird^  und  dasz  Kallimacbos  hy.  1,  4  ff.  mit  rück- 
sicht  hierauf  den  Aratos  berichtigend  und  überbietend  diesen  mythos 
geradezu  für  eine  lüge  erklärt,  daraus  ergibt  sich  denn  von  neuem^ 
dasz  die  0aivö^eva  nicht  erst  in  Makedonien  entstanden  sein  können, 
sondern  schon  um  280  (s.  Susemihl  I  s.  359)  in  Alexandreia  bekannt 
waren.  Kallimacbos  wendet  dabei,  wie  bereits  Wilamowitz  sah,  den 
sprach  des  Epimenides  in  dessen  Katharmen  (wie  Diels  erkannte) 
KpfiT€C  dei  ipeucTai  v.  8  picant  gegen  diesen  selbst  Diels  hat  femer 
richtig  angenommen ,  dasz  Epimenides  sich  in  dieser  dichtung  als 
erwacht  aus  seinem  langen  schlafe,  in  dessen  träumen  er  seine  Weis- 
heit empfangen  habe,  darstellte,  nach  Maximos  Tyrios  diss.  28  soll 
er  in  Athen  gesagt  haben,  dasz  ihm  auch  die  'AXviGeia  im  träum  er- 
schienen sei.  ansprechend  vermutet  Maass  hiemach ,  dasz  er  dieser 
jene  worte  in  den  mund  gelegt  habe,  ähnlich,  wenn  auch  nicht 
ebenso ,  wie  die  Musen  im  prooimion  der  sog.  Hesiodischen  Theo- 
gonie sprechen,  weiter  sucht  er  nun  auszuführen,  dasz  auch  der 
anon.  Ambros.  bei  Studemund  anal.  var.  I  s.  224  f.  und  Nonnos 
XIV  23  ff.  noch  mittelbar  aus  jener  alten  Epimenideischen  Theo- 
gonie geschöpft  haben,  dabei  kommt  er  stark  mit  Bethe  im  Hermes 
XXIV  (1889)  s.  402—446  in  conflict,  indem  er  das  von  diesem  s.  410 
gegen  Bobert  geltend  gemachte  als  für  ihn  nicht  überzeugend  be- 


48 


FSusemhl :  &nz.  v.  EMaass  Af 


zeichnet  und  im  gegensatz  zu  Betb©  behauptet,  dasz  von  den  beiden" 
bei  Diod.  V  70  f,  benutzten  scbriftaleilern  der  den  kretischen  mjtbos 
wiedergebende  der  alte  Epimenides  sei,  während  der  70,  1  zuerst 
und  hernach  wieder  zu  anfiing  von  71  auftretende  sich  an  Kalli- 
machos  ao,  57—67  anschliesze.  von  diesem  anschlusz,  wenn  er  wirk- 
lich anzunehmen  ist,  müssen  nun  aber  doch  mindestens  die  platt 
Euheroeristischen  worte  70,  1  peia  xriv  Ü  dvOpiuTTtiuv  toö  Kpövou 
lneTOtCTaciv  €k  Seoüc  ausgenommen  werden,  welche  Bethe  veranlaszt 
haben  in  diesem  schnfteteUer  zwar  nicht  den  echten  Epimenide3, 
wohl  aber  den,  wie  mir  scheint,  mit  erfolg  von  ihm  als  hauptquelle 
des  Diodaros  in  dieser  ganzen  partie  von  c.  64  ab  nachgewiesenen 
gefälschten  und  platt  rationalistisch^Euhemeri^tischen  zu  erkennen, 
die  sacbe  läszt  sich  in  der  that  nicht  ho  im  vorbeigehen  abmüchen. 
Maa88  sagt  nicht,  ob  er  au  diesen  nach  weis  glaubt,  ist  derselbe  wirk- 
lich geführt,  so  ist  es  wenig  wahrscheinlich,  dasz  Diodoros  den  alten 
und  den  neuen  Epimenideg  neben  einander  gebraucht  haben  sollte; 
freilich  der  zweite  von  ihm  unmittelbar  benutzte  schriftsteiler  (in 
dem  Bethe  den  Apoüodoros  vermutet)  könnte  ja  allerdings  den  alten 
zur  band  genommen  haben,  es  ist  hier  nicht  meine  aufgäbe  genauer 
darauf  einzugehen;  ich  hoffe,  dasz  Bethe  die  sache  von  neuem  auf- 
nehmenwird, weiter  bemerkt  dann  Maass  noch,  dasz  auch  Äratos  7 1  ff. 
und  vielleicht  99  f.  auf  der  alten  Theogonie  des  Epimenides  beruhen. 

In  den  scholien  zu  1003  ff.  hat  Maass  ein  neues  brucbstück  des 
Arcbilochos  gefunden,  dasselbe  auf  welches  Ailianos  nepi  Ciijiuv 
XU  9  (ä=  fn  141)  sich  bezieht,  und  zeigt,  da>z  Äratos  es  wirklich 
hier  vor  äugen  gehabt  hat  gleichwie  909  f*  920  fr  54. 

Die  elfte  abt eilung  'anecdota  Ba^ileen^ia  et  Lauren tiana' 
(s,  371  —  387)  enthält  hochinteressante  nachtrligliche  mitteilungen, 
auB  denen  wir  die  griechische  und  die  reichhaltigere  lateinische  form 
einer  fUlscblich  bald  dem  Hipparchos,  bald  dem  Eratosthenes  zuge- 
schriebenen einleitung  zu  Äratos  genauer  kennen  lernen,  für  die 
in  barbarischem  latein  abgefaszten  praefationeb  kommt  der  Baseler 
codex  deu  Germanicus  (nach  Hert^  aus  dem  siebenten  jh.)  in  be- 
trachte ich  hebe  hier  nur  die  überaus  wichtige  neue  ergänzong  her- 
vor, welche  er  uns  wiederum  zur  dritten  biographie  des  Aratos 
bringt:  s.  59,  34  etwa:  cuvaTOp€U€i  6e  amdb  (nemlich  VlTTTidpxuj) 
Kai  Äiovücioc  <briXovÖTi  6  0p^  icai  noccibiiivioc)  ^v  tw  irepi  cuV- 
Kpic€Uic  'Apdiou  Kai  'O^rjpou  irepi  tüiv  paÖnMctTiKiuv,  ich  |*flichte 
Maass  darin  bei,  da$z  diese  cÜTKpKiC  schwerlich  ein  eignes  werk  des 
Poseidonioa  ist,  sondern  dergleichen  tn  seinen  »cbriften  irepl  kÖc^OU 
und  TTepi  ^€T€Üjpujv  oder  in  einer  von  beiden  stamL  dasz  der  be- 
treffende Dionyaios  der  Thraker  ist,  überrascht,  kann  aber  nicht  auf* 
fallen,  wenn  man  die  uns  sonst  schon  bekannte  Vielseitigkeit  dii*sea 
mannes  (s.  Susemihl  11  s.  169  f.)  betrachtet,  der  üuh  nahen  Pur 
meniskos  2eigt,  dasz  doch  nicht  alle  pchüler  Aristarch»  blo^ze  sprach- 
gelehrsamkeit  trieben.  Maass  denkt  an  seine  sehrift  Trept  *Pöbau. 

Gr£IFSWALD.  FhaMZ  SüSBMlUL. 


X«S  JJS33T   1HI5  3L  Impuls   TKI   JL  BKTTS  ^il? 


tote   «UffK. 

■.  «CK.  0&L    Jüffii  A&r^  mc. 
tRT«»  hklmsua^  it^  kam.  n  itis. 


aiPT'    All     lAT' 

■am^irnss^  s^^sl  im:  jfttft  ^bsws.  ^Srnma^     ■»rtatnij*z.  njtist.  vr 


50 


JFrEnke :  der  angriff  des  M,  Lepidua  und  M,  Brutus 


also  Lepidus  kaum  in  der  Öffentlichkeit,  wohl  abei'  im  vertrauten 
kreise  seiner  anbänger  des  öftern  anagesprochen  haben»  wo  er  ans 
seinen  gesinnimgen  kein  hehl  zu  machen  brauchte.  Sallustius  aber 
umkleidet  seinen  beiden  mit  dem  glorienschein  eines  freimutes  und 
einer  Vaterlandsliebe,  die  an  sich  bewundernswert ,  gewiß  aber  für 
die  verwirklicbung  der  plane  des  Lepidus  hemmend  und  störend 
gewesen  wären,  demnach  haben  wir  anzunehmen,  dasz  Lepidu» 
gleich  mit  beginn  seines  consulates  im  geheimen  zu  wühlen  und 
anhJinger  zu  gewinnen  verbucht  hat,  dasz  er  mit  eigentlichen  vor- 
schlagen aber  erst  nach  dem  tode  des  Sulla  hervorgetreten  iat. 

Für  diese  anscfeauung  sprechen  auch  bestimmte  schriftsteller- 
zeugniöse*  Granius  Licinianus  (s.  43  ed.  Bonn.)  weisz  erst  nach  der 
bestattung  des  Sulla  von  re  form  bestreb  ungen  des  Lepidtia  zu  be* 
richten.  Floroa  (II  11)  erklärt:  M,  L^ndo  Q.  Catulo  consuUhus 
ciinle  bellum  paene  cUius  oppressum  est  quam  inciperä ;  sed  quani%A^ 
lacumque  fax  Ulms  moius  ab  ipso  SuJl^ie  rogo  exarsit.  bei  Appian 
(b.  civ.  I  107)  hekti  es:  dirö  he  Tflc  nupäc  xtAJPW^Ttc  euGuc  o\ 
ÖTiaTOi  XÖTOic  ßXaccprjjioic  eic  dXXriXouc  tiecpepovTO.  auch  Plutarch 
(Pomp.  16  vgl,  15)  endlich  berichtet^  dasz  CijXXa  leXcuTTicavTOC 
die  plane  des  Lepidus  ans  licht  gekommen  seien. 

Gleich  die  bestattung  Stillas  benutzte  Lepidus  zu  einer  demon* 
stration,  deren  zweck  es  war  das  feld  zu  sondieren  und  zu  prüfen, 
wie  weit  er  bei  Verwirklichung  seiner  ei  gen  1  lieben  plane  auf  unter* 
Stützung  zu  rechnen  habe,  als  nemlich  die  nachricht  von  Sullas 
tode  in  Eom  eingetroffen  war^  wurde  von  Catulus^  dem  am  tagen  ossen 
des  LepiduSy  der  antrag  ges teilt  den  toten  mit  königlichem  gepränge 
zu  bestatten,  es  sollt©  die  leiche  des  verstorbenen  im  feierlichen 
zuge  aus  Campanien  nach  Eom  geleitet,  dort  auf  dem  forum  aus- 
gestellt und  dann  auf  dem  Marsfelde»  der  alten  begräbnis statte  der 
könige,  beigesetzt  werden,  und  zwar  alles  dies  auf  kosten  des  Staate» 
(vgl.  App.  b.  civ.  I  105.  Plut.  Pomp.  15).  diesen  antrügen  wider- 
setzten sich  Lepidus  und  seine  anbanger;  doch  sie  befanden  sich  in 
der  niinderbeit,  wie  der  von  Plutarch  ao.  gewählte  ausdruck  Aeitibou 
Kai  TIVUDV  fiXXüJV  ^vicxaji^vuüv  pn  lacpfivai  zur  genüge  beweist. 
auBzerdem  blieb  die  gehoffte  Unterstützung  seitens  des  Pompejus 
aus.  letzterer  war  nemlich  wider  aller  erwarten  von  Sulla  in  seinem 
testamente  weder  mit  einem  Vermächtnis  bedacht  noch  zum  Vor- 
munde seines  unmündigen  gohnes  eingesetzt  worden  (Plut.  Pomp,  lö), 
Pompejus  zeigte  indes  ob  dieser  Vernachlässigung  nach  auszen  hin 
nicht  die  geringste  empfindltchkeit,  mochte  er  die  kränkung  im 
innern  auch  tief  empfinden,  er  hielt  eben  seine  stunde  noch  nicht 
für  gekommen,  in  weiser  möszigung  und  kluger  berechnong  ver- 
sagte er  daher  nicht  nur  dem  Lepidus  seine  hilfe,  sondern  trat  sogar 
tbatkräftig  für  die  antrage  der  Sullanigchen  partei  ein,  die  denn 
auch  mit  seiner  Unterstützung  angenommen  wurden  und  in  glän- 
zendster und  würdigster  weise  zur  ausfUhrung  gelangten  (App.  1 105. 
Plut.  Pomp.  15). 


auf  das  reformwerk  Scdlas.  51 

Eine  wichtige  lehre  hatte  Lepidas  aus  diesen  vorg&ngen  bei 
Sallas  bestattung  ziehen  müssen,  es  war  ihm  klar  geworden ,  dass 
sein  zuverlässiger  anhang  vorläufig  noch  ziemlich  gering  war.  un- 
zufriedene gab  es  ja  in  hülle  und  fülle ;  aber  sie  musten  gesammelt^ 
geordnet  und  nach  bestimmtem,  wohl  überlegtem  plane  geführt 
werden,  das  nächste  streben  des  Lepidus  war  daher  darauf  gerichtet 
die  zahl  seiner  anhänger  zu  vermehren  und  zu  organisieren,  an  ge- 
legenheit  hierzu  sollte  es  nicht  fehlen. 

Der  streit  zwischen  den  beiden  consuln ,  der  unmittelbar  nach 
Sullas  begräbnis  offen  zum  ausbruch  gelangt  war  (App.  1 107  äTr6 
bk  Tf]C  iTupäc  usw.) ,  hatte  naturgemäsz  weitere  kreise  gezogen  und 
in  Rom  selbst  Spaltungen  hervorgerufen,  was  war  nun  natürlicher 
als  dasz  diejenigen  männer,  welche  durch  Sulla  ihrer  ganzen  frühem 
macht  beraubt  und  ihres  fast  consularischen  ansehens  entkleidet 
waren ,  was  war  natürlicher ,  sage  ich ,  als  dasz  die  volkstribunen 
ihrerseits  aus  der  politischen  läge  capital  zu  schlagen  und  ihre 
frühem  rechte  wiederzugewinnen  trachteten  ?  sie  hatten  sich  nur 
widerwillig  der  militärmacht  Sullas  gefügt;  kaum  aber  hatte  der 
gewaltige  seine  äugen  geschlossen ,  als  ihre  hoffnungen  wieder  auf- 
lebten und  sie  den  versuch  machten  ihre  alte  angesehene  Stellung 
zurückzuerobern,  von  wem  konnten  sie  hilfe  und  beistand  erwarten? 
von  Lepidus,  dem  yolksfreunde,  dem  erbitterten  Widersacher  der 
regierenden  nobilität.  so  wandten  sich  denn  die  tribunen,  und  zwar 
zunächst  unter  der  band  (Granius  Licinianus  negavü  prior  Lepidus^ 
an  Lepidus  mit  dem  ansinnen  die  tribunicische  gewalt  in  ihrem 
alten  umfange  wiederherzustellen.*  eine  solche  Zumutung  muste 
den  consul  in  ein  arges  dilemma  bringen,  einerseits  war  er  zur  Ver- 
wirklichung seiner  plane  auf  die  Unterstützung  des  Volkes  und  somit 
auch  der  tribunen  desselben  angewiesen;  anderseits  aber  gieng  sein 
ehrgeiziges  streben  dahin  die  fülle  der  macht  in  seiner  band  zu  ver- 
einigen; ein  zweiter  Sulla  zu  werden,  bedenkt  man  aber,  welchen 
einflusz  zeitweilig  die  volkstribunen  besessen,  welchen  druck  sie  auf 
die  höchsten  beamten  des  Staates  und  die  gesamte  Verwaltung  aus- 
geübt hatten^  so  wird  man  es  nur  natürlich  und  berechtigt,  ja  staats- 
klug finden  können  ^  wenn  Lepidus  die  alte  tribunicische  gewalt 
nicht  neben  sich  wieder  auferstehen  lassen  wollte,  zudem  hoffte 
Lepidus  sicherlich  noch  auf  einen  teil  des  adels;  den  er  sich  darcb 
ein  eingehen  auf  das  ansinnen  der  volkstribunen  ganz  entfremdet 
haben  würde,  was  also  thun  ?  er  lehnte  es  ab  (Gran.  Licin.  negavit 
.  .  Lepidus)  dem  wünsche  der  tribunen  folge  zu  geben,   um  aber 


*  für  die  sache  selbst  ist  es  von  keinem  wesentlichen  unterschiede,, 
ob  man  an  der  maszgebenden  stelle  des  Licinianus  s.  43  mit  den  Bonner 
hgg»  liest:  verum  übt  convenerant  tribuni  piebis  consules,  uti  usw.  oder  mit 
Madvig  (kl.  phil.  sehr.  s.  897  anm.  1)  verum  cogere  coeperat  tr,  pl  con- 
sules  oder  mit  KKeil  (Jahrb.  1858  s.  641)  verum  tunc  oraverant  tribuni 
piebis  consules  oder  endlich  mit  Maurenbrecher  (Sali.  bist.  reL  I  proL 
B.  15)  verum  simul  coegere  tribuni  piebis  consules  usw. 

4* 


5» 


JFranke:  der  angriff  des  M.  LcpiduB  und  M.  BriitnB 


diese  bittere  pille  einigeromszen  zu  Yersüszen  und  es  nicht  mit  dem 
volke  ganz  zu  Terderben ,  stellte  er  den  antrag  die  frühere  kom- 
verteiiung  an  das  volk  wieder  berzustelten.  durch  diesen  geschickten 
ans  weg  hatte  er  es  eineräeits  erreiebt,  dasz  das  Tolk  zu  ihm  ab  zu 
eeinüm  wobltbäter  aufsah,  anderseits  aber  sich  den  adel  nicht  ent- 
fremdet, noch  mehr:  er  hatte  sich  denselben  sogar  zu  verpflichten 
gewust.  als  nemlich  die  tribunen  bei  Lepidus  erfolglos  angeklopft 
hatten,  versuchten  sie  ihr  glUck  bei  Catulus,  natflrlich  mit  keinem 
bessern  erfolge,  sie  wüsten  es  aber  zu  erreichen,  dasz  die  an  gelegen- 
heit  in  einer  contio  zur  spräche  kam.  hier  nun  vertrat  Lepidus  ofifen 
seinen  ablehnenden  Standpunkt  und  erklärt©  geradezu  non  essetUüe 
resiilui  irihunkiam  potesiaiem  (Gran.  Licin.  ao.). 

Die  im  vorsiebenden  gegebene  darcätellung  stützt  sich  im  wesent- 
lichen auf  die  mehrfach  erwähnte  stelle  bei  Granins  Licinianns»  da 
negavit  pi'ior  Lepidiis  beziehe  ich  auf  die  privaten  Unterhandlungen 
zwischen  tribunen  und  consuln ,  das  et  in  conliofw  magna  pars 
adsensast  dicenti  non  esse  utile  resÜtui  tribunkiam  potestatem  natür- 
lich auf  die  Öffentliche  Verhandlung  der  angelegenbeit  vor  dem  volke. 
die  betreffende  rede  des  Lepidus  in  der  contio  [et  exdat  oratio  sc.  bei 
Sallustius)  scheint  für  uns  verloren  zu  sein,  da  Granius  Lieinianus 
den  ge&etzesantrag  wegen  der  getjreidespenden  erst  nach  der  Ver- 
handlung über  die  wiederheratellung  der  tribunicischen  gewalt  er- 
wähnt, so  habe  ich  einen  ursächlichen  Zusammenhang  zwischen 
beiden  vermutet,  in  der  art  wie  es  oben  ausgeführt  ist.  Francken 
(Jahrb. -suppL  bd.  III  s.  264)  vermiszt  diesen  Zusammenhang  und 
äuszert  sich  über  die  ganze  in  betracht  kommende  stelle  folgender- 
maszen;  ^'priora  obscura,  posteriora  etiam  vitio^a  .  *  vitium  epito- 
matoris  potius  quam  scriptoris  videtur:  namque  manifestohoc  testi- 
monium  de  Lepido  pugnat  cum 'sequentibus :  et  legem  frumentariam 
(periuUt),*  indes  glaube  ich  mit  meiner  erklärung  die  zwei  fei  Über 
den  zusammenbang  gehoben  zu  haben. 

Es  fragt  sich  nun,  welche  bestinamungen  über  masz  und  um- 
fang der  getreidejtpenden  der  betreffende  antrag  des  Lepidus  ent- 
hielt, Granius  Licin.  (a.  43)  berichtet  hierüber  folgendes:  et  legem 
frumentariam  nulh  resistente  l(argi)tus^  esiy  ut  annorme  quinque 
modii  pqpulo  darentur,  Mommsen  (III  s.  25  f.  u,  s.  25  anm,  2)  ist 
der  meinung,  dasz  nach  diesem  gesetze  nichts  wie  seiner  zeit  nach 
dem  Bempronischen,  alle,  sondern  nur  eine  bestimmte  anzahl  ärmerer 
büjger  eine  monatliche  spende  von  5  scheffeln  kom  empfangen 
hätten,  er  schätzt  diese  anzahl  bürger  auf  etwa  40000,  indem  er 
aus  Ciceros  angäbe  (in  Vetrem  III  30,  72),  dasz  monatlich  der 
römischen  bürgerschaft  ein  wenig  mehr  als  33000  medimnen  = 
200000  modii  kom  gespendet  wurde ,  den  schlusz  zieht ,  dasz  also 

•  die  ergäuioöir  largitus  rührt  von  Mommsen  her  (III  s.  25  anm.  2); 
Mudvii;  (Licin.  cd.  Bonn,  s.  43)  sühlug  ailepttfS  vor,  Bursiati  (Jahrb.  1858 
t,  650)  hcutus,  keine  der  conjecturen  dürfte  die  uraprüngllche  leaart 
bieten;  iadoa  lAt  auch  hier  das  wort  belanglos^  da  der  eiaa  klar  liegt. 


aaf  das  reformwerk  Sallas.  53 

nur  200000  :  5  =  40000  römische  bürger  an  der  getreidespende  be- 
teiligt waren,  während  die  zahl  der  in  Born  ansässigen  bürger  sicher 
weit  beträchtlicher  war.  Mommsen  kommt  daher  zu  dem  Schlüsse, 
dasz  die  lex  Cassia  des  j.  73  nicht  eine  spende  von  5  scheffeln 
monatlich  neu  einführte ,  sondern  nur  im  einzelnen  änderungen  an 
der  durch  Lepidus  herbeigeführten  einrichtung  traf  und  vor  allem 
durch  regulierung  der  sicilischen  getreideankäufe  eine  regelmäszige 
komverteilung  in  Bom  sicher  stellte.  Mommsen  nimt  des  weitem 
offenbar  an,  dasz  Lepidus  zunächst  einen  weiter  gehenden  antrag 
gestellt  habe,  dasz  dann  aber  ein  vermittlungsantrag  in  obigem 
sinne  eingebracht  sei.  'dasz  Lepidus  sich  auf  einen  solchen  aus- 
gleichsvorschlag  einliesz'  so  führt  Mommsen  aus  'stimmt  zu  seinem 
verhalten  in  betreff  der  restitution  des  tribunats.  ebenso  passt  es 
zu  den  Verhältnissen,  dasz  die  demokratie  durch  die  hiermit  herbei- 
geführte regulierung  der  komverteilung  sich  keineswegs  befriedigt 
fand  (Sallustius  ao.,  nemlich  hist,  III  61,  19).' 

Ich  kann  Mommsen  bei  dieser  an  sich  geistreichen  schluszfolge- 
rung  nicht  beistimmen,  einmal  besagt  der  Wortlaut  des  gesetzes 
bei  Licinianus  ganz  klar  und  deutlich ,  dasz  'dem  volke',  nicht  aber 
einem  teile  desselben  5  scheffel  körn  (natürlich  monatlich)  gespendet 
werden  sollten,  zudem  wäre  es  von  Lepidus  höchst  unklug  gewesen, 
bei  komspenden  an  das  volk  in  Bom  einen  unterschied  zu  machen 
und  einen  teil  desselben  zu  bevorzugen,  muste  ihm  doch  vor  allem 
daran  gelegen  sein,  das  volk  voll  und  ganz  auf  seiner  seite  zu  haben, 
statt  durch  ein  halbes  geschenk  viele  unzufriedene  zu  schaffen,  in 
der  von  Mommsen  zur  begründung  seiner  ansieht  hauptsächlich  her- 
beigezogenen stelle  aus  Sallustius  (hist,  in  61,  19)  ist  nicht  von 
Lepidus  als  dem  Urheber  des  gesetzes  die  rede,  im  gegenteil  ergeht 
sich  der  volkstribun  Macer  in  den  heftigsten  ausfällen  auf  die  |7a^re5^ 
die  gesamtheit  der  adelichen ,  die  durch  eine  repentina  lex  frwnen- 
taria  die  mühen  und  arbeiten  des  Volkes  vollauf  zu  belohnen  ge- 
glaubt hätten,  hier  passt  aber  der  ausdruck  repentina  lex  wahrlich 
schlecht  auf  das  um  fünf  jähre  ältere  gesetz  dos  Lepidus.  hinzu 
kommt  dasz  der  Senator  Philippus  in  seiner  ebenfalls  bei  Sallustius 
(hist.  1  48,  6)  erhaltenen  rede  mit  den  bittem  Worten  cum  .  .  largU 
HonibfM  rem  puhlicam  lacerari  videham  auf  das  komspendengesetz 
des  Lepidus  anspielt,  dieser  Vorwurf  aber  hätte  kaum  erhoben  wer- 
den können,  wenn  wirklich  durch  den  antrag  des  Lepidus  nicht  das 
ganze  volk  geködert,  sondern  nur  der  ärmste  teil  desselben  that- 
kräftig  hätte  unterstützt  werden  sollen,  endlich  glaube  ich  nicht, 
dasz  der  senat  nach  niederwerfung  der  insurrection  des  Lepidus 
und  Brutus  noch  so  grosze  furcht  vor  dem  volke  oder  solche  achtung 
vor  dessen  toten  führern  besessen  haben  wird ,  dasz  er  die  gesetze 
derselben  hätte  bestehen  lassen ,  wenngleich  sie  ihm  lästig  und  un- 
bequem waren. 

Der  antrag  des  Lepidus  gieng  also  dahin,  dasz  dem  gesamten 
Volke  (monatlich)  5  scheffel  körn  von  staatswegen  geliefert  werden 


M 


JFranke;  der  angriff  des  M.  Lepidue  und  M.  ßmtas 


sollten,  dieser  antrag  wurde  nuUo  resisfefUe  angenommen  ^  offenbar 
vreil  der  adel  sehr  wohl  erkannte,  dasz  jeder  widerstand  ausslcbtslos 
fiein  und  zugleich  das  volk  noch  enger  mit  Lepidus  verbinden  würde, 
wie  lange  das  gesetz  zu  recht  best-and^  wird  nirgends  erwähnt,  meine 
Yeimutung  geht  dahin,  dasz  es  seinen  urheber  nicht  lange  über- 
lebt hat. 

So  war  die  erste  bresche  in  Sullas  reformwerk  gelegt,  bald 
folgten  heftigere  stürme,  die  den  ganzen  bau  in  trümmer  zu  stürzen 
drohten,  nachdem  nemlich  LepiduB  durch  sein  komgesetz  sich  des 
beistandes  der  plebs  bei  ausführung  seiner  ehrgeizigen  plane  ver- 
sichert zu  haben  glaubte,  suchte  er  durch  neue  antrage  seinen  an- 
hang  aus  den  verschiedenen  iinzufriedeneB  elementen  zu  vermehren^ 

Die  nächste  forderung  des  Lepidus  gieng  dahin,  ä&si  die  exstUes 
die  erlaubnis  erhalten  sollten  in  ihre  heimat  zurückzukehren  (vgl. 
Licin.  s.  43.  Florne  II  11.  Sali,  hist,  I  48,  6).  nach  dem  Wortlaut© 
bei  Granius  Licin.  könnte  es  wegen  des  poUicitus  est  zweifelhaft  er- 
scheinen, ob  dieser  gesetzes Vorschlag  des  Lepidus  auch  wirklich  an- 
genommen ist,  indes  beweisen  der  Wortlaut  bei  Florus  und  Sallustius 
sowie  die  nachrichten  Über  einzelne  Persönlichkeiten,  zb.  Perpenna, 
Lucius  Cinna  und  Caesar  (vgl.  Drumann,  Ihne  und  Mommsen  ao,) 
übereinstimmend  I  dasz  thatsöcWich  den  geächteten  auf  antrag  des 
Lepidus  die  erlaubnis  zur  rtickkehr  in  ihr  vateriand  gegeben  wurde. 
aber  mit  der  bloszen  rückkehr  in  die  heimat  war  der  mehrzahl  der 
verbannten  nicht  viel  gedient,  waren  doch  ihre  guter  von  Sulla 
teils  zu  seiner  eignen  bereicherung,  teils  zur  belohnung  seiner  an- 
hftnger  confisciert  und  versteigert  worden,  da  trat  Lepidus  mit  dem 
neuen  antrag  hervor,  da^iz  diese  conßscierten  guter  ihren  frühern 
beöitzern  zurückgegeben  werden  sollten  (vgU  Sali.  hist.  I  48,  14, 
Florus  II  11,  Drumann  III  s.  342  anm,  89  führt  irriger  weise  eine 
stelle  aus  Appian  an),  dieser  antrag  glich  einem  wahren  stiebe  ins 
Wespennest,  mochten  die  ächtungen  und  gütereinziehungen,  wie  sie 
zur  zeit  der  scbreckensherschaft  Sullas  beliebt  wurden,  hart  und 
grausam  gewesen  sein,  so  liesz  sich  jetzt  das  unrecht  nicht  ohne 
neue  greuel  und  gewaltthaten  wieder  gut  machen,  und  doch  war 
der  römische  Staat  nach  den  heftige u  stürmen  der  bürgerkriege  bis 
aufs  ftuazerste  erschöpft  und  im  höchsten  masze  der  ruhe  bedürftig 
(Florus  II  11).  zudem  glaubten  die  neuen  herren  im  rechtmäszigen 
besitze  der  von  ihnen  bei  der  Versteigerung  erstandenen  guter  zu 
sein;  wenigstens  waren  sie  durchaus  nicht  willens  sieb  ohne  weiteres 
von  ihrem  neuen  grund  und  boden  vertreiben  zu  lassen,  wob!  suchte 
der  consu)  ihnen  diesen  schritt  dadurch  leichter  zu  machen ,  dasz  er 
selbst  mit  gutem  beispiele  voranzugeben  versprach,  indem  er  in 
einer  contio  erkl&rte,  er  wolle  die  guter,  welche  er  hciner  zeit  er- 
standen habe,  den  rechtm&szigen  eigentümern  bedingungslos  zurück- 
geben (Sali,  hist,  141, 18).  indes  scheinen  dies  nichts  ab  leere  werte 
gewesen  zu  sein,  wenigstens  macht  der  Senator  Pbilippus  später 
Lepidus  den  vorwarf  (Sali.  hisi.  I  48,  14),  trotz  seines  antrags  auf 


auf  das  reformwerk  Sullas.  55 

herausgäbe  des  confiscierten  besitzes  selbst  die  seiner  zeit  erworbenen 
fremden  guter  behalten  zu  haben,  es  erklärt  sich  übrigens  diese 
thatsache  wohl  daraus,  dasz  der  in  frage  kommende  gesetzesantrag 
niemals  zum  beschlusz  erhoben  und  also  auch  nie  zur  ausfUhrung 
gelangt  ist ,  weil  wahrscheinlich  von  der  gegnerischen  seite  die  ab* 
Stimmung  über  denselben  fortgesetzt  verhindert  wurde,  bis  die 
offene  empör ung  des  Lepidus  der  ganzen  sache  von  selbst  ein  ende 
machte. 

Um  dieselbe  zeit  wie  den  zuletzt  erwähnten  antrag  brachte 
Lepidus  noch  mehrere  andere  gesetzentwürfe  ein,  die  nichts  ge- 
ringeres bezweckten  als  das  ganze  werk  Sullas  zu  vernichten,  die 
einzelnen  antrage  selbst  werden  von  den  Schriftstellern  leider  nicht 
wörtlich  angeführt;  diese  begnügen  sich  vielmehr  damit  anzu- 
geben, dasz  Lepidus  die  Vernichtung  der  Sullanischen  reformen  als 
das  ziel  seiner  agitation  bezeichnet  und  angestrebt  habe  (Licin. 
8.  43  ff.  Livius  XC.  Florus  11 11).  wenn  wir  daher  auch  darauf  ver- 
zichten müssen  den  Wortlaut  der  einzelnen  antrage  wiederherzu- 
stellen ,  so  läszt  sich  aus  dem  ganzen  verhalten  des  Lepidus  doch  so 
viel  schlieszen ,  dasz  er  bei  seinen  antragen  vor  allem  darauf  rech- 
nete, durch  geschickte  ausnutzung  der  parteileidenschaften  seinen 
anhang  zu  mehren,  demnach  wird  Lepidus,  wie  auch  Drumann 
ni  s.  342  und  Ihne  VI  s.  8  vermuten ,  beantragt  haben  denjenigen 
Städten,  welche  durch  Sulla  das  bürgerrecht  verloren  hatten,  das- 
selbe zurückzugeben,  ferner  die  neubürger  in  die  sämtlichen  35  tribus 
einzuschreiben  und  den  Senatoren  das  ausschlieszliche  richteramt 
wieder  zu  nehmen,  da  auszerdem  Sallustius  {hist.  I  48,  15)  be- 
richtet, dasz  Lepidus  für  das  j.  77  das  consulat  für  sich  verlangt 
habe,  so  müssen  wir  annehmen,  dasz  er  entweder  die  entgegen- 
stehende bestimmung  des  Sulla ,  dasz  consulare  erst  nach  zehn 
Jahren  um  ein  zweites  consulat  sich  bewerben  dürften,  einfach  als 
nicht  vorhanden  betrachtet  oder  schon  in  seinem  consulatsjahre  zu 
beseitigen  versucht  hat.  endlich  brachte  Lepidus  noch  einen  ge- 
setzesantrag ein,  der  von  der  hervorragendsten  bedeutung  fdr  die 
entwicklung  des  kampfes  zwischen  ihm  und  der  Sullanischen  partei 
werden  sollte.  Sulla  hatte  seine  Veteranen  mit  120000  landloosen 
in  Samnium ,  Lucttnien  und  besonders  in  Etrurien  belohnt ,  indem 
er  den  Mariusfreundlichen  gemeinden  und  den  teilnehmen!  am 
marsischen  kriege  ihr  ganzes  besitztum  oder  einen  teil  desselben 
genommen  hatte,  um  diese  unzufriedenen  italischen  gemeinden  für 
sich  zu  gewinnen,  beantragte  nun  Lepidus,  dasz  dieselben  das  land, 
auf  welchem  die  Veteranen  des  Sulla  angesiedelt  waren,  zurück- 
erhalten sollten  (Licin.  s.  45.  App.  1 107.  Jul.  Exuperantius  s.  3,  22 
Bursian). 

Thatsächlich  hatte  Lepidus  sich  also  nicht  damit  begnügt  das 
eine  oder  andere  von  den  gesetzen  des  Sulla  zu  beseitigen,  sondern 
er  hatte  den  kühnen  versuch  gewagt  mit  dem  ganzen  werke  Sullas 
von  grund  aus  aufzuräumen,  bei  diesem  beginnen  hatte  sich  Lepidus 


56 


JFranke :  der  angriff  des  M.  Lepidus  und  M.  Brutus 


des  beifalls  und  der  Unterstützung  yieler  parteien  zu  erfreuen,  das 
yolk  in  Rom  Latte  er  durch  komapenden  für  sich  gewonnen;  die 
italischen  gemeinden  biengen  ihm  an^  weil  er  ihnen  bürgerrecht, 
ansehen,  haus  und  hof,  acker  und  vermögen  wiederzugeben  yer- 
gprach ;  neben  ihm  fochten  für  seine  ptäne  die  anhänge r  und  freunde 
des  Cinna  und  Marios,  neben  ihm  alle  diejenigen,  welche  Sullas 
herschaft  zu  fürchten  oder  zu  beklagen  grund  gehabt  hatten,  ja 
Lepidus  trug  kein  bedenken  selbst  das  arbeitsscheueste  und  nie- 
drigste gesindel  Roms  zu  ködern ,  indem  er  ihm  die  nötigen  geld- 
mittel  verschafTtej  am  seinen  leldenschaften  nach  herzensluf^t  fröhnen 
zu  kfinnen  (Sali,  hist,  I  43).  anderseits  fehlte  es  dem  Lepidus  auch 
nicht  an  gewichtigen  gegnerD.  vor  allem  machte  die  gesamte  senats- 
par tel  mit  Catulus  an  der  spitze  geschlossen  front  gegen  die  plane 
des  consuls ,  dessen  wahres  streben  nicht  länger  verborgen  bleiben 
konnte,  ihnen  schlössen  sich  alle  Bullaner,  ihnen  vor  allem  auch 
viele  von  den  Veteranen  des  verstorbenen  an ,  alles  leute  die  durch 
Sulla  zu  Wohlstand  und  ansehen  gelangt  waren  und  sich  nun  durch 
Lepidus  im  genusse  ihres  kaum  erworbenen  besitzes  bedroht  sahen. 

Bei  dieser  läge  der  dinge  kann  es  uns  nicht  wundern,  wenn  die 
oben  erwähnten  antrage  des  Lepidus  dem  heftigsten  Widerspruche 
begegneten  und  zu  aufgeregten  kämpfen  in  den  Yolksversamlungeii 
veranlassung  gaben,  bevor  indes  eine  entscheidung  herbeigeführt 
war,  kam  mitten  in  den  streit  der  parteien  aus  Etrurien  die  künde 
von  einer  dort  ausgebrochenen  empörung  und  vom  beginne  eines 
neuen  bürgerkriegs.  die  durch  Sulla  aus  ihrem  gebiete  vertriebenen 
Faesulaner  nemlich  hatten^  ohne  die  entscheidung  in  Rom  abzu* 
warten,  wahrscheinlich  im  stillen  von  Lepidus  aufgewiegelt  (Sali. 
hist,  1  48,  6)  I  den  frieden  gebrochen  und  ihr  vermeintliches  recht 
ertrotzt,  sie  waren  mit  bewaffneter  band  in  die  castelle  der  Sullani- 
schen Veteranen  eingebrochen,  hatten  dieselben  erobert  und  sich 
wieder  in  den  besitz  ihrer  ländereien  gesetzt  (Licin.  s.  45),  dieser 
handstreich  brachte  den  Senat  in  arge  Verlegenheit,  zumal  die  auf- 
ständische bewegung  nicht  auf  diesen  6inen  ort  beschränkt  blieb, 
sondern  —  wohl  nicht  ohne  zuthun  des  Lepidus  —  weiter  um  sich 
griff  und  sich  auch  auf  das  Pothal  auszudehnen  begann,  einen  noch 
gefährlicheren  charakter  nahm  üie  läge  an,  als  im  cisalpinischen 
Gallien  der  Mariaoer  M.  Brutus  förmlich  den  aufstand  organisierte, 
ein  beer  sammelte  und  die  festen  plätte,  so  vor  allem  Mutina,  in 
besitz  nahm,  vor  seinem  auftreten  im  Pothale  boren  wir  von  einer 
thätigkeifc  des  Brutus  im  interesse  der  partei  des  Lepidus  zwar 
nichts;  aber  der  ganze  lebenslauf  des  mannes  (s,  Drumann  III  s*  14 f. 
327*  344  ff)  legt  die  Vermutung  nahe,  dasz  er  während  des  con- 
aulatsjahres  des  Lepidus  nicht  etwa  mUs^ig  die  bände  in  den  schosz 
gelegt  hat,  sondern  von  vorn  herein  mit  altem  eifer  für  die  sache 
und  partei  des  Lepidus  thätig  gewesen  ist. 

Lepidus  halte  den  aufgtand  im  geeigneten  Zeitpunkt  ausbrechen 
lassen  und  durch  seine  schlaue  taktik  den  senat  in  grosze  ungelegen- 


auf  das  reformwerk  Sullas.  57 

heiten  gebracht,  es  fragte  sich  nunmehr,  welche  maszregeln  der 
Senat  gegen  die  aufständischen  in  Etrurien  und  in  der  Po-ebene  er- 
greifen würde.  Mommsen  (III  s.  26)  und  Nitzsch  (II  176)  sind, 
gestutzt  auf  den  bericht  des  Granius  Licinianus  und  einige  stellen 
bei  Sallustius  (hisL  1  44  u.  48,  4)  der  ansieht,  dasz  der  senat  auf 
die  nachricht  von  der  insurrection  In  Etrurien  beschlosz  'die  beiden 
consuln  dorthin  zu  senden,  um  truppen  aufzubieten  und  den  aufstand 
zu  unterdrücken',  vorher  wurden  beide  durch  einen  feierlichen  eid 
verpflichtet  Mie  ihnen  anvertrauten  wafifen  nicht  gegen  einander  zu 
kehren',  nach  Ihne  (VI  10  f.)  und  Peter  (11  134  f.)  dagegen  ent- 
wickelten sich  die  dinge  folgendermaszen.  der  senat  liesz  die  beiden 
consuln  sich  verpflichten,  dasz  sie  offene  gewalt  nicht  anwenden 
würden,  dann  beschlosz  er,  wie  Peter  meint ,  dasz  beide  consuln  in 
ihre  provinz  abgehen  sollten,  während  Ihne  annimt,  dasz  Lepidus 
allein  sich  vom  Senate  habe  bestimmen  lassen,  schon  vor  ablauf 
seines  amtsjahres  in  das  narbonensische  Gallien,  die  ihm  zugefallene 
provinz,  sich  zu  begeben. 

Gegen  alle  diese  auffassungen  lassen  sich  gewichtige  giünde 
geltend  machen.  Mommsen  und  Nitzsch  stützen  sich  hauptsächlich 
auf  den  bericht  des  Granius  Licinianus ,  der  aber  an  dieser  stelle  so 
lückenhaft  ist,  dasz  er  als  hauptbeweismittel  schwerlich  wird  be- 
nutzt werden  dürfen,  diesen  einwand  hat  denn  auch  schon  Peter 
(II  134  anm.)  mit  recht  gegen  Mommsen  erhoben;  er  misversteht 
aber  Mommsens  äuszerung  über  das  auszerordentliche  consularische 
commando  in  Etrurien  dahin,  als  ob  nicht  das  narbonensische  Gallien, 
sondern  Etrurien  dem  Lepidus  als  provinz  zugefallen  sei,  eine  an- 
schauung  die  Mommsen  vollständig  fern  liegt,  in  zweiter  linie  zieht 
Mommsen  zur  Unterstützung  seiner  ansieht  die  betreffenden  stellen 
aus  Sallustius  herbei,  aber  an  der  6inen  stelle  (hist.  I  44)  wird  nur 
die  Verfügung  mitgeteilt ,  lUi  Lepidus  et  Catült^  decretis  exercitibus 
maturfime  proficiscerentuTy  wobei  eben  die  hauptsache,  dasz  beide 
consuln  sich  'nach  Etrurien'  begeben  sollten,  mit  keinem  worte  er- 
wähnt wird,  bei  der  zweiten  stelle  aber  {hist.  I  48,  4  oh  seditionem 
provindam  cum  exercitu  adeptus  est)  kann  nach  dem  ganzen  zu- 
sammenhange das  wort  provincia  wohl  nicht  auf  Etrurien  gedeutet 
werden,  sondern  musz  sich  auf  das  narbonensische  Gallien  beziehen, 
endlich  wäre  es  doch  im  höchsten  grade  aufföUig,  um  nicht  zu  sagen 
ungereimt  und  thöricht  gewesen,  wenn  der  senat  thatsächlich  beide 
consuln  mit  je  einem  beere  zur  Unterdrückung  des  aufstandes  nach 
Etrurien  geschickt  und  sich  gegen  einen  neuen  bürgerkrieg  nur 
durch  den  eid  gesichert  hätte. 

Aber  auch  die  darstellung,  welche  Ihne  von  der  entwicklung 
des  Zwistes  zwischen  Lepidus  und  Catulus  gibt,  stöszt  auf  erheb- 
liche Schwierigkeiten,  zunächst  sieht  man  keinen  rechten  grund  zu 
dem  eide  ein,  wenn  doch  vorläufig  beide  consuln  in  der  sladt  blieben, 
bald  darauf  allerdings  will  Ihne  den  Lepidus  in  das  narbonensische 
Gallien  schicken  lassen,  während  Catulus  in  Bom  bleibt,    diese  dar« 


58 


JFranke:  der  augriff  des  M.  Lepidus  und  M.  Brntua 


Stellung  widergpricbt  aber  nicht  nur  der  mehrfach  erwähnten  an- 
gäbe Sallusts,  dasz  beide  consuln  den  auftrag  erhielten  von  Eotn 
abKureisen ,  sondern  ist  auch  aus  d^m  gründe  irrig ,  weil  später  die 
leittmg  der  comitien  für  die  consul wählen  dea  j.  77  die  gröatea 
Schwierigkeiten  hervorruft,  so  dasz  sogar  ein  interrex  gewählt  wer-T 
den  musz  (Sali.  hist.  I  48^  22),  was  gewis  gegen  das  verbleiben  des 
Catulus  in  Rom  spricht.  Peter  endlich  führt  richtig  aus^  dasz  beide 
consuln  in  ihre  provinz  abgehen  sollten,  indes  passt  auch  zu  seiner 
dargtellung  nur  wenig  das  wort  des  Philippus  bei  Salltistius  {hist, 
I  48,  4)  oh  seditionem  provinciam  cum  exercUu  adepius  est ;  dazu 
aber  finden  sich  in  derselben  rede  des  Senators  Philippus  noch 
mehrere  andere  angaben ,  welche  mit  keiner  der  angeführten  dar- 
steUungen  in  einklang  zu  bringen  sind.  Philippus  vergleicht  nem-^ 
lieh  das  frühere  auftreten  des  Lepidus  in  Etrurien  mit  seinem  be-^ 
nehmen  und  seiner  Stellung  als  proconsul  im  J.  77  mit  folgenden 
Worten:  at  tum  erat  Lepidus  latro  cum  calonibus  et  paucis  sicariia^ 
quonim  nemo  no7i  diurna  ^nerccde  mtam  muiaverit:  nunc  est 
consuln  cum  Imperio  non  empto  sed  dato  a  vobis ,  cum  letalis  adhu 
iure  parentibus.  In  derselben  rede  spricht  er  die  befürchtung  eine 
zweiten  angriffea  des  Lepidus  auf  Rom  aus,  indem  er  fragt:  cm 
exspectatiSy  dum  exercitu  rursus  admoto  ferro  atque  ftamma  urbem 
invadai?^  mag  nun  Sallustius  auch  im  Wortlaute  überireibeni  gleich- 
sam Terschwenderisch  mit  seinen  redewendungen  umgehen^  so  wirdj 
man  doch  mit  den  von  ihm  angeführten  thatsachen  zu  rechnen  haben 
diese  er  wägung  hat  mich  folgende  Vorstellung  vom  gange  der  nach* 
sten  ereignisse  gewinnen  lassen. 

Auf  die  nach  rieht  von  der  erheb  ung  in  Etrurien  wartete  der 
consul  Lepidus  beschlüsse  des  Senates  in  dieser  frage  gar  nicht  ab, 
sondern  heiszhlUtig  und  ungestüm  wie  er  war,  begab  er  sich  selbst 
zu  den  aufständischen  nach  Etrurien  (SalL  I  48,  7  at  tum  era 
Lepidus  latro  uaw,),  er  stellte  eich  an  ihre  spitze,  besiegte  einige 
eiligst  gegen  ihn  gesandte  heerhaufen ,  vielleicht  sogar  den  consul 
Catulus  selbst  (Jul,  Exup.  3,  26),  und  wandte  ijich  dann  südwärts 
gegen  Eom  (Sali*  hiM.  I  48,  10),  in  dieser  not  nahm  der  senat  seine 
Zuflucht  zu  Unterhandlungen,  während  Catulus  in  aller  eile  so  viel 
truppen  als  möglich  zusammenraffte,  um  wenigstens  Rom  gegen 
eine  Überrumpelung  sicher  zu  stellen»  es  kam  indes  vor  Rom  nicht 
zum  kämpfe :  denn  Lepidus  mochte  zu  einem  handstreiche  zu  spät 
gekommen  sein  und  einen  regelrechten  kämpf  bei  der  zusammen- 


'  Dnirunnn  (III  343  u.  aotti.  6}  bezieht  diese  worto  auf  d&a  j.  77, 
wo  vor  dem  eigentlichen  entscheid ungskampfe  unter  den  mnuern  Koma 
ttiosetne  abteihiDgcD  des  Lepidani«chen  heeres  sich  der  bauptstaiit  ge- 
nähert hHtteti,  um  einen  hnudstreich  sn  y ersuchen  oder  die  gesinnnngen 
des  Volkes  xu  erprobeo,  indes  ist  vom  ganzen  exercitus^  nicht  von  atreif- 
corps  bei  SAllustius  die  rede;  »uch  hurren  bei  dieaer  cleutnng  irainer 
DOcb  ßall,  I  48,  7  und  JuL  Exap.  3|  26  ihrer  erklärung.  vgl  Mauren^i 
brecber  ao.  s«  14  anm.  2. 


auf  das  reformwerk  Sullas.  59 

Setzung  seines  heeres  mit  recht  scheuen,  so  liesz  er  sich  denn  zum 
niederlegen  der  wafifen  und  zu  einem  friedlichen  yergleiche  he- 
stimmen,  wohl  nicht  ohne  einige  wichtige  Zugeständnisse  seitens 
des  Senates,  um  indes  der  Wiederholung  einer  so  bedenklichen  läge 
möglichst  vorzubeugen,  liesz  der  senat  nach  Schlichtung  der  Streitig- 
keiten die  beiden  consuln  auf  die  feierlichste  weise  schwören  die 
wafifen  nicht  wieder  gegen  einander  zu  kehren  (App.  1 107.  Licin.  ao.). 
trotzdem  hegte  der  senat  nur  wenig  vertrauen  zu  dem  bestände  des 
friedens.  er  beschlosz  daher  die  beiden  consuln  zu  trennen  und  liesz 
sie  die  provinzen  unter  einander  ausloosen  (wenn  dies  nicht  auf 
veranlassung  des  Sulla  schon  früher  geschehen  war;  vgl.  Peter 
II  134.  App.  1 107),  wobei  dem  Lepidus  das  narbonensische  Gkillien 
und  dem  Catulus  Italien  zufiel,  um  nun  Lepidus  auf  gute  weise  los 
zu  werden,  bestimmte  der  senat,  dasz  beide  consuln  sich  in  ihre 
provinzen  begeben  sollten  (Sali.  hist.  1  44).  geldmittel  zur  bestrei- 
tung  der  nötigen  ausgaben  wurden  beiden  in  reichem  masze  gewfthrt 
(Sali.  hist.  I  48,  4.  9.  17.  vgl.  auch  Licin.  ao.). 

Diese  lösung  der  Schwierigkeiten  war  beiden  teilen  willkommen. 
Lepidus  seinerseits  ho£fte  im  besitze  von  beer  und  geld  um  so  leichter 
seine  eigentlichen  plfine  zur  ausführung  bringen  zu  können,  der 
senat  dagegen  war  in  seiner  Schwachheit  und  kurzsichtigkeit  vorerst 
zufrieden  den  Unruhestifter  auf  friedliche  weise  aus  Rom  entfernt 
zu  haben,  zudem  war  es  ihm  sehr  lieb,  dasz  Catulus  Italien  erhalten 
hattO;  wo  er  inzwischen  die  ruhe  und  Ordnung  wiederherstellen  und 
für  den  fall  einer  neuen  gefahr  seitens  des  Lepidus  ein  schlagfertiges 
beer  in  bereitschaft  setzen  konnte. 

Aber  der  senat  hatte  seine  rechnung  ohne  Lepidus  gemacht, 
dieser  gieng  wohl  aus  Rom  fort,  aber  nicht  über  die  Alpen,  wie  der 
senat  gehofft  hatte,  sondern  er  machte  schon  in  Etrurien  halt  und 
begann  hier  von  den  geldmitteln,  die  ihm  der  senat  für  seine  provinz 
bewilligt  hatte,  truppen  anzuwerben  (Sali.  hist.  1  48,  17).  als  der 
senat  hiervon  nachricht  erhielt,  merkte  er  die  wahre  absieht  des 
Lepidus  und  liesz  ihm,  wohl  unter  hin  weis  auf  seinen  feierlichen  eid, 
hierüber  Vorstellungen  machen,  aber  der  schlaue  erklärte  höhnisch, 
dasz  nach  seiner  auffassung  sein  eid  nur  für  die  dauer  seines  amts- 
jahres  bindend  sei,  während  er  nach  ablauf  seines  consulatsjahres 
ohne  gewissensbisse  gegen  Catulus  und  den  senat  die  waffen  er- 
greifen dürfe  (App.  I  107). 

Während  der  seither  geschilderten  Vorgänge  und  Verhandlungen 
neigte  sich  das  consulatsjahr  78  seinem  ende  zu,  und  es  wurde  nötig 
die  comitien  für  die  wähl  der  neuen  consuln  abzuhalten,  beide  con- 
suln befanden  sich  in  ihren  provinzen.  der  senat  beschlosz  nun  diese 
gelegenheit  zu  benutzen,  um  den  Lepidus,  der,  wie  erwähnt,  in 
Etrurien  von  neuem  rüstete ,  in  seine  gewalt  zu  bringen,  wohl  im 
einverständnis  mit  Catulus  liesz  er  letztern  ruhig  in  seiner  provinz 
und  sandte  an  Lepidus  boten  mit  der  bitte  zur  abhaltung  der  comitien 
nach  Rom  zu  kommen.  Lepidus  merkte  indes  die  ihm  gestellte  falle 


60 


JFranke:  der  angriff  des  M.  Lepidus  und  M,  Brutus 


und  gieng  nicht  hinein  (App.  I  107.  Sali,  hist,  I  91).  unter  allerlei 
entschuldigüiigen  und  ausfluchten  wusle  er  den  senat  hinzuhalten, 
bis  es  schlieszlieh  zur  abhaltuDg  der  comitien  zu  spät  wurde,  da  das 
amtsjabr  des  Lepidus  und  Catulus  inzwischen  abgelaufen  war.  da 
nun  kein  consul  gewählt  und  kein  beamterniit  consu  1  arischer  gewalt 
vorhanden  war,  so  trat  ein  interregnum  ein.  zum  interrex  wurde 
Appius  Claudius  ernannt  (SalL  hist.  I  48,  22).  bald  darauf  kehrte 
auch  der  nunmehrige  proconsul  Catulus  nach  Rom  zurück,  dieser 
war  während  seiner  ab  Wesenheit  von  Eom  nicht  müszig  gewesen ; 
er  hatte  die  zeit  benutzt,  um  ein  neues  heer  in  seiner  provinz  aus- 
zuheben, auch  hatte  er  die  Veteranen  des  Sulla,  welche  durch  die 
neuesten  Vorgänge  in  Etrurien  gegen  Lepidus  heftig  erbittert  waren^ 
gesammelt  und  an  sich  gezogen,  es  standen  also  zu  beginn  des  Jahres 
77  der  Senatspartei  ziemlich  bedeutende  Streitkräfte  zur  Verfügung» 
80  dasz  Philippus  in  seiner  bei  Sallustius  {hist.  I  48»  21)  erhaltenen 
rede  mit  begründetem  vertrauen  und  stolze  erklären  konnte:  adest 
nopos  exercituSy  ad  hoc  colmitae  tyderum  milUum,  nohtUias  omnis, 
duces  optumi. 

Indes  waren  auch  die  Streitkräfte  und  bilfsmittel  des  Lepidas 
nicht  zu  verachten,  von  den  geldem,  die  ihm  zur  Verwaltung  seiner 
provinz  überwiesen  waren,  warb  er  in  Etrurien  ein  heer  an  5  bei  ihm 
fanden  sich  viele  alte  Marianer  und  feinde  des  adels  zusammen;  zu 
ihm  strömten  nicht  aus  Etrurien  alleinj  sondern  aus  ganz  Italien  die 
aus  ihrem  hab  und  gut  vertriebenen  in  hellen  häufen  herbei  (Sali. 
hist.  I  46);  ganz  Etrurien  erhob  sich  für  ihn  und  sammelte  sich 
unter  seiner  fabne  {ebd.  I  45  u,  48,  3).  während  dieser  ganzen  zeit 
war  natürlich  sein  freund  M,  Brutus  auch  nicht  müszig  gewesen,  er 
war  zwar  am  Po  stehen  geblieben,  wird  aber  sein  heer  aus  den 
Testen  der  Marianer  und  aus  den  unzufriedenen  gemeinden  des  cisal- 
pinischen  Galliens  nach  kräften  verstärkt  haben,  so  dasz  er  für  ein 
vorgehen  des  Lepidus  einen  kräftigen  Stützpunkt  bildete  (Plut, 
Pomp.  16).  zudem  war  die  fruchtbaie  Po-ebene  ein  zur  verprovian- 
tierung des  etrurischen  heeres  äuszerst  wertvoller  besitz.  ^ 

Unter  diesen  umständen  wagte  der  ^senat  nicht  mit  aller  strengi^^l 
und  entschiedenheit  gegen  Lepidus  vorzugehen,  trotz  des  drängens^^l 
der  thatkräftigen  minderheit  des  Senates  mit  Philippus  an  der  spitze 
versuchte  man  es  noch  einmal  einen  gütlichen  ausgang  herbeizu- 
führen, die  Verhandlungen  mit  Lepidus  wurden  fortgesetzt  und 
dieser  zur  rttckkehr  nach  Rom  aufgefordert  (Sali.  hist.  I  48,  5)> 
hierzu  erklärte  er  sich  auch  bereit,  aber  unter  bedingungen,  welche 
geradezu  beschämend  für  den  senat  waren,  er  forderte  im  interesse 
seiner  anhänger  die  annähme  und  entschiedene  durchfUhrung  seiner 
früher  gestellten  antrage,  dasz  den  von  Sulla  geächteten  ihr  ver- 
mögen (Sali.  hist.  I  48, 14)  und  den  italischen  gemeinden,  soweit  sie 
das  bürgerrecht  besessen  hatten^  dieses  zurückgegeben  werde  (ebd.X 
für  seine  person  aber  für  das  j.  77  das  consulat  (ebd.  I  48,  15), 
dh,  nichts  geringeres  als  'eine  tyrannis  in  gesetzlicher  form',  ja. 


auf  das  reformwerk  Sullas.  61 

um  in  Rom  selbst  in  diesem  gefährlichen  augenblicke  Zwiespalt  za 
stiften  und  die  gesamte  yolkspartei  mit  den  tribunen  an  der  spitze 
ftli*  sich  zu  gewinnen ,  spielte  er  jetzt  seinen  letzten  trumpf  aus.  er 
verlangte  nemlich  nunmehr,  was  er  vorher  selbst  für  ^nicht  ange- 
bracht' erklärt  hatte,  dasz  die  frühere  tribunicische  gewalt  in  ihrem 
vollen  umfange  wiederhergestellt  würde  (ebd.  I  48,  14). 

Diese  forderungen  giengen  denn  doch  selbst  dem  ebenso  ge- 
duldigen wie  ängstlichen  Senate  über  das  zulässige  masz ,  und  das 
anmaszende,  ich  möchte  sagen  unverschämte  ansinnen  des  Lepidus 
brachte  endlich  das  gefösz  zum  überlaufen,  auf  antrag  des  mehrfach 
erwähnten  Philippus  wurde  beschlossen ,  dasz  der  schütz  der  stadt 
dem  interrex  Appius  Claudius  und  dem  proconsul  Catulus  sowie  den 
übrigen  männern  cum  imperio  anvertraut  werden  solle  unter  hinzn- 
fügung  der  formel  operamqfie  dent^  nequid  res  publica  däritnenti 
capicU,  indes  reichte  es  nicht  aus  für  die  Verteidigung  der  haupt- 
stadt  und  die  ab  wehr  der  etrurischen  hauptmacht  des  Lepidus  sorge 
zu  tragen,  stand  doch  in  der  Po-ebene  noch  immer  M.  Brutus,  jeden 
augenblick  bereit  loszuschlagen  und  dem  hauptheere  der  demokraten 
zu  hilfe  zu  kommen,  deshalb  wurde,  wahrscheinlich  zu  gleicher  zeit, 
beschlossen  den  Pompejus,  obwohl  er  kein  öffentliches  amt  bekleidete, 
mit  einem  beere  gegen  Brutus  nach  dem  cisalpinischen  Gallien  zu 
senden  (Plut.  Pomp.  16  dTiebeixÖTl  CTpaxeÜMaTOC  f)T€mi)V,  und  zwar, 
wie  Plutarch  angibt,  eirl  A^nibov.  diese  angäbe  kann  aber  nur  all- 
gemein gedacht  sein  im  sinne  von  'gegen  die  anhänger  des  Lepidus': 
denn  die  folgende  erzählung  Plutarchs  selber  beweist ,  dasz  Pom- 
pejus thatsächlich  gegen  Brutus  das  commando  erhielt,  vgl.  Aur. 
Victor  77.  Herzog  röm.  staatsverf.  I  s.  529  anm.  2). 

Wie  aber  verfiel  man  gerade  auf  Pompejus,  der  doch  selbst  im 
j.  79/8  für  die  wähl  des  Lepidus  zum  consul  thatkräftig  eingetreten 
war?  während  der  ganzen  wirren  des  j.  78  hatte  Pompejus  eine  ab- 
wartende rolle  gespielt,  offenbar  in  der  hoffnung  selbst  aus  der 
politischen  läge  seiner  zeit  nutzen  ziehen  zu  können,  in  dieser  be- 
rechnung  teuschte  er  sich  nicht,  wahrscheinlich  sah  er  ebenso  gut 
wie  Caesar  rechtzeitig  ein,  dasz  das  ganze  unternehmen  des  Lepidus 
bei  der  mittelmäszigen  befähigung  des  führers  und  dem  bunten  ge- 
menge  seiner  hilfskräfte  wenig  aussieht  auf  erfolg  habe,  darum  ver- 
mied er  es  sich  an  Lepidus  enger  anzuschlieszen,  um  für  den  augen- 
blick der  entscheidung  freie  band  zu  behalten,  bei  der  neuesten 
Wendung  der  dinge  und  dem  entschiedenem  vorgehen  des  Senates 
hielt  er  eine  niederlage  der  demokraten  für  gewis  und  bot  daher 
dem  Senate  freiwillig  seine  dienste  an  (Plut.  Pomp.  16),  um  sich 
den  adel  aufs  neue  zu  verpflichten,  dem  Senate  seinerseits  war  in 
diesem  kritischen  augenblick  eine  kraft  wie  Pompejus  äuszerst  will- 
kommen, er  gieng  gern  auf  sein  anerbieten  ein  und  übertrug  ihm 
den  Oberbefehl  auf  dem  nördlichen  kriegsschau  platze ,  während  dem 
Catulus  und  Appius  Claudius  die  sorge  für  Bom  zufiel. 

Lepidus  seinerseits  rückte  auf  die  künde  von  der  kriegserklä- 


J Franke;  der  angriff  des  M.  LepidQB  und  M,  Brntne 


rang  des  Senates  vor  die  haoptstadt,  um  dieselbei  wie  einst  Marios, 
mit  stürmender  band  zu  erobern  (Flonia  11  1 1). 

Inzwiscben  war  Pompejus  schon  nacb  dem  nördlichen  kriegs* 
Schauplätze  abgegangen,  yereinzelten  widerstand^  den  er  unter* 
wegs  fand)  brach  er  mit  leichter  mühe  nnd  wandte  sieb  dann  sofort 
gegen  Brutus  selbst,  den  er  nach  Mutina  zurückdrängte,  hier  wurde 
Brutus  %'on  Pompejus  eng  cingeschloHsen  und  längere  zeit  belagert, 
da  die  ttnippen  des  Brutus  entmutigt  und  weiterm  widerstände  ab- 
geneigt waren,  sah  sieb  der  Feldherr  zur  Übergabe  genötigt»  viel- 
leicht wurde  er  auch  zu  diesem  schritte  unmittelbar  durch  einen 
Soldaten  aufstand  in  seinem  lager  oder  durch  hunger  gezwungen 
(Plut.  Pomp,  16).  dem  Brutus  selbst  wurde  von  Pompejus  freier 
abzug  bewilligt,  mit  einer  bedeckung  von  wenigen  reitem  begab 
er  sich  nach  Regiuni  (Orosius  V  22),  einem  Örtchen  in  der  Po-ebene, 
doch  schon  gereute  es  den  Pompejus,  dasz  er  den  feind  aus  seinen 
blinden  hatte  entkommen  lassen*  tanter  dem  vorwande,  dasz  gegen 
Brutus  mehrere  schwere  anklagen  erhoben  seien,  sandte  ©r  ihm  den 
Geminius  nach,  der  den  Bratus  am  folgenden  tage  aufhob  und  tötete 
(Livius  XC;  zur  beurteilung  dieser  tbat  vgl,  Plut.  Pomp.  16  u. 
Ihne  VI  12). 

Beides,  die  Übergabe  von  Mutina  und  tags  darauf  der  tod 
des  Brutus,  wurde  sofort  durch  siegesboten  dem  Senate  gemeldet 
(Plut.  Pomp.  16)i  die  nachriebt  von  dem  erfolge  des  Pompejus 
richtete  auch  in  Rom  den  sinkenden  mut  wieder  auf  und  liöszte  dem 
beere  neue  siegeshoffnung  ein.  schon  hatte  übrigens  Lepidus  das 
ganze  rechte  Tiber*  afer  bis  auf  den  Janiculus  in  seine  gewalt  ge- 
bracht, dieser  hügel  sowie  die  Mulvische  brücke  wurden  noch  von 
Catolus  gehalten  (Florug  II  11).  auf  die  künde  von  der  niederlage 
des  Brutus  unternahm  Lepidus  schnell,  bevor  Pompejus  ihn  im 
rücken  fassen  könnte,  einten  entscheidenden  angriff  auf  Rom.  er 
versuchte  über  den  Tiberis  auf  das  Marsfeld  vorzudringen»  wurde 
aber  gleich  beim  ersten  ansturm  zurückgeschlagen,  er  muste  die 
belagerung  von  Rom  aufheben  und  sich  nacb  Etrurien  zurück- 
ziehen (Floros  11  11,  Plut.  Pomp.  16  o.  bes.  Äpp,  1 107),  jetzt  war 
die  endgültige  Unterdrückung  des  aufstand  es  nur  noch  eine  frage 
der  zeit. 

Pompejus  hatte  nach  der  einnähme  von  Mutina  schnell  die  ganze 
Po-ebene  zur  Unterwerfung  gezwungen,  nur  wenige  städte  wagten 
widerstand  zu  leisten,  so  Alba  in  Ligurien,  in  das  sich  des  Lepidus 
söhn  Cornelius  Scipio  Aemilianus  mit  einer  schar  getreuer  geworfen 
hatte  und  das  er  hartnäckig  gegen  Pompejus  verteidigte^  aber  nach 
längerer  belagerung  wurde  auch  Alba  durch  aushungerung  zyr  Über- 
gabe gezwungen,  den  Scipio  ereilte  ein  ähnliches  Schicksal  wii 
seinen  gesinnungsgenossen  Brutus:  er  wurde  gefangen  genomme 
und  auf  befehl  des  Pompejus  hingerichtet  (Orosius  V  22, 17).  nacb 
niederwerfung  des  aufstandes  in  Oberitalien  wandte  Pompejus  sidi 
südwärts  nach  Etrurien,  um  im  verein  mit  Catuins,  der  nach  dem 


auf  das  reformwerk  Sullas.  63 

siege  über  Lepidus  diesem  ebenfalls  nach  Etrurien  gefolgt  war,  den 
letzten  schlag  gegen  die  aufrührer  zu  führen.  * 

Von  zwei  selten  bedrängt  versuchte  Lepidus  noch  einmal  das 
glück  der  waffen.  in  der  nähe  von  Cosa  an  der  küste  Etruriens  kam 
es  zu  einer  zweiten  Schlacht,  in  welcher  Lepidus  wiederum  besiegt 
wurde,  nunmehr  war  seines  bleibens  in  Italien  nicht  länger,  er 
schiffte  sich  mit  dem  reste  seiner  trappen  von  Cosa  aus  nach  Sar- 
dinien ein,  um  von  hier  der  hauptstadt  die  zufuhr  abzuschneiden 
und  Verbindung  mit  den  spanischen  Insurgenten  unter  Sertorius  zu 
gewinnen  (Plut.  Pomp.  16.  App.  I  107.  Sali.  hist.  I  61.  Livius  XC. 
Florus  II 11.  Butil.  Namatianus  de  red.  suo  295—98.  Jul. Exuper. 3). 
aber  der  Statthalter  in  Sardinien  wüste  alle  versuche  des  Lepidus 
die  festen  platze  in  seinen  besitz  zu  bringen  geschickt  zu  vereiteln, 
überall  wurde  Lepidus  mit  verlust  zurückgewiesen  (Jul.  Exup.  3  f.). 
der  schmerz  über  sein  misgeschick  in  Verbindung  mit  ehelichem 
kummer  nagten  an  seiner  ohnehin  angegriffenen  gesundheit  und 
machten  seinem  leben  vorzeitig  ein  ende,  er  starb  mitten  in  den 
Vorbereitungen  zu  neuen  Unternehmungen  bald  nach  seiner  landung 
auf  Sardinien  (Plut.  Pomp.  16.  App.  1 107.  Florus  11 1 1.  Jul.  Exup.  4  f.). 
ein  teil  seines  heeres  zerstreute  sich ;  der  kern  aber  wurde  von  M.Per- 
penna,  dem  freunde  des  Lepidus  und  früherem  Marianer,  zu  den 
Sertorianern  nach  Spanien  geführt,  um  dort  den  kämpf  gegen  die 
adelspartei  in  Born  fortzusetzen  (App.  I  107).  die  reste  des  auf- 
standes  in  Italien  waren  bald  unterdrückt,  gegen  die  unterlegene 
partei  bewiesen  die  sieger  eine  weise  mäszigung,  wohl  hauptsächlich 
um  die  anhänger  des  Sertorius  nicht  noch  zu  vermehren  (Orosius 
V  22,  18.  Val.  Maximus  II  8,  7.  Florus  II  11). 

*  Dach  unserer  darstellnog  war  Pompejus  bei  der  Schlacht  vor  Rom 
nicht  zugegen,  dieser  auf  fassang  scheint  Florus  11  11  zu  widersprechen, 
wo  erzählt  wird:  sed  iam  Mulvium  pontem  collemque  laniculum  Lutathu 
Catulus  Gnaeusque  Pompeius,  Sullanae  donänationis  duces  atque  ngtäferi, 
alio  exercitu  insederarU.  a  quibus  primo  statim  impetu  re'tro  pulsus  .  .  interüi. 
Drumann  III  345  und  Neumann  6K.  II  23  mit  ihm  folgen  dem  Florus 
in  seinen  angaben.  Drumann  führt  hierüber  folgendes  ans:  ^Catulus 
und  Pompejus  verlegten  ihm  durch  die  besetzung  der  Mulvischen  brücke 
und  des  Janiculum  die  Zugänge  der  Stadt,  und  als  er  in  der  nähe  des 
Marsfeldes  einzudringen  versuchte,  wurde  er  ohne  grosze  anstrengung 
zurückgeworfen.'  indes  beruht  diese  darstellung  ebenso  wie  die  an- 
gäbe des  Florus  auf  einem  irrtum.  von  einem  doppelten  kriegsschau- 
platze  und  einem  kämpfe  des  Pompejus  mit  Brutus  weisz  Florus  nichts 
zu  berichten;  kurzer  band  nennt  er  die  beiden  feldherrn  zusammen, 
welche  zunächst  auf  getrennten  kriegsschaupl ätzen  die  feinde  schlugen 
und  dann  sich  zu  gemeinsamer  thätigkeit  in  Etrurien  vereinigten, 
zudem  stehen  den  worten  des  Florus  die  bestimmten  angaben  des 
Appian  I  107  Kai  dyTCK^ipuTTC  KdrAoc  und  des  Plutarch  (Pomp.  16)  ent- 
gegen, der  ausdrücklich  hervorhebt,  dasz  während  der  abwesenheit  des 
Pompejus  in  Oberitalien  Lepidus  Rom  bedrohte,  auch  in  der  epitome  zu 
buch  XC  des  Livius  wird  klar  berichtet:  (Lepidus)  a  Q,  Caiiäo  coUega  Jtalia 
pulsus  .  .  periit.  M.  Brutus^  qui  cisalpinam  GaUiam  obtinebai^  a  Cn,  Pompeio 
occisus  est,  gleicher  meinung  mit  mir  ist  Maurenbrecher  ao.  s.  14  f.  u.  19. 
Warendorf  in  Westfalen.  Joseph  Franke. 


64 


ANehring;  über  bidens  hostia. 


ÜBER  BIDENS  EOSTIA. 


Bei  den  iieropfem  der  alten  Rßmer  spielten  bekanntlich  die 
Schafe  eine  wichtige  rolle,  und  zwar  wurden  vorzugsweise  solche 
exemplare  geopfert,  weiche  man  als  bidentes  bezeichnete,  dieser 
ausdrnck  wird  in  unsern  gelirftuchlichsten  Wörterbüchern  sowie 
auch  in  den  meisten  ausgaben  der  römischen  classiker,  aofern  sie 
mit  anmerkuDgen  versehen  sind,  durchweg  unrichtig  erklärt*  so 
zb.  findet  man  in  dem  weitverbreiteten  lateinisch -deutschen  hand- 
wörterbuche  von  KEGeorges  F  (Leipzig  1879)  sp*  771  folgend© 
aus  Paulus,  dem  epitomator  des  Festus,  entnommene  erklärungt  'ein 
doppelt  bezahntes,  dh.  schon  beide  zahnreihen  vollständig  habendes, 
auijgewächseneö  opfertier,  besonders  ein  scbaf/  diese  erklärting  ist 
auch  in  dem  groszen  wörter buche  der  kt.  spräche  von  W Freund 
bd.  I  (Leipzig  1834)  sp.  553  als  die  richtige  hingestellt;  e^^  beiszt 
dort:  ^richtiger  versteht  man  unter  hidens  ein  opfertier,  dessen  beide] 
zahnreihen  vollständig  sind,  das  schon  alle  zahne  hat;  vgL  Festus  9.5: 
amhidens  sive  bidens  ovis  appellabatur^  quae  superioribus  et  inferwri- 
hus  est  dentibits,'  diese  und  ähnliche  erklärungen  sind  nach  meinem 
urteile  durchaus  unrichtig;  völlig  zutreffend  sind  dagegen  die  er- 
klärungen,  welche  im  Freiindscben  wörterbuche  zwar  angeführt,  aber 
ala  weniger  richtig  bei  seile  geschoben  werden,  wie  die  des  Juüua 
Hyginui*  bei  Gellius  XVI  6,  14:  bidefäes  hosiiaey  qnue  per  aeiatem 
duos  äenies  altiorcs  hahent^  wozu  noch  Hjgins  eigne  worte  hinzu- 
geftigt  werden :  quae  bidens  est  hosHa,  oportet  kabeat  dentes  odOf  se 
€X  his  duo  ceteris  aUiores;  per  quos  appareat  ex  minore  aetate  in^ 
maiorem  iranscendisse.  diese  worte  hat  ohne  zw  ei  fei  Isidorus  vor 
äugen  gehabt,  wenn  er  orw?,  XII  1,  9  schrieb:  ex  iis  (oinbus)  qtms- 
dam  bidentes  vocant,  eo  quod  inter  octo  denies  duos  uUiores  habent, 
.  quas  maxime  gentües  in  sacrificium  offerebant»  man  vergleiche  ferner 
Servius^  zu  Verg.  Aen.  IV  57:  bidentes  didae  sunt  quasi  biennes^ 
quia  neque  minores  neqtne  maiores  licebal  hostius  dare;  sunt  eiiam  mi 
ombus  duo  eminentiores  dentes  inter  octo,  qui  non  nisi  circa  bimatum' 
apparent:  nee  in  omnibus,  sed  in  iis  quae  sunt  aptae  sacris^  inveni- 
untur;  ähnlich  zu  Aen,  VI  39, 

Um  den  ausdruck  bidens  richtig  zu  verstehen,  musz  man  das! 
gebisz  und  die  gebiszentwicklung  des  Schafes  sowie  des  rindes  genau 
kennen,    schaf  und  rind  haben,  wie  alle  typischen  Wiederkäuer,  im 
Yorderteil  des  Unterkiefers  8  Schneidezähne^  die  in  einem  geschlosse- 
nen bogen  stehen,  obere  Schneidezähne  sind  bei  diesen  tieren  nicht 


'  der  Verfasser  erlaubt  aich  zu  bemerken,  dawsc  er  zu  dem  vor* 
lltgenAen  aufsAiie  diinh  hrn.  prof«  dr«  Kii  hier,  director  des  k, Wilhelmu- 
^ymaaBiains  m  Berlin»  nngere^t  wordi^n  ist.  *  icli  wurde  nuf  diese 

fiteile  dareh   hrn,  oberlehrer  dr,  Allers  io  Holzminden  aufmerksam  gpe«.i 
macht,  was  Ich  hier  daukend  bemerke. 


ANehring:  ober  bidem  hottm,  65 

Yorbanden;'  es  kann  also  Ton  zwei  zahnreihen  hier  in  bezog  auf  die 
Schneidezähne  gar  keine  rede  sein,  was  die  backenzfthne  anbetrifft, 
80  hat  ein  erwachsenes  schaf  (ebenso  wie  ein  erwachsenes  rind)  in 
jeder  kieferhftlfte  6  backenzShne,  also  in  somma  24.  die  backen- 
zfthne  sind  aber  beim  lebenden  schaf  (ond  rind)  nor  sehr  schwierig 
zu  beobachten;  sie  haben  niemab  bei  der  altersbeorteilong  der  betr. 
tiere  eine  rolle  gespielt,  nnd  man  hat  die  letztem  niemals  danach 
bezeichnet,  ebenso,  wie  im  pferdehandel  nor  die  Schneidezähne 
zur  altersbeorteilong  benotzt  werden,  so  ist  es  auch  Ton  jeher  bei 
dem  schaf  (ond  beim  rinde)  gewesen,  wenn  unsere  landwirte  nnd 
namentlich  unsere  schSfer  die  ausdrücke  *zweizlhnig  (zwei- 
schaofelig),  vierzShnig  (yierschao feiig),  sechszShnig  (sechsschaofelig) 
und  achtzähnig  (achi-^cbaofelig)'  gebraochen,  so  beziehen  dieselben 
sich  lediglich  aof  die  Schneidezähne  des  schafes  (bzw.  des 
rindes),  und  zwar  auf  die  einzelnen  entwicklongsstofen  im  Wechsel 
der  Schneidezähne. 

Um  dieses  zo  yerstehen ,  musz  man  mit  dem  milchgebisz  und 
mit  dem  successiTe  stattfindenden  ersatz  desselben  durch  die  bleiben- 
den Schneidezähne  bescheid  wissen.*  das 
lamm  besitzt  yom  im  Unterkiefer  8  milch- 
Schneidezähne,  welche' teils  bei  der  gebort 
des  tieres  schon  dorch  das  Zahnfleisch  ge- 
brochen sind ,  teils  in  den  ersten  wochen 
nach  der  gebort  dorcbbrechen.  jenemilch- 
schneidezähne  sind  viel  zierlicher,  schma- 
ler ond  kürzer  als  die  später  an  ihre  stelle 
tretenden,  bleibenden  Schneidezähne,  man 
zählt  sowohl  die  erstem  als  aoch  die  letz- 
tem paarweise  von  der  mitte  aos;  dh.  als 
erstes  paar  wird  das  mittelste  bezeichnet, 
als  zweites  paar  der  rechts  ond  links  neben 
jenem  stehende  zahn,  als  drittes  paar  der  fi^.  i. 

rechts  ond  Unks  neben  dem  zweiten  paar    t^;^;;^;^^^^^^ 

stehende  zahn  OSW.     VgL  fig.  1.  sähoen.    <&•  Mazdoea   zjknpMr« 

Der  zahnwechsel  beginnt  beim  schaf    "^  "'*  klSÜS^"'^  ^ 
mit  dem  ersten  (mittelsten)  paare  der 

Schneidezähne,  indem  die  betr.  beiden  milchschneidesähne  ausfallen 
ond  zwei  breitere,  stärkere  zahne  an  ihre  stelle  treten,   dieses  ge- 

'  vgl.  Plinias  nai.  hist.  XI  §  161  (denies)  nmtimd  aui  utraque  parte 
oris  SMtti,  ui  eqmo,  out  superiore  primores  non  sunt,  ut  bubug, 
ovibus  omnibusque  quae  ruminant,  wms  entlehnt  ist  ans  Aristoteles 
tiergesi'b.  II  1  (§26  der  Anbert  - Wimmersehen  ansgnbe  =>  s.  32,  23  f. 
der  kleinen  Bekkerschen  ansgabe)  öca  ^iy  jap  icrx  K€paToq>öpa,  OÖK 
dM<pd»6ovTd  icTiv  oö  jap  €x€i  toOc  irpocOiouc  öftövrac  Ini  Tf)c 
dvui  ciaTÖvoc.  *  man   Tergleiehe  den    von    mir  bearbeiteten  ab- 

srhnitt  über  die  gebissentwii-klnng  der  landwirtschaftl.  hanstiere  im 
landw.  kalender  von  Mentsel  n.  Lengerke  hg.  von  HThiel  und  EvWolf 
1891  s.  140  ff. 

Jahrbacher  Ox  clast.  philol.  189S  hfl.  I.  5 


ANehring:  über  hidens  hostia. 


der  vordetidl  des  Unterkiefers  einet 
etw»  iV-jÄhrig-en,  '  xwcixähDi^en^ 
ibidmu)  schart»,  die  Leiden  »cbneide- 
tühn»  des  bleibenden  rehisses  sind 
mit  TÖmisehen  liJffm.  die  milchxiihne 
mit  ftrftliisch^n  beicichaet. 


schiaht  im  alter  von  1— IV2  j^l^ren*;  ein  schaf,  welches  diese  stufe 
des  zahn  Wechsels  erreicht  bat,  wird  noch  heute  als  ^2  weizähnig', 
'zweischaufelig*  oder  als  ^jfthrling'  bezeichnet,    es  wird  hei  dieser 

bezeichnyfig  ydq  den  übrigen  zahnen, 
^  insbesondere    atteh    von   den   milch- 

schneidezibnen ,  ganz  abgesehen,  ein 
^Zweizahn  ig  es'  schaf  ist  also  nicht 
etwa  ein  solches,  das  nur  zwei  zahne 
(bzw.  scbneidezähne)  hat,  sondern  es 
ist  ein  schaf,  das  im  zweiten  lebenB'- 
jähre  steht,  also  ein  *jährling^  man  er- 
kennt das  alter  desselben  daran,  dasz 
die  beiden  mittelsten  milchschneide- 
Zähne  schon  gewechselt,  dh.  durch 
2wei  gröszere»  breitere^  Schneidezähne 
des  dauergebisses  ersetzt  worden  sind, 
vgl.  üg.  2, 

Dieses  ist  der  zustand  des  schneide- 

zahngebisses,  wekhen  Hjginus  in  der 

oben    angeführten    stelle   bei   Gellius 

meint,  indem  er  sagt:  dent€$  odo  (sc. 

inmsivos)^  sed  ex  his  äuo  ceteris  aUi- 

ores,    TgL  die  oben  citierte  stelle  des 

SerTius  zu  Verg.  Äen*  IV  57. 

Dieser  zustand  des  gebisses  findet  sich  bei  den  rindern  in  ganz 

entsprechender  weise  wie  bei  den  schafenj  nur  pflegt  er  hei  jenen 

etwas  später,  dh*  im  alter  von  1*/,^  —  2  jähren  einzutreten*' 

Das  zweite  paar  der  Schneidezähne  wird  bei  den  scbafen  ge- 
wöhnlich im  alter  von  IV2  —  *^Vi  j'ihren  gewechselt;  sie  heiszen 
dann  'vierzähnig*  oder  'vierschaufelig',  weil  sie  vier  breite  Schneide- 
zähne haben,  das  dritte  paar  wird  im  alter  von  2*74^2^^  jähren 
gewechselt,  so  dasz  dann  sechs  breite  schDeide2ähne  zu  sehen  sind; 
daher  die  bezeiehnung  ^secbszähnig'  oder  ^sechsschaufelig'  für  scbafe 
von  ca.  3  jähren,  das  vierte  paar  endlich  wird  im  alter  von  3  —  4 
jähren  gewechselt,  so  dasz  dann  acht  breite,  bleibende  Schneide- 
zähne vorhanden  sind;  daher  die  bezeicbnung  ^achtzähnig'  oder 
'achtschaufelig'  für  scbafe  von  ca.  4  jähren. 

Will  man  obige  angaben  über  biäem  nochmals  kurz  zusammen- 
fassen und  das  rind  gleich  mit  einschlieszen ,  so  kann  man  sagen; 

*  bei  de»  frühreifen,  raoderoen  cultarrassfin  dee  echafeg  erfolgt  der 
wechiel  der  betr.  zahne  meistens  bald  uacli  vollendtiog  dea  ersten 
lebeuBJahres,  bei  den  spätreifen,  primitiven  r&sseti  erst  mit  IV4 — l^Vt 
jnhreti.  *  wenn  es  in  den  oben  angeführten  stellfiii  hei  Qellius  und 

Isidorns  heiszt  duOM  aitioren  detUev^  so  köonCe  man  sich  versucht 
fühlen  zn  vermiiten  dasz  tatiores  die  ursprüu^liühe  losart  sei,  da  die 
krönen  der  betr.  zahne  aber  that«ächlicb  auch  höher  sind  als  die  der 
milohzähno,  so  gibt  ancb  aliiore»  einen  annehmbaren  slun.  ^  vgl.  meine 
besfiglichen  angaben  in  dem  oben  citierten  landwirtsch.  kalender. 


ANehring:  über  bidena  hosHa.  67 

hidens  ovis  oder  hos  ist  ein  schafoder  rind,  welches  das 
mittelste  paar  der  Schneidezähne  schon  gewechselt  und 
somit  ein  ungefähres  alter  von  lYj  —  2  jähren  erreicht 
hat.  man  darf  annehmen,  dasz  die  schafe  der  alten  Bömer  im  ver- 
gleich mit  den  wohlgepflegten,  auf  frühreife  gezogenen  rassen  unserer 
heutigen  culturländer  hinsichtlich  des  zahnwechsels  spätreif  waren, 
und  so  kommt  denn  in  der  that  der  ausdruck  hidens  annähernd  aut 
das  hinaus,  was  Servius  qtmsi  hiennis  nennt,  ja  wenn  man  seine 
Worte  sunt  in  ombus  duo  eminentiores  dentes  inter  octo ,  qui  non  nisi 
circa  himatum  apparent  wörtlich  nimt,  so  könnte  man  daraus 
den  naturwissenschaftlich  interessanten  schlusz  ziehen,  dasz  seit 
den  Zeiten  des  classischen  altertums  eine  ziemlich  ansehnliche  yer- 
frühung  (etwa  um  Yj  J*^^  ^^^  darüber)  im  eintritt  des  wechseis 
der  beiden  mittelsten  Schneidezähne  bei  den  schafen  sich  heraus- 
gebildet habe. 

Was  die  schweine  anbetrifft,  von  denen  der  ausdruck  hidens 
angeblich  auch  vorkommt,  so  ist  ihr  gebisz  von  wesentlich  anderer 
bauart  als  bei  schaf  und  rind ;  doch  würde  es  zu  weit  führen  hier 
dieses  genauer  zu  erörtern.^  man  kann  zwar  auch  von  ihnen  den 
ausdruck  hidens  in  bezug  auf  den  Wechsel  der  beiden  mittelsten 
Schneidezähne  gebrauchen,  welcher  im  alter  von  ca.  12  monaten  er- 
folgt; aber  ich  glaube  nicht,  dasz  die  alten  Bömer  den  ausdruck 
hidens  in  bezug  auf  die  schweine  im  ezacten  sinne  gebraucht  haben, 
es  ist  nemlich  ziemlich  schwierig  das  gebisz  eines  lebenden,  meist 
sehr  widerspenstigen  Schweines  genau  zu  untersuchen,  und  die  unter- 
schiede zwischen  den  beiden  mittelsten  Schneidezähnen  des  milch- 
gebisses  und  des  dauergebisses  treten  viel  weniger  deutlich  hervor 
als  bei  schafen  und  rindern,  es  ist  deshalb  bisher  in  der  praxis 
nicht  üblich  geworden  die  schweine  nach  dem  gebisz  in  gewisse 
altersstufen  einzuteilen  und  bestimmte  bezeichnungen  dafür  zu  ge- 
brauchen, obgleich  der  kenn  er  gerade  bei  diesem  haustiere  auf 
grund  einer  sorgfältigen  Untersuchung  des  gebisses  das  alter  jüngerer 
exemplare  innerhalb  der  ersten  beiden  lebensjahre  sehr  genau  fest- 
zustellen vermag,  wenn  die  alten  Bömer  den  ausdruck  hidens  vom 
Schwein  gebraucht  haben,  was  jedoch  nur  selten  der  fall  zu  sein 
scheint,  so  ist  er  hier  vom  schaf  und  rind  einfach  auf  das  seh  wein 
übertragen,  und  zwar  in  dem  allmählich  eingebürgerten  sinn  eines 
zum  opfern  geeigneten  individuums.  gewöhnlich  wurde  jener  aus- 
druck nur  vom  schaf  und  rind  gebraucht,  insbesondere  von  ersterm. 

Warum  musten  nun  die  schafe  und  rinder  hidentes  sein,  um  als 
opfertiere  besonders  geeignet  zu  erscheinen?  nun,  die  antwort  ist 
nicht  schwer,    schafe  oder  rinder  von  V/2 —  2  jähren  sind  weder  zu 


^  es  sei  kurz  erwähnt,  dasz  das  schwein  nur  sechs  Schneidezähne 
bat,  solche  aber  nicht  nur  im  Unterkiefer,  sondern  auch  im  Oberkiefer 
(richtiger  zwischenkiefer)  aufweist,  genaueres  s.  in  meiner  ausführ- 
lichen arbeit  über  die  gebiszentwicklung  der  schweine  in  den  land- 
wirtschaftl.  Jahrbüchern  hg.  von  HThiel,  Jahrg.  1888. 


68 


ANehriDg:  über  bidens  hosiia. 


jung  nocb  zu  alt  i:tim  genasz ;  ihr  fleisch  ist  zart  und  wohlschmeckend, 
so  dasz  es  sowohl  den  götiem  als  auch  namentlich  den  priestern 
gefallen  konnte,  letztere  hielten  deshalb  mit  strenge  darauf,  dasz 
gerade  solche  im  besten  alter  stehende  tiere  zum  opfern  verwendet 
worden,  und  um  sich  zu  vergewissem,  dasz  ihnen  keine  alteOi  zähen 
individuen  zum  opfern  gebracht  wurden ,  machten  sie  es  gerade  30^ 
wie  man  es  in  der  landwirtschaftlichen  praxis  noch  beute  macht, 
dh.  sie  unteräuchten  die  schBeidezähne  der  zu  opfi^rnden  schafe  und 
r  in  der  und  nahmen  nur  solche  an »  welche  hidenies  waren «  also  im 
alter  von  l'/^— 2  jähren  standen,  von  diesen  konnte  man  voraus* 
setzen ,  dasz  sie  ein  saftiges,  wohlschmeckendes  fleisch  darboteiL* 
Da^i  wort  amhldefis  bedeutet  dasselbe  wie  bidens\  es  soll  nicht 
etwa  'doppelzlihnig'  beiszen  in  dem  sinne»  als  ob  abnormer  weise 
zwei  zahne  oder  gar  zahnreiben  hinter  einander  ständen,  sondern 
es  deutet  nur  in  verstärkter  weise  an »  dasz  zwei  ins  augo  fallende, 
breite  Schneidezähne,  und  zwar  einer  rechts,  einer  links  von  der 
mitteliinie,  vorhanden  sind,  die  oben  citierte  erklärung  des  Festus; 
amhidens  sive  hidens  ovis  appeUabaturf  quae  superiöribus  et  inferi- 
cribus  est  dentibus  enthält  einen  zoologischen  ünsinn,  wenn  man 
sie,  wie  es  natürlich  ist,  auf  die  Schneidezähne  bezieht^  schafe  mit 
obern  scbneidezähnen  existieren  nicht,  wollte  man  jene  erklärung 
auf  die  backenzähne  bezieben,  so  wUrde  sie  ganz  nichtssagend  seia: 
denn  jedes  schaf  hat  sowohl  obere  als  auch  untere  backenaähne, 
und  es  kann  also  durch  obige  erklärang  des  Festus  eine  besondere 
kategorie  oder  aUersstufe  der  schafe  keineswegs  bezeichnet  werdeiL 
wie  ich  aber  schon  oben  betont  habe,  sind  schon  seit  alten  zeiten 
nur  die  Schneidezähne,  welche  leicht  zu  untersuchen  und  fUr 
die  aitersbearteilung  besonders  wichtig  sind,  zur  bezeichnung  ge- 
wisser altersstufen  verwendet  worden,  amhidens  oder  bidens  der 
alt^n  Römer  bedeutet  genau  dasselbe,  was  unsere  heutigen  land* 
wirte  'zweizähnig'  oder  'zweiachau feiig'  nennen. 


*  es  kommt  wohl  auch  der  umstand  mit  in  betracht,  dass  die  opf  er- 
tiere  noch  nicht  zur  fort()fianzuD{?  beBuisi  sein  aollleUi  was  In  dem 
betr.  alter  meisteu»  noch  nicbt  der  fall  wur.  vgl.  Varro  rerum  ruät, 
li  t,  14  neque  paH  oportet  minores  quam  bitnas  saHri^  quod  neque  naium 
«a?  Aü  idoneum  est,  neque  non  ipsae  ßunt  deteriores.  hr.  director  Kubier 
war  so  freuDdlicIi  mieh  auf  diese  stelle  hinzu w eise d. 

Berlin.  Alfred  Kehriho. 


MEiderlin:  zum  ersten  und  zweiten  buche  des  Quintilianas.      69 

7. 

ZUM  ERSTEN  UND  ZWEITEN  BUCHE  DES  QUINTILIANÜS. 

I  4,  7  f.  desifUne  aUquae  nobis  necessariae  IMterae  .  .  ut  .  . 
meäius  est  quidam  u  et  i  lUterae  sonus:  non  enim  sie  ^Optimum*  dici- 
mus  ut  *opimum%  et  Kvn}  öftere*  neque  e  plane  neque  i  audüur.  so 
alle  hgg.  auszer  Meister  nach  Bn.  dasz  die  stelle  einer  yerbesserong 
bedarf,  zeigen  zur  genüge  die  vielen  verbesserungsversnche :  es  liegen 
solche  vor  von  Ritschi,  Bücheler,  HKeil,  MHaupt,  Stander,  Faber  und 
Andresen.  keiner  von  diesen  führte  zu  einem  befriedigenden  ergebnis, 
weil  sie  alle  sie  unangetastet  lieszen.  mit  rücksicht  darauf,  dasz  A 
gibt :  non  enim  sie  optumum  dicimus  ut  ( A'  auf)  Optimum ,  habe  ich 
in  den  blättern  f.  d.  bayr.  gw.  1886  s.  11  vorgeschlagen:  non  enim 
[sie]  ^optumum^  dicimus  aut  *  Optimum*  ^  und  Meister  hat  diesen  Vor- 
schlag in  den  text  aufgenommen,  inzwischen  bin  ich  zu  der  Über- 
zeugung gekommen,  dasz  sie  nicht  zu  streichen  (es  wftre  seine 
entstehung  nicht  leicht  zu  erklären),  sondern  in  sineere  (rein, 
unvermischt)  zu  verändern  ist.  die  adverbia  sineere  und  plane  ent- 
sprechen einander,  'denn  nicht  sprechen  wir  rein  qptumus  oder 
qptimus  (wir  bedienen  uns  vielmehr  eines  mischlauts),  und  bei  here 
hört  man  weder  e  noch  t  deutlich.'  wenn  sincerus  in  der  bedeu- 
tung  'rein,  unvermischt'  von  Livius  (XXX  11)  mit  prodium  equestre^ 
von  Tacitus  {Germ,  4)  mit  gens,  von  Plinius  (n.  Ä.  XXVIII 137)  mit 
axungia  verbunden  worden  ist,  so  konnte  Quint.  gewis  auch  sineere 
in  dieser  bedeutung  mit  dicimus  verbinden,  vgl.  auch  Lucretius 
III  873 ,  wo  sincerum  adverbial  in  der  bedeutung  *rein'  mit  sonere 
(klingen)  verbunden  ist. 

I  4, 14  (xtque  haec  ipsa  s  littera  ah  his  nominibus  exclusa  in  quin 
busdam  ipsa  alteri  successü :  nam  'mertare*  atque  *puUare*  dicehanty 
quifi  ^fordeum  faedosqu^  pro  aspiratione  f  ut  simüi  littera  utentes: 
nam  eontra  Graeci  adspirare  f  ut  q>  solent^  ut  pro  Fundanio  Oicera 
testem^  quipriimam  eius  litteram  dicere  nonpossü^  inridet.  die  worte 
nam  *mertare*  atque  *pultare*  dicebant  begründen  die  bchauptung, 
dasz  der  buchstabe  s  im  laufe  der  zeit  manchmal  an  die  stelle  eines 
andern  getreten  sei.  können  mit  jener  begründung  die  worte  quin 
^fordeum  faedosque*  pro  aspiratione  f  ut  simüi  littera  utentes  ver- 
bunden werden?  sie  haben  ja  mit  dem  buchstaben  s  gar  nichts  zu 
thun.  mit  diesen  werten  geht  Quint.  zu  einer  andern  buchstaben- 
vertauschung  über,  nemlich  zu  der  von  h  und  f.  es  wird  daher  mit 
quin  ein  neuer  salz  zu  beginnen  und  zu  schreiben  sein :  quin  *for 
deum  faedosque^  (jpronuntiabanty  pro  aspiratione  f  ut  simüi  littera 
utentes,  man  konnte  beim  abschreiben  leicht  von  dem  ersten  pro 
auf  das  zweite  pro  abirren,  pronuntiare  hat  Quint.  wohl  der  ab- 
wechslung  wegen  gebraucht,  weil  er  unmittelbar  vorher  dicebant 
gesagt  hat.  vgl.  I  5 ,  60  inde  ^Castorem*  media  syUaba  producta 
pronuntiarunt  und  IX  4,  34  prout  oris  habüu  simüi  aut  diuerso 
pronuntiabuntur  (sc.  lüterae).  —  In  der  n.  phil.  rundschau  1887 


70      MKiderlin:  Eiim  ersten  nnd  zweiten  buclie  des  QumtiÜanuB. 


n«  6  habe  leb  bereits  darauf  binge wiesen ,  dasz  ut  <p  mebr  als  über- 
flüssig ist.  da  A  aspirare  0  soUnl,  Bn  adspirare  ei  solent  gibt»  wird 
man  am  besten  adspirare  f  solent  scbreiben, 

I  6|  6  danimdio  genus  modo  ddegU^  et  ne  ah  eodem  cxemplo 
recedam,  'funem'  mascidinum  esse  ^funiculm^  ostendit*  statt  et  dürfte 
vi  zu  scbreiben  sein,  'die  Verkleinerungsform  verrät  nur  das  ge- 
scblecht:  so  zeigt,  um  bei  dem  nemlicben  beispiel  zu  bleiben,  funi' 
CiiluSp  dasz  funis  männlich  Ut.^  vgl,  §  7  eadem  in  uerbis  quoque 
ratio  comparationis f  ui;  §  10  prima  qiwquc  aliquandö  positio  ex 
ohUquis  inuenitnr,  ut;  §  12  quaedam  sine  diihio  conantur  erudUi 
defendere^  ut\  %  22  ohliquis  casibus  duäi  eiiam  primas  sibi po^Uiones 
non  inueniret  sed  mutare permittunt^  ut\  §  29  qtwtiens  interpretatione 
reSj  de  qua  qitaeritur^  eget^  ut\  §  30  nonnumqtiam  eiiam  harhara  ah 
emendatis  conaiur  discemere^  ut,  aucli  die  beiden  ut  des  §  6  werden 
angeftibrt  werden  dürfen;  es  folgen  zwar  hier  conjunctive  (sit  und 
ßM)^  aber  diese  scheinen  mir  durch  die  conjanctive  quaeratur  und 
ueniai  veranlaszt  zu  sein* 

I  6,  30  {etymohgia)  nonnumquam  eiiam  barhara  ah  eniendatis 
conatur  discernere^  ut  cum  ^Triquäram^  did  SiclUam  an  'Triquedram*^ 
^meridiem*  an  ^medidiem^  oporieat »  quaerilur  aliaque  quae  consudu^ 
dini  seruiufit  Meister  schreibt  nach  Ab  aliquandö  consuetudini 
seruit,  die  durch  B  N  M  beglaubigte  vulgata  aliaque  quae  consuetudini 
seruiunt  eTwßLbnt  er  nicht  einmal  in  den  noten.  läszt  sich  aber  von 
der  etymologie  behaupten,  dasz  sie  manchmal  dem  sprachgebrauche 
dient,  dh.  sich  demselben  fügt,  unterwirft  (vgL  §  18  und  7»  11)? 
ich  meine,  die  etymologie  bat  immer  und  überall  den  wahren  Ur- 
sprung der  Wörter  festzustellen  ganz  unbekllmmert  um  den  herschen- 
den  Sprachgebrauch,  und  jeder,  der  sich  mit  etymologie  abgibt,  wird 
dieses  ziel  immer  im  äuge  haben,  daher  glaube  ich,  dasz  man  zu  der 
vulgata  aliaque  quae  consuetudini  seruiunt  wird  zurückkehren  müssen. 
die  Worte  «en/w  orthographia  quoque  consuetudini  seruii  (7, 11)  lassen 
sich  nicht  für  die  von  Meister  aufgenommene  lesart  anführen,  denn 
wenn  Quint.  dort  quoque  schrieb,  so  dachte  er  gewis  nicht  an  die 
etymologie,  sondem  an  die  ortho0pie,  die  reda  loeutio,  vgL 
6»  18  idem  ^cetttum  müia  numnmm*  et  'fidem  deum'  ostendant  duplicis 
quoque  soloecismos  essCt  quando  ei  casum  mutant  et  numerum :  nesde- 
hixmus  etiftfn  ac  non  consuetudini  et  decori  seruiehamus,  sicut 
in  pkirimiSi  quae  M.  TuUim  in  Oratore  diuine  ut  omnia  cxequUur> 

I  6, 31  conHnei  auiem  in  $e  mMam  erudUionem,  siue  ex  graecis 
orta  trademuSy  quae  sunt  phmma,  praecipueque  Aeolica  ratione,  cui 
td  swmo  noster  simiüimus^  dedinata^  siue  usw,  HKeil  schlug  vor 
praecipueque  ah  Aeolica  oraiione.  Meister  nahm  ab  in  den  text 
auf,  blieb  jedoch  bei  ratione.  kann  aber  ratio  'mundart,  dialekt'  be- 
deuten? ich  halte  ein  abgehen  von  der  hsl.  Überlieferung  nicht 
für  notwendig:  denn  es  befriedigt  mich  vollkommen  die  erklämng 
Spaldings:  *  Aeolica  —  dedinata  i.  e,  deflexa  et  mtitata  a  common  i 
Oraecomm  forma,   ita  mox  itemm  dedinaia  §  32.'    Ulia^  zh.  ist 


MKideriin:  xam  enten  und  rveiteii  bocbe  de*  Qiriwtfli— ■>.      71 


ein  aas  dem  griechischen  kommende  worty  wddieE  nach  i<fecbcr 
weise  abgeSndert  worden  ist  (ygL  I  4,  16}.  zu  Aßoiiiem  rwüome  de- 
dinata  vgl.  IX  1,  12  eadem  ratiome  dedmarL  nkbt  cinTerfttniif 
aber  bin  ich  mit  Spalding,  wenn  er,  wie  alle  hgg.  aosser  Bnanril, 
nach  pUurwui  ein  komma  setzte,  wamm  sollte  die  befaandliiBg  toa 
w5rtem,  welche  nach  Soliaeher  weise  abgdbidert  worden  sind^  be- 
sonders (praedpue)  viele  kenntnisse  erfordern?  kh  glanbe,  das 
die  Worte  praec^meque  AtoUca  ratitme  dedimata  za  rerbinden  and 
mit  quae  sunt  phuima  (deren  es  sehr  viele  gibt,  besonders  nadi 
Solischer  weise  abgeänderte),  wahrscheinlich  hielten  die  hgg.  diese 
Verbindung  für  unmöglich,  weil  que  an  pro/edpme  angehängt  ist.  aber 
vgl.  n  2,  8  tarnen  uiua  iOa,  ut  didhur^  uax  aUt  plemms  praec^megme 
praeeeptaris^  quem  disdpuU  et  amamt  d  uerentur.  lY  5,  Id  pramitta- 
mu8  no8  piene  d  statim  de  eo  satis  esse  fadwros^  pnedpuequtj  d  de 
pudere  agdur.  V  10,  49  intuendae  sunt  praec^meque  in  amiedmris 
d  facuUaies.  V  11,  22  praxknas  exempto  uires  habd  simuUtudo,  prae- 
dpueque  üla  quae  usw.  Vlll  5, 2  W  mtente  concepta  sensus  uaearemui^ 
lumina  autem  praecipueque  m  dausulis  posäa  sententias.  XQ  10,  48 
ceterum  hoCy  quod  uulgo  senientias  uoeatnus^  quod  ueterüms  pTtBe- 
cipueque  Graeds  tu  usu  non  fuä, 

I  6, 33  ^senatui*  nomen  dederU  adas  {nam  idem  patres  9umt\  d 
^rex  rector*  d  alia  plurkna  indubitata:  nee  abnmerim  Hegulae  regw- 
laeque^  d  simäium  his  rationem:  iam  sU  d  'etassis^  a  ealando  d 
*2epttö  leuipes*  d  'uulpes  uei^xs*.  HlCejer  nahm  anstosz  an  et  rex 
redor  und  schlug  hierfür  sit  rex  rectar  vor.  ich  halte  sein  bedenken 
ffir  berechtigt,  zu  den  werten  d  rex  rector  d  aUapUuritna  indubitata 
müste  man  sit  oder  5tfi^  hinzudenken,  es  l&szt  sieh  aber  kaum  an- 
nehmen, dasz  Quint«,  wenn  er  die  sStze  nomen  . .  aetas  und  rex  .  • 
indubitata  in  dieser  weise  verbunden  h&tte,  dem  einen  ein  verbum 
gelben,  dem  andern  aber  das  seine  vorenthalten  h&tte.  mir  er- 
regen aber  auch  die  werte  nam  idem  patres  sunt  ein  bedenken.  Baur 
und  Lindner  fibersetzten  sunt  durch  'heiszen'.  hat  sunt  wirklich 
diese  bedeutung?  beide  bedenken  werden  beseitigt,  wenn  wir 
schreiben:  senatui  nomen  dederit  aetas ^  nam  idem  patres  sunt 
K^Mminati:  sity  d  rex  rector  usw.  (mag  dem  senat  das  alter  seinen 
namen  gegeben  haben,  sie  sind  ja  auch  'vSter*  benannt  worden; 
mag  auch  rex  redor  sein  usw.).  die  Shnlichkeit  der  sdiriftzfige  von 
sunt  und  sit  mag  den  ausfall  der  werte  veranlaszt  haben.  * 

I  7,  27  mud  nunc  mdius^  quod  'cur  tribus  quas  posui  litteris 
enotamus,  in  quo  pueris  ncbis  ad  pinguem  sane  sonum  qu  d  oi  ute- 
hantur,  tantum  ut  ab  %0o  'gut'  distingueretur,  so  Halm  und  Meister, 
da  A  gibt:  Q.  ET.  U.  ET.  O.  ET.  I,  schrieb  Bonnell:  in  quo  pueris 

1  I  7,  23  hätte  Meister,  wenn  er  IX  4,  39  nach  Gertz  tUa  Censori 
Caioids  *dicae'  ^faciaeque\  m  UUera  in  e  moitiia  schrieb,  ebenfalls  Gerts 
folgen  und  'dicae*  et  ^fadae*  schreiben  sollen,  als  ich  mich  in  der  n.  phil. 
nmdscbau  1887  n.  6  for  Halms  ^dict^  ei  ^fadt*  aussprach,  kannte  ich 
den  Vorschlag  von  Gertz  noch  nicht. 


72      MKideriinj  zum  ersten  und  zweiten  buche  de«  QüintilianuB. 


fwbts  ad  pinguem  sane  sonum  q  et  u  et-  o  et  i  utebaniur^  Zumpt:  in 
quo  pueris  nohis ,  ad  pinguem  sane  sonum ,  q  et  u^  o  et  i  utehaniur. 
die  frühera  hgg.  ßchriebeni  in  quo  pueris  nohis^  ad  pinguem  sane 
sonum  y  qu  et  öi  utebanlur.  ich  glaube  da&z  qu  mit  pinguem  sonum 
verbunden  werden  muaz,  qu  erschien  Quint.  im  vergleich  mit  e  als 
ein  fetter  laut,  weil  es  die  laute  zweier  buchstöben  in  sich  vereinigt, 
vras  soll  aber  dann  das  vor  oi  sieh  ende  et  bedeuten?  es  wird  nicht 
wohl  anders  übersetzt  werden  können  als  durch  ^aucb'.  man  müste 
dann  erklfiren  entweder:  bei  welchem  man  außzer  ui  auch  oi  ge- 
brauchte, oder:  bei  welchem  man  auch  oi  gebrauchte,  wie  diejenigen, 
welche  seruom  und  ceiMom  schrieben^  o  statt  u  gebrauchten,  da  ich 
beide  erklärungen  für  unmöglich  halte,  schlage  ich  vor:  in  qtto pueris 
nohiSy  ad  pinguem  sane  sofium  qu^  o  et  t  utehantur  und  übersetze: 
'bei  welchem  man  in  unserer  knabenzeit,  freilich  neben  dem  fetten 
laute  qu  (nicht  neben  c),  o  und  i  gebrauchte*'  zn  o  et  i  vgl,  §  18 
ae  mßüham^  cuius  secundam  nunc  e  litteram  ponimus ,  uarie  per  a 
et  i  efferehant  und  §  i^6  nosiri  praeceptores  'seruum  ceruumque* 
u  et  0  litt  er  i$  scripserunt, 

I  8,  6  utiles  tragoediae:  alunt  et  Itfridy  si  tarnen  in  his  non 
auctores  modo,  sed  eliam  partes  operis  degeris:  nam  et  Graeci  licenter 
multa  et  Horatium  noUm  in  quihusdam  interpretarL  bedenken  er- 
regt operis.  die  erklörer  bemerken  nichts  hierüber.  Baur  Qber- 
seiftte :  'jedoch  musz  hier  nicht  nur  unter  den  dichtem,  sondern 
auch  iu  ihren  werken  eine  aus  wähl  ätattioden*;  Lindner:  'nur  musz 
man  nicht  blosz  unter  dei;^  ßchrift&tellernf  sondern  auch  unter  den 
werken  derßelhen  eine  wähl  treflfen/  zu  einer  solchen  (ibersetzang 
wäre  man  mt?iner  ansieht  nach  nur  dann  berechtigt,  wenn  es  operun^ 
hiesze.  Quint.  hat  opus  manchmal  auch  in  der  bedeutung  *dichtungß- 
gattung'  gebraucht  aber  auch  diese  bedeutung  wird  sich  hier  nicht 
annehmen  lassen*  denn  Quint.  wollte  nicht  sagen:  ^nur  musz  man 
bei  den  lyrikern  nicht  nur  die  dichter,  sondern  auch  die  teile  der 
dichtungsgattung  auBwftblen*,  sondern  ^  darüber  lassen  die  worte 
et  Horatium  nolim  in  quihusdam  interpretari  nicht  im  zwei  fei  —  er 
wollte  sagen:  'nur  mugz  man  bei  den  lyrikern  nicht  nur  die  dichter 
auswählen,  sondern  man  musz  auch  von  den  ausgewäblten  wieder 
diejenigen  teile  auswithlen,  welche  für  knaben  geeignet  sind.*  ich 
glaube  daher,  dasz  statt  operis  zu  scbreiben  ist  pueris*  wir  ge- 
winnen 80  den  gedanken:  ^freilich  musz  man  bei  diesen  nicht  nur 
die  Schriftsteller^  sondern  auch  die  teile  für  die  knaben  auswählen.* 
vgl.  ebd.  elegea  uero^  utigue  quae  amaty  et  hendecasyllabi .  .  ama- 
ueantur,  si  fieri potest,  si  mimts^  eerte  ad  firmius  aetatis  robur 
reseruentur  und  §  7  comoediae  .  .  quem  usum  in  pueris  pute 
paulo  post  suo  loco  dicam, 

II  1, 4  et  grammatice^  quam  in  latinnm  transfertntes  litieratura 
uocauerunt ,  fines  suos  norit ,  praesertim  (antum  ab  kuc  appeUatiofi   _ 
Buae  paupertate^  intra  quam  primi  ilU  consiitcrey  proueda:  nam 
teimis  a  fönte  adsumptis  historicorum  criticorumque  uirihts  pleno 


MEiderlin :  zum  ersten  und  zweiten  buche  des  Quintilianos.      73 

iam  satis  (üueo  fluit ,  cum  praäer  rationetn  rede  hquendi  non  parum 
cUioqui  copiosam  prope  omnium  maximarum  artium  scientiam  amplexa 
sü.  80  Halm.  Bn'  gibt  blosz  histaricorumque^  Bn*  und  Bg  poetarum 
JHstoricorufnque  ^  A  histaricarum  criticorumque  y  b  criiicarum  histari- 
corumquCy  T*  und  S  oratorum  histoficarumque.  davon  ausgebend, 
dasz  unsere  ftlteste  quelle  Bn*  adstimpiis  histoficorumque  uiribtis  gibt, 
habe  ich  in  diesen  jabrb.  1886  s.  200  f.  vorgeschlagen:  adsumpHs 
tot  riuorum  (^ßuuiorumyque  uiribus^  indem  ich  daraufhinwies, 
dasz  fluuiorum  nach  riuortun  leicht  ausfallen  und  dasz  dann  aus  tot 
ritwrumque  nach  der  silbe  tis  historicorumque  werden  konnte.  Becher 
(Bursian-Mttllers  jahresber.  1887)  erklftrt  diese  conjectur  für  ebenso 
gewagt  wie  überflüssig  und  ist  der  meinung,  dasz  aus  der  lesart 
poetarum  historicorumque  (Bn*  und  Bg)  nicht  nur  die  corruptel  der 
übrigen  zu  erklftren  sei ,  sondern  dasz  dieselbe  auch  allen  anforde- 
rungen  des  sinnes  genüge,  ich  kann  dieser  meinung  nach  sorgfälti- 
ger erwägung  in  beiden  punkten  nicht  beitreten,  was  den  erstem 
punkt  betrifft,  so  scheint  Becher  anzunehmen,  dasz  der  Schreiber  des 
Bn  poäarum  aus  versehen  weggelassen  habe  und  dasz  dann  von  der 
zweiten  band  dieses  wort  aus  der  nemlichen  hs.,  welche  dem  Schrei- 
ber selbst  vorgelegen  hatte,  nachgetragen  worden  sei.  er  hätte  zur 
Unterstützung  seiner  annähme  anführen  können,  dasz  auch  N  poeta- 
rum historicorumque  bietet,  wie  verträgt  sich  aber  mit  dieser  an- 
nähme, dasz  A  historicorum  criticorumque  gibt?  spricht  dieser  um- 
stand nicht  sehr  entschieden  dafür,  dasz  schon  in  der  stamm-hs.,  auf 
welche  Bn  und  A  zurückgehen,  blosz  histoncorumque ^st&nd?  die 
Überlieferung  von  que  wies  sehr  deutlich  auf  den  ausfall  eines  wortes 
hin,  und  so  wurde  denn  mit  rücksicht  auf  I  4, 3  von  den  einen  poeta- 
rum,  Yon  den  andern  criticorum  eingesetzt,  dasz  die  lesart  poetarum 
historicorumque  allen  anf orderungen  des  sinnes  genüge,  sucht  Becher 
nachzuweisen  durch  hin  weis  auf  I  4,  4  nee  poetas  legisse  satis  est: 
excutiendum  omne  scriptorum  genus  non  propter  historias  modo ,  sed 
uerba^  quae  frequenter  ius  ah  auäorihus  sumunt.  tum  neque  cUra 
musicen  usw.  unter  historias  sind  dort  zu  verstehen  einzelheiten  aus 
der  geschichte,  besonders  aus  der  myth engeschichte,  wie  sie  bei  den 
alten  dichtem  häufig  vorkommen  und  von  den  grammatikem  ge- 
sammelt wurden,  über  solche  historiae  konnte  man  sich  nicht  nur 
bei  den  historikem  aufklärung  holen,  sondern  auch  bei  Schrift- 
stellern von  andern  gattungen.  deshalb  hat  auch  Quint.  die  histo- 
riker  nicht  besonders  erwähnt,  sondern  er  sagte  excutiendum  omne 
scriptorum  genus,  in  unserm  satze  aber  sollte  er  neben  den  dichtem 
gerade  die  historiker  angeführt  haben?  es  läszt  sich,  glaube  ich, 
mit  bestimmtheit  nachweisen,  dasz  er  dies  nicht  gethan  haben 
kann,  bei  poetarum  uirihus  müste  man  an  die  lectio  et  enarratio 
poetarum  denken,  worin  ja  eine  hauptaufgabe  der  grammatiker 
bestand:  vgl.  I  4,  2  haec  igüur  professio,  cum  hreuissime  in  duas 
partis  diuidatur^  rede  loquendi  scientiam  d  poetarum  enarrationem, 
plus  hdbd  in  recessu  quam  fronte  promiäit,    man  müste  dann  bei 


74      MKiderlin :  2um  ersten  und  zweiten  buche  dea  Quiniälianiifl» 


historicorum  uirihus  docb  wohl  an  die  Uäio  et  enarratio  histori- 
ccrum  denken,  nun  geborte  aber  diese  nach  Quintilians  ansiebt 
nicht  unter  die  aufgaben  der  grammatiker,  sondern  unter  die  der 
rbetoren:  vgl.  II  5^  1  fwn  omUtendum  uidetur  id  quoque^  ut  moneam, 
quatUum  sit  conlaturus  ad  profectum  discentium  rfietOTy  si^  quemad^ 
modum  a  grammaticis  exigilur  podarum  enarratio^  ita  ipse  quoque 
historiae  atque  etmm  magis  oraimmm  leäione  susceptos  a  se  disdptdos 
instruxerit.  es  läszt  sich  nun  docb  nicht  aunebmen,  dasz  Qoint  eine 
aufgäbe^  welche  er  dort  aosdrückJich  den  rbetoren  zuweist,  hier,  wo 
er  die  grenzen  zwischen  den  beiderseitigen  aufgaben  zieht,  den 
gram mati kern  Überlasfien  bat.  übrigens  verträgt  sich  die  lesart 
podanim  hiäoricorumque  auch  nicht  recht  mit  dem  inbalt  des 
caüsalen  nebensatzes.  wir  hätten  folgende  gedankenverbindung : 
denn  schwach  an  der  quelle  iieszt  sie,  nachdem  sie  die  kräfte  der 
dichter  und  historiker  in  sich  aufgenommen  hat,  in  einem  schon 
hinlänglich  vollen  bette,  da  sie  augzer  der  lehre  von  der  richtigen 
Sprechweise  die  kenntnia  faät  aller  bedeutenden  künste  und  Wissen- 
schaften sich  angeeignet  bat,  der  causale  nebensata  würde  den  grund 
angeben,  warum  die  grammatik  nach  aneignung  der  kräfte 
der  dichter  und  bistoriker  in  einem  schon  hinlänglich  vollen 
bette  flieszt.  passen  in  diesen  satz  die  worte  praeter  ratiönem  recte 
loquendi  non pamm  alwqui  copiosam?  die  worte  cumprope  omnium 
maximarum  artium  scientiam  amplexa  sU  würden  sich  ganz  passend 
an  den  haüptsatz  anschlieazen :  denn  die  beranziehung  der  bedeutond- 
sten  künste  und  Wissenschaften  wurde  notwendig  wegen  der  erklä- 
mng  der  dichter  (vgl,  I  4,  4).  aber  die  ratio  recte  loquendi  hat  sieb 
die  grammatik  doch  nicht  erst  angeeignet ,  nachdem  sie  die  kräfte 
der  dichter  und  bistoriker  an  sich  gezogen  hatte,  der  eDtwicklungs- 
gang  derselben  war  vieiraehr  auch  nach  Quintilians  ansieht  folgen- 
der: an  die  grammatik  im  engsten  sinne  (den  buch  stoben  Unterricht) 
schlosz  sich  zunächst  die  ratw  rede  loquendi  an,  dann  kam  die  enar- 
ftdio  podarum  hinzu  und  in  deren  gefolge  die  sckntia  prope  omnium 
moMmarum  artium. 

Ein  bedenken  bleibt  allerdings  bei  meinem  Vorschlag,  worauf 
übrigens  Becher  nicht  aufmerksam  gemacht  bat.  wenn  wir  toi  ritto- 
fum  fluuiorumque  schreiben,  so  erklärt  der  nebensatz,  inwiefern  die 
grammatik  so  viele  Zuflüsse  erhalten  hat.  läszt  sich  nun  annehmen, 
dasz  Quint.  in  diesem  satzo  einen  ihrer  bedeutendsten  Zuflüsse ,  die 
enarraiio  poeiarum,  nicht  erwähnt  hatV  ich  halte  diese  annähme  für 
unmöglich  und  glaube  daher,  dasz  \ or  prape  die  worte  poetarum 
enarrationetn  et  ausgefallen  sind,  setzen  wir  diese  wortö  ein,  so 
erhalten  wir  folgenden  gedanken :  ^denn  schwach  an  der  quelle  strömt 
sie  nach  aufnähme  der  kräfte  so  vieler  bäche  und  itlsse  in  einem 
schon  hinlänglich  voDen  bette  dahin,  da  sie  auszer  der  lehre  von  der 
richtigen  Sprechweise,  welche  ohnehin  schon  umfangreich  genug  ist, 
auch  die  erklärung  der  dichter  und  die  kenntnis  fast  aller  bedeuten- 
den künste  und  Wissenschaften  sich  angeeignet  hat/ 


MEiderlin:  zum  ersten  und  zweiten  buche  des  Quintilianus.      75 

n  2,  11  ufdtum  igüur  praeceptoris  intueri  tarn  qui  audiunt 
dehent  quam  ipse  qui  dicU:  üa  enim  pröbanda  atque  inprohanda 
discernet,  si  stüo  facultas  continget,  audüione  iudidum.  so  Halm 
und  Meister,  in  den  frühem  ausgaben  steht  discement:  sie.  ich 
möchte  fast  glauben,  dasz  discernet  durch  ein  versehen  in  die 
Halmsche  ausgäbe  gekommen  ist.  denn  da  alle  hgg.  von  Burman 
an  (die  altem  ausgaben  konnte  ich  nicht  einsehen)  discernent  schrei- 
ben^ so  hätte  Halm  doch  im  apparate  irgend  eine  angäbe  machen 
müssen,  wenn  er  von  dieser  lesart  hätte  abgehen  wollen,  er  hat  aber 
hierüber  gar  nichts  bemerkt,  discernet  passt  auch  nicht  in  den  Zu- 
sammenhang, da  in  dem  vorhergehenden  satze  von  den  zuhörenden 
und  von  dem  vortragenden  die  rede  ist  und  ebenso  in  dem  folgen- 
den (denn  bei  stUo  ist  an  den  vortragenden^  bei  auditione  an  die  zu- 
hörenden zu  denken),  so  musz  auch  in  dem  dazwischen  stehenden 
satze  von  beiden  teilen  die  rede  sein,  zu  si  bemerkte  Halm:  'sie 
edd.  uett.',  woraus  geschlossen  werden  darf,  dasz  alle  seine  hss.  5t 
geben,  passt  aber  5t  in  den  Zusammenhang?  wir  hätten  folgenden 
gedanken:  denn  nur  dann  werden  sie  das  lobenswerte  und  das 
tadelnswerte  unterscheiden,  wenn  durch  das  schreiben  die  rede- 
fähigkeit,  durch  das  zuhören  urteil  gewonnen  wird,  dieser  gedanke 
schlieszt  sich  weder  an  die  vorausgehende  forderung,  dasz  man  auf 
die  miene  des  lehrers  blicken  solle ,  passend  an ,  noch  ist  er  an  und 
für  sich  betrachtet  richtig,  denn  die  Unterscheidung  des  lobens- 
werten und  tadelnswerten  ist  nicht  abhängig  von  der  erreichung 
der  facultas  dicendi,  es  besteht  vielmehr  das  umgekehrte  Verhältnis: 
nur  derjenige  wird  es  zur  facultas  dicendi  bringen,  welcher  sich  vor- 
her die  fähigkeit  das  lobenswerte  und  das  tadelnswerte  zu  unter- 
scheiden angeeignet  hat.  wenn  wir  discernent y  sie  schreiben,  so  er- 
halten wir  folgende  gedanken  Verbindung :  auf  die  miene  des  lehrers 
also  sollen  sowohl  die  zuhörenden  als  auch  der  vortragende  selbst 
blicken:  denn  so  werden  sie  das  lobenswerte  und  das  tadelnswerte 
unterscheiden ,  so  wird  durch  die  ausarbeitung  redefähigkeit,  durch 
das  zuhören  urteil  gewonnen  werden,  auffallend  i^t  stilo.  man  würde 
eher  diäione  erwarten ,  welches  wort  dem  vorhergehenden  dicit  gut 
entsprechen  und  einen  passenden  gegensatz  zu  auditione  bilden 
würde.  Quint.  hat  auch  diäio  in  der  bedeutung  'übungs Vortrag'  ge- 
braucht; vgl.  §  6  in  laudandis  discipulorum  dictionitms  nee  malignus 
nee  effusus.  unerklärlich  ist  jedoch  stilo  nicht,  denn  wenn  der  vor- 
tragende auf  die  miene  des  lehrers  blickt,  so  übt  dies  eine  günstige 
Wirkung  auf  seine  häuslichen  ausarbeitungen  aus,  und  wer  bei  diesen 
das  richtige  verfahren  beobachtet,  wird  auch  das  ziel,  die  facultas 
dicendi  y  erreichen,  klarer  hätte  sich  Quint.  freilich  ausgedrückt, 
wenn  er  geschrieben  hätte:  ita  enim  prohanda  atque  inprohanda 
discernent  ^ety  dictione  facultas  continget ^  auditione  iudidum, 

II  4,  30  f.  cum  €0  quidemj  quod  uix  uUus  est  tam  communis 
locus ,  qui  possit  cohaerere  cum  causa  nisi  dtiquo  propriae  quaestionis 
uinculo  copulatus  (appareat  alioqui  non  tam  insertum  quam  adplici- 


76      MKiderlin:  tum  eraten  und  zweiten  buche  des  Quintilionus. 

tum\  uel  quod  dissimilis  est  ceteriSy  uel  quod  pkfnmque  adsumi  etiam 
parum  apte  scld^  non  guia  desideratur^  sed  quia  paraius  est.  Halm 
gibt  an:  ^appareai  alioqui  Spalding  (ad  X  3^  16):  nppareatque  cum 
libri»  eed  in  A  litterae  que  eum  m.  2  m  ras.'  zu  X  3,  16  bemerkte 
Spalding  r  *ex  ea  autem  quae  bic  est  forma  immuiescamus  alioqui 
facile  apparet  iosta  emendatio  loci  II  4^  30.  legemus  ibi  appareat 
alioquV  er  meinte  offenbar,  dass  appareatque  au  verändern  sei  in 
appareat  alwquL*  warum  Halm  das  in  allen  hss.  stebende  eum  be* 
seitigt  bat ,  hi  nicbt  einzusehen,  es  ist  gewis  zu  billigen  ^  dasz  es 
Meister  wieder  in  den  text  gesetzt  hat.  mir  scheint  aber  die  stelle 
noch  einer  andern  Verbesserung  zu  bedürfen,  was  soll  das  zwischen 
est  und  communis  stellende  tarn?  wenn  manlieat:  ^dazu  kommt  dasz 
es  kaum  irgend  eine  so  allgemeine  erärterung  gibt,  welche  mit 
einem  falle  {causa)  zusammenhängen  kann^  so  musz  man  glauben: 
je  allgemeiner  eine  erörterung  ist^  desto  besser  kann  sie  mit  einem' 
falle  zusammenbEugen.'  Quint»  war  aber  anderer  meinung,  wie  die 
werte  nisi  aliquo  propriae  quaestionis  uincuh  copulatus  deutlich 
zeigen;  er  war  der  ansiebt,  dasz  eine  allgemeine  erörterung,  wenn 
Bie  mit  dem  falle  zusammenhängen  soll,  nicht  ganz  allgemein  sein 
darf,  sondern  dasz  sie  irgend  eine  besondere  frage  enthalten  musz, 
durch  welche  sie  mit  dem  falle  verbunden  wird,  ich  glaube  daher, 
dasz  tarn  zu  streichen  ist.  zu  der  ganzen  stelle  kann  man  vergleichen 
XIl  9, 17  inuiU  enim  recedimt  a  praeparatis  et  tota  actione  resptcmni 
reguiruntquey  num  aliquid  ex  Ulis  interueUi  atque  ex  tempore  dicenäis] 
inseri possit :  quod  $i  fiat^  tkm  cofmeret  nee  commissuris  modo,  ut 
opere  male  iuncto^  hiantibus,  sed  ipsa  caloris  inaequaliiate  ddegäur* 

II  4,  33  legum  laus  ac  uituperaiio  iam  maiores  ac  prope  summi 
operihus  suffecturas  uires  desiderant:  quae  quidetn  suasoriis  an  contro- 
uersiis  magis  ae&ymmodaia  sit  exercitaiio,  consuetudine  et  iure  cimtatium 
differt.  apud  Graeeos  enim  lator  earum  ad  iudieefn  uocxihatur :  Bc- 
manis  pro  coniiane  suadere  ac  dissuadere  moris  fuit,  in  den  blättern  t* 
d.  bayr.  gw.  1886  s,  209  schlug  ich  vor  accommodata  in  accommadanda 
zu  verändern,  um  den  sinn  zu  gewinnen:  ^ob  diese  Übung  mehr  nach 
dem  muster  der  masoriae  oder  der  controuersiae  einzurichten  ist, 
hängt  von  der  gewohnheit  und  dem  rechte  der  Staaten  ab*'  gegen 
diesen  Vorschlag  bemerkte  Becher  (Bursian-Müllera  jahresb.  1887): 
Varum  soll  ich  die  überlieferten  worte  nicht  übersetzen :  ob  diese 
Übung  sich  mehr  eignet  für  die  (form  der)  suasoriae  oder  die  contro- 
uersiae^ so  dasz  derselbe  sinn  herauskommt,  den  Eiderlin  durch 
Seine  conjectnr  accommodanda  sit  erreichen  will?'  ob  er  berechtigt 
ist  die  einscbaltung  (form  der)  zu  machen,  erächeint  mir  zweifelhaft, 
wenn  ich  aber  auch  davon  absehen  wollte,  zu  dem  von  mir  ge- 
wünschten sinne  kommt  er  nur  dann,  wenn  er  übersetzt:  ob  sich I 
für  diese  Übung  mehr  die  form  der  suasoriae  oder  die  der  contra- 

*  einige  uuieTStüizung  findet  diese  conjeclur  durch  N»  welcher 
appareat  atque  eum  gilt,  dat  zweite  at  kann  freilich  auch  durch  ditto- 
grapbie  entstaadeo  seio« 


MEiderlin:  zam  ersten  und  zweiten  buche  des  QuinülianoB.       77 

tiersiae  eignet   zu  dieser  Übersetzung  dürften  aber  die  überlieferten 
Worte  doch  kaum  ein  recht  geben. 

II  5,  4  ff.  et  hercide pradeäio ,  quae  in  hoc  adhibetur,  ut  facüe 
atque  distinde  pueri  scripta  oculis  sequantur^  etiam  iZZa,  quae  uim 
cuiusque  uerhiy  si  quod  mimis  usttatutn  incidat^  docety  mvMum  infra 
rhetoris  officium  existimanda  est,  at  demonstrare  uirttUes  ud^  ai 
quando  üa  incidat,  uitia,  id  professionis  eius  atque  pronUssi,  quo  sc 
magistrum  doquentiae  poUicäur,  maxime  proprium  est^  eo  quidem 
ualidiuSy  quod  non  utique  hunc  läborem  docentium  postulOy  ut  ad  gre- 
mium  reuocatis  cuius  quisque  eorum  uelU  lihri  ledione  deseruiani, 
nam  mihi  cum  faciUuSy  tum  etiam  muUo  uidetur  magis  utile  ^  facto 
sHentio  unum  cdiquemy  quod  ipsum  imperariper  uices  Optimum  esty 
constituere  Uvtaem ,  ut  protinus  pronuntiationi  quoque  adsuescant. 
Quint.  macht  es  in  diesem  cap.  dem  rhetor  zur  pflicht,  seine  schüler 
durch  das  lesen  von  rednem  und  historikem  für  den  rednerberuf  vor- 
zubereiten, und  legt  dar,  welches  verfahren  er  bei  dieser  lectüre  be- 
obachtet wissen  will.  Schwierigkeiten  machen  die  worte  cuius  quisque 
eorum  uelit  libri  Uctione.  so  steht  in  Bn  und  Bg.  N  gibt  cuiusque 
eorum  uelit  libri  Uctione  ^  A  cuiusque  eorum  liberis  ledione,  manig- 
fache  Verbesserungsversuche  sind  gemacht  worden.  Regius  schlug 
vor:  reuocatis quibusque eorum^  udut liberis,  ledione^  Zumpt:  reuocati 
cuiusque  eorum  ledioni,  GHermann :  reuocatis  cuiusque  liberis  ledione^ 
Meister:  reuocatis  cuius  cuique  eorum  libuerit  libri  ledione y  Faber: 
reuocatis  cuiusque  eorum  libri  ledione  udut.  es  würde  zu  viel  räum 
in  anspruch  nehmen,  wenn  ich  alle  diese  lesarten  und  vorschlage  be- 
sprechen wollte,  ich  beschränke  mich  deshalb  darauf,  die  lesart  des 
Bn  einer  prüfung  zu  unterziehen,  weil  dieselbe  in  allen  neuem  aus- 
gaben aufnähme  gefunden  hat.  was  unter  ad  gremium  reuocatis  zu 
verstehen  ist,  ist  klar.  Spalding  bemerkte  treffend :  *gremium  signi- 
ficat  tenerae  aetatis  institutionem.  cf.  I  1,  24.  I  2^  1.  II  4,  15.  eo 
reuocari  est  puerili  rursus  institutioni  tradi.'  Quint.  mutet  dem 
rhetor  nicht  das  bei  dem  ersten  leseunterricht  übliche  verfahren  zu. 
aus  den  w orten  cuius  quisque  eorum  udit  libri  ledione  müste  nun 
geschlossen  werden ,  dasz  zu  Quintilians  zeit  die  lehrer  den  knaben, 
welche  das  lesen  lernen  sollten,  die  wähl  des  zu  lesenden  bnches 
überlieszen.  läszt  sich  dies  annehmen?  es  ist  schon  deshalb  ganz 
undenkbar,  .weil  knaben  dieses  alters  noch  nicht  mehrere  bücher 
kennen,  also  auch  keine  wähl  treffen  können,  selbstverständlich  hat 
auch  in  jener  zeit  der  lehrer  das  lesebuch  bestimmt,  was  er  dann 
zu  thun  hatte,  zeigen  die  worte ^a€26C^to ,  quae  in  hoc  adhibetur^  ut 
facäe  atque  distinde  pueri  scripta  ocuUs  sequantur.  damit  die  kna- 
ben das  geschriebene  leicht  und  genau  nachlesen  und  nachsprechen 
lernten,  muste  er  ihnen  jedes  wort  des  geschriebenen  deutlich  und 
genau  vorlesen  (vgl.  auch  §  3  si  legentibus  singulis  pradre  semper 
ipsi  udint),   ich  glaube  daher,  dasz  aus  cuiusque^  eorum  udit  libri 

'  Bn  gibt  cuius  quisque.    wahrscheinlich  wurde  quis  wegen  uelit  ein- 
gefletst. 


78 


ThSungl:  zu  Valerius  MaximuB  [Till  10,2]» 


Uctione  (N)  zu  machen  ist:  cuiusque  eorum  uerbi  prael 
wenn  statt  ucrhi  aus  versehen  ueli  U  geschrieben  war,  so  kann  u 
U  prae  in  uelU  lihri  corrigiert  worden  sein.  ■*  wenn  Quint,  dem  rhet 
das  lesen  von  redeern  und  Mstorikern  zur  pfliclit  macht,  so  meint 
nicht,  dasz  dieser  seinen  echülern  wie  kleinen  knaben  jedes  wort  d< 
selben  vorlesen  solle;  er  soll  vielmehr  die  schulet  selbst,  am  best 
abwechselnd f  lesen  lassen  und  dann,  wenn  dies  geschehen  ist,  a 
die  vor2Uge  und  mängel  des  gelesenen  aufmerksam  machen,  da  1; 
ut  ad  gremium  .  .  deseruiant  ohne  zweifei  die  worte  praekdio 
scripta  oculis  sequ^niur  vorschwebten,  so  läszt  sieh  eorum  recht  i 
auf  scripta  beziehen;  Quint  kann  übrigens  bei  eorum  auch  all 
oratores  et  Mstorici  gedacht  haben  (construttio  ad  sensum). 


*  liberü,   was   A    statt   ueHi  iibri  gibt,   ist   wohl   auch    als   ein] 
beaaerunggversticli  anÄiiselien. 

MtJNCHKN.  MORIZ  KlDEB 


Zu  VALEEIUS  MAXIMUS. 


VIII  10,  2  constat  Äesopum  üosciumqu^  ludicrae  artis  perUiSi 
mos  Hartensio  catisas  agente  in  corona  freqttenter  adstUisse ,  ui  fa 
petiiüs  gestus  in  scaenam  deferrent  (referrent  alle  hss.  und  an 
gaben;  in  scaena  referrent  vermutet,  selbst  zweifelnd,  KKempf 
seiner  neubearbeitung  v.  j-  1888  s,  399,  3).  die  fünf  stellen,  i 
welchen  Valerius  defcro  in  mehr  oder  minder  ähnliclien  verbindn 
gen  gebraucht,  findet  man  bei  Georges',  hier  soll  blosz  verwies 
werden  auf  Cicero  de  or.  III  227  Gracchi  fisiulatorem  domi  reli 
queiiSy  sensttm  huius  consuetuäinis  whiscum  ad  forum  defereHs - 
auf  diese  stelle  vornehmlich  deshalb,  weil  de  or.  III  225 — 227  v 
Valeriuö,  wie  bereits  Kempf  bemerkt  hat,  in  dem  unmittelbar  v( 
hergehenden  paragraphen  des  gleichen  capitels  benutzt  ist  — ;  fem 
auf  de  <?r,  lU  74  cum  in  forum  ingenii  tantum  quantum  ipse  8eni\ 
non  tantum  quantum  forsiian  vobis  videar^  detulissem,  III  162  < 
fugienda  dissimüUudc:  ^caeli  ingentes  fdrnice$\  quamvis  '^phaerat 
in  scaenam^  ut  didtur,  aUulerit  Ennius^  tarnen  in  sphaera  fomü 
mniUtudo  n&n  potest  inesse.  die  von  Georges^  unter  scaena  IIa 
geführte  Verbindung  fahulam  in  scaenam  deferre  scheint»  woran  d 
heraüsgeber  dieser  Jahrbücher  mich  erinnert,  ungenau  bezng 
nehmen  auf  Suetonius  vita  Terenti  e.  3  C.  Memmius  in  oratione  p 
$e  aii:  'P.  ÄfricanuSy  qui  a  Terentio  personam  mutuatus  quue  dm 
luserat  ipse  nomine  iUius  in  scaenam  detuHt/ 

MtJNCHEN.  Thomas  STAiiajl 


YLundström:  Statiana.  79 

9. 

STATIANA. 


Silv.  II  4,  9  sq. 

cedat  Phaäthontia  vulgi 
fahiUa:  non  soU  celebrant  «ua  funera  cygni. 
neminem,  quantum  scio,  in  bis  versibus  interpretandis  esse  ea  diffi- 
cultate  offensam,  qua  ipse  facere  non  possum  quin  offendar,  magno- 
pere  miror.  omnes  enim,  ni  fallor,  bos  versus  ita  intellexerunt ,  ut 
cogitaret  poeta  de  nenia  illa,  quam  olor  mortem  praesentiens  canora 
voce  canere  putabatur  (cf.  silv.  V  3,  80.  Ov.  met.  XIV  430.  Aescb. 
Ag.  1407  al.).  difficile  autem  est  intellectu,  quid  babeat  baec  res 
cum  Pba^tbontia  fabula  commune,  nam  in  ea  fabula  id  solum  de 
cygno  narratur^  Cygnum  filium  Stbeneli  Pba^tbontis  cognati  et  amici 
mortem  deplorasse  et  in  avem  commutatum  esse  (Ov.  met.  II  367  sq. 
Yerg.  Aen.  X  189  sq.).  qua  re  si  locum  ita  intellegimus ,  poetae 
tribuenda  est  oblivio  vel  neglegentia  vix  credibilis  in  viro  fabularum 
peritissimo.  ceternm  non  intellegitur,  quando  et  quo  modo  psittacns 
cygneam  illam  neniam  cecinerit:  boc  enim  solum  poeta  narrat,  eum 
beri  in  cena  adfuisse  et  tunc,  ut  semper^  'meditata  verba  reddidisse'. 
quibus  rebus  commotus  persuasum  babeo  de  cantu ,  quo  olor  sua 
ipsius  funera  celebret,  nequaquam  cogitandum  esse,  loci  intellegendi 
et  emendandi  viam  versus  sequentes  ostendere  videntur^  quibus  poeta 
praemissa  caveae  descriptione  (v.  11 — 15)  doctas  aves  eo  convenire 
iubet  (v.  16)  ad  cognatum  deplorandum  funusque  celebrandum 
(v.  21  sq.).  et  agitur  de  bac  re  in  tota  buius  silvae  posteriore  parte, 
quae  cum  ita  sint^  cuinam  non  appareat  etiam  verba  celebrant  funera 
(v.  10)  ad  banc  rem  spectare  et  omne  enuntiatum  cedat .  .  cygni  ad 
banc  alteram  poematis  partem  transitum  efficere?  re  vera  poetae 
sententia  baec  est:  cum  cygnus  solus  Pbaätbonta  mortuum  deplora- 
verit,  tua  funera  plures  aves  celebrabunt  (sive  celebrent).  neque 
amplius  duabus  litteris  mutatis  poetae  verba  illam  dabunt  sententiam : 

cedat  Fhaethontia  vülgi 
fabula:  non  soli  celebrent  tua  funera  cygni, 
Statins  postquam  v.  8  sq.  at  nunc  .  .  habes  psittacum  mortuum  esse 
dixit,  ad  funera  eins  multas  aves  doctas  ('ein  cygnus  sei  nicbt  der 
einzige  vogel,  der  deinen  tod  feiert')  accire  vult.  boc  autem  loco 
facere  non  potest,  quin  caveae,  quo  conveniant,  magnificentiam 
laudibus  tollat,  quam  ob  rem  non  prius  quam  v.  16  pergit:  huc 
doctae  stipentur  aves.  ceterum  facile  intellegitur,  cur  librarius  verba 
poetae  mutaverit,  ut  spectarent  ad  fabulam  Omnibus  temporibus 
acceptissimam. 

Verba  quae  sequuntur  at  tibi  bene  videntur  mutari,  si  mutatio 
est,  in  a!  tibi,  quo  facto  dilucidior  elegantiorque  evadit  sententiarum 
conexio ,  quod  iam  AOtto  (mus.  Eben.  XLII  p.  533)  aliis  ex  parte 
rationibus,  quas  probare  non  possum ,  commotus  faciendum  censuit. 


80 


VLuBdßtröm:  Statiana, 


Silv.  III  5,  93  sq. 

quid  laudem  lüus  UbertcUemqf^  Menandri^ 
quam  Bomanus  honos  ei  Graia  Ucefitia  miscent? 
horum  versuum  priorem  ßOM  posse,  ut  in  codicibias  exhibetur,  in- 
tellegi  ieter  omEes ,  credo,  coDstat,  et  censaerunt  una  voce,  qui 
biinc  locum  tractarunt,  aliquid  esse  mutandum.  neqiie  dubmm 
plerisque  visuiu  est,  quin  in  voce  Menandri  mendum  lateret:  quid 
enim  esse  Menandro  cum  boc  toto  loco  et  praecipue  cum  Romano 
hotiore?  raagiia  igitur  seges  coniecturarum  virorum  doctorum  in 
lucem  prolata  est  buius  verH  difficultatej  ueque  tarnen  quisquam 
nobis  comprobövitj  qiiid  boc  loco  sibi  velleni  EofnanusJionos  et  Graia 
Uccniia  neque  quo  modo  hi  duo  versus,  quod  ad  argumeDtum  attinet^ 
inter  se  conecti  possent.  qtiam  ob  rem  equidem  prorsus  aliam  viam 
ingressus,  cum  poeta  in  proximis  versibus  de  tbeatm  Neapolitanis 
Indisque  solle  mnibue  mentionem  fecerit,  verba  Uhertatemque  Menandri 
non  modo  corruptai  sed  ne  suspicione  quidem  digna  indico«  an  quis 
potest  iure  offendi,  quod  Statius  de  scaenicis  rebus  agens  übertatem 
Menandri  h,  e.  comoedias  palHatas  Neapoli  nondum  e  scaena  eipulaas 
commerooraveritV  nonne  potius  credibile  videtur  Statium  bis  verbis 
inter  alia  patriae  suae  bona  id  quoque  monitum  voluisse,  veraa 
fabulas,  non  solum  luimos  pantomimosque,  quibtis  Eomae  clamosi 
iurba  theatri  (v.  16)  delectabatur,  etiam  tum  ibi  agi  (comoedias 
palliatas  etiam  diu  post  Statu  tmnpora  actas  esse  docet  Friedlaender 
sitttngescb*  II*  p-4i4  sq.  620  sq.)?  quod  quigquis  mibi  concesserit^ 
ei  etiam  confitcndum  erit.  verba  quam  Eomanus  hanos  et  Grata 
Ucentia  miscent  aptissime  dicta  esse  de  Menandri  fabuUs  latine  con- 
vereis  et  praecipue  de  comoediis  Terentii,  quippe  quem  Cicero  (apad 
Suetonium  in  vita  Ter.)  landet  EomanJB  in  medium  efferre  Menan- 
drum  sedatis  matihus  nee  non  Caesar  (ibd*)  nominet  dimidiatum 
Menandrum,  neque  nunc  quicquam  restat  nisi  ut  e  voce  lüus  baud 
dubie  corropta  veram  eruamus  lectionem.  nonne  minima  mutaiione 
possumus  &cribere  Utes?  ita  nobis  verba  poetae  banc  ostendunt 
speciem : 

quid  laudem  Utes  Uhertatemque  Menandrij 
quam  Bomanus  honos  et  Grata  Ucentia  miscemi? 
liies  Uhertatemque  (b.  e.  litium  libertalem  sive  liberas  Utes)  poeta 
dicit  iocosa  illa  turgia,  quibuB  comoediarum  di?erbia  scatent.  quae 
in  comoediis  ipsis  eaepe  lites  vocantur:  cf.  Plauti  Rud,  683  sat 
Utiumst,  1060  quid  est  qua  de  re  nunc  inter  vos  lUigadis?  Sticbi  79 
seh  litis  fore  (ubi  mir&bili  quodam  casu  factum  est»  ttt  in  codice  Ana- 
brosiano  lUis  in  lÜus  corrumperetnr).  ceterum  ad  verba  l%i4^  Uherta- 
iemque  .  .  quam  .  .  miscent  conferenda  sunt  nota  itla  Li  vi ana  praevia 
miscere^  cert^mina  miscere  al. 

ÜP8ALIAE.  VlLHELM  LuNDSTEdM* 


ERSTE  ABTEILUNG 
FÜB  CLASSISCHE  PHILOLOGIE 

HERAUSGEGEBEN  VON  ALFRED  FlECK£ISEN. 


10. 

VOBHOMEBISCHE  KAMPPSCHILDEBUNGEN  IN  DEB  ILIAS. 


Betrachtet  man  die  in  der  Ilias  and  Odyssee  geschilderte  weit 
als  einen  in  sich  abgeschlossenen  abschnitt  der  culturentwicklnng, 
der  nngeföhr  beginnt  mit  dem  entstehen  der  ältesten  teile  der  Ilias 
und  dessen  abschlusz  nicht  vor  die  entstehong  der  jfingsten  teile  der 
Homerischen  epen  zu  setzen  ist,  so  gelangt  man  za  der  anscbaanng 
von  einem  Homerischen  Zeitalter,  einer  cnltorstnie  mit  angefl&hr 
gleichartigen  lebensformen.  doch  ist  diese  gleichartigkeit  so  zu 
denken ,  dasz  ältere  und  jfingere  formen  neben  einander  bestehen, 
es  ist  dies  der  Standpunkt,  auf  den  sich  beispielsweise  WHelbig  in 
seiner  bekannten  darstellung  der  Homerischen  cultur  stellt  (das 
Homerische  epos  aus  den  denkmälem  erläutert,  2e  aufl.,  Leipzig 
1887);  er  registriert  was  sich  an  erscheinungen  in  den  Homerischen 
gedichten  findet  und  sieht  alles  als  nahezu  gleichzeitig  und  neben 
einander  stehend  an,  wie  es  sich  in  diesen  epen  neben  einander  findet, 
für  den  zweck  einer  abgeschlossenen  darstellung  ist  dieser  Stand- 
punkt zweifellos  praktisch,  doch  läszt  sich  auch  ein  anderer  Stand- 
punkt als  möglich  und  vielleicht  als  nötig  denken,  falls  sich  nem* 
lieh  irgend  erhebliche  unterschiede  der  lebensformen  zeigen  sollten, 
die  sich  mit  der  annähme  einer  gleichzeitigkeit  nicht  vereinigen 
lassen,  so  würde  es  nötig  sein  diese  unterschiede  sorgfältig  fest- 
zustellen, um  zu  untersuchen,  ob  das  gleichzeitige  auftreten  im  epos 
auch  einer  wirklichen  gleichzeitigkeit  der  betreffenden  erscheinungen 
entspricht,  oder  ob  ursprünglich  weit  aus  einander  liegende  lebens- 
formen durch  mehr  zufällige  Ursachen  in  dem  epos  vereinigt  worden 
sind,  solche  Verschiedenheiten  sind  aber  vorzüglich  hinsichtlich  der 
bewafihung  thatsächlich  vorhanden  und  müssen  besonders  auf&Jlen, 
wenn  sie  in  einer  zusammenhangenden  Schilderung  eine  und  dieselbe 
person  betreffen,  ein  beispiel  dieser  art  finden  wir  in  der  Aristeia 
des  Diomedes  (€).   hier  wird  v.  98  ff.  erzählt,  wie  ein  pfeil  des  Pan- 

Jahrbüeher  für  eUss.  philol.  1S9S  hft.  S.  6 


82         HKluge:  vorhomerische  kampfschild eräugen  in  der  Iliaa. 

daros  den  Diomedea  in  die  rechte  s^hnlter  trifft  und  darch  den  panzer 
schlägt;  V.  100  versichert  noch  auadrücklich :  TraX6cceT0  h'  ai^an 
OÜJpIlH.  dagegen  wird  schon  111  ff.»  wo  Sthenelos  den  pfeil  aus  der 
wunde  zieht,  der  panzer  gänzlich  ignoriert*  ganz  auffällig  aber  ist 
der  widergpraeh  795  ff.,  wf>  Diomedes  dasteht,  mit  der  band  den 
hreiten  schüdriemen  hochhaltend,  weil  der  schweisz  unter  dem  riemen 
ihn  auf  der  wunde  quält;  er  kühlt  die  wunde  und  wischt  das  blut 
ab,  wir  fragen  uns  vergeblich,  wie  sich  dies  mit  der  vorhergegangenen 
Schilderung  verträgt,  die  Diomedes  mit  einem  brusthamisch  bekleidet 
darstellt,  denn  1)  hindert  die  platte  des  panzers  die  berührung  der 
wunde  durch  den  riemen;  2)  ist  ein  kühlen  der  wunde  nicht  auszu- 
führen» so  lange  der  panzer  darüber  befindlich  istj  3)  wie  kann  Dio- 
medes das  blut  von  der  wunde  wischen,  wenn  sie  der  panzer  zu- 
deckt? von  einem  ablegen  des  panzers  aber  ist  so  wenig  die  rede  wie 
nachfeer  von  einem  wiederanlegen*  auch  beweist  die  angedeutete 
Stellung  (das  hochheben  des  schildriemens),  dasz  Diomedes  v5]lig 
gerüstet,  den  Schild  an  der  schulter  hängend,  neben  seinem  wagen 
gteht,  nur  um  ein  wenig  zu  verschnanfen.  dagegen  erklärt  sich  die 
Situation  durch  sich  selbst,  wenn  Diomedes  un gepanzert  gedacht 
wird,  wie  in  dem  vorliegenden  falle  ohne  zweifei  die  Schilderung 
den  mangel  des  später  allgemein  bekannten  panzers  voraussetzt,  so 
ist  noch  in  einer  reihe  von  Iliasstellen  anzunehmen,  dasz  dem  dichter 
der  Schilderungen  beiden  ohne  panzer  vorgeschwebt  haben,  da  ent- 
weder auffallender  weise  ein  panzer  nicht  erwähnt  ist,  oder  da  mit 
der  Situation  eine  panzerung  geradezu  unvereinbar  ist.  in  ähnlicher 
weise  sind  sehilderungen  vorhanden ,  die  den  in  der  IHas  allgemein 
vorausgesetzten  heim  mit  backen-  und  halssehutz  nicht  kennen,  auch 
die  beinschienen,  die  sonst  als  so  selbstverständlich  gelten,  dasz  die 
Achaier  davon  da^  bei  wort  cuKvrmibcc  erkalten,  scheinen  an  einigen 
stellen  unbekannt,  im  folgenden  sollen  die  einschlägigen  stellen 
einer  nähern  besprechung  unterzogen  werden. 


1,    üngepanzerte  krieger. 

Die  in  betracbt  kommenden  Schilderungen  sind  zu  einem  teile 
kürzer  und  fluchtiger,  so  dasz  an  sieb  die  unterlassene  erwähnnng 
des  panzers  nicht  besonders  merkwürdig  erscheint  und  erst  durch 
das  danebentreten  von  andern  auffallendem  hinweisen  auf  panzer- 
losigkeit  erhöhte  bedeutnng  gewinnt,  solche  stellen  sind  A  468 
(Verwundung  der  seite),  480  (brüst),  525  (brüst),  G  19  (brüst), 
46  (echulter),  145  (brüst),  H  14  f.  (schulter),  6  303  u.  313  (brüst), 
A  144  (brüst),  320  (brüst),  339  (hüfte),  421  (schulter),  N  126 
(brüst),  619  (schulter),  £450  (schulter),  0  341  (schulter),  420 
(brüst),  523  (brüst),  577  (brüst),  650  (brüst),  TT  311  (brüst),  697 
(bruBt),  Y  402  (rücken),  486  (lunge),  488  (rücken). 

Die  in  diesen  Schilderungen  als  verwundet  bezeichneten  körper- 
teile  werden  ihrer  läge  nach  sämtlich  von  dem  panzer,  wie  ihn  die 


HKluge:  vorhomerische  kampfBchfldenmgen  in  der  Ilias.         83 

Ilias  kennt,  bedeckt,  so  dasz  sie  bei  vorhandener  panzerung  nar  nach 
dnrcbbohrung  des  panzers  getroffen  werden  können,  wenn  nun  in 
allen  den  angeführten  stellen  der  panzer  trotzdem  nicht  erwähnt  ist, 
so  könnte  die  erwShnung  unterblieben  sein,  weil  die  Schilderung  nur 
kurz  gehalten  ist;  aber  es  steht  daneben  eine  ziemlich  betrSchtliche 
zahl  Yon  stellen,  wo  bei  gleicher  kürze  der  Schilderung  dennoch  aus- 
drücklich der  panzer  hervorgehoben  wird,  ich  sehe  dabei  von  sol- 
chen Schilderungen  ab  wie  N  586  f.  und  P  605 — 607,  weil  in  sol- 
chen fällen  der  panzer  eine  rettende  rolle  spielt  und  seine  erwähnung 
durch  die  sache  selbst  geboten  war.  nicht  der  fall  ist  das  aber 
r  355.  A  132  ff.  e  98  f.  188.  282.  539.  615.  H  252.  A  234.  435. 
M  189.  N  371  f.  438  ff.  506  f.  519.  0  529.  P  312—315.  519.  578. 
Y  413—416.  X  325.  an  allen  diesen  stellen  wird  erwähnt  oder  be- 
schrieben ,  wie  bei  der  Verwundung  der  panzer  durchbohrt  wird. 

Weit  auffälliger  als  in  den  zuerst  aufgeführten  stellen  wird  die 
Unterlassung  der  erwähnung  eines  panzers,  wenn  gröszere  ausftlhr- 
lichkeit  der  Schilderung  oder  andere  gründe  eine  erwähnung  zu  for- 
dern scheinen. 

So  wird  €  40  ff.  Odios  durch  eine  lanze  im  rücken  getroffen, 
so  dasz  die  spitze  durch  und  durch  geht  und  an  der  brüst  vom 
wieder  herausdringt,  es  ist  kein  panzer  erwähnt;  und  doch  hätte 
der  dichter  bei  einem  solchen  erfolge  des  wurfs  gewis  alle  Ursache 
gehabt,  die  an  sich  unerwartete  Überwindung  des  doppelten  hinder- 
nisses  von  rücken-  und  brustpanzer  neben  der  durchbohrung  des 
ganzen  körpers  besonders  hervorzuheben,  wenn  er  sich  einen  so  un- 
glaublich wuchtigen  wurf  vorgestellt  hätte,  hält  er  es  doch  für 
nötig  Y  413 — 416  besonders  zu  motivieren,  dasz  ein  lanzen wurf  des 
Achilleus  durch  rückenpanzer  und  leib  des  Poljdoros  hindurch- 
geht: er  läszt  die  lanze  an  der  zusammen fügungsstelle  des  brust- 
und  rückenpanzers  einfallen,  wenn  aber  sogar  bei  Achilleus  diese 
erklärung  nötig  scheint,  so  ist  es  doch  auffällig,  die  oben  erwähnte, 
bei  vorhandener  panzerung  schier  unglaubliche  leistung  als  etwas 
selbstverständliches  betrachtet  zu  sehen,  so  selbstverständliches,  dasz 
sie  noch  mehrere  male  wiederkehrt:  €  56.  6  258.  A  447.  es  ist  eben 
nur  anzunehmen,  dasz  der  dichter  sich  die  getroffenen  ungepanzert 
denkt,  auch  0  541  wiederholt  sich  eine  ähnliche  Situation.  Dolops 
wird  von  Menelaos  durch  einen  lanzenwurf  getötet,  indem  die  lanze 
von  hinten  durch  die  sehulter  geht  und  vom  aus  der  brast  wieder 
herausdringt,  es  gilt  hier  dasselbe  wie  an  obiger  stelle:  Dolops  ist 
nngepanzert  gedacht,  wenngleich  wenige  verse  vorher  bei  seinem 
gegner  Meges  der  panzer  ganz  ausführlich  erwähnt  ist. 

Weniger  aufföUig  ist  die  unterlassene  hervorhebung  des  panzers 
TT  289 ,  wo  Patroklos  den  führer  der  Paioner  in  die  rechte  Schulter 
trifft,  doch  erwartet  man  der  gewohnheit  des  epos  gemäsz  auch  hier 
den  panzer  erwähnt  zu  finden,  da  die  Verwundung  und  der  fall  des 
Pyraichmes  im  übrigen  weitläufig  beschrieben  wird.  —  TT  465  wird 
eine  Verwundung  veiaipav  Kaxd  T^CT^pa  geschildert,  ohne  dasz 

6* 


84        HKluge:  vorhomeriecbe  kaiDpfechildeTongen  in  der  Iliaa. 


Ton  einer  durcbbobrung  des  panzers  geeprochen  wirdi  während  doch 
€  615  f.  bei  einer  gleichen  verwundung(  veiaipri  iv  T^tCTpi)  der  panzer 
ausdrücklich  hervorgehoben  wird. 

Der  umgekehrte  fall  wie  €  40  liegt  U  309  f.  vor»  wo  Schedios 
durch  die  lanze  Hektors  tödlich  getroffen  wird;  die  lanae  dringt  beim 
scbltlsüelbein  ein  und  f^brt  an  der  schultet  wieder  herans.  da  von 
einem  panzer  nicht  gesprochen  wird  ^  obwohl  er ,  wenn  vorhanden, 
durchbohrt  werden  muste ,  so  ist  auch  hier  anzunehmen ,  daaz  der 
dichter  den  getroffenen  sich  ungepanzert  vorgestellt  hat.  —  TT  481  ff. 
beschreibt  das  epos  weitläufig  Verwundung  und  tod  des  Sarpedon. 
€r  wird  in  die  herzgegend  getroffen,  die  ohne  zweifei  diirch  einen 
panier  geschützt  sein  muste,  dennoch  wird  nichts  von  einer  durch- 
bohrung  des  panzers  gesagt,  was  bei  einer  so  ausftibrlicben  bescbrei- 
bung  sicher  nicht  unterlassen  wäre ,  wenn  der  dichter  dieser  stelle 
«ich  Sarpedon  mit  einem  panzer  versehen  gedacht  hätte,  —  Y  401  ff, 
wird  der  tod  des  Hippodamas  geschildert,  der  durch  Achilleus  lanze 
im  rücken  getroffen  wird,  doch  h5ren  wir  nichts  von  einem  panzer^ 
während  nur  wenige  verse  weiter,  v*  412  f.,  bei  beschreibung  des 
falles  des  Polydoros  genau  angegeben  wird,  an  welcher  stelle  Achil- 
leus  den  panzer  des  Polydoros  (der  ebenfalls  im  rücken  verwandet 
wird)  durchbohrt.  —  Auch  Y  486  ff,  fUllt  die  Unterlassung  der  er- 
wJLbnung  des  panzers  auf,  wo  eine  Verwundung  geschildert  wird,  bei 
der  die  lanze  in  die  limge  dringt,  die  getroffene  stelle  gehört  zu  den 
zweifellos  durch  den  brustpanzer  geschützten;  so  ist  auch  hier  auf 
ein  fehlen  des  panzers  zu  scblieazen. 

Noch  weniger  als  in  den  bisher  erörterten  fällen  kann  die  unter- 
lassene hervorhebung  des  panzers  in  folgenden  zwei  stellen  einem 
zu  fall  zugeschrieben  werden.  H  402  ff.  wird  erzählt,  wie  Hektor  den 
auf  ihn  losgehenden  Aias  mit  der  lanze  gerade  auf  die  brüst  trifft, 
aber  znfHllig  die  stelle»  wo  schildriemen  und  wehrgehenk  einander 
decken :  tlü  o\  ^ucdcör|v  Ttpeva  XP<^ö  heiszt  es  v.  406.  dasz  hier 
die  schützende  Wirkung  den  beiden  riemen  allein  zugeschrieben  wird, 
ohne  dasz  der  selbstverständlichere  und  stärkere  schlitz  des  panzers 
auch  nur  mit  einer  silbe  erwähnt  wird,  musz  im  höchsten  grade  auf- 
fallen, die  beschreibung  gibt  nur  dann  einen  rechten  sinn,  wenn 
man  annimt,  dasz  Aias  ungepanzert  ist  und  nur  dadurch  einer  töd- 
lichen Verwundung  entgeht,  dasz  zufällig  gerade  die  kleine  stelle 
getroffen  wird,  die  durch  zwei  (sich  wohl  kreuzende)  riemen  ge- 
deckt wird.  —  Ein  ähnlicher  fall  liegt  TT  399  f.  vor ,  wo  Pronoos 
von  Patroklos  in  die  brüst  getroffen  wird,  die  Verwundung  wird 
dadurch  erklärt,  dasz  die  brugt  gerade  vom  Schilde  entblöszt  ist; 
dem  Schilde  wird  also  der  alleinige  schütz  der  brüst  zugeschrieben. 
wäre  Pronoos  gepanzert  gedacht^  so  müste  man  doch  erwarten,  dasz 
geschildert  würde,  wie  auch  der  panzer  versagt,  nachdem  das  6ine 
Schutzmittel,  der  Schild,  unwirksam  geworden,  eine  zufällige  Unter- 
lassung der  erwähnung  wäre  eher  glaublich ,  wenn  gar  kein  achntz- 
mittel  erwähnt  wäre,  als  so  wo  die  ^ine  schutzwaffe  hervorgehoben 


HEluge:  vorhomerische  kampfBchilderungen  in  der  Ilias.        85 

wird,  die  andere  nicht,  während  an  andern  stellen  gerade  dem 
panzer  eine  heryorragend  schützende  kraft  zugeschrieben  wird,  so 
zb.  0  529  ff.  V  819.  P  605.  an  letzter  stelle  wird  sogar  erzählt, 
dasz  die  lanze  auf  dem  panzer  abbricht,  war  in  den  letzten  zwei 
fällen  eine  zufäUige  nichterwähnung  des  panzers  sehr  unwahrschein- 
lich ,  so  ist  sie  in  den  folgenden  geradezu  ausgeschlossen. 

In  einer  ausführlichen  kampfschilderung  A  516 — 538  heiszt  es 
525  f. ,  dasz  Peiroos  den  Diores  mit  der  lanze  in  der  nabelgegend 
durchbohrt,  y.  528  wird  dieser  Peiroos  von  Thoas  angegriffen  und 
erhält  einen  lanzenwurf  in  die  brüst,  dasz  die  spitze  in  die  lunge 
dringt,  bei  keinem  der  beiden  verwundeten  wird  das  Vorhandensein 
eines  panzers  erwähnt,  ebenso  wenig  geschieht  dies  v.  531 ,  wo  er- 
zählt  wird ,  dasz  Thoas  dem  Peiroos  das  schwort  mitten  in  den  leib 
stöszt  (yacT^pa  TUipe  M^aiv).  dasz  aber  die  bezeichnete  stelle  sonst 
als  vom  panzer  gedeckt  angesehen  wird,  beweisen  schlagend  die 
Schilderungen  €  615.  N  371  f.  506  f.  P  312  —  315.  319,  wo  bei 
lanzenstöszen  oder  lanzenwürfen  in  diese  körperstelle  ausdrücklich 
die  durchbohrung  oder  Zertrümmerung  des  panzers  beschrieben 
wird,  ebenso  weist  deutlich  auf  deckung  dieser  körpergegend  durch 
den  panzer  €  281  ff.  dort  heiszt  es:  die  lanze  des  Pandaros  drang 
durch  den  schild  des  Diomedes  und  kam  dem  panzer  nahe,  welche 
körperstelle  aber  bedroht  war,  zeigt  die  sanguinische  hoffnung  des 
Pandaros :  ß^ßXiiai  Keveuüva  biafiTiep^c.  deckt  aber  der  Homerische 
panzer  diese  stelle  (und  abbildungen  bestätigen  es  noch  überdies), 
so  kann  ein  schwertstosz  hier  keine  Verwundung,  geschweige  eine 
tödliche  wunde  bewirken.  Peiroos  ist  in  dieser  kampfschilderung 
ungepanzert  gedacht.  —  Ebenso  zweifellos  fehlt  der  panzer  dem 
Asteropaios  <t>  179  ff.  Achilleus  tötet  diesen,  nachdem  von  beiden 
kämpfern  ohne  erfolg  die  lanzen  geworfen  sind,  durch  einen  schwert- 
stosz in  den  leib ,  TCtCT^pa  irap*  öficpaXöv.  der  fall  liegt  hier  genau 
so  wie  an  der  vorhergehenden  stelle  (A  531):  die  getroffene  körper- 
stelle gilt  als  durch  den  panzer,  wenn  er  vorhanden  ist,  geschützt; 
wird  sie  durch  einen  schwertstosz  verwundet,  so  musz  der  ver- 
wundete ungepanzert  sein.  —  Ähnlich  liegt  die  sache  €  146.  Dio- 
medes versetzt  dem  Hypeiron  einen  so  furchtbaren  Schwertstreich 
zwischen  Schlüsselbein  und  schulter^  dasz  die  Schulter  vom  nacken 
und  rücken  abgetrennt  wird,  bei  vorhandener  panzerung  kann  dies 
nur  dann  geschehen ,  wenn  der  panzer  zerhauen  wird,  dies  müste 
aber  der  dichter  erwähnen,  da  es  durchaus  nicht  selbstverständlich 
ist,  und  würde  es  auch  erwähnen,  um  die  kraft  des  Diomedes  desto 
mehr  zu  rühmen,  wenn  er  sich  einen  solchen  hieb  vorgestellt  hätte, 
er  hat  aber  nichts  davon  gesagt,  weil  er  sich  den  Hypeiron  eben 
ungepanzert  gedacht  hat. 

Ganz  entsprechend  der  annähme,  dasz  die  Ilias  kampfscenen 
enthält,  die  den  panzer  nicht  kennen,  finden  sich  auch  beschreibungen 
von  rüstungen ,  bei  denen  der  panzer  nicht  mit  aufgezählt  ist. 

Bei  beschreibung  der  niedermetzelung  des  wehrlosen  Lykaon 


86         BKluge:  vorhomemclie  kampfschilderungen  in  der  llias. 

durch  Ächilleuß  heisit  es  0  50,  Lykaoii  ?ei  onbe wehrt  dem  Achil- 
leufi  entgegtingebommen:  xu|ivöv,  diep  KÖpuÖÖc  T€  Kcn  ctCTTiboc, 
oiib'  (xtv  ETXOC-  ^^  ^^^  seine  sämtlichen  schuU-  und  trutzw äffen 
weggeworfen;  doch  wird  unter  den  sehutzwaffen  der  panxer  nicht 
aufgeführt,  da^z  Lykaon  aber  den  panzer  etwa  noch  am  leibe  habe, 
ist  durch  die  bezeicIiuuDg  yu^vöc  auägeschlo&sen;  einfach  vergessen 
konnte  der  dichter  den  panzer  als  wichtigsteä  rüstungsstlick  auch 
nicht  also  bleibt  nur  die  erkläruög  äbrig,  dasz  für  den  dichter 
dieser  stelle  der  panzer  noch  nicht  zu  derrüstung  gehörte;  erdachte 
sich  den  Lykaon  schon  vor  dem  wegwerfen  von  heim  und  schild 
ungepanzert,  —  V  798—800  setzt  ÄchiUeus  eine  lanze,  einen  heim 
und  einen  schild  als  kam pfp reis  aus  und  bezeichnet  diese  waffen 
Y.  800  als  rüstung  des  Sarpedon,  den  Patroklos  erlegt  hatte,  ein 
panzer,  der  doch  sonst  als  besondera  geschätztes  hauptstück  der 
rüstung  gilt,  wird  nicht  mit  genannt* 

Besonders  beachtenswert  ist  der  umstand,  dasz  die  Doloneia  (K) 
von  dem  panzer  nichts  weisz.  man  könnte  einwenden,  dasz  bei  dieser 
nächtlichen  Unternehmung  die  beiden  nicht  in  voller  kampfrüstung 
erscheinen,  so  dasz  die  erwähnung  des  panzers  deshalb  unterlassen 
sei ,  weil  ein  solcher  nicht  zur  anwendtmg  kommt,  indessen  könnte 
man  bei  der  ausgestellten  feld wache  doch  wohl  den  punzer  antreffen^ 
aber  auch  hier  ist  kein  wort  davon  gesagt,  auszerdem  werden  mehr- 
fach die  rüstungen  der  schlafenden  beiden  besehriebenp  so  K  75 — 79 
die  des  Nestor,  151^154  die  des  Diomedes  und  seiner  gefährten; 
Nestor  bat  sogar  (K  77)  den  gürtel  neben  sich  liegen,  mit  dem  er 
sich  zu  wappnen  pflegte,  so  oft  er  in  den  kämpf  gieng;  aber  auch 
bei  dieser  wiederholten  gelegenheit  gänzliches  schweigen  von  dem 
panzer.  daez  die  Doloneia  in  der  uns  bekannten  fassung  ziemlich 
jung  ist,  vermag  diese  thatsache  nicht  zu  erklären,  eher  rätselhafter 
zu  machen. 

Blicken  wir  auf  die  besprochenen  stellen  zurück,  so  stellt  sich 
heraus ,  dasz  eine  anzahl  von  kampfschildorungen  die  Homerischen 
kttmpfer  zweifellos  ungepanzert  voraussetzt;  eine  fernere  anzahl 
macht  diese  Voraussetzung  wenigstens  sehr  wahrscheinlich,  und 
diese  Wahrscheinlichkeit  wird  dadurch  erhöht,  dasz  an  den  zuerst 
erwähnten  stellen  sicher  die  beiden  ohne  panzer  auftreten,  beson- 
deres gewicht  gewinnt  diese  erkenntnis  dadurch ^  dasz  die  ältesten 
mykeniscben  abbildungen,  wie  sie  bei  Schliemann,  Milehhoefer,  Heibig, 
Schuehhardt  zu  finden  sind  (vgl,  jahrb.  1802  s.  369  C),  den  panzer 
nicht  kennen,  die  käropfer  erscheinen  dort  mit  nacktem  Oberkörper; 
der  Chiton  ist  in  seinem  obern  teile  bis  zu  den  hüftcn  hinab  zusammen* 
gerollt,  während  der  untere  teil  an  mehreren  stellen  bis  zur  mitte 
des  leibea  gerafft  ist,  so  dasz  nur  einige  zipfelartige  falten  auf  die 
Oberschenkel  htnabhängen. 

In  diesem  costUm  haben  wir  uns  an  den  besprochenen  stellen 
die  ungepanzerten  krieger  vorzustellen,  dasz  der  oberkUrper  nackt 
ist,  würden  wir  ohne  die  vorhandenen  alten  abbildungen  nicht  ohne 


weiteres  mos  den  sdiil(iistmg«xi  eutnehmeii  kdimffli,  eine  ersüheiniizig^ 
die  seixr  leiciit  verstlndlicii  ist,  da  kein  gnmd  Toriiegt  die  nadcfi- 
heit  beäonders  herrorzniieben;  dach  ist  wenigstens  eine  steile  jor- 
banden ,  die  nur  bei  Tormu^^geäetzter  nacktheit  des  aberkSrpera  ein 
ertrSgücbes  Verständnis  ermöglidit.  es  ist  dies  die  im  eingang  dieser 
abhandlang  angezogene  ichildemng  €  1 1 1  äL^  wo  Sthenelas  denL  Dia- 
medes  den  pfeil  des  Pandaros  xoä  der  ächuLter  zieht,  der  hergang 
ist  folgender.  Diomedes  bittet  nach  »einer  Verwundung  meinen  wagen- 
lenker  Stheneloa  ihn  von  dem.  p  feile  zu  befreien.  Stheneloa  springt 
Tom  wagen  and  zieht  das  geschosz  dorch  die  Schalter  hindorch  heraus. 
darauf  heiszt  es:  ai^a  b*  dviiKÖvnl£  ötd  crpcTrroib  xt^voc  den 
CTpeTTTOC  x^^v  erklarte  man  früher  nach  dem  vorgange  der  Alexan- 
driner als  einen  ringelpanzer;  dann  wäre  ja  die  sitoadon  ziemlich 
klar,  es  hat  sich  aber  herau:^gestelltT  daaz  der  ringelpanzer  dem. 
Homerischen  epos  ganz  fremd  ist;  dem  panzer  dea  Diomedes  wird 
überdies  v.  99  ein  "nioXov  zugeschrieben,  wodurch  er  sicher  als 
plattenpanzer  charakterisiert  ist.  &llt  aber  die  erklärung  Aristarchs, 
so  dasz  an  einen  ringelpanzer  hier  nicht  zu  denken  ist,  dann  wird 
die  Situation  sogleich  hSchst  verworren,  es  wird  kein  wort  von 
einem  ablegen  des  panzers  gesagt;  wie  kann  aber  ätheneloa  den 
pfeil,  der  durch  panzer  und  schulter  ge&hren  ist,  so  ohne  weiteres 
herausziehen,  wenn  der  panzer  an  seinem  platze  bleibt?  femer, 
wenn  crpCTrröc  X'^'Vt  ^^  ^^^  j^tzt  allgemein  anzunehmen  ge- 
neigt ist,  so  viel  heiszt  wie  ^gezwirnter  chiton%  der  dann  unter  dem 
panzer  befindlich  zu  denken  L>t,  wie  kann  man  überhaupt  das  blut 
durch  den  chiton  springen  sehen^  so  lange  der  panzer  darüber  bleibt? 
wie  ist  anderseits  eine  entfemung  des  durch  den  pfeil  an  die  achulter 
genagelten  panzers  so  kurzer  band  ausführbar  ?  und  wird  der  panzer 
glücklich  losgemacht ,  wie  kann  der  chiton  bei  dem  ausziehen  des 
pfeiles  an  seiner  stelle  belassen  werden?  musz  ea  nicht  das  erste 
sein,  die  bekleidung  der  verwundeten  stelle  zu  entfernen,  um  die 
wundstelle  sehen  zu  können  und  um  nicht  fetzen  des  durchbohrten 
gewandatückes  beim  durchziehen  dea  pfeiles  in  die  wunde  zu  ziehen? 
das  sind  unlösbare  Widersprüche,  alles  wird  dagegen  klar,  wenn 
wir  uns  Diomedes  ungepanzert  und  nach  alter  sitte  mit  nacktem 
Oberkörper  vorstellen,  dann  ist  der  pfeil  sofort  zugänglich,  so  dasz 
er  nach  belieben  und  nach  möglichkeit  beseitigt  werden  kann,  die 
immer  noch  bedenkliche  leichtigkeit  der  Operation  mag  durch  die  be- 
sondere kraft  und  abbärtung  des  beiden  ihre  erklärung  finden,  frei- 
lich kann  in  diesem  falle  biä  CTpCTTTOio  x^'nliVGC  nicht  bedeuten 
*durch  den  chiton  heraus',  sondern  es  musz  eine  andere  erklSrung 
dafür  geben,  denken  wir  uns  den  chiton  um  die  hüften  zusammen- 
gerollt und  fragen  uns,  was  geschehen  wird,  wenn  der  in  der  schulter 
steckende  pfeil  hindurchgestoszen  und  herausgezogen  wird,  so  ent- 
wickelt sich  folgender  Vorgang:  dem  aus  der  wunde  gezogenen  pfeile 
folgt  ein  kräftiger  blutstrahl ,  so  dasz  das  blut  in  reichlicher  menge 
am  körper  herunter  und  über  und  durch  den  gerollten  chiton  hin- 


88         UXlage:  rorhomemche  kampfBchiiderungen  in  der  lUas. 


durchläuft,  dies  ist  in  der  Schilderung  durch  die  worte  dLVl^KÖVTiSe 
blä  CTpcitTOio  xiTUUVOC  ausgedrückt 

Dasz  das  hindurch  laufen  des  blutes  durch  die  kleidung  und  das 
hinablaufen  an  den  Schenkeln  ein  dem  dichter  nicht  fremdes  motiv 
ist,  geht  aus  der  Schilderung  A  141  ff.  hervor,  dort  ist  genau  und 
weitläufig  beschrieben ,  wie  dem  durch  den  pfeil  des  Pandaros  ver- 
wundeten Menelaos  das  bliit  an  den  Schenkeln  hin  ablauft,  will  man 
aber  durchaus  an  der  bedeutung  'durch  den  (die  wunde  bedecken- 
den) chiton  hindurch'  festhalten i  dann  ist  eben  nur  die  annähme 
möglich,  dasz  der  dichter  diese  Schilderung  unpassend  aus  einer  an- 
dern beschreibung  entlehnte,  weil  er  sich  keine  klare  Vorstellung 
von  der  Sachlage  machte  und  weil  er  die  worte  biä  CTpeirioTo 
XiTUüVOC  selbst  nicht  recht  verstand  und  sich  den  Bio me des  nach 
späterer  sitte  nur  mit  bekleidetem  Oberkörper  vorstellen  konnte. 

Für  die  annähme  einer  unpassenden  entlehn ung  wäre  von  be- 
deutung, dasz  die  oben  genannte  stelle  A  141  ff.  ebenfalls  von  einer 
durch  einen  pfeil  des  Pandaros  geschlagenen  wunde  handelt,  dasz 
diese  wunde  sich  gerade  an  der  stelle  befindet,  wo  das  blut  wirklich 
durch  den  gerollten  chiton  hindurch  dringen  konnte,  dasz  ferner 
der  pfeil  so  wenig  eingedrungen  ist,  dasz  er  ohne  weiteres  heraus- 
genommen werden  kann,  und  dasz  schlieszlich  diese  Iliasstelle,  wie 
wir  weiter  unten  sehen  werden,  sich  dadurch  als  älter  denn  ihre  Um- 
gebung kennzeichnet,  dasz  sie  die  beinschienen  noch  nicht  kennt. 

Wir  fanden  vorhin,  dasz  Dlomedes  £  111  f.  mit  nacktem  Ober- 
körper und  zusammengerolltem  chiton  zu  denken  ist.  sollte  es  ein 
Zufall  sein,  dasz  bei  dieser  gelegenheit  der  chiton  als  cipETTTÖC  XiTOiv 
bezeichnet  ist?  wenn  wir  überlegen,  dasz  CTpeirröc  auch  heiszen 
kann  'zusammengedreht,  zusammengerollt',  so  kommen  wir  zu  der 
auffassung,  dasz  in  der  bezeichnung  CTpeirtdc  XlTuuv  auch  ein  sprach- 
licher und  positiver  beweis  dafür  vorhanden  ist,  dasz  manche  stellen 
der  llias  das  altmykeniscbe  kämpfercostüm  kennen,  während  die 
übrigen  beweise,  die  sich  auf  das  fehlen  des  panzers,  der  beinschienen 
UBW*  stützen,  negativer  natur  sind,  dazu  kommt  dasz  die  einzige  lliaa- 
stelle,  wo  auszer  der  eben  besprochenen  der  ciptTTTÖc  XITujv  erwähnt 
wird,  nur  durch  ein  zurückgehen  auf  das  altmykeniscbe  costüm  über- 
haupt verständlich  wird.  4>  27  —  32  wird  erzählt,  wie  Ächilleus 
zwölf  troiscbe  Jünglinge  als  totenopfer  für  Patroklos  lebendig  ge- 
fangen nimt.  dort  heiszt  es  v.  30  f. :  bf|ce  b*  ÖTriccuj  X^^P^c  €i)T)ifi- 
TOiciv  l^dciv ,  Touc  auToi  cpopeeCKOv  ^iil  CTpewToki  xiitJÖctv.  so- 
lange man  den  CTpeTTTOC  x^'TiJ^V  als  ringelpanzer  ansah,  war  alles 
kl&r.  man  dachte  an  riemen ,  die  zu  beliebigem  zwecke  mitgenom- 
men waren,  etwa  um  selbst  gefangene  zu  machen,  und  man  knüpfte 
auch  wohl  eine  betrachtung  darüber  an,  dasz  diese  Selbstüberhebung 
sich  in  d6r  weise  rächte ,  dasz  die  ärmsten  nun  selbst  mit  diesen 
riemen  gebunden  wurden,  andere  wollten  schild-  und  schwertriemen 
darin  sehen,  die  ja  natürlich  über  dem  panzer  getrugen  wurden,  alles 
dies  wird  hinfällig,  sobald  crpCTiTOC  x^'^^v  einen  wirklichen ^  also 


HKlage :  Yorfaomerische  kampfschildeniDgen  in  der  llms.        89 

unter  dem  panzer  befindlichen  chiton  bezeichnet,  dann  wird  die 
stelle  geradezu  unverständlich :  denn  was  fOr  riemen  sollen  das  sein, 
die  unter  dem  panzer  über  dem  chiton  getragen  werden?  wie  ge- 
langt auch  Achilleus  so  schnell  in  ihren  besitz?  mflst«  er  den  ge- 
fangenen zu  diesem  zwecke  nicht  mindestens  den  panzer  abschnallen? 
und  wie  kann  er  wissen,  dasz  er  unter  dem  panzer  diese  riemen 
finden  wird  ?  denken  wir  uns  aber  die  gefangenen  in  d^r  tracht,  die 
uns  die  mjkenischen  bilder,  die  inselsteine  usw.  zeigen,  so  wird  sich 
alles  klären,  es  sei  mir  gestattet  an  dieser  stelle  noch  einen  neuen 
beweis  zu  bringen,  dasz  der  wulstartige  gürtel,  der  auf  den  erwähnten 
abbildungen  zu  sehen  ist  und  den  ich  bei  früherer  gelegenheit  (ao. 
s.  373  f.)  als  den  obem  teil  des  chiton  gedeutet  habe,  wirklich  dieses 
kleidungsstOck  ist.  dies  geht  nemlich  ganz  besonders  deutlich  aus 
abbildungen  zweier  goldbecher  von  Vaphio  hervor ,  die  sich  in  einer 
abh.  Milchhoefers  finden  (^Heinrich  Schliemann'  in  Westermanns 
monatsb.  1891  nov.  s.  180).  hier  ist  in  einigen  fiülen  der  obere 
teil  des  chiton  nicht  rund  zusammengerollt,  sondern  mehr  ÜEiltig  zu- 
sammengeschoben^ so  dasz  die  wahre  natur  dieses  wulstes  klarer  in 
die  äugen  fällt. 

Sind  nun  die  gefangenen  Troer  in  dieser  weise  geschürzt,  so 
sieht  man  sogleich,  was  für  riemen  das  sein  können,  die  sie  auf 
ihrem  chiton  tragen:  es  sind  die  riemen,  mit  denen  die  gerafften 
und  gerollten  chitone  festgeschnallt  sind,  um  sie  in  dieser  form 
in  der  hüftgegend  festzuhalten,  ein  solcher  riemen  ist  auch  wahr- 
scheinlich das  2Iu»^a,  welches  Diomedes  ¥  683  dem  Eurjalos  reicht, 
als  er  zum  faustkampfe  toilette  macht,  dem  Achilleus  waren  diese 
riemen  natürlich  sehr  passend  und  handgerecht  zur  fesselung  der 
gefangenen  feinde,  um  nicht  erst  lange  nach  andern  fesseln  suchen 
zu  müssen. 

So  gebt  aus  alle  dem  hervor,  dasz  neben  den  nach  späterer  sitte 
gepanzerten  kriegem  in  der  Uias  an  verschiedenen  stellen  auch 
kämpfer  erscheinen,  die  nicht  mit  dem  panzer  bekleidet  sind,  son- 
dern mit  nacktem  oberkOrper  und  gerolltem  und  gerafftem  chiton 
einhergehen,  wie  wir  sie  auf  den  mjkenischen  bildem  sehen,  es 
fragt  sich  blosz,  wie  diese  erscheinung  aufzufassen  ist.  auf  keinen  fall 
darf  man  annehmen,  dasz  der  dichter  beide  arten  der  kriegertracht 
neben  einander  auftreten  lassen  will,  abgesehen  davon  dasz  er  in 
solchem  falle  den  gegensatz  klar  hervorheben  mttste,  liegen  auch  die 
Zeiten,  denen  diese  trachten  angehören,  viel  zu  weit  aus  einander, 
als  dasz  Vertreter  beider  culturperioden  als  Zeitgenossen  gedacht 
werden  könnten,  es  läszt  sich  nur  annehmen,  dasz  entlehnung  aus 
altern  kampfschilderongen  vorliegt,  die  jenen  zeiten  angehörten, 
in  denen  die  alte  mykenische  tracht  existierte,  der  dichter  mag 
dann ,  wie  in  der  Aristeia  des  Diomedes ,  zusätze  hinzugethan  und 
Umformungen  vorgenommen  haben ,  die  den  sitten  seiner  zeit  ent- 
sprachen; hier  und  da  aber  blieben  verstecktere  reste  der  alten 
Sitten  doch  stehen,    die  entlehnung  kurzer  Schilderungen,  wie  es 


90        ilKlugei  vorhomemche  kampfschilderiingeü  in  der  llias. 

die  kampfäcenen  sind,  war  ja  leicht  und  auszerdem  sehr  nahe 
liegend  Itir  einen  dichter,  der  durch  mäßig falügkeit  seine  Schlacht- 
ßchilderungcD  beleben  wollte. 


2,    Altmjkenische  belme. 

Im  allgemeinen  setzt  dielliüä  bei  den  kriegern  helmtj  der  spätem 
consirtictioEk  voraus,  die  durch  nacken-  und  wangenschirme  auch  den 
untern  teilen  des  kopfes  und  dem  habe  schuti^  gewähren,  dicä  be^ 
weisen  auf  derartige  Vorrichtungen  bezügliche  beiwörter  und  andere 
zweifellose  anzeichen,  wie  auch  Helbig  ao*  des  nähern  nachweist, 
beiwörter  wie  auXtifinc,  xot^'tOTrdprioc  und  ähnliche  beweisen  un- 
leugbar, da&z  derartige  helme  als  aligemein  bekannt  gelten,  daneben 
finden  öicb  aber  auch  bchilderungen,  wo  helme  dieser  construction 
nicht  vorausgeöetÄt  werden  können. 

Wir  stellen  an  die  spitze  unserer  Untersuchung  die  beschrei- 
bnng  von  zwei  helmen  in  K,  die  im  lichte  der  altmjkeniächeu  ab- 
bildungen  besonders  lehrreich  ist,  Thrasymedeö  gibt  K  255  C  dem 
Diomedeäf  der  bich  zu  seiner  nlicbtlichen  Unternehmung  rüstet,  einen 
lederbelm^  Kvvi^v  .  .  Taupeiiiv,  äqjaXöv  t€  Kai  (iAXoqpov,  fi  le 
KaTaiTuE  K€KXriTai,  f^uetai  be  KOtpri  OaXcpmv  ai£r|uiv,  wir  haben  es 
hier  nach  der  be&cbreibung  mit  einer  flachen,  aber  starken  rind- 
ledernen  kappe  in  thun,  die  weder  helmbügel  noch  busch  trögt, 
Bolche  flacbe  und  glatt  anEegeBde  kappen  tragen  die  löwenjäger  auf 
der  mykenischen  dolchklinge;  vgl.  Scbuchhardt  Schiiemann!*  aus- 
grabungen  usw.  b.  263  und  MÜcbboefer  anfange  der  kunät  s,  145,  — 
Ein  zweiter  noch  interessanterer  heim  wird  K  261  fif,  beschrieben, 
Meriones  gibt  dem  begleiter  dea  Biomedes,  Odysseus,  ebenfalls  einen 
lederhelnii  der  so  geschildert  wird:  Kuveriv  .  .  pivou  HOiritriV  iroXe- 
civ  b*  fvTocO€v  i^äciv  dvieTUTo  cTcpeüJC  ^KTOcSe  5t  XeuKoi  oööv- 
tec  dpTiöbovToc  üöc  6ap^€C  ^xo^  ^vöa  Kai  ^vöa  .  .  ptccij  b*  dvi 
TTiXoc  dpripeu  Heibig  ao.  widmet  diesem  helme  eine  besondere  he- 
sprechong,  gelangt  aber  schlie&zlich  zu  dem  resultate»  da^z  man  es 
möglicherweise  mit  einem  pbautaäiegebilde  des  nach  Sonderbar- 
keiten lüsternen  dichtere  der  Doloneia  zu  thun  habe,  mir  ist  dies 
nie  recht  wahrscheinlich  vorgekommen:  denn  wenn  der  dichter  seiner 
Phantasie  die  zügel  schieszen  lassen  wollt«,  so  konnte  er  doch  eher 
durch  kostbarkeit  oder  bunst  hervorragende  eigenschaften  des  helmes 
zu  imponieren  versuchen,  die  seltsame  gescMchte^  die  er  von  der 
erwerbung  des  helmes  erzählt »  deutet  vielmehr  darauf  bin  i  dasz  es 
ihm  darum  zu  thun  war,  die  von  den  helmen  seiner  zeit  so  auffiLllig 
abweichende  art  des  beschriebenen  helmes  aus  dem  alter  diese 
rüstungestückes  zu  erklären«  er  scheint  also  die  beschreibung  de 
helmes  in  einer  altern  vorläge  gefunden  zu  haben,  der  er  sie  dam 
entlehnte,  bei  nähet  er  be trachtung  erweist  sich  der  beschriebene 
heim  auch  gar  nicht  als  etwas  so  unerhörtes,  sondern  läsztsich  sehr 
wohl   unter  den  uns  bekannten  helmmodelien  unterbringen,    ver- 


HEluge:  YorhomeriBche  kampfschilderungen  in  der  Ilias.        91 

suchen  wir  uns  mit  bilfe  dermykenischen  abbildungen  und  der  Home- 
rischen beschreibung  eine  Vorstellung  von  diesem  helme  zu  machen, 
er  ist  aus  leder  verfertigt  und;  wie  der  dichter  sagt,  innen  mit  vielen 
riemen  fest  gespannt  oder  verflochten;  das  mittelstück  bildet  filz; 
zum  schmuck  dienen  schweinshauer,  über  deren  platz  nichts  genaueres 
gesagt  ist ;  nur  dasz  sie  einander  entsprechend  angebracht  sind,  geht 
aus  dem  £v6a  Kai  fv6a  hervor,  ohne  anschauung  einer  alten  hierzu 
passenden  helmform  ist  mit  dieser  beschreibung  nicht  viel  anzufangen, 
klarer  wird  uns  aber  das  ganze,  wenn  wir  helme  daneben  halten, 
wie  sie  auf  einem  mykenischen  Siegelringe  (Schliemann  Mykenae 
n.  334,  Schuchhardt  ao.  s.  252),  auf  dem  sardonyx  (Schliemann 
ao.  s.  233  n.  313,  Heibig  ao.  s.  220)^  vor  allem  aber  auf  der  porzellan- 
Bcherbe  (Schuchhardt  ao.  s.  237)  dargestellt  sind,  diese  bind  den 
spätem  helmen  sehr  unähnlich ;  sie  bestehen  aus  mehreren  schicht- 
artig über  einander  liegenden  ringen  aus  riemengeflecht,  wie  dies 
besonders  der  heim  auf  der  porzelianscherbe  unzweifelhaft  beweist, 
der  mittelste  räum  ist  durch  einen  flachen  kegel  ausgefüllt,  der  bald 
kahl,  bald  mit  einem  helmbusch  geziert,  bald,  wie  auf  der  porzelian- 
scherbe, mit  einem  niedrigen  hornartigen  ansatze  versehen  ist.  mit 
diesem  helme  verglichen  wird  die  angäbe  des  dichters  der  Doloneia : 
iToX^civ  b'  fvTOcGev  ijiäciv  iviiiaio  ciepeujc  verständlich:  er  be- 
zeichnet damit  das  riemengeflecht,  aus  dem  der  heim  zum  grasten 
teile  besteht,  zu  der  bedeutung  des  verbums  dvT^TaTO  ist  zu  ver- 
gleichen €  727,  wo  es  von  dem  wagen  der  Here  heiszt:  biqppoc  bk 
Xpuc^oici  Kai  dpTupeoiciv  ijiäciv  .  .  dvieTaiai.  vergleichung  er- 
haltener abbildungen  von  wagen  zeigt,  dasz  dies  heiszt:  der  Wagen- 
kasten ist  aus  goldenen  und  silbernen  riemen  geflochten,  auch  was 
wir  von  dem  in  der  mitte  befindlichen  filz  halten  sollen ,  wissen  wir 
nun :  der  die  mitte  des  helmes  ausfüllende  flache  kegel  besteht  eben 
aus  filz,  über  platz  und  befestigung  der  schweinshauer  kann  man 
schwanken,  der  gegensatz  fvTOcOev  und  ^KTOcOev  scheint  darauf 
hinzudeuten,  dasz  sie  gleichmäszig  rings  um  das  ledergeflecht  des 
helmes  angebracht  waren,  sie  könnten  aber  auch  einander  entspre- 
chend vorn  und  hinten  auf  dem  helmkegel  befestigt  sein  und  viel- 
leicht dem  niedrigen  hörne  entsprechen,  das  auf  dem  oben  beschrie- 
benen mykenischen  helme  sichtbar  ist  (die  rückseite  des  helmes  ist 
auf  dem  bilde  nicht  ganz  erhalten  und  könnte  wohl  ein  zweites  hörn 
getragen  haben),  doch  ist  der  ort  dieser  Verzierung  verhältnismäszig 
unwichtig,  die  hauptsache  ist,  dasz  in  form  und  Stoff  der  in  der 
Doloneia  beschriebene  heim  mit  den  alten  mykenischen  helmen  genau 
übereinstimmt  und  keineswegs  ein  pbantasiegebilde  des  jungem  dich- 
ters ist.  hat  der  dichter  der  Doloneia  nun  gerade  so  altertümliche 
helme  beschrieben,  so  kann  das  allerdings  aus  dem  streben  nach 
dem  seltsamen  hervorgegangen  sein,  erwägen  wir  aber^  dasz  er  auch 
nirgends  den  panzer  erwähnt,  so  ist  der  grund  der  bevorzugung  des 
altertümlichen  in  diesem  gedieh te  doch  wohl  eher  darin  zu  suchen, 
dasz  der  dichter  einen  sehr  alten  stoff  als  vorläge  für  seine  dichtung 


92        BKluge:  TorhomeriBche  kampfBcbilderungen  in  der  IHaa. 

hatte,  ßo  dasz  auf  diese  weise  die  altertümlichen  lebensformen  in  die 
jüngere  dicbtung  gelangten. 

Dasz  die  eben  besprochenen  helme  weder  nacken-  noch  wangen- 
schirme  haben^  ist  klar,    es  ^n den  sich  nun  in  Übereinstimmung  da- 
mit in  der  lÜas  noch  andere  stellen^  wo  deutliche  anzeicben  darauf 
hin  weisen  y  dasz  ähnliche  helme  auch  in  manchen  kampfdcenen  Toraus- 
zusetzen  sind,   A  502  und  £  584  werden  Verwundungen  der  schlafe 
gefichildert;  an  der  ersten  stelle  gebt  sogar  die  lanzenspitze  durch 
beide  schlafen;  dennoch  wird  in  beiden  fällen  kein  heim  erwähnt, 
während  N  576  bei  einer  gleichen  gekgenheit  ausdrücklich  erzählt . 
wird,  dasz  der  heim  durch  den  schlag  vom  köpfe  gerissen  wird»  aucii| 
wird  Y  397,  wo  Achilleus  den  Demoleon  mit  der  lanze  in  die  schlafe» 
trifft,  ausführlich  geschildert,  wie  die  lanze  den  heim  durchschlag 
die  stirn  wird  TT  639  f.  durch  einen  lanzenwurf  durchbohrt,  ohne! 
dasz  eines  belmes  gedacht  wird;  daneben  stehen  stellen  wie  A  4G0«' 
Z  9.  A  95,  wo  bei  der  gleichen  Verwundung  die  durchbohrung  des 
helmes  ausdrücklich  hervorgehoben  wird,   der  nacken  wird  getroffen 
e  73.  657.  TT  587.  Y  455.  481,  ohne  dasz  der  beim  dabei  durch- 
bohrt oder  überhaupt  getroffen  wird;   Y481,   wo  ein  hieb  durch 
den  nacken  beschrieben  wird,  ist  sogar  der  heim  erwähnt;   seine 
schützende  Wirkung  wird  trotzdem  in  keiner  weise  hervorgehoben* 
auffälliger  noch  sind  Verwundungen^  welche  die  ohrgegend  treffeni«' 
ohne  dasz  der  heim  dabei  eine  rolle  spielt :  denn  bei  dem  spätem 
helme  decken  die  wangenschirme  diese  gegend  des  kopfea  völlig,  v.u. 
nennen  sind  die  stellen  A  109*  N  177.  0  433.  TT  606>  Y  473,    ähn- 
lich liegt  die  sache,  wenn  (TT  405.  P  G16)  der  kinnbacken  getroffen 
ist ,  ohne  dasz  ein  heim  erwähnt  wird. 

Es  ist  aus  dem  Sachverhalt  zu  schlieszen,  dasz  an  den  stellen, 
wo  unerwarteter  weise  unerwähnt  bleibt,  dasz  durch  Zerstörung  des 
helm&chutzes  die  Verwundung  möglich  wird»  der  dichter  sich  helme 
vorgestellt  hat,  wie  den  in  der  Doloneia  beschriebenen  und  wie  die 
auf  den  mjkenischen  bildern  dargestellten,  die  nur  dem  schädeld 
schütz  gewähren,  so  dasz  kämpfer,  die  den  altmjkenischen  heim" 
tragen,  an  allen  oben  genannten  köriierteilen,  stirn,  nacken,  schlafen, 
obren,  kinnbacken  getroffen  werden  können,  ohne  dasz  der  heim 
irgendwie  in  frage  kommt. 


3«    Kämpfer  ohne  beinscbienen. 

Die  alten  mykenischen  abbildungen  kennen  ebenso  wenig  wie' 
den  panzer  die  beinscbienen.  ja  sogar  da,  wo  der  panzer  zuerst  auf- 
tritt, auf  der  gro^zen  kriegervase;,  sind  die  Unterschenkel  der  krieger 
nicht  mit  beinscbienen,  sondern  nur  mit  einer  art  von  gamaschen 
bedeckt ,  so  dasz  also  die  beinscbienen  noch  jöngere  rüstungsstücke 
sind  als  der  panzer.  der  dichter  der  IHas  kennt  aber,  wo  er  mit  be- 
wußter absichtlichkeit  schildert,  keine  rQstung  ohne  beinscbienen; 
die  Achaier  erbalten  von  dem  genannten  rüstungsstücke  sogar  das 


Hdnge:  vialiCuiHaiiicJ^e  ktscpbcidjöerniipeL  iL  qst  :riM         SS 


Tidgebnnchte  beivort  tunr^usbEC  IbenZ  ▼£  qm  kojk^e  oer 
TolIen  liUUiiig  be£<^iiel«a  «ird.  ixin  öc  cjlxmet  i.';«^  äcc  i«is- 
sdiienen  acsdrlLcklidi  crwÜhTiimg  xd§  &ZtfiZ£  et^i  iifSTiir.  ätes.  citt 
Homerische  rfistimg  ob^t  be^inseiccsMB  riün  rcsAcii  -Vord.  vie 
wir  aber  scbilderangcn  fmdoL  eüe  ooi  puizcr  i^id  qbl  i^i&serL  bttjt 
nidit  keimeii,  so  sind  aaeii  i»ciki>e  suxtniSes.  cit  äeL  iLUinl  4er 
beinachieiieii  ToncsfiAKK.  wir  TcsiLiswn  öieafc  TTTitfimg  zu  OBn, 
teile  der  Iliaf,  der  den  puuDcr  lüciii  koai«  K:  w^  Liter  öbk  pmacr. 
ebenso  scbweigt  der  diciaer  fiber  ök:  bedm^ciieDEx.  w:  iiuzfeBr  er 
andi  eine  rüstsng  besdirtibi.  ebesstC'  Tcnzä&äen  wir  die  rteimtcciencB 
in  der  rfistung  de»  Sirpe>doE  Y  T?^— ^X«.  ui£X.  ck-  £•&  x^sc^precciakg 
des  pmnzen  niher  eröneru:  £«eLe  0  6C*  isi  Üf?  wk* 5«-  xl  «rwlj>2ke&. 
Ljkäon  heiszt  dort  jx^rvöc  UMthäem  er  belii.  nikä  htiLi  wegseworfcn 
bat,  nm  besser  flieben  £;3  k5ns€XL  cSenlAJ  kexzT  öer  d^citer  dieser 
stelle  nur  die  genumten  «IrctEKiruri:  pscz^r  xxd  i^rizmcijeuz  fie- 
beren fDLr  Um  nocb  nicbt  zu  der  rfisTciig.  tcjni  wLrc-  cu  beaenägcK 
der  beinsebienen  gerade  hier  erst  ntcti  r::  erwlijnez.  g^eweMOi.  ä&  sie 
einoD  fificbtigen  gaxu  bescnders  bfnoezücb  teiz  mzsutiL 

Eampfäcbilderciigen .  am  denen  w5r  &cf  dus  ftitjen  oder  tot- 
bandensein  ron  beinsckienen  scbLeszen  kCnüTien.  gibi  «^  nkiit  in 
grösiererzibl,  wie  denn  fir-erb&cpt  Terwnäimg«n  des  ün'^ei%€:benkei£ 
in  der  Dias  sehr  selten  sind,  tine  t4>Ic:be  Ttrwiindisi^  ko2&2::t  tdt 
A  517  ff.,  wo  Peiroo£  dem  Diores  durch  «inen  sVinwcjf  du  reerle 
scbienbein  am  kn&cbel  ier5«bmetTert.  a:^  drr  Mriidi7^r:g  der  Ter- 
wundong,  wie  der  stein  beide  sehnen  und  den  kiiL*ebel  kt^cljM^ 
gehl  berror,  dasz  eine  sebfitxende  beinschicse  nicht  Tor&.L.%zeäetzt 
wird,  dies  fehlen  der  l*ein>chienen  pa^t  fibrigens  h^irr  »eLJ  gel  zu 
dem  altertfimlicben  cbarakter  der  ganzen  kunpf^cese.  in  der^  wie 
oben  nachgewiesen,  mehrfache  beweise  dafür  rcrhanden  sind,  dafz 
ihrem  dichter  anch  der  panzer  imbek&nnt  ist.  —  Als  gegenriCck  zi: 
dieser  soene  ist  die  schÜdening  4>  5Ki  f.  anzufahren .  wo  die  lan^ 
des  Agenor  den  Achiliens  am  schien t*ein  trift,  aber  vcn  der  l*ein- 
schiene  abprallt.  —  Das  fehlen  der  beinschienen  wird  auch  A  141  ff. 
vorausgesetzt,  dort  wird  aasfuhrlich  geschildert,  wie  schenke],  Schien- 
beine and  knöchel  des  Menelaos  sieb  von  dem  blute  rSten ,  welche« 
ans  der  durch  Pandaros  pfeil  geschlagenen  wunde  herabflieszt.  s^ll 
aber  die  r<(tang  der  Schienbeine  und  kn&chel  sichtbar  sein,  so  kennen 
diese  körperteile  nicbt  durch  beinschienen  verdeckt  sein,  freilich 
wird  Torher  die  rfistung  des  Paris  und  Menelaos  nach  an  der  spStem 
zeit  beschrieben,  so  dasz  auch  die  beinschienen  dazu  gehören;  der 
Widerspruch  erklärt  sich  dadurch,  dasz  die  Schilderung  t.  141 — 147 
einer  S]tem  quelle  entnommen  ist,  in  der  Menelaos  nach  altmjke- 
nischer  sitte  ohne  panzer  und  beinschienen  auftrat. 

Die  besprochenen  stellen  bringen  uns  zu  der  Qberzeugung,  dasz 
die  Uias  uns  nicht  eine  vGllig  einheitliche  cultur  schildert,  sondern 
dasz  formen  der  bewa&ung  neben  einander  auftreten  ,  die  in  Wirk- 
lichkeit nicht  gleichzeitig  bestanden  haben,   wo  der  dichter  bewnst 


94 


MBencker:  inscbriftlicbeß. 


und  absichtlich  beiden  und  deren  b^waffnuug  bescbreibt,  schweben 
ihm  krie^er  vor,  die  als  schctzwaffen  brus?tpanzer,  helin  mit  Backen* 
nnd  wangenBchirmenj  beinschienen  und  schild  tragen;  diese  vor* 
etellung  durchzieht  das  ganze  epos.  aber  neben  diesen  kriegern  wan- 
deln »  dem  dichter  selbst  unsichtbar,  gespenstergleicb  gestalten  der 
Torzeit,  iingepanzert,  mit  nacktem  oberkilrper  und  bloszen  schenkein; 
um  die  hüften  schlingt  sich,  durch  einen  uujgeschnalUen  riemen  ge* 
halten,  der  ehiton,  zusammengerollt  und  in  die  höhe  gerafft;  das 
baupt  ist  bedeckt  mit  einem  flachten  heim,  der  nur  die  birnscbale 
schützt;  als  einziger  wirksamer  schütz  des  leibes  dient  der  lange, 
fast  den  ganzen  körper  deckende  achild.  so  gehen  sie  einher,  wie 
viele  Jahrzehnte  bevor  der  dichter  unserer  IliaB  lebte  altmj  keniscbe 
kllnstler  sie  in  bildwerken  dargestellt. 

Wie  aber  haben  sie  sich  eingedrängt  in  die  scharen  der  erz- 
gepanzerten kämpfer?  unbewust  hat  der  dichter  ihnen  selbst  den 
Zugang  geöffnet;  unerkannt  hat  er  sie  mitten  In  seine  Schilderungen 
der  eignen  zeit  hineingestellt  ak  zeugen  fUr  seine  vorgingen  sie 
bezeugen  uns  nun  dasselbe,  was  uns  die  vorhomerischen  abbildungen 
Homerischer  kam pf Seen en  lehrten :  dasz  die  uns  bekannte  Ilias  zurück- 
geht auf  ältere  epen,  die  ihrerseits  wieder  in  enger  beziehung  stan- 
den zu  den  resten  einer  nralten  cnlturj  die  erwachsen  an  den  griechi- 
schen und  asiatischen  küsten  und  auf  den  inseln  des  inselmeeres 
den  Untergang  einer  mächtigen  stadt  in  Troaa  erlebt  und  veranlaszt 
hatte,  so  belehren  sie  uns  über  die  art,  wie  die  Ilias  entstanden  ist, 
und  zeigen,  dasz  dieses  epos  nicht  auf  pbantasiiegebilden  des  dichters 
beruht,  sondern  in  engem  zusammenhange  mit  bescbreibungen  wirk- 
licher begebenbeiten  steht, 

CÖTBEN.  EeRMAIIN  KlUQE, 


I 

I 

4 


mSCHRlFTLTCHES. 


Die  inschrift  im  CIG.  III  n.6738  {=^  Kaibel  inscriptiones  graecae 
Siciliae  et  Italiae  n.  2283),  von  der  Kaibel  sagt,  sie  sei  in  neuerer 
zeit  von  niemand  gesehen  worden,  befindet  sich  im  Museo  Civico  zu 
Bologna  in  saal  6;  von  dem  daneben  dargestellten  b&rtigen  altem 
manne  ist  nur  der  obere  teil  erbalten,    die  inschrift  lautet: 

.  M  _  N  ,  ,  YeiOZEniTEAETIATPEYeir 
AZKAHÜIS^I  XAPIITHPIA 

die  ergönzung  McXdvSloc  ist  durch  die  erhaltenen  reste ausgeschlossen, 
da  das  A  von  *AcKX?imtB  einem  A  sehr  nahe  kommt,  ist  jedenfalls 
auch  'ETnreXeu  zu  lesen,  die  von  Kaibel  verworfene  form  larpeuOic 
steht  unverkennbar  auf  dem  steine,  ein  grund  die  inschrift  für  ge- 
fUlscht  zu  halten  scheint  mir  nicht  vorzuliegen, 

MÜNCHCK.  Max  Bencker« 


• 


WSchwarz :  die  Danaidensage.  9& 

12. 

DIE  DANAIDENSAGE. 


Von  zwei  Seiten  hat  die  Danaidensage  beachtung  und  deutung 
gefunden:  die  Ägyptologen  suchen  in  derselben  einen  historischen 
kern ,  die  mythologen  sehen  in  ihr  einen  naturmythos.  jene  halten 
den  Aigjptos  der  sage  ftir  einen  historischen  könig  Ägyptens  und 
stellen  gestützt  auf  eine  altägyptische  inschrift  (Brugsch  geogr. 
Inschriften  I  64),  in  der  ein  volk  Danau  begegnet,  seinen  bruder 
Danaos  mit  diesem  ihrer  meinung  nach  libyschen  volke  zusammen, 
unter  den  mythologen  hat  Preller  (gr.  myth.  II *  45  ff.)  in  unserer 
sage  einen  argeiischen  quellenmythos  zu  erkennen  geglaubt;  eine 
irgendwie  befriedigende  erklärung  der  Aigyptodsöhne  hat  er  uns 
aber  nicht  gegeben :  denn  wer  möchte  mit  ihm  glauben ,  dasz  die 
Danaiden ,  welche  ihre  freier,  die  Aigyptiaden ,  töten ,  argeiische 
landesnymphen  seien,  welche  die  sturzbäche,  ihre  freier,  im  sommer 
vertrocknen  lassen  ?  eine  erklärung  für  die  frauen  der  beiden  brüder, 
also  für  die  mütter  der  Aigyptiaden  und  Danaiden,  hat  er  überhaupt 
nicht  versucht,  da  sie  sich  nicht  mit  seinem  argeiischen  quellen- 
mythos vereinigen  lassen,  auch  die  Ägyptologen  haben  trotz  ihrer 
verliebe  für  die  geschichte  nicht  den  versuch  gewagt  auch  diese 
frauen  zu  historischen  personen  zu  machen :  und  doch  verlangt  es 
die  billigkeit,  wenn  man  den  Aigyptos  zu  einer  solchen  stempelt, 
auch  die  Europe,  Arabia,  Memphis  und  viele  andere  als  solche  an- 
zuerkennen, an  dem^  was  wir  angegeben  haben,  und  noch  an  man- 
chem andern  kranken  die  erwähnten  erklärungen.  gleichwohl  bietet 
gerade  die  Danaidensage  vieles  interessante,  dinge  zu  deren  er- 
kenntnis  eine  verhältnismäszig  sichere  bahn  hinführt. 

Unsere  sage  ist  in  zwei  stark  von  einander  abweichenden 
fassungen  auf  uns  gekommen,  nur  diejenige,  welche  uns  in  Apollo- 
dors  bibliothek  II  1,  5  vorliegt,  hat  als  die  vollständigste  bis  jetzt 
beachtung  gefunden ,  und  auch  wir  wollen  einstweilen  die  fassung 
Hygins  (170)  übergehen,  nach  Apoll,  erhalten  wir  folgendes  Ver- 
zeichnis der  Danaiden  und  Aigyptiaden:  1)  Danaide  Hypermnestra 

—  Aigyptiade  Lynkeus,  2)  Gorgophone  —  Proleus,  3)  Automate  — 
Busiris,  4)  Amymone  —  Enkelados,  5)  Agaue  —  Lykos,  6)  Skale 

—  Daüphron,  7)  Hippodameia  —  Istros,  8)  Rhodia  —  Chalkodon, 
9)  Kleopatra  —  Agenor,  10)  Asteria  —  Chaitos,  11)  Hippodameia 

—  Diokorystes,  12)  Glauke  —  Alkis,  13)  Hippomedusa  —  Alkmenor, 
14)  Gorge  —  Hippothoos,  15)  Iphimedusa  —  Euchenor,  16)  Rhode 
~  Hippolytos,  17)  Peirene — Agaptolemos,  18)  Dorion  —  Kerkestes, 
19)  Pharte  —  Eurydamas,  20)  Mnestra  —  Äigios,  21)  Euippe  — 
Argios,  22)  Anexibie  — Archelaos,  23)  Nelo  —  Menachos,  24)  Kleite 

—  Kleitos,  25)  Sthenele  —  Sthenelos,  26)Chrysippe —  Chrysippos, 
27)  Autonom  —  Eurylochos,   28)  Theano  —  Phantes,  29)  Elektra 

—  Peristhenes,  30)  Kleopatra  —  Hermos,  31)  Eurydike  —  Dryas, 


96 


WBchwarz:  die  Danaideneage. 


32)  Glaukippe  —  Potamon,  33)  Äatbeleia  —  Kisseus,  34)  Kleodore 

—  Lixos,  35)  Euippe  —  Imbros,  36)  Euroto  —  Bromios,  37)  Stjgne 

—  Polyktor,  38)  Bryke  —  Cbtlionios,  39)  Aktaie  —  Peripbas, 
40)  Podarke  —  Oineus,  41)  Dioiippe  —  Äigypto«»  42)  Adyte  — 
Menalkes,  43)  Okypete  —  Lampos,  44)  Pylarge  —  Idmon,  46)  Hip* 
podike  —  Idas,  46)  Ädiaote  —  DaTfpbron»  47)  Kallidike  —  Pandioii, 
48)  Oirae  —  Arbelos,  49)  Kelumo  —  Hyperbios,  50)  Hyperipte  — 
Hippokorystes.  die  Danaiden  1  und  2  siod  töcbter  der  Ekpbantis» 
3—6  der  Europei  7^16  der  bamadryaden  (baumnympben)  Atlant  ei  e 
und  Pboibe,  17—23  der  Aitbiapis,  24—26  der  Mempbiö,  27—38 
der  nalade  Polyxo,  39—44  der  Piereia,  45  und  46  der  Herse  nud 
47 — 60  der  Krino;  die  Aigyptiaden  1  und  2  sind  söbne  der  Argypbie, 
7—16  der  Ärabia»  17—23  der  Pboinissa,  24-26  der  Tyria,  27—38 
der  Kaliande,  39 — 44  der  Oorgonen,  47 — ÖO  der  Hepbaistina;  un- 
bekannt sind  uns  die  mütter  der  Aigyptiaden  3 — 6  sowie  45  und  46* 

Wir  kennen  demnach  17  mütter,  von  denen  6  namen  von,  bzw. 
nach  bindern  baben,  nemlicb  Europe,  Arabia,  Aitbiopis,  Phoiniasa 
uQd  Piereia.  von  diesen  bezeicbnen  die  drei  letzten  namen  Be- 
wohnerinnen der  betrefiFenden  länder;  denn  ancb  TTiep£ia  musz,  ob- 
gleich wir  keinen  directen  beleg  dafür  beibringen  können,  unbedingt 
eine  solche  bedeutung  haben,  da  nach  Stepb,  Byz.  der  bewobner  von 
fTiepia  unter  anderm  auch  TllCpEÜC  biesz,  wozu  TTupEia  das  regu- 
läre femininum  i&t;  Heynes  Vermutung ^  der  dafür  TTiCpia  einsetzen 
wollte,  ist  demnach  hinfällig,  die  beiden  ersten  namen  hingegen, 
jiemlicb  Europe  und  Arabia,  sind  reine  personificationen  dieser 
länder;  infolge  dessen  ist  es  aber  auch  sicher,  dasz  Aigypto&  und 
Danaoö  personificationen  von  Ägypten,  bzw.  dem  Danaerfande  sind 
und  keinen  anspruch  auf  historische  bedeutung  haben,  wie  die 
Agyptologen  es  wollen,  ferner  haben  3  unter  den  17  müttern  ihren 
namen  von,  bzw.  nach  städten:  Tyria  bezeichnet  wiederum  wie  oben 
die  *bewohnerin*  von  Tyroü;,  Memphis  und  Elephantis  sind  ebenfalls 
reine  personificationen.  dasz  wir  unter 'EXccpaviK  die  ägypfc.  ttÖXic 
'€Xeq)avTivr]  zu  verstehen  haben ^  gebt  aus  Partbenios  (bei  Steph, 
Byz.  8,  266,  13  f.),  Yitr.  VIII  2,  6  und  Piinius  V  59  hervor,  die 
unsere  Stadt  mit  jener  namensform  belegen,  sowie  daraus,  dasz  auch 
die  Schriftstellerin  Elepbantine  sehr  oft  (zb.  bei  Suet.  Tib*  43) 
Elephantis  genannt  wird  (die  form  Elepbantis  wird  überdies  auch 
die  poetischere  gewesen  sein). 

Es  begegnen  uns  demnach  in  unserer  sage  von  bindern  Ägypten, 
Phönikien,  Arabien,  Äthiopien,  Europa,  Danaerland  und  Plenen, 
von  Städten  Ägyptens  Memphis  und  Elephantis  und  von  denen 
Phönikiens  Tyros.  diese  geographischen  namen  allein  beweisen 
schon  zur  genüge,  dasz  wir  es  hier  nicht,  wie  Preller  ao.  gemeint 
hat,  mit  einem  argeiischen  quellen mythos  zu  thun  haben*  noch 
weitere  belege  gegen  diese  annähme  gewinnen  wir  aus  den  namen 
der  Aigyptiaden^  ja  sogar  aus  denen  der  Danaiden.  die  namen  des 
3n,  7n,  30d,  34n,  35n  und  41n  Aigyptiaden   sind  wieder  reine 


WSchwarz:  die  Danaidensage.  97 

personificationen :  dieser  beiszt  wie  sein  vater  Aigyptos,  der  35e 
(Imbros)  hat  seinen  namen  nach  der  groszen  insel  des  ägfiischen 
meeres  oder  nach  der  auf  ihr  liegenden  gleichnamigen  hafenstadt, 
der  30e  (Hermos)  nach  dem  bekannten  flusse  Kleinasiens  (auch  der 
Stromgott  dieses  flusses  hiesz  Hermos  bei  Hes.  Theog.  343),  der 
3e  (Busiris)  entweder  direct  oder  indirect  nach  der  berühmten  stadt 
des  Delta,  der  7e  heiszt  Istros  und  der  34e  Lizos :  es  liegt  nach 
dem  vorhergehenden  auf  der  band ,  dnsz  jener  eine  personification 
unserer  Donau,  des  Istros  der  Griechen  ist,  der  schon  sehr  früh  eine 
solche  berühmtheit  unter  den  Griechen  genosz,  dasz  Hes.  Theog.  339 
ihn  wie  den  Nil  und  den  so  eben  erwähnten  Hermos  unter  die  söhne 
des  Okeanos  rechnet,  auch  der  34e  Aigyptiade  musz  seinen  namen 
von  einem  flusse  oder  vielmehr  von  der  bedeutenden  handelsstadt 
Lizos  an  der  Westküste  von  Manretania  Tingitana  haben;  nach 
Skylaz  112  gab  es  hier  einen  7T0Ta|Liöc  |i€Tac  AiHoc  Kai  ttöXic 
OoiviKUJV  AiEoc:  der  zasatz,  da^z  die8e  stadt  eine  phönikische 
colonie  gewesen  sei,  lehrt,  auf  welchem  wege  künde  von  derselben 
in  das  griechische  Sprachgebiet  gelangt  ist. 

Auch  mehrere  unter  den  Danaiden  tragen  geographische  namen, 
nemlich  die  8e,  16e,  18e,  23e,  39e  und  49e.  die  8e  fPobia)  und 
die  16e  ('Pöbri)  haben  ihren  namen  von  Rhodos:  es  beweist  dies 
einerseits  der  umstand ,  dasz  diese  insel  eine  grosze  rolle  in  unserer 
sage  spielt  (vgl.  später),  und  anderseits  der,  dasz  es  eine  stadt  'Pöbri 
in  Spanien  gab,  welche  von  einigen  als  eine  rhodische  colonie  an- 
gesehen wurde  (Skymnos  204  ff.  Strabon  160)  und  dasz  die  insel 
Bhodos  samt  gebiet  *Pobia  heiszt  (zb.  bei  Thuk.  VIII  44).  die  39e 
TAKTairi)  musz  ihren  namen  von  der  alten  bezeichnung  Attikas 
(Paus.  I  2,  5)  erhalten  haben,  auch  hinter  KeXaivu)  (49)  wird  sehr 
wahrscheinlich  ein  geographischer  begriff  stecken :  nach  Strabon  579 
war  nemlich  Kelaino  von  Poseidon  die  mutter  des  Eelainos,  der 
Kelainaiy  dem  spätem  Apameia  in  Phrygien,  den  namen  gegeben 
habe;  danach  ist  es  wahrscheinlich,  dasz  Kelaino  ihren  namen  von 
dieser  berühmten  phrygischen  stadt  Kelainai  erhalten  hat,  wie  ihn 
thatsächlich  Nelo,  die  23e  Danaide,  vom  Nilstrom  empfleng.  die 
dorische  form  von  NeiXoc  ist  nemlich  NfjXoc  (Choirob.  in  Anecd. 
Ozon.  II  240,  27),  und  von  dieser  form  ist  NriXu)  gebildet  wie  die 
namen  der  Danaiden  28,  36  und  49  sowie  zweier  mütter  derselben, 
der  Polyzo  und  der  Krino.  dem  Nilstrom  ist  aber  unser  name  ent- 
lehnt wie  der  des  32n  Aigyptiaden:  dieser  nemlich,  TToTamJüv  ge- 
nannt, hat  seinen  namen  unstreitig  aus  demselben  gründe  erhalten, 
aus  dem  die  mutter  des  alten  Aigyptos  und  sogar  Ägypten  selbst 
in  alter  zeit  TToTa|iiTic  hiesz  (Steph.  Byz.  s.  44, 17  ff.),  er  empfieng 
ihn  also  vom  Nil,  dem  TTOTa)iöc  schlechthin,  dasz  wir  im  namen 
Nelo  und  demnach  auch  in  unserer  sage  einem  dorischen  dement 
begegnen,  ist  nicht  auffällig,  da  dasselbe  sich  noch  in  den  namen 
zweier  anderer  Danaiden  findet,  die  38e  heiszt  nemlich  BpuKii,  nach 
Hesychios  aber  war  ßpUKai  bei  den  Doriern  gleich  ai  lepai,  und  die 

J&hrbficher  für  class.  philol.  1893  hft.  2.  7 


98 


W Schwärzt  die  Daüaideüsage. 


18e  wird  kurzweg  Adupiov  genannt,  es  ist  sicher,  dasz  dieses  wort 
von  dem  stammnamen  der  Dorier  abgeleitet  ist»  erstens  weil  Auupioc 
das  regelmfiszige  und  ein  häufig  gebrauchtes  adjectivnm  neben 
Aujpi€Üc  und  AuupiKÖC  ist,  zweitens  weil  dieses  adjecti?  (es  wird 
hier  für  eine  fiau  die  neutrale  form  Aiupiov  gebraucht)  wirklich 
keine  besondere  form  für  das  femininum  besitzt,  und  drittens  weil 
wir  schon  in  zwei  fällen  gesehen,  dasz  in  unserer  sage  dorische 
elemente  vorhanden  sind,  wenn  aberDorion  vom  dorischen  stamm- 
namen  entlehnt  ist,  bo  hat  auch  der  21e  Aigyptiade  (''ApYtoc)  seinen 
namen  ¥0n  der  landächaft  Argos,  in  der  unsere  sage  spielt,  wobei 
man  noch  darauf  hinweiset!  kann,  dasz  der  frühere  name  ¥0n  Mykenai 
*Apf  lOV  war  und  ein  dortiger  berg  ebenfalls  so  hiesz  (ps,-Flut  de  üuv* 
18,  6  f.);  möglicherweise  liegt  auch  in  dem  uamen  des  20n  Aigyp- 
tiaden  (AiTioc)  ein  geographischer  begriff  versteckt,  indem  der  name 
in  irgend  einem  Zusammenhang  mit  dam  des  figäischen  meeres  steht. 

Zu  der  zeit,  als  unsere  sage  entstand  oder  doch  wenigstens  ihre 
auehiidung  erhielt^  hatte  man  also  kunde  von  Ägypten  (?g!.  Aigjptos, 
Nelo,  Potamon),  Phönikien,  Arabien,  Äthiopien,  Europa,  Argos  (vgl. 
Danaos,  Argios)  wie  den  Doriern  überhaupt,  Attika  (vgl,  Aktaie)  und 
Pierien,  den  in^eln  Rhodos  (vgl.  Ehodia  und  Ebode)  und  Imbros,  den 
flUssen  Donau  und  Hermos  sowie  den  ägyptischen  städten  Memphis, 
Bu^iris  und  Elephantine,  der  ph5nikischen  Tyros^  der  phrygischen 
Kelainai  und  der  westafricanischen  Lixos,  diese  künde  kann  man 
natürlich  nur  durch  den  hande!  erlangt  haben,  und  in  der  that  spielt 
dieser  in  der  ganzen  sage  eine  grosze  rolle*  nach  dem  marmor 
Parium  15,  dem  schul,  zur  II.  A42  und  ÄpoUod.  II 1,  4,  7  hiesz  das 
schiff,  auf  dem  Danaos  mit  seinen  t^chlern  aus  Ägypten  floh,  Ttev- 
Tr|KÖVTOpoC:  er,  der  vater  von  50  töchtern,  galt  als  der  erfinder  des 
fünfzigruderers.  es  liegt  auf  der  band,  dasz  dieser  nicht,  wie  die 
fiagü  erzählt ,  wegen  der  60  töchter  seinen  namen  erb  alten  hat,  son- 
dern dasz  man  Danaos,  den  man  sich  als  vater  von  sehr  vielen 
töehtern  dachte  und  den  man  f^r  den  erfinder  des  damals  gebräuch- 
lichen seeschifi's  hielt,  umgekehrt  wegen  eben  dieses  fünfzigruderers 
fünfzig  töchter  gab.  dieses  schiff  war  nach  dem  schol.  zu  Apoll, 
Arg.  1  4  die  erste  ^xdKpä  vaGc,  die  gebaut  wurde,  und  hiesz  Actvaic* 

Diese  nachricht  trägt  zur  erklärung  vieler  namen  bei,  die  sonst 
dunkel  geblieben  wären,  in  unserer  sage  begegnen  119  personen- 
namen :  alle  diese  zu  beschaffen  war  keine  kleinigkeit,  25  von  ihnen 
sind  der  geographie  entlehnt  worden,  die  andern  müssen  auf  andere 
weise  zusammengebracht  worden  sein,  halten  wir  nun  fest,  dasi 
unsere  sage  mit  dem  handel  in  sehr  naber  berühr aug  steht,  dasz 
femer  das  wort  Aavaic  zugleich  ein  weibliches  wesen  und  ein  schiff 
bezeichnen  konnte,  so  liegt  der  schlusz  nicht  feru,  dasz  in  den  weib- 
lichen namen  oder  doch  wenigstens  in  einer  groszen  zahl  derselben 
schifiTsnamen  enthalten ,  bzw.  verborgen  sind,  dieselben  waren  bei 
den  Griechen  immer  weiblich  und  sind  uns  besonders  durch  Böckhs 
samlung    in  den  ^uikunden  über  das  Seewesen  des  att.  Staates* 


WSchwan:  die  Danaidensage.  99 

(s.  84  £)  bekannt  geworden,  wir  kennen  durch  dieselbe  als  attische 
schiffe  eine  AiOioiric,  CuptuTTT],  Ooißri  und  *Hq)aicT(a:  anter  den 
müttem  finden  wir  eben  diese  namen ,  nur  lautet  der  lütztero  hier 
'Hq)aiCTiva,  was  keinen  unterschied  macht.*  femer  hiesz  nach 
Palaiphatos  32,  14  das  schiff,  auf  dem  Perseus  fuhr,  fopTiit)}  und 
auch  bei  uns  finden  sich  Gorgonen  unter  den  mttttorn.  fttr  eine 
grosze  anzahl  anderer  namen  können  wir  parallelen  aus  Höckhs 
schiffsliste  beibringen,  bei  ihm  finden  sich  AIOiottCq,  Awpfc,  lujviKi^, 
bei  uns'Apaßia,  'AKxairi,  Aiwpiov,  Ooivicca,  TTi^pcia*  bei  jVnem 
NauKpanc,  hier  M^jiiqpic,  'GXcqpavTic,  KeXaivüü,  Tupia'  dortKpi^rri, 
KuOfipfai,  CaXajLiivia,  AnXidc,  hier  *Pob(a,  'Pöbri  •  dort  Nnp»ltc,  hier 
TToXuEu)  NT]tc-  dort  üeTTivri,  TTeTOjLi^vn,  Taxcia,  *QK€ia,  hier  *Qku- 
ir^TTi,  TTTCpiTTTTi,  TTobdpKT],  AuTOjidTn.  manche  namen  konnton 
sehr  gut  für  schiffe  gebraucht  werden,  zb.  NnXüü',  BpuKT]  (vgl. 
oben);  bei  Böckh  findet  sich  l€pd,  TTavöfa*  0\\xr]  (vgl.  entweder 
'loOca  oder  Kui^qjöia,^  TpaTqjbia  bei  B.);  KaXidvöri«  'ApTuqpIii, 
Kpiviu,  'HX^KTpa,  'Arauri  (bei  B.  KaXXicxiI),  AajiTrdc,  Aa/biTipä, 
clHx^Gouca,  CTiXßouca,  0iüc,  Xdpic)-  fXauKTi,  föpTn  (bei  B.  Top- 
Tonric)'  KXcitti,  KXeoöiipT],  KXeoTTdxpa  (bei  B.  KXciüü,  KXeüJ, 
TTovbiupa)-  MvrjcTpa  =  die  eingedenke,  TTrepjivricTpa,  Aütovöti 
(bei  B.  TTpövoia,  TTpoGujLiia,  fviJüfjiri,  Cocp(a);  'AverjXcia  (bei  B. 
'AvGoOca);  "GpcT]  =  feuchtleben  wie  €upu)Ti()  und  *ATXavT€lTi  (der 
name  der  zweiten  hamadryade  Phoibe  findet  sich  als  schiffnuame). 
femer  sind  die  folgenden  zahlreichen  Zusammensetzungen  zu  be- 
achten: *l7r7Tobd|Lieia,'l7TTTO|i^5ouca,  6ui7T7Tri,  XpucCTTTrri,  rXauKiTTTrTi, 
AiwEiTTTTT],  und  ^iTTTTobiKii;  iu  der  attischen  marine  finden  sie  sich 
entsprechend  häufig:  'iTTTraTUJTÖc,  iTTTrdpx»!,  Itttttitöc,  liTTTia,  'Itttto- 
OuiVTic  und  lTTTT0Kd)i7Tri :  schiffsnamen  dieser  art  werden  deshalb 
besonders  beliebt  gewesen  sein,  weil  es  sehr  nahe  lag  die  schiffe  mit 
rossen  zu  vergleichen  (vgl.  Od.  b  708). 

Natürlich  kann  man  in  vielen  fällen  nicht  entscheiden ,  ob  die 
betreffenden  namen  schiffsnamen  gewesen  sind;  so  viel  ist  aber 
sicher,  dasz  eine  grosze  zahl  der  angeführten  namen  schiffsnamen 
ihren  Ursprung  verdanken  können,  unter  den  Aigyptiaden  haben 
hingegen  nur  fünf  direct  oder  indirect  etwas  mit  der  Schiffahrt  zu 
thun :  der  name  des  In,  44n  und  4ön  (Auf  K€iic,  "IbjLiuiV,  ''Ibac)  passt 
gut  für  einen  Steuermann  oder  schiffsherrn,  der  18e  heiszt  KepKecnic 


1  bei  diesem  namen  kann  man^noch  darauf  hinweisen,  dasz  'HqpaiCTla 
anch  ein  griechischer  name  für  Ägypten  war  (Steph.  Byz.  u.  AtfUTiTOC). 

*  die  zwei  ältesten  schiffsnamen  (Ar^ro  und  Gorgo)  endigen  auf  ui, 
auch  unter  den  attischen  schiffsnamen  findet  sich  diese  endung  (zb.  KoX* 
XiCTid,  KXeiuü,  KXcdi,  TTciOiii):  könnte  dieselbe  nicht  besonders  häufig 
bei  den  schiffsnamen  angewandt  worden  sein?  wir  haben  hier  fopTUÜ, 
TToXuHiii,  Kpivdi,  NiiXdi,  Ocavuü,  EOpuiTid  und  KcXaiviii.  von  diesen 
kennen  wir  Gorgo  als  schiffsnamen;  Polyxo,  Kelaino  und  Nelo  können 
gut  solche  gewesen  sein  und  Krino  (=»  lilie)  wie  Euroto  (etwa  feucht- 
wangen)  empfehlen  sich  als  solche  sehr,  die  bedoutung  von  Theano 
ist  dunkel. 


100 


WScbwarz:  die  Danaidentage* 


(wahrscbeinlicb  ist  dies  wort  mit  K€pKeTT|C  verwandt,  das  nach 
Photio3  157,9  das  kleine  steuemider  bedeutt^t)  und  der31e  Apüac 
(dieser  name  bat  viclleicbt  mit  der  scbiifsximöierei  zu  tbun  und  ist 
mit  dem  der  oben  erwäbnten  bamadryaden  zu  vergleicben)» 

Sebr  viele  namen  der  Aigypt laden  weisen  auf  Ärgos  bin.  2U* 
nttcbst  fallen  einem  unter  den  namen  derselben  die  vielen  zusammen* 
setzuDgen  mit  imroc  auf,  deren  wir  schon  bei  den  Danaiden  7  (in 
9  namen)  gebabt  haben,  es  finden  sich  nemlicb  'IttttöSooc,  ^Ittttö- 
XuTOC,  Apücmnoc  und  'Iitttokopuctiic.  in  keinem  lande  lagen  diese 
bildungen  näher  als  gerade  in  Ärgos ,  das  wegen  seiner  pferdezucht 
hoch  berühmt  war  (vgl,  jb*  IL  B  287).  vielleicbt  verdanken  auch 
noch  zwei  andere  Aigyptiaden  (der  4e  und  43e)  derselben  ihren 
namen :  wir  wissen  nemlicb ,  dasz  eins  der  ross«  Poseidons  *6tk^* 
Xaboc  (scbol.  zu  IL  N  23)  und  eins  derer  der  Eos  (Od,  i|i  246)  und 
des  Hektor  (IL  9  185)  Adjinoc  hiesz. 

Andere  namen  weisen  auf  die  argeiiscbe  sagengescbicbte ,  und 
Äwar  finden  sich  ihrer  so  viele,  dasz  man  nicbt  eine  zuRillige  über* 
e]ni»timmung  annehmeii  kann,  sondern  auf  eine  bewuste  entlehnun^ 
fichlieszen  musz.  Agenor  (=  dem  9n  Aigyptiaden)  war  vater  des 
Argos  und  köuig  des  gleichnamigen  laiides  (Apollod.  11  1,  2);  er 
war  einer  der  argeiiscben  heroen,  da  ein  bain  in  Ärgos  ihm  geweiht 
war  (Flut*  quaest,  gr.  49).  Sthenelos  (^  dem  25n  Aigyptiaden) 
war  sobn  des  Perseus,  vater  des  Eurystheiis  und  könig  in  Argos 
(Apd,  n  4,  5,  8)»  Chrysippos  gehört  ebenfalL^  hierher  als  söhn  der 
Danais  und  des  Pelops  (ebd,  III  5,  ö,  12).  auch  der  39e  und  40e 
Aigyptiade,  Periphas  und  Oineus,  sowie  die  14e  Danaide,  Gorge, 
sind  dem  mythos  entlehnt:  nach  der  sage  war  Oineus,  der  könig 
von  Kalydon,  vater  des  Periphas  (Ant  Lib,  2)  und  der  Borge  (Apd» 
I  8,  1,  1);  für  Argos  hatte  Oineus  bedeutung,  weil  er  in  diesem 
lande  bestattet  wurde  und  der  stadt  Oino^  den  namen  gegeben 
h&ben  sollte  (Apd.  I  8,  6,  3.  Diod.  lY  (iö),  und  Gorge,  weil  sie  nach 
Apd.  I  8,  5»  2  für  die  mutter  des  Tydeus  galt,  noch  zwei  andere 
Danaiden  und  die  Gorgonen ,  die  mütter  der  Aigyptiaden  39  —  44, 
verdanken  ihren  namen  argeiischen  mythen:  die  Gorgophone  (2) 
teilt  ihren  namen  mit  einer  tocbter  des  Perseus  (I  9,  5),  und  Amy- 
roone  (4)  ist  die  personification  des  lernäischen  quells  dieses  namens, 
die  berühmte  geliebte  des  Poseidon  (Hyg.  169).  unter  den  Hera- 
kJeiden  gab  es  einen  Archelaos  (=  dem  22n  Aig),  einen  sobn  des 
Temenos,  der  nach  Makedonien  zum  könige  Kissen a  (^  dem  33n  Aig.) 
floh  (Hyg.  219).  auch  mit  Argonauten  haben  mehrere  Aigyptiaden 
den  namen  gemeinsam :  Idmon  (^^  dem  44n  Aig,)  galt  für  einen 
söhn  der  Asteria  (^=^  der  lOn  Danaide),  und  von  ihm  wissen  wir 
bestimmt,  das«  er  Argeier  war  (Hyg.  14);  es  ist  nicht  unwahr- 
scheinlich, dasz  er  mit  seiner  mutter  entweder  direct  aus  argeiischen 
sagen  oder  indirect  aus  der  schar  der  Argonauten  entlelint  wurde; 
das  letztere  ist  nicht  aufföltig,  da  wir  zb.  wissen,  dasz  namen  von 
Danaiden  wegen  ihrer  berühmtheit  in  die  thessalischcn  genealogien 


WScbwan:  die  Dmüaid^ctM^«.  101 

hinübergenommen  wurden  (rgl.  Preller  ao  II' 52,  1;.  ^gesebem 
von  Enrydamas  (dem  19ii  Aig.),  der  uns  auch  onter  den  ÄrgoniXiVak 
begegnet  (Hyg.  ao.),  finden  wir  unter  denselben  aocb  coeb  eijaea 
Idas  (e»  dem  45n  Aig.)  und  einen  Ljnkeo^  (^^  dem  Inj,  die  beide 
Yon  Hyginus  ao.  als  Messemi  ex  Pdopimmeso  bezeicbnet  werden, 
jener,  ein  söhn  des  Po&eidon  (Apd.  m  10,  3;,  gebart  anfs  meer  wie 
Lynkens,  der  durcb  sein  sdiarfes  gesiebt  berübmt  (Pind.  Kern. 
10, 1 15  ff.)  sieb  besonders  zum  steoermann  eignete,  da&z  der  Aigjp« 
tiade  Lynkeas  mit  dem  Argonauten  identiscb  ist ,  kann  man  natfir- 
lieh  nicbt  beweisen,  m5glicb  ist  es,  wenn  man  die  entlebnung  des 
Idmon  aus  der  Argonautensage,  vielleicbt  aucb  die  des  Idas  annimt 
nnd  wenn  man  es  nicbt  für  eine  zufällige  verwecbslung  ansieht, 
dasz  naeb  Suidas  Aristopbanes  in  seinen  Danaiden  dem  sobne  des 
Aigyptos  das  scbarfe  gesiebt  beigelegt  bat. 

Nach  dem  vorhergehenden  können  wir  nicht  mehr  an  einen 
mythos,  geschweige  denn  an  einen  qaellenmythos  denken,  wir  haben 
es  hier  nicht  mit  einer  sage  zu  thun ,  welche  die  volkspbantasie  im- 
bewust  geschaffen  hat,  sondern  mit  einer  sage,  deren  ent&tehung 
wir  klar  verfolgen  können,  die  mehr  ein  epos  als  eine  sage  ist,  die 
der  freischaffenden  phantasie  6ines  oder  mehrerer  dichter  grösten* 
teils  ihre  entstehung  zu  verdanken  hat.  es  ist  die  Danaidensage 
natürlich  kein  heldenepos  wie  die  sage  des  Meleagros,  des  thebani- 
schen  oder  troischen  cyclus,  sondern  ein  schifferepos  wie  die  Argo- 
nantensage,  man  könnte  fast  sagen  ein  bandelsepos.  wie  der  dichter 
daran  gearbeitet  hat,  kann  man  noch  verfolgen:  das  schiff  seiner  zeit, 
die  TievTiiKÖVTOpoc,  nötigte  ihn  50  Danaiden  zu  erfinden,  zu  diesen 
50  freier,  zu  diesen  und  ihren  geliebten  über  17  mütter.  man  muste 
also  117  namen  schaffen,  in  der  that  kein  leichtes  beginnen,  das  vnr 
noch  im  einzelnen  verfolgen  können,  die  geographischen  kennt- 
nisse,  die  man  damals  durch  den  handel  besasz,  gaben  mehr  als 
25  personen  den  namen.*  der  Schiffahrt  verdankt  die  mohrzahl  der 
Danaiden  und  der  mütter  und  einige  von  den  Aigyptiaden  ihren 
namen.  andere  schuf  man  sich  wiederum  in  anlehnung  an  die  localen 
argeiischen  Verhältnisse :  die  pferdezucht  des  landes  verlieh  9  Danaiden 
und  4—6  Aigyptiaden  den  namen,  die  argeiischen  mythen  demDanaos, 
wenigstens  4  Danaiden  und  8  Aigyptiaden.  einzelne  namen  scheint 
man  auch  fremden  mythen  entnommen  zu  haben,  wie  den  deis  Proteus 
von  dem  meergeiste,  der  auf  Pharos  in  Ägypten  zu  hause  war,  und 
den  des  Lykos,  der  nach  Apd.  III  10, 1  der  söhn  der  Kelaino  (•»  der 
49n  Danaide)  war. 

Auf  diese  weise  standen  dem  dichter  des  epos  Danais  viele 
namen  zu  geböte,  gleichwohl  muste  er  sich  noch  in  manchem  sehr 
behelfen:  nach  den  drei  Aigyptiaden  Kleitos,  Stbenelos  und  Chry- 

'  einzelne  namen  wie  "Apßn^oc  und  OdpTii  (Heyne  denkt  an  Odpr)), 
vielleicht  aacb  M^vaxoc,  XoTiToc  und  0dvTr)c  scheinen  nicht  griechischen 
nrspmnf;^»  zu  »ein ;  vielleicht  liegt  dem  eiuen  oder  andern  von  ihnen  ein 
geographiacher  bej^riff  zu  gründe. 


WSchwarz:  die  Danaidensage. 


sippos  ächuf  er  äicb  die  drei  DaBaiden  Kielte,  Stfaenele  und  Ckrysippe 
sowie  nach  Mnestra  eine  Hjpermnestra  und  nach  Glauke  eine  Glan- 
kippe.  auszeidcin  verwandte  er  aiebrere  namen  üweiraal:  Aigjptos 
erscheint  als  vat^r  der  Äigyptiaden  und  als  der  41e  Aig.;  wir  haben 
2  Danaiden  des  namens  Hippodameia  (7  und  11),  2  des  namens 
Kleopatra  (9  und  30)j  2  die  Enippe  heiszBD  (21  und  35)  und  2  Äigyp- 
tiaden des  namens  Datphron  (6  und  46),  neben  Rhodia  haben  wir 
eine  Ehode»  neben  Eurydike  eine  Hippodike  und  Kaliidike,  neben 
Hippomedusa  eine  Iphimedusa  und  neben  Diokorystes  einen  Hippo- 
korystes.  für  eine  anzahl  Äigyptiaden,  für  die  es  am  schwersten  ge- 
wesen sein  wird  namen  herbeizuschaffen,  nahm  er  übrigens  recht 
durchsichtige  bezeichnuDgen,  namen  die  sieh  für  königssobne  ge- 
ziemten, wie  Da'iphron,  Diokorystes,  Alkiä,  Alkmenur,  Ägaptolemos^ 
Eurydamas,  Kleitos,  Eurylochos,  Peristhenes ,  Polykfeor,  Menalkes 
und  Hyperbios.  * 

Der  (oder  die)  schöpfer  des  Vorwurfs  unseres  epos  Danais  musz 
nach  dem  gesagten  in  Argos  seiiieu  wohnsitz  gehabt  haben ,  da  er 
nur  in  diesem  falle  die  ausgibigea  kenntnisse  argeiischer  Verhält- 
nisse gehabt  haben  kann;  wo  freilich  derjenige  gelebt  hat»  der  unsernt* 
epos  seine  Vollendung  gegeben  hat,  kann  mao  nicht  sagen,  wir 
können  aber  auch  annähernd  die  zeit  beistimmen,  in  der  dasselbe 
entstanden  ist. 

Oben  haben  wir  an  Nelo ,  Bryke  und  Dorion  gezeigt ,  dasz  in 
unserer  sage  dorische  elemente  vorhanden  sindj  wir  haben  später 
gesehen,  dasz  zwei  von  den  Äigyptiaden,  nemlich  Archelaos  und 
Kitiseus,  eine  rolle  in  der  Herakleidensage  spielen,  unsere  sage  ist 
demnach  Itingere  zeit  nach  der  einwanderung  der  Dorier  in  dit 
Peloponnesos  entstanden,  zu  einer  zeit  wo  bereits  die  Herakleiden« 
sage  mit  der  dorischen  Wanderung  verflochten  war,  und  erst  zu 
einer  zeit  wo  man  bereits  den  Hermos  und  den  Istros  kannte,  also 
jedenfalls  nach  der  colonisierung  Kleinasiens  durch  die  Hellenen, 
etwa  nach  1000  vor  Ch.  bt^sonders  tief  in  die  spätere  zeit  hinabgehen 
dürfen  wir  nicht ,  da  später  immer  mehr  der  begriff  Danaer,  der  in 
unserer  sage  noch  eine  sehr  grosze  rolle  spielt,  verblaszt  sein  wird, 
die  Danaer  haben  aber  einmal  in  dem  bandelsverkehr  der  osthälfte 
dcd  Mittelmeerbeckens  eine  rolle  gespielt:  das  lehrt  unsere  sage,  dai] 
lehrt  vor  allem  die  oben  aus  Brugsch  angeführte  inschrift  und  di« ' 
colonien  der  Argeier  auf  Rhodos,  nach  jener  inschrift  wurden  die 
Danau,  die  mit  andern  Völkern  einen  angriff  auf  Ägypten  machten, 
unter  Ramses  III  (1269  —  1244)  in  einer  Seeschlacht  besiegt,  auf 
den  denkmälem  führen  diese  Danau  dasselbe  epitheton  wie  die  lonier 
und  tragen  denselben  gesichtstypus  wie  die  Griechen  auf  den  denk- 
mälern  der  Ptolemaierzeit,    es  ist  demnach  sicher,  dasz  die  Danan 

*  manche  von  diesen  oamen  können  noch  einen  beaondern  Ursprung 
haben,  auch  sind  wir  aelbstyerdtündlich  mitunter  nicht  im  aiande  irgend 
eine  erklärung  der  namen  zu  ^obtiUf  wie  derer  der  Danaiden  6,  17  \vgl, 
noch  unten),  22,  37,  44  und  46  und  der  Älgyptiadeu  8,   15,  36,  38  und  47, 


WScbwarz:  die  Danaidensage.  103 

Griechen  gewesen  sind,  auffällig  ist  es  aber  keineswegs ,  dasz  die 
Ägypter  alle  Griechen  Danau  genannt  haben ,  da  ein  volk  stets  sein 
nachbaryolk  nach  d^m  stamme  benennt,  mit  dem  es  in  berührung 
kommt,  da  ferner  noch  in  der  Ilias  A  42.  56  und  in  der  Odyssee 
X  659  die  Hellenen  insgesamt  Danaer  genannt  werden,  und  da  femer 
die  Ägypter  die  kleinasiatischen  Griechen  nach  dem  bedeutendsten 
bandelsvolk  unter  denselben  kurzweg  lonier  genannt  haben,  auch 
verschlägt  es  nichts,  dasz  der  name  der  Danau  nach  jener  Seeschlacht 
nicht  mehr  auf  den  ägyptischen  denkmälern  begegnet,  es  traten 
eben  später  die  lonier  als  handelsvolk  auf ,  und  diese  werden  schon 
damals  den  andern  Griechen  im  handel  überlegen  gewesen  sein,  wie 
sie  es  in  historischer  zeit  sind,  dasz  die  Argeier,  die  Danaer  der 
Ägypter  im  engem  sinne,  aber  einmal  mit  Ägypten  in  handels- 
yerkehr  gestanden  haben ,  beweisen  ihre  colonien  auf  Bhodos ,  die 
denselben  vermittelten. 

Nach  Diodoros  I  G8,  9  hat  Psammetich  (653 — 610)  zuerst  die 
emporien  Ägyptens  den  fremden,  besonders  den  Hellenen  geöffnet, 
in  der  vorhergehenden  zeit  galt  auch  in  der  that  Ägypten  als  ein 
den  griechischen  Seefahrern  feindliches  land:  bei  Hesiodos  (fr.  222 
Bzach)  findet  sich  die  sage  von  dem  menschenschlachtenden  ägypti- 
schen könige  Busiris,  aber  in  der  zeit,  in  der  Od.  b  125  ff.  227  ff. 
entstand,  war  die  gastlichkeit  Ägyptens  hochberühmt,  jedoch  war 
anch  damals  der  handel  innerhalb  dieses  landes  ein  beschränkter: 
die  geschäfte  wurden  nur  in  Pelusion  und  an  der  kanobischen  mün- 
dung  abgewickelt,  es  war  dies  insofern  in  den  Verhältnissen  be- 
gründet, als  handelsschiffe  nur  den  pelusinischen  und  kanobischen 
arm  befahren  konnten,  aber  auch  in  den  zeiten  der  stärksten  handels- 
sperre  hat  ein  beschränkter  verkehr  stattgefunden.  Strabon  792 
berichtet  nemlich :  ol  TTpörepoi  tüüv  Aitutttiuüv  ßaciXeic . .  öiaßeßXri- 
fi^voi  TTpöc  äTiavTac  touc  TiXeoviac  kqI  jnaXicia  touc  "6XXTivac 
(Trop6r]Tai  top  ^cav  .  .)  d7T€CTT]cav  (puXaKf|V  dem  gebiet  im  westen 
der  kanobischen  mündung  KeXeiicaviec  dTT€ipT€iv  touc  TrpociövTaC' 
KaxciKiav  ö'  auToTc  Äocav  .  .  'Pqkujtiv,  ?\ .  .  Kübjur]  ötrfipxe'  xd  bfc 

KUkXw    TfjC    KtüjLlTlC    ßoUKOXoiC    TTap^bOCaV  buVajLieVOlC  Kttl  aÖTOic 

KUüXueiv  Touc  ßujGev  ^Triöviac.  in  der  zeit  vor  Psammetich  war 
demnach  der  handel  auf  Bhakotis  beschränkt,  das  an  der  stelle  des 
spätem  Alexandreia  gelegen  wegen  der  starken  einschränkungen, 
die  sein  handel  erfuhr,  nie  grosz  geworden  ist  (vgl.  Paus.  V  21,  9). 
aber  die  Völker,  die  hier  am  kanobischen  arm  handel  trieben,  hatten 
sich  selbst  diese  beschränkung  zu  verdanken,  da  sie  und  unter  ihnen 
nicht  am  wenigsten  die  Hellenen  mehr  von  seeraub  als  von  see- 
handel  lebten,  bevor  aber  die  Griechen  auf  Bhakotis  beschränkt 
wurden,  musz  der  handel  am  kanobi^^chen  arm  eine  gröszere  freiheit 
genossen  haben,  und  es  ist  leicht  denkbar,  dasz  die  Hellenen  ver- 
schiedentlich wieder  versucht  haben  anteil  an  dem  ägyptischen 
handel  zu  bekommen,  diesen  versuchen  wird  dann  nach  kürzerer 
oder  längerer  zeit  eine  verschärfte  Überwachung  von  Bhakotis ,  oft 


104 


WSchwarz;  die  Dajaaiden»age. 


sogar  eine  vollständige  atistreibung  der  kaufleute  gefolgt  s^cin.  etwas 
derartiges  müSÄ  unserer  sage  zu  gründe  liegen,  nacb  derselben  (Äpi. 
II  1,  4,  5)  siedelte  (KaTUJKicev)  der  vater  des  Danaos  diesen  Hüinen 
söhn  in  Libyen  an.  und  in  der  tbat  lag  Khakotis  bereits  in  Libyen, 
da  dieses  bei  dem  kanobiöcben  Nilarm  begann  (Skylax  107),  wenn 
also  die  Griechen  vom  westufer  dieses  arma  vertrieben  wurden,  so 
wurden  sie  aus  Libyen  verjagt  in  unserer  sage  haben  wir  es  also 
mit  einer  solchen  ausschlies^ztiii^  und  Vertreibung  der  hellenischen 
kaufleute  vom  ägyptischen  markte  zu  thun ,  und  gerade  dieser  um- 
stand musz  dieselbe  geschaffen  haben,  zu  die«?ein  moroent  kam  noch 
ein  zweites,  die  Danaiden  giengen  trotz  ihres  gattenraordes  in  der 
ttltesten  Fassung  der  sage  straflos  aus;  erst  eine  spätere  zeit^  die 
humaner  dachte  ^  hat  ibnen  die  bekannte  schwere  strafe  zuerkannt 
(Hyg.  168).  ursprünglich  musz  demnach  ihre  that  in  einem  ganz 
andern  lichte  erschienen  sein^  sie  kann  also  nur  eine  beziebung  zum 
seeraub  gehabt  haben :  seeräubem  gegenüber  ist  eben  alles  ertaubt 
gewesen,  es  musz  mit  andern  worten  unserer  sage  der  im  altertum 
so  oft  begegnende  frauenraub  zu  gründe  liegen:  gegen  ihre  röuber 
haben  die  Danaiden  sich  mit  list  und  mit  dem  deiche  gewehrt,  in 
diese  Verhältnisse  spielt  dann  als  drittes  moment  das  verwaudt^cbafts- 
motiv  hinein  ,  das  den  dichtem  der  genealogien,  überhaupt  der  zeit 
aus  der  unsere  sage  stammt,  eigentümlich  ist,  und  dies  hat  dem  epoa 
einen  tiefem  gedanken  gegebeu.  einer  der  seer&uber,  Lynkeus,  wird 
gerettet,  weil  er  den  bitten  der  Hypermnestra  nachkommt  und  der 
liebe  entsagt  (Apd.  II  1,  5,  10  [Hypermnestra]  AxrfKia  bi€C(jüC€ 
trapöevov  auTT^v  cpu\d£avTa).  später  erhält  er  zum  lohn  von 
Danaos  Hypermnestra  zur  gern  ah  l  in  und  wird  sein  nach  folger  in 
der  berschaft  über  Argos,  nachdem  die  andern  Danaiden  auf  Zeus 
he  fehl  durcb  Athene  und  Hermes  von  ihrer  blutscbuld  gereinigt 
worden  waren,  so  berichtet  ApoUodoros  (II  1,  5,  11  f.  II  2,  1,  1), 
die  spätere  zeit»  die  immer  menschlicher  wurde ^  gab  der  sage  einen 
mehr  versöhnenden  abschlusz:  nach  Archilochos  (bei  Malalas  IV  68) 
kam  es  zum  kriege  zwischen  Danaos  und  Lynkeus^  und  nach  Servius 
zu  Verg,  Aen,  X  497  fiel  jener  von  der  band  seines  neffen ;  endlich 
nach  dem  »cboL  zu  Eur.  Hek.  869  büszte  nicht  nur  der  vater,  son- 
dern auch  die  Danaiden  den  mord  mit  ihrem  leben  * 

So  wurde  die  zeit  immer  humauer,  aber  damals,  als  unsere 
sage  entstand,  befand  man  sich  noch  keineswegs  unter  dem  zeichen 
der  humanität.  es  musz  demnach  unsere  sage  mehr  als  ein  Jahr- 
hundert vor  Archilochos,  der  um  650,  also  zur  zeit  Psammetichs 
blühte,  ihren  ersten  abschlusz  gefunden  haben;  es  musz  also  das 
epos,  das  unsere  sage  in  der  uns  durch  Apd.  II  1,  5  bekannten 
i&lteaten  form  behandelte,  zwischen  1000  und  800  entstanden  sein* 
der  fortschritt  der  cultur  untergmb  immer  mehr  das  seeräubertnm, 
indem  er  den  gmnd  zu  milderer  gesinnung  legte,  dies  rät  uns  die 
entstebung  der  Danaidensage  näher  nach  1000  als  nach  800  zu 
legen,  wenn  man  die  histori!»cben  Verhältnisse  Ägyptens  in  betracbi 


WSchwarz:  die  Danaidensage.  105 

sieht ,  80  ist  es  mOglich  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  die  zeit  noch 
etwas  genaner  zu  hestimmen^  nach  Apd.  II  1,  4,  5  wohnte  Aigjptos 
in  Arabien,  unterwarf  sich  Ägypten  und  gab  diesem  lande  seinen 
namen.  hierunter  kann  sich ,  wenn  man  den  werten  einen  histori- 
sehen  sinn  geben  darf,  nur  die  erinnernng  an  das  emporkommen 
einer  nenen  dynastie  verbergen,  ond  in  der  that  kam  im  j.  1091 
oder  1074  die  dynastie  von  Tanis  empor,  im  j.  961  die  von  Bubastis. 
diese  herschaften  haben  insofern  etwas  mit  Arabien  zu  thun ,  als  sie 
in  d6m  teile  des  Delta  ihre  macht  aufrichteten ,  der  an  Arabien  an- 
grenzte (Strabon  803;  unter  den  nomoi  des  Delta  begegnet  noch  in 
später  zeit  auf  den  münzen  einer  des  namens  'Apaßia  und  einer 
des  namens  Aißui],  vgl.  CI6.  PH  s.  316^;*.  für  den  Griechen,  der  in 
Libyen  dh.  am  westufer  des  kanobischen  Nilarms  sasz,  konnte  diese 
gegend  schon  als  Arabien  gelten,  dazu  werden  diese  dynastien,  die 
ihren  Schwerpunkt  im  Delta  hatten,  am  besten  im  stände  gewesen 
sein  dem  seeraub  der  Hellenen  zu  steuern,  etwa  um  ^00,  eher  vor- 
her als  nachher,  musz  demnach  unsere  sage  entstanden  sein,  die 
einer  der  austreibungen  griechischer  seebändler  und  -rSuber  aus 
Ägypten  ihren  Ursprung  verdankt. 

Damit  ist  auch  der  kreislauf  der  argeiiscben  sage  erklSrt,  wo- 
nach Argeier  nach  Ägypten  gelangen  und  deren  nachkommen  wieder 
in  die  alte  heimat  zurückkehren,  femer  ist  nunmehr  verständlich, 
wie  die  sage  entstehen  konnte,  Danaos  habe  dem  bii^iov  ""ApTOC 
den  regen  gebracht  (Hes.  fr.  49  Rz.  "'ApTOc  dvubpov  ^öv  Aavaöc 
irotlicev  ^vubpov).  derselbe  wind  nemlich ,  der  die  schiffe  aus  dem 
Süden,  aus  Ägypten  oder  Rhodos  brachte,  der  notos,  war  nach  Her. 
11  25,  2  der  regenreichste  wind,  man  konnte  demnach  erst  den 
regen  erwarten ,  wenn  auch  die  ankunft  der  schiffe  aus  dem  Süden 
bevorstand :  und  so  verband  die  volksphantasie  den  regen ,  der  dem 
lande  notthat,  mit  der  Schiffahrt,  und  vereinigte  ihn  dann  mit 
Danaos,  da  er  der  repräsentant  aller  derer  wurde,  die  aus  dem 
Süden  kamen,  später  ist  dieses  motiv  in  der  sage  mehr  hervor- 
getreten :  er  wurde  zu  einer  regenspendenden  gottheit.  deshalb  gilt 
er  bei  Pliniuä  VII  195  als  der  erfinder  der  brunnen  in  Griechenland 
'  nnd  speciell  in  Argos.  erst  die  spätere  zeit  hat  diese  regenver- 
leihende kraft  auf  die  Danaiden  übertragen:  jener  so  eben  aus 
Hesiodos  angeführte  vers  begegnet  nemlich  auch  in  der  form  'ApTOC 
fivubpov  ^öv  Aavaai  G^cav  "Aproc  ?vuöpov.  allein  der  umstand, 
dasz  hier  ''AptOC  an  zweiter  stelle  als  flickwort  benutzt  ist,  lehrt, 
dasz  wir  es  mit  einer  Jüngern  fassung  des  Hesiodischen  verses  zu 
thun  haben,  so  hat  die  volksphantadie  die  sage  imu^er  noch  weiter 
ausgebildet'^  und  ist  das  wenige  in  dieselbe  hineingebracht  worden, 


^  dadarch  wird  man  in  Argos  allmählicb  dazu  (rekommen  sein  die 
qaellnymphen  zn  Dnnaiden  zu  machen,  dnrch  Kallimachos  by.  5,  47 
kennen  wir  noch  eine  Danaide  Physadeia,  die  einem  qnell  bei  Ari^os 
ibren  namen  verdankte,  aber  weder  in  dem  verzeicbnis  der  Danaiden 
bei  Apollodorotf  noch  in  dem  des  Hyginos  findet  sich  ihr  name.     es  ist 


106 


WScliwarz:  die  Danaidensage. 


was  Preller  verleitet  hat  §ie  für  einen  quellen mythos  zu  halten,  wie 
die  sage  weiter  thätig  gewesen  ist,  können  wir  aus  Apd.  II  l,  5^  11 
und  Paus.  II  25,  4  f.  ersehen,  da  die  quelle  Amynione  eine  be- 
ziebung  zu  den  wassern  von  Lerna  hatte  (Apd.  II  1,  4,  10),  so  ent- 
stand die  ebd.  II  1,  5,  11  erhaltene  argeiische  localsage,  daBz  die 
Danaiden  die  köpfe  ihrer  vettern  in  eben  diesen  sumpf  verscharrt 
hlitten.  nach  Pausanias  ao.  hat  das  stB^dtcben  Aut^eia  in  Argolia 
ßpäter  den  namen  AupKeia  gehabt,  es  liegt  auf  der  band,  dasz  nicht, 
wie  Paus,  berichtet,  ein  unbekannter  Lyrkofi  einer  stadt^  die  nach 
dera  berühmten  Äigjptiadea  und  spätem  argeiischen  könige  Lyn- 
keus  begannt  war^  seinen  namen  aufgedrängt  liaben  kann,  wir 
haben  also  wohl  des  Paus,  werte  ^u  zu  deuten,  dasz  man  versucht 
hat  einem  orte,  der  Lyrkeia  biesz,  wegen  der  naraenBähnlicbkeit  den 
namen  Ljnkeia  zu  geben,  dasz  aber  diese  form  später  wieder  auszer 
gebrauch  gekommen  iat  und  dasz  die  guten  Ljrkeier,  um  ihren  rieh* 
tigen  namen  i^u  behalten,  einen  stadtheros  Lyrkos  erfundt^n  haben, 
ist  diesft  deutung  richtig,  so  haben  wir  hier  den  versuch  die  Dauaiden- 
aage  noch  mehr  in  Argos  festzulegen,  ein  versuch  der  in  diesem  falle 
schlieszlicb  scheiterte. 

Mehr  hat  die  kunstdichtung  an  der  Danaiden  sage  ändern  können, 
und  sie  hat  dieselbe  als  einen  dankbaren  stoff  sehr  oft  zum  Vorwurf 
genommen,  diese  behandlungen  der  sagt*  —  wir  kennen  solche  von 
Arcbilochos,  Aischylos,  Phrynichos  und  Theodektea  wie  von  Aristo- 
phanes  —  haben  für  uns  hier  nur  insofem  Interesse,  al^  dadurch 
die  namen  der  personen  verändert  worden  sind:  Pherekydes  (bei 
Müller  FÜG.  I  83,  40)  nennt  als  frau  des  Aigyplos  Isaie,  als  die 
des  Danaoc^  Melia,  die  beide  Apd.  unbekannt  sind;  Hippostratos 
(Müller  IV  4H2,  1)  dagegen  als  die  des  erstem  Euryrroö,  als  die 
des  andern  Euroi>e.  letztere  begegnet  ebenfalls  im  verzeichni» 
Apollodors  und  wird  von  ihm  II  1,  5»  3  als  ßaciXic  Tuviil  bezeichnet; 
nach  §  2  heiszt  die  ßaciXic  des  Aigyptos  Argjphie,  nach  Hippo- 
stratos dagegen  Eüryrrot".  unter  diesem  namen  verbirgt  sich  eine 
personification  des  'breitströmenden'  Nil;  dieses  klar  verständliche 
wort  wird  später  für  das  weniger  verständliche  Argyphie  eingesetzt 
worden  sein,  so  viel  ist  aber  aus  Hippostratos  klar,  dasz  man  später 
der  kürze  halber  meist  nur  die  ßaciXibcc  T^vakec  als  mlitter  aller 
Danaiden  und  Aigyptiaden  gesetzt  bat,  was  jedenfalls  die  spätem 
dichter  deshalb  gethan  haben,  weil  es  ihnen  lästig  war  17  mütter  zu 
nennen .  des  Pberekydus  namen  haben  mit  denen  Apollodors  gar  nichts 
zu  thun :  Melia  spielt  schon  als  gemahlin  des  Inachos  (Apd,  II  1,  1, 3) 
im  argeiischen  Sagenkreis  eine  rolle,  noch  eher  aber  kann  sie  mit  der 
Isaie  dem  mythos  des  Agenor  entlehnt  worden  sein  (vgl.  Pherek.  ao.). 

demnach  dcher,  daas  sie  erst  za  einer  zeit  zur  Danaide  geniHcht  wnrde, 
wo  niAO  die  töchter  des  Dannos  mit  den  wasaerverhältnUsen  iii  Argos 
in  verbmduQf^  gebracht  hattei  woza  man  durch  die  epfitere  aaffasstiiii; 
des  Vaters  hIs  regenspenders  und  darch  die  anwcsenheit  der  Amjmoiie 
unter  den  DaDalden  veranlaszl  warda. 


WSchwarz:  die  Danaidensage.  107 

Viel  grösser  ist  der  nnterschied  zwischen  Äpd.  und  Hjg.  1 70. 
nur  7  von  den  Danaiden  Hjgins  and  9  von  seinen  Äigyptiaden  decken 
sich  mit  denen  ApoUodors :  wir  finden  nemlich  bei  ihm  eine  Enippe, 
Enrydice,  Cleopatra,  Glaacippe,  Amjmone,  Electra  und  Hyper- 
mnestra,  femer  einen  Proteus,  Agenor,  Chrjsippos,  Enceladus, 
Clytus  (=  KXetTÖc,  vgL  jedoch  unten),  Aegjptus,  Dryas,  Hyperbins 
nnd  Lynceus;  auszerdem  entspricht  eine  Hippotho^  Hygins  einem 
Hippothoos  ApoUodors,  ein  Asterius  einer  Asteria,  ein  Obrimus 
einem  Bromios.  diese  Veränderung  fSllt  am  wenigsten  ins  gewicht, 
da  ans  dem  einen  der  beiden  w5rter  leicht  das  andere  werden  konnte; 
jedoch  scheint  Apd.  die  ältere  form  zu  haben ,  da  sie  weniger  ver- 
ständlich war  als  das  wort  Obrimus.  noch  mehr  deuten  die  beiden 
ersten  Veränderungen  auf  mit  bewustsein  vorgenommene  änderungen 
hin.  im  folgenden  falle  kOnnte  es  im  ersten  augenblick  scheinen, 
als  ob  Hyg.  die  ältere  form  bewahrt  habe:  nach  Apd.  heiszt  die  17e 
Danaide  Peirene,  nach  Hyg.  Pyrene  (=  die  Pyrenäen);  jener  name 
ist  unverständlich,  da  er  wohl  schwerlich  etwas  mit  der  berQhmten 
quelle  Peirene  in  Eorinth  zu  thun  haben  wird,  dieser  wäre  ein 
weiterer  geographischer  begriff,  der  zu  den  15  oben  erwähnten 
hinzukäme;  aber  von  den  Pyrenäen  konnte  man  damals  weit  weni- 
ger leicht  als  von  Lixos  künde  haben ,  und  in  Hygins  Verzeichnis 
sind  alle  geographischen  bezeichnungen  ausgemerzt,  es  ist  dies  sehr 
bemerkenswert,  bei  Hyg.  haben  wir  nur  noch  den  namen  des 
Aegyptiaden  Aegyptus,  welcher  durch  den  umstand  geschützt  war, 
dasz  er  identisch  war  mit  dem  des  vaters  der  Äigyptiaden. 

Noch  andere  wesentliche  unterschiede  finden  sich  zwischen  bei- 
den Verzeichnissen,  wir  haben  oben  gesehen,  dasz  in  demjenigen 
ApoUodors  eine  gewisse  unbeholfenheit  zu  erkennen  ist,  die  sich 
darin  äuszert,  dasz  fünfmal  für  2  personen  derselbe  name  gebraucht 
wird,  dasz  3  feminina  nach  3  masculinis  gebildet  sind,  dasz  sich  neben 
Bhodia  Bhode,  neben  Hippomedusa  Iphimedusa,  neben  Diokorystes 
Hippokorystes,  neben  Eurydike  Hippodike  und  Kallidike  findet,  bei 
Hyginus  begegnet  nur  Aegyptus  und  Plcxippus  doppelt;  davon  fiel 
jenes  wort  weniger  auf,  während  dieses  bei  Apd.  sich  überhaupt 
nicht  findet,  der  doppelname  Kleopatra  ist  hingegen  mit  absieht  be- 
seitigt worden :  neben  einer  Cleopatra  findet  sich  eine  Cleo,  ein  name 
der  nebenbei  bemerkt  mehrfach  unter  Böckhs  schiffsnamen  begegnet 
(zb.  IV  •»  24).  sonst  kommt  noch  Eurydice  neben  Antodice  und 
Daplidice,  Demophile  neben  Demopbilus,  Antimachus  neben  Andro- 
machus,  Asterius  neben  Asterides,  Pyrante  neben  Pyrantbis  und 
Idea  neben  Euideas  (Idea  ist  femininform  zu  Ideas)  vor.  femer 
findet  sich  bei  Hyg.  alles  das  nicht,  was  bei  Apd.  auf  Argos  hin- 
wies: bei  diesem  haben  wir  13 — 15  mit  Yttttoc  componierte  namen, 
bei  Hyg.  nur  6,  nemlich  Euippe,  Hippotbo^,  Glaucippe,  Plexippus 
(zweimal)  und  Cbrysippus.  von  den  4  Danaiden  und  den  8  Äigyptia- 
den ,  deren  namen  argeiischen  mjrthen  entlehnt  sind,  finden  sich  bei 
Hyg.  nur  Amymone,  Agenor  und  Chrysippus. 


lOB 


WSßhwarz:  die  Danaidensage* 


Betracbten  wir  das  namensverzeicbiiis  Hygins  als  ein  für  sich  ab- 
gescblofisenes  ganzes,  so  fioden  wir  folg'eBdes.  1 1  von  seinen  namen, 
nemlicb  Pbilomela,  Scylla,  Euippe,  Myrnaidonej  Chrysotbemis,  Poly- 
X6Da,  Hecabe,  Electra,  Hero,  Agenor  und  Xantbus  stimmen  mit  sol- 
eben  des  troiscben  sagenkreiaes  überein*  Hecabe  ist  des  Priamus , 
gemabUn,  Polyxena  ibre  toebter:  beide  werden  bei  Hyg.  unmittel^ 
bar  neben  einander  ala  Danaiden  erwähnt,  sodann  kennen  wir^ 
töcbter  des  Priamus,  die  Hero  und  Pbilomela  bieszen  (Hyg,  90)* 
Electra  iiod  Chrysothemis  waren  töcbter  Ägamemnons.  die  Danaide 
Myrmidoue  musz  ihren  namen  von  dem  volke  der  Myrmidonen  er- 
halten haben,  ebenfalls  weist  tins  nach  Troas  der  name  Xantbiis, 
da  bekanntlich  der  Skamandros  in  der  spräche  der  götter  30  biesz 
(II.  Y  73  f,).  ferner  kennen  wir  einen  Troer  Agenor,  der  sieb  durch 
grosze  tapferkeit  auszeichnete  (IL  A  467  uö.).  die  Danaido  Scylla 
wird  ihren  namen  zweifeUobiie  dem  berühmten  ungehaner  der 
Odyssee  verdanken,  Euippe  vielleicht  der  frau  dieses  namens,  dio 
von  OdysseuB  mutter  des  Enryalos  war  (Parthenios  erot.  3)*  ferner 
stimmen  5  von  den  namen  Hygins  und  zwar  Pyrene,  Antimachua, 
(Encelüdus,)  Amyntor,  Epbialtea  und  Antiocbus  mit  namen  aus  der 
HeraklesBage  überein.  Antimachoa  (Apd,  II  7,  B,  6)  und  Antiocbos 
(ebd.  II  8,  3^  2)  kennen  wir  als  söline  des  Herakles;  der  erster© 
name  begegnet  aber  aucb  unter  den  Troern  (II,  A  123).  Pyrene 
war  nach  Silius  III  420  ff*  geliebte  des  Herakles;  Ämyntor  wurde 
von  ihm  erschlagen  (Apd.  II  7,  7,  6),  der  gigant  Epbialteß  verlor 
iin  götterkampf  durcb  ilm  sein  rechtes  äuge  (I  6,  2,  2),  wegen  eben- 
det^selben  kampfes  kennen  wir  auch  Enkelados  hier  erwähnen,  auf 
den  infolge  des&elben  Sikelien  gewälzt  wurde  (§  3).  7  namen,  nem- 
lieb  Kleopatra,  Pleiippos,  (Agenor,)  Kanthos,  Ästerios»  Atbamaa, 
Klytos  und  Polydektor,  finden  sich  aucb  in  der  Argonaiitensago. 
Atbamas  ist  der  bekannte  vater  des  Pbrijtos  nnd  der  Helle.  Kantboa 
(Apoll .  Arg.  I  77)  und  Asterios  (ebd,  176)  —  auch  diese  werden 
wieder  neben  einander  aufgeführt  —  waren  Argonauten.  Klytos 
fand  als  geführte  des  Phineus  durcb  Perseus  seinen  tod  (Ov.  met, 
V  87);  die  gemablin  des  Pbineuü  hiesz  Kleopatra,  seine  söhne  waren 
Plexippos  nnd  Polydektor.  vielleicht  gehört  auch  der  schon  vorhin 
angeführte  Agenor  hierher,  da  der  vater  des  Phineus  so  hiesz  (Apoll* 
Arg.  II  178)*  anszerdem  können  wir  wobl  die  Danaide  Eurydike 
mit  der  gemahlin  des  Orpheus  in  Verbindung  bringen. 

Es  stimmen  demnach  24  namen  unter  den  93  unserer  liste  — 
zwiscben  dem  19n  Aigyptiaden  und  der  24n  Danaide  sind  nemiicb 
7  namen  ausgefallen  —  mit  namen  aus  den  berühmtesten  Sagen- 
kreisen Überein:  die  grosze  aabl  dieser  Übereinstimmungen  beweist, 
dasz  diese  namen  oder  doch  wenigstens  die  mebrzahl  derselben  tbat 
sftcblicb  entlehnt  worden  sind ;  dagegen  spricht  nicht  der  umatandj'^ 
dasz  die  69  öbrigen  nicht  entlehnt  worden  sind,  da  wir  eineraeita 
die  alten  sagen  nnr  bruchstückweii^e  kennen,  anderseits  in  der  mebr- 
zahl dieser  69  namen  sonst  unbekannte^  vielfach  sogar  ungriechiscbe 


WSchwarz:  die  Danaideni>age.  Ujif 

formen  haben,  von  den  24  namen  gehören  7  zu  denen,  welch«»  hihU 
bei  Apd.  und  Hjg.  zugleich  finden,  nemlich  PJuippe,  Kurydike,  KJ«?«/- 
patra,  Elektra,  Agenor,  Enkelados  und  Klytob.  di«^  fiam<;rj  kofioi«» 
deijenige,  auf  den  das  Verzeichnis  Hygin»  zurUck;<<;ht ,  heibohülUyii, 
da  sie  auch  anderweit  durch  sagen  bekannt  waren;  von  'U'M  if  flbri 
gen  namen,  die  sich  zugleich  bei  Apd.  und  Hyg.  findifu,  inuaUi  ttr 
3  unbedingt  behalten,  nemlich  die  der  beiden  hauptheldirrj,  ti^j 
Hypermnestra  und  des  Lynkeus,  und  der  Danaide  Atnymothtf  di<i 
nach  ihnen  die  gröste  und  in  gewissem  sinne  eine  Uv.ond«;r«9  rolle 
in  der  sage  spielt,  auszerdem  empfahl  hich  die  l/eibehaltuni^  de« 
Aigyptos  wegen  seines  vaterb  und  des  Proteus  weg«'n  ftein^-r  ftugen 
berühmtheit:  in  diesem  falle  gehen  wir  sieher,  wenn  wir  tiuaturn 
Proteus  auf  den  meergeist  dieses  namens  zurUekfUbreni  da  er  m 
nnserm  Verzeichnis  als  der  freier  eine»  zweiten  meerwiindirri} ,  de« 
seenngeheuers  Skylla,  erscheint,  ebenso  e/npfahl  hich  (yUry^-titiHtu 
als  söhn  des  Pelops.  es  sind  demnach  nur  noch  li  nurnen,  iiemlich 
Olankippe,  Dryas  und  Hyperbios  übrig,  von  denen  wir  nj<:ljt  hm/au 
können,  aus  welchem  gründe  der  verfubher  unseren  vt^r/junhuhtihn  «ie 
beibehalten  hat,  doch  liegt  die  Vermutung  nahe,  da^z  auch  hie  ttit-M 
durch  sagen  zur  beibehaltung  empfahlen;  Dryas  und  Jlyperl/io«  he 
gegnen  auch  noch  sonst  in  der  Hagengebchichte,  nur  Olaukippe  mi 
allein  durch  unsere  sage  bekannt. 

Auffallend  ist,  dasz  in  zwei  von  den  na/nen,  welelje  iiyt/.  uwi 
Apd.  gemeinsam  haben,  eine  vertaubchung  von  €i  und  u  nUiUUwUti: 
Apd.  hat  KXeiTÖC  und  TTeipriVTi,  Hyg.  Clytus  und  Vymnti.  der  foini 
KXuTÖC  kann  man  nicht  ansehen,  ob  sie  die  ftltere  oder  jüngere  ibt. 
dagegen  musz  Pyrene  jünger,  also  für  Peirene  eingesetzt  sein,  da  sich 
mit  dieser  form  ein  begriff  verband ,  zumal  da  es  der  neigüng  des 
Verfassers  des  Hyginschen  Verzeichnisses  entspricht  sagen IjerUhmte 
namen  aufzunehmen,  deshalb  können  wir  bei  Pyrene  nicht  an  die 
PyrenSen  denken,  um  so  weniger  als  aus  dem  zweiten  Verzeichnis 
alle  geographischen  begriffe  entfernt  sind,  wenn  aber  Pyrene  die 
jüngere  form  ist,  so  musz  das  zweite  Verzeichnis  zeitlich  jünger  sein 
als  dasjenige  Apollodors.  dafür  sprechen  auch  in  der  that  viele 
gründe,  am  wenigsten  in  betracht  kommt,  dasz  der  Verfasser  des- 
selben Clytus  für  Klei  tos  eingesetzt  hat ,  da  ihm  jene  namensform 
durch  die  Argonautensage  empfohlen  wurde,  dasz  er  femer  das 
weniger  verständliche  Bromios  durch  das  klare  Obrimus  ersetzte, 
dasz  er  den  Hippothoos  in  eine  Hippotho^  verwandelte ,  vielleicht 
weil  eine  solche  als  tochter  des  Pelias  (Apd.  I  9,  10),  also  durch 
die  Argonautensage  bekannt  war,  dasz  er  endlich  den  Argonauten 
Asterius  einer  Asteria  vorzog,  viel  wichtiger  sind  folgende  momente, 
die  ebenfalls  auf  ein  jüngeres  alter  hinweisen,  die  Danaidensage 
ist  in  Argos  entstanden^  und  vieles  wies,  wie  wir  oben  gesehen,  auf 
dieses  land  hin.  12  namen  Apollodors  sind  argeiischen  mythen  ent- 
lehnt, bei  Hygin  ist  es  eigentlich  keiner:  denn  die  Amymone  muste 
er  als  die  zweitberühmteste  unter  den  Danaiden,   deren  Schicksal 


110 


W Schwarz:  die  Daixiiidenaage. 


durch  ihre  liebe  zu  Poseidon  (Äpd.  IT  1, 4, 10.  ö»  13  f.  Pberekydes  13 
bei  Müller  FBG*  I  72)  eine  groäze  aus-  und  Weiterbildung  erfahren 
hatte,  beibehalten,  Chryäippus  empfahl  sich  ak  söhn  des  Pelops 
wegen  seiner  allgemeinem  bedeutung  für  die  gan^e  Peloponnesos; 
Agenor  konnte  beibehalten  werden,  weil  sein  name  auch  sonst  häufig 
in  sagen  begegnet,  von  lo cal arge ii sehen  aagt^n  ist  dt?mnacli  nichts 
beihobalten  worden  oder  doch  wenigstens  nichts,  das  nicht  unbedingt 
beibehalten  werden  muste  und  konnte,  unsere  sage  ist  also  in  der  zwei- 
ten Fassung  vom  arg eii sehen  boden  losgelöst,  diese  loslösuni^  konnte 
aber  erst  in  einer  spätem  zeit  erfolgen,  ein  zweites  moment  für  das 
geringere  alter  der  fassung  Hygins  entnehmen  wir  aus  dem  fehlen 
aller  geographischen  namen.  diejenige  zeit,  welche  die  bei  Apd. 
vorkommenden  15  geographischen  begriffe  personificierte  *  war  die, 
in  der  unter  anderm  der  Stammbaum  der  Hellenen  geschaffen  wurde, 
es  war  die  atmosphäre^  in  der  die  Hesiodische  dich  tun  gs  weise  ent- 
stand, einer  spätem  aufgeklärtem  aeit  konnten  derartige  personi- 
ficationen  nicht  mehr  gefallen,  je  gröszer  und  ausgebreiteter  das 
wissen  war,  um  so  weniger  konnte  man  15  zum  teil  recht  bekannte 
geographische  begriffe  als  personen  gelten  lassen,  bei  Hjgin  Enden 
wir  deshalb  nur  noch  6inen,  nemlich  den  namen  des  Aegyptiaden 
Aegjptus,  der  durch  den  namen  seines  vaters  geschützt  überhaupt 
nicht  mehr  als  geographischer  begriff  erscheinen  konnte  und  er- 
schienen sein  wird. 

Es  gehört  demnach  das  Verzeichnis  Hjrgins  einer  weit  spätern 
zeit  an ,  einer  zeit  die  ausgedehnte  geographische  kenntnisse  besasz, 
es  entstand  in  einem  andern  lande  als  in  Argos,  es  wurde  von  einem 
manne  geschaffen,  der  nicht  Argeier  war,  der  alle  localargeüschen 
elemente  aus  dem  Verzeichnis  tilgte,  wo  unser  Verfasser  aber  gelebt 
hat,  läsztsich  nur  vermuten,  wahrscheinlich  In  einer  see-  und  handels- 
gtadt»  möglicherweise  in  Athen*:  nach  Attika  weist  aber  nur  wenig, 
nemlich  der  name  Demarchos,  ferner  Antiochos,  der  schon  genannte 
ßohn  des  Herakles,  welcher  hcTos  der  Antiochischen  phyle  war,  Itea^ 
da  nach  Androtion  56  (bei  Müller  FHG.  I  377)  ein  dcmos  der  phjle 
Akamantis  so  hiesz,  und  Dolichos,  der  nach  dem  hj.  auf  Dem.  löö 
fürst  von  Eleusis  war,  wogegen  dann  der  name  Pandion,  der  einem 
Athener  sehr  nahe  lag,  getilgt  worden  wÄre.  das  letztere  ist  frei- 
lich an  sieb  nicht  auffällig,  da  der  dichter  des  zweiten  Verzeich- 
nisses, obgleich  er  nachweisbar  drei  Sagenkreise  stark  benutzt  hat, 
abgesehen  von  Hekabe  niemals  einen  der  berühmtesten  namen  wie 
den  dcä  Herakles  oder  Prlamos  aufgenommen  hat  besser  können 
wir  die  art»  wie  dieser  dichter  gearbeitet  bat,  angeben,    die  100 


*  wie  Tiel  sn  den  vorb&Ddenon  sa^en  ^enndert  wurde,  kHnn  mHn 
auch  Aua  d«r  geschichte  des  NMUpIios»  dea  Bohnes  der  Ainymotie»  er* 
sehen:  nucU  Apd,  11  1,  6,  14  heimletc  er  i6c  |i^v  ot  Tp<rnKol  X^fouci 
KXuM^vr]v  .  ,  ihc  6^  ö  toüc  Nöctouc  tp^M^Q<^  <PiXüpaVf  thc  hi  K^pKiu^i 
*Hci6vT|V.  die  tragiker  weis»^n  imch  Atbeü:  die  sage  des  NaupUoÄ  können 
cie  lo  TerbmduDg  mit  der  der  Dannideu  dargestellt  haben. 


WSchwarz :  die  Danaidensage.  111 

namen,  die  er  8cha£fen  mäste,  entlehnte  er,  wie  wir  geBeben,  zum 
teil  den  wichtigsten  Sagenkreisen ;  sodann  benutzte  er,  aber  nur  teil- 
weise, die  localen  Überlieferungen,  also  schon  vorhandene  verzoicb- 
nisse,  und  an  dritter  stelle  verwandte  er,  wie  es  scheint,  fremd- 
namen. 

Im  marmor  Parium  16  werden  Danaiden  genannt,  die  auf  der 
fahrt  von  Ägypten  nach  Argos  in  Lindos  auf  Bhodos  geopfert  haben. 
erhalten  haben  sich  nur  die  zwei  namen  'GXiKr]  und  'ApX€biKii ,  die 
andern  namen  kann  man  nicht  restituieren,  da  wir  ungefähr  190 
namen  von  Danaiden  und  Aigyptiaden  kennen  und  manche  nicht 
kennen,  so  ist  uns  die  Danaide  Physadeia  nur  durch  Kall  imachos 
hj.  5,  47  und  das  dazu  gehörige  scholion  bekannt,  die  so  eben  ge- 
nannte Helike  findet  sich  auch  unter  den  Danaiden  Uygins.  es  liegt 
also  auf  der  band,  dasz  unser  dichter  auch  die  rhodische  localtradition 
entweder  direct  benutzt  hat  oder  indirect  dadurch ,  dasz  er  ein  Ver- 
zeichnis, in  dem  dieselbe  verwertet  war,  gebrauchte,  aber  auch  das 
durch  Apd.  auf  uns  gekommene  Verzeichnis  hat  er  benutzt,  hat  er 
doch  16  namen  mit  demselben  gemeinsam,  sodann  scheint  unser 
dichter  auch  fremdnamen  verwandt  zu  haben,  wie  schon  oben  ge- 
sagt, befinden  sich  im  Verzeichnis  ApoUodors  2  —  5  fremdnamen; 
weit  gröszer  ist  die  zahl  derselben  in  unserm  Verzeichnis,  diese  namen 
für  verderbt  zu  erklären  liegt  kein  grund  vor.  hat  der  Verfasser, 
wie  wir  oben  vermuteten,  in  einer  handelsstadt  gelebt,  so  könnte  er 
die  ihm  bekannt  gewordenen  namen  von  ausländem  benutzt  haben, 
nm  seinem  namensverzeichnis  den  anstrich  gröszerer  echtbeit  zu 
geben,  was  aber  hätte  dem,  der  namen  von  Aigyptiaden  und  Da- 
naiden zusammenbringen  wollte,  näher  liegen  können  als  ägyptische 
namen  mehr  oder  minder  frei  zu  benutzen?  diese  Vermutung  läszt 
sich  natürlich  nicht  beweisen,  aber  zu  ihrer  stütze  kann  man  auf  die 
namen  der  Aigyptiaden  Eudaemon  und  Niavius  hinweisen :  jenen 
namen  finden  wir  bei  drei  Ägyptern,  und  bei  diesem  kann  man  den 
Ägyptischen  namen  Niaq)OC  heranziehen. 

Wir  kennen  demnach  zwei  Verzeichnisse  von  Danaiden  und 
Aigyptiaden,  von  denen  das  ApoUodors  das  älteste  gewesen  sein 
wird,  während  dasjenige  Hygins  viel  jünger,  vielleicht  ein  mach- 
werk  des  Phrynichos,  Aischylos  oder  Aristophanes  ist,  welche  Da- 
naiden gedichtet  haben,  daneben  schuf  die  localtradition  an  der 
sage  weiter,  sowohl  die  von  Argos,  die  noch  eine  sonst  unbekannte 
Danaide  Physadeia  kennt,  als  auch  die  von  Rhodos,  durch  die  der 
name  einer  sonst  unbekannten  Archedike  auf  uns  gekommen  ist. 

Unter  diesen  Verzeichnissen  hat  für  uns  dasjenige  ApoUodors 
das  gröste  Interesse,  weil  es  einiges  licht  auf  die  zeit  vor  etwa  800 
vor  Ch.  wirft,  es  gibt  uns  mit  der  geschichte  in  einklang  gesetzt 
einen  einblick  in  die  Verhältnisse,  die  damals  auf  dem  mecre,  zumal 
an  der  nordküste  Ägyptens  herschten;  es  lehrt  uns  aber  auch,  wie 
weit  um  diese  zeit  der  geographische  horizont  der  argeiisch- dorischen 
Griechen  gewesen  ist:  es  lehrt  uns,  dasz  derselbe  Ägypten  mit  den 


112 


WPökel:  zur  Odyssee  [t  269]. 


Städten  Memphis,  Busiris  und  Elephantino,  Pbönikien  mit  Tyros, 
Arabien,  Äthiopien,  Klfinasien  mit  dem  flusz  Hermos  und  von 
Europa  auszer  Arges  Attika  und  Pierien  sowie  die  Inseln  Rhodos  und 
Imbroä  umspannte,  dasz  das  wissen  von  der  erde  von  der  Donau  bis 
nach  Äthiopien,  von  45 — 24*  n.  b.  und  von  6**  w* — 35^  ö.  l,  nem- 
lieh  YOii  der  stadt  Lixos  bis  Arabien  reichte,  also  mehr  als  20  hreiten- 
und  mehr  ala  40  längengrade  umfaszte. 

Neuwied.  Wilhelm  Schwarz. 


13. 
ZUE  ODYSSEE. 


Y  263      6  b*  (sc.  AiTicOoc)  euKTiXoc  juuxqj  *'ApT€Oc  iTTiroßöioio 
TToXX'  *ATOt;^efuvovenv  äXoxov  eAtecK'  ^Treecciv* 
265  iih'  f\  TOI  To  irpiv  ^ev  dvaivexo  ^ptov  deiK^c, 
5Ta  KXuTaijuvrjcTpfi'  tppeci  yäp  Kcxpri^'  ckTCtOrjciv* 
TTÖp  yäp  ir}v  KOI  doilJÖc  dvrip^  {p  ttöXX*  eir^xeXXcv 
*ATp€l?)r|C  TpoiT]vbe  Ktibv  eipucöai  ökoitiv. 
ÖXX*  öte  5ri  M*v  poipa  Oeüjv  enebiice  bajLtfjvai, 
270  bfi  löte  TÖv  M^v  doiböv  äjmv  ic  vfjcov  ^prmriv 
KdXXiTTev  oiujvoktv  ^Xtwp  Kai  Kup^a  Ttv^cOai , 
Tf]V  b*  dBtXujv  €6^Xoucav  dvriTaTev  övbe  bö^ovbe. 
Faesi:  «p.iv  geht  auf  Aigiäthos  als  die  hauptperson  und  den  frevler 
(2ö4  f.),    den  die   verdiente   strafe  erreich*^ii  sollte  und  der  eben 
darum  das  verbrechen  vollbringen  und  während  geraumer  zeit  der 
fruchte   destjelben   genieszen  muste   (305):    vgl   c  löö.  €  628  f. 
N  602  f,^    Hinrichs   fügte  hinzu:   'andere  beziehen  wegen  des  TÖ 
TTpiv  nev  265  piv  auf  Klytaioinestra,  wobei  mau  aber  270  eine  her- 
vorbehung  des  subjects  Aigisthos  erwarten  müste/   dagegen  sagtey 
ich  im  Prenzlauer  programm  1861  s*  3:  'ich  kann  mich  nicht  über-i 
2eugen,  dasz  die  beziehung  des  jiiv  auf  Aigistbos  die  richtige  sei, 
da  sie  doch  kein  starkes  TTpuj6ycT€pov  dem  göttlichen  sänger  zuzu- 
muten uns  zwingt^  wenn  er  nach  dieser  erklärung  uns  das  im  rate 
der  götter  über  Aigisthoa  beschlossene  verderben  s^owohl  vor  seinem  • 
bauptverbrechen   als   auch   vor   der  diesem  noch  vorauf  gehenden'^ 
fre veithat  an  dem  sKnger  melden  wolUe.    meine  gründe  weiter  aus- 
einanderzusetzen überbebt  mich  Nitzschs  erklSrung,  die  scharf  und 
bestimmt  als  allein  richtig  hinstellt,  dasz  pi\v  sich  auf  den  sänget 
beziehe,    «von  ihm  ist  der  gedanke  des  hörers  voll:   er  bildet  die 
krisiSf  denn  so  lange  die  götter  ihn  schützen,  ist  für  Aigistbos  nichts 
zu  hoffen,    lange  konnte  er  ihn  nicht  überwältigen:   als  aber  das 
göttergeschick  den  tod  des  verfolgten  bestimmte,  da  führte  er  (wer 
anders  als  Aigistbos?)  ihn,   den  Sänger  —  sie  aber  usw,  .  *  de« 
Aigisthos  tod  folgt  erst  au$  dem  morde  des  Agamemnon* »' 

PRENZLAU.  WlLHBLIf  PÖKEL. 


FCauer :  anz.  ▼.  BEeil  Solonische  Verfassung  in  Aristoteles  'A6.  iroX.     1 13 

14- 

DIE  80LONISCHB  YEBFA8SUNO  IN  ARISTOTELES  VERFASSUMSOESCHICHTB 
ATHENS.   VON  DR.  BrUNoKeIL,  PROFESSOR  AN  DER  UNIVERSITÄT 

8TRASZBURG.    Berlin  1892,  R.  Gaertners  verlag.    248  s.  8. 

Bnmo  Keil  stellt  sich  zu  den  bisherigen  Untersuchungen  über 
die  'AOiivaiuJV  troXiTeia  insofern  in  gegensatz ,  als ,  wie  er  sich  aus- 
drückt, alle  die  bisher  ihre  aufmerksam keit  diesem  funde  zugewandt 
haben  sich  überwiegend  mit  fragen  der  höbern  kritik  beschäftigen 
und  darüber  die  einzelerklärung  vernachlässigen ,  während  er  seine 
aufgäbe  darin  sucht,  das  Verständnis  einzelner  stellen  zu  fördern, 
ich  möchte  bezweifeln ,  ob  der  vf.  den  unterschied  seiner  methode 
von  der  anderer  forscher  damit  richtig  bezeichnet,  letztere  sind  doch 
auf  ihre  allgemeinen  ansichten  eben  durch  einzelne  stellen  geführt 
worden  und  widmen  (zb.  Rühl)  der  erörterung  einzelner  stellen  einen 
breiten  räum;  und  auch  BEeil  erklärt  ja  ausdrücklich,  dasz  er  das 
ganze  stets  im  äuge  behalten  will,  in  der  that  sind  seine  ausfüh- 
rungen  getragen  von  einer  sehr  entschiedenen  gesamtansicht;  und 
diese  kann  er  doch  nur  auf  demäelben  wege  gewonnen  haben ,  den 
wir  gegangen  sind,  durch  beobachtung,  prüfung  und  Zusammen- 
fassung von  einzelheiten.  der  unterschied  besteht  nur  darin ,  dasz 
Keil  den  inductiven  teil  seiner  arbeit  nicht  mit  vorlegt,  sondern  die 
gesamtansicht,  die  er  gewis  durch  sehr  sorgfältige  er  wägungen  sich 
gebildet  hatte,  für  den  Zusammenhang  des  gegenwärtigen  buches 
als  gegeben  voraussetzt  und  aus  ihr  die  behandlung  der  einzelnen 
anstösze  ableitet,  wer  untersuchen  will,  wie  weit  ihm  das  gelungen 
ist,  musz  ebenfalls  die  Voraussetzung  des  vf.  an  die  spitze  stellen. 
sie  ist  eine  doppelte:  erstens  dasz  die  'A9r]vaiuJV  TToXiieia  von 
Aristoteles  verfaszt  sei ;  zweitens  dasz  Aristoteles  nichts  geschrieben 
haben  könne,  was  nicht  wenigstens  für  die  Verhältnisse  seiner  zeit 
mustergültig  wäre. 

Wie  hoch  Keil  von  Aristoteles  denkt,  zeigt  er  vornehmlich  da, 
wo  er  den  brief  irepi  ßaciXeiac,  den  Nissen  als  Aristotelisch  ver- 
wertet, vor  allem  deshalb  für  unecht  erklärt,  weil  der  Verfasser  eine 
'Unfähigkeit  und  exilität  des  hirnes'  an  den  tag  lege,  die  er  Aristo- 
teles nicht  zutraut  (s.  139).  auch  in  der  'AGrivaiiüv  TToXiieia  findet 
er  'wissenschaftliche  ruhe'  (s.  92)  und  'verständiges  urteil*  (s.  168) 
bewährt,  anderseits  stellt  er  die  glaubwürdigkeit  der  neuen  quelle 
nicht  mehr  so  hoch  wie  früher,  während  er  vor  anderthalb  jähren 
die  autorität  eines  Thukydides  über  bord  warf,  weil  er  über  The- 
mistokles  anders  berichtete  als  die  'A9.  ttoX.,  scheint  er  (s.  227) 
jetzt  in  der  Thukydides  widersprechenden  angäbe  der  'AO.  ttoX.  einen 
Irrtum  zu  erkennen,  solche  irrtümer  erklärt  er  teils  (s.  168)  aus 
der  beschaffenheit  der  benutzten  quellen,  von  der  er  eine  wesentlich 
geringere  meinung  hat  als  zb.  Diels  und  Gomperz,  teils  aus  der  philo- 
sophischen tendenz,  durch  die  sich  Aristoteles  habe  leiten  lassen 
(s.  227  f.).   Keil  glaubt  nemlich  erkannt  zu  haben,  dasz  Aristoteles 

Jahrbücher  f&r  olass.  philol.  1893  hft.2.  8 


114     FCauer:  anz,  v.  BKeil  Solonißche  verfaeaung  iu  AmtoteleB  'A6.  ttoX. 


nach  einer  gruppe  von  nachricliten,  insbesondere  nach  den  Soloni* 
sehen  gedichten,  sieb  eine  bestimmte  anBicht  vom  gange  der  athe- 
nischen geschieh te  gebildet  und  alle  andern  nachrieb ten»  je  nachdem 
eie  dieser  grün  d  an  sieht  entsprachen  oder  nicht,  anfgenommen  oder 
verworfen  habe,  dazu  stimmt  es  denn  freilieb,  daiäz  er  mehrfach 
nach  Keilä  eignem  urteil  (s.  228)  die  objectivität  vermissen  läszt^ 
die  der  historiker  gegenüber  den  subjectiven  el cm enten seiner  grund- 
anschauung  immer  wahren  müsiief  um  gerecht  zu  bleiben. 

Ich  will  nicht  fragen,  ob  man  einem  historiker  dieses  Schlages 
noch  wiäsensehaftliche  ruhe  und  verständiges  urteil  nachrühmen 
kann,  die  entBcheidende  frage  tst  die^  ob  sich  die  tendenz,  durch 
welche  nach  Keils  ansieht  auswabl  und  Würdigung  der  tbatsachen 
bestimmt  ist,  wirklich  in  der  'A9.  ttoX,  nachweisen  läszt.  Keil  meint, 
Aristoteles  habe  in  der  SoloniJicben  Verfassung  das  ideal  der  |üi^cti 
TToXiTeioi  verehrt  und  in  der  athenischen  Verfassungsgeschichte  von 
Solon  abwärts  einen  beständigen  verfall  bis  zur  extremen  demo- 
kratie  gesehen,  aber  dem  widerspricht  entschieden  das  bild,  das 
gerade  die  *A0.  TToX.  von  der  läge  der  Athener  unter  Solon  zeichnet, 
kein  wort  davon,  dasz  sie  sich  bei  seinen  gesetzen  besonders  wohl 
befanden  hätten  und  immer  tiefer  ins  elend  geraten  wären,  je  weiter 
sie  sich  von  Solon  entfernten,  vielmehr  erfahren  wir,  dasz  die  Un- 
zufriedenheit der  niedern  classen  sich  nach  Solons  reform  noch 
wiederholt  gewaltsam  luft  machte  ^  und  dasz  erst  Peisistratos  es 
verstanden  hat  dem  volke  ein  gesichertes  und  behagliches  dasein  zu 
verschaffen,  als  eine  zeit,  während  deren  die  leitung  des  Staates  sich 
in  besonders  guten  bänden  befand^  werden  die  jähre  nach  der  Schlacht 
bei  Salamis  gerühmt,  also  eben  die  Jahre^  in  denen  die  Seemacht  auf- 
blühte und  so  die  demokratie  vorbereitet  wurde,  als  leitende  Poli- 
tiker während  dieser  jähre  nennt  der  Verfasser  ausdrücklich  Themi- 
stokles  und  Aristeides,  also  gerade  diejenigen,  die  er  nach  Keils 
ansieht  als  demokratische  staatsv  er  derber  brandmarken  muste.  an 
der  stelle  endlich,  wo  nach  Keils  ansieht  Aristoteles  der  historischen 
darstelluDg  ein  ende  macht ,  weil  nun  das  volle  verderben  über  die 
Athener  hereinbräche  und  die  weitem  einzelheiten  kein  inte  res  se 
mehr  hätten  (s.  233),  eben  an  dieser  stelle  (cap.  40.  41)  wird  dem 
volke  ein  doppeltes  lob  gespendet :  die  demokraten  werden  gerühmt, 
weil  sie  ihren  sieg  mit  mäszigung  gebraucht  haben ,  und  es  wird 
gebilligt,  dasz  die  richterlichen  competenzen  des  rates  den  volks- 
gerichten  übertragen  worden  sind. 

Das  günstige  urteil  über  die  Volksgerichte  scheint  auch  Keil 
etwas  stutzig  gemacht  zu  haben,  er  meint  (s.  239)  es  daraus  er* 
klären  zu  können,  dasz  Aristoteles  auch  da,  wo  er  mit  schwarzen 
f&rben  male,  ein  wort  der  anerkennung  finde,  wo  er  auf  eine  institu- 
tion  zu  sprechen  komme,  die  zu  seinen  philosophischen  anschauungen 
stimme,  man  wird  gern  die  mögliohkeit  zugeben,  dasz  Aristoteles 
ein  solches  masz  von  objectivität  besessen  habe,  aber  wie  sollte  ein 
historiker,  der,  wie  ja  gerade  Keil  annimt^  die  auswabl  aus  seinen 


FCaoer:  anz.  v.  BKeil  Solonische  verfaflsiing  in  Arittotelei  'A0.  nok,     l  \f^ 

quellen  nach  dem  maszstabe  einer  Yorgefafazten  anjeicbt  traf,  ko  dMx 
er  erzählnngen  von  geringem  werte  als  wahr  hinnahro ,  wenn  sei«  zu 
seiner  tendenz  passten,  und  gute  Überlieferung  mi>,a/;bt^t« ,  wo  >,m 
seiner  tendenz  unbequem  war,  wie  sollte  der  in  der  wUrdiguAg  d^r 
thatsacben  gerecht  genug  gewesen  sein,  eine  institutioa  zu  lo^/eu, 
die  im  gegnerischen  System  wurzelte?  vollends  undenkbar  ut  <r)c, 
dasz  gerade  die  volksgerichte  den  beifall  des  philoisopben  g«?fund<;a 
haben  könnten,  was  hatte  er  überhaupt  an  der  demokratif;  nu^/.u 
setzen,  wenn  er  die  allgewalt  der  volkegericbte  billigte?  di^  volki^- 
gerichte  Waren  die  grundlage  der  demokratie.  wer  die  volk«;/ericbt^ 
lobt ,  der  bekennt  sich  zum  demokratischen  prinoip. 

In  anderm  zusammenhange  geht  auch  Ke«l  von  dem  gedanken 
ans,  dasz  die  athenische  Verfassung  ihren  demokratihehen  charakUr 
eben  durch  die  volksgerichte  erhalten  hat.  er  meint  ^n.  2.01 ,,  AruU^« 
teles  habe  in  der  'A6.  itoX.  vor  allem  den  zweck  gehabt  zu  ^/eweiv;ri, 
dasz  Solon  dem  volke  die  richterliche  gewalt  in  ihrem  »^pUUsrrj  um- 
fange nicht  gegeben  hätte,  mithin  kein  demokrat,  sondern  ein  ^^coc 
gewesen  wäre,  eben  diese  stelle  ist  für  Kelbi  ganzen  beweji»  ent- 
scheidend, denn  wenn  es  Keil  gelungen  ist  zu  zeigen,  daisz  der  Ver- 
fasser der  'A6.  itoX.  wirklich  Solon  als  das  ideal  eine«  gemähzigten 
geaetzgebers  hingestellt  hat,  so  musz  seine  ansieht,  er  habe  nun  alJe 
übrigen  erscheinungen  der  atheni&chen  verfaAounghgehchichU;  an 
diesem  ideale  gemessen,  immerhin  einer  genauen  prüfung  unter- 
zogen werden;  wenn  sich  aber  herausstellen  sollte,  da^z  der  autor 
die  bedeutung  der  Solonischen  gesetze  anders  beurteilt  hat  al»  Kell 
annimt,  so  fallen  alle  aus  dieser  annähme  gezogenen  consequenzen 
in  sich  zusammen,  die  einzige  thatsache  aber,  da.-.z  der  Verfasser 
der  *Ad.  itoX.  Solon  für  den  Urheber  der  volksgerichte  gehalten  hat, 
reicht  aus  um  zu  beweisen,  dasz  er  in  ihm  das  ideal  eines  ^^coc 
nicht  verehrt  haben  kann. 

Wie  Keil  das  neunte  capitel  der  *A9.  ttoX.  versteht,  soll  es  dar- 
legen, dasz  Solon  bei  der  einfübrung  der  volksgerichte  nicht  die  ab- 
sieht gehabt  habe,  dem  volk  eine  entscheidende  gewalt  in  die  bände 
zu  geben,  und  dasz  es  nicht  in  meinem  sinne  gewesen  sei,  wenn  die 
gerichte  später  eine  solche  gewalt  an  sich  rissen,  gesagt  wird  aber 
nur,  dasz  es  nicht  bö&er  wille  war,  wenn  Solon  seine  gesetze  un- 
deutlich abfaszte,  so  dasz  später  die  thätigkeit  der  volksgerichte 
nicht  allein  darin  bestand,  geltendes  recht  anzuwenden,  sondern 
auch  darin ,  neues  recht  zu  schaffen,  wenn  Solon  seine  gesetze  ab- 
sichtlich in  vieldeutigen  ausdrücken  abgefaszt,  wenn  er  einer  poli- 
tischen tendenz  zu  liebe  ein  unsicheres  recht  geschaffen  hätte,  so 
würde  ihn  ein  schwerer  moralischer  Vorwurf  treffen,  diesen  Vorwurf 
weist  der  Verfasser  der  'A9.  ttoX.  als  ungerecht  voll  entrüstung  zu- 
rück, dasz  aber  Solon  dem  volke  überhaupt  eine  gerichtsbarkeit 
verliehen  habe,  bestreitet  er  keineswegs ;  ja  er  hält  diese  gerichtsbar- 
keit für  so  umfassend,  dasz  schon  sie  seiner  meinung  nach  ausreichte 
dem  politischen  leben  einen  demokratischen  Charakter  zu  geben. 

8^ 


1 16    FCauer;  au»,  v,  BKeil  Soloniflclie  verfasaung  in  Ariatoteleß  'A8.  iroX, 


Der  abschnitt  über  die  volksgericbte  der  Soloniscben  zeit  be- 
ginnt mit  folgendem  saUe:  bOKei  hl  tt\c  CoXtuvoc  TToXtieiac  Tp(a 

TOUT'    €lvai    TOt    bfl^OTlKOJXaia*    TTpUJTOV    ^ev    KQI   jiCTlCTOV   TÖ    \ii\ 

baveil^w  im  toTc  cuu^aciv,  ^Treiia  t6  e£€tvai  tüj  ßouXon^viji 
Ti^ujpeiv  iiTiep  TUJV  dbiKou)i£ViJuv ,  ipiTov  5e,  <^\h  KaXy  ^aXicid 
(paciv  kxuK^vat  tö  irXiiSoc,  f]  €ic  tö  biK<acTripiov>  ^qpecic^  KÜpioc 
■fap  uiv  h  btijutoc  xfic  i|jr|<poii  KÜpioc  TiTvexm  Tf|c  TToXiieiac.  bei 
einem  urteile,  das  mit  boK€iV  eingefübil  wird,  kann  es  an  sich 
zweifelhaft  sein,  ob  der  Verfasser  seine  eigne  ansieht  wiedergibt 
oder  eine  fremde,  die  er  nicht  teilL  aber  im  vorliegenden  falle 
kann  keine  frage  sein,  dasi  der  satz  mit  bOK6T  der  meinung  des  Ver- 
fassers ausdruck  gibt*  zu  der  von  Paul  Cauer  (in  diesen  jabrb.  1892 
ß.  584  ff.)  gegebenen  allgemeinen  begründung  tritt  folgende  beson- 
dere erwÜguDg.  drei  maszregeln  Solone  werden  in  gleicher  weise 
als  demokratisch  bezeichnet:  das  verbot  der  schnldknechtschaft,  die 
einführung  der  öffentlichen  klagen  und  die  einführung  der  appella- 
tion  an  die  volksgerichte,  dasz  Solon  die  scbuldknecbtschaft  auf- 
gehoben hatte,  um  das  volk  zu  erleichtem,  hat  der  verfasset  vorher 
als  thatsache  erfühlt,  wenn  er  also  die  au  Hebung  der  sehuldknecht- 
acbaft  für  eine  volksfreundliche  maszregei  erklärt  und  dies  urteil 
mit  bOKet  einleitet,  so  will  er  damit  blosz  seiner  eignen  ansieht  einen 
durch  boKei  gemilderten  ausdruck  verleihen,  wenn  aber  eines  der 
von  bOKei  abh^gigen  glieder  eine  ansieht  des  Verfassers  wiedergibt, 
so  ist  es  unmöglich,  dasz  ein  anderes  dieser  glieder  eine  an  siebt  ent- 
halten sollte»  die  der  Verfasser  als  ihm  fremd  oder  gar  verkehrt  ab- 
lehnen wollte,  mithin  hat  der  Verfasser  selbst  schon  die  von  Solon 
dem  Volke  verliehene  gerichts barkeit,  obgleich  sie,  wie  er  wohl 
wüste,  nicht  so  ausgedehnt  war  wie  die  spätere,  für  eine  demokra- 
tische Institution  gehalten,  denn  schon  die  gewalt,  die  Solon  dem 
Volke  über  den  stimmstein  gab,  schien  dem  autor  ausreichend,  nm 
ihm  die  gewalt  über  den  staat  zu  verschaffen,  in  einem  gesetzgeber 
aber,  der  seiner  ansieht  nach  die  grundlegende  Institution  der  demo<- 
kraiie  ins  leben  gerufen  hatte,  kann  er  nicht  das  Ideal  eines  ge* 
mttszigten  Staatsmannes  verehrt  haben,  wenn  er  also  andere  Poli- 
tiker verurteilt^  so  kann  ea  nicht  deshalb  geschehen,  weil  sie  diesem 
ideale  nicht  entsprachen. 

So  wenig  Keils  ansieht  von  der  tendenz  der  *Aö.  iToX.  sich  gegen- 
über einer  eindringenden  prüfung  aufrecht  erhalten  läszfc,  so  darf 
man  doch  nicht  verkennen,  dasz  auch  dieser  lösungs versuch  sein  ver- 
dienst hat.  alle  versuche  die  zahlreichen  anstösze  dieses  buches  aus 
einer  tendenz  des  Verfassers  zu  erklären  sind  gescheitert  \  weder  die 
makedonische  gesinnung,  der  Nissen  in  so  geistreicher  und  scharf- 
sinniger weise  nachgespürt  hat,  noch  eine  demokratische,  wie  ich  sie 
früher  annahm,  noch  die  gemäszigt  aristokratische,  die  jetzt  Keil  in 
Vorschlag  bringt,  läszt  sich  nachweisen,  und  wenn  verschiedene 
forscher  die  purteistellung  des  Verfassers  so  verschieden  auffassea 
konnten,  so  liegt  darin  ein  beweis,  dasz  er  sich  überhaupt  durch 


FCftoer :  anz.  v.  BEeil  Soloniscbe  Terfunmg  io  Arutotelei  'M.  iroX.     1  ]  7 

keine  ausgesprochene  politische  überzcfügung  bat  leiten  lavM;o.  our 
darf  man  nicht  meinen,  er  sei  ans  hi^torlscber  obj^^ctivit&t  üU^r  d«n 
gegensätzen  der  parteien  erhaben  gewe&eo :  vjeJmebr  reichten  ^Urs 
seine  geistigen  kräfte  nicht  aos  sieb  irgend  eine  theorie  klar  tn 
machen  nnd  die  thatsacben  darauf  hin  zu  prüfen,  ob  »-le  ru  &wi^r 
theorie  stimmten. 

Da  Keil  sich  durchweg  von  seiner  gebajTitanfcicbt  Jeit<  o  ift«tt, 
80  ruft  seine  bebandlung  vielfach  auch  an  solchen  hieUeo  >x;defiken 
hervor,  die  mit  dem  bauptbeweise  weniger  eog  zufearfirfjeubftcigeo« 
mit  recht  constatiert  Keil  (s.  168) ,  dabz  Ober  die  BoloDi>^cbe  ujQuz' 
reform  in  der  'A9.  ttoX.  ein  irrtum  vorliegt,  feie  J>ebaufA^,  Bol</n 
habe  den  mfinzfusz  erhöbt;  die  funde  beiststigen  Plutarcbs  i>ericbt, 
wonach  Selon  den  münzfusz  herabgesetzt  bat.  eh  kaoo  vicb  nur 
dämm  handeln,  wie  der  irrtum  in  der  'A6.  ttoX.  entstanden  ivt.  Keil 
meint,  Aristoteles  habe  dem  berichte  Androtions,  dem  PJuUrcb  an 
dieser  stelle  folgt,  widersprechen  woUeu.  aber  wenu  tuau  den  Wort- 
laut beider  stellen  vergleicht,  wie  sie  gerade  Keil  ts.  WA)  D«ben 
einander  gestellt  hat,  so  liegt  eine  andere  erklärung  uftber,  die  frei- 
lich auf  die  fassungskraft  des  vermeintlichen  Aristoteles  wieder  ein 
bedenkliches  licht  wirft,  obscbon  es  nicht  völlig  sicher  ist,  ob  Flu- 
tarch  noch  in  diesem  satze  wie  in  dem  unmittelbar  vorhergehenden 
eine  nachricht  Audrotions  mitteilt,  so  kann  doch  kein  zweifei  f>ein, 
dasz  er  den  beriebt  einer  Attbis  wiedergibt,  diesem  berichte  kommt 
die  'A6.  ITOX.  im  ausdrucke  so  nahe,  dasz  ihr  Verfasser  offenbar  aus 
derselben  Attbis  geschöpft  hat;  in  der  sache  sagt  er  genau  das 
gegenteil. 

Plut.  Solen  15  *Ae  TioX.  10 

^KQTÖv  TotP  ^TTOiTice  bpax^Äv  Kaif)  ^vä7ip6T€pov<?XKO>uca 
Tf|V  jiväv  TipÖTcpov  ißöo|ir|KOVTa  Tiap*  6<Xi>T0V  ißöOjiriKOVTa 
Kttl  xpiiüv  oöcav.  bpaxMctc  dveuXripiuBTi  ^Kaiöv. 

beide  darstellungen  stimmen  darin  Uberein,  dasz  die  mine  vor 
Selon  73 ,  nach  Selon  100  drachmen  enthalten  habe,  aber  bei  Plu- 
tarch  ist  die  mine  die  feste  grösze,  in  der  'A9.  ttoX.  die  drachme. 
wenn  Selon  dieselbe  mine  in  eine  gröszere  anzabl  von  drachmen 
teilte,  so  hatte  er  den  fusz  der  drachme  herabgesetzt;  wenn  er  von 
denselben  drachmen  eine  gröszere  anzabl  zu  einer  mine  zusammen- 
legte, so  hatte  er  den  fusz  der  mine  erhöbt,  beide  berichte  sind 
darin  ungenau ,  dasz  sie  so  lauten ,  als  habe  vor  Selon  die  mine  nur 
73  drachmen  enthalten,  während  in  Wirklichkeit  der  gröszern  drachme 
auch  die  gröszere  mine  entsprach,  diesem  TTpujTOV  i|i€Oboc  entsprang 
der  weitere  irrtum,  dasz  Plutarch  die  vorsolonische  mine,  der  Ver- 
fasser der  *A9.  ttoX.  die  vorsolonische  drachme  der  spätem  gleich- 
setzte ,  mitbin  für  zu  klein  hielt. 

An  diese  numismatische  erörterung  knüpft  sich  am  besten  ein 
anderer  punkt  an ,  in  dem  Keil  ein  aus  der  gescbichte  der  Währung 
erwachsendes  bedenken  mit  gründen  zurückweist,  die  mir  nicht  stich- 
haltig erscheinen,    gegen  die  richtigkeit  der  Schilderung ,  die  in  der 


118     FCauer ;  anz.  v.  BKeil  Soloniache  yerfaasttng  in  ÄriBtoteles  *A6.  troX. 


'AO,  TToX.  von  der  Verfassung  Drakons  entworfen  wird,  hatte  ich 
('hat  Aristoteles  die  schrift  vom  Staate  der  Atbener  geschrieben?' 
[Stuttgart  1891]  s.  70)  eingewandt,  dasz  in  dieser  Verfassung  Ver- 
mögensstrafen in  geld  normiert  werden,  während  wir  aua  Poüui 
(IX  61)  wissen,  dasz  ürakon  viehbuszen  angeordnet  bat.  dem  gegen- 
über bemerkt  Ktsil  (s.  97  anm.  2),  wenn  ich  das  von  ihm  gebrauchte 
bild  recbt  verstehe »  es  sei  keineswegs  unmöglich  gewesen,  dasz  in 
Attika  Zahlungen  zu  gleicher  zeit  in  geld  und  in  vieh  geleistet  wurden. 
niemand  hat  diese  mdglicbkeit  bestritten;  cursieren  doch  auch  heute 
neben  den  mtinzen  des  markfusÄes  noch  die  alten  thaler,  in  grenz- 
gegenden  auch  münzen  verschiedener  Staaten  neben  einander,  und 
von  der  Umgangssprache  werden  sogar  werte  in  veralteten  und  frem- 
den nominalen  ausgedrückt,  aber  ebenso  wenig  wie  ein  heutiger 
gesetzgeber  noch  nach  thalern  rechnen  kann,  nachdem  längst  die 
mark  Währung  eingeführt  worden  ist,  hat  ein  athenischer  gesetzgeber 
nach  ochsen  rechnen  können,  nachdem  die  d räch menwäh rang  von 
Staats  wegen  eingeführt  worden  wan 

Als  beweis  für  das  hohe  alter  der  in  der  'A0.  ttoX.  geschilderten 
'Drakontischen  Verfassung'  führt  Keil  (s.  96)  die  ungerade  zahl  der 
buleiiten  (401)  an,  welche  aus  derselben  zeit  stammen  müsse  wie 
die  ungeraden  zahlen  anderer  bebßrden  (9  archonten,  11  ^vbCKa, 
51  epheten).  er  schlieszt  hier  nach  einer  methode,  die  sich  durch 
das  von  ihm  s.  97  angewandte  sehema^  nur  mit  einer  kleinen  modi- 
fication,  deutlich  machen  liesze:  einige  ämter  mit  ungerader  zahl 
stammen  aus  sehr  alter  zeit,  die  bnle  bildete  ein  amt  mit  ungerader 
zahl,  folglich  stammt  die  bule  aus  sehr  alter  zeit,  auf  den  gedanken 
collegialischen  bebörden  eine  ungerade  zahl  zu  geben,  damit  Stimmen- 
gleichheit ausgeschlossen  wäre,  konnte  man  zu  allen  Zeiten  kommen, 
am  allei-wenigsten  war  es  statthaft  hier  die  neiinzahl  der  archonten 
zu  verwerten :  denn  gerade  aus  der  *A6,  iroX.  erfahren  wir,  dasz  erst 
Solon  die  neun  archonten  als  collegium  constituiert  hatj  vorhergab 
ea  drei  einzelbeamte  und  sechs  thesmotheten.  ein  weiterer  beweis 
für  da?  alter  der  Drakon  zugeschriebenen  Verfassung  soll  in  der  höhe 
der  angegebenen  geldstrafen  liegen,  in  der  Eeü  (s,  97)  Drakonische 
strenge  erkennt,  aber  natürlicher  ist  es  die  höhe  der  strafsummen 
daraus  zu  erklären ,  dasz  diese  Verfassung  zu  einer  zeit  construiert 
wurde,  wo  das  geld  im  werte  stark  gesunken  war.*  endlich  findet 
Keil  ein  zeichen  einer  kleinen  bürger^chaft»  mithin  einer  frühen  zeit, 
in  der  bestimmung,  dasz  niemand  ein  amt  zwei  mal  bekleiden  sollte, 
bis  alle  bürger  an  die  reihe  gekommen  wären,  nun  belief  sich  aber,, 
gerade  unter  den  oligarcben  von  411  die  gesamtzahl  der  vollberecW 
tigten  bürger  auf  öCKK).  wenn  man  den  rat  zu  den  dpxöi  rechnet, 
wie  in  dem  fraglichen  satze  der  'A6,  ttoX.  (4,  3)  geschieht,  so  betrug 
die  zahl  der  jahresbeamten  mindestens  500,  und  im  verlaufe  von 


*  wie  gewahi^  vom  eiebenten  bis  zum  vierten  jh,  dag  j^eld  au  katif^ 
kraft  verlor,  betont  mit  recht  Pränkel  (rhein.  mua.  XL VII  e.  481). 


FCaner:  anz.  y.  BKeil  SoloDiuche  Verfassung  in  Aristoteles  *A6.  iroX.     119 

höchstens  zehn  jähren  wurden  in  Athen  so  viele  heamte  bestellt, 
wie  die  bürgerschaft  köpfe  zählte,  wir  können  also  an  der  von  Keil 
henroi]gehobenen  bestimmnng  von  neuem  erkennen,  wie  die  angeb- 
liche ver&ssnng  Drakons  dem  unter  den  vierhundert  herschenden 
zustande  ähnlich  ist.' 

Die  besprochenen  punkte  sind  nicht  die  einzigen,  in  denen  Keil 
die  angaben  der  'Ad.  ttoX.  deshalb  falsch  versteht  und  verwertet, 
weil  er  von  der  intelligenz  und  glaubwürdigkeit  des  Verfassers  eine 
zn  hohe  meinung  hat.  wo  diese  meinung  nicht  ins  spiel  kommt,  hat 
er  zum  teil  sehr  hübsche  und  sichere  resultat«  gewonnen,  so  beweist 
er  gegen  Nissen ,  dasz  weder  die  Politik  noch  die  'AG.  iroX.  im  auf- 
trage und  für  den  gebrauch  der  makedonischen  regierung  abgefaszt 
worden  sein  kann  (s.  128 — 150);  er  entdeckt  (s.  122  f.)  für  die  ab- 
fassungszeit  der  Politik  eine  bisher  nicht  beachtet«  untere  grenze  in 
dem  umstände,  dasz  s.  1321*  26  Theben  als  bestehend  erwähnt  wird, 
er  vergleicht  die  berichte  der  'AB.  ttoX.  mit  Plutarch  und  Isokrates 
und  bestätigt  nicht  nur  (s.  57),  was  schon  Bühl  erkannt  hatte,  dasz 
in  der  'A9.  ttoX.  dieselbe  Atthis  benutzt  ist  wie  bei  Plutarch,  son- 
dern stellt  auch  fest  (s.  91),  dasz  der  Areiopagitikos  und  die  *A9. 
TToX.  6ine  quelle  gemeinsam  haben,  vor  allem  aber  sind  die  stilisti- 
schen Untersuchungen  von  bleibendem  werte,  die  durch  umfassende 

*  wie  unhaltbar  die  angaben  der  *A6.  iroX.  über  Drakon  sind,  bat 
Deuerdings  wieder  Fränkel  bewiesen,  indem  er  den  versneben  das  meer 
sachlicber  anstösze  mit  dem  Danaidenfässe  pbilologiscber  emendation 
anszuscböpfen  einen  weitern  zufügt,  dieser  versuch  ist  den  strengen 
anforderungen,  die  sein  urbeber  selbst  stellt,  in  keiner  weise  gewachsen. 
er  betont  (rh.  mus.  XLVII  s.  474)  mit  recht,  dasz  nur  der  weg  der 
besserung  die  gewähr  der  richtigkeit  in  sich  trägt,  der  alle  anstösze 
auf  einheitliche  weise  zu  entfernen  im  stände  ist.  der  ärgste  anstosz  ist 
unstreitig  der,  dasz  der  census  der  Strategen  zehnmal  so  hoch  angegeben 
wird  wie  der  der  archonten.  diesen  anstosz  meint  Fränkel  (ao.  s.  478) 
zu  entfernen,  indem  er  eine  lücke  annimt,  in  der  der  name  eines  amtes 
ausgefallen  sein  soll,  zu  dem  der  hohe  census,  und  ein  niedriger  census, 
der  zum  amte  der  Strategen  gehörte,  gesetzt,  Fränkels  emendation 
wäre  aus  textkritischen  gründen  wahrscheinlich,  so  würde  sie  doch 
immer  nur  ^inen  anstosz  entfernen  und  alle  andern  unangetastet  lassen, 
einen  dieser  weitern  anstösze  erörtert  Fränkel  (s.  481)  selbst,  indem  er 
sieb  mit  recht  darüber  wundert,  dasz  unter  Drakon  neben  einander  die 
Dach  ernteerträgen  abgestuften  vermögcnsciassen  und  ein  geldcensus 
für  die  einzelnen  ämter  bestanden  haben  sollen,  die  lösung  dieses 
Widerspruchs  findet  Fränkel  in  der  annähme,  je  ein  geldcensus  und  ein 
naturalcensns  hätten  sich  entsprochen:  das  einkommen  der  pentakosio- 
medimnen  und  100  minen,  das  der  hippeis  und  zehn  minen,  das  der 
zeugiten  und  fünf  minen.  aber  wenn  wir  selbst  von  der  frage  ganz 
absehen,  ob  die  von  Fränkel  einander  gleichgesetzten  Vermögensstufen 
in  Wirklichkeit  ein  gleiches  materielles  niveau  bezeichnen  (eine  frage 
die  entschieden  zu  verneinen  ist) ,  so  bliebe  es  immer  noch  rätsel- 
haft, weshalb  der  Verfasser  es  dem  leser  überläszt  einen  so  wichtigen 
parallelismus  zu  erraten,  indem  Fränkel  den  von  ihm  so  hoch  ge- 
schätzten Verfasser  von  dem  vorwürfe  eines  verzeihlichen  irrtums  zu 
entlasten  sucht,  bürdet  er  ihm  eine  schwere  schriftstellerische  Unter- 
lassungssünde auf. 


120 


WPökel:  zur  üdyaeee  [ß  30 J, 


zusammenstelluiigeD  zeigen,  mit  welcher  Sorgfalt  die  spräche  der 
*A9*  TTOX.  gefeilt  ist 

Dii^ge  und  manche  äbnliche  proben  lassen  den  fleisz,  den  scharf* 
sinn  und  die  gelehrsamkeit  des  vf*  erkennten,  wenn  es  ihm  trotzdem 
nicht  gelungen  ist  die  hauptaufgahe,  die  er  sich  gestellt  liatte,  zu 
löseni  80  musz  der  grund  doch  wohl  in  der  art  dieser  aufgäbe  liegen* 
Keil  wolUe  nachweisen,  von  welcher  politischen  tendenz  der  autor 
der  'A8.  TioX.  erfüllt  gewesen  sei;  aher  er  hat  es  unterlassen  die  Vor- 
frage zu  erledigen,  ob  ihm  seiner  ganzen  geistigen  art  nach  eine  be- 
wuste  tendenz  und  klare  grundanschauung  überhaupt  zugetraut 
werden  könne,  allerdings  gehört  diese  vor  frage  dem  gebiete  der 
sog,  hShern  kritik  an,  und  von  dem  wollte  Keil  sich  nach  möglich- 
keit  fern  halten,  dies  ist  ihm  insofern  gelungen,  als  er  eine  ausdrücke 
liehe  erörterung  jener  probleme  vermieden  bat;  aber  indem  er  nun 
mit  der  durch^hrung  seiner  eignen  hypothese  scheiterte ,  hat  er  es 
selbst  am  deutlichsten  bewiesen  ^  dasz  eine  fruchtbare  einzelerklä- 
rung  gar  nicht  möglich  ist,  wenn  man  nicht  zu  der  gesamtfrage  klar 
und  entschlossen  Stellung  nimt 

TüBiNa&N.  Friedrich  Cauer. 


(13.) 

ZÜB  ODYSSEE. 


ß  30  f\i  Tiv'  ÖTT^Xinv  CTpaxoö  f kXucv  ^pxofu^voio , 
^v  x'  h^iy  cct<pa  efiTOi,  öie  irpötcpöc  T€  ttuBoito. 
in  Faesis  ausgäbe  hat  sieh  bis  zur  achten  von  GHinrichs  besorgten 
aufläge  folgende  erklärung  erhalten:  «dpx^M^voio.  von  einem  kom- 
menden» nahenden,  vgl*  a  408  mit  ß  215.»  im  programme  ?on 
Prenzlau  1861  habe  ich  s.  3  dagegen  eingewandt,  was  zu  wiederholen 
ich  nicht  für  überfltlssig  erachte:  ^px€c6ai  heiszt,  wie  ja  auch  sonst 
in  poenie  und  prosa  (vgL  die  erklärer  zu  Xen.  anah.  II  1,  1  und 
Thuk,  I  117,  2)  so  ganz  besonders  hHufig  in  der  Odyssee  zu  r  tick - 
kehren  und  wird  namentlich  von  Odysseus  und  der  Achaier  rUck- 
kehr  von  Troja  gebraucht,  so  von  Odysseus  a  168  €1  irep  Tic  diri- 
xOoviuJv  dvÖpLüTriüv  «p^civ  dX€ÜC€c6ai  vgl.  ^150  ovb'  kri  (pf)c6a 
K61V0V  dXeucecöai»  oder  von  Menelaos  a  286  Se  Top  beuiaioc  fjXöev 
'Axaiujv.  so  tsagt  Nestor  zu  Telemachos  T  184  ^<^  i'iXeov,  qplXe 
T€KVOV,  (JireuÖtic  (vgl  194)  und  b  82  Menelaos  zu  eben  demselben 
Öf^oäTUi  ?TCi  tJXOov,  und  )j  17  erzählt  der  held  selbst  oiib'  dpa 
KtpKnv  il  'Aibeuj  iX8övT€C  ^XriOo^ev.  Eurylocbos  sagt  zu  Odysseus 
IC  267  oÖT*  auTÖc  ^Xcuccm  oöre  xiv'  fiXXov  dHeic  cujv  dtapiuv,  und 
P  176  steht  oiKttb'  ^XeucccOat  wie  t  313  ofii'  *Obyceuc  ^xi  oIkov 
U€\JC€Tai.    vgl.  noch  t  233.  €  220.  X  432.  v  132.  tt  453  uast, 

pR&NZLiiu.  Wilhelm  Pökel. 


SBrandt:  über  den  Yerfaseer  des  buches  de  mortibtu  perieeutorum.     121 

15. 

ÜBER  DEN  VERFASSER 
DES  BUCHES  DE  MOBTIBUS  PEBSECÜTOBÜM. 


In  zwei  abbandlungen  'über  das  leben  des  Lactantius'  und  ^über 
die  entstebungsverbältnisse  der  prosascbrifben  des  Lactantius  und  des 
buches  de  mortxbus  persecutorum\  die  in  den  sitzungsber.  der  Wiener 
•kad.,  phiL-hist.  cl.  bd.  CXX  (1890)  abh.  V  und  CXXV  (1891)  abh.  VI 
erschienen  sind,  habe  ich  mich  in  der  Streitfrage,  ob  das  buch  de  mor- 
Uhus  perseadorum  von  Lactantius  herrührt  oder  von  einem  andern, 
auf  die  seile  derer  gestellt,  die  sich  für  das  zweite  entschieden  haben, 
meine  beweisführung  hat  neben  völliger  Zustimmung  zu  dem  resultat 
(so  CWeyman  litt,  rundschau  f.  d.  kath.  Deutschland  1892  s.  139 
und  bist,  jahrb.  1892  s.  331;  Wölfflin  archiv  f.  lat.  lexikogr.  VII 
8.615;  Wendland  DLZ.  1892  sp.  1387;  Crivellucci  studi  storici 
1892  8.267)  und  neben  beurteilungen,  die  wenigstens  anerkannten, 
dasz  durch  sie  die  erstere  ansieht  sehr  fraglich  geworden  sei  (von 
einem  anon.  im  theol.  litt.-blatt  1892  s.  245;  GKrüger  tbeol.  LZ. 
1892  s.  325;  Petschenig  Berliner  philol.  wschr.  1892  s.  1107)  auch 
lebhaften  Widerspruch  gefunden,  ich  hatte  dies  nicht  anders  erwartet, 
ftls  ich  mich  gegen  eine  seit  langer  zeit  so  verbreitete  und  so  be- 
stechende hypothese  erklärte,  zuerst  veröffentlichte  pro  f.  Belser  von 
der  kath. -theol.  facultät  in  Tübingen  eine  ausführliche  entgegnung 
in  der  theol.  quartalschrift  1892  s.  246  ff.  439  ff.,  dann  folgte  eine 
rec.  ebenfalls  von  einem  theologen ,  prof.  Jülicher  in  Marburg,  bist, 
ztschr.  1892  s.  319,  die,  in  so  freundlichem  tone  sie  auch  gehalten 
ist,  doch  mit  den  werten  schlieszt:  Mch  hoffe  an  anderm  orte  meine 
bedenken  ausführlicher  erörtern  zu  können;  fest  übcfrzeugt  von  der 
Identität  des  Lactantius  mit  dem  vf.  der  mortes  bin  ich  nie  gewesen, 
seit  Brandts  Lactantius -apologie  bin  ich  fast  mehr  geneigt  jene 
zweifei  zu  überwinden  als  vorher.*  prof.  Jülicher  hat  mir  auf  eine 
briefliche  anfrage^  wann  er  die  in  aussieht  gestellte  kritik  veröffent- 
lichen werde,  geantwortet,  dasz  andere  arbeiten  es  ihm  noch  nicht 
erlaubten  eine  bestimmte  zeit  anzugeben:  ich  musz  mich  also  zu- 
nächst an  seine  kurzen  bemerkungen  in  jener  rec.  halten,  endlich 
gieng  mir  durch  den  vf.,  hrn.  cand.  th.  Ad.  Groscurth  in  Berlin,  eine 
'dissertatio  philologica'  zU;  die  jedoch  nicht  unter  den  auspicien  einer 
facultät  veröffentlicht  ist,  'de  auctore  libri  qui  est  Lucii  Caecilii  ad 
Donatum  confessorem  de  mortibus  persecutorum'  (Berlin,  druck  von 
Streisand,  1892),  die  gegen  PMeyer  und  mich  gerichtet,  ebenfalls 
Lactantius  als  vf.  der  mortes  festhält,  obgleich  nun  diese  abh.  im 
august  1892  erschien ,  ist  dem  vf.  die  zweite  und  wichtigst«  meiner 
arbeiten,  1891  erschienen,  ganz  unbekannt  geblieben,  er  bekämpft 
nur  die  vorläufigen  bemerkungen,  die  ich  in  der  ersten  gab,  deshalb 
ist  dieser  angriff  von  vorn  herein  höchst  unvollständig,  ich  habe 
nun  die  gründe  welche  meine  gegner,  sowie  manche  bedenken  die 


122    SBrandti  über  den  Yerfatßer  de»  buches  de  mortibus  pcrsectäorum. 


andere  recensenten  angeführt  hab<^ii,  geprüft,  bin  Jedoch  durch  sie 
in  der  Überzeugung,  die  ich  mir  seit  jähren  gebildet  habe,  keines- 
wegs wankend  gemacht  ^  vielraebr  noch  befestigt  worden,  man  hat 
keinen  für  das  bauptresultat  entscheidenden  neuen  satz  gegen  mich 
vorgebracht,  die  abwehr  meiner  arguroente  aber  erscheint  rairnictit 
als  eine  wirkliche  abwehr.  doch  haben  die  angriffe  für  einige  punkte 
den  erfolg  gehabt,  dasz  ich  bei  nochmaliger  unteräucliiing  richtigeres 
gefunden  habe  als  früher,  wenn  nun  diese  erwiderung  vielfach  nega- 
tiver art  sein  und  manches  aus  den  frühem  arbeiten  wiederholen 
musz,  so  bringt  sie  doch  auch  neue  gesichtsp unkte  und  ist  eine  fort- 
setzung  der  Untersuchung,  haupt^äcblich  werde  ich  mich  mit  B  eis  er 
auseinanderzusetzen  haben,  ich  Bnib^ ,  dasz  er  sieb  im  eifer  der  dm- 
eusgion  die  polemik  gegen  niicb  zu  leicht  gemacht  hat  und  dasz  der 
so  siegesge wisse  ton,  den  er  anschlägt,  durchaus  nicht  im  Verhältnis 
steht  zu  dem  gewicht  seiner  gründe,  ein  leser  seiner  abb,  wird  sieb 
über  einen  merkwürdigen  mangel  an  einsieht  und  vorsiebt  bei  mir 
wundern  müssen»  aber  die  schuld!  davon  trage  nicht  ich ,  ?ondem 
Belsers  auffassung  und  wiedergäbe  meiner  arbeit,  doch  es  mögen 
persönliche  bemerkungen  der  debatte  fern  bleiben. 

I.  In  meiner  bekUtupfung  der  bypothese  von  Baluze,  Lactantius 
sei  der  verfast?er  der  morfes^  war  ich  in  der  zweiten  der  genannten 
Untersuchungen  s,  27  f*  von  dem  chronologischen  gesiebte- 
punkte  ausgegangen,  dasz  die  moties  nach  den  scbluszcapiteln  (vgl. 
48,  13.  49.  52,  4)  jedenfalls  nach  der  mitte  von  313  geschrieben 
sind,  ist  thnt&acbej  ebenso  ist  allgemein  nach  1,  7.  52,  1  aner- 
kannt, dasz  der  vf.  als  augenzeuge  für  den  inbalt  seines  buches  auf- 
tritt, so  weit  der  Schauplatz  der  ereignisse  Nikomedien  ist,  da  nach 
mehreren  stellen  (vgb  s.  27)  der  vf,  unzweifelhaft  in  Nikomedien 
geschrieben  hat.  ich  hatte  nun  nach  P^Ieyer  (programm  von  Jülich 
1878)  aus  den  beiden  stellen  itist.  V  2,  2  ego  cum  in  Bithynm  ora- 
torias  liUeras  accitus  docerem  usw.  und  11,  15  uidi  ego  in  Bithynia 
usw»  den  schlusz  gezogen,  dasz  Lact,  diese  stellen  nicht  in  Bithjnien 
geschrieben  hätte,  da  nun  die  Institutionen,  wie  Ebert  in  dem  be- 
kannten aufsatze  'über  den  Verfasser  des  buches  de  mori.ptrs,^  (1870) 
festgestellt  hat,  vor  311  ,  dem  todesjahre  des  Galerius  verfaszt  und 
veröffentlicht  sein  müssen,  weil  in  dem  fünften  buche  des  Werkes 
ganz  unverkennVmr  der  schlimmste  Verfolger  der  Christen,  Galerius, 
als  noch  lebend  geschildert  wird,  so  zog  ich  mit  Mejer  den  weitem 
scblusz,  dasz  Lact.,  als  er  jene  beiden  stellen  scbrieb,  sich  nicht 
mehr  in  Bithyaien  befand,  dasz  er  also  nicht  mit  dem  Verfasser  der 
mortes  identisch  sein  könne,  ich  nahm  an,  dasz  er  schon  vor  311 
nach  Gallien  gegangen  sei,  um  lehrer  des  Crispus,  des  sohnes  von 
ConstÄntin,  zu  werden  (Hieron.  de  uiris  ifd,  80;  ad  a.  Abr.  2333). 
hier  in  Gallien,  genauer  gesagt  in  Trier,  seien  die  Institutionen  ab- 
geschlossen  und  veröffentlicht  worden. 

Der  stärkste  einwand  gegen  diese  meine  auf^tellung  ist  schon 
früher  von  Sittl  angedeutet,  jetzt  aber  von  Krüger  in  seiner  rec,| 


^Brandt:  über  den  yerlaaser  des  bnches  de  martüms  peneeutorum,    123 

namentlich  aber  von  Groscurth  ao.  s.  9  f.  geltend  gemacht  worden, 
man  hat  die  so  eben  bezeichnete  erklärung  der  beiden  stellen  inst, 
Y  2y  2  nnd  11, 15  angefochten,  und  ich  masz  zugeben  dasz  ich  diese 
erklftrnng  als  notwendig  nicht  aufrecht  erhalten  kann ,  wenn  ich  sie 
auch  für  wahrscheinlich  halte.  Lact,  konnte,  wie  Groscurth  aus- 
föhrt,  auch  wenn  er  selbst  noch  in  Bithjnien  war,  an  den  beiden 
stellen  in  Biihi^ia  schreiben,  um  überhaupt  den  Schauplatz  der  be- 
gebenheiten  und  seine  eigne  anwesenheit  auf  diesem  schauplat?  zu 
bezeichnen,  mit  diesen  beiden  stellen  fällt  jedoch  mein  satz  selbst, 
dasz  Lact,  die  Inst,  in  Gallien,  oder  zunächst  genauer  gesprochen, 
jedenfalls  nicht  in  Nikomedien  abgeschlossen  hat,  noch  keineswegs, 
ich  begründe  ihu  jetzt  in  folgender  weise  und  erweitere  oder  be- 
richtige damit  meine  frühere  Untersuchung.  Lact,  schildert  im  fünften 
buche  der  Inst,  an  vielen  stellen  die  yerfolgung  der  Christen  als  noch 
andauernd  und  gegenwärtig;  auch  die  stelle  VI  17,  6  spedatae  sunt 
enim  setnper  spectanturque  adhuc  per  orhem  poenae  cultarum  dei 
bezeugt  dies,  ebenso  das  schluszcap.  23  des  5n  buches,  in  dem  er 
in  gerechtem  stärkstem  zome  eine  künftige  räche  gottes  den  un- 
barmherzigen Verfolgern  ankündigt,  nirgends  in  dem  ganzen  werke 
findet  sich  auch  nur  die  geringste  andeutung  von  einem  nachlassen 
der  bedrängnisse.  es  ist  daher  evident,  dasz  das  werk  noch  während 
der  Verfolgung  abgeschlossen  und  veröffentlicht  wurde,  ferner  dasz 
dies  vor  dem  toleranzedict  des  Galerius  geschehen  sein  musz,  da«) 
nach  mort.  35,  1  den  30  april  311  in  Nikomedien  angonchlagen 
wurde,  denn  gerade  auf  des  Galerius  wüten  wird  inst.  V  11, 5  ff.  (tfla, 
üla  est  uera  hestia)  ganz  unverkennbar  hingedeutet,  es  wird  in  der 
rückhaltlosesten  weise  verdammt,  wie  ja  auch  sonst  an  vielen  stellen 
dieses  buches  Lact,  die  Verfolger,  allerdings  immer  ohne  namen  zu 
nennen,  heftig  angreift,  nach  erscheinen  des  toleranzedicts  von 
G^erius  hat  demnach  Lact,  das  werk  nicht  veröffentlicht,  es  wäre 
ja  ein  unbegreiflicher  anachronismus  und  ganz  widersinnig  gewesen, 
damit  aber  ist  zugleich  erwiesen,  dasz  das  werk  nicht  in  Nikomedien 
veröffentlicht  worden  ist.  Nikomedien  lag  im  gebiete  Maximins; 
dasz  aber  gleichwohl  hier  auch  dessen  ursprünglicher  Augustus 
Galerius  zu  gebieten  hatte,  beweist  eben  die  Veröffentlichung  des 
edicts  in  dieser  stadt.  femer  aber  war  ja  gerade  Maximin  einer  der 
erbittertsten  Verfolger,  bis  in  das  j.  311  sind  nach  Eusebios  bericht 
in  den  mart.  Palaest.,  trotz  mancherlei  Schwankungen  in  der  härte  der 
verfolgungsmaszregeln ,  gerade  unter  ihm  zahlreiche  hervorragende 
martyrien  vorgekommen  und  massenhafte  Verstümmelungen  und 
bergwerksstrafen  verhängt  worden  (vgl.  die  Übersicht  bei  Uunziker 
*zur  regierung  und  Christen  Verfolgung  des  k.  Diocletian'  s.  129  ff.). 
dasz  während  dieser  jähre  Lact,  die  Inst,  in  Nikomedien  veröffent- 
licht haben  sollte,  ist  absolut  undenkbar,  es  wäre  eine  tollkühnbeit 
gewesen,  als  aber  Maximin  nach  Galerius  tode,  der  bald  nach  dessen 
toleranzedict  311  erfolgte,  alleiniger  herr  im  Orient  war,  fieng  er 
kaum  sechs  monate  nach  erlasz  des  edicts  wieder  mit  der  bedrückung 


124    SBrandt:  über  den  yerfasser  dee  bBcbee  de  martibus  persectttorumm 


der  Christen  an  (Eusebios  h.  e.  IX  9),  gerade  in  Nikomedien  HesB 
er  311  oder  312  den  antiochenischen  presbyter  Lukianos  binrichtea 
(Eus.  h.  e.  Vin  13,  2.  IX  6,  3;  vgl.  Hunziker  s.  282  ff.)  und  zu  der- 
selben  zeit  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  (vgl.  Hanziker  ao.)  den 
bischof  von  Nikomedien  selbst,  ÄnthimOB.  erst  gegen  das  ende  seiner 
regierong  (313)  erliesz  er  aus  politik  ein  toleranzedict  (uttö  Ttic 
dvCtTKTIC  ^KßcßiaCjiivOC,  &\y  OÜ  KQTä  fVlOjUtlV  TT^V  atlTOÖ  biaKeX€u- 
cdp€VOC  Eus.  h,  e.  IX  9»  23),  ja  nach  den  mortes  46,  2  hat  er  noch 
unmittelbar  vor  dem  entscheidungskampfe  mit  Licinius  (29  april  313) 
Juppiter  gelobt,  ut  si  uidoriam  cepisset,  ühristianortim  nomen  ca> 
Hngueret  fundüusgue  dderd,  es  ist  also  völlig  ausgeschlossen,  dasz 
Lact,  in  dem  macbtbereicbe  Maximins  die  Inst  veröffentlicht  hat, 
zumal  da  man  weisz  (darüber  weiter  unten  noch  besonders),  dasz 
er  der  Verfolgung  eher  auszuweichen  ak  ihr  xum  Opfer  zu  fallen 
gesonnen  war. 

Ebenso  wenig  kann  man  natürljch  annehmen,  dasz  Lact,  nach- 
dem er  etwa  vor  311  die  Inst,  irgendwo  auszerhalb  Nikomediena 
veröffentlicht  hätte,  nach  dem  toleranzedict  des  Galerius  wiederum 
dahin  zurückgekehrt  wäre  und  dort  weiter  gelebt  hätte,  nach  der 
Sprache,  die  er  im  5n  buche  gegen  die  Verfolger  geführt  hat,  wäre 
ja  in  Nikomedien  seines  bleibcns  nicht  gewesen,  er  selbst  hätte 
schon  nicht  gewagt  sich  dort  zu  zeigen  oder  zu  halten^  als  die  be- 
drückung  der  Christen  nach  sechs  montiten  unter  Maiimin  wieder 
begann,  und  was  hätte  ihn  nötigen  sollen  von  einem  sichern  auf- 
enthaltsorte  wieder  an  ä^n  mittel  punkt  der  Verfolgung  zurück- 
zukehren? 

Schon  diese  einfachen  erwägungen  hätten  Belser  vor  einer  ganz 
unmöglichen  bypothese  bewahren  missen,  auch  er  nimt  s.  463  jene 
beiden  stellen  insi.  V  2,  2  und  11,  15  in  dem  sinne  wie  Meyer  und 
ich  früher,  und  da  an  der  zweiten  von  einem  cbristen  die  rede  ist» 
der  nach  zweijährigen  quälereien  seinem  glauben  entsagte,  so  schlieszt 
er,  wie  zuerst  ich  leben  des  Lact.  s.  27,  dasz  von  dem  allgemeinen 
opferzwange  an  gerechnet  (304)  Lact,  sich  306  noch  in  Bithyniea 
befunden  habe,  dann  aber  erklärt  BeLser  weiter,  nach  jenen  beiden 
stellen  sei  Lact,  306 — 310,  wo  er  an  den  Inst,  arbeitete,  nicht  in 
Nikomedien  gewesen;  auch  sei  es  wabrschemlich  dasz  er,  als  die 
Verfolgung  unter  Galerius  sich  steigerte,  Nikomedien  verlassen  habej 
auch  erwähne  er  in  den  mortes  kein  ereignis  aus  diesen  jähren,  dessen 
dcbauplatz  diese  Stadt  gewesen  sei;  310  sei  er  wieder  dahin  zurück- 
gekehrt und  von  diesem  jähre  an  beginne  auch  wieder  sein  beriebt 
über  nikoraedische  ereignisse.  wir  fragen:  wo  hat  s^ich  denn  Lact, 
während  der  jähre  306—310  aufgehalten?  auch  Belser  fragt  so: 
*wo  begab  er  sich  bin?'  seine  antwort  ist:  Vir  wissen  es  nicht,  über 
▼ermutungen  wird  man  in  dieser  frage  niemals  hinauskommen,  nur 
so  viel  darf  mit  Sicherheit  ausgesprochen  werden:  er  gieng  damals 
nicht  nach  Trier.*  es  ist  dies  eine  Verkettung  von  unwahrschein- 
lichen und  unmöglichen  dingen,   was  den  letzten  punkt  angeht,  dasij 


SBrandt:  über  den  Yer£uaer  des  bachef  de  wtortibut  pentc^Uitrym,     12S> 

Lact,  damals  nicht  in  Trier  gewesen  sei,  so  werden  wir  bald  äehen, 
dasz  die  von  BeUer  behauptete  ^äicherheit'  nicht  vorhanden  ißt.  von 
dem  notbehelfe  sodann,  Lact,  für  die  jähre  30t>— 310  vOUig  ins  Un- 
gewisse zu  schicken,  wird  Belser  jetzt  durch  Groscurths  von  mir 
angenommene  bemerkungen  über  jene  beiden  stellen  der  Inst,  be- 
freit, denn  auch  sein  grund,  in  den  mortes  seien  keine  nikomedischeu 
ereignisse  aus  den  jähren  306 — 310  berichtet,  hätte  nur  dann  einigen 
wert,  wenn  er  irgend  ein  hervorragendes  ereignis  aus  dieser  zeit, 
das  in  Nikomedien  stattgefunden,  aber  in  den  mortes  fehlte,  hfttte 
angeben  wollen,  ich  habe  ein  solches  nicht  auffinden  können,  über- 
haupt hat  Belser  völlig  übersehen  dasz  die  mortes  sich  möglichst 
wenig  mit  berichten  von  einzelheiten  aufhalten,  sondern  allgemein 
schildern,  so  ist  es  doch  höchst  merkwürdig,  dasz  in  den  mortes  ein 
ganz  hervorragendes  martjrium  mit  keinem  worte  erwUhnt  wird, 
dasdes  bisch ofs  Anthimos  von  Nikomedien,  das  mich  Eusobios 
h.  e.  Vni  6,  6  (vgl.  13,  1)  in  den  anfang  der  Verfolgung  3015  fiel, 
wo  Lact,  jedenfalls  in  Nikomedien  war,  nach  Uunzikerä  unti^rwuchung 
aber  unter  Maximin  in  311  oder  312  zu  setzen  ist,  wo  nach  liolser 
Lact,  wieder  in  Nikomedien  gewesen  bcin  soll,  aber  von  diesen 
dingen  abgesehen,  kann  denn  Belser  im  ernste  daran  denken,  dasz 
der  in  der  Verfolgung  sehr  vorsichtige  Lact,  im  j.  .'HO,  nach  Ver- 
öffentlichung seiner  Inst.,  vor  dem  toleranzedict  des  (ilalerius,  in 
die  hauptstadt  Maximins,  unter  dessen  äugen,  so  zu  Kagon  in  dio 
höhle  des  löwen  zurückgekehrt  sei?  und  ich  wiederhole,  die  Inst, 
müssen  doch  schon  veröffentlicht  gewesen  »ein.  Lact,  hat  doch  wnhr- 
lieh  nicht  das  werk  fertig  abgeschlossen  bei  dich  bf;halU;ny  bis  in 
Nikomedien  Sicherheit  für  die  Christen  eingekehrt  war,  und  vh  erHt 
dann  mit  diesem  fünften  buche,  mit  dieser  ankündigung  n'int'H  über 
die  Verfolger  kommenden  *  gottesgericht't  in  das  publicum  g^^^^b^tn, 
nachdem  die  meisten  Verfolger  schon  gefallen  warf;n.  darin  wllrd/t 
er  die  etwa  schon  früher  in  den  In^t.  gf;.Hchrieben*;n  derartig*;«  st^dl^jn 
doch  natürlich  den  veränderten  zeitverhältni.-tH^m  *nritj<prft/ih';T»d  nrn 
gestaltet  haben,  wie  er  es  in  der  Epitome  48,  i  f.  g';thÄn  hat. 

£s  läszt  äich  also  bei  unbefangener  erwägüng  d^.r  r.KaUfi/^b^A 
und  der  aus  ihnen  sich  «ergebenden  c^jr*:te<jiiftrjz^.n  nicht  an  fU:f  tbaf^ 
Sache  rütteln,  daäi  Lact,  äcbcn  7or  dem  t/,  1a, rar* z^/ii et  .'/I I  ^U-a  O* 
lerius  die  Inat.  veroff-intlicht  hat,  <Iak-c  er  ^l^iCf^^u  n.cht  rri^rhr  ,(,  N»k^ 
medien  -ein  konnte,  -idk-.z  f:r  na/^cir.er  \R>.f  Min.ff^.n  u.<.\*\  'U.fUt.u 
larCckkehren  kcnn^,  di-.z  *:r  *iV/  5-*r  fl,f,  ;ar.r«j  MO  '/,-*  '-'A  '»  .^^ff» 
Tcn.  X^kcrri^ii-in  war.  'laclai/^;f'iii  -pr.cr.t.  >,r  it  '>,r  m^/rf^,^  J  V  *i4 
ercer.  :^ r  i ^tlkz.  i .*  pro<vu,  m/x *  f^ß^rn i»< .  't f. .  -i >,  r '4' . «v . ,t. ir.  f ^, tu  a.u*\ 


126     SBrandt:  über  den  verfaeser  des  buches  de  mortibus  peraecutorum. 


ersterer  wie  dieser  selbst  Eich  m  NikomedieB  befand,  au  andere  stel- 
len, die  auf  Nikomedien  als  entsteh ungsort  der  mortes  hinweisen,  ist 
schon  oben  s.  122  erinnert  worden,  niemand  hat  auch  bisher  meines 
wiäsens  bezweifelt,  dasz  die  nwrtes  in  Nikomedien  yerfaszt  sind,  es 
folgte  dasz  deren  Verfasser^  der  nach  313  schrieb,  in  denselben  jähren 
310  bis  313  in  Nikomedien  lebte,  in  denen  Laetantius  sich  nicht 
mehr  dort  aufhielt^  mithin  dasz  die  beiden  antoren  nicht 
identisch  sind,  so  bin  ich  unter  verzieht  auf  die  beiden  stellen 
inst,  V  2,  2  und  11,  15  von  einer  andern  seite  wieder  zu  meinem 
frühern  resuitat  gekommen,  dasz  aus  chronologischem  gründe 
die  mories  nicht  von  Lact,  verfaszt  sind. 

IL  Ehe  wir  nun  die  frage  weiter  untersuchen,  wo  Lactantius 
Bich  aufgehalten  haben  kann,  als  er  die  mories  abschlosz,  und  wo 
nie  veröffentlicht  worden  sind,  ist  gegen  Belser  über  die  ent 
stehungöztiit  der  Institutionen  —  denn  bibher  wurde  nur 
der  terminus  ad  cjuem  ihrer  entstehung  besprochen — »  Über  die 
der  Epitome  und  der  mories  zu  handeln» 

1-  Ebert  bat  aa*  s.  127  als  den  Zeitpunkt,  vor  dem  die  Insti- 
tntionen  verfaszt  sind,  mit  vollem  rechte  nicht  nur  das  ende  des 
Gakriu»  313,  sondern  auch  schon  das  des  Maximian  310,  jedenfalls 
fechoo  vor  dem  juli  dieses  Jahres  (vgl.  Schiller  gesch,  d,  röm.  kaiser- 
zeit  IX  18 1),  bezeichneL  Maximian  hat  die  Christen  in  Italien,  Africa 
und  Spanien  verfolgen  lassen,  und  in  den  mortes^  in  denen  er  15,  G 
ausdrücklich  als  Verfolger  genannt  ist,  wird  demgemisz  c.  28 — 30 
sein  schmähliches  ende  ausführlich  berichtet.  Ebert  hat  durchaus 
treffend  darauf  hingewiesen,  dasz  Lact,  in  dem  schon  mehrfach  er- 
wähnten schlüßzcapitel  des  5n  buch  es  das  Strafgericht  gotteg  an  den 
Verfolgern  nicht  ausschlieszlich  al^  ein  nur  zukünftiges  erwartet 
^Ätte,  wenn  er  den  elenden  tod  eines  hauptverfolgera  schon  vor 
äugen  gehabt  hätte,  er  hätte  gewis  seine  leser  auf  diesen  erweis 
der  göttlichen  strafgerechLigkeit  hingewiesen,  der  seiner  Prophe- 
zeiung eines  unglücklichen  ausgangs  auch  der  Übrigen  Verfolger 
Bchon  eine  feste  grundlage  gegeben  hätte,  dasz  Belser  hei  der  stelle 
inst.  IV  27,  3  ff.  mit  unrecht  an  eine  beziebung  auf  das  ende  Maii- 
mians  denkt,  wird  später  noch  gezeigt  werden,  die  frage  ist  nun 
die:  müssen  wir  als  endtermin  für  die  abfassung  der  Inst,  knapp 
den  tod  Maximians  mitte  310  annehmen  oder  können  wir  weiter 
zurückgeben  ?  ich  hatte  das  letztere  in  meinen  beiden  Untersuchun- 
gen getban  und  hatte  die  beendigung  der  Inst,  in  307 — 308,  die 
Abfassung  der  Epitome  der&elben  in  313  —  314  gesetzt  und  zwar 
deshalb,  damit  zeitlich  die  möglichkeit  vorhanden  sei,  dasz  der  vf. 
der  morifs  nicht  nur  die  Inst.,  sondern  auch  noch  die  Epitome  be- 
nutzen konnte.  Belser  nimi  (s.  249.  266)  für  den  abschlusz  der 
Inst.  310—311  an,  will  jedoch  die  möglichkeit  einer  frühem  beendi- 
gung nicht  zugeben  (s,  251  f.),  die  Epitome  aber  ist  nach  ihm  316 
oder  316  vollendet  worden,  jedenfalls,  erst  nach  abseblusz  der  mortes 
(ß,  2Ö8),  die  im  december  314  heraut^gegeben  seien  (s.  254.  256)* 


BBnndt:  fiber  den  TerfsMer  des  baches  de  mortibus peraecutvrum,    ]27 

in  diesem  falle  kannten  die  übereinstimmuDgen  zwischen  der  Epi- 
tome  und  den  mortes  nicht  auf  benutznng  jener  schrift  durch  den 
▼erfiftBser  der  mortes  zurückgehen,  es  mOste  vielmehr  schon  au« 
diesem  gründe  identitSt  der  beiden  autoren  angenommen  werden. 
wenn  mir  nun  Belser  die  möglichkeit  bestreitet,  dasz  Lact,  bis  307 
oder  308  die  Inst,  habe  zu  ende  bringen  können ,  so  ist  zunttchst  zu 
entgegnen,  dasz  Lact,  jedenfalls  schon  303  infolge  des  edicts 
Tom  24  februar  seine  stelle  als  öffentlicher  lehrer  verloren  haben 
mnaz,  nicht,  wie  Belser  s.  249  sagt,  ^jedenfalls  304%  ja  dasz  er  schon 
Tor  303  seine  öffentliche  thStigkeit  eingestellt  hat,  wenn  Hierony- 
mns  de  wris  ifd.  80  eine  richtige  angäbe  macht,  was  ich  freilich 
kaom  annehmen  kann  (leben  d.  Lact.  s.  24).  die  vorarbeiten  xu  den 
Inst,  können  demnach  schon  in  das  j.  303  fallen,  im  j.  304  entstand 
die  kleine  schrift  de  opificio  dci,  die  aus  diesen  vorarbeiten  hervor- 
gieng  (entstehungsverh.  s.  16),  eine  compilation  aus  wahrscheinlich 
xwei  werken  (über  die  quellen  dieser  schrift  s.  Wiener  Studien  1891 
8.  255  ff.),  und  es  bleiben  für  die  Inst,  immerhin,  bis  307  oder  308 
gerechnet,  vier  jähre  arbeitszeit.  dagegen  bemerkt  nun  Beider  s.  249 
erstlich,  nach  den  äuszerungen  von  Lact.  inst.  I  1  und  de  opif, 
20,  8  habe  er  sich  'die  arbeit  nicht  leicht  oder  blosz  kurze  zeit  er- 
fordernd vorgestellt*,  jedoch  sind  beide  stellen  so  unbestimmt  ge- 
halten, dasz  ein  schlusz  darauf,  ob  Lact,  nach  mir  drei  bis  vier,  nach 
Belser  (s.  250)  fünf  bis  sechs  jähre  —  eine  geringe  differenz  —  zu 
der  arbeit  brauchte,  daraus  nicht  gezogen  werden  kann,  auch  ist  es 
natürlich,  dasz  Lact,  vor  oder  zu  anfang  der  arbeit,  de  opif.  20,  das 
ihm  höchst  wichtig  erscheinende  unternehmen  als  etwas  groszes  an- 
sieht; an  der  andern  stelle  aber,  inst,  I  1,  läszt  er  §  10  eher  er- 
kennen, dasz  dessen  formale  seile  ihm  verhältnismäszig  leicht  wurde : 
mtdtum  tarnen  nohis  exerciiatio  illa  fictarum  litium  contuliiy  ut  nunc 
maiare  copia  et  facuUate  dicendi  causam  ueritatis  peroremus,  darin 
liegt  schon  eine  erwiderung  auf  Belsers  zweiten  einwand  s.  250, 
dasz  die  form  des  werkes  die  annähme  von  fünf  bis  sechs  jähren 
arbeitszeit  verlange,  aber  man  bedenke ,  dasz  er  langjähriger  lehrer 
und  redemeister  war  —  (professio)  oratoria,  in  qua  diu  uersatis&gi 
er  von  sich  inst,  I  1,  8  — ,  dem  die  worte  leicht  dahinflössen:  wie 
sehr  letzteres  der  fall  ist,  empfindet  jeder  seiner  lesen  mit  dem  hin- 
weis  auf  die  form  verbindet  Belser  den  auf  den  inhalt:  'es  über- 
rascht uns  hier  das  hohe  masz  theologischer  kenntnisse,  welches 
Lact.,  der  frühere  beide,  langjähriger  docent  der  rhetorik  und  laie 
an  den  tag  legt.'  dasz  jedoch  die  theologie  von  Lact,  unbedeutend 
ist^  zeigt  ein  blick  in  dogmengeschichten  und  patristiken,  und  Heu- 
mann sagt  in  seiner  ausgäbe,  praef.  fol.  c:  'postremo  fatendum  in- 
genue^  fuisse  Lactantium  perminutum  theologum.'  man  weisz  auch 
nicht,  wie  lange  zeit  Lact,  schon  ehe  er  an  die  ausarbeitung  der  Inst, 
gieng,  mitglied  der  christlichen  gemeinde  war,  wie  viel  von  christ- 
lichen lehren  er  durch  hören  und  verkehr  oder  durch  das  studium 
der  schon  so  zahlreichen  christlichen  Schriften  namentlich  apologe- 


128     SBrandt:  über  den  verfauer  des  buches  ä4  mmiibns  persecutorwm^ 


tischen  cbarakters  kennen  gelernt  batte.  zudem  sind  ea  fast  Bur  die 
bücber  IV  und  VII,  welche  speciell  cbristlicben  inbalt  baben,  *^©vi- 
deni  ist  die  grilndliehkeit  des  mannes  in  der  kenntuis  der  belügen 
scbrift  des  alten  teätaments«  dessen  Weissagungen  über  das  leiden 
und  sterben  Jesu  er  ihrem  ganzen  umfang  nach  mit  groszem  ge* 
schick  verwendet  bat.'  im  binblick  auf  die  mehr  als  70  zum  teil 
sehr  langen  bibeleitate  des  vierten  buchen ^  fa^t  sämtlich  aus  dam 
alten  testament,  musz  nach  Beizers  Worten  ein  unkundiger  leser 
allerdings  an  sehr  eingebende  alttest  am  entliehe  Studien  von  Lact. 
denken,  aber  in  Wirklichkeit  steht  die  sache  ganz  anders.  Belser 
hat  hier  gan^  und  gar  vergessen  dasz,  wie  schon  Rönsch  zs,  f.  d*  bist, 
theol.  1871  s.  531  ff.  gezeigt  und  ich  in  den  proleg.  meiner  ausgäbe 
s.  XCVII  erwfibnt,  auch  an  den  betreffenden  stellen  im  apparat  be- 
merkt  habe ,  von  jenen  70  citaten  mehr  als  ÖU  aus  Gyprians  Testi* 
monien  abgeschrieben  sind,  dahz  Lact,  sogar,  wie  ich  proleg.  s.  XCIX 
nachgewiesen  habe^  die  dogmatischen  Überschriften  bei  Cyprian  bis- 
weilen aufgenommen  und  als  faden  der  erzählung  benutzt  hat.  dasz 
auch  die  übrigen  bibeleitate  nicht  von  Lact,  selbst  aus  der  heiligeii 
frchrift  herausgesucht  sind,  kann  man  daraus  schlieszen,  dasz  er  instm^ 
IV  18,  22  eine  gefälschte  stelle  aus  Esra  als  ecbt  bringt,  die  sieb 
auch  bei  Justinus  c.  Tryph.  297 '^  findet,  wie  überhaupt  in  buch  IV 
sich  viele  berührungen  mit  Justinus,  auch  einige  mit  Theophilus 
ad  Autolycum,  den  Lact,  itist,  I  2.S,  2  sogar  mit  namen  citiert,  nach- 
weisen lassen,  dasz  die  apokalyptik  des  buchei^  VII  auf  andern 
darstellungen  dieser  art  beruht,  ist  an  sich  klar,  wie  auch  aus 
den  von  mir  ange^hrten  patristiächen  parallelen,  was  sodann  die 
auhfübrungen  über  gegenstände  der  christlichen  moral  betrifft,  die 
auch  ich  fUr  wohlgelungen  und  vortrefflich  halte,  so  beschränken 
f»ie  sich  fast  ausscblieszlich  nur  auf  buch  VI,  sie  nehmen  mehrfach 
stellen  von  Cicero^  Lueilius,  Seneca^  Horatius  als  ausgang;» punkte 
an  und  sind  mehr  warm  und  wahr  als  gerade  tieff  auch  kann  die  be- 
faandlung  derartiger  fragen  einem  manne,  der  so  »ehr  wie  Lact»  durch 
Cicerod  und  Senecas  philosophimcbe  Schriften  geübt  war,  unmöglich 
schwer  gefallen  sein,  auch  was  ich  sonst  (ente<tehungsverh.  s.  17) 
angeführt  habe,  beachtet  Belser  nicht,  dasz  Lact,  von  303  an  volle 
musze  hatte  (de  opif,  1,  1),  das2  auch  Cicero  in  den  zwei  kurzen 
jähren  45  und  14  jene  grosze  menge  zum  teil  ausführlicher  und 
schwierigen  fragen  gewidmeter  philosophischer  bUcber  hergestellt 
batf  dasz  Lact  bei  der  begeisterung,  mit  der  er  an  so  Arielen  »ttfUen 
von  der  aufgäbe  seines  Werkes  spricht,  und  der  ganzen  raschbeit 
seines  wesens  efich  mit  der  fertigstellung  des  bucbes  beeilt  haben  wird, 
ich  kann  also  nicht  finden  das^«  wie  Belser  will,  drei  bis  vier  jähre 
£U  wenig  gerechnet  seien  als  arbeitszeit,  vollends  im  Verhältnis  zu 
den  von  ihm  beanspruchten  fünf  bis  sechs  jähren,  drittens  macht 
Belser  8,251  geltend,  dasz  die  inst,  V  1 1,  10  erwähnte  verbrennung'j 
eines  christlichen  bethauses  mitsamt  den  gläubigen  in  das  j.  30t 
oder  307,  dasss  die  berichte  des  Lact  in  demselben  buche  Über  dit 


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130     SBrandt:  über  den  verfa«s€r  des  buchee  de  mortihus  persecutorum. 


banden  mit  zeitweiliger  geistiger  Störung ,  hierauf  abdankung  und 
erhebung  neuer  regenten  gtgen  seine  wünsche  und  neigungen,  ein 
in  freiwilliger  verbatinung  dahinschkichendes  leben  zu  Salona^  wo 
die  ruhe  des  einsiedlers  nur  durch  hiobsposten  über  die  immer  zu- 
nehmende Verwirrung  gestört  wurde*;  ferner  aber  sei  mit  jenen 
ffrauissimae  perseqtientmm  poenae  Maximians  klägliches  geacbick 
Tvährend  seiner  letzten  lebensjahre  und  sein  scbimpfliches  ende 
{mortes  26  —  30)  bezeichnet,  da  dieses  ende  nun  310  erfolgte,  so 
könnten  nach  Belser  die  Inst,  nicht  früher  verfaazt  sein,  gegen 
diese  deutung  Belsers  ist  1)  zu  bemerken  ^  dasz  jenes  saepe  dabei 
nicht  zu  seinem  rechte  kommt ^  sondern  weginterpretierfe  oder 
ignoriert  wirdj  dasü  2)  der  plur.  sacrificanfes  domini  von  diesem 
saepe  aus  zu  erklären  ist|  nicht  aber  auf  Diocletian  und  Galerius  ge- 
deutet werden  kann,  die  zudem  doch  nur  bei  öinem  und  dem- 
selben falle  erfolglosen  opferns  zugegen  gewesen  wären  j  dasz 
3)  Belser  den  beweis  nicht  geliefert  hat,  sondern  erst  für  später  in 
aussieht  stellt,  dasz  Galerius  bei  jenem  opfer  zugegen  gewesen  sei, 
meiner  ansieht  nach  ist  dies  bei  den  ganz  unbe^'stimmten  zeitlichen 
uud  räumlichen  angaben  der  mortes  e.  12  unerweislich  und  auch 
nach  deren  schweigen  über  Galerius  völlig  unwahrscheinlich,  ferner 
auch  dejsbalb,  weil  mortes  10,  6  ff.  für  die  verfolgungswut  des  Galerius 
wieder  ein  ganz  anderer  yorfall  als  motiv  angegeben  wird*  doch 
wichtiger  als  dies  ist  der  feblscblusz  von  Beläer,  dasz,  während  nach 
Ihm  bei  jenem  opfer  Galerius  anwesend  gewesen  sein  soll,  er  die 
persequentium  poenae  auf  da»  ende  Maximians  bezieht,  der  doch 
nirgends  in  Verbindung  mit  einem  derartigen  mißglückten  opfer  ge- 
bracht wird.'  aber  auch  nicht  einmal  auf  Maximians  ende  kunn  die 
stelle  gedeutet  werden»  da  (vgl.  oben  s*  126)  nach  Eberts  völlig  ein- 
leuchtender  bemerk ung  die  faeaung  von  inst,  V  23  die  annähme 
nicht  zuläszt ,  dasz  damals  Maximian  schon  sein  jammervolles  ende 
gefunden  hätte.  4)  bei  einfacher  betrachtung  der  obigen  stelle  ist 
es  evident,  dasz  die  persequentes  identisch  sind  mit  jenen  domini 
oder  malt  reges  (§  3),  für  die  oft  die  Wirkung  des  kreuzes  bei  opfern 
der  anlasz  zur  Verfolgung  von  Christen  war*  welches  waren  nun 
aber  jene  wiederbolten  derartigen  fälle?  einer  ist  sicher  überliefert 
bei  Eusebios  h.  e.  VII  10,  4,  wo  der  kaiser  Yalerian  der  schuldige 
ist.  obwohl  ich  diesen  fall  s,  118  erwähnt  habe  und  in  den  mortes 
c.  5  gerade  das  ende  Yalerian s  als  göttliches  Strafgericht  an  diesem 
Verfolger  ausführlich  berichtet  vrird,  schweigt  Belser  darüber:  und 
diesen  fall  wird  Lactanttus  doch  jedenfalls  im  uuge  gehabt  haben. 
ich  sagte  nun  s.  HB,  unter  den  Christen  habe  man  sieh  offenbar 
mehrere  fälle  dieser  art  erzählt,  wohl  auch  von  barbarischen  fürsten 
{mcdi  reg  es)  ^  und  dies  ist  an  sich  völlig  glaublich,   es  muste  bei 

*  wenn  ßeUer  s.  284  tnit  'immö^Iich  wlire  es  nicht*  a§w.  die  ver- 
iDUtunfT  wAgt,  selbst  tialerius  krsnkheit  fiille  noch  unter  jene  strafen 
der  vcrfalgtsr,  ao  zei|;i  aein  eigner  ansdrack,  wie  wenig  sioherlieil  er 
dieser  vermntung  beilegt. 


SBrandft:  über  den  yerfapser  des  baches  de  morttbus  persecutorum,    131 

heidnischen  opfern  sehr  nahe  liegen  und  bequem  erscheinen ,  deren 
mislingen  auf  die  anwesenbeit  von  Christen  zurückzuführen,  nach 
allgemeinem  antikem  glauben  musten  die  beim  opfur  anwesenden 
rein  sein,  bei  Antiphon  in  der  rede  über  den  mord  des  Herodes 
§  81  ff.  will  der  angeklagte  sogar  unter  Vorführung  von  zeugen 
seine  Unschuld  dadurch  erweisen,  dasz,  wie  er  sagt,  önou  lepoic 

TTOp^CTT]V,    OUK  ?CTIV   ÖTTOU  CUXl  KttWlCXa  TCl  tcpä  dT^V€TO   (83); 

dann  lepoic  TropacTävxec  TroXXoi  bf|  KaxacpaveTc  dT^vovTO  oux 
Scioi  ÖVT€C  Kai  biaKUj\uovT€C  xd  Upä  pf|  TWvecGai  xä 
V0fii2:öfi€va  (82).  so  hat  denn  auch  der  betrüger  Alexandres  in 
Lukianos  gleichnamiger  schrift  c.  38  bei  beginn  seiner  mysterien 
den  Christen  befohlen  zu  entweichen,  und  aus  nachdiocletianischer 
zeit  werden  zwei  fälle  von  störendem  einflusse  der  Christen  auf 
Orakel  und  opfer  berichtet  (entstehungsverh.  s.  119).  ist  es  da  nun 
wunderbar,  wenn  ähnliche  Vorkommnisse  aus  früherer  zeit  auch 
unter  den  Christen  erzählt  wurden?  ich  bin  demnach  weit  entfernt 
meine  interpretation ,  vor  der  Belser  eine  grosze  Warnungstafel  auf- 
stecken möchte  (s.  279),  aufzugeben  und  die  seinige,  deren  halt- 
losigkeit  so  eben  gezeigt  wurde,  anzuerkennen,  die  stelle  der  Inst, 
enthält  nichts,  was  uns  nötigte  die  abfassung  des  werkes  erst  in 
310 — 311  zu  setzen,  das  einzige  was  ich  Belser  zugeben  kann  ist 
dies,  dasz  unter  der  Voraussetzung,  dasz  der  bericht  der  mortes  ge- 
schichtlich ist,  Lact.,  als  er  die  stelle  der  Inst,  schrieb,  auch  an  Dio- 
eletians  opfer  gedacht  haben  kann,  wie  aber  andere  und  ich  über  die 
geschichtlichkeit  dieser  Voraussetzung  urteilen,  habe  ich  ao.  gesagt, 
natürlich  gehe  ich  auch  davon  nicht  ab,  dasz  der  Verfasser  der  mortes 
die  stelle  der  Inst,  jedenfalls  stilistisch  sich  zu  nutze  gemacht  hat. 

Ich  habe  nun  bisher  immer  für  meinen  frühern  ansatz  von 
307 — 308  als  entsteh ungszeit  der  Inst,  gesprochen,  ich  verzichte 
aber  jetzt  ohne  umstände  auf  307,  weshalb,  wird  sich  später  zeigen, 
ja  ich  will  selbst  309  noch  als  möglich  zugeben,  auf  dieses  jähr 
wird  man  ja  allein  schon  durch  die  fast  sichere  thatsache  hinge- 
wiesen, dasz  Maximian  vor  mitte  310  starb,  wenn  man  also  nicht 
annimt,  dasz  Lact,  gerade  in  der  ersten  hälfte  dieses  Jahres  sein  werk 
veröffentlicht  hat,  so  kommt  man  schon  von  selbst  auf  309  zurück. 

2.  Die  entstehung  der  Epitome  hatte  ich  in  das  j.  313—314 
gesetzt,  indem  ich  darauf  hinwies,  dasz  Lact,  mit  dem  ausdruck  iam 
pridem^  mit  dem  er  in  dem  prooemium  der  schrift  auf  die  abfassungs- 
zeit  der  Inst,  zurückblickt  (307—308),  einen  Zeitraum  von  vier  bis 
fünf  Jahren  bezeichnen  könne ;  dieser  Zeitraum  bleibt  auch  bei  meinem 
jetzigen  ansatze  308—309.  Belser  s.  258  ff.  rechnet  für  iampridem 
fünf  bis  sechs  jähre  und  verlegt  die  abfassung  der  Epitome  in  315 
oder  316,  jedenfalls  in  die  zeit  nach  publication  der  mortes  und  nach 
Lact,  aufenthalt  in  Nikomedien,  der  (s.  464)  316  sein  ende  ge- 
nommen haben  soll,  wenn  nun  Belser  zuerst  versucht  seinen  Zeit- 
raum von  fünf  bis  sechs  jähren  gegenüber  meinem  ansatz  als  den 
einzig  richtigen  zu  erweisen,  so  brauche  ich  hierauf  schon  deshalb 


132    SBraodt;  über  den  verfasaer  des  buches  de  mariihus  perseeutorum. 


nicht  weiter  elnzugebetii  weil  zwischen  diesem  Zeitraum  und  meinen 
vier  bis  fttnf  jähren  kamn  ein  unterschied  bestehL  zweittsns  meiüt 
Belser  s,  261,  es  sei  undenkbar,  dasz  Lact  ^313 — 314  einen  au^zug 
aus  seinen  Inst,  gefertigt  habe,  zn  einer  zeit  wo  das  blutige  dramftJ 
eben  definiti?  zum  abschlusz  kam  und  zugleich  die  angedrohte  rachfl 
des  himmeU  am  letzten  Verfolger  (Daja)  zum  Vollzug  gelangt  war, 
ohne  von  alledem  auch  nur  eine  andeutung  zu  geben,  ohne  ein  wort 
des  dankes  gegen  gott ,  den  rächer  nnd  befreier  seines  volkes ,  viel- 
mehr 80,  das?  er  alle  auf  die  Verfolgungen  bezüglichen  speciellen 
ausführungen  der  Inst,  wegläszt  und  nur  in  allgemeinen  ausdrücken 
Ton  der  Verfolgung  spricht.^  aber  wie  konnte  Belser  diese  werte 
nur  schreiben,  da  er  doch  alsbald  selbst  die  stelle  epU.  48  (53),  4  f. 
bespricht:  Imhemus  enim  fiduckim  in  dea,  a  quo  expedamus  sec 
turam  protinus  uliionem.  nee  est  inanis  ista  fiducia^  si  quidem^ 
eorum  omnium^  qui  hoc  facinus  ausi  sunt^  miscrabiles 
exitus  partim  cognouimus  partim  uidimus  nee  ullus^ 
habuit  inpune  quod  deum  lae$it^  sed  qui  sit  uerus  deui 
qui  uerbö  discere  noluit,  supplicio  suo  didlcit.  mit  diesea^ 
werten  hat  natürlich  Lact,  auch  auf  das  ende  des  Daja  (Maximin) 
hinweisen  können,  jedoch  nur  unter  der  nicht  erweisbaren  voraus- 
BetzuQg,  die  Belser  stillschweigend  annimt,  dasz  er  an  dessen  Selbst- 
mord glaubte»  wie  ihn  die  mortem  c*  49  zu  erzählen  wissen,  während 
die  übrigen  quellen  teils  nichts  darüber,  teils  das  gegenteil  (Äur. 
Victor  epit.  40,  8  nwrte  simpUci  perit ,  Eutropias  X  4  foHuifa  morte) 
enthalten  (entstehungaverh,  s.  76).  auch  hat  nach  meiner  noch  zu 
erweisenden  annähme  Lact,  die  Epitome  fem  von  Nikomedien,  über- 
haupt fern  vom  Orient  geschrieben ,  nm  so  ferner  lag  ihm  auch  eine 
specielle  beziehung  auf  Maximin.  sodann  aber  vergis^t  Belser,  dasz 
die  Epitome  sich  möglichst  objectiv  auf  wiedergäbe  der  Inst,  be- 
schränkt, daher  denn  Lact,  in  jenem  cap.  46  sogar  von  den  jetzt 
gar  nicht  mehr  V>esfeeh enden  Verfolgungen  im  praesens ,  ganz  wie  in 
den  Inst. ,  spricht  §  1  ff ,  6  ff.  für  sein  referat  tlber  den  inhalt  der 
Inst,  genügte  jener  kurze  zusatz  §  4  f , ,  in  dem  er  mit  wenigen 
Worten  auf  die  an  allen  Verfolgern  vollzogene  räche  gottes  hinweist, 
nun  fährt  Belser  aber  fort,  es  sei  unglaublich,  dasz  Lact,  in  der 
Epitome  den  sieg  über  den  letzten  Verfolger  nicht  erwähne,  während 
in  den  mortes  ein  lautes  jubeil ied  dafür  angestimmt  werde,  'die 
Verschiedenheit  der  Sprechweise  hin  sich  tlicb  der  Verfolgung  in  den 
mortes  und  der  Epitome  liesze  sich  nicht  erklären,  wenn  beide  un- 
geftihr  gleichzeitig  geschrieben  hätten.'  das  ist  ein  vollständiger 
fehlschlusz.  weshalb  musz  denn  Lact,  ftlr  seinen  /.weck  in  dem- 
selben tone  reden  wie  der  Verfasser  der  mortes  für  seinen  ganz 
andern?  man  meint  fast,  Belser  hätte  hier  in  einer  unbewnstenJ 
petitio  principii  einen  augenblick  vergessen ,  dasz  erst  zu  erweisen^ 
ist,  dasz  die  beiden  autoren  identisch  sind,  so  dasz  in  beiden  schriften 
über  dieselbe  sache  in  demselben  tone  geredet  sein  müste.  drittens 
spricht  Belser  nun  über  die  so  eben  angeführten  worte  der  Epitome : 


SBrandt:  über  den  Verfasser  des  buches  de  tnortibita  perseeutorum.    133 

da  Lact,  hier  so  ruhig  über  das  ende  der  Verfolger  rede ,  so  müsse 
die  Schrift  längere  zeit  nach  demselben  verfaszt  sein,  jedoch  mache 
ich  auch  hier  geltend ,  dasz  Lact,  in  der  Epitome  das  subjective 
element  fast  ganz  zurücktreten  Iftszt  und  sich  überhaupt  sehr  kurz 
und  rasch  ausdrückt,  auch  kann  Belser  selbst  s.  262  nicht  umhin 
zuzugeben,  dasz  Lact,  jene  werte  schon  im  j.  314  habe  schreiben 
können,  viertens  führt  Belser  s.  263  einige  stellen  der  Epitome 
aus  cap.  61  und  68  an,  die  auf  die  bevorstehende  Licinianische 
Terfolgung  hinweisen  sollen,  diesen  grund  hätte  Belser  am  besten 
gar  nicht  niedergeschrieben:  denn  hier  excerpiert  Lact,  ja  lediglich 
nur  die  stellen  ganz  desselben  inhalts,  die  in  den  Inst,  stehen,  wer 
die  anmerkungen  meiner  ausgäbe  vergleicht,  sieht  dies  auf  der  stelle. 
in  den  Inst,  aber  geben  diese  stellen  nur  allgemeine  ermahnungen, 
wie  die  Christen  sich  halten  sollen,  wenn  sie  wieder  einmal  von 
feinden  des  glaubens  bedrängt  würden. 

3.  Die  entstehungszeit  der  mortes.  ich  hatte  s.  106 ff.  gezeigt, 
dasz  Yaleria,  mit  deren  hinrichtung  diese  frage  zusammenhängt, 
nicht  vor  october  314  ihr  ende  gefunden  hat  und  dasz  der  abschlu&z 
der  mortes  in  das  ende  von  314  oder  in  die  ersten  monate  von  315 
fällt,  auf  diese  weise  wurde  ein  etwas  gröszerer  zeitlicher  Zwischen- 
raum gewonnen,  in  dem  der  vf.  der  mortes  die  Epitome  kennen  lernen 
konnte,  da  nun  Belser  mir  diesen  Zwischenraum  möglichst  zu  ver- 
kürzen ,  am  liebsten  ihn  völlig  zu  beseitigen  bemüht  ist,  gleichwohl 
aber  selbst  die  hinrichtung  der  Yaleria  ebenfalls  in  den  october  oder 
november  314  setzt,  so  erklärt  er,  die  mortes  müsten  unmittel- 
bar nachher  abgeschlossen  sein,  sogleich  nach  dem  eintreffen  der 
nachricht  von  jener  hinrichtung.  dies  soll  'der  besonders  im  letzten 
capitel  hervortretende  lebhaft  freudige  ton'  usw.  sagen,  als  ob  der 
vf.  im  rückblick  auf  zehn  jähre  der  Verfolgung  diesen  ton  nicht  auch 
hätte  anschlagen  können ,  wenn  er  einige  monate  später  sein  buch 
abschlosz!  es  ist  doch  wirklich  der  Sachlage  nach  ganz  unmöglich 
zu  behaupten,  der  vf.  hätte  im  october  oder  november  314  seine 
Schrift  so  zu  sagen  schon  fertig  im  pulte  liegen  gehabt  und  dann 
im  december,  aber  nicht  später,  die  scbluszcapitel  hinzugefügt,  hier 
müssen  der  natur  der  sache  nach  einige  monate  Spielraum  bleiben ; 
eine  so  haarscharfe  festsetzung,  fast  nach  tagen,  wie  sie  Belser  vor- 
nehmen will,  hat  nicht  die  mindeste  bürgschaft  der  richtigkeit  für 
sich,  vielmehr  nur  das  gegenteil. 

III.  Wir  kommen  nun  zu  der  frage ,  w  o  Laciantius  die  Insti- 
tutionen abgeschlossen  und  veröffentlicht  hat.  dasz  dies  ganz  un- 
möglich in  Nikomedien  geschehen  sein  kann ,  habe  ich  zur  genüge 
gezeigt,  man  wird  nun  am  ersten  an  Gallien  denken  müssen,  wo 
nach  zwei  stellen  von  Hieronymus  Lact,  lehrer  von  Crispus ,  dem 
söhne  Constantins  war.  die  beiden  stellen  des  Hieronymus,  die 
ihrer  Wichtigkeit  halber  nochmals  angeführt  werden  müssen,  stehen 
de  uiris  ifd.  80:  hie  in  extrema  seneäute  magister  Caesaris  Crispi^ 
ßü  Constantini^  in  GaUia  fuit^  qui  postea  a  patre  interfeäus  est^ 


134    SBrandt:  über  den  verfafiser  des  bnchea  de  mortibus  peraecutarum. 


und  in  der  chronik  ad  a.  Äbr.  2333  (=^*  317  nach  Ch.):  Crispus  et 
Constandmis,  filii  Comtantini,  ei  Licinlus  adulescens^  Lidni  ÄuffusH 
füiuSi  Consiwntini  ex  sorore  nepos,  Caesar  es  appellantnr.  quorum 
Crispum  Laäantius  latinis  liUeris  eruäiuit ,  uir  omnium  suo  tempore 
doquefiimimus ,  scd  adeo  in  hac  uUa  pauper,  ut  pUrumque  eiiam 
fiecessariis  indi^ueriL  ich  hatte  in  meiner  ersten  abh.  s.  32  ff.  das 
geburtsjahr  von  Crispus  nmch  Tillemont  um  300,  in  der  zweiteaJ 
s.  18  f.  noch  erheblich  früher,  vor  295,  angesetzt,  so  dasz  Lact 
schon  307^308  mit  den  bei  nahe  vollendeten  Inst,  nach  Gallien 
zur  übernahmo  dieser  letrthätigkeit  hätte  tibersie>3eln  können, 
Crispus  bei  damals  etwa  acht  jähre  alt  gewesen;  dasz  aber  Lact,  bei 
dem  knaben  den  Unterricht  habe  tibernehmen  kdnuen^  werde  da- 
durch erwiesen,  dasz  sicher  Äusonius  als  schon  angesehener  rhetor 
der  lehrer  des  acht-  bi;^  neunjährigen  prinzen  Gratian ,  sein  oheim 
Arborius  aber  vielleicht  bei  dum  noch  nicht  zehnjährigen  Constans 
kbrer  wurde  (leben  des  Lact.  s.  33).  die  beweiskraft  der  ersten 
parallele  halte  ich  für  unanfechtbar^  die  vagen  bemerkuugen  von 
Groscurth  s,  lö  t,  Crispus  sei  zuerst  'in  militari bus  et  politiciä 
rebus'  gebildet  worden  und  es  sei  weitaus  am  natürlichsten  ('multo 
videtur  naturalissimum'  schreibt  Gr.  I),  dasz  er  erst  später  rhetorische 
und  philosophibche  Studien  bei  Lact*  gemacht  habe,  überlasse  ich 
den  lesern  zu  beurteilen;  überdies  sagt  Hieronymus  nur  latinis 
lUteris,  nichts  von  philosophischen  Studien,  desgleichen  sind  Belsers 
bemerkungen  s.  459  ohne  grund.  er  meint,  Crispus  hätte  als  sieben- 
jähriger knabe  doch  nicht  'den  gefeierten  professor  der  rhetorik* 
zum  lehrer  brauchen  können,  aber  ich  wiederhole,  dasz  auch  Auso- 
nius  als  schon  gefeierter  professor  der  rhetorik  den  Unterricht  bei 
dem  achtjährigen  Gratian  tibernahm,  ferner  spricht  Belser  von  der 
*einführung  in  die  lateinische  litteratur,  in  die  rhetorischen  und 
philosophischen  schriften  Ciceros,  dem  systematischen  Unterricht  in 
der  rhetorik  und  philo&ophie',  Criypus  sei  hierftlr  noch  viel  zu  jung 
gewesen,  aber  selbst  zugegeben,  dasz  alle  diese  fächer  von  Hierony- 
mus in  dem  ausdruck  latinis  lUieris  befaszt  worden  seien  —  mu^^z 
man  denn  annehmen,  dasz  Lact,  diesen  Unterricht  schon  sogleich  zu 
an  fang  seinem  schüler  erteilt  hat?  bekanntlich  lehnte  sich  der  an- 
tangsunterricbt  an  die  L'cttlre  von  dichtem  an:  so  wird  e«  Ausoniua 
bei  Gratian,  Lact»  bei  Crispus  gemacht  haben,  dann  führte  Lact, ' 
den  Unterricht  weiter  auf  immer  höhere  stufen  und  er  blieb  so  ali* 
lehrer  bei  Crispus,  bis  dieser  Caesar  wurde  (317),  vielleicht  auch 
noch  länger,  da  Crispus  auch  als  Caesar  noch  derartige  Studien 
treiben  konnte.  Belser  läszt  Lact,  erst  316  nach  Gallien  gehen,]i 
also  kur^  vor  dem  Zeitpunkt,  wo  Crispus  Caesar  wurde,  aber  ab*^ 
gesehen  davon,  dasz  dabei  Belser  nicht  mit  der  von  uus  nachge* 
wiesenen  Unmöglichkeit  rechnet,  dasz  Lact,  die  Inst,  nicht  in  Niko- 
medien  veröfientlicben  konnte  und  nach  veröfifentlichung  derselben 
zunächst  nicht  in  Nikomedien  hätte  bleiben  können ,  abgesehen  da- 
TOn,  sage  ich^  darf  man  doch  nicht  den  aasdruck  von  Bieronymua 


8Brandt:  über  den  Terfusei  dee  bacLefc  dt  mortiümt  perteettU^ntm.    135 

tmagister  Caesaris  Crispi  bc  prer&exi,  öilez  vr  bCue  b&g«D  woIi^Of 
Lact,  sei  bei  Crig-pus  er&T  s&c-b  dthbVL  t-rzäemzufi?  xlil  Cb«BV  lehrer 
gewesen.  Hieronjmufe  folgte  TJelmehr  c«iil  iL&iL«rxi  nur  deo  ti^eJ  biuziL 
60  erklftren  den  an&dnsck  &ueb  PM^rtr  osd  G^robcunii  bo.  fc.  14. 
dasz  anszerdem  Constanün  mit  der  erzieLuitg  beiner  b?.'hne  eilu:, 
wird  darcb  ein  autdrücklicbeB  »eugiiife  fetTgefutih.  der  iianegjrJker 
Nazarins  sagt  in  s^einer  321  g^biJi^xien  rede  vor  Conb-tuctinb  bobn, 
dem  315  oder  316  geborenen  j fingern  Con^lAütin  b.  24^,  2  ba»eLre&fe^ : 
ef  {i^  a«to5  adhuc  ie  awxxi  al  imit^stione  viartiäih  pat^mo^.  iam  i^mtn 
ad  pietiäem  eins  natura  dedycä:  iam  maiuraio  iliddio  UHmt 
AoM»,  iam  fdix  dexfera  fruduosa  mhMript-ione  laetatur.  snd  ditm&lb 
war  der  junge  ConsUaitJn  b5cheT*ns  beche  jähre  a]t.  nocL  viel  mebr 
wird  der  yater  ConEtantin  cie  aüb^iläung  beine«  £Jieet>en  bobnet 
Crispns,  anf  dem  lange  zeit  allein  d:e  fond&uer  der  cynabtie  be- 
ruhte, beschleunigt  haben,  jedenfal]^  &lbO  darf  mein  früherer  an- 
eatz  festgehalten  werden,  ds^z  Cn'j'Us  bcbon  alb  acbij^briger  knbbe 
den  Unterricht  von  Lact,  erbalten  konnte. 

Noch  wartet  aber  eine  andere  bier  wicbiige  frage  der  be- 
sprechung,  nemlicb  die,  ob  Crispus  wirklich,  wie  Tiliemont  annabm, 
schon  300  geboren  ist:  denn  meinen  andern  ansatz,  er  bei  rielleicbt 
schon  vor  295  geboren,  las»e  icb  fallen,  es  war  mir  ent^aiigen,  da^sz 
Seeck  zs.  f.  wiss.  tbeoL  1890  s.  69  f.  über  die  frage,  wann  Critpue 
geboren  sei,  gehandelt  bat.  Seeck  nimt  für  die  erst«  ebe  Venn  man 
dieses  yerb&ltnis  so  bezei ebnen  kann;  Con^tantinb  mit  Minervina 
294  oder  295  an,  dann  f&brt  er  fort:  'doch  kann  Cri^pu^  kaum  ror 
304  geboren  sein,  da  er  im  j.  320  seine  Franken^iege  noch  als  balbet 
kind  erfocht,  im  winter  320  21  wurde  er  aus  Galiien  an  dab  kaiser- 
liche hoflager  bescbieden  und  hier  wabrscbeinlicb  bald  darauf  Ter- 
mShlt ;  im  herbst  322  bören  wir  von  der  geburt  seines  ersten  kindes.' 
die  angäbe  von  der  früben  Jugend  des  CrispuB  zu  der  zeit,  wo  er  die 
Franken  besiegte  ^320,  vgl.  Schiller  ao.  II  203  anm.  2,  icb  batte 
früher  nach  Manso  das  j.  31 9  angenommen)  stebt  wieder  bei  Nazarius 
8.  241,  27:  facta  Crispi^  Qicsarum  mazimi.  in  quo  udox  uirtus 
o/eUtiis  mora  non  retardaiu  pueriles  annos  gJoriis  iriumphalibus 
occupauii,  auch  s.  215,  19  sagt  er:  {Caesarum)  in  annis  puhes- 
Cent ih US  non  erupturae  uirtutis  tumens  germen,  non  flos praecursor 
tndoHs  honae  laetior  quam  uberior  apparet^  sed  iam  facta  granifera 
et  contra  rationem  aetatis  maximorum  quorumque  fructuum 
matura  perceptio.  doch  hier  spricbt  er  nicht  von  Crispus  allein, 
sondern  auch  von  dem  fünf-  bis  sechsjährigen  Caesar  Constantin. 
die  stelle  s.  226,  28  .  .  u/  fortissimo  Caesari  (sc.  Crispo)  primitias 
ingentis  uictoriae  daret  iüt  für  unsere  frage  ohne  belang,  nimt  man 
nun  pueriles  annos  an  der  ersten  stelle  streng  wOrtlich,  so  w&re 
Crispus,  als  er  320  die  Franken  besiegte,  noch  nicht  einmal  vier- 
zehn jähre  alt  gewesen :  denn  für  die  Juristen  der  kaiserzeit  ergab 
sich  nach  mancherlei  erörterungen  als  die  grenze  des  knabenalters 
das  ende  des  vierzehnten  jahres  (vgl.  Marquardt  privatleben  der  B. 


136    SBrandt:  über  den  verfaBser  des  bttchea  de  mortis  persecutorum. 


I'  s.  121  ff.,  besonders  die  Dachweise  s,  122  asm.  3),  es  ist  nun 
offenbar  kaum  denkbar,  dasz  Crispus  mit  nocb  nicht  vierzehn  j ab ren 
auch  nur  der  ehre  halber  mit  einem  militUnscben  commando  betraut 
worden  wäre,  der  panegyriker  setzt  offenbar  die  jähre  herab,  nm 
die  tüchtigkeit  des  prinzen  entsprechend  liöher  erücbeinen  zu  lassen, 
döber  bat  auch  Seeck  die  geburt  von  Crispus  nicht  unter  304  berab- 
gertickt,  so  daBz  dieser  320  sechzehn  jähre  alt  gewesen  wäre,  er 
hätte  dann  307 — 308  im  alter  von  drei  bis  vier  jähren  gestanden, 
und  da  konnte  Lact,  sein  lehrer  natürlich  nocb  nicht  gewesen  sein, 
doch  auch  Seeck  scbliesKt  die  möglicbkeit  eines  frühern  Jahres 
(^kaum  vor  304^  nicht  völlig  aus.  es  wäre  erwünscht  j  wenn  man 
big  302  zurückgeben  dürfte,  da  man  309,  das  jabr  in  dem,  wie  ge* 
zeigt,  die  Inst,  schon  abgeschlossen  waren  und  veröffentliebt  werden 
konnten,  für  die  Übersiedelung  des  Lact,  nach  Gallien  annebinen 
darf,  indem  t*r  hier  das  werk  ohne  gefabr  ausgeben  konnte,  so  wäre 
alsdann  Crispiis  damals  sieben  jabre  alt  gewesen  und  könnte  schon 
für  den  Unterricht  bei  Lact,  fähig  gewesen  sein,  fast  eben  so  gut  wie 
Gratian  mit  acht  jähren,  auch  darf  man  daran  denken ,  dasz  Cicero 
an  stellen,  wo  er  den  panegyrischen  ton  anschlägt,  PML  XIV  1,  3. 
epist.  XII  25,  4 ,  den  damals  schon  neunzehnjährigen  Octavian  als 
puer  bezeicbnei*  freilich  musz  man  hinzufügen^  dasz  er  dabei  viel- 
leicht nach  früherer  weise  das  knabenalter  (vgl.  Marquardt  ao.  s,  121 
anm.  1)  mit  sechzehn  jähren  als  abgeschlossen  denkt,  will  man  die- 
selbe rechniing  bei  Nazarius  annehmen,  so  könnte  man  mit  seinen 
pueriles  anni  auf  302  zurückgehen,  in  diesem  falle  würde  auch 
Zosimos  angäbe  (II  20,  2)  zu  ihrem  rechte  kommen,  dasz  Crispus 
bei  seiner  emennung  zum  Caesar  (317)  ^5ti  veaviac  war,  dh.  min- 
destens ftlnfzehn  jähre  alt.  doch  ich  gebe  zu,  d^&i  diese  ganze  be- 
reehnung  nicht  sicher  genug  ist,  aber  wir  kommen  auf  einem 
andern  wege  zu  unserm  ziele. 

Lftctantius  war  310  und  311  nach  Veröffentlichung  der  Inst. 
nicht  mehr  in  Nikomedien.  die  einzige  angäbe  über  einen  wecbael 
meines  Wohnsitzes  von  Nikomedien  aus  ist  die,  welche  Hieronymus 
berichtet.  t?r  ist  später  in  Trier  gewesen,  wann  bat  aber  dieser 
aufentbalt  begonnen?  man  nimt  allgemein  an,  und  so  auch  ich  bis- 
her, Lact,  sei  infolge  einer  besondern  berufung  durch  Constanlin 
zur  Übernahme  des  lehraints  bei  seinem  söhne  von  Nikomedien  nach 
Trier  gezogen,  aber  betrachten  wir  die  stellen  tles  Hieronymus 
genau,  so  finden  wir,  da^z  von  einer  berufung  nichts  gesagt  wird. 
Hieronymus  iiagt  überhaupt  gar  nichts  darüber,  wann  und  wie 
Lact,  nach  Gallien  gekommen  iht,  er  sagt  weiter  nichts  als^dasz  Lact, 
in  seinem  önszersten  greisenalter  der  lehrer  von  Crispus  in  Galhen 
gewesen  sei,  es  bleibt  uns  also  freiheit  die  Übersiedelung  von  Lact 
nach  Gallien  von  306  an  gerechnet,  wo  er  sieber  noch  in  Nikomedien 
war  (vgl.  8.  126  über  inst,  V  11,  15),  so  früh  anzusetzen,  wie  wir 
wollen,  betrachten  wir  die  sacbe  näher.  Lact,  hat  sich  zu  beginn 
der  Verfolgung  in  Nikomedien  in  der  peinlichsien  läge  befunden,  er 


SBk«Bdt:  fiber  den  ranicer  de*  buolio«  de  M<»r^i?  njp  ftrstvHUHrHm      \l\^ 

sagt  w^hsi  de  cpif\  1,  1  in  .«UMiiNk«  HfiYSsitatilms.  vv  Imt  iu  diriM«r 
Schrift,  die  er  gevris  zuerst  dem  Deniotrianus  nur  untor  \\f}v  Imiul 
flberrachte,  nicht  in  das  publicnm  gab.  allos  gtMhan«  um  \vo\lor  don 
freimd  noch  sich  als  Christen  erkennen  ni  htüsen :  or  spnvbt  \on  dmu 
gemeinsamen  glauben  nur  in  andeutun^um  §  l\  «H/r//f5;f>'  f^rof'rtio 
qmid  fo^wor,  die  Christen  bezeichnet  er  §  *J  als  phihK^o^^hi  »uKitrur 
sedae  quam  tuemur;  ja  am  ende  des  buchos  goKtoht  er  selbst .  er  sei 
vielleicht  zu  ängstlich  gewesen.  20, 1  hur  ad  fc,  /VirnfriuMC,  hitnim 
jpaucis^  sed  obscurius  for fasse  quam  dccuit  pro  rrrum  ur 
iemporis  necessitaie  inroraui.  nrnu  kann  sieh  unter  «heHeu 
umständen  denken,  dasz  Lact,  sich  so  bald  wie  iiuVli^'^i  ilieNer  ihm 
h(k:hst  drückenden  läge  entzogen  haben  winl,  -/.uinul  ihn  niolitH  au 
Nikomedien  band,  wo  er  sein  amt  als  ötTentlirher  lehrer  ju  nehou 
verloren  hatte,  dasz  er  nun  aber  sich  nicht  im  mindesten  seheuto 
der  Verfolgung  auszuweichen,  zeigt  die  (sehon  leben  k\vh  huet.  h.  :*H 
hesprochene)  stelle  inst,  IV  18,  2  qu<Hl  cum  (Christus)  scirH  futuf^tm 
(nemlich  seinen  ausgang)  ac  subhide  diarrt  oportcrr  sr  pati  «ifi/iir 
Merfid  pro  salute  multorum,  sccessit  tamvu  nnn  discipulis  suis, 
non  ut  uitaret  quod  nccesse  erat  pirpdi  av  sustinnr,  scd  ut  ostrudnrt 
quod  ita  fieri  oporteat  in  omni  pcrsvcutionr,  ut  sua 
quis  culpa  incidisae  uideatur,  die  otTenheii,  mit  der  hier  tlio 
von  Tertullian  in  einer  besondern  schrift  unbeilingt  verwnrlem«, 
aber  selbst  von  bischöfen  gebilligte  fuga  in  prrsecutionf  nogiir  iiuf 
Christi  beispiel  zurückgeführt  wird,  Itts/t  NO.hlieH/en  (hiH/  jjuri.,  wenn 
nur  möglich,  dieses  beispiel  selbst  befolgt  hiiben  wird,  aber  gowlN 
nicht  nur  um  seiner  persönlichen  Sicherheit  willon  hat  er  Nikomedien 
verlassen,  man  weisz  aus  den  Inst.  Kolbsi,  wie  iiuH/orordentlieh 
wichtig  ihm  dieses  sein  lebenswerk  (de  opif,  20,  H  f.)  war,  welrh 
entscheidenden  erfolg  er  von  ihm  für  den  wieg  doH  gliiubenH  hofl't«*. 
er  konnte  es  al)er  nur  vollenden  fern  von  den  v<Tfolgern,  und  weMunl.- 
lich  auch  deshalb  ohne  zweifei  hat  er  sich  entschlossen  Nikomedien 
den  rücken  zu  wenden,  wohin  aber  hätte  er  eh«;r  gehen  können 
als  nach  Gallien?  hier  hatten  die  Christen  schon  unter  Constanliuri 
Schonung  gefunden^  noch  viel  mehr  war  dies  der  fall  unter  seinem 
söhne  Constantin.  man  könnte  ja  auch  an  Italien  oder  an  Afrira 
denken,  die  heimat  von  Lact.,  aber  hier  waren  die  verhUltniHM» 
doch  weit  weniger  einladend  als  in  Gallien,  in  jenen  beiden  Hindern 
liesz  freilich  nach  Maximians  abdankung  305  die  Verfolgung  nach 
(Eusebios  mart.  Palaest.  13,  12),  aber  hie  waren  darauf  der  Schau- 
platz kriegerischer  Verwicklungen,  Italien  durch  den  kämpf  zwi- 
schen Severus  und  Maxentius  (Maximian)  307,  Africa  durch  die 
empörung  Alexanders  gegen  Maxentius  308  310;  überhaupt  aber 
herschte  in  beiden  ländem  infolge  des  mehrfachen  Wechsels  thr 
regenten  nicht  die  gleiche  ruhe  wie  in  Gallien,  aueh  ist  ja  Con- 
stantin selbst  bi.s  in  das  j.  306  in  Nikomedien  gewenen,  bo  dahz 
sich  hier  beziefaungen  zwischen  ihm  und  Lact,  bilden  konuinn, 
die    dessen  Übersiedelung  nach   Gallien    wenigstens    erleichterten. 


138    SBrandt:  über  den  Verfasser  dea  bacheB  de  mortibus persecutorum» 


diese  erklürung  wird  niemand  weniger  als  Belser  anfechten  dürfen, 
da  er  Lact,  von  307  —  310  ebenfalls  fem  von  Nikomedien,  aber  an 
unbekannten  orten  weilen  löszt.  wenn  er  aber  behauptet,  man  könne 
'mit  Sicherheit'  sagen ,  dasz  Lact,  damals  jedenfalls  nielit  in  Trier 
gewesen  sei^  so  ist  darauf  zu  antworten,  dasz  Hieronymus  nichts 
über  eine  bernfung  des  Lact,  nach  Gallien  und  über  den  anfangs - 
punkt  von  dessen  aufenthalt  dort  sagt  und  dasz  auch  sonst  keinerlei 
anhält  vorliegt,  der  zu  einem  so  späten  ansatz  (316)^  wie  ihn  Belser 
macht,  nötigte*  übrigens  wäre  es  mir  an  und  für  sich  einerlei,  ob 
man  Lact,  vor  311  in  Gallien  oder  in  Äfrica  oder  in  Italien  leben 
ISszt:  nur  das  ist  festzuhalten,  dasz  wo  er  auch  war,  er  in  solcher 
Sicherheit  sich  befinden  miiste»  dasz  er  die  Institutionen  hier  ab- 
schüeszen  und  veröffentlichen  konnte,  jedenfalls  war  aber  Gallien 
hierfür  der  geeignetste  aufenthalt,  nach  306,  vielleicht  schon  307, 
zog  er  hierher,  und  hierunter  demselben  schütze  Constantins  stehend, 
wie  in  dessen  ganzem  bereich  die  Christen  überhaupt,  konnte  er  sein 
würk  vollenden  und  308 »  vielleicht  schon  307  oder  erst  309  ver* 
öffentlichen*  es  enthält  keinerlei  beziehungen  auf  Constantin^  es 
scheint  daher,  dasz  Lact,  die  Übersiedelung  nach  Gallien  durch 
diesen  nicht  in  erheblicher  weise  erleichtert  worden  ist*  seine  be- 
Bchäftigung  hier  wird  /.unäcbst  Htterari&cher  art  gewesen  sein,  bald 
nach  abßchlusz  der  Institutionen  ist  gewis  das  in  diesen  (II  17,  5) 
schon  versprochene  buch  de  ira  dei  gefolgt,  vielleicht  hat  er  auch 
UDterrieht  erteilt,  seine  öuhsistenzmittel  müssen  schon  in  Niko* 
medien  nach  verlust  seines  amtes  sehr  kärglich  gewesen  sein,  und 
vielleicht  ist  er  auch  damals  schon  in  Gallien  in  der  bittern  not  ge- 
wesen, von  der  Hieronymus  ad  a.  Ähr.  2333  redet,  eine  besser ung 
seiner  Verhältnisse  trat  selbstverständlich  ein,  als  er  lehrer  des 
Crispus  wurde,  da  er  sich  in  Gallien  ohnehin  schon  aufhielt,  war 
nichts  natürlicher  als  dasz  Constantin  ihn  zu  diesem  amte,  wenigstens 
für  dasi  lateinische,  erwählte,  ist  Crispui>  auch  erst  304  geboren,  so 
kann  man  hierfür  311 — 312  annehmen^  wie  lange  die  lehrthätig- 
keit  bei  Crispu»  gewährt  hat,  ist  nicht  zu  bestimmen,  vielleicht  bis 
über  die  zeit  binau^,  wo  dieser  Caesar  wurde,  nachdem  Crispus  326 
durch  den  eignen  vater  umgebracht  worden  war,  hat  Lact  wohl 
diese  katastrophe  seines  frühern  schülers  in  d^r  weise  empfinden 
müssen  j  dasz  er  in  seint^m  hohen  alter  noch  äuszem  enthebrungen 
preisgegeben  wurde,  wie  Hieronymus  berichtet 

'  dasz  die  aoreileu  au  Constaatiiif  die  in  eioi^-en  handschrit'teo 
Dach  insi.  1  1,  12  und  VII  37,  2  stehen,  unecht  äiud,  hulje  ich  in  der 
ttbh&ndlting  ^die  kalaerredeD  bei  LactaDtiQa'  (VTiODer  BitziiDg^berichte 
1S89)  erwiesen,  meiu  resaltut  ist,  so  viel  ic)i  w«tsz.  Allgemein  aoge- 
nommen  worden,  nar  Seeck  zs.  i\  deutsche  g'eschichtswiss,  VII  a.  69 
naro.  6.  97  anm.  2  häU  an  der  frühern  Vorstellung  tetit,  Liiut.  habe 
diese  atetlen  einer  ^zweiten  ausgrabe'  der  lDstituti{>neo  zugefüg-t,  die 
»ich  Caaslaotin  bestellt  hätte. 

(der  »chlasi  folgt  im  nüchsten  hefte.) 
H£iDELBic&a<  Samuel  Beani>t. 


ABehr:  fragmente  einer  hs.  der  Macrobias-  und  Plinius-excerpte.     139 

16. 

FRAGMENTE  EINER  HANDSCHRIFT  DER  MACROBIÜS- 

UND  PLINIÜS-EXCERPTE. 


Seitdem  Detlefsen  zu  seiner  Plinius-ausgabe,  deren  erster  band 
im  j.  1866  erschien,  für  einzelne  teile  des  zweiten  buches  der  nat, 
hist,  die  excerpte  des  cod.  lat.  Monac.  6364  (Frising.  164)  benutzt 
hat,  aus  welchem  schon  LvJan  im  j.  1848  Macrobius-excerpte  für 
seine  ausgäbe  des  somnium  Scipionis  cum  commentariis  Macrohii 
herbeigezogen  hatte,  ist  man  auf  das  astronomiscb-computistische 
Sammelwerk  aufmerksam  geworden ,  zu  welchem  jene  excerpte  ge- 
hören, auszer  dem  groszen  culturhistoriscben  interesse,  welches 
diese  samlung  bietet,  hat  sie  auch  für  die  hsl.  Überlieferung  des 
Macrobius  und  Plinius  ihre  bedeutung.  dennoch  ist  bisher  eine  um- 
fassende Untersuchung  der  aus  Macrobius  genommenen  teile  noch 
nicht  angestellt  worden,  von  den  Plinius-auszügen  dagegen  hat 
Karl  Rück  im  programm  des  k.  Ludwigs-gymn.  zu  München  1888 
den  text  mit  angäbe  der  lesarten  der  ihm  bekannten  zehn  hss.  ver- 
öffentlicht, das  gegenseitige  Verhältnis  derselben  untersucht  und  den 
nach  weis  geliefert,  dasz  die  hss.  von  sehr  verschiedenem  werte  sind. 

Nach  den  angaben  Rucks  finden  sich  die  Plinius-  und  Macrobius- 
auszüge  zusammen  in  folgenden  hss.:  1)  cod.  lat.  Monacensis  6364 
(Frising.  164)  (=  ö  bei  Rück)  membr.  in  4,  nach  Jan  s.  LXIV 
saec.  IX,  nach  Rück  s.  XL  2)  cod.  lat.  Monac.  6362  (Fris.  162*) 
(sa  ^  bei  Rück)  in  folio,  nach  Jan  s.  X  et  XI,  nach  Rück  s.  XI. 
3)  cod.  lat.  Monac.  14436  (Emmer.  E  59)  (=  £  bei  Rück)  in  4, 
8.  XI.  4)  cod.  lat.  Bernensis  347  (=  rj  bei  Rück)  in  4,  s.  X.  5)  cod. 
lat.  Bern.  265  (=  &  bei  Rück)  in  folio ,  s.  XI.  6)  cod.  lat.  Monte- 
pessul.  H  334  (=  y  bei  Rück)  in  4,  s.  IX.  7)  cod.  lat.  Paris.  8663 
(=  t  bei  Rück),  nach  dem  catal.  codd.  mscr.  bibl.  reg.,  Paris  1744, 
III  4  s.  481  saec.  XI,  nach  Rück  saec.  X.  8)  cod.  lat.  Paris.  12117 
(Sangerm.  434)  («=  x  bei  Rück)  s.  XI.  die  auszüge  aus  Macrobius 
fehlen  in  9)  cod.  lat.  Monac.  210  (=  a  bei  Rück)  in  folio  s.  IX 
und  in  10)  cod.  lat.  Vindob.  387  (olim  Salisburg.  421)  (=  ß  bei 
Rück)  in  folio  s.  IX.  endlich  ist  noch  zu  nennen:  11)  cod.  lat. 
Monac.  14353  (D  78)  (=  E*  bei  Jan)  s.  XI,  welcher  die  auszüge 
aus  Macrobius  enthalt  (Jan  s,  LXXXIV),  aber  von  den  Plinius- 
excerpten  nur  die  worte  Inter  celum  et  terram  pendent  Septem  sidera 
(Rück  s.  3). 

Die  hss.  bieten  meist  aus  dem  commentarius  des  Macrobius 

I  14,  21  —  n  9.  der  cod.  lat.  Monac.  6362  hat  jedoch  den  ganzen 
commentar,  aber  es  läszt  sich  erkennen,  dasz  vor  I  14,21  und  nach 

II  9  der  text  aus  anderer  quelle  ergänzt  ist  (s.  Jan  s.  LXVI).  im 
Monac.  14436  steht  der  commentar  von  anfang  bis  II  9,  indem  auch 
hier  der  text  bis  I  14,  21  aus  einer  andern  hs.  genommen  wurde 
(s.  Jan  s.  LXXIII). 


14Ü     ABebr:  fragmente  einer  bs.  der  Macrobiue-  und  PUnins-ezcerpte. 


Über  den  umfang  der  Plinius-eicerpte  ist  bei  Rück  s,  25  das 
nötige  susam  menge  stellt. 

An  mebreren  stellen  seiner  arbeit  spricht  Rück  die  er  Wartung 
aus,  dasz  sich  noch  weitere  bss.  mit  den  nemlicben  Plinius-auszÜgen 
finden  würden,  schon  bevor  mir  seine  abbandlung  bekannt  wurde, 
fand  ich  im  j.  188 9  in  dem  archiv  der  stadt  Köln  10  bisher  un- 
beachtete pargam en t blatte r^  deren  inbalt  ich  als  Macrobius*  und 
Plinius-excerpte  erkannte,  die  hä.,  deren  resie  diese  stark  be- 
schnittenen blätter  darstellen  T  scheint  mir  dem  elften  jb,  anzu- 
gehören, die  Plinius-excerpte  sind  von  anderer  band  geschrieben 
als  die  aus  Macrobius;  letztere  sind  durchcorri giert»  zuweilen  sind 
abweichende  les  arten  Übergeschrieben  und  einige  scholien  am  ran  de 
eingetragen,  die  aber  zum  teil  abgeschnitten  sind, 

1. 

Die  auszüge  aus  PlininSf  von  denen  ich  zunächst  sprechen 
werde,  stehen  auf  dem  letzten  blatte,  beginnend  mit  n.  k,  II  §  35 
quaHam  pariem  diei.  auf  §  35  folgen  noch  §§  36.  38.  39.  40.  41. 
42,  43*  44.  83.  84.  59.  60.  61.  69,  70,  63.  64.  62.  66.  67.  68—69* 
71.  75.  76,  77.  78.  80,  jedoch  ist  69  und  70  bis  in  vespertim  ab- 
geschnitten, am  schlusz  ist  die  schrift  fast  völlig  verwischt,  so  das2 
ich  von  §  80  nur  bruch&tücke  lesen  konnte,  doch  ist  es  möglich, 
dasz  andern  die  entzifferuEig  vollständiger  gelingt. 

Es  sind  dieselben  auszüge,  welche  in  den  von  Rück  behandelten 
hss-  erscheinen,  auszer  denjenigen  aus  dem  18n  buche  der  n.  /«.,  die 
nur  vier  hss.  (ceßyK)  erhalten  haben,  da  der  anfang  des  blattes 
mitten  im  satze  beginnt,  miisz  das  im  codex  ursprünglich  vorher- 
gehende blatt  die  in  den  übrigen  bss.  vorhandenen  auszüge  aus 
II  12.  32  und  34  der  «,  h.  enthalten  haben,  während  am  Schlüsse 
nichtö  darauf  hindeutet,  dasz  ursprünglich  noch  die  aus  dem  18n 
buche  folgten,  daraus  läszt  sieh  scblieszen ,  dasz  die  Kölner  frag- 
mente, die  ich  mit  X  bezeichnen  will,  nicht  zu  der  von  Hück  auf- 
gestellten gmppe  A  {cc  ß  y  i  n)  gehören,  welche  die  auszüge  aus 
b,  XVIII  enthalten;  auch  zeigt  die  lücke  §  67  medio  fertur  bis 
fi/tOMOSOy  welche  sie  mit  gruppe  B  (dff»j^)  teilt,  dasz  sie  dieser 
näher  steht,  mit  6 §7}^  teilt  l  %  60  die  le^ai-t  ascendantj  mit  d^fi^ 
%  70  minime  statt  minimeque^  %  75  exitu  für  exorlu,  mit  ö^^  das 
einschiebst^  stellac  §  61 ;  rait  f}  hat  1  zwar  die  lesarten  §  66  UUUu- 
dinis  und  §  Gl  possini  gemein^  aber  die  im  folgenden  anzuführenden 
lücken  sind  in  ij  nicht  vorhanden,  wie  6^  hat  l  nemlich  folgende 
Itlcken :  §  70  qu^niam  bis  adsunt  und  §  64  a  bis  centro,  dagegen  sind 
die  lücken  §  42  et  bis  defedu  und  §  71  est  bis  austrumy  §  78  partem 
bis  biSp  welche  in  df  erscheinen,  in  X  nicht  vorhanden,  ebenso  wenig 
die  lücken  welche  f  allein  hat.  dagegen  die  beiden  6  eigentüm- 
lichen lücken,  §  66  hahiiatur  bis  quam  und  59  rtguvUur  bis  a  finden 
&ich  auch  in  X* 

Besonderi^  die  letztgenannte  beweist  eine  nähere  Verwandtschaft 


i 


ABehr:  fragmente  einer  he.  der  Macrobius-  und  Pliniu8-excerpte.     141 

zwischen  S  und  X.  in  beiden  ist  nemlich  der  räum  für  die  ausge- 
lassenen Wörter,  in  A  für  in  triquetro,  in  d  für  et  in  triguetro  frei 
gelassen,  da  X  einige  in  d  vorhandene  lücken  nicht  hat  (§  42 
eresoens  bis  modo^  §  66  excedü  finis^  %  67  duabus  bis  tres^  §  77  räro- 
ffradum  bis  et)^  so  kann  k  nicht  von  ö  abstammen;  auch  ist  ö  nicht 
aus  l  abgeschrieben,  welcher  folgende  lücken  für  sich  hat:  §  59 
oocuMent  bis  qui  (fehlt  tUas),  §  71  eadem  bis  vi  (fehlt  que),  und  auch 
von  der  S  eigentümlichen  Umstellung  intervaUo  eodem  §  61  und  der 
Sndemng  §  70  minores  frei  ist.  ferner  weicht  X  von  S  in  folgenden 
lesarten  ab:  §  42  curvata  {conviäa  ^),  eademque  {eandemque  d), 
§  44  eadem  quae  (idemque  ^) ,  §  60  cetera  {cäera  d) ,  §  63  earum 
{earum  J),  §  64  soli  {sök  6\  capricorno  (capricornio  d),  §  62  mutent 
(teneni  d) ,  aheantque  (abeant  d) ,  §  66  luna  {lunam  ö) ,  latitudinem 
{magnüudini/  6),  laxissime  (latissime  ö\  §  67  super  {supra  d),  §  76 
occasu  {hoc  casu  d),  subierat  {suggerat  d),  §  77  sidere  (sidus  d),  §  78 
die  vd  (ßierwn  d). 

Alle  diese  abweichungen  sind  jedoch  derart ,  dasz  sie  der  von 
Bttck  hervorgehobenen  paläographischen  Unkenntnis  des  Schreibers 
der  hs.  d  zugeschrieben  werden  müssen  und  der  annähme  gemein- 
samer herkunft  der  hss.  d  und  k  nicht  im  wege  stehen,  dasz  nem- 
lich d  und  k  aus  derselben  hs.  abgeschrieben  sind ,  scheint  mir  be- 
sonders aus  der  lücke  in  §  59  hervorzugehen,  an  welcher  stelle  in 
beiden  räum  für  die  fehlenden  worte  frei  gelassen  ist.  dort  war  die 
Schrift  des  archetypus  offenbar  unleserlich  oder  lückenhaft,  da  nun 
die  hs.  i  an  dieser  stelle  vollständig  ist ,  so  scheint  nunmehr  trotz 
aller  Übereinstimmung  zwischen  d  und  ^die  annähme  ausgeschlossen, 
dasz  ii  aus  derselben  hs.  geflossen  sind,  anderseits  aber  beweisen 
die  ist^k  gemeinsamen  lücken ,  dasz  die  hs.  (x*),  aus  welcher  dk 
stammen  y  auf  einen  in  §  59  noch  vollständigen  archetypus  (x)  zu- 
rückgeht, aus  dem  auch  die  übrigen  glieder  der  gruppe  B  mittelbar 
oder  unmittelbar  abgeleitet  sind. 

Beihen  wir  nun  k  der  gruppe  B  ein  y  so  ergibt  sich  für  diese 
groppe  etwa  folgende  Stammtafel: 


ad 
In  k  steht  §  84  dimidium  Mercurium  dh.  ad  steht  —  wie  es 

scheint  von  derselben  band  —  über  der  zeile.    da  dieses  ad  in  d^ 

fehlt,  könnte  man  daran  denken,  dasz  hier  in  k  die  band  eines  cor- 


142     ABelir:  fragmenfce  einer  bs.  der  Macrobius*  und  Pliniuä^excerpt«, 

rectors  zu  erblicken  am,  welcher  au«  einer  voUstäadjgem  be,  daa 
wort  nachgetragen  habe,  aber  ein  solcher  corrector  hStte  sicherlich 
auch  den  leeren  räum  in  §  59  ausgefüllt,  ich  glaube  vielmehr,  das?. 
ad  schon  in  i  und  x'  über  der  zeile  stand  und  von  den  schreibeni 
der  hsä*  x'  und  X  sklavisch  an  derselben  sielle  wiedergegeben ^  von 
andern  in  den  lext  anfgenommen  («9')  oder  weggelassen  wnrde  (^fl. 
ist  diese  annähme  richtige  so  würden  wir  bei  dem  Schreiber  der  bs.  k 
immerhin  einen  gewissen  grad  von  Sorgfalt  anerkennen  müssen« 
wo£U  auch  der  umstand  stimmt,  dasz  l  von  all  jenen  naehtäsäigkeits- 
fehlem  frei  ist,  die  d  entstellen. 


Von  den  excerpten  aus  Macrobius  commentar  zum  somnium 
Scipionis  enthSlt  das  Kölner  fragroeni  folgende  stücke-  I  2j  1  sub 
perUiae  biB  I  3,  4  dormienti  animi\  4,  4  vita  tia  est  bis  6,  53  septenos 
aequa\  20,  3  vuU  esse  omnium  bis  11  1»  16  iotum  minorem  \  II  15,  2 
€perum  rdtquentfU  bis  15,  26  siare  dkitur:  qumpos-,  jedoch  sind 
auch  diese  blätter  unten  beschnitten,  so  dasz  folgende  stücke  fehlen: 
I  20, 13  ut  autetn  hh  dicenda  suni;  20,  27  ut  tanio  bis  citrrat  qttanto\ 
21,14  qtmniUate  positerunt  bis  21,  16  mquas  dwo;  21,  26  Venus  bis 
quod  m\  22,  5  aquae  fluxum  bis  22,  6  omni  süvestri'^  II  1,  2  tanti 
motus  bis  graviter  ex. 

Wie  schon  oben  s.  139  bemerkt  j  bieten  die  meisten  der  dort 
angeführten  bss«  nur  I  14,  21  bis  II  9  mit  ausnähme  des  cod.  lat. 
Monac*  6362  (f),  welcher  den  ganzen  commentar  enthält,  doch  auch 
hier  ist,  wie  oben  ge^-agt,  deutlich  zu  erkennen,  dasz  anfaog  und 
ende  aus  anderer  quelle  ergänzt  sind,  dasz  nun  auch  die  Kölner 
blätter  reste  einer  hs.  sind,  welche  den  ganzen  commentar  des  Ma- 
crobius enthielt,  geht  aus  dem  mitgeteilten  inhalt  der  fragmente  her- 
vor, so  dasz  sich  wegen  der  damit  verbundenen  Pliniusexcerpte  der 
gedanke  aufdrängt,  dasz  auch  hier  anfang  und  ende  aus  anderer 
quelle  stammen  als  die  mitte,  aber  während  wir  im  cod.  lat.  Monac> 
6362  durch  äuszere  zeichen  die  ergänzung  angedeutet  ßnden  (vgl* 
Jan  ao,  s.  LXVI),  hat  es  ein  unglücklicher  zafall  gewollt,  dasz  von 
der  Kölner  bs.  gerade  diejenigen  blätter  verloren  sind,  auf  welchen 
man  diese  zeichen  erwarten  könnte  (I  14,  21  und  II  9). 

Die  Plinius-eicerpte  im  Monac.  6362  (£)  stehen  ntm,  wie  oben 
ausgeführt,  in  einem  gewis^^en  verwaodtschaftsverhäUnis  zu  denen 
der  Kölner  hs. ,  die  Macrobius- fragmente  der  Kölner  hs,  zeigen  da- 
gegen eine  gröszere  tibereinstimmting  mit  dem  cod.  Eehdigeranus 
(K^  bei  Jan),  von  dem  aber  weder  Jan  noch  Rück  angibt,  dasz  er 
Plinius  excerpte  enthält,  und  doch  musz  derselbe,  ganz  abgesehen 
von  der  Übereinstimmung  seiner  lesarten  mit  denen  der  Kölner  frag- 
mente, in  einer  noch  näher  zu  untersuchenden  beziehung  zu  dem 
astronomisch  coraputistibchen  Sammelwerke  stehen,  wie  ich  aus  den 
Worten  Jans  s.  LXYIII  scbliesze:  'ubi  mcipit  codex  C  (I  14>  21), 
solito  maioT  est  littera  initialis,  sed  in  ipsa  linea/ 


M Rubensoba :  zu  Schillers  äbersetzuiig  der  Aeneide.  143 

Ähnlich  wird  es  sich  verhalten  mit  Jans  hs.  T  (Tegernseeensis 
1471  nunc  Monacensis,  vgl.  Jan  s.  LXIX),  da  Jan  von  derselben 
sagt:  'nbi  incipit  codex  C,  in  margine  legitur:  Nunc  traäat  de 
astranamia.* 

Mit  diesen  andeutungen  möchte  ich  mich  begnUgen,  um  andere, 
denen  die  beiden  hss.  leichter  zugänglich  sind,  zu  einer  Untersuchung 
derselben  in  der  bezeichneten  richtung  zu  veranlassen ,  wobei  sich 
m^licherweise  auch  in  diesen  hss.  noch  Plinius  -  excerpte  finden 
werden,  die  lesarten  der  Kölner  blätter  zu  veröffentlichen  werde 
ich  vielleicht  ein  andermal  gelegenheit  nehmen. 

Kreuznach.  Arnold  Behr. 

17. 

ZU  SCHILLERS  ÜBERSETZUNG  DER  AENEIDE. 

Ihren  zom  über  den  raub  des  palladiums  zu  bekunden  lüszt 
Minerva,  nach  der  trugerzählung  des  Sinon,  aus  den  starren  äugen 
ihres  bildes  flammende  blitze  lodern ,  schweisz  die  glieder  herab- 
rieseln ,  ja 

.  .  terque  ipsa  solo  —  mirahüe  dictu  — 

emicuit  parmamque  ferens  hastamque  trementem  {Äen.  II 174  f. ). 
Schiller  gibt  in  der  29n  stanze  der  im  januar  1792  in  der  ^neuen 
Thalia'  erschienenen  Übersetzung  die  angegebenen  worte  folgender- 
maszen  wieder : 

und  dreimal  steigt,  entsetzliches  presicht! 

mit  Schild  und  speer  und  wütender    gebärde 

die  göttin  selbst  aus  der  zerrisz^ncn  erde. 

wie  man  leicht  sieht,  ist  hier  Schiller  ein  arges  misverstfindnis  unter- 
laufen: er  läszt  die  göttin  selbst  aus  der  'zerrisz'nen'  erde  empor- 
steigen, während  Vergilius  natürlich  nur  von  dem  wunderbaren 
emporspringen  des  palladiums  spricht,  bei  der  zweiten  herausgäbe 
im  j.  1800  ist  deshalb  die  fassung  stark  verändert  und  der  gedanke 
des  römischen  dichters  richtig  wiedergegeben  worden ,  wenn  sich 
auch  die  verse  nunmehr  etwas  matt  ausnehmen : 

und  dreimal  scheint  (entsetzliches  gesicht!) 

die  göttin  sich  vom  boden  zu  erheben 

und  Schild  und  lanze  schütternd  zu  erbeben. 

durch  die  tilgung  des  wundersamen  Versehens  —  welches  unzweifel- 
haft aus  der  verkennung  der  möglichkeit,  das  bild  einfach  als  die 
gottheit  (daher  hier  ipsa)  aufzufassen,  entstanden  ist  —  schwand  zu- 
gleich ein  höchst  auffälliger  ausdruck.  ^mit  wütender  gebärde'  soll 
die  göttin  emporgestiegen  sein  ^aus  der  zerrisz'nen  erde'.  Schiller 
ist  zwar  der  meinung,  man  müsse  ^dem  dichter  im  deutschen  von 
einer  andern  seite  wiedergeben,  was  von  der  einen  unvermeidlich 
verloren  geht',  und  so  erklärt  sich  wohl,  dasz  er  emicuü  mit  ^steigt' 
nur  ungenügend  erläuterte,  dies  manco  aber  durch  das  epitheton 
'zerrissen'  nicht  übel  ausglich ;  dagegen  erscheint  es  unmöglich,  auch 


144  WPökel:  miäceÜe, 

die  'wütende  gebärde'  auf  rechnung  jenes  übarsetzungsprlncips  zu 

setzen,  da  Schiller  doch  schwerlicb  die  zitternde  bewegung  der  lanze 
mit  diesen  werten  andeuten  wollte,  wohl  aber  ergibt  sich  ohne 
weiteres,  dasz  der  zorn  der  hehren  göttin  wohl  durch  strenge,  herbe 
raiene,  nicht  aber  in  der  von  Scbiller  angedeuteten  weise  sich  äuszern 
konnte,  ^wütende  gebärde'  eignet  menschlichem  zorn  und  mensch- 
lichen affecten.  Schiller  hat  die  Proprietät  des  ausdrucks  auszer  acht 
gelassen,  was  gerade  bei  dem  spraetgewaltigen  dichter  nur  die  folge  1 
einer  äuszern  einwirkung  sein  konnte,  er  benutzte  von  einem  andern  ( 
zu  ander ua  zwecke  geprägtes  materiaL  dieser  andere  war  Bürger, ' 
mit  dessen  gedichten  er  ^ich  ja  kurz  vor  der  abfaaaung  der  ersten 
32  stanzen  im  frübjabr  1791  (Schiller  an  Körner,  24  oct.  1791  ?gL 
10  april  1791)  sebr  eiDgehend  beschiirtigen  muste:  die  rccension 
war  im  Januar  nnd  die  antikritik  nebst  Sebillers  antwort  im  april 
desselben  Jahres  erschienen,  bei  Bürger  nun  heiszt  es  von  Lenore, 
die  den  geliebten  unter  den  heimziehenden  kriegern  vergebens  ge- 
sucht hat  (str.  4) : 

als  nun  das  ke^r  vorüber  war, 

zerniiifto  f^w  ihr  rnbenh^inr 

und  wiirf  »ich  hin  zur  erde 

mit  wütiger  gebUrd«. 

dasz  eine  reminiöcenz  vorliegt,  ist  nicht  wohl  zu  bezweifeln»  da*! 
gegen  möchte  es  schwer  sein  zu  entscheiden^  ob  eti  mehr  als  bloszer" 
Zufall  ist,  dasz  es  eben  Bürger  war,  mit  dem  Schiller  im  jähre  1789 
*einen  kleinen  wettkauipf,  der  kunst  zu  gefallen,  eingieng*.  er  sollte 
darin  bestehen  dasz  'beide  das  nemüche  sttick  aus  Virgils  Äneide, 
jeder  in  einer  andern  versart,  übersetzten'  (Schiller  an  Charlotte 
von  Lengefeld,  30  april  1789). 

Berlin. Max  Kübensohn, 

18. 
MISCELLE. 

Von   meinem   mir  unvergeszlichen  freunde  August  Nauck 
besitze  ich  ein  kleines  griechisches  gedieht,  welches  derselbe  mir 
Übersandte,  als  er  im  j.  1852/53  am  hiesigen  gymnasiura  unter- 
richtete und  mit  mir  in  täglichem  engstem  verkehr  stand,  es  lautet  bo: 
Xaipeiv  KeXcüuj  TToikiXov  töv  TToikiXou, 
dvbpu>v  ÖTtdvTUJV  ävbpa  TrpocqjiXecTaTov, 
Kai  Xicco^ai  Tab\  ei  Ö^X€ic  ö^cöai  x^P^v , 
XcKic  CoqjoKX^ouc  räc  utt*  ctvbpöc  'AöXiou 
cuvriTpevac  bdveicov  €ic  ^iKpov  xpövov. 
Td  vüv  bi  xaip^ '  ical  fäp  ou  Xötujv  cxoXfi 
oöö'  fmiv  elTreiv  ecriv  oöt€  coi  KXüeiv. 

NauKub^c. 
(es  bandelte  sich  um  Ellen dts  lesicon  Sophoclenm.) 

Prbnzlau.  Wilhelm  Pökbl, 


ERSTE  ABTEILUNG 
FÜR  CLASSISCHE  PHILOLOGIE 

HEBAÜSQEQEBEN  VON  AlFBED  FlECKEISEN. 


19. 

TnepeiAOY  kat  'AeHNorENOYC. 


Hjpereides  fünfte,  oder  bei  voranstellung  der  Karä  OiXiiTTTibou 
sechste  rede ,  die  berühmte  gegen  Atbenogenes,  die  entdeckung  des 
Aegyptologen  Eugdne  Bevillout  in  Paris ,  liegt  seit  anfang  dieses 
Jahres  auch  in  facsimilierter  ausgäbe  vor',  und  es  ist  nunmebr  an 
der  zeit  sieb  auch  bei  uns  ernstlicb  mit  ibrer  herstellung  zu  beschäf- 
tigen, in  Frankreich  nemlicb  hat  bereits  im  vorigen  jabre  HWeil 
einen  durcbgearbeiteten  text  geliefert  ^  unterstützt  durch  eigne  ein- 
sieht des  papyrus  an  zweifelbaften  stellen  und  durch  eine  von 
ThBeinach  nach  demselben  gefertigte  neue  abschrift;  wir  dagegen, 
allein  auf  die  erste  publication'  angewiesen,  die  von  dem  umfange 
der  lücken  eine  bestimmte  anschauung  nicbt  gibt,  musten  uns  bis- 
her noch  zurückhalten,  denn  die  herstellung  ist  schwer,  und  wie 
viel  trotz  facsimile  zweifelhaft  bleibt,  wie  viel  vollends  nicbt  zu  er- 
gänzen, wird  das  unten  folgende  lehren. 

Der  papyrus,  der  sich  durch  Revillouts  verdienst  seit  ende  1888 
im  Louvre  befindet,  der  sodann  durch  denselben  mann  mit  nicht 
geringer  mühe  und  gröster  Sorgfalt  aufgerollt,  geordnet,  wieder 
zusammengesetzt  ist,  um  dessen  Vervollständigung  endlich  durch 
weitere  stücke  sich  derselbe  Revillout  nicht  ohne  erfolg  eifrigst  be- 
müht hat,  ist  am  Schlüsse  leidlich  vollständig,  indem  nach  allem  an- 
schein  hier  keine  columne  fehlt,  dagegen  am  anfang  um  mehrere 
columnen  verstümmelt,  das  format  ist  grosz,  die  columnen  breit, 
sehr   viel  breiter  als  in  den  Londoner  Uypereides  -  hss. ,   auch  die 


*  corpus  papjrorum  Aegypti  a  Revillout  et  Eisenlohr  conditnm. 
tome  III  fasc.  I:  le  plaidoyer  d*H.  contre  Ath.  Paris  (ELeroux)  1892. 
19  8.  fol.  mit  16  tafeln.  '  HWeil  Hyp.  prämier  discours  contre  Ath., 
in  revne  des  etudes  ^recqnes,  1892,  s.  157  ff.;  s.  auch  dens.  im  Journal 
des  savants  1892  s.  299  ff.  '  ERevillout  memoire  sur  le  disc.  d'H. 

c.  A.,  aus  der  revue  ^gyptologique  t.  VI  n.  III— IV  u.  VII  n.  I. 
Jahrbacher  für  cUss.  philol.  1893  hft.  8.  10 


146 


FBlaas;  Tncpctbou  kot*  'Aörivo^^vouc. 


scbrift  recht  grosz  und  fast  epigraphisch  in  ihrer  regelmäszigkeit 
und  deptliehkeit,  beinabo  ohne  alle  ligatur  dar  bucbstaben.  die 
colli mnen  enthalten  27^ — 28  zeilen  —  die  ausnähme  m  coL  VI,  wo 
Bur  26,  ist  dureb  das  lemma  CYN8HKAI  herbeigeführt  — ;  die  zeilen 
28 — 32,  zum  teil  aueb  bis  zu  33  oder  34  bachstaben.  die  alters- 
bestimmnng  wird  durch  die  aufzeichEungen  und  Urkunden  der  rllck- 
Seite  nicht  wesentlich  unterstützt «  da  bei  diesen  eine  datierung 
mangelt;  nach  der  BChrift  indessen  setzt  der  entdeck  er  den  papyrus 
mit  zuversiebt  in  die  Ptolemäiscbe  zeit^  und  er  wird  darin  recht  be- 
halten, wenn  auch  vom  dritten  Torcbriatlicben  jb.  nicht  die  rede  sein 
kann,  nemlich  das  A  zwar  hat  noch  die  gute  epigrapbiscbe  form,  mit 
geradem  mittelstriche,  das  H  besiebt  aus  drei  iin verbundenen  strichen  j 
aber  andere  buchstabenformen  sind  doch  die  jungem:  G  G  Z  G),  und 
entscheidend  ist  gegen  das  dritte  jh.  die  Orthographie,  die  eine 
TÖllige  Unsicherheit  bezüglich  des  i  adscr.  und  keine  völlige  sicber- 
heit  bezüglich  des  ei  —  I  aufweist,  man  kann  also  die  entstehung 
der  bs.  um  150 — ^120  vor  Ch.  ansetzen,  wonach  sie  die  älteste  der 
Hjpereides-bss,  bleibt,  die  interpunction  geschieht  in  der  bekannten 
weise  durch  freien  räum  nnd  paragraphos ,  mitunter  auch ,  bei  ge- 
ringerer trennung,  durch  einen  kleinen  freien  räum  ohne  para 
graphos;  sie  ist  übrigens  weniger  sorgfältig  als  in  der  Londone 
bs.  der  rede  gegen  Philippides,  von  zeichen  finden  sich  die  trennungs- 
pnnkte  über  I  zn  anfang  der  isilhe:  INA,  0YT0C1;  Einmal  auch 
apostroph  (III  3).  corrigiert  ist  hier  und  dar  in  der  zeile  vom 
Schreiber,  oder  über  der  zeile  von  diesem  oder  von  verschiedenen, 
sieb  besonders  durch  die  tinte  kennzeichnenden  andern  bänden- 
zur  tilgung  eines  buchstabens  dient  ein  (1  hergesetzter  pnnkt.  immer- 
bin sind  auch  noch  fehler  stehen  geblieben,  da  keine  systematische 
correctur  erfolgt  ist,  und  nicht  blosz  orthographische  fehler. 

Von  den  alten  werden  zwei  reden  des  Hypereides  Kai'  *A9- 
citiert,  a'^  und  ß\  die  zu  einander  in  demselbeti  Verhältnis  gestanden 
haben  werden  wie  bei  Demosthenes  Kaia  *Aqpößou  a'  und  ß'»  Kaid 
'OvT^TOpoc  a  und  ß',  Kaxd  CTtcpdvoy  a  und  ß'.  auffaliend  i:;t 
immerbin,  dasz  unser  papyrus  nur  die  erste  rede,  nicht  auch  die 
antwort  auf  Athenogenes  Verteidigung  enthalten  zu  haben  scheint. 
der  Verfasser  ncpi  öipouc  (c,  34,  3)  zeichnet  *die  kleine  rede  gegen 
Ath.*  {tö  KOT*  *A.  Xotiöiov)  neben  der  rede  fllr  Pbryne  unter 
Hypereides  werken  besonders  aus,  als  die  art  und  das  eigentümliche 
talent  dieses  redners  im  gegensatz  zu  Demosthenes  vorzüglich  kenn« 
zeichnend:  wenn  letzterer  eine  dieser  reden  zu  schreiben  versncbf 
blatte,  so  würde  der  versuch  mar  zu  gröszerer  empfehlung  des 
Hypereides  ausgeschlagen  sein,  in  der  tbat  ist  schon  der  eine  wie 
der  andere  dieser  recbtsföUe  derart^  dasz  Demostbenes  anstand  ge- 
nommen haben  würde  der  anwalt  (oder  gar  ftlrsprecher)  darin  zu 
sein:  denn  auch  der  hier  vorliegende  ist  keiner  von  den  saabers ten, 
unzweifelhaft  nemlich  hat  Weil  (und  mit  ihm  ThBeinach)  darin 
recht  geseheSi  dasz  der  er^le  anfang  des  streits  zwischen  dem  kläger 


(EpckrmfiEs  f  i.  ixsol  zu  '*cL  XL  l^  fJ  mi  iüm  T>;rkLw:«s  Aiidskc- 
gcBcs  m  €cs€r  Ljdoac&af:  zu  foüääi  i:S .  £e  i/^r  rinsfr*  3ii:  eiotfOL 
juBgcm  sklares  iiss  j*{:zreca.  aazTi».  e  wlr^t  jizies^AäSULi  i<i  mkosoL .  Ji 
welcher  vei^e  der  kiS^er  toh  äjk&$eni  äeiziem.  Iptrc  enliil^ .  d^ft  er 
in  dem  erfcahegen  nizr  kurz  ^zs-d  loa«  beae^ihnatg  ii»  gcg^atäCaades 
erwiln:  [Ip^c  I  13:  oi  ^puhiTCC  X  9  :  nern'Vh  &adi  <ier  iprwh«r 
in  LjBU  3r  rede,  «ier  eine  S2L!iL:<:ae  ItfI<ieiksdtAf^  zn  g^iCehea  h:&c. 
thal  dies  niefat  liuie  Khazn.  j**iL<*r  josge  skL&T«  ann  U(  einer  tos 
zwei  söiuwii  des  §kläTe&  Ml'ii^r  ^ier  fitr  Adienogenes  ein  salb^fa- 
geschftft  fjiupoicuiXio^)  am  markte  Ülkrte:  Atheaogenes ,  mecC^k  za 
Athen  und  ÄgjpCer  Ton  nacfca.  wir  s^benfkbncant  ron  haas  au^ 
und  besasz  nichc  weniger  »Li  drri  solcher  geschälle:  TgL  col.  IX  3  ff. 
der  geborene  Ägypter  mmz  indes  gründlich  helleni:siert  gewi^^n 
sein:  denn  er  achrieb  aach  processreden  fUr  andere,  und  Ton  seiner 
herknnft  war  ihm  nur  die  besondere  gehebenheit  des  Orientalen  ge< 
blieben,  col.  11  1  f.  ävOpurrrov  XoroTpacpov  tc  koi  äropaiov,  tö  6i 
liijicxoy  AiTurmov.  der  klftger  seinerseits  ist  ein  miszig  bemittelter, 
in  geschftften  ganz  unerfahrener  junger  mann,  dem  sein  noch  lebender 
▼ater  (X  25)  die  Terwaltung  eines  landgutes  übertragen  hat  ^col. 
Xn  aa^.  er  suchte  nun  offenbar  jenen  söhn  des  Midas  in  seinen 
besitz  zu  bringen  und  kam  dartlber  mit  Athenogenes  in  streit  und 
feindschaft  (II  15  ff.),  indem  sich  dieser  stellte,  als  wolle  er  sich 
auf  nichts  einlassen,  in  wirklicbkeit  war  ibm  der  junge  mann 
eine  willkommene  beute:  denn  das  salbengescbftft  des  Midas  gieng 
schlecht  und  war  überschuldet,  und  hier  bot  sich  eine  gelegenheit 
das  gesch&ft  mitsamt  dem  geschftftsftlhrer  in  yorteilhafter  weise 
loszuwerden,  es  wurde  also  dem  klftger  gesagt,  dasz  der  söhn  allein 
ohne  yater  und  bruder  nicht  käuflich  wftre ,  und  nachdem  man  ihn 
zunächst  so  weit  gebracht  hatte,  dasz  er  alle  drei  zu  kaufen  oder 
yielmebr  loszukaufen  (diroXücacOai)  bereit  war,  wurde  er  durth 
Athenogenes  betäre  Antigona,  die  sich  den  anschein  einer  wohl- 
wollenden Vermittlerin  zu  geben  wüste,  vollständig  in  die  falle  ge- 
lockt, so  dasz  er  die  drei,  statt  des  loskaufs,  mitsamt  den  activa 
und  Passiva  des  salbengeschäfts  in  aller  form  rechtens  durch  con- 
tract  als  eigentum  erwarb,  nun  erst  stellte  sich  die  grOsze  der 
Passiva  heraus,  über  die  weder  im  contracte  viel  stand  noch  von 
Athenogenes  gesagt  war:  40  minen  war  der  kaufpreis,  6  talente 
waren  die  schulden,  und  der  kläger  einfach  ruiniert,  da  Atheno- 
genes sich  natürlich  auf  nichts  weiter  einliesz,  so  wird  jetzt  das 
gericht  angerufen,  aber  auf  grund  welches  gesetzes,  und  in  welcher 
form  der  klage?  der  kläger  sagt  zwar  (V  24):  TTpocCKaXccdtMCGa 
auTÖv  elc  ujLiäc  Kaiä  töv  vöjliov,  aber  weder  läszt  er  ein  gesetz  ver- 
lesen ,  noch  hat  er  eins,  sondern  durch  analogieschlüsse  nach  ander- 
weitigen gesetzen  wird  der  nachweis  geführt,  dasz  der  erschlichene 
contract  ungültig  sein  müsse,  also  jenes  Kara  töv  vö^gv  bezieht 
sich  nur  auf  die  art  der  TtpöcKXiicic.  eine  klagform  aber  wird  in 
keinem  citate  angegeben:  immer  nur  kqt'  'AOrivoT^vouc.    wenn  in 

10* 


148 


FBlass:  Tircpciftou  Kax'  'AÖtivot^vouc. 


der  TBde  voo  ßoiiXeucic  (VIII  19),  von  InißouXri  (in  lö.  XI  9), 
^TTipouXcüeiv  (XII  7.  XVII 1?  lOE?),  dvebpeiieiv  (V  13.  VIII 17) 
gesprochen  wird,  so  ist  damit  keineswegs  die  klagform  bezeiclinet, 
wie  auch  aus  Harpokration  n.  ßouXeuceuJC  hervorgeht,  der  unsere 
rede,  aber  nicht  etwa  ihren  titel  citiert.  also  ßXdßTiC  wird  der  kläger 
den  Atbenogenes  vorgefordert  haben,  mit  emem  TifiriMOt  von  5  talenten, 
und  die  vierzigmänner  (oi  TcrrapoLKOVia)  nahmen  die  klage  an. 
wenn  der  kläger  gewann »  so  wird  es  eben  Athenogenes  vorgezogen 
haben,  statt  5  talente  zu  bezahlen,  das  geschäft  rückgängig  zu  machen, 
dasz  eine  hohe  summe  auf  dem  spiele  stand,  scheint  auch  aus  der 
unten  zu  he^prechenden  anspielung  auf  die  dem  kläger  drohende 
atimie,  wenn  er  nicht  den  fünften  teil  der  stimmen  erhielt  und  die 
epobelie  bezahlen  muste^  hervorzugehen. 

Die  rede  enthält  selber  eine  ziemlich  genaue  Zeitbestimmung: 
aeit  dem  kriege  des  Xerxes  sind  mehr  als  150  jähre  verflossen 
(XV  17  f.),  also  falls  der  redner  richtig  rechnet,  stehen  wir  in  den 
nächsten  jähren  nach  330.  es  ist  auch  kein  grund  ersichtlich,  wes- 
halb man  einen  irrtum  annehmen  müste;  im  gegenteil  wird  von 
dem  kriege  mit  Philippos  (XY  2)  in  der  weise  geredet,  wie  man  von 
einem  schon  etwas  rückwärts  liegenden  ereignisse  spricht. 

Hypereides  rede  hat,  soweit  wir  das  beurteilen  können,  einen 
sehr  regelmäszigen  und  einfachen  bau  gehabt,  es  ist  die  erste  baupt- 
rede  in  einer  anklage ,  die  wir  von  diesem  redner  kennen  lernen: 
denn  auch  die  rede  gegen  Philippides  war  nur  eine  unter  mehreren 
in  dieser  sache  gehaltenen  anklag  ereden.  das  prooemium,  und  was 
etwa  zwischen  diesem  und  der  er/>ählung  ^tand,  tiad  der  erste  teil 
der  erzähl iing  sind  verloren  gegangen,  etwa  2  —  3  columnen.  die 
sehr  ausgeführte  erMüung  sondert  sich  ebenso  scharf  ab  wie  die 
irtcieic;  nach  diesen  kommen  (von  VIII  25  an)  die  iTpOKaTaXrii|*6ic, 
deren  abgrenzung  gegen  deo  epilog  sich  allerdings  bei  dem  zer- 
störten zustande  dieser  coluraiier)  nicht  erkennen  läszt.  vom  epilog 
besteht  ein  groszer  teil  (col.  XV.  XVI)  aus  anderweitiger  und  ab- 
schweifender btaßoXri  des  angeklagten,  der  als  ein  belfershelfer 
makedonischer  Unterdrückung  geschildert  wird;  es  war  dies  jeden- 
falls vor  gericht  recht  wirksam,  und  iür  Hjrpereides  waren  vielleicht 
diese  antecedentien  das  motiv  oder  ein  motiv  diese  sache  als  advocat 
zu  übernehmen. 

Ich  lasse  nun  den  text  des  erhaltenen  folgen. 


eoL  I  [Tij  inJvai|K[t],   cIttövtoc  hi  ixov  irpöc  aöirjv  xd  t€  |  TreTtpaT- 

^i]i[v]a,  icm  ötl  /joi  *Aör|VOT^viric  x^iXcIttoc]  dr\,  Kai  oiibev  dÖcXoi 
6  TUJV  M€Tpiu*v  I  cuT]x^pt»v,  TouTov  ptkv  £(pn  d€i  Toioi}Tav  II  €lva]i, 
i^k  b*  ^K^Xeue  eappetv  auifj  y^p  juoi  |    irdjvTa  cuvatuüvuköai. 

Die  nicht  bezeichoetco  ergüDztiii^en  siud  voo  R(eirilloutK  der  ge- 
(lAnkenfltricli  bezeichnet  die  parn^riiphoB.  t  juvatKi  Bl  —  2  it^Ttpa'ffÄiva 
D(ieb):  TrpaxÖ^VT]a  R.    vgL  VI  5.  —  3  €1  Hl  -  6  cuvat-  ^iD, 


Pßlaaa:  Tircpclftou  kct'  'AerivoT^vouc.  149 

Ka\  TaCr'  ^Xerev  |  C7ro]uöd2:oucd  tc  twx  ffi^i  die  £vi  jiidXiCTa,  |  xal] 
ö^vuouca  Touc  ^CTicTOuc  öpKOuc,  fj  \xr\v  |  ^e]T*  euvoiac  rf^c  i\xf]C 
X^T€iv  Kttl  im  B  7rdcTi]c  dXriGeiac,  i&ct'  i\xk  iB  Svöpec  öiKajcral  10 
(€lp]r|C€Tai  Tdp  Trpöc  ufidc  TdXriOic)  TaO|Ta  7r]€Tr€ic6ai.  oötujc  ibc 
£oiK€V  iEicTT]civ  I  dvGpüüTiou]  q)uciv  Iptuc,  TipocXaßujv  Twvai|KÖc] 
....  lav.  iKexwx]  toöv  qpevaKiCouca  ||  äTiavrJa  TaOia,  TrpocTrepi^KO-  16 
i|i€[v]  aörfii  I  \xi  t]i  elc  TiaiöicKiiv,  xpiaKociac  öpaxfidc  |  €uv]oiac 
Evexa.  Icuüc  ^^v  ouv  (b  ävöp€c  bt|KacTa]i  ou[b]iv  [^cn]  Oaufiacröv 
^€   ÖTTÖ  *Av|TiTÖv]a[c]    TÖv  ipÖTiov  toOtov  TraibaTW)itTilöfi]va[i],  20 
Tuvai[K]öc  f^  beivordiTi  m^v  |  tujv  i]ja\pwy  &c  qpaciv  iq>'  f|X[iKi]ac 

dT^VCllO,  öiaT]€TA€K€  bk  TTOpvOßOCKOÖCQ  | c] V  | 

ou  oIkov  toO  XoXXeiöou  €u||öaijLiova  oöjjtu  övia  dviiipriKev.  Kalxoi  |  26 
iVric  Kae'  teJuTfjv  oöca  Toiaöia  öieTipdilrcTO,  ti  oTecGje  auxfiv 
vuvl  [Troi]€Tv,  TipoclXaßoOcav  cu]vaTUJViCTf|v  'AGtivot^vtiv,  |  fiv-  H 
OpuiTTOV  XoifOTpdqpov  T€  kqi  difopaTov,  |  tö  bk  jh^tictov  AItutttiov; 
—  T^Xoc  b'  ouv,  I  !va  ^i\  fiaKpoXoTuJi  fi€Ta7refmja^iv[ri]  Tdp  |  \xe 
irdXtv  öcT€pov  elTiev,   6ti  7ro[XXou]c  Xö||youc  dvaXiwcaca  npöc    6 
[t]öv  'A8rivoT6vnv,  |  MÖXic  cTn  cufiTr€7r€iK[u]Ta  aÜTÖv  d7ro[X]öcai  | 
^ol  TÖV  T€  Mibav  Ka[i  t]ouc  uleTc  d|ui[q)]oTi|pouc  TeTiapdKOVTa 
^vdlV,  Kai  4Ki[X€]ui  jic  |  Tf|v  laxicniv  7ropi2[€[i]v  tö  dpTupio[v], 
irpiv  n  fieiaböEai  ti  'AGrivoTfvei.  —  cuvaTOTibv  I  V  dyiw  iravTa-  10 
XÖGcv,  Kai  TOUC  (p[i]Xouc  ivolxXrjcac ,  Kai  6€ic  inx  [ttjjv  TpdiTcCav 
Tdc  I  T€TTapdKOVTa   Mväc,    [fjjicov   [ib]c  Tf|V  |  *AvTi]TÖvav.  — 
KdK€[ivTi]  c[uvr|Ta]T6V  [i]\^äc  \\  €]l[c]  tö  auTÖ,  i^xi  T€  koi  'AGnvo]-  16 
T[i]viivi  Ka[l  I  öir|[XX]aH€ ,  Kai  7rap€K€X€uc[a]T[o  toO]  Xomoö  | 
€Ö  Tioieiv  dXXf|Xouc.  —  Kai  ^t^  t*  i(f>r\y  TaO|Ta  Troirjceiv,  xai 
*Aeii[v]oTiviic  ouTOci  u|7roXaßiuv  €T7r€[v,  ö]ti  t[üjv]  7T€7rpa[T]|Lii- 
v[u)]v  II  b€[i]  jLi€  x&piy  ?X€iv  'AvT[i]Trd]vai,  «Kai  vöv»  iq>r\  \  «TaÜTnc  20 
?V€Ka  fjbn  coi  ivb€i[£]o^ai,  öca  |  c€  aT0i[6d]  Troincuj.  cu  ^k[y  ifdp] 
?<pn  [tö]  dpTupiov  I  in'  dXeuOepiai  KaTaßdX[X€i]c  t[ou  Mib]a  Kai  | 


13  i^MÖc  Kaiä]  <p.  R,  i^MUiv  Tf|v]  <p.  D  —  14  fw.  Kap]6(av  R, 
al|iuX(av  ci.  W(eil).  viell.  dva(ö]€iav.  —  16  t€  xajl  clc  R',  6u>pov] 
€lc  W  (zu  lang!),  tue  bi]]  clc  D  (R*).  irepiKÖTTTCiv  kann  doppelten 
accusativ  haben  wie  d(paipelc6ai,  cuXöv  usw.  nach  Trai6{cKr)v  ist  freier 
räum.  —  18  oö6£v[l  €cTaiJ  R  (ders.  auch  oi)biy  u.  kxi).  —  22  6iaT€T. 
W  (^Ea]Tro[XiiiJX€K€  R)  —  24  XOAAIAOY,  dann  anscheinend  OY  oder 
CY.  —  25  .  .  vui  W,  dann  dv^re]riK€V  R;  ich  lese  AN6IPHK6N,  mit 
neuatt.  El  =-  Hl.  —  26  Ka(TOi  €1  KaO*  k.  W  (zu  fjxic  vgl.  Bern.  18,  187) 

-  27  NYN?|  (AYTIKA  NYN  EHA  .  .  €IN  R»).  W:  6i€irp.,  xi  xpn]  aöxf|v 
vOv  iTTi[xeX]€lv  Trpoc|boKdv,  ^xoucav  usw.     vgl.  Dem.  19,  342  u.  a.  st. 

Col.  II  3  ende  .  .  .  und  übergeschr.  FAP  (RW  lassen  yäp  aus).  — 
5  ANAAODCCA  pr.  -  6  €IHI  wie  I  3.  —  13  [Q1C6ICTHN  (€IC  durch- 
strichen?), emend.  R  —  17  €t»«T'  RW  —  18  [dj  'AO.  R;  der  räum  ist 
da  (loch).  —  oöxoc  RW  (OYTOCI,  die  punkte  deutlich).  —  22  C€  BID 

—  nOIHCöi  —  cu  WD  —  23  €A€YeePIA  —  KaxaßdXXcic  D  (cO  M^ 
tue  öqpXOiv  dpT.  i  k.  xaxdßaXXc  W).  —  xoO  W;  xfl  D  —  [MCöJou  R; 
der  genitiv  nur  hier. 


150 


FßlaM:  Tw€p€i5ou  köt'  'AÖnvoT^vouc» 


25  Tujv  Tcaibujv*  i^\li  hi  coi  dTrobiju[c]o^ai  au|TOiJc  iuvfiiKaiTTpdc€[i], 

—  Tva  [ttpiBtoJv  )i€v  /irilbek  [TT]a[p€]vox[X]fli  [juillbe  biacp0eip[r|i] 
TÖv  M[i]bav,  [eiT*]  auioi  [jurj  ^]TXetpÄci  [TTo]viip6[ue]c9at  junb^v 

inbid  TÖV  qpö[ßov"]  TÖ  b€  p%tcTöv,  vuv  fiev  5ev  boEemv  bi*  i^k  T€- 
Yojv^vai  iXeuOepor  tdv  be  irpid^evoc  cu  ujvni  1  xai  irpdcei»  ei9* 
öcT£p0V|  Sie  dv  coi  boKni  j  I  d]<pf]ic  ayioijc  ^Xeuöepouc,  bmXaciav 

5  l£ou[|civ  COI  rfiv  xapiv.  —  öcov  juevioi  dqjeiXouciv  |  d[p]Tüpiov, 
jLiupou  T^  Tivoc  Ti^nv  TTaYKdXu>t  |  K]oti  TTpOKXei,  Kcti  ei  ti  aXXo  Kaie- 

öexÖ  TIC  im   I   TÖ  pUpOTTUuXlOV  TÜJV  TTpOCqjOlTUbVTUJV,  Ol |a  TlTV€Tai, 

10  TttUTa»  ^cpT)  tcu  dvabeErii.  —  flcTiv  hl  |uiKpd  KOpibfii,  Kai  ttoXXuji 
irXeiuj  I  cpopTia  kriv  toutuuv  €v  iwi  ^ptctCTripiuji,  |  ^upov  Kai 
dXdßacTpoi  Kai  I^upva»,  Km  dX|X'  Sttü  övöpaia  XeruJVi   «öSev 

16  TfdvTa  Tau|Ta  b[iaXu0]i]C£[Tai]  ^aibitwc».  —  i^v  bfe  ai  fivbpcc  [)  bi- 
Kac[T]ai  djc  foi[Kj£v  dvTOuöa  f\  ^[tri]ßouXr|  |  Kai  tö  Ti[Xd]cjua  t[6] 
|i£T<^.  —  et  pev  Td[p]  ^n'  ^Xeu|0€piai  K£tTaßdX[X]oi)uii  aüiyjv  tö 
dpTupiov,  I  toOto  ^övov  dTT[ui]XXuov  ö  boir|V  auTUJi,  ]  d[XX*]  oubfev 

20  beivöv  firacxov  ■  —  cl  hk  Tipiaipiiv  ||  ui]vfii  Kai  iTpdcei,  öfioXofricac 
aÜTu/i  Td  I  XP^^  dvab^iacOa^  ibc  ouOevoc  diia  ßvxa,  |  b[id]  to 
|iT]  iT[po]€ibevai,  diTdEeiv  [m]oi  fpeXXEV  |  öc[T]£pov  touc  xp[tlc]Tdc 

25  KOI  TOUC  nXr|puü|Tdc  tüuv  ipdvujv»  ^v  öjioXoTiai  Xaßübv,  öi|iT€p 
^TToirjcev.  —  die  tdp  £mdvTOc  auTou  |  TaÖTa  i^füs  npocujju[oX]ö- 
Tnc<ii   etj6uc  £K  Tu»v  |  TovdTUi[v   X]aßdjv  [tujJv  auTou  tpöMMö- 

IVt[€i|6v  Ti  [tö  dT]T£Tpci^[M]^vov  dveTiTVLUc[Kev  |  rjcav  hk  aijTai 
cuv6iiKai  TTpöc  €|ie*  il»v  i^di  dvaTi<T>va*CKOpevujv  pfev  tikouov, 

f  CTl€UbOV  li^VTOl  d<p'  6  f|KOV  TOÖTO  blOlKF],  c]ac8aL  [— ]  Kttl  CTlMOi- 

6  veTai  Tdc  cuvföJriKac  €u|,9uc  Iv  Tf\i  [amf\]i  oiKia<i>,  iva  ^Tib€[i]c 
Td>v  fiJ  I  qppovoüvTuuv  [dKJoücai  to  eTT^TpciMMeva,  |  TTpoc£TTpdqjac 
|i€T'  djioö  NiKUJva  TÖV  K?i|(pic<iya.  —  ^XÖövtec  b*  im  tö  (uupoirii- 

10  Xiov,  TÖ  I  itiv  Ypa^pctT€[t]ov  Ti0ejui£0a  napd  AuctJKXel  AeuKovoei* 

—  Tdc  bi  T€TTapdK0VTa  pvdc  i^vj  KataßaXdfv  Tr]v  djvfi[v]  diroir||- 
cd^riv.  —  ToÜTou  hk  T€voMtvou  Kpocii<i>£|cdv  Moi  Ol  xpqcTai,  olc 
üjqjeiXcTO  irctpd  tuji  I  M]ibaij  koi  ol  iiXripuiTai  imv  äpdviuv,  kol\ 

16  bi||e]XeT0VT6  pov  [KJai  iv  TpicW  piiciv  dTTav|Ta]  xd  xp£tt  (|>av[€]pd 
iTtTÖV£i,  I  »IiCT*  6ivai  MOi  I  cu]v  tovc  £pdvo[i]c,  ÖTiep  Kai  dpTiujc 
eltrov,  TTe|pi  Tr]^vT£  TdXavTa.  —  djc  b*  liicOdjjTiv  ou  riv  KajKjoö, 

20  TOT*  fibr\  TOUC  (piXouc  Kai  touc  oIkciouc  ||  ci/vriTaTOVT  Kai  Ta  dvri- 
Tpatpa  TUJV  cuv9t]k[iIiv  |  dveTKl^viucKO^ev»  iv  aic  i^iypamo 

25  TrpiI)TOV  DR«  (TU)fi](v)  W)  —  26  [ce  €]voxX.  E,  ^[v]oxX,  W, 
^egeu  den  räum,  —  dlAa)06lPH  wohl  ohne  I  —  26  t  MIAAC  (em.  R) 

—  27  {ll^h']  aOxol  WDR«  ([kq]!  aüxol  [h^]  R^)  —  ,  .  .  NXEIP  (Öm'  L 
DR«,  öf|  ^vx.  W),  —  irovnpeu€C0ai  W  —  28  (pö[ßov  cou^  tJö  W»  qj. 
TOÖ]to  R;  Aber  es  war  erewis  frel«f  räum,  ao  liaaz  3  Imchst,  g^enUg^eu. 

Ill  3  €19^  —  9  reiN€T  AI  -  €OHI  —  14  b[mXueirjC€T[ai]  ci.  W,  öiotKn- 
C€IC  (BDR  —  15  6TTIB0TAHI  —  21  besser  dva.VE£C0m,  vgl.  9.  —  27  TpOM- 
iMiTCtov  D:  TTPArMAT,  |0N,  doch  T  über  TT  übergeschr  —  28  Ti  W, 
o[^  DR«;  dünn  i?poT]€TP.  RW  —  AN€riN(*)C,  was  die  r€gelmä«ige 
BchreibUDg  des  pap«  ist, 

IT  b  aif]Tli\\]  R,  qOJtMi  W. 


FBiarnz  TvcpcOou  wrr*  'A6v)vot<vouc.  151 

jikv  I  T*  ToO  TTcrpcdXou  [K]ai  xoö  TToXukX^ouc  övopa  biappy\bnV| 
Kat  ön  iivpuiv  TiMai  dxpciXov  xo,  S  i\v  ßpax^a  t€  ,  Ka\  iEfJv  aOxotc 
clireiv,  I  6x[i]  xo  pupov  toov  ctn  xo[0|  dptuptou  x6  <v  I  x|d»i  iiiv 
d]pTacxTtf>iuir  [— ]  xd  bk  iroXXä  xOüv  xP^wv  |  Ka[l  xjd  |i€TKxa 
ouK  i^ejfifpawco  ^[ir]'  övolidxiuv,  —  dXX*  iv  TtpocB^KTic  M^pti,  V 
liic  ou|ö^v  6vxa  «kqi  ei  xifj  SXXui  öqpciXci  xi  Miöac».  |  ko\  xiüv 
ipdvuiv  €ic  M€v,  6v  AiKQioKpdxTic  1  ivcT^TPoTHO ,  oö  j\cav  XoiTTWl 
xpcic  q>opai,  |  oüxoc  ^^v  inX  xoO  AiKOioKpdxouc  övömujtoc  |if\|v    a 
jefpOLßikiyoc,  o\  V  dXXoi  Itp*  olc  |  eiXriq)€i  Tidvxa  6  Mlbuc,  vto- 
cuXXot[o]i  ö'  ?i|cav,  xoüxouc  ö*  ouk  dv^TPOH'CV  iv  xaic  |  Cüv()i\- 
KQic,  —  dXX'  d7r€Kpüi|jaxo.  ßouX€uojLi^||voic  6*  i]\n\  fboEtv  Ttoptur«  ui 
c0ai  irpdc  xoöiX[o]v  kqI  biaX^T^cGai,  Ka\  Kalxa|Xap6vT|t|c  autAv 
irpöc  xoTc  jLiupoTrujXioic  i^p[iuxijü]fiev,  el  ouk  alcxOvoixo  i|itubA- 
^evoc  Ka[i  dv]ebp€u|cac  i\ix&c  xaic  cuv6/|Kaic,  oö  Kpotimbv  xd  ||  lA 
Xp[^a.  —  6  b'  dTr€Kpivax[o]  fmTv,  ibc  oöxe  xd  |  xp^ci  tKt>vi6ck<)1 
S  X^TOM^v,  oöxe  Trpoc^xoi  ?||m[Tv]  xov  voöv,  TpaMM«Tti6v  x'  tfn 
aux[dii  I  K6[i|ui]€V0v  npöc  i^k  7r€p\  xoOMiüV.  —  7To(XJXujv  |  b 
d[v]9pdi7riüv  c[uXX]€TO|Li^viuv  kqI  d7faK0u||öv|x]iuv  xoO  7Tpd|tM|axoc,  w 
bid  [xö  ^]v  xfl<i>  dTolpdi  [x]ouc  Xötouc  Ti<T>v€cOo(  i ,  k(xI  köx«  )- 
x€^vöv|xujv  auxöv,  k€X€uöv[x]iüv  b'  [dndtjciv  ibc  |  dvbpanobi- 
[c]xTifv,  xoöxo  |Lit]v  ouk  iuiÖM€|6a  beiv  ttouiv,  Kp[oc€KaX€cd|piOa 
bi  auijxöv  eic  ujudc  Kaxd  [x6v  vö^Jov.  —  Ttpurrov  J  \xly  oöv  v^ly  aß 
xdc  c[üv6Ti]Kac  dvatviulcexar  d[E  auxA]v  tdp  x[(jüv  T|€TpalMM^vtüv| 
ua8ric€c6€  xfjv  i7rißouXf|v  auxou  xou|xou.  X^t€  Tdc  cuvOnKac.         vf 

lYNOHKAI 
Td  \xky  x]oiv]uv  TreTrpoTM^va  iL  dvbpec  bi||Kacxal  KaO*  i^v  ?k«cxov    r» 
dKTiKÖaxe.  ^pei  bk  npöc  ujiidc  aöxiKa  MdXa  'AOiivoT^vnc ,  i  ü;c  6 
vö^oc  X6T61,  —  öca  6v  ?x€poc  dxiptüi  b\xo\o^f]cr\^\/ ,   KupfiaJ 
elvai.  —  xd  t€  biKaia  lö  ßA|xicx€,  xd  bk  ^f)  xoövavxiov  dna- 

22  TTpoicX^otK  nach  III  7. 

V  3  OYNAIK.;  VV  tilgt  AncatOKpdrnc.  die  tinfaeMnU  UM^nm^  SU 
dv,  Men  Dik.  (für  sich)  hatte  eintraflfftn  Un^n';  mun  k/>nnU  »n/'h 
denken  an  ^<p'  di  A.  inexi'fpaino.  der  «inn  mn^^  n^in,  d«««  di^^^r 
^.  aaf  den  namen  des  D,  gieng,  aU  de«  ernten  trXr)porrf|C.  --  4  A6itr<f)| 
dh.  noch  nicht  ao  Midaa  An»^ezMt.  —  7  €0HOiC  («U<r  zn^mt  ^f^;. 
^<p'  oic  WDR*  —  8  vcoctiXXoTOt]  dh.  frisch  in  der  erinnernnpf.  aAd^m 
W,  der  Xotval  rp,  9.  ron  der  räckzAhlnnfj^  rer^teht»  dan«Ah  a^^r  tHf 
€Ur)q>€i  Termnten  mnsz  dD^pciX«,     Tgl.  r>em.  2^>,  l^V  —  II   KAI)  K  H^i^r 

geschr.;  z^ierit  H?  —  16  f.  irpoccxoiv)  m'«  RW  p^p.  nP^'XxOl^,  dA/ 
aoriit  Ut  nnxaläsii^.  —  21  vor  6MN0N  iU  da^  faA^iiv>.  si*hr  nrtd^at 
lieh,  aaaier  daaz  von  T  vor  €  ein  re^t.  RW  Ur-ien  'K;Al  üh«!f  der  ;?, 
wo  da«  fa«.  etw*  .  N  ,  .  ,  xeigt>,  in  der  *.  ^naei»  ei»em  fr*ieti  raom. 
KA  —  fir  EOiTCuv.  i.4t  zu  ?iel  riam,  fir  iCftTfn,  xn  «revtiüf,  wie  ao^fc 
B^  »gt.  ^*llj  nicht  iai  p*p.  verwthiebnnif  'ler  teikhen  ««♦tcgre/'irwf^* 
j<i.-:.  va4   3Laa    anrta   na^.h    z.  2*1  i%nnebmen  k'finnui.,   witr^tv.   Wt>H^ 

ju:>i\u  bW^  TpoonZACi^u.  Reiaa/ih.  ^  IH  YM€\^, 

^l  k  t  -zo&zoßi  Ut  W  ».t  Tinjxz  an^t^vwiip  —  .S  KA^>M  pr. 


152 


Fßlass:  Ttrepeföou  Kar*  'AOrjvoT^vouc. 


10  Yop€Ü€i  II  M^  Kupia  elvQL  d£  auTÜJV  bi  coi  TÜJV  vö|fiu>v  i^w  (pave- 
pübicpo V  noirjcuu.  —  kqI  t^p  |  outuü  pe  biai^SeiKac  xai  Trcpicpoßov 
Tt€|noiT|Kac,  pf|  dni5Am^a[i  u]h6  coö  xai  Tfjc  |  beivönriTOc  Tfjc  cfjc, 

15  uj[c]Te  Touc  te  voüpouc  IHral^iv  »cai  ^eXeiav  vuKia  |  Kai  ^jj^pav, 
ndpepTa  TfiX[Xa  nJdvTa  Troi|ticdjuevov.  —  6  /itv  toivuv  €i[c] 
vöjuoc  K€|X6v[ei]  äi;jeij[^]€jv  ^[v]  Tf|i  dT[opai],   TrdvxuüV  |  ol|ia[i 

20  Tr]opg]TTtX]Ma  KdX[XicTo]v  Ttapati^T^'XXujv.  cu  [bfe  HJeu]cd|j€vo[c 
^v]  pecrii  Tfi<i^  1  dTop[cti]  cuv[0r|Ka]c  Kai*  ^|i[oO  IO]ou"  in^i  i\av 
^[ciHTiic  7ipoeiTf]djv  ^|li[oI  to]oc  4pdvouc  |  [Kai  touc  xP^ctüc  iv 

26  laic  cuv]9TiK0ti[c],  öjcouc  [eöpoVi  ouk^ti  dviiXejTüJ  coi,  —  dXllX* 
öpoXot[w  öcpeiXeiv,  —  M^td  hk  T]aÖTa  l'|T€po]c  v6po[c  icii  Ttepi 
VII  düv  öhoXotouv|t€c  dXXiiXoic  cujußdXXouciv,  öiav  Tic  |  itujXiii 
ävbpdTTobov,  TTpoXtYEiv  edv  ti  Ix^i  |  dppuücTrma'  ei  b[k  ^]t),  dva- 
5  iriJ^TTI  ToÜTOu  kTiv.  —  KaiToi  öttou  Tu  Hopd  Tflc  Tuxr|C  vocrillygTa, 
fiv  lif]  öriXujcTii  TIC  nujXuJV  oiKeT[r|v,  I  dvdT€iv  ££€Cti,  thjuc  to  ye 
Tiapd  coO  dbilKTi^ara  cucKeuacOcvia  om  dvabeJKTeov  coi  ecTiv ;  — 

10  dXXd  ^f|v  TÖ  iikv  im\}iT]JtTOv  dv^pditobov  oö  TTpocairoXXüiei  tou 
Tipiaji^vou  Tfjv  ouciav*  ö  bl  Mibac»  öv  cu  poi  dir^boy,  «[aji  xriv 
Tu>v  q}iXtüv  Tduv  j  €jiaiv  dTToXiijXeK[e.  —  CKCipai  b^  lü  *A6T|vÖTe|v€c 
\ir\  ^övov  [iTeJpl  Twv  otK€Td*v,   dXXd  ]  Kai  Tiepi  tujv  eXeuBcpuüv 

16  CUDMÄTUIV    öv  I   XpÖTTOV   Ol   VÖjüOl   fxO^ClV.     olcOa  tdp   brjTIOy  I  KQl 

cu  Kai  fiX[X]oi  TtdvTec,  öti  oi  ^k  tujv  exT^^ln^v  TuvatKÜJV  iTgi[b]ec, 
ouTOi  tvncioi  I  ck[i]v,   dX[Xd]  pfi[v  oük  d]TTf[xp]iice  Tüut  voj^o- 

20  [O^TTii],  TÖ  ixy[\ir\Bf\]wm  TtjV  ti^vaka  ||  utrd  [tou  naTjpöc  [f|  tou 
db]€X(pou,  dXX*  €^pal^^€  bi[appr|]br|v  ^y  [tiüi  vöpjuur  [iiv]  äv 
dTTurilcTii  T'[ic  ^m  biKaioic  bdjuapTaJ  ^k  TaÜTric  |  €ivg[t  Traibac 
TViiciouc,  Kai  ou]k  ddv  tic  |  i|/euc[dfievoc  die  auTOu  Ourax^pa 

26  ^T]TiJncr|i  tl  fiX[Xo0€V  oücav,  dXXd  Tdc  jiiev  bijKaiac  exT^loc  K[üpioc, 
Tdc  bi  }Jif\  biKaiac  dKÜpoucJ  Ka8i[cTTi[civ  6  vo/ioc.  --  ^ti  hl  Kai  ö 


11  TTOIHCGlJJ  —  12  doch  biaT^OfiKac  —  17  t  citiert  von  Hurpokr  u. 
KttTÄ  xnv  df,  dy,  (ö  ^4v  —  dtopä^  doch  ohne  etc).  —  18  f.  tat  wieder 
Verschiebung  eines  BiückcheDs:  fiir  [A]  Sst  kein  platz,  für  [NJ  «ta  viel, 
datiAGii  iBt  nichts  weiter  zn  ergäDzen  vor  ndvxuiv  (npA  tt.  R,  ^ttI  it.  W)* 

—  1^  oT|jo[i  '^]apa  .  .  |i  .  .  .  .  dX[f30€Ü€i]v  W.  twiaelieii  APA  mid  M 
ist  die  lücke  ^rüszer  ala  sie  scheint,  entspr.  wie  in  18,  und  dafür  ist 
nachher  keine.  —  20  cu  bi  vp.  W  (cupH^.  K)*  dann  W  &6X0UC  t'  ^v  ^. 
(an  vicL'J,  R  bi  Kül  iv  ^.  —  21  cuvfjdlac]  xaT*  i^loß  ^<pnOp]ou  W, 
cuvfxdEaJc  kqt*  l^jio[i)  ^vpcOÖJou  DR*  —  22  &(r|X€tJcn»c  R»  *>[€iEr|ic  VV  — 
S3  Tale  calc   cuvö.  RW  —  24  öci^pov  ^juaeov,  o<}   (jd^oMOi   ^xdi  coi  D 

—  26  [dvaö^£acGai*  iropd  bi  T«i]ClTa  D,  dXXa  bi  TOi]aöta  W  «  26  fiir 
IcTl  RW  KeXei3€i  —  iiepl  iDv  WD  —  ö^oX,  RW, 

VII  5  AHtAUCH  (das  falache  I  nach  W  ?ietL  getilgt).  br\Xü}CV} 
WDR»  —  8  f.  eniAHMHION  -  16  dXXoi  RW  —  18  so  R  (dXXd  p^j 
TOÖT*  dir.  W,  mit  fragtzeichen  nach  db€X(poO),  A]TTe[XP]HIC€  p«p.  — 
21  vgl  Dem,  46,  18.  [i]dv  st.  [^v]  öv  Reinnch/w  (wegen  2»).  — 
23  natöfac  t^-  ctvai  R  gepen  Dem.  und  gegen  das  facs.j  richtig  W  — 
ical  bf\  oöjic  D  R,  dAX'  oö]k  W  —  24  i^jcuc.  riva  itapä  Td  Mnaia  ijf,  H  ^ 

25  4X(X4  TÖTE  TOUC   T€  Ttalöac  vööouc]  koI  de  K  (Öi]Ka(ac  Reinach)  — 

26  i\[TT^r)cev,  dKOpoi>c  irdcac  (D)  rauTacj  koB.  R  —  27  €ti  6^  Kai  (B1)R  W 


Fßlaaa:  Tir€p€(6ou  kot*  'Aenvor^vouc.  153 

ircpi]  Tdi[v]  bmOrilKUJV  vr6^o]c  TraprajTrXricioc  toutu)>   iciiv  |  vm 
K€Xeu€[t  Top  Ö€ivjai  xd  iauioö  [öiajTi66|c8a[i  ibc  fiv]  Tic  ßou- 
XriTQi,  irX^v  [f|  Tnpiwc  |  ?ve[K€v]  f^  vöcou  f|  fiavidiv  f|  Tw[vaiKi] 
ir€i||86fi[€vo]v  f\  [vnö]  öecMOu  f\  \)[nö  dvd]T|KTic  K[aT]aXri(pO[^VT]a.    6 
—  ÖTTOU  bk  oubt  [irepi]  twv  |  qutoO  löiiwv  a\  [\xi]  bJiKaiai  biaOfiKai 
Kuptai  clciv,  TiOüC  'A6tivot6[v]6i  t€  Ka[l  irepi  tujv]  ipibv  cuvGe- 


fi^v[uji]  TotaOra  b6[i  Kupi 
k[tici]v  T[a»]v  au|ToO  [tu 
ÖKupoi  lco[vTai]*  —  [er 


a  eljjvai;  —  kqI  ^dv  \xiy  ti[c  €l]c  [bi]oi-  lO 
vaiKi  TiciOöfievoc  öia9iiKa[c  TP<4]vn^  I 
b*  dtiw  Tni  'A9rivoT[^vo]üc  |  iiaipai 
d7r[€ic]0Tiv,  TrpocaTToXijüXevai  [^e  bjei,  |  8c  fx^w  M[€Tic]'niv  ßorj- 
6€iav  rr\y  iy  tuji  ||  vöjliiüi  tCTPciMM^vriv,  dvaipcacGeic  u|7tö  toutujv  15 
raOra  cuvS^cGai;  —  elia  [cu]  xaTc  |  cüve[r|]Kaic  icxupiCni,  Sc 
dvebpeucavT^c  |  jue  cu  K[ai]  r\  ^[Taipa]  co[u  ^c]ri)Lirivac9€ ,  Kai 

u|7rö] ß[ou]X€uc€ajc  ujiiqc  7T6[i]|c0eic c  20 

civai  ^m  TouTOic  TTpocIebeEdjLiTiv  olc  ifQa\\ta]T€,  kqi  ou[x  Ijkqvöv 
coi  I  fjv  Tdc  T€TTapdKOv[T[a  fi]vdc  eiXnqp^vai  |  uirtp  toO  fiupo- 

iriüXiou,  dX]Xd  kqi  Trevie  [idlXavia] fie,  öcTiep 

UTTO  .  .  B ^v  TTobocTpdßni]  ciXnMM^vov;  [— ]  [A^]£€l  V  d)  25 

Svöpec  biKQCTai  ibjc  ouk  i^bu[vaTO  |  elb^vai] [^rpöc] 

Mibav  ab | [baveiJcG^VTa.  d[XXd  |  dTÜJ  IX 

fifev eic  rd  iv  dtopäi,  dxpd^a  |  b'  [?xiwv,  ^v  ipici]  ^nciv 

fiTravia  T[d]  XP^«  koi  |  t[oüc  ^pdvo]uc  iiivQ6iir\y'  out[oc]  bt  6 
Ik  Tpi|To]viac  [fi)v]  MupoTrüüXnc ,  Ka9[ii^€]voc  b*  ^v  ||  ifii]  dTo[päi    5 
8c]ai  Wptti>  Tpia  [bfe  fiu]po7rujXi|a  k6kt[t]M€V0c],  Xötouc  hi  KaT[d] 

VIII  1  toOtwi  D;  TOUTOIC  RW  —  2  xeX.  T^P  BIWR«.  vgl.  Dem. 
46,  14  —  3  f^  [ynlPWC  R  —  5  f^  0[irö  nvoc  d.  W,  fj  [nvoc  d.  R;  der 
buchst,  nach  H  ist  zweifelhaft.  Dem.  ao.  ()ii*  dv.  f\  {^irö  öcc^oO;  §  16  in 
der  wiedergäbe  f\  Otto  dv.  Tivöc.  der  ranm  reicht  nicht  für  öttö  nvoc 
d. f  reicht  aber  auch  z.  6  ende  nicht,  nnd  reicht  knapp  für  z.  4  ende; 
8.  anch  zu  8  f.  ist  eine  falte  im  pap.?  —  6  s.  zu  5;  im  facs.  nur 
OTTOYA  undTQN  zu  erkennen;  oöö^  [irepi]  W,  oOö^  iT€p[l]  R  —  7  al 
^[XTuaJi  Kai  ol  R,  al  [^m^a]»  nal  al  W  —  8  tJuiv  R;  räum  sehr  knapp. 

—  9  6€t  [xOpJia  R  (räum  gänzlich  knapp,  wie  auch  D  bemerkt).  — 
10  6i]o(khciv  tuiv  R  (für  HCl  der  räum  zu  knapp}.  —  11  TpdM^ili  D, 
Tpdcpn»    RW  —   12    öt]€    h"   iy\b    RW    gegen    den    räum.    —   GrCOI   — 

13  6TAIPAI,    das    letzte    I    durchstr.    —    |ie    btX  W,    oö    btX    R(D)    — 

14  6XC0I  —  M[€T(c]Tnv  W;  M[(av]  Tf|v  R,  m[övov]  t.  D  -  18  cou  WD; 
f\  cou  R*  —  19  ÖTTÖ  Tflc  (jfiCT^pac  ß.  R,  öirö  y^vaiKciac  ß.  W:  vgl. 
Harpokr.  u.  ßouXcOcctüC  Hyp.  fr.  2  (^irl  ^v^öpac  xal  ^TrißouXf^c  Tf\c  de  xpn- 
fAOTa)  —  irl€[ice€lc  W,  olöl^icvoc  R  —  20  €Övou]c  W,  dEioir(cTOUc  DR  — 

21  JTpoc\r\Kämr\y  otc  ^O^X€]t€  W,  irpoc£6€Hd^T]v   d  ^ßouX€uca]T€  DR  — 

22  t^v  Tdc  W,  €öoH€V  Tdc  DR  —  23  so  DR  —  24  dirccTcp^iKaT^  |i€  W, 
^ßouXou  cuXnOf^vai  H€  R,  iß.  dcpcX^cGai  ^ic  D  —  öttö  Ku|vT)T€Tdiv  iv 
iro6.  €lX.  ci.  W  (öirox€{|piov  iy  ir.  kotciX.  R).  vgl.  Harpokr.  u.  iroöo- 
CTpdßr)  Hyp.  fr.  6  (^nxavfmaTd  Tiva  öttö  tiIiv  kuv^t.  KaTacKCuaZdiicva). 

—  25  f.  dXX*  I  icuic  ip€t  Kai  irpöc  ö^iäc  Oijc  R  —  i^6.  |  clöivai  öt*  iirdiXci 
Td  TTpöc  M.  DR,  f|5.  ToOc  I  ipdvouc  clö^vai  toOc  rrpöc  M.  W  —  27  d6[i?|- 
Xuic  RW  —  28  €k€V€xOivTa  D,  KOTaTfO^vTa  W,  dann  f^  aÖTiJi  6av.  R, 
OÖTC  (doch  oö5i!)  Td  öav.  W;  dann  d[XX'  üDi  TC  DR 

IX  1  c[TT0UÖf|  oö6€^](a  clc  R  (la  auch  W).  —  2hi\  l[y\h  iv  Tpiclv  R, 
b[i\  iv  Tp.  W  —  5  öcai  (BID)RW—  6  K€kt.  ffir]]  RW,  gegen  den  räum. 


164 


FBlass:  TTr€p€(5ou  kcit*  *A9tivot^vouc* 


lifiva  [  Xa|aßdvuj[v,  oiik]  f|(i)bei  la  XP^«*  ~-  ^XX'  iv  piiv  \  toTc 

oiiK  etb€v[ai,  öc]a  pfi  ßoLiXetau  —  6  51  toi|outo[c  auioö]  Xö^oc 
uj  fivbpec  ?)[iKac]iai  oujk  dTroXotiot  ECTiv^  dXV  öpoXÖTriM«  liic  oub* 

16  elJTTCv  oub'  f ^leXXev  ^]peiv  ■  öiav  ^dp  <pr|i  Kn  eib^v[ai  [[  ärravTa] 
Td  öqpetXöpcva,  ouk  Ictiv  auTÜöi  bri|Trou  [fipa]  ciireiv,  ujc  rrpoeiir^ 
^01  TTcpi  Tüüv  xP^iuL'V*  6ca  b*  ouk]  fJKOuca  irapd  tou  tiujXouvtoc, 
TaO|T[a  ou  biKQiöc]  eifii  biaXueiv.  —  Sri  p^v  ouv  ijtlbeic  Ä'ABrivö)- 

20  T^y€C  öcpeiXovTü  M[ibav]  T[d  ||  xPnpotTa  jaöiaji  ol/iai  Ttäciv  elvai 
bfiX[ov  iE  I  dXXtJüv  T€  TToXXjujv,  Ktti  EK  TOU  aiTciv  [töv  ]  NlKUüVa 
uTifep  ^])ioO  ^TTuTiT[n]v*  ^!  »  •'.!•- T]d  xpea  ßvxa 

25  iKavö[v  ...  I . .  NO  .  oii  ^Iv  br\  ij(b . . . .  !| 

[tUül   XÖ]tlüI   COU   T0Üt[u)1    .    .   I C  Ktti   OUK 

€ib  .  .  ,  ,  I NOC  Kai  TLU  ....  I 

X  * tJoutovi  töv  t[p67tov.  t  ei]  cu  plv  bid  tö  m  eib^vai 

^i\  Tupoemdc  |  ^oi]  Trdvxa  Td  XP^^^t^  €tüj  hk  Sca  fJKOuca  |  Ta[u];Ta 

(iovov   oi6/i£voc  cTvat  Tdc  cuvOrilKac  ^O^^riv,  KÖTCpoc  biK0ci[6]c 

6  kTiv  dKT€i,ca]i ;  6  \ic[T]€poc  TrpidjLi£v[o]Cj  [f]  ö  7T]aXai  kcktii^m^voc, 

Ö[t']  dbaveiZeTo;  —  ifm  m^v  ^ap  oioJMaic^.  el  b*  dp' ävtiXetom^v 

Ttepl  tOÜTOU,  I  biaiTflT^C  flMVV  TeV€c6lU  6  VÖ|iOC,  8V  ou  X]  Oi  ^pUJVT€C 

IQ  oub*  Ol  dmßouXeuovTec  toTc  ||  ctXX]oTptoK  löecav»  dXX*  6  btiiiOTi* 
KübTa|TOc]  CöXwv  *  5c  €ibmc  ÖTi  noXXal  iLvat  TKT)vov]Tat  ^v  Tfji 
nöXci,  fBriKC  vöpov  btKai  ov,  übe]  Trapd  TrdvTuuv  ö|noXot[€]irai,  Tdc 

16  21ritM»öc  äc  av]  ^ptdcuüviai  oi  oiK^iai  Kai  Td  dJ^apTnp]aTa  biaXueiv 
TÖV  bccTTÖTiiv  nap*  (ii  |  fiv  ^pTdcJunvTai  oi  oiK^Tai ,  eIkotujc  *  Kai 

9  auT[6c  R  (aÖTÖv  oder  aOroO  D,  aÖTlixa  W)  —  11  OYKHIAE  pr. 
(gl»,  fiifta).  —  13  eo  K;  dTToX^Tnpa  W  —  13  f  oöy  tt^ÖTOc  Cüvu>i&i 
€Ö]pelv  Dß*,  oöb*  cTxtv  oifbk^f  irik  tiirletv  W  —  16  am  Bl  VV,  &r\- 
Trou[e€v]  DR~  17  so  (o'ier  bi)  BIDWR*  —  cnrle  für  TAY  (W)  wenig 
miira;  |  toöt'  o6  R  —  18  so  BIDR,  TaO]Ta  nthc  b,  \V  —  19  f.  it[oX|XA 
Kai  M€T<äiXa  R,  1  iroXXd  troXXolc  D,  iioXjXoTc  uoXXd  cL  W  —  20  6qX[6- 
Ta]TOV  Ik  t€  TiDv  dXXjuuv  li»  6nX[ov  («o  hucU  D)  ^k  T€  1  TToXX.  ä.  \V  — 
21  (.  alT.  [thv  1  dvaöox^v  nap'  i||ioO  trjvm  (CrfTHIT  pap,)  T[ai]v 
l[pYtüv  DR,  alT.  N{iciuva  Kritpic^a  ^€t'  *]moö  ^TT<JnT[fj]v  €[!vai  ci.  W. 
nach  T{H]N  ist  etwas  fi-eier  rHUra.  —  23  DR  die  TaOia  irpöc  xjd  XP' 
ö.  t,  ditin  D  ^v^lxupov  dXriÖiJvMc]  (aber  NO  liest  11).  —  24  ff.  R* 
woHte  hier  ir,  5  (bei  Harp.  u.  6w3c€  l^vai)  uiitürbringen:  oö  ^i^v  bi\ 
lydi  [dXXd  6(i6c€  poOXo^ai  rmx  X.  cou  (cou  om.  Unrp.)  toütuu»  iXeclv. 
dies  fiiUt  so  detj  räum  und  entspricht  dem  einne  vortreffik-h;  aber  ist 
oö  Jidv  bi\  iy\h  (iyusY)  dXXd  gii«cbi«ch??  anderweitige  ergänzimg  D 
bei   R»  —  28  TOYTONi; 

X  I  [«c|tuj]-  cu  R,  d  b^]  \V  —  2  MOiJ  DR,  fM  W  —  6  6c  ib.  ß, 
de'  iö.  W.  dna  facB,  zeisrt  nichts.  —  7  dp'  dvTiX.  (Bl)  pap.  corr.  (N  über 
ier  Seite)  WR«  —  9  o^x  fUWR*  —  10  f,  5nM.  *I»v]  gegen  den  räum 
i(D)W~  11  (ÜNAI  corr.,  HAONAI  pr,  —  12  Ti(T)vovTai  ßlW,  HJc^ftovrai 
DR,  bei  dem  h-lutigen  be«it«wech»el  muste  bestimmt  neiii^  welcher  herr 
aufftiltommen  hRtte  —  14  Öc  dv  BIW,  ^dv  R  —  15  dvaXtü^ata  R,  A^op- 
Ti^l^iaTa  W  —  AlAAeiN  pr  —  TTAP  cörr.,  eN  pr,  —  16  lpTdC]u*vTai  R, 
dpxdc.  W,  irap'  4«  mmz  sein:  Uu  deasen  beelUe  der  sklave  war,  als*  usw. 


FBlass:  TircpcC^ou  kot*  'Adrivor^ouc.  155 

Tdp  I  ddv  Ti  dT]a9dv  TipdEiii  f\  dptaciav  €Öp[ni]  6  o[l|K^Tnc,  to]0 
[kJcktiim^vou  avMöv  T[n<T>v€T[ai.  |  cu  öfe  töv]  v6^ov  d<p€ic  Trepl 
cuve[nKÄv  . . .  i  dvTiXcTjOfi^vujv  biaX^Tn»-  ^o\  6  [juifev  Cö|Xiuv  oubi  20 
TÖ  biKatuJC  Tpcicp^v  ^lri<plc^a  ou|Ö€vöc  vö^ou]  oTeiai  öeiv  Kupiui- 
[T]e[pov  elvar  |  cu  bk  oTei  xjdc  dbiKouc  cuvGriiKac  beiv  Kpa|T€tv 
irdvTuiv  t]ujv  vöjliijüv.  Kai  7r[pdc  toutoic  |  i5  dvbpec  biKacTa]l  26 
Ta»(i)  T€  iraipi  täi  i^wx  Kai  |  toTc  dXXoic  ^mTjnöeioic  fX[€T€V, 

djc I de^X[oi I 

b]iup€dv I  K€  .  .,  TÖV  bk  Miöav  KeXeuofi  XI 

M^]  ^[ä]v  auTtüi  I  Kttl  jLiT|  düveicGai,  —  i^i  b*  ouk  iG^Xeiv,  dXXa 
ßou|X€cGai  Tidviac  irpicicGai.  kqI  laÖTa  Ka[l  |  npöc  ujiac  auröv 
qpaciv  M€XX€i(v)  X^t^iv,  iva  |  bx]  boKO\r\  ji^rpioc  elvai,  fic[7T€]p  6 
irpöc  i^XiGijouc  Tivdc  öioXeHöfievoc  koI  ouk  alcOricoj^^vouc  xiiv 
TOUTOu  dvaiö[€ia]v.  —  tö  bk  T€|v6|i€vov  Ö€i  u^dc  d[K]ouc[ar 
<pav]Tic€Ta[i  I  Tdp]  dKÖXouGov  öv  Tfii  dXXii[i  a]uT(Iiv  ^7rißo[uliXfii.  — ]  lo 
TÖV  liky  Tdp  Tiaiba,  6v7r[€p  dp]Tiujc  €l7ro[v,  |  iT[e]\in4,  fioi  X^tovtq 
ÖTi  OUK  [dv  Ti]  cTri  fi[oi,  Sv  |  ixr\  tuyjaifiai  auToö  töv  7ra[T€]pa 
Kai  TÖV  [d|Ö€X(p]öv,  f{br]  b*  i\xo\j  ib^oX[oTn]KÖTOc  [au|Ta»v  KaJTa- 
Gficciv  Tpiüjv  öv[Tiü]y  TÖ  dp[Tupi||ov,  TTpojceXGibv  ö  'A[G]rivo-  16 

[T^vtic  Tipöc  [Ti|vac  tOüv]  qpiXtuv  t&v  iyiwy  .  .  ßou[X]€ | 

diiTiKpaTTic  7rpdT|Li[a]Ta  ?x€iv  .  .  .  .  |  .  .  .  Xa]ßövTi  töv  iraTba  .  . 
HCO I Tfjv  jLitv  cuK0<pa[vTiav y  .  .  . .  20 

iJTlOieiTO,  TUll  bk\ I dJblKTlMdTiUV  KCl  .  . 

I 7T]iCT€Uca[i  ib]c  €T I .... . 

TÖ]v  \xkv  naiba  b\ |  . '. v  ouk  *iG€Xo[v 

17  i&y  TIC  R,  KÄv  Ti  D,  Idv  Ti  W  —  €Öp[ooO|cav  (ö)  6oOXoc  R*W, 
€Öp.  efl  DR«  —  19  cü  ^i^vTOi  TÖV  D,  cO TÖV  W,  toOto.  6v  R« 

—  20  6TrißouX€uo|i^u)v  R,  irapaßaivoKi.  D,  irapaxpouo^.  ci.  W  —  20  ff.  kqI 
ö  in.  Z  .  .  .  cTvai  BIW,  vgl.  Dem.  23,  87.  €rPA0€N  st.  Tpaqp^v  pap. 
0ÖÖ6VÖC  W  —  23  cO  bi  KpQTClv  tAc  d.  c.  dEi|otc  ir.  t.  v.  W  (irdvruiv 
T.  v.  R')  —  24  nach  NOMQN  freier  räum;  R^W)  fährt  fort  Kai  Tr[dv- 
tuuv^tCöv  öi]Ka{|u)v.  dies  KAI  (und  H  z.  26  e.)  müste  auf  einem  beson- 
dem  Btückchen  stehen,   ist  aber  im  facs.  nicht  aufzufinden.  —  26  f.  B\ 

—  26  ff.  sinn  (D):  er  habe  mir  den  einen  söhn  des  M.  umsonst  über- 
lassen wollen. 

XI  1  6lOl|K€pv]  R  —  K€X€001  |1€  W,   KeXeU€lV  fA£  R  —  4  )Ll^XX€l(v)  W 

—  9  so  WDR  —  10  öircp?  s.  unten  zu  X  24  —  11  OÖK  [^^ol]  ctTJi 
VJva  DR;  [dv  i^öc]  (zu  viel  für  den  räum)  dr]  (6IHI  wie  I  3.  II  6), 
[dv  W  —  12  dfAtt  div].  D,  pii]  div.  W  —  töv  äb€\q>,  W,  der  vorher  gegen 
den  räum  [t€  kJqI.  —  13  f.  [tijüv  iraljöujv  kqJt.  Tp.  ö[|ioO  ira]v  tö  d. 
DR,  [dvT*  aölTüiv  Ka]T.  Tp.  öm[oO  öcoJv  (zu  viell)  tö  d.  W  —  16  ö  *Ae.l 
der  artikel  beim  namen  des  gegners  fällt  auf.  —  Tivac  D,  ^viouc  | 
Tivdc  W  —  16  f.  lircßoOXcucc  (^ßoüXcTO  D)  die  d)v  ^irixp.  irp.  t  DR. 
vgl.  über  diese  st.  unten.  —  17  f.  Kai  Tdp  (ohne  T<ip  D)  |  ^loi  Xaß.  t.  ir. 
diri^vjTVicc  R  ganz  gegen  den  räum;  von  T  ist  nicht  vor  H,  sondern 
nach  AA  ein  rest.  —  18  ff.  sucht  D  bei  R  zu  ergänzen,  dieselben 
nehmen  als  rest  der  col.  XI  bis  (also  eigentlich  der  col.  XII)  kleine  frag- 
mente,  die  ich  in  den  anm.  zu  col.  XII  und  XIII  gebe;  es  ist  nemlich 
vollkommen  möglich,  dasz  dieselben  vielmehr  zu  diesen  col.  gehören; 
vgl.  unten  zu  col.  XI. 


156 


FBIobb:  TTr€pe(feou  >caT*  *A6iivoir^vouc. 


26 ,  .  II ouv  T€T[TapdKOVTa  pv  .  *  I  .  *  * 

XU  .  ,  .  .  it€v]T€  TaXa[vT I  des,  versua  II?  [oö|t€  ^upo- 

Tru;Xri]c  cifii  oöt'  dXXriv  [ij^xvnv  ^[plT<iEoM«i »  ctX]^'  ÖTrep  ö  ttottip^ 
^01  [^]buJK€V  I  Ixujv]  .  .  ►  .  .  HITH  YtuüpTu»,  y^[o]  ^i-  tou]tou  tk 

5  tfiv]  divnv  ivecekBnv.  TioTEpa  ||  t^p  ekot  ^ct]iv  \h  'A6tiv6xcv€c 
t^t  Tf\c  cf\[c  \  T^xvnc  dineju^ficai ,  f\c  oö[k]  fiv  .  .  ipLmi\poc,^f\  ce 
Kai  T]f|v  ^Taipav  loic  U]|ioic  ^TiilpouAcöcai;  i^\b  ^Iv  fäp  oio|iai| 

10  6piüc.  bi|oTr€p  ti  dvbpeq  biKactai  i^ox  ^ev  öv  ttl'KÖTuJC  cuttvlö]jutivi 
^X^itM  ...  -  Oiivai  I  ..........  .  KOI  dTuxficai  T[oioü]Tyj[L  | 

dv6pumüüi  irepJiTrecövTa,  'A0r|v[oT^vci  |  te]  —  —  (des.  versus  XVI?) 

Xin  I  €V€ TTjdvia  i^o\  elvai,  xd  hl  tnc  d]TfdT[iic  Kiphr\  auTjuj^i), 

—  Kql  TÖy  )i£v  Miba[v]  xöv  |  toX £ai,  öy  ökiuv  <pi|dv 

6  dfirojXucai,  [  tout[o¥  ...,...*.  feiv*  tou  be  Tiaiboc,  [öv]  totc  || 
7ipoiK[d  ^oi  qpiicivj  bibövat,  vuv  auT[ou  XJaßetv  |  dpifup[iov  ttoKü 
7TX€i]oy  Tfic  dfiac,  oux  tu[c]te  ^^öv  |  €[Ivai,  .  *  .  - ifii 


col.  XII.  die  verbtndiiiig  zweier  getreniiter  fragmeute,  wodurch 
diese  col.  tiberhaupt  erst  ergäiizbar  wirff^  verdanken  wir  Dieb,  — 
1  oÖT€  DR,  oO  W  —  l  f.  ^iic^aönKetv  R»  g[xuJ  dTopamv  W  —  3  f .  l6u>Kf 
fei|a9^^€voc  ^v  rf}]i  y^»  T^urpxiii  (rtQPfGi}!)  DR;  aucli  W  denkt  »n  drro- 
2[f|V  iv  T^  Yfli  obwohl  er  (aiischeiimiid  mit  rei-Iit)  nickt  f  »oudern  T  im 
pHp.  liest.  —  3  T[f|]i  hi  toC»[tou  \  ^xaipai  elc  t.  lO,  R.  Otto  hi  ToifToul 
i.  T,  IM.  D,  [t(]  0^  Toü  TTwböc  ^püjv  clc  TüdvTUJv  üü.  L;  W  —  6  mÖa- . 
viüxeod  L  R,  vt^  Aia  €Iköc  ^.  W  —  6  x^x^t^c  W,  ipraciac  R  —  6  f. 
coö  [örjXab]»'^  (oder  Ko^iötl)  ^Hirctlpuic  fx^vroc  xj^v  DR,  fjc  oö[fta]^fJ? 
IßTieilpwc  tx^t  ^  c^  Kai  xjj^jv  i.  W  —  7  f.  ^mßouÄ.  D,  iirijcaveiv  xpn- 
puxav  W  —  8  t  ölKfliiurc  tu  d,  R,  b.  äv  lli  ä,  W,  es  ist  kein  freier 
räum  vor  AI.     vgl.   c.   Dem.   c,  20»  6.-9  dv€i|vai  xd   XP^CI  W;   cixö- 

TUfC   D  —  11  f .    XOÜXUUt  I  XÜUl   HaVOypTUJl   ^TTITTtC.    li    (lieplTT.    D),    ^(JtTTCC.   W 

—  an  diesem  frafmente  befand  »ich  znerst  noch  ein  aaderweitifreB  an- 
geleimt, welches  (mit  lücke  einer  zeile)  reate  von  z*  14  f,  «u  eutlialten 
BcUienr  — oc  xpr\c&\x€volc  —  i  x[d  TT£TrpatM^v[a  — .  sodnnn  gehören 
vielleicht  zu  col.  XII  und  XIII  ^ie  folgenden  lofigelö*ten  frapmente: 
{b)  —  avTTic—  !  —  Ä.€ic€v  aXXo—  |  —  yxa  ir^noveev  t—  |  —  u»v  dvoXuj- 
ilfdriuv  (R)  [.  {c,  mit  tt  zusHinroenhängend?)  —  dluaT[€X—  | '— öjqjtt- 
Xouc[i—  I  —  6tt6x€  diT^Aucev—  |  —  üi  dvö]p€C  öiKacx9(  — .  hiermit 
wohl    sosammeDliängeud   {ä),    als    forfietKKng    der    letzten    z,t    [oCr]&€ic 

{^jjjiüüv] —  r||Xou  I  —  — Ktt.     da»  stück  hat  auch  noch,  gegenüber 

den  beiden  letzten  z.,  zeitenanftlnge  der  folgenden  cot,:  tbt<3t —  |  .^, — , 
äbolich  beichafi'en  {«);  coL  A  — €  |  — T\y  |  —  acav  1  -^Xc  |,  col.  B 
,  .  .  —  I  .  .  ,  —  I  öoc  Ka —  I  OTOU  —  )  ,  ,  ,  lü  — ,  endlich  ende  einer 
col.   (/):  —  JJfVXl— . 

coL  XIII.  die  reste  von  coL  XIII  setzen  sieb  zusammen  aus  den 
anfangen  von  z.  l^Il^  erbattcn  auf  einem  stücke,  welches  mit  col.  XII 
ZU'^amiüeQhänt^t,  und  einem  gröszern»  die  mitte  und  zum  teil  auch  die 
«eilonaupgänp-e    gebenden,    mit    XIV    ziisammenhüngfudeu    stücke.    — 

1  ^v€[öp€ucac  R,  xA  ^Iv  xQKd  tou  ÖMöXoti^  |  iv€[xo|j^vouJ  it.  cL  W  — 

2  «o  K  (aöxtl»i);  dann  M(bav  Öv  R,  Mfifctv)  töv  W,  es  scheint  hier 
eine  talte  im  pap.  zn  aein,  «o  daiiz  für  ANT  ranui,  —  3  ttoX  —  W  —  für 
ONAKCQN  scheint  OMANG)N  dazustehen.  —  4  xoÖ[xov  R  —  xoö  hi 
jfaxböc  [8v]  (D)R,  töv  U  ital\ba]  W  —  5  Trp.  fcpacKC  ö.  R  —  awxoO  D 

—  6  Tf^c  dEfac  D  —  7  <i(f\c  clvai,  dXX'  üicxc  6m]o0  xfli  i|i.  Dj  W  tiodet 
&u  sechster  stelle  vor  THI  reste  von  O. 


FBIabb:  Tvcpcitou  KOT*  *A&r)voT^vouc.  157 

q]VTiii  i|ifiq>ui[i]  dXeueejpov  durfeenvai —  trw  ^^vroi  ouic 

d£iui  I  irpöc  Toic  £XXoic  Kod  aTi]miiöfiva[i  ü]ir*  *A9TilfvoT€v[ouc  10 
Xtav  Totp  &v]  b€tvöv  cu^ßat;voi  |i[oi  (b  ävbpec  bticacjrai,  ei  jii .  i . .  oc  | 

V  f]fiapTo[v  ....  by 

....  via ou  I icrpcev T€  |j  iß 

[dJbiKfjcac I 

T]i)yiiifian  b | xai  iroXix } 

ijib  T I  (des.  versus  X?)  |  kw-  XIV 

TttTOi  T&v  fiCTOiKuiv  A4> | .  ecOai.  —  iy  l^  täi  iT[o]X^|Liuit 

Tiöi  7r[pöc  <l>iXi7rjirov  M^^pöv  irpö  ttjc  ^dxnc  äniblßa  T]f|v  |  ttöXiJv, 
Ktti  iieff  üjLiuJV  }ikv  ou  cirv€CTpaT€ÜiC[aTo]  €ic  Xaipiiiveiafy],  dEiiii-  6 
KTice  bk  €lc  TpoilCfjva,  irapd  töv  vö[>i]ov  6c  iceXcuet  €v[Ö€i£iv  | 
€?y[ai]  Kai  diraTuiTTiy  toö  dEoncrjcavToc  \iy  \  täi  noX^fiuiii  ddv 
iridjXiv  ?X9fii.  —  Kai  T[aÖTa  dnoi  ei  [rfijv  ixkv  ^K€iviü[v]  ttöXiv 
dic  Ioik[€  iT€pi^|!C€[c8]ai  u7roXaMß[dviuJv,  xfic  V  f|M€[T€pac  Gdjva-  10 
[to]v  KaTaTVo[uc],  koi  rdc  6uto[t€poc,  &c  i\^f\[y]  irap'  ujiiiv  ^Tb[i- 

öö]vai  iKOp[^]i|iai, I  . . .  .  i£ib\iJK[ey]q ...  €  irdXiv  f^[K€i 

I  TT .  . .  dpTacö^€[voc ,  ^7r]€i  elpnvii  t^[TOV€v  . .  J  t  . .  .  .  a  16 

tdp  ufi  .  . .  .  K]aciv  Ol  xpnc I ojijTOi  ttoi 

Tfil   CipriVTll  IT I TTO dv  TO[jC 

I fitv  ^[v]  TTXaTa[iaic .  . .  j 

ÖTJcavTec  o | 20 

*A8n]vOT[€V  .  .]  TT I x^iv  . . .  vui 

I u9 1  (des. 

versus  VI?)  [rdc  |  KOivd[c]  xfic  nöXeoiC  cuvGiiKac  Tiapaßdc,  |  Ta(T)c  XV 
ibia[i]c  Tipöc  iixk  lcxupi2[€Tai ,  ujcirep  dv  |  xiva  TreicGevTa,  ibc  6 
Ttüv  Tipöc  UMÄc  öiKa[i|ujv  KaTaqppovTicac,  oiSroc  av  tujv  irpöc 
i^k']  ^cppövTiCev.   5c  oötu;  irovripöc  den  |  Kai  iravTaxoC  6^oioc,    6 
tüCTC  KOI  elc  TpoiCfJlvJa  dX9u)v  Kai  Ttoiiicafievujv  aöiöv  Tpoi|2[Tiviujv 
TToXiTTiv,  uTTOTTccibv  MvTiciav  |  TÖ]v  *ApT€iov  Kai  uTT*  dK€ivou  Kaxa- 
c[Ta6]€k  II  dpxiwjv,  dE^ßaXev  touc  TroXixac  ^k  ttjc  |  ttöXcJwc,  die  lO 
\>\x\y  auTOi  ^apTupricouciv  •  iv6]db€  tdp  cpcutouciv.  Kai  öjicTc  fitv 

8  d<p€e.  D,  ders.  iyih  ^.  —  AHIOI.  —  9  Bl  (driM.  ci.  W)  —  10  so 
D;  . .  .  b.  &v  cuMß.  R  W  ~  11  fAOi  d»  d.  b,  R,  |i[oi  irp]6c  |  xfii  dTux^ai  D 

XIV  1  diroXcI^diTaToi  D,  dq)(KofvTo  in\  t6  ^d;xec6ai  R  —  2  irp[d]c 
[töv]  (DijXiiTTrov  falsch  R(W),  indem  in  3  fiir  AITT  kein  räum.  — 
3  ÄTitOXiirc  [T]f|v  RW  —  6  €=OIK  pr.  —  9  irepUc.  W,  ircpiiroinjccceai 
DR  —  10  f.  Bl  nach  c.  Philipp,  v.  113.  -  11  f.  Gut.  oök  i^rlTJ^nCcc] 
irap*  öiniv  oOö^  [T^K]va(i)  ^Kep^va[i  IvOdb*  i^HiJou,  dXX*  iUb.  dfXXoclc  W, 
T.  e.  I  ^Tinia  oÖY  öfAlv  oöb'  ö[Mdiv  kUa  iKQp.  oöö^va,  |  dXXAl  il.  d]XXoJC€  D 
—  13  irdXiv  UlKUiv  W,  irdXiv  h*  (?  ?)  i^XBc  Tf)v  ^p;T[aclav]  ipf.  D  — 
15  T[d  iroXXJd  tdp  ö^iftv  eldiBajciv  ol  XPi^c[inoi  aürolc  a]ÖToi  iro[X€M€lv 
^v]  T.  €.  ci.  W;  Td[xiCT]a  ydp  ö)Li[tv  diropncjaciv  ol  xPncfiMtÜTalToi 
o]ÖTOi  iro[XtTai  D  —  17  ^v  toIc  Kivb[uvoic  (ickiv6  invisible  W).  — 
18  ^v  TTXaT.  R 

XV  2  TAC  und  vielleicht  lAIAC.  —  3  AIKA|IQN  RW  gegen  die 
Silbenteilung.  —  6  ^|m^  DR,  €m'  W  —  OYTCOI  —  8  Mvnciqt  T(ji  7^pT€{i|i 
D,  8.  aber  Ar.  Ri.  47  —  10  nÖA€ITAC 


158 


FBlasfl:  TTicpftöou  kot'  *A0t)vot^vouc, 


ÜD   ävibp[cc   öiJKacToi  ^KTi[€]c6vTac  outoijc  [ii]n£l>^|£]a[c]0€  Kai 

16  ^TtoXiTac  ^Troii]cac0e  Kai  lujv  u||jli€T^pujv  dtaBüjv  Trdv[Tuu]v  |Li£T^boT€, 
dino^vri^oveucavTec  rriv  cuepfcciijav  [  tti]v  npoc  töv  ßdpßapov 
ti*  ^Tuuv  iTXe[i6]vu>[v  I  fl  7re]vTiiK0VTa  K[aiJ  ^[KJaröv,  xai  oiö- 

20  [|jev]oi  I  beiv]  Touc  ^v  xoTc  Kivbuvoic  vpdv  x[p]i}dpiOvc  [)  t^vo- 
^^]vouc,  ToiiTo[u]c  dTuxop[vTac]  ^u|€ceai]  ucp'  iijuu>v'  outoc  hi  ö 
mapöc^  [6]  dcpelc  |  y^dc  Kd]K[€i]  €TTpctqp[6i]c,  [o]ötc  ttJc  noX[i]- 

25  Tei[ac  1  oute  ttjc  €Üvo]tJC<Td>'n][c  ttjöXeujc  oubcv  [d]TT€|bcKaTO 
5Ei]ov,  dX[X'  oÖTJuiC  ujjiujc  TOic  viTOübcEaptvoic  ajuidv  [^XP]n- 

caio,  UJCT€  .  *  .  xa  I  * o  ^v  tfii  eKKXT|cia[i ......  | 

Tqia  Tou I  (deeat  versas  I?)  | 

XVI  pav  b€biib]c  *  . .V  *  .  T  .  *  TT  .  ev.    Kai  raOlia  ÖJxi  d[X]T]ei| 

X^[tuj,  dva]Tvi6c€xai  u^vv  irpyjxov  1  fi^v  x6v  vö[|i]ov  [8c]  ouk 
Ml  xoÜG  ^cxoIkouc  1  ^foi[K€iJv  i[v  xuui  TTJoXemui,  —  frrcixaxfiv 

6  TpoiZTi[vrajv]  pap[xu]plav»  Hpöc  bk  xouxoic  x6  |  xüjv  [Tpoi^nviujjv 
ivr|(picpa,  5  4i|jT]<picav|xo  xfji  nöXei  xfjt  ujujex^pai,  bi*  8  ii|Aek 
aiiTovc  I  iiTTcbe^acSe]  Kai  [irJoXixac  dtioiricacee.    dvdlxvuüei» 

10  IINOMOZ].    MAPTTPIA. 

THOIIMA]. 

Aa[ß^  br|  poi  Kai  xfi]v  xoCi  Kr|b[6Cx]oö  aiixoö  |  p[apxupiav,  wc  x^v] 

^^v  oucia[vJ  .  .  ci  Xa[ß  . .  |  TTa[pd [Kax]aXei(p[e]  .  y  •  ♦  • 

16 II  ab  .  . .  , €£ric  Tia  .  • |  x  .  .  .  , 

*  *  'AvxiT[övav I  T€  ^- I  (des,  versus  XI?) 

XVII  [Trpa|x0^vxa,  Kai  8v  [xp]6irov  ^[TnßeßouXcuKev  |  ^loi  'A6r]V0T^vr|C, 
Kai  ujc  ijjii[v  TTpobÖTHC  €Öpii|xai.   xov  hf\  Kai  lbia[i]  noviipdv,  [koI 


18  7r€VTr|KovTa   oboe   f\  KW,    g^gcD   den   raam    —  00[M€N]OI  pr 

—  20  ATYXON[TAC  nach  \\\  nicht  richtig.  —  xö!pK]6f|vai]  K,  kou- 
<p]lc[Ö.  ci*  W,  dvTiTTa8€lv  D.  zn  fjüccöai  v^l.  Epitaph,  c.  3  (4),  16  ()[uo^dvn. 

—  21  [ö]  dcp.  D,  [ö  h^]  d<p.  W  —  22  6^.  Kai  i%€l  H  —  iroXiTclac  obno 
klammer  RW  —  rS  YCTH[C  pap,»  oöxt  ÖVTticp]uc  Tf)C  D,  oÖT€  ToO 
TtX^6o]vJC  X.  W,  gegen  den  räum,  lür  die  eCvoia  ^er  Troizenier  vgl. 
Dem.  epi«t.  2,  18  ff.  —  oOÖ^v[a]  TTCitpilfXaxe  vöpjov  D,  oü6^v  Ti€J(ppöv- 
TiK€  ttX^Jov  W  —  24  OMCJC  pr.  —  toIc  TfiG  |  beEa^^viic  aJOxdv  f^xP«  W, 
xo6c  jf^c  I  tröXcujc  <)9*  ajöxöv  [l-noij^Qaio  K  —  25  ff.  üjcxe  [irdivjxa  (  dcl 
i^T|qpicav]TO  (iyriqiiCovJTO  D)  H 

XVI  1  T^v  t)p€T^;pav  [b]e6iub[c  Timiipiajv  diT|^]cT[r|]c€v  R;  VV  er- 
kennt nach  der  groüzen  Jucke  N  .  .  T  .  .  T  *  .  ^NKAI  —  2  TaO|xa 
öi[exl]er|  d€[(  R*  taöxa  <öti  dt>Xrjölri  Xd[xuJ  W,  der  Öti  k\a  übcrgcschr. 
erkennt.  —  3  [dcircpj  WOR^  wegen  eine«  kleinen  streifeni ,  der  €P 
enthält,  desaeti  sawelaong  an  diese  atelte  mir  aber  sweifelhaifl  iitt.  — > 
i  (OITT  (?)  aaf  dem  beaagfcen  streifen»  —  6  [Tp.  aOxui]v  gegen  den  raam 
R,  [tp.  KOivö]v  (desgl.)  W  —  1  9o  D  —  rf\t  [vmJex.  RW;  daa  fites. 
eeigt  kein  THL  —  12  X.  ^oi  vöv  Kai  xi?|v  R  —  Kn^ifcxoö  xJoO  aüxoO  H  W 
(der  das   eine  TOT  «treicht)»  gegen  den  räum.  -^  13  jiapT,  üjc  Tf\y  DR 

—  tr^pyjci  Xa[ßd;v  DR  (g«gen  den  räum).  —  14  irafpA  xoO  irarpöc  Kai 
xjä  X€Mp[6^]vTa  ÖTTÖ  xüuv  aüToö  j  db[€X(paiv  xaOxa  itp€]lf\c  DR,  dann 
15  D:  iTdv[9']  ib[c  adjpßaviv  (Tiavuj  auch  W)  Tt[p(>C  xVjv  Ixalpav] 
'Avxixövav  [dvnXuucfv. 

XVII  1  ao  W,  itreßcßouXcOxct  imol  R  ^  %  npoh&n}C  ^«i^paixai  R, 
cöprjxm  (nöp.)  (D)W 


■>•     *«  »■ 


CT    "rrocr^-E-    -£••  Tii'.~m   tti   iu«n     :uii:  t^  *T-Ätio:  Af-jutr»  .r-* 

U£AA€  Äi  ~— ,•'  ^^  "^^  - 

—  —  *».- ^'  ;I~  ^^^.>\:  hiioirr  n 


jjcnmei    rk-ii  .ziz-ir:  rii  L:rKT  IT";   i-ä?:     ~r-  E  -i.     —  -1  kttl- 

•'u'"^:\  'lx  ür:  HÄSt  fiiiiT-j."  ZU    eh.;  -jn-rrir:  =i.:  irr-  —  «:  c^- 

msa*  iriitJTT  Cii  IL  ötT  njc  aii;^:  n^iz:  11  i'e*?r.B5-gi  züi  ULar 
reruüt  arauretL  l^ix  warei.  r-Krei  f!:r  du  o:  i'ü.  ZZ  ••eiiÄ=TT£:5i. 
ixuiisacxtäi  zeuisiiäfif  i^ejT^eL'ii:!:"  -  er^r  m  -"nL-.r  --  J_  "• «  rrrtst 
ztjuxniistt  II  "luiTt:  —  "  c  vüiiti:^  die?  iFea^ri:  iLiji  I"sui.  1  Enerx  . 
L  Z'ior^sc't  i  ^-ei .  "^c  -eku'^  rmzairefiiir  ir.  —  -.  £  ica  "rax  zisw.' 


-r%    jujxjci    TT     ZT     -i-E         —    :   H'-uc£    To^.TDv:    L     i=  a.'i!rn:t^     1.. 

''K^       iia-ji     L    ;     :.  -::2f7:     ..i:!:-:;-    H    t —  i'     L:z.::2*rt.;-ei    -r^r'Jii^ 

rertiex.   —  <  "TDHII/N*^^    ;••     —  -:t'-    tdidit.t«   rrur:  !•    tdi-td^   kd^vc- 

flirt  ijiv;:-  ii^'ijr  s^i^  z:  l'^rn.  2t  r^:.  Sri-  —  '  KC  -rru—  IL  — 
t  €»  TU  iraiit'^^  in  Trio  .:-:*  -!  ..i^.  L  .^^;ijx  i*;ü"  i.  c^tTii  Z'^i^-ib-i" 
tu-  iL  i;*  —  i-  :  T  ^Kcr.ijji  -z^  i  '  .  Tr-t.r-cra  I  —  1.  iAt#£:^  ci 
Tpt  LTT.  ^rt-^Tvo«  Ti  c; -u-viiBira.  ;  —  11  TTUiju  ]^  crra/^ABt^nx.  I  — 
:*  --u  c  c^  cTTü^i— ^.  ü  D.  rr^  kctttüd .  n^  crn/Ai  i'üa  !•  n'in}- 
av€  L— n.  V  —  li   cTTü/*/  L'ua.  L —  -tttj.    di   tw  b^   öi'^    tdl -ru** "  tu'» 

tue».  LV"  —  2t  tffvcjL»:  -££  o'-.-  dn  L 


160 


FBlasar  Twcpcffcou  Kai*  *Aöt|vot^vouc. 


hinter  der  scene  wirkende  XofOYpctfpoc  in  der  that  nicbt  vorbanden. 
—  7  vö^oc]  Dem.  Lept.  9  (Weil), 

Yll  1  f.  über  die  dvatu>Yr|  sieb  Lipaius-M.-Scb.  att.  proc.  716  f. 
die  zweifei ,  ob  nicbt  überbaupt  bei  jeder  verkauften  sacbe  die 
&vWiWff]  zulässig  gewesen  sei,  erledigen  sieb  nach  unaerer  stelle 
Tollsiändig;  sie  galt  wirklieb  nur  bei  Sklaven ,  indem  sonst  Hyp« 
es  sagen  würde.  —  21  f.  das  gesetz  bei  Dem,  c.  Stepb.  II  18  (W). 

VIII  2  IF.  Dem.  ebd.  14.  —  14  ff.  inwiefern  der  ^precber  st«tt- 
gebabteB  zwang  belinupten  katiO|  und  in  demselben  satze,  in  welchem 
er  das  T^vaiKi  TT€i96|ievoc  auf  sich  anwendet,  ist  unerfindlich, 

X  11  ff,  dies  Solonische  gesetz,  welches  abweichend  von  dem 
betr*  römischen  denjenigen  herrn  haftbar  machte,  der  es  zur  zeit 
der  Schädigung  gewesen  war,  eföcbeint  hier  zum  erstenmal.  — 
24  ff.  der  hier  eingeführte  zweite  einwand  des  Äthenogenes  stützt 
sich  auf  ein  vorkommnisi  welches  dem  erhaltenen  teile  der  erzäblung 
vorausliegen  musz:  Ath.  will  sieb  erbeten  haben  den  söhn  des  Midas 
dem  kläger  umsonst  abzutreten,  dabei  ist  auffällig,  dasz  hier  überall 
von  kauf,  nicht  von  loskauf  gesprochen  wird,  was  nach  II  22  tf.  erst 
im  letzten  stadiiim  eingetreten  zu  sein  scheint,  natürlich  aber 
wird  mit  dem  erstenj  jetzt  verlorenen  teile  der  erzüblung  volle  Über- 
einstimmung gewesen  sein,  und  auf  diesen  teil  bezieht  sich,  wie  ich 
meinen  möchte,  der  redner  XI  10^  indem  dort  ÖTT£p  dplitJUC  eTiCOV 
statt  ÖVTT€p  d.  €.  zw  schreiben  sein  wird, 

XI  15  ff.  die  stelle  ist  zwar  arg  verstümmelt,  scheint  indes  bis 
zu  einem  gewissen  grade  noch  aufztihellen.  ^iitKpaTf|C  als  adjectiv 
ist  befremdend ,  und  bei  dem  geringen  umfange  der  lüeken  schwer 
durch  ergänzung  zu  einem  passenden  sinn  und  in  eine  construetion 
zu  bringen;  sollte  also  nicht  *E7TiKpäTr]C  uls  eigenname  zuschreiben 
sein?  und  dann  doch  als  eigenname  des  Sprechers,  und  wenn  dies, 
natürlich  in  direct  angeführter  rede  des  Äthenogenes;  so  gewinnen 
wir :  [ei]  ßouX€T[ai  |  f cpi]  'e]niKpdiT|c  npotT^aia  Ix^iv  .  *  .  .  nun 
kam  ein  angebot  betreffs  des  knaben,  aber  böswillig  gemeint; 
darauf  musz  dann  Tr^v  CöKoqpavTiav  .  .  d7roi€iTO  gehen ,  indem  die 
annähme  für  den  Sprecher  gefährlich  und  der  anklage  ausgesetzt 
gewesen  wäre,  —  22  ff.  sinn  offenbar:  wer  könnte  glauben  (tic  Sv 
TTiCTeucai),  dasz  ich  ein  solches,  ernst  gemeintes  angebot  nicbt  hätte 
annehmen  wollen,  sondern  darauf  bestanden  bätto  den  Midas  nnd 
die  saibenfabrik  dazu  zu  kaufen? 

XIII  1  ff.  ich  gestehe ,  dasz  mir  in  dieser  columne  sehr  vieles 
völlig  unklar  ist,  bezüglich  des  [dTiJmJuOfJvai  in  z,  9  bemerkt  Weil, 
dasz,  wenn  der  kläger  verlor  und  infolge  dessen  zublen  muste,  wozu 
er  nicht  im  stände  war,  ihm  ein  process  ££oOXr|C  und  damit  die 
atimio  drohte,  aber  diese  art  von  process  ^SoyXT|C,  mit  busze  auch 
an  den  staat,  fand  doch  nur  dann  statt,  ötav  Tic  d<|)XuJV  biKr|v  ^i\ 
^KTivrj  (Meid.  44),  nemlich  dem  sieger,  und  mit  gewaltsamer  vor. 
enthaltung;  in  unserm  falle  aber  sind  es  ja  forderungen  dritter,  die 
den  kläger  bedrängen,  während  er  den  Äthenogenes  längst  bezahlt 


EH  aase:  zu  Xenophons  Anabasis  [IV  8,  10].  161 

hat.  man  wird  also  Demosth.  c.  Aphob.  I  67  f.  yergleichen,  wo  dieser 
ebenfalls  von  der  ihm  drohenden  atimie  spricht,  und  zwar  wegen 
der  epobelie,  die  er,  wenn  er  nicht  den  fflnfien  teil  der  stimmen 
erhielt,  an  Aphobos  zu  zahlen  hatte,  die  nichtbezahlung  dieser  busze 
musz  nemlich  offenbar  atimie  zur  folge  gehabt  haben. 

XIV  6  v6jLiov]  hier  zuerst  erscheinend. 

XV  8  Mvriciav]  Mnesias  oder  Mnaseas  wird  bei  Dem.  kranz- 
rede 295  unter  den  Verrätern  von  Argos  genannt,  das  hier  erzählte 
fällt  natürlich  einige  zeit  nach  Chaironeia,  und  zwar  berichtet  auch 
Ailianos  ir.  i.  VI  1  (Schaefer  Dem.  III*  s.  40)  von  widerrechtlicher 
knechtung  der  städte  der  Akte  (Epidauros  und  Troizen)  durch 
Philippos.  Schaefer  meint,  Troizen  könne  damals  nicht  Argos  unter- 
geben worden  sein,  da  es  zur  zeit  von  Demosthenes  Verbannung  als 
selbständig  erscheine;  aus  unserer  stelle  ergibt  sich  indes  das  gegen« 
teil,  und  wir  werden  annehmen,  dasz  Troizen  unter  Alexandres  wieder 
selbständig  wurde,  wohl  nach  der  zeit  unserer  rede,  indem  diese  von 
der  noch  andauernden  Verbannung  der  attisch  gesinnten  Troizenier 
spricht.  —  15  ff.  s.  Herod.  VIII 41  und  besonders  Plut.  Them.  10  (W). 

Halle.  Friedrich  Blass. 

20. 

Zu  XENOPHONS  ANABASIS. 


Für  Xen.  Anab.  IV  3, 10  bieten  die  neuern  hgg.  nach  den  hss. 
dpiCTUJVTi  Tui  HevocpiIiVTi  irpoc^Tpexov  büo  veavicKUJ,  mit  dem 
cod.  Guelf.  und  den  altern  hgg.  schrieb  KWKrtiger  noch  in  der 
3n  aufl.  (1850)  seiner  ausgäbe  TrpocTp^x^TOV,  in  der  6n  aufl.(1871) 
steht  Trpoc^Tpexov. 

Ist  biio  veavicKUJ  richtig  überliefert,  dann  ist  in  dem  vorauf- 
gehenden pluralischen  prädicat  eine  ausnähme  von  dem  sprach- 
gebrauche Xenophons  zu  constatieren.  denn  für  ihn  gilt  die  regel : 
wenn  in  einem  satze  das  subject  (mit  oder  ohne  buo)  im  dual  steht, 
tritt  auch  das  prädicat  in  den  dual :  Anab.  buiX^Triv  tuj  (päXaTT€ 
&n*  dXXrjXujv  18,  17.  xai  toutuj  dTre9av6TT]V  .  .  fjcTTiv  hk  äficpuj 
II  6,  30.  büo  TUJ  TTpecßuTdTUi  CTpaTT]Ydj  dTrijLi€Xoic0T]V  III  2,  37. 
buo  KaXu)  T€  KdTa9u)  ävbpe  T^9vaT0v  IV  1,  19.  tuj  AdKUive  dXe- 
T^TTiv  VII  6, 7.  Apomn.  KttKÖv  ^kcivoj  xfiv  iröXiv  d7roiT]cdTTiv  I  2, 13. 
öpOüVxe  Ktti  ÖVT6,  otuj  7rpo€(pT]c0ov  §  15.  TUJ  b*  dcpdTTiv  §  34.  Hell. 
Tib  fivbpe  dT€V^c0T]v  (püXaK€  . .  tuj  bfe  elcT]TaT^TTiv  Km  direbeiEdTiiv 
IV  4,  8.  TUJ  buo  CTpaTTiTiw,  S)  cuvT]TncTdc9T]V  V  4,  19.  Kyrup.  Wo 
dcTÖv  MJUxd  VI  1,  41.  wird  dagegen  das  prädicat  durch  attribut- 
Sätze  von  seinem  subject  getrennt:  (&ciT€p  ei  TUJ  X^^P^)  de  6  Oeöc 
^711  TÖ  cuXXafißdveiv  dXX/|Xaiv  diTGincev,  dcpefi^vuj  toutou  Tpd- 
TTOiVTC  und  el  tuj  nöbe  9€ia  fioipqi  7T€7roui|i^vuj  irpöc  tö  cuvepxeiv 
dXXriXoiv  d|i€XricavT€  toutou  dfiiToblCoiev  dXXt^Xuj  Apomn.  1 3, 18, 
oder  folgt  auf  einen  satz,  in  welchem  der  dual  eingeführt  ist,  ein 
zweiter  satz:   dirixeipeiTOV   fivbpe  buo   bmbüvTe  bid  xeiii&QQOx) 

J&hrbftcher  f&r  cUss.  philol.  1893  hft.  8.  11 


FBlasB:  Tirepel&ou  Kat'  *AÖtivot^vouc. 

26 i ouv  TeTfTapÖKOvxa  ^v  *  .  I  ,  * . 

XU  ...  *  tt€v]t€  xaXafvT |  des,  versus  II?  [oöfre  ^upo- 

TriJuXnjc  ei^i  oöt*  ä\\i]v  [t]€xv?iv  d[f»[Tailo^iai|  dX]X'  äirep  ÖTratfip 
poi  [?]5iUK€v  I  fx*^v] HITH  ycLupTU',  V^[^]  t>fe  tou|tou  eic 

6  Tf|v]  (ivriv  ^V£C£ic0r|v.  TTÖiepa  |  fctp  eixöc  kjjiv  iJ&  'Aer|vötev€c 
d|i^  Tflc  cfi[c  I  Texvri^^TTiöJuiifjcaij  iic  0ii[*cJ  rjv  ,  .  I^Trei^poc,  f\  ce 
Köi  Tjnv  liaipav  Tok  [^]^oic  dTn|ßouXeucm;  ^t^  |uev  tütp  oio^iai 

10  ifiäc.  bijÖTTep  lu  övbpec]  öiKacTal  ^poi  ^ev  äv  elkoTUJC  cyTTvtij](Linv 

fXOiT[€]  ....  erivai  I  * Kai  dTuxflcai  t[oiou]tuj{i  | 

äv6pübTTujl  iT€pli7T€c6vTa,  'Aör|v[0T^vei  |  M]  —  —  (des.  versus  XVI?) 

XIII I  eve irjavta  epoi  tivm,  la  hi  Tf|c  djirdtfiic  K^pbri  auT]uu(i), 

—  KCii  t6v  ^kv  Mi?>a[v]  tov  |  toX  ...*.,..  Im,  8y  ükwv  cpiiclv 

6  dfiroJAöcai,  |  toOt[ov  *  .  . Eeiv*  toö  hk  naiboc,  [8v]  töt€  || 

npotK[d  Moi  qpricivj  bibovai,  vöv  aÜT[oO  Xjaßtiv  |  dpiupfiov  noXu 
nXeiJoy  xnc  dfiac,  oiix  >Jj[c]Te  ijiiöv  |  e[Ivai, Tni 


col»  XU.  die  verbindang^  zweier  getrennter  fragrnetite,  wodurch 
diese  coL  uberhuwpt  erst  ergütizbar  wird,  verdanken  wir  Diels.  — 
1  oÖT€  DR,  Ol»  W  "  l  f.  ^|^€^ia0nK€iv  R,  €Jxu>  dTopafav  W  —  2  i\  ^biuict 
i>i|aefMevoc  ^v  Tf|]i  yf\i  fcuupTÜJ  (rECOPrOl)  ÜR;  auch  W  denkt  an  dtro- 
Zf\y  iy  Ti^  tQ)  obwohl  er  (außclietriGtid  mit  re*  ht)  nicht  f  «oudern  T  im 
pjip.  liest,  -^  3  Tffi]i  b^  toi»[tou  I  ^Tflipai  tlc  t.  iIj,  R,  Otto  5^  toutoui 
l.  T.  vu.  D,  [ti]  oi  TOÖ  traiftöc  IpiDv  ek  TitivTUJv  di.  **;  W  —  5  mOa- 
vuÜTcpd  ^  K»  vf)  Aia  eUöc  ^.  W  ^  6  T^x^n^  W,  Ip-raciac  R  —  6  f*  f^ 
eoö  fbriXa&]f|  (oder  ko^xi^^)  ^^ircilpoic  ^xovtoc  T]riv  DK,  fic  oiifftaJMfli 
i^ireijpujc  ^X^*  ^  «^^  itoi*  tJt^v  i.  W  —  7  f,  ^TrißouA.  D,  ^Trixaveiv  xPÄ- 
Haav  W  —  8  f .  ftiicaiujc  i  d.  R,  6.  dv  d»  Ö.  W*  es  ist  kein  freier 
ratim  vor  AI,  vgl  e.  De  na.  c.  2i},  6,-0  dvel('vai  rä  xp^ct  VV;  ciKÖ- 
TUJC  D  —  1 1  f.  TOÜTU>i  I  Tüji  TTavoiPpTtwt  inm^c.  R  (TTCpin.  D),  ijüiTitc.  W 

—  an  diesem  fragraenle  befand  sich  suerat  noch  ein  iiuderweitipes  an- 
geleimt, welches  (mit  lueke  einer  r^eile)  reste  von  z*  14  f,  zu  enthulten 
ecliien;  —  oc  xpTicd^€vo[c  ^  j  T[d  tt£irpat^^v[a  — .  lodanii  geboren 
TieUeicht  za  eol.  XII  und  XI 11  die  folg'eDden  loNj^elösteo  frag-menle: 
(6)  —  avTiic —  (  —  X€K€V  aXXo-^  |  —  ura  tt^ttovScv  t—  |  —  tjjy  dvoÄuu- 
^[dxujv  (R)  |.  (r,  mit  b  EUÄinnmeöhäogend?)  —  dXuciT[€X—  f—  öj^el- 
Xouc[i—  I  —  öirÖTC  äitikvctv—  |  —  d)  dvö]p€C  feiKacrgt  — .  hiermit 
wohl  zuaammeohiln^eud  {d)^  als  fortsctzfitig  der  letsten  z.:  [o{)]öclc 
ö||iü>v]  —  —  —  TjiTou  I  —  — K«,  das  »tück  hat  aoeh  ncich,  gegenüber 
den  beidett  letzteD  c,  seilenanftlDge  der  fotgenden  coL:  ibi9 —  |  .  ., — » 
ähnlich  be»chaffen  (e):  col.  A  —  €  |  — tu  j  —  acav  j  —  Xe  |.  coL  B 
.  .  .  —  I  .  .  ,  —  1  6oc  Ka—  I  ciTOu"—  I  .  »  .  uu— ,  endlich  ende  einer 
col.  if):  —  H€VTi— . 

ool.  XIII.  die  reste  von  coL  XIII  «etzen  sich  zuBsrnroen  aas  deu 
anfüngen  von  z,  1—11,  erhalten  auf  einem  stückef  wetohea  mit  col.  XH 
zusammenhängt,  und  einem  gröazern,  die  mitte  und  zum  teil  auch  die 
ieilenau8gän(?e  gebenden,  mit  XIV  ziisammenhftngenden  stücke.  — 
1  ^v€[6p€ucac  R,  Td  ^^v  KöKd  TOÖ  ö^oXoT^et  |  iv€[xo^i^vouJ  tt.  cI.  W  — 
?  io  R  (auTOii);  dann  Miftav  öv  H,  Mi6[üvJ  töv  W.  ^b  scheint  hier 
eine  falte  im  pap»  zu  sein,  so  dasz  für  ANT  ranm,  —  3  iroX  ^  W  ^ —  für 
ONAKfiiN  scheint  OMANG)N  dazustehen.  —  4  toö[tov  R  —  töO  U 
i^mböc  [övj  (D)R,  t6v  6^  irall&a]  \V  —  5  irp,  lipacKC  b,  R  —  auTOÖ  D 

—  6  Tf^c  dliac  D  —  7  nif\c  €lv«i,  dXX'  ijIjctc  6m]o0  Tfji  <p,  D;  W  lindet 
an  B«chiter  «teile  vor  THl  reste  von  0. 


Fßlaes:  Tncpciöou  Kar*  'AGiivoy^vouc.  157 

qJuTfii  Miriq)tü[i]  dX€u0e|pov  (i(p[€0nvai —  tfOj  jli^Jvtoi  ouk 

diiuj  I  irpöc  TOic  fiXXoic  Kai  <iTi]jLiui0nva[i  öjir*  *A9iiI|vot^v[ouc.  10 
Xiav  T&p  &v]  beivöv  cufißailvoi  |üi[oi  (b  fivbpec  biKacJrai,  ei  ji.  i .. ocj 
V  fi|LiapTo[v  ....  bi| 

....  via OU  I KT]K€V T€  II  Iß 

[(i]biKr|cac j 

T]l^ri^aTl  b I Tai  TToXiT j 

tfd)  T I  (des.  versus  X?)  |  kiü-  XIV 

xaioi  Tuiv  ^€ToiKUJV  AO  .....  |.  €c9ai.  —  iv  bh.  Tiiii  7T[o]X^jLimi 
TüJi  7T[pöc  ÖiXiTTiTrov  fiiKpöv  TTpö  ific  fidxnc  dTT^b[pa  t]?|v  I  Tr6Xi]v, 
Kai  M60*  ufiujv  fitv  OU  cuv€CTpaT6u||c[aTo]  de  Xaipibv€ia[y],  dEuji-  6 
KT1C6  bk  €ic  Tpoi|Cf]va,  irapA  töv  vö[jli]ov  öc  KeXeuei  fv[b€i&v  | 
€ty[ai]  Kai  dTraxuJTfiy  toO  dHoiKricavioc  \iv  \  tiöi  ttoX^jliijüi,  iäy 
iridJXiv  fX0T]i.  —  Kai  T[aOTa  d7roi|€i  [xfijv  yiiv  dK€ivui[v]  iröXiv 
uic  Ioik[€  7r€pi^||c€[c0]ai  u7roXa|Liß[dvuüJv,  xfic  b*  fi|Li€[T^pac  0d|va-  10 
[to]v  KaTaTVo[iJc],  koI  idc  0uTa[T^pac,  Sc  i\lr\[v]  rrap'  ujuiv  ^Tb[i- 

böjvai  dK0p[^]i|iai, I dH^bujK[€v]q  ...  6  irdXiv  fi[K€i 

I  TT  •  •  •  ^PTCic6jLi€[voc,  ^7t]61  eiprivT]  t^[tov6v  . .  ||  t  .  .  .  .  a  16 

Tdp  0)1  ...  .  K]aciv  ol  xP^c j  .  .  .  .  o]ijTOi  iroi 

TT^l    elpriVTll  TT I TTO dv  T0[JC 

I  . fifev  ^[v]  TTXaTa[iaic  .  . .  | 

br|cavT€C  0 || 20 

*A0ri]vOT[€V  .  .]  TT I X€iv  . . .  vui 

I u0 I  (des. 

versus  VI?)  [idc  |  KOivd[c]  Tf\c  TTÖXeuüC  cuv0r|Kac  irapaßdc,  j  Ta(T)c  XV 
ibia[i]c  Tipöc  djLi^  IcxupiCeiai,  aiCTiep  dv  [  xiva  7T€ic0evTa,  djc  6 
TUIV  irpöc  öjLiäc  biKa[i|ujv  Kaiacppovricac,  ouioc  av  iiiiv  irpöc 
iMk]  d9pövTiC€v.   6c  oÖTUJ  iroviipöc  den  |  Kai  TravraxoO  öjlioioc,    6 
uiCT€  Kai  etc  TpoiCfi|v]a  dX0u)v  Kai  7roiT]ca|Lidvujv  auTÖv  Tpoi|CT]viujv 
iroXiTTiv,  uTTOTiecdjv  Mvriciav  |  tö]v  *ApT€Tov  Kai  ött*  dKCivou  Kaia- 
c[Ta0]€lc  H  fipxHv»  ^HdßaXev  toüc  iroXiiac  dK  xf^c  |  7töX€]ujc,  ibc  10 
öfiTv  auTol  fiapTupricouciv  *  dv0]db€  xdp  cpeuTOuciv.  Kai  öfieTc  fifev 

8  dcpee.  D,  ders.  drib  jx.  —  AEIÖI.  —  9  Bl  (dTin.  ci.  W)  —  10  so 
D;  .  .  .  b.  Äv  cuMß.  RW  —  11  iLioi  dl  ä.  b.  R,  |li[oi  irp]öc  |  Tfli  dxuxfai  D 

XIV  1  diroXcIiLidiTaToi  D,  d(p(Ko[vTO  dirl  tö  ndlxccGai  K  —  2  irp[ö]c 
[töv]  OCIXiTinov  falsch  R(W),  indem  in  3  fiir  AITT  kein  räum.  — 
3  &Tr[<]Xiii€  [t]i?|v  RW  —  6  6E0IK  pr.  —  9  ircpidc.  W,  ircpiiroinjccceai 
DR  —  10  f.  BI  nach  c.  Philipp,  v.  113.  —  11  f.  Out.  oök  f|T|Tjön[c€] 
Tiap*  önlv  oööd  [TdK]va(i)  dKepdMia[i  dvOdb'  f|E(Jou,  dW  iUb.  «fxXoclc  W, 
T.  e.  I  r^rpja  oöx  öjilv  oöö*  ö[|ia>v  cTla  IxOp.  oöodva,  |  dXXdl  dE.  a]XXoJC€  D 
—  13  irdXiv  fJ[KWV  W,  irdXiv  b"  (?  ?)  f^XGc  Tf|v  dp;T[ac(avJ  dpT-  D  — 
15  T[d  TToXXJd  Tdp  ö|üi[Iv  €ld)6a]civ  ol  xpi?lc[i|Lioi  aöxotc  a]öxol  iro[X€)Li€tv 
dv]  T.  €.  ci.  W;  xd[xicx]a  x^p  ö|üi[tv  diropfic]aciv  ol  xPnc[iMd)xa|xoi 
o]uxoi  iro[Xixai  D  —  17  dv  xolc  kivö[uvoic  (ickivö  invisible  W).  — 
18  dv  TTXax.  R 

XV  2  TAC  und  vielleicht  lAIAC.  —  3  AIKA|I(Ä)N  RW  gegen  die 
Silbenteilung.  —  6  dl^d  DR,  diM*  W  —  OYTQI  —  8  Mv^cic?  xCfi^Apxeiqi 
D,  s.  aber  Ar.  Ri.  47  —  10  TT0A6ITAC 


164 


EHasfte:  der  dualie  bei  Polybios, 


sprechend  nur  iii\  büo  xai  TptTc  f^^pac  statt  eic  TÖ  pAXov  geschrie* 
ben  haben»  da  aber  gerade  die  gröszo  der  von  Hannibal  nach  dem 
siege  über  die  Altobroger  gem achten  beute  hervorgehoben  werden 
ßoU,  so  glaube  ich,  dasz  das  überlieferte  im  buEiv  Kai  Tpek  (ipiciv) 
ft^cpaic  eine  von  den  nicht  seltenen  ^  den  teit  des  Poljbios  ent- 
stellenden interpolatiooen  ist.  und  somit  ergäbe  sieb  für  den  spracb- 
gebrauch  des  Polybios  die  regel:  das  zahl  wort  boo  hat  bei  Polybios 
dadurch,  das^  es  sich  ausschlieszlich  mit  dem  plural  verbindet,  seine 
dualische  natur  vollständig  eingebüszt.  wie  im  attischen  steht  büo 
auch  ali  genitiv  und  dativ.  aber  das  den  auflösungsprocess  auch 
fiuszerlich  darätellende  budv  gilt  nur  für  den  genitiv,  für  den  dativ 
nur  das  nach  analogie  der  pluralform  gebildwte  buciv. 

Widerstandsfähiger  in  sich  und  stärker  inbezugaufden  nach- 
folgenden artikel  mit  dem  substantivum  ist  äp<poiv^  geblieben: 
d^(poTv  Toiv  x^poiv  Irr^cpu  XTI  10,  6.  hC  ä^cpolv  toiv  x^poiv 
XVIII  29»  4.  i^  äiicpoTv ToTv  X^P^^^v  XXII  20,  5,  hC  dpcpoTv  xoTv 
fiT]potv  II  69^  2.  Ott'  ö^qpoiv  toiv  K€paTOiv  III  73,  6.  II  d^cpovv 
ToTv  ^epoiv  I  46,  9.  II  29,  2.  III  55,  9.  VI  23,  7.  XYI  3,  6.  XVI 
29,  13*  fr,  96  (Hultscb),  obgleich  das  voraufgebende  participium 
III  54,  2  (cuvBeujpoufi^vuJV  djunpoiv)  sieb  schon  dem  einfluase  des 
ä^qpoiv  entzieht,  so  dasz  neben  dpcpoiv  und  der  communen  artikel- 
form toiv  —  vom  dual  des  verbums  ist  bei  Folybios  keine  spur  vor- 
banden —  die  ganze  ausbeute  an  dualischen  nomina  besteht  in  X^poiv 
|ir|poiv  KCpdTOiv  fi€pOiv.*  denn  auszer  diesen  und  XVIII,  29,  3  TÖ 
fiCTaEu  Toiv  X€poTv  bidcinfna  kommt  bei  Poljbios  kein  beispiel  einer 
eigentlichen  dwalform  mehr  vor.  cuvdptpuü  nemlich  ist  in  formaler 
und  syntaktischer  beziebung  kein  dual,  wie  die  beispiele  beweisen: 
q\  cuvdji^puj  (Römer  und  Karthager)  .  ,  dvaujidxncciv  I  63,  5,  cü^- 
^axoi  )i£Ö*  iKaiipKüv  ^cav  o\  ci>vdjncpu>  11  24,  4,  cuvd|LKpu>  k€Zäv 
pilv  trivie  pupidöcc  ebd.  §  IL  tüjv  irpoeipnMCvujv  X6<puuv  cüv- 
dpcpu^  II  65,  9.  TÖ  ^iiKOC  .  *  ^Xarrov  toö  cuvdiJiqpyj  nie  t€  Aißür|^ 
Km  Tflc  'Aciac  XXXIV  7,  8.  iXaiTouvta  tou  cuvd^q>uj  jirtKOuc 
ebd.  §  10. 

Wenn  daher  Büttner -Wobst  in  seiner  ausgäbe  1  80,  13  TÜü 
CK^Ke*  In  stutt  xd  CK^Xri  fri  schreibt,  so  ist  diese  ünderaug  deshalb 
bedenklich»  weil  Polybios  mit  ausnähme  von  hvo  cuvbuo  cuvütjuqpuu 
nie  einen  dnalischen  nominativ  oder  accusativ  gebraucht  bat. 

^  das  adverbiale  TTOp*  Apapoiy  steht  I  45,  11,  III  21,  4;  29,  6;  10; 
69,  5;  73.  8.  IV  16,  4.  V  62,  8;  69,  8.  VI  56,  5.  IX  3,  9.  XXI  1.  4,  il 
d^<po1v  I  88,  6.  U  26,  8;  49,  2j  69,  4,  III  1,  7  j  51,  8  V  80.  6.  VI  7,  3. 
VlII  29,  6.  X  12,  5;  8,  XI  S4,  U  XV  3.  3;  22.  3.  XVI  29,  11.  XVIIl  25,  1, 
XXXI  26,  11.  dutiv  ist  d^<potv  XI  1,  8  KOiWtv  d^(po!v  irapclxovTO  t^v 
Xp€(av.  >  5u€iv  CTaMtüv  steht  IV  56,  5  und  X  10,  6,  aber  12,  6  schreibt 
Htiltseh  niit  dem  UrbiiiHS  buclv  CTCxblotv  (Ddf,  craMUJv).  wcpcii  des 
svreiinaligen  öucTv  cxa&iuuv,  wegen  dar  verbinc1un|r  Tmv  t>u€lv  (IV  22,  7^ 
VI  82,  8,  XIV  l«,  5),  und  weil  sich  sonst  kein  diKtl  bei  bxjtXv  finfle| 
glaube  ich,  daix  Poljbios  nach  X  12,  6  cxaöiufv  gescbneben  bat. 
Babtenstbin  ik  OsTPESUszßN.  EßNST  Hasbb. 


FReuss:  anz.  t.  GJorio  codici  ignorati  nelle  bibL  di  NapolL  fiuc  L      165 

22. 

Giuseppe    Jorio:    codici    ignorati  kelle  biblioteche  di 

NaPOLI.  FASCICOLO  I:   UN  CODICB  lONORATO  DELLE  ElLBSICHE  : 

=€NO<DÖNTOC  TA  nAPAA€inOM€NA  AHCP  KAI  6AAHNIKA 
€KAA€C€N  €IC  OKTQ  BIBAIA  AIAIP0YM6NA.  Leipzig,  O.Harrasao. 
witz.    1892.    60  s.    gr.  8. 

In  dieser  abh.  liegt  uns  eine  sorgfältige  ontersQcbnng  des 
italiänischen  prof.  GJorio  über  eine  bisher  unbekannte  und  un- 
benutzte hs.  der  griechischen  geschichte  Xenophons  vor. 
sie  bildet  die  erste  lieferung  von  mitteilungen  über  hss-,  die  sich  in 
neapolitanischen  bibliotheken  befinden;  ihr  werden  weitere  Ver- 
öffentlichungen über  hss.  des  Eebes,  Epiktetos,  Thukydides,  Aristo- 
teles ua.  nachfolgen,  der  besprochene  Hellenikar codex  wird  auf- 
bewahrt auf  der  bibliothek  dell'  Oratorio  Napoletano  und  ge- 
hört zu  einer  samlung  (semif.  7—80),  welche  in  dem  hss. -index 
der  bibliothek  folgen  der  maszen  verzeichnet  ist:  'Opuscula  varia 
diversorum  Auctorum  Graecorum',  und  über  deren  inhalt  ein  irivaS 
dKpißfjC  Tfic  Tiapoucric  iruKTiboc  auf  semif.  4  aufschlusz  gibt,  die 
einzelnen  stücke  dieser  samlung  sind  im  fünfzehnten  jh.  nieder- 
geschrieben, jedoch  zu  verschiedenen  zeiten:  während  ein  älterer 
teil,  darunter  die  Hellenika,  schon  in  den  ersten  beiden  Jahrzehnten 
dieses  jh.  abgeschrieben  zu  sein  scheint,  gehören  andere  teile ^  wie 
briefe  des  Gennadios  (12  märz  1452  und  1459),  bereits  der  zweiten 
hSlfte  desselben  an.  vor  dem  j.  1459  können  die  einzelnen  stücke 
nicht  zusammengebunden  sein,  die  samlung  kann  indessen,  wie  sich 
aus  den  lebensverhältnissen  des  ersten  besitzers  ergibt,  auch  nicht 
viel  später  entstanden  sein,  eine  Unterschrift  lautet:  f)  ßißXoc  f[be 
ToC  ÄoKeiavoO  ireXei.  über  die  Stellung  und  lebenszeit  dieses 
rhetors,  der  am  hofe  der  letzten  Paläologen  als  erzieher  einer  kaiser- 
lichen Prinzessin  lebte,  gewinnen  wir  durch  die  hs.  neue  belehrung. 
mit  recht  sieht  Jorio  in  ihm  einen  gegner  der  von  Konstantin  IX 
begünstigten  Vereinigung  der  griechischen  mit  der  lateinischen 
kirche.  Dokeianos  gehörte  der  von  Gennadios  geführten  partei  an, 
welche  Konstantin  als  einen  Verräter  am  väterlichen  glauben  be- 
trachtete und  ihm  die  kirchliche  krönung,  nach  seinem  tode  die 
aufnähme  in  das  herscherverzeichnis  der  Paläologen  versagte  (toO 
dcT€(poCc).  die  letzte  nachricht,  die  wir  bisher  über  sein  leben 
hatten,  bezog  sich  auf  das  j.  1451,  nach  der  mitgeteiten  Unterschrift 
musz  er  indessen  noch  1459  gelebt  haben,  viel  später  kann  sein 
tod  voraussichtlich  nicht  erfolgt  sein ;  deshalb  kann  auch  seine  hss.- 
samlung  nur  in  den  nächsten  jähren  angelegt  sein,  dieselbe  gehörte 
vermutlich  zu  den  im  j.  1726  durch  Vermittlung  Vicos  angekauften 
bücherschätzen  des  gelehrten  samlers  GValetta  und  ist  erst  mit 
diesen  in  die  bibliothek  delF  Oratorio  Napoletano  gekommen,  unter 
dem  titel  Opuscula  usw.  vermutete  niemand  die  geschichte  Xenophons, 
werke  des  Aristoteles  und  Synesios  zu  finden,  und  so  ist  die  existenz 


166     FReuss :  anz.  v.  GJorio  codlci  ignorati  nelle  bibl,  di  Napoli.  face.  I. 


eines  codex  unbekannt  geblieben  ^clie  puo  portare  non  ßcarsi  ausilii 
critici  al  testo  di  aniicbi  scrittori'  (b.  13).  nacb  diesen  mitleiltingen 
Über  die  samlung  wendet  eich  Jorio  in  cap,  2  der  apeciellen  be- 
sprecbung  des  von  ihm  mit  X  bezeichneten  Hellenika- codex  zu, 
dieser  ist  anfangs  mit  blasser^  später  mit  schwärzerer  tinte  ganz 
von  6iner  und  derselben  band  geschrieben ,  von  einer  zweiten  band 
rühren  einzelne  teils  glücklicte,  teils  verfehlte  önderungen  her* 
zahlreiche  versehen  finden  sich  in  X»  sowohl  in  Verwechslung  von 
r|  und  i  als  auch  in  Verstümmelung  nnd  falscher  accentuierung  der 
worle  bestehend,  interpunctionäzeieben,  besonders  das  komma,  sind 
im  übermasz  gesetzt,  das  fragezeichen  erscheint  immer  als  pnnctniDx 
iota  subscr*  ist  von  der  ersten  band  regelmäszig  weggelassen,  X  ge- 
hört zu  classell,  welche  in  Kellers  ausgäbe  durch  C  und  F  ver- 
treten ist.  bewejs  dafür  ist  die  Überlieferung  von  V  ],  5.  tJ*  7.  8. 
10.  13,  die  in  den  hss*  der  classe  I  ausgefallen  sind,  sowie  die  Zu- 
sammenstellung der  für  el.  II  charakleristisoben  lesarten,  die  auch 
in  X  wiederkehren  (ö*  19 — 22).  als  bessere  lesarten  bezeichnet  Jono 
die  von  Kelter  in  den  text  aufgenommenen,  diese  bezeicbnung  ver- 
dient m.  e.  nicht  das  IV  1,30  von  cl,  I  ausgelassene,  von  cl,  U  über* 
lieferte  fvOa  hr\,  die  worte  Xenophons  lauten  bei  Keller:  iraptiv 
&iwv  TÖv  0apvdpaiIov  eic  cutKeijuevov  xuJpiov,  ^vBa  bf\  'ATHci- 
Xaoc  Kai  Ol  nepi  auTov  rpidKovia  x^tMCti  ^v  itoo,  tvvi  KaT€iKel|ii€voi 
(iv^|i€VOV,  nach  dieser  interpunction  würde  mit  ev0a  hr\  eine  rela* 
tive  bestimmung  zu  CUTKtijitvov  x^^piov  gegeben»  Xen,  braucht 
dasselbe  nur  demonslrativ,  um  die  aufeinanderfolge  von  begeben- 
heiten  zu  bezeicbnen,  besonders  nach  einem  punctum :  Hell.  111 4, 23« 
IV  4,  3.  10.  15.  5,  4.  V  2,  12.  42.  3,  4.  VI  4,  4.  VH  2,  9.  Änabl 
II  2, 10.  IV  5,  G*  entweder  bat  man  daher  ander:^  /o  interpungierei?" 
oder  es  ist  blosz  fv6a  zu  lesen  (Plut  Ages.  12  ö  'ATnciXaoc  ^X9djv 
elc  TÖ  xujplov  .  .  dvTau9a  n€pi^jui€V€  tov  ^apvdßaZ^ov).  vielleicht 
haben  aber  auch  die  angeführten  worte  gar  keine  berechtigung,  nnd 
hinter  ^ATn^i^öOC  ist  6e  oder  ein  dem  nachfolgenden  bi  entsprechen- 
des p^v  ausgefallen,  aus  dem  gleichen  gründe  dürfte  auch  Cobeta 
ergänzung  ^KKXt|ciav  ^iroiTicav  in  II  4,  40  nicht  au  billigen  sein, 
wenn  man  sich  nicht  zugleich  entschlieszt  hinter  cxparriToi  stärker 
zu  interpungieren  und  fvöa  bf)  demonstrativ  zu  fas^sen. 

Die  hss.  F  und  C  reprüsentit^ren  zwei  verschiedene  familien 
der  classe  II,  F  enthält  viele  conjecturen,  die  von  zweikT  band  bei- 
gefügt sind,  nnd  entstammt  einer  vorläge,  in  der  schon  ündurungen 
des  textes  vorgenorameu  waren,  während  C  treuer  den  cbarakter 
des  gemeinsamen  archetjpus  bewahrt  bat.  X  gehört  der  durch  F 
repräsentierten  famiüe  an;  an  1 19  stellen  gibt  auch  er  die  allein  in 
F  überlieferte  lesart,  teilt  mit  F  zahlreiche  lücken,  stimmt  mit  ihm 
selbst  in  Wortverstümmelungen  Überein  nnd  bewahrt  mit  ihm  allein 
den  von  andern  bss.  lückenhaft  überlieferten  und  von  C  ganz  aus- 
gelassenen text  in  V  1,  10.  mit  Keller  entscheidet  sich  Jorio  gegen 
napecKCudcavTO^  welches  in  BCMDV  steht,  für  TiapeKeXeucavTO, 


FBeass :  anz.  y.  GJorio  codici  ignorati  nelle  bibl.  di  Napoli.  fasc.  L      167 

welches  F  und  X  geben,  die  feldherm  haben  nicht  nur  den  befehl 
zur  rettung  der  schiffbrüchigen  gegeben,  sondern  auch  die  anord- 
nungen  und  Vorbereitungen  dazu  getroffen ,  aber  ihre  Vorkehrungen 
sind  von  den  damit  beauftragten  nicht  zur  ausführung  gebracht 
worden,  dieser  gedanke  hat  mindestens  die  gleiche  berechtigung 
wie  der  in  F  und  X  ausgesprochene  (vgl.  Anab.  lY  6,  10  toCto  bet 
7rapacK€udcac6ai  öttujc  djc  Spicra  fiaxoujieOa)  und  hat  zweifellos 
die  bessere  Überlieferung  für  sich,  in  Y  3,  2  schreibt  Keller  nach 
Wyttenbachs  Vorgang  6XiTT]V,  während  BFX  öXiTnv  Ti,  M  öXiTnv 
Ti,  C  öXixnv  Tflv,  V  öXiTT]V  Tivot,  D  öXiTOV  ti  bieten,  das  über- 
lieferte Ti  läszt  sich  beibehalten,  wenn  man  öXiYHV  ^Tl  schreibt: 
^sie  bearbeiteten  nur  noch  einen  ganz  kleinen  teil  des  landes',  vgl. 
II  3,  41  öXiTOV  fn  XPÖvov.  in  YII  1,  21  liest  man  in  C  bi€CK€- 
bacfi^voi ,  wofür  sich  Keller  entschieden  hat.  X  überliefert  wie  P 
bieCKaucfi^voi^  spricht  also  für  die  Überlieferung  der  andern  hss- 
biecKeuacfi^voi.  zu  den  jahrb.  1892  s.  90  angeführten  parallel- 
stellen füge  ich  Polybios  I  33,  5  hinzu:  irapriTTCiXav  Tifi  irXrjOei 
biaCK6ud2l€c6ai.  bei  dem  thronstreite  zwischen  Agesilaos  und  Leo- 
tjchides  (III  3,  3)  beruft  sich  Diopeithes  auf  ein  altes  orakel,  das 
Ljsandros  mit  den  worten  ujc  ouk  oioiTO  TÖv  Geöv  toOto  KeXeueiv 
qpuXdHacGai  juri  irpocTTTaicac  Tic  x^^XeiJcai  <Tr|v  ßaciX€iav>,  dXXd 
^aXXov  fif)  oÖK  luv  ToO  y^vouc  ßaciXeiJceie  anführt  die  gleiche 
erzählung  findet  sich  Plut.  Ljs.  22.  Ages.  3.  Paus.  III  8,  9  f.  es 
kann  nicht  zweifelhaft  sein,  dasz  alle  die  gleiche  quelle  benutzt 
haben,  dasz  diese  aber  nicht  Xenophon  ist,  dessen  bericht  bei 
Plutarch  im  Agesilaos  erst  mit  ö  b*  'AxiiciXaoc  ifpx]  einsetzt;  es 
kann  daher  auch  die  darstellung  Xenophons  nur  von  derselben  vor- 
läge ausgegangen  sein,  vielleicht  ist  daher  der  ganze  §  späteres 
einschiebsei  bis  auf  die  worte  TOiauTa  bk  dKOucaca  f)  iröXic  ä|Liq)0- 
T^puJV,  die  doch  wohl  auf  die  disputation  der  beiden  thronpräten- 
deuten  bezogen  werden  sollen,  die  lesart  x^i^^^^ai  scheint  mir 
auch  mit  dem  zusatze  Kellers  Tf)V  ßaciXeiav  unhaltbar  zu  sein,  da 
in  der  erklörung  der  X^Xri  ßaciXeia  nicht  der  zu  erklärende  begriff 
(XUiXeueiv  Tf)V  ßaciXeiav)  zu  verwenden  ist.  bei  Plutarch  ist  diese 
Wiederholung  vermieden:  Ages.  3  el  TrpocTTTaicac  Tic  TÖv  iröba 
ßaciXeuoi .  .  dXX*  el  jli?|  Tvncioc,  Lys.  22  Sv  irpocTTTaicac  Tic  äpxq 
usw.  vielleicht  hat  in  der  gemeinsamen  quelle  unserer  hss.  x^Xeucac 
statt  xuiXeiJcai  gestanden  und  hat  als  glosse  zu  irpoCTTTaicac  in  die- 
selbe aufnähme  gefunden,  der  ursprüngliche  text  würde  also  in 
dieser  fassung  wieder  herzustellen  sein :  ixi\  irpocTTTaicac  Tic ,  dXXd 
fiäXXov  fifi  ouK  fiiv  ToO  T^vouc  ßaciXeuceie. 

In  hs.  F  sind  von  einer  zweiten  band  vielfach  correctnren  vor- 
genommen worden ;  es  erhebt  sich  daher  die  frage ,  ob  X  etwa  mit 
F'  nähere  Verwandtschaft  zeigt.  Jorio  hält  dieselbe  für  ausge- 
schlossen, da  F  im  j.  1456  in  Athen  niedergeschrieben  sei,  X  aber 
einem  frühern  Jahrzehnt  dieses  jh.  augehöre,  nur  an  einer  einzigen 
stelle  stimmt  X  mit  F*  allein  überein;  wo  er  sonst  die  gleichen  les- 


168     FEeuBB !  anz.  v.  GJorio  codici  ignorati  uelie  bibL  di  NapolL  faec.  L 


arten  wie  F'  aufweist,  ist  dieser  von  gelehrten  des  15n  oder  16n  jh. 
in  Übereinstimmung  mit  der  Überlieferung  der  hs8,-classe  I  gebracht 
worden,  solche  gemeinsame  lesarten  fijiden  sich  allerdings  zahlreich  : 
80  bietet  X  31  mal  die  lesart  von  F*,  der  wir  auch  in  BCDMV  be- 
gegnen (vgl.  Jorio  s,  32).  mit  Keller  entscheidet  sich  Jorio  YI 1,  15 
für  das  von  CP'X  überlieferte  irovetcOai,  während  in  BMDVF' 
iroiEicOm  steht,  bei  Xen.  indet  eich  so  wohl  das  compositum  bm- 
TTOveicGai  gebraucht,  der  mediale  gebrauch  von  TTOveiv  läszt  sieb  da- 
gegen bei  ihm  nicht  naeb weisen  (vgl.  index  bei  Keller  udw.,  Anab, 
I  4, 14.  9, 19.  II  6,6.  VII  3,  3L  6,36.  41).   die  stelle  lautet  kavöc 

iCTl  .  .  ÖTÜV    CTTClli^rj,   fiplCTOV   Kai  5€ITTV0V   TTOincd^eVOC  ä^O  TTOl- 

CtcSatf  Cobet  ändert  die  letzten  worte  in  TTOpeuOjüievoc  öjuct  tioi- 
eicBai»  Keller  aus  C  in  TTOiiicäpevoc  dpa  TiovekOai.  gegen  Cobets 
Vorschlag  spricht  die  Stellung  von  ä^a,  welches  zu  TTOpeuojuevoc 
geboren  solL  ich  vermisse  ein  wort,  welcbes  die  durch  ctreubeiv 
bedingte  band! ungs weise  des  füldberrn  bezeichnet,  und  schreibe 
daher:  \Kav6c  icn  . .  orav  crreübr},  öptCTOV  küI  bEiirvov  ouk  dva- 
Tiaucd^evoc  ä^a  Troi€ic9ai  ^^  das  fipicxov  und  ^emvov  mit  6inem 
male  abzumachen,  ohne  (einmal)  gerastet  zu  haben  (vgL  Breiten- 
bacb  zdst.).  passend  sehlieszt  sieb  daran  der  folgende  gedanke  an: 
oiciai  bi  Kai  dvairauecöai  XP^lvai  usw. 

Wie  wir  sehen,  ist  X  aus  der  gleichen  vorläge  abgeschrieben 
wie  F',  ist  aber  nicht  identisch  mit  dieser  bs.  hat  nun  X  treuer  den 
Charakter  der  quelle  bewahrt,  während  P'  durch  cornipteleo  ent- 
stellt ist,  oder  finden  wir  in  F '  ein  treueres  bild  deriselbeu»  während 
X  durch  aufnähme  von  lesarten  der  andern  classe  und  farailie  sieb 
von  derselben  mehr  entfernt  bat?  Jorio  entscheidet  sich  für  letztere 
annähme,  indem  er  auf  die  zahlreichen  stellen  hinweist,  an  denen  X 
die  lesarten  der  cI.  I  aufgenommen  und  die  Überlieferung  von  CF 
aufgegeben  hat.  zur  Verbesserung  der  benutzten  bs.  haben  wabr- 
scheinlicb  mehrere  und  nicht  gleichzeitige  exemplare  gedient,  aus 
denen  vielleicht  auch  MD  V  geflossen  sind,  daneben  hnt  X  auch  mit 
C  viele  lesarten  gemeinsam  und  entfernt  eich  durch  die  aufnähme 
derselben  von  F.  von  den  stellen,  an  welchen  X  sich  der  durch  ch  I 
vertretenen  tiberlieferuug  anscblieazt  (Jorio  s.  34  ff.),  seien  hier  fol- 
gende besprochen :  in  IV  5»  7  schreibt  Keller  nach  Saoppea  Vorgang 
mit  B  IbpÜJVTi  Tuj  \'TrnLö»  während  alle  andern  bss.  IbpoövTi  Tiji  iirnifl 
bieten,  hier  anders  zu  verfahren  als  Anab.  I  B,  1  und  Kjrup.I  4,  28, 
wo  in  unsern  ausgaben  ibpoijVTi  rm  itttthj  beibehalten  ist,  liegt  kein 
grund  vor;  die  autorität  von  B  ('ahundat  omni  genere  mendorum* 
Keller)  kann  hier  nicht  entscheidend  sein*  ^unechtes  ou  wird  im 
alt-  und  mittel  attischen,  nicht  selten  auch  noch  In  späterer  zeit  durcb 
bloszea  o  wiedergegeben:  ^icBovxa  (670 — 560  vor  Ch.),  ivoiKÖv- 
TUlv  (378  vor  Ch,)'  (Meisterhaos  s.  21).  auch  der  sonst  genügend 
beglaubigte  aor.  11  von  fiXXo^ai  wird  in  IV  5^  7  kaum  festzuhalten 
sein,  während  in  C  und  X  Ka6aX6jLtevoc ,  in  B  KaGaXXöjuevac  ge- 
lesen wird ,  findet  sich  in  den  andern  bss.  KaGaXdpevoc   auch  an 


FReoss:  anx.  t.  GJoiio  codici  ignoimti  nelle  bibL  di  XapolL  £uc.  L     169 

andern  stellen  sind  C  und  B  nicht  feblerfrei :  so  schreibt  B  in  IV  4, 1 1 
^XovTO  für  ^XXovTO  ond  C  in  Vn  2,  9  äX6^€V0l  ftlr  äXXö^€vol. 
Breitenbach  bemft  sich  anf  Anab.  IV  2,  17,  aber  hier  i»t  von  Hug 
(gegen  KrQger)  die  form  dXd^cvoc  hergesteUt  und  fOr  den  gebrauch 
des  aor.  I  bei  Xen.  zeugt  auch  Anab.  VU  3,  33  dErjXcrro.  ing&t- 
liebes  festhalten  an  der  lesart  von  B  bekundet  Keller  auch  IV  8,  36, 
wo  er  ävancirXcuK^vai  Tf)C  ^iri  TTpoKOwrjcou  in  den  text  aufnimt. 
dieser  gebrauch  des  genitivs  widerspricht  der  sonstigen  Schreibweise 
Xenopbons  und  iSszt  sich  nicht  mit  der  hinweisung  auf  rnc  öboö 
oder  ToO  iTÖppu)  uS.  bei  yerben  der  bewegung  ('geh  deines  wegs'} 
rechtfertigen ;  die  ftnderung  in  Tf|V  scheint  mir  unbedingt  geboten. 

Die  Zugehörigkeit  von  X  zur  hss.-classe  11  l&S2t  sich  auch  durch 
die  vergleichung  mit  den  von  Keller  nicht  berücksichtigten,  zur 
iamilie  C  gehörigen  hss.  AEK  erweisen,  wenn  Keller  vermutete, 
dasz  III  1,  3  die  lesart  des  cod.  Par.  A  und  £  ('Acta  statt  X^'^rpa) 
aus  der  Aldina  stamme,  so  wird  diese  Termutung  hinfällig  durch 
die  thatsacbe,  dasz  jene  lesart  auch  in  X  aufnähme  gefunden  hat. 
als  resultat  ergibt  sich  für  Jorio  aus  den  angefCLhrten  beobachtungen, 
dasz  X  der  familie  F  der  cl.  11  angehört,  dasz  diese  hs.  aber  die  Ver- 
einigung der  Überlieferung  von  cl.  I  und  II  darstellt  und  so  mit 
höherm  rechte  als  F^  dem  man  bisher  diese  Stellung  zuerkannte, 
zwischen  beide  classen  gestellt  wird. 

Was  die  zeit  der  entstehung  beirifft,  so  scheint  X  jünger  zu 
sein  als  BML,  gleichzeitig  mit  VCD,  älter  alä  die  andern,  über 
die  gründe,  die  Jorio  bestimmen  F  in  den  anfang  des  15n  jh.  zu 
setzen,  während  andere  stücke  der  samlung  erst  später  nieder- 
geschrieben sind ,  spiicht  er  sich  s.  7  folgendermaszen  aus :  *perch6 
dal  differente  stalo  di  eonservazioni  e  dei  dati  grafici  ho  ragione  di 
ritenere  che  alcune  opere  come  quelle  di  Senofonte,  di  Snida,  di 
Aristotile  e  qualche  altre  vi  sono  State  copiate  non  piü  tardi  della 
prima  ventina  del  1400.'  mit  diesen  argumenten  wird  man  diese 
frage  nicht  als  erledigt  anzusehen  haben.  F  ist  aus  einem  stark  ver- 
besserten exemplare  abgeschrieben  (ärrö  eubiopOuiTOu) ;  mit  hoher 
Wahrscheinlichkeit ,  ja  fast  mit  gewisheit  darf  man  behaupten ,  dasz 
X  aus  der  gleichen  quelle  geflossen  ist:  vgl.  zb.  I  2, 5  nclöv,  V  2, 2 
TpiaK0VT€ic,  3,  20  ävTiTToX.,  4,  38  ärrecTpaTeu^evov,  VII  1,  21 
biecKauc^^voi  ua.  weist  X  nun  in  noch  höherm  masze  ah  F  die 
spuren  verbessernder  gelehrter  thätigkeit  auf,  so  legt  diese  be- 
obachtung  es  nahe,  die  niederschrift  der  hs.  einer  spätem  zeit  zuzu- 
weisen, wenn  Jorio  an  einzelnen  stellen  der  Überlieferung  von  X 
höhern  wert  beilegt  als  der  der  übrigen  hss.,  so  kann  ich  ihm  hierin 
ebenfalls  nicht  folgen.  In  II  1,  9  soll  aus  X  Tf|V  ouceiav  ußpiv  für 
das  sonst  überlieferte  Tf|v  Xiav  ößpiv  hergestellt  werden,  statt  Xiav 
steht  in  CF*M  und  L  Xeiov,  wie  X  also  zu  oiKcicxv  kommen  konnte, 
ist  danach  leicht  erklärlich,  den  vorzug  der  lesart  ouceiav  sucht 
Jorio  ungef&hr  so  zu  begründen :  Hieramenes  und  seine  gattin  be- 
zeichnen die  ermordnng  ihres  sohnes,  eines  neffen  des  Dareios,  durch 


170     FRem»;  anz.  v.  GJorio  codici  igüorati  nelle  bibl.  di  Napoli.  I^tc»  L 


KyroB  aU  eine  scbancie  für  das  königliche  baus.  da  dem  könige  die 
ehre  seines  hauses  böber  steht  als  das  Schicksal  eines  gliedes  des- 
selben, so  ist  es  natürlicher  ßnd  wirksamer,  wenn  die  eitern  diesen 
gesichtspunkt  hervorheben ,  als  wenn  sie  auf  die  Verletzung  des 
ceremoniels  durch  Kjroa  hinweisen,  dagegen  läszt  sich  einwenden, 
dasz  zanfichst  nicht  ersichtlich  ist,  inwiefern  man  von  einer  be- 
schimpf ung  des  königlichen  hauses  hier  sprechen  kann,  sodann  hat 
der  schriffsteller  mit  den  vorausgehenden  worten  ö  ttqioöci  fiövov 
ßaciXei  die  üßpic  deutlich  als  Uberhebung  bezeichnet,  wenn  auch 
zb.  IV  5,  10  unter  TÖ  OiKeiov  rrdöoc  das  leidj  das  eine  familie  be- 
troffen hat,  zu  verüteben  ist,  so  ist  doch  f|  okeia  üßpK  TOÜTOU  ein 
sehr  dunkler  ausdrackj  wenn  darunter  die  durch  Kjros  erfolgte  be- 
echimpfung  des  königlichen  bauses  verstanden  werden  soll,  eine 
ksart,  die  wirklich  der  sonst  Überlieferten  vorzuxiehen  wäre,  er- 
halten wir  somit  durch  X  nicht,  nicht  besser  steht  es  III  3,  2 ,  wo 
Jorio  die  worte  von  X  d\X*  cittou  iroXü  xdXXiov  usw.  in  dXX'  eiTTCV 
fl  TToXu  KdXXiov  ^Keivou  eilJuTa  m^r\p  mi  vöv  lix  qp^civ  ändert  so 
könnte  Leotjchides  dem  Agesilaos  erwidert  haben,  aber  die  worte 
f|  noXü  KdXXiov  dK€ivou  ciöuia  ^ritr|,p  würden  mit  ihrem  platze  an 
erster  stelle  auch  an  kraft  und  bedeutung  verlieren.  Vorzug  ver- 
dient daher  auch  hier  nicht  die  corrigierte  lesartvonX»  ebenso 
wenig  wie  nach  Jorios  eignem  geständnis  in  III  5,  24  uod  ¥11  5, 13. 
hervorzuheben  bleibt  daher  nur:  IV  3,  12  bietet  X  das  richtige 
Kövujvoc  dXXfiviKOu,  IV  6,  1  auTiä,  IV  8,  14  otacircp,  V  4,  28 
Eupoüta,  IV  7,  5  bezeichnet  er  ab  zweifelhaft  ou  iföppuj,  er  scheidet 
allein  von  allen  hss.  streng  zwischen  aor.  II  und  imperfectum.  darauf 
bescbritnkt  &ich  der  ganze  gewinn,  den  wir  aus  X  erbalten;  er  ist 
so  geringfügig,  dasz  8ich  darauf  eine  besondere  wertschätzting  von 
X  unmöglich  begründen  läszt,  mehr  als  ein  spiel  des  zufalls  darf 
man  auch  darin  nicht  sehen,  wenn  II  3,  17  in  X  eine  lücke  ange- 
deutet wird;  *dbiivoiTOV  depo  ras.  di  circa  7  lelt,>  hier  hat  Keller 
KaiaX^Em  ergänzt ,  und  die  notwendigkeit  einer  erg^inzung  lilszt 
sich  aus  den  worten  des  Aristoteles  erweisen:  'A9r|V.  TioX.  36  ÖTi 
ßouXö^€voi  ;i€Tabouvai  toic  ^in€iK£ci  TpicxiXioic  Mdvoic  pera- 
blbdotciv.  besondere  beacbtung  widmet  Jorio  dem  titel  und  der  ein- 
teilung,  welche  Xenophon.s  werk  in  dem  irivaE  beigelegt  werden : 
£€Voq>ÜL»VTOC  id  TrapaXciiröpeva  dTtep  Kai  dXXFivixd  dKdXccev,  elcj 
ÖKTub  ßißXia  biaipoÜM€va.  diese  worte  beweisen  nur»  dasz  man  die 
Hellenika  als  fortseti^ung  des  Tbukjdides  betrachtete  (vgl.  Diod. 
XIII  42^0)  und  sie  daher  als  TrapaXemd^cva  bezeichnete  (vgl.  titel- 
blatt  der  Aldi  na  des  Thukydides),  neues  erfahren  wir  dadurch  auch 
nicht;  den  titel,  der  für  uns  nur  in  betracht  kommen  kann,  tiber- 
liefert Biodoioa  XV  89,  3  rnv  tlüv  *6XXr)viKÜJV  cuvToEiv.  die  ein- 
teilung  in  8  btlcher  kann  nur  auf  einem  versehen  des  Verfassers 
des  trivaE  beruhen ,  da  die  b?.  selbst  nur  7  bücher  kennt  und  bei 
Harpokration  nur  an  eine  einteilung  in  9  btlcber  gedacht  werden. 
kann,  wenn  man  dem  8n  buch  nicht  eine  un verbal tnismäszige  aus- 


FKeuss :  anz.  t.  GJorio  codici  ignorati  nelle  bibL  di  Napoli.  fasc.  I.     171 

dehnung  geben  will.  Diodoros  übrigens,  der  bei  Thakjdides  eine 
verschiedene  Zählung  der  bUcher  erwähnt  (XIII  42,  5),  kennt  eine 
solche  bei  Xenophon  nicht. 

Lücken  hat  X  noch  weniger  als  C  und  F,  die  in  dieser  be- 
ziehung  schon  vor  der  hss.-classe  I  sich  auszeichnen ;  wo  sich  solche 
in  X  finden,  sind  sie  meist  hervorgerufen  durch  das  abirren  des  ab- 
schreibers  von  einem  wort  zu  einem  gleich  oder  ähnlich  lautenden, 
an  correctheit  stellt  Jorio  X  über  C  und  F,  an  Integrität  und  rein- 
heit  des  textes  über  D  und  Y,  ja  er  neigt  sogar  zu  der  annähme, 
dasz  X  unter  allen  hss.  die  zweite  (stelle  gebühre,  für  uns  hat  in- 
dessen m.  e.  X  durch  die  aufnähme  der  lesarten  von  cl.  I  nicht  ge- 
wonnen, da  er  nur  bekanntes  bietet;  C  und  F  bleiben  gerade  da- 
durch wertvoller,  dasz  sie  den  Charakter  ihres  archetjpus  reiner 
bewahrt  haben,  an  keiner  stelle  erföbrt  der  text  der  Hellenika 
durch  X  eine  uns  bisher  unbekannte  Verbesserung,  und  die  ausgäbe 
Kellers  hat  durch  die  nichtverwertung  dieser  hs.  nicht  die  geringste 
einbusze  erlitten,  hätte  X  den  wert ,  welchen  Jorio  dieser  hs.  bei- 
legt ,  dann  müste  dieselbe  gerade  da  ergänzend  eintreten ,  wo  B  uns 
fehlt y  also  in  dem  letzten  teile  des  7n  buches  (VII  1,  38  ff.),  aber 
an  nicht  weniger  als  37  stellen  dieser  partie  ist  der  text  in  X  ver- 
schlechtert statt  verbessert,  annehmbar,  wenn  auch  nicht  not- 
wendig könnte  ¥1X4,22  cuvefißaXeTv  statt  cuvefißdXXciv  erscheinen, 
zu  verwerfen  ist  VII  4,  29  ou  KttirivTricav  statt  ouk  dTrrivTT]cav,  da 
Xen.  in  den  Hell,  stets  diravTäv  gebraucht. 

Von  den  von  Jorio  s.  51  ff.  mitgeteilten  lesarten  seien  noch 
folgende  besprochen:  III  2,  10  hat  X  in  Übereinstimmung  mit  den 
andern  hss.  |Li€TpuüV,  welches  Keller  mit  Krüger  in  fierpov  geändert 
hat.  diese  änderung  ist  überflüssig,  da  bei  riupe  der  genitiv  hier 
ebenso  gut  stehen  kann  wie  er  etwa  bei  elvai  stehen  könnte,  un- 
gern gibt  man  das  part.  fieTpdiv  gegen  jLi^Tpov  hier  auf;  wäre  eine 
änderung  notwendig,  dann  läge  es  vielleicht  näher  hinter  riupev  ein 
wort  wie  eijpoc  einzuschieben:  inei  fieipuiv  iiöpev  eöpoc  toO 
'IcGjHoO  injä  Ktti  TpidKOVia  crdbia  =  da  die  messung  37  Stadien 
als  breite  des  Isthmos  ergab,  aufzugeben  ist  III  5,  24  die  von 
Keller  gebilligte  Überlieferung  des  B  UTToboTev  statt  dnoboTev,  da 
kein  grund  zu  erkennen  ist,  weshalb  Xenophon  hier  von  dem  sonst 
feststehenden  ausdruck  dTrobibövai  Touc  V6Kpouc  abgehen  soll.  * 

Die  besprechung  von  Jorios  abh.  gibt  mir  anlasz  auch  einige 
andere  in  dieser  nicht  berührte  stellen  unseres  Hellenikatextes  einer 

*  VI  5,  28  ist  X  'Ac^ac  statt  'AX^ac  geschrieben,  die  gleiche  Ver- 
wechselung liegt  Paus.  VIII  37,  3  vor  und  hat  in  unsern  ausgaben  auf- 
nähme gefunden:  'AX^a,  TTaXXdvriov,  €ÖTaia  usw.  'AX^a  kann  hier 
nicht  stehen:  denn  von  diesem  heiszt  es  VIII  23,  1  cuveöpiou  fbi^v  ToO 
'ApToXiKoO  |Li€T^xouca,  während  hier  die  erklärung  raOrac  fi^v  ^K 
MaivdXou  nur  auf  'Ac^a  hinweisen  kann,  mit  Cou|LiaTia,  AOKOta,  TTepai- 
Dclc  wird  Asea  auch  VIII  3,  4  zusammen  genannt,  auf  Asea  bezieht 
man  VIII  37,  3  'iacaia,  doch  ist  diese  form  für  Asea  sonst  nicht  nach- 
weisbar. 


172     FReuBs:  anz.  v.  GJorio  codici  ignorati  nelle  bibi.  di  Nupoli.  fasc.  I. 

kritischen  bebandluDg  zu  unterziehen.  I  1,  31  ist  Keller  mit  recht 
Brückner  gefolgt  und  hat  die  worte  KQTiiTOprjcac  .  .  Tpir|p€ic  als 
glossem  eingeklammert,  damit  ist  noch  nicht  genug  gethan ,  auch 
die  Worte  ^v  TOÜTi|)  bk  f\Kov  o\  bidboxoi  Tiöv  CupaKOciuJV  elc 
MiXnTOV  Kttl  irap^Xaßov  idc  vaOc  kqI  tö  CTpiieufia  sind  zu  tilgen, 
die  ankunft  der  neuen  feldherrn  ist  bereits  §  29  erzählt:  beofi^vujv 
ffieivav  ?ajc  dcpiKOVTO  o\  dvx*  ^Kcivujv  CTpaniTOi.  mit  diesen 
Worten  wird  ein  factum ,  nicht  eine  Verabredung  berichte t^  Breiten- 
bachs anmerkung :  clujc  dq)iKOVTO :  die  erfolgte  ankunft  wird  erst 
§  31  berichtet»  trifft  daher  durchaus  nicht  das  richtige,  auf  die 
entfernung  des  Hermokrates  weisen  auch  die  worte  diröOricav  Tf)v 
dnifi^Xeiav  usw.  hin :  denn  vermissen  kann  man  nur  etwas,  was  man 
nicht  mehr  hat.  wäre  in  §  29  wirklich  nur  von  einer  getroffenen 
Verabredung  die  rede,  dann  hätten  hier  auch  nicht  die  namen  der 
neuen  feldherrn  genannt  werden  dürfen ,  vielmehr  wären  sie  erst  in 
§  31  bei  der  wirklich  erfolgten  ankunft  anzuführen  gewesen.  — 
Auch  in  der  gestalt,  welche  Keller  gibt,  kann  I  4,  13  noch  nicht 
genügen;  die  worte  Kai  fiövoc  sind  in  dem  satze  Kai  fiövoc  ou 
biKaiuJC  (pÜTOl  nicht  recht  verständlich ,  obwohl  doch  offenbar  auf 
ihnen  ein  besonderer  nachdruck  liegen  soll ,  wie  aus  der  gegenredo 
ersichtlich  ist:  §  17  ÖTi  tOüv  TTapoixo)i^vuüv  aÖToic  KaKiIiv  fiövoc 
aliioc  €iTi ,  Ttüv  T€  (poßepujv  övTUiv  Tfj  iröXei  T€v^c9ai  fiövoc  kiv- 
buveucai  f)T€fiuJV  KQTacTfivai.  wie  Riemann  vermutet,  haben  die 
abschreiber  eine  lücke  des  archetypus  auf  eigne  band  ergänzt,  da- 
durch sind  wahrscheinlich  ursprüngliche  worte  des  textes  verdrängt 
und  andere  von  ihrem  platze  verschoben  worden,  ich  schlage  dem- 
nach vor  folgendermaszen  zu  lesen :  o\  fiiv  übe  KpdriCTOC  eir\  tüüv 
iroXiTiöv  Kai  fiövoc  <ol6c  t€  ctucai  Tf|v  7t6Xiv>  (vgl.  §  20), 
diTißouXeuGeic  bk  uttö  toIv  .  .  TroXiTeuövTUJV  oö  biKaiujc  cpÜTOi. 
eine  fremde  zuthat  enthalten  die  worte  ^Kcivou  dei  TÖ  KOivöv 
aöHovTOC  Kai  dirö  täv  auioO  Kai  dnö  toO  jfic  ttöXcujc  öuvaioO, 
die  das  verhalten  des  Alkibiades  noch  einmal  in  scharfen  gegensatz 
zu  dem  treiben  der  gegner  (und  tüüv  .  .  itoXit€UÖvtu)v)  bringen 
sollen,  mit  tö  koivöv  bezeichnet  Xen.  sonst  die  gemeine  als  leitungs- 
behörde  (II  4,  37.  6,  4.  VI  1,  2.  5,  6.  VII  1,  32.  4,  34.  35.  38.  5,  1. 
Anab.  V  6,  27.  7,  12);  hier  kann  darunter  nur  der  gesamte  staat 
verstanden  werden,  anstosz  darf  man  wohl  auch  an  der  Zusammen- 
stellung von  dnö  toO  tt^c  iröXeujc  buvaTOU  mit  dnö  tujv  ^auToO 
nehmen,  danach  kann  es  nicht  in  der  gewöhnlichen  bedeutung  ^nach 
kräften,  nach  möglichkeit*  (vgl.  I  6,  7  koto  tö  feuToO  öuvaTÖv 
p  6,  14  elc  TÖ  K61V0U  buvaTÖv],  Anab.  IV  2,  23  ^k  tüüv  buvaTüüv) 
gefaszt  werden,  sondern  musz  übersetzt  werden :  'aus  den  mittein 
der  Stadt.*  —  I  6,  17  hat  Keller  mit  recht  an  KaTaKUjXuGeic  fest- 
gehalten (Simon  KaraKUKXujOcic,  Portus  KOTaKXeicOeic).  Konon 
wurde  nicht  eingeschlossen,  sondern  seiner  flotte  wurde  die  ein- 
fahrt in  den  hafen  verlegt,  vgl.  Demosth.  53,  13  KaT€Ku;Xu9r)  toO 
de  CiKcXiav  ttXoO,  Xen.  Anab.  III  3,  3  i^v  bi  Tic  fifiäc  Tflc  6boO 


FReuBB:  ans.  t.  GJorio  codici  ignorati  nelle  bibl.  di  Napoli.  fasc.  I.     173 

diTiKwXui).  —  I  6,  21  schreibt  Keller  mit  Göller  direiTÖfievoi  für 
dif€ipö|ievoi  (HoflfmaDn  dY€ipöfi€VOi),  aber  neben  idc  t€  ÄTKupac 
ä7TOKÖTrrovT€C  ist  direiTÖfievoi  zu  farblos,  auch  wird  der  begriff  der 
eile  schon  genOgend  durch  das  folgende  TCrapaTfi^voi  angedeutet, 
ich  nehme  an,  dasz  ursprünglich  der  text  lautete:  Tdc  T€  äxKupac 
dTTOKÖTTTOViec  Kttl  <TOÜc  kTouc>  dTTaip6fi€voi  dßoriGouv  T€TapaT- 
fi^voi,  vgl.  Xen.  Hell.  VI  2,  29  aipöfievoc  touc  IctoOc,  Polybios 
I  67,  7  t6  bi  XoiTTÖv  TrXfiGoc  dirapdjLievGV  toiic  Ictouc  direxu^pei. 
war  einmal  ^Y€ipöfi€VOi  (vgl.  §  20  dveirauovTo)  für  diraipöfievoi 
geschrieben ,  so  wurde  touc  Ictouc  unverständlich  und  wurde  des- 
halb von  dem  abscbreiber  ganz  beseitigt.  —  I  7,  14  scheinen  die 
Worte  Td  aöid,  welche  bei  Athenaios  V  117^  fehlen,  keine  ge- 
nügende erklärung  zu  finden,  mit  Breitenbachs  anmerkung  crd 
auTd  verständlich  durch  das  vorhergehende  tQ  auT^  M^H^H^  Kp(- 
vecOai»  ist  nichts  gewonnen,  die  worte  müssen  den  inbalt  des 
KttTTiTOpeiv  angeben ,  nicht  die  forderung  des  redners  (elnövTOC  Kai 
TOÜTOUC  T^  aÖT^  M^ncptp  Kplv€c9ai).  der  redner  erhebt  nur  seine 
beschwerde,  die  aufforderung  gegen  die  prjtanen  einzuschreiten 
spricht  erst  die  menge  aus:  o\  bi.  dßduiv  KaXeTv  touc  du  9dcK0VTac. 
entweder  hat  man  Td  auTd  zu  streichen:  ^als  die  prjtanen  sich 
weigerten,  sprach  Kallixeinos  gegen  sie',  oder  man  hat  dafür  TauTa 
zu  setzen:  Varf  Eallizeinos  ihnen  dies  vor.' 

II  3,  1  und  U  3,  10  hat  man  ''€vbioc  als  namen  des  ephoren 
hergestellt,  die  hss.  überliefern  an  erster  stelle  €ubiou,  an  der 
zweiten  BCFM  eöbiKOC,  V  ^KbiKOC,  D  TTpöbiKOC.  der  name 
"Gköikoc  kehrt  auch  IV  8,  20  ff.  wieder;  entweder  "Gköikgc  oder 
eöbiKOC  (V4, 39  Toiv  7T€pio(KU)V  ?va,  GöbiKOv)  ist  auch  II  3, 1  u.  10 
zu  schreiben,  einen  ephoren  ""Gvbioc  erwähnt  Thuk.  VIII  6,  3  und 
12,  2  (Diod.  XIII  52,  2),  bei  Xenophon  werden  II  3,  10  nur  die 
eponjmen  aufgezählt,  dasz  Endios,  der  anhänger  des  Alkibiades, 
gerade  im  j.  404/3  als  fqpopoc  diT(JüVU|Lioc  fungierte,  hat  wenig  Wahr- 
scheinlichkeit für  sich.  —  II  3,  34  schreiben  Dindorf  und  Cobet 
dK€i,  während  Liebhold  mit  tilgung  von  t€  Tf|V  dpxrjv  statt  ^Kcivi) 
den  acc.  ^kcivtiv  liest,  am  nächsten  liegt  m.  e.  die  zufügung  von 
iv:  ei  b'  dv  iKcivq  dh.  t^  AaK6bai|iOviaJV  iroXiTclqi*  vgl.  Aristot. 

TTOX.  *A0.  6  TOiaUTTlC  TT^C  TdECUJC  OÖCT]C  dv  T^  7T0XlT€l<jl.  —  III  4,  2 

halte  ich  in  den  Worten  o^i  Tdc  TraTpiouc  iroXiTeiac  TraprJTTCiXav 
die  ergänzung  eines  begriffes  wie  dnobouvai  für  erforderlich:  cH 
Tdc  TraTpiouc  iroXiTcCac  <d7Tobo0vai>  irapriTTCiXav.  —  III  4,  8 
widerspricht  der  starke  aasdruck  ffirivc  dem  folgenden  IbriXuJcev 
ucTCpov,  weshalb  Übelen  denselben  in  fbaxvc  ändert.  Plutarch 
Lys.  23  schreibt:  Trpoc90iTd>VTec  .  .  i^viujv  töv  *ATTiciXaov.  so 
dürfte  wohl  auch  bei  Xen.  zu  lesen  sein:  TauTa  fi^v  oCv  i^viace 
töv  'ArnciXacv,  vgl.  V  4,  33  Kai  i^viacc  fifev  €lc  Td  IcxaTa  töv 
*ApxibajLiov.  —  III  4,  5  sind  die  worte  ificnep  Kai  Tdc  iv  t^  nap* 
fULiiv  *€XXd{)i  als  ein  einschiebsei  anzusehen.  Agesilaos  fordert: 
aÖTOv6|üiouc  Kai  Tdc  tv  tQ  ^Acicji  nöXeic  elvai,  Ages.  1, 10  dcpeOfivai 


174     FHeuss:  anz.  v,  GJorio  oodici  ignorati  Delle  bibl.  di  Napoli.  fasc.  t. 


aiJTOv6|iouc  xdc  ^v  ttj  *Aciqt  ttöXcic  'GXXrivibac ,  Plut  Agea.  9  ujc 
Tctc  TTÖXeic  atiTii»  tdc  'EXXrivibac  a^ncovioc  aÜTOvö/iouc  ßaciX^ujc, 
Poljainoa  II  1,  8  öcai  iröXi^ic  'EXAriviöec  iv  'Acia,  Kai  hr\  aiiTO- 
vö^ouc  dqpeivai.  wenn  hier  der  zusatz  '€XXr|vi2>€c  den  schriftstelleni 
notwendig  schien,  wie  kann  Xen*  'Acici  als  einen  teil  von  Gesamt- 
hellas der  '6XXdc  nap*  f^uiv  gegenüberatellen?  von  einer  auto- 
nomie  der  hellenischen  slädte  kann  vor  dem  Äctalkidas- frieden 
nicht  die  rede  sein;  darum  seheint  auch  in  diesem  Irrtum  sich  die 
verbessernde  band  eines  gloasators  in  offenbaren,  möglicherweise 
sind  durch  diesen  zusatz  Xenophona  werte  noch  weiter  entstellt 
worden  und  diese  lauteten  ursprünglich:  6  bk  elrrev  (forderte) 
auTOVOjiouc  idc  dv  tq  'Aciot  ttöXcic  <;'6XXTivibac  (i(p>eTvai.  aus 
Äges*  1,  7  dürfte  auch  Hell*  III  4,  6  dvil  toO  eipr|VTiv  ?x^iv  in 
dvti  TOÖ  eiprivTiv  npdTT€iv  /u  verbessern  sein.  Tissaphernes  bat 
versprochen  für  den  frieden  zu  wirken  (?j  pfjv  irpdgeiv  dboXuJC  ifiv 
eipiivriv),  hält  aber  dies  versprechen  nicht,  sondern  betreibt  die 
rüstungen  zum  kriege*  directo  Feind  Seligkeiten  läszt  er  sich  da- 
gegen nicht  zu  schulden  kommen,  daher  kann  ihm  nach  dieser  seita 
hin  (dvil  TOÖ  €ipr|vr|V  Ixetv)  auch  kein  Vorwurf  gemacht  werden.  — 
Ein  fremder  bestandteil  hat  III  5,  19  mit  den  Worten  örrÖTepa  p^v 
OÖV  •  .  *AXiapTiuJV  in  unserm  texte  aufnähme  gefunden*  scbon  die 
form  des  satzes  erinnert  an  die  ähnlich  eingeführten  glossen ,  die 
sonst  bei  Xen,  nachgewiesen  sind  (vgl,  Anab,  II  6»  4  öwoioic  ^kv 
Xötoic  ua, ,  Wetzlarer  progr,  1887  s*  8);  sie  erinnert  auch  an  eine 
in  scholien  (zb.  IliasschoHen)  nicht  unbeliebte  form  ÖTTOTCpa  ,  . 
dbiiXov,  in  den  überlieferten  Worten  wird  auf  zwei  verschiedene 
relationen  bezug  genommen,  die  eine  (eiie  Xaööviec)  ist  anscheinend 
die  auch  von  Plutarcb  Lys.  c.  28  vertretene.  Plutarch  und  Pausanias 
weichen  in  ihren  angaben  mehrfach  von  Xenophon  ab :  Hell*  III  5,  1 
dv  Srißaic  *AvbpOKXeibi5t  kui  'IcprivEct  xai  raXagibaipuj »  dagegen 
Paus.  111  8,9  dv  Grißaic  'AvbpOKXcibac  kqi  1cpr|viac  Kai  'Ap(p(9€jLiic. 
Plut.  Lys.  29  Tüüv  TTcpi  'AvbpOKXeibav  Kai  'Apcpi0€ov.  Hell.  III  5,  2 
*A0T)vaioi  bi  Kai  ov  |i€iaXaß6vT€C  toutou  tou  xpuciou  usw.  Paus, 
ao,  MeWcxe  b^  Kai'AGr|vaioc  Ktq)aXoc  KarGTriicpdiric.  Plut  Ages.  15 
TOCOÜTUJV  Tdp  €k  *AOrivac  Kai  Önßac  Ko^icOevTUJV  Kai  biaboOcvtiuv 
ToTc  bqpaTUJTOic.  so  Itann  auch  bezüglich  der  schlaiht  eine  doppelte 
Version  bestanden  haben :  nach  der  einen  rückten  die  Thebaner  nur 
aus  der  Stadt,  nach  der  andern  faszte  eine  zweite  auszerhalb  der 
mauern  stehende  abteilung  die  Lakedaimonler  im  rücken*  über  den 
Bchlachtort  selbst  aber  herscht  keine  meinungsverschiedenbeit,  des- 
halb ist  die  bemerk ung,  welche  in  unsorm  texte  folgt:  toOto  b*  oöv 
cai|>€c»  ÖTi  napd  tö  leixoc  f\  ^dxn  iyiv^ro'  Kai  Tpöiraiov  ?cttik€ 
Tipöc  Tdc  TTuXac  TU)v  'AXiapTiu>v  sehr  überfiüssig.  Xenophon,  der 
im  nächsten  jähre  selbst  in  Boiotien  im  felde  steht»  konnte  es  nicht 
einfallen,  etwas  selbstverständliches  seinen  Zeitgenossen  durch  den 
Standort  des  rpOTratov  erweisen  zu  wollen;  solche  angaben  gehören 
erst  einer  i^pätern  zeit  an. 


FReu88:  anz.  v.  GJorio  codici  ignorati  nelle  bibl.  di  Napoli.  faec.  I.     175 

In  IV  2,  10  widerspricht  die  von  den  hgg.  gebilligte  lesart 
i£Qcav  der  folgenden  rede  des  Timolaos,  welche  die  kriegserklärung, 
aber  noch  nicht  den  beginn  der  feindseligkeiten  und  der  Operationen 
voraussetzt,  auch  hier  hat  man,  wenn  diese  Voraussetzung  zutrifft, 
an  der  Überlieferung  des  B  festzuhalten  und  1T6X€^ov  zu  derselben 
zu  ergänzen :  inä  bk  dHriv€TKav  jiifev  <Tr6XejLiov>  oi  AaKebai^övioi 
(III  5,  1.  IV  8,  6.  V  1,  34.  2,  34).  —  IV  3,  21  hat  Morus  toiv  U 
TTJc  Xeiac  in  toiv  Ik  iflc  'Aciac  geändert,  nach  dem  überlieferten 
texte  würde  man  annehmen  müssen ,  dasz  die  in  Boiotien  gemachte 
beute  gemeint  sei ;  nur  aus  Plutarch  Ages.  19  Kai  Tf)v  bexaTTiv  äir^Oue 
TOIV  ^K  Tflc  'Aciac  Xacpijpuiv  ^kotöv  raXdvTUJV  Tcvcfi^viiv  und  Xen. 
Ages.  1,  34  ujCT€  i\  buoTv  ^toTv  ttX^ov  tujv  ^Kaiöv  xaXdvTUJV 
Tifi  Oeuj  iv  AeXcpoTc  beKarriv  dTToOCcai  würde  man  den  wahren 
Sachverhalt  sich  erschlieszen  können,  die  Verbesserung  erscheint 
mir  so  evident  (ACIAC  —  A6IAC),  dasz  ich  die  bedenken  der  hgg. 
dieselbe  in  den  text  aufzunehmen  nicht  begreife.  Plutarch  schreibt 
Xen.  hier  wörtlich  aus,  daher  ist  man  berechtigt  noch  weiter  als 
Morus  zu  gehen  und  auch  XacpupuJV  aus  Plutarch  herüberzunehmen : 
bCKdinv  TiLv  ^K  TTJc  'Aciac  Xacpupuiv  toi  0eiu  d7r^0uc6v  ouk  dXdTTui 
^KttTÖv  TttXdvTUJV.  —  Während  in  IV  8,  15  BFMDV  auTOVÖ^ouc 
Tdc  vrjcouc  elvai  bieten ,  ist  in  C  zu  xdc  vrjcouc  noch  xdc  iröXeic 
hinzugefügt.  Dindorf  folgte  der  Überlieferung  der  bessern  hss., 
Keller  entschied  sich  dagegen  für  C.  es  werden  die  einzelnen  punkte 
besprochen,  welche  den  vertragschlieszenden  mächten  besorgnisse 
erweckten:  Athen  hatte  nur  für  die  untergebenen  inseln,  die  Boioter 
für  die  städte  zu  fürchten,  da  letztere  für  die  Athener  gar  nicht  in 
betracbt  kamen ,  so  ist  man  nicht  berechtigt  die  Überlieferung  der 
bessern  hss.  gegen  die  einer  untergeordneten  aufzugeben. 

Mit  V  1,  35  AaK€bai|ioviouc  fifev  bf\  .  .  (36)  dK  KopivGou  ist 
es  nicht  besser  bestellt  als  mit  V  3,  27 — 4,  1,  deren  beseitigung 
Hartman  mit  recht  fordert,  es  werden  die  vorteile,  welche  der 
Antalkidas- frieden  Lakedaimon  brachte,  aufgezählt,  ohne  dasz  irgend 
eine  wesentliche  neue  angäbe  gebracht  wird,  schon  in  den  einleiten- 
den Worten  befremdet  die  gegenüberstellung  der  Lakedaimonier  und 
Athener,  als  ob  es  sich  im  boiotisch-korinthischen  kriege  in  erster  linie 
um  einen  waffengang  zwischen  diesen  gehandelt  hätte,  formell  ent- 
halten eine  höchst  eigentümliche  ausdrucksweise  die  werte  fierd 
TÖv  öcxepov  TTÖXefiov  rfic  Ka0aipdceuüc  toiv  'A0tiVTici  t€ix»öv  auiT] 
irpiJüTTi  elprjvT]  dif^veTO,  sachlich  sind  dieselben  gleichfalls  unrichtig, 
da  sie  den  frieden  des  j.  403  (II  4,  28 — 39)  ganz  auszor  betracbt 
lassen,  auf  die  werte  ^TriKub^CTepoi  dT^vovTO  ^K  ttjc  In*  'AviaX- 
Kibou  €lprivT]C  KaXoufidvTic  soll  Isokrates  paneg.  139  dmKubdcT€pa 
Td  TTpdTjUCtTa  toutujv  diroiiice  bezug  nehmen,  indessen  spricht  Iso- 
krates hier  gar  nicht  vom  Antalkidas-frieden ,  und  seine  angaben 
sind  viel  zu  allgemein,  als  dasz  sie  zu  jener  annähme  berechtigten, 
dem  sonstigen  gebrauche  Xenophons  liegen  weiterhin  ausdrücke  wie 
dvTippÖTTiüc  TOic  dvavTioic  TTpdTTOVT€C  und  diriKub^ciepoi  fem, 


176     FRease:  anz.  v.  GJorio  codici  igiiorati  nelle  bibl.  di  Napoli*  fasc.  I«l 


letzteres  gehört  einer  sp^tero  zeit  und  ist  besonders  bei  Polybiosl 
sebr  beliebt  (I  39,  6,  V  23,  2,  69,  11  uö.)-  nachdem  Xen.  aus- 
führlich die  geschichte  des  An talkidas- Friedens  erzählt  bat,  erscheint 
mir  auch  die  bezeichnung  desselben  ah  f\  in*  *AvTa\Kibou  eipr)vr| 
Kakoup€VT]  verdächtig,  so  wird  er  voo  spätem  Schriftstellern  bei 
flüchtiger  trwähnung  kurz  bezeichnet:  Demostb.  20,  54,  PoljrbioB 
I  6,  2  Trjv  dir*  'AvTaXxibou  XetOM^vrjV  £iprivT]V|  IV  27,  5.  die  be- 
deuiung  von  auTÖV0|i0C|  das  nicht  identisch  mit  eXeüBepoc  ist 
(III  1,  20  TOüc  TToXiiac  eXcu0£pbuc  küI  aÜTOVÖpouc  iäv),  schliesit 
den  Zusatz  diiö  tujv  önßctiuJV  aus,  weshalh  auch  VII  1,  36  dirö  TUJV 
AaKe6ai|iO villi V  getilgt  werden  musz.  an  den  werten  ^iraucav  *  . 
Kopiv6ou  hat  auch  Hartman  anstosz  genommen,  desgleichen  Laves 
an  cppODpav  <pf|vaVTec  .  *  KopivGou,  die  sicher  logisch  nicht  correct 
sind  und  etwa  dTTeiXricavTec  oder  TTpoemövt£C  cpaveTv  lauten  müsten. 
—  VI  1,  12  können  neben  eyKaTfepTöCTOTepov  die  worte  t&tii^koov 
7roil^cac6at  nicht  stehen  bleiben  y  da  sie  ganz  dasselbe  noch  einmal 
ausdrücken,  vgl  Plut.  Pyrrhos  19  ujutiiiv  UJC  TTCtciv  €UKaT€pfäcTUJV. 

Die  ermordnng  des  ijrannen  Alex  and  ros  von  Fherai  setzt  Diodor 
ins  j,  357/56.  diese  datierung  hatte  ich  jahrb«  1892  s.  94  als  mit 
Xenophon  vereinbar  hingestellt,  diese  annähme  wird  auch  durch 
Cic>  de  dip.  I  c.  25  empfohlen«  an  der  Unternehmung  Diona,  die  im 
august  357  von  Korkyra  aus  veranstaltet  wurde,  nahm  Endemos, 
der  freund  des  Aristoteles,  teil  (Plnt.  Dion  22).  nach  der  erzllhlung 
des  Ari&toteles  erkrankte  derselbe  auf  einer  reise  nach  Makedonien 
in  Pherai  und  hatte  daselbst  ein  traumgesicht,  das  ihm  selbst  die 
rückkebr  in  seine  beimat  nach  fünf  jähren,  dem  tyrannen  aber  bal- 
digen tod  ankündigte,  dasselbe  gieng  in  erfüllung,  doch  ßel  Eudemoa 
vor  Syrakus.  wir  haben  die  erzählung  nur  unvollständig,  dürfen  aber 
wohl  voraussetzen,  dasz  sieb  der  träum  auf  ein  bedeutsamei^s  ereignis 
als  eine  reise  nach  Makedonien  bezieht »  dh.  auf  die  teilnähme  des 
Eudemos  an  dem  kriegszugo  Dions,  der  tod  desselben  müste  dem- 
gemäsz  ins  j.  353/62  gesetzt  werden,  vermutlich  ist  er  um  diese  zeit 
im  kämpfe  gegen  Kallippos  gefallen:  Diod.  XVI  36,  5  iv  bi  taiC 
CupaKOucaic  cidceujc  T€vopivr|c  toic  Aituvoc  cpiXoic  npöc  KdX- 
XiHTiov  und  o\  plv  ToO  AIüjvoc  cpIXci  fimieiVTec  fcputov  6ic  touc 
AccvTivouc.  damit  würden  wir  ein  positives  Zeugnis  für  die  chrono**  A 
logie  Diodors  gewinnen*  ■ 

Die  fehler  in  der  Überlieferung  Xenophons  sind  zum  teil  sehr 
alten  datums ;  wenn  in  unsern  hss.  V  4, 8  dvaTKaiov  statt  dvdKeiov 
steht,  so  teilen  sie  diesen  irrtum  schon  mit  den  hss.  Harpokrations 
(u*  dvatKaiov).  für  die  hersteltung  des  ursprünglichen  textes  ge- 
winnen wir  leider  auch  durch  die  hs*  X  nichts,  da  dieselbe  nur  die 
uns  schon  bekannte  Überlieferung  vertritt»  gleichwohl  sind  die  unter» 
suchungen  Jorios  nicht  unverdienstlich  und  dürfen  für  ihre  sorgftil- 
tige  und  sichere  bandhabung  exacter  methode  anspruch  auf  unsere | 
anerkennung  erheben. 

Tft^RBACB  AN  DEfi  MOSSL.  FRIEDRICH  RsUBS. 


JGeffcken:  die  gründang  von  Tarent  17? 

23. 

DIE  GRÜNDUNG  VON  TARENT. 


Die  gründung  von  Tarent  darf  noch  immer  ein  problem  heiszen. 
viele  hjpothesen  sind  darüber  aufgestellt  worden,  keine  einzige 
combination  hat  aber  bisher  eine  wirklich  befriedigende  lösnng  zu 
bringen  vermocht,  so  viel  freilich  sieht  jeder  anf  den  ersten  blick 
sofort:  etwas  musz  zu  jener,  noch  dazu  schwer  bestimmbaren  zeit 
faul  im  Staate  Lakedaimons  gewesen  sein,  wo  nun  dieser  wunde 
punkt  gewesen ,  ob  im  eherecht  oder  in  den  socialen  verhftltnissen 
oder  sonstwo,  darüber  wird  hin  und  her  gestritten,  in  dieser  fülle 
der  meinungen  ist  denn  auch  schon  die  erklärung  gefallen,  dasz  eine 
lösung  der  aufgäbe  überhaupt  nicht  möglich  sei. '  solchen  Pessimis- 
mus halte  ich  denn  doch  noch  nicht  für  angebracht,  ich  möchte 
hier  die  behauptung  wagen ,  dasz  ein  fortschritt  über  das  reine  ver- 
muten hinaus  im  bereiche  der  möglichkeit  liegt,  philologie,  sagt 
Nietzsche,  ist  langsam  lesen,  wenn  wir  die  vorhandenen  quellen 
noch  langsamer  lesen  als  bisher  geschehen ,  wenn  wir  dann  das  er- 
gebnis  dieser  arbeit  in  gröszerm  zusammenhange,  in  Verbindung  mit 
der  altem  geschieh te  der  Peloponnesos  überhaupt  betrachten,  so 
läszt  sich  vielleicht  ein  resultat  erzielen,  das  nicht  gleich  in  die 
rumpelkammer  unzähliger  subjectivismen ,  an  denen  die  geschichts- 
forschung  so  reich  ist,  geworfen  zu  werden  braucht.^ 

Es  gilt  also  eine  erneute  prüfung  der  Zeugnisse;  sie  soll  uns 
die  Zuverlässigkeit  der  quellen  selbst,  soll  uns  die  entstehung  der 
legende  lehren,  da  zeigt  nun  eine  kurze  durchmusterung  des  Stoffes 
gleich,  dasz  zwei  berichte  im  Vordergründe  stehen  müssen,  die  er- 
Zählungen  des  Antiochos  und  des  Ephoros;  was  sonst  vorhanden 
ist,  kann,  wie  sich  bald  herausstellen  wird,  nur  eine  nebenroUe 
spielen,  da  nun  beide  darstellungen  in  ihren  beziehungen  zu  einander 
besser  im  zusammenhange  behandelt  werden,  so  lasse  ich  sie  hier 
ohne  Unterbrechung  auf  einander  folgen. 

Antiochos  (Strabon  278):  'als  der  messenische  krieg  ge- 
wesen, wurden  die  Lakedaimonier,  die  nicht  am  heerzuge 
teil  genommen  hatten,  für  sklaven  erklärt  und  Heloten  ge- 
nannt, die  kinder  abor,  welche  vjrährend  des  feldzuges  geboren  wur- 
den, nannte  man  TTapGcviai  und  erklärte  sie  für  ehrlos.'  die  jedoch 

1  Busolt  griech.  gesch.  I  157.  '  über  die  ganze  geschichte  Tarents 
vgl.  die  sorgfältige  abh.  von  Döble:  geschichte  Tarents  bis  anf  seine 
unterwerfang  unter  Rom  (progr.  d.  Lycenms  zn  Straszburg  i.  E.  1877). 
die  abh.  von  Lorentz  de  origine  yeterum  Tarentinorum  ist  mir  leider 
nicht  zugänglich  gewesen  und  nur  durch  Dohle,  der  seine  Vorgänger 
eingehend  würdigt,  vermittelt  worden.  Lorentz  schrift  de  civitate 
veternm  Tarentinorum  hingegen  habe   ich  benutzen  können.  '  für 

das  öcoic  bk  KaxA  ti?)v  cxparciav  iralbcc  ^t^vovto,  TTapOcviac  ^KdXouv 
der  meisten  hss.  lese  ich  mit  zwei  späten,  die  m.  e.  richtig  conjicieren, 
öcot  bi,    öcoic  bi  liesze  nach  grammatischer  interpretation  nur  die  er- 
Jahrbficher  fBr  clast.  philol.  1893  hA.  8.  12 


178  JGeffckeu :  die  grüDduug  von  Taren t. 

ertrugen  das  nicht  —  ihrer  waren  aber  viele  —  und  sannen  schlimmes 
gegen  dievomdemos.  da  man  dies  nun  merkte ^  stiftete  man 
heimlich  einige  an ,  die  unter  dem  verwände  der  Freundschaft  die 
maszregeln  der  Verschwörung  verraten  sollten,  unter  diesen  war 
auch  Phalanthos,  welcher  ihr  (dh.  der  verschworenen)  führer  zu  sein 
schien,  aber  nicht  in  allem  mit  dem  über  die  Verschwörung  verab- 
redeten^ einverstanden  war.  man  hatte  nun  bestimmt,  an  den 
Hyakinthien  im  Amyklaion,  wenn  der  agon  zu  ende  gienge, 
in  dem  augenblicke,  da  Phalanthos  den  heim  aufsetzte,  den  angriff 
zu  eröffnen,  kenntlich  aber  waren  die  vom  demosander 
h aar tr acht,  als  aber  Phalanthos  freunde  diese  Verabredungen 
heimlich  gemeldet  hatten'  und  der  agon  im  gange  war,  da  trat  der 
herold  vor  und  sagte,  Phalanthos  solle  den  heim  nicht  aufsetzen, 
nun  merkten  die  Verschwörer  dasz  der  plan  verraten  sei  und  liefen 
teils  auseinander,  teils  baten  sie  um  gnade,  man  hiesz  sie  aber  ge- 
trost sein  und  übergab  sie  der  bewachung,  Phalanthos  jedoch 
schickte  man  zum  gotte  wegen  einer  colonie.  der  nun  gab  den 
Spruch:  Caiupiöv  toi  bujKa  Täpavxd  le  niova  bf^jüiov  |  olKficai 
Ka\  TTf)|üia  NaTTUT6CCi  t^v^cOai  die  Parthenier  giengen  also  mit 
Phalanthos,  und  die  barbaren  und  Kreter,  welche  vorher  den  ort 
besetzt  hatten,  nahmen  sie  auf.  das  sollen  aber  die  mit  Minos  nach 
Sikelien  gefahrenen  sein,  welche  nach  dessen  in  Kamikos  bei  Eokalos 
erfolgtem  tode  sich  aus  Sikelien  entfernt  hatten ,  auf  dem  rückwege 
jedoch  hierher  verschlagen  waren ,  und  von  denen  einige  später  zu 
fusze  den  Adria  bis  Makedonien  umwanderten  und  den  namen  Bot- 
tiaier  empfingen.' 

Die  darstellung  des  vielgelesenen  Ephoros  musz  man  sich 
aus  zwei  auszügen  zusammenstellen,  aus  dem  bei  Strabon  279  er- 
haltenen fragmente  und  aus  Trogus  lU  4, 1 ;  beide  ergänzen  sich  in 
durchaus  notwendiger  weise.  ^    wir  erhalten  somit  die  erzählung: 

klftmDg  sQ,  dass  diejenif^en,  welche  im  feldzuge  kinder  bekommen 
hätten,  Parthenier  genannt  worden  wären,  noch  eine  andere  deutung 
ist  hier  gleich  von  vorn  herein  absaweisen.  Döble  ao.  s.  7  nnd 
Bnsolt  ao.  I  156  na.  glauben,  dasz  die  Parthenier  kinder  der  am  feld- 
zuge nicht  teilnehmenden,  später  su  Heloten  gemachten  seien,  das 
geht  in  keiner  weise,  die  kinder  der  so  degradierten  wären  doch  natür- 
lich wieder  Heloten,  dh.  eo  ipso  dri^ot  gewesen,  denen  hätte  doch  die 
benennnng  TTapOcviai  keinen  besondern  schimpf  mehr  anthun  können. 

^  wie  schon  Oroskurd  bemerkt,  ist  der  text  durch  das  fehlen  der 
bezeichneten  subjecte  entstellt,  so  fehlt  s.  383,  1  Mein.  oOtoi  nach 
alc66^€VOi,  ebd.  12  musz  man  ergänzen  et  ^irißouXcOcavTCC ,  14  besieht 
sich  das  K€X€i)cavT€C  natürlich  auf  die  SpartiatfU.  ^  Totc  ircpi  Tf)c 

ßouXf^c  övoMac6€Ui  fast  alle  hss.,  nepl  Tf)c  ^inßouXf)c  voMicOetct  Korais. 

•  ^HaYTciXdvTUJv  bi  tivujv  Xd6pa  .  .  tcIiv  irepi  0dXav9ov  —  ^Hair- 
t€(XavT€c  bi  Xd6pa  .  .  rduv  ir.  O.  hss.  ^EaTT^iXdvTUJv  bi  XdOpa  .  .  Tubv 
IT.  <t>.  Korais.  Phalanthos  freunde  bezeichnen  natürlich  nicht  die  Ver- 
schwörer, sondern  wie  oft  eine  nächste  Umgebung.  ^  aus  dem  um- 
stände, dasz  Ephoros  bei  Strabon  nur  von  der  tötung  des  Teleklos  als 
grund  des  messenischen  krieges  spricht,  während  Trogus  von  der 
Schändung  der  lakonischen  Jungfrauen  redet,  hat  man  mit  unrecht  auf 


JGeffcken:  die  gründong  Yon  Tarent  179 

*die  Lakedaimonier  bekriegten  die  Messeniery  weil  diese  bei  einem 
messenischen  feste  lakonische  Jungfrauen  geschändet  und  dabei  den 
könig  Teleklos  erschlagen  hatten,  sie  schwuren  aber  nicht  eher 
nach  hause  zurückzukehren,  als  bis  sie  Messenien  yemichtet  hätten, 
oder  alle  zu  fallen,  als  wSchter  der  stadt  hatten  sie  nun  beim  aus- 
zuge  die  jüngsten  und  die  Sltesten  bürger  zurückgelassen,  nach  zehn 
kriegsjahren  aber  kamen  die  frauen  der  Lakedaimonier  zusammen 
und  schickten  aus  ihrer  mitte  einige  zu  den  mSniftm,  um  diesen 
vorwürfe  zu  machen^,  dasz  man  nicht  mit  gleichen  kräften  gegen 
die  Messenier  krieg  führe ;  diese  nemlich  blieben  im  lande,  erzeugten 
kinder  und  ersetzten  durch  der  weiber  fruchtbarkeit  den  abgang  an 
junger  mannschaft ',  wfthrend  sie  selbst  ihre  weiber  als  witwen  leben 
lieszen  und  im  feindlichen  lande  lagerten,  so  wäre  die  gefahr  vor- 
handen ,  dasz  dem  vaterlande  die  mftnner  mangelten,  da  schickten 
die  Lakedaimonier,  indem  sie  zugleich  den  eid  hielten  und  der 
weiber  Vorstellungen  beherzigten ,  vom  beere  die  kräftigsten  und 
jüngsten,  die  als  kinder  noch  nicht  am  eide  teil  genommen  hatten 
und  als  ersatz  gekommen  waren.  ^^  sie  gaben  diesen  aber  den  befehl, 
sie  sollten  alle  den  mädchen  insgesamt  beiwohnen,  dann,  glaubten 
sie,  würde  es  mehr  kinder  geben.'*  dies  geschah,  und  die  kinder 
hieszen  Partheniai.  —  —  (280)  Messenien  verteilten  sie  nun ,  zu 
hause  angekommen  aber  ehrten  sie  die  Parthenier  nicht  gleich  den 
andern  ,  da  sie  nicht  aus  richtiger  ehe  stammten,  diese  jedoch,  zum 
alter  von  dreiszig  jähren  gediehen ,  fürchteten  den  mangel ,  da  kein 
vater  für  sie  vorhanden  war,  der  ihnen  ein  erbgut  vermacht  hätte, 


verBcbiedenheit  der  qaelle  geschlossen,  dasz  beide  gründe  zu  ver- 
binden seien,  ist  mit  beruf ung  auf  Strabon  257  und  362,  wo  gewis 
Ephoros  vorliegt,  und  Pausanias  IV  4,  2  von  Enmann  in  seinem  vor- 
trefflichen buche  'Untersuchungen  über  die  quellen  des  Pompejus  Trogns 
für  die  griech.  und  sicil.  geschichte'  s.  124  ff.,  wie  mich  dünkt,  er- 
wiesen worden,  auch  deutet  darauf  hin  Strabons  T^iXckAcv  €lc  Mcccnvrfv 
d(piKÖM€vov  ktti  6uc(av  in  Verbindung  mit  Trogus  in  sollemni  Messe- 
ftionttn, 

^  Strabon:  ir^^ipai  Tivdc  . .  Tdc  ^c^MiOM^vac.  Trogus:  cum, .  querellis 
uxorum . .  revocareniur.  *  Strabon :  ol  \it^  ydp  ^^vovT€C  TCKVOiroioOvrai, 
oi  ti  xnp<ic  dq>^vT€c  Tdc  T^vatKOc  iy  t^  iroX€^((]i  kTparoir^cucv. 
Trogns :  quippe  Ulis  quantum  iuventutis  hello  intercidat  mulierum  fecundiiaie 
supplerif  sibi  et  in  bellis  damna  adsidua  et  fecunditatem  uxorum  ahscntibus 
viris  nuUam  esse,  **  das  Strabonische  b\ä  TÖ  irotl6ac  ^Ti  övrac  cuvcH- 
eXOCtv  TotC  ky  i^XiKiqi  ist  unsinn,  widerspricht  dem  oben  gesagten 
(pOXaKac  .  .  Tf)c  nöXcujc  KaT^Xiirov  .  .  toOc  tc  veujTdTouc  Kai  irpecßu- 
rdrouc  .  .  so  eigentümlich  es  klingt,  es  musz  hier  eine  negation  aus- 
gefallen sein,  mit  unbedingter  notwendigkeit  ergänzt  an  dieser  stelle 
Trogus  Strabon  zum  ganzen  Ephoros:  Strabon  hatte  die  Jünglinge  als 
besatzung  zu  hause  bleiben  lassen,  nachher  aber  werden  sie  doch  aus 
dem  lager  entlassen;  Trogus  erzählt,  sie  seien  später  nach  dem  eide 
zam    ersatz   nachgeschickt.  **  Strabon:    i^ToO^cvot   iroXuT€KVi^C€iv 

fidXXov  =3  Trogus:  maturiorem  futuram  conceptionem  rati^  si  eam  singulae 
per  plures  viros  experirentur,  übrigens  ist  Trogus  ungenau,  wenn  er 
von  allen  feminae  spricht;  dagegen  redet  ja  schon  der  name  der  Par- 
thenier. 

12* 


172     FReuBss  ans.  v.  GJorio  codici  ignorati  nelle  bibl.  di  Nui 

kritischen  behandluDg  zu  untergeben.    I  1»  31  ist  Keller 
Brückner  gefolgt  und  hat  die  worte  KairiTopricac  .  ,  xpil 
glossem  eingeklammert,    damit  ist  noch  nicht  genug  getbJ 
die  worte  ^v  TOÖTiu  6€  f|KOV  oi  bidboxoi  tiXiv  CupaKoj 
MiXtiTOV  Kol  irap^Xaßov  rac  vaOc  Kai  t6  CTpdTtujia  sind 
die  ankunft  der  neuen  feldherrn  ist  bereits  §  29  erzählt:  b^ 
^^€ivav  ?Luc  ötpiKoVTO  Ol  dvT*  ^iceivuuv  CTpaTTiToi«    niii 
Worten  wird  ein  factum ,  nicht  eine  Verabredung  berichtet, 
bachs  anmerkung;  «euuc  d<piKOVTo:  die  erfolgte  ankunft 
§  31   berichtet»    trifft    daher  durchaus  nicht  das  richtige, 
entfernung  des  Hermokratea  weisen  auch  die  worte  ^TtÖOil^ 
ini/iCXeiav  uaw.  hin:  denn  vermissen  kann  man  nur  etwas, 
nicht  mehr  hat,    wäre  in  §  29  wirklich  nur  von  einer  ge 
Verabredung  die  rede^  dann  hätten  hier  auch  nicht  die  nad 
neuen  feldherrn  genannt  werden  dUrfen  ,  vielmehr  wären  siel 
§  31    bei   der  wirklich    erfolgten  ankunft  anzuführen  gewed 
Auch  in  der  ge&tult,  welche  Keller  gibt^  kann  I  4,  13  nocl 
genügen;   die   worte   küi  ^övoc   sind  in  dem  satze  Kttl  jiOl 
blKaiuüC  q}UYoi  nicht  recht  verständlich,  obwohl  doch  offenl| 
ihnen  ein  besonderer  nachdruck  liegen  soll,  wie  aus  der  geg 
ersichtlich  ist:  §  17  öii  tüjv  irapoixo^^vujv  auTOic  KaKÜüv| 
aiTioc  t(r\ ,  Tujv  te  cpoßcpuüv  övtuüv  ttj  iröXei  T^vecBai  ^6vc 
buvcücat  ^Yepujv  Kaiacifivai.    wie  Kit- mann  vermutet,  babä 
abschreiber  eine  lUcke  deä  archetypuä  auf  eigne  band  ergänzi 
durch  sind  wahrscheinlich  ursprüngliche  worte  des  textes  verd 
und  andere  von  ihrem  platze  verschoben  worden,    ich  schlagt 
nach  vor  folgendermaszen  zu  lesen:  o\  ^Iv  Uüc  KpaiiCTOC  €.\i 
1T0XlTU>V    KOI   ^övoc    <oiöc   TC    cujcai   rfjv   TToXiv)   (vgl.   §1 
iTrißouX€u0€k  hi  \)k6  tujv  .  *  ttoXitcuövtijjv  ou  biKaiuJC 
eine    fremde  zuthat   enthalten  die   worte   ^KCivou   äei  td   K^ 
auEovToc  Kai  öttö  xuiv  auiou  Kai  qtto  toö  tiic  ttöXcujc  buv^ 
die  das  verhalten  des  Alkibiades  noch  einmal  in  scharfen  gegc 
zu  dem  treiben  der  gegner  (uTtö  tujv  .  .  noXiieuövTUJV)  brJ 
aollen,  mit  TÖ  KOivöv  bezeichnet  Xen,  sonst  die  gemeine  alsleitj 
behörde  (II  4,  37,  6,  4.  VI  1,  2.  5,  6.  VII  1,  32.  4,  34.  35.  38/ 
Anab.  V  6,  27,  7,  12)^  hier  kann  darunter  nur  der  gesamte ( 
verstanden  werden,    anstosz  darf  man  wohl  auch  an  der  zusan 
Stellung  von  diro  toö  ttjc  noXeuJc  buvaTou  mit  dnö  tujv  ifi 
nehmen,  danach  kann  es  nicht  in  der  gewöhnlichen  bedeutung] 
kräften,  nach  möglicbkeit*  (vgl.  I  6,  7  Kaid  tö  touTOÖ  hxi 
p  6,  14  eic  t6  Ktivou  buvaTÖv],  Änab.  IV  2,  23  iK  TÜuv  buvc 
gefaszt  werden,  sondern  musz  Übersettt  werden:   'aus  den  ml 
der  Stadt.*  — ^  I  6,  17  hat  Keller  mit  recht  an  KaiaKUiXuÖeicl 
gehaUen  (Simon   KaxOKUKXu^Oeic»    Portus  KaTaKXeicSeic).    Ki 
wurde   nicht  eingeschlossen^   sondern  seiner  flotte  wurde  dtej 
fahrt  in  den  hafen  verlegt»  vgl,  Demosth.  53,  13  KaT€KUjXu9r] 
€tc  CiKeXiav  tiXoO,  Xen.  Anab.  III  3,  3  f^v  bi  Tic  fijidc  Tflc 


JGefifcken:  die  gründung  von  Tarent  181 

geben  nur  dasz  man  sich  bemüht  auch  hier  einen  unverstttndlicb  ge- 
wordenen namen  zu  erklftren.  uns  kümmern  hier  in  erster  linie  die 
Parthenier.  man  hat  geglaubt  durch  Aristoteles  (pol.  1306  ^  29), 
der  die  Parthenier  Homoien  nennt,  anfschlusz  über  ihr  wesen  zu  er- 
halten, aber  über  Ephoros  und  Antiochos  führt  uns  auch  diese 
notiz  nicht  hinaus,  sie  gibt  nichts  als  die  tradition,  von  der  wir  durch 
die  beiden  historiker  künde  erhalten  haben,  dasz  die  Parthenier  sühne 
Ton  freien  waren,  so  kommt  es  denn  ausschlieszlich  auf  das  ver- 
bSltnis  der  beiden  an.*^  welche  erzählung  nun  nicht  nur  an  sich 
schlechter  ist,  sondern  auch  die  jtlngere  entstehungsgeschichte  zeigt, 
das  kann  einem  zwei  fei  kaum  unterliegen,  die  hauptzüge  von 
Antiochos  darstellung  finden  sich  mehr  oder  weniger  verändert  auch 
bei  Ephoros  vor.  wir  bemerkten  nun  oben  (anm.  4),  dasz  Strabons 
auszug  aus  Antiochos  etwas  defect  sei ,  seine  ganze  fassung  macht 
den  eindruck  ziemlich  flüchtiger  arbeit,  es  ist  denmach  nicht  aus- 
geschlossen ,  dasz  die  erz&hlung  von  den  während  des  krieges  ge- 
borenen kindem ,  deren  eine  grosze  menge  gewesen ,  nur  eine  Ver- 
kürzung der  ganzen  geschichte  von  den  Zuchtspartanern  darstellt, 
sei  dem  wie  ihm  wolle:  vorgebildet  ist  dieser  zug  der  Ephorischen 
sage  hier  sicher:  was  Ephoros  mehr  hat,  ist  phantasie.  sehen  wir 
dann  Phalanthos.  bei  Antiochos  klingt  alles  so  weit  ganz  ver- 
nünftig: Phalanthos  ist  nicht  ganz  einverstanden  mit  den  Verab- 
redungen der  Verschwörer^  so  bietet  er  eine  handhabe  für  die  gegner. 
bei  Ephoros  steht  barer  unsinn.  denn  was  will  Phalanthos,  der  ehe- 
liche söhn  seines  vaters ,  als  anführer  der  jungfemsöhne ,  die  ihre 
erzeuger  nicht  kennen  ?  "  dann  haben  wir  bei  beiden  zeugen  die  sehr 
tthnliche  form ,  in  der  die  behörden  den  empörern  zeigen ,  dasz  sie 

Hesychios  n.  ^vcOvaKTOi  und  £trcuva(K)Ta(  scbliesze  ich  mich  Dindorf 
im  ThesAtiras  tidw.  an. 

10  noch  einige  Zeugnisse  mnasen  hier  erledigt  werden,  zaerst  der 
sonderbare  bericht  bei  Dionysios  Hai.  XIX  1.  Epborische  züge  sind  anver- 
kennbar.  die  ^ntfitSiai  sind  dbidKpiTOi,  wie  Trogus  sagt:  nulli  enün  pater 
exUUhaty  die  kinder  werden  schlecht  behandelt  anderseits  begatten 
sich  in  gleichem  misverstftndnis  wie  bei  Trogus  die  abgesandten  mit 
allen  weibern.  dnnn  folgt  die  sich  völlig  mit  Diodor-Timaios  deckende, 
ja  diese  Version  noch  ausführende  orakelgeschichte.  ich  kann  die 
quelle  also  nicht  finden,  zu  dem  orakelworte  Kai  irf^fia  lanOrccct 
T€V^6at  vgl.  noch  schol.  Ljk.  1378  KardHui  m^^ara  Kapci:  es  ist  con- 
ventionelle  formel.  —  Herakleides  Pontikos  26  scheint  wie  schol.  Äen, 
III  &61  an  eine  erzengung  mit  sklaven  za  denken,  vgl.  schol.  Hör. 
carwu  II  6,  12.  über  eine  andere  abieitang  des  Partheniernamens  bei 
den  Vergilscholiasten  wird  noch  geredet  werden,  ganz  albern  ist  die 
geschichte  von  der  ihren  gatten  Phalanthos  lausenden  Aithra  bei  Pau- 
ianias  X  10,  6,  die  ßosolt  1  260  anm.  5  aus  Antiochos  herleiten  möchte» 
Dien  Chrysost.  VII  129  M.  endlich  und  Mazimns  Tjrins  VI  8  sind 
ohne  selbständigen  wert.  '*  Döhles  einwendnngen  gegen  Ephoros 

ao.  «.  6  finde  ich  nicht  stichhaltig,  er  meint,  die  Paräenier  h&tteo 
nicht  durch  ihre  väter  überredet  werden  können  auszuwandern,  die 
unwahrscheinlich keit  des  ganzen  berichieB  zugegeben,  konnten  die 
Parthenier  in  ihrer  gesamtheit  wohl  von  der  gesamtheit  der  väter  zum 
auszöge  veranlaszt  werden. 


172     FEeuBB:  ftD2.  V.  GJorio  codici  ignorati  nelle  bibl.  di  Nupoli.  fasc»  I. 


kritischen  behaudlueg  zu  unterziehen,  I  1,  31  ist  Keller  mit  recht 
Brückner  gefolgt  und  hat  die  worte  KatriTopilcac  .  ,  Tpir|p€ic  als  l 
gloäsem  eingeklammert,  damit  igt  noch  nicht  genug  gtitban ,  auch 
die  Worte  ^v  TOiiiuj  bfe  nKOV  o\  biaboxoi  tojv  CupaKOciuJV  eic 
MiXT]TOv  Kai  TTöp^Xaßov  idc  vaöc  Kai  tö  CTpdteuiua  sind  zu  tilgen, 
die  ankunft  der  neuen  feldherrn  ist  bereits  §  29  erzählt:  b€Ofievu*v 
^fieivav  'iüjc  d^piKovio  oi  dvi'  Ikcivujv  CTpatriToi-  mit  diesen 
Worten  wird  ein  factum,  nicht  eine  Verabredung  berichtet,  Breiten- 
bachs anraerkung:  t^yuc  dqpiKOVio:  die  erfolgte  ankunft  wird  erst 
§  31  berichtet»  trifft  daher  durchaus  nicht  das  richtige,  auf  die 
entfernung  des  Hermokratea  weisen  auch  die  worte  ^TTÖGricav  Tf|Vl 
impLeXeiav  usw.  hin:  denn  vermissen  kann  man  nur  etwas,  was  man 
nicht  mehr  hat*  wäre  in  §  29  wirklich  nur  von  eiuer  getroffenen 
Verabredung  die  rede,  dann  hätten  hier  auch  nicht  die  namen  der 
neuen  feldherrn  genannt  werden  dürfen  ^  vielmehr  waren  sie  erat  in 
§  31  bei  der  wirklich  erfolgten  ankunft  anzuführen  gewesen.  — 
Auch  in  der  gestalt,  welche  Kellergibt,  kann  I  4,  13  noch  nicht 
genügen;  die  worte  küI  |iövoc  sind  in  dem  satze  xai  fiiövoc  ou 
blKOiuJC  qpÜTOi  nicht  recht  verständlich,  obwohl  doch  offenbar  auf 
ihnen  ein  besonderer  nachdruck  liegen  soll,  wie  aus  der  gegenrede 
ersichtlich  ist:  §  17  ÖTi  Tujv  Trapoixo|i€vujv  aOiok  kqkiuv  pdvoc 
aiTioc  ein ,  TUJV  T€  qioßepujv  öviujv  Tfj  ttöXei  Y€V^c6ai  jiövoc  kiv- 
buvcucai  riTepu^V  KOTactTivau  wie  Ritmann  vermutet,  haben  die 
ahschreiber  eine  lücke  des  archetypus  auf  eigne  band  ergänzt,  da- 
durch sind  wabrscheinlich  ursprüngliche  worte  des  textes  verdrängt 
und  andere  von  ihrem  platze  verschoben  worden,  ich  schlage  dem- 
nach vor  folgendermaszen  zu  lesen :  Ol  |ifev  ihc  KpütTictoc  €ir|  iwv 
iToXiTÜJV  icai  fiövoc  <oi6c  t€  caicai  if^v  it6Xiv>  (vgL  §  20), 
lwißouX€u6€ic  bk  imö  Tmv  .  .  TroXiTeuövTwv  ov  biKaiuJC  cpuTOi. 
eine  fremde  zutbat  enthalten  die  worie  ^Ktivou  dei  TÖ  KOivöv 
auSovToc  Kttl  diro  tü5v  auiou  Ka\  diiö  toO  rfic  KoXewc  buvaTou, 
die  das  verhalten  des  Älkibiades  noch  einmal  in  scharfen  gegensats 
zu  dem  treiben  der  gegner  (vnö  TÜüV  *  .  noXiieuövTUJv)  bringen 
sollen,  mit  t6  koivov  bezeichnet  Xen,  sonst  die  gemeine  als  leitunga- 
hehörde  (II  4,  37.  6,  4.  VI  1,  2.  5,  6.  VII  1,  32.  4,  34.  36.  38.  5,  1. 
Anab.  V  6,  27.  7,  12);  hier  kann  darunter  nur  der  gesamte  ataat 
verstanden  werden,  anstosz  darf  man  wohl  auch  an  der  zusammen- 
atellung  von  dnö  tou  ific  nöXeuic  buvaioö  mit  önö  toiv  ^auxou 
nehmen,  danach  kann  es  nicht  in  der  gewöhnlichen  bedeutung  'nach 
kräften,  nach  möglichkeit'  (vgl.  I  6»  7  Kaict  tö  ^auToO  buvoTÖv 
[I  6»  14  €ic  TÖ  K€ivou  buvaTÖv],  Anab.  IV  2,  23  ^k  tuiv  buvaTuiv) 
gefaszt  werden,  sondern  musz  übersetzt  werden:  'aus  den  mittein 
der  Stadt/  —  I  6,  17  hat  Keller  mit  recht  an  KaTOKiüXuScic  fest* 
gehalten  (Simon  KQTaKUKXujOeic,  Portus  KaTaKXeicSek).  Konon 
wurde  nicht  eingeschlossen,  sondern  meiner  flotte  wurde  die  ein- 
fahrt in  den  hafen  verlegt,  vgl.  Deraostb.  53,  13  xaTtKiJuXuÖri  toO. 
eic  CtKcXiav  ttXoO,  Xen.  Anab.  I]I  3,  3  f|v  hi  Tic  f]^äc  Tf)c  öboÖj 


FReoBs:  anz.  v.  GJorio  codici  ignorati  nelle  bibl.  di  Napoli.  fasc.  I.     173 

dTTiKiwXuri.  —  I  6,  21  schreibt  Keller  mit  Göller  dTreiTÖjüievoi  für 
dT€ipö|üievoi  (Hoflfmann  dT€ip6|üi€V0i) ,  aber  neben  idc  le  dTKÜpac 
dTTOKÖTTTOVTCC  ist  dTT€iT6|üi6VOi  ZU  farblos,  auch  wird  der  begriff  der 
eile  schon  genügend  durch  das  folgende  T6TapaT|üidvoi  angedeutet, 
ich  nehme  an,  dasz  ursprünglich  der  text  lautete:  Tdc  TC  dTKUpac 
dTTOKÖTTTOviec  Kttl  <TOÜc  kToüc>  dnaip6|üi€Voi  dßoriöouv  leiapaT- 
jLievoi,  vgl.  Xen.  Hell.  VI  2,  29  aipöjiievoc  toüc  kioOc,  Polybios 
I  67,  7  TÖ  bfe  XoiTTÖv  TTXneoc  dTTapdjüievov  touc  Ictouc  direxiOpei. 
war  einmal  dT€ipö|üi€VOi  (vgl.  §  20  dveTrauovTo)  für  dTraipöjüievoi 
geschrieben ,  so  wurde  toüc  Ictouc  unverständlich  und  wurde  des- 
halb von  dem  abschreiber  ganz  beseitigt.  —  I  7,  14  scheinen  die 
Worte  Td  auTd,  welche  bei  Athenaios  V  117*"  fehlen,  keine  ge- 
nügende erklärung  zu  finden,  mit  Breitenbachs  anmerkung  crd 
aÜTd  verständlich  durch  das  vorhergehende  tQ  auT^  M^il(P4>  Kpi- 
V€c9ai»  ist  nichts  gewonnen,  die  werte  müssen  den  inbalt  des 
KttTTiTopeiv  angeben,  nicht  die  forderung  des  redners  (etTTÖVTOC  KCl 
TOUTOUC  T^  auTq  Mir)(pqj  KpiV€c6ai).  der  redner  erhebt  nur  seine 
besch werde,  die  aufforderung  gegen  die  prytanen  einzuschreiten 
spricht  erst  die  menge  aus :  ol  bk  dßöiüV  KttXeTv  toüc  oü  (pdcKOVTac. 
entweder  hat  man  Td  aÜTd  zu  streichen:  ^als  die  prytanen  sich 
weigerten,  sprach  Kallixeinos  gegen  sie',  oder  man  hat  dafür  toOtq 
zu  setzen :  'warf  Eallixeinos  ihnen  dies  vor.' 

II  3,  1  und  II  3,  10  hat  man  ''Evbioc  als  namen  des  ephoren 
hergestellt,  die  hss.  überliefern  an  erster  stelle  eübiou,  an  der 
zweiten  BCFM  cööikgc,  V  ^KbiKOC,  D  irpöbiKOC.  der  name 
"Gköikgc  kehrt  auch  IV  8,  20  ff.  wieder;  entweder  ''Gköikgc  oder 
6öbiK0c  (V4, 39  TUüV  TTepioiKUüV  £va,  Gööikgv)  ist  auch  II  3, 1  u.  10 
zu  schreiben,  einen  ephoren  "Gvbioc  erwähnt  Thuk.  VIII  6,  3  und 
12,  2  (Diod.  XIII  52,  2),  bei  Xenophon  werden  II  3,  10  nur  die 
eponymen  aufgezählt,  dasz  Endios,  der  anhänger  des  Alkibiades, 
gerade  im  j.  404/3  als  fcpopoc  dTTUüVUjüiGC  fungierte,  hat  wenig  Wahr- 
scheinlichkeit für  sich.  -—  II  3,  34  schreiben  Dindorf  und  Cobet 
dK€i,  während  Liebhold  mit  tilgung  von  T€  Tf|V  dpxrjv  statt  dKcivi] 
den  acc.  dKeivnv  liest,  am  nächsten  liegt  m.  e.  die  zufügung  von 
dv:  el  V  dv  dxeivij  dh.  Tq  AaK€Öai|üioviu)v  TroXiTeCiji*  vgl.  Aristot. 
iroX.  'AG.  6  T0iauTT]C  Tfic  TdH€U)c  oöcnc  dv  t^  TioXiTeicji.  —  III  4,  2 
halte  ich  in  den  werten  o^i  Tdc  TiaTpiouc  TioXiTeiac  TrapiiTT€iXav 
die  ergänzung  eines  begrififes  wie  dTioboCvai  für  erforderlich:  ot 
Tdc  iraTpiouc  TroXiTCiac  <dTroboOvai>  irapriTTei^civ.  —  III  4,  8 
widerspricht  der  starke  ausdruck  l|üir)V€  dem  folgenden  fbiiXuiCCV 
licTepov,  weshalb  Übelen  denselben  in  £baKV6  ändert.  Plutarch 
Lys.  23  schreibt;  irpoccpoiTiüVTec  .  .  i^viiüv  töv  *ATTiciXaov.  so 
dürfte  wohl  auch  bei  Xen.  zu  lesen  sein:  TaÖTa  jüitv  oöv  i^v(ac€ 
TÖV  'ATPlciXacv,  vgl.  V  4,  33  xal  i^viace  ixiv  elc  Td  fcxaia  töv 
*Apxiba|üiov.  —  III  4,  5  sind  die  werte  dlcTrep  Ka\  Tdc  dv  t^  Tiap* 
f))Liiv  *€XXdöi  als  ein  einschiebsei  anzusehen.  Agesilaos  fordert: 
aÖTOVöjiOuc  Kai  Tdc  dv  t^  'Mq,  ttöXcic  eTvai,  Ages.  1, 10  dqpeGflvai 


184 


JGeffckeut  die  gründung  von  Tarent. 


Über  die  dorische  Wanderung  haben  sich  'm  der  letzten  zeit 
zwei  gelehrte  veroehmen  lassen,  Wilamowitz  und  Deloch'^;  nur  ihrd 
gtimmen  dürfen  hier  gehört  werden,  beide  verwerfen  die  bequeme 
tradition  der  bandbücber,  die  daratellung  gemächlicher  gesehichts- 
lectionen,  aber  in  ihren  zielen  streben  sie  weit  aus  einander,  denn 
während  Wilamowitz  uns  auf  neuem  wege  die  spuren  echter  ge- 
schichte  in  der  Überlieferung  zu  weisen  sucht,  will  uns  ßeloch  nur 
von  der  Wertlosigkeit  jeder  tradition  überzeugen,  uns  zum  resignier- 
ten ^ignoramus'  führen,  nach  Wilamowitz  gieng  die  dorische  Wan- 
derung« von  der  Peloponnesos  abgewiesen,  eroberungs weise  zunächst 
gegen  die  inseln«  besonders  Kreta  vor,  um  dann^  naeb  dem  angriffe 
auf  die  peripherie  das  centrum  zu  gewinnen;  nach  Belocb^  der  übri* 
gens  die  ausführnngen  von  Wilamowitz  nicht  berückt-ichtigt  hat, 
wissen  wir  von  dem  ganzen  vorgange  nicht  das  geringste;  die  dar- 
über vorhandt^nen  sagen  seien  entstanden  aus  der  empfindung  des 
gegensatzes  zwischen  dem  Homerischen  Griechenland  und  den  spä- 
tem zuständen  ^°,  aus  sagen  aber  geschichte  zu  destillieren  sei  falsch 
und  habe  schon  za  den  allerbedenklichsten  fehlschlUssen  gefUhrL  — 
£s  ist  immer  sehr  interessant  zwei  so  diametral  entgegengesetzte 
anschautingen  so  bald  nach  einander  sich  entwickeln  zu  sehen,  wel- 
cher ausführung  die  grössere  Sympathie  sich  zuneigen  musz,  ist  un- 
schwer zu  sagen,  so  wichtig  für  die  Wissenschaft  die  abräumung 
alter  Vorurteile  bleibt,  so  musz  doch  bei  allen  denen»  die  der  altern 
griechischen  geschichte  einen  neuen  tag  nahen  oder  schon  leuchten 
sehen,  derjenige,  welcher  im  gewin'e  der  tradition  die  Vereinigungs- 
punkte der  sage  mit  spätem  historischen  realitäten  erkennt,  den  sieg 
davontragen  über  den,  der  wenn  auch  mit  noch  so  scharfen  gründen 
den  sagen  alles  leben  absprechen  will,  aber  mit  der  Sympathie  allein 
ists  freilich  nicht  geth&n,  gründe  müssen  sprechen*  diese  können 
freilich  eine  directei  schritt  für  schritt  sich  entwickelnde  Wider- 
legung der  einzelnÜi  Belochschen  ansichten  nicht  enthalten:  denn 
ein«  Widerlegung  von  principien  ist  nur  in  den  seltensten  fallen  mög- 
lieb;  es  gilt  wesentlich  die  positive  anschauung  zu  stüfzen.  doch 
möchte  ich  einen  kurzen  hinweis  auf  die  bedenklichkeit  einer  der 
grundansichten  Belochs  nicht  unterdrücken,  die  sagen  über  die  Wan- 
derung sollen  ihre  entsteh  ung  dem  wohlempfundenen  gegensatze 
zwischen  Homerischem  epos  und  Wirklichkeit  verdanken*  'sagen* 
heiszt  es  schön  bei  KOMüller  (Dorier  I  49)  ^'geben  fast  immer  nur 
das  denken  über  vorhandene  zustände,  deren  wahrer  Ursprung  in 
ihnen  nur  versteckt  und  angedeutet  Hegt,'  gewis,  das  denken;  aber 
in  alter  zeit  kann  dies  denken  nur  ein  naives  sein;  das  denken,  aus 
dem  Beloch  die  wandersagen  ableitet,  ist  jedoch  nicht  naiv,  sondern 
iuszerst  reflectiert,  ja  schon  gelehrt  zu  nennen,  Alt  hellas  darum 


**  WlUtDowits  'Euriptiles  HerakUft*  I  26&  ff.  Beloch  tm  rbein,  maa. 
XLV  554—598.  ^^  äboUcb  Nie««  ''die  ent  wie  kl  fing  der  Homer,  poeaie* 
a.  252  f. 


JGeffcken:  die  gründang  von  Tarent  185 

kaum  zuzutrauen,  zum  denken  über  vorhandene  zustände  gesellt 
sich  aber  noch  die  erinnerung ,  die ,  mag  sie  so  dunkel  sein  wie  sie 
wolle,  nicht  selten  doch  richtiges  enthält,  dafür  anstatt  des  hin- 
und  herredens  nur  6in  lehrreiches  beispiel.  keine  wandersage  kennen 
wir  so  gut;  in  so  manigfacher  Überlieferung  als  die  vom  Ursprünge 
der  Schwjzer;  keine  läszt  sich  auch  so  gut  controlieren.'*  die 
Bchwyzer  wollen  abstammen  von  Schweden  und  Friesen,  das  ist 
natürlich  unsinn,  aber  thatsächlich  weist  dieser  mythus  wie  die 
Schweden  und  Schwyz  gemeinsame  Tell-Eigilsage  auf  die  gemein- 
schaftliche Wanderung  der  germanischen  stamme  zurück.  Wande- 
rungen entwickeln  wandersagen,  and  um  über  jene  ins  klare  zu 
kommen,  musz  man  diese  benutzen,  darf  sie  nicht  einfach  über  bord 
worfen. " 

Indem  ich  nun,  um  unserm  tarentinischen  problem  ein  besseres 
relief  zu  geben,  versuche  im  anschlusz  an  Wilamowitz  ausführungen 
ein  bild  der  dorischen  Wanderung  zu  entwerfen ,  will  ich  zuerst  ein- 
mal zeigen,  wie  der  zug  nicht  gegangen  sein  kann,  die  bisherigen, 
vor  Wilamowitz  und  Beloch  waltenden  anschauungen  stellten  der 
tradition,  die  im  letzten  gründe  auf  ein  altes  epos,  die  'HpaKXeibdiv 


*'  Vetter  'über  die  sage  ron  der  herkunft  der  Bchwyzer  oni  Ober- 
hasler  aus  Schweden  und  Friesland*  (1877).  '^  auf  einzelnes  in  dem 
Belochschen  aofsatze,  der  bei  jeder  neuen  lectüre  stärker  fesselt  und 
anregt,  möchte  ich  doch  an  dieser  stelle  noch  eingehen.  Beloch  sagt 
8.  659,  die  namen  loner,  Dorier  und  Aioler  seien  in  den  colonialgebieten 
des  westlichen  Kleinasiens  aufgekommen,  dann  erst  nach  Griechenland 
auf  die  stammrerwandten  europäischen  Hellenen  tibertragen,  ich  glaube, 
dies  läszt  sich  zunächst  für  die  Dorier  nicht  beweisen,  es  bedeutet  nichts, 
dasz  die  dorischen  einwohner  der  Peloponnesos  sich  nicht  Dorier  nennen, 
den  barbaren  Asiens  gegenüber  behalten  sie  ihren  Stammesnamen,  sie 
geben  ihn  auf  unter  den  stammverwandten  bewohnern  der  Peloponnesos. 
haben  die  Normannen  England  je  Normannia  genannt,  nicht  vielmehr 
immer  nach  den  überwundenen  Anglia,  regnum  Angliae,  Anglicum? 
dasselbe  beispiel  hilft  uns  auch  zur  b«antwortung  eines  andern  Beloch- 
schen einwandes  (s.  566),  dasz  nemlich  das  kleine  ländchen  Doris  nie- 
mals die  Peloponnesos  habe  erobern  können,  das  braucht  man  ja  auch 
gar  nicht  anzunehmen.  Doris  war  Station  des  Doriersnges,  wie  die 
kleine  Normandie  doch  auch  nur  die  rolle  eines  rnhepunktes  in  der 
groszen  normannischen  bewegung  spielt,  was  ferner  Beloch  über  die 
schwäche  dialektologischer  beweise  sagt  (s.  575  f.),  seheint  mir  nur  zum 
teil  richtig,  wenigstens  was  die  ähniichkeit  des  kyprischen  und  arkadi- 
schen dialektes  angeht,  von  seinem  Standpunkt  aus  hat  Beloch  natür- 
lich recht,  wenn  er  eine  besiedelung  der  Insel  durch  Arkadien  für  un- 
möglich erklärt,  aber  sehr  treffend  scheint  mir  OHoffmann  (griech. 
dialekte  I  7  ff.)  bewiesen  zu  haben,  dasz  diese  ähniichkeit  auf  der  Zuge- 
hörigkeit der  Arkader  und  Kyprier  zum  groszen  aiolischen  stamme  be- 
ruhe, der  einst  auf  der  ganzen  Peloponnesos  geherscht  habe,  von  der 
ans  Kjpros  besiedelt  worden  sei.  auch  über  das  fehlen  eines  dorischen 
'stammescharakters'  kann  ich  mich  Beloch  (s.  576)  nicht  anschlieszen ; 
«oXOvoia  an  stelle  der  ircXuXcTÜi  sagt  doch  auch  Piaton  den  Kretern 
nach  wie  Aischylos  den  Argeiern  abneigung  gegen  lange  reden  (Hik.  191). 
vgl.  KOMüller  ao.  II  378.  über  die  dorischen  institutionen  und  phylen 
werde  ich  unten  das  nötige  zu  erbringen  suchen. 


186 


JGeffcken:  die  grundung  von  Tareni 


KdOoboCi  zurückgebt*^,  folgend  die  sache  etwa  so  dar.  naeb  ver* 
geblichen  versuchen  über  den  Isthmos  vorzudringen  setzen  die 
Dorier  bei  Khion  über  die  meerengOf  zleben  nach  EÜden,  zwängen 
sich  durch  Arkadien  hiDdurch  und  ergieszen  sich  dann  über  Messenien 
ond  Lakedüimon,  Ärgos  wird  vom  meere  her  besetzt^^,  von  da  aus 
schlieszlich  Megaris  genommen,  die  einwanderer  müssen  heftige 
kämpfe  führea,  besonders  Sparta  kann  nur  dtirch  die  grausamste 
knechtußg  eines  teilea  der  Ureinwohner  zur  macht  gelangen,  unaus- 
gesetzt oiusz  sich  die  atadt  aber  auch  ihrer  iiachbarn  erwehren, 
Messenier,  Arkader,  Ärgeier  sind  zu  bekämpfen,  gleichwohl  ge- 
lingt es  Sparta  noch  colonien  anzulegen:  Kreta»  Tbera,  Tarent  ua. 
werden  besiedelt.  —  Diese  annähme  vom  gange  der  Wanderung  ent- 


"  die  eiHÄelnen  züge  der  »mge  sind  clurchaas  episch,  der  Zweikampf 
de»  HylloBj  die  eroberung  des  laudes  durch  die  eptgonen  der  ersten  äd- 
gieifer,  der  Zweikampf  des  Pyraichmes  tiod  des  Epeiera  Degmeuoi 
(Ephoros  bei  Strabon  ^57.  Paus*  V  4,  1),  die  losüog  um  das  Inud.  wenn] 
Busolt  ao.  I  61  anm.  2  eagt^  die  ßage  vom  Ionen  «ei  durch  die  tragiker 
aasgebildet,  so  läszt  $ich  erwidern,  dtk&z  auch  dieae  aus  dem  epos 
Bcböpften!  denn  woher  hat  Earlpidea  den  Stoff  seines  KpEcq)6vTr]C| 
Ti^ji€VOC|  seiner  Tn^icvifcai?  zudem  wissen  wir  ja  durch  Herodotos 
VI  ö2  von  der  existenz  «her  dicbtimgen  über  die  dorische  Wanderung, 
diese  dichter  naiinle  KOMüller  (Dorier  I  62)  Kinaithon,  Aaios,  Eoraelo8;J 
es  können  aber  ebenso  gut  namenlose  epen  gewesen  aeio,  gleich  deiiil 
Aigimios,  der  auch  die  Dorier  (fr,  8  K,)  erwähnte,  der  inhalt  des  epos, 
dns  im  gegensutz  zu  spartiatischer  locaUradition  den  Aristodemos  vor 
dem  eigentlichen  zuge  sterben  liesz,  liegt  hei  Apolluduros  II  B  und 
Pausaniüs  V  3,  5.  IV  3,  4.  III  1.  G  Tor,  die  in  den  liauptsachen  überein- 
stimmen, ans  dem  epos  gewauu  unter  einigen  abänderuiigen  Euriptdes 
im  Krespbontes  und  in  den  Temeniden  seine  dnrstellung.  die  hypo- 
thesis  dea  erstem  Stückes  hat  man  io  Hyginus  fab.  137.  184  erkannt 
(Nnuck  ir*  gr,  fr.  497),  die  der  Temeniden  bietet  Paus.  II  19,  l  f.  28,  S  ff. 
letztere  stelle  ist  voll  dramatischen  lebons,  Hyrnetho,  des  Temenos 
tochter,  und  ibr  manu  Deiphontes  sind  den  übrigen  sölmen  mit  aus* 
nähme  des  jüngsten  Argaius  miagünslig»  sie  wollen  das  chepHar  aus- 
einanderreiszcn  ,  lassen  die  scliwester  kommen,  häufen  vorwürfe  gegen 
ihren  geniabl^  wollen  sie  nach  Argos  haben,  einem  bessern  manne  geben, 
zornig  erwidert  Hyrnetho,  bekennt  sich  zu  ihrem  manne  als  dem  besten, 
nennt  ihre  brUder  inörder,  nicht  söhne  des  Temenos*  da  schleppen  die 
brUder  sie  foit.  De'iphontes  bort  die  geschiebte  durch  einen  boten,  er- 
scheint mit  den  Epidauriern  auf  dem  platze,  aber  der  eine  bruder  tötet 
die  schwangere  schweater,  man  nimt  den  leichnam  auf  und  bestattet 
ihn.  die  dramatisch  lebhafte  wechselrede  werden  freilich  die  Epidaurier 
selbst  dem  Pausanins  vorgeführt  haben  (U  28,  3)!  Archelaos  scheint 
Euripides  erst  später  um  makedonischen  hofe  für  Argaios  (Agraios)  ein- 
gesetzt zu  haben.  —  Da  nun  Ephoros,  dessen  darstellung  bei  Strabon 
361.  389,  Diod,  VII  13.  Niko!ao5  Dam.  fr.  32—34,  Skymoos  527  ff.  vor- 
liegti  über  Kresphontes  nicht  mit  Hygln^  hypotheais,  sondern  eher  mit 
Apollodor  stimmt,  den  Niese  (Herme«  XXVI  11)  freilich  aus  Euripides 
schöpfen  läszt,  so  glaube  ich  seine  quelle  besser  im  epos  als  In  deri 
tragi>die  finden  au  mnsien.  in  spHterer  zeit  ^ab  es  einen  tans  Tri|Li€vt6at,  I 
TpvnOdi  (AP.  XI  1951  und  *HpOKXei6uiV  KdBoboc  (Lnkianos  de  salt,  40), 1 
**  tieloch  ao.  s.  569  leugnet  die  bedeutung  des  Temenion  und  Solyj 
^^geion;  was  von  beiden  erzählt  werde «  sei  nur  auf  mündliche,  also  be'« 
reisunkraftige  tradition  zurückzuführen. 


JGeffcken:  die  gründang  von  Tarent.  187 

hftlt  lauter  unwahrscheinlicbkeiien.  der  Dorierzug  beschreibt  so 
eine  art  von  kreislauf^  von  norden  nach  Süden,  von  Süden  wieder 
nach  norden,  eine  bewegung  deren  sinn  nicht  ganz  klar  ist.  zweitens 
aber  ist  es  ganz  unglaublich,  dasz  die  wanderer  durch  Arkadien  hin- 
durchkommen konnten,  ohne  das  land  zu  dorisieren.  sparten  sie 
sich  das  erst  für  Lakedaimon,  Messenien,  Argos  auf,  suchten  sie  sich 
hier  nur  durch  das  gebirgsland  auf  gute  art  durchzudrücken  ?'^  man 
hat  freilich  versucht  auf  grund  verschiedener  sagen  (Plut.  Lyk.  2. 
Folyainos  II  13.  Paus.  V  4,  1)  den  durchmarsch  durch  Arkadien 
oder  vielmehr  die  langsame  Überwindung  des  landes  zu  behaupten, 
hat  sogar  durch  die  namen  dreier  könige,  Prokies,  Soos,  Eurjpon 
eine  schöne  Symmetrie  in  diesen  Vorgang  gebracht."  leider  aber 
gibt  es  andere  sagen ,  die  genau  das  gegenteil  beweisen  könnten, 
die  my  then  von  dem  bündnis  zwischen  Eresphontes  und  dem  Arkader 
Kypselos  (Polyainos  I  7.  Paus.  VIII  5,  6  vgl.  II  13, 1),  dessen  volk 
nun  vor  der  Vernichtung  bewahrt  geblieben  sei.  beide  Versionen, 
die  eine  wie  die  andere,  sollen  den  zug  von  norden  her  etwas  aus- 
schmücken und  haben  darum  ziemlich  denselben,  dh.  keinen  wert, 
besser  bleibt  immerhin  noch  die  letztere  tradition :  denn  sie  bringt 
doch  ein  wirklich  historisches  Verhältnis  wenigstens  halbwegs  zum 
ausdruck.  alle  andern  Völker  der  Peloponnesos,  sagt  Diodor  VII  9, 
wurden  durch  die  Dorier  dvacTaia,  nur  die  Arkader  nicht  (vgl. 
Paus.  II  13,  1),  die  ganze  Peloponnesos,  bemerkt  Strabon  (333), 
sprach  vor  der  dorischen  Wanderung  aiolisch,  nach  derselben 
redeten  nur  die  Arkader,  deren  gebirgiges  land  nicht  unter  das 
loos  gefallen  war,  und  die  Eleier  ihren  alten  dialekt  unvermischt 
weiter,  wir  wissen ,  dasz  diese  angäbe  sich  aus  den  inschriften  be- 
stätigt hat.^^  und  endlich  bleibt  ja  Tegea  noch  lange  bis  in  histo- 
rische zeit  mächtig ;  wer  die  Dorier,  um  dies  Verhältnis  zu  erklären, 
um  diese  starke  Stadt  herumbiegen  läszt,  der  weicht  damit  selbst 
nur  einer  Schwierigkeit  aus ,  die  durch  die  annähme  des  von  norden 
kommenden  zuges  nicht  zu  heben  ist.  nein,  Arkadien  bleibt  in  alter 
zeit  unabhängig,  behält  seine  spräche  und  gewinnt  erst  mit  den 
Doriem  fühlung,  als  die  kämpfe  Spartas  gegen  Tegea  begannen, 
mit  andern  werten:  von  norden  kamen  die  Dorier  nicht. 

Zu  dem  gleichen  ergebnis,  zu  seiner  erweiterung  führt  die  be- 
trachtung  der  Verhältnisse  zwischen  Kreta  und  Sparta,  die  nach- 
richten  des  altertums  reden  von  einer  besonders  innigen  Verwandt- 
schaft kretischer  und  spartanischer  Institutionen,  man  nahm,  wenn 
auch  nicht  ohne  Widerspruch '^  die  priorität  der  kretischen  gesetze 
an  und  gab  dem  einen  ausdruck  in  der  sage  von  Lykurgos  auf  Kreta; 


'^  vgl.  darüber  auch  Beloch  ao.  s.  569.  ^  Gelzer  im  rhein.  mus. 
XXXII  259—266.  Qatschtnids  vorlesangen  bei  Busolt  'die  Lakedaimonier 
und  ihre  bundesgenosseD'  I  37.  vgl.  griecb.  gesch.  I  62.  Duncker  gesch. 
d.  altert.  IX  142  S.  *^  O Hoffmann  griecb.  dialekte  I  4  ff .  «8  Ephoros 
(Strabon  481)  bekämpfte  die  meinung  von  der  priorität  der  spartaniseben 
gesetze. 


188 


JGeffcken:  die  gründung  von  Taren t 


man  nahm  ferner  an^  Kreta  sei  zum  grdsten  teil  tob  Sparta  aus  be^^ 
siedelt  worden.'^  aber  wer  das  glaubt,  verwickelt  sieb  in  einen  be- 
denklioben  widersprucb,  denn  wenn  Lykurgos,  dh.  Sparta  seine 
gesetzgebung  dem  von  Lakedaimon  aus  besiedelten  Kreta  bätte  ver- 
danken mflsäen  ^  so  wäre  ja  gewissermaszen  das  ei  klüger  gewesen 
als  die  benne,  6ine  von  beiden  annabmen  kann  nur  die  ricbtige  sein : 
entweder  glauben  wir  an  die  priorität  der  kretiseben  gesetze ,  wie 
leb  micb  vorlKnfig  einmal  ausdrücken  will^  oder  an  die  besiedelung 
Kretas  durcb  Sparta,  die  wabl  scheint  mir  bier  nicbt  scbwer.  boren 
wir,  was  Epboros  (3 traben  481)  über  die  gesetze  beider  Staaten 
sagt,  erfunden  seien  sie^  bericbtet  er  uns,  von  den  Kretern,  aus- 
ge&cbaflVn  von  den  Spartanern,  darin  steckt,  wenn  aucb  nicbt  die 
ganze  wabrbeit,  &o  docb  ein  teil  der  wabrbeit.  war  die  kretiscbo 
zucbt  minder  strafT  als  die  fthnlicbe  spartanisebe ,  so  erkennen  wir 
daraus,  dasz  dieae  die  keime  jener  ira  langen  kämpfe,  im  mühevollen 
dienste  des  standlagers  am  Eurotas  weiter  entwickelte ,  zur  speci- 
£scb  spartaniscben  verfasanng  ausbitdeie,  die  später  in  so  nnbeil- 
voller  weise  dem  erstarrungsprocesse  erlag,  vrie  das  specifiscb 
preusziscbe  ja  aucb  nur  durch  lange  Vorbereitung  auf  den  krieg 
und  durcb  den  krieg  selbst  geschaffen  wurde  und  ebenso  gut  auch 
die  folgen  der  erstarrung  bat  tragen  müssen,  aber  eine  directe  ab- 
bängigkeit  Spartas  von  Kretas  gesetzen  ist  dadurch  noch  nicht  be- 
gründet* wir  erkennen  aus  alledem  nur,  dasz  die  Dorier  früher  aufl 
Kreta  ansässig  waren  als  sie  in  Sparta  bei  misch  wurden,  von  Kreta! 
aus  beginnen  sie  die  eroberung  der  Peloponnesos*  ist  dem  nun  so, 
dann  hat  die  nacbricbt  von  spartanischen  colonieaussendungen  nach 
Kreta,  Tbera  und  andern  inseln  wenig  mehr  für  sich,  aber  noch 
ein  anderer  grund  erschüttert  ihre  Zuverlässigkeit,  wenn  Sparta  so 
schwere  kämpfe  mit  seinen  nachbarn  zu  bestehen  hatte,  so  war  wohl 
weder  zeit  noch  mannschaft  vorhanden,  um  gröszere  Unternehmungen 
2ur  see  ins  werk  zu  setzen,  rühmten  sieb  aber  die  kretischen  städte 
spartanischer  und  argeüscher  abkunft,  so  geschah  das  erst  in  späterer 
zeit,  als  Argos  und  Sparta  nach  einander  die  vormöcbto  der  Pelo- 
ponnes  wurden.^"  —  Dazu  kommt  ferner  noch  eins»  dorische  phylen 
haben  wir  auf  Kreta  und  Tbera,  nicbt  aber  in  Sparta,  wo  nur  locale 
pbylen  herseben,  sollen  wir  nun  annehmen,  die  Spartaner  hätten 
in  alten  zeiten  die  dorischen  pbjlen  nach  Thera  und  Kreta  ge- 
bracht** und  diese  dann  später  im  eignen  lande  wieder  aufgegeben, 
oder  ist  es  nicht  vielmehr  so,   das2  die  dorischen  pbylen  der  ge* 


^  anders  freilich  Andron  bei  Steph.  Bjz.  u.  Adipiov,  vgl.  8trAbon  47&J 
der   Dorier  von  HiBtiniotis   aus   nach   Kretn   kommeo   läszt.  ^^   die 

stellen  über  die    sTgeüscben  und  sparUnischen  eolonien  auf  Kreta  bei 
Busolt  SQ.    I  183,  *'   die  rou  Betoch  ao.  s.  683  angeführte  (»ainni- 

tiseUe)  münslefreode  n[tTo]vaTdv  ircpi'VÖXufV  hat  mit  tpartümschen  phylen 
IQ  Tareni  wohl  kAum  etwas  zu  tbun,  wenn  auch  aatike  scbriftsteller 
lakonische  cüvoiKot  tn  Samnium  anaehmen  and  den  namen  TTiTavAT(it.J 
auf  diese  weise  2u  erklären  suchen  (Strabon  250}. 


JGeffcken:  die  gründang  von  Tarent.  189 

nannten  Inseln  mit  Sparta  direct  nichts  zu  thnn  haben,  ans  der  zeit 
vor  der  besetzung  Lakedaimons  stammen,  das  dann  seinerseits  die 
dorischen  phylen  gegen  eine  andere  landschaftliche  einteilung  ein- 
tauschte?^' und  schlieszlich  kennt  ja  die  Odyssee  schon  Dorier  auf 
Kreta  ^\  kennt  dorische  Institutionen  hier  (t  175),  hier  herscht  Minos 
dvv^uüpoc,  MinoS;  der  gesetzgeber,  der  seekönig.  seine  seeherschaft 
ist  nicht  nur  sage,  sondern  der  ausdruck  bestehender  Verhältnisse, 
sie  weist  auf  die  zeit  zurück,  wo  die  scharen  dorischer  Vikinge  ihre 
Unternehmungen  nach  Griechenland  richten,  denn  wenn  man  Argos 
und  Korinth  vom  meere  her  hat  erobert  werden  lassen ,  so  darf  das 
gleiche  für  Lakedaimon  gelten. 

Aus  allem  diesem  scheint  mir  Wilamowitz  behauptung  immer 
mehr  sich  als  die  natürlichste  und  richtigste  erweisen  zu  lassen,  die 
Dorier,  vom  Isthmos  abgeschlagen,  bauen  schiffe,  umfahren  die  Pelo- 
ponnesos,  nehmen  zuerst  die  umliegenden  inseln,  die  sich  dann  später, 
als  Sparta  die  erste  macht  wird ,  auf  die  herschende  stadt  als  ihre 
gründerin  berufen/^  dann  gehts  gegen  die  Peloponnesos  von  süden 
vor.  man  trifft  auf  den  widerstand  wohlbefestigter  städte.  Mykenai 
wendet  seine  nach  süden  gerichtete  front,  einst  zum  vorstosze  be- 
stimmt, jetzt  zur  Verteidigung  geeignet,  den  andringenden  entgegen, 
die  Dorier  nehmen  Argos  und  Korinth:  so  ist  Mykenai,  das  durch 
treffliche  straszen  mit  Korinth  verbunden  war,  seines  rückhaltes 
beraubt,  isoliert  und  ^llt  in  historischer  zeit  (Diod.  XI  65),  nach 
den  Perserkriegen.  *^  die  bewegung  geht  weiter ,  auch  Megaris  wird 
in  ihren  bereich  gezogen ,  da  erlahmt  sie  endlich  in  ihrem  vorwärts 
dringenden  zuge.  Argolis  aber  wird  nicht  völlig  dorisiert,  das  be- 
weisen die  phylen  von  Argos  und  Korinth.''"  der  adel  Korinths  ist 
dorisch,  darum  haszt  ihn  das  volk,  das  in  Kypselos  einen  führer 
gegen  die  Bakchiaden  findet. ^^    tiefer  noch  ist  in  Sikyon  die  ab- 


<*  anders  Gilbert  gfriech.  staatsalt.  I  43  vgl.  II  305.  ^  wie  die 

Ilias  B  655.  668  auf  Rhodos,  denn  die  dort  angeführte  phyleneinieilung 
kann  nichts  anderes  heiszen.  ^*  vgl.  darüber  das  bekannte  buch  von 
Steffen  'karten  von  Mykenai'  (Berlin  1884).  die  anschaunng,  welche 
Beloch  gegen  Heibig  geltend  gemacht  hat,  dasz  wir  in  Mjkenai  'Home- 
rische luft  atmen',  musz  wohl  etwas  modificiert  werden,  vgl.  Schnch- 
hardt  'Schliemanns   ansgrabungen'   s.  349  —  364.  ^^  gegenüber  der 

nachricht  von  der  einnähme  von  Mykenai  nach  den  Perserkriegen  (Diod. 
XI  65.  Strabon  877  vgl.  372.  Paus.  II  16,  5.  VII  25,  5)  kann  jene  knnde 
von  einer  ersten  einnähme  durch  die  Dorier  (Pind.  Pytb.  4,  49.  Strabon 
372.  377  sa  Apollodor)  nicht  bestehen,  wäre  ein  regelrechter  angriff  anf 
die  sagenberühmte  reiche  stadt  gemacht  worden,  so  hätte  sich  davon, 
wie  in  den  legenden  von  Sikyons  und  Korinths  einnähme  ein  mythos 
erhalten  müssen,  was  die  angeführten  zeugen  geben,  ist  nichts  als  eine 
notiz,  die  sehr  den  eindruck  späterer  zurechtlegung  macht,  man  hatte 
keine  sage  von  Mykenais  fall,  aber  genommen  mnste  die  stadt  doch 
einmal  sein.  *^  vgl.  Gilbert  ao.  II  77.  88.  über  die  stellen.  *^  aus 
diesen  Verhältnissen  erklärt  sich  auch  die  vielberufene  pietätlose  hal- 
tung  Kerkyras  gegen  Korinth.  wir  haben  eine  anzahl  thatsachen,  die 
zu  ordnen  sind,  a)  die  besiedelung  der  insel  durch  den  Bakchiaden 
Cbersikrates;  b)  die  Seeschlacht  zwischen  Korinth  und  Kerkyra  im  j.  664 


JGeffcken:  die  gründuug  von  Tarent, 

neiguQg  gegen  alles  doriscbe,  durch  das  nicht  dorische  volk  ge- 
lingt Ivleisthenes  der  Umsturz  der  Verfassung*  er  rächt  systema- 
tisch die  tlherwundenen  an  den  überwindern.  end  nicht  anders 
wirds  in  Megara  gewesen  sein,  als  Theagenes  den  adel  der  stadt 
austrieb  und  gegen  die  schubiaks  in  ziegen  feilen  Theognis  seine 
zornigen  lieder  sang.  *^  erst  durch  Spartas  hiife  kennte  die  reaction 
erfolgen. 

Auch  in  Lakedaimon  haben  die  Dorier  zuerst  gelindere  saiten 
aufgezogen,  das  land  war  voller  städte,  ihre  einwohner  werden  zu 
perioiken,  eine  der  grösten,  Ämyklai,  erholt  reservatrechte,  der 
kämpf  kann  ein  erbitterter  nicht  gewesen  sein,  eine  Versöhnung 
folgte*  das  drückt  die  sage  symbolisch  aus,  wenn  sie  (Paus.  lil  21,8) 
Herakles  und  Apollon  nach  dem  streite  gemeinschaftlich  Gythion 
gründen  läszt.  ebenso  scheinen  von  den  vordorischen  Lakedai moniern 
nur  wenige  zu  Heloten  gemacht  worden  zu  sein:  denn  warum  fliehen 
im  sogenannten  dritten  messen ischen  kriege  die  Heloten  nach  Ithome? 
weil,  wieThukydidcs  sagt  (1 101),  die  meisten  Heloten  von  den  früher 
unterjochten  Messeniern  abstammten.  ^' 

Wie  steht  es  nun  endlich  mit  Messenien?  ist  es  wirklich  zu- 
gleich mit  Lakedaimon  und  Ärgos  von  den  südwärts  dringenden 
Doriern  besetzt  und  dann  später  nach  langem  Vernichtungskampfe 
durch  seine  stammverwandten  naehbam  überwältigt  worden  ?  darauf 
gibt  schon  die  sage  an t wort :  sie  las zt  Kresphontes  Mesaenien  zwa 
einnehmen,  seine  herschaft  im  lande  aber  nicht  von  langer  dauei 
sein,  er  wird  ermordet,  und  an  seine  stelle  tritt  Aipytos,  der 
mythische  Stammvater  der  messenischen  könige,  die  sieb  nicht 
Herakleiden,  sondern  Aipytiden  nannten  (Paus.  IV  3,  8.  9,  4.  10,i 
Nikolaos  Dam.  fr.  33  Ddf).  mit  andern  werten,  in  Messenten  waltet©* 
ein  nichtdorisches  herschergeschlecht »  und  die  Verbindung,  die  man 
zwischen  diesem  und  den  Herakleiden  hergesteUt  hat,  ist  nur  ein 
ktlnstlicber  versuch  dorisches  besitzrecht  auf  das  land  zu  beweisen, 


(Thuk,  I  13);  c)  die  vertrcibuDff  der  Bakcbiaden  durch  Kypselos;  d)  di« 
grimduDg  von  Epidnmnos  diireb  KerkjrAier,  die  sich  einen  korinthischen 
führcr   QUibitten   (Thuk,  [  *J4)j   e)  Periatidroa  zug  ^gen  Kerkyra »    dual 
ihm  gehorte,  aber  Beinen  söhn  tu.  töten  wagte  (Her.  III  5:2  f.  Nikolaoi] 
Dam.  58).     man  hat  ftemeint,  die  seeBchlacht  habe  mit  dem  stürze  de  " 
Bakchiadenherschaft  so  than,  der  nach  den  Chronologen  (die  stielten  be 
Bnsolt  ao.  1  446}   am   657,    also   7  jähre   nach  der  Schlacht  erfolgt  setj 
diese   berechnungen  aind  aber  in  der  altem  ge»chicbte  immer  »ehr  un^ 
aicfaer*     ich    denke    vielmehr   so.     die    Bakcbinden  beaiedeln  Eerkyra. 
K^pselos  kommt  zur  regierung',  vertreibt  den  adel,  der  auf  ieine  colonie 
sieh  sEurückiieht.     Kypselos  sacht  ihn  auch  hier  anf,  es  folgt  die  ico- 
schlacfat,   Kerkjra  gehorcht   dem   tyrnanen,    gründet  Epidamnos  ante! 
korinthischer  flibrung.   Periandros  will  «päter  den  heracheraitz  wechseloi 
mit  goinem  schnei  der  auf  Kerkyra  sitzt^  tauschen,  da  töten  diesen  dia 
einwohuer    und   werden  ?on  dem  tjrannen   btsatmft,     so  ist  das  ver^ 
baitnis  zwischen  tocbter-  und  motteratadt  gründlich   serstört  für  all« 
weiten. 

<«  über  allei  dies  vgl  KOMfiller  Dorier  I  X61.        <»  vgl.  Nieie 
Hermes  XXVI  18. 


JOeffcken:  die  grfindung  von  Tarent.  191 

die  eroberung  durch  Sparta  als  eine  art  anderer  KdOoboc  darzu- 
stellen.^ den  mjthos  unterstützen  historische  Verhältnisse,  wenn 
wir  auch,  durch  mangelhafte  quellen  wie  Tansanias  schlecht  be- 
richtet, einzelheiten  aus  dem  groszen  kämpfe  Spartas  und  Messeniens 
kaum  kennen ,  so  wissen  wir  doch ,  können  es  aus  der  läge  der  ge- 
knechteten Messenier  (djcTTcp  övoi  )i€TaXoic  fix^^^i  T€ip6|Li€V0i 
Tjrtaios)  ersehen ,  dasz  hier  ein  wütender  vemichtungskampf  ge- 
führt worden  ist.  denn  wie  ganz  anders  streitet  man  mit  Argos ! 
in  ritterlichem  massenduell  begegnen  sich  die  feinde,  dreihundert 
von  jeder  seite  sollen  die  entscheidung  herbeiführen  (Herod.  I  82). 
wenn  femer  die  Lakedaimonier  später,  wie  wir  eben  hervorhoben, 
wesentlich  messenische  Heloten  zählten ,  so  haben  sie  die  Messenier 
rechtlich  einem  teile  der  unterworfenen  lakonischen  Urbevölkerung 
gleichgestellt,  alles  dies  weist  darauf  hin,  dasz  hier  ein  rassenkampf 
zum  austrag  gebracht,  ein  krieg  gegen  Nichtdorier  geführt  wurde.  ** 
In  die  zeit  dieses  kampfes  fällt  nun,  um  zum  eigentlichen  gegen- 
ständ unserer  Untersuchung  zurückzukehren,  die  bewegung  der  Par- 
thenier.  die  Überlieferung  bringt  beide  Vorgänge  in  chronologischen 
Zusammenhang,  wir  dürfen  jetzt  auch  den  causalnexus  herstellen, 
während  die  Spartiaten  im  felde  gegen  den  stammesfremden  feind 
stehen ,  regt  sich  in  ihrem  rücken  die  zwar  nicht  geknechtete ,  aber 
doch  nicht  völlig  beschwichtigte  Urbevölkerung  Lakoniens,  gegen  die 
spartiatischen  cavaliere  meutern  die  achäischen  rundköpfe.  Sparta 
ist  in  groszer  gefahr,  ein  compromiss  wird  notwendig,  man  läszt  die 
Parthenier  auswandern  und  hat  nun  die  bände  frei  gegen  den  landes- 
feind.  vielleicht  war  man  damit  noch  nicht  am  ende^  vielleicht  be- 
deutet der  name  der  Epeunakten ,  von  denen  wir  ja  verschwindend 
wenig  wissen,  eine  neue  bewegung  gegen  Sparta  während  der 
Messenierkriege,  der  man  ebenfalls  durch  eine  concession  die  spitze 
abbrach,  eine  lösung  dieser  nebenfrage  aber  scheint  mir  vorläufig 
fast  unmöglich,  versuchen  will  ich  jedoch  hier  noch  zum  Schlüsse 
den  namen  der  Parthenier  zu  erklären,  ich  möchte  eine  deutung 
vorschlagen,  auf  die  ich  sonderbarer  weise  unabhängig  von  einem 
Vergilscholion  {ecl.  10, 57),  das  ich  erst  später  fand,  gekommen  bin. 
das  gebirge  Parthenion  trennt  Arkadien  von  Argos  und  der  Ejnuria. 
hierher  mögen  sich  die  meuterer  zurückgezogen  haben ,  hiervon  be- 
nannt worden  sein.*'  später  erlosch  dann  die  erinnerung  daran,  und 


^  am  stärksten  hat  Euripides  (s.  497  Nauck*)  die  ursprüngliche 
Überlieferung  verändert:  er  hat  aus  Aipytos  Eresphontes  gemacht. 
Epboros  und  Apollodors  erzählung  hält  Kiese  im  Hermes  XXVI  11  für 
die  spätere  durch  messenische  tendenz  entstandene  Version,  wenn  aber 
die  messenischen  könige  Aipytiden  hieszen,  so  ist  doch  wohl  der  mjthos, 
der  den  Aipytos  kennt,  älter  als  der,  welcher  ihn  nicht  kennt,  übrigens 
ist  auch  Niese  ao.  s.  23  anm.  1  sich  nicht  sicher  darüber,  ob  die  Mes- 
senier nicht  doch  ursprünglich  Dorier  gewesen  seien.  ^*  die  dorische 
spräche  der  Messenier  beweist  ebenso  wenig  wie  Tarents  dialekt.  vgl. 
oben  8.  186.  ^*  in  griechischen  berichten  heiszen  die  eropörer  fast  nur 
TTapecvCai  (Dion  Chrys.  VII  129  M.  TTope^vioi  im  hinblick  auf  Homer 


193 


FSuaemihh  tu  AriatoteleB  politii  [II  8,  1267''  22  C]. 


die  freien  ehe^iiten  Spartas  sowie  die  tendenz  die  verlegenbeit  dea 
Staates  zu  verwischen  erzeugten  jene  legende,  die  uns  Antiocbos 
überliefert  bat. 

TT  J80),  ebenso  bei  Trogas;  m  den  Yerg^ilscholien  äoden  sieli  neben 
Pariheniae  {ecL  \%  57)  ancb  Parthenii  (uchol.  Bern,  ecU  10,  57),  Par- 
thenintae  (Strviua  %\\  Aen.  III  661),  Parlhew'dae  (ProbuB  %n  georg.  II  197), 
Pariheniadae  (ebd.  IV   126). 

Hahburg.       Johannes  Gbffcken. 


24. 

ZU  ARISTOTELES  POLITIK. 


FDtimmler  prolegomena  zu  Piatons  Staat  (Basel  1891)  s.  7  anm. 
tadelt  es,  dasz  ich  nach  dem  Vorgang  von  Fdlleborn  und  Congreve, 
beiläufig  beraerkt  zwei  mJtnnern  von  geschmack  und  urteil,  diescbil- 
derong  des  Hippodamo3  bei  Aristoteles  pol*  11  8,  1267^'  22—28  öc 
bis  ßouXöpevoc  in  eckige  parenthesen  gesetzt  habe,  und  wirft  mir, 
kurz  gesagt,  vor  dasz  ich  keinen  8p&8z  verstehe,  ich  kann  ihm  ver- 
sichern, dasz  ich  den  leichten  trockenen  hnmor,  der  gelegentlich  bei 
AristotelflS  erscheint,  sehr  gut  kenne»  und  dasz  mir  auch  der  sati- 
rische Charakter  dieser  Schilderung  keineswegs  entgangen  ist*  aber 
diese  satire  ist  hier  übel  angebracht,  ob  es  des  Aristoteles  würdig 
ist  oder  nicht,  beim  tibergange  zu  einer  ernsten  kritik  der  staata- 
theorie  des  Häppodamos  vorher  das  sonstige  weaen  und  wirken 
dieses  mannes  ins  spöttische  zu  ziehen,  darüber  will  ich  mich  mit 
Bümraler  nicht  streiten*  aber  erstens  war  Hippodamos  in  seiner 
eigentlichen  berufdtbätigkeit  als  bäume  ister  ein  wirklicher  refor- 
mator  und  keineswegs  ein  *sophist  und  charlatan*,  wird  auch  von 
Aristoteles  selbst  IV  (VII)  11,  1330^  21  ff.  durchaus  nicht  als  ein 
aolcher  behandelt;  und  zweitens  ist  die  consequenz  dieses  spottes  doch 
eben  die,  es  als  sache  eines  'sophiaten  und  obarlatans'  erscheinen  zu 
lassen,  dasz  er  zuerst  einen  idealstaat  entwarf,  dann  aber  f^llt  dieaoj 
Satire  auf  Aristoteles  zurück,  der  im  begriff  steht  dies  geschäft  for 
zusetzen,  die  nnm5glichkeit,  dasz  der  pbilosoph  selbst  diese  ge 
fichmacklosigkeiten  begangen  habe^  bin  ich  nun  freilich  weit  ent 
fernt  zu  behaupten,  aber  die  Unmöglichkeit,  dasz  die  sonstigen  histo* 
rischon  excurse  II  10, 1271  ^  30—40.  12, 1274»  22— ^  26.  IV  (VII) 
2,  1329*»  3  ff,  (nebst  der  ganzen  Umgebung).  10,  1329»  40  —  **  39 
von  ihm  selber  herrühren  könnten,  glaube  ich  sogar  bewiesen  oder 
wenigstens  gezeigt  zu  haben,  dasz  auch  der  einzige  noch  tibrige 
VIII  (V)  12,  1315  •>  11— 39  nicht  ganz  unverdächtig  ist,  und  so  war 
eswohlnichtzu  kühn,  wenn  ich  auch  hier  einen  peripatetikereinschub 
für  das  wahrscheinlichere  hielt*  wenn  übrigens  Dümmler  noch  immer 
zu  glauben  scheint,  dasz  die  poütik  für  das  publicum  und  nicht  blosz 
für  die  schule  des  Aristoteles  geschrieben  war,  so  können  wir  beide 
uns  darüber  freilich  schlechterdings  nicht  verständigen. 

OreIFSWALD.  FbANSE  SuSEMtHIi. 


JLange:  zu  Plautus.  193 

25. 

ZU  PLAUTUS. 


1.  Persa  139  ff. 

post&iiis  istnc  tdmen  potest.   l  sdn  quam  polest? 

necümquam  herde  hodie  hie  prius  edes,  ne  früstra  sis^ 

quam  te  höc  fadurum  quöd  rogo  adfirmds  mihi. 
so  hat  diese  stelle  Scholl  in  seiner  jüngst  erschienenen  ausgäbe  ge- 
schrieben, abweichend  von  den  hss.,  welche  numquam  und  edis  bieten, 
allerdings  ergibt  die  überlieferte  lesart  nicht  den  gewünschten  vers, 
und  es  sind  deshalb  behufs  heilung  der  stelle  verschiedene  versuche 
angestellt  worden ,  von  denen  wohl  als  der  ansprechendste  und  der 
Überlieferung  am  wenigsten  gewalt  anthuende  die  Umstellung  hie 
hodie  anzusehen  ist.  doch  wie  wäre  es ,  wenn  die  hsl.  lesart  durch- 
aus richtig  und  nicht  im  geringsten  zu  ändern  wäre?  ich  meine 
nemlich,  und  darin  stimme  ich  mit  Scholl  Uberein,  dasz  die  cor- 
ruptel  im  anfange  des  verses  zu  suchen  ist,  nehme  aber,  abweichend 
von  ihm^  einen  ausfall  des  wörtchens  ut  an  und  lese  mithin: 

sein  quam  potest? 

^uty  numquam  herde  hodie  hie  prius  ediSy  ne  früstra  sis. 
das  blosze  potest  mit  id  ist  bei  Plautus  gar  nichts  ungewöhnliches : 
vgl.  Stichus  593  f.  immo  imum  höc  potest:  IT  quid?  IT  uhi  conuiuae 
dbierint,  tum  ut  uSnias,  Men.  627  pötin  ut  mihi  moUstus  ne  sis? 
Pseud.  633  potest^  ut  alii  ita  drhitrentur  4t  ego  ut  ne  creddm  tibi. 
übrigens  gibt  es  eine  menge  von  stellen,  die  der  unsrigen  ähnlich 
sind  und  das  von  uns  vorgeschlagene  ti^  noch  mehr  rechtfertigen: 
vgl.  Men.  425  f.  sdd  sein  quid  te  amdbo  ut  facias?  .  .pdUam  iUam 
.  .  dd  phrygionem  ut  d6feras,  ebd.  1154  f.  scitin  quid  ego  uös  rogo? 
IT  quidV  r  praeconiüm  mi  ut  ddis.  Bud.  1216  f.  sed  sdn  quid  est 
quod  tduolo?  \  quöd  promisisti,  üt  memineris,  Pseud.  276  sid  sein 
quid  nos  uölumtis?  IT  pol  ego  pröpemodum:  ut  male  sü  mihi,  Bacch. 
1178  at  sdn  quo  pdäo  me  ad  te  intro  dbdueas?  [T  mecum  ut  sis. 
Persa  35  f.  fdeere  amicum  t(bi  me  potis  es  simpiternum,  IT  quem  dd 
modum?  f  üt  mihi  des  nummös  seseentos.  Amph.  1023  quo  modo? 
r  eo  modo,  üt  profedo  uiuas  aetatSm  miser,  Mgl.  1162  f.  Truc, 
918  f.  auch  bei  Terentius  findet  sich  diese  construction :  vgl.  Hec. 
78  f.  audin  quid  dicam,  Sdrte?  si  quaerä  me,  uii  \  tum  dieas. 

2.  In  der  eingangsscene  der  Menaechmi  tritt  der  parasitPeni- 
culus  auf  und  stellt  in  einem  monologe  philosophische  betrachtungen 
an  über  die  anziehungskraft  eines  reich  besetzten  tisches :  man  ver- 
fahre unpraktisch ,  wenn  man  gefangene  oder  entlaufene  Sklaven  in 
fesseln  lege;  auf  irgend  welche  weise  gelinge  es  ihnen  dennoch  die 
fesseln  zu  lösen  und  wieder  zu  entfliehen,  unsinn !  man  versuche 
es  nur  und  setze  solche  leute  an  einen  voUbeladenen  tisch :  das  sei 
der  gröste  magnet,  der  sie  sicherlich  und  ewiglich  an  den  tisch 
fessele;  da  gebe  es  kein  entrinnen  mehr:  (v.  87  ff.) 

Jahrbücher  fOr  eiass.  philol.  1893  hft.  3.  13 


184 


JLange:  itu  Plaatas. 


quem  tu  ääseruare  ride^  ne  aufugiät^uoks^ 

esca  Mqm  potiöne  wtnctW  decel: 

apud  m^sam  plenam  (hamoy  hdmini  rostrum  deliges, 
da  der  letzte  vers  in  der  von  den  hss.  überlieferten  form  einen  hiatus 
enthält  und  atiszerdem  die  in  A  noch  vorhandenen  spuren  auf  den 
ausfall  eines  wortes  in  der  ersten  bälfte  deseelben  schlieszen  lassen, 
so  hat  Scholl  hämo  eingeschoben,  Eitscb!  den  ausfall  von  tu  vor 
homini  angenommen,  was  freilich,  da  es  schon  im  anfange  des  Satzes 
steht,  hier  nicht  gar  nötig  wiederholt  wäre,  während  Brii,  ohne  auf 
das  beglaubigte  fehlen  eines  Wortes  rückzieht  zn  nehmen,  eich  damit 
begnügt  homini  in  die  archaistische  form  homoni  zu  verwandeln. 
doch  sollten  nicht  die  werte  apud  mensam  plenam ^  anstatt,  wie  68 
gewöbnlieh  geschieht,  auf  das  folgende,  besser  auf  das  vorher* 
gehende  zu  beziehen  und  der  sinn  der  sein:  man  tnusz  den  menschen 
durch  speiee  und  trank  an  einen  vollbesetzten  tisch  fesseln ;  s  o  kann 
man  ihn  am  schnabel  festbinden?  ich  schlage  deshalb  vor  mit  ein- 
schiebung  von  Ha  zu  lesen: 

esca  d^e  potidne  uindri  decet 

apud  mensam  plenam:  <i/a>  homini  rostrum  däiges* 
3.  Captivi  911  f.  lesen  wir  in  der  ausgäbe  von  8chöll: 

dadis  caiamUasque  Memperies  modo  nastram  aduenit  domum. 

quasi  lüpus  esuriens  mäui  ne  <iueiy  in  me  facerä  impetum. 
da  der  zweite  vers  offenbar  um  einen  fusz  zu  kurz  überliefert  ist»  so 
ist  hier  uel  eingeschoben  worden,  auch  die  andern  verbesserungs* 
vorschlage  der  gelehrten  haben  alle  das  gemeinsam,  dasz  sie  ein 
oder  zwei  worte  inmitten  des  ver&es  einschieben,  indem  auch  ich 
hiermit  einen  kleinen  bei  trag  zur  heilung  dieser  stelle  beisteuere, 
gehe  ich  von  der  erwägung  aus«  dasz  gerade  der  anfang  eines  verses, 
was  ja  natürlich  und  auch  oben  an  einem  heispiel  zu  erweisen  ver* 
sucht  worden  ist,  am  meisten  der  alteration  unterworfen  ist  und  es 
daher  nicht  wunder  nehmen  darf  ^  wenn  gerade  hier  6in  oder  zwei 
vForte  ausgefallen  sind,  dies^  glaube  ich,  und  nichts  anderes  ist  auch 
an  unserer  stelle  der  fall  gewesen,  auszerdem  stehen  unsere  beiden 
yerse  in  einem  so  innigen  zusammenhange  von  grund  und  folge, 
dasz  mau  an  dem  fehlen  einer  verbindenden  und  vermittelnden  Par- 
tikel durchaus  anstosz  nehmen  musz.  ein  solcher  Übergang  von 
grund  und  folge  wird  aber  von  Plautus,  und  dies  an  unzähligen 
stellen,  vermittelt  durch  das  wörteben  ita,  nur  einige  beispiele  da- 
von mögen  hier  ihren  platz  finden:  AuL  408  f*  neque  ego  u/mquam 
msi  hödie  ad  Bacckas  u^i  in  Bacchanal  coquinaium:  j  ita  me 
miserum  et  meös  di$cipulüs  füstihus  male  cdntuderunt,  Trin*  28  f. 
nam  hie  n4mium  morbus  mores  innasit  bonos:  |  ita  piMque  omnes 
iäm  sunt  imtermMui,  Stichus  209  f.  damna  iSuenerunt  mäxuma 
miserö  mihi,  \  ita  mi  mancupia  mdserum adfeeerünl male.  AuL  67  ff, 
noenüm  mecastor  quid  ego  cro  dicdm  mco  \  malairei  euenisse  quamue 
insdniam^  \  queo  c^mminisci:  ita  me  mlseram  ad  hünc  modum  \ 


JLange:  zu  Plautos.  195 

deci&  die  ano  saSpe  extrudU  a^dibus.  ich  schlage  also,  um  sowohl 
den  vers  als  auch  den  sinn  zu  heilen,  folgende  lesart  vor: 

^üa  idmy  quasi  luptts  esuriens  metui  neinme  facerd  impdum. 
zur  rechtfertigung  unseres  Yorschlages  kommt  noch  hinzu,  dasz  die 
Wortverbindung  ita  iam  quasi  oder  üa  quasi  auch  sonst  bei  Plautus, 
und  besonders  im  anfange  des  verses,  beliebt  ist:  ygl.  Trin.  835 
ita  iam  quasi  canis  haud  secus  drcümstant  nauem  türbine  uenti. 
Amph.  158  ff.  nee  quisquam  sU  quin  m4  malo  omnes  üse  dignum 
diputent.  \  ita  quasi  incudäm  me  miserum  \  hdmines  oäo  uMidi 
caedant,  Merc.  725  nonpdsstMn:  ita  instas  ürges  quasi  pro  noxio 
(Qötz  interpungiert  nicht  ganz  richtig:  nonpossum,  ita  instas:  urges 
quasi  pro  noxio).  Poen.  398  itaque  iam  quasi  östreatum  t6rgum 
uleeribus  g^stito. 

4.  Trinummus  820  ff.  lesen  wir  bei  Hitschl-Schöll : 
sdlipotenti  mültipotenti  Iduis  fratri  aetTierei  Neptuno 
laitus  luhens  laudis  ago  gratas  grdtisque  häbeo  et  flüätbus  salsis^ 
quös  penes  mei  fu4t  potestas ,  hönis  mis  quid  foret  Ü  meae  uiiae , 
quöm  suis  me  ex  lods  in  patriam  urhem  üsque  columem  rSducem 

faciunt. 
es  kommt  hier  auf  die  schluszworte  reducem  faciunt  an ,  welche  die 
hgg.  dem  cod.  B  folgend  bieten,  wie  ist  aber  die  lesart  redeunt 
faciunt f  welche  in  CD  daftlr  überliefert  ist,  zu  erklären?  dasz 
redeunt  für  reducem  yerschrieben  sein  sollte ,  scheint  mir  nicht  sehr 
annehmbar  zu  sein,  meine  meinung  ist  die,  dasz  im  ursprüng- 
lichen texte  gestanden  hat  reducem  reddunt\  jemand  hat  später 
an  den  rand  faciunt  als  nähere  erklärung  von  reddunt  beigescbrie- 
ben ,  infolge  wovon  dann ,  mit  auslassung  eines  wertes ,  welches  zu 
viel  war,  bald  reducem  fadwnty  bald  reddunt  faciunt  (das  erstere 
corrumpiert  zu  redeunt)  in  die  hss.  übergegangen  ist.  derartige  Zu- 
sammenstellungen zweier  Wörter  mit  gleichen  anlautsilben  bilden, 
besonders  am  ende  des  verses,  ein  sehr  geschätztes  kunstmittel  der 
alten  komiker,  wie  dies  unzählige  beispiele  beweisen,  im  folgenden 
beschränke  ich  mich  nur  auf  solche,  welche  zugleich  einen  vers- 
schlusz  bilden :  Amph.  1094  continuo  contonat.  Merc.  470  diuarsus 
distrahor.  ebd.  870  lacrumaCy  lamentaiio,  Stichus  231  recondas  reti" 
quias.  Poen.  537  contemptim  conteras.  ebd.  639  leniter  lenonxbus. 
Most.  205  oportere  opsequentem.  ebd.  387  medioaho  metum.  ebd.  406 
trado^  Tranio.  ebd.  931  oongerrones  conferam.  ebd.  1049  congerro- 
num  conuocem.  ebd.  1116  exemplum  expetis.  —  Ter.  Hec.  587  restet 
reticua.  Ad.  283  perpäuo  perierim.  ebd.  299  consüia  conferant. 
Andr.  897  inpone,  inpera.  ebd.  964  solide  solum  gauisurum  gaudia. 
Eun.  1030  properans prosüit.  dieses  verfahren  wird  sogar  mit  augen- 
scheinlicher, man  möchte  fast  meinen  allzu  affectierter  Vorliebe  in 
den  cantica  angewandt  ^  wovon  das  unsrige  einen  klaren  beweis 
liefert,  denn  abgesehen  von  den  fällen,  welche  im  innem  des  verses 
vorkommen ,  finden  sich  hier  folgende  bemerkenswerte  beispiele  im 
versschlusz,  in  denen  entweder  die  oben  besprochene  erscheinung 

13* 


198 


J  Lange:  zu  Flau  tu  s. 


auftritt  oder  überliaupt  ein  gletcbklaug  angestrebt  ist:  v.  825  morilms 
commemorant.  826  opera  experius.  8*29  damnare  atque  domare,  830 
dis  dignumst.  unfi  von  diesem  so  beliebten  kunstmittel  sollte  Plautus 
gerade  da,  wo  es  sieb  von  selbst  darbietet,  ja  beinahe  aufdrängt, 
keinen  gebrauch  machen  und  reducem  faduni  schreiben  und  nicht 
vielmehr  reducem  reddmit^  was  er  ja  auch  sonst  angewandt  hat? 
ygl,  Oaptivi  922  f.^  eine  stelle  welche  mit  der  unsrigen  eine  über- 
raschende Ähnlichkeit  besitzt: 

loui  disque  ag6  graiids  merUo  mdgnas^ 

qmm  U  redducSm  tuo  patri  reddid^runL 
zwar  ^11 1  hier  im  zweiten  yerse  die  länge  der  erateE  silbe  von  red-^ 
ducem  aiif,  besonders  da  bald  in  v.  931  r€dii€em  wiederkehrt,  aber 
mit  derselben  regelrechten  kürze  der  silbe  re  wie  in  der  besprochenen 
Btelle  des  Trinummus*  doch  ist  in  der  that  redducem  nur  eine  ge- 
lehrte conjectur»  die  Scholl  in  seine  ausgäbe  aufgenommen  hat,  wäh- 
rend Fleckeisen  die  Schreibung  reducem  beibehält  und  nunc  ein- 
schiebt, indem  er  schreibt:  guom  ti  reducem  (^nünc}  ttw  patH 
reddidSrufü,  ich  folge  seinem  beispiele  mit  folgender  änderung,  für 
die  ich  mich  auf  unsere  Trinummus-stelle  stQtze: 

quam  16  iuo  patri  <f»wwc>  reducem  reddid^rttnt, 
man  erhält  durch  diese  lesart  einen  doppelten  gleichklang:  ie  h$0 
und  reäucefn  reddiderunt^  dem  sich  dann  noch  als  drittes  beispiel  in 
v,  927  fides  firma  anreiht. 

Nbumabk  in  Westprkuszbh.  Julius  LANas, 


Obige  behandlung  des  verses  Capt.  923  eriimert  mich  an  eine 
alte  schuld,  deren  ich  mich  schon  längst  hätte  entledigen  sollen ;  ich 
will  es  jetzt  versuchen. 

Als  ich  im  j,  1849/50  mit  den  vorarbeiten  zu  meiner  Plautus- 
ausgabe  beschäftigt  war,  §ties£  ich  im  ersten  bände  von  Konrad 
Leopold  Schneiders  ekmentarlehre  der  lat.  spräche  (Berlin  1819), 
einem  buche  das  os  wahrlich  nicht  verdient  der  Vergessenheit  anheim- 
zufallen,  wie  es  heute  allgemein  der  fall  zu  sein  scheint,  s.  588  1 
auf  folgende  worte:  'redux  läszt  sich  nur  in  zwei  baccbeischen  versen 
des  Piautas  mit  langer  anfangssilbe  nachweisen,  nemlich  Oapt.  5, 
1,  2  [923].  Eud.  4,  2,  4  [909]:  redducem  (welche  Schreibart  auch  Beiz 
in  der  letztem  stelle  befolgt),  in  den  übrigen  stellen  des  Plautus 
ist  dieselbe  kurz,  wie  bei  Terenz  und  andern  dichtem/  hierzu  läszt 
Schneider  in  der  anmerkung  folgende  privatmitteilung  von  Philipp 
Butt  mann  abdrucken:  *ich  hege  das  feste  vertrauen  zu  der  gefäUig- 
keit  Plautinischer  metriker^  dasz  auch  diese  beiden  beispiele  sich  in 
kundigen  bänden  irgendwie  noch  allen  übrigen  von  rMux  anschlieszen 
werden ;  um  alsdann  darin,  dasz  redducere  so  gewöhnlich  ist  wie  redduz 
ungewöhnlich ,  einen  neuen  beweis  für  das  zu  Enden  ^  was  ich  aus 


^EtsefiSMo:  :zi.?jasnaiL.  197 


öc  beöenniiir  altäx.  ücnoL  ikn^  ^bbciücskl  .  iwmlm  öhk  -s  xce. 
rsfluceTY  suän  nerkanrnn.  wir  wrmta.  jl  tkltt  aas.  ök  s  ninr.  diobl 
int  jr  ÖMff  .  ^?s  UBW.  Bffi  -»"JTw^  TüriwmtT.  f  uas  f  i  immii  ^■■"**" 
KüJiL  ftn  fiisL  BaiflerTBciif:  «nönnr  is*. :  djfr  «iiiM:  rot  mvct  ur.  ,il  xncst 
TT  ^totfii  jrnrsojiÖBL..   £dL  ms  üjlbc  »>«f*g^  ös;  nL 

leheLT    wk»  imr  ök  ^TerbuiL  äuesn  niam  Tamazuus.     sc  wiirat 

r^^Twnr  Tngngfmar  sn.  TWeikll  emkoimilSL  ÖaSZ  J»C  Wit  ^OL  fCTTff 
TTUX.  B£  TOL  fWa  «IBÖKff  BXkaiaiXimi..'  OlSaf:  gllmCUlif  iSlSIKl^  JEIT 
«»*V:^   eJL  .   miC   ici.    IteSCiliOäl  iv«*Tr   gnn^ng^T  lAiLUluanü  .    nsr   ri»^^*^«' 

scäiDr  rwKziZiT  iüirt  un  "wc .  ckil  lä:  aber  "na.  juentsL  afimu  vuieek. 
jbflT  cutb  lUfht  "VfiTfiiirünr  "frinnisi*  di£  'vol  ""t  -ervrsrbnt  'flfflly 
kcr'  ZL  erweisBiL.  hdc  uif  iCL  qh:  iieiöflL  il  isu^  jumizufinaa.  etSiixt 
GsjnzT:  nnc  ^tiüptk.  nw-  jx:  äan  -erBtsL  ukiiiidifiL  sMfZBer  aqibuk  'SI«' 
bfcJLBE  wKrcL .  ÖTZTciiBrueneK;  erwiei  £i=l  nur  Iiniiiiiazii'  igra^inn^ 
üi  i-bfissi  unbtfweifiiJBr  vjt  ieicin  grttllluc  ihl  £i  ^üäzsr  rar 
ineiz  €CiKaTrrwT.  ■  ^  i£x.  il  öbl  spifcter  «rüdufliKiiSL  amasKi^ex.  tql 
JLrfiiinr  1*T*.  i^Jt*f  miL  TSiajöL  üsiot  sttLSKt  J**?""  il  iMSL 
Ter!4t  cter  Cupirr.  snci  Jr  öer  Jkeusx.  Zmosksre^asL  'eexian^BUK  vos. 

pnmreL  sül.  nw  fiiuä:  BunnxyQmf  gieicnmif  rtäusi  rtäec  ^^  mc 
7flfy«r  TTr.TTtfrmiT;  imr^tiraj^  üeir  Mii5L  virx  usl  iol  -waugncx  ms 
ibr  Viwf'^CTTnrwT:  iülif  «r  ssniliüi  ai.  sei&sr  "vcir  iwmzi  jnrxoz.;^'  somx 
ix  EjiscTiif  iicxfc  süL.  pniiCi..  Lmt.  Z^  l  SlM  1.  j&ii^nsprufiuezfta.  aifr- 
äcri  Liier  oh;  errmüjupi  vqx.  t^^m;  nusi.  ihhiu  ie^uioi'.  .lSl  ^^ituttu- 
ZEJci  h;Ö££  uraiif  ^r  ^leL  5i±ar  üuä.  uumuMMT.  oji^  tobk;  mr. 
reäöiftCf  TiinVitt  zl  ihm.  übt  .  fiasüerr  ^oicr  n:"  ^^ö«  wem  -»^  xuskn 
IL."«  öer  mi'LrcambHyBi  iiBniK*:.  »"^c  mmim>:li/ji'*  zi/äBmxu^sixdai^  Ott 
S£iin  äf:r  ü'x^greizifiimmt&ziiH:  dj'm'ueruTBnci  cht  ^^iLiL^tej,  jsi  iitu- 
r&rcr  rar  ^me^jiu  kl  irnc.  1*2^.'  &.  i'TT  mh«  rrM«9w2z»  <a^Mf  k 
jdBrtam  rSäu:  du  af  l#[f?uiiur  jmuoL.  vum.  111  \  ac  h  fßwuffnmi 
rßäud  'fasif  wm  reueri!  tttic  b«i  ?j&xitii;  -ejcnsr  Tu*3EBiif  n.  «..j-ex 
ssöerL  icselJfiL  i^c  du  won  De.  imL  vcrvcnmin..  wh^  21  Litp:  '^STT. 
6eit<.  ^1  uici  Ulli  öezL  ZiBsmiiammiücna.  proio;^  utiHielDex.  gtUstffi 
^täihn  iusrber  t.  4;  ..  iei  fi  imL  ^aiiiiiifiL  oaic.  cuwer  'V'^rr'  mit 
fyThf^pewmdasH:  dicmer  zwemial  mit  zwar  i.l'.L,-.^  a.  wsnr 
beü'dbb  bBBiäieE^äifiL  lueinm.  emer  lüiNDex  crrüjt  lulieißt  via.  diWffsB. 
fcJaCRTnflinflL  briicT  ü:i£¥Wi£i*eL  een.  «olne  ^  i^rL  t^euainnt  iMra.  nnc 
^be  Bii;.«.mmir  bocl  üBint  uiicl  ^DÜktimxuez.  Ttt:x2: .  wem.  er  tot 
iD£!tir  ihJLf  Eksbzir  iüirBL  öarBii:  irerSBXzK.  miec  bu£l  omk;  waoa,  vt^ 
spiekr  sici  Jr  kmiäisec  ii&iiäeL  iJisl  üiincei.  Üzr  ^«nc;  spivfiügiifMx 

BpiTMcmeaL  w:r  ietz:  na  vriqsl  ^erst  «iwue  ^reiauier.  n.  öei. 
C&jiiT:  t»ezris  t.  Pi±  B^sül  mii  äemaL  w^üer^^voaxtüUfSL  «awt 
T'k£jvpüJtBnjj& .  öex  er  but  öen.  indsr  niigiäjui:  iia:  qk:  vümtt  vatt. 
hnim  US  il  €3x  äBiik?et>e;  bl  tut  pütie:  jx  uü^cxietfsiiia:  vsis^ 


198 


AFleckeiBen:  zu  Piautua. 


Iau(  disque  agö  gratids  merUo  md^nas, 

quom  te  reducem  iuo  patri  reddideruiü 

qitomque  4x  miseriis  plururms  me  exem^runt  usw. 
der  mittlere  vers  lautet  so  in  den  hss.  einschlieszlicb  A  (reddenmi 
in  B  ifit  reiner  Schreibfehler) ,  nur  dasz  in  A  nach  den  noch  siebt- 
baren  spuren  möglicherweise  patri  tuo  gestanden  haben  kann 
(wovon  freilich  Studemund  im  ^apographum'  nichts  welsz).  im 
j,  1860  nun  habe  ich  den  vers  durch  einsetzung  eines  wörtcbens  zu 
heilen  versucht:  quom  te  reducem  (nüncy  tuo  pcäH  reddid&ufii. 
aber  —  besser  iijfc  besser,  schon  im  j.  1865  hat  Julius  Drix  in 
Beiner  ersten  ausgäbe  der  Captivi  den  vers  durch  Versetzung  eines 
einzigen  wörtchens  so  hergestellt: 

quam  rMucem  tuö  te  patri  reddid&unt 
(nicht,  wie  infolge  eines  Schreibfehlers  in  SchÖlls  appendix  gedruckt 
fiteht,  reducem  ie  tuo)^  und  so  lautet  der  vers  auch  in  den  drei  fol- 
genden ausgaben  von  1870,  187G  und  1884,  im  krit  anhang  der 
letzten  (vierten)  s.  111  mit  ausführlicher  begründung  der  von  ihm 
gegebenen  Wortstellung  aus  dem  Plautiniscben  Sprachgebrauch  (und 
zugleich  mit  Zurückweisung  des  irrtums  von  ASpengel»  der  'reform* 
vorschlage*  s.  209  sich  auf  die  'bei  Terentius  auch  handschriftlieh 
verbürgte  ßchreibung  redducem^  beruft,  ein«  offenbare  Verwechslung 
mit  irgend  einer  form  von  redduco^  das  bei  Ter.  etwa  fünfzehn  mal 
und  zwar  in  den  hss«  meist  richtig  mit  dd  geschrieben  vorkommt), 
dieser  herstell ung  des  verses  durch  Brix  (statt  deren  man  auch, 
wenn  in  A  wirklich  patri  tuo  gestanden  bat,  schreiben  könnte  quom 
riducem  patri  te  tuö  reddiderurU)  gebe  ich  jetzt  entschieden  den  Vor- 
zug, auch  vor  der  durch  meinen  geehrten  mitarbeiter  JLange  ob«n 
vorgeschlagenen:  diese  wäre  ja  an  sich  des  dichters  nicht  unwürdig; 
aber  so  arg  iät  Flau  tu  s  nicht  auf  die  allitteration  erpicht,  dasz 
man  sich  ihr  zu  gefallen  so  weit  von  der  Überlieferung  entfernen 
dürfte. 

Je  bereitwilliger  ich  mich  in  betreff  dieser  stelle  gezeigt  habe 
eine  frühere  correctur  zugunsten  einer  inzwischen  gemachten  bessern 
zurückzunehmen,  um  so  beharrlicher  muaz  ich  an  meiner  emendation 
der  stelle  des  Rudens  festhalten,  und  zwar  aufgrund  einer  paraUel- 
fitelle  wie  ich  sie  mir  schlagender  nicht  wünschen  kann,  v*  900  tritt 
der  6scher  Gripus^  der  eben  mit  einem  reichen  ertrag  seines  (isch* 
2ug8  beladen  zurückkommt^  mit  folgendem  dankgebet  auf  die  bühne; 

N^ohimo  haaee  agö  groHäi  meo  pairöno^ 

gut  sdisis  locU  incoUl  piseidMiSf 

quom  me  ^  8uU  lods  pudere  omoium  expedduü 

templis  reducem^  pluruma  praeda  onustum, 
80  lautet  in  der  hauptsache  die  Überlieferung*    im  dritten  verse  ha 
8chöU  mit  Guyet  med  geischrieben  und  mit  Camerarius  locis  ge- 
atrichen  (um  suis  temp^^is  verbinden  zu  können)  und  im  vierten  nüt 
Beiz  redducem  geändert,  mir  war  im  j.  1850  zur  guten  stunde  v,  413 
des  MUes  glorios us  eingefaüen;  quae  {Ephesia  Diana)  me  in  loeiB 


AFleckeisen:  zu  Plautos.  199 

Neptünüs  tempHsque  turbtMfUis  \  senuiuU,  und  darauf  hin  schrieb 
ich  den  vierten  vers: 

templis^quey  reducSm ,  pturumd  praeda  onüstam. 
an  dieser  emendation  halte  ich  wie  gesagt  fest  (locis  tempUsque  scheint 
eine  rituelle  formel  in  solchen  dankgebeten  gewesen  zu  sein)  and 
freue  mich  sie  bald  nachher  stillschweigend  anerkannt  gefunden  za 
haben  von  keinem  geringem  als  Bitschi,  der  in  einem  1857  ge- 
schriebenen Bonner  programm  ^emendationum  CatuUianarum  triaa* 
den  voraugustischen  dichterbrauch  von  templum  bzw.  templa  ausführ- 
lich bespricht  und  diese  erörterung  mit  folgenden  werten  schlieszt 
(opusc.  III  s.  598):  'nee  enim,  ut  caelestia,  ita  etiam  vel  marina 
vel  infema  vel  terrestria  templa  dicta  sunt  simpliciter:  quod  etsi 
minime  rationem  quominus  fieret  impedivisse  dicam,  tamen  non 
probasse  consuetudinem  reperio.  velut  non  simpliciter  templa  tu/r- 
bfdenta  Plautus  aequora  maiis  concitati  vocavit,  sed  sie  locutus  est 
Militis  gloriosi  v.  413:  in  locis  Neptuniis  templisque  turhtdeniis: 
eundemque  Neptunum  ex  suis  locis  templisque  expediuisse  naufragom 
dixit  Budentis  v.  908.  nee  alia  ratio  illorum  est  quae  sunt  Ächerusia 
templa  aUa  Ord  apud  Ennium,  scrupea  saxa  Baochi  templa  apud 
Pacuvium^  Volcania  templa  apud  Accium.'  ich  bitte  freund  Scholl 
in  einer  neuen  aufläge  seiner  Budens-ausgabe  dieses  citat  nicht  zu 
vergessen ,  nicht  um  meinetwillen,  sondern  weil  Bitschis  name  noch 
auf  dem  haupttitel  der  ausgäbe  steht  und  folglich  jede  auch  nur  ge- 
legentliche äuszerung  über  irgend  eine  Plautinische  stelle  registriert 
werden  musz. 

Hiermit  hoffe  ich  die  unform  reddux,  die  seit  1789  (dem  jähre 
in  dem  die  ausgäbe  des  Budens  von  FWBeiz  erschien)  fast  alle 
neuern  texte  der  Captivi  und  des  Budens  verunziert  hat,  gründlich 
ausgetrieben  zu  haben. 

Dresden.  Alfred  Fleokbisbn. 


26. 

ZU  TEBENTIÜS  PHOBMIO. 


Einen  beweis  dafür  dasz  die  recension  des  Calliopius  der  des 
Bembinus  nicht  immer  nachzusetzen  ist,  liefert  auszer  vielen  an- 
dern der  vers  368  des  Phormio,  dessen  zweite  hftlfte  (nach  der  pen- 
themimeres)  im  Bemb.  lautet:  narras,  I  i  in  malam  crucem^  in  den 
übrigen  hss. :  narras,  IT  abi  hinc  in  malam  crucem.  es  ist  dies  die 
einzige  stelle  bei  Terentius,  in  der  das  bei  Plautus  gegen  zehn- 
mal (s.  Luchs  in  Studemunds  Studien  I  s.  18  ff.)  in  dem  sinne  'scher 
dich  zum  henker'  gebrauchte  i  in  malam  crucem  vorkommt.  wSre 
nun  diese  mit  der  Plautinischen  wort  für  wort  stimmende  ausdrucks- 
weise die  vom  dichter  selbst  herrührende,  wiehfttte  es  da  jemandem 
in  den  sinn  kommen  können  das  i  in  abi  hinc  zu  verwandeln?   das 


200 


ÄFleckeisen:  zu  Tereutiue  PLormio  [368], 


ist  undenkbar,  dazu  kommt  nocb  ein  anderer  umstand,  der  aing. 
crux  kommt  bei  Terentius  im  ganzen  nur  dreimal  yor :  auszer  unserer 
steile  Ändr.  621  quid  meritü's?  (T  crucem  und  Phorm*  544  ni  äiam 
nunc  me  huius  causa  quaerere  in  malo  iubeds  crucem?  also  beidemal 
ohne  epitbeioD.  was  liegt  nun  niber  als  die  annabme  da^z  Ter.  auch 
hier  blosz  in  crucem  geschrieben  (was  auch  bei  Plautus  durchaus 
nicht  unerhört  ist:  s,  zb.  Asin.  940  i  in  crucem.  Persa  855  ahi  in 
crucem)  und  dasz  erst  ein  späterer  abscb reiber  in  erinnerung  an 
das  Plautinische  malam  crucem  hier  das  maJam  eingedickt  hat?  nun 
wurde  aber  der  vers  wenn  auch  nicht  zu  lang,  so  doch  durch  die  an 
dieser  stelle  sehr  mi  sali  che  scansicn  mdlam  crucem  mit  recht  ver- 
dächtig, der  diorthot  vom  archetypus  des  Bemb.  verwandelte  darum 
das  ahi  hinc  in  einfaches  t,  und  dieses  i  in  malam  crucem  bat  den 
neuern  bgg.  so  eingeleuchtet,  dasz  es  seit  Bentley  in  allen  uDsern 
(mir  bekannten)  ausgaben  im  texte  steht,  ich  halte  mich,  wie  schon 
oben  angedeutet,  an  die  Calliopisehe  recension  und  schreibe  mit  Ver- 
besserung des  geringHlgigen  Schreibfehlers  abi  in  ahin  die  warte  so: 
närras.  IT  ahin  hinc  in  crucem?  vgl.  Ändr,  317  dhin  Mnc  in  maMm 
rem  cum  suspüione  tstdc,  sceUis?  wo  gleichfalls  die  meisten  bas,  ahi 
bieten  statt  ahin»  —  Übrigens  hatte  schon  Donatus  die  lesart  des 
Bemb,  vor  äugen ,  nur  dasz  das  i  in  wie  oft  ein  einfaches  in  gewor- 
den war.  er  bemerkt  zu  unserer  stelle:  in  malam  crucem:  aducrhia- 
litery  ut  huc  uiciniam:  denn  so  musz  statt  des  Lsl.  huc  uidniae  ohne 
zweifei  gelesen  werden,  er  faszte  tV  ==  isne  und  malam  crucem  als 
Bcc.  loci  auf  die  frage  wohin?  nach  analogie  der  stfidtenamen  und 
der  wenigen  appellativa  donium  rus  uä.:  ein  Sprachgebrauch  der  bei 
Plautus  und  Terentius  wiederholt  vorkommt,  wie  schon  Bentley  zu 
Phorm.  V  8,  37  in'  hinc  malam  rem  cum  istac  magnificentia?  nach- 
gewiesen hat  (vgl,  auch  Eun.  536  malam  rem  hinc  Ms?  wozu  Do- 
natus  ähnlich  bemerkt:  hoc  aduerhialiier  äiM,  quemadmadum  dicimus 
domum  ihis),  dort  also  erklärt  Donatug,  wie  Terentius  Andr.  70  huc 
uiciniam  gesagt  habe,  so  in  unserm  verse  des  Phormio  malam  crucem 
^  in  malam  cruceni»  hätte  er^  wie  die  Überlieferung  bietet,  huc 
uidniae  geschrieben,  so  wfire  die  ganze  bemerkung  vollständig  sinn- 
los. ASpengel  hätte  demnach  im  kritischen  anbang  seiner  ausgäbe 
der  Ändria  zu  v.  70,  wo  er  daa  huc  uiciniam  tiberzeugend  als  not* 
wendig  nachweist,  auch  diese  Donat-stelle  als  bestätigung  seiner 
emendation  anführen  können. 

Dresden.  Alfred  Flsckeisen. 


€FWMüller:  ante  atmas,  Tor  jahreiu  201 

27. 

ANTE  ANNOS,  VOR  JAHBEN. 


Unter  den  vortrefiflichen  beitragen  zur  kritik  des  Ammianus, 
die  Petschenig  neuerdings  im  Philologus  geliefert  hat,  finde  ich  im 
letzten  hefte  LI  (1892)  s.  522  zu  den  worten  XXVI 10^  5  undepost 
dies  produdus  .  .  inieriit  die  bemerkung:  Tomelissen  nahm  den 
ausfall  einer  zahl  hinter  dies  an.  einfacher  und  wahrscheinlicher  wird 
man  schreiben  können  post  dies  <^paucosy,*  hiergegen  mich  vernehmen 
zu  lassen  würde  mir  nicht  in  den  sinn  gekommen  sein ,  wenn  mir 
nicht  vor  kurzem  derselbe  irrtum  bei  einem  andern  sehr  verdienten 
kritiker  entgegengetreten  wäre.  MajhofiP  schreibt  Plinius  n.  h. 
XYIII  224  novem  a  coronae  exortu  coniinuis  diehus,  XX. 183  ae. 
lade  mulierum äuget  aliquot  coniinuis diehus sumptum^  XXII 129 ae. 
suhvenit . .  per  coniinuos  dies  . . .,  mox  adiedo  meUe,  wo  aberall  die  hss. 
keine  zahlangaben  haben,  und  behauptet  Pliniana  (philologische  ab- 
handlangen  MHertz  zum  70n  geburtstage  dargebracht^  Berlin  1888) 
s.  36,  dasz  XXVIII 224  praecedente  vini  ahstinentia  et  seguente  con- 
iinuis diehus  'hinter  diebus  eine  lücke  anzunehmen'  sei,  und  dasz 
XXIX 128  ciconiae puUum  quiederit^  negatur  annis  continuis  Uppi- 
turus  'hinter  continuis  oder  auch  hinter  fi^a^tir  ausgefallen  sein  kOnne 
irinis*.  man  sagt  bekanntlich  im  deutschen  ^stunden,  tage,  monate, 
jähre  lang,  es  hat  stunden  usw.  gedauert'  usw.  ohne  zusatz  einer  zahl, 
um  auszudrücken,  dasz  es  sich  nicht  um  (ein  paar)  minuten,  stun- 
den, tage  usw.  handelt,  sondern  um  (ganze)  stunden  usw.,  so  dasz 
genauere  zahlangabeu  überflüssig  sind,  wer  im  unmut,  dasz  er  eine 
halbe  stunde  hat  warten  müssen ,  dies  in  die  worte  kleiden  wollte, 
er  habe  ^stundenlang'  gewartet,  würde  arger  Übertreibung  geziehen 
werden ;  aber  für  eine  einzige  stunde  ist  derselbe  ausdruck  eine 
hjperbel,  wird  aber  gewis  oft  ohne  das  gefühl  einer  unzulässigen 
entstellung  der  Wahrheit  gebraucht,  bezweckt  wird  stets  die  Ifinge 
der  zeit  hervorzuheben,  dasz  die  Römer,  wenn  sie  von  saecula 
redeten,  dasselbe  dachten,  ist  bekannt  (s.  ua.  Burman  zu  Val.  Fl. 
II  245,  Plinius  XVI 217  memaratur  aedisÄuhde  ekisdem  deae  saeadis 
ante  Troianum  heUum  exaedificata^  XXXIV  7  cum  ante  saecula  fictores 
nobües  esse  desissent)\  dasz  sie  bei  horaCf  dies^  anni  von  derselben 
anschauung  ausgiengen,  glaube  ich  nicht;  dasz  sie  aber  so  sagten 
für  ^mehrere  (nicht  pauci)  stunden'  usw.,  beweisen  folgende  stellen, 
das  bei  Plinius  beanstandete  continuis  diebus  steht  auch  bei 
Suet.  Nero  20  post  cenam  canenti  in  muUam  noctem  assidens^  Vegetius 
a.  vä.  1 16, 7  dabis  cocfdearia  singula,  Pelag.  s.  74, 26  dabis poiionem; 
continuis  annis  Sen.  Tr.  68,  Colum.  IX  13, 13  plurimi  florespro- 
veniunty  XII  46,  3  non  cont.  a.  usurpanda;  per  continuos  dies 
Suet  d.  luH.  78  ae.  nee  destitü  per  c.  d.  quicguam  pcUiceri,  CaUg. 
27  ge.  in  conspectu  suo  verberatum  occidUf  Frontinus  strat.  II  3,  4 
üa  ordinatum  produxit  exerdtum  (=  Livius  XXVIII  14,  3  per  dies 


202 


€FWMCÜler:  ante  tmnaSf  Vorjahren« 


aliquot),  Amm.  XX Y  10,  1  multa  visehaniur  äira;  per  continuas 
noctes  Suet.  Nero  36  steUa  crinüa  oriri  co€perat\  per  continuos 
mens  es  Suet.  Aug,  23  ge.  harba  capiUoque  summisso^  adiectis 
diebus  PliDtus  XI  M2  und  XY  14  ae.;  interpositis  diebus 
Plinius  XXVI 110,  Yeg.  a.  vet.  I  17,  13.  22,  11.  IH  18.  58,  5  interp, 
diebus  vel  singulis  mensihus  ('an  deest  numerua?*  Gesner),  CaeL  Äur. 
cfir,  11  1  s.  120  aa,  (Haller),  Marc.  Emp.  s.  41,  14,  wo  Helmreich 
ira  texte  anders  achreibt,  aber  e.  415  corrigiert:  si  per  triduum  con* 
tinuum  Herum  interpositis  diebus  accipiantur^  ebd.  s.  216,  23 ,  hisi, 
Ap.r,  24  aa,  ed.  2;  iniermissis  diebus  Plinius  XXXII  70,  Marc. 
Emp.  a.  157.  29;  interiectis  diebus  Suet  d*  JuL  37^  Justiims 
III  7,  5.  11.  V  4, 3  und  noch  zehnmal  (mit  pauds  XXIII  2.  3) ,  Caol 
Äur.  dir.  11  1  s.  119,  Maic.  Emp.  s.  167,  6.  17ö,  23;  posi  interiedas 
dies  Quint.  XII  9,16;  interieäis  mensibus  Just.  XXXYIII  l,6;tn/«r- 
missis  horis  Yeg.  a,  vet.  V  ö6,  1;  interiectis  annis  CapiL  Ver^ 
3,  3  (eonöt  nicht  bei  den  script.  liistÄug.);  interpositis  annorum 
spatiis  Veg.  a.  vet,  I  17,  5;  horarum  spatio  hist,  Äp.  r.  s.  113,  2, 
Suet.  Dom,  3  cofidie  secreium  sibi  horarum  sumere  solebat.  wenn 
aber  Suet.  Nero  37  sagt  mori  iussis  non  amplius  quam  horarum 
spatium  dahat  ^  so  ist  das  offenbar  das  umgekehrte  des  detitschen 
'stundenlang',  posi  dies  schreiben  auszer  Aramian  auch  Just. 
XLIY  4,  3,  Lucifer  s.  67,  29  in  einem  citat  aus  Genes.  4,  3,  wo 
die  vulg.  hat  post  multos  dies,  die  LXX  peG'  fiiit^pac  (anderwärts 
aliquantum  temporis  für  fm^pm).  ante  dies  Just,  VI  7,  7,  Augast. 
c.  Fortun.  29  s,  110,  11  (Zycha),  cum  ante  hos  dies  coniu^em  et 
fiUum  amiserim  CIL.  VI  2120,  16,  ante  menses  Just.  XX  5, 4.  Pelag. 
8.  %^f9post  cttram  spat  tum  dierum  largiamur,  '?or  jähren*  heiszt 
bei  Lucifer  s.  1^2^X2  ante  annos  (susceptum  furorem  adhucräincs). 

iJüsz  man  die  singulare  hora^  dies^  mcnsis^  annus  ohne  unus  zu 
gebrauchen  pflegte,  bemerkt  Seyffert  eu  Cic.  Lael^  s.  61  (vgl.  ua. 
Front,  strat,  II  12,  1  T,  Quintius  cohortem  taniummodo  in  statione 
deiinuii).  man  sagte  aber  auch  tempus  fQr  'einige  seit';  Suet, 
Tib.  9  ae.  interposito  {empöre^  rhet.  1,  Tac.  ab  esc.  IV  73.  XII  57.  Just 
I  6,  B  usw.  17 mal,  Sulp.  Sev.  chron.  3 mal  inieriedo  tempore^  Hyg. 
fab.  126  cum  iam  tempus  intercederet ,  wofür  Barth  *ex  membranis* 
wollt«  tempus  intens  (xpövoc  itTiTVCTai,  XP^^^^^  öcrepov  usw.), 
Bictys  VI  4  ß.  105,  14  transado  tempore^  schol.  Germ.  a.  381,  18 
Ey89.|>05f  tempus^  CIL.  VIII  2756,  16  iacuitper  tcmpora  muta.  cum 
tempore,  cuv  xP<^Vifi,  kenne  ich  ans  Ruricius  s.  378^  24.  Marc. 
Emp.  s,  80,  24  sagt  daftlr  pa^  tempus.  ad  tempus  und  in  tempus 
sind  bekannt, 

Breslau.  C.  F.  Wilhelm  Müllbb« 


SBrandt:  über  den  TerfiAsBer  des  boches  de  marHlmB  peneeutorum,    203 

(15.) 

ÜBER  DEN  VERFASSER 
DES  BUCHES  DE  M0BTIBU8  FEBSECUTOBÜM. 

(scblasz  von  s.  121—138.) 


Nach  erledigung  der  wichtigsten  punkte  musz  ich  mich  noch 
mit  einigen  stellen  meiner  kritiker  beschäftigen.  Belser  meint  s.  464, 
Lactantins  könne  deshalb  nicht  307 — 310  am  kaiserlichen  hofe  in 
Trier  gewesen  sein,  weil  ihn  sonst  die  pflicht  der  Wahrhaftigkeit  und 
dankbarkeit  hätte  veranlassen  müssen,  in  den  Institutionen  bei  der 
Schilderung  der  Verfolgung  wenigstens  eine  bemerkung  einflieszen 
zu  lassen  über  das  von  dem  wüten  der  übrigen  regenten  abweichende 
verfahren  des  Constantius  und  Constantin.  aber  ich  habe  jetzt  meine 
annähme,  Lact,  sei  schon  307 — 310  lehrer  bei  Crispus  gewesen,  als 
notwendig  fallen  gelassen,  sodann  aber  hätte  die  pflicht  der  Wahr- 
haftigkeit wenigstens  für  ihn  ja  auch  bestanden,  wenn  er  in  Niko- 
medien  oder  sonst  auszerhalb  Galliens  (so  Belser)  jene  Schilderung 
geschrieben  hätte,  so  wenig  er  aber  diese  pflicht  der  Wahrhaftigkeit 
empfunden  und  erfüllt  hat  —  um  so  auffallender,  weil  er  von  Niko- 
medien  her  Constantin  kannte  — ,  so  wenig  dürfte  man  von  ihm  eine 
derartige  erfüllung  der  pflicht  der  dankbarkeit  fordern,  selbst  wenn 
diese  damals  schon  für  ihn  vorhanden  gewesen  wäre. 

Wenn  sodann  Groscurth  ao.  s.  17  stellen  anführt  wie  inst, 
V  13,  18.  20,  9  f.  VI  17,  24  f.  VH  27,  2,  wo  Lact,  den  gedanken 
ausspricht:  'wir  Christen  dürfen  durch  keine  drohungen  und  strafen 
uns  vom  glauben  abbringen  lassen'  und  ähnliche  betrachtungen 
äuszert,  und  wenn  er  daraus  den  schlusz  ziehen  will,  Lact,  habe 
damit  angesichts  der  Verfolgung  an  eignes  martyrium  gedacht,  so 
erlauben  diese  in  rhetorischer  unmittelbarkeit  gehaltenen  stellen 
nicht  im  mindesten  eine  solche  deutung.  Lact,  spricht  hier  keines- 
wegs von  sich  persönlich,  sondern  überhaupt  von  den  Christen,  und 
ein  hinweis  darauf,  dasz  sie  in  Nikomedien  geschrieben  seien,  liegt 
nicht  darin. 

Mit  der  bisher  dargelegten,  jetzt  von  mir  neu  aufgestellten 
begründung  meiner  ansieht  von  dem  Zeitpunkte,  wo  Lact,  nach 
Gallien  übergesiedelt  ist,  steht  meine  Chronologie  von  dessen  leben 
nicht  in  näherem  zusammenhange;  gleichwohl  kann  ich  es  nicht 
unterlassen  sie  gegen  die  angriffe  von  Belser  und  Groscurth  zu 
schützen,  nach  Hieron jmus  de  uiris  ifd,  80  soll  Lact,  in  extrema 
senectute  lehrer  bei  Crispus  gewesen  sein,  ich  bestritt  die  richtig- 
keit  des  Zusatzes  in  extrema  senectute.  rechnet  man  für  das  äuszers  te 
greisenalter  das  achtzigste  lebensjahr,  wozu  man  alles  recht  hat,  da 
mit  60  Jahren  bei  den  Römern  das  greisenalter  beginnt,  so  wäre 
Lact.,  wenn  er  den  Unterricht  bei  Crispus  übernahm,  als  dieser  schon 
Caesar  war  (so  Belser),  also  317  in  diesem  hohen  alter  gewesen,  die 
Inst,  hätte  er  demnach  als  siebenziger  geschrieben,  wie  wenig  dieses 


204     SBrandt:  über  den  verfawer  des  buches  de  mortibus  perBectUorum. 


letztere  wabtscbeinHch  ist,  habe  icb  leben  des  Lact,  s,  36  ff.  gezeigt, 
desgleichee  dasz  man  dann  mit  der  cbronologie  des  Arnobius  ad  a. 
Abr.  2343  in  conflict  kommt»  wo  es  heiszt:  Arnohiits  rlietor  in  Äfrica 
darus  habetur.  TeuSel  glaubte,  da  das  werk  des  Arnobius  scbon 
um  295  entstanden  ist,  man  müsse  diese  notiz  des  Hieronymus  auf 
dessen  todesjahr  bezieben,  ich  bin  nun  allerdings  früher  von  dieser 
erklärung  ausgegangen,  wie  icb  auch,  aber  nur  Vorschlags  weise,  ftir 
die  e^rema  senedus  auf  70  jähre  heruntergegangen  bin.  allein  gegen 
Teuüels  erklärung  sind  seither  immer  bedenken  in  mir  aufgestiegen, 
es  wäre  in  der  that  höchst  auffallend,  wenn  Uieronymus  gerade  das 
todesjahr  des  Arnobius  als  dessen  bltlte  angesehen  hätte»  er  hat 
wohl  irgend  eine  notiz  über  ihn  für  dieses  jähr  gewust,  die  er  dann 
bei  den  Worten  clams  habetur  im  sinne  hatte,  nun  ist  aber  jenes 
jabr  2343  Abr,  =  327  nach  Ch,,  demnach  ergibt  sich  dasz,  wenn 
Lact  317  achtzig  jähre  alt  war,  Arnobius  zehn  jähr  später  auf 
seinem  höbepunkte  stand  mit  neunzig  jabren ,  eine  Unmöglichkeit. 
Belser  geht  nun  s.  456  ff.  von  jenen  siebenzig  jähren  fUr  die  extrema 
senedus  aus»  da  aber  diese  altersstufe  dem  ausdruck  des  Hierony* 
mus  nicht  gerecht  wird,  so  bestreite  ich  die  Sicherheit  der  von  Belser 
gezogenen  consequenzen ,  ebenso  auch  seine  benutzung  der  stelle 
inst.  I  If  7f  wo  Lact»  ^agt,  er  sei  lange  iehrer  der  bered^mmkeit 
gewesen  —  was  für  uusern  fall  nichts  beweist  —  desgleichen  seine 
deutung  der  stelle  de  opif,  20,  7  ff.,  die  ich  leben  des  Lact.  s.  37  be- 
sprochen habe ,  ferner  Groscurths  yersuch  s,  1 5  die  worte  inst.  VII 
27,  8  auf  Lact,  leben  zu  beziehen:  quanto  quisque  annis  in  senedu- 
tem  uergeniihus  adpropinquare  cernii  iUum  diem^  quo  sit  et  exhac 
uüa  demi^andum ,  cogitd  quam  pums  ahscedai ,  quam  imwcens  ad 
iudicem  ueniat,  non  ut  faciunt  quidam  caecis  mentibus  nixi  qui  iam 
deficientibus  corporis  uiribus  usw.  es  ist  dies  eine  allgemeine  er- 
mabnung;  niemand  ist  genötigt  das  darin  zu  Bnden  was  Groscurtb 
hineinlegt,  der  ausdruck  extrema  senedus  ist  nicht  richtig  fUr  die 
zeit,  wo  Lact,  bei  Crispua  Iehrer  war.  Hieronjmus  wüste,  dasz  Lact, 
in  Gallien  das  äuszerste  greisenalter  erreicht  und  auch  dasz  er^  ge* 
wis  im  höchsten  alter,  in  äuszerster  not  gelebt  hat.  so  kam  die 
bemerkung  in  extrema  scnedute  bei  ihm  in  einen  unrichtigen  Zu- 
sammenhang. 

Wie  wenig  nun  aber  Belser  bei  seiner  Chronologie  des  lebens 
¥on  Lact,  in  Übereinstimmung  mit  sich  selbst  ist,  zeigt  seine  chrono» 
logie  der  schrift  de  ira  dei,  da  Lact.  inst.  11  1 7,  5  diese  schrift  in 
aussieht  stellt,  schlosz  ich  dasz  er  möglichst  bald  nach  beendigung 
der  Inst,  dieses  yersprechen  erfüllt  haben  wird^  also,  da  die  Inst. 
307  oder  308  (Ich  sage  jetzt  auch  308  oder  309)  beendigt  waren, 
würde  jene  schrift  in  310  oder  311  fallen.  Belser  nennt  diese  be- 
hauptung  unerwiesen  und  unerweislich,  natürlich  kann  von  einem 
eigentlichen  beweise  hier  so  wenig  die  rede  sein  wie  bei  Belsera 
eigner  meinung.  es  musz  in  diesem  falle  die  wissenschaftliche  mög* 
lichkeit  genügen.   Behex*  selbst  meint,  die  schrift  sei  318^ — 320  ver- 


SBrandt:  über  den  Verfasser  des  buches  de  mortibus  penecytorum,    205 

faszt.  da  hStte  ja  Lact,  acht  bis  zehn  jähre  gewartet,  bis  er  sein  in 
den  Inst,  gegebenes  versprechen  gelöst  hätte,  wer  kann  dies  glauben? 
femer  soll  die  schrift  nach  der  Epitome  geschrieben  sein ,  weil  sie 
gegen  die  sonstige  gewohnheit  von  Lact,  in  jeder  seiner  Schriften 
auch  andere  zu  erwähnen  in  der  Epitome  nicht  genannt  ist.  aber 
gerade  die  Epitome  kann  bei  ihrer  Unselbständigkeit  als  excerpt  aus 
dem  hauptwerke  hier  am  wenigsten  geltend  gemacht  werden,  und 
dann  hat  ja  Lact,  in  der  Epitome  auch  nicht  die  inst,  11  10,  15  ge- 
nannte schrift  de  opificio  dei  erwähnt,  femer  aber  ist  folgendes  gegen 
Belser  zu  sagen,  nach  diesem  wäre  Lact  248  oder  249  geboren 
(s.  460),  als  er  318 — 320,  kurz  nach  beginn  seiner  thätigkeit  bei  dem 
Caesar  Crispus ,  das  buch  de  ira  dei  schrieb ,  70  jähre  alt  gewesen. 
Belser  will  auch  s.  455  finden,  dasz  dieses  buch  schon  die  spuren 
des  eingetretenen  greisenalters  trage;  ich  habe  diesen  eindruck  durch- 
aus nicht ,  doch  wichtiger  als  persönliche  eindrücke  ist  folgendes, 
wenn  Lact,  nach  Belser  318 — 320  siebenzig  jähre  alt  war,  wofür 
man  aber  nach  genauer  interpretation  von  Hieronjmus  achtzig  jähre 
sagen  musz,  so  ist  ganz  undenkbar,  dasz  er  nachher  noch  die  reihe 
von  Schriften  verfaszt  habe ,  die  er  nach  Hieronjmus  de  uif,  ifU,  80 
verfaszt  hat.  zunächst  trägt  er  sich  in  de  ira  dei  2^  6  noch  mit 
dem  schon  inst.  IV  30,  14  geäuszerten  plane  einer  schrift  gegen 
alle  häresien,  dann  aber  (vgl.  darüber  entstehungsverh.  s.  123  ff.) 
enthielten  die  zwei  bücher  an  Demetrian  ausftihrungen  christlichen 
inhalts  (über  die  lehre  vom  heil,  geist) ,  höchst  wahrscheinlich  auch 
die  vier  bücher  briefe  an  Probus  ebenso ,  und  wohl  auch  die  zwei 
bücher  briefe  an  Severus.  nach  Hieron.  de  uiris  int  111  war  ein 
nachkomme  desselben  —  de  Rossi  Bull,  di  arch.  crist.  IV  (1888— 89) 
8.  48  meint,  vielleicht  dessen  söhn  —  ein  christlicher  Schriftsteller 
und  lebte  in  Spanien ,  daher  wird  auch  jener  ältere  Severus  Christ 
gewesen ,  jedenfalls  aber  weit  eher  zur  zeit  von  Lact,  aufenthalt  in 
Gallien  mit  ihm  bekannt  geworden  sein  als  zur  zeit  von  dessen  auf- 
enthalt in  Nikomedien.  Lact  citiert  beistimmend  inst.  VII  4,  17 
eine  ihm  gewidmete  schrift  von  Asclepiades  {Asdepiades  noster) ,  in 
der  de  prauidentia  summi  dei  gehandelt  war,  Asclepiades  war  (vgl. 
noster)  also  jedenfalls  Christ.  Lact  erwähnt  aber  weder  hier,  wo  es 
so  nahe  lag,  noch  sonst  irgendwo  die  zwei  bücher  ad  Asdepiadem\ 
diese  fallen  also  ebenfalls  in  seine  spätere  christliche  zeit.  Belser 
erkennt,  wie  angeführt,  selbst  die  gewohnheit  von  Lact,  an,  in  der 
einen  schrift  möglichst  seine  andern  zu  erwähnen,  von  diesen  zehn 
büchem  nun  ist  kein  einziges  bei  Lact,  selbst  genannt,  sie  sind  aber 
teils  sicher^  teils  höchst  wahrscheinlich  in  seiner  christlichen  zeit 
geschrieben^  sie  müsten  also  nach  Belser  in  die  zeit  nach  dem  buche 
de  ira  dei  fallen,  es  waren  auch  nicht  etwa  kleine  Schriften :  plurimae 
epistiüae  eius  ttsque  ad  miUe  spatia  uersuum  traduntur  . .  quo  fit,  ut 
et  legenti  fastidium  generet  longüudo  klagt  der  papst  Damasus  in 
einem  briefe  (epist.  35  bd.  I  s.  157*»  Vall.)  an  Hieronjmus.  ferner 
sagt  er  an  derselben  stelle,  dasz  die  briefe  des  Lact,  raro  de  nostro 


206    SBrandt:  ^ber  den  TerfasBer  des  bncliefi  äe  marHbus  persecutorum. 


dogmale  dispuianty  vielmehr  de  meiria  et  reffi^mum  süu  etphüosophis* 
man  sieht  daraus,  dasz  diese  briefbücher  nicht  mehr  in  die  zeit 
fallen,  wo  Lact,  littei-arisch  seinen  glauben  verteidigte,  sie  sind  viel- 
mehr geschrieben,  nachdem  ruhe  fQr  die  kircbe  eingetreten  und  bei 
Lact,  mit  dem  aufhören  der  kampfesf^timmung  auch  das  Interesse 
ftlr  theolGgische  und  religiöse  fragen  etwas  zurückgetreten  war  und 
seinen  frühem  allgemein  wisaenscbaftticben  Interessen  wieder  platz 
gemacht  hatte,  und  nach  Belser  müste  alle  diese  bücher  ein  greis 
nach  seinem  siebensigsten  lebensjahi-e  geschrieben  haben I  nein,  sie 
stammen  aus  einer  arb ei tsfris ehern  zeit  des  mannos.  Lact,  ist  um 
260  geboren;  etwa  50  jähre  alt,  zwischen  306  und  310  kam  er  nach 
Gallien,  damals  sind  die  Inst  vollendet  worden,  bald  darauf  die 
Schrift  de  ira  dei^  310  oder  wenig  später,  dann  313 — 314  die  Epi- 
tome.  er  war  lehrer  bei  Criepus,  bis  dieser  Caesar  wurde,  vielleicht 
auch  noch  Ifinger,  also  bis  zum  beginnenden  greisenalter»  bis  gegen 
320.  er  erreichte  nach  Hieronjmus  auch  das  äuszerste  greisenalter, 
etwa  achtzig  jähre ,  er  starb  also  um  340.  in  die  jabre  gegen  320 
und  in  die  spätere  zeit  fällt  die  reihe  der  acht  briefbücher  und  die 
zwei  bücher  an  Asclepiades,  nicht  etwa  desbalh,  weil  sie  in  de  ira  dei 
nicht  erwähnt  werden  (denn  bei  dieser  kleinen  Schrift  verlange  ich 
dieses  nicht,  wie  Belser  es  bei  der  Epitome  verlangt),  wohl  aber  weil 
sie  sich  nirgends  in  den  kurz  vorher  veröffentlichten  Inst,  genannt 
finden  und  aus  den  so  eben  angegebenen  allgemeinen  gründen. 

IV.  Dasz  zwischen  der  spräche  der  mortem  und  der  des  Lact, 
ein  groBzer  unterschied  besteht,  ist  von  jeher  anerkannt  worden,  es 
ist  dies  ein  hauptgrund  für  diejenigen  gewesen ,  die  an  der  auior- 
schaft  von  Lact,  für  die  mories  entweder  zweifelten  oder  sie  ganz 
ablehnten,  anderseits  aber  weist  diese  schrift  eine  anzahl  eigentüm- 
licher Übereinstimmungen  mit  den  Inst,  und  der  Epit.  auf,  sowohl 
in  einzelnen  werten  und  Wortverbindungen  wie  in  einigen  langem 
stellen,  um  nun  die  frage  richtig  zu  beantworten,  ob  hier  Wieder- 
holungen desselben  autors  vorliegen  oder  ob  der  Verfasser  der  mortes 
jene  beiden  schriften  von  Lact»  zu  stilistischen  zwecken  ausgebeutet 
hat,  gieng  ich  von  den  langem  stellen  aus  und  untersuchte,  ob  in 
den  mortes  die  sätze  von  Lact,  in  angemessener  weise  verwendet 
seien  oder  nicht,  als  rosuttat  ergab  sich  das  letztere,  und  von  diesem 
Standpunkt  aus  folgte  weiter,  da&z  die  bei  beiden  autc»ren  sich  finden- 
den Übereinstimmungen  in  einzelnen  Worten  und  redensarten  als  ent* 
lehnungen  anzusehen  sind,  die  der  Verfasser  der  mortes  bei  Lact,  ge- 
macht bat.  ich  nahm  an,  dasz  er  ein  früherer  nikomedischer  zuhörer 
von  Lact  war,  der  die  von  Lact  aus  Trier  an  den  alten  freundes* 
kreis  nach  Nikomedien  gesandten  bücher  kannte.  Belser  ist  nun 
dem  gauge  meiner  unterauchung  nicht  gefolgt^  er  hat  vielmehr  deren 
teile  auseinandergenommen  und  anders  gruppiert,  die  leser  müssen 
daher  hier  aus  seiner  arbeit  ein  falsches  bild  von  der  meinigen  be- 
kommen. Belser  erwähnt  zwar  kurz  mein  verfahren,  zuerst  jene 
langem  stellen  auf  ihre  angemessene  einfügung  in  die  mortes  sn 


Sfirandt:  über  deiiyeTÜumet  de^hiusheB  de  wufrtämipenecuUfrum,     207 

untersucheii,  dann  aber  hat  er  einzelne  dieser  stellen  und  solche  der 
andern  art  in  Verbindung  mit  einander  bebandelt,  und  erst  s.  292 
kehrt  er  zu  einer  jener  ersten  zorQck.  es  ist  die  stärkste  dieser  art 
Tcmd  sie  ist  wie  bisher,  so  auch  nach  Belsers  erOrterong  für  mich 
immer  noch  so  beweiskräftig,  dasz  ich  allein  um  ihretwillen  nicht 
daran  denken  kann  den  mortes  Lact,  zum  Verfasser  zu  geben.  Lact, 
spricht  inst.  VI  23,  8  ff.  von  widernatürlichen  lästern,  nachdem  er 
in  der  spräche  des  grösten  abscheus  von  der  Päderastie  geredet,  geht 
er  §  11  zu  dem  gipfel  der  widernatürlichen  Unzucht  über  und  um- 
schreibt in  einigen  fragen  oder  ausrufen ,  die  sein  entsetzen  bekun- 
den, dasjenige  laster,  für  welches  die  Römer  das  wort  inrumaiio 
haben.  §  12  fügt  er  dann  hinzu:  qmbus  hoc  uerbis  aut  qua  indigna- 
tione  tantum  nefas prosequar?  uineit  officium  linguae  sceleris 
magnitudo^  dh.  einer  solchen  scheuszlicbkeit  gegenüber  versagt 
die  zunge  den  dienst,  man  kann  nicht  davon  sprechen,  demgemäss 
bricht  er  von  dieser  sacbe  ab  und  geht  zu  einer  allgemeinen  er- 
mabnung  über,  in  den  mortes  38,  1  zeigt  sich  nun,  wie  ich  s.  30  f. 
nachgewiesen  habe,  die  unverkennbarste  Übereinstimmung  mit  der 
ganzen  stelle  der  Inst.,  und  es  schlieszt  auch  die  stelle  mit  den  werten 
uineit  officium  linguae  sceleris  magnitudo.  in  diesem  capitel  der 
mortes  wird  nun  ausführlich  erzählt,  in  welch  brutaler  und  scham- 
loser weise  die  eunucben  Mazimins  frauen  und  jongfrauen  für  dessen 
barem  aussuchten  und  untersuchten,  ich  hatte  gesagt,  dasz  diese 
scfaändlicbkeiten  doch  noch  nicht  an  das  in^.  VI  23,  12  gekenn- 
zeichnete widernatürliche  laster  hinanreichen ,  Belser  meint,  ange- 
sichts jener  schändlicbkeiten  könne  der  Schriftsteller  doch  auch 
sagen:  die  zunge  will  den  dienst  versagen,  aber  Belser  beachtet 
einen  auszerordentlich  wichtigen  punkt  nicht,  den  ich  doch  nach 
kräften  hervorgehoben  habe,  dasz  nemlich  dort  nach  jenem  satze 
Lact  das  thema  folgerichtig  verläszt,  dasz  aber  in  den  mortes  nach 
demselben  satze  gerade  umgekehrt  jetzt  eine  längere,  in  aller 
ruhe  so  detaillierte  bescbreibung  des  treibens  der  eunucben  folgt, 
dasz  Übersetzer  'die  obscönitäten  des  im  urtezt  berichteten'  (so  die 
Kemptener  Übersetzung)  wiederzugeben  sich  scheuten,  hier  in  den 
mortes  ist  jener  satz  eine  leere  floskel ,  es  schrieb  ihn  ein  ezcerptor, 
ein  nachahmer  ganz  äuszerlicb  aus  den  Inst,  ab ,  dort  war  er  wahr- 
haft an  seinem  platze,  den  besten  beweis  für  die  richtigkeit  meiner 
ansiebt  gibt  kein  anderer  als  derjenige  gelehrte ,  der  in  neuerer  zeit 
die  annähme ,  Lact,  sei  der  Verfasser  der  mortes ,  am  meisten  wieder 
zur  geltung  gebracht  bat,  nemlich  Ebert.  er  nennt  s.  121  im  tezt 
den  satz  phrasenhaft,  in  anm.  14  sagt  er  aber:  'im  fall  man  Lact, 
als  Verfasser  des  buches  de  m.  p,  annimt,  kann  man  meines  erachtens 
gar  nicht  umhin  (man  beachte  den  starken  ausdruck)  den  satz  uincü 
usw.  als  interpolation  zu  betrachten.'  ich  kann  kein  besseres  zeugnis 
für  mich  haben  als  dieses,  da  es  nun  aber,  wie  ich  ao.  gezeigt  habe, 
nicht  zulässig  ist,  hier  das  gewaltmittel  den  satz  zu  streichen  anzu- 
wenden, so  schliesze  ich  jetzt  wie  früher,  dasz  nicht  Lact,  diese 


208     ßßrandt:  übeT  den  Verfasser  des  buches  äe  mortibus  persecutorum. 


stelle  und  überbaupt  die  mortes  geacbricben  hat,  was  die  Übrigen 
parallelen  dieser  art  s.  32  ff.  betrifft,  so  sind  mir  gegen  die  beweis- 
kraft  der  einen  oder  andern  aucb  mündlich  oder  brieflich  bedenken 
geäussert  worden ,  jedoch  Yerweiae  ich  auch  aaf  die  parallelen  zwi- 
schen den  mortes  und  der  Epitome  s.  99  ff*,  unter  denen  ich  die 
8.  102  f,  angeführten  in  ihrem  werte  für  den  vorliegenden  fall  durch- 
aus feathalte.  ntir  6iue  derselben  musz  ich  noch  berühren,  da  Belser 
auch  hier  die  hauptsache  auszer  acht  \&sii  und  nur  eine  nebensacho 
bespricht,  nemlich  mort.  2,  2  und  epit.  42,  2.  Belser  bestreitet  hier 
meine  erklö-rung  der  worte  (mort,)  quos  mettis  comprehenshnis  eius 
in  fugam  uerierati  und  ich  gebe  zu,  dasz  seine  erkl&rnng  möglich 
ist ,  aber  nicht  mehr ;  er  fügt  dann  aber  hinzu  s.  268 :  ^alle  be trach- 
tungen und  folgerungen,  welche  Br.  an  die  besprecbung  dieser 
parallele  geknüpft  hat,  fallen  darum  gänzlich  dahin,^  ich  hatte 
jedoch  s.  ICH}  bemerkt:  Moch  dieser  punkt  (nemlich  die  anffassung 
von  eins)  ist  für  die  vorliegende  frage  ohne  bedeutung*,  was  also 
Belser  sagt^  trifft  mich  nicht.  Belser  führt  nun  aber  gegen  mich 
B*  265  ff«  und  275  ff,  parallelen  aus  der  Epit,  und  den  Inst*  einer* 
und  aus  den  nwrtes  anderseits  an,  die  ^volle  beweiskraft  für  die  an- 
nähme der  Identität  der  Verfasser'  haben  sollen,  aber  diese  stellen 
erklirren  sich  mindestens  ebenso  einfach,  ja  noch  einfacher  (man 
vergleiche  zb.  was  Belser  s.  272  ff.  über  den  ausdruck  bestiae  für 
die  verfolgenden  kaiser  sagt^  mit  meinen  bemerk ungen  s.  37)  von 
meiner  ansieht  aus,  dasz  ein  leser  von  Lact.,  ein  pbrasensamler  sie  in 
die  mortes  aufgenommen  hat.  auch  hat  Belser  hier  ausdrücke,  die 
in  den  beiderseitigen  Schriften  vorkommen^  seinen  lesern  als  beweis- 
material  vorgetragen,  die  absolut  nichts  beweisen,  zb.  (s.  266)  nwrtes 
2,  6  prosiluit  ad  cxcidendum  cadesie  templum.  epü*  56^  4  pro- 
silitur  ad  inania  fadnora^  mit  der  bemerkungi  ^prosüire  ein  lieb- 
lingsverbum  des  Lact.'  ich  kann  im  augenblick  ans  Lact,  nur  noch 
die  einzige  stelle  de  ira  18,  1 1  nach  Bünemanns  index  beibringen, 
aber  hätte  Belser  nur  einmal  Harteis  index  zu  Cyprianns  nach* 
geschlagen,  so  würde  er  hier  sogar  gegen  10  stellen  für  dieses  ver- 
bnm  gefunden  haben,  darunter  621,  13  ad  fferendum proeUum pro- 
süistis]  633»  5  ad  sacrifwium  nefandum  prosüiuU^  und  nach  aus  weis 
der  lexika  kommt  in  den  digesten  prosilire  ad  accusatwnem  mehr  aU 
Einmal  vor.  demnach  liegt  hier  kein  singulärer  gebrauch  bei  Lact. 
nnd  in  den  mortes  vor,  noch  viel  weniger  (s.  275)  VI  18,  12  sedet 
enim  maximus  ä  aeptissimtis  iudex ^  und  mortes  li^  A  sedehat  ipse 
(JHodedanus) i  wozu  Belser  bemerkt  'sedere  ohne  jede  beifügung  in 
der  bedeutung  zu  geriebt  sitzen' ;  ein  blick  in  die  Wörterbücher  etwa 
von  Klotz  oder  Georges  zeigt,  dasz  sedere  in  dieser  bedeutung  nicht 
selten  ist,  auch  steht  ja  in  der  ersten  stelle  ausdrücklich  iudex  dabei« 
ebenso  will  BeUer  die  Übereinstimmung  in  dem  ausdruck  inst,  VII 
20,  6  sdre  deum  und  mortes  10,  2  säre  dominum  für  seine  behaup- 
tung  geltend  machen;  dasz  dieses  beispiel  aber  hinfällig  ist,  geht 
darans  hervor,  dasz  schon  nach  einem  so  nahe  liegenden  hillamittel 


SBrandt:  über  den  Verfasser  des  buches  de  moHibus  persecutorum»     209 

wie  Georges  handwörterbuch  scire  <=  nosse  überhaupt  in  späterer 
zeit,  bei  Apulejus,  Tertullianus  und  den  scriptores  bist.  Aug.  vor- 
kommt, dasz  Cjprianus  s.  387, 8.  790, 17  Christum  scire^  die  vulgata 
nach  Bönscb  It.  u.  Yulg.  s.  380  mehrfach  scire  in  dieser  bedeutung 
und  I  Paral.  28,  9  gerade  scire  deum  bat^  und  dieselbe  Verbindung 
steht  bei  Claudianus  Mam.  s.  56,  11  (Engelbrecht). 

In  bezug  auf  meine  erklftrung  gewisser  Übereinstimmungen  zwi- 
schen den  mortes  und  Lact,  durch  die  annähme  einer  benutzung  des 
letztern  durch  den  Verfasser  jener  schrift  musz  ich  nun  noch  einiges 
hinzufügen,  dasz  die  sache  selbst  keine  Schwierigkeiten  hat,  liegt 
auf  der  band,  wenn  wir  uns  in  dem  Verfasser,  wie  doch  sehr  mög- 
lich, einen  nikomedischen  schüler  von  Lact,  denken  und  uns  zu- 
gleich vergegenwärtigen,  welch  hohes  ansehen  dieser  glänzendste 
Stilist  seiner  zeit  genosz ,  da  ferner  diese  art  der  stilistischen  aus- 
nutzung  bei  einer  menge  namentlich  späterer  Schriftsteller  nach- 
gewiesen ist,  da  gerade  auch  Lact,  dem  Lucifer  von  Calaris  schon 
um  360  in  dieser  weise  hat  dienen  müssen,  wie  ja  auch  er  selbst  die 
von  ihm  gelesenen  Schriftsteller,  am  meisten  Cicero  und  dann  wohl 
Cjprianus,  nachgeahmt  hat ;  namentlich  bei  Cjpr.  findet  man  auszer- 
ordentlich  viele  Wendungen  und  Wortverbindungen,  die  bei  Lact, 
wiederkehren,  nun  nimt  Jülicher  anstosz  an  ^diesem  eiligen  excer- 
pieren  und  ausschreiben  einer  so  eben  erschienenen  schrift  eines 
noch  lebenden  Schriftstellers',  aber  die  Inst,  waren  schon  vor 
mehreren  jähren  erschienen,  die  Epitome  allerdings  kurz  vorher, 
allein  der  umstand,  dasz  Lact,  in  Trier,  der  Verfasser  der  mortes 
in  Nikomedien  lebte,  konnte  den  letztern  über  sein  verfahren 
leichter  hinwegsehen  lassen,  auch  ist  das  ^excerpieren  und  aus- 
schreiben' doch  nur  ein  sporadisches,  und  es  handelt  sich  hier 
keineswegs  um  inhaltliche  stücke,  sondern  um  kurze,  selten  um 
längere  phrasen.  femer  war  man  im  excerpieren  anderer  autoren 
keineswegs  scrupulös.  ich  möchte  fragen^  was  stärker  und  auf- 
fallender ist,  dasz  der  Verfasser  der  mortes  eine  reihe  von  einzel- 
heiten  einem  gleichzeitigen  autor  entnommen  oder  dasz  Cjprianus 
sich  nicht  gescheut  hat  die  schrift  quod  idola  dii  non  sint  in  das 
publicum  zu  senden,  in  der  abgesehen  von  Tertullians  Apologeticum 
der  Octavius  von  Minucius  Felix  'stark  benutzt  oder,  ehrlicher  ge- 
sagt, halb  abgeschrieben'  ist  (Wölfiflins  archiv  VIII  s.  17)?  und 
seine  schrift  de  lono  patientiae  wird  bei  TeuflFel-SchwabeBLG.*  s.  968 
ein  'abklatsch*  von  Tertullian  depatientia  genannt. 

Auch  einen  andern  einwand  Jülichers  'die  Seltsamkeit,  dasz 
gerade  in  Nikomedien  in  6inem  Jahrzehnt  zwei  lateinische  rhetoren 
für  die  christliche  sache  mit  der  feder  thätig  sein  sollen'  kann  ich  aus 
mehr  als  ^inem  gründe  nicht  anerkennen,  in  Nikomedien,  einer  der 
hauptstädte  des  reiches,  werden  unter  den  Christen  manche  gewesen 
sein,  die  mit  der  feder  umzugehen  wüsten  (wie  zb.  auch  Asclepiades, 
vgl.  oben  s.  205),  auch  wissen  wir  nur  von  Lact.,  dasz  er  ein  rhetor 
war,  der  vf.  der  mortes  war  vielleicht  advocat.  femer  verfolgen  die 

Jnhrbfieher  flir  das*,  philol.  1893  hn.  3.  14 


210     Sßrandt;  über  den  verfaBeer  de»  buches  de  mortibus  per$€cuiorum^ 


beiden  sclariftsteller  völlig  verschiedene  zwecker  Lact,  sclireibt  ein& 
philosophisch -theologische  verteidigungs-  und  angriffsschrift ,  der 
vf.  der  mories  eine  geschichtliche  darstelluug.  sodann  könnte  man 
es  mit  demselhen  rechte  seltaam  finden,  da8z  ganz  zu  deraelben 
zeitf  bei  beginn  der  Verfolgung^  in  derselben  Stadt  Nikomedien 
zwei  männer  litterarisch  das  Christentum  angegriffen  haben  {insi. 
Y  2,  2  ff.),  auch  das  liegt  völlig  im  bereicbe  des  möglieben,  dasst 
die  Inst,  und  die  Epitome  von  Trier,  wo  sie  veröffentlicht  wurden^ 
bei  Zeiten  nach  Nikomedien  an  den  aJten  freundeskreis  kamen,  will 
man  nicht  annehmen,  dasz  die  Inst*  schon  vor  dem  edict  des  Oalerius 
unter  der  band  befreundeten  Christen  in  Nikomedien  übermittelt 
wurden,  so  war  doch  in  den  sechs  monaten  der  ruhe  zwischen  dem 
edict  und  der  neu  beginnenden  Verfolgung  Maximins  für  die  Zusen- 
dung zeit  genug  vorhanden,  die  Epit,  aber,  deren  adressat  Pen^adtt*^ 
frater  (prooem.  §  1)  vielleicht  sogar  ein  nikomedischer  cbrist  war 
(vgL  leben  des  Lact.  s.  16  ff«),  konnte  nach  Maximins  ende  (313) 
ohne  jede  Schwierigkeit  dort  circulieren. 

Aber  noch  einen  andern  punkt  musz  ich  hier  besprechen ^  anl 
den  ich  früher  noch  nicht  gedacht  hatte,    wenn  der  vf.  der  morte 
Lact,  wäre,  so  müsten  sich  jene  Übereinstimmungen  im  ausdruG 
doch  auf  s£Lmtliebe  Schriften  von  Lact,  he/iehen.    nun  liegen  solcht' 
Übereinstimmungen  mit  den  mortes  in  den  Inat.  und  in  der  Epit.  in 
ziemlich  groszer  anzahl  vor:  Bünemann,  Kebrein,  ich,  auch  Belser, 
haben  den  nach  weis  geliefert,    ganz  anders  aber  steht  es  mit  den 
beiden  gchriften  de  opificio  dei  und  de  ira  dei,    die  einzige  stelle  aus 
jener  schrift,  die  ich  bei  dem  doch  sehr  sorgsamen  Bünemann  ge- 
funden habe,  ist  mort,  17^  9  worte  sapüus  =  de  opif.  18,  3  morte 
sapiatur  und  §  8  perpetua  morte  sopiru   gerade  aber  eine  so  charak- 
teri%^tische  redensart,  die  in  den  wörterbüehem  sonst  nicht  nach-» 4 
gewiesen  ist,  konnte  dem  vf.  der  mortes  aus  dem  zweimaligen  vor- 
kommen in  de  opif.  dei  im  gedächtnis  geblieben  sein,  da  er  die  in 
Nikomifdien  geschriebene  schrift  von  Lact,  natürlich  kannte,  aus  der 
andvrn  schrift  de  ira  dei  findet  sich  bei  Bünemann  ebenfalls  nur  öine  j 
stelle  angegeben  >  c.  20,  13  guamuis  sero  nosdos  punU  (sc.  deus)  mai 
paütur  hngius  procederey  cum  eos  inemendahües  esse  peruiderit,  vgUj 
mort  1,  6,  wo  nach  dem  gedanken,  die  feinde  gottes  seien  jetzt  gM 
etürzt  worden,  in  den  ausgaben  steht :  serius  quidemt  sed  ^auiter  ae 
digne,   distukrat  enim  poenas  eorum  dmts^  ut  ederet  magna  et  mira* 
hÜia  exen^pla  usw.'    es  kann  serins  richtig  für  das  hsl.  semit  con- 
jiciert  sein,  aber  sicher  ist  es  nicht,  zumal  das  vorhergehende  wort 
am  ende  -verstört  ist.    aber  selbst  Aerius  als  echt  angenommen  liegt 
ja  nur  eine  allgemeine  Übereinstimmung  des  gedankens  an  beideul 
stellen  vor,  nicht  aber  des  Wortlauts,    femer  aber  ist  der  gedanli 
keineswegs  so  eigentümlich,  dasz  ihn  nicht  zwei  Schriftsteller  un«« 


*  diese  Stelle  hat  allem  anicheine  nach  der  interpolator  der  kaiser 
anreden  intt  1  I,  15  benutKt 


SBrandt:  über  den  Verfasser  des  bocbes  de  tnortibus  perseeutorum,    21 1 

abhängig  von  einander  hätten  schreiben  kOnnen.  Plaiarch  hat  ein 
ganzes  buch  über  die  späte  strafe  der  gottheit  verfaszt,  darin  führt  er 
8.  549*  ein  fragment  aus  Euripides  (979  Nauck)  an,  in  dem  es  heiszt 
(f)  AiKTi)  ßpabei  irobi  CTcixouca  )idpi|i€i  touc  xaKOuc,  örav  ivxQ, 
80  auch  Tibullus  I  9,  4  sera^  tarnen  tacUis  Poena  uenü  pedibus^ 
Juvenalis  13,  100  lU  sü  magna  ^  tarnen  certe  lenta  ira  deorum  est 
und  andere  autoren ,  die  Wjttenbach  zdst.  citiert.  also  kann  diese 
parallele  nichts  gegen  mich  beweisen,  um  so  weniger  als  der  vf.  der 
mortes  ja  auch  ohne  zweifei  die  scbrift  de  ira  dei  gekannt  hat,  jeden- 
falls zeitlich  kennen  konnte,  einige  andere  von  Btlnemann  ange- 
führte stellen  (vgl.  s.  1377*».  1391*.  1461^)  können  nicht  hierher 
gezogen  werden ,  da  die  betreffenden  redensarten  zugleich  auch  in 
den  Inst,  vorkommen,  es  ist  nun ,  nach  dem  material  Bünemanns 
zu  schlieszen,  nichts  anderes  anzunehmen  als  dasz  der  vf.  der  mortes 
nur  die  Inst,  und  deren  Epitome  speciell  für  seinen  zweck  durch- 
gelesen hat,  die  Inst.,  weil  deren  ganzes  fünftes  buch  und  manche 
einzelne  stellen  von  der  Verfolgung  handeln ,  die  Epit. ,  weil  er  sie 
als  eine  neue  verkürzte  ausgäbe  des  hauptwerkes  ansah,  wäre  Lact, 
wirklich  vf.  der  mortes  ^  so  würde  man  doch  um  so  eher  parallelen 
zwischen  dieser  schrift  und  jedenfalls  dem  buche  de  ira  dei  erwarten 
dürfen,  weil  zwischen  letzterm  und  der  Epit.  eine  gewisse  Verwandt- 
schaft besteht  (vgl.  entstehungsverh.  s.  10),  woraus  man  auf  ab- 
fassung  beider  Schriften  innerhalb  desselben,  nicht  zu  groszen  Zeit- 
raums schlieszen  darf,  ich  sehe  in  diesem  so  eben  ausgeführten 
argument  eine  sehr  erhebliche  bestätigung  meiner  annähme,  sollten 
sich  übrigens  selbst  einige  parallelen  der  bezeichneten  art  nach- 
weisen lassen,  wozu  der  index  der  ausgäbe  der  richtige  ort  sein 
würde,  so  wäre  darum  meine  annähme  selbst  noch  nicht  umgestoszen, 
da  solche  parallelen  sich  ja  daraus  würden  erklären  lassen,  dasz  der 
vf.  der  mortes  auch  jene  beiden  Schriften  gekannt  hat. 

Doch  ich  kehre  jetzt  zu  Belser  zurück,  auch  da,  wo  er  gegen 
mich  den  Sprachgebrauch  der  mortes  im  Verhältnis  zu  dem  von  Lact, 
bespricht,  vermisse  ich  das  hier  nötige  philologische  urteil.  Eehrein 
hatte  in  der  diss.  über  die  mortes  nachweisen  wollen^  dasz  die  spräche 
der  schrift  so  sehr  zu  der  von  Lact,  stimme,  dasz  man  ihn  als  deren 
Verfasser  ansehen  müsse,  ich  habe  nun  s.  39  £f.  ausführlich  gezeigt, 
dasz  die  arbeit  von  Eehrein  keinen  wert  hat,  weil  sie  1)  die  sprach- 
lichen differenzen  zwischen  beiden  Schriftstellern  fast  gar  nicht 
in  betracht  zieht,  2)  singulare  Übereinstimmungen  in  grammatischen 
und  lezicaliscben  dingen  ohne  genaue  Untersuchung  da  annimt,  wo 
solche  durchaus  nicht  vorhanden  sind,  so  hatte  Kehrein  s.  13  be- 
hauptet: 'magni  momenti  est,  quod  voz  cupido^  quae  inde  ab 
Horatii  (I)  memoria  ab  omnibus  (I)  scriptoribus  usurpatur,  apud 
hunc  quidem  scriptorem  (nemlich  den  v£  der  mortes)  non  eztat' : 
er  habe  7,  8.  8,  6.  38,  1  cupiditas^  und  nur  dieses  wort  gebrauche 
auch  Lact,  dieses  letztere  ist  richtig,  ich  habe  nun  aus  den  zeit- 
genössischen gallischen  panegyrikern  über  20  stellen  für  cupiditas 

14» 


212     Sßrandti  über  dan  verfoeaer  des  buches  de  martibm  pefsecutorum* 


angeftibrt,  nur  Einmal  findet  sich  bei  ihnen  cupido,  bei  dem  einen 
Nazarius,  dessen  rede  321,  also  wenige  jähre  nach  Lact*  Schriften 
und  den  mortes  geholisn  ist,  steht  sechsmal  cupiditas,  nie  mpido\  bei 
Priscillianus  (im  vierten  jh.)  findet  sich  dreimal  aipidUas,  nicht  ctipido. 
damit  ist,  für  einen  philologen  wenigstens,  Kehreins  behauptung 
gebrochen  und  es  ist  bewiesen,  dasz  damals  überhaupt  ciipido  durch 
cupiditas  sehr  zurückgedrUngt  worden  war.  Belser  nun  sagt  .«♦  274: 
'der  hin  weis  blosz  auf  die  gallischen  panegjnker,  die  übrigens 
neben  cupido  auch  atpiditas  gebrauchen  [NB.  an  einer  einzigen 
stelle],  genügt  nicht,  um  die  bedeutsamkeit  (1)  dieser  eigentümlich- 
keit  abzuschwächen.*  da  hört  natürlich  alle  Verständigung  auf,  die 
richtigkeit  meiner  ausftlhr liehen  Widerlegung  Kehreins  haben  übri- 
gens Wölfllin ,  Weyman  und  andere  meiner  recensenten  anerkannt* 
dadurch,  dasz  Belser  sich  Kebreins  annimt,  wird  dessen  schrift  nicht 
besser. 

Belser  sucht  nun  auch  an  einigen  beispielen  die  von  mir  s.  45  C 
nachgewiesenen  difierenzen  im  ausdruck  beider  Schriftsteller  als  nicht 
vorhanden  oder  als  nicht  beweiskräftig  anzfifechten.  er  sttltzt  sich 
tunücbst  in  einigen  allgemeinen  bemerkiingen  s.  28ö  auf  die  that- 
sache,  dasz  Lact,  selbst  in  seinem  Sprachgebrauch  schwanke,  diese 
thatsacbe  verkenne  ich  natürlich  keineswegs,  aber  in  den  meisten 
fällen,  die  ich  anführe,  steht  auf  der  einen  seite  eine  grosze  menge 
von  stellen  bei  Lact,  die  correct  sind,  auf  der  andern  die  abweichun* 
gen  zum  vulgären  in  den  nwrtes,  ich  habe  femer,  um  möglichst 
sicher  zu  gehen,  manche  kategorien  ganz  auszer  acht  gelassen 
(s,  46  f,)  und  habe  den  kreis  hier  eher  zu  eng  gezogen  als  zu  weit, 
um  nun  von  den  einzelheiten  zu  sprechen,  die  Belser  behandelt,  so 
hatte  ich  dte  stellen  mortes  9,  2,  17,  2,  18,  5  für  causales  cum  mit 
indicativ,  einen  in  späterer  zeit  häufigen  vulgarinmus  (die  nachweise 
s.  Ö5)  angeführt  Belser  bat  nun  insofern  recht,  als  Halm  zu  de  mort* 
persec,  s.  7  für  18,  5  als  die  Überlieferung  der  hss.  cnt  angibt,  nicht 
cw,  wie  sonst  immer  geschrieben  ist;  für  cm  aber  liest  Halm  qtk 
dh.  quoniam,  ich  bedaurc  dasz  mir  bei  meinen  aufzeichnungen  aus 
der  oopie  der  hs.  dieses  versehen  begegnet  ist,  das  auch  hr.  director 
dr.  Laubmann  mir  als  solches  bestätigt,  wenn  aber  Belser  fort- 
führt; Mer  gleiche  fall  Hegt  vor  9,  2,  wo  Dübner  gleichfalls  quonium 
geschrieben  hat',  so  schlieszt  er  eben  nach  Dübner;  wie  mir  aber 
hr.  dr.  Laubmann  auf  befragen  mitteilt,  ist  hier  und  17,  2  meine 
aufzeichnung,  das  die  bs.  ctt  hat,  richtig,  anderseits  führt  Belser 
ifist,  V  1,  4  und  VII  9,  10  an,  wo  causales  cum  mit  dem  indicatiy 
verbunden  sei,  an  beiden  stellen  nehme  auch  ich  causalen  sinn  an, 
an  der  ersten  jedoch  hat  der  älteste  codex  B  und  der  Pal.  den  coiy', 
audeantf  an  der  zweiten  ist,  was  ich  noch  mehr  bedauern  muss  ali 
jenes  versehen,  in  meinen  apparat  ein  mir  unerklärlicher  fehler  ge- 
kommen, den  ich  noch  in  den  corr.  im  siichluszteil  der  ausgäbe  be- 
richtigen werde,  indem  die  hss,  BS  HP  cadii  haben,  der  Bonon. 
aber  cadant  Ton  erster  band,  woraus  die  dritte  band  cad^nt  gemacht 


SBrandt:  über  den  yerfasser  des  bnchee  de  mortüma  perseeutarum,    213 

hat.  an  beiden  stellen  hätte  ich  nach  dem  sonstigen  spraehgebranch 
mit  dem  ältesten  codex  B  den  conj.  setzen  sollen,  anstatt  der  mehr- 
zahl  der  hss.  zu  folgen,  ich  füge  jetzt  noch  selbst  die  stelle  de  ira 
16,  6  hinzu,  qui  cum  irMci  deutn  nolunt,  gratificari  uciufU^  wo  Hea- 
mann  nolifU  vermutet,  ich  glaube  jedoch  eher  dasz  dum  zu  lesen  ist. 
nach  der  ungeheuren  überzahl  der  stellen  hat  man  das  recht  diese 
zu  ändern,  umgekehrt  kann  ich  freilich  auch  nicht  widersprechen, 
wenn  man  die  beiden  stellen  der  mortes  ändern  will,  um  noch  eine 
thatsächliche  berichtigung  von  Baiser  anzuerkennen,  so  bemerkt  er 
s.  289  mit  recht,  dasz  ich  s.  57  bei  aufzählung  der  correlativen  sätze 
quanio  —  iafdo  mit  ihren  abarten  die  stelle  inst.  VU  27,  8  ver- 
gessen habe,  er  hat  aber  darin  nicht  recht,  dasz  er  sagt,  das  von  mir 
über  die  abweichende  stelle  mort.  33,  4  bemerkte  fiele  nun  dahin: 
denn  ich  habe  nicht  zu  quanio  curatur^  increscU,  wie  er  sagt,  sondern 
wie  ausdrücklich  bei  mir  zu  lesen  steht,  für  quanio  magiscircumsecatur^ 
latius  saeuü  eine  parallele  bei  Lact,  vermiszt ,  und  diese  bemerkung 
ist  auch  jetzt  noch  richtig;  femer  aber  habe  ich  schlieszlich  den 
geringern  wert  dieser  notiz  selbst  bezeichnet  mit  den  worten :  'allzu- 
viel gewicht  will  ich  dieser  beobachtung  nicht  beilegen,  aber  sie 
verdient  doch  eine  erwähnung.'  wenn  ich  nun  diese  berichtigungen 
Belsers  anzuerkennen  habe,  so  darf  ich  doch  anderseits  sagen,  dasz 
meine  sprachliche  Untersuchung  ao.  auf  einer  sehr  groszen  anzahl 
zum  teil  genau  citierter  stellen  aus  einem  umfänglichen  autor  be- 
ruht und  dasz,  da  Belser  mir  nicht  mehr  versehen  nachgewiesen  hat, 
meine  angaben  doch  für  zuverlässig  gelten  müssen.  —  Mein  gegner 
hat  nun  s.  287  auch  den  von  mir  getadelten  gebrauch  von  prae 
für  praeter  genannt,  der  nicht  unter  die  von  Wölfflin  im  archiv 
VIT  129  bezeichneten  fälle  gehört;  doch  habe  ich  s.  58  ja  selbst 
gesagt ,  dasz  hier  *ein  fehler  der  hs.  nicht  ganz  unmöglich  ist',  die 
präp.  in  mit  abl.  für^^er  steht  mort,  9,  8.  24,  4.  31,  2,  Lact,  kennt 
diesen  misbrauch  der  spätem  zeit,  für  den  ich  s.  51  genug  belege 
angeführt  habe,  nicht.  Belser  sagt  nun,  mort.  24, 4  hätten  'die  besten 
ausgaben'  et  für  in ,  aber  in  hat  an  allen  drei  stellen  die  hs. ,  und 
frühere  hgg.  haben  nur  willkürlich  den  text  correct  machen  wollen.^ 
Belser  meint  ferner  s.  287 :  'wie  nahe  sich  übrigens  im  spätem  ge- 
brauch ein  solches  in  c.  abl.  mit  per  berührt,  möge  man  aus  inst. 
IV  13,  1  erkennen:  deus  misit  e  caelo  doäorem  iustüiae,  utnouam 
legem  in  eo  uel  per  eum  daret.*  aber  es  bezeichnet  hier  Lact,  mit 
per  das  mittel,  mit  in  aber  die  i den ti tat:  Christus  ist  selbst  das 

^  Belser  empfiehlt  mir  einmal  s.  286  'die  äuszerste  zarückhaltung, 
bis  der  text  der  mortes  nach  endgültiger  prüfun^  erschienen  sein  wird*, 
ich  kann  darauf  zunächst  antworten,  dasz  hr.  direetor  dr.  Laubmann, 
der  meine  mitwirkung  bei  der  heransgabe  der  mortes  wünschte,  und  ich 
von  vorn  herein  in  dem  grnndsatz  völlig  einig  sind,  dasz  der  hs. 
gegenüber  ein  möglichst  conservatives  verfahren  inne  za  halten  ist. 
daher  werden  in  der  Wiener  ansgabe  die  versuche  früherer  hgg.  den 
text  der  mortes  möglichst  von  Vulgarismen  zu  reinigen,  höchstens  im 
apparat  eine  berücksichtig^ng  finden. 


214     Sßrandt:  über  den  verfafiser  dea  buchea  de  mortibus  persemäorum, 

neue  geneiz,  und  so  sagt  er  sdbst  eininal  IV  17,7  quod  (iki4s)  filium 
suum  id  est  uiuam  praesentemque  ledern  missurus  esset  (vgl. 
§  3  Micheas  enim  nottam  ledern  datum  iri  denunUauU  iind  §  4). 
auszerdem  aber,  da  micb  Beber  s.  250  docb  daran  erinnert}  dasz 
mir  yerscbiedene  anspielungen  auf  stellen  des  NT,  entgangep  seien, 
wie  wäre  es^  wenn  Lact»  bier  an  Rom.  11,  36  gedacht  hKite^  wo  die 
Itala  bei  Cyprianus  fest,  III  ö3  (s,  155,  20)  quoniam  ex  ipso  et  per 
ipsum  et  in  ipso  omnia  (cic  auiöVi  vulg.  in  ipso)  hat?  das  von 
mir  s,  51  scharf  getadelte  (mort^  56,  6)  ageniem  in  annis  ocio  dh. 
'acht  jähre  alt',  das  übrigens  ao.  fUr  die  spÄte  zeit  als  möglich  er* 
wiesen  ist,  jedoch  für  Lact  mir  unglaubiicb  erscheint,  ist  nach 
Beleer  leicht  «u  erklären,  es  soll  für  uersantem  in  annis  odo  stehen 
und  dem  achriftüteller  für  uersantem  das  geläufigere  agentem  in  die 
feder  geflossen  sein,  so  lange  aber  Belner  für  tiersantem  in  annis 
octo  keinen  beleg  beibringt,  musz  ich  dies  für  ebenso  3cbk*ehtes 
latein  halten  wie  agetUem  in  annis  odo*  aus  den  bei  spielen  für  die 
bekannte  Verwechselung  von  in  mit  acc.  nnd  in  mit  abL  und  um- 
gekehrt, die  Lact*  fremd  ist,  greift  Belser  mort,  39 ^  3  in  matrimoniö 
postulat  Valeriam  heraus:  er  erkennt  an  dasz  dies  ungewöhnlich  sei, 
sagt  aber,  es  sei  auf  die  grosze  Unsicherheit  'der  spätem  zeit*  im 
gebrauche  der  präp.  in  hinzuweisen:  'spuren  dieser  Unsicherheit 
finden  sich  auch  in  andern  Schriften  des  Lact.,  so  epit.  28,  8  daa 
auffallende  sunt  in  hominis  potestatem  und  40,  8  Pontitis  PilatuSf 
qui  tum  in  S^am  iudicubat*^  der  leser  musz  meinen  mit  der  stelle 
sunt  .  .  p<A€statem  sei  etwas  von  belang  gegen  micb  gesagt,  ich 
hätte  die  stelle  Übersehen,  *aber  ich  selbst  habe  ja  s.  53  geschrieben: 
'die  einzige  derartige  stelle  bei  Lact,  ist  eprt  28,  3  sunt  ,  ,  poteda- 
t€m\  dann  aber  hinzugefügt;  'aber  gerade  diese  redensart  hat  schon 
Cicero  (vgl.  Kühner  ausf.  lat.  gr,  II  432),'  sodann  in  Stpriam  iudh- 
cahat  beiszt  'über  Syrien*,  wie  auch  regnare  i*o  construiert  wird, 
auch  bei  Lact,  epit,  13»  5.  14,  4,  dagegen  in  terra  (auf  der  erde) 
sogt  er  inst,  1  11,  44.  13,  11 ,  in  caelo  I  11,  5.  —  Belser  fährt  fort 
^consiUuU  in  medium  in  mort.  19,  4  ist  gewis  nicht  auffallender  als 
inst,  IV  27,  3  mentes  furiatas  in  sensus  pristinos  reponehal^ ,  hätte 
er  nur  bei  Georges  nachsehen  wollen,  so  würde  er  manche  beispiela 
für  reponere  mit  in  und  acc,  gefunden  haben,  während  Lact.  Cim- 
stUuere  richtig  mit  in  und  abl.  construiert  und  inst.  III  G,  6.  IV  27, 14 
gerade  die  Verbindung  consiituere  in  media  bat.  —  S.  47  f.  habe  ich 
angeführt,  das/  Lact  nie  das  mort,  2»  6.  33,  5  vorkommende  wort 
idolum  gebraucht,  sondern  an  einer  masse  von  stellen  andere  aus- 
drücke {simulacrum,  imago^  effigies)  und  Umschreibungen  in  menge 
und  dasz  Kofmane  gesch.  des  kirchenlat.  I  6  ff.  16  dieses  wort  denen 
einreiht,  an  denen  er  den  'kämpf  der  gräcisierenden  und  puristiscbea 
elemente'  veranschaulicht,  Belser  schweigt  über  diesen  wichtigen 
gesichtspunkt,  er  erklärt  idolum  in  den  mortts  aus  dem  streben  nach 
kürze,  aber  wenn  man  erwfigt,  dasz  idolum  ein  von  den  kirchen- 
Schriftstellern  schon  vor  Lact*  recipiertes  wort  war,  dasz  Tertultian 


SBrandt:  Aber  den  Verfasser  des  bnches  de  mortibua  persecviorum.    215 

«ine  Schrift  de  idolölatria  schrieb ,  in  der  es  beständig  wiederkehrt^ 
dasz  C3rprian  eine  mit  dem  titel  quod  idola  dii  nan  sint  verfaszte,  in 
der  er  allerdings  nicht  idölum^  aber  anch  nur  ^inmBl  simtdacra  s.  19,  5 
und  statuae  atque  imagines  s.  24, 7  sagt,  dasz  auch  in  der  Itala  iddum 
vorkommt  (bei  Cyprian  s.  160,  7.  322,  2.  161,  7.  163,  17.  321, 13. 
322,  12;  fdr  simulacra  s.  160,  22  ist  wohl  nach  der  Überzahl  der 
hss.  und  mit  s.  321,  13  idola  zu  schreiben),  so  bleibt  es  nach  wie 
vor  höchst  auffallend ,  dasz  Lact,  niemals  diesen  so  bezeichnenden, 
im  kirchlichen  gebrauche  schon  feststehenden  ausdruck  gebrauchen 
wollte,  der  grund  ist  eben  der  von  Eoffmane  gezeigte.  Belser  fügt 
hinzu :  ^zudem  möchten  wir  hier  die  gegenfrage  aufwerfen :  wie  er- 
klärt man  sich  die  thatsache,  dasz  Lact,  neben  dem  ihm  ganz  ge- 
läufigen lat.  ausdruck  resurreäio  für  auferstehung  Einmal  anastasis 
(nicht  dvdcTQCic)  anwendet  (inst,  VII  23,  2)  und  neben  dem  lat 
regimen  singularis  imperii  (VII  15,  16)  Einmal  monarchia  (inst.  1 
5,  23)?'  aber  Belser  hätte  finden  können,  dasz  Lact,  diese  frage 
selbst  beantwortet,  denn  VII  23, 2  qua  de  anastasi philosophi  quoque 
dicere  aliquid  conati  sunt  tarn  corrupte  quampoetae  geht  er  mit  phüo- 
sopM  auf  das  griechische  gebiet  über,  er  nennt  Pjthagoras  und  als* 
bald  §  3  mit  einem  griechischen  citat  Chrjsippus,  dann  kommen 
§  4  verse  der  Sibylle  und  §  5  heiszt  es  dann :  quodsi  non  modo  pro- 
phetae^  sed  etiam  imtes  et poetae  ä philosophi  anastasim  mortuorum 
futuram  esse  consentiunt:  steht  nun  auch  an  den  beiden  griechischen 
stellen  das  wort  dvdcTacic  nicht,  so  ist  doch  klar,  dasz  Lact,  eben 
in  gedanken  an  diese  Griechen  das  fremd  wort  gebraucht,  ganz 
ebenso  sagt  Lact,  an  der  andern  stelle  1  5, 23  PZa^o  .  .  monarchian 
plane  aperteque  defendü,  —  Es  folgt  dann  bei  Belser  ein  hinweis 
auf  'im  bessern  Sprachgebrauch  ganz  ungewöhnliche  Wörter,  wort- 
formen und  constructionen ,  die  sich  nicht  in  den  getadelten  mortes^ 
sondern  in  den  Inst,  und  in  der  Epitome  finden* .  so  inaurire  ^^  hören 
machen  epü,  40,  2 ;  aber  woher  weisz  man,  ob  das  wort  in  dieser  be- 
deutung  nicht  schon  früher  bestand?  es  ist  eine  bildung  wie  in- 
oculare.  'femer  sölis  deHiquium  epit,  40,  10',  aber  bei  Georges  stehen 
beispiele  aus  schon  früherer  zeit.  *dann  der  auffallende  comparativ 
cordatior  inst.  III  20,  2'^  jedoch  vergleicht  man  die  lange  liste  com- 
parierter  participia  perf.  bei  Neue  formenlehre  II*  119.  121  ff.,  so 
verliert  cordatior  das  auffallende;  *aeternior  epü,  63,  3',  dies  hat 
auch  Plinius  n.  h.  (Georges  und  Neue  II  131);  *der  barbarische  (I) 
Superlativ  cupientissimus  inst.  III  1,  7'  steht  zweimal  bei  Sallustius 
(Georges);  Hnsanissimus  inst.  III  17,  29'  hat  Plautus  und  Cicero 
(Georges);  'suUimissimus  inst.  V  19,  9'  steht  bei  Tertullian  und  an- 
dern spätem,  den  comparativ  jedoch  hat  öfter  schon  Quintilian,  dann 
Tacitus  und  Plinius  n.  h,  (Neue  II  134).  'auszerdem  precem  facere 
epit.  60,  3  und  precem  expromere  inst.  I  7, 9',  aber  der  singular  prex 
ist  nicht  selten,  precem  kommt  schon  bei  Plautus  und  Cato,  dann  bei 
spätem  vor  (Neue  II  474).  'dem  classicismus  ganz  widerstrebende 
construotionen  wie:  quod  dari  häberent]  quod  carne  indui  hdberet  in 


216    Sßrandii  über  den  verfasBer  des  bucbes  de  mortibus  penecutorum. 


terrae  quid  habent  äicer€\  quod  pluritnae  sedae  haherent  esdsien 
fiDden  sich  sämtlich  in  den  Inst  (IV  20,  10.  IV  12,  15.  VII  6,  6. 
IV  30,  2)  und  nicht  in  den  mortes*^  erstlich  ist  qtM  habent  dicere 
VII  6,  6,  wie  Belser  schon  ans  dar  besprecbung  von  habere  mit 
inf.  bei  Rönsch  It»  u.  vnlg.  s.  447 — ^449  (auch  Kühner  ausf.  gr. 
II  496)  bäite  ersehen  können,  schon  aus  Cicero  zu  belegen  und  ge- 
hört nicht  zu  der  in  den  drei  andern  fällen  vorliegenden  Umschrei- 
bung des  futurum  s,  von  denen  der  fall  IV  20,  10  nach  auswei» 
meiner  ausgahe  aus  Cyprians  Te&iimonien  abgeschrieben  ist.  aber 
diese  drei  stellen  beweisen  nichts,  Lact,  hat  an  der  ersten  und 
zweiten  den  fehlenden  conj.  fut.  pass.,  an  der  letzten  dieselbe,  für 
existere  fehlende  form  des  activs  in  einer  schon  von  Tertulltan  sehr 
häufig  nnd  auch  von  Cyprian  ua.  angewandten  weise  mit  Habere 
umschrieben,  dies©  stellen  hätten  nur  dann  hier  einen  wert,  wenn 
Belser  gezeigt  hätte ,  dasz  Lact,  selbst  keine  andern  mittel  gekannt 
hat  jene  fehlenden  formen  wiederzugeben  und  zugleich ,  dasz  diese 
in  den  mortes  in  einer  von  jenen  drei  stellen  und  auch  der  sonstigen 
weise  des  Lact,  verschiedenen  art  umschrieben  werden,  mit  den 
zuletzt  besprochenen  stellen  schlieszen  die  einzelnen  von  Belser  be- 
handelten fälle  ab.  ich  glaube  gezeigt  zu  haben  ^  dasz  seine  beweis- 
ftlhrung  die  meinige  nicht  umgestoszen  hat  und  dasz  ich  mich  durch 
sie  unmöglich  für  widerlegt  ansehen  kann,  auch  hat  Belser  keines- 
wegs alle  von  mir  beigebrachten  sprachlichen  differenzen  zwischen 
den  beiderseitigen  autoren  erwähnt,  ein  volles  bild  dieser  differenzen, 
namentlich  In  lexicalischer  hinsieht ^  wird  sich  aus  dem  index  der 
Wiener  ausgäbe  ergeben. 

Belser  behauptet;  nun  weiter,  ich  hätte  die  eigentümlichen 
stilistiBchen  Vorzüge  der  mofies  völlig  vergessen,  es  fällt  mir  natür- 
lich nicht  ein  solche  in  abrede  zu  stellen,  wie  anderseits  auch  Belser 
zugibt,  dasz  die  redefülle  der  Inst,  in  dem  geschichtsbuch  der  mortes 
nicht  vorhanden  sei.  aber  auch  von  dem  stil  der  kleinen  Schriften 
de  opificio  dci  und  de  ira  dei^  seihst  von  dem  der  Epitome  ist  der 
der  mortes  verschieden,  in  allen  Schriften  von  Lact,  findet  man,  ob- 
gleich sie  zu  verschiedenen  zeiten  verfaszt  sind,  dieselbe  so  zu  sagen 
ausgeecbriebene,  flicözende  band  des  autors  wieder,  in  den  twoj^e» 
tritt  uns  eine  kürze,  eine  knappheit,  eine  unvermittelte  aneinander- 
reihung  der  einzelnen  glieder  entgegen,  in  der  man  selbst  Unklar- 
heit und  dunkelheit  gefunden  hat.  Belser  spricht  freilieb  immer, 
als  ob  ich  der  einzige  wäre ,  der  daran  anstosz  genommen  hat ,  aher 
die  Sache  steht  ganz  anders.  Le  Nourry  in  seiner  ausgäbe  der  mortes 
(1710)  handelt  e.  134 — 145  über  diese  eigenbeiten,  die  ihn  dazu 
veranlaszten  das  buch  Lact,  abzusprechen,  er  sagt  s.  134:  'ei 
certe  pluribus  in  locis  tanta  obscoritate  est  involuta  (sc.  sermonia 
brevitas),  ut  ii  qni  tenebiicosos  eins  modi  locos  aut  suis  animadver- 
sionibus  aut  Galileis  Anglicisque  interpretationibus  explicare  volue* 
runt,  a  se  invicem  omnino  dissentiant,*  allerdings  ist  die  dunkel* 
heit  nicht  so  grosz,   wie  Le  Nourry  sagt,  aber  der  wackere  alte 


SBrandt:  über  den  yerfasBer  des  buches  de  morttbus  persecutorum.    217 

Manriner  hat  hier  sein  befremden  über  den  stil  der  mortes  im  Ver- 
hältnis zu  Lact,  nur  in  nicht  adäquater  weise  zum  ausdruck  gebracht, 
und  wenn  ein  Gibbon  sagt:  'every  reader  of  taste  must  perceive 
that  the  style  is  of  a  yery  diflferent  and  inferior  (I)  cbaracter  to  that 
of  Lactantius*,  so  gibt  dies  doch  zu  denken ;  und  ähnlich  urteilte 
Glericus.  desgleichen  hatte  Fritzsche  in  dem  stile  der  schrift  den 
hauptgrund  gesehen,  weshalb  Lact,  sie  nicht  geschrieben  hätte. 
Heumann,  der  ein  sehr  entwickeltes  stilistisches  gefUhl  hatte,  war 
zwar  (Lactantii  Symposium,  1722,  s.  220  ff.)  gegen  Le  Nourrys 
kritik  aufgetreten,  die  in  der  that  bisweilen  neben  das  ziel  trifft, 
jedoch  in  seiner  ausgäbe  (1736)  erklärt  er  praef.  (s.  3  nach  b  5): 
*illud  ad  ultimum  celare  meos  lectores  nolo,  nondum  videri  mihi 
librum  hunc  satis  emendavisse  et  exasciasse  Lactantium  .  .  ac  hanc 
ipsam  esse  causam  ezistimo,  cur  huius  libri  Stylus  non  ubique  aequet 
elegantiam  ceterorum  Lactantii  librorum'  usw.,  und  schlieszlich 
meint  er:  'quod  haud  dubio  sustulisset  auctor,  si  extremam  manum 
operi  adhibuisset'  darin  schlieszt  sich  Groscurth  nach  allerlei 
allgemeinen  betrachtungen  über  die  spräche  der  mortes  an  Heumann 
an.  einen  unglücklichem  ausweg  kann  man  sich  nicht  denken. 
Lact.;  ein  rhetor  von  langer  praxis,  nach  Hieronymus  der  beredteste 
mann  seiner  zeit,  derselbe  der  Tertullian  und  Cyprian  wegen  ihres 
stilistischen  Ungeschicks  streng  kritisiert  {inst  Y  1,  23.  28),  der  für 
den  erfolg  seines  eignen  apologetischen  Werkes  wesentlich  auf  seine 
kunst  der  darstellung  baut  (inst.  I  1,  10  vgl.  V  1,  14  ff.),  er  soll 
sich  nicht  gescheut  haben  die  mortes,  die  doch  nach  1,7.  52, 1  eine 
geschichtsquelle  für  die  zukunft  sein  sollten,  ohne  genügende  durch- 
arbeitung  dem  publicum,  der  nachweit  zu  übergeben !  kurz  gesagt, 
ich  kann  mir  nicht  denken,  weshalb  Lact,  von  seiner  gewohnten 
spräche  in  den  mortes  abgewichen  sein  sollte,  weder  der  geschicht- 
liche Stoff  noch  im  Verhältnis  zu  den  übrigen  Schriften  ^die  ganz 
verschiedene  tendenz  und  das  verschiedene  leserpublicum'  (Jülicher), 
noch  gar  Eberts  meinung,  Lact,  habe  nach  dem  christlichen  Cicero 
nun  auch  als  christlicher  Tacitus  sich  versuchen  wollen  —  ein 
wunderliches  kunststück  —  können  eine  genügende  erklärung 
bieten. 

V.  Belser  s.  452  ff.  und  Groscurth  s.  18  ff.  bringen  nun  noch- 
mals einen  von  Baluze  hervorgehobenen  grund  vor,  den  schon 
Le  Nourry  beseitigt  hatte,  der  Ebert  jedoch  wieder  so  überzeugend 
schien,  dasz,  wer  nicht  daran  glaubte,  fast  an  wunder  in  der  litte- 
raturgeschichte  glauben  müsse,  die  mortes  sind  einem  Donatus  ge- 
widmet, ebenso  die  schrift  de  ira  dei:  diese  Übereinstimmung  soll 
auch  für  denselben  Verfasser  sprechen,  wer  ohne  Voreingenommen- 
heit zu  werke  geht,  wird  meine  beweisführung  s.  61  ff.  billigen, 
der  Donatus  der  mortes  wird  cap.  16.  35,  1  f.  als  ruhmvoller  con- 
fessor  hoch  gefeiert,  der  unter  drei  Statthaltern  und  neunmaliger 
tortur  seinem  glauben  treu  geblieben  war,  der  sechs  jähre  im  kerker 
geschmachtet  hatte,  es  wird  1,  1  und  52,  5  voll  Verehrung  zu  ihm 


218    Sßrandt;  über  den  verfasaer  des  buchea  de  mortihus  peraecutoruvi. 


binaufgeschaiit  und  seine  fürspraobe  bei  gott  für  die  kirche  ge- 
priesen tind  weiter  erbeten,  der  Donatus  der  scbrift  de  ira  soll  fast 
wie  ein  scbüler  nacb  1,  2.  22^  1  darüber  belebrt  werden^  wie  er  den 
philosopben  entgegen zutreteo  babe^  die  leugneten  dasz  gott  zfimen 
könne,  kein  wort  in  ilieser  scbrift  von  dem  confessor,  nicbts  von 
dem  preise  und  der  ebrerbietung ,  die  ibm  in  den  martes  ganz  über- 
ßcbwänglicb  gezollt  wird,  von  der  Verfolgung,  auf  die  doch  gerade 
'der  zorn  gottes*  bütte  ftibren  müssen,  dagegen  bekämpf uug  nament- 
lich der  lehre  Epikurs  vom  wesen  gottes,  ein  lieblingsthema  von 
Lact,  es  bleibt  also  eine  Unvereinbarkeit  beider  Schriften  bestehen, 
keine  gemeinsamkeit  findet  »ich  als  der  name  Donatus.  erwägt  man 
aber  nun  noch^  dasz  dieeer  name  sehr  häuEg  war^  so  f^Ut  alle  be- 
weiskraft  dieses  vermeintlichen  arguments  dahin,  mögen  Belser  und 
Groficurth  auch  ein  resteben  davon  zu  retten  versuchen,  nach  Gros* 
curth  B,  20  soll  die  scbrift  d€  ira  vor  den  mortes  verfaszt  sein ,  als 
die  Verfolgung  unter  Maxirain  aufa  neue  begann  (313),  so  dasz  das 
undenkbare  sich  ergibt,  dasz  in  der  scbrift  de  ira  Lact,  kein  wort 
Übrig  gehabt  hätte  für  den  confeaaor  Donatus,  während  er  dessen 
todesmut  und  gottgef^lligkeit  bald  nachher  in  den  mortes  so  be- 
geistert gepriesen  hat,  Belser  s.  454  setzt  die  entstebung  des  buchs 
de  ira  dei  in  318  —  320,  so  dasz  Lact,  dem  Donaths ,  der  sich  jetzt 
einer  Unterweisung  bedürftig  gezeigt  habe,  diese  zu  teil  werden 
lieaze:  wie  dies  Belser  als  möglich  zu  erweisen  sucht,  möge  man  bei 
ihm  selbst  nachlesen,  da  nun  aber  nach  Belser  Lact,  316  nach 
Gallien  gegangen  sein  soll,  möste  er  also  doch  von  dort  aus  die 
scbrift  an  den  confessor  Donatus,  der  doch  nicht  ebenfalls  nach 
Gallien  gegangen  sein  wird,  nach  Nikomedien  geschickt  haben: 
das  würde  eine  vorhergegangene  correspondenz  zwischen  beiden, 
äuszerungen ,  anfragen  von  Donatus  oder  mitteilungen  anderer  von 
Lact,  über  seine  unter weisungsbedQrftigkeit  voraussetzen,  wovon 
keine  spur  in  dem  bucbe  sich  findet*  Belser  bewegt  sich  s.  452 — 456, 
wo  er  meiner  abweisung  des  Donat- arguments  von  verschiedenen 
Seiten  bei  zukommen  sucht,  nur  in  den  allervagsten  möglich  keiten, 
die  nichts  beweisen,  er  sagt  übrigens  selbst  s.  454 :  'es  ist  gar 
nicht  daran  zu  zweifeln,  dasz  gerade  diese  ausführung  Brandts  auf 
manche,  welche  vielleicht  andere  partien  seiner  abhandlung  für  ntcbt 
gelungen  erklären,  einen  eindruck  machen.*  man  wird  ja  sehen,  ob 
Belsers  erörterungen  mehr  eindruck  machen,  was  Belser  über  die 
entstehungszeit  der  scbrift  de  ira  dei  sagt,  ist  bereits  s  204  f.  be- 
sprochen. 

YL  Am  wenigsten  zulftjs^ig  erscheint  Belser  dasjenige,  was  ich 
8.  64  ff.  über  gesinnung  und  charakter  der  mortes  im  unterschied 
von  den  Schriften  des  Lact,  gesagt  habe,  und  mit  besonderer  Vor- 
liebe greift  er  einzelne  scharfe  ausdrücke,  die  ich  gebraucht  habe, 
heraus,  die,  wenn  man  nicht  meine  ganze  darstellung  liest,  leicht 
übertrieben  erscheinen  müssen,  dasz  in  dieser  hinsieht  nun,  wo  per- 
sönliches gefQhl  und  urteil  mehr  mitsprechen  als  bei  den  sonstigen 


SBrandt:  über  den  Terfiuser  des  buchet  de  wtorübrng penendorwm.    219 


differeupnnkten  swischen  Belser  and  mir,  eine  Terstindigang  noch 
weniger  leicht  ist,  liegt  aaf  der  hand.  indem  ich  daher  mnf  den  be- 
treffenden teil  meiner  untersochung  Terweise,  erwihne  ich  hier  nur 
einige  einzelheiten ,  erklärend  oder  aach  berichtigend.  Belser  sagt 
8. 444,  ein  schriftsteiler,  der  das  stra^richt  an  den  nnbarmhenigen 
Verfolgern  alsbald  nach  dessen  eintreffen  schilderte ,  h&tte  anden 
natürlich  sprechen  mfissen,  als  wenn  man  'eine  soldie  zeit  naek 
vielen  Jahrhunderten  bei  kaltem  blate  in  der  gelehrtenstnbe  ftber- 
denke  und  beurteile',  das  klingt,  als  ob  ich  dem  natOrlichen  mensch- 
lichen empfinden  den  greueln  gegenüber  keinen  ranm  gelassen  hätte, 
während  ich  doch  s.  67  f.  ausdrücklich  henrorgehoben  habe,  dass 
ein  gef^hl  der  genugthuung  in  diesem  falle  bei  den  damaligen 
Christen  durchaus  berechtigt  war  und  begreiflich  isl  —  Ich  hatte 
femer  gezeigt^  dasz  die  beurteilung  der  Verfolger  in  den  imartes  eine 
ganz  andere  ist  als  in  dem  fünften  buche  der  Institutionen,  wo  Lact, 
ohne  allen  rttckhalt  spricht,  und  Belser  selbst  leugnet  nicht  s.  449, 
dasz  die  verfolgenden  regenten  in  den  tmortes  'einseitig*  beurteilt 
werden,  er  will  nun  aber  diese  einseitige,  wie  ich  sage  vielfach 
fanatische  und  unwahre  darstellung  der  mörtes  auf  den  zweck  des 
buches  zurückführen ,  das  die  gerechte  bestrafung  der  frevler  nach- 
weisen wolle  und  daher  ihren  gottlosen  Charakter  schildern  müsse, 
ich  erwidere  von  meinem  Standpunkt  aus,  dasz  es  mir  nicht  denk- 
bar ist,  wie  aus  6iner  und  derselben  persönlichkeit  heraus  eine  so  ver- 
schiedene darstellung  kommen  soll,  in  den  Inst,  eine  gerechte,  offene, 
in  den  morles  eine  ungerechte,  tückische,  für  letzteres  bitte  ich  die 
von  mir  aufgezählten  einzelheiten  nachzusehen,  deren  manche  frei- 
lich Belser  mit  hilfe  von  bibelcitaten  und  theologischen  und  sonstigen 
erwägungen  abzustumpfen  versucht,  aber  man  musz  die  mortes  mit 
Lact,  nicht  mit  andern  instanzen  vergleichen.  —  Belser  findet 
s.  450  'ein  bedeutsames  moment'  für  den  nachweis  der  identität  des 
Verfassers  der  schrift  mit  dem  der  Inst  und  der  Epit  darin ,  dasz 
^nofi.  7  die  Zerstückelung  des  römischen  orbis  in  vier  teile  getadelt 
werde,  und  dasz  Lact.  insi.  13,  18  f.  und  epU.  2,  3,  wo  er  beweist, 
«s  könne  nur  6inen  höchsten  herm  und  gott  geben,  sagt,  es  könne 
keine  höchste  gewalt  geben ,  wenn  nicht  ^iner  das  Steuerruder  hält 
usw.;  hier  denke  Lact,  unzweifelhaft  an  die  Diocletianische  tetrarchie. 
allein  Lact,  benutzt  hier  einfach  nur  Minucins  Felix  18,  5  ff.  ni  forte 
.  .inquirendumputaSy  uirum  unius  itnperio  an  arhitrio  pluri- 
morum  caeleste  regnum  guhemetur  .  .  quando  umquam  regni 
societas  aut  cum  fide  ooepit  aut  sine  cruore  desiU?  (folgen  beispiele.) 
rex  tmtis  opibus^  dux  unus  in  gregibus,  in  armentis  redor  unus 
(s=  Cjprian  quod  id,  d,  n.  s.  8).  —  Zu  Belser  s.  452 :  ich  habe  nicht 
unglaublich  gefunden,  dasz  Oalerius  nach  mort,  21, 5  menschen  von 
baren  habe  auffressen  lassen,  sondern  die  zusätze  quos  (ursos)  Mo  (!) 
nnpmt  sui  tempore  degerat,  und  nee  umquam  (I)  sinehumano 
eruore  cenabat.  Belser  hätte  beachten  müssen,  dasz  ich  diese  worte 
gesperrt   geschrieben  und  mit  ausrufungszeichen  versehen  habe, 


220     SBrandt;  über  den  Terfaeeer  des  buchefl  de  mortitus  persecutarum. 


dann  bätte  er  sieb  wobl  weniger  über  mich  entrüstet.  —  In  der  be- 
urteilong  der  angäbe  der  mories^  zwischen  Domitian  und  Deciua 
b&tten  nur  gute  kaiser  regiert,  als  einer  lüge  habe  ich  geirrt,  wie 
ich  aus  0 verbeck  Studien  z.  gesch.  der  alten  kirche  I  (1875)  s»  93  ff» 
ersehe;  auf  diese  stelle  hat  mich  GKrüger  in  seiner rec,  aufmerkBam 
gemacht.  —  Ich  kann  nun  aber  auch  diesen  abschnitt  meiner  ent- 
gegnung  nicht  schlieszen,  ohne  auf  das  bestimmteste  daran  zu  er- 
innern, dasz  die  von  mir  gegebene  Charakteristik  der  mortes  nicht 
mir  allein  eigen  ist,  wie  es  nach  Belser  scheint,  sondern  dasz  ge- 
lehrte, deren  ruf  feststeht,  schon  längst  ebenso  genrteilt  haben,  das 
bild  Yon  Lact*  nach  den  wirklich  von  ihm  Yerfadzten  Schriften  j^tebt 
vor  uns  als  das  eines  trotz  mancher  einseitigkeit  und  auch  starker 
befangenheit  (s.  67)  humanen,  ehrenhaften,  wahrhaften  maunes,  um 
nur  allgemein  menscblicbe  eigonschafteti  zu  nennen  und  von  seinem 
christlichen  Charakter  abzusehen»  diesen  Lact,  findet  man  in  den 
mortes  nicht  wieder.  Manao  hatte  über  den  Verfasser  der  schrift 
geurteiit:  'selbst  den  edelsten  bandlungen  weisz  er  niedrige  be- 
wegungsgründü  unterzuschieben  und  die  reiusten  absiebten  zu  be- 
flecken, am  stärksten  offenbart  sich  sein  durchaus  uDchristliches 
gemüt,  wenn  er  auf  die  Unfälle  heidnischer  fürsten  oder  auf  den 
Bcbmtiblicben  tod  eines  von  ihnen  zu  reden  kommt,  dann  verweilt 
er  mit  vorzüglicher  liebe  und  mult  mit  sichtbarer  Schadenfreude.* 
Teuffei  nannte  die  mortes  fanatisch  wie  keine  andere  schrift  des 
Lact.;  Burckhardi  hatte  in  der  ersten  aufläge  seines  Werkes  über 
Consiantin  geschrieben:  *dem  namen  des  Lact.,  von  dessen  bildung 
und  tiefe  nicht«*  darin  lu  fiuden  ist,  macht  es  eine  hdchst  wahrschein- 
lich unverdiente  schände'^  in  der  zweiten  aufläge  liesz  er  durch 
Eberts  autorität  diesen  seinen  ersten  und  wahren  eindruck  be- 
schwichtigen. Overbeck  ao.  s.  157  sagt:  'nun  findet  nichts  vor  einer 
feasellosen  wut  gnade,  deren  reifste  und  giftigste  frucht  die  brand- 
schrift  des  Lact,  ist*  — ^  indem  auch  er  Ebert  glauben  schenkte  — j 
GKrüger:  Mieses  büchlein  ist  ein  pamphlet,  man  kann  fast  sagen 
eine  brandscbrift  von  unangenehmster  art,  voll  von  fanatismus» 
Übertreibungen  und  bäszlicher  detailmalerei  ekelerregender  vor- 
gänge';  in  bezug  auf  nur  6inen  punkt  Harnack  medicinisches  aus  der 
ältesten  kirchengesch.  (1892)  s.  60  anm-  2:  'mit  raffinierter  kunst 
und  nicht  ohne  pathologische  kecntnisse^  aber  auch  nicht  ohne  roheit 
und  Schadenfreude  hat  der  vf.  der  schrift  de  mortihus  persemtorum 
(o.  33)  eben  diese  krebskrankheit  des  Galerius  geschildert.'  man 
erw&ge  solche  urteile  und  vergleiche  damit  Belsers  ^einseitig',  ßelaers 
auffassung  von  dem  geiste  der  mortes,  auch  von  deren  so  vielfach 
schon  angefochtenen  geschichtlichen  treue  ist  bei  weitem  nicht  die 
allgemeine,  und  die  entgegengesetzte  bei  weitem  nicht  nur  die 
meinige.  juriTi  i\  iriiTn  ^^  thc  aiiTnc  öirnc  ßpuei  lö  ^Iuku  Kai  tö 
TTlKpöv;  heiszt  es  im  Jacobusbrief ,  um  auch  einmal  ein  bibelcitat 
anzuwenden,  und  so  lange  die  antwort  'nein'  lautet,  ist  es  mir  un- 
möglich in  den  mortes  den  cbarakter  von  Lact,  wiederzufinden* 


socsüv  Tcöse  TOE  Lbcl  res^Sfici.  wäsr  er  Ü£  rl.  äsr  «urar  •»^M'^^'tf 
beisz.  Sek  su»  ziess  izf  iil«  «öif  frtiwrx  «äfifi«;.  jäwr  mcx  löiäa 
cnsml  Ms£  €öt  Ibül.  rra^rwnnBt  ifti«K  sci^at.  &  2£S  man  öbütvc:. 
daa  dersfclbe  sttrjf^suQs-  crr:^  ök  rtxat  ^sf^  tmä  ur  JikKL.  ins- 
duu  ££  «XI  äca-  rerkCKr  nzi  giLfäifor  säii&erT  i3c  azcx  s^äSLläkBCi 
jukä  Tcx'iHZLsi  xsi  M-TtPT  Oft»  l£zJi^  piiZsespürjÖE:  tzc^is  ^rscsAfr- 
digi  LabcB  soHlse.  ^izz  ftT^er  r«ei  öcr  :«B£iire:i>i3:ir  ö»  «cnfifCzvsBUift 
gciOesgmttis  e5c±  1  cSe  ziixtiest  r«cifikx3kr  txf  Sen»  secx  rmsatt 
werk  bitse  eiBfSisicB  ^asasK.   xai  ädü  erzzksn  Lu^  smi;:  sr  ^«^ 

den  lescr  scgir  siii  sEiBen  artiEhspjSjkca  f&  u  rLkrzf:  xisÄmS 
(Mjtf.  n  17,  o.  IV  »,  14.  TH  1.  ±tL  df  in  ±.  f  .  —  Aiiä:  äasr  £» 
perscn  o«s  t1  der  BMrteF  säd  im  •aaters^ix.  tck  L&cl.  üt  rfarSfir 
in  duckel  Lflilt.  ist  za.  X£:«scr  zvk^cb  asäl  ^  Si  ^isiiLsati  aar- 
gethui  worden. 

Vli.  Die  s^bwierigkeii.  d3e  der  usätti,  a&x  »  luirsaF  xifttS 
Ton  Lact,  ge&chhebea  seien.  CEtgc^cc^»^  las  wo^l  x^ss&isii  sLrker 
geltend  gemachl  als  ich  selb»i,  icdez:  ittk  aätti  z:Lr  »  i-uü»  ä« 
Hieronjnms  dr  irirü  M.  M  fcaifiijt  Ätf  Af  fssraeemmme  iämtm 
umtm  im  unterscLfeie  xcn  anderes  rStckiah^os  asf  ije  mutna 
deutete ,  sondern  a;:ek  naehwxs.  dasi  6*t  tL  5er  tLinenxTtoss^  iäe 
wohl  schon  im  Timai  jh.  den  Inst,  xx^cflfi  wcräsK  ffi>i,  aZjer 
Wahrscheinlichkeit  nach  acch  die  nurä?  ail$  efx  werk  ira  LifS.  de^ 
natzt  hat.  gleichwohl  habe  ich  sic^  czr^  «wSf-zxz  ixüer  £rl3fde 
nicht  zu  einer  andern  ansicLi  k-TsDea  tie^ii^^z.'*«  Jasfez.  lüs,  baise 
die  erkllnmg  &L.fgesteIi; .  die  »dinfi  -=d  rca  «=.  -rf..  A*r  TCff 
dem  pubiicun  mit  neszung  «eine»  ejuetcS^  f£r  ieiaK-  «dsiesx^üie 
darstellung  nicht  eintrrien  mochte,  ascnjs  a=.S£c«»£  wcjriem 
und  man  habe  ihr  wegen  der  :i2:  Ter  kenn  t«re£  ankücge  an  Liiss. 
dessen  namen  gegeben.  Jfilicher  cnd  der  rec.  des  ibecL  ^tL^ila-i«« 
fanden  es  befremdend,  dasz  eine  anonjme  schrifi  cc<c£  ei&es:  zifi 
namen  genannten  adressaten  gewidmet  seL  Seh  kann  dies  jio^ück 
nicht  als  immGglich  ansehen,  zumal  der  rf.  der  muriei  fiberkacpt  ja 
geine  person,  im  unterschied  xcn  Lact..  rSllig  zcr&ck:7eten  xisz«. 
der  gegenbeweis  ist  freilieh  nicht  za  ftükren.  da  man  h^  ancnim 
oder  mit  spiier  hinzugeftigten  falschen  atuomamen  f&berliefersea 
schr^fkEB  ass  dem  altertnm,  die  eine  persönliche  widmcng  tiagen, 
iaab*7  mn  der  m5glichkeit  zu  rechnen  hat .  dasz  der  ui^pTllrglidia 
axuonasmt  Tcrloren  gegangen  ist,  wie  bei  dem  anctor  ad  Hereoninm. 
es  bleibt  aber  immerhin  die  andere  möglichkeit.  dasz  der  t{.  der 
Schrift  wirklich  Lucios  Caecilius  hiesz,  wie  der  name  im  cod.  Colber- 
tinus  lautet,  und  dasz  man  aus  diesem  unbekannten  autcmamen 
wegen  der  Shnlichkeit  mit  L.  Caelius  Firmianus  Lactantics  und 
der  stilistischen  Übereinstimmungen,  vielleidit  auch  im  hinbliek  auf 
Donatus,  den  adressaten  der  schrift  de  ira  det^  schon  sehr  frfih  den 
namen  des  allbekannten  Lactantius  machte,   eine  solche  hs.  bitten 


222    SBrandt:  über  den  Verfasser  dea  bncbeß  de  morübus  perseciäorum^ 


dann  Hieronymos  und  der  vf.  der  kaiseränreden  vor  sich  gehabt. 
kaum  weniger  merkwürdig  ist  es,  wie  ich  schon  früher  sagte,  das£ 
1)  schon  Hieronymus  die  Epitome  ?ob  Lact,  nur  verstümmelt  kannte, 
dasz  2)  der  in  das  fllnfte^  vielleicht  schon  in  das  vierte  jh.  zurück* 
gehende  arcbetypus  des  Bononiensis  (VI — VII  saec.)  und  des  Pari- 
sinus 1662  ebenfells  nur  diese  verötümmelte  form  enthielt  und 
3}  der  Taurinensia  (VII  saec.)  der  Epitome  ebenfalls  dieses  frag- 
ment  mit  besonderer  Überschrift  bietet,  dem  der  weit  gi^öszere  an- 
fangsteil  der  schrift  erst  vorgesetzt  ist.  es  brauchte  nur  ein  mUszigei 
mensch  in  seinem  exemplar  der  mortes  den  namen  de»  ganz  unbe- 
kannten autors  in  den  des  grasten  Schriftstellers  ^  den  die  kircbe  in 
der  ersten  hälfte  des  vierten  jb.  hatte  ^  zu  ändern  oder  nur  bei  dem 
titel  eine  randbemerkung  zu  machen  des  inhaUs,  L,  Oaecilius  oder 
mdge  man  auch  einen  vollem  iiamen  annehmen ^  sei  vielleicht  iden- 
tisch mit  L,  Caelius  Laetanlius,  und  es  war  die  falsche  tradition 
hsL  begründet  und  konnte  sich  weiter  fortpüaDzeu.  aber  wer  kann 
mit  gewisheit  sagen,  welches  das  eigentliche  verfahren  bei  dieser 
ersten  Uberschreibung  der  schrift  auf  Lact,  war,  wo  absiebt  und  Zu- 
fall (mau  denke  zb*  an  eine  äuszere  beschädigung  oder  Verstümme- 
lung der  Überschrift),  Vorwitz  und  thorheit  in  der  verschiedensten 
weise  wirksam  sein  und  ineinandergreifen  konnten?  dieses  rätsei 
wird  wohl  niemand  lösen»  ab^r  wird  auch  über  da^  wie  kaum  jemals 
ein  licht  verbreitet  werden  können,  dasz  es  so  ist,  dasz  die  schrift 
schon  sehr  früh  auf  Lact.  lUlschlich  übertragen  wurde,  ist  mirwenig* 
stens  seit  jähren  eine  immer  festere  Überzeugung  geworden,  und 
andern  ist  es  ebenso  ergangen. 

Die  mortes  haben  in  der  that  seit  ihrer  entdeckung  auf  nicht 
wenige,  die  Lact,  genau  kannten,  einen  ganz  fremdartigen  ei nd ruck 
gemacht,  es  wäre  ja  sonst  gar  nicht  denkbar,  weshalb  einer  so 
höchst  ansprechenden  hypotbese,  wie  die  von  Baluze  es  ist,  teils 
mit  völliger  teils  mit  geringerer  bestimm theit  der  glaube  sollte 
versagt  worden  sein,  schon  wenige  jähre  nach  der  Veröffentlichung 
des  buches  durch  Baluze  (ll>79)  hat  der  hg.  Columbus  (1684)  an- 
gedeutet, dasz  ihm  die  ansieht  von  Baluze  nicht  ganz  sicher  vor- 
komme^  in  der  ausgäbe  von  Le  Brun-Lengletll  356:  ^nequeo  tamen 
dissimulare  usque  et  usque  oggessisse  auribus  sese  veterem  Epi- 
charmi  cantilenam  v?\(pe  Kai  ^^fivac'  dmcTeiv  .  .  obversabantur 
animo  etiam  cogitationes  aliae  huc  fere  ducentes:  illam  orationis 
Lactanti&nae  imaginem  forsitan  labore  summo  adombratam'  usw. 
doch  dachte  er  irriger  weise  an  eine  spätere  fälscbungi  dann  gab 
1710  der  Mauriner  Le  Nourry  die  mortes  heraus  mit  dissertationes, 
in  denen  er  sich  durchaus  gegen  Lact,  als  Verfasser  aussprach ,  die 
er  dann  auch  1715  in  seinem  apparatus  ad  bibh  max.  veteram 
patrum  II  wiederholte,  seine  argtunente  sind  vielfach  ungenügend, 
aber  seine  stimme  ist  doch  von  groszer  bedetitnng,  weil  er,  wie  man 
%m  jenem  apparatus  ersieht,  die  ältesten  lat  kirchenscbriftsteller 
and  auch  Lact,  in  der  genauesten  weiae  durchgearbeitet  hatte,    ein 


SBrandt:  über  den  yer&sser  des  baches  de  mortibus  persectUorum.    223 

solcher  kenner  also  hatte  man  mOchte  sagen  instinctiv  den  be- 
stimmten eindrucke  dasz  die  mortes  nicht  von  Lact,  geschrieben 
seien,  es  folgten  dann  von  De  la  Crose  ua.  angriffe  auf  Le  Nourrj, 
femer  von  Heumann  und  Lestocq,  und  man  beruhigte  sich  allmäh- 
lich bei  der  ansieht  von  Baluze.  aber  ein  kritiker  wie  Gibbon  trat 
ihr  nicht  bei ,  nach  langem  schwanken,  wie  er  sagt  (I  have  often 
flactuated),  entschied  er  sich  dafür,  den  Verfasser  wer  er  auch  sein 
mochte  (whoever  he  was),  mit  der  hs.  Caecilius  zu  nennen,  wiederum 
erhob  Fritzsche  Widerspruch,  der  als  hg.  des  Lact,  mit  dem  geiste 
des  autors  völlig  vertraut  geworden  war;  auch  Bemhardy  und  an- 
fangs Bnrckhardt  konnten  sich  nicht  von  der  autorschaft  des  Lact. 
Überzeugen.  Eotz6,  der  vf.  eines  'specimen  historico-theologicum  de 
Lactantio'  (Utrecht  1861),  das  jedenfalls  von  gründlicher  kenntnis 
des  Schriftstellers  zeugt,  erklärte  s.  105:  'liber  de  mortibus  perse- 
cntorum  Lactantio  abnegandus  est.'  Eberts  arbeit  brachte  dann 
viele  wieder  auf  die  entgegengesetzte  Seite ,  manche,  wie  Hunziker 
und  HSchiller,  gaben  jedoch  den  zweifei  auch  jetzt  nicht  vOllig  auf. 
PMejer  hat  darauf  wieder  den  beweis  zu  führen  begonnen,  dasz 
nicht  Lact,  das  buch  verfaszt  habe,  diesen  Vorgängern  schliesze  ich 
mich  an.  ich  habe  sie  hier  nochmals  nennen  müssen,  damit  die  er- 
innerung  an  sie  und  ihren  Widerspruch  lebendig  bleibe,  zumal  nach 
Belsers  darstellung  es  scheinen  mOcbte,  als  hätte  ich  in  unbegreif- 
licher Voreingenommenheit  oder  leichtsinnig  eine  vOllig  feststehende 
ansieht  angegriffen,  der  erste,  der  eingehender  den  beweis  für 
die  Verfasserschaft  von  Lact,  begründen  wollte,  war  Lestocq: 
seine  schwächlichen  gründe  hat  Ebert  durch  grosze  wärme  und  ein- 
dringlichkeit  verstärkt  und  auch  einige  neue  hinzugefügt,  dasz 
aber  auch  diese  unmöglich  durchschlagend  sind,  habe  ich,  wie 
ich  glaube,  in  meiner  zweiten  abh.  gezeigt,  ebenso  wenig  bat 
Kehrein  die  sprachliche  begründung  des  satzes  von  Ebert  geliefert, 
nur  gelegentliche  bemerkungen,  bisweilen  aber  über  alles  masz 
heftig,  gibt  der  Übersetzer  des  buches  in  der  Eemptener  Übersetzung, 
PH  Jansen  (1875).  nun  sind  Belser  und  Qroscurth  aufgetreten,  dasz 
ihre  argumente  nicht  im  stände  sein  können  meine  Überzeugung  zu 
erschüttern,  ergibt  sich  aus  vorliegender  arbeit.  Belser  gedenkt, 
wie  er  sagt ,  ein  gröszeres  werk  über  die  mortes  zu  veröffentlichen, 
in  dem  er  seine  ansieht  über  den  Verfasser  noch  weiter  begründen 
und  die  schrift  nach  form  und  Inhalt  Lact,  vindicieren  und  gegen 
ausstellungen  und  angriffe  rechtfertigen  will,  ich  musz  annehmen, 
dasz  er  die  nach  seiner  ansieht  entscheidenden,  seine  besten  gründe 
schon  jetzt  gegen  mich  ausgespielt  hat,  ich  kann  daher  von  der  in 
aussieht  gestellten  schrift  eine  wirkliche  Verstärkung  seines  angriffs 
nicht  erwarten,  ob  ich  mich  darin  teusche  oder  nicht,  wird  ja  die 
versprochene  apologie  selbst  zeigen. 

Heidelberg.  Samuel  Brandt. 


224 


ThStangl:  zu  CiceroB  dialog  HorteasiuB.^ 


ZU  CICEROS  DIALOG  H0RTENS1Ü8. 


Das  von  der  atoiscbeE  dialeictik  handelnde  firagment  99  bei 
CFWMüUer  Cic.  scr,  IV  3  s.  326,  5  tf,.  aus  Äugustiaus  de  diakä, 
c»  9  entnommen,  ist  folgendermaszen  zu  lesen:  Uagus  reäissime  a 
äialeäicis  diclum  est  amhiguum  esse  omne  verhum;  nee  moveai  quod 
apud  Ciceronetn  calumniatur  Hortensius  Jwc  modo:  'ambigua  se  aiimi 
videre  acute^  esplware  dilucide.  Odem  omne  verhum  amhiguum 
esse  dimnt.  q\w  modo  igitur  amhigua  amhiguis  explicahtmt?  nam 
hoc  est  in  tenehras  extincium  turnen  inferre,^  statt  amhigua  se  aiuni 
videre  acute  haben  die  Benedictinerausgabe  und  die  von  HHagen  in 
diesen  jabrb,  1872  s.  763  besprochenen  zwei  Berner  hss.  amhigua 
se  ahmt  audire  acute]  Müller  mit  Crecelius  ^unzulänglicher'  aus- 
gäbe (progr.  V*  Elberfeld  1857  s.  15,  17)  amhigua  se  audere  aiunt^ 
ohne  acute,  auf  den  ^unsinn'  der  zweiten  lesart  bat  neuerdings 
HUsener  in  den  Gott.  gel.  anz*  vom  15  mai  1892  n,  10  s.  379  hin- 
gewiesen* ah  er  auch  die  vulgata  audire  acute  —  'die  (stoischen) 
dialektiker  beanspruchen  ein  Bcharfes  ohr  für  Zweideutigkeiten,  wen& 
andere  sie  zu  trugschlÜBsen  benutzen  wollen'  erklärt  Usener  —  ist 
unhaltbar,  denn  zwar  wurde  acute  videre  in  eigentlichem  und 
in  übertragenem  sinne  gebraucht ,  acute  audire  hingegen  nur 
in  eigentlichem,  ad  ociUos  proprie  'videre^  pertinet,  utimur  autem 
hoc  verhö  etiam  in  ceteris  sensibus,  cum  em  ad  cognoscendum  inten- 
dimus  sagt  Augustinus  conf.  X  35  und  erläutert  seine  behauptung 
an  beispielen ;  auch  das  wort  Quintilians  et  inteUego  et  seniio  et  video 
saepe  idem  valent  quod  scio  gehört  in  gewissem  sinne  hierher,  ein 
so  freier  gebrauch  wurde  nicht  audire  eingeräumt  (vgl.  Georges), 
wohl  aber  videre  ^  und  gerade  von  Cicero  mehrmals  in  Verbindung 
mit  acute  i  de  or.  I  116  adeM  fere  nemo  quin  acutius  miia  in  dicenie 
quam  recia  videat.  Brut,  35  nihil  acute  inveniri  potuit  quod  Demo- 
sthenes  non  videriL  227  rem  videbat  acute.  275  ""qua  de  re  agltur* 
iäud  uhi  essä  videhat  (dagegen  202  acute  inveniehat.  221  acufior 
rebus  inveniendis)*  239  remprudenter  videhat.  acad.pr*  11  77  Zeno^ 
nem  mdisse  acute  nuUum  esse  viaum  quodpercipi  posset,  si  usw.  de  fin, 
Y  IB  si  est  quisquam  qui  acute  in  causis  videre  soleM  quae  res  agatur, 
de  off,  1 16  actitissime  et  cekrrime  potest  et  videre  et  explicare  rationem, 
ein  metonymischer  gebrauch  des  subst.  vistts  ist  bis  jetzt  nicht  nach- 
gewiesen, jener  von  visio  ist  nicht  blosa  bei  Cicero,  sondern  in  der 
ganzen  latinität  ein  beschränkter,  es  treten  dafür  gewöhnlich  in- 
teUegentia^  cognitio  und  ähnliehe  substantiva  ein,  zb.  acad.  pr.  II  92 
dialedica  tradit  ekmenta  loquendi  ei  ambiguorum  inteUegentiam  con- 
dudendique  raiionem, 

MtjxcHeN.  Thomas  Stanql. 


ERSTE  ABTEILUNG 
FÜR  CLASSISCHE  PHILOLOGIE 

HEBAÜSQEQEBEN  VON  ALFRED  FlECKEISEN. 


29. 

DIE  ZINSURKÜNDE  ZU  OL.  88,  3  — 89,  2  (CIA,  I  273). 


Die  attische  Inschrift  lA.  1 273  (in  Dittenbergers  sjUoge  n.  29), 
in  welcher  über  die  von  ol.  88, 3  =  426/6  vor  Ch.  bis  89, 2  —  423/2 
aufgelaufenen  zinsen  der  teils  in  diesen  vier  teils  in  den  sieben  voraus- 
gegangenen Jahren  vom  staat  entlehnten  tempelgelder  rechnung  ge- 
legt wird,  ist  dadurch  von  besonderer  Wichtigkeit,  dasz  sie  unserer 
kenntnis  des  attischen  kalenders  jener  zeit  zur  grundlage  dient,  an 
ihr  bewies  Böckh  in  den  abhandlungen  der  Berliner  akademie  1846 
8.  370  ff.  1853  s.  557  ff.  \  dasz  Metons  sjstem  damals  wenigstens 
noch  nicht  vom  Staate  angenommen  worden  war:  in  diesem  ist 
ol.  88|  4  ein  Schaltjahr,  aber  der  Urkunde  zufolge  ein  gemeii\jahr; 
Meton  gab  den  vier  jähren  354  384  354  355,  zusammen  1447  tage, 
Böckh  findet  355  354  384  355 ,  zusammen  1448.  mehrere  bruch- 
stücke  der  inschrift  hat  Böckh  teils  noch  nicht  gekannt  teils  spätem 
Jahren  zugewiesen ;  ihre  Zugehörigkeit  erkannte  Eirchhoff,  der  auch 
die  Ordnung  sämtlicher  stücke  hergestellt  hat.  durch  eines  von  den 
neuen  (fr.  c)  ist  Böckhs  berechnung  des  vierten  jahres  hinfällig  ge- 
worden ,  und  die  spätem  hgg.  haben  sie  nicht  durch  eine  andere  er- 
setzt, dieser  aufgäbe  hat  sich  erst  Eonrad  Eubicki  'das  Schaltjahr 
in  der  groszen  rechnungs Urkunde  lA.  I  273',  2r  teil  (progr.  Batibor 
1888)'  unterzogen,  zugleich  aber  auch  über  das  erste  und  dritte  jähr 
(die  zahlen  des  zweiten  waren  in  unzweifelhafter  weise  festgestellt) 
neue  rechnungen  vorgelegt,  welche  von  denen  seines  Vorgängers 
bedeutend  abweichen;  die  tagsummen,  welche  er  findet,  sind  371 

^  verbessert  und  vermehrt  in  Böckhs  kleinen  Schriften  VI  89 ff.  211  £f.; 
nach  diesen  wird  unten  citiert.  die  zeilen  der  inschrift  geben  wir  nach 
Dittenhergers  gesamtzählung,  in  welcher  z.  64  mit  fr.  o  z,  13,  z.  57  mit 
fr.  d  1  und  c  16,  z.  67  mit  fr.  f  1,  endlich  z.  116  mit  fr.  h  10  fortfährt. 

'  im  ersten  teil  (progr.  Katibor  1885)  gibt  er  die  schluszergebnisse 
ohne  hegründung  und  zieht  weitgehende  folgemngen  ans  ihnen. 
Jtthrbacher  für  class.  philol.  1893  hrt.4  a.  6.  15 


226 


GFÜDger:  die  ziDsurkunde  zu  ol.  88,3  —  89,2, 


355  367  371,  zusammen  1464.  die  summen  371  und  367  sind 
monstrosit&ten ,  die  mit  allem  was  wir  von  dem  mondjahr  der 
Athener  wissen  in  grellstem  Widerspruch  stehen ;  aber  die  gesamt* 
summe  1464  hat  Kubicki  fUr  eine  bisher  vernachlässigte  partie  der 
Urkunde  unwidersprecMich  erwiesen,  und  eine  gewisse  Unordnung 
bat  damals  im  attischen  kalender  bezeugter  maazen  geherscht.  trotz- 
dem darf  behauptet  werden,  dasz  an  Btlckbe  ergebuiääen  nichts  zu 
ändern  ist:  die  für  das  erste  jabr  massgebende  ergänzung  läszt  sich 
nur  unter  yorauasetzung  eines  gemeinjabres  machen ,  und  da  das 
zweite  anerkannt  dieselbe  eigenschaft  hat,  drei  gemeinjabre  aber 
nicht  auf  einander  folgen  dürfen,  «o  ergibt  sich  dasz  das  dritte 
(ol.  89,  1)  und  das  dem  ersten  vorausgehende  (ol.  88, 2)  Schaltjahre 
gewesen  fcind;  das  vierte  rousz^  da  zwei  Schaltjahre  nicht  an  einander 
stoszen  können,  wieder  12monate  enthalten  haben,  die  tagsummeii 
der  drei  gemeinjabre  gerade  so  zu  bei^timnienj  wie  er  gethan  bat^ 
wurde  Böckh  durch  unhaltbare  gründe  veranlaszt;  dasz  er  gleich- 
wohl das  richtige  getroffen  bat,  Iftszt  sich  für  das  erste  jähr  (355  tage) 
und  für  die  gei^amtsumme  der  vier  jähre  (1448  tage)  erweisen,  für 
das  zweite  (354  tage)  und  vierte  (355  tage)  wenigstens  wahrscbein- 
lieb  machen. 

1.  Die  1464  ta§e.  während  Böckh  die  Untersuchung  über  die 
gesamtdauer  der  4  jähre  auf  das  bauptstück  der  Urkunde,  die  ab- 
recbnung  über  die  erst  in  diesen  jähren  entlehnten  heiligen  gelder 
beschränkte  ^  gebt  Kubicki  von  den  wenig  beachteten  angaben  über 
die  während  derselben  erwachsenen  zinsen  für  die  altern^  in  den 
7  vorausgegangenen  jähren  erhobenen  anleihen  aus:  sie  betreffen 
die  gelder  der  Athenaia  Nike  und  die  gemeinsam  verwalteten  der 
^andern  götter';  die  angaben  über  die  altern  darleben  der  Athenaia 
Polias  sind  nicht  erhalten,  über  den  zinsfusz  ist  in  den  re&ten  der 
inachrift  keine  angäbe  zu  ßnden;  wenigstens  für  die  neuen,  erst  in 
den  4  jähren  gemachten  anleihen  steht  er  auf  täglich  Vaoooo  ^^® 
capitata  (V&  drachme  =  IV5  obol  für  1  talent  «=  600Q  drachmen; 
1  drachme  für  5  taL)  fest:  ihn  hat  ein  früherer  berauegeber  der 
Urkunde,  Bangab^  (antiquit^s  Hell^niques  n-  115)  aus  den  zahlen 
des  zweiten  /insjabres  (ob  88,  4)  für  Athenaia  Polias  ermittelt  und 
Böckh  an  denen  des  vierten  zinsjabres  (oL  89,  2)  für  die  'andern 
götter*  bestätigt  betrachten  wir  nun  die  für  diese  4  jähre  berech- 
nete Verzinsung  der  altem,  in  oh  86,  4—  88,  2  erhobenen  anleihen, 
fio  geraten  wir  in  ein  dilemraa:  entweder  ist  sie  auf  denselben  zins- 
fusE  (VsöMD  ^^^  capitals  für  jeden  tag)  gestellt  wie  die  Vergütung 
fUr  die  neuen  darlehen,  dann  sind  der  vom  anfang  bis  zum  ende  der 
4  jähre  laufenden  zinstage  erhebticb  mehr  als  die  von  Böckh  ge* 
fundenen  1448;  oder  es  werden  ebenfalU  1448  tage  vorausgesetzt, 
dann  musz  der  zinsfusz  hier  ein  anderer  gewesen  sein  als  der  fllr 
die  Zinsen  der  neuen  capitaüen  zu  gründe  gelegte  von  täglich  Vaoooo 
des  eapitals*  für  den  zweiten  fall  schien  der  umstand  zu  sprechen, 
dafiz  nach  z.  108  zu  schlieszen  bis  zum  ablauf  der  7  jabre  für  die  im 


GFÜnger:  die  zinsarkunde  zu  oL  88,  3—89, 2.  227 

laufe  derselben  entlehnten  gelder  der  Athenaia  Polias  in  der  that 
ein  höherer  zinsfusz  gegolten  hat ,  und  das  gleiche  ist  ohne  zweifei 
auch  bei  der  Zinsberechnung  für  die  altern  darlehen  der  Athenaia 
Nike  und  der  'andern  götter'  der  fall  gewesen,  dieser  frühere  zins- 
fusz ist  aber  um  ein  bedeutendes  höber  gewesen  als  der  von  Bangabe 
und  Böckh  für  die  in  den  4  jähren  gemachten  anleihen  ermittelte: 
er  hatte  nach  Kirchhoff  eine  mehrfache,  nach  Kubicki  wahrscheinlich 
die  fünffache  höhe  desselben ;  dagegen  könnte  ihn  die  hier  zu  erwar- 
tende höhe  im  besten  falle  nur  um  ein  geringes  überstiegen  haben, 
dies  beweist  Kubicki  s.  15  ff.  ausführlich  in  überzeugender  weise; 
auf  einem  kurzem  wege  ISszt  es  sich  folgendermaszen  darthun.  der 
4jährige  zins  für  die  altern  darlehen  der  Athenaia  Nike  betrug  laut 
z.  106  ein  talent  und  592  drachmen  2  obolen;  die  summe  jener  dar- 
lehen 22  talente  und  mindestens  148,  höchstens  5068  drachmen 
2  obolen,  z.  105  f.  eiKOCi  laXavTCic  buoTv  TaX[dvTOiv  15  —  20 
stellen'  KOv]Ta  bpaxM[aTc]  öktö  [bpax]fiaic  buoiv  ößoXoiv.  der 
tägliche  zinsfusz  würde  hiemach  bei  1448  tagen  im  niedrigsten  fall 
ca.  Vsoio?»  ^^  höchsten  V29024  ^^^  capitals  betragen;  auch  bei  ab- 
minderung  der  1448  auf  1446  tage  würde  man  ihn  nicht  höher  als 
auf  V2S107  bringen,  es  erhellt  hieraus,  dasz  der  für  die  neuen  dar- 
lehen der  4  jähre  berechnete  zinsfusz  von  V30000  *"C^  ^^^  ^^^  ^^®8e 
jähre  berechneten  Verzinsung  der  altem  anleihen  zu  gründe  gelegt 
ist.  unter  dieser  Voraussetzung  findet  sich  keine  andere  ergänzung 
der  lückenhaften  capitalangabe  als  die  von  Kubicki  aufgestellte: 
TaX[dvTOiv  xpicxiXiaic  dTbo^KOv]Ta  bpaxM[aic] ;  22  talente  3088% 
drachmen  liefern  in  1464  tagen  einen  zins  von  1  talent  592  drachmen 
1,  864  =  rund  2  obolen. 

Bestätigt  wird  dieses  ergebnis  durch  die  entsprechende  Zins- 
rechnung für  'die  andern  götter'  z.  100 — 103.  als  zins  lesen  wir, 
in  Ziffern  ausgedrückt,  27  tal.  2338  dr.  2^^  ob.,  doch  kann  in  der 
vorausgehenden,  zu  T^TTapci[v  ^reciv]  ergänzten  lücke  am  ende 
noch  eine  die  zinszahl  beginnende  ziffer  gestanden  haben ;  ja  wenn 
wir  (allerdings  gegen  den  brauch  der  inschrift)  ^T€Ci  schreiben, 
könnten  sogar  zwei  Ziffern  verloren  sein.  6ine  ist  mindestens  an- 
zufügen: denn  auch  bei  1446 — 1448  tagen  würde  schon  der  unvoll- 
ständig überlieferte  capitalbetrag  (706  tal.  1095  dr.)  mehr  als  27, 
nemlich  34  talente  usw.  zins  erfordern,  setzen  wir  die  ziffer  für 
50  talente  hinzu,  so  müste  das  capital  bei  derselben  tagsumme  mehr 
als  1600  talente  betragen;  bringen  wir  den  zins  durch  zusatz  von 
^4  auf  47  talente,  so  würde  dasselbe  unter  gleichen  Verhältnissen 
auf   ungefähr  970  talente   kommen;    sein    voller   betrag  erreicht 

3  die  Schrift  ist  bis  z.  91  genau  CTOixr)^öv:  75,  zuletzt  74  buch- 
stabenstellen auf  der  zeile;  dann  stellenweise  ungleich  (71 — 76  buch- 
staben,  wo  eine  sichere  ergänzung  möglich);  s.  Kubicki  s.  13  ff.,  welcher 
(hiermit  im  Zusammenhang]  bewiesen  hat,  dasz  in  der  zweiten  hälfte 
der  inschrift  die  ergäipungen  des  verloreneu  ausgangs  der  Zeilen  2  buch- 
stabenstellen mehr,  die  ihres  anfangs  2  weniger  erbalten  müssen  als 
bei  Kirchhoff. 

15* 


228 


GFÜnger:  die  ainsurkunde  zu  oL  88,  3—89,2. 


aber  höcbstens  7[9]6  taL  1096  dr.  [SV^]  ob.  bei  1464  zinstagen 
würden  27  tal.  usw.  zißs  ein  kleineres  capital  voraussetzen,  das  aber 
immer  noch  weit  über  800  talente  binansgienge.  es  ist  also  mit 
Kubicki  durch  zysatz  eines  ^  der  zins  auf  37  tal.  2338  dr*  2*/2  ob. 
XU  bringen*  die  angäbe  des  capitals  lautet  TTe]vTaKOcioiC  laXavTOlC 
öiaKocioic  T[ak(ivTOic  3—6  Btdlen  kovtq  TaXdviotJc  hcxc  TaX[dv- 
Toic  xiXi]aic  ^vev^KOVTa  bpaxMOic  tt€vt€  bpcix[fiaic  15—18  stellen 
^V  To1]c  T^TTapc[iV  fteciv  usw.  ZU  dem  räum,  welchen  der  talenten- 
zehner  eingenommeE  haben  kann,  passen  nur  TpiÄKOVia,  TievT^- 
Kovia,  H€xc€KOVTa^  ÖTbo^KOvia^  ivev^KOVta;  der  talente  warea 
also  736  oder  756  766  786  796.  der  zins  37  taL  2338  dn  2V2  ob. 
würde  bei  1448  tagen  ein  capital  von  774  tah  3895,37  dr.,  bei  1446 
ein  solcheß  von  775  tal.  4323,99  dr.  voraussetzen,  beides  unpassend; 
dagegen  bei  1 464  tagen  erhalten  wir  766  tal.  1098  dr.  4,21314  obolen. 
da  736  756  786  796  tal.  usw.  ganz  unbrauchbare  zinstagsummen 
liefern,  so  läszt  sich  nur  HCXC^KOVTa  einsetzen,  die  Verschiedenheit 
der  drachmenzabl  (1095  st.  1098}  erklärt  sieb  aus  abrondung  der 
zinsobolen:  766  tal.  1095  dr.  ohne  obolen  liefern  in  1464  tagen 
37  tal.  2338  dr.  1,416  ob.  zins;  fügen  wir  dem  capital  5*/^  ob,  hinzu, 
so  steigt  die  obolenzahl  des  zinses  auf  1,6844.  zwar  gibt  der  tert 
2^2  obolen  zins  an,  aber  diese  ab  weichung  erklärt  sich,  wie  Kubicki 
bemerkt ,  aus  der  eigen tümliuhkeit  der  bei  den  'andern'  göttem  ge* 
machten  anleiben,  diese  setzten  sich  au.^  einer  menge  von  einzel- 
darleben  zusammen,  zb.  das  zweite  darlehen  derselben  im  letzten 
der  4  jähre  bestand  aus  den  guthaben  von  28  tempel schätzen, 
deren  zins  für  jeden  wegen  der  rUckiablung  besonders  berechnet 
werden  muat©  (z.  77  —  91);  durch  die  vielen  abrundungen,  welche 
dabei  stattfanden,  kam  es,  dasz  der  geaamt^tinb  nicht,  wie  man  nach 
der  gesamtsurome  der  ein zel darleben  erwarten  sollte,  81  dr.  S'/j 
(eigentlich  3,5932)  oK,  sondern  82  drachmen  betrug  (Böckh  s.  232). 
so  wurde  denn  auch  fQr  die  alten,  aus  den  7  ersten  jähren  herrühren- 
den darlehen  der  andern  götter  der  zins  nicht  unmittelbar  aus  ihrer 
gesamtsumme,  sondern  zunüchst  für  jeden  tempelschatz  besonders 
aus  der  summe  seiner  guthaben  berechnet;  aus  den  abrundungen, 
welche  ohne  zwei  fei  bei  den  zinsen  vieler  von  den  28  oder  mehr 
gutbabensummen  stattfanden,  erklärt  es  sich,  dasz  die  gesamtsumme 
des  ganzen  zinses  um  1  (oder  Yj)  obol  mehr  beträgt  als  man  unter 
gewöhnlichen  umständen  zu  erwarten  hätte.  Kubicki  ergänzt  die 
letzte  lücke  der  capitalangabe  zu  7r^VT€  bpax[Möic  Ttcvie  ößoXoic 
oder  buoiv  6ßoXoiv  tökov  iv  toiJc  T^TTapc[iv  iitav '  da  die  stellen- 
zahl der  lücke  einer  kleinen  Schwankung  unterliegt,  so  lassen  sich 
auch  andere  obolenzahlen  denken.    . 

2.  1464  die  iagsumme  wn  4  jähren?  da,  wie  Kobicki  bewiesen 
hat,  bei  den  alten  darlehen  der  Ätbenaia  Nike  und  der  'andern  g5tter* 
die  4  jähre  zu  1464  tagen  genommen  sind ,  so  liegt  der  gedanke 
nahe,  dasz  diese  genau  die  tagsumme  von  ol.  88,3 — 89,2  bilden  und 
demzufolge  B^kh  sich  geirrt  habe,  wenn  er  in  der  abrechnung  über 


GFÜnger:  die  zinsorkande  zu  oL  88,  3— 89,  2.  229 

die  neuen  darleben  der  Atbenaia  Polias  z.  1 — 51  als  tagsumme  jener 
4  jähre  1448  zu  erkennen  glaubte,  so  denkt  Eubicki  in  der  tbat  und 
macbt  eine  neue  recbnung  mit  neuen  ergänzungen,  welcbe  geflissent- 
lieb  darauf  ausgebt  als  tagsumme  der  4  Poliaszinsjabre  1464  zu 
liefern  und  sie  denn  aucb  wirklieb  zu  liefern  scbeint.  die  mittel 
freilieb,  welcbe  er  zur  erreicbung  dieses  zieles  aufbietet,  sind  böcbst 
bedenklieber  natur:  gewaltsame  deutungen  und  unstatthafte  er- 
gänzungen der  textangaben  über  das  erste  und  ^  vierte  jabr  (s.  ab- 
schnitt 6),  willkürliche  abweichung  von  dem  überlieferten  anfangs- 
tag der  4  jähre  (abschn.  3),  unnatürlicher  anfang  der  zinstagzäblung 
(abschn.  5),  endlich  wilde  hypotbesen  über  den  attischen  und  lakoni- 
schen kalender,  ebenso  über  die  prytanienverteilung.  von  diesen  ist 
zunächst  zu  sprechen. 

Dasz  die  griechischen  monate  auf  den  mond  gestellt  waren,  er- 
kennt Kubicki  an ,  gibt  aber  doch  dem  ersten  und  dem  vierten  jähr 
371,  dem  dritten  367  tage,  obgleich  12  mondmonate  wegen  ihrer 
durchschnittsdauer  von  29%  tagen  und  fast  %  stunden  nur  354 
oder  355 ,  die  13  monate  des  Schaltjahrs  aber  384  (selten  383  oder 
385)  tage  liefern,  dem  ersten  monat  des  ersten  Jahres  legt  er  blosz 
17  tage  bei  und  läszt  ihn  mit  dem  voUmond  anfangen ;  mit  dem 
zweiten  tag  nach  neumond  aufhören;  umgekehrt  zählt  der  bo6dro- 
mion  des  dritten  jabres  bei  ihm  42  tage,  unter  ihnen  12  Schalttage, 
eingelegt  zwischen  dem  13  und  14  bo6dromion,  der  erst«  Schalttag 
trifft  auf  Vollmond,  der  16e  (bei  mitzäblung  der  Schalttage  der  28e) 
bo6dromion  auf  neumond.  infolge  dessen  beginnen  die  nächsten 
neun  monate  wieder  mit  vollmond.  der  bekatombaion  des  4n  jabres 
bekommt  gar  46  tage,  darunter  14  Schalttage;  in  seinen  lauf  fallen 
2  neumonde;  noch  6inen  tag  mehr,  so  würde  er  auch  zwei  Vollmonde 
haben,  dem  dritten  jabr  ist,  da  bei  Kubicki  auf  dessen  munychion 
gleich  der  skirophorion  folgt,  der  zwischen  beide  fallende  monat 
thargelion  ganz  abbanden  gekommen :  die  sühnung  des  Volkes  samt 
der  darbringung  des  erstlingsbrotes  (GdpYTlXoc),  der  ansputz  des 
scbnitzbildes  der  burggöttin,  die  waschung  ihres  gewandes  und 
andere  alljährliche  gottesdienste  wären  denmach  ganz  verabsäumt 
worden,  zur  erklärung  dieser  Ungeheuerlichkeiten  verweist  Eubicki 
darauf,  dasz  im  dritten  zinsjabr  ol.  89, 1  der  attische  kalender  nach- 
weislich in  Unordnung  gewesen  ist  (Aristoph.  Wolken  615);  der 
fehler  kann  aber  nur  wenige  tage  betragen  haben,  die  nach  mond- 
monaten  rechnenden  Völker  lesen  (im  rohen  wenigstens)  ihren 
kalender  am  bimmel;  der  ^scheinbare'  neumond  zeigte  dem  Griechen 
ungefähr  den  2n,  das  erste  mondviertel  den  7n,  der  vollmond  den 
14n  oder  15n,  das  letzte  viertel  den  22n  oder  23n  monatstag  an; 
wenn  es  demnach  nicht  wahrscheinlich  ist,  dasz  sie  den  monat  mit 
vollmond  begonnen  oder  ihn  über  die  Wiederholung  einer  mond- 
phase  hinaus  erstreckt  hätten,  so  waren  doch  abweichungen  von 

*  die  angaben  über  das  zweite  sind  am  besten,  die  über  das  dritte 
am  schlechtesten  erhalten. 


230 


GFÜngeir:  die  zinsurkunde  zu  oL  88,  3—89,  2. 


der  genauigkeit  Eicht  ?u  vermeiden,  und  sie  konnten,  weil  der 
hieroamemon  nur  ein  jähr  lang  diente,  leicht  mit  der  zeit  anwachsen ; 
aber  mit  gutem  gnind  bat  Ideler  erklärt,  dasz  eine  ab  weichung  von 
mehr  als  5  tagen  undenkbar  sei*  übrigens  wissen  wir  auch  (s.  ab- 
Echnitt  6  B.  244  f«),  dasz  sie  in  jenem  jähre  dieses  maximum  nicht 
erreicht  hat.  eben  zur  zeit,  da  die  Wolken  zur  aufführung  kamen, 
wurde  zwischen  Athen  und  Sparta  der  einjährige  wafifen  still  stand 
abgeschlossen,  am  14  eläphebolion,  nach  lakonischem  kalender  am 
12  gerastios  (Thuk.  IV  118  f.);  der  attische  kalender  lief  also  um 
2 — ^3  tage  vor.  der  fehler  ist  durch  zugäbe  von  2  —  3  fr  Über  verab- 
Bäumten  scbalttagen  verbessert  worden :  zwei  jähre  später  entspricht 
der  2ö  elaphebolion  dem  27  artemisios  (Thnk.  V  19).  um  diesem 
einwand  zu  begegnen,  erfindet  Kubicki  ähnliche  Seltsamkeiten  für 
den  kkonischen  kalender:  in  dem  achtjährigen  Schaltkreis  desselben 
habe  das  3e,  6e  und  8e  jähr,  dh.  jedes  Schaltjahr  mit  dem  vollmond 
angefangen,  das  dritte  habe  369  tage,  mancher  monat  45  tage  ent- 
halten ndgL;  er  will  also  eine  unhaltbare  deutung  durch  eine  aus 
der  luft  gegriffene  hypothese  stützen. 

Weiter  nimi  Kubicki  (s.  progr,  1885)  an,  der  hekatombaion 
habe  erst  spät,  frühestens  seit  ol  93,  1  ^  408/7  vor  Ch.  die  erste 
stelle  im  attischen  kalender  eingenommen,  von  89,  2  ^=  423/2  bis 
dahin  sei  sie  dem  nachmals  letzten  monat  skirophorion,  vor  dem 
Jahre  89,  2  aber  dem  Vorgänger  desselben,  dem  thargelion  zuge- 
kommen^ und  die  Fanatbenaien  seien  immer  im  ersten  monat ^  also 
in  den  drei  ersten  zinsjahren  im  thargelion,  im  vierten  im  skiro- 
phorion  gefeiert  worden,  die  zweite  behau ptung  verstöszt  gegen 
den  brauch  jedem  fest  ein  sich  gleich  bleibendes  kalenderdatum  anzu- 
weisen ;  aus  ihm  erklärt  es  sich ,  dasz  die  moiiate  in  der  regel  nach 
festen  benannt  sind ,  und  dies  gilt  insbesondere  auch  vom  hekatom- 
baion: er  verdankt  seinen  namen  der  panathenaischen  bekatombe 
(Meier  in  Hall.  encycK  sect.  III  bd.  10  s.  292.  AMoromsen  beortol. 
8*  105),  hat  also  von  jeher  die  Panathenaien  gebracht  wäre  die 
andere  behauptung  zutreffend,  so  mUste  Metons  beobachtung  der 
sonnwende  des  27  juni  432,  geschehen  (was  auch  Kubicki  anerkennt) 
am  13  skirophorion  (Diod.  XII  36),  in  den  zweiten  monat  des 
arcbonten  Pjthodoros  oL  87,  1 ,  nicht  in  den  letzten  seines  Vor- 
gängers Apseudes  gefallen  sein,*  aber  die  Zeugnisse  nennen  ein- 
stimmig Apseudes.  als  schriftlich  beglaubigt  bezeichnet  dieses 
datum  Ptolemaios  im  Älmagest  III  2  dvaypdfpcTai  T^T^vriii^VT)  ini 
*Aipeubouc;  die  Vermutung  Kubickis,  Hipparchos  der  gewährsmann 
des  Ptolemaios  habe  den  arcbonten  namen  eigenmäcbtig  geändert 
(dh.  gefälscht:  dvarp^^^^'^ct^ 0 1  ^^^  ^^^^  ausflucht  der  Verlegenheit 
Diodoroa  ao.  gibt  die  notiz  über  Meton  im  jabr  des  Apseudes;  die 
Htterarhis torischen  noti/en  Diodors,  zu  welchen  sie  geh()rt,  stammen 
aus  attischer  quelle  (Apollodoros)  und  sind  überall  genau  auf  die 

*  IQ  folge  desaen  begintieD  ihm  die  jähre  ol.  88»  8  — 89p  3  mit  dem 
26  tnai  426     31  mai  425    Sl  mai  434     23  mal  423     29  mai  4S2. 


GFUoger:  die  zinsurkunde  za  oL  88,  3— 89,  2.  231 

ihnen  zukommenden  archontendata  gestellt,  s.  Philol.  XL  83.  end- 
lich nach  Philochoros  hat  Meton  nicht,  wie  sich  Eahicki  progr. 
1885  s.  7  ausdrückt,  schon  unter  Apseudes  seine  beohachtungen 
begonnen:  wann  er  dies  geth an  hatte,  war  schwerlich  überliefert; 
vielmehr  heiszt  es  im  scholion  zu  Aristoph.  Vögeln  997 :  <t>iXöxopoc 
auTÖv  0€ivai  dirl  'Anieubouc  fiXiOTpÖTTiov  irpöc  Tifi  xeixei  iv  t^ 
TTVUKi.  war  f)XiOTpÖ7Tiov  ein  apparat  zur  beobachtung  der  sonn- 
wenden, so  bezieht  sich  die  notiz  über  die  aufstellung  desselben  auf 
der  Pnyz  auf  die  von  ihm  sei  es  überhaupt  zuerst  oder  zum  ersten 
mal  mit,  wie  es  schien,  vollkommener  Sicherheit  beobachtete;  das 
ist  aber  eben  die  des  j.  432,  mit  welcher  seine  schrift  ihren  anfang 
nahm,  dasselbe  ergibt  sich,  wenn  man  f)XiOTpÖTTiov,  wie  früher  ge- 
schehen ist,  als  sonnwendenverzeichnis  auffaszt.  andere  beweise 
gegen  die  neue  lehre  s.  abschn.  6  s.  244.  247.  249. 

Auch  hinsichtlich  des  ausmaszes  der  prytanien  sieht  sich  Eubicki 
zu  auffallenden  bestimmungen  genötigt,  im  ersten  jähr  zfthlen  ihm 
die  prytanien  26  48  39  36  36  38  38  36  48  26  tage,  im  dritten  35 
35  35  47  35  und  5  mal  36,  im  vierten  38  38  37  37  35  35  36  39 
39  37.  regelrechte  Verteilung  der  prytaniedauer  findet  sich  zwar 
nicht  immer  beobachtet,  wohl  aber  stets ;  wie  von  ernsthaften  und 
verständigen  mfinnem  zu  erwarten,  eine  gewisse  planmttszigkeit. 
von  einer  solchen  ist  in  den  genannten  Verteilungen  keine  spur  zu 
entdecken. 

3.  Verschiedene  hegreneung  der  vier  jähre,  obgleich  1464  tage 
nicht  der  eigentlichen  dauer  von  4  jähren  entsprechen ,  konnten  sie 
trotzdem  unter  der  benennung  ^  vier  jähre'  zusammengefaszt  werden, 
wenn  Böckh  recht  hatte,  den  vier  jähren  ol.  88,  3  —  89,  2  die  tag- 
summe  1448  beizulegen,  so  entsprechen  1464  tage  genau  gesprochen 
4  Jahren  und  16  tagen,  und  es  bestreitet  niemand  dasz  man  wie 
einerseits  3  jähre  11  monate  14  tage,  so  anderseits  auch  4  jähre 
16  tage  abrundend  in  dem  kurzen  ausdruck  *4  jähre'  zusammenfassen 
kann,  mit  andern  werten:  in  der  Zinsrechnung  für  die  neuen  dar- 
lehen  der  Athenaia  Polias  sind  die  4  jähre  als  eigentlicher  und 
genauer,  in  der  für  die  alten  darlehen  der  Athenaia  Nike  und  der 
^andern  götter'  als  runder  zahlausdruck  zu  fassen,  der  einzige  ein- 
wand, welchen  man  gegen  diese  auffassung  vielleicht  erheben  könnte, 
der  Vorwurf  der  Zweideutigkeit  wird  von  vorn  herein  dadurch  aus- 
geschlosseu;  dasz  in  geflissentlicher  weise  für  femhaltung  derselben 
gesorgt  ist.  wenn,  wie  feststeht,  der  zinsfnsz  in  den  4  spätem  jähren 
ein  anderer  und  bedeutend  niedrigerer  ist  als  in  den  7  frühern ,  der 
anfangs-  und  schlusztermin  der  4  jähre  dagegen,  also  ihre  dauer  sich, 
wie  man  glaubt,  überall  gleich  bleibt,  so  ist  es  unverständlich,  dasz 
zwischen  den  angaben  über  beide  fragen  gerade  das  entgegengesetzte 
Verhältnis  herschen  soll,  über  den  zinsfusz ,  der  doch  jetzt ,  in  den 
4  Jahren ,  ein  anderer  ist  als  in  den  sieben  vorausgegangenen ,  lesen 
wir  nirgends  eine  angäbe,  dasz  gar  keine  gemacht  worden  sei,  ist 
nicht  wahrscheinlich,  und  da  sich  in  den  lücken  der  Inschrift  nirgends 


232 


GFÜBgerj  die  zmetirkunde  au  oL  88,  3—00,  2. 


eine  solche  unterbringeii  läszt,  ao  darf  vermutet  werdeiit  daBZ  sie  am 
scblusäe  des  verlorenen,  die  7  ersten  jähre  umfassenden  teiles  der 
Urkunde  beim  Übergang  zu  den  4  jähren  ihren  platz  gefunden  hatte : 
dasz  von  diesen  schon  dort  die  rede  gewesen  war,  folgt  aus  dem 
an  fang  unserer  inßchrift,  vorausgesetzt  dasz  in  idbe  TO  TÖKo  ^Xo- 
ticav]TO  Hoi  XoTiCTa[i  €V  toTc  T€T]Tapciv  Ixcciv  der  artikel  Toic 
mit  recht  eingesetzt  ist,  ist  hiernach  der  hiosz  für  die  4  spätem 
jähre  gültige  zinsfuBz,  wenn  überhaupt,  nur  Einmal  erwähnt,  so 
musz  es  wunder  nehmen,  dasz  die  nach  allgemeiner  annähme  den 
spätem  jähren  mit  den  frühern  gemeinsame  anfangs-  und  endepoche^ 
deren  erwähnung  infolge  dieser  yermeintlichen  gemeiusamkeii  hei 
den  4  jähren  völlig  tlberflüsdig  gewesen  wäre,  hei  diesen  nicht  blosz 
wiederholt,  sondern  auffallend  oft  hervorgehoben  wird,  für  dte 
neuen  darlehen  der  Pallas  Äthenaia  wird  der  terminus  a  quo  und 
ad  quem  sowohl  in  der  Überschrift  der  rechnung  z.  1  als  bei  der 
summierung  der  capitalien  z.  49  und  bei  der  summierung  der  Zinsen 
z.  50  angegeben;  weniger  räum  nehmen  wegen  ihrer  weit  geringem 
htSbe  die  ueuen  darlehen  der  Äthenaia  Nike  und  die  der  'andern 
g^tter'  weg:  für  letztere  ist  die  zeithegrenzung  auf  z,  55  ergänzt; 
die  für  Nike  kann  in  der  lücke  z,  53  untergegangen  sein,  die  ge- 
flissentliche hervorhebung  des  anfangs-  und  endtermins  würde  voll- 
kommen  unbegreiflich  sein»  wenn  die  über  ihn  herschende  ansieht 
begründet  wäre;  sie  findet  ihre  erklämng  nur  in  der  annähme»  dasz 
die  4  jähre  nicht  überall  die  gleiche  begrenz ung  gehabt  haben. 

Dieser  schlusz  läszt  sich  aus  der  inscbrift  zu  vollster  gewisheit 
erheben,  die  vier  zinsjahre  liefen  für  die  gelder  der  Äthenaia  Polias 
laut  z,  1  Ik  TTavaOevaiov  de  [TTavaöevaia,  ebenso  nach  z.  49  iK 
TTavaOcvaiov  ic  TTava6^v[aia  und  laut  z.  50  ^[k  TTav]a©evaiov  ic 
TTa[va6dvaia ;  dagegen  für  die  ^andern*  götter  bis  zum  ablauf  des 
vierten  kalenderjahrs :  vom  datum  ihres  zweiten  darleheos,  nach 
U  76  f,  dem  20n  tag  der  zehnten  (dh.  letzten)  prytanie  dieses  jahres 
verlaufen f  wie  Böckh  aus  dem  Verhältnis  zwischen  capital  und  zins 
z,  78.  83.  84.  86  erwiesen  hat,  17  tage  bis  zum  endtermin;  diesen 
bildet  also  nicht  das  Panathenaienfest,  sondern  der  schlusz  des 
kalenderjabres,  der  letzte  skirophorion.  hieraus  erhellt  einerseita 
die  Unrichtigkeit  der  herkömmlichen  ergänzung  des  tächlusztermins 
für  die  rech n ung  über  die  neuen  darlehen  der  ^andern  götter^  z.  55 
tv  TOIC  T^rrjapciv  {t[€CI  Ik  TfavoBevaiov'  k  TTavaöevaia;  statt 
ic  TTavaOdvaia  ist  ic  i%CiTipxa  (bis  zur  8cbhii?/:feier  des  archonten- 
jabres)  und  der  nötigen  stellenzahl  wegen  JT[€Ctv  an  die  stelle  von 
?T[€a  zu  setzen;  die  längere  form  wird  für  dieses  wort  an  all  den 
vielen  stellen  angewendet,  an  welchen  es  teils  erhalten  teils  mit 
sicberheit  ergänzt  ist  ebenso  unberechtigt  ist  anderseits  gegenüber 
der  dreimaligen  angäbe  Ik  TTovaOiivaiuJV  ic  TTavaOi^VQta  die  her- 
kömmliche, auch  von  Kubicki  (trotz  des  schönen  grundsatzes  den  er 

*  bis  Bü  diesen  waren  die  xinseo  für  die  alten  darlebeo  der  'andern 
^5iter'  berechnet  worden,  s.  den  sohlass  dieses  abscbnitts. 


GFÜnger:  die  zinsnrkunde  zu  ol.  88, 3— 89, 2.  233 

ausspricht,  die  Urkunde  nur  aus  ihrem  eignen,  allein  maszgebenden 
Inhalt  zu  erklären  und  wiederherzustellen)  beibehaltene  erstreckung 
der  4  Poliaszinsjahre  vom  beginn  des  ersten  bis  zum  ende  des  vierten 
kalenderjahrs.  angesichts  jener  ausdrücklichen  angäbe  l&szt  sich 
von  vom  herein  erwarten ,  dasz  den  von  Böckh  s.  97  für  die  mis- 
achtung  derselben  vorgebrachten  gründen  wenig  bedeutung  zu- 
kommt 'obgleich'  schreibt  er  'nach  der  Überschrift  die  rechnung 
von  Panathenaien  zu  Panathenaien  gieng,  ist  sie  eben  auf  die 
archontenjahre  gestellt'  diese  behauptung,  im  Vordersatz  (wie  z.  49 
und  50  lehrt;  oben  s.  232)  nur  teilweise  richtig,  ist  im  nachsatz 
geradezu  falsch,  von  den  4  archonten  Euthjnos,  Stratokies,  Isarchos, 
Amjnias  wird  jeder  nur  Einmal ,  nemlich  am  anfang  des  zinsjahres 
genannt ,  gleich  den  prytanien  und  ihren  tagen  blosz  der  nötigen 
datierung  wegen ;  die  rechnung  selbst  über  jedes  der  4  zinsjahre  ist 
auf  die  amtszeit  der  Schatzmeister  der  Athenaia  Polias  gestellt:  so 
z.  14  K€q)]dXaiov  to  öpxaio  dvaXö^[aTOc]  ^ttI  t?c  *Avbp[oKX^oc 
öpxec  Ktti  xcu]vapxövTOV;  femer  z.  15.  16.  23.  34.  35.  46.  47. 
diese  dienten  aber  bekanntlich  eben  von  Panathenaien  zu  Panathe- 
naien. 'und  da  die  zinsen'  f&hrt  Böckh  fort  'gewöhnlich  monatlich 
bezahlt  wurden  (schol.  Ar.  Wolken  17),  oder  wenn  man  lieber  will 
bei  staatsgeldem  prytanienweise ,  so  waren  die  zinsen  der  tage  des 
j.  ol.  89,  3  bis  zu  den  Panathenaien  noch  nicht  fällig.'  da  der 
scholiast  nur  von  privatzinsen  spricht,  so  ist  sein  zeugnis,  wie  Böckh 
selbst  zugesteht,  nicht  durchschlagend;  für  die  Urkunde  kommt  es 
aber  auf  den  gewöhnlichen  termin  der  Zinszahlung  und  deren  f&Uig- 
keit  überhaupt  nicht  an :  denn  die  zinsen  dieser  tempelgelder  wurden 
weder  monat-  noch  prjtanieweise  bezahlt,  sondern  vorläufig  blosz 
berechnet  und  festgestellt,  um  dereinst,  sobald  die  nötigen  mittel 
vorhanden  waren,  abgetragen  zu  werden;  eben  deswegen  werden 
sie  von  tag  zu  tag  berechnet:  wenn  für  den  dem  entlehnungstag 
vorausgehenden  teil  der  prytanie  kein  zins  berechnet  ist,  so  wurde 
offenbar  auch  für  den  auf  den  zurückzahlungstag  folgenden  teil  keiner 
bezahlt. 

Die  entstehung  dieser  Verschiedenheit  der  rechnungstermine 
ist  unschwer  zu  begreifen,  die  tempelschatzmeister  traten  an  den 
Panathenaien  ins  amt  und  legten  an  den  groszen  Panathenaien  vor 
den  logisten  rechenschaft  ab;  diese  dagegen  wechselten  gleich  den 
archonten  und  andern  beamten  mit  dem  kalenderjahr,  und  so  liefen 
auch  die  ebenfalls  von  ihnen  geprüften  rechnungen  dieser  beamten 
bis  zum  kalenderjabrwechsel.  zwischen  beiden  terminen  lagen  nur 
ein  paar  wochen ;  wie  nahe  lag  es  da,  auf  letztern  auch  die  rechnung 
eines  tempelschatzamtes  zu  stellen,  wenn  sie  zwischen  neujahr  und 
Panathenaien  keinen  posten  aufzeigte !  so  konnte  es  leicht  kommen, 
dasz  zb.  der  logist,  welcher  die  rechnung  über  die  neuen  darlehen 
der  'andern  götter'  prüfte,  den  zins  bis  jahresschlusz  berechnete, 
während  der  mit  den  neuen  guthaben  der  Athenaia  Polias  beschäf- 
tigte ihn  bis  zu  den  Panathenaien  führte,  die  Zinsberechnung  konnte 


234 


GFÜnger:  die  zinsuTkunde  zu  ol.  88^  8  —  89»  2. 


80  eine  vierfache  begrenzung  gewinnen,  von  Panatfaenaiun  zu  Pana- 
Ibenaien  geführt  ergab  sie  für  die  4  zinsjahre  dieselbe  tagsumme 
wie  4  arcbonten-  und  kalenderjabre;  von  neujabr  (i^  dciTT)piuJv) 
zu  jabresscbluBB  (de  dEiTTipia)  gebend  deckten  sieb  die  zinsjabre  toU- 
ständig  mit  diesen;  recbnete  der  togist  von  den  Panathenaien  als 
scblusztermin  des  Torgängers  bis  zum  ende  des  arcbonten-  und 
kalendeijabres  I  so  wurde  die  tagsumme  der  4  zinsjabre  um  so  viel 
tage  kleiner  als  y/wiecben  den  Panatlienaien  und  dem  ibnen  vorauf- 
gegangenen  neujahre  tage  verlaufen  waren ^  batte  der  frühere  logiat  j 
die  ainsen  bis  zum  kalenderjabrwecbsel  berechnet  und  rechnetij 
der  jetzige  bis  zu  den  Panathenaien,  so  wurde  die  tagsuofime  um[ 
ebenso  viele  tage  gröszer.  diese  vierte  berecbnungsweise  liegt  den 
von  Kubicki  ermittelten  1464  zinstagen  des  alten  guthabend  der 
AtbenaiaNike  und  der  alten  t»chuld  an  die  ^andern  götter'  zu  gründe: 
die  Zinsen  beider  waren  an  den  Panathenaien  des  j.  ol.  8B,  3  =  426 
ohne  zweifei  nur  bis  zum  ablauf  von  ol.  88,  2  ^  427/6  berechnet 
worden;  jetzt  werden  sie,  wenigstens  für  die  *andem  götter' (die 
rechnung  für  Nike  ist  nicht  erhalten),  von  da  bis  zu  den  Panathe- 
naien von  89,  3  =  422  geführt 

4.  Zinsneujahr  für  Athenam  Folias :  der  17  hekatonibahn.  was 
wir  mit  den  von  Kubicki  nachgewiesenen  1464  tagen  gewinnen,  ist 
dem  ßo  eben  gesagten  zufolge  nicht  die  eigentliche  tagsumme  der 
4  kalenderjabre  oL  88,3  —  89,2,  sondern  die  summe  der  vonibreni 
anfang  bis  zu  den  Panathenaien  von  89,  3  verflossenen  tage^  dem- 
nach entspricht,  wenn  Böckb  auf  die  4  arcbonten  jähre  mit  recht 
1448  tage  gezählt  hat,  dem  1464n  oder  letzten  tage  der  16  hekatom- 
baion  oU  89^  3,  nnd  der  anfang  des  nächsten  zinsjahrs,  der  17  heka- 
tombaion  89,  3  ist  ein  Panathenaien  tag.  die  Panathenaien  selbst 
haben  zwar  erst  einige  tage  später  ihren  anfang  genommen  (abscbn.  6 
6,  246);  aber  die  reeben schafts abläge  hat  ofienhar  nicht  am  feste 
selbst,  sondern  vor  ihm  stattgefunden,  und  der  name  der  mit 
groszen  kampfspielen  verbundenen  feste  wird  in  weiterm  sinne  auch 
auf  die  zu  ihnen  in  bezug  stehenden  (besonders  auf  die  ihrer  vor* 
bereitnng  gewidmeten)  benachbarten  tage  ausgedehnt:  er  umfaszt 
die  dauer  des  gottesfriedens  (iK^xeipia)^  welcher  mit  ihnen  ver* 
bunden  war,  ganz  oder  zu  einem  guten  teil,  vgl.  abschn*  6  s.  258. 
ßo  Thnk.  VIII  9  KopivOioi  oü  TTpO€0u^r|Öncav  Su^nXeiv  nplv  xd 
''Icdiiiia,  S  TÖre  fjv,  bieopidcuJClv :  das  fest  selbst  fand  erst  später 
statt  (Thuk.  VIII  10  iv  bi.  tqutlu  xd  ^'tcö^ia  ^TiTVtxo),  femer 
Tbuk.  V  1  al  iviauciai  CTTOvba\  bicXcXuvxo  ^€xpi  riuöiyjv  icai  ^v 
TiQ  iK€X€lpiqi  Ar|Xiouc  dv^cxricav,  db.  der  am  14  elaphebolion  ol.  89, 1 
auf  ein  jabr  vereinbarte  Waffenstillstand  galt  vom  14  elapheb.  89,  2 
an  nicht  mehr,  bis  mit  dem  pjtbischen  gottesfrieden  ein  neuer  Waffen- 
stillstand anhob,  in  dessen  lauf  sie  die  Delier  vertrieben,  die  eine 
der  zwei  j{Lbrlichen  ampbiktyonenversamlangen  fand  in  demaelben 
monat  bukatios  statt  wie  die  pjthischen  spiele,  vermutlich  unmittel* 
bar  nach  oder  vor  ihnen;  im  dritten  Jahr  der  Olympiaden,  welches 


GFÜnger:  die  zinsurkande  zn  ol.  88,  3  —  89,  2.  235 

die  spiele  brachte,  wurde  den  beschlüssen  derselben  als  datum  nicht 
wie  sonst  TiuXalac  d7Ti)üpivf]C,  sondern  TTuGioic  beigesetzt  (CIÖ.  1689. 
1689  ^).  der  früheste  tag,  auf  welchen  der  Panathenaienname  weitem 
Sinnes  anwendung  finden  konnte,  ist  wohl  eben  der  17  hekatombaion : 
am  16n  wurden  die  EuvoiKia;  am  12n  die  Kpövia  gefeiert. 

Dadurch  dasz  der  anfang  der  4  Poliaszinsjahre  in  die  Panathe- 
naien  (weitem  sinnes)  föllt  wird  die  bisher  übliche,  auf  den  1  heka- 
tombaion gestellte  berechnung  der  zinstage  hinsichtlich  der  drei 
ersten  jähre  keineswegs  hinfällig :  denn  die  zahl  der  tage  zb.  vom 
17  hekatombaion  ol.  88,  4  bis  16  hek.  ol.  89,  1  ist  dieselbe  wie  die 
vom  1  hek.  88,  4  bis  30  skiroph.  88,  4 ;  jedem  der  drei  ersten  jähre 
folgt  noch  ein  der  laufenden  zinsperiode  angehöriges,  dagegen  beim 
vierten  jähre  kann  man  nicht  als  letzten  zinstag  den  letzten  skiro- 
phorion  behandeln,  weil  auch  die  16  ersten  tage  von  ol.  89,  3  noch 
zur  laufenden  zinsperiode  gehören:  hier  musz  das  kalenderdatum 
und  die  dauer  der  einzelnen  prytanien  anders  als  bisher  geschehen 
ist  behandelt,  die  ganze  rechnung  auf  neuer  grundlage  geführt 
werden,  sie  wird  denn  auch  die  probe  auf  die  richtigkeit  der  auf- 
gestellten Sätze  bringen. 

5.  Der  erste  tag  der  einzelnen  zinstagsummen.  auszer  den 
archontennamen  gibt  die  Urkunde  kein  kalenderdatum  an:  sie  datiert 
der  sitte  jener  zeit  entsprechend  nach  prjtanietagen ;  die  zahl  der 
für  jeden  posten  berechneten  zinstage  ist  nicht  angegeben ,  sondern 
aus  dem  Verhältnis  zwischen  capital,  zins  und  zinsfusz  zu  erschlieszen. 
jeder  zins  läuft,  so  weit  es  sich  um  die  neuen,  erst  im  lauf  der  4  jähre 
nach  einander  erhobenen  anleihen  handelt,  natürlicher  weise  nicht 
vom  17  hekatombaion  ol.  88,  3  als  anfang  der  4  jähre,  sondern  vom 
datum  der  erhebung  des  darlehens ,  dh.  vom  tage  der  auszahlung 
des  capitals.  man  sollte  denken,  dies  sei  so  selbstverständlich, 
dasz  niemand  es  bezweifeln  könnte,  und  Bangab6  ao.  hat  denn 
auch  ohne  ein  wort  darüber  zu  verlieren ;  so  gerechnet;  dennoch 
legt  Böckh  seiner  rechnung  den  satz  zu  gmnde ,  dasz  der  zahlungs- 
tag  von  ihr  auszuschlieszen  sei ,  und  die  Zählung  der  zinstage  erst 
mit  dem  auf  ihn  folgenden  beginne;  ihm  haben  sich  die  spätem  und, 
abermals  (vgl.  s.  233)  inconsequenter  weise  und  ohne  auf  die  frage 
einzugehen ,  sogar  Eubicki  angeschlossen ,  obgleich  Böckh  an  einer 
der  zwei  stellen,  an  welchen  er  sich  hierüber  ausspricht,  deutlich 
genug  zu  verstehen  gibt,  dasz  jener  satz  nur  eine  ausgeburt  der  Ver- 
legenheit ist,  in  welche  ihn  die  zahlen  des  vierten  jahres  brachten 
(und  wegen  seiner  in  abschn.  4  besprochenen  falschen  Voraussetzung 
unter  allen  umständen  bringen  musten),  ein  notbehelf,  zu  welchem 
er  erst  griff,  als  er  auf  dem  andern  wege  nicht  zum  ziele  kam :  aus- 
drücklich erklärt  er  dort  (s.  119),  dasz  er  dieser  neuen  ansieht,  bei 
welcher  er  für  das  vierte  jähr  einen  tag  mehr  und  damit  die  ge- 
wünschten 355  tage  gewann,  erst  dann  sich  zugewendet 
habe,  als  er  sah,  dasz  bei  einem  354tägigen  jähr  kein 
befriedigendes  ergebnis  zu  finden  sei.  das  neue  fragment  c 


^6  GFÜDger:  die  zmiiurktmde  2U  ol.  88,3^69,2. 

belehrte  die  nachfolger,  d&st  trotzdem  sein  ergebnis  nicM  befriedigeili 
konnte;  statt  aber  die  erkünstelte  theorie  bei  seite  zu  lassen,  folgten 
sie  der  begründung^  welche  ihr  Böckh  3.  100  tu  geben  versucht  hat. 
^oft  mochte'  schreibt  er  *erst  gegen  abend  (dh.  kurz  vor  Sonnen- 
untergang, mit  welchem  ein  neuer  kalendertag  anhob),  nachdem 
Senat  oder  der  ekklesia  bezahlt  werden,  und  selbst  wenn  morgens 
benahlt  wurde,  war  bis  zum  abend  kein  tag  verflossen,  der  Zahltag 
konnte  daher,  wenn  die  zinsen  wie  natürlich  bis  zum  letzten  tage 
der  finanzperiode  einsehliesKlich  berechnet  wurden,  nicht  als  zinstag 
gerechnet  werden.'  Bdckh  nimt  also  an,  für  den  aus  zahl  angstag  sei 
deswegen  kein  zins  berechnet  worden,  weil  dieser  nur  für  ganze  tage 
gezahlt  worden  sei ,  die  aus  Zahlung  aber  erst  in  der  zweiten  h&lÄe 
des  bürgerlichen  tages  stattgefundeD  habe,  man  konnte  aber  doch 
auch  am  abend,  hei  künstlichem  licht  sogar  in  der  nacht  geld  aus- 
zahlen, und  Böckh  selbst  sagt  nur  'oft',  nicht  'immer' oder  ^meistens* 
möge  in  der  zweiten  hälfte  des  bürgerlichen  tages  die  auszahlung 
stattgefunden  haben,  überdies  stellt  er  auch  dies  'oft'  nur  als  Ver- 
mutung hin.  hätte  also  wirklich  der  grundsatz  bestanden,  nur  volle 
tage  zu  berückiüichtigen ,  so  würde  es  nötig  gewesen  sein  zwischen 
verzinsbaren  und  unverzinsbaren  ausz ah Inngs tagen  zu  unterscheiden, 
und  die  Urkunde  hätte  dann  nicht  blosz  den  prjtanietag,  sondern 
auch  die  stunde  oder  tageszeit  der  auszahlung  angeben  müssen,  da 
sie  dies  nicht  gethan  hat,  so  läszt  sich  nur  annehmen,  dasz  der 
zahlungstag  überall  als  erster  zinstag  bebandelt  ist.  wollten  wir 
mit  B5ckh  das  gegenteil  annehmen,  so  würden  sich  seltsame  con- 
Sequenzen  ergeben,  ein  minder  bemittelter  speculant  konnte  dann 
zb.,  wenn  er  wüste  dasz  ein  grundslück  gegen  sofortige  baarzahlung 
wohlfeil  zu  haben  war,  am  morgen  oder  mittag  von  einem  capitalisten 
das  hierzn  nötige  geld  und  von  einem  andern  einen  ebenso  hohen 
betrag  entlehnen,  mittels  des  einen  capitals  den  kauf  abschlieszen 
und  noch  vor  Sonnenuntergang  mit  dem  andern  die  schuld  ohne  zins 
zurückzahlen ;  oder  er  konnte  im  laufe  eines  einzigen  tages  ein  capital 
behufs  ankauf  einer  getreideladung  entlehnen,  diese  mit  vorteil  ver- 
kaufen und  mit  einem  teil  des  erlöses  die  schuld  ohne  Zinszahlung 
abtragen,  die  frage  nach  der  tageszeit  hätte  aber  Oberhaupt  gar 
nicht  aufgeworfen  werden  sollen :  es  liegt  in  der  natur  der  sache, 
dasz  die  Verzinsung  einer  anleibe  mit  dem  auszahlungstag  anfangt. 
die  rechtli<;be  begrUndung  des  zinsempfangs  fUr  gelddarlehen  ist 
eine  dreifache :  indem  der  eigen  tum  er  vorübergehend  auf  den  be- 
sitz eines  ihm  gehörenden  capitals  verzichtet,  läuft  er  gefahr  das- 
selbe ganz  zu  verlieren;  er  beraubt  sich  femer  der  gelegenheit  mit 
demselben  unterdessen  einen  gewinn  zu  enielen;  endlich  setzt  er 
umgekehrt  den  schnldner  in  den  stand  ein  vorteilhaftes  geschalt  zu 
machen,  jeder  von  diesen  drei  fallen  kann  schon  am  erstan  tage  des 
besitzwechsels  und  in  jeder  stunde  desselben  eintreten,  die  ent- 
lebnung  und  ein  solcher  fall  noch  in  der  letzten  stunde  vor  Sonnen- 
untergang  vor  sich  gehen,    diesen  maszgdbenden  gesichtspunkteAj 


GFÜnger:  die  zinsarkande  sn  oL  88,8—89,  2.  237 

gegenüber  hätte  Böckh  einen  conoreten  fall  anf&hren  müssen ,  wel- 
cher die  ihm  selbst  erst  in  der  not  gekommene  meinong  erhärtet, 
ein  wenigstens  analoger  ist  vorhanden;  er  bestätigt  aber  den  sonst 
allgemein  anerkannten  grundsatz.  nach  [Demostb.]  gegen Theokrines 
§  1  ist  der  vater  des  anklägers,  auf  eine  anzeige  des  Theokrines  hin 
zu  einer  busze  von  10  talenten  verurteilt,  wegen  Zahlungsunfähig- 
keit staatsschuldner  geworden  und  damit  zugleich  der  atimie  ver- 
fallen, die  schuld  aber  durch  die  seitdem  aufgelaufenen  Zinsen  auf 
20  talente  angewachsen,  die  zahlungspflicht  begann  gesetzlich  mit 
dem  tage  der  Verurteilung,  in  den  kein  urteil  erheischenden  fällen 
mit  dem  des  vergebens,  ebd.  §  49  TÖv  vöjiiov  Sc  öcpeiXeiv  KcXeuei 
dir*  ^KcivTic  Tf^c  fm^pac,  dcp*  fic  fiv  öcpXi]  f\  TrapaßQ  xdv  v6)liov 
f{  TÖ  i|irj(piC|Lia,  ebenso  im  folgenden  noch  zweimal  und  vorher  §  21. 
der  Zusatz  dir'  ^Keivric  tt^c  fm^pac  d(p'  fjc  dient  offenbar  dem  zweck 
den  anfangstag  der  Verzinsung  zu  bestimmen:  diese  sollte  bei  den 
einer  aburteilung  nicht  bedürfenden  vergehen  nicht  erst  mit  dem 
tage  der  anzeige  beginnen ,  sondern  schon  mit  dem  oft  viel  frühem 
des  vergebens;  die  eigentliche  busze,  das  schuldige  capital  wurde 
durch  die  zeit  weder  vermehrt  noch  vermindert,  es  betrug  im  yor- 
liegenden  fall  ein  für  allemal  10  talente.  der  eintritt  einer  solchen 
Verzinsungspflicht  ist  analog  dem  einer  durch  darlehen  entstehenden ; 
die  anzeige  aber  geschah  immer,  das  vergehen  sicher  sehr  oft  in  der 
zweiten  hälfte  des  griechischen  kalendertags. 

Die  folge  der  irrtümlichen  ausschlieszung  des  zahlungstages 
von  der  Verzinsung  ist,  dasz  mit  dem  ersten  zinstag  jedes  darlehens 
auch  alle  folgenden  um  eine  stelle  im  kalender  zu  spät  fallen ,  zb. 
die  17  zinstage  des  am  20n  tage  der  letzten  prytanie  des  4n  jahres 
bringen  diese  prytanie  auf  37  statt  auf  36  tage,  wie  denn  auch  die 
dauer  der  4  jähre  durch  sie  um  einen  tag  zu  lang  wird,  demnach 
würde  Kubicki,  auch  wenn  seine  behandlung  der  Poliasrechnung  im 
übrigen  unanfechtbar  wäre,  mit  der  gebührenden  einschlieszung  des 
zahlungstages  in  die  reihe  der  zinstage  für  die  4  jähre  nicht  die  ge- 
wünschten 1464,  sondern  nur  1463  tage  erhalten  haben,  und  fiöckh 
hätt«  ihnen  aufgrund  seiner  rechnung  nicht  1448,  sondern  1447  tage 
geben  müssen ,  wenn  er  die  Verzinsung  wie  sich  gebührt  mit  dem 
zahlungstag  hätte  beginnen  lassen,  dasz  er  mit  der  auf  falschem 
wege  gefundenen  summe  1448  dennoch  das  rechte  getroffen  hat, 
wird  sich  im  nächsten  abschnitt  (s.  256)  herausstellen. 

6.  Die  vier  zinsQohre  der  Athenaia  Folios, 

I.    Ol.  88,  3  —  426/5  vor  Ch.  355  tage. 

zahlang      datum  captUl 

1  pryt.114  20tal. 

2  II  [16]  50t. 

3  IV  6  [28t.6078d.] 

4  VIUö  4[4]t.8000d. 
6  VIII  [6]  100 1. 
6  X7  l[8t.8562d.] 


summe:  261t.66[40d. 


ZtDB 

ziniUge 

[Ö63j6dr. 

1409 

2  t.  1970  d. 

1397 

lt.  1719  d.  2  ob. 

1838 

[lt.4662d.lo.] 

1198 

8t.  6940  d. 

1197 

4172d.[2VtO.] 

1122 

llt.]99d.[6VtO.] 

238 


GFÜQger:  die  ziDBurkunde  zu  ol.  88/3^69,2» 


so  ntich  BSckh;  Eabickl  gibt  folgende  zablen: 


lahluDg 

(Hat  um                            capilal 

Zins                       nosU^« 

1      pr 

.UA                    20t, 

[673]  6  d.                     1434 

2 

U[41]                 50  t. 

2t.l970d.                     1397 

3 

IV  b                  [281.  4050  d.l»/,o.] 
VIII  5  [u.  6]  4[4jL3000d. 
VIII  [6]            100  t. 

lt.  1719 d.  2 o.               1346 

4 

[lt.46CliL  2Vt0.1  1198«*  11 

6 

3  t.  5940  d.                      1197 

6 

X7                    l[8t.4&66d0 

4172  d.  [2  Vi  0.]         1112 

aumme:  261t.56[15d.  tViO,    llt.  Ij99d.  lo. 

N»  1.    prytanieBummer  II;  uame  der  phjle  (s.  u*  2)  verloren; 
tag  4.  capital  20  taleEte.    aus  den  zinstagen,  welche  vorausgesetzt 
sind,   ergibt  sich  die  gesamte  tagsumme  der  4  jabre  bis  auf  ein 
schwanken  um  1  tag.   die  hierfür  ma^^zgebende  zinäangabe  z.  5  f,  er- 
glinzt  Bßckh  mitRangabe  zu  tdkoc  t[oütoic  i^eveio  :  PPHAAjAPh; 
diese  5636  drachmen  setzen ,  da  20  talente  täglich  4  draehmen  ab- 
werfen i  voraus,  dasz  vom  4n  tag  der  II  prytanie  bis  zum  ende  des 
vierten  Jahres  5636  :  4  ^=  1409  tage  verlaufen  sind,  dasz  oL  88, 3  ein 
gemeinjahr  gewesen  iät,  erweist  Böckh  s.  113  f,  mittels  einer  recb- 
nung,  welche  wir  ihrer  Weitläufigkeit  wegen  nicht  wiederholen;  das 
gleiche  ergibt  sich  aus  dem  sicher  ergänzten  datiim  der  5n  Zahlung: 
prytanie  VIII  tag  [6]  im  zusammenhält  mit  den  100  talenten  ihres 
betrags   und  den  23940  draehmen  des  zinses:   da  für  100  talente 
täglich  20  draehmen  gezahlt  werden,  so  laufen  von  da  bis  zum  ende 
1197  zinstage;  die  1092 — 1095  tage*  der  drei  folgenden  jähre  voaj 
ihnen   abgezogen    und   die   5  ersten  tage  der  VIII  prytanie  hinzu- 1 
gezählt  finden  sich  för  die  drei  letzten  prytanien  zusammen  105 — ^f 
110  tage;  im  Schaltjahr  mtlsten  sie  114  — 117  enthalten»    bleibeaj 
wir  demgemäsz  beim  gemeinjahr,  so  ergeben  sieb  aus  den  (11971 
und  5  ==)  1202  zinstagen  von  pryt.  VIII  1,  da  auf  die  sechs  vonj 
pryt,  II 1  bis  dahin  laufenden  prjtanien210 — 214  (mit  schal  Ltag  215)  4 
tage  kommen,  forden  ersten  tag  der II  prytanie  1412  — 1416(1417)|  I 
für  den  4tt  tag  also  1409 — 1413  (1414)  tage,  welche  einen  zins  von 
5636  oder  5640  5644  5648  5652  (5656)  draehmen  liefern;   von 
diesen  zahlen  stimmt  blosz  5636  zur  Überlieferung,   der  zinstage 
sind  also  1409.    hierzu  die  3  ersten  tage  dieser  und  die  35  oder  36,  [ 
mit  Schalttag  37  tage  der  ersten  prytanie  gezählt  erhält  man  alij 
tagsumme  der  4  Jahre  1447 — 1449;  llber  die  eigentliche  zahl  s.  n.  7, 

Der  anerkenniing  dieses  ergebnisses  steht »  wie  es  scheint ,  ein  ^ 
hindemis  im  wege:  die  oben  angeführte  ergänmng  liefert  eine  buch- 
atabenstelle  zu  wenig«   dieser  mangel  haftet  der  ergänzung  Kubiekia 
nicht  an,  welcher  noch  ein  H  einsetzend  den  zins  auf  5736  draehmen, 
die  zinstage  also  auf  1434  bringt,    die  1472 — 1474  tage  indes«  auf  j 
welche  ihre  gesamtzahl  durch  die  38 — 40  von  prjt.  I  1  —  II  3  ge-f 


*  die  überliefertet!  fahlen  der  anleihe  von  pryt.  IV  3  des  xweiteii|l 
aDerkannt  12moiiiitlicheD  jnbrea  ergebet!  98&  zinstAge  bis  zum  eiid#l 
dea  4x1  juhrcs;  die  2  ersten  tage  dieser  prytanie  and  dio  105^ — 108  voal 
pryt.  I— 11  hinzugezählt  erhalten  wir  1092—1095  für  jähr  U— IV. 


GFÜnger:  die  zinsarknnde  zu  oL  88,  8  —  89,  2.  239 

bracht  würde,  entsprechen  keines&lls  der  daaer  von  4  jähren,  am 
zu  der  vermeintlichen  gesamtsumme  Ton  1464  tagen  zu  gelangen, 
nimt  Kubicki  an,  die  erste  prytanie  habe  blosz  26  tage  enthalten,  zu 
welchen  noch  die  ersten  tage  der  zweiten  prytanie  kommen,  dürfte 
man  eine  so  willkürliche  und  unverständliche  prytaniebemessung 
annehmen,  so  könnte  man  auch  behaupten,   die  erste  habe  blosz 

11  tage  enthalten:  diese  und  die  3  ersten  tage  der  zweiten  zu  1434 
hinzugefügt  würde  sich  die  summe  1448  ergeben,  die  Unmöglich- 
keit der  zahlen  1464  und  1434  wird  sich  aber,  von  dem  bisher 
gesagten  abgesehen  auch  aus  den  bemerkungen  zu  n.  2,  n.  4  und 
jähr  lY  herausstellen,  die  von  Böckh  und  Kubicki  ergänzte  formel 
TÖKOC  TOÜTOic  ^T^veTO  oder  toütoic  tökoc  ^t^vcto  ist  nicht  die 
einzige,  welche  in  den  angaben  über  die  einzelzinse  für  Athenaia 
Polias  vorkommt:  ebenso  oft  findet  sich  tökoc  toütov  oder  TOÜTOV 
TÖKOC ;  an  andern  (verstümmelten)  stellen  kommen  auf  die  formel 
teils  mehr  buchstaben  als  TÖKOC  TOUTOiC  ifivexo  (vgl.  s.  252),  teils 
weniger^  als  tökoc  toutov  enthält^  und  es  ist  daher  hier  ebenso- 
wohl die  an  wen  düng  einer  andern  formel  wie  das  vorkommen  eines 
textfehlers  annehmbar,  schreibt  man  tökoc  t[outoic  dXoTicOe,  so 
ist  die  verlangte  stellenzahl  gewonnen;  der  ausdruck  schlieszt  sich 
an  den  der  unmittelbar  vorausgehenden  Überschrift  [rdbe  TO  TÖKO 
^XoTicavjTO  an. 

Im  datum  der  Zahlung  schrieb  Böckh  in\  T€C  KcKpoTTlboJc 
TTpuTOveiac  beuT^[pac  irpuTOveuöcec  T^rrapec  ^jn^pai  ica . . .  €[X€- 
XuOuiac,  indem  er  vermutete,  der  Steinmetz  habe  aus  versehen 
£caTÖC€C  gesetzt  und  dann  die  buchstaben  atoc  getilgt  Bitten- 
berger  erinnert,  dasz  von  spuren  einer  tilgung  nichts  gemeldet  wird, 
und  schreibt  passend  T^rrapec  ^|i^pai2ca[v  k]e[XeXu9uiac.  Kubicki, 
dem  diese  Verbesserung  unbekannt  geblieben  war,  will  €ca[v  ^c]€[X€- 
XuOuiai;  aber  ^cievai  in  solchem  zusammenbang  verlangt  ein  per- 
sönliches subject,  darum  ist  auch  seine  ergänzung  ^ceXeXuOfaci 
z.  10  (vierte  Zahlung)  statt  des  participiums  ^C€X€Xu6[uac  (ver- 
schrieben st.  dceXeXuOuiac) ,  das  der  Sprachgebrauch  der  Urkunde 
verlangt,  zweifach  unzulässig. 

2.  Capital  50  tal.  (also  tageszins  1  drachme);  zins  2  tal.  1970  dr. 
(zusammen  13970  dr.),  was  1397  zinstage  ergibt;  vom  datum  ist 
nur  name  und  zahl  der  prytanie  (Kekropis,  II)  erhalten ;  wurden  für 
n.  1  richtig  1409  zinstage  angenommen,  so  fällt  die  zweite  Zahlung 

12  tage  später,  auf  pryt.  II 16.  die  in  diesem  sinne  von  Böckh  vor- 
genommene ergänzung  beuT^pac  irpirraveuöcec  [T]oi[c  auToTc  hcxc- 
Kaib€Kd]T€i  TTpUTOveiai  ist  sprachwidrig;  nach  dem  muster  von 
lA.  IV  179  *»  z.  12  dJjLi^pai  Xoiiroi  ecav  ökt[ö]  schreibt  Dittenberger 
[X]oi[iTOV  Jti  eiKOCi  djicpov]  Tel  irpuTaveiai,  was  zu  der  in  n.  7  auf- 
gestellten prytaniedauer  passt.  Kubicki,  dem  die  zweite  Zahlung 
(1434—1397  =)  37  tage  später  fällt  als  die  erste,  gibt  infolge 


so  in  o.  6,  wahrscheinlich  infolge  eines  textfehlers. 


24f) 


GFUnger :  die  sdnBurkunde  tu  ol.  88,  a  —  89,  2. 


des  Sien  der  zweiten  prytanie  die  ungeheure  zahl  Ton  48  tagen  und 
schreibt,  in  der  form  ebenfalls  nach  dem  muster  der  citierten  in- 
Schrift  [X]oi[Trai  icav  HerrToi  ^^^pai]  tIi  irpuTOveiai. 

3.  Datum:  pryt.  IV  Pandionis,  tag  5;  vom  capital  nur  der  an- 
fang  A  erhalten;  zins  T[Xr»]HHAP>»-»-HI.  da  auf  pryt,  II— VII  je 
35  tage  kommen  (s.  n.  7),  so  sind  wegen  n,  1  und  2  auf  die  dritte 
Zahlung  1338  zinstage  zu  rechnen;  diese  würden  für  den  zins  1  tal. 
1719  dr.  2  ob.  eigentlich  ein  capital  von  28  tal.  5079  dr,  1  ob. 
-voraussetzen f  aber  die  2  obolen  können  auch  auf  abrundung  eines 
bruches  beruheu.  Böckhs  ergänzung  28  tal.  5078  dr.  ergibt  einen 
zins  von  1  taL  1719  dr.  1,6728  ob,  (vgL  n,  4  und  6);  sie  ist  zwar 
um  eine  bucbstabenstelle  zti  lang ,  aber  auslassung  eines  bucbstaben 
kommt  in  der  inschrift  öfters  vor,  sie  kann  auch  durch  nachtrftg^| 
liehen  einschub  verbessert  gewesen  sein  oder  es  waren  drei  leicheii 
auf  dem  räum  von  zweien  ^uäammengedräDgt,  Kubickis  ergänzung 
vermeidet  diese  Schwierigkeit,  hängt  aber  mit  seinen  irrigen  voraus- 
tietzungen  zusammen. 

Das  datum  entspricht  dem  22  pjauepsion  ^  24  nov.  426;  o\ 
die  Zahlung  den  kosten  der  reinigung  von  Dolos  galt,  läszt  sich  des* 
wegen  nicht  sagen,  weil  Thukydides  III  104  diese  nnr  allgemein  in 
das  Winterhalbjahr  setzt,  die  zwei  ersten  Zahlungen  könnten  für 
früher  ausgeschickte  £otten  bestimmt  gewesen  sein,  vgl.  Thuk. 
III  91,  99  ua,  man  kann  auch  an  die  bedürfnisse  der  flott^nstation 
in  Naupaktos  denken,    vgl,  zu  n,  5  und  6, 

4.  Prytanie  Akamantis  (laut  n,  5  die  achte),  tag  5;   capital 
AA4A[T]TTTXXX  (das   von  den  übrigen  zahlen  verlangte  T  will 
Pittakis  noch  gelesen  haben);  zins  verloren,   wegen  der  35tägigeiiä 
dauer  der  vorausgehenden  prytanien  sind  1198  zinstage  anzunehmeiigl 
welche  einen  zins  von  1  tal,  4662  dr.  1,2  =  rund  1  ob.  ergeben,' 
durch  diese  abrundung  wird  der  in  n,  3  bei  dem  abrun dun gs verfahren:! 
der  logisten***  gemachte  zusatz  von  0,3272  ob.  auf  0,1272  ob,  herab'| 
gemindert,  vgl.  n.  6  und  jähr  IV  s.  255.    Kubicki  hält  solche  com* 
pensationen,   wo  sie  nicht,  wie  bei  den  zinsen  aus  den  collectiv. 
darlehen  der  ^andern*   götter,   notwendig  seien,   für  unstatthaft; 
gerade  aber  bei  diesen  laasen  sie  sich  weniger  annehmen  als  bei  des 
andern:  schon  Böckh  hat  s.  232  bemerkt,  dasz  man  das  einer  de 
^andern'  gottheiten  zu  viel  angerechnete  nicht  einer  andern  abrechnen 
konnte,    warum  aber  bei  mehrern  auf  einander  folgenden  darlehe 

'  dmss,  wie  BÖokh  meint,  der  obol  nahe  an  die  draehmencifirern 
berangeachriebeo  g'ewesen  sei,  braacht  man  niohl  anKunefamen;  an  das 
ende  dloioa  poflteoB  kann  auch  der  anfan^  des  nächatett  obne  leere 
awUchenatelle  gegTenii  haben,  wie  n.  4  an  n,  3.  *^  an  den  aonder- 
vinsen  fär  die  einzelnen  teilgnthaben  der  ^'andern^  götter  hat  Böckb 
geseigt,  dasz  nicht  blo«B  die  über  die  hälfte  des  i wischen  der  klein c>rn 
und  der  grossem  runden  zahl  bestehenden  anteracbiedes,  sondern  icboaJ 
die  über  das  viertel  deaaelben  hinausgehenden  brüche  der  gröazern  zm^ 
gerechnet  wurden.  Kubicki,  der  jede  abwerfung  eines  obolenbruches  fil 
nugebräuchlich  erklärt,  scheint  Böckbs  darlegnng  übersehen  an  haben 


GFÜBger:  die  srntorkruide  zu  oL  86, 3  —  89, 2.  241 


6mer  und  derselben  gotiheit  ein  Bolcbee  verfahren  onfultong  i 
solle,  hat  Knbieki  nicht  gesagt,  nnd  BOckh  s.  109,  den  er  dtiert,  ist 
▼ielmehr  der  entgegengesetzten  meinnng.  einen  zur  Idire  Ton  den 
1464  tagen  passenden  zins  für  das  fiberlieferte  datum  ans  44  V^  taL 
zn  finden  ist  unmöglich;  sie  scheitert  schon  an  dieser  einzigen  stelle. 
Kubicki  Termntet,  das  capital  sei  in  zwei  raten  zur  aoszahlnng  ge- 
kommen, am  5n  piytanietag  40  taL  3500  dr.,  fOr  welche  1198  zins- 
tage, also  1  tal.  3723  dr.  4,6  ob.  zins  bereclmet  worden  seien,  nnd 
am  6n  tag  3  tal.  5500  dr.,  welche  in  1197  tagen  937  dr.  3,  9  ob. 
liefern  mästen:  der  zins  für  das  ganze  wfirde  demnach  1  tal.  4661  dr. 
2^2  o^-  betragen  haben,  diese  kfinstliche  hjpothese  vertrSgt  sich 
nicht  mit  dem  text,  nach  welchem  das  ganze  an  einem  einzigen,  dem 
5n  ta^  zur  auszahlnng  gelaugt  ist;  der  begriff  Ton  raten  Zahlungen 
Iftszt  sich  hier  fiberhaupt  nicht  anwenden,  weil  sie  gleiche  oder 
wenigstens  gleichm&szige  grösze  der  teilsummen  Toraussetzen :  waa 
Kubicki  aufstellt,  wfirden  einfach  auszahlungen  Ton  betrtgen  sein, 
welche  wegen  ihrer  yerschiedenen  zeit  als  verschiedene  eapitalien 
gelten  mtlsten;  von  vom  herein  scheitert  aber  der  ganze  Ter^udi 
daran,  dasz  nicht  die  'raten'  selbst  angegeben  sind :  denn  der  zweck 
der  Urkunde  ist,  die  richtigkeit  der  Zinsberechnung  darzulegen,  an 
dem  zusammenstimmen  von  zeit,  capital,  zins  nnd  zinsfosz  sollte 
sich  jeder  bfirger  von  ihr  fiberzeugen  können ;  das  wfirde  aber  un- 
möglich gewesen  sein,  wenn  von  den  auszahlungstagen  nur  der  eine 
und  Ton  den  raten  gar  keine  genannt  wäre:  der  leser  wfirde  ja  diese 
Zahlung  in  derselben  weise  berechnet  haben  wie  alle  andern  und 
dadurch  auf  einen  ganz  andern  zins  gekonunen  sein. 

5.  Piytanie  Vm  Akamantis;  capital  100  taL  (welche  tiglieh 
20  dr.  abwerfen);  zins  3  Ul.  5940 dr.  (zusammen  23940 dr.);  zins- 
tage also  1197.  auf  den  prjtanietag  konunen  4  stellen  (h^x^,  örrö, 
b^Ka);  mit  öktö  (=  1204  zinstagen  ffir  pr.  Ylll  1)  wfirde,  die 
7  ersten  prytanien  zu  245 — 249,  bei  ^chalttag  250  tagen  genommen 
die  tagsumme  der  4  jähre  auf  1449 — 1454,  mit  öeica  («»  1206  z. 
ffir  pr.  Vin  1)  auf  1451—1456  steigen,  aber  ihr  höchster  betrag, 
wenn  wie  hier  nur  6ines  den  schaltmonat  gehabt  hat,  steigt  auf  1446 
(s=  354  384  und  zweimal  355).  also  ist  Hixc  einzusetzen,  der 
hohe  betrag  des  capitals  ISszt  Termuten  dasz  es  ffir  die  ausrfistnng 
zu  einer  gröszem  neuen  Unternehmung  bestimmt  gewesen  seL 
prjt.  VlU  6  =>  15  elaphebolion  entspricht  dem  13  april  425:  die 
Sendung  des  Euijmedon  mit  40  schiffen  nach  Sikelien,  welche  zur 
einnähme  von  Pjlos  führte,  geschah  unö  Touc  auTOVc"  xpö^ovc 
ToO  J)poc  irpiv  TÖv  ciTOV  dv  dx^q  elvoi  Thuk.  IV  2,  also  nach  be- 
ginn der  getreideblfite,  welche  durchschnittlich  bei  der  gerste  um  den 
4  april  greg.,  bei  dem  weizen  um  den  18  april  eintritt,  s.  AMommsen 
mittelzeiten  s.  6;  julianisch  sind  diese  data  ffir  jene  zeiten  um  7  tage 
zu  erhöhen,    möglicher  weise  bezieht  sich  auch  die  vierte  Zahlung 


"  bezieht  sich  auf  IV  1  «cpi  ctTOU  iKßoXifV. 
Jahrb&eher  fir  das».  phUol.  1S9S  hfl.  4  u.  5.  16 


242 


OFÜngef ;  die  ^insurkunde  zu  oL  88,  3  —  ( 


(wenn  sie  nicht  wie  n.  1  und  2  zu  i^rkläreii  ist,  s.  n.  3)  auf  diese 
unternehmang:  ol.  91,  2  «^  414  vor  Ch.  wurden  am  prytanietag 
Vill  3  für  das  Leer  in  Slkelien  300  tal  und  13  tage  später  für  die 
schiffe  y  weleiie  das  geld  überbringen  sollten ,  3  tal.  2000  dr.  ange- 
wiesen, CIA,  I  183. 

6.  Prytanie  X  Erechtbeis,  tag  7;  vom  capital  nur  der  anfang 
4FT  vorhanden I  vom  zins  faßt  der  ganze  betrag  in  XXXXHPAAI-H, 
folgt  eine  Iticke  »  .  .  K€Cpd]Xatov  usw.,  deren  anfang  Böckh  mit  IC: 
ausfüllt,  dem  niedrigsten  oboltjnbetrag,  welcher  sich  ergänzen  läs^t. 
von  pryt»  VIII  6  (=  1197  zinstagen)  zu  pryt.  X  7  führen  2  prjtanie- 
längen  und  1  tag;  zwei  prytanien  zu  35  oder  36  tagen  enthalten 
eigentlich  70 — 72,  wenn  ihnen  aber  die  über  350  hinausschieszen- 
den  tage  des  gemelnjahrs  ganz  oder  zum  grüsten  teil  zugesclilagen 
öind^  73  74  oder  (bei  tchalttag)  75  tage;  auf  pryt»  X  7  können  alao 
1121  —  11 2G  zinstage  gerechnet  sein,  auf  lll'2 — ^1125  wird  der 
Spielraum  dadurch  beschränkt»  dasz  die  letzte  prytanie  35  oder  36| 
bei  Bcbalttag  37  tage  enthalten  haben  kann,  von  pryt*  X  7  bis  zum 
Jahreswechsel  also  29—31  tage  laufen,  welche  mit  den  (1448— 354 
oder  355  ^)  1094  oder  1093  tagen  der  drei  andern  jähre  zusammen 
1122 — 1125  zinstage  liefern»  mit  1125  tagen  würden  wir  aua 
4172  dr.  27^—572  ob*  ein  capital  von  18  tal.  und  ca.  3260  dn  er- 
halten, mit  1124  ein  solches  von  18  tal,  und  ca,  3362  dr.,  mit  1123 
eineä  von  18  tat,  und  ca.  3463  dr. ;  zu  der  summe  der  6  darlehen 
des  Jahres  passen  blosz  1122  tage  und  die  ergänzung  der  zinsobolen 
auf  2^/2*  damit  bekommt  Böckh  ein  capital  von  18  tah  3562  dr., 
welches  einen  zins  von  4172  dr.  2,6128  ob.  liefert;  durch  den  ab- 
wurf  von  0»0128  ob,  bei  der  abrundung  auf  2^/^  wird  der  bei  n.  4 
noch  0,1272  ob»  betragende  zuaatz  auf  ca.  7^  obol  (=  0^1144) 
herabgemindert.  Schwierigkeit  macht  die  zinsformel,  von  welcher 
nur  tfivejo  erhalten  ist.  von  den  17  stellen  der  vorausgebenden 
lücke  entfallen  10  auf  die  verlorene  gröszere  hälfte  des  eapitals; 
bleiben  7,  für  welche  sich  keine  andere  ergänzung  alsTOUTOic  bietet, 
B5ckh,  dem  Kirchboff  und  Dittenberger  zustimmen,  nimt  daher  an^ 
vor  TOUTOic  sei  aus  versehen  wegen  der  Identität  der  zwei  anfangs- 
buchstaben  tÖkoc  weggelassen  worden,  eine  bei  den  zahlreichen 
ungenauigkeiten  der  inschrift  unbedenkliche  annähme.  Kubicki 
konnte  in  seinem  sinne  die  ergänzung  so  gestalten,  dasz  zur  formel 
nur  6  stellen  der  lücke  nötig  sind;  demgemäsz  ergänzt  er,  aber 
gegen  den  Sprachgebrauch,  tökoc  ^ttJct^vcto  ;  durch  seine  1112  zina- 
tage  bekommt  er  für  die  letzte  prytanie  blosz  26  tage  und  für  daa 
ganze  Jahr  ein  wunderliches  conglomerat  vonprytaniellngen:  26  4S 
39  36  38  38  38  36  48  26  tage. 

Das  datum  pryt.X  7  «=>  2  skirophorion  entspricht  dem  27juni42^: 
nm  diese  zeit  wurden  20  neue  schifife  und  bald  danach  Kleon  mit  dea 
hopliten  von  Lemnos  und  Imbros,  ferner  mit  peltasten  und  schlitzen, 
400  an  der  zahl,  nach  Pylos  geschickt  (Thuk  IV  23. 28).  einer  von  diesen 
swei  Sendungen  kann  die  Zahlung  gegolten  haben;  vgl  indes  zn  n»  3. 


GFÜoger:  die  zinsurkimde  za  oL  88,  3—89,  2.  243 

7.  Die  summiemngen.  die  schlaszziffem  des  gefeamtzin&es,  mit 
welchem  die  rechnung  des  Jahres  ahscfalieszt ,  ergehen  99  dr.  1  ob., 
womit  Euhickis  samme  stimmt;  aber  dasz  der  ranm  zwischen  dieser 
nnd  der  zweiten  jahresrechnang,  welcher  ganze  6  stellen  einnimt, 
von  anfang  an  so  vollständig  leer  gewesen  sei,  wie  es  jetzt  der  fall 
ist,  hält  Böckh,  dessen  rechnung  auf  99  dr.  5%  ob.  föhrt,  mit  recht 
für  anwahrscheinlich ,  da  an  vielen  stellen  der  inschrift  teils  ganze 
buchstaben  oder  zeichen  teils  stücke  derselben  vollständig  unsicht- 
bar geworden  sind  und  der  mit  Sicherheit  ergänzte  fibergang  vom 
2n  zum  3n  jähr  nur  4  freie  stellen  zählt,    einen  Zwischenraum  von 

3  stellen  bekommt  Böckh  durch  die  ergänzung  I [III IC;  drängen  wir 
die  5  obolenstriche  auf  2  stellen  zusammen  (vgl.  s.  258),  so  kommen 
auch  hier  auf  den  leeren  räum  4  stellen. 

Prytanielängen.  von  pryt.  VIII 6  bis  X  7  laufen  (1197— 1122  =) 
75  tage,  auf  YIII  und  IX  zusammen  kommen  also  74,  auf  jede  von 
beiden  37 ;  hat  das  jähr  354  tage  enthalten ,  so  folgt  hieraus  dasz 
von  den  4  über  350  hinausschieszenden  tagen  nicht  auf  vier  prj- 
tanien  je  1 ,  sondern  auf  zwei  je  2  tage  mehr  als  35  tage  gezählt 
worden  sind;  alle  übrigen  prytanien  sind  dann  35tägig.  Böckh 
kommt  zu  36  tagen  für  die  letzte  prjtanie  und  damit  wegen  der 
1409  tage  von  n.  1  zu  355  für  das  ganze  jähr  und  1448  für  die 

4  jähre ,  indem  er  unrichtig  den  auszahlungstag  von  den  zinstagen 
ausschlieszt.  beseitigen  wir  diesen  fehler,  so  bleiben  der  letzten 
prjtanie  blosz  35 ,  dem  ganzen  jähre  354  und  den  4  jähren  1447 ; 
aber  für  letztere  ergeben  sich  aus  j.  IV  4,  s.  256  doch  1448.  daraus 
folgt  dasz  die  erste  prjtanie  durch  ausstAttung  des  hekatombaion 
mit  einem  Schalttag  von  35  tagen  auf  36  gebracht  worden  ist.  die 
hierzu  nötige  Voraussetzung,  dasz  jener  monat  ursprünglich  nur 
29  tage  enthalten  habe ,  trifft  wirklich  zu ,  s.  Zeitrechnung  der  Gr. 
u.  B.  §  34  in  IMüUers  handbuoh  II'  s.  749. 

n.    Ol.  89,  3  =  425/4  vor  Gh.  354  tage. 

Zahlung  datum  capital  zins  zinstag« 

1  pr.  IV3  80  t.  5910  d.  986 

2  IX  1[6]        tOOt.        [2  t.  3900  d.]         796 

summe:  1[30  t.  3  t.  3810  d.J 

So  Böckh  s.  115,  nachdem  Redlich  einen  kleinen  fehler  seiner 
ersten  rechnung  verbessert  hatte ;  ebenso  die  spätem. 

N.  1.  Capital  30  tal.,  zins  5910  drachmen.  das  datum  prjt.  IV 
(name  der  Aigeis  oder  Oineis  verloren)  tag  3  entspricht,  wie  aus  der 
zahl  der  zinstage  hervorgeht,  dem  11  nov.  425  =  21  (beim  voraus- 
gehen eines  Schalttags  dem  20)  pjanepsion,  gehört  also  dem  Winter- 
halbjahr des  Thukydides  (IV  50  ff.)  an,  welcher  von  einer  thätig* 
keit  des  hier  erwähnten  Demosthenes  nichts  meldet-  aus  den  werten 
cxpaTCToTc  Trepp  TTe]XoTTÖvvecov  AcjiocG^vei  'AXkicG^voc  'Acpi- 
b[vaioi  ist  geschlossen  worden ,  derselbe  sei  nach  der  zu  ende  des 
Sommerhalbjahrs  erfolgten  heimkehr  des  heeres  (Thuk.  IV  39)  bei 

16  • 


244 


Gfünger:  die  zmeurkunde  zu  oi  88,  3—8^,  % 


den  10  Pylos  zurückgelassenen  Naupaktiem  (Tbuk.  IV  41)  geblie- 
ben; dann  wöre  er  aber  der  einzige  Stratege  gewesen  i  welcher  das 
geld  bätte  verwenden  können ,  während  die  inschrift  von  mehreren 
spricht,  diese  müssen  sich  bei  Demostbenes  befunden  haben  und  er 
der  oberan führet  gewesen  eein.  es  iKt  also  an  einen  TicpiTrXouc  zu 
denken ;  Thnkydides  hat  ihn  wahrscheinlich  deswegen  nicbt  erwähnt^ 
weil  er  lu  keiner  nennenswerten  Unternehmung  geführt  batte,  die 
wähl  der  zu  Seefahrten  wenig  geeigneten  Jahreszeit  hatte  ihren  grund 
vielleicht  in  der  absiebt  die  Peloponnesier  unvorbereitet  zu  treffen* 
durch  die  winterstürme  kann  die  Unternehmung  auch  gehindert,  ab- 
gek(lr£t  oder  ganz  vereitelt  worden  sein. 

2*  Pry tanie  IX  Pandionis ;  die  ergänzung  it^fittiei  Koi]  beKdtet 
^|i€pai  ist  wegen  der  stelLenzabl  der  lücke  notwendig;  dasselbe  gilt, 
wie  Böckh  zeigt,  von  der  ergfinzung  des  verlorenen  zinses  für  diese 
Zahlung,  capital  100  talente.  die  hieraus  entspringende  zahl  von 
795  zinstagen  führt  auf  den  20  mal  424  ^  4  (bei  vorausgegangenem 
Schalttag  3]  tbargelion.  laut  der  von  Böckh  gefundenen  ergänzung 
CTpaTexoic  [NiKtai  NiKCpdto  Kuba]vTibei  koI  xcuvdpxo[civ  ist  die 
fahrt  des  Nikias,  Nikeratog  und  Autokles  mit  60  schiffen,  2000 
bopliten  und  einigen  reitern  nebst  truppen  auti  Miletos  und  andern 
bundesst&dten  gegen  Kythera  gemeint,  welche  den  dritten  Vorgang 
des  äommerhalbjahrs  Tbuk.  IV  52  bildet;  der  erste  war  die  Sonnen- 
finsternis des  21  märz  424.  z witschen  dem  ersten  und  zweiten,  ebenso 
zwischen  diesem  und  der  fahrt  des  Nikias  musz  längere  zeit  ver* 
flössen  sein,  weil  von  den  im  andern  fall  gewöbnlicben  Zusätzen  wie 
URO  TOUC  aÖTOUC  XPÖVOUC  ndgh  bei  Thukjdides  keiner  zu  lesen  ist, 
Kubicki  bringt  die  Zahlung  auf  den  24  m&rz,  nur  drei  tage  nach  der 
finsternis, 

3.  Die  drei  ersten  prytanien  enthalten  zusammen  10*i  tage,  die 
differenz  zwischen  den  {1448  —  365  =)  1093  zin^tagen  von  pryt, 
I  1  und  den  (2  +  985  ^)  987  von  pryt.  IV  1 ;  auf  zwei  kommen 
also  je  36,  auf  6iöe  36.  von  prjt.  IV  l  («^  987  z.)  bis  IX  1  (=  809  z., 
die  summe  von  14  und  795)  laufen  178  tage;  von  den  fünf  pry- 
tanien IV — Vin  zählen  also  zwei  je  35,  drei  je  36  tage,  für  IX 
und  X  verbleiben  je  35,  wenn  das  jähr  354  tage  enthielt,  dagegen 
für  eine  von  beiden  36,  wenn  ein  Schalttag  hinzugefügt  war.  die 
frage,  ob  der  zweite  der  2  scbalttage,  durch  welche  die  tagsumme 
der  4  jähre  auf  1448  gebracht  wird,  dem  zweiten  oder  dem  vierten 
beizulegen  ist,  läszt  sieb  aus  der  Urkunde  selbst  nicht  beantworten; 
für  das  4e  jähr  sprechen  erwögungen  anderer  art. 

Im  jähr  432  gieng  der  attische  kalender  2  tage  zu  früh :  der 
1  faekatombaion  traf  auf  den  14  juli,  er  hätte  aber,  wie  es  bei  Meton 
der  fall  ist,  auf  den  16  treffen  sollen«  man  hatte  also  zweimal  ver* 
sttumt  einen  tag  einzuschalten ,  was  in  je  1 6  jähren  3  mal  geschehen 
muste.  neun  jabre  später  ist  die  Unordnung  noch  grßszer:  in  den 
Wolken  des  Anstophanes,  aufgeführt  im  elaphebolion  ol.  89,  1 
^m  423,  zürnt  laut  v.  615 — 626  Selene  den  Athenern,  insbesondere 


GFÜMcr;  &t  ■■■iHUffi i.iAt  ix  <;i.  flk  S~ gl  1.  345 


dem  hSeroMifw  Hjpnio^.  v>e£I  oe?  küsBAcr  &S£±i  izs  »^flim 
stimmt;  toensf  wird  im  ehfiäiebc'Bca  ^^.  2  «»  4^1  ü  «xf  eänoL 
der  TCfgaBgeBkäf  aBccbSrcBi«»  isfiULi  kia^rviescs  Ar.  FTätoe 
406 — 415  i.  in  der  zvis^ttesudi  wem  &}««•  isitkjre:^  i<hau7SM^  ä.- 
gekgt  worden,  nach  Uck.  IT  11^  f.  T  l&i^«c^I5es<s  rär:  cl.  ^«1 
entsprach  der  14  elapbtbclica  dem  12a  m.:a«fUg  d«  lakcKssüien 
kalenders,  dagegen  ^9,  S  der  25  el&pbetcüc«  ces.  27n  mi'WTrrig 
der  Lakedaimonier.  doch  var  einer  Tcn  dSeaen  sci^ihtagen  vzr  cm 
uneigentlidMT,  nemück  der  li^i  2<»  tSgigem  bek&icmbakn  des  scb&h- 
jahres  mr  nominellen  fessibaltiüif  bestbidigen  wecLsiels  bctier  cnd 
Toller  monate  bei  einem  der  kehlen  angebnchle  scbein'taiY  Tcn 
oL  89,  1  (leitrechnang  d.  Gr.  c.  EL  §  14\  bei  anderer  abfei^  der 
bohlen  und  Tollen  monate  konnte  der  lakonische  k^cnder  jeiieneit 
nm  1  tag  Ton  dem  attischen  abweichen,  ohne  dasi  der  eine  rem  bei* 
den  fehl^haft  gieng.  die  zweit&gige  di^erenz  oL  8*9. 1  im  jxsammes- 
halt  mit  der  Tiert&gigen  oL  89,  3  beweist ,  dasi  der  fehler  des  atsi* 
sehen  im  jähr  oL  89,  1  iD  Wirklichkeit  3  tage  betrag,  sollte  das 
jähr  ol.  89,  4,  wie  es  der  mond  Terlangte,  mit  dem  14  jnli  421  an- 
fangen, so  mästen  aosxer  den  2  schon  ol.  87.  1  rerabsiiamten  schah- 
tagen bis  (labin  noch  2 ,  im  ganzen  also  4  hiniogeftlgt  werden :  der 
erste  Ton  ihnen  ist  der  des  ersten  dn^jahres  ol.  88,  3.  wSre  nun  der 
zweite  schon  in  nnserm  jähre  ol.  SS.  4  hinzugekommen,  so  wfirde 
der  fehler  im  nächsten  nar  noch  2  tage  betragen  haben,  eine  fftr  das 
aufbeben,  welches  im  D&chsten  jähre  Aristophanes  Ton  der  sache 
macht,  zn  geringf)igige  abweichong;  dasz  sie  3  tage  ausmachte,  ist 
aas  Tbnkjdides  gezeigt  worden,  wir  geben  daher  den  nichsten  Schalt- 
tag dem  vierten  zinsjahr. 

m.   OL  89,  1  =  424,23  Tor  Ch.  384  tage. 

Hier  zeigt  sich  der  text  so  mangelhaft ,  dasz  Tor  Kabicki  keine 
erg&nznng  der  zahlen  versocht  worden  ist  und  jeder  Tersnch  nnr 
wenig  ansprach  auf  Sicherheit  machen  kann,  wir  geben  unter  vor- 
behält: 

BShlong'       datun  capital  zint  sicttag« 

1  pr.[I]26  [ca.32t.4043d.8*,o.]  4666d.5o.  714 

2  [II]  12         33  [od.  24  L  0-5999**  „d.  3169d.  2*  ,o.— S450d.]  690od.e89 
8          V[I9od.lO  5t.43]00d.  632d.  l^o.  55S 

4  [Vm]30 [ca.  60— 63  t ca.  M72- 5783,6  d.]    457  od. 456 

ramme:  [ca.  123t.  ca.  2t.  2339,5— 253 1,5 d.] 

Kubickis  entwurf  ist  folgender : 

1  pr.[Il]26  [34t.2757d.5o.]  4665d.5o.  677 

2  [III]  12  23t.  [5397d.  3o.  3135d.  4o.]  656 
8  V[I6  5t.48]00d.  632d.  1*  ,o.  545 
4           [IX]  SO                [8  t.  5045  d. 730d.  l' ,o.] ^413 

summe :       [73 1.  2  d.  1 1. 3164  d.] 

N.  1.  Zahl  und  name  der  prytanie  verloren;  ebenso  das  capital. 
zins  4665  dr.  5  obolen.    der  zusatz  HeXXevoTajLiiaic  H^voic  lehrt, 


246 


GFÜnger:  die  «naurkuDde  kq  ol.  88,  3—89»  2. 


wie  Rircbhoff  bemerkt,  dasz  das  geld  im  vorjabr  von  den  Helleno- 
tamien  geliefert  worden  war  und  jetzt  an  sie  zurQckgezablt  wurda 
wenn,  wie  wabrscbeinlichf  die  zweite  Zahlung  in  der  zweiten  prytanie  ^ 
geleistet  worden  i^t,  so  läszt  sieb  die  erste  nur  in  die  I  prjtanie 
setzen'*;  trifft  dies  zu,  go  kann  man  den  antrittstag  der  tempel^chaiz* 
meiater  etwas  genauer  bestimmen  als  es  bisber  muglicb  war.    er* 
miltelt  istj  dasz  er  nicht  auf  den  1  hekatombaion,  8ondern  ein  paar 
Wochen  später,  in  die  Panathenaientage  (vgl.  lA.  I  32)  fiel:  lA. 
I  189 1  6  zahlen  sie  noch  nach  dem  20  bekatombaion  aus^  haben 
also  frühestens  am  22  hekatombaion  des  Yorhergehenden  kalender- 
jahres  das  amt  angetreten;  lA.  I  88  dienen  die  alten  Schatzmeister 
noch  in  der    zweiten   hälfte  dieses   monats,   lA,  1  179   noch   am 
13  bekatombaion-  JA.  I  180  z.  4/5  finden  wir  die  neuen  entweder 
&cbon  am  22  hekatombaion  oder  am  2  (3)  metageitnion  im  omt: 
HCMepai  b£UT[^pai  Kai  eiKOciii  itc  TTpuiavciac  schreibt  Bockb,  Kai 
TpiaKOCxii  ergänzt  Müller- Strtlbing.    cultushaupttag  und  ursprüng- 
lich,   db.   vor  Peisistratos   einziger  tag  der  Panathenaien  war  der 
28  bekatombaioti ;  gichon  die  in  je  3  von  4  Jahren  gefeierten  ^kleineii' 
waren,  wie  das  bekatombenopfer,  die  ausstaitung  mit  spielen  nnd 
der  name  TTava9r|vaia  lehrt,   ein  groBzes,  mehrlagiges  fest,  deoi 
AMommsen  mit  2  tagen  vielleicht  eine  um  1 — 2  tage  zu  kurze  daue 
beilegt;  die  *^gro8zen*  wurden  alle  4  jähre  4m  TroXXac  fj^epac  ge*^ 
feiert  (schoL  Eur*  Hek,  465;  die  4  tage  schol.  zu  Aristeides  b.  98. 
196.  197  gelten  wohl  den  ärmlichen  verbäHnissen  Athens  in  der 
kaiserzeit);  AMommsen  heortoL  s.  204   findet  als   maiimum  def 
beraten  zeit  Athens  9  tage,    während  das  peloponnesi^chen  kriegee' 
begannen  sie  am   22  bekatombaion   oder  an  einem   der  zwei  an- 
grenzenden   tage:    der   418   mit  Argos,    Mantineia  und   Elia  ge- 
5cblosi»ene  bund  sollte  alle  2  jabre  und  zwar  bald  in  diesen  Städten 
30  tage   vor  den   Olympien    (416   412  408  usw.)  bald  in  Athen 
10  tage  vor  den  groszen  Panathenaien  (414  410  usw.)  von  neuem 
beschworen  werden  (Thuk.  V  47);  die  Oljmpien  begannen  damalii 
am  12n  tage  des  dem  metageitnion  entsprechenden  eleischen  monata,] 
B*  Zeitrechnung  in  lÄIüllers  handb,  I*  772,  demnach  sind  die  tempel*, 
Schatzmeister  frühestens  am  22n  und,  wenn  diese  Zahlung  der  I  prj- 
tanie angeh($rt,  spätestens  am  26  hekatombaion  ins  amt  getreten; 
fraglich  bleibt  auch,  ob  sie  im  dritten  oljmpiadenjahr,  dem  jähre  de 
groszen  Panathenaien ,  nicht  früher  antraten  als  in  den  drei  andern 
Wenn  das  vierte  jabr  355  tage  enthalten  hat,  so  kommen  auf 
das  dritte  und  vierte  zusammen  739;  für  prjt.  I  26  ergeben  sichl 
hieraus  714  zinstage,  welche  für  den  angegebenen  zins,  falls  die 
obolenzabl  nicht  abgerundet  ist,  ein  capital  von  32  lal.  4043  dr.  2  '/j  ob.j 
voraussetzen;  seine  Ziffern  füllen  18 — 19  stellen,    zwischen  h^kt€ 
Kai  eiKOCiei  xec  TTpuTav€l[ac  und  tökoc  toüJtoic  iyivero  ist  ein 


^*  bei   irpdtcc  trpuTavCu]dC€C   kommen   auf   deo  namen  ihrer  pbjl«] 
18  stellen,  welche  nur  voa  HiwiroOovri&oc  ausgefüllt  werden« 


GFÜnger:  die  zinsorkiinde  za  oL  88,  3— 89,  2.  247 

lücke  von  42  stellen,  von  welchen  32  ihrer  hesetzong  harren. 
Kubicki  füllt  sie  nach  dem  master  von  z.  20  mit  ^x^  ömcGoböjLio  ** 
und  den  19  ziffem  seines  capitals  aas;  wir  setzen  dceXeXuBuiac  (vgl. 
z.  22  Tt^jiTTTCi  KQi]  ly€KdT€i  iji^pai  TCC  7t[puTav]€iac  ^ceXeXuOuiac); 
ffir  das  capital  bleiben  dann  20  stellen,  welche  zb.  von  32  tal. 
4043  dr.  öy.^  ob.  (zins  eigentlich  4665  dr.  5,0713  ob.)  gefüllt  wer- 
den, falls  die  5  obolenstriche  3  stellen  einnahmen;  vgl.  s.  256. 

2.  Name  und  nummer  der  prytanie  verloren;  tag  12.  vom 
capital  ist  der  anfang  ^A"!"!"!*  erhalten,  der  rest  und  die  zinsangabe 
füllten  35  stellen,  wenn  nach  ihnen  behufs  absonderung  der  nftch- 
8ten  Zahlung  eine  leer  gelassen  war.  die  erste  Zahlung  hat  einem 
zweck  des  vorhergehenden  Jahres  gedient;  von  ihr  abgesehen  ist  die 
zweite  die  weitaas  bedeutendste  der  7  ersten  prytanien.  die  in 
gleichem  masze  kostspieligste  Unternehmung  dieser  7  prytanien 
war  die  Sendung  des  Demosthenes  nach  Naupaktos  mit  40  schiffen 
am  ende  des  Sommerhalbjahrs  bei  Thuk.  IV  76  f.  89;  auf  sie  hat 
denn  auch  wohl  mit  recht  Kubicki  die  Zahlung  bezogen ,  nur  ist  das 
datum  10  angust^  welches  er  bei  seinen  ausätzen  (pryt.  III 12;  neu- 
jahr  1  thargelion  «=»  21  mai  424)  erhält,  für  den  ausgang  des  Thu- 
kydideischen  Sommerhalbjahrs  zu  früh,  umgekehrt  würden  wir  mit 
pryt.  III  12  «a  10,  11  oder  12  october  ein  zu  spätes  bekommen: 
der  15  boödromion,  mit  welchem  das  Wintersemester  im  Schalt- 
jahr anfängt,  entspricht  424  dem  26  September,  und  auf  diesen 
tag  setzten  auch  Meton  und  Euktemon  die  nachtgleiche,  welche  von 
den  meisten  für  den  anfang  des  Thukydideischen  Winterhalbjahrs 
gehalten  wird,  so  bleibt  uns  pryt.  [II]  12  «s  3  oder  4  September, 
ein  datum  welches  sich  passend  zu  den  angaben  des  geschichtschrei- 
bers  fügt;  die  lücke  findet  ihre  ergänzung  durch  AeuT^pa  b[öc\c 
inX  T€c  AlTctboc  oder  Olvetboc  irpuTavclac  beuT^pac  Trpuxavcujöcec. 
die  Athener  beabsichtigten  an  6inem  und  demselben  tage  sich  an  drei 
von  einander  weit  entfernten  grenzplätzen  Boiotiens  festzusetzen: 
Demosthenes  sollte  mit  der  flotte  unterstützt  von  Verrätern  Siphai 
den  hafen  von  Thespiai  am  korinthischen  meerbusen,  Hippokrates 
mit  dem  hauptheer  das  heiligtum  des  delischen  Apollon  an  der 
tanagräischen  küste  und  eine  anzahl  (zum  teil  vertriebene)  Oroho- 
menier  mit  söldnem  Chaironeia,  welches  zu  Orchomenos  gehörte, 
wegnehmen ;  der  dazu  bestimmte  tag  fiel  in  den  beginn  des  Winter- 
halbjahrs (Thuk.  IV  89  ToO  ^TTiTiTVOji^vou  X€i|iUüvoc  €Ö6üc  dpxo- 
in^vou),  also  in  ende  September.  Demosthenes  brach  einige  zeit  früher 
auf,  weil  er  die  Peloponnesos  umfahren  muste  und  in  Naupaktos 
ein  beer  von  Akarnanen  und  andern  verbündeten  jener  gegenden 
sammeln  sollte,  um  mit  demselben  Siphai  anzugreifen,  die  3 — 3^2 
Wochen,  welche  vom  3  oder  4  September  bis  zum  vorher  bestimmten 
tage  des  dreifachen  einfalls  verliefen,  waren  offenbar  vollauf  zur  aus- 


*'  Böckh  8.  92  bemerkt,  dasz  aasser  z.  20  wohl  nar  noch  an  unserer 
stelle  räum  für  diesen  zusatz  sei. 


248 


QFDtiger:  die  smeurkunde  zu  oL  88,  3  — 8d,  2. 


fübrung  dieses  planes  au«reicheDd.  Demostbenes  fand  Omiadai  von 
den  Äkarnanen  mit  gewalt  dem  bimde  einverleibt,  bot  die  ganze 
dortige  bundesgenot^senscbaft  auf,  zog  mit  dem  beer  gegen  den 
Agraer Fürsten,  der  alsbald  seinen  beitritt  erklärte,  und  macbte  dann 
die  noch  nötigen  Vorbereitungen  für  die  Unternehmung  gegen  Sipbai 
(Tbuk.  IV  77),  —  Der  zinstage  sind  entwedtjr  739  —  39  —  1 1 
=  689  oder  739  —  38  —  11  =  690;  der  capitaltalente  entweder 
23  oder  24,  das  capital  hat  also  im  niedrigsten  fall  23  tai.  Odr.  0  ob., 
im  höchsten  24  tal.  5999  dr*  d'/V  ob.  betragen  und  in  689  zinatagen 
mindestens  3169  dr.  2»4  =  2%  ob.,  in  690  höchstens  3449,98 
«^  3450  drachmen  geliefert. 

3,  Prytanie  Erecbtheis;  von  ihrer  nummer  ist  der  anfang  HE 
erhalten;  auf  die  tagnummer  und  das  capital  zusammen  kommen  bei 
h^[kt€c  15,  bei  H€[ßböfi€c  13  stellen;  beide  bestanden  also  nur  aus 
wenig  zeichen,  vom  capital  ist  die  letzte  zifFer  H  erlialten^  es  endigte 
demnach  auf  100  oder  200  300  400  600  700  800  900  draclimen. 
von  pryt.  VI  1  bis  YTl  30,  dh.  von  frühestens  563  bis  spätestens  494 
zinstagen  finden  sich  nur  4  zinstagsummen,  welche  ein  die  ange- 
gebene eigenschaft  besitzendes  und  632  dr.  V/2  ob.  abwerfendes 
capital  voraussetzen,  nemlich  553  (cap,  5  taL  4300  dr.,  zins  632  dr. 
1,58  ob.)»  545  (cap,  5  tal.  4800  dr..  zins  632  dr,  1,2  ob.),  514  (cap. 
6  tal.  900  dr.,  zins  632  dr.  1,32  ob.),  494  (cap.  6  tal.  2400  dr.,  zins 
632  dr,  1,392  ob.)<  mit  545  zinstagen  würden  wir  den  2Un  jahres* 
lag  =*  pryt  VI  17^21,  mit  514  den  242n  =  pryt.  VII  10—14, 
mit  494  den  262n  ^=  pryt.  VIT  30—34  erhalten,  lauter  daten  deren 
lagnummer  mit  dem  capital  zut^ammen  zu  viel  etellün  erfordern; 
passend  ist  einzig  das  früheste:  553  zinstage  =  Jahrestag  203 
■B=  pryt  VI  9 — 13  und  zwar  entweder  pryt,  VI  9  oder  VI  10: 
beKäT€i  füllt  die  7  stellen,  welche  das  S^teUige  capital  5  tal,  4300  dr. 
übrig  läszt,  und  iv&TU  konnte  stehen,  wenn  der  capitalzahl  wie 
öfters  die  interpunction  1  vorausgieng*  auf  pryt  I — V  kommen 
demnach  193  oder  194  tage,  db,  drei  oder  vier  prytanien  zählten 
39  tage;  vgl.  n,  4.  das  jul.  datum  ist  der  17  Januar  423;  aus  dem 
Winter  424/3  findet  sich  bei  Thukydidea  keine  Unternehmung  ver- 
zeichnet, vielleicht  ist  an  die  vom  »chol,  zu  Ar,  Wespen  715  Tf|V 
Gößoiav  biböaciv  upiv  angegebene  (ircpuci  Totp  in*  Icdpxo^  icipa- 
T€ucav  in*  ainf|V  \hc  OiXöxopoc)  gemeint;  die  niederlage  von  Delion 
und  die  Verluste  im  norden  hatten  die  feinde  Athens  in  den  ab- 
hängigen stüdten  ermutigt,  und  das  schweigen  des  gesehichtschrei- 
bers  erklärt  sich ,  wenn  ihr  plan  ein  äbnlicbes  schickKal  gehabt  hat 
wie  der  gleiche  auf  Samos  im  folgenden  jähre  (s.  255). 

4.  Von  der  prytanie  blosz  die  tagnummer,  der  30e  erhalten; 
auf  capital,  zini!»formel  und  zins  kommen,  wenn  der  Übergang  zu  den 
Bummierungen  durch  eine  leere  stelle  angezeigt  war,  29  stellen  der 
zweiten  lücke.  zieht  man  von  ca.  123  taU  der  capitaliensumme  des 
jabred  (s.  n.  5)  die  drei  ersten  capitalien  ab,  so  verbleiben  für  die 
vierte  zahlnng  ca.  60 — 63  talente.   die  anleibe  galt,  wie  Böckb  und 


GFUDger:  die  zinsnrkunde  zu  ol.  88,  3—89,  2.  249 

Rubicki  mit  wahr8cheinlichkeit  annehmen,  der  belagerung  von  Skione 
und  Mende,  welche  bedeutende  ausgaben  erheischte.  Nikias  fuhr  mit 
50  schiffen  (darunter  10  von  Chios),  1600  attischen  hopliten  und 
600  schützen  zunächst  nach  Potidaia,  wo  er  peltasten  aus  den  chal- 
kidischen  städten  und  1000  Thraker  in  sold  nahm  (Thuk.  IV  129). 
Skione  war  2  tage  nach  dem  beginn  des  einjährigen  Waffenstillstands 
(Thuk.  lY  122),  dem  14  elaphebolion  abgefallen,  dh.  am  7n  oder 
8n  tage  der  VIII  prytanie  (vgl.  nr.  3);  die  auszahlung  kann  erst 
nach  der  rUckkehr  des  attischen  gesandten  geschehen  sein,  welcher 
mit  einem  spartanischen  zur  mitteilung  des  Vertrags  in  die  Chalki- 
dike  gereist  war  und  die  künde  vom  abfall  Skiones  heimbrachte; 
alsbald  kam  auch  eine  botschaft  aus  Sparta  mit  dem  an  trag  auf  be- 
stellung  eines  Schiedsgerichts;  er  wurde  abgelehnt,  schleunigste  er* 
öffiiung  des  feldzugs  beschlossen  und  mit  den  Vorbereitungen  be- 
gonnen (Thuk.  IV  122);  zu  diesen  gehört  unsere  Zahlung,  auf  den 
14  elaphebolion  des  Schaltjahrs  kann  der  lOe  — 13e  oder,  wenn  es 
wie  dieses  jähr  mit  hohlem  monat  anfängt  (vgl.  s.  245)  und  der  dann 
notwendige  scheinbare  Schalttag  später  fällt  (Philol.  XLIII  612), 
der  9e — 12e  tag  der  VIII  prytanie  treffen;  unsere  Zahlung  geschah 
also  in  dieser  prytanie,  und  ihr  30r  tag  fügt  sich  passend  zu  dem 
mutmaszlichen  zeitabstand  zwischen  abschlusz  des  Waffenstillstands- 
Vertrags  und  Zahlung,  da  auf  name  und  Ordnungszahl  (ötböec) 
der  prytanie  zusammen  17  stellen  der  ersten  lücke  kommen,  so  ist 
für  jenen  der  einzige  11  stellige  'AKajbiavTiboc  einzusetzen,  was  aus 
einem  andern  gründe  schon  Kubicki  gethan  hat:  er  ergänzt  £vdT€C. 
zur  IX  prytanie  ist  er  durch  seine  neujahrhypothese  (s.  oben  s.  230) 
gekommen;  ihr  30r  tag  fällt  ihm  auf  den  18  elaphebolion,  nur 
2  tage  nach  dem  abfall  von  Skione ,  eine  zeit  zu  welcher  die  zwei 
gesandten  kaum  dort  angekommen  und  von  dem  ereignis  unterrichtet 
worden  waren. 

Auf  pryt.  VIII  30  trifft  der  299e  oder  300e  Jahrestag,  ent- 
sprechend 457  oder  456  zinstagen,  weil  von  dem  203 n  Jahrestag 
(a=s  553  zinstagen)  der  vorhergehenden  Zahlung  (pryt.  VI  9  oder  10) 
bis  hierher  zwei  prytanieläugen  (=  76  oder  77  tage)  und  20 — 21 
tage  verlaufen  sind  und  bei  455  zinstagen  (Jahrestag  301)  von  den 
sieben  ersten  prytanien  fünf  je  39  tage  enthalten  würden,  vgl.  n.  3. 
aus  60  talenten  erhält  man  in  456  tagen  einen  zins  von  5472  dr., 
aus  63  tal.  in  457  tagen  einen  solchen  von  5783  dr.  2,4  obolen. 

5.  Die  summe  der  4  darlehen  nimt  7  oder  (wenn  die  letzte  leer 
war)  6  stellen  ein.  das  gesamtdarlehen  der  Athenaia  Polias  aus  den 
4  jähren  betrug  laut  z.  48  f.  7]47  tal.  und  über  1000  dr.  (auf  X 
folgen  noch  7  stellen,  deren  letzte  leer  gewesen  sein  kann),  ziehen 
wir  davon  den  zum  teil  auf  ergänzung  beruhenden  betrag  der  drei 
andern  jähre:  624  tal.  1282  dr.  2^/2  ob.  ab,  so  verbleiben  für  das 
dritte  ca.  123  talente.  auf  die  zinsensumme  und  den  zum  vierten 
jähr  führenden  räum  kommen  13  stellen:  nehmen  wir  diesen  zu 
3 — 4  stellen,  so  verbleiben  für  die  zinszahl  9—10. 


250 


GFUnger:  die  sinBurkunde  zu  ol.  S8,  J  — 89,  2, 


IV.    OL  89,  2  =  423/2  vor  Cb.  355  tage. 

Das  richtige  verhältniä  zwischen  prjtaniedatam  und  zinatag* 
summe  wird  hier  nur  dann  gefunden,  wenn  man  festhält,  dad2  die 
4  zinsjabre  sich  nicht,  wie  die  Yorgänger  geglaubt  haben,  mit  den 
4  kalenderjahren  oL  88,  3  —  69,  2  Tollsiändig  decken,  sondern  um 
16  tage  später  anfangen  und  enden,  also  vom  17  bek.  88,  3  bis 
16  hek.  89,  3  laufen,  TgL  oben  a.  235.  unter  dieser  Voraussetzung 
erhalten  wir  folgenden  entwurf : 


dftlum 
[IVlloa.  12] 
[  V  2^ 

rvi]4 

[viii]  am 

X[»0       


59t.  4720 d. 

3]t,  ö&OOd. 
t4lL&122d.  2VtO. 
100 1. 

g6t.  43004] 


siiit 
[3025  d.   V^oA 
l6üd.[4VtO.] 
I]ö82d,  lo. 
l[92]0d. 

l22d.(5)VtO> 


summe:  [2S]il.  ie4^d.  2VtO,    lt.  81(4)  d.  V,o. 
Eubickiä  rechnung  ist  folgende : 


pr. 


iiia7u,ivi] 

;vi2 
ivi4 

'Vin]2[2] 

XLso      


59  t,  4720  d. 

a]t.6öood. 

[31t.    871  d,  27,0. 
lOOt. 
87  t.  2551  d,] 


[S084d.  5 Vi  0.1 

163d.[47tO.J 
l]582d.   to. 
][86]0d. 

122d.2VtO. 


aumtne:  [28]2t.  1642 d.  2VtO-      1 1.  diad.  V/^o. 

N.  1.  Prytanie  Akamantis;  zahl  und  tag  verloren,  auf  beide" 
zusammen  kommen  17  buchstaben;  capital  59  tal.  4720  dn  (ergibt 
täglich  11  dr.  5,744  ob.  zins);  zinsiahl  verloren,  die  anleibe  ist 
spätestens  in  der  IT  prytanie  gemacht  worden:  denn  die  zweit« 
Zahlung,  welche  in  die  III  oder  V  prjtanie  Mit,  gebort  dem  namen 
der  pbjle  zufolge  einer  andern  prytanie  an.  die  sechsstelligen  prj- 
tanieitahlen  TrpÖT€C  und  TpiT€C  würden  eine  tagzabl  von  11  steUea 
erheischen,  eine  solche  gibt  es  aber  nicht;  so  bleibt  für  die  prytanie 
die  wabl  zwischen  6cuT^pac  and  T£TdpT6C,  für  den  tag  zwischen 
dvbeKCtTCl  (vgl.  fvbCKtt  z.  114.  115)  und  bobCKCtTCl.  die  zweite  pry- 
tanie wird  durch  folgende  erwägung  ausgeschlossen,  als  summe  der 
5  zinse  ist  1  taK  813  dr.  V/2  ob.  angegeben;  durch  abzug  der  4  an* 
dern  zinse  von  ihr  musz  sieb  der  er^te  finden,  der  zweite  beträgt 
163  dr.  4V2  oder  5*/^  ob.;  der  vierte  1640  oder  1680  1720  1740 
1760  1780  1820  1860  1920  1960  dr.;  an  der  stelle  des  dritten  und 
mnften  lesen  wir  582  dr.  1  ob.  und  122  dr.  2V2  ob^  ^och  folgt  die 
eine  wie  die  andere  zahl  auf  eine  locke,  deren  inbalt  mit  der  1000 
drachmen  bezeichnenden  Ziffer  gCHchlossen  haben  könnte^  und  jeden- 
falls ist  der  eine  von  beiden  Zinsen  um  1000  dr.  zu  erhöhen,  wenn 
diese  nicht  im  ersten  zins  mitenthalten  sind,  summieren  wir  obige 
betrage  und  ziehen  sie  von  dem  gesamtjahreszins  6813  dr.  17.^  ob. 
ab,  so  haben  wir  für  den  ersten  zins^  wenn  wir  dem  dritten  oder 
fünften  1000  drachmen  hinzusetzen,  zwischen  2984  3024  3084  3124 
3164  3184  3204  3224  3264  3304  dr.  nebst  4V2  oder  5V2  ob.  zu 
wählen ;  behalten  wir  dagegen  beim  3n  und  5n  zins  die  vorhandene 


GFünger:  die  zinsorkonde  zu  oL  88,  3— 89,  2.  251 

zahl,  so  erhöhen  sich  die  zehn  fQr  den  ersten  in  frage  kommenden 
drachmenzahlen  aaf  3984  4024  4084  4124  4164  4184  4204  4224 
4264  4304.  die  höchste  derselben  samt  4(oder  5)V2  ob.  entspräche 
fast  genau  dem  ertrag  von  360  zinstagen  (4304  dr.  3,84  «»  4  ob.), 
und  in  betreff  der  abweichenden  obolenzahl  liesze  sich  erinnern,  dasz 
an  den  überlieferten  zahlen  des  fünften  und  des  gesamtjahreszinses 
eine  kleine  ftnderung  vorzunehmen  sein  wird;  aber  360  zinstage  ent- 
sprechen dem  prytaniedatum  112,  von  welchem  zwar  die  tag-,  nicht 
aber  dieprytanienummer  zur  ergftnzung  brauchbar  ist;  hierzu  kommt, 
dasz  pryt.  I  1 — 16  von  ol.  89,  2  noch  in  das  dritte  zinsjahr  fallen, 
die  andern  9  zahlen  liegen,  da  357  tage  einen  zins  von  4268,768  dr. 
und  333  tage  einen  solchen  von  3981,792  dr.  abwerfen,  in  dem  be- 
reich  von  pryt.  1 15 — 11  3  oder  4,  welche  data  sämtlich  wegen  ihrer 
tag- ,  zum  grösten  teil  auch  wegen  der  prytanienummer  (die  zwei 
frühesten  zugleich  wegen  ihres  Jahres)  unbrauchbar  sind ;  überdies 
entsprechen  von  den  9  Zinsbeträgen  nur  zwei  im  ungeföhren  **  einem 
product  aus  dem  tageszins  11  dr.  5,744  ob.,  die  andern  weichen  um 
nicht  wenige  drachmen  ab.  auch  von  den  zehn  um  1000  dr.  niedrigem 
zahlen  bildet  keine  ein  product  aus  dem  genannten  tageszins;  am 
nächsten  kommen  einem  solchen  die  zweite,  dritte,  siebente  und 
neunte:  253  258  268  273  tage  liefern  3025  dr.  1,232  =  IV2  0. 
3084  dr.  5,952  0.  =  3085  dr.  3204  dr.  3,392  =  3^/^  0.  3264  dr. 
2,112  =  2  0.;  die  andern  entfernen  sich  um  3^/4  und  mehr  drachmen. 
alle  diese  betrage  fallen  in  die  IV  prjtanie;  auch  zum  tagdatum 
(11  oder  12)  brauchbar  ist  blosz  der  zweite:  253  zinstage  treffen 
auf  den  119n  Jahrestag  «»  pryt.  IV  10 — 12.  die  2  oder  3  obolen 
betragende  abweichung  ihres  zinses  von  der  oben  gefundenen  zahl 
(3024  dr.  4Y2  od.  5^2  ob.)  kann  seiner  anerkennung  aus  drei  grün- 
den keinen  eintrag  tbun:  1)  vom  anfang  bis  zum  ende  dieses  zins- 
Jahres  ergibt  überhaupt  der  tageszins  der  ersten  anleihe  kein  product, 
dessen  drachmenzahl  auf  . .  04  oder  . .  24 ,  . .  44 ,  . .  64 ,  . .  84  dr. 
nebst  472  oder  572  ob.  ausgienge:  der  einzige  auf  den  ersten  blick 
diese  eigenschaft  tragende,  nemlich  3144  dr.  4,672  ob.  aus  263  tagen 
(«B  pryt.  IV  1 — 2)  ist  der  regel^*  gemäsz  zu  3144  dr.  5  ob.  abzu- 
runden, entweder  in  dem  gesamtjahrzins  oder  in  einem  einzelzins 
oder  in  beiden  ist  also  die  Überlieferung  fehlerhaft.  2)  im  fünften 
zins  ist  in  der  that  die  Überlieferte  obolenzahl  nachweislich  falsch. 
3)  weun  der  erste  zins  in  3025  dr.  V/2  ob.  besteht,  so  ist  unter  den 
20  für  den  4n  zins  zur  Verfügung  stehenden  betragen  der  zweit- 

"  350  zinstage  (»  pryt.  I  22)  liefern  4186  dr.  0,4  ob.,  346  taffe 
(s»  pryt.  I  27)  ergeben  4126  dr.  1.68  ob.  zins.  **  nur  der  unter  V4 

des  Unterschieds  zwischen  den  2  nmg^benden  runden  zahlen  stehende 
brach  ist  abzustreichen,  zb.  1,12  ob.  wird  zu  1  ob.,  dagegen  1,13  ob.  zu 
iVt  ob.  abgerundet;  folgen  noch  mehr  der  gleichen  casse  gebührende 
zinsbetr'age  mit  obolenbracb,  so  wird  das  zuviel  der  frühern  abrandang 
dnrch  abzug  compensiert,  immer  aber  der  gedanke  festgehalten,  dasz 
durch  die  abrundung  des  ganzen  im  zweifelfall  der  gottheit  nicht  zu 
wenig,  sondern  zu  viel  gezahlt  werden  soll.     vgl.  s.  240. 


252 


GFUnger:  die  zmstirkimde  au  ol  88,  3—89»  2, 


böcbste  in  der  1000  drachmen  weniger  zählenden  abteilung,  der  von 
1920  dracbmen  zu  wählen,  in  n.  4  wird  sich  zeigen,  d&sz  der  4e  zins 
in  der  that  1920  drachmen  beträgt/' 

Zwischen  tö[koc  und  Aeui^Jpa  böcic  ist  die  auffallend  grosze 
zahl  von  35  stellen  zu  besetzen,  fär  die  zinsformel  also  wie  in  jähr 
I  1  ein  längerer  ausdriick  als  tökoC  TOÜTOtc  il^vexo  oder  gar  tökoc 
TOÖTOV  anzunehmen,  etwa  tö[koc  toutoi  toi  dvaXöfiati^^  ^Y^vexo 
XXXAAPIC  .  .  AeuT€p]a;  einen  leeren  räum  von  2  stellen  beim 
Übergang  finden  wir  auch  auf  z.  20.  den  gewöhnlichen  von  ^iner 
stelle  erhält  man  durch  einsatz  der  interpunction  vor  der  zahl  wie 
2,  9.  111  ua.  oder  mit  dXoYicOe  st  ^t^V€TO.  Kubicki  schreibt  tÖ[koc 
TOUTOV,  bringt  dann  auf  14  stellen  seine  zinszahl  und  beginnt, 
ohne  leeren  Zwischenraum,  den  zweiten  posten  mit  HeXXevOTa|iiaic 
HtTCpJa  bÖcic.  aber  die  bundesschatzmeister  werden  in  der  Ur- 
kunde nur  aus  besondem  gründen  genannt:  j.  I  1  als  unmittelbare 
empfänger  des  capitals  neben  den  mittelbaren  (Hippokrate?^  und 
seinen  mit^trategen) ,  j.  IIl  1  und  laut  der  passenden  ergänzung 
Kubickis  (s.  unten)  IV  1,  weil  von  den  Hellenotamien  des  Vorjahres 
zu  reden  ist^  auch  ist  Überall  der  name  ihres  obmannes  und  (ohne 
Damen)  die  erwähnung  der  collegen  hinzugefügt^  tlberdiea  würden 
sie  ihre  stelle  nicht  an  der  spitze  des  postens,  welche  vielmehr  der 
Ordnungszahl  des  darlehens  gebührt,  gefunden  haben ,  und  Htiipa 
bdcic  findet  sich  nur  im  zweiten  jähr,  ohne  Zweifel  deswegen,  weil 
dieses  blosz  zwei  Zahlungen  bat. 

Die  Schwierigkeit,  welche  die  Unvereinbarkeit  der  den  andern 
Zinsen  und  der  zinsensumme  gemäsz  zu  erwartenden  zinszahl  mit 
einer  zum  capital  passenden  macht,  sucht  Eubicki  abermals  durch 
die  raienbypotbese  zu  heben:  am  37n  tag  der  III  prjtanie  (zins- 
tage 258)  sei  der  grOste  teil  des  capitata,  am  In  der  lY  prytanie 
(zinstage  257)  der  rest,  bestehend  in  36  dr«  3  ob.  ausgezahlt  worden, 
zn  den  s.  241  gegen  diesen  kunstgriff  geltend  gemachten  gründen 
kommt  hier  noch,  dasz  das  urkundliche  datum  dem  spätem  tage  und 
dem  winzigen  t  ungefähr  Viooau  ^^^  ganzen  betragenden  rest  gelten 
Follf  während  er  es  dort  der  weitaus  gröszern  von  beiden  raten 
und  dem  ersten  tage  gibt,  das  ergänzte  dattim  gelbst  passt  hier 
nicht  einmal  zum  text:  statt  9  stellen  liefert  TTpÖTCt  nur  6.  Kubicki 
schreibt  daher  in  Widerspruch  mit  dem  constanten  Sprachgebrauch 
bei  ordinalien  T€l  npÖTCl,  was  durch  lA,  I  179  ii\  T€X€u[Taiai  nicht 
entschuldigt  wird. 

**   halte   das   liusjahr  mit  dem  kalenderjahr  an^e^gen  and  anf* 

fehört,  Bo  würden  255  siusUge  einem  um  16  stellen  frühern  jabreatagi 
eoi  I03n  (bei  351tifcgi^er  jabresdauer  den)  lO'in,  bei  Dichtversiaiuti^ 
des  zabluDi^Atafrep  dem  102ii  oder  101  d)  entsprecbeDt  also  einem  der 
letsten  iuge  von  prytame  III j  die«e  sind  aber  uiich  abfreaehen  von  der 
unpassenden  prjtaoienQmtiier  we^en  ihrer  groBscD  bachstabeniahl  von 
▼orn   berein   attfigeacblossen.  '^  in   der  nrkande  aonst  der  gewöhn- 

liche AUüdruck  Hir  die  oapitatiensninine  des  gau&en  jabrea  (K€<pdXaiov 
To  dpxaio  dvoXd^axoc  ini  tIc  .  .  äfi%tQ). 


GFUnger:  die  nnsozkuBde  in  oL  8S,  3—8»,  2.  3ä3 

Das  datam  pryL  IT  11  oder  12  entspricbt  dem  119ii  Jahrestag 
SS  30  HOT.  423.  weder  um  diese  xeit  noch  Qberhaiq>t  in  diesem 
jähre  erwShnt  Thnkydides  eine  neue  nntemehmong ;  da-  einjihrige 
waffenstilLstand  lief  am  14  elaphebolion  ab.  dasz  die  lahliing  einen 
Torschnsz  der  firQhem  bondesschatzmeister  ersetzen  sollte,  gebt  ans 
der  glQcklichen  ergSozong  Kubickis  ^[pofi^äTEUC,  H€XX€VOTa^ialC 
H^oic  12  stellen  Muppjivocioi  Koi  xcuväpxoa  berror:  man  kOnnte 
ausserdem  nur  an  CTpoTCToTc  irepi  TToTitaiov  (?)  Nuciot  denken, 
aber  Nikias  war  ein  Kjdantide.  der  vorscbosz  war  entweder  bei  der 
absendnog  des  Nikias  oder  gegen  ende  des  TOijahres  fllr  das  be- 
lagerongsheer  geleistet  worden. 

2.  Prjtanie  der  Pandionis,  ihre  zahl  und  die  des  tages  nicht 
erhalten;  capital  2  tal.  5500  dr.,  zins  163  dr.  3  ob.,  doch  können 
beide  zahlen,  jene  am  anfang,  diese  am  ende  yerstümmelt  sein,  weil 
eine  lücke  vorausgeht  und  nachfolgt,  wie  Böckh  erkannt  und 
Eubicki  ausführlich  erwiesen  hat,  betrug  das  capital  entweder  2  tal. 
5500  dr.  mit  163  dr.  5^/2  ob.  zins  oder  3  tal.  5500  dr.  mit  163  dr. 
4^2  o^-  zins;  jener  setzt  281,  dieser  209  zinstage  Toraus.  gegen 
281  sprechen  die  253  der  ersten  Zahlung;  auch  wQrde  der  91e  tag 
des  355 tSgigen  Jahres,  welchem  jene  entsprechen,  auf  prjt.  lU  16 
— 21  führen,  aber  bei  der  prjtaniezahl  TpiTT)C  aaf  die  tagzahl  10 
(mit  interpunction  vor  dem  capital  9)  st«Uen  kommen,  w&hrend 
eiKOCTei  nar  8,  die  andern  tagzahlen  aber  13—18  buchstaben  ent- 
halten, der  162e  Jahrestag,  welchem  209  zinstage  entsprechen,  kann 
auf  pryt.  V  17—22  treffen;  die  nötigen  9  zeichen  liefert  eucocrei 
nebst  interpunction  vor  der  capitalzahl.  Kubickis  boÖ€KdT€i  würde 
zum  räum  passen :  es  nötigt  ihn  aber  den  4  vorhergehenden  pry* 
tanien  des  gemeinjahrs,  das  auch  er  annimt,  38  38  37  37  tage  zu 
geben,  hätte,  wie  er  annimt,  das  zinsjahr  mit  dem  kalendeijahr  an- 
gefangen und  aufgehört,  dieses  aber  eine  annehmbare  prytanien- 
verteilung  gehabt,  so  würden  209  zinstage  auf  den  146n  Jahrestag 
=  pryt.  V  1 — 6,  nicht  auf  pryt.  V  20  oder  V  12  gefallen  sein. 

3.  Von  der  prjtanie  ist  das  ende  der  zahl  (-T€c)  und  der  tag 
(T€TdpT€i)  erhalten;  das  capital  verloren;  die  zinszahl  582  dr.  1  ob. 
folgt  auf  eine  lücke ,  könnte  also  am  anfang  verstümmelt  sein ;  in 
anbetracht  der  zinsensumme  des  jahres  ist  entweder  hier  oder  in 
n.  5  verlast  eines  X  (1000  dr.)  anzanehmen,  s.  n.  1.  von  der  prj- 
taniezahl hat  Boss  noch  4  buchstaben  gesehen;  aber  seine  lesung 
T€Td]pT€C  ist  wegen  n.  1  und  2  unmöglich,  vielmehr  wegen  n.  4 
h^k]t€C  zu  ergänzen.  Boss  hielt,  wie  Böckh  bemerkt,  ein  durch 
schwinden  des  untern  armes  verstümmeltes  K  für  ein  (oben  durch- 
brochenes) P.  demnach  ist,  da  auf  name  und  zahl  der  prjtanie  zu- 
sammen 19  buchstaben  kommen,  HiTTTToGcvTiboc  einzusetzen. 

Die  fehlenden  1000  drachmen  sind  hier  anzubringen,  da  prjt. 
V  20  mit  209  zinstagen  zusammentrifft,  so  kommen  auf  prjt.  VI  4, 
je  nachdem  die  V  prjtanie  35  36  oder  37  tage  enthielt,  190  189 
188  zinstage,  welche  für  582  dr.  1  ob.  zins  ein  capital  von  sei  es  (un- 


254 


GKÜDger:  die  dußiiTkuiide  211  ol.  88>,  3 — 89,  2. 


gefÄhr)  15  tftl.  1921  dr,  0,316  oK  oder  15  tal.  2407  dr.  2^444  ob. 
oder  15  tal.  2849  dr.  5,36  ob.  voraussetzen,  von  der  capitallen- 
summe  dee,  Jahres  ist  nach  einer  lücke  der  ausgang  2t?  taL  (4 ATT) 
1642  dr,  272  ^^'  erbalten,  der  verlorene  anfang  besetzte  die  letzten 
4  oder  (wenn  ihn  die  interpnnction  :  einführte)  3  stellen;  im  ersten 
fall  kann  die  ganze  zahl  der  taten te  192  242  282,  im  andern  182 
232  272  betragen  haben,  ziehen  wir  daa  le,  2e  und  4e  capital,  zu- 
sammen 163  taL  4220  dn  davon  ab,  so  bleibt  fUr  das  dritte  und 
fanfte  zusammen  die  wähl  zwischen  18  28  68  78  108  118  talenten 
nebst  3422  dr.  272  ^^'  ^^^  ^^^  ^'  ^  ermittelten  23  zinstage  würden 
ans  (ca.)  1122  dr.  27^  ob.  auf  ein  capital  von  ca.  244  tal,  21  dr. 
4,234  ob.  schlieszen  lassen,  mehr  als  das  doppelte  der  höchsten  summe 
beider  capitalien.  bleiben  wir  demgemä;*z  bei  122  dr*  2(?)y2  ob., 
welche  ein  capital  von  ca.  26  tal.  3 07 3  dr.  5,478  ob.  voraussetzen, 
so  erhöht  sich  der  dritte  zins  auf  1582  dr.  1  ob«;  dieser  passt  bei 
190  zinstagen  auf  ein  capital  von  sei  es  genau  oder  ungefähr  41  tal, 
3815  dr.  4,737  ob.,  bei  189  zinstagen  auf  ca,  41  taL  5137  dr.  3,4  ob., 
bei  188  tagen  auf  ca.  42  tal.  473  dr.  2,425  ob.  aus  jeder  von  diesen 
drei  capitalzahlen  erhalten  wir  in  Verbindung  mit  den  26  tal.  usw. 
des  5q  capitaU  annähernd  die  dritte  der  6  für  beide  zusammen  wähl- 
baren summen;  am  nächsten  kommt  ihr  die  bei  189  tagen  des  3a 
zinses  im  ungefähren  anzunehmende  von  68  tal.  2811  dr.  2,378  ob*; 
sie  entfernt  sich  von  ihr  nur  um  ca.  610  dn,  bei  190  tagen  weicht 
sie  um  ca.  1930,  bei  188  t,  um  ea.  720  dracbmen  ab.  die  188  tage 
sind  aber  von  vorn  berein  deswegen  auszuscblieszen,  weil  bei  ihnen 
auf  pryt.  VI — VII  nur  69  (^  34  und  35)  tage  kommen  würden, 
weiter  folgt,  da  das  3e  und  5e  capital  zusammen  68  taL  usw.  be- 
tragen, dasz  als  talentensnmme  der  5  darlehen  des  Jahres  232  an- 
zusehen ist. 

Zwischen  dem  datum  und  der  capital  zahl  zeigt  die  inschrift 
einen  sichtlich  nur  wenig  stellen  einnehmenden  zusatz:  TeräpTei 
T€C  TTpUTa[v£iac  4  steUen]ca^[30  stellen  XJPPAAAI-K;  den  grösten 
teil  der  30  stellen  besetzten  wahrscheinlich  die  capitalzahL  und  die 
zinsformeL  vielleicht  gehörte  jenes  ca^  zu  irgend  einem  casus  von 
Cdipoc  oder  Cdfiiot,  der  183e  Jahrestag^  welcher  189  zinstagen  ent- 
spricht, trifft  auf  den  5  oder  6  gamelion.  an  den  Lenaien,  welcbd 
im  gamelion  stattfanden,  wurden  in  diesem  jähre  die  Wespen  des 
Aristophanes  aufgeftllirt,  welche  auf  einen  gefährlichen  Vorgang  in 
Samos  anspielen ,  v.  283  i&xa  6*  fiv  bid  t6v  xöiCiVÖv  fiv9paj7rov, 
8c  fiiiäc  biebuer*  dEaitaTuiv  Kai  X^t^v  die  qpiXaOrivaioc  i^v  Kai  idv 
Cd^uj  TrpujTQC  KaieiTTOi,  bid  toöt*  öbuvnOclc  dj'  icuüc  K€iTai  ttup^t- 
TUJV.  die  deutung  auf  den  aufstand  der  Samier  im  j.  440,  aufweiche 
die  alten  erklärer  verfallen  sind,  haben  die  neuem  mit  recht  abge- 
wiesen :  was  jene  aus  der  geschichte  desselben  beibringen,  läszt  sieb 
nicht  auf  die  stelle  anwenden;  es  ist  ein  Vorgang  der  jüngsten  zeit 
gemeint,  bei  dem  ungltlck lieben  ausgang  jenes  aufstands  Hessen 
sich  die  entschiedensten  teil  nehm  er  desselben  auf  der  gegen  Aber- 


GFUnger:  die  zinsurkonde  zu  oL  88,  3—89,  2.  255 

liegenden  festlandkttste  in  Anaia  nieder,  von  wo  sie  während  des 
peloponnesischen  krieges  im  offenen  bände  mit  den  Peloponnesiern, 
im  geheimen  mit  ihren  freunden  auf  der  insel  fortwährend  das 
regiment  der  attisch  gesinnten  partei  bedrohten  (Thuk.  III  19. 
IV  32.  75).  in  Athen  war  demnach,  etwa  im  poseideon  oder  anfang 
des  gamelion  ol.  89,  2  die  anzeige  von  einer  Verschwörung  auf  der 
insel  eingetroffen  und  der  beschlusz  gefaszt  worden,  sofort  mit  aller 
kraft  einzuschreiten:  das  schnelle  erscheinen  der  flotte  oder  schon 
die  nachricht  von  dem  beschlusz  hat  nach  dem  schweigen  des  Thu- 
kjdides  zu  schlieszen  den  plan  nicht  zur  ausftlhrung  gelangen  lassen; 
vgl.  s.  248.   hiernach  schlagen  wir  als  ergänzung  vor:  TrpuTa[v€iac 

TTpÖc]   CaflpOC  :  ^^^^TPHAAhHIC    TÖKOC   TOUTOV  :  XjPPAAAhH. 

das  capital  41  tal.  5122  dr.  2^/^  ob/^  liefert  in  189  tagen  einen  zins 
von  1582  dr.  1,243  ob.;  durch  die  abrundung  von  1,243  zu  1  (statt 
1^1  ^  ob.  wird  die  von  1,232  zu  lYj  o^«  iß  ß«  1  ^wt  vollständig  com- 
pensiert  (vgl.  s.  240). 

Eubicki  hält  sich  an  die  Boss'sche  lesung  der  prytaniezahl  und 
läszt  infolge  dessen  die  dritte  Zahlung  vor  statt  nach  der  zweiten 
stattfinden;  ein  anachronismus  welcher  allein  schon  im  stände  ist 
seine  ganze  rechnung  zum  fall  zu  bringen,  das  versttlmmelte  cafi 
ergänzt  er  zu  H€T€]cajLi[^voic,  womit  angedeutet  werden  solle,  dasz 
diese  Zahlung  der  zweiten  voraufgegangen  sei.  andere  werden  in 
einem  so  abgerissenen  zusat^  weder  diesen  noch  überhaupt  irgend 
einen  sinn  finden;  selbst  wenn  jenes  möglich  wäre,  würde  es  unbe- 
greiflich bleiben ,  dasz  man  die  im  concept  gestörte  Ordnung  nicht 
vor  der  eingrabung  verbessert  hätte. 

4.  Prytanie  Aiantis;  ihre  zahl  (VIII,  wie  Earchhoff  erkannt  hat) 
und  der  anfang  der  tagzahl  verloren:  vor  elKOcreT  sind  11  buch- 
staben  für  ihn  zu  ergänzen,  db.  beuT^pai  Kai  oder  T€TdpT€i  Kai, 
H6ßböjLi€i  Kai.  capital  100  tal.  (also  20  dr.  tageszins).  von  der  zins- 
zahl ist  der  anfang  XPH  erhalten,  nach  ihm  gehören  noch  5  stellen 
zu  diesem  posten.  war  für  den  Übergang  zum  fünften ,  wie  in  der 
regel,  eine  stelle  leer  gelassen,  so  steht  die  wähl  zwischen  1640 
1680  1820  1860  drachmen;  bei  2  leeren  stellen  (wie  z.  20)  zwischen 
1720  und  1760;  bei  besetzung  aller  stellen  mit  ziffem  (wie  z.  9) 
zwischen  1740  1780  1920  1960.  Kirchhoffs  1740  und  Kubickis 
1860  samt  der  wähl  des  22n  prytanietags ,  in  welcher  sie  überein- 
stimmen, beruhen  auf  der  irrigen  ansieht,  dasz  sich  die  zinsjahre 
mit  den  kalenderjahren  decken  und  der  auszahl ungs tag  nicht  ver- 
zinst worden  sei.  da  die  letzte  prytanie  36  tage  enthält  (s.  n.  5),  so 
würden  wir  von  pryt.  VIII  22  bis  ol.  89,  3  pryt.  I  16  incl.  eine 
zahl  von  mindestens  101  zinstagen,  also  2020  drachmen  und  von 
pryt.  VIII  24  bis  ebendahin  mindestens  99  tage^  mithin  1980  oder 
mehr  dr.  zins  erhalten;  aber  die  höchste  zulässige  zahl  der  zins- 
drachmen  ist  1960.   als  prytanietag  ist  also  der  27e  anzusehen,   von 

^   mit  26  tal.  4800  dr.   (n.  6)   vereinigt  liefert  es  die  gemeinsame 
snmme  68  tal.  3122  dr.  2Vt  ob. 


256 


GFUnger:  die  Äinaurkunde  äu  ol.  88,  3  — 89,  2. 


diesem  bis  zum  ende  des  zinsjabres  laufen  im  geringäten  fall «  db. 
pryt.  VIII — IX  zu  je  35  t.  genommen,  96  tage,  welche  1920dracbmen 
liefern;  mehr  als  70  tage  aber  dtlrfen  wir  auf  prjt  VIIl — IX  nicht 
reübnen:  denn  nacbdem  pryt.  V  20  ^  209  zinstage  «^  163r  tag 
des  3ö5tägigen  Jahres  für  pryt.  I — IV  eine  aahl  von  143  tagen  er- 
geben hat,  welche  in  35  und  3  mal  36  zerfallen,  kommt  mit  prjt.  V 
schon  die  vierte^"  36tSgige  hinzu,  da  pryt  VI  4  =  189  zinstag©  ^ 
^  Jahrestag  183  itlr  pryt,  1— V  179  tage,  dh,  35  und  4 mal  3S 
voraussetzt,    bestätigt  wird  die  zinsdrachmenzahl  1920  durch  n.  1, 

Hier  findet  dch  auch  die  bestätigung  der  von  Böckh  auf  einem 
falschen  wege  gefundenen  zahl  1448  für  die  tagsumme  der  4  Polias- 
zinajahro.  betrüge  sie  1447,  so  müsten  wir  diese  von  1464  ab- 
ziehend zum  anfangstermiti  derselben  den  18,  nicht  den  17  heka*^ 
tombaion  nthmenj  von  pryt,  VIII  27  bis  pryt,  I  18  excL  verlaufen 
aber  97  tage,  welche  die  unstatthafte  ergönzung  1940  liefern  würden* 

Der  hohe  betrag  des  darlehens  lä^zt  auf  vorbereitiing  zu  groszen 
unternebmungen  schlieszen:  der  bedarf  für  die  geringen  Streitkräfte 
vor  Skione,  in  Pylos,  Kythera  und  andern  orten  konnte  wohl  aus 
den  vorhandenen  mittein  bestritten  werden,  zumal  wenn  die  bei  der 
dritten  Zahlung  angewiesenen  nur  zu  einem  kleinen  teil  verbraucht 
worden  waren,  das  datum  pryt.  VIII  27  entspricht  dem  10  oder 
9  munychion ',  der  einjährige  Waffenstillstand  war  am  14  elaphebolion 
abgelaufen,  vielleicht  glaubte  man  jetzt^  nach  fast  vierw ächten tUchenn 
zuwarten,  sicher  zu  sein,  dasz  die  Lakedaimonier  nicht  geneigt  seien  ' 
frieden  zu  schlieszen,  und  beschlosz  die  nötigen  Vorbereitungen  zu 
treffen,  um  Amphipolis  und  die  andern  im  norden  abgefallenen 
Städte  zum  gehorsam  zurückzuführen;  das  einlaufen  einer  dem  frie^ 
den  günstigem  nacbricht  mag  dann  zum  aufscbub  der  Unternehmung ' 
geMhrt  babeo,  möglich  auch,  dasz  die  rüstungen  blosz  dem  zwecke 
dienten,  die  Lakedaimonier  nachgi biger  zu  machen,  auch  ohne  rttck- 
sicht  anf  diese  Zahlung  musz  man  annehmen,  dasz  es  beweggründe 
solcher  art  gewesen  sind,  welche  den  versuch  die  stIEdte  im  norden, 
wieder  zu  unti^rwerfen  bis  in  den  hocbsommer  verschoben  haben, 

6.  Prytaniezahl  X,  der  name  verloren  (laut  z.  76  die  Leontis)}] 
tag  entweder  4  oder  30 :  erhalten  ibt  als  anfang  T  und  der  senk« 
rechte  strich  eines  buchstaben,  welcher  ebensowohl  P  als  E  g^* 
weaen  sein  kann  j  In  jenem  fail  waren,  da  *  ....  €i  folgt,  von  ipia- 
KOCtii  die  mittlem  buchstaben  enger  zusammengedrängt  oder  einer 
von  ihnen  ausgefallen,  in  diesem  einer  von  T€TäpT€i  zweimal  ge* 
schrieben;  an  sieb  wahrscheinlicher  ist  der  erste  von  beiden  fällen. 
Capital  verloren;  auf  die  lücke,  welche  dieses  und  die  zinsformel 
verschlungen  hat,  folgt  die  zinszahl  122  dr.  27^  ob.,  welche  dem* 
nach  am  anfang  verstümmelt  sein  kann,  von  den  zwei  anleheii|,j 
welche  in  diesem  jähre  bei  den  'andern'  göttem  gemacht  wurden» 
ist  das  zweite  (die  angaben  über  da'i  erste  sind  sehr  lückenhaft)  laut 


»  di«  fiinfie  ist  pryt  X« 


GFUnger:  die  zinsorkonde  za  oL  88,  3— 89,  2.  257 

z.  76  f.  am  20n  tag  der  X  prjtanie  erhoben  worden ,  und  die  voll- 
st&ndig,  nach  capital  and  zins  erhaltenen  zahlen  einiger  teilbetrftge 
setzen y  wie  Böckh  gezeigt  hat,  17  zinstage  vorans,  welche  demnach 
nur  bis  zum  ende  des  kalenderjahres  laufen,  vgl.  abschn.  3  s.  233. 
statt  37,  wie  seit  Böckh  in  der  irrigen  meinang,  der  zahlungstag  sei 
nicht  verzinst  worden,  angenommen  worden  ist,  müssen  wir  36  tage 
auf  pryt.  X  zählen ,  woraus  sich  für  das  bis  1 6  hekatombaion  incl. 
berechnete  Poliasguthaben  entweder  23  (nicht  7,  wie  seit  Böckh  an- 
genommen wird)  oder  49  (nicht  33)  zinstage  ergeben. 

Es  läszt  sich  erweisen ,  dasz  die  zinszahl  nicht  verstümmelt  ist 
und  dasz  man  nicht  7  oder  33  oder  49,  sondern  23  zinstage  be- 
rechnen, also  T[piaKOCT]ei  ergänzen  und  den  17  hekatombaion  als 
zinsneujahr  nehmen  musz.  bei  49  zinstagen  würden  122  dr.  2^/^  ob. 
ein  capital  von  genau  oder  ungefähr  12  tal.  2948  dr.  5,874  ob. 
voraussetzen^  welches  mit  keinem  der  für  das  dritte  capital  annehm- 
baren betrage  zusammen  zur  summe  beider:  18  oder  28  68  78  108 
118  tal.  (s.  n.  3)  nebst  3422  dr.  2^/^  ob.  führen:  mit  41  tal.  5138  dr. 
(in  189  tagen)  oder  41  tal.  3816  dr.  (in  190  tegen)  bei  158276  dr. 
zins  würde  sie  auf  54  tal.  usw.  kommen,  schreiben  wir  als  fünften 
zins  1]122  dr.  273  ob.  und  nehmen  dafür  als  dritten  582  dr.  1  ob., 
so  würde  die  summe  beider  capitalien  1 29  tal.  usw.  betragen :  denn 
das  dritte  capital  würde  auf  15  tal.  2407  dr.  (bei  189  zinstagen) 
oder  15  tal.  1921  dr.  (bei  190  tagen)  kommen,  wollte  man  an- 
nehmen, die  122  drachmen  seien  aus  222  oder  322  422  622  722 
822  922  verstümmelt,  so  würden  diese  nebst  2 V2  ob.  für  das  fünfte 
capital  (um  von  den  drachmen  und  obolen  abzusehen)  22  32  43  63 
73  83  94  tal.  ergeben,  welche  mit  keinem  der  für  das  dritte  capital 
annehmbaren  betrage  zusammen  einen  der  6  für  die  summe  beider 
möglichen  liefern:  der  am  nächsten  kommende:  63  tal.  3071  dr. 
2V2  ob.  ergibt  mit  15  tal.  2407  dr.  2^^  ob.  oder  15  tal.  1921  dr.  V2  ob. 
zusammen  78  tal.  und  5478  dr.  5  ob.  oder  4994  dr.  3  ob.  lassen 
wir  das  zinsjahr  mit  dem  kalenderjahr  zu  ende  gehen,  so  setzen 
122  dr.  2Y2  ob.  zunächst  in  7  tagen  ein  capital  von  ca.  87  tal. 
2642  dr.  5,143  ob.  voraus,  welche  mit  den  41  tal.  usw.  des  dritten 
capitals  (aus  1582  dr.  1  ob.  zins)  eine  summe  von  128  tal.  usw. 
bilden  würden;  bei  222  dr.  272  ob.  zins  würde  das  fünfte  allein 
schon  158  tal.  5214  dr.  1,71  ob.  ausmachen,  anderseits  erhalten 
wir  in  33  tagen  mit  122  222  322  422  622  722  822  dr.  27,  ob. 
zins  capitalien ,  welche  ohne  die  drachmen  und  obolen  zu  rechnen 
18  33  48  64  94  109  124  talentehalten;  mit  keinem  der  aus  15827^ 
oder  58276  ^^'  zins  in  189  oder  190  tagen  zu  erschlieszenden  capi- 
talien zusammen  würden  diese  betrage  einem  der  für  die  summe 
beider  statthaft  gefundenen  entsprechen,  so  bleiben  uns  nur  die 
23  zinstage,  diese  setzen  für  122  222  322  422  622  dr.  272  ob.  ein 
capital  von  ca.  26  tal.  3674  dr.  48  tal,  2105  dr.  70  tal.  543  dr. 
91  tal.  4978  dr.  135  tal.  1848  dr.  voraus;  nur  das  erste  bringt  in 
Verbindung  mit  dem  bei   189  tagen  für  1582  dr.  1  ob.  voraus- 

Jahrbücher  fUr  dass.  philol.  1898  hft.  4  a.  6.  17 


258 


GFÜDgar:  die  zinfiarkunde  zu  oL.  88,  3—89,  2. 


tu  Bettenden  capit&l  eine  annehmbare  summe,  an  dies^jn  ergebnissen 
wird  weder  dadtirehf  dasz  die  obolensahl  des  ftlnften  wie  des  dritten 
Zinses  abgerundet,  das  capitai  also  um  eine  anxahl  dracbraen  gröszer 
oder  kleiner  sein  kann,  etwas  geändert»  noch  dann  wenn,  was  sieb 
in  n«  1  ab  notwendig  herausgestellt  hat^  der  fünfte  zins  um  einige 
0 holen  erhöbt  wird. 

Für  capitai  und  zinsformel  verbleiben  nach  TpiaKOCxJei  tIc 
tTp[uTütveiac  noch  23  stellen  der  lücke.  die  kürzeste  der  in  den 
pO£iten  der  Poliasrechnung  vorkommenden  zinsformeln  und  zugleich 
nächst  t6koc  toütoic  dT^V€TO  die  häufigste  ist  tökoc  toutov  (nur 
bei  den  teilguthaben  der  ^andern'  g5tter,  dort  aber  conötant  findet 
sich  TÖKOC  TOÜTo)j  mit  recht  hat  sie  Kubicki  eingesetzt:  denn  selbst 
bei  ihr  bleiben  für  die  capitalziffern  nur  wenige  fitellen,  nemlicb  12 
oder»  wenn  sie  durch  die  interpunction  ;  eingeführt  werden»  11. 
letztere  ergeben  sieb  bei  dem  capitai  26  tal.  4300  dr.,  welches  in  2S 
tagen  den  zins  122  dr.  6,38  =  rund  ö^/j  ob.'*'  abwirft,  jetzt  zeigt 
der  stein  die  zinsziffern  HAAPhHC,  in  welchen  jeder  obolenstricb  eine 
atelle  besetzt;  in  der  mebrzabl  der  fJllle  sind  dort  2  oholenätriche 
auf  tjiner  zusammengedrängt;  auf  5  obolen  kommen  so  in  z.  29  drei 
stellen,  es  können  aber  auch  5  striche  2  stellen  eingenommen 
haben  ^  wie  zb,  auf  lÄ,  I  324  z.  42.  44.  45  (während  z.  52  sie  drei 
einnebmen)>  vgl,  s.  243.  dies  nehmen  wir  auch  hier  an:  durch 
schwinden  von  3  strichen  entstand  die  jetzige  lesart,  in  ähnlicher 
weise  wie  die  von  z.  14;  vgl.  auch  s.  240.  247.  266. 

Das  datum  pryt.  X  30  entspricht  dem  17  juli  (Kubicki:  21  mal) 
422  ^=  23  oder  (bei  nachfolgendem  Schalttag)  24  skiroph.  89»  2. 
nach  dem  erlöschen  des  einjährigen  Waffenstillstandes  im  elaphe- 
bolion  wurde,  wie  Thukydides  Y  1  erzählt  (s.  abschn.  4  g.  234), 
während  des  pjthischen  gottesfriedenjs  die  bevölkerung  von  Deloö 
ausgetrieben  und  nach  diesem  frieden  (ohne  zweifei ,  weil  man  auf 
seinen  ablauf  hatte  warten  müssen ,  sogleich)  unter  Eleons  führung 
endlich  die  grosze  heerfahrt  nach  norden  angetreten,  die  scblacht 
von  Ämphipolis  wurde  nach  Thuk.  V  12  im  ausgang  des  Sommer- 
halbjahrs (letzter  tag  der  vorletzte  •>  28  metageitnion  ="  19  sept. 
422)  geschlagen,  nach  Eratosthenes  bei  d.  schob  zu  Ar.  Frieden  48 
acht  monate  vor  der  aufführung  des  Stücks  (elapheb.  89,  3),  aha 
im  metageitnion  oder  bo&dromion.  die  pjthiaohen  spiele  fanden  im 
delphischen  monat  bukatios  statt,  und  zwar  im  anfang  desselben: 
nach  der  scblacht  von  Koroneia,  welche  am  tage  nach  der  sonnen- 
fin^temis  des  14  ang.  394,  normtü  also  am  1  bukatios  vor  hieb 
gieng,  liesz  sich  der  verwundete  Agesilaos  nach  Delphoi  bringen» 
wo  gerade  die  spiele  im  gange  waren  (Plut  Ages.  17  f.);  der  vater 
des  Olympioniken  Xenophon  hatte  in  Fytho  zwei  laufsiege  an  einem 
tag  und  in  demselben  monat  (finvöc  tuiutoO)  in  Athen  drei  davon- 

*>*  diete  oboleti<afal  würde  sncb  jeder  andere  beirag  ergeben,  wet- 
oheo  man  durch  abzug  dca  dritten  eApilAls  von  der  gemeinftameD  Bumme 
f^r  daa  fünfte  erzielen  kaoo. 


GFÜnger:  die  niMiirkQiide  m  oL  88»  S-— 89,  9.  2S9 

getragen  (Pind.  Ol.  13, 37),  die  PinathenaieB  beginnen  aber  (wenig- 
stens  im  j.  418,  Tgl.  s.  246)  um  den  22n  monatstag;  als  attisdier 
tbeore  xn  den  pjthischen  spielen  wurde  Thrasjllos  354  im  skiro» 
phoiion  noch  Tor  den  wählen,  also  spfitestens  mitte  des  monats  ge- 
schickt (Isaios  7, 15  f.  24.  ASchmidt  handb.  d.  gr.  chronoU  s.  343  ff.), 
jene  feier  mnsz  also  in  der  ersten  hälfte  des  damaligen  hekatombaion 
(beginn  24  joli)  stattgefunden  haben.  wSre  sie,  wie  Köhler  aus 
lA.  II  545.  551  entnehmen  will ,  in  das  letzte  drittel  des  bukatios 
gefallen ,  so  hStte  Kleon  frflhestens  erst  gegen  mitte  des  nfichsten, 
am  25  august  beginnenden  monats  ausfahren  können,  was  sich  mit 
der  darstellung  def  Thukydides  nicht  vertr&gt;  über  die  grundlosig* 
keit  jener  meinung  s.  Philol.  XLIII  610.  rechnen  wir  ?om  beginn 
des  gottesfriedens  bis  zu  seinem  ende  ca«  40  tage  (so  Tiele  gibt 
Pausanias  IV  19  dem  der  Hyakinthien)  und  auf  die  dem  fest  voraus- 
gehende zeit  etwas  mehr  als  auf  die  ihm  folgende  *\  etwa  den 
10  apellaioä  bis  20  bukatios,  so  fuhr  Kleon  ungefähr  am  21  bukatios 
(23  hekatombaion)  «=  15  august  ab.  die  26  talente  4300drachmen 
sind  zu  viel  für  die  sendung  nach  Delos,  einer  kleinen  insel  mit  wehr- 
loser einwohnerschaft;  dagegen  die  Unternehmung  nach  norden  war 
sehr  kostspielig:  Kleon  führte  30  schiffe,  1200  hopliten,  300  reiter 
von  Athen  und  eine  noch  gröszere  zahl  bündischer  Streiter,  welche 
bei  Zeiten  herbeigeschafft  sein  musten.  hierzu  passt  es ,  dasz  obige 
summe  ungef&hr  einen  ganzen  monat  vorher  den  bundesschatz- 
meistern  ausgezahlt  worden  ist.  sie  erscheint  für  eine  solche  auf- 
gäbe nicht  bedeutend;  aber  von  den  100  talenten  der  vorhergehen- 
den Zahlung  hat  wohl  der  grÖ8te  teil  noch  zur  Verfügung  gestanden ; 
hierzu  kommt  das  zweite  darlehen  der  ^andern'  götter. 

6.  Zur  capitaliensumme  s.  n.  3.  die  jetzt  auf  dem  stein  sicht- 
bare Zinsensumme  1  tal.  813  dr.  iVj  ob.  stimmt  nicht  zu  den  oben 
ermittelten  posten,  welche  vielmehr  auf  1  tal.  814  dr.  Y,  o^*  führen, 
diese  erhalten  wir  durch  die  nichts  weniger  als  kühne  annähme,  von 
der  letzten  drachmenziffer  h  sei  der  rechtsseitige  ansatz  geschwunden, 
wodurch  sie  in  den  obolensirich  1  verwandelt  wurde. 

Die  prytanielängen  findet  man  durch  abzug  der  letzten  zu 
ol.  89,  3  gehörenden  16  tage  von  den  zu  grund  gelegten  zinstag- 
summen.  auf  pryt.  V  20  treffen  209,  auf  pryt.  Y  1  mithin  228  zins- 
tage, auf  pryt.  V — X  kommen  also  (228  —  16  •»)  212:  von  diesen 
ist  pryt.  Y,  wie  aus  der  gleichung  von  pryt.  YI 4  mit  189  zinstagen 
hervorgeht ,  und  pryt.  X  (s.  n.  5)  36tägig ,  mithin  YIII^IX  35tägig, 
was  für  VIII~IX  durch  die  gleichung  von  pryt.  VIII  27  mit  96  zins- 
tagen bestätigt  wird,  die  gleichung  pryt.  lY  11  oder  12  mit  253, 
pryt.  lY  1  oder  2  mit  263  zinstagen  führt  auf  247  oder  248  tage 
für  pryt.  lY— X,  also  (bei  Verminderung  dieser  betrage  um  212) 

**  der  attische  mysteriengottesfriede  dauerte  64  tage,  vom  14  oder 
16  metageitnioD  bis  10  pyanepsion  (die  mysterien  selbst  füllten  min- 
destens das  dritte  viertel  des  boedromion)  und  vom  14  oder  16  gamelion 
bis  10  elapbebolion  (lA.  I  1). 


260 


WB5hme:  zu  Xeuophons  AuabasiB  [I  4,  16]. 


ftlr  IV  auf  35  oder  36;  auf  pryt,  I  — IV,  wenn  (vgl.  s.  244)  das 
jähr  355  tage  entbalten  hat,  (355  —  212  =)  143  tage,  also  drei 
36  tägige  prytanien  und  eine  von  35;  enthielt  es  354^  so  sind  142  tage 
zu  reclinen,  zerfallend  in  zweimal  35  und  zweimal  36.  die  oben  auf- 
gestellten ergSnzungen  und  teständeruBgen  werden  von  dieser  frage 
nicht  berührt. 

Würze OKO.  Georg  Friedrich  Ünoer. 


(20.) 

ZU  XENOPHONS  ANABASIS* 

Die  rede^  welche  Menon  bei  Xenophon  Anab.  14,  13  ff.  an  seine 
sdldner  hält,  um  sie  zu  bewegen  zuersjt  den  Euphrat  zu  überschreiten 
und  sich  so  einen  berechtigten  ansprucb  auf  die  besondere  dankbar- 
keit  des  Kyros  zu  erwerben  ^  scblieszt  §  15  mit  der  Versicherung 
ö^iv  -  .  xp^ccTOi  ek  (ppoüpia  Ka\  elc  Xoxatictc  .  .  .  was  heiszt 
cic  «ppoüpia  xpricerm?  das  lexicon  Xenop  honte  um  von  FWSturz 
bd,  IV  8.  497  gibt  (ppoupiov  an  unserer  stelle  wieder  mit  prae- 
sidium ,  kann  aber  nur  diese  6ine  belegstelle  aus  den  Xenophonti^ 
sehen  Schriften  beibringen ,  während  das  wort  an  allen  übrigen 
Stellen  bei  Xenophon  nur  die  übliche  bedeutung  locus  munUtt^ 
zeigt,  bei  Thukydides  bedeutet  es  an  den  25  stellen «  an  denen  es 
vorkommt,  nur  'fester  punkt,  schanze',  niemals  hat  es  die  bedeutung 
*besat2ung*.  zum  ausdruck  hierfür  gebraucht  Thuk.  regelmäszig, 
und  ebenso  Xen.  auszer  an  unserer  stelle,  qppoupä,  qppoijptov  in 
der  bedeutung  'besatzung*  scheint  nur  dicbteriBch  zu  sein:  Aisch. 
Prom.  801  toioöto  jüi^v  coi  toOto  cppoupiov  Xeftw,  vgl.  Eum.  919, 
aber  auch  angenommen ,  Xen.  gebrauche  cppoOptov  gleichbedeutend 
mit  praesidiumy  so  dQrfie  der  sinn  der  stelle  dieser  bedeutung  wider- 
sprechen, offenbar  muäz  Menons  versprechen,  Kyros  werde  seine 
Söldner  eic  cppoupia  verwenden,  etwas  ebenso  verlockendes  an  sich 
gehabt  haben  wie  die  aussieht  auf  das  einrücken  in  bauptmauns- 
stellen.  ein  griechischer  s^ldner  dtlrfte  aber  wohl  kaum  in  der  ein- 
reihung in  die  besatzungstruppe  eines  festen  punktes  ein  erstrebens- 
wertes ziel  gesehen  haben  (Rüstow  •  Köchly  cap,  5),  während  der 
doppelte  öold  der  locbagen  ihn  wobl  locken  konnte,  es  scheint  uns 
nach  allem  hier  ein  fehler  in  der  Überlieferung  vorzuliegen :  nach 
meiner  ansiebt  schrieb  Xen.  eic  9poupapxvac  Kai  elc  Xoxatiocc. 
für  die  richtigkeit  dieser  annähme  scheint  auch  die  ganz  ähnliche 
stelle  Apomn.  IV  4,  17  xqj  b'  Sv  ^dXXov  oi  cu|i^axoi  iTiCT£iJc€tav  f\ 
flT^MOViav  f|  qppoupapxiav  fj  ndXeic;  zu  sprechen,  aus  der 
gleichzeitig  hervorgebt  ^  dasz  die  stellong  des  q>povpapxoc  eine  ge* 
achtete  war.  die  commandanten  fester  platze  waren  natürlich  höher- 
stehende ofßziere,  aber  die  phrurarchen  kleiner  forts  dürften  im  ränge 
den  hauptleuten  gleichgestanden  haben,  so  dasz  die  beförderung 
eines  gewöhnlichen  Söldners  sum  qppotjpapxoc  wohl  möglich  war. 

SCHLBIZ.  W^LTB£E  BdHll£. 


ThMatthias:  urteile  griech.  prosaiker  über  die  stellang  der  fran.     261 

30. 

URTEILE  GRIECHISCHER  PROSAIKER  DER  CLAS8ISCHEN 
ZEIT  ÜBER  DIE  STELLUNG  DER  GRIECHISCHEN  FRAU. 


Mit  dem  folgenden  aufsatze  löse  ich  ein  versprechen  ein,  das 
ich  am  Schlüsse  meiner  dem  letzten  osterberichte  des  Zittauer  real- 
gymn.  beigegebenen  abhandlung  (^zur  Stellung  der  griech.  frau  in 
der  classischen  zeit'  Zittau  1893,  28  s.  gr.  4)  gegeben  habe,  in 
dieser  glaube  ich  durch  die  Zeugnisse  der  classischen  dichter  be- 
wiesen zu  haben ,  dasz  die  Stellung  der  griechischen  frau  auch  der 
classischen  Jahrhunderte  eine  viel  günstigere  war,  als  es  nach  den 
rechtsquellen  scheinen  könnte  und  als  bei  deren  einseitiger  berück- 
sichtigung  allgemein  angenommen  wird,  es  gilt  also  noch  darzuthun, 
dasz  auch  die  Zeugnisse  der  prosaiker  des  fünften  und  vierten  jh. 
dem  von  mir  entworfenen  günstigem  bilde  nicht  widerstreiten. 

Herodotos  berichtet  zunächst  aus  sagenhafter  zeit  eine  grie- 
chische weibertreu- erzählung  (IV  146):  in  Sparta  eingebürgerte  und 
mit  Spartanerinnen  aus  den  ersten  häusem  verheiratete  Minyer  sollten 
wegen  manigfacher  übelthaten  hingerichtet  werden,  den  abend  vor 
der  zur  hinrichtung  bestimmten  nacht  begehrten  ihre  frauen  einlasz 
und  erhielten  ihn  zu  einer  letzten  Unterredung  mit  ihren  mftnnem. 
drinnen  tauschten  sie  mit  diesen  die  kleidung  und  blieben  an  stelle 
der  übelthäter  zurück,  während  diese  in  frauenkleidung  hinaus- 
giengen  und  die  freiheit  wiedergewannen.  —  Herodotos  kennt  auch 
schon  die  sitte,  welche  die  culturhistoriker  gern  als  bezeichnend  für 
den  gesteigerten  einflusz  der  frau  in  der  alexandrinischen  epoche 
hinstellen  (zb.  ERohde  d.  griech.  roman  s.  63),  dasz  nemlich  die 
gemeinsamkeit  politischer  interessen  durch  verschwägerungen  be- 
siegelt und  gesichert  wird,  gerade  wie  dann  die  tragiker  diese  natür- 
lich auch  zu  ihrer  zeit  noch  bekannte  sitte  in  die  heroenzeit  zurück- 
verlegen :  dem  verwitweten  Peisistratos  bietet  sein  zur  aussöhnung 
bereiter  gegner  Megakles  seine  tochter  an  (I  60) ,  und  Miltiades 
heiratet  auf  der  thrakischen  Chersonnesos  die  tochter  des  Thraker- 
königs (VI  39).  Herodotos  führt  uns  feiner  Artemisia  vor,  wie  sie 
krieg  führt,  mitberät  und  plane  entwirft  (VII  99.  VIII  68  f.  87), 
und  er  meldet  von  einer  Pheretime,  die  in  Eyrene  für  ihren  ab- 
wesenden mann  und  unmündigen  söhn  zu  rate  sasz ,  die  Verwaltung 
fahrte  und  zu  felde  zog  (IV  165.  202). 

Selbst  die  gewöhnlichen  Athenerinnen  der  Perserkriege,  er- 
zählt er  IV  5,  empfanden  so  national,  dasz  sie  in  der  wut  der  ent- 
rüstung  frau  und  kinder  des  einzigen  Atheners  steinigten,  welcher 
die  antrage  des  Mardonios  anzunehmen  geraten  hatte  und  selber 
von  dem  erregten  volke  gesteinigt  worden  war.  deshalb  ist  es  ja 
auch  für  den  kriegsfall  nach  ihm  (VIII  106.  142)  die  erste  und 
wichtigste  sorge  der  Griechen  gewesen,  die  frauen  mit  ihren  kindem 
zu  bergen,   auch  bezeugt  er  III  119  und  VIII  39  (aiiQ  T^vaiKl), 


262     ThMatthiaa:  urteile  griechiflcher  pro&aiker  der  claBsischeu  seit 


da&z  man  damals  allgemein  empfand,  der  frau  müsse  ibr  mann,  dem 
manne  die  fraii  das  teuerste  sein;  und  gewis  konnte  er  die  innig- 
keitf  die  schon  damals  auch  in  der  hUtte  hergehen  moelite,  aus  seiner 
anbchauung  zurück  verlegend  nicht  seli^ner  schildern  ^  als  es  I  111 
von  dem  vor  Barpagos  be^chiedenen  hirten  und  dessen  ihrer  nieder- 
kunft  entgegeBäehenden  frau  heiszt :  *sie  waren  beide  in  sorge  um 
einander,  er  voll  angst  wegen  der  schweren  stunde  seiner  frau,  die 
frau  darüber,  weshalb  nur  Htirpagos  in  so  ungewohnter  weise  nach 
ihrem  manne  geschickt  habe.'  er  weisz  denn  auch  nicht  nur,  dasz 
es  der  mädchen  erster  und  sehnlichster  wunach  war  das  gl  tick  der 
ehe  zu  genieszen  (III  124),  sondern  er  berichtet  auch  von  einem 
spartanischen  könige  freilich  etwas  früherer  zeit  (560),  Anazandri- 
das,  dem  vater  des  Kleomenes,  der  sich  der  forderung  der  ephoren, 
weil  seine  erste  ehe  kinderlos  blieb  und  so  die  Eury^itheniden  aus- 
zusterben drohten,  eine  zweite  ehe  einzugehen,  deshalb  widersetzte, 
weil  es  nicht  sittlich  schön  sei  eine  frau  aus  dem  hauae  zu  stoszen, 
die  von  jedem  fehl  gegen  den  mann  rein  sei ;  und  wenn  er  auch  dem 
Staatsinteresse  das  opfer  bringen  muste  einen  zweiten  bausstand  cn 
gründen,  that  er  es  doch  erst,  nachdem  ihm  zugestanden  war,  d&Jiz 
er  der  ersten  frau  die  alte  Stellung  und  liebe  wahren  dürfe  (V  39)*  — 
Für  Athen  sind  vielleicht  die  Staats  mann  i  seh  ruhigen  worte  des 
Perikles  ^grosz  sei  der  rühm  d^r  frau ,  von  welcher  unter  mlLonern 
im  guten  oder  schlimmen  sinne  am  wenigsten  zu  hören  sei'  (Thuk. 
II 45)  eine  leise  andeutung,  dasz  die  frauen  damals  anders  zu  denken 
anfi engen. 

Unsem  ans  Euripides  und  Aristophanes  gezogenen  schlusz,  dast 
gegen  das  ende  des  fünften  jb.  die  frauenfrage  immer  wichtiger  und 
der  ruf  nach  emancipation  immer  lauter  geworden  sei,  bestätigt  jeden- 
falls ein  anderer  geschicbtschreiber :  Xenophon,  der  im  «weiten 
Jahrzehnt  des  vierten  jh.  mehrfach  das  wort  dazu  ergriffen  hat,  bes. 
im  Gastmahl,  das  wohl  ins  j.  384  gehört,  im  Oikonomikos,  der  mit 
den  vor  384  verfaszten  Denkwürdigkeiten  zusammenhängt,  und 
in  der  Kyrupaidie,  die  wohl  auch  Älter  ist  als  ihr  (nachträglicher) 
epilog.  und  dieser  mann,  dessen  gedankengang  so  niedrig  unter 
PJatons  ideenfiuge  hinzieht,  verrät  eine  so  hochsinnige  auffassung 
der  ehe,  wie  man  sie  von  ihm  nicht  erwarten  sollte,  mit  eitern*, 
kindeS't  geschwister-  und  freundesliebe  wertet  er  auch  die  gatten- 
liebe gleich  (Hieron  3i  7),  in  der  er  neigung  und  herzensfreundschaft 
hoch  über  die  genüsse  der  Sinnlichkeit  st-elit  (ebd.  4] ;  wie  er  denn 
zugleich  die  frau  zur  freien  äuszerung  ihrer  empßndung  berechtigt 
nnd  den  mann  durch  eine  der  Würdigung  seines  wertes  entkeimende 
liebe  der  frau  stolz  beglückt  zeigt,  wenn  er  sagt,  die  liebesdienbte 
hachsinnigster,  zu  einem  kräftigen  eigen  willen  berechtigter  frauen 
seien  am  herzerquickendsten  (ebd,  1,  28), 

Auch  die  im  Gastmahl  ^eilich  veräuszerlicht  wiedergegebene 
erörterung  über  das  wesen  der  liebe,  obgleich  sie  hauptsächlich  von 
dem  Verhältnis  zwischen  dem  mann  und  deinem  lieblinge  ausgebt 


über  die  Stellung  der  griechitchen  frau.  263 

und  als  dessen  zweck  die  von  der  macht  des  schönen  geförderte  ein- 
ftthrung  des  jtinglings  in  das  reich  des  guten  und  wahren  hinstellt, 
veranlaszt  Xenophon  trotzdem  zu  manchen  Seitenblicken  auf  die 
liebe  in  derefae.  Sokrates  hat  nach  seiner  erklftrung  (2, 10)  die 
ehe  mit  Xanthippe  geschlossen,  um  sich  in  ihrer  fahrung  für  den  Um- 
gang mit  den  menschen  überhaupt  zu  bilden,  hat  also  seine  frau  als 
daeu  geeignet  vorher  genau  gekannt,  nach  dem,  was  4,  8  von  Char- 
mides  frau  gesagt  wird,  ist  auch  diese  von  dem  wünsche  beseelt,  dasz 
ihr  mann  ihr  ganz  und  allein  angehöre.  Xen.  Iftszt  überhaupt  den 
Sokrates  (2,  9)  die  männliche  und  die  weibliche  natur  ganz  gleich 
setzen,  auszer  in  dialektischer  erörterung  und  stärke  des  körpers 
(YVuijiT],  Icx^c),  und  bezeichnet  als  den  berufenen  ehestifter  den- 
jenigen ,  welcher  die  einander  nützlichsten  (4,  64)  naturen  erkennt 
und  einander  zu  liebender  Vereinigung,  mann  und  frau  zu  ^würdiger, 
inniger'  ehe  (TaM^uc  dTTiTTibeiouc)  zusammenführt;  darin  wird  dann, 
wie  es  (8,  3)  von  der  des  Nikeratos  heiszt,  die  liebe  des  mannes  von 
der  frau  erwidert,  indem  aber  eine  solche  liebe  zugleich  eine  seelische 
ist  (8,  12) ,  gilt  auch  von  ihr,  dasz  sie  für  immer  nach  innerer  Ver- 
einigung der  herzen  verlangen  und  bis  ins  alter  treu  bleiben  läszt 
(8,  18  vgl.  mit  Oikon.  7,  42).  auch  der  schlusz  des  Gastmahls  (9) 
enthält  im  scherzhaften  spiel  eine  ebenso  feine  wie  edle  mahaung 
zur  einebe,  wenn  sich  die  teilnehmer  am  gastmahl  durch  den  mimos 
von  Ariadne  und  Dionysos  mit  dem,  was  irdische  schlacke  am 
himmlischen  feuer  der  liebe  ist,  an  ihre  schon  heimgeführten  oder 
zu  suchenden  frauen  gewiesen  fühlen ;  sie  sehen  Ariadne  erst  in  stiller 
erwartung  des  Dionysos,  dann,  als  ihn  verkündende  klänge  er- 
schallen, von  der  freude  auf  das  wiedersehen  durchbebt;  die  wieder- 
vereinten finden  kein  ende  der  bewillkommenden  worte  und  küsse, 
und  als  sie  gar  auf  des  gottes  frage,  ob  sie  ihn  liebe,  dies  unter  Um- 
armungen so  innig  und  überzeugend  beteuert,  dasz  alle  Zuschauer 
geschworen  hätten,  mädchen  und  Jüngling  liebten  wirklich  einander, 
da  eilen  die  Zuschauer  von  dannen,  die  männer  in  die  arme  ihrer 
frauen,  die  ledigen  mit  dem  schwur  sich  zu  verehelichen. 

Auszerdem  verdienen  einige  ausdrücke  für  verschiedene  grade 
des  Verliebtseins  beachtet  zu  werden,  'sich  vor  liebe  verzehren' 
wird  gar  schon  in  beziehung  auf  sachen  gebraucht  (8,  13).  eine 
person  'entbrennt  heftig'  für  eine  andere  (rrpoceKauOii  4,  23) ,  die 
ihr  dann  stete  Sehnsucht  (ttöOgc)  verursacht:  für  eine  solche  geliebte 
person  *gienge  sie  durchs  feuer*  (4,  16);  und  wenn  sie  mit  ihr  ver- 
einigt ist,  wird  sie  nicht  eher  glücklich,  als  bis  sie  'köpf  an  köpf 
und  Schulter  an  Schulter  gelehnt  hat'  (4,  28) ;  sie  'grollt  der  nacht 
und  dem  schlafe«  die  ihr  den  an  blick  entziehen,  und  dankt  voll  innig- 
keit  dem  tage  und  seinem  Sonnenlicht,  das  ihm  ihr  liebes  antlitz 
wieder  zeigt'  (4,  13).  selbst  in  beziehung  auf  das  Verhältnis  des 
mannes  zu  seinem  lieblinge  gebraucht  sind  diese  Wendungen  gleich- 
wohl auch  für  unsere  frage  von  wert,  weil  ähnliche  ausdrücke  auch 
in  den  darstellungen  des  Verhältnisses  zwischen  mann  und  frau  im 


264     ThMatthiaB:  urteile  Neckischer  prosaiker  der  clasBischen  zeit 


Oikon.  und  in  Kjrup.  IV  7  vorkommen :  denn  diese  Übereinstimmung 
beweist,  dasz  je  noch  Stellung  und  bildung  in  beiden  Verhältnissen 
dieser  selbe  empfindsame  ton  ange^cb lagen  wurde. 

Der  OikoDomikos  ist  ein  bericbt  über  ein  geapräeb»  das  Sokrates 
mit  Kritobalos  und  Iscbomachoa  über  die  fretiden  und  aufgaben  eines 
rechtt^n  landwirts  geführt  bat.  darin  macht  aber  einen  guten  teil 
(7  —  9)  aus  des  Ischomachos,  eines  vortrefiFlicben  hausvaters ,  mit- 
teilung  darüber I  wie  er  seine  frau  zu  dem  ideal  erzogen  habe,  das 
Sokrates  vorher  von  der  rechten  hausfrau  entwirft,  dasz  sie  als  mit- 
arbeiterin  (cuveptoc  3,  10)  des  mannes  und  gute  mit  Verwalterin  des 
hsuses  (koivoivÖC  (iTöGn  '^  15)  gleich  wie  dieser  für  des  hauses 
wohl  wirkt,  es  mehrend  und  erhaltend,  nach  der  Vermählung  haben 
sie  mit  einander  gebetet  (T,  8)»  er  dasz  es  ihm  gelingen  möge  sie  in 
allem  zur  rechten  Führung  des  bausatandes  nötigen  zu  unterweisen« 
sie  dasz  ihr  die  götter  die  kraft  geben  möchten  nach  des  mannes 
lehre  eine  gute  bausfran  zu  werden,  sie  sind  sich  auch  alsbald  klar 
geworden:  ^nun  ist  uns  alles  gemeinsam,  als  gröstes  glück  kinder^ 
die  uns  etwa  geschenkt  werden,  die  bebten  helfer  und  stützen  in 
epStem  jähren  (12),  beide  ?find  wir  einander  gleich  nötig  (13)^  jedes 
müssen  wir  nehmen  und  geben  und  dafür  dem  andern  danken  und 
dafür  sorgen  (26);  wir  haben  nun  uur  für  einander  zu  leben,  ich, 
die  frau,  wie  die  mutter  mich  gelehrt^  in  gehorsam  gegen  meinen 
mann;  ich,  der  mann,  wie  der  vater  mich  ermahnt,  in  liebe  und 
treue  nur  zu  ihr  (14  f.);  und  unsere  gemeinsame  aufgäbe  ist  es,  uns 
in  ehren  zu  erhalten  und  unser  gut  mit  gebühr  und  recht  möglichst 
s^u  mehren/  willig  hat  die  junge  frau  alle  die  fast  unzählbaren 
(7,  22—9,  17)  aufgaben  auf  sich  genommen,  bei  deren  erfüllung  er 
ihr  freilich  dieselbe  gewait  im  hause  zugesichert  hat,  wie  der  weise! 
sie  im  bienenstock  übt  (38),  und  vor  allem  die  ewige  dauer  seiner 
Verehrung  für  sie,  welche  ja  nur  wachsen  könne,  wenn  sich  mit  den 
Jahren  die  glieder  und  guter  der  familie  mehren  und  die  aufgaben 
sich  steigeru  (42).  ja  nicht  nur  hat  sie  seine  Weisungen  willig 
hingenommen  und  seine  befürchtungen ,  er  mute  ihr  mit  seineu 
Vorschriften  zur  crhaltung  und  mehrung  der  gemeinsamen  habe 
wohl  zu  viel  zu,  fa^t  kränkend  gefunden;  sondern  immer  mehr  an* 
Weisung,  wie  sie  ihm  wirklich  gefallen  könne,  hat  sie  verlangt 
(10,  9).  dabei  bat  sie  durch  die  art,  wie  sie  ihm  zu  liebe  von  &n- 
fang  an  auf  die  anwendung  von  schminke  und  sonstigen  toiletten* 
kUnsten  als  etwas  unwahres  verzichtet  hat,  zugleich  ihr  ganzes,  liebe- 
bereitea  innere  erschlossen,  er  hat  sie  nemlich  gefragt,  ob  sie  ihn 
ihrer  liebe  für  werter  halten  würde,  wenn  er  sein  vermögen  nicht 
gröszer  angebe  als  es  sei^  oder  wenn  er  es  gröszer  hinstelle  und  un- 
echte Schmucksachen  für  echte  ausgebe«  sogleich  ist  sie  ihm  in  die 
rede  gefallen,  er  solle  doch  nicht  so  garstiges  reden;  im  zweiten 
falle  würde  sie  ihn  ja  nimmer^  wie  öie  doch  machte,  ^aus  vollem 
herzen'  lieben  können. 

Wenn  hier  Xenophon  die  wertschfttzong  der  galten  und  da«$ 


fiber  die  stellnag  der  griechischen  fraa.  265 

glück  der  ehe,  von  dem  der  biedere  landmann  selber  nicht  viel  worte 
macht,  lediglich  auf  dem  für  den  nüchternen  mann  am  nächsten 
liegenden  gründe  des  gegenseitigen  nutzens  emporwachsen  Iftszt 
(7y  11.  28.  20,  29),  so  hat  er  in  die  Eyropaidie,  dieses  romanhafte 
fürstenbuch,  in  manigfachen  bildem  ganz  verschiedene  erscheinungs- 
formen  der  liebe  selbst  eingewoben.  fELr  den  unter  seinem  ideal- 
herscher  k&mpfenden  krieger  ist  es  der  köstlichste  lohn,  dasz  er  sich 
durch  den  sieg  die  möglichkeit  erkaufen  kann  an  den  herd  der  heimat 
und  zu  dem  beim  auszuge  zurückgelassenen  weihe  zurückzukehren 
(IV  4,  10).  wie  die  gewöhnlichen  kneger  urteilen  die  Hirsten,  und 
dasz  ihnen  weib  und  kind  in  knecbtschaft  und  schände  geraten ,  ist 
diesen  immer  die  erste  und  gröste  furcht  (III  1,  26.  29).  wie  Ejros 
den  Eroisos  durch  die  Wiedervereinigung  mit  seiner  gemahlin  zu  be- 
glücken überzeugt  ist  (VU  2,  26),  so  erklärt  der  Armenierkönig, 
dessen  weib  und  kinder  in  Eyros  bände  gefallen  sind,  als  auch  er 
selbst  in  dessen  gewalt  ist  und  begnadigt  werden  soll,  'so  viel  er 
habe  und  geben  könne,  wolle  er  für  die  Wiedervereinigung  mit  seiner 
familie  hingeben'  (III  1,  35).  sein  söhn  Tigranes,  *der  noch  nicht 
lange  verheiratet  ist  und  sein  weib  über  alles  liebt',  ist  sogar  bereit 
sein  leben  hinzugeben,  wenn  er  dadurch  nur  die  geliebte  frau  von 
knecbtschaft  und  dienstbarkeit  befreien  kann  (36).  diese  beiden  sind 
auch  dieselben,  von  denen  der  eine  (III  1,  39  vgl.  Hieron  3,  3)  das 
weitgehende  recht  der  Selbsthilfe,  das  dem  manne  gegen  den  ehe- 
brecher  zusteht,  aus  dem  innerlichen  gründe  erklärt,  dasz  dieser 
jenem  'das  kostbarste  gut,  die  liebe  und  Zuneigung'  seiner  frau  ent* 
ziehe,  und  der  andere  von  seiner  frau  auf  die  frage,  ob  auch  sie  wie 
alle  andern  den  Eyros  wegen  seiner  vielen  Vorzüge  bewundert  habe, 
die  antwort  erhält:  'nicht  ihn,  sondern  den  der  meine  freiheit  mit 
seinem  leben  zu  erkaufen  bereit  war',  eine  antwort  für  welche  sie, 
'wie  sie  es  verdient',  mit  zärtlicher  umarmung  belohnt  wird  (41). 
bei  solcher  Schätzung  der  eignen  frauen  ist  es  natürlich,  dasz  sie 
die  Verheiratung  ihrer  kinder  mit  denen  anderer  mächtigen  als  ein 
sicheres  mittel  betrachten  mit  diesen  gutes  einvernehmen  zu  unter- 
halten (IV  6,  9.  VIII  5,  19).  sie  erziehen  daher  die  töchter  in  der 
voraussieht  dasz  jede  die  frau  eines  bestimmten  begehrenswerten 
fürsten  werde,  wie  denn  des  Eyaxares  tochter  auf  die  frage,  wen  sie 
einmal  heiraten  werde,  jedem  geantwortet  hat:  'den  Eyros.' 

Eyros  selbst  liebt  diese  gattin,  die  er  mit  Zustimmung  seiner 
eitern  heimführt,  gleich  seinen  kindern  und  freunden  und  dem  vater- 
lande, wie  er  denn  auf  dem  Sterbebette  für  sie  so  gut  wie  für  diese 
alles  glück  von  den  göttem  erfleht  (VIII  7,  3).  wenn  trotzdem  das 
buch  keine  Schilderung  seines  ehelebens  enthält,  so  erklärt  sich  dies 
daraus,  dasz  das  buch  die  Wirksamkeit  des  königs  für  das  ganze 
schildert  und  deren  trefiflichkeit  aus  seiner  trefflichen  erziehung  er- 
klärt werden  soll,  wohl  aber  hat  er,  darin  ein  echter  Sokratiker, 
eine  erkenntnis  vom  wesen  oder  doch  von  den  erscheinungsformen 
der  liebe,   und  kraft  deren  steht  er  über  ihr.    beim  gastmahl  zb. 


266    ThMatthias :  urteile  griechischer  prosaiker  der  clasBiaclieii  seit 

spottet  er  ttber  die  liebestheorie ,  wonach  gleichgestaltete  personen, 
wie  klüin  und  klein,  oder  einander  ergänzende,  wie  hohl-  und  spitz- 
bttuche,  stumpf-  und  babichtsBasen ,  vor  andern  zur  Vereinigung 
geschickt  seien  (YIII  4,  18  ff,),  er  wird  belebt  von  der  liebe  zum 
edlen  und  groszen ,  das  er  fdr  sein  ganzes  reich  znr  Wirklichkeit 
machen  möchte,  und  erntet  dafUr  die  liebe  aller  unterthanen  bis  zu 
der  schwärmerischen  Vergötterung,  die  ihm  jener  Meder  beim  ab- 
schiede vom  hofe  des  groszvaters  verrfit  (I  4,  27  ff*):  als  dieser  den 
könig  zum  abschied  alle  verwandten  küssen  sah,  erschien  zuletzt 
auch  er  und  gab  sich  als  solchen  aus^  um  des  verehrten  kiisz  zu  ge* 
winnen ;  dann  fragte  er  ihnj  ob  auch  in  Persien  die  sitte  bestehe  die 
verwandten  zu  küssen^  worauf  Eyros  antwortete:  ^gewis,  wenn  sie 
sich  nach  einiger  zeit  wiedersehen  und  wenn  üe  von  einander  gehen.' 
darauf  ist  der  Meder  verschwunden ,  nach  einiger  zeit  aber  wieder 
vor  dem  reisenden  prinzen  erschienen,  sich  einen  kusz  einmahnend, 
da  jene  erste  bedingung  erfüllt  sei ;  als  aber  Kyros  die  zeit  der  tren» 
nung  zu  kurz  gefunden,  bat  der  Meder  erklärt,  schon  die  zeit,  welche 
er  ihn  beim  blinzeln  nicht  sehe,  dünke  ihn  eine  ewigkeit.  —  Kyros 
kennt  die  liebe,  und  zwar,  wie  der  Zusammenhang  (V  1^  1  ff.)  ergibt^ 
auch  zwischen  mann  und  frau  als  eine  allen  widerstand  brechende 
nnd  die  zeit  überdauernde  leidenschaft.  er  will  e^  nicht  nur  erlebt 
haben,  wie  die  menschen  aus  liebe  in  ewiger  trauer  klagen,  sondern 
auch,  wie  leute,  welche  die  gröste  ungebundenbeit  Hebten^,  knechta 
der  geliebten  person  geworden  seien,  wie  sie  opfer  Über  ihre  krSfte  i 
gebracht  und  um  erlöaung  aus  den  banden  gefleht  und  sie  doch  nicht 
haben  zerreiszen  mögen  (V  1,  12).  er  selbst  geht  dieser  macht  aus 
dem  wege  (16),  da  den  berscher  keine  leidenschaft,  sei  es  welche  ea 
wolle,  vom  pfade  den  rechten  abziehen  darf;  aber  er  freut  sich,  wena ' 
er  glückliche  paare  machen  (VIII  4^  24)  oder  wieder  vereinigen  kann 
(III  1,  37);  und  vor  allem  ist  er  voll  bewundernng  für  den  auch  von 
uns  noch  zu  würdigenden  hochsinn  und  die  liebe  Pantheas,  die  keine 
anfechiung  erschüttern  und  selbst  der  tod  nicht  lösen  kann. 

Panthea,  die  schönste  aller  frauen  Asiens  (lY  6,  11),  die  ge- 
mahlin  des  herschers  Abradatas  von  Susa,  ist  allein  in  Kyros  ge*^ 
fangenschaft  geraten ^  und  der  ihr  bestellte  büter,  der  junge  Araspos, 
ist  von  ihrer  Schönheit  und  liebenswürdigen  dankbarkeit  und  ftlr- 
sorglichkeit  bald  gefesselt  (V  1,  18).  er  hat  ihr  nicht  nur  antrage 
gemacht;  welche  sie,  die  ihren  gatten  innig  liebt,  zurückwies,  über 
welche  sie  aber  edel  genug  war  zu  schweigen ;  sondern  er  hat  ihr 
auch  mit  gewalt  gedroht,  bis  sie  sich  gezwungen  sah  dem  könige 
diese  drohungen  des  zudringlichen  zu  melden  (VI  1,  31).  sogleich 
hat  ihn  der  köntg  schonend  auf  einen  andern  posien  verschickt, 
Panthea  aber  darf  den  Abradataa  zu  sich  entbieten,  bei  dem  so  un- 
^erhofften  wiedersehen  ist  des  innigen  umarmens  kein  ende,  dann 
aber  treibt  sie  den  gatten  des  Kyros  edelmut  und  zartes  mitgefUhl 
durch  eine  tapfere  that  zu  lohnen  (47).  er  stellt  ihm  hundert  sichel- 
wagen zur  Verfügung  und  baut  sich  selbst  zum  kämpfe  für  den  könig 


fiber  die  steUmig  der  griecliischeii  fnxu  267 

einen  gewaltigen  strüttnrmwagen  (50).  als  er  spftter  damit  in  die 
Schlacht  gegen  die  Ägypter  aosrackt,  bringt  ihm  die  gattin  einen 
Waffen-  und  helmsehmnck,  den  sie,  ihm  heimlich  masznehmend 
und  ihren  eignen  schmuck  hingebend,  hat  herstelleo  lassen 
(4,2  ff.);  und  zum  abschiede  sagt  sie:  'wenn  je  ein  weib  ihren  mann 
höher  als  ihr  eignes  leben  achtet,  dann,  weiszt  du,  bin  auch  ich  ein 
solches;  und  wie  dir  mein  leben  dies  bezeugt  hat,  so  schwöre  ich  es 
dir  auch  ausdrücklich  bei  unserer  liebe:  lieber  will  ich,  wenn  du  in 
tapferm  kämpfe  Kjros  edelmut  vergeltend  f&llst,  mit  dir  sterben 
ala  ehrlos  an  eines  undankbaren  und  dadurch  bloszgestellten  seite 
weiterleben'  (5  f.).  ihr  haupt  berflhrend  fleht  er  darauf  zu  Zeus, 
dasz  er  ihn  solch  einer  gattin  und  der  königlichen  gnade  würdig  er- 
scheinen lasse.  Paothea  aber  *küszt',  als  er  hinter  dem  thore  des 
turmwagens  verschwunden  ist,  *da  sie  ihn  anders  nicht  mehr  lieb- 
kosen kann*,  seinen  wagen;  und  wie  sich  dieser  in  bewegung  setzt, 
folgt  sie  ihm  heimlich,  bis  sich  Abradatas  noch  einmal  nach  ihr  um- 
dreht und ,  sie  erblickend ,  ihr  ein  letztes  lebewohl  und  den  wünsch 
umzukehren  zuruft  (9  f.).  im  kämpfe  bald  von  allen  Volksgenossen 
allein  gelassen  fällt  der  tollkühne  unter  dem  widerstände  der  sich 
tapfer  wehrenden  Ägypter,  da  hat  ihn  Panthea  dann  aufgehoben 
auf  ihren  eignen  wagen,  ihn  in  den  fluten  des  Paktolos  gewaschen 
und  mit  allem  was  sie  hat  geschmückt,  und  während  sie  ihm  auf 
einer  höhe  ein  grab  schaufeln  läszt,  starrt  sie  in  das  geliebte  antlitz, 
das  sie  in  ihrem  scbosze  gebettet  hat  (YII  3,  4  f.).  so  findet  sie 
Kyros  noch ,  der  auf  die  künde  davon  zu  der  Jammerstätte  eilt,  er 
hört  von  der  jammernden  auf  seine  tröstende  teilnähme  freilich  nur 
leise  vorwürfe  gegen  sich  selbst,  dem  zum  danke  jener  in  diesen  auf- 
opfernden tod  getrieben  worden  sei.  kaum  ist  er  aber  mit  dem  ge- 
löbnis  für  das  ehrenvollste  begräbnis  des  beiden  und  für  die  erfttllung 
aller  ihrer  wünsche  in  zukunft  sorgen  zu  wollen  und  voll  mitleid 
'mit  der  frau  die  einen  solchen  mann,  und  dem  manne  der  eine 
solche  frau  nicht  wiedersehen  sollte'  von  dannen  gegangen,  so  ent- 
fernt die  unglückliche  alle  diener  bis  auf  die  amme,  der  sie  ihren 
entschlusz  mit  dem  gatten  zu  sterben  erklärt  und  befiehlt  sie  'mit 
dem  gatten  in  6in  gewand  zu  hüllen',  dann  stöszt  sie  sich  den  doloh 
in  die  brüst  und  bricht  über  dem  geliebten  zusammen,  'das  haupt 
an  seiner  brüst  zur  ruhe  bettend'  (8  ff.),  mag  der  kern  der  erzäblung 
immerbin  geschichtlich  oder  orientalischer  sage  entlehnt  sein,  wenn 
Xenophon  für  sie  bei  griechischen  lesem  Würdigung  voraussetzen 
und  sie  so  ausschmücken  konnte,  so  muste  er  wissen  dasz  seine  leser 
daheim  von  gleichen  empfindungen  beseelt  waren,  und  vollends  diesen 
ton  kann  er  nicht  durch  verstohlene  blicke  in  den  neidisch  gehüteten 
harem  persischer  groszen,  sondern  nur  im  griechischen  frauengemaohe 
gelernt  haben. 

Auch  der  geniale  Sokratesschüler  Pia  ton  bietet  die  schätz- 
barsten Zeugnisse  für  die  hohe  achtung,  mit  welcher  zu  seiner  zeit 
der  frau  begegnet  wurde ,  und  zwar  thatsächliche.   denn  die  forde- 


ThMatthiae:  urteile  griechisclier  prosaüer  der  claeßiBchen  xeit 


rüBgen,  die  er  in  seinem  ideal st&ate  aufstellt,  kommen  bier  höcbsiei 
als  beweis  dafür  in  betrachte  bis  zu  welcbem  grade  aticb  auf  dem 
boden  Griecbenlands  bebtrebungen  zur  —  emancipation  der  frauen 
gedeiben  koonten.    es  sei  darauf  nur  hingewiesen. 

Obwohl  auch  nach  Piatons  fechöpfungsgeschichte  der  mann  etwas 
höher  steht  und  in  die  fraüenkörper  erst  die  seelen  eingegangen 
sind ,  welche  nach  ihrer  ersten  existenz  in  mÄnnerleibern  noch  nicht 
gewürdigt  werden  können  das  glückselige  sternenleben  zu  führen 
(Tim.  s»  42),  so  wird  doch  im  Staate  mann  und  frau  durchaus  gleiche 
föhigkeit  und  berecbtigung  zugesprochen  und  für  beide  geschlechter 
gleiche  geistes-  und  kßrperbildung  verlangt  (Staat  s.  456.  618' 
nähere  bestimmcingen,  wie  der  untemcht  der  mftdchen  einzuricbtei 
sei,  und  über  viele  einzelheiten,  in  denen  mann  und  frau  gleich  be- 
handelt werden  sollen,  enthalten  die  Gesetze  (bes.  s.  764.  771  £f, 
7B1  ff.  603.  810  ff.  828  fiT );  und  wenn  man  die  nachricht  würdigt 
wonach  sich  mehrere  Staaten  von  Platon  wirklieb  ge  setz  entwürfe  er- 
beten haben  (Christ  GLG,*  8.  390),  so  würe  es  sehr  falsch,  in  diesen 
manigfachen  bestimmungen  lediglich  ausgeklügelte  theorie  und  gar 
keine  Widerspiegelung  der  wirklicbkeit  zu  finden.  Athen  betreffend 
entspricht  es  nicht  nur  für  die  vornehmen  häuser,  sondern  gewis  bis 
tief  herab  in  den  niedern  bürgerstand  dieser  Wirklichkeit,  wenn  ge* 
fordert  wird ,  dasz  roädchen  wie  knaben  bis  zum  zwölften  jähre  not- 
dürftig lesen  und  schreiben  {^*  809  f.)  und  bis  zum  15n  jähre  das 
spiel  der  lyra  lernen  sollten,  dazu  auch  das  Verständnis  der  chor* 
gesftnge  und  die  fähigkeit  sie  vorzutragen  (s.  812);  entspricht  doch 
dieses  verlangten  nur  der  folgerung,  die  ich  in  der  erwähnten  pro- 
gram mabh.  aus  mancher  tragikerstelle  ziehen  muste. 

Ebenso  stimmt  es  zu  den  schlössen,  die  sich  uns  ebd.  auf-      i 
drängten,  und  beiszt  also  auch  nur  ein  von  verstfindigen  und  rUclo^^H 
sichtsvollen  Vätern  und  bräutigamen  beobachtetes  verfahren  alsgeset«^' 
formulieren,  wenn  von  den  drei  Sprechern  in  den  Gesetzen  gerade 
der  Athener  folgende  forderungen  erhebt:  'viele  feste  müsten  ge- 
feiert werden  in  den  einzelnen  bezirken  wie  im  gesamtstaate,  sowohl 
um  der  götter  gunst  willen  als  auch  wegen  gegenseitigen  annäbems, 
bekanntwerdens  und  befreundens:  denn  auf  diese  weise  müsse  zur 
rechten  Vorbereitung  ehelicher  Verbindungen  beiden  teilen  die  un- 
bekanntschaft benommen  werden;  auch  müsten  zu  demselben  zweck«) 
gemeinsame  belustigungen  der  jungen  mädchen  und  männer  mit  spiel 
und  tanz  und  sittsamer  Schaustellung  der  Schönheit  stattfinden,  damit 
sie  so  mit  geschmack  und  urteil  wählen  und  von  altern  zuschauem 
nnd  ihren  eitern  gewählt  werden  könnten  (s.  771  f.  vgl.  mit  s.649  ae.). 
denn  der  schritt  der  Verheiratung,  ^dieser  gewaltige  Umschwung  in 
der  gesamten  lebensfübrung'  (Ges,  s.  775),  sei  zu  ernst,  als  dasz  ihn 
jemand  'sein  liebstes,  söhn  oder  tochter,  so  thun  lassen  möchte,  dasz 
es  ihn  gereut,  wenn  es  zu  spät  ist'  (ebd*  s.  649).  ja  a*  924  wird  es 
ausdrücklich  ausge^^prochen ,  dasz  der  vater  auf  mehr  sehen  kani 
aU  der  staat  bei  seiner  fürsorge  für  nachgelassene  erbtöchter,  ans; 


über  die  stellciDg  der  griechischea  frau.  269 

auf  die  ftoszem  yerhältnisse  nemlich  auch  darauf,  dasz  der  Schwieger- 
sohn ihm  ein  willkommener  söhn  und  der  tochter  ein  ge- 
nehmer gatte  sei;  und  ohne  verwandte  dastehenden  erbinnen  wird 
(s.  925)  ausdrücklich  die  freies te  wähl  nach  eignem  urteile  gewahrt. 

Auch  durch  das  im  Staat  aufgestellte  ideal  der  weibergemein- 
Bchaft  wird  Piaton  nicht  gehindert  das  glück  der  einehe  zu  schätzen. 
er,  der  alle  sinnliche  liebe  auszer  der  zwischen  mann  und  frau  in 
der  ehe  verurteilt  (Ges.  s.  636.  Staat  372.  Phaidros  250  f.),  er,  der 
wie  kein  anderer  wieder  besonders  im  Charmides  und  im  Symposion 
die  begeisternde  macht  auch  körperlicher  Schönheit,  wie  er  sie  selbst 
empfunden,  darzustellen  gewust  hat,  stellt  sogar  in  seinen  idealsten 
gedankengSngen  im  Staate  (s.  468)  als  eine  belohnung  für  den 
tapfersten  im  felde  die  erlaubnis  hin,  sich  küssen  zu  lassen  und  zu 
küssen,  soviel  er  will,  schöne  knaben  und  mädchen.  er  kennt  die 
fördernde  und  störende  gewalt  der  Schönheit  auch  für  die  ehe  (Ges. 
8.  636.  722)  und  spricht  auch  von  der  ehe  in  der  zartesten  weise, 
bes.  unter  dem  bilde  des  'eignen  nestes'  (Staat  s.  548  aa.  Ges. 
8.  776).  darum  stützt  er  auch  seine  unbedingte  forderung  unver- 
brüchlicher gattentreue  vor  andern  gern  mit  dem  hinweis  auf  die 
treue,  mit  welcher  die  pärlein  bei  der  unvernünftigen  creatur  ein- 
ander lieben  und  ihre  kleinen  beschützen,  'auch  die  schwächsten 
sind  bereit  für  ihre  jungen  mit  den  stärksten  zu  kämpfen,  für  sie  zu 
sterben  und  selbst  von  hunger  abgezehrt  zu  werden ,  wenn  sie  nur 
jene  aufbringen'  heiszt  es  im  Gastmahl  (s.  207).  'wir  dürfen  doch 
nicht  schlechter  sein  als  die  tiere,  welche  bis  zur  reife  in  groszen 
herden  vereint  jungfräulich,  unvermischt  und  keusch  dahinleben, 
dann  aber,  männlein  und  weiblein ^  sich  in  liebe  paaren  und  bis  an 
ihr  ende  in  heiliger  treue  mit  einander  leben  und  festhalten  an  dem 
ersten  bunde  der  liebe'  steht  in  den  Gesetzen  s.  840,  wo  dann  eine 
reihe  bestimmungen  gegen  diejenigen  folgt,  welche  der  wild  aus- 
schweifenden leidenscbaft  derbarbaren  auch  in  Hellas  fröbnen  wollen. 
da  mit  Piatons  ganzer  theorie  über  den  grund  des  liebes-  und  freund- 
Schaftsverhältnisses  im  wesentlichen  nur  die  übereinstimmt,  wonach 
in  ihm  entgegengesetzte  naturen  einander  zu  ergänzen  suchen  und 
jedenfalls  die  auf  die  Vereinigung  solcher  naturen  abzielende  Ver- 
bindung leidenschaftlicher  und  inniger  wird  (Ges.  s.  837) ,  so  ist  es 
nur  natürlich,  wenn  er  als  die  glücklichste  ehe  nicht  diejenige 
empfiehlt,  wo  beide  teile  im  vollgenusz  äuszerer  guter  diese  und 
sich  selber  nur  zu  genieszen  braueben,  er  empfiehlt  vielmehr  haupt- 
sächlich auf  die  innern  Vorzüge  sehend  eine  Verbindung  zu  schlieszen, 
in  welcher  man  für  sich  und  die  seinigen  sorgen  musz:  denn  wenn  in 
der  ehe  gegenseitiges  bedürfnis  und  verlangen  empfunden  werde,  so 
kitte  und  binde  das  die  ganzen  Charaktere  an  einander  (ebd.  s.  776). 

Was  aber  die  bauptsache  ist,  wenn  einem  alle  bisher  angeführten 
äuszerungen  Piatons  über  die  Schätzung  der  frau  mehr  ideale  forde- 
rungen  und  Vorstellungen  als  bestätigung  bestehender  tbatsachen 
scheinen  sollten,  so  fehlt  es  durchaus  auch  an  solchen  über  jeden 


270     ThMatthiag;  urteile  ^iechischer  prOBftiker  der  claesiscben  zeit 


zweifei  erbabenen  tbats&cMicben  angaben  bei  ibm  nicbL  welch 
ebreßde  zeugni8se  stellt  nicbt  aueb  er  der  wirklieb  yorbandeneii 
bildung  seiner  zeitgeoossiöoen  aiisl  maji  darf  scbou  nicht,  wie  ge- 
wöhnlich geschieht,  zu  gering  anschlagen,  was  auch  er  von  ihrem 
fabulieren'  sagt  (Gorg.  s,  627.  Staat  s.  350  f.)j  endigt  er  doch 
manchmal  in  einem  ähnlichen  fabulieren,  und  will  er  doch,  dasz 
auch  die  mütter  des  ideait^taates  die  jungen  seelen  durch  ähnliche 
erzähl ungen  bilden  (8.  377).  er  stellt  durchaus  die  ganze  grosze 
menge  der  männer,  alle  nicbtpbilo&opben  ^  in  ihrem  trachten  und 
denken  auf  6ine  Btufe  mit  den  frauen»  dh.  also  diese  nicht  unter 
jene  (Staat  s.  431).  ganz  zu  Bchweigen  von  der  Mantineierin  Dio- 
tima,  die  tm  Gastmahl  den  tiefsten  aufscblusz  über  das  wesen  der 
liebe  gibt,  oder  von  den  weisen  frauen  und  pries ter innen  im  Menon 
(s»  81)  I  die  sich  über  die  gründe  ihres  lehrens  und  wirkens  auch 
wollen  recbenechaft  geben  können,  so  weisz  Alkibiades  (Gastm. 
8.  215  ae.)  auch  davon  zu  melden,  dasz  sich  frauen  des  Sokrates  ge- 
sprÄcbe  wiedererzählen  lassen;  und  in  den  Gesetzen  (s.  6ö8)  ist  von 
^gebildeten'  frauen  die  rede,  die  in  Übereinstimmung  mit  der  mehr* 
zahl  der  athenischen  Zuschauer  von  allen  dich  tun  gen  die  tragOdien 
am  liebsten  m($gen,  wie  denn  auch  die  rhapsoden  mit  rührenden 
frauenrollen ,  einer  Andromache  oder  Hekabe,  am  meisten  glück 
haben  (Ion  535).  auch  erhält  bei  ihm  (Gorg*  8.  471  ae.)  die  fran 
60  gut  wie  der  mann  das  auszeichnende  urteil  der  geistigen  und 
körperlichen  harmonischen  durcbbildung  (KaXoKüTfaOia), 

Wenn  man  sich  damalige  Griechinnen  so  vorstellen  darf»  wird 
es  nicht  wundernehmen,  dasz  er  auch  grosze  Innigkeit  des  ebelebens 
als  etwas  natürliches  bezeugt,  selbst  Sokrates,  dieses  klaren  ver» 
stand  es  menschen,  Verhältnis  zu  der  viel  verlästerten  Xanthippe  musz 
ziemlich  innig  gewesen  sein  nach  dem,  was  Piaton  im  Phaidon  (s«  60 
und  116)  erzählt;  wie  sie  die  letzte  nacht  mit  einem  kinde  bei  dem 
gatten  im  kerker  geblieben  ist,  einige  stunden  vor  dem  tode  mit 
andern  frauen  und  zwei  kindem  nochmaU  erscheint,  seine  letzten 
auftrage  in  empfang  nimt  und  nur  schwer  unter  klagen  und  seufzem 
entfernt  werden  kann.  —  Piaton  weisz  auch  von  männern ,  die  nu 
6in  ziel  kennen ,  gerade  die  begehrte  frau  zu  gewinnen »  wie  er 
(Krat.  s.  395)  von  Pelops,  wegen  dessen  unredlichen  verfahren 
freilich  tadelnd,  erwähnt  er  hat  gehört,  wie  in  glücklicher  eh€»1 
lebende  frauen  ihre  braven  männer  ^mein  himmlischer'  anreden 
(Menon  a.  99).  dasz  in  treuer  liebe  auch  gatten  für  einander  das 
äuszerste  wagen,  selbst  für  einander  starben,  das  weisz  er  nicht  nur 
durch  die  sage  von  Orpheus  und  von  Alkestis  zu  belegen,  wie  in 
Gastmahl  (s.  179)  Eryxtmachos;  sondern  er  bestILtigt  auch,  dasz 
im  leben  wirklich  so  ist,  wie  es  auf  der  bühne  dargestellt  wird,  dasz 
die  liebenden  in  verzehrender  Sehnsucht  und  klagender  trauer  um 
dahingegangene  eine  unbeschreibliche  freude  finden  (Philebos  s.  47  f.), 
und  weisz  aus  erfahrung,  dasz  im  leben  solche  trauer  wirklich  bis 
in  den  tod  die  treue  hält:   'wenn  ihnen  ein  liebes   (sagt  er  im 


über  die  stelluDg  der  griechiBchen  fraa.  271 

Phaidon  s.  68),  fraa  oder  söhn  gestorben  war,  dann  wollten  scbon 
▼iele  gern  freiwillig  in  den  Hades  steigen,  von  der  boffnnng  getriebea 
dort  wiederzuseben  nach  denen  es  sie  verlangt  und  wieder  mit  ibnen 
▼ereint  zu  sein.'  immer  bat  der  mann  zuerst  sorge  um  weib  und 
.  kind  (Staat  s.  578  ae.) ;  und  nocb  aus  den  gräbern  scheinen  ge- 
fallene männer  an  ihre  eitern  die  mahnung  zu  richten,  'diese  wür- 
den sich  am  besten  über  ihren  verlast  trösten  and  am  würdigsten 
und  den  gefallenen  söhnen  am  meisten  zu  dank  leben ,  wenn  sie  für 
deren  weiber  und  kinder  sorgten.' 

Wenn  aber  der  Menexenos,  in  dem  (s.  248)  diese  worte  in  der 
angeblich  von  Aspasia  vorgetragenen  leichenrede  vorkommen,  ebenso 
wenig  von  Piaton  selbst  ist  wie  der  Alkibiades  I,  in  dem  den  Staats- 
bürgern die  zwischen  eitern  und  kindem,  gesehwistem  und  gatten 
waltende  liebe  als  muster  hingestellt  wird  (s.  126)^  so  liefern  die 
beiden  Schriften  gerade  dadurch  um  so  mehr  den  beweis,  dasz  das 
ideal  liebevoller  wechselseitiger  fürsorge  und  anhänglichkeit  der 
gatten  nicht  nur  einem  geistesgewaltigen  vor  dem  seiner  zeit  voi*aus- 
eilenden  geiste  schwebte,  sondern  von  allen  wackem  Zeitgenossen 
zu  erreichen  gesucht  wurde. 

Der  nüchterne  Aristoteles  läszt  bei  seinem  unentwegten 
fragen  nach  zweck  und  Ursache,  nach  dem  nützlichen,  dem  gemüte 
und  der  phantasie  so  wenig  Spielraum,  wie  die  neuem  pbilosophen 
auszer  etwa  denen ;  die  in  hinwendung  zu  Schelling  in  der  art 
EHases  oder  ganz  neuerdings  Drummonds  alle  erscheinungen  im 
leben  des  tages  und  der  natur  zu  einem  hymnus  auf  die  allwirkende 
liebe  verweben;  zwischen  den  Zeilen  ist  gleichwohl  auch  bei  ihm 
dann  und  wann,  ausnahmsweise  auch  darin  einmal  eine  bestätigung 
der  oben  gezeichneten,  von  seinem  Vorgänger  heller  beleuchteten 
bilder  zu  lesen. 

Noch  entschiedener  als  Piaton  (Ges.  s.  805  f.)  spricht  er  (Pol. 
I  1,  5  OB  1252^  1)  aus,  dasz  die  griechische  frau  nicht  wie  die 
barbarische  auf  der  stufe  der  sklavin,  sondern  dem  manne  näher 
steht,  mag  er  immerbin  die  geistige  Veranlagung  der  frau  durch- 
schnittlich etwas  niedriger  anschlagen,  so  dasz  der  mann,  der  als 
vater  dem  söhne,  als  herr  dem  sklaven  gebietet,  die  frau  leitet, 
wie  in  der  aristokratie  die  besser  die  schlechter  unterrichteten  (Eud. 
eihik  VII  9  =  1241  »>  24  vgl.  mit  Pol.  I  1,  5  =  1259  »>);  mag  er 
die  tugend  des  mannes  und  die  der  frau  als  führende  und  folgende 
gegen  einander  stellen  (Pol.  I  5,  8  »»  1260^  20);  mag  er  die  ehe 
zunächst  aus  nützlichkeitsrücksichten  erklären,  aus  dem  natürlichen 
bedürfhis  beider  teile  sich  zur  gründung  und  erbaltung  der  familie 
und  angenehmen  führung  des  lebens  zu  ergänzen  (Nik.  etbik  VIII 14 
•»1162, 16  ff.) :  er  selbst  vergleicht  ein  andermal  das  verhalten  des 
mannes  zur  frau  mit  dem  der  regierung  zu  den  regierten  in  frei- 
staaten  und  sieht  den  vergleichungspunkt  auch  darin,  dasz  hier 
wie  dort  der  zur  herschaft  berufene  teil  seine  rolle  sehr  oft  an  den 
andern,  ebenso  der  mann  an  die  frau  abgeben  musz  (Pol.  I  5,  2 


272     ThMattbias :  urteile  griechischer  prosaiker  der  clasaiächea  zeit 


^  1259  ^  4).    damit  ist  aber   gewis  nicht  bloss  die  I  6,  6  ff.  für 

Sparta  behatipteite  weise  gemeint,  die  sich  daraus  erklärt,  dasz  dort 
ein  drittel  alles  besit^es  in  frauenbände  übergegangen  war;  sondern 
es  müssen  verblültniöse  gemeint  sein^  wie  sie  auch  in  Athen  und 
andern  Staaten  häufig  waren,  in  deren  erläuterung  ein  von  Platon 
(Staat  s.  549)  gezeichnetes  treffliebes  bild  dienen  kann:  ich  meine 
jene  mutter,  welche  den  die  pßicbten  ge^en  staat,  haus  und  ihre 
person  nicht  achtenden  und  daher  selbst  von  niemand  geachteten 
galten  ihrem  söhne  als  warnendes  beispiel  vorhält  imd  ihn  ihrerseits 
zu  einem  dem  Staate  zu  dienen  beflissenen,  betriebsamen  und  ehr- 
geizigen manne  erzieht, 

Aristoteles  sagt  vor  allem  anch(Nik.  ethik  VlII  14  =  1162,  26), 
dasz  zwischen  zu  einander  passenden  und  tüchtigen  (dmciKek)  gatten 
auch  die  höchste,  idealaLe  gattung  der  liebe,  die  der  tugeud  halber 
bestehe u  könne,  was  er  in  der  er^rterung  der  freundscbaft  von  iIot 
engern  Vereinigung  der  menseben  im  gegensatzzu  der  der  tiere  sagt, 
dasz  sieb  jene  besonders  durch  die  gemeinschaft  geistiger  genUsse, 
gemeinsame  beredung  und  gesinnung  von  dieser  unterscheide  (ebd, 
IX  9  c=  1170^  10),  das  gilt  aUo  auch  von  einem  solchen  ehebunde.  ' 
er  verlangt  auch  stswitlicbe  ftirsorge  für  die  erzieh ung  der  frauen,  die 
ja  intereaae  für  ihn  haben  sollen  (Pol*  I  5,  12  =  1260^  15);  frei- 
lich in  dem  die  erziehung  betreffenden  teiie^  auch  den  unvollständigen 
einzelvorscbriften  darüber  in  büch  lY  und  V  ist  nicht  im  besondera 
angegeben»  ob  und  wie  weit  diese  auch  für  mädcben  gelten  sollen.  — 
Jedenfalls  schreibt  der  scharf  unterscheidende  Stagirit  den  frauen 
die  innigere  empfindung  der  liebe  zu,  wenn  er  sie  mehr  liebespen* 
dend  als  liebebeischend  nennt  (Eud.  ethik  VII  4  =  1239*  27),  in- 
sofern sie  schon  glücklich  sind  lieben  zu  dürfen,  auch  wenn  ihre 
liebe  nicht  begehrt  und  erwidert  wird,  ihre  liebe  ist  darin  gleich 
derjenigen  edler  menschen  zu  ihren  verstorbenen ;  als  die  zärtlichste 
form  dieser  liebe  aber  rühmt  auch  Aristoteles  (ebd.  VIII  9  == 
1159^  30)  die  Hebe  der  mutter,  die  alles  und  sich  selbst  hingibt, 
wenn  sie  auch  ohne  dank  bleibt  oder  selbst  darüber  zu  gründe  geht 

Endlich  müssen  zu  unserer  frage  noch  die  redner  gehört  wer- 
den, trotz  des  von  mir  in  meiner  programmabh.  über  sie  gesagten, 
deshalb  nemhcb,  weil  die  vor  gericht  gehaltenen  reden  am 
wenigsten  die  individuelle,  seiner  zeit  vorausgeschrittene  ansieht 
eines  einzelnen,  sondern  vielmehr  die  anschauung  des  athenischen 
durchschnittsmenschen  widerspiegeln  (vgl*  UMeuss  in  diesen  jabrb, 
1889  s.  445).  dasz  freilich  nicht  ihre  einzelnen  angaben  über  die 
civilrechtlicbe  Stellung  der  frauen  hier  erörtert  werden  könne&i 
ist  ebenfalls  ao.  begründet,  hier  kommt  es  nur  darauf  an  einige  der 
durchblicke  anzudeuten,  welche  auch  die  redner  gewähren  auf  ein^ 
innerliches  nähertreten  der  gatten,  zum  teil  schon  vor  der  Vermahlung. 

So  bat  der  Sprecher  in  Isokrates  Aiginetikos  die  schwchter  eine$ 
unzertrennlichen  freundes  erst  nach  langer  bekannischaft  heimgeführt 
(§  8).  der  von  Demosthenes  erkorene  Schwiegersohn  erhält  von  ihm. 


fiber  die  Stellung  der  griechischen  frao.  273 

schon  ehe  er  seine  tochter  heimführt,  zwei  talente  ins  geschäft  (Dem. 
27,  45).  bei  der  ersten  wähl  ist  oft  die  Schönheit  der  firau  bestim- 
mend: hat  doch  nach  Aischines  2, 112  selbst  der  ernste  Demosthenes 
das  weih  als  das  schönste  unter  allen  werken  der  natur  hingestellt. 
der  vater  des  Sprechers  seiner  39n  und  40n  rede  zb.  hat  anfangs 
einen  herzensbund  mit  einer  vor  andern  schönen  Athenerin  ge- 
schlossen, freilich  wohl  ohne  die  nötigen  gesetzlichen  förmliohkeiten 
(39  hjpoth.  vgl.  mit  40,  27).  dies  hat  es  ermöglicht,  dasz  er  später 
eine  andere,  legitime  heirat  schlosz ;  aber  jene  hat  ihn  nie  freigegeben, 
80  wenig  als  er  die  neigung  zu  ihr  bezwingen  konnte  (40,  27);  und 
nach  dem  tode  der  legitimen  frau  haben  sich  beide  alsbald  wieder 
genähert.  —  Bei  Hypereides  wird  es  (f.  Lykophron  6,  5  ff.)  für 
ein  zeichen  von  gefühllosigkeit  erklärt,  wenn  einer  eine  frau  zur  ehe 
mit  sich  nötigen  wollte,  die  erklärt  sich  einem  andern  versprochen 
zu  haben,  nur  dem  herzens wünsche  seiner  frau  und  seines  gescbäfts- 
ftlhrers  hat  auch  Pasion  entsprochen ,  wenn  er  in  seinem  testamente 
beide  mit  einander  verlobt  hat;  und  diese  in  solcher  wechselseitigen 
neigung  geschlossene  ehe  hat  der  söhn  des  verstorbenen ,  so  sehr  er 
sich  durch  dieses  testament  benachteiligt  und  zu  einer  trennung  der- 
selben aufgefordert  glaubte ,  ernstlich  doch  nicht  stören  mögen ;  so 
zärtlich  bat  seine  mutter,  so  demütig  auch  dieser  mann  selber,  ihr 
glück  nicht  zu  vernichten  ([Dem.]  45,  4).  —  Der  Sprecher  der  lOn 
rede  des  Isaios  weisz  gar  von  seinem  vater  zu  rühmen,  dasz  er  lieber 
auf  die  ihm  zustehende  erbschaft  seiner  frau ,  die  ihm  deren  oheim 
mit  seinem  anhange  vorenthielt,  verzichtete  und  selbst  wenn  sie 
zweimal  so  grosz  gewesen  wäre^  verzichtet  haben  würde,  als  dasz  er 
sich  mit  jenem  in  einen  process  einliesz ,  in  welchem  ihm  nicht  nur 
jenes  erbteil,  sondern  auch  die  geliebte  frau  abgesprochen  werden 
konnte  (§  18  f.).  auch  in  der  rede  50  des  ps.-Demosthenes  gegen 
Polykles,  der  den  Apollodoros  genötigt  hat  fünf  monate  über  die 
pflichtmäszige  zeit  auf  see  zu  bleiben,  beleuchtet  der  kläger  die 
schuld  besonders  rührend  dadurch,  dasz  er  ausführt,  jener  habe  ihn 
so  von  einer  todkranken  mutter  und  von  seiner  frau  fem  gehalten, 
die  er  über  alles  liebte  und  auch  kränkelnd  daheim  liegend  wüste, 
'den  süszesten  dingen,  die  es  für  einen  menschen  gebe  und  ohne  die 
er  um  nichts  in  der  weit  würde  leben  wollen'  (§  60  ffl).  an  der  be- 
weiskraft  dieser  stelle  ändert  es  nichts,  wenn  diese  Weichheit  nach 
[Dem.]  36,  45.  45,  74.  59,  122  gemacht  erscheint:  denn  auch  so 
zeigt  siO;  was  die  allgemeinheit  von  dem  Verhältnis  des  mannes  zu 
seiner  frau  als  das  rechte  voraussetzt. 

Gute  gatten  gehen  in  gegenseitigem  vertrauen  und  wechsel- 
seitiger fürsorge  auf.  einer  verständigen  frau  vertraut  ihr  mann  bei 
lebzeiten  alles  hab  und  gut  und  alle  geschäftsgeheimnisse  an  (Lysias 
Ij  6.  32, 5.  7.  17.  Dem.  38, 6),  und  noch  über  seinen  tod  hinaus  über- 
läszt  er  ihr  oft  die  Verfügung  über  einen  guten  teil  seines  Vermögens 
(Dem.  41,  9.  11.  21.  45,  74).  sie  erscheint  dem  manne  sogar  ge- 
nügend ihn  bei  einer  erbschaftsordnung  zu  vertreten,  wenn  er  selbst 

Jahrbacher  für  cUss.  philol.  1893  hfl.  4  u  5.  18 


274     ThMatthias  i  urteile  griecbiscber  prOBaiker  der  claMiachen  zeit 


keine  zeit  bat  (Dem.  41^  17),  und  wahrt  selbst  noch  nach  des  mannes 
tode  das  recht  der  geroeinsamen  kinder,  wie  nach  Lysias  32,  10  fF. 
die  witwe  des  Diodotos,  die  in  einem  familienrale  sogar  gegen  den 
eignen  vater  redete  und  alles  zu  thronen  rührte,  —  Aber  noch  mehr 
als  blosz  die  geschäftlichen  sorgen  teilt  die  frau  mit  dem  manne, 
ein  sterbender  ieht  zb.  die  frau  an  ihm  den  söhn  zum  rächer  an 
seinem  feinde  zu  erziehen  (Lysias  13,  39  ff/j,  andere  gatten  ver- 
bindet gleiches  Interesse  für  die  mysterien  (Dem.  21,  158),  auch 
die  Vorgänge  im  Staate  und  namentlich  vor  gericht  erregen  der 
franen  teilnähme |  und  sie  erlauben  sich  von  ihrem  Standpunkte 
darüber  zu  urteilen  ([Dem.]  59,  110.  Lyknrgos  g.  Leokr.  141).  sie 
wissen  wobl^  dasz  de^  mnnnes  glück  und  des  Staates  gesicherter  be- 
stand auch  ihnen  glückliche  tage  ^  beider  stürz  aber  auch  ihre  er- 
niedrigung  herbeifübil  ([Dem*]  67»  45»  59,  G.  11).  daher  sind  sie 
denn  auch  bereit  in  kriegsnöten  den  sonst  so  geliebten  schmuck 
einschmelzen  zu  lassen  (Dein*  1,  69).  —  Zärtlich  nimt  der  gatte  in 
tagen  des  Unwohlseins  rücksicht  auf  die  gattin,  wie  Eupbiletos 
(Lysias  1,  9)  seine  frau^  als  sie  ihm  ein  kind  geschenkt  halte ,  in 
seinem  zimmer  zu  ebener  erde  schlafen  llesz  statt  wie  sonst  im 
ersten  stock,  damit  sie  den  schädigenden  weg  treppauf  treppab 
nicht  zu  machen  habe«  der  nur  scheinbar  von  seiuer  frau  geschie- 
dene Aphobos  eilt  heimlich  an  ihr  krankenlager  (Dem.  SO«  34), 
ebenso  sind  die  trauen  die  besten  püegerinnen  des  kranken  mannes 
([Dem*]  59,  56)  ^  und  sie  yergessen  selbst  kränkungen,  wenn  diese 
pflicht  sie  ruft  (ebd.  21 — 25),  auch  zum  tode  verurteilte  sehen  noch 
die  letzte  nacht  im  kerker  am  treusten  ihre  frauen  bei  sich  aus- 
harren und  vertrauen  am  sichersten  diesen  ihre  letzten  wünsche  und 
Verfügungen  an  (Ändok.  myst  48.  Lys»  13,  39  ff.  uö.).  die  ihren 
mann  geliebt  hat,  läs2t  es  sich  auch  nimmer  nehmen  ihm  noch  im 
tode  die  letzten  dienste  soweit  möglich  selbst  zu  erweisen,  mag  diese 
ihr  der  Jammer^  der  ihr  bald  das  herz  bricht,  auch  noch  so  schwer 
machen  (Isaios  8,  21  f.). 

Durch  solche  innige  anhänglichkeit  der  gatten  an  einander 
wachsen  schlieszlicb  nicht  nur  diese  selbst  zu  einem  nnzertrenn* 
liehen  engern,  sondern  beider  Verwandtschaften  zu  einem  grcözen 
bunde  zusammen*  denn  noch  manche  rednerstelle  erweist  den  stand* 
punkt  als  den  gewöhnlichen,  der  zb.  [Dem,]  48,  6  eingenommen 
wird:  'ich  wollte  dies  lieber  dem  klfiger  freiwillig  einräumen  als 
mit  ihm  vor  gericht  gehen  und  so  gegen  einen  verwandten  pro- 
cesaieren  und  dabei  dem  bmder  meiner  frau  und  obeim  meiner 
kinder  etwas  bitteres  sagen  und  von  ihm  wieder  hören.'  dem 
Sprecher  der  rede  Antiphons  Über  den  choreuten  ist  i^ein  scbwieger« 
söhn  als  zuverlässigster  Vertreter  erschienen;  und  Andokides  ist  su 
Beiner  anzeige  besonders  dadurch  bestimmt  worden,  dasz  er  nur  so 
die  seinen,  namentlich  den  vater  und  den  Schwager,  den  mann  der 
einzigen  seh  wester,  zu  retten  vermochte  (myst.  50).  zum  äuszern 
zeichen  aber,   wie   auch  die  frau  und  ihr  anhang  der  männlichen 


über  die  BteUong  der  griechischen  finui.  275 

linie  gleich  geschSizt  wird,  erhSlt  ein  knabe  wohl  gar  auch  den 
namen  des  groszTaters  mütterlicherseits  (Dem.  43,  74). 

Bei  solch  innerlicher  auffassung  des  ebeverh&ltnisses  erscheint 
der  ernst  selbstTerstSndlich,  mit  welchem  man  Störungen  des  ehe- 
lichen glfickes  vorbeugte  und  entgegenbangte  und  etwa  eingetretene 
ahndete  und  beklagte,  jedes  frühere  yerhältnis  eu  hetären  oder  gar 
knaben  wird  Tor  dem  eintritt  in  die  ehe  abgebrochen  ([Dem.]  59, 30) ; 
und  ward  schon  vorher  der  nach  weis  eines  verhSltnisses  der  zweiten 
art  als  eine  schände  aufgefaszt  und  mit  der  entziehung  verschiedener 
bürgerlicher  rechte  bestraft  (Dem.  22,  29.  ep.  4,  11),  so  war  von 
da  an  auch  das  erstere  ein  schwerer  sittlicher  makel.  wenn  Ljsias 
schwach  genug  ist  solchen  Umgang  trotz  der  schäm,  die  er  darüber 
vor  frau  und  mutter  empfindet,  doch  weiter  zu  pflegen  ([Dem.] 
59,  21  ft),  so  weist  es  der  bei  aller  Jugend  wohlgesetzte  reiche 
Ariston  (54,  14  ff.)  entrüstet  zurück,  dasz  man  ihn  in  ein  solches 
treiben  verwickeln  will,  nur  wenn  das  eheliche  verhSltnis  im  all- 
gemeinen so  gewissenhaft  gewahrt  worden  ist,  erklärt  es  sich  auch, 
dasz  eine  frau,  welcher  ihr  mann  durch  gegenteiliges  verhalten 
ftrgemis  bereitete,  beim  Staate  schütz  suchte  und  fand,  wie  die 
gattin  des  Alkibiades  ([Andok.]  g.  Alkib.  13);  oder  dasz  die  frau 
des  in  Andokides  mysterienrede  angefochtenen  Kallias  sich  lieber 
erwürgen  als  ihres  mannes  herz  mit  einer  andern  teilen  wollte 
(§  124  ff.),  nur  bei  solcher  auffassung  kann  auch  freiwillige  Schei- 
dung und  schnelle  Wiederverheiratung  einer  frau  ernstlich  zum  vor- 
würfe gemacht  werden  (Dem.  30,  33).  nur  wer  weib  und  kind  über 
alles,  man  möchte  sagen,  bis  zur  blindheit  liebt,  kann  so  thöricht 
sein  wie  Autolykos  (bei  Lyk.  g.  Leokr.  3),  der  sich  lieber  der  be- 
strafung  aussetzte,  als  dasz  er  bei  der  kriegsgefahr  trotz  Staats  verbot 
nicht  weib  und  kind  auszerhalb  des  landes  geborgen  h&tte.  aus  der- 
selben auffassung  heraus  bangt  überhaupt  der  soldat  vor  dem  kriege, 
der  ihn  vielleicht  für  immer  von  weib  und  kind  trennen  wird  ([Dem.] 
11,  9);  gilt  als  ehrlos  und  dem  tode  verfallen,  wer  sich  dem  kämpfe 
für  'den  eignen  herd'  (Lyk.  g.  Leokr.  131)  entzieht;  hat  selbst 
Aischines  beim  anblick  von  dreiszig  olyntbischen  frauen  und  kin- 
dem ,  die  Atrestidas  als  ihm  von  Philippos  geschenkt  dahergefUbrt 
hat,  die  thr&nen  und  klagen  nicht  unterdrücken  können,  dasz  Hellas 
zu  ohnmächtig  sei  solcher  schmach  zu  wehren  (Dem.  19,  305  ff.). 
dasz  Aischines  trotz  solch  besserer  erkenntnis  dann  doch  Griechen- 
land verraten  und  so  sehr  vielen  bundesgenossen  und  freunden 
der  Athener  ein  ähnliches  Schicksal  bereitet  hat,  wie  es  schauder- 
erregend vorher  von  einer  solchen  Olyntherin  erzählt  worden  ist 
(§  196  ff.),  das  vor  allem  werden  nach  Demosthenes  erwartung 
die  Athener  ihn  verurteilend  rächen,  gegen  feige,  Verräter,  un- 
glückliche Politiker  und  drohende  tyrannenherscbaft  wird  stets  die 
Stimmung  der  volks-  und  gerichtsversamlungen  erbittert,  indem  an 
die  schmach  erinnert  wird,  welcher  durch  sie  das  teuerste  der 
bürger,  weib  und  kind,  preisgegeben  werde  (Lyk.  g.  Leokr.  131. 141. 

18* 


276    £Biiasler :  die  reihenfotge  der  tragödieB  io  Akchjloe  Prometbeia. 

Dem*  14,32*  19,309*  Dein.  1,  65.  99.  [Dem.]  17,  3  vgl.  mit  Thuk. 
ym  74,  2  f.). 

Endlieb  das  letzte  mittel  mitleid  zu  erregen,  das  die  redner 
vor  den  ricblem  anwend<?n,  ist  gewöhnlicb,  dasz  der  angeklagte 
weib  und  kind  auftreten  läszt  oder  dasz  die  richter  bei  ibren  frauen 
und  kindem  bescbworen  werden,  entweder  würe  jenes  zb.  eine 
Bcbttuspielerei  auch  bei  —  Demostbenes,  den  man  ihrer  nicbt  föhig 
balten  wird,  und  das  andere  eine  so  verfeblte  berecbnung,  wie  man 
sie  den  griecbiscben  meistern  der  redekunst  überhaupt  nicbt  zu- 
trauen wird;  oder  bei  dem  gröszern  teile  des  athenischen  Volkes 
muBte  sich  die  frau  einer  berzlicben  Schätzung  und  liebe  erfreueji| 
die  über  ihre  durch  den  bucbstaben  des  gesetzes  geregelte  Stellung 
weit  erhaben  war.  und  so  führt  alles  in  allem  das  angestellte  ver- 
hör der  prosaischen  Zeugnisse  ^u  demselben  ergebnis,  zu  dem  in 
meiner  programmabb.  allgemeine  erwägungen  und  die  befragung 
der  classischen  dichter  geführt  haben* 

Zittau, Theodoe  Matthias. 

DIE  REIHENFOLGE  DEE  TRAGÖDIEN  IN  AISCHYLOS 
FBOMETHEU, 

Mit  recht  bat  man  aus  dem  Verzeichnis  der  Mediceiscben  hs, 
geschlossen,  dasz  die  Aischylibcbe  trilogie  Proioeiheus  aus  den 
tragödien  TTp.  l)€CpiiiTT]c,  ITp.  7TiJp<pöpoc  und  TTp*  Xuöptvoc  be- 
standen habe,  und  in  dem  bei  Pollux  erwähnten  TTp.  TTupKaeuc  das 
satyrdrama  erkannt,  welches  zu  der  trilogie  0tV€uc,  TTcpcaii  TAauKOC 
gehörte*  Bergk  (GLG.  III  s.  319  anm.)  ua.  sehen  zwar  in  dem 
TTUpKaeuC  nur  eine  Variante  für  Trupqpöpoc  und  halten  diesen  daher 
für  ein  satyrdrama,  auf  welches  auch  die  notin  des  schol  lasten  zu 
becfiiuTnc  94  ^v  T«P  Tip  nupcpöpuj  Y  ^upiÄtac  q>r|c\  feebecöai  aurov 
hindeute;  aber  dies  scheint  mir  durch  nichts  begründet,  ebenso 
wenig  wie  ich  mit  Westphal  und  Wecklein  annehmen  mischte,  dasz 
der  TTp.  iTupqpöpoc  das  schluszstück  der  trilogie  gewesen  sei,  wie  es 
jener  zuerst  in  seinen  prolegomena  zu  Aisch.  trag,  (Leipzig  1869) 
8.  207  ff.,  dieser  in  der  einleitung  zu  seiner  ausgäbe  des  Prometheus 
(Leipzig  1878)  s.  18  f.  als  sicher  hinzustellen  verbucht  hat.  viel- 
mehr scbliesze  ich  mich,  was  die  reihenfolge  der  stUcke  betri^» 
durcbaas  der  zuerst  von  Welcker  aufgestellten  und  neuerdings  von 
ChMuff  in  dem  Vortrag  *zwei  Titanen,  Prometheus  und  Faust'  (Halle 
1883)  wieder  aufgenommenen  ansiebt  an,  dasz  der  Ttupq)6poc  da6 
erste ,  der  b6cpuiTT]C  das  zweite  und  der  Xudpevoc  das  dritte  dr&mA 
gewesen,  d&sz  also  wirklich  in  dieser  weise  dem  zuschauer  schuld, 
strafe  und  sübue  des  beiden  auf  einander  folgend  vor  äugen  geführt 
seien,  sei  es  mir  gestattet  kurz  darzulegen,  durch  welche  inneren 
und  änszeren  gründe  ich  zu  dieser  anscbauung  gelangt  bin. 

Zwar  können  wir  nicht  mehr  den  in  halt  der  einzelnen  ^cenen 


EBnssler:  die  reihenfolge  der  tragOdien  in  Aiscbylos  Prometheia.    277 

des  irupqHSpoc  fttr  sich  beschreiben,  aber  man  kann  wohl  annehmen, 
dasz  die  wichtigsten  das  furtum  Lemnium  darstellten ,  die  übrigen 
aber  znerst  das  einvernehmen  des  Titanen  mit  Zeus,  dann  sein 
schuldig  werden  und  seine  völlige  ab  Wendung  von  ihm  durch  diesen 
eingriff  in  die  rechte  desselben  und  schlieszlich  das  trotzige  pochen 
auf  sein  eignes  vermeintliches  recht  gegenüber  der  gewaltigen  macht 
des  neuen  gOtterfürsten  sowie  den  hinweis  auf  das  geheimnis  ent- 
hielten, dessen  enthüllung  allein  den  höchsten  gott  vor  dem  verlust 
seiner  herschaft  bewahren  könnte,  (eine  genauere  und  weitergehende 
reconstmction  des  inhalts  gibt  Muff  ao.  s  9  ff.;  ich  will  mich  hier 
mit  dem  wichtigsten,  das  die  entwicklung  des  b€C)iiüTiic  voraus- 
zusetzen scheint,  begnügen.)  Westphal  hält  es  zwar  für  nötig  dasz^ 
wenn  man  dieses  stück  an  den  anfang  der  trilogie  stellen  und  in 
dasselbe  die  darstellung  jenes  furtum  verlegen  will ,  dann  auch  das 
bei  wort  iTupq)6poc  mit  'feuer  raubend'  übersetzt  werden  müsse, 
was  doch  unmöglich  sei  —  er  sagt  nemlich  (ao.  s.  220):  'der 
&€C)ii()TTlC  bildet  den  anfang  der  trilogie,  das  darauffolgende  stück 
ist  der  Xu6)ievoc,  und  somit  stellt  sich  der  7Tupq)6poc  als  das  schlusz- 
stück  heraus,  was  soll  uns  denn  auch  zwingen  das  wort  TTpo)ir)6euc 
irupq>öpoc  mit  <  feuerholender  »  oder  « feuerraubender  Prometheus  » 
zu  übersetzen?  der  beiname  TTupqpöpoc  wird  ja  auch  andern  göttern 
gegeben'  usw.  — ;  indessen  notwendig  ist  eine  solche  Übertragung 
oder  deutung  jenes  wertes  hierzu  keineswegs,  weder  in  bezug  auf 
die  obige  inhaltsangabe  noch  im  hinblick  auf  die  Stellung  dieses 
dramas  in  der  trilogie  kann  das  beiwort  7Tupq)öpoc  im  titel  irgend 
welche  Schwierigkeiten  bereiten,  man  möge  ohne  bedenken  bei  der 
natürlichsten  und  einfachsten  Übersetzung  desselben  'der  feuer 
bringende'  stehen  bleiben ;  ja  man  wird  sogar  bald  erkennen  dasz, 
wenn  auch  ein  furtum  des  beiden  dargestellt  wird,  dem  namen  des- 
selben im  titel  der  tragödie  kein  passenderes  adjectivum  als  dieses 
hinzugefügt  werden  konnte,  eben  weil  die  that  des  Prometheus  von 
zwei  Seiten  betrachtet  werden  musz,  als  eine  gute  den  menschen, 
als  eine  böse  dem  Zeus  gegenüber,  und  weil  derselbe  nicht  von  an- 
fang an  als  mit  schuld  beladen  auftreten,  sondern  im  lauf  der  band- 
lung  gezeigt  werden  sollte,  wie  er  schuldig  wurde,  wollte  der  dichter 
offenbar  nichts  weiter  damit  sagen,  als  dasz  der  Titane  das  feuer 
den  irdischen  gebracht,  nicht  aber  sogleich  damit  andeuten,  dasz  er 
es  gestohlen ,  also  ein  unrecht  begangen  habe,  und  dies  würde  dem 
Wesen  des  Aiscbylos  als  eines  so  frommen  mannes  durchaus  ent- 
sprechen, um  so  mehr  wenn  wir  bedenken,  dasz  Prometheus  in 
Attika  als  culturgott  verehrt  wurde,  wir  würden  also ,  wollten  wir 
dieses  wort  mit  einem  ausdruck  wie  ttupokX^tttt]C  odgl.  identi- 
ficieren  und  somit  mehr  hineinlegen  als  damit  gesagt  ist ,  nicht  nur 
durch  das  misverstehen  der  eigentlichen  bedeutung  des  Wortes  an 
sich  einen  fehler  begehen ,  sondern  auch  die  grösze  des  poetischen 
genies  verkennen ,  welches  auch  hier  in  der  wähl  gerade  dieses  bei- 
wortes  gelegenheit  gefunden  hat  sich  recht  deutlich  kund  zu  thun. 


EBntsler ;  die  rethenfolge  der  tragddien  in  Aiechjlos  Frometheia. 


Um  deg  titeis  willen  mag  man  also  den  Tiup<pÖpOC  immerliin 
an  den  anfang  der  trilogie  stellen;  denn  er  passt  vortrefflich  zu  dem 
infaalt  dieses  Stückes^  den  wir  ibm  bei  einer  reconstruction  desselben 
zu  geben  genötigt  sind,  es  fragt  sich  nur,  ob  denn  überhaupt  eine 
solche  inhaltsangabe  möglich  bleibt^  wenn  wir  sie  mit  dem  ver- 
gleichen, was  uns  der  b€C^iujTT|C  und  der  Xuöjuievoc  bieten,  man  hat 
es  durchaus  geleugnet,  so  sagt  Westphal  (ao.  a.  216):  'die  Vertreter 
dieser  ansiebt  konnten  freilich  der  groszen  inconvenienz  nicht  ent- 
gehen, dasz  dann  das  zweite  stück  der  trilogie,  der  uns  erhaltene 
b€C|iUJTiiC,  noch  einmal  alles  das  in  breitester  erzählung  wiederholen 
würde,  was  bereits  im  aufangsstücke  der  trilogie  als  handlung  dar- 
gestellt wäre*»  und  Wecklein  (ao.  s.  18)  sagt  sogar  von  der  exposi- 
tion  und  der  erzlihlung  der  vorausliegenden  ereignisse,  sie  seien  d^r 
art  Masz  eine  vorhergehende  darstell ung  derselben  begeh enheiten 
als  ästhetische  Unmöglichkeit  erscheint',  diese  bebauptungen  zeugen 
von  grOBzer  Sicherheit,  man  soll  aber  doch  nicht  vergessen,  dasz  wir 
hier  überhaupt  keine  unumstöizlichen  beweise  für  die  eine  oder  die 
andere  ansieht  vorbringen  und  nur  darlegen  können,  welche  uns 
wahrscheinlicher  ist.  der  phantasie  jedes  einzelnen  ist  eben  hier  ein 
sehr  groszer  Spielraum  geboten,  immerhin  aber  glaube  ich  nicht  die 
grenzen  der  nötigen  vorsieht  zu  Überschreiten ,  wenn  ich  annehme, 
dasz  Aischylos  die  thaten,  auf  welche  im  bec^uJTflc  hingewiesen  wird, 
in  ganz  anderm  lichte  dargestellt  haben  mag,  als  sie  dort  geschildert 
werden,  dasz  also  die  bei  den  thaten  ausgesprochenen  worte  im 
7Tup<pöpoc  sogar  ganz  andere  sein  konnten  als  diejenigen,  welche 
wir  nachher  beim  hinweis  auf  sie  lesen,  weil  er  eben  beide  male 
völlig  verschiedene  Wirkungen  auf  den  Zuschauer  erzielen  wollte, 
weiter  unten  werden  wir  an  einem  besondern  beispiele  sehen,  dasz 
hiermit  nicht  zu  viel  von  mir  gesagt  ist.  —  Was  aber  den  TTp.  Xuö- 
/icvoc  betrifft,  so  glaube  ich  sieher,  dasz  sein  räum  grosz  genug 
war,  um  die  lösungen  aller  jener  tragischen  confficte  zu  bringen^ 
die  sich  im  lauf  der  handlung  des  TTUpcpöpoc  und  des  b€CpuJTr|C 
entwickelt  hatten,  als  solche  aber  musten  darin  enthalten  sein:  die 
daratellung  der  quälen  des  nun  an  den  Kaukasos  geschmiedeten 
dulders,  seine  befreiung  durch  Herakles,  der  stellvertretende  tod 
des  Cheiron,  die  Verkündigung  des  geheimnisses  des  Prometheua 
an  Zeus  in  betreff  der  ehe  desselben  mit  Thetis  und  endlich  die  da- 
durch erlangte  aussöhnung  beider,  dies  sind  die  notwendigen  züge 
des  dramas;  auszerdem  aber  lehrt  uns  Athenaios  XV  t^74*^ :  AicxuXoc 
y  ^v  TOI  Xuo^evui  TTpo^rjOei  caqpOüC  q)Ttciv,  Öri  M  tiJ  tim^  tou 
TTpo|ir|0^u)c  Tov  cT^<pavov  Tiepinöepev  -rij  KccpaXrl  avTiTioiva  toö 
^K6(vou  becgDÜ ,  dasz  das  stück  auch  einen  hinweis  auf  die  ein- 
Setzung  der  TTpOjLir|6€ia  enthielt,  eine  solche  scene  ist  ja  auch  nach 
der  Versöhnung  der  parteien  recht  gut  denkbar:  Zeus  mag  dem 
Titanen  den  anspruch  auf  göttliche  Verehrung  bei  den  menschen 
gestattet  und  diesen  ritus  ihm  zu  ehren  bei  den  festen  gefordert 
haben«    vollkommen  stimme  ich  also  Westphal  bei,  wenn  er,  in  der 


EBosfller:  die  reihenfolge  der  tragödien  in  Aischylos  Prometheia.    279 

fiberzeugung  dasz  die  trilogie  durch  jenen  hinweis  in  national- 
patriotischem  sinne  geschlossen  hahe,  ähnlich  wie  dies  in  der  Oresteia 
durch  den  cnlt  der  Eumeniden  geschehen  sei,  in  bezug  aaf  die 
Ssthetik  des  schluszdramas  die  forderung  ausspricht  (ao.  s.  218  f.): 
^der  gott  muste  aus  seiner  emiedrigung  zum  vollen  alten  glänze 
znrttckgeftihrt  werden,  ihm  muste  nicht  nur  die  verzeihnng  des  Zeus, 
sondern  auch  die  anerkennung  seiner  macht  im  cultus  der  menschen 
zuteil  werden.'  nur  war  eben  das  schluszstück ,  welches  mit  einer 
Bcene  dieses  inhalts  endete,  nicht  der  TTupq>6poc,  sondern  nach 
Athenaios  der  Xuö)i€VOC.  die  andeutungen  aber  über  den  aufbruch 
der  götter  zur  hocbzeit  des  Peleus  und  der  Thetis  mögen  dieser 
schluszscene  unmittelbar  vorausgegangen  sein,  ich  glaube  nicht 
dasz  man  diesen  inhalt,  wie  ich  ihn  hier  angegeben  habe,  für  den 
ramn  eines  einzigen  stOckes  zu  weit  halten  werde;  aber  auch  wenn 
man  ihn  mit  dem  der  beiden  andern  tragödien  vergleicht  und  somit 
die  trilogie  als  ganzes  betrachtet,  wird  man  nichts  anstö&ziges  finden. 

Sehen  wir  nun,  wie  sich  zu  den  bisherigen  ergebnissen  unserer 
eombinationen  die  betreffenden  verse  der  tragödien  selbst  verhalten, 
ob  sie  die  Wahrscheinlichkeit  derselben  beweisen  helfen,  ob  sich 
nichts  aus  ihnen  gewinnen  läszt,  oder  ob  sie  zu  einem  umstosz  jener 
resnltate  nötigen,  leider  sind  hierbei  nur  wenige  verse  im  b€C^urrr)C 
von  bedeutung,  und  Suszerst  gering  ist,  was  wir  von  den  fragmenten 
der  beiden  andern  stücke  heranziehen  können. 

Für  den  TTp.  TTupqpöpoc  kommt  zunächst  in  betracht  das  scholion 
zu  np.  bec^iüTTic  94  biaKvaiö^evoc  töv  Mupicxöv  xpövov  äGXeücui, 
welches  also  lautet:  dv  TOip  T{\)  TTupqpöpu)  rpeic  fiupidbac  (pr]c\ 
behicQai  aÖTÖv.  Westphal  sieht  einen  sichern  beweis  in  dem  hier 
gebrauchten  perfectum  dafür  dasz  *die  Situation  des  TTUpqpöpoc  nicht 
vor  die  zeit  der  strafen ,  nicht  in  die  zeit  des  feuerraubes ,  sondern 
in  die  zeit,  wo  die  strafe  erduldet  ist',  gehört  (ao.  s.  217),  und 
betont  ausdrücklich,  dasz  dieses  beb^cOai,  welches  dem  futurum 
äOXcOciü  gegenüberstehe,  seine  bestätigung  bei  Hyginus  astr,  II  15 
finde,  wo  es  von  Prometheus  heiszt :  quem  äUigatum  ad  triginta  müia 
annarum  Aeschylus  tragoediarum  scriptor  aü]  auch  habe  offenbar 
Hyginus  hier  dieselbe  quelle  wie  der  griechische  erklärer  des  Prome- 
theus benutzt,  jene  folgerung  Westphals  aus  dem  scholion  würde 
sich  von  selbst  ergeben ,  wenn  wir  wüsten  dasz  dasselbe  richtig  ist 
—  und  zu  einem  zweifei  hieran  sind  wir  doch  immerhin  berechtigt, 
der  gelehrte  fährt  zwar  wiederum  mit  groszer  bestimmtheit  fort: 
'gegen  dies  klare  zeugnis  wird  sich  schwerlich  etwas  einwenden 
lassen,  und  das  von  Welcker  gewählte  gewaltmittel  das  in  den 
scbolien  feststehende  wort  TTupqpöpuj  in  Xuo^^viu  zu  verändern 
wird  .  .  bei  umsichtigen  wenig  beifall  finden  können.'  für  ein  ge- 
waltmittel kann  ich  allerdings  diese  änderung  nicht  halten:  denn 
gar  leicht  ist  eine  Verwechselung  beider  worte  möglich,  da  beide  die 
gleiche  zahl  von  buchstaben  haben ,  die  am  anfang  nicht  allzu  ver- 
schieden und  am  ende  gleich  sind,   so  stimmt  dieser  conjectur  auch 


280    EBufisler:  die  reihenfolge  der  tragödien  in  Aißcbyloi  Promeöieiii. 


Dindorf  bei,  welcher  sie  höchst  ansprechend  folgend  er  maszen  be- 
gründet (AkxüXou  dTTOCirac^oma  s-  114):  *nam  cum  numerus  an- 
norum,  per  quos  rupi  alligatuö  fuerit  Prometheus,  vix  silentio 
praeteriri  potuerit  in  Prometheo  soluto,  probabilis  est  Welckeri 
coniectura*  usw.  noch  eher  aber  möchte  ich  mit  Kvi^ala  für  b€6€- 
c6ai  das  futurum  b€?)r|cec0ai  schreiben :  denn  wenn  auch  jen«sperfec- 
tum  durch  das  alligaium  des  Hyginus  bestätigt  sein  mag,  so  scheint 
mir  diese  bestätigung  doch  völlig  bedeutungslos,  da  der  autor  diese 
notiz  nur  in  indirecter  rede  gibt  und,  um  nicht  umat&ndlich  bzw. 
schwerfällig  zu  werden,  ganz  gut  in  allgemeiner  form  als  geschehene 
thalsache  vorbringeii  konnte,  auch  diese  Änderung  ist  nicht  schwierig; 
das  scholion  aber  würde  in  dieser  form  erstens  ein  dem  dOXeucui 
entsprechendes  tempus  bieten  und  zweitens  uns  nötigen  in  dem- 
selben eine  drohung  des  Zeus  zu  erkennen,  und  dem  wird  gewis 
niemand  widerstreben ,  da  eine  solche  zu  dem  ganzen  charakter  des 
TTUpipöpoc  —  soweit  wir  den  inhalt  reconstruieren  können  —  wo 
der  göttliche  sieger  fortwährend  seine  macht  beweist ,  recht  wohl 
passen  würde,  wem  also  dieses  gegenüberstehen  von  Ä9XeücuJ  und 
b£b€c6ai  bedenken  erregt  und  deshalb  das  scholion  als  der  corrector 
bedürftig  erscheint,  der  wird  darin  einen  directen  beweis  dafür 
finden ,  dasz  die  scenen  des  TTp*  irup^öpoc  dem  erdulden  der  strafe 
Yoransgiengen. 

Das  zweite  fragment  aus  dem  mjpcpöpoc  ist  der  bei  Gelliu» 
XIII  19,  4  erhaltene  vers  citu;v  0*  ÖTfou  bei  Kai  Xet^v  tot  Kaipia. 
mit  recht  sagt  Westphal  (ao.  s.  217):  'im  bccmiitric  nemlich  war  es 
zeit  das  geheimnis  über  Zeus  ehebund  zu  verschweigen',  und  weiter: 
€der  rechte  augenblick  zu  sprechen,  wovon  der  vers  bei  Gelliiis  redet^ 
war  in  demselben  stücke  der  trilogie  herbeigekommen,  #0  die  strafe 
ihr  ende  erreicht  hatr  denn  die  enthüllung  dea  geheimnisses  bringt, 
wie  Prometheus  sagt,  das  x^p^a  ^6x6ujv.«  aber  es  ist  doch  keines* 
wegs  notwendig  anzunehmen,  dasz  der  Titane  diese  worte  erst  dann 
gesprochen  habe,  nachdem  er  das  geheimnis  dem  Zeus  mitgeteilt 
hatte,  er  konnte  offenbar  ebenso  gut  bei  der  ersten  aufforderung 
es  zu  sagen,  eine  antwort  wie  vielleicht  in  der  weise  gegeben  haben: 
*ich  will  nicht  reden,  da  ich  wohl  weisz,  wann  ich  zu  sprechen  und 
wann  ich  zu  schweigen  habe'  —  worte  welche  nicht  nur  wieder 
seinen  titanischen  trotz,  sondern  auch  gewisse  dunkle  drohungen 
für  die  zukunft  enthalten  würden,  indessen  muste  sich  dieser  vers 
denn  einzig  und  allein  auf  jenes  geheimnis  beziehen?  könnt«  sich 
bei  dem  fortwährenden  widerstände  des  Prometheus  gegen  Zeus 
nicht  mehr  als  Einmal  gelegenheit  bieten  ihm  mit  solchen  Worten 
zu  antworten?  vielleicht  ist  dieser  vers  gar  nicht  einmal  von 
ihm  selber,  sondern  von  irgend  einer  nehenperson  der  tragödie  ge- 
sprochen worden,  also  ohne  jede  bedeutung  gewesen,  denn  da  fast 
genau  dieselben  worte  Aisch.  Cboüph.  582  ciTÖv  0'  öiroü  bei  xal 
X^T^tv  TOt  Kaipia  wiederkehren,  da  ferner  der  scholiast  des  Aristeides 
bd.  III  s.  501, 17  aus  dem  TTp.  b€CfiUJTT|C  den  vers  anführt:  ttoXXoiC 


EBnssler:  die  reihenfolge  der  tragödien  in  Aischylos  Prometheia.    281 

f&p  icix  Kipboc  f|  ciTfl  ßpoTiöv  (wozu  Dindorf  allerdings  bemerkt: 
'quae  non  legantur  in  Prometheo  vincto'),  da  sodann  auch  aus  der 
Ino  des  Euripides  die  worte  erhalten  sind:  ciTOiv  6*  Öttou  bei  Kai 
X^T€lV  W  &cq)aX^c,  so  sind  wir  durchaus  nicht  berechtigt  jenem 
verse  des  Aischylos  eine  so  grosze  Wichtigkeit  beizulegen,  wir  dürfen 
wohl  kaum  mehr  darin  suchen  als  eine  allgemein  beliebte,  um  nicht 
za  sagen  sprichwörtliche  andeutung  gewisser  tugenden,  wie  der  be- 
sonnenheit,  der  selbstbeherschung  udgl.,  und  wirklich  bilden  auch 
jene  worte  des  Euripides  den  anfang  für  die  erklärung  des  aus- 
Spruchs  iTiicTaiLiai  bi  irdvO*  öc*  cutevfi  XP^iiv.  der  bei  Gellius  an- 
geführte yers  des  Aischylos  kann  also  ebenso  gut  im  ersten  wie  im 
letzten  stücke  der  trilogie  gestanden  haben ;  und  wenn  jener  auch 
bemerkt,  dasz  er  iv  T(jfj  Trupq)6p(|)  TTpO|Lir)6€i  gestanden  habe^  so 
dürfen  wir  doch  nicht  mit  Westphal  daraus  schlieszen,  dasz  der 
7rup9Öpoc  die  letzte  tragödie  gewesen  sei ,  weil  nur  in  dieser  jene 
worte  einen  platz  hätten  finden  können. 

Wenig  sicheres  bietet  uns  ferner  der  TTp.  becjutbuic.  zwar 
müssen  wir  in  demselben  öftere  Wiederholungen  aus  scenen  des 
ersten  Stückes  annehmen,  aber  dasz  wir  dies  ohne  bedenken  thun 
dürfen,  habe  ich  oben  gezeigt  —  im  gegensatz  zu  Westphal,  welcher 
nach  den  dort  citierten  worten  also  fortfährt:  ^denken  wir  an  die 
weitläufige  motivierung,  die  Prometheus  im  b€C|LiuiTT]C  für  seinen 
feüerraub  gibt,  so  müssen  wir  allerdings  gestehen,  dasz  Aischylos 
sich  hier  in  lauter  Wiederholungen  ergehen  würde.*  es  ist  richtig, 
dasz  der  Titane  seine  im  7Tupq)6poc  dargestellte  that  hier  sehr  aus- 
führlich begründet,  wenn  wir  aber  bedenken ,  dasz  der  dichter  sie 
dort  nur  von  der  6inen  seite  auffaszte,  nur  die  beeinträchtigung  des 
Zeus  deutlich  machen  und  auch  jeden  schein  des  rechts,  mit  der  sie 
der  thäter  zu  umgeben  versuchte,  zurückweisen  wollte,  so  ist  eine 
derartige  darlegung  hier  recht  wohl  möglich,  vielleicht  war  für  eine 
solche  im  ersten  stück  gar  nicht  die  gelegenheit  vorhanden;  der 
Titane  mag,  sei  es  freiwillig  sei  es  gezwungen,  alsbald  von  seiner 
Verteidigung  abgestanden  und  geschwiegen  haben,  und  erst  nach 
seiner  fesselung  legt  der  dichter  ihm  jene  inhaltreichen  worte  in  den 
mnnd,  damit  sie  nun  um  so  mehr  auf  den  Zuschauer  wirken,  hier  soll 
ja  die  schuld  möglichst  zurückgedrängt ,  Prometheus  den  menschen 
wieder  näher  gebracht  und  gezeigt  werden ,  dasz  er  nur  um  ihret- 
willen die  that  begangen  habe  und  nun  leiden  müsse,  wohl  knüpfte 
Aischylos  also  wieder  an  an  die  Stimmung ,  die  den  beiden  vermut- 
lich am  schlusz  des  ersten  Stückes  beherschte,  an  seinen  gewaltigen 
trotz  und  sein  selbstbewustsein ;  aber  von  einer  Wiederholung  der- 
selben worte  braucht  hier  absolut  keine  rede  zu  sein.  —  Nicht 
anders  aber  wird  es  mit  den  übrigen  sogenannten  Wiederholungen 
sich  verhalten:  sie  werden  weit  mehr  neues  bringen  als  vorauf- 
gegangenes noch  einmal  vor  äugen  führen. 

Möglich  bleibt  also  diese  Stellung  des  7Tupq)öpoc  vor  dem 
becfiuinic ,  ich  wiederhole  es,  durchaus;  aber  ich  musz  gestehen, 


282    £Btii8ler:  die  reibenfolge  der  tragödien  in  Aiscbylofi  Ptometheia. 


dagz  es  schwer  halten  wird  worte  in  dem  2weiten  stücke  zu  finden, 
welche  eine  Bolche  direct  verlangen  und  nur  unter  der  annähme 
Toraufgegangener  scenen  zu  verstehen  sind,  vielleicht  findet  es 
beifalli  wenn  ich  dies  von  den  versen  behaupte:  (61)  üva  |  |id8q 
CO(piCT^c  ut)V  Aiöc  vujOecTepOC.  hier  bezeichnet  der  dichter  den 
Prometheus  als  einen  cocpicific;  dies  aber  wäre  unmöglich  ge- 
wesen,  wenn  er  nicht  sicber  hätte  voraussetzen  können^  dasz 
jedermann  wüste,  weshalb  er  diesen  ausdruck  gewählt  hatte,  denn 
dasz  er  sich  desselben  absichtslos  bedient  hätte,  nur  um  ein  all- 
gemeines  Scheltwort  obne  specielle  be^iehung  zu  gebrauchen,  ist 
nicht  anzunehmen,  besonders  da  eben  dasselbe  später  in  der  anrede 
des  Hermes  wiederkehrt,  der  den  Titanen  in  folgender  weise  begrüszt: 
944  ce  TÖv  cocpiciriv,  töv  ttikpuic  iiii^pmKpov, 
TÖv  dEafiapTOVT'  €c  Oeouc  ^cpnMtpoic 

TTOpÖVTa  Tl^dc,  TÖV  irupÖC  KlCTTTriV  XifVJ. 

auch  ist  zu  beachten,  dasz  der  götterbote,  nachdem  er  den  auftrag 
des  Zena  in  betrefiT  der  enthüll uag  des  geheimnisses  ausgerichtet  hat, 
warnend  hinzufügt: 

949  Kai  Tauia  /i^vioi  \ir]hi.v  aiviKtiipiujc, 

dXX'  aö9*  ^KacTCf  qppdCe  *  pir\hi  jiioi  biirXdc 
öbouc,  TTpo^T|0€O,  TTpocßdXric*  öpac  b*  ÖTi 
Zeuc  TOic  ToioÜTotc  ouxi  juaXOaKiCeTau 
oder  will  man  etwa  in  ausdrücken  wie  biTrXaT  6boi  (950)  oder  td 
TOiauTO  (952)  nur  inbaltsleere  worte  des  dichters  erkennen?  gewis 
wird  Prometheus  am  scblusz  des  uupcpöpoc  sich  —  vergeblich  — 
bemüht  haben  deine  that  mit  allerlei  winkeizügen  zu  verteidigen, 
und  zwar  besonders  mit  dem  gründe,  dasz  er  nur  habe  für  die 
menschen  sorgen  wollen;  Zeus  aber  mag  ihm,  sei  es  nun  selber  sei 
BS  durch  den  mund  eines  Vertreters ,  ein  weiteres  reden  verboten 
höben,  unwillig  noch  mehr  derartige  faseleien  mit  anzuhören,  erst 
nachdem  jener  Im  zweiten  stücke  durch  seine  fesselung  erkannt  hat, 
dasz  diese  seine  versuche  vergeblich  gewesen,  mag  er  es  selbst  zum 
ersten  mal  eingestanden  haben,  dasz  er  gefehlt  habe:  denn  hier  sagt 
er  selbst  I  109  vapÖTiKOTrXripiwTOv  hk  ÖT]puJMai  irupöc  |  ittit^v  kXo- 
Tiaiav  und  266  iKthv  Ikwv  fifiapiov,  ouk  dpviico^ai,  so  behr  auch 
beide  male  dies  Zugeständnis  hinter  das  bewustsein  zurücktritt,  dasz 
er  den  menschen  nur  gutes  gethan  habe,  und  sein  herz  immer  von 
der  Überzeugung  erfüllt  ist,  dasK  er  ungerecht  leide,  soweit  also 
keine  wichtigem  gründe  vorliegen ,  sehe  ich  nicht  ein,  weshalb  man 
von  der  alten  ansieht  Welckers  abgehen  und  die  durch  die  innere 
Sachlage  gebotene  reihenfolge  der  einzelnen  stücke  in  der  trilogie 
aufgeben  will,  man  möge  ruhig  bei  derselben  stehen  bleiben,  sich 
f^chuld ,  strafe  und  sühne  nach  einander  dargestellt  denken  und  so 
die  natürliche,  einfache  anordnnng  der  stücke  jeder  künstlichen, 
mit  einseitiger  rücksicht  auf  irgend  welche  momente  versuchten 
vorziehen. 

F&EIEMWALDE  AN  DER  OdBK.  ErIOH  BuSSLBR, 


OApelt:  za  Piatons  Philebos.  283 

32. 

ZU  PLATONS  PHILEBOS. 


15^  TipOüTov  jLitv  el  Tivac  bei  Tomuiac  etvai  jiovdbac  ötto- 
XajLißdvciv  dXrjGOüC  oöcac*  clxa  ttCjc  aö  lauiac,  jiiiav  ^Kdcniv 
oScav  dei  Tfjv  au-rfjv  kqi  juriTe  t^veciv  jniiTe  öXeGpov  tipocbexo- 
jLieviiv,  öjLiujc  elvai  ßeßaiÖTaia  iniav  Tauxriv  jueid  bk  toOt'  i\ 
ToTc  TiTVO|Li^voic  au  Ka\  direipoic  cTie  biecTracjn^VTiv  Ka\  iroXXd 
T€TovuTav  Gct^ov,  €i9'  öXriv  auTfjv  auific  X^P^c,  ö  bi\  TrdvTUiv 
dbuvaiiJÜTaTOv  q)aivoiT'  fiv ,  tqutöv  kqi  Iv  &|Lia  dv  dv(  t€  Kai  ttoX- 
Xoic  T iTV€c6ai.  die  stelle  kommt  Yollständig  in  Ordnung,  wenn  für 
das  sinnlose  öfnujc  geschrieben  wird  6vTU)c,  eine  Verbesserung  die 
iSngst  gemacht  ist  und  zwar  von  Georgü  in  der  Stuttgarter  Über- 
setzung, da  sie  indessen  unbeachtet  geblieben  oder  vergessen  wor- 
den zu  sein  scheint,  wie  ua.  die  zweite  ausgäbe  des  Philebos  von 
Badham  zeigt,  so  ist  es  nicht  überflüssig  wieder  an  sie  zu  erinnern, 
schon  um  weitere  verkehrte  änderungen  zu  verhüten,  wie  sie  Badham 
vornimt.  zugleich  sei  das  dvTUJC  in  seiner  hier  vorliegenden  Function 
durch  folgende  treffende  parallele  erläutert:  Rpl.  585^  oukoCv  tö 
TiBv  jLidXXov  övTwv  7TXr]poÜM€vov  Kai  auTÖ  jiiäXXov  öv  övtujc 
jLidXXov  TiXTipoöiai  f^  tö  tüjv  firrov  övtujv  Kai  auTÖ  fJTTOV  öv. 
genau  das  nemliche  Verhältnis  der  begriffe,  eine  ähnliche  Verwechs- 
lung findet  sich  übrigens  in  unserm  dialoge  noch  einmal  40^,  wo 
o8tujc  und  6vTU)C  vertauscht  sind. 

22*  Kai  TTpöc  TOUTOic  fe  oux  6  ^dv,  6  b'  ou.  die  mehrfach  an- 
gefochtenen Worte  erklären  sich  vielleicht  aus  der  häufigen  Wendung 
irpöc  Tivi  eivai  *bei  etwas  sein,  es  ganz  womit  halten'  Phaidon  84  *^. 
Phaidros  249*=**.  das  oöx  6  ji^v,  6  bl  erklärt  Stallbaum  durch  reich- 
liche parallelen,    also:  ^und  damit  hält  es  jedermann.' 

24*.  die  Worte  des  Sokrates  bringen  hier  zweimal  den  aus- 
drnck  tö  tr^pac  fx^v,  der  später  noch  mehrfach  wiederkehrt,  in 
beiden  fällen  streicht  Badham  das  ^x^v ,  ein  tilgungsei fer  der  hier 
wie  an  mancher  andern  stelle  nicht  ganz  gerechtfertigt  sein  möchte, 
denn  tr^pac  fxov  ist  gar  nicht  notwendig  so  viel  als  7T€Tr€pac|Li^vov. 
es  ist  ^das  was  die  grenze  mit  sich  bringt',  vielleicht  ist  der  aus- 
druck  blosz  einem  formellen  bedürfnis  nach  deutlichkeit  entsprungen^ 
da  TÖ  TTcpac  bekanntlich  auch  adverbial  gebraucht  wird,  durch  die 
fassung  TÖ  Trdpac  ^X0\  ward  einer  möglichen  Verwechslung  vor- 
gebeugt. 

26  <*  Kai  |Lif|v  TÖ  fe  tr^pac  oöt€  troXXd  eTx^v  oöt'  dbucKoXai- 
V0JL16V  d)C  OUK  fjv  Iv  q)iJC€i.  den  Widersinn  der  worte  oÖT€  TToXXd 
€Tx€V,  nachdem  zuvor  gerade  das  gegenteil  dargethan  worden  war 
durch  kennzeichnung  der  zahlreichen  arten  des  TT^pac,  wagt  nur 
Stallbaum  zu  verteidigen,  ich  überhebe  mich  der  mühe  die  ver- 
schiedenen besserungs versuche  einer  prüfung  und  beurteil ung  zu 
unterziehen  u^d  bemerke  nur,  dasz  Badham  der  Wahrheit  am  nach- 


284 


OApelt:  zu  Platons  Philebos. 


Sien  gekommen  ist  mit  seinem  vorBüblag  öxi  TtoXXä  eTxev  oCtoi 
^bucKoXaivo)i€V  uswt  das  richtige  aber  ist  5t6  noXXd  €lx€V,  OUK 
dbuCKoXaivo|i£V  usw.  'als  wir  die  viellieit  des  ircpac  behaupteten^ 
waren  wir  nicht  ongehalten  darüber^  dasz  es  sich  Dicht  als  §ines  dar- 
stellte', das  ist  klar  und  sinngemäsz  und  schmiegt  sieb  eng  an  die 
Überlieferten  ztige  an.  das  öxe  eTxev  zeigt  den  bekannten  und  häu- 
figen Platonischen  gebrauch  des  imperfects  in  hinsieht  auf  früher 
in  dem  nemlichen  dialoge  verhandeltes 5  es  ist  gleich  6t6  iX€TO^€V 
ßn  TToXXct  ix^u  so  kurz  vorher  2S«  voncai  nx}  iroit  i^v  aumv  ^v 
Kai  TToXXd  ^KctTepov  dh*  tttj  itot^  £ctiv  ,  die  iXl'fOjx^v ,  ^Koiepov 
usw.,  wie  Stallbaum  richtig  erklärt,  reiche  belege  findet  man  bei 
Stallbaum  zu  Kriton  47**  und  besonders  zu  Ges.  628*. 

38  ^  *•  ouKOÖv  ^K  fivriiiric  t€  koI  akörjccüüc  b6la  f|niv  kqI  t6 
btaboSdCeiv  ^tXeipeiv  fiTVcÖ'  ^Kdcioxe;  dieser  Schreibung  das  wort 
reden  kann  nur  der,  welcher  um  jeden  preis  die  Überlieferung  retten 
will  denn  biaboEdi^civ,  ein  ÖTraH  elpr||iievov  von  an  sich  sehr  zweifel- 
hafter berechtigUDg,  nimt  sich  hier  höchst  wunderlich  aus,  und  das 
hinzugesetzte  ^TX^ip^iv  mindert  nicht,  sondern  erhöht  noch  das  auf- 
fällige des  ausdrucks.  den  fingerzeig  zum  richtigen  geben  einige 
hss. ,  die  für  dxx^iP^^V  bieten  ^tX^P^^V.  denn  daraus  scheint  mir 
gewonnen  werden  zu  können,  was  dem  Zusammenhang  und  sinn 
hier  allein  frommt:  Kai  tö  bt*  8  boi,att\v  ^TXWJp^i  ^^^^  ^^^ 
jenige,  wodurch  uns  das  urteilen  möglich  wird',  nemJich  vor  allem 
die  begriffe,  deren  beide  quellen  ja  thatsächlich  alc8r|cic  und  ^vi^ptrj 
sind,  in  formeller  hinsieht  vgL  das  kurz  vorhergehende  TÖ  i<p*  i& 
XuireiTm  37*,  wie  häufig  nach  einem  infinitiv  sich  bei  einem  ver- 
bum  finitum  die  infinitivendung  eingeschlichen  hat,  ist  bekannt,  aus 
unserm  dialoge  vgl.  54  ^  X^Jpiv  f  X^iv  beiv  in  den  besten  hss,  für 
Xdptv  ?X^iv  bcit  dazu  Badhams  und  Stallbaums  note.  der  Vorschlag 
Badhams  zu  unserer  stelle  gibt  auch  dem  ixX^P^^'V  den  Vorzug, 
scheint  mir  aber  im  übrigen  nicht  haltbar. 

38  *.  das  richtige  für  das  hsL  ircpl  toutuüV  dürfte  nicht  sein 
7T€p\  TOUTO^  wie  Badham  schreibt,  sondern  irepl  toOtov^  worauf 
das  vorhergehende  klar  genug  hinweist 

39»  KQi  ÖTQV  pilv  ä\r]Oi\  TP<iv»3i  toOto  tö  nd6Ti^a  böHa  t€ 
dXr|e#|c  Ka\  Xötoi  dir*  auioö  ^uiußaivouciv  dXnöeic  iv  f\p.iv  j\f\6- 
^evot.  ich  lasse  es  dahingestellt,  ob  nicht,  um  das  fehlende  subject 
zu  gewinnen,  für  TpöH^'^l  '^^  schreiben  ist  TPCKpiä,  wenigstens  halte 
ich  es  für  schlechthin  unstatthaft  toöto  tö  rrdOrma  zu  dem  Vorder- 
satz mit  ÖTav  zu  ziehen  als  dessen  subject.  aber  auch  zum  folgen* 
den  gezogen  scheinen  mir  die  worte  toOto  tö  TrdBTipa  unnatürlich 
und  kaum  erträglich,  sie  einfach  mit  Badham  zu  streichen  wÄre 
freilich  die  leichteste  cur*  aber  das  beiszt  den  knoten  zerhauen, 
nicht  ihn  lösen,  ich  möchte  eher  glauben,  dasz  toOto  ankündigend 
auf  das  folgende  hinweist,  dasz  also  nach  ixäQri^a  durch  ein  kolon 
tn  iiit.erpungieren  und  das  folgende  in  bekannter  manier  as/ndettsch 
angefügt  ist:  toöto  tö  TtdOripa'  bo£a  T€  .  •  tiTVÖpevot  'folgendes 


OApelt:  zu  Platons  Philebos.  285 

ist  das  erlebnis,  folgendes  trägt  sich  zu :  es  entstehen  wahre  meinung 
und  wahre  begriffe*,  vgl.  52«  ouTU)ct  biavori6(I))Li€V '  TrpoeXöjiievoi 
irpdiTOV  auTUJV  ?v  ti  biacKoirOüiLiev.  in  solchen  fallen  ist  zwar  toi- 
oOto  üblicher  als  toOto  ,  doch  ist  auch  das  letztere  statthaft  und 
darum  kein  hinreichender  grund  zu  ändern,  vgl.  Gorg.  491''  tÖ 
blKttlOV  TOOt'  dCTlV,  TTX^OV  ix^lV  TOUTOUC  TUJV  fiXXuJV.    Rpl.  332« 

Sri  TouT*  cTt]  biKQiov,  TÖ  TipocfiKOv  iKttCTiu  diTobibövai. 
40®  vielleicht  irovTipdc  böHac  KdxprjcTOUc. 
41**  f.  Tic  oöv  iLinxavn  laÖT*  öpGOüc  Kpivecem;  TTp.  TT^  bf| 

Kttl  TIUJC;    Cu).    6l  TÖ   ßOuXTlILia  f\^l\   Tfjc  KpiCeUJC  TOÜTUjV  i\  TOl- 

otiroic  Ticl  biarvujvai  ßouXcTai  Ikölctotc,  tic  toutwv  trpöc  äXXrjXac 
^€iZu)V  Kttl  TIC  dXdTTU)v  Kttl  TIC  |LiäXXov  Ktti  Tic  cq)obpoT^pa,  XUTTTI 

T€    npÖC  f)bOVf|V   Kttl  XuTTTl   TlpÖC   XuTTTlV  Kttl  f)bOVf|  TipÖC  fjbOVriv. 

es  wird  nach  einem  kriterium  gefragt,  das  uns  in  den  stand  setzt 
die  häufigen  teuschangen  bei  Schätzung  von  leid  und  freude  oder 
auch  von  verschiedenartigem  leid  oder  verschiedenartiger  freude 
gegen  einander  zu  berichtigen,  zu  dem  ende  wird  gezeigt,  dasz  es 
der  contrast  von  gleichzeitiger  freude  und  leid  ist,  der  das  eine  oder 
das  andere  über  gebtthr  grosz  erscheinen  läszt,  und  demgemäsz  ge- 
folgert, man  müsse,  um  zur  wahren  Schätzung  zu  gelangen,  das 
überschüssige  scheinbare  abziehen  (42  ^«).  darin  besteht  das  öpOOuc 
xpivecOai,  nach  dessen  möglichkeit  41^  gefragt  wird,  wenn  Pro- 
tarchos  darauf  zunächst  fragt  mji  bi\  xai  ttuic  ;  so  bezieht  sich  dies 
auf  KpivecOai,  und  es  ist  nichts  zu  ändern,  also  nicht  mit  Bekker 
iTOia  für  7T^  zu  setzen.  Bokrates  aber  musz  doch  nun  auskunft  geben, 
worauf  die  Kpicic  hinaus  will,  und  das  thut  er ,  indem  er  zunächst 
feststellt,  was  die  Kpicic  beabsichtigt,  um  dann  zu  zeigen,  welche 
umstände  bei  ausführung  dieser  absieht  als  maszgebend  in  betracht 
kommen  und  wie  demgemäsz  die  richtige  Schätzung  schlieszlich  ge- 
wonnen wird,  wenn  nun  42  ®  die  hss.  bieten  €1  TÖ  ßoüXr))Lia  usw., 
so  kann  man  damit  nicht  zurecht  kommen :  denn  wäre  hier  eine  in- 
directe  frage  am  platze,  so  dürfte  sie  nach  dem  vorhergehenden 
nicht  blosz  auf  die  absieht  der  Kpicic  gehen,  sondern  auf  das  wesen 
dieser  Kpicic  selbst,  es  handelt  sich  hier  um  die  Vorbereitung  der 
eigentlichen  antwort.  danach  scheint  es  mir  ratsam  das  ei  mit 
f  c  T  i  zu  vertauschen ,  eine  Verwechslung  die  durch  das  folgende  TÖ 
sehr  leicht  herbeigeführt  werden  konnte,  dabei  kommt  es  auf  das- 
selbe hinaus ,  ob  man  die  werte  des  Sokrates  als  directe  frage  oder 
in  affirmativem  sinne  fassen  will,  die  folgende  antwort  des  Pro- 
tarchos  dXX*  f  CTiv  f\  ßouXiicic  ttjc  Kpiceujc  aÖTTi  bestätigt  diese  Ver- 
mutung, denn  das  bekräftigende  dXXd  vor  ^CTi  läszt  auf  ein  vor- 
hergehendes f CTi  schlieszen.  vgl.  Gorg.  449  *  dtctööv  el  bf\  ßouXci 
jLie  KttXeTv.  Cu).  'AXXd  ßouXojLiai  (ebenso  Rpl.  429^).  476^  el  öjno- 
XoTcic.  TTuj.  *AXX' 6|LioXoYa).  Symp.  199*'7rdp€cjLioidpdceai.  'AXXd 
Trapiri)Lii.  aber  auch  weiter  stöszt  man  bei  der  jetzigen  fassung  der 
werte  auf  allerhand  unbegreifliches,  worauf  Badham  hinweist,  doch 
glaube  ich,  dasz  man  mit  einfacher  änderung  der  interpunction  helfen 


286 


OApelt?  zu  PlfttoDB  Phüebos. 


kann,  nemlicb :  *'€cii  TÖ  ßoüXnMO  f^iv  Tfjc  Kpiccujc  toutujv  iv  toi-  ^ 
ouTOic  Tici'  öiQTvüjvai  ßo^Xeiai  (sc.  f|  Kpicic)  ^KdcTore,  Tic  uswi| 
''die  absieht  eines  urieils  Über  diese  dinge  besteht  in  folgendem:  da 
urteil  will  erkennen,  welches'  usw.  (oder  fragend :  'besteht  die  ab- 
sieht' osw.)  wir  haben  dann  einen  klaren  gedankenfortschritt,  der 
auch  formell  sich  ohne  anstosz  vollzieht  das  ankündigende  toioOtoc 
oder  TOlOÖTOC  Tic  (vgl.  die  bemerkting  äu  39*)  mit  asyndetischer 
fortsetzung  ist  ganz  Platonisch :  vgL  Gorg,  497^  dXX'  d€i  TOioÖTÖc 
Ttc  ^CTi  CyüKpctTiic'  c^iKpa  Kai  öXi^ou  a£ia  ctvcpuuTa.   Hipp.  mai. 

288''  TOlOÖTÖC  TIC  (kxiv),  W  "iTTTTia-  OV  KOjiTVOC,  öXXd  cupqp£TOc. 
ßyrop.  113"^  iv  |i^v  Top  tok  XÖTOic  de\  toioutoc  el*  cauioö  t€ 
Kai  Tok  dXXoic  dtpimveic.  Ges.  769^  dp'  ou  toioutov  boKei  coi 
TÖ  Tou  vo|Lio0€TOu  ßouXr|^a  elvai;  tipmov  m^v  tpdipm  usw. 

44***  oT^ai  tdp  Toiövbe  ti  \iyuy  auToiic,  dpxo^^vouc  iroöevj 
ÄvujOev,  die,  ei  PouXt)0€Tm€v  ötouoöv  cTbouc  ti^v  cpuciv  ibeiv,  oloi  ^ 

TtjV  tou  CkXiIPOÖ,  TTÖT€pOV  EIC  TQ  CKXrjpÖTÜTa  dTTOßX^TTOVTEC  OUTUiC^ 

Sv  fiäXXov  cuvvor|cai^iev  f)  tipöc  Tct  TiaXXocTd  ckXiipöttitu  ein© 
wunderbare  satzfügung,  wenn  man  die  worte  von  ei  ßouXr]8€i|iev 
ab  als  abhängig  von  uic  ansieht  'ordttur  enim  sermo*  wie  Stall- 
bäum  bemerkt  *^ab  UJC,  sed  mox  exit  in  interrogationera  TTOTCpov 
€k  Ta  ktX.*  nichtsdestoweniger  beruhigt  sich  Stallbaum  über  daa 
nnge wohnliche  dieser  construction  mit  berufung  auf  die  bekannteol 
Worte  Suph.  Antig.  2  und  OT.  1401.  diese  bekanntlich  nicht  un- 
Timsti  ittenen  dichterstellen  hätte  er  nicht  zur  rechtfertigung  des 
classikers  der  griechischen  prosa  heranziehen  sollen,  die  sacbe  klärt 
sich  auf,  wenn  man  annimt,  dasz  ibc  hier  wie  sonst  öxi  als  an- 
führung Speichen  für  die  eignen  worte  eines  andern  dient  aber  ist 
diese  annähme  statthaft?  nurßn,  nie  diC,  dient  als  anführungs- 
zeichen,  sagt  ua*  Krüger  spr.  §  65,  1,  2.  das  ist  sehr  zuversichtlich 
gesprochen,  ob  aber  auch  richtig?  man  sehe  sich  zb.  an  Rpl.  424^ 
ÖTav  nc  \ix^  die  *Ti\v  doibfjv  ^dXXov  iTTi<ppov€ouc*  övöpiwnoi, 
i^TiC  nsw,  doch  läszt  sich  hier  noch  zweifeln,  nicht  zweifelhaft  aber 
sind  folgende  fälle:  Ges,  777"  UTf^pTOÖ  Aioc  dtoptütwv,  d>c  «T^fiicu 
ydp  T€  vöou,  cpiiciv,  dna^ieSptxai  eupucTia  Zeuc»  csw.  Arist  de 
caelo  294 '  26  biö  xal  '6|LiTT€boKX?ic  ouroic  ^n^TiXii^ev ,  €iTTU>v »  die 
tct  TT€p  dneipova  y^c  tc  ßdön  xai  banJiXöc  a\Bf\p,  thc  bid  noXXuiv 
hf\  rXubccTic  (ir|6€VTa  ^aTaiuuc  ^kk^x^tQ»  cTOjtidTuuv,  dXitov  toö 
navTOC  ibövTUJV.»  Theophr.  n€pl  akOrjC.  10  (iJiels  doxogr.  502^10) 
biapiö^ficd^evoc  Totp  ihc  Ikoctov  ^KdcTii/TVLUpi£ofi€v  ^tti  TAciirpoc- 
^9tik€v  ibc  «^K  TOUTUJV  Tdp  TrdvTa  nenriTaciv  dp^ocöevxa»  usw, 
ps,- Arist.  de  Mel  X.  G.  976  *•  25  'EjiiiTebOKXfic  KivckSai  ^^v  dei  (pn« 
cuTKpivöpeva  Td  dvTa  TrdvTa  ivbeXexuic,  Kevdv  bk  ovbkv  etvai» 
Xe'Tujv  ijbc  €Tou  TTQVTÖc  b'  oub€v  K€V£Öv,  TtoOev  oijv  Ti  K*  dnAOoi;» 
47*^  Trcpi  bfe  Tu>v  iv  ipux^,  cui/iaTi  Tdvavxia  iupßdXXcTai» 
XuTTTiv  Te  äfia  Trpöc  fibov^v  xai  fjbovfiv  irpöc  Xuirriv,  ODct'  eic  H^av 
d^iCpÖTCpa  Kpdciv  Icvai,  TauTalpTTpocScv  pev  birjXöojiev,  dicötrÖTav 
au  KCvujTat  TiXi^puiccu^c  ^niOupet,  Kai  dXTTi2[u>v  ^4v  x<^ip^^  Kevou- 


OApelt:  zu  Piatons  Philebos.  287 

jLievoc  b€  ÄXteT,  laOra  bk  töt€  jifev  ouk  ^iiiapTupdjicGa,  vOv  bk 
X^TOjLicv,  ibc  H'wxflc  Trpöc  cüüjna  bmqpepoM^viic  dv  näci  toutoic 
nXfiGci  djLiiixcivoic  oöci  fiTEic  |Liia  Xuiriic  t€  Kai  f)bovfjc  EujuiriTTrei 
Y€VOjLi^vii.  der  lahmen  satzfügong  wird  wohl  am  einfachsten  auf- 
geholfen durch  ein  hinter  dv  ^f\JXfji  eingeschobenes  ei,  das  wegen  des 
vorhergehenden  ^  leicht  ausfallen  konnte,  also :  ^die  frage  aber,  ob 
die  seelenzustände  dem  körper  entgegengesetzte  gefUhle  hervorrufen, 
nemlich  schmerz  gegenüber  der  lust  und  lust  gegenüber  dem  schmerz, 
haben  wir  vorher  so  weit  abgehandelt,  dasz  wir  die  entgegengesetzten 
empfindungen  des  Schmerzes  über  die  leerung  und  der  begierde  nach 
füllnng  durchgiengen;  das  aber  haben  wir  noch  nicht  festgestellt, 
holen  es  aber  jetzt  nach,  dasz  in  allen  diesen  unzähligen  fällen,  wo 
seele  and  körper  mit  einander  in  streit  liegen,  unlust  und  lust  sich 
in  eins  vermischen.'  dies  zur  Übersicht  des  ganzen,  im  einzelnen 
bleiben  noch  die  schwierigen  worte  ibc  ÖTTÖiav  aö  Kcvonrai  ttXt]- 
puiC€U)C  diTiOuiLieT  zu  ordnen ,  die  die  manigfachsten  heilversuche 
hervorgerufen  haben,  mir  will  es  das  einfachste  und  natürlichste 
scheinen  zu  schreiben  ibc  6  ttiiüv,  Sv  aö  Kevüürai  usw.  vgl.  34  •. 
52«  ouKOÖv  ÖT€  |Li€Tpiu)C  f[br]  biaK€Kpiji€Ga  x^Jp'ic  idcTC  Ka6a- 
päc  f)bovdc  Kai  rdc  cxeböv  dKaGdpiouc  öpGwc  Sv  XexGeicac,  tipoc- 
8ijj|Li€V  Tilü  XÖTiu  laic  jüifev  C9obpaic  f)bovaic  d)i€Tpiav,  rate  bi 
lir\  TouvavTiov  d^MCTpiav  Kai  tö  jh^t«  ^ai  tö  C9obpöv  aö,  Kai 
TToXXdKic  Kai  öXitdKic  TiTVO)i^vac  TOiaurac,  ific  toO 
dneipou  t'  dKcivou  Kai  fjTTov  Kai  inäXXov  bid  t€  ciiiiaTOC  Kai 
\{fvxf\c  qpepOMdvou  TrpocGwjuiev  auiaic  etvai  t^vouc,  xaTc  bi  tujv 
dmLieTpUJV.  so  die  besten  hss.  ich  glaube  diesen  locus  conclamatus, 
an  dem  sich  zahlreiche  ärzte  vergebens  versucht  haben,  durch  ganz 
einfache  mittel  mit  Sicherheit  herstellen  zu  können,  der  satz  ver- 
Iftuft  anstoszfrei  bis  dji)i€Tpiav.  von  da  geraten  wir  in  undurch- 
dringlich scheinendes  gestrüpp.  das  glied  Kai  TToXXdKic  .  .  TOiauTac 
läszt  sich  weder  von  seilen  des  sinnes  noch  von  Seiten  der  con- 
struction  rechtfertigen:  denn  das  öXitdKic  widerspricht  in  der  jetzi- 
gen fassung  geradezu  der  tendenz  der  ganzen  ausführung,  und  der 
accusativ  verträgt  sich  durchaus  nicht  mit  dem  folgenden  dativ 
aÖTaic;  vor  allem  aber  schwebt  Tf)C  völlig  in  der  luft,  weshalb  es 
die  hgg.  meist  einfach  streichen,  auch  Badham  in  seiner  letzten  aus- 
lassung  über  die  stelle  Mnemos.  VIII  405,  nachdem  er  in  seiner  aus- 
gäbe schon  einer  ganzen  anzahl  anderer  worte  aus  unserer  stelle  den 
todesstosz  versetzt  hatte,  gerade  dies  verstoszene  Tf)C  hätte  die  kri- 
tiker  vorsichtig  machen  sollen:  denn  bei  ruhiger  betrachtung  musz 
man  sich  sagen,  dasz  dies  wort  nicht  so  von  ohngefähr  in  die  hss« 
hineingeschneit  sein  kann,  das  dunkel  lichtet  sich,  der  unsinn  wird 
sinn,  sobald  man  schreibt  Kai  tö  ixdfa  Kai  tö  C9obpöv  aö,  Kdv 
TioXXdKic  kSv  ÖXitdKic  TiTvo)i^vac  ToiauTac  Gflc,  toö  dtreipou 
T*  dKeivou  usw.  ^wir  wollen  den  Charakter  des  starken  und  heftigen, 
magst  du  nun  annehmen  dasz  die  lüste  sich  oft  oder  dasz  sie  selten 
sich  zu  solcher  höhe  steigern,  ihnen  zurechnen  als  zu  dem  geschlecht 


288 


OApelt:  zu  Platons  Philebos. 


dea  unbegreDzten  gehöreml*  so  rechtfertigt  Bicb  auch  sofort  das 
auxaic  der  hßs.,  das  durchaus  nicht  in  auictc  m  verwandeln  ist, 
zugleich  auch  der  schlu^z  laic  bk  tül>v  ^mn^ipuiv,  wie  ihn  der  Bodl. 
bietet  zu  der  ftigung  Kßtv  —  kSv  vergleiche  man,  wenn  ee  der 
parallelen  bedarf,  zb.  Polit.  296 '^  köv  it€icac  kSv  |ur|  Titicac  Tic  bpql 
xd  lü^qpopa,  toötov  bei  usw.  Demosth.  g<  PhiL  I  §  15  kSv  U|i€ic 
Iva  KÖV  nXeiouc  köv  töv  beiva  Käv  övtivoöv  x€ipoTovr)CTiTe  cipa- 
TT)TÖv,    g.  Aiistog»  I  §  15  kSv  lacTöMv  ttöXiv  oiküüci  köv  piKpäv. 

52^  xt  iToxe  xpn  «pctvai  irpöc  dXrjeeiav  eivai  t6  KaGapöv  xc 
Ka\  elXiKpiv^Ci  f\  TÖ  cqjöbpa  xe  Kai  xö  noXO  Kai  xö  ixi^a  koi  xö 
kavöv ;  so  geleden  gibt  der  satz  keinen  rechten  sinn,  de&ihalb  t^ilt 
ihn  Stallbaum  und  macht  ein  frage^eichen  hinter  tivau  dann  dürfte 
es  aber  nicht  heiszen  xi,  sondern  7TÖX€pov.  darum  i^cheint  es  mir 
richtig  80  zu  interpungieren :  xi  ttoxc  xP^  qpdvai;  irpöc  dXrjOtiav 
elvai  usw.  vgl.  Epl.  328^  mit  Stallbaums  hemerkung*  was  mit  dem 
letzten  worte  kavöv  ^u  machen,  weisz  ich  nicht  man  könnte  auf 
fJiaviKÖv  oder  so  etwas  raten  ^  doch  bleibt  das  unsicher. 

65=  yevvaiujc  W,  ei  irrj  xi  caOpöv  fx^i  ttüv  7T€piKpouuü^€V, 
lujc  ö  XI  KaÖopiLiaxov  £cx'  auxujv  cpuc€i,  xoiixo  Kaxibövxec  ctc 
xfiv  Kptctv  xp^^tOa  xfjv  KOiVT|V  usw.  um  hier  der  grammatik  ihr 
recht  zu  lassen,  dürfte  es  notwendig  sein  luuc  in  das  finale  die 
zu  verwandeln,  dann  verläuft  alles  glatt,  viel  gewaltsamer  hilft 
Badham. 

63^  Kai  TTUuc,  ili  CibKpaxec;  qpöTev  öv,  oTt'  iMT^obic^ax<i  tc 
pupia  iiixiv  IxotJCi,  xctc  wuxdc,  dv  alc  oiKOu^ev,  xapdxxoucai  bia 
jiavmdc  fibovdc»  Kai  tiTvecOai  x€  fiiudc  xnv  dpx^iv  ouk  idjcv  xd  xe 
YiYVÖM€va  i]ixwv  x^kv«  uüc  x6  ttoXu,  hC  d|i^X€iav  XriOriv  d^7^oioöcal, 
TTavxdTTaci  biacpGcipouciv ;  dXXac  b^  nbovdc  dXqÖeic  xai  Kaöapdc 
6c  €Itt€C,  cxeböv  oiKeiac  f|^Tv  vöjui£€,  Kai  irpöc  xaüxaic  xdc  ^£0* 
uifieiac  Kai  xoO  cujcppovelv  usw.  so  die  ausgaben  seit  Fischer ^  nur 
dasz  Badham  wohl  mit  recht  die  worte  bld  paviKdc  fibovdc  streicht 
allein  die  hss.  bieten  nicht  dXXac  bk,  sondern  dXXac  xe.  beachtelaH 
man  nun  die  sttJrende  Unbestimmtheit  des  dXXac  hk^  so  liegt  ea  nab^^H 
den  hss.  zu  folgen  in  der  form  dXX*  äc  xe  fjbovdc  dXriOcic  xal 
Ka6apdc  elneCi  mit  Streichung  des  de  nach  KaOapdc,  das,  wenn  ein* 
m&l  falsch  dXXac  sich  eingeschlichen  hatte,  als  natürliche  folge  sich 
ergeben  muste.  das  xe  aber  hat  sein  complement  in  dem  folgenden 
Kai  npöc  xatixaic  usw.  zu  dem  npöc  xauxaic  neben  xe  —  Kai  vgl. 
Phaidon  110"  xr|v  be  fflv  aOxriv  KeKOc^ficÖat  xoüxoic  xe  dTtact  Kai 
Ixi  xpt'ctp  Kai  dptüpip. 

65*  ouKOijv  ei  ^i\  \i\ä.  byvdpcOa  iblq.  xö  dtaööv  Oripeöcai, 
cüvxpic»  Xaßövxec»  xdXXei  Kai  Eu^^expla  Kai  dXnßelqi,  Xetujpev 
ibc  usw.  so  der  Bodl.  mit  seinem  auhang.  die  andere  clasao  der 
bs^.  hat  8r|caupicat  für  OrjpeOcau  Badham  tilgt  $Tlpeöcat  als  un- 
paasend.  aber  dUrfte  die  ursprüngliche  lesart  nicht  gewesen  sein 
Ocuipf^cai? 

Weiiiar.  Otto  äpelt. 


CfcCIliPii;  kotiBdie  bemerkungen  zur  gescbidite  ToMÜeoBt.   289 

33. 

KBITISCHE  BEMERKUNGEN  ZÜB  GESCHICHTE 

TMOLEONS. 

(icUiin  TOD  jahrgmng  1886  s.  SIS— 319  und  1888  8.  161—170.^ 


Die  bedingungen  des  zwischen  Timoleon  und  den  Karthigent 
geschlossenen  friedens  lanten  bei  Diodoros  und  Plutarchos  folgender- 


Diod.  XVI  82  Plut.  Tim.  c.  34 

|i£Tä  hi,  ToOra  Turv  Kapxiiboviuiv  ix  hi.  toutou  Kapxnbövioi  m^v 
biairp€c߀\KaM^v(uv  xai   TToXXä  eiprjvnv  diroiyicavTO  irpöc  aurdv 
bGf|0€VTiuv  arv€xu>piic€v  auToic  öctiOcvtcc,  uicre  Tf|v  Ivtöc  Aukou 
Tf|V€ipTivT)v,  uicTeTäcfi^'6XXii*  x^P^^v  ^x^iv,    ^ai  toTc  ßouXo* 
ySbac  iröXeic  äirdcac  ^euO^pac  fi^voic  iE  a\rn\c  ficroiiceiv  irpöc 
elvai,  TÖv  bk  "AXukov  koXou-  CupOKOciouc  xpnM<2Ta  kou  x^veäc 
lievov  iroTOMÖv  öpiov  eivai  Tfic  äirobibövrcc  Kon  toic  Tupawoic 
&aT^puAr^mKpaT€iac*fif|^€ivai  dTremdjievoi  tPjv  cufifiaxiov. 
hk  Kapxn^vioic  ßoriOf)cai  toTc 
Tupawoic  iToXcjLioOa  irpoc  Cupa- 
Kociouc. 

die  zom  teil  wörtlich  übereinstimmenden  darstellongcn  weisen  auf 
eine  gemeinsame  quelle ,  den  Timaios ;  auf  denselben  sind  auch  die 
eingangsworte  bei  Diodoros,  die  sich  bei  ihm  fast  bei  allen  friedens- 
Schlüssen  in  ähnlicher  form  wiederholen,  zurückzuführen  (vgL  Diod. 
XI  26.  Xin  114.  XV  17.  XVI  82).  anderseits  beweist  die  erste  be- 
dingong  Diodors,  die  bei  Plut.  fehlt,  dasz  jener  hier  auch  eine  zweite 
quelle  eingesehen  hat,  nemlich  Theopompos.  es  fragt  sich  zunächst, 
was  es  heiszt:  Tdc  'EXXiivibac  iröXeic  dirdcac  dXeuO^pac  eTvai. 
^€u6€pta  bedeutet  in  staatsrechtlicher  beziehung  nicht  nur  ilie 
freiheit  von  der  herschaft  eines  fremden ,  sondern  es  wird  auch ,  be- 
sonders in  der  spStem  zeit,  im  sinne  von  biifiCKparia  gebraucht  im 
gegensatz  zur  tyrannis  und  königsherschaft  *die  suvetSnitSt  in  repu- 
blicanischer  form',  während  die  auTOVOjLiia  das  communale  selbstregi- 
ment  ist  und  sich  mit  jeder  staatsform  wie  auch  mit  der  hegemonie 
innerhalb  einer  sjmmachie  verträgt  (Busolt  griech.  Staats-  und  rechts- 
altertümer  s.  208.  211.  215.  218  ff.  ThMommsen  röm.  Staatsrecht 
in  1  8.  658  ff.),  auch  Diodoros  gebraucht  diese  ausdrücke  in  der- 
selben bedeutung,  so  zb.  dXeuOepia  im  gegensatz  zur  tyrannis  X  16. 
XIV  7.  8.  10.  14.  45  usw.:  auTOVO|Liia  und  auTÖvojiOc  XTV  7  Cik€- 
Xoüc  Touc  auTOVÖMOUc  Ö9'  teuTÖv  TTOirjcacOai.  XIV  17  von  den 
Eleiern,  die  nicht  selbständig,  sondern  von  den  Spartanern  abhängig 
waren.  XV  28,  wo  vom  athenischen  bunde  die  rede  ist:  trdcac  öndp- 
X€iv  auTOv6)iouc,  f)T€)iöci  xpwJ|Li^vac  'AGiivaioic,  dh.  alle  mitglieder 
des  bundes  sollten  ihre  Verfassung  einrichten  wie  sie  wollten^  Athen 
der  leitende  vorort  sein,  auch  in  der  geschichte  des  Timoleon  tritt 
bei  Diodoros  dieser  unterschied  hervor:  c.  72, 3  TrapeX6u)V  hk  Trpdc 

J.nhrbQeher  für  clast.  philol.  1893  hfl.  4  a.  5.  19 


S90   ChClaEen :  IrritsBche  bemerkungen  zvlt  gesduchte  TiaioleonB« 

TTÖXiv  *£yt^ov,  Tupavvou|ievfiv  uttö  AeTTiivou,  irpocßoXdc  cuvexcic 
^TToieiTo  ßouAö^evoc  tov  fi^v  AeiTTivriv  ^KßaXeiv  ^k  Tf|c  nöXeiuc, 
Tok  h*  *6yT^^voic  t^v  ^Xeuöepiav  dnobouvai  und  §  5,  wo  er  von 
ApolloDia  und  ihrem  bisherigen  abhäDgigkeitsverbältniä  zu  Engjon 
spricht:  TiapaXaßdüv  Tf)V  'AwoXXuJvSav  Tauiri  t€  Kai  Tfj  tüüv  'eTTy**- 
vuiv  ÄTT^byüKe  Tf|v  auTovofiiav.  c,  82  touc  dXeuOcpuuÖ^vTac  CupaKo- 
douc  ^TToiricei  dK  die  von  dem  tyranuen  befreiten  Agyrier  machte  er 
zu  Syrakusiern,  nahm  ihnen  also  die  autonom ie,  dXeuöepia  bedeutet 
nicht,  wie  Meltzer  meint,  die  Selbständigkeit  der  stUdte  zu  einander 
und  namentlich  zu  Syrakus:  dem  widerspriclit  nicbt  nur  der  erwähnte 
fall  von  Ägyrion  und  die  Verpflanzung  der  Leontiner  nach  Syrakus, 
sondern  dann  hlbtte  auch  Diodoros  das  wort  auTÖvo^OC  gebraucht, 
wie  in  den  friedensbedingungen  des  j.  405  (XIII  114  AeovxiVOUC 
bi  Küi  MeccTiviouc  Kai  CiKcXoiic  äiiavTac  auiovö^ouc  eivai), 
in  denen  bestimmt  wurde,  dasz  die  Sikaner  den  Karthagern  unter- 
tban,  Selinus,  Akragas,  Himera,  Gela  und  Kamarina  ihnen  tributSr, 
Leontinoi,  Messene  und  die  Sikeler  selbständig  sein  sollten,  ebenso 
im  frieden  mit  Agatbokles,  nach  welchem  Herakleia,  Selinus  und 
Bimera  wie  bisher  den  Karthagern  unterthan ,  alle  übrigen  griechi- 
achen  städte  autonom  sein  sollten  und  zwar  unter  der  begemonie 
von  Syrakus  fXIX  71  tdc  b*  dXXac  ndcac  auxovö^ouc  etvai  Tf)V 
flXe^iioviav  ^XO'^^t'^V  Cupaxociujv).  wie  aus  dieser  stelle  und  XV  28 
(s.  oben)  hervorgeht,  ist  die  auTOVO^ia  mit  einer  fiyeiiovia  verein* 
bar :  dasz  durch  Timoleon  im  osttn  eine  cufijiaxici  gegründet  wurde, 
&agt  Diodoros  c.  82,  und  es  wird  durch  die  münzen  bestätigt;  wir 
dürfen  annehmen,  dasz  Syrakus  der  leitende  vorort  war,  wenn 
auch  die  begemonie  von  den  Karthagern  nicbt  förmlich  anerkannt 
war.  das  wort  dndcac  ist  nicht,  wie  Meltzer  meint,  irrtümlich  von 
Diodoros  hinzugefügt,  sondern  nachdrücklich  hervorgehoben ;  die 
Karthager  wollten,  dasz  alle  städte  ohne  ausnähme  republic&nische 
Staatswesen  sein  sollten,  um  dadurch  auch  Timoleon  zu  verhindern 
eine  mächtige  dynastie  wie  die  Dionysische  zu  gründen,  um  ihn 
zu  verpflichteÄ  nach  ausrottung  der  tyrannis  und  Ordnung  der  ver* 
hältnisse  auf  eine  eigne  herschaft  zu  verzichten,  damit  soU  nicht 
gesagt  sein ,  dasz  Timoleon  etwas  derartiges  beabsichtigte ,  aber  die 
sikelische  geschichte  belehrte  die  Karthager  hinreichend,  dasz  ein 
tüchtiger  feldherr  oft  nach  siegreichem  kriege  sich  zum  all einh erscher 
machte;  und  dasz  Timoleon  eine  zeit  lang  eine  solche  inne  hatte,  be- 
zeugen  die  werte  Plutarchs  übe  b*  ^TravfiXöev  ek  CupaKOucac,  euöiic 
dTro9^c6ai  rfiv  fiovapxiav  usw.  damit  gaben  die  Karthager  und  zwar 
im  eignen  interesse  dem  Timoleon  eine  viel  gröszere  aufgäbe  als  ihm 
von  anfang  an  gestallt  war,  die  beiden  hauptbedingungen  des  frie« 
dens  waren  also  folgende:  1)  derHalykos  bildet  die  grenze  des  kar- 
thagischen und  griechischen  gebietes',  2)  alle  Östlich  von  diesem 


*  diu  Karthago  behielt  seiaen  frühem  besite  eiu seht ieazt ich  Himera, 
ßelinui  und  auch  des  ÖBtUcb  vom  Hutyko«  gelegenen  Herakieia. 


ChClMep;  kritische  bemeikimgen  tor  i^eschichte  Timoleont.  291 

floaae  gelegenen  griechischen  sUdte  sollen  freie  repabliken  sein,  der 
tTTumis  fiberall  durch  Timoleon  ein  ende  gemacht  werden,  und 
dmbei  sollen  ihn  die  Karthager  (wenigstens  durch  neutraliUt)  unter- 
stfltxen.  wie  letztere  bestimmung  nur  eine  clausel  zur  zweiten  be- 
dingnng  war  (als  solche  auch  sprachlich  bei  Plutarchos  und  Diodoros 
erkennbar),  so  hatte  auch  die  erste  bedingung  eine  clausel,  die  Dio- 
doros als  unwichtig  weggelassen  hat  (vgl.  Plutarchos),  dasz  es  allen 
Griechen  freistehen  sollte  ans  dem  karthagischen  gebiet  nach  Sjrakus 
ttDSznwandem.  dasz  dabei  nicht  an  einzelne  aus  Wanderungen  tu 
denken  ist,  liegt  auf  der  band;  Timoleon  beabsichtigte  vielmehr 
eine  umfassende  Übersiedelung  der  Hellenen  nach  Sjrakus,  er  wollte 
wo  möglich  alle  griechischen  elemente  dem  westen,  den  er  nun  doch 
einmal  nicht  gewinnen  konnte,  entziehen  und  in  Sjrakus  ein  starkes 
bollwerk  des  sikelischen  Griechentums  schaffen,  sein  augenmerk 
richtete  er  daher  hauptsächlich  auf  die  hebung  dieser  stadt,  hier 
musten  die  auswanderer  aus  der  dirixpaTeia  sich  ansiedeln;  spftter 
steckte  er  auch  hier  das  ziel  höher  und  veranstaltete  eine  allgemeine 
hellenische  colonisation  in  Sikelien.  dies  ist  das  einzige  Zugeständnis, 
das  er  den  Karthagern  abnötigte,  sonst  sind  die  friedensbedingungen 
letzteren  durchaus  gttnstig  trotz  der  niederlage  am  Krimisos;  der 
sieg  des  Timoleon  ist  überhaupt  von  Timaios  und  seinen  nachfolgem 
in  seiner  bedentung  sehr  übertrieben  worden.  Timoleon  hatte  zwar 
durch  einen  entschlossenen,  glücklichen  Überfall  bei  dem  über- 
schreiten des  fiusses  ein  karthagisches  beer  zurückgeworfen  und 
demselben  empfindliche  Verluste  beigebracht;  wenn  wir  aber  be- 
denken, dasz  trotzdem  die  unerschöpfliche  macht  der  Karthager  ihm 
ungebrochen  gegenüberstand ,  dasz  die  kleine  Söldnertruppe ,  die  er 
zurückliesz ,  bald  yemichtet  wurde  und  ihm  keine  armee  zu  geböte 
stand ,  um  auf  die  dauer  in  offener  feldschlacbt  mit  erfolg  den  Kar- 
thagern entgegenzutreten ,  so  ist  es  begreiflich ,  dasz  der  friede  den 
Karthagern  nur  günstig  sein  konnte,  zu  demütigen  concessionen 
werden  die  Karthager  so  wenig  geneigt  gewesen  sein  wie  Peter  der 
grosze  nach  der  schlacht  bei  Narwa,  mit  welcher  Arnoldt  diejenige 
am  Krimisos  vergleicht,  daher  ist  die  erklärung  Amoldts  und  Holms, 
dasz  die  griechischen  städte  westlich  vom  Haljkos  frei  sein 
sollten  von  karthagischer  herschaft,  nicht  vereinbar  mit  der  wirk- 
lichen läge  der  dinge:  wir  kehren  vielmehr  zu  der  interpretation 
Grotes  zurück  (griecb.  gesch.  VI  s.  133).  dasz  die  Karthager  die 
herscbaft  über  jene  städte  infolge  der  schlacht  am  Krimisos  abge- 
treten hätten,  ist  undenkbar;  ebenso  verbieten  die  andern  friedens- 
Schlüsse  eine  solche  auffassung.  nach  dem  siege  bei  Himera  erkannte 
Gelon ,  der  den  krieg  nicht  fortsetzen  wollte ,  den  karthagischen  be- 
sitzstand  auch  ferner  an  (Diod.  XI  24);  im  j.  405,  wo  Dionysios 
bedeutende  nachteile  erlitten  und  mehrere  städte  an  die  Karthager 
verloren  hatte,  im  beere  derselben  aber  eine  seuche  ausgebrochen 
war,  die  sie  dem  frieden  geneigt  ipachte,  erkannte  Dionysios  als 
zum  karthagischen  reiche  gehörig  an  die  alten  Phoinikerstädte  sowie 

19* 


292   ChClasen:  kritiscbe  bemerkungen  zur  gescliicbie  Timoleons* 

die  Eljmer  und  Sikaner  (Diod,  Xlll  114),  fünf  Griecbenstädte  sollten 
abgaben  an  die  Kartbager  zahlen,  die  Sikeler  autonom  sein;  nach 
seinen  groszen  erfolgen  erlangte  Dionysios  im  j.  392  Tauromenion 
und  die  berschaft  über  die  Sikeler,  den  Karthagern  blieb  ihr  altes 
beaitztum  unverändert ,  die  altphoinikiseben  colonien,  die  Eljmer 
ued  Sikaner,  dh.  die  grenze  bildete  der  Halykos^  der  das  gebiet  der 
Sikaner  und  Sikeler  ungeMir  geschieden  haben  wird;  vermuten  läszt 
sich,  dasz  jene  fünf  griechischen  städte  wieder  frei  wurden  (Diod. 
XIV  26)*  im  j.  383,  als  Dionysios  eine  colossale  niederlage  bei 
Kronion  erlitten  hatte ,  blieb  der  territorial  besitz  unverändert,  dazu 
erhielten  die  Karthager  Selinus  und  das  westlich  vom  Halykos  ge- 
legene gebiet  von  Äkragas;  dieser  flusz  wurde  nun  vollständig  die 
gi*enze  zwischen  der  karthagischen  provinz  (mit  einschlusz  der  grte- 
cbiscben  atädte)  und  dem  gebiet  des  Dionysios  (Diod*  XV  17).  über 
den  frieden,  den  Diony&ioä  11  mit  den  Eartbagern  schlosz,  sind  wir 
nicht  genauer  unterrichtet,  wir  können  aber  ans  spätem  Verhält- 
nissen schlieszen,  dasz  er  Himera  und  Herakleia  Minoa  abtreten 
muste ,  um  sich  den  frieden  zu  erbalten,  die  grenze  war  also  seit 
392,  ja  seit  405,  im  süden  der  Halykos ^  im  norden  der  Himera, 
daran  hatte  weder  Dionysios  etwas  zu  ändern  vermocht  noch  ver- 
mochte es  später  Agathokles ;  die  Karthager  hatten  innerhalb  dieses 
gebietes  die  griechischen  städte  erworben  und  auazerdem  Herakleia. 
diese  Stadt  war  357  karthagisch  und  war  es  auch  noch  im  j.  314, 
wie  aus  Diod.  XIX  71  hervorgeht,  also  kann  durch  den  frieden  Tlmo- 
leouti  an  diesem  thatbestande  nichts  geändert  worden  sein,*  — 
Fragen  wir  endlich,  aus  welchem  gründe  Timaios  dieae  wichtige 
bedingung  dei  Medens  weggelassen  bat^  aO  ist  es  nur  zu  erklären 
durch  die  annähme,  dasz  er  Timoleon  nicht  nur  als  befreier  der 
helleniäcben  städte  von  der  tyrannis,  sondern  auch  als  befreier 
Sikeliens  von  den  Karthagern  darstellte  (vgL  Plut.  Timol.  c.  29), 
und  zu  dieser  auffassung  pauste  es  allerdings  schlecht,  dasz  grie- 
chische Städte  noch  fernerhin  den  Karthagern  gehorchten  und  die 
andern  freie  republiken  sein  ^^ollten.  anderseits  könnte  diese  be- 
dingung dem  vernichter  der  tyrannia  den  rühm  schmälern  und  den 
ftbgang  desselben  als  einen  unfreiwilligen  erscheinen  lassen,  was 
mit  der  tendenziösen  darstell ung  des  Timaios  ebenso  wenig  har- 
monierte. 

Während  Diodoros,  natürlich  nach  Timaios,  erzählt,  dasx  das 
karthagische  beer  sich  mit  mühe  nach  Lilybaion  gerettet  und  aus 
furcht  vor  dem  zorne  der  götter  nicht  gewagt  habe  sich  einzuschiffen, 
f)CbweigtPlutarchos  ganz  Über  das  verbleiben  des  geschlagenen  beere«; 
wir  dürfen  mit  Sicherheit  annehmen,  dasz  dasselbe,  welches  trotz  der 

*   al«   Dlon  357    In    8tk6U«n    landete,    war  H^raklein    kartbagücb 

(Diod.  XVI  9  KöTä  bi  touc  önoKei^i^vouc  xatpoüc  i*|  |i^v  Tr6Xic  athri 
Totc  Kapxn&ovloic  {iirr|»cou£v.  v(fl,  Diod,  XIX  71  tu»v  "CXXrjviÖuiv  irdXcuiv 
Tüjv  KOT 4  CiKcXlav  'HpdKXciav  ji^v  kqI  CeXivoüvra  Küi  irpöc  xaOTatc 
'l^pav  {in^  Kapxn^ovioic  TCTdxöo»!  Kaedirip  Kai  trpoünripxov. 


ChClasen:  kritische  bemerkongen  zur  geschichte  'Hnioleoiis.   293 

Yerlaste  an  zahl  nicht  so  anbedeutend  gewesen  sein  kann,  sich  nach 
Liljbaion  und  den  andern  stSdten  im  westen  zurückzog  und  ruhig 
in  der  epikratie  blieb,  nach  dem  übereinstimmenden  berichte  Plu- 
tarchs  und  Diodors  kehrte  Timoleon  bald  nach  der  schlacht  mit 
der  hauptmasse  des  beeres  nach  Sjrakus  zurück  und  liesz  nur  eine 
kleine  Söldnertruppe,  wahrscheinlich  als  besatzung  von  Entella, 
zurück,  die  aber,  mehr  einer  räuberbande  als  einer  disciplinierten 
truppe  Shnlich,  sengend  und  brennend  im  lande  umherzog  und  bald 
von  dem  karthagischen  beere  aufgerieben  wurde.  Plutarchos  erzählt 
weiter,  dasz  die  tjrannen  Hiketas  und  Mamerkos,  die  Timoleons 
bnndesgenossen  im  kriege  gegen  Karthago  gewesen  waren,  aus  neid 
oder  furcht  von  ihm  abgefallen  seien  und  mit  den  Karthagern  ein 
bttndnis  geschlossen  hätten  zum  gemeinsamen  kriege  gegen  Timo- 
leon ;  nachdem  aber  Timoleon  diese  beiden  tyrannen  fast  vollständig 
vernichtet  habe,  hätten  die  Karthager  flehentlich  um  frieden  ge- 
beten ,  der  ihnen  gewährt  worden  sei.  nach  Plutarchos  ist  also  der 
friede  eine  folge  der  glänzenden  siege  Timoleons  und  wird  daher 
auch  erst  geschlossen  nach  beendigung  des  krieges  gegen  die  tyrannen. 
allein  dann  müste  derselbe  für  Timoleon,  der  in  der  that  eine  ^glän- 
zende machtstellung'  inne  hatte,  unannehmbar  gewesen  sein;  dann 
wäre  ein  unerklärlicher  Widerspruch  zwischen  den  bedingungen  des 
friedens  und  den  umständen ,  unter  denen  er  geschlossen,  sowie  der 
veranlassung  zu  demselben,  die  siege  Timoleons  über  die  tyrannen 
als  bundesgenossen  der  Karthager  können  unmöglich  der  grund  des 
überlieferten  friedens  sein,  wie  Plutarchos  es  darstellt.  Holm  setzt 
daher  auch  den  friedensscblusz  etwas  früher,  nemlich  nach  dem  ersten 
siege  Timoleons  'ehe  noch  die  tyrannen  vollständig  besiegt  waren, 
sonst  wären  die  günstigen  bedingungen,  die  Karthago  erhielt,  schwer 
erklärlich',  doch  wozu  ein  abschwächen  der  Timäischen  tendenziösen 
darstellung,  das  doch  den  causalen  Zusammenhang  nicht  genügend  er- 
klärt, wenn  die  darstellung  Diodors  diese  Schwierigkeit  ohne  weiteres 
hebt?  nach  der  niederlage  am  Krimisos  rufen  die  Karthager  den 
Giskon  aus  der  Verbannung  zurück,  um  die  armee  zu  reorganisieren; 
zugleich  —  also  bald  nach  der  schlacht  —  senden  sie  gesandte  nach 
Sikelien,  um  mit  Timoleon  über  den  frieden  zu  verhandeln  und  den- 
selben unter  annehmbaren  bedingungen  abzuschlieszen.  auch  ist  es 
nicht  unmöglich,  dasz  sie  eine  landung  Timoleons  in  Africa  befürch- 
teten und  daher  den  abschlusz  des  friedens  beschleunigten,  daher 
ist  der  friede  nicht  mehrere  jähre  nach  der  schlacht  geschlossen  wor- 
den ,  sondern  noch  in  demselben  jähre ,  wie  Diodoros  angibt,  doch 
nicht  nur  der  friede  selbst  zwingt  uns  zu  dieser  annähme ,  sondern 
auch  die  geschichte  der  tyrannen.  diese  fallen  nach  Plutarchos  so- 
fort nach  der  schlacht  von  Timoleon  ohne  irgend  eine  veranlassung 
ab,  schlieszen  ein  bündnis  mit  den  Karthagern,  die  mit  einem  groszen 
beere  ihnen  zu  hilfe  kommen,  von  einer  wirklichen  hilfeleistung 
hören  wir  jedoch  nichts,  wie  ist  es  zu  erklären,  dasz  Timoleon  nach 
Syrakus  zurückkehrt  und  da  fern  von  seinem  beere  bleibt,  wenn  er 


294   ChClafien :  kritiBche  bemerkun^eti  zur  geBchicbte  Timoleotia. 


noch  im  kriege  gegen K&rthago  lag?  auszer  Andromacbos  vonTauro- 
menion  ist  Mamerkos  einer  der  ersten,  der  sieb  dem  Timoleon 
anschliesÄt  (Diod.  XVi  69  TTpOuTOV  pfev  tap  Md|iepKOc  6  tujv  Kaia- 
vaiüjv  TÜpavvoc  bOva/Jiv  dSioXotov  fx*J^v  npoc€'6eTO  iqj  Tt^io* 
XcovTi  (vgl.  Plut  Tim,  13).  kurz  vor  seißem  züge  nach  dem  westen 
scblieszt  er  aucb  mit  Hiketas'  frieden  und  nimt  dessen  contingent 
in  sein  beer  auf. 

Dasz  er  diese  tyrannen  wie  aucli  zabireicbe  andere  *  als  bundes* 
genossen  nur  gewatin  unter  der  bedingung^  dasz  er  sie  in  ihrer  ber* 
scbaft  anerkannte^  wie  er  es  auch  bia  dahin  bei  Andromachoü  und 
Mamerkos  gethan  hatte.  Hegt  auf  der  band,  was  konnte  dieselben 
nun  bewegen  nach  einer  siegreichen  schlacbt  ohne  weiteres  von  Timo- 
leon abzufallen?  wenn  Plutarehos  sagt:  €IT€  q>Gövii»  tujv  Katop- 
9oup€vu>v  UTTÖ  Ti^oX^ovToc  etie  (popoupevu>v  aüiöv  d»c  fimcTOV 
Kai  iScTTOvbov  npöc  TOÜc  lupävvouc ,  so  ist  das  leere  pbrase,  wie 
konnten  .sie  die  Karthager  bitten  beer  und  Feldherren  zu  senden,  da 
ja  doch  noch  ein  nicht  unbedeutendes  beer  zurückgeblieben  war, 
dem  Timaleon  nach  Verlust  dieser  starken  buudesg^nossen'  erst 
recht  nicht  gewach^sen  gewesen  wäre,  zumal  da  der  rest  zum  groszen 
teil  aus  ungehorsamen,  stucbllosen  Söldnern  bestand?  wir  sehen,  die 
Plutarchische  darateUung  ist  auch  hier  widerspruchsvoll  und  uner- 
klärlich; nach  Timäischer  auffassung  musten  die  tyrannen  mit  dem 
erbfeind  ein  verräteri^iches  bdndnis  schlieszen,  und  Timoleon  erschien 
als  der  besieger  dieser  trf»ulosen  verbündeten,  die  tyrannen  sind 
also  nicht  von  Timoleon  abgefallen,  sondern  dieser  ist  der  mit  ihnen 
abgeschlossenen  bundesgenossenschaft  untreu  geworden  und  hat  zu 
ihrer  Vernichtung  mit  den  Karthagern  frieden  geschlossen,  wenn 
die  Schlacht  am  Erimiaos  oL  110,  1   (340/39)  stattfand  ^  so  ist  der 

'  auch  liier  int  Diodors  darstelluog  vorzosieheti,  nach  welcher  Timo* 
leon  den  krieg  mit  Miketati  beileg-te,  um  ibn  als  buDdeagenossen  gegen 
die  Kiirtbager  miUnnehmen  (XVI  77  ^X^^  TiöXcfiov  irpöc  iK^rav  bieXü- 
CQTo  irpöc  auTÖv  icai  TTpocXaßöjuevoc  touc  ^€t*  oütoO  cTpaTnjüxac  oö 
M€Tp(iUC  T]ö£i]C€  Tf)v  tMav  öuva^iv).  ditss  Hiketas  in  dem  HU^eoblicke 
oder  kurz  vorber  als  die  KarttiAErer  im  weaten  eracheinen ,  nicht  die 
heracbaft  niederlegt  und  als  priratmano  lebt,  Ul  klar  (Flut.  Tim.  24); 
aucb  erscheint  er  in  deti  spätern  kämpfen  so  gut  wie  früher  als  mäch- 
iiger  tyrann,  und  di«  abdankunj^  desselben  wiire  eine  sehr  überäüasige 
maszreg'el  gewesen,  wHhrend  Timoleon  sich  der  andern  nnterworfeiien 
tyrannen  besser  «u  entledigen  wüste.  *  Diod.  XVI  73  al  p^v  *6XXt|* 

viÖ€c  iröXeic  al  Kaxd  tV^v  CiKcXiav  äiracai  Trpo0upu>c  (nrcidTTicav  t^» 
TijLioX^ovTi  b\ä  TÖ  Tfdcaic  rdc  aörovoMiac  dttoöiöövoi,  tiüv  hi  CitteXtüv 
Kai  Cmavu»v  Kai  tujv  dXXujv  tuiv  (mö  touc  Kapxifi?>ov((>uc  TCiatlJ^vujv 
TfoXXat  5i€irp€cß6üovT0  nöXcic  cittvboucai  iTapaXT|^f|vai  irpöc  xf^v  ci>|yi- 
^axiav.  ^  Hiketaa  hatte  in  der  schlacbt  bei  Halranon  6U00  rnajin, 

Mamerkoa  wird  ebenso  viele  gehabt  haben;  aäblen  wir  dazu  die  koriotbi- 
«eben  hilfatmppeo,  die  von  Dionjsios  übernommenen  söldner  und  die 
bnndeigenosseii  aus  Syrakus  und  den  andern  Städten«  so  sehen  wir,  dasa 
Timoleon  in  der  »chlacht  am  Krimiaoi  wenigstens  15—20000  mann  gehabt 
hat,  und  dats  die  zahl  12000,  die  Diodoros  aus  Timalos  schöpft «  zu 
niedrig  itt.  dass  sein  beer  nach  einem  ab  fall  der  tyrannen  nicht  im 
Stande  gewesen  wKre  g^g^n  beide  gegner  zu  kämpf eii|  bt  einleuchtend« 


ChClasen:  kritische  bemerkungen  sur  geschichte  Timoleons.   295 

friede  spfttestens  ol.  110,  2  geschlossen  worden;  beide  ereignisse 
fedlen  in  das  j.  339.  ol.  110,  2  begannen  sodann  die  kämpfe  gegen 
Hiketas  nnd  Mamerkos,  die  von  Timoleon  mit  treulosigkeit  begonnen 
und  mit  barbarischer  grausamkeit  geführt  und  beendet  wurden. 

Als  erwiesen  —  soweit  das  überhaupt  möglich  ist  —  dQrfen  wir 
folgende  hauptdata  aus  Timoleons  letzten  lebensjahren  betrachten : 
abfahrt  Timoleons    .     .     .     ol.  108,  4  =  Frühjahr  344' 
einnähme  von  Ortjgia  .     •      -    109,  2  »»  343 
Schlacht  am  Erimisos     .     .      -    110,  1  »»  339 
friede  mit  Karthago .     .     .  339 

tod  Timoleons  ....  -  110,  4  «=.  336 
vom  frühjahr  344  bis  zum  sommer  343  haben  sich  die  kämpfe  mit 
Dionjsios  und  Hiketas  hingezogen ,  bis  zur  völligen  einnähme  von 
Sjrakus  (I.  Plut.  Tim.  12  —  22.  Diod.  XVI  67—70),  deren  dar- 
stellung  bei  Diodoros  aus  einander  gerissen  auf  3 — 4  jähre  sich  ver- 
teilt während  Timoleon  die  stadt  Syrakus  restaurierte ,  mit  neuen 
ansiedlem  zu  bevölkern  und  die  Verhältnisse  der  stadt  zu  ordnen 
suchte  (II.  Plut.  Tim.  23.  24.  Diod.  XVI  70),  dauerte  der  krieg 
gegen  Hiketas,  dem  sich  Leptines  angeschlossen  hatte,  fort,  die  ge- 
setzgebung  des  Timoleon  zerfällt  wie  die  colonisation  in  zwei  ab- 
schnitte:  nach  der  einnähme  waren  es  die  civilrecbtlichen  Verhältnisse 
(Trept  Tiüv  ibiWTiKOiv  cujußoXaiuiv),  nach  ausrottung  der  tjrannis  in 
den  andern  städten,  bei  der  begründung  der  cufifiaxioi  und  der  Ord- 
nung der  Städte  in  ihren  beziehungen  zu  einander  waren  es  die 
staatsrechtlichen  Verhältnisse  (trepi  tijuv  bii)iOciu)v)  die  er  regelte. 
Diodoros  erzählt  unter  ol.  109, 3  nur  die  sikelischen  angelegenheiten, 
nemlich  die  kämpfe  gegen  Leptines  und  Hiketas  sowie  die  einnähme 
von  Entella,  während  er  ol.  109,  4  ganz  von  Sikelien  schweigt  und 
die  belageruDg  Perinths  durch  Philippos  berichtet;  er  ist  klar,  dasz 
Diodoros  die  sikelischen  ereignisse  von  zwei  jähren  in  6ines  zu- 
sammengezogen hat. 

Nach  Diodoros  nötigte  der  karthagische  krieg,  den  Timoleon 
durch  besetzuDg  von  Entella,  welches  die  Karthager  nun  zum  zweiten 
male  erobern  musten,  heraufbeschworen  hatte,  den  Timoleon  dazu 
den  krieg  gegen  Hiketas  beizulegen;  nach  Plutarchos  war  dieser 
krieg  schon  früher  beendet,  Timoleon  hatte  den  Hiketas  völlig  be- 
siegt und  ihm  erlaubt  als  Privatmann  in  Leontinoi  zu  leben;  wir 
haben  bereits  bemerkt,  dasz  Diodors  bericht  glaubwürdiger  ist.  der 
krieg  gegen  Hiketas  zog  sich  unter  einfallen  und  Scharmützeln  ohne 
entscheidung  bis  ol.  109, 4  oder  ol.  1 10, 1  hin ;  Timoleon  versuchte, 
nachdem  Leptines  bezwungen  war,  Leontinoi  zu  nehmen,  muste 


^  Timaios  bat  die  abfahrt  Timoleons  wahrscheinlich  erst  ins  früh- 
jahr 343  gesetzt,  da  er  von  der  landnng  bis  znr  einnähme  von  Ortygia, 
die  auch  nach  ihm  ol.  109,  2  stattfand,  nur  50  tage  annimt.  setzen  wir 
den  tod  in  den  sommer  336,  so  ist  er  nach  Timaios  nur  V/^  Jahre  in 
Sikelien  gewesen:  vgl.  Plut.  Tim.  87  xfjv  CiK€X(av  ^v  oW  ÖXoic  €t€CIV 
ÖKTii;  usw.    Diod.  XVI  90  CTparriTncac  l-zrx  ÖKTiti. 


296    ChClaaen:  kritiscbe  bemerk  aügen  ziar  gescliichte  Timoleona. 


aber  UDVerricbteter  dinge  abziehen»  nnd  auch  dem  Hiketas  gelang 
es  nicht  gegen  Sjrakus  etwas  auszuricliten.  wenn  wir  die  zahl  der 
truppen  Timoleons  nicht  so  niedrig  schätzen ,  wie  es  nach  Timaioa 
gewöhnlich  geschehen  ist,  zumal  da  ihm  hier  ein  tyrann  wie  Mamer- 
kos  beistand,  so  konnte  Timoleon  recht  wohl  lOCK)  mann  entbehren 
auch  als  Hiketas  noch  nicht  besiegt  war  (Arnoldt  Timoleon  s.  142), 
zumal  es  geldnot  war,  die  ihn  dazu  trieb  sich  der  sÖldner  zu  enU 
ledigen,  die  dann  wahrscheinlich  ol.  109, 4  auf  auf  Forderung  der  grie- 
chisch  gesinnteu  partei  sich  der  stadt  Enteil a  bemächtigten,  es  ist  sehr 
unwahrscheinlich »  dasz  Karthago  dieselbe  längere  zeit  in  der  band 
Timoleons  liesz,  es  muste  Karthagos  bestreben  sein  dieselbe  so  bald 
als  möglich  wieder  zu  gewinnen^  um  gröszere  Verluste  zu  vermeiden. 
im  nächsten  sommer  zog  Timoleon  dem  heran rllck enden  beere  der 
Karthager  bis  an  den  Krimisos  entgegen,  der  in  der  nähe  von  EntoUa 
vorbeiflieszt  (IIl.  karthagischer  krieg,  Plut*  Tim.  25  —  29.  Diod, 
XVI  79.  80).  die  rtisttxngen  der  Karthager  sind  von  Timaios  weit 
übertrieben  worden;  nach  Magons  abberufung,  der  ein  beer  von 
ÖO — 60000  mann  in  der  epik ratio  zurllckliesz,  handelte  es  sich  viel 
mehr  nur  um  einen  Wechsel  im  obercommando  als  um  neue  gewal- 
tige rUstungen;  die  feldherrn  Hasdrubal  und  Hamilkar  haben  haupt- 
sächlich mit  dem  schon  in  Bikelien  vorhandenen  beere  operiert,  nach 
der  Schlacht  am  Krimisos  und  dem  abschlusz  des  friedens  begannen 
die  kämpfe  gegen  die  tyrannen  (IV.  Plut  Tim.  30—34*  Diod,  XVI 82); 
Über  die  dauer  derselben  sind  wir  nicht  unterrichtet,  doch  können 
sie  schwerlich  länger  als  l—V/^  jähre  gedauert  haben,  da  Timoleon 
noch  die  cujiinaxia  gründete,  die  Verfassung  ordnete  und  die  fort- 
setzung  der  colonisation  betrieb  (V.  Plut.  Tim.  35.  Diod.XVI  82.83), 
eine  so  schnelle  Unterjochung  mächtiger  und  zahlreicher  tyrannen 
verdankt  Timoleon  einerseits  seiner  geschickten  ausnutzung  der 
örtlichen  Verhältnisse  und  seinem  energischen  vorgehen  gegen  die 
feinde,  die  er  getrennt  anzugreifen  und  zu  überrumpeln  verstand j 
sie  ist  aber  auch  anderseits  ohne  ein  starkes  beer  kaum  denkbar, 
80  dasz  die  vermutuog  berechtigt  ist ,  dasz  dem  Timoleon  in  diesem 
kämpfe  karthagiscbe  bundestruppen  zur  seite  standen*  Timaios  be- 
richtet zwar  das  gegenteil,  weisz  aber  nicht  mitzuteilen,  woher  Timo- 
leon die  truppen  hatte,  um  gegen  die  durch  70  schiffe  unt^r  Giskon» 
ftthrung  verstärkten  Karthager  und  ihre  mächtigen  bundesgenoseen 
Hiketas  und  Mamerkos  zu  kämpfen,  zu  denen  noch  hinzukommen 
Nikodemos  von  Kentoripa,  Apolloniadea  von  Agyrion  und  Hippon 
von  Mesfiene. 

Von  den  beiden  Schriftstellern,  aus  denen  wir  die  Wirksamkeit 
des  Timoleon  in  Sikelien  kennen,  zeichnet  sich  Plutarchos  durch 
eine  zusammenhängende,  wohl  disponierte,  klare  darstellung  und 
einheitlicbkeit  in  der  auffassung  vor  der  zerrissenen,  teilweise  lücken- 
haften und  ungleichartigen  erzählung  Diodors  vorteilhaft  aus;  allein 
trotzdem  ist  dieser  für  die  historische  kritik  von  groszem  werte,  da 
er  neben  Timaios,  der  die  einzige  vorläge  Plut&rchs  bildete,  Theo- 


ChClasen:  kriti&che  bemerknngen  zur  geschiclite  Tiinoleoxis.   297 

pompös  benutzt  und  beide  quellen  in  einander  verarbeitet  hat,  doch 
80  dasz  durch  vergleichung  mit  Plntarch  die  spuren  Theopomps  noch 
erkennbar  sind ,  da  die  auifassung  der  beiden  historiker ,  die  bis  in 
details  sich  kundgibt,  eine  völlig  verschiedene  ist.  Theopompos  be- 
trachtete Timoleon  mit  nüchternem  sinne,  wie  einen  andern  menschen, 
mit  fehlem  und  schwächen  behaftet^  mit  erfolg  und  mit  miserfolg  in 
seinen  werken ;  Timaios  dagegen  sah  in  ihm  eine  ideale  gestalt,  einen 
götterliebling ,  dem  überall  die  TUXil  folgte,  der  im  auftrag  und  mit 
unmittelbarer  hilfe  der  götter  die  insel  von  dem  erbfeind  befreit 
und  durch  ausrottung  der  tjrannis  allen  griechischen  städten  die 
ireiheit  wiedergebracht  habe,  die  infolge  dessen  tendenziöse  dar- 
stellung  des  Timaios,  die  Plutarchos  in  edler  begeisterung  für 
seinen  beiden  treu  wiedergegeben ,  ja  vielleicht  noch  schärfer  aus- 
geprägt hat,  und  die  bis  jetzt  fast  durchweg  die  herschende  in 
nnsem  geschichtsbüchem  war,  vermochten  wir  in  manchen  wich- 
tigen punkten  durch  die  mehr  objective  erzählung  des  Theopompos 
zu  controlieren ,  zu  ergänzen  und  zu  berichtigen ,  und  uns  ein  bild 
Ton  Timoleon,  das  der  Wirklichkeit  näher  kommt,  zu  construieren, 
und  so  die  richtige  mitte  zu  halten  zwischen  Timaios,  der  den  Timo- 
leon über  gebühr  erhebt,  und  Poljbios,  der  in  das  andere  extrem 
Terfllllt  und  demselben  alle  geschichtliche  bedeutung  abspricht. 
Plutarchos  hat  die  ereignisse  im  groszen  und  ganzen  in  seiner  bio- 
graphie  chronologisch  richtig  geordnet ,  wenn  er  nicht  von  der  Zeit- 
folge abweicht,  um  den  materiell  zusammengehörigen  stoff  nicht  aus 
einander  zu  ziehen;  anderseits  vermochten  wir,  wo  er  die  auf  der 
Timäischen  auffassung  und  darstellung  beruhende,  von  Theopompos 
abweichende  Chronologie  zeigte,  dieselbe  in  manchen  punkten  durch 
letztem  bis  zu  dem  erreichbaren  grade  von  Wahrscheinlichkeit  zu 
berichtigen. 

Timoleon  ist  nicht  der  grosze  edle  Charakter,  nicht  das  muster- 
bild  antiker  tüchtigkeit  und  das  tugendideal,  als  welches  er  gewöhn- 
lich hingestellt  wird^;  nicht  nur  hat  er  sich  in  seinem  engherzig 
aristokratischen  verurteil  zum  brudermord,  der  auch  vor  antiker 
ethik  nicht  besteht ,  hinreiszen  lassen ,  sondern  er  wird  auch  selbst 
seinen  principien  untreu,  indem  er  in  Sjrakus  eine  völlig  demo- 
kratische Verfassung  herstellt  und  demokratischen  grundsätzen  hul- 
digt, und  anderseits  verfuhr  er  mit  Leontinoi,  dessen  bewohner  er 
nach  Syrakus  verpflanzte,  nicht  besser  als  ein  tjrann.  nicht  nur 
zeigte  er  sich  gegen  Dionysios  und  die  verbündeten  tyrannen  ver- 
tragsbrüchig und  treulos,  während  er  in  ungerechter  bevorzugung 
den  Andromachos  in  seiner  herschaft  beliesz,  sondern  auch  im  kriege 
gegen  Entella  und  Aitne  zeigte  er  unnötige  grausamkeit,  und  be- 
sonders wütete  er  mit  unglaublicher  roheit  gegen  die  besiegten 
tyrannen  und  ihre  unschuldigen  familienglieder.    Timoleon  ist  ein 

'  vgl.  Uonigsheim  der  Eorinther  Timoleon  s.  1.  ähnlich  wiederholt 
sich  das  Timäische  urteil  über  Timoleon,  vermittelt  durch  Platarchos, 
in  den  geschichtsbüchem  bis  auf  unsere  tage. 


298    ChClaBen!  kritiBcbe  bemerkungen  zar  gescliichte  Timoleons. 

tapferer  sold&t  und  ein  tücbtiger  feldberr^  der  den  ricbtigen  augen- 
blick  2u  benutzen  verstand ,  um  dem  meistens  viel  starkem  feinde 
eine  schlappe  beis&ubnngen,  indem  er  denselben  beim  überschreiten 
eines  flusBes  oder  tm  lager  überßel;  diesem  fnrcbtlosen  draufgehen 
und  geschickten  angreifen  verdankt  er  seine  kriegerischen  erfolge. 
jedoch  dürfen  wir  ihn  auch  als  feJdherrn  nicht  zu  den  grösten  zählen, 
und  es  kann  nur  als  ein  nailitärischer  fehler  bezeichnet  werden,  wenn 
er  nach  eroberung  von  Syrakas  die  citadelle  auf  der  vf|Coc  schleifen 
liesSi  wozy  ihn  der  blinde  basz  gegen  die  Dionjsier  und  ihre  werke 
binrisz.  Timoleon  gehört  nicht  zu  den  führenden  geistern  in  der 
geschiebte f  die  einer  neuen  zeit  die  bahn  brechen,  auch  darf  seinen 
kriegestbaten  keine  weltgesebt  cht  liehe  bedeutung  beigemessen  wer- 
den, aber  doch  bildet  auch  seine  Wirksamkeit  ein  wichtiges  moment 
in  dem  kämpfe ,  der  das  ganze  altertum  hindurch  um  Sikelien  zwi- 
schen Hellenen  und  Semiten  geftibrt  wird,  er  hat  durch  umfang- 
reiche ansiedlungen  von  Hellenen  das  sikeliscbe  Griechentum  ge- 
stärkt und  befestigt  und  zu  einer  widerstandsfähigen  gesamtmacht 
znsammengefaszt,  ihm  verdankt  der  griechische  geist  wenn  auch 
keine  Wiedergeburt,  so  doch  eine  neubelebung,  und  wäre  dieser  nach 
selbst  lebenskräftig  und  die  Verhältnisse  der  folgenden  zeit  günstig 
gewesen,  so  war  dyrch  Timoleon  der  boden  gesebaGFen,  auf  welchem 
derselbe  in  Sikelien  neue  bluten  hätte  treiben  können.  Timoleons 
weltgeBcbichtlicber  beruf  liegt  wie  derjenige  eines  Gelon ,  Hieron, 
Dionjsios  und  Ägatbokles  in  der  erhaltung  hellenischer  cultur  gegen 
den  andrängenden  semitismus, 

HaDAMAR.  Cfi&tSTIAN  CLAfiBN. 


34. 

ZUR  KOSMOGONIE  DER  STOIKER. 


Nachdem  Kleomedes  im  eingange  seiner  schrlft  kukXik^  Beuipta 

^eTCiJypuüv  das  Vorhandensein  eines  auszerhalb  des  kÖCjljioc  beÜnd* 
liehen  K£v6v  erwiesen  hat ,  will  er  weiter  darlegen ,  daaz  sich  diese« 
Kevöv  nach  jeder  ricbtung  bin  ins  unendliche  erstrecken  müsse,  und 
schreibt  (I  1,  6  t)  nach  den  beiden  bs^s.  ML:  iräv  TÖ  Tt€Tr€pac|i^vov 

CIC   ^T€pOT€Vtc   7T€paT0ÖTai  Kttl  Ö  icCWf  eT€pOV  TOÖ  TT€paTOU^l^V0U. 

ofov  €uOuc  iv  ToTc  öXoic  6  dfip  TtepaToü^evoc  ek  diepOTevr)  Kara- 
Xritcii  t6v  t€  al8^pa  Kai  tö  vbvjp'  Kai  öpoiojc  6  aiefip  etc  t€  töv 
d^pa  Kai  TÖ  >c€VÖv ,  xai  tö  öbujp  cic  tc  Tfjv  (der  artikel  fehlt  in  M) 
tfiv  Kül  TÖV  (der  artikel  fehlt  in  M)  iipa ,  Kai  f\  yf\  clc  tö  öbuip. 
die  vulgata  lautet  aber  anders:  sie  enthält  zwischen  den  werten  elc 
T€  TÖV  d^pa  und  kqI  tö  kcvov  den  zusatz  Kai  töv  oüpavöv,  Kai  6 
oupavöc  elc  T€  töv  atöcpa.  weil  dieser  zusatz  in  M  und  L  fehlt, 
bat  ihn  der  jüngste  hg.  des  Kleomedes  HZiegler  in  klammem  ge* 
seist  und  auszerdem  aufgrund  einer  Vermutung  von  KManitius  am 


AH&bler:  zur  kosmogonie  der  stoiker.  299 

Schlüsse  hinter  elc  tö  öbiup  noch  die  worte  hinzugefügt  ^Kal  TÖv 
d^pa^.  alle  angeführten  er  Weiterungen  des  ursprünglichen  textes 
sind  daraus  entsprungen,  dasz  man  diesen  nicht  recht  verstand,  weil 
man  nicht  auf  den  gedanken  kam  die  stelle  in  Verbindung  zu  bringen 
mit  den  kosmogonischen  anschanungen  der  stoischen  schule^  der 
Eleomedes  bekanntlich  angehört,  es  handelt  sich  hier  zweifellos 
um  die  begrenzung  der  demente ;  nun  hat  zwar  niemand  daran  an- 
stosz  genommen,  dasz  die  luft  blosz  begrenzt  sein  sollte  durch  den 
ftiher  und  das  wasser  —  warum  denn  nicht  auch  durch  die  erde?  — 
dagegen  wollte  es  schon  dem  Schreiber  des  Norimbergensis  nicht  in 
den  sinn ,  dasz  der  äther  begrenzt  sein  sollte  durch  die  luft  und  das 
leere;  deshalb  wurde  der  himmel  zu  hilfe  genommen,  und  so  ent- 
stand der  in  ML  fehlende  zusatz.  noch  wunderbarer  muste  es  aber 
erscheinen,  dasz  die  erde  nach  dem  überlieferten  texte  nur  durch  das 
wasser  begrenzt  sein  sollte,  deshalb  verfielen  Manitius  und  Ziegler 
auf  den  zusatz  Kai  töv  d^pa. 

Alles  wird  jedoch  sofort  aufgehellt ,  wenn  wir  uns  vergegen- 
wärtigen, wie  sich  die  stoiker  die  weit  entstanden  dachten,  wir 
haben  für  die  beantwortung  dieser  frage  ein  sehr  wertvolles  zeugnis 
an  einer  stelle,  wo  man  es  gar  nicht  erwartet :  nemlich  im  1 7n  buche 
Ton  Strabons  geographie,  wo  die  lehrreiche  darlegung  (1  §  36  s.  809  f* 
Gas.)  in  die  beschreibung  des  Moirissees  eingeschoben  ist;  damit  hat 
man  zu  verbinden ,  was  über  die  lehren  von  Zenon  und  Chrjsippos 
bei  Stobaios  und  Achilleus  Tatios  berichtet  wird  (ekl.  I  19,  4  [406] 
s.  111  Mein,  und  I  21,  5  [446]  s.  125;  isag.  in  Petavii  uranol. 
s.  126^  f.).  daraus  gewinnen  wir  folgende  anschauung  von  der  ent- 
stehung  der  weit. 

Zunächst  trat  in  Wirksamkeit  die  naturkraft  (f)  qpucic),  die  eine 
Scheidung  der  demente  bewirkte  und  zwar  in  der  weise,  dasz  sie  sich 
ordneten  nach  dem  Verhältnis  ihrer  schwere:  erde  und  wasser  strebten 
nach  unten  ^  nach  dem  mittelpunkte  des  Weltalls  (f)  qpopd  eic  TÖ 
fx^cov),  dagegen  die  luft  und  der  äther  bzw.  das  feuer  nach  oben, 
im  centrum  des  Weltalls  sammelte  sich  das  schwerste  der  demente, 
die  erde,  und  nahm  die  gestalt  einer  kugel  an,  um  die  sich  dann 
concentrisch  die  kugel  des  nächstscbweren  elementes,  des  wassers, 
legte;  wer  die  entwicklung  der  physikalischen  anschanungen  im  alter- 
tum  auch  nur  einigermaszen  kennt,  der  weisz  dasz  die  stoische  schule 
diese  annähme  von  Aristoteles  entlehnt  hatte  (vgl.  HBerger  gesch. 
der  wissensch.  erdkunde  der  Griechen  II  s.  87.  98).  während  nun 
dieser  weiter  annahm,  dasz  sich  um  die  innere  erd-  und  wasserkugd 
ebenfalls  kugelförmig  gelagert  habe  zunächst  das  dement  der  luft 
und  dann  das  element  des  feuers  —  so  dasz  also  vier  concentrische 
kugeln  zu  denken  sind,  um  die  sich  schlieszlich  der  unveränderliche 
in  ewig  gleichmäsziger  kreisbewegung  begriffene  äther  legt  —  hat 
Chrjsippos  nicht  von  einer  kugel  der  luft  und  des  feuers  gespro- 
chen, sondern  von  einer  dritten  kugel  der  luft  und  einer  vierten 
kugel  des  äthers,  wie  man  aus  Stobaios  und  Achilleus  Tatios  ganz 


300 


AHäbler:  zur  kosmogonie  der  etoiket« 


zweifellos  erkennt,  wenn  wir  nun  die  stoische  anschaunng  von  der 
nrgprünglicben  anordnung  der  vier  grandstoffe (yH,  ubaip,  diip, 
aiSi'ip)  in  vier  concentri.schen  kugeln  festhalten,  so  ist  natürlich  die 
ijinerste  erdkogel  nur  begrenzt  vom  wasser,  das  wasser  nur  begrenzt 
von  der  erde  (einwärts)  und  von  der  luft  (auawärts),  die  luft  nur 
begrenzt  vom  w asser  und  vom  atber,  der  ätb er  von  der  luft  und  dem 
leeren  —  ganz  genau  wie  es  in  den  bss,  ML  steht  ich  sprach  so 
eben  von  der  ursprünglichen  reihenfolge  der  grundstoffe  in 
einem  der  frühesten  Stadien  derweltscb6pfung(ich  vermute,  im  texte 
weisen  noch  die  worte  euÖüc  Iv  ToTc  ÖXoic  daraufhin),  die  wirk- 
Hcbkeit  zeigt  uns  natürlich  ein  anderes  bild.  der  Vollständigkeit 
halber  will  ich  darum  aus  Strabons  bericht  noch  mitteilen,  wie  sich 
die  Stoiker  nun  den  weitern  verlauf  der  dinge  vorgestellt  haben, 
nachdem  sich  nemlich  unter  dem  einiusse  der  naturkraft  ((puctc) 
die  vier  concen  tri  sehen  kugeln  gebildet  hatten,  trat  nunmehr  die  Vor- 
sehung (TTpövoia)  in  thätigkeit,  um  lebende  wesen  (£tua),  vor  allem 
menschen  und  g5tter  zu  erzeugen,  den  göttem  wurde  der  himmel 
als  aufenthaltsort  angewiesen,  den  menschen  die  erde;  da  aber  die 
erdkugel  jetzt  noch  überall  vom  wasser  bedeckt  war  und  der  mensch 
im  wasser  nicht  leben  kann,  sondern  fe?tland^  kft  und  lieht  für  ihn 
ganz  unentbehrücb  sind,  so  führte  die  Vorsehung  in  dem  Verhältnis 
von  wasser  und  erde  in  dtr  weise  eine  Änderung  herbei,  dasz  sie 
an  der  innersten  erdkugel  erhöbongen  (dSoxai)  und  Vertiefungen 
(eicoxcti)  ausbildete,  jene  ragten  nun  als  festland  über  das  wasser 
bis  zur  Inftschicht  empor,  in  diese  stürzte  das  durch  die  bildung  des 
jetzt  bewohnbaren  landes  verdrängte  wasser  hinab;  indem  so  durch 
die  Vorsehung  die  erd-  und  wasserkugel  gleichsam  in  eins  ver- 
schmolzen wurden,  waren  die  bedingungen  für  die  künftige  ent- 
wicklung  des  menschen  entstanden. 

Nachträglich  will  ich  noch  darauf  hinweisen,  dasz  der  im 
Norimb.  sich  ßndende  zusatz  Kai  tov  oupavöv ,  Kai  ö  oupavoc  ctc 
T€  TOV  aiO^pa  allenfalls  auch  veranlaszt  sein  könnte  durch  eine  stelle 
der  isagoge  des  Äcbilleus  Tatios,  wo  in  cap*  4  Chrysippüs  lehre  vor* 
getragen  wird  mit  den  werten:  TÖv  hk  alBcpa  Kai  oupavöv, 
t\  T€  6  auTÖc  €1  T€  bidtcpopoc,  KiuScv  €lvai  ccpatpiKÖv  qcf\iitt 
fxovia*  lieia  bi  toötov  4vtöc  auioö  töv  depa  eivai  usw.  danach 
darf  man  vielleicht  annehmen^  dasz  bei  Chrjrsippos  das  Verhältnis 
von  himmel  und  ätb  er  nicht  ganz  klar  bestimmt  war,  worüber 
Stobaios  allerdings  nichts  berichtet;  wer  aber  einmal,  gleichviel  mit 
welchem  rechte»  sich  beide  nur  getrennt  und  verschieden  vorstellen 
konnte,  dem  lag  es  dann  nahe  genug  zwischen  dem  äther  und  dem 
leeren  den  himmel  einzuschieben. 

LSIFZIO,  AlBIM  HiBtiEB. 


WSchwarz:  Juliopolis  und  Nikopolis.  301 

35. 

JULIOPOLIS  UND  NIKOPOLIS. 


OCrusius  hat  oben  s.  34  ff.  gegen  meine  ausfuhr ungen  jabrb. 
1892  s.  635  f.  zu  beweisen  gesucht,  dasz  Juliopolis  und  Nikopolis 
identisch  seien,  er  geht  dabei  aus  von  dem  durch  ihn  edierten  büch- 
lein  ^Plutarchi  de  proverbiis  Alezandrinorum  libellus  ineditus'  (Tü- 
bingen-Leipzig 1887),  in  dem  s.  13  n.  24  die  stadt  Juliopolis  erwähnt 
wird,  aus  dieser  stelle  geht  so  viel  hervor,  dasz  meine  Vermutung, 
Juliopolis  sei  unter  Nero  angelegt  worden,  unrichtig  ist;  aber  nicht 
hierzu  hat  Crusius  das  von  mir  übersehene  alezandrinische  Sprich- 
wort benutzt,  sondern  als  ausgangspunkt  für  den  beweis,  den  er  er- 
bringen wollte,  dasz  Nikopolis  und  Juliopolis  verschiedene  namen 
für  6ine  stadt  seien,  ich  hatte  darauf  hingewiesen ,  dasz  Juliopolis 
nach  Plinius  VI  102  zwei  milien  oder  höchstens  3  km  von  Alexandria 
entfernt  war,  Nikopolis  dagegen  entweder  20  Stadien  dh.  über  3,5  km 
(losephos  jüd.  krieg  IV  11)  oder  gar  30  Stadien  dh.  über  5,3  km 
(Strabon  795).  nach  Crusius  meinung  habe  ich  verkannt  dasz 
die  duo  müia  pcissimm  des  Plinius  und  die  eiKOCi  •  .  cräbioi  des 
losephos  'rundzahlen  seien,  die  ganz  dieselbe  entfemung  appro- 
ximativ ausdrückten  und  sich  gegenseitig  aufs  überzeugendste  be- 
stätigten ;  ein  abweichender  ansatz  bei  Strabon  berühre  unser  pro- 
blem  überhaupt  nicht,  sondern  gebe  lediglich  ein  neues  problem 
auP.  wo  käme  man  aber  hinaus,  wenn  man  alle  zahlen,  die  sich 
nicht  decken,  für  rundzahlen  ansehen  wollte?  selbstverständlich 
leugne  ich  nicht,  dasz  die  griechischen  Schriftsteller  die  summe  der 
Stadien  abgerundet  haben  können  und  oft  abgerundet  haben  werden ; 
aber  wir  müssen  uns  sehr  hüten  jede  kleine  summe  für  nach  oben 
abgerundet  anzusehen,  bei  den  römischen  Schriftstellern  war  über- 
dies das  abrunden  weit  miszlicher,  da  eine  milie  1,48  km  dh.  so  lang 
wie  mehr  als  8  Stadien  war.  Plinius  strebt  aber  genauigkeit  an,  da  er 
zb.  V  60  die  entfemung  der  stadt  Abydos  vom  Nil  zu  VIIMD  pass, 
angibt,  wenn  er  in  diesem  falle  bruchteile  der  milien  in  anrechnung 
bringt ,  so  hätte  er  dies  für  die  weit  kleinere  entfemung  Juliopolis- 
Alexandria  ebenfalls  thun  müssen,  wir  dürfen  also  bei  der  kürze 
der  distanz  den  unterschied  zwischen  der  angäbe  des  Plinius  und 
losephos  nicht  vernachlässigen,  da  er  fast  0,6  km  beträgt,  weit 
gröszer  aber  wird  derselbe,  wenn  wir  an  Strabons  entfernungs- 
angabe  (30  btadien)  festhalten  wollen ;  er  wächst  in  diesem  falle  auf 
2,3  km.  an.  Crusius  hat  die  angäbe  Strabons  auf  eine  ganz  unmög- 
liche weide  erklären  wollen,  er  faszt  nemlich  die  werte  NlKÖTToXlc 
.  .  Ixouca  KaioiKiav  im  GaXäTTij  ttöXcujc  ouk  dXdTTUJ  so  auf,  als  ob 
darunter  eine  am  meer  gelegene  vorstadt  von  Nikopolis  zu  verstehen 
sei.  die  eigentliche  stadt  Nikopolis -Juliopolis  setzt  er  dagegen  an 
die  kreuzung  der  canäle  Alexandria-Eanobos  und  Alexandria-Schedia. 


302 


WSchwarz:  Juliopolia  und  Nikopolis» 


er  berechnet  nun  die  entfernung  zwischen  der  genannten  vorstadt^ 
und  Alexandria  Über  das  verraeintliche  Nikopolis-Juliopolis  zu  5  km 
(nach  dem  plane  von  Kiepert* Mahmud  in  2s.  d»  ges.  t  erdk.  VII) 
tind  glaubt  daaz  diese  5  km  die  30  Stadien  Strabons  seien,  nach 
der  karte  von  Nerutsos  (U'ancienne  Alexandrie*,  Paris  1888)  wQrde 
diese  entfernung  wenigstens  6  km  betragen*  jedoch  verschlägt  dies 
ziemlicli  wenig;  die  bauptsache  ist,  dasz  man  niemals  in  der  von 
Crusius  angenommenen  weise  eine  distanz  berechnet  haben  kann: 
es  ist  dies  ebeui^o  unmöglich ,  als  es  einem  unserer  mitlehenden  ein- 
fallen könnte  zh,  die  entfernung  Wiesbadens  von  Prankfurt  über 
Mainz  zu  berechnen,  auszerdem  ist  es  ganz  unmöglich  die  30  Stadien 
nur  auf  den  vermeintlichen  Vorhafen  von  Nikopolis  zu  beziehen,  da 
bei  dieser  auffassung  auch  die  folgenden  worte  (toötov  hi  dri^riCCV 
6  CeßacTÖc  töv  töhov  ,  öti  dviaOSa  iviKa  tq  iiax^)  ^^^^  »uf  den 
Vorhafen  geben  könnten,  sodann  weist  Crtisius  (s,  36)  darauf  hin^ 
dasz  Titus  nach  loöephos  jn  Nikopolis  sein  beer  eingeschifft  habe, 
nach  Pliniue-  die  handelsscbiÖe  von  Juliopolis  aus  Nilaufwärts  fuhren, 
femer  dasz  diese  Stadt  nach  Plutarcb  vielbesuchte  penteterische  spiele 
gehabt  habe  wie  Nikopolis  nach  Strabons  bericht.  daraus  zieht  er , 
den  schltisZf  'zwei  stUdte,  von  denen  aus  ganze  flotten  den  Nil  binaul 
zu  segeln  pflegten  und  in  denen  vielbesuchte  penteterische  feste  ge- 
feiert wurden,  könnten  nicht  c.  3  km  Östlich  von  Aleiandria  gelegen 
haben',  das  letztere  ist  ebenso  wenig  stichhaltig,  wie  wenn  heut€ 
jemand  aus  dem  umstände  dasz  zb,  Elberfeld  und  Barmen  je  eial 
Stadttheater  haben  den  schlusz  zöge,  beide  städte  seien  identisch, [ 
sowohl  Juliopolis  als  Nikopolis  konnten  besondere  penteterischaj 
feste  haben,  da,  wie  Strabon  mehrfach  hervorhebt  (s.  800  t),  die  be- 
Völker ung  Alexandrias  sehr  vergnügungssüchtig  gewesen  ist  und 
selbst  in  dem  entlegnem  Kanobos  sich  zu  vergnügen  pflegte,  so* 
dann  lag  Nikopolis  in  einer  andern  gegend  als  Juliopolis:  dies#l 
Stadt  befand  sich,  wie  auch  Crusius  annimt,  an  dem  canal  der  voal 
Alexandria  nach  Kanobos  führte,  Nikopolis  aber  musz  am  meere  ge* 
legen  haben,  da  dies  Strabons  worte  besagen  ^  und  da  sie  sich  nicht  an 
dem  genannten  canal  befunden  baben  kann,  dessen  Umgebung  Stra* 
bon  3. 80<3  aufs  ausführlichste  beschreibt,  ohne  der  Stadt  Nikopolis  als 
einer  canalstadt  erwithnung  zu  thun,  beide  orte  lagen  also  keines- 
wegs bei  einander,  dasz  aber  losepbos  sagt>  Titus  habe  von  Niko* 
polis  aus  sein  beer  eingeschifft  (KOKeiOev  ^TrißncüC  ttiv  CTpaTidv) 


1  wenn  Btmbon  s,  795  eagt:  b\ä  bi  toO  lirirobpÖMOu  bicX^övti  f\ 
NiKÖTToXic  ^CTiv,  ^xoyc'*  KUToiKiav  Inl  öoXdTTfj  it6X€U>c  oüx  ^dTTUi,  so 
kaDti  die«  ttntnö|:ltch^  wie  Crusius  will,  bedeuten,  dasx  mnn  von  Aleimn- 
dria  ans  suuächst  nach  Nikopolis  gelang^t  sei  und  dasE  diese  •ladlj 
noch  obendrein  eine  ^i'orstadt  am  meere,  nicbt  kleiner  als  eine  stadi*' 
besessen  habe;  iStmbon  hätte  in  diesem  falle  lx<>uc<^  ^^^  icaTOiicfai^*^ 
sagen  mUssen.  infolge  dessen  können  seine  worte  nnr  bedeuten,  Niko* 
poUs  sei  eine  stadtähnliche  anläge  am  meere.  ni.  \^\.  e.  S1&, 
wo  er  Myos  bonnoa  al«  nöktc  Ix^^ca  tO  vauctaeMov  Tüfv  irXeEo^^vuJir 
«harakteriiiert 


W Schwarz:  Juliopolis  und  Nikopolis.  303 

und  sei  dann  Nilanfwärts  gefahren,  ist  gar  nicht  auffällig ,  auch 
wenn  die  stadt  an  der  meeresküste  lag,  an  der  man  die  Überreste 
eines  ortes  wirklich  gefunden  hat.  die  bewohner  von  Nikopolis  sind 
zweifellos  häufig  stromaufwärts  gefahren :  zu  diesem  zwecke  werden 
sie  aber  keineswegs  nach  Alexandria  gegangen  sein,  sondern  sich 
an  dem  punkte  des  canals  eingeschifft  haben,  welcher  ihrer  stadt 
am  nächsten  lag.  weshalb  ist  aber  Titus  nach  Nikopolis  gegangen  ? 
doch  wohl  nur  deshalb,  weil  er  das  grosze  römische  lager  im  nord- 
osten  Alexandrias  inspicieren  und  von  hier  truppen  mitnehmen 
wollte,  in  der  nähe  dieses  lagers ,  das ,  wie  seine  Überreste  und  in- 
Bchriftenfunde  (CIL.  III 6578—6582)  beweisen,  am  meerelag,  finden 
sich  ruinen ,  die  nur  von  Nikopolis  herrühren  können,  vielleicht  ist 
hieraus  auch  der  grund  dafür  zu  entnehmen,  dasz  losephos  von  20, 
Strabon  aber  von  30  Stadien  entfernung  spricht ,  falls  nicht,  was 
ebenso  leicht,  ja  sogar  noch  leichter  möglich  ist,  eine  von  diesen 
zahlen  verderbt  ist.  nach  Nerutsos  findet  sich  nemlich  Ostnordost  von 
Nikopolis  ein  römischer  türm ,  der  rund  30  Stadien  von  Alexandria 
entfernt  gewesen  sein  musz;  nehmen  wir  nun  an,  dasz  Nikopolis 
ursprünglich  in  seiner  nähe  angelegt  worden  i^t,  dasz  die  stadt 
sich  aber  später  nach  dem  römischen  lager  zu  ausgedehnt  hat,  so 
haben  wir  auch  die  20  Stadien  bei  losephos  erklärt:  denn  ungefähr 
80  weit  ist  nach  Nerutsos  karte  Nikopolis  von  Alexandria  entfernt 
gewesen. 

Am  meisten  gegen  Crusius  annähme  spricht  natürlich  dasz  die 
stadt  Nikopolis  keineswegs  zugleich  Juliopolis  geheiszen  haben  kann, 
er  hat  diesen  einwand  dadurch  zu  beseitigen  gesucht,  dasz  er  ver- 
mutete^ Nikopolis  sei  Mie  officielle  römische  bezeichnung'  gewesen, 
da  es  nur  bei  historikem  (Strabon  und  losephos)  erwähnt  werde, 
'die  besiegten  hätten  dafür  das  weniger  verletzende  Juliopolis  ein- 
gesetzt, das  nur  an  zwei  stellen  (Plinius  und  Plutarch)  auftauche, 
hinter  denen  einheimische  gewährsleute  ständen',  hat  aber  nicht 
hinter  Strabon  ebenso  gut  wie  hinter  Plinius  eine  einheimische 
quelle  gestanden?  hätte  der  geograph,  der  unser  ausführlichster 
gewährsmann  ist,  nicht  den  doppelnamen  erwähnen  müssen  ?  dazu 
kommt  dasz  der  name  Nikopolis  für  die  Ägypter  gar  nichts  schlim- 
mes bedeutet.  Antonius  ist  hier  geschlagen  worden,  also  ein  Bömer 
und  kein  Ägypter,  die  bewohner  des  pharaonenlandes  hatten  gar 
keinen  grund  den  namen  Nikopolis  in  Juliopolis  zu  verändern ,  was 
für  sie  übrigens  kein  milderer  name  gewesen  wäre ,  falls  das  wort 
Nikopolis  für  sie  überhaupt  einen  unangenehmen  beigeschmack  ge- 
habt hätte,  auszerdem  ist  es  unrichtig,  wenn  Crusius  glaubt,  durch 
den  namen  Juliopolis  hätten  die  Ägypter  ^die  beziehung  zum  ktictt]C 
der  Stadt  festgehalten' :  denn  dieser  name  hat  für  sie  niemals  die 
Stadt  des  Augustus  bezeichnen  können,  in  den  griechischen  in- 
Schriften  des  landes  heiszt  dieser  kaiser  stets  Kaicap,  seine  Stadt 
hätte  demnach  Kaicapoc  (iröXic),  höchstens  noch  Kaicdpeia  heiszen 
können.   Juliopolis  bedeutet  nur  entweder  stadt  des  C.  Julius  Caesar 


304 


W Schwarz:  Juliopcilis  und  Nikopolis, 


oder  Stadt  eines  Juliers*  *  nach  dem  Stifter  der  dynastie  ist  es  nicht 
benannt  worden ,  da  es  keineswegs  von  Augustus  in  Nikopolis  um- 
genannt worden  sein  kann;  der  name  kann  also  nur  das  letztere 
bedeuten :  man  hat  demnach  einem  kaiser  mit  Überlegung  eine  ehre 
erwiesen,  indem  man  nach  ihm  eine  stadt  Juliopolis  nannte,  da  in 
dieyem  namen  eine  anerkennung  seiner  abstammung  von  der  ^ens 
lulia  lag^  auf  der  allein  sein  anrecbt  auf  den  kaiserthron  beruhte. 

Zu  allen  diesen  gründen,  die  gegen  die  identificierung  von  Jnlio* 
polis  und  Nikopolis  sprechen,  können  wir  noch  einen  weitem  bintu» 
fügen.  Flinius  bezeichnet  Juliopolis  als  ausgaogspunkt  des  handels 
mit  Indien ;  hätte  es  nun,  wie  Crusius  meint,  'eiue  Vorstadt  am  meerei 
nicht  kleiner  als  eine  stadt^  gegeben,  so  hätten  die  Indienfahrer  nie* 
mals  Älexandria  zu  berühren  brauchen:  in  dem  vermuteten  Julio* 
polis-Nikopolis  hätten  sie  aus-  und  eingeladen,  über  die  genannte 
Vorstadt  wäre  die  directe  Verbindung  mit  dem  meere  hergestellt  ge- 
wesen, eine  solche  stadt  hätte  aber  mindestens  ebenso  wichtig  wie 
Alexandria  sein  müssen,  ja  sogar  noch  wichtiger,  da  sie  den  be- 
deutendsten handel,  nemlich  den  mit  Indien,  der  hauptstadt  aus 
den  händen  gewunden  hätte,  dies  ist  aber  einfach  undenkbar,  da 
kein  Staatsmann  auf  die  idee  hätte  kommen  können,  neben  der  stadt 
Aleianders  des  gro^zen  eine  von  der  natur  in  bezug  auf  die  meeres- 
küste  stiefmütterlich  behaDdelte  concurrenzstadt  anzulegen.  Julio- 
polis kann  aho  nur  ein  BussLhafen  Alexandrias  gewesen  sein,  der 
diese  stadt  keineswegs  ersetzte;  mit  Nikopolis  kann  es  nach  allem 
nicht  idenii^^ch  sein. 

Dasx  Juliopolis  aber  nicht  unter  Nero,  wie  ich  früher  vermutete, 
angelegt  worden  ist,  geht  nicht  nur  aus  dem  erwähnten  sprich  wo  il, 
sondern  auch  aus  Plinius  hervor,  sein  bericht  über  die  In  dien  fahrten, 
in  dem  er  Juliopolis  namhaft  macht  (VI  101  — 106),  gehört  nem- 
lich einer  weit  frElhem  zeit  an  als  man  bisher  annahm.  Pliniua  seist 
VI  106  den  6  Mechir  den  Iden  des  Januar  gleich;  der  1  Thotb  ent- 
sprach demnach  damals  dem  11  august:  dies  war  der  fall  in  den 
jähren  48  —  51  nach  Ch.  aus  diesen  jähren,  der  teii  des  Claudiufi, 
stammt  demnach  der  bericht  des  Plinius,  und  spätestens  unter  diesem 
kaiser  ist  Juliopolis  angelegt  worden,  vielleicht  ist  es  bereits  früher, 
unter  Tiberius  oder  Caligula,  entstanden. 


*  Juliopotts  kÖDDte  Auch  noch  stüdt  der  Jtilier  hedcutcrtt  da  'louXiö- 
iroXic  aus  louXtou  ir6Xtc  oder  ans  'louXttuv  ttÖXk  hervorgegangeD  «eia 
kaDD,  wie  man  zb.  TTavuüv  iröXic»  TTav6c  ttöXic  und  TTavöiroXic  tür  ^ioe 
find  die^^elbe  stadt  nagte;  jedoch  ist  die  anwecdmig  des  ploralis  hei 
Btädtenamen  iu  Ägypten  seltener  als  die  des  siogulftm. 

Neuwied.  Wilhelm  Schwabs. 


ThOesterlen:  die  reihenfolge  der  briefe  des  ersten  buchs  von  Hör.    306 

36. 

DIB   REIHENFOLGE    DEB   BBIEPE   DES  ERSTEN  BUCHS 

VON    HORATIUS    UND     DAS    VERHÄLTNIS    ZWISCHEN 

H0RATIU8  UND  MAECENAS  VOM  JAHR  21  AN. 


Wem  Horatins  es  angethan  hat,  dasz  er  nicht  von  ihm  lassen 
kann,  ohne  möglichst  in  die  geheimnisse  seiner  person  and  seines 
geachicks  einzudringen ,  für  den  liegt  ein  dunkler  punkt  vor  in  der 
seit  nach  der  abfassung  der  epistel  I  7,  hinsichtlich  des  Verhältnisses 
zwischen  Hör.  und  Maecenas,  wie  es  sich  nach  jener  'krisis'  gestaltet 
bat.  dasz  hier  von  einer  krisis  gesprochen  werden  kann  oder  musz, 
habe  ich  in  meinem  artikel  des  württembergischen  correspondenz- 
blatts  vom  jähr  1882  n.  7  und  8,  wieder  abgedruckt  in  meinen 
^Studien  zu  Verg.  und  Hör.'  ausgesprochen  und  in  'komik  und  humor 
bei  Hör.'  HI  s.  15  ff.  weiter  ausgeführt,  ich  habe  dabei  an  einigen 
beispielen  nachgewiesen^  wie  die  zu  gründe  liegende  Situation  von 
einzelnen  seitherigen  erklärem  (Schütz,  Krüger,  L Müller)  entweder 
schief  anfgefaszt  oder  wenigstens  nicht  in  ihrer  ganzen  schärfe  er- 
kannt worden  sei.  seitdem  nun  AEiessling  in  seinem  commentar 
zu  den  episteln  des  Hör.  (1889)  im  wesentlichen  dieselbe  auffassung 
ausgesprochen  hat ,  wird  sie  wohl  künftig  weniger  anstosz  finden, 
es  ist  mir  eine  wahre  befriedigung  festzustellen,  dasz  Kiessling  in 
seiner  inhaltsübersicht  zu  I  7  ungeföhr  denselben  gedankengang 
herausfindet  wie  ich,  dasz  er  bei  brief  10.  11.  16  auf  7  verweist  und 
bei  1.  11.  17  geradezu  auch  von  einer  'krisis'  im  Verhältnis  zwischen 
Hör.  und  Maecenas  redet. 

Allerdings  meint  er  nun ,  der  erste  brief  mit  seiner  widmung 
an  Maecenas  besiegle  den  völligen  abschlusz  der  krisis,  welche  uns 
I  7  vor  äugen  stelle,  hier  liegt  der  punkt,  wo  meine  auffassung  von 
der  Eiesslings  gänzlich  abweicht,  und  hiervon  soll  der  folgende  artikel 
handeln,  ich  sehe  nemlich  auch  jetzt  noch  wie  in  meinen  frühem 
besprechungen  der  sache  in  dem  scblusz  von  1 1  trotz  des  humoristi- 
schen tons  nichts  weniger  als  eine  die  vorhandenen  differenzen  ver- 
söhnlich ausgleichende  spräche,  sondern  ein  fortklingen  einer  ge- 
wissen verstimmtheit  und  bitterkeit,  einen  ernst,  der  nur  nicht  alles 
wieder  aufrühren  will,  sondern  rasch  abbricht,  einverstanden  damit, 
dasz  der  brief  ^höchst  wahrscheinlich  von  haus  aus  lediglich  zu  dem 
zweck  gedichtet  worden  sei,  als  Vorwort  und  zugleich  widmung  dem 
buch  vorangestellt  zu  werden ,  gleichzeitig  mit  dem  im  zwanzigsten 
brief  enthaltenen  nach  wort'  (eine  weniger  wesentliche  abweichung 
von  dem  letzten  punkte  s.  u.)  frage  ich  mich,  wie  man  in  diesem  ab- 
schlusz des  buchs  soll  einen  abschlusz  der  krisis  finden  können,  oder 
wie  man  andernfalls  sich  den  gang  der  sache  zu  denken  hat. 

Zur  weitern  Untersuchung  der  frage  ist  es  geboten ,  die  reihen- 
folge der  briefe  des  ersten  buchs  einer  neuen  durchsieht  zu  unter- 

Jahrbücher  fQr  olass.  philol.  1S93  hft.  4  u.  5.  20 


306    ThOesterlen:  die  reibeufolge  der  briefe  de«  ersten  bachB  von  Hon 

werfen,  in  den  'studien'  wie  in  ^komik  und  humor'  habe  icb  diese 
frage  als  weniger  dringlicb  dahingestellt  gelassen;  für  den  jetxigen 
fall  iöt  sie  unumgänglich  nötig,  und  ich  nehme  sie  vor  hauptsScblich 
im  anechlusz  an  C Frankes  ^fabti  floratiani*  (Berlin  1839)  und  au 
Kiesslings  öuszerungen,  die  zum  teil  eben  auch  auf  Franke  verweisen 
und  in  denen  überbatipt  die  neuern  aubicbten  zusammenlaufen. 

Eg  handelt  äieb  um  die  Verteilung  der  zwanzig  briefe  auf  un- 
gefUhr  372  JB^^i^^*  kaum  besteht  ein  streit  darüber,  dasz  die  drei 
ersten  odenbüeher  im  jähr  23  vor  Ch.  erschienen  äind  (ich  gebrauche 
durchweg  die  Zeitrechnung  nach  jähren  vor  und  nach  Chrii^ti  geburt, 
weil  sie  sicher  dem  gröszern  teil  selbst  der  philoIogen  geläufiger  ist 
als  die  nach  jähren  der  Stadt);  Franke  sagt  s.  80;  'fine  anni  20  ant 
initio  proximi  coniunctim  evulgati  sunt';  Kiessling  öden  s.  24  nimt 
an:  'unmittelbar  vor  der  herausgäbe  im  sommer  23.'  das  erste  buch 
der  episteln  aber  ist  sieber  im  j.  20  erschienen,  nach  Kiessling  im 
Spätherbst^  jedenfalls,  wie  Franke  unter  hinweisung  auf  den  scblu^z 
des  20n  briefs  bestimmt,  ^ante  diem  natalem  Horatü'  8  december. 
somit  können  wir  rund  SVjj»^!*^  rechnen:  denn  e&  ist  kein  hin- 
demis  vorbanden  anzunehmen,  dasz  die  epidttildicbtung  unmittelbar 
nach  dem  abschlus^  der  odendicbtung  begonnen  hat,  wie  auch  Kiess- 
ling  bei  14  s.  33  sagt:  'man  könnte  an  den  sommer  23  denken, 
wo  sieb  Hör.  noch  im  voUgefdhl  der  eben  erfolgten  Tcröffentlicbung 
seiner  öden  in  behaglichster  Stimmung  befand.^ 

Stellen  wir  nun  weiter  die  Übersicht  her  tiber  die  reihenfolgo 
der  briefe,  wie  sie  sich  nach  Kiessling  gestalten  würde. 

In  das  j.  23  vom  sommer  ab  fielen  die  episteln  4  (an  Tibullus, 
obwohl  nach  K,  auch  ein  späteres  jähr,  20,  nicht  undenkbar  wäre; 
wir  kommen  darauf  zurück)  und  13  an  Vinnius  Asina.  für  diesen 
brief  ergibt  sich  die  abfassungszeit  aus  der  zeit  der  veröfitentlichung 
der  öden:  denn  Äugustus,  dem  die  öden  zugesandt  wurden,  befand 
sieb  damals  in  Italien^  vielfach  krank  und  leidend  (v.  3  si  validus^ 
H  ladus  erU)^  und  Vinnius  erreichte  ihn  also  auf  dem  landweg  (t.  10 
per  clSpos  flumina  latnas)^  während  er  sich  im  sommer  22  nüch 
Sicilien  und  von  da  nach  dem  Orient  begab. 

Dem  j.  22  dagegen  weist  Kiessling  die  briefe  2  und  6  zu,  den 
ersten  bestimmter  dem  herbst  dieses  jahres.  der  entscheidungs- 
grund  ist  bei  beiden  derselbe,  die  noch  weniger  entwickelte  fertig* 
keit  in  dieser  kunstgattung:  'als  Hon  anüeng  solche  ethische  er^ 
Grterungen  poetisch  zu  gestalten  und  der  form  dafür  noch  nicht 
ganz  herr  geworden'  heiszt  es  bei  2,  und:  ^in  den  anfang  der  episteU 
dichtung,  ehe  Hör.  der  erforderlichen  tonart  vdllig  meister  geworden* 
bei  6. 

Nun  käme  aus  dem  j.  21  die  epistel  3,  im  Spätherbst  Terfaezt^ 
indem  Auguslus  nach  Asien,  zunächst  nach  Samos  gegangen  war, 
und  Tiberius  ihm  auf  dem  landweg  Verstärkungen  zuführte,  aa 
Julius  Florus  aus  dem  gefolge  des  Tiberius  ist  der  brief  gerichtet, 
sodann  T^  ohne  specielle  be^ründung:  'als  abfassungszeit  ist  wohl 


und  dat  Yerhftltnis  swischen  Hör.  und  Muecenas  vom  j.  21  an.    307 

21  anzQsetasen.'  weiter  9 ,  empfehlungsbrief  für  Septimias  zum  ein- 
tritt in  die  cohors  des  Tiberius,  also  ungefähr  au^  derselben  zeit 
wie  3.  ebenso  10  *mir  ist  wahrscheinlich,  dasz  der  brief  in  das- 
selbe jähr  föllt  wie  7.'  dann  11  an  Bullatius,  eine  epistel  die  'in  ihr 
rechtes  licht  erst  rückt^  wenn  wir  annehmen  dürfen,  dasz  sie  in  der 
seit  der  krisis  sommer  und  herbst  2 1  geschrieben  ist.'  15  an  Nnmo- 
nios  Yala  gerichtet  im  Spätherbst  21,  indem  Hör.  die  ankündigung 
seines  siebenten  briefs  zur  Wahrheit  macht,  endlich  16  ^geschrieben 
im  September  auf  dem  landgut,  also  wahrscheinlich  21,  als  Hör. 
ganz  besondere  Veranlassung  hatte  sich  die  annehmlichkeiten  seines 
besitzes  und  zugleich  die  erfordernisse  zum  glücklichen  leben  vor 
die  seele  zu  stellen'. 

So  würden  denn  nach  Eiessling  für  das  j.  20  noch  übrig  bleiben 
5  'verfaszt  wahrscheinlich  20:  September  22,  wo  Hör.  in  Born 
gewesen  sein  kann,  möchte  ein  hinweis  auf  Augustus  genesung 
kaum  gefehlt  haben.'  8  'dei:  brief  an  Albinovanus  Celsus  mit  dem 
ansdruck  tiefer  Verstimmung,  deren  grund  wir  aber  nicht  erfahren: 
ist  der  brief  im  sommer  20  verfabzt ,  so  kann  das  schwankende  ver- 
hSltnis  zu  Maecenas  schwerlich  im  spiele  sein,  da  wir  jedoch  nicht 
mit  bestimmtheit  wissen,  wann  im  sommer  21  der  aufbruch  des 
Tiberius  und  die  bildung  seines  hauptquartiers  erfolgt  ist,  so  ist 
auch  21  nicht  völlig  ausgeschlossen.'  weiter  12  Messen  abfassungs- 
zeit  sich  aus  den  schluszversen  ergibt :  im  sommer  20  huldigte  der 
Partherkönig  Augustus.'  dann  17  Mie  abfassung  musz  in  eine  zeit 
fallen,  in  der  das  Verhältnis  des  dichters  zu  Maecenas  felsenfest 
stand ,  also  in  die  zeit  nach  Überwindung  der  21  zum  ausbruch  ge- 
langten krisis,  nicht  zu  lange  vor  der  herausgäbe  des  buchs.'  18  Wer- 
faszt,  wie  aus  v.  57  erhellt,  im  jähr  20.'  ferner  19  'durch  einord- 
nung  des  an  Maecenas  gerichteten  briefs  an  letzter  stelle  —  denn 
der  folgende  ist  als  epilog ,  als  suhscriptio  zu  fassen  —  hat  Hör.  die 
verheiszung  prima  dicte  mihi^  summa  dicende  camena  eingelöst,  das 
setzt  die  lösung  der  in  I  7  zu  tage  getretenen  Spannung  voraus :  die 
abfassungszeit  ist  daher  wohl  in  die  zweite  hälfte  20  zu  setzen.' 

1  und  20  betrachtet  Eiessling  ohnedies,  wie  schon  bemerkt, 
da  sie  vorwort  und  epilog  des  buchs  bedeuten ,  als  unmittelbar  vor 
der  herausgäbe  im  Spätherbst  20  gedichtet,  unbestimmt  bleibt  14: 
'wäre  uns  bekannt ,  wann  der  bruder  des  Aelius  Lamia  gestorben, 
so  wüsten  wir  die  abfassungszeit.  so  läszt  sich  nur  so  viel  sagen, 
dasz  der  brief  keinesfalls  in  dem  jähre  verfaszt  ist,  in  welchem  Hör. 
seiner  gesundheit  wegen  schon  anfang  august  aufs  land  gieng  (I  7).' 
dieser  Eiesslingschen  Ordnung  gegenüber  habe  ich  nun  meine  mehr- 
fach abweichende  ansieht  geltend  zu  machen,  stelle  aber  zu  dem  be- 
huf  die  gesichtspunkte  voran,  die  mir  für  die  entscheidung  masz- 
gebend  scheinen. 

1)  Die  sicherste  entscheidung  geben  natürlich  geschichtliche 
andeutungen  oder  anspielungen  auf  bestimmte  gleichzeitige  ereig- 
nisse,  oder  wenigstens  indirecte  aussagen,  die  zeigen,  dasz  ein  brief 

20* 


308    ThOeätetlen :  die  reihenfolge  der  briefe  des  emten  boehs  von  Bor. 


nicht  vor  oder  nicbt  nach  eiDem  bestimmten  Zeitpunkt  entstanden 
sein  kann. 

2)  Geltend  gemacht  werden  kann  für  eine  frühere  oder  spS* 
tere  abfassung  die  geringere  oder  gröszere  ferligkeit  in  der  hand- 
habung  pWlosophischer  themata,  dabei  ist  aber  zuzugeben,  daaz 
damit  ein  ziemlich  subjectiver  maszstab  angelegt  wirdj  indem  fein 
kritiker  dasselbe  gedieht  für  mehr  oder  weniger  mangelhaft  erklären 
kann,  an  dem  ein  anderer  gröszere  Vollendung  findet,  und  dasz,  auch 
wenn  die  urteile  darüber  einig  wäreni  derselbe  dichter  nicht  immer 
gleichjöäszig  fortsch reitet ^  sondern  in  spJttern  dicbtungen  möglicher- 
weise infolge  weniger  glücklicher  Stimmung  nicht  dieselbe  höhe  er- 
reicht ,  die  «r  in  frühem  schon  erreicht  hat.  das  lieaze  sich  leicht 
bei  jedem  modernen  dichter  nachweisen,  und  in  den  satiren  und 
öden  des  Hör.  tritt  sicher  die  gleiche  erscheinung  zu  tage:  manche 
dieser  gedichte  zb.»  die  wir  nach  bestimmten  fingerzeigen  möglichst 
früh  ansetzen  müssen,  zeigen  einen  glücklichen  wurf,  eine  frische 
der  auffassung  und  durchflihrung ,  die  bei  £;pätem  zu  vermissen  ist« 

3)  Ein  nicht  unwichtiges  moment  ist  aber  zu  sehen  in  dem  ein- 
flusz,  den  die  aufnähme  des  kampfes  mit  Maecenas  um  gröszere  &ei- 
heii  des  dichterst  die  abfassung  des  7n  briefs  auf  die  Stimmung  des 
Bor.  und  die  haltung  seiner  briefe  haben  konnte  oder  muste.  dasz 
briefe  wie  1.8»  11.  15  nur  von  diesem  gesichtspunkt  aus  richtig  auf- 
gefaszt  werden  können ,  sofern  in  ihnen  eine  mehr  oder  weniger 
starke  störyng  de^i  innera  gleicbgewicbts  zu  spüren  ist,  seheint  mir 
wie  zum  teil  auch  Eiessüng  auszer  zweifei.  aber  zuzugeben  ist  auch 
hier,  dasz  ein  ganz  sicherer  schlusz  daraus  nicht  möglieb  ist:  denn 
der  7e  brief  selbst,  mit  welchem  Hör.  den  kämpf  aufgenommeil,  ist 
mit  solch  geistiger  klarheit  und  Sicherheit  geschrieben,  scheint  eine 
solche  selbstgewiaheit  zu  atmen ,  dasz  man  fragen  könnte,  wie  denn 
Hör.  später  zu  so  unruhiger  Stimmung  habe  kommen  können ,  wie 
sie  sich  zb.  in  8  zeigt,  aber  Einmal  ist  psychologisch  denkbar,  dasz 
er  für  die  endliche  aufnähme  des  kampfes  so  viel  geistige  Spann- 
kraft besasz^  80  allen  mut  zusammennehmen  konnte,  dasz  er  die 
schwierige  aufgäbe  mit  scheinbarer  ruhe  durchführte;  und  sodann 
konnte  der  eindrucke  den  er  damit  auf  Maecenas  machte,  sich  nach- 
träglich als  tiefer  gehend  herausstellen,  als  er  ursprünglich  ange- 
nommen hätte,  so  dasz  ein  herabsinken  zu  zweifei  und  kleinmnt 
oder  neue  kampfstimmung  sich  geltend  machte,  besonders  bei  einem 
so  leicht  erregbaren  temperament  mit  seiner  senfentia  aestuan» 
(1,  97 — 99),  seinem  auf-  und  abwogenden  empfinden  und  denken, 
wie  wir  uns  das  unseres  dichters  vorstellen  müssen ,  dessen  ae^ua 
mens  nicht  ein  sicherer  besitz,  sondern  ein  angestrebtes  gut  war* 
jedenfalU  aber,  wenn  auch  nur  der  eine  oder  andere  der  briefe  anf 
I  7  zurückweist,  ist  damit  die  bedeutung  dieses  dritten  moments 
für  die  fest  Stellung  der  reihenfolge  aufgezeigt. 

Hier  setze  ich  nun  ein,  um  nachzuweisen,  wie  die  abfassung 
des  siebenten  briefs  auf  spätere  eingewirkt,  welche  spuren  er  för 


und  das  Terhältnis  zwischen  Hör.  und  Maecenas  vom  j.  21  an.    309 

das  ganze  Verhältnis  zwischen  Hör.  und  Maecenas  zurückgelassen  hat. 
Voraussetzung  ist  dabei,  dasz  7  im  j.  21  verfaszt  ist;  daran  ist  wohl 
nichts  zu  ändern,  es  musz  bei  den  oben  angenommenen  3V2  jähren 
im  ganzen  räum  bleiben  für  frühere  und  spätere  briefe.  wollte  man, 
wie  Franke  ao.  s.  204  gestützt  auf  Masson ,  Kirchner  ua.  sagt ,  die 
abfassung  schon  ins  j.  23  setzen,  und  zwar  mit  rücksicht  auf  brief  15, 
der  wegen  v.  3  nicht  früher  als  da  verfaszt  sein  könne,  so  würde  7 
mit  seiner  krisis  mitten  unter  alle  andern  briefe  hineingeworfen, 
die  zum  teil  weit  von  dieser  Stimmung  abliegen;  die  doch  buchstäb- 
lich vorliegende  bedeutung  desselben  müste  geleugnet  oder  abge- 
schwächt werden,  wie  das  seither  meist  geschehen  ist. 

Ich  will  diese  bedeutung  als  die  eines  ernsten  ringens  um  Selb- 
ständigkeit, sogar  *auf  die  gefahr  eines  bruches  hin',  gegenüber  von 
Maecenas,  den  er  doch  liebte  und  verehrte,  nicht  ausführlich  wieder- 
holen, sie  läszt  sich  nicht  bestreiten,  wenn  man  nicht  ein  ganz 
blasses ,  sentimentales  freundschaftsverbältnis  zwischen  beiden  an- 
nehmen und  Hör.  zu  einem  des  selbstbewustseins  baren  subject 
machen  will ,  wobei  wie  in  artigen  kindermärchen  der  eine  als  der 
edle  geber,  der  andere  als  der  dankbare  empfänger  erschiene,  ich 
verweise  nur  noch  besonders  auf  v.  79  sibi  dum  requiem^  dum  risus 
undique  quaerit:  in  das  bild  des  Philippus  ist  damit  ein  zug  egoisti- 
schen strebens  nach  befriedigung  seiner  zu  allem  spasz  aufgelegten 
lanne  aufgenommen,  was  Kiessling  in  der  Übersicht  mit  den  werten 
ausdrückt:  'weil  Philippus  mit  dem  armen  teufel  sich  einen  spasz 
machen  wollte.'  man  braucht  bei  der  von  dem  dichter  beabsich- 
tigten deutung  der  anekdete  nicht  notwendig  diesen  zug  mit  her- 
überzunehmen: der  erzähler  hat  ja  die  freiheit  seine  fabel  mit 
weiteren,  nicht  durchaus  nötigen  zügen  auszuschmücken;  aber  man 
kann  es,  und  gerade  diese  möglicbkeit,  die  Hör.  nicht  abwehrt,  läszt 
die  annähme  einer  bei  aller  scheinbaren  heiterkeit  bittern  Stim- 
mung offen. 

Der  brief  ist  in  den  ersten  tagen  des  September  an  Maecenas 
abgegangen  {Sextüem  totum  mendax  desideror)^  aber  wohl  gleichzeitig 
nach  der  sonstigen  gewohnheit  des  dichters  (20,  4)  auch  einzelnen 
freunden  mitgeteilt  worden. 

Gehen  wir  nun  von  da  auf  den  ersten  brief  über,  der  ja  unter 
allen  umständen  auf  7  bezug  hat,  ob  man  darin  einen  abschlusz  der 
krisis  sieht  oder  nicht,  wir  kämen  damit  hinweg  über  1 — ^4  Jahre: 
der  brief  ist  sicher  als  vorwort  für  die  ganze  samlung  anzusehen, 
und  eben  deswegen  nimt  sich  der  dichter  die  freiheit  sich  um  372  j&hre 
zurückzuversetzen  an  den  anfang  des  eifrigem  Studiums  der  Philo- 
sophie und  der  episteldichtung,  welche  damit  dem  groszen  publicum 
vorgeführt  werden  soll,  philosopbie  und  episteldichtung  fallen  für 
Hör.  eng  zusammen,  sofern  er  bei  seinem  Studium  doch  noch  dich- 
terische bedürfnisse  hatte,  daher  die  praesentia  quaeris  v.  2,  est, 
personet  v.  7,  curo^  rogo  usw.  v.  10  ff.  nur  ist  es  ihm  dann  er- 
gangen ,  wie  das  so  leicht  möglich  war ,  ähnlich  wie  bei  ode  I  32 


310    TbOeateden:  die  reihenfolge  der  briefe  dea  ersteo  baoliB  von  Hör, 


(vgl.  *studien*  s.  95),  dasz  gich  ibna,  indem  er  sich  in  einen  frübeni 
HiOTOpnt  zurückversetzt,  zugleich  die  Btimmung  der  spätem  zeit  beim 
abscblusz  des  bucbs  aufgedrängt  hat. 

Es  ist  nun  gar  nicbt  nötig  den  ganzen  brief  durch  zu  nehmen, 
über  dessen  gedankengang  bis  v.  93  kaum  eine  diflerenz  vorliegen 
kann,  selbst  der  arme^  es  ist  zum  lachen»  sagt  Hör.,  so  wenig  er 
dazu  eigentlich  in  der  läge  ist^  nimt  an  dieser  unruhigen  sucht  nach 
Veränderung I  an  dieser  inconsequenz  teil,  ja  auch  ich.  dasz  er  nun 
mit  V.  94  si  curaius  den  Übergang  zu  seiner  eignen  person ,  seiner 
inaequalitas  und  inconstantia  mache,  dasz  demgemäsz  auch  bei  riäes 
y.  95  Maecenas  persönlich  angeredet  sei,  während  in  frühern  veraen 
mit  der  zweiten  person  der  ]eser  Überhaupt  gemeint  und  in  ride 
Y.  91  auf  Maecenas  übergeleitet  ist,  das  bestreitet  auch  Kiessling 
nicht;  aber  bei  den  »stufen  im  haar,  bei  dem  schäbigen  oder  zer* 
knitterten  Unterkleid  und  der  scbiefsitzendwn  toga,  dh.  den  zeichen 
Ton  gleichgültigkeit  gegen  das  äuszere,  meint  er,  sei  nicht  daran  zu 
denken,  dasz  Hör.  damit  auf  bestimmte  Vorkommnisse  des  eignen 
lebena  anspiele;  das  seien  nur  ^typische  belege  für  inconvenienzen 
der  äuszern  erscheinung'^  und  erst  im  folgenden  treten  die  be* 
stimmten  züge  des  dicbters  hervor  warum  denn  aber  das,  wenn 
doch  jetzt  wie  nachher  die  erste  person  steht,  wenn  doch  bei  mea  cum 
pugnai  senfentia  secum  und  dem  folgenden  jedenfalls  an  Hör*,  wenn 
auch  vielleicht  unter  sprichwörtlichen  wendtingen  zu  denken  ist, 
und  wenn  doch  v.  104  mit  ei  prave  sedum  stomacheris  oh  unguem  usw. 
gerade  an  Hör.  eine  der  äuszerlichkeiten  genannt  ist^  über  die  Maecenaa 
sieb  ereifert?  auch  das  lachen ,  das  ja  an  sich  einen  sehr  veracfaie* 
denen  sinn  haben  kann,  ist  in  diesem  Zusammenhang  nicht  ein  drolHg- 
ünden  und  gutmütiges  gewähren  lassen,  sondern  ein  tadel.  es  scheint 
mir  durchaus  willkürlich  hier  den  6inen  satz  auf  Hör.  bezieben  zu 
wollen,  den  andern  nicht,  während  doch  beides  auf  ihn  passt  und 
nur  80  ein  voller  sinn  herauskommt. 

Wenn  aber  auch  nur  pram  sedum  ob  unffuem  sich  auf  Her.  be- 
löge, so  wftre  ihm  damit  eine  ftuszerlichkeit  vorgehalten,  deren  be- 
krittelung  ihm  empfindlich  werden  konnte,  besonders  wenn  solche 
dinge  öfters  vorkamen,  und  wenn  bei  Maecenas  das  kein  Verständnis 
fand,  was  ihm  altmählich  das  wichtigere  geworden  war,  die  innere 
samlung,  die  reinigung  des  gemüts  von  aufregenden  neigungen  und 
leidenschaften,  die  erreich ung  philosophischen  gleichgewicbts.  dabei 
sind  die  ausdrücke,  mit  denen  er  den  ihm  lästigen  mangel  der  innern 
ruhe  bezeichnet,  allerdings  zum  teil  typisch,  wie  mutet  qtmdrata 
roiundis^  was  ein  sprichwörtlicher  ausdruck  des  gemeinen  lebens 
sein  kann;  dagegen  möchte  ich  bei  diruity  aedificcU  nicbt  .sagen:  'was 
beides  ihm  natürlich  nicht  einfällt',  ich  erinnere  an  scU.  II  ^,  308  ff., 
wo  Hör,  sich  von  Damasippus,  wenn  auch  in  übertreibender  wdisfi, 
ein  (tedifkarey  hoc  est  lonffos  imUari  vorwerfen  und  sagen  läszt :  tafh 
tum  dissimiUm  et  tanto  certare  minorem^  worauf  dann  die  wenig 
ach  meichel  hafte  vergleich  ung  mit  dem  frosch  folgt,  der  so  grosz  wie 


und  das  TerhUtnis  zwischen  Hör.  und  Maecenas  vom  j.  21  an.    311 

das  kalb  werden  mOchte;  und  erinnere  an  meine  schluszbemerkungen 
zu  sat,  II  7  in  'komik  und  bumor'.  dort  läszt  sich  Hör.  ähnlich  von 
■einem  Sklaven  eine  predigt  halten ,  die  er  nicht  als  durchaus  un- 
irabr  zurückweisen  kann. 

Wenn  dann  Hör.  in  den  letzten  3  versen  von  epist,  I  1  einen 
heitern  scblusz  anhängt,  in  welchem  er  das  thema  ^praktische  Philo- 
sophie allein  kann  mich  fortan  befriedigen'  zusammenfaszt ,  aber 
auch  die  philosophen,  also  auch  sich  wieder  als  den  elendigkeiten 
des  lebens  unterworfen  darstellt,  so  kann  das  nur  geschehen,  um 
den  eindruck  obstinater  rechthaberei  zu  verwischen  und  Maecenaa 
trotz  der  vorausgehenden  minder  angenehmen  bemerkungen  ein 
iBcheln  abzugewinnen;  aber  das  vorher  gesagte  bleibt  darum  doch 
bestehen,  Maecenas  kann  die  differenz  nicht  überhören,  und  wie 
soll  nun  in  diesem  schluszwort  oder  dieser  widmung  ein  völliger 
abschlusz  der  krisis  im  Verhältnis  der  beiden  gegeben  sein?  da 
hätte  doch  Hör.  seine  sache  sehr  ungeschickt  angegrififen ,  da  dürfte 
▼or  den  letzten  versen  nicht  eine  art  wiederaufwärmung  der  streitigen 
punkte  stehen. 

Nun  handelt  es  sich  darum ,  welche  andern  briefe  etwa  noch 
die  spuren  einer  trübung  des  Verhältnisses  an  sich  tragen,  vor  allem 
15,  der  in  das  gleiche  jähr  wie  7  gehört,  dann  11  und  8  aus  dem 
jähr  20,  aber  vor  1  entstanden. 

Wenn  nach  1 — ^4  j&bren  bei  widmung  des  buchs  an  Maecenas, 
die  Hör.  nicht  unterlassen  konnte  noch  wollte,  womit  er  aber  zu- 
gleich das  lesepublicum  so  zu  sagen  zum  zeugen  des  ganzen  pro- 
cesses  machte,  die  frühere  verstimmtheit  wenigstens  teilweise  wieder 
zum  ausbruch  kommt,  so  ifit  nicht  zu  verwundem,  dasz  die  da- 
zwischenliegenden briefe  in  inhalt  und  ton  groszenteils  daran  an- 
klingen, wie  Maecenas  den  7n  brief  aufgenommen,  darüber  wissen 
'wir  nichts  bestimmtes;  zweierlei  aber  war  möglich:  ein  offener  aus- 
bruch des  zorns  gegen  den  undankbaren ,  der  alle  rücksicht  auf  das 
bedürfnis  des  gönners  vergesse ,  oder  ein  vornehmes  ignorieren  mit 
innerm  grollen,  und  das  letztere  ist  wahrscheinlicher.  Hör.  aber 
war  sicher  von  der  Umgebung  des  Maecenas  aus  so  gut  bedient,  dasz 
er  wüste  wie  es  stand,  für  ihn  war  der  weg  vorgezeichnet:  wollte 
er  nicht  unmittelbar  nach  dem  ersten  energischen  versuch  seine  frei- 
heit  zu  erringen  klein  beigeben ,  so  muste  er  von  Rom  fernbleiben 
und  im  winter  ans  meer  gehen,  und  das  zu  erklären  dient  der  fünf- 
zehnte brief,  der  gewis  weniger  an  die  adresse  des  Numonius  Vala 
als  an  die  des  Maecenas  gerichtet  ist.  dann  erklärt  sich  auch  der 
immerhin  auffallende  groteske  ton  des  briefs.  ich  habe  in  *k.  u.  h.' 
in  8.  33  ff.,  wie  viele  andere,  auf  die  monstreperiode  v.  1 — 25  auf- 
merksam gemacht,  bei  der  Hör.  einen  besondem  zweck  verfolge, 
und  die  bemerkungen  Kiesslings  s.  100  haben  mich  nicht  ganz  über- 
zeugt, dasz  hier  gar  nichts  besonderes  vorliege,  freilich  'schreibt 
Hör.  für  erwachsene  römische  leser,  welche  den  sinn  der  worte  nicht 
erst  dann  aufzufassen  im  stände  sind,  wenn  sie  dieselben  in  schüler- 


?12   ThOesterlen;  die  reibenfolge  der  briefe  des  ersten  bucbB  von  Hör. 


bafter  weise  sicli  yorconfitruiert  haben.'  aber  selbst  die  Freiheit  'des 
behaglich  schlendernden  gangs  einer  periode' zugegeben^  so  schreibt 
niemand  ohne  büsondere  abäicht,  ohne  den  wünsch  komisch  zu  wirken^ 
und  selbst  den  erwachsenen  gebildeten  leser  zu  nötigen  die  sache 
zweimal  zu  lesen,  bis  er  sie  versteht,  solches  spiel  mit  dem  leser 
ist  dem  komiker  erlaubt  und  kommt  in  allen  witzblätteni  bis  auf 
den  heutigen  tag  vor ;  und  dem  gleichen  zwecke  dient  der  zweite 
teil,  die  heitere  vergleichung  mit  dem  Schmarotzer  Maenius,  dessen 
gegenteil  ja  der  genügsame  dichter  ist,  der  am  meere  nur  sibiparce^ 
contraämque  leget,  der  ganze  brief  zeigt  eine  gewisse  forcierte 
lustigkeit,  von  der  fraglich  igt,  ob  sie  die  eigentliche  Stimmung  des 
Hör.  darstellt;  und  eben  in  anbetracht  des  Schlusses  von  1  kann  ich 
dem  nicht  beistimmen:  ^der  humoristische  ton  in  15  zeigt ,  daäz  der 
gefürchtete  bruch  mit  Maecenas  nicht  erfolgt  war/  es  bestand  kein 
bruch^  aber  die  Spannung  dauerte  fort. 

Nun  kommt  meiner  ansieht  nach  der  jedenfalls  auch  nach 
Kiessling  etwas  eigentümliche  elfte  bnef  an  BuUatius,  der  in  die 
zeit  der  kriais  sommer  und  herbst  21  fallen  soll«  ich  gebe  gern  zu, 
dasz  ich  in  'k»  u.  h.'  III  s.  24  ff.  in  betreff  dieses  stÜcks  fehlgegriffen 
habe,  besonders  mit  der  annähme,  dasz  v.  7 — 10  nicht  fortsetzung 
der  gedanken  des  Hör ,  sondern  citat  aus  schriftlichen  oder  münd- 
lichen äuszerungen  des  Bullatius  seien:  es  ist  richtiger  anzunehmen, 
dasz  alles  äugzerung  des  Hör.  ohne  gegenrede  ist.  vf^nn  nan  aber 
Hon  in  diesem  brief  mehr  eine  selbstbetrachtung  anstellt  als  eine 
paränede  an  die  zufällige  person  des  B.  richtet,  so  glaube  ich  dabei 
doch,  dasz  die  wähl  eines  nicht  fingierten,  sondern  aU  wirklich  vor- 
banden zu  denkenden,  mit  gott  und  weit  unzufriedenen  reisenden» 
der  Überali  seinem  glücke  nachjagt,  aber  es  nirgends  findet,  weil  er 
es  nicht  in  sich  seihst  trägt,  zum  adressaten  des  briefs  daher  rührt, 
dasz  Hör.  in  diesem  augenblicke  selbst  nicht  in  der  heimat,  nicht  in 
Rom  und  nicht  auf  seinem  gut,  sondern  in  der  fremde^  in  Vetia  oder 
Salernum  ist.  dann  erklärt  es  sich  auch,  wie  ihm  beim  täglichen 
anblick  des  meeres  v*  10  Neptunum  procul  e  terra  speäare  furetUem 
einfällt,  was  ja  eine  remini scenz  aus  Sophokles  sein  mag,  aber  dann 
durch  die  eignen  umstände  des  dichters  vermittelt  ist,  und  solche 
zeitliche  und  örtliche  Vermittlung  ist  doch  für  den  gedankengaug 
des  dichters  von  grösteir  bedeutungl  ist  er  zu  ende  decembera  21 
oder  zu  anfang  Januars  20  (nach  ca*  HI  18  iat  ja  5  december  in  den 
Sabinerbergen  noch  ein  angenehmer  herbsttag,  und  erst  mit  dem 
winter  wollte  er  ans  meer  gehen)  nach  Yelia  oder  Salernum  ge- 
gangen, so  passt  alles  zusammen^  Hör.  ist  teils  seiner  gesundheit 
wegen,  teils  zum  zweck  einer  demonstration,  seine  freiheit  zu  sichern, 
in  die  fremde  gezogen  und  möchte  in  manchem  augenblick  wünschen 
fem  zu  bleiben,  ''alle  die  seinen  verge.^send  und  auch  von  ihnen  zu 
vergessen*,  aber  er  musz  hich  überzeugen,  dasz  er  damit  nicbtä  ge- 
wonnen bat;  er  corrtgiert  sich  seihst  dahin,  dtuiz  das  glück  nirgends 
«usw&rts,  sondern  nur  in  der  gewinn ong  des  animus  aequus  (v.  50) 


und  das  yerh&ltiiis  zwischen  Hör.  und  Maecenas  vom  j.  21  an.    313 

zu  holen  ist.  der  brief ,  der  sicher  seinen  weg  auch  zu  Maecenas  ge- 
fimden  hat,  scheint  mir  während  des  aufenthalts  am  meere  geschrie- 
ben, ehe  Hör.  seine  für  den  anfang  des  frübjahrs  beabsichtigte  rück- 
kebr  ausgeführt  hat  (I  7,  12  f.  te,  dulcis  arnke,  reviset  cum  zephyris^ 
8%  eancedes^  et  hintndine  prima). 

Ob  und  wann  dieser  besuch  bei  Maecenas  ausgeführt  worden 
ist,  wissen  wir  nicht;  doch  ist  ohne  zweifei  das  programm  des  dichters 
eingehalten  worden,  eine  Verständigung  jedoch ,  eine  völlige  aus- 
gleichung  der  kritischen  punkte  scheint  dabei  nicht  erreicht  worden 
za  sein,  fällt  der  achte  brief  wegen  der  anspielungen  in  v.  4  —  6 
non  quia  grando  . .  agris  in  den  sommer  des  j.  20,  so  kann  ich  nicht 
zustimmen,  wenn  Eiessling  sagt:  'welches  der  grund  dieser  hypo- 
ehondrie  sei,  erfahren  wir  nicht;  das  schwankende  Verhältnis  zu 
Maecenas  kann  dabei  schwerlich  im  spiele  sein',  und  wenn  er  meint, 
das  j.  21  sei  als  abfassungszeit  nicht  ganz  ausgeschlossen,  da  wir 
nicht  genau  wissen,  wann  im  sommer  21  der  aufbruch  des  Tiberius 
erfolgt  sei.  was  das  letztere  betrifft,  so  macht  doch  entschieden  der 
8e  brief  verglichen  mit  dem  3n  den  eindruck  einer  antwort  aus 
weiterer  ferne  und  nach  längerm  auseinandersein,  nicht  so,  dasz  der 
adressat  etwa  noch  in  Italien  und  im  stände  wäre  aus  nächster  nähe 
anskunft  über  Hör.  zu  bekommen,  mit  der  zeit  der  abfassung  des 
7n  briefs  kann  er  nicht  näher  zusammengerückt  werden ,  da  dieser 
und  der  lOe  (s.  u.)  ja  ruhe  und  Sicherheit,  der  15e,  der  sich  daran 
anschlieszt,  sogar  eine  forcierte  heiterkeit  zeigt,  ich  glaube,  dasz  8 
ins  j.  20  gehört,  und  im  hinweis  darauf,  dasz  bei  der  herausgäbe 
des  buchs  in  1  eine  volle  Verständigung  mit  Maecenas  nicht  erreicht 
ist,  scheint  es  mir  dasz  8  uns  in  die  Stimmung  des  Hör.  in  dieser 
richtung  hineinsehen  läszt.  er  fühlt  sich  nicht  sowohl  körperlich 
als  gemütlich  krank,  apathisch,  zu  keiner  geistigen  arbeit  aufgelegt, 
weisz  nicht  was  er  will,  und  ist  unleidlich  gegen  seine  Umgebung, 
ob  man  nun  unter  medici  sich  wirkliche  ärzte  denken  will,  die  ja 
bei  dem  eigentümlichen  zustande  des  dichters  doch  auch  gemeint 
sein  könnten,  oder  seine  sonstigen  tröster,  die  philosophen.  dasz 
der  grund  der  Verstimmung  nicht  angegeben  ist,  wäre  sonderbar, 
wenn  es  nicht  etwas  wäre,  das  er  seinen  freunden  gar  nicht  zu 
sagen  braucht,  das  alle  nur  zu  gut  wissen,  aber  zu  weit  iät  die  Sache 
doch  nicht  gegangen:  die  feine  wendung  am  schlusz:  werde  mir  nur 
in  deinem  glück  nicht  zu  übermütig!  und  schon  der  umstand,  dasz 
er  seine  Stimmung  in  versen  auszudrücken  vermochte,  beweist,  dasz 
die  Verstimmung  nicht  allzusehr  herr  über  ihn  geworden  war.  auch 
ihm  'gab  ein  gott  zu  sagen,  wie  er  leide'. 

Und  so  darf  es  uns  nicht  wundern,  dasz  wir  aus  demselben  j.  20 
noch  briefe  aus  ganz  anderer  tonart  finden,  hierher  gehören  ja  noch 
18.  12  und  20;  18  wegen  v.  56  f.  da  Augustus  gerade  in  diesem 
jähre  den  feldzug  gegen  die  Parther  zu  eröffnen  gedachte  und  dann 
die  huldigung  des  Phraates  empfieng;  12  wegen  der  anspielung  auf 
die  gleichen  ereignisse  v.  27  f.,  wohl  etwas  später,  im  august  oder 


314    TliOeaterlen :  die  reHienfolge  der  briefe  des  ersten  bucb«  von  Hör. 

September  abgefaszt  {defundU  oder  defudit?)  und  20  als  scblusz« 
gedieht. 

Nur  ^inee  habe  ich  wegen  der  genauem  bestimm ung  der  ent- 
gt^bungszeit  von  20  ncch  zu  bemerken,  man  bat  es  von  jeher  auf- 
falleod  gefunden,  dasjt  Hör.  in  diesem  schluszwort  sein  alter  nach 
dem  vorausgebeaden  jabr  angebe,  wo  er  44  alt  geworden,  während 
man  meinte,  der  brief  müsse  ende  des  Jahres  20  unmittelbar  vor 
dem  erscheinen  der  saralung»  und  zwar  vor  8  december  verfaszt  sein, 
das  letztere  halte  ich  nicht  für  durchaus  nötig,  wenn  Hör.,  der  sich 
ja  doch  mit  dem  gedanken  trug  seine  episteln  demnSchßt  heraus* 
zugeben,  gelegentlich  bei  günstiger  Stimmung  sieb  nach  einem  ge- 
eigneten Schlüsse  umsah  f  wie  er  einen  solchen  ja  auch  am  ende  des 
dritten  odenbucha  angebracht  hatte,  so  konnte  ihm  der  artige  ein- 
falle sein  buch  als  einen  von  haus  scheidenden  söhn  oder  haussklaven 
darzustellen,  ganz  unabhängig  vom  moment  der  herausgäbe  aach 
schon  früher  kommen,  und  er  konnte  erfaszt  von  der  freude  an  dem 
gedanken  ihn  alsbald  fixieren^  wie  das  wohl  jedem  dichter  begegnen 
könnte,  wenn  dann  das  gedieht  im  winter  21/20  verfaszt  ist,  so  er- 
klärt es  sich  von  seihst,  dasz  die  consuln  des  eben  abgelaufenen).  21 
genannt  »ind,  und  Bor.  hat  bei  der  berausgabo  die  sache  unverändert 
gelassen. 

Diese  drei  gedicbte  aber,  18.  12  und  20  tragen  den  Stempel 
freier,  heiterer,  selbstbewuster  Stimmung,  die  uns  zeigen  mag,  dasz 
er,  das  leichtbewegliche  gemüt,  wenn  auch  immer  wieder  aufgeregt 
oder  niedergedrückt  von  dem  getrübten  verhfiltnia  zu  Maecenas, 
doch  auch  immer  wieder  sieb  ins  gl  eich  gewicht  zu  bringen  wüste. 
bei  12  an  Iccius  hat  er  eine  seiner  besten  stunden  humoristiscben 
plauderns  gehabt,  bei  20  das  groteske  spiel  zwischen  mensch  und 
buch  gar  nicht  übel  durchgeführt,  besonders  bemerkenswert  ist  in 
dieser  hinsieht  brief  18,  ist  es  nicht,  als  ob  Hör.  hier  von  dingen 
spräche,  die  ihn  persönlich  gar  nichts  angiengen?  als  ob  er  seine  be- 
merkungen  über  den  Umgang  mit  der  hohen  weit  aus  heobacbtung 
und  nicht  aus  eigner  erfahrung  schöpfte,  bis  er  mit  me  quotiens 
V.  104  ff.  unmittelbar  auf  sieb  zu  reden  kommt  und  zu  verstehen 
gibt,  dasz  er  selbst  in  allen  diesen  Verhältnissen  gestanden?  aller- 
dings zeigt  dieser  schlusz  auch,  dasz  bei  aller  Verstimmung,  die  noch 
1,  94  C  vorhanden  war,  von  dem  cunda  resigno^  dem  inspict  m 
possum  donaia  r^^onere  ladus  des  7n  briefs  nicht  mehr  die  rede 
war,  dasz  Maecenas  wohl  aus  wertscbätzung  der  pei*son  des  dichters 
und  aus  röcksicht  auf  die  meinung  der  weh  trotz  aller  empfindlieb- 
keit  jeden  gedanken  daran  abgeschnitten  hatte,  und  Hör.  sah,  dasz 
er,  ohne  seiner  ehre  etwas  zu  vergeben,  in  anbetracht  aller  umstände 
das  geschenkte  behalten  konnte,  bei  der  art  und  weise,  wie  sie  zu 
einander  gestanden ,  konnte  er,  wie  er  im  fall  der  not  sich  nicbte 
daraus  gemacht  hätte  um  mehr  zu  bitten  (ca.  Hl  16,  38),  jetzt,  wo 
die  umstände  ihn  genötigt  hatten  sich  eine  gröszere  Selbständigkeit 
zu  sichern ,  sich  frei  fühlen  das  was  er  hatte  zu  behalten,    aber  ^  wie 


nnd  das  Yer!UUiai8  zwischen  Hör.  und  Maecenas  vom  j.  21  an.    315 

sich  in  1  zeigt ,  die  nene  Stellung  konnte  nicht  alle  empfindlichkeit 
auf  der  6inen  und  befangenheit  auf  der  andern  seite  aufheben. 

Kehren  wir  nun  vom  ende  des  j.  20  zurück  zum  j.  21 ,  um  zu 
sehen,  welche  der  noch  nicht  besprochenen  gedichte  etwa  noch  dort- 
bin zu  weisen  sind. 

Jedenfalls  der  zehnte  brief,  von  dem  ich  schon  in  'k.  u.  h.' 
in  8.  22  bemerkt  habe,  dasz  ich  ihn  in  enge  beziehung  zu  7  setze, 
es  wftre  möglich,  dasz  freunde  aus  dem  engern  kreise  des  Maecenas, 
wie  Aristius  Fuscus,  um  dem  drohenden  conflict  {mendax  desideror  v .  2) 
Torzubeugen^  Hör.  zur  rückkehr  gemahnt  hätten  und  dasz  dieser 
schon  Tom  gedanken  an  den  brief  an  Maecenas  erfüllt  diese  antwort 
gegeben  hätte,  in  der  er  seinem  entschlusz  auf  dem  lande  zu  bleiben 
an  mehr  als  6iner  stelle  des  ersten  teils  sogar  einen  lyrischen  aus- 
druck  verliehen  hat  (v.  6  ff.  21).  oder,  wie  mir  wahrscheinlicher, 
ist  der  brief,  der  in  seiner  zweiten  hälfte  die  sittliche  auffassung  des 
landefl  als  einer  schule  der  einfachheit  und  genttgsamkeit  darstellt 
nnd  in  y.  44  —  48  einen  ernsten  ton  anschlägt ,  unmittelbar  nach 
dem  abgang  des  7n  briefs  geschrieben ,  ehe  noch  Hör.  kenntnis  von 
der  aufnähme  der  sache  von  Seiten  des  Maecenas  hatte. 

Ebenfalls  ins  j.  21  gehören  der  neunte  und  der  dritte  brief, 
beide  mit  dem  zug  des  Tiberius  nach  Asien  zusammenhängend ;  9  die 
empfehlung  des  Septimius  zur  aufnähme  in  die  cohors  amicorumt  also 
wohl  im  Sommer  vor  der  abreise  des  Hör.  aufs  land  in  Rom  ge« 
schrieben;  3  an  Julius  Florus  einige  zeit  nach  dem  abzug  des 
Tiberius,  als  Hör.  denken  konnte,  dasz  er  mit  seinem  beere  etwa 
im  Übergang  nach  Asien  begriffen  sei  (v.  3  ff.),  also  immerhin  wohl 
2  monate  nach  dem  aufbruch.  ich  setze  den  letztem  brief  zwischen 
10  und  lö. 

Dagegen  kann  ich  den  neunzehnten  brief  nicht  ins  j.  20, 
nnd  zwar  in  die  zweite  hälfte  versetzen ,  vor  allem  nicht  bei  der  be- 
grflndung,  die  Eiessling  der  sache  gibt,  durch  einordnung  an  letzter 
stelle ,  meint  er  (denn  der  zwanzigste  brief  sei  epilog) ,  habe  Hör., 
die  verheiszuDg  prima  dide  mxhi^  summa  dicende  camena  auch  für 
das  vorliegende  buch  eingelöst,  aber  dide  ist  doch  part.  perfecü, 
nicht  praesentis,  kann  nicht  sein  «s  den  ich  jetzt  nenne,  dh.  durch 
Widmung  auszeichne,  wobei  camena  dann  die  jetzt  an  die  spitze  der 
samlung  gestellte  epistel  bezeichnet,  summa  die  letzte,  dh.  hier  19e; 
sondern  nur  s»  'den  ich  seither  genannt  habe',  und  camena  bedeutet 
in  diesem  Zusammenhang  die  gedichtsamlung,  und  in  diesem  sinn 
ist  richtig,  was  Hör.  sagt:  das  erste  buch  der  satiren  beginnt  mit 
gut  fit^  Maecenas  \  bei  der  möglicherweise  gleichzeitigen  herausgäbe 
der  epoden  und  des  zweiten  buchs  der  satiren  war  dann  wohl  ihis 
Libumis  inier  aUa  navium  usw.  als  widmung  vorangestellt;  das 
erste  odenbuch  trägt  die  widmung  Maecenas  atavis  edite  regibus, 
und  das  erste  buch  der  episteln  prima  dide  mihi^  summa  dicende 
weist  auf  eine  etwa  später  kommende  samlung  hin ;  aber  erfüllt  hat 
sich  die  sache  nicht :  das  vierte  odenbuch ,  von  anderer  seite  her- 


316    ThOeaterlen:  die  reihenfolge  der  briefe  des  ersten  buch»  von  Hör, 


vorgerufen,  trägt  keine  widmung  an  Maecenas,  überbaupt  keine  an 
der  spiUe, 

Aber  nocb  aus  einem  andern  gründe  scbeint  mir  der  brief 
altern  datumä«  wenn  Hör.  bier  seinem  unmut  über  sklayische  nach* 
abiner,  ivl  denen  man  am  ende  aucb  ihn  zu  reebnen  drobte,  und  Über 
b^lmiBcbe  gegner  luft  macben  wollte  (es  scheint  mir  übrigens  weder 
sein  unmut  nocb  das  Basco,  das  er  gemacbt  baben  soll^  so  bedeutend 
wie  KieBsling  es  darstellt :  sein  unmut  ist  ja  mebr  ein  komiscbe^ 
poltern,  das  nicbt  so  gar  ernst  in  nebmen  ist,  und  die  üble  auf- 
nabme  gebt  nur  von  litterariijcben  coterien  aus»  denen  er  derb  genug 
mitäpielt)i  so  wftre  es  docb  sonderbar,  wenn  dieser  gedanke  ibm  erst 
jetzt  f  mebr  als  3  jabre  nacb  dem  erscbeinen  der  öden  käme,  nimt 
man  dann  vollends  dazu,  dasz  die  Versetzung  von  brief  19  ins  j.  20 
nacb  Kiessling  Mie  lösung  der  in  I  7  zu  tage  getretenen  Spannung 
voraussetzt^  bo  wird  man  im  gedanken  an  8  und  1  den  19n  brief 
hier  nicbt  unterbringen  können ;  er  pasät  besonders  aucb  mit  seinem 
etwas  burschikosen  ton  gar  nicbt  in  die  von  I  7  an  gegebene  Situation, 
ich  setze  ihn  ins  j,  22,  wenigstens  ^in  jähr  vor  der  krisis  (s.  u.)» 

Und  nun  zurück  auf  den  anfang  der  episteldicbtung.  gibt  es 
einen  oder  den  andern  brief,  der  mit  Sicherheit  in  den  sommer  23^ 
in  die  zeit  unmittelbar  nach  dem  erscheinen  der  öden  zu  setzen  ist? 
entschieden  der  dreizehnte  an  Vinnius  Asina,  oder  eigentlicli 
AugustuB,  wo  ich  ganz  Kiessling  zustimme,  wenn  Bor.  die  hl^flich- 
keitö Verpflichtung  fühlte  dem  princ€^s  eine  abachrift  der  drei  bUcber 
zuzusenden f  so  durfte  das  nicht  zu  spät  geschehen;  der  brief  an 
Vionius  aber  war  das  liebenswürdige  begleitscbreiben ,  das  eigent- 
lich dem  Augustus  galt. 

Ebenso  setze  ich  den  vierten  brief  an  Tibullus  hierher  und 
möchte  binznfttgen,  dasz  mir  die  Verlegung  desselben  in  das  j.  20, 
die  Kiessling  offen  läszt,  als  undenkbar  erscheint.  Hör,,  der  in  diesem 
briete  den  dicbterfreund  aufrichten,  erheitern,  trösten  will,  wäre  in 
der  that  ein  'leidiger  tröster'  in  einer  zeit,  wo  er  zwischen  Stim- 
mungen wie  in  12  und  8  ^freudvoll  und  leid  voll'  bin-  und  herscbwebt; 
er  kannte  sich  am  wenigsten  aufgelegt  fühlen  TibuUus  zu  £^ich  ein- 
zuladen, was  doch  in  vises  liegt,  um  ein  scb weineben  aus  Epicurs 
herde  zu  sehen,  das  er  sich  zum  muster  für  sorglose  existcnz  nehmen 
soll,    also  lassen  wir  23! 

Daher  reebne  ich  nun  aber  auch  den  fünften,  den  artigen 
einladungfibhef  an  Torquatus  zur  vorfeier  des  hoben  geburtsfestes 
in  Born,  gerade  von  der  lyrik,  unter  anderm  von  sjmpotischen  dich- 
tungen  herkommend  konnte  ihm  auch  für  die  sermonenform  der 
preis  des  weines  naheliegen,  und  für  die  wiederaufnähme  dieser 
kunstform  empfahlen  sich  kleine  scberzbillete ,  wie  auch  13  und  4 
solche  waren,  wenn  dann  weder  das  jähr  22  (nach  Ktessling)  noch 
nach  den  sonstigen  Verhältnissen  21  ujid  20  möglich  sind,  so  bleibt 
ja  ohnedies  nur  das  j,  23  übrig. 

Aber  freilich  der  wiederanf&ng  der  sermanes  sollte  sich  nicht 


nnd  das  TerhÜtnis  zwischen  Hör.  und  Maecenas  7om  j.  21  an«    317 

auf  Qolobe  litterarische  kleinigkeiten  beschränken,  sondern  einen 
reichem,  tiefem  inhalt  bekommen  durch  behandlang  philosophischer 
fragen;  wie  ja  Hör.  in  dem  zwar  später  verfaszten,  aber  anf  jene 
zeit  zurückweisenden  ersten  brief  eben  die  philosophie  als  seine  neue 
beschäftigung  darstellt,  der  er  alles  hintansetze:  mit  nunc  Uaque 
1,  10  will  er  eine  neue  philosophische  ära  eröffnen  (s.  das  nähere 
*k.  u.  h.'  ni  8.  98).  da  wäre  es  nun  eigentümlich,  wenn  aus  dem 
anfang  dieser  zeit  kein  philosophisches  product  vorhanden  wäre, 
nnd  wenn  nun  natürlicherweise  die  handhabung  dieser  anwendung 
der  sermonenform  auf  philosophische  fragen  einer  gewissen  Übung 
bedarf,  so  möchte  ich  briefe ,  in  denen  nach  dieser  seite  noch  eine 
ungewandtheit  zu  spüren  ist,  eben  dieser  zeit  zuweisen,  das  aber 
ist  auch  nach  Eiessling  in  den  briefen  2  und  6  der  fall. 

In  *k.  u.  h.'  in  8.  7  habe  ich  am  zweiten  brief  ausgestellt, 
dasz  nach  der  angedeuteten  ableitung  philosophischer  motive  aus 
Homer  der  dichter  mit  v.  32  diese  ausbeutung  Homers ,  allerdings 
mit  einem  Übergang  von  den  schlafseligen  Phaiaken  aus  fallen  lasse 
und  seine  eigne  philosophische  anschauung  entwickele ;  sodann  dasz 
er  darin  eine  fast  übermäszige  häufung  von  Sentenzen  anbringe,  am 
sechsten  brief  kann  man  finden  (s.  auch  Eiessling),  dasz  Hör.  mit 
V.  27  die  ausführung  des  philosophischen  themas  nü  admirari  «» 
aeguiis  animus  hätte  abschlieszen  können,  aber  in  satirischer  laune, 
die  mehr  die  tonart  früherer  sermonen ,  zb.  II  3  anschlägt ,  auf  er- 
götzliche darstellung  einer  reihe  menschlicher  thorheiten  übergeht. 

Demnach  teile  ich  dem  j.  23  vom  sommer  an  die  kleinen 
briefe  13.  4.  5  und  die  gröszem  2.  6  zu,  und  zwar  so  dasz  13  und  4 
unmittelbar  nach  dem  erscheinen  der  öden  auf  dem  gut,  2  in  Präneste 
{rdegi  perfectum  des  briefstils),  5  und  6  sodann  in  Bom  geschrieben 
sind,  in  6  weisen  alle  die  hübsch  gefaszten  bilder,  zb.  der  handels- 
mann  Mutus,  der  groszbändler,  LucuUus  dem  theater  gegenüber, 
der  nomenclator,  Gargilius  usw.  auf  das  leben  in  der  hauptstädtischen 
atmosphäre  hin. 

Somit  bleiben  noch  unterzubringen  die  briefe  14.  16.  17.  19, 
für  die  keine  bestimmtem  fingerzeige  vorhanden  sind  oder  die  von 
Ejessling  angenommenen  nicht  als  zutreffend  erscheinen,  während 
keiner  der  einfügung  ins  j.  22  widerstrebt,  es  ist  ja  auch  natürlich 
anzunehmen,  dasz  die  episteldichtung  des  Hör.,  die  erst  im  sommer  23 
begonnen  hat,  nicht  schon  22  ganz  pausiert  haben  kann. 

Vom  neunzehnten  briefe  ist  schon  die  rede  gewesen;  vom 
siebzehnten  ist  zu  sagen,  dasz  äuszere  anzeichen  die  abfassungs- 
zeit  in  keiner  weise  bestimmen,  dasz  der  brief  aber  auch  mit  keinem 
woi-t  an  die  krisis  des  j.  21  erinnert,  dasz  Hör.  hier,  wie  ich  in 
'k.  u.  h.'  III  s.  41  bemerkt  habe,  unbefangen  auf  seine  Stellung  zu 
Maecenas  hinschaut  und  mit  ruhe  und  heiterkeit  über  der  heikein 
frage  steht ,  die  er  behandelt,  wenn  aber  Kiessling  meint,  die  ab- 
fassung  müsse  deshalb  in  eine  zeit  fallen,  in  der  das  Verhältnis  des 
dichters  zu  Maecenas  felsenfest  gestanden,  also  in  die  zeit  nach  über- 


318    ThOesterieu:  die  reihenfolge  der  briefe  des  ersten  bncbs  yon  Eor. 


wmdting  der  krisis  von  21,  nicht  zu  lange  vor  herausgäbe  des  buchs, 
so  kann  dag  nach  allem  bisherigen  nicht  richtig  sein,  ^feisenfest' 
ist  überhaupt  zu  viel  gesagt:  im  privaüeben  wie  im  öfiTentlichen  bat 
8chon  £0  manche  freundächaft  ''fei&enfei^tf  turmhoch*  dazustehen 
geschienen ,  und  doch  bat  sie  mit  der  zeit  leichte  risse  bekommen 
oder  schwere  ersthülterungen  erlitten,  so  war  es  nach  Tacitus  ab  exe, 
III  30  zwibcben  Maecenas  und  Augustus»  wenn  Tacitus  zunächst  von 
Sallustius  Crispuö  redend  sagt:  aetate  proveda  spedem  magis  in 
amicUia  prindpis  quam  vim  tenuUy  und  dann  fortfährt:  idque  d 
Maeeenati  dcciderat^  fato  potent iae  raro  sempUernaey  an  satias  capU 
atU  ^os^  cum  omnia  inbuetiifit^  atU  hoSy  ami  iam  nihä  rdiquum  est 
quoä  cupiant;  und  fihnlich  wenigstens  war  es  zwischen  Hör*  und 
Maecenas  vom  j.  21  an,  und  in  die  zeit  von  da  an  passt  der  brief 
durchaus  nicht,  aber  vortreSlich  in  die  zeit  vorher ^  22,  und  zwar, 
wie  ich  annehme,  in  dessen  erste  hälfte.  von  krisis  war  damals 
äuszerlich  wenigstens  noch  keine  spur  vorhanden. 

Der  zweiten  hälfte  nemtich  scheinen  der  vierzehnte  und 
sechzehnte  brief  anzugehören ,  welche  beide  den  preis  des  lebans 
auf  dem  lande  singen,  zugleich  aber  in  keiner  silbe  einen  Zusammen- 
hang mit  der  conflictszeit  verraten,  ä,o  viel  scheint  sicher,  dasz  der 
iod  des  bruders  von  Äelius  Lamia,  welcher  Hör.  in  Rom  zurückhält, 
in  einer  zeit  erfolgt  ist,  wo  er  sonst  unfehlbar  auf  dem  lande  ge- 
wesen wäre;  sonst  hätte  die  klage  Über  die  entfernung  von  dort 
keinen  rechten  halt»  also  kommen  wir  damit  in  den  sommer;  in 
den  Spätsommer  weist  dann  in  16  scptemlrünis  horis,  eine  Zeitbestim- 
mung die  nicht  reine  phantasie,  sondern  die  Wirklichkeit  zur  grund* 
läge  hat«  wenn  nun  Kiesäüng  meint  'wahrscheinlich  September  21, 
als  Hör.  ganz  besondere  Veranlassung  hatte  sich  die  annehmlich- 
keilen  seines  besitzes  und  zugleich  die  erforde  misse  zum  gldcklichen 
leben  vor  die  seele  zu  stellen^,  so  bemerke  ich,  dasz  der  brief  nach 
der  kurzen,  aber  schalkhaft  ironisch  gehaltenen  Schilderung  des  guts 
hauptsächlich  den  zweck  verfolgt,  einen  scheinbaren  gönner,  der 
Hör.  wegen  des  viel  wesens^  das  er  aus  seinem  gute  macht,  hänseln 
will,  in  die  schranken  zu  weisen  und  ihn  lieinerseits  wegen  seines 
nur  vor  den  äugen  der  weit  bestehenden  glucks  zu  katechisieren, 
da  liegt  noch  keine  spur  von  den  gedanken  vor ,  die  ihn  in  7  be- 
wegen. 

Somit  möchte  ich  zusammenfabsend  und  mit  der  ausdrücklichen 
bemerkung,  dasz  im  ganzen  die  Verweisung  in  die  jähre  23  und  22 
weniger  sicher  ist  als  die  in  die  2  folgenden,  die  reihenfolge  der 
episteln  so  bestimmen : 

jähr  23  vom  sommer  an;  13.  4.  2.  5.  6 

-  22:  19.  17.  14.  16 

-  21:9.7.10.3.15 

-  20:  20.  11,  8.  18.  12.  1. 

zu  bedauern  ist  natürlich,  dadz  Hör.  bei  der  herausgäbe  sich  ent- 
fernt nicht  an  die  Zeitfolge,   sondern  an  ein  im  einzelnen  nicht 


und  das  Terh&ltniB  zwischen  Hör.  und  Maecenas  Tom  j.  21  an.    319 

erkennbares  princip  gehalten  hat  oder  auch  rein  willkürlich  ver- 
ehren ist 

So  yiel  scheint  mir  durch  die  bisherige  Untersuchung  festge- 
stellt, dasz  am  ende  des  j.  20  das  Verhältnis  zwischen  Hör.  und 
Maecenas  nicht  in  seiner  ursprünglichen  gestalt  wiederhergestellt, 
dasz  eine  noch  ungelöste  Spannung  vorhanden  war,  ohne  dasz  der 
Ton  Hör.  nicht  gewünschte,  aber  als  möglich  angesehene  und  unter 
omstSnden  als  nötig  erkannte  bruch  eingetreten  wäre,  das  konnte 
nor  das  verdienst  des  Maecenas  sein. 

Und  wie  nun  weiter?  geben  uns  die  von  Hör.  selbst  gelieferten 
oder  vpn  anderer  seite  vorhandenen  notizen  darüber  klare  auskunft, 
dasz  das  Verhältnis  sich  auf  irgend  welche  weise  in  seiner  alten  stärke 
wiederhergestellt,  dasz  Hör.  oder  Maecenas  nachgegeben,  oder  dasz 
sich  ein  compromiss  zwischen  beiden  gebildet  habe  ?  nein. 

Dasz  im  Carmen  saeculare  für  eine  hindeutung  auf  Maecenas 
kein  räum  war ,  sondern  hier  alles  hinter  der  uirhs  Borna  in  erster, 
Augostus  und  Vergilius  in  zweiter  linie  zurücktreten  muste  (s.  'k. 
n.  h.'  HI  s.  121  f.),  ist  selbstverständlich,  anders  steht  es  schon  im 
vierten  odenbuch.  zwar  ist  hier  Hör.  gewissermaszen  gebunden 
durch  die  ihm  von  Augustus  auferlegte  nötigung  den  preis  der 
Neronen  und  damit  auch  den  des  Augustus  zu  singen:  eine  Wid- 
mung an  Maecenas,  eine  anknüpfung  an  prima  aide  mihi,  summa 
tkcende  camena  war  ausgeschlossen ,  und  Hör.  hat  überhaupt  keine 
Widmung  angebracht ,  vielmehr  mit  dem  nach  meiner  ansieht  (s.  ^k. 
XL  h.'  ni  8.  54  ff.)  scherzhaften  eingangsgedicht  eine  entschuldigung 
vorgebracht,  dasz  er,  der  alte  überhaupt  noch  einmal  zur  leier  greife. 
aber  wenn  er  nun  doch  alle  möglichen  stoff'e  zusammensucht,  um 
seiner  neuen  samlung  möglichst  das  aussehen  der  manigfaltigkeit 
und  frische  zu  geben,  so  kann  es  doch  etwas  auffallen,  dasz  der  ein- 
zige und  letzte  klang  für  Maecenas  das  elfte  lied  ist,  dessen  ab- 
fassungszeit  unbestimmt  bleiben  musz,  aber  wahrscheinlich  nahe  an 
die  zeit  des  erscheinens  des  vierten  buchs  hinanreicht. 

An  herzlicbkoit  zwar  scheint  es  nichts  zu  wünschen  übrig  zu 
lassen ,  wenn  es  da  nach  der  Schilderung  des  muntern  treibens  in 
seinem  hause  heiszt:  Idiis  tibi  sunt  agendae  .  .  iure  soUemnis  mihi 
sanäiorque  paene  natali  proprio  j  quod  ex  hac  luce  Maecenas  meus 
aäfluentes  ordinat  annos,  aber  bemerken  wir  wohl :  das  lied  ist  nicht 
an  Maecenas  gerichtet,  wie  früher  so  viele  satiren,  epoden,  öden  und 
episteln,  sondern  redet  von  ihm,  der  sieher  nicht  persönlich  an- 
wesend ist,  in  der  dritten  person,  und  die  zweite  hälfte  nimt  die 
geschichte  mit  Phyllis  ein ,  offenbar  darauf  angelegt ,  das  interesse 
des  lesers  nach  einer  andern  seite  zu  lenken  und  mit  der  gewinnung 
der  trauernden  Phyllis  und  dem  scheinbaren  geständnis  der  ^letzten 
liebe'  einen  heitern  eindruck  zu  machen.  Hör.  will  es  sicher  an  fest- 
licher begehung  des  tages  wie  sonst  nicht  fehlen  lassen  und  will 
das  mit  seinem  lied  auch  nach  auszen  bezeugen;  aber  ein  beweis, 
dasz  alles  wie  früher  gestanden,  ist  aus  diesem  liede  nicht  zu  ent- 


OÄpeltr  zu  Piatont  Philebos. 

nebmen.  stünde  alles  wie  froher,  frei  und  unbefangen,  so  müste 
man  in  diesem  gedieht  etwas  mehr,  und  wohl  im  vierten  bnch  etwas 
mehr  als  dieses  gedieht  erwarten,  könnte  es  nicht  scheinen,  dasz 
um  diese  2eit  Maecenas  fdr  Hör.  etwas  hinter  Angustus  zurttckge- 
treten  sei? 

Auf  ähnliche  gedanken  kommt  man ,  wenn  in  den  drei  groszen 
briefen  des  zweiten  buchs  Maecenas  überhaupt  nicht  genannt  ist^ 
weshalb  wir  auf  die  abfassungszeit  der  einzelnen  auch  gar  nicht 
einzugehen  brauchen,  ob  man  dieselben  nun  wie  früher  meist  in  die 
zeit  nach  dem  vierten  odenbuch  verlegt  oder  wie  Kiessling  etwa  in 
die  jähre  zwischen  20^ — 14.  trotz  der  adresse  an  Augustus,  Julius 
Florus  und  die  Pisonen  wäre  irgend  eine  bezugnahme  auf  Maecenas 
(ähnlich  wie  etwa  scU,  I  10,  81)  als  kiinstkenner  besonders  in  II  1 
nicht  unmöglich  gewesen,  wenn  Hör  sie  für  passend  gehalten  hätte. 

Und  nun  Suetonius?  er  bringt  zwar  einzelheiten,  die  wir 
sonst  nirgends  erfahren,  aber  nichts  gerade  über  die  frage,  die  uns 
hier  beschäftigt,  das  citat  der  verse  ni  te  tyiscerihus  mm,  Horcttij 
plus  iam  diligo  usw.  bestätigt,  wa^«  wir  sonst  Über  die  steigende 
intimitfit  zwischen  Hör.  und  Maecenas  in  früherer  zeit  wissen;  von 
der  geschichtlich  feststehenden  knsis  nimt  er  keine  notiz,  also  auch 
nicht  von  ihrer  lösnng  oder  nichtlösnng.  und  wenn  er  das  wort  des 
Maecenas  an  Augustus  anführt:  Horatii  Flacd  ut  mei  memor  esto^ 
80  ist  das  wohl  aus  dem  testament  des  Maecenas  genommen,  von 
dessen  abfassungszeit  wir  nichts  wissen  und  das  unverändert  ge- 
blieben sein  kann  bei  dem  bleibenden  interesse  des  Maecenas  fto 
den  dichter. 

Es  mag  sein ,  dasz  meine  ausfuhrungen  über  die  zeit  nach  20 
von  manchen  in  das  gebiet  der  conjectur  verwiesen  werden;  für  die 
zeit  vor  dem  schlusz  des  ersten  buchs  der  episteln  glaube  ich  einige 
beachtong  in  ansprucb  nebmen  zu  dürfen, 

Stuttgart.  Theodor  Oesterlen* 


(320 

ZU  PLATONS  FHILEBOa 


49  •  TTuiC  oöv  T^pvo^ev  bixa  X^ync;  einige  geringere  hss.  haben 
T^|iVU»^ev.  sonst  keine  Variante,  dasz  die  werte  ^  wie  sie  dastehen, 
nicht  haltbar  sind,  leuchtet  ein.  ich  glaube,  T^|iV0]Liev  ist  der  rest 
des  participiums  T€fiv6|i€V0V  *inwiefern  nennst  du  es  ein  zwiefach 
geteiltes?'  zu  dem  part.  vgl.  PhiU  12*  xaöÖ*  outujc  6^oXoYOUM€vd 
<paT€  i\  7TUIC  (wo  übrigens  Bodl,  und  sein  anhang  auch  hat  ö^0• 
XoTOÖf4ev  ä  cpate).  22*  oub*  av  tüjv  beuxepeiuiv  i]hov^  pctöv 
dXriOtuc  öv  X^YOiTO.  34  ^'  biacp^poucav  X^tomcv-  Ges.  893  *•  \if\u 
Yctp  ouv  tauta  oötujc  ^x^via.  900*  6€oTc  oßre  }x4^a  oötc  CjitKpdv 

TU)V  TOIOUTÜJV  M€TÖV  ipOÖ^ltV* 

Weimar.  Otto  Apelt. 


ROehler:  die  häfen  von  Karthago.  321 

37. 

DIE  HÄFEN  VON  KARTHAGO. 

EINE  TOPOGkRAPHISOHE  STUDIE. 


Bisher  nahm  man  fast  allgemein  an ,  dasz  die  zwei  südlich  von 
der  colline  de  Saint-Louis  in  der  niederung  an  der  küste  liegenden 
teiche  die  reste  der  beiden  häfen  des  alten  Karthago  seien ;  und  zwar 
sah  man  in  dem  krummen,  nördlichen  den  Kothon  oder  kriegshafen, 
während  der  langgezogene,  südliche  teich  als  der  handelshafen  der 
panischen  hauptstadt  galt  da  veröffentlichte  von  Tunis  aus  hr.  C eci  1 
Torr  in  der  *classical  review'  von  1891  (V  6  s.  280 — 284)  eine  topo- 
graphische Studie  über  die  häfen  von  Karthago,  die  bis  jetzt,  so  viel 
mir  bekannt,  keinen  Widerspruch  erfahren  hat,  obwohl  sie  die  obige, 
znletzt  von  ChTissot  vertretene  ansieht  vollständig  über  den  häufen 
wirft,    der  gedankengang  der  Studie  ist  kurz  folgender: 

1)  Wenn  die  nach  dem  brande  368  vor  Ch.  neu  erbauten  220 
Schiffsschuppen  die  grösze  der  ungefähr  aus  gleicher  zeit  stammen- 
den athenischen  schiffsschuppen  hatten ,  so  müste  der  Kothon  ein- 
schlieszlich  der  in  ihm  liegenden  insel  einen  umfang  von  mindestens 
5638  engl,  fusz  (=  1718,5  m)  gehabt  haben;  nun  stehen  aber  nach 
Torrs  rechnung  nur  3500,5  engl,  fnsz  (==  1067  m)  zur  Verfügung  * ; 
wenn  also  die  karthagischen  schiffsschuppen  nicht  viel  kleiner  waren 
als  die  athenischen ,  so  kann  der  nördliche  teich  nicht  der  rest  des 
Kothon  sein. 

2)  Nur  wenn  die  häfen  von  Karthago  künstlich  durch  aus- 
grabung  geschaffen  waren ,  könnten  die  teiche  die  reste  derselben 
sein,  nun  sagt  zwar  Vergilius  Äen,  I  427,  dasz  die  ersten  ansiedier 
in  Karthago  häfen  ausschachteten,  und  Servius  erklärt  seine  worte 
portus  effodiunt  durch  Cothona  facitmt  und  fügt  noch  hinzu:  Gartha- 


^  Torr  hat  überall  schuppen  von  gleicher  länge  und  breite  ange- 
nommen; dagegen  sprechen  die  seitens  des  deutschen  archäologischen 
Instituts  in  Munychia  und  Zea  und  die  seitens  Cavallaris  in  Öjrakus 
angestellten  messungen,  sowie  die  aus  den  alten  Schriftstellern  (zb.  Appian 
VIII 121  —  123)  hervorgehende  thatsache,  dasz  die  Karthager  auch  kleinere 
schiffe  als  penteren  und  trieren  hatten,  wir  sind  weiter  zu  der  annähme 
berechtigt,  dasz  die  kürzesten  schuppen  auf  der  insel  lagen,  schon  um 
räum  für  das  commando- bauschen  zu  gewinnen,  ferner  hat  Torr  die 
länge  der  schuppen  mit  150  ft  («»  46,  7  ra)  zu  hoch  angesetzt,  legen 
wir  dagegen  die  längenraasze  der  schuppen  von  Munjchia  und  Zea 
—  40  m  für  die  längsten,  21,2  m  für  die  kürzesten  (auf  der  insel)  — 
der  rechnung  zu  gründe  (vgl.  Dörpfeld  in  den  irpaKTiKd  Tffc  dpxaioXo- 
TtKf\c  ^Taipiac  1885  s.  63  ff.  und  von  Alten  in  den  ^karten  von  Attika' 
I  14),  so  erhalten  wir  bei  einer  durchgängigen  breite  von  5,90  m  (ein- 
schlieszHch  der  Zwischenmauern,  Tgl.  anm.  17)  schon  198  schiffsschuppen. 
nehmen  wir  aber  für  die  schiffsschuppen  auf  der  insel,  im  Verhältnis 
zu  ihrer  geringern  länge,  nur  3,10  m  breite  (so  breit  sind  die  schmäl- 
sten in  Syrakus:  vgl.  Lupus  Stadt  Syrakus  im  altertum  s.  26)  an,  so 
«rhölit  sich  die  summe  der  schuppen  auf  225. 

JahrbQcher  für  class.  philol.  1893  hft.  4  u.  5.  21 


322 


ROehler:  die  hafeti  toq  Karthago. 


ginienses  Cothone  fossa  utuntur^  non  naiuraliportu  \  aber  dem  wider- 
spricht Peatus  u.  Cothonesi  CotJwnes  appeUantur  portus  in  mari 
interiores  arte  et  manu  facti*f  küß^tlitht}  häfen  iiB  meere  können  aber 
nur  durch  molen  gebildet  werden, 

3)  Der  Kothou  war  ohne  frage  der  auiazenbafen  in  Karthago : 
wenn  Feätus  das  wort  interiores  gebraucht,  so  schein l  er  damit  i;her 
einen  yom  meere  umgebenen  hafen  ak  einen  bafen  innerhalb  eines 
andern  zu  meinen,  allerdings  nennt  Strabon  XVII  3,  14  unerklär- 
licherweise'  die  Insel  in  dem  innem  hafen  Kolhon,  wenn  die  lesart 
richtig  ibt,  aber  in  §  15  spricht  er  richtig  von  der  mündung  des 
Kothon  I  indem  er  dieselbe  einfahrt  erwähnt»  welche  Appion  im  ein- 
zelnen altä  die  einfahrt  des  auszenhafens  bei^ehreibt.  Appian^  an- 
gäbe  hier  (YIII  121  vgl.  96)»  dasz  die  einfahrt  ou  Tidvu  iroppui  tflc 
ff^C  gewesen  sei,  ist  unerklärlich,  wenn  sie  nicht  wirklich  in  einiger 
entfern ung  vom  lande  und  deshatb  zwischen  zwei  molen  lag« 

4)  Der  einzige  hafen  auszerhalb  Karthagos,  der  auch  den  namen 
Kothon  hat,  ist  der  von  Hadrumetum.  dieser  um&tand  deutet  gewia 
darauf,  dasz  er  dem  von  Karthago  ähnlich  war.  nun  wird  die  nord- 
und  sadaeite  dieses  hafens  durch  2wei  geradlinige  molen  gebildet ; 
seine  ostseite  durch  einen  mit  der  convexen  Seite  nach  dem  meere 
zu  gekrümmten  dämm/  wenn  aUo  der  Kothon  von  Karthago 
wi  rklich  diesem  hafen  Ühnelte,  so  muste  er  aus  molen,  vielleicht  aus 
geraden  und  gekrümmten  gebildet  äsin.  als  beweis  für  seine  an* 
sieht  führt  Torr  die  stelle  des  Appian  Vni  127  an,  wo  derselbe  be- 
richtet^ dasz  es  in  Karthago  einen  viereckigen  und  einen  runden  teü 
des  Kothon  gab. 

5)  Die  häfen  von  Utica  ähnelten  sehr  wahrscheinlich  denen  von 
Karthago*  die  bisherige  annähme,  dasz  die  frühere  küstenlinie  durch 
den  rand  des  siimpfes  be2eichnet  werdCi  an  dem  die  ruinen  von  Utäca 
liegen,  ist  unrichtig:  denn  der  sumpf  läuft  gerade  in  die  orchestra 
des  theaters*,  und  da^  bisher  al»  Kothon  geltende  becken  ist  kein 
hafen :  denn  eine  ähnliche  Vertiefung  in  Karthago ,  in  deren  mitte 
sich  ähnlich  wie  in  Utica  ein  bau  werk  auf  einem  kleinen  hUgal 
erhebt  y  i^t  nach  einer  dort  gefundenen  inschrift  der  rest  einer 
thermenanlage«  auch  die  aus  derselben  zeit  stammenden  Lhermen 
(des  Caracalla?)  in  fiom  zeigen  ähnlichen  grundribz.^  demnach  ist 
auch  für  TJtica  anzunehmen ,  das2  die  häfen  durch  molen  gebildet 
waren. 


'  vielleicht  wurde  Strabon  durch  den  zweimal  vor  komm  enden 
griechischen  Insel  namen  Rothon  dtiEU  bewog-eo.  '  so  lang«  keio« 
umfasjiendeo  antgrabungen  in  Hadrnmetnm  angestellt  sind,  bleibt  ei 
unsicher,  ob  der  von  Torr  beschriebene  hafen  der  einzije;e  und  somit 
der  Kothon  war.  *  aber  sümpfe  können  sich  dodi  mit  der  zeit  ver- 

gr^ii/eml  ^  aus  der  Ähnlichkeit  des  grundrisses  allein  i^t  kein  zwingen» 
der  beweis  til>r,u1eiten :  hier  können  nur  umfassende  a»8;:rrMbungen  ent^ 
scheiden,  wie  findet  sich  ührlffens  Torr  mit  der  tliatKAohe  ab,  dasi  in 
einem  der  so hiffs schuppen  ein  Tierarmiger  antiker  »nker  gefunden 
worden  ist  (vgl.  0aux  les  emporia  philniciena  e.  171  unten)? 


ROehler:  die  h&fen  von  Karthago.  323 

6)  Der  innere  hafen  Yon  Karthago  mag  ganz  oder  teilweise 
durch  aossehachtung  hergestellt  gewesen  sein,  wenngleich  der 
ftnszere  hafen  durch  molen  gebildet  war. 

7)  Die  einfahrt  zum  ftuszem  hafen  Ton  Karthago  lag  nach 
Appian  YIII 121  in  der  nähe  der  landzunge,  welche  den  bee  von 
TnniB  vom  meere  trennt,  und  zwar  nach  Süden,  nicht,  wie  Appian 
sagt,  nach  westen.*  der  hafen  selbst  erstreckte  sich  längs  der  ost- 
koste  des  Vorgebirges,  möglich  iät,  dusz  der  viereckige  teil  des 
Kothon  auf  der  sQdseite  lag  und  die  linie  der  befestigungen  fort- 
setxte,  welche  den  winkel  (xtuvia)  bildeten,  während  der  runde 
teil  auf  der  nordseite  lag  und  die  rückwärts  nach  der  Byrsa  ziehende 
bogenlinie  der  hügel  fortsetzte. 

8)  Der  zu  ende  des  letzten  Seegefechtes  und  später  eine  rolle 
spielende  damm^  berührte  nur  mit  einem  ende  das  ufer;  er  lag 
aoszerhalb  des  auszenhafens ,  auf  der  süd-  oder  viereckigen  seite 
desselben. 

9)  Die  ruinen  im  meere  gegenüber  dem  südlichen  teicbe  ge- 
hören gewis  zu  einem  sehr  umfangreichen  molo. 

10)  Der  auszenhafen  bestand  aus  ^dem  ersten  hafen'  und  'den 
eanftlen'  und  umgab  beinahe  den  innern  (das  wort  iruXai  bei  Appian 
YIU  96  ae.  übersetzt  Torr  durch  'canäle'  und  belegt  diese  bedeu- 
tong  durch  drei  stellen),  für  seine  ansieht  macht  Torr  Piatons  be- 
schreibung  der  häfen  der  Atlantis  imKritias  (s.  113^;  115^ — 116*; 
117^')  und  Diodors  bericht  vom  hafen  Charmuthas  (III  44)  geltend. 
jene  beschreibung  gründet  sich  nach  ihm  auf  berichte ,  die  Piaton 
in  Syrakus  von  den  bäfen  Karthagos  erhielt,  und  diesen  hafen,  der 
nach  Diodor  dem  hafen  von  Karthago  vollständig  glich,  findet  Torr 
in  dem  hafen  Sherm  Yenbo\  'dem  unvergleichlich  besten  hafen 
zwischen  Ras  Muhammed  und  Dschidda*  (diese  worte  sind  eni- 
nommen  dem  Bed  Sea  Pilot)  wieder.^ 

*  MDusgate  hat  versucht  eine  erklärung  dieser  abweichuog  zu 
gehen  bei  Dureau  de  la  Malle  recherches  sur  la  topographie  de 
Carthage  s.  10  anm.  2.  "^  Torr  scheint  mir  hier  zu  irren,  wenn  er 

meint,  die  reiterei  habe  in  dem  gefecht  auf  dem  dämme  mitgewirkt: 
von  Appian  VIII  124  ae.  wird  berichtet,  dasz  infolge  des  nächtlichen 
angriffe  der  Kurthager  die  zum  schütze  der  belagerungsmaschinen  auf- 
gestellten Römer  fliehen,  und  dann  heiszt  es  weiter:  'die  raserei  dieser 
nackten  feiode  veranlaszte  überhaupt  durch  das  ganze  lager  der  Römer 
eine  bestürzung,  eine  Unordnung,  eine  furcht,  wie  sie  sonst  nie  darin 
stattgefunden  hatte,  iäcipio  selbst  geriet  hierdurch  in  solche  besorgnis, 
dasz  er  mit  einer  anzahl  reiter  auszen  (um  das  lager)  herumritt 
und  diesen  den  befcbl  gub  auf  ihre  eignen  leute  zu  schieszen,  wenn  sie 
das  fliehen  nicht  aufgäben.'  unter  dem  lager  kann  hier  wohl  nur  das 
grosze,  auf  der  schmälsten  stelle  des  isthmos  aufgeschlagene  gemeint 
sein:  denn  vom  dämme  sind  ja  die  Römer  bereits  verjagt,  jedenfalls 
hat  die  reiterei  nicht  am  gefecht  auf  dem  dämme  teil  genommen. 

^  der  hafen  von  Sherm  Yenlio^  ist  nicht  ein  durch  molen  gebildeter, 
künstlicher,  sondern  allem  anschein  nach  ein  natürlicher  hafen ;  die  im 
Kritias  beschriebenen  häfen  der  Atlantis  sind  künstliche,  aber  auf  dem 
lande  ausgeschachtete ,  mit  dem  meere  durch  canäle  in  Verbindung  ge- 

21» 


324 


ROehler:  die  Häfen  von  Karthago. 


Die  hauptresultate  seiner  erörterung  faazt  dann  Torr  folgender- 
maezen  zusammen:  'der  auszenhafen  war  durch  dämme  im  meere 
gebildet,  er  lag  an  der  ostseite  des  Vorgebirges  von  Karthago;  seine 
einfahrt  lag  am  stidende  nahe  der  landzunge  zwischen  dem  see  von 
Tunis  und  dem  meere.  am  südende  zwischen  der  kQste  und  der 
einfahrt  kg  ein  sehr  breiter  dämm,  wo  schiffe  ihre  ladang  löschen 
konnten ,  ohne  in  den  hafen  einzufahren,  die  ruinen  dieses  dammes 
sind  sichtbar  im  meere  gerade  im  norden  der  landzunge.  von  der 
andern  seite  der  einfahrt  lief  ein  schmalerer  dämm  parallel  der  küste 
eine  strecke  weit  und  krümmte  sich  dann  einwärts  zum  ersten  Vor- 
gebirge im  norden,  das  ende  des  dammes  wird  wahrscheinlich  durch 
die  trttmmer  im  meere  unter  diesem  Vorgebirge  bezeichnet,  der 
innenhafen  war  nahezu  vom  auszenbafen  umgeben»  aber  seine  läge 
ist  sonst  unbekannt  die  teiche  haben  nicht  das  geringste  mit  den 
httfen  zu  thun.' 

Unter  den  genannten  zehn  punkten  sind  nur  wenige,  mit  denen 
ich  mich  nach  eingebender  beschäftigung  mit  der  einschlägigen  litte- 
ratur  ganz  einverstanden  erklären  kann,  so  nehme  auch  ich  an^  dass 
die  einfahrt  zum  äuszern  hafen  zwischen  zwei  molen  in  der  nähe  der 
landzunge  nach  stlden  lag,  dasz  der  viereckige  teil  deg  Kothon  der 
südliche,  der  runde  der  nördliche  war,  femer  dasz  der  innere  bafen 
von  Karthago  durch  ausschachtung  hergestellt  war,  während  der 
äuszere  durch  molen  im  meere  gebildet  wurde,  weiter  dasz  der 
dämm  oder  quai  nur  mit  dem  ^inen  ende  das  ufer  berührte  und  end- 
lich ,  dasz  die  ruinen  im  meere  gegenüber  dem  südlichen  teiche  zu 
einem  sehr  umfangreichen  molo  gehören. 

Aber  diese  teilweise  Übereinstimmung  mit  Torrs  ausführnngen 
beschränkt  sich,  wie  man  siebt,  nur  auf  nebensächlicbe  umst&nde, 
in  der  hauptfrage  dagegen  bin  ich  zu  ganz  andern  ergebnissen  ge- 
langt, ich  habe  aber  nicht  die  absieht  Torr  im  einzelnen  zu  wider- 
legen, sondern  eine  ganz  unabhängig  von  ihm  geführte  Untersuchung 
soll  darthun,  wie  wenig  steine  aufstellnngen  gegründet  sind,  die- 
selbe wird  zunächst  feststellen,  was  die  nachrichten  der  alten  Über 
die  häfen  Karthagos  ergeben,  und  dann  weiter  fragen,  ob  sich  das 
80  gewonnene  bild  mit  den  topographischen  verhSltnissan  ver- 
einigen läszt. 

Unter  den  berichten  der  alten  Schriftsteller  über  die  häfen  ist 
der  ausführlichste  der  Äppians;  derselbe  ist  um  so  wertvoller,  als 
er  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  auf  Polybios  zurückgeht,  die  haupt- 
stelle VllI  96  lautet:  'die  häfen  lagen  so,  da^sz  man  aus  dem  einen 
in  den  andern  fahren  konnte;  die  einfahrt  in  dieselben  vom  meere 
her  war  70  fusz  breit  und  wurde  mit  eisernen  ketten  geschlossen, 
der  erste  hafen,  welcher  den  kanfleuten  überlassen  war,  war  voll 

MUte  häfcD.  unter  diesen  iim»tilnden  ist  e«  mir  unkUr,  wte  Torr  dazn 
kommt,  aua  der  grejsUlt  dieser  beiden  häfen  rückschlüese  auf  die  gtist^itt 
des  tkeiuir  h^pothese  nach  aus  inoleD  gebildeten  hufen«  von  Karthago 
z\t  machen. 


EOehler :  die  häfen  von  Karthago.  325 

zahlreicher  anlegestellen  manigfacher  art.^  in  der  mitte  des  innern 
hafens  lag  eine  insel,  und  diese  war  wie  der  bafen  selbst  mit  groszen 
boUwerken  eingefaszt.  diese  boUwerke  waren  bedeckt  mit  schiffs- 
schuppen,  die  für  220  schiffe  eingerichtet  waren;  über  den  schiffs- 
schuppen  lagen  zeugkammern  zur  aufbewahning  der  gerate  der 
kriegsschiffe.  an  der  Vorderseite  jedes  schiffsscbuppens  standen  zwei 
ionische  seulen,  welche  das  aussehen  des  hafens  und  der  insel  in  das 
bild  eines  rundumlaufenden ^°  seulenganges  verwandelten.**  auf 
der  insel  war  ein  commando-häuschen  für  den  admiral  erbaut:  von 
hier  aus  hatte  der  trompeter  die  Signale  zu  geben,  der  herold  die 
befehle  zu  verkünden ,  der  admiral  die  aufsieht  zu  führen,  die  insel 
lag  nemlich|der  einfahrt  gegenüber  und  war  so  sehr  hoch  angelegt, 
damit  der  admiral  alles  beobachten  konnte,  was  von  der  hohen  see 
her  sich  näherte,  während  die  von  auszen  heransegelnden  nicht  deut- 
lich wahrnehmen  konnten,  was  im  innern  vorgieng.  und  selbst  wenn 
sie  einliefen ,  hatten  die  kauffahrer  die  schiffsbäuser  nicht  geradezu 
im  gesiebt,  denn  eine  doppelte  mauer  umgab  dieselben ,  und  thore 
führten  die  kaufleute  direct  in  die  stadt,  ohne  dasz  sie  die  schiffs- 
bäuser zu  passieren  brauchten.' 

Eine  zweite  stelle  desselben  Schriftstellers  gibt  uns  einige  an- 
haltspunkte  über  die  gestalt  des  Eothon.  hier  heiszt  es  (VIII  127): 
^zu  beginn  des  frühjahrs  griff  Scipio  die  Bjrsa  und  denjenigen  von 
den  häfen  an,  der  Eothon  hiesz.  Hasdrubal  aber  steckte  nächtlicher- 
weile den  viereckigen  teil  des  Eothon  in  brand.  während  er  aber 
(hier)  einen  neuen  angriff  Scipios  erwartete  und  die  Earthager  ihre 
ganze  aufmerksamkeit  nach  dieser  seite  richteten,  erstieg  Laelius 
unbemerkt  auf  der  andern  seite  den  runden  teil  des  Eothon.  das 
geschrei,  welches  seine  leute  erhoben,  als  wäre  der  sieg  schon  er- 
fochten, setzte  die  Earthager  in  schrecken,  und  nun  stiegen  die 
Bömer  von  allen  Seiten,  ohne  sich  um  die  feinde  zu  bekümmern,  mit 
gewalt  hinauf,  indem  sie  balken,  maschinen  und  bretter  über  die 
Zwischenräume  legten  .  .  .  nachdem  die  mauer  um  den  Eothon 
herum  erobert  war,  besetzte  Scipio  den  nahe  gelegenen  markt- 
platz.' 

Verbinden  wir  mit  diesen  beiden  stellen  noch  eine  des  Strabon 
8.  832,  14  ae. ,  wo  es  heiszt :  'unter  der  bürg  liegen  die  häfen  und 
der  Eothon ,  ein  rundes ,  von  einem  panal  umgebenes  inselchen ,  zu 
dessen  beiden  Seiten  ringsum  schiffsbäuser  liegen',  so  kommen  wir 
zu  folgenden  ergebnissen : 

1)  Earthago  hatte  zwei  mit  einander  in  Verbindung  stehende 
häfen  mit  einer  gemeinsamen  einfahrt  von  70'  breite. 

2)  der  erste  hafen  dh.  der  auszenhafen  —  denn  der  andere 


'Dareau  de  la  Malle  recherches  aar  la  topographie  de  Car- 
thage  8.  15  anm.  1  legt  das  wort  ireicfiaTa,  wie  ich  jetzt  sehe,  ebenso 
aus.  >•  vgl.  Beul^  fouilles  k  Carthage  s.  91.  "  dh.  hafen  und 

insel  sahen  aus  wie   ein   sealengang,  in   Wirklichkeit   war  aber  kein 
sealeng  an g  da.    vgl.  Beul^  ao.  s.  91  u.  anm.  14. 


ROehler:  die  büfen  von  Karthago* 


wird  im  gegen satz  zu  ihm  ak  der  innere  bezeicbnet  —  war  der  hau- 
delshafen.  ** 

3)  Der  innere  war  der  kriegsbafen  nnd  biesz  Eotbon;  er  lag  in 
der  näbe  des  tnarkt^platzes. 

4)  Der  dem  mark tpl atz  und  der  Byrea  zunSehstHegende  teil 
des  Kothon  war  kreisrund,  in  seiner  mitte  lag  ein  kreisrundes,  von 
einem  canal  umgebenes  inselchen  j  der  entgegengesetzte  teil  war  vier- 
eckig, hafen  und  in  sei  waren  von  groszen  boll  werken  eingefaszt, 
welche  ecbiB^Bbäueer  für  220  schiffe  bedeckten;  diese  hatten  an  ihren 
Vorderseiten  je  zwei  ionische  seulen. 

5)  Auf  der  inael  erhob  sieb  das  commandohäuschen  desadrairals, 
dasselbe  hatte  eine  so  bobe  läge,  damit  der  admiral  alles  beobachten 
konnte^  was  sich  von  der  hohen  see  her  näherte. 

6)  Der  kriegahafen  war  mit  einer  doppelten  mauer  umgeben, 
welche  den  einblick  in  das  innere  selbst  dann  erschwerte,  wenn  man 
in  den  han delshafen  einlief. 

7)  Die  kaufleute  gelangten  dorch  tbore  direct  in  die  atadt«  ohne 
den  kriegshafen  zu  betreten. 

Das  bild,  welches  wir  uns  danach  vom  Kothon  zu  machen  baben^ 
wird  noch  vervollstfindigt  durch  folgende  stellen,  die  sich  gegen- 
seitig ergänzen:  Festus  udw.  Cothünes  appeUaniur  portus  in  mort 
mteriores  arte  et  manu  faäi.  Verg.  Aen.  I  427  hk  porius  alii  effo* 
diunt-  und  dazu  Servius  erleuterung:  i.  e.  Coihcna  faciunt.  et  vere  aü^ 
nam  Carthaginienses  Cothone  fossa  ufuntur^  non  naturali  poriu*  aus 
diesen  stellen  geht  hervor,  dasz  die  alten  unter  Kothon  ein  am 
meere  gelegenes,  künstlich  im  u  Ter  ausgeBcbacbteteB 
bafenbecken  verstanden,  eine  deutung  die  durch  eine  bisher 
noch  nicht  als  beweis  hierfür  angezogene  stelle  Appians  bestätigt 
wird:  dieser  erzählt  VIII  121  von  dem  dämme,  den  die  Römer  von 
der  landzunge  aus  ins  meer  hineinbauten  und  in  gerader  richtung 
bis  an  die  einfahrt  der  bäfen  ausdehnten,  um  dieselbe  zu  sperren. 
die  Karthager  kümmerten  sich  anfangs  wenig  um  den  dämm ,  weil 
sie  ihn  für  ein  werk  hielten ,  das  lange  zeit  erfordere,  vielleicht  un- 
möglich sei,  wie  er  aber  weiter  fortschritt,  beiszt  es  dort  weiter, 
*da  gerieten  sie  in  furcht  und  gruben  nun  auf  der  andern  seite  des 
hafens  eine  neue  mündung,  mitten  ins  meer  hinaus«  dorthin 
konnte  kein  dämm  geführt  werden  teils  wegen  der 
tiefe  des  meeres,  teils  wegen  der  gröszern  heftigkeit 
der  winde,  weiber  und  kinder  musten  an  der  arbeit  des  grabena 
mit  teilnehmen ,  die  sie  von  innen  heraus  begannen  und  h(kib^t  ge* 
heim nis voll  betrieben',  aus  diesen  worten,  meine  ich,  ergibt  sich 
deutlich ,  dasz  der  Kotbon  ein  durch  ausscbachtung  im  meeresufer 


**  da«  scheint  auch  aus  Appian  VIII  \%1  hervorca geben:  denn  weoo 
dar!  gesagt  wird,  dass  die  karthagischen,  am  einlaufea  gehiodertea 
ftohiffe  an  oltiem  dämme  anlegtet},  wo  die  kanfleute  ihre  waren  ani- 
safttelten  pflegten .  so  spricht  auch  dies  wohl  dafür,  dass  der  anaien- 
hafen  der  baudeUbafen  war. 


BOehler:  die  h&fen  von  Karthago.  327 

künstlich  hergestelltes  hafenbecken  war:  denn  wenn  die  Bömer 
wegen  der  tiefe  des  meeres  und  der  heftigkeit  der  winde  keinen 
dämm  dorthin  führen  konnten,  so  konnten  die  Karthager  ans  dem 
gleichen  gründe  dort  keinen  molo  anlegen,  auch  hätten  beim  durch- 
brechen eines  künstlichen  und  hier  jedenfalls  besonders  fest  gebauten 
molo  weiber  und  kinder  höchst  mangelhafte  dienste  geleistet,  wäh- 
rend sie  beim  durchbrechen  einer  zum  gröszern  teil  aus  erde  be- 
stehenden schiebt  ganz  gut  zu  gebrauchen  waren. 

um  nun  zu  sehen,  ob  diese  allein  aus  den  schriftquellen  ge- 
wonnenen ergebnisse  mit  den  topographischen  Verhältnissen  im  ein- 
klange  stehen,  wollen  wir  dieselben  an  dem  groszen  plan  des  däni- 
schen kriegsschififscapitäns  und  generalconsuls  in  Tunis,  CT  Falbe 
prüfen,  einer  arbeit  die  von  allen  fachmännem  als  äuszerst  gewissen- 
haft bezeichnet  wird. ''  auf  diesem  plane  sehen  wir  südwestlich  von 
dem  als  Bjrsa  bezeichneten  hügel,  der  heutigen  colline  de  St.  Louis 
(n.  52  auf  dem  plane) ,  in  der  niederung  zwischen  dem  hügel  und 
der  küste  zwei  grosze  teiche;  der  südliche  hat  langgezogene,  der 
nördliche  runde  gestalte  in  letzterm  liegt^  durch  eine  schmale  zunge 
im  norden  mit  dem  lande  verbunden,  eine  runde  insel*^,  auf  der 
sich  deutliche  mauerspuren  erhalten  haben,  mauerspuren  umziehen 
auch  beide  teiche  in  geringem  abstände  von  der  Wasserfläche,  nur 
an  drei  stellen  fehlen  dieselben :  östlich  von  dem  runden  teiche  (n.  50 
auf  dem  plane)^  südlich  von  ihm  auf  der  grenze  zwischen  dem  runden 
und  dem  langgezogenen  teiche  und  am  südende  des  letztem  (n.  42). 
die  lücke  n.  50  ist  nach  Falbe  recherches  s.  21  ungefähr  200  Par. 
fusz  (=  65  m),  die  lücke  n.  42  ungefähr  150  Par.  fusz  (=  49  m) 
breit,  die  breite  der  lücke  zwischen  den  teichen  ist  von  Falbe  nicht 
angegeben;  nach  Beul6  fouilles  k  Carthage  s.  113  beträgt  sie  unge- 
fähr 23  m;  südöstlich  von  n.  42  treffen  wir  auf  die  ruine  n.  41, 
welche  nach  Falbes  beschreibung  ao.  aus  zwei  parallelen  mauern  be- 
steht, die  je  nach  10 — 12'  entfernung  durch  quermauem  verbunden 
sindy  welche  gewölbe  tragen,  die  trümmerspuren  gehen  bis  zu  der 
lücke  n.  42,  die  nur  sand  zeigt;  unmittelbar  darauf  begegnen  wir 
wieder  resten  von  mauern,  ähnlich  denen  bei  n.  41,  und  diese  ziehen 
dann  von  dem  punkte  n.  44  die  küste  entlang  zuerst  in  nördlicher, 


*^  recherches  aar  remplacement  de  Carthage  parCTFalbe,  Paris 
1883,   mit  Rtlas  in  fol.  *^  es  ist  eine  insel,  keine  halbinsel:  denn 

wie  Benins  ansgrabangen  ergeben  haben,  zeigt  der  die  insel  mit  dem 
lande  verbindende,  9«60  m  breite  dämm  in  der  mitte  eine  unterbrechnng 
von  4,55  m  breite;  resie  von  halbsealen  ionischer  Ordnung,  die  bestimmt 
waren  in  die  mauer  eines  gebäudes  eingelassen  bu  werden,  sind  auf  der 
insel  und  nnter  dem  groszen,  ringsamlaufenden  quai  gefunden  worden 
(Benl^  fouilles  k  Carthage  s.  100  u.  108).  wenn  man  nun  mit  Ben\4 
aus  diesen  fanden  Rchlieszt,  dasz  es  keine  sealen,  sondern  halbsealen 
waren,  die  einst  an  den  Stirnseiten  der  die  schiffsschappen  trennenden 
Zwischenmauern  standen,  so  versteht  man  erst  den  aasdruck  Appians 
Vin  90:  'welche  das  aussehen  des  hafens  und  der  insel  in  das  bild 
eines  randumlaufenden  seulenganges  verwandelten.*     vgl.  anm.  11. 


328 


EOehler:  die  häfen  voe  Karthago. 


Ton  ß.  50  an  in  nordöstlicher  richtuiig,  das  gelände  zwischen  dem 
meere  und  den  beiden  teiehen  liegt  auf  dieser  strecke  (n.  44 — 50) 
nach  Falbe  20—25  Par.  fusz  (^«^  6,5 — ^8  m)  über  dem  meeresspiegel^ 
bei  m  50  senkt  es  sich  plötzlich  auf  eine  strecke  von  200  Par.  fnez 
(b^  65  m),  um  dann  wieder  zu  der  anfänglichen  höhe  emporzusteigen« 
der  niedrige ,  sandige  räum ,  welcher  hier  bei  n.  50  den  nördlichen 
teich  n.  48  vom  meere  trennt,  zeigt  wie  der  bei  n.  42  keine  spur 
von  den  trümmem,  mit  denen  die  übrige  küste  bedeckt  ist.  auch 
liegen  hier  nur  wenige  felsen  und  tief  unter  wasseri  währeud  sonst 
die  felsen  mehr  oder  minder  dicht  unter  dem  Wasserspiegel  vor  der 
ganzen  kUste  lagern. 

Wenden  wir  uns  wieder  nach  n«  44  zurück,  so  sehen  wir,  daee 
die  antiken  trümmer  hier  eine  trapezartige  figur  (nr.  44.  45*  46.  47) 
bilden^  sie  bezeichnet  die  reste  eines  gewaltigen  dammes.  die  mäch* 
tigen  felsblöcke,  ans  denen  er  besteht,  liegen  nur  zum  kleinem  teil 
Über  Wasser,  zum  gröszern  12  Par,  fusz  (ca.  4  m)  unter  wasser. 
ebenso  erstreckt  sich  von  der  ruine  n,  41  aus  in  gerader  richtung 
auf  n.  45  die  spitze  des  genannten  dammes,  ein  noch  längerer, 
gleichfalls  aus  mächtigen  felshlöcken  bestehender  dämm,  der  fast 
ganifi  unter  wasser  steht,  seine  masze  betragen  nach  Tissot  I  s.  611 : 
160  m  bei  n.  41  und  90  m  bei  n.  45.  diesen  dämm  hielt  man  bis  anf 
Torr  fast  allgemein  für  den  von  Äppian  (VIII  121)  beschriebenen, 
durch  welchen  Scipio  die  hafeneinfahrt  zu  bperren  suchte,  dem  steht 
aber  entgegen ,  dasz  die  von  Äppian  angegebenen  masze  (24  fnsa 
über,  96  unter  wasser)  viel  zu  klein  sind  im  Verhältnis  zu  den  90 
bzw.  160  ra,  die  er  in  Wirklichkeit  miszt.  wenn  es  aber  Scipios 
dämm  nicht  sein  kann,  so  bleibt  nur  die  deutung  übrige  dasz  es  ein 
molo  ist.  wir  hätten  demnach  hier  eine  künstlich  durch  zwei  ge- 
waltige molen  gegen  nord  ,  nordost ,  stidost-  und  süd winde  geschützte 
bucht,  deren  landseite  ruinen  trägt,  die  das  ufer  in  gleich mäszigem 
abätande  begleiten,  eine  derartige  bucht  wird  aber  jeder  einen  hafen 
nennen  und  in  den  am  ufer  h in zi iahenden  ruinen  die  reste  seiner 
bollwerke  sehen,  welchen  von  den  beiden  häfen  Karthagos  wir  hier 
vor  uns  haben,  darüber  kann  wohl  kein  zweifei  sein:  schon  Appians 
ansdruck  npujioc  Xi^irjv  entscheidet»  auch  würden  wir  vergebens  nach 
der  insel  suchen,  die  in  der  mitte  des  kriegshafens  lag.  '^ 


*^  Tennailioh  war  der  umfnng  dea  hafent  etwaa  gr'öszer  &1b  der  der 
jeUigen  bucht:  auf  deoi  plane  von  Falbe  sehen  wir  Dcmlich  an  der 
»tellef  wo  die  landzuoge  ao  den  iathmos  von  Karthago  ansetzt,  eine 
kleine  mit  dem  Bee  von  Tnnii«  in  Verbindung  dtehende  lagune,  deren 
öütliche  canalartige  fortsetsungr  fast  die  franse  landziinge  durchschneidet 
und.  nur  durch  einen  ca.  th  m  breiten  sandatreif^n  vom  meere  getrennt, 
hinler  dem  fuazpunkt  des  molo  endigt,  auch  die  bollvf^erkruineu  n.  41 
liegten  aum  teil  hinter  diesem  fnBspnnkte,  mlUsen  aber  doch  einst,  Ihrer 
bestimmung  nach,  unmittelbar  am  wasser  geleiren  haben,  diese  topo- 
graphischen thatsachen  le^en  den  gedanken  nahe,  dasz  der  handels- 
bafen  nicht  nur  einst  grOszer  war  als  die  heutig'e  bucht,  sondern  da»s 
«r   vielleicht   eine   direele   Verbindung  mit  dem  see   Ton  Tnxiia  hatte. 


ROehler:  die  häfen  von  Karthago.  329 

Man  könnte  nun  einwerfen,  dasz  dieser  hafen  im  Verhältnis  zu 
der  ausdehnung  des  karthagischen  handeis  und  der  dadurch  be- 
dingten gewaltigen  grösze  seiner  handelsflotte  doch  wohl  zu  klein 
sei.  dieser  einwand  würde  schwerwiegend  sein ,  wenn  dieser  hafen 
die  einzige  stelle  in  der  nächsten  Umgebung  von  Karthago  wäre,  wo 
schifife  vor  wind  und  wellen  geschützt  ankern  könnten;  so  aber  be- 
sasz  Karthago  auszer  seinen  künstlichen  häfen  noch  drei  natürliche 
reeden.  *• 

Nachdem  wir  somit,  wie  ich  glaube,  den  handelshafen  von  Kar- 
thago gefunden  haben,  bleibt  noch  übrig  den  kriegshafen,  den  Kothon, 
za  ermitteln,  und  da  bieten  sich  fast  ungesucht  die  beiden  teiche 
dar.  nun  erst  gewinnt  die  lücke  n.  42  in  den  den  südlichen  teich 
umgebenden  trümmerzügen  eine  bedeutung:  wir  haben  hier  den  49  m 
breiten  verbindungscanal  zwischen  dem  teich  und  dem  handelshafen 
vor  uns.  nun  fand  sich  aber,  wie  wir  oben  gesehen  haben,  eine 
zweite  derartige  lücke  zwischen  dem  langgezogenen  südlichen  und 
dem  nördlichen  runden  teiche  von  ca.  23  m  breite  und  eine  dritte, 
65  m  breite  bei  n.  50,  welche  letztere  sich  sogar  bis  ans  meer  fort- 
setzte und  zu  Falbes  zeiten  in  deutlich  erkennbarer  Senkung  die 
sonst  ununterbrochen  auf  dem  uferrande  von  n.  44 — n.  99  fortlaufen- 
den mauerreste  plötzlich  unterbrach.  —  Wir  haben  also  zwei  waaser- 
becken  in  der  uferniederung^  von  denen  das  südliche^  langgezogene 
mit  der  als  handelshafen  erkannten  bucht  sowohl  wie  mit  dem  nörd- 
lichen, runden  in  Verbindung  stand,  während  man  in  dieses  eine  runde 
insel  umschlieszende  beckenauch  unmittelbar  vom  meere  aus  gelangen 
konnte,  wenn  wir  nun  annehmen,  dasz  beide  teiche  zusammen 
den  kriegshafen  bildeten,  eine  annähme  zu  der  wir  durch  die 
Scheidung  in  einen  viereckigen  und  einen  runden  teil  bei  Appian 
berechtigt  sind ,  so  glaube  ich ,  sind  die  meisten  der  oben  aus  den 
Schriftstellern  entwickelten  eigenschaften  des  kriegshafens  vorhan- 
den :  denn  die  beiden  teile  unseres  Kothon  sind  am  meere  gelegene. 


welche   später   absichtlich    oder  durch  natarereignisse  verlef^t  wurde, 
heute  ist  das  gelände  darch  den  eisenbahnbaa  vollständig  verändert. 

^^ChTissot  gdographie  compar^e  de  la  province  Romaine  d'Afrique 
I  8.  611  unten:  'outre  les  ports  proprement  dits,  arte  et  manu  facti^  Gar- 
thage  possedait  trois  vastes  rades  oü  pouvaient  ancrer  des  milliers 
de  b&timents.  Tune  de  ces  mouillages  8*^tendait  entre  le  promontoire 
de  Sidi-bou-Öaid  et  celui  de  Kamart.  le  rivage  desäine  entre  ces  deax 
Caps  nne  courbe  abritte  par  le  premier  contre  les  vents  de  nord-est,  par 
le  second  contre  ceax  de  nord-ouest.  tonte  cette  partie  de  la  c6te  porte 
encore  aujonrd*hui  le  nom  d*EI-Mersa,  €  le  port,  la  rade»,  et  le  littoral 
est  convert  de  vestiges  de  quais  et  de  constructions  antiqnes.  an  second 
mouiliage  existait  k  Pouest  da  massif  da  Djebel  Kamart  et  du  Djebel 
Khaoui,  repr^sent^  aujourd'hui  par  les  lagunes  de  Soukara,  11  ätait 
compldtement  prot^gd  contre  les  vents  de  nord-est  par  le  promontoire 
qai  forme  le  Djebel -Khaoui,  et  offrait  Tabri  le  plas  sür  pendant  la 
Saison  d'ätd.  le  lac  de  Tunis  fournissait  enfin,  en  toute  saison,  an 
rdfuge  assurd  et  an  mouiliage  assez  vaste  pour  contenir  les  flottes  les 
plus  nombreuses.' 


330 


HOahler:  die  liäfec  von  Karthago. 


allem  atiBchein  nach  ktlDstlich  ausgeschachtete  becken;  beide  su- 
sammen"  kÖDnen  noch  mehr  als  220  scbiffsschuppen '*  fassen; 
kriegsbafen  und  handelshafen  stehen  mit  einander  in  Verbindung, 
feie  haben  eine  gemeinsame  einfahrt  bei  n,  45  zwischen  den  köpfen 
der  beiden  molen;  der  handelshafen  ist  hei  unserer  annähme  im  ein- 
klang  mit  Appian  der  auszenhafen,  der  kriegshafen  der  innere^  der 
runde  teil  des  letztern  liegt  der  Byrsa  zunächst;  in  seiner  mitte  sehen 
wir  die  kreisrunde  insel  mit  den  deutlichen  spuren  eines  gebäudes; 
die  kauffahrer  kennen  unmittelbar  in  die  stadt  gelangen,  ohne  den 
kriegsbafen  zu  berühren,  dazu  kommt  noch,  dasz  wir  für  die  oben 
B.  323  unter  6  aufgeftlhrte  eigentümlichkeit  bei  unserer  annähme 
volles  Verständnis  gewinnen:  erst  dann,  wenn  man  die  läge  der  bei^ 
den  teiche  zu  der  bucht  betrachtet,  begreift  man  ohne  weiteres, 
warum  die  kauffafarer  selbst  dann  nur  wenig  vom  viereckigen  teile 
und  vom  runden  teile  des  Kotbon  iast  nichts  zu  sehen  bekamen, 
wenn  sie  an  der  einfahrt  n,  42  vor  üb  erfuhren. 

Bei  unserer  annähme  ^llt  auch  neues  licht  auf  die  schon  oben 
angeführte  stelle  Appians  VIII  127,  wo  von  der  ersttirmuog  des 
Kothon  durch  Scipio  die  rede  ist  Scipio  hatte  das  jähr  zuvor  den 
bafendamm  n.  44,  46.  46.  47  genommen;  von  doH  aus  richtete  er 
im  frühjahr  146  einen  Scheinangriff  auf  den  viereckigenteil,  wÄb- 
rend  der  wirkliche  angriff  durch  Laelius  von  der  nördlichen  Ver- 
längerung des  bafenboll Werks  (n,  50 — n,  99)  auf  den  runden  teil 
erfolgte,  femer  war  es  bei  der  frühem  annähme  ganz  unerßndlich, 
warum  nur  das  nordbecken  Kothon  heiszen  sollte,  während  doch  das 
südliche  genau  dieselben  von  Festus  und  Servius  genannten  eigen- 
schaften   besasz.  ^'    hei  meiner  annähme  dagegen  erscheint  sowohl 


'7  aueh  iD  Athen  aod  ßjraktis  sind  die  eohifls schuppen  auf  mehrere 
hafenheckeß  verteilt.  ^^  vielleicht  hat  Beul^  reste  von  einigen  dieter 
tchiffa  sc  huppen  gefunden:  dieaetben  liegen  reobts  und  Hnka  von  dem 
die  insel  im  nioden  bafen  mit  dem  festlande  verbindenden  dämme;  sie 
Bind  5^90 m  breit,  eiiificbliesEHcb  der  zwijichenmauern;  die  at&rke  der 
letztera  scheint  nacb  Beulea  auudruvk  (fouiDefl  k  Carthage  a,  106:  *'ea 
donnant  au  niur  30  cm  d'epaisseur,  on  vuit*  usw.)  nicht  meszbar  ge- 
wesen zu  iein,  eine  atfirke  yon  nur  30  rm,  wie  Beule  sie  ibneo  geben 
will,  ist  zwar  für  manem,  die  aus  Werksteinen  errichtet  sind,  nicht  un* 
tnöglicb,  besonderfl  da  es  sich  um  zwtscbenmatiern  handelt;  indessen 
m&obte  Ich  mit  rücksicht  auf  die  m&sze  der  oben  (&nm.  14)  erwi&hntd& 
halbseulen  47  cm  stürko  annehmen  ^  es  blieben  dann  noch  5,43  m  für 
die  schappen,  was  nicht  anzufechten  ist:  denn  die  athenischen  maszen 
nar  7cm  mehr.  ^*  BeuUs  ansnihrnngen  e.  91  ff.  sind  «ehr  lehrreich! 
sie  zeigen,  wie  nahe  er  der  Wahrheit  war.  er  sagt  dort:  ^Appien  en 
transcriTant  Pol^be,  a  commis  uno  errenr  que  je  ne  crains  pas  d'io- 
diquer  k  Tavanoe.  il  dit  d'abord  que  Scipion  reut  attaqaer  un  sent 
port,  celui  qui  s^appelle  Cotbon,  miiis  il  ajoate  qu^une  partie  de  ce  port 
^iait  circutaire  et  Tantre  carree.  de  deux  choses  l*une:  oa  le  nom  de 
Cothon  s*appliquait  k  Temjembte  des  deur  ports,  car  nons  verrons  paf 
lei  fouilles  que  le  port  mtlitaire  ^tait  rond  et  le  port  marehand  oarr^ 
on  il  i*appltquait  geulemeut  au  port  militaire,  el  alors  Appien  u*aiirail 
paa  du  consid^rer  comme  deux  parties  da  mftme  tout  le  basain  rectan* 


BOehler:  die  häfen  von  Karthago.  331 

das  wort  interiores  wie  das  wort  fossa  in  der  erklärung  des  wortes 
Eothon  als  wohl  begründet. 

Dasz  wir  in  n.  50  endlich  die  neue  mündung  des  Kotbon  zu 
sehen  haben ,  welche  die  Karthager  gruben ,  alsScipio  die  ein- 
fahrt  bei  n.  45  durch  einen  bis  jetzt  nicht  nach  zu  weis  en- 
den dämm  sperrte,  darüber  wird  wohl  nach  Falbes  werten  kein 
zweifei  sein,  er  sagt  recherches  s.  21:  ^j'ai  cru  pendant  plusiears 
ann6es  que  lä  se  trouvait  la  vöritable  entr6e  da  port,  parcequ'il  y 
existait  une  coupure  dans  la  ligne  des  möles  de  n.  47  ä  n.  51 ;  et 
qne ,  tandisque  sur  le  reste  de  cette  ligne  les  roches  sont  plus  ou 
moins  ä  fleur  d'eau*^,  lä  le  fond  est  sablonneux  et  les  roches  plus 
rares  et  plus  enfonc^es  sous  les  eaux.  cependant  aprds  avoir  examin6 
et  relev^  ces  restes  submerg^s ,  je  fus  convaincu  que  ce  point  n'^tait 
pas  assez  prot6g6  par  les  möles  contre  Taction  de  la  mer'^;  qu'il 
fallait  donc  aller  chercher  Tentr^e  du  port  dans  une  direction  teile 
que  la  töte  du  möle  n.  45  put  la  couvrir.  aussi  lorsqu'en  poursuivant 
mes  recherches  j'eus  reconnu  le  point  n.  42,  il  me  parut  6yident  que 
la  mdme  se  trouvait  la  v6ritable  entr6e.  en  mdme  temps  je  fos 
frapp6  de  Vidäe  que  le  n.  50  ^tait  le  point  oü  les  Carthaginois 
avaient  rompu  les  möles  pour  faire  sortir  leur  flotte ,  quand  Scipion 
eut  6tabli  la  digue  qui  barrait  Tentröe  du  port.' 

Wir  sind  also,  um  das  gesagte  nochmals  kurz  zusammenzufassen, 
zu  folgenden  sichern  ergebnissen  gelangt: 

1)  Die  beiden  südlich  von  der  colline  de  St.  Louis  in  der  niede- 
rung  an  der  meeresküste  liegenden  teiche  sind  die  reste  des  aus  zwei 
teilen  bestehenden  kriegshafens.^'    der  nOrdliche  teil  war  rund,  der 


gulaire  da  port  marchand  et  le  bassin  circalaire  da  port  roilitaire. 
Asdrabal  s^attendait  natorellement  h  ce  qae  le  port  ext^riear  ffit  attaqa^ 
le  premier,  et  il  brölait  toat  ce  qai  poavait  g^ner  les  d^feDtear»  oa 
servir  reonemi.  le  port  int^riear  paraissait  moins  menac^,  et  c'ett  ponr 
cela  qa*il  fat  mjm6  k  L^lias  de  8*en  emparer  par  torpHse,  tandi^  que 
8cipion  dirigeait  ane  faa«8e  attaqae  contre  Asdrabal,  enferm^  daot  le 
port  mareband;  car  noa«  savont  qae  des  cldtores  contid^rablet  s^paraieot 
ran  de  Taatre  les  deoz  bassint,  paisqae  les  ^trang^ers  ne  poavaient  voir 
ce  qai  se  passait  dans  l^arsenal^  et  qae  la  d^6ance  la  pla«  wkvkr^  avafi 
poarra  aa  seeret  des  armements.  il  «st  donc  n^eessaire  de  reetifier  les 
expressions  d^Appien  poar  ce  qai  conceme  la  forme  d^u  porU:  il  e«t 
plas  difficile  de  savolr  comment  le  nom  de  Cotfaon  leor  doit  ^tre  ap- 
pliqa^.  les  Cartba^ois  appelaientila  Cotbon  la  r^anion  des  deux  portt 
oa  sealement  le^  port  militaire?  on  ne  fera  de  r^pon«e  plaasible  k  e«tte 
qaeation  qae  le  joor  oa  Ton  aara  d^coovert  one  ^tjmologie  ineontestable; 
malheoreasement  la  science  b^lte  encore/ 

*•  vgl.  Appiao  Tm  120  zeile  14  (Bekker).  *i  aU  leb  za  aofaii|: 
december  1892  bin.  dr.  EAssmaon  meine  ansieht  mitteilte,  macht« 
der»e!be  mich  daranf  aufmerksam,  dasz  aach  aaf  dem  plane  des  ver* 
rtorbenen  penerah  Perrier  Corpus  inscriptionam  f^emiticanim  I  in 
a.  243,  beide  teiche  sasammen  als  Kothon  bexeicfanet  seien,  diese 
nberemstimmon^  ist  mir  am  so  wertroller,  als  ich  i^bx  onabbiafif 
daron  nttr  aaf  ^rand  der  berichte  cer  alten  und  der  wurdif^iuig  der 
i^elukdererhiltnieK:  za  a.einer  ansiebt  i^ekomn^en  bin.  obri^ens  gfibt 
oer  enribnte  plan  nicht  an,  wo  der  hmodeUbafeD  ra  aachen  ist. 


332        AFleckeieen :  zu  Terentius  HautoBtimoruinenos  [v.  937], 

südliche  rechteckig,  die  ursprüngliche  einfahrt  befand  sich  aaf  der 
Südseite  des  rechteckigen,  die  neu  gegrabene  einfahrt  auf  der  Oßt- 
seite  des  runden  teils,  in  der  mitte  des  letELem  lag  eine  durch  einen 
dämm  mit  dem  festlande  yerbundene  kreisrunde  insel. 

2)  Südlich  von  dem  rechteckigen  teil  des  kriegsbafens  lag  der 
darch  zwei  molen  gebildete  auszenhafen,  welcher  für  die  handels- 
fahrzeuge  bestimmt  war. 

3)  Zwischen  den  zwei  molen  lag  die  beiden  häfen  gemeinsame 
einfahrt. 

4)  Alle  genannten  anlagen  waren  zu  Falbes  26ii  deutlich  in 
ihren  regten  erkennbar,  dagegen  ist  der  dämm  des  Scipio  nicht  mehr 
nachzuweisen, 

Kicht  ganz  sicher  ist  es,  ob  die  von  Beul^  am  nordrande  des 
nördlichen  teiches  entdeckten  mauerreste  wirklich  überbleibsei  der 
6chi£[&&chuppen  sind ,  obwohl  ort  und  masze  dafür  sprechen. 

Vermutet  wurde^  dasz  der  handebhafen  einst  wohl  eine  gr^szere 
ausdehnung  hatte  und  vielleicht  durch  einen  canal  mit  dem  see  von 
Tuniä  in  Verbindung  stand.** 

"  um  den  lesern  dieser  atudie  eine  nachpriifung  meiner  ergeboisse 
zn  erleichtern,  hat  sieb  der  hr.  Verleger  atif  meine  bitte  in  danken 8 vB-erter 
weise  entscbloeaen  dieser  übhaDiitung  eine  photographische  rednction  der 
südbiltfte  des  (selteoen)  Falhesehen  originalplaueä  bebug^eben. 

Obosz'Licbterfelde.  Kaimund  Oehlbr. 


38. 

Zu  TERENTIÖS  HAUT0NTIM0RÜMEN08, 


Im  prooemium  des  Göttinger  inde^  ßcholamm  für  den  sommer  1890 
'variae  lectiones' beipricht  der  Nestor  der  piiilolo^n  Hermann  Sauppe 
Ausser  vielen  andern  stellen  s.  14—16  aaeh  mehrere  aus  Tereatius^  Andr. 
439  f.  Haut.  484  f.  841.  937.  1065  f.  mit  einer  ausnähme  sind  alle  seine 
emendationen  so  Überzeugfend,  dagz  sie  m«  e.  aiiroHbrne  in  den  text  Yer- 
dieneQ.  jene  einzig-e  ausnähme  bildet  Haut.  937  quid  dötU  dicAm  ti 
discUae  füio?  wo  b^auppe  das  letzte  wort  in  ßiae  >4ndert.  aber  wozu  be- 
durfte es  hier  überhaupt  der  erwähnuDjjr  der  tochter?  wer  anders  als 
diese  bekam  denn  die  mitgift?  wohl  aber  muste  Meuedemus  denjenigen 
nennen,  in  dessen  interesse  er  diese  frage  an  Chremes  richtete,  und 
dies  war  sein  sohni  zu  dessen  yermäblung  mit  Chremes  tochter  er  so  eben 
die  einwillig^ung  ihres  Vaters  erhalten  hatte:  ^'was  soll  ich  in  betreff  der 
summe  der  von  dir  ausgesetzten  mit|;ift  meinem  söhne  sagen?*  zum  aus- 
druck  dieses  gedankens  bedarf  es  a1Ierdin|^s  einer  kleinen  wortverseifung: 

quid  döiiM  te  dixitse  dicam  filiof 
aber  jeglicher   anstosz   ist   dadurch   beseitigt,     die   dietio  doiiä  war  be- 
kannttieb  neben  der  datio  und  promuno  datü  eine  der  drei  bestellungS' 
arten  der  mitgift  (vgl.  Fuchta-Rudorff  instiU  UI  §  292). 

DeESDEN*  AlFBED  FL£0K£t8EN. 


OStange:  zu  Ovidius  Metamorphosen.  333 

39. 

ZU  OVIDIÜS  METAMORPHOSEN. 


Bei  einer  wiederholten  prüfung  derjenigen  stellen,  die  PoUe  im 
register  zur  15/12n  aufläge  seiner  Schulausgabe  als  noch  nicht  geheilt 
oder  erklärt  bezeichnet,  glaube  ich,  gestützt  auf  die  beobachtung  des 
Ovidischen  Sprachgebrauchs,  wenigstens  für  drei  verse  hinweisungen 
geben  zu  können,  mittels  deren  es  vielleicht  möglich  ist  der  ur- 
sprünglichen lesart  auf  die  spur  zu  kommen. 

In  erster  linie  sei  hingewiesen  auf  die  verse  X  183  fif. : 

toUere  Taenarides  orhem  properahat.   at  ülum 

dura  repercusso  suhiecü  verhere  teUus 

in  vuUus^  HyacifUhSj  tuos. 
so  bei  Korn,  Magnus,  Zingerle,  Polle  und  ARiese',  dasz  die  stelle 
von  jeher  Schwierigkeiten  bereitet  hat,  beweist  die  nicht  geringe  zahl 
von  Vermutungen,  die  dazu  vorgebracht  worden  sind,  und  auch  die 
eben  angeführte  lesart  leidet,  wie  das  wohl  auch  Polle  durch  seinen 
zweifei  hat  andeuten  wollen ,  an  einer  gewissen  unnatürlichkeit  des 
ausdrucks ,  hervorgerufen  durch  die  Verbindung  verhere  repercusso^ 
die  auf  einer  Vermutung  Merkels  beruht,  für  die  sich  aber  meines 
Wissens  ein  ganz  entsprechender  beleg  anderwärts  nicht  hat  finden 
lassen,  nun  steht  aber  weder  im  Marcianus  noch  im  Laurentianus 
repercussOj  sondern  repercussum^  während  sich  an  stelle  des  jetzigen 
verhere  im  letztem  in  aera^  im  erstem  inhere  mit  rasur  des  letzten  e 
und  übergeschriebenem  a  findet,  demgemäsz  lesen  wir  denn  auch 
schon  bei  NHeinsius  den  vers  in  derjenigen  gestalt,  die  man  sich 
um  der  hss.  und  besonders  um  des  inhalts  willen  nicht  gern  wird 
rauben  lassen:  dura  repercussum  suhiecit  in  aära  teUus.  wenn  es 
aber  bei  Heinsius  dann  weiter  heiszt:  in  vuUus,  Hyacinthej  tuos^  so 
fehlt  jede  Verbindung ,  die  die  beiden  verse  neben  einander  erträg- 
lich machte,  vielleicht  dasz  er  dies  selbst  schon  hat  andeuten  wollen, 
wenn  er  in  seinem  commentar  sagt:  Hum  lege  et  vuUuSy  Hyacmthe^ 
tuos'^  ohne  jedoch  diese  Wendung  in  den  text  aufzunehmen,  aber 
wie?  kann  die  discusscheibe  durch  rückprall  von  der  erde  zugleich 
in  die  luft  und  in  das  angesicht  des  Hyacinthus  geschleudert  werden? 
ich  meine,  hier  liegt  ein  besonders  beachtenswerter  fall  der  epexegese 
vor,  die  ja  von  Ovidius  mit  groszer  Vorliebe  angewandt  wird,  es  sei 
nur  hingewiesen  auf  stellen  wie  met.  VIII 157  f.  destinat  hunc  Minos 
.  .  multiplicique  domo  caecisque  indudere  tedis\  XIII  678  quipelere 
antiquam  matrem  (mutterland)  cognataque  iussü  lUora\  XY7 patria 
Curihusque  reliäis;  XIV  86  Hippotadae  regnum  terrasque  calenti 
sulphure  fumantes  ua.  ist  nun  auch  die  epexegese,  wie  in  den  beiden 
zuletzt  angeführten  stellen,  zumeist  von  der  art,  dasz  sie  zu  dem 
ersten  begriffe  nur  einen  zweiten  ziemlich  gleichbedeutenden  hinzu- 
fügt, so  ist  es  doch  bekannt,  dasz  eben  durch  diesen  zweiten  begriff 
häufig  eine  schärfere  Umgrenzung  des  erstem  bezweckt  wird,  wie 


334 


OStange:  zu  Ovidius  MeUmOTplioeeii. 


wir  sie  im  deutscben  durch  ^und  zwar'  anzuknüpfen  pÜegen*  in 
dieser  wei^e,  glaob©  ich»  ist  nun  aucb  hier  in  tmlius  zu  dem  weitem 
begriff  m  a^a  hinzugefügt,  bei  dem  ich  jedoch  nicht,  wie  Heinßiua 
wollte,  die  präp.  in  durch  ei  zu  ersetzen,  sondern  an  das  hsl.  in 
vuUus  ein  que  anzuhängen  vorschlage,  das  vor  dem  eigennamen 
HyacintM  leicht  genug  übersohen  werden  konnte*  alsdann  wttrde 
mit  fast  vollMtäBdiger  wahru-ng  des  in  den  besten  hi^s*  überlieferten 
Wortlautes  die  ganze  stelle  lauten: 

dura  repercussum  subiecU  in  aera  ieUus 

in  vuUusque^  Eyadnthe^  tum. 
Zweitens  erwähne  ich  die  stelle  XV  364,  die  sich  ebenfalls  schon 
seit  des  alten  KHeinsius  zeiten  mancherlei  änderungsvorsehläge  bat 
gefallen  lassen  müssen  und  gegenwärtig  bei  Korn  in  folgender  gestalt 
vorliegt: 

*,  scrohe  deieäo  mactatos  obrue  taaros. 
wenn  Polle  diesen  vers,  den  er  übrigens  selbst  in  einer  etwas  andern, 
fassung  gibt  {in  scrobe  dekdos  usw.),  gleichwohl  ebenfalls  unter  den 
noch  nicht  geheilten  stellen  aufzählt,  so  wird  man  ihm  darin  geml 
beistimmen,  denn  6iDmal  ist  zu  beachten,  dasz  in  den  für  den  inha 
des  versea  in  betracht  kommenden  parallel  stellen  —  ich  hebe  be- 
sonders Ov.  fast.  1  376—380  und  Verg,  ge.  IV  281—314.  538—568 
hervor  —  von  einer  grübe  gar  nicht  die  rede  ist,  mithin  auch  das 
von  Heinsius  herrührende  scrobe  mehr  oder  weniger  in  der  luft 
schwebt*  nebenbei  bemerke  ich,  dasz  es  wohl  nar  auf  einem  ver- 
sehen beruht  f  wenn  es  nach  der  aufzählung  der  lesarten  bei  Korn 
den  anschein  hat^  als  fände  sich  scrobe  in  den  bessern  bss.;  vom  gegen- 
teil  belehren  uns  die  übrigen  kritischen  ausgaben,  darunter  die  noch 
immer  unentbehrliche  von  N  Heinsius.  erweist  sich  aber  das  erste  wort 
scrobe  als  nicht  hergehörig,  so  fällt  damit  zugleich  Madviga  Ver- 
mutung deieäo,  und  das  überlieferte  dileäos  oder  dekäos  tritt  wieder 
in  den  Vordergrund,  endlich  wird  man  auch  paläographisch  be- 
trachtet die  Worte  i  scrobe  dciedo  doch  nur  als  einen  etwas  gewalt- 
samen ersatz  für  überliefertes  i  quoque  düedos  ansehen  können. 

Solche  und  ähnliche  gründe  mögen  wohl  auch  Biese  bestimmt 
haben,  in  beiden  auflagen  den  vers  nach  dem  Wortlaute  der  Über- 
lieferung beizubehalten,  freilich  nicht  ohne  ihn  in  dt^r  kriti sehen  vor- 
rede als  *corruptus'  zu  bezeichnen,  der  eindruck  der  Verderbnis  aber 
wird  hervorgerufen  Einmal  durch  das  zu  beginn  der  nun  folgenden 
aufzählung  vollkommen  unpassende  quoque^  sodann  durch  die  un- 
vermittelte, dem  Sprachgebrauch  Ovids  durchauä  nicht  angemessene 
nebeneinanderstellung  der  beiden  part.  düedos  (oder  deUdos)  und 
madatos.  fragt  man  nun,  wie  diese  Verderbnis  entstanden  sein 
könne,  so  läszt  sieb  vielleicht  auch  hier  aas  der  beobacbtung  der 
Ovidischen  aosdrucks  weise  ein  aufschlusz  herbeischaffen,  unser  dichter 
liebt  es  sehr  zwei  ver^chiedene  formen  ^Ines  und  desselben  verbums 
neben  einander  zu  stelleUi  von  denen  die  zweite  ein  participium  ist. 


OStange:  zu  Ovidius  MetamorphoBen.  335 

als  beleg  führe  ich  nur  aus  den  Metamorphosen  folgende  stellen  an, 
die  sich  leicht  vermehren  lieszen :  1 33  secuü  sedamque^  IX  74  domm 
äomUamquey  VI  234  frena  dahat ^  dantem,  IV  64  tegUtir^  tecttts,  713 
Visa  est,  visam^  IX  215  dicU,  dicentem.  hiervon  ausgehend  möchte 
ich  annehmen,  dasz  auch  vor  tnaäatos^  was  ja  beim  abschreiben  leicht 
genug  geschehen  konnte,  der  imperativ  macta  ausgefallen  sei.  war 
das  einmal  geschehen,  so  muste  der  nächste  abschreiber,  nm  das 
volle  masz  des  verses  wieder  herzustellen,  an  irgend  einer  stelle 
etwas  einflicken,  und  diesem  bestreben  glaube  ich  das  zweifelhafte 
»  quoqtie  zuschreiben  zu  dürfen,  vielleicht  lieszen  sich  auch  dafür 
gründe  anführen,  warum  dem  abschreiber  gerade  diese  ergänzung  be- 
sonders nahe  gelegen  habe,  doch  ich  bezweifle,  ob  es  von  wert  wäre  sie 
aufzuzählen,  jedenfalls  entspncht  die  hier  vorgeschlagene  fassung  des 
verses  deleäos  macta,  maäatos  ohrue  tauros  am  ehesten  dem,  was 
man  hauptsächlich  nach  den  angeführten  parallelstellen  auch  für 
unsere  stelle  erwarten  darf,  ohne  dasz  die  änderung  eine  besonders 
gewaltsame  behandlung  des  überlieferten  textes  voraussetzte,  ob 
man  dabei  noch  einen  schritt  weitergehen  und  für  deleäos  die  der 
Ovidischen  ausdrucksweise  vielleicht  noch  besser  entsprechende  Wen- 
dung i,  lectos  einsetzen  solle,  möchte  ich  zunächst  noch  unerörtert 
lassen. 

Die  dritte  der  hier  zu  behandelnden  stellen  steht  VII  836  and 
lautet  bei  Korn  und  Magnus  also: 

egredior  süvamque  peto  vidorque  per  herhas 
^aura  venV  dixi  *nostroque  medere  Idbori*, 
statt  vidorque  per  herhas^  wie  es  sich  übereinstimmend  in  den  besten 
hss.  findet,  schreibt  Polle  mit  Merkel  vidorque  pererrans,  Biese* 
aber  lucosque  pererrans  nach  seiner  eignen  Vermutung,  um  mit 
letzterer  zu  beginnen,  so  kann  ich  mich  von  der  notwendigkeit  den 
begriff  vidor  zu  beseitigen  und  durch  einen  acc.  wie  lucos  zu  er- 
setzen nicht  überzeugen.  Polle  erläutert  vidor  (ähnlich  wie  MHaupt) 
unter  beruf ung  auf  Verg,  Am.  I  192  mit  den  werten  *der  erreicht 
hat  wonach  er  strebte,  hier  etwa  «nach  glücklicher  jagd»';  das 
scheint  mir  für  den  ersten  teil  zutreffend,  weniger  für  den  letzten, 
denn  aus  den  vorhergehenden  worten  egredior  süvamque  pdo  kann 
man  doch  schwerlich  herauslesen,  dasz  Cephalus  bereits  der  jagd 
obgelegen  habe,  um  nun  *nach  glücklicher  jagd'  umherzustreifen. 
wohl  aber  halte  ich  den  ersten  teil  der  anmerkung  'der  erreicht  hat 
wonach  er  strebte'  für  vollkommen  angemessen  und  auch  genügend, 
wonach  verlangte  es  denn  den  einsamen  jäger  vor  allem ,  sobald  er 
den  wald  betrat?  was  ist  es,  das  ihn  froh  macht,  so  oft  er  in  den 
wald  gelangen  kann?  er  ist  verliebt  in  das  kühle  waldeslüftchen :  tu 
me  refidsque  fovesque,  tu  fads  ut  süvas,  ut  amem  loca  sola  (v.  818  f.). 
so  ist  er  denn  auch  an  jenem  verhängnisvollen  morgen  schon  glück- 
lich ,  als  er  den  wald  erreicht  hat ,  und  ich  denke,  dieses  Vollgefühl 
der  freude,  an  den  ort  seiner  Schwärmerei  gelangt  zu  sein,  wird  eben 
ansprechend  genug  durch  vidor  gekennzeichnet,    am  passendsten 


336 


OStange:  zu  Ovidius  MetamorphoBen» 


glaube  ich  auf  Yerg.  Äen,  X  409  verweisen  zu  dürfen »  wo  der  birt 
die  trift  angezündet  hat  und  nun  sieb  über  das  gelingen  seiner  ab- 
siebt freuend  dasitzt:  UU  sedefis  vidor  flammas  despedat  avantis* 
aber  auch  andere  stellen  der  Aeneis,  wie  II  329»  VIII  50  und  61, 
XI  565  sowie  das  Horazische  vidor  propositi  {ep>  I  13,  11)  sind 
meines  eracbtens  geeignet  das  überlieferte  vidor  im  angedeuteten 
sinne  hinreicbend  zu  schützen. 

Schwerer  sind  die  bedenken,  denen  die  letzten  werte  desselben 
verseejjer  Iwrhas  unterliegen,    denn  so  anmutig  es  erscheint,  wenn 
sie  in   Siebeiis  -  Polles   wörterbach   und  bei  Magnus  durch   hinzu- 
zudenkendes stratus  oder  iacens  erläutert  werden,   so  wenig  wird 
man  sich  entsclilieszen  können,  diese  erggnzung  aus  den  vorhandenen 
Worten  selbst  herauszulesen,    das  empfand  wohl  auch  PoUe  selbst, 
wenn  er  es  vorzog  im  texte  statt  dessen  Merkels  pererratis  beizu* 
behalten,    wie  wenig  aber  auch  das  zu  befriedigen  vermag,  beweist 
wiederum  das  verfahren  Rieses,  der,  wie  erwähnt»  um  dem  bedürf 
nis  des  Inhalts  gerecht  zu  werden,  sein  lucoscjue  einsetzte,  nicht  ohn€ 
der  Überlieferung  damit  ziemlich  stark  gewalt  anzuthun.    dasz  man 
aber  auch  nicht  ohne  weiteres  per  herhas  mit  dixi  verbinden  dürfe^ 
lehrt  wohl  das  komische  der  Situation,  die  sich  ergeben  würde,  wen 
man  sich  Cephalus  den  geliebten  namen  durch  das  gras  hinrufend 
vorstellen  wollte,   statt  alles  dessen  scheint  es  mir  angebracht  darauf 
hinzuweisen,  wie  Ov.  seiner  auch  sonst  bevorzugten  gewohnbeit  fol- 
gend gerade  an  dieser  stelle  besonders  behaglich  mit  den  werten 
spielt,    unsere  stelle  gibt  nur  einen  besondern  fall  der  von  809  bis 
815  geschilderten  allgemeinen  Situation  wieder,    wie  nun  dort  daaj 
Wohlbehagen,  das  Cephalus  an  dem  kühlen  lüflchen  findet,  durch* 
die  vierfache  Wiederholung  des  Wortes  aura  gleichsam  zum  leben- 
digen ausdruck  gebracht  wird ,  so  ist  es  als  müste  auch  hier  der  zu- 
erst angeschlagene  ton,  wenn  auch  schwächer,  noch  einmal  erkUngen 
das  wird  erreicht,  wenn  man  si&it per  herhas  schreibt  per  aurai 
die  nebeneinanderstellung  vidorque  per  auras  *aura  veni*  dixi  ergib 
dann  zugleich  einen  ähnlichen  anklang,  wie  ihn  der  dichter  selba 
schon  zwischen  aa/ra  veni  (836)  und  aura  venias  (813)  einerseit 
nostroque  medere  läbori  (837)  und  requies  erat  tüa  lahari  (812)  ander 
seits  wohl  nicht  ohne  absieht  gesucht  hat.   für  die  verbindnng  dk 
per  auras  woisz  ich  zwar  ein  vollkommen  entsprechendes  beispie 
nicht  anzuführen,  doch  glaube  ich,  dasz  Verg.  Äen.  II  768  au 
quin  eliam  voces  iadare  per  umbram  und  IX  112  tum  vox  horre 
per  auras  excidÜ  nicht  gar  zu  weit  von  dem  gesuchten  entfernt  sind,' 

Dresden.  Otto  Stanoe, 


CHofiias:  zn  den  handsohriften  des  Lncanns.  337 

40. 

ZU  DEN  HANDSCHRIFTEN  DES  LUCANUS. 


Da  ich  in  meiner  ausgäbe  des  Lucanas  zum  grösten  teile  mich 
auf  die  handschriften  der  Paulusrecension  gestützt  habe ,  so  wähle 
ich  diesen  ort^  um  mein  verfahren  zu  rechtfertigen  und  besonders 
die  geringscbätzung  des  bis  dabin  so  hochgestellten  Yossianus  I  zu 
begründen,  über  alle  streitigen  stellen  zu  reden  kann  mir  nicht 
einfallen';  zu  viele  gibt  es ,  bei  denen  eine  einigung  nicht  zu  stände 
kommen  wird,  da  beide  parteien  die  gewichtigsten  Zeugnisse  für  sich 
in  anspruch  nehmen  können :  so,  um  einige  beispiele  anzuführen,  bei 
I  687  erinys^  —  enyo^,  II  346  sociam^  —  comüein*y  429  exeipU^  — 
aspicU^,  IV  304  mäaUis''  —  meduUis^  490  conferta  —  conserta^ 
620  sustulit^  —  extidit^^  V  158  irnjoroha^'  —  impia^\  163  inuUo 

—  inatiäOy  VI  384  fregere^^  —  ruperc",  683  inspuit  —  inhuüy 
Vn  262  gladiosqtce  exs.  culpa^^  —  gladiisque  exs.  culpam^^^  VIII  27 
piget"  —  pudety  402  audä  —  hovrety  615  praebere  —  monstrarey 
IX  40  rapinas  —  ruinös,  213  fac  —  da,  777  textura  *®  —  iunätira  ", 
935  potens  —  tenens,  X  94  thalami^  —  thalamos^  261  profundunt 

—  refundunty  488  hixuriosa*^  —  ambUiosa^*  und  sonst  noch  an 
vielen  orten,  solche  stellen  fallen  dem  sieger  in  den  übrigen  zu. 
dasz  der  Montepessulanus  furchtbar  verderbt  ist;  sieht  man  auf  den 
ersten  blick;  aber  gerade  die  hss.,  deren  text  am  meisten  von  der 
nachlässigkeit  der  Schreiber  zu  leiden  hatte ,  geben  oft  die  sicherste 
grundlage  zur  textesrecension ,  da  man  vor  beabsichtigter  inter- 
polation,  die  am  schwersten  zu  entdecken  ist  und  den  unbefangenen 
leser  so  gern  blendet,  sich  sicher  fühlen  kann,  bei  Lucan  geben  B 
und  C,  weniger  U  für  M  den  prüfstein  ab ,  um  die  urspüngliche  les- 


*  vgl.  Ov.  her.  6,  46.  culex  246.  Octav.  trag.  23.  936.  CUad.  rapt. 
Pros.  I  226.  Coripp.  loh.  Vin  136,  bes.  Verg.  Aen,  II  337.  »  vgl.  Stat. 
Th,  V  156.  VIII  666.  XI  84.  Mart.  VI  32,  1.  spect.  24,  3.  Val.  IV  604. 
Sil.  X  202.  Petr.  120,  62.  »  vgl.  Sen.  üerc.  für.  904.  Val.  I  165. 
V  118.  Stat.  Th.  XII  208.  382.  Sil.  VI  372.  Alcimus  Av.  HI  99.       *  vgl. 

VIII  190.  Verg.  Aen.  IX  277.  Ov.  met.  III  674.  Sen.  fferc.  Oet.  604.  968. 

*  vgl.  VI  676.  X  318.  Cland.  cans.  Hon.  IV  442.  «  vgl.  Ov.  meU 
Vm  330.  Sen.  Phoen.  68.  Sil.  III  418.  Verg.  Aen.  I  420.  »  vgl.  VI  34. 
Stat.  8.  11  2,  86.  Avienus  descr.  376.  Tiberianas  (PLM.  III  s.  266)  II  2. 

®  von  uenae  silicis  spricht  Verg.  georg.  I  136.  II  166.  ^en.  VI  7. 
Ov.  am.  I  11,  9.  8.  auch  Cat.  68,  111.  »  vgl.  VIII  346.  Verg.  Aen. 

IX  127.  Fun.  pan,  11.  «<>  vgl.  Val.  VII  639.  Sil.  XI  492.  "  vgl. 
Verg.  Aen.  IV  386.  Sen.  Med.  340.  Sil.  VII  639.  Stat.  XI  834.  Coripp. 
Joh.  IV  211.            »  vgl.  Val.  IV  13.            "  vgl.  Verg.  g.  1  94.  II  400. 

'<  vgl.  Ov.  am.  m  10,  32.  *^  vgl.  X  97.  «•  vgl.  VIH  617. 

Verg.  g,  III  468.   Sil.  XI  199.  Claud.  Get.  663.  *'  vgl.  Auson.  XIV 

tetr.  6,  28  (s.  188  F.).  ^^  vgl.  Ov.  her.  16, 110.  met.  XII  370  Frndent. 
apoth.  1016.  »«  vgl.  Verg.  Aen.  XII  274.  Ov.  met.  II  376.  823.  XII  288. 
Alcimus  Av.  IV  260.  "  vgl.  Ov.  am.  III  11,  46.  her.  9,  169.  16,  284. 

Claud.  Stil.  III  262.  «*  vgl.  Fhaedras  IV  6,  44.  Sen.  suas.  2,  14.  «  vgl. 
Ov.  trist.  I  9.  18.  Mart.  XII  66,  4. 

Jahrbflcher  f&r  dass.  philol.  1893  hft.  4  o.  6.  22 


338 


CBosius :  zn  den  bandscbriften  des  Lucanua. 


art  der  PaalusreceBsioB  in  den  meisten  versen  mit  ziemlicher  sicfaer- 
laeit  feststellen  zu  IsönneD.  diese  hss. ,  besonders  in  ibrer  gesamt- 
beit,  überragen  den  Vossianus  I  weit,  der  teit  dieser  ha.  Ut  «war 
glatter,  geMliger,  weniger  dunkel,  aber  das  mindert  gerade  den 
glauben  an  seine  uisprUnglicbkeit,  manche  uneben lieit  des  au;** 
drucks,  manchen  Widerspruch  darf  mtm  dem  jugendlicb  hitzigen, 
dabei  sehr  schnell  schaffenden  dichter  schon  zutrauen,  in  V  Hoden 
sich  seltnere  oder  ant  den  ersten  blick  wenig  verständliche  worte 
beseitigt  und  durch  andere  ersetzt,  so  IV  399  /ijM^r",  VI  32  metatur^ 
109  turgmtihus,  ¥11  32  rapere{is^\  IX  762  iUo,  besonders  deutlich 
tritt  das  streben  nach  klarheit  zu  tage  XU  347  ff.  man  kann  hier 
allerdings  anstosz  nehmen,  das  fehlende  verbrnn,  das  aus  v.  344 
herbeigeholt  werden  musz,  die  auffüllige  Verbindung  Ä^mV?a  cem» 
foedaque  continffi,  die  wiederholeng  desselben  worteb  coniingi  — 
attingere^  das  sind  gründe  genug,  um  hier  zu  stocken,  doch  *firroa 
valent  per  se  nullumque  Machaona  quaerunt*.  die  richtige  ergfinzung 
des  verbums  sah  schon  der  scholiastC  zu  v.  345  und  348;  auf  ähn- 
liche weise  zieht  sich  dasselbe  prfidicat  durch  eine  reihe  von  versen 
I  423  ff,,  III 184  ff.,  199  f.,  230  ff.  jene  singulare  Zusammenstellung 
ist  dem  oheim  entlehnt,  der  nat,  qtmest^  III  19,1  h^rridam  aspici  sagt 
(vgl.  Hör.  c.  IV  2, 59  niuetts  uideri)^  Herc,  für.  719  Acheron  tnutus  re- 
nauigaru  Stat.  Th*  VI  731  (706  j  immanis  cernu  endlich  der  dritte 
grund  verliert  seine  berechtigung  bei  vergleich  mit  I  45  acta  —  per* 
ada,  VIII 462  transuerso ueriitur ae^tUy  Sil, V  65ß  ohruÜur,,nimboque 
ruente^  VII  421  ohiectis  reiectat  hier  hat  also  ein  Interpret  ge wirt- 
schaftet, und  den  erkennt  man  noch  manchesmal  an  den  stark  nach 
glosse  schmeckenden  lesarten,  so  bei  II  292  campressaSt  III  G6  pluB, 
124  mstro,  598  tela,  IV  104  $tihi€da'\  407  imd^,  V  375  rdinere^ 
VI  15  lUore,  178  di^ecat,  211  e^raque",  292  obsessum,  330  con- 
uertit^  354  sagUHs^  AdQpotuere,  504  inferretquey  585  atieriere^  VII  58 
perdere,  530  pubeSy  VIII  617  possU,  818  faäorum,  X  106  Caesare  ua. 
dahin  gehört  auch  das  oft  zugesetzte  «s#*  auch  wohl  VI  214  uenii* 
den  gleichen  Ursprung  verrät  X  329  moitbus  —  quieiis :  moribus  — 
rccepiis  ist  ein  glücklich  gewähltes  bildj  von  mores  des  himmeU 
spricht  Verg.  ^y.  I  51 ,  des  fiusses  Lucr*  I  296,  des  meeres  Stat,  s, 
III  2,  87,  bei  diesem  lesen  wir  Ach*  I  858  leo  mores  accepii,  ithnlich 
Sil.  XIV  87  accepit  regia  mores,  Sen,  Fhaedr,  1205  recipe  iam  mores 
iuo$.   manches  mal  mag  auch  die  schuld  am  Schreiber  liegen,  der  die 

»*  vgl  zu  diesem  treffenden  wort  IT  447.  IX  228,  Petr.  119,  4«. 
Vftl.  IV  669.  Sil.  XI  608,  auch  Ov.  her.  18,  196.  »^  vgb  Val.  H  25S, 
HÜ.  XI  197.  XII  478.   Ben.  diai,  VI  10,  4,  *^  zu  tuhifjtta  v«l,  Se». 

Phaedr.  964.  «tat.  Th.  I  346.  II  627,  «ar  construclion  Ov,  meu  XIV  ;t68. 

"  zvL  alit  vgl.  Ov,  her,  10,  86.  Öeo.  Fhaedr,  914.  Stüt.  j.  II  7,  18* 
8iU  1  289.  Clund.  Get.  136.  »»  m  citra  v^L  IV  728.  Ben.  <fp,  108»  18. 
tte  t'teui,  l  26,  1.  Tue.  Agr.  SS  ttira  $anguinem,  Stat.  TL  VU  74!  uuimera 
dtra  •*  10  I  462.  U  10*.  lU  268.  JV  618.  V  808.  VI  60«.  671.  811. 

VU  303.  VUl  293.  386:  Ul  673  i^ab  das  fehleude  mujU  den  attstoat, 
concretus  M&nguis  6udet  @ioh  auch  Ov.  met.  XIII  492. 


CHosiue:  zu  den  handschriften  des  Lucanus.  339 

glosse  in  den  text  setzte,  wie  11  71  bei  dem  metrisch  unmöglichen 
humidi.^^  ein  peinlicher  beobachter  grammatischer  regeln  spricht 
ans  änderungen  wie  I  50  iuimt^  V  616  iUe,  VII  217  cornu^  818  /br- 
ttMUij  IX  430  päiuimus  orhe^-^  IV  771  steterant  verrät  den  ängst- 
lichen metriker.  übrigens  kann  man  das  lob  geschickter  interpolation 
dem  Urheber  dieser  recension  nicht  abstreiten ;  seine  lesarten  decken 
sich  häufig  mit  andern  Lucanstellen ,  sind  vielleicht  auch  durch  er- 
innerung  an  solche  beeinfluszt,  so  entstand  I  429  poUtUfis  sanguine^^ 
aus  VI  307,  II  l^Spararent  aus  II  68.  VI  783,  VI  166  classica  comu^ 
aus  I  238.  VII  476,  Vü  68  perdere  cunäa  aus  666",  VII 246  sperare 
secundos  aus  349.  IX  243,  VII  693  pars  maxima  turhae  aus  656. 844, 
Vni  134  Caesarü  arma  aus  VI  285.  VII  196.  VIII  325,  VIII  505 
ciuüibtis  armis  aus  351.  III  313,  IX  446  sentire  procdlas  aus  VI  470, 
X  398  non  segnis  ÄchiUas  aus  X 115,  X  490  tanta  est  fiducia  tnentis 
aus  IV  538.  VIII  447.  IX  898.  X  427,  X  532  discrimine  nuUo 
Caesaris  aus  IV  218,  vielleicht  so  auch  II  296  das  metrisch  unzu- 
lässige Bacos  aus  der  Zusammenstellung  mit  Chtae  (II  54.  III  95) 
und  VII  746  necplura  locutus^^^  das  dann  noch  den  folgenden  vers 
nötig  machte,  aus  615.  II  490.  FV  544.  VIII  453,  endlich  noch 
IV  131  madefado  rohore  .  .  texüur^y  das  das  Zeitalter  dieser  recen- 
sion vor  Priscian  sicher  stellt,  aus  419  contexunt  rohora  oder  II 125 
maduerunt  rohora.  reine  flüchtigkeitsfehler  und  daher  wohl  dem 
Schreiber  zur  last  zu  legen  sind  I  388  in  aus  391,  II  365  uuUiis  aus 
361  oder  373,  HI  547  rostris  aus  544,  IV  632  rohore  aus  633,  IV  675 
destinat^y  VII  330  sutnpta  aus  331 ,  VIII  53  fläus  aus  54,  IX  349 
Utora  aus  348,  IX  1032  si  aus  1031,  X  11  signa  aus  10,  auch  wohl 
m  672  tortum  aus  671.  679." 

Von  den  andern  stellen  greife  ich  die  heraus,  welche  einer  be- 
gründung  bedürfen,  indem  ich  zugleich  in  aller  kürze  die  haupt- 
varianten  der  übrigen  hss.  bespreche,  über  die  notwendigkeit  der 
aufnähme  wird  man  auch  so  noch  hier  und  da  streiten  können,  über 
die  möglichkeit,  hoffe  ich,  nirgends  mehr. 

I  101  male  'nur  schlecht',  ganz  ähnlich  Stat.  Theh.  I  120 
geminis  uix  fluäihus  ohstüit  Isthmos  —  209  vgl.  Trampe  de  Lucani 

^  auidus  ist  ähnlich  gebrancht  Ov.  met,  IX  172  sorbeni  caddae  flammaCt 
Sen.  dial,  VI  17,  1  auidissimum  maris  ueriicem,  Stat.  Th.  VIII  132  auida 
ruina.  ^  zu  peiXmus  ygl.  Trampe  de  Lucani  arte   metrica  s.  10  ff. 

^1  dadurch  beseitigte  er  zugleich  den  ihm  dunkeln  ausdruck  pol- 
ItUus  foedere\  es  ist  rupto  zu  ergänzen,  wie  I  41  peremptus  zu  Caesar, 
III  286  laesi  zu  amoris^  IX  233  occisus  zu  Pompeius.  •'•  zu  cantu  vgl. 
Verg.  Aen.  VI  165.  Sil.  IV  170.  Coripp.  loh.  I  425.  "  zu  uertere  vgl. 
Verg.  Aen.  II  652.  ^  das  sie  milite  iusso  scheint  Stat.  Th.  X  84  im 

äuge  zu  haben,  wo  er  in  ähnlicher  Schilderung  sagt :  praedam  adserualis 
opesque  iam  uestras.  sie  ille  truces  horlatibus  implet  Labdaddas.  ^^  uimine 
ist  sicher  richtig,  vgl.  Tib.  II  8,  15.  Verg.  g.  II  446.  Val.  II  108.  Isid. 
or.  XIX  1  und  über  dies  selbe  ereignis  Caesar  b.  c.  I  54,  1  f.  ^  zu 
distinet  vgl.  Ov.  her.  8,  69.  Avien.  or.  mar.  305.  ^  totum  passt  besser 
zu  ualidis;  ^viribus  enim  opus  erat  ad  aplustre  totum  .  .  in  hostes  iacien- 
dum'  Gudendorp  etwas  nüchtern,  aber  richtig. 

22* 


340 


CHokIub:  zu  den  handBchrlften  des  Lucanus. 


arte  metrica  b,  45  —  246  gelidos  proleptisch,  vgL  die  praef.  der  aus- 
gäbe ß,  XV,  auch  Verg.  Am.  III  259  —  2ö4  rueniem  wie  308.  IV  27S* 
Ov,  meL  XIII  83.  VaL  I  850.  SIL  H  110.  IV  652.  V  29.  VI  672; 
furentem  aus  250  oder  255  —  305  U4ilidus  paset  schlecht  «u  üro] 
uaUdae  ist  prolep tisch  zu  fassen,  etwas  anders  Olaud.  cona,  Hön, 
TV  120  u^üidum  deuoto  milUe  rohur  —  320  s,  praef*  8.  XV  —  300 
expfomere  wie  Verg.  Aen.  II  280.  Stat.  Thth,  II  101  —  389  mhi- 
fertJte  thut  nichts  zur  sache ;  die  wSlder  beugen  sich  vor  dem  eturm. 
also  trefflich  i^mi/erac,  s.  Sen.  jä^atw,  Ml  pinif er  Olympus.  Val.  VI  393. 
Alcimus  Av.  IV  516  pinig^  Othrys.  Stat.  Theh.  Vm  79  frondem 
Ossa,  vgl.  auch  Verg.  Äen^  IV  248  f.  Sil.  V  613  —  416  äucai  r<m 
dem  der  von  oben  her  an  sich  zieht,  unten  IV  81  raptos  —  flt*ctas, 
VII  5  attrasüy  auch  X  252;  tüJlai  ist  entstanden  aus  den  zahlreichen 
gleichen  verfesch lüssen  der  art,  bes.  Verg.  Aen,  T  103  vgL  IX  16.  637. 
X  262.  XI  878,  Petr.  122,  147.  VaL  IV  555.  Stat.  Theh,  X  336. 
Sil.  VI  101.  IX  168.  Mart.  IX  13,7.  --  419  mihi  —  lateim  gegensati 
EU  guaeriie  einzig  richtig,  wie  in  v.  420  Aiuri^  bei  Aus.  Mos-  468  Tar- 
heHmis  Aturrns'j  die  kürznng  der  zweiten  sübe  ähnlich  im  namen 
Sabhura  (IV  722) ,  der  bei  Caesar  b.  c.  H  38  Saburra ,  bei  Appian 
Caßoüp(p)a  heii^zt;  vgl.  I  675  Ed^nis  —  427  Sidon.  Ap.  cp.  VII  7,  2 
{Aruerni)  audebant  se  qitondam  fratres Lotio  dicere  — ^531  denso  hielt 
Oudendorp  nach  Seneca  nat  quaest..  VII  21,  1  placel  ergo  nostris 
eomdas  siciU  faees  .  .  denso  aere  creari.  doch  Seneca»  abweichende 
meinung  steht  im  folgenden  capitel  und  bes.  II  57,  1  fulgurat ,  .  ubi 
aBr  in  ignem  eaienuatts  nubibus  uertUur^  ebenso  der  neffe  tenso  a€re 

—  567  sanguinemt/^que  besser  nach  Stat.  Thtb,  X  173  sanguineosque 
roktt  crine^y  Val.  IV  235  sanguineosque  rotat  orbes;  s.  auch  Verg. 
Aen.  IV  643.  VII  399  —  579  umbris  kann  ich  nicht  erklären;  an 
manen  ist  hier  noch  nicht  zn  denken ;  aurae  sind  die  winde :  Ov.  met, 
VII  187  sagt  ähnlich  silet  umidus  aer,  Coripp.  loh,  1211  uentisque 
süentibus  —  588  errare  oft  von  tieren:  Verg.  ed.  2»  21.  6,40.  Aen. 
I  185  Vn  493.  Ov.  met.  XV  14.  Sil.  VII  438,  vgl.  auch  Stat,  Theb, 
V  604  errantes  per  capia  cubüia  plumae ;  U'Oliiantis  schmeckt  nach 
glo&8e,  obwohl  bei  Ausonius  II  202  (Peiper)  uoliio  super  aärapimUf 

—  615  mgrum  ist  an  sich  trefflich  am  platze ;  doch  das  vorbild  fOr  das 
ganze  opfer,  Senecas  Oedipus  hat  141  nee  criwr  ferrum  maculauU 
ater\  iurpis  c  plaga  sanies  profusa \  dem  turpis  entspricht  hier  mehr 
dintm,  so  unten  VI  501  nnd  Hör.  epod.  5,  61  dira  uenena;  aur^h  ist 
IX  810  uirusprc  sanguine  nicht  ntgrum^  sondern  rutüum  —  642: 
sicher  geben  MV  den  sinn  des  Schriftstellers  wieder,  und  aus  diesem 
gründe  habe  ich  ihre  lesart  In  den  text  gesetzt,  woher  dann  aber 
jene  corruptel  der  andern  hss.,  die  Prise,  nach  verteidigt?  sollte 
dem  hastig  arbeitenden  dichter  eine  ähnliche  sprachwidrigkeit  in  die 
feder  geflossen  sein  wie'  Lessing  in  der  bekannten  stelle  der  Kmitia 
Galotti;  Masz  der  prinz  diuh  nicht  ohne  miszfallen  gesehen  habe*? 
zahlreiche  derartige  heispiele  hat  zur  bekräftiguug  des  Liviani&cheii 
kaud  impigre  WHeraens  in  diesen  jahrb.  1886  s.  173  und  1891  s,  501 


CHosiuB:  zu  den  handachriften  des  Lucanus.  341 

gesammelt  —  687  halte  ich  JEnyOy  für  das  auch  die  glosse  in  B 
spricht,  für  richtig:  so  spricht  Mart.  VI  32,  1  von  der  beUi  dwUs 
Enyo,  Stat.  Th.  V  155  von  der  Martia  testis  Enyo,  s.  ebd.  VIII  666. 
XI  84.  Petr.  120,  62  {fercUis  Enyo).  Val.  IV  604.  Sil.  X  202.  den 
Schreibern  mochte  der  verssohlusz  tristis  JErinys  aus  Verg.  Aen. 
II  337.  Culex  246.  Ov.  her.  6, 45  im  obre  klingen  —  II  13  s.  praef. 
8.  XV  —  126  aus  der  Variante  Vestae  blickt  zu  deutlich  das  scholion 
zu  deaCy  als  dasz  mir  ihre  echtheit  glaublich  erscheinen  könnte; 
negledu  wäre  eine  leichte  heilung,  wenn  ich  nicht  schon  durch  inter- 
punction  helfen  zu  können  glaubte,  eigennamen  liebt  Luc.  durch 
Zusätze  zu  erklären,  so  I  214  ptmiceus  Bubicony  VI  674  puppim 
räinens  echeneis  und  bes.  die  schlangennamen  in  buch  IX.  daher 
fasse  ich  auch  hier  uiolatae  dextrae  gleichsam  als  interpretation  von 
Scaeuola  und  ziehe  negleäutn  zu  templum ;  nicht  unähnlich  ist  in  der 
construction  VIII  223  aäerni  Martis  Älanos,  245  placidi  Colophona 
maris ,  im  ausdruck  Sil.  I  641  fatiferae  iuuenem  dextrae,  der  enkel 
führt  dadurch  die  ruhmreiche  that  des  ahnherrn  aufs  hellste  vor 
äugen,  wobei  infolge  der  erstrebten  kUrze  eine  kleine  ungenauigkeit 
mit  in  den  kauf  genommen  werden  musz.  auch  Sil.  VIII  383  nee 
dextra  indignus  axwrwm  Scaeuola  zeigt  eine  gewisse  gedrängtheit  der 
Sprechweise  —  162  latei  wie  Anth.  Lat.  724,  3  cunäis  iä  sü  co- 
gnoscere  promptum^  quidquid  uhique  lotete  s.  auch  Ov.  fast,  I  494. 
mä.  XV  72.  Stat.  s.  I  6,  68.  Sen.  Herc.  für.  286  —  195:  an  eine 
niedermetzelung  der  Praenestiner  zur  nachtzeit ,  von  der  auch  kein 
autor  berichtet,  kann  nach  dem  ganzen  Zusammenhang  Luc.  nicht 
gedacht  haben;  will  man  nox  als  todesnacht  auffassen,  wie  Verg. 
Aev^.  VI  828.  Ov.  tMt.  I  721  ua.,  so  stört  tempore^  keinem  bedenken 
unterfiegt  dagegen  unius  —  mortis^  wie  VII  89  una  ruina^  Verg. 
Äen.  IX  453.  Stat.  Th.  I  109.  X  469.  Sil.  V  498.  XVII  500  — 
218  redduntque  MB,  doch  nicht  die  ufer  werfen  die  leichen  hinaus, 
sondern  die  wellen;  also  reddüque  mit  dem  aus  amnem zu.  entnehmen- 
den subject  amnis'^  ähnlich  IV  206  cognüa  Fetreio  seque  .  .  uidet  sc. 
FäreifAS.  zum  ganzen  vgl.  VIII 438.  Sil.  X  320  Äufidus  imdas  ekdat 
reddüque  .  .  corpora  ripis^  auch  VIII  669  —  383  läszt  auch  toto  als 
dativ  sich  belegen;  die  corruptel  aus  mundo  liegt  aber  zu  nahe  — 
389  rigidi  verteidigen  Ennodius  epigr.  13,  1  und  die  Inschrift  — 
426  :  der  Silarus  liegt  von  Salemum  zu  weit  ab,  als  dasz  tecta  zulässig 
wäre,  mag  der  dichter  auch  manchmal  in  der  geographie  irren,  in 
Campanien,  wo  seine  familie  besitzungen  hatte,  wo  er  auch  selbst 
längere  zeit  geweilt  haben  musz ,  da  unter  den  titeln  seiner  werke 
briefe  aus  Campanien  aufgeführt  werden,  möchte  ich  ihn  von  diesem 
Schnitzer  freisprechen,  es  ist  also  cuUa  zu  halten:  vgl.  III  210.  271. 
Verg.  g.  IV  126.  372.  Äen.  VIII  63.  X  141  -  473,  eine  stelle  deren 
Schwierigkeit  gleich  bleibt,  ob  man  Luceriae  oder  Nuceriae  liest. 
Luc.  beschreibt  die  flucht  der  Pompejaner  aus  Etrurien,  Umbrien, 
Picenum.  aus  Luceria  soll  Scipio  geflohen  sein ,  eine  thatsache  die 
ich  sonst  nicht  erwähnt  finde,  jene  stadt  liegt  dazu  in  Apulien,  und 


342 


CHosiuB:  3$u  den  bftudsclirifbeD  des  Lucanus. 


Ton  ihr  aus  begibt  sich  Pompejns  auf  die  nachricht  von  der  ein- 
Babme  Corüniums   aacb  Brundiüium  (Caea*  &.  c.  I  24,  1,    Appian 

II  38).  damals  aber  war  er  Bocb  in  Capua,  und  Scipio  batte  keinen 
grtind  zur  flucht.  Nüceria  beiszen  zwei  etfidte:  die  gröszere,  östlich 
von  Salernum,  passt  nicht;  die  andere,  nordöstlich  von  Asisium  in 
Ümbrien,  reiht  sich  trefflieb  hierein;  aber  die  zwei  legionen ,  die 
Caesar  zum  Partberkriege  abgeben  muste  und  auf  die  der  dichter 
hier  anspielt,  hatten  nach  Caesar  b,  c.  I  14^  3.  Cic.  ad  Ätt,  VII  20 
ihre  quartiere  in  Apulien.  auf  jeden  fall  abo  haben  wir  hier  eine 
Verwechslung  zweier  städte  —  öö3  ori$  las  schon  VaL,  wenn  er 
lY  589  ficbreibt  remeat  qui  uictor  ah  om;  s,  auch  Ov.  met.  V  649. 
trist  IV  9,  17.  Sil.  XIV  152.  Stat.  Th.YU  566  —  609  conscendU 
mag  aus  III  59  entstanden  sein:  denn  concessit  wird  sicher  ge- 
stellt durch  Stat.  s.  III  3„  W3  JJiomedeas  concedere  iussus  in  arces, 
Curt.  EuL  V  3,  11,  VIII  10,  33  --  624  (u,  X  545)  nur  Epidamnos 
entspricht  der  geographischen  Schilderung  —  650  ein  hübsches  bei- 
spiel  für  vertauschung  des  ursprünglichen  wortes  mit  der  glosse. 
über  segnis  steht  in  D  pro  se^niciei^  in  V  pro  S€gniiie\  es  ist  klar, 
dasz  das  die  erklSrung  zu  pacis  ii^t^  also  dies  die  echte  lesart.  so 
sagt  auch  Martialis  speä-  4,  1  turba  grauis  päd  placidaeqm  inimica 
quidif  Statins  TÄ.  I  443  pacem  somnumque  pati ,  und  Hannibal  ist 
Sil.  XII  726  indocUis  pacisque  modiquc.  'iam  Vitium  in  duce  non 
esset,  impatientem  esse  segnis  longaeque  quietis;  at  vitium  est  in 
Caesare  pacis  impatientem  esse'  Kortte  —  654  :  nach  Vertreibung  der 
feinde  sind  die  arces  doch  nicht  mehr  infestac]  oppressae  malt  die 
ecbnelligkeit  der  Operationen  Caesars,  wie  rapfa  und  praeceps  — 

III  23  Vorbild  war  wohl  Ov.  meL  VII  856  ihalamis  innubere  nostris^ 
j»,  auch  XII  195.  Liv.  I  34,  4  —  235:  Einmal  wäre  der  ausdruct /crr« 
pontum  ungewöhnlich,  dann  ist  hier  nicht  die  rede  vom  meere, 
sondern  von  der  wassermenge  des  Indus,  der  trotz  einer  teilung 
des  Stromes  keinen  sichtbaren  Zuwachs  von  dem  hinzu flieszenden 
Hydaspes  erhält;  anders  VaL  I  357.  dem  interpolator  gab  anstosz 
fons,  das  hier  für  welle  überhaupt  steht  wie  IV  117,  V  337.  Verg. 
Am.  II  6t^6.  Xn  119  und  bes.  Sil.  IV  639  (Trebia)  totum  propmu 
gurgite  fontem  —  347  s.  oben  s,  338  —  427  s.  praef.  s.  XV^469'ubi 
sazum  emittitur,  nondum  est  ictus,  sed  actus'  Burman.  ausserdem 
hat  auch  Vergilius  in  der  von  Luc.  nachgeahmten  stelle  XII  684  ff, 
€tctu  —  484  incerta  ist  hinlänglich  von  Oudendorp  und  Burman  ge* 
schützt  —  571  maUiqut  ergäbe  einen  h flehst  nüchternen  gedanken. 
der  dichter  will  aber  sagen,  dasz  bei  dem  nahkam pf  mit  dem  Schwerte 
die  getroffenen  proni  m  aduersas  idus  nicht  auf  die  eignen  schiffe 
niederfielen,  sondern  auf  das  verdeck  des  gegners  —  586  Tagus  ist 
bei  Silius  I  152  der  name  eines  fipaniiscben  Soldaten,  Cattts  wie  hier 
der  eines  Römers  (IV  139);  aus  Luc  bat  jener  auch  den  namen 
Teh  entnommen  (XIV  443)  —  600  erumpere  pe^st  schlecht  ru  sada 
puppis^  erepere  gut,  wie  VIII  39*  Sil.  XV  614  ercpit  suspema  ferm$ 
uestigia  — ^683  carinas  liesze  sich  vielleicht  halten  durch  verglei* 


CHosius:  zu  den  handschriften  des  Lucanus.  343 

chuDg  mit  Verg.  Äen.  IX  536  flammam  quae  .  .  corripuü  täbidas^ 
Juvencas  praef,  21  rapiant  incendia  .  .  opitSy  Stat.  Theb.  V  685; 
dem  gewöhnlichen  Sprachgebrauch  entspricht  jedoch  mehr  carifUbe^ 
vgl.  504.  X  499.  Verg.  Aen.  I  176.  Ov.  met.  XV  350  —  702  Mani- 
lius  V  610  summas  .  .  remeauü  ad  rmdas.  Auson.  Mos,  99  swmmas 
referuntur  in  tmdas  —  724  Stat.  Th.  1 134  ceruix  descendü  in  armos 

—  IV  13  Auson.  Mos.  33  placidis  praelapsus  aquis.  Val.  I  657. 
Stat.  Ach,  I  57  —  67  s.  unten  zu  VII  452  —  102  Sil.  I  592  uer- 
tidbus  torqihet  rapidis  mare  und  VIII  448  rapidasqvie  sonanti 
uertice  contorquent  undas  sichern  sowohl  uerticihus  (vgl.  III  631. 
IV  460.  Verg.  g.  IV  529.  Ov.  ex  P.  IV  10,  48.  Sil.  III  475)  wie 
(tquas  —  129  und  142  vgl.  jahrb.  1892  s.  350,  zu  der  ersten  stelle 
auch  Stat.  Th,  IV  706  fumant  deserto  gwrgüe  udUes^  zur  zweiten 
Sil.  IV  645  (Trebiam) . .  lacerum  per  GäUica  riuis  dispergam  ntra  — 
284  fugit  habe  ich  vorgezogen ,  da  cadU  5  verse  vorher  sich  findet ; 
sonst  ist  freilich  cadit  ira  die  stehende  Verbindung  Ov.  am,  IL  13,4. 
Sen.  Med,  997.  Persius  5, 91.  Stat.  Th.  VII 801.  Coripp.  loh.  VI  361 

—  372:  auch  c^  läszt  sich  halten,  so  Sen.  ep.  59,  17,  83,  IS  plus 
sibi  ingerere  quam  capiat  (Curt.  Ruf.  VIII  8, 12  pllus  habemi^  quam 
capimus  aus  conjectur),  doch  ist  posdt  an  sich  gefälliger,  und  die 
stelle  berührt  sich  nahe  mit  Ov.  rem.  am.  535  bibe  plus  etiam  quam 
quod  praecordia  poscunt  —  562  s.  praef.  s.  XV  —  600  Verg.  Aen, 
I  214  uidu  reuocant  uires,  Ov.  met.  IV  247  gdidos  artus  in  uiuum 
reuocare  calorem  —  634  undis  wie  Sil.  VI  182.  Stat.  Th.  1  385. 
IX  341  ua.  —  662  Sil.  VI  307  Martem  regere,  VII 47  resHsses  beOa, 
vgl.  auch  Verg.  Aen.  XII 405  uiam  fortuna  regit,  Sen,  ^igr.  73, 19  B. 
fortuna,  regas  semper  ciuüia  beUa  —  719  ohne  das  adjectiv  incautus 
wäre  timeri  vorzüglich.  Juba  fürchtet,  dasz  Curio  aus  angst  vor 
seiner  Überlegenheit  sich  nicht  in  eine  feldschlacht  einlassen  werde, 
so  ganz  gleich  paneg.  lat.  X  18  nihü  magis  timuisti  quam  ne  time- 
reris,  XII  35  qui  {exerdtus)  nihü  magis  timuerat  quam  timeri,  und 
eine  ähnliche  gegenttberstellung  noch  Sen.  Agam.  73.  Claud.  Stü. 
I  341,  Luc.  selbst  V  317  f.;  aber  dann  passt  nur  ein  cautus  oder 
etwas  ähnliches,  der  incautus  hostis  aber  ist  hier  wie  Ov.  met. 
XIII  104.  E.  lat,  119.  Coripp.  loh.  1  538  ua.  der  gegner,  der 
keine  Vorkehrungen  gegen  die  drohende  gefahr  trifft,  der  um  das 
nahen  des  feindes  sich  nicht  kümmert,  von  furcht  ist  bei  ihm  keine 
rede :  denn  furcht  und  Sorglosigkeit  gehen  nicht  zusammen,  jenes  in- 
cautits  fordert  uideri,  den  mangel  an  behutsamkeit  auf  selten  Curios 
kennt  Juba  und  fürchtet  nur^  dasz  trotzdem  vielleicht  aus  zufall  seine 
ankunft  bemerkt  werden  könnte  —  762  iUe  elegant:  'das  war  kein 
anlauf,  so  Verg.  Aen.  III  173  nee  sopor  iUud  erat  und  sein  nachbeter 
Silius  III  198  neque  enim  sopor  iUe,  ebd.  XVI  70  f.  Plin.  ep.  IV  2, 4 

—  V  52 :  wenn  M  recht  hat,  so  hat  Luc.  uetus  mit  dem  genitiv  ver 
bunden ,  wie  die  Schriftsteller  der  silbernen  latinität  öfters  thun,  so 
Sil.  IV  530  uäeres  läborum,  XVII  292  uetus  armorum\  vgl.  Heraeua 
zu  Tac.  hist,  IV  20  —  55  zu  den  namen  vgl.  Mommsen  ephem.  epigr. 


344 


CHoaias:  zu  den  handecbrifteu  des  Lacunufi« 


II  250  ff.  —  89  die  leichügk&it  der  änderung  beweist  mundoque  aU 
daä  urBprüngliehe ;  conscius  mit  dem  dativ  verbundeE  I  20  u6,,  ftäurvm 
fai-  sich  alleinstehend  V 179*  199.  Stat.  Th.  III  547  ua*  —  137  vgl.  die 
erklär uag  Burmunb  —  lo5  limitia  aucb  in  der  vorbildlichen  darstel- 
lung  Verg,  Aen.  III  90  tremcre  omnia  uisa  repente  Uminaqne  laurusqtte 
dei  totusque  moueri^  unten  520  —  328 :  ^chon  im  dritten  buche  sind 
die  truppen  des  Pomptgus  aaigezßhlt;  das  praesens  U%  also  hier  am 
platze  —  372  wenn  man  timet  liest,  dann  unterbrechen  die  wort© 
Uicit  .  ,  enscs  störend  den  Zusammenhang;  gut  wdrde  dieser  sat« 
äicb  au  ipse  pauet  Caesar  anreiben,  so  aber  mus2  tenet,  wie  auch 
Bentley  wollte»  gele&en  werden,  subject  ist  dann  pcrdere  atqueperire 

—  363 :  vielleicht  bat  auch  hier  M  die  wahre  lesart  gerettet  onge- 
wöhDlicb  freilich  bleibt  sie  und  wird  kaum  durch  beis^piele  wie  Val. 
Max,  VII  5,  6  non  Caloni  tunc  praetura^  sed  praeturae  Caio  ne^atus 
est  oder  Sen.  dem,  I  4»  3  äc  induü  rci  puUicae  Caesar  gerechtfertigt 
werden  können,  besser  könnte  man  vielleicht  heranziehen  die  ahn- 
liehe  Umdrehung  des  verhültnisöes  bei  Luc.  VI  311  caruissd  uUa 
Colone  statt  caruissd  Caio  uiiaj  auch  VIH  717  ille  .  .  uidum  pietate 
iimorem  compulU  läszt  &ich  unter  solche  beispiele  einreihen,  vgl. 
Verg.  Aen,  VI  229,  Ov.  md,  IV  711.  X  198  —  419:  die  Soldaten 
e^ßerits  pelagi  konnte  Caesar  kaum  zur  fahrt  ermutigen,  wenn  er 
einen  kräftigen  stürm  erflehte,  es  genügt  ihm  und  ibnen  ein  uetUus 
ferens,  s.  Verg.  Aen.  111  473.  IV  430.  Ov.  irisL  l  2,  13.  arU  U  64. 
Val,  I  266.  VI  327.  furens  mag  aus  V  578.  586.  599  oder  auch  aus 
ni  94  furor  incubuU  entstanden  sein  —  456  zu  dies  vgl.  J7.  W.  117 
cum  crasthia  primum  extulerü  TUana  dks^  auch  Verg.  Aen.  VII  148 
prima  lustrahat  lampade  ierras  orta  dies,  dkm  wäre  das  g^bi^uch- 
lichere  (s,  VI  333.  571,  X  434,  Verg,  ff.  I  249.  458.  Aen,  V  64.  Hör, 
c.  $aec.  9.  Sen.  Phaedr.  787.  Herc.  Od,  491.  Med.  298.  Val.  U  76. 
Stat.  Th.  III  440.  IV  680)  und  konnte  leicht  dem  von  der  gewohnten 
bahn  nicht  gern  abweichenden  ficholasticua  in  die  feder  kommen  — 
474:  auch  IX  1049  spricht  Luc.  nur  von  einem  kinde  der  Julia  — 
481:  der  dativ  (hier  mundo)  ist  in  dieser  Verbindung,  so  viel  ich 
sehe,  ausschlieszlicb  vertreten:  s.  I  84.  Verg.  Aen.  XI  361,  Ov»  met« 
I  736.   Iier.  17,  73.   irisL  IV  3,  33.  Val  VII  37.   Stat.  Th.  lU  159 

—  524 1  die  Variante  von  U  acheint  das  richtige  zu  bieten :  denn  auf 
solche  weise  pflegten,  wie  es  ja  nur  natUrlicb  ist,  die  E(^mer  die  glut 
:tu  erhalten;  so  sagt  denn  auch  Ov.  fast,  V  506  iffnis  in  hestemo 
$ii^e  paruus  erat^  danach  mordum  8  —  569 :  da  derselbe  wind  gleich 
ala  notus  wiederkehrt,  müssen  wir  hier  austros  lesen,  allerdings 
nennt  Val«  Flaccus,  der  I  640  zu  unserer  stalle  ein  gegenattick  liefert 
(puppern  nunc  iorquens  uerbcrat  eurus^  nunc  stridens  js^ph^ris  auf  tri 
notus:  undüiuc  feruent  aequora)  nicht  den  auster^  sondern  ausz«r 
dem  noius  den  euru&\  zu  den  aus  gerade  entgegengesetzter  rieh  tu  ng 
webenden  tcphyri  eurique  würde  zugleich  undlque  bet^ser  passen* 
allein  aucb  in  der  nicht  unähnlichen  stelle  II  454  ff.  wird  der  ausier 
nachher  durch  den  notus  wiedergegeben,  ebenso  Sil.  XVII  207.  210. 


(4r 


'^    Z.- ..     ~I   -■-     —    _V-.    HCT*^:^ 

-«m.  b^t    rtr.    II.  :   :.';    uxu   4*;,  i  .. 

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yj^.HL  busa.  b-jr^  I^i.  II  l4i  «a«  ü-Mm  «wnyvmv/»  ••k>v»-v*-  -'«v^^^^v* 

Umttem  aptL  %.  ui: ü  e'&i.  IV  4^ lt.--  '^< 4  :  So«)  «ji««;  \  ) ; , :( «"»t«  «i!^ 
formäas  huwutnam  fadem }^erkiMisi>fi.  AfiHn%  y)\\  \'\\\\  \\\\\  \  \\\  M.  1 1 
—  237  tremens^  ein  hSuti^^os  opithoton  \\\^v  \Mii(>itvii>^iw«ti.  mi'  «Uu 
Schwertes;  es  hier  aus  der  scbwftoho  Soaovhn«  iI«m  luoht  wwAw  Aw^  liinh 


^  T^l.  Sen.  Mfd,  824.  ^frv.  ()<»/.  ViU.    Aftern.  \X\    «iihilhH  Ol.  U't 
64,  93.  Sil.  XVII  294. 


346 


CHosiusi  2ü  den  handschriften  des  Lucanus. 


besessen  häile  das  ächwert  mit  ruhiger  band  zu  halten,  zu  erklären 
wäre  ein  dürftiger  notbehelf.  auch  fenentem  ist  nur  Interpretation  des 
richtigen  prementem,  s.  IV  706.  Sil.  II  615.  XIV  534  —  293  bei 
Hennaeis  mtifrte  man  einen  geographischen  irrtum  Lucans  annehmen: 
denn  Henna  westlich  vom  Aetna  in  ziemlicher  entfemung  gelegen 
hat  von  einem  ausbrach  desselben  nichts  zu  fürchten,  am  wenigsten 
noio  spirante,  daun  ist  mit  dem  corrector  von  B  notum  tu  ticb reiben 
(oder  auch  wie  VII 364,  IX  695.  X  243  noton)*^  spirare,  zwar  äuiszerst 
häufig  vom  winde  gebraucht,  kommt  aber  auch  dem  Volcanus  zu. 
Vorbild  scheint  für  diese  stelle  gewesen  zu  sein  Verg,  Äen.  III  579 
fatna  est  Enceladi  .  .  corpus  mcie  urgueri  hac  ingentemque  .  .  ruptis 
ftmmnam  exspirare  caminis,  s.  auch  Ov.  fast,  I  573  spirare  Ttfphoea 
credas  et  rapidum  Äetnaeo  fulgur  ab  igne  iad^  Ckud.  rapt,  Fros^ 
I  155  {Encdadus)  .  ,  spirat  inexJiamtum  sulphnr  —  401  Sil.  XI  469 
Pagasaea  raiis  cum  caerula  nonditm  cognUa  terrenae  ponionque 
mtrare  negaret^  wo  unsere  stelle  vorschwebt,  gibt  augenscheinlich 
ignotaSy  nicht  nouas  wieder,  und  so  meist»  Ov.  mei.  1 134.  VI  721, 
Manil.  I  88.  Val.  V  150.  VI  482,  Luc.  selbst  HI  194.  247.  310. 
IX  372  —  492  pauor  dreht  den  sinn  vollständig  um;  labor  steht 
auch  an  der  ähnlichen  stell©  V  655 ,  dann  Verg.  Äen,  IV  379.  Ov. 
ex  P*  IV  10,  82.  Stat.  s.  V  3,  92  —  581  ein  poUido  caniu  con- 
spersos  Philippos  wird  man  dem  dichter  kaum  zutrauen,  mag  er  auch 
509  von  poUuta  ars,  682  von  infandum  eurmcn^  706  von  ospoUtdum 
sprechen:  der  fehler  entstand  wie  V  725  remota  dtirch  die  beziehnng 
auf  das  nächststehende  wori.  wie  Luc.  spricht  Ov.  met.  II  793  ad- 
flaiuqm  $uo  populos  urhesque  domosque  poUuit^  Stat,  TL  II  64  poUu- 
tarn  Fhocida  busto,  BiL  I  22  —  604  uulgato  wie  257,  SiL  XI  140 
aeterno  nomine  famae  —  681  da  Luc.  fast  bei  dem  ganzen  inbalt 
des  Zauber  kesseis  sich  an  Ov.  met,  VII  266  ff.  hält»  so  musz,  da  jener 
275  his  ei  miUe  aliis  postquam  sine  nomine  rebus  sagt^  auch  Luc.  nee 
habentes  geschrieben  haben  (doch  vgl.  EFritzsche  quaestiones  Lu- 
caneae^  Gotha  1892,  s.  31);  vg\,  SiL  VIU  508  cetera  in  obscuro  famae 
ä  sine  nomine  uulgi^  XII  317,  Verg.  Aen,  IX  343  —  700  auch  hier 
hat  wie  V  524  die  zweite  band  in  U  das  richtige  bewahrt,  die  er- 
klÄrungsversucbe  des  nostraeque  Hecaies  pars  uUima  sind  sämt- 
lich höchst  gezwungen  und  unwahrscheinlich;  durch  aufnähme  von 
nostrique  und,  was  Bü  unterstützen,  von  Hecnte  ist  alles  klar;  Ov. 
sagt  her,  10,  58  pars  nosin  maior^  aw.  I  15,  42  pars  mei  muUa^ 
Sen.  epigr,  55,  4  (Baehr.)  pars  optima  meij  Claud.  beU,  Get,  309  pars 
nulla  md  —  709  dedi  et  ist  bedenklieb,  s.  Trampe  ao.  s.  17.  deo 
kann  man  abhängen  lassen  von  pilena  als  ablativ  wie  I  675  u5. ;  dann 
mu8Z  plena^  da  pectora  pkna  deo  keinen  sinn  gibt,  nominaüv, 
zum  subject  (ego)  gehörig,  i^ein.  aber  da  die  zauberin  doch  nicht 
selbst  Seherin  ist,  was  jener  ausdruck  bedeuten  würde,  kann  ich  auf 
die  frage  nach  dem  gott  eine  antwort  nicht  geben,  und  an  dieser 
frage  scheitert  auch  die  auffaasung  von  deo  als  dativ,  abhängig  von 
laut,   die  ganze  corruptel  scheint  aus  dem  anstoaz  an  dem  asyndeton 


CHosiufi:  zu  den  handscbrifben  des  Lncanns.  347 

entstanden  zu  sein,  doch  wie  hier  auch  IV  706.  VIT  244.  ähnlich  wie 
Luc.  peäora  plena  dare  sagt  Ov.  mä.  XV  176  plenaqt^  uentis  uda 
dedh  Manilius  IV  561  peäora  clara  ddbü  heUo  —  757  semd  *auf  ein- 
mal' noch  III  296.  VII 234.  543;  in  gleicher  gegenüberstellung  mit 
patdatim  Sen.  nat  quaest.  ü  9,  1  lumen  non  paulatim  prorepit ,  sed 
semd  uniaersis  infundUur  —  778 :  der  Orcus  ist  die  statte  des  Schwei- 
gens, und  seine  ströme  flieszen  ohne  laut;  aber  das  ufer,  wo  die 
schatten  den  fiLhrmann  flehend  umringen ,  wo  Cerberus  saeuis  terret 
latratibus  umhras  (Sil.  III  35.  Verg.  Äen.  VI  401),  wo  die  Furien  mit 
den  zischenden  schlangen  sitzen ,  und  bdiia  Lernae  horrendum  stri- 
dem  (Verg.  Äen.  VI  281.  287.  313  ff.  417.  Ov.  md,  IV  460.  Stat. 
Th,  II  51),  verdient  das  bei  wort  tacita  nicht,  wie  hier  der  tote  tadae 
ab  aggere  ripae  zurückgerufen  wird,  so  kehrt  Mart.  VII 47, 4  der  ge- 
nesende um  gustata  Ldhes  paene  aqua  —  797  der  häszliche  klang 
der  drei  mit  -is  schlieszenden  worte  wird  durch  die  lesart  von  B  ver- 
mieden; vergleichen  kann  man  mit  unserer  stelle  Stat.  Th.  IV  174 
ifmumero  chalybum  suhfemine  thorax,  Sid.  Ap.  11 431  —  VII  77  tua 
richtig,  denn  über  die  Signa  verfügt  der  feldherr,  s.  83.  V  349.  358. 
IX  379.  Sen.  dem.  I  4,  1  imperatoris  sui  signa.  Sil.  XVII  561  — 
130  in  ore  mors  uentura  est  faciesque  simiUima  fato  ist  eine  unerträg- 
liche tautologie.  stellen  wie  Verg.  Äen.  IV  644.  VIII  709  paüentem 
morte  futura,  Val.  I  824.  Ov.  md.  Xm  74.  Stat.  Th.  HI  547.  Sil. 
Vni  658  sichern  die  lesart  der  hss.  BU.  die  gleiche  construction 
hat  Juv.  4,  74  i«  qtiorum  fade  miserae  . .  sedebat  paUor  amidiiae  — 
1 56  typhon  ist  nach  Plin.  n.  ^.  11 131  f.  uibratus  ecnephias  . .  abruptum 
e  nube  gelida  conuoluens  .  .  praedpiui  nauigantium  pestis,  die  auch 
Gellius  XIX  1,  3  erfahren  hat;  dazu  passt  ausnehmend  der  zusatz 
auidos  aquarum,  sonst  kann  man  mit  Plinius  ebd.  II  91  auch  an  eine 
feuererscheinung  denken,  s.  auch  Val.  III 130  typhon  igne simul uen- 
tisque  rubens.  pythonas  weisz  ich  nicht  unterzubringen;  vielleicht 
h8ktpüh{e)ij  eine  art  kometen,  vorgeschwebt,  die  vulgata  siphonas 
als  himmelszeichen  finde  ich  ebenso  wenig  —  179  f.  der  zusatz  ante 
oculos  suos  macht  die  richtigkeit  von  uolitare  sehr  wahrscheinlich, 
so  Ov.  Ib.  155  ante  os  octdosque  uolabo,  am.  I  6, 13.  md.  XIV  411. 
Verg.  Äen.  X  641.  Stat.  Th.  HI  75.  Sil.  I  97;  von  nodurnae  uoces 
hat  Luc.  auch  schon  v.  175  gesprochen,  damit  ist  anch  für  den 
vorhergehenden  vers  die  unechtheit  der  lesart  von  VU  bewiesen  — 
363  compressum  wie  III  253.  Ov.  md.  I  48  —  406  f.  possd  wider- 
spricht den  geschichtlichen  thatsachen ;  nehmen  wir  aber  possü  auf, 
dann  hat  zu  dem  praesens  der  ausdruck  tanto  in  tempore  keinen  sinn 
mehr;  also  corpore,  wie  X  416.  Verg.  Äen.  XI  313.  toto  corpore  regni 
Ov.  trist,  n  231.  in  tanto  .  .  corpore  imperii  Sen.  dem.  II  2,  1.  Sil. 
IV  734  —  421  arma  sind  die  waffenthaten,  fast  gleich  pugna  oder 
bdlum,  so  V  285.  VIII  100.  Verg.  Äen.  I  1.  V  262.  VII  441  uö.; 
annis  stammt  aus  426  —  452  inpulü  drückt  wie  das  folgende  subitis 
die  plötzlich  eingetretene  finstemis  aus;  das  wort  findet  sich  in  glei- 
chem sinne  I  235.  IV  331.  Sen.  Phaedr.  963  atra  ueniis  nubüa  in- 


CHoiIu&$  2ti  den  bandschriften  de»  Lacanuß. 


peUentihus  und  musz  auch  IT  67  beibehalten  werdeo  —  462:  die 
titelle  ibt  infolge  der  bsh  Varianten  ein  kreuz  für  die  Interpreten,  die 
aufgenommene  lesart  gibt  den  b«äten  sinn,  sobald  man  tempvs  richtig 
auffaäzt.  die  truppen  einander  nabe  gerückt  schauen  die  scbar  sc« 
der  feinde ;  es  ist  die  zeit,  wo  sie  ein  ziel  für  ihre  ge^cbosse  zu  suchen 
beginnen,  wo  8ie  gegen  das  von  den  gegnern  drohende  gesebick  vor- 
kehniDgen  zu  treffen  suchen,  aber  auch  die  zeit  wo  sie  noch  eingeben 
können,  was  für  frevel  {monstra  wie  IV  252)  sie  zu  begeben  im  be- 
griff sind;  sie  erkennen  auch  ihre  ?&ter  und  brüder,  aber  gleichwohl 
non  lihuit  mutare  locum,  dasz  tenipus  .  •  forent  eine  art  parentbe^e 
bildet,  entgieng  den  Urhebern  jener  andern  Varianten,  und  sie 
Binderten  daher  mit  ziemlicher  kUbnbeit,  wobei  v.  793  iUe  hcuSy 
uoUtis  ex  quo  fadesque  iacentum  agnoscat  die  worte  hergegeben  haben 
mag.  zu  tempus  ist  wie  so  häufig  erat  zu  ergänzen,  so  Plin.  ep,  VHI 
14,  10  hreue  tempus^  quo  Übet  scire^  quid  simus*  II  13,  2  longum 
praeierea  iempus,  quo  ,  .poiuisiL  Verg.  Am.  VI  46.  X  512.  Ov.  mä^ 
X  6Ö7.  Sil  XVII  355.  Stat.  s.  V  1, 135.  5,  43.  Th.  X  196,  der  vers- 
schlusz  quae  noscert  pcssent  Endet  sich  Cic.  Ärat,  190  —  488  ff.  zur 
Umstellung  vgL  praef.  s.  XX  —  503  ccUere  a  sanguine  wäre  eine 
zwar  nicht  gewöhnliche,  aber  nicht  unmögliche  Verbindung,  so 
IV  153  gelidos  a  gurgUe  artus,  Liv.  XXV  39^  9  calenies  a  recenii 
pugna,  aber  gleichwohl  unterliegt  es  für  mich  keinem  zweifei,  dasz 
der  Zusatz  a  sanguine  von  einem  Interpreten  herrührt,  der  zu  dem 
calere  die  angäbe  des  grundes  vermiszte.  nötig  ist  er  aber  durchaus 
nicht,  vgl.  IV  511.  Sil.  I  309  uidori  morkns  tepefactam  retitdit  kastam, 
IV  182,  Verg.  Äen.  IX  701,  X  486,  570.  Bor.  5.  II  3,  136.  ich  gebe 
daher  a  Caesare  den  vorzug,  ähnlich  spricht  Luc*  I  59  absterU  a  Cae- 
sare  nubes*  damit  fällt  auch  indc,  das  den  gkichmäszigkeit  erstre- 
benden interpolator  auch  schon  an  sich  verrät;  omne  verschärft  den 
gegensatz  der  beiden  parteien  noch  mehr  —  513  tempore  V  'argute, 
sed  non  vere'  Oudendorp;  ich  kann  auch  keine  arguiiae  entdecken, 
denn  ich  finde  keine  ungezwungene  erklärung.  zum  überflasz  be^ 
legt  pondere  in  seiner  nachahmung  dieser  stelle  noch  Valerius  III  96 
saxa  facesque  atras  et  tortae  pondera  fundac^  s.  auch  Sil.  I  523. 
Coripp.  loh,  V  383  ff.  sollte  tempore  entj^tanden  sein  aus  Verg.  Äen^ 
IX  588  liquefado  tempora phtmho  diffidii'^  —  560  ebenso  Btat.  Th. 

IV  135  inspicU  enses  —  594  zu  humanum  columen  vgl.  Gurt.  Ruf. 
IX  2,  28  gloriam  ,  •  qua  humamtm  fastigium  esecedUU.  10, 24  animo 
$upra  humanum  fastigium  elato,  ein  ausdrock  den  Seneca  von  Curtius 
entlehnt  zu  haben  scheint  ep,  108»  13  iUum,,aÜiorem huma$u)  fastigio 
eredidi]  premufUur  dann  ist  kräftiger  und  ausdrucksvoller  als  reguntur^ 
obwohl  auch  bei  Manilius  127  quo  cuncta  reguntur  —  598  commixia 
bestechend^  bes.  nach  vergleich  mit  II  101.  Ov.fast,  IV  293.  Ale.  Av. 

V  275;  aber  Caesar  in  pUhem  uetat  tre  manuSy  und  seine  truppen 
haben  den  befehl  befolgt,  permMa  secundo  ordine  nobilUas  (581) 
und  patriae  omne  decus  (597j,  gerade  die  clari  uiri  fallen;  der  Sach- 
lage enUprieht  aUo  fwn  miacta  —  621  f.  ganz  analog  III  590  cruor 


CHoBiQs :  zu  den  handschriften  des  Lncanos.  349 

expuUt  hastaSj  Sen.  Oed.  1063  ferrumque  .  .  eiecU  cnior,  Ov.  mä. 
XTTI  393  teUm  exptUü  ipse  cruor.  anima  zu  mariens  gezogen  liesze 
sich  verteidigen,  wenn  man  es  mit  bezug  auf  Verg.  Äen.  IK  349 
purpureatn  uomü  tue  animam  als  blut  auffaszt  —  734  conficU  wie 
VI  131,  Claud.  fesc.  39  beüumque  sölus  conficeret  decofy  Anth.  Lai 
722,  16  ludus  conficU  urbes  —  755  vgl.  praef.  s.  XV  —  870  ahsd' 
uU%8  ist  der  terminus  technicus  und  kehrt  auch  in  der  inhaltlich 
gleichen  stelle  Mart.  XII  52,  10  ahsoHuü  Phrygium  uestra  rapina 
Farim  wieder  —  VIII 40:  zieht  man  conscia  curarum  zu  lüara^  dann 
ist  secretae  zu  schreiben ;  aber  von  der  augenblicklichen  sorge  weisz 
Lesbos  und  die  dort  weilende  Cornelia  noch  nichts;  es  gehören  also 
jene  worte  zu  uda.  die  weite  trennung  zusammengehöriger  worte 
durch  zwischenschachtelung  anderer  ist  beim  dichter  nicht  au^llig, 
vgl.  I  637.  II  172  f.  VI  564  f.  652  f.  VIII  343.  IX  822  f.  zugleich 
wird  die  starke  elision  beseitigt  (doch  s.  v.  74.  243.  418.  508),  und 
die  gleiche  Verbindung  wiederholt  sich  V  376  secretaque  litoraLeucae^ 
8.  auch  V  230.  IX  32.  Ov.  met.  XII  196  ->  265  nicht  einen  anfang 
sucht  Pompejus  für  seine  läge  (man  würde,  wenn  meis  richtig  wäre, 
fOr  exordia  eher  einen  ausdruck  erwarten  im  sinne  von  Vettung^ 
Verbesserung'),  wohl  aber  sucht  er  einen  anfang  zur  erneuerung 
seines  geschicks,   richtig  daher  fumis  wie  I  121.  V  487.  VI  660. 

IX  545.  das  Possessivpronomen  wird  aus  der  glosse  sehr  leicht 
zur  lesart,  vgl.  die  Varianten  zu  v.  624.  VI  193,  auch  IX  449  — 
314  sat  wie  V  660.  Val.  VI  548.  Sil.  V  375.  IX  140.  X  366  — 
539  exuUare  kommt  von  leblosen  wesen  nur  dem  zu,  das  doch  einen 
schein  von  leben  hat,  wie  kochendem  wasser  uä.  so  Verg.  Aen, 
III  557  von  der  Charjbdis:  eoouUantque  uada  atque  aestu  miscentur 
harenae.  vielleicht  ist  das  verbum  aus  dieser  stelle  auch  hier  fölsch- 
lich  eingedrungen,  oder  auch  aus  Stat.  s.  I  2,  213  extiUauü  harenis 
pastor.  zu  excurrere  vgl.  IV  405.  V  380.  Ov.  md.  XDl  724  —  567: 
noch  eben  apptUeratj  deshalb  hier  besser  aduertere  wie  Verg.  Äen, 

V  34.  VII  35.  Ov.  trist.  I  2,  89.  Val.  IV  733.  Coripp.  loh.  1 348  — 
655  Ov.  met.  X 381  aptahat paOenti uincula  coUo.  Auson. XIX 14, 4P. 
aptauü  coUo  laqueum,  noch  wörtlicher  übereinstimmend ,  aber  in  an- 
derm  sinne  Sil.  VI  353  intartos  aptare  mdentes  —  693  sororis  ent- 
standen aus  dem  gleichklang  der  endung  in  sceptris.  der  Sprach- 
gebrauch fordert  den  dativ,  so  V  168.  Mart.  VIII  18,  7  Vario  cessU 
laude,  V  48,  3.  Sen.  hen.  VII 12,  3.  Sil.  VII 491  huic  Carthago  armis, 
huic  Africa  nomine  cedet.  V  250.  Cicero  p.  Mit.  27, 75  —  716  Icario 
Cyreneae  ist  sachlich  und  metrisch  unmöglich  —  741  extremo . .  funere 
ohne  busti  wäre  untadellich ,  so  Stat.  Th.  VIII  737  cura  supremi 
funeris.  Sil.  X  520  funere  supremo.  Ov.  met,  III  137.  27.  lai.  1047 
supremaqtie  funera;  jener  zusatz  aber  macht  die  Verbindung  un- 
haltbar, von  dem  honor  rogi  spricht  Luc.  IX  62  (nach  Verg.  Äen. 

X  493),  etwas  anders  Silius  II  264  miseräbüe  humandi  mtmus^  Val. 

V  13  extrema  munera  und  so  Verg.  Äen.  XI  25.  Ov.  eo;  P.  17,  29. 
Stat.  Th.  XII  54  —  IX  67  iusta  wie  Prop.  III  7,  9.   Ov.  fast. 


350 


CHobiub:  2u  den  hand&cbrifteu  des  Lacaniis, 


III  560.  VI  492.  trist,  IV  10,  80.  Sen.  Med.  1007.  dial,  XI  17,  4. 
Vah  ni  367.  V  6.  Stat.  Th.  VI  169.  IX  517.  XII  M.  Auson.  IV 
30,  HP.  —  219  Tarcondimoius  der  herscher  Ciliciens,  8.  v.  222, 
Cic.  episL  XV  1, 2.  Flon  IV  2, 5.  Cass.  Dion  XLI  63, 1.  XLVII  26,  2, 
L  14,  2*  den  Urhebern  der  variaute  scheint  der  aus  Verg,  letzten 
Ijüchern  bekannte  Tarchan  im  sinne  gelegen  zu  haben  —  332  zu 
prementcm  vgl.  I  390.  Sen,  Fhoen,  429  ratis  premenie  uenio  rapUur. 
Val.  V  73  premenU  nöto\  frementem  wird  aus  v.  320  herrühren  — 
385 1  einen  weg  ad  pcUriae  ruentis  amorem  verstehe  ich  nicht;  das 
richtige  bietet  C;  que  steht  für  sed^  wie  schon  zu  V  617  bemerkt, 
der  satz  mit  si  quihus  reiht  sich  etwas  ungeschickt  an;  ähnlich  kt 
aber  auch  v.  401  si  giu)  usw.;  s,  auch  V  610  —  406  cakntes  könnte 
nur  proleptisch  erklärt  werden^  da  hon^t  ein  ttki^fidere  überflüssig 
vfäre^  auch  die  so  eben  den  gefabren  des  meeres  entronnenen 
triippen  kaum  viel  begeisterung  und  geneig theit  zur  ertragung  neuer 
Schrecknisse  verspürt  haben  werden,  aber  auch  dann  gefällt  die 
Verbindung  wenig;  ganz  anders  ist  II  324  iuuenisque  calorem  excücU^ 
denn  des  Brutus  unerschrockenes  herz  hatte  der  dichter  schon  234 
gerühmt,  oder  Sil.  XII  351.  Stat  Th.  X  487.  Claud.  inBuf,  U  173; 
pauente^  verdient  in  jeder  btziehung  den  vorxug,  vgL  I  262.  IV  474* 
Coripp.  loh,  VI  553  irepidantia  pectora  firmat  VIII  440  incendens 
dubios  mentes  —  454  Verg.  Äen.  V  662  furü  inmissis  Volcanus 
häbeniSy  Sil.  IV  339  totis  ferretur  hahcnis  —  580  quoctmque  V,  doch 
der  vers  gibt  die  gelehrsamkeit  des  oheims  wieder,  s.  nat.  quaest* 
n  45,  3  {luppiter)  est  hoc  qmd  uides  iotum^  I  proL  13  quid  est  dem? 
t^uod  uides  toium  —  588  labores  aus  88 1,  uapores  wie  IV  305*  Ov. 
met,  II  301,  XI  630.  Claud.  Prob,  ä  Öl  131.  (Coripp.  loh.  VI  256)  — 
592  cogatur  Jaikes  potare  V;  aber  wer  zwingt  denn  die  truppen  zu 
trinken }  da  der  feldherr  selbst  zögert?  den  passenden  sinn  gibt 
certare,  wenn  das  durstgequälte  beer  die  quelle  entdeckt,  dann  ent* 
stebt  zwischen  den  einzelnen  ein  kämpf  um  den  vortritt,  einen  80l* 
eben  tumult  beschreibt  Stat.  Th,  IV  808  ff.,  wo  das  gleiche  verbum 
wiederkehrt  v.  820  agmina  hello  decertare  puies  —  605  qu^  hängt 
ab  von  dem  comparati vischen  ultra.  Bentley  verglich  766  qua  non 
tdla  cruentae  tantum  mortis  habet,  s.  auch  867  —  692  polum  wie 
377.  867,  X  275  —  722  ^mantia,  wie  VI  719  spumantia  ora, 
aber  der  zusatx  musz  wie  bei  den  meisten  andern  Schlangenarten  den 
namen  erklären,  zvl  prester  von  irifiTTprijUi,  TTpnÖciv  gehört  fumatUia^ 
unten  790  torridus  —  821  die  welche  uirgas  mentita  Sabacas  taxicsk^ 
carpunt  können  nicht  gut  selbst  Sab&er  sein,  die  Varianten  der  bs 
MB  führen  auch  auf  die  lesart  von  C  Saitae.  zunäobtit  denkt  man' 
mit  dem  scholiasten  an  die  bewobner  der  ägyptischen  Stadt  Sais,  und 
giftkräuter  Ägyptens  kennt  schon  Homer  Od.  b  230,  wie  denn  dies 
land  sie  in  der  arzneikunde,  worin  seine  bewohner  weit  berühmt 
waren,  vielfach  verwandte,  es  ist  aber  auch  nicht  unmöglich,  dassi 
Luc,  der  gern  mit  seltenen,  aus  weitester  ferne  herbeigeholten  geo- 
graphischen namen  um  sich  wirft,  an  den  volksstamm  denkt,  der 


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i6t  Locm:  Tersiiiof  propier  llIaxi'»7>«H£;Liuir.izi  er  Tc»R^3ftac«l  ilttn» 
sncpcietiE.  MsezDOf^.  XTin  [IBS^^J  &.  5  £  nicbt.  -cad  k^  f&TYbt^  m 
wii^  sieb  nicirx  eiiiBch4*ideD  lasBen.  eme  uiz&hl  ist  jm  sxilrM'  «ittf<!bt 
wie  I  45«  iL  TI  152-  207.  TIH  124  be..  Eber  sftn>t  wird  b«^ 
seUtzQZLg  oder  ^rermgacbtimg  da*  dicfaieruirlteB  flÜhigkcQl  Lucaatt, 
schüfe  oder  milde  l»eiirteiliziig  podtiiicbeT  üoeniseii  nL  bei  TfTKhie- 
deaeB  zneiiBcibai  die  estBcbeidusg  sehr  reifidiiedeD  Aosfülen  l»ss>is. 
miiBdrfieke  wie  bei  Francken  e.  17  über  IX  4  £^4  *9etd  aciB  eoBtendenv 
fieri  Bon  posBe,  nt  ipse  poeta  Bcsripserit  et  delereril  postoa*  s«a^!«ft 
in  üzrer  nnBcklllsBigkert  die  gef&hr  eines  definitäTeii  «teils. 

MCxBTER  IS  Westfalxx.  Casl  Houl». 


41. 

zu  TACITÜS  AGBICOLA- 


Nachdem  Tadtos  im  anfange  des  cap.  9  davon  berichtet  hat, 
dasz  Agricola,  als  er  auf  befehl  Vespasians  die  Verwaltung  Aquitaniens 
ttbernommen  hatte ,  sich  auf  dem  gebiete  der  bürgerlichen  recht«* 
pflege  vermöge  der  ihm  angeborenen  klugheit  bald  turecht  geAinden 
habe,  föhrt  er  folgendermaszen  fort:  iam  vero  t^mpora  enrarum 
remissionumque  divisa:  ubi  c(mvent%is  ac  MUeia  po9oerent^  gravis^ 
intentas^  seventSy  et  saepius  miserieors;  uhi  officio  satis  factum^  nüUa 
uUra  potestatis  persona:  tristUiam  et  adrogantiam  H  avaritinm 
exuerat.  Bacmeister  in  seiner  Übersetzung  gibt  dies  durch  folgernde 
Worte  wieder:  'sodann  unterschied  er  Ewisohen  geschäft  und  <>r* 
bolung:  wo  Sitzung  und  genchtshof  rief,  da  war  er  ernst,  gt^nau, 
streng,  noch  öfber  aber  nachsichtig;  war  der  pflicht  genüge  gethan, 
so  war  vom  beamten  keine  spur  mehr,  finntoron  wesen,  hochmut, 
habsncht  war  ihm  durchaus  fremd.' 

Es  kann  nicht  auffallen,  dass  versohiodono  erklltrer  an  dorn 
Worte  avarüiam  anstosz  genommen  haben ,  da  Ja  eino  gunnuere  l>o- 

Jahrbtteher  fQr  cUtt.  philol.  1898  hfl.  4  u.  6.  SA 


352 


CHoBiuB :  zü  den  band  seh  riften  des  Lucanus, 


willi   ist  aoB  402  oder  aus  dem  gleichen  vetrsscblost  II  227«  655. 

V  286  entstanden  —  492  uda  ist  mir  unerklärlich,  trefflich  dagegen 
bella  wie  Verg.  Äen.  XII  735  in  prodia  iundm  ,  .  equos  —  512  ff. 
zwei  vorteile ,  sagt  der  dichter ,  brachte  die  beaetzung  von  Pbaros 
dem  Caesar,  aber  aus  dem  text,  den  M  VU  überliefern,  ergibt  sich 
nur  der  6ine:  abstulü  exatrsus  et  fauces  aequoris  hostii  denn  excursus 
und  fmices  aeqtwris  als  verschiedene  gesichta punkte  auszugeben  gebt 
nicht  an*  der  zweit©  vorteil  rausz  also  in  v*  514  stecken,  und  das 
ist  nur  der  fall,  wenn  wir  die  lesart  von  BG  adoptieren:  dem  feinde 
entrisz  Caesar  die  freie  ausfahrt  ins  meer,  den  bundesgenossen  ge- 
währte er  die  bequeme  möglichkeit  sich  mit  ihm  zu  vereinen,  auch 
die  Verbindung  fatum  poenasque  fneriti  Fothini  jener  hfls.  bat  etwas 
ungemein  schlaffes  und  unschönes  an  sich ;  selbst  in  diesen  letzten 
bücbern  möchte  ich  sie  dem  dichter  nicht  zutrauen ;  ganz  anders  ist 
natOrlich  die  stelle  VJI  771  exiffü  a  merüis poenas  —  53$  zusubUus 
haben  die  interpreten  bereits  mit  glück  Verg,  Aen.  VIU  465 
Aeneas  se  matuUnus  agehat  verglichen;  ähnlich  auch  oben  III  499 
nodurni^  IV  732  nocturnum. 

Von  den  besprochenen  etwa  120  stellen  fiel  die  entscheidung 
für  M  im  ge^ensatz  zu  V  aus  in  etwas  über  60  versen,  für  V  in 
kaum  20,  der  rest  verteilt  sich  auf  MV  im  gegensatz  zu  Bü  und 
auf  diese  beiden  bss.  vereint  oder  auch  einzeln,  die  vorzüglichkeit 
von  M,  dem  hauptvertreter  der  Paulusrecension,  ist  damit  hinläng- 
lich bewiesen*  mag  auch  zu  jenen  stellen,  wo  V  die  prioritÄt  be- 
hauptet hat,  noch  ©ine  reibe  anderer  kommen,  wo  seine  lesart  aach 
ohne  weitere  beweisführung  sieb  als  richtig  herausstellt,  wie  II  303 
pro$tq\AaT''\  614  ltng\iam,  IV  329  ora  tarnen,  487  ahest^,  V  107 
noia6^\  VI  112  folüs'\  425  pyihia,  VII  641  uindmur,  IX  165  saeuus, 
760  cruorey  795  poUente^  Bl8  Bodos ^  X  225  iahe  ua.,  so  neigt  die 
wagschale  deshalb  noch  nicht  auf  jene  seite,  da  einmal  auch  M  noch 
solche  stellen  bat,  bei  denen  ich  einer  begründung  überhoben  zu 
^in  glaube,  wie  I  198  {cHua  ==)  Alba,  600  cißchm,  11  406  sapU^ 
244  non,  IV  283  miicmdae  .  .  mortis,  V  681  inmmt,  VI  508 
mmiae,  VII  451  Cassim,  495  iim€hai'\  Vni582  surda,  IX  451  liqui- 
das  ua. ,  und  auszerdem  fast  stets  6ine  oder  mehrere  der  bss.  dieser 
classe  mit  V  übereinstimmen,  die  abweichungen  des  Montepe*flu- 
lanus  also  vielleicht  dem  schrei  her  zur  last  gelegt  werden  können* 
der  wert  von  V  ist  so  allerdings  tief  gesunken;  entbehrt  werden 
kann  dieser  codex  freilich  ebenso  wenig  wie  einer  der  andern,  wenn 
irgendwo,  so  musz  im  Luc.  bei  der  wähl  der  lesarten  ein  eklekti- 
Bches  verfahren  angewandt  werden-  da  die  verschiedenen  recensionen 
schon  sehr  früh  durch  einander  gemischt  sind  (und  es  ist  kein  wun- 
der bei  dem  eifrigen  Studium,  das  dem  dichter  zu  teil  wurde) ^  so 

*^  vgl.  Ov,  iruL  I  8,  14.  Seil.  diaL  IX  12,  4.   Sil*  H  612.         *•  VfL 
Verg,  Aen.  W  14.  Ov.  am.  l  10,  9.  Anth.  Lat.  6^3,  12,  Äuion.  11  234  F, 


*'  vgl,  Miiniliu«  11  778. 
liehe  Bchilderang  IV  778  f. 


**  mOTSu  aas  v.  114*        *•  vgl.  dl«  ihn- 


KHachtmann :  zu  Tacitas  Agricola  [c.  9].  353 

kann  an  zahlreichen  stellen  eine  einzige  hs.  den  ursprünglichen  Wort- 
laut gerettet  haben,  während  die  übrigen  ein  gleichmäsziges ,  aber 
gleichwohl  unechtes  kleid  erhalten  haben,  jede  der  streitigen  stellen 
bedarf  einer  genauen  prüfung,  mag  auch  das  gewicht  des  Monte- 
pessulanus  seine  lesart  schon  an  sich  empfehlen  und  somit  an  stellen, 
wo  eine  feste  entscheidung  unmöglich  ist,  die  grössere  Wahrschein- 
lichkeit ihm  zukommen,  ist  das  wahrscheinlichere  vielleicht  hier  und 
da  auch  nicht  das  richtige,  einen  andern  Standpunkt  können  wir 
nicht  wählen ,  ohne  dann  ganz  im  ungewissen  zu  tappen. 

Über  die  verdächtigen  verse  zu  sprechen  habe  ich  unterlassen; 
entschieden  haben  diese  schwierige  frage  auch  die  letzten  bearbeiter 
AKindler  (de  Lucani  Pharsaliae  versibus  qui  desunt  in  codicibus 
Montepessulano  et  Vossiano  altero,  Münster  1882)  und  CMFrancken 
(de  Lucani  versibus  propter  Montepessulanum  et  Vossianum  alterum 
suspectis,  Mnemos.  XVIII  [1890]  s.  ö  ff.)  nicht,  und  ich  fürchte,  sie 
wird  sich  nicht  entscheiden  lassen,  eine  anzahl  ist  ja  sicher  unecht 
wie  I  436  ff.  VI  152.  207.  VIII  124  ua.,  aber  sonst  wird  hoch- 
Bchätzung  oder  geringachtung  der  dichterischen  fähigkeit  Lucans, 
scharfe  oder  milde  beurteilung  poetischer  licenzen  uä.  bei  verschie- 
denen menschen  die  entscheidung  sehr  verschieden  ausfallen  lassen, 
ausdrücke  wie  bei  Francken  s.  17  über  IX  494  'sed  non  contenderim 
fieri  non  posse,  ut  ipse  poeta  scripserit  et  deleverit  postea*  zeigen 
in  ihrer  unschlüssigkeit  die  gefabr  eines  definitiven  Urteils. 

Münster  in  Westfalen.  Gabl  Hosms. 


41. 

ZU  TACITUS  AGßlCOLA. 


Nachdem  Tacitus  im  anfange  des  cap.  9  davon  berichtet  hat, 
dasz  Agricola,  als  er  auf  befehl  Vespasians  die  Verwaltung  Aquitaniens 
übernommen  hatte ,  sich  auf  dem  gebiete  der  bürgerlichen  recht«- 
pflege  vermöge  der  ihm  angeborenen  klugheit  bald  zurecht  gefunden 
habe,  fährt  er  folgendermaszen  fort:  iam  vero  tempora  curartim 
remissionumque  divisa:  übi  conventus  ac  mdicia  poscerent,  gravis^ 
interdusy  severus,  et  sa^us  misericors;  uU  officio  satis  factum^  nuUa 
uUra  potestcUis  persona:  tristitiam  et  adrogantiam  et  avaritiam 
exuercU.  Bacmeister  in  seiner  Übersetzung  gibt  dies  durch  folgende 
Worte  wieder:  'sodann  unterschied  er  zwischen  geschäfb  und  er- 
holung:  wo  Sitzung  und  gerichtshof  rief,  da  war  er  ernst,  genau, 
streng,  noch  öfter  aber  nachsichtig;  war  der  pfiicht  genüge  gethan, 
so  war  vom  beamten  keine  spur  mehr,  finsteres  wesen,  hochmut, 
habsucht  war  ihm  durchaus  fremd.' 

Es  kann  nicht  auffallen,  dasz  verschiedene  erklftrer  an  dem 
Worte  avaritiam  anstosz  genommen  haben,  da  ja  eine  genauere  be- 

Jahrbttcher  fQr  cUtt.  philol.  1898  hft.  4  a.  5.  23 


354 


KHachtmann:  zu  Tacitus  Agricola  [c.  9], 


tracbtuug  der  stelle  dazu  führten  musz,  da&2  die  erwäbnung  der 
avaritia  an  dieser  stelle  und  in  diesem  zusammenbange  durchaus 
unpassend  ist*  denn  eine  unbefangene  prüfung  führt  2U  dem  resultat 
dasz  Tacitus  von  der  gemütsstimmung  spricht,  in  der  sich  Agri^ 
Cola  befand,  sobald  er  die  amtlichen,  specieH  die  richterlichen  ge- 
scfaäfte  erledigt  hatte,  und  dasz  er  dabei  als  wahrheitsliebender  ge- 
schieh ts  ehre  i  her  auch  härten  In  dem  auftreten  seines  scbwieger^ 
Vaters  nicht  verschweigt,  die  sich  bei  seiner  richterlichen  thätigkeif 
geltend  oiacbten,  dat^z  letzterer  von  solchen  härten,  die  aber  Im 
gründe  nur  al«  ein  ausflusz  seiner  durchaus  ehrlichen,  alles  gemeine 
hassenden  natur  angesehen  werden  müssen,  nicht  frei  gewesen,  wird 
von  Tacitus  auch  sonst  bezeugt;  zb*  c.  22  sagt  er:  apud  quosdam 
acerhior  in  conviciis  narrahaiur,  et  erat,  ut  comis  honis^  Ua  ad- 
versus  malos  iniucundus,  durch  die  zuletzt  angeführten  worte 
wird  auch  der  weg  zu  einer  richtigen  Übersetzung  des  verbums  exuerat 
gebahnt,  dessen  erklärung  den  auslegern  nicht  geringe  Schwierig- 
keiten bereitet  hat.  es  widerspricht  nach  meiner  ansieht  durchaus 
dem  zusammenhange,  wenn  Tücking  in  seiner  ausgäbe  Übersetzt: 
'er  hatte  nicht  an  sich,  er  besasz  nicht';  einzig  zulässig  ist  vielmehr 
die  erklärung  'er  hatte  abgelegt*:  denn  Agricola  besasz  thatsÄchlich 
die  eigenheit  in  seiner  amtlichen  thätigkeit  nicht  selten  tohroff  auf- 
zutreten* 

Aus  diesem  grunde  kann  ich  auch  der  erklärung  Drftgers  nicht 
beistimmen  f  der  sich  an  CPeter  anscblieszt  und  in  seiner  ausgäbe 
zu  eocMerat^  ohne  eine  Übersetzung  des  wertes  beizufügen,  folgendes 
bemerkt :  ^insofern  die  anläge  dazu  in  der  menschlichen  natur  vor- 
handen ist  und  durch  Selbstüberwindung  abgelegt  wird/  es  ist  an 
und  fUr  sich  kein  richtiger  gedanke,  dasz  die  eigenschaften  der 
irisiiiiay  adrogantia^  avaritia  oder  die  anläge  dazu  in  jeder  mensch- 
liehen  natur  vorhanden  sei;  auszerdem  weisen  die  folgenden  worte 
nee  iUiy  quod  esi  rarissimumf  aut  facüitas  audorUatem  aut  severitas 
amoreni  deminuit  aufs  deutlichste  darauf  hin,  dasz  hier  nur  von 
speciellen  eigenschaften  in  dem  wesen  des  Agricola  gehandelt  wird» 
—  Ausführlich  bat  sich  über  unsere  stelle  CPeter  in  seiner  verdienst- 
vollen ausgäbe  ausgesprochen^  aber  indem  er  an  dem  worte  avaritia 
keinen  anst^isz  nimt,  gibt  er  eine  erklfirung,  die  als  irgendwie  h%4 
friedigend  nicht  bezeichnet  werden  kann,  er  sagt:  'der  sinn  dieser^ 
worte  kann  nicht  sein,  dasz  Agricola  auszer  dem  dienst  diese  eigen- 
schaften (m (irrisches  wesen,  anmaszung  und  habsucht)  abgelegt,  sie 
also  im  dienet  bewiesen  hätte,  da  Tacitus  besonders  mit  der  at^arilia 
den  schwersten  Vorwurf  gegen  seinen  Schwiegervater  aussprechen 
würde,  ebenso  wenig  kann  von  der  eigentlichen  bedeutung  von 
exmrat  abgesehen  werden,  so  dasz  dasselbe  nur  so  viel  wäre  wie 
€er  war  davon  frei»»  es  rausz  daher  auf  der  einen  seite  die  be- 
Ziehung  auf  den  gegensatz  zwischen  dienst  und  nichtdienst  auf* 
gegeben  werden  (?),  so  dasz  also  in  den  worten  ein  allgemeines  lob 
für  Agricola  gefunden  wird}  auf  der  andern  seite  aber  musz  die 


EHachtmann:  zu  Tacitus  Agricola  [c.  9].  3ÖÖ 

eigentliche  bedeutung  von  exuerat  festgehalten  werden,  und  dies 
wird  durch  die  annähme  ermöglicht,  dasz  auch  nach  Tac.  meinung 
die  anläge  zu  den  fehlem  des  Charakters  in  der  menschlichen  natur 
vorhanden  und  die  befreiung  von  denselben  also  ein  ablegen  der- 
selben durch  Überwindung  jener  anläge  sei.  dasz  dies  wirklich  die 
ansieht  des  Tac,  geht  aus  stellen  hervor  wie  ah  exe.  VI  25  Agrippma 
aequi  impatiens^  dominandi  avida^  virüibus  curis  feminarum  vUia 
exuerat ;  hist,  IV  6  etiam  sapientibus  cupido  gloriae  novissima  exuUur.* 
damit  vergleiche  man  was  Knaut  in  seiner  ausgäbe  (bibl.  Gothana) 
zu  exuerat  bemerkt :  *  exuerat  <»  er  hatte  sich  freigehalten.  Agricola 
hatte  diese  fehler  nicht  etwa  früher  gezeigt  und  sie  dann  abgelegt ; 
vielmehr  hatte  er  neigung  und  anläge  zu  jenen  eigenschaften ,  die 
man  bei  jedem  Statthalter  voraussetzen  konnte  und  die  gewisser- 
maszen  am  amte  hafteten  (daher  eQiMere\  gar  nicht  auf  kommen  lassen, 
von  vorn  herein  überwunden.'  ich  glaube  nicht,  dasz  die  genannten 
gelehrten  zu  jenen  mehr  oder  weniger  gezwungenen  erklärungen  ihre 
Zuflucht  genommen  hätten^  wenn  sie  nicht  mit  dem  in  den  hss.  über- 
lieferten Worte  avarüiam  zu  rechnen  gehabt  hätten,  ist  aber  die  Zu- 
sammenstellung von  avarüia  mit  tristüia  und  adrogantia  schon  an 
und  für  sich  im  höchsten  grade  auffällig,  so  erscheint  die  er  wähnung 
der  avarüia^  mag  man  sie  als  einen  fehler  ansehen,  den  Agricola 
glücklich  überwunden  hatte,  oder  als  eine  eigenschaft,  die  er  über- 
haupt nicht  besasz,  geradezu  rätselhaft,  wenn  wir  unmittelbar  darauf 
in  der  Schilderung  seines  Charakters  bei  Tac.  lesen:  integritatem 
atque  ahstinentiam  in  tanto  viro  referre  iniuria  virtutum 
fuerU,  Peter  sucht  aus  den  nicht  geringen  Schwierigkeiten  sich 
herauszuwinden,  indem  er  zu  den  werten  integritatem  atque  ahsti" 
nentiam  bemerkt:  'jenes  hauptsächlich  die  Unbestechlichkeit,  dieses 
die  enthaltsamkeit  von  Veruntreuungen ;  die  diesen  beiden  tugenden 
entgegengesetzten  fehler  sind  also  mehr  als  die  vorhin  erwähnte 
avarüia,  sofern  darin  zugleich  der  begriff  besonderer  verbrechen, 
insbesondere  des  pecülatus,  enthalten  ist.  (?)  diese  tugenden  zu  be- 
richten dürfte  nach  der  ansieht  des  Tac.  eine  beleidigung  der  tugenden 
des  Agricola  dh.  bei  dessen  hohen  tugenden  unwürdig  sein.'  wenn 
Tacitus  bemerkt,  dasz  ein  besonderes  hervorheben  der  tugenden 
der  Unbestechlichkeit  und  enthaltsamkeit  schon  eine  beleidigung  für 
den  ehrenwerten  Charakter  des  Agricola  in  sich  schliesze,  so  kann 
er  unmöglich  das  diesen  tugenden  entgegengesetzte  laster  ausdrück- 
lich erwähnen,  selbst  wenn  er  nur  betonen  wollte,  dasz  er  *frei  da- 
von war',  ich  stimme  deshalb  aus  voller  Überzeugung  AESchöne 
bei^  der  in  seiner  ausgäbe  (Berlin  1889)  mit  recht  sagt:  'codicum 
lectionem  avarüiam  nullo  modo  ferri  posse  docent  verba  quae 
paulo  post  sequuntur :  integritatem  atque  ahstinentiam  eqs.'  Tücking 
liesz  sich  von  einem  richtigen  gefühle  leiten,  als  er  die  worte  et 
avaritiam  in  klammern  einschlosz.  eine  radicalcur  wendete  Peerl- 
kamp  an,  indem  er  die  ganze  stelle  tristüiam  .  .  exuerat  als  unecht 
bezeichnete;  und  in  einer  ähnlich  freien  weise  verfuhr  Eussner,  in- 

23* 


866 


KHachtmanü :  zu  Tacitus  Ägricola  [c  9]. 


dem  er  zu  lesen  vorscblug:  mtUa  ultra  tristUia;  poteMatis  pers&nam 
emitrat,  behutsamer  ibI  Schöne  vorgegangen,  inilem  er  alle  Übrigen 
Worte  beibehält,  für  das  ungehörige  avarüiam  aber  alia  (^=  rdiqua) 
vttia  einsetzt,  wie  der  genannte  gelehrte  exuerat  erklärt,  darüber 
verlautet  in  den  adnotationes  leider  nichts;  mag  man  aber  die  er- 
kl&rnng  billigen :  *er  war  frei  davon*  oder  ^er  hatte  abgelegt*,  es 
lä»zt  sich  nicht  wobl  annehmen,  dasz  Tacitus  an  einer  stelle,  wo  er 
den  Charakter  seineä  Schwiegervaters  so  eingehend  schildert,  so  zu 
sagen  ins  detail  geht,  so  unbestimmt  sich  gehalten  und  im  allge- 
meinen nur  alia  vUia  hinzugefügt  haben  sollte,  man  erwartet  vieU 
mehr  mit  rückzieht  auf  das  vorhergehende  eine  ganz  bestimmte 
eigenachaft,  die  mit  den  vorhergehenden  ausdrücken  tristitiam  et 
üdrogantiam  in  einklang  zu  bringen  ist  stünde  für  avaritiam  im 
texte  severitatem  oder  acerbiiatem  (vgl,  die  aus  c,  22  angeführte 
stelle)  y  so  würden  alle  die  angeführten  mehr  oder  weniger  ge- 
zwungenen auslegungen  überflüssig  sein  aber  es  wfire  damit  auch 
keine  erklärung  gegeben,  wie  das  ungehörige  avaritiam  überhaupt 
in  die  hss.  gekommen  isl  diese  aber  wird  gegeben ,  wenn  wir  an* 
nehmen,  dasz  ein  seltneres,  an  avaritiam  anklingendes  wort  ur* 
sprünglich  in  dem  teite  gestanden  hat,  das  mit  dem  gelSuügen  aus- 
druck  avaritia  später  verwechselt  worden  ist:  ich  vermute  daher, 
dasz  Tac.  geschrieben  hat:  tristitiam  et  adrogantiam  ei  amaritlem 
€Xuerat.  vielleicht  bat  er  sogar  die  form  amaritiam  gewählt,  die 
nach  den  angaben  der  alten  gloasarien  neben  amaritiem  üblich  war. 
das  wort  selbst  läszt  sich  zwar  bei  Tac.  nicht  nachwt;iseB,  aber  wir 
finden  es  bei  Catullu^  66,  18  muUa  satis  lusi:  non  est  dea  ni$da 
ncstri^  \  quae  dukem  curis  miscet  amaritiem,  es  ist  aber  bekannt, 
dasz  unser  Schriftsteller  viele  poetische  ausdrücke  verwertet  hat, 
jedenfalls  bietet  das  lesicon  genug  beispiele  davon,  dasz  das  ad- 
jectivum  amams  (vgl.  im  griech.  triKpöc  und  iriKpöiric)  häufig  von 
demjenigen  gebraucht  wird,  der  seine  gereizte  Stimmung  gern  an 
andern  auslä^zt,  der  empfindlich,  reizbar,  heftig  ist.  dasz  aber  diese 
eigensohaft  dem  wesen  des  Agricola  nicht  fremd  war,  geht  ans 
der  Zusammenstellung  mit  tristitia  und  adrogantia^  sowie  aus  den 
aus  c.  22  augeführten  worten  unzweideutig  hervor,  nehmen  wir 
dieses  wort  in  den  text  auf,  so  erledigt  sich  die  erkläning  des  ver* 
bums  exuerai  von  selbst;  die  stelle  ist  alsdann  folgend  er  maseen  zu 
übersetzen:  *so  oft  ihn  Verhandlungen  auf  den  land-  und  gerichts- 
tagen  in  anspruch  nahmen,  trat  er  mit  ernst  auf  und  zeigte  eifer 
und  strenge,  öfters  freilich  auch  mitleid;  hatte  er  seiner  pflicht  ge- 
nügt, so  war  von  amtsmiene  nichts  mehr  an  ihm  zu  bemerken:  das 
abstoäzende,  anmaszende  und  empfindlicbe  (durch  herbigkeit  ver- 
letzende) wesen  (^  TTixpOTHc)  hatte  er  abgelegt'  exuerai  passt  nun- 
mehr auf  das  vortrefflichste  zu  dem  unmittelbar  vorhergehenden  aus* 
druck  fHr$ima* 

Bt^fiNBURo.  Kabl  Haghthask. 


JLange :  zu  Caesar  de  bello  Gallico.  357 

42. 

ZU  CAESAR  DE  BELLO  GALLICO. 


1 .  VII  78, 1  f.  lesen  wir :  sententiis  diäis  constUuttnt^  ut  n,  qui  väk- 
tudine  aut  aetate  inutües  sunt  heUo^  appido  excedant  atque  omniaprius 
experiantur^  quam  ad Critognati sententiam descendant; iUo  tarnen 
potius  Uten  dum  consüiOj  si  res  cogai  atque  auxüia  marentur^  quam 
aut  deditionis  aut  pacis  suheundam  condicionem.  schon  Doberenz, 
Eraner-Dittenberger  und  Waltber  bemerken  zu  dieser  stelle  ricbidg, 
dasz  die  beiden  verba  excedant  und  experiantur  verschiedene  sub- 
jecte  haben,  indem  experiantur  auf  das  hauptsubject  des  satzes  (die 
kampffähigen  Gallier)  gebe,  dieser  Wechsel  des  subjects  ist  an  und 
für  sieb  schon  sehr  auffällig  (man  wäre  mindestens  berechtigt  atque 
ipsi  omnia  prius  experiantur  zu  erwarten),  anderseits  construiert 
Caesar  sonst  die  verba  statuo  und  constUuo  bei  gleichem  subject  nicht 
mit  uty  sondern  mit  dem  bloszen  infinitiv,  wenn  man  sich  nicht  etwa 
berufen  will  auf  die  stelle  II  10,4  consüio  convocato  constituerunt 
Optimum  esse  damum  suam  quemque  reverti,  et,  quarum  in  fines pri- 
mum  Eomani  exercUum  introduxissent  ^  ad  eos  def endendos  undigue 
convenirent,  ut  usw.  hier  ist  aber  schon  längst  und,  wie  ich 
weiter  unten  zeigen  werde,  mit  recht  die  lesart  convenire  vorge- 
schlagen und  von  Prammer  in  seinen  text  aufgenommen  worden, 
ferner,  wäre  es  denn  nicht  erforderlich,  da&z  auch  weiter  in  der- 
selben construction  fortgefahren  und  gesagt  würde:  ühtamen potius 
utantur  consüio  .  .  quam  aut  deditionis  aut  pacis  suheant  con- 
dicionem? doch  gerade  die  formen  utendum  und  suheundam  sollen 
uns  als  führer  dienen  zur  herstellung  der  richtigen  lesart.  ich  glaube 
nemlich,  dasz  es  ursprünglich  geheiszen  hat:  cUque  omnia  prius  ex- 
peri(^enda  arhitryantur.  ich  stütze  mich  dabei  auf  die  ganz 
ähnliche  stelle  VII  21,  2  statuunt^  ut  decem  miUa  hominum  dUeäa 
ex  Omnibus  copiis  inoppidum  mittantur^  nee solis Büurigibus com- 
munem  sdLutem  committendam  censent  (es  heiszt  also  nicht 
committant).  vgl.  übrigens  noch  ebd.  36,  1  de  ohsessione  non  prius 
agendum  constituity  quam  rem  frumentariam  expedisset,  VI  5, 5  haec 
prius  iUi  därahenda  ausilia  existimahaty  quam  ipsum  heUo  lacesseret. 
ganz  besonders  aber  wichtig  für  unsere  stelle  ist  h.  c,  11  31,  8,  wo 
es  ebenfalls  heiszt:  atque  omniaprius  experienda  arhüror. 

2.  III  24,  2  f .  i22i .  .  tutius  esse  arhitrahantur  ohsessis  viis  com- 
meatu  intercluso  sine  uHo  vtdnere  viäoria  potiri^  et^  sipropter  inopiam 
rei  frumentariae  Bomani  sese  recipere  coepissent^  impeditos  in  agmine 
et  suh  sarcinis  infirmiore  animo  adoriri  cogitahant.  die  ähnlich- 
keit  dieser  stelle  mit  der  oben  bereits  citierten  II  10,  4  leuchtet  auf 
den  ersten  blick  ein.  wie  nun  aber  oben  darauf  hingewiesen  worden 
ist,  dasz  statt  des  zweiten,  von  constituerunt  Optimum  esse  abhängigen 
inf.  convenire  mit  unrecht  der  conj.  convenirent  sich  in  den  text  ein- 


JLaoge;  zu  Caesar  de  bello  Gallico. 


gescblkben  bat,  so  ist  aucb  hier,  glaube  leb,  dem  zweiten,  von  tutitis 
esse  arhUräbantur  abbängigen  inf.  adoriri  obne  not  und  fölscblicb 
das  verbum  cogiiäbmvt  hinzugefügt  worden,  eines  nähern  böweises 
daffir  wtirde  es  roeißes  eracbtens  nicbt  bedürfen,  da  sieb  ja  die  beiden 
stellen  behufs  wied erberstell ang  der  ursprünglichen  lesart  gegen- 
ßpitig  stützen;  doch  mag  bei  dieser  gelegenheit  noch  bemerkt  wer- 
den,  dasz  das  verbum  cogiiare  in  der  bedeutung  '^gedenken,  beab- 
sicbtigen'  bei  Caesar  sonst  mit  tU  {ne)  construiert  wird  :  vgl*  VII  59,4 
neque  iam ,  ut  aliquid  adquireret  proeUoque  hostes  lacesseret ,  sed  ut 
incolumem  exercitum  Agedincam  reduceret,  cogUahat.  V  57,  1  tte 
quam  occasionem  rci  hene  gerendae  dimittcret^  C4)gitahat*  wenn  es 
aber  vereinzelt  in  b,  c,  l  61, 'i  beiszt:  hie  magnos  eguitedus  magnaque 
auxUia  exspeäahant  et  suis  loois  hdlum  in  hmnem  ducere  cogUabantj 
BQ  können  wir  nicht  umhin  diese  stelle  als  verdächtig  zu  bezeichnen 
und  al«  ursprüngliche  lesart  zu  vermuten :  et  (iiiy  suis  hds  heüum 
in  hiemem  ducere^nt^  cogitahant.  die  corruptel  ist  wahrscheinlich 
BO  entstanden,  dasz  der  durch  die  Ähnlichkeit  mit  et  veranlaszte  aus- 
fall  des  ut  die  weitere  finderung  von  ducerent  in  ducere  zur  folge 
gehabt  bat. 

3.  141,  1  hac  oratione  hdbiia  mirum  in  modum  conversae  sunt 
omnium  mentes  summaque  alacriias  et  cupiditas  belli  gerendi  innata 
est,  das  ist  die  lesart  der  bss.  und  der  meisten  ausgaben,  ich  für 
meinen  teil  kann  mich  trotzdem  mit  dem  verbum  innata  est  nicht 
befreunden  I  da  es  mir  den  geforderten  sinn  der  stelle  nicht  wieder- 
zugeben ßcbeint.  dieser  ist  nemlicb  zweifelsohne  der,  dasz  durch  die 
rede  allen  Soldaten  der  höchste  grad  von  mut  und  krieg&lust  ein- 
geflÖszt  wurde,  witbrend  doch  nach  dem  Sprachgebrauch  CaesariS 
innata  est  den  sinn  des  natürlichen  angeborenseins  enthält,  was  sich 
sehr  deutlich  aus  folgenden  stellen  ergibt:  VII  42,  2  temeritas,  quae 
maxime  Uli  h^miinum  generi  est  innata.  b,  c.  III  92,  3  e&t  quaedam 
animi  incilatio  atque  alacrttas,  naturaUter  innata  (nnnibus.  Obri* 
gens  gibt  es  eine  der  unsrigen  £;ehr  ähnliche  stelle  in  I  46,  4,  wo 
aber  die  wähl  det^  verbums  dem  sinne  viel  angemessener  erscheint: 
mülio  maior  cUacrUas  studiumque  pugnandi  mäius  exerdiui  in- 
iecium  est.  von  dieser  erwägung  scheint  auch  Prammer  geleitet 
worden  zu  sein ,  wenn  er  in  seiner  ausgäbe  anstatt  des  überlieferten 
innata  in  obiger  stelle  inieda  bietet,  an  und  für  sich  ist  freilich 
dagegen  nichts  einzuwenden,  wofern  nicht  eine  andere  lesart.  die 
ich  hier  vorschlage  and  die  sich  viel  enger  an  die  Überlieferung  an- 
scblieszt,  eine  grössere  Wahrscheinlichkeit  für  sich  zu  beanspruchen 
berechtigt  ist:  dies  ist  neralich  inlata  est.  der  gebrauch  von  •«- 
ferre  in  dieser  bedeutung  ist  bei  Caesar  ziemlich  häuüg;  beisptels- 
halber  verweise  ich  nur  auf  II  25»  3  cmus  adventu  $pe  inlata  mUi' 
tihus*  VI  43,  5  spe  consequendi  inlata,  ja  der  gebrauch  von  infero 
wechselt  bei  ihm  mit  dem  von  inicio  ab,  wie  dies  der  vergleich  fol- 
gender beiden  stellen  zeigt:  VII  8,  3  quam  maximum  hösttbus  tefTd- 
rem  inferant.  b,  c.  III  23,  2  magnumque  noäris  ierrorem  ini$€it 


JLange:  zu  Caesar  de  bello  Gallico«  359 

4.  III  17,  2  his  (sc.  VeneUis)  praeerat  Vindavix  ac  summam 
imperii  tenehat  earum  omnium  civüatum  quae  defecerant,  ex  quibus 
exercitum  magnasque  copias  coegerat.  die  worte  exercitum 
mcignasque  copias  verursachen  eine  grosze  Schwierigkeit,  anscheinend 
bedeuten  exercUus  und  copiae  dasselbe^  so  dasz  eins  von  ihnen  eigent- 
lich überflüssig  wäre,  denn  wie  Eraner-Dittenberger  zu  dieser  stelle 
richtig  bemerkt,  Vorräte  kann  hier  copiae  nicht  heiszen,  teils 
wegen  c.  18,  6  {inopia  cibariorum,  cui  rei  parum  düigenter  ah  iis 
erat  provisum),  teils  weil  cogere  copias  CaeS&r  nur  von  menschen  ge- 
braucht, um  die  Schwierigkeit  zu  umgehen,  werden  die  erwähnten 
worte  von  demselben  hg.  in  Übereinstimmung  mit  Doberenz,  Eöchly- 
Büstow  und  Walther  erklärt:  ein  reguläres,  eingeübtes  beer  und 
(andere)  grosze  Streitkräfte,  dh.  mannschaften ,  die  er,  wenn  der 
exercüus  nicht  ausreichen  sollte,  zu  verwenden  gedachte  (land- 
sturm).  diese  erklärung  steht  jedoch  im  Widerspruch  mit  §  5 
Sahinus  idoneo  omnihus  relms  loco  castris  sese  tenehat,  cum  Viridovix 
contra  cum  duum  müium  spatio  consedisset  cotidieque produäis  copiis 
pugnandi  potestatem  faceret,  wo  man  ja,  wenn  die  erklärer  recht 
hätten,  producto  exercitu  erwarten  sollte,  da  an  den  landsturm 
hier  beim  beginn  der  feindseligkeiten  nicht  im  geringsten  gedacht 
werden  kann,  doch  auch  davon  abgesehen,  sollte  eine  solche  erklä- 
rung nicht  allzu  gezwungen  sein?  der  unterschied  zwischen  beiden 
Worten,  exercütis  und  copiae,  ist  ja  sonst  bei  Caesar  d6r,  dasz  das 
erstere  allerdings  den  engern  sinn  eines  schon  constituierten,  regu- 
lären, taktisch  gegliederten  und  eingeübten  heeres  hat,  während 
copiae  als  der  weitere  begriff  alle  arten  von  truppen  umsohlieszt. 
auf  keinen  fall  können  also  die  worte  exercüus  und  copiae  als  zwei 
besondere,  von  einander  verschiedene  begriffe  zusammengereiht  wer- 
den, da  exercüus  in  copiae  schon  mit  enthalten  ist.  ferner  ist  es  nach 
dem  gesagten  erklärlich,  dasz  Caesar  unterschiedslos  und  in  6inem 
atem  sagen  kann  (I  50,  1)  Caesar  e  castris  utrisque  copias  suas 
eduxü  und  (ebd.  2)  exercitum  in  castra  redtmt.  hingegen  kann 
nicht  gesagt  werden  exercüum  ex  civüatihus  cogere:  denn  wenn  man 
auch  an  exercüum  durchaus  festhalten  und  für  den  vorliegenden  fall 
etwa  annehmen  wollte,  dasz  schon  vor  der  ankunft  im  hauptquartier 
das  beer  in  den  einzelnen  cantons  constituiert  und  taktisch  geglie- 
dert worden  sei,  was  sehr  unwahrscheinlich  ist,  so  müste  man  dann 
einerseits  vielmehr  den  plur.  exercüi^  erwarten ,  anderseits  würde 
das  verbum  coSgerat  (<«  er  hatte  aufgeboten,  zusammengebracht) 
ganz  und  gar  nicht  zu  exercüus  passen,  wie  auch  in  der  that  die  Ver- 
bindung exercüum  cogere  sonst  bei  Caesar  meines  wissens  nicht  vor- 
kommt (wiewohl  andere  Schriftsteller,  zb.  Sallustius,  in  dieser  be- 
ziehung  nicht  allzu  ängstlich  sind,  da  sie  das  wort  exercüus  in  der 
allgemeinen  bedeutung  von  Hruppen'  auffassen),  vielmehr  müste 
man  dann  erwarten :  ex  quibus  exercüus  evocaverat  magnasque  copias 
coägerat;  vgl.  h.  c.  III  108,  2  exercitum  a  Pelusio  dam  Alexandriam 
evocamt.   nun  lehrt  uns  aber  der  Sprachgebrauch  Caesars,  dasz  das 


860 


J Lange:  zu  Caesar  de  bello  Gallico. 


wort  copiae,  wenn  es  allein  gebraucht  wird  (ohne  nähere  bestim« 
mutig  mittela  eguUutn  oder  peditum),  vornehmlich  die  fu8£tnip[jen 
bezeichnet  und  dann  der  reiterei  entgegengestellt  wird;  vgl.  VI  9,  5 
reliquas  copias  equitatumqiie  tradtwit.  ebd.  41,  3  ut  .  .  ddetis  Omni- 
bus copiis  equitatum  se  ex  fuga  recepisse  dicerent.  III  20»  3  magnis 
copiis  coactis  equitatuque  (Köcii)y*RUstow  übersetzen  nicht  ganz  zu- 
treffend 'groBze  truppenmassen  und  bebonders  rellerei' ),  hauptsäch- 
lich auf  grund  des  letzten  beispiels  ist  nichts  wahrscheinlicher  als 
dasz  auch  an  unserer  stelle  zu  lesen  ht:  ex  quibus  equitatum 
magnasque  copias  coeget^ai.  auf  diese  vertauschung  von  eqxiUa;t%tm 
mit  exercitum  scheint  der  dem  geiste  unbewust  vorschwebende  ge- 
danke  an  die  kurz  vorhergehende  präp.  ex  nicht  ohne  nachwirkenden 
ttinEusz  gewesen  zu  sein,  dasz  aber  im  folgenden  der  reiterei  nicht 
besonders  erwähnung  geschieht^  das  kommt  daher,  weil  bei  der  er* 
ibtUrmung  des  römischen  lagers^  das  auf  einer  anböhu  gelegen  ist^ 
von  einer  irgendwie  erwähnenswerten  action  der  reiterei  selbst- 
verständlich nicht  die  rede  sein  kann. 

ö.  III  23,  3  mUtuntur  diam  ad  eas  civitcUes  legati^  quae  suni 
cUerioris  Hispaniae  ßnUumm  A^üafi^e:  indt  auxüia  ducesque 
arcessufUur,  quorum  <idventu  magna  cum  auctoritate  et  magna 
cum  hünunum  muliiiudine  bellum  gerer e  conaniur.  duces  vero  ii 
deliguntur^  qui  una  cum  Quinta  Sertorio  omnes  annos  fuerant  sum- 
mannque  scientiam  rei  milUaris  habere  exisiimahantur,  also  aus  dem 
diesseitigen  Spanien  erbitten  sich  die  bar  baren  hilfstruppen  und  an* 
fUhrer.  wie  stimmt  dies  aber  zu  dem  folgenden  duces  vero  ii  deU- 
guntur  usw.?  denn  wenn  man  anfübrer  herbeigeralen  bat,  wozu  war 
es  denn  nötig  sie  zu  wählen  ?  und  in  der  that  sind  es  auch  keine 
anfübrer  gewesen,  die  man  herbeirief «  sondern  es  waren  nur  leute, 
die  (gleichviel  ob  als  anfübrer  oder  als  guwöbnlicbe  Soldaten)  längere 
seit  unter  Sertorius  mitgefocblen  hatten  und,  weil  sie  über  eine  viel- 
seitige kriegserfahrung  zu  verfügen  hatten,  erst  nach  ihrem  eintreffen 
bei  den  barbaren  zu  führern  ernannt  wurden,  dies  wird  denn  auch 
durch  die  partikel  vero  angedeutet,  durch  welche  die  duces  als  ein 
ganz  neues  und  bis  dabin  noch  nicht  erwähntes  moment  in  den  gang 
der  erzählung  eintreten,  es  bleibt  uns  also  nichts  weiter  Übrig  als 
das  erste  duces  für  eine  cormptel  zu  erklären.  Yi^A  aber  an  dessen 
stelle  in  den  text  zu  setzen  ist,  kann  meines  erachtens  nicht  im 
geringsten  zweifelhaft  sein,  wenn  wir  erwägen,  dasz  dasselbe,  was 
oben  über  die  bedeutung  von  copiae  sich  ergeben  bat,  nicht  minder 
von  auxÜia  gilt,  dies  bedeutet  nemiich,  wofern  es  nicht  durch  ein 
atlribut  näher  bestimmt  ist  (vgl.  VI  10,  1  ui  auäcüia  pediiatua  equi- 
iaiusque  mutant,  h*  c.  II  26,  2  magna  auxUia  equUum  pedUumque% 
im  engern  sinne  hilfstruppen  zu  fo^  und  wird  alsdann  den  equUes 
entgegengestellt:  vgl.  III  20,  2  auxiVm  equiiaiuque  comparaio  (nem- 
lieh  in  Aquiümien,  auch  Doberenz  und  Waltber  erklären  hier 
aiusMia  als  'fubztruppen').  ^.  c.  I  61,  3  hie  (sc.  in  Celtiberia)  magnas 
squiUUm  magnaque  auxüia  exspeäabanl,   ebd.  29,  3  auxi^ja,  «^utto* 


JLaDge:  zu  Cae&ar  de  bello  Gallico.  361 

tum  parari  (nemlich  in  Spanien),  ebd.  38,  3  equites  auxüiaque  toti 
LusUaniae  a  Färeio,  Celtiberiaey  Cantahris  harharisque  amnibiMy 
qui  ad  Oceanum  pertinent,  ah  Äfranio  imperantur  (Köchly-Eüstow 
übersetzen  hier  ganz  zutreffend  'contingente  von  hilfstruppen  zu  rosz 
und  zu  fusz').  bemerkenswert  ist,  dasz  an  allen  diesen  stellen  von 
solchen  hilfstruppen  an  fuszvolk  und  reiterei  die  rede  ist,  die  in 
Aqoitanien  und  Spanien  ausgehoben  sind;  und  um  diese  gegenden 
handelt  es  sich  eben  auch  an  unserer  stelle  (vgl.  auch  III  26,  6  quae 
ex  Aquitania  Cantahrisque  convenisse  constäbat).  man  wird  also, 
denke  ich,  zu  dem  Schlüsse  vollkommen  berechtigt  sein,  dasz  zu 
lesen  sei:  inde  auxüia  equitesque  arcesstmtur.  eine  weitere  be- 
stätigung  für  diese  lesart  finden  wir  in  VII  76,  3  coactis  equüum 
VIII  müibus  et  peditum  drciter  CCL  haec  in  Aeduorum  finihus 
recensehantur^  numemsque  inihatury  praefecti  constituehantur^ 
wo  ebenfalls  von  den  führern  erst  nach  eintreffen  der  reiter  und  fusz- 
truppen  die  rede  ist.  aber  noch  in  einer  andern  beziehung  ist  die 
zuletzt  angeführte  stelle  von  besonderm  werte  für  uns.  denn  wenn 
es  da  weiter  (§  5)  heiszt :  omnes  alacres  et  fiduciae pleni  ad  Alesiam 
profidscuntur,  neque  erat  omnium  quisquam,  qui  aspedum  modo 
tantae  multitudinis  sustineri passe  arbüraräur^  so  glauben  wir 
daraus  mit  Sicherheit  entnehmen  zu  können ,  dasz  an  unserer  stelle 
weiter  zu  lesen  ist:  quorum  adventu  magna  cum  alacritate  (statt 
des  überlieferten  auctoritaie)  et  magna  cum  hominum  muUitudine 
beUum  gerere  conantur.  Doberenz,  Kraner -Dittenberger,  Walther 
übersetzen  zwar  die  worte  magna  cum  auctorüate  ^mit  groszem  ge- 
wicht (nachdruck)%  Köchly  'mit  groszer  regelmäszigkeit',  doch  musz 
zugestanden  werden ,  dasz  auctorüas  in  dieser  bedeutung  einzig  bei 
Caesar  dastehen  würde,  hingegen  ist  auctoritaie  als  Schreibfehler 
für  cdacritate  sehr  wohl  zu  erklären,  vgl.  auch  III  19,  6  od  heda 
susdpienda  GaUorum  alacer  ac  promptus  est  animus.  ebd.  24, 5  cum 
. .  hostes  nostros  müites  alacriores  ad  pugnandum  effecissent.  I  41,  1 
summaque  älacritas  et  cupiditas  heUi  gerendi  inlata  est, 

6.  III  21, 3  qua  re  impetrata  arma  tradere  iussi  faciunt.  auf- 
fällig ist  hier  trotz  der  Verteidigung  von  Eraner-Dittenberger  der 
absolute  gebrauch  von  faciunt]  derselbe  läszt  sich  durch  den  Sprach- 
gebrauch Caesars  nicht  im  mindesten  rechtfertigen,  die  ihm  in  diesem 
falle  eigentümliche  rede  weise  und  somit  eine  richtigere  lesart  ergabt 
sich  aus  der  analogen  stelle  Y  37,  1  iussu^s  arma  ahicere  impera- 
tum  fa cit.  es  ist  also  mit  notwendigkeit  zu  lesen :  qu<i  re  impetrata 
arma  tradere  iussi  ^imperatumy  faciunt,  auf  den  ausfall  von  im- 
peratum  ist  das  ähnlich  lautende  impetrata  gewis  nicht  ohne  einflusz 
gewesen. 

Neuma&k  in  Westpreuszbn.  Julius  Lanqb. 


362    WKooh:  qadien  zu  dea  feldziigeD  JuliunB  gegen  die  Germanen. 

43. 

ÜBER  DIE  QUELLEN  ZU  DEN  FELDZÜGEN  JÜLIANS| 
GEGEN  DIE  GERMANEN. 


Im  Hermes  XXVH  (1892)  s.  170-209  iat  ein  artikel  von 
EvBorries  in  Straszburg  erschienen  über  *die  quellen  zu  d*^n  feld- 
zügen  Julians  des  abtrünnigen  gegen  die  Germanen',  worin  das  Ver- 
hältnis der  quellen  nochmals  auseinandergesetzt  wird,  welches  also 
den  nemlichen  gegenständ  behandelt  wie  meine,  auch  von  dem  ge- 
nannten gelehrten  benutzte  dissertatioo  *de  laliano  imperatore  scrip- 
torum,  qui  res  in  Gallia  ab  eo  gestas  enarrarunt,  auctore  disputatio* 
(Amheim  1890).  da  aber  derselbe  auf  aoderin  wege  auch  zu  einem 
andern  rej^ultate  gekommen  ist  als  ich,  so  hat  mich  das  angeregt 
wenigstens  teilweise  nachzuprüfen,  wer  von  uns  beiden  recht  hat. 
sei  es  mir  also  vergönnt  den  lesem  dieser  Zeitschrift ,  welche  schon 
1889  8.  Ö9 — 80  einen  artikel  über  *die  Alamannensch lacht  bei  Strasz- 
burg' von  HHecker  veröffentlicht  hat,  die  gedanken  vorzulegen,  wozu 
der  oben  genannte  aufsatz  von  EvBorries  mich  veranlaezt  hat.  so 
wird  hoffentlich  im  streite  der  meinungen  das  bei^sere  zum  Vorschein 
kommen,  zuvörderst  aber  bringe  ich  diesem  gelehrten  den  dank  da- 
für dar,  dasz  er  unter  teilweiser  anerkennung  der  von  Hecker  nnd 
mir  gewonnenen  resultate  den  blick  wiederum  auf  diese  Äuszerst 
schwierigen  quellenuntersuchungen  gerichtet  bat.  man  vergiszt  so 
leicht^  dasz  es  auch  anders  gewe^^en  sein  kann  als  man  sich  gedacht, 
und  nimt  obne  weiteres  als  festbtehend  an,  was  doch  immer  nur  eine 
Vermutung  war. 

Vieles  von  dem,  was  in  jenem  artikel  vorgebracht  ist,  übergehe 
ich  hier  mit  stillschweigen ,  nicht  weil  ich  alles  gutheisze  oder  ver- 
werfe, sondern  weil  es  jetzt  nur  mein  vorsatz  Ist,  die  frage  nach  de 
sog.  'common tarien  Julians',  so  viel  mir  möglich,  zu  erledigen,  zm^ 
erat  verweise  ich  deshalb  auf  die  recension  meiner  arbeit  in  der 
Wochenschrift  für  class,  pbil.  vom  22  april  1891  n.  17  s,  462—455, 
welche  aus  Heckers  feder  stammt,  er  beendet  seine  sehr  ausführ- 
liche beurteil ung  mit  folgenden  Worten  j  'wie  einen  mathematischeaj 
satz  kann  man  eine  frage  wie  die  vorliegende'  (über  die  commen 
tarien  Julians)  'nicht  beweisen»  so  weit  aber  hier  ein  beweis  mög 
lieh  ist,  kann  man  ihn,  nach  den  ausfQhrungen  Kochs,  als  erbracht 
betrachten.' 

Eli  mar  Klebs  dagegen  stellt  in  vSybels  historischer  Zeitschrift 
1891  8.  289  f,  die  von  Hecker  und  mir  gewonnenen  resultate  in  ab- 
rede, obwohl  er  zugibt,  dasz  eine  schrift  über  die  schlacht  bei  Strasi* 
bürg  exisiiei*t  hat.  nicht  allein  wird  das  letztere  von  Borries  zu- 
gegeben, sondern  er  beweist  auch,  dasz  sowohl  Ammian  als  auch 
LibanioB  davon  gebrauch  gemacht  haben,  ich  halte  denn  auch  jetzt 
nach  seinen  nähern  ausfuhr ungen  für  erwiesen,  dasz  eine  'absonder-J 
liehe  schrift'  (Iber  die  Alamannenschlacbt  vorhanden  gewesen  iat« 


WEoch:  quellen  zu  den  feldzügen  Julians  gegen  die  Grermanen.   363 

Weshalb  sollte  aber  Julian  seine  aufzeicbnungen  nicht  auch 
später  fortgesetzt  haben?  die  schrift  musz  doch  (vgl.  Borries  ao. 
s.  206  f.)  schon  früh,  wenigstens  teilweise,  am  hofe  des  Constantius 
bekannt  gewesen  sein,  wie  hätte  man  ihn  sonst  im  j.  358  loqtuicem 
tälpam  usw.  nennen  können?  und  doch  fragt  noch  im  j.  362,  wie 
ich  in  meiner  diss.  bewiesen  habe,  Libanios  nach  der  von  Julian  ver- 
faszten  cuTTPOt^H  seiner  thaten.*  wie  reimt  sich  das  zusammen? 
sollte  man  annehmen  können,  dasz  die  hofleute,  die  feinde  Julians, 
eher  als  sein  bester  freund  Libanios  in  den  besitz  der  denkschrift 
über  die  Schlacht  gelaugt  seien?  oder  sollte  Julian,  wenn  er  seine 
memoiren  nicht  fortgesetzt  hat,  so  lange  mit  der  Veröffentlichung 
des  doch  ziemlich  kleinen  büchleins  über  die  schlacht  gezaudert  haben? 
bei  seiner  groszen  eitelkeit  ist  dieses  ganz  undenkbar,  nein ,  er  hat 
fortgefahren  zu  schreiben,  und  Libanios  ist  wohl  der  erste  gewesen, 
der  einsieht  von  diesen  spätem  aufzeicbnungen  bekommen  hat. 

Woher  sollte  er  auch  sonst  alle  die  nachrichten  haben ,  welche 
wir  im  epitaphios  vorfinden?  aus  den  briefen  Julians  hat  Libanios 
gewis  nicht  geschöpft,  das  kann  nur  derjenige  behaupten ,  welcher 
die  echten  briefe  Julians  nicht  kennt  oder  wenigstens  nur  flüchtig 
gelesen  hat.  die  uns  erhaltenen  briefe  sind  ganz  privater  natur  und 
enthalten  fast  gar  keine  kriegsereignisse.  auszerdem  hat  Libanios 
den  einzigen  groszen  an  ihn  gerichteten  brief  (27)  gar  nicht  benutzt, 
worin  Julian  nachricht  gibt  über  die  persische  reise. 

Wie  die  briefe,  so  haben  auch  die  philosophischen  und  theologi- 
schen Schriften  Julians  und  die  andern  uns  unbekannt  gebliebenen 
Streitschriften  desselben  Verfassers,  wie  die  epistulae  ad  Lacedae- 
monios,  ad  Corinthios,  nicht  so  viel  kriegsgeschichte  enthalten, 
dasz  Libanios  daraus  eine  geregelte  beschreibung  der  kriegsthaten 
Julians  hätte  zusammenstellen  können,  weshalb  sollten  auch  alle 
übrigen  mitteilungen  nach  der  schlacht  bei  Straszburgin  briefform 
verfaszt  oder  mündlich  gegeben  worden  sein  ?  und  hat  Julian  sich 
dennoch  der  brieflichen  Überlieferung  bedient,  wie  bei  dem  uns  un- 
bekannten brief  an  Eyllenios  (vgl.  m.  diss.  s.  14 — 16),  so  macht  doch 
der  inhalt  und  die  Veröffentlichung  derselben  sie  zu  memoirenähn- 
lichen, historischen  werken,  welche  man  (vgl.  Heckers  recension) 
unter  den  allgemeinen  namen  XÖTOi  zusammenfassen  kann,  solche 
XÖTOi  müssen  dann  im  j.  362  festgestellt  und  ausgegeben  worden 
sein  und  werden  jetzt  in  dem  Schema  von  Borries  s.  209  an  stelle 
der  'übrigen  Schriften  Julians'  gesetzt  werden  müssen,  die  XÖTOi 
(oder  ÖTro|Livti|LiaTa)  aber  haben  den  uns  erhaltenen  XÖTOi  panegjri- 
rischen  oder  satirischen  oder  auch  philosophischen  inhalts  nicht  ähn- 
lich gesehen :  denn  in  keiner  von  diesen ,  auszer  in  den  zwei  ersten 
reden  panegyrischen  inhalts*,  werden  kriegsgeschichtliche  Sachen  be- 

*   vgl.   aach  Libanios  epist.  525  ToO  bk  xal  \i€ilw  TCv^cOai  XÖTOV, 
cd  6f|irou  KOptoc,  €l  öoiiic,  äq>*  iBv  äv  t^voito  fieiZIujv.  •  auf 

diese  beiden  spielt  Zosimos  III  8,  2  an ,   vgl.  Mendelssohn  zdst.  (s.  122). 
Borries  (s.  204  f.)  hat  also  vollkommen  recht,  wenn  er  behauptet,  dasz 


364    WKoch :  quelleti  zu  den  feldzügen  Julians  gegen  die  GennsDeiL 


bandelt,   nur  in  der  uns  erlialtenen  epistula  ad  Atbenienseä  werden 
ganz  kurz  einige  facta  mehr  angedeutet  ak  erzählt,  wie  man  das  zu 
tbun  pEegt,  wenn  man  den  lesern  bekannte  sachen  ins  gedächtnia . 
zurückrufen  wilL 

Im  folgenden  aber  glaube  ich  beweisen  zu  können,  dasz  dem 
Libanios  nicht  bokbe  kurze  andeutungen ,  sondern  aubfilhrlicbe  be- 
richte vorgelegen  haben,  ich  fange  natürlich  da  an,  wo,  wie  ich 
jetzt  überzeugt  worden  bin,  das  ßißXiblOV  über  die  schlacht  bei 
8traszburg  aufgehört  hal 

Libanioä  s.  545  1)  er&ie  expedition  Über  den  Rhein  =  Amoi. 
XVII  1.  ganz  unwesentliche  unterschiede  sind:  Kai  xd  {y€vbpa  OUK 
£KibXu£  X  Amm,  XVII  1,  9  und  tüüV  GTTOvburv  XPÖVOC  6  x^l^div 
ftövoc  X  Amm.  XVII  1,  12.  2)  expedition  gegen  die  Franken 
=  Amm.  XVII  2,  1 — 3.  der  bericht  des  Libaaioä  ist  beeinfluszii 
von  der  epist.  ad  Atb.  deshalb  spricht  er  von  1CK)0  Franken,  unter*  i 
schied:  Libanios  schreibt  von  hinein  q)pot)piov  Iprmov,  Ammian 
von  zwei  munimenia  quae  olim  exinanita  sunt,  im  Übrigen  völlige 
Übereinstimmung;  XiMtu  Xaßiuv  ^  ineäia  et  vigiliis  ei  desperat hne 
postrema  lasiati  spofite  se  propria  äederuni  JTrep^/e  bebc^^vouc 
xqj  pEtZIovi  =  siaümque  ad  comUalum  Augusti  sunt  missi         ly  ptv 

TOivUV   TOÖTO  TOCOUTOV  fpTOV  XtljiCplVÖV*     ?T€pOV  b*  OUK  fXaTTOV, 

^8voc  Yctp  öXov  ^HaicpvTic  KataB^ov  rr^v  x^P^v,  ?G€i  ^^v  auTÖCj 
übe  iHeXüüv,  peid  tijüv  q>uXdTT€iv  i^jaf^iywv  lö  icieW^evov,  ol  hi 
(oi  TTieZöjuevoi  utiö  täv  ßapßdpiuv  Reiake)  aic9ÖM€V0i  tou  bpöfjou 
(p0dcavT€c  aÜTOi  loiic  noXepiouc  ^E^ßaXov,  dTToßaXöviac  ouk  öXi- 
Touc*  oÜTuucößaciXeüc  irapuiv  t€  Kai ptXXuiv  öpoiaic  £viKo  =  Amm, 
XVII  2,  4  ad  quos  eximendos  peticulo  midiitudo  Francorum  egressa^  j 
cum  capios  comperisset  et  asportaios^  nihil  amplius  ausa  repedavit  ad 
sua,  hier  scheint  der  bericht ,  welcher  dem  Libanios  zu  geböte  ge- 
standen, ausführlicher  zu  sein  als  die  auf  zeich  nun  gen,  woraus  Am- 
mian geschöpft  hat.  jedoch  ist  es  mögUcb  das^  Ammian  gekürzt 
bat*  8,  546  z,  11  ter  maclite  Touc  id  TToXtjiiiuv  XriCT€UOVTac, 
drv  KpaTTjCaiev,  becTrÖTac. »  dieses  findet  man  bei  Ammian  so  wenig 
wie  das  balsabscbneiden ,  w^ovon  er  ^.  5^7  spricht,  es  musz  also 
Wühl  dem  Oreibasios  entlehnt  sein  (vgl.  Zobimos  III  7«  2  die  ge- 
schichte  von  Charieito  —  Zosimos  schöpft  aus  fiunapios,  and  Enna- 
pios  gibt  als  quelle  Oreibasios  an).  z.  25  toO  KOtpoO  TÖ  CllM^^^V 

a!povTOC,  €ueüc  CTpateuei  usw*  =*  Amm.  XVII  8»  1—4.  folgen- 
des ist  nicht  bei  Ammian  zu  finden,  wohl  aber  bei  Zosimos:  s.  547 
anfang:  Kai  ßapßdpoic  ^m  ßapßdpouc  ixpt\TO,  ttoXu  KdXXtov  iytov- 
p^voic  M€Td  TOUTOU  biüJKeiv  f\  ^€T*  ^Kelvujv  (puTeiv  «^  Zosimos 
III  7i  5  ciivd^iac  T£  auToic  tuiv  CoXiujv  ttoXXouc  s.  547  yvoöc 
hk  TiäXiv  biaßaiveiv  nsw.  =«  Amm.  XVU  10. 

hier  von   comra^titnnen   über  den    Peraerkrie^   nicht   die   rede   Ut.     dlmi 
Btelle  l»t  Aber  niclit   ann  Kiitifipios   entlehDi  —  einen  so  groben  f«hler* 
vrUrde  dieiser  nicht  gfemacbt  haben  —  tondem  er  Ut  dem  Zotimos  8«tb«t 
siLSraschreiben. 


WEoch :  quellen  zu  den  feldzügen  Jnliaus  gegen  die  Germanen.  365 

unterschiede  sind :  cirdvei  nXoCiüV  f nnouc  T€  Ka\  önXdac  veiv 
dvaTKÄcac  X  Amm.  XVn  10,  1  contexto  navälipante  und:  xd 
lifev  irpÄTOv  aÖTOöc  drijUiüc  dir^Trejuipe ,  übe  V  aöGic  fJKov,  aÜToiic 
ÖTOVTCC  k^rac  toöc  ßaciXeic  usw.  hiervon  schreibt  Ammian  nichts ; 
wohl  aber  erzählt  er  ausführlich ,  wie  Suomarius  (§  3  und  4)  und 
spttter  Hortarius  (§  5 — 7)  unterworfen  worden  sind. 

Völlige  Übereinstimmung  bei:  ÜJvetcGai  TfjV  elpt^vnv  dK^X€U€ 
Tnc  Idceujc  Tüjv  KttKoiv,  TTÖXeic  M^v  dYcipovrac,  ciLjuaTa  bi 
dTCVtac  und:  Kai  iKO\x\teTO  ixkv  EOXa  t€  Kai  cibiipoc  elc 
dvdcxaciv  oIkiujv,  ^X^Xuto  bk  irdc  elc  dndvobov  alxMd- 
XujTOC  =  Amm.  XVII  10,  4  und  speciell  9  tä^  quoniam  consent 
taneum  erat. . .  civitates  quoque  reparari  vi  barbarorum  exdsaSy 
carpenta  et  materias  ex  opibus  suis  suorumquepraeberet  (Hortarius)* 
Ammian  ist  aber  viel  ausführlicher,  eine  von  den  fluch tigkeiten  des 
Libanios  ist:  o\  bk  d)^oXÖTOUv  T€  Ka\  oök  dipeübovio  X  Amm. 
XVn  10,  7  däentisque  plurimis  reddidit  paucos. 

In  ausschmückender  weise  erzählt  Libanios  noch  folgendes,  was 
man  nicht  bei  Ammian  findet:  uttö  toO  juaCTtToCvTCC  irpÖTepov 
GuJiT€u6|Li€V0C,  ÖTTUJC  USW.  rhetorisch  gefärbt  ist  auch  die  erzählung 
von  der  rückkehr  der  gefangenen  s.  548.  nur  was  am  ende  steht 
befremdet:  oÖKOUV  oöbek  ?Ti  tOüv  ßapßdpujv  x^iMÄvoc  dneXGövTOC 
dirl  xdc  eliuGuiac  XqcieCac  dH^TrXcuccv  (natürlich  wird  dieses  von 
den  Franken  [Chamaven]  gesagt),  bei  Ammian  wird  mit  keinem 
Worte  von  raubfahrten  gesprochen;  auch  nicht  in  der  epist.  ad  Ath.; 
nur  Eunapios  berichtet  hierüber  (fr.  12):  XajudßiUV  Tdp  |Li#|  ßouXo- 
jidvujv  dbOvaröv  icix  ifjv  dK  xflc  BpeiTaviKfic  vrjcou  ciTonoiLiTriav 
iiii  xd  TiüjLialiKd  q)poOpia  biairdjiTrecGai  (vgl.  auch  Eunapios  fr.  11 
[aus  Suidas]  Xapidxxiuv  .  .  dveixe  dnö  Xijcxciac  Srravxac,  was 
auch  von  diesem  winter  [358—369]  gesagt  wird),  vgl.  auch  über 
die  Schiffahrten  der  Quaden  (Chamaven)  Zosimos  III  6,  2.  hier  musz 
also  dem  Libanios  eine  andere  quelle  vorgelegen  haben  als  dem 
Ammian,  wahrscheinlich  Oreibasios. 

Was  folgt  (s.  549)  ist  lückenhaft  überliefert,  zuerst  wird  ge- 
sprochen von  Britannia,  dann  von  den  unterschleifen  der  Offiziere, 
die  Julian  verhindert  hat,  dann  von  der  komzufuhr,  wo  wieder 
eine  nur  bei  Libanios  sich  findende  stelle  (schon  von  Borries  s.  185 
herangezogen) :  öXKdbec  a\  ndXai  jLifev  dvciXKucjudvai  Kaxecdmicav, 
6XlTai  bk  €7rX€ov,  «Lv  dv  XijLidci  xöv  t6|liov  dEaipcujuid- 
vujv,  djLidHac  dxpfjv  dvxl  xoO  iroxaiiioö  xiu  cixtu  T€vdcGai, 
xal  xö  TTpfiTjua  fjv  f)  jucticxti  ba-nikvr].  dann  folgt  s.  549  f. 
der  streit  mit  Florentius(vgl.  Amm.  XVIII 1, 1  vd  iudicum  quisquam 
ab  aequitate  deviaret  impune  und  Jul.  ep.  ad  Ath.  282«  xai  jniKpöv 
öcxepov  Ka\  ct)Xujpdvxioc  fjv  dxGpöc  djucl  bid  xdc  iiXcovcHlac,  alc 
i^vavxioOMTiv),  welcher  sehr  ausführlich  erzählt  wird,  und  wie  dieser 
die  zurückrufung  des  Sallustius  bei  Constantius  erwirkte,  was  bei 
Julian  282^«  dem  Pentadios  zugeschrieben  und  bei  Ammian  über- 
gangen wird. 


366    WKoch :  queEen  zu  den  feldzügen  Julians  gegen  die  Germanen. 

Mit  den  Worten  ndXiv  Toivuv  toötov  ijiixr\C€.  XÖTOic,  oi  TJJv 
im  Tiö  TÖTE  x^pi^MLU  KripuTTOuci  XuTtTiv  Iti  spielt  er  an  auf  die 
acbte  rede  Julians  s.  240 — 252 ;  dann  kehrt  er  nacL  einigen  phraseu 
mit  den  worten  KQT^ßaive  jlA^v  in*  auxöv  uJKeavöVt  ttöXiv  hi  'Hpd- 
KXeiav»  'HpoKX^ouc  Iptov  (vgl.  Ammian  XVIII  2, 4  castra  HetculiSt 
eine  festung  Wi  Hujasen»  Arnheini  gegenüber)  dvicxTi,  tu  irXoia 
bi  tk  TÖV  *Pf|vov  €icnx€  USW.  (s.  551)  XU  seiner  aucb  dem  Ammiaa. 
vorliegenden  quelle  zurück*  vgl.  ö  bk  ^x^P^^  tisw,  mit  Amm«. 
XVIII  2,  7—12. 

Natürlich  ist  Ammian  ausftibrliclier.  der  einzige  unterschied 
ist  unwesentlich,  wie  bekannt  (vgl.  Mannert  alte  geographie:  Ger» 
mania  3.  295)  zieht  Julian  von  Mainz  erst  EheinaufwSrtä  and  führt 
dann  seine  triippen  über  den  Rhein«  Ammian  erz&hlt  nun  (§  12), 
dasz  Julian  300  mann  den  flusz  hinab  sendet,  um  das  andere  ufer] 
zu  benutzen  und  danti  die  brücke  zu  scblageo;  LibanioS|  dasz  er^ 
mannscbarten  und  schifiTe  dafür  zurückläszt,  was  auf  ein  and 
dasselbe  hinausläuft.  Libanios  hat  aber  seine  vorläge  nicht  ver- 
standen, denn  er  fügt  ganz  l^innlos  hinzu:  laÖTa  xoTc  ßapßdpoic 
b6Eav  TTXeiovojv  t^qpupiBv  dv^ßaXe. 

Alle  namen,   wovon  Ammian  spricht,  übergeht  Libanios  und 
schlieszt  dann  ab  wie  Ammian:  biaXXdTTtTm.    Ktti  TidXlv  alxMO- 
XujTuuv  Xüccic  Ktti  läXXa  ndvia  &XQi  tuiv  baKpuujv  doiKÖta 
ToTc  TTpiUTOic  ^  Amra,  XVIII  2»  19  inter  qtms  (sc.  condicumes)  idlJ 
feslinatum  (Cornelissen  liest  destinatum)  est  maxime^  ut  captivQ9^ 
restiiuereni  omnes,  quos  rapaerant  exairsibus  crebris. 

Hiermit   ist  bei  Ammian   die   bescbreibung  der  kriegsthaten 
Julians  vor  seiner  erbebung  zum  Aiigustus  zu  ende;  nur  wird  noch  zu 
anfang  des  j.  360  berichtet  (Ämm.  XX  1,  1),  daaz  Julian  den  magister 
nrmorum  Lupicinus  nach  Schottland  schickt ,  um  gegen  die  Pictea 
nnd  Scoten  aufzutreten,  was  Libanios  übergeht,  denn  bei  Libanios 
folgt  unmittelbar   auf  die   olxMaXiwTUüV  XijC€lC  s.  552:   fjXÖev  in' 
aÜTÖv  cpOövoc  Tiapd  xou  cx€cpdvouc  öq)ciXovxoc,  was  bekanntlich  J 
Ammian  auch  berichtet  (XX  4,  1) :  properantem  Constaniium  orienii* 
ferre  suppdias  .  .  urebant  luUani  vir(iUe$,   was  folgt,  ist  sehr  ge- 
hässig gegen  Constantius,  vgl.  ^natotTd'V  auxui  X€  xai  xoic  ÖXiTOic 
Koi  caTTpoTc  CTpaxiuixaic  xfjv  xujv  ßapßdpu/v  veöxr|Ta,   was  ganz 
im  tone  der  epist.  ad  Ath.  und  der  andern  epistulae  aus  dieser  «eitj 
(361)  geschrieben  oder  aus  diesen  letztern  entnommen  ist,  also 
sich  nichts  besonderes  bat,   hierher  gehört  auch  s.  553  der  ausdruekl 
önXixac  eöEacBai  ^dvov  Z^uva^cvouc,  der  natürlich  au»  den  scbriften^ 
Julians  uns  erhalten  ist,  wie  Bornes  s.  186  richtig  bemerkt  hat^ 
aber  —  und  dies  ist  hier  die  hauptsache  —  aus  den  schriften  des 
j.  361,   wo  er  sehr  geb&ssig  über  Constantms  sprach  (vgl,  meine 
diss.  8.  51  f.). 

Der  anfang  s«  554  ist  der  epist.  ad  Ath.  284*  entlehnt: 


WEoch:  quellen  zu  den  feldzügen  Julians  gegen  die  Germanen.   367 

Libanios :  Julian : 

ToOia  übe  fJKOucev  6  ßaciXeöc,  dcKonoOjLicv  dvraOGa  iroiav 
nap^vei  toic  Ö  'IraXiac  fiKOuciv  6böv  aöiouc  XP^  ßabiCeiv  bix- 
(den  legaten  des  Constantius)  tt]C  oöctic.  iffh  jLifev  i^Hiouv 
^T^pav  äY€iv  Touc  CTpa-  ^i^pav  rpaniivai,  o\  bk  aö9ic 
TiüJTttc.  dvaTKoZouciv  dKCiviiv  l^vm. 

Aber  genug  hiervon,  es  wird  jetzt  wohl  deutlich  sein,  welche 
verschiedenen  quellen  Libanios  benutzt  hat.  zunächst  und  meistens 
eine  quelle,  die  ihm  mit  Ammian  gemeinsam  ist,  die  er  aber  seiner 
natur  als  rhetor  zufolge  anders  benutzt  hat.  wir  werden  diese  haupt- 
quelle, um  mit  den  Ä-  und  J^-quellen,  von  denen  Borries  redet, 
nicht  in  Verwirrung  zu  kommen,  H  nennen,  dann  hat  Libanios,  wie 
wir  gesehen,  ausgibigen  gebrauch  gemacht  von  der  epist.  ad  Athe- 
nienses  und  andern  schriften  Julians  (vgl.  CTpariÜJTac  eöEacOai 
jLlövov  buvajLi^vouc)  aus  der  zeit  seiner  Feindschaft  mit  Constantius ; 
wir  werden  diese  quelle  /  nennen ;  und  drittens  hat  er  hier  und  da 
anklänge  an  Eunapios,  was  mich  zu  der  ansieht  geführt  hat,  er  habe 
auch  schon  die  memoiren  des  Oreibasios  gekannt  (in  den  vorigen  lob- 
schriften  auf  Julian  ist  von  solchen  anklängen  nichts  zu  bemerken). 

Die  stellen ,  wo  dergleichen  Übereinstimmungen  mit  Eunapios 
sich  finden;  sind  m.  e.  folgende: 

1)  das  halsabschneiden  s.  527  vgl.  Zosimos  III  7,  2.  2)  Jalian 
liesz  jedermann  die  beute  behalten,  die  er  gemacht  hatte  s.  546  z.  !!• 
3)  s.  547  aa.  Kai  ßapßdpoic  diri  ßapßdpouc  ^XP^to  =  Zos.  III  7,  5 
cuvdipac  T€  auToTc  tüjv  CaXiuJV  iroXXoOc.  4)  vielleicht  s.  547  ae. 
vnö  Toö  jLiacTiYoOvToc  irpötepov  9u)Tr€uö|Li€Voc  öirwc  usw.  und  die 
erzählung  von  der  rückkehr  der  gefangenen  s.  548.  5)  oubelc  in 
TU)V  ßapßdpwv  x^iMiJövoc  dTreXGövTOc  im  idc  €liü9uiac  XijCTeiac 
dHeirXeucev  (s.  548).  6)  der  unterschleif  der  Offiziere  s.  549.  7)  viel- 
leicht die  geschichte  der  kornschifPe  s.  549.  hier  ist  jedoch  Libanios 
von  der  ep.  ad  Ath.  beeinfluszt  (279^  —  280');  vgl.  Hecker  gymn.- 
programm  (Kreuznach  1886)  s.  37.  8)  s.  549  f.  der  zwist  mit 
Florentius. 

Wenn  nun  —  ich  lasse  weiter  alle  c7-n achrichten  bei  Seite  — 
das,  was  Libanios  mit  Eunapios  oder  Zosimos  gemein  hat,  sich  bei 
Ammian  nicht  oder  anders  vorfindet,  das  aber,  was  er  mit  Ammian 
gemein  hat,  bei  Eunapios  oder  Zosimos  nicht  vorkommt,  wie  ist  es 
dann  möglich  dasz  H  (die  hauptquelle  sowohl  des  Libanios  als  auch 
Ammians,  in  den  spätem  büchern  Ammians  also  identisch  mit  der 
quelle  B  von  Borries)  Oreibasios  sein  kann  ?  nein :  hier  musz  eine 
andere  schrift  sowohl  dem  Libanios  als  dem  Ammian  vorgelegen 
haben,  eine  schrift  die  sehr  ausführlich  die  kriegsthaten  Julians 
behandelte,  wahrscheinlich  hat  sich  die  schrift  angeschlossen  an  das 
ßißXibiov  über  die  schlacht  bei  Straszburg,  entweder  gleich  nach 
der  Schlacht,  also  bei  Ammian  XVII  1,  oder  nach  dem  ersten  Rhein- 
Übergang,  also  bei  Ammian  XVII  2.  im  erstem  falle  vermittelt  bei 
Ammian  XVI 12, 67—70  den  Übergang,  im  zweiten  feile  XVII 1, 14. 


368   WKöch:  quellea  za  den  feldaögen  Julians  gegen  die  Germanen. 


Wie  weit  in  dieser  schrift  die  beschreibung  der  thaten  Jolians 
fortgeführt  wird,  kann  icb  jetzt  noch  nicht  sagen;  es  kommt  mir 
aber  vor,  da8z  aucb  die  tbronerbebung  Julians  dann  behandelt  war: 
denn  eben  hier  sind  uns  wieder  neben  //-  und  /-nachrichten  (aas 
der  ep.  ad  Athen.)  eigentümliche  nachrichten  (bei  Zonaras)  erhalten, 
die  einen  Julian  freundlichen  Charakter  zur  schau  tragen  und  weder 
mit  IT  noch  mit  /  ÜbereinsUmmen,  also  der  0  (Oreibasios)- quelle  ent- 
nommen sein  können,  ist  aber  etwas  aus  Oreibasios  uns  erbalten, 
was  sich  nicht  oder  anders  hei  Ammtan  ündet,  so  kann  Ammian 
diese  0- quelle  nicht  benutzt  haben. 

Diese  ^-quelle  also  ist  nicht  identisch  mit  J  noch  mit  0 
(Oreibasios).  die  einzigen  andern  Zeitgenossen,  von  denen  wir 
wissen  dasz  sie  die  thaten  Julians  beschrieben  baben  ^  oder  wenig- 
stens beschrieben  haben  könnten,  sind  Julian  selbst  und 
Magnus  Carrenus. 

Zwischen  diesen  beiden  wage  ich  nicht  zu  entscheiden,  obwohl 
icb,  wenn  auch  nicht  so  fest  wie  früher  davon  überzeugt,  noch  immer 
zu  der  meinung  neige,  dasz  Julian  selbst  diese  quelle  ist.  mathema- 
tiBcb  beweisen  kann  man  ja  dergleichen  sachen  nimmer;  es  genüge 
aber,  dasz  wir  wissen  mit  einer  tüchtigen  und  ausführlichen,  hier  und 
da  etwas  parteiischen  quelle  zu  thun  zu  haben. 

Was  Zosimos  betrifft,  so  hat  derselbe  —  wie  Mendelssohn  nach- 
weist —  für  diese  epoche  (356  —  361)  gar  keinen  wert,  wenn  man 
die  partie  über  die  niederländischen  kriege  aussondert,  wo  er  aus* 
führlich  wird  und  aus  Eunapios  geschöpft  hat 

Ober  die  quellen  zur  geschichte  des  Perserkrieges  Joliims  will 
ich  mich  vorläufig  lieber  jedes  urteils  enthalten. 

Dies  sind  also  die  hetrachtungen ,  wozu  mich  Borries  aufsati 
über  die  quellen  in  den  feldzügen  Julians  angeregt  hat.  auch  ich 
füge  jetzt  ein  schema  hinzu,  um  meine  meinung  über  das  Verhältnis 
dieser  quellen  zu  veranscbnulicben. 

A                                J  HO 

(Julian                (Julian  ep,  ad  Ath.  (Julian?              (Oreibaaioi) 

Alamannen-                 nnd  andere  oder 

fichle^ht)                      Schriften  Magnus 

au»  dem  j.  361)  Catrenua?) 


Libanios 
epitaphioa 


Ennapioa 


TiRL  (Holland). 


Zotimoi 
Wilhelm  Koob. 


EESTE  ABTEILUNG 
FÜE  CLASSISCHE  PHILOLOGIE 

HERAUSGEGEBEN  VON  ALFRED  FlEGKEISEN. 


44. 

STEINHAUFEN  ALS  FLÜCHMALE,  HERMESHEILIGTÜMER 
UND  GRABHÜGEL  IN  GRIECHENLAND. 


Ein  noch  heute  in  vielen  gegenden  der  griechischen  lande ,  am 
häufigsten,  wie  es  scheint,  im  Peloponnes  geübter,  schon  mehrfach 
von  wissenschaftlichen  reisenden  erwähnter  brauch  ist  die  Verfluchung 
eines  menschen  unter  abwerfen  eines  Steines  an  einer  eigens  hierzu 
bestimmten  stelle,  ich  habe  über  diese  sitte,  weil  sie  mir  das  zeichen 
hoher  altertümlichkeit  an  der  stirne  zu  tragen  schien,  auf  meinen 
eignen  reisen  möglichst  genaue  erkundigungen  eingezogen  und  kann 
darüber  folgendes  als  zuverlässig  mitteilen,  das  verfahren  kommt 
in  anwendung  gegen  solche  personen,  welche  nach  der  auffassung 
des  Volks  durch  ein  groszes  verbrechen  an  der  gesamtheit  sich  ver- 
gangen haben,  mögen  sie  nun  bereits  verstorben  oder  noch  am  leben 
sein,  wer  zb.  durch  verrat,  brandstiftung,  Verbreitung  einer  krank- 
heit  usw.  einer  ganzen  gemeinde  geschadet  hat  oder  in  diesem  rufe 
steht ,  den  beschlieszt  die  betroffene  gemeinde  in  der  angegebenen, 
sogleich  näher  zu  beschreibenden  weise  mit  einem  öffentlichen  fluche 
zu  belegen,  es  wird  nemlich  entweder  da,  wo  das  wirkliche  oder 
vermeintliche  verbrechen  verübt  worden,  oder,  was  die  regel  ist,  an 
einem  viel  begangenen  wege,  mit  Vorliebe  an  dem  kreuzungspunkte 
mehrerer  pfade  eine  anzahl  von  feldsteinen  gleichsam  als  grnndstock 
für  das  zu  errichtende  fluchmal  abgeworfen,  jeder,  der  in  der  folge 
hier  vorübergeht,  wirft  nun  unter  dem  ausruf  ävdOejLid  tov,  dh. 
'fluch  über  ihn !'  einen  stein  hinzu,  und  so  bildet  sich  bald  ein  hoher 
häufe  von  steinen,  den  man  selbst  auch  dvdOejLia  oder  mit  davon  ab- 
geleitetem namen  dvaOejLiaTOupio  nennt,  auf  meiner  reise  durch  den 
Peloponnes  im  herbst  des  j.  1878  sah  ich  auf  dem  ritte  von  Aigion 
(Vostitsa)  nach  dem  höhlenkloster  Megaspilaion  hoch  oben  im  gc- 
birge  an  einem  kreuzweg  ein  solches  ävd9€)Lia,  das  mein  agogiat  un- 
gefragt mit  diesem  namen  bezeichnete ,  und  ich  erfuhr  nachher  im 

JahrbQeher  fQr  clftss.  philol.  1888  hft.  6.  24 


370 


Bernhard  Schmidt:  steinliaufen  als  flacbmale, 


klostefi  dasz  ee  infolge  eines  grenzstreites  zweier  dörfer  von  dem 
unterlegenen  teile  sei  aufgerichtet  worden »  also  entweder  gegen 
aämtliche  hewobner  des  siegreichen  dorfes  oder  wenigstens  gegen 
dessen  demarehen ,  möglicherweise  auch  gegen  denjenigen  welcher 
den  richterspruch  gefüllt  hatte»  ein  zweites  traf  ich  an  beim  auf- 
stieg von  Ändritsena  nach  dem  Apollontempel  von  Bas&ai,  gleich- 
falls hoch  im  gebirge,  da  wo  der  weg  znm  alten  heiligtum  und  der- 
jenige^ welcher  hinunter  nach  dem  dorfe  P4vlttsa  (Phigaieia)  fuhrt, 
sich  begegnen,  welchem  anlasse  letzteres  seine  entstebung  verdank te, 
habe  ich  nicht  in  erfahrung  gebracht,  zu  erwähnen  Ut  aber  noch, 
was  ich  in  dem  dorfe  Mesorügi  in  der  nähe  des  Styxfalles  hörte,  da^K 
die  bauem  diese  art  der  verfluch  ang  gern  gegen  reiche  und  mächtige 
leute  in  an  Wendung  bringen»  welche  ihrer  Ortschaft  schaden  zugefügt 
haben,  und  denen  sie  sonst  nichts  anhaben  können,  man  musz  sich 
hQten  diese  fiuchmale  zu  verwechseln  mit  jenen  Steinhaufen,  die  hier 
und  da  im  hochgebirge  an  weit  sichtbarer  stelle  errichtet  sind »  um 
dem  Wanderer  zur  Winterszeit  als  pfadzeichen  zu  dienen,  wie  ich  deren 
einen,  aus  dessen  mitte  ein  hoher  viereckiger  pfabl  emporragte,  auf 
der  passhöhe  des  arkadischen  Chelm^s  gesehen  habe,  welcher  bis  in 
den  monat  juni  hinein  mit  scbneo  bedeckt  zu  sein  pflegt. 

So  viel  ergaben  meine  eignen  nach  forsch  ungen.  ich  füge  jetzt 
hinzu,  was  ich  m  der  mir  bekannten  litteratur  über  die  Sitte  ge* 
funden  habe* 

Zur  zeit  der  Türkenherschaft  war  es^  wie  es  scheint,  sehr  ge> 
wohnlich,  dasz  das  volk  seine  Unterdrücker  in  der  beschriebenen 
weise  verfluchte.  Fouqueville  sah  eine  anzahl  solcher  gegen  türkische 
grosze  aufgerichteter  ßuchmale  in  der  nähe  von  Patras  und  berichtet 
darüber  in  seinem  vojage  de  la  Grdce  IV*  (Paris  1826)  s.  386  fol- 
gendes:  'en  avani^ant  nous  arrivämes  aux  anathömes^  troph^es  d'un 
genre  nouveau,  que  les  Grecs  ^lövent  a  leurB  oppresseurs.  c'est 
lorsqu'ils  ont  6pui86  les  moyens  de  r^clamation  et  les  supplicationä, 
que  ce  peuple  qui  na  ni  tribune  ni  journaux  ni  hustings,  pour 
ionner  contre  ses  tyrans ,  prend  le  parti  de  les  d^vouer  aux  g^nies 
infernaux.  pour  accomplir  lanath^me,  on  donne  le  nom  d'injure 
Ä  quelque  coin  de  terre  qu'ou  maudit  en  j  jetant  la  pierre  de  r6pro- 
bation*  chaque  assistant  fait  la  m^me  chose,  et  les  passants  ne 
manquant  pm  dans  la  suite  d  y  joiodre  leor  suffrage ,  on  ne  tarde 
pas  k  voir  s'6lever  un  tas  de  pierres  dans  le  lieu  anath^maUs6,  la 
consequence  de  cette  excommunication  porte  quo  Tennemi  du  peuple 
devient  vricolaoas  ou  revenant  apr^  sa  mort;  son  corps  ne 
peut  se  dissondre  dans  le  tombeau ,  et  ^e&  enfants  sont  afflig^s  d'in* 
firmit^s«  j'^coutai  aveo  une  sorte  de  complaisance  ces  histoires 
racont^es  par  les  paysans  qui  renouvelörent  en  ma  pr^sence  la 
c6r6monie  de  l'anath^me  contre  un  codja-bachi  de  Patras«  ils  mau- 
dirent  en  cons^quence  ses  anc^tres,  son  äme  et  ses  enfants,  en  gros- 
Bissant  d'une  grele  de  caüloux  le  monument  de  leur  vengeance,'  in 
der  anmerkung  hierzu  wird  der  Wortlaut  der  fluchformei  mitgeteUti 


Hermesheiligtümer  und  grabhügel  in  Griechenland.  371 

deren  man  sich  bei  diesem  act  bediente :  dvdO€|Lia  CTOUC  TOV^ouc, 
CTfjV  ipuxnv  KQi  CTCt  TTaibia  TOuJ  was  aber  den  von  Pouqueville 
angeführten  Volksglauben  betrifft,  dasz  der  also  verfluchte  nach 
seinem  tode  zum  wiedergSnger  werde ,  so  ist  derselbe  sicher  weder 
allgemein  noch  ursprünglich ,  sondern  es  ist  hier  offenbar  die  nach 
verbreiteter  Vorstellung  aus  der  kirchlichen  excommunication  sich  er- 
gebende folge  (vgl.  Volksleben  der  Neugriechen  I  s.  161)  auf  nnsem 
gänzlich  profanen  brauch  übertragen  worden,  eine  verquickung  welche 
ja  wohl  in  der  seele  jener  landleute ,  deren  erzählungen  der  bericht- 
erstatter  mitteilt,  sich  konnte  vollzogen  haben,  vielleicht  aber  auch 
nur  auf  rechnung  des  letztern  zu  setzen  ist.  —  Camarvon  nahm  auf 
seiner  reise  durch  die  landschaft  Mani  in  Lakonien  mehrere  fluch- 
male derselben  art  am  säume  des  weges  wahr,  und  es  besteht  nach 
seiner  angäbe  dort  die  Vorstellung  dasz,  je  schwerer  der  steinhaufe 
werde,  desto  sicherer  und  schneller  die  seele  des  Verbrechers  zur 
hölle  niedersinken  werde.  Hhe  roadside'  so  bemerkt  er  in  seinen 
reminiscences  of  Athens  and  the  Morea  (London  1869)  s.  160  'was 
sometimes  marked  by  a  huge  heap  of  stones  piled  up  in  execration 
of  some  unhappy  wretch  who,  though  long  departed,  had  incurred 
populär  resentment.  each  passer- by,  Ignorant  as  he  often  might  be 
of  the  offender's  name,  or  even  of  the  nature  of  the  offence,  would 
throw  a  stone  and  increase  the  pile ,  in  the  belief  and  hope  that  the 
heavier  it  grew,  the  more  surely  and  swiftly  would  the  sinner's  soul 
be  weighed  down  to  Hell.'  —  Auf  der  höhe  des  Pamongebirges,  am 
wege  von  Hagios  Petros  nach  Sparta ,  führt  eine  stelle  den  namen 
CTOUC  q)OV€U)üi^vouc :  drei  zusammengesunkene  tumuli  aus  erde  and 
rohen  steinen,  die  zu  einander  im  dreieck  liegen,  und  von  denen 
jeder  etwa  fünfzehn  schritt  im  durchmesser  hat,  bezeichnen  die- 
selbe.^ höchst  wahrscheinlich  haben  wir  es  auch  hier  mit  fluch- 
malen zu  thun.' 

Der  brauch  ist  auch  den  inselbewohnem  nicht  unbekannt,    für 

^  man  erinnert  sich  dabei  bekannter  aitgriechischer  flochformeln 
gleichen  oder  ganz  ähnlichen  inhalts,  wie  dTTÖXXuc6ai  Kai  aÖTÖv  xal 
Y^voc  Tö  K€ivou,  ^EcüXcic  elvai  xal  aöroOc  xal  olx(ac  xal  y^oc  tö  ^k€(- 
vujv  usw.  '  Ross  reisen  im  Peloponnes  s.  178,  welcher  geneigt  war 

in  isn  drei  tumuli  die  von  Pausanias  II  38,  7  erwähnten  Hermen  zu 
erkennen,  die  auf  dem  punkte,  wo  die  grenzen  der  Ar^eier,  Arkader 
und  Lakedaimonier  zusammenstieszen,  errichtet  waren,  mit  vorschneller 
Zustimmung  von  ECurtius  Pelop.  II  s.  262  und  321  anm.  66.  denn  Ross 
selbst  hielt  es  doch  zugleich  für  nicht  unwahrscheinlich,  dasz  diese 
Hermen  ein  wenig  nördlicher  sich  befanden,  und  äuszerte  daher  in  be- 
treff jener  drei  Steinhaufen  noch  eine  andere,  zu  ihrem  namen  besser 
stimmende  Vermutung,  nemlich  dasz  dieselben  dassieg^smal  des  Herakles 
über  Hippokoou  und   seine   söhne  seien  (Paus.   HI  10,  6).  '   man 

könnte  auch  an  gräber  erschlagener  denken:  vgl.  unten  8.  390.  aber 
im  namen  selbst  liegt  das  nicht  ausgedrückt:  CTOuc  q>ov€U)üi^vouc  ist 
nach  vulgargriechischem  Sprachgebrauch  einfach  die  stelle,  an  der  einige 
menseben  getötet  worden  sind,  wie  der  gleich  i\^ohher  zu  erwähnende 
rhodische  ortsname  CTÖv  Karapajüi^vcv  die  statte  bezeichnet,  wo  jemand 
verflucht  worden  ist. 

24» 


372 


Bernhard  Scbmidi:  Bteinhaufeo  als  flucbmale, 


Ejpros  beeeogt  ihn  Sakellarioä  KuTipiaKOt  II  s.  445  der  neuen  be- 
arbeitiing  {iv  *ABT]vmc  1891):  dva66€^aTo0piv,  xö*  dväO€Ma 

KOIV.    f\TOl  CUJpÖC  XiOuJV  CXTlUaTlC6|J6VOC  UTt6  TÜJV  XtWpiKiUV  ^V  TOlC 

Tpiööoic  TTpöc  aiujviov  dvaÖE/iaTicjLiöv  toü  dbiKr[cavToc  auTouc,  — 
Im  sQdlichtn  teile  von  Rhodos  heiszt  eioe  stelle  cröv  Karapaji^vov  *» 
ein  name  der  deutlich  auf  ein  ehemals  hier  befindliches  Äuchmal 
binweiiät.  —  Auf  der  insel  Imbros  unweit  des  dorfes  Skinudi  sah 
Conze  am  vfcge  einen  auffallend  groszen  häufen  von  ateinen,  hier 
dvaSc^aricTpa  genannt,  welcher  einem  demarchen  des  genannten 
dorfes  galt ,  der  mit  den  Türken  gegen  seine  glau bensgenossen  ge- 
meinsames spiel  sollte  gespielt  haben.  ^  —  Von  den  Kretern  ward 
frtlber  und  wird  unter  umständen  wohl  auch  noch  beute  dieselbe  art 
der  Verfluchung  gegenüber  ihren  zwingberren  angewandt.  FvLöber 
kretische  gestade  (Bielefeld  u,  Leipzig  1877)  s.  160  f.  sagt  von  ihnen 
mit  bezug  auf  das  ende  des  siebenjährigen  aufstandes  von  1821 
— 1827:  'wo  die  ihrigen  geblutet  hatten,  da  errichteten  sie  Stein- 
haufen, und  jeder  vorübergebende  warf  noch  einen  stein  hinauf  mit 
einem  fluch  auf  die  blutigen  Türkenbunde.*  ein  solcher  steinhaufe 
war,  wie  der  vf.  weiter  berichtet,  lange  zeit  zu  sehen  im  thale  des 
Mylopötamos,  unweit  der  berühmten  und  berüchtigten  troplstein- 
höhle  beim  dorfe  Melidoni,  in  welcher  im  j.  1824  einige  hundert 
Griechen  durch  die  Türken  unter  Kussein  Bej  einen  schrecklicben 
erstickungstod  gefunden  hatten. 

Auf  den  ioniächen  inseln  ßcbeint  der  brauch,  vielleicht  Kytbera 
ausgenommen  (vgL  unten  s.  373),  nicht  vorzukommen,  von  Kepbal- 
lenia  und  Zakyntbos  glaube  ich  dies  sogar  mit  bestimmtbeit  sagen 
zu  können,  aber  auf  letzterm  eilande  ist  doch  im  volksmunde  eine 
redensart  üblich,  welche  die  Vermutung  rechtfertigt,  dasz  er  vor 
Zeiten  auch  bier  bestand,  ich  habe  den  ausdruck  lppi£a  TT^Tpaic 
ÖTTlcu;  jiOif  ('ich  habe  steine  hinler  mich  geworfen*)  anwenden  hören 
mit  bezug  auf  das  raube  bergland  der  insel ,  welches  dem  redenden 
mit^fallen  hatte  und  das  er  infolge  dessen  nicht  wieder  zu  besuchen 
entschlossen  war,  und  von  einem  eben  verstorbenen  sagt  man  hier 
und  da  fppiHc  fiaupri  trexpa  öiricuj  xou  ('er  hat  einen  schwarzen 
stein  hinter  sich  geworfen*)  in  dem  sinne:  *er  kehrt  nicht  wieder, 
er  hat  der  weit  auf  immer  lebe  wohl  gesagt.'  ich  wüste  nicht,  woraus 
diese  sprichwörtliche  redensart  entstanden  sein  kannte,  wenn  nicht 
aus  dem  hier  bebandelten  brauche,  eigentlich  und  ursprünglich  wird 
sie  nichts  anderes  bedeuten  als  *verflucben*  oder  'verwünschen*,  ihre 
anwendung  auf  einen  ort,  an  den  zurückzukehren  man  nicht  vermag 


*   Rosa  reiseo  auf  den  grriech.  loieln  TV  9,  65,  ^  reUe  auf  den 

Inseln  de«  thrakisdien  meerea  9.  97,  mit  der  berichtiguDg'  und  ergäocung 
im  PhUologaa  XIX  (1853)  s.  165  f.  an  letzterm  ort  erwühnt  Conie  Auch 
tiocb  ein  pelopooneHiscbeB  dvd0€fia,  ao  welchem  er  tmt  der  wnuderatig 
von  Troisen  tiiich  Ueriiiione  bei  einer  kreuzang  dea  we^s  vorüberkum. 
Übrigens  schreibt  er  auch  hier  noch  faUcb  dvaOfmaTkTpa  und  dvd8Y)Ma« 
über  die  uamensform  vgl,  unten  1.  374, 


Hermeeheiligtümer  und  grabhügel  in  Griechenland.  373 

oder  nicht  willens  ist ,  konnte  sehr  leicht  zu  dem  begriff  der  absage 
auf  ewig  fuhren. 

Nach  dem  bisher  zusammengestellten  darf  man  es  wohl  als 
sicher  betrachten,  dasz  die  sitte  der  Verfluchung  eines  menschen 
unter  abwerfung  eines  steins  einst  überall  in  den  griechischen  landen 
bekannt  und  verbreitet  war.    aber  wie  erklärt  sie  sich  ? 

Es  kann  zunächst  keinem  zweifei  unterliegen,  dasz  das  stein- 
werfen ein  Symbol  ist  für  die  wirkliche  Steinigung,  dies  dürfte  schon 
die  auf  der  insel  Eythera  übliche  redensart  toO  irp^irei  XiOocuipöc 
('ihm  gebührt  ein  steinhaufe')  zeigen,  welche  der  berichterstatter 
(Pandora  XIII  s.  529)  durch  die  worte  t.  Ttp.  vd  Xi9oßoXriOi5  TtapÄ 
TrävTUiV  erklärt,  aber  auch  die  bedingung,  an  welche  die  vornähme 
des  actes  geknüpft  ist,  beweist  es.  ich  habe  oben  bemerkt,  dasz  ein 
vergehen  gegen  die  gesamtheit  vorliegen  musz.  eine  ' Ver- 
letzung der  interessen  der  gesamtheit'  war  es  aber  vorzugsweise 
schon  im  hellenischen  altertum,  welche  Men  augenblicklichen  Un- 
willen des  Volkes  mit  oder  ohne  befehl  der  oberen  bis  zur  Steini- 
gung' steigerte  (KFHermann-Thalheim  griech.  rechtsaltertümer  §  18 
s.  121).  insbesondere  erschien  der  verrat,  also  eine  derjenigen  ver- 
gehungen, durch  welche  die  griechischen  bauern  von  heute  zur  auf- 
rieb tung  eines  dvd06|Lia  sich  veranlaszt  sehen,  von  jeher  als  ein  des 
todes  durch  Steinigung  würdiges  verbrechen,  so  zb.  erlitt  Pala- 
medes  diese  strafe  nach  den  scholien  zu  Eur.  Or.  432.  die  Eyloneier 
wurden  von  den  Athenern  gesteinigt  nach  den  scholien  zu  Aristoph. 
Bittern  445.  die  Arkader  steinigten  ihre  beiden  könige  namens 
Aristokrates,  den  altem  wegen  Schändung  einer  Jungfrau  im  heilig* 
tum  der  Artemis,  deren  priesterin  sie  war,  den  Jüngern  wegen  hoch- 
verräterischen einverständnisses  mit  den  Lakedaimoniem  (Paus.  YIII 
5  ge.).  im  peloponnesischen  kriege  begannen  die  Argeier  ihren  feld- 
herrn  Thrasyllos  wegen  eigenmächtiger  Unterhandlungen  mit  dem 
feinde  zu  steinigen  (Thuk.  V  60,  6);  wie  denn  auch  Dikaiopolis  in 
Aristoph.  Acharnern  285  ff.  aus  dem  gleichen  gründe  mit  derselben 
todesart  bedroht  wird." 

Symbolische  Steinigung  ist  auch  bei  andern  Völkern  mit  Sicher- 
heit nachzuweisen,  so  bei  den  Arabern,  von  denen  eine  dem  griechi- 
schen brauche  zwar  nicht  völlig  entsprechende,  aber  doch  sehr  nahe 
kommende  und  im  gründe  gewis  auf  gleicher  anschaunng  beruhende 
volkssitte  berichtet  wird,  als  AbuRighäl,  der  dem  beere  des  äthiopi- 
schen königs  Abrahaa  als  Wegweiser  gedient  hatte,  gestorben  war, 
ward  sein  grab  von  ihnen  gesteinigt,  'und  das  thun  die  leute  bis 
heute',  sagt  Ihn  Ishäq  (f  769)  im  leben  Mohammeds.^   also  auch 


^  diese  ond  andere  beispiele  von  Steinigung  aus  mythischer  und 
historischer  zeit  hat  bereits  WWachsmuth  bell,  altertamskonde  II* 
8.  793  f.  zusammengestellt,  vgl.  auch  die  sage  vom  Lykier  Skylakens 
nnten  s.  378.  ^  Gildemeister  bei  FLiebrecbt  -zur  Volkskunde*  (Heil- 
bronn 1879)  s.  283,  wo  diese  arabische  sitte  noch  durch  einige  weitere 
beispiele   aus  dem  mittelalter  belegt  wird,     das  älteste  zengnis  für  die 


ßemhard  Schmidt:  Steinhaufen  ale  üachmaie, 


hier  hi  es  das  Yt?rbrecheii  des  Verrats,  das  auf  solche  weise  geahndet 
wird,  die  Maravi  am  Zamhesi  pflegen  auf  gi^äber  von  Zauberern,  die 
tiberführt  und  verbrannt  worden  sind,  beim  vorübergehen  einen  stein 
2U  weifen  (Waitz  anthropologie  der  naturvölker  11  s.  325 ^  vgl.  ebd. 
s.  524)»  ein  brauch  der  ohne  zweifei  ebenso  aufzufassen  ist. 

Die  von  einer  ganzen  gemeinde  und  weiter  auch  von  vielen 
auszerhalb  derselben  stehenden  fortgesetzt  geübte  symbolische  Steini- 
gung mag  nach  der  anschauung  des  Volkes  ebenso  geeignet  sein, 
früher  oder  später  das  verderben  desjenigen,  gegen  welchen  sie  ge* 
richtet  ist,  herbeizuführen,  wie  die  in  Griechenland  und  anderwärts 
vorkommenden  symbolischen  menschenopfer  bei  grundsteinlegungen 
(vgL  Volksleben  der  Neugriechen  I  s,  11>6  f,).  eigentlich  aber  dient 
die  ceremonie  nur  zur  nöchdrucksvollen  Verstärkung  des  gleichzeitig 
ausgesprochenen  feierlichen  fluchs,  welchem  nach  dem  glauben  alter 
nnd  neuer  zeit  schon  an  sich  eine  magische  gewalt  innewohnt*  ^  aber 
damit  ist  noch  immer  nicht  der  letzte  grund  der  sitte  aufgedeckt, 
offenbar  soll  durch  errichtung  des  fiuchmalB  der  mensch,  dem  es  gilt» 
oder,  wenn  es  sich  um  einen  bereits  verstorbenen  handelt,  dessen 
Seele  den  unterirdischen  mächten  zur  räche  Überantwortet  werden, 
das  geht  besonders  deutlich  aus  der  oben  nach  Camarvon  mit* 
geteilten  Vorstellung  der  Maniaten  hervor,  und  auch  schon  der  name 
der  ceremonie  weist  bestimmt  darauf  bin,  wenn  man  die  geschieht* 
liebe  entwicklüng  seines  begriff's  ins  äuge  faszt.  denn  das  wort 
dväOejLiai  eigentlich  nichts  anderes  als  die  hellenistische  form  von 
övctBrijua,  bezeichnet  in  der  biblischen  Graecität  etwas  der  gottheit 
zur  Vernichtung  geweihtes,  ihr  als  opfer  verfallenes*,  ganz  wie  das 
lat.  adj.  saceTy  und  erst  aus  dieser  unter  bebräi^jchem  einflusz  ent- 
standenen bedeutuDg  ist  dann  die  noch  im  heutigen  griechisch  ge- 
wöhnliche bedeutung  'fluch'  hervorgegangen,  es  verdient  erwähnt 
zu  werden,  dasz  auf  den  von  Newton  im  be/irk  den  heiligtums 
der  Demeter  und  Kora  zu  Knidos  aufgefundenen »  im  2n  teile  des 
2n  bandee  seiner  'history  of  discoveries  at  Halicarnassus,  Cnidus  and 


»teinigtui^  des  ohen  crwühnten  grahes  isl  ein  vert  des  'Giirir  (etwa 
um  700):  *wenn  Famsdak  g-e^torben  ist,  «o  steiniget  ihn»  wie  ihr  tteinig^et 
das  grab  des  Abu  Rl^hAP,  nemllch  l^cim  vorübergebeu  durch  daraDf- 
werfen  eine»  «itetues.  —  Liebreclil  hnt  in  dem  9o  eben  angofülirten  buche 
s,  267—284  einen  toerat  in  der  Germania  XXII  :il  erschienenen  anfsats 
*di6  geworfenen  steine'  anni  Wiederabdruck  gebracht,  auf  welchen  ich 
in  dieser  abli.  mehrfach  werde  «u  verweisen  haben. 

*  ».  bicriiber  besonder«  Latanlx  'der  fluoh  bei  Griechen  und  Hömem*, 
«tadien  des  class,  altert,  s,  159  ff,,  nnd  JGrimm  deutsche  myth.  II* 
s.  1026,  vgl  aach  ÄWuttk©  'der  deutsche  Volksaberglaube**  s.  163  f. 
sieht  mati  von  dem  bloAx  ByrnboHseben  der  handlung  ab,  so  deckt  sich 
dieae  unter  flücben  vor  «steh  gebende  Steinigung  durch  das  volk  genau 
mit  den  hi^^opptqictc  XfOci^oi  dpai^  die  bei  Aischytos  Agam.  1616  der 
chor    dt>m    Aif^i^tbon    in    anhiebt   stellt.  *   \'g\.   Stepbanus  thes^turns 

ndw.,  befondcrs  aber  Cremer  worterbnch  der  oentestatneDtlicben  Graecität* 
(Gotha  18B9)  u.  tiOnM^  »*  ^^t  sowie  Grimm  lexicon  Oraeco-Lat  in  Hbro« 
KT.«  (Leipzig  18S8^  n*  äy&Qi^a  «,  26. 


UermeBheiligtümer  und  grabhügel  in  Griechenland.  375 

Branchidae'  veröffentlichten  bleitäfelchen  mit  verfluchnngsinschriften, 
deren  spräche,  wie  CWachsmuth  im  rh.  mus.  XVIII  (1863)  s.  573 
richtig  bemerkt  hat,  mit  der  GraecitSt  der  Septuaginta  nahe  Ver- 
wandtschaft zeigt,  die  tiberantwortung  des  übelthäters  oder  be- 
leidigers  an  die  götter  der  unterweit  wiederholt  durch  das  verbum 
dvaiiG^vai  (neben  dviepoOv)  ausgedrückt  wird,  so  in  n.  85.  86.  93 
(e.  L  l  bei  Wachsmuth  ao). 

Der  eigentliche  zweck  der  fort  und  fort  sich  wiederholenden 
Steinigung  und  Verfluchung  geht  also  ohne  zweifei  dahin  ^  die  ge* 
walten  der  hölle  gegen  den  davon  betroffenen  aufzuregen. 

Wenn  wir  nun  die  naheliegende  frage  aufwerfen,  ob  die  im 
vorstehenden  beschriebene  merkwürdige  sitte  schon  im  hellenischen 
altertum  möge  bestanden  haben,  so  scheint  die  antwort  auf  den 
ersten  blick  verneinend  ausfallen  zu  müssen,  zwar  fühlt  man  sich 
durch  die  heutigen  fluchmale  unwillkürlich  an  die  SpjLiaia  oder 
£pjLiaK6C  der  alten  erinnert,  welche  ja  nach  den  uns  vorliegenden 
nachrichten  vielfach,  ganz  wie  jene,  in  bloszen  am  wege  und  be- 
sonders an  kreuzwegen  aufgeschütteten  Steinhaufen  bestanden,  und 
zu  denen  gleichfalls  die  vorübergehenden  einen  stein  hinzuzuwerfen 
pflegten.  '^  allein  die  bedeutung  dieser  war  ja  bekanntlich  eine  ganz 
andere :  sie  dienten  der  Verehrung  des  Hermes,  und  manche  mjtho- 
logen  wollen  in  ihnen  geradezu  die  ältesten  darstellungen  desselben 
in  seiner  eigenschaft  als  schutzgott  der  wege  erkennen. "  ein  Zu- 
sammenhang beider  arten  liegt  also  jedenfalls  nicht  klar  vor  äugen.  '* 
aber  wenn  wir  uns  die  erkl&rungen  näher  ansehen,  welche  die  alten 
über  Ursprung  und  entstehung  der  Hermaien  aufgestellt  haben,  so 
finden  wir  allerdings  eine  spur,  die  mit  deutlichkeit  darauf  hinweist, 
dasz  sie  fluchmale  in  gestalt  von  Steinhaufen  nicht  nur  gekannt,  son- 
dern auch  mit  den  dem  Hermes  geheiligten  denkmSlem  derselben 
art  in  Verbindung  gebracht  haben,  diese  erklSrungen  sind  zum  teil 
von  den  Homer-exegeten  zusammengestellt  zu  dem  ''GpjLiatoc  X6(poc, 

10  B.  die  weiter  unten  angeführten  stellen,  dasz  die  fpfiiaia  auch 
^pjiQKec  p^enannt  wurden,  zeigen  die  scholien  zu  Nikandros  ther.  160: 
f\  ^pnaKQc  XCGouc  cccuipeuM^vouc  elc  Ti)if|v  toO  '€p)ioO.  **  vgl.  zb. 

Preller-Robert  griech.  myth.  I  s.  386  anm.  und  401.  anders  Welcker 
gr.  götterlchre  II  s.  456  >'  ich  will  hier  beiläufig  erwähnen,   dasz 

das  wort  Sp^aS  in  der  vulgarform  6pjLiaKÖc  bis  auf  heute  sich  erhalten 
hat,  und  zwar  in  der  alten  bedeutung  'steinhaufe*.  s.  Protodikos  l6iUJTiK& 
Tflc  v6U)T^pac  i\\r\y.  fXibccric  s.  14  (auch  schon  Philister  IV  225),  dessen 
bemerkung  sich  wohl  auf  seine  heimat  Paros  bezieht,  aber  auch  für 
den  Peloponnes  ist  es  bezeugt,  woselbst  man  die  anhäufung  der  aus  den 
bebauten  f eidern  zusammengelesenen  steine  damit  bezeichnet:  '€q>r||üi. 
TfSjv  q)tXo)ia6uiv  1858  s.  634  (vgl.  s.  596  und  626).  ebenso  heiszt  es  ebd. 
1859  s.  987  ohne  ortsanpabe:  &p|iaKÖc  (6),  töttoc  Öttou  CU)pc\3ouci  ToOc 
Xiecuc  ToOc  ^HaTOfLi^vouc  dnö  t&  Ka6api2:6)i€va  xu)pdq)ia,  xal  ÄTrXdic  cwp6c 
XiOujv.  man  erwartet  eigentlich  dpjiaKac.  aber  ebenso  xoxXaxdc  =  KÖxXaE 
(Protodikos  löiuiT.  s.  83).  der  accent  ist  wohl  auf  die  endsilbe  vorgerückt 
worden  nach  der  analogie  von  Wörtern  wie  q>aYdc,  Kcpardc  ua.  wichtig 
wäre  es  nun  zu  wissen,  ob  etwa  irgendwo  dieser  au.sdrnck  auch  von 
den  flncbmalen  gebraucht  wird,     allein  da  versagen  die  nachrichten. 


376 


Bernhard  Schmidt;  ftteinhanfeE  als  fluchmate , 


den  die  Odyssee  rr  471  am  wege  über  der  stadt  Ithake  erwähnt,   in 

den  schollen  zdst.  faeiszt  es  unter  anderra  (II  s.  633  Ddf.):  '€pjuific 
Kaid  Aiöc  K^Xeuciv  dveXujv  "ApTOV  töv  ttic  ^Ioöc  (poXciKO  rixOn 
UTtö  biKTiv»  "Hpac  auTÖv  kqi  to^v  aXXu/v  dYQTÖVTUüV  Beoiv  elc 
Kpiciv  ön  TTpujTOc  dTT€ßeßXyiK€i  bai^övtiiv  övnxujv  mdcjiaTi  töv 
''ApTov  Kai  dvTiprjKei.  Kpivoviac  hi  touc  Beouc  eiiXaßeicöai  ^kv 
TÖV  Aia  h\ä  TÖ  uTTÖbiKOV  ftT^vficSai  töv  '6p/if)v  xaic  auxoö 
TTapatT^Xiaic,  äpa  hl  diq)UJCiuj|i€VOuc  tö  ötoc  Kai  ttjc  dvbpo- 
q>oviac  dnoXüovTac  aic  eixov  öpt^tic  rrpocßaXelv  auxui 
idc  *+»Tiq)ouc,  KaioÖTUJC^TTicuüpeuOfivaiTrpöcToUnocl 
Toö  '6p|ioö  i|/r|<puuv  TrXfieoc.  ö9€v  Kai  touc  dvöpujTrouc  fixpi 
Tou  vOv  ek  Tijuriv  'Gp/ioö  KaTd  tüc  öbouc,  bid  tö  töv  9eöv  eivai 
toOtov  Ka9r|t€növa  Kai  dTTixpoTTov  tuiv  eKbimoüvTUüv ,  cujpouc 
TTOieiv  Xi9u>v  Kai  bidTovTac  trpocßdXXeiv  X(9ouc,  Kai  toutouc 
KaXciv  '€p^aiouc  Xöqpouc.  fcTi  bfe  Xocpoc  näv  tö  €k  uqioG 
^eieuupov*  f)  iCTopia  nap'  'AvTmXeibrj.  ^*  dieselbe  erklärung  gibt^ 
nach  vorausBchickung  anderer,  Eustathios  mit  folgenden  Worten 
(s.  1800  ed,  Rom.):  dXXoi  bt  eiitov,  'EpjLirj  dveXövTi  löv  *'Aptov, 
i^  ou  Kai  dpxei(p6vTr|c  ^KXii9ri,  dvdYKnv  T^vecöai  bouvai  biKOc  toö 
cpdvou*  ^Tr€i  hl  All  TT€ic0ek  ^TiXr|^^e\qc€  tö  koköv  Kai  iökvouv 
auTÖv  Tkacöai,  irpoc^ppitiiav  xdc  n/riqpouc  ö  Ka9^va  tüuv  KpeiTXÖ- 
vuiv  i^p^pa  Tuj 'Epfifj,  ßdXXovxec  olov  ^k€ivov  Xi9oic'\Kal 
ouTO)  tf)v  TOÖ  96VOU  Troivrjv  dtpoiciuJcavTO.  Kai  ol  tujv  ipricpoiv 
^Keivtiiv  Xiöoi  dvaßdvT€c  xrj  cgupeitjt  tk  Xötpov  ek  Tipfiv  ucrepov 
fnecov  TUJ  'Eppi^*  ^VTcOOev  ydp  ol  cuupeud^evoi  ttou  Xi9oi  Tqj 
*€ppq  KOTd  Tf|V  ^vTaö9a  'Opnp^xifiv  qppdciv  ^iruJVOMd^ovTO.  die 
nemlicbe  geschichte  wird  endlich  im  sog,  Etym.  M.  u»  *€p^aiov 
s*  375f  57  Gaisf.  aus  ^Xanthos^  aber  offenbar  in  stark  verstümmelter 
fassnng,  mitgeteilt:  X^T€l  hl  TTCpi  auTÜuv  (nemlich  über  die  Hermaien 
oder  die  dvöbioi  XiÖoi)  ^dvSoc,  öti  dTTOKTtivavToc  '€ppoO  töv 
^Aptov  Kai  biKac  eicTTparro^^vou  Kai  inrexovTOC  ^v  toic  G€oic  bid 
TÖ  TTpajTOv  ä\|iac9ai  touc  Xomouc  dcpociou^^vouc  tö  dtoc  Kai 
ÖTioXuovTac  ToO  (povou  TTpocßdXXciv  auTi^  rfiv  njf^90v*  ö8ev  bia- 
|i^v€iv  in  Kai  vOv.  ''^ 

Hiemach  wurde  also  der  oraprung  der  Hermaien  von  einigen 
aus  der  legende  hergeleitet,  dasz  die  g5tter  den  wegen  der  tötung 

^*  BattmHiiQ  denkt  jedenfnlU  mit  recht  an  dns  iEr]tr|TiK6v  den  Anti- 
kleidet ,  welchem  denn  auch  CMüUer  scrlpt.  rer.  Alex,  M.  «.  151  n.  19 
gefolgt  ist.  den  vöcTOt  woUtd  aeltsamer  weise  MHEMeier  optisc,  II  s,  57 
Atim«  131  dus  frai^meDt  Eaweiaen.  **  so  ganz  richtig  in  der  Botnischeo 
ausgäbe«  in  dem  iicderUch^n  Leipziger  abdruck  derselben  steht  sinnlos 
ßdXXovToc  otov  ^KCtvov  XiOouc.  '^  CMüller  h»t  darHufhio  dieses  brach- 
stUck  den  Aubiaxd  des  Xanthos  xtige wiesen  (FHO.  I  s.  38  n.  9).  es  mag 
dnbingestellt  bleiben,  ob  es  wirklieb  dem  alten  logographen  ang^ebört^ 
ei«en  zwingenden  gnind  aber  ihm  dasselbe  abznsprechen  sehe  ich  ebensa 
wenig  wie  Weleker  kl.  Schriften  I  s.  437,  und  ein  schon  von  diesem 
tum  vergleich  berangesogenes  fragnient  de»  HelUnikos,  von  dem  ich 
gleich  nachher  ban^lcln  werde,  l&sit  sich  sogar  für  seine  eehtbeit  geltentl 
machen. 


Hermeeheiligtümer  und  grabhügel  in  Griechenland.  377 

des  Argos ,  des  ersten  von  einem  unsterblichen  begangenen  mordes, 
vor  gericht  gezogenen  Hermes  aus  scheu  vor  Zeus,  in  dessen  auf- 
trag  er  gehandelt  hatte,  zwar  freisprachen,  aber  der  blutschuld  oder 
der  durch  den  mord  verwirkten  strafe  wenigstens  zum  schein  genüge 
thaten  —  denn  das  ist  dcpoctoOcOai  tö  Stoc  oder,  wie  es  bei  Eusta- 
thios  heiszt,  d.  ifiv  ToO  cpövou  Troivriv  — ,  indem  sie  ihre  steine 
zu  seinen  füszen  niederwarfen,  als  ob  sie  ihn  wirklich 
steinigten:  der  auf  diese  weise  entstandene  steinhaufe  des  Hermes 
sei  nachmals  bei  den  menschen  zu  einem  zeichen  der  Verehrung  dieses 
gottes  geworden,  ich  glaube  nicht  leicht  einem  Widerspruche  zu  be- 
gegnen, wenn  ich  behaupte,  dasz  diese  legende  den  bis  heute  er- 
haltenen volksbrauch  voraussetzt:  wer  immer  sie  erfunden  hat,  der 
musz  die  durch  symbolische  Steinigung  errichteten  fluchmale  ge- 
kannt haben  und  zugleich  eines  Zusammenhangs  derselben  mit  den  \'' 
dem  cultus  des  Hermes  dienenden  Steinhaufen  sich  bewust  gewesen 
sein,  wie  hätte  er  denn  anders  auf  seine  an  sich  so  seltsame  erkltt- 
rung  des  Ursprungs  der  letztern  verfallen  können?  und  dasz  er  die- 
selbe nicht  rein  aus  der  luft  gegriffen,  sondern  einen  bestimmten 
grund  dafür  gehabt  hat,  wird  man  doch  wohl  einräumen  wollen. 

Von  hier  aus  scheint  auch  licht  zu  fallen  auf  ein  merkwürdiges 
bruchstUck  des  Hellanikos  n.  138  M.  (aus  Tzetzes  zu  Lykophron  469) : 
'GXXdviKOc  icTopeT  öti,  irpö  toö  'HpanX^a  elceXGeiv  ^v  t^  Tpo(()i, 
6  TeXaiuiuiv  jiiepoc  toO  tcixouc  KaiaßaXuiv  clcfiXOe  •  cttwjli^vgu  bi 
in*  auTÖv  'HpaKX^ouc  tö  ri90c  6  TeXajiiujv  Trapaiiipricac  toütou 
?v€Ka  bucx€pdvavTa  töv  *HpaKX^a  XiOouc  irepl  auTÖv  ^cub- 
p€U€v.  ToO  be  q)a|Li€VGu  «ti  toöto;»  TeXaiuiujv  l(pr\  «^yeipciv 
füi^XXuj  ßuj|uidv  'HpOKX^Guc  *AX€HiKdKOu. »  kqI  oötu)  iflc  öpTf\c 
'HpttKXfic  TTaueiai  usw.  es  darf  als  unzweifelhaft  betrachtet  wer- 
den und  wird  von  Welcker  ao.  in  der  that  ohne  weiteres  angenom- 
men, dasz  Hellanikos  damit  eine  erklärung  von  dem  altar  des 
Herakles  Alexikakos  aus  zusammengehäuften  steinen  liefern 
wollte.  '^  die  geschieh te  selbst  steht  auch  bei  Apollodoros  bibl.  II 
6,  4,  nur  dasz  hier  Herakles  Kallinikos  an  stelle  des  Alexikakos  ge- 
treten ist:  d)c  be  eOedcaTo  ('HpaKXnc)  TeXajLiiüva  irpiöTov  elccXri- 
XuGÖTa,  c7Tacd|uievoc  tö  Eicpoc  in*  auTÖv  fjei,  luirib^va  O^Xujv  dauToO 
KpeiTTova  vofiiCecOai.   cuvibujv  bfe  toOto  TeXajiiujv  TrXnclov  XI- 

0OUC    K€l|Ll^VOUC   CUVt^9pOlZ€.     TOO   hk   ^pO|Ll^VOU  Tl  TTpdTTOl, 

ßujjLiöv  elTT€v  'HpaKXeouc  KaTacKCudZciv  KaXXiviKOU.  man  wird 
nun  schwerlich  fehlgehen ,  wenn  man  im  hinblick  auf  die  oben  an- 
geführte erklärung  des  Ursprungs  der  Hermaien  durch  eine  ähnliche 
legende  den  sinn  dieser  erzähl ung  so  versteht,  dasz  Telamon  durch 
anhäufen  von  feldsteinen  um  Herakles  eigentlich  ausdrücken  wollte, 
dasz   dieser  für  sein  benehmen  verdiene  gesteinigt  zu  werden  —     r- 


'^  Müller  hat  dies  fragraent  unter  die  TpU)iKd  gestellt,  an  die  man 
natürlich  zunächst  denken  mnsz.  aber  es  könnte  auch  aus  der  'At6(c 
sein:  Yg\.  unten  s.  384  anm.  32. 


378  Bernhard  Schmidt:  Steinhaufen  als  fluchmale, 

hatte  er  doch  in  feindeslande  aus  schmählichem  neide  auf  eine 
ruhmesthat  seines  eignen  waffengenossen  denselben  mit  dem  tode 
bedroht  — ,  aber  gegenüber  dem  gereizten  beiden  selber  seiner  hand- 
lung  kluger  weise  eine  andere  deutung  gab,  durch  welche  dessen 
zorn  mit  6inem  male  beschwichtigt  wurde,  es  ist  gleichsam  der 
Xdivoc  xiTUüV  (II.  r  57),  welchen  Telamon  um  Herakles  hüllt  und 
dann  auf  die  verwunderte  frage  desselben  für  einen  zu  seinen  ehren 
bestimmten  altar  ausgibt. 

In  diesem  zusammenhange  wird  passend  auch  die  sage  von  dem 
Lykier  Skylakeus  behandelt,  welche  uns  durch  Quintus  Smymaeus 
X  147  — 166  überliefert  ist.  dasz  ich  auf  diese  stelle  aufmerksam 
geworden  bin ,  verdanke  ich  meinem  collegen  Studniczka ,  der  sie 
auch  selbst  schon  in  seinen  beitragen  zur  geschichto  der  altgriechi- 
schen tracht  s.  62  anm.  20  herangezogen  hat.  Skylakeus  wird  vor 
Troja  durch  den  lokrischen  Aias  schwer  verwundet,  aber  nicht  hier 
ist  ihm  bestimmt  zu  fallen,  sondern  das  Verhängnis  erwartet  ihn 
unter  den  mauern  seiner  Vaterstadt,  nach  der  zerstGrung  Ilions  ge- 
lingt es  ihm  zu  entkommen ,  und  er  kehrt  allein  von  allen  Lykiern 
in  die  heimat  zurück,  vor  der  stadt  umringen  ihn  die  frauen  und 
bestürmen  ihn  mit  fragen  nach  ihren  gatten  und  söhnen,  und  er  er- 
zählt ihnen  das  verderben  aller,  da  überschütten  sie  ihn  mit  einem 
hagel  von  steinen,  und  aus  den  Wurfgeschossen  der  wütenden,  denen 
er  erliegt,  ersteht  ihm  sein  grabhügel  'neben  dem  heiligen  bezirk 
und  mal  des  gewaltigen  Bellerophon'. '^  aber  hinterher  wird  der 
also  umgekommene  auf  Apollons  geheisz  wie  ein  gott  geehrt,  *and 
niemals  schwindet  seine  Verehrung'.*"  aus  dieser  erzähl ung  ergibt 
sich  mit  völliger  Sicherheit,  dasz  in  Lykien  ein  grabhügel  oder  ein 
altar  des  Skylakeus  aus  zusammengehäuften  feldsteinen  sich  befand  '*, 
auf  welchem  ihm  als  landesheros  noch  in  späten  Zeiten  geopfert  ward, 
und  es  kann  ferner  auch  kein  zweifei  darüber  bestehen,  dasz  die  sage 
von   seinem  schrecklichen  tode  den  zweck  hat  die  entstehung  des 


''  al  6*  dpa  x^PMCt^^otci  ircpicTaööv  dv^pa  xctvov  bd|LivavT*,  oöö* 
dTtövr)To  |ioXd)v  ic  ixarpiba  v6ctou,  dXXd  i  Xäcc  OircpOc  ^i-^a  CT€vdxovTa 
KdXuHiav  KoC  {>&  ol  ^k  ßcX^uiv  öXoöc  ir€pi  TOMßoc  irOxOn  wdp  t^jicvoc 
Kai  cf^iia  KparatoO  BcXXcpoqxSvrou,  TXqj  CviCso  vortrefflich  Albert  Zimmer- 
mann, der  zugleich  auch,  nicht  unwahrscheinlirh,  an  Ku6aX{^n  denkt, 
T^i  ^vi  die  hss.),  Ku6aX()üir)C  TiTiiviboc  dtX^^Ö»  ir^TpT)c.  *'*  dXX*  ö  m^v 

atciMOv  i^iiap  dvaTcXficoc  ön*  6X^ep4)  (JcT€pov  4vv€ciqciv  dYauoO  AiiTotbao 
xCerai  üJc  re  Bcöc,  q)6ivtje6i  bi  ol  oö  ttotc  Tifi/|.  "  der  Hteinhaufe  kann 
das  eine  oder  das  andere  oder  auch  beides  zugleich  ([gewesen  oder  der 
urbprüngliche  altar  kann  hinterher  auch  als  grabhügel  anff^efaszt  wor- 
den sein,  dies  zu  entscheiden  hindert  uns  das  dunkel,  in  welches  diese 
mythologische  gestalt  sich  einhüllt,  nicht  bedeutungslos  scheint  mir, 
daAz  die  cultstätte  des  Skylakeus  neben  dem  temenos  des  Bellerophon 
sich  befand,  dessen  bekannte  hohe  Verehrung  in  Lykien  doch  wohl  nur 
aus  der  Verschmelzung  des  korinthischen  heros  mit  einer  einheimischen 
gottheit  sich  befriedigend  erklären  läszt.  so  könnte  auch  der  von 
Quintus  ausdrücklich  hervorgehobene  göttliche  rang  des  Skylakeus 
thatsilchlich  älter  sein  als  der  heroische,  vgl.  im  allgemeinen  Deneken 
in  Koschers  rayth.  lexikon  u.  ''heros'  sp.  2446  ff.  und  24S6  f. 


UermeBbeiligtümer  und  grabhügel  in  Griechenland.  379 

Steinhaufens  zu  erklären,  an  welchen  sein  cultus  sich  anknüpfte,  sie 
ist  offenbar  eine  stiftungsiegende,  wie  die  im  vorhergehenden  be- 
sprochenen legenden  von  Hermes  und  Herakles  Alexikakos  auch, 
mit  welchen  sie  sich  ihrem  kerne  nach  sehr  nahe  berührt,  nur  dasz 
sie  nicht,  wie  jene,  von  einer  blosz  symbolischen^  sondern  von  einer 
wirklichen  Steinigung  meldet,  ein  unterschied  der  lediglich  durch 
die  Wesensverschiedenheit  der  cultgestalten  veranlaszt  ist.'^ 

Wenn  man  nun  aber  auch  auf  grund  der  angeführten  stellen 
zugibt,  dasz  die  alten  Griechen  fluchmale  in  gestalt  von  Steinhaufen 
gekannt  und  einige  von  ihnen  eine  Verwandtschaft  derselben  mit  den 
Steinhaufen  des  Hermes  vermutet  haben,  so  ist  damit  freilich  noch 
immer  nicht  erwiesen,  dasz  wirklich  ein  innerer  Zusammenhang  zwi- 
schen beiden  obwaltet,  und  doch  föllt  es,  bei  der  völligen  gleichheit 
der  gebrauche  an  sich  bis  in  die  einzelheiten  hinein,  auszerordent- 
lich  schwer  sich  des  gedankens  an  einen  solchen  zu  entschlagen,  die 
Sitte  der  Verfluchung  durch  steinabwerfen  geht  jedenfalls  in  ein  sehr 
hohes  altertum  zurück ,  ihr  vorkommen  auch  auszerhalb  Griechen- 
lands und  selbst  bei  naturvölkern  kann  darüber  keinen  zweifei  lassen, 
wenn  thatsttchlich  ein  Zusammenhang  zwischen  den  fluchmalen  der 
beschriebenen  art  und  den  Hermaien  vorhanden  ist,  so  läszt  sich 
derselbe  nur  in  d6r  weise  denken ,  dasz  die  letztern  aus  den  erstom 
sich  entwickelt  haben ,  nicht  umgekehrt ;  wie  denn  auch  diejenigen 
von  den  alten,  welche  den  Ursprung  der  Hermaien  auf  die  oben  be- 
sprochene legende  von  einem  gericht  der  götter  über  Hermes  zu- 
rückführten ,  den  Vorgang  in  dieser  abfolge  sich  vorgestellt  haben. 

Nun  kennen  wir  ja  den  vielgeübten  brauch  des  griechischen 
und  italischen  altertums,  feinde  durch  besondere  Veranstaltungen 
den  göttem  der  unterweit  zur  Vernichtung  preiszugeben,  und  in  den 
zahlreichen  inschriftlichen  Zeugnissen,  die  uns  hierüber  nähern  auf- 
schlusz  geben ,  erscheint  wiederholt  der  chthonische  Hermes  unter 
denjenigen,  deren  räche  in  anspruch  genommen  wird,  sogar  ganz 
in  den  Vordergrund  tritt  derselbe  in  der  inschrift  eines  von  Dodwell 
in  einem  attischen  grabe  gefundenen  fluchtttfelchens  GIG.  I  n.  539 
=  Kumanudis  'AxTiKnc  ^TTiTpaq)ai  iiriTUfißioi  n.  2582  =  Wachs- 
muth  ao.  s.  561 B,  auf  dessen  einer  seite  (a)  z.  4  ff.  wir  lesen:  KarabiD 
aÖTOucc[oi],  I  'Ovr|ci|ui€^'-  Träviac  toutouc  |  auTou[c]  Kai  räc  toü- 


'^  die  sage  von  Skylukens  gehört  zu  der  groszen  zahl  von  legenden, 
nach  welchen  der  gewaltsame  tod  eines  menschen,  besonders  eines  un- 
schuldig ums  leben  gekommenen,  durch  einrichtung  eines  heroendienstes 
gesühnt  wird.  vgl.  die  von  Deneken  ao.  sp.  2488  f.  zusammengestellten 
beispiele.  wohl  in  den  allermeisten  fällen  dieser  art  ist  die  legende 
erst  aus  dem  schon  vorhandenen  cultua  entstanden,  die  übliche  herein* 
Ziehung  des  delphischen  Orakels  spricht  nicht  dagegen,  wenn  aber 
auch  Skylakeus  vielleicht  ursprünglich  ein  gott  (etwa  ein  chthonischer?) 
war,  80  musz  er  doch  zu  der  zeit,  da  die  oben  mitgeteilte  legende  auf- 
kam, bei  aller  Verehrung  thatsächlich  bereits  zu  einem  heros  herab- 
gesunken gewesen  sein,  sonst  wäre  eben  die  legende  anders  ausgefallen. 

"   ^OvT^cijiOC  ist  sicherlich  mit  Akerblad  als  beiname  des  Hermes 


380 


Bernhard  Sclumdt:  steiubaufeD  ale  fluchmale, 


TuüV  ^Tt'  i}xo\  I  irpdEcic  coi  TTapaKaTaTiÖe^ai  \  iripeiv.  *€p^fi  KUTOxe, 

KOtTOXOC   I    ic8l  TOÜTUJV  TU)V  ÖVO|täTUJV,   |  KOI  TUJV  TOUTLUV  irdVTUJV,  | 

['€]p^fi  Kai  rfj,  \KeT€uuj  upäc  tripeTv  |  Toöia,  Kaiioiiioüc  KoXdleTC, 
vgl*  ferner  CIG.  I  n»  538  =  Kumünudis  n.  2581  ^  Wachsmuth 
8.  560  A  und  Kumanudis  n.  2590.  dasz  gerade  Hermes  bei  den  de- 
votionen  des  griechischen  altertums  eine  grosze  rolle  gespidt  haben 
mu8£)  läszi  sicli  auch  aus  einer  glosse  des  Hesjchios  schlleszeiii 
welche  lehrt^  dasz  seine  priester  KOtTOXOi  R^Q^^nt.  wurden.^  tu 
der  oben  angeführten  in&chrift  CIG.  n-  539  z*  8  heiszt  Hermes  selbst 
KdioxoCi  und  n.  638  z*  1  liest  man  '£pfific  xöövioc»  Tri  Kdroxoc, 
im  commentar  zur  erstem  bemerkt  Böckh  sehr  richtig:  'haud  dubio 
Terra  et  Mercurius  Kdioxoi  dicti,  quod  necessitate  irrevocabili  de* 
tinent  defunctos  .  .  sed  a  praestigiarum  sacerdotlbus  yocis  vis  ad 
Kaiab^cjLitwv  raiionem  translata  videtur,  ut  iam  KdTOXOi  0€oi  essent 
ii  qui  defixos  a  magis  homines  detinerent/  um  so  weniger  hatte  er 
zweifeln  sollen,  ob  das  wort  als  beiname  der  Hermespriester  passi- 
visch C^deo  pleni')  oder  acüvisch  ('qui  detinent  homines  defixionum 
artibus')  aufzufassen  seit  man  kann,  glaube  ich,  nur  an  die  letztere 
hedeutuDg  denken,  die  iiischriftHch  uns  erhaltenen  griechischen 
devotionen  an  die  unterweltsgöiter  gehören  gröstenteils  den  spätem 
Zeiten  des  altertums  an,  keine  von  ihnen  reicht  über  daa  vierte  vor- 
christliche jh.  hinauf:  die  ältesten  sind  wohl  die  beiden  oben  an- 
geführten CIG.  ü.  538  und  539,  deren  erstere  Böckh ,  da  sie  durch- 
gehends  O  für  ou  darbietet,  um  oL  100  (380  vor  Ch.)  setzt *^  es 
mag  sein,  dasz  die  specielle  sitte  bleitafeln  mit  defixionsin^chriften 
in  grfiber  zu  legen  oder  in  einem  heiligtum  der  nnterweltlichen  götter 
(wie  in  dem  der  Demeter  und  Kora  in  Knidos)  aufzuhängen  über- 
haupt nicht  viel  früher  aufgekommen  ist.  aber  die  sache  an  sieb, 
dh.  die  überantwortung  eines  bitter  gehaszten  menschen  an  die 
chthonischen  mächte  durch  einen  flach,  i>t  sicherlich  so  alt  wie  deren 
cnltus  selbst,  und  es  steht  auch  nichts  der  annähme  im  wege,  dasz 
schon  in  sehr  früher  zeit  besondere  brauche  sich  ausbildeten»  die 
darauf  abzielten  das  fluchende  worfc  wirksam  zu  unterstützen,  wenn 
nach  der  Ilias  I  568  Altbaia  in  wildem  t^chmerze  über  den  verlust 
des  von  Meleagros  band  gefallenen  bruders  A'fdes  und  Persephoneia 
anrief  ihrem  söhne  den  tod  zn  geben  und  dabei  oftmals  die  erde  mit 
Ihren  bänden  schlug,  so  wollte  sie  dadurch  die  aufmerksamkeit  der 


(■«  "Cpioiivioc)  imfaufAisen,  nicht,  wozu  Döckh  hinneigt©,  als  name  doe 
verstorbenen,  ^cui  una  cum  diU  «acrenttir  UH  dtfizi*.  ebenso  urteill 
WachBfntith  ao,  n,  566  antn.  28  (nur  dass  er  irrttimlich  die  erklämog' 
hI^  cliü  Böckbsctie  ausieht).  vgl,  aach  BUchelcr  im  rheio.  ma».  XXXIII 
(1878}  ä.  17, 

**  Heaycbioa  IX  9  449  Schm.:  KÜTOXor  XlBoi  ot  iti\  ^vY^^aci  n- 
d^^CVOL  Kai  ol  Upttc  CpMoO«  (di«  erstere  hedeatuDfr  (^grabstein*  tat, 
beilSnfig'  temerki,  u«nerdiuga  durch  die  intchrifc  einer  attt&chen  grab* 
Btele  bestätigt  wor<len:  8.  Jo\k  Schmidt  initletfung^en  d.  d.  arch.  Init. 
in  Athen  VI  340).  *'  als  untere  zeitgrenze  darf  man  daa  j.  B&O  an^ 

sehen:  vgl.  Meisterhana  gramm*  der  att  inschrifteu*  s.  5  f.  und  21. 


HermeBheiligtämer  und  grabhügel  in  Griechenland.  381 

unterirdischen  gottheiten  erregen,  im  wesentlichen  denselben  zweck 
hatte  es  offenbar,  wenn  in  Athen  bei  der  verflachung  des  Alkibiades 
die  priester  und  priesterinnen  ^Kard  TÖ  v6|lii|üiov  tö  TiaXaiöv  kqI 
äpxotiov»  gegen  abend  gekehrt,  dh.  eben  den  unterirdischen  zuge- 
wandt, tticher  von  purpurroter  färbe  schüttelten  (ps.-Lysias  g.  Andok, 
§  51  vgl.  mit  Plut.  Alkib.  22).  in  den  speciellen  culten  der  chthoni- 
sehen  gottheiten  hat  man  sich  ohne  zweifei  in  gleicher  absieht  seit 
uralten  zeiten  manigfaltiger,  nach  der  eigenart  der  Verehrung  und 
nach  der  natur  der  den  fluch  bedingenden  vergehungen  verschiedener 
ceremonien  bedient. 

So  fügt  sich  alles,  wie  mir  scheint,  zusammen,  um  die  Ver- 
mutung zu  begründen ,  dasz  die  eigentliche  und  ursprüngliche  be- 
deutung  des  durch  anh&ufen  von  steinen  gebildeten  fluchmals  die 
ist;  dasz  dadurch  der  mensch,  welchem  es  gilt,  für  ein  nach  der  volks- 
auffassung  des  todes  durch  Steinigung  würdiges  verbrechen  dem 
chthonischen  Hermes  zum  Untergang  geweiht  wird,  es  ist  oben  be- 
merkt worden,  dasz  die  neugriechischen  anathemata  mit  Vorliebe  an 
stellen  aufgerichtet  zu  werden  pflegen,  wo  zwei  oder  mehrere  pfade 
zusammenstoszen.  wenn  auch  die  wähl  solcher  platze  heutzutage 
vielleicht  ausschlieszlich  durch  den  zweck  bestimmt  wird,  eine  mög- 
lichst häufige  Wiederholung  des  fluches  seitens  der  vorübergehenden 
Wanderer  herbeizuführen,  so  ist  doch  ehemals  ohne  zweifei  ein  tiefer 
liegender  grund  dafür  maszgebend  gewesen,  die  kreuz-  und  drei- 
wege  gelten  bei  fast  allen  Völkern  als  orte,  an  denen  die  geister  be- 
sondere macht  entfalten,  im  griechischen  altertum  wird,  wie  Hekate, 
so  auch  Hermes  als  x^övioc  vorzugsweise  an  solchen  orten  waltend 
gedacht  und  verehrt  worden  sein,  es  verdient  beachtung,  dasz  im 
arkadischen  Methydrion  beide  gottheiten  thatsttchlich  im  cultus  mit 
einander  verbunden  waren ,  indem  ihnen  gemeinsam  an  jedem  neu- 
mond  geopfert  ward.*' 

Hier  ist  nun  auch  der  geeignete  ort  eine  wichtige  stelle  Piatons 
ins  äuge  zu  fassen ,  deren  betrachtung  ich  absichtlich  bis  zu  diesem 


'*  Theoporopos  bei  Porphyrios  de  abstin.  II  16  TÖv  bi  KX^apxov 
qpdvai  iTriT€X€tv  Kai  CTT0u6a(u)c  öu€iv  Iv  Totc  irpoc/)Kouci  (Ka6f)K0UCi 
Nauck)  xP<ivoic,  kotA  nf]va  ^KacTov  tqIc  vou)ir]v(aic  CT€q)avoövTa  Kai 
qpaibpOvovTa  töv  *€p)if^v  Kai  T]?|v  *€KdTr)v  Kai  ri  AoiTrA  tüüv  UpOüv,  & 
bi\  ToOc  irpoYÖvouc  KaraXiTrclv,  Kai  Ti|iäv  XißavwToic  Kai  i|iaiCTotc  Kai 
iroTrdvoic.  die  hier  erwähnten  opfer  sind  nichts  anderes  als  die  aach 
sonst  bekannten  'EKarata,  welche  der  Hekate  an  den  xpiaKdöec  oder  an 
den  voujLir)v{ai  zumeist  auf  den  dreiwegen  dargebracht  wurden,  woher 
sie  den  beinamen  TpioMric  führte,  dieselben  galten  aber  eben  der 
X6ov(a,  wie  aus  unsern  quellen  mit  Sicherheit  sich  ergibt  (Plut.  qnaest. 
conv.  VII  6,  12.  Bekkers  anecd.  I  247  u.  '€KaTata,  ua.).  vgl.  Preller- 
Robert  gr.  myth.  I  s.  325.  hiernach  kann  unter  dem  in  Methydrion 
mit  Hekate  zusammen  verehrten  Hermes  schlechterdings  nur  der  chtho- 
nische  verstanden  werden,  wie  dies  auch  Immerwahr  kulte  und  mythen 
Arkadiens  I  s.  96  anerkennt,  der  freilich  ebd.  s.  210  f.  seltsamer  weise 
den  wert  des  ganzen  Zeugnisses,  übrigens  vergeblich,  herabzudrücken 
sich  bemüht. 


382  Bernhard  Schmidt:  steiDhaufen  als  fluchmale, 

punkte  meiner  darätellung  aufgeschoben  habe,  der  philosoph  schreibt 
in  den  Gesetzen  IX  12  s.  873^  als  strafe  des  eitern-,  geschwister- 
oder  kindermörders  vor,  dasz  die  diener  des  gerichtshofs  ihn  hin- 
richten und  sodann  nackt  auf  einen  hierzu  bestimmten  drei- 
w  eg  auszerhalb  der  Stadt  hinwerfen,  und  dasz  sämtliche  obrigkeiten 
in  Vertretung  des  ganzen  volks  den  staat  dadurch  entsühnen  sollen, 
dasz  jeder  einen  stein  auf  das  haupt  des  getöteten  wirft, 
worauf  derselbe  an  die  landesgrenzen  geschafft  werden  und  unbe* 
stattet  liegen  bleiben  soll:  ddv  b€  Tic  öcpXij  q)övou  TOioÜTOU,  TOÜ- 
Tujv  Kieivac  Tivd,  ol  ixkv  tujv  biKacTüüV  uTiripeTai  kqi  fipxovTCC 
dTTOKTeivavTec  elc  TeiaTinävTiv  ipiobov  ßuü  ific  iröXeiJüc  dKßaXXöv- 
Tujv  T^MVÖv,  al  bfe  dpxai  iracai  uir^p  öXric  iflc  ttöXcwc  Xi9ov  ?Ka- 
CTGC  q)€pujv  im  ifiv  K€q)aXfiv  toö  v€Kpoö  ßdXXiüV  dcpociouTU)  -rtiv 
TTÖXiv  ßXriv,  jueid  bfe  toöto  elc  id  Tf\c  xiipctc  öpia  q)^povT€C  dK- 
ßaXXövTUüV  TOI  vö|Lii|j  fiiacpov."  dasz  diese  merkwürdige  Vorschrift 
altem ;  auf  religiösem  glauben  beruhenden  herkommen  entnommen 
ist,  darin  dürften  wohl  alle  einig  sein.*^  wir  sind  völlig  berechtigt 
aus  ihr  den  schlusz  zu  ziehen,  dasz  in  sehr  frühen ^  rohen  zelten  die 
Urheber  besonders  schwerer  verbrechen,  durch  welche  die  ganze  ge- 
meinde sich  befleckt  erachtete,  zur  sühne  des  begangenen  freveis 
vom  gesamten  volke  auf  dreiwegen  thatsächlich  gesteinigt  worden 
sind*^,  und  dasz,  als  nach  milderung  der  sitten  diese  grausame  todes- 


*^  der  überlieferte  text  bietet  mancherlei  aDstoaz.  ma^  anderes 
darauf  zurückzuführen  sein,  dasz  diesem  werke  Piatons  die  letzte  feile 
nicht  zu  teil  geworden  ist,  so  scheinen  doch  die  worte  xal  dpxovT€C 
hinter  OTTr)p^Tai  durch  Verderbnis  entstanden:  dieselben  sind  vielleicht 
aus  einer  randglosse  eingedrungen,  die  ursprünglich  auf  al  bi  dpxai 
sich  bezog  und  durch  die  nachfolgenden  mmsculina  Skoctoc  qp^puiv  .  . 
ßdXXu)v  veranlaszt  war.  Badham,  der  die  stelle  in  der  Mnemosyne  XII 
(1884)  8.  53  behandelt  hat,  worauf  MSchanz  mich  aufmerksam  macht, 
Undert  kqI  dpxovTCC  in  KttTdpxovTCC,  für  mich  nicht  wahrscheinli«  h.  zum 
glück  thun  die  mängel  der  form  der  deutlichkeit  des  inhalts  keinen 
eintrag.  *^  vgl.  Steinhart  einleitung  zu  den  Gesetzen  s.  287.  KFHer- 
mann  disp.  de  vestigiis  instit.  veterum,  imprimia  Atticorum,  per  Piatonis 
de  Leg.  libros  indagandis  (Marburg  1836)  s.  66.  *'  eine  erinnerung 

au  die  einstige  Vollstreckung  peinlicher  strafen  seitens  des  volks  auf 
dreiwegen  liegt  offenbar  auch  der  Schmähung  zu  gründe,  welche  Enpolis 
in  den  Af^jiiOi  gegen  einen  verhaszten  Staatsmann  oder  feldherm  richtete: 
6v  xP^v  €v  T€  rate  Tpiö6oic  Kdv  rote  öEueujuicic  itpocTpöiraiov  xf^c  iröXeuJc 
xdecOai  TCTpixöra  (Harpokr.  u.  öEu60fAia  »  Meineke  FCG.  II  1  s.  469 
n.  20  =i  Kock  CAF.  I  s.  290  n.  120).  die  etwaige  Vermutung,  dasz  der 
gedanke  des  komikers  durch  die  Verbrennung  der  6Eu6uMia  an  solchen 
platzen  veranlaszt  sei,  würde  aus  unsern  quellen  sich  nicht  begründen 
lassen,  welche  nur  von  einem  hinwerfen  dieser  reinigungsopfer  auf  die 
dreiwege,  nicht  auch  von  ihrer  Vernichtung  durch  feuer  melden,  wenn 
es  bei  Photios  ndw.  im  zweiten  artikel  beiszt:  6Eu60Mia*  tä  diro- 
KaOdpfiaTa  tuiv  Mucapwv  ol  bi  rd  dtXoviMola  EOXa'  oi  b^  toOc  töitouc, 
^v  otc  Tä  ToiaOra  KaT€Kai€TO,  so  geht  der  dritte  teil  dieser  glosse, 
ganz  ebenso  wie  der  zweite,  auf  die  falsche  erklämng  Aristarchs  und 
anderer  (bei  Harpokr.  ao.)  zurück:  öiDOO^ia  XirccOal  qpact  rd  EOXa  d<p' 
ibv  dirdxxovTai  tiv€C,  dirö  toO  ÖE^uic  tiji  Ou^d»  XP^^^^'  raOra  b* 
^kköhtovtcc    ^Eop(2:ouci   xal    Kaiouct.     Kaber  II  s!  21   hat  dieses  sach- 


Hermesheiligtümer  und  grabhtlgel  in  Griechenland.  383 

strafe  einer  humanem  gewichen  war  ^  doch  noch  zum  ersatz  für  den 
ehemaligen  brauch  eine  Steinigung  wenigstens  der  leichen  der  zu- 
vor getöteten  an  denselben  orten  stattgefunden  hat.  was  aber  kann 
die  gerade  auf  einem  dreiweg  vollzogene,  sei  es  nun  wirkliche  oder 
blosz  symbolische  Steinigung  des  übelthäters  im  gründe  anderes  be- 
deuten als  die  überantwortung  seiner  seele  an  die  hier  verehrten 
mächte  der  unter  weit?*'  diese  Piatonstelle  scheint  mir  in  der  that 
die  richtigkeit  meiner  bisherigen  ausführungen  auf  das  vollkom- 
menste zu  bestätigen  und  überhaupt  den  Schlüssel  für  die  erklärung 
der  bis  auf  den  heutigen  tag  in  Griechenland  erhaltenen  volkssitte 
darzubieten. 

Trotz  der  groszen  Schwierigkeiten,  die  gerade  Hermes  wegen 
seines  ungemein  vielseitigen  wesens  der  mythologischen  forschung 
bereitet;  dürfen  wir  doch  das  6ine  als  sicher  betrachten,  dasz  er  von 
haus  aus  ein  chthonischer  gott,  dh.  ein  gott  des  erdsegens  und  der 
toten  ist:  eben  sein  beiname  x^<^Vioc  im  cultus  und  seine  ithy- 
phallischen  cultbilder  können  hierüber  unter  einsichtigen  keinen 
zweifei  lassen.**  es  ist  nun  sehr  wohl  denkbar  dasz,  als  die  Sphäre 
des  Hermes  sich  erweiterte,  als  der  x^övioc  zugleich  auch  ^vöbtoc 
wurde  ^";  aus  den  ursprünglich  die  weihung  von  feinden  an  den 
erstem  symbolisch  darstellenden  Steinhaufen  altäre  dieses  gottes 
sich  entwickelten.^*    denn  als  solche  sind  die  der  verehmng  des 


Verhältnis  verkannt.  •—  Die  ögu60)iia  sind  im  gründe  dasselbe  wie  die 
*€KaTata,  mit  denen  sie  auch  schon  die  alten  identificiert  haben:  vgl. 
Didymos  bei  Harpokr.  ao.  Bekkers  anecd.  287,  24.  Etym.  M.  626,  44  ff. 
wie  der  name  zu  deuten,  zeigt  Rohde  Psyche  s.  252  anm. 

'"^  dasz  die  dreiwege  als  flachstätten  galten,  kann  auch  ein  brach- 
stück des  Hypereides  aus  der  rede  gegen  Demades  zeigen,  wo  mit  be- 
zug  auf  die  für  den  Olynthier  Euthykrates  beantragte  proxenie  gesagt 
wird :  ircpl  oö  TioXXip  öv  biKaiÖTepov  ^v  Tok  öHueujiCoic  i^  CT/|Xr]  CToeclT] 
f^  ^v  Totc  i^)H€T^poic  Upoic  (Harpokr.  ao.  =  Sauppe  FOA.  s.  288,  3*»  — 
Hyper.  ed.  Blass'  s.  86,  82).  denn  der  sinn  dieser  worte  ist  kein  anderer 
als  der:  Euthykrates  verdient  nicht  öffentlich  geehrt,  sondern  vielmehr 
verflucht  zu  werden.  ••  vgl.  die  gegen  Roschers  bekannte  hypotbese 
gerichteten  treffenden  bemerkungen  von  FBack  in  Bursians  jahresber. 
LXVI  8.  373  f.  ^  bekanntlich  ist  auch  Hekate  sowohl  x^ovia  als 

^vobia,  eine  von  den  mythologen,  wie  mir  scheint,  nicht  genügend  be- 
achtete thatsache,  welche  die  Wesensverwandtschaft  beider  götter  am 
deutlichsten  erkennen  läszt,  wenn  aber  bei  Hermes  der  chthonische 
Charakter  das  primäre  ist,  wie  nicht  bezweifelt  werden  kann,  so  wird 
er  es  auch  bei  der  ihm  entsprechenden  weiblichen  gottheit  sein,  hierzu 
stimmt  ihre  so  eben  erwähnte  gemeinsame  Verehrung  als  chthonischer 
mächte  in  einem  weltentrückten  arkadischen  bergstädtchen,  in  dessen 
culten  wir  am  ehesten  die  erhaltung  des  ursprünglichen  erwarten  dürfen. 

3*  dasz  die  Hermaien  dem  Hermes  als  beschützer  der  wege  und 
der  Wanderer  geheiligt  waren,  steht  durch  das  übereinstimmende  Zeug- 
nis unserer  quellen  fest,  auch  diese  sitte  hat  ihre  parallelen  bei  an- 
deren Völkern,  so  sieht  man  in  Palästina  häufig  denkmäler  von  über 
einander  aufgebauten  steinen  auf  den  höhen  aufgerichtet,  besonders  in 
der  nähe  einer  heiligen  Stadt  wie  Jerusalem  und  Hebron,  sie  stammen 
von  dankbaren  Wanderern  und  werden  von  andern  nicht  umgestoszen, 
sondern  pietätsvoll  bewahrt,   bis  sie  durch  irgend  einen  zufall  selbst 


384 


Bernhard  Sctimidt:  ateinhaufen  ak  flachmule  , 


Hermes  dienenden  steinmale  an  den  wegen  jedenfalls  aufzufassen«^' 
verwunderlich  auf  den  ersten  blick  iat  dahei  nur  das,  dasz  der  brauch 
des  steinabwerfens  seitens  der  vorübergehenden  sich  erhielt,  auch 
nachdem  die  bedeutung  der  fiteinbaufen  selbst  die  von  mir  ange- 
nommene Umbildung  erfahren  hatte,  aber  hier  ist  vor  allem  darauf 
hinzuweisen  j  dasz  auch  diese  Umbildung  schon  in  sehr  früher  zeit 
sich  vollzogen  haben  musz.  dafür  kann  zunächst  schon  der  ^'Epjiiatoc 
Xöqpoc  der  Odyssee»  mag  er  auch  an  einer  stelle  des  epos  vorkommen^ 
die  zu  den  jUngätan  teilen  des  ge d ich ts  gehört ,  immerhin  gellend 
gemacht  werden,  welchen  wir  keinen  grund  haben  für  etwas  anderes 
zu  hallen  als  die  später  häufiger  erwähnten  ^p^aia  oder  l'pjüiaKCC. 
aber  andere  erwägungen  weisen  in  viel  weiter  zurückliegende  zeiten. 
es  ist  oben  nachgewiesen  worden,  dasz  die  sitte  durch  Steinhaufen 
am  wege  der  gottbeit  seine  Verehrung  zu  bezeigen  bei  den  verschie- 

xDflATomenBtürzen  (LScbneller  kennst  da  das  land?  bitder  aus  dem  ge- 
lobten  hitiile^  [Jerusalem  1890]  s.  242).  in  der  Mongolei  wird  fast  jede 
betrÜchtÜühc  höbe  mit  einem  ^obo'  oder  bügel  der  anbetaag  geschmückt, 
dh.  es  wird  ein  haafe  vo&  steiDeo,  von  «and,  erde  oder  holic  gebildet, 
2U  wekhetn  jeder  i^oräberrei sende  etwas  hinjtutegt,  indem  er  dabei  sU' 
gleich  seine  andacht  verrichtet*  diese  obos  dieneti  auch  al«  Wegweiser 
und  aU  grenzmale  (Stubr  religionssysteme  der  heidn.  Völker  des  Orients 
6.  254  f.  nach  Tirakoffflky).  ühaliches  berichtet  JJvTschudi  Peru 
(St-  Gallen  1&46)  II  s,  77  f.  aus  diesem  lande,  weitere  beispiele  aus 
Chorassan,  TennesBee,  Spanien  bei  Liebrecht  a.  279.  auch  die  von 
Everard  Otto  de  tutela  viarum  pubh  s.  92  (nach  Schild  de  Chaucia) 
erwähnten,  einst  zwischen  Bremen  und  Verden  be6odUchen  hohen  stein* 
häufen,  denen  jeder  vorüberkommende  einen  stein  biozufiigte,  scheinen 
hierher  zu  gehören  (anders  aufgefaszl  von  Liebrecht  s*  276).  vgl.  noch 
KFHerrannn  di«p,de  termiuis  eorumque  rcligione  apud  Graecos  (Göttingen 
1846)  8.  29.  hier  und  da  ist  diesen  deükmäletn  im  laufe  der  zeit  eine 
andere  bedeutung  untergelegt  worden,  wie  man  aus  Stubr  und Tschudi  ao. 
ersehen  kann. 

ä'  dergleichen  kunstlos  bergerichtete  altäre,  die  in  den  ältesten 
Zeiten  gewis  die  regel  waren,  lassen  sich  auch  noch  später  und  in 
andern  cuUen  nacbweisen,  wie  denn  Pausanias  VII  22,  5  in  dem  hain 
der  Dioskuren  hei  Pharai  in  Achiüa  einen  ßui^öc  XCOu^v  Xotd^ujv  er- 
wähnt, dasz  Herakles  Alczikakos  altüre  aus  znsümmengehäuften  steinen 
gehabt  habe,  mästen  wir  aus  der  von  Hellanikoa  überlieferten  legende 
(oben  s.  377)  schliesEen^  und  es  scheint  solche  auch  Kuriptdes  im 
Herakles  v.  1331  f<  anzudeuten,  wenn  er  Theseus  zu  seinem  freund« 
»ftgen  litszt;  Sav^vra  h\  €Öt'  dv  etc  'Aibou  MiiXijc,  ÖvKimci  Xalvotct  t* 
^EoTKtü^aciv  Timov  dvdEci  iräc*  *A9T]vaiuiv  itöXtc.  ich  weis«  wohl,  dasz 
man  unter  den  Xciiva  ^Eotküj^oto  gewöhnlich  den  grahhügel  versteht, 
wofür  man  sich  auf  £ur.  Cr.  402  m^t^P^  ^Euütkouv  rduptp  berufen  kann, 
aber  die  worte  Ti^iov  dvdtEct  TT&c*  *A8rivaiu)v  it6Xic  passen  zu  dieser 
erklärung  herzlich  schlecht.  Wilamowitz  scheint  das  gefühlt  su  haben : 
denn  er  meint,  Euripides  lasse  Theseus  undeutlich  reden,  weil  er  jetzt 
nur  von  totencult  roden  ktinne,  während  thatsi&chlich  die  göttliche  Ver- 
ehrung des  Herakles  in  tempeln  bezeichnet  werde*  —  Dasz  die  Hormaien 
wirklich  als  «Itäre  anzusehen  sind,  lehrt  nicht  nur  der  vergleich  ihrer 
Stiftungslegende  mit  der  auf  den  cultus  des  Herakles  Alexikakos  sich 
besiehendeDf  sondern  auch  die  thataacbe  ihrer  salbung  mit  ol,  welche 
Tbeophr.  char.  16  bezeugt,  woselbst  die  Xiirapol  XiOoi  oliv  Tale  Tpi66oic 
gewia  nichts  anderes  bedeuten  als  die  Steinhaufen  des  Hermes. 


Hermesheiligtümer  und  grabhfigel  in  Griechenland.  385 

densten  Völkern  sich  wiederfindet,  schon  diese  thatsache  verbürgt 
ein  hohes  alter  der  Hermaien^  femer  kann  der  steinwurf  des  an 
einem  fiermesmale  vorübergehenden  schlechterdings  nur  eine  dem 
gotte  dargebrachte  huldigung  bedeuten,  wo  finden  wir  denn  aber 
in  den  gottesdiensten  der  Hellenen  etwas  tthnliches?  ich  wüste 
nichts  aus  ihnen  anzuführen,  was  diesem  ritus  auch  nur  annähernd 
sich  vergleichen  liesze.  derselbe  weist  vielmehr  deutlich  auf  einen 
ganz  andern  culturzustand  hin.  wer  das  treffliche  werk  Tylors  ^pri- 
mitive  culture'  gelesen  und  aus  ihm  gelernt  hat,  wird  im  stände 
sein  sich  darüber  ein  richtiges  urteil  zu  bilden,  hier  ist  bd.  11  cap.  18 
sehr  schön  gezeigt,  welche  Umwandlungen  die  opfergebrttuche  im 
laufe  der  religiösen  entwicklung  erfahren  haben ,  wie  die  ursprüng- 
lichste form  des  opfers ,  das  geschenk ,  allmählich  und  fast  unmerk- 
lich, aber  im  allgemeinen  schon  frühzeitig  in  eine  blosze  ceremonielle 
huldigung  übergeht,  bei  welcher  nicht  mehr  der  wert  des  darge- 
brachten gegenständes,  sondern  einzig  und  allein  der  gute  willeund 
das  ehrfürchtige  gefühl  des  gebers  in  betracht  kommt,  der  Guinea- 
neger gebt  stillschweigend  an  dem  heiligen  bäume  oder  der  heiligen 
höhle  vorbei  und  wirft  ein  blatt  oder  eine  muschelschale  als  opfer 
für  den  localgeist  hin.  ^  so  ist  ohne  allen  zweifei  auch  der  stein- 
wurf der  Hermes  Verehrer  aufzufassen,  die  entstehung  dieses  brauches 
war  aber  nur  bei  einem  volke  möglich^  in  dessen  religiöser  anschau- 
ung  die  entwicklung  des  opfers  vom  geschenk  zu  ceremonieller  hul- 
digung bereits  vollständig  sich  vollzogen  hatte,  ein  auf  dieser  stufe 
der  opferidee  stehendes  volk  nun  konnte  bei  der  Umbildung  von 
fluchmalen  in  altäre  sehr  leicht  auch  den  steinwurf,  ursprünglich 
das  den  fluch  begleitende  Sinnbild  einer  furchtbaren  todesart,  in 
veränderter  bedeutung,  als  Verehrungsförmlichkeit,  beibehalten, 
der  nachmals  im  alten  Griechenland,  wie  es  scheint,  allgemein  ver- 
breitete brauch  beim  vorübergehen  an  einem  Hermaion  einen  stein 
abzuwerfen  ist  nach  dem  gesagten  als  Überrest  aus  einer  andern, 
altern  und  rohem  cultur  anzusehen,  der  in  neue,  von  ihr  wesentlich 
verschiedene  Verhältnisse  mit  hinübergenommen  worden  ist ;  er  ge- 
hört zu  derjenigen  groszen  gruppe  von  erscheinungen ,  für  welche 
Tjlor  den  ausdruck  'survival',  überlebsel,  eingeführt  hat.  es 
liegt  nahe  diese  sitte  von  den  Pelasgern  abzuleiten,  sofern  man  unter 
ihnen  die  älteste  bevölkerung  Griechenlands  versteht  und  die  früheste 
cultur  auf  sie  zurückführt,  um  so  mehr  als^  wie  bekannt,  Hermes 
von  Herodotos  II  51  ausdrücklich  für  einen  diesem  stamme  zuge- 
hörigen  gott  erklärt  wird,  aber  angesichts  des  gerade  jetzt  wieder 
neu  entbrannten  Streites  über  die  Pelasgerfrage  (ich  denke  dabei  in 
erster  linie  an  Eduard  Meyers  einschneidende  behandlung  derselben 
in  seinen  forschungen  zur  alten  geschichte)  thut  man  besser  den 
viel  misbrauchten  namen  aus  dem  spiel  zu  lassen,   für  den  hier  von 


'>  Tjlor  II   8.  396  der   d.  übers,     andere    beispiele   ähnlicher   mrt 
unten  s.  390.  392  f. 

JahrbBeher  fttr  dass.  philol.  1S98  hft.  6.  26 


386 


BerchaTd  Schmidt:  sieiiiiiaufen  als  flachmale, 


mir  verfolgten  zweck  ist  es  auch  im  gniode  gleichgültig ,  welchem 
Volke  oder  volksstamme  man  die  ausbildung  des  braue  he  s  zuschrei- 
ben will :  en  genUgt  zu  wissen  (und  das  glaube  ich  durch  meine  dar- 
legung  gezeigt  zu  haben),  dasz  derselbe  aus  einer  sehr  alten,  jeden- 
faÜB  vor  hellenischen  epoche  herrührt,  die  grosze  menge  wird  den 
überkommenen  ritas  weiter  geübt  haben»  ohne  sich  viel  um  seine 
entßtehuog  und  bedeutung  zu  kümmern,  die  gelehrten  des  altertums 
dagegen  haben  um  so  ernstlicher  über  denselben  nachgedacht,  je 
eigentümlicher  und  fremdartiger  er  ihnen  erscheinen  muste.  aber 
wenn  sie  auch  in  dem  abwerfen  des  Steins  beim  vorübergehen  an 
einem  Hermaion  ganz  richtig  eine  huldigung  für  den  hier  verehrten 
gott  erblickten,  so  ist  docb  wohl  keinem  von  ihnen  deutlich  zum 
bewustsein  gekommen,  dasz  die  eeremonie  ihrem  ursprünglichen 
sinne  nach  nichts  anderes  als  eine  opl'erhandlung  sei*  beim  nicht- 
Vorhandensein  dieser  erkenntnis  aber  mußten  sie  sich  notwendig 
die  frage  vorlegen,  wie  denn  nun  eigentlich  die  seltsame  art  der 
huldigung  zu  erklären  sei ,  und  da  boten  sich  mehrerlei  deutungen 
dar*  es  konnte  angenommen  werden,  dasz  der  stein  wurf  ein  Suszerer 
ausdruck  dafür  sei,  dasz  man  des  gottes  beim  vorübergehen  an 
seinem  heiligtum  gedenke  (eine  auffassung  die  der  opferidee  noch 
am  Dtichsten  steht)  ^  oder  dasz  man  auf  solche  weise  zur  erhöhung 
des  ihm  geweiheten  altars  beitragen  wolle,  oder  endlich  dasz  man 
durch  sorge  für  die  wegereinigung  ein  dem  '6p^nc  ^vöbioc  wohl- 
gefälliges werk  zu  verrichten  glaube,  dasz  eine  jede  dieser  verschie- 
denen auffassungen  im  ultertum  wirklieh  ihre  Vertreter  hatte,  kann 
man  besonders  aus  Cornutus  c,  16  s,  24  L.  ersehen:  Trpoccujpeuouci 
bi  Touc  XiGoue  toic  '€p^aTc  ^KäcTou  tujv  irapiöviuiv  ?va  tivd 

aUTOlC  TTpOCTIÖ^VTOC   T|TOl  WC   Xpr]Ci}l6v  Tl  t6  Tiap*  aÜTÖV  ^KdCTOU 

Kai  KOivujviKOV  TTOioövTOc  Öiä  ToO  KoOaip€iv  ii\v  6böv  eiT£  ^af>' 
TupoTTOioupcvöu  TÖv  *6p^f^v  EiTC  ujc  ^mcr|Jualvo^^vo^J  Ti?|v  eic 
ouTÖv  Ti^iiv,  ei  piibiv  fiXXo  ^x^*  Trpoc€veTKeiv  aurdj'^  €iTe  iic- 
bTlX6T€pov  TOIC  Ttaptouci  TÖ  dq>ibpu^a  noioövTOC  usw.  die  er- 
klSrung  des  steinwurfs  aus  der  bedacbtnahme  auf  die  Säuberung 
der  wege,  welche  die  meiste  Verbreitung  gefunden  haben  mochte, 
gibt  auch  Eustathios  zu  Od.  TT  471  s,  1809  ed.  Boro,  mit  folgenden 
Worten:  *€pMnc  T<ip,  qpaci,  irpiuTOC  ola  Kf\p\jl  Ka\  biOKTOpoc  ica- 
Sripac  idc  öboOc,  ei  ttou  XiGouc  eOpcv,  dircriöei  f^uj  öboö.  ÖScv 
TOUC  ToioöTÖv  Tl  TToioGviac  kqI  Tdc  öboüc  Ttp  '6pM^  uic  biaKTÖpip 
^KtcaOaipovrac  €ic  ri^nv  *6pnou  touc  tu)v  toioutujv  XvOujv  cujpouc 
"Cppaia  ft  'Cpfiaiouc  Xö(pouc  KaXciv.  d&s  nemücbe  in  kürzerer 
Fassung  in  den  scbolien  BHQ  zu  derselben  stelle  (11  s.  633  Ddf.), 
künstliche  deuteleien  von  philosophen  oder  philosophierenden  mytho- 
logen,  die  man  sowohl  bei  Cornutus  wie  bei  Eustathios  findet,  über* 
gehe  ich  mit  verdientem  stillschweigen. 

^  dieses  dritte  ist  keine  ei^entUcbe  erklärong  de«  steinwurfs,  und 
sohwerltGb  kommt  bier  das  bewustsein  von  der  darbringun^  eines  opfert 


Hermeabeiligtümer  und  grabbügel  in  Griechenland.  387 

Neben  den  Hermaien  als  den  dem  wegegott  geheiligten  altftren 
müssen  nun  auch  die  fluchmale,  aus  denen  jene  nach  unserer  ansieht 
erst  hervorgegangen  sind,  in  der  sitte  des  Volkes  sich  behauptet 
haben ,  wie  eben  ihre  fortdauer  bis  auf  den  heutigen  tag  beweist, 
man  wird  das  vielleicht  auffällig  finden  und  ist  jedenfalls  zu  der 
frage  berechtigt ,  wie  denn  nun  beide  aus  einander  gehalten  werden 
konnten,  es  ist  anzunehmen ,  dasz  die  Steinhaufen  des  Hermes  von 
vom  herein,  db.  gleich  beim  aufkommen  dieser  verehrungsart,  mit 
einem  auf  den  gott  hinweisenden,  wenn  auch  noch  so  flüchtig  an- 
deutenden Symbol  versehen  wurden,  welches  eine  Verwechslung  mit 
den  fluchmalen  ausschlosz.  am  nächsten  liegt  es  an  einen  aus  der 
mitte  des  steindenkmals  aufragenden  hölzernen  pfähl  als  Sinnbild 
der  zeugungskraft  zu  denken ,  an  dessen  stelle  in  weiterer  entwick- 
lung  öfters  ein  pfeiler  von  holz  oder  stein  mit  dem  bilde  eines  wirk- 
lichen phallos  getreten  sein  mag.  aus  dergleichen  pfeilern  sind 
nachmals  bekanntlich  die  sogenannten  Hermen  im  engern  sinne  her- 
vorgegangen'^, und  es  läszt  sich  nachweisen ,  dasz  dieselben  in  den 
spätem  Zeiten  nicht  selten  mit  den  dem  Hermes  geheiligten  Stein- 
haufen verbunden  waren,  so  heiszt  es  im  eingang  der  bekannten 
fabel  des  Babrios  48:  dv  6bifi  Tic  'Ep^flc  TeipdTiwvoc  eicTrJKei, 
XiGuJV  b'  U7t'  auTijj  cujpöc  fjv.  das  gleiche  ergibt  sich  aus  den 
werten  des  Cornutus  ao.  Trpoccuipeüouci  bk  Touc  XiGouc  ToTc  '€p- 
jLiaTc.  anderseits  wird  auf  dem  lande,  zumal  in  den  vom  groszen 
verkehr  abliegenden  gegenden,  die  älteste  und  einfachste  form  der 
Hermaien  vielfach  sehr  lange,  ja  bis  zum  ausgang  des  altertums, 
sich  erhalten  haben,  darauf  weist  auszer  den  oben  angeführten 
stellen  der  Homer- exegeten  der  umstand  hin ,  dasz  man  nach  dem 
Zeugnis  des  Tzetzes  chil.  XII  591  "*  und  des  Hesychios  II  s.  193,  67 
Schm.^  auch  die  Steinhaufen  selbst  schlechthin  'Hermen'  nannte, 
diese  denkmäler  konnten  sogar  jedes  auf  Hermes  deutenden  sym« 
bols  entbehren  und  dennoch  als  dem  schutzgott  der  wege  heilig  sich 
zu  erkennen  geben  in  dem  falle ,  wenn  sie,  wie  sonst  häufig  die 
Hermenbilder,  mit  einer  inschrift  versehen  waren ,  welche  die  an- 
gäbe der  entfernung  eines  bestimmten  ortes  enthielt,  vgl.  das 
epigramm  Anthol.  Plan.  254  (II  16  s.  579  Dübner),  in  dem  der 
steinhaufe  selbst  redend  eingeführt  wird:  lepdv  '€pjiAe(q  jiA€  iTOpa- 
CT€ixovT€c  f x^uav  fivGpiuTTOi  XiGivov  ciupöv  •  6  b*  dvr*  6X(imc  ou 
jLieTCtXnv  auToTc  €tviwv  x<ip^v,  dXX'  öti  Xomd  Alyöc  ^ttI  Kprjvnv 
^TTTÖi  X^T^  CTdbia. 


**  vgl.  Preller- Robert  griech.  myth.  I  8.  401  und  CbScberer  in 
Roschers  myth.  lezikon  I  2  sp.  2392,  welcher  letztere  übrigens  eiseii 
zweifei  in  dieser  hinsieht  äuszert,  der  mir  gänzlich  anbereehtigt 
scheint.  '«  *CpMflc   xal   cOjiTTac   dvöpidc   xal  ö  cwpöc  twv  X(8uiv. 

"  ToOc  ciupouc  Tuiv  X{6wv  'Epfidc,  ToOc  iy  Tttic  ööotc  Tivojx^vouc  clc 
T\\ii\y  ToO  9€o0'  ^vööioc  ydp.  vgl.  noch  die  XiGtiXot^cc  *£pixi\u  töpOciec 
in  dem  epigramm  des  Krinagoras  Anth.  Pal.  VI  253  (Crinag.  epigr.  9 
s.  71  Rabensohn).  • 

26  • 


388 


Bernhard  Schmidt:  ateinbftafen  als  fluchmale, 


Auch  heutiges  tages  noch  werden  in  Griechenland  Steinhaufen 
sowohl  als  wegezeichen  wie  als  Huchmale  aufgerichtet ,  und  es  ist 
ohen  (s.  370)  bemerkt  worden,  dasz  erstere  von  letztem  durch  vier- 
eckige ,  aus  ihrer  mitte  emporragende  pfeiler  sich  zu  unterscheiden 
pflegen:  in  ihnen  mögen  die  Hermaien  der  alten  ein  schwaches 
dasein  fristen,  die  fluch  male  sind  im  modernen  Griechenland  viel- 
leicht häufiger  oder  allgemeiner  verbreitet  als  sie  in  den  hellem 
weiten  des  altertums  gewesen,  es  läszt  sich  sehr  wohl  vorstellen» 
dasz  sie  durch  die  aus  ihnen  hervorgegangenen^  allmählich  über 
ganz  Hellas  sich  ausspannenden  Hermebheiligtümer  zurückgedrängt 
worden  und  erst  in  der  zeit  des  sinkenden  beiden tums  wieder  mehr 
in  den  Vordergrund  getreten  sind,  ein  solcher  Vorgang  würde  zu 
denjenigen  erscheinungen  gehören»  welche  Tjlor  (ao.  I  s.  17  u.  141) 
als  'Wiederaufleben  in  der  cultur'  bezeichnet,  und  in  diesem  beson- 
dern falle  um  ao  eher  zu  begreifen  sein,  als  die  flucbmale  weniger 
denn  die  Hermesaltäre  von  dem  lebeudigen  glauben  an  den  gott  | 
abhängig  waren ,  an  dessen  stelle  hier  leicht  ganz  im  allgemeinen 
die  ge  walten  der  b5lle  treten  konnten,  übrigens  ist  zu  berück  sich* 
tigen,  dasz  die  sitte  der  Verfluchung  durch  aufrichtung  eines  stein- 
haufens^  gleichwie  sie  heutzutage  nur  unter  der  ländticben  bevölke* 
rung  Griechenlands  vorkommt  ^  so  auch  schon  im  altertum,  von  den 
frühesten  Zeiten  abgesehen ,  vorzugsweise  in  den  niedern  schichten 
des  Volkes  wird  geübt  worden  sein,  auch  die  hier  und  da  in  den 
gräbem  und  im  knidischen  heiligtum  der  Demeter  und  Kora  gefun* 
denen  fluchtÄfelcbeu  rühren ,  wie  die  spräche  ihrer  inschriften  zeigt,  , 
zum  weitaus  gröiten  teile  von  leuten  der  untern  stände  her.  J 

Wenn  also  oben  da«  Vorhandensein  der  besprochenen  fluch- 
male im  alten  Griechenland  nur  aus  gaoz  wenigen,  übrigens  meiner 
Überzeugung  nach  sichern  HtterarischeD  spuren  erscblossen  werden 
konnte ,  ^o  ist  das  durchaus  nicht  auffallend,  dagegen  müste  man 
sich  schon  eher  wundem  in  dem  werke  des  periegeten  Pausanias 
nirgends  ein  denkmal  erwähnt  zu  finden,  welches,  wenn  auch  von 
ihm  seihst  nicht  als  fluchmal  erkannt  und  bezeichnet,  doch  ohne 
zwang  alb  ein  solches  sich  deuten  liesze,  ich  glaube  nun  in  der  tbat 
ein  paar  stellen  bei  diesem  Schriftsteller  nachweisen  zu  können ,  an 
denen  aufhäufungen  von  feldsteinen  angemerkt  werden,  in  denen 
man  mit  Wahrscheinlichkeit  flucbzeichen  der  beschriebenen  art  er- 
blicken darf,  ja  an  der  einen  dieser  stellen  bin  ich  zum  glück  im 
stände  die  blosze  Wahrscheinlichkeit  zur  gewisheit  zu  erbeben,  nem 
lieh  II  36,  3  erwähnt  Pausanias  einen  landeinwärts  vom  Vorgebirge 
8truthus  in  Argolis  gelegenen  platz  BoXeoi  und  fügt  hinzu;  o\  bk 
BoXeol  ouTOi  XiBujv  eld  cuipoi  Xot(ibu>v.  das  wort  ßoXcöc  be* 
zeichnet  offeubar,  gleich  poXciuv**,  einen  ort  an  welchem  irgend 
etwas  abgeworfen  wird,  jener  platz  hatte  al«o  daTOQ  seinen  namen, 


"  v^l.  Ftarpokr.   u, 
poXcÜJv  KaXctrat. 


ßoXcOivcc*  t  Töiroc  difou  i\  KÖirftoc  ßdXXrrai 


Hennesbeiligtümer  und  grabhügel  in  Griechenland.  389 

dasz  man  steine  daselbst  abzuwerfen  pflegte,  das  völlige  schweigen 
des  periegeten  über  die  bedeutung  der  so  entstandenen  Steinhaufen 
zeigt,  dasz  er  nichts  darüber  zu  sagen  wüste,  da  sonach  der  ge- 
danke  an  Hermaien  hier  völlig  ausgeschlossen  ist,  so  liegt  die  Ver- 
mutung, dasz  wir  es  mit  fluchmalen  zu  thun  haben,  in  der  that  nahe, 
wer  sollte  nun  meinen,  dasz  ein  neuerer  bericht  aus  einem  lande  des 
hohen  nordens  mit  6inem  male  ein  helles  licht  auf  diese  bisher  un- 
aufgeklärte stelle  des  alten  griechischen  reisebeschreibers  werde 
fallen  lassen?  und  doch  ist  es  so.  MBLandstad  ^norske  folkeviser' 
(Christiania  1853)  s.  722,  angeführt  von  Liebrecht  s.  274  f.,  be- 
richtet aus  Tellemarken  in  Norwegen:  Warp  heiszt  «wurf»,  auch 
ein  häufe  steine,  der  zur  erinnerung  an  irgend  eine  begebenheit 
zusammengeworfen  wird,  besonders  an  stellen  wo  etwas  schreck- 
liches vorgefallen  ist.  jeder  vorübergehende  musz  einen  stein 
hinzuwerfen  und  darf  dies  nicht  unterlassen,  wenn  ihm  nicht  etwas 
böses  zustoszen  soll,  solche  varp  finden  sich  an  vielen  orten.'  ich 
werde  unten  noch  einmal  gelegenheit  haben  auf  diese  nachricht 
zurückzukommen,  aber  es  springt  schon  jetzt  in  die  äugen,  dasz 
diese  norwegischen  varp  ganz  genau  sowohl  der  sache  als  dem  aus- 
druck  nach  den  ßoXeoi  im  alten  Griechenland  entsprechen.  —  Eine 
zweite  für  uns  in  betracht  kommende  stelle  des  Pausanias  ist 
YUI  13,  3.  hier  wird  unterhalb  des  arkadischen  Orchomenos  eine 
anzahl  Steinhaufen  erwähnt,  welche,  wie  der  reisende  sich  sagen  liesz, 
für  männer,  die  in  einem  kriege  gefallen,  aufgehäuft  waren,  jedoch 
wüsten  die  Orchomenier  selbst  nichts  näheres  über  diesen  krieg  an- 
zugeben:   CtüpOl    bk    UTTÖ    TfjV    TTÖXlV    X(9lUV    cld  bt€CTTlKÖT€C  dlTÖ 

dXXrjXiuv,  direvriGTicav  bk  dv  ttoX^juiij  TrecoOciv  dvbpdciv.  olc  ticI 
bk  TTeXoTTOVVTiciujv  dTioX^juncav  tujv  fiXXiuv  f|  *ApKcibujv  auxdiv, 
oÖT€  diriTpaMMöTtt  ^tti  toTc  T<iq)oic  kri|LiciiV€V  oöxe  o\  'Opxoju^vioi 
^VTiJiOveuouciv.  diese  Steinhaufen ,  welche  man  noch  heute  in  der 
von  Pausanias  bezeichneten  gegend  sieht  ^^  dürften  nicht  wirkliche 
gräber,  sondern  denkmäler  derselben  art  sein,  wie  sie  die  modernen 
Kreter  an  der  stelle  errichteten;  wo  die  ihrigen  im  kämpfe  mit  den 
Türken  geblutet  hatten  (oben  s.  372). 

Diesen  zwei  stellen  des  Pausanias  füge  ich  eine  dritte  desselben 
Schriftstellers  hinzu ,  welche  geeignet  ist  unsere  Untersuchung  nach 
einer  andern  richtung  hin  weiter  zu  führen ,  die  aber  einer  ausführ- 
licheren erörterung  bedarf.  X  5,  4,  wo  die  berühmte  Cxicni  in 
Phokis  beschrieben  wird ,  heiszt  es  von  den  gräbern  des  La^tos  und 
seines  dieners,  dasz  sie  sich  gerade  auf  dem  punkte  befinden,  wo  die 
drei  wege  zusammenstoszen ,  und  dasz  feldsteine  auf  ihnen 
aufgehäuft  seien:  kqI  rd  ToO  Aatou  jbivrjjLiaTa  Ka\  oIk^tou  toO 
^TTOiLidvou  dviaöGa  icTiv  iv  juecaiTdiiij  xfic  xpiöbou,  Kai  in*  auiujv 
XiOoi  XoTdbec  C€CU)p€U^dvoi.   es  ist  ein  ungemein  verbreiteter,  in 


^  Leake  travels  in  the  Morea  III  s.  100.     Curtins  Peloponnesos  ( 
222.     Bnrsian  geogr.  v.  Griechenland  II  s.  205. 


390 


Bernhard  Schmidt:  Steinhaufen  als  fluchmale, 


europäiBchen  und  auszereuropäischen  ländern  vorkommender  brauch,  ■ 
beim  vorübergehen  an  gräbern  y  und  zwar  insbesondere  an  gräbern 
von  erbchlagenen  oder  überhaupt  solchen,  die  nicht  eines  natürlichen 
todes  gestorben  sind,  einen  stein  auf  dieselben  zu  werfen,  so  dasz 
infolge  dessen  bald  ein  steinhaufe  über  ihnen  sich  erhebt,   Liebrecht 
hat  ao,  s,  267  f.  eine  grosze  anzahl  von  beispielen  dafür  zusammen- 
gestellt,  die  sich  übrigens  noch  vermehren  lieszen,    die  stelle  des 
Pausanias  hat  er  nicht  gekannt,  würde  sie  aber,  wäre  dies  der  fall 
gewesen,  sicherlich  als  einen  willkommenen  beweis  dafür  angesehen 
haben,   dasz  die   von   ihm  behandelte  sitte  auch  dem  hellenischen 
altertum  nicht  fremd  war.   es  kann  in  der  that  keinem  zweifei  unter-  ■ 
liegen»  dasz  die  anhäufung  von  feldsteinen  auf  den  gräbern  der  durch  ^ 
Oidipud  band  gefallenen  aus  ihr  zu  erklären  ist,    dasz  dieselbe  sitte 
auch  im  alten  Italien  bestand,  lehrt  die  schon  von  Liebrecht  s.  273  ■ 
angeführte  erzöhlung  des  Servius  oder  vielmehr  pseudo-Servius  zu  I 
Verg*  Aen.  XI  247  von   den    gräbern   zweier  im  wechselmord  ge-  " 
fallenen  brüder :  sed  in  Gargani  mmmUaie  duo  sepulcra  esse  dictifitur 
fratrum  duorum^  quorum  cum  maior  tnrginem  quunäam  sibi  (das 
pron.  refl,  hinzugefügt  von  Thilo)  äespondisset  et  eam  mifwr  frater  ^ 
conardur  auferre^  armia  inter  $e  decertati  sufU  ihiqm  ad  memoriamm 
invieem  se  acciäentes  sepuUi:  quae  res  admirationrnn  habet  tUam,  qua^  " 
si  qui  duo  inier  ipsam  süvam  agentes  Her  uno  impttu  vd  eodem  mo- 
mento  sctxa  adverstsm  sepulcra  kcerint ,  vi  nesdo  q\m  saxa  tpsa  sepa- 
rata  ad  s^tkra  singula  deddunt,   denn  die  hjpothetiäche  tussung 
des  schluszsatzes  spricht  keineswegs  dagegen ,  dasz  es  sich  hier  um  i 
Übung  eines  volksmäszigen  brauches  handelt,  sondern  ist  offenbar  j 
nur  durch  den  bericht  über  das  wunder  veranlaij^^t.    dieses  wunder] 
selbst  aber  zeigt,  was  der  steinwurf  zu  bedeuten  hat:  keiner  der 
beiden   toten   brüder  mag  geschehen   lassen,   dasz  der  andere  an 
ehrung  etwas   vor  ihm   voraus  habe,    noch  deutlicher  und  völlig 
Überzeugend    beweist   eine    anzahl   der   weiter  von   Liebrecht  zu- 
sammengestellten beispiele,  dasz  die  seitens  der  vorübergehenden 
auf  grttber  abgeworfenen  steine  aufzufassen  sind  als  den  Seelen  der 
hier  ruhenden  toten  dargebrachte  opfergaben,  wenn  es  vorzugsweise 
erschlagene  oder  Überhaupt  eines  gewaltsamen  todes  gestorbene  sind, 
die  auf  diese  weise  geehrt  werden,  so  erklärt  sich  dies  wenigstens 
zunächst  daraus,  dasz  nach  weitverbreiteter,  auch  aus  dem  griechi- 
schen altertum  (vgl.  Volksleben  der  Neugriechen  I  s.  169  fS,)  durch 
zahlreiche   xeugnisäe  zu   belegender  Vorstellung  die  Seelen  solcher 
toten  besonders  reizbar  und  unruhig  in  ihren  gräbern  sind.    maQ 
darf  zuversichtlich   annehmen,   dasz   die   sitte  des  stein wurfs  erst 
hinterher  auch  auf  gräber  anderer  als  ermordeter  übergegangen  ist. 
Wir  finden  also  hier  genau  dieselbe  art  der  huldigung,  die  dem  ] 
gotte  Hei  mes  als  dvö^ioc  erwiesen  ward ,  auch  Blr  die  seelen  ver« 
storbener  in  anwendung,  und  nach  dem  oben  ausgeführten  kann  der 
letztere  brauch  nicht  wesentlich  jünger  sein  als  der  erstere,  da  ebeia ' 
beide  auf  der  nemlichen  anschauung  einer  besonderu,   rohen  oad 


HermeBbeiligtümer  und  grabhügel  in  Griechenland.  391 

niedrigen  cultur  beruhen,  gleichwohl  sahen  wir  uns  zu  der  Ver- 
mutung hingedrängt,  dasz  der  steinwurf  zu  ehren  des  Hermes  erst 
aus  der  sitte  des  steinabwerfens  an  fluchstätten  sich  entwickelt  habe, 
ist  diese  Vermutung  richtig,  so  liegt  es  schon  an  sich  sehr  nahe  an- 
zunehmen, dasz  auch  der  brauch  die  seelen  ermordeter  in  dieser 
weise  zu  ehren  den  gleichen  Ursprung  habe,  aber  es  gibt  für  diese 
annähme  noch  eine  anderweitige  stütze,  wer  die  von  Liebrecht  ge- 
sammelten nachrichten  kritisch  prüft  (was  dieser  selbst  verabsäumt 
hat),  der  findet  unter  denselben  nicht  wenige,  die  zwar  das  Vor- 
handensein von  Steinhaufen  an  mordstätten  melden ,  aber  nichts  da- 
von wissen,  dasz  der  ermordete  unter  dem  steinhügel  begraben  liege 
oder  auch  nur  dasz  dies  vom  volke  vorausgesetzt  werde,  ja  in 
Schweden  wird  der  gebrauch  des  steinabwerfens  nicht  nur  an  sol- 
chen stellen  beobachtet,  wo  jemand  auf  gewaltsame  oder  ungewöhn- 
liche weise  umgekommen  ist,  sondern  auch  da,  wo  unerlaubter 
beischlaf  oder  andere  unreine  handlungen  am  wege  stattgefunden 
haben.  ^°  in  den  zuletzt  genannten  Wien  nun  ist  der  gedanke  an 
die  darbringung  eines  Opfers  völlig  ausgeschlossen ,  und  der  stein- 
wurf kann,  wenigstens  nach  dem  ursprünglichen  sinne  der  gegen- 
wärtig vielleicht  gar  nicht  oder  nicht  vollkommen  mehr  verstandenen 
sitte,  nur  dem  vollbringer  der  unthat  gelten,  wir  haben  also  auch 
hier  eigentlich  flachmale  vor  uns ,  ganz  entsprechend  den  neugrie- 
chischen anathemata ,  welche  ja ;  wie  wir  oben  sahen ,  nicht  nur  auf 
kreuz-  oder  dreiwegen,  sondern  auch  auf  dem  Schauplatz  eines 
groszen  Verbrechens  selbst  errichtet  zu  werden  pflegen,  von  der- 
selben art  sind  auch  die  norwegischen  Warp',  die  ich  bereits  oben 
zur  erklärung  der  altgriechischen  ßoXeoi  herangezogen  habe.^'  ge» 
stützt  auf  diese  thatsachen  hege  ich  die  Überzeugung^  dasz  auch  die 

*^  Liebrecht  ao.  s.  274  nach  Hylt^n-Cavallius  Wärend  och  Wirdarne 
(Stockholm  1868)  I  486  f.  *^  wenn  nach   der  volksmeinnng  in  Nor- 

wegen der  an  einem  solchen  denkmal  vorübergehende  nicht  unterlassen 
darf  einen  stein  hinzuzuwerfen,  soll  ihm  nicht  etwas  böses  zastosseOi  , 
80  spricht  dies  nicht,  wenn  es  auch  vielleicht  auf  den  ersten  blick  so 
scheinen  kann,  gegen  die  auffassnng  des  varp  als  eines  fluchmals  nach 
seinem  arsprÜDglichen  Finne,  auch  der  griechische  bauer  von  heate 
musz  wohl  beim  vorübergehen  an  einem  dvd6e)ia  in  seinem  innern  eine 
gewisse  Verpflichtung  zu  gleichem  thun  verspüren  und  von  einer  Ver- 
nachlässigung derselben  etwas  übles  für  sich  selbst  erwarten,  da  ja 
mancher  den  stein  abwirft  und  den  fluch  ausspricht,  ohne  bu  wissen 
wem  das  fluchmal  gilt  oder  um  welches  Verbrechens  willen  es  auf- 
gerichtet worden,  vgl.  den  oben  angeführten  bericht  Carnarvons  und 
Conzes  bemerkung  Philol.  XIX  (1863)  s.  166.  es  scheint  also  die  an- 
schauung  zu  bestehen,  dasx  man  nicht  ungestraft  dem  allgemeinen 
Volksurteil  sieh  widersetze,  indessen  kann  der  erwähnte  glaube  der 
Norweger  auch  secundUr  sein,  dh.  erst  hinterher  von  den  gräbem  er* 
mordeter  wiederum  auch  auf  die  varp  als  fluchmale  übergegangen  sein, 
dann  würde  das  böse,  das  dem  den  steinwurf  unterlassenden  wider- 
fährt, eigentlich  als  räche  des  über  die  Vernachlässigung  erzürnten 
geistes  aufzufassen  sein  (vgl.  unten],  und  die  Vorstellung  hätte  in  ihrer 
Übertragung  auf  einen  änszerlich  gleichen,  aber  im  gründe  ganz  ver- 
schiedenen brauch  überhaupt  keinen  sinn  mehr. 


392  BerDhard  Schmidt:  ateiubaufen  aJe  fluchtnale, 

über  den  gräbern  erschlageiier  aufgeworfenen  Steinhaufen «  gerade 
bo  wie  die  Hermes^alt^re^  erst  aus  flucbmalen  sich  entwickelt  haben, 
mit  andern  worten,  dasz  der  stein wurf  der  an  der  stÄtte  des  Ver- 
brechens vorübergebenden  ursprünglich  nicht  dem  gemordeten,  son- 
dern vielmehr  dem  mörder  gegolten  hat,  welcher  durcb  diese  oero- 
monie  den  götlern  der  Unterwelt  überantwortet  werden  sollte. 

um  nunmehr  wieder  zu  den  Steinanhäufungen  auf  der  phoki* 
sehen  Schiste,  von  denen  ich  ausgegangen  bin,  zurückzukehren,  so 
halte  ich  dieselben  wirklich  für  alte«  aus  uns  unbekannten  gründen 
an  dieser  vielbegangenen  statte  errichtete  fiuehmale,  welche  erst  im 
laufe  der  zeit  und  verhültnismÄszig  gpät  für  die  gräber  des  LaTtos 
und  seines  dieners  sind  ausgegeben  worden,  ich  kann  dafür  dio 
thateache  geltend  machen,  dasz  der  Schauplatz  des  Vatermordes  des 
OidipUB  in  der  übtrliüferiing  ächwankt  und  nach  der  altern  ein- 
leimischen  sage  nicht  der  phokische  engpass,  sondern  vielmehr  die 
Umgebung  des  Kithairou  ist.  ^*  noch  Aischjlos  gibt  als  ort  der  un- 
tbat  den  drei  weg  bei  Potniai  südlich  von  Theben  an  (schol.  Sopb. 
OT.  733).  ertit  seit  Sophokles  berühmtem  tratierspiel  i^t  die  sagea- 
form ,  welche  das  verhängnisvolle  zusammentreffen  de»  vaters  mit 
dem  söhne  in  die  Schisle  von  Phokiä  verlegt,  die  berschendo  ge- 
worden, der  sowohl  Euripides  (Phoin.  38)  aU  Seneca  (Oed.  772) 
folgen,  es  ibt  daher  sehr  wahrscheinlich,  dasz  erbt  von  der  zweiten 
bfilfte  des  fünften  jb.  an  die  gräber  dt*s  La^os  und  seines  dieners  an 
dieser  statte  gezeigt  worden  sinü.^^ 

Äuszer  steinen  werden  den  seelen  verstorbener  und  besonders 
gewaltsam  getöteter  in  verschiedenen  ländem  auch  andere  wertlose 
oder  ganz  geringwertige  gaben  dargebracht,  wie  erdscbollen,  zweige, 
reisig  und   dergleichen   (beispiele   bei  Liebrecbt  ao.  s.  269-   272, 


**  i.  Schneide win  in  den  abh.  der  k.  ge»,  d.  wi§g.  sa  Göttin pen  V 
(1851^52)  hist^phüol.  cl.  s.  ISl  ff.  uori  Eßetbe  tbeb»iiiBche  heldeu- 
lieder  (Leipzig-  1891;  a.  6  flf.  und  169  f.  diete  form  der  sage  war,  wie 
Betbe  gezeigt  hut.  in  der  Oidipo^lic  bearbeitet^  einem  allem  anschelo 
nneb  in  ßoiotien  seibat  entstandenen  epos.  eine  andere»  offenbar  eben- 
falls einheimtflche  Überlieferung  Hess  Laio«  am  berge  Laphyation  nnweil 
Lebadeia«  ermordet  und  bestattet  sein  (äcbneidewin  s.  174  ff.),  endlich 
muflz  es  auch  eine  rentiou  gegeben  haben,  nach  welcher  sii;b  sein  grab 
in  Theben  aelbst  befand,  wie  ich  f^laube  icbliessen  zu  dürfen  aut 
Apollodoros  III  15^  7,  wo  leichenspiele  de^  Laios  in  dietior  Stadt  er- 
wähnt werden:  Ivioi  bl  aOröv  (nemlich  Audrogeos)  X^TOUci  Tropcud^cvov 
tU  0f|ßac  ^irl  Töv  Aatou  dTtüva  itpöc  tiLv  dyujvicTÜJv  ivcbpeuO^vTa  bid 
cpOövov  dtroX^cOai.  denn  Meur^^iut«  emendation  8rißac  (dt9rivac  die  bas.) 
ist  durch  Diodor  jV  60  ae.  vollkommen  gesichert.  **  iietbe  ist  darch 
seine  unterktucUunpen  £ii  dem  ergebnii  gelangt,  daas  Sophokles  den 
Stoff  sn  seinem  Oidipus  Tyrannos  aus  der  Thebaia  genommen,  und  dasa 
dleaet  epoa  unter  anderm  auch  tcbon  den  mord  des  Latoa  in  die 
phokiscbe  Schiste  verlegt  habe,  ich  will  das  keineswegs  bestreiten, 
aber  Eur  endgiihigen  fixierung  dieser  örtlichkeit  kann  die  TbebaYi««  wie 
popnlür  sie  ancb  gewesen  «ein  mag,  nicht  beigetragen  haben,  das  be- 
weist die  abweichende  angäbe  des  Aischyloft.  den  einflusf  des  Sopbo- 
ktet&cben    drarnns   hierauf  wird   wohl   niemand   darum   leugnen   wollen« 


UermeBbeiligtümer  und  grabhflgel  in  Griechenland.  393 

274  ff.),  auf  Island  wirft  man  ihnen  wohl  auch  einen  schuh  oder 
schuhfleck,  einen  handschuh,  ein  Strumpfband,  eine  gerte,  zuweilen 
auch  ein  kleines  geldstück  zu  (Liebrecht  s.  273).  darbringung  eines 
geldstücks  kommt  auch  in  Westmanlag  in  Schweden  vor  (ebd.  s.  274). 
es  ist  klar,  dasz  diese  gaben  gleichfalls  symbolischer  ersatz  für  wert- 
vollere opfer  sind,  aber  falsch  ist  es  jedenfalls  anzunehmen,  wie 
Liebrecht,  ich  weisz  nicht  ob  selbständig  oder  seinem  berichterstatter 
folgend ,  thut ,  dasz  man  hierzu  in  ermangelung  von  steinen  und  an 
deren  stelle  greife,  vielmehr  hat  man  in  jenen  darbringungen  noch 
den  schwachen  rest  einer  frühern  stufe  des  seelencultes  zu  erblicken, 
das  hinwerfen  eines  wenn  auch  noch  so  geringen  geld-  oder  klei- 
dungsstückes  auf  die  grabstätte  stellt  doch  immerhin  noch  die  ent- 
äuszerung  von  einem  besitze  dar.  und  selbst  jene  nicht  dem  eigen- 
tum  des  vorübergehenden  entnommenen  andern  gegenstände,  wie 
erdschoUen,  zweige,  reisig,  dürften  schwerlich  auf  gleicher  linie 
stehen  mit  den  steinen:  man  hat  den  eindrucke  als  komme  bei  dar- 
bringung derselben  doch  noch  ein  klein  wenig  pietät  zur  äuszerung. 
das  daiTeichen  eines  harten  kalten  steins  ist  offenbar  das  allerletzte 
glied  in  der  kette  dieser  abwärts  gehenden  rituellen  entwicklung. 
hier  ist  das  ursprüngliche  opfer  am  vollständigsten  zur  ceremoniellen 
form  herabgesunken,  der  steinwurf  ist  freilich  immer  auch  noch 
eine  huldigung,  aber  doch  eine  huldigung  von  so  eigentümlicher 
art  -—  eigentümlicher  als  selbst  das  hinwerfen  einer  muschelschale 
seitens  des  Ouinea-negers  — ,  dasz  es  kaum  vOllig  befriedigen  kann, 
wenn  man  denselben  lediglich  aus  dem  allgemeinen  entwicklungs- 
gange der  opferriten  heraus  erklären  will,  man  sieht  sich  gern  noch 
nach  einem  andern,  wenigstens  accessorischen  gründe  dafür  um. 
und  da  bietet  sich  wieder  wie  von  selbst  die  schon  oben  von  mir 
geäuszerte ,  dort  auf  ganz  andere  erwägungen  gestützte  Vermutung 
dar,  dasz  die  sitte  des  steinwurfs  erst  von  den  fluchmalen  auf  die 
gräber  erschlagener  und  von  da  weiter  auch  auf  andere  gräber  über- 
gegangen ist,  nachdem  an  stelle  der  den  seelen  der  verstorbenen  ehe- 
mals dargebrachten  wertvollen  opfer  bereits  seit  längerer  zeit  geringe 
gaben  von  blosz  symbolischer  bedeutung  getreten  waren. 

Als  dieser  Übergang  sich  einmal  vollzogen  hatte,  konnte  es 
leicht  geschehen,  dasz  nun  auch  umgekehrt  gewisse  bisher  den  toten 
zur  huldigung  dargebrachte,  an  sich  nutzlose  gegenstände  anstatt 
der  steine  auf  fluchstätten  geworfen  wurden,  daraus  erklärt  es  sich, 

weil  nach  der  darstellung  dieses  Stückes  Oidipus  nicht  nur  La'ios  und 
seinen  herold,  der  zugleich  sein  wagenlenker  ist,  sondern  auch  noch 
zwei  von  den  drei  dem  wagen  folgenden  männern  erschlägt  (y.  118. 
752.  813).  denn  die  letztern  treten  doch  völlig  zurück  hinter  den  beiden 
erstem,  welche  durch  ihren  thätlichen  angriff  auf  den  von  Delphoi 
herabkommenden  wanderer  überhaupt  die  ganze  katastrophe  herbei- 
führen, der  olK^Tric  des  Pausanias  ist  ohne  zweifei  der  Kf^puS  und 
Tpcxn^dTTic  des  Sophokles,  und  es  kann  aus  dem  hervorgehobenen 
gründe  nicht  im  mindesten  auffallen,  dasz  nur  dessen  grab  neben  dem 
seines  herrn  auf  dem  phokischen  dreiweg  zu  sehen  war. 


394  Bernhard  Schmidt  j  steinhaufeD  als  fluchmide  naw. 

da82  man  hier  und  da  häufen  von  reisigi  spänen  und  dergleichen  aa 
stellen  findet,  an  denen  zwar  ein  mord  verübt  worden  ist,  aHer  der 
ermordete  nicht  begraben  liegt  ^  wo  also  nur  an  fluchmale  gedacht 
werden  kann.^'*  überhaupt  iSLszt  dich  beobachten ,  dasz  in  mancheii 
l&ndem  beide  brauche  mehr  oder  woniger  zusammengefloasen  sind, 
oine  natürliche  folge  davon,  dasi  ihr  eigentlicher  sinn  dem  bewust- 
sein  des  Volkes  al! mählich  abhanden  kam.  demselben  gründe  ist  es 
zuzuschreiben»  dasz  die  sitte  des  steinwerfens  wohl  auch  ab  und  2u 
an  einer  stelle  haftet,  die  weder  ein  grab  enthielt  noch  auch  als  eine 
fluchstätte  im  eigentlichen  sinne  gelten  kann,  zb*  da  wo  jemand, 
vom  pferde  gestürzt,  den  hala  gebrochen  hat**"^  der  geworfene  fetein 
kann  hier  weder  ein  der  seele  des  verunglückten  dargebrachtes  opfer 
noch  such  der  üuszere  ausdruck  einer  Verfluchung  sein.  *•  der  braach 
ist  also  auf  einen  fall  ausgedehnt,  auf  den  er  eigentlich  gar  nicht 
pasBt:  an  stelle  des  durch  mord  umgekommenen  ist  überhaupt  der 
eines  nicht  natürlichen  todes  gestorbene  getreten. 

Es  war  ein  langer  und  besohwerlicber  weg^  den  wir  zurück* 
legen  mußten »  um  durch  die  spätem  Verdunkelungen  hochaltertüm- 
lieber  volkssitten  hindurch  zur  erkenntnis  des  ursprünglichen  vor- 
zudringen, der  noch  heute  in  Griechenland  an  fluchstätten  geübte 
brauch  des  steinwerfens,  von  welchem  wir  ausgegangen,  leistete 
dabei  vorzügliche  dienste,  weil  er  sichtlich  reiner  und  unverfUtscbter 
ist  als  die  entäprecbenden  brauche  anderer  Völker.  Liebrecht  ist  in 
seinem  zu  wiederholten  malen  von  mir  angezogenen  aufsatze  zu 
wesentlich  andern  ergeboissen  gelangt  er  hält  das  steinwerfen  auf 
grab  er  für  das  erste  und  will  sogar  in  den  zu  ehren  des  Hermes  auf. 
geschütteten  Steinhaufen  ursprünglich  alte  grabdenkmliler  erkennen 
{h,  271).  aber  gerade  die  ausschlaggebenden  Zeugnisse  der  altgrie* 
chi^chen  litteratur  waren  ihm  unbekannt,  und  in  betreff  der  nea- 
griechischen  fluthmale  sah  er  sieh  lediglich  auf  den  auch  in  seiner 
sptttern  gestalt  nicht  hinlänglich  klaren  bertcht  Conzes  angewiesen. 


^  eise  Holche  stets  von  reisig  bedeckte  Btello  befindet  sich  ?b.  in 
einem  walde  nahe  bei  Schüssburg'  1»  Sit.'beubilrgen:  Schulter  volkstüml. 
glaube  und  brauch  bei  tod  und  begrtibtih  itn  Siebenbürger  Sachsen- 
lande  II  6.  67  (progr«  de«  ev.  gjrmn.  au  ScUisaburfr  1865),  andere  bei- 
»piöle  bei  Liebrecht  s.  272.  27*    27ö.  ■**  MüUenhoff  sageo,  mJirchen 

und  Heder  der  hersEo^ttioier  SeblcKwig,  Holstein  und  Lauenbarg:,  8>  IW 
u.  161.  ^*  wir  mußten  dc^nn  die  suche  »ü  erklären,  dasz  man  durch 

den  sieiawurf  die  unglUeksfitätte  sülbit  verÜuchen  oder  dasz  mau  au« 
furcht  vor  dem  umgeben  des  toten  an  dem  orte,  wo  er  sein  leben  ciu- 
gebäszt  hat,  deoselben  auch  hier,  nieht  nur  an  seinem  grabe,  durch 
opfer  versoboeD  wolle,  icdetisen  halte  ich  weder  das  eine  noch  daa 
andere  für  wahnieheinlichf  wiewohl  man  tut  das  letztere  geltend  machen 
könnte I  was  Liebrecht  a.  274  nnch  HylteU'Cavallius  ans  Schweden  an- 
führt, aber  der  dort  vorkommende  glaube  dasz,  wo  etn  mensch  auf 
l^ewaltaame  oder  ungewöhnliche  weise  umgekommen,  derselbe  als  ge* 
»penst  dem  vorübergehenden  etwaa  boaea  antbun  könne,  scheint  eben 
auch  auf  vermengong  des  wirkticben  oder  vermeintlichen  grabe«  mit 
dem  oite  der  tötung  zu  beruhen. 


RPeppmüller:  Theognidea.  395 

die  fülle  der  von  dem  ungemein  belesenen  gelehrten  aas  den  ver- 
schiedensten ländem  zusammengestellten,  wenn  auch  nicht  immer 
sorgfältig  gesichteten  nachrichten  hat  mich  im  einzelnen  sehr  ge- 
fördert, was  ich  dankbar  anerkenne,  aber  der  wert  seiner  arbeit 
besteht  eben  ausschlieszlich  in  der  fieiszigen  materialsamlung. 
Freiburo  im  Breisoau.  Bernhard  Schmidt. 


45. 

THEOGNIDEA. 


I.  Joh.  Lucas  will  in  seinen  ^studia  Theognidea'  (Berlin  1893) 
s.  12  f.  einen  engem  Zusammenhang  der  verse  79 — 86  unserer  sam- 
lung  nicht  anerkennen,  sondern  83 — 86  vom  vorhergehenden  trennen, 
das  thaten  auch  frühere  kritiker,  bis  Bergk  die  verse  zu  6inem  ge- 
dichte  vereinigte,  er  hatte  darin  recht:  ja  ich  meine  dasz  nicht  nur 
diese  partie  zusammengehört,  sondern  dasz  auch  das  vorhergehende 
distichon  mit  ihr  zu  6iner  elegie  zu  verbinden  ist.  der  dichter  be* 
ginnt  mit  einem  gedanken  allgemeinerer  art,  den  er  aber  gleich  auf 
die  politischen  Verhältnisse  seiner  zeit  und  seine  eigne  erfahrung  an- 
wendet, 'ein  treuer  freund  ist  goldes  wert'  heiszt  es  im  Sprichwort: 
aber  weder  in  schwerem  bttrgerzwist  noch  überhaupt  in  schwierigen 
Verhältnissen  findet  man  viel  treue  freunde,  die  im  glück  und  Unglück 
ausharren,  so  gering  ist  die  zahl  derer,  die  sich  durch  eigennutz  nicht 
zur  untreue  verleiten  lassen,  dasz  es  nicht  eines  einzigen  schiffes  be- 
dürfte, um  sie  alle  auf  der  ganzen  weit  aufzunehmen,  man  hat  nach 
V.  79  nur  bk  einzuschieben  und  v.  83  statt  toutouc  oux  eöpoic  teil- 
weise mit  Härtung  Töccouc  b*  oü  x'  (öpoic  zu  schreiben,  um 
diesen  sinn  zu  erhalten,  allerdings  weist  die  Überlieferung,  bei  der 
jede  Verbindung  fehlt,  darauf  hin,  dasz  man  die  drei  bestandteile,  aus 
welchen  sich  die  elegie  zusammensetzt,  als  drei  gesonderte  kleine 
gedichte  betrachtet  und  so  wohl  auch  hin  und  wieder  in  den  schulen 
eingeprägt  hat;  aber  gerade  die  deutliche  beziehung,  welche  die 
werte  iTicTÖc  dvrip  .  .  ävbpac  iiaipouc  TricTOuc,  Kupv€  .  .  ITcXu- 
TToibT],  iy  X^XeTiQ  bixocTacli] . .  ^v  xciXeiToTc  npr\fixacx  und  schliesz- 
lich  die  beiden  relativsätze  81  und  85  zu  einander  haben,  spricht  für 
die  einheitliche  conception  der  stelle,  in  den  letzten  beiden  distichen 
findet  der  hauptgedanke  eine  wirkungsvolle,  steigernde  veranschau- 
lichung  und  zugleich  seine  begründung:  die  treue  ist  darum  so  selten 
auf  erden,  weil  der  menschliche  eigennutz  stärker  als  sie  ist.  man 
lese  also : 

ITiCTÖcdvfip  xpwcoO  T€  Kai  dpTupou  dviepucacGm 
fi£ioc  ^v  xoXcTTfl,  Küpve,  bixocTacir)- 

iraupouc  b*  euprjceic,  TToXuTraibT],  dvbpac  draipouc 

80        TTICTOUC  iy  XaXetTOXQ  lipr\fliaQX  TWOfl^VOUC, 


RPeppmüller ;  Th  tj o  gnidea. 


oVtiv€C  av  ToX^ujcv,  opötppova  0um6v  fx^viec» 

ICOV  TÜL)V  dTöBÜUV  TlüV  T6  KaKlUV  H€T€X€VV* 

TÖccouc  b'  ou  x'  eupoic  bi^^i^iuevoc  oub*  im  TidvTac 
dvOpuiTTOuc ,  oDc  vauc  jurj  ^ia  Ttdviac  fitoi  „ 

86    oiciV  ^TTl  T^^CCT)  T€  Kai  6<|>0tlX|iOlclV  f7T€CTlV 

aibLüc,  oüb*  aicx(>öv  xpfl^'  ^ni  KepboG  &-xeu 
die  nameii  Kymos  und  Polypaldes  sind  in  dem  gedlclite  verbunden 
wie  in  den  elegien  19  —  26.  53  —  60  und  183—92  (s.  auch  n,  IV 
dieses  aufsatzes)  und  tragen  das  ihrige  dazu  bei,  das  ganze  zusammen- 
zuhalten. 

II.  Dasz  mau  einzelne  diötichen  guomist^hen  Charakters  aua 
einem  gröszern  ganzt^n  losgel5ät  und  mit  kleinen  änderungen  zum 
auswendiglernen  in  den  schulen  zureeht  gemacht  hat^  hat  Lucaä 
s*  18  an  V.  175  f.  wahrscheinlich  gemacht,  die  zahlreichen  autoren, 
welche  dies  disticbon  für  sich  anführtn,  bedienen  sich"  der  form 
XpT]  ireviriv  cpeuTovia  Kai  ic  ßa9uKriTea  ttövtov 

^ITTTClV,  Kdl  Tr€Tp^UJV,  KupV€,  Kai'  nXlßdTUJV 

während  die  häs.  des  Theognb  f^v  hr\  xp^  (pcut^vra  lesen;  nur 
eo  aber  wird  ein  befriedigender  anschlusz  an  das  vorhergehende 
disticbon  yarmittelt«  indes  nach  173  f.  ftlgi  sich  177  f.  schlecht  in 
den  Zusammenhang,  und  die  darstellung  ist  eintönig;  viel  mehr  ist 
das  didtichon  hinter  der  inhaltlich  verwandten  partie  an  seiner  stelle, 
wo  es  Siobaios  onftlhrt  (nach  652  f  ).  ich  vermute  dasz  es  hierher 
gebracht  worden  ibt  von  jemandem,  der  175  f,  von  173  f.  trennen 
wollte:  denn  ohne  diese  verse  ergibt  sich  ein  vollkommen  befrie- 
digendes ganze* 

Das  diatichon  179  f. 
XpT)  Top  ÖMüüc  in\  Tfjv  t€  koI  etip^a  vüjTa  OaXdccqc 
bilri^Öcti  xotXeniic,  KupV€,  Xuciv  ireviric 
gesteht  Lucas  s.  19  nicht  zu  verstehen,  'quomodo  enim  paupertatem 
quisquam  fugere  potest  per  mare  terrasque  erraus?'  fragt  er.  nun, 
von  irrfabrten  zu  wasser  und  lande  ist  auch  gar  nicht  die  rede:  nur 
der  armut  soll  man  auf  alle  weise  zu  entgehen  suchen »  durch  arbeit 
sowohl  auf  dem  lande  als  durch  Seefahrten  zum  handelserwerb« 
diesen  doppelten  weg  zu  erwerben  gibt  auch  Hesiodos  an  ^  wenn  er 
in  seinen  Werken  und  Tagen  zuerst  von  der  ländlichen  tbätigkeit 
spricht  und  dann  mit  den  werten  eOt*  fiv  in*  ^junopiT^v  Tplt|fr)C 
decicppova  öupöv ,  |  ßouXrjai  bk  xp^a  npoqjuTetv  koi  Xi^öv  diep- 
Tiea,  I  b€i£uj  bri  TOt  n^rpa  TToXuq)Xoicßoto  GaXdccTic  (646  C)  auf 
den  zweiten  weg  näher  eingeht,  den^^elben  auf  dem  einst  sein  und 
des  thörichten  Perses  vater  —  ßtou  K€XPnM^voc  ^cOXou  634  —  ge- 
winn nach  hause  brachte  —  OUK  d<p6V0C  q)€utujv  oubfe  ttXoötöv 
T€  Kai  ÖXßov,  I  dXXd  küktiv  irevinv  (637  f.).  wenn  nun  mit 
dieser  erklärung  Lucas'  gründe  für  die  Verdächtigung  der  stelle  be- 
seitigt sind,  so  bleibt  der  anfang  XPH  tdp  doch  auffällig:  denn 
durch  die  von  mir  in  der  besprechung  von  Christs  litteraturgescbichte 
in  der  Berliner  philoL  Wochenschrift  1802  s.  1002  herangezogenea 


KPeppmaller:  Theognidea.  397 

Btellen  würde  er  kaum  za  rechtfertigen  sein,  ich  erblicke  in  jap 
eine  correctnr,  die  es  erm5glichen  sollte  das  disÜchon  als  begrOn- 
dung  der  aus  173  —  176  bestehenden  verspartie  anfzuCassen:  aber 
weder  177  f.  noch  179  f.  haben  hiermit  direct  etwas  zu  tban,  wohl 
aber  erhält  man  einen  guten  zasammenhang,  wenn  man  die  Terse 
177  f.  hinter  179  f.  stellt;  auch  das  folgende  distichon  Bchlieszt  sich 
diesem  gedankenkreise  vortrefflich  an.  am  anfang  der  elegie  aber 
schreibe  man  xpr)  TOi:  denn  gerade  diese  partikel  findet  sich  oft 
zur  einftthrung  sentenziOser  sätze,  zb.  iKi\.  372  mcncc  dp  TOt 
öjLiujc  Kai  dTTicTiai  djXecav  ävbpac.  die  beiden  kleinen  gedicfate 
lauteten  also : 

1.  "Avbp'  dTciööv  TteviT]  Trdvrujv  bd^viici  jüdXtcra 

KQt  iTJpujc  judXiovS  Kupve,  kqi  i^mdXou, 
175  f^v  bf|  xpn  9€ÜT0VTa  KOI  de  ßctOmarrea  ttövtov 
^iTTTeTv  Kai  Trerp^uiv,  Kupve^  Kcrr*  t^Xtßdruiv. 

2.  Xprj  TOI  öjiuic  in\  yf\yf  t€  Kai  eupda  vurra  OoXdccnc 

180  biZricöai  xciXcTific,  Kiipvc,  Xiiciv  n€vific 

177  Kai  Tdp  dv^p  Tcevii)  bebpir\piiyoc  oöt€  ti  eineiv 
oÖ8'  fpEai  büvorai,  T^uicca  ti  o\  biberai. 

181  TcGvdjievai,  (piXe  Kiipve,  Trevixp«?»  ß^Xrcpov  dvbpi, 

f\  libew  xo^^TT^  T€ipö|ievov  Tr€viq- 
III.  V.  323  ff.  wird  dem  Kjmos  der  rat  gegeben  einen  freund 
nicht  auf  geringftigige  Teranlassang  bin  aufzugeben:   denn  w<rfie 
man  bei  jedem  fehler  der  freunde  zürnen ,  so  wfirde  et  (IberliMipi 
keine  freundschaften  geben : 
327  d|iapTUjXai  Top  ly  dvOptimoictv  lirovrai 

OvTiToic,  Kupve'  6eol  V  ovk  dO^Xouci  qi^peiv. 
die  kritiker  sind  ziemlich  einverstanden,  da«z  der  zweit«  balbverf 
des  Pentameters  verdorben  ist.  aber  eine  genügende  beiloDg  bat 
man  —  auch  Hillers  fragend  vorgetragene«  dipcXcfv  niebi  auf' 
genommen  —  bisher  nicht  gefanden,  ja  Lncas  t,  14  IL  verzweifelt, 
dasz  eine  emendation  überhaupt  mOglicb  »ei,  und  nimi  daher  den 
ausfall  eines  distichons  an,  das  mit  den  worten  tm  j&p  dtvaS  Kfiö' 
\lbr\c  geendigt  und  den  Übergang  zu  ^97—900  g^nhiidtii  habe,  der 
gedanke  die  beiden  stellen  323—328  und  897—900  mit  einander 
zu  vereinigen  ist  neu ;  aber  die  art  der  benU^Uung  folgt  den  ttpureo 
Bergks ,  nur  dasz  Lucas  die  anrede  Kvpv^  ci . .  um  jeden  prei«  halten 
will,  ich  gebe  ihm  zu ,  dasz  die  beiden  versreihen  sehr  gut  zu  ein- 
ander  passen,  und  stimme  auch  darin  mit  ihm  überein  (s.  15),  dasz 
man  v.  328  entweder  den  gedanken  erwartet:  'delicta  soli  dei  non 
committere  solent'  oder:  *dei  nolunt  peccatahominum  omnia punire.' 
im  erstem  falle  würde  Oeol  b*  oök  dOAouc'  dXireiv  passen,  aber 
der  Vorschlag  würde  von  der  Überlieferung  zu  stark  abweichen;  auch 


*    8o   habe  ich  im  Beehäaser  programm   von   1HH7   ».  A   ftlr  iroXtoO 
vorgeschlagen. 


398 


BPeppinäller:  TheogmdeÄ. 


wire  eine  Vereinigung  der  getrennten  verse  bei  dieser  annähme 
außgeBchlossen.  nun  liegt  aber  tias  für  den  schlusz  des  verdorbenen 
balbverses  geeignete  verbuni,  vorausgesetzt  dasz  der  zweite  von 
Lucas  erwartete  gedanke  im  texte  seinen  ausdruck  fand,  gar  nicht 
ßo  fem.  wie  Antinoos  p  486  ff.  gewarnt  wird:  8€oi  Eeivoiciv 
ioiKÖTtc  dXVobaiToiciv  * .  ^Tricipujcjxlici  nöXnac  |  dvGpiuTTUJV  ößpiv 
T€  Kai  €uvojiiliv  dqpopuiVTec,  ^o  w(lns*cht  Odysseus  den  Phaiaken, 
von  denen  er  sich  goteuscbt  glaubt,  v  214  f  :  Zeuc  cq)€iac  ricmÖ* 
\K€Tr|Cioc.  öc  te  Kai  öXXouc  |  dvBpujirouc  dq)op^»  Kai  livurai 
ÖC  TIC  ä|idpTir|/'    ich  verbessere  also,  v.  897  ff  beraufnebmend: 

d|iapTiuXal  tdp  ^v  dvöpu/Troiciv  gnovTai 
S28      9  V II T  o  T  c ,  Küpvc  *  6  €  o  i  b*  ouK  ^ÖeXouc*  e  qp  o  p  d v. 
897  ZeOc  b*  €1  TTdvT*  dvbp€cci  Kataev^ToTc  xaXlixaiv^v 

tiVüucKu>v  Kai  vouv,  olov  ?KacTOC  fx^^ 
aÜTÖc  €vi  CTfiOecci  Ka\  IptinaTa  Td»v  t£  biKaiujv 

Tüwv  T*  dbiKoiVi  lii'xa  Kev  Tifipa  ßpOTOkiv  ^Tiiiv, 
es  ist  der  gegensatz  zwischen  den  ewigen  göttem  und  den  sterb- 
lichen menschen,  den  der  dichter  hervorhebt  und  benutzt,  um  zu 
aeigen  dasz,  wenn  die  götter  ihren  geschöpfen  so  viel  'nachsehen*, 
auch  diese  gegen  einander  duldsamer  sein  sollten. 

lY.  S.  21  bemerkt  Lucas  ttber  die  verse  541  f.  und  1103  f.: 
^e%  una  eademque  elegia  mihi  tracti  esse  videntur  plura  superbiae 
exempla  exbibente.'  an  ihre  Zusammengehörigkeit  scheint  auch 
van  der  Mey  studia  Theogn.  s.  31  gedacht  zu  haben,  welcher  1103  f, 
-f-  541  f.  als  Vorbild  fQr  1231- — 34  ansiebt,  nach  meiner  meinun^ 
bilden  die  beiden  disttchen  eine  kleine  elegie  fUr  sich,  in  derTheognia 
seine  Vaterstadt  vor  Übermut  warnt:  er  beginnt  mit  dem  clas^tl- 
sehen  beispiel  von  den  Kentauren  und  fügt  dann  an  einer  reihe  von 
stKdten,  die  er  aufz&hlt,  wamungsbeispiele  hinzu,  die  nur  allzu 
sehr  den  Untergang  der  eignen  stadt  befürchten  lassen,  was  v*  542 
die  lesart  betrifft,  so  haben  die  beiden  besten  hss.  öXccev:  die  da- 
durch in  dem  objecUsatze  entstehende  breviloquenz  ist  allerdings, 
wie  Bergk  zeigt,  nicht  unmöglich;  aber  gehören  die  beiden  disticba 
in  d^r  folge  zusammen,  welche  ich  vorgeschlagen  und  begründet 
habe ,  dann  empfiehlt  sich  zu  TrdvTUJC  dnoXci  vorher  ein  correspon- 
dierender  conjunctiv  öX^cr|,  ich  lesa  also: 
541  Acipaivuit  m  jrivbe  iröXiv,  rToXunaibri,  ößpic, 

f\Tt€Q  Kcvraupouc  d;poq>dtouc»  6X^cr}. 
1108  ößptc  Ka\  Mdtvfirac  dtriuXccc  kqI  KoXocpuiva 

Kai  Cpüpviiv*  irdvTü)c,  KOpvc,  Kai  ö^^*  dtroXel 
die  zweite  person  ist  nicht  geradezu  verwerHieh,  obwohl  ich  Welcktn 
dpp*  diTöXei  vorziehe. 


>  »aB  vgl.  Sofili*  OK.  1636  f.  Ocol  T&p  cO  filv,  Öt^  b*  €tcoptI>c^ 
Ärav  I  Td  6€!^  d<pc(c  -nc  de  tö  ^aivccSai  Tpaitfl. 

STaALsuKD.  Rudolf  F£fpmull£&. 


BUelm :  de  Amtophanin  Avium  t.  686.  399 

DE  ARIST0PHANI8  AVIUM  VER8U  686. 


Aristophanis  Ayibus  quotquot  operam  dedere  in  Tersu  686 
emendando  sndarunt,  quem  quin  corrupium  ezhiberent  libri  nemo 
fere  dubitavit.  legitur  enim  quo  loco  Pithetaerus  ut  deos  se  oredant 
avibos  persuadere  conatur,  versus  neglectis  quibusdam  leotionibui 
levidensibus  in  omnibus  libris  sie : 

i\v  5*  fiTwvrai  ci  Gcöv  cfc  ßiov  cfc  bi  v\v  et  Kpövov  ck  TToccibdi, 

dtdO'  auToTciv  TrdvTa  Trap^crai  (sc.  deis  ipsis). 
quibus  in  verbis  nescio  an  tres  sint  res  in  quibus  offenderint  viri 
docti,  primum  quod  ßiov  inter  deorum  enumerationem  interponiiur 
—  nam  etiam  ffiv  deam  esse  putarunt  — ,  deinde  particula  quae  est 
bl ,  tertium  quod  ordo  verborum  rationem  decere  non  videtur.  sed 
talibus  in  enuraerationibus  homines  non  semper  rationem  certam 
sequi,  sed  congerere  quidquid  in  meniem  venit^  plerique  oredo  oom- 
pertum  habent.  quare  non  mirum  est  quod  ßiov  interposuit  poeta, 
cum  dicere  sibi  proposuisset  aves  in  potentissimis  numerandas  essa 
et  quibus  plurimum  deberetur.  voz  autem  ßioc  quod  tali  in  sen* 
tentia  adhibetur  eo  minus  mirandum  est,  quia  apud  poetas  Roma- 
nos hie  usus  vocis  quae  est  vita  saepissime  ezstat  ut  significetur 
mnlier  amata,  scilicet  qua  mortua  sibi  quoque  vitam  ademptam  esae 
poeta  fingit.  quam  ob  rem  nego  Aristopbanem  eodem  modo  vooa- 
bulo  ßioc  uti  non  potuisse,  ut  ezprimeret  omnia  bona  deis  non  fore 
nisi  avium  auxilio,  quibus  mortuis  illos  ipsos  quoque  vita  decessuros 
esae.  ita  rem  interpretandam  esse  quae  sequitur  voz  ff\y  demon- 
strare  mihi  videtur,  quam  recte  litteiis  minusculis  soribi  puto,  ut 
intellegatur  tellus  omnia  gignens  et  creans,  qualem  Homems  dicit 
Zelbuipov  et  Statins  libro  Thebaidos  VIII  v.  303  sqq.  non  pauois 
versibus  laudavit.  comparantur  igitur  aves ,  quia  cibum  et  victum 
praebebunt  deiS;  cum  terra;  ut  Catullus  c  68,  167  verbis  quipTtn- 
cipio  nohis  terram  dedü  sibi  faoultatem  vere  vivendi  oblatam  esse 
ezpressity  cum  vita  amore  carens  non  vera  esset  vita.  quodsi  ßiov 
et  T^v  ita  interpretamur  ut  aves  ßiov  et  ff\\  dici  oredamus,  qoia 
tanta  est  earum  potentia  ut  terram  viiamque  deis  auferre  possint, 
nihil  offensionis  restat  in  voce  ßiov ,  quam  iniuria  expulerunt  scri- 
bentes:  i^v  V  fjTwvTOi  cejuvöv  ck  0€Öv  vel  cfc  Gcdv  ccfivöv  vel  et 
Oeöv  4>oißov  vel  quod  optime  et  ingeniosissime  protulit  Velsenns 
Ta  Oeuiv  Xfipov,  qua  conieotura  non  modo  ßiov  sommovetur,  sed 
etiam  sequen^  particula  bi  ut  non  inusitata  sit  effici  videtur.  verum 
enimvero  ne  haec  quidem  particula  tali  offensione  digna  est,  quam- 
quam  Reiskius  quia  non  intellegebat  *quid  sibi  vellet  inscite  inserta', 
coniectura  locum  sanandum  putavit  propositis  verbis:  ci,  K6pr)V  aut 
TUXTIV  aut  *P^T]V ;  sed  Tflv  recte  commemorari  verbus  qui  antecedunt 
468/9,  ad  quos  poeta  sine  dubio  respezit,  mea  quidem  sententia 
demonstrant,  qui  sunt  hi: 


400 


EHelm:  de  Aristopbanis  Avium  v.  586. 


iräVTUiV  ÖTTOC*  fcTlV,  i\lOV  TrpiJjTOV.  TOUbii  Kttl  TOÜ  AlÖC  aÖTOÖ, 

dpXaiÖTepoi  npöiepoi  t€  Kpövoii  Kai  TiTdvuiv  ^f€V€c6€ 

Kai  Ync. 
particula  autem  quod  um  enuntiati  parti  additur,  ex  eodem  consilio 
ortum  est  qu€  totam  baue  eiiuEneratioBem  dectares,  ut  scülcet  copiae 
species  praeberetor.  quod  fit  primum  miiltis  rebus  sine  ordine  con- 
Bertis,  deinde  interrupto  ita  tenore  verborum »  ut  tamquam  novas 
incobari  videatur:  nam  qui  aiidit  dkentem  m  medio  verborum 
conexQ  quasi  respirantein  ut  ad  seqiientem  eoumerationem  novas 
vires  pulmoni  addai^  in  eam  inducitur  opitiiouem  ut  copiosissiinam 
enumerationera  esse  credat.  qtiare  non  vituperandum  est  qaod 
Arintopbaues,  cum  ei  liceret  aut  omues  enuntiati  partes  particula 
hi  inter  se  coEiungere  aut  nuUaiBf  bas  duas  dieendi  rationes  ita 
miBCuit,  ut  tamquam  duae  exstent  enumerationes  quarum  alteri 
addittir  particula.  atqui  ordo  vocabtilorum  quae  deinceps  namt- 
nantur  magis  turbatus  videtur  quam  ut  poetam  eum  constituis&e 
credibile  sit:  nam  primo  loco  Beöv  legimus,  extremo  dei  singuU 
afferuutur;  medium  autem  substantivom  quod  dicimu^  abstractum 
ßiov  immixtum  est.  qua  in  re  doUid  magis  offendatur^  quia  exemplis 
talis  dieendi  ubus  non  earet  Euripides  enim  scripsit  Herach  229  sq. 
TtvoO  bk  Tokbe  cuTTevnc,  f  €Vou  qjiXac  |  irat^p  dbeXtpöc  bccrrÖTTyc, 
ubi  non  modo  verbum  XEVOu  repetitum  similem  vim  praebet  atque 
particula  hi  loco  Aristopbanis,  sed  etiam  vox  cuTT^vrjC  quae  proxime 
pertinet  ad  vooes  TraTTip  döcXcpÖc  separatur  ab  üs  interposita  vooe 
CpiXoc  neque  minus  hue  referri  potest  eiusdem  Euripidis  Hec.  v-  280, 
ubi  legimus:  f\b'  dvTl  noXXarv  dcTi  ^0l  7TapaA|/üXri  |  nöXic  Ti9rivn 
ßüKTpov  ^T^pduv  öboO.  quo  loco  et  eubstantivum  abstractum  irapa- 
i^vxh  eodem  modo  interpretandum  est  quo  supra  ßioc,  et  ordo  minime 
servatur,  cum  personis  quae  sunt  TiÖr|vr]  et  f|Y€mbv  öbou  medium 
interponitur  ßdKTpOV.  simillimus  autem  et  quo  demonstrotur  tale 
genuB  dieendi  omnibus  poetis  esse  commune  Sbakespeani  locus  mibi 
videtur  qui  exstat  in  Contumaci  domanda  {the  taming  oftheshrew 
V  2, 146/7):  thy  hushand  is  thtf  lord^  ihy  life^  ihy  kccper,  \  ihy  head^ 
ihy  sovereign  (maritus  tuus  est  tibi  dominus,  vita,  salutis  auctor, 
Caput,  rex)»  en  idem  usus  vocabuli  life^  en  idem  ordo  turbatus,  cum 
T0C6B  hrdy  kct^per^  sovereign,  quibus  similes  significantar  boraines, 
segregantur  interpositts  nomine  abstracto  life  et  concreto  illo  qui- 
dem,  ut  aiunt,  sed  quo  persona  non  significatur  head,  quibus  de 
CAUsis  spero  viros  doctos  desituros  esse  laborem  conferre  in  locnm  quo 
nullus  vulgarem  usum  dieendi  magis  decet  aut  sanior  traditus  est 

BfiKOLim.  BUDOLPHUS  HSLM. 


PMeyer:  za  Platons  Gorgias  [484*].  401 

47. 

ZU  PLATONS  G0RGIA8. 


'Das  einzige  wirkliche  gesetz  ist  das  natnrgesetz  vom  rechte  des 
stSrkem',  so  führt  Eallikles  in  leidenschaftlicher  rede  aas,  *nicht  aber 
derjenige  vö^oc  8v  fljieic  TiXarroviec  toüc  ßeXxicTOuc  kqI  dppui)Li€- 

VCCXdTOUC  flJLHJJV  aUTOlV  ^K  V^IJÜV  Xa^ßdvOVT€C  UJC7T6P  X^ovTac 
KaT€7T(jibOVT&  T€  Kttl  T011T€U0VT€C  KaTabOuXoU^€0a  X^TOVT€C,  ibc 
TÖ  TCOV   XP^  ^X^IV  KQl  TOÖTÖ  dCTl  TÖ  KQXoV  KQl  TÖ  blKaiOV.     ddv  bi 

T€,  ol^ai,  cpuciv  iKQvfiv  T^viiiai  (xidv  dvrjp,  ndvia  laOia  dTio- 
C€icd^€VOC  KQl  biapprjHac  kqi  biaq[)UTU)v,  KaTairaTiicac  xd  f||Li^T€pa 
Tpd)Li)LiaTa  kqi  juaTTOveujuaTa  kqi  ^TTipbdc  kqi  vö^ouc  toüc  Tiapd 
qpuciv  fiTiavTac,  dnavacrdc  dv€q[)dvn  becirÖTTic  fifikiepoc  6  boöXoc, 
Kai  dvraCOa  i£(\a}x\\fe  tö  Tfjc  cpüceuüc  biKaiov.  die  staatlichen  ge- 
setze  haben  denselben  wirklichen  wert  wie  die  Veranstaltungen  der 
beschwGrer:  sie  sind  nur  für  die  dummen  da'  (Gorg.  483*.  484*). 
dieser  vergleich  ist  hauptinhalt  der  ausgeschriebenen  stelle,  man 
kann  verlangen ,  dasz  er  leidlich  klar  durchgeführt  ist.  das  ist  aber 
nicht  der  fall;  wenn  man  bei  der  bisherigen  erklär ung  von  YpdjUjLiaTa 
stehen  bleibt.  Heindorf  (1829)  bemerkt  dazu:  «Tpd^^ara  h.  1.  de 
psephismatis  accipe,  ut  de  leg.  IX  p.  858  •  6coi  bi\  vo^oO^iai  T€VÖ- 
^levoi  TpdM^axa  fTpaipav»,  Stallbaum  (1840):  « ipdfifiaia  non  de 
psephismatis  intellegenda  sunt,  quod  voluit  Heindorfius,  sed  omnino 
de  formulis,  in  quarum  numero  sunt  psephismata,  ut  vere  monuit 
Schaeferus  ad  Demosth.  t.  IV  apparat.  p.  260»,  Deuschle  (1869): 
«TpdmiaTa  ktX.  absteigende  klimax.  die  TP*  sind  die  geschriebenen 
gesetze,  im  gegensatz  zu  den  ungeschriebenen,  von  natur  dem  men- 
schen eingepflanzten»,  Deuschle-Cron  (1876):  «TpdmuaTa  Krd.  die 
fp*  sind  die  geschriebenen  gesetze  im  gegensatz  zu  den  ungeschrie- 
benen, von  natur  dem  menschen  eingepflanzten;  also  Vorschriften, 
die  den  eigenwillen  beschränken ;  ^al^TCtveujiaTa  ^blend-  und  zauber- 
werke', die  den  verstand  umstricken ;  diTiubai  besprechungen,  die  die 
leidenschaft  beschwichtigen  .  .  alle  drei  ausdrücke  dienen  aber  doch 
nur,  die  Verwerflichkeit  naturwidriger  gesetze  von  verschiedenen 
Seiten  darzustellen  und  werden  daher  schlieszlich  in  diesem  aus- 
druck  zusammengefaszt. »  man  sieht,  dasz  erst  Cron  auf  die  unmög- 
liche Wiederholung  von  TpdjLijLictTa  vorn  und  vöfiouc  Touc  Tiapd 
q)tJCtv  &7TavTac  hinten  aufmerksam  geworden  ist;  allein  sein  er- 
klärungsversuch  schafft,  selbst  wenn  die  von  ihm  aufgestellte  bedeu- 
tung  von  ^aTTCtV€u^aTa  und  dTTifjbai  richtig  wäre  —  was  sie  aber 
durchaus  nicht  ist  —  doch  das  lästige  der  Wiederholung  nicht  fort: 
denn  was  haben  fiaTT-  und-6iiübai  mit  ^naturwidrigen  gesetzen*  zu 
schafl'en  ?  entweder  gehören  TpdMM^*^^  ^^^  |LiaTT<^V€U|LiaTa  kqi  dTTiijbai 
eng  zusammen,  und  Kai  vojliouc  t.  it.  q).  fi.  bringt  zu  diesem  ver- 
gleich dasjenige  was  gemeint  war,  oder  die  stelle  ist  verdorben, 
letzteres  nahmen  an  Yalckenaer  der  iT€pid|Li|LiaTa,  Cobet  der  TrXdcjiiaTa 

JahrbQcher  f&r  class.  philol.  1893  hfl.  6.  26 


402 


PMejet:  za  Platonii  Gorgiae  [484*], 


schreibt,  und  AThCbrist  (Leipzig  1890)  welaber  ypäji|uiaTa  Kai 
ausläazt. 

Hält  man  an  der  gleich  anfangs  gebrachten  bemerkung  fest, 
dasz  hauptiDhalt  der  stelle  ein  vergleich  zwischen  den  staatlichen 
gesetzen  und  den  Veranstaltungen  der  beschwörer  aei,  so  ist  gar 
keine  änderung  oder  gewundene  erklärung  nQtig,  wenn  man  nur 
dem  werte  TpütMM^'^^  seine  richtige  bedeutung  gibt,  welche  seine 
Umgebung  ihm  an  dieser  stelle  beilegt*  wir  sind  durch  Karl  Wesseijs 
Untersuchungen  (Ephesia  graminata,  progr.  d.  k.  k.  Franz  Joseph - 
gymn. ,  Wien  1886.  zu  den  griech.  papjri  des  Iiouvre  und  der 
bibliothötjue  nationale,  progr.  v.  Hemals»  Wien  1889.  1890)  und 
die  öich  daran  anscblieszende  litteratur  und  jüngst  noch  durch 
BHeim  incantamenta  magica  graeca  latina  im  19n  suppi.-bd.  dieser 
jafarb.  (1893)  s.  463 — 576  genügend  über  die  veransültungen  der 
alten  bescbwörer  belehrt,  um  diese  Platoustelle  sofort  richtig  zu  ver- 
stehen, sie  bedienten  sich  in  der  that  dreier  arten  von  Veranstal- 
tungen: geheimniBvoll  wirkende^  werte  wurden  auf  allerlei  unter- 
lagen geechrieben  und  diese  xpoi^^ara  dann  in  manigfacher  weise 
verwertet:  es  wurden  allerlei  handlungen  (betasten,  bestreichen 
usw*)  vorgenommen  (jutotTTCiveij^aTo)  und  schliesslich  beschwörungs- 
formein  über  den  leidenden  oder  gefährlichen  usw.  ausgesprochen 
(^TTipbai).  so  sind  hier  unter  tpcc/i^aTa  nicht  ge setze  oder  dgh  zu 
verstehen,  sondern  es  sind  ^geschriebene  Zauberformeln',  dieses  con* 
crete  ;&aubermittel  steht  zuerst  hinter  Kaxairaiiicac :  die  Ypd^paia 
konnte  man  thataächlich  noch  mit  füszen  treten;  dann  folgen  die- 
jenigen Wörter,  wo  der  Übertragene  sinn  des  Zeitwortes  eintritt,  auch 
die  vorhergehenden  participia  passen  zu  dieser  erklärung,  nur  musz 
man  keinen  genauen  paralleltämus  verlangen,  denn  den  scheint  die 
ganze  stelle  absichtlicb  zu  umgehen t  es  ist  der  leidenschaftliche 
Kallikles,  welcher  redet,  nicht  der  Gorgianer.  diTOCeicäfievac :  die 
amulete  (mit  oder  ohne  Ypd^gaTO);  tiappt|£ac:  wenn  äTTOceicocOai 
nicht  ausreicht,  oder  bei  fesselungen  im  verlauf  der  beschwörung; 
biacpuf iIjv  :  den  ^Trqjbai  oder  auch  dem  ganzen,  selbstverständlich 
spielen  auch  alle  sonstigen  Vorstellungen,  welche  die  verba  erwecken, 
mit  hinein ,  so  dasz  ich  auf  diese  letztere  bemerkung  wenig  gewicht 
lege;  'Xp&pL^axa  aber  nehme  ich  für  'geschriebene  Zauberformeln*  in 
ansprucb.  beispiele  für  ypdcpciv  in  diesem  sinne  sieh  bei  Wesbelf 
Eph.  gramm,  n,  340—390  (s.  30—32),  Heim  ao.  n.  151.  156—158, 
178—180.  189.  193  —  196.  197.  199,  202  —  205  207—217.  221 
—225.  229,  amulete  234—240, 

MüKOHSN  •  Gladbach.  Pstbb  Mbtrb, 


GThiele:  som  griechiBchen  roman.  403 

48. 
ZUM  GRIECHISCHEN  ROMAN. 


So  berechtigt  die  bemerkungen  yon  ERohde  im  rhein.  museum 
XLVIII  (1893)  8.  136  ff.  gegen  meine  in  der  festscbrift  'aus  der 
Anomia'  (Berlin  1890)  s.  124  ff.  vorgetragene  erklärung  von  Cicero 
de  inv,  I  19, 27  anf  den  ersten  anblick  auch  scheinen  mGgen  und  so 
wenig  mir  daran  liegen  kann  das  allgemeine  urteil  des  besten 
kenners  der  griechischen  erzähl ungslitteratur  Über  die  existenz  psy- 
chologischer romane  in  der  hellenistischen  zeit  irgendwie  modi- 
fioieren  zu  wollen,  so  halte  ich  es  dennoch  für  meine  pflicht  ausza- 
sprechen,  warum  ich  meine  interpretation  der  betreffenden  stelle 
seinen  einwänden  gegenüber  aufrecht  erhalte.* 

Nachdem  Cicero  die  beiden  rhetorischen  gattungen  von  erzäh- 
langen  definiert  hat ,  fügt  er  eine  dritte  art  folgendermaszen  hinzu : 
tertmm  genus  est  remotum  a  cwilibus  catisis,  quod  deleäationis  caiMa 
non  imUüi  cum  exerciiatione  dicUur  et  scribitur,  eius  partes  sufU 
duae^  quarum  altera  in  negotiis^  altera  inpersonis  maxime  versatm' 
nsw.  wenn  Rohde  nun  sagt,  Cicero  rede  hier  ausdrücklich  von  pro- 
gjmnasmatischen  Übungen,  so  kann  ich  das  nicht  zugeben,  da  Cicero 
diese  erzählongsarten  sämtlich  von  der  rednerischen  thätigkeit  fern- 
hält und  sogar  als  ihren  hauptzweck  die  delectatio  hinstellt,  quod 
ddeäaiionis  causa  non  inutili  cum  exercUatione  dicitur  et  scribitur. 
darin  liegt  doch,  dasz  die  delectatio  sich  hauptsächlich  auf  das  scribere 
bezieht  und  nicht  auf  das  üben :  denn  im  üben  besteht  keine  delec- 
tatio. trotzdem  will  ich  auf  diese  werte  Ciceros  gar  kein  besonderes 
gewicht  legen  oder  Schlüsse  daraus  ziehen,  aber  an  und  für  sich  ist 
man  durchaus  nicht  berechtigt  in  den  drei  gattungen  fabuta^  historia^ 
argumentum  nur  rhetorische  Übungen  zu  suchen,  zb.  die  definition 
Mstoria  est  gesta  res  ab  aetatis  nostrae  memoria  remota^  passt  auch 
auf  jedes  historische  litteraturproduct  man  darf  nur  nicht  diese 
ganzen  definitionen  in  dem  zusammenhange  von  Ciceros  rhetorischen 
compilationen  beurteilen :  ich  glaube  doch  gezeigt  zu  haben,  dasz  sie 
aus  den  lehrbüchern  pergamenischer  grammatiker  stammen.  Rohde 
thut  immer  noch,  als  ob  Cicero  sich  das  ganze  System  von  erzählungs- 
gattungen  samt  definitionen  selbst  ausgedacht  habe;  dasz  Cicero 
sich  dergleichen  überhaupt  nicht  ausdachte,  sondern  nur  ausschrieb, 
darf  jetzt  doch  nicht  mehr  zweifelhaft  sein,  für  Rohdes  Standpunkt 
in  dieser  hinsieht  ist  es  bezeichnend ,  dasz  er  die  auffallende  wört- 
liche Übereinstimmung  zwischen  Cicero  und  Cornificius  und  ihre  nach- 
gewiesene benutzung  einer  gemeinschaftlichen  lateinischen  quelle 

*  die  mangelbaftigkeit  der  einwände  Bürgers  im  Hermes  XXVII 
(1892)  8.  345  ff.  und  Posnanskys  in  der  Wochenschrift  f.  class.  phil.  1891 
8.  457  hat  überzeugend  Susemihl  in  diesen  jabrb.  1892  8.  752  ff,  dar- 
gelegt. 

26* 


404 


GThielei  zum  griechiBchen  roman. 


mit  einer  anmerkuDg  von  6iner  zeile  einfach  für  unhaltbar  erklärt, 
aus  einer  derartigen  überachützung  Ciceroa  erklärt  sich  dann  auch, 
dasz  er  es  gar  nicbt  für  möglich  hält,  dasz  die  narratio  quae  in per- 
sonis  vcrsatur  schon  mit  in  der  vorher  gegebenen  dreiteilung  fahula^ 
historia,  argumentum  enthalten  sei;  er  verkennt  damit  den  eompila- 
tori&chen  Charakter  solcher  aysteme. 

Als  beispiel  mag  folgendes  dienen«  Hermagoras  hatte  für  die 
gestaltung  des  prooemiuma  sämtliche  redestoffe  unter  vier  kate- 
gorien  gebracht,  die  er  cx%otTa  nannte  ( Augustinus  de  rhet,  8.  127 
Halm):  fvboHov,  TrapdboHov,  äboEov,  dji(piboEov*  zu  diesen  vier 
fügte  ein  gedankenloser  rbetor  später  das  buCTtapaKoXoüÖTiTOV 
(Cic.  1  16)  21.  Qaint.  IV  1,  40).  dasz  dies  in  das  festgebchlasgene 
System  des  Hermagoras  nicht  hineinpasst  und  jedenfalls  schon  mit 
im  notpdboEov  oder  äboHov  enthalten  ist^  leuchtet  ein.  doch 
der  betreibende  rhetor  könnte  sich  immerhin  damit  rechtfertigen 
wollen,  ihm  sei  daran  gelegen  gewesen  noch  eine  besondere  ntlan- 
cierung  von  cxn^a  damit  zu  markieren,  so  denke  ich  mir  auch 
■die  entstehung  der  narratio^  quae  maxime  in  personis  versatur^y 
der  roman  gehört  gewis  mit  unter  die  argumenta ^  dh.  die  TiXac- 
paiiKCt  oder  TTepiTTeTiKCt  biTiTilMQTa ,  aber  unter  diesen  tritt  er  be- 
sonders hervor  und  soll  in  seiner  eigentOmlicbkeit  besonders  ge- 
kennzeichnet werden  aU  narratio,  die  es  mit  den  personen,  ihren 
Schicksalen,  Charakteren ^  reden  zu  thun  bat:  iUa  auiem  narratia^ 
qwie  versatur  in  personis ,  eiusmodi  est^  ut  in  ea  simul  cum  rebus 
ipsis  personarum  sermofies  et  animi  perspici  possinif  hoc  mcdo :  (folgt 
das  beiiipiel  aus  Ter.  Adelphoe  60  ff,),  hoc  in  genere  narrationis 
mulia  dehet  inesse  festivitas  confeda  ex  rerum  varidate ^  animorum 
diBsimilitudine  y  gravitate^  levitate^  spe^  metu^  sti^itione,  desiderio, 
dissimulatione^  errore,  misericordia,  fortunae  commutatione,  insperaio 
imoommodo^  subita  laditia,  iucundo  exitu  rerum,  zunächst,  meint 
Eohde,  hätte  ich  den  gegensatz  zwischen  personae  und  res  nicht  ver- 
standen, bei  scharfer  und  sorgfältiger  interpretation  kann  derselbe 
jedoch  gar  nicht  anders  Yerstanden  werden,  als  dasz  in  jenen  drei 
arten  von  erzählungyn,  in  der  historischen,  mythischen,  dramatisch* 
novellistiächen  gattung,  mehr  auf  die  dinge  und  erzählten  begeben* 
heiten  ankommt ,  in  der  nun  folgenden  erzfthlungsart ,  quae  in  per- 
sonis versatur,  dagegen  der  Schwerpunkt  in  der  Schilderung  der 
Personen,  ihrer  Charaktere,  stimmnngen,  leidenschaften  liegt,  ohne 
dasz  davon  die  erzähtung  von  begebenheiten  getrennt  zu  denken  ist, 
darum  steht  bei  Cicero  eben  simui  cum  rebus  ipsis^  und  auch  in  der 
definition  des  Cormficius  (I  8,  15)  stehen  die  rerum  variäates,  die 
nicht  etwa  nach  Friedrich  in  seiner  ausgäbe  einfach  zu  tilgen  sind. 
Eohde  erklärt  den  gegensatz  bo  :  die  narratio  in  personis  ist  die  affeet- 
volle,  ethische  und  so  zu  sagen  persöuliche  art  deis  erzählens,  die 
der  redner  notwendig  beher^chen  musz.  dabei  iit  mir  jedoch  ab- 
solut unverständlich,  wozu  der  redner  in  dieser  erzählung  dier^mm 
variekUes  und  den  iucundus  exitus  rerum  nötig  hat   ferner  ist  mir 


GThiele:  som  griechischen  roman.  405 

ganz  miYerstftiidlich ,  wie  Bohde  zur  erklärusg  dieses  gegensatses 
folgende  stelle  aas  den  TTpOTUfivdc^aTa  des  Nikolaos  (III  s.  455 
Spengel)  heranziehen  kann:  tüjv  biiiTilM^i'^^v  rpeic  tqc  Tidcac  Tipöc 
dXr|6€idv  q>aciv  elvai  biacpopdc  •  id  ixky  f&p  icny  dq[)T]TilMaTiKd, 
Td  5i  bpa^anKd,  rd  bk  jniiad*  d(piiTilM<2TiKd  fi^v  6ca  änö  jliövou 
ToO  dTTOTY^XXovTOC  TTpocuiTTOu  dcTiv,  oIq  id  TTQpd  TTivbdpi(i  •  bpa- 
fiOTUcd  W,  6ca  dir'  auTuiv  tOjv  u7tok€1|li€vujv  ttpociüttujv  icrl 
pövov,  \ii\  irapcfiqpaivofi^vou  toG  cuvtiO^vtoc  irpociliirou, 
ola  (elTa  hss.)  rd  KUJfiiKd  ndvTa  Kai  rpatiKd  *  fiiKid  bk  id  iE  d^qpoTv 
ToO  T€  cuvnWvToc  Kai  toiv  u7roK€ifi^vuiv  cuTKcfjLieva  TTpocuüirujv, 
ola  Td  'HpobÖTOu  Kai  'Ofxrjpou-  laöia  tdp  m\  fi^v  dn*  auToO  toO 
dirctTT^ovTOC  dKcpepeiai,  ttt]  bfc  d£  ^T^pou  irpociIiTTOU.  hier  ist 
die  objective  und  sabjective  und  die  zwischen  beiden  liegende  dar- 
stellungsweise gemeint,  subjectiv  (äq[)TiTilM^''^^KÖv)  ist  die  lyrik, 
zb.  die  Pindarische;  objectiv,  dh.  die  auftretenden  porsonen  spruchon 
lassend,  nicht  sein  eignes  herz,  ist  der  dramatische  dichter.  gemiNcht 
ist  die  darstellungsart  im  epos,  sowohl  in  dem  in  vorsen  wie  dorn  in 
prosa,  Homeros  und  Herodotos.  beide  geben  ihren  eignen  godanken 
und  empfindungen  ausdruck  und  lassen  auch  zugleich  ihre  perioueu 
die  ihrigen  ausdrücken,  dasz  das  ein  ganz  anderer  gogunHaix  iitt  alu 
bei  Cicero,  kann  doch  kein  unbefangener  erklärer  der  stelle  lougnon. 
ohne  zweifei  ist  auch  diese  hübsche  hier  eingesprengte  tunieiluug 
sehr  alt  und  wird  vielleicht  denselben  pergamenisohen  philologen 
Terdankt  wie  die  unsrige. 

Wiederholt  führt  Rohde  gegen  meine  erklärung  ins  fold,  dun» 
bei  Cicero  und  Cornificius  ja  gar  nicht  von  litteraturgattungon  diu 
rede  sei,  sondern  von  rhetorischen  Übungen,  und  immer  wiodor  nuiN» 
ich  die  notwendigkeit  einer  solchen  erklärung  in  abrede  Htullon ;  im 
gegenteil ,  die  beschreibung  der  narratio  quae  in  personis  vcf^miur 
widerspricht  sogar  direct  dieser  erklärung.  vorfolgen  wir  diese  de- 
finition  mit  ihrer  beabsichtigten  fein  angelegten  Steigerung  bis  zum 
iucundus  exüus  rerum,  die  gewis  nicht  von  Cicero  erfunden  und  von 
Cornificius  ungeschickt  verdorben  ist,  dann  gerät  man  am  aller- 
letzten darauf,  dasz  hier  nur  eine  blosze  Übung  progymnasmatisoher 
art  beschrieben  sei.  wozu,  musz  man  sich  fragen,  braucht  man  einen 
iucundus  exüus  rerumj  einen  lustigen  schlusz  in  einer  sohulübung? 
nähme  man  an,  ein  gelehriger  rhetorenschUler  hätte  alle  die  in  der 
definition  aufgezählten  bedingungen,  sermonis  festivUas  (Cornif.), 
rerutn  variäas,  animorum  dissimilUudo^  gravitas,  Icvitas,  spes,  metus 
usw.,  fortunae  commutatio^  insperatum  incommodumf  subita  laetitia^ 
iucundus  eocitus  rerum  in  einer  seiner  Übungen  erfüllt,  so  hätte 
er  dies  kunstwerk  nicht  in  seiner  rhetorenschule  verkümmern  zu 
lassen  brauchen,  sondern  es  getrost  als  interessante  lectüre  vor 
das  grosze  publicum  bringen  können;  wir  müsten  vor  den  rhetoreu- 
schülem  der  hellenistischen  zeit  grosze  achtung  haben,  wenn  sie  der- 
gleichen geliefert  hätten.  Bohde  hält  es  freilich  wenigstens  nicht 
für  so  ganz  absurd,  an  no vollen  als  Vorbilder  für  diese  leistungen 


406 


GThiele:  zum  gnechiscbeD  romaG. 


der  rbetorenscbüler  zu  denken;  ich  glaube  aber  kaum,  dasz  Hohde 
selbst  fUr  die  novelle  rerum  varietates  und  einen  fr5blicben  scblusz 
als  bedingutix  aufstellen  würde. 

Ein  weiterer  einwand  von  ibm  ist^  dasz  eine  ähnllcbe  deGnition 
in  Ciceros  j?arf*  erat.  9,32  Torkommt.  allerdings  sind  mehrere  aaa- 
drücke,  in  denen  Cicero  dort  die  r\b€\(x  biritiicic  {stiauis  narratw) 
beschreibt,  fast  dieselben  wie  in  seiner  jugendscbrift;  aber  damit 
die  fjb€ia  bir|Tr|Cic  charakterisieren  zu  wollen  ist  verfehlt,  wie  Robd« 
selbst  anerkennt,  kein  vei*n (luftiger  rbetor  würde  jemals  f^  die 
gericblspraxis  eine  solche  be&chreibuug  der  f|?>€Ta  biritT|Cic  gebe» ; 
suavis  autem  narratio  est,  quae  hahet  admirationes,  arspectatiamBt 
exUus  inopinatoSf  inierpositos  nwtus  animorum,  coUoquia  personorum^ 
dolores,  iracunäias,  meUis^  l^aetitias,  cuptditates^  denn  das  passt  doch 
nicht  allee  auf  die  gewöbnlicben  narrationes  der  gerieb tsrede,  um 
so  näher  liegt  daher  der  schlusz,  wenn  man  einmal  die  teilweise 
übereinätimmung  dieser  stelle  mit  der  in  de  inventione  betont,  dasz 
Cicero  hier»  wie  so  oft,  sich  selbst  ausgeschrieben  hat.  was  dort  dio 
definiiion  der  fibeia  bii^YTicic  kot'  ^Eox^v,  dh,  des  roraajis  ist»  nahm 
er  für  eine  rhetorische  vorscbrift  für  die  fiarratio  der  g'erichtsrede, 
auf  keinen  fall  darf  uns  diese  stelle  der  part.  orat, ,  dieser  wüsten 
compilation,  irre  machen,  {de  inpentione  I  6,  B  ist  zb»  benutzt  auch 
in  den  part.  1,  62.) 

Übrigens  musz  man  doch  auch  einen  unterschied  machen  zwi- 
schen der  art  zu  erzählen  bzw.  einer  eigenschaft  der  erzähl ung  wie 
dem  f]hiüic  bir|t€Tc9ai  und  der  erzÄblung  selbst,  der  narratio.  dasz 
aber  in  de  inventione  nicht  blosz  von  der  art  so  oder  so  zu  erzählen 
die  rede  ist,  sondern  von  ganzen  abgeschlossenen  erzählungen,  er- 
gibt doch  folgende  erwägung:  wie  könnte  bei  Cicero  und  Corni- 
ficius  das  iertium  ^enus  narrationis  als  nicht  zur  gerichtsrede  ge- 
hörig bezeichnet  werden,  wenn,  wie  Rohde  will,  entweder  das  fjb^u)c 
bitlTn^icOai  oder,  wie  er  ein  andermal  sagt,  die  mehr  persönliche 
ethische  art  zq  erzählen  gemeint  wäre?  ist  denn  nicht  diese  art  zu 
erzählen  gerade  sehr  oft  in  der  gerichtsrede  zu  verwenden?  — 

Rohdes  einwände  gegen  meine  erklärung  der  Cicerostelle  er- 
weisen sich  also  durchaus  nicht  stichbaUig;  er  ist  jedoch  der  an - 
sieht,  dasz  ich  nur  durch  die  einteilung  der  bir)TilC€ic  beim  anonymua 
Seguerianus  tu  meiner  Interpretation  gekommen  sei  und  dass  mit 
der  deutung  jener  auch  diejenige  der  stelle  in  de  inventione  falle. 
das  ist,  wie  ich  eben  gezeigt  zu  haben  hofife,  durchaus  nicht  der 
fall,  obwohl  es  bei  der  synthetischen  beweisführung  dort  ('aus  der 
Anomia'  s.  128)  so  scheinen  könnte,  gegen  eine  identificierung  der 
einteilung  des  anonjmus  mit  denen  bei  Cicero  und  Comificius  er- 
hebt Rohde  auf  das  entschiedenste  einsprach ,  dabei  interpretiert  er 
jedoch  den  anonymus  willkürlich  und  falsch,  ich  musz  nunmehr  die 
ganze  stelle  aasscbreiben:  Spengels  rhet.  gr  I  s.  435,  jetzt  in  der 
Sonderausgabe  von  Graeven  (Comutus)  e.  12  §  63  (ci\  bk  TÜliv 
iiilTiIceuiV  €\br\  laöia-  m  ^^v  rap  öOtuiv  €iciv  <iXi)9€ic,  al  l>i  itc- 


GThiele:  zum  griechischen  roman.  407 

TiXacfidvai,  Ka\  al  iiky  im  xpiToiv  XeTÖ^cvai,  a\  bk  KaG*  iavT&c.  kqI 
Tüjv  kqG'  ^auxac  a\  ^^v  elci  ßiiuTiKai,  ai  be  kiopiKai,  al  bk  fiu- 
GiKai,  al  bi  7r€pnT€TiKa(.  täv  b*  im  KpiT&v  al  iikv  Kaiä  tö  dfiq[)ic- 
ßflTOÜjLievov  auTÖ  cuvicraviai,  al  bk  Tipöc  Ibiac  biriTnceic  xf^c  uiro- 
O^ceujc  X^TOvrai  (soll  wohl  heiszen  al  bk  npöc  Ibiac  uTroO^ceic 
buiTTJceic  X^TOVTai,  wenn  in  einer  rede  mehrere  ÜTioG^ceic  und  also 
auch  noch  einige  neben  erzähl  ungen  nötig  waren),  al  bk  Trap€fi- 
tt(7ttouci  mcT€UiC  2v€K€v  f\  a\)lf\ctwc  f\  biaßoXfic  f\  fiXXou  tivöc 
TOiouTOU,  äcTivac  Kai  TiapabniYnceic  rivk  KaXoOciv.  an  dieser 
stelle  setzt  dann  ein  anderes  excerpt  mit  einer  besondern  classi- 
fioierung  der  gerichtlichen  bir)Tilceic  ein ,  wie  überhaupt  der  ganze 
anonymus ,  was  im  einzelnen  Graeven  in  seiner  ausgäbe  ausgeführt 
hat,  nur  ein  cento  von  stücken  aus  den  verschiedensten  rhetoren  ist. 
darum  schon  durfte  Bohde  durchaus  nicht  die  worte  al  \xky  yäp 
auTÜJV  eiciv  dXnOeic^  al  bk  TiCTiXacfi^vai  mit  dem  folgenden  in  6in 
System  bringen  und  die  einteilung  dXriOeTc  und  TTeTiXacjn^vai  ver- 
teilen auf  die  vier  classen  ßiUJTtKai,  IcTopiKaf,  jiiuOiKai,  TrepmeTiKai, 
so  dasz  die  beiden  ersten  äXr)6€Tc,  die  beiden  letzten  TreTiXacfi^vai 
sein  sollen,  das  ist  ganz  willkürlich:  denn  beim  anonymus  ist  diese 
Bubsumiening  durchaus  nicht  gemacht;  es  müsten  dann  ja  auch  die 
dazwischen  stehenden  im  KpiTÜüV  X€T6^€val  biiiT^^ceic  mit  inbe- 
griffen sein,  und  es  müste  heiszen :  Kai  dXT]9€Tc  \xky  al  in\  KpiToiv 
XcTÖ^icvai  Ka\  al  ßiu)TiKai  Kai  al  IcropiKaf,  7T€7TXac|Li^vai  bk  al  ^u- 
OiKoi  Kai  al  TrepmeTiKai.  davon  steht  jedoch  nichts  da,  sondern 
dXriOetc  und  TreTiXacjn^vai  ist  eine  einteilung  für  sich  von  allen 
narrationes  ohne  rücksicht  auf  gerichtliche  oder  auszergerichtliche. 
wenn  die  beziehung,  welche  Bohde  hineinträgt  ^  stattfinden  sollte, 
80  konnte  man  höchstens  den  sinn  herauslesen^  dasz  dXriOeic  alle  die 
iii\  KpiTÜüv  XcTÖfievai  wären,  TreTrXacjLi^vai  dagegen  die  übrigen 
vier  gattungen,  was  ja  auch  mit  Rohdes  ansieht  von  den  ßiuiTiKa( 
in  Widerspruch  stände;  aber  auch  das  ist  der  sinn  nicht,  denn  die 
IcTOpiKai  kann  man  nicht  TT€7TXac|Li^vai  nennen,  ziehen  wir  nun  die 
von  Bohde  falsch  verstandene  einteilung  in  dXriOeic  und  TT€TrXac* 
^^val  am  anfang  ab ,  so  ist  der  unterschied  vom  System  des  Cicero 
und  Cornificius  nicht  mehr  so  grosz:  alle  erzählungen  sind  in  solche 
^Tri  KpiToiv  und  Ka6'  daurdc  geteilt,  dem  entspricht  genau  bei  Cicero 
und  Cornificius  die  definition  der  dritten  art  als  einer,  qtiae  a  citn- 
Ulms  catisis  remota  est;  aus  der  andern  art,  dirl  KpiTtXiv  sind  bei 
Cicero  und  Cornificius  zwei  hauptteile  gemacht,  während  sie  beim 
anonymus  6in  gent^  mit  zwei  und  noch  einer  ^  wahrscheinlich 
später  eingeschobenen  (vgl.  Graevens  ausgäbe)  abteilung  ausmachte, 
das  ist  aber  nur  ein  geringfügiger  äuszerlicher  unterschied:  denn 
die  definitionen  der  beiden  abteilungen,  welche  bei  Cicero  und 
Cornificius  stehen,  stimmen  fast  wörtlich  mit  der  des  anonymus 
überein. 
1)  Cicero:  unum  genus  est^  in  quo  ipsa  causa  et  omnis  ratio 
controversiae  continetur. 


408 


GThiele:  zum  griecbi&Ghen  romaD. 


Cornißcias:   tmum  est^  cum  exponimus  rem  gcsiam  et  unum 

quiägue  irahimus  ad  utilitaiem  nostratn  vincendi  cattsa^  quod 

pertinet  ad  cas  causas,  de  qiiihus  iudidum  futurum  est. 
monymu&:  xüüv  b'  im  KpiTiijv  al  ja^v  Katd  td  d|iq)icßr|TOu- 

^evov  auTÖ  cuviciavTai, 
2)  Cicero :  cdterum ,  in  quo  digressio  aliqua  extra  causam  aui  cri* 

minationis  aut  simüUudinw  aut  delectationis  non  älienae  ab 

€0   negoiio,   quo  de  agUurj   aut   amplificationis  causa 

interponitur, 
CorniEcius:  aUerum  genus  est  narrationis^  quod  iniercurrit 

non  numquam  fidei  atU  criminationis  aui  iransitionis 

aui  alicu ius  apparationis  causa . 
anoDymus:    ai    bc   irapcjuiTTiTTTOUci    TricTCUic   ^V€K€V   fi 

avlr]C€W€  f|  biaßoXT]C  f^  öXXoi/ ti vöc toioutou,  äcxivac 

Kai  TTapabiTifilceic  xivtc  KCtXouciv. 
Wer  sich  der  beweiskraft  dieser  wörtlichen  ühereinstimmung 
nicht  absichtlich  entzieh t^  must  ztigeben^  dasz  diese  hälfte  der  ein- 
teilung,  welche  sich  uuf  die  btrJTilcic  irt\  KpiTuiv  bezieht^  in  letzter 
linie  auf  dieselbe  quelle  zurückgeht  wie  die  bei  Ctcero  und  Comi* 
ficiuß,  die  andere  hälfte»  die  bififiicetc  Ka6*  4auTdc  XetifAevai  wer- 
den nun  beim  anoDjrouH  in  vier  classen  geteilt;  bei  Cicero  und 
Corntficiuä  stehen  tbatäächlich,  das  ISszt  sich  nicht  beötreiteDi  auch 
vier  classen,  nur  äind  dieselben  allerdings  nicht  hinter  einander  auf- 
gezählt,  sondern  in  zwei  genera  gruppiert:  unum  quod  in  negoHis^ 
altcrum  quod  inpersonis  versatur-y  das  ergte  genus  hat  drei  classen, 
welche  mit  2,  3,  4  des  anonymus  Qbereinstimmen :  denn  dasz  TT€pt- 
TTCTlKm  dasselbe  sei  wie  das  argumentum  der  Lateiner,  gibt  auch 
Rohde  zu.  es  bleiben  nur  noch  die  ßiuJTtKal  übrig,  und  es  fragt  sich 
nun,  ob  wir  diesen  namen  lieber  auf  die  aus  der  definition  bei  Cicero 
erschlossene  litteraturgattung  oder  mit  Rohde  auf  jede  im  leben  vor- 
kommende erzählung  wirklicher  ereignisse,  also  etwa  berichte  tlber 
einen  mord,  einen  brand,  eine  festfeier,  Qberhaupi  jede  zeitung  be- 
ziehen will*  ich  gestehe  allerdings  Rohde  zu,  dosz  man  hierüber 
zweifelhaft  sein  kann;  mir  ist  es  aber  wahrscheinlicher,  dasz  ein 
rhetor  bei  solchen  einteilungen  die  litteraturgattungen  im  äuge  hat 
und  nicht  die  Zeitungsnachrichten.* 


'  das  80  eben  von  UWilckeu  im  Hermes  XXVIII  a.  161  —  193  publi- 
eierte  fragroent  eiuei  bistomcheD  rorojina  auf  einem  Berliner  pap/nia 
habe  ich  ab&ichtllcb  in  meine  d&rlegang^  oieht  hineingezogen. 

MÜNCHEN«  Georg  Thj^lb, 


BVäri:  Oppiani  Cilicis  codicum  series.  409 

49. 

OPPIANI  CILICIS  CODICÜM  IN  BIBLI0THECI8  HODIE 
ADSERVATORtJM  SERIES. 


Cum  editionem  Oppiani  Halieuticornm  paraturns  essem,  pri- 
inam  de  codicibus  qui  extant  certior  fieri  debebam.  libros  manu- 
Bcriptos  ergo ,  quos  aut  ipse  quidem  in  bibliothecis  repperi  ant  quo- 
rom  notitiam  ex  aliorum  operibus  hansi,  lectoribus  huius  ephemeridos 
benevolis  enumerare  studeo. 

1.  Ambrosianus  C  222,  pari,  inf.,  bomb,  in  folio,  foll.  362, 
saec.  XIII  ineuntis,  miscellaneus ;  omnimodo  insignitaie  praestans, 
continet  Halieutica  cum  scholiis  et  hypothesi  vita  praecedente  inde 
a  folio  256 '^  usque  ad  fol.  299 ""  duabus  in  columnis.  particulae 
scholiomm  in  particulas  ad  quas  attinent  textus  poetici  succedunt. 
liber  primus  suis  cum  scholiis  legitur  a  fol.  258^—267'',  secundus 
a  267^—275'",  tertius  a  276 '•—282^,  quartus  a  282^— 291  ^  (fol. 
289  scriptura  caret,  290  desideratur),  quintus  a  291^ — 299^.  quae 
insuper  hoc  de  codice  noiatu  digna  sunt,  vide  apud  Guilielmum 
Studemund:  Anecdota  varia  gr.  I  (Berolini  1886)  p.  212:  ^in  codice 
celeberrimo  Ambrosiano  C  222  ord.  inf.  (qui  olim  «fuit  ex  libris 
Georgii  Merulae  et  coUegii  Chalcorum  [Mediolanensis]»)  fol.  bombyc. 
miscellaneo,  de  quo  conferas  Henricum  Keil  in  Mus.  Bhen.  vol.  VI 
(a.  1847)  p.  108  sqq.  et  Christophorum  Ziegler  in  Theocriti  editione 
tertia  (Tubingae  1879)  p.  VI  sq.*  conferas  et  Ziegleri:  codicis 
Ambrosiani  222  scholia  in  Theocritum  (Tubingae  1867)  p.  V  sq. 
optandum  est  ut  codex  totus  quam  primum  accuratissime  descri- 
batur.   contuli. 

2.  Ambrosianus  L  38,  part.  sup.^  chart.  in  8^,  foll.  113, 
saec.  XV.  complectitur  Oppiani  Halieutica  cum  vita  praecedente, 
glossis  interlinearibus  primum  rubris,  mox  inde  a  folio  17  cum 
rubris  tum  nigris,  demum  a  fol.  69  tantummodo  rubris.  scholia 
marginalia  omnino  paene  desunt. 

3.  Ambrosianus  E  112,  part.  sup.,  chart.  in  4^  maiori, 
foll.  117,  saec.  XVexeuntis.  continet  fol.  1 — 22*^  Nicandri  Theriaca 
cum  scholiis  et  gloi^sematibus  ad  finem  gradatim  paucioribus,  fol. 
22' — 30 ""  Nicandri  Alexipharmaca  sine  scholiis  vel  glossis.  folia  31 
et  32  scriptura  carent.  fol.  33^—83^  Oppiani  Halieutica  passim 
cum  scholiis  interlinearibus  modo  rubris  modo  nigris  adornata 
patent,  fol.  83^  finitur  Halieuticon  liber  tertius.  folia  84  et  85 
scripturam  non  praebent.  fol.  86'  continuatur  Oppianus  cum  scholiis 
nigris. 

4.  Ambrosianus  J  47,  part.  sup.,  chart.  in  4^,  foll.  212, 
saec.  XV,  miscellaneus.  continet  Oppiani  Halieutica  fol.  1' — 70'; 
deinde  folio  72'incipit  vita  Euripidis,  fol.  73' — 73^  legitur  diss. 
de  metro  iambico  Euripideo,  fol.  74' — 97'  Euripidis  Hecuba;  fol. 


410  RV&ri:  Oppiani  Cilicia  codicum  aeriea. 

97r__97v  tragoediae  illius  hypothesis;  fol.  98"^ — 126^  Euripidis 
Orestes,  cuius  tragoediae  hypothesis  extat  fol.  125'' — 126'';  fol. 
126^—152^  Euripidis  Phoenissae,  fol.  153«^— 153^  Aeschyli  vita; 
fol.  154»^— 174«^  Aeschyli  Prometheus,  fol.  175»-"192^  eiusdem 
Septem  ad  versus  Thebas,  fol.  193^  —  212'  Persae.  opera  haec 
omnia  scholiis  uberrimis  cum  marginalibus  tum  interlinearibus 
adornata  vidi. 

5.  Ambrosianus  H  18,  part.  sup.,  chart.  in  4®,  foU.  167, 
saec.  XV f  miscellaneus.  continet  fol.  1 — 7*^  excursus  de  piscibns, 
fol.  7'— 8^  vitam  Oppiani,  fol.  9'^— 94^  Oppiani  Halieutica.  littera 
initialis  pulcherrima  est ,  pictura  finalis  in  circulo  mare  inlustrat. 
habet'  scholia  nigra  et  glossemata  interlinearia  rubra,  praebet  titu- 
lum :  'GirTriavoö  dXieuTiKiöv  Trpanov.  fol.  95'  — 127  "^  Orphei  Argo- 
nautica ;  1 28 ' — 165 '  hymnos  Orphicos.  pagina  1 65  ^,  item  folia  1 66 
et  167  scriptura  omnino  carent.  fuit  e  libris  Octaviani^Ferrarii.  co- 
dicem  ad  Orphica  inspexisse  videtur  beatus  Eugenius  Abel. 

6.  Ambrosianus  G  48,  part.  sup.,  chart.  in 4^,  foliomm  270 
integrorum ,  18  magna  ex  parte  scissorum ,  saec.  XV  exeunte  exa- 
ratus,  miscellaneus.  complectitur  fol.  3 — 120""  Oppiani  Halieutica 
paucis  cum  scholiis  et  glossis  interlinearibus  nigris.  praecedit  in 
foliis  duobus  primis  vita,  succedit  inde  a  folio  122'  (folium  121  scrip- 
tura yacat)  usque  ad  finem  Achillis  Tatii  opus  de  Clitophontis  et 
Leucippae  amoribus. 

7.  Taurinensis  gr.  C.  VII 1  (antea  sign.  b.  VI  16),  chart.  In 
8  *^,  foll.  56 ,  saec.  XVI.  continet  tres  priores  libros  Oppiani  cum 
vita  praeeunte  fol.  1 — 45\  contuli  libri  primi  vv.  1 — 322.  'fol.46 
sunt  Theognidis  sententiae,  deficientes  tarnen,  fol.  53  Phocylidis 
poema  admonitorium'  (cf.  Codices  mss.  bibl.  Begiae  Taurinensis 
Athenaei,  rec.  losephus  Pasinus,  Taurini  1749,  sub  n.  235). 

8.  Venetus  Marcianus  gr.  468,  bomb,  in  folio,  foll.  190, 
saec.  XIII,  miscellaneus.  continet  Oppiani  Halieutica  multis  cum 
glossis  interlinearibus  fol.  1 — 32"^  dnabus  in  columnis:  scholia  mar- 
ginalia  extant  paucissima.  cf.  Tttselmann:  zur  handschriftlichen 
Überlieferung  von  Oppians  Kynegetika,  Nordhausen  1890,  p.  10. 
contuli. 

9.  Venetus  Marcianus  gr.  466,  chart.  in  4 ^,  foll.  207,  saec. 
XrV,  miscellaneus.  continet  Oppiani  Halieutica  inde  a  folio  127' 
usque  ad  folium  206"^  (207  scriptura  caret),  uberrimis  cum  scholiis 
interlinearibus,  marginalibus  contra  paucioribas.  in  singulis  foliis 
extant  40 — 42  versus,   contuli. 

10.  Venetus  Marcianus  gr.  480,  membr.  in  folio,  foll.  446, 
saec.  XV,  miscellaneus.  habet  Oppiani  Halieutica  fol.  1 ' — 80^  cum 
scholiis  interlinearibus.  in  columna  extant  44  versus,  cf.  TQsel- 
mann  1.  1.   contuli. 

11.  Mediceus-Laurentianus  plut.  31,  cod.  39,  membr.  in 
4<^,  foll.  106;  saec.  XII.  continet  Hesiodi  Opera  et  Dies  fol.  1—20'' 
et  inde  a  folio  21 '  Oppiani  Halieutica  cum  glossis  inierlinearibas. 


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Fjr'rtL'lht    If*^    LZ-     "--:*».-     :"   ,T;'^       .N      -^     ^        ^    «,%  ,-••.-    .vr. 

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T\UVIV€    TÖ    7IcXl«€paCT0V    ^Mlfi     V*PV    K^rtU«  Ui'\    ^^^^Mn^^ll•^        »  •'•l»iw 

hanc  nctitiam  Arthurus  l.iuiwuh  i«ri««i  «.ohu  mw»  ^i^^n^tt-nr  •  •»»« 
mimic&Tit  et  coHationoiii  quoi^uo  \\\u^  i^^^\)^^>\*'  \\h*^^*%\\\*'\  s\\\\\\\\i 


412 


BV^i:  Oppiani  Cilicifl  codicum  serieB. 


16«  MediceuB-Laurentianus  plut.  86,  cod.  21,  chart.  in 

4^  folL  122,  saec.  XV.  habet  Oppiam  Cilicis  Halieutica  fol.  1  —  78^ 
et  Cjrnegetica  fol.  79^  usque  ad  finem  libri.  Halieutica  ßchoUis  in- 
strocta  sunt,  Cynegetica  m  carent    cL  Tüselmann  L  1.  p*  10  aq. 

17.  Vaticano-Ürbinas  gn  148,  chart.  in  4**,  folL  80,  saec. 
XV,  continet  Oppiani  Halieutica,  finitur  codex  vita  Oppiani.  textud 
incipit  fol.  3^  in  unoquoque  folio  21  -|-  21  (=  42)  versus  leguntun 
contuli. 

18.  Vaticano- Palati  nus  gr,  131,  chart,  je  4^  folL  116, 
saec.  XV,  miscellaneus.  continet  Oppiani  Halieuticorum  librum  pri- 
mum  (cuius  desunt  vv.  337  —  462  et  681—797)  inde  a  folio  116 
usque  ad  folium  131.  cf.  HStevenson :  Codices  tnss,  Palatini  Graeci 
bibl.  Vaticanae  descripti  praeside  I.  B.  CardiDali  Fitra,  epi&copo 
Portuensi  (Eomae  1885)  p,  63. 

19.  VaticanoPalatinus  gr.  96,  chart.  in  8^  foll.  129* 
foHa  1 — 52  anno  p,  Ch,  n,  1481,  posteriora  tria  saec.  XVI  scripta 
sunt,  eontinentur  in  hi»  quidem  foliisallegatis  Oppiani  Halieuticorum 
libri  III  priores  cum  scholiolis  passim  in  margine  atque  glossis  inter 
lineas.  est  codex  Schneiden  Palatinus  alter,  P  2.  cf.  Stevenson 
l  l  p.  48. 

20.  21.  quod  ad  duos  Codices  Vaticanos  graecos  attinet, 
legas  notitiam  quam  Henricus  Stevenson  maxima  cum  liberalitate 
mihi  per  litteras  nuper  aperuit: 

■Cod.  119,  miscelianeus  in  8**,  chart»  foll,  125,  praeter  alia  con» 
tinet  Oppiani  Halieutica  f.  78,  librum  H  f.  97,  III  f.  109,  IV  f.  121. 
descripta  manu  saec,  XV  incipientis  (fortasse  etiam  XIV  exenntis)* 
glossae  in  marginibus  ampliseimae  nigro  ütramento  et  Inter  lineaa 
subrubro  evanido.    vitam  Oppiani  non  repperi. 

Cod.  43|  chart.  in  8^,  foll.  198,  una  manu  conscriptus  (deruptia 
foliis  1 — 4)  continet  inter  alia  Oppiani  Halieuticorum  libros  tres 
priores  t  116.  147*  173 ""^  praemiösa  f.  115  vita  Oppiani,  quae  ine, 
*OiTTTiavöc  6  TTOiTiTfic.  f.  198*  suhßcnptio  librarü  i.  e.  cuiusdam 
loannis  toO  TapxoiviiüTOU,  qui  pluries  subscripsit  aliunde  in  eodem 
codice  et  fuit  anagnosta  magnae  ecclesiae  i*  e.  Constantinopolltanae. 
manu  saec.  XV  glossae  inter  lineas  rnbro  colore,  item  in  margi- 
nibu$,  sed  initio  tantum,  videlicet  foliis  116^  et\  117*^  et  116% 
deinde  de^iderantur  spatio  vacuo  rellcto.  glossae  interlineares  di> 
versae  ac  in  cod.  1 19.  marginales  priores  fere  e&edem,  sed  breviorea» 
postea  videntur  pleromque  diversae.  dabam  Bomae  XV  kal.  Not» 
1892.' 

22.  Borbonico-Neapolitanas  11  F  17,  chart.  in  folio, 
foll.  231  nnaque  cbarta  crassa,  nitida,  est  miscellanL^us,  duplici 
cbaractere  oxaratus  saec.  XIV  secundum  Cyrilliuro  (catal.  bibl.  Bor- 
bonicae  codjcum  graecorum,  Neapoli  1826,  sub  n,  174),  saec,  XV 
teste  Abelio  (Collüthi  Lycopolitani  Carmen  de  raptu  Helenae  [Bero- 
lini  1880]  p.  9:  'ab  eadem  manu  qua  Quinti  Smymaei  codex  Par- 
rhaeianus  praestantisaimus*).  habet  Oppiani  Halieutica  foK  1 '  — 118' 


BY&ri:  Oppiani  Cilicis  codicum  series.  413 

'cum  scholiis  inter  lineas  et  ad  margines.  seorsum  vero  in  foliis 
interpositis  exbibentur  scbolia  nberiora,  quae  ab  aliis  Tzetzae ;  ab 
aliis  Diacono  Qaleno  tribuuntur.'  'in  calce  libri  primi  leguntur  epi- 
grammata.'  pertinuit  ad  lanum  Parrbasium  et  deinde  ad  Cardinalen 
Seripandam.   contuli. 

23.  Borbonico-Neapolitann8nF18cbart.in8^  foll.64, 
saec.  XY  ineuntis.  'si  ezcipias  priora  octo  folia,  cbarta  est  crassa, 
füsca,  rudis.  glossae  inter  lineas  rubrica  distinguuntur.  complectitur 
codex  priores  tres  libros  Oppiani  de  piscatione  et  initium  quarti 
nsque  ad  v.  46  cum  glossis  inter  lineas  et  perpaucis  scboliis  ad  mar- 
gines.'    cf.  Cyrilli  1.  1.  sab  n.  175.   inspexi  hunc  codicem. 

24.  Borbonico-Neapolitanus  II  D  4,  bomb,  in  4®,  foU. 
242,  saec.  XIII,  miscellaneus  'pluribus  in  locis  corrosus  a  tineis. 
Bcriptnra  est  varia,  ut  plurimnm  subrubra,  nexibus  implicata,  lectn 
non  semper  facilis.  continet  Lycopbronis  Alexandram  [cf.  Ed.  Scbeerii : 
Ljcopbronis  Alexandra  I  (Berolini  1881)  p.  IX]  et  alia  poetamm 
opera,  quae  in  sectione  de  poetis  describentur'  (Cyrilli  1. 1.  snb  n.  100 
et  166).  fragmentum  carminis  Oppiani  de  re  piscatoria  bic  codex 
a  y.  253  usqne  ad  487  libri  primi  foliis  238  ** — 242 ""  continet.  nno- 
quoqne  in  folio  lectn  nbique  difficillimi  extant  15  -|~  1^  ("^  30) 
versus,   contuli  fragmentum. 

25.  Parisinus  Begius  gr.  2735  (olim  Boistallerianus) 
bomb,  in  8®,  foll.  200,  miscellaneus,  saec.  XIY.  continet  Oppiani 
Halieutica  —  vita  praecedente  —  cum  scboliis  plurimis  marginali- 
bus  et  glossis  magna  ex  parte  minio  scriptis  f.  1 — 82^.  cf.  indicem 
codicum  Dionjsii  periegetae  in  edit.  Bernbardyi  (Lipsiae  1828) 
p.  XXXIV.  contulit  iam  Rieh.  Fr.  Pbil.  Brunck^  cuius  collatio  ani- 
madversionesque  adservantur  in  codice  suppl.  gr.  392  bibliothecae 
Nationalis  Parisinae,  ubi  bunc  codicem  inspexi.  est  Scbneideri 
Begius  secundus  :R2.   contuliipse. 

26.  Parisinus  Begius  gr.  2861,  papyraceus  in  4^  foll.  120, 
saec.  XVI.  continet  fol.  1*^—88^  Oppiani  Halieutica  cum  scholiis 
marginalibus  et  interlinearibus,  fol.  89  usque  ad  finem  epinicia 
Olympiaca  Pindari.  est  ex  Scbneideri  sententia  codex  Tumebi, 
apud  Schneiderum  ipsum  Begius  primus:  Bl.  contuli.  contulit 
etiam  Brunck,  cuius  collationem  una  cum  codicis  prius  allegati  in 
libro  ms.  suppl.  gr.  392  extantem,  cum  Lutetiis  Parisiorum  a.  1890 
commorabar,  inspexi. 

27.  Pari  sin  US,  bibl.  Nat.  suppl.  gr.  498,  chart.  in  8®,  foll. 
111,  miscellaneus,  saec.  XV.  continet  Halieuticorum  duos  priores 
libros  et  tertii  vv.  1 — 641  cum  notulis  marginalibus  et  glossis  minio 
pictis  interlinearibus,  fol.  43'  usque  ad  fol.  111.  unoquoque  in  folio 
30  versus  leguntur.   contuli. 

28.  Parisinus,  bibl.  Nat.  suppl.  gr.  166,  chart.  in  8^  foll.  91, 
saec.  XVI  secundum  Henricum  Omont  (inventaire  sommaire  des 
mss.  du  suppl.  grec.  de  la  bibl.  nat.,  Paris  1883),  saec.  XVII  mea 
sententia;   pessimae  notae.    complectitur  Oppiani  Halieutica  (ine. 


414 


BYä^!  Oppiani  Cilicis  oodicum  aeriee. 


foL  5,  expL  foU  91}  cum  glossis  et  scbaUis  marginalibus  laiinis,  vita 
praeced eilte*    inapexi* 

29.  LondinenBis  (ßutleriaiias)  n.  11890  (plnt  286  B), 
Chart,  in  8^  folL  110,  saec,  XV.  *contmet  qaattuor  priores  Hbros 
Oppiani  com  glossia  rubris,  scbolits  atramento  scriptis  paucis&imis/ 
cont  uli. 

30.  Oxoniensis-Bodteianus  243  gr.,  cbart.  in  4^^  foIL 
187,  saec>  XV,  miscellaneus,  manu  Francisci  Byrenaei  exaratus. 
continet  (fol.  3  — 183)  Oppiani  HaJieutica  cum  scbolüs  uberrimis  et 
glossis  inter  lineas  minio  in&ertii.  cf.  Coxe:  catalogas  codd.  tnss, 
bibL  Bodleianae»  pars  I  (Oxonii  1853)  p.  800  sq.    cont  uli, 

31.  Middlebillenäis,  in  Inbliotbeca  Tbomae  Fblllippsii  ba- 
roniS)  quae  quattuor  milia  codicum  continebat,  describitur  apud 
Haenelium  (catalogi  librorum  mss.  qui  in  bibL  Galliae  etc.  asser- 
vantur»  Lipsiae  1830)  p.  840  sub  n.  1560  :  'Oppiani  Halieuticon 
(seu  de  piscatione)  versibus  hexametris  libn  IV^  qnorum  primus 
cum  glossiSf  saec«  XVI^  e  Ubris  bibliotbecae  Meermanl/  codex  uuno 
est  Berolinensis,  ut  testanttir  verba  Maximilian!  Treu  in  comm. 
*Mazarig  und  Holobolos*  (bjzant.  zs.  I  [1892]  p,  86  —  97)  p.  86: 
*aus  GHaenels  catalogi  librorum  mscr.  s.  841  wüste  tcb  Ittogst,  daas 
nocb  eine  andere  bs.  des  totengesprächs  in  der  Pbillippsscben  bi- 
bliotbek  zu  Middlebill  existiere,  durch  meinen  freond  Leopold  Cohn 
erfuhr  ich  nun,  dasz  eich  diese  unter  denjenigen  hss«  befinde,  welche 
aus  jener  jetzt  in  Thirlestaine  House  in  Cheltenbam  aufgesteUten 
bibliotbek  für  die  Berliner  k,  bibliotbek  vor  einigen  jabren  angekauft 
worden  sind,  es  ibt  dies  der  codex  Pbiilippicus  1677  und  wird  von 
Leopold  Cobn  bescbrieben  in  dem  1890  zu  Berlin  gedruckten,  aber 
noch  nicht  herausgegebenen  katalog:  Codices  ex  bibliotbeca  Me^r- 
manniana  PhiUippici  Graeci  nunc  Berolinensea  descrip^erunt  Guilei- 
mus  Studemund  et  Leopoldus  Cohn  s.  75  ff/ 

32.  Vossianug  mlscell.  16,  cbart.  in  folio  (7),  saec.  XV, 
foil.  (?)  continet  ^ecundum  catalogum  bibl.  publ.  univ.  Lugduna- 
Batavae  (Lugd.  Bat.  1716)  p.  402*»  'Plutarcbi  TTXaxuiviKa  InTfi-^ 
^OLia^  dbv  oiix  eup^On  f\  dpxTJ.  ircpi  ttjc  olxobo^iic  Kai  dvoKTiccuic 
Tfjc  CoÄpiac  Basilir  Magni  ^KKXnciacTitcfi  xai  pucTiKfj  irpoöeujpio, 
per  interrogaUones.  anonymi  qna^stiones  physicae.  Oppiani  vitii 
et  halieutica.  rragmenium  de  gestis  Hercolitf/  quibus  praefectua 
bibliotbecae  Leideni>is  inlustrissimus  G.  N.  du  Riea  a  meper  titteraa 
rogatus  liberaliter  a  conservatore  mse.  Lugdono-Batavorum  8.  G. 
de  Vries  baec  addenda  curavit:  7olia  29  —  36^  continent  Oppiani 
vitam  et  Halieut.  I  vv.  1—169.  fol.  29  —  29^  Bloc  ömavou  (vita 
prima  Westermanni  in  eins  biograpbis  graecis  minoribna ,  Bruns* 
vigae  1845,  p.  63),  tum  duorum  versuum  spatio  relicto  vacuo  se- 
qunntur  2  vv.:  *OTiniavdc  ceXibecctv  ....  6\^o\  dircip^ciov  (Weater- 
mann  p.  6^).  nulJa  aubhcriplio.  fol.  30  —  36''  Oppiani  Halieut.  X 
l — 109,  inecrib. :  ömovoO  dXi€\JTi»cdv  ßißXiov  a.  desinitin:  ^bk 
bpcXKOVTCC  (v.  169)  in  imo  foUo  36*;  «ed  subscriptus  est  «cuatoa» 


£Täri:  OppiBiü  Cilicis  oodicoB  Mms.  415 

qni  didtar  qnateniioiiis  olim  sequentis:  d^oi  T€  (t.  170).   scholia 
aliquot  mbro  eolore  inier  linea«  sunt  adscripta,  sed  non  ultra  t.  59.' 

33.  Heidelbergensis  Palatinus  40  gr.»  bomb,  in  4* 
fonnae  maioris,  foU.  501,  miscellaBeas,  saec  XIV.  complectiUur 
Oppiani  Halieotica  cum  scholüs  ritaque  praecedente  fol.  87^ — 115^ 
duabns  in  oolumnis.  eontuli.  excussns  est  cum  a  Rittershusio  (ut 
es  eiua  editione  a.  1597  typis  excusa  sparet),  tum  a  Scbneidero, 
cuiQS  est  codex  Palatinus  primus^  Pa.  cf.  etiam  F.  Wilken:  gesch. 
der  bildung,  beraubung  und  Temichtung  der  alten  Heidelb.  bflcber- 
■amlung  (Heidelberg  1817)  p.  276. 

34.  Dresdens is  Da  26.  'Oppiani  Halieuticorum  libri  V,  sed 
mutili;  desunt  enim  libri  I  tt.  413—592  et  libri  Y  tt.  658—680. 
aecednnt  scholia  graeca  interlinearia  et  marginalia.  cod.  cbart.  113 
fbliornm  in  4*^  min.  saec  XV  ineunte  scriptus.  fuit  quondam  mo* 
liaaterü  Iberorum  montis  Athonis.  lectiones  conspirant  cum  illis 
quaa  Schneiderus  in  ed.  anni  1813  dedit  ex  eo  codice  quem 
Mosqnenaem  vocat.  [constat  quosdam  libros  mss.  Mosquenses  a 
F.  C.  Matthaei  anno  1788  bibliothecae  Dre^densi  Tenditos  esse.]* 
F.  Schnorr  von  Carolsfeld:  katalog  der  handschriften  der  kGn.  5C 
bibliothek  zu  Dresden  (Leipzig  1882)  vol.  I  p.  289. 

35.  Dresdensis  Da  27.  ^Oppiani  Halieuticorum  libri  III 
priores,  cum  scboliis  graecis  interlinearibus  et  marginalibus.  prae- 
eedunt  vita  Oppiani  et  crixoi  Tzetzae.  cod.  chart-.  75  foliorum  in 
4*^,  saec.  XV.  a  loanne  quodam  exaratus.  alia  manu  saec.  XVI  in 
fine  snbscriptum  est  constitiese  eum  sex  aureis.  fuit  deinceps  F.Sjl- 
buigii  et  C.  Bittersbusii  (cuius  conferatnr  editio  L.  B.  1597)  et  ad 
Begiam  bibliothecam  accessit  e  bibl.  Ch.  Gli.  Schwarzii,  prof.  Altorf. 
pretio  6  florenorum.'   (F.  Scbnorr  y.  Carolsfeld  1. 1.  p.  289.) 

36.  Vindobonensis  philol.  Qr.  135,  membr.  in4^  foll.  197, 
miscellaneus ,  saec.  XIV.  continet  Oppiani  Halieutica  cum  scboliis 
marginalibus  et  interlinearibus  (yitaque  praemissa)  fol.  4'' — 141  \ 
cf.  Nessel:  catalogus  omnium  codd.  mss«  Graecorum  (Viennae  et 
Norimbergae  1690)  partis  IV  p.  78. 

37.  Vindobonensis  pliilol.  Gr.  241,  chart  in  4®  minori, 
foll.  286,  miscell.,  saec.  XV  (teste  subscriptione  a.  1445)  exaratus. 
complectitur  Oppiani  Halieutica  cum  scboliis  marginalibus  atque 
interlinearibus  vitaque  praecedente  fol.  1*" — 132''.  in  folio  132* 
legitnr  subscriptio:  dTcXeiuiBr)  tö  irapöv  ßißXiov  dv  ^iiiv\  ^apT(l|i 
Clc  TQC  r  tr"  u-^ToO  Q^"*  D^""  v^  t""  «touc.   cf.  Nessel  1. 1.  p.  130. 

38.  Vindobonensis  philol.  Gr.  137,  chart.  in  4^  foll.  161, 
miscellaneus,  saec.  XVI.  continet  Oppiani  Halieutica  fol.  7 1"^— 151  \ 
sequuntur  vita  et  h/pothesis.   cf.  Nessel  1. 1.  p.  78. 

39.  Vindobonensis  philol.  Gr.  265,  chart  in  4«,  foll.  78, 
saec.  XIV  exeuntis.  continet  Halieutica  cum  glossis  minio  piotis. 
cf.  Nessel  1.  1.  p.  133. 

40.  Vindobonensis  philol.  Gr.  243,  chart  in  4^  foll.  133, 
miscelL,  saec.  XV.    continet  Oppiani  Cilicis  Halieuticorum  libri  I 


416 


EV^ri:  Oppiani  Cilicia  oodiotim  series. 


vv,  1 — 99  cum  vita  praecedenie.  ante  folia  papyracea  est  unum 
folium  membraneum,  quo  litterae  latinae  extant,  sicut  toto  in  codice 
inde  a  folio  73  usque  ad  finem,  quaedam  folia  omoino  scriptura 
carent:  4^,  5—13,  24 \  27—28,  47—48,  69—72,  84 %  88—92, 
93^— 112'^,  117%  118^-^124^  128^— 12^^  132—133.  ex  Aeso* 
picifi  fabulis  continentur  (foL  14 — 24^)  editionia  Halmianae,  sed 
aliquotieB  alterius  recensionis:  45»  39,  9,  14,  22,  47^,  59,  55,  24, 
74,  90,  111,  221,  301,  144 ^  169,  232,  248,  286,  296,  308,  351, 
370,  169,  392,  202,  25,  421,  398,  336,  333,  110.  129,  192,  303, 
289,  86,  328,  4,  401,  374,  214,  1S\  231,  343,  329,  323 •>,  412, 
260,  246,  275,  135,  247,  49,  66,  157,  96^  386,  179 ^  171,  276\ 
in  fine;  ouk  €Öpov  (!)  ttXciouc  puBouc  alcuiTTOu.  ex  pseudo-Pho- 
cjlidis  carroinibus  (foL  25  —  26)  editionis  Bergkianae  ?t.  1 — B2 
leguntur,  deinde  fol.  29 — ^46  scbolia  quaedam  rhetorica^  quae  in- 
cipiunt:  Kai  Ictl  tou  TravTiT^piKoO  ibiov  to  ip^ytiv  Kai  ^TTöiveivi 
69ev  TÖ  ^YKtli^iov  Kai  6  ijiöxoc  Ka»  f]  cuTKpiciC  eqs,,  finiuntur:  TrriXl- 
KOiaiov "  olov  )iiya  xö  ^tyovöc  *  tö  npöc  it,  öti  peiZov,  f[  &  trpo- 
ßdXXerar  tou  tdc  vaöc  f|  m  reixr\  rrpobouvar  dvTiXrni^ic.  foL 
49—68  legitur:  ^p^oT^vouc  ttepi  ^eOdbou  b€iv6rT|T0C.  contuli 
hunc  codicem. 

41,  Pragenäis,  cbarL,  saec.  XIY*  continet  Halieutleorum 
duos  libroä  priores  secundum  FPasäOvrium,  qui  in  indice  lectionum 
Vratifllaviensium  a.  1824  (=  opusc.  acad,,  Lipsiae  1835,  p. 203— 214) 
varias  lectiones  edidit.  ubi  liodie  lateat,  nescltur;  Aloi&ius  Rzach, 
quamvis  strenue  quaereret  (etiam  in  monasterio  Strachoviensi), 
meurn  ad  usum  reperir©  codicem  non  potuit,  falUtur  ergo  PreuBS, 
cum  in  libello,  qui  'zum  spracb gebrauch  der  Oppiane.  II.  Liegnitz 
1883'  inscribitur,  p,  2  haec  scripsit:  'die  von  Passow  verglichene  bs. 
der  gedicbte  der  Oppiane,  welche  gich  im  Prftmonstratenserstift 
Stracbov  bei  Prag  befindet,  ist  nicht  zu  verwechseln  mit  dem  in 
derselben  bibliotbek  sich  befindenden  griechischen  midcellancodexp 
welchen  Kvicala  aufgefunden  hat.* 

42,  Pragensis  Strachoviensis,  msc.  n.  30  (X  II  10a), 
cbart  in  folio,  foll.  175,  miBcelL,  saec,  XV*  complectitnr  Oppiani 
Halientica  quibusdam  in  partibus  mutila  cum  vita  praecedente.  est, 
ut  ait  Aloiäius  E^ach,  unicua  codex  graecus  monasterii  Stracho* 
vienais*  codicem  descripsit  Fridericus  Schubert:  eine  neue  band« 
schrift  der  Orphischen  Argonautika  (Wiener  Sitzungsberichte  d.  phil- 
hist.  classe  d.  kais.  akad.  d.  wisd.  1881  vol.  XCVm  p.  449—486) 
p.  449—455, 

43,  ConstantinopoliianuSf  extat  in  bibliotheca  Caesarea^ 
Conatantinopoli ,  teste  Eugenio  Abel,  qui  per  litteras  mihi  Venetiat 
missas  huius  codicis  mentionem  fecit  (a,  1889  die  XXVI  m.  Sep- 
tembris),  cum  iussu  et  impensis  Aeademiae  Utteraram  HungarioM 
bibliothecam  Caesaream  perscrutatus  eat. 

BuDAPßSTiNi,  BuDOLFca  VXri, 


ThBreiter:  zu  Manilius.  417 

50. 

Zu  MANILIUS. 


Die  meines  wissens  noch  unbenutzte  handschrift  des  Manilins 
in  der  nationalbibliotbek  zu  Madrid,  früher  im  Escorial,  aus  dem 
ende  des  vierzehnten,  spätestens  dem  anfang  des  fünfzehnten  jb. 
(vgl.  über  sie  sitzungsber.  des  pbil.-hist.  classe  der  k.  akademie  der 
wiss.  113r  bd.,  Wien  1886,  215  ff.)  bietet  mir  anlasz  zu  den  nach- 
stehenden  bemerkungen.  ich  bezeichne  ihre  lesarten  mit  e,  und  mit 
m^  die  verschiedenen  spätem  bände  aus  dem  15n  jh.  weitere  mit- 
teilungen  über  diese  hs.,  welche  —  das  erste  blatt  ist  herausgerissen . 
—  auf  f.  l'^  mit  I  82  beginnt,  behalte  ich  mir  an  einem  andern 
orte  vor. 

I  87  L  et  uagus  in  caecum  penetrauit  nauita  pontum, 
fecU  et  ignotis  itiner  commercia  terris. 
iiiner  ist  durch  glcvW^p*  zu  fest  bezeugt,  ihnen  schlieszt  sich  e 
an,  welcher  tnter  bietet,  dagegen  kommt  nicht  auf,  wenn  m*  — 
wohl  die  jüngste  aller  hss.  des  Manilius,  und  vielleicht  ist  sie  aus 
einem  der  ältesten  drucke  abgeschrieben,  nicht  vor  dem  anfang  des 
16n  jh.  —  Her  et  gibt.  Bentley  verschönert  hier,  wie  so  oft,  den 
dichter,  indem  er  iter  in  aus  dem  sehr  jungen  cod.  Yen.  aufnimt. 
wer  inter  festhalten  will ,  kann  damit  auch  eine  plausible  conjectar 
leisten. 

I  97  f.  quam  caelum  ascendit  ratio  cepüque  profundam 
ncUuratn  rertfm  causis^  uiditque  quod  usqu^tm  est. 
profundam  haben  gle;  profundum  cvW^,  profundis  mp  (M**:  aV 
profundam).  casus  M.:  aV  causis  p.  causis  die  übrigen,  nur  e  bietet: 

rerumA   causis.   dies  führt  auf: 

cepüque  profundam 
naiuram  rerum  et  causa s. 
I  171  ictaque  contra  actis  consistunt  corpora  plagis. 
contraäis  alle  auszer  e:  contra  ediSy  was  für  contra  ictis  spricht. 
I  272  post  hunc  infleocam  defundit  aquarius  urnam, 
piscibus  assuetas  auide  suheuntihus  undas. 
diffundit  gl c m  p ,  infundit  v^  v^.  defundit  schrieb  Scaliger;  aber  eben 
dies  bietet  e  und  daneben  inflexa  und  urna^  so  dasz  mit  hinweis  auf 
IV  259  nie  quoque  inflexa  fontem  qui  proicit  urna  ich  empfehlen  musz : 
post  hwnc  inflexa  defundit  aquarius  urna  usw. 
I  320  ff.  .     .     Corona 

luce  micans  uaria:  nam  Stella  uincitur  una 
circulus  in  medio  radians,  quae  maxima  fronte 
candidaque  ardenti  distinguit  lumina  flamma. 

*  p  =s  cod.  Paris,  nach  einer  collation  Dübners;  m  s»  Monacensis. 
♦*  M  =  margo  im  p. 
Jahrbücher  für  class.  philol.  1893  hA.  6.  27 


ThBreiter:  zn  M&mlitiB. 


neben  g  bat  ixnr  e  mediu:  e  allein  bietet  radiaL  es  ist  demnach  £ia 
schreiben ; 

nam  $tdla  uincUur  una 
circidus^  in  media  radial  quae  maxima  fronUf 
wie  Bentley  vermutete, 

I  389  fiec  mintis  extento  sur^entetn  sidera  passu. 
*8%trgentem  sidera  omnes'  sagt  Jacob*    aber  ad  sidera  bietet  e  (und 
dasselbe  findet  dch  in  m  und  p), 

I  539  ff,  ipse  autem  quanium  conuexo  mundus  Ol^mpo 
ohtincat  spatium ,  quantis  bk  sefia  ferantur 
finibus  astra ,  docet  ratio, 
das  asyndeton  hat  hier  keine  berecbtigung«    ganz  richtig  bietet  e 
et  quaniis. 

I  557  f.  nee  mirere  uagos  partus  eadem  esse  per  astra 
et  mixtum  ingetiti  gener is  discrimine  faium, 
der  dichter  wiederholt  den  gedanken  des  ersten  verses  im  zweiten 
in  anderer  fassnng.   zu  tiagos  partus  ist  aber  nicht  mixtum  fatum 
eine  Variante^  sondern  was  e  bietet:  mixtum  —  fctum, 
I  682  proximtis  hum  ulira  hrumalis  nomine  dngens 
uUima  dcsignat  fulgentls  lumina  solis. 
eingem  schreibt  Jacob  nach  cvWp  und  m  {cign€ns)\   er  meinte 

♦  cingens 

wohl  cingens  sei  =  drculus,  in  1  findet  sich  tmgens »  in  g  tangens. 
zu  Bentleys  uQih^h^M  gaudens  braucht  man  nicht  zu  greifen:  die 
redite  spur  zeigt  e  tlmens  (einschiebung  eines  n  vor  s  findet  sich  in 
den  hss.  oft,  zb.  II  316  uolens  1,  noUns  g  statt  uoles),  es  ist  tu 
lesen: 

proximus  hunc  uUra  hrumalis  nomine  lim  es, 
Umes  ^=  drculus  y  orhis^  vgl,  v,  609.  711  usw. 

I  589  f.  unus  ah  his  supcrest  exiremo  proximus  axi 

drculus  austrinus^  qui  stringit  ä  ohsidet  ardos, 
*ausirinus  omnes*  sagt  Jacob,   die  vnlg,  austrinas  stützte  sieb  nur 
auf  m  und  p.    aber  e  hat  a  strin  s  und  erst  von  späterer  band  ist  u 
eingefügt,    ich  ziehe  at/^trinas  vor. 

I  628  posieriora  pedum  ^nosurae  perierit  astra. 
^perterÜ  omnes'  Jacob,    die  vulg,  protcrit  stammt  aus  m  und  p. 
richtige  bietet  e :  preterU ,  und  so  erhält  Bentleys  Vermutung  il 
bsl.  bestätigung. 

l  819  nuhüa  cum  longo  cessant  depuisa  sereno. 
dispulsa^  was  nur  e  bietet,  dürfte  vorzuziehen  sein. 
I  842  ff.  txaequai  dolia  ftammis 

procere  distenia  utero  pandosque  capellos 

mentUur. 
in  843    bietet  e  procero  (so  auch  l^c,)  uieros  (so  auch  gl,)  spar* 
iasque  capeUas^  wa«i  für  procero  distenia  utero  sparsasque  ca- 
pellas  spricht. 

H  9  omnis  posteritas  lutices  in  camiina  df4xU. 


ThBreiter:  zu  Manilius.  419 

lances  bieten  alle  hss.  auszer  e.   hier  steht  von  erster  hand  loHtts^ 
und  c  aus  dem  zweiten  t  änderte  nij. 

n  46  f.  quin  etiam  tenebris  immersum  tartaron  atrum 
in  lucem  de  nocte  uocani, 
e  bietet:  inmesum  tartara  nacta  {nairä  g),  c  und  t^  r  und  t  sind  in 
e  unzählige  mal  verwechselt,    seine  vorläge  hatte  wohl:  inmersttm 
tartaron  atra  in  lücem  de  nocie  twcant. 

II 171  f.  tf^  capricomus  et  is  qui  intentum  dirigit  arcum 

iundus  equo;  pars  huic  hominis  ^  sed  nuüa  priori. 
V.  171  ist  lückenhaft  überliefert :  tU  capricornus  qui  intentum  d.  a. 
hat  1,.  in  e  fehlt  auch  qui.  die  abschreiber  ergänzen  nun  den  vers 
pro  captu.  also  ui^  Ij,  ut  quae  e;  contentum  m,  ^t  tentum  p  und  die 
bei  Ellis  NM.  34  genannten,  ich  halte  die  ergänzung  in  g  et  hie  qui 
intentum  auch  nur  für  eine  willkürliche  und  wegen  der  harten  eli- 
sion  für  unstatthaft,  aus  e :  ut  quae  capricornus  intentumque  dirigit 
arcum  erschliesze  ich  als  älteste  Überlieferung :  ut  capricornus  et  in- 
tentum qui  dirigit  arcum.  in  v.  1 72  bietet  e  hominis  und  priori. 
II  218  ff.  quin  etiam  sex  continuis  dixere  diurnas 

esse  uices  casfriSy  quae  sunt  a  principe  signo 
lanigeri;  sex  a  chelis  noäuma  uideri. 
a  chelis  setzte  Bentley  für  a  lihris  in  allen  hss.  nur  e  bietet  lanigeris 
ex  alibra  (er  trennt  und  verbindet  worte  nach  zufall,  gibt  so  eine 
treue  nachbildung  einer  unverstandenen  vorläge*,  und  damit  ist 
a  Ubra  gesichert,  dasz  in  219  m  Castoris  esse  uices  ^  p  Castoris  esse 
uires  bieten,  sei  der  curiosität  halber  erwähnt. 

n  277  in  tria  partitus  quod  ier  cadit  angulus  astra, 
partüus  findet  sich  nur  in  e.    alle  übrigen  hss.  haben  partUur. 

U  287  ff.  nach  aufzählung  der  trigona  geht  Manilius  über  zu 
den  quadrata: 

at  qtiae  diuisa  quaternis 
partibus  aequaJi  laterum  sunt  condita  ductu^ 
quorum  designat  normalis  uirguta  sedeSy 
haece  ferit  libram,  tortus  capricornus  et  iUam 
conspicU^  hunc  aries,  atque  iUum  partibus  aequis 
Cancer  et  hanc  laeua  subeuntis  sidera  librae. 
so  Jacob,  musterhaft  schlecht,  weil  er  aus  v^  schöpft,  mit  den  worten 
tortus  capricornus  soll  eine  anspielung  auf  Tiberius  gemacht  sein 
(welche  wohl?)  —  ähnlich  soll  oben  253  Tiberius  gemeint  sein  mit 
prone,  iaces:  wohlgemerkt,  dies  prowc,  iaces]  ist  Jacobs  erfindung;  er- 
findung  ist  es,  dasz  dort  der  Steinbock  lu  den  liegenden  Sternbildern- 
gerechnet  werde.   Manilius  ua.  kennen  nur  drei  liegende  Sternbilder 
(krebs,  scorpion,  fische),  der  Steinbock  gehört  zu  den  sitzenden  (stier, 


*  ähnlich  iät  die  lesart  in  1  entstanden:  lanigeris  exaiibris.    auf  eine 

tuno 
gemeinsame  vorläge  deutet  auch  II  195.     hier  hat  1  ueritus,  aber  es  ist 
radiert,  die  vorläge  gab  uernis,  was  e  allein  bewahrt  hat. 

27* 


420  ThBreiter:  za  Manilias. 

wage,  Steinbock),   hält  man  folgende  lesarten  fest:  290  hec  tage 
ferit  e  m ,  iUum  o ,  hinc  nur  e ,  ipsum  a  g  1  e ,  so  ergibt  sich 
haec  ^quadrdyta  ferit:  libram  capricomus  et  illum 
cofispicU  hinc  aries  atque  ipsum  a  partihus  aequis 
Cancer^  et  hunc  laeua  subeuntis  sidera  librae. 
zu  ferit  ist  linea  subject  (vgl.  oben  274  in  tris  aequalis  discurrU  Unea 
duäus  .  .  ä  quaecumque  ferit  dicuntur  signa  trigona), 
II  314  f.  52  tarnen  extremum  laeui  primamue  priaris 

inter  se  conferre  uoles, 
dh.  wenn  Signum  a  signo^  non  pars  a  parte  notetur  (v.  312),  gibt  es 
fehlerhafte  rechnung;  statt  120^  erhältst  du  150^,  und  diese  zahl 
transibit  formam^  finisque  sequentis  consumet  ductus  (v.  317;  wes- 
halb da  Jacob  einen  neuen  abschnitt  beginnt, «ist  unverständlich), 
wird   also  kein  gleichseitige»  dreieck  geben,    was  soll  da  die  dis- 

ve 
junction  in  primamue'^  1  h^i  primam   .    das  richtige  |>rimamgu« 
gibt  e.    und  so  wird  man  auch  extremem  (sc.  partem)  schreiben 
müssen. 

II  375  ff.  et  quae  succedit  conexa  et  linea  cado  est, 

singüla  circuüu  quae  tantum  transeat  astra^ 

uis  eius  procul  est, 
conuexo  linea  cado  bieten  gle,  das  zweite  ei  (»=  diam)  stammt  von 
Jacob,  es  ist  aber  mit  e  statt  quae  zu  lesen  quia,  weil  die  v.  360  ff. 
beschriebene  linie  näher  an  die  peripherie  des  kreises  tritt,  so  ist 
ihr  (der  signa  exagona)  einflusz  auf  die  nativität  geringer. 
II  564  f.  at  quos  adernis  perfundit  aquarius  undis 

ad  pugnam  Nemeaeus  agit, 
der  gleiche  anfang  beider  verse  ist  bedenklich,   e  bietet :  in  pugnam. 
.    II  902  f.  beUaque  morborum  caecis  pugnantia  tdis 

per  tanta  pericula  mortis, 
diesen  halbvers  verdankt  man  dem  v',  und  nicht  blosz  Jacob,  son- 
dern auch  EUis  s.  73  rechnen  ihm  das  zum  Verdienste,  woher  hat 
nun  v^  diesen  halbvers?  in  e  findet  sich  vor  v.  903  als  Jemma 
TEll  TANTA  PERICULA  MORTIS^ ,  und  dies  stammt  aus  einer  sehr 
alten  vorläge,  wenn  Jacob  sagt :  'in  1  unius  versus  spatium  relictum 
est',  so  ist  diesfo  thatsache  richtig,  die  sache  verhält  sich  aber  fol- 
gendermaszen :  auf  den  ersten  blätteni  der  Leipziger  hs.  stehen  die 
lemmata  in  rot  zwischen  den  zeilen,  und  die  initiale  des  neuen  ab- 
bchnittes  Ist  rot  nachgezeichnet,  der  Schreiber  ist  damit  nicht  weit 
gekommen;  daher  sind  die  für  Überschriften  bestimmten  zeilen  frei 
geblieben ,  die  lemmata  finden  sich  von  junger  band  (saec.  XIV)  am 
raude  nachgetragen ,  aber  als  sicheres  merkroal  bleibt  die  fehlende 
initiale  des  nächsten  verses  und  das  zeichen  y  am  rande ,  hier  also 
hinter  tdis  (v.  902),  v.  903  gibt  ]iribus.  am  rande  ist  das  lemma 
nicht  nachgetragen,  der  corrector  des  14n  jh.  fand  in  dem  von  ihm 
zu  seiner  correctur  benutzten  codex  überhaupt  kein  lemma  an  dieser 
stelle,  nicht  einmal  eine  lücke.   hieraus  scbliesze  ich:  die  vorläge 


ThBreiter:  za  Manilius.  421 

von  1  enthielt  bereits  die  worte  per  tanta  periaUa  mortis  als  lemma, 
aber  der  Schreiber  von  1,  ist  nicht  mehr  dazu  gekommen  die  lem- 
mata  einzutragen,  bzw.  einzumalen.  e  benutzt  die  gleiche  quelle  und 
copiert  sie  mit  einer  durch  keine  kenntnisse  getrübten  Unbefangen- 
heit nun  aber  v^:  in  den  bisher  aus  e  gemachten  mitteilungen  wird 
man  keine  spur  einer  Verwandtschaft  mit  e  entdecken,  diese  Ver- 
wandtschaft beginnt  etwa  von  11  674  und  tritt  dann  immer  klarer 
hervor  (674  partihus  ev^,  692  inferens  e  v',  702  numeros  ev^,  728 
fulgent  om.  ev^,  750  cuncta  om.  ev^  usw.  usw.).  ich  behaupte  nun, 
soweit  ich  aus  Jacob ,  ferner  aus  den  mitteilungen  bei  Bechert  und 
EUis  den  v^  kenne,  dasz  diese  hs.  aus  zwei  verschiedenen  teilen  be- 
.  steht,  deren  erster  (etwa  bis  II  674)  völlig  wertlos  ist  und  keine 
einzige  brauchbare  lesart  eigentümlich  hat;  dasz  aber  in  dem  zweiten 
teile  sämtliche  gute  lesarten  des  v^  sich  in  e  bereits  vorfinden ,  und 
dasz  demnach  dem  v^  ein  eigner  wert  überhaupt  nicht  zukommt, 
und  um  dies  gleich  anzuschiieszen :  e  stimmt,  wie  auch  schon  be- 
merkt, sehr  häufig  mit  1^,  und  so  mögen  l^ev^  als  eine  besondere 
familie  gelten,  während  e  immer  noch  manches  wieder  ganz  für  sich 
hat.  ich  bemerke  nur  noch,  dasz  urbinas  1  u.  2  mit  e  eng  verwandt 
sind,  doch  dies  bedarf  einer  weitern  ausführung  an  anderem  orte, 
ni  5  f.  non  ego  in  excidium  codi  naseetUia  heUa 

fuiminis  et  flamtnas,  partus  in  tnatre  sepuUos. 
das  asyndeton  ist  unberechtigt,  aber  partusque  bieten  nur  späte  hss. 
(m  p).  Bentley  beseitigte  es,  indem  er  flamma  schrieb,  das  richtige 

a 
bietet  e  und  Ij  (flammis),  also:  fulminis^t  fl am  mis  partus  in  maire 

s^puUos. 
III 120  ff.  quintus  coniugio  gradus  est  per  signa  dicattM, 
et  socios  tenet  et  comiieSy  hie  hospUis  una 
iungitur  et  simüis  coniungens  foedus  amicos. 
e  ten>€it  committem  hospitiSy  v^  comitem^   womit  freilich   nichts  zu 
machen  ist.    iungitur  haben  alle  hss.;  dafür  schreibt  Bossberg  j>an- 
gitur,  Ellis  ducitur]  ich  empfehle  icitur  {foedus),    so  miszt  auch 
Lucretius. 

III  127  septima  censetur  saeuis  horrenda  peridis, 
censetur  finde  ich  nur  in  e  und  m.  alle  übrigen  hss.  haben  censentur. 
III  323  ff.  at  simul  ex  iUa  terrarum  parte  recedaSy 

quidquid  ad  extremos  temet  praeverteris  axes 

per  conuexa  regens  gressum  fasiigia  terrae  — 

328  ergo  uli  conscendes  orhem  scandensque  rotundum 

degr ediere  simul  ^  fugiet  pars  altera  terrae, 

die  Überschrift  des  abschnittes  (vor  v.  301)  ist  de  indinationihus 

mimdi,  von  304  bis  322  werden  die  erscheinungenau f  dem  äqualer 

behandelt;  von  hier  aus  wandert  der  beobachter  zu  den  polen  hin. 

in  324  ist  ad  extremos  bezeugt  durch  IjCv^gj;  ah  extremo  g]  und 

die  jungem  von  c  an ,  aber  axe  haben  alle  (auch  1  nach  meiner  ver- 

gleichung).   regens  stammt  von  Jacob ,  trahens  setzte  Bentley  ein. 


422 


ThBreiter:  zu  Manilias* 


1  bat  graäum  gressum ,  gc  v^  m  p  gradtis  gressum*  aber  e  gibt  grauis 
gressum  und  so  wobl  auch  v^  (EUis  3.  90).  endlich  findet  sich 
fastigia  zwar  in  ev'^c;  aber  das  richtige  uesilgia  haben  g  (trotz 
Thomas  —  ich  habe  bei  wiederholter  vergleich ung  nur  ucstigia  ge- 
funden) und  1,  auch  mp.  der  beobachter  wendet  sich  vom  Äquator 
zu  den  polen,  auf  der  Oberfläche  der  kugel  steigt  er  an  —  per  con- 
uexa  uesiigiu  terrae  —  das  ermüdet  —  aber  gleichzeitfg  steigt  er  ab 
(329),  diesen  sinn  trifft  Bentleya  (rahcns  gressum.  andere  answege 
zählt  Elliß  auf  ä.  91.    ich  empfehle: 

quidquid  ad  extremes  iemet  praeuerteris  axes 
per  conueza  graul  gressu  uestigia  terrae  — -, 

III  332  et  modo  quae  fuerant  surgentia  Umite  rccto. 

so  mpb  und  ox»  die  altern:  limiiet  odo  {limifis  odo  g),  die  quelle 
der  corruptel  zeigt  e  limiter  actoi  und  dasz  dies  auch  v^  hat,  sagt 
Elliss.  91, 

IV  490  damnanda  est  dedmae  succeäens  pnma  peradae 

tertiaqtie  et  quinta  et  numero  quae  condUa  nono  est. 
statt  quinta  est  und  non  est  in  den  übrigen  hss.  bietet  e  quintu  e  nu- 
meroque  condUa  nono  —  was  flir  et  numero  quae  condUa  nona  est 
Bprieht, 

IV  742  d  certis  descripta  nitent  regionibtts  astra* 
rtiiünihis  im  v"'  geht  zurück  auf  recionibus  in  e,  und  daraus  ent- 
wickelt sich  rationibus  in  den  übrigen  hm,  (seihst  in  g  und  1).  da- 
neben bietet  aber  e  discripta,  und  dies  hattei  so  scheint  es  mir,  auch 
1|  (es  ist  da  corrigiert),  dtscribere  bietet  aber  e  aUein  auch  V  670 
discribitur  usus  und  V  734  per  ingentis  populus  discribUur  orbes* 

IV  759  Phrggia,  Nemeaee  ^  potiris. 

die  form  potiris  habe  ich  bereits  früher  beanstandet,  g  h&i  potiri^ 
und  dasselbe  steht  in  e,  aber  potiri  bietet  auch  1^  da  c^tand  poAiri'i 
von  zweiter  haud  ist  ein  s  zugesetzt,  aber  man  bieht  hinter  dem  f 
das  punctum  am  s  noch  Vorscheinen;  aUo  die  älteste  Überlieferung 
spricht  nur  für  potiri,  potiris  beginnt  mit  cod.  c. 

IV  933  f.  ne  dubites  homini  dimnos  credcrc  uism: 

iam  facit  ipse  deos  mittüque  ad  sidera  flauten. 
/  t 

facis  bietet  e  (1  facis)y  daraus  macht  v^  fatis.  aber  e  bietet  aaeb 
mittisque.  die  zweite  person  ist  hier  gan«  angemessen,  der  dichter 
redet  seine   römischen  leser  in  dem  ganzen  abschnitt  an»   dessen 

thema  nach  g  und  e  ist:  fatorum  rationem  perspici  posse  (1  $110111 
poBsim'  fatorü  raiione  pspkerey 

V  221  ff,  irarumque  dabit  ftetm  odiumque  mäum<iue 

totius  uulgi.   praecun^nt  uerba;  loqucntis 
ante  os  est  animus.   f^c  magnis  concita  causis 
cor  da  mtcant  et  lingua  rabä  latratque  hqumäOi 
morsibus  et  crebris  denies  in  uoce  reiinquU. 
e  bietet  procurrunt^  eine  gute  lesart;  er  gibt  rabit  mit  v^  und  1,, 
während  alle  Übrigen  rapit  bieten  (oben  v.  208  haben  ev*  ropel« 


ThBreiter:  za  Manilius.  423 

1  rapide  g  c  rapit),  wunderlich  ist  dentes  in  uoce  relinqmt^  denn  eine 
metapher  wird  man  nicht  wohl  darin  finden  dürfen.  Firmicus  um- 
schreiht  die  stelle:  {hdbent)  uocem  uero  crescentihus  {hiscentihns?) 
faucilms  ccmum  latratus  imitantem  ita  ut  saepius  impetu  d  furore 
commoti  aut  dentes  quatiant  aut  attritos  semper  exacuant.  da 
g  reliquU  bietet^  empfehle  ich  relidit  zu  lesen  (dentes  in  uoce  rdidit 
B»  ^läszt  die  Zähne  ertönen,  knirscht  beim  sprechen'). 

V  260  f.  caeruleumue  öleis  uiridemue  in  germine  coUem 

conseret, 
caeruleumque  foliis  e  v^.   okis  hat  m  {cerüleutn  f  öleis).   aber  merk- 
würdig ist  es,  dasz  Jacobs  coniectur  germine  statt  gramine  in  e  sich 
vorfindet. 

V  327  ff.  qua  quondam  sonüumque  ferens  Oeagrius  Orpheus 

d  sensus  scopülis  d  siluis  addidit  aures 
d  Diti  lacrimas  et  morti  denique  finem, 
dem  gesetze   der  concinnität  entspricht  Bentlejs  Änderung  men- 
temque  feris :  hsl.  beglaubigt  ist  aber  somnumque  für  sonitumque  (so 

*  sdnumq, 
Ellis  8.  183).  schon  c  bietet  sonum  statt  sonitum^  1  sonitumque, 
e  endlich  somnumq. 

V  684  ff.  die  anläge  eines  salzteiches  schildert  Manilius  an- 
schaulich : 

et  ponti  secernere  uiruSy 
cum  solidum  certo  distendunt  margine  campum 
adpelluntque  suo  deduäum  ex  aequore  flu>dum 
daudendoque  regunt;  tum  damnum  susdpit  unda 
aeris  d  posito  per  solem  humore  nitescU. 
hier  bietet  e  wenig  abweichendes  von  g  (discendant  —  ad  beUumq, 
—  didudum  d  —  negant  —  demum  —  u/ndas) ;  er  hat  aepad  ponto 

i  i 

(g  Aepa  et,  ebenso  l,  a  pa  c,  area  tum  pontus  mp).  nicht  annehm- 
bar ist  tum  demum  suscipit  undas  area  (Rossberg):  das  wasser  ist 
schon  zugeleitet,  dann  erst  wird  der  teich  gegen  das  meer  abge- 
schlossen, V.  686  f.;  nun  musz  die  luft  und  die  sonne  wirken,  aber 
epoto  schreibe  ich  gern  mit  Kossberg  (vgl.  Plinius  n.  h,  XXXI 73.  74), 
und  die  beiden  verse  so:  cLaudendoque  rigant  (sc.  campum,  halten 
das  feld  unter  wasser);  tum  demum  susdpü  unda  \  aä'ra  et  epoto 
per  solem  umore  (so  e)  nitescit. 

V  691  f.  pdagique  uenenum, 

quo  perit  usus  aquae, 
die  lesart  der  alten  vorläge  qtu>d  erit  (mit  willkürlicher  trennung 
der  Worte  und  Verwechslung  von  P  und  D)  haben  e  und  v' ;  schon  g 

,e. 
hat  quodq.  erü,  c  qtt  qrit,  m  und  p  quodque  erat,  während  1  noch 

quod  erit  bietet. 

Hannover.  Theodor  Breiter. 


424        WSterokopf :  aber  zwei  briefe  Ciceroa  aa  C«  Trebonius. 


ÜBER  ZWEI  BRIEFE  CICEROS  AN  C.  TREB0NIÜ8. 


Von  den  vier  aus  der  corresponden^  zmscben  Cicero  und  C.  Tre- 
boDius  erhültenen  briefen  —  epiM,  X  28.  XV  20.  21 :  Cicero  an 
TreboBiüsj  XII  16:  Trebouiub  an  Cicero  —  ist  einer,  der  des  TrB- 
bonius^  am  Bcbtusge  datiert;  ein  zweiter,  epist,  X  28,  gebort  un- 
streitig dem  febrnar  des  j.  43  an;  die  beiden  briefe  des  XV  buobes 
aber  bedürfen  erneuter  unters ucbung.  zwar  setzen  die  bgg*  über- 
einstimmend brief  XY  20  in  den  mal  44  und  brief  XY  21  an  das 
ende  des  j.  47  \  docli  bat  Ruete  in  seiner  die  briefe  der  jähre  44  und 
43  behandelnden  diss,  (die  correspondenz  Ciceros  in  den  jähren  44 
lind  43,  Marburg  1883)  süllschweigend  jenen  auszer  betracbt  ge- 
lassen, und  diesen  mui>te  ich  in  meiner  programmabh.,  die  sieb 
mit  den  briefen  der  jähre  48  und  47  beschäftigt  (Dortmund  1891), 
gleichfalls  von  der  bebandlung  auBächliesi^en.  indem  ich  nun  die 
zeit  dieser  beiden  briefe  richtig  zu  be^itimmen  »uchte,  ergaben  sieb 
mir  historische  resultate,  die  wichtig  genug  schienen,  um  sie  an 
dieser  stelle  zu  veröffentlichen, 

Kacb  brief  XV  21  hat  Cicero  vor  kurzem  von  dem  in  der  ge* 
scbichte  als  Caesarianer  und  Caesarm(jrder  bekannten  C.  Trebonius 
einen  freondschaftlicben  brief  und  ein  buch  zugewandt  bekommen ; 
das  bitch  enthielt  eine  ^amlnng  von  witzwortun  Ciceros,  die  Trebo- 
nius  mit  ges^chniaek  und  aus  wähl  zusammengestellt  und  mit  den 
nötigen  erlenterungen  versehen  hatte.  Cicero  dankt  in  seinem  schrei- 
ben für  das  buch  und  beantwortet  den  brief.  dabei  wird  deutlich, 
duhz  die  seuduDg  von  Trebonius  aufgegeben  wurde,  als  er  unmittel- 
bar vor  einer  reise  statidr  vgl.  §  1  ei  cpistulnm  iuam  legi  Ubefüer  et 
lihrum  libentissime ; sed kirnen  in  ea  voluptate  hunc accepi dolorem^ 
quadf  cum  incendisses  cupidi(a(em  meam  consuetuäinis  äugendem 
nostrae  —  nam  ad  amcrem  quidt-m  nihil  poterat  acccdere  —  tum 
discedis  a  no6i«usw.  daher  ist  piceros  brief  zugleich  ein  abächieds* 
schreiben:  rdiquum  est^uttuamprofectionem  amore proscquar^ 
reditum  spe  exspedemj  absentem  memoria  coUxm  usw,  (§  5). 

Nun  steht  in  §  2  —  Cicero  zählt  daselbst  alle  liebesbeweise 
auf,  die  er  bisher  von  Trebonius  empfangen  — :  nam  ut  illa  amU' 
/ow,  quae  dvitatc  teste  fedsti^  cum  mecum  inimicitias  cümmunuiaviiH^ 
cum  me  c&niionibus  tuis  defendisii .  ,^uthaecrcceni%a,  quae  memt- 
nero  semper,  ohlimscar^  quae  tua  scUicitudo  de  me  in  armis^  quae 
laetUia  in  reditu^  quae  cura,  gui  dclor^  cum  ad  te  curae  et  dohres  mei 
perferreniur^  Brundisium  denique  te  ad  me  vtnturum 
fuisse^  nisi  subita  in  Bispäniam  misauß  eases;  ui  haee 
igUur  omUiam  .  .  Über  iste,  quem  mihi  miaisti^  quaniam  habä  dedet' 
faiiomm  amoris  tuif  also  unter  den  haec  recentia  wird  ah  jüngster 
liebe« beweis  aufgeführt  die  absieht  des  Trebonius  nach  Brundisium 


-  W  Sternkopf :  über  zwei  briefe  CiceroB  an  C.  Trebonias.       425 

zu  kommen,  die  aber  durch  seine  plötzliche  Sendung  nach  Spanien 
vereitelt  wurde,    man  meint  demnach,  dasz  dies  die  reise  ist,  von 
der  in  §  1  und  §  5  gesprochen  wird,    es  würde  dann  also  unser, 
brief  mit  dem  antritt  dieser  reise  gleichzeitig  sein. 

Wir  lassen  zunächst  unerörtert,  ob  die  in  §  2  erwähnte  Sendung 
nach  Spanien  mit  der  in  §  1  und  §  5  angedeuteten  reise  identisch 
ist^  und  fragen:  was  war  das  für  eine  mission,  die  Trebonius  ver- 
hinderte Cicero  in  Brundisium  zu  besuchen,  wo  dieser  sich  von  ende 
706  bis  gegen  ende  707  aufhielt?  Trebonius  war  im  j.  706  praetor 
urbanus ;  nach  seiner  praetur  wurde  er  von  Caesar  zum  nachf olger  des 
Q.  Cassius  Longinus  in  Spanien  ernannt;  wir  wissen  mit  Sicherheit, 
dasz  er  im  anfange  des  j.  708,  während  des  africanischen  krieges, 
in  seiner  proyinz  war.  offenbar  ist  es  also  der  abgang  des  neu  er- 
nannten Statthalters  in  seine  provinz,  der  mit  den  worten  subito  in 
Hispaniam  missus  bezeichnet  wird,  es  fragt  sich  nun,  wann  dieser 
abgang  erfolgte,  die  ansichten  der  gelehrten  differieren  um. ein  jähr: 
nach  Drumann  und  Mommsen  trat  Trebonius  sein  amt  im  winter 
47/46,  nach  Lange  und  andern  im  winter  48/47  an.  Judeich  (Caesar 
im  Orient,  Leipzig  1885),  der  die  frage  neuerdings  eingehend  unter- 
sucht hat,  entscheidet  sich  mit  guten  gründen  für  den  winter  48/47. 
wenn  die  sache  hier  nochmals  erörtert  wird,  so  geschieht  dies,  weil 
ich  die  controverse  durch  einen  zwingenden  beweis  endgültig  er- 
ledigen zu  können  glaube. 

Sicher  ist  folgendes:  1)  Q.  Cassius  war  nach  dem  9  sextilis 
706  noch  in  Spanien,  denn  er  erhielt  hier  die  nachricht  von  der 
Schlacht  bei  Pharsalus  (h.  Alex.  56).  2)  C.  Trebonius  war  im  j.  706 
praetor  urbanus  (Caesar  b.  c.  III  20);  sein  amt  lief  also  erst  am 
'29  december  706  ab,  und  jedenfalls  war  er  ende  november  706  noch 
in  Rom  {ad  Ait,  XI  6,  3).  3)  Trebonius  wurde  von  den  spanischen 
truppen  verjagt,  als  die  nachricht  von  Caesars  sieg  über  die  Pom- 
pejaner  in  Africa  nach  Spanien  gelangte  (Cassius  Dion  XLÜI  29, 3), 
also  etwa  im  juni  708.  4)  Trebonius  kam  bei  beginnendem 
winter  in  Spanien  an;  denn  nach  b.  Alex,  64  verteilte  Cassius  auf 
die  nachricht  von  seiner  aukunft  die  truppen  indiewinterquar-. 
tiere,  eilte  nach  Malaca,  gieng  dort  adverso  tempore  nauigandi  zu 
schiffe  und  fand,  progressus  secunda^  ut  hiberna^  tempestate,  cum 
in  Iberum  flumen  noctis  vitandae  causa  sc  conttUisset,  in  den  wogen 
seinen  tod. 

In  die  zeit  von  ende  706  bis  etwa  juni  708  fallen  zwei  winter; 
aber  man  würde  irren,  wenn  man  den  beginn  dieser  beiden  winter 
auf  ende  706  und  ende  707  setzte,  denn  die  jähre  d.  st.  706  und  707 
entsprechen  nicht  genau  den  julianiscben  jähren  48  und  47.  der 
1  Januar  707  ist  gleich  dem  23  october  48 ;  folglich  fällt  der  beginn 
des  ersten  winters  (48/47)  in  den  anfang  des  j.  707,  etwa  in  den 
februar  («=  21  nov.  bis  18  dec.  jul.).  der  1  Januar  708  entspricht 
dem  13  october  47;  folglich  fällt  der  beginn  des  zweiten  winters 
(47/46)  in  den  anfang  des  j.  708,  ebenfalls  etwa  in  den  februar 


WSternkopf :  über  zwei  briefe  Cicero«  an  C.  Trebouius. 


(s=a  11  nav*  bis  in  den  dec.  jul.).'   Trebonius  ist  also  entweder  gegen 
februar  707  oder  gegen  februar  708  in  Spanien  angekommen. 

Nun  etebt  aber  fest»  dasz  bei  der  ankunft  des  Trebonius  der 
Statthalter  von  Hispania  citerior,  M.  Äemillns  Lepidus,  nocb  in 
Spanien  war  (Jb.  Alex.  64).  ebenso  steht  fest,  dasz  Lepidus  am 
1  Januar  708  sein  consiilat  antrat  (Dion  XLIII  1).  er  war  aus 
Spanien  zurückgekehrt  und  hatte  in  Rom  triumphiert;  dann  war  er 
mit  Caesar  zum  consul  gewählt  worden,  dicäe  wähl  hat  in  einem 
der  drei  letzten  monate  des  j.  707  stattgefunden,  jedenfalls  vor  dem 
17  december:  denn  an  diesem  tage  traf  Caesar  bereits  in  Liljbaeuuj 
ein  (b*  Afr,  1).  daraus  folgt  dasz  Lepidus  spätestens  ende  707  aus 
Spanien  zurückkehrte;  dann  war  er  aber  im  anfaugdea  winters  47/46, 
dht  im  februar  708 ,  nicht  mehr  in  Spanien,  Treboniujä  musz  also 
im  w  int  er  4rH/47  dorthin  gekommen  sein. 

Dies  wird  bestätigt  durch  unsem  brief.  wenn  es  in  demselben 
heiszt,  Trebonius  sei  durch  seine  plötzliche  ab  Ordnung  nach  Spanien 
verhindert  worden  Cicero  in  Brundisium  zu  besuchen,  so  ist  klar^ 
dasz  er  zu  einer  zeit  abgieng,  als  Cicero  noch  in  Brundisium  wa 
dieser  verliest  Brundisium  im  September  707:  am  1  october  707^ 
schrieb  er  bereits  de  Venusino  (ep.  XIV  20).  Trebonius  ist  folglich 
zwischen  dem  1  Januar  —  als  dem  ersten  tage  nach  ablauf  setnef 
praetur  —  und  ende  september  707  abgereist,  dh,  juliöDiBch  zwischen 
dem  23  october  48  und  dem  15  juli  47.  er  ist  angekommen  in 
Spanien  im  winter.  folglich  musz  seine  abreise  in  den  an  fang 
dieses  Zeitraums,  in  den  januar  707  =  oct./nov.  48,  gesetzt  wer- 
den: denn  sonst  kam  er  nicht  im  winter  in  seiner  provin^  an.  selbst 
wenn  wir  den  fiuszersten  termin  nehmen ,  ende  September  707  = 
mitte  juli  47,  so  muste  Trebonius  doch  noch  im  aommer  oder  spftte-J 
stens  frühherbst  nach  Spanien  gelangen ,  man  milste  denn  glauben'if 
er  habe  mehr  als  4  monate  für  die  reise  gebraucht.  Trebonius  reist 
also  unmittelbar  nach  ablauf  geiner  praetur ,  im  januar  707,  ab|^ 
wozu  das  subito  misms  vortrefflich  passl.  dasz  diese  pK^tzliche  ab« 
Sendung  dnen  besuch  in  Brundisium  binderte,  hat  nun  im  streng* 
sten  sinne  seine  richtigkeit:  bis  zum  29  december  706  war  Tre* 
bonius  praetor  und  durfte  die  stadt  nicht  länger  als  auf  10  tage 
verlassen,  was  für  die  hin-  und  herreise  von  Bom  nach  Brundisium 
nicht  reichte;  im  januar  707  kam  die  ordre  Caesars  hemmend  da- 
zwischen. 

Kehren  wir  nun  zu  der  frage  nach  der  abfassungsieit  unsere 
briefes  zurück,    die  bgg.  setzen  ihn  in  den  december  707,  weil  si« 


'  die  angeg'ebenen  daten  für  die  jithrnnfünge  aind  sicher,  das  j.  70S, 
in  welchem  die  julianiscbe  ausgkicbang  erfotg-te,  hatte  bekaunÜich 
446  tufEc;  ii!iß  anfitng  reicht  atso  um  80  tA^e  über  du«  jutlanisch  ge*j 
rechtiet«  JÄlir  46  zurück«  dh.  fallt  suf  den  13  october  47.  dns  355tiigigf 
j&hr  707  begJinn  demnneh  am  23  oct,  48.  wintersAnfiiiig  liel  übrigen 
nach  der  anoetzun^  in  Cae&nrs  kalender^geiuiu  auf  eleu  11  novemberi 
diesem  datum  ciitsf>rJich  im  j.  707  der  £0  junuar,  im  j.  706  der  1  febmarJ 


WStemkopf :  über  zwei  briefe  Ciceros  an  C.  Trebonias.        427 

Yon  der  irrigen  ansieht  ausgehen ,  Trebonius  sei  im  winter  47/46 
(also  anfang  708)  nach  Spanien  gelangt,  wir  wissen  jetzt,  dasz  Tre- 
bonius von  anfang  707  bis  gegen  juni  708  Statthalter  in  Hispania 
ulterior  war:  jene  ansetzung  des  briefes  ist  also  sicher  unrichtig, 
war  es  der  abgang  des  Trebonius  in  seine  provinz,  der  unsern  brief 
veranlaszte,  so  gehört  dies  schreiben  in  den  januar  707. 

Nun  erheben  sich  dagegen  freilich  gewichtige  bedenken,  im 
Januar  707  sasz  Cicero  ganz  verzweifelt  in  Brundisium ,  ohne  einen 
aus  weg  aus  seinem  elend  zu  sehen,  so  dasz  er  sogar  den  tag  ver- 
fluchte, an  dem  er  geboren  war  {ad  AU.  XI  9,  3,  geschrieben  am 
3  Jan.  707).  war  es  nicht  abgeschmackt  von  Trebonius,  ihm  in  dieser 
zeit  eine  samlung  seiner  eignen  witze  zu  übersenden?  und  ist  es 
wohl  denkbar,  dasz  Ciceros  in  fast  behaglichem  tone  gehaltene  ant- 
wort  in  diese  zeit  gehöre,  wo  er  an  Atticus  so  verzweifelte  briefe 
schrieb?  es  ist  schwer  zu  glauben,  selbst  wenn  man  noch  so  sehr 
berücksichtigt,  dasz  es  ein  Caesarianer  ist,  an  den  Cicero  schreibt, 
das  war  denn  wohl  auch  mit  ein  grund ,  weshalb  die  hgg.  den  brief 
lieber  dem  ende  des  Jahres  zuwiesen,  wo  Cicero  aus  seiner  pein- 
lichen läge  erlöst  war.  indessen  dieser  ausweg  ist  abgeschnitten: 
der  brief  gehört  entweder  dem  januar  707  an,  oder  er  hat  mit  des 
Trebonius  reise  in  seine  provinz  Spanien  überhaupt  nichts  zu  thun. 
und  alles  wohl  tiberlegt  wird  wohl  das  letztere  der  fall  sein,  es 
nötigt  nichts  dazu  anzunehmen,  dasz  die  reise,  von  der  Cicero  in  §  1 
und  am  Schlüsse  des  briefes  spricht,  identisch  sei  mit  der  sendung 
nach  Spanien,  deren  er  in  §  2  gedenkt,  war  sie  das  aber  nicht,  so 
gehört  diese  reise  und  mit  ihr  unser  brief  in  eine  beträchtlich 
spätere  zeit:  erst  nach  seiner  Vertreibung  aus  Spanien,  die,  wie  wir 
sahen,  etwa  in  den  juni  708  fUllt,  kann  Trebonius  diese  neue  reise 
angetreten  haben,  welchen  zweck  sie  hatte  und  wohin  sie  gieng, 
geht  aus  dem  briefe  nicht  hervor,  genug,  sie  fällt  nicht  ins  j.  707, 
sondern  frühestens  708,  vielleicht  noch  später. 

Es  ist  nicht  viel,  was  wir  über  Trebonius  aus  der  zeit  erfahren, 
die  auf  seine  spanische  Statthalterschaft  folgte,  indessen  hören  wir 
doch  noch  von  zwei  reisen,  die  er  von  Rom  aus  antrat,  die  letztere 
derselben  —  zugleich  die  letzte  für  Trebonius  —  ist  die  nach  Asien 
im  j.  44.  im  october  45  war  er  consul  geworden;  bald  nach  der  er- 
mordung  Caesars  begab  er  sich  in  die  ihm  noch  von  diesem  be- 
stimmte provinz  Asia.  schon  im  april  44  schreibt  Cicero  {fld  AU- 
XIV  10,  1):  itane  vero?  hoc  mcw5  et  iu/us  Bruiusjegit  . .  ut  Trebo- 
nius itinerihus  deviis  profidsceräur  in provindam?  —  und  am  22  mal 
kam  er  in  Athen  an  {^ist.  XII  16,  1).  natürlich  kann  unser  brief 
sich  auf  diese  reise  nicht  beziehen:  unmöglich  kann  Trebonius  in 
der  zeit  der  aufregung  und  Verwirrung,  welche  zunächst  auf  die  iden 
des  märz  folgte,  jene  witzsamlung  verfaszt  und  Cicero  überreicht 
haben  (wenn  er  auch  auf  der  fahrt  nach  Athen  bereits  wieder  musze 
zu  etwas  derartigem  fand,  ^ist,  XII  16,  3);  und  ebenso  wenig  kann 
Ciceros  brief  so  bald  nach  Caesars  ermordung  geschrieben  sein;  es 


428        WSterukopf:  ober  awei  briefe  Ciceros  an  C.  Trebonia«, 


würde  dann   nicht  jede  spur  emer  anspielung  auf  diesig  ereignl» 
fehlen* 

Aber  wir  wissen,  wie  gesagt«  noch  von  einer  andern  reise,  einer 
reise  nach  Spanien,  nach  Cic.  Phil  II  14,  34  war  es  in  Narbo,  wo 
TrebüDiud  im  j.  709  mit  Antonius  über  eine  Verbindung  gegen 
Caesar  verhandelte,  Druraann  GR.  III  716  läszt,  um  dies  Zusammen- 
sein der  beiden  Caesarianer  in  Narbo  zu  erklären,  den  Trebonius 
mit  Antonius  und  vielen  andern  im  seitilis  45  nach  Gallien^  reisen, 
um  Catsar  nach  dem  f^paniscben  kriege  zu  empfangen,  dies  ist  jeden- 
fallä  unrichtig.  Antonius  trat,  wie  Drumann  I  76  richtig  angibt» 
zweimal  eine  rei^e  nach  Spanien  an:  das  er^te  mal,  um  noch  am 
kriege  teil  zn  nehmen;  da^j  zweite  mal,  um  den  sieger  zu  empfangen 
(Plut.  Ant.  10,  IL  13  unterscheidet  die  zeiten  nicht  j  er  läszt  An- 
toniusi  beide  male  dem  sieger  entgegengehen),  das  erste  mal  er- 
reichte er  sein  ziel  nicht,  angeblich  weil  die  wege  unsicher  waren; 
er  hielt  sich  eine  Zeitlang  in  Narbo  auf  und  kehrte  von  dort  nach 
Rom  zurück  (Cic.  PhiL  II  30,  75  f).  wie  weit  er  das  zweite  mal 
gekommen  Ist,  erfahren  wir  nicht:  es  heiszt  Phil.  II  32,  78  nur; 
C.  Cae^ari  ex  Hispaniu  rcdeunti  obiiam  longissime  processistu  ob  er 
aläo  auf  dieser  zweiten  reise  in  Narbo  gewesen  ist,  steht  ganz  dahin; 
es  liegt  also  doch  am  nächsten  anzunehmen,  dasz  jene  Verhandlung 
während  seiner  ersten  reige  vorfiel,  wo  er  nacbweiälich  längere  zeit 
in  Narbo  war  (PiuL  Ant.  13  ist  aus  dem  oben  ange Ehrten  grnntle 
nicht  entscheidend),  auch  im  übrigen  Ist  es  wahrscheinlicher :  zur 
zeit  der  ersten  reise  war  Antonius  notorisch  mit  Caesar  in  einem 
gespannten  Verhältnisse,  wie  denn  dies  auch  wohl  dazu  beitrug, 
da&2  er  nicht  ins  kriegslager  gelangte;  bei  der  zweiten  reise  suchte 
er  die  aussöhnung  mit  dem  sieger,   die  aach  sofort  erfolgte  (Cic. 

phu.  n  Qo.). 

Die  erste  reise  des  Antonius  musz  ende  708  oder  anfang  709 
angetreten  worden  sein;  Caesar  selbst  war  ende  708  lum  kriege  auf- 
gebrochene die  Schlacht  bei  Munda  fand  am  17  mitrz  s^tatt,  in  den 
anfang  des  j.  70U  wird  also  auch  die  Verhandlung  in  Narbo  fallen. 
nun  fragt  es  sich:  wie  kam  Trebonius  nach  Narbo?  Trebonius  war 
aus  seiner  provinz  Hispania  uUerior  vertrieben  worden,  als  die 
boldaten  erfahren  hatten  töv  T€  CKtniwva  dTTOXujXÖTa  Km  t6v 
Aibiov  ^nmX^OVTd  C(pici.  Didius  wurde  von  Caesar  nach  Spanien 
geschickt  mitte  juni  (nach  dem  15)  708,  wie  aus  Dion  XLIII  14 
vgl.  mit  h,  Afr,  98  her  vorgebt,  seine  Vertreibung  wird  also  noch 
in  den  juni  708  fallen,  anfang  709  finden  wir  ihn  nach  dem  obigen 
in  Narbo.  es  wäre  nun  möglich,  dasz  er  sich  in  der  zwiscbenteit 
etwa  in  Hispania  citerior  oder  in  Gallien  aufgehalten  hätte;  jeden- 
falls  sagt  uns  kein  beriebt ,  dasz  er  nach  Born  zurückgekehrt  war« 
wenn  Drumann  ihn  von  Rom  nach  Narbo  reisen  läszt,  so  ist  das 
eine  Vermutung,  für  die  er  den  beweis  ^chuldig  geblieben  ist.  die 
Vermutung  ist  aber  richtig,  und  der  beweis  für  ihre  richtigkeit  läsit 
Äich  führen. 


W  Sternkopf :  über  zwei  briefe  Ciceros  an  C.  Trebonius.       429 

Zu  'diesem  zwecke  ist  aber  erst  eine  chronologiscbe  Unter- 
suchung über  epist.  XV  20  anzustellen,  dieser  brief ,  ebenfalls  an 
Trebonius  gerichtet,  wird  von  den  hgg.  in  den  mai  710  gesetzt, 
also  in  die  zeit,  wo  Trebonius  sich  auf  der  reise  in  seine  provinz 
Asia  befand,  es  ist  merkwürdig «  wie  sich  dieser  irrtum  bis  heute 
hat  erhalten  können,  doch  nein ,  Ruete  (s.  o.)  hat  ihn  offenbar  be- 
merkt, da  er  den  brief  m  seiner  arbeit  stillschweigend  übergieng. 
indessen  ist  meines  wissens  der  brief  bisher  noch  nicht  richtig  datiert 
worden,  die  hgg.  sind  irre  geführt  worden  durch  den  satz  in  §  2 : 
quamquam  duae  causae  sunt^  cur  tu  frequentior  in  isto  officio  (nem- 
lich  lüterarum  mittendarum)  esse  deheas  quam  nos:primum  qtiodoUfn 
solebantj  qui  Bomae  erant^  adprovinciales  amicos  dere  publica 
scribere,  nunc  tu  nobis scribas  oportä,  res  enim publica  istic  est; 
deinde  usw.  zu  den  worten  res  enim  publica  istic  est  führt  Schütz 
die  erklärung  des  Manutius  an:  *in  vobis  rei  p.  liberatoribus,  te, 
Cassio,  M.  ed.  D.  Brutis,  quibus  provinciäs  senatus  decreverat.  nam 
in  urbe  dominantibus  consulibus  Antonio  et  Dolabella  res  p.  non 
esse  videbatur.*  da  Trebonius  als  provincialis  amicus  bezeichnet 
wird,  so  deutete  man  dies  auf  seine  provinz  Asia;  und  da  es  in  §  3 
heiszt:  nunc  haec primo  cupio  cognoscere :  iter  tuum  cuius  modi 
sit^  ubi  Brutum  nostrum  videris,  quam  diu  simul  fueris;  deinde 
cum  processeris  longiuSy  de  bellicis  rebus,  de  toto  negotio,  ut 
eodstimare  possimus ,  quo  statu  simus^  so  muste  er  sich  auf  der  reise 
dahin  befinden,  so  kam  man  auf  den  mai  710:  denn  am  22  dieses 
monats  gelangte  Trebonius  nach  Athen. 

Dagegen  ist  zu  sagen: 

1)  Wie  kann  Cicero  fragen:  ubi  Brutum  nostrum  videris^  quam 
diu  simul  fueris?  dasz  M.  Brutus  bei  Lanuvium  gesehen  worden 
sei,  hatte  Cicero  bereits  am  15  april  gehört  {ad  Att,  XIV  7,  1);  am 
19  april  weisz  er^  dasz  jener  in  Lanuvium  ist  und  dasz  Trebonius 
sich  üineribus  deviis  in  seine  provinz  begibt  {ad  Att.  XIV  10,  1); 
Brutus  war  ende  mai  noch  in  Lanuvium,  im  juni  in  Antium,  im 
juli  auf  der  insel  Nesis  bei  Puteoli.  wie  kann  also  Cicero  den  Tre- 
bonius fragen,  wo  er  Brutus  gesehen?  waren  die  beiden  etwa  von 
Kom  bis  Lanuvium  zusammengereist  oder  hatten  sie  sich  in  Lanu- 
vium gesehen,  so  konnte  das  Cicero  viel  besser  von  Brutus,  der  in 
seiner  nähe  war,  erfahren  als  von-  Trebonius,  der  nach  Asien  reiste, 
in  der  that  ist  er  ja  auch  seit  mitte  april  über  den  aufenthaltsort 
des  Brutus  unterrichtet,  braucht  also  im  mai  nicht  mehr  zu  fragen, 
wo  Trebonius  ihn  gesehen.  (anD.  Brutus  kann  man  gar  nicht  denken; 
der  reiste  im  april  von  Rom  in  seine  provinz  Gallia  cisalpina,  ad  Att. 
XIV  13,  2.) 

2)  Wie  kann  Cicero  im  mai  710  an  Trebonius  schreiben:  res 
enim  publica  istic  est?  war  Trebonius  der  staat?  waren  nicht 
Brutus  und  Cassius  in  Italien  ?  und  was  war  das  für  ein  krieg,  über 
den  Trebonius' berichten  sollte,  wenn  er  weiter  vorgerückt  war? 
damals  war  noch  keiner,    und  Cicero  will  danach  beurteilen,  quo 


130        WSternkopf:  über  twei  briefe  dceros  an  C.  Trebonias, 


statu  simtisl  damals  wurde  der  Status  omnium  rerum  noch  durch 
die  römischen  vorginge  bedingt,  wie  kann  also  Cicero  weiter  schrei* 
ben:  ego  tatüum  me  scire  putaho^.quantum  ex  tuis  liiieris  hahebo 
eogn'dum  ? 

3)  Am  anfange  des  Briefes  steht:  Oratorem  meum~sic  enim 
inscripsi  —  Sabine  tuo  commendavi]  sollte  Trebonins  710  noch 
nicht  gewuüt  habeu ,  wt^chen  titel  das  buch  hatte»  das  Cicero  708 
bekannt  machte  {epist.  XII  17,  2.  VI  18,  4)?  man  sieht^  fragen  in 
menge,  deren  beantwortung  unmöglich  ist,  wenn  der  brief  in  den 
mai  710  gesetzt  wird,  alles  aber  wird  klar,  wenn  man  ihn  auf  die 
reise  bezieht,  auf  die  er  bezogen  werden  musz,  auf  die  reise  des 
Tiebonius  nach  Spanien  ende  70H  oder  an  fang  709.  denn  1)  auf 
dieser  reise  muste  Trebonius  durch  Gallia  cisalpina,  welches  708 
und  noch  die  ersten  monate  709  von  M.  Brntus  verwaltet  wurde 
(Drumann  IV  27).  nach  ihm  also  erkundigt  sich  Cicero  (vgb  od  Att, 
in  14,  4.  19,  3.  27^  3).  2j  die  worte  res  enim  publica  istic  est  sind 
klar:  Trebonius  reiäte  nach  Spanien  zu  Caesar«  der  krieg,  Über 
den  er  berichten  soll,  ist  eben  der  spanische,  dessen  ausgang  man  in 
Korn  mit  der  grösten  Spannung  erwartete  (vgK  ad  Alt,  XII  7,  K  8, 
23,  1,  epist.  VI  1,  2.  2»  2.  3,  2.  18,  2.  21,  1.  XllI  16,  3.  XV  17,  3. 
18»  2)*  3)  es  ist  verstSndUch,  wenn  Cicero  ende  708  oder  anfaag 
709  dem  Trebonius  ein  exemplar  seines  vor  wenigen  monaten  be- 
endigten Orator  nacbechickt:  die  abschreiber  sind  damit  fertig,  und 
Cicero  ist  über  den  titel  schlüssig  geworden:  sie  enim  inscripsi*  vgL 
aus  derselben  zeit  epist,  VT  18,  4. 

Es  kann  demnach  kein  zweifei  mehr  sein ,  dasz  unser  brief  an 
den  nach  Spanien  reisenden  Trebonius  gerichtet  ist;  darum  heiszt 
er  pr&vincialis  amicu^^  wenn  es  auch  nicht  oder  nicht  mehr  seine 
provinz  ist,  in  die  er  reist,  der  s atz  j>rtmtim ,  quod  olim  sokbant^ 
qui  Ilomae  erant,  ad  provinciaks  amiccs  scribere  usw.  beweist, 
dasz  Cicero  in  Rom  war,  als  er  schrieb,  die  zeit  ist  entweder  ende 
708  oder  an  fang  709*  Trebonius  musz  also  im  lanfe  des  j.  708  aus 
Spanien ,  wo  man  ihn  vertrieb,  nach  Rom  gegangen  sein,  von  wo  er 
dann  nach  Caesars  abmar^ch  abermals  nach  Spanien  sich  begab» 

Nun  können  wir  zum  ausgangspunkt  dieser  Untersuchung  zurück- 
kehren. Cicero  ächickte  also  den  eben  behandelten  brief  XV  20  dem 
auf  der  reise  nach  Spanien  befindlichen  Trebontui?>  nachj  wie,  wenn 
er  ihm  bei  der  abreise  den  brief  XV  21  geschrieben  hätte,  der 
in  das  j,  707  so  schlecht  passt?  in  der  that,  wenn  man  sich  mit 
den  bedenken,  die  gegen  die  abfasüung  dieses  briefes  im  Januar  707 
sprechen^  nicht  abfinden  kann  —  und  ich  gestehe,  ich  kann  es  nicht 
—  so  bleibt  keine  andere  wahL  und  ich  sehe  nichts  was  aiob  mit 
grond  gegen  diese  ansetzung  einwenden  liesze. 

Cicero  nennt  dann  allerdings  ende  708  die  ereiguisse  von  ende 
705  bis  anfang  707  haec  reccntia;  ?gb  %  2  ui  liaec  recentia  ,  .  öWi- 
viscar,  quac  tua  sollicäudo  de  me  in  armis  {=  ende  705  bis  august 
706),  quae  laetUia  in  reditu  (—  oct.  706),  quae  cura^  qui  dolor,  cum 


WStemkopf:  über  zwei  briefe  Ciceros  an  C.  Trebonios.       431 

ad  te  curae  ä  dolores  mei  perferrentur  (ende  706);  Brundisium  de- 
nique  te  ad  me  ventumm  fuisse,  nisi  subito  in  ffispaniam  missus 
esses  (anfang  707).  aber  dies  sind  recentia  im  gegensatz  zu  den  Tor- 
her  erwähnten  geächehnis&en  aus  dem  j.  694  {cum  tribuno  plebis 
guaestor  non  paruistf).  es  liegt  darin  also  gar  nichu  auffälliges. 
man  vgl.  epist.  XIII 17, 1,  wo  es  von  M/  Curius  hei^izt:  nam  et  amt- 
eitia  pervetus  mihi  cum  eo  est^  ut  primum  in  forum  venit,  instituta^ 
et  Patris  cum  aliquotiens  antea  (zb.  50),  tum  prozime  hoc  miser- 
rimo  bello  domus  eius  tota  mihi  patuit,  dieBproxime  hoc  miserrimo 
beüo  bezieht  sich  auf  sept.  706,  und  der  brief  ist  im  j.  708  ge- 
schrieben. 

Nehmen  wir  aA,  dasz  Trebonius  etwa  im  quintilis  708  nach 
Rom  zurückgekehrt  war,  so  bleibt  in  diesem  15  monate  langen  jähre 
(nach  dem  november  wurden  noch  zwei  scbaltmonate  eingeschoben) 
zeit  genug  für  die  anbahnung  eines  vertraulichem  Verkehrs  zwischen 
Cicero  und  Trebonius,  sowie  für  die  ab fassung  jenes  werkchens  über 
die  witze  Ciceros.  in  diese  zeit  passt  in  der  tbat  ein  solches  werk- 
chen ganz  gut.  es  hat  nichts  anslösziges  für  Cicero ,  der  sich  in  die 
Verhältnisse  gefunden  hat,  nichts  für  Caesar,  der  seit  Thapsus  der 
herr  ist.  in  dieser  beziehung  verdient  eine  stelle  aus  einem  briefe 
an  Paetus  {epist,  IX  16, 3  f.),  der  in  den  quintilis  708  gesetzt  wird, 
angeführt  zu  werden:  de  lüo  autem^  quem penes  est  omnis potestas^ 
nihil  Video  quod  timeam ,  nisi  quod  omnia  sunt  incerta  .  .  sed  tarnen 
eius  ipsius  nuUa  re  a  me  offensus  est  animus:  est  enim  adhibita  in  ea 
re  ipsa  summa  a  nobis  moderatio; , .  effugere  autem  si  vetim  nonnüUo- 
rum  acute  aut  facete  dictorum  famam,  fama  ingenii mUii est  abi- 
cienda,  quod,  si  possem,  non  recusarem;  sed  tamen  ipse  Caesar  habet 
peracre  iudicium,  et  .  .  audio  Caesarem,  cum  volumina  iam  confecerit 
d7tog>&€yfjLccT(ovj  si  quod  afferatur  ad  cum  pro  meo ,  quod  meum  non 
sU,  reicere  solere;  quod  eo  nunc  magis  facit,  quia  vivunt  mecum 
fere  cotidie  illius  familiäres;  incidunt  autem  in  sermone  vario 
mtUta,  quae  fortasse  iUis,  cum  dixi,  nee  inlitterata  nee  insulsa 
esse  videantur ;  haec  ad  illum  cum  reliquis  actis  perferun- 
tur  —  ita  enim  ipse  mandavit  — ;  sie  fit,  ut^  si  quid  praeterea  de  me 
audiat^  non  audiendum  putet.  hier  sieht  man  also,  dasz  Cicero  in 
dieser  zeit  sich  wieder  auf  witzigen  bemerkungen  betreffen  liesz  und 
dasz  die  Caesarianer  dieselben  colportierten.  das  mag  Trebonius  zu 
seinem  werkchen  angeregt  haben. 

Endlich:  Cicero  stellt  in  unserm  briefe  die  Übersendung  dieses 
büchleins  als  einen  ganz  hervorragenden  liebesbeweis  des  Trebonius 
dar:  §  1  nam  ad  amorem  quidem  nihil  poterat  accedere  .  .  nuUam 
enim  apud  me  reliquisti  dubitationem,  quantum  me  amares'^  §  2  Über 
iste  quem  mihi  misisti  quantam  habet  dedarationem  amoris  iuif 
§  3  cum  vero  ea  quae  scriptura  persecutus  es  sine  summo  amore  cogi- 
tare  non  potueris,  non  possum  usw.  nun  lesen  wir  in  XV  20,  2:  fu, 
mi  Treboni,  quoniam  ad  amorem  meum  aliquantum  discedens  addi- 
disti]  beziehen  wir  dies  auf  XV  21,  so  ist  discedens  nicht  *durch  deine 


432  JLange:  zu  Plautus  [Stichus  145  f.]. 

abreise',  sondern  *beim  abschied',  und  Cicero  weist  dann  noch  ein- 
mal auf  die  dedication  zurück ,  die  er  bereits  in  XV  21  so  über- 
scbwSnglicb  gepriesen  hatte. 

Als  Trebonius  ende  708  oder  anfang  709  abreiste,  befand  Cicero 
sich  auf  einem  seiner  landgttter;  hier  hatte  er  die  Sendung  des  Tre- 
bonius erhalten,  und  von  hier  schrieb  er  ihm  den  abschiedsbrief 
XV  21.'  er  kehrte  dann  nach  Rom  zurück  und  schrieb  nicht  lange 
nachher  XV  20. 


*  ist  der  brief  richtig^  datiert,  so  braucht  der  dichter  Calvus  (s.  §  4) 
nicht  schou  im  j.  707  gestorben  zu  sein. 

Dortmund.  Wilhelm  Sternkopf. 

(25.) 

ZU  PLAUTUS. 


Stichus  145  f.  liest  man  in  der  ausgäbe  von  Götz  gemSsz  der 
hsl.  Überlieferung: 

curate  igitur  familiärem  rem,  üt  potestis,  öptume. 
IT  nüncplaces,  quom  riete  monströs:  nunc  tibi  auscuUdbimus. 
bedenklich  scheint  mir  hier  die  Verbindung  der  werte  tU  potestis 
optume  zu  sein;  dieselbe  wird  sich  schwerlich  sonst  bei  Plautus  nach- 
weisen lassen,  in  diesem  falle  verlangt  bekanntlich  der  lateinische 
Sprachgebrauch  in  der  regel  nicht  ut^  sondern  quam,  wie  Ter.  Eun. 
74  f.  quid  agds?  nisi  ut  teridimas  captum  quam  queas  \  minumö, 
aus  dieser  ungewisheit  hilft  uns  jedoch,  wenn  ich  mich  nicht  irre,  der 
vergleich  mit  einigen  andern  Plautinischen  stellen  leicht  heraus :  vgl. 
Merc.  224  nS  te  opprimeret  inprudeniem  atque  ikdaret.  \  öptume. 
Stich.  668  f.  proin  tu  lauare  pröpera.  IT  lautus  sum.  IT  öptume:  \ 
sequere  Srgo  hac  me  intro.  Amph.  965  hdbui  expurigdtionem:  facta 
pax  est.  ^  öptumest.  Capt.  706  nunc  falsa  prosunt.  T  dl  tibi  oh- 
erunt,  [f  öptume  st,  Asin.  785  ff.  membri  commoueat  quicquam  in 
tenehris,  ^  öptumest*:\ita  scilicet  fhäüram.  in  allen  diesen  stellen 
wird  mit  optume  (optumest),  das  am  ende  des  verses  steht,  eine  neue 
person  redend  eingeführt,  und  wir  können  daraus  mit  ziemlicher 
Sicherheit  schlieszen,  dasz  auch  in  unserer  stelle  die  worte  folgender- 
maszen  zu  verteilen  sind: 

curate  igitur  familiärem  rem ,  üt  potestis.   T  öptume. 

nunc  places^  quom  ride  monstras:  nunc  tibi  auscuUdbimus, 

*  80,  nicht  op(umum$t,  ist  ohne  zweifei  ancli  hier  mit  DE  (B  hat 
opiüxt)  zu  lesen:  denn  dafls  ein  ndverbinm,  nicht  ein  adjectlTiun  in 
derartifiren  fällen  verlangt  wird,  ersieht  man  am  besten  ans  Capt.  698  f., 
wo  ich  mit  Fh>ckeiäen  lese:  m^us  iodatit  Philocraies  \  in  Übertatest  äpud 
patrem  in  patrid.     bene»t, 

Neumark  in  Westprbüszen.  Julius  Lange. 


ERSTE  ABTEILUNG 
FÜR  CLASSISCHE  PHILOLOGIE 

HERAUSGEGEBEN  VON  AlFBED  FlECEEISEN. 


52. 

DER  BEGRIFF  UND  DIE  AUFGABE  DER  LITTERATÜR- 
WISSENSCHAFT.* 


Wenn  ich  mich  Ihnen  mit  meiner  heutigen  antritts Vorlesung 
als  privatdocent  für  classische  pbilologie  vorzustellen  habe,  so  lag 
mir  bei  der  wähl  eines  themas  für  dieselbe  kein  gedanke  näher  als 
dieser:  ich  glaubte  Ihnen  eine  Vorstellung  von  meinem  wissenschaft- 
lichen Standpunkt  geben  zu  sollen  und  von  meiner  auffassung  von 
den  aufgaben  der  Wissenschaft,  die  ich  zu  vertreten  die  ehre  haben 
werde,  aber  nicht  allein  meine  persönliche  Überzeugung,  dasz  ich 
auf  diese  weise  dem  zweck  einer  antrittsvorlesung  am  besten  gerecht 
werde,  ein  äuszerer  umstand  ist  vor  allem  bei  der  wähl  meines 
themas  maszgebend  gewesen:  Sie  können  von  vom  herein  nicht 
wissen,  was  Sie  von  mir  zu  erwarten  haben  werden,  classische  pbilo- 
logie ist  eine  althergebrachte  bezeichnung  der  auf  das  classische  alter- 
tum  gerichteten  wissenschaftlichen  thätigkeit,  ein  name  der  heute 
in  ganz  verschiedenem  sinne  gebraucht  wird,  man  spricht  von  clas- 
sischer  philologie  im  gegensatze  zu  orientalischer,  romanischer,  ger- 
manischer und  sonstiger  philologie  und  unterscheidet  gewöhnlich 
mit  diesen  namen  die  beschäftigung  mit  gewissen  Völkergruppen, 
ohne  die  frage  aufzuwerfen,  ob  dieselbe  auf  das  gleiche  ziel  ge- 
richtet ist,  und  ob  diese  verschiedenen  philologien  vielleicht  eine 
geschlossene  Wissenschaft  der  philologie  ausmachen,  betrachten  wir 
weiter  allein  die  classische  philologie,  so  treten  uns  die  verschieden- 
sten auslebten  von  der  aufgäbe  derselben  entgegen,  man  versteht 
darunter  bald  altertumswissenscbaft ,  bald  geschichtswissenschaft, 
bald  nationalgeschicbte.  andere  beschränken  ihr  gebiet  auf  die  her- 
stellung  und  erklärung  der  schriftstellertexte  und  machen  ihr  den 


*  antrittsvorlesang  gehalten  bei  der  habilitation  in  der  pbilosopbi« 
sehen  facultät  der  univ.  Berlin  am  3  mai  1893. 

JahrbQcher  f&r  class.  philol.  1898  hft.  7.  28 


434      OFroebde :  begriff  und  aufgäbe  der  litteraturwisaengchaft.. 


rang  einer  Wissenschaft  streitig,  philologie  sei  eine  kunätübimg  und 
dienerin  der  geschieb ts Wissenschaft,  sie  i^ei  nichts  anderes  als  eine 
grundlegende  methode  der  letztern. 

Als  dip  heute  b ersehende  auftassung  betrachte  ich  diejenige  der 
altertumäwissenschaft,  deren  begründer  Friedrich  August  Wolf  ist, 
und  zu  welcher  sich  heute  die  namhaftesten  gelehrten  bekennen» 
deutlichen  ausdruck  findet  dieselbe  in  dem  von  Iwan  von  Müller 
herausgegebenen  band  buch  der  classischen  altertumswissenschaft. 
dasselbe  umfaszt  das  gesamt«  auf  Griechen  und  Romer  bezügliche 
wissen  und  enthält  auszer  einleitenden  und  bilfadisciplinen  die  das* 
sische  sprach wissenachafti  die  geographie  und  politische  gescbichte, 
die  altertümer,  die  geschichte  der  naturwissenschaft  und  philosophie^ 
die  mythologie  und  religionsgeschicbie,  die  kunfitarcbäologie  und 
endlich  die  litteraturge  schichte,  diese  altert  ums  wisöen^chaft  stellt 
ak  ihre  aufgäbe  das  Verständnis  der  antike  hin  oder  die  erkenntnia 
des  gesamtlebens  der  beiden  classischen  Völker,  die  erkenntnis  der 
antiken  cultur.  sie  macht  einen  unterschied  zwischen  formellen  dis- 
ciplinen  wie  kritik  und  hertneneutik  und  materlalen  dlsciplinen  wie 
geographie,  geschichte,  alterttimer,  mythologie,  archäologie,  philo- 
Sophie  und  litteraturgeschichte  und  rechnet  auch  die  hilfs wissen« 
Schäften  wie  bücherknnde  i  h  and  sc  briften  künde  ^  paläographie,  epi- 
grapbik,  meirik  und  grammatik  als  zum  System  gehörig  hinzu,  diese 
verschiedenen  disciplinen  sollen  zusammen  ein  geschlossenes  System 
bildeni  in  welchem  zwischen  reiner,  historischer  und  philosophischer 
oder  ästhetischer  philologie  unterschieden  wird. 

Bei  meiner  auffassung  von  dem  wesen  der  Wissenschaft  mns« 
ich  auf  das  entschiedenste  bestreiten,  dasz  diege  Zusammenfassung 
eine  hystematische  ist.  es  fehlt  ihr  wenn  nicht  in  der  tbeorie  so 
jedenfalls  in  Wirklichkeit  die  einheit  der  idee  oder  de*  zieles.  nur 
wo  diese  in  verechiedeDen  disciplinen  gleichmä^zig  durchgeführt  er- 
scheint, sind  wir  berechtigt  dieselben  als  glieder  eines  geschlo^^äenen 
Systems,  als  teile  einer  von  andern  unterschiedenen  wiaüenschaft  an- 
zusehen, lassen  Sie  mich  Ihnen  dieses  an  dem  bei  spiel  der  sprach - 
Wiesenschaft  zeigen ,  mit  welcher  ich  mich  eingehender  beschäftigt 
habe,  das  handbucb  der  classischen  altertumswisi^enscbaft  enthält 
eine  griechische  grammatik,  welcher  die  methode  der  modernen  ver- 
gleichenden Sprachwissenschaft  zu  gründe  liegt,  eine  auf  genau  der- 
»elben  methode  beruhende  vergleichende  grammatik  des  altgriechi- 
sehen  finden  Sie  aber  auch  in  der  bibliolhek  indogermanibcher 
gramniatiken.  gehört  nun  die  griechische  grammatik  —  und  zwar 
diese  —  in  die  aitertumswissenschaft  oder  in  die  sprach  wjsseniichaft? 
wenn  wir  fragen:  was  hat  die  griechit^che  grammatik  neben  einer 
Sprachlehre  des  keltischen,  deutschen »  slavischen  oder  sanskrit /u 
Buchi-^n?  so  antworte  ich:  diese  verschiedenen  disciplinen  »ind  glieder 
^iner  Wissenschaft  und  werden  in  derselben  durch  die  einheit  der 
idee  auf  das  engBte  zusammengehalten,  die  aufgäbe  der  sprach* 
Wissenschaft   ist   nemÜoh  die  erkenntnie  des  wesens  der  äpracbe^ 


OFroehde:  begriff  uod  aufgäbe  der  litteraturwisBenBcbaft.     435 

welche  in  der  erklärang  ihres  wandeis  oder  ihrer  geschichte  be- 
steht, da  nun  die  grammatiken  der  einzelnen  indogermanischen 
sprachen  dasselbe  ziel  in  gleicher  weise  verfolgen,  so  sind  sie  durch 
die  einheit  der  idee  zu  gliedern  öines  Systems  verbunden,  was  ver- 
bindet aber  die  griechische  grammatik  im  handbuch  der  altertums- 
wissenschaft  mit  der  alten  geschichte  oder  kunst?  nichts  als  der 
name  der  Griechen  und  Römer,  denn  wie  es  sich  in  dem  der  Sprach- 
wissenschaft gewidmeten  bände  um  die  erkenntnis  der  spräche  han- 
delt, so  erstrebt  die  darstellung  der  alten  geschichte  die  erkenntnis 
der  politischen  ereignisse.  eine  jede  disciplin  hat  hier  ihr  besonderes 
ziel  und  verfolgt  dasselbe  in  anderer  weise,  man  hat  aus  den  ver- 
schiedensten Wissenschaften  das  die  classischen  Völker  betreffende 
herausgenommen  und  glaubt  durch  äuszere  nebeneinanderstellung 
ein  neues  System  geschaffen  zu  haben,  das  handbuch  der  classischen 
altertu  ms  Wissenschaft  ist  eine  samlung  vortrefflicher  handbücher, 
welche  uns  über  den  augenblicklichen  stand  der  auf  Griechen  und 
Römer  bezüglichen  fragen  in  den  verschiedenen  Wissenschaften  auf 
das  beste  unterrichten ,  ein  System  der  altertumswissenschaft  ist  es 
jedoch  auf  keinen  fall. 

Ich  bin  weit  davon  entfernt  die  möglichkeit  einer  altertums- 
wissenschaft in  abrede  stellen  zu  wollen,  gewis  kann  man  die  antiken 
sprachen  oder  die  antike  kunst  auch  zu  anderm  zwecke  studieren  als 
zu  dem  der  erkenntnis  des  wesens  der  spräche  oder  des  wesens  der 
kunst.  was  dieselben  mit  einander  gemein  haben ,  ist  die  idee  des 
antiken,  sucht  man  das  wesen  des  antiken  in  gleicher  weise  in 
spräche,  kunst,  litteratur  und  geschichte  der  alten,  kurz  in  jeder 
äuszerung  des  menschlichen  geistes  im  altertum,  so  werden  diese 
verschiedenen  disciplinen  durch  die  einheit  der  idee  zur  altertums- 
wissenschaft vereinigt,  über  die  idee  des  antiken  gibt  uns  die  all- 
gemeine altertumslehre  auskunft,  wie  sie  Böckh  seiner  be- 
sondem  altertumslehre  vorangeschickt  hat.  das  wesen  des  antiken 
kann  nur  im  gegensatz  zu  dem  des  modernen  erkannt  werden,  in 
der  antiken  bildung  herscht  die  natur,  in  der  modernen  der  geist 
vor.  die  antike  cultur  trägt  den  Charakter  der  notwendigkeit ,  die 
moderne  den  der  freiheit.  indem  man  nun  die  charakteristischen 
Züge  des  altertums  in  gleicher  weise  im  antiken  Staats-  und  Privat- 
leben, in  der  antiken  kunst  und  religion,  in  der  antiken  spräche 
und  Wissenschaft  nachweinst,  treibt  man  wahre  altertumswissen- 
schaft. ihre  aufgäbe  ist,  die  gründe  der  eigenart  des  antiken  wesens 
zu  erforschen,  darüber  finden  Sie  im  handbuch  der  classischen  alter- 
tumswissenschaft kein  wort,  die  begründung  einer  altertumswissen- 
schaft kann  aber  erst  dann  erfolgen,  wenn  diejenigen  Wissenschaften, 
welche  sowohl  den  antiken  wie  den  modernen  geist  in  seinen  ein- 
zelnen äuszerungen  zu  erforschen  haben  wie  die  kunstwissenschaft^ 
Sprachwissenschaft ,  rechtswissenschaft  ua.  die  geschichte  der  kunst, 
der  spräche  und  des  rechts  vom  altertum  bis  zur  gegenwart  in  ihrer 
gesamten  entwicklung  dargelegt  haben  werden,  davon  sind  wir  aber 

28* 


436      OFroehde:  begriff  und  aufgäbe  der  Utteraturwisdenschafb. 


noch  weit  entfernt,  was  bei  dem  jungen  alter  der  modernen  sprach- 
und  kun  st  Wissenschaft  kein  wunder  iät.  ein  sjstem  der  altertums- 
wifisen^chaft  ist  deshalb  heute  eine  reine  Unmöglichkeit, 

Wenden  wir  uns  nunmehr  ^u  der  geistreichen  consiruction 
der  geächichtswissenschaft  von  Augost  B(jckh.  in  meinen  in  den 
jähren  1809  hh  1865  gehaltenen  Vorlesungen  über  encyclopädie 
und  methodologie  der  philologischen  Wissenschaften  hat  Böckb  die 
Philologie  als  erkenntnis  des  erkannten  dh.  dm  vom  mejiachlichen 
geiste  pro  du  eierten  definiert  und  dieselbe  als  identisch  mit  der 
geschieh ts Wissenschaft  im  sinne  von  geistesgeschichte  hingestellt, 
ßcharfsinnig  ist  seine  Unterscheidung  der  formalen  ibeorie  der  philo- 
logischen Wissenschaft  und  der  materialen  discipÜnen  der  altertuma- 
lehre,  der  formale  teil  enthält  die  methode  der  philologischen  for- 
schung  oder  das  philologische  organon  dh.  die  tbeorie  der  kritik  und 
hermeneutik,  dagegen  hat  der  materiale  teil  seiner  philologie  die 
gesamte  geihtige  entwicklung  der  classischen  Völker  zum  gegenstände. 
die  bauptfäcbt'r  dieser  culturgesubichte  sind  staatsleben  oder  öffent- 
liches leben  I  familien-  oder  privatleben,  kunst  und  äussere  religion, 
wiäsenschaft  und  religionelehre. 

Ohne  eine  vol  Iständige  kritik  dieser  hohen,  eigenartigen  schöpf ung 
des  genies  geben  zu  wollen»  möchte  ich  nur  mit  ein  paar  worten  auf 
den  formalen  teil  eingehen ,  um  meinen  eignen  Standpunkt  zu  ge- 
winnen, dieser  teil  stellt  ^un^chst  vier  arten  philologischer  berme- 
neutik  dar:  die  grammatische,  historische,  individuelle  und  gene- 
rißcbe  interpretation.  diese  lehren  die  erklärung  eines  Schriftwerks 
1)  aus  dem  grammatischen  wortsinn  ^  2)  aus  den  in  demselben  ent- 
haltenen beziehungen  auf  die  historischen  Verhältnisse^  3)  aus  der 
Individualität  seines  Verfassers  und  4)  aus  dem  Charakter  der  gattung 
welcher  es  angehört,  diesen  vier  arten  der  hermeneutik  entsprechen 
die  vier  arten  der  grammatischen,  historischen»  individuellen  und 
generischen  kritik.  der  formale  teil  Böckhs  ist  also  nichts  anderes 
als  die  tbeorie  der  hermeneutik  und  kritik  litterarischer  denkmäler. 
dessen  ist  sich  Böckb  selbst  deutlich  bewust  gewesen,  ich  möchte 
Ihnen  seine  eignen  worte  anführen ,  da  mir  auf  diesen  punkt  alles 
ankommt,  er  sagt  am  ächloäz  der  darstellung  der  kritik:  Hn  der 
that  sind  auch  die  vier  von  uns  erörterten  arten  der  kritik  in  ihrer 
gesamtbeit  nichts  anderes  als  das»  was  man  im  gewöhnlichen  Sprach- 
gebrauch litterarieche  kritik  nennt  und  als  aufgäbe  der  recan- 
sionen  im  modernen  sinne  ansiebt,*  ist  nun  —  so  frage  ich  Sie  — 
die  litterarische  kritik  und  hermeneutik  wirklich  die  iheorie  der 
gesc hieb tfi Wissenschaft?  mit  der  verneinenden  anlwort  dieser 
frage  stürzt  das  Böckhsche  System  zusammen«  Böokh  entwickelt 
im  praktischen  teil  die  geschichte  der  classiscben  litteratur »  welche 
fraglos  gewisse  beziehungen  zur  tbeorie  der  litterarischen  methode 
hat.  er  entwickelt  femer  die  geschiebte  der  alten  kunst,  sollte  diese 
dieselben  be 7 1  i  zur  litterarischen  kritik  und  hermeneutik  haben 

wie  die  littL  liichteV  sollte  ihr  nicht  vielmehr  die  arcb&o* 


OFroehde :  begriff  und  aufgäbe  der  litteraturwisBenscbaft.     437 

logische  kritik  und  bermeneutik,  die  metbode  der  kunstwissen* 
scbaft,  entsprechen  ?  Böckb  bat  absichtlich  auf  eine  bebandlung  der 
letztern  verzichtet,  weil  er  nur  die  allgemeine  theorie  geben  will, 
und  weil  er  die  archäologische  metbode  als  eine  abzweigung  der- 
selben betrachtet,  wie  kann  denn  aber  die  archäologische  metbode 
eine  abzweigung  der  litterarischen  sein  ?  warum  ist  dem  entspre- 
chend im  praktischen  teil  die  kunstgeschichte  nicht  als  eine  ab- 
zweigung der  litteraturgeschichte  übergangen  worden?  Böckb  ent- 
wickelt weiter  die  politische  geschichte.  sollte  auch  für  diese  die 
litterarische  metbode  in  betracht  kommen,  und  nicht  vielmehr  die 
historische  kritik  db.  die  kritik  der  thatsachen?  denn  jene  histo- 
rische kritik,  die  uns  im  formalen  teil  begegnete,  ist  nicht  kritik  der 
thatsachen,  sondern  litterarische  kritik  der  litteraturdenk- 
mäler,  soweit  sie  historische  thatsachen  berühren,  unmöglich  durfte 
Böckh  die  litterarische  metbode  als  solche  darstellen,  er  durfte  aber 
auch  nicht  etwa  die  archäologische  und  andere  metboden  daneben 
stellen,  sondern  er  muste  eine  den  verschiedenen  disciplinen  seiner 
geschichts Wissenschaft  gemeinsame  geschichtliche  metbode  erfinden, 
wie  die  kritik  und  bermeneutik  der  kunstdenkmäler  zur  methoden- 
lebre  der  kunst  wissen  scbaft  gehört,  soist  die  litt  er  arische  kritik 
und  bermeneutik  die  theorie  der  litteraturwissenschaft.  Böckhs 
formaler  teil  gehört  in  diese,  die  materialen  disciplinen  aber  finden 
in  der  kunstwissenschaft ,  Sprachwissenschaft,  litteraturwissenschaft 
und  andern  ihren  platz :  sie  enthalten  je  eine  der  verschiedenen  auf- 
gaben dieser  Wissenschaften,  nemlich  die  geschichte  der  kunst,  die 
geschichte  der  spräche  oder  die  historische  grammatik  und  die  ge- 
schichte der  litteratur. 

Hiermit,  meine  herren,  habe  ich  Sie  so  weit  geführt,  dasz  Sie 
meine  aufstellung  einer  besondem,  selbdtändigen  litteratur- 
wissenschaft begreifen  werden,  ich  entwickle  Ihnen  den  begriff 
und  die  aufgäbe  derselben  im  zusammenhange. 

Die  litteraturwissenschaft  ist  eine  geisteswissenschaft,  insofern 
sie  diejenige  äuszerung  des  menschlichen  geistes  zum  gegenstände 
hat,  welche  uns  in  der  form  des  in  der  schrift  niedergelegten  sprach- 
Werkes  entgegentritt ,  insofern  sie  es  mit  den  dem  menschlichen 
geiste  entstammenden  gedanken  zu  thun  bat,  welche  in  der  spräche 
verkörpert  sind  und  uns  durch  das  zeichen  der  letztern ,  die  schrift, 
faszbar  werden,  die  geisteswissenschaften  in  ihrer  gesamtheit  haben 
die  erkenntnis  des  menschlichen  geistes  zur  aufgäbe  und  haben  zu 
derselben  auf  dem  wege  der  gleichen  psychologischen  metbode  zu 
gelangen,  wenn  wir  das  Verhältnis  derselben  erkennen  wollen,  so 
müssen  wir  uns  durch  die  geschichte  aller  Völker  und  zelten,  welche 
die  entwicklung  des  menschlichen  geistes  darstellt,  quer>  oder  längen- 
durchschnitte gemacht  denken,  bei  einem  querdurchschnitt  werden 
die  verschiedenen  äuszerungen  des  geistes  in  einem  bestimmten 
Zeitabschnitt  oder  in  einem  einzelnen  volke  zusammengefaszt  wie  zb. 
durch  die  altertumswissenschaft  oder  die  nationalgeschichte,  welche 


438     OFroehde:  begriff  und  aufgäbe  der  litteratarwissenschafL 

den  geist  des  altertums  oder  einer  nation  aus  allen  riebt angen  geisti- 
ger thätigkeit,  kunst,  spräche,  litteratur  usw.  erforschen,  ein  längen- 
durcbscbnitt  hingegen  entsteht,  wenn  wir  eine  einzelne  äuszerung 
des  menschlichen  geistes  durch  die  ganze  länge  der  geschichte  ver- 
folgen ,  also  zb.  die  entwicklung  der  litteratur  aller  Völker  von  den 
ältesten  erreichbaren  Zeiten  bis  zur  gegenwart.  das  ist  das  gebiet  der 
litteraturwissenschaft.  dieselbe  entstehung  zeigen  ihre  Schwestern, 
die  Wissenschaften  der  spräche,  des  glaubens,  der  kunst ^  der  sitte 
und  des  rechts,  des  Staates  und  der  gesellschaft  die  litteratur- 
wissenschaft ist  eine  von  den  andern  geisteswissenschaften  durch 
die  Verschiedenheit  der  idee  getrennte  selbständige  Wissenschaft, 
zwar  trifft  der  litteraturforscher  mit  dem  Sprachforscher  oder  histo- 
riker  auf  dem  gebiete  der  litteratur  zusammen,  da  es  ja  tote  sprachen 
gibt,  die  nur  der  litteratur  ein  weiterleben  verdanken,  und  da  der 
historiker  die  güi^chichtlichen  Vorgänge  früherer  Zeiten  nicht  selbst 
erlebt  hat  und  für  ihre  erkonntnis  wie  auch  ftlr  die  der  gegenwart 
auf  die  litterarischen  denkmäler  angewiesen  ist.  aber  man  würde 
sehr  irren ,  wenn  man  hieraus  auf  die  einheit  ihrer  Wissenschaften 
schlieszen  wollte,  studieren  sie  doch  die  litteratur  zu  ganz  ver- 
schiedenem zweck,  dem  Sprachforscher  und  historiker  ist  das  Studium 
derselben  nur  mittel  zum  zweck,  beide  benutzen  die  litteratur  als 
quelle ,  um  aus  ihr  für  ihren  zweck  zu  schöpfen,  der  in  der  erkennt- 
nis  des  wesens  der  spräche  und  der  geschichtlichen  thatsachen  be- 
steht, dem  litteraturforscher  ist  die  litteratur  Selbstzweck:  er 
will  aus  ihr  nicht  das  wesen  der  spräche  oder  der  politischen  Vor- 
gänge, sondern  das  wesen  der  litteratur  selbst  ergründen, 
dies  ist  die  der  litteraturwissenschaft  zu  gründe  liegende  idee, 
durch  welche  sie  von  allen  andern  geisteswissenschaften  geschieden 
wird,  die  erkenn tnis  des  wesens  der  litteratur  dh.  die  erforschung 
der  bedingungen,  unter  denen  die  litteratur  entsteht,  der  Ursachen, 
weshalb  ein  litteraturwerk  so  und  nicht  anders  beschaffen  ist,  das 
ist  die  aufgäbe  der  litteraturwissenschaft.  die  bedingungen  der  ent- 
stehung eines  litteraturproductes  sind  nun  doppelter  art.  sie  sind 
erstens  individueller  natur,  da  ein  jedes  werk  einen  Verfasser  hat 
und  rücksichtlich  der  spräche,  des  inhalts  und  der  composition  den 
Stempel  seines  geistes  trägt,  sodann  aber  allgemeiner  natur,  da  nicht 
alles,  was  in  einem  buche  steht,  geistiges  eigentum  des  verfasseis 
ist,  sondern  derselbe  in  spräche  und  gedanken  von  den  Verhältnissen 
seiner  zeit,  seines  volkes  und  Stammes,  seiner  heimat  und  gesell- 
schaft abhängig  ist  und  in  hinsieht  des  innem  Zweckes  seiner  schrift 
den  gesetzen  der  gattung,  der  sie  angehört,  bewust  oder  unbewust 
folgt,  zu  dem  ihr  eigentümlichen  ziel  der  erkenntnis  des  wesens  der 
litteratur  gelangt  die  litteraturwissenschaft  mit  hilfe  der  ihr  eignen 
methode  der  litterarischen  kritik  und  hermeneutik.  wird 
diese  selbst  zum  gegenstände  wissenschaftlicher  Untersuchung  ge- 
macht, wozu  Bobortelli  im  sechzehnten  jh.  den  anstosz  gab,  so  haben 
wir  zwei  hauptteile  unserer  Wissenschaft  zu  unterscheiden:  1)  die 


OFroehde:  begriff  und  aufgäbe  der  litteraturwiBsenschaft.      439 

formale  theorie  oder  den  theoretischen  teil  oder  die  allgemeine 
litteraturwissenschaft  und  2)  die  materialen  disciplinen  oder 
den  praktischen  teil  oder  die  besondere  litteraturwissen- 
schaft. den  alten  Vorwurf  der  forraalphilologie  darf  man  ihr  nicht 
machen,  eine  jede  sich  ihrer  selbst  bewuste  Wissenschaft  sollte  neben 
dem  eigentlichen  materialen  teil  einen  formalen  aufzuweisen  haben, 
in  dieser  beziehung  kann  die  litteraturwissenschaft  andern  Wissen- 
schaften geradezu  als  muster  gelten,  die  allgemeine  litteraturwissen- 
schaft entwickelt  den  begriff  und  die  aufgäbe  der  litteraturwissen- 
schaft und  untersucht  weiter  die  gesetze  der  litterarischen  kritik 
und  hermeneutik,  weiche  die  litterarische  forschung  regeln  und  mit 
gewissen  modificationen  fQr  die  litteraturwerke  aller  Völker  und 
Zeiten  gelten,  an  einem  besondern  entwurf  der  litterarhistorischen 
methode  fehlt  es  uns  noch,  in  diesem  teil  findet  auch  die  geschichte 
der  litteraturwissenschaft  ihren  platz,  dieselbe  hat  nicht  den  zweck^ 
daten  tiber  das  leben  der  forscher  und  über  ihre  schriftstellerei  auf- 
zuspeichern, sondern  allein  d6n,  den  fortschritt  der  litterarischen 
methode  darzulegen  und  zu  erklären,  hierbei  kommt  das  leben  eines 
litteraturgelehrten  nur  insofern  in  betracht,  als  die  beschaffenheit 
seiner  methode  in  seinem  bildungs-  und  studiengang  eine  erklärung 
findet,  und  seine  schriftstellerei  verdient  nur  so  weit  berUcksichti- 
gung,  als  sich  in  ihr  die  entwicklung  seiner  methode  widerspiegelt, 
die  besondere  litteraturwissenschaft  entsteht  durch  die  anwendung 
der  allgemeinen  gesetze  auf  das  object  der  forschung,  die  litteratnr. 
die  classische,  orientalische,  romanische,  germanische  und  slavische 
litteraturwissenschaft  ergeben  sich  als  besondere  disciplinen.  ganz 
ähnlich  ist  die  Sprachwissenschaft,  deren  theoretischen  teil  die  allge- 
meine Sprachwissenschaft  oder  Sprachphilosophie  bildet,  deren  prak- 
tischer teil  im  wesentlichen  die  orientalischen,  classischen,  romani- 
schen, keltischen,  germanischen  und  slavolettischen  sprachen  umfaszt. 

Gehen  wir  von  dem  begriff  der  litteraturwissenschaft  zu  der 
aufgäbe  derselben  über,  sie  ist,  wie  ich  schon  sagte ^  eine  einheit- 
liche:  erkenntnis  des  wesens  der  litteratur,  wird  in  der  praxis  aber 
auf  einem  dreifachen  wege  gelöst:  1)  durch  die  herstellung  der 
litteraturdenkmäler  auf  grund  des  Studiums  ihrer  Überlieferung, 
2)  durch  die  erklärung  der  beschaffenheit  eines  einzelnen  werkes 
aus  seiner  entstehung,  3)  durch  die  darstellung  und  erklärung  der 
geschichtlichen  entwicklung  der  gesamten  litteratur.  dieselben  drei 
aufgaben  hat  die  kunstwissenschaft,  welche  von  allen  der  litteratnr- 
wiissenschaft  am  nächsten  steht. 

Die  erkonntnis  des  innern  wesens  der  litteratur  ist  unmittelbar 
nicht  möglich,  wenn  uns  die  werke  im  original  nicht  mehr  vorliegen, 
dies  ist  bei  der  classischen  litteratur  abgesehen  von  Inschriften  stets 
der  fall,  wir  verdanken  die  Überlieferung  derselben  handschriften, 
von  denen  einige  wenige  zwar  in  das  altertum  hinaufreichen ,  die 
meisten  aber  dem  spätem  mittelaltcr  angehören,  hunderte  von 
Jahren  liegen  zwischen  den  ältesten  zeugen  der  Überlieferung  und 


440      OFroehde:  begriff  und  aufgäbe  der  litteraturwisseöschaft 


dem  original  des  Verfassers,  zwischen  welchen  jede  YerbiDdung  fehlt, 
wir  haben  uns  die  lücke  durch  eine  lange  reihe  stufen  weis  gemachter 
abschriften  ausgefüllt  zu  denken^  von  denen  die  wenigsten  fehlerfrei 
geschahen,  die  uns  erhaltenen  handschriften  zeigen  uns  die  t«xte  im 
zustande  trauriger  Verwahrlosung,  äuszere  schaden  verursacht  durch^^ 
staub,  moder,  wurmfras«,  brand,  gewaltsames  zerreiszen  oder  ah 
wuschen  alter  schrift  eines  pergaraents  zum  zweck  der  aufnähme^ 
einer  neuen  erklären  ihn  nicht  allein,  hinzu  kommen  zahllose  fehler| 
welche  auf  irrtum  der  abschreiber  oder  willkürlicher  Verbesserung 
von  Schreibern,  correctoren  und  lesem  beruhen,  dictier-  und  Schreib- 
fehler, lücken  und  falsche  zuthaten ,  Verstellung  von  Wörtern  und 
Sätzen«  falsche  wortabteilung  und  Zeichensetzung  entstellen  den  text. 
besonders  verdient  die  falsche  Überlieferung  von  titeln  und  ver- 
fassernamen  hervorgehoben  zu  werden,  welche  anonymen  und  Pseudo- 
nymen Schriften  aus  Unkenntnis  des  Ursprungs  oder  mit  absichtlicher 
fÜlschung  beigelegt  worden  sind,  auszer  den  handschriften  dienen 
uns  als  quellen  der  Überlieferung  alte  drucke,  welche  den  wert  von 
handschriften  haben,  wo  diese  verloren  gegangen  sind,  und  weiter 
nachahmungen,  erklärungen  und  citate  der  alten,  welchen  viel  ältere 
handschriften  als  die  unsrigen  zu  gründe  liegen,  aber  als  indirecten 
zeugen  eine  geringere  bedeutung  zukommt,  bei  einer  solchen  be- 
schaffenheit  der  Überlieferung  hat  die  herstellung  des  textes,  um  zu 
ihrem  ziel,  der  ausgäbe  der  schriftsteiler  zu  gelangen,  eine  doppelte 
aufgäbe  zu  lösen ,  die  man  seit  Lachmann  ah  recension  und 
emendation  bezeichnet,  die  recension  geschiebt  mit  hilfe  der 
diplomatischen  oder  urkundlichen  kritik  und  hat  die  Überlieferung 
auf  ihre  äuszere  beglaubigung  hin  zu  beorteilen.  sie  ist  am  einfach- 
sten ,  wenn  ein  schrift  steller  nur  in  einer  handschrift  tiberliefert  ist. 
die  meisten  sind  indes  in  vielen,  manche  in  hunderten  von  hand- 
schriften erhalten,  es  gilt  das  Verhältnis  derselben  aus  ihrem  alter 
und  ihren  ab  weichungen  zu  bestimmen,  wenn  letzteres  bei  mecha- 
nischen fehlem  nicht  eben  schwer  ist,  so  kann  die  echtheit  der  les« 
arten  in  andern  fällen  nur  aus  innem  gründen  erkannt  werden,  die 
recension  setzt  also  die  bekanntschaft  mit  dem  schriftsteiler,  zu 
welcher  wir  auf  dem  wegeder  erklfirung  gelangen^  schon  voraus. 
dies  ist  der  ^ine  grund,  weshalb  das  Studium  der  Überlieferung  oder 
der  änszem  geschichte  der  litteratur  von  dem  der  entstehung  der- 
selben nicht  getrennt  werden  darf,  das  resultat  der  vergleichung 
der  handschriften  ibt  bei  den  einzelnen  Schriftstellern  ein  versobie- 
denes.  entweder  lassen  sich  alle  handschriften  auf  eis  uns  erbaliene« 
exemplar  zurückführen  oder  auf  ein  zwar  nicht  erhaltenes  aber  recon- 
stniierbares  archetjpon,  oder  sie  gliedern  s^ich  in  mehrere  classeDf 
von  denen  jede  einen  gemeinsamen  Ursprung  bat.  ist  mit  der  fest* 
Stellung  der  ältesten  Überlieferung  die  gmndlage  Für  die  herstellung 
des  textes  gewonnen,  so  wird  die  recension  durch  die  emendatioo* 
abgelöst,  welche  den  text  mit  hilfe  der  textkritik  in  die  gestalt  xu 
bringen  sucht «  welche  das  original  den  verfaasers  hatte,    auch  die 


OFroehde:  begriff  and  aafgabe  der  litteratnrwieseDBcbaft.     441 

ältesten  bandschriften  leiden  an  fehlem  aller  art  und  braueben  nicbt 
in  jeder  beziebung  die  besten  zu  sein,  sie  sind  weit  davon  entfernt 
den  text  in  reiner  gestalt  zu  bieten,  weicht  derselbe  Ton  andern 
zeugen  der  Überlieferung  ab ,  so  erhebt  sieb  die  frage :  was  hat  der 
Schriftsteller  geschrieben?  die  entscheidung  bei  der  wähl  der  les- 
arten  musz  zunächst  aus  innern  gründen  getroffen  werden,  ist  diese 
oder  jene  wendung  und  der  damit  hergestellte  gedanke  der  Indivi- 
dualität des  Verfassers  und  dem  allgemeinen  Charakter,  insbesondere 
dem  zweck  der  schrift  angemessen?  darüber  erteilt  uns  die  erklä- 
rung  des  Schriftstellers,  welche  also  auch  bei  der  emendation 
vorausgesetzt  wird,  auskunft.  läszt  sich  aus  innern  gründen  die  ent- 
scheidung über  die  richtigkeit  einer  lesart  nicht  fUllen^  so  kommt 
weiter  die  autorität  der  bandschriften  in  betracht:  die  besser  be- 
glaubigte lesart  verdient  den  vorzug.  auch  ist  auf  die  frage  rück- 
sicht  zu  nehmen ,  ob  sich  eine  lesart  aus  der  andern  herleiten  läszt. 
bietet  die  Überlieferung  eines  nur  in  öiner  handschrift  erhaltenen 
autors,  oder  bieten  die  lesarten  aller  bandschriften,  sei  es  dasz  sie 
variieren  oder  übereinstimmen,  etwas  falsches,  so  gibt  die  divinato- 
rische  oder  conjecturalkritik  auskunft  auf  die  frage:  was  würde  der 
Schriftsteller  geschrieben  haben?  man  hat  sich  in  die  Sprech-  und 
anschauungsweise  des  Verfassers  zu  versetzen,  um  das  seinem  zweck 
angemessene  zu  finden,  doch  ist  die  conjectur  nur  dann  überzeugend, 
wenn  sich  aus  ihr  die  fehler  der  Überlieferung  erklären  lassen,  ist 
endlich  der  name  des  Verfassers  aus  versehen  oder  absieht  falsch 
überliefert,  oder  fehlt  jede  Überlieferung  über  ihn,  so  ist  derselbe 
aus  dem  Sprachgebrauch,  dem  inhalt  und  dem  masz  der  schrift- 
stellerischen kunst  zu  erschlieszen.  für  diese  seite  der  conjectural- 
kritik hat  man  den  besondem  namen  der  höhern  kritik  oder  der 
kritik  des  echten  und  unechten.  —  So  gelangt  die  litteraturwissen- 
Schaft  auf  grund  des  eingehendsten  Studiums  der  Überlieferung  und 
mit  bilfe  freier  combination  zur  herausgäbe  des  textes.  der  laie  ahnt 
nichts  von  der  manigfachen  geistesarbeit,  welche  der  ausgäbe  eines 
Schriftstellers  vorangegangen  ist,  die  er  fertig  in  gebrauch  nimt. 
und  ist  dies  nun  das  werk ,  so  wie  es  aus  der  band  des  Verfassers 
hervorgieng?  welcher  herausgeber  könnte  dies  von  seiner  ausgäbe 
behaupten?  vergleichen  wir  nur  den  text  eines  Schriftstellers  in  den 
ausgaben  zweier  gelehrten:  kaum  eine  zeile,  in  der  sie  nicht  ab- 
weichen, eine  ausgäbe  enthält  nicht  den  text  des  Schriftstellers  son- 
dern nur  die  Vorstellung,  die  ein  gelehrter  sich  aufgrund  des  Stu- 
diums der  Überlieferung  von  der  ursprünglichen  beschaffenheit  des 
textes  gebildet  hat.  oft  ist  es  unmöglich,  von  der  zeit,  welcher  der 
letzte  zeuge  der  Überlieferung  angehört,  bis  zum  Ursprünge  zurück- 
zugehen, besonnene  kritiker  nehmen  dann  mit  dem  sicher  erreich- 
baren vorlieb,  während  kühneren  nichts  unerreichbar  erscheint,  wer 
könnte  sagen,  dasz  er  den  text  des  Homeros  in  der  ursprünglichen 
gestalt  liest? 

Wenn  die  herstellung  des  textes,  welche  auf  dem  Studium  seiner 


442      OFroebde:  begriff  uoü  utifgube  der  litteratorwissenacbaft. 


ftU8%€rn  geschichte  beruht ,  die  erkenntnis  des  innern  wesens  des« 
selben  voraussetzte,  so  kann  man  zu  dieser  selbst  nicht  gelangen, 
ohne  daBz  der  text  hergestellt  ist.  die  erkenntnis  des  innem  wesens 
der  lifteratur  aus  den  bedingungen  der  entstehung  derselben  ge* 
wiunt  man  nun,  indem  man  entweder  ein  einzelnes  werk  oder  die 
gesamtheit  der  litteraiur  ins  äuge  faszt. 

Wir  betrachten  zunächst  die  erklärung  des  einzelnen  Werkes* 
man  stellt  als  ihre  aufgäbe  das  verstÄndnis  desselben  bin-  man 
solle  so  verstehen ,  wie  der  Verfasser  von  dem  leser,  an  den  er  sich 
wandte,  verstanden  sein  wollte,  man  solle  denken  und  fühlen,  wio 
der  Schriftsteller  gedacht  und  gefühlt  hat.  dazu  gehöre  vor  allem 
kenntnis  der  spräche  und  der  realen,  historischen  Voraussetzungen 
einer  schrift.  gewis  ist  dieses  Verständnis»  bei  einem  In  alter  zeit, 
unter  uns  wenig  bekannten  Verhältnissen  und  in  fremder  spräche 
geschriebenen  werke  eine  schwere  aufgäbe,  man  musx  der  spräche 
völlig  herr  sein,  und  ist  eine  litteratur  gar  in  einer  spräche  ge- 
schrieben, die  erj>t  enträtselt  werden  musz,  i?o  kann  die  litterariijche 
forschung  nicht  eher  beginnen  als  bis  dieses  der  Sprachwissenschaft 
gegltickt  ist.  man  musz,  um  eine  classische  gerichtsrede  oder  ein 
drama  oder  eine  ki'iegsgeschlcbte  zu  verstehen ^  die  rechts-,  bühuen- 
und  kriegsaltertflmer  zn  rate  ziehen,  da  nun  die  litteratur  alle 
fragen  des  lebens  bertlhrt,  so  macht  ein  jeder  autor  seine  besondern 
anspräche  an  das  Verständnis  des  lesers.  aber  mit  hilfe  der  so* 
genannten  grammatischen  und  historischen  Interpretation  gelangen 
wir  zu  nichts  underm  als  zum  laienverständnis  des  text  es,  das 
einem  gebildeten  bei  einem  in  der  mutters*prache  geschriebenen 
und  auf  modernen  Verhältnissen  beruhenden  werk©  sich  unmittelbar 
mit  der  lectüre  ergibt-  ein  solches  verstÄndnis  setzt  die  gebchtchis- 
Wissenschaft  für  ihre  Studien  voraus,  und  wenn  die  litteraturwissen- 
Schaft  sich  mit  diesem  begnügte,  wäre  sie  in  der  that  nur  eine 
dienerin  derselben  unil  überhaupt  keine  Wissenschaft*  das  ziel  der 
Wissenschaft  ist  nicht  Verständnis»  sondern  erkenntnis,  welche 
nach  den  Ursachen  der  erscheinungen  fragt,  nicht  was  ein  teil  ent- 
halt, sondern  warum  er  so  beschaffen  ist,  das  ist  die  von  der  litteratur- 
Wissenschaft  zu  lösende  frage,  dazu  sind  kenntnisse  aller  art^  die  das 
laienverständnis  des  textes  bedingen,  die  notwendigste  Voraussetzung. 

Die  erklärung  eines  Schriftwerkes  hat  sich  auf  form  und  inhalt 
zu  beziehen,  welche  beide  von  dem  zwecke  desselben  abhängig  sind, 
form,  inhalt  und  zweck  sind  aus  den  individuellen  und  all- 
gemeinen bedingungen  der  entstehung  einer  schrift  zu  er- 
klären, sprachliche  und  historische  bemerkungen  sind  nur  dann 
zulässig,  wenn  sie  nicht  um  der  spräche  oder  geschichte  willen  ge- 
schehen, sondern  wenn  sie  uns  die  entstehung  des  Schriftwerkes  er- 
klären helfen,  an  dem  sprachlichen  ausdruck  erkennt  man  den  Ver- 
fasser, ein  jeder  bchrifti^teller  von  selbnlündigem  Charakter  hat  einen 
individuellen  stil,  der  in  wähl  und  Stellung  der  worte  von  dem  all- 
gemeinen Sprachgebrauch  abweicht  und  in  d^m  grade  zurücktritt, 


OFroehde:  begriff  nnd  aufgäbe  der  litteratnrwissenschaft      443 

als  die  Freiheit  der  individaalität  durch  Suszere  einwirkungen  be- 
schrSnkt  wird,  ein  jeder  ist  ein  kind  seiner  zeit  und  nation  und 
wird  sich  im  allgemeinen  des  nationalen  und  zeitstiles  bedienen, 
aber  auch  die  gattung,  der  ein  werk  angehört,  kann  einen  eignen 
etil  ausgeprägt  haben,  wie  die  epische  und  die  lyrische  kunstsprache 
der  Griechen  lehren,  auch  der  sachliche  Inhalt  oder  die  ideensphäre, 
welcher  der  Inhalt  angehört,  übt  auf  den  stil  einen  einflusz  aus.  dazu 
kommt  die  bewuste  nachahmung  eines  Vorbildes  und  die  rUcksicht 
auf  den  künstlerischen  zweck  der  schrift,  sowie  auf  den  geschmack 
und  die  bildung  des  publicums,  für  welches  sie  bestimmt  ist.  was 
von  der  spräche  gilt,  läszt  sich  ebenfalls  von  dem  inhalt  sagen,  der 
in  einer  schrift  behandelte  stoff  kann  schon  von  Vorgängern  des  Ver- 
fassers dargestellt  worden  sein,  ja  sogar  durch  den  Charakter  der 
gattung  nach  jeweiligem  kunstgesetz  als  der  einzig  mögliche  vor- 
geschrieben gewesen  sein,  im  andern  falle  findet  er  in  der  freiheit 
des  Verfassers  seine  erklärung,  welche  zur  wähl  eines  noch  nicht  be- 
arbeiteten s^toffes  geführt  hat.  die  den  stoff  durchdringenden  sub- 
jectiven  gedanken  werden  entweder  eine  originelle  denk-  und  an- 
schauungsweise  des  Schriftstellers  verraten  oder  aber  allgemeiner 
natur  sein  dh.  anschauungen  enthalten,  welche  derselbe  mit  seinen 
Zeitgenossen ,  seinen  Stammesbrüdern ,  seiner  gesellschaft  und  Um- 
gebung t^ilt.  sie  werden  ferner  bedingt  sein  durch  die  rücksicht  auf 
das  publicum,  da  der  autor  von  seinem  leser  verstanden  sein  will 
und  von  ihm  nicht  anschauungen  und  kenntnisse  verlangen  wird, 
die  dieser  nicht  haben  kann,  von  gröstem  einflusz  auf  die  entwick- 
lung  der  gedanken  ist  endlich  der  innere  zweck  eines  Werkes,  fassen 
wir  diesen  selbst,  dem  form  und  inhalt  dienen,  etwas  näher  ins  äuge, 
jede  Schrift  hat  den  zweck  gedanken  mitzuteilen,  je  nachdem  diese 
für  die  auffassung  mit  dem  verstände  oder  der  phantade  bestimmt 
sind,  sprechen  wir  von  darstellung  in  prosa  oder  poesie.  nach  dem 
verschiedenen  Verhältnis,  in  welchem  der  dargestellte  stoff  und  die 
ihn  beherschenden  subjectiven  gedanken  zu  einander  stehen,  ergeben 
sich  als  hauptgattungen  der  poesie  das  epos,  das  drama  und  die  Ijrik, 
denen  die  drei  arten  der  historischen,  rhetorischen  und  philosophi- 
schen prosa  entsprechen,  die  Verschiedenheit  der  gattungen  erklärt 
die  beschaffenheit  des  ausdrucks  und  Inhalts,  die  spräche  der  prosa 
ist  sehr  verschieden  von  der  poetischen  ausdrucksweise,  da  beide 
verschiedene  mittel  der  darstellung  anwenden  wie  reim  und  vers- 
masz  oder  periodenbau  und  rhythmus.  die  Verschiedenheit  des  in- 
halts  bei  Schriftwerken  verschiedener  gattung  wird  weniger  in  dem 
Stoff  an  sich  als  in  der  art  der  behandlung  desselben  zu  suchen  sein, 
wenn  in  dem  epos  die  gedanken  des  Verfassers  ganz  hinter  dem  dar- 
gestellten gegenstände  zurücktreten,  so  beherschen  die  subjectiven 
gefühle  des  dichters  in  der  lyrik  den  behandelten  stoff  vollständig, 
liegt  dem  inhalt  einer  schrift  eine  einheitliche  idee  zu  gründe,  welche 
durch  dieselbe  zur  darstellung  gebracht  werden  soll,  so  dasz  alle  ge- 
danken von  einem  höchsten  zweckgedanken  abhängig  sind,  so  nennen 


444      OFroehde:  begrifi*  and  aufgäbe  der  litteraturwiaflenacbiiit, 

wir  dieselbe  ein  kunstwerk.  die  erklärucg  bat  die  einbeit  des  in* 
balts  aus  dem  rerbältnis  der  einzelnen  teile  oder  dar  composition 
nachzuweisen,  sie  bat  weiter  zu  prüfen,  in  wie  weit  die  äuazere 
apracbliche  und  rbythmische  oder  metrische  form  dem  zweck  an- 
gemessen istf  ynd  erkennt  ans  der  dem  zweck  entsprechenden  con* 
gruen^  zwischen  inbalt  und  form  die  Schönheit  des  kunstwerk».  sie 
bat  endlicb  die  knnstleistung  an  der  Originalität  des  künstlers  und 
dem  grade  der  abhöngigkeit  desselben  von  andern  Vertretern  der 
gattung  zu  messen. 

Wenn  die  erklärung  die  bedingungen  der  entstehung  der  litte- 
ratur  fUr  einen  bessondern  fall  oder  ein  einzelnes  Schriftwerk  unter- 
such t|  weist  die  littei-at Urgeschichte  dieselben  für  die  gesamtbeit  der 
litteratur  nach*  sie  bat  die  entwicklung  der  litteratur  ans  den  be- 
dingungen der  entatehung  derselben  zu  erkennen,  da  wir  diese  so 
eben  kenneu  gelernt  haben ,  kann  ich  mich  hier  ganz  knrz  fassen. 
die  litteraturge^chichte  setzt  die  einzelnen  werke  in  Verbindung,  um 
die  fäden  /.u  entdecken,  welche  sieb  unsichtbar  durch  die  entwick- 
Inng  der  litteratur  hinziehen,  der  litterarhistoriker  betracbtet  die 
verschiedenen  werke  eines  verfa&sers  und  sucht  die  individualität  des- 
selben unter  manigfaehen  bedingungen  wiederzuerkennen,  er  verfahrt 
synchronistisch  I  indem  er  die  werke  eines  Schriftstellers  mit  denen 
der  Zeitgenossen  vergleicht,  gleichgültig  welcher  gattung  diese  ange- 
hören, und  findet  auf  diesem  wege  den  cbarakter  der  zeit  in  gleich- 
zeitigen leiötungen  wieder,  er  faszt  die  Schriftwerke  einer  nation 
zusammen  und  erblickt  in  ihnen  ein  Spiegelbild  der  geschichte  und 
cultur  derselben,  er  studiert  endlich  die  werke  derselben  gattung 
von  Verfassern  verschiedener  Völker  und  zelten  und  gelangt  mit 
eidograpbischer  metbode  zur  erkenntnis  der  entwicklung  der  kunst^ 
gesetze,  mit  besondern  Schwierigkeiten  hat  die  litterarhistorisobd 
forschung  auf  dem  gebiete  der  classischen  litteratur  zu  kämpfen^  da 
bei  dem  vertust«  des  grösien  tetles  derselben  der  Zusammenhang  in 
der  entwicklang  und  der  einiusz  der  einzelnen  werke  auf  einander 
schwer  nachweisbar  ist. 

Wir  haben  die  aufgaben  der  litteratur  Wissenschaft  mit  einander 
betracbtet,  die  berst eilung  der  litteratur  oder  das  Studium  der  tlber- 
lieferung  der  texte,  die  erklärung  des  einzelnen  Werkes  und  die 
litterat Urgeschichte^  welche  beide  die  entstehung  litterari^cher 
denkm&ler  zn  erforschen  haben,  alle  drei  stellen  nur  verschiedene 
wege  dar,  auf  denen  man  zu  dem  Sinen  einheitlichen  ziel  der 
litteratur  Wissenschaft,  der  erkenntnis  dee  wesens  der  litteratur 
gelangt,  auf  keinem  einzigen  dieser  wege  kann  man  allein  da^  tw\ 
erreichen,  die  herstell ung  setzt  das  studinm  der  entstehung  eines 
Werkes  voraus,  da  man  das  unechte  vom  echten  nur  mit  seiner  hilf» 
scheiden  kann,  das  studium  der  entstehung  setzt  äeiner^ücits  die  her- 
utellung  der  litteratur  voraus,  da  man  nur  einen  gegebenen  text  auf 
die  bedingungen  seines  Ursprungs  hin  untersuchen  kann,  die  erkltt- 
mng  einer  einzelnen  schrift  set^t  ferner  die  titterat  Urgeschichte 


OFroehde:  begriff  uod  aufgäbe  der  litteratorwissenschaft.      445 

voraus ,  da  man  die  entstebung  eines  Werkes  obne  prflfung  der  be- 
ziebungen  desselben  zu  andern  nicbt  erkennen  kann,  die  litteratnr- 
gescbichte  setzt  endlieh  die  erklärung  der  einzelnen  werke  voraus,  da 
die  erkenntnis  der  entwicklung  des  ganzen  obne  kenntnis  der  ent- 
stebung der  einzelnen  Schriften  nicbt  möglich  ist.  hiermit  ist  der  be- 
weis für  die  einheit  der  aufgaben  der  litteraturwissenscbaft  erbracht. 

Fragen  wir  zum  scblusz,  meine  berren,  nach  dem  Verhältnis  der 
litteraturwissenscbaft  und  pbilologie.  wenn  man  seit  Eratosthenes 
den  namen  pbilologie  an  den  besitz  vielseitiger,  grammatischer,  litte- 
rariscber,  historischeir,  antiquarischer  ua.  kenntnisse  geknüpft  hat,  so 
werden  wir  beute  mit  recht  die  gesamtbeit  der  geisteswissenschaften 
als  pbilologie  bezeichnen,  zu  ihr  verhält  sich  die  litteraturwissen- 
scbaft ebenso  wie  die  Sprachwissenschaft  und  die  kunst Wissenschaft 
db.  wie  die  teile  zum  ganzen,  die  classiscbe  pbilologie  umfaszt  den 
auf  das  classiscbe  altertum  bezüglichen  teil  der  pbilologie:  die  clas- 
siscbe Sprachwissenschaft ,  die  classiscbe  archäologie ,  die  classiscbe 
litteraturwissenscbaft  usw.  und  stellt,  wie  sie  heute  ist,  nicht  eine 
durcb  die  einheit  der  idee  geforderte  einheitliche  Wissenschaft ,  son- 
dern einen  studienkreis  der  altertums  künde  dar,  der  sich  als  wahre 
classiscbe  altertums  Wissenschaft  oder  als  nationalgescbichte  der 
Griechen  und  Römer  einmal  zum  ränge  einer  Wissenschaft  erheben 
wird,  von  den  verschiedenen  zweigen  der  classiscben  pbilologie 
stand  die  classiscbe  litteraturwissenscbaft  von  jeher  im  Vorder- 
gründe des  interesses:  jene  stolze  Wissenschaft,  die  seit  den  zeiten 
der  Alexandriner  im  Wettbewerb  aller  gebildeten  nationen  getrieben 
worden  ist:  jene  stolze  Wissenschaft,  die  einen  Aristarchos  ihren 
vater  nennt,  die  einem  Bentley  ihren  höchsten  rühm  verdankt,  die 
in  einem  Gottfried  Hermann,  einem  Friedrich  Ritscbl  ihre  kühnen 
Verfechter  fand:  jene  stolze  Wissenschaft,  deren  beispiel  eine  reihe 
jüngerer  Schwestern  ins  leben  rief,  und  blicken  wir  von  der  Ver- 
gangenheit derselben  in  die  Zukunft,  des  bin  ich  ganz  gewis:  der 
litteraturwissenscbaft  ist  eine  grosze  zukunft  beschieden,  wenn  sie 
auf  dem  von  Lach  mann  und  Haupt  gewiesenen  wege  sich  fernerhin 
zur  vergleichenden  litteraturwissenscbaft  entwickeln  wird,  wenn  die 
verschiedenen  Schwester- litteraturwissenschaften  mit  der  gleichen 
metbode  ihrem  gemeinsamen  ziel,  der  erkenntnis  des  wesens  der 
litteratur,  vereint  entgegen  gehen  werden,  so  lange  das  streben  der 
menschheit  auf  bildung  und  Wissenschaft  gerichtet  ist,  so  lange  wird 
litteraturwissenscbaft  eine  notwendigkeit  sein,  beruht  nicht  die  bil- 
dung des  laien  neben  der  mündlichen  rede  vor  allem  auf  der  lectüre 
des  geschriebenen  wertes?  und  schöpfen  nicht  geschieh tsforscher 
im  weitesten  sinne  des  wertes:  historiker  und  nationalökonomen, 
Sprachforscher  und  archäologen,  Juristen  und  theologen  aus  dem  quell 
der  litterarischen  denkmäler  ?  sie  werden  es  mit  um  so  gröszerem 
gewinn  für  ihre  aufgaben  thun,  je  höher  die  litteraturwissenscbaft 
dasteht. 

Berlin.  Oskar  Frobhde. 


446 


VPiugel:  zu  Sophokles  Aatigone  [v.  1 — 4]. 


ZU  SOPHOKLES  ANTIGONE. 


tfnter  den  zahlreichen  stellen  der  griechischen  tragiker,  die  uns 
in  verderbter  gestalt,  verunstaltet  von  fehlem  gegen  spräche,  metrik^ 
ötil  oder  gesunden  sinn  tiberliefert  sind,  hat  keine,  glaube  ich^  eine 
&o  traurige  berUhmthtnt  erlangt  als  die  anfangszeilen  der  Antigene, 
es  ist  peinlich,  dosz  eben  diese  Tollendetste  aller  griechischen  tra- 
gödien  an  ihrem  eingange  den  make!  der  disharmonie  und  des  un- 
sinnä  tragen  solU  und  es  macht  einen  entmutigenden  eindruck  auf 
den  Terehrer  d^r  altertumswissenschaft,  dasz  die  gelehrsamkeit  und 
der  scharf üinn,  welche  die  bgg.  und  t^rklärer  in  reicher  fäDe  auf  diede 
stelle  verwendet  haben,  bisher  fa,st  ohne  erfolg  gewesen  sind,  auch 
ist  keine  boffnung  vorhanden,  dasz  die  etwaige  anffindang  eines 
ägyptischen  papynis  uns  aus  der  not  helfen  dürfte,  denn  wir  wissea 
ja  auä  den  scholien ,  dasz  Didjmos  in  seinem  commentare  bemerkt 
hatte»  dasz  die  worte  firric  dxep  in  v.  4  gerade  das  entgegengesetzte 
bezeichnen  von  dem  ^  was  sie  nach  dem  zusammenhange  bezeichnen 
sollten,  nun  war  aber  Didymos  bekanntlich  der  erbe  der  gesamten 
aleiandrinischen  gelehrsamkeit ,  und  wenn  schon  er  den  fehler  vor- 
&nd,  80  können  wir  mit  Sicherheit  schlieszen.  dasz  auch  die  groszen 
grammatiker  in  Alexandreia  Stt^c  äT€p  gelesen  haben,  und  dasz  also 
wenigstens  dieser  hauptfehler  der  stelle  bis  weit  in  die  attische  zeit 
hinaufreicht,  einem  so  eingewurzelten  Übel  gegenüber  möchte  es 
fast  vermessen  scheinen  eine  beilung  zu  versuchen,  und  die  neuesten 
mir  bekannten  hgg.  Mekler  (1887)  und  Bellermann  (1892)  geben 
auch  %virkltcb  die  sache  als  hoffnungslos  auf.  dem  erstem  ist  die 
stelle  ein  'locus  desperatus,  cui  Oedipus  nondum  exstiterit',  und  der 
letztere  nimt  zu  der  verzweifelten  annähme  seine  Zuflucht»  dasz  der 
dichter  selbst  sich  durch  die  fülle  negativer  bestimm ungen  teuschen 
liesz  und  selbst  die  sinnlosen  worte  schrieb. 

So  schlimm  sieht  die  sache  doch  glücklicherweise  keineswegs, 
ja  ich  w^age  zu  behaupten,  dasz  eben  diese  verrufene  stelle,  bei  der 
80  mancher  gelehrte  in  alter  und  neuer  zeit  unmutig  den  köpf  ge- 
schüttelt hat,  einer  methodibchen  und  sichern  beilung  überaud 
günstige  bedingungen  darbietet*  nur  musz  man  den  parallel ismus, 
der  die  ganze  stelle  beherscht,  ja  nicht  anszer  acht  lassen*  In  den 
werten  oiibtv  Tctp  out'  dXteivöv  out'  äm]c  ÄT€p  out*  alcxpöv  oöt* 
äri^öv  dcÖ*,  6noiOV  ou  usw.  haben  wir  nemlich  nicht  nur  ein  vier- 
gliedriges  system  von  coordinierten  bezeichnungen^  sondern  ein  sol- 
ches, wo  dikß  erste  und  dritte  glied  positive,  da>  »weite  und  vierte 
negative  form  haben,  dies  bemht  gewis  nicht  auf  vergehen  und  tu- 
fall,  sondern  vielmehr  auf  dichterischer  absiebt,  und  folglich  ist  in 
zweiten  sinnlosen  gliede  nicht  die  negation  (äTCp)  in  entfernen,  son- 
dern der  fehler  in  ÖTqc  tu  suchen,  das  überÄehen  dieses  Verhält- 
nisses hat  zu  einer  menge  verfehlter  conjecturen  geführt  (ÄttjC  T^^OV, 


VPingel:  r.u  Sophokles  Antigone  [v.  1—4].  447 

ÄTiici^ov  usw.;  Bellermann  führt  nicht  weniger  als  17  an),  nur  der 
Neugrieche  Korans  hat  die  wunde  stelle  entdeckt;  aher  seine  emen« 
dation  äfr\c  drep  ist  mit  recht  von  den  neuem  hgg.  als  ganz  un- 
brauchbar befunden  worden. 

Sammeln  wir  nun,  nachdem  die  wunde  bloszgelegt  ist,  was  wir 
aus  dem  Zusammenhang  über  das  von  dTr]C  verdrängte  wort  lernen 
können,  nach  der  bedeutung  musz  es  den  gegensatz  bilden  zu  dem 
im  ersten  gliede  enthaltenen  dXxoc,  ebenso  wie  ti^t]  und  aicxuvr) 
im  dritten  und  vierten  als  gegensätze  correspondieren.  mithin  musz 
das  gesuchte  wort  freude,  Wohlbefinden,  angenehmes  geftlhl  oder  er- 
langung  bzw.  Wiedererlangung  solches  gefühls  bezeichnen,  es  musz 
femer  ein  kurzes ,  zweisilbiges  wort  sein ,  es  musz  leicht  mit  &rr\ 
verwechselt  werden  können,  und  es  musz  der  offenbaren  allitteration 
wegen  mit  d-  anfangen,  endlich  ist  es  wahrscheinlich  dasz,  wenn 
der  stamm  des  gesuchten  wortes  mit  dem  d  privativum  ein  adjectiv 
bildete,  dieses  adjectiv  am  Schlüsse  des  trimeters  unanwendbar  war: 
denn  sonst  wäre  drep  mit  dem  Substantiv  in  coordination  mit  drei  ad- 
jectiven  eine  recht  auffällige  erscheinung  an  unserer  stelle,  wenn  die 
Griechen  ein  groszes,  überwältigendes  unglück  bezeichnen  wollten, 
sagten  sie  bekanntlich  oft  dvrjKecxov  kqköv.  dieses  adjectiv  würde 
vortrefflich  neben  dXyeivöv  passen;  auch  würde  es  am  Schlüsse  des 
trimeters  unanwendbar  sein,  versuchen  wir  also  mit  drep  und  den 
aus  diesem  stamme  gebildeten  Substantiven!  dK^C€U)C  dtep  ist  un- 
möglich ;  dKOUC  dT€p  wäre  möglich  aber  ganz  unwahrscheinlich,  weil 
niemand  Skouc  mit  dTr]C  verwechseln  könnte,  dagegen  würde  dKr]C 
drep  allen  den  gestellten  forderungen  genügen,  und  die  lösung  des 
Problems  wäre  gefunden,  wenn  es  sich  beweisen  liesze,  dasz  die 
Griechen  ein  wort  &Kr\  mit  der  bedeutung  ^heilung'  gehabt  haben, 
glücklicherweise  läszt  sich  dieser  beweis  mit  voller  evidenz  führen, 
erstens  schreibt  Hesychios :  dKrj*  alxM^  cibrjpou  f\  f|cuxia  f\  OepaTteia 
f|  idjuara.  zweitens  führt  das  Etjm.  M.  u.  vdKT)  als  substantivische 
doppelformen  folgende  an :  vdKOC  vdKT] ,  ßXdßoc  ßXdßr) ,  dKOC  dKT} 
und  CK€7Tac  ck^ttti.  endlich  kommt  das  wort  zweimal  vor  in  der  abh. 
über  verrenkte  glieder,  die  unter  dem  titel  ^oxXiKÖv  in  der  samlung 
Hippokratischer  werke  steht:  cap.  20  (Ermerins)  Kai  olciv  OUK  dien 
TOUTOu"  Ktti  olciv  TToXXdKic  lK7Ti7tT€i ,  lT]cic  TOUTOU  und  39  Ka\  &Kr\ 
TOUTUiV.  leider  ist  der  text  dieser  schrift  gerade  an  den  angeführten 
stellen  arg  zerrüttet,  aber  Struve  hat  doch  gewis  recht,  wenn  er  be- 
merkt, dasz  dKT)  bei  einem  ionisch  schreibenden  Verfasser  nicht  die 
pluralform  von  dKOC  sein  könne,  sondern  vielmehr  jenes  von  den 
alten  lexikographen  angeführte  feminine  dKT)  sei  mit  derselben  be- 
deutung wie  iTicic* 

Wenn  das  hier  entwickelte  richtig  ist,  wird  das  unheilbringende 
wort  dir]  künftig  aus  den  anfangszeilen  der  Antigone  verschwinden, 


*  sämtliche  vier  belegstellen  verdanke  ich  dem  artikel  äKr\  von  Fix 
in  Stephanus  Sprachschatz  (Didotsche  ausgäbe). 


•448 


VPmgel:  lu  Sophokles  Antigene  [t.  1—4]. 


und  eine  der  älteste o  und  pemlidisten  aporien  der  griecbischen  philo- 
logie  wird  gehoben  sein,  aber  damit  ist  die  eteUe  nooh  keineswegs 
geheilt;  noch  iramor  enthalten  die  verse  2 — 3 

5p'  oicö'  6  Ti  Zeuc  tüuv  dir'  OibiTtou  KaKujv 

ÖTToiov  ouxi  vt&v  It\  ZluOcaiv  TeXei; 
in  der  Verbindung  von  ö  Ti  (oder  6ti)  und  öttoiov  in  demselben 
satze  eine  so  ohrenzerreiszende  und  ßinn verwirrende  anakoluthie, 
dasz  kein  gebildeter  Grieche,  geschweige  denn  ein  groszer  dichter 
am  eingange  einer  kunstvoll  gearbeiteien  tragödie  solches  hätte 
schreiben  können,  die  verbeäsenmgsvorschläge  sind  denn  auch  hier 
sehr  zahlreich ,  aber  gr  Osten  teils  gewaltsam  und  sehr  unwahrschein- 
lich, weshalb  Mekler  auch  diese  verse  ^versus  conclamatos*  nennt. 
neben  den  conjecturen,  die  dieser  gelehrte  anführt,  verdiente  auch 
ein  Vorschlag  meines  groszen  landhTnanns  und  lehrers  JNMadvig 
(adv.  crit.  I  214)  genannt  zu  werden,  denn  obwohl  die  Madvigscbe 
lesart  &p*  okOd  Tl  eine  üuszerst  schwierige  Wortstellung  gibt  (Zeüc 
aus  dem  relativen  satze,  dessen  subject  es  ist,  herausgerissen  und 
zwischen  xi  und  tuiv  Ätt*  Olbiirou  kqkojv  eingekeilt) ,  so  empüehlt 
sie  sich  doch  durch  die  fast  vollständige  ttbereinstimmung  mit  dem 
überlieferten,  aber  es  gibt  eine  andere  beinahe  noch  leichtere  ände- 
rung  des  ön,  die  geprüft  zu  werden  verdient  —  die  Änderung  in 
f  Tl.    in  der  fassung 

Sp'  oicG'  In,  Z€uc  Ttjüv  dir'  OlMirou  kükijüv 

ÖTTOIOV  ouxi  vtpv  li\  Ciucaiv  Ti\t\; 
ist  ÖTTOTov  interrogativ,  und  die  »tellung  des  subjects  vor  dem  frage- 
Worte  gibt  keinen  verstosz  gegen  den  Sprachgebrauch,  was  den  sinn 
anlangt ,  würde  ixx  sich  auf  den  gegen satz  beziehen  von  früher  und 
jetzt  früher  war  doch  eine  möglichkeit  da,  dasz  Zeus  einige  von 
den  entsetzlichen  folgen  der  schuld  des  Oidipus  für  kommende  ge- 
schlechter  aufsparen  würde,  jetzt  aber  fragt  Antigone  zweifelnd  die 
Schwester,  ob  sie  noch  ein  einziges  unglück  wi^se,  das  Zeuä  nicht 
schon  bei  ihren  lebzeilen  vollziehe,  sie  selbst  weisz  keine«:  denn  es 
gibt  nichts  schmerzliches  und  unheilbares,  nichts  beschämendes  und 
entehrendes,  das  sie  nicht  unter  ihren  gemeinaamen  leiden  schon  ge- 
sehen hat,  und  nun  meldet  man  wieder  neues  nnheil  (v.  7).  es 
kommt  mir  vor,  dasz  eine  solche  andeutung  von  einer  Steigerung  des 
elends  seit  dem  grauenvollen  tode  der  brüder  ganz  an  ihrem  platze 
wKre,  und  ich  sehe  keine  sprachliche  oder  stilistische  Schwierigkeit, 
die  das  in  herbeiführen  könnte,  die  frage  dp'  oIc9'  lii  enUpricht 
ja  genau  einem  oukcen  olba^  und  die  Wiederholung  des  In  in  dem 
folgenden  verse  gibt  doch  wohl  nach  acht  trennenden  wdrtern  keinen 
mislaut.  ich  wage  also  die  Änderung  von  ÖTi  in  In  in  Vorschlag  zu 
bringen,  indem  ich  noch  hinzufüge,  dasz  ein  In  nach  oIc9a  der 
grösten  gefahr  ausgesetzt  wäre  mit  On  verwechseU  zu  werden. 

KOPBKHAQBK.  VtCTOEUNUB  PtStOEL. 


HvArnim:  der  angebliche  streit  des  Zenon  und  Theophrastos.   449 

54. 

DER  ANGEBLICHE  STREIT  DES  ZENON  UND 
THEOPHRASTOS. 


Die  aus  dem  schluszteil  der  pseudo  -  Philonischen  schrift  Trepi 
ä(p6apciac  köc^ou  herausgesponnene  Vorstellung  von  einem  wissen- 
schaftlichen streite ;  der  zwischen  Zenon  und  Theophrastos  über  die 
frage  der  weltewigkeit  soll  stattgefunden  haben,  ist  neuerdings  von 
ENorden  (^beitrage  zur  gesch.  dergriech.  philosophie'  im  19n  sup- 
plementband dieser  jahrb.  s.  440  ff.) ,  zum  teil  mit  neuen  gründen, 
verteidigt  worden.  Nordens  behandlung  dieser  frage  zerfUllt  in  zwei 
teile :  im  ersten  sucht  er  (gestützt  auf  die  Übereinstimmung  der  bei 
Philon  vorgebrachten  gründe  für  die  zerstOrbarkeit  des  Weltalls  mit 
Lucr.  V  235  —  415)  den  nachweis  zu  liefern,  dasz  schon  Epikuros 
diese  gründe  von  einem  stoiker  entlehnt  habe,  der  um  der  Chrono- 
logie willen  kein  anderer  als  Zenon  sein  könne,  im  zweiten  teile 
sucht  er  die  in  meinen  ^quellenstudien  zu  Philo  von  Alexandreia' 
s.  41  ff.  vorgebrachten  bedenken  gegen  den  Zenonischen  Ursprung 
der  beweise  zu  entkräften,  ich  wende  mich  zunächst  zu  dem  zweiten 
teil  und  suche  zu  zeigen,  dasz  meine  bedenken  durch  Nordens  gegen- 
bemerkungen  nicht  widerlegt  sind. 

Ich  habe  zuerst  auf  die  auffallende  thatsache  aufmerksam  ge- 
macht, dasz  die  vier  beweise  gegen  die  ewigkeit  des  Weltalls,  welche 
s.  35, 17 — 39, 13  vorgetragen  werden,  dem  voraufgeschickten  Theo- 
phrastischen Schema  nicht  genau  entsprechen.  Theophrastos  soll 
nach  s.  35, 13  gesagt  haben,  die  gegner  der  weltewigkeit  hätten  sich 
durch  vier  beobachtungen  oder  thatsachen  hauptsächlich  teuschen 
lassen:  1)  die  Unebenheit  der  erdoberfläche ,  2)  das  abnehmen  des 
meeres,  3)  die  auflösung  der  elementarstoffe  des  alls,  4)  das  aus- 
sterben ganzer  tierarten.  ich  charakterisierte  diese  vier  Überschriften 
auf  s.  41  deutlich  genug,  wie  folgt:  'sie  wollen  die  thatsache  an- 
geben, die  der  beweis  zum  ausgangsp unkte  nimt.'  eine  andere  auf- 
fassung  ist  in  der  that  für  einen  aufmerksamen  leser  nicht  möglich, 
jene  vier  dinge  sind  empirisch  gegebene,  auch  von  Theophrastos  an- 
erkannte thatsachen,  deren  falsche  deutung  nach  seiner  ansieht  die 
gegner  irre  geführt  hat  (touc  T^veciv  Ka\  (pGopdv  ToO  KÖcjiou  Karr]- 
YOpoOvTac  ÖTTÖ  T€TTdpU)v  diraTTiGrivai  tujv  |i€TicTU)v).  dem  ent- 
spricht nun  zwar  die  ausführung  der  drei  ersten  beweise,  nicht  aber 
die  des  vierten :  denn  in  diesem  ist  ja  das  aussterben  einzelner  tier- 
arten keineswegs  die  gegebene  empirische  thatsache,  von  welcher 
ausgegangen  wird,  die  treffende  bezeichnung  dieser  beweisführung 
wäre  gewesen:  Tfjv  tiüv  tcxvujv  Ka\  ^KiCTiimöv  ou  Trpö  ttoXXoO 
cuciaciv.  ich  hatte  ferner  constatiert,  dasz  in  dem  beweise  von 
einer  (pOopd  ganzer  tierarten  überhaupt  nicht  die  rede  ist.  Norden 
hat  sich  diese  meine  behauptung  nur  durch  die  annähme  zu  erklären 

Jahrbücher  ffir  cUss.  philol.  1898  hH.  7.  29 


450   HyArniin :  der  angebliche  streit  des  Zenoa  und  Tbeophrajstos. 

gewust,  dasz  ich  den  griechiscben  text,  den  ich  behandelte ,  nicht 
einmal  gelesen  habe,  ich  selbst  musz  wenigsttfBS  das  Zugeständnis 
machen»  dasz  ich  das  richtige  zwar  klar^  aber  nicht  ausführlich  genug 
gesagt  habe. 

Wag  ich  meine  ist,  dasz  von  der  naturwissenschaftlichen  er- 
fahr ungsthatsacb  e  des  auBsterbens  einzelner  tierarten  in  dem  be- 
weise nicht  die  rede  ist.  daran  können  die  worte,  auf  welche  Norden 
mich  hinweisen  zu  müssen  glaubte  (Et  ^fj  äibioc  dvOpiUTTOC,  oiib* 
äXXo  Tt  lujov),  nichts  ändern,  denn  wenn  überhaupt,  so  kommt 
doch  hier  die  tiiiwv  q}9opä  nicht  als  erfahrungsthatsacbe  Tor,  auf 
welche  der  beweis  sich  stützt ^  sondern  als  eine  selbst  erst  durch 
schluszverfahren  gewonnene  behauptung,  die  im  gang  des  beweises 
ein  noch  dazu  entbehrliches  mittelglied  bildet,  es  ist  aber  ferner  für 
die  entscheidung  unserer  Streitfrage  gewicht  darauf  zu  legen,  dasz 
selbst  in  dieser  beiläufigen  weise  nicht  die  qpBopä  Twv  Zi^wv  er- 
wähnt wird,  sondern  nur  dasz  sie  nicht  dibia  sind,  da  der  begriff 
des  ä\h\ov  die  merk  male  des  dY^vrjTOV  und  äq^Baptov  trögt,  so  liegt 
in  der  bestreitting  der  dibiÖTTic  logisch  noch  nicht  die  behauptung 
der  (pöopa:  denn  ein  ^f\  dibiov  könnte  ja  t€VTiTÖv  Kai  aq)GapTOV 
sein«  wie  nach  dem  Timaios  das  weltalK  dasz  es  nach  stoischer  an* 
schaunng  ein  solches  balbewigea  nicht  gibt^  sondern  entstehen  und 
vergehen  als  unzertrennliche,  sich  gegenseitig  bedingende  merkmale 
eines  gegenständes  aufgefaszt  werden,  thut  hier  gar  nichts  zur  sacbe. 
die  (p6opd  Tujv  Z^diujv  ist  in  diesem  beweise  nicht  nur  nicht  das  dna- 
TtliV,  sondern  sie  kommt  überhaupt  nicht  vor,  weder  mit  ausdrück- 
lichen Worten ,  noch  im  logischen  sinn  implicite.  nur  das  i&ine  ist 
zuzugeben )  dasz  aus  der  nicbtewigkeit  die  cpOopd  Tom  stoischen 
Standpunkt  aus  gefolgert  werden  konnte,  wie  es  für  den 
kosmos  gleich  darauf  in  der  that  geschieht. 

Noch  ein  punkt  hätte  Norden  stutzig  machen  können,  in  der 
Theophrastischen  aufzäh lung  ist  ja  nur  von  den  X€pcata  2!q)adie  rede. 
dieser  zusatz  wäre  YoUständig  sinnlos,  wenn  die  Theophrastische 
Überschrift  im  hinblick  auf  den  vorliegenden  beweis  und  als  Schlag- 
wort für  denselben  ursprünglich  gedacht  wäre,  denn  wenn  feuer 
luft  erde  wasser  sich  auflösen ,  wohin  sollen  sich  da  die  wassertiere 
retten?  so  zeigt  dieses  ^ine  wort  mit  aller  deutlichkeit,  dast  in  den 
Worten  des  Theophrasios  etwas  ganz  anderes  gemeint  ist  als  in  dem 
beweise  selbst,  dies  allein  genügt  um  zu  zeigen,  dasz  die  beweise 
und  ihre  Widerlegung  nicht  aus  Theophrastos  geschöpft  sind«  ea 
würde  im  höchsten  grade  unmethodisch  Rein^  die  nachgewiesene  dis- 
crepanz  aus  ungenauer  wiedergäbe  der  werte  des  Theophrastos 
durch  pseudo  -  Philon  herzuleiten,  denn  wie  ich  schon  damals  an- 
deutete, stehen  die  vier  ^irreleitenden'  thatsachen^  auf  welche  Theo- 
phrastos den  irrtum  der  gegner  zurückführt,  ganz  auf  ^iner  linie 
und  passen  vortrefflich  zu  einander,  es  sind  lauter  thatsachen ,  in 
denen  eine  schon  beginnende  <p8opd  xoö  köc^ou  uns  gleichsam  an- 
schaulich entgegentritt,    während  die  nachher  folgenden  beweise 


Hv Arnim:  der  angebliche  streit  des  Zenon  und  Theophrastos.   451 

eine  schwankende  auffasi^ng  bezüglich  des  demonstrandum  kund- 
geben, insofern  bei  1  die  anfangslosigkeit ,  bei  2 — 4  die  unzerstör- 
barkeit als  Zielpunkt  des  beweisfahrcns  erscheint  —  eine  incon- 
sequenz  die  wohl  dem  compilator  zur  last  zu  legen  ist  —  lassen  die 
Theophrastischen  schlagworte  eine  consequente  und  einheitliche 
deutung  zu.  es  kann  sich,  nach  meiner  festen  Überzeugung,  bei 
allen  vier  schlagworten  nur  um  die  auf  q)6opd  unmittelbar  hin- 
deutenden thatsachen  handeln,  die  nur  mittelbar  auch  für  die  zeit- 
liche entstehung  verwendet  werden  konnten,  der  augenschein  trügt: 
man  sieht  die  erde  ihre  vollkommene  mndgestalt  durch  zerstörendes 
wirken  elementarer  gewalten  einbtiszen,  man  sieht  das  meer  zu- 
sammenschrumpfen, man  sieht  ein  jegliches  der  elemente  in  fort- 
währender auflösung  begriffen,  man  sieht  im  reich  der  lebewesen 
nicht  nur  die  individuen  sterben,  die  durch  neue  individuen  ersetzt 
werden  können ,  sondern  ganze  gattungen  für  immer  vom  erdboden 
verschwinden,  kein  wunder,  meint  Theophrastos,  wenn  sich  die 
menschen ,  die  nicht  das  ganze  des  naturlaufs  zu  überblicken  ver- 
mögen, durch  diese  isolierten  thatsachen  zu  dem  voreiligen  schlusz 
auf  die  zerstörbarkeit  des  ganzen  Weltalls  verleiten  lassen,  dieser 
schlusz  liegt  dem  natürlichen  menschen  so  nahe,  dasz  Theophrastos 
mit  recht  von  einer  äLTi&Tt]  sprechen  konnte,  welche  jene  thatsachen 
der  beobachtung  ausüben,  nun  versuche  man  einmal  die  entgegen- 
gesetzte auffassung ;  man  lasse  Theophrastos  sagen ,  dasz  jene  vier 
beobachtungen  irre^hrend  sind  bezüglich  der  weiten tstehung:  kann 
mit  einem  Schimmer  von  berechtigung  behauptet  werden ,  dasz  jene 
beobachtungen  auf  die  Vorstellung  einer  zeitlichen  weltentstehung 
im  natürlichen  vorstellungsverlaufe  führen?  ist  es  nicht  klar,  dasz 
man  von  ihnen  aus  nur  über  das  mittelglied  der  zerstörbarkeit  durch 
ein  philosophisches  raisonnement  zur  Überzeugung  von  der  zeit- 
lichen entstehung  des  Weltalls  gelangen  kann?  konnte  der  im  ersten 
argument  vorliegende  gedanke,  dasz  der  fortbestand  der  erde,  trotz 
sichtbarer  unaufhörlicher  arbeit  sie  zerstörender  kr&fte,  nicht  erklär- 
lich sein  würde,  wenn  sie  von  ewigkeit  her  bestanden  hätte,  konnte 
dieser  gekünstelte  gedanke  als  eine  von  der  beobachtung  an  die 
band  gegebene  teuschung  von  Theophrastos  bezeichnet  werden? 
mir  scheint  dies  ganz  ausgeschlossen,  ich  habe  deshalb  in  den 
'quellenstudien'  eine  discrepanz  von  dem  Theophrastischen  Schlag- 
wort auch  für  den  ersten  beweis  constatieren  zu  müssen  geglaubt  — 
Norden  sucht  sich  meine  ansieht  durch  die  annähme  zu  erklären, 
dasz  ich  die  worte  übersehen  habe,  in  welchen  ausdrücklich  gesagt 
wird,  dasz  Theophrastos  seine  schlagworte  auf  touc  y^veciv  xal 
(pOopdv  ToO  KÖcfiou  KOTTiTopoCvTac  gemünzt  habe,  aber  auf  diese 
Worte  hatte  ich  ja  selbst  bezug  genommen  in  dem  satze  s.  41 :  *es 
werden  hier,  unter  nennung  Theophrasts  als  zeugen,  vier  gründe 
der  gegner  für  die  ansieht,  dasz  die  weit  geworden  und  ver- 
gänglich sei  .  .  dargestellt  .  .  und  widerlegt.'  allerdings  sind 
meine  worte:  ^offenbar  dachte  derjenige  philosoph,  welcher  die  vier 

29* 


452    Hv Arnim :  der  angebliche  fitreit  des  ZeüOn  und  Theophrastoa. 


beweise  so  benannte,  nicbt  an  die  anfangglosigkeit,  sondern  nur  an 
die  uDzeratörbarkeit  des  Weltalls'  in  mehrfacher  hinsieht  anfechtbar J 
und  unklar«   denn  wie  ich  so  eben  gezeigt  habe ,  handelt  es  sich  ii 
den  Worten  dea  Theophrastos  gar  nicht  um  beweise  und  ihre  be 
nennungf  E^ondern  um  beobachtungsthatsachen,  von  welchen  sich  dia 
tnenschen  irrefUbreiL  lassen,    durch  die  anwendung  jenes  tbörichten 
Husdrucks   habe   ich  selbst  zu  Nordens  mis verstehen  veranJassungj 
gegeben,     von  unverzeihlicher  Unklarheit  ist   auch   der  ausdruck/ 
jener  philosoph  habe  nur  au  die  nnzerstörbarkeit,  nicht  an  die  an- 
fangslos igkeit  des  Weltalls  *gedacht^    mir  schwebte  dabei  vor,  was 
ich  in  der  so  eben  gegebenen  auseinandersetzung  klarer  gesagt  habe: 
dasz  jene   beobachtungäthatsachen  nach  Theophrasls  meinung  un- 
wissenschaftliche beobachter   zunächst  auf  die  annähme  des  weit 
Unterganges  geftlhrt   haben,    was   natürlich   in   keiner  weise  aus'>^^ 
schlieszt,  dasz  jene  beobachter  leute  waren,  die  zugleich  auch  eine 
weltentstehung  annahmen. 

Noch  jetzt  halte  ich  meinen  damaligen  schlnsz  ftlr  zwingend, 
dasz  die  auäfQhrliehen  beweise  samt  Widerlegungen  nicht  aus  einem 
werke  des  Theophrastos  entnommen  sind*  denn  wie  können  wir 
einem  Theophrastos  zutrauen,  dasz  er  sich  selbst  so  stark  misver- 
standen  haben  sollte? 

Es  kommt  nun  hinzu  ^  dasz  die  Überlieferung  auch  gar  keinen 
anbalt  für  die  zurück führung  des  ganzen  abschnittes  auf  Theo- 
phrastos gewährt,  denn  35^  16  steht  KaTaCKeudilet ,  was  jedenfalls 
verderbt  ist.  wenn  wir  dafür  mit  üsener  KaiaCKeudleiV  zu  schreiben 
hfttten,  80  wäre  damit  allerdings  die  berkunft  des  ganzen  abschnitts 
aas  Theophrastos  erwiesen,  da  aber  in  den  eingingen  der  übrigen 
beweise  36,  7  qpaciv,  37,  8  xpti)VTai,  39,  4  wieder  qpaciv  üborliefert 
isty  so  kennen  wir  für  KaiacKeüdZici  ebenso  gut  KaTacK€ud£ouc 
schreiben,  wodurch  die  direete  beziehung  des  Theopbrastischen  zeug» 
nisses  auf  die  ausführlicben  beweise  und  Widerlegungen  verschwin- 
den würde,  es  steht  also  hier  nicht  Vermutung  gegen  Überliefe- 
rung, sondern  Vermutung  gegen  Vermutung,  auszer  dem  bisher 
entwickelten,  in  welchem  schon  der  bündige  beweis  meiner  auf- 
fassung  enthalten  ist,  hätte  man  noch  den  gesamteindruck  de« 
excerptes  zur  entscheidung  heranzuziehen,  dieser  spricht  nun 
meiner  Überzeugung  sowohl  gegen  den  Zenonischen  Ursprung  der  b€ 
weise  als  gegen  die  Vermittlung  des  berichtes  durch  Theophrastos. 
denn  wenn  ich  auch  Norden  gern  zugebe,  dasz  der  compilator  es  gut 
verstanden  bat  die  stilistischen  unterschiede  der  eicerpierten  antoren 
durch  seine  bearbeitung  zu  verwischen,  so  mtiste  doch  die  benutzung 
einer  so  alten  und  vortrefiflichen  quelle  sich  sachlich  und  stilistisch 
fühlbar  machen,  was  zunächst  die  angeblich  Zenonischen  beweiso 
betritt,  so  vermiszt  man  in  ihnen  völlig  die  für  Zenon  charakte- 
ristische Vorliebe  für  Syllogismen,  überhaupt  die  strenge  der  metbodo 
und  die  schärfe  in  der  fassung  der  begri^e.  kein  originaler  denker 
konnte  seine  gründe  Olr  die  nichtewigkeit  der  weit  in  dieser  form 


Hv Arnim:  der  angebliche  streit  des  Zenon  und  Theophrastos.    453 

vortragen,  dasz  er  vier  beweise  ohne  Zusammenhang  in  sinnwidriger 
reihen  folge  neben  einander  stellte,  denn  sinnwidrig  ist  es  doch,  dasz 
der  allein  den  kern  dersache  treffende,  allein  wirklich  philosophische 
beweis  an  dritter  stelle  steht,  w&hrend  die  betrachtong  zweier  special- 
fölle  als  erster  und  zweiter  beweis  ihm  voraufgeht.  oder  liefern  etwa 
die  beiden  ersten  beweise  etwas  anderes  als  einzelfälle  der  im  dritten 
beweise  für  die  demente  im  allgemeinen  durch  andere  einzelfälle 
bewiesenen  zerstörbarkeit?  so  wie  sie  dastehen  freilich  sind  sie  über- 
haupt durch  kein  geistiges  band  mit  dem  dritten  beweise  verknüpft, 
ich  bin  der  meinung  dasz  in  jeder  von  einem  originalen  denker  her- 
rührenden darstellung  der  hier  an  dritter  stelle  stehende  beweis 
voranstehen ,  die  an  erster  und  zweiter  stehenden  als  beispiele  und 
erfahrungsbelege  ihm  folgen  musten.  denn  ob  der  stein  am  wege 
durch  Verwitterung  sich  auflöst  oder  der  gewaltige  berg  dem  boden 
gleich  gemacht  wird,  ob  das  wasser  einer  pfütze  zu  schlämm  erstirbt 
oder  das  Weltmeer  an  luft  und  erde  teile  seines  gebietes  abtritt,  das 
macht  für  den  philosophen  keinen  unterschied,  er  sieht  darin,  wenn 
er  Stoiker  ist,  nur  den  6inen  nie  rastenden  naturprocess  des  Stoff- 
wechsels ,  der  öböc  dvu)  Kdru) ,  durch  welche  die  ewige  materie  in 
fest  bestimmter  reihenfolge  verschiedene  formen  annimt.  man  wird 
einwenden ,  dasz  ja  die  reihenfolge  und  Zusammenstellung  der  be- 
weise Theophras tisch  sein  könne,  ich  meinerseits  traue  dem  Theo- 
phrastos  ein  solches  schülerhaftes  verfahren  nicht  zu ;  ich  traue  ihm 
zu ,  dasz  er  coordination  von  Subordination  der  beweismomente  zu 
unterscheiden  vermochte. 

Aber,  wird  mein  gegner  einwenden ,  ist  nicht  dieselbe  falsche 
coordination  schon  in  den  vier  schlagworten  des  Theophrastos  ent- 
halten? bleibt  sie  nicht  dennoch  auf  ihm  sitzen,  auch  wenn  wir  die 
ausführliche  darstellung  der  beweise  ihm  entziehen?  meine  antwort 
ist  die,  dasz  jene  vier  schlagworte  durchaus  nicht  den  ansprach  er- 
heben, einen  einheitlichen  gedankengang  in  seine  momente  zu  zer- 
legen, sondern  sich  höchst  wahrscheinlich  auf  die  aufstellungen  ver- 
schiedener vorsokratischer  denker  beziehen,  von  denen  der  eine  dies, 
der  andere  jenes  beweismoment  besonders  betont  hatte,  dies  würde 
genügen  um  den  mangel  fester  gliederung  und  sinngem&szer  reihen- 
folge in  dem  Theophras  tischen  Schema  zu  erkl&ren;  es  würde  histo- 
risch ,  wenn  auch  nicht  rationell  für  berechtigt  gelten  können. 

Ein  anderer  wichtiger  gesichtspunkt  ist  folgender,  höchst  auf- 
fallend ist  mir  in  den  beweisen  selbst  das  schwanken  zwischen  der 
Widerlegung  der  dibiÖTTic  und  der  der  d(p6apcia.  der  erste  beweis 
will  der  erde  die  dibiÖTTic  aberkennen,  aber  er  scheint  diesen  doppel- 
seitigen begriff  ausschlieszlich  im  sinne  der  anfangslosigkeit  zu  fassen, 
wenigstens  führt  der  gang  des  beweises  direct  nur  auf  diese  hin.  der 
zweite  beweis  ist  soweit  klar,  als  er  sich  auf  das  abnehmen  des 
meeres  bezieht,  was  von  eigentlich  philosophischen  folgerungen 
dann  noch  hinzugefügt  wird ,  ist  mit  dem  stoischen  Standpunkt  un- 
vereinbar und  überhaupt  unsinnig,    was  ist  das  für  ein  schlusz:  €i 


454    Hv Arnim :  der  angebliche  streit  des  Zenon  iiad  Theophrft&tas. 

hr\  |i€ioOTai  fi  edXaTxa,  |U€iuüer|ceTai  jutv  fi  yf\  usw.?  wie  kann  von 
dem  ulnthmtn  des  meeres  auf  das  abBehmen  der  erde  geschlossen 
werden,  wie  von  diesem  aut  das  der  luft?    dasz  das  aufgehen  der  . 
übrigen   elemente  im  feuer  durch  dTTOKpiOr|C£Tai  nicht  bezeicbnell 
werden  koante^  braucht  kaum  hervorgehoben  zu  werden,   sehen  wir 
von  diesen  gewagten  schlüs&en  ab,  die  sich  nur  daraus  erklären, 
daäz  der  compilator  um  jeden  *prei3  einen  selbständig  zum  ziele 
führenden  beweis  herausbringen  wollte,  welches  ist  denn  das  ziel 
des   be weises?    ofiiinbar  die  Widerlegung  der  dcpOapcia.    dasselbe) J 
gilt  von  dem  dritten  beweise*    der  vierte  hingegen  ist  wie  der  erste J 
auf  die  dibiÖTTic  angelegt,   er  widerlegt  direct  nur  die  anfangslosig- 
keit   der   weit,   wird  aber  mit  den  Worten  abgeschlossen:   li  «Li 
cpOapTÖV  elvat  köc^ov  bnXöv  dcTiv.    mit  demselben  rechte  könnt«] 
auch  der  erste  beweis  in  diese  folgerung  auslaufen ,  und  mit  dem- 
selben rechte  wie  der  erste  konnte  auch  der  vierte  als  Widerlegung 
der  dlblÖTTic  und  speciell  des  dif^viiTDv  elvai  gelten,    natürlich  wird 
man  diese  ganze  confiisioji  auf  die  unglaubliche  dummheit  des  be- 
rühmten  Schriftstellers  Philon  von  Aleiandreia  schieben  wollen;! 
denn  wie  es  scheint  war  in  jenen  zeitläuften  diese  dummheit  gerade 
diejenige  eigenschaft,  durch  welche  man  ein  berühmter  Schriftsteller 
wurde   und   mit  Piaton  verglichen  zu  werden  würdig  schien,    ich 
meinerseits  kann  mir  selbst  bei  einem  obscuren  scribler,  für  welchen 
ich   den  verfertiger   des  tractates  halte,   diese  incongruenzen  nur 
durch  die  annähme  erklären,  dasz  er  die  erörterungen  seiner  quelle 
in   elue   inadaequate   form   umgosz.    er  hatte  nun  einmal  für  seil] 
elaborat  die  form  gewählt,   lauter  selbstfindige  beweise  ohne  enL-1 
wickelnden  Zusammenhang  neben  einander  zu  stellen,    das  hat  ur 
auch  hier  durchzuführen  gesucht,  wo  es  gar  nicht  recht  gehen  wollte* 
60  ist  die  Zuspitzung  der  jedeämaligen  folgerung  sein  eigenstes  werk 
und  schon  deshalb  mit  der  ihm  eigentümlichen  unklatheit  und  un* 
ffthigkeit  zum  Verständnis  philosophischer  gedanken  behaftet,   weder 
Philon  noch  Tbeophrastos  noch  Zenon  waren  solche  leute.  ein  phüo- 
soph  würde  entweder  das  dt^vriTOV  und  das  dq>0apTOV  gesondert 
bewiesen  haben,  so  dasz  die  beweise  für  dieses  und  jenes  coordiniertj 
neben  einander  standen;  oder  er  würde»  wenn  er  der  meinung  war" 
dasz  beide  eigensuhaften  sich  gegenseitig  bedingen ,  sie  in  dem  ein- 
heitlichen begriff  der  dibiÖTT]C  zusammengefaszt  und  auf  diesen  alle 
beweise  hinausgespielt  haben,   nie  aber  konnte  diblötnc  und  ucpBap- 
cta   coordiniert  werden,    wenn  nun  nicht  alle  folgerungen  gleich^ 
lauteten,  sondern  das  6ine  mal  auf  Weltuntergangs  das  andere  ma 
auf  welteotstehung  geschlossen  werden  sollte,  so  durften  wenigstens 
nicht  die  beweise,  welche  die  w eltentsteh ung  beweisen,  für  den  Welt- 
untergang benutzt  werden,  dies  thut  aber  unser  compilator  in  seinem 
vierten  beweise. 

Sollte  nun  jemand  einwenden  dasz  all  diese  ausstellungen  nur 
die  uns  vorliegende  form  und  zu«$ammenstellung  der  beweise  bo- 
treffen,  also  immer  noch  die  m5glichkeit  bliebe,  dasz  sie  Ursprung* 


UyAmim:  der  angebliche  streit  des  Zenon  und  Theophrastos.    455 

lieh  von  all  diesen  mttngeln  frei  und  echt  Zenonisch  waren,  so  würde 
ich  erwidern,  dasz  der  einzige  grund  diese  beweise  mit  Zenon  in 
Verbindung  zu  bringen  eben  auf  dieser  bestimmten  Zusammenstel- 
lung von  vier  beweisen  beruhte ,  insofern  dieselbe  durch  das  Theo- 
phrastische Schema  als  ursprünglich  erwiesen  zu  werden  schien, 
brechen  wir  diese  schwanke  brücke  ab,  so  fehlt  ein  zureichender 
grund  überhaupt  an  Zenon  zu  denken,  im  ersten  beweis  ist  gar  nichts 
stoisches  enthalten;  im  zweiten  beweis  beschränkt  sich  das  stoische 
auf  die  sinnlos  angeflickten  folgerungen  am  schlusz,  die  nur  zur 
üuszern  abrundung  und  verselbständigung  des  beweises  dienen 
sollen;  dem  dritten  beweise  liegt  die  stoische  Vorstellung  vom  Trv€U- 
jaariKÖc  tövoc  zu  gründe,  von  der  es  bekanntlich  sehr  zweifelhaft 
idt,  ob  sie  sich  schon  bei  Zenon  fand,  seit  Stein  wahrscheinlich  ge- 
macht hat,  dasz  diese  lehre  auf  Kleanthes  zurückgeht;  so  viel  ist 
jedenfalls  sicher ,  dasz  sie  durch  keine  gültige  belegstelle  für  Zenon 
selbst  erwiesen  werden  kann,  dasz  der  dritte  und  vierte  beweis 
echt  stoisch  ist,  wird  niemand  leugnen,  ob  aber  Zenonisch,  läszt  sich 
nicht  entscheiden,  die  mCglichkeit  ist  für  den  vierten  bedingungslos 
zuzugeben. 

Norden  glaubt  nun  eine  bestätigung  für  die  zurückführung 
dieser  beweise  auf  Zenon  darin  erblicken  zu  dürfen,  dasz  Lucretius 
im  fünften  buche  y.  235 — 415  zum  teil  ähnliche  beweise  verwendet, 
er  meint,  schon  Epikuros  habe  diese  beweise  von  Zenon  entlehnt, 
diese  seien  nemlich  dadurch,  dasz  sie  vortrefflich  zu  dem  stoischen, 
sehr  viel  weniger  gut  zu  dem  Epikureischen  lehrgebäude  passen,  als 
entlehnungen  der  Epikureer  von  den  stoikern  erwiesen  und  zwar 
Epikurs  von  Zenon^  da  bereits  Epikuros  nachweislich  mit  bezug  auf 
die  stoische  lehre  die  frage  des  Weltunterganges  behandelt  habe, 
Epikuros  aber  keinen  andern  stoiker  als  eben  Zenon  habe  berück- 
sichtigen können. 

Um  eine  solche  entlehnung  von  Seiten  Epikurs  im  allgemeinen 
glaublich  zu  machen,  verweist  Norden  auf  die  bekannte  gewohnheit 
Epikurs  in  der  erklärung  der  naturerscheinungen  verschiedene  mOg- 
lichkeiten  gelten  zu  lassen,  und  dabei,  wie  Usener  gezeigt  hat, 
groszenteils  nicht  eigne  neue  erkläimngen  aufzustellen,  sondern  von 
den  altern  physikem  erklärungen  der  naturerscheinungen  zu  ent- 
lehnen ,  die  mit  seinen  phjsicalischen  grundanschauungen  vereinbar 
sind,  dieses  verfahren  hat  seinen  tiefern  grund  bekanntlich  darin, 
dasz  es  Epikuros  vor  allem  darauf  ankommt  die  möglichkeit 
natürlicher  erklärung  und  die  unnötigkeit  übernatürlicher  erklä- 
rung darzuthun.  es  scheint  mir,  dasz  wir  uns  für  die  vorliegende 
Streitfrage  auf  diese  eigentümlichkeit  Epikurs  nicht  berufen  dürfen, 
etwas  ganz  anderes  ist  es,  als  erklärungsmöglichkeiten  irgend 
welcher  naturerscheinung  sätze  fremder  naturphilosophien  gelten 
lassen,  etwas  anderes  zum  erweise  cardinaler  sätze  des  eignen 
fetystems  solche  fremde  philosopheme  als  beweismomente  gebrauchen, 
mir  ist  das  letztere  sehr  viel  weniger  wahrscheinlich,    jedenfalls 


456    HvArnim:  der  angebliche  streit  des  Zenon  und  Tlieopbraiitos. 


kann  es  siebt  durch  bertifang  auf  jen^s  ganz  andersartige  yerfabren 
glaublich  gemacht  werden,  es  kommt  hinzu  dasz  die  feindlicbe  Stel- 
lung» in  welche  die  jüngere  schule  von  vorn  herein  als  rivalin  zu 
der  Altern  getreten  war,  es  entschieden  unwahrscbeinHcb  machte 
dasz  das  baupt  der  altern  bei  dem  der  jungem  eine  gedankenanleihe 
gemacht  haben  sollte,  doch  um  die  wabrscbeinlicbkeit  der  ganzen 
hypothese  zu  unt ersuchen,  ist  es  zun&cbst  erforderlich,  dasz  wir  uns 
die  Übereinstimmung  zwischen  pseudo-Philon  und  Lucretius,  von 
welcher  Norden  ausgeht ,  etwas  genauer  ansehen. 

Da  ist  nun  zuniichst  zu  constatieren ,  dasz  nicht  etwa  alle  vier 
beweise  der  schrift  irepi  dtqpSapciac,  sondern  nur  der  dritte  und  vierte 
beiLucretiuB  ibre  parallelen  haben,  für  den  ersten  gibtNorden  seibsi 
zu,  dasz  er  bei  Lucretius  nicht  wiederkehrt,  den  zweiten  meint  er 
in  etwas  abweichender  form  wiederzufinden,  aber  erstens  ist  der 
abscbnitt,  den  er  mit  dem  zweiten  beweise  parallelisiert,  bei  Lucre- 
tius ein  teil  des  dritten  beweises,  und  zweitens  stimmt  er  auch  im 
gedanken  nicht  überein.  der  dritte  beweis  bei  pseudo-Philon  folgert 
die  zerstörbarkeit  der  weit  aus  der  zerstörbarkeit  ihrer  elemente. 
diese  wird  der  reihe  nach  für  jedes  einzelne  element  nachgewiesen, 
eine  sehr  ähnliche  auseinandersetzung  findet  sich  bei  Lucretiu 
y:235 — 305.  in  dem  das  w asser  betreffenden  teil  wird  gesagt,  dasi 
quellen ,  flüsse  und  meer  in  fortwährendem  Stoffwechsel  befindlich 
sind*  immer  neues  wasser  strömt  durch  die  Strombetten  hinab»  das 
setzt  voraus  dasz  das  frühere  verschwindet,  denn  sonst  würde  eine 
Überfülle  von  wasser  eintreten  {sed  primum  quidquid  aquai  toUitur^ 
in  mmmaque  fit  tä  nil  utnor  abundct),  dieses  verschwinden  des 
frühem  Wassers  wird  durch  Verdampfung  erklärt,  die  im  gegensatz 
zur  stoischen  6b6c  ävuj  hier  auf  die  mechanische  einwirkung  der 
winde  und  der  Sonnenstrahlen  zurückgeführt  wird,  dieser  ganze 
beweis  hat  mit  dem  zweiten  bei  pseudo-Philon  nicht  das  mindeste 
zu  thun ,  ebenso  wenig  allerdings  mit  dem  entsprechenden  teil  des 
dritten,  mit  dem  zweiten  nicht,  weil  ja  dort  die  durch  beobachtung 
festgestellte  thatsache  der  abnähme  des  meeres  den  ansgangspunkt 
bildet^  während  bei  Lucretius  das  gleichbleiben  der  in  quellen, 
Bussen  und  meer  enthaltenen  wassermenge  beweisen  soll,  d&sz  diese 
wassermenge  fortwElbrend  vergebt  und  wieder  neu  entäteht.  das 
neuentsteben  des  wassers  in  den  quellen  ist  hier  der  empirische 
ausgangspunkt,  das  vergehen  wird  durch  scblusz  gewonnen,  die 
ansieht  Über  den  tbatbestand  ist  die  entgegengesetzte,  der  gang  des 
beweises  der  umgekehrte,  ich  denke ,  auch  Norden  wird  nicht  im 
ernst  die  anBicht  aufrecht  erhalten,  dasz  der  zweite  beweis  bei 
pseudo-Philon  die  quelle  dieses  Lncrezischen  beweises  bildet,  übri- 
gens steht  auch  diese  ansieht  mit  der  von  Norden  vorgetragenen 
bypotbe««  in  Widerspruch,  denn  es  mü&te  doch  eine  eigentttmlicbo 
art  von  Übereinstimmung  sein ,  welche  den  Lncrezischen  beweis  mit 
zwei  unter  sieb  verschiedenen  momenten  der  pseudo*Pbilonischen 
beweisreihe  gleichermaszen  verbände,   dies  ist  also  der  erste  punkt^ 


HvArnim :  der  angebliche  streit  des  Zenon  und  Theophraatos.    457 

der  festzuhalten  ist :  von  dem  ersten  und  zweiten  beweise  der  schrift 
7T€pl  dqpGapciac  findet  sich  bei  Lucretius  keine  spur. 

Sehen  wir  nun  zu,  wie  es  mit  den  beiden  andern  steht,  der 
grundgedanke  des  dritten  beweises  ('ein  ganzes  musz  vergänglich 
sein,  wenn  alle  seine  bestandteile  vergänglich  sind;  die  elemente 
sind  alle  vergänglich;  also  auch  die  weit')  findet  sich  an  beiden 
orten  ganz  übereinstimmend,  aber  die  ausführung  der  einzelnen 
beweise  ist  eine  grundverschiedene,  eine  durchgängige  Verschieden- 
heit aller  vier  beweismomente ^  die  auch  Norden  anerkennt,  liegt 
darin,  dasz  bei  pseudo-Philon  nicht  wie  bei  Lucretius  die  redinte- 
gration  der  aufgelösten  elemente  gelehrt  wird,  am  meisten  ähnlich- 
keit  zeigt  verhältnismäszig  noch  das  erste ,  auf  die  erde  bezügliche 
stück  der  beweise.  Lucretius  beruft  sich  darauf,  dasz  wo  die  erde 
von  der  sonne  verbrannt  ist  und  zahlreiche  füsze  sie  treten ,  fort- 
während Staubwolken  aufzusteigen  pflegen,  indem  der  wind  die 
Staubwolken  entführt,  wird  ein  teil  der  erdsubstanz  in  die  luft  zer- 
streut und  so  die  erdmasse  vermindert,  andere  teile  der  erdsubstanz 
werden  durch  regengüsse  in  schlämm  aufgelöst  und  durch  die  flüsse, 
die  ihre  ufererde  benagen ,  mit  fortgerissen,  während  so  der  Epi- 
kureische autor  die  Verminderung  der  erdsubstanz  —  mit  welcher 
er  eine  fortwährende  neuerzeugung  derselben  gleichen  schritt  halten 
li&szt  —  ganz  seiner  gesamtanschauung  entsprechend  auf  mechanische 
Ursachen  zurückführt,  erscheint  bei  dem  stoiker  die  Verwitterung 
und  zerbröckelung  des  gesteins,  von  dem  er  als  von  der  härtesten 
gattung  erdartiger  Substanz  allein  redet,  als  ein  spontaner  process, 
der  aus  dem  nachlassen  des  TTveu^ttTiKÖc  tövoc  sich  ergibt,  es  wird 
hier  —  und  so  auch  in  den  folgenden  teilen  des  stoischen  beweises 
—  nur  die  abhängigkeit  der  speciellen  elementarform  von  dem  als 
SEic  und  TÖVOC  in  ihm  wirkenden  nveO^a  geschildert,  wenn  zb. 
nachher  das  versumpfte  übelriechende  gewässer  als  ein  ^sterbendes' 
bezeichnet  wird,  so  liegt  bierin  eine  deutliche  beziehung  auf  das  be- 
kannte wort  des  Herakleitos ,  in  welchem  der  Übergang  einer  jeden 
elementarform  in  die  nächstniedere  ihr  Hod'  genannt  wird.  —  Von 
der  speciellen  ausführung  über  wasser  und  luft  bei  Lucretius  wird 
Norden  selbst  nicht  behaupten,  dasz  sie  mit  den  entsprechenden 
stellen  in  Trepi  dqpOapciac  eine  ähnlichkeit  zeige,  die  besprechung 
des  Wassers  bei  Lucretius  wurde  schon  oben  kurz  charakterisiert, 
was  hat  mit  ihrem  gedankengang  der  hin  weis  auf  stinkig  gewor- 
denes wasser  bei  pseudo  -  Philon  zu  thun  ?  die  besprechung  der  lufb 
bei  Lucretius  ist  der  des  w assers  parallel  gearbeitet,  da  nach  Epi- 
kureischer ansieht  von  allen  dingen  fortwährend  die  oberflächen- 
schicht  sich  ablöst  und  in  die  luft  verflieszt,  so  müste  ja  alles  zu  luft 
werden,  wenn  nicht  die  luft  ihrerseits  wieder  zur  bildung  der  übrigen 
elemente  bestandteile  abgäbe,  das  ist  ganz  derselbe  gedanke ,  den 
wir  vorher  in  seiner  anwendung  auf  das  wasser  kennen  gelernt 
haben,  statt  dessen  hat  pseudo-Philon  die  q)6opd  d^poc,  welche 
Seuchen  und  epidemien  verursacht,   vom  Standpunkt  des  stoicismus 


HvArmm:  der  angebliche  streit  des  ZeDon  uud  Tbeophrsatos« 


läszt  sich  diese  nur  als  eine  Verminderung  des  tövoc  der  luft«  als 
ein  entweichen  des  durch  atmung  uns  fortwährend  2uflieszenden 
lebenspneumas,  als  ein  antreten  der  öboc  KdTUJ  seitens  der  luft  auf- 
fassen, am  meisten  von  allen  weicht  das  vierte  beweisstück  ab. 
denn  während  Philon  nur  kurz  hinweist  auf  das  erlöschen  des  feuers, 
\\'eon  es  geine  nahrung  aufgezehrt  hat^  nm  dann  diesen  nur  schwer 
vorstellharen  Vorgang  durch  die  der  allgemeinen  an  9  cbau  ung  n  üb  er- 
liegende wundergescbichte  von  den  indischen  elephanten  mit  der 
ihm  eigentümlichen j  neuerdings  entdeckten  dummheit  und  albern- 
heit  zu  verBnschaulicben,  ^etzi  Lucretius  in  seiner  besprechung  bei 
der  sonne  an,  als  der  gewaltigsten  mas&e  feuriger  bubstanz.  erzeigt, 
ganz  nach  dem  schema  der  vorigen  beweise,  dasz  die  fortwährende 
Verschwendung  feuriger  Substanz,  welche  dieses  gestirn  betreibt^  tu 
seinem  ruin  ftihren  müste,  wenn  nicht  diese  Substanz  sich  fort- 
während in  ihm  erneute,  wie  das  wasser  in  der  quelle,  also  auch 
sonne,  mond  und  gestirne  sind  in  unaufhörlichem  vergehen  und  ent- 
stehen begriffen. 

Ich  bin  in  dir  besprechung  der  beiderseitigen  argumente  viel- 
leicht zu  ausführlich  gewesen,  aber  ich  wollte  zeigen  1)  dasz  keinerlei 
Verwandtschaft  zwischen  beiden  besteht»  und  2)  dasz  die  Lucrezischen 
beweise  ebenso  vortrefflich  zu  dem  Epikureischen  Standpunkte  passen 
wie  die  in  der  schriftirepl  dcpBapciac»  wenn  man  ein  wenig  zwischen 
den  Zeilen  liest,  zu  dem  stoiachen. 

Was  bleibt  also  am  ende  von  Übereinstimmung  übrig  aU  da« 
einfache  schema  des  bewei^es:  das  ganze,  dessen  elemente  alle  ver- 
gänglich biud,  ist  selbst  vergänglich;  die  elemente  der  weit  sind 
vergänglich;  al^o  auch  die  weit'  wird  jemand  im  ernst  bebaupien 
wollen,  dasz  in  diesem  schlusz  etwas  specifisch  stoisches  liegt,  was 
nur  von  Zenon  zu  Epikuros  könnte  gekommen  sein?  kann  man  die 
möglichkeit  ausschlieszen,  dasz  auch  schon  Demokritos,  dessen  weiten 
doch  auf  dieselbe  weise  wie  die  des  Epikuros  untergehen  sollten» 
sich  dieses  argumentes  bedient  habe?  die  q)GiciC  seiner  weiten  ist 
ja  bekannt,  üud  dasz  er  das  meer  durch  Verdampfung  austrocknen 
lieaiz.  jedenfalls  passt  dieser  scblusz  zu  dem  Standpunkt  des  Demo. 
kritos  so  gut  wie  zu  dem  des  Epikuros:  denn  auch  für  ihn  sind  die 
atome  das  einzige  ewige,  das  im  Wechsel  der  dinge  unverändert 
bleibt,  weil  die  elemente  nur  durch  bestimmte,  dem  Wechsel  unter* 
worfene  verbindungsarten  der  atome  zu  stände  kommen^  so  können 
sie  auch  nicht  unvergänglich  sein ,  und  ebenso  wenig  der  aus  ihnen 
geformte  kosmos.  man  möchte  fast  sagen,  da^z  Demokritos  ^^ich 
dieses  arguments  bedient  haben  musz;  aber  darum  braucht  es  nicht 
von  ihm  zu  Zenon  gekommen  zu  sein:  denn  es  enthält  Überhaupt 
nichts  für  einen  bestimmten  philosophischen  Standpunkt  bexeich- 
nendes. 


'  ich   bemerke  noch,  dasi  die  sohulmäfisige  form  des  «x11<>^1*^^b* 
ttie  man  ala  charaktent tisch  für  die  fttaa  ansehen  kSniite,  hei  Laeretia« 

nicht  wiederkehrt. 


HvAmim :  der  angebliche  streit  des  Zenon  nnd  Theophrastos.    459 

Es  bleibt  uns  nun  nur  noch  das  vierte  argument  der  scbrift 
7T€pi  d(p6apciac,  welches  bei  Lucretius  in  den  versen  324  —  350 
seine  parallele  hat.  übereinstimmend  wird  von  beiden  autoren  aus 
der  relativen  Jugend  der  künste  und  Wissenschaften  auf  die  Jugend 
der  weit  geschlossen,  es  verdient  hierbei  hervorgehoben  zu  werden, 
dasz  Lucretius  dieses  argument  wirklich  nur  für  die  weltentstehung 
ausbeutet,  wie  es  ja  in  der  natur  dieses  argumentes  liegt;  während 
pseudo-Philon  schlieszHch  mit  einem  salto  mortale  auf  den  Welt- 
untergang hinauskommt. 

Femer  ist  zu  beachten,  dasz  der  eigentliche  philosophische 
kern  des  vierten  beweises,  der  auf  der  stoischen  anthropocentrischen 
teleologie  beruht,  wie  natürlich  von  dem  Epikureer  nicht  reprodu- 
ciert  wird,  überhaupt  gehört  die  betrachtung  über  die  Jugend  von 
kunst  und  Wissenschaft  bei  Lucretius  nicht  zu  dem  eigentlichen  be- 
weise, vielmehr  wird  aus  dem  mangel  einer  weiter  hinaufreichenden 
geschichts-  oder  sagenüberlieferung  direct  auf  die  novUas  der  weit 
geschlossen,  dann  erst  wird  darauf  aufmerksam  gemacht,  dasz  sich 
hieraus  auch  erklärt,  warum  die  entwicklung  der  künste  noch  nicht 
zum  endgültigen  abschlusz  gelangt  und  auch  die  abschlieszende  ge- 
stalt  der  naturerkenntnis  in  der  Epikureischen  philosophie  erst 
kürzlich  erreicht  worden  ist.  die  anknüpfung  mit  quare  v.  332 
zeigt,  dasz  diese  betrachtung  von  Lucretius  nicht  als  eigentlicher 
beweis,  sondern  nur  als  ein  corollarium  des  voraufgehenden  be- 
weises angesehen  wird,  wie  wenig  wert  Lucretius  selbst  auf  diese 
betrachtung  legt,  geht  aus  dem  folgenden  hervor  (7.  338  —  350).  er 
gibt  nemlich  unbedingt  die  möglichkeit  zu,  dasz  gewaltige  natur- 
umwälzungen  durch  feuer  und  wasser  den  faden  der  Überlieferung 
und  der  entwicklung  der  künste  könnten  abgeschnitten  haben,  aber, 
meint  er,  wenn  dies  der  fall  gewesen  ist,  so  musz  man  gerade  um 
deswillen  erst  recht  die  zerstörbarkeit  des  kosmos  zugestehen. 

Es  könnte  nun  scheinen,  als  ob  es  doch  immerhin  auffallend 
wäre,  dasz  zwei  der  beweise  aus  Tiepi  ä(p6apciac  bei  Lucretius 
parallelen  haben,  man  könnte  in  dem  gemeinsamen  auftreten  zweier 
ähnlicher  beweismomente  eine  erscheinung  erblicken,  die  nicht  durch 
Zufall,  sondern  durch  Zusammenhang  der  quellen  erklärt  werden  müste. 
aber  hiergegen  spricht  die  genauere  Untersuchung  des  gedanken- 
zusammenhangs  in  dem  abschnitt  bei  Lucretius.  es  läszt  sich  nemlich 
leicht  darthun,  dasz  Lucretius  verschiedene  quellen  neben  einander 
benutzt  hat  und  es  ganz  unmöglich  ist  den  abschnitt  v.  235 — 415 
als  wiedergäbe  einer  zusammenhängenden  erörterung  Epikurs  an- 
zusehen, einheitlich  ist  v.  235  — 305,  der  nachweis  des  unauf- 
hörlichen entstehens  und  vergebens  der  elemente.  dann  kommen 
V.  306  —  350  drei  kleinere  abschnitte,  von  denen  sich  der  erste 
306  —  317  und  der  dritte  324  —  350  als  parerga  und  einschiebsei 
deutlich  zu  erkennen  geben,  es  ist  nemlich  leicht  einzusehen,  dasz 
der  zweite  abschnitt  (v.  318  —  323)  die  gerade  fortsetzung  des 
groszen  vierteiligen  beweises  für  die  Vergänglichkeit  der  elemente 


460    HvArüim  i  der  angelblfcbe  streit  des  Zenati  und  Theophraötos. 


bildet,  es  ist  dieser  abschnitt  ein  aupplement  zu  der  bebandlung 
des  feuers  in  v.  281 — 305.  während  dort  nur  für  sonne,  mond  und 
gestirne  der  fortwährende  verbrauch  und  die  neuerzeugung  feuriger 
subfitanz  bewiesen  wurde,  wird  der  beweis  nunmehr  ganz  nach  dem- 
selben Schema  für  den  feurigen  äther  geliefert,  der  nach  Heraklei  ti- 
scher und  stoischer  anschauung  die  weit  aus  sich  erzeugt  und  durch 
die  dKTTUpu/cic  wieder  in  sich  aufnimt.  denn  bei  dem  hoc  circum 
supraque  qitod  omnem  continet  amplexu  tcrram^  welches  wie  eine  Um- 
schreibung des  griechischen  TÖ  nepi^X^^'V  aussieht,  kann  offenbar  nur 
an  den  feuerSther  gedacht  werden,  mit  quidam  memorafU  sind  also 
Herakleitoa  oder  die  stoiker  gemeint  hat  man  diesen  durch  form 
und  Inhalt  der  beweisführung  gesicherten  Zusammenhang  von  v.  318 
—  323  mit  dem  v.  30ö  endenden  abschnitt  einmal  erkannt,  so  ergibt 
sich  unmittelbar,  dasz  v.  306  — 31 1  eine  an  unrechter  stelle  ein- 
gefügte abschweifung  des  Lucretius  bilden,  sie  enthalten  nicht  so- 
wohl ein  philosophisches  rttsonnement  als  eine  rhetorische  ausfüh- 
rung  des  locus  communis:  vergILnglichkeit  alles  irdischen  in  natur 
und  kunst.  nur  gegen  ende  nimt  dieser  abschnitt  eine  wissenschaft- 
liche Wendung,  indem  gesagt  wird:  die  steine,  die  sich  plötzlich  von 
den  gipfeln  der  berge  loslösen  und  herniederpoltem ,  kdnuLen  dies 
nicht  jetzt  mit  Einern  male  thun ,  wenn  sie  schon  von  ewigkeit  her 
allen  stürmen  der  zeit  trotz  geboten  hätten,  dieses  räsonnement 
erinnert  ja  unleugbar  an  den  ersten  beweis  in  TT6pi  dq>9apdaCt  den 
einzigen  von  dem  Norden  constatiert,  dasz  er  bei  Lucretius  keine 
parallele  habe,  allgemeiner  kehrt  derselbe  gedanke  v.  376— 379  als 
abschlusz  eines  langem  heweises  wieder,  man  wird  also  nicht  für 
unsere  sonst  ganz  inhaltleere  einlage  v.  306 — 317  nach  einer  be- 
sondern quelle  suchen,  sondern  einfach  annehmen»  dasz  sich  Lucretius 
hier  proprio  Marie  ergeht* 

In  gleicher  weise  möchte  ich  auch  den  abschnitt  7.  324 — 350 
als  eine  einlage  ansprechen,  weil  er  zusammengehöriges  von  <jinander 
trennt  und  als  fremdartiger  bestandteil  zwischen  gleichartige  ein- 
geschoben ist.  oder  ist  es  nicht  eine  offenbare  schwäehe  der  dis> 
Position,  wenn  die  betracbtung  des  weirgebäudes  selbst  und  seiner 
ewigen  bestand  ausschlieszenden  eigentümliehkeiten  durch  eine  be- 
tracbtung unterbrochen  wird,  die  sich  auf  dinge  des  menschlichen 
lebens  bezieht?  drei  beweise  bilden  den  eigentlichen  grundstock 
der  Lucrezischen  beweisführung:  1)  alle  einzelnen  elemente  ent- 
stehen und  vergehen  (v.  235  —  305.  317—323);  2)  von  den  eigen- 
schaften,  welche  vor  Untergang  schützen,  besitzt  der  kosmos  keine; 
3)  der  kämpf  der  elemente  kann  wieder,  wie  schon  früher,  zum  sieg 
des  feuerte  oder  wassers  und  damit  zum  Untergang  des  kosmos  führen. 

Die  mehrbeit  der  quellen,  welche  ein  nicht  originaler  autor  be- 
nutzt,  faszt  man  am  leichtesten  durch  beobachtung  des  Zusammen- 
hangs und  der  abfolge  der  gedanken.  denn  bei  einem  originalen 
autor  musz  der  Zusammenhang  wenn  nicht  rationell«  so  doch  psycho- 
logisch erkläi  bar  kein ;  bei  dem  nicht  originalen  kreuzt  eine  äuszere 


HvArnim:  der  angebliche  streit  des  Zenon  und  Theophrastos.    461 

causalität  die  innere,  so  habe  ich  in  der  schrift  irepl  d(pdapdac  die 
benutzung  zweier  dem  philosophischen  Standpunkte  nach  verschie- 
denen quellen  nachgewiesen,  für  deren  Scheidung  neben  der  Ver- 
schiedenheit der  tendenz  besonders  die  durchbrechung  der  natür- 
lichen gedanken folge  als  kennzeichen  dient.  Norden  freilich  ist 
anderer  ansieht,  er  ist  ganz  sicher,  dasz  der  compilator  diese  durch- 
brechungen  der  natürlichen  gedanken  folge  mit  absieht  bewirkt  hat, 
um  eine  gröszere  anzahl  von  argumenten  herauszubekommen«  wenn 
er  nemlich  ein  genügend  langes  argument  fand,  so  dachte  er  'halt: 
daraus  könnten  wir  zwei  machen.'  er  teilte  es  in  der  mitte  und 
schob  ein  anderes  in  die  so  entstandene  lücke ,  damit  sich  die  zu- 
sammengehörigen teile  nicht  wieder  vereinigen  könnten;  ein  ver- 
fahren durch  das  zunächst  aus  zwei  argumenten  drei  und  bei  metho- 
discher anwendung  aus  jedem  vielfachen  von  zwei  jedes  vielfache 
von  drei  gemacht  werden  kann,  geht  nicht  Norden  etwas  zu  streng 
mit  mir  ins  gericht,  wenn  er  mir  zum  Vorwurf  macht,  dasz  ich  diese 
Vervielfältigungsmethode  des  Philon,  die  an  Jakobs  kunstgriff  mit 
Labans  lämmern  und  an  die  kunst  suppe  aus  einem  wurstspeiler  zu 
kochen  erinnert,  ^nicht  beachtet'  habe?  thatsachen  soll  man  freilich 
'beachten',  aber  kann  man  schon  im  voraus  alles  ^beachten'  was  von 
den  unglücklichen  compilatoren  künftig  einmal  behauptet  werden 
wird?  ich  denke^  Nordens  auffassung  ist  so  gut  wie  die  meine  eine 
hypothese  zur  erklärung  des  thatbestandes,  für  die  man  ^beachtung' 
erst  fordern  darf,  wenn  sie  bewiesen  ist.  ähnlich  liegt  die  sache  in 
dem  besprochenen  abschnitt  bei  Lucretius:  dem  beweis,  v.  306 — 317 
müste  Lucretius  eingeschoben  haben,  um  die  enge  Zusammengehörig- 
keit des  beweises  in  v.  318 — 323  mit  denen  in  v.  247 — 305  zu  ver- 
decken und  ihn  als  einen  neuen  selbständigen  beweis  erscheinen  zu 
lassen,  denn  was  dem  Philon  recht  ist,  das  ist  dem  Lucretius  billig, 
da  doch  wohl  Lucretius  im  punkte  der  Originalität  bei  weitem  nicht 
an  Philon  hinanreicht,  und  ebenso  müste  die  einschiebung  des  be- 
weises V.  324—350  aus  dem  absichtlichen  streben  nach  unordent- 
licher manigfaltigkeit  gedeutet  werden,  ich  werde  mir  erneute 
vorwürfe  zuziehen,  wenn  ich  auch  hier  nicht  durch  jenes  verviel- 
fältigungssystem ,  sondern  durch  nachlässige  benutzung  mehrerer 
quellen  die  Unordnung  zu  erklären  suche. 

Von  den  drei  argumenten,  die  ich  oben  als  den  eigentlichen 
kern  der  beweisführung  bezeichnet  habe,  hängt  besonders  das  dritte 
mit  dem  ersten  ganz  eng  zusammen,  denn  das  erste  enthält  implicite 
die  Schilderung  eines  kampfes  der  demente,  in  welchem  das  streben 
jedes  einzelnen  dementes,  die  oberhand  zu  gewinnen,  vorläufig  noch 
durch  ein  gleich  starkes  streben  aller  übrigen  aufgewogen  wird; 
aber  im  ersten  argument  wird  nur  das  entstehen  und  vergehen  des 
einzelnen  elementes  geschildert,  welches  auf  diesem  kämpfe  be- 
ruht, im  dritten  werden  die  möglichen  Wirkungen  dieses  kampfes 
für  das  weltganze  ins  äuge  gefaszt.  es  ist  klar  dasz  diese  drei  argu- 
mente  eine  in  sich  geschlossene  beweisketto  bilden :  erst  wird  jas 


462    HvArtilm :  der  angebliche  ati-eit  des  Zenon  uad  Theopbraatos. 


verhalten  jedes  elementes  fdr  sich  betrachtet,  dann  das  ganze  selbst 
ohne  rücksicht  auf  die  bestandteile  ^  endlich  die  teile  in  dlrectar  he» 
Ziehung  auf  das  ganze. 

Das  ergebnis  dieser  analjse  dos  Zusammenhanges  der  Lucrezi- 
schen  beweis ftihrung  ist  für  mich,  dasz  die  beiden  beweise,  welche 
Norden  mit  pseudo-Phüon  in  parallele  stellt,  nicht  auf  gleicher  stufe 
stehen,  der  eine  gehört  zum  echt  Epikureischen  bewei sapparat; 
nichts  spricht  bei  ihm  für  entlehnung;  was  an  ihm  mit  itcpt 
äqpOapciac  übereinstimmt,  ist  an  sich  so  wenig  charakteristisch, 
dasz  es  ebenso  gut  von  Demokritos  wie  von  Zenon  zu  Epikuros  ge- 
kommen sein  kann,  dagegen  gehört  der  andere  beweis  nicht  zu  dem 
eigentlichen  kern  der  bewei.sfübrung-  er  wird  von  Lucretius  ohne 
rechten  ernst  behandelt  und  durch  die  folgenden  Zugeständnisse 
seiner  giundJagen  beraubt;  er  unterbricht  ferner  den  Zusammen- 
hang der  eigentlichen  bewetsfUbrung  und  gibt  sieb  so  als  eine  ein- 
läge  zu  erkennen,  unter  diesen  umständen  gebe  ich  Norden  gern 
zu,  dasz  der  beweis  nicht  ursprQnglich  Epikureisch  ist,  sondern  von 
der  stoa  entlehnt  sein  kann,  aber  dasz  der  entlehnende  bereits  Epi- 
kuros, also  der  iirheber  des  beweises  bereits  Zenon  war,  halte  ich 
für  ganz  unwahrscheinlich  oder  doch  für  nicht  beweisbar. 

Ich  kann  mich  auch  nicht  mit  dem  gebrauch  einverstanden  er- 
klären, welchen  Norden  von  dem  Epikurfragment  n.  305  (üaener) 
macht,  die  bei  A^tios  II  4,'10  8.  331,  24  D.  erhaltenen  worte  lauten 
bei  Stobaios:  *€iTiKOiipoc  nXcicToic  TpÖTioiCTÖv  KÖc^ov  q>0£ip€CÖar 
KCri  Top  UJC  liboy  Kai  die  cpuxöv  kqi  noXXax»ic;  bei  Plutarchos: 
*6mKOiipoc  (peaptöv,  äxi  kqI  T€vr|TÖv,  uic  lütov  d>c  cputöv.  es  ist 
ja  bekannt,  daas  im  allgemeinen  Stobaios  den  Atitioa  genauer  wieder- 
gibt, hier,  wo  die  ssche  höchst  zweifelhaft  liegt,  versagt  leider  Theo- 
doretos.  es  fKllt  auf,  dasz  Norden  bei  einer  so  dunkeln,  offenbar 
nicht  richtig  überlieferten  stelle,  auf  die  er  so  weitgehende  hjrpo* 
thesen  bauen  wollte,  es  gar  nicht  für  nötig  gehalten  bat  die  Piutar« 
chische  fassiing  zu  berücksichtigen,  die  doch  üsener  zu  Epic.  fr.  30S  ' 
im  apparat  anführt,  ich  meinerseits  glaube,  dass  hier  die  Plutar* 
chische  fassung  zur  herstellnng  des  ursprünglichen  nnentbehrlich  ist. 
in  dem  worttaut  bei  Stobaios  vermag  ich  nur  den  völlig  unangemessenen 
sinn  zu  entdecken,  dasz  nach  Epiknrs  meinung  der  kosmos  auf  sehrJ 
viele  weisen  zu  gründe  gehe ;  er  sterbe  ja  wie  ein  L^tov  und  wie  ein! 
ipuTÖv  und  noch  sonst  auf  viele  weisen,  dies  ist  offenbarer  unsinn»  I 
denn  mit  den  Tpöiroi  k£$nnen  doch  nur  die  Ursachen  dee  Untergang» 
gemeint  sein,  in  den  voraufgehenden  angaben  bei  A§tios  findet  sich 
auch  der  TpÖTTOC  thc  (pBopdc  jedesmal  ausdrücklich  bezeichnet: 
Stoiker  Kax^  dKTTvpuucw »  Empedokles  Kaict  x^v  dvieTtiKpäTemv  toO 
veiKOUC,  Demokritos  toö  ^eiilovoc  töv  juiKpöxepov  vikoivtoc.  eine 
entsprechende  angäbe  erwartet  man  auch  hier,  dasz  aber  die  worte 
KUl  T^P  ^c  Iipov  Koi  diC  cpuiäv  eine  solche  im  sinne  Kpikurs  nicht 
enthalten,  steht  auszer  zweifei.  es  konnten  nur  angeführt  werden 
X)  der  Demokritiscfae  zosammenstosz  mehrerer  weiten,  2)  die  zer- 


HvArnim:  der  angebliche  streit  des  Zenon  and  Theophrobtos.    463 

Störung  durch  fener,  3)  die  Zerstörung  durch  wasser;  auszerdem  viel- 
leicht die  Demokritische  cpOicic.  darüber  ist  auch ,  wie  ich  glaube, 
mein  gegner  ganz  einig  mit  mir,  dasz  die  worte  nicht  als  eine  be- 
Zeichnung  des  TpÖTTOC  Tfjc  cpOopäc  im  sinne  Epikurs  gefaszt  werden 
können,  denn  für  Epikuros  ist  der  kosmos  weder  ein  2IiDov  noch  ein 
9Ut6v.  aber  die  stoiker  sehen  ja  die  weit  als  ein  ZtjjOV  XoTiKÖv  kqI 
(ppövijLXOV  an.  so  möchte  denn  Norden  in  den  worten  Epikurs  bei 
A&tios  (Stobaios)  eine  beziehung  auf  die  stoische  lehre  und  den  ge- 
danken  finden ,  dasz  der  kosmos  auf  jeden  fall  untergehen  müsse, 
auch  wenn  man  ihn  mit  den  stoikern  für  ein  Ifjjov  oder  für  ein 
9Ut6v  erkläre.*  dasz  die  griechischen  worte  dies  nicht  besagen 
können,  brauche  ich  Norden  wahrhaftig  nicht  erst  zu  sagen,  es 
müste  etwa  heiszen:  'GiTiKOupoc  TTOtVTUJC  TÖv  KÖCjiiov  cpdeipecdar 
Kai  fäp  e\  Iwov  eXr\  Kai  ei  9ut6v.  so  zu  schreiben  kann  mir  gar 
nicht  in  den  sinn  kommen,  denn  TrXeicTOic  TpÖTTOic  ist  durch  die 
parallelen  der  voraufgehenden  paragraphen  bei  A^tios,  wie  wir 
sahen ,  gesichert,  ich  komme  also  zu  dem  ergebnis ,  dasz  die  auf- 
zählung  der  einzelnen  TpÖTTOi  Tfjc  cpOopac  durch  oberflächliches 
excerpieren  ausgefallen  ist  und  nun  die  worte  d)C  2IijJ0V  Kai  ibc 
cpuTÖv ,  die  bei  A^tios  selbst  einen  ganz  andern  sinn  haben  musten, 
für  die  bezeichnung  dieser  TpÖTTOi  irrtümlich  gehalten  wurden  und 
deshalb  auch,  weil  die  zweizahl  mit  TrXeicTOic  in  Widerspruch  zu 
stehen  schien,  den  zusatz  Kai  TToXXaxuJC  erhielten,  welches  der  ur- 
sprüngliche sinn  dieser  worte  war,  zeigt  ja  Plutarch.  der  schlusz 
von  der  zeitlichen  entstehung  der  weit  auf  die  zerstörbarkeit  wird 
empirisch  durch  die  beispiele  des  tCtov  und  des  q)UTÖv  belegt,  die- 
jenigen dinge,  deren  entstehen  wir  beobachten  können,  sehen  wir 
auch  wieder  zu  gründe  gehen.*  es  passt  vortreflFlich  zu  dem  Epi- 
kureischen empirismus  sich  für  solche  dinge  auf  die  alltägliche  er- 
fabrung  zu  berufen,  der  ursprüngliche  text  könnte  also  etwa  so  ge- 
lautet haben:  'eTTiKOupoc  TiXeiCTOic  tpöttoic  toüc  KÖcjaouc  (pGei- 
pecGai  •  Kai  t^P  <dvTiK07raic  Kai  irpocpoEeci  Kai  KaTaKXuc)Lioic  Kai 
TTupöc  diriKpaTeiqt  •>  (pGapiöv  <öfe>  6ti  Kai  t^vtitöv  ibc  Zijjov  <Kai> 
(bc  cpuTÖv.  ein  hypothetisch  von  stoischen  prämissen  ausgehendes 
räsonnement  würde  der  Verfasser  der  placita  schwerlich  als  gesamt- 
charakteristik  der  lehre  Epikurs  über  diesen  punkt  benutzt  haben« 
wir  würden  ihm  wenigstens  einen  so  schweren  misgriff  nur  dann 
zutrauen ,  wenn  sich  durch  diese  annähme  alle  Schwierigkeiten  der 
stelle  auf  einfache  weise  heben  lieszen,  was,  wie  ich  gezeigt  habe, 

*  warum  druckt  Norden  die  Seneca-stelle  nat,  quaest.  III  29  mit  dem 
sinnentstellenden  fehler  anima  für  animal  ab?  zu  begründen  brauche 
ich  diese  änderung  wohl  nicht.  ^  der  sache  nach  findet  sich  daa- 

selbe  argument  bei  Lucretius  II  1105—1174,  wo  das  wachsen  und  ab- 
nehmen der  weit  ganz  nach  der  analogie  eines  2It{iov  oder  9UTÖV  ge- 
schildert wird,  die  stoiker  haben  sich  dieses  arguments  natürlich  auch 
bedient:  vgl.  La.  Diog.  VII  141  dp^CK€i  hi  aÖTOlc  xal  cpeapröv  elvai. 
TÖV  k6c|L40v,  ötc  if€VT)T6v,  dvd  XÖTOV  (ti?i  XÖTiy  die  hss.)  tOüv  61'  alc6/i- 

CCUIC   VOOU^^VUJV. 


464    HyArnimi  der  angebliche  streit  des  Zeuon  und  Theoplj raste b. 


nicbt  der  fall  ist.  mag  man  nnn  über  meinen  lösnngs versuch  tir< 
teilen  wie  man  will»  so  viel  ist  jedenfalls  klar,  dasz  diese  stelle  nicht 
verwendbar  ist ,  um  ein  eingeben  Eplkurä  auf  die  stoische  lehre  im 
punkte  des  weltuntergaoges  zu  erweisen. 

Alles  in  allem  hietet  also  der  abschnitt  bei  Lucretius  keinerlei 
bestätigung  für  den  Zenoniscben  Ursprung  der  beweise*  nur  das 
^ine  ist  mir  bei  genauer  vergleichung  der  beiden  abscbnitte  klar  ge- 
worden, dasz  der  erste  beweis  in  nepl  dqpOapciac  mit  viel  gröj^zerer 
Wahrscheinlichkeit  auf  eine  Epikureische  als  auf  eine  stoische  quelle 
zurtickge führt  werden  kann,  der  sacbe  nach  ist  ja  völlig  mit  ihm 
identisch  die  betracbtung,  welche  Lucretius  v.  313 — 317  vortrÄgt. 
charakteristisch  für  den  Epikureischen  Standpunkt  ist  an  dieser  be- 
tracbtung,  dasz  die  Wirkung  der  mechanischen  gewalt  betont  wird, 
welcher  nichts  irdisches  für  eine  ewigkeit  zu  troUen  fähig  ist.  die 
weltausicht,  die  alles  geschehen  auf  druck  und  stosz  der  atome  zu- 
rückfahrt, läszt  auch  die  weiten  durch  druck  und  stosz,  sei  es  den 
Innern  ihrer  teile  sei  es  den  äuszern  anderer  weiten,  untergehen,  der 
Epikurei^sche  kosmos  trägt  seinen  namen  ohne  berechtigung:  denn 
in  ihm  herscht  nicht  Ordnung  und  Vernunft;  das  wirken  der  natar- 
kräfte  zerstört  die  gebilde  des  kosmos  ebenso  zufällig  wie  es  sie  ge* 
schaffen  hat  der  erste  beweis  der  schrift  Tiepi  dqpBapciac  ist  ganz 
von  dieser  art.  aber  ganz  und  gar  nicht  passt  dieser  beweis  in  das 
stoische  System,  denn  in  dem  providentieU  regierten  und  vernünftig 
eingerichteten  kosmos  der  stoiker  kann  unmöglich  die  Zerstörung 
kosmischer  gebilde  als  selbstverstündliche  folge  des  Vorhandenseins 
bedrohender  gewalten  angesehen  werden*  wofür  wäre  denn  da  die 
gottheit  vorhanden?  nur  aus  dem  eignen  vernünftigen  und  gesetz* 
mZLszigen  verhalten  der  das  all  durchwohnenden  göttlichen  kraft 
kann  hier  die  auflösung  kosmischer  gebilde  als  notwendig  erwiesen 
werden,  es  kann  deshalb  mit  voller  bestimmtheit  behauptet  werden, 
dasz  der  erste  jener  vier  beweise  in  irepi  dqpöapciac 
nicht  stoischen  Ursprungs  sein  kann. 

Die  stoische  und  die  Epikureische  beweisführung  für  die  nicht- 
ewigkelt  der  weit  gehen  unleugbar  eine  strecke  mit  einander,  dies 
ist  der  wahre  kern  der  Nordenschen  hjpotbese^  den  ich  gern  an- 
erkenne, die  stoischen  beweise  in  der  allgemeinen  form,  wie  sie  bei 
La.  Diog.  VII  141  dargestellt  werden,  enthalten  eigentlich  nichts, 
was  dem  Epikureischen  Standpunkt  weniger  angemeseen  wttre.  aber 
diese  Übereinstimmung  ist  nur  eine  scheinbare  und  ftuszerliche:  denn 
sowie  man  den  tiefern  philosophischen  kern  der  Argumentationen 
ins  äuge  £&S2t,  scheiden  sich  die  wege.  die  Übereinstimmung  der 
argumente  geht  nur  so  weit  als  die  Übereinstimmung  der  gesamten 
naturansicht  geht,  dasz  diese  Übereinstimmung  auf  dem  von  Norden 
angenommenen  wege  einer  entlehnung  von  Seiten  Epikurs  zu  stände 
gekommen  ist,  wird  sich  schwer  nachweisen  lassen,  da  wir  weder 
für  Zenon  noch  für  Epikuros  nachweisen  können,  welche  dieser 
argumente  sie  bereits  verwendet  haben,   und  da  wir  auch  nicht 


Hv Arnim:  der  angebliche  streit  des  Zenon  und  Theophrastos.    465 

wissen  in  wie  weit  schon  die  ältere  naturphilosophie  ihnen  vor- 
gearbeitet hatte. 

Ich  kehre  nun  zu  dem  capitel  23  der  schrift  Trepi  ä(p6apciac 
zurück,  denn  nachdem  ich  oben  die  zurückftihrung  des  ganzen  ab- 
schnittes  auf  Theophrastos  mit  zwingenden  gründen  widerlegt  habe, 
bleibt  mir  noch  die  aufgäbe ,  meine  ansieht  von  der  wirklichen  ent- 
steh ung  des  eigentümlichen  und  irreführenden  Sachverhalts  zu  be- 
gründen und  gegen  einwände  zu  verteidigen,  dasz  die  discrepanz 
zwischen  den  Theophrastischen  schlagworten  und  den  beweisen  selbst 
nicht,  wie  Susemihl  (alex.  litt.-gesch.  II  s.  326  anm.  434)  will,  durch 
unVollständigkeit  des  auszuges  erklärt  werden  kann,  ist  wohl  durch 
meine  scharfe  präcisierung  dieser  discrepanz  erwiesen«  wenn  auch  in 
einer  vollständigem  fassung  des  vierten  beweises  mehr  von  der  2Ii|juJV 
(p6opd  die  rede  war,  so  kann  doch  dies  moment  nie  den  empiri- 
schen ausgangspunkt  dieses  beweises  gebildet  haben ,  und  nie  kann 
in  ihm  von  den  x^pcaia  l(\}a  ausschlieszlich  die  rede  gewesen  sein, 
man  müste  vielmehr  auszer  der  un Vollständigkeit  der  beweise  noch 
überdies  unvollständigkeit  in  der  aufzählung  der  Tbeophrastischen 
Schlagworte  annehmen,  um  eine  ursprüngliche  Übereinstimmung 
glaublich  zu  machen,  betreten  wir  aber  diesen  weg ,  so  haben  wir 
keinen  festen  boden  mehr  unter  den  füszen. 

Was  ist  denn  nun  eigentlich  unglaubliches  an  der  annähme, 
die  ich  in  den  'quellenstudien'  vorgetragen  habe:  dasz  der  jüngere 
peripatetiker,  dem  notorisch  ein  sehr  groszer  teil  der  beweise  unserer 
schrift  entnommen  ist,  das  Theophrastische,  ursprünglich  auf  vor- 
sokratiker  bezügliche  Schema  seiner  Widerlegung  Epikureischer  und 
stoischer  beweise  zu  gründe  legen  wollte?  dasz  diesem  peripatetiker 
Schriften  späterer  stoiker  wie  Chrysippos  Diogenes  Bo^thos  Panai- 
tios  bekannt  waren,  steht  auszer  zweifei.  er  brauchte  also  keines- 
wegs über  die  gründe  der  von  ihm  bekämpften  gegner  sich  aus 
Theophrastos  zu  orientieren,  wenn  es  ihm  darauf  ankam  sich  über 
den  Standpunkt  seiner  zeitgenössischen  gegner  zu  unterrichten^  so 
standen  bequemere  und  maszgeblichere  quellen  ihm  zur  Verfügung, 
wohl  aber  konnte  er  glauben  zur  verherlichung  des  Theophrastos 
durch  den  nachweis  beizutragen ,  dasz  noch  bei  seinen  Zeitgenossen 
dieselben  punkte  als  irrtumsquellen  verwirrend  und  teuschend  ein- 
wirkten, auf  welche  schon  Theophrastos  als  auf  die  hauptsächlichsten 
irrtumsquellen  hingewiesen  hatt«.  und  wirklich  fand  er  für  alle  vier 
punkte  etwas  ungefähr  entsprechendes  bei  seinen  Zeitgenossen ,  für 
den  ersten  bei  den  Epikureern,  für  den  dritten  bei  den  stoikem,  und 
für  den  vierten  glaubte  er  wenigstens  etwas  gefunden  zu  haben,  so 
wenig  es  denkbar  ist,  dasz  Theophrastos  jemals  den  vierten  beweis 
durch  das  Schlagwort  xepcaiujv  q)8opa  Kaid  fivx]  CdiUJV  sollte  be- 
zeichnet haben,  so  glaublich  ist  es  anderseits  dasz  sich  jener  jüngere 
peripatetiker  bei  seinem  miszlichen  geschäft  in  diese  Unklarheit  ver- 
wickelte, ein  ohne  hemmende  rücksichten  aus  stoischen  und  Epi- 
kureischen quellen  geschöpfter  sachlicher  bericht  über  die  beweis- 

JahrbQcher  für  class.  philo).  1898  hft.  7.  30 


466    Hv Arnim!  der  angebliche  streii  des  Zenon  und  Tbeophrastot, 


führung  der  beiden  scbulen  blitte  natürlicb  ganz  anders  ausfallen 
müssen,  gröszere  Vollstfindigkeit,  rieb  tigere  anordnwng,  Unterschei- 
dung coordinierter  und  subordinierter  beweismomente  würde  sich 
in  diesem  falle  ganz  von  selbst  eingestellt  haben,  man  mag  sich 
immerhin  den  Widerspruch  zwischen  den  beweisen  und  den  Theo- 
pbrastischen  scblagworten  in  der  peripateti sehen  quellenscbrift  weni- 
ger crass  hervortretend  denken,  als  es  bei  pseudo-Philon  der  fall  ist: 
voUstindig  fehlen  konnte  dieser  Widerspruch  auch  in  der  quelle 
nicht,  und  nur  in  dem  letztern  falle  könnte  diese  eine  schrift  des 
Theophrastos  gewesen  sein*  hfilt  man  also  an  der  eben  vorgetragenen 
hypothese  fest,  welche  die  Zusammenstellung  der  beweise  mit  den 
Theopbrastischen  scblagworten  dem  peripatetiscben  quellenschnft- 
steller  in  die  schuhe  schiebt,  dem  auch  sonst  die  besten  bestand- 
teile  des  tractats  verdankt  werden ,  so  müste  man  eine  weitere  ent- 
stellung  durch  den  compilator  bzw.  Philon  annehmen,  ich  bin  aber 
jetzt,  im  gegensatz  zu  meinem  frühem  Standpunkt,  mehr  geneigt  die 
ganze  Zusammenstellung  als  werk  des  compilators  zu  betrachten*  es 
ist  klar,  dasz  die  möglichkeit,  die  ich  für  den  peripatetiker  erwiesen 
habe,  auf  ihn  nicht  minder  zutrifft. 

Pearson  ^fragments  of  Zenon  and  Cleanthes*  a»  114  bemerkt 
gegen  mich:  ^if  this  theory  is  correct,  tt  is  certainly  an  extraor- 
dinary  coincidence  that  Theophrastus  should  bave  seleeted  from 
the  older  pbilosopby  four  particular  Statements,  which  go  to  prove 
the  destructibility  of  the  world,  and  that  the  Stoics  should  have 
unconsciously  takon  up  identically  the  eame  ground  in  support  of 
their  own  theory,*  diesen  einwand  würde  icb  als  berechtigt  aner- 
kennen,  wenn  die  vier  gründe  bei  pseudo-Philon  alle  stoisch  wSren 
und  wenn  sie  eine  vollständige  und  correcte  daratellung  der  stoischen 
beweisfUhrung  enthielten,  da  sie  aber  nur  eine  aus  wähl  bilden,  deren 
mängel  sich  aus  der  absieht  erklären,  jenem  schema  genugzutbun^ 
so  liegt  nichts  wunderbares  oder  unwahrscbeinliches  in  dieser  Über- 
einstimmung* der  peripatetiker  oder  der  compilator,  wen  man  nun 
immer  als  den  schuldigen  teil  ansehen  mag,  hat  eben  zusammen- 
gerafft, was  ihm  zu  jener  äuszerung  Theophrasts  zu  stimmen  schien, 
die  er  nicht  einmal  aus  eigner  lectüre  Theopbrasts  geschöpft  zu 
haben  braucht,  dasz  sich  bei  den  spätem  philosophen  beweise  ban- 
den, die  jenen  alten,  von  Theopbrastos  bezeichneten  ähnelten,  i^ 
auch  nicht  wunderbar,  namentlich  bei  dem  dritten  beweis  begreift 
man  ohne  weiteres  dasz  er  sich  erhielt,  beim  ersten  und  vierten  be- 
weis hat  der  Verfasser  vorbeigegriffen,  es  ist  ihm  nicht  gelangen 
beweise  aufzuzeigen,  die  ganz  den  von  Theopbrastos  gemeinten  ent« 
sprächen,  in  zweifei  bin  ich^  was  von  dem  zweiten  beweise  zu  halten 
sei,  der  sonst,  so  viel  mir  bekannt  ist,  in  stoischen  quellen  nicht 
vorkommt  und  überhaupt  stoisches  nur  in  den  sinnlosen  folgerungeo 
enthält,  die  ihm  angeflickt  sind. 

Zum  schluäz:  wir  haben  es  in  dieser  ganzso  sehrift  mit  einer 
quelle  zu  thnn,  die  eine  äuszerst  vorsichtige  benutsmig  erfordert^ 


GHelmreich:  zu  Galenos.  467 

mit  einem  trüben  wässerlein ,  das  seine  ursprüngliche  herkanft  ans 
dem  reinen  ström  der  echten  Überlieferung  kaum  noch  zu  erkennen 
gibt,  der  Verfasser  ist  ein  mann^  der  es  wohl  hat  läuten  hören,  aber 
nicht  weisz  wo  die  glocken  hängen,  wir  müssen  uns  also  hüten,  wie 
schon  Diels  hervorhob,  ihm  eigne  lectüre  des  Theophrastos  zuzu- 
trauen und  den  wert  des  ganzen  berichtes  zu  überschätzen,  aus  an- 
dern Partien  der  schrift  lassen  sich  wirklich  gröszere  zusammen- 
hängende beweisreihen  herausschälen,  so  dasz  man  eine  ahnung  von 
der  beschaffenheit  der  peripatetischen  hauptquelle  bekommt,  in 
unserm  schluszabschnitt  ist  offenbar  der  compilator  sehr  leichtfertig 
zu  werke  gegangen ,  wenn  nicht  gar  das  ganze  sein  eignes  aus  un- 
klaren reminiscenzen  zusammengelesenes  mach  werk  ist. 

Rostock.  Hans  von  Arnim. 

55. 

ZU  GALENOS. 


1.  Dasz  die  letzte  gesamtausgabe  der  werke  Galens  vor  ihren 
Vorgängerinnen  nur  den  Vorzug  des  bequemem  formates  voraus  hat, 
dasz  sie  aber  an  innerem  wert  hinter  den  beiden  ersten ,  der  Aldina 
und  Baseler,  bedeutend  zurücksteht,  ist  eine  bekannte  thatsache.  wer 
sich  daher  sei  es  mit  einer  ganzen  schrift  oder  mit  einer  einzelnen 
stelle  dieses  autors  näher  beschäftigen  will ,  musz  neben  der  Eühn- 
schen  die  eine  oder  andere  der  genannten  ausgaben  zu  rate  ziehen, 
dies  hat  zb.  von  den  wenigen,  die  sich  in  neuerer  zeit  mit  Galenos 
kritisch  beschäftigt  haben,  Cobet  in  seiner  bekannten  weise  auszer 
acht  gelassen  und  deshalb  in  der  Mnemosyne  unter  andern  die  stelle 
Gal.  VI  641  kSv  iir\Te  Tp6)ui|LiaTa  )LirJT€  voOv  diricTUiVTai  verbessert 
in  |LiTiT€  veTv  dTricrwvTai,  wie  es  auch  bei  Piaton  Ges.  689  **  heiszt, 
auf  welche  stelle  Galenos  sich  ausdrücklich  bezieht,  aber  die  auf  die 
besserung  dieser  stelle  verwendete  mühe  war  eigentlich  unnötig; 
die  altem  ausgaben  wie  die  Baseler  (IV  333)  haben  bereits  das  rich- 
tige veTv :  voCv  verdankt  dem  Unverstand  der  neuem  hgg.  seine  ent- 
stehung.  in  ähnlicher  weise  ist  die  ältere  tradition  durch  die  neuem 
ausgaben  verschlechtert  worden  in  den  schluszworten  Galens  zu 
einem  seiner  hauptwerke,  zu  7T€pl  XP€i<>c  fiop(u)V  XVII  3  (bd.  IV 
8.  365  K.).  sie  lauten  bei  Kühn:  TaOia  Tocauia  Kai  TTiXiKaOia 
XPncid  Tfic  b€iKVU)Li^vTic  f||Liiv  TTpaTMOTeiac  6  Xötoc  oiStoc  dJctrep 
dTCtOöc  TIC  dtripböc  ÖilTeiTai  usw.  an  stelle  des  befremdlichen  part. 
b€iKVU|Li^viic  bietet  die  Aldina  biKVucjii^viic :  daraus  aber  läszt  sich 
leicht  mit  einer  ganz  geringen  änderung  das  richtige  biiivuCfi^VT]C 
herstellen,  dasz  damit  die  ursprüngliche  lesart  gefunden  ist,  be- 
weist die  lateinische  Übersetzung,  die,  wie  in  der  editio  luntina 
octava  ausdrücklich  bemerkt  ist ,  auf  den  bekannten  Galenos-Über- 
setzer  Nicolaus  von  Beggio  in  Calabrien  (Nicolaus  Beginns  Calaber) 
zurückgeht ;  dieselbe  lautet :  haec  tota  ac  tanta  huius,  quod  ad  finem 
perduximusy  operis  commoda  liier  iste  vel/ut  honus  quidam  iitcodog 

30* 


GEeltnreicb:  zu  Galenos. 


expUcaU   dasz  aber  Galenos  von  der  Vollendung  eines  Schriftwerkes 
gern  ävuuu  und  composita  verwendet,  dafUr  will  ich  statt  anderer. 
nur  die  mir  gerade  gegenwärtige  stelle  VI  s.  777  anführen:  aÜTt}' 
Top  h  Xp€i€t  Toö  vOv  i\u\v  dvuo|i^vou  Xötou  ckottöv  Ixovtoc 
€ÜxiJM*ctv  }iiv  ^ptdlecGai,  ^eüfetv  hk  KaKOiexviav  (gemeint  ist  die 
Schrift  ncpl  euxufiiöc  kqi  KaKOXUpictc  ipoqpujv).    die  gleiche  Ver- 
wechslung von  r|  und  k  findet  sich  in  de  libr,  propr.  bd,  XIX  9, 10  K, 
^  scripta  min.  U  ed,  IMüller  s.  92,  1  fipTiTO  ^lev  oöv  f[  lOiaÜTllI 
^Cjibiouptia  Tipö  TToXXiwv  diiöv,  von  Cobet  mit  recht  verbessert  in 
flpKTO  usw, 

2.  GaL  V  2,  13  K,  =  Galeni  scripta  min.  I  ed.  Marquardt  s.  2, 3 
ist  überliefert:  ^vioie  pfev  Yctp  ^(^  ^ep'^  juövuüV  tüjv  naSrnv  auToO 
ö  XÖTOC  TiTveTOL  dasx  statt  des  gen.  aiitoO  der  dativ  aurur  her^ 
zustellen  ist^  zeigt  der  constante  Sprachgebrauch  des  autors,  bei  dem 
es  an  unzähligen  stellen  beiszt  6  Xotoc  kii  Tivi  irepi  nvoc  oder 
TiTveiai  tivi  trepi  (iir^p)  xivoc    ich  führe  nur  einige  belege  an: 

I  94,  3  TiTvecÖui  h*  fmiv  6  Xotoc  irpöc  6K€ivouc  npoTtpov»  XVIU  B 
23»  1  ÖTi  ptv  ouv  6  Xotoc  aüiu)  nepi  tüjv  öHcoiv  vocri^dTUJV  iv 
Touiiu  Tvj  ßißXitw  T^T^vrixai  caq)ijuc  ^briXuucev.  111,  4  ctXXä  nepi 
tOjv  iltfic  dndvTUJV  T€TOV^vai  töv  Xötov  auT^j.  296,  10  irepi  tüüv 
^K  jueTOTTTübceuuc  TouTuiv  eic  xpovou  ^fjKcc  ^KT€ivo|ievujv  6  Xotoc 
aÜTUj  T^TOV€v,  324,  6  ^v  toutoic  b\io  ßißXiotc  6  Xötoc  auTtu 
Tiv€Tai.  432,  14  6  Xötoc  autu)  T^TveTm  paKpÖTepoc.  793,  6  6 
XÖTOC  auTLp  TiTvCTai  vöv  die  im  napabciTpaTOC.  XVII  A  674, 11. 
874,  18.  989,  15.  B  300,  1.  324,  5.  360,  16.  VI  759,  2  iv  olc  ö 
XÖTOC  |iOi  T^TOve  Ticpi  Td»v  ^v  xmc  ipocpaic  buvd|i€u>v. 

Der  gleiche  fehler  der  Überlieferung  findet  sich  noch  an  einer  an- 
dern stelle,  nemlieh  V  807, 17.  hier  bieten  die  ausgaben  ^i^  ttoU  CU 
pikv  UTT^p  fiXXuJV  irpaTiidTuiv  dKoOciv  iröOqc,  ifih  V  iinkp  äXXujv  coi 
biaX^Tu^^iai  Kfineiia  npöc  Touvo^a  jxövov  6  Xötoc  imu>v,  oO  npöc 
auTÖ  tItvtitüi  tö  npdTliCt,  aber  der  von  mir  zu  der  schrift  TTÖicpov 
lafpiKfic  f[  T^MVCtCTiicfic  ^ti  tö  lÜTieivöv »  der  diese  stelle  entnom- 
men ist,  verglichene  codex  Laur.  74,  3  hat  das  richtige  fmiv  be- 
wahrt, ebenso  heiszt  es  III  528,  8  Ötqv  öirfep  dTidvTiüV  TuJv  ZIauujv 
6  XÖTOC  fiMW  T^vriTau  II  638,  1.  I  246,  4  die  im  napabeiTMciToc 
6  XÖTOC  i\iiw  TiTVCcOuj.   VI  235,  8  ö  XÖToc  f^iv  iT^vexo, 

3.  scripta  min,  II  ed.  Müller  s.  64,  13  (-«  IV  805  K.)  ttc  Top 
oüx  ÖP<3^  "TÖ  ca>^a  Kai  Tfjv  U'uxnv  dirdvTUJV  tüüv  uttö  toTc  (1.  xaic) 
fipKTOtc  <dvepobmuv>  Iwayruhraja  biaKeijueva  toic  ^tt^c  xfic  bia- 
KCKau^fvnc  l\bvr\c;  die  bss»  lassen  dvSpuJTiuJV  weg;  es  einzuscbaltea 
ist  unnötig ,  wie  die  parallelstelle  I  90,  9  (=  acta  semin.  Erlang. 

II  272)  f\  TTdvTUJC  öv  rimaacBe  touc  fitv  vnö  TaTc  äpxToic  ou 
cp^poviac  xdc  dOpöac  toö  mVaroc  Kcviuceic  lücncp  oubt  touc  küt* 
AtTUiTTÖv  tc  Kai  ÖXtjv  t^v  Mecr^^ßpiav  beweist  wenn  die  tiber^ 
setsung  des  Nicolaus  Reginas  hominum  bietet,  so  wird  damit  bloss 
der  griechische  artikel  wiedergegeben. 

AuQSBURO.  Georg  Helicreioq. 


FSkutsch:  ad  Statu  siluas  symbolae.  I.  469 

56. 

AD  STATU  SILVAS  SYMBOLAE. 


I. 

Eis  quae  una  cum  Friderico  Vollmer  amico  de  nonnuUis  silua- 
rum  Statianarum  locis  expositurus  sum ,  pauca  quaedam  de  crisis  in 
siluis  factitandae  subsidiis  praeludo ,  non  quo  quaestiones  quae  huc 
spectant  intricatissimas  partim  profligem ,  id  quod  nee  copiae  meae 
admittunt  et  spes  est  a  uiro  quodam  docto  largissimis  copiis  in- 
structo  propediem  factum  iri,  sed  ut  tentaminibus  nostris  tamquam 
fundamentum  substruam  et  occasione  oblata  res  nee  scitu  indignas 
neque  explicatu  nimis  difficiles  in  publicum  proferam.  sunt  autem 
Codices  siluarum  quiue  codicum  munere  funguntur  libri  qui  mihi 
accurate  pemotuerunt  hi: 

a  editio  princeps,  cuius  exemplari  Corsiniano  Angelus  Poli- 
tianus  permultas  notas  aspersit,  quas  ex  codice  Sangallensi  a  Poggio 
inuento  iam  deperdito  transcriptas  esse  partim  Politiani  ipsius  testi- 
monio  notis  singulis  adscripto  constat  partim  uulgo  sumitur.  atque 
illas  quidem  Baefarensium  secuti  nos  nota  A*,  reliquas  littera  A  in- 
signiuimus.  contulit  meum.  in  usum  C.  Hosius  amicus,  praeter  quam 
collationem  mihi  praesto  sunt  Beitzensteinii  testimonia  ad  I  praef. 
et  carm.  1  et  2  et  Studemundi  ad  I  praef. ,  1  et  2  usque  ad  u.  193, 
II  praef.,  IV  1,  1—26.  3—8.  V  2,  3  usque  ad  u.  33  spectantia. 
denique  in  quibus  Hosius  et  Studemundus  discrepabant  ea  denuo 
accuratissime  inspexit  Guil.  Kroll  amicus. 

Ij  codicis  Laurentiani  29,  32  Carmen  II  7  continentis  apogra- 
phon  mihi  dono  dedit  Reitzensteinius ,  cum  codice  iterum  contulit 
Maximilianus  Consbruch  amicus,  ut  quae  deL  infra  proferam  dubi- 
tationi  omni  exempta  sint. 

B  olim  Budensem,  nunc  Vindobonensem  140  (antea  philolog. 
142,  apud  Endlicherum  252  insignitum)  anno  1891  huc  comiter 
transmissum  ipse  quam  potui  diligentissime  contuli. 

R  Behdigeranum  125  bibliothecae  urbicae  Vratislauiensis  iden- 
tidem  excussi.  ^ 

*  praeterea  Reitzensteinii  comitati  notitlam  codicis  Vaticani  ac- 
ceptam  refero,  qui  hncasqne  uirorum  doctorum  ocalos  uidetur  effagisse 
nee  tarnen  magno  detrimento,  cum  proprium  codicis  pretium  nuUnm 
sit.  id  quod  excerptis  eis  quae  in  carmine  IIa  Baebrensii  textn  ab- 
horrent  statim  apparebit.  est  autem  codex  Vaticanus  6390  post  Per- 
sium  neque  interstitio  facto  neque  nouo  titulo  addito  inde  a  fol.  19 
siluas  exhibens.  I  1,  1  inposito  —  gemmata  —  3  conftrmaia  —  4  tep- 
sum  —  10  Dindymus  —  ida  —  16  bellis  —  18  haustis  —  23  asserte  —  27  cati 
—  28  casiris  —  29  templa  (pro  tecta)  —  32  capud  -—  37  pugnas  leuam 
tritonia  pallas  —  38  praetendit  —  40  si  (pro  sie)  —  42  Et  queis  se  thae- 
mese  —  43  clamis  —  queto  —  46  equmtres  corr.  m.  1  in  equesiris  — 
49  laiae  —  51  Aenea  —  tegit  —  52  uisus  —  68  laedeus  —  54  mtäamt 
abhenas  —  55  perpetuis  —  66  infessaque  —  58  Sed  —  59  polar at  corr, 
m.  1  in  portaret  —   60  atrita  —  athlantis  —   63  strepet  —  64  continuus 


470 


FSkut»cht  ad  Statu  äüuas  symbolae.  L 


Codicum  B  et  B  archelTpum  communem  Mi  Baebrensius  fecit 
littera  C  notabo,* 

Ex  codke  Matriteiisl  M  quae  babco,  epitbalamii  editioni  a 
Herzogio  curatae  (Lipsiae  1881)  et  Ooetzii  commentaiiom  mox 
commemoraudae  debeo, 

Ac  primum  quidem  ut  notas  A*  Bummi  pretii  esse  inter  omnes 
constat,  ita  notis  A  paulatim  detrabi  coepta  est  auctoritaa.  ut  alia 
taceam  Goetziaa  in  programcoate  lenensi  hieme  a.  1884/5  emisso 
notaB  A,  'si  aliorum  non  sunt',  adscnptas  esse  censuit  a  Politiano 
*tamqi2am  comuientani  quem  pollicitus  erat  fundamentum*  i.  e.  esse 
meras  Politiani  coniecturas  (p.  YII).  attamen  banc  sententiam  ut 
olim  improbaui  (de  nom.  lat.  comp,  thes*  IX)  ita  argumentatiose 
apta  niti  ne  hudc  quidam  possum  concedere.  uertim  id  accuratius 
nun  perscquor,  cum  iam  ab  aliis  argumenta  magis  idonea  pro  lata 
esse  uideam  et  post  anntim  b.  s.  LXXXVIII  accuratam  Politiani  no- 
tarum  collationein  nactus  ipsö  sententiam  mutauerira. 

Sunt  certe  ut  multae  notae  A  quae  aliunde  atque  ex  libris  manu- 
senp  tis  fluxisse  non  poäsunt  &iue  coniectura  non  inueniondae  siue  uitiis 
inquinatae^  ita  nonnullae  quae  quin  ex  ipso  Sangallensi  oriundae 
6 int  uix  dubitandum  est.  prioris  generis  exempla  quaedam  affero 
ut  primum  in  manus  mihi  uenerunt:  I  praef.  9  quid    n*  quoque 

(sie!)  a,  0  in  lactinae  initio  addidit  A  (om.  BB);  ib.  3,71  archanüB^ 
h  deL,  0  in  fine  suprascr.  A  {arcano  BB);  II  1,  227  ades  huc  etnissus 
ah  airo  Limine  a,  supra  atro  add.  s  A  ut  iam  idem  quod  in  B  le* 
gatur  astro  sensu  plane  cassum  {atro  recte  B);  It  2,  140  blanäamq^ 
quietctn  a,  pladdam  com  A  (^  BB);  III  5^  46  iUacas  äomos  a, 
iliacos{l)  A  {tfliacos  B,  iliacas  Kg);  IV  8»  15  dulcis  a^  dulcia  A* 
{quod  raetro  opertissimc  repugnat,  J«?mBB);  V  1,  230  Siccatam  a, 
Siccattim{l)  A(BB)  etc.^  plura  si  exbcriberemf  quod&ane  factu  facil- 


' —  moniis  —  65  fingit  —  67  Famoitiuaue  locus  —  Meruai  —  71  Ai(f)  — 
aöitui  —  ad  lucem  adacriptum  est  uelut  Zucem  in  qtio  primain  litteram 
disceroere  non  potnit  Reitzetuficinias  —  73  trepitfuft  —  77  Inmortale  — 
78  autor  —  82  {entasten  —  profunda^  —  8J  (acut  ted  —  86  (raderin 
or$u»  —  86  lüyppe  —  87  Aurata  —  92  horrent  —  103  Ora  feratf  nun  — 
107  tftura. 

>  qufim  arto  coirnailonia  umculo  B  et  B  teneaDtur,  öptime  apparet 
ex  libri  U  praefatione.  Ibi  enün  uerba  a  B  pnmum  omiasa,  deiade 
aupra  litieam  stippletii  Irado  I  condicio  sie  pasiia  «  ut  toiut  hie  alter  tiber 
(IIa.  3  sqO  unnm  uersum  efficiant  in  B.  eodem  trahendum  ett  qtiod 
quae  in  medio  Qer«a  a  litteria  maiascuUs  incipioatla  habet  uocabulaB 
PülH  (corr.  e  PorH)^  Vel^  AmimM,  Quem  (tin,  13  aqq.)  ab  eis  nouaa  »eratia 
fnctpit    in  B.  '  hoc    uolutaRe   PoliUaDum    contra  Baefarensiuiu    et 

Studemandum   (dulci)  affirmant  Hosiaa  et  Krolliofi.  *  interdum  nel 

notae  adscriptae  sunt  quae  quid  sibi  uelint  omnino  non  poaaij  diuinare, 
ntsi  statt]»«  Politiannm  bic  illie  notis  A  ipaoa  codicis  coHati  ductus 
itnitart  uoluisso.  sie  IV  6»  65  iu  a  iropressus  eat  Nine  acitM  uicior  ttmper 
Ttarrattat  opimos,  ibi  Politianum  omues  teste»  niei  Uinc  m  iinic  cor- 
rejiisse  et  uerba  idctor  iemper  siipra  ecriptis  Itttcm  b  a  inuertitse  »cri- 
liunt,  dissentiunt  tiu  vo  quod  suprn  tioca^uli  aciet  litterai»  m  quam 
lineoia  deleuit  scripsit«    ac  Studeiuutidus   quidem  e  Htteram   dispicere 


FSkntech:  ad  Statu  siluas  symbolae.  I.  471 

limum,  uix  operae  pretium  facere  mihi  uiderer,  praesertim  cum  addo 
titulos  quoque  carminum  in  a  a  Politiano  adscriptos  et  uersus  ab 
eo  suppletos^  neque  ulla  codicis  nota  signatos  plerumque  egregie 
cum  BR  conspirare.  ubique  apparent  aut  exquisitiora  aut  corrup- 
tiora  quam  quae  de  suo  ingenio  Politianus  depromere  potuerit 
quaeque  quo  magis  cum  BR  concinunt,  eo  certius  est  non  coniecta, 
sed  ex  codice  uel  uno  uel  plus  uno  cum  BR  arto  cognationis  uinculo 
coniuncto  hausta  esse,  hunc  autem  codicem  cur  non  uno  alteroue 
loco  saltem  Sangaliensem  fuisse  dicamus,  ego  non  magis  causam  in- 
uenio  quam  F.  Leo  (ind.  lect.  Gotting.  1892/3  p.  12)  uideorque 
mihi  uel  in  contrariam  partem  argumentari  posse.  namque  III 4, 84, 
'  ubi  a  coma  saucia  nisi  habet ,  Politianus  in  margine  adiecit  t  ätiq 
Faucia  'sine  dubio  errans  in  tanta  P  et  f  litterarum  similitudine' 
ut  recte  a  Baehrensio  adnotatum  inuenio/  eandem  autem  uarie- 
tatem  habes  I  1,  44  ubi  ad  S{ecurum)  in  margine  adscriptum  est 
at  P.  tu  num  dubitabis  quin  haec  nota  A  ex  eodem  codice  ex  quo 
III  4,  84  nota  A*  fluxerit?  eodem  spectat  quod  uel  in  minimis 
rebus  consentiunt  A  et  A*  uelut  Y  2,  153  ubi  ül/umqi  a  exhibet, 
supra  quod  Politianus  uaUü  scripsit  (A),  in  margine  legitur  i  antiq 
uaUü  (A*).^  adde  locos  quibus  praeter  A  et  Politiani  et  Domitii 
coniectura  adscripta  est  ut  FV  3,  20  seuis  a,  corr.  in  senis  Poli- 
tianus (A),  adscribens  c  scenis  (sie  potius  uidetur  esse  quam  secnis) 
et  ceno  hie  populeo  (sie  esse  debet  ut  est  in  Domitiana,  quamquam 
Hosius  et  Krollius  enotarunt  Ceno  no  {ne?)  poptUeo]  Do  Politianus 
uidetur  omisisse);  ceterum  seuis  B,  sceui  R. 

Sed  iam  ille  ego  qui  hucusque  notarum  A  defensorem  egi ,  ad 
aduersariorum  partes  transire  cogor.  etenim  uel  in  exteriore  harum 


sibi  uisus  est  ita  ut  corrector  hnnc  uerborum  ordinem  esse  uoluerit 
semper  uictor  acies,  at  non  c  sed  s  suprascriptam  esse  testatur  Hosius 
idque  unice   uerum   esse  contra  Studemundum  affirmat  Krollius.     equi- 

dem  quid  aciei  sibi  uelle  dicam  nescio  nisi  s  litteram  in  codice  a 
Politiano  collato  hoc  loco  non  adscriptam,  sed  supra  scriptam  fuisse 
idque  accurate  reddere  uoluisse  Politianum.  neque  enim  alteram  con- 
iecturam  admitti  posse  in  quam  incidas,  alio  tempore  s  impressam 
deletam,  alio  s  scriptam  additam  esse,  Hosius  me  certiorem  fecit.  in 
praefationis  primae  titulo  Politianus  stellae  inter  scribendum  correxit 
in  stelle  etc. 

^  nolo  premere  uersus  I  2,  36.  3,  67  sq.  ab  a  omissos,  a  Politiano 
suppletos,  quibus  in  margine  nunc  abscisso  codicis  antiqui  notam 
additam  fuisse  suspiceris.  sed  idem  non  ualet  de  HI  2,  22  et  IV  3,  130. 
uerum  ne  bis  quidem  tantum  tribuo  quantum  titulis,  quoniam  uersus 
illi  ex  Domitii  editione  hausti  esse  possunt,  cum  qua  littera  tenus  con- 
spirant,   titull  non  item,  in  quibus  saepe  Domitiana  a  BR  discrepat. 

^  confirmatur  id  eo  quod  Matritensis  haoet  faucia^  idem  B*  (corr. 
in  faucia  B^^);  sanucia  (sie!)  R.  ^  Politianum  in  codicis  nota  colla« 

tioni  apponenda  haudquaquam  sibi  constitisse  et  nos  infra  ubi  de 
codicis  Ij  collatione  Politianea  agetur  demonstrabimus  et  alii  uiri  docti 
in  aliis  scriptoribus  animaduerterunt  (uide  e.  gr.  de  Columella  Haeuss- 
uerum   'Überlieferung  des  Columella'   progr.  Caroliruh.   a.  1889  p.  13). 


472 


FSkutßch;  ad  Statu  siluas  tymbolae.  L 


notarum  habitu  iDsunt  qoae  aucioritatem  earum  minuant.  nam 
notas  A*  omnes  ab  ipso  PoHUano  scnptas  esse  consentiunt  quorum 
collationes  noui,  at  in  ootis  A  diuersae  manus  agnoscuntur,  qua  in 
re  saepius  illi  diffioillimum  esse  praedicant  diiadicatu,  quid  a  Poli- 
tiano  prouenerit  quid  non  prouenerit, '  cuius  rei  baec  sunto  exempla 
pauca  ax  multis:  I  1,  42  thetnes  edidU  a;  *in  temese  dcdit  corr.  P(oli' 
tianua)'  Ho&ius;  'i^ebr  fraglich,  ob  P.s  band,  scheint  mehr  eioe  andere 
wenig  jüngere  zu  sein'  Studemund;  ^äebe  keinen  grund  zu  zweifeln* 
Kroll.  —  ib.  2|  tl  duxit  a;  c  suprascriptam  esse  testatur  Hosius  de 
Politiano  non  dubitansj  'nicht  gagbar,  ob  dies  c  wirklich  von  P.  über- 
geschrieben ist'  Sttidemund;  ^etwas  dunkler,  aber  möglicherweise 
von  P/  Kroll,  —  ib.  1,  159  quf  a,  in  quam  'corr.  Pol.'  Stude- 
mund, 'a  Pol,?'  Hosius,  ^kaum  von  Pol.*  KrolL  —  IV  6, 5  mamnt  a, 
supra  scriptum  n€t  *a  Pol.?'  Hosius;  neque  Studemund  neque  Kroll 
dubitauit  -*  ib.  G,  25  E^c  a,  i  supra  scriptum  ^a  Pol.?'  Hosius, 
'wohl  von  Pol.'  Kroll,  non  dubitat  Studemund.  — ^  lY  8,  15  de  boc 
loco  uide  quae  dixi  in  adn.  3 ;  de  Politiano  correcturae  auctore  dubitat 
Hosius,  nix  dubitat  Kroll,  non  dabit^t  Studemund.  —  ib.  8»  51  lam* 
pade  mixtae  a  correctum  in  lumpada  mtistae,  correctura  num  a  PoL 
oriunda  sit,  dubitare  se  non  signißcat  Hosius;  'scheint  nicht  von 
Pol.s  band*  Studemund,  'wohl  sicher  nicht  von  Pol/  Kroll.  — 
Vi  des  quam  anceps  interdum  de  notarum  orlgine  sit  iudicium.  ac 
iam  fac  inuentum  iri  qui  re  non  cogiiita  Politiani  fidem  in  omnibus 
noLis  assenint;  quis  tandem  uiros  illos  ignotos,  quos  ut  notas  quas 
in  adn.  8  congessi  ita  dubiarum  qnoque  partem  scripsisse  conicias, 
fide  dignos  esse  spondeat? 

Sed  hoc  sane  quod  in  oculorum  nostrorum  acie  deficiente  posi- 
tum  est  non  ualet  ad  Politiani  fidem  eleuandam,  quae  quantilli 
aestimanda  sit  aliis  argumentis  euincamus  necesse  est.  unum  iam 
Baehrensiua  perspexit  (p,  YII  sq,):  multas  editionis  principis  lec- 
tiones  quas  in  Sangallensi  reuera  extitisse  numquam  tibi  pei'suadeas 
Bilentio  a  Politiano  praeteritas  esse,  en  babes  aliquot  exempla; 
I  6,  15  cannas  a  (errat  Baebrensius;  Cannes  H»  camws  B;  Sang. 
quin  cannos  uel  caunos  habuerit  dubitari  nequit);  ib.  35  seueriorque 
omisso  est  a  {est  habent  B B) ;  ib.  46  quando  etiam  9k{quin  äiam  BB) ; 
II 1^  160  murmura  a,  Dü{miHus)  munera  adscr.  PoL  {munera  BB)*; 

*  Don  prouenisse  a  Politiano  fere  contentinot  e.  ^r.  notas  I  1,  58 
Suö  genio  a,  tn  marg,  Sed  adecriptam;  2,  tOO  aut  e^irtma  a,  mtt  in  kttud 
eorr, ;  IV  7,8  Pyndit  a»  in  mar^.  pindare;  ib.  19  talieemue  motu»  a,  corr. 
in  Udcenue  notui^  adscr.  MüenuM;  ib.  20  amui*  a  corr.  in  armtM\  ih.  26 
ei^ciaiu  a,  corr.  in  -ta  etc.  qnae  attulr,  nt  ne  hacc  qoidem  ex  Sangal* 
lensi  hauBia  esse  —  id  qaod  auBpicantur  Baehrensiua  p.  VI  et  Qoetains 
p.  V  ^ —  appareiit,  nam  qnater  refragfantur  Codices  nostri  cum  a  con* 
sentientes  de  uera  lecttone  I  1.  &d  {Sfd  apparet  lemere  coniecinm  esie) 
et  2,  100  iaui  €^UrnalS.W  rcotes  pocta  sitie  saos  »tue  aliortim  amorea 
cantt;  de  boc  nocta  ta^iemu9  nan  Staliano  cf.  e.  gr,  VS^TO;  haud'B^'EL\ 
de  corruptelis  IV  7,  19  et  20  {amnit  B.  tmmt*  B).  *  otnsmodi  malto 

plura    afferre    poterain ,    ubi    PoliUaniis    non    teMatur    nlsi    ex    DomitH 
editione,  qnod  quin  Songallcnsb  habnerit  dubitoii  nequit 


e 


FSkutsch:  ad  Statu  siluas  symbolae.  I.  473 

170  Tu  modo  a  {Bum  modo  cum  B  legendum  esse  infra  demon- 
strabo);  2,  69  et  9k  {ac  BB);  3,  6  Carmen  a  {causas  B,  cöä  B); 
41  iusta  a  (iuxta  BB) ;  6, 33  traiecit  a  {deprendit  B,  deprehendü  B) ; 
in  praef.  5  felicüer  a,  Do  fidelüer  adscr.  Pol.  (fidelüer  BB)»;  1, 131 
cü  a  (nee  BB);  IV  2,  40  Ipsum  nee  cupido  a,  Do  Ipsum  ipsumy  ego 

c  {pum  met  adscr.  Pol.  (Domitii  scripturam  unice  ueram  esse  ex 
Sangallen»!  scire  poterat:  Ipsum  ipsum  "BB^^^  3,66  linterna palus  ^ 
{lUerna  pälus  BB);  153  nam  a  {iam  BB);  4,  27  possesso  a  (pos- 
sessa  BB);  5,  16  hyems  a,  2>  lyetis  adscr.  Pol.  (?yet*5  BB)»;  ib.  65 
formosa  a  {frondosa  BB);  8,  39  ponere  a  (powere  BB);  V  3,  24 
tibi  a  (^M  BB);  209  templa  a  (^e^wipe BB);  5, 12  plausibus  a,  2) pZaw- 
^i&w5  Pol.  {plantib'  B,  pälantihus  B).  * 

Haec  pauca  nee  tarnen  grauissima  exempla  ex  mnltis  habeto; 
restat  quod  eodem  spectat  argumentum  firmissimum :  nam  si  ubique 
a  non  correctam  Sangallensis  imaginem  reddere  uoluisset  Politianus, 
cur  tandem  hie  illic  lectioni  editionis  principis  non  correctae  disertis 
uerbis  idem  in  uetere  codice  legi  adscripsisset?  id  quod  fecit  I  4, 23, 
ubi  impressum  legitur  in  a  Quis^  in  margine  adnotatum  Pog.  Quis^ 
Do.  Quij  et  similiter  II  2, 116  {Hinc  a,  suprascr.  u  Do^  adscr.  ant  (?) 
Äic),  IV  3,  106  {Prime  carbasa  uentilantis  aure  a,  adscr.  Sic  M 
atiqus  codex)y  V  2, 137  {coniuge  a,  suprascr.  ant.)^  5,  58  {rependis  a, 
suprascr.  sie  atiq) '°,  ut  locos  mittam  quibus  lacunas  in  a  extantes 
ex  antiquo  codice  firmauit. 

Verumtamen  noui  aliquid  bac  disputatione  non  lucramar:  nam 
id  quidem  iam  ab  aliis  perspectum  est  uel  in  accuratissimis  cetero- 
quin  Politiani  collationibus  nusquam  silentio  eius  fidem  babendam 
esse'*  idemque  facillime  cognosci  potest,  si  collationem  codicis  L  a 
Politiano  et  ipsam  ad  II  7  in  a  adscriptam  perlustramus.  **  inde 
quoque  scripturas  discrepantes  omnes  enotare  supersedit  neque  mi- 
nutias  tantum  ortbographicas  omisit  '^  sed  talia  quoque :  9  Laetae  a] 
tae  L;  uittas  a]  in  L  litterae  u  dimidia  pars  deleta  est;  20  ista  a] 
iste  L;  26  uides  a]  ui  in  in  corr.  uid.  L';  28  fertiles  cUhenas  a]  fer- 
Ulis  atheras  L;  29  Unctis  a]  uindisla]  30  potes  a]  potes///  {t  erasa) 

^^  incertissimum  I  4,  60  ubi  precidem  a  {precidem  "EL,  pretiwn  B), 
^in  margine  legitur  aerbum  ex  quo  cognosco  pr  et  forsitau  d^  uidetur 
suprascr.  pog,^  Hosius.     simile  quiddam  ualet  de  I  4,  66  ubi  plebeiam  a, 

h 
i  Hb  pog  plebeam  (?  sed  incertis  litteris  nonnullis)  Pol.  {plebeiam  B, 
phoebeiam  B).  ceterum  cf.  Goetzius  p.  V,  quamquam  is  de  nonnullis 
errauit.  *^  cf.  Keilius  praef.  ad  Catonis  de  agri  cult.  p.  XIV:  'in- 
certior  excerptorum  fides  est  in  iis  quae  Politianus  non  mutata  in  prin- 
cipe editione  reliquerat  quam  in  iis  quae  adscripsit.'  *'  ea  quae  ex 
codice  Ij  hausit  plerumque  littera  D  siue  O  (non  A  ut  legitur  apud 
Baehrensinm  praef.  p.  Xl)  insigniuit.    qua  de  re  infra  nccuratius  dicetur. 

iB  quamquam  in  minutiis  quoque  aliquotiens  accuratissimum  se  prae- 
buit  et  in  u.  49  et  in  u.  60  codicis  Ij  correcturas  {reducas  corr.  in  -eis 
m.  2,  ßuminibus  corr.  in  fulminibus)  ductibus  suis  imitatus.  semel  in 
conferendo  codice  peccasse  uidetur  103  ubi  sepulris  {?)  enotauit,  sed 
sepulcris  est  in  Ij. 


474  FSkutsch:  ad  Statu  siluas  sjmbolae.  I. 

L;  34  mdethe  (h  del.  Polit.)  a]  meide  L;  36  atq;  a]  a  ^ue  L  (nid 
fortasse  in  a  aliquo  modo  huc  spectat  atq  quod  in  marg.  ad  34  ad- 
scriptum  esse  notat  Hosius);  ipsam  a]  ipsum  L;  47  senatum  a] 
sanatum  L'^*,   49  ulyxis  a  (coniectnram  aspersit  Politianus  (^  ei)] 

ulxxias  L  corr.  in  uJxxis  m.  2;  51  uatibus  a]  uotibus  L^;  52  me- 
morque  a]  niemorque  ex  inemarque  corr.  L';  56  aurum  a]  aurtm  L; 
79  ti>5a  a]  tp^e  L;  83  ingenio  tuo  a]  ingenUuo  L;  87  |>05^  a] 
potes  IUI  L  (^  erasa) ;  89  grauesque  a]  grauesq^  {q^  in  ras.  a  m.  2)  L ; 
90  nung  a]  fmm^;  L;  105  fata  a]  /acfa  L;  112  tenes  a]  ^enis  L; 
121  diem  aj  dium  in  (2iem  corr.  L^ ;  silentum  a]  süentium  L ;  126  /Ve- 
quentat  a]  /reguenf  L.  igitur  etsi  in  hoc  codice  conferendo  for- 
tasse ea  tantam  omisit  Politianus  quae  corrupta  in  L  leguntur'^ 
certe  accurationem  eius  pro  nostro  iudicio  haudquaquam  laudabilem 
neque  ex  silentio  eius  quicquam  coUigendum  esse  hoc  quoqne 
exemplo  cognoscimus. 

Bestat  ut  de  eis  notis  A,  qnas  a  Politiano  ipso  scriptas  esse  pro 
certo  exploratoque  est,  iudicium  feramus.  atqne  in  his  quoque  in- 
sunt  quae  e  uetere  codice  non  fluxisse  partim  probabile  partim  cer- 
tum  est.   pauca  quaedam  et  quae  certa  mihi  uidentur  exscribo : 

I  5, 38  lucenHhus  BRa,  liuentibus  A.  de  quo  loco  haec  mecum 
communicauit  F.  Vollmer:  'malam  coniecturam  fecit  Politianus. 
liuentibtis  non  potest  eundem  habere  sensum  ac  purpureis,  ut  uoluit 
Marklandus.  qui  quod  nos  reuocat  ad  racemos  liuentis  Properti  et 
Horati,  errat;  res  ibi  plane  aliter  habet,  cf.  Kiessling  ad  Hör.  c. 
II  5, 12.  lucere  autem  dicit  Statins  rupes  rubicundas  I  3,  36  pidurata 
hicentia  marmora  uena  et  II  2,  92  hie  Nomadum  luceni  flaueniia 
saxa,  cf.  etiam  Culicis  uersum  171  caput  (jserpentis  irati)^  cui  crista 
superne  edita  puipureo  lucevis  mactdatur  amiäu.  nimirum  quod  ne 
Leo  quidem  uidetur  intellexissOi  crista  purpureum  lucens  ir&  in  liui- 
dum  mutatur  colorem ,  quod  in  gallis  gallinaceis  et  melius  etiam  in 
gallopauonibus  qui  hodie  dicuntur  cottidie  conspicitur.' 

IV  4,  98  Mole  humeri  circa  magno  a,  circa  del.  A  nihil  adscri- 
bens  neque  quicquam  ut  uidetur  curans  nisi  ut  metrum  restitueret ; 
Mole  humeri  an  magno  BR  recte. 

IV  8,  59  sqq.  huius  loci  quasi  duas  recensiones  praebent  A  et  C ; 
utramque  propono  subiuncto  apparatu  critico : 
BR:  59  Quippe  et  opes  et  origo  sinunt  hanc  lampade  prima 

60  Fairicias  intrare  fores,  hospuhe  sub  ipsa, 

61  Si  modo  prona  honis  inuiäi  Caesaris  adsint 

62  Numina ,  Bomulei  Umen  pulsare  senatus, 
69  hac  BR         60  intare  B         61  inuictis  B 

^*  ad  eloquente  u.  46  qaod  nihil  adnotauit  Politianus  recte  factum 
est,  hoc  enim  ipsum  habet  Ij,  non  quod  testatur  Baebrensius  elonquente. 

*'  cf.  quae  Ouidii  Tristibus  subscripsit  (Qu.  Tristia  ed.  Merkel, 
Herol.  1837,  p.  XXXIII):  'contuli  ....  cum  uetustis  duobus  codd.  .  . 
obseruaui  autem  quod  soleo,  ut  de  meo  nihil  adicerem  atque  ne  illa 
quidem  omitterem  interdum  (I!)  quae  mendosa  esse  liquebat.' 


FSkutsch:  ad  Statu  siluas  eymbolae.  I.  475 

apparet  omnia  egregie  se  habere.  lulii  Menecratis  filiolae(^anou.  59) 
felices  nuptias^®  praedicit  poeta,  paeris  dignitatem  senatoriam,  id 
quod  ad  totius  carminis  indolem  perbene  quadrat  (cf.  e.  g.  u.  27). 
sententiam  foede  corrupit  Politianus : 

A:  59  Quippe  et  opes  et  origo  sinunt:  hac  lampade  prima 

60  Patricias  intrate  fores^  his  pube  suh  ipsa 

61  Si  modo  prona  honis  inuicti  Caesaris  adsint 

62  Numina,  Bomülei  Urnen  ptdsate  senatiis. 

distinxi.  60  inirare  a,  /  supra  r  alterum  add.  A  fores  a, 

super  8  uelnt  /  adscriptum  uidetar  quod  qaid  sibi  uelit  non  satis  per- 
spicitar;  abhorrere  a  Politiani  scriptura  Krollio,  uncns  casu  f actus  esse 
Studemundo  uidetur  hos  a,  i  suprascr.  A  61  bibis  a,  supra  ib 

adscr.  on  A  62  Nomina  a,  u  suprascr.  A  pulsare  a,  super  r  extat 
littera  una  quae  quin  /  fuerit  uiz  dubitant  Hoslus  ei  Kroll,  non  dubitat 
Studemuud. 

Equidem  quae  hoc  loco  A  exhibet  non  ualeo  explicare  nisi  ut 
sumam  Politianum  forma  hac^  quae  pro  hanc  iam  in  Sangallensi 
uidetur  fuisse,  in  errorem  inductum  in  reliquis  coniecturas  infelicis- 
simas  siue  excogitasse  siue  adsciuisse. 

V  1,  181  lAnquo  equidem  thälamos  säluo  tamen  ordine  noctis 
Quod  prior  a.  pro  noctis  uocabulo  nihili  mestos  habet  A.  quod 
tamen  prolepsi  satis  inepta  dictum  esset  et  aliud  plane  in  Sangallensi 

infuisse  ex  B  (mostis)  et  B  {motiSy  cf.  ifmauiq^  I  2,  92,  mecihus 

II 1, 73,  capiturY  1, 150  B,  cöpus  III  4»  70  Polit,  et  sim.)  concludo. 
cum  enim  in  codice  uetere  r  et  5  facillime  permutari  potuisse  aliis 
quoque  exemplis  appareat",  mihi  unice  uere  scribi  uidetur  sahio 
tamen  ordine  mortis ,  quod  multo  certe  exquisitius  quam  illud  dic- 
tum esse  apparet  neque  fraudi  nouiciae  deberi  ipsa  ratione  palaeogra« 
phica  euincitur. 

V  3,  181  Monstrastis  (A*)  aliis  B;  Monstratis  aliis  Ba.  illud 
quin  in  Sangallensi  fuerit  fieri  non  potest,  nam  si  ab  interpola- 
tore  inuentum  esset  pro  eo  quod  Politianus  adscripsit  siue  Mon- 
strastis (Jl*)  hälis  (A)  siue  Monstratis  (a)  hälis  (A),  cur  tandem  in- 
uentorem  inuentum  egregium  {Monstrasti  Säliis)  mala  uerborum 
diuisione  obscuraturum  fuisse  putas?  at  Domitius  scripsit  iKfon^ro^i^ 
älis,  quod  de  augurio  intellegi  uult,  idque  aspiratione  male  addita 
in  exemplar  suum  transtulit  Politianus.  ^® 


^*  de  lampade  prima  post  Oronouium  diatr.  I  p.  446  egregie  dispu- 
tauit  ESchwartz    ind.  lect  Rost.  aest.  1889  p.  6.  ^^  III  3,  18  Tpli- 

citor  li^  pog,  A*,  implicitos  E,  implidtor  B'  (*  suprascr.  m.  2);  V  6,  8 
t  ant,  lacescis  A*,  lacestis  B,  om.  B.  cf.  IV  5,  10  crinitua  BB,  ubi  cn- 
nitnr  rectc  A.  *^  addi  possunt  multa  et  certa  et  incertiora  ut  II  1,  191 
(effigiem  A,  effigies  BBa),  V  praef.  7  sqq.  (pietas  .  ,  ,  et  morum  iuorum 
pars  ei  nuUi  non  conciliare  te  .  .  .  polest  BB;  pietas  ,  ,  .  et  morum  pars 
4-  nulli  cum  concitiare  ie  .  .  .  polest  a,  ubi  Politianus  tuorü  addidlt,  cum 
in  nö  correxit  et  <f*  ante  nulli  deleuit  cum  Domitiana  concinens,  quae 
uel  710  hoc  ipso  modo  scripta  exhibet;  qiii  consensus  etiam  IV  8,  59  sqq., 
licet  ibi  Domitiana  intrare  recte  seruauerit,  et  plena  pro  prona  exhibeat, 


476  FSkutsch:  ad  Statu  silaas  symbolae.  I. 

Verum  quid  ego  ezempla  coUigo  de  quibus  alii  haud  scio  an 
aliter  iudicaturi  sint,  cum  rem  ipsam  loqui  in  carmine  II  7  nuper 
egregie  perspexerint  F.  Leo  p.  12  quamuis  de  Baebrensii  in  codice 
L  conferendo  fide  immerito  dubitans  et  M.  Bomietus  rev.  de  pbil. 
XVI  (1892)  p.  185  sq.?  miro  enim  modo  interdum  illic  C  et  Ii  ut 
inter  se  consentientes  ita  ab  A  dissentientes  uidemus:  tit.  oppiam 
LBB,  poUam  F  (in  a  titulus  haec  tantum  habet  Genodiacon  [sie! 
corr.  A]  Lncani);  u.  3  concUauü  LBBa,  concUatus  A.^'  iam  nisi 
cum  Baehrensio  eum  qui  C  ezarauit  ipsum  L  in  hoc  carmine  ad- 
bibuisse  statuis,  quomodo  Politiani  fidem  defendas  non  habes.  istuo 
autem  ut  statuas,  facere  non  potes,  nam  ut  sunt  in  quibus  AC  contra 
L  conspirent*^,  ita  nullam  omnino  probabilitatem  habet  codicem 
lunii  Nipsi  (quem  carmen  Statianum  continere  quis  suspicabitur  ?) 
ad  codicis  Sangallensis  apographon  C  emendandum  adhibitum  esse, 
quid  dico  emendandum?  cui,  siquidem  duae  illae  quas  supra  dixi 
lectiones  ex  L  fluxerunt,  boni  nihil,  sed  corruptelae  manifestissimae 
inde  illatae  sint.  manifesto  puto  fiirti  uel ,  ut  uerius  dicam ,  negle- 
gentiae  tenes  Politianum  qui  e  libri  II  praef.  lin.  25  eque  ipsius  car- 
minis  uersu  120  titulo  uerum  Lucani  uxoris  nomen  coniectura  in- 


et V  1,  181  et  alibi  agnoacitur),  V  3,  237  {labat  incerto  mihi  limine  rur- 
SU8  a,  Hmite  cursus  BB;  lünite  uersus^  Do  cursus  adscr.  Politianas,  cf. 
ann.  9);  5,37  (puero  mortuo  pudeat  Thebasque  nouunique  Aeaciden:  nil 
iam  piacidum  manabat  ob  ore  BB;  pro  manabat  quod  intellegi  nequit 
manabit  exbibet  Politianas  idemqae  Domitiana).  de  talibus  certe  locis 
notas  A  castigatissimam  prae  se  ferro  speciem  non  immerito  prae- 
dicavit  Qoetzius  p.  VII.  quod  tarnen  neque  in  nniuersum  aalet  neqae 
ex  sola  specie  oastigatiore ,  nblcumque  A  et  C  discrepant,  contra 
A  concladere  licet:  nam  mirum  non  esset  multa  emendatiora  legi 
in  notis  a  Politiano  niro  docto  ex  ipso  archetjpo  exscriptis  quam 
in  codicibus  recentioribus  et  scribarum  indoctissimomm  partim  manns 
perpessis  (explicatur  magna  pars  discrepantiarum  uitiis  leuissimis  in 
scriptura  minuscula  sescentiens  obuiis;  permutantur  m  et  in,  n  et  u, 
a  et  7/,  r  et  «  et  similia  multa)  neque  interpolationis  labe  immnnibus. 
atque  quod  haeo  non  satis  pependit  eo  maxime  Qoetzius  peccasse  mihi 
uidetur. 

*^  aliter  comparatus  est  u.  59  ubiBBIia  consentiunt  in  pro/W*ff/z<r 
nee  tamen  e  solum  supra  o  adscriptum  est  a  Politiano,  sed  Do  quoque, 
cuius  editio  reuera  praeferetur  exbibet,  ut  falsum  sit  Baehrensii  de  A 
testiraonium.  at  adhibere  fortasse  poterimus  u.  49,  ubi  reducis  BBIia 
(in  Ii  t  ex  a  correctum  esse  nee  tamen  a  m.  1  ut  uult  Baehrensius, 
sed  a  m.  2  testatur  Consbruchius),  reduces  A.  Politianus  recte  quidem 
locum  intellexit  (retinendum  est  tardi  librorum  ut  V  3,  148  quoque 
Vlixes  tardus  dicitur,  reducem  autem  uiam  Statins  dixit  ut  irreducem 
Lucanus  IX  408),  sed  cur  accusatiui  formam  usitatiorem  reduces  libris 
IiC   inuitis   reponamus  nil  uidetur  causae  inueniri  posse.  *®  u.  55 

Ludes  Ii,  Laudaa  AB,  Landes  Ba.  Ludes  ex  ?  quoque  enotauit  Baehren- 
sius. neque  igitur  archetjpi  C  scriptor  hoc  loco  codicem  Ii  adhibuisset, 
sed  is  qui  deteriorum  codicum  archetjpnm  confecit.  u.  128  Ac  ABB, 
Ad  Iia.  u.  108  in  a  nihil  legitur  nisi  leuatum  suprascriptis  in  fino 
litteris  s  D{omitb{s);  ergo  hie  locus  e  multis  illis  est  ubi  Baehrensius 
neglegeutia  haud  facile  excusanda,  de  qua  ipse  dixit  praef.  p.  VIII  ann., 
litteram  A  addidit. 


FSkutsch:  ad  Statii  Bilaas  symbolae.  I.  477 

iulerit  itemque  uersu  tertio  uerum  coniectura  ut  necessaria  ita  in- 
uentu  facili  restituerit. 

Quid  autem  de  eis  locis  dicemus  ubi  AL  contra  C  conspirant 
quosque  iam  appono:  40  et  99  orpheos  BBa,  orfeos  AL;  59  Orpheus 
BBa,  orfem  AL;  63  allocutione  Ba,  aUoqutione'B,^  adlocutione  AIm] 
107  Ät  BBa,  Äc  AL.  eritne  qui  has  quoque  Dotas  contendat  ex 
Sangallensis  collatione  fluxisse?  an  non  necesse  erit  concedi  has 
quidem  lectiones  ex  Laurentiano  oriundas  esse  omisso  tan  tum  a 
Politiano  coUatore  neglegenti  distinctionis  signo  D  quod  aliis  locis 
scripturis  e  Laurentiano  depromptis  appinxit? 

Atque  ut  in  eis  quae  antea  Politiano  obiecimus  sie  in  hac  quoque 
re  disertis  paene  uerbis  Angelus  ipse  declarat  notas  A  non  ubique 
ex  Sangallensi  haustas  esse,  nonnullis  enim  locis  adscripsit  quidem 
lectionem  Sangallensis  praeterea  tamen  alteram  scripturam  nullis 
siglis  insignitam  addens.  buc  pertinet  1 4,  88  ubi  Politianus  ei  quod 
habet  a  latea  deleta  t  littera  ec  suprascripsit'*  et  in  margine  sinistro 
addidit  t  co  pog'  lacera  {lacera  BB).  inde  iudicium  faciendum  de 
Y  3,  105  ubi  cmeremqy  a,  suprascr.  a  Politiano  crimen^  sed  postea 
deletum  et  in  margine  additum  t  ant  crinetn  (crinem  BB).  sed  gra- 
uissimum  eius  generis  exemplum  est  III  4,  70,  ubi  iorpens  in  textu 
impressum  deleuit  et  corpus  suprascripsit,  addidit  uero  in  margine 
i  antiq  sie  e  corpeus  c* "  cöpus.  conclamata  res  est :  reus  ipse  con- 
fitetur  notam  A  suam  ipsius  esse  coniecturam  a  lectione  Sangallensis 
diuersam." 

Demonstrasse  mihi  uideor  notas  A  esse  uastam  congeriem  lectio- 
num  e  fontibus  diuersis  a  Politiano  haustarum ,  cum  ex  Sangallensi 
et  Laurentiano  tum  ex  ipsius  ingenio*^;  alios  fontes  fortasse  alii  in- 
uestigabunt.^^  neque  igitur  nego  notarum  A  partem  optimae  ori- 
ginis  et  indolis  esse,  uerum  eam  ita  commixtam  et  confusam  esse 
aio  cum  fucatis  et  uilibus,  ut  tuto  iis  insistere  haudquaquam  possis, 
ubicumque  euinci  non  poterit  —  id  quod  ut  euincatur  rarissime  con- 
tinget  —  eam  ipsam  de  qua  agitur  notam  ex  Sangallensi  exscriptam 
esse,  paucissimis  bis  exceptis  notarum  A  ubi  a  codicibus  nostris 
dissentiunt  in  crisi  Statiana  non  magis  rationem  habendam  esse 
censeo  quam  coniecturarum  quae  ad  textum  emendandum  hie  illic 
adscisci  possunt. 

2^  hoc  quid  sibi  nelit  sane  nescio.  nisi  Hosii  mei  accuratioDO 
dubitationem  uix  admitti  crederem,  Politianum  ei  supra  scripsisse  et 
IcLeta  uoluisse  suspicarer.  '*  i.  e.  conice  sine  conied,  quam  notam  con- 
iecturis  suis  saepe  appinxit.  falsa  de  A*  testatur  Baehrenslos.  Corpus 
BB.  '^  cf.  I  5,  41  ubi  in  textu  Politianus  disdnctu  in  distindu  corr. 
et  in  margine  adscripsit  c^  distindu,  ^  nam  quod  Hosins  mens  Poli- 
tianum coniecturas  cum  suas  ipsius  tum  aliorum  uirorum  doctorum  nota 
c^  uel  similibus  adscriptis  significare  solitum  esse  dicit  (mus.  Rhen. 
XLVI  p.  584  ann.  3),  hanc  consuetudinem  haudquaquam  constanter 
Angelum  seruasse  non  solum  nos  ipsi  demonstrauimus,  uerum  ab  aliis 
quoque  in  aliis  collationibus  ab  eo  factis  dudum  perspectum  est  (Gato 
ed.  Keil  praef.  p.  VII).        '^  uide  quae  de  Domitiana  monui  ann.  18. 


478 


FSkutech:  ad  Statu  siluas  ajmbolae.  L 


Eine  consectarium  est  de  codicum  nostrornm  pretio  iudiciam 
Botis  A*  solis  comparatis  6en  debere.  confirmatur  hoc  modo  id 
quod  Codices  B  et  B  solos  perlustrans  statui  in  uninersum  quidem 
B'  sinceriorem  testem  esse  quam  B^  et  B  qui  persaepe  concordant 
(cf.  Baehrensiuä  p,  IX)."  etenim  com  LX^II  locis  nisi  qaid  me 
fugit  ueteris  codi  eis  testimomum  Politianus  aduocauerit^  prorsus  cum 
BB  testimonia  consentiiint ,  si  a  mmutiis  ortbographicis  uelut 
e  e,  a  on,  ü  um  commutatis  et  uocabulis  per  compendium  scriptia 
recesseris  (ut  ms  pro  cüiasos  K  II  6, 58),  locis  his*^:  I  2, 44  Sedisses^ 
84  fodi*\  147  uiridis*^;  3»  63  demet,  84  lucrineque^  4,  23  Quis, 
88  lacera\  6^  20  pregnätes;  II  pr.  26  constderemtis^  1,  72  turho.\ 
(notara  A*  male  om.  Baehrensios),  88  Megisse^  229  Qlaucia  m- 
ÄO«to(?)^;  2,  116  hinc^^;  6,  3  accedere  (pote&t  tarnen  aa^ere  esse 


••  pAiicfi*  qaaedara  ex  primis  canuiniba«  exempla  subscribo:  1 1, 1  molea 
BS  seäex  B*B;  2  per  actum  B*,  per  mtras  B*R;  81  qtif>d  Mi  te  B»,  ^uwi  H 
modo  B<H;   ib.  2,63  dulce  BK  uoce  B*H;  95  Ute  B\  ire  B*B  (om,  Herzog); 
212   AjiTiuil  B\   Adiuuat  B»B;   234  phebeio  MB^  (om.  Herzog)»   pUbew 
B'R;  S»  41  nuth  B^,  in  Wo  B*K  etc,    noo  ubique  Urnen»  etsi  plerumqtia  \ 
ita  factum  est,  uerum  sernaoitB*;  siue  rectum  sine  nestigia  rectt  extaal 
In  B^B  uelut  bis  locts:   I  1,  15  equo9  B^B,  honoM  B*;  2,  221  nisa  B*B, 
uiga  B';   3,  96  petiis&e  B^B,   pecu9  es^se  B\  et  alii»   locia  (cf.  imprimis 
I  %  203  et  4.  23  de  quibus  infra  dicetnr).    interpotationis  tu  B  extantiso 
eiiam    Tibi  in  B  nihil  manus  secunda  adscripsit  atint  documetita  granis-j 
Bima  e.  gr*  I  4,  97   pueri  sonuere   ministri  {pueri  sonuütin  in  oitro  [corr, 
ex   astro   m.  1]  B);   III  2,  87    Quos  (com   in   Quas)  tibi  currenü  precepM 
ferai   adria   moras   {Quo*  t,  c,  p»  gerat  kadria  mores  B';    morex  in  mc^r^tl 
corr.  B*);    III  4  tit.  Capilli  flmii  erini  {Capilli  FlauiJ  lerinj  B);  IV  6,  4TJ 
etfclopes  (thelcine^  B)  al.    ne  B*  quiiiem  ex  B  descriptus  est;  uide  e. 
I  2«  128    hinc  iuda  BS   hinc  uincla  B»   huic  uda  Wi    161    ad  fata  Wl 
a/fata   B*;   222   hinc  ex    Huic  ut   uid»  corr.  B*,    Mü  R;   IV  5,  17  lau 
A'^B^B»  leuanl  B^         *''  nou  recte  notam  A*  Baehrensius  bis  locis  ad- 
scripsit:  I  3,  20  ubi  autem  a,  anien  supra  sct.  A;   ib.  ae  ubi  tuna  a,  in 
mar^.  adacr.  Do  (?)  ttena  enotauit  Hosius;  II  pr.  5  ubi  ejopectet  a,  adacr»! 
nihil   nisi   Do  expecietur  eecundum   Hosium   et  Stailemundum;    V  5,  68] 
ubi  iummitm  a,  sqprascr.  of  et  in  margine  additum  alt  nmium  Do  nöpba» 
ergo  tribus  locifl  ultimis  ne  A  quidem  nota  admitti  debebat.  —  Signum! 

0  siae  c  (I  5,  15  o  adueriite;  II  1^  64  c  adqt)  coniecturatn  potius  quam 
codicem  uidetur  significare,  quoniam  utroqne  loco  BB  cum  a  factuut 
(auertite   [a  uertice  aH*],  atque).  ^  fodi  in  cod.  ant^  in   exemplari 

Corsiaiauo  legit  lloaiua;  male  A  adscribunt  Baehrensius  et  Stcdemundus 
apnd  Herzogtum,         *^  extra  dubiam  uidetur  positum  esse  quin  sie  Ban- 
gallensis   babuerit.     legitur  enim  in  exemplarU  Corsimam  margine  amt^i 
ulridis  litteris  a  Politiano  non  abfaorrentibns  et  atramento  fueciore  sane, 
ted   quod   alibi  qaoque  a  Politiano  adhibitum  est  (e.  gr.  In  adootatione 
quam    babes    apud    Haebrensiom  p.  5  »q.)-     uernm   quid  ea  sibi  uelint 
quae   praeterea  Polittanus  adacripdit,   non  constat,    deleuit  enim  quod 
in  a   erat  uiridut  et  aupra  id   haec  fere   uidetur  iicripaiasa   (oam  de  iit 
Unt'}  ut?  a/V]   et  litteria  nlH  plus  minuaue  dubttaut  Hoiioa  et  KroUiu«; 
Studemundum   autem   in  eis  quae   apud  Herxogiam  protulit  certum  e«| 
erraiae):    'l  /i/  ui  niiidis,    in   re  ancipiti  nolo  coniecturai  pffutire» 
*"   6(auciax  insonles  a;   in  marg.   legitur  Do  addit  nh  i  Hh,  pog,  .  .  ♦  .  , 
noqae  qnicquam  ampliaa  diapicitur  niai  8  loco  quiato  tine  aexto. 
*•  hU  A',  fÜHc  R»  fiin^  B  (corr.  m.  l  puto). 


FSkutdch:  ad  Statii  siluas  symbolae.  1.  479 

in  A"^),  48  ptidor  unde  (falsa  do  A^  testatur  Baehrensius),  58  causas^ 
104  habüure^  lOö  amori*^  7,  134  festus  (male  om.  Baehrensius); 
ni  1,  86  coüus^  144  pumceis'^  2,  124  mmine-^  IV  2,  27  lacuna  inter 
nitet  et  muUa^  5,  17  lauant  (de  B*  cf.  adn.  26),  42  arto  om.  lacunae 
signo  nuUo ;  6, 35  artus^  52  tälee  (in  ras.  scripsit  B  minoribus  litteris), 
87  Orndbat^\  V  praef.  17  inuenisse-^  2,  137  coniuge^  153  uMü\ 
3,  105  crinem^  l^Opröhaiur^  241  siitmgere;  5,  14  cniminay  24  sqq. 
lacunae  in  mediis  uersibus  (de  singulis  uide  infra),  38  quotiens^ 
53  5i,  58  r^endis,  76  tmum  om.,  77  inde  om.,  84  cadentes  om. 
nihil  diiudicari  potest  de  locis  II  4,  3  {murmura  BB;  munera  a,  in 
marg.  Do  murmura  adscr.  Politianus,  iuxta  uidetar  extare  lectio 
libri  antiqui)  et  II  5,  8  {Nam  [non  A]  grege  mcissüio  [i  posterius 
del.  A]  curuaque  indagine  clcmstis;  in  marg.  adscr.  Politianus  jto^. 
quod  quo  pertineat  nescio;  BB  «=  A). 

Reliquis  locis  non  saepe  BB  conspirant  contra  A*:  I  6, 10  Jam 
uelaria  linea  {lanea?)  A*,  lam  ueUaria  linea  BB";  HI  4,  70  cor- 
petis  A*,  corptts  BB;  IV  3,  81  seruüusque  A*,  stmäusq^  BB'*;  106 
uentüantis  A*,  uentüatis  BB;  V  2, 153  subihis  A*,  sub  iUis  BB ;  3, 219 
Quam  tuus  A*,  Quamuis  BB;  praeterea  duobus  locis  quibus  A* 
duplicem  lectionem  habuit,  alteram  uterque  omittit:  II 3, 55  umhris  a, 
in  marg.  adscr.  humeriSy  uiq^  t  li  poggi  (male  om.  Baehrensius), 
umbris  BB;  IV  1,  23  ans  a,  in  marg.  haec  adscripta  sunt  quae 
egregie  expediuit  Hosius,  Studemundus  hie  illic  frustra  tentauerat 
utnqi  ht  codex  poggii  aris  uf  astris,  aris  BB. 

Deinde  raro  A'^B  consentiunt  contra  B:  12,  203  nüidae  A* 
(sie  clarissime  legitur)  B,  mtiade  MB  (in  nüiqde  corr.  B*);  4,  23 
numine  A*B*B,  carmineB^^  60?  cf.  ann.  10;  post  86  inculcatur 
hie  uersus  in  aB  (et  in  margine  codicis  B  a  manu  recentiore) 
AttoUam  cantu  gaudet  trasimenus  (thrasymennus  B)  et  älpes,  omit- 
tunt  A*  (cf.  Baehrensius  p.  VI  ann.)  B'B*;  II  3,  3  iiadis  A*B, 
nadis  B*  (corr.  in  nodis  a  manu  nescioqua  [2?]);  III  4,  81  crinis 

A*B,  trinis  B;  V  5,  31  nee  eburno  A*B,  nee  hebuno  B  (®  et 
prima  litterae  n  hasta  in  rasura  scripta  sunt ;  antea  hebuUo  uel 
simile  quiddam  fuisse  uid.).  interpolationis  igitur  suspicionem  B 
ter  tantum  habet  in  uno  carmine  1 4 ;  reliqua  uitia  et  leuissima  sunt 
et  ex  scriptura  minuscula  fere  facilem  explicatum  habent. 

'*  t  ntiq^  /)  ^bo  (sie  coli.  A  V  5, 68  [ann.  27]  conieceram  legeodam 
esse  pro  eo  quod  Hosius  enotaaerat  ifibe  idqae  iam  nerum  esse  con- 
firmat  Krollias;  nihil  expediuerat  Studeinandasj  Omabat  A.^^  sed  ab  ipso 
Politiano  deletnm»  Coenabit  a.  deleuitne  quod  improbabat?  ut  oodiois 
Ii  aliorumque  lectiones  improbandas  eum  omisisse  snpra  cognonimus. 

'^  quoniam  bellaria  unice  uerum  est,  peccauit  fortasse  Politianus. 

^  Sed  grates  ego  strictiusq^  ianti  a,  in  marg.  sin.  adscr.  pog,  Sed 
graies  ago  seruiiusque  tanti  est.  uerum  seruitus  in  Poggiano  non  per- 
spicue  scriptum  fuisse  inde  discimus  quod  in  marg.  dextro  haec  antea 
scripserat  Politianus:  Do  strictus  atque  tanti  e  poggi  strictusque  (?)  tanti 
est  c^  seruitus  quae  postea  deleuit. 


480 


FSkutsch:  ad  Statu  siiaas  eymbolae.  I. 


At  B  refellitur  lectiombaa  A*B  (siue  B')  loeis  hiace:  1  4,  66, 
ubi  tarnen  de  A*  non  certo  constat,  cf,  atm.  10;  II  1,  218  init  A*B 
(in  quo  sane  in  e  correctura  m.  2  legitur),  inter  B;  3,  10  kec  A*, 
htc  B,  cf:  B;  III  2^  56  Seuus  et  A^,  in  B  5  d  supra  lineam  scriptum 
est  a  m.  1 ,  quae  et  Sexm  ex  Seuit  nidetur  correxisse,  Seuus  uhi  B; 
III  3,  18  cf.  ann.  17; '32  aonias  A*BB*,  aoninasW:,  114  YuUibus 
et  sihinici  shnilis  natorum  gratia  monstrat  A*B,  sibimä  om.  B; 
ö,  57  in  tracm  A*  B,  infratiu  B;  IV  pr.  8  se  quam  qttod  quaria  A*B\ 
nisi  quod  quaria  B*B;  V  1,  82  rotage  A*,  rotagae  B,  rogatf  B; 
2,  48  neniea  A*,  ne-mea  B,  nemee  B;  3,  181  Jülonstrastis  A*B, 
Mcnstratis  B;  263  uouit  A*B,  nouitB.\  5,2b  tmmü  ttdusA^B; 
cui  nul  natus  (pro  t  fortasse  c  incohauerat)  B.  eodem  üalent 
illi  uersus  in  quibus  inier  A*  et  B  quoque  discrepantia  interoedit, 
uenim  longe  illa  minor  ea  quae  est  inter  A*  et  B;  14,  90  ueldei  a 
(pro  Vekdae  et)  ^  quod  totum  deleuit  PoUlianus  adscribens  f  U*  pag 
Yeldne^^  Do  Veleäe,  ueJd4Ji^  et  B  (m.  2  nid.  expnnxisse),  uelddB.; 
II 2, 82  Uman  (sicI/a*,  Umau  B'^\  Umam  B'B ;  III  pr.  17  metiumA*, 

mecium  B.  meum  B;  4,84  cf*  ann,  6 ;  IV  3^  169  ahnues  A*,  ahimos  B 
(corr.  m.  1),  annucs  B";  V  3,  209  Suota  A***,  Mola  es  luoc{t?)a 

corr.  B',  inoia  B;  5,  8  cf.  ann.  17 ;  6,  27  /y ü  est  A*  (errat 

Bachreiisius),  l^  est  B,  r^  B  (omisso  Iif), 

MuUo  igitur  saepius  quam  B'  codicem  B  neglegentiae  et  fraudis 
reum  esse  apparet,  ut  nbicumque  B  et  B  differnnt,  si  6en  potesU 
B  dux  eligenduü  sit.  quamquam  ne  hie  quidem  interpolationibns 
ubique  immunis  est,  sed  B^B,  etsi  saepe  in  fallaciis  conspirant  (cf. 
imprimis  IV  pr.  8)»  tarnen  bic  ilHc  uerum  quoque  seruarunt,  id  quod 
dilucide  apparet  I  2,  203  aL  unde,  ut  saltem  nnum  exemplum  lllius 
rei  proferam,  aequitur  III  1,  12  0  fdix  pietas^  quod  ex  Rebdigerano 
A.  Otto  mus.  Rben.  XLII  p,  535  commendauiti  abiciendum  esse,  cum 
in  Budensi  baec  lectio  a  manu  spcunda  demum  incnlcata  &it  pro  ea 
quam  prima  scripserat  0  uelox  picetas  (sie),  atque  uelox  prob  um 
esse  etiam  ipsum  carminis  argumentum  satis  declarat,  quod  in  cele* 
branda  PoUii  in  aedificando  Uerculie  templo  celeritate  uersatur.'* 


>^  fortAsse  Ijic  qaoqae  nliqua  Politianl  neglegcntia  subest  obllti  te 
ueldet  impreMiLin  totutn  deleuisse.  quamqa&ni  Domiüana  baec  tantnm 
habet  Capiiuaeq\  prects  ueleäae  quae  maxima  nuper^  *•  qtmmqtiam  de 

mana  ilJa  quae  imatt  scripsit  alibi  fosttia  dicendum  ertt.  *^  In  eodem 
uefsii  quod  B  Sandes,  B  Scandett  habet,  dolendnm  est  ex  A*  margine 
abscisjo  nll   iam  uideri   superetse   ciai  , . . .  et  litiera«.  *>  liiterae  I 

formam  typographuB  ut  potuit  imitatus  est.  uide»  quoroodö  fieH  potoerit 
ttl  ideotidem  l  et  Ä  in  banpallensi  perniiiUrentur  (I  4,  66  cf.  ann«  10; 
I  S,  2S4  pleöeio  B*B,  phebeio  MB<),  >*  M  ad  A*  propius  aecedere 

quam  B  et  B  demoostrant  quae  inde  Goetiius  p.  VII  eaotaait,  cai  et^ii 
C  a  Baebrenaio  male  consarcinattts  IXI  4,  SI  et  V  3,  209  ei  falsa  de 
A*  adnotatio  V  5,  68  fraiidi  fueriiDt  (atque  omnmo  neqne  qoac  de 
AA*  neque  quae  de  C  adnotauit  Baehrensius  eiusmodi  ffunt  ut  ianiti 
eis  GoetsiiiH  debnerit),  Umefi  loci«  IV  1,  23.  8,  106.  15^;  V  2,  15d,  qai- 
bus  contra  BB  prorsas  cum  A*  facit,  praestantiam  aliquam  MatriteusU 


{ 


FSkutsch:  ad  Statii  siluas  symbolae.  I.  481 

Notas  A*  postquam  proposui  omnes  abiectis  notis  A ,  uidetor 
quaeri  posse  cur  Ulis  LXXXII  locis  potissimum  Politianus  lectiones 
disertis  uerbis  ad  Sangaliensem  relatas  adscripserit.  quod  respon- 
deam  certi  nihil  habeo.  neque  tarnen  temere  prorsus  conicere  mihi 
uideor  id  spectasse  Politianum  ut  notis  A*  Domitium  Calderinum 
refelleret.  etenim  eis  locis  quibus  ea  ipsa  quae  in  a  leguntur  ex 
Sangallensi  Politianus  firmauit  reete  Goetzius  p.  V  suspicatus  est 
praeter  A*  a  Politiano  lectionem  Domitianam  adscriptam  esse^; 
Goetzii  autem  uestigia  secutus  ego  inueni  simile  quiddam  fere  in 
omnes  locos  LXXXII  cadere.  nam  praeter  eos  uersus  in  quibus  quid 
Politianus  uoluerit  non  constat  I  4,  60  et  II  5,  8  locis  triginta 
Septem  praeter  notas  A*  Domitii  lectiones  adscripsit,  triginta  tribus 
non  adscripsit  quidem,  uerum  ei  omnes  ita  comparati  sunt,  ut  id  quod 
in  a  Impressum  legitur  cum  Domitiana  prorsus  concordet.  uidentur 
adnumerandi  esse  V  2,  48  [uectUa  a,  nemea  A*,  nemeea  Domitiana), 
ubi  in  a  adscriptum  est  nemeea  Domitianum ,  uerum  adferri  uidetur 
tamquam  coniectura  ab  ipso  Politiano  facta  (c  nemeea) ,  et  I  4,  88 
QMea  a,  lacera  A*^  laeta  Domitiana),  si  in  adn.  21  recte  conieci  in  a 
suprascriptum  esse  laeta ;  omisisse  autem  Politianum  interdum  notam 
Do  aliis  puto  exemplis  satis  docuimus.  sex  locis  sane  lectiones  Do- 
mitianae  adscriptae  non  sunt  quamuis  ab  a  abhorrentes ,  uerum  ne 
illic  quidem  cum  A*  coeunt:  lU  3, 32  aut  anitnasque  a,  aontasgii  A*, 
aeternasque  D(omitiana);  4,  81  soVus  uiäor  a,  crinis  A*^  uertex 
solus  D;  lY  3, 159  öhuius  a,  ahnues  A*,  ohuios  D ;  6, 87  CoenahU  a, 
Ornahat  A*  (sed  cf.  adn.  32),  Coenabat  D;  V  5,  24  cum  in  ter- 
dena  a,  lacunam  confirmat  A"",  cum  medüor  terdena  D;  27  ....  es^  a, 
ly  . .  ,ü  est  A*y  dolor  prohibä  D.  denique  duo  tantum  loci  restant 
quibus  lectiones  Domitianae  notis  A*  confirmantur  non  adscripta  a 
Politiano  II  3,  10  (d  a,  hec  A*,  haec  D),  adscripta  HI  1,  144 
(puniiceis  a^  Politianus  in  margine  adiecit  c  [?  cum]  Do  pog  pu^iceiSy 
puniceis  D). 

Coniectura  quam  notis  A*  et  editione  Domitiana  inter  se  col- 
latis  periclitatus  sum  aliunde  confirmari  uidetur.  nam  in  epistula 
illa  quam  de  adnotationibus  'domestici  exemplaris  marginibus  ad- 
scriptis'  eo  ipso  quo  obiit  anno  (1494)  Politianus  ad  Philippum 
Beroaldum  dedit  (epist.  VI  1  =  Politiani  opera  ed.  Basileae  1553 
p.  73  sqq.)  non  solum  illas  se  adscripsisse  testatur  ut  Domitium 
refutaret  *offensus  iam  tum**  quod  multa  ille  parum  perspecte  pro- 
didisset  quae  fere  omnes  tamen  quasi  coelitus  demissa  mirabantur*, 
sed  etiam  multa  quae  inde  excerpsit  ad  locos  notis  A*  insignes  per- 
tinent:  I  3,  84  'conquerimur  et  quod  apud  eundem  pro  Lucrinis 
domibus  Laciniae  sint  nuUo  idoneo  sensu  contra  exemplarium  fidem, 


apparere    concedimus.     optandum  igitar  nt  collatio  Loewiana  tandem 
aliquando  edatar. 

*^  non  debil itatur  hoc  modo  argumentam  quo  no8  sapra  p.  473  usl 
sumas.        ^^  'uiaente  adhuc  Domitio.' 

Jahrbücher  f&r  eUss.  philol.  1898  hfl.  7.  31 


FSkutgch:  ad  Statu  eiluas  s^mbohie*  I, 

reclamantibiis  et  pjllabis  dtiabus';  TI  1,  72  et  B8  'in  Glaucta  .  .  im- 
probaoms  * .  hirba  catastae^  sed  et  illud  Ät  kglsse  iunaV \  III  3,  32  'in 
Hetrusci  lacrymis  male  illud  Ad^nasque  nitro  sacrauimus  umhras*; 
4,  70  et  81  ^nec  con€us$um  uidnere  torpens  ipsi  legitnus,  imo  corpus^*  i 
aicuti  crinis  apud  nos  qui  est  apud  illum  «^er*;  IV  3,  81  'üersicu- 
lum  qaoque  illum  Sed  graJtts  ago  stridus  atquc  t^titi  est  sie  equi- 
dem  in  exemplaribus  inuenio  Sed  graies  ago  seruttusquc  ianti  est*; 
6,  62  'illud  Aut  eleae  lucis  ipso  refellitur  syllabarum  uitio*;  V  2,  48 
'respuo  Nemeam*]  3,219  Hegit  ibidem  Qualis  et  ille  dies:  at  egoQuafn 
iuus  üle  dies* ;  ö,  8,  24  sqq.,  84  'multa  in  epicedio  quoque  pueri  nel 
notaui  uel  emendaui*  puta  illud  Quis  error?  quem  luimus  fafUis 
moeroribus  ecce  lacertis  .  .  et  quae  multa  parum  cohaerenter  intercisa 
fiupplet .  .  praeterea  nUantes  nibili  uocem\  *' 

Denique  caue  puteB  quae  de  PoHtiani  in  adscribendis  noUs  A* 
con&iiio  coniecimus  pugnare  cum  eis  quae  exemplari  Corsiniano  sub- 
scripsit  (cL  Baehrensius  p.  V  sq.).  quae  quomodo  Noblias  (wocb. 
f.  claBs.  pbiL  1885  p,  48)  contra  Goetzium  adbibere  posse  sibi  uisua 
sit  non  capio.  illa  enim  subscriptione  id  tan  tum  praedicat  Politianna 
cautionem  sibi  fuisse  nequid  'in  corrigendo  hoc  nostro  (Corsiniano) 
ab  iUo  (Sangallensi)  mutaret'.  quot  locos  autem  correierit,  omnea 
an  paitcos,  non  magis  dicit  quam  qno  consilio  correxerit  aatis  habens 
fidem  suam  in  omnibus  quae  exscripsisset  asseruisse. 


ADDITAilENTVM. 

Dum  nuper  Yindobonae  pbilologi  luculentissimoB  degimus  dies, 
contigit  mihi  ut  codicem  Salisburgenaem  (nunc  biblioth.  Palat.  76) 
Statii  Tbebaida  Acbilleida  Siluas  coutinentem  inspicerem.  is  autem 
Behdigerano  et  Budensi  accuratius  in  libri  secundi  praefatione  uer- 
&uum  dlFtinctionem  quae  erat  in  arcbetjpo  äeruauit,  in  quo  bexa- 
metrornm  modo  praefatio  scripta  erat,  inclpinnt  autem  singuli 
nersus  ab  liia  uerbis  Et  Nee  Colore  Trado  Mens  Habet 
Qmdem  CompUscus  YyJl/nm  Tt  excusandam  Nee  nunc  Jndico 
Esoamvnei  Cum  pene  PoUi  mei  Vd  in  Amious  rf*  psUacum 
Loco  Bcriptos  Mansuetua  Frigidum  Traderem  Candidis* 
8mü  Scriptum  Que  ipsi  Eius  tibi  Lucani  ffunc  dktii  Ego 
non  Beuereniiam  Exametros  MeUor  Accipiant,  quocum  Bu- 
densis  non  solum  de  primarum  linearum  initiia  (usque  ad  Quälern) 
consentit,  nerum  nbiqoe  fere  etiam  de  litteris  maiuscnlis;  dlffert 
enim  In  big  tantum  looo  17,  mansuetus  18  (pro  quo  Quem  in  posnit 

^'  boc  loco  qDoniftm  in  exemplari  Cor»iQlaDO  nota  Politiaoi  «sl 
r  aniiq^  sie  e  cor^eus  e^  c5pu$^  uiddi  in  epistnlam  PoHtUimm  non  San* 
gaÜensis  tunttitn  lectionei  —  id  qaod  innuere  uidetar  eis  quae  de  I  3^  84 
et  IV  3,  Sl  ad  Beroaldam  scripsit  —  sed  comecttir«s  qooque  rettalivse 
neque  igitnr  notis  A  Tilhtm  preüimi  inde  acceüere  quod  eamm  atioque 
pars  ia  epittula  commemoratar.  neqae  ntquiun  ift  epistnla  'exeiDplanana 
ßde'    qutcqoani   ex   eis   firraaiur  qua«   notae  A   babeat.  *'  baac  ia 

fine  uersus  84  anppleuerat  Domititta, 


FSkutsch:  ad  Statii  silaas  symbolae.  I.  483 

minus  recte),  traderem^  candtdissimum  y  scriptam^  que  ipsi^  eius  tibi 
(pro  quo  male  Exdudit  posuit)  20  sqq.,  accipiant  30.  Behdigeranum 
cum  bic  illic  tantum  litteras  maiusculas  seruauerit  {CüpeneeiPoUi  mei 
1. 13,  Ego  non  1. 26),  tarnen  et  ipsum  eundem  archetypum  eandemque 
uersuum  discriptionem  referre  alia  uia  demonstrauimus  supra  adn.  2. 
Salisburgensis  autem  etsi  in  hac  re  arcbetjpi  speciem  reliquis  codici- 
bus  meis  accuratius  exbibet,  a  notis  A*  tarnen  saepius  quam  illi 
recedit,  licet  in  bis  quoque  interdum  diligentiorem  se  praebeat** 
(11  1,  218  Quicad  inü,  2,  82  liman,  III  pr.  17  Mdium,  2,  56  Seuus 
d:  e  puppig  3,  18  implicUor  [us  suprascr.  manus  multo  recentior], 
IV  6,  52  talee,  V  2  48  nemea^  5,  8  quem  l[I?]unius  tantis  morienti" 
tus  ecce  latescis^  etsi  ne  hoc  quidem  cum  A*  prorsus  congruit).^*  in 
quibus  differt  baec  sunt:  I  2,  203  inhade,  ^,QOpräium,  QQpheheiam^ 
86  uersum  spurium  exbibet,  de  quo  diximus  supra  p.  479,  6,  20 
PregnaceSy  II  1,  229  Glaucias  insontes^  3,  10  6^,  55  umbriSy  6,  3 
assurgere^  III  3,  114  d;  simüis  uoto^iy  4,  70  torpens^  84  saiuna,  5,  57 
in  thrada ,  IV  pr.  8  se  quam  qtt  martia  (sie)  ad  honorem  tuum  per- 
iinetj  1,  23  am,  3,  81  Sed  grates  ego  straäusq^  tanti  esty  106  uenti- 
Mis,  159  Sandes  heUiger  ahimesq^,  5,  17  leuanty  V  1,  82  roteue^ 
2,  153  suh  iUiSy  3,  181  Monstratis^  209  Mostq^  (+  in  marg.),  219 

Quam  Lmis  (+  in  marg.),  5,  8  (uide  supra),  25  näus^  27  U  ...  est 
atq^.  in  quibus  sane  foeda  scribentis  socordia  et  ignorantia  apparet, 
interpolatio  quae  huic  codici  soli  propria  sit  fere  nulla.  nam  I  4, 60  S 
=  B,  II  6,  3  asswrgere  error  est  ex  surgentesque  antecedenti  natus; 
restat  igitur  illud  Glaucias  II  1,  229  ut  uidetur  solum.  codex  igitur 
non  infimae  notae. 

Inspexi  praeterea  Vindobonae  eiusdem  bibliotbecae  codicem  3160 
miscellaneum  saec.  XVI  quem  Carmen  Statianum  V  1  continere  cata- 
logus  ab  Academia  editus  uol.  II  p.  219  fidem  fecerat.  at  spes  misere 
fefellit.  non  enim  Carmen  codex  continet ,  sed  praefationis  tantum 
uerba  usque  ad  sacerdotis  lin.  15.  uerba  saepe  per  compendium 
scripta  a  Baebrensii  contextu  sie  discrepant:  suprascr.  Stacü  poete 
eximij  epVa  ad  ahascantum,  Omibus  etc. ;  lin.  7  z  n^o'A  tuo'A  pars 
miUi  (omisso  altero  et  cum  A  et  Baehrensio) ,  lin.  8  pdpuo  merüo^ 
lin.  9  huic.operi  om.,  lin.  10  adsüiui  corr.  ex  adsilAAi*^ ^  lin.  12  post 
hoCy  lin.  13  sq.  Praeterea  usque  ad  conitor  in  lacuna  circ.  12  littera- 
rum  om.;  in  fine  (lin.  15)  sacerdotes  et  ^.  habes  excerptum  ex 
codice  nescioquo  (non  sane  optimo,  cf.  et  omissum  lin.  7)  sat  negle- 
genter  factum. 

Denique  addo  nullius  pretii  uideri  siluarum  codicem  Oxoniensem 
ab  Ellisio  journ.  of  philol.  XX  (n.  39)  p.  17  sqq.  e  meritis  tenebris 
protractum.  ex  eis  locis  quos  EUisius  collatos  exbibet  duo  tantum  ad 


*^  unde  Deque  ex  B  neque  ex  B  eum  descriptam  esse  satis  apparet. 

^^  I  4,  90  et  6,  10,  ubi  de  A*  parum  mihi  liquere  dixi  supra  adn.  88 
et  35,  8  habet  uel  dae  <^  qui  et  lam  uelaria  linea  pluebant,  quorom 
ntrumque  fortasse  ad  A*  proxime  accedit. 

31» 


484 


FBrälli  in  CiccroniB  or,  Pompeiauam  [J  SS], 


A^  spectant :  1 6, 10  ueUaria  horea  et  n  6«  48  pudor  nude  quorum  alter 
suflficit  ad  demonstrandum  codicem  pessimae  notae  esse.  V  1,  181 
etiam  Oxoniensis  mostis  exhibet  (itemque  S)  in  quo  mortis  latere 
Ellisius  quoque  perspexit.  [neque  maioris  pretü  est  codex  Lauren* 
tianus  38^  13  cuius  lectiones  cum  A*  coUataä  in  tempore  mihi  ex- 
bibet  GuiL  KrolL  uide  e.  gr.  I  2,  44  DmsseSy  203  tumiäae  (sed  tum 
e  corr.  ut  uid.);  3,  63  damnet;  6,  10  iam  uelaria  horea;  II  2^  82 
limen'y  6,  58  creas  (pro  camas)]  III  pr,  17  Nouium  celerem]  4,  81 
uiäor\  TV  pr.  8  sequUur  guarta  quae ;  6,  ö2  tüiae;  V  3, 209  htoMa^t ; 
241  subiung€r€*y  5,  76  in  fine  oew,  77  ips€  sdditum.] 

Vratislaviae.  Fhanciscvs  SkVT3CH, 


IN  CICEEONIS  ORATIONEM  POMPEIANAM, 


Logo  Pompeiauae  corrupto  qui  erat  iUud  parvi  refcrt  nos  puhU- 
canis  amissls  vedigalia  posiea  vidoria  recttperare  (§  18)  post  varias 
doctorum  virorum  coniectuiaa  CFWMueller  lenissima  mutatione  ita 
medebatuti  ut  omissis  pro  ammis  scriberet  eodem  genere  corrigendi 
usuä  §  33  eiusdem  orationid  emendavisse  mibi  videor  particula  nam 
in  iam  mutata.  mirum  sane  est,  quod  nemo  adbuc  dubita?jt,  quid 
tandem  particula  nam  äignificaret  in  illo  s^ententiarum  nexu;  ged 
iam  cuiv^is  iterum  perlecLo  loeo  apparere  confido  et  opus  ibi  e^se 
correctura  et  veram  fecripturam  a  me  eböe  restitutam,  quare  cetera 
legentium  iudicio  relinquens  oculis  locum  emendatum  &ubicio:  dU-^ 
dam  aui  Colophonem  aut  Samum  ^  fwbüimmas  urbes^  immmerabi' 
lesque  alias  captas  esse  commcm&rem ,  cum  vesiros  parim  aique  $0$ 
portus,  quibus  vUam  ac  spirüum  ducUis,  inpraedonum  fuissepoiestaie 
sciatk?  an  vero  ignaraiia  porium  Caiäae  cdeb^rrimum  ac  plmksi- 
mum  namum  inspeäante  pradare  a  praedonibm  esse  Sreptumf  ex 
Miseno  autem  eius  ipsms  Uberas^  qm  cum  praedofiibm  aniea  M  heir 
hm^  gesseraU  apraedambus  esse  subkUüS?  iam  quid  cgo  Ostknse  in- 
commodum  aique  iUam  labem  aique  ignammiam  m  publicae  querar^ 
cum  prope  in^^aniibus  vobis  dassk  <a,  eui  conmü  po^ndi  Itomam 
praepä»Uus  essä^  a  praedambus  capia  at^ie  eppnsaa  estf  pro  di  in* 
moriales!  iafUamne  umus  homims  mcreditßis  ac  divma  virius  tarn 
brevi  tempore  lueem  adferre  rei  publieac  potuU,  ui  «or,  qui  m^  ofite 
ostium  Tiberinum  dassem  hosHum  viddHäis^  H  mmc  fUiUam  Mra 
Occani  ostium  praedonum  fiavcm  esse  audiatis? 

Aktbnaci  ad  UuBNtM.  Fblix  Brüll. 


EScbweder :  über  Ursprung  u.  ältere  form  der  Peutingerschen  tafeL    485 

58. 

ÜBER  DEN  URSPRUNG  UND  DIE  ÄLTERE  FORM 

DER  PEUTINGERSCHEN  TAFEL. 


I. 

Die  wichtigen  fragen ,  welche  sich  an  die  Peutingersche  tafel 
knüpfen,  die  fragen,  wo  und  wann  das  urbild  dieser  karte  entstanden, 
wie  es  beschaffen  und  wozu  es  bestimmt  gewesen  sei ,  haben  schon 
lange  den  Scharfsinn  gelehrter  forscher  beschäftigt,  aber  eine  end- 
gültige, allgemein  befriedigende  beantwortung  noch  nicht  gefunden. 

Das  auf  uns  gekommene,  jetzt  in  der  kaiserlichen  bibliothek 
zu  Wien  befindliche  .exemplar  der  karte  ist,  wie  ÜEist  allgemein  an- 
genommen wird,  eine  im  dreizehnten  jh.  angefertigte  copie  einer 
altern  karte,  und  das  urbild  der  karte  ist,  ebenfalls  nach  allgemeiner 
annähme,  im  altertum  entstanden,  aber  schwer  ist  zu  entscheiden, 
unter  welchem  kaiser  jenes  urbild  entstanden,  wie  es  beschaffen  und 
wozu  es  bestimmt  war,  ferner  in  wie  fem  es  mit  der  copie  des  drei- 
zehnten jb.  übereinstimmte  oder  von  ihr  verschieden  war.  denn  in 
mehr  als  6iner  wichtigen  hinsieht  ist  die  tabula  Peutingeriana  ein 
werk  das  sich  mit  nichts  anderm  vergleichen  läszt,  und  für  dessen 
richtige  beurteilung  es  daher  an  den  nötigen  anhaltsp unkten  ganz 
fehlt,  daraus  erklärt  es  sich ,  dasz  die  ansichten  über  die  tab.  P. 
noch  beute  so  sehr  aus  einander  gehen. 

Jedem  beschauer  der  tab.  P.  fällt  zuerst  ihre  seltsame  form  auf. 
eine  karte ,  welche  den  ganzen ,  den  alten  bekannten  arhis  terrarum 
in  der  form  eines  21  fusz  langen,  einen  fusz  breiten  bandes^  dar- 
stellt, ist  gewis  eine  seltsame  erscheinung,  und  es  liegt  keine  künde 
von  einem  ähnlich  beschaffenen  kartenwerk  des  altertums  vor.  eine 
andere  merkwürdigkeit  dieser  weitkarte  ist  ihr  ausgedehntes  Wege- 
netz ,  gegen  welches  die  darstellung  der  gebirge ,  flüsse  und  meere 
so  sehr  zurückzutreten  scheint,  dasz  der  karte  von  ihrer  auffindung 
an  die  bezeichnung  tabula  itineraria'  beigelegt  worden  ist.  diese 
beiden  eigenschaften  haben  die  frühern  beschauer  der  karte  ganz  ge- 
fesselt und  ihr  urteil  über  dieselbe  ausschlieszlich  bestimmt,  aber 
auch  noch  heute  haben  die  meisten  gelehrten  nur  für  diese  erschei- 
nungen  angen  und  erwarten  einzig  von  ihrer  erklärung  aufschlusz 
über  die  karte,  die  altem  forscher  bewunderten  am  meisten  das 
ausgedehnte  Wegenetz,  und  schon  früh  drängte  sich  ihnen  die  an- 
sieht auf,  die  karte  sei  von  anfang  an  eine  blosze  straszenkarte  ge- 


*  zum  begriff  des  orbvf  terrarum  gehört  nicht  notwendig  eine  ge- 
rundete form;  vgl.  RFriedrich  ^materialien  zur  begriffsbestimmnng  des 
orbis  terrarum!*  (progr.  des  kön.  gymn.  zu  Leipzig  1887)  s.  10.  wo  im 
nachatehenden  von  der  form  der  karte  die  rede  ist,  ist  zuntichst  stets 
an  die  von  dem  änszern  umfange  der  oekumene  auf  der  karte  gebildete 
figur  zu  denken. 


486    ESchveder:  über  Ursprung  u.  ältere  form  der  Peuüngeräcbeti  iafeU 


wesen,  weiter  nichts,^  darüber  bmaus  gieng  man  freilieb  nocb  nicbt, 
böcbateüs  mocbte  man  sieb  YOrstellen,  das  urbild  der  karte  babe  im 
kriege  rOmiscben  feldberrn  dien  sie  leisten  sollen,  anders  beute,  in 
unserm  jabrb ändert  baben  sieb  die  Verkehrsmittel  in  früber  nie  ge- 
ahnter weise  vervollkommnet  und  vermehrt,  und  fast  alle  wege  sind 
von  reisenden  belebt,  daher  sind  jetzt  reisekarten,  eiraszen karten 
der  posten  und  eisenbabnen  entstanden  und  schon  unentbehrlich  ge- 
worden, und  dies  hat  nun  zu  der  annähme  gefllbrt,  dasz  es  im  alter- 
tum  ähnlich  gewesen  sei,  dasz  es  auch  damals  schon  wegekarten»  die 
eimig  zum  gebrauch  auf  reisen  bestimmt  waren,  gegeben  babe,  und 
dasz  die  tab.  P.  selbst  ein  zufällig  erhaltenes  exemplar  der  alten 
reisekarten  sei.  ^  diese  römischen  reisekarten  sollen  aber  schon  selbst 
die  form  der  tab*  P.  gehabt  haben,  zu  welcher  *das  übliche  roUen- 
format  der  antiken  büchcr  nötigte »  sobald  bequeme  handlichkeit  er- 
zielt werden  sollte'  (HNissen  itaL  landeskunde  I  25). 

Eine  ganz  andere  ansiebt  bat  sieb  aber  in  unserm  jh.  bahn  ge- 
brochen. Konrad  Mannert  (in  der  vorrede  zu  seiner  ausgäbe  der 
tab,  P.),  FRitschl  (im  rhein.  mus.  n.  f.  I  [1842]  s.  481  ff.  «=  opuac. 
pbiloL  III  743  ff.)  uam.  erinnerten  an  die  von  dem  altern  Plinius 
n*  h*  III  17  Überlieferte  nachricht,  der  kaiser  Augustus  babe  an 
einer  seulenballe  in  Rom  ex  dcstifuiHone  ei  commeniariis  M.  Agrippac 
eine  grosze  weitkarte  entwerfen  lassen*  ein  solches  werk  müste  von 
groszer  bedeutung  gewesen  sein,  die  abbitder  dieser  karte  müsten 
sich  lange  fortgepflanzt  baben,  und  da  anderseits  die  Peutingersche 
tafel  offenbar  dem  rdmischen  altertum  entstamme,  so  sei  sie  selbst 
für  ein  sehr  entstelltes  abbild  jener  römineben  weitkarte  anzusehen 
(Ritflcbl  ao»  s,  514  [777]),  verschärft  und  tiefer  begründet  wurde 
diese  ansiebt  sodann  in  den  wichtigen  arbeiten  von  ThMommsen  (be. 
richte  über  die  verh.  der  fificbs.ges.  der  wiss.  in  Leipzig  1851  8. 80  ff,) 
und  KMüilenhoff  'über  die  weltkarto  und  chorographie  des  kaiser 
Augustus*!  Kieler  univ.-scbrift  von  1856,  und  im  Bermes  IX  183  ff* 
diese  forscher  nahmen  an,  daszabbilder  der  weitkarte  Mes  Augustus 


*  vgl.  Nie.  Bergier  Me  vits  piiblicls  et  militaribus  imperii  Romant' 
(in  Grue viua  the^^.  aotiq.  X  233):  ^nequo  enim  aniinas  eius  tuUt  dure 
taliiilAm  geographicatD  aot  dcpingere  Imperium  Romanum  eiusque  pro- 
vinciHS,  sed  Boluni  in  isto  imperio  et  per  i»tai  provinciaa  couspcctui 
e^tlitbere   Viaa   pnbUcas.     hoc   yoIuU,   hoc   egit,   aliud  nihiL*  '  auch 

Kuapar  ZeuAs  ^dic  DeuUcben  und  ihre  nnehbaTsilmme'  nennt  die  tab,  P. 
wiederholt    ^die    römische    reUekarte*.  *    mit  nnrecht  h^ben   einige 

nettere  forscher  die  karte  des  AugnatuR  eine  'retchakarte*  genannt,  diu 
reste  der  karte  (di«  lab.  p, ,  die  koamographio  des  anonymus  von  Ha* 
venna  und  die  schrlft  des  Julius  Ilonorlns)  lehr<'U,  dasx  das  nrbild  den 
orbi$  lerrmum  daratelUn  sollte  und  wirklich  darstethe,  und  die  worte 
des  PUniug  n*  k.  Xll  17  Agrippam  «  *  emii  orbem  t  er  rar  um  urbi  tpectan- 
dum  proposituruB  es$et  sind  dafür  das  beat€  aeugnia,  ebenso  gewichtig 
wie  unsweideutig.  endlich  aber  ist  in  der  Termesstmgsnachriclit  de« 
Jaliua  Honofias  immer  von  einer  vermeaating  des  orhU  ierrarnm,  niemalt 
von  der  des  römischen  retchei  die  rede  (i.  unten)  i  so  nahe  doch  daa 
letztere  läge. 


EScbweder:  über  Ursprung  u.  ältere  form  der  Peutingerschen  tafel.    487 

mit  genauer  Verzeichnung  der  straszenzüge  in  den  ersten  Jahrhun- 
derten nach  Ch.  sich  in  jeder  stadt  des  römischen  reiches  befanden, 
die  auf  bildung  anspruch  machte,  ein  solches  abbild,  auf  papier 
übertragen,  ist  auch  die  Peutingersche  tafel,  freilich  ein  sehr  zer- 
rüttetes :  denn  nicht  nur  der  Inhalt  der  originalkarte  ist  sehr  um- 
gearbeitet worden  und  liegt  oft  sehr  entstellt  vor,  sondern  auch  die 
ursprüngliche  form  musz  gänzlich  umgestaltet  sein,  da  die  original- 
karte nicht  die  bandform  der  tab.  T.  gehabt  haben  kann,  zum  ge- 
brauch für  feldherni  oder  für  reisende  war  die  karte  im  altertum 
nicht  bestimmt,  in  die  bandform  ist  sie  erst  später  gebracht  wor- 
den (Mommsen  ao.  s.  102) ;  diese  form  ist  etwas  zufälliges,  nur  dem 
uns  erhaltenen  exemplar  der  karte  anhaftendes. 

Um  den  Ursprung  der  tab.  P.  zu  erforschen,  stehen  uns  zwei 
wege  offen,  6inmal  nemlich  die  Untersuchung  dieser  karte  selbst, 
sodann  aber  die  ermittelung  verwandter  karten  aus  älterer  zeit,  die 
Prüfung  der  tab.  P.  selbst  scheint  sich  uns  zunächst  zu  empfehlen, 
zwar  sind  gerade  für  die  beiden  merkmale,  welche  uns  auf  der  karte 
zuerst  in  die  äugen  fallen,  nemlich  für  ihre  bandform  und  für  das 
Wegenetz,  litterarische  Zeugnisse  des  altertums  nicht  vorhanden,  und 
so  ist  auch  dieser  weg  schwierig  und  verheiszt  noch  keineswegs 
sichere  positive  aufschlüsse;  aber  wenn  es  nur  gelänge,  aus  der  be- 
trachtung  der  karte  überzeugend  darzuthun,  dasz  eine  der  beiden 
oben  bezeichneten  ansichten  über  den  Ursprung  und  den  zweck  der 
originalkarte  unrichtig  ist,  so  würde  auch  dieses  negative  resultat 
wertvoll  sein,  da  alsdann  die  entgegengesetzte  ansieht  sehr  an  Wahr- 
scheinlichkeit gewinnen  müste.  und  zu  einem  solchen  negativen  er- 
gebnis  wird  eine  unbefangene,  vorurteilslose  prüfung  der  karte  ge- 
wis  führen ,  wir  werden  uns  dabei  hinreichend  überzeugen  können, 
dasz  das  urbild  der  tab.  P.  nicht  bestimmt  war  irgend  einem  prak- 
tischen gebrauche  zu  dienen. 

Was  zunächst  die  form  der  karte  betrifft,  so  berücksichtigt  man 
m.  e.  zu  wenig,  dasz  die  tab.  P.  im  dreizehnten  jh.  gezeichnet  ist. 
aus  der  form  eines  so  spät  entstandenen  Werkes  sollte  man  nicht 
übereilt  Schlüsse  auf  die  form  des  dem  altertum  angehörenden  Ur- 
bildes ableiten,  und  man  würde  dies  gewis  nicht  so  schnell  gethan 
haben ,  wenn  man  sich  nur  vergegenwärtigt  hätte ,  wie  mittelalter- 
liche Zeichner  und  copisten  groszer  weitkarten  zu  verfahren  pflegten. 
es  ist  nachweisbar,  dasz  im  j.  787  der  spanische  Benedictiner  Beatus 
eine  grosze  weitkarte  zeichnete,  für  die  er  neben  secundären  hilfs- 
mitteln  als  vorläge  eine  mit  der  tab.  P.  und  besonders  mit  der 
itinerarkarte  des  kosmographen  von  Bavenna  eng  verwandte  karte 
benutzte,  so  dasz  er  wesentliche  elemente  des  kartenbildes,  gebirge, 
flüsse  und  meere,  meistens  nach  jener  vorläge  zeichnete  (Hermes 
XXIV  596  ff.),  und  zugleich  lehren  die  erhaltenen  abbilder  der  spa- 
nischen karte ,  dasz  dieselbe  die  form  einer  von  norden  nach  süden 
gestreckten  ellipse  hatte  (vgl.  Hermes  ao.  s.  589  f.  und  d'Avezac 
Ma  mappemonde  du  YIII^  siöcle  de  Saint  B^at  de  Liebana'  in  den 


ESchweder  t  ober  Ursprung  u.  ältere  form  der  Peutiagergcheö  tafeL 


annales  des  vojages,  de  la  g^ographie,  de  Thistoire  et  de  Varcb6o- 
logie,  Juin  1870«  s.  11  f.).  wenn  nun  wirklich ^  wie  man  annimt, 
die  alten  iÜnerarkarten  die  form  eines  von  osten  nach  Westen  ge- 
zogenen  schmalen  banden  gehabt  hätten ,  so  müste  offenbar  der  spa- 
niäche  mönch  die  form  seiner  kartenvorlage  so  nmgestaltet  haben, 
dasz  äich  eine  radicalere  umformuDg  gar  nicht  denken  liesze.  aber 
mir  scheint,  die  der  tab,  P,  oder  vielmehr  der  Altern  itinerarkarte 
entlehnte  Zeichnung  der  gebirge  und  flüsse  in  der  von  norden  nach 
Süden  gestreckten  karte  des  Beatus  lehre  vielmehr,  dasz  seine  karten- 
Vorlage  gar  nicht  die  bandform  der  tab.  P.  gehabt  haben  könne,  aber 
wenn  sie  auch  nur  die  form  einer  von  osten  nach  westen  gebtreckten 
ellipbe  hatte»  wie  ich  glaube  (vgl.  meine  abhandlung  'Über  die  weit* 
karte  des  kosmographen  von  Bavenna%  Kiel  1886),  so  i&t  ihre  um- 
formnng  schon  auf^lig  genug,  von  der  karte  des  Beatus  stammt 
wieder  zweifellos  die  im  zwölften  jh.  gezeichnete  Weltkarte  von  Turin 
ab  (vgl.  Hermes  XXIV  588,  d'Ävezac  ao.  b.  6  L,  Pasini  'codices 
manuacripti  bibliothecae  regiae%  Turin  1749,  bd,  II  s.27 — 29),  aber 
der  Zeichner  der  letztern  hat  die  ellipsenform  gan^  aufgegeben  und 
daftir  willkürlich  die  bequemere  kreis  form  gewählt,  einen  andern 
beleg  für  die  Veränderlichkeit  der  kartenform  im  mittelalter  liefert 
die  weitkarte  von  Eereford.  sie  ist  beinahe  kreisförmig  und  stammt« 
wie  schon  Santarem  (essai  sur  Thistoire  de  la  cosmographie  et  de  la 
cartographie  pendant  le  mojen-flge  III  466  u.  486)  mit  recht  ange- 
nommen hat,  von  derjenigen  groszen  weitkarte  ab,  die  im  j.  1106 
der  canonicus  Heinrieb  v.  Mainz  für  den  kaiser  Heinrich  V  zeichnete* 
aber  die  letztere  wird  gewis  die  form  einer  von  osten  nach  westen 
gestreckten  elUpse  gehabt  haben,  da  die  älteste  erhaltene  (verkleinerte) 
copie  derselben  diese  form  zeigt,  *  der  Zeichner  der  karte  von  Here- 
ford  wählte  aber  willkürlich  anstatt  der  ihm  vorliegenden  ellipsen- 
form die  kreisform,  wer  diese  Vorgänge  kennt,  wird  wohl  bedenken 
tragen  auf  grund  der  tab.  P.  den  antiken  itinerarkarten  die  form  des 
langen  schmalen  bandes  zuzuschreiben,  die  mittelalterlichen  Zeichner 
scheinen  es  wohl  geliebt  zu  haben  ihre  groszen  weitkarten  mit  reichem 
farbenschmuck  auszustatten ,  sie  mögen  auch  oft  die  m  ihren  vor* 
lagen  gegebenen  details  mit  treue  und  sorgf&lt  copiert  haben,  aber 
man  hat  keinen  grund  anzunehmen ,  dasz  sie  sich  anch  immer  an 
die  form  der  ihnen  vorliegenden  karten  gebenden  hätten,  vielmehr 
scheinen  sie  gerade  mit  der  kartenform  recht  willkürlich  und  frei 
geschaltet  zu  haben,  von  der  Peutingerschen  tafel  hat  man  gemeint^ 
si^  sei  eine  höchst  sorgfältig  angefertigte  copie  einer  altern  karte^ 
sie  sei  ihrer  vorläge  getreu  nachgemalt  (OHirschfeld  in  der  ßerU 
philol.  Wochenschrift  1888  sp.  626).  dasz  dieses  für  die  einzelbeilen 
der  Zeichnung  richtig  sei,  meine  anch  ich  und  glaube  selbst  daftir 

•  iDedlaeviil  g:eo^aphj.  ao  etsaj  in  iHustrntloa  of  tb«  Horeford 
Mappa  Mmidi,  hj  Bevati  and  PhiJlot  (London  anH  Hertfor*!  1874) 
I,  XXXVI  r     iäantarem  ao.  und  ceulralblatt  f  bibHoUiekaweeeo  (Leipii; 

1884)  1^.116. 


ESchweder:  über  Ursprung  u.  ältere  form  der  Peutingerschen  tafel.    489 

belege  beigebracht  zu  haben  (Hermes  XXIV  594  ff.);  allein  daraus 
folgt  noch  nicht,  dasz  der  copist  nicht  etwa  die  form  der  karte  ganz 
umgestaltet  habe,  und  gesetzt  auch,  er  habe  es  nicht  gethan,  so  kann 
sehr  wohl  einer  seiner  Vorgänger  es  gethan  haben:  denn  zwischen 
der  herstellung  der  Peutingerschen  tafel  und  der  urkarte  liegen 
mehr  als  tausend  jähre,  und  während  dieser  zeit  mag  die  karte  oft 
copiert  worden  sein. 

Wenn  also  aus  der  form  unserer  tab.  P.  an  sich  noch  nichts  för 
die  form  des  Urbildes  geschlossen  werden  kann,  so  müste  man  mittel- 
glieder  beider  karten  aus  dem  altertum  nachweisen,  welche  die  band- 
form hatten,  für  ein  solches  könnte  die  itinerarkarte  gelten,  welche 
der  kosmograph  von  Ravenna  ausschrieb,  und  behauptet  hat  man 
freilich  vielfach  und  oft  recht  bestimmt ,  diese  karte  habe  die  band- 
form gehabt,  aber  eine  solche  behauptung  könnte  nur  aus  den  an- 
gaben der  kosmographie  bewiesen  werden,  und  diesen  beweis  hat 
noch  niemand  zu  liefern  versucht;  vielmehr  schlieszt  man  die  band- 
form der  karte  des  kosmographen  wiederum  aus  der  form  der  Peu- 
tingerschen tafel.  was  bewiesen  werden  sollte,  nemlich  dasz  die 
bandform  der  karte  aus  dem  altertum  stamme,  setzt  man  dabei  als 
bewiesen  voraus. 

In  Wirklichkeit  bleibt  also  von  allem ,  was  bisher  zu  gunsten 
der  annähme  bandförmiger  itinerarkarten  im  altertum  vorgebracht 
ist,  nur  die  noch  durch  keine  thatsache  gestützte  Voraussetzung 
übrig,  es  habe  schon  im  altertum  itinerarkarten,  die  zu  einem  prak- 
tischen gebrauch  bestimmt  waren,  gegeben,  und  diese  müsten  wegen 
des  roUenformats  der  antiken  bücher  die  bandform  der  tab.  P,  ge- 
habt haben,  wäre  die  Peutingersche  tafel  nicht  im  dreizehnten,  son- 
dern etwa  im  vierten  jh.  gezeichnet,  so  könnte  sie  zwar  das  vorkom- 
men bandförmiger  itinerarkarten  im  altertum  bezeugen,  aber  zu 
einem  praktischen  gebrauche  könnte  sie,  so  wie  sie  ist,  auch  dann 
schwerlich  jemals  gedient  haben. 

Auffallend  ist  es,  wie  flüchtig  die  meisten  die  Peutingersche 
tafel  betrachtet  haben,  man  hat  nicht  einmal  bemerkt,  dasz  sie  eine 
weitkarte  ist,  man  liebt  es  sie  für  eine  straszenkarte  des  römischen 
reiches  auszugeben,  und  doch  erstreckt  sich  ihr  straszennetz  bis  zum 
östlichen  ocean ,  bis  nach  Sera  maior  und  über  Palibothra  hinaus, 
aber  man  muste  wohl  die  Verzeichnung  der  wege  des  fernen  Ostens 
ignorieren ;  da  man  sonst  die  Voraussetzung  eines  praktischen  ge- 
brauchs  der  karte  im  altertum  gewis  hätte  aufgeben  müssen,  denn 
die  behauptung,  dasz  jemals  ein  Eömer  in  den  fall  gekommen  sein 
könne  diese  karte  für  reisen  oder  feldzüge  in  Persien  oder  Indien  zu 
benutzen,  würde  schwerlich  glauben  gefunden  haben,  was  aber  auf 
der  karte  nicht  wirklich  benutzbar  ist,  widerstreitet  dem  voraus- 
gesetzten zwecke  und  würde  deshalb  in  eine  solche  karte  nicht  hinein- 
gehören. 

Man  übersah  also  stets  gern  die  darstellung  des  Ostens  und 
machte  die  karte  zu  einer  straszenkarte  des  römischen  reiches,  allein 


490    ESchweder:  über  Ursprung  u,  ältere  form  der  Peutfo gerech en  ta£e 

dftbei  entstand  noch  die  scbwieriglceit  anzugeben,  für  welchen 
prakÜBchen  zweck  die  karte  im  alterttim  bestimmt  gewesen  sei»  an-, 
gaben  alter  Schriftsteller  über  die  praktische  benutzung  solchef 
karten  fehlen,  je  weniger  nun  die  tab.  P,  selbst  auf  diese  schwie- 
rige frage  eine  antwort  gab  i  nm  so  mehr  Spielraum  bot  sich  hier 
der  Phantasie  der  erkläret  dar.  man  konnte  eben  mit  gleich  gutei&d 
gründen  sehr  verschiedenes  aus  dieser  karte  machen.  *  jedoch  sind 
2wei  erklärungsarten  bevorzugt  worden,  zuerst  hat  man  der  ka 
schon  früh  einen  militärischen  zweck  zugeschrieben;  in  unserm  jähr-  ' 
hundert  aber  bestimmte  man  sie  vorzugsweise  zum  gebrauch  der 
reisenden  und  verglich  sie  mit  den  heute  benutzten  post-  und  eisen- 
bahnkarten. 

An  einen  militärischen  zweck  der  karte  hat  noch  in  unserer  i 
2eit  FPhilippi  gedacht  (de  tabula  Peutingeriana ,  diss.  inaug.,  Bonn 
1876).,  und  er  war  es  auch,  der  ihre  bandform  zum  ausgangspunkte 
der  beweisfühning  machte,  natürlich  muste  er  sich  auch  nach  an- 
dern gründen  für  seine  ansieht  umsehen  und  berief  sich  deshalb  auf 
eine  öfters  citierte  angäbe  des  Vegetius',  welche  das  vorkommen, 
und  die  praktische  benutzung  dieser  karten  im  altertum  darthuuj 
sollte,  man  biehi  aber  zunächst»  dasz  sich  Vegetius  über  die  form  der  j 
karten  nicht  ausspricht,  und  schlieszlich  müssen  die  karten,  die  ihm 
vorschweben,  von  der  tab.  P.  gewis  sehr  verscbieden  gewesen  seini 
denn  die  Uifieraria  provinciarum  in  quihus  necessUas  gerehalur  piäa 
Bind  nicht  karten  des  orhis  terrarum^  sondern  karten  eines  kriegs- 
Schauplatzes  f  dh*  specialkarten,  und  solche  specialkarten  für  den 
gebrauch  der  feldherrn  sind  freilich  auch  sonst,  selbst  aus  viel  älterer 
ateity  bezeugt:  denn  wenn  Piinius  «.  A.  VI  40  eagt:  vofriffendus  est 
in  hoc  locö  etror  niuUorum  cUam  qui  in  Ärmenia  res  proxime  cum 
Carhulom  gessere.  namque  hi  Caspias  appeüavere  parias  Bibmae, 
quas  Caucasias  diximus  vocari,  sUtisque  äepidi  et  inde  missi  hoc  nomen 
inscriptum  liabeni  uaw«,  so  wird  doch  gewis  niemand  dieäo  situs 
depidi  für  weitkarten  ausgeben  wollen,  die  feldherrn  haben  sich 
also  im  altertum  der  specialkarten  bedient»  und  mit  dem  citat  aus 
Vegetius  treibt  man  mis^brauch/  und  wenn  weiter  derselbe  gewährs- 
iiiann  der  geschriebenen  itinerarien  gedenkt,  die  der  feldherr  be* 

'  man  siebt  dies  besondere  bei  Konr.  Miller  'einldtender  text  sur 
^Pcutirigcr«chen  lafel*  s.  77  ff.  '  epü,  rei  miL  ITI  6  primum  ittnerariä' 

lOtttnit*»i   rryionum,   in    quibuM   btltum  gtritur ,    ftteniMsime  dcbet  [dyj:]  habere \ 
prracripia  ^   ita  ut  tocorum  iniervuUa  nun  »tihtff^  .,....*,.  »i  numero^  scd  eU 
viarum  tfuatiUite  perährat^  compendia,  dtver(>  i,  flumimt  ad  fid 

ficicripta  vonsidtrei^   usquf  ro  ut  fcUlertktrrs  rmitt  protHncitrrum^'t 

in  ifuibus  fiereii/tUft*  gerebatur^  non  tantmn  adnotnta  itfr^  eiiam  picia  haAuixit«  | 
ßrmentur  ^  ut  non  sotum  contitio  menii»,  tterum  axpeciu  octthrum  vimn  pra- 
/t>eturHM  €  tigeret,  •ein  forscher,  der  selber  eleu  antiken  itinerarkarteii 
die  bandform  zuschreibt,  bat  doch  den  miäbrüUch,  den  man  mit  dem 
Vegetiiis-citAt  treibt,  erkannt  und  (jerügl:  'dmsz  Vegetins  für  den  feld* 
hcrrn  doch  etwas  ganz  anderes  verlang  <Us  unsere  tab  P,  ^hK^  wiirdo 
ich  nicht  iiniiierkeu,  wenn  ich  es  nicht  dcirchgüng^ig  Tertuscht  s&be.' 
GinrscLfeld  in  der  Herl.  philol,  TTocbenaclirifl  \m%  sp.  633. 


ESchweder:  über  ursprang  u.  ältere  form  der  Peutingerschen  tafel.    491 

nutzen  soll,  und  die  ihm  auch  die  beschafifenheit  der  wege  angeben 
sollen ,  so  können  doch  auch  diese  itineraria  omnium  regianum  in 
quihtts  bellum  geritur  sicher  nur  specialitinerarien,  jedes  für  ein  be- 
sonderes land,  gewesen  sein,  auch  für  diese  angäbe  des  Vegetius 
bietet  schon  Plinius  VI  141  eine  parallelstelle:  hoc  in  hco  genüum 
esse  JDionysium  terrarum  orhis  sUus  receniissimum  audorem,  quem  ad 
commentanda  omnia  in  orientem  praemiserU  divos  Augustus  ituro  in 
Ärmeniam  ad  Parthicas  Ärahicasque  res  maiore  ßiOf  non  me  praeterU 
usw.  die  aufgäbe  des  Dionysius  bestand  darin  eine  genaue  beschreib 
bung  des  voraussichtlichen  kriegsschauplatzes  anzufertigen  (vgl. 
EMüller  geogr.  gr.  min.  I  s.  LXXXVI).  man  sieht  wohl,  die  Zeug- 
nisse des  altertums  schweigen  davon  ^  dasz  ein  feldherr  eine  karte 
(oder  ein  geschriebenes  itinerar)  des  orhis  terrarum  benutzt  habe 
oder  benutzen  solle ,  sie  reden  aber  bestimmt  von  specialkarten  und 
von  itinerarien  oder  beschreibungen  einzelner  länder  für  militärische 
zwecke,  und  dies  ist  wohl  sehr  erklärlich,  eine  Peutingersche  tafel 
hätte  in  einem  kriege  dem  feldherrn  wohl  nicht  viel  nützen  können, 
er  besasz  gewis  viel  genauere  hilfsmittel,  die  technik  der  herstel- 
lung  von  landkarten  ist  heute,  gegen  die  zeit  des  altertums,  unend- 
lich vervollkommnet,  aber  wenn  etwa  im  j.  1870  ein  deutscher  Stabs- 
offizier zu  praktischem  gebrauch  für  den  ein  marsch  in  Frankreich 
sich  mit  einer  weitkarte  oder  auch  mit  einer  karte  der  östlichen  erd- 
hälfte  hätte  ausrüsten  wollen ,  so  würde  dies  gewis  staunen  erregt 
haben. 

Für  eine  Vertreterin  antiker  Verkehrs-  und  reisekarten,  ent- 
sprechend den  heutigen  post-  und  eisenbahnkarten,  hat  HNissen 
(ital.  landesk.  I  24)  die  tab.  P.  erklärt,  jedoch  beruft  er  sich  für 
diese  ansiebt  gewis  mit  unrecht  auf  Vegetius,  da  dieser  ja  so  be- 
stimmt wie  möglich  von  militärischen  karten  redet,  auch  darf 
man  die  tab.  P.  nicht  mit  unsern  reisekarten  vergleichen:  denn  eine 
alle  Stationen  darstellende  post-  oder  eisenbahnkarte  der  ganzen  erde 
zu  praktischem  gebrauch  gibt  es  nicht,  die  tab.  P.  stellt  aber  das 
straszennetz  des  orhis  terrarum  von  Gades  bis  zum  östlichen  ocean 
dar,  und  dasselbe  musz  auf  der  straszenkarte  des  Ravennas  der  fall 
gewesen  sein,  nur  mit  dem  unterschiede  dasz  diese  für  den  äuszersten 
Osten  eine  noch  viel  gröszere  zahl  von  orten,  also  wohl  auch  viel 
mehr  straszenzüge  enthielt,  heute  wird ,  wie  schon  die  grosze  Ver- 
vollkommnung der  Verkehrsmittel  beweist,  mehr  gereist  als  im  alter- 
tum,  aber  für  eine  post-  oder  eisenbahnkarte,  welche  das  grosze  auf 
der  tab.  P.  dargestellte  gebiet  umfaszte,  wäre  auch  heute  noch  kein 
bedürfhis,  und  deshalb  existiert  keine  solche  karte,  soll  dies  früher 
anders  gewesen  sein?  sollen  wir  uns  etwa  die  wege  in  Iran  und 
Indien  von  römischen  Wanderern  belebt  vorstellen ?  die  karte  soll, 
meint  man,  durch  das  praktische  bedürfnis  hervorgerufen  sein,  wozu 
also  die  darstellung  des  nichtrömischen  Ostens  auf  der  karte? 

Litterarische  Zeugnisse  des  altertums  für  das  vorkommen  der 
vorausgesetzten  reisekarten  des  orhis  fehlen,  wie  kaum  gesagt  zu 


492    Eßchweden  über  arsprung  u.  ^t€re  form  der  Peutingerächen  tafel. 

werden  braucht,  ganz,  man  setzt  sich  aber  darüber  hinweg  und  be* 
ruft  sich  auf  die  überlieferten  geschriebenen  itinerarien,  wie  das 
iün.  Antonini,  das  itin.  Hierosoljmitanum ,  die  in  Vicarello  auf- 
gefundenen und  ähnliche;  diese  seien ,  behauptet  man,  ganz  dem- 
selben Wesens  wie  die  tab.  P.f  und  da  sie  ofifenbar  zum  reisegebrauch 
gedient  babeu^  so  mü^se  dasselbe  auch  von  der  tab.  P.  gelten,  aber 
von  allen  diesen  würde  nur  das  erste  mit  der  tab.  P.  einigermaszen 
vergleichbar  sein:  denn  die  übrigen  sind  ja  für  ganz  specielle,  sehr 
beächräukte  zwecke  bestimmt  allein  je  genauer  man  nun  das  itin. 
Ant,  und  die  tab.  P.  mit  einander  vergleicht,  um  so  mehr  wird  man 
ihre  teils  charakteristischen  teils  tiefgebenden  unterschiede  gewahr,  i 
und  man  erkennt  Äiiletzt  deutlich^  dasz  gerade  diejenigen  nierkmale, 
welche  die  wirklich  stattgehabte  praktische  benutzung  des  itin.  Ant» 
verraten,  der  tab.  P.  durchweg  fehlen,  es  ist  für  letztere  schon  recht 
charakteristisch,  dasz  sie  in  Italien  noch  die  orte  Herdaniumj  Stahios^ , 
Pompeis  (diese  Ortsnamen  hat  auch  der  Ravennas  erhalten)  mit  den 
sie  verbindenden  straszen  verzeichnet,  ja  für  Pampeis  ist  sogar  die 
sog,  colonialvignette  angewendet,  das  Vorhandensein  dieser  orte  und 
straszen  auf  der  tab.  P.  und  bei  dem  kosmographen  beweist  schon 
schlagend,  dasz  man  die  itiuerarkarte  als  reisekarte,  für  Italien  wenig- 
stens, nicht  benutzt  hat:  denn  in  diesem  falle  wären  jene  irreführen- 
den namen  und  straszen  gewis  aus  der  karte  ebenso  ausgemerzt 
worden,  wie  dies  im  itin.  Ant.  geschehen  ist.' 

"  denen,  welche  die  herkunft  des  wegeneUes  auf  der  tab.  P.  von 
der  weitkarte  des  Angustus  leugnen,  hnben  diese  drei  namen  scliwierig- 
keitea  bereitet,  und  nie  haben  thr  vorkoDomen  auf  befriedigende  weise 
noch  nicht  erklären  können.  F'hillppi  meinte  (no.  s.  22  aum.),  die  kferte 
aei  im  zweiten  jh.  entstanden,  und  ihr  Urheber  hnbe  immer  das  neueste 
roateriül  (^novlsBima  quaeque  quae  de  vViß  comperisaet^)  xu  benntzen 
gesucht,  aber  ''illuin  nihilo  tarnen  aetius  viaa  oppida  Veaaiii  obmta 
cineribns  Pompeios,  Herculanum,  6tftbiAs  cum  Neapoli  coniungentes 
dcpiuxiaHe  te^timonio  eat  novisaima  qujie  inveniret  saepe  ipso  vetuatiora 
fuiasej  sod  non  confirmant  haec  oppida  tnbnlam  ante  annum  79  com- 
positHm  ©aee.'  aollte  wohl  Phtlippi  aclhst  aich  von  dieser  erklaruog  be- 
friedigt gefühlt  babeu?  KMilter  (einleitender  text  xur  tab.  P.  a,  74) 
aagt  dag^egen:  ^ea  fehlt  tbatfiUchlich  uteht  an  anachroniamen,  welche 
man  oft  als  beweise  für  eine  frühere  entatebnngaseit  angeführt  h&i, 
als  solche  nennen  wir  suersi  Pompeji,  Hercultintim  und  Stabitte  (IV  4/'5); 
diese  hat  Castorius  offenbar  mit  wissen  aufgenommen  und  das  erstere 
als  colonie  beieichnet;  man  könnte  fragten,  ob  nicht  über  den  ▼er- 
schütteten Städten  neue  wohnsitEe  sich  jrebildet  haben'  usw.  —  JN8ee* 
frieü  aber  (oberbayr*  archiv  bd,  XLVI  s.  189)  hiilt  es  sogar  für  sieher«  das« 
die  drei  namen  nicht  die  alten  ^  im  j.  79  verschütteten  Städte,  sondern  | 
spliter  neu  erbaute  orte  bezeichnen;  er  hat  nemlich  aus  Snetonins  (Titus 
c.  8)  kühn  berausifeleaen,  die  siüdte  «eien  durch  Titas  wieder  aufgebaut 
worden,  andere  werden  dies  freilich  bei  Suetoniua  vergeblich  suchen.  — 
Aber  der  merkwiirdif^ste,  von  diesen  drei  forachern  gar  nicht  beaehtete 
umstund  ist  hier  überhaupt  nicht  das  vorkommen  der  orte  auf  der 
tab.  P.  und  bei  dem  kosmographen ^  aondern  ihr  fehlen  im  itin.  Ant. 
da  das  it^n.  Ant,  mit  den  beiden  karten  eng  verwanrft,  aber  jedenfalls 
später  als  die  origricmlkarte  entatanden  ist  (man  schreibt  ea  dem  vierten 
jh.    £u)|   so   kiiun   dtc^üd  fehlen  nnr  d<irch  ub«iebtliche  au^mertnug  der 


ESchweder :  über  urspruDg  u.  ältere  form  der  Peutingerschen  tafel.    493 

Man  reiste  femer  schon  im  altertum  nicht  blosz  zu  lande ,  son- 
dern auch  zur  see,  und  die  meere  mit  ihren  inseln  sind  auf  der  karte 
dargestellt,  warum  fehlt  denn  nun  die  angäbe  der  seewege  auf  der 
karte  durchweg?  dasz  diese  angaben,  zumal  für  das  mittelländische 
meer,  dem  reisenden  unentbehrlich  waren,  ist  schon  an  sich  klar, 
und  es  wird  dies  auch  durch  das  itin.  Ant.  bewiesen,  welches  nicht 
nur  in  einem  zweiten  teile  die  seewege  besonders  angibt,  sondern 
auch  schon  im  ersten  teile  die  Überfahrten  über  meeresteile  von 
wichtigen  hafenplätzen  aus  vielfach  berücksichtigt  (vgl.  itin.  Ant. 
W.  s.  9.  126.  139.  272.  317.  323.  329.  333.  364).  sollte  da  nicht 
eine  tiefgehende  Verschiedenheit  beider  werke  hinsichtlich  ihres 
Zweckes  sichtbar  werden?   wir  meinen  doch. 

Aber  vielleicht  erinnert  hier  jemand,  der  sich  die  tab.  P.  genauer 
angesehen  hat,  es  sei  ja  auch  auf  ihr  wenigstens  6in  rest  eines  See- 
weges vorhanden,  die  darstellung  der  Peloponnesus  (VIII 1  Miller) 
hat  die  Zeichnung  des  messenischen  meerbusens  erhalten,  und  in 
diesem  meerbusen  steht  geschrieben  traiedus  stadiorum  CC.  daraus 
darf  dann  vielleicht  geschlossen  werden,  dasz  das  Urbild  der  tab.  P. 
auch  für  die  übrigen  meerbusen  der  Peloponnesus  ähnliche  angaben 
enthielt,  das  glaube  ich  freilich  selbst,  aber  war  dem  wirklich  so, 
dann  spricht  die  notiz  auf  der  tab.  P.  sehr  bestimmt  gerade  gegen 
den  vorausgesetzten  zweck  der  karte,  denn  unter  dem  traiedus  eines 
meerbusens  kann  an  dieser  stelle  unzweifelhaft  nur  der  geradlinige 
abstand  der  beiden  den  meerbusen  begrenzenden  Vorgebirge  von 
einander  verstanden  werden,  in  diesem  sinne  haben  die  geographen, 
hat  auch  Plinius  (IV  lö — 17)  das  wort  hier  gebraucht,  für  den 
reisenden  dagegen  bezeichnet  traiedus  ^  wie  die  angaben  des  itin. 
Ant.  (W.  8.  139.  272.  317.  323.  333  uam.)  lehren,  stets  die  ent- 
femung  eines  hafenplatzes  von  einem  andern  (über  das  meer  hin), 
die  angäbe  traiedus  stadiorum  CC  kann  daher  nur  für  den  geo- 
graphen, oder  etwa  noch  für  den  Schiffer  bestimmt  gewesen  sein, 
und  da  doch  die  karte  ursprünglich  unmöglich  eine  schifferkarte  ge- 
wesen sein  kann ,  so  musz  sie  wohl  als  eine  rein  geographische  an« 
gesehen  werden. 


namen  erklärt  werden,  die  namen  bezeichnen  daher  nicht  neu  ent- 
standene, sondern  die  alten  städte.  wie  aber  sollen  nan  60  oder 
70  jähre  nach  dem  untertrang  der  städte  (so  nach  Philippi),  oder  gar 
mehrere  jahrhanderte  später  (nach  Miller  und  Desjardins]  diese  orte 
mit  ihren  wegen  in  die  karte  hinein  gekommen  sein?  soll  etwa  der 
Urheber  der  karte,  welcher  doch  nach  Philippi  eine  karte  zu  prak- 
tischem gebrauch  zeichnete  und  deshalb  nicht  existierende  städte  nicht 
aufnehmen  durfte,  wirklich  nichts  von  dem  untergange  der  drei  städte 
erfahren  haben?  die  tab.  P.  erregt  durch  ihren  reichtum  an  orts-  und 
entfernungsan gaben  erstannen  und  bewunderung,  und  das  exemplar  des 
kosmographen  enthielt  noch  viel  mehr  solcher  angaben,  der  Urheber 
der  originalkarte  müste  aber,  wenn  Philippi  recht  hätte,  ungewöhnlich 
unwissend  gewesen  sein,  aber  wer  möchte  wohl  einem  solchen  Igno- 
ranten die  herstellung  dieser  groszen  und  bewunderungswürdigen  karte 
zuschreiben? 


494    ESchweder:  Über  arapriing  u.  ältere  form  der  Peutingerscheo  tAfeU 


Einen  tiefgehenden  unterscbied  zwischen  der  tab.  F.  nnd  dem 
itin.  Änt.  begründet  ferner  der  umstand,  daaz  letzteres  sich  auf  die 
wege  des  römischen  reiches  beschränkt ,  jene  aber  das  straszennetz 
des  ganzen  den  alten  bekannten  orhis  terrarum  darstellen  will,  auch 
hieraus  ist  zu  schlieszen,  dasz  wohl  das  itin.  Ant.  praktischen  zwecken 
gedient  hat,  nicht  aber  die  karte. 

Aber  nicht  einmal  fflr  das  gebiet  des  römischen  reiches  ist  daa 
itin*  Ant.  vollstiindig,  die  der  ausgäbe  von  Parthey  und  Pinder  bei- 
gegebeBB  tlbersichts karte  der  straszenzüge  weist  für  einige  länder 
grosze  iQcken  auf.  die  Peloponnesus  und  Greta  haben  keine  straszen- 
züge,  der  westliche  teil  Kleinasiens^  die  BalköBhalbinself  das  mittlere 
Gallit^n  enthalten  wenige  j^traszen*  aber  zugleich  sieht  man  doch, 
dasz  auch  in  solchen  ländern  haupt Verkehrslinien  nicht  fehlen,  der 
wichtige  straszenzug  von  Konstantinopel  quer  durch  Kleinasien  ißt 
vorhanden,  und  zwar  besser  erbalten  als  in  der  tab.  F.,  ebenso  die 
wichtigen  Verkehrslinien  von  Konstantinopel  nach  westen  (wo  die 
tab,  P.  wieder  eine  unvollkommene  und  zerrüttete  darstellung 
zeigt '^)  und  nach  nordwesten,  ebenso  die  wichtige,  längs  der  küste  deij 
Mittelmeeres  von  Oberitalien  durch  Gallien  nach  Spanien  führend»^ 
strasze.  auch  diese  erscheinung  bekundet  bestimmt  die  rücksicht- 
nähme  auf  den  praktischen  gebrauch  d&r  scbrift.  es  erschien  zu  am- 
ständlich,  für  praktischen  gebrauch  in  nicht  sehr  verkehiTeicbeii  i 
gegenden  daa  vollständige  straszennetz  aufzuschreiben,  man  hätte 
davon  wenig  nutzen,  aber  verhfiltnismftszig  viele  mühe  gehabt,  daher 
begnügte  man  sich  oft  für  solche  gegenden  nur  die  vielbenutzten 
hauptstraszen  aufzuschreiben,  die  tab.  F.  kennt  diese  rücksicht 
nicht:  sie  verzeichnet  mit  gleicher  treue  und  gleicher  Umständlich- 
keit die  wege,  mochten  diese  viel  oder  wenig  begangen  sein,  das 
schärfste  auge  wird  auf  der  karte  nicht  eine  einzige 
bevorzugung  stärker  benntzter  gtraszenzüge  vor  den 
Übrigen  entdecken,  schon  im  vorigen  jh.  bemerkte  ein  treff- 
licher forscher  (JBHeyrenbach:  anmerkungen  über  die  Peutingersche 
tafel  8.  7):  *man  musz  der  Pentingerschen  tafel  zum  lobe  nach- 
sagen, dasz  die  topographie  in  allen  den  l&ndem,  die  sie  uns  vor- 
stellt, gleich  stark  besetzt  ist/   dem  iün.  Ant.  gegenüber  erscheint 

*"  swischen  Lignido  nnd  Nicea  ist  die  wegolrme  unterbrocheo :  hier 
fehlen  «fine  oder  scwei  Dtationen.  auf  der  wegetinie  hinter  Lignido  steht 
die  zfthl  XV i t  während  doch  Nicta^  welchem  nach  der  karte  wie  nach 
dem  itin.  Ant.  XI  m.  p.  von  Beraclea  Lynei  entfernt  Ug^  mehr  «Is 
XV'l  m,  p,  von  Lignido  {Lgcknidu»)  entfernt  gewesen  sein  inuss.  auf 
der  karte  dei  Rav.  kosm.  scheinen  zwischen  LyehMdu$  nnd  yirea  dio 
Stationen  ad  fine*  und  praesidium  gelegen  zu  haben«  weiterhin  führt 
ftttf  der  karte  der  weg  von  Syraceile  nach  Byrne  fäUchlich  über  Zor~ 
lanii^  CöUa  and  Atmo*  (ebenso  anch  beim  Kav.  kosm.};  zwischen  Apriä 
tmd  Perinthus  fehlt  auf  der  tab.  P.  wie  beim  Rav.  kosm,  di*»  «i'i. ♦■''*? 
Station  Retistos^  und  zwischen  Perinihu»  und  ConMimUinap&iis 
wei^elinie  gans;  doch  verraten  die  den  iftattonen  ad  ttatüof,  M  f 

und  Reffio   beigesehrieheneQ   sableii,    duz  hier  de?  weg  urspriingUch 
gezeichnet  war. 


ESchweder :  über  urspniDg  u.  ältere  form  der  Peutingerechen  tafel.    495 

dieser  ausspruch  berechtigt,  wenn  schon  in  den  meisten  ländern 
Asiens,  besonders  da  wo  die  karte  wegen  ihrer  bandform  zur  Unter- 
bringung aller  straszenzüge  nicht  genügend  räum  bot,  viele  Stationen, 
ja  sogar  straszenzOge  ausgefallen  sind ,  die  auf  der  ganz  anders  ge- 
formten itinerarkarte  des  kosmographen  von  Ravenna  noch  vor- 
handen waren,  auch  hieraus  ist  zu  schlieszen,  dasz  die  tab.  P.  und 
ihre  Vorbilder  nicht  zu  praktischem  gebrauch  gedient  haben. 

Wer  noch  ohne  Voreingenommenheit  der  tab.  P.  gegenüber- 
steht, wird  hiernach  wohl  anerkennen,  dasz  man  von  dem  zwecke 
des  itin.  Ant.  nicht  auf  den  zweck  der  karte  schlieszen  dürfe. " 

Die  tab.  P.  enthält  vieles  was  in  eine  blosze  straszenkarte ,  die 
zu  praktischem  gebrauch  bestimmt  war,  nicht  hineingehört,  sie  ver- 
zeichnet die  gebirge,  was  die  heutigen  straszenkarten  gewöhnlich 
nicht  thun.  dasz  sie  viele  inseln  enthält,  möchte  man  sich  gefallen 
lassen,  wären  es  nur  gröszere  inseln.  aber  auch  die  kleinsten  inseln, 
zuweilen  winzige  felsklippen,  sind  verzeichnet  und  benannt,  wie 
etwa  neben  Sardinien  (III  5  Miller)  ins.  Boaris,  ins.  Bovenna^  ins, 
Bertula  (vgl.  kosm.  Rav.  V  25  ins.  Boaris,  Bohenia^  Pertum)^  heute 
die  winzig  kleinen  unbewohnten  inseln  ü  TorOy  la  Vacca  und  Vitello. 
die  karte  enthält  ferner  viele  namen  von  Völkern,  provinzen  und 
landschaften,  und  zwar,  innerhalb  der  grenzen  des  Augusteischen 
reichsgebiets,  gewöhnlich  namen  einer  sehr  alten,  etwa  der  Augusti- 
schen zeit.  Philippi  fühlte  wohl,  dasz  das  vorkommen  vieler  solcher 
namen  mit  dem  behaupteten  praktischen  zweck  der  karte  schlecht 
verträglich  sei;  er  meinte  (ao.  s.  12):  ^pictorem  viarum  tractus  ante 
omnia  depingentem  ea  sola  membranae  spatia,  quae  non  a  viarum 
lineis  occupata  essent,  nominibus  figurisve  montium,  fluviorum, 
gentium,  provinciarum  implevisse  apparet,  neque  enim  certa  ratione 
procedens,  sed  fortuito  eligens  res  illas  addidit,  omittens  maiora 
minora  adiciens.'  wir  müssen  diese  ansieht  gänzlich  bestreiten, 
wäre  sie  richtig,  so  würden  gewis  da,  wo  das  straszennetz  reich  ent- 


**  ein  ausgezeichneter  forscher  bemerkt:  Titineraire  d* Antonin  est 
un  recaeil  de  routes  choisies  nUndiquant  en  g^n^ral  que  les  gites 
d^^tapes,  les  «mansiones»  que  le  voyageur  rencontrait  au  boat  de  la 
journee  de  marche.  11  omet  an  certain  nombre  de  routes  importantes 
et  passe  sous  silence  la  plupart  des  stations  interm^diaires  (mutationes). 
on  peut  le  considerer  comme  un  livret  de  postes,  muet  sar  certaines 
parties  du  reseau  .  .  la  table  de  Peutinger  est  con^ue  k  an  toat  aatre 
point  de  vue.  eile  est  avant  toat  an  «itinerariam  pictam>,  one  carte 
descriptive  en  meme  temps  qu'ane  carte  roati^re.  eile  trace  le  reseau 
gdneral  des  routes  militaires,  eile  nomme  toutes  les  stations  ^che- 
lonn^es  sar  la  m^me  voie,  eile  Signale  les  temples,  les  thermes,  les 
entrepdts,  eile  dessine  les  principaax  accidents  du  terrain,  montagnes, 
fleuves,  lacs,  sinuosit^s  da  littoral,  eile  indique  enfin  an  certain  nombre 
de  divisions  politiqaes  ou  ethnographiques.  ce  n*est  plus  un  simple 
recaeil  dUtindraires,  c^est  une  v^ritable  carte,  reproduisant  uussi  fidMe- 
ment  que  le  permet  le  Systeme  de  projection  qu'elle  adopte,  la  con- 
figaration  et  le  detail  topographiqae  du  terrain.'  ChTissot  gdogr.  comp, 
de  la  prov.  Romaine  d^Afrique  II  s.  51. 


496    ESchweder:  üLer  Ursprung  u,  ältere  form  der  PeutiugerscbeQ  tafeU 


wickelt  war,  die  namen  und  bilder  der  berge  und  fiüsse,  die  namen 
der  Völker  und  provinzen  am  seltensten  eingescbrieben  sein;  aber 
die  namen  von  volksstämmen,  provinzen  und  landscbaften  treten 
zuweilen  gerade  da  am  häuBgsten  auf,  wo  das  straszennetz  beäonders 
engmaschig  ist  und  wo  es  ohnehin  an  räum  für  die  Unterbringung 
der  zahlreichen,  Bicb  vielfach  kreuzenden  straszenzüge  und  ihrer 
Ortsnamen  gebricht»  wie  in  Italien  und  Gallien,  was  sollten  denn 
auf  einer  bloszen  straszenkarte  die  namen  Britthis  {ager)^  Calahria^ 
Saleniinii  Luccania,  Capania^  Apulia^  Mauruceni^  Picenum,  Eimra, 
Tuscif  Sengauni^  regio  Traspa(dana)^  Tnimpli,  Xnsuhres  (zweimal), 
Mesiates,  Cenomani^  Veliate^  Liguria^  Tauriani^  Nahumi^  NarUuanii 
Bagitenni,  CoHi  regnum^  Mauraci^  Caturiges^  SeUeri^  Cavares,  Bo- 
cmüüy  G^^eilüy  BUurigeSy  Mediomatrici  und  ähnliche;  namen  die,  so* 
weit  sie  Überhaupt  sonst  nachweisbar  sind,  ein  hohes  alter  verraten 
und  deshalb  auch  die  annähme  späterer  hinzufUgung  ganz  unwahr- 
scheinlich machen?  diese  namen  tragen  eine  politisch -historiäcbe 
f^rbung,  dem  behaupteten  praktischen  zweck  der  karte  wider- 
sprechen sie  durchftue,  weisen  vielmehr  auf  den  schon  ursprünglich 
geographischen  cbarakter  der  karte  hin*  —  Wir  müssen  ferner  in 
abrede  stellen ,  dasz  es  dem  Zeichner  der  tab.  P.  besonders  auf  das 
straszennetz  angekommen  sei,  dasz  er  dasselbe  zuerst  gezeichnet 
habe,  dasz  die  bilder  und  namen  der  gebirge  und  ÜÜsse  der  Zeich- 
nung des  straszennetzes  untergeordnet,  und  dasz  sie  in  die  maschen 
des  schon  gezeichneten  straszennetzes,  etwa  um  letzteres  angemessen 
auszufüllen,  eingetragen  seien,  vielmehr  hatten  zweifellos  gebirge 
und  fiüsse  für  den  Zeichner  selbständigen  wert  und  waren  ihm  nichts 
weniger  als  untergeordnete,  nebensächliche  elemente  des  karten- 
büdes;  das  lehrt  nicht  blosz  die  grösze  und  grosze  zahl  dieser  dinge, 
sondern  auch  der  umstand ,  dasz  gebirge  und  ÜÜsse  mit  einander  in 
engem  zusammenhange  stehen,  insofern  auf  der  karte  die  flüsse  fast 
immer  auf  den  geblrgen  entspringen,  endlich  aber  und  am  bestimm- 
testen der  fernere  umstand,  dasz  den  fiüssen,  selbst  den  kleinsten, 
gewöhnlich  die  namen  —  urt^prüngHch  wohl  immer  neben  der  flusz- 
quelle  —  beigeschrieben  sind,  sicher  würden  auf  einer  bloszen 
straszenkarte  die  namen  kleinster  flüsse  und  inseln  fehlen,  die  an- 
eicht ^  der  Zeichner  der  originalkarte  habe  planlos  und  aufs  gerate- 
wohl  gebirge  und  flüsse  in  die  maschen  des  straszennetzes  ein- 
getragen, oft  gröszere,  wichtigere  objecte  ausgelassen  und  nach 
Willkür  kleinere,  unwichtigere  eingezeichnet,  beruht  nur  auf  dem 
välligen  verkennen  der  auf  der  oft  copiertan  karte  im  laufe  von 
mehr  als  tausend  jähren  mit  notwendigkeit  eingetretenen  grossen 
Zerrüttung,  das  straszennetz  ist  nicht  besser  erhalten  als  gebirge 
und  fiüsse;  weshalb  aber  wird  von  dem  kläglichen  zustande  des 
straszennetzes  auf  der  tab.  P,  so  wenig  gesprochen  ?  sicher  wird  die 
darstellung  der  inseln,  gebirge  und  fiüsse  auf  der  karte  im  laufe  der 
zeit  ebenso  sehr  gelitten  haben  wie  diejenige  der  wege;  die«  be- 
weist schon  der  umstand,  dasz  auf  der  itinerarkarte  des  kosmo- 


ESchweder:  über  urspruDg  u.  ältere  form  der  Peutingerschen  tafel.    497 

graphen  von  Bavenna  Inseln  und  flüsse  viel  zahlreicher  ^'  und  ebenso 
das  straszennetz  und  seine  Stationen  viel  besser  erhalten  waren  als 
auf  der  tab.  P.  daher  wird  auch  die  darstellung  der  flüsse  ursprüng- 
lich ebenso  vollkommen*'  gewesen  sein  wie  diejenige  des  straszen- 
netzes.  die  karte  wird  in  jeder  hinsieht  gleichmäszig  und  stark  ge- 
litten haben:  denn  wenn  sie  im  classischen  altertum  entstanden  ist, 
wenn  sie  durch  die  Jahrhunderte  des  tiefsten  Verfalls  der  Wissen- 
schaften im  mittelalter  sich  fortpflanzte ,  vielleicht  während  dieser 
zeit  öfter  copiert  wurde,  schlieszlich  aber  als  eine  copie  aus  dem 
dreizehnten  jh.  vor  uns  auftaucht,  so  kann  sie  in  ihrer  gegenwärtigen 
gestalt  wohl  nichts  anders  sein  als  ein  'nur  zu  stark  entstelltes  excerpt' 
(HKiepert  in  den  her.  über  d.  verh.  der  Berl.  akad.  1884  s.  51)  der 
originalkarte,  wir  können  zwar  aus  der  art  und  weise,  wie  die  tab.  P. 
hergestellt  ist,  noch  nicht  sicher  auf  die  herstellungsart  und  be- 
scbaffenheit  des  Urbildes  schlieszen,  doch  so  viel  darf  behauptet  wer- 
den, dasz  auf  unserer  tab.  P.  nicht  das  straszennetz  zuerst  gezeichnet 
ist,  sondern  die  gröszern  gebirge.  die  gleichmäszige  richtung,  die 
der  Zeichner  dem  Taurus,  den  Apenninen,  den  Alpen  gegeben  hat, 
verrät  nirgends  das  bestreben  etwa  schon  vorhandenen  straszen- 
zügen  aus  dem  wege  zu  gehen ;  dagegen  sieht  man  mehr  als  Einmal 
recht  deutlich  an  der  art  und  weise,  wie  die  straszen  in  krümmungen 
oder  in  absätzen  über  diese  gebirge  geführt  sind  ",  dasz  die  gebirge 
schon  gezeichnet  waren,  als  das  straszennetz  eingetragen  wurde,  ob 
auf  der  tab.  P.  die  flüsse  früher  gezeichnet  sind  oder  die  wege,  ist 


^'  die  gebirge  seiner  karte  zählt  der  kosmograph  nicht  auf;  daraus 
ist  zu  schlieszen,  dasz  dieselben  dort  ebenso  wie  auf  der  tab.  P.  und 
auf  der  karte  des  Julias  Honorins  in  der  regel  keine  namen  trugen, 
von  Aussen  nennt  der  kosmograph  nach  der  karte  etwa  300;  eine  be- 
deutende zahl  auf  der  karte  vorhandener  namen  wird  er  nicht  genannt 
haben,  zb.  alle  flüsse  der  Westseite  Italiens,  viele  auf  seiner  karte 
gezeichnete  flüsse  werden  die  namen  nicht  mehr  bewahrt  haben,  wie 
dies  aach  auf  der  tab.  P.  der  fall  ist.  —  Inseln  nennt  der  kosmograph 
aus  der  itinerarkarte  etwa  260,  während  die  tab.  P.  nur  etwa  120  be- 
nannte inseln  erhalten  hat.  ^^  die  karte  des  kQsmographen  gieng 
nach  Müllenhoff  auf  eine  im  fünften  jh.  vorgenommene  Überarbeitung 
einer  altern  karte  zurück,  und  auf  ihr  waren  winzig  kleine  inseln  ver- 
zeichnet und  benannt,  während  wieder  gröszere  und  wichtige  (zb.  Euboea) 
fehlten,  wir  dürfen  aber  daraus  schlieszen,  dasz  das  urbild  eine  er- 
.  Btaunlich  grosze  zahl  von  inseln  enthielt,  von  denen  nur  die  wenigsten 
erhalten  sind,  einen  ähnlichen  eindruck  empfangen  wir  aus  der  be- 
trachtung  der  flüsse.  die  tab.  P.  hat  für  Italien  nicht  wenige  flüsse 
erhalten  (freilich  oft  ohne  die  namen),  die  etwa  ^ine  bis  drei  deutsche 
meilen  lang  waren,  die  originalkarte  wird  daher  für  Italien  allein 
wohl  über  400  flüsse,  im  ganzen  aber  vielleicht  2000  benannte  flüsse 
enthalten  haben  (vgl.  Jahrb.  1892  s.  118  fif.).  eine  karte  mit  tausenden 
von  kleinen  inseln  und  Aussen  wird  aber  etwas  anderes  gewesen  sein 
als  eine  blosze  straszenkarte.  ^*  vgl.  die  straszen  von  tn  a/pe  Co^/ia  — 
Gadaone  (III  3),  in  alpe  Grata  —  Ariolica  (III  3),  in  summo  Pennino  — • 
Eudracinum  (III  4),  Brigantio  —  Clunia  (III  5),  Avodiaco  —  Coveliacas 
(IV  2)^  ad  calem  —  ad  ensem  (V  2),  in  Cilissa  —  Comana  Capadocia 
(X  4),  Saba  —  Dascusa  (XI  1)  und  ähnliche. 

Jahrb&cher  für  class.  philol.  1893  hfl.  7.  32 


498    EScli weder:  über  ursprang  u.  ältere  form  der  PeutingerBchen  t&feL 

freilich  nicht  sicher  zu  entscheiden,  doch  ist  die  Zeichnung  der  wege- 
linie  von  Diotaei  nach  Berta  (XI  3  Miller)  offenbar  von  der  Zeich- 
nung des  Sumpfes  neben  dem  Euphrat  abhängig  und  später  als 
letztere  erfolgt,  und  ebenso  scheint  der  Orontes  früher  gezeichnet 
zu  sein  als  das  bild  der  stadt  Antiochia  (X  Vs)^  woselbst  einige 
pfeiler  der  Wasserleitung  nur  wegen  der  schon  vorhandenen  flusz- 
zeicbnong  unvollständig  geblieben  sind,  eine  abhängigkeit  der  flusz- 
zeichnung  von  dem  Wegenetze  kann  in  keinem  falle  nachgewiesen 
werden.  —  Nachdem  gebirge,  fiüsse  und  wege  (letztere  nebst  den 
Städtebilde rn)  gezeichnet  waren,  wurden  die  namen  eingeschrieben; 
es  ist  aber  nicht  zu  entscheiden,  ob  dabei  einzelne  kategorien  von 
namen  vor  andern  eingetragen  wurden;  wahrscheinlich  herschte  hier 
keine  feste  regeL  Völker-  und  ländernamen  scheinen  zwar  oft  später 
eingeschrieben  zu  sein  als  die  namen  der  städte ,  aber  zuweilen  ist 
auch  das  gegenteil  der  fall,  so  ist  das  wort  NORICO  frtlher  ein» 
getragen  als  ad  pub  Ucanos  (V  2),  ASIA  früher  als  die  zahl  X  XV 
hinter  Pergamo  (IX  4)  und  als  PeUa  (X  1),  GALATIA  früher  als 
Nitaio  (IX  5).  ob  die  namen  der  Süsse  früher  oder  später  ge* 
schrieben  seien  als  die  der  städte,  läszt  sich  nicht  entscheiden,  dasz 
aber  die  Zeichnung  der  flüsse  überall  ausgeführt  war,  als  ^ie  städte- 
namen  des  Wegenetzes  eingetragen  wnrden,  llesze  sich  an  sehr  zahl- 
reichen beispielen  erweisen- 

Die  tab*  P,  enthält  femer  hunderte  von  Vignetten"  in  groszer 
manigfaltigkeit;  gebirge,  meere  und  flüase  sind  in  färben  dargestellt, 
überhaupt  hat  sie  reichen  färben  seh  muck,  «die  colorierten  dar  Stel- 
lungen verraten  auch,  wie  wohl  allgemein  anerkannt  wird,  ein  hohes 
alter,  aber  solche  dinge  gehören  wieder  nicht  in  die  wegekarte  zu 
praktischem  gebrauch  hinein,  oben  (s.  494)  wurde  schon  darauf 
hingewiesen,  dasz  derjenige,  welcher  für  reisegebrauch  das  itin,  Ant. 
achrieb,  bei  vielen  ländem  die  mühe  gescheut  hat  sämtliche  wege 
aufzuschreiben,  dasz  er  sich  begnügte  die  hauptstraszen  anzugeben, 
diese  freilich  mit  der  durch  den  zweck  der  sobrift  gebotenen  sorg- 


*^  KMilUr  widmet  in  leiner  einletiang  zur  t«b.  P.  (s.  89—97)  den 
vi  fetten  eioen  besondern  abschnitt,  deshalb  Hillt  e&  auf,  da»s  «r  du« 
wichtigste  hier  nicht  erwähnt,  Dcmlich  den  umstand,  dasz  alle  perspeo- 
tivisch  gezeichneten  ^ebünde  ihre  front  nach  links  (für  den  beschaiier) 
kehren,  daher  sind  nicht  nur  die  bilder  für  Aquileja,  Rarenna,  Thesaa* 
lonice»  Kicomcdia,  Nicaea  und  Ancyra  nicht  ursprünglich^  sondern  attch 
die  Zeichnung  der  tempel  bei  Rom  {ad  sü.  Fetrwn)  und  bei  Antiochi* 
ist  hiernach  ganz  sicher  eine  späte,  ungeschickte  hjnzufägtmg.  —  Di« 
sog.  colonialvignette  soll  wahrscheinlich  nicht  zwei  türme ,  sondern  eis 
doppelthor  darstellen  und  wurde  ursprünglich  ^ewis  nicht  fUr  rdmisehe 
colonien  (sie  kam  schon  ron  anfang  an  auf  der  karte  in  allen  nicht* 
römischen  gebieten  vor,  wu^e  freilich  wohl  schon  im  beg^inn  des 
fünften  jh.  von  dem  unwissenden  scbüler  des  Julius  BoDorius  für  das 
eoloniezeichen  gehalten),  sondern  wahrscheinlich  für  alle  diejenigen 
orte  angewendet,  bei  denen  ein  wej?  sich  teilte.  —  Es  ist  anzunehmen^ 
dass  die  ortsbilder  auf  der  weitkarte  des  kaiaers  Auguatus  den  an f  der 
tab.  P*  erhaltenen  echten  bildern  ziemlich  Ehnlieh  waren* 


ESchweder:  über  ursprang  u.  ältere  form  der  Peutingerschen  tafeL    499 

*falt.  das  bestret)en  alle  unnötige  mühe  zu  sparen,  welches  hierbei 
so  deutlich  hervortritt,  steht  in  auffälligem  gegensatz  zu  der  art  und 
weise  wie  der  Zeichner  der  karte  verfuhr,  dieser  hat  zweifellos  die 
zahlreichen  colorierten  darstellungen  seiner  kartenvorlage  mit  ganz 
besonderm  Wohlgefallen,  mit  unendlicher  mühe,  mit  ausdauerndem 
fleisz  und  mit  möglichster  treue  copiert,  und  von  den  altern  copisten 
der  karte  wird  dasselbe  gelten  dürfen,  eine  allgemein  verbreitete 
wegekarte,  bestimmt  zum  reisegebrauch,  würde  aber,  wie  das.itin. 
Ant.  lehrt,  nicht  mit  so  vielem  ganz  überflüssigen  luxus  ausgestattet 
sein,  wie  die  tab.  P.  ist,  und  wie  nach  dem  eben  bemerkten  schon 
ihre  Vorbilder  gewesen  sein  müssen.  '• 

Nach  dem  vorstehenden  kommen  wir  zu  dem  ergebnis,  zunächst 
dasz  aus  der  im  dreizehnten  jh.  gezeichneten  Peutingerschen  tafel 
nicht  geschlossen  werden  dürfe,  die  Vorbilder  der  karte  hätten  schon 
im  alter  tum  die  form  eines  langen  bandes  oder  Streifens  gehabt, 
sodann  aber  auch^  dasz  unsere  tab.  P.  durchaus  nicht  dafür  spreche, 
die  karte  habe  einst  zu  irgend  einem  praktischen  gebrauch  dienen 
sollen. 

n. 

Unsere  prüfung  der  tab.  P.  hat  bisher  ergeben,  welche  form 
und  welche  bestimmung  dem  antiken  urbilde  der  karte  nicht  zu- 
geschrieben werden  dürfe ;  sie  lieferte  also  nur  ein  negatives  resultat. 
um  nun  aber  auch  positiven  aufschlusz  zu  gewinnen,  müsten  wir 
über  andere,  der  tab.  P.  eng  verwandte,  jedoch  dem  altertum  an- 
gehörende oder  ihm  zeitlich  nahestehende  weitkarten  etwas  be- 
stimmtes zu  ermitteln  suchen,  diese  Untersuchung  würde  zunächst 
die  weitkarten  des  kosmographen  von  Bavenna  und  des  Julius 
Honorius  betreffen,  welche  beide  selbst  zwar  nicht  erhalten  sind, 
deren  inbialt  aber  in  Schriften  zum  teil  vorliegt,  die  Untersuchung 
betreffend  die  karte  des  kosmographen  kann  hier  nicht  mitgeteilt 
werden,  da  sie  umfangreich  ist,  auch  die  Vorlegung  einer  eignen 
gröszem  karte  wünschenswert  macht;  über  die  karte  des  Julius 
Honorius  aber  hat  schon  im  j.  1856  EMüllenhoff  in  der  oben  öfter 
citierten  Kieler  univ.-schriffc  so  treffend  geurteilt  —  namentlich 
richtiger  als  in  neuerer  zeit  WEubitschek  (^kritische  beitrage  zur 
kosmographie  des  Julius  Honorius',  prpgrammabh.  des  gjmn.  von 
Oberhollabrunn  1882  und  1883;  sowie  ^die  erdtafel  des  Julius 

^^  deshalb  kann  ich  auch  Müllenhoff  nicht  beistimmen,  wenn  er 
sagt  (weitkarte  s.  3):  'beide  (die  karte  des  Ray.  kosm.  und  die  tab.  P.) 
gehen  von  derselben  recension  aus,  nur  ist  die  karte  in  der  Peutingeriana, 
offenbar  zam  reisegebranch ,  aus  der  kreisform  in  die  streifenform  ge- 
bracht.' ich  meine  vielmehr:  'offenbar  nicht  zum  reisegebranch.' 
weshalb  oder  wozu  einmal  die  karte  in  die  streifenform  gebracht  ist, 
weisz  ich  zwar  nicht;  aber  da  dieser  Umformung  möglicherweise  ein 
ganz  zufälliger,  unberechenbarer  und  uncontrollierbarer  umstand,  viel- 
leicht eine  laune  eines  copisten  zu  gründe  liegt,  so  scheint  mir  die 
streifenform  der  karte  überhaupt  kein  gegenständ  der  forschung  mehr 


500    KSchweder:  über  urdprnng  u«  ältere  form  der  Peutmgerscheti  tafel. 


Honorius*  in  den  Wiener  Studien  VII  von  1885)  —  dasz  es  fär  diese 
karte  nur  noob  6iner  bemerkung  (s*  unten)  bedürfen  wird,  dagegeal 
feblt  bisber  nocb  eine  erklärung  der  auffallendeoi  in  der  schrift  des' 
Julius  Honorius  entiialtenen  nacbricht  von  einer  zur  zeit  des  Julius 
Caesar  und  des  Octayianus  Augustus  ausgeführten  yermessung  des 
erdkreises.  scbon  mehrmals,  aber  noch  immer  vergeblich  bat  man 
zu  ermitteln  gesucht ,  was  von  dieser  an'gabe  zu  halten  sei ,  was  ihr 
zu  gründe  Hege  und  was  aus  ihr  für  die  tab.  P.  zu  entnehmen  sei, 
dieses  problem  erscheint  mir  wichtig,  und  seine  I5sung  wird  uns, 
wie  ich  glaube ,  direct  zu  dem  Ursprünge  der  tab*  P,  führen- 

Auf  dem  kreisförmigen ,  innern  rande  der  weitkarte  von  Here- 
.  ford  (herausgeg.  von  Jomard  *les  monuments*  de  la  g6ographiö', 
Paris  1861,  und  in  dem  oben  s.  488  genannien  werk  von  Bevan  und 
Pbillot)  sind  die  vier  bimmelsgegenden  und  die  zwölfteilige  Wind- 
rose verzeichnet ,  und  dieser  rand  wird  von  einem  zweiten  äuszem, 
geradlinigen  von  portalähnlicher  form  umgeben*  der  osten  steht 
oben,  in  diesem  äuszern  rande  liest  man  in  verkürzter  fassung  jene 
angäbe  Über  eine  Vermessung  des  ötEhs  itrrarum^  die  sonst  nur  aus 
der  zweiten  und  dritten  recension  der . kosmographie  des  Julius 
Honorius  bekannt  ist.  der  beriebt  lautet  auf  der  karte:  a  lulio 
Caesare  orhis  icrramm  mäiri  cepit>  a  Nkoäoxo  omnis  oriens  dimcn' 
stis  est.  a  Teoäoto  septenlrion  et  occidem  dimemus  est,  a  PolidUo 
tncridiana  pars  dimensa  esi.  diese  angäbe  ist  mit  der  karte  noch 
dadurch  in  beziehnng  gesetzt,  dasz  ihre  einzelnen  abschnitte  über 
den  erdteilen  stehen,  von  denen  sie  handeln,  in  dem  winkel,  links 
unten  zwischen  dem  äuszern,  eckigen  und  dem  innern,  runden  karten- 
rande,  sitzt  auf  einem  tbronsessel  eine  figur,  die  den  kais er  Augustus 
darstellt,  dessen  gewandung  freilich  nichts  römisches  verrät  der 
kalsar  hält  mit  beiden  hünden  vor  sich  eine  schrift,  welche  lautet: 
itc  in  orhem  Universum  et  de  omni  dus  coniinentia  referte  ad  senatum^ 
et  ad  istam  confirmandam  huic  scripto  siffiUum  meum  apposui,  das 
Siegel  hängt  an  einem  breiten  bände  von  der  Urkunde  herab,  es  trfigt  J 
die  insöbrift;  S.  Äugusti  Caesaris  imperatoris.  die  schrift  aber  isft' 
an  drei  männer  gerichtet,  die  vor  dem  kaiser  stehen  und  denen  die 
namen  Nichodoxua^  Theodotus^  Polidiins  beigeschrieben  sind,  un- 
mittelbar über  dem  haupte  des  kaisers  steht  geschrieben:  Lu4Xis  i 
evangdio:  cxiU  edktum  ah  Äugtisto  Caesare  ui  descrihereiur  univer» 
orhis,  man  erkennt  sogleich,  das2  sich  der  bibelspruch  auf  das  kaise 
bild  und  auf  die  zu  diesem  gehörende  schrift,  also  auch  auf  die  veif 
mesäungsangabe  bezieben  solK  wie  sind  nun  aber  der  Vermessung 
bericht,  das  kaiserbild  und  die  bibelatelle  auf  diese  karte  gekommen  1 
soll  etwa  der  vermessungs bericht  aus  der  zweiten  recension  der  schrif 
dos  Julius  Honorius  verkürzt  in  die  karte  übertragen  und  das  übrige 
TOn  dem  Zeichner  der  karte  selbst  hinzugefügt  sein?  wenn  auch  die 
karte  ihrem  inhalt  nach  zu  einer  solchen  Übertragung  des  borichts, 
der,  wie  schon  bemerkt,  auch  mit  der  Zeichnung  der  erdteile  auf  der 
karte  in  beziebung  gesetzt  ist,  keine  Veranlassung  zu  bieten  scheint^ 


ESchweder :  über  ursprtmg  u.  ältere  form  der  Peatmgerschen  tafeL    501 

so  ist  doch  zunächst  eine  solche  Übertragung  nicht  unmöglich,  jedoch 
auch  das  gegenteil  ist  nicht  ausgeschlossen ;  nemlich  dasz  die  bilder 
und  angaben ,  die  wir  heute  auf  der  karte  von  Hereford  sehen ,  aus 
altern  karten  stammen,  dasz  auch  der  vermessungsbericbt  zuerst  auf 
der  karte;  nicht  in  der  schrift  des  Julius  Honorius  sich  befand,  und 
dasz  er  aus  der  karte  in  die  schrift  hinübergenommen  wurde  ebenso 
wie  der  übrige  inhalt  der  schrift.  welche  dieser  beiden  annahmen 
die  richtige  sei,  wird  sich  vielleicht  nicht  mehr  ganz  sicher  feststellen, 
wohl  aber  wird  sich  zeigen  lassen,  dasz  der  Vermessungsbericht,  das 
kaiserbild  und  die  bibelstelle  schon  sehr  früh  auf  den  groszen  Welt- 
karten vorhanden  waren ,  und  dies  wird  von  Wichtigkeit  sein,  ein 
Zeugnis  dafür  liegt  bei  Lambert,  canonicus  von  Saint  Omer,  vor,  " 
der  im  j.  1120  den  über  floridus  schrieb.*^  zwar  sind  die  karten, 
welche  die  manuscripte  des  Uher  floridus  enthalten ,  nur  klein ,  aber 
in  dem  Pariser  codex  (s.  34)  sieht  man  eine  figur  dargestellt  mit 
einer  kröne  auf  dem  haupte ,  einen  degen  (scepter  ?)  in  der  rechten 
band  und  eine  kleine  Weltkugel  mit  der  dreiteilung  des  orbis  in  der 
linken  haltend,  die  figur,  der  kaiser  Augustus,  ist  selbst  von  einem 
kreisförmigen  gürtel,  der  den  ocean  darstellt,  umgeben,  zwei  weitere 
äuszere  kreise  stellen  den  horizont  dar ,  und  zwischen  ihnen  steht 
geschrieben :  exiü  edidum  a  Caesare  Augusto ,  ut  describeretur  uni- 
versiis  orbis,  in  der  ecke  des  blattes,  oben  links  liest  man  Octovianus^ 
rechts  Augustus^  unten  links  Till  Idus  lan^  rechts  lani  clausü 
portas,  Santarem  fand  hierin  eine  hinweisung  auf  das  senatuscon- 
sultum ,  nach  welchem  angeblich  Julius  Caesar  die  Vermessung  des 
römischen  reiches  anordnete,  das  bild  des  kaisers  Augustus  mit  der 
Weltkugel  in  der  band  '^  sei,  meinte  er,  der  darstellung  Koms  auf  der 


^^  yg\,  Wattenbach  Deutschlands  geschichtsqaellen  II ^  s.  122.  Grässe 
allg.  litterärgeschichte  II  3  s.  892.  —  Das  folgende  nach  der  beschrei- 
bung  des  cod.  Par.  suppl.  lat.  10  bis  bei  Sanfarem  'essai'  II  160  f.  — 
Der  in  Wolfenbüttel  befindliche,  von  Ebert  in  Pertz  archiv  VI  5  be- 
schriebene codex  des  Lambertus  aus  dem  12n  jh.  enthält  nach  gütiger 
mitteilang  des  hrn.  oberbibliothekar  OvHeinemann  kein  ähnliches  bild. 

*^  HWuttke  (öerapeum  XIV  232)  gedenkt  einer  antiken  münze,  auf 
welcher  der  kaiser  Augustus,  *die  dreifach  geteilte  Weltkugel  in  der 
band  haltend,  dargestellt  ist.  ich  bin  dem  nicht  weiter  nachgegang^en, 
möchte  aber  daran  erinnern,  dasz  auch  mittelalterliche  Zeugnisse  dem 
Augustus  die  dreiteilung  des  orbis  terrarum  zuschreiben,  so  heiszt  es 
im  eingango  der  divisio  orbis  (bei  ARiese  geogr.  Lat.  min.  s.  15): 
terrarum  orbis  dividitur  tribus  nominibus:  Europa  Asia  Libya  vel  Africa, 
quem  (oder  quod)  divus  Augustus  primus  omnium  per  chorographiam  ostendit, 
und  im  itin.  Ant.  (bei  Parthey  und  Pinder  s.  256,  W.  630)  findet  sich 
ein  Zusatz,  herrührend  von  (dem  falscher)  Annius  von  Viterbo:  divus 
Augustus,  quamvis  totum  orbem  recte  diviserit  ubi  ait:  orbis  totus  dividitur 
in  partes  tris,  Europam  Africam  et  Asiam  usw.  diese  dreiteilung  bild- 
lich darzustellen  waren  die  kleinen  radkarten  des  mittelalters  bestimmt 
(vgl.  GMarinelli  ^dic  erdkunde  bei  den  kirchenvätern',  deutsch  v.  Neu- 
mann, s.  76,  sowie  Bevan  and  Phillot  ao.  introd.  s.  XIV  f.),  deren  einer 
beigeschriebeo  ist  (Bandini  catal.  libr.  mss.  bibl.  Laur.  I  645  nach 
Santarem):  lulius  imperaior  divisit  totum  mundum  particulatim. 


502    E8cliweder:  über  Ursprung  u,  ältere  form  der  Peatingerschen  tafeL 


tab.P.  enÜebni,  während  er  für  die  bibelstelle  auf  den  kosmograpbeii 
von  Eavenna  Verwies,  auch  wir  glauben ,  dasz  sich  hier  wieder  die 
existenz  einer  groszen  weitkarte  herausstellt  —  mag  sie  auch  dem 
Lambertus  selbst  nicht  vorgelegen  haben  —  auf  welcher  der  kaiser 
AugQstus  mit  dem  Vermessungsbericht  in  Verbindung  gebracht  war, 
und  besonders  eng  ist  hier  mit  dem  kaii^erbilde  die  angäbe  des  Lukas 
verbunden,  das  kaiserbild  in  Verbindung  mit  der  bibelstelle  wird 
also  keine  erfindung  des  Zeichners  der  karte  von  Hereford  sein,  dieser 
wird  es  zunächst  aus  der  im  j\  1106  gezeichneten  Weltkarte  des 
Hein  rieb  von  Mainz  haben  ;  Lambert  aber  oder  ein  abs  oh  reiber  des 
über  ftoridus  wird  es  wieder  auf  einer  andern  karte  gesehen  haben; 
das  kaiserbild  in  Verbindung  mit  der  bibelst^lle  wird  also  auf  den 
groszen  weitkarten  des  zwölften  jh.  öfter  vorgekommen  sein,  aber 
wir  glauben  dasz  es  schon  auf  viel  altem  weitkarten  vorhanden  war. 
Der  kosmograph  von  Ravenna  hat  schon  im  ersten  buche  seines 
Werkes  eine  grosze  weltkaitö  benutzt,  und  bie  allein  war  es  die  ihn 
zu  den  betrachtungen  anregte,  in  denen  er  sich  dort  ergeht,  diese 
seine  karte  stimmte  mit  derjenigen  von  Hereford  tunächst  darin 
überein  ^  dasz  der  osten  oben  stand  ^^,  aber  auch  die  vier  himmels- 
gegenden  und  die  zwölf  winde  waren  auf  ihr  verzeichnet,  schon  im 
eingange  seines  werkes  bat  er  sie  vor  äugen;  er  sagt  (I  1):  Ucd  ifl 
India  genUus  non  sim  neque  alitus  in  Scotia  neque  perambukipmm 
Mauritaniam  smul  nee  persa^uiatus  shn  Sq/thiam  aui  per  quadri* 
gines  amhulaverim  fmmdit  attanien  itüelleduali  dodrina  imhui  M%tm 
mundum  diversarumque  geniium  hahitatiotus ,  sicut  in  earum  Kbris 
suh  tmtUorum  imperaiorum  temporihit^  mundus  iste  descriptus  est.  sie 
enim  ait  quidam  phUosophorum  ^Eomani  (am  per  mpieniiam  plurimos 
ampUdentes  quam  mufhcribus  ohkdantcs  seit  armis  deh^dmtes  totum 
mundum  $ihi  suhdUum  muUis  fccerc  iemporibus,*  qucd  ei  ksiatur 
mM  Bundum  Christi  dei  no$tri  evangeUum  dicens  *€xiit  edidum  ab 
Augusto  Caesarc  ui  deseriherdur  universus  orbis/  nach  der  kart4;  be* 
zeichnet  er  India  Scotia  Maurdania  und  Sci^hia  als  die  quadrigif^s 
mundi  (auf  Bavenna  bezogen,  vgl.  diese  jahrb.  1892  s.  115  anm.), 
dann  beruft  er  sich  auf  die  libri  muJtörum  philösophcrum  ^  hinter 
denen  stets  die  karte  steckt ,  und  erinnert  an  die  tcmpora  muU^rum 
imperaiorum  f  was  ihm  wohl  der  anbUck  des  kaiserbitdes  auf  der 
karte  eingibt,  sehr  bestimmt  kennt  er  den  römischen  Ursprung  der 
karte,  da  er  botont  das«  die  Homer  den  erdkreis  erobert  hätten;  er 
iiimt  wohl  an,  dasz  die  Römer  den  erdkreis  bildlich  dargestellt 
haben,  weil  sie  ihn  erobert  haben,  sodann  aber  citiert  er  die  Lukas* 
stelle*  sie  passt  hier  wenig  in  den  Zusammenhang,  da  von  einem 
eenstts  nicht  die  rede  ist ;  gewfs  entnimt  er  also  die  angäbe  der  karte. 


kofinogranbeD   von  , 
bflnalio  Kf 


*'  vgl.  meine  abh,  ^tiber  lU«  Weltkarte  de« 
BaTOnna'  «.  17,  die  karte  von  Hereford  ut  «war  belnalio  kreismad,] 
wKhrend  die  des  kosmographen  eUiptUrb  war«  allein  jene  int,  wie  «cboii.i 
oben  (e.  4S8)  bemerkt  wttrde,  aaeh  einer  karte  reo  ellip Itaehe r  foroi  r 
gexeichoet. 


ESchweder :  über  Ursprung  u.  ältere  form  der  Peutingerschen  tafel.    503 

wir  schlieszen  aber  daraus,  dasz  die  bibelstelle  und  das  zu  ihr  ge- 
hörende kaiserbild  sich  schon  früh  auf  den  groszen  weitkarten  be- 
fanden, und  wenn  die  bibelstelle  die  vermessungsnachricht  zur 
Voraussetzung  hat,  da  sie  diese,  wie  wir  sehen  werden ,  bestätigen 
sollte ,  so  wird  ^ch  die  vermessungsnachricht  schon  auf  der  karte 
des  kosmographen  gestanden  haben. 

Hiernach  scheint  der  Vermessungsbericht  sich  schon  sehr  früh 
auf  den  groszen  weitkarten  befunden  zu  haben,  er  tritt  sonst  be- 
kanntlich zuerst  in  der  zweiten  recension  der  kosmographie  des 
Julius  Honorius  auf,  und  Müllenhoff  hat  vermutet,  er  sei  eine  erfin- 
dung  des  Urhebers  der  zweiten  recension  (Hermes  IX  183).  jeden- 
falls ist  er  nicht  später,  vielleicht  aber  in  einfEUiher  form  schon  frühei; 
sogar  als  die  erste  recension  entstanden.  *^  für  die  zusätze  der  zweiten 
recension  lag  nach  Müllenhoff,  Biese  und  Eubitschek  die  ursprüng- 
liche karte  oder  eine  ihr  ganz  ähnliche  zu  gründe,  es  ist  anzunehmen, 
dasz  damals  der  Zusammenhang  der  karte  mit  der  schrift ,  auf  den 
der  Verfasser  der  Urschrift  in  dem  nachwort  dringt,  noch  bestand 
(bei  Biese  ao.  s.  55  et  ut  haec  ratio  ad  compendia  ista  deducta  in 
nuUum  errorem  ca^ai  . .  hie  l%ber  excerptorum  ah  sphaera  [von  der 
karte]  ne  separetur).  wer  also  auch  den  Vermessungsbericht  erfunden 
—  wenn  man  so  sagen  darf  —  haben  mag,  er  wird  wohl  die  karte 
des  Honorius  oder  eine  copie  derselben  vor  äugen  gehabt  haben ;  die 
frage  ist  nur,  ob  etwa  die  karte  ihn  zur  erfindung  des  berichts  ver- 
anlassen konnte,  um  aber  diese  frage  zu  entscheiden ,  müssen  wir 
zuvor  feststellen,  was  von  dem  kaiserbilde  in  Verbindung  mit  der 
bibelstelle  und  der  Vermessungsangabe  zu  halten  sei,  namentlich  ob 
die  angäbe  glaubwürdig  oder,  wenn  nicht,  wie  sie  entstanden  sei. 

Die  nachricht  von  der  Vermessung  des  orhis  tritt  bekanntlich 


*•*  schon  in  der  ersten  recension  wird  beschrieben  die  continentia 
des  östlichen,  westlichen,  nördlichen  und  südlichen  oceans,  nnd  der 
titel  lautet  da  excerpta  eins  sphaerae  vel  continentia,  das  wort  continentia 
ist  hier  etwas  auffallend  gebraucht,  und  deshalb  verdient  es  beachtung, 
dasz  dasselbq  wort  in  der  Urkunde,  welche  auf  der  karte  von  Hereford 
der  kaiser  Augustns  in  den  bänden  hält,  vorkommt,  und  hier  scheint 
das  wort  besser  an  der  stelle  zu  sein  als  in  der  schrift  und  besonders 
als  im  titel  der  schrift.  daher  glaube  ich,  dasz  schon  der  Verfasser 
des  ursprünglichen  schrifttextes  die  Urkunde  und  das  kaiserbild  auf  der 
karte  vorfand  und  von  hier  das  wort  continentia  entlehnte,  in  dem  titel 
der  ersten  recension  ist  aber  auch  das  wort  eitts  auffallend  und  un- 
gehörig, aber  es  scheint  ebenfalls  aus  der  Urkunde,  und  zwar  zugleich 
mit  dem  wort  continentia^  ohne  viele  Überlegung  herausgenommen  zu 
sein:  denn  in  jener  Urkunde  heiszt  es:  et  de  omni  eius  continentia  referte* 
.  ad  senatum,  hier  ist  eins  ganz  angemessen  gebraucht,  zwar  finden  sich 
diese  worte  fast  gleichlautend  in  der  dritten  recension  am  ende  der 
einleitung  wieder,  aber  von  hier  kann  natürlich  der  Verfasser  der  Ur- 
schrift nichts  entlehnt  haben,  sind  aber  die  ausdrücke  continentia  und 
eins  wirklich  jener  Urkunde  entnommen,  so  musz  auch  die  Vermessungs- 
angabe sich  schon  auf  der  karte  des  Verfassers  der  Urschrift  befunden 
haben,  alsdann  stand  die  angäbe  zuerst  nicht  in  der  schrift  des  Julius 
Honorius,  sondern  auf  seiner  weitkarte. 


504    ESchwederi  über  Ursprung  u.  Ult^re  form  der  Peutingerscheti  tafeL 


erst  in  der  zweiten  recengion  der  echrift  folgen dertnaszen  auf:  a  Iidia 
Caesare  et  M,  Antonio  consulibus  omnis  orhis  peroffratus  est  per  sa- 
pientissimos  et  eltdos  viros  quattuor^  Nicodemo  orientis^  Didpmo  ocd- 
dentalis,  Theodoto  septentrionalis ,  PoUdUo  meridiani  *  .  a  consulihus 
.  ,  oriens  difmnsa  est  et  a  cmisidibus  . .  accidm  pars  dimensa  est  usw. 
in  der  dritten  recension  ist  der  bericht  sejir  erweitert;  nach  einer 
einleitung  heiszt  ea  hier:  ergo  a  lulio  Caesare  et  Marco  Antonio  con- 
sulibus orhis  terrarum  metiri  cepit.  am  acblusse  heiszt  es:  ac  sie 
omnis  orhis  terrae  inira  annos  XXXII  a  dimensorihm  peragratus 
ed  et  de  omni  eius  cantinentia  perlatum  esb  ad  senatum»  man  sieht 
bieraus,  das2  der  bericht  der  karte  von  Hereford  sieb  eng  an  die 
dritte  recension  der  scbrift  anschlieszt,  und  wie  die  jtingere  hss.- 
familie  der  dritten  recension  den  Didjmus,  den  -vermesser  dea 
Westens ,  wegläset  (s.  KPertz  de  cosmographia  Ethici  s.  56  f.)t  ^^ 
thut  dies  auch  die  karte. 

Cb Petersen  (rhein.  mus*  n,  f.  bd.  VIH  178)  bemerkte,  dasz  auch 
Albertus  Magnus  die  Vermessungsnachricht  gekannt  habe,  jedoch  in 
auöftthrlicherer  fassiing  als  wir  sie  bei  Julius  Honorins  lesen.  KPerta 
und  andere  haben  dem  keine  beachtuug  geschenkt,  aber  es  verdiente 
doch  bemerkt  zu  werden,  dasz  der  dem  Albertus  vorliegende  bericht 
sich  enger  an  die  karte  anschlosz  als  der  des  Honorius.  Albertus 
gibt,  wie  mau  wohl  erkennt,  seine  vorläge  sehr  frei  wieder,  aber 
dabei  wird  doch  bestimmt  ersichtlich^  dasz  er>  wie  es  in  der  karte 
von  Hereford  der  fall  ist,  zugleich  mit  dem  vermessung&bericht  auch 
die  bibelstelle  vor  sich  bat,  die  sich  bei  Honorius  nicht  findet,  auch 
kennt  er  nur  drei  vermesser,  wenn  er  auch  gleich  der  karte  von 
Hereford  von  der  Vermessung  der  Yier  partes  habitahiks  spricht»  die 
Vermessung  des  westens,  so  erkllbrt  er  dies,  sei  unn5tig  gewesen: 
occidentaJes  autem  per  Uineraria  sua  scwerunt  Bamani  eo  quod  in 
occidenie  praecipu^  eranl  d&minia  eorum  ei  viae^  man  sieht  hieraiia, 
dasz  er  nur  an  eine  wegeve'rmessung  denkt,  und  dies  ist  wohl 
zu  beachten-  Petersen  weist  auch  darauf  hin(ao.  s.  183),  dasz  Felix 
Malleolus  (Heromerlin)  die  angäbe  des  Lukas,  wie  die  karte  es  thut» 
mit  der  nachricht  von  der  vei^messung  in  Verbindung  bringt,  frei* 
lieh  wird  dieser  Schriftsteller  nicht  gerade  seibist  eine  weitkarte  vor 
sich  gehabt  haben. 

Aber  ungeachtet  aller  späten  Zeugnisse  kann  die  vermessungs- 
nachricht  auf  glaub wtlrdigkt?it  nicht  anspruch  machen,  und  alle 
mdhe,  die  man  sich  gegeben  ihre  Wahrheit  zu  erweisen,  ist  verloren. 
.  GHirscbfeld  (geogr.  jahrb,  v.  1884  s.  407)  meinte,  kein  urleihföhiger 
glaube  wohl  heute  noch  an  die  Vermessung  des  römischen  reiches 
(vgl.  auch  JPartsch  *die  darstellung  Europas  in  dem  geographischen 
werke  des  Ägrippa',  187ii,  s.  75  ff.),  gewis  ist  wenigstens  dasz  die 
nachricht  schwerwiegenden  bedenken  unterliegt. 

Unter  diesen  bedenken  ist  uns  die  confusion  in  den  acahlen* 
angaben  für  die  Zeitdauer  der  vermessungsa^beiten  noch  das  geringste. 
mag  es  immerhin  mCJgUch  sein  diese  confusion  so,  wie  Rttschl  (rhein. 


ESchweder:  über  Ursprung  u.  ältere  form  der  Peutmgerschen  tafeL    505 

BOLUS,  1842  8.  489  f.  =  opusc.  III  7ö2)  es  versuchte ,  oder  auch  an- 
ders, durch  eine  einfache  emendation  der  textzahlen  zu  beseitigen, 
so  wird  doch  dadurch  der  bericht  nicht  glaubwürdiger,  wir  erinnern 
zuerst  an  den  unsinn  einer  Vermessung  des  orhis  terrarum]  niemals 
ist  von  einer  Vermessung  des  römischen  reiches  die  rede,  sodann  aber 
musz  es  gewis  anstosz  erregen,  dasz  die  Vermessungsarbeit  gerade 
nach  den  vier  haupthimmelsrichtungen  geteilt  von  vier  männem 
ausgeführt  sein  soll,  auch  dieser  zug  verrät  die  ungeschickte  er- 
finduDg  einer  späten  zeit,  weiter  aber,  was  soll  überhaupt  unter 
der  Vermessung,  verstanden  werden  ?  diejenigen ,  welche  die  Wahr- 
heit der  nachriebt  verteidigten,  dachten  an  eine  geodätische  landes- 
aufnabme,  allein  sie  unterschätzten  wohl  die  Schwierigkeiten  der- 
selben; im  mittelalter  dachte  man  an  eine  wegeverm essung,  aber  eine 
solche  wäre  unnötig  gewesen,  um  sodann  alles,  was  die  Vermessung 
beweisen  könnte,  in  Zusammenhang  zu  bringen,  hat  man  behauptet, 
die  Vermessung  habe  die  grundlage  der  geographischen  arbeiten 
des  Agrippa  gebildet,  und  die  maszangaben  der  commentarien  des 
Agrippa,  wie  sie  uns  in  der  dimensuratio  provinciarum ,  in  der 
divisio  orhis  und  mehrfach  auch  bei  Plinius  vorliegen,  seien  aus 
dieser  Vermessung  hervorgegangen,  aber  Partsch  hat  ao.  gezeigt, 
dasz  diese  zahlen  auf  andere  weise  gewonnen  worden  sind,  der  um- 
stand endlich,  dasz  die  nachricht  erst  an  der  schwelle  des  fünften 
jh.  auftritt,  als  die  antike  cultur  schon  der  hereinbrechenden  bar- 
barei  zu  erliegen  begann,  dasz  der  berichter statter  unbekannt,  wahr- 
scheinlich aber  ein  mann  von  geringer  bildung  war ,  ist  am  aller- 
wenigsten geeignet  ihre  Wahrheit  zu  verbürgen. 

Ich  halte  also  diesen  Vermessungsbericht  für  unglaubwürdig, 
aber  zugleich  meine  ich  doch,  dasz  ihm  irgend  eine  thatsache  zu 
gründe  liegt :  er  wird  ein  misverständnis  späterer  zeit ,  nicht  aber 
eine  reine  erfindung  aus  dem  nichts  heraus  sein,  wir  jnüssen  aber 
die  umstände,  unter  denen  er  auftritt,  ins  äuge  fassen,  der  schrift 
des  Julius  Uonorius  hat  ihn  der  Urheber  der  zweiten  recension  ah 
einleitung  vorangeschickt,  wer  dies  auch  gethan  hat,  er  musz  dem 
bericht  bedeutung  zugeschrieben  und  das  büchlein  ohne  den  bericht 
für  unvollständig  gehalten  "haben ,  er  musz  also  den  bericht  als  zur 
schrift  gehörig  angesehen  haben,  aber  er  wüste  auch,  dasz  die  schrift 
nur  ein  auszug  aus  einer  groszen  weitkarte  ist:  er  selbst  hat  die 
schrift  durch  neue  dnga\)en  aus  ddr  karte  erweitert,  anderseits  sahen 
wir  auch,  dasz  der  Vermessungsbericht  in  Verbindung  mit  dem  kaiser- 
bilde und  der  bibelstelle  schon  sehr  früh  auf  den  groszen  weitkarten 
vorhanden  war.  daher  weist  alles  daraufhin,  dasz  ursprünglich  eine 
enge  und  wichtige  beziehung  zwischen  dem  Vermessungsbericht  und 
den  römischen  weitkarten  vorhanden  war*^,  und  mit  dieser  erkennt- 

''  der  umstand,  dasz  im  vermessuDgsbericht  die  vier  himmelsgegenden 
in  derselben  Ordnung  auf  einander  folgen  wie  in  der  schrift  des  Honorius, 
scheint  diesen  Zusammenhang  ebenfalls  zu  bezeugen;  doch  möchte  ich 
diesem  umstände  kein  entscheidendes  gewicht  beilegen. 


50?  EScbweder:  über  urspruiig  a.  ältere  form  der  Feutingeraclien  tafel* 

nis  wird  uns  auch  der  weg  zur  deutung  des  vermessungäbericbts 
8cboQ  geebnet  sein  ^  und  die  erkl&rang  scheint  mir  recht  nahe  zu 
liegen*  wie  leicht  mis Verständnisse  gerade  in  unserer  sache  eintraten, 
löszt  sich  an  manchen  beispielen  zeigen,  die  oben  angeführten  worte 
des  Albertus  Magnus  lehren^  dasz  man  im  mittelalter  an  eine  wege- 
Vermessung  dachte;  es  ist  schon  ein  mis Verständnis  der  neuern,  wetm 
ßie  an  eine  vermassung  ganz  anderer  art  ^  an  eine  lande&aufnahme 
glauben,  und  wie  entstand  der  glaube  an  eine  wegevermessung? 
Martianus  Capella  sagt  VI  634:  lon^Uudo  {Gaüiae Narhofiensis)  sicut 
Agrippa  dhnemns  est  CCCCLXX  m,  p,  nicht  als .  ob  er  eine  that- 
gache,  die  er  tiberliefert  gefunden,  weiter  berichtete :  er  fand  in  seiner 
quelle  nur  viele  maszaugaben  des  Agrippa  citiert  und  schlosz  daraus 
irrtümlich  auf  eine  durch  Agrippa  ausgeführte  Vermessung ;  Bitschi 
aber  (ao.  s.  483  <=  746)  schlo^z  hieraus  nun  weiter,  dasz  auch  Agrippa 
an  der  groszen  reichsvermessung  ^beteiligt  gewesen  sei.  etwas  ahn* 
liebes  liegt  beiDicuil  vor;  aus  den  oft  irrtümlich  dem  dichter  Sedulins 
zugeschriebenen  12  versen  der  missi  Theodosii,  die  in  dem  von  DicuÜ 
benutzten  codex  mit  der  dwisto  orhis  verbunden  waren,  schlosz  ent- 
weder Dicuil  oder  (wahrscheinlicher)  sein  gew&hrsmann^  dasz  unter 
dem  kaiser  Theodosius  (1  oder  II?)  eine  verniessujig  der  länder  des 
orbis  terrarum  nach  länge  und  breite  stattgefunden  habe^*,  obwohl 
die  12  verse  selbst  etwas  ganz  anderes,  nemlich  die  anfertigujig  einer 
groszen  weitkarte  berichten,  sobald  dann  später  die  lab*  P,  auf- 
gefunden war,  urteilte  M Weiser,  der  sich  zuerst  ernstlich  mit  ihr 
beschäftigte:  ^chartam  hanc  esse  a  metatore  quopiam  qualiam 
creber  apud  priscos  Romanos  in  castris  usus  (er  verweist  auf  Vegetios 
cpU,  rei  mil.  II  7)  descriptam  et  dirigendis  militiae  itineribus  .  .  ac- 
commodatani,' ^^  noch  lehrreicher  ist  für  unsere  frage  vielleicht  ein 
anderer  fall.  JBHeyrenbach  meint«  ao.  s.  7,  aus  der  gleichmäszig 
gut  durchgeführten  topographie  auf  der  tab»  P,  sei  zu  scblieszen^ 
dasz  das  original  von  einer  auf  hohe  Veranstaltung  durch  die 
ganze  monarchie  vorgenommenen  abmessung  der  römi- 
schen heerstraszen  entsprungen  sei.  wäre  etwa  in  einer  ecke 
der  karte  noch  ein  kaiserbild  and  neben  ihm  der  name  des  Auguatua 
vorhanden  gewesen,  so  würde  Heyrenbach  ohne  zweifei  gesagt 
haben,  diese  Vermessung  aller  römischen  heerstraszen  habe  der 
kaiser  Augustus  ausführen  lassen;  ein  anderer  aber,  welcher  be- 
achtete dasz  die  wege  auch  in  deA  nicb trümischen  gebiet,  im  fernen 
Ostasien  angegeben  sind,  würde  dann  von  einer  Vermessung  des 
orbis  terrarum  durch  den  kaiser  Augustas  gesprochen  haben,  auch 
Mausert  (vorrede  zur  tab.  P.)  glaubte,  das  itinerarium  Antonini  und 
die  tab.  P,  seien  aus  der  römischen  Vermessung  hervorgegangen^  und 
»ein  glaube  an  jene  Vermessung  ist  erst  durch  das  Vorhandensein  der 

'^  bei  Dicuil  (Ltir*  prol.  s.  5)  böÜKl  e«  i  tu  fuifdo  dadm/k  emmo  regni 
imperaiorü  Theodofii  praecepU  iUe  wU  missis  proubteiM»  9rH$  terrae  (n 
iongiiudinem  et  latiiudinem  mensurarL  "  dieio  mUtentmg  tit  entoommeix 
ttua  JGLotter  de  tabula  Peulin^erUß«  ^Leipsig  l7Sf)  ».  Säl 


.ESchweder:  über  Ursprung  u.  ältere  form  der  Peutingerschen  tafel.    507 

tab.  P.  und  des  itin.  Ant.  befestigt  worden,  ebenso  würden  auch  die 
spätem  gelehrten,  Ritschi,  Petersen  uam.,  dem  vermessungsbericht 
allein  schwerlich  glauben  geschenkt  haben,  aber  die  tab.  P.  und  das 
itin.  Ant.  schienen  ihnen  die  annähme  einer  Vermessung  notwendig 
zu  machen,  und  selbst  Müllenhoff  (weitkarte  s.  1)  meinte  im  j«.  1856, 
die  thatsache,  dasz  eine  reichsvermessung  stattgefunden  habe,  werde 
durch  die  weitkarte  bewiesen,  die  der  kaiser  Augustus  herstellen 
liesz.  später  (1875)  hat  Müllenhoff  hierüber  freilich  ganz  anders,  viel 
richtiger  geurteilt,  man  sieht  aber  wohl;  die  angaben  von  einer  reichs- 
oder  Weltvermessung  sprieszen  überall  wie  pilze  hervor,  sobald  nur 
ein  einigermaszen  günstiger  boden  für  sie  vorhanden  ist. 

Wer  sich  nun  diese  beispiele  und  die  ganze  Sachlage  unbefangen 
vergegenwärtigt,  wird  nicht  mehr  im  zweifei  darüber  sein,  wie  der 
vermessungsbericht  entstand :  er  wird  erkennen,  dasz  der  bericht  aufls 
engste  mit  der  itinerarkarte  zusammenhängt,  und  dasz  er  nur  aus 
diesem  gründe  schon  so  früh  auf  den  groszen  weitkarten  erscheint, 
was  sonst  schwer  zu  erklären  wäre,  der  vermessungsbericht 
existierte  nicht,  so  lange  noch  der  Ursprung  der  groszen 
itinerarweltkarten  allgemein  bekannt  war,  er  muste 
sich  aber  mit  notwendigkeit  sogleich  bilden,  als  der 
Ursprung  dieser  karten  in  Vergessenheit  geriet,  dies  ge- 
schah wohl  am  ende  des  vierten  jh.,  als  die  exemplare  der  römi- 
schen itinerarkarte  noch  häufig  waren,  mit  erstaunen  sah  man  dort 
die  vielen  wege-  und  entfemungaangaben ;  ebenso  sehr  wie  heute 
wünschte  man  schon  damals  zu  wissen,  wie  die  karte  entstanden, 
und  besonders  wie  der  Urheber  der  originalkarte  zu  den  Wege-  und 
entfemungsan gaben  gekommen  sei.  man  hatte  hierüber  keine  litte- 
rarischen angaben,  man  blieb  also  auf  die  betrachtung  der  karte  an- 
gewiesen, so  drängte  sich  nun  dem  beschauer  mit  notwendigkeit 
die  ansieht  auf  (wie  es  noch  Heyrenbach  geschah) ,  dasz  die  vielen 
wegeangaben  nur  durch  eine  allgemeine  Vermessung  der  wege  ge- 
wonnen sein  könnten,  die  meinung  aber,  welche  heute  so  viele 
forscher  von  der  tab.  P.  und  ihren  Vorbildern  hegen,  diese  karten 
seien  für  einen  praktischen  zweck ,  nemlich  zum  gebrauch  der  feld- 
herm  oder  (nach  andern)  der  reisenden  bestimmt  gewesen ,  konnte 
sich  damals  nicht  bilden,  ^a  jene  karten  nicht  die  bandform  der 
tab.  P.  hatten,  nun  aber  sah  man  auf  den  karten  auch  ein  kaiser- 
bild  mit  dem  namen  des  Augustus.  dasz  dieser  kaiser  einst  in  Bom 
eine  berühmte  und  wichtige  weitkarte  hatte  herstellen  jlassen,  wüste 
man  nicht  mehr,  doch  muste  wohl  des  bildes  wegen  die  karte  jenem 
kaiser  ihren  Ursprung  verdanken ,  und  da  nun  die  annähme  einer 
Vermessung  notwendig  schien,  so  war  der  schlusz  unvermeidlich, 
dasz  unter  dem  kaiser  Augustus  eine  allgemeine  Vermessung  der 
wege  stattgefunden  habe,  und  dasz  auf  grund  dieser  Vermessung  die 
karte  hergestellt  sei.  doch  bedurfte  und  suchte  man  noch  ein  litte- 
rarisches Zeugnis  für  dieses  factum ,  man  glaubte  es  in  der  angäbe 
des  Lukas  zu  finden ,  die  nun  zur  beglaabigung  der  vermessungs- 


508    ESchweder;  über  Ursprung  u.  ältere  form  der  Peutingeracheii  tafeL 


angäbe  neben  das  kaiserbild  in  die  karte  hineingeschrieben  wurde, 
weil  man  aber  auf  der  karte  die  wege  auch  im  Üuszersten  osten^ 
überhaupt  in  gebieten  die  nie  römisch  gewesen  angegeben  sah,  so 
sprach  man  nicht  von  einer  reichsvermessungi  sondern  von  einer 
Vermessung  des  orhis  ierrarum.  diese  Vermessung  mäste  aber  wohl 
von  vier  männern,  die  das  ganze  gebiet  nach  den  vier  himmeis- 
gegenden  unter  sich  geteilt  hatten ,  ausgeführt  sein :  denn  auf  dem 
rande  der  aus  der  Vermessung  hervorgegangenen  karte  sah  man  ja 
in  besonders  gro^szer  schrift  die  vier  himmelsgegenden  angegeben, 
die  reibenfolge  der  letztem  in  dem  bericht  des  Honorius  entsprach 
der  darstelliing  auf  der  karte;  der  osten  wird  zuerst  genannt,  weil 
er  auf  dieser  karte  oben  stand.'*  so  entstand  der  bericht,  und  zwar 
zuerst  wobl  in  einfacher  form ,  etwa  so  wie  er  noch  heute  auf  der 
karte  von  Hereford  vorliegt,  es  ist  aber  anzunehmen  dasz  er,  sobald 
er  sich  einmal  gebildet  hatte,  beständig  erweitert  wurde  wegen  des 
groszen  Interesses  das  ihm  entgegenkam,  so  wurde  er  bald  mit 
hilfe  spanischer  consularfasten **  weiter  ausgesponnen:  denn  man 
wünschte  nun  die  merkwürdige  tbatsache  der  Vermessung  auch 
genauer  festgestellt  zu  sehen,  ob  der  bericht  zuerst  in  die  karte 
oder  in  die  schrift  des  Honorins  eingetragen  wurde,  ist  nicht  ganz 
sicher  zu  entscheiden,  docb  wabrscheinlicher  ist  das  erstere,  da  er  ja 
zur  karte  geborte,  er  konnte  aber  auch  von  anfang  an  in  die  schrift, 
ja  auch  in  diese  zuerst,  aufgenommen  werden,  so  lange  noch  die 
schrift  mit  der  karte  verbunden  war.  später  muste  dann  der  beriebt 
etwas  modiüciert  werden ,  namentlich  konnte  sich  die  annähme  von 
vier  veritfessern  des  orbis  nicht  allgemein  behaupten,  wohl  war  man 
sich  des  Zusammenhanges  des  berichts  mit  der  karte  noch  bewust, 
aber  man  hatte  doch  eine  künde,  dasz  der  kaiser  Augustus  den  orbis 
terrantm  in  drei  teile  geteilt  habe  (s.  ohen),  man  muste  also  schlieszen, 
da&z  gerade  dieser  kaiser  nicbt  vier,  sondern  nur  drei  vermesser  ans- 
gesandt  baben  könne,  und  als  endlich  mit  dem  nennten  und  zehnten 
jh,  die  kleinen  radkarten  mit  ihrer  dreiteilung  so  häufig  wurden 
(s.  Marinelli  *die  erdkunde  bei  den  kirchenvätem',  deutsch  von  Neu- 
mann, s.  76),  muste  auf  den  karten  wie  in  der  schrift  (in  einer  bas,- 
classe  der  dritten  recension:  s,  KFertz  de  cosmographia  Ethici  r,  5t  f*) 
die  vierteilung  der  dreiteilung  weichen:  unter  oriem  verstand  man 


^*  dieser  schlusc  lle^t  wenigstens  n&be;  er  kann  auch  mcbt  über- 
raschen, da  wir  wiesen ,  dass  die  Weltkarte  des  kosmographen  von  Ra 
venna  ebenso  orientiert  war  daraus  ist  freilich  noch  nichts  sicher« 
für  die  orientierang  der  origioalkarte  des  Augustus  zu  schliesseii,  die 
bleibt  noch  zweifelhaft,  abzuweisen  ist  der  1891  von  AEiter  gemachte, 
auf  Willkür  beruhende  versuch,  auji  der  notitia  äiffmiatum  för  die  weit- 
karte des  Angustn«  eine  stidUebe  Orientierung  abzuleiten.  •-  vgl 
MülleuhoiT  im  Hermes  IX  183  f,  schon  Mullenhoff  hat  an  einen  ur« 
sKchKchen  Zusammenhang  der  weitkarte  mit  der  vermessung^Dachricht 
gedacht,  er  hielt  die  naehricht  Hir  eine  erfindung  des  urhebert  der 
zweiten  recension  der  schrift  des  Julius  Honorius,  ^soweit  nicht  die 
Weltkarte  selbst  zu  einer  aolchen  annähme  nihrte\ 


ESchweder:  über  Ursprung  u.  ältere  form  der  Peutmgerschen  tafel.    509 

nun  Asien,  unter  meridies  Africa^  unter  septentrio  Europa;  aber  die 
vierte  himmelsrichtung ,  occidens,  fiel  aus  oder  wurde  unter  Europa 
mitbegriffen  (weil  Gades  nicht  auf  dem  westpunkt  der  itinerarkarte, 
sondern  wie  bei  dem  kosmographen  von  Bayenna  bedeutend  süd- 
licher lag),  der  name  des  vierten  vermessers,  Didymus,  fiel  aus.  be- 
sonders interessant  und  lehrreich  ist  es,  aus  diesem  späten  Übergang 
der  vierteilung  in  die  dreiteilung  zu  sehen ,  wie  lange  man  noch  im 
mittelalter  sich  des  Zusammenhanges  des  berichts  mit  der  karte, 
sowie  der  bedeutung  und  entstehung  des  berichts  bewust  blieb*'; 
auch  dieser  umstand  bestätigt,  dasz  der  bericht  so  entstanden  ist, 
wie  von  uns  angegeben  wurde. 

Aus  dieser  erklärung  des  Vermessungsberichts  ergeben  sich  nun 
einige  wertvolle  folgerungen  für  die  beschaffenheit  der  groszen 
itinerarweltkarten  im  anfange  des  mittelalters.  diejenige  karte, 
welche  zur  entstehung  des  Vermessungsberichts  anlasz  gab,  musz 
eine  grosze  itinerarkarte  gewesen  sein,  aber  zugleich  auch  eine  karte 
des  orhis  terrarum^  und  ihr  straszennetz  kann  sich  nicht  auf  das 
römische  reich  beschränkt  haben,  da  man  in  diesem  falle  an  eine  Ver- 
messung nur  des  römischen  reiches  gedacht  haben  würde,  die  karte 
kann  auch  nicht  die  band  form  der  tab.  P.  gehabt  haben,  da  man  auf 
grund  einer  solchen  karte  unmöglich  auf  die  annähme  einer  teilung 
des  Vermessungsgebiets  nach  den  vier  himmelsgegenden  verfallen 
wäre,  ebendasselbe  geht  freilich  auch  mit  groszer  evidenz  aus  der 
dars teilung  in  der  schrift  des  Julius  Honorius  hervor,  in  welcher 
die  ratio  quattuor  oceanorum  so  streng  festgehalten  und  dem  leser 
in  der  nachschrift  vom  Verfasser  noch  besonders  empfohlen  wird.-*^ 
die  karte  wird  also  wohl  die  elliptische  form  der  weitkarte  des  kosmo- 
graphen von  Bavenna  gehabt  haben,  auf  den  endpünkten  der  beiden 
kartenachsen  waren  mit  groszer  schrift  die  vier  haupthimmelsrich- 
tungen  verzeichnet,  und  da  im  Vermessungsbericht  wie  in  der  kosmo- 
gi*aphie  des  Honorius  der  osten  vorangestellt  wird,  so  darf  man 
schlieszen,  dasz  auf  dieser  karte  wie  auf  derjenigen  des  kosmo- 
graphen von  Ravenna  der  osten  oben  stand,  obwohl  auch  in  den 
schematisierten  angaben  des  Agrippa  bei  Plinius  (n.  h.  lY  71.  105. 
V  102.  VI  37.  137)  und  bei  den  kleinen  geographen  {dimensio  pro- 
vinciarum  nnd  divisio  orhis)  die  himmelsrichtungen  in  derselben  Ord- 
nung wie  bei  Julius  Honorius  auf  einander  folgen,  endlich  aber 
musz  die  karte  auch  ein  bild  des  kaisers  Augustus  oder  eine  andere 
hinweisung  auf  diesen  kaiser  enthalten  haben,  aus  welcher  man^  ohne 

SB  oben  s.  500  wurde  bemerkt,  dasz  auch  auf  der  karte  von  Here- 
ford  die  Zusammengehörigkeit  des  berichts  und  der  karte  noch  erkenn- 
bar gemacht  ist,  indem  die  einaelnen  abschnitte  des  berichts  über  den 
erdteilen  stehen,  von  denen  sie  handeln,  der  Zeichner  der  karte  wird 
dies  aber  vielleicht  gar  nicht  mehr  beachtet  haben,  er  wird  hier  viel- 
leicht mechanisch  seiner  kartenvorlage  gefolgt  sein,  dasz  der  ver- 
messnngsbericht  in  eine  karte  ohne  wegeverzeichnong  eigentlich  nicht 
hineingehört ,  hat  er  nicht  bemerkt.  "  bei  ABiese  ao.  s.  66 :  quattuor^ 
ut  üerum  dicam,  oceanorum  ratio  non  praetermittenda. 


510    ESchweder:  Über  arepruD^  u.  ältere  form  der  PeatingerBckeu  tnfeU 


den  wahren  ursprang  der  karte  zn  kennen,  bestimmt  schlieszeti 
konnte,  dasz  dieser  kaiser  in  irgend  einer  art  der  u  rbeb  er  der  original - 
karte  sei.  dieser  umstand  ist  für  uns  vielleicht  der  wichtigste:  denn 
er  beweist  dasz  die  grossen  itinerarweltkarten  wirklich  abk5mmlinge 
der  weitkarte  des  Augustus  sind»  worauf  freilich  schon  die  worte  des 
panegyrikers  Eumenius^-  (pro  restaur,  sdiolis  c.  20)  sowie  die  Sach- 
lage** überhaupt  scblieszen  lassen. 

Dtirch  die  nachricht  von  der  Vermessung  des  arlyis  ierrarum 
wird  also  ^  wenn  wir  sie  richtig  gedeutet  haben,  dargetban,  dasz  die 
filtern  itinerarweltkarten  abkömmlinge  der  berühmten  weitkarte  dea 
Augustus  waren ,  und  dasz  sie  im  vierten  jh.  eine  gerundete  form 
hatten^  so  dasz  auf  dem  kartenrande  die  vier  ha  upthi  mm  eis  rieh  tun  gen 
angegeben  sein  konnten,  deshalb  musz  auch  die  Peutingerscbe  tafel, 
das  einzige  uns  erhaltene  exemplar  der  itinerar karte,  aus  einer  ge- 
rundeten form  hervorgegangen  und  gleich  allen  andern  itinerar  karten 
ein  (sehr  entstelltes)  abbild  der  römischen  weitkarte  des  Augustus 
sein,  die  ursprünglich  gerundete  form  der  tab.  P.  hatte  schon 
TbMommsen  (ber.  über  die  verh.  der  sächs.  geg.  der  wiss.  in  Leipzig 
•  1851  8.  101)  behauptet  mit  hinweis  auf  die  runde  itinerarkarte  des 
kosmographen  von  Eavenna,  und  wenn  später  andere  forscher  da- 
gegen einwandten,  der  kosmograph  habe  zwei  karten  benutzt,  im 
ersten  buche  eine  rundkarte  ohne  Wegenetz,  später  eine  itinerarkarte 
von  der  form  der  tab,  P. ,  so  hat  doch  noch  niemand  dafür  aus  der 
Schrift  des  kosmographen  einen  beweis  beibringen  können;  ein  ein* 
gehen  auf  die  angaben  der  kosmograpbie  wtlrde  vielmehr  zu  dem 
zweifellosen  resultat  führen ,  dasz  die  itinerarkarte  des  Eavennaten 
eine  gerundete  form  hatte, 

Müllenhoff,  welcher  fast  überall  sehr  scharfsinnig  und  tretend 
über  die  schrift  und  karte  des  Honorius  urteilte^  ist  doch,  wie  ich 
glaube »  in  einen  groszen  irrtum  verfallen,  indem  er  (weitkarte  1656 
s«  46)  annahm,  in  den  vier  continentien  des  oceans  bei  Julius  Honoriua 
liege  die  Eratostheniscbe  vierteilung  des  arbis  ierrarum  vor,  und 
dieser  irrtum  ist  um  so  mehr  zu  bedauern«  als  später  andere  forscher 
gerade  bei  diesem  punkte  in  seine  fusztapfen  getreten  sind.*^  es  iat 
hier  nicht  der  ort  auf  die  vierteilung  der  karte  des  Julius  Honorioa 
einzugehen,  und  auch  künftig  werde  ich  schwerlich  eine  gelegenheit 
dasu  finden»  doch  möge  noch  jeder,  welcher  sich  einmal  mit  der  karte 


*9  0r  empfiehlt  die  itioerarkarte  an  einer  iealenballe  antubriiig^ni 
damit  soll  wohl  das  eioft  vom  kaiser  Augustus  in  Kom  g-egebeue  bei- 
gpiel  naebgeabmi  werden.  ^'  man  vgL  die   Eutre€fende    bemerkung 

Kitsobla  über  den  urspruoir  der  tab.  P.  (rhein.  mm.  J843  s.  514  «»  opuae. 
III  777),  —  Die  ansteht  von  De«j&rdios/dav  wegeneti  sei  erst  im  viertea 
jb.  in  die  karte  eingejsekboet,  bedarf  nun  der  Widerlegung  ttiebt  mehr. 
aus  der  angab«  des  Eumenias  geht  hervor,  das«  es  am  ead«  de«  dritten 
jh.  scbon  auf  der  karte  war,  and  der  wohl  am  ende  des  vierten  jb-  eat* 
standene  vermeasun  gäbe  rieht  schreibt  gerade  die  hersteUnng  der  straaten- 
karte  dem  kaiser  August as  su.  **  nur  Riese  ao.  a.  XXIV  hat  Müllen* 
hoffs  ansteht  mit  recht  surückg^ewioseo« 


ESchweder :  über  ursprang  n.  ältere  form  der  Peaüngerschen  tafel.    511 

des  Honorius  beschäftigen  wird,  gewarnt  sein  der  autorität  Müllen- 
boffs  hier  voreilig  zu  vertrauen,  ich  wenigstens  bin  zu  det  erkennt- 
nis  gekommen,  dasz  man,  um  über  die  anläge  dieser  karte  (und 
der  römischen  itinerarkarten  des  dritten  bis  fünften  jh.  überhaupt) 
weitern  aufschlusz  zu  gewinnen  >  vor  allem  sich  von  dieser  ansieht 
Müllenhoffs  lossagen  musz.  es  ist  eine  wichtige  und  völlig  gesicherte 
thatsache ,  dasz  auf  den  itinerarkarten  der  spätem  kaiserzeit  Gades 
nicht  den  westpunkt  einnahm,  sondern  bedeutend  südlich  von  ihm^ 
auf  dem  südwestlichen  kartenrande'*  lag.  war  dies  auf  der  original- 
karte des  kaisers  Augustus  etwa  anders'^,  so  musz  auf  den  abbildem 
der  weitkarte  eine  Verschiebung  jenes  punktes  (Gades)  nach  süden, 
und  zugleich  damit  vielleicht  auch  eine  Verschiebung  des  diaphragma 
von  Gades,  eine  drehung  desselben  um  seinen  mittelpunkt  (etwa 
Rhodos)  eingetreten  sein,  die  ansieht,  die  teillinien  der  vier  con- 
tinentien  auf  der  karte  des  Honorius  seien  zwei  rechtwinklig  sich 
schneidende  gerade  linien  gewesen,  ist  durch  nichts  zu  begründen.'' 
—  Freilich  hat  auf  der  bezeichneten  falschen  basis  Kubitschek  die 
karte  des  Honorius  wiederherzustellen  versucht  (Wiener  studien  VII); 
aber  sein  entwuif  konnte  nun  nicht  mehr  glücklich  ausfallen;  man 
wird  ihn  unannehmbar  finden,  wenn  man  sich  nur  das  mittlere  niveau 
der  geistigen  bildung  im  vierten  jh.,  dem  die  karte  angehört,  ver- 
gegenwärtigen will,  denn  eiue  karte,  auf  der  die  südostspitze  Italiens 
nahe  der  Nilmündung,  Griechenland  östlich  von  Ägypten  liegt,  würde 
im  vierten  jh.  für  ein  monstrum  gegolten  haben  und  kann  im  ernste 
diesem  Zeitalter  um  so  weniger  zugeschrieben  werden,  als  sie  auf  ein 
original  aus  classischer  zeit,  welches  selbstverständlich  gerade  die 

B*  wenn  dann  auf  spätem  mittelalterlichen  karten  Gades  stets  wieder 
den  westpunkt  einnimt,  so  ist  dies  vielleicht  dem  einflusz  der  inzwischen 
häufiger  gewordenen  radkarten,  welche  Gades  in  dieser  läge  daratellen 
musten,  zuzuschreiben.  ^*  da  nach  den  angaben  der  römischen  choro- 
graphie  bei  Plinius  (IV  113  f.  und  VI  199)  und.  Mela  (III  12  f.  und 
III  100)  der  atlantische  ocean  sich  vom  promunturium  Celticttm  in  Gallaecia 
bis  zum  Hesperu  Geras  in  Africa  erstrecken  soll  und  seine  mitte  jeden- 
falls mit  dem  westpunkt  der  k»rte  zusammenfiel,  so  scheint  Gades  auf 
der  karte  des  Augustus  allerdings  auf  dem  westpunkte  oder  doch  dem- 
selben sehr  nahe  gelegen  zu  haben.  '^  die  vierteilnng  der  karte  des 
Julius  Honorius  hat  m.  e.  mit  irgend  einer  lehre  des  altertums  ebenso 
wenig  zu  thun  wie  etwa  die  Stundenteilung  auf  der  weitkarte  des  ano- 
njmus  von  Ravenna  (vgl.  litt,  centralblatt  1887  sp.  888).  dasz  einzig 
durch  so  trübe,  so  bedenkliche  quellen  wichtige  lehren  oder  erkennt- 
nisse  des  altertums,  welche  seit  vielen  Jahrhunderten  in  Vergessenheit 
geraten  waren,  wieder  entdeckt,  verbreitet  und  einer  spätem  zeit  über- 
liefert sein  sollten,  scheint  mir  eine  sehr  gewagte  annähme  zu  sein« 
doch  war  es  auch  meine  meinung  nie,  dasz  der  Ravennate  durch  die 
betrachtung  einer  Sonnenuhr  auf  die  Stundenteilung  geführt  sei;  ich 
sagte  (s.  10):  ^nachdem  der  kosmograph  die  teillinien  gezogen  hatte, 
muste  er  .  .  wohl  notwendig  an  die  ganz  entsprechende  teilung  auf 
dem  ziflferblatt  der  Sonnenuhr  erinnert  werden;  daher  dann  der  ver- 
gleich.' wie  der  kosmograph  zu  der  Stundenteilung  gekommen  sei, 
darüber  habe  ich  nur  eine  Vermutung,  welche  in  meiner  kleinen  arbeit 
von  1886  mitzuteilen  nicht  angemessen  schien. 


51 2  JHScbmalz : zaYarror.r. II 10, 8. - FLoterbacher : lu Liv. XXX VII 6$,  2. 

küsten  des  Mittelmeeres  ziemlich  richtig  dargestellt  haben  innsz, 
zurUekgehBn  soll,  auch  die  der  karte  des  HoEorius  nahe  verwandte 
tab.  P.  stellt  I  obschon  sie  uns  ah  ein  Zerrbild  aas  dem  dreizehnten 
jh.  vorliegt,  die  relative  läge  von  Italien»  Griechenland  und  Ägypten 
richtig  dar  und  ist  deshalb  selbst,  ein  sehr  gewichtiges  zeug&is  da- 
für, dasz  die  von  Kubitschek  versuchte  Wiederherstellung  der  karte* 
dci*  Honorius  noch  nicht  gelungen  ist, 

Kiel. EiflL  Sohw^der, 


ZU  VAREOS  RES  EUSTICAE. 


Die  beiden  monographien  von  Krumbiegel  *de  Varroniano  scri* 
bendi  genere  quaestiones'  (Leipzig  1892)  und  von  Heidrich  'der  stil 
des  Varro'  (progr.  Melk  1892)  legten  mir  eine  erneute  beschfiftigung 
mit  der  rätselrcichen  spräche  des  Varro  nahe,  so  kann  ich  in  r^runi 
rusticarum  H  10,  8  de  nutricatu  hoc  dico^  easdem  fere  et  nutrkes  et 
matrc^  semel,  simul  aspicU  ad  me  usw,  die  von  Merula  herrührende 
tilgung  des  scfnel  nicht  billigen,  zunächst  ersehen  «eir  aus  Heidriohs 
§  34  Über  fülle  und  Weitschweifigkeit  des  aasdrucks  bei  Varro»  dasz 
dieser  autor  'in  ihrer  bedeutung  sich  deckende  oder  nahestehende 
redeteile  pleonastisch  neben  einander  stellt',  zweitens  geht  aus  äem^ 
was  CFWMüller  in  diesen  jahrb.  1890  s.  714  und  Hosius  oben  s.  347 
ausgeführt,  deutlich  hervor,  dasz  semd  sich  nicht  auf  die  bedeutung 
*  Einmal'  beschränkt,  sondern  auch  'zum  erstenmale'  und  'auf  ein- 
m&V  heiszen  kann,  letzteres  steht  nun  nicht  nur  im  gegen satz  zu 
patdatim^  wie  bei  Lucanus  und  Seneca,  sondern  auch  zu  'getrennt'; 
es  ist  daher  synonym  mit  iäem  und  wohl  geeignet  den  begriff  dea 
letzten!  zu  verstärken,  esse  zwischen  matres  sen%d  konnte  leicht  aua- 
fallen;  die  stelle  bei  Varro  wird  also  gelautet  haben :  de  nutricaiu  kce 
dico^  easdem  fere  ei  nutrices  et  matres  esse  semet*  smul  aspicUadme* 

Taubbrdisohofsheim.  Josjspb  Hbhmamm  Schmalz. 


60* 
ZU  LIVIUS. 


Die  Worte  XXXVU  56,  2  de  summa  remm  senatus  constUuU: 
Lycaoniam  omnem  et  Phrygiam  tdramque  et  M^siam  re^ias  Silvas 
sind  noch  nicht  befriedigend  exnendiert  worden,  mir  scheint  dasz 
regias  sävas  zu  ändern  sei  in  regi  assignai,  das  verbum  os^^nar^ 
findet  sich  bei  Livius  an  einigen  steUan  (V  7«  5  u.  12.  22,4.  XXI 25, 3. 
XXVI  21, 13,  XXVni  42,  15.  XLII  33,  6)  und  ergibt  hier  den  nach 
§  4  erforderlichen  sinn:  der  Senat  weist  die  zehn  gesandten  an,  diese 
gebiete  dem  könig  Enmenes  zn  übergeben. 

BURGDOBF  (SOBW&IZ).  FrAMZ  LUTfiRBACHER. 


BESTE  ABTEILUNG 
FUß  CLASSISCHE  PHILOLOGIE 

HEBAÜSQEQEBEN  VON  AlFBED  FlEGKEISEN. 


61. 

STUDIEN    ZUR    VERFASSUNG    VON    ATHEN    WÄHREND 
DES  PELOPONNESISCHEN  KRIEGES. 


Erster  artikel: 
ÜBER  DIE  CIVILBEAMTEN. 

Wenn  jemand  naiv  genug  wäre  die  frage  aufznwerfen ,  welche 
Verfassung  denn  zur  zeit  des  ausbruchs  des  peloponnesischen  krieges 
in  Athen  thatsäcblicb  bestanden  habe,  so  würde  die  antwort,  wenn 
man  ihn  überhaupt  einer  solchen  würdigte,  ohne  zweifei  dahin 
lauten:  die  demokratische,  die  bis  zu  ihrer  äuszersten  consequenz 
entwickelte  volksherschaft.  gewis,  würde  der  frager  vielleicht  er- 
widern ,  so  wird  allgemein  gelehrt,  aber  eine  eigentümliche  volks- 
herschaft musz  es  doch  gewesen  sein,  da  ja  unsere  höchste  autoritttt^ 
der  zeitgenössische  geschichtschreiber  jenes  krieges  ausdrücklich 
erklärt  (II  65),  es  sei  nur  dem  namen  nach  eine  demokratie  ge- 
wesen, in  der  that  aber  die  herschaft* eines  einzelnen,  freilich  des 
ersten  mannes  (dTiTveTO  XÖTiw  jiifev  bTiMCKpatia,  fpTi^  ^^  ^^^  ToO 
TipiuTOU  dvbpöc  dpX'l)»  <^«s  Perikles,  ein  ausspruch  der  dann  durch 
die  stimmen  anderer  Zeitgenossen,  durch  die  höhnischen  angriffe, 
die  leidenschaftlichen  zornausbrüche  der  gleichzeitigen  komischen 
dichter,  die  uns  aus  einer  ganzen  reihe  von  jähren  überliefert  sind, 
lediglich  bestätigt  wird,  sie  bäumen  sich  auf  gegen  die  herschaft 
dieses  Olympiers ^  dieses  zwiebelköpfigen  Zeus,  aber  sie  müssen  sie 
zähneknirschend  anerkennen,  als  lebendigen  commentar  zu  jenem 
allgemeinen  ausspruch  des  geschichtschreibers  will  ich  nur  eine  viel 
citierte  stelle  des  komikers  Telekleides  anführen,  in  der  die  dinge, 
die  sich  unter  der  botmäszigkeit  des  Perikles  befanden,  im  einzelnen 
angegeben  werden: 

der  Städte  tribnt,  nnd  die  Städte  dann  selbst,  sie  za  binden  und  wieder 

zu  lösen, 
und  die  steinernen  manern  daheim  za  erbann,  und  beliebt's  ihm,  wieder 

za  stürzen, 
die  vertrage,   den  frieden,   die   kraft  und   die   macht,  und  den  schätz 

und  des  Staates  gedeihen. 
Jahrbaeher  ftür  clast.  philoL  189S  hft.  8  a.  9.  83 


514     HMüller-Strdbiiig :  studien  Über  die  TerfaBBUtig  yod  Atbea 


man  siebt,  danach  erstreckt  sich  die  machtvoUkommenbeit  des  ersten 
mannes  so  ziemlich  über  alle  gebiete  des  öfFt?ntHchen  lebens  na 
auBzen   wie  nach  innen,   in  krieg  und  frieden,    dies  also  war  de 
stand   der  dinge   im   frieden,   so  lange  Perikles  dem  staate  vor- 
stand, wie  Thukydides  sagt:  öcov  XPOVOV  TTpoücTT^  iflc  TtöXeiuc 
iy  Tri  tipnvi^i  so  lange  er  iTpocTdcr|C,  Vorsteher  des  Staates  war,  ein 
ausdruck  den  auch  die  übrigen  zeitgenössischen  schriftsteiler,  ich 
meine  die  komischen  dichter,  denn  andere  quellen  fQr  die  kenntnis  der 
innern  geschichte  von  Athen  haben  wir  ja  nicht,  häufig  gebrauchen 
(zb,  Aristopbanes  Bi.  1128,  Fn,  684,  Frö.  569);  auch  Xenophon 
Apomn.  I  2,  40  sagt  TTepiKXet  irpocxdTiri  tfic  TröXeuuc.    aber  ganz 
nncontrolliert  scheint  die  berschaft  des  ersten  mannes,  oder,   wie 
wir  nun  wohl  sagen  dürfen ,  des  prostates  doch  nicht  gewesen  zu 
sein;  denn  der  geachichtscbreiber  erzählt,  im  nnmut  Über  den  fort- 
dauernden krieg  hätten  die  Athener  ihn,  den  Perikles,  zu  einer  geld- 
strafe  verurteilt —  dürfen  wir  dies  in  modemer  weise  so  ausdrücken: 
es  sei  eine  insurrection  gegen  die  berschaft  des  ersten  mannes  aus- 
gebrochen ?  —  die  dann  aber  keinen  dauernden  erfolg  gehabt  haben 
kann:  denn  der  geschichtachreiber  fährt  unmittelbar  darauf  fort: 
*nicht  lange  nachher  aber,  wie  das  so  die  art  des  groszen  haufens  tst^ 
wählten  sie  ihn  wieder  zum  Strategen  und  übergaben  ihm  die  leitung 
aller  öffentlichen  angelegenheiten' :   öcT€pov   ö'  auOic  ou  TioXXij), 
ßirep  cpiXu  öpiXoc  iroieiv,  cxpaTTiTÖv  tYXovio  kqi  Travia  lä  npdj- 
paxa  illilp^^^av,    ist  es  vielleicht  diese  stelle,  auf  die  gestützt  fast 
aämtlicbe  neuere  forscher  die  frage,  in  welcher  äuszern  Stellung  denn 
Perikles  seine  allumfassende  berschaft  ausübte,  dahin  beantworU^n : 
in  seiner  stellyng  als  Stratege»    denn  «an  der  spitze  der  athenischen 
beamten  standen,  was  machtumfang  und  politische  bedeutung  be- 
trifft,  die   militärischen  und   unter  diesen  wieder  die  CTpaTTitoU 
(GGilbert  grieeh.  staatsalt.  I  s*  220).    es  waren  freilich  ihrer  zohn^ 
aber  ^sie   wurden  herkömmlicher  weise  vom  volke  aus  einem  be* 
stimmten  kreise  strategischer  fomilien  gewählt  und  zwar  in  regel- 
mKsziger    gescblechterabfolge'    (Gilbert    beitrage    zur   innern   ge- 
schichte Athens  s*  4  f.).    eelbstvei  ständlich  gehörte  Perikles  schon 
als  söhn  des  Siegers  von  Mykale  zu  diesen  Strategischen  familiou\ 
die  übrigens  eigentlich  eine  sehr  moderne  erfindung  von  Droysen 
Bind  (s«  Hermes  IX  s.  1  ff.),  wie  dieser  denn  auch  die  monarchie  des 
Perikles  wesentlich  darauf  zurückführt  (übers,  des  Aristoph.  V  a.  78) 
'dasz   er  jähr  aus  jabr  ein  —  15  jähre  lang  ununterbrochen,  wie 
Piutarch  angibt  —  in  die  wichtigste  beamtung,  die  der  zehn  stra* 
tegen  gewählt  wurde;  in  den  formen  der  verfassungsm ädrigen  demo- 
kratie  leitete  er  den  staat,  da  seine  mitstrategen  wesentlich  aus  den 
kreisen  der  alten  familien  und  gewia  unter  seinem  einfiusz  gewählt 
wurden'  —  daher  ihn  denn  auch  Duncker  mehrfach  schlechtweg  als 
Vorsitzenden  im  s  trat  egenco  liegt  um  bezeichnet;  ja  Bei  ocb  (attische 
Politik  8.  288)  hat  sich  einen  ständigen  vom  volle  aus  allen  Athenern 
jährlich  gewählten   prjrtania  der  Strategen  ausgedacht,   wie  einen 


während  des  peloponneBischen  krieges.   L  515 

modernen  ministei-präsidenten :  'was  aus  dem  amt  sich  machen  liesz, 
hatPerikles  in  den  15  jähren  seiner  Verwaltung  gezeigt.'  es  ist  nur 
schade,  dasz  hei  dieser  zurechtmacherei  die  einschränkende  clausel 
bei  Thukydides  öcov  xpövov  (6  TTepiKXfic)  irpoücTTiTficTröXeujc 
dv  T^  cipilVi]  ganz  in  den  wind  geschlagen  wird,  doch  ich  kann 
mich  hier,  wo  ich  mich  zunächst  mit  den  bürgerlichen  Staatsbeamten 
zu  beschäftigen  habe,  auf  die  eingehende  erörterung  dieser  frage 
noch  nicht  einlassen:  das  musz  ich  mir  aufsparen^  bis  ich  durch  eine 
eingehende  Untersuchung  über  die  militärbeamten  so  zu  sagen  festen 
boden  unter  den  füszen  gewonnen  habe  und  die  athenische  Ver- 
fassung im  fünften  jh.  als  ein  lebendiges  ganzes  vor  mir  liegen  sehe, 
dann  wird  auch  diese  frage  besprochen  werden,  aber  schon  hier 
kann  ich  nicht  umhin  meine  Verwunderung  auszusprechen  darüber, 
dasz  die  eben  genannten  gelehrten  sämtlich  einen,  wie  mich  dünkt, 
sehr  wichtigen  umstand  auszer  acht  gelassen  haben,  den  nemlich, 
dasz  die  herschaft  des  ersten  mannes  bei  Thukydides  vielleicht  die 
erste  alleinherschaft  im  athenischen  staat  war,  aber  sicherlich  nicht 
die  letzte,  denn  schon  wenige  jähre  nach  Perikles  tode  stoszen  wir 
in  dem  demokratischen  Athen  unter  ganz  andern  Voraussetzungen 
als  den  bei  Perikles  maszgebenden  auf  einen  politischen  zustand, 
den  wir  nach  den  Schilderungen  der  Zeitgenossen  gar  nicht  anders 
bezeichnen  können  denn  als  eine  abermalige  herschaft  zwar  nicht  des 
ersten,  aber  doch  eines  einzelnen  mannes,  noch  dazu,  wenn  unsern 
quellen,  die  hierin  mit  dem  geschichtschrei ber  Thukydides  (und 
auch  mit  dem  neu  aufgefundenen  papyrus-evangelium  über  die  Ver- 
fassung von  Athen)  so  ziemlich  übereinstimmen,  zu  trauen  ist,  des 
nichtswürdigsten  mannes  in  Athen,  des  gerbers  Kleon.  leider  kann 
ich  zur  Charakterisierung  dieser  zweiten  alleinherschaft  kein  so 
kurzes  epigrammatisch  schlagendes  dichterwort  anführen  wie  vorhin 
das  des  Telekleides  für  Perikles,  vielmehr  werde  ich  mir  die  ein- 
zelnen Züge ,  die  ich  zur  definierung  dieser  zweiten  alleinherschaft 
beizubringen  habe,  aus  unsern  quellen  mühsam  zusammensuchen 
müssen ,  namentlich  aus  den  stücken  des  Aristophanes ,  der  ja  den 
krieg  gegen  den  ihm  verhaszten  Eleon  schon  im  j.  426  begonnen 
und  dann  bis  zu  dessen  tode  im  j.  422  so  tapfer  fortgeführt  hat.  ja 
ich  will  vorgreifend  schon  hier  sagen,  dasz  damit  das  Institut  der 
monarchie  keineswegs  aufgehört  zu  haben,  vielmehr  ein  wesent- 
licher bestandteil  der  athenischen  demokratie  gewesen  zu  sein  scheint, 
denn  Eleon  hat  einen  nachfolger,  den  lampenfabrikanten  Hyperbolos, 
der  nach  dem  ausdrücklichen  zeugnis  des  Aristophanes  ebenfalls 
vom  volk  zum  Vorsteher,  7Tp0CT(iTT]C ,  gewählt  war,  und  den  ich  der 
kürze  wegen  mir  erlaube  durch  Meineke  (bist.  crit.  com.  gr.  s.  193) 
charakterisieren  zu  lassen:  'perditissimus  homo  [ganz  übereinstim- 
mend mit  dem  historiker  Thukydides  VIII  73] ,  cum  aliquot  annos 
primum  in  re  publica  locum  tenuisset  [ganz  wie  Perikles  und  Kleon] 
ac  ne  mordacissimis  quidem  comicorum  poetarum  salibus  ad  saniorem 
rationem  revocari  potuisset  [man  sieht,  der  freche  mensch  folgt  auch 

33  • 


516     H Müller -Strüü mg;  atudien  Über  die  Verfassung  toh  Athen 

bier  dem  beispiele  semer  beiden  vorgftnger  in  der  monarchie],  in- 
sperato  de  sammo  ad  quod  malia  artibus  adscenderat  potentiae 
auctoritatisque  fastigio  deiectus  est.*  damit  hört  aber,  wenigstens 
für  den  ersten  blick,  alle  analogie  dieser  beiden  spätem  alleinher* 
Schäften  mit  der  ersten  auf.  gerade  die  angebliche  grundbedingung 
der  herschaft  des  Perikles  fehlte  dem  gerber,  er  gehörte  nicht»  wie 
Bein  Vorgänger,  einer  jener  alten  strategischen  familien  an,  vielmehr 
dem  gewerbetreibenden  mittelstande,  er  war  nicht  Stratege,  denn 
wenn  ihm  auch  das  volk  einmal  auszerordent lieber  und,  wie  neuer- 
dings behauptet  worden,  sogar  verfassungswidriger  weise  einen 
hochwichtigen  militärischen  aaftrag  erteilt  hatte,  so  war  er  nach 
glänzender  erfüllang  desselben  seit  seiner  rückkehr  von  Pylos  wieder 
in  seine  rein  bürgerliehe  Stellung  zurückgetreten ,  und  war  damals, 
als  Aristophanes  seiue  Ritter  schrieb,  sicherlich  nicht  mitglied  des 
strategencollegium»,  geschweige  denn  dessen  versitzender,  also,  wie 
gesagt,  die  grundbedingung,  aus  der  man  sich  die  macht  des  Perikles 
zu  erklären  svicht,  fehlt  seinem  nachfolger  Kleon,  um  zunächst  bei 
diesem  stehen  zu  bleiben,  nnd  dennoch  sehen  wir  sie  beide  die 
gleiche  herschaft  ausüben,  wie  geht  das  zu,  wie  ist  das  zu  erklären? 
Da  hin  ich  denn  bei  dem  versuch  diese  erscheiuung  zunächst 
mir  selbst  begreiflich  und  eine  gemeinsame  grün d läge  für  die  macht- 
Stellung  dieser  beiden  alleinherscher  ausfindig  zu  machen,  schon  vor 
Jahren  zu  der  annähme  gekommen,  Perikles  habe  eben  nicht  als 
Stratege  dem  Staate  vorgestanden,  sei  nicht  dessen  militärischer 
prostates  gewesen,  er  habe  vielmehr,  und  ebenso  Kleon  nach  ihm, 
ein  bürgerliches  amt  bekleidet ,  das  seiner  natur  nach  dem  inbaber 
freien  Spielraum  für  die  bethätigung  seiner  herscfaaft  gewährte,  das 
amt  des  Verwalters  der  öffentlichen  einkünfte,  des 
iTTineXtiTiic  oder  la^iac  Tf|c  KOiviic  Tipocöbou,  und  habe  diese  be- 
batiptung  in  meinem  187B  erschienenen  buch  'Aristophanes  und 
die  historische  krltik*  aufgestellt  und  ausführlich  entwickelt  — 
wohlgemerkt:  die  hypothese,  dasz  beide  männer,  Perikles  so  guti 
wie  Kleon,  dieses  amt  bekleidet  hätten,  und  zwar  durch  die  wahli 
deö  Volks  auf  vier  jähre  jedesmal  —  weiter  nichts,  denn  dasz  diea 
amt  zu  jener  zeit  wirklich  existiert  habe ,  das  noch  erst  beweisen  zu 
wollen,  das  konnte  mir  bei  dem  damaligen  stände  der  forschung  gar 
nicht  in  den  sinn  kommen :  daran  zweifelte  niemand,  zum  Zeugnis 
dessen  will  ich  hier  KFHermanns  lehrbueh  der  gr.  Staatsaltertümer 
anführen  und  zwar  die  von  Stark  neu  bearbeitete  ausgäbe  von  1875,j 
in  der  es  §  löl  heiszt:  'als  Tbemistokles  und  Aristeides  den  grundl 
zu  einem  eigentlichen  Staatsschätze  gelegt  hatten  und  mit  der  ge- 
steigerten blute  Athens  auch  sein  Staatshaushalt  verwickelter  wurde, 
stellte  die  wähl  des  volks  an  die  spitze  desselben  für  jede  ünanS'* 
periode  von  vier  jähren  einen  eignen  Schatzmeister  der  öffentlichen' 
einkünfte,  inificXTlT^c  tujv  koivujv  Trpocöhuiv/  ganz  übereinstim- 
mend sagt  Böckh  staatahausb.  I*  a.  201  über  den  ra^iac  xi\C  koiv^c 
npocöbou,  'später  auch  6  x^ipoioviiOeic  im  id  bn^iicia  xpi^MCita 


während  des  peloponneBischen  krieges.   I.  517 

genannt';  diese  stelle  sei  nicht  einjährig  gewQsen  wie  die  stellen  der 
Schatzmeister  auf  der  bürg ,  sondern  vierjährig  für  eine  penteteris. 
wie  mistrauisch  and  neidisch  auch  die  demokratie  ist^  war  sie  doch 
nicht  so  verblendet,  dasz  sie  alle  regierungsstellen  jährig  machte 
oder  zu  allen  durch  das  loos  ernannte:  man  begriff,  dasz  man  von 
diesen  echt  demokratischen  gewohnheiten  da  abweichen  müsse,  wo 
kunst  und  erfahrung  zum  herschen  nötig  ist.  das  was  diese  beiden 
gelehrten  hier  sagen,  das  war  damals  die  unbestrittene  ansieht  aller 
forscher,  war  so  zu  sagen  die  öffentliche  meinung,  und  so  sagt 
denn  auch  Drojsen  in  der  ersten  ausgäbe  seiner  Übersetzung  (1835), 
Eleon  habe  seit  426  das  vierjährige  amt  des  Verwesers  der  öffent- 
lichen einkünfte  bekleidet. 

Seitdem  hat  freilich  ein  merkwürdiger  Umschlag  stattgefunden, 
um  das  in  aller  kürze  nachzuweisen,  will  ich  als  höchst  charak- 
teristisch ein  paar  stellen  aus  der  griech.  geschichte  von  ECurtius 
anführen,  die  erste  aus  der*  dritten  ausgäbe  von  1868.  nachdem  der 
vf.  selbstverständlich  die  exceptionelle  Stellung ,  die  Perikles  unter 
den  Strategen  schon  dadurch,  dasz  er  15  jähre  lang  ununterbrochen 
gewählt  worden  war,  einnehmen  muste,  gebührend  betont  hat,  föhrt 
er  II  205  so  fort :  'er  (Perikles)  bekleidete  ein  staatsamt  von  höchster 
bedeutung,  welches  durch  wähl  besetzt  wurde,  das  des  finanz Vor- 
stehers (tamias  oder  epimeletes  der  öffentlichen  einkünfte),  welcher 
gegen  die  regel  der  demokratie  allein  im  amte  stand,  vier  jähre  in 
demselben  blieb  und  nach  ablauf  desselben  wieder  gewählt  werden 
konnte.'  da  haben  wir  also  den  alleinherscher  Perikles  als  Verwalter 
der  öffentlichen  einkünfte.  ja,  und  mehr  noch,  denn  wenn  Curtius 
dann  weiter  unten  (s.  431)  im  j.  425  von  Kleon,  der  eben  aus  Pylos 
zurückgekommen  war,  sagt:  'er  war  um  diese  zeit  seit  dem  j.  426 
Vorsteher  der  öffentlichen  einkünfte,  kurz  er  war  auf  dem  gipfel  der 
macht  und  ehre',  so  ist  ja  damit  die  von  mir  gesuchte  gemeinsame 
grundlage  für  die  machtstellung  der  beiden  alleinherscher  Perikles 
und  Eleon  im  gründe  schon  von  Curtius  gefunden,  aber  das  ändert 
sich  schnell,  dies  war  der  stand  der  dinge  in  der  dritten  ausgäbe, 
im  j.  1868  —  aber  wie  anders  in  der  vierten,  im  j.  1874  (ein  jähr 
nach  dem  erscheinen  meines  buchs  über  Aristophanes)  überarbeiteten 
ausgäbe!  da  lesen  wir  IX  224,  Perikles  sei  eine  reihe  von  jähren 
nach  einander  vom  volk  zum  feldhauptmann  gewählt  und  mit  auszer- 
ordentlichen  vollmachten  bekleidet  worden,  'wodurch  die  stellen 
der  andern  neun  feldheiTn  zu  bloszen  ehrenämtern  wurden  . .  so  fiel 
während  der  zeit  seiner  Verwaltung  der  ganze  Schwerpunkt  des 
öffentlichen  lebens  in  dies  amt;  als  Stratege  hat  er  die  wichtigsten 
gesetze  durchgebracht ;  als  solcher  war  er  der  dirigierende  präsident 
der  republik',  freilich  neben  diesem  generalissimus  kann  der  bürger- 
liche gerber  nicht  aufkommen,  mit  dem  hat  er  sicher  nichts  gemein- 
sam, und  überdies  wird  auch  jenes  amt  des  Vorstehers  der  öffent- 
lichen einkünfte,  das  er  in  der  frühern  ausgäbe  seit  427  bekleidet 
und  das  ihn  auf  den  gipfel  der  macht  und  ehre  gebracht  hatte,  rund- 


518     HMüller-Strübing:  etudien  über  die  verfasBUDg  von  Athen 

weg  cassiert,  depn  wir  lesen  ao*  weiter:  ^ein  anderes  staatsamt , ,  das 
des  obersten  finanzvorstehers ,  welches  wir  im  vierten  jb.  unter 
dem  namen  des  tamias  oder  epimeleten  der  öffentlichen  einktlnfte 
kennen  .  .  läazt  sich  in  der  Perikleischen  zeit  nicht  nachweisen,  and 
wir  wissen  nicht,  wie  die  finanzverwaltung  in  oberster  stelle  geordnet 
war/  nehmen  wir  noch  dazu  die  niederschmetternde  erkläning  in 
der  anm.  zu  dieser  stelle  (s*  814):  *nach  dem  Staatsrechte  der  vor- 
eukleidischen  zeit  ist  ein  die  geld Wirtschaft  beherschendes  schätz- 
m eiste ramt  gar  nicht  denkbar* :  so  ist  damit  die  auffaesnng  der  altem 
gelehrten  KFHermann,  Böckh,  Droysen,  die  Cartlaa  doch  noch  im 
j.  1868  geteilt  hatte,  gründlich  beseitigt,  und  wir  können  nicht  um- 
hin uns  mit  erstaunen  zu  fragen,  durch  welches  wunder,  durch  welche 
Offenbarung  dieser  umscbwung  der  anschauung  in  Curtius  bewirkt 
worden  ist.  die  antwort  ist  nicht  schwer:  ganz  einfach  durch  eine 
gelegentliche,  im  vorbeigehen  hingeworfene  äuszerung  des  hochver- 
dienten ÜKöhler  in  einer  anm.  zu  s.  151  seines  attisch -delischen 
blindes,  wo  er  sagt,  die  existenz  des  amtes  des  Verwalters  der  öffent^ 
liehen  einkünfte  vor  Eukleides  solle  noch  erst  bewiesen  werden,  denn 
die  einzige  stelle  aus  Plut,  Ärist*  c.  4  aus  dem  wenig  zuverlässigen 
Idomeneus  könne  nicht  als  vollgtlltiges  zeugnis  betrachtet  werden, 
zumal  da  die  Inschriften  keine  spur  dieses  Verwalters  enthalten,  das 
ißt  gewis  wohl  zu  beherzigen,  wie  alles  was  Köhler  sagt,  aber  von 
dieser  wohl  berechtigten  skepsis  bis  zu  jener  ^undenkbarkeit'  ist  denn 
doch  ein  gewaltiger  sprung,  den  denn  auch  die  Übrigen  jungem 
forscher  mit  dieser  kübnheit  nicht  mitgemacht  haben ,  obgleich  sie 
sich  sämtlich  der  skepsis  Köhlers  anschlieszen  und  'consensu  inter 
philologos  prorsiis  inaudito',  wie  Otto  Kock»  selbst  einer  meiner 
gegner,  sich  ausdrückt  (quaest.  Aristopb.  s.  14),  gegen  mein  buch 
und  die  darin  festgehaltene  ältere  ansieht  Ober  die  existenz  des 
finanzvorstebers  zur  zeit  des  Perikles  polemisieren,  ich  will  sie  hier 
nicht  einzeln  anführen:  denn  ich  werde  im  lauf  dieser  Untersuchung 
oft  genug  nicht  blosz  gelegenheit  haben,  sondern  geradezu  getwnngeii 
sein  mich  mit  ihnen  abzufinden. 

Das  meiste  nen,  was  ich  zur  Verteidigung  meiner  au ffassung 
werde  vorzutragen  haben,  findet  sich  schon  in  meinem  buche  *  Aristo- 
pbanes  und  die  historische  kritik*,  aber  ich  kann  nicht  einfach  darauf 
verweisen:  denn  obgleich  meine  grondanschanung  noch  heute  die- 
selbe ist  wie  damak,  so  kann  ich  doch  dem  leser  nicht  zumuten  sich 
durch  das  dickleibige  opus  durchzuarbeiten  (das  nnglückliche  buch 
hat  ja  nicht  einmal  einen  index)  und  sich  die  spreu  vom  weizen  sn 
sondern,  denn  ich  weisz  recht  gut,  dasz  viel  verfehltes  und  un- 
brauchbares in  meine  damaligen  ausfÜhrungen  sich  eingeschlichen 
bat,  was  dann  vielleicht  jene  unter  den  gelehrten  sonst  seltene  ein- 
stimmigkeit,  mit  welcher  meine  theorie  verworfen  worden  ist,  ver- 
schuldet haben  mag«  aber  das  wird  sich  der  leser  gefallen  lassen 
müssen,  dasz  ich  ihm  meine  hauptargumente  in  gedrängter  form 
noch  einmal  vorlege,  sachlich  neues  werde  ich  kaum  bnogen:  denn 


während  des  peloponnesiBchen  krieges.   I.  519 

das  material,  das  mir  yor  20  jähren  zn  geböte  stand,  hat  sich  seit- 
dem nicht  wesentlich  vermehrt:  meine  fast  einzige  quelle  ist  jetzt 
wie  damals  die  attische  komödie,  namentlich  das  Aristophanische 
lustspiel  die  Bitter,  zu  dem  ich  mich  jetzt  wende,  vorauszuschicken 
brauche  ich  wohl  nichts:  denn  es  ist  ja  allgemein  bekannt,  dasz  das 
stück  aufgeführt  ist  im  winter  424,  etwa  6  monate  nach  der  ge- 
fangennehmung der  auf  der  insel  Sphakteria  eingeschlossenen  Spar- 
taner durch  den  gerber  Kleon  und  den  feldherrn  Demosthenes,  die 
beide  im  stück  auftreten,  das  stück  führt  uns  ein  in  den  haushält 
eines  wunderlichen  alten  mannes,  des  herm  Volk  von  der  Pnjz, 
Afifiioc  TTuKViTiic,  und  beginnt  damit,  dasz  zwei  seiner  Sklaven,  die 
durch  portrtttmasken  als  die  beiden  damals  in  Athen  angesehensten 
Strategen  kenntlich  gemacht  sind,  sich  bitter  darüber  beklagen,  wie 
arg  sie  von  einem  neuen  am  letzten  neumond  gekauften  mitsklaven, 
dem  Paphlagonier ,  der  seines  Zeichens  ein  gerber  und  lederhttndler 
ist  und  sich  durch  allerlei  schlechte  künste  die  volle  gunst  des  alten 
herm  erworben  hat  und  diesen  ganz  beherscht,  gemishandelt  und 
drangsaliert  werden,  und  nicht  sie  allein,  der  ganze  haushält  ist  ihm 
unterthan  und  zittert  vor  seiner  tyrannei.  da  sie  nun  auf  mittel 
sinnen  die  macht  dieses  schurken  zu  brechen  und  ihn  aus  der  gunst 
des  alten  herrn  zu  verdrängen,  da  finden  sie  in  einem  orakelbuch, 
das  sie  dem  im  trunkenen  schlaf  schnarchenden  gerber  gestohlen 
haben,  gewisse  Weissagungen,  die  zum  teil  schon  erfüllt  sind,  und 
die  daher  auch  für  die  Zuverlässigkeit  der  noch  nicht  erfüllten  aus- 
sprüche  gewähr  leisten,    es  heiszt  darin : 

es  wird  zuerst  ein  hedehändler  sein, 

der  die  geschäfte  dieser  Stadt  verhandeln  wird.  ^ 

diese  die  herschaft  des  hedehändlers  und  mühlenbesitzers  (Eukrates) 
betreffende  prophezeiung  ist  nun  schon  in  erfüllung  gegangen ,  und 
ebenso  die  sich  daran  knüpfende,  dasz  er  seinerseits  durch  einen 
schafhändler  und  dieser  wiederum  durch  den  gerber,  den  Paphla- 
gonier,  verdrängt  werden  wird,    nun  aber  verkündet  das  Orakel 

*  Ri.  129  die  irpüLiTa  ^iv  CTUTrTreioiruüXric  tiTvcxm, 

niwXcTv  6c  fpH€i  xflc  iröXeiuc  tA  irpdtnaxa. 
ich   schreibe  v.  130  hier,    wie  ich   ihn  in   meinem  bach  über  Aristo« 
phanes    s.  617   emendiert   habe,     die    Überlieferang   der   beiden   verse 
lautet: 

die  TTpüJTa  iLi^v  cTUTrircioTrdiXTiC  fiyyeraif 
8c  TTpOÖTOc  ?5£i  Ti\c  TTÖXcuic  xA  irpdTMöxa. 
der  h^.  der  Ritter  TbKock  hat  in  seiner  ersten  ausgäbe  vom  j.  1852  die 
stelle,  wie  sie  überliefert  ist,  ohne  anstosz  und  ohne  anmerkung  wieder- 
gegeben, wie  auch  WRibbeck  und  neuerdings  Blaydes.  später  ist  dann 
Kock  dahinter  gekommen,  dasz  «irpilixoc  nach  irptXixa  ^iv  sehr  lästig 
und  ii€i  xA  irpdTHaxa,  das  auch  auf  Perikles  passt,  sehr  matt  sei>, 
was  ich  natürlich  schon  ao.  hervorgehoben  habe,  er  schlägt  daher  in 
der  ausgäbe  von  1882  vor  v.  130  zu  schreiben  8c  irpdciji*  iUi  xf\c 
iröXcüJC  xd  irpdtjLiaxa.  der  leser  mag  zwischen  den  beiden  emendationen 
wählen,  ich  werde  übrigens  auf  die  ganze  historisch  sehr  wichtige 
stelle  später  ausfuhrlich  zurückkommen  müssen. 


520     HMüller-Strübing:  Studien  über  die  verfasaung  von  Athen 


weiter,   dasz  dieser  letztere  aoch  gestürzt  werden  wird  und  zwar 

durch  eineo  wurslhändler  —  dXXavTOiTuiXnc  ec9'  6  toOtov  ^cXuiv, 
dieser  ist  nun  zwar  nicht  «fin  Sklave  des  herrn  Demos,  sondern  ein 
freier  mann  und  bürger;  aber  daraufkommt  es  ja  nicht  an,  denn  die 
haushaltangelegenheiten  des  Demos  werden  ja  schon  hier,  von  an- 
fang  des  stUcIcs  an,  als  die  geachäfte  des  Staats,  xfic  ttöXcujc  id  TTpdt- 
jiCiTa  aafgefaszt,  da  sie  nun  in  Verlegenheit  sind,  wie  sie  den  im 
Orakel  angekündigten  wursthändler  ausindig  machen  sollen,  da  er- 
scheint wie  durch  göttliche  fügung  ein  solcher  mit  seinem  band- 
werkszeug  auf  dem  markt  (das  haus  des  berrn  Demos  lag  also  an 
der  d^Opd),  den  dann  die  beiden  sklaven  sofort  als  den  prophe- 
zeiten retter  des  Staats  und  ihrer  selbst  be^rüszeni  tjj  ^aKQpie  | 
dXXciVTOTTiIiXa,  beöpo  beöp*,  w  (piXtaie»  |  dvdßaive  cujirip  t^  nöXei 
Kai  VLüV  cpaveic  der  warsthändler  wundert  feich  natürlich,  was  das 
bedeuten  soll,  der  erste  sklave  aber,  nachdem  der  zweite  sklave 
(Nikias)  unter  dem  vorwande  nach  dem  Papblagonier  zu  suchen 
die  btlhne  verlassen  hat,  fährt  fort:  heute  bist  du  der  garnichts, 
aber  morgen  schon  der  gebieter  der  glückseligen  stadt  Athen :  UJ  VÖV 
pev  oubeic,  aöpiov  b*  uTr^pM€TQC,  |  uj  tujv  *AeiiV€aiv  raj^  tüDv  tubai- 
pövujv,  und  da  der  wursihändter  noch  immer  nicht  versteht  was 
der  sklave  meint,  so  fordert  dieser  ibn  auf  sieb  umzusehen:  'sieh 
dorthin  (auf  den  Zuschauerraum)  —  siehst  du  dort  die  gedr^gten 
reihen  der  leute?  über  diese  wirst  du  bald  selbsth erscher  sein 
(dpx^Xac  lc€i)  und  berr  des  marktes  und  der  häfen  und  der  Pn^x, 
und  wirst  den  rat  mit  füszen  treten  und  die  feldberrn  malträtieren^ 
wirst  Unzucht  treiben  im  prytaneion.  nun  steig  einmal  auf  deine 
wurstbank  hier  hinauf,  so  dasz  du  die  inseln  siehst  im  kreis,  die 
warenspuicher,  die  handelsschiffe,  und  jetzt  richte  daa  ^ine  äuge 
nach  Karien  hin  und  das  andere  nach  Karthago  —  siehst  du,  dies 
alles  wird  bald  durch  dich  verschachert  werden;  denn  du  wirst,  wie 
das  Orakel  hier  verkündet,  der  mächtigste  mann  werden*:  tvifvet 
Tfap,  djc  ö  xpT^cpäc  ouiod  Xi^ei^  \  dvrjp  m^Tictoc  jeut endlich  hat  der 
woratbändler  begriffen,  um  was  es  sich  handelt,  aber  es  will  ihm 
immer  noch  nicht  einleuchten,  wie  er,  der  wursthÄndler,  ein  so 
grosser  mann  v^  erden  solU  bis  endlich  Demos thenes  —  denn  der  ist 
ja  der  erste  sklave  —  ihm  das  orakel  auslegt  und  ihm  beweist,  ea 
stehe  wirklich  darin  geschrieben,  dasz  der  wurithändler  den  leder- 
band  1er  überwältigen  werde,  nun  ist  es  ihm  klar  geworden,  aber 
dennoch  wundere  ich  mich,  sagt  er,  wie  ich  fähig  sein  soll  der  Ver- 
walter des  Volks  zu  sein:  Td  liiy  Xöfi*  aixdXXei  ^e*  8au^dZ[uJ  b* 
ÖTTUJC  I  Tov  bfi^ov  olöc  T  iTTiTponcuciv  cT^*  ^Tu;.  daraus  geht  doch 
BonnenkJar  hervor,  dasz  bis  jetzt  der  lederhändler,  der  Paphlagonter, 
den  der  wursthändler  ja  stürzen  und  dessen  nachfolger  er  werden 
soll,  diese  stelle  des  ^TTiTpOTroc  des  volks  (ich  mOobte  überäetzen 
Mes  pflegers  [vormundes?]  des  volks')  bekleidet,  und  dasz  er  als 
solcher  die  oben  geschilderte  herscbaft  über  dos  haus  des  Demos 
mit  allem  zubehör,  den  markt  und  die  Pnyx,  die  bäfen  vind  die  inselut 


während  des  peloponnesischen  krieges.  I.  521 

ausübt,  nun  gebraucht  Aristophanes  die  beiden  ausdrücke  dTriTpoiTOC 
und  TajLiiac  völlig  synonym  (zb.  Ekkl.  211  kqi  fäp  iv  tqTc  oiKiaic  | 
Tttuiaic  [sc.  tqTc  T^vaifi]  dTrixpÖTroic  xal  xainiaici  xpiwjLieGa,  vgl. 
ein  fi  agment  des  zweiten  Friedens :  ttictti  xpocpöc,  xa^ia,  cuvepYÖc, 
dTTixpoTTOc),  und  im  Fri.  686  wird  dnixpoiroc  mit  Trpocxdxiic  synonym 
gebraucht  (s.  unten),  am  deutlichsten  aber  geht  diese  gleichheit  der 
bedeutung  aus  v.  946  unseres  Stücks  hervor,  mit  dem  die  katastrophe 
eintritt,  denn  da  ist  das  orakel  der  hauptsache  nach  schon  in  er- 
füllung  gegangen ,  der  wursthändler  hat  den  Paphlagonier  aus  dem 
vertrauen  und  der  gunst  des  herrn  Volk  verdrängt,  und  dieser  sagt 
nun  zu  seinem  frühern  günstling:  'nun  gib  mir  auch  den  Siegelring 
heraus,  denn  du  sollst  nicht  mehr  mein  Verwalter  sein':  Kai  vOv 
dTTÖboc  xöv  bQKXuXiov,  ibc  oÖK^xi  |  djLioi  xafii€\)c€ic,  und  der 
Paphlagonier  erwidert:  'da  nimm  ihn,  aber  das  sollst  du  wissen, 
wenn  du  mich  nicht  mehr  deinen  pfleger  sein  läszt,  so  wird  ein 
anderer  kommen,  ein  noch  gröszerer  schurke  als  ich':  ^x^'  xocoOxov 
b'  icG',  öxi,  I  €l  jurj  |Li'  ddceic  dTTixpoTreueiv,  ?xepoc  aö  |  dfioö 
TTQVoupTÖxepöc  xic  dvacpavricexai.  später  (v.  1227)  befiehlt  herr 
Demos  denn  auch  dem  Paphlagonier  den  kränz,  den  dieser,  wie  be- 
kanntlich alle  athenischen  beamten  bei  ihren  amtlichen  functionen, 
bisher  getragen  hatte,  abzulegen,  und  setzt  ihn  eigenhändig  als 
zeichen  seiner  neuen  amtswürde  dem  wursthändler  auf. 

Auf  grund  dieser  stellen  und  noch  vieler  andern  durch  das 
ganze  stück  verstreuten,  auf  die  ich  gelegentlich  noch  zurückkommen 
werde,  hatte  ich  in  meinem  buch  über  Aristophanes  die  behau ptung 
aufgestellt,  Kleon  sei  zur  zeit  als  der  dichter  die  Bitter  schrieb 
Verwalter  der  öffentlichen  einkünfte  gewesen,  XQjiiac  xf^c  KOlvf^c 
TTpocöbou,  mit  dem  von  Böckb,  Hermann,  Droysen  ua.  sanctionierten 
officiellen  titel  (s.  oben  s.  516);  vielleicht  wäre  dTrixpoiroc  xoö 
br|)Liou,  oder  auch  TTpocxdxric  xfjc  TröXeujc  in  erinnerung  an  das 
Tbukydideische  öcov  xpövov  TTpoucxT]  xfic  iröXeujc  besser  gewesen; 
doch  ändert  das  nichts  an  der  sache. 

Da  bin  ich  nun ,  wie  schon  gesagt ,  auf  fast  allgemeinen  Wider- 
spruch gestoszen  —  und  da  GGilbert  in  seinen  'beitragen  zur  innem 
geschichte  Athens'  (1887)  die  frage  am  ausführlichsten  behandelt, 
mich  auch  im  einzelnen  zu  widerlegen  versucht  hat,  so  bin  ich  ge- 
zwungen meine  polemik ,  dh.  die  Verteidigung  meiner  anschauung, 
an  der  ich  in  der  hauptsache  noch  jetzt  festhalte,  vornehmlich  gegen 
ihn  zu  richten,  wobei  denn  ein  gelegentlicher  Übergang  in  die  offen- 
sive nach  kriegsgeb rauch  schwerlich  ausbleiben  wird. 

Wie  verhält  sich  nun  Gilbert  zu  v.  946  Kai  vöv  dTröboc  xöv 
baKXuXiov,  ibc  ouK^xi  djioi  xajLiieiJceic?  er  sagt  s.  90  f.,  dies  sei 
die  stelle  auf  die  M.-Str.  das  meiste  gewicht  lege,  nun  könne  frei- 
lich xajLiieueiv  den  sinn  haben  ^staatsschatzmeister  sein'  [ohne  Zu- 
satz? schwerlich!],  doch  seien  daneben  auch  andere  bedeutungen 
wie  zb.  haushalter  oder  herr  [?]  sein  in  gebrauch,  in  unserer  stelle 
sei  es  in  der  bedeutung  'haushalter  sein'  aufzufassen  und  bezeichne 


522     HMüller-Strübing:  itudieu  Über  die  rerfassun^  yon  Athen 


den  Paphlagonier  als  den  bewährtesten  sklaven  im  haashalt  dea 
herren  Demos,  der  die  Vorratskammern  wie  Üblich  versiegeU.  daast 
TajLiicüeiv  hier  die  technische  bedetitung  Schatzmeister  sein  [!]  nicht 
haben  kÖ^ne,  ergebe  sich  *  .  aus  der  antwort  des  Papblagoniers 
selbst,  denn  wenn  dor  dichter  wirklich  das  amt  des  Staatsschatz* 
meisters  [t]  bezeichnen  wollte,  so  inuste  Kleon  antworten  cl  ^f\ 
|i'  dctcetc  Tapieüeiv,  da  er  aber  das  verbum  ^mtpOTTCUfiv  setie, 
welches  speciell  das  verheil tnis  des  demagogen  zum  demos  bezeichnOi 
ßo  sei  klar,  daez  der  dichter  mit  dem  xa^ieiieiv  nur  dies  allgemeine 
Verhältnis  des  sklaven  zu  seinem  ben-n  habe  umschreiben  wollen 
nsw.*;  ich  breche  ab,  es  ist  nicht  mehr  viel»  aber  meine  feder  sträubt 
eich  diesen  rabulie tischen  Jargon  noch  weiter  abzuschreiben,  den  ich 
übrigens  bekenne  nicht  einmal  zu  verstehen,  doch  das  wird  wohl 
subjective  beschränktheit  sein;  andern  gelehrten  scheint  er  doch 
imponiert  zu  haben,  so  Mai  FränkeL  denn  wenn  B^kkh  ao.  I'  226 
von  dem  Vorsteher  der  öffentlichen  einktinfte  spricht^  der  dem  finanz- 
minister  der  neuern  Staaten  entspreche,  und  hinzusetzt,  mit  Wahr- 
scheinlichkeit beziehe  Valesius  die  stelle  in  den  Rittern  947  auf 
diesen  Schatzmeister,  so  macht  Fränkel,  der  herau^^geber  der  dritten 
ausgäbe,  anm.  274  (277?)  dazu  die  anmerkung:  ^namentlich  auf 
grund  dieser  stelle  ist  auch  neuerdings  mehrfach  die  existenz  des 
obersten  Schatzamtes  im  fünften  jh.  behauptet  worden,  s.  M.^Str*, 
aber  mit  unrecht,  denn  die  worte  des  Aristo phanes  erklären  sich 
vollkommen  durch  die  beziehung  auf  einen  privaten  haushält,  in 
welchem  der  erste  eklave  das  Siegel  des  herm  ftihrt  (vgl.  Gilbert  ao* 
8.  90).' 

Wahrlich^  wenn  ich  solche  Widerlegungen  lese,  so  habe  ich 
den  eindruck,  als  seien  diese  forscher  von  vorn  herein  mannhaft 
entschlossen  nicht  nachzugeben  (ou  fäp  Treiccic,  oub*  f\v  TT€ici3C, 
sagt  Chremylos  bei  Aristophanes) ;  aber  doch  wohl  mit  unrecht. 
diese  gelehrten  haben  dessen  kein  arg,  sie  verstehen  nur  nicht  den 
komiker  zu  lesen,  und  haben,  wenn  sie  von  dem  'privaten  haushält* 
des  herrn  Volk  sprechen,  vergessen  was  in  unscrm  stück  vorhin 
V«  746  geschehen  ist.  dort  sind  die  beiden  gegner,  der  gerber  und 
der  wursthändler,  übereingekommen  ihren  streit  der  entacheidung 
des  Demos  zu  überlassen,  an  den  sieb  denn  der  Paphlagonier  sofort 
wendet:  *Demos,  mache  sofort  eine  ekklesia,  damit  du  erkennest» 
wer  von  uns  es  am  besten  mit  dir  meint,  und  dann  entscheide,' 
gewis,  sagt  der  wursthändler,  entscheide,  nur  bei  leibe  nicht  auf  der 
Pnyx*  aber  der  alte  erklärt  peremptorisch  an  keinem  andern  orte 
Sitzung  halten  zu  wollen,  wir  müssen  uns  also  zuvörderst  auf  die 
Pnyx  begeben,  o  weh,  murmelt  der  wursthändler,  dann  bin  ich  ver* 
loren,  denn  der  alte  herr  ist  bei  sich  zu  banse  der  gescheidteste  aller 

'  hier  noch  etDO  charAkte ristisch«  stelle:  in  PUton«  (?)  Alkibiadet 
I  S24°  tagt  Sokrates:  mein  4ir{TpoTroc  itt  beaser  and  weiier  «If  PorikUc^ 
der    deine,     wer   ist   denn  dieser?    fragt  Alkibiades.     goitl   antwart^i 

Sokrates. 


während  des  peloponnesiBchen  krieges.  I. 

menschen,  aber  wenn  er  auf  diesen  steinen  sitzt  [das  ekkjklema 
mit  den  die  Pnjx  vorstellenden  steinen  ist  inzwischen  hervorgerollt], 
dann  wird  er  dämlich  und  hat  maulaffen  feil :  ö  y&p  T^puiv  oIkoi  yiiv 
dvbpOüv  icd  beEiiüTaTOc,  |  öxav  b' dnl  Taurncl  KaOfirai  xfic 
TT^Tpac,  I  K6X11V6V  USW.  non  setzt  sich  der  Demos  auf  einen  der 
steine,  nun  sind  wir  also  in  der  ekklesia,  und  von  hier  an  hört  dann 
jegliche  'bjziehung  auf  den  privaten  haushält'  auf,  und  alles,  was 
der  Demos  von  jetzt  an  thut  und  spricht ,  das  thut  er  nicht  als 
Privatmann ;  sondern  als  repräsentant  des  souveränen  volks.  so 
weiter  unten  v.  1227,  wo  er  dem  Paphlagonier  befiehlt  den  kränz 
abzulegen,  um  ihn  dem  wursthändler  aufzusetzen,  darüber  sagt 
Gilbert  s.  92 ,  es  sei  zu  bemerken,  dasz  der  kränz  das  amtszeichen 
sowohl  des  buleuten  wie  des  rhetors  in  der  ekklesia  sei,  der  vor 
dem  Volke  redet,  nach  Schümann  de  com.  s.  113.  das  wird  wohl  so 
sein,  aber  hier  passt  keins  von  beidem :  denn  abgesehen  davon  dasz 
hier  von  der  bule  nirgends  die  rede  ist,  so  konnte  der  demos  den 
dem  gerber  abgenommenen  buleutenkranz  nimmermehr  dem  wurst- 
händler aufsetzen  und  ihn  dadurch  zum  buleuten  machen,  das  lag 
nicht  in  seiner  macht:  denn  die  buleuten  wurden  durch  das  loos  er- 
nannt; und  wenn  der  gerber  den  kränz  trüge  als  'rhetor  der  ekklesia, 
der  vor  dem  volk  redet',  so  müste  ihn  auch  der  wursthändler,  der 
die  lange  scene  hindurch  wetteifernd  mit  jenem  als  rhetor  vor  dem 
volk  geredet  hat,  ja  ebenfalls  tragen  und  brauchte  ihn  nicht  erst 
jetzt  aufgesetzt  zu  erhalten. 

Da  es  nun  mit  der  amtlichen  Stellung,  die  der  gerber  nach 
meiner  auffassung  in  den  Bittem  inne  hat  und  die  dann  schlieszlicb 
dem  wursthändler  übertragen  wird,  nichts  auf  sich  haben  und  es 
sich  hier  lediglich  um  einen  Vorgang  in  dem  privathaushalt  des 
herrn  Demos  handeln  soll,  so  hat  sich  Gilbert  zur  erklärung  der 
rolle,  die  Kleon  in  dem  stücke  spielt,  einen  leitenden  rhetor  zurecht 
construiert,  einen  amtlosen  demagogen  als  TrpoCTdTilC  ToO  b^^ou, 
als  'Vertreter  des  souveränen  volks,  der  aber  trotzdem  wegen  seiner 
amtlosen  Stellung  im  staatsieben  machtlos  i»t'  (s.  79),  ja  'dessen 
Stellung  als  leitender  rhetor  an  sich  durchaus  imaginär  ist' 
(s.  78) ,  der  aber  trotz  dieser  amtlosigkeit  'die  oligarchiscben  Ver- 
schwörungen ex  officio  zu  überwachen  hat'  (s.  85)  —  kurz,  wie 
Yolquardsen  in  Bursians  Jahresbericht  XIX  s.  52  sagt,  'eine  ganz 
widerspruchsvolle  zwittergestalt  zwischen  einem  beamten  und  einem 
Privatmann^  deren  Widersprüche  wenigstens  wir  nicht  auHzugleichen 
verstehen',  ja  das  glaube  ich  gern:  denn  'ein  vollkommner  Wider- 
spruch ist  gleich  geheimnihvoll  für'  - —  alle  weit.* 

Doch  ich  verlasse  diesen  'durchaus  imaginären'  rhetor  für  jetzt 
(ich  werde  noch  oft  auf  ihn  zurückkommen  müssen)  und  wende 
mich  meiner  nächsten  aufgäbe,  den  von  Köhler  vermiszten  beweis 

>  auf  8.  92  heiszt  es  f^ar:  'der  dcmoi  spricht  mit  dor  wttffntihmti  de« 
kranzes  für  Kleon  zuf^leich  die  entziehunfj^  seines  am  tos  als  leiten- 
der rhetor  der  bule  und  der  ekklesia  aus.* 


524     HMüller-Sirubing  t  btudien  über  die  verfasaung  von  Athen 


für  die  existenz  des  amtes  des  yerwalters  der  öflcntlichen  einkünfta 
vor  Ellkleides  zu  vervollslfindigen ,  wieder  zu,  aber  einige  punkte 
aus  Gilberts  Argumentation  luusz  ich  vorher  noch  besprechen,  da 
ihre  Widerlegung  doch  vielleicht  dazu  beitragen  wird,  die  aus  den 
Bittern  entnommenen  gründe  für  diese  existenz  im  verstärken. 

Ich  habe  in  meinem  buch  über  Aristopbanes  s,  l!19  darauf  auf- 
merksam  gemacht,  dasz  in  unserm  stücke  der  Faphlae^onier  ohne 
anstand  in  den  rat  geht,  an  der  Sitzung  leil  nimt,  antrage  stellt 
udgl.,  während  sein  rival  nicht  berechtigt  ist  einzutreten,  vielmehr 
drauszen  an  den  i^chraDken  stehen  bleiben  musz,  und  habe  dies  natür- 
lich auf  seine  amtliebe  Stellung  als  tamias,  wie  ich  damals  sagte^  zu- 
rückgeführt. Gilbert  dagegen  erklärt  diesen  umstand  und  auszer- 
dem  noch  andere  functionen,  die  Kleon  im  stücke  vomimt,  daher, 
dasz  Kleon  im  jähr  der  aufführung  o1.  88,  4  (424)  buleut  gewesen 
sei  mit  berufung  auf  v*  774,  wo  Kleon  sich  dem  demos  gegenüber 
rühmt:  öc  Trpüjta  ^ev,  fiviK*  ^ßouXeuov,  coi  xptJliCtTa  ttXcIct'  änl- 
b^xha  I  ev  T(b  koivlu.  das  ist  aber  otft;nbar  falücb :  Kleou  rühmt  sich 
der  dienste^  die  er  gleich  anfangs,  als  er  noch  ratmann  war  (noch 
nicht  Tajiiac),  db.  zu  anfang  seiner  politischen  caniere  dem  demos 
geleistet  habe;  wäre  er  jetzt,  etwa  zum  zweiten  mal  ratmann  ge- 
wesen (wenn  das  nemlich  verfassungsmänzig  möglich  war,  was  ich 
nicht  glaube,  s.  unten),  so  mtiste  das  doch  in  irgend  einer  weise  an- 
gedeutet sein,  daher  sagt  Beloch  (att  politik  s.  335)  mit  recht:  "^in 
den  Aristoph.  Rittern  beginnt  der  Paphlagonier  die  erzfiblung  seiner 
Verdienste  mit  den  Worten  öc  TTpiXita  pev  usw.  dasz  Kleon  also  in 
einem  der  jähre,  die  der  aufführung  der  Kitter  voraufgeben,  im  rat 
gesessen  hat,  kann  nicht  bezweifelt  werden  und  wird  auch  allgemein 
anerkannt  .  .  beiläußg  bemerkt  fällt  damit  die  ganze  ausführung  bei 
Gilbert  s.  91  —  93  in  sich  zusammen.'  das  thut  sie  freilich,  und 
Gilbert  wird  sich  nun  wohl  einen  andern  aus  weg  suchen  müssen  za 
erklären^  wie  seine  lächerliche  zwittergestillt,  der  amtlose  demagoge, 
ohne  weiteres  in  den  rat  gehen,  Vortrag  halten  und  den  buleuten 
anzeigen  kann,  es  sei  ein  heroid  angekommen  aus  Lakedaimou  mit 
friedensvorschlägen ,  der  also  zuerst  wohl  bei  dem  'imaginären* 
rhetor  accreditiert  gewesen  sein  musz.  und  nun  noch  eins,  ehe  ich 
mit  den  Rittern  abschliesze  —  freilich  nur  vorläufig,  denn  ich  werde 
auf  V.  774  und  Belochs  bemerkung  dazu  vielfach  zurückkommen 
müssen. 

Am  schlusz  des  Stücks  sagt  der  Demos  zu  dem  frühem  warst- 
bändler,  der  nun  schon  seine  investitur  mit  Siegelring  und  kmns 
erhalten  bat:  so  mag  nun  jener,  der  Paphlagonier,  sich  an  den  tboren 
mit  den  hadern  und  buren  herumbalgen,  dich  aber  berufe  ich  ins 
prjtaneion  und  auf  den  platz,  den  bis  jetzt  jener  schandkerl  inue 
hatte:  Kai  c*  dvti  toütujv  k  to  TTpuravciov  KaXui^  |  ^c  ttiv  Ibpav 
8*  IV*  dKcTvoe  f\v  ö  q>ap^aK6c  dies  kann  sich  unmöglich  auf  die 
Speisung  im  prytaneion  beziehen,  wie  die  ausleger  annehmen  (^zur 
Speisung*  sagt  Keck  kurz),  die  Agorakrltos  —  so  müssen  wir  ihn 


während  des  peloponnesischen  krieget.  I.  525 

jetzt  wohl  nennen  —  mit  dem  sonstigen  znbeb5r  seines  amis,  dem 
Siegelring  und  dem  kränz,  von  seinem  Vorgänger  übernommen  hätte: 
denn  Kleon  hatte  die  speisnng  im  prjtaneion  nicht  in  seiner  eigen- 
Schaft  als  tamias  oder  prostates  gehabt,  sie  war  ihm  vielmehr  als 
eine  persönliche  auszeich nung  für  den  bei  Pylos  geleisteten  dienst 
vom  dankbaren  volke  zugleich  mit  der  pro^drie  im  theater  verliehen 
worden ,  konnte  daher  nach  seinem  stnrze  unmöglich  ohne  weiteres 
auf  seinen  amtsnach folger  übergehen,  so  bleibt  mir  denn  zur  er- 
klärung  der  einfuhrung  des  neuen  beamten  in  das  prjtaneion  nichts 
übrig  als  die  annähme,  dasz  dieser  eben  sein  amtslocal  dort  hatte, 
von  dem  er  nun  besitz  nimt,  und  ich  wüste  nicht  was  sich  dagegen 
mit  fug  einwenden  liesze. 

In  den  Rittern  also  wird  Kleon  gestürzt  und  durch  den  wnrsi- 
händler  ersetzt;  in  der  Wirklichkeit  war  das  anders,  da  dauerte 
Eleons  herschaft  noch  jähre  lang  ununterbrochen  fort,  wie  wir 
unter  anderm  auch  aus  den  zwei  jähre  nach  den  Rittern  im  j.  422 
aufgeführten  Wespen  des  Aristophanes  wissen,  deren  ganzen  hinter- 
grund  die  noch  immer  dominierende  Stellung  Kleons  bildet^  wie 
er  ja  auch  nach  Thukjdides  damals  die  macht  und  den  einflusz 
hatte,  die  Athener  zu  dem  gefährlichen  kriegszug  nach  Thrakien  zu 
bereden  und  sich  selbst  zum  anführer  wählen  zu  lassen,  in  diesem 
feldzug  fand  er  bekanntlich  den  tod.  was  nun?  war  auch  die  stelle 
des  leitenden  rhetors',  des  'amtlosen,  aber  doch  zugleich  die  oligar- 
chischen  Verschwörungen  ex  officio  überwachenden  prostates'  mit 
Kleons  tode  beseitigt?  o  nein!  zum  glück  war  jemand  da,  'der 
sich  das  vertrauen  des  volks  in  einem  so  hohen  grade  erworben 
hatte,  um  nach  dem  tode  Kleons  als  dessen  nachfolger  in  die  pro- 
stasie  des  demos  eintreten  zu  können'  (Gilbert  s.  210  f.).  was  das 
für  rederei  ist!  Gilbert  geht  hier  wie  die  katze  um  den  heiszen  brei 
um  die  stellen  aus  der  Aristophanischen  Friedenskomödie  (v.  679  ff.) 
herum,  aus  der  allein  er  künde  über  diese  dinge  hat,  und  die  er 
natürlich  citiert,  aber  nur  in  einem  kurzen  deutschen  auszng;  ich 
will  sie  griechisch  hersetzen,  weil  hier  jedes  wort  ins  gewicht  fällt, 
die  Situation  ist  bekannt :  die  aus  der  grübe  gezogene  Friedensgöttin 
läszt  sich  durch  Hermes  Vermittlung  bei  Trjgaios  über  den  stand 
der  dinge  in  Athen  unterrichten,  ihre  erste  frage  ist: 
ßcTic  KpaxeT  vOv  tou  XlGou  toö  'v  t^  TiuKvi; 
TPYr.  Tn^pßoXoc  vOv  toOt*  fx^i  tö  Xü)piov. 
das  heiszt  doch,  Hjperbolos  beherscht  jetzt  den  stein,  dh.  die  redner- 
bühne  in  der  volksversamlung.  auf  die  frage  des  Trjgaios,  warum 
sich  die  göttin  unwillig  abwendet,  erwidert  Hermes: 
dTrocTp^qpexai  xöv  bf^MOV  dxOecGcTc'  öxi 
auTijj  TTCVTlpÖV  TTpocTdiriv  dTreTP^U'ctTG, 
was  der  scholiast  richtig  erklärt  dvxl  xoö  ^X^^POTÖVTICC,  Kax^cXT]C€V. 
Trygaios  entschuldigt  das : 

^   über    die    parabase  der  Wenpen  und   den  scblosz   der  Ritter  »» 
meinen  aufsatz  in  diesen  jahrb.  1890  8.  648  f. 


526     HMnller-Strübing:  stadieo  über  die  verfaseuug  you  Athen 


dtTtOpUlV  Ö  bfljUlOC  ^TTlTpÖTTDU  KÜI  T^MVÖC  UÜV 

TOÖTOv  T€ujc  TÖv  dvbpa  TTcpieJlubcaTO  usw. 
durch  daa  weglassen  des  griecbii^cbeti  textes  bat  gicb  Gilbert  aller*- 
dmgä  der  unangenehmen  notwendigkeit  Überhoben,  den  ausdruck 
TTpOCTOiTTiV  ^Tte^pdij/aTO  mit  seiner  theorie  von  dem  'imaginären 
amtlo^en  rbetor*  in  einklang  zu  bringen,  er  hätte  anerkennen  mtlssen, 
dE8Z  das  athenische  volk  wirklich  gescheidt  genug  war,  dem  manne 
seines  Vertrauens  das  amt  seines  epitropos,  was,  wie  oben  gezeigt, 
identisch  i^t  mit  tamias«  durch  wähl  zu  Übertragen,  der  es  dann, 
und  zwar  nicht  blosz  einstweilen»  teoic  (was  das  heiszen  soll,  das  im 
erklären  würde  mich  hier  zu  weit  führen;  ich  erlaube  mir  auf  mein 
buch  Über  Äristopb.  s.  414  u.  347  zu  verweisen),  sondern  für  die 
finanzperiode ,  die  penteteris  von  oL  89,  3 — ^90,  $  (422—418)  be- 
kleidet hat.  nach  ablauf  dieser  frist  ward  er,  wie  wir  wissen,  ostra- 
ki9iert\  und  wer  sein  nachfolger  in  der  prostasie  war,  das  wissen 
wir  nicht,  wie  ja  überhaupt  ^von  dem  verbannungsjahr  des  Uyper* 
boloa  bis  zu  den  Vorbereitungen  für  die  sikeliscbe  expedition  uns  I 
aus  der  innern  geschieh te  von  Athen  so  gut  wie  nichts  bekannt  ist*  ' 
(Gilbert  s.  241).  allerdings,  weil  wir  gerade  aus  dieser  zeit  kein© 
komodie  und  selbst  nur  wenige  sicher  datierbare  bruchstücke  be- 
sitzen,  wozu  noch  kommt,  dasz  gerade  für  diese  epocbe,  um  mit 
CRobert  im  Hermes  XXIII  s.  927  zu  reden,  'die  erzählung  des  Tba* 
kydides  ganz  besonders  unzuverlässig  and  lückenhaft  ist',  meino 
Vermutung  über  den  nachfolger  des  Hjperbolos  habe  ich  in  meinem 
buch  über  Aristophanes  s.  422  ausgesprochen,  kann  sie  aber  hier 
und  jetzt  noch  nicht  begründen;  dasz  aber  das  amt  des  prostates 
oder  tamias  oder  epitropos  oder  epimeletes  nicht ,  wie  man  das  ja 
von  der  ostrakophorie  behauptet  bat,  etwa  zugleich  mit  dieser  ab- 
geschafft ist,  gondern  dasz  es  fortbestanden  bat  mit  all  den  monar^ 
chiscben  attributen,  die  wir  ja  kennen,  dafür  will  ich  nun  noch  6in, 
mein  letztes  argument  beibringen,  vielleicht  wäre  es  Überflüssig,  I 
aber  das  durch  Köhlers  leicht  hingeworfenen  sweifel  an  der  existenx 
des  Verwalters  der  öffentlichen  einkünfte  im  fünften  jh,  hervor- 
gerufene Vorurteil  ist  schon  zu  fest  eingewurzelt  und  ist  zugleich  i 
für  das  richtige  Verständnis  der  athenischen  geschichte  zu  ver- 
hängnisvoll, als  dasz  ich  nicht  alles  daran  setzen  sollte,  den  letzten  { 
atem  von  mann  und  rosz ,  es  gänzlich  zu  vernichten. 

Zu  dem  ende  habe  ich  hier  nur  ^ine  stelle  zu  besprechen^  aber 
icb  denke  eine  entscheidende  aus  der  im  j.  414  aufgeführten  komödie 
des  Aristophanes  die  *VOger.  in  diesem  stücke  kommt  bald  nach 
der  con»tituierung  des  vogelstaates  der  alte  feind  der  olympischen 
götter  Prometheu!»  nach  Wolkenkukukäheim  zu  dem  oikisten  der  st&dt 
Peithetairos  und  kündigt  ihm  an,  es  werde  bald  eine  gesandtscbaft 


^  Gilbert  bat  wenigstem  das  }.  418  als  da«  der  o«trftkhieniii|r  deaJ 
Hjperbolofl  rlehtig  &nf?egeben,  wlLbrend  «ndrre  gelchrl«  aoeli  immer  ai|| 
dem  voD  Cobet  aosgeklügolten  j.  417  feilhftlieo. 


'Während  des  peloponoeaBchen  krieget.  L  527 

des  Zeus  bei  ibm  eintreffen,  um  sich  mit  der  neogegrfindeten  stadt 
zu  vertragen :  denn  die  götter  im  Olympos  seien  in  groszer  hedrlog- 
nis  durch  hunger ,  und  auszerdem  würden  sie  Ton  den  barbariM;ben 
göttem  unter  ihnen  mit  krieg  bedroht,  sie  seien  also  gezwiingeii 
sich  alle  bedingungen  gefallen  zu  lassen.  Peitbetairos  solle  non 
darauf  bestehen,  dasz  Zeus  den  vögeln  das  scepter,  das  sjmbol  seiner 
oberherlichkeit,  wieder  abtrete  und  ihm,  dem  Peitbetairos,  anszer* 
dem  die  Basileia  zur  frau  gebe,  darauf  verabschiedet  er  sich,  wer 
ist  nun  diese  Basileia?  das  werden  wir  sogleich  erfahren,  ich  mosx 
nur  vorher  die  Verhandlungen ,  die  Peitbetairos  mit  den  gesandten 
des  Zeus  führt,  mitteilen:  denn  diese  erscheinen  wirklich,  wie  Pro- 
metheus angekündigt  hat:  es  sind  Poseidon,  Herakles  und  der  Tri- 
baller,  ein  barbarengott;  Poseidon  erklärt,  sie  hatten  von  den 
göttem  vollmacht  und  seien  beauftragt  frieden  zu  fechlieszen.  Pei- 
tbetairos hat  dagegen  nichts  einzuwenden ,  wenn  nur  die  götter  das 
gerechte  thun  wollen,  das  gerechte  aber  sei,  da^z  Zeus  den  vögeln 
das  scepter  wieder  übergebe :  Ttt  bi  biKai'  ^CTiv  xdbe  |  TÖ  CKiirrTpoV 
flMiv  ToTciv  ßpviciv  TiäXiv  |  töv  Ai'  dTToboOvai.  Herakles,  dem  Pei- 
tbetairos nach  dem  abschlusz  der  Verhandlungen  ein  gutes  frühstück 
versprochen  hat,  erklärt  sich  sofort  bereit  dazu,  Poseidon  macht  ein- 
wendungen,  da  ihm  aber  Peithetairos  auseinandersetzt,  was  für  vor- 
teile den  göttem  durch  eine  sjmmachie  mit  den  vögeln  erwa<^hsim 
würden,  wird  er  schon  schwankend  in  seinem  widersprach^  und  dm 
der  Triballer  seine  Zustimmung  kauderwelscht,  so  scheint  die  sacha 
abgemacht,  da  besinnt  sich  Peithetairos,  dasz  er  etwas  vergessen 
hat:  Prometheus  hat  ihm  ja  eingeschärft ,  dasz  er  tLunzer  dem 
scepter  noch  die  Basileia  zur  frau  verlangen  soll:  denn  wenn  er 
diese  erhalte,  dann  habe  er  alles:  f^v  j*  f]v  cu  TTOp'  ^Kcivou  nOffOL' 
Xäßqc ,  ttölyt'  ^X^tc  —  und  so  bringt  er  denn  diehe  forderung  vor 
mit  den  worten :  Hera  will  ich  dem  Zeus  wohl  überlassen ,  aV^er  da« 
mädchen,  die  Basileia,  musz  mir  zum  weihe  herauMg«*geben  werden 
(-rfiv  ixkv  fäp  "Hpnv  TiapabibaiMi  Tip  Ali,  |  Tfjv  b€  BociXeiav  Tf|V 
KÖpiiv  T^vaiK*  dfioi  I  dKÖGT^ov  ^CTiv).  das  aber  schlägt  dem  fasz  den 
boden  aus.  'du  willst  also  keinen  frieden'  sagt  Poseidon;  'laszt 
uns  gehen.'  aber  Herakles  hält  ihn  zurück:  'wir  werden  do<;b  nicht 
um  eines  frauenzimmers  willen  krieg  führen  V  —  'aber'  sagt  Posei- 
don 'siehst  du  denn  nicht,  wie  sehr  du  dir  selbiit  im  lichte  uUshki? 
denn  wenn  Zeus  stirbt ,  nachdem  er  diesen  hier  die  berf»ehaft  Olier- 
geben  hat;  so  bist  du  ein  armer  teufel.  du  bist  ja  der  erbe  dm 
ganzen  Vermögens,  das  Zeus  bei  meinem  abieben  hinterläszt.'  — 
*o  himmell*  ruft  Peithetairos  dazwischen  'was  er  dir  da  alles  weis- 
macht!' und  nun  nimt  er  den  Herakles  bei  seite  und  erklärt  ihm; 
'dein  oheim  führt  dich  an,  du  tropf:  an  das  vermögen  deines  vat«rs 
hast  du  gar  keinen  ansprach,  nicht  den  allergeringsten,  nach  dein 
gesetz,  denn  du  bist  ein  bastard  und  nicht  voll  hurtig.'  —  'wie  sagst 
du?  ich  ein  bastard?'  —  'sicherlich  beim  Zeus:  du  bist  ja  von  einer 
fremden  mutter,  und  wie  denkst  du  denn,  dasz  Athena,  das  mädcheOi 


528     HMülIer-Strübing!  Btadien  über  die  Terfasaung  Ton  Athen 


die  erbtocbter  sein  könn©^  wenn  voHbürtige  brüder  da  wären?'  — 
^aber  wenn  mein  vater  mm  bei  seinem  abieben  mir,  dem  bastardi 
trotzdem  sein  vermögen  vermachte?'  —  'das  kann  er  nicht:  das  ge* 
sets  läszt  es  nicht  zu^  und  dieser  da,  Poseidon,  der  dich  hier  aufhetst« 
wörde  der  erste  sein  auf  das  vermögen  deines  vaters  als  sein  voll* 
hurtiger  bruder  anspruch  zu  erbeben,  ich  will  dir  darüber  das  geset« 
Solons  citieren:  dem  bastard  soll  das  erbrecbt  nicht  zustehen,  wenn 
vollbürtige  kicder  da  sind,  so  aber  keine  voUbürtigen  vorhanden 
Bind,  80  soll  dem  niicbsten  io  der  geschlechtsfolge  das  vermögen  lu- 
fallun/  —  ^ich  habe  also  gar  keinen  an  teil  an  dem  vermögen  meines 
vatertä?*  —  'meiner  treu,  gar  keinen,  und  sage  mir  doch:  hat  dich 
dein  vater  schon  bei  den  phratoren  eingeführt?'  —  'nein,'  sagt  Hera- 
kles ^und  ich  habe  mich  schon  lange  darüber  gewundert'  usw.  — 
damit  verlasse  ich  das  reizende  stück;  ich  brauche  es  nicht  mehr,^ 
denn  das  bisherige  genügt  wohl  zu  zeigen,  dasz  der  scboliast  recht 
hat,  wenn  er  zu  dieser  ste^e  sagt:  TTOtXiv  u>c  iv  KUipu>M9  ^etriTöT^ 
TCt  'ASfivaiuJV  I0T|  ^iri  tolic  0€OÜc  gewis:  die  athenische  Verfassung 
ist  ja ,  ich  möchte  sagen,  mit  haut  und  baar  im  Oljmpos  eingeführt 
mit  allen  ibren  eigentümlichsten  einzelbeiten.  was  in  Athen  rechten» 
ist,  das  ist  es  auch  im  Oiympos. 

Und  nun  ist  es  wohl  zeit  dasz  ich  mich  wieder  nach  der  Basileia 
umsehe,  wer  ist  sie  denn  eigentlich?  diese  frage  hat  schon  Peilhe- 
tairos  an  Prometheus  gerichtet  und  die  antwort  erhalten:  'die 
schönste  maid,  die  den  blitz  des  Zeus  verwaltet  und  das  andere 
alles  mit  einander,  die  wohlberatenheit,  die  woblgeäetzlichkeii,  die 
vernünftigkeit,  die  Schiffswerften,  das  schimpfen  und  poltern,  den 
kolakret^n,  den  richtersold,'  'das  altes^  sagst  du,  verwaltet  sie  dem 
Zens?'  —  'so  sage  ich:  wenn  du  also  die  von  ihm  bekommst,  so 
hast  du  alles/ 
TTEI0*  TIC  icTiv  f\  BaciXeia;  HP.  KaXXktri  KÖpi], 

T^TT€p  TOMieUtl  TÖV  KCpauvöv  TOO  AlÖC 
Kai  T<5XX*  diraEdTTavTa ,  Tf]V  eußouXlav, 
TTjv  euvoMiav,  rriv  cujq)potüvnv,  rd  v€t£ipia, 
Ti?)v  Xoibopiav,  Trjv  KUjXaKp^Tnv»  id  TpiU)ßoXa. 
TT€t0.  ÄTTavTd  Tdp*  auTiu  xameuei;   TTP.  cßf\ß*  i^[i}* 

f^v  t'  f|V  cu  TTop*  ^Kcivou  TTopaXdßrjc,  Tidvi*  (x^ic^ 
diese  person,  die  den  blitz  des  Zeus  verwaltet  usw,,  gehört  also 
wesentlich  in  die  im  Oljmpos  bestehende  Verfassung,  ja  bildet  oflea- 
bar  so  zu  sagen  den  schluszstein  des  dortigen  staat^lebens*  da  nun 
aber,  wie  wir  gesehen  haben,  die  im  Oiympos  zu  recht  bestehende 
Verfassung  mit  der  atbenL»chen  identisch  i$t,  so  mnsz  dieser  beamte 
oder  soll  ich  sogen  diese  beamtin?  notwendiger  weise  in  dem  irdischen 
pro to typ  jener  bimmliächen  Verfassung  ihr  vor-  und  gegenbild  habem« 
go  gewis  aUo  Zeus,  der  souverän  des  Oiympos,  jemand  hat,  der  ihm 
den  blitz  verwaltet,  dh.  der  als  executivbeamter  für  die  aosfOhrung 
des  allerhöchsten  willens  zu  sorgen  hat,  unter  dessen  Aufsicht  alle 
die  heterogenen  dinge,  die  schilTs werften,  die  wohlgesetzUchkeitf  die 


während  des  peloponnesiachen  krieges.  L  529 

Steuererhebung,  der  ricbtersold  stehen,  der  fOr  die  besonnenheit  ond 
mäszigung  im  staatsieben  einzustehen  hat,  unter  dessen  functionen 
sogar  das  schimpfen  und  poltern,  ich  möchte  sagen  die  amtsgrobheit 
nicht  fehlt  —  so  gewis  musz  auch  der  irdische  souverin,  der  demos, 
in  Athen  sich  einen  beamten  mit  denselben  functionen,  mit  der- 
selben Verantwortlichkeit  bestellt  haben.  hStte  ein  solcher,  der 
blitzverwalterin  im  athenisierten  Oljmpos  analoger  beamter  in 
Athen  nicht  existiert,  so  wäre  diese  ganze  stelle  nicht  blosx  witz- 
loS;  sondern  geradezu  abgeschmackt,  und  wäre,  was  in  der  komödie 
fast  noch  schlimmer  ist,  dem  publicum  unverständlich  gewesen,  wia 
hätte  zb.  der  zu  schauer  bei  den  Schiffswerften  im  Oljrmp  sich  vor- 
stellen sollen?  ja  ich  behaupte,  der  dichter  selbst  hätte  bei  aller 
Üppigkeit  seiner  phantasie  eine  solche  figur  wie  die  blitzverwalterin 
mit  der  köstlichen  Xoibopia  ohne  vorbild  in  der  Wirklichkeit  gar 
nicht  erfinden,  sich  gar  nicht  aus  den  fingern  saugen  können.* 

So  haben  denn  die  von  mir  hier  zusammengestellten  diehter- 
zeugnisse ,  namentlich  die  zuletzt  besprochenen ,  eine  viel  stärkere 
beweiskraft  für  die  existenz  eines  leitenden  obersten  beamten  in 
der  voreukleidischen  zeit  (dessen  hauptthätigkeit  dr>ch  wohl  die 
Verwaltung  der  finanzen  betroffen  hatj,  als  wenn  mir  daf&r  tat 
dutzend  Zeugnisse  aus  den  scholien  und  grammatikernotizen  bei- 
gebracht würde,  selbst  mit  berufung  auf  Aristoteles  oder  Pi&;ii>- 
choros:  denn  denen  gegenüber  könnte  ein  obstinater  »keptiker 
immer  noch  sagen,  der  grammatiker  habe  Mrmen  aotor  murentaS' 
den  oder  der  gewährsmann  sei  unglaubwürdig,  wie  diet  ja  X'VÜßulmr 
in  bezug  auf  die  stelle  bei  Plntarch,  die  den  altem  gelehrten  ab 
unverdächtiges  Zeugnis  dafQr,  dasz  Ariäteide«  da%  hok,t  Sctiizaittt 
als  dTTl^€X1lTrlC  bekleidet  habe,  vollkommen  genügte,  w;rk.>,&  g^ 
than  hat.  bei  den  von  mir  beigebrachten  bewei* »Völlen  'ux  dM  c>,L^» 
möglich,  denn  hier  spricht  das  leben  telb^t  klar  obd  deii*I>,&  f^r 
alle  die  obren  haben  und  hören  wollen,  al/er  %o  Wjjl\  ka<:ft  >,a 
doch  noch  nicht  von  Köhler  loskommen,  icb  UiTl^z  c^a^u  xjax*  xu^ 
überzeugen,  ob  sich  meine,  wie  man  siebt,  re.n  emp;ruieb  gew^m^ea^ 
anschauung  den  theoretischen,  apriohstiAeben  e^nwendcngea  If/ikMn^ 
gegenüber  wird  behaupten  Iskkien.  die  haoptttelle  filmet  i^Jb  41 
seinem  attisch-delischen  bnnde  s.  161:  'in  den  K^Vjgnk  ^^  kfiAU^ 
phanes  wird  Eleon  ziemlich  deutlich  ^t  die  \T\',^*ßinJ^t,r»%gi  ^er^tcV 
wortlich  gemacht.*  aber  wo?  ich  wei>z  ^  w4trr.Af*.»;f  ti^X\,  f5*.;//vn 
ao.  8.  40  sagt  dasselbe  wie  Köhler  oni  fCbrt  an  r.  y,\%^  »".  e*  t^» 
Kleon  heiszt  Kdirö  tuiv  Trerpu/v  övu/f€V  xotx  f^'j^ßK  h;f$^yxf/r:^Ut, 


^  die  (relehrten  iintertii';liiinip«ri  ron  K//^,k  on-t  t^'va  lM.%  'H*fM^s 
XXIV  8.355)  lasse  ich  bei  MttiHs  nr.d  h^3rK»''ir^  rr.iitK  ml%  4^  h,Aw*r'k4^A^ 
aaf  Aischylos  £am.  827.  dt«  g^ttio,  PaiU«  Au^ru^^  41^  </^ft  rM»  Oi« 
sagt,  sie  allein  von  allen  gott^rn  k^rr*^  ^i<:  %'.K/*.»^  zt  <«m  i^^m^^Ov^ 
in  dem  der  Mitz  verwahrt  »*ri  'Kai  Kß.fj>Xir  t*V/i  Vi#,*//rv:  i*//r^.  ^jft-/, 
€v  iL  KCpauvöc  icTiv 'ic^partcii^viXy ,  i*i  uk^vaku  \A^rfA.i^%  M^,t  iw 
blitzverwalterin  bei  Artsu»phjinf:i. 

JahrbSeher  für  elsM.  pbilol.  Vtn  hft  «  «  >,  %% 


HMOlIef-Strübiisg:  Studien  üb«?  die  Terfasflan^  Tbn  Athen 


aber  was  soH  das  bier?  wenn  Kleon  fioanzbeamter  war,  wie  ich  an- 
nebme ,  ja  Belbet  als  ^amtloser  leitender  rhetor*  hatte  er  vor  alleil 
dingen  daltlr  zu  sorgen ,  dasz  die  tribute  richtig  und  zu  rechter  zeit 
eingiengen,  er  mochte  für  oder  gegen  die  erhöh ung  sein,  wenn  übri- 
güus  Aristophanes  ein  gegncr  der  tributerhöhung  gewesen  wäre,  sa 
würde  er  das  nicht  bloäz  ziemlich  deutlich,  sondern  nach  seiner  art 
sehr  unverblümt  herausgesagt  haben*  Köhler  fährt  fort:  ^man  könnte 
sich  bierftir  auch  darauf  berufen  ^  dasz  nach  einer  von  gewichtiger 
autorität  vertretenen  annähme  Kleon  seit  ol.  88,  3  das  amt  eine« 
Schatzmeisters  der  öfft^ntlichen  einkünfte  bekleidet  habej  allein  es  ist 
zunächst  erst  zu  erweisen,  dasz  diese  finanzstelle  überhaupt  vor  dem 
archontat  des  Eukleides  existiert  habe;  die  einzige  stelle,  welche  zum 
beweise  angeführt  zu  werden  pflegt  (Plot.  Ärist.  4,  aus  Idomeneus), 
kann  als  vollgültiges  zeugnis  nicht  angesehen  werden,  dusz  sich 
übrigens  der  einflusz,  welclien  Kleon  und  andere  demagogen  auf  die 
Gnanzen  nachweislich  ausgeübt  haben,  schon  aus  ihrer  demagogi- 
schen eigenschaft  erklärt,  hat  schon  Böckh  I  224  mit  vollem  rechte 
bemerkt/  o  diese  unglückselige  demagogische  eigenschaft',  bei  der 
man  sich  docb  schlechterdings  nichts  concretes  denken  kann !  es  ist 
doch  wirklich  nicht  viel  anders  als  wollte  man  sagen,  die  demago- 
gische th&tigkeit  Kleona  erkläre  sich  schon  aus  seiner  demagogischen 
eigenschaft  —  etwa  wie  Bräsig  bei  Fritz  Beuter  sagt  'die  armut 
kommt  von  der  groszen  povertät'.  dabei  möchte  ich  wohl  wissen, 
ob  Köhler  auch  den  einflusz,  den  nachweislich  schon  Perikles  und 
vor  ihm  Ephialtes  auf  die  finanzen  ausgeübt  haben,  aus  deren  dema- 
gogischer eigenschaft  erklären  will?  doch  darüber  wird  besser  weiter 
unten  in  anderm  zusammenbange  zu  reden  sein;  hier  will  ich  2« 
nficbst  behaupten,  dasz  Köhler  unrecht  hat  die  angäbe  Plut 
Aristeides  sei  epimeletes  gewesen,  auf  den  allerdings  unzuverlässig« 
Idomeneus  zurückzuführen,  dort  in  c.  4  erzählt  Plutarch  zunächst 
ohne  quellenangabe  (X^Y^'^^O  ^^^^  anekdoU*n,  die  die  gerecht igkeit, 
die  Unparteilichkeit  des  Aristeides  in  recht  belies  licht  stellen  sollen, 
sie  mögen  wahr  sein  oder  nicht,  aber  man  kann  sie  nicht  gerade  aUl 
abgoBcbmackt,  als  schlecht  erfunden  bezeicbnen.    dann  fährt  er  fort: 

TtBV   hk   ÖTl^tOCiuiV   TTpOCÖbUJV   olpCÖCk   ^ITl^eXriTfjC   OU   ^ÖVOV  TOUC 

KaQ'  auTÖv  dXXd  kqI  touc  irpo  aOioO  tcvoju^vouc  dpxovTac  dirc- 
beiKvut  noXXd  V€voc<pic^€vouc  icai  ^dXicra  tov  GcjiicroKXea* 
«C09ÖC  Tdp  dv^p  Tfjc  hk  x^tpöc  ov  KpaTuiv.»   biö  Kai  cuvaxatüjv 

TTOXXOUC    im    TÖV   'AplCTCibnV    ^V    Tüic    €U0UVaiC    blUlKUJV    KX07Tf|C 

xaTabiKT]  Ttept^ßaXev ,  05c  cpf]civ  löo^cveuc.  und  dann  erzählt  er 
eine  lange  klatschgeschichte,  die  er  allerdings  bei  dem  auf  solche 
Skandal  hl  storchen  lüsternen  Idomeneus  gefunden  haben  mag,  die  aber 
wahrscbeinlich  als  ein  in  oli garebischen  kreisen  überlieferter  kktsch 
von  diesem  blosz  reproduciert  ist,  vieUeicbt  aus  Ste^iimbrotos.  aber 
dasz  Plutarch  für  jene  angäbe  Ttliv  briM^^i^v  TTpocöbu^V  aipcOctc 
illi^eXr)Tr|C  den  Idomeneus  als  autorität  habe  antübren  wollen,  daa 
scheint  mir  aus  dem  zusammenhange  durchaus  nicht  mit  notwendig- 


während  des  peloponnenBchen  krieget.  L  531 

keit  heryorzugehen ,  ist  yielmehr  bSdist  anwalmdieiiifidi.  deiu 
dieser  nacbricht,  Aristeides  sei  zu  der  denkbar  wiehtigsten  finaa- 
ziellen  Stellung  durch  volkswabl  berufen  worden,  moste  er  ja  in  allen 
quellen,  die  er  für  Eein  leben  des  Aristeides  zu  rate  zog,  begegnen. 
wozu  brauchte  er  dafür  gerade  den  Idomeneus,  den  er  selbst  anderswo 
als  unzuverlftbsig  bezeichnet,  als  autoritftt  anzuführen?  denn  die 
Sache  ist  ja  wahr,  ist  ja  notorisch :  sagt  doch  Plutarch  weiter  nnten, 
c.  24,  die  Hellenen,  die  sich  eben  gegen  Pauaanias  aufgelehnt  and 
sich  unter  die  hegemonie  Athens  gestellt  hatten,  Tax6f)vai  ßouXö- 
lievoi  Kaxd  ttöXiv  ^Kdcioic  tö  M^Tpiov  i^rrjcavTC  Trapd  tuiv  'A8n- 
vaiu)v  'ApicTeibriv  Kai  irpoc^ToEav  aurifi  xuipov  t€  icat  7rpoaM>ouc 
dTTicK€\|id]Lievov  öpicQi  TÖ  KQT*  äEiov  ^äcT(|i  KOt  buvafiiv.  und 
wenn  nun  die  Athener  den  neuen  bundesgenossen  diese  fordemng 
bewilligten  (und  dasz  sie  es  gethan  haben,  dafür  brauche  ich  wohl 
keine  Zeugnisse  anzuführen,  da  niemand  auf  der  weit  widerspricht), 
wie  sollen  de  das  denn  anders  gemacht  haben  als  dadurch  dasz  das 
souveräne  volk  den  Aristeides  zum  epimeletes  erwShlte?  nun  gieog 
aber  das  geschäft,  die  geldbeitrftge  und  die  sonstigen  leistnngen 
der  einzelnen  bundesglieder  festzusetzen ,  nicht  glatt  und  auf  6inen 
schlag  ab  (denn  ö  TTpuiTOC  (pöpoc  Tcxx^ic  von  460  talenten  bei 
Thukjdides  I  96  ist  ja,  wie  Eirchhoff  gezeigt  hat,  ein  mjthus,  eben 
so  wie  der  jährliche  (pöpoc  von  600  talenten  ebd.  II  lOj;  yielmehr 
zog  sich  die  regulierung  dieser  angelegenheit  jähre  lang  hin  —  die 
karischen  städte  traten  ja  erst  nach  der  Schlacht  vom  Enrjmedon  in 
den  bund  ein  nach  Eirchhoff  — ,  das  bedörfnis  nach  dem  ordner  der 
finanzen  war  also  immer  Torhanden ,  und  wenn  Aristeides  die  stelle 
nicht  mehr  bekleiden  konnte,  so  musz  das  athenische  Tolk  einen 
andern  epimeletes  bestellt  haben,  anfangs  wohl  nur  commissarisch 
für  einzelne  fälle ,  dann  aber ,  als  das  bedürfnis  nach  Stetigkeit  sich 
geltend  machte,  sich  geltend  machen  muste,  als  ein  regelm&sziges, 
mehrere  jähre,  die  yierjährige  finanzepoche,  die  penteteris  umfasnen- 
des  amt;  da  dann  der  name  7rp0CTdTT)C  aufgekommen  sein  wird 
(Plut.  Eimon  16  '6(pidXT0u  TTpoccxarroc  Piaton  Ges.  VI  766^  irpo- 
cidTTiv  Kai  imix€\r]Tf\v,  Gorg.  630*  oi  q>dcK0VT€C  irpoccrdvat  Tf|c 
TTÖX€U)c  Kai  diripeXeTcQai  öiruic  diC  ßeXricTn  Iciai.  Thuk.  II  65 
öcov  xpövov  TTpoOcTTi  Tfic  ttöXcuic,  Perikles).^  haben  wir  das  alles 
nun  zurückzuführen  auf  die  'demagogischen  eigenschaften'  dieser 
männer?  das  wird  sich  vielleicht  ergeben ,  wenn  wir  das  amt,  das 
Eleon  und  nach  ihm  Hjperbolos  bekleidet  haben,  noch  näher  ins 
äuge  fassen  und  versuchen  aus  der  phantastischen  caricatar,  die  die 


^  übrigens  glaabe  ich,  dasz  im  gewobniicheo  leben  die  «mtliebe 
tbätigkeit  des  finanzvorstehers  meisteo«  mit  Hern  aasdmck  Ta|ii€dciv 
bezeichnet  worden  ist,  und  er  selbst  folglich  aIs  TaiiCoC  der  offici«;!!« 
titel  dirifxcXnrric  scheint  dem  volke  nicht  mundgerecht  gewesen  zu  n»i\u, 
bei  Aristophanes  kommt  er  nicht  vor  (denn  die  stell«  Plut,  iK/7  Ut 
parodistisch)  and  ebenso  wenig  bei  den  übrigen  komik«rn  (%.  Js^;obis 
index  bei  Meineke  bd.  V). 

34* 


532     HMölLer-Strübing:  Studien  über  die  ^ 


Ton  Athen 


komiker  daraus  gemaclit  haben «  uns  das  wirkliebe  original  herzu 
Bteüeii.  raöglicb  mtisz  das  seini  wenigstens  bis  auf  einen  gewisset 
grad,  denn  eine  gute  caricatur  darf  ihr  original  wohl  verzerrenj 
dessen  charakteristische  ztige  ins  groteske  übertreiben,  aber  sie  darf 
ihm  keine  fremden  -^Uge  leihen,  noch  darf  sie  wesentliche  weglassen. 
wenn  das  gelingt,  so  werden  sich  vielleicht  zwei  weitere  bedenkea^ 
die  man  noch  gegen  die  existenz  eines  leitenden  finanzbeamten  im 
fünften  jh.  etwa  geltend  machen  kann,  von  selbst  erledigen,  die  ich 
aber  hier  schon  besprechen  musz. 

Das  erste  rührt  wieder  von  Köhler  her.  er  sagt  in  seiner  rec 
von  ASchmidts  Zeitalter  des  Perikles  in  der  bist  zs»  XL  (1875)J 
der  vf.  bezeichne  als  die  äuszere  grundlage  der  macbtstellung  des 
Perikles  das  strat/egenamt,  das  amt  des  Vorstehers  der  finanten  und 
des  Vorstehers  der  öffentlichen  bauten«  Kdhler  will  gegen  diese  selt- 
samen ansichten  nicht  ankämpfen:  dadurch  dasz  in  andern  darstel- 
lungen  ähnliches  zu  lesen  sei,  werde  die  Sache  nicht  besser  gemacht. 
der  baufenrainister  habe  nie  existiert;  für  die  finanzvorsteberschaft 
werde  Diod.  XII  39  angeführt,  hier  aber  sei  blosz  von  dem  com- 
missariat  für  die  anfertigung  des  Atbenabildes  die  rede  [womit  ich 
ganz  einverstanden  bin],  der  vf.  meine,  Perikles  sei  460  ßnanz- 
minister  geworden,  das  sei  falsch:  denn  wenn  die  Stellung  vierjährig 
war,  80  hätte  460  kein  Wechsel  stattfinden  können,  das  ist  nun  ga 
richtig,  vielmehr  erst  oL  80,  3  {4ö8),  wenn  nicht  vielleicht  eine  durcl 
den  tod  des  frühern  beamten  veranlaszte  Störung,  was  doch  möglicli 
ist,  oder  gar  ein  durch  dessen  absetzung  herbeigeführter  Wechsel, 
wie  denn  ein  solcher  fall  —  ich  glaube  das  nachweisen  zu  könnes 
—  spüter  wirklich  eingetreten  ist  doch  darauf  lege  ich  kein  ge 
wicht;  jetzt  kommt  wieder  eine  hauptatelle:  *und  soll  man  den 
wirklich  glauben ,  dasz  je  in  dem  republicanischen  Athen  eine  verJ 
einigung  der  beiden  ein fluszreic fasten  staatsämter,  Strategie  vmi 
finanzvorsteherscbaft  in  6iner  person  möglich  gewesen  wäre?^  hier 
ist  Köhler  im  irrtum:  dieser  argumentation  liegt  eine  freilich  weit 
verbreitete  falsche  auffassung  der  Strategie  zum  gründe:  denn  eine 
Strategie  als  einfluszreiches  t^taatsamt  hat  es  im  gewöhnlichen  lauf 
der  dinge  in  Athen  nie  gegeben,  sondern  immer  nur  zehn  vollkom- 
men gleichberechtigte  Strategen,  in  aui^zerordentlicbenf  die  existeni 
des  reichs  bedrohenden  krisen  wurde  allerdings  die  höchste  macht- 
vollkommenheitj  analog  der  römischen  dictatur,  zeitweise  einem  ein- 
zelnen übertragen,  aber  an  solche  ausnah mezust&nde  denkt  auc 
Köhler  hier  nicht,  sondern  nur  an  die  gewöbnUchen  ruhigen  zeit 
und  in  diesen  waren  die  zehn  Strategen  nichts  anderes  als  zwar  aq 
gesehene  aber  im  gründe  harmlose  beamte,  deren  thfttigkeit  sie 
kaum  Über  die  Verwaltung  ihrer  phylen  hinaus  erstreckte,  so  war 
denn  wohl  keine  politische  gefabr  dabei,  wenn  der  finaniEbeamte  tu- 
gleich  in  diesem  coltegium  sa^z,  indem  er  neun  gleich  berechtigte 
collegen  neben  sich  hatte,  wie  Perikles  allerdings  gttban  hat, 
aber  keineswegs  die  regel  war.  was  ich  hier  ausitpreche,  das  wird 


während  des  peloponnesiflclieii  krieges.  L  533 

jetzt  landläufigen  ansiebten  gegenüber  als  eine  paradoxie  erscheinen, 
die  ich  aber  im  verfolg  dieser  nntersachangen  begründen  werde, 
jetzt  hier  nur  noch  ein  —  ich  möchte  sagen  argumentum  ad  hominem. 
auch  die  altem  gelehrten  Böckh,  Hermann  und  Schümann  haben 
doch  recht  gut  gewust,  dasz  die  voreukl eidische  existenz  des  epi- 
meletes  äuszerlich  durch  kein  anderes  zengnis  gestützt  wird  als 
durch  jene  Piutarchstelle ,  und  auch  die  politische  mislichkeit' der 
cumulation  des  hochwichtigen  finanziellen  mit  einem  doch  immer 
angesehenen  militärischen  amt  in  derselben  person  kann  ihnen  nicht 
entgangen  sein ,  und  wenn  sie  dennoch  jenes  finanzamt  und  dessen 
vierjährige  dauer  als  unzweifelhaft  vor  Enkleides,  ja  als  seit  der 
Stiftung  des  athenischen  reichs  existierend  annehmen,  so  werden  sie 
vermutlich  von  derselben  anschauung  geleitet  worden  sein  wie  ich, 
dasz  nemlich  *eine  athenische  finanzverfassung  ohne  solche  einheit- 
liche spitze  geradezu  undenkbar  sei',  auf  welcher  petitio  principii 
nach  Lipsius  (in  seiner  rec.  meines  buches  in  Bursians  jahresber.  I 
8. 1363)  meine  angebliche  beweisführung  im  gründe  beruhen  soll. 

Der  zweite,  wie  oben  gesagt,  hier  noch  zu  besprechende  ein- 
wurf  ist  dem  schweigen  der  steine  entnommen;  es  seien,  so  sagt 
man,  in  neuester  zeit  so  zahlreiche,  das  finanzwesen  betreffende  vor- 
eukleidische  inschriften  ans  licht  gezogen,  aber  nie  und  nirgend  finde 
sich  die  leiseste  spur  eines  das  finanzwesen  leitenden  beamten.  das  sei, 
die  existenz  eines  solchen  in  jener  zeit  vorausgesetzt,  geradezu  uner- 
klärlich, ja  GFellmer  ('attische  finanzverwaltung'  in  den  sitzungsber. 
der  Wiener  akademie  1879  s.  383)  geht  weiter  und  sagt  gerade  heraus, 
es  könne  als  ausgemachte  thatsache  gelten,  dasz  im  fünften  jh.  in 
Athen  kein  beamter  existierte,  der  die  stelle  eines  oberaufsehers  über 
das  ganze  finanzwesen  einnahm,  das  werde  namentlich  durch  die 
Urkunde  CIA.  I  32  (die  Eirchhoff  in  ol.  86  setzt)  bewiesen,  'hätte 
ein  Staatsschatzmeister  damals  existiert,  so  hätte  er  in 
dieser  Urkunde  erwähnt  werden  müssen.*  das  klingt  sehr 
apodiktisch  und  scheint  sehr  geeignet  den  kenner  dieser  Urkunde 
einen  augenblick  stutzig  zu  machen,  aber  auch  nicht  länger,  bei 
tieferem  eindringen  in  das  wesen  der  athenischen  Verfassung  wird 
es  sich  vielmehr  ergeben ,  dasz  gerade  dies  schweigen  der  Urkunden 
mit  der  natur  und  der  Wesenheit  dieses  beamten  charakteristisch  zu- 
sammenhängt und  mit  notwendigkeit  daraus  hervorgeht,  vor  allen 
dingen  lassen  wir  uns  nur  nicht  durch  den  vornehmen  titel  Staats- 
Schatzmeister  einschüchtern,  sprechen  wir  also  nicht  von  der  'würde 
des  staatsochatzmeisters',  wie  Böckh  thut,  zb.  II  s.  223  und  wie  ich 
in  meinem  Aristophanesbuche  ihm  vielfach  nachgesprochen  habe  — 
das  erweckt  sofort  eine  falsche  Vorstellung;  nennen  wir  ihn  auch 
nicht  eine  art  von  'finanzminister  des  athenischen  Staats',  wie  Schö- 
mann  (gr.  alt.  I  s.  421),  das  passt  schon  eher,  gibt  aber  auch  eine 
falsche  nüance;  bleiben  wir  einfach  bei  dem  titel,  mit  dem  Aristo- 
phanes  in  der  stelle,  wo  er  am  ernsthaftesten  von  ihm  spricht,  ihn 
am  wenigsten  durch  caricatur  entstellt,  ich  meine  in  der  Hyper- 


534     HMüller^Strübing:  studieii  über  die  Verfassung  von  Athen 


bolosetelle  im  Frieden,  ihn  bezeichnet,  Vorsteher,  prostÄtes  —  i 
suchen  wir  dann,  wie  ich  das  schon  oben  angekündigt  habe,  aus  da 
geistvollen,  lebendigen,  aber  im  höchsten  grade  verzerrten  Schilderung 
die  Aristo pbanes  hauptsScblich  in  den  Rittern  uns  von  dem  maniii 
und  seiner  thätigkeit  zum  besten  gibt,  uns  ein  wirklieb  lebensfÄhigi 
bild  herzustellen,  suchen  wir  zu  ermitteln,  welche  Stellung  er  in  de 
ekklesia  sowohl  wie  im  buleuterion  einnahm,  und  da  will  ich  deni 
gleich,  wiewohl  ich  welsz  dasz  das  gefäbrlicb  ist  (deünitio  nocet!] 
das  resultät  meiner  Untersuchung  hier  an  die  spitze  stellen,  dies  is 
folgendes  :  der  prostates  war  ein  Staatsmann] seh  gebildeter,  besoii 
ders  für  finanzielle  fragen  competenter  fachmann,  den  das  volli 
dessen  vertrauen  er  sich  erworben  hatte,  beim  beginn  jeder  vk| 
jährigen  finanzperiode  durch  wabl  der  bule  al»  sachkundigen  beraH^ 
bestellte,  so  hat  er  gar  keine  bestimmte,  abgegrenzte  amtstfaätig 
keit:  denn  alles  was  der  rat  beschlieszt  unterliegt  seiner  begutach 
iung,  und  umgekehrt,  alles  was  er  officieli  thut  und  spricht,  das  ihn 
und  spricht  er  im  namen  und  im  auftrag  des  rats^  wie  er  denn  aiuj 
als  Vertrauensmann  des  volks  den  verkehr  zwischen  der  ekklesia  ufl 
dem  buleuterion  vermittelt,  so  passt  denn  auf  ihn  ganz  wobl,  Wl 
Fellmer  ao.  über  den  im  vierten  jh.  zuerst  auftretenden  beamten,  doi 
im  Tiic  bioiKr|C€UJC  aipeiöc,  kurzweg  6  ^itl  ttj  btotKr|C€i,  sagt,  ^die 
sei  äuszerHcb  ein  untergeordnetes  amt  gewesen,  das  in  den  bände] 
eines  geistig  unbedeutenden  mannes  nicht  die  bedeutung  batt€ 
welche  man  ihm  nach  den  berichten  mancher  Schriftsteller  zuweise] 
möchte,  das  aber  bekleidet  von  einem  hervorragenden  manne  jenet] 
alles  beherschenden  einflusz  erlangte^  das  läszt  sich  hören,  wen] 
uns  Fellmer  nur  gesagt  h&tte,  bei  welcher  behörde  denn  dieser  seil 
untergeordneter  beamte  fungiert  haben  soll  —  etwa  als  sacbverstftn 
diger  berater,  als  eine  art  von  sjndicus,  nicht  in  griechischem  sinae 
sondern  im  sinne  der  mittelaltrigen  stadtre publiken ,  die  ja  bei  xm 
als  rats-  oder  stadtsjndiken  noch  jetzt  existieren,  und  aus  denen  sid 
in  Italien  der  sindaco,  db.  der  bürgermeiäter  entwickelt  hat.  ioj 
werde  unten  darauf  zurückkommen,  nur  beachte  man,  d&At  ein  g« 
waltiger  unterschied  zu  meinem  prostates  stattfand,  schon  deshalh 
weil  der  beamte  des  vieHen  jh.  kein  reich  mehr  zu  verwalten  ha 
und  det^balb  auch  nicht  auf  vier  jähre  gewählt  wurde:  das  verkeil 
ich  keineswegs ,  brauche  aber  hier  nicht  darauf  einzugeben. 

Diericbtigkeit  meiner  defioition  des  prostates  vorausgesetzt,  y 
also  das  buleuterion,  das  ratbaus»  der  eigentliche  Schauplatz  seine 
thlStigkeit,  schon  deshalb,  weil  der  rat  mit  den  bekannten  ausnahmt 
täglich  Sitzung  hielt,  während  die  volksversamlungen ,  wenigHld 
die  ordentlichen,  nur  viermal  in  jeder  prytanie,  aUo  vierzigmal  fl 
jabre  stattfanden,  und  ferner,  weil  in  der  ekklesia  nur  Über  ding 
verhandelt  werden  konntej  über  die  schon  eine  vorberatung  und  ab 
Stimmung  im  buleuterion  stattgefunden  hatte,  es  wird  daher  fQ 
meinen  zweck,  die  amtsthätigkeit  des  prostates  —  sagen  wir  m 
nächst  zur  zeit  des  peloponnesischen  krieges^ — festzustellen,  durofc 


während  des  poloponnesiscbeo  kmgM.  I.  535 

nötig  sein,  zuerst  die  Stellung,  die  Organisation  und  die  fonetionen 
des  rates  ins  äuge  zu  fassen ;  wir  finden  ja  darüber  in  den  lehr-  or.d 
handbücbem  der  griechischen  antiquitäten  genügende  und  im  gtaaen 
übereinstimmende  auskunft;  so  dasz  ich  mich  kurz  fassen  kann. 

Zuerst  also  die  frage:  was  war  der  rat,  der  permanente  an*- 
schusz  der  athenischen  bürgerschaft?  wie  war  diese  behOrde  zu- 
sammengesetzt? nun,  das  wissen  wir  ja  alle:  sie  bestand  aus  500 
jährlich  erloosten  mitgliedern,  von  denen  je  50  der  einzelnen  10 
phylen  nach  einer  jährlich  durch  das  loos  bestimmten  reihenfolge 
unter  dem  titel  prjtanen  eine  subcommission  bildeten  und  im  rat 
während  dieser  frist,  also  durchschnittlich  etwa  36  tage  lang,  den 
Vorsitz  führte;  der  Vorsitzende  dieser  je  weilig  prytanierendenphylo, 
der  für  einen  tag  und  eine  nacht  gleichfalls  durch  das  loos  bestimmte 
epistates ,  war  denn  auch  für  seine  24  stunden  der  Vorsitzende  der 
bule.  und  da  die  gerade  amtierende  phjle  auch  für  die  in  ihre  pry- 
tanie  fallende  volksversamlung  den  vorsitz  hatte,  so  war  ihr  epi- 
states denn  auch  ex  officio  präsident  des  in  der  ekklesia  versammel- 
ten Volks  —  wie  ja  auch  in  den  durch  das  zusammenwirken  des 
rats  und  des  volks  beschlossenen  decreten  sein  name  allemal  genannt 
wird,  nun  musz  es  aber  doch  wohl  vorgekommen  sein ,  dasz  dieser 
durch  das  loos  bestimmte  präsident  nicht  das  zeug  dazu  hatte,  nicht 
der  rechte  mann  da2u  war,  die  mit  dieser  Stellung  verbundenen 
functionen  auszuüben,  wir  kennen  ja  einen  solchen  fall.  Sokrates 
erzählt  selbst  bei  Piaton  (Gorgias  473^),  er  sei,  als  er  als  epi- 
states seiner  phyle  in  der  volksversamlung  den  vorsitz  führte,  aus- 
gelacht worden ,  weil  er  es  nicht  verstand  die  abstimmung  vorzu- 
nehmen, also  nicht  einmal  die  rein  formalen  geschäfte,  auf  die  sich 
die  functionen  dieser  eintagsfliege  von  Präsidenten  in  der  regel  be- 
schränken musteu;  wüste  er  auszuüben!  und  weiter:  wenn  nun  der 
tag  der  ekklesia  herankam,  so  muste  doch  dem  volk  ein  officieller 
bericht  erstattet  werden  über  das  was  seit  der  letzten  versamlung 
in  der  bule  vorgekommen  war,  der  souverän  muste  doch  erfahren, 
was  der  ihn  vertretende  ausschusz  verfügt  hatte,  wer  sollte  nun 
diesen  bericht  erstatten  ?  der  Schattenpräsident?  wenn  dieser  aber 
dazu  nicht  geeignet  war?  denn  es  ist  nicht  jedermanns  sache,  einer 
oft  stürmischen,  tumultu arischen  versamlung  von  tausenden  (man 
erinnere  sich  jener  versamlung  wegen  der  Arginusen-feldherrn ,  in 
der  Sokrates  ausgelacht  war)  einen  solchen  Vortrag  zu  halten,  für 
einen  solchen  immerhin  denkbaren  fall  musten  doch  Vorkehrungen 
getroffen  sein,  gewis :  dann  trat  eben  der  Vertrauensmann  des  volks, 
der  officielle  berater  des  rats ,  als  wirklicher  präsident  hervor  und 
übernahm  dessen  functionen.  daher  denn  auch  dem  wursthändler 
versprochen  wird,  wenn  er  nur  erst  den  Kleon  gestürzt  habe,  dann 
werde  er  herr  des  rates  (Aristophanes  nennt  das  den  'rat  mit  fQszen 
treten'  Ri.  164  f.)  und  ebenso  solbstherscher  der  volksversamlung 
sein:  äpxriT^c  Tfjc  ttukvöc,  und  Demos  selbst  erklärt  sehr  be- 
stimmt (v.  1109),  er  werde  demjenigen  von  den  bewerbern  um 


536     HMüller-Strübing :  utudien  über  die  verfasÄung  von  Athen 


seine  gunst,  den  er  bevorzugt,  Tf|c  ttukvÖc  tcic  f|viac  übergeben^  in- 
dem er  ihn  zu  seinem  tamias  macht,  nehme  ich  noch  dazu,  dagz  die 
Friedensgöttin  auf  ihre  frage,  wer  jetzt  den  stein  auf  der  Pnyx  be- 
hersche,  die  antwort  erhält:  Hyperbolos,  der  neu  gewählte  prostates 
habe  jetzt  diesen  platz  inne  ("Yir^pßoXoc  vOv  toOt*  Ix^i  TÖ  x^J^piov 
Fri»  G80) ,  und  dasz  auszerdem  der  komiker  Kratinos  in  seinen  kurz 
vor  der  Friedenskomödie  aufgeführten  Jahreszeiten  von  diesem  Hyper* 
boloa  sagt,  er  sei  vor  kurzem  auf  das  ßf|jiCi  gekommen  (s.  meine  abh, 
in  die&en  jahrb.  1890  s.  526),  so  halte  ich  den  beweis  für  meine  be- 
hüuptung,  dasz  der  vom  volk  erwählte  Vertrauensmann,  der  amtliche 
beirat  der  pouXr|  als  solcher  zugleich  der  wirkliche  prUsident  der 
Volks ver&iamluog  war,  ftlr  erhradit.  beiläufig  will  ich  noch  anmerken, 
dazs  die  ausdrücke  ö  XiOoc  ev  Trj  ttukvi  und  t6  ßf^iia,  diedengram- 
matikern  zufolge  dasselbe  bedeuten,  nicht  sowohl  auf  die  redner- 
bühne  gehen  als  auf  den  sitz  des  prätiidenten,  den  also  der  prostates 
inne  hatte. 

Doch  zuL'Uck  zum  i-atl  nnd  wenn  ich  denn  auch  hier  frage,  auf 
welche  gebiete  der  politik  und  der  administration  sich  denn  die  voa 
dem  officiellen  beirat  zu  begotachtendö  thätigkeit  der  bule  erstreckte, 
so  ist  die  antwort  freilich  einfach:  auf  alles  und  jedes:  denn  wirklich, 
der  rat  verhandelt  de  rebus  omnibus  et  qutbusdam  alüs:  das  erfahren 
wir  durchaus  authentisch  durch  die  ältere  scbrift  vom  Staat  der 
Athener  (3,  3) ,  deren  geistvoller  Verfasser  sich  bei  aufzÄhlung  der 
functionen  des  rats  selbst  verwundert,  wie  es  möglich  sei  eine  solche 
masse  heterogener  dinge  zu  bewältigen,  doch  auf  die  erörterung 
dieses  capitels  kann  ich  mich  hier  nicht  einlassen,  das  würde  mich 
zu  weit  von  dem  wege,  den  ich  hier  zu  verfolgen  habe,  abführen; 
ich  halte  mich  hier  an  unsere  landläufigen  lehr*  und  handbücher  der 
griechiBchen  staatsaltertUmer,  und  da  musz  ich  denn  gesteben,  das2 
ich  nach  der  auf^äblung  aller  der  zum  amtsbereich  des  rats  geh(5rigeii 
dinge,  die  sie  angeben,  mich  meinerseits  verwundere,  dasz  diese  ge- 
lehrten herren  sieb  nicht  verwundt^rn,  sich  nicht  mit  erstaunen 
fragen,  wie  es  doch  möglich  sei,  dasz  eine  solche  körperschaft  allen 
diesen  heterogenen  dingen  gewachsen  gewesen  sein  soll,  und  dasz  nicht 
auch  ihnen  die  absolute  notwendigkeit  einer  einheitlichen  spitze  sich 
aufgedrängt  hat.  man  bedenke  doch:  eine  durch  das  loos  zusammen- 
gewürfelte behörde,  jährlich  wechselnd,  in  der  sich  also  gar  keine 
geschäftskenntnis ,  keine  amtserfahrung,  keine  routine  ausbilden 
konnte,  die  alle  jähre  damit  anfangen  muste,  das  abc  ihrer  politi* 
sehen  thätigkeit  erst  zu  lernen.^    doch  ich  breche  ab,  sonst  wird 


*  B3ckh  hat  es  bekanntlich  ala  seine  iiberaengnng  an«gesprochen, 
daai  man  nicht  zwei  jähre  nach  elnauder  bnleut  hätte  sain  kÖnoenu 
ich  wnndere  mich,  dasx  man  daa  noch  jetzt  als  *^blo«Sd  vermtttniig*  an- 
zweifeln kfiDQ,  nenilich  seit  ein  meiner  meinnojc  nach  in  dieser  frag« 
ent«chetdcnder,  früher  ungentt|i^end  pubUclerter  volkebetcblass  jetit  ia 
Cörrecter  faJiBUng;  vorliept.  dnrUber  sagt  Gilbert  (»,  400):  ^'in  ferylhr» 
haben  dl«  Athener  die  Verfassung  bis  in  die  kleinsten  detiült  geordnet»   tln 


während  des  pelopomMBccbeB  lurki^».  X.  ÖS7 

man  mir  wieder  die  petitio  prineipü  entgegen  halt»;  icb  will  rM" 
mehr  rein  empirisch  zn  werke  geben  und  o&cbw«ui«ii«  d^sr  Ufiter  «JI 
den  Zügen  der  vielgeschäftigen  tbätigkeit  Kieons ,  die  Arit^topbMie» 
in  seiner  caricatur  in  den  Rittern  hervorhebt,  kein  einziger  ittt, 
der  sich  nicht  auf  eine  der  fonctionen  des  rats,  die  Gilb^  zu- 
sammenstellt ,  zurückführen  läszt,  ja  ich  möchte  ^agen ,  sie  lebendig 
belegt  und  illustriert. 

'Die  gesamtheit  des  rates'  sagt  Gilbert  s.  253  'baue  fiter  dia 
einzelnen  mitglieder  desselben  eine  discipl inarge walt.  der  rat  konnte 
nemlich  ein  einzelnes  mitglied  durch  die  sog.  £icq)uXXoq[>opta  pro* 
visorisch  aus  seiner  mitte  ausstoszen.'  ja  wohl,  so  sagen  wenigstens 
die  grammatiker,  und  dasz  dies  wirklich  im  vierten  jb.  einmal  ge- 
schehen ist,  das  erfahren  wir  durch  eine  gute  quelle,  durch  den 
redner  Aischines  (g.  Tim.  §  112):  pexd  laÖTa . .  f\  ßouXf)  ä€q[>uXXo- 
q)öpT]C€V  auTÖv,  nemlich  den  Timarchos,  und  zwar,  wie  wir  wissen, 
wegen  liederlicher  unzucht.  dasz  dies  aber  auch  im  fünften  jh. ,  In 
der  zeit  von  der  wir  hier  handeln,  geschehen  ist,  und  zwar  aus  dem- 
selben gründe ,  das  lernen  wir  aus  den  Rittern  y.  877,  wo  Kleon 
sich  rühmt:  firauca  toOc  ßivoujLievouc  töv  fpuTTOV  iHaX€ii|iac.  dies 
ist  charakteristisch :  denn  er  nimt  damit  die  Streichung  des  Gryttos 
aus  dem  Verzeichnis  der  ratsmitglieder,  die  doch  nur  durch  die  ab- 
Stimmung  des  rates  geschehen  sein  konnte,  als  seine  that,  als  sein 
verdienst  in  ansprach,  man  vergleiche  damit,  wie  vorsichtig  er  sich 
sonst  über  ähnliche  Vorgänge  auszudrücken  pflegt,  zb.  v.  67  öpäT€ 
TÖV  *'YXav  bi*  ^^fe  jLlacTlTOu^€VOV  —  er  hat  ihn  also  nicht  selbst 
gezüchtigt,  er  hat  die  Züchtigung  nur  veranlaszt  —  wodurch?  ohne 
zweifei  durch  eine  denunciation  bei  den  prytanen,  wie  er  ja  y.  300 
dem  wursthändler  droht,  er  werde  ihn  wegen  zoUdefraudation  bei 
den  prytanen  denuncieren :  Kttl  q)avai  C€  ToTc  irpuidveciv  dbCKaieu- 
Touc  Ttjv  Geoiv  lepdc  Ix^yia  KOiXiac.  und  so  sollte  denn  auch  die 
zweite  denunciation  des  wursthändlers^  er  führe  den  feinden  kriegs- 


aus der  Kimonischen  zeit  datierender  volksbeschlnsz  der  Athener  [CIA.  1 9] 
enthält  bestimmun^en  über  die  zahl  der  buleuten  [120,  ich  denke  je  30 
ans  jeder  der  vier  ionischen  phylen],  über  ihren  ernennun^smodas 
[dirö  KudfiUJV,  wie  in  Athen],  ihre  dokimasie  [in  der  ßouX/),  wie  in 
Athen],  ihr  alter  [30  jähre,  wie  in  Athen]',  ferner  über  den  eid,  den 
der  neuerlooste  bulent  zu  schwören  hat:  bei  Zeus,  Apollon  und  Demeter 
—  wie  in  Athen;  über  die  zeit,  welche  zwischen  zwei  ßouXctai  ver- 
gehen muste :  \io\  ecjuiTÖv  cTvai  ßouXeOciv  ivTÖc  Tcxrdpujv  irOüv.  wahr- 
lich ich  kann  mich  kaum  enthalten  hier  auf  eigne  Verantwortung  hin- 
zuzusetzen: wie  in  Athen,  denn  ich  kann  mir  nicht  vorstellen,  dass 
sie  eine  solche  bestimmung  wie  IvTÖc  TCTTdpwv  ^Tdiv  aus  heiler  haut  in 
Erythra  eingeführt  haben  sollten  ohne  eine  analoge  clausel  in  ihrer 
beimischen  Verfassung,  damit  will  ich  die  vier  jähre  gewis  nicht  als 
absolut  festhalten,  da  kann  Wechsel  eingetreten  sein,  aber  das  princip, 
dasz  niemand  zwei  jähre  hinter  einander  im  rat  sitzen  konnte,  haben 
die  Athener  gewis  niemals  aufgegeben,  aus  gründen  politischer  zweck* 
mäszigkeit,  die  ich  hier  nicht  entwickeln  kann,  die  aber  jeder  mit 
politischer  phantasie  begabte  leser  verstehen  wird. 


538     HMüUer-Ströbiog:  studieo  über  die  verfaasüDg  von  Athen 


raaterial  zu  (v.  277  TOUTOvi  TÖv  ävhp"  l^ih  'vbeiKVUjil  Koi  qprj^* 
Ödt^iv  I  laici  TTcXoTTovvTiciujv  ipiripeci  ItujueujLiaTa)  ohne  zweifei 
bei  den  prytanen  eingereicht  werden,  wie  diese  hcbwierigen  stelleaj 
sonst  sachlicb  zu  erklären  sind,  das  weisz  ich  nicbt,  kümmert  mich^ 
hier  aucb  nicbt;  icb  wollte  hier  nur  darauf  aufmerksam  machen^ 
dasz  diese  stellen  immerbin  ein  licht  werfen  auf  den  geachftftsgang 
und  auf  die  art  und  weise,  in  welcher  der  prostateä  mit  dem  plenum 
des  rais  verkehrte,  in  ganz  correcter  weise,  durch  die  yermittlung 
des  formalen  prüBidiums  des  letztern,  der  prjtanen  und  ihres  epi- 
States,  wenn  aber  Gilbert  mit  berufung  anf  eine  confuse  stelle  bei 
Pollux  VllI  95  sagt  (s.  257):  'ihnen,  den  prytanen,  stand  die  be- 
rufung  des  rates  ?u  und  zwar  unter  gewöhnlichen  Verhältnissen 
durch  ein  scbnftHcbes  TTp6tpotp|ua  mit  vorher  angegebener  tage^« 
Ordnung',  so  hat  sich  Pollux  hier  doch  wohl  geirrt*  denn  der  rat 
versammelte  sich  ja  täglich  mit  ausnafame  der  fest*  und  Unglücks- 
tage  ganz  von  selbst:  was  bedurfte  es  da  noch  einer  beruf ung  und 
eines  programma?  Pollux  hat  hier  wohl  von  den  volksversam- 
lungen  reden  wollen,  die  allerdings  von  den  prjtanen  fünf  Uge  vor- 
her durch  ein  programma  mit  der  tagesordnung  berufen  wurden,  und 
da  vermute  ich  stark,  dasz  mancher  brave  epistates,  der  diesem  ge- 
schäft,  zu  dem  ihn  das  ioos  verurteilt  hatte,  sich  nicht  recht  ge- 
wachsen fühlte,  sich  darüber  mit  seinem  prostates  ins  einvernehmen 
gesetzt,  ja  diesem  die  abfassung  des  programmas  wohl  ganz  über- 
lassen hat»  Gilbert  fährt  dann  fort  (s,  260):  'der  rat  halte  eine 
doppelte  Stellung  im  Staate,  derselbe  war  der  vorberatende  aus* 
gchusz  der  volksversamlung  und  die  höchste  regierungs-  und  Ver- 
waltungsbehörde* in  seiner  ersten  eigen&chaft  hatte  er  alle  an- 
gelegen heilen,  welche  an  die  ekklesia  gebracht  werden  sollten,  vorzu«- 
beraten  und  über  dieselben  ein  ratsgutachten  abzufassen  .  ,  in 
seiner  zweiten  eigenschaft  als  höchste  regierungs  und  verwaltungs- 
Lehördo  konnte  der  rat  innerhalb  seines  gescbäffskreises  [und  waa 
gehörte  nicht  zu  seinem  gescbäftskreis?  vgK  die  oben  angefahrte 
stelle  ans  der  *A0Tivalu)V  TToXiTCia]  bindende  befchlüsse  fassen*, 
kurz  der  rat  führte  die  Oberaufsicht  über  die  gesamte  Verwaltung. 
gewis.  '  daher  es  denn  auch  von  seinem  voröteher  KWon  heiszt 
(Ri.  74),  es  sei  unmöglich,  dasz  ihm  irgend  etwaji  verborgen  bleibe, 
denn  er  beaufsichtige  alles,  stehe  mit  dem  6inen  fusz  in  Pylos  [wai 
die  Athener  damals  eine  garnison  hatten],  mit  dem  andern  in  der 
volksversamlung:  dXX'  oux  olöv  T€  töv TTacpXaTÖv'  ovbkv  XaQtiv  | 
iipopqi  T^p  auTÖc  Ttavi'.  ix^x  yäp  tö  ciceXoc  |TÖMfev  ^vFluXiiip 
t6  b'  ^repov  ^v  tt^kkXtici^  —  und  so  redet  denn  auch  der  dem 
Aristophanes  damals  noch  befreundete  gleichgesinnte  EupoUa  in 
seinem  'goldnen  Zeitalter'  die  btadt  Athen  folgendergestalt  an: 
*o  du  schönste  stadt  von  allen,  Ober  die  Kleon  die  aufsieht  fahrt» 
wie  glückselig  warst  du  schon  bi.sher,  und  wie  viel  mehr  wirst  da 
es  jetzt  sein:  di  KaXXicrri  tt6Xi  nacuiv  öcac  KX^uiv  ^cpop^i,  |  ibc 
€ubal(iaiv  irpÖTCpöv  x*  ^c8a  vuv  re  päXXov  ^c€i,  jetzt,  nach* 


i^Uureod  des  peloponneMdcs  imfpfife.  0^  iü^ 

dem  da  den  Kleon  zn  deinem  prostates  gewSbU  vtA  aaoa.  ^m^  iMtt^ 
dich  glücklich  za  machen  für  vier  jähre  übertragen  hm-C 

Gilbert  gibt  dann  'einige  der  wichtigsten  selten  der  tlHfr^dMVt 
des  rates'  an.  *der  rat  sorgte  för  die  kriegätfichtigkeit  de*  lAikMm 
und  ftthrte  demgemäsz  die  Oberaufsicht  über  die  flotte  and  Am 
werfte ,  über  das  rittercorps  und  unzweifelhaft  auch  über  die  Imk 
pliten.'  sicherlich  unzweifelhaft:  äuszert  doch  der  verjüngte  Demos 
Bi.  1369  unter  den  guten  Vorsätzen,  die  er  für  die  zuknnft  gefaszt 
hat ,  auch  den,  von  nun  an,  nach  Eleons  starz ,  solle  der  name  jedes 
hopliten  an  der  stelle  des  officiellen  Verzeichnisses,  an  der  er  einmal 
eingeschrieben  sei ,  auch  stehen  bleiben ,  daran  soll  nichts  auf  ver* 
Wendung  nach  gunst  geändert  werden :  £tt€i6'  önXinic  ^VTeOck  £v 
KaraXÖTip  |  oub€tc  Karä  cnoubdc  ^€T€TTpaq[>t1C€Tal,  |  dXX'  ujCTrep  f^v 
TÖ  TTpwTOV  ^TT^TP^M^^Tai.  darin  liegt  doch  indirect  für  Kleon  der 
Vorwurf,  dasz  er  sich  während  seiner  amtszeit  solcher  willkürlicb- 
keiten  schuldig  gemacht  oder,  wenn  sie  von  andern  ausgiengen ,  ein 
äuge  zugedrückt  habe,  was  die  flotte  betrifft,  so  wissen  wir  ja  auch 
sonst,  dasz  die  schiffe  usw.  unter  ganz  specieller  obhut  des  rata 
standen  (der  prostates  verwaltet  ja  sogar  im  Oljmpos  TOi  vei&pta, 
Vö.  1540),  und  da  auf  erden  der  rat  jährlich  die  trierarchen  za 
bestellen  hatte  (ps.-Xen.  staat  der  Athener  3,  3.  4),  so  wird  es 
natürlich  dem  Vorsteher  leicht  geworden  sein  einen  misliebigen 
durch  Zuteilung  einer  ausgedienten,  kostspieliger  reparaturen  be- 
dürftigen triere  gehörig  zu  chicanieren,  wie  Kleon  das  seinem  gegner 
ja  androhte:  Ri.  912  iyu)  C€  TTOirjcui  xpiTipapxcTv,  dvoXicKOVTa  TÄV 
cauTOÖ,  TToXaidv  vaOv'  fx^vi*,  elc  ^v  dvaXuuv  oök  ia^ilexc  oöbt 
vauTTiiT0u^€V0C  usw.  mit  dem  rittercorps  dann,  das  selbstverständ- 
lich ebenfalls  der  Oberaufsicht  des  rates  unterstand,  musz  Kleon 
bald  nach  seiner  wähl  zum  prostates  irgend  wie  in  conflict  geraten 
sein,  er  hat,  wie  es  scheint,  einen  finanziellen  das  rittercorps  be- 
treffenden antrag  gestellt ,  der  diesem  widerwärtig  war,  ist  aber 
gegen  den  widerstand  dieses  aus  vornehmer  athenischer  Jugend  ge- 
bildeten und  daher  natürlich  höchst  einfluszreichen  corps  damit 
nicht  durchgedrungen,  zur  groszen  freude  unseres  dichters,  der  uns 
in  seinem  ein  paar  monate  nach  dem  Vorfall  aufgeführten  stück  'die 
Achamer'  (6  ff.)  erklärt,  er  habe  sich  herzlich  gefreut  ToTc  n^vie  xa* 
XdvTOic  olc  KX^uiv  ^£ii|üi€C6V.  I  rauO'  übe  ^tovcüGtiv,  kqI  91X01  touc 
iiTTr^ac  I  bid  toöto  xcöpTOV  fiHiov  ydp  'EXXdbi.  Kleon  hatte  also 
durch  irgend  eine  finanzmaszregel  den  rittem  die  summe  von 
5  talenten,  auf  die  sie  anspruch  machten,  entziehen  wollen,  die 
ritter  hatten  dagegen  an  die  volksversamlung  appelliert,  und  zwar 
mit  erfolg,  so  dasz  der  Vorsteher  des  finanzwesens  die  5  talente, 
über  die  er  schon  anderweit  disponiert  hatte,  wieder  ausspucken 
muste.  ich  werde  weiter  unten  auf  die  stelle  zurückkommen,  ja 
es  war  auch  in  dem  demokratischen  Athen  daftlr  gesorgt,  dasz  die 
bäume  nicht  in  den  himmel  wuchsen,  und  die  foi*tgesetete  Oppo- 
sition dieses  corps  scheint  ihm  so  unbequem  gewesen  zu  sein,  dasz 


540     HMSUer-StrübiBg;  Btudien  über  die  yerfassung  von  Athen 

er  den  versuch  gemacht  haben  mag  sich  mit  ihnen  auf  einen  guten 
fusz  zu  stellen;  wenigstens  erklärt  er  den  rittern,  er  habe  den  antrag 
stellen  wollen,  ihnen  auf  der  bürg  wegen  ihrer  [im  feldzug  nach 
Korinth  im  herbst  425  bewiesenen]  tapferkeit  ein  denkmal  zu 
setzen:  OTi  Xtf^iv  TViij^r|v  ^'jitXXov  die  Micaiov  iv  KÖXei  |  ktdvai 
)iVT)|i€?ov  ujuÜLiv  £CTiv  dvbpciac  xotpiv  Ri*  267.  ob  etwas  daraus  ge- 
worden ist,  das  wissen  wir  freilich  nicht, 

Gilbert  hätte  nun  bei  seiner  aufzählung  der  functionen  des 
raU  noch  hinzufügen  kljnnen,  dasz  der  rat  wie  über  die  hopliten, 
&o  auch  über  die  Strategen  die  Oberaufsicht  führte  ^  oder  hat  er  das 
weggelassen,  weil  es  im  Widerspruch  steht  mit  der  heute  gäng  und 
gäben  ansieht»  Athen  sei  vom  strategencollegium  aus  regiert  worden  ? 
aber  diese  grundfalsche  ansieht  zu  bekämpfen,  das  ist  eben  die  auf- 
gäbe die  ich  mir  gestellt  habe,  so  will  ich  denn  anfahren,  dasz 
unter  umständen  der  rat  die  Strategen  vor  sich  kommen  liesz,  um 
ihnen  befehle  zu  erteilen,  wie  wir  aus  der  mysterienrede  des  Ando- 
kides  wissen  (§  45  f|  hi.  ßouXri  ^?tX6oiJca  iv  dtToppfiTUj  cuveXaßev 
fl^öc  Kai  lbr|C€v  ev  xoic  EüXoic.  dvaKaX^cavxec  hk  touc  cipaTi}- 
touc  dv€iTr€iv  ^KeXeucav  *A0iivaiuuv  touc  jiiv  ^v  äciei  oiKOüviac 
Uvai  €ic  T^V  äxopdv  td  ötrXa  Xaßöviac  usw,);  man  wird  *agen, 
das  waren  ausnah mezustßnde,  der  mt  war  damals  autokratorj  aber 
das  ist  eine  ausrede:  die  Strategen  waren  doch  sicherlich  den  an  Ord- 
nungen der  ekklesia  unterworfen?  das  wird  niemand  leugnen,  aber 
der  rat  Übte  ja  als  ^ständiger  ausschusA*  der  ekklesia  interimistisch 
deren  functionen,  und  was  ist  da  noch  viel  zu  räsonnieren?  wir 
wissen  es  ja  aus  Aristopbanes.  woher  denn  sonst  die  klägliche  angst 
der  beiden  sklaven  des  Demos  vor  dessen  hausverwalter  dem  Paphla- 
gonier,  dh.  der  Strategen  Demosthenes  und  Nikias  vor  dem  pro- 
states Eleon?  ja  der  sklave^  der  den  lakonischen  kuchen  in  Pjlos 
gebacken  hat,  stellt  es  ja  selbst  seinem  candidaten  für  die  prostasie, 
dem  Wursthändler,  in  aussieht,  wenn  er  nur  erst  den  jetzigen  inhaber 
derselben  verdrängt  habe,  so  werde  er  auch  die  Strategen  malträ- 
tieren (166  ßouXi^iv  Tratriceic  kqI  CTpaxTiTOirc  KXacidccic)  —  und 
das  mUssen  die  Kpocrdiai  als  einen  besondern  genuss  angesehen 
haben:  denn  die  beiden  rivalen,  der  jetzige  wie  der  künftige  prostates, 
nehmen  sich  gleichm&szig  vor,  Kleon  v.  355  icacaXßäcuj  touc  ev 
TTüXifJ  CTpairitouc  und  der  künftige  358  XapUTTtu»  touc  prtTOpac 
Ka\  NiKlav  TapdEui,  Kikias,  den  vornehmen  Strategen^  der,  wie  sein 
herbstfeldzug  nach  Korinth  beweist  ^  nach  der  campagne  von  Pylos 
ruhig  wieder  in  sein  amt  getreten  wan  wenn  man  nun  nicht  an- 
nehmen will,  dasz  der  dichter,  wenn  er  solche  dinge  schreibt,  rein* 
weg  faselt  und  bodenlos  radotiert,  oder  wenn  man  nicht  etwa  gar  die 
von  mir»  wie  ich  hoffe,  ein  für  allemal  beseitigte  lächerliche  zwitter* 
gestylt  des  amtlosen  rhetors  wieder  hervorziehen  will,  so  können 
dieäc  stellen  gar  nicht  verstanden  werden  ohne  die  annähme  einer  ober- 
iiufsicht  des  rats  auch  über  die  Strategen,  die  dann  natürlich  in  der 
caricutur  von  dessen  amtlichem  beirat  ausscblieg/lich  ausgeübt  wird. 


während  des  peloponnesischen  krieges.  I.  541 

Doch  ich  kehre  zurück  zu  der  aufzählung  der  funciionen  des 
rats  bei  Gilbert:  'er,  der  rat,  vermittelte  den  verkehr  zwischen  der 
ekklesia  und  den  auswärtigen  Staaten.'  ganz  wohl ,  aber  wer  ver- 
mittelte denn  vorher  den  verkehr  der  auswärtigen  Staaten  mit  dem 
rat?  nach  unserm  stück  thut  das  ganz  entschieden  der  prostates, 
denn  in  jener  köstlichen  scene,  in  der  der  wursthändler  dem  chor 
bericht  erstattet  über  die  Vorgänge  in  der  ratssitzung,  der  er  an  den 
schranken  stehend  beigewohnt  hat,  meldet  er,  als  der  rat  in  seiner 
freudigen  aufregung  über  die  wohlfeilheit  der  sardinen  auf  Kleons 
antrage  nicht  mehr  hörte,  als  in  dem  tumult  die  prjtanen  sich  sogar 
thätlich  an  ihm  vergriflfen  (kciG*  elXKOV  auTÖv  Ol  TipuTdveic  xol 
ToEörai)  und  die  versamlung  auseinander  gehen  wollte,  da  habe 
Kleon,  um  sie  zum  bleiben  zu  bewegen,  die  ankunft  eines  heroldes 
aus  Lakedaimon  gemeldet:  sie  sollten  doch  erst  hören  was  er 
bringe ,  er  sei  mit  friedensvorschlägen  gekommen,  aber  vergebens ; 
auf  allgemeines  verlangen  hoben  die  prjtanen  die  sitzung  auf.  das  ist 
doch  sehr  klar :  an  den  prostates  also  war  der  gesandte  adressiert,  bei 
ihm  hatte  er  sich  legitimiert,  ihn  hat  er  unterrichtet  über  den  gegen- 
ständ seiner  sendung,  und  so  dürfen  wir  denn  auch  die  leitung  der 
auswärtigen  angelegenheiten ,  die  man  gewöhnlich  den  Strategen 
zuschreibt,  unter  die  functionen  des  rats  aufnehmen,  selbstver- 
ständlich die  provisorische  leitung :  denn  hier  war  mehr  als  in  irgend 
einem  andern  falle  die  unmittelbare  definitive  entscheidung  der 
ekklesia  erforderlich,  dasz  aber  auch  diese  wesentlich  durch  den 
prostates  beeinfluszt  ward,  das  zeigt  der  wursthändler,  der  ihm 
vorwirft,  er  habe  die  lakonischen  gesandten,  die  friedensanträge 
brachten,  mit  fusztritten  aus  der  stadt  gejagt:  TOiC  Trpecßetac  T* 
ÖTreXauveic  |  dK  rfic  ttöXcujc  ^aOaTiuTttuiv,  rfi  xdc  CTTOvbäc  TipoKa- 
Xoövxai  (v.  795),  und  wenn  es  in  der  Eirene  v.  669  heiszt,  die 
Athener  hätten  dreimal  durch  volksbeschlusz  die  friedensanträge 
zurückgewiesen,  so  entschuldigt  Trjgaios  das  damit,  dasz  sie  zu 
jener  zeit  unter  dem  einflusz  des  gerbers  gestanden  hätten :  ö  voOc 
fäp  fmüüv  fjv  TOT*  dv  ToTc  CKUTCCiv,  was  der  schol.  richtig  erklärt: 
ävTi  Toö  dv  Ttjj  cpößqj  toö  KXdujvoc  ö  voOc  fjv  fmuiv. 

Und  wie  dem  Vorsteher  der  Verwaltung  die  leitung  der  aus- 
wärtigen angelegenheiten  zustand,  so  scheint  er  auch  die  diplomati- 
schen Verhandlungen  zu  Zeiten  selbst  betrieben  zu  haben,  denn 
V.  465  sagt  der  wursthändler,  er  wisse  recht  gut,  was  Eleon  in 
Argos  treibe:  er  sei  dort  unter  dem  verwände  die  Argeier  zu 
bundesgenossen  der  Athener  zu  machen ,  aber  in  der  that  schmiede 
er  ranke  mit  den  Lakedaimoniern  auf  seine  eigne  band  von  wegen 
der  gefangenen :  oukouv  dv  "ApTCi  ^'  da  irpäTTCi  Xavödvei  •  |  irpö- 
cpaciv  jLi^v  *ApT6iouc  cpiXouc  njuiv  TroieT,  |  Ibia  b'  iKei  AaKebai- 
fiovioic  £uYTiTV€Tai  .  .  im  Tcip  toTc  bebe^dvoic  xotXKeucTai,  die  er 
nemlich,  wie  sein  gegner  ihm  schon  früher  (v.  394)  vorgeworfen 
hat,  verkaufen  will  (dTTOböcOat  ßoijXeTai).  diese  stelle  hat  schon 
Gilbert  in  seinen  ^beitragen'  s.  189  auf  einen  ^thatsächliohen  ver- 


542     HMüller-Ströbing:  studien  über  die  Terfaasung  von  Athen 


such  Kleons  zwiscben  Athen  und  Argos  ein  bttndnis  zu  vermitteln* 
bezogen  I  ^denn  ohne  eine  derartige  tbatsächlicbe  grundlage  wftre 
eine  solche  bemerkung  höchst  nichtssBgend':  er  bat  Zustimmung 
gefunden,  auch  bei  Bei  och  (ao.  s.  45),  und  ich  habe  die  sache 
anderswo  (in  diesen  jahrb,  1886  s,  646  ffr)  ausführlicher  besprochen, 
worauf  ich  verweise,  hier  will  ich  noch  hinzufügen,  dasz  sich  noch 
eine  andere  stelle  in  den  Rittern  findet,  die  ohne  eine  solche  that- 
sächliche  grundlage  ganz  ebenso  nichtssagend  wlire,  und  die  ich  tnit 
dieser  Argos-stell©  in  Verbindung  bringe,  das  ist  v»  797.  hier  gibt 
Kleon  den  grund  an,  weshalb  er  die  friedensgesandten  der  Lake- 
daimonier  mit  fusztritten  aus  dem  lande  getrieben  habe:  das  sei 
geschehen,  sagt  er,  damit  Demos  flber  alle  Hellenen  hersche!  denn 
ea  steht  geschrieben  in  den  orakeln ,  dasz  er  einst  in  Arkadien  zu 
gericht  sitzen  soll  mit  einem  solde  von  5  obolen.  ach ,  sagt  der 
wursthiindler,  daez  dieser  in  Arkadien  herseben  soll,  daa  bekümmert 
dich  wenig,  du  hast  nur  im  sinne  zu  rauben  und  dich  bestechen  zu 
lassen :  iva  T*  *6XXrivu>v  äpEij  Trdvxiwv  *  Icxi  yäp  iv  toic  Xotioiciv,  | 
d»c  ToijTov  bei  not*  ^v*ApKabia  TrevTUjßöXou  fjXiäcac9ai,  | . .  oux'  tvo 
y'  dp^Tj  ^a  Ar  *ApKabiac  irpovootj^evoc,  dXX*  'iva  fidXXov  |  cu  ^fev 
dpndZr|C  Kai  bujpoboKfjc  napd  tujv  ndXeiwv  usw»  daraus  schlieszo 
ich  nun,  vermute  wenigstens,  dasz  Kleon»  als  er  in  Argos  war,  auch 
beziehungen  zu  Arkadien  anknüpfte  oder  anzuknüpfen  versuchte  (der 
wurstbößdler  leugnet  ja  diese  beziehungen  nicht,  bestätigt  sie  viel- 
mehr, indem  er  ihm  statt  der  patriotischen  die  unlautersten  motive 
für  sein  handeln  unterlegt),  das  la^  ja  in  der  natur  der  dinge,  und 
überdies  war  ihm  das  durch  das  beispiel  des  Themistokles,  dea 
groszen  Vorbildes  der  demokratischen  Staatsmänner,  an  die  hand  ge- 
geben,  als  dieser  nach  der  ostraktsierung  in  Argos  sieh  aufhielt. 
denn,  wie  MDuncker  gesch.  d.  alt,  VIII  132  sagt,  *Thukydides  deutet 
in  vorsichtiger  weise,  welche  ihm  doch  wohl  durch  rückäichten  auf 
Sparta  auferlegt  war,  an,  dasz  sich  des  Themistokles  thätigkeit  dort 
nicht  auf  Argos  beschränkt  habe,  indem  er  bemerkt:  «er  hatte  seinen 
Wohnsitz  in  Argos,  besuchte  aber  von  hier  aus  auch  andere  lande 
im  Peloponnes»,  das  heiszt  .  .  er  wird  sich  bemüht  haben  diesen 
oder  jenen  gau  der  Arkader  zu  bewegen  .  .  sich  von  Sparta  loa* 
xuaagen.'  wird  man  es  mir  nun  verargen,  wenn  ich,  wie  gesagt, 
den  aufentbalt  Kleons  in  Arges  mit  diesen  in  den  orakeln  verkUn* 
deten  gerichtssitzungen  des  atheni^^chen  Demos  in  Arkadien  in  ver- 
bindung  bringe  ?  ja  wenn  ich  die  Vermutung  ausöpreche,  dasz  diese 
diplomatischen  Wühlereien  Kleons  im  Peloponnes  doch  nicht  gane 
wirkungslos  geblieben  sind?  ich  meine  allerdings,  dasz  sie  die 
spHtern  erfolge  des  Alkibiadea  in  Argos  und  in  Mantineia  vorbereitet 
und  erleichtert  haben  mögen  f  aber  ich  denke  zuerst  an  die  noiiz, 
die  uns  Thukjdides  IV  134  ganz  abrupt,  gaaz  ohne  motivierung 
mitteilt,  die  Tegeaten  und  die  Mantineier,  also  die  bedeutendsten 
Arkadischen  Staaten  und  zugleich  die  mächtigsten  bundesgenossen 
der  Lakedaimonier,    hätten  sich  mit  ihren  bundeBgenoftatn  eine 


w^irend  des  peloponnesischen  krieges.  I.  543 

Schlacht  geliefert  mit  unentschiedenem  erfolg:  iy  bk  T(!jj  ^Triövri 
Xeimlivi  (423/2) . .  MavTivnc  KaiTeTeäiai  kqI  ol  Hümiaxoi  ^Ka- 
Tepujv  Huv^ßaXov  ^v  AaobiKiqj .  .  kqi  vikt]  d^q)lbr)plTOC  ^t^v€TO. 
weiter  nichts ,  kein  wort  weder  über  die  entstehung  noch  über  die 
beilegung  dieses  conflictes.  und  das  geschah  während  des  zwischen 
Sparta  und  Athen  geschlossenen  Waffenstillstandes,  mir  erscheint 
dies  als  ein  ereignis  von  groszer  bedeutung :  denn  es  läszt  uns  er- 
kennen^ wie  tief  der  moralische  einflusz  Spartas  bei  seinen  pelo- 
ponnesischen  bundesgenossen  gesunken  war.  dasz  aber  Kleons 
macht  über  das  volk  durch  den  abschlusz  des  Waffenstillstandes,  wie 
man  wohl  angenommen  hat,  nicht  geschmälert  war,  das  beweist  sein 
auftreten  beim  abfall  von  Skione  (^lr)(ptc^a  dTroirjcavTO  KX^uivoc 
TVU)^rI  7r6icWvT€c,  CKiujvaiouc  igeXeiv  t€  kqI  dTTOKTeivai),  und 
noch  mehr  der  umstand,  dasz  nach  ablauf  des  Waffenstillstandes  der 
geschichtschreiber  von  ihm  sagt,  er  habe  die  Athener  überredet 
einen  feldzug  nach  Thrakien  zu  unternehmen. 

Nachdem  Gilbert  dem  rat  die  Vermittlung  zwischen  der  ekklesia 
und  den  auswärtigen  Staaten  zugewiesen  hat,  sagt  er  s.  262:  ^der 
rat  beschwor  die  Staatsverträge'  [nicht  immer;  weder  den  waffen- 
Stillstandsvertrag  hat  der  rat  beschworen  noch  den  friedensvertrag 
noch  die  sjmmachie  mit  Lakedaimon,  wohl  aber  das  bündnis  mit 
Argos :  Thuk.  V  47, 9  ö^vuvTUJV  bk  'A9r|VTici  fitv  f|  ßouXf|  Kai  a\  fv- 
brifioi  dpxai ,  iHopKOÜvTUJV  bi  ol  irpuTävcic.  darüber  gab  es  keine 
feste  norm].  *er  sorgte  für  die  Sicherheit  der  TrpöHcvoi  und  cöcp- 
f  ^lai  [auch  das  nicht  immer,  das  ward  mitunter  auch  den  Strategen 
aufgetragen],  er  —  und  nun  kommt  die  hauptsache  —  (der  rat) 
leitete  die  bundesangelegenheiten  und  hatte  demgemäsz  auch  die 
vorarbeiten  für  die  abschätzung  der  tribute,  war  an  der  gesetz- 
gebung  beteiligt  und  sorgte  für  die  staatlichen  heiligtümer,  feste 
und  cultgebräuche.  die  hauptseite  seiner  amtlichen  Wirksamkeit 
endlich  war  die  leitung  des  finanzwesens  und  die  controle  über 
dasselbe,  der  rat  hatte  dem  entsprechend  die  nötigen  gelder  für 
den  Jahresetat  des  Staates  zu  beschaffen,  er  verpachtete  die  zöUe' 
[daher  denn  auch  Kleon  in  den  Rittern  emphatisch  als  Zöllner  be- 
zeichnet wird :  iraie  naie  töv  . .  tcXuivtiv  kqI  cpdpaTTCt  Kai  Xdpußbiv 
dpTraTnc  v.  247,  und  in  den  Wespen  v.  25  heiszt  er  ein  alles  ver- 
schlingender  haifisch,  q)dXaiva  TravbOKeuTia].  ^er  sorgte  für  die 
eintreibung  der  dem  Staate  geschuldeten  gelder,  wobei  er  die  staats- 
schuldner, wenn  sie  nicht  zur  bestimmten  zeit  zahlten,  ins  gefängnis 
werfen  durfte'  [daher  denn  auch  Kleon  dem  wursthändler  droht  dv 
Tip  £üXiu  brjcui  C€,  was  er  natürlich  nur  als  ezeoutor  eines  rats- 
beschlusses  oder,  was  hier  wohl  der  fall  gewesen  sein  wird,  in 
directem  auftrage  der  ekklesia  zu  thun  das  recht  hatte;  worüber 
weiter  unten  mehr],  doch  ich  breche  hier  ab  —  was  Gilbert  über 
die  functionen  des  rats  weiter  noch  sagt,  ist  ohnehin  nicht  von  be- 
lang —  nur  über  die  abschätzung  der  tribute  noch  ein  wort,  aller- 
dings  wissen  wir  aus  der  altern  schrift  vom  staat  der  Athener,  dasz 


544     HMiiller-StrübiDg :  sttidieQ  über  die  yerfaesuag  von  Athen 

in  der  regel  alle  vier  jähre  eine  solche  scMlzung  erfolgte,  und  eiDO 
Steinurkunde  (CIA,  I  37)  beehrt  uns,  dasz  im  j.  425  (ol.  88,  4)  unter 
deui  arcbon  Stratokles^  der  sein  amt  ungefähr  ein  jabr  nach  Kleons 
wähl  zum  Vorsteher  angetreten  hatte,  eine  absch&tzung  stattgefunden 
batt  in  welcher  die  tribute  vieler  stödte  gegen  die  letzte  Schätzung 
von  ol.  85,  3  belrächtlich  erhöbt  worden  ßind.  Köhler  will,  wio 
oben  s.  629  schon  gesagt  ist,  Kleon  für  diese  erböhung  yeranf  wört- 
lich machen,  oder  vielmehr  er  sagt,  er  werde  in  den  Rittern  des 
Aristophanes  ziemlich  deutlich  dafür  verantwortlich  gemacht,  ich 
wiederhole  hier,  dasz  mir  dies  aus  der  stelle  v*  313  nicht  hervor- 
zugehen scheint:  denn  auf  die  tribute  muste  er  seiner  steltuog  nach 
ein  scharfes  äuge  haben,  muste  dafür  sorgen,  dasz  sie  recbt/eitig 
eingiengeOf  muste  sie  sogar  im  falle  der  säumigkeit  zwangsweise  ein- 
treiben lassen;  aber  mehr  scheint  mir  aus  der  stelle  v.  313  nicht 
bervorzugeben ,  ja  ich  musz  geHtehen,  ich  wundere  mich  vielmehr, 
dasz  sich  in  den  Bittern  so  wenig  unzweideutige  ant^pielungen  auf 
diese  tributerbohungen  erkennen  lassen,  zumal  da  sich  unser  dichter 
Bonst  so  gern  als  gänner  der  armen*  bundesstädte  aufspielte,  zwar 
wenn  Kleon  sich  anschickt  die  Milesier  zu  chicanieren  (v,  360),  und 
wenn  der  wursthändler  ihm  vorwirtt,  er  ivolle  über  die  Milesier 
einen  antrag  stellen  (v,  03*2)  und  dndurch  ein  talent  für  sich  heraas- 
schlagen,  und  ähnlich  der  Vorwurf,  er  habe  bich  von  den  Mjtilenaiern 
bestechen  lassen,  so  bezieht  sich  dies  ohne  zweifei  auf  die  anwesen- 
heit  von  gesandten  dieser  stftdte  in  Athen,  die  gekommen  waren  bei 
dem  prostates  wegen  ihrer  ein:»chtttzung  zu  sotlicitieren.  denn  die 
commissarian  y  die  ra^iati  die  laut  der  oben  citierten  Inschrift  zu 
den  bundesstädten  geschickt  wurden ,  musten  doch  nach  ihrer  rüek- 
kehr  zunächst  dem  rate  bericht  über  die  resoltate  ihrer  sendung 
abstatten,  worauf  dann  das  der  ekkle<iia  vorzulegende  probaleuma 
abzufassen  war.  und  das  war  wahrlich  keine  kleinigkeit.  wir  wiesen 
ja,  dasz  die  tributpflichtigen  Staaten  durchaus  nicht  nach  6iaer 
Schablone  behandelt,  nicht  über  feinen  kämm  geschoren  wurden, 
dasz  vielmehr  mit  den  einzelnen  Staaten  besondere  capiLulalionea 
existierten,  die  de  iure  berücksichtigt  werden  mußten  und  auch  de 
facto  resptictiert  wurden,  da  idt  es  denn  doch  unleugbar,  dans  die 
herreo  vom  rat,  die  wir  uns  doch  wohl  durchscbnitUicb  als  lente 
vom  schlage  unserer  guten  bekannten  Strepsiades,  Trygaios,  Philo- 
kleon  usw.  vorzustellen  hüben  —  man  bedenke  doch:  500  erlooste 
häupter!  musten  sie  nicht  wenn  je  ^  dann  gerade  bei  einer  solchen 
abscbätzung  und  überhaupt  bei  allen  wichtigen  finanzmaszregeln 
der  leitung  und  der  anweisung  des  ihnen  vom  volk  bestellten  offi» 
ciellen  ratgebers  benötigt  sein?  B5ckh  sagt  einmal  (I  226)  von 
seinem  ^vort^leher*  der  öffentlichen  einkünfte,  dem  jettt  bekanntUcki 

•  Ri.  1071  vaOc  licdcTOTc  |  ahet  xaxcfac  dpY^poXdTouc  o6tqc(.  niitiir- 
Weh  verUrig^t  di^r  pHpiilnmi^ortitT  t\i«  UeUigul»  tnr  nniveii'lutig  dte«er  vf|ic 
dpTUpoX6TOt  vom  mtc.  er,  Kleon,  hnt  f«ir  di«  jiU0j«iit1iiJig  dicker  »chiffe 
zu  sorgen  I  nicht  duB  «tratfgeucullei^tum,  «rie  tnan  wohl  behauptet  hüt. 


während,  des  peloponnesischen  krieges.  I.  545 

allgemein  in  die  acht  erklärten  Ta/Liiac  rfic  KOivflc  Tipocöbou,  er  habe 
allein  von  allen  behörden  die  ganze  Übersicht  der  einkünfte  und 
ausgaben  gehabt,  und  ^konnte  daher  am  sichersten  über  die  Ver- 
mehrung jener  und  die  ersparung  in  diesen  urteilen  und  weise  masz- 
regeln  bei  rat  und  volk  veranlassen',  beiläufig  möchte  ich  hier  fragen : 
würde  Böckh  etwas  dagegen  haben,  wenn  ich  die  sache  umdrehe 
und  sage ,  ohne  die  mitwirkung  dieses  mannes ,  der  allein  die  ganze 
Übersicht  über  die  finanzzustände  des  Staates  hatte  [und  der  daher 
allein  bei  rat  und  volk  weise  maszregeln  in  bezug  auf  sie  veranlassen 
konnte,  wäre  eine  weise,  zweckentsprechende  regulierung  derselben 
gar  nicht  möglich  gewesen?  ich  glaube  nicht,  und  wenn  dem  so 
ist,  so  hätten  wir  hier  also  wieder  bei  Böckh  jene  petitio  principii, 
die  ich  ihm  schon  früher  vindiciert  habe,  ja  ich  möchte  geradezu 
sagen:  dieser  beamte  war  notwendig,  also  hat  er  existiert.  Böckh 
sagt  dann  weiter,  er  (der  Vorsteher)  sei  unter  andern  Verhältnissen 
das  gewesen ,  was  in  den  neueren  Staaten  der  finanzminister,  und 
damit  stimmt  auch  Schömann  (gr.  alt.  I  444)  ^der  nicht  auf  ein  jähr, 
sondern  auf  eine  penta6teris  gewählte  Vorsteher  der  finanzen  scheint 
eine  allgemeine  Oberaufsicht  über  alle  diejenigen,  welche  staats- 
gelder  einzunehmen  oder  zu  verausgaben  hatten,  ausgeübt  zu  haben, 
so  dasz  er  als  eine  art  von  finanzminister  des  athenischen  Staates 
betrachtet  werden  kann.'  ich  bin  nicht  damit  einverstanden,  dieser 
vergleich  mit  dem  modernen  finanzminister  scheint  mir  die  tbätig- 
keit  des  iTpocTdTT]C  zu  eng  aufzufassen ,  da  er  seiner  thätigkeit  in 
rat  und  ekklesia  gar  keine  rechnung  trägt,  wenn  doch  einmal  ver- 
glichen werden  soll,  so  habe  ich  einen  andern  Staatsbeamten  der 
neuern  zeit  in  petto ^  den  ich  nicht  ermangeln  werde  am  schlusz 
dieser  studie  dem  leser  vorzuführen,  die  beiden  gelehrten  würden 
mir  übrigens  sicherlich  zustimmen,  wenn  ich  nun  behaupte,  ihr 
finanzminister  müsse  neben  oder  unter  sich  noch,  wie  wir  beute 
sagen  würden,  fachminister  gehabt  haben,  ja  muszl  einen  stab 
von  theoretisch  vorgebildeten  und  geschulten  höhern  und  niedem 
beamten:  denn  das  musz  jedem  einleuchten,  dasz  auch  die  riesigste 
arbeitskraft  eine  solche  fülle  von  geschäften,  wie  ich  sie  für  meinen 
Vorsteher  in  anspruch  genommen  habe,  zu  bewältigen  nicht  im 
stände  gewesen  ist.  aus  Aristophanes  lernen  wir  diesen  stab  von  be- 
amten zum  teil  kennen;  es  sind  die  100  Schmeichler,  die,  wie  der 
dichter  in  seinem  giftigen  nachruf  an  den  eben  gestorbenen  Kleon 
in  den  Wespen  1033  sagt,  um  das  haupt  Kleons  züngelten :  dKQTÖv  bk 
KUKXqj  K€q)aXai  kcXcikijüv  ol)LllJüEo^^vuJV  dXiXM^vTO  |  Tiepl  Tfjv  k€- 
q)aXriv.  einer  von  ihnen,  und  zwar,  wie  ich  vermute,  der  höchste 
Unterbeamte  im  stabe  Kleons,  ist  der  von  Aristophanes  schon  in 
den  Acharnern  bis  zu  den  Vögeln  hinunter  vielfach  angegriffene 
Kleonymos,  der  schildwerfer,  der  grosze  kolakonjmos,  wie  er  in  den 
Wespen  593  sagt  (ö  fi^TOC  OÖTOC  KoXaKiuvufioc  dcTribaTioßXric,  der 
dem  volke  schwört,  er  werde  es  nie  verraten,  werde  immer  für  das 
ttXtiOoc  kämpfen;  und  dieser  ist  es  denn,  von  dem  Bdeljkleon,  der 

Jahrbücher  f&r  class.  philol.  1898  hfl.  8  a.  9.  35 


546     HMüller-Strübing:  Btudien  über  die  yerfaMung  toq  Athea 


oppositionsiDaünf  zu  seinem  vater  sagt,  dasz  er  und  seine  collegen 
den  ertrag  der  tribut©  der  btindner,  aus  dem  zwanxigtausend  bürger 
reicblicb  ernäbrt  werden  könnten,  zu  ibrera  nutzen  verwenden, 
^denn  du,  vater,  wählst  sie  ja,  dasz  sie  über  dich  herscben*  i  cCi  TOp, 
iD  ndT€p>  auToiic  äpx^iv  aip€T  cqutoö  (v.  667)*  'so  lebst  du  denn* 
sagt  er  später  (v.  687)  'in  der  reinen  Sklaverei:  denn  ist  das  nicht 
Sklaverei,  dasz  diese  sämtlich  in  amt  und  würden  sind,  und  dnss 
ihre  KÖXaK€c  sold  erhalten,  während  du  dich  m.li  drei  obolen  ab- 
speisen lassest'?'  aas  diesen  stellen  vermute  ich  nun,  dasz  diese  unter* 
beamten,  wenigstens  der  vornehmste  unter  ihnen,  vom  volke  gewählt 
wurde  als  gehiife  und^  wenn  es  nötig  war,  als  zeitweiliger  Stellver- 
treter des  'ersten  vor&tehers  des  volks*,  wie  ihn  Thukydides  einmal 
nennt(Vni89if^ruJviZ:eTO  elc  fe'KacTOc  outöc  irpÄTocirpoCTaTric 
TOÖ  bfi^ou  Y^V^cOm»  was  doch  mindestens  auf  noch  einen,  einen 
zweiten  TTpOCTdiTiC  TOÜ  br^ou  schlieszen  läszt);  ich  vermute  ferner, 
dasz  dieser  zweite  beamte,  der  im  falle  der  bebinderung  des  ersten, 
also  Kleons  während  seiner  ab  Wesenheit  in  Argos  und  später  wäh* 
rend  seines  zuges  nach  Pytoa,  dessen  stelle  in  der  buie  vertrat  (und 
ein  solcher  selbstverständlich  vom  volk  bestellter  Stellvertreter 
muste  da  sein,  wie  ich  abermals  mit  einer  petitio  principii  be- 
haupte) —  also  ich  vermute^  dasz  dieser  zweite  beamte  identisch 
ist  mit  dem  ävTitpctcpeuc,  dessen  existenz  allerdings  für  das  fünfte  jh, 
nicht  bezeugt  iät,  der  aber  bei  Äiscbines  und  Demostbenes  gelegent- 
lich vorkommt  und  auszerdem  beiden  grammatikern.  bei  Äiscbines g. 
Ktes.  25  beiszt  es:  npÖTepov  |itv  Toivuv,  Ji  *AOTivaiot,  dvTiTpO(p€uc 
f)V  (nemlich  Ktesiphon)  x^ipOTOvriTOC  T^  nöXti,  Öc  KaQ*  €KdcTiiV 
TipuTaveiav  dTreXoTiCeTO  tdc  irpocöbouc  tlu  bii^ip.  aus  den  stellen 
bei  Demobthenes  (g.  Androt  s.  615  und  g.  Timokrates  s.  755)  er* 
fahren  wir  auch  nichts  näheres  über  ihn.  wichtiger  ist  schon  ^  waa 
Harpokration  Über  ihn  sagt;  birrol  hk  f^cav  dvTiTpacpeic,  ö  ^i^v  Tfjc 
bioiKficeujc,  uic  cprici  OiXöxopoc,  6  hi  ifjc  ßouXf[c,  ibc 'ApicTot^Xiic 
tv  'AOrivaiuJV  ttoXitcicji.  dazu  sagt  Gilbert  s.  229  anm.:  'nach  diesen 
werten  hatte  ofTenbar  Aristoteles  sowohl  wie  Philochoros  nur  von 
6inem  dvTiYpaq)€UC  gercdeti  allerdings  mit  verschiedenem  titel,  waa 
Harp,  oder  seine  quelle  veranlaszte  zwei  dvTtxpQcpeiC  anzunehmen.^ 
das  scheint  mir  hfichöt  einleuchtend  trotz  Busolts  Widerspruch ^  der 
das  unwahrscheinlich  findet  (ao.  s.  161  anm.  2).  und  dann  sehe  ich 
durchaus  keinen  grund ,  der  uns  hindern  könnte  die  existenz  dieaea 
beamten  auch  schon  für  das  fünfte  jh,  anzunehmen,  ich  habe  aus- 
führlich Über  diese  frage  gehandelt  in  meinem  Arisiophanes- buche 
8.  268,  will  aber  den  leser  nicht  mit  einem  hinweis  darauf  bemühen, 
ihm  vielmehr  das  hauptresultat,  zu  dem  ich  gelangt  bin,  kurz  an- 
geben in  den  werten  Starks,  des  bg,  von  KFHermanns  lehrbucb  der 
gr,  antiq,*  (1875).  dieser  sagt  in  den  ergäozungen  s  875  anm.  I7i 
'den  dvTiTpot^eiic  xnc  bioiKilC€U)c,  welcher  nach  Ai^chine^  g.  Rtes.  25 
gewählt  wird,  faszt  M.-Str.  nicht  als  vorgesetzten  controleur  de« 
achatzmei&ters,  wie  dies  Schümann  gr.  alt,  I  s«  421  thut  [und  auch 


während  des  peloponnesiechen  krieges.  I.  547 

Böckh  staatsh.  I  235  f.],  sondern  als  Trdpcbpoc  und  Stellvertreter  des 
Tafiiac ,  der  dann  vielfach  in  der  folgenden  finanzperiode  zu  diesem 
amte  gewählt  wird.'  auch  über  diesen  letzten  satz,  der  durch  kürzung 
meiner  ausftthrungen  schief  geworden  ist,  will  ich  hier  nicht  rechten, 
vielmehr  mit  genugthuung  anerkennen,  dasz  Stark  meiner  auf- 
fassung  beizupflichten  scheint,  wenigstens  erhebt  er  keinen  Wider- 
spruch, dieser  kommt  erst  in  den  schluszworten  der  note:  ^dasz  er 
(der  dvTiTpotcpcOc)  alle  jähre  und  nicht  auch  auf  eine  periode  von 
vier  Jahren  gewählt  sei,  ist  eine  durch  nichts  begründete  Vermutung.' 
ja^  dann  hilft  das  nicht;  dann  musz  ich  doch  wohl  versuchen  diese 
Vermutung  aufs  neue  zu  begründen,  zumal  da  mir  viel  daran  liegt 
und  ich  sie  brauche,  um  neue,  freilich  auch  nur  Vermutungen  darauf 
zu  begründen. 

Ich  habe  also  damals  gemeint  und  bin  dieser  meinung  noch 
jetzt,  es  sei  im  höchsten  grade  unzweckmäszig  gewesen,  wenn  das 
volk  seinem  Vertrauensmann,  dem  für  eine  penteteris  gewählten 
prostates  einen  beamten,  auf  dessen  collegialische  mitwirkung  er 
rechnen  muste,  der  ihn  im  behinderungsfalle  sogar  vertrat,  durch 
eine  wähl  ebenfalls  auf  vier  jähre  zur  seite  gestellt  hätte,  an  den  er 
dann,  wenn  mishelligkeiten  unter  ihnen  ausbrechen  sollten,  wenn 
meinungsverschiedenheiten  sich  einstellten,  während  seiner  ganzen 
amtsdauer  gebunden  war,  und  dessen  er  ohne  positive  absetzung 
des  letztern  nicht  ledig  werden  konnte,  die  gefahr  solcher  Zerwürf- 
nisse war  immer  da,  aber  sie  wurde  gemildert  durch  das  bewustsein 
des  Unterbeamten,  dasz  in  absehbarer  zeit  seine  amtliche  Stellung 
von  selbst  ablief  und  er  sich  einer  Wiederwahl  unterwerfen  muste, 
während  sein  vorgesetzter  im  amte  blieb;  ja  mir  scheint  dasz  durch 
eine  gleichzeitige  wähl  der  beiden  höchsten  civilbeamten  für  die 
gleiche  amtsdauer  von  vier  jähren  der  unterschied  zwischen  ihnen 
zu  sehr  verwischt  wurde,  mehr  als  für  die  autorität  des  letztern  und 
für  die  beamtendisciplin,  der  man  auch  in  einem  demokratischen 
Staatswesen  nicht  entraten  konnte,  heilsam  gewesen  wäre,  übrigens 
glaube  ich  dasz  man  in  Athen  gar  nicht  lange  vor  aufführung  der 
Bitter  in  dieser  hinsieht  üble  erfahrungen  gemacht  hatte,  ich  meine 
in  der  fast  anarchischen  zeit  gleich  nach  der  vorübergehenden  besei- 
tigung  des  Perikles  im  hochsommer  von  ol.  87,  3 ,  am  ablauf  einer 
vierjährigen  finanzperiode.  die  stelle  des  prostates ,  die  so  eben ,  da 
nach  der  absetzung  des  Perikles  kein  Oberbefehlshaber,  kein  mili- 
tärischer dictator  an  seine  stelle  gewählt  war,  ihre  frühere  bedeu- 
tung  wieder  erlangt  hatte,  war  also  neu  zu  besetzen,  und  ich  glaube 
—  allerdings  nur  auf  die  autorität  der  Aristophanischen  Ritter  — 
dasz  damals  Eukrat^s,  der  werghändler  und  mühlenbesitzer,  zum 
prostates  gewählt  wurde:  ßi.  129  *es  wird  zuerst  ein  werg-  und 
hedehändler  sein,  der  die  geschäfte  dieser  stadt  verhandeln  wird/ 
so  verkündet  das  von  dem  ersten  sklaven  vorgelesene  unfehlbare 
Orakel,  ^da  haben  wir  also  einen  händler'  sagt  der  zweite  sklave. 
'was  nun   weiter?'    das  Orakel  sagt:   'nach  ihm  wird  als  zweiter 

86* 


548     HMüller-StrübiDgt  studien  über  die  verfaBsung  von  Athen 


händler  ein  scbafbändler  kommen.'  Ma  baben  wir  also  zwei  händler% 
88gt  der  zweite  bklave  'was  wird  mit  diesem  geschehen?'  ''er 
herscht'  Bagt  das  orakel  'bis  ein  noch  nichtswürdigerer  auftritt, 
dann  gebt  er  zu  gründe:  denn  sein  nacbfolger  ist  der  lederbändleri 
der  Paphla^oDier,'  hier  haben  wir  also  ein  durchaus  zuverlässiges 
7.eugßis  dafQr^  das2  der  erste  händler,  Eukrates^  durch  den  zweiten» 
Lyaikles,  aus  der  herschaft  verdrängt  worden  ist  ich  will  nun  dar- 
legen» wie  ich  mir  den  gang  der  dinge  vorstelle-  es  ist  ja  allgemein 
bekannt  und  unbestritten,  dasz  damals,  im  hochaomraer  430,  als 
Periklea  m  eine  hohe  geldstrafe  genommen  ward,  ja,  wie  Piaton 
gagt,  um  ein  haar  züm  tode  verurteilt  worden  wäre,  die  stelle  des 
prostates  ftlr  die  vierjährige  finanxpcriode  von  ol.  84»  3  neu  2u  be- 
setzen war.  ist  es  da  nicht  durchaus  begnafltcb,  dasz  das  volk, 
gerade  wie  acht  jähre  später,  beim  unerwarteten  tode  Kleons  (diTO- 
püjv  ö  hr\iioc  ^iTiTpOTrou  xai  f^MVÖC  oiv)  in  seiner  leidenschaft- 
lieben  aufregung  einen  entschiedenen  gegner  des  Perikles,  der  sich 
wahrscheinlich  bei  den  angriifen  auf  diesen  besonders  hervorgethan 
hatte,  zum  Vorsteher  wählte?  das  war  nun  dem  orakel  zufolge 
Eukrates,  der  hedehändler,  der  erste  händler,  dh,  der  erste  Vor- 
steher aus  den  rein  bürgerlichen  kreisen,  dieser  bat  also  damals 
«ein  amt  angetreten  und  es  vor  der  band,  so  viel  wir  wissen,  ohne 
jerwOrfnis  ruhig  verwaltet  aber  dauern  konnte  das  nicht,  denn 
Thukydides  berichtet,  dasz  nicht  lange  nachher  ein  Umschwung  in 
der  Stimmung  des  volks  eintrat,  was  sich  dadurch  kund  gab,  dasz 
sie,  die  Athener,  Perikles  zum  Strategen  wählten  und  ihm  wieder  die 
Icitung  des  gesamten  Staatswesens  anvertrauten  (II  65  öcitpov  b* 
au6ic  oü  noXXuj,  öirep  qjiXei  6)iiXoc  iroitiv,  CTpairiTÖv  etXovTO 
Kai  irdvia  rd  npaTpciTa  ^neTpcqiav).  ich  verstehe  dies  bo,  dasz  die 
Athener  ihm  die  Stellung  zurückgaben ,  die  er  vor  der  katastrophe 
bekleidet  hatte,  db,  ihn  wieder  (auöic)  ium  Oberbefehlshaber  wählten. 
zwar  wurde  dadurch  die  officielle  amtsthätigkeil  des  Eukrate»  äuszer- 
lieh  schwerlich  beeinträchtigt :  denn  die  rein  administrative  tbätig- 
keit  der  bule  und  ihres  officiellen  beirats  niuste  ihren  ungestörten 
fortgang  haben,  auch  unter  der  dictatur;  aber  dennoch  musz  nach 
diesem  Umschwung  der  volksgesinnung,  wie  wir  sagen  der  Öffent- 
lichen meinung,  die  ganze  Stellung  des  Eukrates  eine  höchst  scbwie* 
rige,  unerquickliche,  auf  die  dauer  unhaltbare  geworden  sein,  der 
gegensatz  zwischen  dem  alten  und  dem  neuen  curs  musz  sich  auch  im 
rate  geltend  gemacht  baben,  und  sicher  konnte  Eukrates  nicht  seinen 
gegnern  das  stolze  wort  Kleons  (v,  3i)ö)  zurufen :  oü  b€boix*  U^ÖC  Ituc 
Sv  Zfji  TÖ  ßouXeUTripiov  —  'ich  fürchte  euch  nicht,  so  lange  der  rat  mit 
mir  einig  ist\  worin  er  klar  ausspricht,  worauf  die  gan/e  macht  des 
prostates  beruhte,  und  so  brach  der  conflict  aus,  in  den  nattlrlich  aacb 
die  unterbeamlen  des  ersten  prostates  verwickelt  wurden,  wann  und 
bei  welchem  anlasz,  das  will  ich  sogleich  untersuchen;  hier  nur  so 
viel,  datsz  der  hedehändler  ohne  zweifei  durch  die  ent Scheidung  des 
demos  in  der  ekklesia  beseitigt  wurde  und  «ich  iu  die  kleien  zurück- 


während  des  peloponnesisclien  krieges.  I.  549 

zog,  in  seine  mtihlenwirtschaft,  wie  der  dichter  8agt(v.  254)  EuKpdrnc 
f q)€UT€V  €Ö9u  TÄv  KupTißitüV  (elc  fix^PO  Kai  xvoOv,  wie  es  in  einem 
fragment  der  im  j.  426  aufgeführten  Babjlonier  heiszt).  wenn  das 
richtig  ist,  so  hätten  wir  dann  hier  ein  historisches  praecedens  für 
die  absetzung  des  Paphlagoniers  in  unserm  stück,  dem  ja  auch  weiter 
nichts  geschieht,  und  dem  es  gestattet  wird  als  Privatmann  seine 
schmutzigen  geschäfte  ruhig  weiter  zu  treiben,  möglich  übrigens, 
dasz  sich  der  demos  aus  diesen  Vorgängen  eine  lehre  gezogen  hat 
und  dasz  es  die  erinnerung  an  sie  ist,  durch  die  er  zu  dem  ent- 
schlusz  gekommen  ist,  den  er  v.  1128  ausspricht:  ßouXo)üiai  Tpd- 
(p€iv  2va  TTpoCTÖiTTiv  —  er  will  nur  6inen  vorstand  sich  halten,  er 
will  nicht  etwa  seinen  neuesten  günstling,  den  wursthändler,  zu 
einem  dem  lederhändler  untergeordneten  Vorsteher  machen,  das 
gäbe  nur  Zänkereien,  nein  er  will  nur  6inen  prostates  haben,  den  er 
zerschmettern  kann,  sobald  er  sich  vollgeraästet  hat,  wie  er  es  mit 
Perikles  gethan  hat:  denn  an  den  denkt  er  ganz  gewis,  wenn  er 
y.  1130  sagt:  toötov  bi  (töv  irpöcidTTiv),  ßiav  ^  ttX^ujc,  äpac  dird- 
TaEa.  und  das  war  gar  nicht  un weise:  man  erinnere  sich  nur  an 
das  was  Thukydides  sagt  VIII  89,  4:  i^TU^viZ[€TO  ouv  elc  ?KaCTOC 
auTÖc  irpuiTOc  irpocTaTnc  tou  br))Liou  T€V^c6ai.  es  hat  also  mehrere 
Vorsteher  gegeben,  wenn  auch  natürlich  nicht  von  gleichem  ränge, 
wenn  nun  das  orakel  sehr  bestimmt  von  dem  zweiten  händler,  dem 
Schafhändler  Ljsikles  sagt,  nach  der  beseitigunj^  des  hedehändlers 
werde  er  herschen,  bis  der  noch  schlimmere  lederhändler  ihn  stürze, 
so  muBz  Lysikles  damals  die  unentbehrlichen  Functionen  des  Vor- 
stehers auf  dem  ßf^fia  der  Pnjx  wie  im  buleuterion  ausgeübt  haben, 
wahrscheinlich  ist  er,  der  bisherige  zweite  Vorsteher,  ganz  ver- 
fassungsmäszig  in  die  stelle  des  ersten  hinaufgerückt,  dürfen  wir 
uns  die  sache  vielleicht  so  vorstellen,  dasz  Lysikles  schon  in  der 
mit  dem  j.  430  ablaufenden  prostasie  des  Perikles  dv  T^  clpifjvij 
die  stelle  eines  der  höhern  unterbeamten  bekleidete,  vielleicht  zu 
den  freunden  und  gefährten  gehörte ,  wie  Charinos ,  Menippos  ua., 
durch  die  Perikles  nach  Plut.  Per.  7  die  laufenden  geschäfte  behan- 
delte? hätte  er  sich  dann  in  dieser  Stellung  einen  guten  namen  ge- 
macht und  Popularität  erworben  (und  ich  kann  mir  nicht  helfen,  ich 
kann  mir  den  freund  der  Aspasia  nicht  anders  denn  als  einen  milden 
und  liebenswürdigen  mann  vorstellen),  so  ist  es  gar  wohl  denkbar, 
dasz  er  bei  der  neuwahl  im  j.  430  neben  oder  vielmehr  unter  dem 
neuen  prostates  in  seiner  bisherigen  Stellung  belassen ,  dh.  wieder- 
gewählt wurde,  warum  nicht?  die  erbitterung  des  demos  gegen 
den  Strategen  Perikles  (tö  bk  ^^tictov,  T^öXe^ov  dvT*  elpnvnc 
fxovrec)  war  ja  nicht  notwendig  auch  gegen  die  civilbeamten  ge- 
richtet, die  unter  ihm  gedient  hatten,  es  wäre  also  ein  compromiss 
zwischen  den  sich  bekämpfenden  parteien  zu  stände  gekommen: 
denn  wir  dürfen  wohl  annehmen,  dasz  Perikles  auch  damals  noch 
einen  starken  anhang  in  der  bürgerschaft  hatte,  wie  ja  der  plötzliche 
Umschwung  in  der  Stimmung  des  Volkes  klärlich  beweist,  aber  frei- 


550     HMOHer-Strübing  t  stndien  über  die  TerfaiBong  ron  Atlien 


lieh ,  ein  auf  die  daner  haltbarer  zustand  konnte  durch  solche  com- 
promisBC  unmöglich  geschaffen  werden,  der  coößict  muste  ausbrechen, 
was  ja  auch,  wie  wir  gesehen  haben,  wirklich  geschehen  ist  ich 
habe  vorhin  gesagt ,  es  sei  zu  untersuchen ,  wann  und  bei  welchem 
anlasz  der  rücktrttt,  db.  die  abaetzung  des  Eukrates  erfolgt  sei]' 
aber  was  ist  da  viel  zu  untersuchen?  es  liegt  ja  auf  der  hand,  da 
es  geschehen  ist,  als  Kleon  mitgUed  des  rata  war,  und  daaz  sein  auf- 
treten die  katastropbe  veranlasset  hat,  wann?  dasz  Klean  sein  amt 
als  buleut  im  hochsomraer  428  (oL  88, 1)  angetreten  hat,  das  ist  von 
Buaolt  (im  Hermes  XXV  s.  640)  richtig  erkannt,  der  aber  sonst  die 
stelle  in  den  Rittern,  auf  die  alles  ankommt,  gSnzlich  mis verstanden 
bat.  ich  setze  die  stelle  hierher^  musz  aber  daran  eriDnern,  dasz  die 
Athener  im  winter  428/7,  weil  ihre  geldmittel  durch  die  belagerung 
von  Mjtilene  erschöpft  waren,  die  erste  ekqpopä,  db.  die  hdchst  un- 
populäre directe  Vermögenssteuer  ausschrieben  (Thuk,  III  19).*^ 
nun  rühmt  sich  Kleon  in  den  Rittern  v.  774:  wie  könnte,  o  volk, 
ein  bQrger  dich  mehr  lieben  als  ich, 
8c  TTpu/Ta  M^v  f^viK*  ^ßoijXeuöv  coi  xp^Mo^tq  ttXcTct*  dtTtöeiEa 

iv  Tlfl  KOIVA,  TOUC  ^X^V  CTpCßXÜJV»  TOUC  6*  ^TX^J^V,  TOUC  b^  fietatTiliv, 
ou  qppovTiCmv  tuiv  ibttunjuv  oubevöc,  €1  coi  xcipioifir)v* 
dazu  sagt  nun  Busolt  (ao.  s.  640)  ^die  Athener  schrieben  die  erste 
ekqjopd  zu  anfang  des  winters  428/7  ans.  dieselbe  ist  also  im 
wesentlichen  in  diesem  winter  zur  erhebung  gekommen,  auf  die 
rticksicbtölose  eintreibung  einer  eicq>Opd  bezieht  sich,  wie  mit  recht 
allgemein  angenommen  wird,  Aristoph, Ritter 774.'  allgemeial 
das  ist  nicht  richtig,  und  wäre  es,  so  wäre  es  doch  falsch,  denn  XPH' 
^axa  nXeiCT*  änibeiEa  beiszt  nicht  und  kann  nicht  heiszen  Uch  habe 
dir  geld  in  den  schätz  geschafft'  sondern  nur,  wie  Gilbert  (bei- 
trage B.  131}  abersetzt,  'der  ich  dir,  als  ich  buleut  war,  einen  sehr 
bedeutenden  geldbestaDd  im  schätz  nachgewiesen  habe',  und  so 
sagt  auch  Beloch  (att.  poHtik  s.  335) :  'dasz  Kleon  in  einem  jähre 
vor  der  aufTührung  der  Bitter  im  rat  gesessen  hat^  und  zwar  ala 
leitender  rhetor  [I],  kann  nicht  bezweifelt  werden  und  wird  auch 
allgemein  zugestaoden,  das  CTpeßXeiv,  ditX^iv  und  iietaiTeiv,  dessen 
sich  Kleon  hier  rühmt,  bezieht  sich  doch  offenbar  auf  die  eintrei- 
bung vonsteuerrUckstKnden  [ich  setze  hinzu  von  Pachtgeldern, 
bergwerksgebilhren ,  und  was  es  derartiges  sonst  sein  mochte] ,  bei 
der  Kleon  mit  ähnlicher  rücksichtslosigkeit  vorgegangen  sein  ma^ 
wie  Androlion  nach  der  Schilderung  des  Demosthenes  im  j*  356/5** 
BO  Beloch ,  im  ganzen  richtig ,  aber  das  gieng  denn  doch  nicht  so 
glatt  ab|  wie  er  sich  vorzustellen  scheint,    zwar  den  nachweis,  daat 

■1^  ich  meino  die  erite  eisphora  wührend  dieset  kriegen,  nteht,  wie 
B5ckh  ioterpretiert  (er  »»^t  auBdrückltch  'uro  Thakydidei  ta  retten'), 
die  erste  €lcq>opd  iibcrhfttipt,  ich  berufe  mich  duftir  nuf  die  viel  Illere 
iDschrift  CIA.  I  S2B,  wo  es  beisst,  es  dürfe  keine  ctccpopd  beantragt 
werden  ohne  vorber  bewilligte  dbcta.  da»  ^eagi  doch  wohl  för  die  tin- 
popaUrität  dieser  finanzmndzregeK 


während  des  pelopoDnefiisclien  krieges.  I.  531 

im  Staatsschatz  bedeutende  summen,  XP^M<^TOi  irXciCTa,  vorhanden 
waren,  die  nur  flüssig  gemacht  zu  werden  brauchten,  um  der  flnanz- 
not  abzuhelfen  und  vielleicht  die  ganze  ausschreibung  der  ciccpopd 
als  überflüssig  erscheinen  zu  lassen  —  diesen  nachweis  konnte  Kleon 
als  buleut  führen,  aber  mit  dem  CTpeßXeiv,  dyx^^V  usw.  hat  es  doch 
eine  andere  bewandtnis:  das  konnte  er  nicht  als  buleut  ^  dazu  hatte 
der  rat  selbst  nicht  die  befugnis ,  noch  konnte  er  sie  einem  andern 
übertragen:  hier  muste  der  souverftn,  die  ekklesia  selbst  einschreiten. 
Kleon  hat  also  die  bisherige  Verwaltung,  die  so  grosze  summen  von 
Steuerresten  hatte  auflaufen  lassen,  vor  dem  volk  der  Schlaffheit,  der 
pflichtwidrigkeit,  der  liederlichkeit  geziehen,  die  antwort  des  Sou- 
veräns war  die  Weisung  an  den  bisherigen  prostates  sich  in  seine 
mühlenwirtschaft  zurückzuziehen,  dh.  die  absetzung  des  Eukrates, 
ganz  wie  es  das  orakel  verkündet  hatte  (s.  oben),  nun  nennt  aller- 
dings das  Orakel  nicht  den  Paphlagonier,  durch  den  doch  Eukrates  ge- 
stürzt war,  als  dessen  unmittelbaren  nachfolger  in  der  herschaft,  viel- 
mehr den  schafhändler  Lysikles  —  ist  das  nicht  ein  Widerspruch  mit 
meiner  darstellung?  doch  nur  scheinbar,  betrachten  wir  zunächst 
die  thätigkeit  deren  Kleon  sich  rühmt,  das  CTpeßXeiv,  StX^iv  usw., 
wie  konnte  er  die  ausüben?  doch  nicht  einfach  als  buleut,  wie  ich 
schon  oben  gesagt  habe:  dazu  muste  er  besondere  vollmachten  haben, 
und  wie  er  die  erlangt  hat,  darüber  gibt  uns  die  von  Beloch,  auch 
von  Kock ,  citierte  stelle  aus  der  rede  des  Demosthenes  gegen  An- 
drotion  die  erwünschte  auskunft.  der  kürze  wegen  führe  ich  die 
betreffende  stelle  hier  an  nach  Westermann  (in  Paulys  realencyclop.) : 
*um  den  erschöpften  Staatsfinanzen  aufzuhelfen,  beantragte  Andro- 
tion  [ol.  106,  1]  die  eintreibung  von  14  talenten  steuer- 
resten"  vom  jähr  des  Nausinikos  her.  der  antrag  ward  ge- 
nehmigt und  mit  Umgebung  der  ständigen  behörden  auszerordent- 
licher  weise  zu  diesem  zweck  eine  commission  von  zehn  männem, 
Androtion  an  der  spitze,  auf  ein  jähr  ernannt  und  mit  aus- 
gedehnten vollmachten  versehen,  mit  unerhörter  strenge  vollzog 
Androtion  diesen  auf  trag,  indem  er  in  begleitung  der  elf  männer 
und  ihrer  knechte  in  die  häuser  derer,  die  mit  ihren  steuern  im 
rest  geblieben  waren,  eindrang  und  jeden  der  nicht  auf  der  stelle 
zahlte  festnehmen  und  ins  gefängnis  werfen  liesz'  usw.  haben  wir 
da  nicht  ein  schlagendes  praecedens  für  das  thun  und  treiben  Kleons 
in  der  zeit  von  der  wir  hier  reden  ?  natürlich  nicht  im  chronologi- 
schen sinne ,  vielmehr  umgekehrt,    denn  die  attischen  Staatsmänner 


^*  ^nichts  neues  unter  der  8onne%  auch  unter  der  athenischen  sonne 
nicht!  vor  einigen  ta^en  las  ich  in  der  Kölnischen  zeitung  in  einem  sehr 
ben  ans  Athen  die  notiz,  das  neae  ministeriam  habe  dem  könig  Eor  18; 
der  finanzkrisis  einen  plan  vorgelegt,  wonach  die  eintreibang  rli 
ständiger  steuern  in  aussieht  genommen  sei.    es  ward  hinEUfi 
man  berechne  den  ertrag  auf  5  millionen  drachmen;  die  höh*  « 
summe  erkläre  sich  aus  den  parteiverhältnissen  —  was  auch  Ea ! 
zeit  der  fall  gewesen  sein  mag. 


552     HMülkr-StrübiDg:  ßtudien  über  die  verfasauiig  vod  Athen 


in  der  mitte  des  vierten  jh.  kannten  die  gescbicbte  der  vorfabren 
ganz  wob],  und  wie  zb.  Äiscbines  (trugges*  §  76)  dem  Demostbenea 
vor  wirft  I  er  habe  sieb  den  leiermacber  Kteopbon  zum  vorbild  ge- 
nommen, so  zweifle  icb  gar  nicbt  dasz  Androtion,  der  scbüler  des 
löokrates,  der  künftige  bistoriker  (s,  Schaefer  Demostb.  1  s*  317) 
diese  politiscbe  erBtlingslbat  dea  berübmten  gerbers  wobl  gekannt 
hat,  und  dasz  ibn,  wie  man  wobl  zu  sagen  pßegt,  die  lorberen  Kleons 
nicht  seblafen  lieszen.  aus  der  Androtionsttlle  scbliesze  ich  daher, 
dasz  auch  damals  auf  Kleons  antrag  dad  volk  eine  commission  von 
zehn  männern  ernanut  (^XecSai  beVa  dvbpac,  4Va  €K  (puXtjC  beiszt 
es  in  der  Brera-urkunde)  und  unter  Umgebung  der  ständigen  be- 
hörden  mit  ausgedebnipn  vollmachten  verseben  bat  al3  obmann 
dieser  commi&sion  wird  Kleon  sieb  wohl  bald  überzeugt  baben^  dasa 
jene  nacblässigkeit  und  schlafflieit,  wegen  der  er  den  Eukrates  de* 
nunciert,  die  ganze  Verwaltung  ergriffen  hatte  —  denn  es  ist  ein 
richtiges  wort,  das  Xenophou  sagt  (TTÖpoi  §  4)r  ifuj  touto  dei  ttot€ 
vo^itoi^  ÖTToioi  TiV€G  öv  Ol  npocTüTai  iLci,  Tocauiac  Kai  tqc  ttoXi- 
TCiac  —  dasz  ea  sich  abo  nicht  blosz  um  die  eintreibang  rückstän- 
diger steuern  und  sonstiger  schulden  von  säumigen  bürgern  bandelte, 
dai^z  vielmehr  auch  in  den  beziebungen  zu  den  bundesstüdten  sich 
ähnliche  nacblässigkeiten  eingeschlichen  hatten,  dasz  also  anch  rück- 
atändige  tribute  einzucas^äieren  waren«  wenn  dann  Ljsiklefi,  wie  ich 
oben  vermutungsweise  ausgesprochen  habe,  schon  unter  Periklea 
mit  den  Städten  in  geschäflßverkebr  gestanden  hatte,  so  lag  es  doch 
sehr  nabe,  dasz  der  neue  obmann  der  flnanzcommission,  der  übrigens 
damals  im  winter  42^/7  noch  buleut  war,  gerade  für  diesen  Lysikles 
beim  yolke  den  befehl  über  ein  gescbwader  von  fiscaUscben  schiflfen 
beantragte  zum  schütz  der  vom  volk  gewählten  iKXotcic,  der  ein- 
treiber,  und  wenn  es  nötig  war,  auch  zur  anwendung  von  gewalt 
(Ri.  1071  vaöc  ^Kdcxote  |  aiTei  taxeiac  dpTUpoXÖYOuc  oiiToci,  der 
Papblagonier).  dasz  das  nun  nicht  gerade  ein  kinderspiel  war  und 
dasz  dietie  dKX0Y€ic  ihren  auftrag  in  der  tbat  mit  ernst  und  strenge 
ausgeführt  haben,  das  beweist  eine  äuszerung  unseres  dichters,  der  ea 
sich  in  den  Acharnern  zum  verdienst  anrechnet  (v.  642),  er  habe  fn 
seinem  vorjährigen  stück,  den  Babyloniern  (aufgeführt  im  winter 
426)  dargestellt,  wie  schmählich  die  bundesstädte  von  der  demo- 
kratie  behandelt  werden  (kqi  touc  b^pouc  iv  TQic  TTÖXeciv  b€(£ac, 
ibc  br)pOKpaTOuVTai).  dies  kann  doch  auf  nichts  anderes  sich  be- 
liehen als  auf  die  tbtltigkeit  des  Ljsikles  mit  ireinem  gescbwader. 
sonst  erfahren  wir  nichts  über  ihn  als  dasz  er  geld  einsammelte,  in 
Karlen  landete  und  bei  einem  zöge  landeinwärts  mit  vielen  seiner 
leute  getötet  ward,  gerade  über  Ljsikles  hätte  ich  nun  manche  ver- 
kehrte ansichten  zu  bekämpfen,  aber  das  mu^z  ich  mir  für  einen  an- 
dern Zusammenhang  in  der  fortsetzung  dieser  studie  aufsparen»  ond 
auch  Kleon  musz  ich  für  jetzt  verlasüen*  dasz  er  in  seiner  Stellung 
als  obmann  der  commission  nicht  viel  andere  zu  werke  gegangen  ist 
als   später  sein  nochfolger  Androtion,   da^  können  wir  schon  ans 


während  dee  peloponnesiscbeD  krieges.  I.  ^i>\ 

unserer  Bitterstelle  abnehmen,  aber  auch  eine  &osx«niD((  d#4  i;^ 
Schichtschreibers  Thnkydides  wirft  meiner  meinung  nach  «in  «tr<t,f- 
licht  auf  seine  damalige  thätigkeit.  denn  bei  gelegenheit  der  debatr^ 
über  das  Schicksal  der  Mytilenaier  im  hochsommer  427  (ob  noch 
ol.  88,  1  unter  Diotimos,  als  Kleon  noch  buleut  war,  oder  gleich 
nach  anfang  von  ol.  b8,  2  unter  Eukles,  als  die  neue  bule  eben  ins 
amt  eingetreten  war,  das  lEszt  sich  nicht  entscheiden)  —  damaU 
also  führt  ihn  der  geschichtschreiber  das  ers^te  mal  seinen  lesem  vor 
(III  36) :  KXeujv  ö  KXeaiv^TOu,  öcircp  xai  xfiv  rrpoTepov  biViva\\üi\ 
üjcTe  dnoKT€ivai,  luv  xai  de  tci  dXXa  ßiaiÖTaioc  tvLv  ttoXi- 
Tiliv  Tiu  T€  bfijiui  Tiapä  TioXu  dv  Tuj  t6t€  TriOavaiTOTOC    aläo 
Kleon  hatte  nicht  blosz  den  harten  Tolksbf:«chloäz  g*rg»n  die  Mjti- 
lenaier  durchgesetzt,  sondern  er  w^r  auch  In  den  &on2>%n  dingen 
der  gewaltthätigste   der  bQrger,  nnd  zc gleich  \a\zl,  7oLk  'i^^r  r.<L 
weitem  einfluszreichste  mann,    wodurch  har.t«  r^cir.  n.n  K.e^^n  d.<»t>n 
ruf  der  gewaltthätigkeit  verdieLt?   d>:h  cff*co=*r  i\:\c.  l'**  'cAriu^- 
keit,  die  er  als  yoräteher  dereintre/oec^.rcxisäi'.L  cr;Ai*ilrt.  ^^•jj't 
usw.)  ertwickelt  hatte,    und  dabei  ist  ei  L^r.i*,  cf-ir^vr-t-^^^A  t**/. 
Kleon,  der  in  dieser  mjtileniscben  debat*^  W.Ltt,  -»...^i  ty.r.",  ';-..".i-.- 
gesetzt  hatte,  der  es  vielmehr  erleben  m^^iVt,  c^z  ".;»  y'..i  >ii  v.^ 
seinen  antrag  geiaczten  gewal*.:L£:i/e&  ber«/:i:..*-z  'ytvi..>rv, ,     rvz 
dieser  parlamentarischen  Lle<:er.4;/e  .n  »^Ilw  <v*.-.r.y  iiH  ■:*•  '>»-.n 
Volke  bei  weitem  einflLszre;cLr>  elacs  k*!i;^  *.ti4.-  /".iy  *-.,•-   ^^ 
wird  schon  dadurch  bewie^s^n.  dA>z  üä  t'..*  ..vn  -  ;;  ,Ar.-  -sirv.?  ?:•*.• 
die  mit  ol.  88,  3  (42Cj  be;/innend«  i.er.i.'.-,/*  r.i*&/:Är..v:.*     -i^ 
penteteris,  zum  pro-states  erwiLl*.«    w».^  »pivr  i..*fl.-.-...ir.  -.•*,-•  .«»^ati 
werden  soll),  und  bestätigt  wir'i  e^  ^: -r-x 7 ;. ••x/-;  •-:<•<   -S^r  ..-..i  »  i».>- 
ein  jähr  später ,  im  hocb^.crcmer  42.',.  v:.r.^.r,  ..»VTTr.  7v.-flr.r  -^  ^>»^ 
debatte  über  die  frieden.nvorJicr.U;^e  --r  F^<^.:;i..v.-,n>ir  .'.-w/.  -t^^  >:- 
festigung  von  Pyloä,  mU den  worten  IV  21  ^  u/VAi/i-n  V?  "i-^-v^  «  /^"f 
KXdujv  6  KXeaiv€TOu,  ävfip  br)uaf'x*"roc  ^ar  ^/^iV/V/  rv/  jy'/r/ß 
ujv  Kai  Tip  TiXriOei  TriöavuÜTaTCC.    ^.ene  ^v,..*^  ,-*,  7',n  A^-i»*vn  ;f'^- 
lehrten  verdächtigt  und  von  clf-n  ffo.Un<':em  ;ferA4pz«>  vr.er, ■*!'*.  j^jn, 
rend  Stahl  (in  der  kleinern  Foppo-fch^-n  aiiifif*r^^  aih  /.*r.  7*r*A-,»-J.jfr.. 
ich  finde  die  subätiluierung  dea  (ivrip  fcrpcrf'i/fvc  'f*if  '1*^  ff'lrt<»r  ;fp- 
brauchte  ßiaiÖTOTOC  Tuüv  ttoXitÜjV  .^ebr  /ihit'-4icf^.r.-*i-/*h :  -l-nn  .^b 
meine,  der  geschieh tüchreiber  hat  nach  v»/in**T  ;(^w%r.nf.*'.-  ■i-fr*»>f 
hindeuten  wollen,  die  frfihere  tarh^iWre.  ha»-,  r^v.i  -.^r.r.j;.- •  *r.vit;^- 
keit  Kieons  habe  aufgehört  and  rier  verf-wH-.njf-nr.H-y  ;(^n  /»»••••m- 
keit  als  vom  volk  gewählter  föhrer.  fVr..  aU  pro^Ut^-^  p:**/  /^^nrn'^h*'. 
Hier  breche  ich  für  jet/t  ao,  rri  .k'/  »»■»♦.f  fU^-r»  4^.^  ^'^iri''fn  ^^p'»« 
8.545  angekündigten  mo'^leriieTi  j<*a*'Hr,*'Arrit*,ft ,    rr..^,  'U-r^i  .'^W  f\on 
athenischt-n  proitate^*  vergleicheti  rry/^iir,t^.  d»*/»  i^^v-rft  r^iff^ftff^ft.    o-^ 
ist  dies  der  anter  dem   titel   ^  r '/  j«  /  p  *  r«  <  • ''  fi  *  /    / ''  ri    f Pr » .  a  a  /l 
wohl  bekannte  niedertän'hicbe  »tJiAtxM;» //.♦'•.    'i/'prrir,yr;,/.ri    ^/«f  t^r 
ein  diener  de**  bürgerrf.ei-.t/^r^.  »ifid  '1'*  r*»*«^   /'rrt  kff**''*f*\'*rtt ,  f\f^ 
adsesfcor  iurisperitu-,  wie  ihn  lln^^'/ Or'.».»./  #•«/./•♦,  ^i'h  p'»>fn"»^  fAi 


554     HMüller-Strübing:  Studien  ühav  die  Verfassung  von  Athen.  I, 

in  Hollandia  procurator,  und  advocatus  generalis  genannt,  er  ward 
tOE  den  sätaaten  der  provinz  Holland  als  ihr  deputierter  in  die  ver* 
samlung  der  geifieralstaaten  geschickt  (s,  Wenzelburger  gesch»  der 
Niederlande  IIa.  711).  um  nun  seine  politische  stellang  und  be* 
fugnis  zu  charakterisieren^  nehme  ich  der  kürze  wegen  meine  Zuflucht 
«u  Zedier«  universal lexikon  (1741)  bd.  XXVll  u.  pensionär,  wo  es 
heiszt:  *er  ist  immerwährender  deputierter  der  provinz  Holland  in 
den  generalstaaten  [dh,,  wie  wir  unten  sehen  werden,  immer  nur  auf 
fünf  jähre],  hat  aber  keine  stimme,  sondern  trügt  die  angelegenheiten 
und  die  materien  vor,  worüber  man  beratschlagen  soll,  sammelt  die 
stimmen  ein,  macht  und  sagt  die  gefaszten  entscblieszungen,  wieder- 
holt kürzlich  den  inhalt.  er  eröffnet  alle  an  die  Staaten  gerichteten 
sehreiben ,  conferiert  mit  den  In-  und  auslKndischen  minifitem  Über 
die  öffentlichen  sachen  des  gemeinen  wesens,  und  ist  verbunden  auf 
den  zustand  der  finanzen  achtting  zu  geben ,  die  rechte  sowohl  der 
provinz  als  der  Staaten  zu  erhalten  und  darauf  bedacht  zn  sein,  dasz 
allen  Verordnungen,  welch©  das  gemeine  wohl  und  den  öffentlichen 
ruhestand  anbetreffen,  ein  genüge  geschehen  möge,  sein  amt  er* 
fordert  auch,  dasz  er  den  Zusammenkünften  der  holländischen  ritter- 
schaft  beiwohne  und  in  deren  namen  an  die  Staaten  den  Vortrag 
thue.  seine  commission  eriätreckt  sich  nicht  weiter  als 
aufdjabre,  nach  deren  verlauf  aber  die  Staaten,  wofern  er  nicht 
selbst  seine  entlassung  sucht,  ihn  ordentlich  von  neuem  auf  5  jähre 
bestätigen.*  haben  wir  da  nicht  leibhaftig  jenen  untergeordneten 
beamten,  von  dem  Fellmer  spricht  (s.  oben  s.  534),  der  durch  geistige 
Überlegenheit  den  alles  beherschenden  einflusz  erlangte?  ich  denke 
dabei  zunüchst  an  die  berühmtesten  Inhaber  dieses  'imaginftren  amtea' 
(wie  Gilbert  sa^en  würde),  an  Olden  Barneveld,  der,  wie  Motley  sagt 
(bi.^t.  of  the  Unit  Netherl,  IV  s.  Ö62),  jähre  lang  eine  art  von  dictatur 
ausübte,  der  gegen  den  willen  des  kriegslustigen  Moritz  von  Oranien 
den  abschlusz  des  12  jährigen  Stillstandes  mit  Spanien  durchßetzte 
(1619).  und  wodurch  wurde  dann  seblieszlich  dieser  dictator  ge* 
stürzt  und  auf  das  schafott  gebracht?  wesentlich  durch  einen  con- 
fltct  mit  den  mititAriscben  Staatsbeamten  unter  führung  eben  jenes 
Oraniers.  da  scheint  es  mir  wohl  der  mühe  wert  nachzuforschen, 
welche  Stellung  denn  in  Athen  der  neu  gewählte  bürgerliche  cbef 
der  Verwaltung  den  militftrbeamten  gegenüber  einnahm,  das  soll 
im  weitern  vetfolg  dieser  Studien  verbucht  werden. 

London.  HssMaJUt  Müller  -  SrniJBtNQ* 


[ZvL  meinem  und  iicherllcb  ziililreicher  le^er  scHmerzltchem  bed«aeni 
wird  dieser  ftufsiiU  ein  torto  bleiben,  d«.  der  vf^  desBelben  um  li  angtisl 
d.  j.  im  82ii  lebensjahre  ptöUlich  gestorben  ist.  aU  er  mir  äms  mser, 
fibersandte,  b^eeichnete  er  es  aU  die  erste  hülfte  seine«  ^^UtterariBcheii 
teBtHmentQü^  (die  cweite  eoUte  von  den  athenischen  militSrheamten  h&n* 
dein),  wAi  es  min  auch  in  einem  von  dem  vf.  aetbst  schwerlich  geaUnUn 
sinne  geworden  ist.     faave  pia  aoimal  A,  F.] 


OApelt:  zu  Platons  Politeia.  655 

62. 

ZU  PLATONS  POLITEIA. 


360^.  das  moralische  facit  aus  der  bekannten  Gygesgeschicbte 
ist  dieses ,  dasz  ein  jeder  an  des  Gyges  stelle  so  bandeln  würde  wie 
dieser;  wo  nicbt,  so  würde  er  allerseits  für  den  grösten  dummkopf 
gebalten  werden :  drrei  d  Tic  TOiauTTic  ^Eouciac  ^mXaßöjievoc  [ir\b{y 
TT0T6  ^0^Xoi  dbiKTicai  [XT\Te  fivpaiTO  TÄV  dXXoTpiiwv,  deXlOITttTOC 
jLifev  &v  böEeiev  elvai  toic  alc0avo)i^voic  Kai  dvoriTÖTaToc  usw. 
als  der  unglückliebste?  das  folgt  aus  der  Situation  gewis  nicht,  die 
vielmehr  etwas  dem  dvoTiTÖTaTOC  verwandtes  fordert,  das  aber  ist 
i^XiGiiwiaTOC.  so  finden  sieb  i^XiOioc  und  dvöriTOC  verbunden  im 
Phaidon  95«  dvöriTÖv  T6  Kai  T^XiGiov  öappoc  Gapprjcei,  und  die  sub- 
stantiva  Theait.  176«  unö  T^XiGiÖTTiTÖc  T6  koI  rfic  kxdxric  dvoiac. 

473^  T&v  hk  vöv  7rop€uo)i^vujv  xwg\c  icp*  dKdiepov  al  iroXXal 
cpuceic  d£  dvdTKiic  dTrOKXeicOuictv.  ich  halte  nach  wie  vor  an  meiner 
Verbesserung  rroXiTiKai  für  TroXXai  fest,  für  deren  richtigkeit 
ebenso  die  forderungen  der  logik  an  unserer  stelle  selbst  —  die  man 
sich  nur  durch  etwas  nachdenken  klar  machen  musz  —  wie  die 
ganzen  folgenden  ausfübrungen  Platons  zeugen,  nur  um  zweifeln 
zu  begegnen,  komme  ich  noch  einmal  auf  die  sache  zurück  und  ver- 
weise zunftchst  auf  zwei  besonders  charakteristische  stellen  jener 
weitem  ausfübrungen.  erstens  489*  dXXd  toöc  vOvttoXitikoöc 
fipxoviac  drreiKdZ^ujv  olc  fipxi  ^X^yoiiev  vaüiaic  oöx  d/iapTVicci, 
Kai  Touc  UTTÖ  TouTiüv  dxprjCTOuc  XeTOji^vouc  kci  lieieiüpoX^cxac 
ToTc  ibc  dXriöuüC  KußepvriTaic.  zweitens  621  *>  fx^ic  oöv  ßiov  dXXov 
Tivd  TToXiTiKoiv  dpxOüV  KttTacppovouvTa  f\  TÖV  Tflc  dXTiOivfic 
9iXoco(p(ac;  Oö  [xä  töv  Aia,  fj  V  öc.  'AXXd  ji^vroi  beTre  )if| 
dpacrdc  toO  dpxeiv  l^vai  ^tt'  aÖTÖ*  el  b^  jur),  ot  ye  dvTepacral 
jLiaxoövxai.  TTuüc  b'  ou;  Tivac  oöv  fiXXouc  dvayKdceic  Uvai  ^ttI 
qpuXaKfjv  Tflc  rröXeujc  f|  o*i  rrepl  toutiüv  le  q)povi)iUüTaToi  bi'  iLv 
dpicxa  KÖXic  olKeiTai  fxouci  xe  Ti)idc  fiXXac  Kai  ßiov  djidviw  toO 
iToXiTiKoO ;  Oöb^vac  dXXouc,  i<pr\.  ganz  der  nemliche  gegensatz  der 
TToXiTiKoi  und  q)iX6coq)Oi  äpxovT€C,  wie  in  der  fraglichen  stelle 
473  ^,  ganz  die  nemliche  forderung  der  unbedingten  ausscblieszung 
der  TToXiTiKol  dpxovrec.  selbst  der  ausdruck  erinnert  mehrfach  an 
unsere  stelle,  vgl.  zu  dem  gegensatz  zwischen  itoXitiköc  und  q)iXö- 
cocpoc  noch  Rpl.  496  ^ «.  Menon  99 «  ff.  Phaidon  82  *>.  und  was  den 
ausdruck  TtoXiTiKai  qpüceic  (dies  letztere  wort  in  concreter  bedeu- 
tung)  anlangt,  so  steht  umgekehrt  qpiXöcoqpoc  cpucic  in  concretem 
sinne  Rpl.  494»  Tiva  öpoic  cujiripiav  9iXocöq)Uj  q)uc€i;  ein  blick 
auf  die  stellen  übrigens,  wo  9UCIC,  wie  hier,  in  dem  concreten  sinne 
*wesen,  geschöpf,  person'  auftritt,  dürfte  zur  genüge  darthun,  dasz 
das  wort  eine  blosze  zahl-  oder  mengenbestimm ung  nicht  verträgt» 
es  behält  in  seinem  concreten  sinn  immer  noch  etwas  von  seiner 
ursprünglichen  bedeutung  bei,  der  zufolge  es  unter  die  kategorie 


55(5 


OApelt:  zu  Platoiifi  Politeia. 


TTOiöv,  nicht  UBter  oucla  gehört,  wird  es  als  letzteres  genommeo,  80 
kann  das  nur  unter  hinzu fügung  einer  TTOiäinc,  einer  beschaffenheiis* 
besttmmuiig,  geschehen,  das  wird  jeder,  der  etwas  sprachliches  ge- 
fühl  hat,  leicht  herausfühlen:  YgL  Bpl,  519*^  TCic  ßeXTiCTac  <püc€ic 
öva^Kdcai  ^tpiK^cOai  TTp6c  tö  pd9rma.  424*  (puceic  dtaSai  und 
lipijceic  xpn^^Tai.  495^  cpiKpot  (piicic  oiibev  jitTß  oub^TTOie  oub€va 
oöxe  liMtwTTiv  otiT€  uoXiv  bpd.  435''  xpiTTd  ylvr]  q)iJC€u>v.  auch 
588*  TraXaial  qpüceic  dh.  wesen  wie  die  Xipaipa»  kann  verglichen 
werden,  selbst  das  iraca  in  irdca  qpucic  RpL  359*  und  Polit,  272* 
schlieazt  den  gedanken  an  die  bcschaffenheit  offenbar  mit  in  sich, 
das  die  blosze  überzahl  der  masse  bezeichnende  a\  TToXXai  reicht 
also,  ganz  abgesehen  von  allem  andern  ^  schon  aus  rein  ^sprachlichen 
erwägungen  für  die  bestimmung  von  cpucctc  nicht  aus.  ist  aber 
eine  bescbaffenheitsbestiraraung  notwendig,  so  ist  iroXiTiKai  hier  die 
einzige^  die  einer  prÜfung  stand  hält;  und  nicht  genug  damit:  sie 
wird  vom  Zusammenhang  geradezu  gefordert,  denn  das  x^^P'^C 
iTOp£uo^€vuJV  ^cp*  ^KdT€pov  lüszt  nur  das  aut  —  aut  philosophi- 
scher oder  politischer  naturen  zu»  nähme  man  zb.  Madvigs  x^Xai 
an,  so  würde  die  Sinnlosigkeit  herauskommen,  dasz  auch  die  philo- 
sophischen naturen ,  auf  denen  doch  die  rettung  der  Staaten  allein 
beruhen  soll,  auszuschlieszen  seien:  denn  auch  sie  sind,  eben  ala 
XU)plc  TT0p€u6|i€vai,  derzeit  noch  xujXai, 

634^  dXXd  pfiv  Touc  T€  cauTou  Traibac,  oftc  tuj  XÖTtf»  rpccpcic 
T£  Köi  TTaibeuEic,  ei  itot6  ^pth^  tpecpoic»  ouk  Sv  ddcmc,  ujc  eTtiJMciU 
dXÖTouc  övTac  üjcircp  TpOMMdc,  fipxovTac  iv  rq  iröXei  Kupiouc 
TüL)V  pL€tki\jjy  clvai.  sehr  richtig  dem  sinne  nach  schlagt  Stallbanra 
für  dos  wundtirliche  tP^MMöC  vor  Ypaqpdc  und  verweist  gut  auf  eine 
stelle  bei  Pkit.  Lykurgosc,  10  dlcTTtp  ypCKpi^lV  di|JUXOV  Kai  dKivriTOV, 
aber  palöographisch  wahrscheinlicher  ist  doch  Tpd^^a  odt?r  Ypdp^ai' 
(tpappara).  denn  dies  wort  gebraucht  Piaton  an  einer  ganzen  an» 
zahl  von  stellen  in  der  bedeutung  'bild,  gemälde%  wie  au»  Asta 
lexikon  ersichllicb.  so  in  der  Rpl.  selbst  472*^  oT€i  Sv  ouv  f|TTÖV 
Ti  dyaSov  luitpdcpov  €ivai  öc  6v  tpdi^ac  irapabciYMö  olov  öv  ein 
6  xdXXicToc  dvBpLüTToc  Kai  irdvia  eic  tö  TpdMjna  kavüüc  dirobouc 
fifj  ^x^  dTTobelEai  üjc  Kai  öuvaiöv  T^vecOai  toioutov  övbpa; 

5Ö8''*  liest  man  die  stelle  mit  sorgsam  prüfendem  blick,  so 
wird  man  mir  recht  geben»  dasz  TfdvX)  *t\  f(pii,  T^vvaia  nichts  taugt 
denn  für  jewaia  fehlt  jede  scharfe  beziehung.  meines  erachtenji 
hat  man  allen  grund  auch  hier  der  allein  maszgebenden  hs.  A  m 
folgen,  die  nicht  xtvvaia,  sondern  T€VvaTa  bietet  es  ist  nur  nötig 
die  interpuDction  zu  ändern,  um  alles  zu  voller  klarheit  zu  bringen« 
nemlich;  ndvu  T*  ^^H*  fewaia  Tttötd  te  bif\,  ^(pr^v,  Ix'^i  6v  Kai 
toOtu>v  dXXa  dbeX9d  br)poKpaTta. 

Weimar.  Otto  Avelt* 


OKeller:  zu  Livius.  557 

63. 

Zu  LIVIÜS. 


XXIX  27,  12  heiszt  es  nach  den  bss.  (und  so  lesen  zb.  auch 
Lucbs  in  seiner  groszen  kritiscben  ausgäbe,  Berlin  1879,  und  Zingerle, 
Prag  1883):  uhi  inluxit,  ventus  idem  coortus  nehula  disiecta  aperuit 
omnia  Äfricae  litora,  Scipio,  quod  esset  proximum  promunturiumy 
percunctatus  cum  Pulchri  promunturium  id  vocari  audisset^ 
^placet  omenj'  inquU  *huc  dirigUe  navis\  bier  würde  mir  Madvigs 
conjectur  omnibits  für  omnia  sebr  einleuchten ;  ferner  dürfte  Livius, 
wie  ja  aucb  mehrere  bss.  bieten,  percontatus  geschrieben  haben,  nicht 
percundatus\  endlich  aber  —  und  das  möchte  ich  jetzt  besprechen, 
würde  ich  pulchrum  lesen  statt  des  überlieferten  Pulchri,  denn 
mit  vollem  recht  hat  schon  EHübner  an  der  völlig  singulären  be- 
zeichnung  FuLchri  promunturium  anstosz  genommen,  bei  Polybios 
kommt  das  Vorgebirge  wiederholt  vor  und  heiszt  xaXöv  dKptüTi^piov : 
III  22,  5.  23,  1.  4.  24^  1.  ein  Vorgebirge  in  Bitbjnien  biesz  KaXf| 
SKpa,  auf  Sicilien  und  Kreta  findet  sich  der  name  KaXr)  ölktt], 
KaXaKTTi,  auch  der  einwohnemame  Mer  Schönküste'  KaXoaKTaToc 
kommt  vor  (Grasberger  griech.  Ortsnamen  s.  274).  anderseits  wird 
auch  eine  kühn  angelegte  phantasie  es  nicht  wagen  den  namen  des 
karthagischen  Vorgebirges  mit  Appius  Claudius  Pulcher  in  beziehung 
zu  bringen,  es  ist  somit  im  höchsten  grade  wahrscheinlich,  dasz 
Livius  nicht  Pulchri  promunturium  geschrieben  hat,  sondern  pul- 
chrum promunturium  =  KaXöv  dKpujTtipiov.  es  wird  sich  nun  nur 
noch  fragen ,  ob  die  Liviustradition  überhaupt  an  derartigen  fehlem 
leidet,  wie  hier  einer  vorausgesetzt  werden  musz,  ob  —  wahrschein- 
lich durch  abstoszen  des  randes  —  sehr  häufig  6in  oder  ein  paar 
buchstaben  verloren  giengen  und  dann  teils  wegblieben,  teils  von 
den  Schreibern  aus  dem  köpfe  ergänzt  wurden,  und  diese  frage  ist 
unbedingt  zu  bejahen,  ich  habe  dies  schon  bei  der  besprechung  von 
Gitlbauers  schrift  'de  codice  Liviano  vetustissimo  Vindobonensi' 
(Wien  1876)  in  der  zs.  für  die  österr.  gymn.  aufgrund  einer  menge 
von  beispielen  ausgesprochen  ^  welche  sich  mir  bei  der  lectüre  des 
Livius  ergeben  hatten,  viele  solche  conjecturen,  die  ich  nach  diesem 
princip  construiert  hatte,  sind  seitdem,  manche  auch  schon  vorher, 
auch  von  andern  gemacht  und  veröffentlicht  worden,  am  allerdeut- 
lichsten  und  raschesten  zeigt  dies  aber  Gitlbauers  angeführte  schrift 
selbst,  besonders  s.  74—79.  wir  bemerken  da,  wie  aus  AB  .  .  ANT 
HABEBANT  statt  aUbanty  aus  N  . .  ARE  NEGARE  statt  nudare  usw. 
hervorgieng.  Gitlbauer  selbst  wollte  diese  erscheinungen  als  falsch 
aufgefaszte  abkürzungszeichen  erklären;  aber  wie  sollte  sich  auf 
diesem  wege  die  entstehung  Yon  petente  &us patente,  causa  aus  castra^ 
nouantihus  aus  uölerUibus,  mütentur  aus  mütantur,  sive  aus  fide^ 
putahant  aus  patebant  usw.  erklären?  nimt  man  dagegen  einfach 
den  ausfall  einiger  buchstaben  und  willkürliche  ergänzung  durch  die 


558 


0 Keller:  zu  Livius. 


absehreiber  an,  so  ist  es  klar,  wie  leicbt  aucb  aus  einem 
promunturium  ein  Fulchri  i>romunturiufn  werden  konnte. 

Von  den  vielen  conjecturen  gleicher  srt,  welche  ich  einst  jeden- 
falls ganz  selbi^tändig  gemacht  habe,  will  ich  mir  hier  anhangsweise 
ilocb  einige  erlauben  anzufügen,  wenn  sie  auch  schon  von  andern 
als  ihre  erßndung  puhliciert  worden  sein  m^gen,  so  kennen  sie  doch 
in  unserm  gegenwärtigen  zusammenhange  falls  sie  überhaupt  beifall 
finden»  überzeugend  wirken  und  die  emendation  j>uZc^n4iH  (ürPulchri 
unteröttitzen* 

1)  XXVI  30^  1  permutaiis  prömncmSicuU  in  senatum  introäudi 
mulia  de  Hieronis  rcgis  fiäe  perpdna  erga  populum  Bümanum  verha 
fccerunt,  in  (se}  graiiam  puHicam  avcrientes,  die  Siculer  ergiengen 
sich  weitläufig  Über  die  unwandelbare  treue  des  königs  Hiero  gegen 
das  römiiiche  volk ,  indem  sit»  den  dank  des  Staates  (der  dem  HLero . 
gebührte)  sich  zuwenden  wollten;  vgL  Livius  II  ö  a  ceteris 
üb  ignctis  capitihus  consuUs  libcri  arnntum  in  se  averterant  octtloasj 
XXI  20  adeo  siolida  impudensque  posiulatia  vi$a  esi  censert^  ne  tfi 
liaLiam  transmiUant  GalU  bellum^  ipsos  id  avertere  in  se  agro 
suos  pro  allenis  populandos  obicere^ 

2)  X  27,  3  Samnitibus  Gallig  Eirusäs  Umbri  adiedi:  dies  t« 
diäa  pugnac:  Samniti^busy  GaUisque  delegata  pugna  inter  ip 
ceriamen  Etrmci  Utnbrique  itim  castra  Eomana  oppugnare, 

3)  XXI  4,  7  f.  midti  saepe  militari  st^ulo  apertum  humi  iaceniem^ 
inter  custoäias  stationesquc  militum  consj^^rufä.   vestUus  nihü  int  er 
aequales  exceUens;  (eadem^  arma  atque  e^i  conspiciebantur,  equUti 
pedüumque  idem  hngcprimus  erat;  princ^ös  inprodmm  i^bat^  uUin 
conserto  proelia  excedebat,  ich  will  durchaus  nicht  abstreiten,  da^z  diel 
Worte  auch  ohne  eadem  einen  recht  guten  sinn  geben,  wenn  aucl|J 
den  gerade  entgegengesetzten  von  dem  vielleicht  von  Livius  beab 
sicbtigten;  was  mich  bewegt  ^  die  fast  selbstverstfindliche  und  aucb^ 
schon  von  andern  vorgeschlagene  einschiebung  von  eadem  zu  befür- 
worten, ist  dasz  die  werte,  wie  sie  hsL  dastehen,  viel  mehr  Taci- 
teiscbes  als  Livianisches  gepräge  zeigen  würden;  ein  solch  eigen- 
tümliches verschweigen  des  eigentlichen  gegen  satzausd  ruck  es  (^nur* 
oder  ^dagegen'  oder  'sehr  schöne*)  und  die  Zumutung  an  den  leser^ 
das  wort  coftsptd  in  diesem  satze  anders  aufzufassen  als  unmittelba 
vorher,  entspricht  dem  sonstigen  leichten  und  klaren  stile  des  Livinin 
sehr  wenig,   ich  glaube,  man  musz  conspiciebaniur  hier  ebenso  über- 
setzen wie  eine  zeile  vorher:  'man  sah  bei  ihm  (^dieselben^  waffen 
und  pferde.*  das  Satzgefüge  von  vesiUus  ,  •  conspiciebaniur  entspricht 
dann  mit  seinem  gleichartigen  Charakter  in  sich  dem  folgenden  satu* 
gefüge  eqtiitum  .  «  excedebai, 

4)  Nach  Georges  lexikon  der  Int.  wortformen  udw.  soll  bei  Liviuii 
ein  einziges  mal  vociferare  statt  des  sonstigen  vociferari  vorkommen; 
Liv.  X  28,  12  Hertz,   man  kann  noch  Liv,  VII  12,  14  nacblr 
wo  gleichfalls  (zb,  von  Alscbefhki)  nach  den  bsa*  vociferare  gele^a^ 
wird*    beidemal  handelt  es  sich  also  nur  um  die  palliograpbisch 


EDittrich  n.  AFleckeisen:  zu  PÜDiüB  nat.  hisU  [Xu  18].       559 

auszerordentlich  leichte  Verwechslung  von  e  und  i.  da  nun  vociferari 
•aufgeregt  reden,  räsonnieren'  ein  lieblingswort  des  Livius  ist,  das 
sich  sehr  häufig  bei  ihm  findet,  und  da  nur  in  diesen  beiden  fällen, 
wo  doch  eine  verschreibung  oder  ein  verlesen  so  leicht  denkbar  ist, 
die  active  form  dem  archetypus  zugeschrieben  werden  kann ,  so  ist 
wohl  kein  zweifei,  dasz  wir  es  beidemal  in  der  that  nur  mit  einem 
Schreibfehler  zu  thun  haben ,  nicht  aber  mit  der  äuszerst  seltenen 
vulgären  nebenform  vociferare.  vociferari  steht  bei  Livius  1)  absolut 
I  40,  6.  m  45,  ö.  IV  50,  2.  X  33,  3.  XXXVI  35,  2.  2)  mit  dem  acc. 
eines  pronomens  (haec,  guod,  quae)  III  40,  1.  III  50,  10.  III  72,  6. 
IV  14,  6.  V  2,  13.  V  6, 16.  XXIU  10,  9.  XXVI 16,  2.  XXXII  36, 1. 
XXXIV  25,  11.  XL  9,  7.  3)  mit  dem  acc.  c.  inf.  II  65,  3.  III  63,  9. 
III  70,  5.  III  71,  4.  IV  1,  6.  IV  40,  5.  IV  53,  6.  V  11,  2.  VI  19,  2. 
VII  18,  9.  VIII  27,  7.  Vm  32,  9.  VIII  38,  13.  X  29,  3.  X  35, 13. 
XXII 41, 3.  XXIV  9, 1.  4)  mit  ut  III  41, 1.  VII  12, 14.  XXVII  50, 9; 
mit  ne  XXIII  7,  5.  5)  mit  indirecter  frage  X  28,  12.  XXV  36,  9. 
XXXVIII  33,  8.  6)  mit  directer  rede  III  52,  6.  XXIII  10,  7.  — 
Über  vociferare  gibt  Georges  ao.  folgende  notizen:  ^vodfero  Labb. 
gloss.  197  (b),  wovon  vociferat  Labb.  gloss.  197  (a),  vociferant  Varr. 
r.  r.  III  9,  5.  vociferarent  Greg.  Tur.  de  glor,  mart.  1,  18  p.  816*. 
vociferare  Liv.  X  28,  12  Hertz.' 

Prag.  Otto  Keller. 


64. 

ZU  PLINIUS  NATURALIS  HISTORIA. 


Mit  recht  hat  AWiedemann  (Herodots  zweites  buch  mit  sach- 
lichen erleuterungen,  Leipzig  1890,  s.  7)  die  angäbe  des  Plinius  «.  h, 
XII  18,  Herodotos  habe  sein  geschichtswerk  im  j.  d.  st.  310(444/43 
vor  Ch.)  in  Thurii  verfaszt,  als  unrichtig  zurückgewiesen,  dennoch, 
glaube  ich ,  ist  es  nicht  nötig  mit  Wiedemann  diese  verkehrte  an- 
gäbe dem  Plinius  oder  seiner  quelle  zur  last  zu  legen,  sondern  die 
hsl.  Überlieferung  tunc  enim  auctor  ille  historiam  eam  condidit  Thwris 
in  Italia  ist  verdorben  aus  tunc  enim  auctor  illehistoriarum  con- 
didit Thurios  in  Italia, 

Leipzig.  Eugen  Dittrich. 


Diese  mir  in  obigem  Wortlaut  eingesandte  miscelle  interessierte 
mich  in  hohem  grade,  allerdings  erinnerte  ich  mich  dasz  schon  vor 
Wiedemann  ein  forscher  wie  AKirchhofiF  in  einem  1868  vor  der  Ber- 
liner akad.  d.  wiss.  gehaltenen  vertrag  ^über  die  entsteh ungszeit  des 
Herodotischen  geschichtswerkes'  (2e  aufläge,  Berlin  1878,  s.  2)  sich 
dahin  ausgesprochen  hatte,  'weder  die  angäbe,  welche  sich  bei  Suidas 
finde,  Her.  habe  die  neun  bücher  seines  geschichtswerkes  während 


660 


AFleckeiBen:  zu  PliniaB  not.  hist.  [XII  18], 


seines  aufoBthaltes  auf  Samos  geschriebeD,  noch  die  bebauplung  des 
Flinius,  es  &ei  dies  in  Tburü  um  das  j.  444  gescbeben,  k5DDt€Q  aa* 
tprucb  darauf  erheben  für  echte  Überlieferung  zu  gelten;  sie  erweiJäen 
sieb  vielraebr  nur  zu  deutlicb  bei  genauerem  zuseben  als  blosze  und 
obenein  recbt  tüppiscbe  und  unüberlegte  Vermutungen  ibrer  urbeber»* 
aber  daran  muäte  icb  doch  anfangs  einigen  an^tosz  nehmen,  dasz 
nach  dem  obigen  Torscblng  Herodotos  von  Plinius  als  conditor  von 
Thurii  genannt  sein  soll,  wäbrend  doch  der  eigentlicbe  auf  Perikles 
betrieb  bestellte  conditor  bekannt! ich  Hippodamoa  von  Milet  war. 
indes  icb  beruhigte  mich  bald  bei  der  er  wägung,  dasz  unter  den 
ersten  ansiedlern  der  neuen  pöanzstadt  neben  den  berühmten 
namen  Protugoras,  Tisias  und  Ljsias  auch  der  die  genannten  an 
glänz  Überstrahlende  Herodotos  aus  Halikarnass  (s,  Strabon  XIV 
§  IS  ß.  656  Gas,  'HpÖtOTÖC  T€  6  CUTrpö<P€ÜC,  8v  ÖCT€pOV  Goüpiov 

^KOtXecav  hia  tö  KoivuLjvficai  rfic  eic  Ooupiouc  diroiKiac,  und  vgL 
ECurtjuB  griecb.  gesch.  II*  s.  2ö3)  sich  befand,  und  wenn  die  samt» 
lieben  ersten  ansiedler  einer  neuen  colonie  von  den  Griechen  Kticrai 
genannt  worden,  so  konnte  wohl  auch  Plinius  oder  seine  quelle  mit 
einer  leichten  ungenauigkeit  des  ausdrucks  von  dem  berühmtesten 
der  KTiciai  von  Thurii  sagen:  condidU  Tkurios,  was  nun  aber  die 
bsl.  Überlieferung  betrifft,  so  steht  in  allen  vor  J855  bekannten  hss. 
allerdings  historiam  eam  (was  soll  hier  das  eam?  wenn  noch  wenig- 
stens suam  dastände!);  aber  In  dem  genannten  jähre  ist  der  nach 
seinem  entdecker  benannte  Monescbe  palimpsest  aus  dem  ö/6n  jb, 
mit  teilen  aus  buch  XI^ — XIV  der  nai.  hist,  im  sechsten  bände  der 
groazen  Silligschen  ausgäbe  veröffentlicht  worden,  und  dieser  (worauf 
mich  mein  freund  KMayhoff  aufmerksam  matbt)  bietet  s.  86  z.  8  f. 
unzweideutig  bISTORURUM  CONdIdIT  ThURlS  (eine  Variante  die 
durch  ©in  leidige.s  versehen  in  den  beiden  neuesten  Plinius-ausgaben 
nicht  vermerkt  worden  ist):  eine  glänzende  bestätigung  der  obigen 
conjectur  meines  geehrten  mitarbeiters.  auch  die  Bnderunjj  von 
TbURlS  in  Tkurios  findet  eine  bestätigung  in  Mones  proleg.  s*  XVIU^ 
WD  unter  mehrern  li^aluren  am  wortende  verzeichnet  ist  8  (05) 
p.  90,  3,  wo  AdNlXS  steht  >=«  adnixos.  wie  leicht  konnte  dies  kleine 
häkchen  in  der  untern  hftlfte  des  8  üherseben  werden!  auch  die  les- 
art  in  a  (E)  Thurius  führt  auf  Thurim,  —  NacbtrÄ^ilicb  bemerke 
icb  noch,  dasz  der  titel  icxopiai  (neben  Ictoptiic  diröbeEic)  für 
Herodols  geschieh ts werk  bestätigt  wird  durch  Saidas  u  G6Ö^TO^Troc: 
ftp^H^tV  dlTlTOpflV  T(Lv 'HpobÖTOu  ICToptiwv  ^v  ßißXioic  ß*.  ob- 
gteicb  dieser  nach  weis  für  Plinius  eigentlich  überflüssig  ist:  be- 
zeichnet dieser  doch  auch  XXV  H  Xantbos,  den  verfA^^^er  von 
AubiaKd,  und  XXX VI  36  Kallisthenes,  den  Verfasser  von  'CXXnvticd 
und  TTcpciKdi  erstem  als  historiamm  audür,  letztern  h\^  hlstoriarum 
scripior  —  eine  notiz  die  ich  gleichfalls  meinem  oben  genannten 
freunde  Majboff  verdanke. 

DufiSOEH.  Alfred  Flbckeiskm. 


CSchirlitz:  die  fünf  erbten  reden  in  Platons  Symposion.       561 

65. 

DIE  REIHENFOLGE  DER  FÜNF  ERSTEN  REDEN 
IN  PLATONS  SYMPOSION. 


Die  erklftrung  des  Platonischen  Symposion  hat  sich  seit  ge- 
raumer zeit  mit  der  beantwortung  einiger  fragen  beschäftigt,  die 
nicht  sowohl  durch  den  gegenständ  des  gesprftches  als  durch  die 
dar&tellungsform  bedingt  sind ,  deren  sich  der  Schriftsteller  bedient 
hat.  da  die  einführung  mehrerer  redner,  die  dasselbe  thema  behan- 
deln, der  gewohnheit  Platons  nicht  entspricht,  lag  es  nahe  die  ab- 
sieht festzustellen,  die  den  philosophen  zu  der  abweichung  von  seinem 
sonstigen  verfahren  bestimmt  hat.  mit  dieser  Untersuchung  aber  ver- 
band sich  von  selbst  die  frage  nach  der  bedeutung,  welche  die  ein- 
zelnen redner  in  Platons  sinne  haben  sollen,  und  nach  dem  Verhält- 
nis, in  dem  die  fünf  ersten  reden  sowohl  zu  einander  als  zu  den 
beiden  folgenden  stehen,  bei  der  weitgehenden  Verschiedenheit  der 
hervorgetretenen  ansichten'  ist  eine  Verständigung  über  die  strei- 
tigen punkte  nur  allmählich  erfolgt;  inzwischen  kann  es  doch  heute 
als  ausgemacht  gelten ,  dasz  Piaton  eine  mehrzahl  von  rednern  auf- 
treten läszt,  um  sich  das  eingehen  auf  fremde  Standpunkte  zu  er- 
leichtern ,  und  dasz  wir  demgemäsz  in  den  fünf  ersten  lobrednem 
des  fpujc  die  Vertreter  eben  dieser  fremden  Standpunkte  zu  erblicken 
haben ,  die  nach  der  meinung  des  Schriftstellers  für  die  behandlung 
der  vorliegenden  frage  in  betracht  kommen,  ihnen  tritt  in  der  rede 
des  Sokrates  des  philosophen  eigne  ansieht  gegenüber,  während  die 
dem  Alkibiades  in  den  mund  gelegte  darstellung  des  vollendeten 
erotikers,  wie  er  in  Sokrates  verkörpert  erscheint,  als  dritterteil 
der  Schrift  zu  betrachten  ist.  kann  demnach  über  die  disposition  des 
ganzen  und  das  Verhältnis  der  gesamtheit  der  fünf  ersten  reden  zu 
den  beiden  übrigen  teilen  des  gespräches  kein  zweifei  herschen,  so 
läszt  sich  auch  der  Standpunkt  derer,  die  vor  Sokrates  zu  worte 
kommen,  und  das  gegenseitige  Verhältnis  ihrer  reden  im  allgemeinen 
sicher  bezeichnen. 

Mit  recht  hat  man  zunächst  die  früher  von  Sydenham  und 
Rückert  vertretene  ansieht  aufgegeben,  welche  hinter  jedem  der 
fünf  ersten  Sprecher  'irgend  einen  berühmten  Sophisten,  redner  oder 
Philosophen*  versteckt  finden  wollte,  gegen  eine  solche  Vermutung 
spricht  schon  die  thatsache,  dasz  wir  es  in  jenen  männern  mit  histo- 
rischen persönlichkeiten  zu  thun  haben,  die  nach  ihrer  Individualität 
treu  und  mit  frischer  anschaulichkeit  dargestellt  werden ,  was  wir 
für  Phaidros ,  Aristophanes ,  Agathen  aus  anderweitigen  Zeugnissen 

'  eine  Übersicht  derselben,  die  bei  entsprechender  berücksichtignng 
der  neuern  litteratur  aach  heute  noch  zur  Orientierung  ausreicht,  bat 
Susemihl  in  seiner  abh.  ^die  composition  des  Platonischen  Gastmahls' 
gegeben  (Philol  VI  177—^214)  und  im  ^prödromus  Platonischer  forschungen' 
(Göttingen  1852)  s.  29—67. 

Jnhrbücher  für  class.  philol.  1893  hfl.  8  a.  9.  36 


562 


CScliirlitz;  die  reibenfolge  der  fünf 


ersehen  und  daber  (a,  Hug  einleitung  8.  LXIV)  auch  in  betreff  des 
Pausanias  und  Erjrxi machos  glauben  dürfen,  die  sonst  nicht  näher  be- 
kannt sind,  nicht  minder  irrig  aber  ist  die  eotgegengesctzte  annähme, 
Piaton  habe  nur  eben  die  Charakteristik  jener  bestimmten  individuell 
bezweckt;  vielmehr  bewährt  er  gerade  darin  »eine  kunst,  dasz  er  die 
mit  netlirlicher  Wahrheit  gezeichneten  persönlichkeiten  zugleich  zu 
trägern  verschiedener^  ihrer  eigentümlichkeit  entsprechender  an« 
schauuBgen  zu  machen  weisz.  halten  wir  uns  behufs  feststellung 
dieser  aoschauungen  an  die  eignen  hinweise  des  scbrifUtellers,  ao 
ergibt  sich  1)  aus  der  anordnung  der  schrift  und  dem  urteil^  welches 
Sokrateä  198^  über  seine  yorredner  fällt,  als  gemeinsames  kenn- 
zeichtiU  derselben  der  gegensatz  des  gewöhnlichen  be wustsein s  zur 
philosophischen  erkenntnis.  während  diese  auf  klarlegung  des  be- 
griffes  dringt,  um  unabhängig  von  den  wechselnden  Verhältnissen 
der  Wirklichkeit  und  unter  verzieht  auf  subjective  neigungen  das 
wesen  der  sache  und  damit  die  Wahrheit  zu  erfassen,  bewegt  sich 
jenes  auf  dem  boden  der  Vorstellung  und  stellt^  durch  bitte  und  ge- 
wohnheit  des  volkes  beeinfiuszt,  im  allgemeinen  diejenige  bildung 
dar,  die  einer  bestimmten  zeit  und  deren  besondern  Strömungen 
eigentümiich  ist  damals  nun  beherschte  die  sophistisch^rhetorische 
bildung  das  geistige  leben  Griechenlands^  besonders  aber  Athens,  und 
so  ist  es  nur  natürlich,  wenn  sie  auch  in  jenen  reden,  wiewohl  in  der 
6ineii  mehr  als  in  der  andern,  sich  abspiegelt,  betrachtet  man  einen 
anderu  üngerzeig  des  verfasserSf  so  kann  man  2)  auch  die  bildungs- 
kreise  ermitteln,  die  sich  über  das  wesen  des  ^puJC  in  jenen  fUnf 
reden  vernehmen  lassen,  denn  gewis  ist  es  nicht  zufällig,  dasz  Aga* 
thon  tragiker,  Aristophaned  komiker  ist,  und  dasz  in  Erjxtmachoa 
ein  arzt  auftritt,  der  mit  seinen  weitblickenden  tbeorien  aU  vertretet 
der  Wissenschaft  überhaupt  angesehen  werden  darf:  alle  drei  sollen 
die  Wortführer  bestimmter  Sphären  der  damaligen  bildung  sein,  nnd 
dasselbe  gilt  daher  gewis  auch  von  Pausanias  und  Phaidros.  dei 
erstem  rede  hat  man  als  ein  muster  jener  sophistischen  beredsam* 
keit  betrachtet,  die  es  sich  nach  Protagoras  Vorschrift  zur  aufgabo 
machte  t6v  t^ttw  Xötov  Kpcirru)  noieiv  (s.  Hug  einl,  s.  XL VII)  j  be- 
denkt man  nun,  dasz  diese  fähigkett  schon  an  sich  die  reichste  ge- 
legenbeit  zur  betfaätigung  im  öfentlichen  leben  fand,  und  dasz  gerade 
Pausanias  die  in  den  ein^elnen  Staaten  über  den  fpuic  bestehenden 
v6^0i  einer  genauen  kritik  unterzieh!,  so  wird  man  ihn  wohl  für  den 
re Präsentanten  der  politiker  in  der  um  Agathon  vor^ammelten  ge* 
Seilschaft  halten  müssen.  Phaidros  endlich  stellt,  wie  Hug  s,  XL  VI 
sagt-,  ^den  gewöhnlichen  athenischen  bürger  dar,  den  eine  rastlose  neu- 
gierde  zu  den  rhetorischen  und  philosophischen  kreisen  hindr&ngt'; 
und  in  der  that  dürfte  es  die  stimme  des  feinern  und  für  fragen 
wie  die  vorliegende  lebhaft  interessierten  athenischen  durchschnitta- 
pnblicums  sein,  die  sich  in  seiner  rede  kundgibt,  wobei  Ton  dem 
besondern  gründe  abgesehen  wird,  der  den  Schriftsteller  bestimmen 
mochte  auf  die  gestalt  des  Phaidros  bei  dieser  gelegenbeit  nicht  ta 


ersten  reden  in  Platons  Symposion.  563 

verzichten,  wir  hören  daher  vor  dem  auftreten  des  philosophen,  wie 
die  gebildete  gesellschaft,  die  freunde  des  politischen  lebens,  die 
mSnner  der  Wissenschaft  und  die  Vertreter  der  kunst  oder  vielmehr 
der  beiden  damals  in  Athen  blühenden  dramatischen  gattungen  über 
den  £pU)C  denken ,  aber  wir  erhalten  alle  diese  meinungen  in  einer 
form ,  bei  der  die  individaalitftt  jedes  einzelnen  redners  in  glück- 
lichster weise  gewahrt  bleibt,  dasz  Piaton  unter  diesen  umständen 
den  genannten  rednem  wohl  einseitige  und  unvollkommene,  nicht 
aber  durchweg  verkehrte  auffassungen  in  den  mund  legen  konnte, 
ist  bereits  von  Zeller  (Piatons  Gastmahl  [Marburg  1857]  s.  85)  und 
andern  bemerkt;  auch  hat  man  sich  mit  gleichem  erfolge  um  das 
Verständnis  jeder  einzelnen  rede  wie  um  die  Zusammenstellung 
derjenigen  in  ihnen  enthaltenen  gedanken  (s.  besonders  Steinhart 
lY  s.  255  f.)  bemüht ,  die  von  Sokrates  teils  in  zustimmendem  teils 
in  abweisendem  sinne  berücksichtigt  werden;  dagegen  scheint  es 
noch  nicht  gelungen  zu  sein  ihre  reihen  folgein  befriedigender 
weise  zu  begründen,  zwar  wird  von  vielen  seiten  anerkannt,  dasz 
Piaton  sowohl  bei  der  zahl  als  bei  der  anordnung  der  fünf  ersten 
reden  nach  bestimmter  absieht  verfahre :  jenes  ergebe  sich  aus  der 
bemerkung  über  den  wegfall  mehrerer  XÖTOi  nach  dem  des  Phaidros 
(178  \  180^),  mit  der  er  die  gesamtheit  der  reden  als  ein  voll- 
ständiges ,  in  sich  geschlossenes  ganze  darstelle ;  dies  ans  dem  ein- 
gange der  reden  selbst:  denn  indem  er  jeden  folgenden  redner  mit 
einer  berichtigimg  des  Vorgängers  beginnen  lasse,  deute  er  an  dasz 
es  auf  eine  Stufenfolge,  einen  fortschritt  von  niedem  zu  hohem 
Standpunkten  abgesehen  sei;  und  hiermit  stimme  auch  der  inhalt 
der  reden  selbst  überein.  aber  die  frage,  welchem  plane  Piaton  bei 
der  reihenfolge  der  reden  gefolgt  sei ,  dürfte  weder  durch  eine  all- 
gemeine berufung  auf  ihren  inhalt  noch  durch  den  bloszen  hinweis 
auf  den  Zusammenhang  jeder  folgenden  mit  der  vorangehenden  be- 
antwortet sein. 

Nun  ist  allerdings  von  Bötscher  (das  Platonische  Gastmahl, 
dargestellt  als  ein  philosophisches  kunstwerk,  Bromberg  1832)  der 
versuch  gemacht  den  dialog  als  ein  philosophisches  kunstwerk  und 
jede  rede  als  ein  moment  der  entwicklung  des  begriffes  darzustellen, 
womit  die  thatsächliche  reihenfolge  der  Xöiroi  als  eine  notwendige 
begriffen  werden  würde,  die  erklärer  haben  aber  gegen  die  ausfüh- 
rung  dieses  an  sich  naheliegenden  gedankens  begründete  bedenken 
erhoben,  nach  Bötschers  ansieht  stellt  sich  in  der  rede  des  Phaidros 
die  abstracto  auf  mythische  anschauungen  zurückgeführte  allgemein- 
heit  dar,  während  Pausanias  auf  dem  Standpunkte  des  gegensatzes 
steht,  durch  den  sich  die  erste  abstracto  allgemeinheit  zu  einem  con- 
creten  inhalt  aufschlieszt.  indem  aber  der  irdische  f  pujc  erst  in  dem 
himmlischen  seine  Wahrheit  hat  und  mithin  nur  ein  auf  diesen  hinaus- 
weisendes moment  geworden  ist,  tritt  ein  neuer  fortschritt  dadurch 
ein,  dasz  Eryximachos  den  gegensatz  und  die  entzweiung  als  der 
natur  des  £pu)C  selbst  immanent  anerkennt  und  den  fpU)C  damit  als 


564 


CSehirlitz:  die  reiheufolge  der  fünf 


das  ia  sieb  lebendige  beiracbtet,  za  dem  die  momente  des  gegen* 
sattes  und  der  entzweiung  und  der  sieb  daraus  emporringenden  ein* 
heit  und  barmonie  geboren.  In  dem  mjtbos  des  Äristopbanes  siebt 
Böbscfaer  sodann  eine  veranscbaulichung  der  momente  des  lebens  in 
ihrer  totalität:  fpiuc  erscbelne  bier  als  das  resultat  einer  bewegnng, 
deren  einfache  elemente  die  reinen  begrifiTsbestimmungen  selbst  seien* 
das  erste  der  (bei  Eryximacbos  noch  in  unentwickelter  form  vor- 
handenen) momente  sei  die  in  sieb  gegensatxlose  einbeit,  das  zweite 
das  werden  des  unterscbiedes  und  gegensatzes»  das  dritte  seine  (mit 
der  Wahrheit  des  individuellen  lebens  zusammenfallende)  negative 
einheit,  worin  der  gegensatz  ebenso  erhalten  wie  aufgehoben  sei.  da 
aber  das  Individuum  durch  seine  vereioigung  mit  einem  andern  ihm 
verwandten  zum  gefUhle  seiner  ursprünglichen  naturnnd  Wesenheit 
komme,  sei  fpuic  in  dem  mythos  zugleich  als  Vermittler  des  endlichen 
mit  dem  unendlichen  gedacht,  die  rede  des  Agathen  hält  RlJtacher 
für  den  beginn  der  entwicklnng  des  geistigen  voUgehalts  des  ^puic 
in  der  form  des  reinen  gedankens,  doch  komme  Agatbon  selbst  nicht 
über  den  schein  des  philosophischen  denkens  hinaus;  er  bewege  sich 
2war  fortwährend  in  Vermittlungen  und  in  der  form  von  Schlüssen 
und  folgerungen,  thatsäebUch  aber  werde  keine  bestimmung  des  ^pujc 
durch  jene  bewegung  gewonnen,  da  alle  Vermittlungen  selbst  nur 
willkürliche  annahmen  seien,  erst  des  Bokrates  rede  führe  aus  dem 
reiche  der  Voraussetzungen  in  das  gebiet  des  sich  in  sich  selbst  ent> 
wickelnden  gedankens  hinüber,  und  zwar  sei  es  der  den  unterschied 
und  seine  aufhebung  zur  negativen  einheit  enthaltende  satz,  dasz 
Ipujc  die  liebe  zu  etwas,  mithin  des  schönen  und  also  auch  des  guten 
bedürftig  sei ,  aus  dem  alle  weitern  bestimmungen  bervorgiengen. 
Bötscher  zeigt  sodann,  wie  die  kategonen  der  Vorgänger  von  Sokratea 
verarbeitet  werden ,  und  erklärt  zuletzt  die  rede  des  Alkibiades  f Qr 
den  notwendigen  scblusz  eines  werkes,  das,  auf  das  lob  des  Ipujc  aus- 
gehend, uns  seine  erbebendste  Wirkung  auch  in  einer  concreten  ge- 
stalt  offenbaren  müsse. 

Trotk^  der  anerkennung,  die  Steinhart  dieser  auffassung  des 
Symposion  als  einer  selbstentwicklting  der  liebe  besonders  deshalb 
zollt,  weil  bier  zum  ersten  male  nachgewiesen  werde,  dasz  die  grund- 
idee  des  gespr&ches  sich  gleich mäszig  durch  alle  seine  teile  hindurch* 
siehe,  jedes  glied  des  Organismus  an  seiner  stelle  notwendig  sei,  und 
mit  dem  fortgange  des  gespräches  thatsächlich  auch  ein  fortschFatt 
vom  unvollkommenen  zum  vollkommneren  eintrete,  gibt  er  doch 
die  bedenklichkeit  des  weges  zu^  auf  dem  Rötscher  zu  seinem  resal« 
täte  gelangt  ist,  und  vermiszt  an  diesem  begriffe  der  liebe  *das  stre« 
ben  derselben  sich  Über  die  schranken  der  individualitftt  und  etid* 
Ijchkeit  zur  allgemeinheit  der  idee  und  zu  unsterblichem  leben  za 
erheben',  der  letzterwähnte  Vorwurf  scheint  mir  von  geringerm  be- 
lang zu  sein r  da  Eötscher  wenigstens  in  der  analyse  der  rede  des  So- 
krates  bemerkt«  fpaic  gehe  wesentlich  auf  die  Unsterblichkeit  (s.  24); 
nm  80  mehr  aber  mosz  man  Steinhart  und  andern  kritikern  darin 


( 


I 


I 


enteu  reden  in  Platons  Symposion.  565 

beipflichten,  da&z  es  unstatthaft  ist  die  grundbegriffe  modemer  Philo- 
sophie ,  wie  hier  die  denkweise  Hegels,  für  das  Verständnis  Platoni- 
scher Schriften  zu  verwerten,  zu  welchem  zwange  diese  erklSrungs- 
weise  führt,  zeigt  sich  nach  Susemihls  richtiger  bemerkung  (Philol. 
VI  186  f.)  bei  der  besprechung  der  rede  des  Aristophanes,  wo 
Bötscher  die  191^  erwähnte  frühere  zeugung  in  die  erde  nur  dem 
zweiten ,  nicht  auch  dem  ersten  Stadium  zuschreibt  und  diesen  ele- 
mentarischen process  für  ein  unvollkommneres  als  den  gattungs- 
process  erklärt,  während  doch  die  erdgeborenen  menschen  nicht 
blosz  den  Griechen  überhaupt ,  spndern  auch  dem  Piaton ,  sobald  er 
mythisch  spricht,  höher  als  die  natürlich  erzeugten  stehen,  jene 
auffassung  war  freilich  unvermeidlich ,  wenn  die  momente  der  un- 
mittelbaren einheit,  des  werdenden  und  des  sich  durch  seine  eigne 
thätigkeit  ebenso  sehr  aufhebenden  wie  immer  wieder  hervorbringen- 
den gegensatzes  unterschieden  und  die  Übergänge  aus  dem  6inen  in 
das  andere  Stadium  als  die  dem  begriffe  des  £pujc  entsprechende  ent- 
Wicklung  betrachtet  werden  sollten,  noch  deutlicher  tritt  die  in- 
congruenz  dieses  Verfahrens  darin  hervor,  dasz  die  vollständige  auf- 
hebung  des  gegensatzes  von  object  und  subject  in  der  liebe ,  dh.  die 
herstellung  der  ursprünglichen  einheit  durch  sie,  oder  die  €ubai)iovia 
ein  ideal  bleibt,  zu  dessen  erreichung  es  der  eöc^ßeia  bedarf:  nur 
wenn  wir  diese  beweisen,  werden  uns,  sagt  Aristophanes  193* '^j  die 
götler  dereinst  d6n  finden  lassen,  welcher  wirklich  unsere  andere 
hälfte  ist  damit  sind  aber  offenbar  (s.  Susemihl  ao.  s.  187)  vier 
momente,  nicht,  wie  Bötscher  s.  14  will,  drei  gegeben,  und  am 
wenigsten  die  drei  Hegeischen  ^  da  das  letzte  Stadium  keineswegs 
als  vollendeter  denn  das  erste ,  sondern  als  die  blosze  rückkehr  zu 
diesem  bezeichnet  wird  (192^^).  ebenso  wenig  kommt  die  rede 
Agathons  bei  Bötschers  auffassung  zu  ihrem  recht,  wenn  es  Stein- 
hart s.  238  als  einen  beweis  für  die  allgemeine  verkennung  dieser 
rede  ansieht,  dasz  auch  Bötscher,  dem  doch  jede  andere  rede  eine 
bestimmte  stufe  im  begriffe  des  f  pU)C  darstelle^  mit  ihr  nichts  anderes 
anzufangen  wisse  als  dasz  er  sie  für  eine  Vertreterin  des  Sophisten- 
tums  halte ,  der  diese  stelle  angewiesen  sei ,  weil  die  sophistik  die 
vorläuferin  der  Sokratischen  philosophie  war,  so  kann  man  ja  zwei- 
feln, ob  die  beurteilung,  welche  Agathons  rede  bei  Bötscher  erföhrt, 
durch  die  rücksioht  auf  die  geschichtliche  Stellung  der  sophistik, 
oder  ob  nicht  auch  dieser  ausblick  auf  die  geschichte  der  philosophie 
erst  durch  das  bestreben  veranlaszt  ist,  in  den  letzten  reden  'die 
absolute  ausgleichung  des  inhalts  und  der  form ,  die  durch  und  für 
das  philosophische  denken  begriffene  erkenntnis'  (s.  36)  zu  finden; 
jedenfalls  aber  irrt  Bötscher,  wenn  er  glaubt,  Agathons  rede  habe 
nur  eine  formelle  bedeutung  und  trage  nichts  zur  erkenntnis  des 
£pu)C  bei.  dazu  kommt  dasz  diese  rede  bei  Bötschers  auffassung,  auch 
wenn  sie  nur  für  ein  beispiel  sophistischer  rhetorik  gilt,  doch  immer 
mit  der  Sokratischen  die  aufgäbe  teilt,  den  gehalt  des  fpU)C  Mn  der 
form  des  reinen  gedankens'  zu  entwickeln,  eben  dadurch  aber  zu  der 


566 


CScMrlitz:  die  reiheufolge  der  fünf 


rede  des  Sokraies  in  ein  verbältnis  gesetsi  wird,  dem  die  compOBitioiL 
der  Schrift  nicht  günatig  ist.  konnte  es  doch ,  wenn  der  philosoph 
seine  eigne  ansieht  durch  den  mund  des  Sokrates  ausspricht,  über- 
haupt nicht  sowohl  darauf  ankommen,  einen  einheitlichen  gedanken 
durch  alle  teile  des  gespräcbs  bindurchzuführen  als  vielmehr  den- 
jenigen  plan  aufzudecken,  der  der  anordnnng  der  fünf  ersten  reden 
zu  grnnde  liegt. 

Sollen  wir  uns  nun  mit  rtlcksicht  auf  die  mEtngel,  an  denen 
Eötschers  Vorschlag  leidet  ^  für  die  annähme  entscheiden ,  dasz  ein 
solcher  plan  nicht  vorbanden  ist,  oder  wenigstens  Hug  beistimmen^ 
wenn  er  8,  LXIV  die  gruppierupg  jener  reden  nach  einem  logiscb- 
dialektiachen  geaichts punkte  für  unmöglich  hält?  auch  er  gibt 
2Ut  wie  nahe  der  gedanke  liege,  in  Jenen  reden  einen  systematischen 
fortächritt  vom  unvollkommenen  zam  vollkommenen  zu  suchen,  und 
wie  sehr  derselbe  durch  den  charakter  der  rede  des  Phaidros  als  dar 
nnbedeutendsien  und  durch  den  umstand  bestätigt  wird,  da^z  jede 
folgende  rede  mit  einer  con^ectur  der  frühern  anzuheben  pflege; 
gleichwohl  erklärt  er  jene  Vermutung  für  hinfällig,  nicht  nur  weil 
die  rede  des  Agathon  bei  ihrem  geringfügigen  philosophiichen  ge- 
halte  unmöglich  an  die  spitze  der  fünf  treten  könne ,  sondern  well 
auch  sonst  nicht  je  die  geistig  bedeutendere  der  unbedeutendem 
nachfolge f  und  weil  es  überdies  Flatons  absieht  sei  nicht  sowohl 
logische  figuren  als  lebensvolle  individualitäten  vorzuführen,  wäh* 
rend  sich  Böttcher  bemüht  im  Symposion  die  durchführung  ^ineo 
gedankens  nachzuweisen,  hat  Steinhart  die  reden  paarweise  su 
gruppieren  versucht,  wobei  Phaidros  und  Pausanias  den  einseitig 
ethischen  j  Eryximachos  und  Anstophanes  den  einseitig  physischen, 
Agathon  und  Sokrates  den  hohem  geistigen  gesichtspunkt  geltend 
machen  sollen,  jener  den  der  poesie,  dieser  den  der  philosopbie. 
dasz  aber  auch  dieser  gruppierung  schwächen  anhaften,  die  das 
princip  der  Zweiteilung  nach  dem  inhalt  als  undurchführbar  er- 
scheinen lassen,  ist  von  Hug  s.  LXV  richtig  erkannt:  er  räumt  zwar 
die  Zusammengehörigkeit  der  reden  des  Phaidros  und  Pausanias  diB, 
erklärt  aber  mit  recht,  von  den  folgenden  stehe  inhaltlich  jede  fllr 
sieb  allein,  da  Eryximachos  den  f  pu/c  als  kosmologisches  princip  be- 
bandle,  Aristopbanes  zum  menschlichen  fpiuc  zurückkehre  und  sn- 
gleich  sein  wesen  begreifen  wolle ^  Agathon  endlich  ihn  als  gott  auf 
dichterisch -dithyrambische  art  preise,  wenn  er  aber  selbst  eine 
gruppierung  der  reden  nach  paaren  auf  gnind  des  ästhetischen  ge- 
siehtspunktes  ihres  gröszem  oder  geringem  geistigen  gehaltes  inso* 
fern  für  zulässig  hält,  als  auf  den  unbedeutendem  redner  jeweiten 
der  bedeutendere  folge,  auf  Phaidros  Pausanias,  auf  Eryxtmachoa 
Aristopbanes,  auf  Agathon  Sokrates,  so  lautet  das  nrteil  über  den 
wert  der  einzelnen  reden,  besonders  der  des  Pausanias  und  Eryxi- 
machos, bei  den  erklärem  so  verschieden  und  musz  sich  auch  bei 
der  munigfaltigkeit  der  möglichen  kriterien  so  ungleich  gestalten, 
dasz  das  princip  des  contrastes  itlr  eine  gruppierung  der  reden  wenig 


ersten  reden  in  Platons  Symposion.  567 

tauglich  erscheint,  zumal  da  auch  bei  dieser  einteilung  die  rede  des 
Sokrates  mit  den  vorhergehenden  in  eine  Verbindung  gebracht  wird, 
die  sich  mit  der  composition  des  dialogs  nicht  vertrftgt  wollte  man 
sich  aber  im  hinblick  auf  die  Schwierigkeiten ,  denen  die  erwähnten 
Vorschläge  begegnen,  mit  der  ansieht  begnügen,  Piaton  habe  die 
fünf  reden  nur  nach  dem  werte  geordnet,  den  er  den  bildungskreisen 
der  redner  beimiszt,  so  fehlt  es  zunächst  an  ausreichenden  beweisen 
für  eine  solche  annähme,  wenigstens  in  dem  gespräche  selbst;  so- 
dann aber  würde  dies  verfahren  doch  nur  dann  verständlich  sein, 
wenn  sich  das  urteil  nicht  im  allgemeinen  auf  die  betreffenden 
bildungssphären ,  sondern  speciell  auf  die  Vorstellungen  bezöge,  die 
diese  über  den  ^pujc  aussprechen;  damit  aber  wäre  die  vorliegende 
frage  nicht  gelöst,  sondern  nur  anders  formuliert:  denn  es  würde 
nun  wieder  gezeigt  werden  müssen ,  warum  Piaton  den  wert  jener 
Vorstellungen  gerade  so  beurteilt ,  wie  es  der  reihenfolge  der  reden 
entspricht,  die  berichtig ungen  der  Vorredner  durch  die  folgenden 
kündigen  gewis  einen  fortschritt  an  und  lassen  auch  die  mängel,  die 
berichtigt  werden  sollen,  im  einzelnen  erkennen,  ob  aber  jede  fol- 
gende rede  als  ganzes  der  vorangehenden  überlegen  sei,  und  ob  nicht 
etwa  der  spätere  redner ,  trotzdem  er  den  Vorredner  berichtigt  hat, 
in  andere  fehler  verfällt,  ist  damit  nicht  gesagt:  jedenfalls  leiden 
alle  an  einseitigkeiten,  die  sich  aus  der  eigentümlichkeit  ihrer  Stand- 
punkte ergeben,  und  gerade  diese  steht  einer  vergleichung  der  in 
mehrfacher  hinsieht  incommensurabeln  leistungen  im  wege. 

So  hat  denn  keiner  der  bisher  besprochenen  versuche,  weder 
das  logische  schema  Rötschers,  noch  die  auf  die  gebiete  des  f  pUJC  sich 
stützende  Zweiteilung  Steinbarts,  noch  der  vonHug  geltend  gemachte 
ästhetische  gesichtspunkt  des  contrastes,  noch  endlich  der  gedanke 
an  eine  wertvergleichung,  sei  es  der  bildungskreise  der  auftretenden, 
sei  es  der  von  den  rednern  mitgeteilten  auffassungen  dos  ^pujc ,  die 
reihenfolge  der  fünf  ersten  reden  in  befriedigender  weise  zu  er- 
klären vermocht;  und  doch  können  wir  nicht  glauben,  dasz  Piaton 
gerade  in  diesem  punkte  willkürlich  verfahren  sei:  wir  können  es 
nicht,  weil  er  das  Vorhandensein  einer  absieht  in  unzweideutiger 
weise  erkennen  läszt,  und  weil  das  fehlen  derselben  nicht  zu  der 
Sorgfalt  stimmen  würde,  die  er  in  andern  beziehungen  bewährt,  hat 
er  es  verstanden  lebensvolle  individuen  zu  Organen  bestimmter 
bildungskreise  zu  machen,  so  dürfen  wir  annehmen,  dasz  es  seiner 
darstellungsgabe  auch  gelungen  ist  in  der  reihenfolge  der  fünf  ersten 
reden  einen  zweckmäszigen  gedanken  zum  ausdruck  zu  bringen, 
zweckmäszig  aber  scheint  mir  der  gedanke  zu  sein,  dasz  jeder  redner, 
während  er  bewuster  weise  den  ^pujc  nur  eben  von  seinem  Stand- 
punkte aus  schildert,  doch  thatsächlich  und  ohne  es  zu  beabsichtigen 
den  leser  auch  der  wahren  von  Sokrates  gegebenen  erkenntnis  immer 
näher  bringt  so  setzt  jede  folgende  rede  die  vorangehende  voraus, 
nicht  als  ob  sie  in  logischer,  ethischer  und  rhetorischer  beziehung 
über  ihr  stünde,  sondern  in  dem  sinne,  dasz  die  auffassung  des  £pu)C, 


5t>8 


Ctichirlitjfi  i  die  reihenfolge  der  fanf 


welche  sie  vermittelt,  von  dem  ergebnts  der  unterguchang  aus  be- 
trachtet erst  durch  die  der  vorangehenden  rede  bedingt  wird,  und 
mithin  jede  spätere  rede  auch  für  die  entwicklung  des  begriffes  der 
liehe  die  spätere  ist.  wiewohl  die  Vermutung,  welche  ich  in  dieser 
richtung  über  die  absieht  Piatons  aussprechen  möchte»  die  von  den 
erklärem  gegebenen  erleuteruogen  im  einzelnen  nicht  berührt  und 
nur  bestimmt  ist  eine  lUoke  in  dem  Verständnis  der  composition  dea 
dialogs  auszufüllen,  wird  es  doch  vor  der  besprechung  jeder  redo 
einer  kurzen  angäbe  ihres  inhaits  bedürfen. 

Nachdem  das  mahl  beendet  und  das  trank  Opfer  dargebracht  ist, 
schlägt  Eryximachos  vor  sich  mit  reden  zu  unterhalten;  er  empfiehlt^ 
dasz  jeder  tischgenosse  in  einer  nach  rechts  gebenden  reihenfolge 
eine  lobrede  auf  Eros  halte ^  und  Phaidros  zuerst  spreche;  dieser 
bähe  sich  nemlich  ihm  gegenüber  oft  darüber  gewundert,  dasz  noch 
niemand  ein  loblied  auf  den  so  alten  und  mächtigen  gott  verfaszt 
habe,  während  doch  die  dichter  alle  übrigen  götter  mit  gesängen 
verherlicht  und  die  sophisten  nicht  nur  heroen,  wie  Prodikoa  den 
Herakles,  sondern  zuweilen  auch  nichtige  dinge  in  ihren  Schriften 
gepriesen  hätten,  da  der  Vorschlag  des  Erjximachos  angenommen 
wird ,  folgt  sogleich 

die  rede  des  Fhaidros. 

Nach  seiner  meinung  ist  Eros  zwar  in  vielfacher  beziebuni 
p^Yöc  eeoc  KUi  8au|iiacTÖc  ^v  dv9pu>Trotc  T€  kqi  Oeoic  (178»),  voJ_ 
allem  aber  ist  er  I)  der  älteste  gott,  da  er  keine  eitern  hat,  wi^ 
Hesiodos,  Parmenides  und  Akusilao»  bezeugen  (178 '*^).  als  solcher* 
ist  er  auch  11)  der  gröste  wohlthäter  dea  menschengeschlechts :  denn 
1)  flöszt  er  den  menschen  in  höherm  masze  als  Verwandtschaft,  ehre 
und  reich tom  vermögen,  scheu  vor  dem  schlechten  und  streben  nach 
dem  schönen,  also  sitlücheB  gefühl,  als  die  hedingung  eines  rühm- 
lichen lebens  ein,  und  zwar  o)  im  privatverkebr,  da  der  liebhaber 
und  geliebte  .sich  vor  einander  mehr  schämen  etwas  schändliches  ent- 
weder zu  tbun  oder  aus  feigheit  ohne  gegenwehr  zu  leiden,  als  vor 
dem  vater  und  den  freunden,  b)  im  Öffentlichen  leben,  da  a)  Staaten 
nicht  besser  eingerichtet  sein  können  als  wenn  ihre  Insassen  sich  so 
wie  die  liebhaber  und  geliebten  des  schlechten  enthalten  und  des 
gut^n  wetteifernd  befleiszigen ,  ß)  beere,  die  aus  liebhabern  und  ge- 
liebten best^en,  jedem  gegner  gewachsen  sind:  denn  der  liebhaber 
würde  eher  sterben  als  dasz  ersieh  vor  den  äugen  des  geliebten  feige 
zeigte,  und  am  wenigsten  würde  er  ihn  bei  gefahr  im  stiebe  lasaea, 
weil  Eros  in  diesem  falle  jeden  zu  einer  tapferkeit  begeistert,  die 
der  des  mutigsten  gleichkommt,  und  Überhaupt  den  liebenden  gerad«» 
80  mut  einflöszt  wie  die  Uomeriscben  gÖtter  ihren  beiden  (178' 
— 179^).   diese  bemerkung  Itihrt  den  redner  zu  dem  gedanken  hin- 

*  Phaidrot  gebraucht  ilDv  im  cauialen  sttioe,  um  einen  übergaog 
vom  er&ten  eum  c weiten  puttkte  %n  gewinnen,  (ril>t  aber  damit  oor  deo 
echein  einer  logischen  fermitllung:  t.  Htig  e*  37. 


ersten  reden  in  Platons  Symposion.  569 

über,  dasz  Eros'  2)  insbesondere  allein  den  entscblusz  hervorbringt 
für  andere  das  leben  zu  opfern,  so  ist  Alkestis  für  ihren  gatten  in 
den  tod  gegangen  und  hat  es  (bia  töv  ^pujTa)  seinen  eitern  so  weit 
an  hingebung  zuvorgethan,  dasz  diese  ihrem  söhne  gegenüber  wie 
fremde  erschienen«  baben  die  götter  zum  Zeugnis,  wie  hoch  auch 
sie  den  eifer  im  dienste  des  Eros  ehren,  ihre  seele  aus  der  unterweit 
zurückkehren  lassen ,  so  bestraften  sie  den  Orpheus ,  der  als  weich- 
licher musiker  nicht  um  des  Eros  willen  zu  sterben  wagte ,  sondern 
sich  lebend  in  den  Hades  einzuschleichen  versuchte,  dadurch  dasz  sie 
ihm  nur  ein  trugbild  der  gattin  zeigten  und  ibn  später  durch  weiber- 
hand  umkommen  lieszen.  den  Acbilleus  dagegen,  der,  um  seinen  lieb- 
haber  Patroklos  zu  rächen ,  ein  frühes  ende  dem  hohen  alter  in  der 
heimat  vorzog ,  versetzten  sie  auf  die  inseln  der  seligen :  nicht  nem- 
lieh  liebhaber,  wie  Aiscbylos  glaubt,  sondern  geliebter  des  Patroklos 
ist  Acbilleus  gewesen;  und  wiewohl  die  götter  jegliches  wackere 
verhalten  in  der  liebe  schätzen,  achten  sie  es  doch  höher,  wenn  der 
geliebt«  dem  liebbaber ,  als  wenn  dieser  jenem  seine  anhttnglichkeit 
beweist,  denn  der  liebbaber  ist  etwas  göttlicheres  als  der  geliebte, 
weil  er  vom  gotte  begeistert  ist:  daher  die  höhere  ehre,  deren  sie  den 
Acbilleus  im  Verhältnis  zur  Alkestis  würdigten,  demnach,  schlieszt 
Pbaidros,  halte  ich  den  Eros  für  den  ältesten  und  geehrtesten  gott 
und  für  den,  der  den  menschen  im  leben  und  nach  dem  tode  zum 
gewinne  der  tugend  und  glückseligkeit  am  förderlichsten  ist  (179  ^ 
— 180»>). 

So  mangelhaft^  die  auffassung  des  Eros  ist,  welche  Pbaidros  in 
seinem  vortrage  darlegt,  so  deutlich  läszt  sich  der  Standpunkt  er- 
kennen, auf  dem  er  steht,  der  redner  entledigt  sich  seiner  aufgäbe 
dadurch ,  dasz  er  das  alter  des  Eros  hervorbebt  und  die  wohltbaten 
preist,  die  ihm  die  menseben  verdanken,  die  erste  beziehung  wird 
zwar  mit  der  zweiten  in  causale  Verbindung  gebracht,  kann  aber  in 
Wahrheit  nur  dazu  dienen,  dem  Eros  eine  bevorzugte  Stellung  unter 
den  göttern  anzuweisen,  wie  denn  auch  die  anerkennung,  die  diese 
der  Alkestis  und  dem  Acbilleus  zollen,  nicht  weniger  dem  gotte 
selbst  als  den  genannten  gilt,  sodann  wird  Eros  als  derjenige  be- 
zeichnet, der  die  scheu  vor  dem  schlechten  und  das  streben  nach 


'  die  obige  dispoeition  folgt  dem  von  Hug  s.  85  gegebenen  scbema, 
das  dem  fortscbritt  der  Platonischen  gedanken  entspricht,  vom  logi- 
schen Standpunkte  liesze  sich  gegen  dasselbe  einwenden,  dasz  durch 
die  coordiiiation  von  1)  und  2)  das  6TT€paTro6vif)CK€iv  und  diraiTOOavelv 
aus  den  Wirkungen  des  sittlichen  geftihls  herauszutreten  scheint,  wäh- 
rend es  doch  thatsäcblich  ebenfalls  eine  folge  desselben  ist.  vermieden 
würde  dies,  wenn  2)  unter  la  subsumiert  wird  [Eros  erzeugt  sittliches 
gefUbl,  nemlich  a)  im  privatleben  1)  die  durch  das  KaXöv  bestimmte 
lebensführung,  2)  die  fähigkeit  das  leben  um  des  KaXöv  willen  auf- 
zugeben, b)  in  der  gemeinschaft  des  Staates  oder  heeres].  aber  die  bei 
Hng  durch  'insbesondere'  gemilderte  logische  inconcinnität  ist  an  sich 
ohne  bedeutung.  ^  s.  Steinhart  17  219— 222.  Susemihl  gen.  entwioke- 
lung  der  Plat.  phil.  I  372-374.   Hug  s.  XLIV— XLVI. 


570 


CSchirlite;  die  reihenfotge  dor  fünf 


Jem  schönen  erzeugt,  besonders  aber,  sei  es  im  verkehr  des  ipaCT^C 
und  dpübgevoc  oder  im  Verhältnis  der  ehegatten,  den  entschlugz  be- 
wirkt, für  einen  andern  oder  um  eines  andern  willen  in  den  tod  lu 
gehen,  fragen  wir  jedoch,  wie  aich  diese  sittHche  Verwandlung  voll- 
ziehe, und  ob  namentlich  die,  in  denen  sie  sich  vollzieht,  durch  eigne 
mitwirkung  daran  beteiligt  sind,  so  erhalten  wir  keine  antwort*  wenn 
sich  der  liebhaber  um  des  geliebten  und  dieser  um  jenes  willen  vor 
dem  was  schändlich  ist  scheut,  so  thun  sie  es  beide  um  des  zu- 
Standes  willen ,  in  dem  sie  sich  befinden ;  der  zustand  ist  aber  eine 
Wirkung  des  gottes,  mithin  ist  es  der  gott  und  eben  nur  der  gott^ 
der  die  sittliche  Umwandlung  in  den  beteiligten  vollbringt,  nirgends 
findet  sich  eine  andeutung  davon,  dasz  die  liebenden  in  bewaster 
weise  durch  die  liebe  nach  einem  ziele  streben :  denn  wenn  der  eine 
durch  den  ßioc  KttXöc  (178*  xoic  ^AXouci  KaXujc  ßni)C€cOai)  die 
achtung  des  andern  zu  gewinnen  sucht,  so  ist  dies  nur  eine  Wirkung 
des  Eros,  der  sie  beherscht:  der  liebhaber  würde  nicht  wünschen 
von  dem  geliebten  geachtet  und  wiedergeliebt  zu  werden ,  wenn  er 
ihn  nicht  liebte,  der  geliebte  aber  würde  nicht  nach  der  achtung  des 
liebhabers  streben,  wenn  er  nicht  auch  seinerseits  unter  dem  ein* 
fiubse  des  Eros  stände.*  ebenso  wenig  kann  man  sagen,  dasz  tngend 
und  sittliche  scheu  die  absieht  der  liebenden  sei,  denn  sie  lieben 
nicht  um  der  dpeir^  teilhaftig  zu  werden,  sondern  weil  sie  lieben 
bzw.  geliebt  werden»  werden  sie  ihrer  teilhaftig,  die  tugend  ist  nicht 
zweck,  sondern  Wirkung  des  Eros*  wie  aber  keine  absieht  der  lieben- 
df^n  vorbanden  ist,  die  über  den  Eros  hinausgeht,  so  kann  auch  was 
sie  vollbringen  nicht  als  resultat  ihrer  aelbstthfttigkeit  gelten,  aller- 
dings  sind  die  ausdrücke,  deren  sich  Phaidros  bedient,  zum  teil  von 
d^r  art,  dasz  es  scheint,  als  könne  man  aus  ihnen  auf  eine  selbst- 
thätigkeit  der  liebenden  schUeszen:  so  bezeichnet  er  nicht  nur  den 
opfertod  der  Alkestis  als  ihr  fpTOV  (179«  Kai  toöt*  ipTacaM^VT[ 
TÖ  fpYOV  OUTU>  icaXöv  fboEev  dpt^cacSai .  .  Öeoic),  sondern  er  sagt 
auch  kurz  zuvor,  sie  allein  habe  den  willen  gehabt  für  ihren 
gatt^n  zu  sterben,  während  doch  seine  eitern  noch  gelebt  bfttten 
(179**  ^8€Xr|caca  ^övi^  öir^p  toö  autf^c  dvbpoc  äTroOaveiv  .  • 
\ir\Tp6c)  und  ähnlich  von  Achilleus,  er  habe  es  Über  sich  vermocht 
dem  Palroklos  sogar  in  den  tod  in  folgen  (179* — 180*  4TÖX^r)C€V 
IX^cOat  * .  ^TraTTOtovciv  TeTeXeuTT]icÖTi}*,  aber  er  erkl&rt  ebenso  deut- 


>  dfiss  nach  der  gel  lobte  durch  das  erottiche  verhi&ltnt«  eine  sitt- 
liehe  eiDWirkaiifc  nod  also  eiaen  emÖims  des  Eros  rh  aich  erführt,  sa^ 
PhaidroB  deutlich:  178*  od  yäp  iymf  i%m  .  ,  iraibrnd,  178»— 179*  tüOtäv 
hi  toOto  Kai  Töv  ip^J(;^€vov  .  ,  irdvTac  dve^Oüitouc  und  179*  durch  die 
berufung  auf  dna  bebpiel  dee  Actitlleua.  ob  aber  der  i^eltebte  «cho» 
als  objtict  des  Eros  die  Wirkung  dee  g-otted  an  sich  empfinde  oder  erat 
durch  die  gegenliebe  zum  ipacrf\c^  dartiber  aribl  er  hier  keine  auskunfi, 
wührend  er  am  ende  der  rede  wenig^stenB  daran  keinen  «wcifel  lüatt, 
da^e  auch  der  geliebte  den  liebhaber  liebt  (180^  pAAXov  \ibnoi  8au* 
^dlouci  .  .  (ol  6eoi),  Örav  6  tpdi^cvoc  t6v  ^pacrV^v  dtan^  f)  drav  d 
ipacT^c  Td  natbiKdj. 


ersten  reden  in  Platons  SymposioD«  671 

lieb,  dasz  nur  der  ^puic  arheber  dieser  entscblfisse  und  tbaten  gewesen 
sei  (179^  oöc  dK€ivii  tocoötov  UTrepeßdXexo  ifl  qpiXiqi  bia  töv 

^piUia,    179*^   ÖTl  .  .  ^bÖKCl.  .Kttl  OU  TOX|LiaV  ?V6Ka  TOÖ  fpUJTOC 

d7To9vr|CK€iv,  179 •  ßonOncac  xijj  dpacx^  TTaTpÖKXuiKaiTijuiujpricac 
.  .  T€T€X€UTTiKÖTi).  aus  demselben  gründe  kann  auch  bei  den  werten 
179*^  oÖTUi  Kttl  0€o\  Tf|v  Trepl  töv  Jpuira  cTroubrjv  t€  koI  dperfiv 
jLidXiCTa  Ti)iUJCiv  und  180*  indXicxa  )iiv  .  .  Ti)idjci  nicht  daran  ge- 
dacht werden,  dasz  es  menschlichen  eifers  und  mutes,  überhaupt 
irgend  welcher  mitwirkung  der  menschen  bedürfe,  um  den  €pu)C  za 
erzeugen;  vielmehr  ist  die  bemühung  um  die  tugend,  die  sich  der 
göttlichen  anerkennung  erfreut,  nur  als  eine  *im  dienste  der  liebe' 
(Zeller  s.  13)  aufgewandte  zu  betrachten. 

Endlich  läszt  sich  auch  das  irapdbeiTMa  des  Orpheus  nicht  als 
ein  einwand  gegen  die  ansieht  benutzen,  dasz  das  thun  der  liebenden 
nach  Phaidros  auffassung  lediglich  ein  erzeugnis  des  in  ihnen  walten- 
den gottes  ist  in  dem,  was  er  über  Orpheus  erzählt,  stellt  sich  nem* 
lieh  die  sache  so,  als  vermöge  Eros  nicht  immer  den  entschlusz  des 
UTr€paTTo6vtiCK€iv  hervorzubringen,  nun  würde  zwar  aus  dem  um- 
stände ,  dasz  Eros  nicht  mit  gleicher  stärke  auf  alle  naturen  wirkt 
und  manche  menschen  sich  bei  ihren  handlungen  von  andern  instanzen 
leiten  lassen ,  durchaus  nicht  folgen ,  dasz  der  zustand  und  die  Wir- 
kungen der  liebe  selbst  irgendwelche  thätigkeit  der  menschen  in  an- 
sprach nehmen;  thatsächlich  aber  handelt  es  sich  bei  der  erwähnung 
des  Orpheus  überhaupt  nicht  um  eine  bewuste  modification  der  ur- 
sprünglichen ansieht  des  Phaidros,  sondern  lediglich  um  eine  für  ihn 
charakteristische  flüchtigkeit.  er  hat  wirklich  jene  consequenz  seiner 
erzählung  nicht  eingesehen  und  also  auch  nicht  begriffen,  dasz  er 
nach  dem  satze  Ktti  |nf|v  UTr€paTTo9viiCK€iv  fe  jnövoi  ^OAouciv  ol 
^pÜJVTCC  (179^)  in  dem  verhalten  des  Orpheus  nur  einen  beweis  da- 
für hätte  erblicken  dürfen,  dasz  diesem  der  ^puic  überhaupt  gefehlt 
habe,  veranlaszt  aber  wurde  er  zu  seinem  verfahren  (s.  Hug  s.  44) 
dadurch,  dasz  er  Einmal  den  gott  als  d6n  pries,  der  den  mut  verleihe 
für  einen  andern  in  den  tod  zu  gehen,  dann  aber,  um  ihn  als  Oci&v 
Ti)üiiu)TaTOV  (180 '')  zu  kennzeichnen,  der  ehren  gedachte,  die  den  in 
seinem  dienste  handelnden  seitens  der  götter  zu  teil  würden,  nach- 
dem er  zu  diesem  zwecke  erwähnt  hat,  wie  Alkestis,  die  sich  für  den 
gatten  opferte,  von  den  göttern  ausgezeichnet  wurde,  bedient  er  sich 
in  echt  rhetorischer  manier  des  Orpheus  als  eines  Trapdb€lT)üia  des 
gegenteils  und  führt  die  strafen  an,  die  die  götter  über  ihn  für  seine 
Weichlichkeit  verhängt  haben. 

Erklärt  sich  aber  jene  inconsequenz  aus  einer  rücksicht  auf  die 
ethopoiie ,  so  stellt  sich  in  Phaidros  rede  Eros  lediglich  als  gott  und 
demgemäsz  der  zustand  des  menschen  in  der  liebe  als  ein  ergriffen- 
und  erfülltsein  vom  gotte  dar;  der  liebende  trägt  den  gott  in 
sich ,  und  das  höchste,  was  er  in  der  liebe  leistet,  der  opferfreudige 
mut,  die  tapferkeit  die  für  den  geliebten  in  den  tod  geht,  wird  ihm 
vom  gotte  eingehaucht.  Phaidros  drückt  dies  deutlich  mit  den  werten 


572 


CSdiirlitü :  die  reihenfolge  der  fünf 


aus:  ovb^ic  oÖTUj  kqkoc,  ßvxiva  ouk  fiv  auxöc  6  *'€piüc  fvGeov 
novficiie.  npöc  dperriv  .  *  xal  diexvuic  ö  Itpi)  "O^inpoc,  ^evoc 
^^irveOcai  ^vbic  tüüv  ripüjujv  tov  0£Öv,  touto  6  "Cpujc  toic 
ipma  TTttpcxei  x^tvoiuevov  nap'  auioö  (179*^)  und  fvOeoctotp 
^CTi  [6  dpactfic]  (180'').  das  erfüUtsein  vom  gotte,  der  ivSouciac^öc 
der  liebenden  ist»  vom  ßtandpunkte  des  menschlichen  willens  aus  be- 
trachtet^ gebundeofaeit,  passivitilt.  Ipujc  sei  es,  sagt  Phaidros  am 
Schlüsse,  der  den  menschen  im  leben  und  nach  dem  tode  am  wirk- 
samsten zum  erwerbe  der  tugend  und  glückseligkeit  verhelfe  ( ISO'*) f 
ob  aber  und  wie  sieb  die  menächenden^poic  selbst  verschaffen  könneni 
sagt  er  nicht  und  kann  er  nicht  sagen ;  er  kann  ebenso  wenig  arten 
und  formen  der  liebe  unterscheiden,  wie  er  denn  thatsächlich  bald 
von  der  liebe  des  ^pacTrtC  zu  den  iraibiKd,  bald  von  der  der  ebe- 
gatten  spricht ^  weil  doch  alles  hier  nur  das  werk  des  ^inen  gottea 
ist.  fehlt  aber  der  begriff  des  xweckbewiisten  menschlichen  bandelna« ' 
80  ist  damit  jede  siltlicbe  beurteilung  dessen  ausgeschlossen!  was 
die  liebenden  in  ihrem  begeisternngszustande  thun.  so  hoch  auch 
Pbaidros  von  ihren  tbaten  denkt  ^  ein  sittliches  verdienst  derselben i 
gind  sie  nicht,  und  umgekehrt  kann  die  kein  tadel  treffen,  an  denen 
die  Wirkungen  des  f pwc  nicht  hervortreten :  denn  es  ist  keine  ver* 
antwortung  für  eine  Wirkung  denkbar,  deren  ur&ache  auszerhalb  des 
menschlichen  willens  liegt,  way  die  liebenden  thun,  thun  ste  vom 
gotte  getrieben,  ohne  freiheit  des  willens  und  ohne  zu  wissen,  was 
sie  in  der  liebe  und  wie  sie  es  erstreben;  an  einem  solchen  thun  aber 
haftet  keine  sittliche  qualität.  Eros  ist  also  der  alles  altein  voll- 
bringende gott,  die  tbätigkeit  der  liebenden  nur  die  von  ihm  be- 
wirkte ^avia. 

Dasz  uns  aber  Phaidros  wenigstens  an  6iner  stelle,  wenn  ancb ' 
ohne  eigne  erkenninia  dessen,  was  sich  ans  seinen  w orten  folgern 
llszt,  Über  diese  anschauung  hinausführt,  ergibt  sich  aus  dem  ujtei], 
das  er  180***  über  den  liebenden  und  geliebten  fällU   Mas  wahre*'' 
sagt  er  am  schlusz  seiner  rede  in  einer  gegen  Aiscbjlos  gerichteten 
bemerkung  *ist  vielmehr,  dasz  die  gött^r  zwar  im  allgemeinen  ein 
wackeres  verhalten  in  der  liebe  am  höchsten  ehren,  dasz  sie  jedocbi 
die  anh&nglichkeit  des  geliebten  an  den  liebhaber  in  noch  höherem  i 
masze  bewundern,  schätzen  und  belohnen  als  die  des  liebbabera  an 
den  geliebten*,  denn  der  liebhaber  ist  etwas  göttlicheres  als  der  Heb« 
Ung,  weil  er  vom  gott  begeistert  ist.*  einerseits  also  ist  der  liebhaber«.] 
da  er  den  gott  in  sich  hat,  eine  höhere,  den  göttern  näberstehendtj 
persönlichkeit  (BeiÖTepoc),  anderseits  findet  die  aufopferung  des  ge 
liebten  bei  den  göttern  grösiere  aner kennung,    behufs  de«  richtiges 
Terständniaaes  dieser  stelle  werden  wir,  wie  ich  glaube,  die  absieht 
des  schriftstellera  von  dtm  unterscheiden  müssen ,  was  der  rednecl 
auf  seinem  Standpunkte  mit  jenen  werten  gemeint  bat.    gewis  irilt^ 
Phaidros  tragen,  es  sei  natürlich,  dast  die  götter,  wie  sie  an  den 
ihnen  selbst  gespendeten  opfern  ihr  Wohlgefallen  haben,  so  aoctii 
d&s  opfer  am  höchsten  achten,  da&  für  den  ihnen  am  n&chstei 


ersten  reden  in  Platons  Symposion.  573 

etehenden  gebracht  wird ;  zugleich  enthalt  diese  anschauong  in- 
ßofem  einen  berechtigten  gedanken,  als  sich  der  wert  einer  neigung 
nach  dem  werte  ihres  gegenständes  bestimmen  läszt  (s.  Zeller  Pla- 
tons Gastmahl  s.  98) ,  und  passte  namentlich  zu  d6r  Umbildung  der 
sage,  für  die  Phaidros  eingetreten  ist:  denn  gilt  Achilleus,  der  auf 
die  inseln  der  seligen  versetzt  ward,  als  geliebter  des  Patroklos,  so 
war  ja  daran  ein  beispiel  für  die  höhere  Wertschätzung  vorhanden, 
die  die  götter  der  aufopferung  des  geliebten  zu  teil  werden  lassen, 
aber  Phaidros  übersieht  dasz,  wenn  der  liebhaber  die  höhere  persön- 
lichkeit ist,  auch  seine  neigung  für  die  wertvollere  erachtet  werden 
musz,  und  bedenkt  nicht,  dasz  der  dpacnic,  weil  er  auf  die  eingebnng 
und  nach  dem  willen  des  gottes  handelt,  gerade  auf  die  anerkennung 
der  götter  den  höchsten  anspruch  hat.  wollte  der  redner  a*ber  nicht 
sowohl  den  hohem  wert  der  thaten  des  geliebten  mit  der  höhern 
Stellung  des  liebhabers  begründen,  als  vielmehr  die  aufopferung 
dieses  für  minderwertig  erklären,  weil  sie  unfreiwillig  geschehe  und 
deshalb  moralisch  weniger  hoch  angerechnet  werden  könne '^  so 
würde  das  nur  eine  entschiedene  herabsetzung  des  liebhabers  sein, 
die  nicht  nur  der  grundanschauung  des  Phaidros,  sondern  auch  dem 
zwecke  der  ganzen  rede  widerspräche,  dazu  kommt  dasz  doch  auch 
der  geliebte  hier  als  liebender  gedacht  wird:  denn  wenn  wir  die 
Worte  hören :  jnaXXov  juevTOi  GaujudCouci  Kai  äTOtviai  Kai  €Ö  noioOciv, 
öxav  6  dpu)|H€voc  töv  dpacT#|v  dTOTrqi»  f\  öiav  6  ^pacT#|c  id  rrai- 
biKd  (ISO**),  so  müssen  wir  für  die  gleiche  Wirkung  (dTaii^)  auch 
die  gleiche  Ursache  voraussetzen,  mindestens  hätte  Phaidros,  falls 
die  liebe  des  geliebten  nicht  durch  )Liavia  entstanden  ist,  angeben 
müssen,  wodurch  sie  sich  von  der  ursprünglichen  liebe  des  lieb- 
habers unterscheidet;  er  hätte  das  um  so  mehr  gemust,  als  er  179^ 


^  so  Rückert  ausg.  d.  Conv.  s.  48:  'sola  enim  caritate  fecit  id,  quod 
amatorem  at  faceret  vis  divina  promovebat',  während  Hug  s.  46  f.  zwar 
zugibt,  dasz  dies  im  allgemeinen  die  ansieht  des  Phaidros  sei,  wie  auch 
Lysias  in  Plat.  Phaidros  231*  von  den  nichtliebenden  im  gegensatze  zu 
den  liebenden  sage:  oö  fAp  öir*  dvdYKTic  dXX*  ^kövtcc  €Ö  iroioOciv,  aber 
6€iÖT€poc  nicht  blosz  für  den  ausdruck  des  negativen  elements  der  un- 
freiwilligkeit,  sondern  zugleich  für  ein  ehrendes  epitheton  hält,  mithin 
eine  Verbindung  beider  absiebten  für  möglich  erachtet,  zu  Rettigs 
(s.  124)  ansieht,  dasz  der  liebhaber  nur  deshalb  so  hoch  gestellt  werde, 
damit  es  dem  geliebten  um  so  leichter  sei  sich  ihm  zu  ergeben,  dürfte 
der  Inhalt  der  rede  des  Phaidros  keinen  anlasz  geben,  ebenso  wenig 
läszt  sich  die  inconsequenz  durch  die  anuahme  beseitigen,  Phaidros 
habe,  da  er  den  liebhaber  einmal  als  den  GciÖTcpoc,  den  höherstehen- 
den bezeichne,  auch  hier  an  die  (mittelbare)  ehre  gedacht,  die  jenem 
aus  der  anerkennung  erwachse,  die  die  götter  dem  für  ihn  gebrachten 
Opfer  des  geliebten  zollen,  wie  er  vorher  die  ehre,  die  die  götter  den 
thaten  des  liebenden  erweisen,  als  eine  dem  gotte  Eros  selbst  erwiesene 
betrachtet  hat.  abgesehen  davon  dasz  Phaidros  werte  nicht  auf  diese 
erklärung  führen,  würde  man  auch  ihr  erwidern  können,  dasz  das  opfer 
der  höhern  persönlichkeit  das  ehrenvollere  sei,  mithin  der  geliebte  von 
dem  Opfertode  des  liebhabers  mehr  ehre  habe  als  dieser  von  der  auf- 
opferung jenes. 


574 


CScbliiiiz:  die  reibe&folge  der  fönf 


nacli  der  bemerkung  Ka\  diexvüjc  5  ?q>r|  "Ojiiipoc,  m^vog  d^Tiv€Öcai 
dvioic  Tüjv  fipubmv  töv  Öeöv,  toöto  ö  *'6pu)c  toic  tpilici  irap^xti 
YiyvöjiEVOV  Tiap'  autoö  mit  der  behauptung  fortfährt  Kai  ^f|v  f»TT€p- 
aiToGvriCKeiv  te  p^ovox  dOeXowciv  ol  ipüjVTec.  bezieht  man  nemlich 
den  unbestimmten  ausdruck  dpüjVTec  auf  liebbaber  und  geliebte,  ea 
wird  man  dtireb  das  vorhergebende  genötigt  auch  die  liebe  der  g^^.i 
liebten  als  einen  von  dem  gotte  ausgehenden  zustand  der  begeiste» 
rung  anzuseheu,  womit  die  spätere  erklärung  im  Widerspruch  stebt, 
dasz  nur  der  liebbaber  IvSeoc  ist ;  wird  aber  ^piuvT€C  auf  den  engem 
begriff  der  ^paciai  beschränkt,  so  stimmt  m  dem  satae  KQi  ^i]y  uitcp- 
aTFoBvTiCKeiv  t^  ^övoi  49Aouciv  ol  ^puJVTec  nicht  die  thatsache, 
das2  auch  dem  geliebten,  wie  hier  dem  Äcbi Ileus,  die  fähigkeit  vin- 
diciert  wird  für  den  liebbaber  das  leben  äu  opfern. 

Wir  isebeii:  Flaton  stellt  den  Phaidros  als  einen  ungründ lieben 
denker  dar,  den  ein  richtiger,  aber  zweckwidriger  ainfall  um  die 
folgericbtigkeit  seiner  darlegung  bringt ;  dadurch  igt  aber  nicht  aus- 
geschlossen, dasz  der  Schriftsteller  dem  leser  gerade  durch  jene  in- 
consequenz  einen  fingerzeig  zur  beurteüung  des  grundgedankena 
geben  wollte,  den  der  redoer  ausgesprochen  hat  der  liebbaber,  Mrea 
wir,  ist  6eiÖT€poc,  aber  die  liebe  des  geliebten  achten  die  götter 
höhen    wie  unterscheidet  sich  nun  seine  liebe  von  der  des  ^pacnic  ? 
der  liebbaber  ist  im  zustande  des  ergriffenseins ,  der  geliebte  aber 
liebt  im  ipacirjc  den  ^vOcoc,  dh«  er  Hebt  den  zustand  des  ergriffen- 
seins ,  hat  also  ein  bewustsein  von  jenem  zustand ;  dies  wissen  ist  j 
seine  thfitigkeit,  ist  also  das  was  er  aus  eigner  kraft  leistet:  denn] 
inh&rierte  es  dem  zustande  des  ^puJC,  so  müste  auch  der  liebbaber] 
wissen,  was  er  in  dem  geliebten,  db.  warum  er  ihn  liebt,    die  lieb«  I 
des  liebhabers  entspringt  allein  der  göttlichen  einwirkung,  während  ' 
sieb  in  der  des  geliebten  die  Wirkung  des  Eros  mit  der  thUtigkeit 
des  menseben  vereinigt,    der  gott  wirkt  auch  in  ihm,  denn  seine 
liebe  ist  durch  die  liebe  des  liebbabers  bedingt;  aber  indem  er  wei8Z|,| 
dasz  er  den  liebbaber  als  seinen  liebbaber  liebt ,  erbebt  er  sieb  Über 
den  ^vdouciacpdc  und  ist  in  seiner  lieb«  als  selbst  mittb&Ug  gedacbt 
dasz  derjenige ,  der  eich  in  dem  reinen ,  vom  gotte  hervor  gerufenen 
begeiäterungszustande  beendet,  auch  dem  gotte  näher  steht  als  die 
nichtbegeisterten,   dasz  er  als  IvOcoc  auch  Gciöicpoc  ist,  würde». 
wir,  wenn  es  fUr  sich  allein  gesagt  wäre,  nur  natürlich  finden;  dass* 
aber  dennoch  die  liebe  böber  stehen  soll,   welche  mit  jenem  zu- 
stande nicht  identisch  ist,  und  dasz  der  wert  der  liebe  durch  das 
bewustsein  dessen  was  geliebt  wird  wächst^,  können  wir  nur  daani 
verstehen,    wenn  wir  es  als  einen  von  Piaton  gegebenen  hinweia 
darauf  ansehen,  dasz  in  seinem  sinne  die  liebe  mit  jenem  enthu- 
siastischen zustande  eben  nicht  zusammenfHUt »  mithin  der  gmnd* 

'  wAB  in  obif^er  AUBein&nderaetftnug  den  wert  der  liebe  begründelyj 
i^t  al»o  nicht  der  wrrt,  sondern  di«  erkiMinttit»  thre»  ubjectes,  gewÜH 
aber  wird  die  erkenoiiiis  nuf  itcn  h^hera  stuien  des  ^pu>c  daxa  dieneii|^ 
den  wert  der  objecte  der  liebe  fcitzuiitetleD. 


ersten  reden  in  PUtons  Symposion.  675 

gedanke^  den  Phaidros  zur  geltung  bringt,  eine  einseitigkeit  ist, 
die  eine  andere  lösung  des  problems  erfordert,  diese  erbalten  wir 
zunächst  durch 

die  rede  des  Pausanias. 
Pausanias  beginnt  mit  der  bemerkungy  die  aufgäbe  wQrde  nur 
dann  richtig  gestellt  sein,  wenn  es  6inen  Eros  gäbe;  da  aber  deren 
zwei  seien,  müsse  man  zunächst  sagen,  welchen  man  zu  preisen 
habe,  und  ihn  dann  in  gebührender  weise  loben,  die  existenz  eines 
doppelten  Eros  folgert  er  daraus,  dasz  man  eine  himmlische  (oupavia) 
und  gemeine  (TrävbnMOc)  Aphrodite  unterscheiden  müsse^  Aphrodite 
aber  ohne  den  Eros  nicht  gedacht  werden  könne,  zwar  musz  man, 
fährt  er  fort,  alle  götter  preisen®;  ich  aber  werde  versuchen  ihre 
eigentümlichkeit  anzugeben,  jede  handlung  nemlich  ist  für  sich 
genommen  weder  schön  noch  schlecht,  sondern  wird  erst  in  der  aus- 
führung  so  wie  sie  ausgeführt  ist,  wenn  schön  und  richtig,  schön, 
wenn  unrecht,  schlecht,  so  steht  es  auch  mit  dem  lieben  und  dem 
Eros ;  preiswürdig  ist  er  nur  dann,  wenn  er  antreibt  schön  zu  lieben 
(180^ — 181  *).  während  die  dem  ''€pujc  Trdvbii|LiOC  ergebenen  der  ab- 
stammung  des  gottes  entsprechend  nicht  weniger  frauen  als  iraibec 
lieben,  dabei  die  leiber  mehr  als  ihre  seelen,  und  zwar  so  viel  als 
möglich  die  der  unvernünftigsten,  ist  der  "Gpujc  oupdvioc  seiner  her- 
kunft  gemäsz  mehr  auf  die  seele  und  das  männliche  als  das  ver- 
ständigere geschlecht  gerichtet,  weshalb  er  auch  bei  seinen  an- 
hängern  die  gleiche  richtung  bewirkt,  diese  wenden  sich  den 
Jünglingen  zu,  deren  natur  sich  befestigt  bat^  und  das  gesetz,  das 


^  in  der  vielfach  behandelten  stelle  (180*)  nimt  Schanz  eine  lücke 
an  zwischen  ^iraivelv  \iiy  oOv  6€t  Trdvrac  OcoOc  und  h  6'  oOv  dxdTcpoc 
€tXrjx€  TTCipaT^ov  €tiT€lv,  während  Hug  bei  der  bei.  lesart  stehen  bleibt, 
die  er  mit  den  worten  erklärt:  'loben  mnsz  man  freilich  alle  götter 
(schon  um  ihrer  macht  willen),  jedenfalls  aber  musz  man  versuchen 
die  functionen  der  beiden  in  ihrem  unterschiede  zu  kennzeichnen.' 
Pausanias  stellt  die  Verpflichtung  de»  liraivetv  dS(wc  toO  GeoO  der  all- 
gemeinen Verpflichtung  alle  götter  zu  loben  gegenüber,  jene  trägt  ihre 
Begründung  in  sich  selbst,  und  auch  diese  ist  an  sich  verständlich:  sie 
beruht  auf  dem  religiösen  gefühl ;  gleichwohl  dürfte  es  erwünscht  sein, 
wenn  sie  ebenfalls  ausdrücklich  begründet  wäre.  Hug  hat  sich  dieser 
empfindung  nicht  entziehen  können,  wie  sein  zusatz  'schon  um  ihrer 
macht  willen'  bezeugt,  am  leichtesten  würde  die  von  Schanz  an- 
gedeutete lücke  ausgefüllt,  wenn  man  liest:  liraivclv  fi^v  oOv  öcl  irdvTac 
OcoOc  \bc  OcoOc:  'loben  musz  man  freilich  alle  götter,  eben  weil  sie 
götter  sind;  jedenfalls  aber'  usw.  der  ausfall  der  worte  erklärt  sich 
nach  dem  vorhergehenden  BcoOc  von  selbst.  *  der  hieran  sich  an- 

scblieszende  satz  irap€CK€uac^^voi  tdp»  oTfiai,  clclv  oi  Ivt€06€v  dpx6- 
^€voi  ^pdv  \bc  TÖv  ß(ov  dTravTa  Euvccömcvoi  koI  koiv^  cu^ßiuicö^€voi, 
dXX*  oÖK  ^EairaTf|cavT€C ,  ^v  dq)pocOvi]  XaßövTCC  die  v^ov,  KaTatcXd- 
cavT€C  oiX€c6ai  ^ti'  dXXov  dTiOTp^x^vTcc  (181  ^)  enthält  eine  beabsichtigte 
häufung  der  partieipien.  Wenn  aber  Rettig  s.  183  In'  dXXov  dTiOTp^- 
XOVTCC  für  eine  epexegese  zu  KaTaxcXdcavTCC  oix€c6ai  erklärt,  so  bildet 
vielmehr  KaTaT€XdcavT£C  mit  dem  auch  sonst  einheitlichen  otx£c6ai 
dnoTp^X^vTCC  an  dieser  stelle  einen  begriff  (s.  Krüger  spr.  56, 16,  4).    ein 


576 


CScliirlitz:  die  reilieiifolge  der  fötif 


816  sicli  freiwillig  auferlegen  (pf]  ipäy  TToibuiv) ,  mtiste  allgemeine 
güJtigkeit  orlangen  (181*  —  182*).  ein  kritischer  au 3 blick  auf  die 
verschiedenen  über  den  fpuJC  hergehenden  vopoi  lehrt,  daat  sie  ent- 
weder einfii^h  oder  verwickelt  sind,  einfach  sind  sie  1)  bei  den 
Eleiern  und  Boiotern,  die  den  ^pmc  schlechthin  für  löblich  erkläreOf 
weil  es  ihnen  an  geist,  besondere  an  der  notwendigen  gäbe  der  Über- 
redung fehlt;  2)  bei  den  unter  fremd  herschaft  lebenden  loniern,  die 
den  lpu>C  völlig  verwerfen ,  weil  er  für  die  tyrannis  gefährlich  ist« 
so  haftet  der  ungeteilten^  sei  es  billigenden  sei  es  misbilligenden  be- 
urteilung  des  ipwc  ein  Vorwurf  an:  im  erstem  falle  trifft  er  die 
geistige  träglieit  der  beteiligten»  im  andern  die  her^chsucht  der 
regierenden  und  die  unmännlicbkeit  der  regierten  (182*^ — 182^), 
verwickelt  ist  der  vÖMOC  in  Alben»  weil  einerseits  viele  umstände, 
wie  die  Offenheit  der  bewerbung,  die  trefflicbkeit  der  geliebten,  die 
aufmunterung  die  dem  liebhaber  zu  teil  wird,  die  ehre  des  erfolgs 
und  die  weitgehende  freibeit,  die  er  menschlicher- und  göttlicher- 
seits  bei  der  be Werbung  erführt,  den  glauben  an  eine  unbedingte 
billtgung  des  ^puüc  erwecken,  anderseits  begtimmte  einrichtungea, 
wie  die  beaufsicbtigung  der  geliebten,  der  tadel  dem  die  ^pw^evoi 
bei  ihren  altersgenossen  ausgesetzt  sind,  und  das  verb alten  der 
ttltern  hei  solchem  tadel,  für  die  misbitligung  des  fpujc  zu  sprechen 
scheinen,  die  lösung  diesem  scheinbaren  widersprachs  liegt  in  der 
auf  die  erkenntnis  der  art  des  f puuc  abzielenden  prtifung  der  liebhaber 
und  geliebten  (182^ — 184*),  die  ebenso  sehr  eine  ermunterung 
jener  als  eine  abmahnung  dieser  ist,  wie  dem  liebhaber  nur  der 
erotische  dienst  ehre  bringt,  so  dem  geliebten  nur  die  iGcXoboü- 
.Xeia,  durch  die  er  an  Weisheit  und  tagend  wächst.*"  jedes  andere 
motiv,  wie  rQckbicht  auf  vermögen  und  einflusz  des  liebhabers  oder 
Schüchternheit,  ist  verwerflich,  bei  dieser  auffassung  ist  nicht  nur 
die  widerspruchslosigkeit  der  beiden  die  TiatbcpacTia  und  (piXo- 
cocpia'*  betreffenden  vö^Ol  dargelegt,  sondern  auch  die  durch  jene 

anderer»  ebenfallB  annehmbarer  sinn  cr|^äbe  «ich  bei  der  eittftcbiebnn^ 
von  Ka(,  da«  vor  KaxaTfXdcavTcc  leicht  nusfalteo  konnte  (dXX'  oök  iEo- 
TfaT^cavTtc,  ^v  dcppocCfVJ]  Aaß<ivT€C  lOc  v^ov,  Kai  KaTattXdcavrec  otxt- 
c6at  ,  .)*  die  Itebhubor  h&bon  die  geliebten  geteuscht  und  verlacht  mod 
l&afen  dann  zu  einem  andern  fort 

«*  dn  der  »atz  oötui  hi]  .  .  ^ifOvttöiCTOC  184«  unbedioft  anf  die 
(geliebten  zu  beKleben  ist,  glaubt  Hng,  d«ss  sie  auch  geDJtnnt  sein 
müsBen«  und  ändert  das  unverslfindlictie  ^iXiv  In  v^u»v.  igt  dies  ah^ 
bei  dXXr}  p(a  6ouKc{a  knotiCiOC  XcinCTai  notwendig?  dem  sinne  würde 
diireh  die  itreifhnn^  von  |XU)V  (bei  dem  man  wef^en  des  folgenden 
^dv  TIC  i^ik^  Ttv4  6€pCiTT€0€lV  Huch  Hn  €NISiN  denken  liönnle)  oder 
durch  KreyenbiibI»  vorachliig  ical  dXXn  i^M^v  v6mp  genügt  aein.  •'  Ha^ 
lliidel  r»  (s.  67)  an  der  184*  v6^0V  .  .  tjirouptttv  gegebenen  forma« 
licrung  der  beiden  vö^oi  eharnktorifttiich,  dnsa  der  erste  dem  IpacT^C 
nur  »uferlege  sicti  vom  Ipujc  leiten  tu  lassen  obne  rücksicht  »nf  die 
geistige  tücbtigkeit  des  geliebten,  dagegen  der  zweite  Tom  ^üd^cvoc 
das  streben  nach  erwerbung  geistiger  vollkomroenbeit  verlange.  »b«r 
durch  das  trachten  des  geliebten  nach  tiifrend  und  bitdang  ist  aneli 
dem  Hebliaber   eine   besvhränkung  in  der  wähl  auferlegt,  wie  sie  dem 


ersten  reden  in  Platöns  Symposion.  677 

vöjioi  ermöglichte  sittliche  berech tigung  des  xapilecBax  nach- 
gewiesen, für  beide,  liebbaber  wie  geliebte,  gilt  als  vö)Lioc  das 
biKaiuuc  UTTOupT€Tv :  jener  musz  die  Fähigkeit  haben  den  geliebten 
in  Weisheit  und  tagend  zu  fördern,  dieser  den  willen  sich  von  jenem 
fördern  zu  lassen,  bei  dem  streben  nach  tugend  und  Weisheit  kann 
auch  eine  teuschung  im  Charakter  des  liebhabers  ftlr  den  geliebten 
nicht  unrühmlich  sein,  dies  ist,  schlieszt  Pausanias,  der  ^pujc  der 
himmlischen  göttin ,  der  aber  auch  selbst  himmlischer  art  und  für 
die  Staaten  wie  für  die  einzelnen  von  höchstem  werte  ist,  weil  er 
sowohl  den  liebenden  als  den  geliebten  nötigt  die  gröste  Sorgfalt 
auf  ihre  Vervollkommnung  zu  verwenden  (184* — 186*^). 

Die  erklärer  (Steinhart  IV  222  —  227,  Susemihl  gen.  entw. 
I  374 — 376,  Hug  s.  XL  VI — XLIX)  haben  als  wesentliches  merkmal 
der  rede  des  Pausanias  die  einführungdes  doppelten  ^puic  bezeichnet, 
und  allerdings  beruht  auf  ihr  nicht  nur  der  fortschritt  der  Unter- 
suchung, sondern  auch  die  ethische  grundansicht  des  redners:  jener, 
weil  nun  erst  eine  Untersuchung  der  arten  des  ^pwc  und  damit  eine 
entwicklung  des  begriflfes  ermöglicht  wird,  diese,  weil  der  Stand- 
punkt des  «verfeinerten  sinnlichen  ^pwc» ,  dh.  die  empfehlung  des 
XG(pi2[€c6ai  um  der  tugend  willen  so  lange  undenkbar  ist,  als  ^puüc 
in  seiner  gesamtheit,  wie  in  Phaidros  rede,  für  etwas  gutes  gilt, 
fragen  wir  aber,  warum  Piaton  der  rede  des  Vertreters  der  ver- 
steckten Sinnlichkeit  diese  stelle  zugewiesen  hat,  so  kommt  zunächst 
weder  ihre  logische  beschaffenheit,  die  ein  tieferes  eindringen  in 
den  begriff  verstattet,  noch  ihr  ethischer  grundcharakter,  der  sie  als 
eine  mit  sophistischer  kunst  geführte  Verteidigung  athenischer  ein- 
richtungen  erscheinen  läszt,  sondern  das  Verhältnis  der  in  ihr  ent- 
haltenen anschauung  vom  ^pujc  zu  der  der  vorhergehenden  rede  in 
betracht.  Phaidros  hat  den  fpujc  als  das  wirken  des  gottes  auf- 
gefaszt,  das  den  zustand  des  liebhabers  zur  passivität  herabsetzt; 
nun  erklärt  zwar  auch  Pausanias,  wie  denn  auch  er  das  gewöhnliche 
be wustsein  vertritt,  eine  lobrede  auf  den  gott  halten  zu  wollen  und 
bleibt  in  dem  glauben,  dasz  er  dies  thue,  befangen;  aber  die  ansieht, 
die  er  entwickelt,  bildet,  ohne  dasz  er  es  weisz,  den  diametralen 
gegensatz  zu  dem  was  Phaidros  gesagt  hat.  es  ist  nur  eine  folge 
seiner  befangenheit,  dasz  auch  er  sich  der  hilfe  des  mythos  bedient, 
den  er  übrigens  mit  gleicher  willkür  wie  Phaidros  behandelt^  und  dasz 
er  an  einer  stelle  zwei  ausdrücke  gebraucht,  die  nur  zu  dem  Stand- 
punkte des  Phaidros  passen  (s.  181«  .  .  69ev  hx]  dirl  TÖ  fippev  xp^- 

TTOViai  0\  iK  TOUTOU  TOÖ  JpUJTOC  f  TTl  TT  VC  l  .  .  Ka(  TIC  &V  TVoCt]  Kttl 

dv  auxri  Tr|  Traibepacxicji  touc  elXiKpivÄc  uttö  toutou  toO  fpujToc 
U)  p  JLI  n  M  ^  V  0  u  c) ;  die  bedeutung  dessen,  wozu  ihm  fpUüC  in  Wahrheit 


^pujc  oOpdvioc  und  der  auch  von  dem  liebhaber  verlangten  arbeit  an 
sich  selbst  (iToXXi?)V  ^in|i^X€iav  .  .  TÖv  ip{i)\x^yov  185 •»)  entspricht,  zu- 
dem hat  Pausanias  bereits  182 <^  hervorgehoben,  es  gelte  in  Athen  für 
schöner  ^pftv  . .  xal  fidXicra  tu)v  TewaioTdriüv  Kai  dpicriuv,  käv  alcxiouc 
dXXiuv  öüciv. 

Jahrbhcher  für  class.  philol.  1893  hft.  8  n.  9.  37 


678 


CSchirlitz:  dia'reihenfolge  der  fQnf 


wird »  kann  biertlurch  ebenEO  wenig  alteriert  werden  wie  durch  di^ 
ankündigung,  er  wolle  erst  sagen,  welchen  Ipujc  man  loben  müssei 
und  ihn  d&nn  auf  eine  des  gottes  würdige  art  verherlichen.  um 
die  mdgliclikeit  des  schlechten  ^pujc  zu  beweisen ,  was  freilich  nn* 
nötig  war,  sobald  der  vorangehende  mythos  die  kraft  eines  be weises 
beansprucht,  stellt  Pausanias  den  satz  auf  ^  Tcäca  totp  TTpöEiC  Wth* 
fx^r  aÜTT)  dqp*  ^auxfic  oöt€  kqXti  oötc  aicxpa.  otov  6  vOv  f^clc 
Tioioöjütev,  f|  TTiveiv  f|  oibeiv  f)  biaXctecOai,  ovik  ^cti  toutujv  auiö 
KaXöv  oüb^v,  dXX'  dv  t^  irpagei,  ujc  öv  irpaxöii,  TOioijTOV  dn^ßii' 
KaXuuc  ixiv  Tap  TtpaTTÖ^evov  Kai  dpOuic  KaXöv  tiTv^tai,  fir)  öp8üüc 
bfeaicxpöv(181'*). 

Betrachtet  man  zunächst  den  logischen  wert  dieser  behau piung, 
80  läszt  sieh  der  begriST  von  seiner  Verwirklichung  im  individuelleii 
thuD,  dies  aber,  also  die  einzelne  thafc,  insofern  sie  nur  die  Verwirk- 
lichung des  begriffes  enthält,  von  der  bestimmten  art  der  ausfllhrun^ 
unterscheiden,  wird  nun  unter  Tfäca  irpctSiG  der  begriff  in  abstracto 
verstanden,  so  i^ät  zwar  der  satz  avxi]  iq^*  ia\}Tf\c  .  *  alcxpä  unaji» 
fechtbar,  weil  jede  sittliche  qualitÄt  ein  thun  voraussetzt,  mithin 
dem  reinen  begriffe  als  dem  blosz  gedachten  überhaupt  nicht  zu* 
kommt;  es  würde  dann  aber  mit  den  folgenden  Worten  dXX'  .  .  ato 
Xpöv  dem  begriffe  die  im  thun  sich  vollziehende  Verwirklichung" 
gegenübergestellt  und  nichts  anderes  ausgesagt  sein  als  dastz  ein  jedes 
so  beschaffen  sei,  wie  es  gel h an  werde»  dh.  der  guten  Ihat  daa 
priidicat  gut  und  der  schlechten  das  entgegengesetzte  angehöre, 
dies  hat^  wie  der  Zusammenhang  lehrt,  Pausanias  nicht  gemeint  er 
stellt  vielmehr  das  mit  dem  begriffe  sich  deckende  thun,  albo  daa 
*thnn  an  sich'  der  art  seiner  ausführung  gegenüber  und  erklärt,  dasi 
die  (sittliche)  qualität  desselben  erst  durch  die  art  der  auisführung 
bedingt  werde,  diese  bebauptung  ist  aber  falsch;  es  gibt  gewiä  ein 
vielfaches  Trpdrrciv,  dem  das  prädicat  KaXöv  und  aicxpöv  erst  durch 
die  bestimmten  umstände  unter  denen  es  geschieht»  also  durch  die 
art  der  ausführung  vindiciert  wird^  und  zu  dieser  classe  der  Trp䣀iC 
gehören  die  angeführten  beispiele  triveiv  $b€iv  biaXexccÖai:  daneben 
aber  gibt  es  ein  TTpärrciv  (wie  etwa  eucpTeteiv  CUTTiTvtiCK€iv  — 
TrX€OV€KT€Tv  q)6ov€iv),  dem  die  sittlieht}  qaalität  schon  an  sieb  und 
ohne  einffusz  der  besondern  umstände  seiner  ausführung  inhftriert. 
jenes  bezeichnen  wir  meist  mit  dem  werte  'thun',  dies  mit  dem  warte 
^handeln*!  während  der  zusammenfassende  ausdruck  TTparrciv  die 


**  d&flz  Qi«n  hei  iv  irpdE€i  Jin  die  Verwirklichung  des  begriffe«,  bei 
ihc  dv  npaxB^  an  die  art  der  atisführunii;'  denke»  verbietet  sich  lobon 
deshalb,  weil  bei  der  adversativen  gestnUung  des  sataes  {AXV  — )  dem 
^inen  nar  (Sin  anderes  ^egenüberireten  kann,  aiifh  wäre  ntclit  au 
sagen,  ob  das  prüdicat  durch  die  verwirklichnnfc  des  begriffe»  (Iv  tQ 
irf^EcO  oder  durch  die  art  der  ausfühnmf?  bei^rUndet  wird;  cv  tQ 
irpdEci  dient  neben  ibc  dv  irpaxOf)  nur  anr  Verdeutlichung  daa  wuri 
steht  aller  auch  bei  richtig'er  faMfunf?  dos  satse«  de»  Pnu«.  in  v«r«chad* 
dener  bedeutuuf;,  da  es  m  itAca  irpdEtc  die  bandlung  oder  daa  ibuii,  Uk 
iv  T^  irpötci  die  ausführuug  oder  ausübung  bezeichnet. 


enten  reden  in  Platons  Symposion.  579 

irrtümliche  identification  der  beiden  arten  der  thätigkeit  begünstigen 
konnte.  '^  Paus,  hätte  also  zeigen  müssen,  dasz  das  dpdv  zn  der  erst- 
genannten classe  der  thätigkeiten  gehört,  wenn  seine  behauptung, 
es  komme  bei  der  entscheidung  über  die  sittliche  qualität  des  dpdv 
nur  auf  die  art  und  weise  seiner  ausführung  an ,  für  richtig  gelten 
sollte,  dies  konnte  er  aber  nicht,  denn  das  ip&v  ist  eben  kein  dbid- 
qpopov,  dessen  sittliche  beschaffenheit  erst  durch  die  art  der  aus- 
führung bestimmt  würde;  vielmehr  läszt  sich  die  liebe  gar  nicht 
denken  ohne  ihr  object  (toO  ciJüjLiaTOC,  xfic  ipuxfic);  mit  diesem  aber 
ist  die  entscheidung  über  ihr  sittliches  prädicat  sofort  gegeben. 
Paus,  war  also  nicht  berechtigt  die  möglichkeit  des  schlechten  ^pujc 
aus  dem  satze  abzuleiten,  dasz  jede  handlung  an  sich  sittlich  indiffe- 
rent sei  und  erst  durch  die  art  ihrer  ausführung  gut  oder  schlecht 
werde,  gleichwohl  spricht  er  gerade  an  dieser  stelle  nicht  nur  die 
wirkliche  erklärung  der  möglichkeit  des  schlechten  ^pujc,  sondern 
zugleich  denjenigen  gedanken  aus,  der  seiner  gesamten  anschauung 
vom  fpuic  eigentümlich  ist. 

In  dem  entbymema,  dessen  er  sich  bedient:  'jede  handlung  ist 
an  sich  weder  gut  noch  schlecht,  also  auch  die  liebe'  lautet  der 
vorausgesetzte  Untersatz:  die  liebe  ist  eine  rrpd^ic,  ein  TrpdTTCiv. 
wird  aber  hiermit  IpUJC  in  das  gebiet  des  menschlichen  bän- 
de Ins  versetzt,  so  erklärt  sich  zunächst  der  Ursprung  des  doppelten 
fpujc:  denn  nur  auf  den  inbegriff  des  menschlichen  handelns  (TTpdr- 
T€iv)  können  die  prädicate  KaXöv  und  aicxpöv  anwendung  finden, 
gleichzeitig  aber  ist  £pujc  hiermit  zum  gegenteil  dessen  geworden, 
wofür  ihn  Phaidros  erklärt  bat.  ihm  war  er  die  von  gott  stammende, 
jede  activität  des  menschen  ausschlieszende  begeisterung ,  und  in- 
sofern hatte  Phaidros  ein  recht  ihn  am  Schlüsse  der  rede  6€UüV  KU- 
piiÄTaTOv  elc  dpexfic  Kai  eubaijuiovlac  Kificiv  dvGpiÖTroic  Kai  C&ci 
Kai  T€X€UTr|caci  zu  nennen.  Pausanias  dagegen  tritt  zwar  auch  als 
lobredner  des  gottes  auf  und  führt  die  ezistenz  des  doppelten  Eros 
auf  das  Vorhandensein  der 'AcppobiTT]  oupavia  und  7Tdvbii)iOC  zurück,' 
thatsächlich  aber  ist  der  mythos,  aus  dem  er  seine  ansieht  ableitet, 
nur  die  folge  davon,  dasz  er  das  dpdv  für  ein  irpdTTCiv  hält:  so  ent- 
steht zwischen  der  aufgäbe  die  er  sich  stellt,  und  der  lösung  die  er 

*'  wenn  daher  Steinhart  8.  224  sagt:  'dem  richtigen  satze,  dasE  eA 
ein  mittleres  zwischen  sittlich  gntem  und  hösem  gebe,  und  dasz  dahin 
die  liebe  gehöre,  gibt  Paus,  sogleich  eine  ganz  verkehrte  Wendung;  er 
bestimmt  ihren  sittlichen  wert  nicht  nach  dem  zwecke  und  der  ge- 
sinnung,  noch  weniger  nach  allgemeinen  und  ewigen  gesetzen,  sondern 
allein  nach  der  art  und  weise  der  ausführung,  als  ob  nicht  diese  eben  das 
materielle  und  substantielle  bei  allen  menschlichen  handlungen  wäre, 
deren  wahre  Sittlichkeit  aber  nur  aus  einem  höhern  princip  beurteilt  wer- 
den kann,  seine  behauptung  ist  also  eine  leere  tautologie\  so  liegt  die 
tautologie  nicht  darin  dasz  Paus,  ausdrücklich  die  gute  that  als  gut, 
die  schlechte  als  schlecht  hezeichne,  sondern  darin  dasz  der  satz  6  KaXuüc 
(alcxpu)c)  irpaTTö^ievoc  "Gpwc  koXöc  (alcxpöc)  icriv  nach  der  natur 
die.ses  bestimmten  begriffes  mit  dem  satze  ö  KaXöc  (aicxpöc)  *€puic 
KaX6c  (alcxpöc)  Ictiv  zusammenfällt. 

37* 


580 


GScbirlitz:  die  reihenfolge  der  fQnf 


gibt,  ein  widersprucb ,  der  in  den  werten  ^Ttaiveiv  ^tv  ouv  bei 
TcdvTac  öeoüc  deutlich  hervortritt,  wenn  er  auch  dem  redner  selbst 
nicht  zum  bewustsein  kommt,  denn  dieser  glaubt  den  gottzu  loben 
und  wählt  daher  den  ausdruck  mehrfach  in  einer  seinem  glauben 
entsprecb enden  weiee^  aber  der  inhalt  der  rede  wird  doch  allein  yon 
dem  salze  getragen,  da^z  das  dpäv  ein  TTparrctV  ist. 

So  heiszt.es  zwar  im  einlange,  der  Eros  der  Aphrodite  psa- 
demos  vollführe,  was  sich  trifff.  (^EepTdCerai  ö  Ti  6v  TuxiJ  IBl  *),  aber 
gleich  darauf  treten  die  der  (Binnlicben)  Uebe  ergebenen  menschen 
an  die  stelle  des  gottes:  sie  sind,  wie  schon  die  mit  dem  verbalen 
accusativ  gebildete  von  Phaidros  nicht  gebrau  cht«  wen  düng  (xal 
ouTÖc  ^CTiv  8v  o\  «paöXoi  tujv  dvöpdiirujv  ^pujci)  und  die  weiter« 
auaführong(^piI>ci  be  ot  xoiouTOi  irpoiTOV  ^iv  oüx  f)TTOV  T*JvaiKUiv 
f|  TcaibuDV,  fireiTa,  ujv  xai  ipvja,  tujv  cujpdTujv  päXXov  f|  xiltv  i^u* 
XUJV,  f Ti€iTa  die  Sv  büvujvTai  dvoTiioTdTujv,  TTpoc  TÖ  biaiTpäEaceai 
^6vov  ßXenovxec»  äueXoövTec  b^  toö  KaXu/c  f\  firj  181  •*)  erkennen 
laöJien»  die  eigentlich  thtttigen.  ihnen  wird  eine  bestimmte  absieht 
zugeschrieben  (ttpöc  t6  biairpaEacOai  pövov  ßX^rrcvTCc)  und  die  ver- 
nachldssigung  dessen,  worauf  sie  achten  müs^ten,  vorgeworfen  (d^€- 
XoövT€c  bl  TOÖ  KaXüjC  KOI  ^r|) ,  weshalb  denn  auch  die  zuf^tUigkeit 
des  erfolgs,  die  vorher  dem  gotte  beigemessen  wurde,  hier  lediglicll 
als  ihr  werk  ers^cheint  (Ö9€V  bi\  EuMßaivci  aÜToTc,  ö  xi  Sv  xuxuuci» 
ToOxo  TTpdxxeiv).  allerdings  gleitet  der  redner  stur  begrtlndung  der 
merkmale  dieser  liebbaber  nochmab  auf  die  mythische  erklärungs^ 
weise  ab  (Icxi  xdp  Kai  ttjc  6eoö  .  .  lißpeujc  djioipou)  und  nennt 
dem  entsprechend  die  anhÄnger  des  *'6pu>C  oupdvioc  gottbegeistert 
{?Tn7TV0i)j  sowie  die,  welche  sich  in  der  naibcpacxia  als  solche  er* 
weisen,  von  dem  gotte  getrieben  (uttö  xouxou  xou  fpmxoc  d»p^T|* 
ji^vouc),  aber  wenn  schon  in  den  nächstfolgenden  worten  der  aus* 
druck  KOpccKeuac^A^voKtdp,  oTjuai,  elciv  ol  ivicööev  dpxöpevoi 
dpäv  .  .  auf  die  absicbtlichkeit  des  thuns  der  menschen  hinweist, 
•die  nach  bestimmter  methode  (oü  Tdp  ^puJCi  .  »  t^vcidcKeiv)  und  in 
bestimmten  erst  positiv  (ibc  ,  .  CUMßiu>CÖ^€VOi),  dann  negativ  (dXX* 
OÖK  dIaTraTr]Cavx€c  .  *  diroxp^x^iv)  formulierten  zwecken  verfabreD, 
so  Ittszt  die  weitere  bemerkung,  dauz  die  liebe  zu  unverntln fügen 
wegen  der  Unsicherheit  des  erfolges  verboten  i^ein  müsse  (Xpflv  ht 
Kol  vöpov  clvai  ^i\  ^päv  naibiuv»  Tva  pr|  ♦  ,  dviiXicKexo) ,  an  der 
richtigkeit  dessen,  was  als  grundgedanke  dieser  rede  bezeichnet 
wurde,  noch  weniger  einen  zweifei  tlbrig.  denn  das  gesetz  kann, 
wie  es  von  menseben  gegeben  wird,  auch  nur  fü r  menschen  ge* 
geben  werden,  kann  sich  daher  auch  nur  auf  das  bezieben,  was  inner^ 
halb  der  grenzen  menschlicher  entschlieszung  liegt,  und  vertrSgi 
sich,  weil  es  die  freiheit  des  willens  voraussetzt,  nicht  mit  dem  tu* 
stände  einer  gebundenheit,  in  welchem  der  mensch  nur  das  voll* 
bringt,  wozu  er  von  dem  in  ihm  wirkenden  gotte  bestimmt  wird« 
auch  offenbart  sich  diese  bedeutung  des  gesetzes  nicht  weniger  «n 
den  guten  als  an  den  schlechten:  jene  bedürfen  es  zwar  nicht,  aber 


ersten  reden  in  Platons  Symposion.  581 

doch  nur  deshalb ,  weil  sie  das  rechte  aus  eigner  kraft  vollbringen, 
während  es  für  die  schlechten  ein  correctiv  mangelhafter  erkenntnis 
oder  verkehrten  willens  ist,  durch  das  sie  zur  anerkennung  des 
rechten  gezwungen  werden,    wenn  daher  Paus,  fortfährt:  ol  fi^v 

OÖV     dTCtÖOl  TÖV   VÖjLlOV  TOÖTOV   aUTOl  aUTOTc   ^KÖVTCC  Ti0€VTai, 

Xpnv  hk  Kttl  TOUTOuc  Toüc TtavbriiLiouc  dpacToic  TrpocavaTKdCciv 
TÖ  toioOtov,  so  beweisen  beide  sfttze  in  gleichem  masze ,  dasz  ihm 
Eros  ein  menschlicher  Vorgang  (TTpctTTeiv)  ist,  für  den  der  mensch 
allein  die  Verantwortung  trägt,  darum  kann  er  denn  auch  die  sinn- 
lichen liebhaber  für  schuldig  an  dem  verrufe  erklären,  in  den  das 
XapiZ;€C0ai  dpacxaic  als  alcxpöv  bei  manchen  gekommen  sei ,  und 
von  ihrer  dKatpia  und  dbiKia  sprechen,  was  nicht  möglich  wäre, 
wenn  der  liebende  ein  willenloses  Werkzeug  in  der  band  des 
gottes  ist. 

Durch  die  kritik  der  verschiedenen  über  den  fpuüc  herschenden 
anschauungen,  zu  der  sich  Pausanias  nunmehr  wendet,  stellt  er  sich 
als  den  Vertreter  der  Staatsmänner  in  dem  um  Agathon  versammelten 
kreise  dar:  dabei  beweist  seine  verherlichung  athenischer  einrich- 
tungen  eine  mit  formaler  gewandtheit  wohl  vereinbare  localpatrio- 
tische  befangenheit;  die  kritik  selbst  aber,  oder  vielmehr  die  mög- 
liebkeit  der  annähme  verschiedener  ansichten  beruht  wiederum  auf 
dem  gedanken,  dasz  fpiüc  menschliches  thun  und  treiben,  nicht  die 
that  eines  gottes  ist.  die  in  den  einzelnen  Staaten  gültigen  vöfioi 
enthalten  das  teils  durch  gesetzliche  masznahmen  teils  durch  brauch 
und  sitte  fixierte:  denn  wie  der  vöfiGC  die  sitteund  den  Charakter  zu 
bilden  pflegt,  so  wird  er  umgekehrt  durch  den  Charakter  der  Völker 
und  Volksstämme  (die  fjGii)  beeinfluszt;  so  findet  eine  Wechselwirkung 
statt,  die  es  ermöglicht,  dasz  unter  den  vöjiGi  ^sowohl  die  gesetze 
als  die  Anschauungen'  der  volksstämme  (Hug  s.  56)  verstanden  wer- 
den, beides  sind  eben  menschliche  festsetzungen ,  die  ihren  grund 
in  menschlichen  an-  und  absiebten  haben,  und  wenn  förmliche  ge- 
setze gewöhnlich  erst  aus  sitten  und  gebrauchen  entstehen,  so  konnte 
doch  auch  wegen  der  normierenden  und  charakterbildenden  kraft, 
die  dem  gesetze  inwohnt,  sitte  und  gebrauch  auf  den  «historischen 
act  einer  vojiioOecia»  zurückgeführt  werden,  dem  entsprechen  nun 
auch  die  ausdrücke ,  die  Paus,  in  der  folgenden  auseinandersetzung 
gebraucht,  sein  thema  ist  hier  6  Ttcpl  TÖV  fpuüxa  vöjioc:  er  findet 
dasz  derselbe  in  andern  Staaten  verständlich  ist,  denn  seine  bestim- 
mungen  seien  einfach  (diiXaic  T^p  ulpiCTai  182*),  in  Athen  aber 
verwickelt:  bei  den  Bleiern  bestehe  einfach  die  regel  (diiXiIic  V€VO- 
|üio0€TTiTai):  KaXöv  TÖ  xoLpilecQcLx  dpacTaic,  während  in  lonien 
und  andern  den  barbaren  unterworfenen  Staaten  dasselbe  verfahren 
für  aicxpöv  gelte  (ttic  bfe  luüviac  kqi  fiXXo0i  ttoXXqxoO  alcxpöv 
V  e  V  6  |Li  i  c  T  a  i).  am  ende  aber  des  über  den  vöjaoc  diiXoCc  bemerkten 
heisztes:  oÖTUJC  ou  jLifev  alcxpöv  iTiQx]  xapiZ!€c9ai  dpacxaTc,  Karia 
Tuiv  0€|üi^vujv  KCiTtti  .  .  oö  bfe  KttXöv  dTiXiIic  dvojnic9n,  bia 
Tf|V  TÄv  ©eji^viüv  TTJc  ipuxflc  dpTictv.   wie  aber  Paus,  den  fpiüc 


582 


CScbirlitz:  die  r^ilienfolge  der  fünf 


schon  durch  die  wähl  der  ausdrücke  als  menschliche  Atzung  dar- 
stellt, so  eind  es  anch  menschliche  absichten,  aus  denen  er  seine  ver- 
schiedene beuiteilüng  erklärt,  diese  absiebten  beruhen  auf  der  Ver- 
schiedenheit der  stamme,  die  Boioter  lassen  ihn  für  unbedingt 
löblich  gelten,  um  sich  einen  ihrem  naturell  unbequemen  anfwaad 
von  beredsamkeit  zu  ersparen,  die  lonier  dagegen  verwerfen  ihn 
gänzlich ,  weil  die  herscber  in  festen  freundschaften  und  besonders 
in  der  hohen  gesinnung,  die  der  ^pujc  hervorzurufen  pflegt,  eine  ge* 
fahr  für  die  herschaft  erblicken*  dort  ist  es  die  äpTlct  xfic  ^iuxf)C, 
hier  die  KOKia  (tujv  Ö€^€Vujv),  und  zwar  genauer  die  irXEOVCEm 
Tujv  ÄpxövTUJV  nnd  die  dvavbpia  idiv  äpxojuevuiv,  die  das  urteil 
erklärt. 

In  ähnlicher  weise  wird  nunmehr  die  athenische  anschanno^ 
von  der  liebe  besprochen,  wobei  zuerst  die  umstände  erwähnt  wer- 
den ,  die  sich  für  eine  unbedingte  billigcing  derselben  anfuhren 
lassen,  es  sind  dies  die  Öffentlichkeit  des  Verhältnisses,  die  sittliche 
tttchtigkeit  der  geliebten ,  deren  Verführung  die  (öffentliche  meinung 
am  wenigsten  ertragen  würde,  die  ermunterung,  die  dem  liebhaber 
von  allen  selten  zu  teil  wird,  die  ehre»  die  mit  dem  erfolge  der  be- 
Werbung  verbunden  ist,  die  erlaubnis  mittel  anzuwenden,  welche 
bei  andern  zielen  weder  von  freunden  noch  von  feinden  gestattet 
werden  (wie  flehentliche  bitten,  eidschwüre,  nächtliches  Hegen  vor 
der  thür),  endlich  die  beurteilung  des  6pK0C  öcppobictoc^  die  zu- 
gleich eine  äuszerung  der  gQtter  in  sich  schlieszt.  auch  hier  werden 
die  erotischen  gewobnheiten  als  ein  act  der  gesetzgebung  bezeichnet 
(dvSdbe  hk  7To\u  toütudv  KdXXiov  vevonoO^TiiTai).  auch  hier 
ist  es  das  gesetz,  das  die  be Werbung  ih.  der  angegebenen  weise  ge* 
stattet  (182*  Kai  irpöc  tö  dTT»X€ip€w  iXtiv  ilouciav  6  vd^oc  W- 
buüKC  Tuj  dpacT"5  GauMacTd  Ipfci  ^ptciJIom^viü  dTTaiv€ic6ai,  183 ">  tip 
6*  ^pujVTi  Tidvia  TQijia  TroioövTi  xdpic  iTretai,  Kai  örtoiai  önd 
Toö  vöfxou  fiveu  öveibouc  irpaTTCiv,  übe  ttdtKaXöv  ti  irpatMO  bia- 
irpanoM^vou,  und  am  ende:  outu)  Kai  oi  0€oi  Kai  o\  dv^piutroi 
Tidcav  ^Eouciav  nenoirjKaci  tu*  ^pa»VTi,  uic  6  vo^oc  tpnclv  ö  Iv- 
Gdbe).  für  die  entgegengesetzte  auffaasung  sprechen  die  thatsaehen, 
da^z  1)  die  väter  ihren  s^^bnen  pädagogen  beigeben^  um  sie  an  Unter- 
redungen mit  den  liebhabem  zu  hindern,  2)  die  altersgenossen  einen 
derartigen  verkehr,  wenn  sie  ihn  wabmehmen,  tadeln  und  mit  ihrem 
tadel  bei  den  altem  keine  misbilligung  erfahren  (183  <^'^  ^XTetbdv  hl 
.  *  etc  bk  raöTd  Tic  au  ßXeipac  fixncaiT*  &v  TtdXiv  alcxicTov  t6  toi- 
oOtdv  ^v6dbe  voMlJIecOai).  beim  beginne  der  l5sung  dieses 
scheinbaren  Widerspruchs  geht  Paus,  auf  den  eatz  zurück ,  dasz  wie 
jedes  thun  so  das  Hebenf  also  auch  das  x^p'^^^^^^  "^oic  Ipacialc  mls 
KaXiüc  irpaTTÖ^evov  lob  verdiene  (kqXöv  sei),  &h  aicxpuJC  Ttparrd- 
)i€VOV  tadel.  für  den  vorliegenden  begriff  verwandelt  sich  das  KaXiI»C 
Xapl2l€c8ai  in  die  doppelte  forderung,  dasz  der  liebhaber  gut  sei 
und  der  geliebte  ihm  aus  löblichen  gründen  willfahre,  liebt  nun  der 
gute  liebiiaber  die  seele  dh.  die  wackere  Sinnesart,  so  ist  mit  dieser 


ersten  reden  in  Platons  Symposion.  683 

seiner  beschaffenheit  auch  die  des  geliebten  gesetzt,  die  absieht 
des  athenischen  gesetzes,  das  nach  dem  obigen  gnindsatze  eben 
so  sehr  zur  anerkennung  wie  zur  Verwerfung  des  f puiC  berechtigt  ist, 
kann  also  nur  darin  bestehen ,  den  liebhaber  und  den  geliebten  in 
zweckmäsziger  weise  zu  prllfen.  als  geschickter  agonothet  ermuntert 
der  vöjLioc  den  liebhaber  zum  verfolgen,  den  geliebten  aber  zur  flucht, 
damit  sich  in  der  so  gewonnenen  zeit  herausstellen  könne,  zu  welcher 
gattung  beide  gehören  (bid  TaGra  . .  dpOüficvoc),  dh.  ob  der  liebhaber 
wirklich  etwas  bleibendes,  nemlich  das  TjOoc  XP^CTÖv  liebe,  und  ob 
es  auch  dem  geliebten  um  etwas  bleibendes  zu  thun  sei.  denn  ein 
aushalten  auf  beiden  Seiten,  wie  es  der  vöjüioc  verlangt,  ist  nach  der 
auslegung  des  gesetzes,  die  der  redner  gibt,  nur  dann  möglich,  wenn 
auf  beiden  Seiten  etwas  dauerndes  erstrebt  wird,  von  dem  gewalt- 
thätigen  liebhaber  kann  der  geliebte  einen  solchen  gewinn  nicht  er- 
warten :  er  wird  sich  also  von  ihm  njcht  schrecken  lassen  dürfen ; 
ebenso  wenig  ist  ihm  .das  xcipi2Iec6ai  um  des  reichtums  und  der 
politischen  macht  willen  gestattet,  denn  diese  dinge  haben  keinen 
bestand,  ist  also  nach  athenischem  gesetz  das  X0ipi^€c9ai  dennoch 
erlaubt ,  so  ISszt  sich  das  nur  so  erklären ,  dasz  der  geliebte  danach 
strebt  an  tugend  und  Weisheit  gefördert  zu  werden,  die  in  der  tbat 
etwas  bleibendes  sind  (184  *>  \x\a  bf|  XciireTai  Tip  fmcT^pqj  vöjüiifi 
6böc  .  .  TTaibtKd).  bei  diesem  streben  ist  auch  ihm ,  wie  nach  der 
vorhergehenden  auseinandersetzung  dem  liebhaber,  dh.  nur  dem 
XPncTÖc  dpacTrjc,  freiwillige  dienstbarkeit  gewährt  (184«^  V€VÖ- 
jLiiCTai  TOiP  &n  ^M^v  .  .  KoXaKcia).  so  zeigt  sich  die  widersprucbs- 
losigkeit  der  athenischen  anschauung,  sobald  man  die  den  liebhaber 
und  den  geliebten  betreffenden  bestimmungen  richtig  combiniert, 
und  es  wird,  wenn  sich  jener  von  dem  grundsatze  leiten  läszt,  den 
geliebten  an  tugend  und  einsieht  zu  fördern,  dieser  aber,  sich  fördern 
zu  lassen ,  der  dienst  des  geliebten  in  Wahrheit  zu  einem  löblichen 
thun.  selbst  der  miserfolg,  der  bei  einer  teuschung  durch  den  liebhaber 
entsteht,  kann  dem  geliebten  keine  schände  bereiten,  sofern  nur 
seine  absieht  auf  sittliche  förderung  gerichtet  ist  dasz  aber  beide, 
der  liebhaber  und  der  geliebte,  ihre  wahren  absiebten  enthüllen, 
dies  eben  will  das  athenische  gesetz  bewirken:  wie  der  boiotiscbe 
und  ionische,  so  verfolgt  auch  der  athenische  vöjiGC  einen  bestimmten 
zweck,  wenn  nun  Paus,  mit  den  worten  schlieszt :  ^dies  ist  der  fpujc 
der  himmlischen  göttin,  der  auch  selbst  himmlischer  art  ist  und  von 
höchstem  werte  für  die  Staaten  wie  für  die  einzelnen,  weil  er  sowohl 
den  liebenden  als  den  geliebten  nötigt  die  gröste  Sorgfalt  auf  ihre 
eigne  Vervollkommnung  zu  verwenden ;  jeder  andere  fpuüC  dagegen 
gehört  der  andern,  der  gemeinen'  (185  ^*^);  so  erinnert  dieser  schlusz 
an  den  ausgang  der  rede  des  Phaidros,  weil  auch  dort  das  lob 
des  ^piüc  mit  dem  Verdienste  begründet  wird,  das  er  sich  um  die 
sittliche  förderung  der  beteiligten  erwirbt,  nur  dasz  Phaidros  den 
«rotiker  mehr  an  tapferkeit,  Pausanias  mehr  an  Weisheit  wachsen 
läszt.  gleichwohl  ist  diese  ähnlichkeit  der  ergebnisse  nur  ein  schein : 


584 


CSchirlltz;  die  reibenfolge  der  fSnf 


denn  während  das  sittliche  gefühl,  das  der  f  pujc  erzeugt,  hm  Pbaidros 
eine  Wirkung  des  gottbegei^terten  zustantles,  mitbin  eine  folge  des 
göttlieben  tbuns  ist,  hat  Paus,  die  sittliche  förderuog,  um  deren 
willen  er  den  ^pmc  proisst,  zum  zwecke  der  liebenden  selbstgemacht: 
der  liebhaber  bat  die  absieht  dem  geliebten  zu  einsieht  und  togend 
zu  verhelfen ,  der  geliebte  aber ,  sich  in  einsieht  und  lügend  fördern 
zu  lassen  (184**  vöpov  Ixiuv  iKctTEpoc  ,  .  Kai  6  ^^v  buvducvoc  €k 
«ppovticiv  KQi  Tf|v  äXXtiv  dpETTiv  lüpßdXXecOöi,  ö  5t  beopevoc  clc" 
TTaibeuciv  Kai  xriv  äXXr|v  coq>Lav  KiäcOai),  beide  also  haben  den 
willen  sich  durch  den  gegenseitigen  dienst,  den  sie  sich  leisten ^  zu 
erziehen,  auch  der  liebhaber:  denn  wenn  er  auf  den  geliebten  einen 
bessernden  einflusz  ausüben  soll,  musz  er  vor  allem  an  sieb  selbst 
arbeiten^  wie  dies  Paus,  mit  den  Worten  (185^)  outdc  ictiv  6  TTJc 
oupavtac  OeoO  fpujc  . .  TroXXf|v  dmiieXeiav  ctvatKciZluiv  Troi€ic$ai 
npöc  dp€TT|V  TÖv  T€  ^pujvTa  auTÖv  auToCi  Kai  töv  ^pLÜpevov  deut- 
lich auasjpncbt 

So  sind  die  liebenden  ihrer  absieht  Inne  und  handeln  zweck- 
bewust;  aber  die  absiebt  ist  nicht  nur  im  subject  vorhanden,  sie  be- 
steht auch  objectiv  als  sitte  des  Stammes  oder  volkes  und  sucht  als 
solche  das  thun  des  einzekf^n  in  entsprechender  weise  zu  gestalten, 
weil  aber  die  anscbauungen  und  absiebten  der  menschen  verschieden 
sind,  ist  fpujc  selbst  dadurch  zu  etwas  manigfaltigem  geworden  und 
löst  sich  in  einen  complex  von  gebrauchen  und  gewobnheiten  auf, 
was  durch  das  Vorhandensein  des  boiotischen,  ionischen,  atti^icben 
vöfioc  bestätigt  wird,  das  thun  der  menschen  ist  jedoch  nicht  nur 
wegen  der  verschiedenen  lateresÄen ,  die  sie  verfolgen ,  verschieden, 
wie  zb.  die  lonier  und  alle  von  ty rannen  beherscbten  Völker  den 
f  puic  aus  politischen  gründen  verwerfen,  sondern  auch  von  verschie- 
denem  sittlichen  werte,  ja  der  gegensatz  des  kqXöv  und  alq^pöv, 
in  den  der  begriff  des  sittlichen  ausläuft,  findet  überhaupt  nur  an- 
Wendung  auf  menschlicheB  thun.  darum  gibt  es  denn  endlich  auch  auf 
Pansanias  Standpunkte  eine  gute  und  eine  verwerfliche  liebe,  leitet 
er  selbst  beide  aus  der  existenz  des  ^'CpuiC  oüpdvioc  und  TtdvbTiiiOC 
ab,  80  liegt  die  sache  in  wabrheit  so,  dasz  erst  die  menscblicbe 
natur  des  £pUJC  zur  annähme  jener  doppelgottheit  führen  muste.  daa 
zweckbewuste  bandeln,  das  Paus,  dem  liebenden  beimit^zt,  die  Viel- 
heit erotischer  v6/ioi,  die  er  kritisiert^  das  Vorhandensein  eines  guten 
und  schlechten  fpuic:  dies  alles  erklärt  sich  daraus,  dasz  er  die  Hebe 
als  ein  menschliches  thun  (TTparreiv)  beEeichnet  hat.  damit  ist  trol« 
der  ähnlicbkeit  der  epiloge  beider  reden  fpu>c  zum  gegenteil  dessen 
geworden,  was  er  nach  dem  grondgedanken  des  Phaidros  war.  wie 
aber  der  Schriftsteller  den  leser  auf  die  mangeihuftigkeit  dieses 
gedankena  hinzuweisen  verstand,  so  läs»zt  er  uns  auch  erkennen,  das« 
der  zweite  redner  nur  eine  neue  einseitigkeit  an  die  stelle  der  ein* 

**  clc,  von  Scbüti  grestrioheot  iit  mit  KTdcOai  kaum  su  vcrdneiii 
allerdfai^s  scheint  Traffteuctv  .  .  KT^cOat  fii4t  eine  toobescheideiio  forde* 

ratig  dc9  ^pd^fieveo  (s.  Hug  •,  2Z1)  m  sein» 


ersten  reden  in  Platons  Symposion.  585 

seitigen  aufikssung  des  ersten  gesetzt  hat.  Paus,  will  den  gott  Eros 
preisen,  aber  auch  ''€pujc  TrdvbTijLioc  ist,  wie  er  selbst  sagt,  ein  gott, 
und  loben  musz  man,  wie  er  wiederum  selbst  sagt,  alle  götter.  ent- 
weder also  musz  er  sich  entschlieszen  zu  loben  was  er  verurteilt, 
oder  in  der  lösung  seiner  aufgäbe  eine  lücke  bestehen  lassen,  da  er 
nun  aber  vor  diese  alternative  nur  dadurch  gestellt  war,  dasz  er  den 
f  puiC  als  ein  menschliches  thun  bezeichnet  hat,  denn  nur  dies  ist  gut 
oder  schlecht,  so  ergibt  sich,  dasz  der  gedanke,  auf  dem  seine  Vor- 
stellung vom  ^puiC  beruht,  zwar  den  mangel  der  vorhergehenden 
rede  berichtigt  hat ,  aber  selbst  mit  einem  neuen  fehler  behaftet  ist 
und  daher  eine  befriedigende  lösung  der  frage  nicht  enthält,  wie 
die  an t wort  des  Phaidros,  so  weist  auch  die  des  Pausanias  über  sich 
selbst  hinaus.  ^piüC  kann  keines  der  beiden  extreme,  dh.  weder  ein 
ausschlieszlich  göttliches  wirken  noch  ein  rein  menschliches  thun  sein, 
(fortsetzang  folgt  im  nächsten  hefte.) 
Neustettin.  Carl  Sohirlitz. 


66. 

ÜBER  MAAICTA  BEI  ZAHLEN  UND  MASZBEGRIFFEN  IM 
CLASSISCHEN  SPRACHGEBRAUCH. 


Die  manigfachen  meinungsäuszerungen ,  die  von  Hesjchios  bis 
auf  unsere  tage  über  die  bedeutung  des  jiidXiCTa  bei  zahlen  vorge- 
bracht worden  sind,  lassen  ein  auffallendes  schwanken  zwischen  den 
abweichendsten  erklärungen  und  entgegengesetztesten  ergebnissen 
erkennen,  bald  wird  es  mit  'mehr  als,  mindestens',  bald  mit  'nicht 
mehr  als,  höchstens',  hier  mit  'gerade,  genau,  voll',  dort  mit  'un- 
gefähr, etwa,  rund'  übersetzt,  eine  Zusammenstellung  der  verschie- 
denen von  den  grammatikern  und  erklärem  (es  werden  über  20  vor- 
geführt) aufgestellten  ansichten  hat  Vömel  in  seinem  Frankfurter 
gymn.  -  Programm  von  1852  'über  den  gebrauch  von  jüidXiCTa  bei 
zahlen'  gegeben,  dieser  selbst  gelangt  zu  dem  ergebnisse,  dasz 
jLidXiCTa  'je  nach  der  absieht  des  Zusammenhangs  zu  übersetzen  ist 
durch  «gerade,  voll,  rund,  gewis»,  mag  nun  der  sinn  unserm  «wenig- 
stens» oder  «höchstens»  entsprechen.'  gegen  die  ziemlich  wider- 
spruchsvolle beweisführung  und  schluszfolgerung  Yömels  hat  schon 
Schubart  (in  der  zs.  f.  d.  aw.  1855  n.  13  f.)  aus  dem  gebrauche  bei 
Pausanias,  wo  er  sich  besonders  häufig  findet,  dargethan,  dasz 
«juäXiCTa  in  allen  Verbindungen  bei  Pausanias  keine  andere  bedeu« 
tung  habe  als  die  des  ungefähren,  des  zweifelhaften,  des  annähernden.» 

Ohne  auf  eine  directe  kritik  der  bisher  zu  tage  getretenen 
meinungen  einzugehen,  vertreten  wir  die  anschauung,  dasz  aus  einer 
möglichst  umfassenden  beobachtung  des  thatsächlichen  Sprach- 
gebrauchs eine  mit  der  eigentlichen  bedeutung  von  jLiäXicra  über- 


586       OSchwab;  über  ^dXtCTa  bei  xableu  mnd  maszbe griffen. 


©instimmen^^e  erlclÄrung  &icb  ergeben  müsse,  von  vom  herein  iai 
die  forderuög  zu  erbeben»  dasz  für  alle  fälle  des  gebrauche  voa 
fidXicra  bei  zahlen  eine  gleicbmüszige  erklärimg  möglich  oder  doch 
auf  einen  einbeitlieben  ur^^prung  zurückzuführen  sei.  die  pi^Üfong 
der  aus  der  litteratur  bekannten  beispiele  zeigt  nun  an  sich  schon^ 
dasz  jidXicia  sowohl  bei  mindest-  als  auch  bei  höchstzahl- 
ÄDgaben  auftritt,  diese  doppelte  function  des  —  schlieszHch  fast 
aar  reinen  partikel  abgeschw lichten  —  Superlativs  iijt  also  offenbar 
nur  denkbar  bei  einer  beide  extreme  umfassenden  dh.  ungefähren 
wabrscbeinlichkeitS'bedeutang*  jüdtXicra  bei  zahlen  und  masz* 
begriffen  ist  in  durchaus  keinem  andern  sinne  gebraucht  als  in  dem 
sonst  geläuflgen  '^  polhsimum,  am  ehesten,  am  liebsten:  durch  ein 
fiäXtcra  bei  einer  zahl-  oder  maszangabe  wird  diese  als  eine  solche 
bezeichnet,  welche  am  passendsten,  richtigsten  scheint| 
welche  der  Wirklichkeit  am  nächsten  kommt,  wenn  eine 
genaue  bestimm ung  unmöglich  oder  unn5tig  ist» 

Die  erklärer  sind,  wie  es  scheint,  sehr  bäu6g  auf  abwege  ge- 
raten durch  die  Zusammenstellung  jenes  judXicia  mit  dem  lateini- 
schen maxime^  indem  sie  diesem  eine  gradsteigemde  bedeutung  — 
als  ausdruck  des  höchsten  grades  der  genauigkeit,  der  bestimmtesten 
gewi»beit  —  beilegten,  dem  gegenüber  ist  auf  die  allgemeine  und 
principielle  bedeutung  der  com  parat  ions  formen  als  der  eigentlich 
relativen  formen  der  adjectiva  (oder  adverbta)  hinzuweisen,  die  als 
Bolcbe  nur  im  vei'gleicbe  zum  positiv  desselben  begriffs  eine  Steige- 
rung bezeichnen«  die  aber  ebenso  h&u6g  zu  einem  gegensfttz- 
liehen  begriffe  in  bezieh  ung  gesetzt  werden  und  alsdann^ 
eine  gradmin  derung«  beschränkung  der  qualität  gegen^ 
über  dem  positiv  (dem  absolut  gedachten  adjectivbegriff)  b« 
deuten,  vgl,  zb.  veüürepoi  (gegensatz  np€CßuT€poi)  die  jüngeren  dt 
die  verbältnismä^i^ig  jungen  im  gegen^atz  zu  den  alten;  dagegen' 
V€iüT€pOi  als  Steigerangs  form  «=  die  noch  jünger  sind  (al^  andere 
V^Oi).  *  diese  doppelte,  allen  comparationsformen  zukommende  funo* 
iion,  die  auf  rein  logischen  Voraussetzungen  beruht,  hat  man  gerade 
bei  potXXov,  pdXiCTa  schon  längst  zu  unterscheiden  sich  gew5hnt: 
im  vergleich  zu. einem  ^dXa  bedeutet  (fidXXov  und)  pdXiCTQ  eine 
iteigcrung  —  *am  meisten,  im  höchsten  grade,  ganz  gewis*;  im  ver- 
gleich zu  einer  negation  (einer  unentschiedenen,  ungenauen  angäbe) 
ist  est  mit  ^am  ehesten,  am  liebsten'  lat.  (potius)  potissimum  eu 
übersetzen,  wobei  zu  bemerken  ist,  dasz  auch  ma^is  und  maxime  in 
letzterm  (gegensätzlichem)  sinne  gebraucht  werden. 

Unmittelbar  zur  erklär  ung  dieses  ^dXiCTQ  bei  ungenauen  lahU 
bestimmungen  führt  die  beobachtung  des  eigentlichen  einnea  von 
lidXicxa  bei  adjectiven,  welche  eine  ähnlichkeit,  gleichheit  bezeichnen. 

*  die  griechischen  comparation»farm«n  in  ihrer  gegensättltchea 
bedeutmig  »ind  yom  vt  vom  historiBchen  f^euohtvpuxikte  «tts  be* 
hiuidelt  worden  in  Hchanx  b^iträeen  cur  hint.  »yol^x  der  grieclt, 
spräche,  lIs  beft  [bd«  IV  lieft  1),  Würzburg  189S. 


OSchwab:  über  )LidXiCTa  bei  zahlen  and  maszbegriffen.        587 

es  verrät  eine  sehr  oberflächliche  auffassung,  formen  wie  jüidXlCTa 
dvaXiTKioc,  jnäXicra  i^(pepr\c  einfach  als  'umschriebene  superlativ- 
formen' auszugeben,  während  doch  der  unterschied  zwischen  ^sehr 
ähnlich,  im  höchsten  grade  ähnlich'  und  '(verhältnismäszig)  am 
meisten  ähnlich^  am  ehesten  vergleichbar'  sofort  in  die  äugen  fällt: 
jenes  sind  Steigerungen  der  positive,  dieses  bezeichnet  einen  sehr 
beschränkten  grad  der  ähnlichkeit,  der  an  einem  im  übrigen  unähn» 
liehen,  verschiedenartigen  Vergleichsgegenstande  constatiert  wird 
(beispiele  aus  der  litteratur  s.  an  dem  in  anm.  1  angeführten  orte 
8.  125  f.). 

So  findet  sich  jüidXiCTa  denn  auch  bei  den  verben  des  meinens, 
vermutens;  scheinens,  vgl.  Herodotos  II 8  crdbioi  bi.  jiidXiCTa  dbÖK€Öv 
jLioi  clvai  biTiKOciiüV  QU  TrX^ouc,  bei  pronominen  (oötiü  jüidXiCTa 
usw.),  besonders  interrogativen  (t(  jiidXiCTa;  ttöcgi  {iidXiCTa;  tt^  jud- 
XiCTtt)  ,  bei  orts-  uifd  Zeitbestimmungen  (zb.  tÖT€  judXiCTa  Aristoph. 
Vö.  1116.  Eur.  Iph.  Aul.  342,  T^be  juevTCi  0'  fijLi€p(;i  jidXiCTa  Aristoph. 
Vö.  1071,  TTTiviKa  indXiCTo;  Piaton  Kriton  43*  'wann  am  ehesten? 
wann  denn  wohl?,  wann  eigentlich?',  tö  bfe  ?p)Lia  .  .  iöv  i\  iröpqi 
jLidXiCTa  Herod.  VII 183,  irpöc  vötov  judXiCTa  T€Tpa)LijLi^vov  Thuk. 
(Krüger)  II  15,  3  und  zahlreiche  andere  in  den  grammatiken  und 
in  der  'sjntax  der  gegensätzlichen  comparation'  gesammelte  stellen) 
—  überall  im  sinne  einer  unter  verzieht  auf  eine  genaue  angäbe  ge- 
gebenen oder  zu  gebenden  annäherungsweisen  Schätzung, 
Wahrscheinlichkeitsrechnung. 

Die  gleichartigkeit  oder  vielmehr  identität  des  fidXiCTtt  bei 
zahlen  mit  dem  in  den  angeführten  Verbindungen  auftretenden  ist 
leicht  zu  erkennen  und  auch  kaum  ernstlich  bestritten  worden,  es 
läszt  sich  wenigstens  logischerweise  für  ein  solches  jüidXiCTa  bei 
einer  local-  oder  temporalbestimmung^  die  einen  zahlbegriff  enthält, 
durch  den  zahlbegriff  allein  die  aufstellung  eines  verschiedenen  er^ 
klärungsprincips  nicht  rechtfertigen,  vielmehr  wird  in  allen  fällen 
dem  sinne  des  jüidXiCTa  bei  zahlen  und  maszbegriffen  das 
deutsche  'ungeföhr,  am  wahrscheinlichsten,  wohl,  etwa'  gerecht, 
auch  unser  'gewis'  wird,  wie  Yömel  richtig  hervorhebt,  so  gebraucht| 
wenn  etwas  auch  nicht  gewis  ist.  vgl.  'es  sind  gewis  4  stunden  von 
hier'  dh.  es  werden  wohl  4  stunden  sein ;  'es  waren  gewis  tausend 
menschen  anwesend'  —  das  Hom.  judXa  jüiüpioi  (lat.  /*ere,  circUer).* 
so  bestimmt  auch  Cicero  mit  bezug  auf  Thuk.  I  118,  1  dv  £T6Ct 
TT€VTrJKOVTa  jLidXicTa  jLiexaHu  xfic  E^pHou  dvaxwpiicciüc  xal  Tf|c 
dpxnc  ToCbe  ToG  TToX^fiou  den  Zeitraum  von  der  preisgäbe  Athens 
durch  Themistokles  bis  zur  einschlieszung  der  stadt  unter  Perikles 
durch  annum  fere  post  quinqitagesimum  (cid  Att.  VII  11,  3),  in 
Wirklichkeit  waren  es  49  jähre. 

Auf  experimentelle  bestätigung  unserer  grammatischen  beweis- 

'  auch  Poppo  hat  die  naheliegende  bedeatangsentwicklung  des 
Superlativs  nicht  erkannt;  er  bemerkt  zu  Thuk.  I  13  «luidXiCTa  «— /iprwie, 
plus  minus ,  quamquam  quomodo  hanc  vim  acceperit  parum  liquet.> 


588       OSchwab:  über  ^dAicxa  bei  lablen  und  maazbegriffen. 


fÜhruDg  dürfen  wir  nicht  hoffen:  genaue  berechnungen  und  Prü- 
fungen dtsr  angaben  der  autoren,  wie  sie  zb.  Clinton,  dann  V5mel| 
und  auch  S€hiibart  durch  nachmessungen  verbucht  haben ,  sind  bei^ 
der  Unsicherheit  des  maszstabea  wie  der  localen  Verhältnisse  nicht 
unanfechtbar,  thatsfichlich  hat  sich  auch  immer  ein  plus  oder  minnä 
gegenüber  den  überlieferten  zahlen  ergeben,  eo  dasz  sich  wieder 
die  frage  erhebt:  gestattet  die  vorhandene  differenz  die  zahl  doch 
noch  als  eine  genaue  angäbe  zu  betrachten  oder  ist  sie  gerade  ein 
beweis  für  die  ungenauigkeit?  ferner:  hat  der  autor  Uberhaupt 
selbst  eine  genaue  rechnung  zu  gründe  gelegt? 

Als  gleichwertiger  ersatz  von  pdXicia  werden  gebraucht  di© 
sjnonymen  adverbialia  IffUTQTa  Thuk.  VI  4,  4.  ö,  3,  ^ffuc  Thuk, 
VI  2, 5.  5,  3,  Xen.  Anab.  IV  2,  28  =prap€,  paene  (vgl  Plalon  Parm. 
127^),  dpöOTara  Piaton  Ges.  VI  771  \  wozu  vielleicht  als  ana- 
logon  eine  redensart  aus  der  fränkischen  mundart  bei  schwanken- 
den, auf  ungenauer  Schätzung  beruhenden  zahlangaben  angeführt 
werden  darf:  twenn's  mir  recht  ist»;  icarc  Dem.  20,  21  iif\KOVi(X 
icuic  f\  mKpqj  TiXeiouc,  21,  154  YtTOVibc  firi  irepi  irevxiiKOVTa 
iciüc  f\  piKpöv  IXaxTOV.  für  endgültig  beweisend  hätte  aber  schon 
der  mnatnnd  erachtet  werden  sollen,  dasz  in  unmittelbarer  Ver- 
bindung mit  judXiCTa  die  zur  bezeichnung  der  numerischen  un- 
bestiraratheit  dienenden  präpositionen  Tt€pi,  €lc,  Kaid  (zb.  Tiepi 
ciKOCi  ^dXicTö  xai  iKttTÖv  Thuk-  m  98, 3,  de  bi  dvSpac  biOKOcioucj 
Ktt»  etKOCi  judXicia  DI  20,  2),  jjdXicta  und  —  besonders  bei  Herodol 
—  die  adverbialen  indefinita  wie  nou,  Trf|  (k^),  ituic,  djc  auftrtiten^ 
demgemilsz  erklärt  Buttmann:  *bei  wirklichen  zahlen  drückt  ^äXiCTü 
die  höhe  derselben  zwar  mit  Überzeugung  aus  (gewis,  gut,  gern] 
doch  so  dasz  man  zu  erkennen  gibt,  es  sei  nicht  v$ll]|^ 
ausgemacht,  daher  auch  öfter  irf),  izou  udgl.  beigefügt  ist/  vgl 
auch  Hermann  ad  not.  ad  Viger,  s.  416. 

Wie  bringt  Vömel  diese  erscb einung  mit  seiner  definition  vo 
^dXtCTQ  e=  'gerade,  voll,  genau*  in  einklang?  er  musz  zu  der  selt-^ 
samen  erklärung  greifen:  'eben  weil  ^dXicta  bei  zahlen  eigentlich 
«genau»  heiszt,  so  setzte  man  da^  wo  die  genauigkeit  nicht  so  ver- 
bürgt werden  konnte,  noch  eine  mildernde  partikel  dazu*  —  in  der 
that  eine  höchst  sond*^rbare  contradictio  in  adiectol  wer  nur  mv 
einem  solchen  orakelbaften  'genau  ungefähr*  *gerade  etwa*  etwa 
anzufangen  wüste l  Vömel  setzt  sich  auch  mit  sich  selbst  in  wider* 
Spruch ,  wenn  er  daraus  die  bedeutung  einer  *objectiven  ungewis* 
heit*  zu  entwickeln  sucht,  im  übrigen  scheint  er  eigentümlicher- 
weise eine  'runde'  zahl  für  eine  genaue  Zahlbestimmung  zu  haUev 

Nur  bei  pdAicta  als  ungenauer  zahlangabe  sind  ferner  hin  uni 
wieder  —  ganz  wie  bei  Icujc,  s.  oben  —  sieh  findende  zusitsi 
wie  Kai  öXiTUJ  nXeiuj,  icai  (tö)  tiX^ov  statthaft  wer  denk 
und  spricht  wohl  so,  wie  Vömel  die  beiden  »teilen  bei  Tbukydidea 
I  18  und  VII  80  übersetz :  iTf\  T^p  ^CTi  ^dXiCTa  TCTpaKOCia  Kai 
öXiYt}J  TrXeSuj   'es   waren  gerade  40O  und  noch  etliche  jähre',  t6 


OSchwab:  über  ix&Kicra  bei  zahlen  und  maszbegriffen.        589 


^juicu  jLidXiCTa  KQi  TÖ  ttXcov  'gerade  die  hälfte  und  noch  etwas 
mehr'  ?  die  genaue  angäbe  würde  ja  eben  durch  den  zusatz  wider- 
rufen, mit  dem  logischen  sinne  verträgt  sich  dagegen  durchaus  die 
Übersetzung:  'es  mögen  etwa  400  jähre  sein  und  (oder)  mehr',  *un« 
gefähr  die  hälfte,  eher  noch  etwas  mehr',  mit  Kai  soll  in  diesen 
Wendungen  offenbar  keine  addition  ausgeführt  werden ,  sondern  es 
ist  in  dem  bekannten  disjunctiven  sinne  zwischen  zwei  unmittelbar 
aufeinander  folgenden  zahlen  gebraucht  wie  bei  TpixöA  T€  Kai  T€- 
TpaxOa,  ter  quaterque  ■=  drei  bis  (oder  auch)  viermal,  vgl.  Dem. 
20,  21  dErJKOVTa  icu)c  f|  jaiKpai  TiXeiouc. 

Im  classischen  sprachgebrauche ,  auf  den  sich  unsere  beobach- 
tungen  erstrecken ,  findet  sich  jiidXiCTa  bei  wirklichen  zahlen 
überhaupt  nur  in  der  prosalitteratur,  nie  bei  den  dich- 
tem, dieser  umstand  erklärt  sich  aus  der  stilgattung  zur  genüge, 
wie  denn  auch  in  der  prosa  die  Schriften  der  historiker  das  haupt- 
gebiet der  Spracherscheinung  ausmachen :  wir  haben  für  Herodotos, 
Tbukydides  und  Xenophon  zusammen  78  beispiele  gezählt,  auszer- 
dem  nur  bei  Andokides,  Demosthenes  und  Piaton  im  ganzen  13  bei- 
spiele. wir  geben  im  folgenden  zunächst  eine  statistische  Übersicht 
der  häufigkeit  des  gebrauches  von  jüidXlCTa  in  Verbindung  mit  in- 
definiten adverbien  oder  präpositionen  und  mit  berücksichtigung  von 
dessen  Stellung  vor  oder  nach  der  zahl. 


mit 

ohne 

summa 

stellungr 

zur  zahl 

indcf.  ad 

V.,  prfip. 

vor 

nach 

1.  Herodotos 

18 

3 

21 

7 

14 

2.  Thukydidea 

6 

47 

63 

16 

38 

3.  Xenophon 

— 

4 

4 

2 

2 

4.  Andokides 

— 

2 

2 

2 

— 

6.  Demosthenes  ..... 

1 

6 

6 

6 

•  __ 

6.  Piaton 

3 

2 

6 

3 

2 

Die  citate  im  einzelnen  führen  wir  ihrem  inhalte  nach  in  vier 
kategorien  vor:  a)  Zeitbestimmungen,  V)  entfernungen ,  c)  menge, 
d)  körpermasz^  umfang,  ausdehnung. 

Herodotos:  a)  1 119  ?T€a  rpia  Kai  b^Ka  ttou  judXicTa  T^TOViöc. 
209  duiv  t6t€  fiXiKiTiv  de  61K0CI  KOu  )Li(iXicTa  fxca.  II  145  (zwei- 
mal). VII  22.  —  &)  II  8  s.  0.  138  dcTpiüjn^vn  dcTi  öböc  X(0ou  ixz\ 
CTabiouc  TpcTc  jLidXiCTd  kij.  IV  86.  124.  181.  V  83  crdbia  bfe  fid- 
Xicid  Kij  dirö  Tfic  TTÖXioc  übe  cTkoci  dir^x^i.  ^H  30.  109  übcci  xpi- 
fiKOVTa  CTabiu)v  indXiCTd  kij.  VIII  8.  IX  15.  —  c)  II 130  (koXgccgI) 
doöcai  dpiGjLiöv  uic  cTkoci  fidXicTd  Kq.  III  159  tiüv  dvbpiöv 
Touc  Kopu9aiouc  judXiCTa  de  ipicxiXiouc  dvecKcXömce.  VII  234. 
VIII  65.  —  d)  II  96  Xi0oc  TeipTiMdvGC  biidXavTOC  jLidXicxd  kij 
CTa9jLi6v.   VIII  31  uic  TpniKOvia  crabiuiv  judXicxd  kij  eöpoc. 

Tbukydides:  a)  I  13,  2  Itx\  b*  dcxl  judXicxa  xpiaKÖcia.  13,  3. 
18,2  s.  0.  105,  5  fijadpaic  ßcTcpov  buibcKa  jLidXicxa.  118,1.  II  19,1 
fljLidpqi  ÖTÖonKOCTq  jLidXiCTa.   57,  2.  58,  3.  III  29,  2  fijudpai  bfe  jid- 


590       OSchwabi  über  ^dXicTa  bei  sablen  und  ma«abegriffen. 


XiCTO  ncav  .  .  ^TTid.  IV  54,  4  ähnlich  YIII  64,  2  beuT^pui  finv* 
^d\iCTa.  68,  4  ?T€1  ^KaiocTui  na^ic'fct  dh.  99  jähre  (nach  Dod-» 
well  98),  nemlich  von  510  —  411  vor  Ch.  hierzu  noch  K  36, 
^fieic  oibe  oi  vöv  in  övtec  MdXtcia  iv  rrj  KaOectriKuiqt  fiXiKiqi,  — 
h)  I  63.  2  diTcTxe  be  ^^HKOVia  judXicxa  ciabiouc.  11  BS,  2  bi^x^tov 
dir'  dXXrjXoiv  ctabiouc  lidXicta  Itttä  ific  öaXdccTic.  III 21, 1.  92, 5. 
97,  2.  105,  I  TT^VT€  KOI  eiKOCi  crabiouc  iiidXicTa.  IV  3»  2»  8,  5  ^i- 
XeOoc  nepl  TT€VT€Kaib€Ka  ctabiouc  ndXicia,  57,  1  CTabiouc  ^d- 
Xicia  b£Ka.  66, 4,  104,3  (6dcoc)  fi  vncoc  .  ,  dtr^xo^c«  Tfjc  'A^<pi- 
TTÖXeuüC  fipiceiac  n^^pac  ^dKicia  ttXouv.  110,  1*  V  3,  3.  VI  1,  i. 
VII  19,  2  direxei  ciabioic  ^dXicxa  Tf\c  tujv  'AGrivaiiüV  iröXemc 
eiKOCi  Kai  ^kutöv*  29,  2.  VIII  67,  2.  95,  2.  —  c)  I  54,  4  TpidKovia 
vaOc  ^dXiCTa.  II  97,  3  q)dpoc  bc  Ik  TTdcr^c  tflc  ßapßdpou  xai  twv 
*€XXiivibuüv  TTÖXcujv  .  .  xeTpaKociiuv  TaXdvTuuv  dptupiou  ^dXiCTCij 
buva^tC:  hier  kaon  offenbar  nur  eine  runde  zahl,  die  pauschal 
summe,  der  durchi>Ghnittsbetrag  gemeint  sein.  98,  3  Kai  toutou  jÖ 
pfev  ttX^ov  tt€Z!6v  f|V'  ipiiTi^öpiov  bt  ^dXicta  ittttiköv**  III  20,  2 
ic  hi  dvbpac  biaKOciouc  koI  eliKOci  pdXicTa.  85,  3.  98,  4  Kcpi 
€iKoci  ^dXicia  Km  kaTÖv,  109,  2.  113,  2.  IV  31,  1.  93,  3.  124,  1. , 
V  6,  4,  VII  1,  5.  30,  3  £uveßori9r|cav  ^c  cTkoci  ^dXicTa  liTTT^ac 
Kai  ÖTiXiiac  32,  3  de  ÖKiaKocmuc  ^dXicxa*  37,  3.  60,  3.  80, 
s.  0,  83,  3.^  —  d)l  93,  4.  IV  8,  4.  VII  59,  2  ctömu  (Xi^^voc)  äktiI 
ciabtuuv  lidXicia. 

Xenophon:   c)  Hell.  V  2,  31   totc   bf\  d7i€Xii*P»lcav   elc  Tac 
*AOr|vac  .  -  ^dXtcia  TpiaKOCioi.   Anab.  V  4, 12  fcTTicav  dvd  dicaTÖi 
lidXiciap  —  d)  Anab.  VI  4,  3  ^dXicia  TCTTdpuJV  nX^Opujv  TÖ  €upoO^ 
Kyr.  VI  1,  52  f\v  be  toöto  rptdiputov  ^aXicra  dnö  t^c  t^c    (ebd* 
I  6,  20  o\  vojiGi  ploi  boKoOci  Taüia  buo  ^dXicra  bibdcKetv :  hier , 
steht  fidXtCTa  in  steigerndem  sinne  und  gehört  nicht  zur  zahl*) 

Ändokidt*»:  c)  1,  38  dvöpuinouc  töv  dpiOpöv  pdXicia  rpiaKO-'^ 
ciouc  (hier  ist  ^dXtCTa  von  Bekker  und  Sluiter  aus  Galenos  bd.  V 
8.  603  eingesetzt  worden).   4,11  jidXicia  binXdciov  (rdv  q>6pov) 
4KdcT(4J  Tüjv  iuixpL&xwv  diroiTicev. 

Demosthenes:  c)  27,  6  TU  ^tv  dXXa  TTdvTQ  dTTCCTepriKaci, 
olKiav  bi  Kai  dvbpdrroba  TCrrapa  kuI  b€Ka  Kai  äptuptou  ^vä 
TpidKovia  pdXicia.  Eü^navia  Tauia  ek  dßbo^nKovta  >ivdc  Tiapa- 
bebdiKaciv.  27, 17  ddv  Tic  cuvti8^  tö  t'  dpxatov  kqi  tö  ipjov  tuuv 
b^Ka  dxuiv,  ^dXicTa  TpSa  TdXavxa,  27,  23.  39  ähnlich  (Vömel  tbut 
unrecht  hier  and  im  vorausgehenden  beispiele  die  interpunction  nach 


'  hteri  wo  die  bedeattin|^  so  kUr  liegt,  übersetzt  Vömel:  ^dtkn  drittel 
bestmid  meiitens  aas  reiterei',  dk«  kAon  MdXicta  nie  bedeuten;    vrt^j 
bliebe  der  rest  dea  dritteU?       *  Vit  42,  1  ist  M^XiCXa  nach  vaOc  tc  Tp 
Kai   ^ßbo^^KOVTa  in  «inigen  haa.  sicher  inter[»oltcrt  und  fehlt  mit  rtch 
iii  gut6a  codd*  (zb.  dem  Vaticanus).    es  i»t  ja  vidü  g^iins  geaiia«,  durel 
bcrecbDung  früherer  angaben  festgestellte  xAhl.     ^äXicxa  »teht  nur  b< 
xahlea,    die  aof   10  oder  6  abgarundt^t  sind,    woun   c«  siob   am   ^«ai«^ 
Itaudelt  (sonst  deutet  ^dXtcTa  auch  cineu  weggeUsaeueu  Urttchteil  aa)« 


OSchwab:  über  juidXtCTa  bei  zahlen  und  maszbegriffen.       591 

^dXiCTa  zu  setzen,  der  Zeitraum,  die  rpia  ^tt)  bilden  ein  feststehen- 
des masz ;  es  kommt  vielmehr  auf  berechnung  der  summe  an,  welche 
natürlich  nur  eine  schwankende  zahl  ergeben  kann).  28,  13  dXXä 
KQi  TOUTiüv  Tfjv  TijLif|V  dTTOCTcpei  jLi€,  juaXiCTQ  xdXavTOV.  36,  6  fiv 
oucia  TTaciuüVi  jiidXiCTa  TaXdvTUiV  eiKOCi.  es  handelt  sich  also  immer 
um  berechnung  gröszerer  geldsummen,  wo  Demosthenes  fidXiCTa 
verwendet. 

Piaton:  a)  Parm.  127*'  irepl  irr]  MdXicra  tt^vtc  Ka\  ÖrJKOVTa. 
Timaios  21*  fjv  juev  fäp  hi\  töt€  KpiTiac  cx€bdv  ^tt^c  i\br]  täv 
dvevriKOVia  dTuiv,  tfd)  bi  tti]  jadXicxa  bcK^TTic.  —  d)  Kritias  112<* 
Ttepi  buo  jLidXicTa  öviec  jnupidbac.  Ges.  X  894«^  tuiv  bf|  b^Ka  jud- 
Xicta  f]jLiTv  KivnceuüV  Tiva  TTpoKpivaijuev  öpediaia  ttqcüjv  dppu)- 
lnevecTdiTiv ;  (vorher  geht  rauTTiv  bCKdinv  cxeböv  sc.  kivticiv  dpoO- 
jLiev).  —  d)  Kritias  118  **  TÖ  TrXdioc  judXicia  ^KttTÖv  TTobüJV  biu)puX€C. 

In  der  ganzen  classischen  litteratur  nach  Herodotos  und  Thuky- 
dides  erreicht  also  der  gebrauch  von  judXiCTa  bei  zahlen  bei  weitem 
nicht  die  häufigkeit  wie  bei  diesen,  in  der  historischen  darstellung 
war  an  sich  mehr  gelegenheit  zur  Verwendung  dieses  jiidXlCTa  ge- 
geben^; immerhin  erscheint  es  auffallend,  dasz  unter  den  rednern  es 
sich  nur  bei  Andokides  und  Demosthenes  findet  und  auch  hier  auf 
eine  einzige  ausdrucksform  (sch&tzungen  von  geldeswert)  beschränkt, 
wir  heben  noch  hervor,  dasz  die  pseudo-Demosthenischen  reden  (des 
Apollodoros  und  der  rhetoren)  auch  hier  —  wie  auf  den  von  uns 
beobachteten  gebieten  der  sjntax  meistens  —  im  sprachgebrauche 
nicht  Demosthenes,  sondern  der  schar  der  andern  redner  (vorzüglich 
Isokrates)  folgen,  doch  ist  natürlich  hierauf,  ebenso  wie  auf  das 
fehlen  in  den  pseudo-Platonischen  dialogen,  bei  der  geringen  anzahl 
der  citate  kein  entscheidender  wert  zu  legen. 

Über  die  constructionsformen  im  besondern  hat  die  beobach- 
tung  folgendes  ergeben  und  zwar 

a)  bezüglich  der  indefiniten  adverbia  und  Präposi- 
tionen, bei  Herodotos  ist  ein  derartiger  zusatz  nahezu  regel  (mit 
drei  ausnahmen),  am  häufigsten  K^:  meist  findet  sich  sogar  die 
präp.  de  oder  UJC,  ibcei  in  Verbindung  mitKOU,  Kf|  (lOmal).  Thuky- 
dides  erachtet  derartige  verdeutlichende  zusätze  kaum  mehr  erforder- 
lich^; nur  6  mal  unter  53  beispielen  setzt  er  ein  ic  oder  auch  irepi 
vor  die  zahl,  dies  unterbleibt  späterhin  gänzlich ,  bis  Demosthenes 
wieder  in  einem  beispiele  auf  den  altern  Sprachgebrauch  zurück- 
greift, den  Piaton  sogar  bevorzugt;  für  letztern  ist  besonders  die 

^  aus  der  spätem  litteratur  hat  Schubart  ao.  beispiele  ans  Pau- 
sanias  zusammengetragen,  für  die  scriptores  bist.  Byzaot.  (besonders 
Prokopios)  wird  mir  der  häufige  gebrauch  des  ^dXiCTa  von  meinem 
cüUegeu  ADittelberger  versichert.  *  die   bemerkuug  Vigers  (c,  adn. 

Hermanni  s.  116)  Über  jidXiCTa  (4:apud  Atticos,  praesertim  Thucydidero, 
Xenophontem  .  .  cum  numerabilibus  iungitur.  quo  sensu  Thucydides  non 
raro  adiunetas  habet  particulas  nt],  TOi,  iruJC,  irou»)  beruht  offenbar  auf 
einer  Verwechslung  des  Thukydides  mit  Herodotos;  jener  verwendet  nur 
Präpositionen  neben  fbidXiCTa. 


592       OSchwab',  über  jidXicra  bei  zahlen  und  maazbegnffen. 


zaBaramenstellung  Kij]  fJüdiXicia  nach  Hero  doli  sehe  m  muster  —  wenn 
auch  in  ao derer  anordniing  —  cbarakteris tisch, 

h)  bezüglich  der  Stellung  von  pctXiCTa  und  der  Par- 
tikeln, die  regelmöszige  Stellung  bei  Herodotos  ist  pdXtCTCc  Kq 
nnd  (4  mal)  KoO  paXicia  in  unmittelbarem  anscblusz  an  die  zahl 
bzw»  den  maszbegriff  (wie  ciablouc  usw.):  zb.  wc  d£r|KOVTa  Mci- 
Xicxd  Kq,  ^c  eiKoci  koo  ^aXicia  eiea,  nur  viermal  ist  ^äXiCTd  ktj 
vorangestellt  (darunter  3  mal  in  Verbindung  mit  de  oder  d*c) ;  IV  86* 
V  83.  VIII  8.  65  ujc  dvbpüuv  (laXicid  Krj  Tpicjiupiojv;  auszerdem 
/idXiCxa  noch  3 mal:  II  8  wo  es  mehr  zum  verbum  zu  conatruieren 
ist,  8.  0.  III  159  (mit  it),  IV  181.  —  Noch  ausgesprochenere  regel 
ist  die  nach  Stellung  von  fidXicra  bei  Thukjdides;  bei  15  bei* 
spielen  mit  vorangestelltem  jidXiCTa  sehen  wir  den  gleichzeitigen 
gebrauch  von  präpositionen  ausgeschlossen,  fxdXtCia  nimt  dabei 
regelmäszig  die  Stellung  zwischen  dem  appellativum  (dem  masz- 
begriff)  und  der  zahl  ein-,  also  zb.  lxv\  tcri  MdXicia  TpiaKücia,  cra- 
biouc  jMidXtcxa  bcKa»  gewöhnlich  aber  dSfiKO via  ^dXicta  ciabiouc, 
TpidKovxa  vauc  jidXicxa,  beut^piu  inT^vi  ^dXlcxa  usw.  III  98,  4  mit 
zwiachenstellung:  'AOiivaiaiv  ÖTiXiiai  nept  cIkoci  ^dXtcxa  Kai 
^KQXÖv  (dagegen  zb.  III  20^  2  ic  hi  avbpac  biaKociouc  Kai  eiKOCt 
pdXicxa).  in  betreff  der  folgenden  autoren  verweisen  wir  auf  die 
6.  590  gegebene  Zusammenstellung  und  die  angeführten  citate« 

Bei  mehreren  zablangaben  nach  ungefährer  Schätzung  beh&U 
aicb  Thukydides  einen  Wechsel  zwischen  präposition  und  ^dXicxa 
vor:  V  6» 4  xö  b*  öttXixiköv  £u|iTTav  i^QpoicOii  bicxvXioi^dXicxa* 
xouxujv  Bpacibac  fiev  ^x^v  im  KtpbuXioi  ^Kd9nxo  ic  irevxa- 
Kociouc  Kai  xi^^o^c»  oi  b'  dXXoi  usw.,  I  54,  4  Kopiveioi  vaöc 
Kaxabiicavxec  nepi  lßbo|ir|Kovxa,  KepKupaioi  bl  xpidKovTa 
vauc  ladXicxa  biaqpOtipavxcc.  in  anderen  beispielen,  wo  unter 
mehreren  zablangaben  nur  ^ine  den  beisatz  ^dXicxa  aufweist,  ist  der 
grund  hierfür  leicht  zu  erkennen ,  und  die  von  Vömel  daraus  ge- 
zogene schluszfölgerung  hinföllig:  Thuk.  V  84,  1,  2.  Vll  37,  3  wer- 
den fUr  die  truppen  der  Athener  und  ihrer  zugehörigen  genaue 
zahlen  gegeben ,  für  die  der  bundesgenoasen  un^  inselstaaten  bzw* 
der  gegner  nur  annäherungsweise;  ^dXlCTa  'etwa,  ungei^hr'  steht 
darum  gerade  hier  mit  vollem  recht  an  seinem  platze. 

München«  Otto  Schwab. 


CROger:  zu  Demosthenes  rede  vom  trierarchischen  kränze.     593 

67. 

ZU  de:mosthenes  rede  vom  trierarchischen 

KRANZE. 


§  4  ipriqpicjLia  fäp  ujuujv  TTOiTicaja^vujv,  8c  fiv  fifi  irpö  ttic  ?viic 
KQi  veac  im  x^M«  Triv  vaöv  TrepiopjLiicri ,  bflcai  Kai  biKacxripiifi 
TTttpabouvai,  Ktti  xaÖTa  KupuücdvTUiv,  ifd)  ja^v  TTepiuOpjaica  Kai  cid- 
<pavov  biet  Tttöia  irap'  ujuäv  f Xaßov ,  oötoi  b'  oube  KaOeiXKucav, 
Ojct*  ^voxoi  becjLiiu  yeTÖvaciv.  zu  vielfachen  erörterungen  haben  in 
dieser  stelle  die  worte  Kai  cxeqpavov  bid  Taöia  rrap'  ujliüüv  f  Xaßov 
veranlassung  gegeben,  der  Sprecher  der  rede  will  hiemach  vom  rate 
der  fünfhundert,  vor  dem  die  rede  gehalten  ist,  einen  kränz  erhalten 
haben,  da  er  nun  aber  in  der  ganzen  übrigen  rede  von  einem  kränze 
spricht,  den  er  noch  nicht  hat,  auf  den  er  vielmehr  mit  seiner  rede 
seinen  anspruch  zu  begründen  sucht,  so  entsteht  die  frage,  ob  der 
an  unserer  stelle  erwähnte  kränz  identisch  ist  mit  demjenigen ,  von 
welchem  die  ganze  übrige  rede  handelt,  oder  ob  von  zwei  verschie- 
denen kränzen  die  rede  ist,  von  einem  den  der  Sprecher  schon  hat, 
und  von  einem  den  er  durch  seine  rede  noch  zu  erlangen  strebt. 
ASchaefer  (Demosthenes  u.  seine  zeit  III  2  s.  153)  vertritt  die  erstere 
ansiebt;  er  meint,  der  kränz  sei  dem  Sprecher  zwar  vom  Schatzmeister 
zugesprochen  (nach  §  1  vöv  bfe  Tiu  TTpOüTiü  TrapacKCuctcavTi  xfjv 
TpirjpTi  TÖv  TajLiiav  TTpoc^raEev  6  bfiiLioc  boOvai)  —  insoweit  habe 
er  ihn  erbalten  —  da  aber  die  andere  partei  berufung  an  den  rat 
eingelegt  habe ,  so  habe  die  öfifentliche  bekränzung  noch  nicht  statt- 
finden können.  KirehhoflP  dagegen  (abh.  der  Berliner  akademie  der 
wiss.  1865  s.  65  fif.)  sucht  ausführlich  nachzuweisen,  dasz  es  sich  um 
zwei  verschiedene  kränze  handle,  der  Sachverhalt  war  nach  ihm  kurz 
folgender:  durch  den  in  §  1  erwähnten  volksbeschlusz  (ei  jii^v  ÖTtp 
TiXeTcTOi  cuveiTTOiev  tö  ipri9ic|Li'  ^K^Xeue  boövai  töv  ci^qpavov)  war 
die  aussendung  einer  fiottenexpedition  beschlossen  und  um  den  eifer 
der  trierarchen  anzuspornen,  wie  üblich,  demjenigen,  der  sein  schiff 
zuerst  fertig  ausgerüstet  haben  würde,  ein  goldener  kränz  in  aus- 
sieht gestellt  worden. ,  das  geld  für  herstellung  desselben  war  auf 
die  casse  des  TajLiiac  angewiesen  worden  (so  sind  nach  Kirchhoff  die 
oben  citierten  worte  in  §  1  xöv  Tajiiav  TTpoc^iaHev  ö  bninoc  boövai 
zu  verstehen),  in  dem  volksbeschlusz  war  auch,  wie  Kirchhoff  aus 
andern  ähnlichen  Urkunden  schlieszt,  mit  angegeben,  dasz  die  schiffe 
der  trierarchen  bis  zu  einem  bestimmten  termin  an  den  hafendamm 
gelegt  sein  müsten,  was  TTapaKO|Lii2[6iv  Tf|V  vaOv  ^Tr\  tö  X^V^^  o^ö^ 
7T€piop|Liiil€iv  Tfiv  vaöv  ^TTi  X^M«  hiesz.  dieser  Vorgang  ist  nach 
Kirchhoff  durchaus  nicht  identisch  mit  der  fertigen  ausrüstung  des 
Schiffes  (TrapaCK€ud2[€iv  Tfjv  vaOv) ,  sondern  bedeutet  nur  den  an- 
fang,  die  inangriffnahme  derselben,  da  nun  die  trierarchen  sehr 
säumig  zu  werke  giengen,  so  erliesz  der  rat  als  diejenige  behörde, 
welche  die  Oberaufsicht  über  das  ausrtistungsgeschäffc  führte,  ein 

JahrbQeher  fQr  elass.  philo).  1893  hft«  8  a.  9.  38 


594     CKüger;  t\x  DemoBthenee  rede  Tom  trierarcliiüclien  kraute. 
besoDderes   strafedict,   das   in  §  4  erwähnte  (»|iriq)ic^o  yäß  ö^OüV 

TTOinCailtVUDV»  ÖC  äv  m  TTpÖ  Tf)C  ^VTIC  KUX  V^QC  ^TTl  X^^^  ^fl^  VaOv 

irepiopMicr) ,  bfjcai  Kai  biKCtCTripiw  napaboövai),  wonach  diejenigen 
trierarcben,  welche  bis  zu  ende  dea  monata  ihr  schiff  nicht  an  den 
hafendamm  gelegt  bS,tt6n,  ins  gefän^nis  geworfen  und  den  gericbten 
übergeben  werden  sollten,  der  Sprecher  soll  nun,  wie  Kirchhoff  an- 
Bimt,  bei  der  anlegung  seines  schiffes  an  den  harendamm  besondem 
eifer  gezeigt  und  hierfür  vom  rat  einen  kränz  erhalten  haben  (§  4 
if\h  ^tv  TrepuLpiiica  kqi  CT^qpavov  bid  Taöta  irap*  iifiiüv  eXagov), 
von  diesem  kränze  sei  aber  d6r  zu  unterscheiden ,  den  er  au^zerdem 
noch  beanspruche  dafür»  dasz  er  sein  schiff  zuerst  fertig  ausgerüstet 
habe ,  und  auf  den  er  mit  der  vorliegenden  rede  sein  anrecht  zu  be- 
gründen suche,  dasz  zwei  verschiedene  kränze  gemeint  seien,  dafür 
Bpreche  endlich  auch  ein  grammatisches  moment;  der  erste  kränz 
nemlich  werde  ohne  artikel  als  CT^cpavoc,  der  zweite  immer  mit 
ariikel  als  6  CT^cpavoc  bezeichnet«  diet^  ist  im  wesentlichen  Kirch- 
hoffs  ansieht^  die,  so  viel  mir  bekannt,  von  allen  erklärern,  auch  von 
ÄSchaefer  später  rückhaltlos  angenommen  worden  ist.  gleichwohl 
scheinen  mir  gBgen  dieselbe  einige  nicht  unwichtige  bedenken  vor* 
züliegen.  was  erstens  die  Verleihung  von  kränzen  betrifft,  so  war 
zwar,  wie  die  klagen  der  redner  beweisen  (vgl,  Aischines  g.  Ktesi- 
phon  177  ff.),  diese  auszeichnung  im  laufe  der  zeit  im  werte  etwas 
gesunken,  immerhin  war  sie  aber  auch  in  der  zeit  noch,  um  die  es 
sich  hier  handelt,  dh.  um  die  mitte  des  vierten  jh.  vor  Ch,  eine  hohe, 
eifrig  begehrte  ehre  (Dem.  22,  75  OUK  oi6€V  dK6ivo,  ßii  cxecpavoi 
p^v  eiciv  dp€Tfic  citMCiov  .  *  Ka\  CT^q>avoc  }xi.v  ÖTiac,  köv  piKpöc  5, 
Tf|V  icriv  q>iXoTi|ntav  txei  tüj  |i€TdXiu).  sonst  würden  processo  wie 
der  vorliegende  oder  der  bekannte  kranzprocess  zwischen  Demo* 
sthenes  und  Aischines  überhaupt  nicht  möglich  gewesen  sein,  i&t  es 
nim  nicht  einigermaszen  auffallend,  dasz  eine  verbal tnismäszig  so 
hohe  auszeichnung  im  wesentlichen  für  dieselbe  Sache  gle4ch  zwei- 
mal verliehen  worden  sein  soll?  wenn  man  es  ganz  in  der  Ord- 
nung findet,  dasz  derjenige,  der  sein  schiff  zuerst  segelfertig  aus- 
gerüstet hatte,  einen  kränz  erhielt,  was  hatte  es  für  sinn,  auch  den 
noch  zu  bekr£lnzen ,  der  sein  schiff  zuerst  an  den  hafendamm  gelegt 
hatte?  wurde  nicht  die  6ine  bekrSnzung  durch  die  andere  herab- 
gesetzt bzw.  überflüssig  gemacht?  Kirchhoff  nimt  zwar  an,  dasz  der 
erste  kränz  vom  rate,  der  zweite  vom  volke  verliehen  worden  seij 
doch  ist  damit  die  Schwierigkeit  nicht  gehoben;  auch  braucht  in  der 
Wendung  Kttl  CT^q>avov  hxä  lauia  irap*  ujuüuv  Aaßov  unter  dem 
öfiiüv  gar  nicht  der  rat  verstanden  zu  werden,  sondern  es  kann  eben- 
falls wie  an  andern  stellen  der  rede  das  volk  darunter  gemeint  sein 
(zb.  §  14.  22).  hierzu  kommt  dasz  im  text  unserer  rede  gar  nicbi 
einmal  ausgesprochen  ist,  dasz  der  Sprecher  dafür,  dasz  er  sein  schiff 
zuerst  an  den  hafendamm  gelegt,  einen  kränz  erhallen  habe,  son- 
dern dafez  er,  was  die  sache  noch  onwahrscbein lieber  macht,  für  da« 
blosze  anlegen  bekränzt  %n  sein  behauptet  {ifih  M^v  nepidup^ica 


Cßöger:  za  DemoBthenes  rede  vom  trierarchisclien  kraoze.     595 

KQi  CT€9avov  bid  TaÖTQ  Tiap'  ujLiaiv  fXaßov);  deshalb  will  auch 
van  Herwerden  irpuiTOC  nach  irepiiüpiLiica  einfügen  ^  was  die  hypo- 
thesis  der  rede  enthält.  Rirchhoff  meint  zwar^  der  Sprecher  habe  bei 
dem  herumlegen  besondern  eifer  gezeigt ,  doch  davon  ist  nirgends 
etwas  erwähnt,  femer  ist  es  doch  sonderbar,  dasz  der  Sprecher  jenen 
ersten  kränz ,  den  er  erhalten  haben  will ,  nur  so  ganz  beiläufig  an 
dieser  6inen  stelle  und  sonst  in  der  ganzen  übrigen  rede  nicht  wieder 
erwähnt,  wenn  er  wirklich  für  seinen  bei  der  fiottenausrüstung  be- 
wiesenen eifer  schon  einen  kränz  erhalten  hatte,  hätte  er  nicht  darauf 
in  seinen  ausführungen  ganz  besonderes  gewicht  legen  und  dies  seinen 
gegnern  gegenüber  als  ein  besonders  wichtiges  praeiudicium  geltend 
machen  müssen  ?  zwar  ist  die  rede  nur  eine  deuterologie,  aber  auch 
in  einer  solchen  durfte  ein  so  wichtiger  punkt  nicht  so  nebenbei  be- 
handelt werden,  zumal  sich  dies  auch  nicht  aus  dem  Ungeschick  des 
Verfassers  erklären  läszt :  denn  der  Verfasser  ist,  wie  ich  mitBlass  (die 
attische  beredsamkeit  III  1  s«  217)  annehme^  wahrscheinlich  Demo- 
sthenes  selbst^  jedenfalls  aber  ein  gewandter  und  geschickter  redner.  * 
endlich  kann  ich  auch  das  von  Eirchhoff  angeführte  grammatische 
moment,  dasz  der  erste  kränz  ohne  artikel  unbestimmt  als  ein  kränz, 
der  zweite  immer  mit  artikel  bestimmt  als  der  kränz  bezeichnet 
wird,  nicht  als  entscheidend  ansehen,  auffallend  ist  es  freilich,  dasz 
gerade  an  dieser  6inen  stelle  der  artikel  bei  CT^cpavoc  fehlt;  doch 
ist  es  nicht  unmöglich,  dasz  er  hier  ausgefallen  ist  wie  §  19,  wo  er 
von  Blass  des  gegensatzes  wegen  mit  recht  wieder  in  den  text  auf- 
genommen worden  ist  (ujCT*  oToviai  TÖv  äTToE  elpriKÖT*  Sv  KaX^cu)- 
civ  dvaibn,  ccpäc  auTouc  toüc  irdvia  töv  ßiov  kqXouc  KÄtaGoiic 
V0|Lii2Iec6ai).  ich  schliesze  dies  daraus ,  dasz  Libanios  in  der  hypo- 
thesis,  der  die  stelle  fast  wörtlich  wiedergibt  und  offenbar  vor  äugen 
gehabt  hat ,  den  artikel  vor  CT^cpavoc  hat.  im  texte  der  rede  heiszt 
es  §  4  iyd)  jLitv  TrepiuipjLiica  Kai  CT^cpavov  biet  laöTa  rrap*  ujuiüüv 
IXaßov,  bei  Libanios  z.  10  'ATToXXöbiüpoc  oöv  6  TTaciiüvoc*  irpo»- 
TOC  Tf|V  vaöv  7T€piop|Liicac  ^Xa߀  TÖV  CT^9avov.  man  könnte  ein- 
wenden, der  artikel  sei  hier  gesetzt  zum  bestimmten  hinweis  auf 
eine  schon  vorausgegangene  unbestimmte  erwähnung  des  kranzes. 
in  der  that  wird  der  kränz  schon  vorher  in  der  hypothesis  einmal 
erwähnt  z.  5,  aber  auch  hier  mit  artikel  Tiöv  Tpuipdpxiwv  TÖV  \Av 
TTpOüTov  Tuiv  öXXuJV  Tfjv  vaöv  TrapacxövTtt  TTeTrXnPV^M^viiv'  töv 


^  nach  Scbaefer  und  Eirchhoff  ist  es  der  als  Staatsmann  bekannte 
Kephisodotos,  der  in  §  1  als  anwalt  des  Sprechers  genannt  wird  (Kt)- 
(picoöÖTOu  jiövou  |uioi  cuvcip^KÖTOC).  '  irrig  ist  es  jedenfalls,  wenn 

Libanios  verführt  durch  die  ähnlichkeit  der  Verhältnisse  mit  der  vor- 
hergehenden rede  gegen  Polykles  [50]  für  den  Sprecher  unserer  rede 
ApoUodoros,  den  söhn  des  Pasion,  hält.    vgl.  Scbaefer  ao.  III  2  s.  166  ff. 

^  für  napacxövTa  neirXiipuJiLi^vriv  haben  die  besten  hss.  xaTdxovTa 
iTCirXriP^M^'vov.  ich  vermute  dasz  für  xaT^x^'^'^^i  ^^  lesen  ist  KaB^KOVTOy 
und  dasz  im  übrigen  der  stelle  eine  doppelte  in  eins  verschmolzene 
hsl.  lesart  zu  gründe  liegt,  ähnlich  wie  Dem.  [63],  24  (s.  Blass  zdst.) 
uö.    die  eine  lesart  hiesz  t6v  )h^v  irpiIiTOV  Tf|v  vaöv  KaO^XKOvra  töv 

38» 


596     CRüger:  za  DemOBthenea  rede  vom  trierarcbischen  kränze. 

CT^cpavov  Xaßdv.  Blase  in  seiner  ausgäbe  hat  hier  den  artikel  ein- 
geklammert mit  Verweisung  auf  §  4  der  rede,  ich  halte  aber  dies 
nicht  für  richtig^  zamRl  es  sich  ja  hier,  wenn  man  mit  Kirchhoff  zwei 
kränze  annimt^  gar  nicht  um  den  ersten  in  der  rede  §  4  ohne  artikel 
genannten  kränz  handelt  für  daa  anlegen  des  Schiffes  an  den  bafen- 
damm,  sondern  um  den  zweiten  immer  mit  artikel  bezeichneten  für 
die  fertige  ausrüstung  des  schiffes;  darauf  scheint  wenigstens  die 
Wendung  xöv  ^k.v  TtpmTOv  .  .  rriv  vaöv  Trapacxövxa  TteirXTipui- 
fi£VTlV  TÖV  CT^cpavov  XaßeiV  hinzudeuten,  aus  den  angeführten 
gründen  kann  ich  mich  mit  Kirchhofs  ansieht  nicht  recht  befreun- 
den und  möchte  daran  festhalten ,  dasz  es  sich  in  der  ganzen  rede 
nur  um  6inen  kränz  handelt,  und  wenn  der  Sprecher  §  4  erkl&rt, 
dasz  er  diesen  kränz  schon  habe^  während  er  doch  sein  anrecht  darauf 
erst  zu  begründen  sucht,  so  halte  ich  dies  nur  für  eine  ungenaue  aus- 
drucks  weise  dafür ,  dasz  ihm  der  kränz  zwar  vorläufig  zugesprochen 
war,  daaz  aber  die  bekränzung  noch  nicht  stattgefunden  hatte,  weil 
sich  inzwischen  andere  bewerber  gefunden  hatten,  die  ihm  den  kränz 
streitig  machten,  das  daraus  entstehende  processverfahren  bezeichnet 
Kirchboff  richtig  als  eine  biabiKacia,  als  einen  priori tätsstreit,  worauf 
auch  ausdrücke  wie  §  11  toOtov  töv  TpÖTTOV  UftOuv  Tauia  ßpaßcu- 
ÖVTUJV  und  §  17  TT€pl  viKrjTriptuJV  tu*v  XÖTtwv  Svtu»v  hindeuten,  ich 
glaube  aber  nicht  dasz,  wie  Kirchboff  anzunehmen  scheint,  in  jedem 
falle  um  derartige  trierarchische  kränze  eine  diadikasie  entstandi 
sondern  dasz  zunlichBt  der  rat  einem  der  trierarchen  den  kränz  zn- 
Sprach;  dies  war  in  unserm  falle  der  Sprecher,  und  insofern  konnte 
er,  wenn  auch  etwas  ungenau^  behaupten,  er  habe  den  kränz,  ehe 
nun  aber  die  bekrfinzung  vorgenommen  wurde,  ward  eine  frist  an- 
gesetzt, innerhalb  deren  sich  solche  melden  konnten,  die  etwa  gleiches 
oder  besseres  anrecht  auf  den  krans  zu  haben  glaubten,  meldete 
sich  niemand ,  so  gieng  die  bekrftnzung  ungehindert  vor  sich,  mel- 
deten sich  dagegen  noch  andere  bewerber,  so  fand  wie  im  vorliegen- 
den falle  eine  diadikasie  statt  zwischen  diesen  und  d6m  welchem 
der  kränz  zunächst  zugesprochen  war.  ähnlich  liegen  die  verblUt' 
nisso  im  process  gegen  Ändrotion  (Dem*  t^2).  dieser  stellte  am 
Bcblusz  des  Jahres  in  der  volksversamlung  den  antrag,  in  üblicher 
weise  den  abtretenden  ratmännem  den  ehrenkranz  zu  erteilen,  der 
antrag  ward  auch  genehmigt,  dem  rate  also  vorläufig  der  ehren- 
kranz zugesprochen  (§  5  vö^oc  ^CTi,  qpiitiv,  iav  d£iujc  fi  ßouXfl  bOK^ 
ßouXcöcai  bujpeac,  bibovai  töv  bfiMOv  thy  bujpcdv  aürQ.  toöt^ 
^TirjpeTo,  cpnciv,  oOmcidTTic,  bi€X€ipoTÖVT]C€V  6  bfjfioc,  f  boEcv), 
nun  aber  reichten  Kuktemon  und  Diodoros  gegen  den  tiescblusz  die 
klage  wegen  gesetzwidrigkeit  ein  und  hinderten  damit  vor  der  band 
die  vornähme  der  bekränzung,  vgl*  Schaefer  ao.  I  s.  318.    das«  der 

CT^<pavov  XaßtW,  vjrl  DemoBth.  [ö^)].  6  <nin*P*töcöe  xdc  t€  voOc  icoBA- 
K€iv  ToOc  Tptripdpxouc  die  andere  ieajirt  lAtitutc  töv  ^^v  npuiTOV  xfSlv 
dXXujv  Tfjv  vaöv  iTCirXripw^^vov  (von  üem  medium  nXtipoOcOoi)  T^ 
CT^(pavov  Aaßctv. 


CRüger:  zu  Demosthenes  rede  vom  trierarchischen  kränze.     597 

Sprecher  vor  seinen  gegnem  etwas  voraus  hat,  dafür  scheint  mir  der 
selbstbewuste  ton  zu  sprechen,  mit  dem  er  ihnen  gegenüber  auftritt; 
sie  machen  ihm  auch  gar  nicht  den  kränz  überhaupt  streitig,  son- 
dern wünschen  nur  gemeinschaftlich  mit  ihm  bekränzt  zu  sein,  wie 
§  18  zeigt  KeXeuouci  hk  koivQ  CT€(pavoGv  f)|Lidc.  er  weist  aber  diese 
Zumutung  schroff  zurück  mit  den  werten  §  18  ifib  hk  tocoutou  biiu 
TOÖTO  cuTXWJpeiv,  6cou7T€p  KQi  juejLiicGiüK^vai  Tfiv  TpiTipapxiav 
oÖT€  T&P  TOU0'  UTTOiLieivaifi'  6iv  out'  ^KeTv'  dTroiiica.  so  könnte  er, 
dächte  ich,  nicht  sprechen,  und  namentlich  die  verba  CUTX^P^IV 
^zugestehen'  und  ii7rO|Li€V€iv  ^dulden'  könnte  er  nicht  wählen,  wenn 
er  nicht  schon  ein  bestimmtes  anrecht  auf  den  kränz  voraus  hätte, 
und  darunter  ist  eben  meiner  ansieht  nach  die  vorläufige  zusprechung 
desselben  zu  verstehen,  beachtenswert  ist  auch  §  17  kqI  x^pi^ct^^cil 
KcXeiJOuciv  ujLiäc,  ujcircp  ircpl  bu)p€äc,  dXX'  ov  ircpi  viKirnipiiüV 
Toiv  XÖTtJüV  dvTUJV  'und  sie  fordern  euch  auf  aus  gefälligkeit  den 
kränz  zu  verleihen,  gleich  als  ob  es  sich  hier  um  eine  Schenkung  und 
nicht  um  einen  preis  im  wettkampf  handelte',  wonach  das  gröszere 
recht  entschieden  auf  Seiten  des  Sprechers  ist:  denn  die  gegner  fassen 
es  gewissermaszen  als  einen  act  der  gnade  auf,  wenn  ihnen  von  den 
richtern  der  kränz  zuerteilt  wird,  die  sache  war  jedenfalls  die,  dasz 
nach  dem  strengen  rechte  der  kränz  dem  Sprecher  unbestreitbar  zu- 
kam und  gewis  auch  schon  zuerkannt  war,  dasz  aber  zu  gimsten 
seiner  gegner  jene  einfluszreichen  redner,  gegen  die  sich  der  ganze 
zweite  teil  der  rede  wendet  §  13 — 22,  eintraten  und  vermöge  ihres 
einflusses  einen  druck  auf  die  richter  auszuüben  suchten,  vgl.  §  22 
Ktti  TTdvTtt  bi'  aÖToiv  TTOioOvTai  .  .  Ktti  CT€<pavoOv ,  ö V  ßv  auTOic 

bOK^,    Ktti    jLlf)    CT€<paVOÖV    KCXeiicuClV ,    KUpiUJT^pOUC    aUTOÜC   TOIV 

ujLiei^pujv  boTfidTUJV  KaGicTaviec.  — 

§  6  fii  Toivuv  ÖTTTipeciav  Tf|v  Kpaiicinv  fXaßov,  TToXXtfi 
ttXcTctov  dpTupiov  boiic.  oijTOi  V  cl  jiitv  eixov  x^ipov'  f)fia»v, 
oüöev  &v  fjv  beivöv  •  vöv  V  oüb*  ÖTTOiavTivoOv  jütcfiiceujvTai  irepl 
TOÖ  TiXeiovoc  dvTiX^TOVTec.  für  xcipov'  i\^6jy  haben  die  bessern  hss. 
X^ipov'  öv  fljLiuüV,  wozu  Blass  in  seiner  ausgäbe  bemerkt:  «conieceris 
Xcipova  b*».  was  das  nochmalige  b*  nach  dem  unmittelbar  vorher- 
gehenden ouTOi  b*  soll,  weisz  ich  nicht  recht:  sinngemäszer  und  viel- 
leicht auch  von  Blass  gemeint  ist  jedenfalls  x^ipovd  t'  'wenn  sie 
wenigstens  eine  geringerwertige  mannschaft  hätten,  so  wäre  es 
nicht  schlimm,  so  aber'  usw. 

§  7  fiToufiai  Toivuv,  ÖTi  fifev  biKaiöiaT*  dv  cxecpavibcaiT*  i\xi, 

Kdv    jLlTlbfev    eiirÖYTOC    ^JLIOÖ    TITVU)CK€IV    ÖjLläC-     ÖTl    b'    DU    |Ll^T€CTl 

jLiövoic  TOUToic  TT€pi  TOÖ  CT€<pdvou  XÖTOC ,  TOÖT*  diTibeiEai  ßou- 
XojLiai.  auffallend  ist  die  construction  |li^T€CTI  jliövoic  toutoic  iT€pl 
TOÖ  CT€<pdvou  XÖTOC.  jLi^TCCTi  Wird  bekanntlich  in  der  regel  mit 
dem  dativ  der  person  und  dem  genitiv  der  sache,  an  der  man  anteil 
hat,  verbunden ,  wie  auch  in  unserer  rede  §  7  TiüV  bk  TiTVOjii^ViüV 
öl'  dKcTva  TijLiaiv  dHioöv  ^auToTc  jueTeTvai.  nur  neutra  finden  sich 
im  nominativ  zb.  Dem.  20,  8  elG'  fjo  irdci  pi^TecTi  TÖ  fijüiicu.    Thuk. 


598     CBüger:  zu  Deniosthenefi  rede  vom  trierftrchlBcben  krimte* 


TI  37  |ji^T€CTi  -  .  Träct  tö  icov*    etwas  anderes  ist  Dem.  [11].  11 
TOIC    hk    Kai    Ta>V    ^V   ToTc  TTOX^IUOIC   KttKlÜV   OUK  ^XaxtcTOv   jLi€poc 

in^xecnv.  Eur.  IT.  1299  peiecTi  x^M^v  toiv  TTeirpaYM^vujv  ^^poc, 
wo  die  constrüction  gewissermaszen  vollständig  und  der  nommatiT 
pepoc,  der  sonst  gewöhnlich  wegbleibt,  ausdrücklich  als  ergSnzung 
noch  hinzugesetzt  ist.  vgl.  auch  Isokr.  2,  30  in'  öpcrfi  Meto  cppo- 
VÄV ,  fic  ovbkv  \iipQC  Tok  HOVilpoiC  ptT€CTiv.  man  erwartet  also 
auch  an  unserer  stelle  ^eT€CTl  ^övoic  xoÜTorc  nepi  tou  CTCqpävoy 
XöfOU  oder  tujV  Ttepl  tou  CT€(pdvou  XÖTtuv,  wie  Rei:*ke  will»  da 
mir  aber  die  ganze  auädrucksweise  sehr  gekünstelt  erscheint,  so 
möchte  ich  vorschlagen  für  ön  ^*ou^€T€CTI  mÖVOIC  toÜtoig  tt€pi 
TOU  CT€q)<ivou  XÖTOC  zu  schreiben  Sri  b'  oub*  ?cTi  m^voic  toütoic 
Tt€pl  TOU  cieqpdvou  Xö^oc.  die  in  dem  oubfe  enthaltene  Steigerung 
passt  dann  ganz  gut  zum  vorhergehenden:  'ich  gUube  also  dasx  ihr, 
auch  ohne  dasz  ich  ein  wort  darüber  verliere,  einseht,  dasz  ihr  mich 
mit  dem  grösten  rechte  bekrSnzen  würdet;  dasz  aber  diesen  allein 
nicht  einmal  ein  wort  über  den  kränz  zusteht,  das  will  ich  nun  be* 
weisen.*  verwandt  ist  die  an^drucks weise  in  §  13  Kai  pövoic  üjulv 
oubanöce  ^CTiv  äveir  KiipuKCiou  ßabicai.  Dem.  [50],  24  pLoytu  xoivuv 
TOöTLU  Tuiv  aXXuJV  OUK  feil  TTpöqpüCic  ÜTToXeiiroM^vri*  unrichtig 
construiert  ßcheint  der  an  fang  unserer  stelle  von  Dareste  ('les  plai* 
doyers  civils  de  Döraosthöne*  I  s.  221),  welcher  übersetzt:  'ainsi,  je 
le  crois,  vous  feriez  justice  en  rae  donnant  la  couronne,  et  je  n'ai 
uiOme  pas  besoin  de  prendre  la  parole  pour  vous  porter  ^  juger  de 
la  Sorte/  er  macht  also  den  satz  6x1  )Litv  biKaiOiax*  öv  CTttpavuiCaiT* 
i^ii  unmittelbar  abhängig  von  nTOUjLiai,  was  deshalb  nicht  geht,  weil 
dies  den  infinitiv  regiert,  der  satz  ön  •  .  i}ii  musz  vielmehr  ab- 
hängig gemacht  werden  von  dem  infinitiv  YiTViwCK€iv,  wShrend 
dieser  wiederum  dem  verbum  fiyoupai  untergeordnet  ist  (vgl,  die 
obig©  Übersetzung),  nur  ist  dann  freilich  die  Stellung  einigermaszen 
auffallend  und  vom  gewöhnlichen  gebrauch  abweichend,  in  der- 
artigen zum  übergange  dienenden  Satzgefügen  pflegt  nemlicb  in  der 
Tegel  der  satz  mit  ÖTi  voranzugeben  und  dann  das  verbum  des  glan- 
bens  zu  folgen  mit  dem  von  diesem  abhängigen  inünitiv,  vgL  Dem* 
[58],  34  ÖTi  ^^v  Toivuv  .  .  Tf|v  Tpc"P^v  öv  dvciX€To  .  .  fitoO^ai 
irdvTac  vpiäc  incTeueiv.  54, 13  ön  jufev  loivuv  .  .  ttoXO  rfjc  npoc- 
TiKOÜCTic  ^Xärrui  biKTiv  etXrixa,  TioXXaxöScv  vo^lln)  bfjXav  öjitv 
Terevficem.  45,  43.  3H,  21.  32,  24,  24,  66.  91.  23,  100.  oder  aber 
es  geht  da:^  verbum  des  glaubens  mit  dem  dazu  gehörigen  inSntliv 
voraus,  und  der  von  diesem  abhängige  satz  folgt  naeh  36,22  vo^t£lll 
Toivuv  .  .  fi^iCTOV  äTrdvTUJV  clvat,  ön  TTaciKXnc  .  ,  oöxe  biiciTV 
€TXr)X€V.  22,  42  olpai  toivuv  qutov  oub*  ^Kcivmv  ä(pc£€cdai  tu»v 
Xötujv,  ön  raöra  rrdvx*  auiip  bid  xdc  ctciipdleic  t^tovcv,  23,  9t, 
20,  120.  demnach  würde  an  unserer  stelle  die  regelrechte  ttellung 
sein  ön  ^€v  xoivuv  biKaiöxax*  6v  cx€<pavdicaix*  ^^i^  .  .  f|to»JM<^i 
YiTVifjcK€iv  updc  oder  f|TOUMai  XOIVUV  <  .  tiTvoüCK€iv  u^dc,  ön  m^v 
biKaiÖTüx'  öv  CT€<pavuicaix*  i^€.  —  Im  anschludz  hieran  sei  gleich 


CRuger:  zu  Demosthenes  rede  vom  trierarchischen  kränze.     599 

noch  eine  andere  stelle  erwähnt,  an  der  Dareste  in  seiner  Über- 
setzung den  sinn  des  griechischen  textes  verfehlt  hat.  §  10  o\)  fäp 
itieibäy  iacryzi  ti  tüljv  ujueT^piüv  diroX^cGai,  tötc  xp^  X^XcTraiveiv, 
dXX'  iy  &  lä  ujn^Tep'  icTi  coia,  Kaöopäie  bfe  toüc  ^cpecTTjKÖTac  öi* 
aicxpOK€pb€iav  ouxi  TTpocrJKOucav  irpövoiav  irepl  cu;Tr]piac  auidiv 
TTOioujLievouc.  dies  übersetzt  Dareste:  'le  moment  est  mal  choisi 
pour  vous  f&cher,  quand  vous  venez  de  vous  laisser  enlever  quelque 
chose.  11  faut  prendre  le  temps  oü  vos  affaires  ne  sont  pas  encore 
compromises ,  et  oü  cependant  vous  voyez  les  hommes  pr6pos6s  ä 
un  Service  contracter  par  avarice  des  arrangements  regrettables  qui 
mettent  leurs  personnes  4  Vabri  du  danger.'  auf  einem  misverständ- 
nis  beruhen  hierbei  die  worte  'contracter  des  arrangements  regret- 
tables, qui  mettent  leurs  personnes  ä.  Tabri  du  danger'^  die  den  grie- 
chischen Worten  ouxi  irpocriKGucav  irpövoiav  7T€p\  ciDTTipiac  aÖToiv 
iTOiou|Li^vouc  entsprechen  sollen.  cuJTiipia  heiszt  hier  nicht  'rettung, 
sicherstellung',  sondern  ^erhaltung^  instandhaltung',  und  der  genitiv 
auTÜüV  ist  nicht  auf  dq)€C'niKÖT€C,.  sondern  auf  das  vorausgehende 
Td  ujn^Tcpa  zu  beziehen;  die  ganze  stelle  ist  folgendermaszen  zu 
übersetzen:  'denn  nicht  wenn  ihr  etwas  von  dem  euren  habt  zu 
gründe  gehen  lassen ,  dann  müszt  ihr  ungehalten  sein ,  sondern  zu 
der  zeit,  wo  euer  besitztum  noch  unversehrt  ist,  ihr  aber  wahrnehmt 
dasz  die,  welche  an  der  spitze  des  Staates  stehen,  aus  habsucht  nicht 
die  gebührende  Sorgfalt  für  erhaltung  desselben  (ircpl  cu)Tr)piac 
auTUüV  entsprechend  dem  vorhergehenden  cuja)  anwenden.'  — 

§  22  el  bk.  ixx],  bibdHete  irdviac  xd  jiifev  öcp'  ujüiojv  TTpocTarrö- 
•  |Li€v'  ibc  euTeX^CTaxa  öioiKeiv ,  touc  V  unfep  toütujv  dvaibujc  elc 
tijLiäc  vp€uco|Li^vouc  düc  TiXeicTOuc  fiic9oOc0ai.  für  das  hsl.  nXeiCTOU 
hat  Blass  in  seiner  ausgäbe  TTXeicTOUC  aufgenommen  nach  §  1  ei  jLi^v 
ÖTUi  TiXeTcTOi  cuveiTToiev  ü&  ßouXf|  tö  vpiiq)ic|Li*  ^K^Xeue  boGvai  töv 
cxecpavov  usw.  da  es  aber  an  unserer  stelle  vor  allem  darauf  an- 
kommt den  gegensatz  zu  übe  eureXecTaTa  ^so  billig  wie  möglich' 
hervorzuheben,  so  glaube  ich  nicht  dasz  das  überlieferte  ibc  irXeicTOU 
*so  teuer  wie  möglich'  geändert  werden  darf.  vgl.  auch  §  18  ciTOU- 
bdZouci  bfe  iLiäXXov  f\  irpoiK*  fiv  Tic  ujuaiv  TrpdTTWV,  ficircp 
fiHia  ToO  jLiicGoO  iroificai  irpocfiKOV  ^auroic,  dXX'  ou  TViijiTlv 
dTroqprjvacOai. 

Dresden.  Conrad  Rüger. 

68. 

FABIÜS  UND  NIKIAS. 


Wiederholt  wurde  die  beobachtung  gemacht^  dasz  die  römische 
geschichtschreibung  von  griechischen  mustern  bis  zur  entwertung 
der  jeweiligen  darstellung  beeinfluszt  worden  sei.  dasz  hier  Coelius 
Antipater  ganz  besonders  zu  jenen  leuten  gehört^  die  lieber  wir- 
kungsvoll nach  berühmten  mustern  schreiben  als  selbst  die  er- 
eignisse  darstellen,  hat  WSieglin  ('die  fragmente  des  Coelius  Anti« 


BvScala:  Fabius  und  Nikias* 


pater'  in  dieaen  jabrb.  suppL-bd.  XI 56  ff.),  dem  EZariiclie  (Mer  ein- 
flasz  der  griechischen  litteratur  auf  die  entwicklung  der  r5mischen 
prosa'  in  den  eomm.  philoL  Ribbetkianae,  Leipzig  1888,  s.  303  ff.) 
beistimmt,  wahrscheinlich  gemacht^  die  einKelheiten  des  anszugea 
des  Scipio  bei  Livius,  die  wohl  auf  Coelius  zurückgeben,  sind  htlbsch 
und  bedeutungslos  zugleich^  da  sie  nach  Tbukydideischem  muster 
aDgeferligt  sind,  wie  Sieglin  s.  58  und  Zarncke  s.  3ü4  gezeigt  haben. 
diese  Thuk/dides-scbablone  reicht  aber  noch  weiter:  die  personen- 
cbarakteriätik  ist  auf  gleichem  wege  entstanden,  neben  dem  admlral 
Vorwärts  musz  nach  dem  bei  Tbukydides  erprobten  grundsatze  der 
gegenUberätellung  ein  scrupelfabricfint  stehen:  der  Nikias  der  afric&- 
niäcben  Unternehmung  heiäzt  Q.  Fabius  Maximus.  ihre  kam pfes weise 
siebt  sich  aUo  ähnlich  wie  ein  ei  dem  andertl;  beide  wenden  sieb 
gegen  das  alter  ihres  gegners: 

Thuk,  VI  12,  2  Li7iua  XXVIII  40,  9 

äXXujc  T€  Kai  veuiiepoc  Ixi  ujv       .  .  co  .  .  qui  ne  ßio  quidem  meo 
ic  To  äpx€iv.  aequalis  sit. 

beide  treten  gegen  eine  bereits  beschlossene  sache  auf: 

Thuk.  VI  9,  1  Liviua  XXVIH  40,  3 

i\   jüifev   ^KKXrtcia    TTcpi    irapa*       scio  muUis  vr^tmm  vidcri 
CK€ufic   Tfjc  ii^eTCpac   ^ht  £uv-  rem  adum  hüdiertui  dk  a^i 
cXe-fn»  xctö'  ö  Ti  xpn  ^c  CiKeXiav  cgo  auUsmprimum  usw. 
^KTiXciv*  e^oi  ^JiivTOi  ÖOKei  usw. 
beide  betonen  endlich  scharf,  dasz  man  zuerst  selbst  gesichert  seia 
müsse,  ehe  man  fremdes  eigentnm  gef&hrde: 

Thuk.  VI  10,  5  Livius  XXVm  41,  H 

dpxfic  fiXXiic  öpetecöai  irplv       hoc  et  natura  prim  e^^  tua  cum 
f^v  ^x^M^v  ßeßaiuiCLU^ida.  defenderts^  aliena  irc  oppugnatum. 

Äpp*  Lib.  7 
o\)hk  TTiv  dXXoTpiav  x^ipoö- 
c0at  KpW  Tf)v  oUciav  diraXXdlai 
TUJV  TTapövTUJV.  nachklilage  bei 
Caas*  Dion  fr.  43,  20.* 
so  sind  Schlüsse,  die  aus  Livius  für  die  haltung  des  Fabius  gexogea 
werden,  auf  Sumpfboden  gebaut:  Fabius  ist  nur  Nikias  redt- 
vivus,  'geist-  und  kunstvoll*  nennt  Neumann  (zeitalter  der  puni- 
sehen  kriege  s.  507)  die  reden  des  Livius;  wir  verspüren  in  ihnen 
den  hauch  eines  gröszern  geisies. 


^  die  pest  bei  Livius  XXV  26  ist  bU  Ruf  die  Bat^verknüpfuog  {«vi 
—  aut  =a  cfT€  —  ctTf)  Thuk.  II  61.  •   verkürst   erscheuit   die  redtf 

bei  PI at,  Fab.  25,   wo  Liviu*  oder  Coelius  vorliegt  4  HPeter  quellen  Plut. 
s.  b'S  u.  66). 

Iknsbeuck*  Rudolf  vok  Sgala« 


HMagnus:  zu  Ovidius  metamorphoBen.  II.  der  archetypus.     601 

69. 

STUDIEN  ZUR  ÜBERLIEFERUNG 
UND  KRITIK  DER  METAMORPHOSEN  OVIDS. 


II.  DER  ARCHETYPUS.» 
In  dem  augenblicke  wo  ich  die  feder  ansetze,  um  über  den 
archetypus  der  metamorpbosen-hss.  zu  schreiben,  bin  ich  mir  voll- 
kommen bewust  gar  viel  nicht  zu  v^issen,  v^as  man  sonst  in  ähnlichem 
falle  weisz  oder  zu  wissen  meint,  ich  weisz  zb.  ganz  und  gar  nicht, 
wie  viel  Zeilen  auf  jeder  seite  standen,  sehe  auch  keinen  weg  zur 
gewisheit  darüber  zu  gelangen,  dasz  A  in  minuskeln  geschrieben 
war,  ist  wahrscheinlich,  aber  nicht  feststehend.'  auch  die  frage  nach 
seinem  alter  läszt  sich  nur  sehr  unbestimmt  beantworten,  stammen 
das  fragmentum  Londinense  (b)  und  Harleianum  {ß)  aus  A  und  ge- 
hören beide  wirklich  dem  zehnten  jh.  an,  so  würde  dadurch  die 
linie  bezeichnet ,  über  die  wir  A  nicht  setzen  dürfen,  da  anderseits 
das  ehrwürdige  fr.  Bernense  (B),  wie  ich  im  ersten  teile  dieser 
Studien  (jahrb.  1891  s.  689  f.)  nachgewiesen  habe,  einen  unvergleich- 
lich reinern  text  bietet  als  A',  so  ist  für  die  damalige  zeit  nicht 
recht  glaublich,  dasz  A  älter  sein  sollte  als  B.  ich  möchte  ihn  also 
in  das  ende  des  neunten  oder  in  die  erste  hälfte  des  zehnten  jh. 
setzen,  dasz  endlich  schon  A  variae  lectiones  enthielt  ist  möglich, 
aber  durchaus  nicht  gewis:  manche  erscheinungen  in  unsern  hss«, 
die  man  auf  solche  doppellesarten  hat  zurückführen  wollen  ^  lassen 
sich ,  wie  wir  sehen  werden ,  auch  anders  erklären,  also  sehr  vieles 
bleibt  völlig  unsicher,  eins  aber  weisz  ich  ganz  genau :  A  ist  kein 
schattenhaftes  phantom,  sondern  hat  wirklich  existiert,  das  ist  nicht 
so  verblüffend  selbstverständlich ,  wie  es  klingt,  wohl  findet  man 
bei  Korn  viele  lesarten  als  aus  A  stammend  bezeichnet,  aber  hier 
ist  A  gar  nicht  der  archetypus  aller  vollständigen  hss.,  sondern  der 
Stammvater  der  wenigen  von  Korn  benutzten :  sehr  viele  fehler,  die 
Korns  A  hat  (ich  bezeichne  ihn  als  original  6iner  classe  von  hss. 
mit  0),  sind  ganz  gewis  meinem  A  fremd  gewesen,  bei  dieser  sach- 


*  artikel  I  'das  fragmentum  Bernense'  s.  jahrb.  1891  s.  689 — 706, 
Artikel  Y  'über  XV  s.  progr.  des  Sopbien-gymn.  in  Berlin  1893. 
'  RGrau  de  Ovidii  met.  cod.  Amploniano  priore  (Halle  1892)  s.  13  anm. 
sammelt  einige  beispiele,  die  auf  fortlaufende  majuskelscbrift  zurück- 
führen können,  auch  unter  den  s.  602  aufgezählten  lesarten  läszt  sich 
manches  in  diesem  sinne  deuten,  aber  aus  so  geringem  materiale  lassen 
sich  sichere  Schlüsse  nicht  ziehen.  ^  über  die  ganze  sammel-hs.  urteilt 
LTraube  'o  Roma  nobilis'  (München  1891)  s.  56  folgendermaszen :  'der 
Bernensis  363  ist  überhaupt  so  überaus  und  in  jeder  beziehung  wichtig, 
dasz  man  sich  gern  der  hoffnnng  hingeben  möchte:  eine  gelehrte  körper- 
schaft  wolle  seine  vollständige  wiedergäbe  in  lichtdruck  veranlassen 
und  dadurch  ebenso  der  Verallgemeinerung  als  der  erhaltnng  diesea 
kostbaren  Schatzes  einen  dienst  leisten.' 


602     HMagnua:  zu  Ovidius  metamorphoeen*  11.  der  archetypus. 


läge  kann  icli  toicb  der  verpfltchtung  die  provenienz  aller  unserer 
Yollständigen  has.  aus  Einern  urcbetypus  durch  eine  kleine  aaswahl 
von  lesarten  nachzuweisen  nicht  entziehen  (um  so  weniger  als  sich 
gelegenheit  bieten  wird  manche  angaben  Korns  nach  den  collalionen 
II Keils  und  GMeynckes  äu  berichtigen  und  eine  reihe  von  stellen  zu 
emendieren).  febler  die  allen  oder  fast  allen  unserer  hss,  *  gemeiu- 
£am  sind,  müssen  aus  A  stammen. 

I  299  quo  A,  qua  G*  (einzelne  g?)  I  313  aäeis  A. 
Delrio  II  485  manet  A.  tarnen  G  7  ff  II  871  primo  A.  primis 
G  einzelne  g  II  b74  comu  A.  comum  Priscian  5  g  III  269 
nni  Ä.  uHö  M  am  r.  III  545  frondibus  (daraus  fontibus  M). 
fönt ibus  12  g  III  031  atque  A*  aque  einzelne  g  IV  11  lifeum  , 
lycumqu^  3  g         IV  150  liaec  A.    Äoc  G  12  g         IV  282  cdme 

celmi  2  g         IV  3G9  dimissaque  A.  ct^mmissaque  3  g.  comissaque  G 

IV  403  coUucent  A.   colluccre  3  g         IV  408  indudunt  Ä.   in- 

cludii   lg         IV  451   semd  A.    simul  G  manche  g         IV  587 

t  ut^tenii 

loquenti  A.  uolenti  einzelne  g.  loquenti  MG  (vgl,  mtU  586.  V  466 
OS  et  Ungua  volenti  dicere  non  aderant)  IV  770  Pcrsm 
Cepheus  üaupt  V  238*  239  protheum  .  .  protha4s  A,  prefum  . ! 
preihus  G  V  370  terrae  A.  ponti  wenige  g  V  373  quoque  A 
quae  manche  g  V  437  posscs  A*  possis  i  manche  g  (Korns  not 
über  M  ist  unrichtig;  nach  Keil  und  Riese  ist  -is  von  m.  2) 
VI  200  nach  203  A.  corr.  Gronovius  VI  223  auro  grauidts  .  / 
habenis  A.  auroque  graues  . .  habenas  wenige  g  VI  417  j>at(h)er€' 
qiie  A.  Patraeque  Begius  VI  422  subkctaque  A,  subueclaque 
munehe  g  VI  497.  498.  496  A.  corr.  manche  g*  V  582  far- 
iunaeque  A*  gcrmanatque  5  g  VII  155  uH  Ä.  $ibi  Merkel  (die 
Leidener  codd.  Vossiani  haben,  wie  mir  de  Vriea  mitteilt,  gleich- 
falls ti6i,  nicht  sihi\  die  noten  von  Htnnsius  und  Korn  sind  also 
falsch)  VH  209  paUent  aut^  A  VII  228  eridani  A,  Apidani 
Planudes  VU  2^9  enipheu  A.  enipeu  G  VII  234  nona  dies 
etiatn  A.  et  iam  nona  dies  9  g  vulg.  nona  dies  iUam  manche  g; 
wahrscheinlich  richtig,  vgl,  V  440  VII  399  iustissime  ph€neu_ 
(oder  phineu)  A,  iustisshna  Phene  JCbJabn  VII  435  suam  , 
suis  Büössiua  VII  506  regni  A.   $ceptri  3  g  VII  764  cess 

.  .  muUis  A*  pestis  .  .  muUi  Gronovius       VIII  8  Alcaihoe  A, 


*  über  den  nicht  gans  seltecen  fall,  wo  vereinxelte  bi«.  abweichend 
von  der  groft«en  mehrsah I  dai  richtige  bieten,  wird  weiter  unten  au 
reden   «eiii.  *  O  ■»  cod.  GrÄecen«*!»  eaec,  XIII,     nähere«  im  progr, 

deß  Sofibien^ymn.  1893  a.  4.  unter  s  versiehe  ich  nur  uovoihtätidtg 
t>ekHante  jütii^ert^  bes.  im  ge^^ensat«  tu  M  Nif  H  6.  *  eia  Dotdürftiiper 
sinn  wird  in  A  durch  die  ändeniiig  et  in  ut  (497)  bergestelll,  iho  tuebtea 
die  Schreiber  von  l  und  einigen  s  durch  die  aUUong  497.  496  noch 
etWHB   2a  verbesffern,  ^  diese   durch   K  und  viele  g  bexengU  leaarl 

tteht  dem  richtigen  pattei  avi  (Heiniüiu)  an»  nichaten  ood  wird  ta  A 
gestanden  haben,  uiebl  al  oder  ei. 


HMagnus:  zu  Ovidius  metamorphosen.  II.  der  archetypus.     603 

thoi  Heinsius®  Vm  49  regum  A.  rerum  G  13  g  VIII  136 
pasiphen  A  {phasiphen  M  nach  Rieses  mitteilung,  Keil  und  Meyncke 
notieren  nichts),  pasiphaen  manche  g  306.  305  A.  corr.  ein- 
zelne g  VIII  663  aus  den  Varianten  der  hss.  tnentae  extersere 
uirenteSy  m,  tersere  w.,  m.  ä  t,  w.,  tnenta  extersere  uirenti  schliesze 
ich  dasz  in  A  fiilsch  abgeteilt  metUa  etersere  u.  stand  VIII  820 
peragit  A  (vielleicht  aus  815).  spargit  Glög  IX  712  indecepta  A. 
inde  incepta  Zingerle  X  681  digna  nee  ut  A.  dignane  cui  manche  g 
ex  Sil.  digna  /////  grates  G  X  733  fultu)  A.  pluuio  manche  g.  den 
Ursprung  des  fehlers  zeigt  pluuio  mit  tibergeschriebenem  f  fluuio  G. 
XI  198  panopeo  A.  Fanomphaeo  Planudes  XI  293  inter- 
polierter vers  in  A  XI  381  suo  A.  sua  G  manche  g  XI  404 
pariterque  A.  praeterque  G  manche  g  XI 522  tninäcia  A  {minäcia  M. 
minantia  N.  minacia  G).  micantia  manche  g  (wenigstens  ist  dies  aus 
Heinsius  note  zu  micantia  ^multi  minantia*  zu  schlieszen).  wir  haben 
hier  einen  neuen  beweis ,  dasz  minäcia  in  den  metamorphosen-hss. 
durch  minantia y  nicht  durch  minacia  aufzulösen  ist,  dasz  also  Ov. 

1  91.  V  669.  XV  793  schrieb  verha  minantia  bzw.  minantia  verha^ 
nicht  minacia^  XI  763  gracili  conata  A.  Oranico  nata  Pierius 
Valerianus  XI  795  manä  A.  tenä  G  11  g  XII  69  fortesque 
.  .  neque  A.  fortisque  .  .  nece  Huygens  XII  71  signata  A.  sigea 
einzelne  g         XII  369  mentis  quoque  A.    contentis  Heinsius 

XII  185  domusque  A.  domique  G  7  g  XII  483  coUo  A.  caUo 
Merkel         XIII  74  mäuentem  A.   trepidantem  1  g  (*vulgo*  Jahn) 

XIII  ISO  potiremur  A.  poteremur  manche  g  XIII 144  Acri' 
sius  A.  Arcesius  einzelne  g  (?)  XIII  235  reposco  A.  repono  3  g 
Bentley  XIII  770.  771  Tetephus  A.  Telemus  R  Regius  XIII  928 
semine  A.  sedula  Priscian  G  2  g       XIV  5.  4  A.  corr.  manche  g  (?) 

XIV  95  remissas  A.  resimas  Salmasius       XIV  324  tot  A.  per 

2  g         XIV  461  auxüium  petiü  A.   auxüiumque  petit  G  manche  g 

XIV  622  summe  loca  A  (Heinsius  angäbe  tiber  MN  ist  falsch). 
summam  Proca  Naugerius  XIV  671  timidi  aut  audads  A.  nimium 
tardantis  Riese  (vgl.  ex  P.  IV  10,  9  animi  nimium  patientis  Ulixü) 

XIV  681  loca  magna  A.  loca  sola  wenige  g  XIV  710  fere  A. 
serae  G  manche  g  XIV  71 1  austris  A.  hoedis  manche  g  XIV  810 
sunt  A.  qiMie  5  g. '®  hiernach  dürfen  wir  uns  von  A  keine  allzu 
hohe  Vorstellung  machen:  er  war  durch  fehler  aller  art  (auch 
durch  interpolationen)  entstellt. 

An  manchen  stellen  sind  wirklich  vorhandene  corruptelen  in  A 
noch  nicht  erkannt  oder  doch  nicht  anerkannt. 


'^  Heinsins  bemerkt  zdst.:  ^Alcathoi  puto',  dagegen  za  a,  am.  11421 
*in   vetusto  codice   inveni'.  •  vgl.  progr.   des  Sophien -gymn.  1887 

8.  11  f.  *°  es  Iflf^e  nahe  sunt  durch  annähme  einer  parenthese  (sunt 

.  .  nepoti)  zu  verteidigen,  aber  praemia  braacht  doch  wohl  eine  nähere 
bestimmung.  so  mag  sunt  eine  in  den  text  gedrungene  glosse  zu  pro- 
missa  sein,  offenbar  ist  übrigens  quae  (wie  die  andern  Varianten  tom, 
nunc)  nur  eine  conj.,  die  richtig  sein  kann,  die  echte  tradition  ist  ver- 
loren gegangen. 


604     UMagnaB:  su  Ovidias  metamorphosea.  IL  der  arolietypas, 

n  31  inde  A.  dieses  inäe  wird  allgemein  iDcal  gefa&zt,  kazui 
auch  Bicbt  wobl  anders  verstanden  werden,  dann  wird  aber  die  be- 
zieiiuDg  Biif  das  nicbt  weniger  als  Becbs  verse  entfernte  in  solio  (y.  24) 
ebenso  hart  wie  nnklar.  noch  unschöner  ist,  dasz  zu  diesem  localen 
inde  eine  zweite  locale  bestimmung  loco  meditis  tritt,  die  nun  sehr 
überflüäsigerweise  {oben  hiesx  e&sedehat  in  solio  .  .ade^tralaevaque) 
ßcbon  gesagtes  wiederholt»  ich  meine^  Ov,  gehrieb  IPSE  loco  medium* 
vgl  1  178  celsior  ipse  loco,  YII  102  medio  rex  ipse  resedit  agmine. 
die  fiuszerlicbe  ähnlicbkeit  mit  ex  P.  I  7,  43  ipse  scd  hoc  vidtt^  qui 
pervidet  omnia  Caesar  sei  wenigtstens  notiert*  Verwechslungen  von 
inde  ipse  iüe  sind  in  den  hss,  sehr  häufig :  vgl.  IIl  99.  V  556*  VI  650, 
progT.  des  Sopbien-gymn.  lt<81  s.  22.  Bilier  zu  Tib*  I  2,58."  nicbt 
ganz  50  klar  Hegt  die  sache  I  666.  hier  ist  das  ipse  der  alten  sud* 
gaben  M  zuliebe  durch  ifide  verdrängt  worden,  bis  neuerdings  Rie^e 
gestutzt  auf  1^ ßk  jenes  wieder  einsetzte,  ein  gegensatz  zum  vorher- 
gehenden (in  dem  vielmehr  der  durch  ipse  bezeichnete  Argus  gleich- 
falls das  thätige  ßubject  i&t)  Hegt  ja  hier  nicht  vor.  trotzdem  spricht 
für  ipse  ein  plus  von  Wahrscheinlichkeit,  temporales  inde  mit  un- 
mittelbar folgendem  localen  unde  wäre  wahrlich  nicht  schön,  und 
ipse  bteht  gar  nicht  selten^  um  diejenige  thätigkeit  eines  schon  ge- 
nannten subjects  zu  bezeichnen,  zu  der  es  nicht  nur  durch  befebl 
oder  dgl.  den  anbtosz  gibt,  sondern  die  es  persönlich  und  mit  eignem 
leibe  ausübt:  vgl.  Caesar  b,  g.  VII  60,  4  cmxquirU  Untres  .  .  has 
fnittit.  ipse  cum  locum  petU.  ebd,  Vn  43,  4  legatoa  appdlat  -  , 
ipse  consilia  inibat.  b*  c*  II  23,  5  hanc  (navem)  remuko  abstraxii^ 
ipse  ad  0.  Cxmonmn  ctim  classe  rediit, 
11  öOü  ff,  aradt  onmipoiens  pariterque  ipsosque  nefasqut 

sustuUt  et  celeri  raptos per  inania  vcnto 

inposuit  caelo  usw. 
et  parlier  MNj^GJlg.  ei  celeri  t  (einzelne  g  ex  sil.).  ^yl^z  parUer 
nicht  von  Ov.  herrührt,  sondern  wirklieh  aus  505  hier  eingedrungen 
ist,  ergibt  der  sinn:  das  erste  panVcr  wird  durch  ipsosque  nefasqm 
mstulit  vortreülich  erleutert  und  gibt  dem  gedanken  einen  höchst 
6iquisiten  und  bezeichnenden  ausdrucke  dagegen  flällt  das  zweite 
jämmerlich  ab  und  ist  genau  betrachtet  sinntos.  nun  gibt  es  zwei 
möglichkeiten:  entweder  der  fehler  war  schon  in  A  vorhanden  oder 
er  ist  dem  gemeinsamen  original  von  M  N  (»  0)  zur  last  zu  legen, 
gewis  ist  der  letzte  fall  unwahrscheinlich :  denn  bei  ihm  wäre  schwer 
begreiflich,  wie  der  irrtum  fast  unsere  ganze  tradition  überwuchern 
konnte,  iät  dem  so,  dann  müssen  wir  fragen:  ist  die  zuerst  in  «  auf- 
tauchende vulg.  celeri  auf  conjectur  oder  auf  eine  von  A  unabhängige 
echte  Überlieferung  zurückzuführen?  setzen  wir  zunächst  den  zweiten 
günstigen  fall,   dann  wäre  es  ein  merkwürdiger  unglücklicher  znfalli 

'*  <lii«u  kommt  noch  ixque^  ilas  mir  äh  manelicn  «teilen  höchst  rcr* 
däehti^  vorkommt:  IV  212  [ipse  Hiese).  XI  160  247  {inde  Heinftitt«). 
XV  62  {iilery  gans  anders  ab.  trUL  III  6,  6.  IbU  ^6.  ftutL  IV  43. 
V  587. 


HMagnas:  zu  Ovidius  metamorphosen.  II.  der  archetypus.     605 

wenn  sich  diese  thatsache  nicht  auch  durch  innere  gründe  stützen 
liesze.  nun  setzt  aber  Ov.  dieses  epitheion  celer^  das  platteste  und 
selbstverständlichste,  was  sich  nur  erdenken  läszt,  sonst  nie  zu 
ventus  (6inmal  fast.  V  686  celeres  noti),  ich  halte  hiernach  celeri 
für  die  falsche  conj.  von  jemand,  der  den  in  pariter  steckenden 
fehler  bemerkte,  ihr  sei  eine  andere  mit  dem  sprachgebrauche 
Ovids  besser  stimmende  und  zugleich  die  entsteh ung  des  fehlers  er- 
klärende conj.  gegenübergestellt :  RAPIDO.  vgl.  met,  1 36  freta  rapi" 
dis  tumescere  ventis  iussU.  I  388  mea  dida  rapaxper  tnare  ventus 
agit,  III  209  rapida  velodus  aura.  XIV  754  nee  excutiant  rapidi 
florentia  venti.  fast.  III  688  percutitur  rapido  puppis  adunca  noto. 
trist.  I  2,  91  ferte  rapidi  mea  corpora  venti.  her.  17,  37  de  rapi- 
dis  inmansiietissime  ventis.  die  Verbindung  rapido  raptos  ist  gut 
0 vidisch :  vgl.  mä.  I  718  praeruptam  rupem.  IV  732  stantibus  exstat. 
VI  73  sedibus  .  .  sedent.  XII 376  praetenta  sustinet.  am.  I  7,  QBpone 
recompositas  comas  ua. 

III  32  flf.  Martius  anguis  erat  cristis  praesignis  et  auro; 
igne  micant  ocuU ,  corpus  turnet  omne  veneno , 
tresquevibrant  linguae^  triplici  stant  ordine  dentes. 
tresque  micant  A.  tresque  uibrant  2  g  (in  B  fehlt  der  vers).  kann 
das  überlieferte  micant  richtig  sein?  ich  glaube  nicht:  *lingua 
vibraty  micat  cauda'  sagt  treffend  Lachmann  zu  Lucr.  s.  179.  am 
nächsten  käme  noch  VI  557  radix  micat  ultima  linguae  —  und  selbst 
das  ist  doch  wesentlich  anders,  es  ist  wohl  kaum  zu  bezweifeln,  dasz 
micant  aus  v.  33  hier  eingedrungen  ist.  zu  vihrant  vgl.  met.  XV  684 
dedit  vibrata  sihüa  lingua.  Lucr.  III  657  lingua  vibrante  ser- 
pentem.  Val .  Fl  accus  161  draconem  mültifidas  linguas  vibrantem 
ua.  also  richtig  wird  vibrant  sein;  ob  es  echt  ist,  wird  sich  später 
zeigen,  ganz  vergessen  aber  ist  Bothes  Vorschlag  (vindiciae  Ov., 
Göttingen  1818,  s.  21)  que  in  tresque  zu  streichen,  die  conjectur 
gehört  scheinbar  zu  denen  die  gefällig  klingen ,  aber  nicht  zu  reci- 
pieren  sind,  weil  sie  sich  nicht  als  wahr  erweisen  lassen,  doch  gebe 
ich  folgendes  zu  erwägen.  Ovids  Sprachgebrauch  fordert  in  der- 
artigen Schilderungen  unbedingt  das  asyndeton :  vgl.  I  43  f.  238  f. 
266  f.  304  f.  548  f.  II  775  f.  854  f.  IV  6  f.  V  329  f.  VI  108  f.  303  f. 
592  f.  VIII  284  f.  372  f.  801  f.  X  264  f.  699  f.  XÜI  789  f.  a.  am. 
1  67  f.  fast.  VI  133  f.  (stellen  die  zugleich  über  den  legitimen  ge- 
brauch von  que  unterrichten),  weiter:  vtbrare  mit  kurzem  «ist 
Ovid,ja  überhaupt  den  Augusteischen  dichtem  fremd." 
endlich  ist  doch  d&s  klar:  war  einmal  micant  aus  v.  33  für  vihrant 


^*  sonst  fehlt  es  an  beispielen  für  die  kürze  freilich  nicht  ganz, 
zwar  Riese  anth.  lat.  914,  72  spiculaque  in  silvis  tuta  vibrabat  Amor  ge- 
hört nicht  hierher:  denn  dieser  ccnto  Propertianus  stammt  nicht  aas 
dem  altertum.  aber  MKothstein  macht  mich  aufmerksam  auf  Catullas 
36,  5  und  namentlich  auf  Statius  Theb.  V  509  ter  lingua  vibrat.  —  Die 
merkwürdige  Variante  in  b  treaq.  sibi  lingue  ist  noch  nioht  aufgeklärt, 
steckt  etwa  in  sibi  ein  verunglücktes,  unprosodiscbes  stbilanH 


606     HMagnuB:  zu  Ovidiue  metamorphoien.  IL  der  archetjpua. 


eifigedrungeUf  so  wurde  die  einschwärzuDg  des  que  durch  das  iDetrum 
gefordert  und  verstand  sich  fast  von  seihst,  aus  diesen  gründen  tilge 
ich  que  und  halte  nunmehr  vibrant  für  einen  gelungenen  emendations- 
versuch  des  als  unhaltbar  erkannten  micant. 
VIII  656  f,  multa  quoquc  hie  torrens  nivib%$s  de  mante  aolutie 
Corpora  turbinea  iutfenem  vertigine  mer$it. 
so  Korn  ganz  willkürlich,  turhineo  iuuenalia  culmine  A.  L  i.  uertice 
i  4  g.    eingehend  bat  über  die  stelle  gehandelt  Zingerle  kl.  phil.  abh* 
III  52  (vgl.  praef.  ed.  s,  VIJI  anm.).  er  hält  veriice  für  echt  und  admine 
für  eine  in  den  text  gedrungene  glosse.    aher  wir  geraten  bei  dieser 
annähme  in  eine  mislicbe  läge:  A  hatte  —  daran  läszt  Eich  doo 
nicht  zweifeln  —  culmine;  da  nun  £  aus  A  stamnat,  woher  kam  il 
sein   vaiice'^    liegt  hier  echte  Überlieferung   oder  conjectur  vor? 
offenbar  dürfen  wir  den  ersten  fall  nur  als  weher  setzen,  wenn  uns 
die   Unmöglichkeit  des  zweiten  nachgewieBen  ist*    und  das  dürfte 
schwer  halten,    vielmehr  ist  es  das  natürlichste ^  dass  der  Schreiber 
von  f ,  ein  gewandter  interpolator ,  das  unmögliche  culmine,  über 
dessen  sinn  er  sich  klar  war»  durch  veriice  erleuterte  und  nach  seiner 
kenntnis  des  Sprachgebrauchs   (vgl.  IX  106)   corrigierte.    in  dem 
echten  (dh,  hier  durch  A  verbürgten)  culmine  wird  eine  leichte  cor* 
rnptel  stecken.    Eieses  conj,  fiumine  ist  paläographisch  sehr  geföüig 
dasz  sie  trotzdem  keinen  beifall  fand,  log  wobl  an  zwei  gründe! 
man  hielt  sie  1)  für  unverträglich  mit  flutnina  in  v.  558.  dem  gegen^ 
über  verweise  ich  einfach  auf  die  im  progr.  des  Sophien-gymn*  18H7 
8.  28  gesammelten  stellen  (dazu  noch  Owen  prol.  Trist,  s.  XCVIII), 
2)  fand  man  fiumine  wobl  zu  schwach  für  den  Zusammenhang,   diesem 
hedenken  erledigt  sieb  durch  die  genau  in  der  wähl  der  werte  eii| 
sprechende  stelle  Jbis  513  Euenus  torrenti  fiumine  mersus, 

VIII  591  Perimelen  A.  ich  rßume  ein,  dasz  Ov.  vielleicht  so 
geschrieben  hat.  doch  sei  auf  eine  bisher  nicht  heachtete  Schwierig- 
keit hingewiesen.  Ferimtle  sowohl  als  name  einer  Insel  wie  ak 
name  der  tochter  eines  Hippodamas  (v.  593)  und  geliebten  dea 
Acheloos  ist  sonst  nirgends  bezeugt  dagegen  nennt  Apollodoroa 
I  7f  3  (übereinstimmend  mit  andern  genealogien;  vgl.  Röscher  im 
mjth.  lex.  u.  Aiolos)  eine  Perimede  als  tochter  des  Aiolos  und  fÄhrt 
dann  fort  rTepiprjbne  pi^v  Kai  'AxeXijjou  'liTTToböMac  Kai  *Op^CTY|C. 
hier  haben  wir  also  als  geliebte  des  Acheloos  und  verwandle  de« 
Hippodamas  eine  Perimede.  freilich  ist  Hippodamas  bei  Apollodor 
ihr  söhn,  bei  Ov.  ihr  vater.  da  aber  alles  andere  stimmt,  l&szt  sich 
an  der  identität  dieser  Perimede  mit  der  bei  Ov.  bezeichneten  person 
wohl  nicht  zweifeln*  es  läge  also  nahe  hier  einfach  Ferimeden  ein- 
zusetzen, allein  dem  stehen  doch  bedenken  entgegen,  in  den  schölten 
zu  Pind.  Ol.  3^  27  hohii  es  zunächst  ohne  ji^les  schwanken  in  der 
Überlieferung  fiXXoi  (nemlich  leiten  die  Hypurboreer  her)  änö  ^YTTep- 
ßop€ou  TTeXacTOÖ  tou  0opu>v€iüc  KalTTcpi^ii^XTic  t^c  AlöXou, 
nun  kann  es  ja  sein»  dasz  die  lesart  hier  falsch  ist  anderseits  läszt 
sich  die  möglichkeit,  dasz  bei  dem  gleichen  klänge  und  der  ihn- 


HMagnus:  zu  Ovidius  metamorphosen.  IL  der  archetypus.     607 

lieben  form  beider  namen  scbon  im  altertum  zwei  Versionen  neben 
einander  giengen ,  nicbt  wobl  bestreiten,  endlicb  ist  es ,  ganz  ab- 
gesehen von  den  Pindarscbolien ,  bei  Ovids  bekannter  manier  mit 
den  mytben  umzuspringen  auch  denkbar,  dasz  Ov.,  um  eine  pointe 
anzubringen ,  jene  Perimede  nacli  ihrer  verv^andlung  in  eine  insel 
Perimeley  die  herdenreiche,  nannte. 

YIII  482  testis  ahest  somno^  nee  ah  est  imitata  völuptas.  das 
zweite  ahest  ist  mit  480  dummodo  tale  nihil  vi g Hans  commütere 
ietnptem  (vgl.  469  f.)  unvereinbar,  wir  wollen  ja  doch  hören,  warum 
Byblis  die  imitata  völuptas  im  traumbilde  für  ungefährlicher 
hält  als  die  vera  völuptas  der  Wirklichkeit  und  gegen  die  Wieder- 
holung der  ersten  (doch  nur  dieser I)  nichts  einzuwenden  hat. 
wodurch  unterscheiden  sich  denn  beide?  die  imitata  völuptas  hat 
1)  keine  zeugen  —  testis  ahest  somno  — ,  2)  keinerlei  schlimme 
folgen:  non  OBEST  (derselbe  fehler  trist.  1 1,  43).  man  beachte  den 
spielenden  gleicbklang  in  ahest  .  .  ohest. 
IX  557  f.  nee  nos  aut  durus  pater  aut  revereniia  famae 

aut  timor  impediet:  tandem  ut  sit  causa  timendiy 

dulcia  fraterno  suh  nomine  furta  tegemus, 
tandem  ut  ist  Korns  sinnlose  conj.  (ich  wenigstens  halte  dieses 
tandem  für  unlateinisch),  tantum  sit  A.  tantum  ahsvt  s  manche  g 
(ofifenbar  interpoliert),  ich  habe  in  meiner  ausgäbe  versucht  die  Über- 
lieferung zu  erklären  —  schwerlich  mit  erfolg :  tantum  bleibt  un- 
erklärbar (wie  es  stehen  sollte,  hier  aber  nicht  steht,  zeigt  her. 
4,  145  f.  tutus  eris  mecum  laudemque  merehere  culpa  .  .  toUe  moras 
tantum).  wie  iimendi  zeigt,  knüpft  Byblis  an  den  vorhergehenden 
satz  non  nos  timor  impediet  an.  der  gedanke  kann,  meine  icb,  nur 
sein:  'furcht  braucht  uns  nicht  zu  hindern ;  doch  selbst  in  dem 
falle,  dasz  wir  anlasz  zur  furcht  hätten,  können  wir  einen  etwa 
entstehenden  verdacht  leicht  wieder  einschläfern.'  daraus  würde 
sich  ergeben:  TAMEN  VT  sit  causa  timendi.^^ 
X  556  ff.  Hihet  hac  requiescere  tecum.* 

et  requievit  humo  pressitque  et  gramen  et  ipsum, 

inque  sinu  iuvenis posita  cervice  reclinis 

sie  ait  ac  mediis  interserü  oscula  verhis. 
zunächst  einige  werte  über  das  bei  Ov.  nur  hier  vorkommende  und 
hsl.  anscheinend  nicht  sicher  beglaubigte  reclinis.  es  ist  uns  über- 
liefert durch  ksG  und  viele  g.  N  hat  reclinans.  Korns  angäbe  über 
M  ist  nicht  ganz  zutreffend,  nach  Meyncke  ist  sicher  von  erster 
band  nur  'ein  mit  red  beginnendes  wort,  welches  mit  /"schlosz  und 
in  dem  sich  ein  o  befunden  zu  haben  scheint',  ich  lasse  dahin  ge- 
stellt, ob  dieser  leseversuch  richtig  ist,  ob  namentlich  nicht  jenes  d 


>'  länßfst  nachdem  ich  diese  conj.  gefunden  hatte,  sah  ich,  dasz 
schon  Bach  zdst.  auf  denselben  eiDfall  gekommen  ist.  ihn  zu  ver- 
folgen wagte  er  nicht,  weil  es  ihm  unmöglich  war  sich  von  dem  inter- 
polierten (dem  sinne  nach  übrigens  ebenfalls  unbefriedigenden)  iantum 
absit  los  zu  machen. 


ant  zu  ÜTidius  metamorph osen.  IL  der  archetypas* 


doch'  mit  d  identificli  ist,  es  liegt  ja  nahe  an  recumhens  (=  6  g)  zu 
denken  (wie  IX  236  inpösita  davne  cervice  recumbis^  vgl  X  195. 
her.  16^  231)*  aber  die  spuren  der  guten  Überlieferung  führen  denn 
docb  auf  redinis  (das  eben  ffls  seltenes  wort  der  fälscbung  besonders 
ausgesetzt  war),  und  eben  dieses  rfc/mt^  zeichnet  uns  ein  wirklich 
reizendes  bild.  nur  erkläre  man  nicht  wie  Bach  'mit  dem  rtlcken 
sich  anlehnend',  sondern  'zu  rück  gebogen,  hinten  über  ge- 
neigt': der  göttin  antlitz  ist  also  nach  oben  gerichtet;  so  kann  sie 
dem  gelitibten  ins  äuge  schauen  und  ihn  küssen,  die  alten  erkJärer 
verweiüen  gut  auf  Mars  im  schosze  der  Venus  bei  Lucr.  I  35  atque 
ita  siisplcicns^  tereli  cervice  rcposta^  pascit  mnore  aüidos ^  inh'mns 
in  te^  dea^  vis^is^  eque  Uw pendet  resupini  spirUns  ore,  dagegen 
ist  V,  557  entschieden  nicht  in  Ordnung,  nach  lihet  Hac  requitscete 
iecum  ist  et  reqnieuU  htitno  einfach  unerträglich,  was  soll  dieses 
unbeschreiblich  armselige  und  kable  humo,  das  ?um  vorhergehenden 
nicht  passt  und  durch  das  folgende  pressUque  usw.  höchst  lästig 
repetiert?  Ov.  konnte  entweder  einfach  sagen  *8ie  ruhte  aas»  rastete* 
oder  'sie  rastete  hier*  dh.  an  dem  eben  geschilderten  schönen  plät«- 
chen ;  dasz  sie  sich  auf  d  ie  erde  legt  oder  sel^t,  erfahren  wir  sp&ter, 
auch  Fp  räch  lieh  ist  das  nackte  humo  bei  rcqnieint  sehr  hart,  vgb  da- 
gegen III  12  qua  rcquieverit  hcrba,  X  480  terra  requievU  fessa  Sa- 
baea^  ja  selbst  das  scheinbar  so  ähnliche  terra  requiescit  uicrquB 
{am,  I  9, 7)  ist  etwas  ganz  anderes  (krieger  und  liebhaber  ruhen  beide 
auf  der  bloszen  harten  erde,  statt  im  bequemen  bettel), 
alle  dum  hi  ohne  finderung  auch  nur  feines  buehstabens  abzuhelfen, 
wenn  mau  humo  in  die  rede  der  Venus  zieht,  et  (=  und  wirklich) 
requievit  als  einschaltung  des  dichters  faszt  und  liac  mit  humo  ver- 
bindet** ßokhe  erleuternde  parenthesen  des  dichters  mitten  in  den 
reden  auftretender  personen  sind  ziemlich  hSufig  (vgl.  I  591.  II  '283. 
III  562,  V  282,  VIII  575.  X  275.  XI  693,  753.  XII  B8.  XIII  132, 
264.  459).  zu  hac  humo  'auf  diesem  fleckchen  erde  hier'  vgl.  II  432 
qua  venata  foret  süva.  XI  713  hac  müii  discedefis  dedit  oscula  lUüre 
und  so  oft.  weiter  1  wir  möchten  doch  wissen,  worauf  denn  Venus 
eigentlich  liegt  oder  sitzt  (eins  von  beiden  musz  pressU  offenbar 
heiszen).  man  erwartet  (nach  556  caespc8)i  auf  dem  mit  gras 
deckten  erdboden  (wie  II  420  ifujue  solo,  quodtexerathtrba,  lactM 
her*  4,  97  ebenfalls  von  Venus  und  käanh  saepe sub  dkihus  Yen 
Cinyraque  crtatum  sustinuit  posäos  quaelibei  hrrba  duos,  vgt  h^r, 
5, 13.  Piop.  IV  13,  36  f.  hinulei  prlUs  totos  optribat  amanim^  altaqui 
natipo  creverai  herba  ioro,  pinus  et  incumbens  Ifnioi  ctrcumdahai 
ttmbras'y  ähnlich  her.  4,  44.  ep.  Sapph,  147),  weit  gefehlt:  Vena§ 
mtzt  oder  lirgt  Überhaupt  nicht  auf  der  erde,  sondern  auf 
dem  grase  und  auf  —  dem  Adonis  {pressHqur  et  fframen  et  ipsum)! 
im  folgenden  verse  aber  (in  dem  merkwürdigerweise  Adonia  wieder 

t*  daa  Ist  di0  lesart  der  «lt«>n  ansfrühcn.  der  ^V^r^nfMd^  dtr  die 
verbal thomuDg'  uiisert^r  texte  rcr^^cliuldet  bat,  wur  io  dies^iii  falle»  te 
viel  ich  sehe,  der  wackere  JChJahn. 


HMagnuB:  su  Ovidius  metamorphosen.  U.  der  archetypus.     609 

mit  iuvenis  bezeichnet  wird,  als  ob  ipsum  gar  nicht  vorangienge) 
hören  wir  zu  unserer  beruhigung,  dasz  dies  nicht  wahr  ist,  dasz 
sie  nur  ihr  haupt  auf  dem  schosze  des  geliebten  ruhen  läszt  (ingue 
sinu  itwenis  posUa  cervice),  ebenso  heiszt  es  von  der  jagenden 
nymphe  (II  420)  inque  solOy  quod  texerat  herha^  iacehat 
et  pictam  posita  pharetram  cervice  premehat  man  sieht, 
Ov.  schrieb  nicht  ipsum,  sondern  IPSAM  sc.  humum,  man  inter- 
pungiere  und  lese  also : 

^lihä  hac  requiescere  tecum^ 
{et  requievit)  ^humo\'  pressüque  et  gramen  et  ipsam  usw. 

XIII  135  huic  modo  ne prosit,  quod,  wti  est,  hebes  esse  videtur. 
was  soll  hier  der  gegensatz  zwischen  sein  und  schein?  ülixes 
wirft  doch  dem  Ajax  nicht  vor,  dasz  er  ein  hohlkopf  scheine,  der 
er  ja  auch  wirklich  sei,  sondern  dasz  er  sich  mit  dem  plumpen 
dunkel  der  Unbildung  seiner  borniertheit  auch  noch  gerühmt  hat 
(so  deutet  Ulixes  wenigstens  Ajax  werte  v.  9  f.).  ich  halte  daher 
die  in  einer  jungen  hs.  auftauchende  conj.  (denn  das  ist  sie  offen- 
bar) FATETÜR  für  richtigJ*^  die  beispiele  für  diese  construction 
von  fateri  habe  ich  zu  XIV  844  im  progr.  des  Sophien-gymn.  1893 
s.  5  gesammelt,  man  sieht,  welche  ganz  andere  bedeutung  jetzt 
der  Zwischensatz  uii  est  erhält:  ^recht  hat  er  unstreitig!'  höhnt 
Ulixes. 

Anderseits  glaube  ich,  dasz  viel  häufiger  A  die 
echte  und  richtige  lesart  bewahrt  hat,  womangeneigt 
war  die  Überlieferung  für  fehlerhaft  zu  halten. 

I  320  adorant  A.  adorat  einzelne  ff  (Wulgo'  Jahn),  wahrschein- 
lich ist  adorat  nur  dem  cum  consorte  tori  angepasst.  zum  sing,  läszt 
sich  aber  schwer  (was  doch  der  sinn  verlangt)  cum  consorte  tori  er- 
gänzen, wohl  jedoch  zu  adorant,  denn  Beucalion  cum  consorte  tori  ist 
fast  gleich  D.  et  c.  t.  den  plural  macht  auch  der  Sprachgebrauch 
wahrscheinlich:  vgl.  Burman  zdst.  und  Bach  zu  I  217.  I  448 
hie  A.  Äis  4  sr  N'  auf  ras.  S;  (=  sed)  b\  dasz  his  nur  conj.  ist  (viel- 
leicht ursprünglich  als  erklär ung  über  hie  geschrieben)  kann  hier- 
nach wohl  keinem  zweifei  unterliegen,  ebensowenig  dasz  diese  conj. 
nicht  notwendig  ist.  hie  'hier'  =  *bei  dieser  gelegenheit'  wie 
XIII  341.  a.  am.  I  143.  rem.  676  und  oft.  II  642  totoque  A. 
totique  manche  g.  die  dativform  toto  ist  gut  bezeugt:  vgl.  Kühner 
lat.  gr.  I  411.  EUis  zu  Catullus  17,  17.  auch  bei  Ov.  kann  ich  sie 
nachweisen  am,  III  3,  41  toto  facio  convüia  caelo  (der  sinn  ge- 
stattet nicht  toto  cado,  etwa  wie  met.  XV  779,  als  abl.  zu  fassen). 
III  271  f.  nee  sum  Saturnia,  si  non 

ah  love  mersa  suo  Stygias  penetrahü  ad  undas. 
in  undas  A.  ad  undas  manche  g,   die  zweite  lesart  entspricht  der 
landläufigen  Vorstellung,  die  auch  bei  Ov.  vertreten  ist  (vgl.  met. 


^^  auf  dieses  fatetur  machte  schon  Bothe  vindic.   Ov.   s.  129  auf- 
merksam, ohne  beachtung  zu  finden. 

Jahrbücher  f&r  olass.  philol.  1893  hft.  8  o.  9.  39 


610     BMagBus:  zu  Ondius  mätamorphoBen,  IL  der  arcbetjptis. 


X  13  adStifga  descendere^  ex  P.  I  3,  20  ad  Stygias  certo  Umite  ducat 
aquas,  ebd.  II  4, 43  Firiihoimi  Theseus  Sttfpias  comitavit  ad  tindas). 
aber  man  lilita  sich  sie  für  die  einzig  mögliche  zu  halten,  ein  ana* 
logon  bietet  der  Lethestrom,  jedes  kind  weisz,  da82  man  aus  ihm 
vergessen  trinkt»  auch  Ov.  weiaz  es  —  gewisl  (ex  P,  II  4^  23  si 
hiberes  ohscurae  pocula  Leihes),  aber  daneben  finden  wir  eine  gun« 
andere  anschauung :  vgK  irist.  I  8, 36  mmdane LcOiaek  mersa  feruntur 
aquis?  IV  9,  2  iua  Lethaeis  acta  dabuntur  aquis*  soviel  im  all- 
gemeinen, hier  würde  nun  penetrare  ad  heiszen  *  vordringen  bis 
an,  bis  zu"  wie  ad  ima  faniis  XI V  793,  ad  viscera  VII  601,  a  dextra 
laevam  ad  auren*  XII  336,  ad  urhem  XV  8  (dagegen  in  artus  X  424). 
nur  xn  42  penetratquß  cavas  vox  omnis  ad  aures  nähert  sich  ad 
einem  in^  das  vielleicht  wegen  cavas  wirklich  herzustellen  ist  wie 
dem  auch  sei,  an  unserer  stelle  kann  ad  undas  nicht  richtig  sein: 
denn  es  ki  mit  mersa  absolut  nicht  zu  vereinigen,  wie  sieh  viel- 
mehr in  merkwürdiger  weise  die  anschauung,  dasz  die  toten  Über 
die  Styx  fahren  oder  schwimmen,  und  eine  andere,  dasz  so  viele 
Schiffer  und  Schwimmer  den  tod  durch  Schiffbruch  oder  ertrinken 
finden,  vermischen  und  zu  einem  freilich  unklaren  bilde  zusammen* 
schmelzen,  lehren  uns  viele  stellen  unseres  dichters*  anfange  diesoa 
processea  finde  ich  schon  a,  am.  II  41  per  Styga  deiur  Uer,  S(yffia$ 
transnahimus  undas*  ex  I\  IV  9,  74  exeai  e  Stifgiis  ut  mea  futvis 
aquis,  vgl.  met,  XIV  591  (denn  die  idee  von  den  gefahren  der 
überfahrt  ist  bereits  erkennbar),  wir  sehen  ihn  vollendet,  die  Vor- 
stellung von  Schiffbruch  und  ertrinken  fertig,  in  folgenden  versen: 
Jhis  592  comicus  ut  fmdiis  pcriU,  dum  nahat^  in  undis^  et  tua  sie 
St^ffius  stranguld  ora  Uquor,  mei,  X  69T  an  St^gia  sofUts,  duhitavU^ 
mergerd  unda.  am^  III  9,  27  hunc  quoque  summa  dies  nigrc  «id- 
mersii  Avcrno*  trist.  I  2,  65  nnftere  mc  Siifgias  si  iam  voluis^  in 
undas  Caesar  ^*  dh.  wenn  er  mich  hUtte  von  den  fluten  der  Stjx 
wollen  verschlingen  lassen,  trist,  IV  5,  21  si  non,  qui  mcrsit  St^fffia^ 
suUevä  iHud  (sc.  Caput)  t  aqua,  auf  dieselbe  idee  gebt  zurück  md* 
XII  322  miscenda  cum  Styge  vina  hibes,  vielleicht  liesze  sich  durch 
diese  erwägungen  md.  III  695  Sfyffiae  demittite  morti  für  A  rettea 
und  als  richtig  erweisen  («>  tod  in  den  fluten  der  St/x),  aber  ds 
N  (ex  sih)  und  g  anscheinend  nodi  haben,  so  bleibt  freilich  die  mög- 
lichkeit  dasz  morti  eine  in  den  text  von  M  A  Q  und  einzelnen  g  ge- 
drungene  glosse  zu  Stygiat  nocti  ist^  übrigens  hat  Ov.  auf  diesem 
gebiete  Vorgänger  und  nachfolger  gehabt  Theokr.  1,  140  ndtVTa 
XeXoiitci  ^K  Moipäv^  x^  Adqpvic  fßa^dov.  fKXucebiva  töv 
Molcaic  cpiXov  övbpa.  Catullus  65,  5  Leihaeo  gurgiic  fratris  paÜi- 
dulum  manans  alluit  unda  pedem.    Prop«  II  9,  26  cum  capdt  hoe 


10l»J^ 


**  REhwald    liest    ond    Tertetdi^    (vgl.    Bunians   j«hrc'^^ - 
n  B.  880)    hier    noch    lui    untUtn.     daf^eg^en    tritt   für  in   ein    1  e 

progf.  d.  Wetd,  gymu.  Berlin  1893  s.  2VI,  dmis  ich  mir  jedu^,,  ,_  .or 
i»eine  «iklUrung  noch  seine  beweisatelltii  aaei^neD  kaiifi,  ergibt  sieh 
au£t  obiger  darAtetlun^. 


HMagnus:  zu  Ovidios  metamorpliosen.  II.  der  archetjpus.     611 

Stygiae  iam poterentur  aquae,  ebd.  IV  18, 9  hispressus  Stygias  voUum 
demisit  in  undas  (dazu  Postgate),  ebd.  Y  11,  16  damnatae  noctes 
.  .  et  quaecumque  meos  implicat  unda  pedes,  Lygdamus  3,  37  m« 
vocet  in  vastos  amnes  nigramque  paludem  Orcus.  culex  216  cU  mea 
manes  viscera  Lethaeas  cogunt  transnare  per  undas.  epked.  Drusi  ^10 
et  mergi  Stygia  nöbüe  numen  aqua.  IV  273  sed  non  et  Bacchus  A. 
estB,  einzelne  g  die  neuern  ausgaben,  es  genügt  auf  Heinsins  vor- 
trefiFlicbe  note  zdst.  zu  verweisen.  IV  379  uidäur  bNXeGg. 
uidentur  1  g  und  vielleicbt  ursprünglich  M :  zwischen  e  und  t  ist  ein 
bucbstab  ausradiert  (vielleicbt!  —  mebr  nicbt !  denn  dasz  dieser 
bucbstab  ein  n  war,  ist  palSographiscb  gar  nicbt  wabrscbeinlicb). 
es  ist  biemacb  wobl  sieber,  dasz  die  lesart  von  M  ein  anscheinend 
sogleich  vom  Schreiber  corrigiertes  verseben  ist ,  dasz  uidetur  in  A 
stand,  ist  dem  so ,  dann  hat  Ov.  höchst  wahrscheinlich  auch  so  ge- 
schrieben, subject  zu  videtur  ist  'es',  nemlich  jenes  eben  entstandene 
wunderbare  doppelwesen.  Roms  note,  an  sich  ungenügend ,. ist 
obendrein  durch  einen  druckfehler  entstellt,  vgl.  VIII  lß9  geminam 
tauri  iuvenisque  figuram.  VIII  ^ßSpugnat  (=  MAeG  die  meisten  g, 
ßiese  schweigt  über  N)  materque  sororque,  her.  2, 70  tawri  mixtaque 
forma  viri.  Uns  456  dequ^e  viro  fias  nee  femina  nee  vir.  IV  671 1 w- 
iustus  it^serat  Ämmon  A.  iniustas  0.  immitis  6  g.  was  die 
meisten  hgg.  bewogen  hat  iniustus  zu  verwerfen,  ist  nicht  abzusehen, 
dasz  es  dem  sinne  völlig  gerecht  wird ,  zeigt  inmerUam  in  670.  der 
gleichklang  init^tus  iusserat  ward  von  Ov.  nicht  gemieden,  sondern 
gesucht:  vgl.  Mdicerta  lacertiSy  arcana profana^  scintiäa  faviUat  pro- 
perata  retexite  fata.  s.  AZingerle  in  den  Wiener  Studien  1884  s.  60  f. 
und  unten  s.  632  zu  I  327.  V  160  hie  A.  hinc  Gl  7  g.  ersteres 
(als  pron.)  evident  richtig  (vgl.  I  67  ua.).  V  175  inertia  (in- 
hertia  MG)  frustra  hracchia  tendentem  A.  inermia  e  (corr.  m.  2)  9  g. 
offenbar  ist  die  zweite  lesart  eine  auf  der  ersten  ruhende  conj.  und 
zwar  eine  die  von  Überlegung  zeugt:  denn  sie  passt  zu  172  fregit. 
diese  directe  beziebung  auf  172  ist  zwar  möglich,  aber  gewis  nicht 
notwendig,  zu  beweisen  wäre  also,  dasz  inertia  nicht  richtig  sein 
kann,  es  stehen  uns  zwei  bedeutungen  zur  auswahl :  die  von  v.  225 
(vgl.  XIII  76)  und  die  von  548  (vgl.  XII  361).  mit  der  letztem 
weisz  ich,  wie  ähnlich  auch  die  stelle  scheinbar  ist,  nicht  recht  etwas 
anzufangen.  '^  gegen  die  erste  aber  wende  man  nicht  ein,  dasz  dieses 
epitbeton  einem  körperteile  gar  nicht  zukomme.  Ov.  schrieb  ohsessos 
artus  V  632,  pedora  timentia  VIII  440,  maererUi  dextra  XI  81,  m- 
Mlibus  lacertis  XIII 109,  laeta  dextra  XIV  688,  hoc  fassas  manus  am. 
III 8, 22  (ebd.  v.  48  discordes  manus),  viduas  manus  her.  1, 10,  pavidas 
awres  ebd.  3,  59,  timidas  manus  8, 16,  cognatae  mawus  fast.  11  416, 
pedora  infantia  ebd.  VI  145 ,  insanis  lacertis  ebd.  497  usw.  (vgl. 
über  die^e  eigentümlichkeit  der  röm.  dichtersprache  Weissenbom- 

"  doch  darf  man  gregen  sie  keineswegs  das  scheinbar  abundierende 
frustra  verwerten,  vgl.  CatuUus  64,  111.  Ellis  zu  64,  103.  Ov.  trist.  I  2,  IS 
verba  frustra  non  proßcientia  perdo  ua. 

39* 


612      UMagnus!  zu  Ovidius  metamorpbofien.  11.  der  arcbetjpus. 


Muller  zu  Liv.  I  pracf.  §  11,  HPeter  zu  fast  III  688,  meine  aus- 
gäbe anb.  B.  XV).  durcb  das  flebende  ausstrecken  der  ai-me  {ttn- 
dentem)  kommt  die  Feigheit  zum  ausdruck  (vgl.  irepidum)^ 
VII  806  f.  nee  mecum  famulos  nee  equos  nee  narihus  acres 

ire  canes ,  nee  lina  sequi  nodosa  sinebanh 
80  i  im  texte  und  manche  g.   famuli  —  equi  —  soUhani  MNAOg. 
beide  lesarten  sind  möglich,    nehmen  wir  an,  eine  von  beiden  stand 
genau  so  in  A:   dann  scheinen  die  Varianten  herbeigeführt  durch 
solebam  in  805  (vielleicht  wirkte  auch  813  mit)*    falls  die  lesart  der 
vulg.  echt  ist,   kam   yermuüich   dem   Schreiber  durcb  abirren  des 
aoges  statt  simbam  ein  solebam  in  die  feder.  dies  sokham  ward  (an 
sich  un wahrscheinlich j  denn  es  gibt  bei  oberfiäcblicber  betrachtungj 
einen  guten  sinn)  in  solehanty  endlich  auch  famulos  und  equ<f$ 
famuU  und  equi  geändert,    alles  an  sich  möglich  —  aber  ein  scbwe 
glaubliches  KUsammentrefiFen  von  möglichkeiten.    viel  einfacher  er-^^ 
klärt  sich  alles  durch  den  entgegengesetzten  Vorgang:  famtdos  — 
cquüs  —  sinehnm  ist  eine  conj»,  ersonnen  um  die  scheinbar  unschöne 
Wiederholung  solebam  —  solebant  tw  beseitigen,    die^e  annähme  ge 
winnt  an  Wahrscheinlichkeit,  wenn  A  die  leichte  corruptel  famulw^ 
—  equis  —  solehant  hatte  (so  liest  nemlicb  das  wichtige  frg.  fiosii, 
vgl.  rbein.  mus.  XL  VI  s.  293  und  unten  s.  629.    dann  lag  die  ver 
ßuchung  zu   interpolieren  um   so  näher,    in  Wirklichkeit  ist  jene 
sohbam  —  solebant  durchaus  nicht  anstöszig,  denn  Ov.  mied  der 
gleichen  repetitionen  nicht  (vgl.  oben  s.  606  zu  VIII  556).      VII  8271 
ut  m  i  (c)  h  1  narraiur  A.   sibi  manche  g  ('cum  melioribus*  Heinsius) 
CS  ist  möglich  dnsz  Ov.  stbi  schrieb;  man  kann  die  ganze  wendung 
durch  her,  5,  38  ut  mihi  narraäi,  speciell  sibi  durch  met.  XIV  42 
quae  sibi  praelata  est  —  einigermaszen  auch  durch  den  bekannten 
gebrauch  von  suus^^ —  sttltzen.  gehen  die  uns  gänzlich  unbekannten 
quellen,  aus  denen  Heinsius  schöpfte,  wirklich  auf  eine  andere  recen- 
sion  zurück ,  so  kann  die  vulg.  echt  sein,    steht  dagegen  die  über* 
liefer ung  mihi  gegen  die  conj.  sibi^  so  haben  wir  keinen  grund  jen^ 
zu  verlassen,   man  beachte  nur,  dasz  miAt  sich  auf  Cepbalus ,  de| 
redenden  bezieht,  das2  Ov.  dergleichen  Zwischensätze  häufig  an 
wendet,  da  wo  der  erzäbler  dinge  berichtet,  von  denen  ernurdurcli^ 
hörensagen   weisz  und  wo  er  glaubt  sich  über  ihre  kenntnis  aus- 
weisen zu  müssen:  vgl.  trist*  1  3,  91  Ula  dolore  amens  tenebris  nar- 
ratur  obortis procuhuisse.   ebd.  III  3»  19  quin  etiam  sie  me  dieuni 
aliena  locutum,  meL  IV  305  («  her.  13,  67.  ffist,  V  84)  ut  fama 
est,    VIII  385  primus  mdisse  putatur,    Vill  721  }iae4:  mihi  non 
vani  narravere  sene^*  IX  547  ui  referunt  iardi  tunc  deniquc  a^rrsies. 
XU  360  credi  sie  ipse  volebat.   Xlll  47  ui  memarant*    XIV  3ltt, 
quod  dam  mihi  retiulU  una  (vgl.  435).   XV  356  esse  mros  fama  < 
her*  6, 19  barbara  narrahtr  venisse.   ebd.  14, 109  quorum  mihi  i 

i«  sb.  meL  U  1S6.  VIU  diS.  XiU  934*  XIV  558  XV  tOL  750.  U^Z 
am,  1  6,  66.  her,  5,  1.  a.  am  U  551.  lOO,  rem,  42.  I7H.  2&i.  iHti, 
JII  ]«  52.  66.  V  b,  54*     ex  P.  l  7,  4a.    fasi.  U  6S8.  7dL  IV  H7a  450, 


HMagnus:  zu  Ovidius  metamorphosen.  II.  der  archetypus.     613 

seneäus  audor.  ex  P.  III  2,  51  fama  refert.  62  dicunt,  64  creditur. 
fast.  IV  369  narrantur.  V  86  tradiiur.  VI  630  intrasse  penates 
diceris.^^  ähnlich  ist  met,  X  579  die  Unterbrechung  der  rede  durch 
quäle  meum  vel  quäle  tuum.  so  halte  ich,  ohne  meine  ansieht  als  un- 
trüglich richtig  hinstellen  zu  wollen,  mihi  für  echt,  sibi  für  eine  ele- 
gante interpolation.  VIII  641  inque  foco  tepidum  cinerem  dimo- 
Vit  A,  inde  eQ  viele  (so  musz  man  wenigstens  aus  den  noten  der 
alten  erklärer  schlieszen)  g.  ich  halte  inde  für  eine  fälschung,  ver- 
anlaszt  durch  die  meinung,  Baucis  rSume  die  asche  *vom  herde 
hinweg'  (e^tee  Heinsius).  eine  irrige  meinung:  Baucis  stöszt  die 
asche  auf  dem  herde  etwas  auseinander,  zerteilt  sie  {difnovü)j 
um  den  lebendigen  funken  darunter  anzufachen  (vgl.  VII 80).  inter- 
pretiert man  aber  so,  dann  ist  inque  offenbar  tadellos,  so  viel  ich 
sehe,  steht  dimovere  bei  Ov.  nie  mit  dem  terminus  a  quo  (vgl.  IV  708. 
V  341.  XI  617).  XI  83  longos  quoque  hracchia  veros  esseptUes 
ramos  A.  porredaque  manche  g.  ueros  quoque  .  .  .  longa  2  g.  die 
letzten  lesarten  stellen  sich  als  alte  conjecturen  heraus,  die  ebenso 
unnötig  sind  wie  die  modernen,  wenn  die  lesart  von  A  sich  be- 
friedigend erklären  läszt.  und  das  ist  meines  erachtens  der  fall,  ich 
construiere  hracchia  quoque  veros  longos  ramos  esse  puies,  vgl. 
II  352  iUa  dökt  fieri  longos  sua  hracchia  ramos,  VIII  760  longi 
paUorem  ducere rami.  XIV  392  longis dat  vulnera  rawis (vgl. X 493). 
die  Wiederholung  des  quoque  in  82  und  83  ist  beabsichtigt,  zur 
Stellung  dieses  Wortes  I  292.  VIII  356.  XIV  158.  Polle  im  wb.  u. 
quoque,  zur  häufung  veros  longos  vgl.  VI  555  vocantem  Vuctantemque 
comprensam  linguam.  XIV  336  praeposüo  cunäis  Laurenti  IHco.*^ 
XI  496  undarum  incursu  grauis  unda  A.  ventorum  Bothe 
vind.  Ovid.  s.  116,  die  neuern  ausgaben  (bei  Korn  fehlt  eine  note 
ganz),  aber  die  conj.  setzt  an  stelle  der  Überlieferung  nichts  besseres, 
nicht  einmal  gleichwertiges,  was  ist  denn  an  dem  gedanken  'die 
hoch  emporgetürmten  wellen  stürzen  donnernd  {sonarU)  auf  die 
flut  nieder'  auszusetzen?  vgl.  dazu  XI  505.  513.  532  und  bes.  553 
unda  despicü  undas  nee  levius  .  .praecipitata  caditpariierque 
et  pondere  ä  iäu  mergit  in  ima  rotem,  zu  undarum  incursu  XI  730 
moles^  incursus  quae  praeddassat  aquarum.  dieselbe  Situation 
Hom.  Od.  A  243.  Verg.  georg,  IV  361.  trist.  I  4,  7  (ebd.  v.  9  texta 
Sonata  pulsu^  Stridore  rudentes).  auch  das  epitheton  gravis  läszt 
sich  wohl  nur  mit  undarum  incursu  (jsoncU)  vereinigen,  das  wort 
hat  sonst  in  ähnlichem  zusammenhange  bei  Ov.  activen  sinn :  XI  558 
gurgite  pressa  gravi,  trist.  I  2,  14  graves  spargunt  ora  loqueniis 
aquae,    ex  P.  HI  8,  12  gravem  vertice  portat  aquam.    her.  18,  23 


^9  vgl.  auch  die  von  KPSchulze  progr.  d.  Werd.  gjmn.  (Berlin  1898) 
8.  11  gesammelten  stellen.  ^  mehr  dergleichen  s.  im  progr.  d.  Soph.- 
gymn.  1887  s.  20.  Schaefler  graecismen  s.  61.  hier  ist  übrigens  die 
SHche  um  so  weniger  auffällig,  weil  longos  als  stehendes  beiwort  sich 
eng  an  ramos  anschlieszt  und  somit  dem  veros  gar  nicht  coordiniert  ist 
(Weissenborn-Müller  zu  Liv.  XXI  35,  3  per  artas  praecipites  vias). 


614     HMagnaa:  su  OTidius  metamorpbosen.  IL  der  archetyptis. 


saemtiae  paulum  gravis  unda  remisU,  aber  hier  ist  eg  neben  tu 
wohl,  wie  oft,  passiv  2U  fassen:  die  flut  donnert,  erdröhnt»  belastet 
(unter  der  wacht  der)  von  hoch  oben  darauf  stürzenden  wogen,  zum 
au sd ruck  vgL  XV  181  unda  impeüUur  unda.  her.  16, 230  (-«  o,  am. 

I  244).    am,  I  573.  606.    rem.  195.   trist.  IV  1,  30.  V  4,  4.   ew  P, 

II  5,63.  fast.  I  184.  217,  256.  51G.  HI  412.  IV  184,  V  409. 
VI  752.    Birt  haUeuL  s.  62.    progr,  des  Sopbien-gymn.  1887  s.  23. 

XI  695  ne  m€  fug  er  es  ^  ventos  sequerere  A.  fugiens  N*  auf 
rasur  fG  manche  g,  die  ausgaben  auazer  der  meinigen*  zum  aus- 
drucke des  doppelten ,  also  sehr  starken  gegen satzes  (mc  fuger e  — 
ventos  sequi)  passt  offenbar  das  participium  weniger,    vgl.  er  P, 

I  4,  38  quas  fuger  cm  ^  qua$  sequererque  vias,  met.  IV  460  se  sequi- 
turque  fugitque  (=  her,  14, 105),  XV  183  fugiunt  pariter  pariterqm 
sequuntur.  III  228  fugit  per  qnae  fuerat  loca  saepe  secutus.  XI  784 
decidit  in  pontum  A.  se  dedü  N*  auf  rasur  2  ^.  ich  bestreite  nicht, 
dasz  der  dichter  se  dcdit  schreiben  konnte»  füge  sogar  zu  den  von 
Heißsius  citierten  stellen  (Lucr.  VI  1172.  Verg.  georg,  IV  528) 
nocb  drei  weitere  aus  Ov.  selbst:  met.  II  383  dai  animum  in  ludus* 
III 679  ad  intortos  cupiens  dare  hracchia  funes.  exP,  IV 8,  b%Qiga¥iteB 
ad  Styga  vindicis  ignc  datos  (öfters  mit  dem  dativ,  wie  XII  589. 
XIII  331).  aber  da  die  lesart  sehr  spät  und  vereinzelt  auftancht» 
kann  man  in  ihr  schwerlich  mebr  als  eine  conj.  sehen,  ond  als  solche 
ist  se  dedit  gewia  unsicher,  äuszerlich  (durch  14  g)  und  innerlich 
(vgl  met,  I  674.  IV  353.  VII  378.   a,  am,  DI  22.   Ibis  556.   fast. 

II  111.  588.  III  688)  besser  beglaubigt  wäre  gewis  desiUt,*'  anch 
dies  ist  freilieb  nichts  als  conj.  ftlr  das  decidit  von  A,  an  dem  die 
abscbreiber  den  begriff  des  willkllrlicben  actes  vermiszten.  ob 
mit  recht?  wer  Ovids  manier  kennt  und  in  Einern  verse  liest  (iecicJi* 
»»eadentem^  wird  es  sebr  ungern  glauben,  icb  möchte  aus  dieser  stelle 
vielmebr  folgern,  dasz  Ov.  deddere  hier  wirklich  von  einer  willkllr- 
liehen  handlung  gebraucht  synonym  mit  labt  und  delabi*  vgl.  XII  337 
ah  ancipUi  delapsus  aaimine  montis . .  decidit  inpraeceps  (=sXIV  846) 
mit  dem  rate  a.am,  11  245  ai  tu  perpraeceps  teäo  ddabere  aperto^  oder 

I  608  deiapsaque  ab  aefhere  summo  mit  trist,  III  4, 19  miser  Elpenor 
Udo  delapsus  ah  aUo,  XII  61  seditioque  recens  A,  r^ens  Heinsius 
(von  Lenz  mit  ^schleichend*  interpretiert!),  doch  Heinsius  gelehrte 
not 6  beweist  weiter  nichts  als  dasz  repens  ein  an  sich  geeignetes  epi- 
theton  zu  seditio  tumuUus  udgl.  ist.**  mit  dem  weit  bezeichneDdem 
recens  kann  es  hier  nicht  concurrieren.  unter  den  dienern  und  boten 
der  fama  steht  auch  der  eben  geborene,  entstandene  (vgl« 

II  27  verque  novum  stahai)  auffuhr,  denn  nur  dieser  gibt  «u  gerüeht 
und  Übertreibungen  (vgl.  mixta  cum  veris  commentüi  milia  rumontmji 

^*  neben    deaiäre   g^brimcht  Or.    In  Kbnlichea  sitiiatioi»«ii  noefa 
miitere  [met  VllI  40.  XI  S40.    am.  XU  %  8(),    her.  %  135.    tp,  Sapph.  II 
iriitL  V  %  76.     tbit  499.     faiL  VI  498),    Einmal  §e  iae€rt  {faät,  Ii[  Uiffi 

**  bei  Petroniag  Ä.  e,  140  i«i  aber  offenbar  rscens  (oait  deMcendii  <Q 
verbinden)  gani  richtig;  io  Ueat  »uch  BQchcler. 


HMagnus:  zu  Ovidius  metamorphosen.  II.  dor  arcbetypus.     615 

auditis  cdiquid  novtis  adicU  atidor)  anlasz ;  ist  er  nicht  mehr  recens, 
80  kehren  ruhe,  besonnenheit  und  die  fähigkeit  wahres  von  falschem 
zu  unterscheiden  in  die  gemüter  zurück,  und  dann  kann  ihn  die  fama 
nicht  mehr  gebrauchen,  wären  die  hier  genannten  dämonen  ledig- 
lich erzeugnisse,  geburten  der  rumoreSy  dann  kSme  durch  recens 
allerdings  etwas  schiefes  in  den  gedanken  (Bach:  *recens  ohne  sinn, 
da  es  einen  schon  früher  dagewesenen  zustand  denken  läszt') ,  aber 
wie  namentlich  das  auftreten  der  Orediditas  zeigt,  kam  es  dem 
dichter  nur  darauf  an  den  Innern  Zusammenhang,  die  Wechselwirkung 
zwischen  jenen  dämonen  und  den  rumores  hervorzuheben :  sie  sind 
ebenso  gut  erzeuger  oder  beförderer,  wie  erzeugnisse. 

XIY 32  neu  duhites  ahsitque  tuae  fiducia  formae  usw.  assüque 
oder  adsüque  A.  ahsitque  e  manche  g ,  die  neuem  ausgaben  auszer 
Biese,  aber  sichere  beispiele  für  die  constr.  neu  duhites  ahsitque 
sind  mir  nicht  bekannt.  Heinsius,  der  ahsit  in  die  texte  einführte, 
las  ahsitve.  die  änderung  ist  freilich  leicht,  aber  sie  ist  nur  erdacht, 
um  die  lesart  der  jungen,  geringern  Überlieferung  zu  schützen,  hat 
also  auf  probabilität  keinen  anspruch.  dagegen  ist  neu  duhites  ad' 
sUque  =  ä  ui  adsit  eine  auch  bei  Ov.  öfters  begegnende  nachlässig- 
keit  im  satzbau:  vgl.  met.  IV  470  quod  vellet  erat^  ne  regia  Cadmi 
Star  et  et  in  facinus  traherent  Äthamanta  sorores.  XIII  137  neve 
mihi  noceat  .  .  .  meaque  haec  facundia  invidia  careat,  her.  3,  79 
(deprecor)  neve  scindi  patiare  capiUos  et  levUer  dicas  (hierher  gehören 
auch  formen  wie  XV  140  ne  facUe  et  advertite.  XIV  420  nee  satis 
est  .  .  seque  proripü),  dieselbe  construction  stellt  mit  viel  Wahr- 
scheinlichkeit Simmons  (the  mctamorphoses  of  Ovid  books  XIII  and 
XIV,  London  1887,  s.  109)  XIII  271  f.  her,  indem  er  nach  Jionorem 
ein  kolon  setzt.  Caesar  h.  c.  I  19,  1  hortatur  eos  ne  animo  defidani 
quaeque  usui  ad  defendendum  oppidum  sint  parent  (Kraner  zdst. 
und  zu  6.  g.  II  21,2).  Nepos  Eum.  6,2.  Hann.  12,2.  Madvig  spr. 
§  462.  reiche  Stellensammlung  bei  Major  zu  Juv.  16, 9.  XIV  128 
trihuam  tibi  turis  honores  A.  honorem  H  7  g.  allerdings  steht 
X  681  cui  turis  honorem  ferret.  trist.  II  76  capüur  minimo  turis 
honore  deus ;  doch  findet  der  sing,  dort  durch  den  sinn  (es  ist  von 
einer  einmaligen  weihrauchspende  die  rede) ,  hier  durch  den  bedarf 
des  metrums  seine  erklärung.  dagegen  ist  an  unserer  stelle  der  plur. 
neben  templa  tihi  statuam  viel  geeigneter  dauernde  Verehrung,  immer 
wiederkehrende  opfergaben  zu  bezeichnen :  vgl.  met.  I  565  perpeluos 
semper  gere  turis  honores  (ebenso  Tib.  I  7, 53.  Prep.  V  6,  5).  wenn 
nun  in  v.  130  folgt  nee  sacri  turis  honore  humanum  dignare  capui^ 
was  werden  wir  daraus  folgern?  dasz  Ov.  auch  in  128  den  sing. 
setzte  und  dieser  fast  in  der  gesamten  guten  Überlieferung  verloren 
gieng?  oder  dasz  der  in  130  durch  das  metrum  bedingte  sing,  einen 
falscher  einlud  auch  in  128  den  sing,  einzusetzen,  um  volle  con- 
formität  herzustellen?  die  antwort  kann  nicht  zweifelhaft  sein, 
dasz  Ov.  es  sogar  liebt  in  derartigen  fällen  den  ausdruck  etwas  zu 
variieren  (doch  so  dasz  die  beziehung  deutlich  bleibt)  habe  ich  früher 


616     HMagau8:  zu  Ovidlue  metamorpliOBen.  IL  der  arcbetjrpufl. 

an  beispielen  erwiesen  (jabresb.  des  philol.  Vereins  XII  164  in  zb.  ts 
d.  gw,  1886), 

XIY  420  f.  die  lesart  von  k  ist  hier  in  neuerer  zeit  angefocbtea 
worden  {ne^  fas  est  Marx),  sehr  mit  unrecht  (vgl.  jahresb.  d.  pbiloL 
Vereins  XV  166»  z9.  f.  d,  gw.  1889),  doch  bedarf  die  interpunction 
unserer  texte  dringend  der  Verbesserung,    man  lese: 

nee  saiis  est  nymphm  fkre  et  lacerare  capiUcs 
et  dare  plangoreni  (facit  haec  (amen  omnia) ,  seque 
proripit  ac  Latios  errat  vesana  per  agros, 
dh,  die  gewöhnlichen  zeichen  der  trauer  genügen  Ihr  nicht,  sie  ge 
bärdet  sich  als  rasende;  vgl.  11  358  f.  IX  636  f, 

XIV  573  f.  Turnmqiie  cadU:  caäit  Ardea  Tumo 

sospite  diäa poiens.  quam  postquam  Dardanus  %gni$ 
ahstulit  et  tepida  latuerunt  tecta  faviUa  usw. 
l>arharus  A.  Bardanus  Heinsius»  die  neuern  ausgaben,  aber  was  iet 
an  harharus  ignis  'die  feuerbrönde  der  fremdliuge'  auszusetzen? 
Heinsius  beweist  mit  allen  seinen  citaten  nur,  dosz  Ov.  auch  I>ar* 
danus  schreiben  konnte,  das  nötige  über  harharus  bei  Bach  zu  fnei* 
XI 162.  Och&ner  in  Bachs  ausgäbe  s.  568,  Brouckhusius  tu  TibuUus 
II  5,  48  (vgl.  noch  her.  1,  26.  16,  64).  bei  Tibullus  heiszt  Turnus 
aus  der  anschauung  der  troischen  sibjlle  heraus  barhan*s,  bei  Ov*  — 
vom  Standpunkte  der  Ardeaten  —  mit  ebenso  gutem  rechte  Aeneas, 
und  Ov,  8ell)st  konnte  in  Tomi  {trist.  V  10,  37)  klagen  harharus  hie 
ego  sum ,  <juia  non  inidkgor  ulli  wenn  man  hier  harharus  antastet» 
warum  nicht  auch  oben  v.  163  cur  harhara  Graiumprora  vehit?  für 
die  Überlieferung  sprechen  auFzerdem  mancherlei  äuszere  indicien. 
nirgends  bei  Ov.  findet  man,  obwohl  Burman  das  gegenteil  ver- 
sichert^  harharus  und  Dardanus  vertauscht  (vgl,  her.  1,  26.  7,  160» 
8,  12).  wichtiger  ist  ein  anderes.  Bervius  (^u  Aen,  VII  412)  sagt: 
iUud  namque  Ovidii  in  metamorphoseos  fahtUosufn  est,  incensam  ah 
Hannihale*^  Ärdeatn  in  hanc  avem  esse  conversam.  ich  folgere 
hieraus  dasz  harharus  jedenfalls  älter  sein  musz  als  Servius:  denn 
es  ist  begreiflich,  dasz  ein  Römer,  der  viel  von  den  Verwüstungen 
und  einäscherungen  zahlloser  städte  im  Hannibalischen  kriege  ge« 
hört  hatte,  unsere  stelle  mis verstand,  wenn  er  harharus  las  —  aber 
auch  nur  dann!  noch  einen  zweiten  fehler  finde  ich  hier  in 
nnsern  texten,  nur  die  jüngere,  stärker  interpolierte  überliefenmg 
{i  manche  g)  bietet  ignis,  in  M  N  H  G  und  den  meisten  g  (also  wohl 
in  A)  steht  ensis.  jenes  ist  wahrscheinlich  wieder  echt  noch  richtig, 
wäre  es  das,  so  bliebe  die  entitehung  der  corruptel  ganz  unbegr^af* 
lieh,  ich  glaube,  Ov.  schrieb  QUEM  (sc.  Turnum)  .  . .  harharus  ensis, 
daraus  entstand  in  A  die  nahe  liegende  leichte  corruptel  quam^  und 
diese  zog  wieder  —  in  Verbindung  mit  dem  folgenden  t^ida  favÜia 
—  den  ersatz  von  ensis  durch  ignis  nach  sich,  meine  (Übrigens  schon 

"  das  ist  nuch  Thilo  die  Üb  erlief erunfr  (nbgcsthön  von  der  lui* 
weHcntUcheu  Variante  Jffmbateji  die  vou  J  CK  Jahn  {tn  iitiierer  »t«U«} 
citiorle  leaart  aL  Acnca  eotbehrt  iooüt  jeder  hat.  grundljige« 


HMagnus:  zu  Oyidius  metamorpliosen.  II.  der  archetypos.     617 

von  Micyllus  zögernd  vorgeschlagene)  änderung  bringt  uns  auszer- 
dem  noch  einen  doppelten  gewinn,  einmal  entspricht  jetzt  das  erste 
Colon  qtiem  . . .  ahsttUit  genau  dem  Turntisque  cadUy  ebenso  wie  nun 
durch  das  zweite  et . , .  faviUa  jenes  cadü  Ärdea  erleutert  wird,  end- 
lich ist  der  ausdinick  ignis  ahstiUü  Ardeam  ungewöhnlich  und  durch 
XY  157  kaum  zu  verteidigen,  vgl.  dagegen  VI  556  linguam  ahS' 
Mit  ense  fero,  VII  348  cum  verhis  giUtura  äbsttUü  (sc.  ense).  ex  P. 
II  1,  66  ahstuUritque  hoc  caput  ense. 

XIV  744  f.  accipü  iUa  [sc.  mater^  sinu  complexaque  frigida  nati 
membra  suipostqtiam  miserorum  verha  parentum 
edidit  et  matrum  miserarum  facta  peregü  usw. 
miserarum  A.  miserorum  G  wenige  g  (nicht  e);  wenn  man  in  der 
vulg.  parentumy  wie  üblich,  =  'eitern'  setzt,  so  scheitert  jede  inter- 
pretation:  denn  parentes  eitern  und  matres  sind  nicht  begriffe  die 
sich  ausschlieszen ;  es  ist  also  logisch  unmöglich  von  jedem  etwas 
besonderes  auszusagen,  einen  andern  weg  schlug  Heinsius  ein, 
indem  er  parentum  für  gleichbedeutend  mit  patrum  erklärte ,  *nam 
vices  patris  defuncti  agebat'.  ich  wende  dagegen  nicht  ein,  dasz  die 
lexica  diesen  gebrauch  von  parentes  nicht  kennen:  es  wSre  eine 
schier  unbegreifliche  laune  der  spräche,  wenn  sie  sich  so  selbst  be- 
schränkt hätte,  wirklich  kannte  Ov.  höchst  wahrscheinlich  parentes 
in  diesem  sinne,  wenn  es  IV  61  heiszt  sed  vetuere  patres  und  darauf 
folgt  154  estote  rogati^  o  muUum  miseri  meus  illiusque  parentes  und 
164  Vota  tamen  tetigere  deos^  täigere  parentes  ^  so  ist  das  wohl  deut- 
lich genug.  ^*  aber  auch  die  so  erklärte  vulg.  ist  unerträglich,  sie 
zwingt  uns  erstens  die  lesart  der  gesamten  Überlieferung  preis- 
zugeben, sie  stellt  ferner  an  uns  das  sonderbare  ansinnen  von  be- 
trübten Vätern  nur  werte,  von  betrübten  müttern  nur  thaten 
zu  erwarten  {miserorum  parentum  verha  —  mairum  miserarum 
facta!):  auch  väter  pflegen  in  dieser  Situation  sich  nicht  mit  Worten 
der  klage  zu  begnügen  (VIII  529.  CatuUus  64,224  ua.).  also  mise- 
rarum in  A  ist  echt,  eine  spur  richtigen  Verständnisses  finde  ich 
nur  in  der  alten  Übersetzung  von  Bode  (Berlin  1816):  'nachdem  die 
unglückliche  mutter  alles  gesagt  und  alles  gethan,  wozu  der  schmerz 
unglückliche  mütter  treibt.'  der  ^Xmv,  parentes  heiszt  eitern, 
Väter,  mütter  je  nach  dem  zusammenhange  —  und  der  ist 
hier  klar  genug :  nur  fälsche  man  nicht  die  tradition  und  beachte  das 
folgende  matrum.  diese  Wiederholung  desselben  ausdrucks  mit  einer 
Variation,  trotz  deren  die  innere  beziehung  gewahrt  bleibt,  ist  echt 
Ovidisch  (vgl.  oben  s.  615  zu  XIV  128,  PoUe  im  register  u.  'Wieder- 
holung'), vgl.  fast,  ni  243  tempora  iure  cohmt  Latiae  fecunda 
parentes  (ebenso  ist  wahrscheinlich  met.  VIII  499  mens  übt 
materna  esty  uhi  sunt  pia  iura  parentum?  zu  verstehen).   Tac. 

'*  auch  Livius  I  13,  3  nos  causa  helU^  nos  viänerum  ac  caedium  viris  ac 
pareniibus  sumus  kann  nicht  anders  verstanden  werden,  dasselbe  resultat 
wird  schärfere  interpretation  noch  vieler  stellen  ergeben,  anderseits  ist 
an  avi  =»  groszelte rn  bei  Tiballas  II  2,21  nicht  anstosz  zu  nehmen. 


618     HMagnaa:  zn  Ovidius  metamorphoseu.  IL  der  arclietypuB. 

ab  exe.  XIII 13  Caesar  inspecia  omatu^  quaprincipum  caniuges  ac 

patent  es  tffiüserant^  äeligii  vesicm  et  gemmas  misUq^ie  donum  mairi* 
ebd.  XIII  21  neque  enim perinde  a  parentihus  liheri  quam  ah  in- 
pudica  aäulteri  mutantur  (vgL  vorher  matrum  adfectus  i^fnoioB 
hahere),  XIV  773  NumUorgue  senex  amissa  nepotis  munere 
regna  capii  A.  nejyotum  die  ausgaben  nach  H  und  wenigen  g.  der 
eigenilicbe  beld  der  römischen  gründungssage  ist  durchaus  Bomulus. 
Romiilus  allein  tötet  den  Ämulius:  fast.  Ul  67  Bomukogue  cxiäit 
iraiectus  Arnttlms  ense*  in  der  ganzen  erzÄblung  bei  Cic,  de  re  p, 
n  §  2  f.  tritt  nur  Romulus  (ganz  beiläufig  heiszt  es  cum  Betno  fratre 
dicUur  exponi  iussus  esse)  als  handelnde  person  auf,  nur  von  ihm 
wird  gesagt  oppressisse  Longam  Alham  ÄmuUumque  regem  intere- 
misse  fertur.  seibat  Livius  I  5,  den  man  für  nepoium  bat  ins  feld 
ftlbren  wollen,  deutet  an  dasz  Remus  die  zweite  rolle  gpielt:  BomuliAS 
ad  regem  impetum  facii^  adluvai  Rtmus.  diese  anschauung  ist 
denn  auch  in  moderne  darstel langen  übergegangen.  Preller- Jordan 
röm.  myth.  II  348  ^Bomulus  befreit  ihn  und  stürzt  den  Amulius*. 
EomuluB,  und  nur  Romulus,  ist  der  gründer  Roms:  fast*  1  27  cofi^ 
dUor  urhis.  III  24  intra  viscera  liamanüe  conditor  urbiserat.  IV  818 
arbiirium  Bomulus  urhis  habet.  TiBuHua  II  5,  23  Homulus  aetcrnae 
nondum  formaverat  urbis  moenia.  nocb  andere  erwägungen  sprecbea 
gegen  nepotum,  das  unmittelbar  folgende  feMisque  Palilihüs  urhis 
ntoenia  conduntur  wird  entschieden  durch  fiepoiis  viel  besser  vor* 
bereitet:  denn  darüber,  daaz  Romulus  allein  der  grtijider  Roms  ist, 
herscht  eben  völlige  Übereinstimmung  in  den  sagen*  endlicb  ist  es 
an  sich  unwahrscheinlich,  dasz  Ov,  durch  ein  nepatum  auch  dea 
Remus  einzuführen  beabsichtigte,  weil  er  ihn  hier  nirgends  erwähnt, 
weil  sogar  seine  erwäbnung  mit  der  ganzen  tendenz 
der  darstellung  im  widersprach  stehen  würde:  Ov.  will 
ja  gerade  den  Bomulus  glänzend  beleuchtet  in  den  Vordergrund 
stellen,  wie  darf  da  sein  bruder  neben  ihm  stehen?  so  erkläre  icb 
die  hsL  sehr  schlecht  bezeugte  vulg.  nepoium  um  so  entschiedener 
für  eine  fälschung,  weil  ihre  gründe  auf  der  hand  liegen. 

Schärfere  Interpretation  wird  ohne  zwei  fei  noch  an  andern 
stellen  zu  ähnlichen  ergebnissen  führen,  dasz  es  wünschenswert  ist, 
A  wäre  besser  als  er  ist,  wer  möchte  das  bestreiten?  immerhin  ist 
er  besser  als  sein  ruf. 

Wir  lieben  es  nicht,  wenn  man  nns  fragen  vorlegt i  die  wir 
nicht  erschöpfend  beantworten  können,  und  doch  musz  ich  hier 
selber  die  rolle  des  unbequemen  fragestellers  übernehmen,  bis- 
weilen sind  corruptelen  fast  aller  hss. ,  die  also  höchst  wahrschein* 
lieh  aus  A  stammen «  in  einzelnen  g  richtig  verbessert,  sind  di«M_ 
Verbesserungen  conjecturcn  oder  echte  alte  tradttion,  die  sich 
unbekanntem  wege  unabhängig  von  A  fortgepflanzt  hat?  die  atil 
wort  ist  wahrlich  nicht  leicht,  zunächst  laufen  wir  bei  unserer 
selbst  jetzt  noch  sehr  mangelharten  kenntnis  der  bss.  gefahr  manche 
lesarten  hierher  zu  rechnen ,  die  eine  spätere ,  über  nmfAngreicheres 


HMagnus:  zu  Ovidius  metttmorphosen.  IL  der  arche^as.     619 

material  verfügende  zeit  doch  noch  für  A  reclamieren  wird,  ander- 
seits sind  offenbar  auszuscheiden  diejenigen  guten  in  einzelnen  g 
auftauchenden  lesarten,  die  mit  citaten  alter  grammatiker  überein- 
stimmen :  denn  da  die  möglichkeit,  dasz  jene  aus  diesen  durch  inter- 
polation  geflossen  sind;  schwerlich  zu  bestreiten  ist;  so  iSszt  sich 
mit  ihnen  nichts  beweisen  (so  liegt  es  zb.  bei  U  874  comumf  III 341 
ratae^  IX  299  a  poplüe  .  .  genu  digitis  ua.;  s.  progr.  des  Sophien- 
gymn.  1887  s.  8  f.).  auch  da  wo  A  einen  griechischen  namen  in 
corrumpierter,  der  Grieche  Planudes  in  richtiger  form  bietet  (wie 
VII  228  Äpidani^  XI  198  Panomphaeo,  ebd.  640  Iceion),  kann  von 
echter  Überlieferung  kaum  die  rede  sein,  der  byzantinische  mönch 
war  ein  höchst  bornierter  mensch,  aber  als  Orieche  konnte  er  die 
ursprüngliche  form  eines  griechischen  namens  besser  als  irgend  ein 
anderer  erkennen  und  corrigieren  (s.  auch  jahresb.  des  philol.  Vereins 
XV  130  in  zs.  f.  d.  gw.  1889).  manche  lesarten  dieser  art,  die  man 
bisher  für  echt  und  richtig  hielt,  habe  ich  oben,  andere  an  anderer 
stelle  (über  I  52  qiuinto  est  pondere  terrae  pondus  aquae  levius^  ebd. 
56  frigora  s.  jahrb.  1891  s.  692  f.)  als  fälschungen  nachgewiesen, 
man  sieht,  durch  diese  erwSgungen  schmilzt  die  zahl  der  fraglichen 
stellen  gewaltig  zusammen ,  während  die  autorität  von  A  gestärkt 
wird,  wir  wollen  hiernach  die  frage  anders  stellen,  ist  es  möglich, 
dasz  alle  gute  nur  ganz  vereinzelt  durch  junge  hss.  bezeugte,  daher 
auf  A  nicht  zurückzuführende  lesarten  nichts  weiter  sind  als  con- 
jecturen?  für  die  grosze  mehrzahl  bejahe  ich  die  frage  unbedenklich, 
er  war  für  einen  nur  einigermaszen  verständigen  Italus  späterer  zeit 
nicht  schwer  VII  506  regni  durch  sceptri,  XII  185  domusque  durch 
domique,  XIII  130  potiremv/r  durch  poteremur  zu  corrigieren  usw. 
(vgl.  das  Verzeichnis  oben  s.  602).  aber  daneben  bleiben  einige, 
nicht  zahlreiche  fälle,  wo  wir  mit  der  annähme  von  conjecturen 
nicht  durchkommen,  wir  müsten  uns  denn  alte  sonst  gänzlich  un- 
bekannte kritiker  von  immensem  wissen  und  fabelhafter  divinations- 
gabe  construieren.  dahin  rechne  ich  ua.  folgende  lesarten:  11  485 
tarnen  G  7  g  III  269  tmo  M  am  r.  IV  282  cdmi  2  g  V  238  f. 
präum  .  .  prethus  G  VI  223  auroque  graues  . .  hahenas  einzelne  g 
VII  544  leto  manche  g  (das  longo  von  A  ist  wohl  eine  in  den 
text  gedrungene  glosse  zu  leto  inerti)  VIII  103  impeUi  fr.  Hosii 
(s.  unten  s.  629)  7  g  XI  381  sua  G  manche  g  XI  404  pra^- 
terque  G  manche  g  XII  71  sigea  einzelne  g.  woher  diese  lesarten 
stammen,  das  ist  nun  die  frage,  man  kann  sie  auf  doppellesarten 
in  A  zurückführen  (und  es  ist  ja  nicht  ausgeschlossen ,  dasz  dies  für 
einzelne  stellen  zutrifft) ;  doch  wäre  dann  nicht  recht  verständlich, 
wie  es  kam  dasz  sie  in  so  ganz  vereinzelte»  hss.  auftauchen;  man 
sollte  erwarten,  sie  hätten  auf  dem  weiten  wege  von  A  bis  ins  fünf- 
zehnte jh.  gröszere  Verbreitung  gefunden,  ich  möchte  daher  an  einer 
frühern  Vermutung  (jahrb.  1891  s.  704  f.)  als  der  immerhin  wahr^ 
scheinlichsten  erklärung  festhalten,  die  unsem  archetypus  an  alter 
und  reinheit  übertreffende  recension  des  textes,  deren  geringe  reste 


62Ü     TIMagnuB:  zu  OTidius  metamorpbOi^eD,  IL  der  arcbetjpus. 

uns  im  fr.  Bernense  erbalten  sind,  myint  den  ecbreibem  einzelner  g 
bekannt  gewesen  selnf  denn  wir  ßnden  in  ihnen  mancbe  leäarten 
des  fragmentes  wieder,  nähmen  wir  nun  an,  in  der  zeit  vom  zebnteu 
bis  zwölften  jh,  bütten  von  jener  recension  nocb  weitere  brucbsttickö 
existiert,  so  mochte  wobl  ein  scbreiber,  besitzet  oder  leser  einer  bs* 
sich  diese  oder  jene  ibm  gefaltende  Variante  in  sein  exemplar  ein- 
tragen, zunücbst  vielleicbt  als  doppeliesart  zur  erwägnng  und  aus- 
wähl;  der  nächste  abscbreiber  hielt  sie  für  eine  correctur  und  setzte 
sie  in  den  text,** 

Dies  sind  hariolationen  —  ich  weisz  es  wohl,  fest  dagegen  steht 
folgende  kritische  norm  für  die  redaction  des  teites:  die  nicht  aus 
A  stammenden  iesarten  sind  so  lange  für  alte  conjecturen  zu  halten 
und  gleich  denen  der  gegenwart  lediglich  nach  ihrem  iiinem  werte 
2u  beurteilen f  als  nicht  nachgewiesen  ist,  dasz  sie  etwas  anderes  sein 
müssen. 

Neben  dem  fr.  Bernense  (B),  das  wir  bisher  alg  einzigen  Ver- 
treter einer  von  A  gänzlich  unabhängigen  recension  halten  musteni 
kennen  wir  noch  eine  ganze  reihe  fragmentarischer  teitesquellen. 
beanspruchen  sie  eine  ähnliche  selbständige  Stellung  wie  jenes  oder 
sind  sie  aus  A  geflossen  und  wie  verhalten  sie  sich  zu  unsern  voll- 
ständigen hss.V 

Aus  dem  zehnten  jb.,  also  bedeutend  jünger  als  B  ist  das  frag* 
mentum  Lipsiense  (L)  in  einer  von  M Haupt  beäcbriebenen  hs. 
der  Leipziger  stadtbibliolbek  (vgl.  opusc.  1  286  f.),  enthaltend  die 
Actaeonfabel  md.  III  131—252.  es  ist  dann  coUationiert  und  kri- 
tisch bebandelt  worden  von  ClHellmuth  (sitzungsber.  d.  Münchener 
akad.  1883  II  s.  226  ü,).  leider  bieten  die  Varianten  nicht  genügende 
anbaltspunkte ,  um  die  frage,  ob  L  eine  selbständige  recension  ver- 
tritt oder  auf  A  zurückgeht,  mit  Sicherheit  zu  beantworten,  gewis 
ist  nur^  dasz  keine  seiner  singulären  Iesarten  gegen  die  annähme 
einer  provenienz  aus  A  spricht,  ts  gehören  hierher  (abgesehen 
von  kleinen  Schreibfehlern)  III  20G  primiqtte  {primumque  oder  pri- 
musqtic  A),  UI  213  ftfüifcroan  A),  UI  233  Therodamas.^''  ob  III 152 
meta  (statt  icrta)  hier  eine  stelle  verdient,  ist  unsicher,  da  so  auch 
in  4  g  steht  und  spuren  einer  benutzung  von  L  in  den  g  sonst  nicht 
nachweisbar  sind,  bis  auf  weiteres  halte  ich  also  an  der  provenienx 
von  L  aus  A  fest,  bat  nun  irgendwo  L  im  gegensatz  zu  unsem 
vollständigen  hss.  echle  und  wichtige  Iesarten  von  A  erhalten?  die 
frage  ist  bejaht  worden.*^    ich  glaube  dagegen  an  anderer  steUe** 


*»  ich  hftbe  im  progr.  d,  Sopbien-gymn.  1893  i.  16  ein  bild  von  d«? 
geneaiH  8oluher  co'^ices  mUU  zu  jEeicboen  verbucht,  '^  so  jedooli  aücIi 
cod.  Frisitigensis  bei  Hyginus  fab.  181  (»,  37  Mfc?chniidt).  *^  vgl.  H©11- 
mnth  Ao.  A.  844  ff.  Bk^«e  pmef.  etl.  11  b.  3LXX.  Ebwdd  io  Buruiiti* 
MülUre  jfthresber.  1883  II  185.  "  jabresh.  des  philob  vercinf  Xü  in 
S9*  f.  d.  gw-  1886  ».  164.  182  ff.  lo  den  beroerkan^en  über  Irüktbmnt 
(III  17Ü)  gehört  noch  die  parallelstelle  Yerg.  Äen,  III  7  incerti  qwo  faiM 


HMagnuB:  zu  Ovidius  metamorpliOBen.  IL  der  archetypos.     621 

Bachgewiesen  zu  haben ,  dasz  die  ganz  oder  fast  singulären  lesarten 
von  L  entweder  höchstens  gleichwertig  oder  sogar  schlechter  sind 
als  die  durch  unsere  vollständigen  bss.  vertretene  Überlieferung, 
kein  kritiker  kann  wissen,  ob.  Ov.  III  206  primumque  o^qt  primique 
(vgl.  I  577  ua.),  213  fero  oder  ferox  schrieb  (ich  halte  die  vulg.  fttr 
wahrscheinlicher).  III  152  ist  meta  nach  145  und  dem  vorstehenden 
idem  höchst  verdächtig,  terra  tadellos  (zu  dem  ao.  s.  164  bemerkten 
vgl.  noch  die  samlungen  bei  KPSchulze  progr.  d.  Werd.  gymn.  in 
Berlin  1893  s.  18);  III  221  medio  nigram  und  250  falsa  evident 
unrichtig,  ob  III  178  das  plane  nudae  uiso  in  L  6  g  echt  sein  kann, 
wage  ich  nicht  zu  entscheiden;  dasz  uiso  nudae  in  M  nicht  zu 
den  häufigen  Schreibfehlern  der  hs.  gehört,  beweist  jedenfalls  die 
Übereinstimmung  mit  N  und  —  ex  sil.  zu  schlieszen  —  mit  fr.  Lond. 
hier  und  sonst  (auszer  obigen  stellen  vgl.  bes.  III  149  fortunaeqtie^ 
176  irähehant)  ist  die  in  L  erkennbare  tendenz  an  die  stelle  des 
exquisiten  ausdrucks  den  trivialen  zu  setzen  nicht  eben  vertrauen- 
erweckend, dasz  im  metamorphosentexte  alter  (selbst  zehntes  jh. !) 
vor  interpolation  nicht  schützt,  zeigt  das  Oxforder  fragment  (ß)  nur 
zu  deutlich,  der  wert  von  L  für  die  geschichte  wie  für  die 
gestaltung  des  textes  ist  gering. 

Das  fragmentum  Londinense  (mus. Britannicum  n.  11967; 
ich  nenne  es  b,  da  das  zeichen  B  jetzt  dem  fr.  Bern,  gebührt) 
stammt  nach  Eorn  (praef.  s.  VIII)  aus  saec.  X  oder  XI  **  und 
enthält  met.  II  833—875.  III  1—510.  IV  292—803.  V  1—389. 
588—678.  VI  1—412.  die  vollständige  collation  (von  Dziatzko  an- 
gefertigt) ist  in  Korns  apparate  publiciert  —  leider  nicht  ohne  un- 
genauigkeiten  und  versehen,  die  im  folgenden  verzeichneten  stellen 
sollen  daher  nicht  nur  b  charakterisieren,  sondern  auch  Korns  an- 
gaben berichtigen,  es  fragt  sich  vor  allem,  ob  b  aus  A  geflossen  ist: 
II  874  cornu  Ab.  cornum  Priscian  5  g  III  341  datae  Ab.  ratae 
Priscian  IV  323  mater  Ah.  frater  V  3g  IV  408  indudunt  Ab. 
indudit  lg  IV  660  aüus  Ab.  au<!tus  wenige  g  V  48  limnateAh. 
Limnaee  Magnus  V  120  poste  Ab.  posti  Priscian  manche  g 
V  238  f.  protheum  .  .  protheus  A  b.  präum  .  .  prethus  G  V  354 
remoUiri  Ab.  remoliri  manche  g  (ex  sil.)  V  598  frontis  Ab. 
ripae  XG  manche  g  VI  27  haculo  quoque  Ab.  hacuh  quos  Biese 
VI  107  redudere  A  (redudere  pahnas  G).    reducere  wenige  g 

ferant.  —  Nar  Therodamas^  das  Riese  zuerst  empfahl,  halte  aach  ich 
nach  Hjginas  ao.  nnd  /6t«  883  für  wahrscheinlich  richtig,  diesem 
dinen  falle  steht  aber,  wie  ao.  gezeigt,  eine  ganze  reihe  von  stellen 
gegenüber,  an  denen  die  eigennamen  in  M  reiner  erhalten  sind,  ich 
kann  überhaupt  uicht  finden,  dasz  M  durch  den  vergleich  mit  L  ver- 
liert, er  ist  in  den  versen  III  131 — 252  an  keiner  stelle  interpoliert,  die 
g  an  einer  einzigen  (242  latratibas), 

^^  ThompsoD  bei  EUis  (in  Simmons  ansg.  v.  buch  XIII — XIV,  London 
1887,  s.  XXX)  'considers  to  have  been  written  in  Italj,  in  the  eleventh 
Century', 


622     HMagDUs:  za  Oyidius  metamorphosen.  II,  der  archetjptui. 


VI  200  nach  203  Ab  VI  327 pauh  A b.  pauida  IQ  wenige  g 
genug:  schon  diese  stellen  geütutten  keinen  zweifei:  b  stammt 
aus  A.  anders  ist  zu  beurteilen  IV  712: 
ut  in  aequore  summo 
umbra  viri  visa  e$t ,  vis  am  fera  saevii  inamhra  m, 
uisa  ,  *  umbra  Ab  (so  G;  auch  in  M  sind  die  m* striche  von  m.  2). 
uisam  . .  umbram  e  viele  g.  an  sich  ist  die  vulg.  ja  unanBtoazigj  und 
Ov.  selbst  hat  $aevire  einige  male  so  construiert  {mei*  VIII  296p 
XI  344.  Xni  604.  her.  12, 188.  18,39,  vielleicht  auch  trist,  IV  8, 37). 
aber  es  ui  ohne  weiteres  klar,  dasz  die  scheinbar  unverständliche 
lei:>art  der  alten  guten  Überlieferung  durch  die  plane,  so  sehr  nahe 
liegende  der  jUngern,  stärker  interpolierten  einfach  corrlgiert  wirdi 
ist  nun  die  correetur  notwendig?  mich  hat  fortgesetzte  beobacbtung 
des  Sprachgebrauches  doch  sehr  stutzig  gemacht,  indem  ich  auf  die 
erklärer  zu  Catullus  64,  98  in  hospite  suspirantem  und  119  in  gnata 
deperdUa  laetabatur  yerwaise^  stelle  ich  das  bezügliche  aus  Ov.  voll- 
ständig  hier  zusammen,  met.  II  409  in  mrgine  Kanacrina  haesU» 
VI  II 5  mutatum  torvo  iuvenco  virgine  in  Aeolia,  ebd.  490  res  Odry- 
sius  in  illa  aestuaU  VII  2 1  qmd  in  hospite^  regia  virgo^  ureris?  VIII 50 
merito  deus  arsU  in  illa,  IX  726  ardetque  in  virgine  virgo  {ähnlich 
IV  234  nequc  enim  moderahis  in  Ula  Solis  amor  fueraL  ebd,  258 
vmerisque  modum  sibi  fccit  in  Uta),  am.  I  8»  24  haesU  ä  in  vuUu 
comtUit  tuo.   ebd.  I  9,  33  ardet  in  Brlscide  magnm  Achides*   ebd. 

II  3,  6  tuus  in  quavis  praetepuisset  amor,  ebd.  II  8,  9  tu  ancUla 
siquis  delinquere  possit.    ebd.  11  9,  2   in  corde  meo  d€$idicse  puer. 

III  6,  25  Inachus  in  Melie  pailidtts  isse.  ebd.  41  in  Euanthe  coh 
Icäam  ftammam,  Iier,  1,14  nomine  in  Heäoreo  paUida.  ebd.  4,  99 
arsU  ei  Oenides  in  Malanta*  a.  am.  I  731  paUidua  in  Side^  pal' 
Udu8  in  knta  naide  erat,  rem*  311  haeserai  in  qtmdam  mea  cura 
pueUa,  trist.  V  2»  36  ^mö  viäor  Unis  in  fwste  fuit.  fast.  I  417  sola 
suspirat  in  illa.  ebd.  IV  229  in  npmpha  Sagaritide  desinit  ^se  quoi 
fuiL  ebd,  VI  576  caecoqm  in  lioc  uno  »k>»  fuit  Uta  viro.  biernacb 
kann  wobl  kein  zweifei  mehr  bestehen  über  die  Interpretation  voa 
am.  II  7,  9  in  te  quoque  frigidus  esse  dicor.  htr,  7,  182  in  me  em- 
ddis  non  poies  esse,  ex  P.  III  7,  11  in  me  quam  prüba  tarn  timida 
est  eappmiensque parum.  construiert  denn  nun  Ov.  auch  gerade  sacvire 
öftere  so  mit  in  und  dem  ab).?  nein,  das  ist  nicht  der  fall,  abt^r  ich 
bin  verstockt  genug  gerade  hierin  den  anlasz  zur  fälsch ung  zu  tindeo« 
wo  die  dinge  so  liegen  wie  hier,  dttrfen  wir  uns  vom  sprachgebrauche 
nur  bis  zu  einem  schlusz  aus  der  analogie  fUhren  lassen  —  keinea 
schritt  weiter,  wenn  wir  nicht  auch  die  wege  der  falscher  wandeln 
wollen,  mir  genügt  dasz  Ov.  wiederholt  (met.  II  399,  fast.  U  191, 
ex  P.  II  3,  51)  saevire  absolut  gebraucht  und  dass  er  schrieb  mä, 

IV  547  7iimiitmque  in  paeliee  saevae.   am.  l  7,  34  Tgdides  sacj 
vus  in  h  äste  fuU  (ich  zweifle  dfther  auch  her.  20, 102  an  der  richti| 
keit  des  überlieferten  in  naium  saeva  reperta  parens),  man  erkl/l 
ulso:  das  tier  tobt  unter  dem  eindrucke  des  erblickten  Schattens  < 


HMagnus:  zu  Ovidius  metamorphosen.  IL  der  archetypas.     623 

'beim  erblicken  des  Schattens'  (vgl.  Heinsius  zu  am.  11  8,  9.   met. 

IV  234).  ebenso  ist  V  172  e^  (m  Douza)  von  den  neuern  hgg. 
(auszer  Haupt)  mit  unrecht  verworfen,  dasz  in  ursprünglich  ein  er- 
klärender Zusatz  zu  extremaparte  war,  sich  in  den  text  schlich  und 
das  echte  et  verdrängte,  zeigt  namentlich  M,  wo  m  über  der  zeile 
von  m.  2  steht,  zu  erwägen  bleibt,  ob  Ov*  nicht percussa  schrieb, 
was  b  (mit  dem  einige  g  gehen)  bezeugt:  vgl.  XII  483  fradaque 
dissiluit  percusso  lammina  eaUo.  in  keinem  falle  wäre  dagegen  die 
häufung  der  ablative  ins  feld  zu  führen:  vgl.  progr.  d.  Sophien- 
gymn.  1887  s.  20. 

Über  das  Verhältnis  von  b  zu  M  N  einerseits,  zu  den  übrigen  hss. 
anderseits  mögen  folgende  stellen  orientieren:  III 440  Zet^a^a  bM^N. 
leuatus  AfGg        IV  369  dimissaque  bMN  3  g.     demissaque  Acg. 

comissaque  Q  IV  408  penna  (nicht pinna)  b M N  5  g.  pennae  XeGg 
IV  474  T.  ut  erat  canos  bMNA  1  g.  T.  canos  ut  erat  eGg 
IV  577  cutis  bMN  1  g.  cuti  AeGg  V  39  ea;  hoste  bN»  4  g. 
ex  hosse  {h  eras.)  M.  ex  osse  AeGg  V  147  thoastes  bMN  1  g. 
thoantes  X.  thoactessg,  coaäes  G  V  151  impugnare  b  (corr.)  M'N*. 
impugnante  M^NUeGg  V  230  cepheida  b'  1  g.  phortinoda  b' 
fordnida  M*N*  auf  ras.  phorcinida  Afg.  phornicida  G  VI  114 
Äunesine  b  M.  Ämmosynen  N.  memnonidem  G.  men{m)nosinen  und 
ähnl.  Aeg       136  vor  135  bMN       eine  sehr  merkwürdige  stelle  ist 

V  370  flf.   in  b  steht: 

uida  domas  cessas  cur  non  matrisque  tuumque 
imperium  profers  agitur  pars  tertia  mundi. 
es  sind  also  die  worte  ipsumque  .  .  quid  übersprungen,  und  diese 
auslassung  hat  die  Interpolation  cessas?  (unwillige  frage  an  Cupido) 
nach  sich  gezogen,  so  stand  auch  in  M,  doch  ist  auf  rasur  und  an 
den  rand  der  text  der  vulg.  von  m.  2  (nach  Keil  und  Meyncke)  ge- 
schrieben. N  sichreibt  uida  domas  cur  non  matrisque  tuumque  bis 
auf  das  fehlende  cessas  ganz  übereinstimmend  (die  worte  ipsumque  . . 
cessant  stehen  von  m.  1  zwischen  den  zeilen).  da  keine  der  drei  hss. 
aus  einer  der  andern  geflossen  sein  kann  (für  M  und  N  wird  das  an 
anderer  stelle  auszuführen  sein),  da  AeG  und  alle  ?  den  fehler  ver- 
meiden, so  läszt  sich  die  ähnlichkeit  nur  durch  Ursprung  aus  dem- 
selben originale  (0)  erklären,  die  kleine  differenz  zwischen  bM  und 
N  kann  man  so  deuten,  dasz  in  0  die  worte  ipsumque  . .  cessant  schon 
beigeschrieben  waren ;  b  und  vermutlich  M  benutzten  von  ihnen  nur 
das  sinngemäsz  veränderte  cessant  um  den  vers  zu  füllen,  N  trug  sie 
vollständig  nach.'^  andere  möglichkeiten  bleiben  daneben  offen: 
sicher  ist,  dasz  bMN  derselben  familie  angehören,  und 
zwar  ist  b  näher  mit  M  als  mit  N  verwandt,   denn  wo  M 

^  auch  V  342  fehlte  möglicherweise  in  O,  doch  möchte  ich  mit 
dieser  stelle  nicht  so  zuversichtlich  operieren  wie  RGrau  ao.  s.  20  thut. 
denn  ein  zufall  ist  offenbar  nicht  ausg^eschlossen,  zumal  wenn  man  er- 
wägt, dasz  im  texte  von  M  auch  243  fehlt,  wie  vereinigt  übrigens 
wohl  der  vf.  mit  seiner  annähme  das  auf  s.  29  aufgestellte  stemma? 


624     H Magnus:  za  Ovidius  metamorphoaeD.  It.  der  archetjpna. 


und  N  auseinandergehen,  ergibt  sich  folgende  überraschende  thai* 
Sache:  nirgends  wird  N  in  einer  singulären  lesart  durch 
b  unterstützt,  M  im  gleichen  falle  fast  immer,  hier  nur  wenige 
der  frappantesten  beispiele :  IV  358  pugnantesque  manus  inuUaque 
oscula  carpU  b  M  (vgl.  359).  pu^nantemque  ienet  luciantiaque  o,  c* 
Nif  g  (doch  ludanHaque  in  N  auf  ras.  vielleicht  von  m.  2).  tenet  in- 
uHoque  G       IV  665  negat  h\  ligat  M*  auf  ras.  b'NAcGg      IV  751 

iadu  captant  ut  ad  acra  h.  tactu  captant  (corr )  ut  ab  {b  auf  ras., 
nach  Keil  von  in.  2)  aere  M,"  captent  {e  aus  a  N*)  %ä  ah  aere  NG, 
ab  aequore  i'  €*  g      I V  79 4  quaesUis  {s  radiert)  b  M.   quaesUi  N  Jl  £  G  g 

V  62  aceruö  bM  1  g.  acerho  N  A« Gg      V  70  aäiUq.  inspedua  b. 
ff 

adhtq*  impeäus  M,  adigitque  in  pedus  N  A  £  G  g  V  89  FMneue 
ausus  erat  bM,  nee  P.  ausus  NAtGg  V  116  seuum  bM'G  2  g, 
l{a)euo  M*Nl£g  V  168  mollm  b  (conr.)  M,  mol/ia  N.  molfea 
molphea  molpea  kiGg  V  363  wt Jt^  b M.  uidet  N A £ G g  V  382 
auolat  b  M.   audiat  N  A  £  G  g.   arcu  b  M*.   arcus  W  f  g,    arcxim  A  G  g** 

V  386  nomine  percus  aquae  dngen  latus  omne  misq  b.  die  letzten 
4  werte  radiert,  doch  nichts  auf  die  radur  geschrieben;  es  fehlt  also 
ganz  der  halbverg  non  iUoplura  Ca^stros.  die  verse  387.  388  stehen 
im  texte/*  der  Schreiber  irrte  also  von  aquae  386  &uf  aquas  388, 
bemerkte  aber  sogleich  (dh.  ehe  er  387.  388  tjchrieb)  sein  vergehen, 
radierte  die  fälschlich  geschriebenen  worte  aus,  unterliesz  es  jedoch 
aus  irgend  einem  zufälligen  gründe  den  vers  wieder  zu  füllen,  es 
ist  nun  möglich ,  dasz  M  {non  .  .  .  ca^fstros  auf  ras.  von  m.  2)  den- 
selben irrtum  begieng,  aber  ohne  ihn  ^u  corrigieren  (das  blieb  einer 
spätem  band  vorbehalten) :  denn  der  fehler  liegt  so  nahe ,  dasz  ihn 
sehr  wohl  zwei  schreiber  unabhängig  von  einander  machen  konnten, 
aber  wahrscheml icher  ist  gewis,  dasz  der  gemeintiame  fehler  aus 
einem  original  entspringt,  etwa  so  dasz  in  diesem  jener  irrtum  am 
rande  oder  zwischen  den  Zeilen  corrigiert  war  (was  xwar  b,  aber 
nicht  M^  beachtete),  auch  die  fast  singulare  («^  1  g)  Variante  j^efCtt^ 
in  bM  spricht  gegen  ein  zufälliges  zusammentreffen  V  607  c^knm 
bM.   ^l{)U€nenqt4e  Nif  Gg        V  608  ermaniha  bM.   cryman(hon 

NAfGg         V641  miae  b  (corr.  in  m).   wtf  (am  r.  m)  M- 
wenige  g.  mi{c)hi  N  A g G  g       V  667  w^  om.  b  M*      V  669 

'^  io  iüctu  ist  u  suerat  io  a  (reündert;  Keil  lieft  geradesu  ioeia* 
statt  aere  notiert  Keil  aerm^  so  dusz  mi>gltclierwt*Ue  e  er»t  DBchtrE^ 
lieb    nn^eliäng:t  ist  iinrl    M   ursprünglicb   ^enau    mit   b    übereiottininit«, 

^  hieraus  ergibt  sich  als  ledart  von  A  verinutHch  audiat  arm  mit 
fehlendem  oder  undeiitlicliern  m -striche;  auolat  arcu  und  audiat  areut 
sind  g^liiich  nahe  liegeodts  emendHtionaveranche;  natürhch  ist  audiat 
riclitiff,  arcttm  offenbar  waUrsciveinlichvr  als  die  vulg.  arcta,  *^  Korn 
hat  hier  Mnscbeinend  die  collntion  misvervtiinden.  sie  wei»  niohla 
davon,  rfn^z  8B7.  388  atisrndic^rt  Beien*  es  ist  das  auoh  gana  nugbiub* 
lieh  wehren  der  ansdrUcklidi  heaeiigteu  vitriante  paiteftiihv*  edit  in  S§7 
und  wivf^cn  der  rMdierting  der  4  letsteo  worte  in  8S0t  di«  mit  iilgttnf 
von  387.  38^  steh  nicht  vertragt. 


HMagnus:  zu  OvidiuB  metamorphoBcn.  II.  der  archetjpus.     625 

athides  bM.  ridetd  empedes  {enipedes?  =  Ge)  N.  athipedes  paeo- 
nides  usw.  Ag  V  670  conanteq.  oadis  h\  cona///te  qoquj//  M'. 
conantesque  {conataeque)  loqui  NAeGg.  et  om,h ^Ls,  magno  ä  kOt 
VI  60  perstat  b  M  1  g.  perstat  in  {inceptum  G)  NAtGg  VI  141 
nares  M  (corr.)  b.  naris  Prise.  NAcGg  VI  184  laudem  bM. 
causam  NXtGg  VI  185  audUe  b.  audUi///  W.  audete  NXg. 
audetis  Ge  manche  g  VI  190  ego  om.  bM'.  edixi^  b.  ///diaM  M. 
e^o  dm<  NAfG  g  VI  234  totkZew  b'  M  2  g.  dantem  b*Nf g.  /rcna 
da&a^  Hainen  hunc  X  G  manche  g  VI  254  infossum  b.  intoft^um 
(aber  t  und  n  auf  ras.  in  M)  MN  AeGg  VI  410  cöparantis  b.  od^- 
paraentis  M.   coiwiwrcw^is  N  X  «  G  g. 

Häufiger  als  man  gewöhnlich  annimt  sind  uns  allein  durch  bM 
echte  oder  dem  echten  nahe  kommende  lesarten  von  A  erhalten, 
zwar  VI  58  wird  jetzt  pauiunt,  auch  durch  Sen.  epist,  90,  20  ver- 
bürgt (näheres  jahrb.  1887  s.  138),  meist  anerkannt  {pauent  V. 
///nt  U\  feriunt  auf  ras.  b*M'.  feriunt  NAe'Gg.  quatiunt  b* 
manche  g'^)  V  163  lesen  alle  ausgaben  mit  eGg  Ethemon  {et 
hemon  A),  einen  nirgends  bezeugten  namen  zweifelhafter  bildung. 

c 
A  hatte  aber  Echemmon:  dann  ecJiemmon  b.   eihemmon  M.   ethemon 
(doch  t  aus  c)  N.    so  heiszt  II.  €  160  ein  söhn  des  Priamos.*^ 

VI  293  conticuü  subito  duplicataque  vulnere  caeco  est. 
toto  est  bM.  tota  e^^  N  18  g.  caeco  est  GAeg.  caeca  est2  €,  certo 
est  1  g.  corpore  toto  est  (aus  XI  460?  vgl.  XIII  958)  2  g.  also  ent- 
weder stand  schon  in  A  tota  und  toto  ist  leichte  corruptel  im  originale 
von  b  M ,  oder  A  hatte  schon  das  sinnlose  toto  und  alles  andere  sind 
emendationsversuche  (letzteres  ist  wohl  glaublicher),  in  jedem  falle 
hat  die  heutige  vulg.  caeco  sehr  geringe  Wahrscheinlichkeit,  sie  wird 
obendrein  dem  sinne  nicht  gerecht:  caecum  vulnus  ist  eine  wunde, 
die  nicht  gesehen  wird,  nicht  gesehen  werden  kann  (und  so  hat  es 
der  interpolator  offenbar  gemeint),  von  den  töchtem  des  Pelias 
sagt  Ov.  Vn  343  oculosqtte  refleäurU  caecaque  dant  saevis  aversae 
vulnera  dextris^  dh.  sie  wenden  sich  schaudernd  ab,  um  die  wunden 
die  sie  dem  vater  schlagen  nicht  sehen  zu  müssen,  so  könnte  man 
caecum  vulnus  von  einem  geheimen  gram ,  liebeskummer  odgl.  (vgl. 
V  426.  her.  4,  20)  sagen,  aber  die  wunde  hier  ist  ja  gar  nicht 
caecum  'unsichtbar',  die  söhne  und  töchter  der  Niobe  fallen  nicht 
wie  vom  blitze  getroffen,  ohne  sichtbare  wunde  tot  nieder;  von 
wirklichen,  greifbaren  pfeilen  werden  sie  durchbohrt  und  empfangen 
die  tötliche  wunde  in  den  verschiedensten  körperteilen  (vgl.  235. 
244.  255.  290.  297).    nun  interpretierte  ich  freilich  in  meinem  com- 

3<  man  begreift  hiernach  nicht,  wie  Korn  (praef.  8.  VIII)  aus  dieser 
stelle  folgern  konnte,  b  stehe  dem  arch.  näher  als  M.  besteht  doch 
der  ganze  vorzog  yon  b  darin,  dasz  zufällig  von  der  ersten  lesart  einige 
buchstaben   leserlicher  geblieben  sind  als  in  M.  '^  za  169  finde  ich 

in  b  nichts  notiert.     M  hat  ethemmon^  N  ethimon.     die  corruptel  ist  also 
schon  tiefer  eingedrungen,     als  conj.  schlug  Echemmon  vor  GKnaack  im 
Hermes  XXV  s.  89,  lediglich  von  der  Homerstelle  ausgehend. 
Jahrbücher  für  dus.  philol.  189S  hft.  8  u.  9.  40 


626     HMagBus:  zu  Ovidius  metamorpliosen*  H*  der  archetypug. 


mentar  (nach  Lenz  zdst)  ^rätselhaft ,  djh.  man  sah  nicht  woher  sie 
kam',  leider  heiszen  das  jedoch  die  worte  nicht;  anch  scheint  hier 
am  Bcblusse  der  erzähl ung  die  betonung  dieses  momentes  verspätet 
(v,  227  wlire  sie  am  platze  gewesen),  dagegen  gewinnen  wir  durch 
Iota  den  tadello&en  gedanken  *ihre  ganze  geßtalt  krümmte  sich  unter 
der  todes wunde  zusammen'  (vgl.  245).  man  wende  nicht  ein,  das 
nackte  vulnere  sei  zu  unbestimmt;  gerade  diese  Unbestimmtheit 
finden  wir  291.  295,  296  wieder,  zum  Sprachgebrauch  vgb  II  664 
ioia  tarnen  quare?  III  45  si  tot  um  spedes.  IV  585  dum  nan 
totum  occvpat  anguis.  IV  796  mque  in  tota  conspcäior  uUapars 
fuiL  V  431  de  tota  temiissima  quat^que  liqu^scunt.  iriM.  V  6»  23 
non  adeo  toti  urgemur.  fast.  I  201  luppitcr  angtista  vhc  totus  stahai 
in  aede,  tibnlicb  Prop.  IV  13^35  pellis  ioios  operibat  amantc^*  vgl. 
met.  11  734,  VI  67.  XI  385.  476.  483.  517,  XII  46.  XIV  97.  am, 
I  7,40.  II  8, 16,  18, 27.  triste  U  280.  HI  14, 4,  IV  10,  23,  V  1,65. 
exKUe,  28,   fast.  VI  251  na. 

Welche  Schlüsse  sind  nun  aus  dieser  oft  bis  ins  kleinste  gehen- 
den (Iberelnstimmung  zwischen  b  und  M  zu  ziehen?  da  M  nicht  aus 
dem  fragmente  b  geflossen  sein  kann,  liegt  die  annähme  nicht  fern, 
b  sei  aus  M  abgeschrieben,  dem  stände  nicht  das  höhere  alter  des 
fragmentes  entgegen,  da  es  vielleicht  wie  M  aus  dem  elften  jb, 
stammt  (s.  oben  s.  621),  aber  manche  differenzen  zwischen  b  und 
M  lassen  sich  doch  kaum  damit  vereinigen:  vgl.  V  179  conuertUe  M. 
auertite  bA.  auch  V  70.  168.  233  und  sonst  findet  man  bei  aller 
Ähnlichkeit  gewisse  abweichungen ,  welche  die  abstammnng  von  b 
aus  M  unwahrscheinlich  machen,  weniger  gewicht  lege  ich  auf  die 
40^ — 50  singulüren  lesarten  in  b ;  denn  es  sind  meist  kleine  versehen, 
wie  sie  auch  beim  abschreiben  aus  M  vorkommen  konnten,  ich 
notiere  hier  nur  die,  welche  bei  Rom  fehlen,  und  berichtige  zugleich 
einige  Irrtümer.  Uld72propior€cal€scit,  lll  Sil  ammotas.  III 461 
motu  (ohne  rasur).  111  482  rostü,  IV  338  gimul  atque  (corr,).  IV  367 
demi$sis,  IV  487  acernos,  IV  610  soll  in  b  nach  Korn  stehen  non 
puiet  esse  lovis.    er  schlo.sz   nur  ex   sil.»  aber  wohl   mit  unrecht. 

IV  646  hat  b  atklans,  nicht  644,   V  88  inslruäos.  Y  144  mindemis* 

V  184  apix.  V  619  Arinigem,  VI  256  nordosus  aus  noruasus  (so), 
aber  nichts  spricht,  so  viel  ich  sehe,  gegen  die  annähme,  das£  bM 
aus  demselben  originale  ohne  Zwischenglieder  abgeschrieb^sn 
sind;  sie  sind  brüder,  denen  sich  N  etwa  als  vetter  zur 
Seite  stellt«  ftir  die  geschichte  des  textes  ist  b  wichtig:  denn  f^ein 
consensus  mit  M  führt  uns  am  nächsten  an  A  heran,  für  die  ge- 
staltung  des  teztcs  aber  hat  es,  da  wir  M  besitzen«  nicht  annähernd 
den  selbständigen  wert,  den  Korn  ihm  zuschrieb,  unter  seinen 
singulären  lesarten  ist  (auch  abgesehen  von  Schreibfehlern)  wenig 
brauchbares.  V  662  ist  Koma  misgriff  doäum  canium  in  den  text 
2U  setzen  erstaunlich  {canium  scheint  freilich  schon  in  der  geniem« 
samen  vorläge  von  bM  gestanden  zu  haben),  femer  wird  VI  15 
das  interpolierte  dumäa  dadurch  nicht  besser,  da^s  es  auch  in  b 


HMagnus:  zu  Ovidius  metamorpboBen.  II.  der  archetypus.     627 

steht  (vgl.  XI  86.  fast,  II  313).  über  III 34  tresq,  sibi  Unguf  ist  oben 
s.  605  gesprochen  worden,  dagegen  mag  IV  340  flexaque  dem  von 
Lachmann  zu  Lucr.  s.  263  hergestellten  flexuque  näher  stehen  als 
flexoque  in  M.  auszerdem  hat  b  noch  an  folgenden  drei  stellen  das 
echte  fast  singulär  erhalten:  IV  388  incesto  b  1  sr  (durch  XV  319 
als  richtig  erwiesen),  incerto  MNA^Gsr  (doch  steht  r  in  M  nach 
Keil  von  m.  2  auf  rasur;  Meyncke  glaubte  sogar  ein  s  zu  erkennen) 
V  199  silex  b  wenige  g.  süet  W^XsQg  V  274 pt^eneus  b. 
pireneus  3  g,  pironeus  MG  1  sr.  py{ro  von  m.  2  auf  rasur)neMS 
N  1  ff.  py{i)rinem  sX. 

Dazu  kommen  zwei  fragmente ,  deren  lesarten  jüngst  (rh.  mus. 
XL  VI  s.  291—294)  CHosius  veröffentlicht  und  besprochen  hat  (U). 
sie  stehen  auf  2  blättern  des  cod.  Vaticano-Ürbinas  342  hinter 
Juvenalis  Satiren  angeheftet,  im  elften  jh.  von  zwei  verschiedenen 
bänden  geschrieben,  enthaltend  met  V  483— VI  45  und  VII  731 
—VIII  104.  beide  stammen  natürlich  aus  A  (V  499  adueor^  VI  27 
haculo  quoque  und  VE  759  naiades^  VIII  61  reseret  med),  mit  eini- 
gen andern  lesarten  möchte  ich  nicht  operieren,  um  die  herkunft  aus 
A  zu  erweisen,  da  sie  wahrscheinlich  echt  und  richtig  sind,  so  scheint 
Vn  769  die  vulg.  quas  fast  gar  nicht  (nur  durch  X  1  g)  beglaubigt, 
ist  also  jedenfalls  conjectur  —  und  zwar  eine  falsche.  Ov. 
scheint  ein  einziges  mal  von  der  meute  das  fem.  gebraucht  zu  haben: 
III  140  vosque  canes  scUiatae  sanguine  erüi. "  aber  v.  225  heiszt  es 
von  derselben  meute  des  Actaeon  quosque  referre  mora  est.  Heinsius 
versuch  hier  auf  grund  eines  einzigen  namenlosen  g  quasque  einzu- 
setzen charakterisiert  scharf  die  schwäche  dieses  groszen  Ovidkenners 
—  hat  übrigens  in  neuerer  zeit  keine  nachahmung  gefunden,  vgl. 
ebd.  248  canum  fera  facta  suorum.  VII  754  canem  (einen  Jagd- 
hund !) ,  quem  {quam  1  g).  VIII  343  (aper)  ruü  spargvtque  canes^ 
ut  quisque  furenti  obstat,  ex  P.  II  2,  36  ftigit  infestos  territa  cerva 
canes  (infestas  wenige  g).  her.  5,  20  dtos  egi  per  iuga  longa  canes. 
a.  am.  II  374  {aper)  fulmineo  rahidos  cum  rotat  ore  canes.  allgemein 
(ohne  beziehung  auf  die  meute)  steht  sonst  das  fem.  nur  zweimal, 
und  zwar  im  sing. :  mä.  VII  409.  fast.  IV  396  (denn  a.  am,  11  484 
ist  von  einer  htindin  die  rede),  der  plural  dagegen  nie."  über 
VII 827  mihi  ist  oben  s.  612  gesprochen.  —  Beide  fragmente  sind  aus 
dem  original  (0)  von  bMN  geflossen:  vgl.  V  577  achia.  598  mar- 
gine  fontis.  VII  786  und  VIII  87  om.  sie  sind  mit  M  viel  näher 
verwandt  als  mit  N,  denn  sie  stimmen  in  singulären  lesarten  mit  M 
öfters  (VI  35  manu  auch  mit  b),  mit  N  nirgends,  vgl.  V  651  quid 
ueniat  (=  M  2  g)         V  670  loqui]  oculis  ü  (corr.)  b*  (vermutlich 


^^  und  selbst  hier  ist  die  lesart  Dicht  ganz  sicher,  so  hat  gerade 
X  satiatiy  ebenso  G  uva.  —  VII  773  will  U  (==  1  g)  durch  die  lesart 
ipsa  den  Jagdhund  Laelaps  zum  fem.  machen,  mit  unrecht,  wie  774  leigt. 

'^  die  Ovidcitate  bei  Heinsius  zu  met,  III  140  sind,  als  gröstenteils 
auf  falschen  lesarten  beruhend,  hiernach  zu  berichtigen. 

40» 


632     HMagtius;  tn  Oyidlua  metamorphoseQ.  11.  der  tirchetypus« 

andern  copistan  statt  eines  eupboniäohen  atnbo  eingeschwirzt  wer- 
den, also  interpoliert  ist  dieses  amho  ohne  zweifel.  aber  auch  für 
wahr  (db.  ftlr  eine  richtige  conj.)  kann  ich  es  nicht  bnlten:  denn 
*nichts  ist  bedenklicher  als  in  fragen  des  klangs  unser  ohr  zum 
richter  zu  machen  über  das  was  alten  dichtem  genehm  oder  zuwider 
war*,  ao  Vahlen  monatsber,  der  Berl,  akad.  1881  s.  340;  dazu  progr. 
des  Sophien-gymn.  1887  s.  27*  Owen  Ov.  Trist,  s.  226.  Htterator- 
verzeichnis  bei  KPScbulze  progr*  des  Werder  gyron.  18U3  s.  16.  auf* 
fälliger  noch  sind  stellen  wie  her.  14,  26  in  invitos  inpia,  fast.  11  712 
exU  et  extindis  ignihus  eaia  rapU.  trist*  V  10^  23  rarm  rus  ua,  Ov. 
scheint  im  acc»  amho  und  atnhos  gebraucht  zu  haben»  er  schrieU 
VII  792  wohl  mnho  (MNÜ  manche  g,  amhos  l^G)^  jedoch  /»«r. 
10,  51  qui  nos  acceperat  ambos,  —  Dagegen  ist  II  436  quem  aller- 
dings richtig,  vielleicht  auch  insofern  echt,  als  A  que  ohne  w -strich 
hatte,  was  die  abschreiber  verschieden  deuteten  (übrigens  hat  M 
nach  Meyncke  über  quae  eine  raaur).  ob  I  6ß6  ipse  echt  ist,  Iftszi 
sich  bei  der  stehenden  Verwechslung  von  inde  und  ipse  schwer  ent- 
scheiden,  sicherlich  ist  es  (^  NA')  nicht  singulär  und  oben  s,  604 
auf  seine  richtigkeit  geprüft  worden,  für  die  gestaltung  des  teitea 
ist  ß  wertlos,  doch  ist  er  ein  interessanter  beleg  für  die  thataache, 
dasz  bereits  im  elften  jh.  (nach  Ellis  noch  früher)  ein  im  Verhältnis 
tu  A  sehr  verschlechterter,  interpolierter  und  aus  verschiedenen 
recensionen  contaminierter  text  im  Umlauf  war. 

Das  andf+re  fragment  (P),  dessen  kenntnis  wir  REllj 
verdanken  (vgl.  Journal  of  philol,  XV  30  [1886]  s.  244—246),  staht 
in  einer  Pariser  hs.  n.  12246,  die  von  Delisle  dem  zehnten  jh.  zu- 
gewiesen wird.  Provenienz  aus  A  (1  190  tcmptanda%  nahe  Verwandt- 
schaft mit  ß  (II 154  quartusque  phkgon  solis  equi  ß.  quartus  pklegans 
innitihtts  auras  [doch  *in  the  left  margin  solis  €^uV\  P»  II  160  ortu& 
/SP)  sind  unverkennbar,  das  wenige,  das  ß  mit  D  gemeinsam  hat, 
macht  auch  P  mit  —  soweit  sein  geringer  umfang  ein  urteil  gestattet 
(I  91 — 93  oro.  I  132  mq^)*  aber  die  ab  weichungen  von  ß  sind 
doch  sehr  bedeutend  (1  156  nicht  om.  II  68.  69  =  A  —  also  ohne 
die  dreisten  Interpolationen  von  ß  — ,11  128  udan///  »^  A,  11  143 
Ymida  P.  Bumida  ß  ua,).  es  ist  möglich,  das/.  /JP  aus  derselben 
vorläge  geflossen  üind.  dann  mttste  aber  ß  von  ihr  weiter  entfernt 
sein  als  P,  denn  der  text  von  P  ist  viel  reiner,  ja  überhaupt  frei 
von  interpolationen.  damit  stimmt  sein  wahrricheinlich  höheres  alter 
und  ganz  besonders  der  umstand  dasz  die  Spuren  der  abstammung 
aus  einem  ohne  wortlrennung  geschriebenen  originale  noch  weit 
häufiger  sind  als  in  ß  (I  149  cedcma  dentis,  I  155  pdio  nos8a€* 
11  122  suh  acrc),  andere  singulare  lesarten  sind  leichte  schreib* 
fehler  (II  147  vor  146.  II  136  altis).  für  die  geschichte  des  textea 
hat  P  wenig  interesse,  Olr  seine  gestaltung  keines. 


Im   Koblenzer   program m  von    1^21    s.  12  f,   bericbteC 
FNKlein   über  fmgmente  ans  zwei  von  einander  gan^  verschio- 


HMagnus:  za  Ovidius  metamorpliosen.  II.  der  archetjpuB.     633 

denen  metamorphoBen  -  hss.  auf  pergamentblättern ,  die  er  von 
bücberdeckeln  losgelöst  hatte  (K^  und  E^j)*  leider  wird  sehr  un- 
bestimmt die  Schrift  des  ersten  für  *alt  genug',  die  des  zweiten  für 
'bedeutend  jünger*  erklärt.  K,  enthält  1 192—281  und  III  33—126. 
Ursprung  aus  A  ist  unzweifelhaft:  vgl.  I  231  in  dominum  dignos, 
I  235  V  tüur  KMNfGsT;  daraus  ist  wohl  in  X  und  einzelnen  g 
V^titur  corrigiert.  der  familie  MN  gehört  K]  anscheinend  nicht  an. 
sein  wert  ist  nicht  zu  bezweifeln,  es  bietet  III  93  ganz  singulär  das 
echte  tma,  ebenso  I  217  das  dem  richtigen  ganz  nahe  kommende 
SiUene  (Planudes  hat  CyUene  offenbar  durch  conj.  hergestellt;  vgl. 
oben  8.  619).  es  bestätigt  daher  I  226  mit  eo  est^  I  239  mit  imago 
est ,  III  49  mit  afflatu  (dahinter  ist  hos  interpolierend  über  die  zeile 
geschrieben)  die  lesart  unserer  guten  Überlieferung  in  erwünschtester 
weise,  vielleicht  erweist  sich  daher  auch  I  253  das  gewichtig  klin- 
gende terras  .  .  totas  (vgl.  IV  166  uma  .  .  tma  N)  noch  als  richtig; 
nicht  glaublich  ist  III  35  Ittctim  Tyria.  manchen  g  scheint  K,  be- 
kannt gewesen  zu  sein:  I  281  et  fontibtis  K|  5  g  (richtig?),  III  56 
super  Kj  13  g  (richtig?),  III  120  dederat  läo  Kj  manche  g  (schwer 
zu  entscheiden;  vgl.  XII  378.  458).  Interpolationen  fehlen  nicht 
ganz :  I  193  faunique  et  satyri  (=  G  3  g),  I  269  et  densi  (=  ßXeOt 
viele  g),  III  76  herbas  (=  XcGsr),  III  SO perturbat  (=  X  viele  g), 
III  99  cum  uoce  {Xs  viele  g).  —  Unter  den  charakteristischen  les- 
arten  von  K^  (enthaltend  V  433—522)  ist  nur  6ine  gefällig:  V  433 
in  liquidas  (=»  1  g).  dies  ist  scheinbar  besser  als  das  inhaltsleere 
gdidas  der  vulg.  (vgl.  429  extenuatwr^  möüiri^  431  tenuissima  quaeque 
liquescunty  433  membris  exUibtiSj  435  in  tenues  abeunt  euanida  riuos), 
aber  liquidas  kann  eine  elegante  conjectur  sein,  die  vielleicht  gar 
nicht  notwendig  ist,  wenn  man  in  geUdas  den  gegensatz  zwischen 
dem  kalten  toten  wasser  und  dem  warmen  lebensblute  sucht  (435 
pro  vivo  sanguine  venas  lympha  subvt).  V  461  halte  ich  die  vulg. 
steUatus  gegen  stiUat%LS  K,  («=  Lachmann  zu  Lucr.  s.  33)  für  richtig, 
auch  V  477.  478  ist  wohl  mit  vertantia  .  .  vertu  aratra  .  .  colonum 
nichts  anzufangen.  Klein  vermutete  zwar  versantia  nach  Hör.  ca. 
III  6,  39;  doch  s.  mä.  1 425.  und  colonum  ruricolasque  boves  würde 
unangemessen  einen  bestimmten  landmann  mit  seinen  pflugstieren 
kennzeichnen,  niemand  wird  hiemach  V  484  sidera  nunc^  505  ül4e 
oculis  für  echt  halten  wollen,  noch  schlechter  ist  Y  444  orta  dies 
hebetauitj  447  et  teäam^  482  in  aruis^  509  seu  saucia.  öfters  geht 
Kj  in  interpolationen  mit  der  geringem  Überlieferung  zusammen : 
Y  434  tergumque,  451  diui^  459  pauentem^  513  sparsis.  ich  glaube 
nicht  dasz  wir  den  Verlust  dieser  hs.  sehr  zu  beklagen  haben. 

Andere  fragmentarische  textesquellen  hat  uns  ClHellmntb 
aus  Münchener  hss.  erschlossen. *^  von  einem  codex  ans  St.  Nicola 

^^  über  brachstücke  von  Ovids  metamorphosen  (s.  oben  s.  620)  so. 
8.  229—266.  vgl  REhwald  in  Bursian-MüUers  jahresber.  1882  II  8. 185 
— 187  (dessen   urteil  ich  jedoch  hier  nicht  überall  zustimmen  kann), 


634     HMagnna:  zu  Ovidius  metamorphoBeti*  II.  der  arehetjpua. 

bei  PäSßau  (des  zwölften  bis  dreizehnten  jh.)  sind  nur  zwei  bl&tter 
vorbanden,  enthaltend  XI  394—457.  460—517.  XUI  147—206. 
209  —  266.  das  genügt  nicht  um  art  und  wert  der  hs.  zu  bestimmen» 
Ursprung  aaa  A  ist  aber  Euzweifelhafi  (zb.  XI  499  iiertU).  das«  uns 
XOI  235  mit  repono  (=^  4  g  Bentley)  die  echte  lesart  von  A  er- 
halten sei,  ist  nicht  recht  glaublich,  unter  die  menge  von  conjeeturen 
in  den  g  [refundo^  refirmOy  reformo^  repemlo)  wird  auch  die  sehr  an- 
sprechende repono  gehören,  mag  sie  nun  selbständig  erdacht  (wie 
XUl  161  die  fätschung  dicam  für  ducar)  oder  aus  andern  hss.  herüber 
genommen  sein. 

Etwas  deutlicher  steht  vor  uns  eine  hs.  von  Tegernsee  ans 
dem  zwölften  jh.  (T).  erhalten  sind  rund  2300  verse,  sie  stammt 
aus  A  (1 155  suhiedo.  I  189  terras  ua.).  sie  gehört  femer  zur  familie 
MN.  vgl.  folgende  singulare  Übereinstimmungen  von  MKT:  I  326 
om.  XIII  955  vor  954.  XIV  13  dignior  esse  (=  6  g,  dignus  amorc 
auf  rasur  N*).  wo  M  und  N  aus  einander  gehen,  hält  sieh  T  ge* 
wohnlich  zu  Ng:  IX  781  munusque  M  4  g,  matrisque  TAG,  tnotii- 
iusque  tui  N,  meritumqut  oder  iussumqut  g  X  123  sitrnebas 
M  wenige  g,  tendchas  NTGg        X  126  nüore  M,  uapore  NGTg 

XI  697  muUum  fuit  utile  M  wenige  g,  teci^m  fuü  utile  NTg, 
qiioniam  f.  w.  Gig.  —  Weder  mit  M  **  noch  mit  N  teilt  T  singuJfiro 
lesarten,  steht  überhaupt  im  richtigen  wie  im  falschen  oft  zusammen 
mit  den  g  gegen  M  N:  IV 498  animos  M N^ G  manche g,  animasTlg 

XI  700  ponti  M N',  perii  T  A  g,  pereo  i  G  manche  g  XIII  597 
uos  MN  12  g,  di  oder  dii  (letztere  form  läszt  noch  deutlich  die 
prosaische  glosse  erkennen)  HTfGg:  vgl.  I  2  die  Variante  luxm 
di  mutastk  XIII  762  uaUditque  M  1  g,  utrique  N\  nostrique 
HeTGg.  dasz  der  schrelber  auch  auf  eigne  band  interpolierte;  zeigt 
XI  774  maus  eder  äuget  amorem,  T  ist  also  eine  hs»  mit  stark  ge- 
mischtem texte,  so  kann  XIII  684  das  richtige  H^kus  (==  e)  durch 
contamination  aus  A  geflossen  sein,  in  der  vorläge  von  MN  stand 
offenbar  Nileus  (MUeus  G  manche  g).  ob  XII  350  L^cdum  richtig 
ist,  bleibt  ebenso  unsicher,  wie  es  sicher  ist,  dasz  in  Klichtpen  stand 
und  Lf/ceum  Lyceium  Lycotan  emendations versuche  sind,  dasselbe 
gilt  von  IV  168  Leticonoe  in  TG  manchen  g  gegen  Ltu€oiho^}iilfg; 
in  A  mag  nach  N  und  einzelnen  g  Leucotoe  gestanden  haben,  end- 
lich ist  XII  353  Thereaque  freilich  richtig  und  Thestaque  in  M  inter» 
polation,  aber  alle  andern  hss.  haben  Tereaque  oder  (wie  NG  ein* 
zelne  g)  richtig  Thereaque  —  also  eine  rein  orthographische  differenz; 
Therreaque  in  T  (*=  «)  ist  demnach  ganz  belanglos,   summa:  T  hat 

meine  bemerknogeo  jahresber.  des  philoh  verein»  XII  (1886)  s,  181—180, 
Riete  prnef.  ed.  II  b.  XXX. 

*^  X  315  knnti  man  die  möglichkeit,  daaz  die  leichte  cormptel  mal« 
(ftir  mmus)  in  T  ichon  in  der  fremeinfAmeD  vorUge  stand  und  fSr  M 
anlasz  su  der  Bchweren  interpoUtion  hie  mtyt  e$t  odhque  minuM  äcthut 
bot^  einrättmen,  aber  nicht  die  wahmcheinticbkeit;  tirsache  nnd  wirkuta; 
fitäoden  Dicht  im  rechten  verhliltnis,  und  N  hat  mnius,  ee  lirgt  aUo 
wobl  nur  ein  Eufall  vor.     nichle  andere»  ist  I  800  /oeoe  in  NT. 


HMagnus:  zu  Ovidius  metamorphosen.  II.  der  archetypus.     635 

weder  Interesse  für  die  textge schichte,  da  wir  in  MN  zwei  nach  alter 
und  reinheit  der  Überlieferung  viel  höher  stehende  vollständige 
repräsentanten  ihrer  familie  haben,  noch  für  die  gestaltung  des 
textes,  zu  dessen  emendation  er  nichts  beiträgt.^  ich  glaube  daher 
nicht,  dasz  T  aufnähme  in  den  apparat  einer  kritischen  ausgäbe 
verdient. 

Endlich  ist  zu  besprechen  eine  hs.  der  Münchener  bibliothek 
n.  23612  (|x)  aus  dem  dreizehnten  jh.,  enthaltend  X  283— XIV  746. 
dasz  fi  aus  A  stammt  bedarf  keines  beweises  (vgl.  zb.  XI  763  gracüi 
conata  hicorni),  über  sein  Verhältnis  zur  familie  MNT  geben  ua. 
folgende  Varianten  aufschlusz:  XII  345  hienoris  MNft.  hianoris 
hüanoris  usw.  XeGg  XII  333.  334  minorem  .  .  dederunt  ver- 
tauscht MNft  2  sr  XII  378  phlagreona  M|x  1  g.  pJOagraeon///  N. 
phlegr{a)eon  phegon  usw.  HcGg  XII  542  deiphoehum  Mfi.  dep- 
phcbum  NGf  3  g.  deiphohum  Hg  XIII  681  transtülü  MNf*.^ 
miserat  RsGg  XIII  694  per  inertia  uulnera  M fi.  per  fortia  u.  N 
(doch  fortia  von  m.  2  auf  rasur)  2  g.  p,  f.pedora  EeQg  XIII  955 
vor  954  MNTft.  offenbar  gehört  fi  zur  familie  MNT.  haben  wir 
uns  nun  die  sache  so  zu  denken,  dasz  alle  vier  descendenten  6ines 
Stammvaters  sind?  nirgends  haben  N  und  fi  charakteristische  (dh. 
sonst  wenig  oder  gar  nicht  bezeugte)  Varianten  gemeinsam,  dagegen 
zeigen  M  und  fi  frappante  ähnlichkeit:  XI  747  tunciacet unda maris 
M|it(N'?)  3  g.  tunc  uia  tuta  m,  N'HaGg  XI  769  aspemM perlen 
Mf*.  aspicit  {h)e{s)perien  NHeGg*^  XII  18  prodigus  auctor  /x 
(corr.)  M.  prouidus  augur  "NXsGg  XII  561  fungüur  corr.  in 
figitur  M.  f.  corr.  in  fingUur  fi,  iungüur  N  H  e  G  sr  XU  370 
lacerum pedus  Mf*.  laterum  cratem  NHcGff  XIII  718  inüa  Mft. 
impia  NHeGgr.  inrüa  Heinsius  XIII  762  ualidaque  Mft  1  g. 
utrique  N.  nostrique  RsQg  XIII  853  solido  .  .  orhi^ii.  Soli 
{Solls)  .  .  orbls  NHeGg        XIII  967  furens  Mf*.   deum  NH^Gg 

XIV  215  mor'ique  Mft.  morarl  N  (-ri  von  m.  2).  morlrl  Heg. 
cupldusque  morl  mortlsque  tlmore  G  2  g,    dafür  gibt  es  zwei  erklä- 

*^  nicht  einmal  in  b.  XV,  wo  MN'  fehlen,  bat  T  anscheinend  etwas 
vor  den  übrigen  g  voraus,  ich  bemerke  zu  den  gewöhnlich  athetierten 
versen  426 — 430  kurz  folgendes,  da  T  mit  431  nunc  quoque  usw.  ein  neues 
blatt  anfängt  (auf  jedes  blatt  kommen  nach  Hellmuth  ao.  s.  231  etwa 
31  —  34  Zeilen),  da  das  vorhergehende  blatt  ganz  fehlt,  so  kann  doch 
die  thatsacbe,  dasz  427.  428  später  zwischen  451.  452  ganz  sinnlos  ein- 
geschoben sind,  nicht  wohl  gegen  die  ecbtheit  der  5  verse  geltend  ge- 
macht werden:  mit  lauter  unbekannten  gröszen  läszt  sich  nicht  rechnen, 
die  Streitfrage  selbst  wage  ich  nicht  zu  entscheiden,  obwohl  es  Jahn 
und  Bach  gelungen  ist  dies  und  jenes  bedenken  abzuschwächen,  bleiben 
die  verse  doch  verdächtig,  weil  zu  viel  auffallendes  sich  häuft,  und 
Ovids  pointierter  darstellung  entspräche  es  gewis  sein  thema  iUas  (alias? 
s.  progr.  des  Sophien-gymn.  1893  s.  22)  adsumere  rohora  gentes^  concidere 
has  durch  ein  einziges  merkwürdiges  beispiel  zu  illustrieren.  ^'  von 
erster  hand  in  miserat  verbessert,  anscheinend  benutzte  also  der  Schreiber 
von  N  eine  anderer  familie  angehörige  hs.  zur  revision.  *^  unwesent- 
liche Varianten  einzelner  hss.  werden  hier  und  sonst,  wo  es  darauf  an- 
kommt den  thatbestand  klar  hinzustellen,  nicht  notiert. 


636     HMagnnt:  zu  ÜTidiuB  metamorpboseu.  II.  der  archetjpiiB. 


ruBgeD.  entweder  man  läszi  M  und  (a  ans  gemeinsamer  vorläge 
stammen  (so  Hellmuth  ao.  s.  243),  aber  wäre  dem  i^o,  dann  mQ&te 
fi  bisweilen  zusammen  mit  N  geben,  mUsie  da,  wo  der  Schreiber  von 
M  selbst  irrte  oder  fälschte,  uns  durch  singulare  lesarten  aufbcblusiK 
gehen  über  das  was  in  der  gemeinsamen  vorläge  stand ,  kurz  mOste 
irgendeinmal  anwandtungen  von  Selbständigkeit  zeigen,  nichts  von 
alle  deml  vielmehr  ist  ft  wahrscheinlich  aus  M  geüossen.  dafür 
au3zer  den  obigen  stellen  noch  einige  indicien.  aus  XU  472  cruii 
war  in  M  durch  die  so  häuQge  falsche  aspiraüon  (progr.  des  Sophien* 
gymn,  1887  s,  IG  f.)  und  buchstaben Versetzung  hauriit  geworden; 
nur  dies  konnte  anlaäz  zu  der  Interpolation  hauserai  in  f*  gehen,  in 
der  vorläge  von  MNT  war  XIII  456  inque  zu  utque  geworden  (wegen 
\äqu€  455);  aber  nur  M  hat  die  interpolation  lumine  uaMus^  und  nur 
ft  teilt  sie.  noch  schlagender  ist  XIII  780.  hier  war  das  letzt©  wort 
im  originale  von  MN  resedii  wie  oft  (s.  progr.  1887  s,  2G)  unleeer- 
lich  oder  verstümmelt.  N  schrieb  gewissenhaft  refertur,  was  er  noch 
zu  erkennen  glaubte.  M  interpolierte  ganz  geschickt  (vgl.  811) 
meäiosque  per  aestus  und  verband  das  mit  dem  folgenden;  genau  ao 
liest  fi  (denn  dasz  mcdiosque  zuerst  ausgelassen  ward  und  von  der- 
selben band  am  rande  nachgetragen  steht,  ist  belanglos)«  —  Anf  dio 
naheliegende  frage,  ob  fi  unmittelbar  aus  M  abgeschrieben  gel, 
mögen  folgende  stellen  antworten:  X  653  summa  cekria pendebat 
arena  M  2  g.  summam  cderipede  libat  harefuxm  NA^G^ig  XI645 
popuUs  aUi  plebique  per  herbam  (vgl.  VII  836)  M.  papuhs  alii  pU- 
bemque percrfant  NX^G^g  XI 774  au^et  amore  (aus  amorem)  M. 
urgei  amore  XeQfig.  att^d  N  XII  175 /erun^ur  MN'.  motteniMt 
XiGfig  XII  321  insertis  äiffUis  tele  M  (so  wollte  anseheinend 
auch  N  anfangen ;  imerjj/i  .  *  .  amcfUo  hinter  dmi).  inserit  amenta 
digitos  A^G^g  XIV  435.  436  muiata  per  euum  muUaque  sunt 
UN'H.   narrata  per  anmtm  uimque  sunt  iG/üg/^  also  ^  ist  nicht 


*^  nn  dicaca  ttellen  hat  /i  g^egeniiber  M  allardings  das  richtt^e. 
aber  hierituB  ohne  weiteres  Schlüsse  auf  den  selbAtäDdigen  wort  der 
h«.,  auf  die  contiuaität  nod  echtheit  ihrer  richtigen  tesarten  in  liehen 
geht  nicht  an:  ^  teilt  aie  ja  nicht  nur  mit  N,  sondern  auch  mit  AiQ 
und  dem  trosae  der  ?,  mit  mehr  recht  würde  mau  sie  abo  auf  den 
altern  N  surtick führen,  und  selbat  bei  der  hochnt  nnwahrfichetnlichen 
annabme  einer  j^emeiosamen  quelle  von  K^  bliebe  ein  dlrecter  fttt« 
sammenhang  der  wichtig^en  leaarten  in  fi  mit  dieser  wenig  glaublich, 
schon  der  aUersuxtterachied  von  swei  jhh.,  während  deren  das  inier* 
polieren  im  metamorphoientexte  flott  betrieben  ward,  apncbt  dago^en. 
und  noch  eins,  hätte  da^  wo  N^g  im  riehtifren  gegen  M  stehen^  ^  da« 
echte  erhalteOf  6o  müste  ei  auch  stellen  geben»  wo  ^  mit  N  in  aeUeneii 
und  charakteristischen  lesarteu  lusammengiengep  ferner  stellen  wo  b«i 
der  unleugbar  nahen  Verwandtschaft  swiacben  M  und  ft  ioterpolaiioneo 
jenes  darrh  corruptelen  dieses  erklärnng  fänden;  es  könnte  endlich 
nicht  gans  an  beachtenswerten  singutliren  le^arten  in  fi  fehlen.  nicKta 
TOD  alle  dem:  wo  ^  besseres  hat  als  M,  da  ist  es  stets  gemein^l 
der  jungen»  von  interpolationcn  am  atitrkaten  doichsetsten  libeiUefertiti^. 
damit  wird  nicht  geleugnet,  dass  etwaa  ricUtii;e«  in  ft  durch  contamina* 
tion    aus   A   gekommen   sein   kann:    ^  hat  eben   aas  kleinen  yoii  Ter* 


HMagnus:  za  Ovidius  metamorphosen.  IL  der  arclietjpus.     637 

direct;  sondern  durch  ein  Zwischenglied^'  aus  M  geflossen,  dieses 
war  eine  nach  stark  interpolierten  yulgat-hss.  durchcorrigierte  ab- 
Schrift  von  M.  mitunter  scheinen  (vermutlich  von  verschiedenen 
händen)  ihre  ursprünglichen  lesarten  ausradiert  und  durch  die  der 
g  ersetzt  zu  sein^  an  andern  stellen  (die  beispiele,  freilich  anders  ge- 
deutet, bei  Hellmuth  s.  246)  standen  die  letztern  zwischen  den  zeilen 
oder  am  rande  (in  diesem  falle  hielt  fi  anscheinend  die  Varianten 
fllr  correcturen  und  bevorzugte  sie  oder  schrieb  beide  lesarten  ab), 
selten  nur  war  von  noch  späterer  band  die  ursprüngliche  lesart 
wieder  hergestellt  oder  beigeschrieben  worden  (dieselbe  erscheinung 
im  Sangermanensis  des  Catull;  s.  EThomas  comment.  s.  828).  man 
sieht,  diese  abschrift,  das  original  von  (a^  musz  ganz  ähnliche  Schick- 
sale gehabt  haben  wie  N :  auch  in  N  würden  wir  sehr  oft  ohne  hilfe 
von  M  die  ursprüngliche  lesart  nicht  mehr  enträtseln  können.  — 
(i  ist  eine  sehr  stark  interpolierte  und  contaminierte  hs. ,  die  nicht 
einmal  einzelne  gute  singulare  lesarten  erhalten  hat,  für  uns,  die 
aus  ihrer  quelle  M  direct  schöpfen  können,  völlig  wertlos. 

Zum  Schlüsse  noch  ein  kurzes  wort  über  die  hss.  der  Bod- 
leiana,  die  Ellis  in  Simmons  commentierter  Sonderausgabe  von 
b.  XIII.  XIV  (London  1887)  erwähnt  (vgl.  besonders  Ellis  bemer- 
kungen  in  der  introduction  s.  XXX — XXXII).  die  mitgeteilten  les- 
arten sind  zu  gering  an  zahl  und  bedeutung,  sind  gar  zu  planlos 
herausgegriffen ,  als  dasz  ein  versuch  sie  zu  classificieren  und  abzu- 
schätzen möglich  schiene,  den  grösten  wert  legt  Ellis  auf  Can.  7. 
aber  dessen  lesarten ,  soweit  sie  veröffentlicht  werden,  rechtfertigen 
die  behauptung  ^it  presents  readings  of  an  unique  and  isolated  kind' 
ganz  und  gar  nicht,  vielmehr  scheint  Can.  7  eine  interpolierte 
vulgat-hs.  gewöhnlichsten  Schlages  (vgl.  Ehwald  BerL  ph.  woch. 
1887  sp.  1242  f.  und  meine  bem.  jahresb.  d.  phil.  v.  XV  147  f.). 
neben  gleichgiltigen  Varianten  finde  ich  nur  zwei  singulare  lesarten : 


schiedenen  seilen  einmündenden  canälen  wasser  versehiedenster  qaalitftt' 
erhalten,  das  nicht  ans  seiner  ursprünglichen  quelle  geflossen  ist. 

*^  die  annähme  ^ines  Zwischengliedes  reicht  zur  erklärung  aller 
differenzen  zwischien  M  und  fi>  aus.  aber  die  möglichkeit,  dasi  es 
mehrere  waren,  bleibt  offen,  so  scheint  XIV  24  dafür  zu  sprechen, 
hier  bieten  M  und  N*  (denn  E,  das  einzige  Überbleibsel  der  ersten  les- 
art, läszt  kaum  eine  andere  deutung  zu)  Ei  negue  nil  opus  est,  so  stand 
also  bereits  in  der  gemeinsamen  vorläge,  weil  der  Schreiber  ein  un- 
deutliches groszes  F  fälschlich  als  E  gelesen  hatte,  (ähnlich  ist  X  536 
in  N  der  grosze  anfangsbuchstabe ,  der  offenbar  etwas  entfernt  stand, 
gar  nicht  mit  abgeschrieben  und  aus  Fine  ein  inde  geworden,  vgl. 
XI  738  rigida  für  Frigida.  im  cod.  Leid.  Voss.  61  ist  dergleichen  ganz 
gewöhnlich;  s.   progr.  1893  s.  4.)    in  einer  abschrift  von  M  ward  das 

fine 
so  corrigiert:  Et  neque  nil  opus  est.  das  sollte  natürlich  heiszen  fineque 
nil  o.  e. ,  ward  aber  von  ^  gelesen  und  abgeschrieben  Et  fine  rät  o.  e. 
(dasz  neque  als  Variante  über  fine  beibehalten  wurde,  zeugt  von  der  Un- 
sicherheit des  Schreibers),  aber  nötig  ist  die  annähme  nicht:  denn  die 
contamination  kann  auf  rechnung  des  Schreibers  von  p^  kommen. 


638     ESchweikert:  der  lymche  aufbau  der  erBten  epode  des  Horatius, 

XIV  76  cum  tarn  prope  litus  aäesset  (vulg.  adessenf)  und  XTV  280 
pro  uerhis  reddere  (v^lg.  edere)  rauct4m  murmur  (vgl.  X  702 pro  uerhis 
murmura  reddunty  die  zweite  ist  eine  durch  nichts  empfohlene 
conj,^  die  erste  dagegen  —  entweder  ebenfalls  conj.  oder  eine  durch 
contamination  zufällig  erhaltene  echte  lesart  —  hdchat  wahrscheinlich 
richtig:  vgl.  IX  675  cum  iam  prope partus  adesset,  IX  286  cum  iam 
naialis  adesset.  her*  11,  71  iam  prope  Urnen  erat,  fast.l  bS3  prope 
tempus  adesse  (hiernach  ist  her.  18, 60  die  vulg.  hinc  prope  litus  ahest 
unsicher,  zumal  da  P  hie  hat),  wenn  übrigens  Ellia  den  Can.  7  mit 
den  Worten  rühmt  'I  consider  it  to  be  ihe  nearest  approxiination  to 
M  which  is  yet  known*,  so  ist  das  jetzt  nach  dem  bekanntwerden 
von  N  keine  empfehlung  mehr»  wir  brauchen  nemlich  zur  Vervoll- 
ständigung unseres  apparates  für  die  ersten  14  bücher  vielmehr  hse., 
die  1)  muglichst  alt  sind  dh.  mindestens  gleichalterig  mit  MN^ 
2)  nicht  zur  familie  MN  gehören,  doch  darüber  wird  in  einem 
folgenden  aufsatze  zu  reden  sein. 

Beblin.  Hugo  Magnus. 

70. 

DER  LYEISCHE  AUFBAU  DER  ERSTEN  EPODE 

DES  HORATIUS, 


Die  erste  epode  des  Horatius  enthält  die  widmung  dieses  buch- 

leins  seiner  gedichte  an  seinen  freund  {amice)  Maecenas,  welcher 

im  frühjahr  des  j.  31  vor  Ch,  wenige  monate  vor  der  scblacht  hei 

Actitim  mit  den  übrigen  einfluszreichen  rittera  und  Senatoren  auf 

Octavians  wünsch  nach  Brundisium  gieng  in  der  absieht  während 

des  krieges  mit  AntODius  in  Octavians  nöhe  zu  bleiben  (Cass.  Dion 

LH),    diesen  äuszcra  lyrischen  Standpunkt  bezeichnen 

V.  1 — 4  Ihis  Liburnis  inter  aUa  nauiumy 

amice^  propugnacula , 

paratus  omne  Caesaris  periciUum 

mhire,  Maeema$r  '^• 

der  dichter  führt  fort: 

V,  5 — 10  quid  nos^  quihus  te  vita  si  supersiite 
iucunda^  si  contra  ^  gratis? 
utrumne  iussi  persequcmur  otiumt 

non  dulce^  ni  tecum  simul^ 
an  hunc  laborem  menie  laturi  decei 
qua  ferre  non  mollis  viros? 
er  erwägt  sein  persönliches  verhalten  zu  der  bevorstehenden  tren- 
nungj  er  erwägt,  ob  er  nicht  ebenso,  wie  dieber  mit  Octavianns,  leid 
und  gefahren  mit  seinem  freunde  Maecenas  teilen  solle,  ob  er  dazu 
wohl  auch  den  männlichen  mut  besitze. 

Zu  V.  11  bemerkt  Mit^cherlich :  'insurgit  cum  poetae  adfectn 
oratio/   der  ton  der  rede  schwellt  sich  mit  dem  vracbsen  der  macht 


ESchweikert:  der  lyrieche  aufbau  der  ersten  epode  des  Horatias.     639 

des  gefübls,  in   welchem   der  dichter  den  mut  gewinnt  mit  dem 
freunde  die  äuszersten  gefahren  zu  bestehen. 
V.  11  — 14  feremiiSy  et  te  velper  Älpium  iuga 
inhospüalem  et  Caucamm^ 
vel  occidentis  usque  ad  ultimum  sinum 
forti  sequemur  pedore. 
aber  mitten  in  dieser  erregung  vertieft  sich  das  gefühl,  wird  inniger, 
was  Porpbyrion  zu  v.  17  bemerkt:  et  attende  a  singuLari  numero  ad 
pluralem  transitum  fecisse^  das  ist  auch  bei  v.  15  zu  beachten,   der 
Wechsel  des  numerus  ist  nicht  zufUllig:  er  entspricht  der  mehr  per- 
sönlichen Wendung  der  gefUhlsbewegung.    es  bricht  die  innigkeit 
wahrer  Freundschaft  durch ,  indem  Maecenas  (v.  15  f.)  dieses  mutige 
anerbieten  ablehnt,  weil  er  —  kein  mann  des  krieges  —  ihm  ja  doch 
nicht  helfen  könne. 

V.  15  u.  16  roges^  tuum  labore  quid  iuvem  meo 
inhellis  ac  firmus  parum. 
so  fuhrt  sich  der  grund  seiner  stärkern  gefühlserregung  auf  das  ein- 
fache, natürliche  und  schöne  motiv  warmer  freundschaft  zurück: 
V.  17  u.  18  comes  minore  sum  futurus  in  metu^ 
qui  maior  ahsentes  habet. 
diesen   gedanken  veranschaulicht  der  dichter  durch  ein  sinniges 
gleichnis : 

V.  19— 22  ut  adsidens  inplumihus  puUis  avis 
serpentium  adlapsus  timet 
magis  relictiSy  non^  ut  adsU^  auxüi 
latura  plus  praesenlihus, 
herzliche  liebe  allein  war  das  motiv  seines  bereitwilligen,  mutigen 
Unterfangens ,  nicht  kriegerischer  sinn ,  auch  nicht  die  hofiiiung  auf 
materielle  belohnung. 

V.  23 — 34  lihenter  hoc  et  omne  milUahitur 
heUum  in  tuae  spem  gratiae , 
non  ut  iuvencis  inligata  plurihus 

aratra  nitantur  mea 
pecusve  Calahris  ante  sidus  fervidum 

Lucana  mutet  pascuis , 
neque  ut  superni  villa  candens  Tusciüi 

Circaea  tangat  moenia. 
satis  superque  me  henignitas  tua 

ditavit :  haud  paravero 
quod  aut  avarus,  ut  Chremes^  terra  premam 
discindus  aut  perdam  nepos, 
das  freundschaft sverhältnis  des  Horatius  zu  Maecenas  ist  das  schönste, 
wahrste,  innigste,  in  dem  keine  Veränderung  wünschenswert  erscheint. 
Überblicken  wir  jetzt  das  ganze  gedieht  noch  einmal,  so  ist  ein 
erster  und  wichtiger  markstein  in  der  psychologischen  entfaltung 
des  gefühls  mit  v.  15  gegeben,   voraus  geht  wie  in  einem  prodromus 
die  wachsende  entwicklung  des  gefühls,  welches  sich  in  drei  ab- 


640     ESchweikert:  der  IjrriBclie  aufbau  der  erfiten  epode  dee  Boraütia. 


fiStzen  1  —  4,  5 — 10  und  11—15  zu  seioer  höhe  steigert,  die  coo- 
8olidieriing  und  richtige  Fassung  der  Ijrriäcben  Stimmung  bringen 
die  ¥erse  15—22,  und  auch  hier  finden  wir  eine  dreifache  abstufnng; 
16  u*  16  entwicklung,  17  u.  18  erfassung,  19 — 22  klärting  des 
zündenden  I  massgebenden  poetischen  gedankens.  v.  23  —  M  ent* 
halten  die  exodus,  das  volle  walten  der  rechten  Stimmung  uad  die 
rlickkehr  zu  einfachen,  nattirlichen  Verhältnissen,  za  der  f^'to  incunda 
und  dem  otium  dulce.  zugleich  liegt  darin  eine  erglnzung  der 
motive ,  welche  der  Opfermut  des  dichtere  hätte  haben  können  — 
weder  heroische  gesinnung  noch  eigennutz,  sondern  nur  aufrichtige 
freundschaft  verbindet  ihn  mit  Maecenas.  durch  die  gegensätze  wird 
das  wahre  motiv  gehoben  und  in  das  rechte  liebt  gestellt,  auch  in 
dem  letzten  teile  ist  die  dreifache  abstufung  in  natürlicher  weise 
festgehalten:  23  u.  24,  25 — 30,  31 — 34.  die  pointe  des  gedichtet 
enthalten  v.  17  u.  18:  zu  ihr  führen  16  verse  hin,  16  versa  bilden 
den  schlusz, 

PHofman  Peerlkamp  zdst-  bezeichnet  v.  19  —  22 »  OFGropp© 
(Äeacus  s.  350)  v.  19 — 34  als  unecht,  dasz  durch  diese  Verstümme- 
lung die  ganze  architektonik  des  gedichtes  zerstört  wird ,  ist  leicht 
ersichtlich,  die  art  und  weise  aber,  in  welcher  die  beiden  gelehrten 
die  Streichung  der  beanstandeten  verse  begründen ,  zeigt  eine  nüch- 
terne, verstandesmäszige  auffassung  lyrischer  gedichte,  welche  der 
dichterischen  gemütbbewegung  gerecht  tu  werden,  dem  dichter  nach* 
zuemp£nden  nicht  in  der  läge  ist.  Peerlkamp  findet  den  vergleich 
der  herzcnsangst  des  freundes  mit  der  mütterlichen  sorge  des  nisten- 
den Vogels  unpassend,  weil  Maecenas  älter  gewesen  sei  als  Horatiu»; 
Gruppe  aber  sieht  in  der  abweisung  des  eigennutzes  als  motiv  für 
den  wünsch  den  freund  in  den  krieg  zu  begleiten  den  ausdruck  einer 
gemeinen  gesinnung.  aber  herzliche  dankbarkeit  steht  doch  auch 
dem  freunde  wohl  an ,  und  ein  wahreres  nnd  berechtigteres  gefübl 
als  das  der  mutterliebe  gibt  es  nicht,  auch  hätte  man  der  weisting 
des  alten  erklärers  folgend  beachten  sollen,  wie  Hör«  sich  durch  Ter- 
allgemeinerung  (absenteß)  rein  persönlichen  empfindend  in  feiner 
weise  den  Übergang  zu  dem  beanstandeten  gleichnis  bahnt,  das 
ganze  gedieht  aber,  besonders  den  schlusz,  durchweht  ein  zug  freien 
humors»  der  dem  Hör.  so  wohl  ansteht  und  der  auch  seinen  ernsten 
gedicbten  einen  eigentümlichen  reiz  verleiht  (vgL  Oesterlen  komik 
u.  humor  bei  Hör.  I  s,  102  ff.)*  Hör.  liebt  es  mit  lachendem  munde 
die  Wahrheit  zu  sagen  [sat,  I  1,  24  ridendo  dkere  verum)  ^  dasE  die 
kritik  dies  vielfach  nicht  beachtet,  ist  für  die  behandlong  der  ge* 
dichte  des  Her.  verhängnisvoll  geworden,  man  construiert  sich  dag 
ideal  eines  Ijrikers  und  findet  dann,  dasz  Hör.  diesem  nicht  ent* 
spricht,  aber  um  die  neue  entdeckung  der  interpolationen  möglichst 
ausnutzen  zu  können ,  tadelt  und  streicht  man  auch ,  ohne  dem  ver* 
»tändnis  des  überlieferten  textes  gerecht  geworden  zu  sein. 

M (}K€HBH  -  Gl ADB ACS*  EsMaT  ScHwr^ncsET. 


EESTE  ABTEILUNG 
FÜR  CLASSISCHE  PHILOLOGIE 

HEBAUSGEGEBEN  VON  ALFBED  FlECKEISEN. 


(66-) 

DIE  REIHENFOLGE  DER  FÜNF  ERSTEN  REDEN 

IN  PLATONS  SYMPOSION. 

(fortsetzuDg  von  8.  661—686.) 


Dasz  die  rede  des  Eryximacbos  eine  Vermittlung  zwischen 
den  gegensätzlichen  ansichten  des  Phaidros  und  des  Pausanias  ent- 
hält, läszt  sich  aus  ihrem  eingange  nicht  erkennen;  aber  anch  Pausa- 
nias hatte  seine  auffassung  des  fpujc  nur  für  eine  durch  die  un- 
genaue formulierung  des  themas  veranlaszte  berichtigung  ^^  der  rede 
des  Phaidros  angesehen,  während  er  im  weitem  verlaufe  den  ge- 
danken  des  Phaidros  nicht  berichtigt,  sondern  in  sein  gegenteil  ver- 
kehrt. Eryximacbos  erklärt  die  rede  des  Pausanias  in  notwendiger 
weise  ergänzen  zu  wollen;  er  pflichtet  nemlich  dem  Paus,  in  der  an- 
nähme einer  doppelten  natur  des  £pu)C  bei,  glaubt  aber  dasz  der- 
selbe sich  nicht  auf  die  seelen  der  menschen  beschränke  und  nicht 
nur  auf  die  schönen  gerichtet  sei ,  sondern  im  Verhältnis  zu  vielem 
andern  und  in  vielen  andern  dingen  hervortrete,  sowohl  in  den 
körpern  aller  lebenden  wesen  als  auch  in  den  gewachsen  und  über- 
haupt in  allem  was  sei.  diese  bedeutung  des  gottes  ist  dem  redner 
an  der  heilkunde  zum  bewustsein  gekommen ;  dasz  fpuüC  doppelter 
natur  sei,  folge  daraus ,  dasz  gesundes  und  krankes  einander  unähn- 
lich sei  und  als  unähnliches  nach  unähnlichem  strebe  '*,  mithin  sei 

"  180<*  i^\h  oüjv  ireipdcoiuiai  toOto  ^iravopOubcacOai.  »*»  Hug 

macht  8.  73  mit  recht  auf  den  unterschied  aufmerksam,  der  iwischen 
dem  hier  ausgesprochenen,  die  neigungen  unter  sich  unähnlicher  weaen 
zu  dritten  gegenständen  betreffenden  gedanken  und  dem  anderwärts 
zb.  Lysis  215 <^  sich  findenden  satze  von  der  anziehungskraft  der  dv6- 
fioia  besteht;  wenn  er  aber  am  ende  bemerkt,  der  satz  im  Lysis  ent- 
halte eine  speciellere  behauptung  als  der  vorliegende,  und  widerspreche 
diesem  nicht,  <denn  wenn  das  trockene  das  nasse  liebe  und  das  nasse 
zum  trockenen  neigung  habe,  liebten  sie  dv6)iOia»,  so  scheint  mir  der 
satz  von  der  gegenseitigen  anziehungskraft  der  dv6|uioia  nicht  für  eine 
Jahrbücher  für  class.  philol.  1893  hft.  10.  41 


642 


CScMrlÜEf  die  reihenfolge  der  fünf 


die  liebe  im  gei^unden  eine  andere  als  im  kranken;  wie  man  aber 
nach  Paus,  nur  den  ^uien  menschen  willfahren  dürfe,  den  schlechten 
nicht,  so  dürfe  man  auch  nur  dem  guten  und  gesunden  im  körper 
willfährig  sein^  dem  schlechten  und  kranken  aber  nicht:  darin  be- 
stehe was  man  heilkunde  nenne,  dh.  die  kenntnis  dessen  was  sich 
auf  die  liebe  des  körpers  in  betreff  der  anfüllung  und  ausleerung  be- 
zieht, die  aufgäbe  des  iaipiKÖc  sei  es ,  die  gute  und  schlechte  liebe 
zu  unterscheiden,  der  br|fiioupTÖc  aber,  der  die  ärztliche  praxU  aua- 
übe ,  müi^se  im  stände  sein  jene  an  die  stelle  dieser  zu  setzen  und 
die  liebe  je  nach  notwendigkeit  zu  erzeugen  oder  zu  beseitigen,  dies 
geschehe  dadurch,  dasz  man  die  äuszer^ten  gegensätze,  die  sich  im 
körper  vorfanden,  das  warme  und  kalte,  trockene  und  flüssige  zur 
liebe  und  freundscbaft  bringe,  wie  es  nach  der  dichter  zfmguis  zu- 
erst Aaklepios  gethan  habe;  er  sei  der  begründer  der  heilkunde,  die 
in  ihrer  geeamtheit  vom  fpuuc  beherscht  werde  (185* — 187*).  das- 
selbe gelte  von  der  gymnaatik,  dem  landbau  und  besonders,  wie 
schon  Herakleitos  bemerkt  habe,  von  der  musik.  allerdings  drücke 
sich  derselbe  insofern  nicht  richtig  aus ,  alä  er  behaupte ,  das  6ine 
gehe,  mit  sich  selbst  entzweit,  nach  art  der  barmonie  des  bogena 
und  der  leier  mit  sich  selbst  zusammen:  denn  eine  barmonie  k^nne 
ßicb  weder  entzweien  noch  aus  dem  was  noch  entzweit  sei  bestehen ; 
er  habe  aber  wohl  nur  sagen  wollen,  de  bestehe  ans  dem  hoben  und 
tiefen,  die  ursprünglich  entzweit  durch  die  tonkunst  geeint  seien : 
denn  die  barmonie  sei  ein  zusammen&^timmen  (cii^cpuivia);  dies  aber 
eine  einbeit  (6goXoYi'^)f  ^"^  ^^^  solche  könne  sie  nicht  aus  dem 
entzweiten ,  so  lauge  es  entzweit  sei,  bestehen,    ebenso  entstehe  der 


Bpeciellere  behftiiptung'  gelten  zu  kBnnen,  als  der  welcher  die  divergtllt 
der  dv6tJio;a  zu.  drittf^n  gef^eDstJlncien  betrifft«  nach  dem  siitEe  des  hynn 
amd  Tiicbt  nur  die  ^puivra  und  infolge  der  wechaeUeitigkeit  des  Ipdv 
die  £poü|ieva  einander  unUhulieh.  sondern  es  besteht  auch  zwitfchea  dem 
liebeuiicn  und  dem  yod  ihm  geliebten  unäbDlicbkeiti  dte  neignng 
geht  auf  iIrs  utiiihnlichf^;  im  zweiten  dngegen  sind  wohl  die  ^püOVTa 
and  ebenso  die  lpib|i€va  eirifturlcr  iinäbnÜcb,  das  ipdv  aber  und  daa 
von  Ihm  geliebte  stud  vtnander  iihnlich.  die  uiigung  geht  auf  da« 
gleichartige:  detm  wenn  rlie  nnilhnUchkeit  der  £pi6^€va  alletn  uns  d«r 
unäbniichkeit  der  ^piuvra  {gefolgert  wird,  ho  wird  vor.*vii8g«s«tztk  dati 
das  liebende  und  das  von  ihm  geliebte  einander  tihnliob  oder  gleieb- 
artig  »ind,  ist  dies  aber  der  fall,  eo  liegen  den  beiden  s^itsen  Tttr* 
schiedene  principien  zu  gründe,  jenem  die  wechselseitige  anziehangs* 
kraft  des  unähnlichen,  diesem  das  streben  des  gleichartigen  nach 
£^1 01  ch artigem,  dort  streben  die  dv6poia  nach  dem  was  ihnen  unkhnUch 
ist,  weil  sie  dvöjiOia  sind,  hier  streben  sie  nach  dem  was  ihnen  übnlich 
ist,  so  dase»  weil  iiie  unähnlich  sind,  auch  daji  von  ihnen  eritrebi« 
einander  unÄhnlicb  ist.  beide  mi\le  sind  die  4pi£>^€va  einander  unähn- 
lich,  im  Verhältnis  su  den  ^pmvra  aber  sind  lie  dort  tinihßlich,  hier 
äbnlicb,  mit  riicksicbt  hierauf  mochte  ich  wed^r  sagen,  dasz  d^r  sats 
des  Lysis  Bjieciellcre  goltung-  als  der  vorliegende  habe,  noch  dasx  die 
(erstrebten)  dvÖMOia  sich  wie  »pecies  und  genn^  v<?rhaHt'n»  da  •»«  Im 
verlitlltnis  tu  einander  beide  mal«  nnähnlich,  im  verbttttnit  2a  den 
Ipi&vra  aber  nach  dem  sntut^  des  Eryximachos  6fiOtO,  nach  de»  d«* 
Lysis  dvö^ola  find» 


ersten  reden  in  Platons  Symposion.  643 

rbythmos  aus  dem  schnellen  und  langsamen,  nachdem  sie  geeint 
sind,  während  sie  zuvor  entzweit  waren;  die  einignng  bewirke  aber 
in  allen  diesen  dingen  die  tonkunst  dadurch ,  dasz  sie  ihnen  Hebe 
und  eintracht  beibringe ,  und  so  erweise  sich  denn  auch  die  ton- 
kunst als  eine  kenntnis  der  liebesregungen,  dh.  dessen  was  nach 
einander  verlange  (dpuiTiKUJv)  in  betreff  der  harmonie  und  des 
rhythmos.  in  der  theoretischen  musik,  die  es  mit  den  harmonischen 
und  rhythmischen  Verhältnissen  als  solchen  zu  thun  hat  (^v  jii^v  f€, 
auTrj  T^  cucTdc€i  dpiiioviac  t€  xal  ßuOjLioO),  ist  es  nun  freilich,  wie 
Eryximachos  weiter  erklärt,  nicht  schwer  das  der  richtigen  liebe 
entsprechende  (die  ^puüTiKd)  zu  erkennen,  und  daher  hier  ein 
doppelter  £pu)C  nicht  möglich ;  gilt  es  aber,  harmonie  und  zeitmasz 
bei  den  menschen  praktisch  anzuwenden,  sei  es  durch  dichterische 
und  musicalische  composition  (|Li€XoTroua) ,  sei  es  durch  richtigen 
gebrauch  schon  vorhandener  weisen  und  versmasze  (Traib€ia),  so 
bedarf  es  eines  tüchtigen  biiiLiioupTÖc.  denn  auch  hier  musz  man 
den  gesitteten  menschen  gefällig  sein  und  ihre  liebe  erhalten;  so 
dasz  auch  die ,  welche  es  noch  nicht  sind,  es  in  höherem  masze  wer- 
den:  dies  ist  der  löbliche  der  muse  Urania  angehörige  £pu)C;  bei 
dem  andern  aber ,  dem  der  Polymnia ,  musz  man  mit  vorsieht  ver- 
fahren,  um  die  lust  die  er  gewährt  zu  genieszen,  ohne-sittenlosigkeit 
zu  veranlassen,  ebenso  musz  der  arzt  mit  den  die  kochkunst  be- 
treffenden begierden  vorsichtig  umzugehen  wissen,  damit  die  lust 
genossen  und  der  gesundheit  nicht  geschadet  wird,  anch  die  gestal- 
tung  der  Jahreszeiten  ist  von  beiden  fpuüTec  erfüllt;  herscht  nun  in 
dem  warmen  und  kalten,  flüssigen  und  trockenen  der  geordnete 
£pu)C  und  bringt  derselbe  die  rechte  mischung  und  Stimmung  her- 
vor, so  veranlaszt  er  gedeihen  und  gesundheit  bei  den  menschen, 
tieren  und  gewachsen ;  gewinnt  aber  der  zügellose  über  die  Jahres- 
zeiten gewalt,  so  verdirbt  er  alles:  denn  hieraus  entstehen  seuchen 
und  andere  krankheiten  bei  tieren  und  pflanzen,  reif  nemlich,  hagel 
und  meltau  wird  durch  das  übermasz  und  die  Unordnung  in  diesen 
liebesverhältnissen  veranlaszt;  die  kenntnis  dieser  Verhältnisse  aber 
in  bezug  auf  den  lauf  der  steme  und  den  Wechsel  der  Jahreszeiten 
wird  astronomie  genannt,  endlich  hat  es  auch  der  verkehr  zwischen 
göttern  und  menschen,  der  sich  in  den  opfern  und  der  wahrsage- 
kunst  darstellt,  dh.  die  religion,  mit  der  bewahrung  des  guten  und 
der  heilung  des  schlechten  £pu)C  zu  thun.  denn  alle  gottlosigkeit 
entsteht  dadurch,  dasz  man  nicht  dem  geordneten  £pu)C  gefällig  ist 
und  nicht  ihm,  sondern  dem  andern  folgt,  sowohl  den  eitern  gegen- 
über zu  ihren  lebzeiten  und  nach  ihrem  tode ,  als  auch  den  göttern. 
die  beaufsichtigung  und  heilung  dieser  liebe  steht  der  mantik  zu, 
die  mitbin  die  erzeugerin  der  freundschaft  zwischen  den  göttern 
und  menschen  ist,  weil  sie  die  menschlichen  regungen  kennt,  die 
sich  auf  recht  und  gottesfurcht  beziehen,  so  grosz  und  vielfach,  oder 
vielmehr  unbegrenzt  ist  die  macht  des  ^puüC  überhaupt,  besonders 
aber  desjenigen,  der  das  gute  mit  mäszigkeit  und  gerechtigkeit  zu 

41» 


644 


CScbirlitz:  die  reihentolge  der  fünf 


stände  bringt:  er  Yerscbafft  atts  jedes  glück  und  bewirkt«  da&z  wir 
nicbt  nur  mit  uns  selbst,  sondern  aucb  mit  den  göttern,  die  über 
uns  stehen,  in  liebe  und  freundschaft  leben  können  (187*  — 188*). 
Die  erklärung  sieht  die  eigentümlichkeit  der  rede  des  Eryii- 
machos  in  dem  bestreben  der  Wirksamkeit  des  ^puJC  die  möglichste 
ausdebnung  zu  geben,  und  bat  gleichzeitig  auf  die  m^ngel  hin- 
gewiesen ^  die  mit  diesem  streben  verbunden  sind,  so  macht  Hng 
6.  73  auf  die  Verlegenheit  aufmerksam,  die  dadurch  enistehe,  dmt 
das  gesunde  element  zum  guten  £paCTT]C  gemacht  werde,  dem  man 
willfahren  müsse,  das  kranke  aber  zum  schlechten,  dem  man  nicht 
willfahren  dürfe,  bei  dieser  auffassung  könne  nemlich  nicht  TÖ 
eptjb^evov,  db.  der  gegenständ  der  begierde  selbst,  eine  speise  oder 
dgl.,  das  xa^'iltcdai  vollziehen,  sondern  es  müsse  dies  eine  über 
dem  ^pacTrjc  und  dem  €pÜJ|ievoc  stehende  dritte  person  thun,  der 
laTpöc,  sei  es  nun  entweder  der  träger  des  cuj^a  oder  ein  anderer* 
ebenso  wenig  könnten  die  vom  geliebten  (q>iXa  Trot€iv)  und  lieb- 
haber  (dpäv  —  noieiv)  gebrauchten  ausdrücke  bei  der  Versöhnung  der 
grÖsten  gegensiltze  unterschieden  werden,  und  in  der  that  würden» 
wenn  überhaupt  ein  solcher  vergleich  gewählt  wird,  die  ivavxiiOTaTa 
um  der  wechselseitigkeit  de^  Verhältnisses  willen  nur  beide  als 
^paciai  und  ^pubfievoi  bezeichnet  werden  können*  derselbe  ausleger 
gibt  ferner  die  willkürlichen  Veränderungen  an,  die  Erjximachos  an 
den  werten  des  Herakleitos  vornimt,  und  zeigt,  wie  derselbe  den  saU 
jenes  pbilosophen  dadurch  misvirstehtf  dasz  er  dem  gedanken  von 
dem  fortwährenden  Zusammensein  von  basz  und  liebe  den  Empedo- 
kleischen  ^von  abwechselndem  streit  und  freundschaft^  also  von  der 
auflösung  frühern  hireites  in  spätere  freundschaft  substituiert',  eine 
Verkehrtheit  zu  der  dann  auch  die  haltlose  gleichsetznng  der  begri0e 
dpiioviu,  cu^qpujvia,  öpoXoTia  mithelfen  musz,  die  ihm  sämtlich  in 
dem  6inen  begriffe  der  identität  zusammenlaufen*  die  Verschiebung, 
durch  welche  bei  der  heilkande  der  arzt  oder  auch  der  träger  dei 
coipa  statt  des  geliebten  gegenständes  zum  xctpi^ö^cvoc  werde, 
mache  sich,  sagt  Hug,  in  der  musik  noch  fühlbarer;  denn  da  die 
Koc^ioi  Tüüv  dvGpiuTTUJV  die  dtaQai  ^paciai  seien,  denen  die  dpii» 
M€VOi  (oi  PHTiui  ÖVT6C  KÖcmoi)  willfahren  sollten  ibc  ßv  icoCfitui* 
tepoi  tiTVOiVTO ,  gleichzeitig  aber  auch  hier  der  xapvW^evoc  nicht 
der  geliebte,  sondern  nur  der  ÖTipioupTÖc  sein  könne,  so  wi>se  sich 
Eryximacbos  'nicht  anders  als  durch  den  phrasenhaften  zusatx  koI 
djc  äv  KOC)iti{iTepoi  TiTVOiVTO  o\  Mn^^  ÖVT€C  (187**)  zu  helfen»  wo- 
bei man  nicht  erkenne ,  ob  in  diesem  falle  das  x^^pi^^cOai  den  köc- 
Mioi  oder  den  ^t\jiw  Övtcc  kOc^ioi  gelte*'  selbstverständlich  sind 
die,  denen  man  willfahren  musz,  stets  die  dpactai,  hier  also  die 
KÖc^ioi,  und,  insofern  ihnen  gewillfahrt  wird,  gilt  ihnen  auch  im 
XapiJecBai ;  fragt  es  sich  aber,  von  wem  gesagt  werde,  dasi  er  will- 
fahre,  wem  also  als  subjecte  das  X^^P^^^^^^^  g&^^i  so  können  dies 
nach  der  allgemeinen  auffassung  des  Ipujc,  die  Eryximachos  aus* 
spricht,  nur  die  durch  den  fpwc  der  musik  zur  bildung  anzuleiten* 


ernten  reden  in  Platons  Symposion.  645 

den  sein ,  die  freilich  mit  den  wirklichen  £puü|üi€VOl  nichts  anderes 
als  eben  diese  bildungsbedürftigkeit  teilen,  die  verdeckung ,  deren 
sich  Eryximachos  mit  den  werten  tbc  bv  usw.  schuldig  macht,  liegt 
also  darin ,  dasz  er  hier  unter  den  xotpi2[ö|üi€VOi  die  durch  den  f pU)C 
zu  bildenden  ^pu})Li€VOi  versteht,  während  doch  in  Wahrheit  bei  seiner 
darstellung  das  X<xpi2[€c6ai  nicht  die  sache  dieser,  sondern  der  hx]- 
]LiioupToi  ist.  eine  weitere  willkilr  sieht  Hug  8.  82  darin ,  dasz  an 
die  stelle  der  'A^pobiTT]  Oupavia  die  muse  Urania  und  an  die  der 
Aphrodite  TTdvbT])Lioc  die  Poljmnia  gesetzt  wird,  erklärt  sich  dies 
daraus ,  dasz  nun  einmal  von  der  jiiouciKii  die  rede  ist ,  so  erscheint 
es  doch  als  eine  arge  inconsequenz ,  dasz  für  den  f puiC  irdvbiDiioc 
nur  vorsieht  beim  genusse  empfohlen  und  diese  concession  nach- 
träglich auch  noch  für  das  gebiet  der  iarpiKrj  gemacht  wird ,  wäh- 
rend der  schlechte  £pu)C  bisher  als  absolut  verwerflich  bezeichnet 
und  ausdrücklich  gesagt  war,  dasz  man  ihm  in  keiner  weise  will- 
fahren dürfe  (186«  bei  dxapicrciv).  den  grund  hiervon  findet  Hug 
s.  82  darin,  dasz  die  Vorstellung  des  Eryx.  von  dem,  was  er  als 
schlechten  ^pujc  bezeichnen  solle,  in  der  musik  schwanke;  bald 
schwebten  ihm  als  solcher  musicalische  fehler,  bald  moralische  ver- 
irrungen  vor,  zuletzt  erscheine  er  ihm  als  profane  musik  überhaupt, 
die  nicht  absolut  verwerflich  sei.  am  wenigsten  endlich  gelingt  es 
dem  redner,  seine  erotische  formel  mit  der  astronomie  in  einklang 
zu  bringen,  da  die  kenntnis  derjenigen  erscheinungen ,  die  den 
Wechsel  der  Witterung  bedingen,  damals  gering  war,  sieht  er  von 
einer  definition  des  rexviKÖc  ab;  von  einem  bii|üiloupTÖC  kann  er 
hier  vollends  nicht  reden,  weil  der  mensch  die  naturerscheinungen 
zu  jener  zeit  so  wenig  in  seiner  macht  hatte ,  als  dies  jetzt  der  fall 
ist.  eben  deshalb  bleibt  denn  auch  für  das  X<Xpi2[€c6ai  in  dieser 
Sphäre  überhaupt  kein  räum. 

Diese  mehrfachen  mängel  der  rede  des  Eryx.  legen  die  frage 
nahe,  worin  ihr  fortschritt  bestehe,  die  beantwortung  derselben 
wird  aber  dem  zwecke  der  vorliegenden  Untersuchung  entsprechend 
zugleich  über  den  grund  auskunft  geben  müssen,  der  den  Schrift- 
steller bestimmte  der  rede  des  Eryx.  in  der  reihenfolge  der  erotischen 
vortrage  die  dritte  stelle  anzuweisen,  wenn  daher  Susemihl  (Philol. 
VI  191)  erklärt,  erst  in  ihr  gewinne  man  eine  wirkliche  begriffs- 
bestimmung  des  £puJC,  so  ist  das  zwar  an  sich  richtig,  es  bleibt  aber 
dabei  unaufgeklärt,  inwiefern  die  darstellung  des  ^pu)C  gerade  bei 
dieser  bestimmung  die  beiden  vorangehenden  reden  zu  ihrer  not- 
wendigen Voraussetzung  hat.  die  frage,  deren  beantwortung  wir  er- 
warten dürfen,  kann  also  in  Platons  sinne  nur  lauten:  was  ist^puic, 
wenn  er  weder  die  ausschlieszliche  Wirkung  des  gottes  noch  ledig- 
lich ein  thun  der  menschen  ist,  und  wenn  wir  doch  (nach  Zeller)  in 
diesen  reden  zwar  einseitige  aber  nicht  völlig  verkehrte  auffassungen 
des  begriffes  erkennen  sollen?  natürlich  wird  die  frage  von  Eryx. 
nicht  in  dieser  weise  begrenzt,  vielmehr  will  auch  er,  wie  seine  Vor- 
redner, eine  lobrede  auf  den  gott  halten,  über  er  bestimmt  ihn  doch 


646 


CSchirlitÄ:  die  reiheufolge  der  fünf 


80g]eicb  als  den ,  der  sich  nicht  our  in  den  .seelen  der  menscheo^ 
sondorn  auch  in  den  leibem  der  ütua,  in  der  pflanzenweit  und  in  der 
gesamten  natnr  thätig  erweise,  ^ptüc  ist  also  eine  kraft  und  zwar, 
wie  schon  gern  name  bekundet,  ein  verlangen  (t6  yctp  üti^c  .  . 
diriÖu^ei  Kai  dp(5i  186*0;  mit  rücksiebt  auf  die  Verschiedenheit 
dessen  was  begehrt  wird  ist  er  eine  Vielheit  von  liebeäregungen  oder 
bestrebungen  (^puüTiKiDv  186^  187^  ISB*''^,  hinsichtlich  seines 
wertes  aber  nach  der  von  Eryx.  gebilligten  Unterscheidung  des  Pan- 
sanias  zwiefach,  nemlich  gut  oder  schlecht  und  demgemSsz  in  meinen 
Wirkungen  nützlich  oder  scblidlieh.  eben  deshalb  bedarf  er  einer 
leitung,  die  auf  wissen  (6TTiCTr|jUT])  beruht,  das  nach  den  gebieten, 
auf  denen  sich  epuüc  betbStigt,  verschiedene  osraen  hat,  im  mensch- 
lichen körper  ist  der  gute  und  schlechte  fpujc  der  des  gesunden  und 
kranken,  beider  ziel  ist  anfdllung  oder  ausleerung^  die  heilkundd 
aber  das  wissen  von  der  besch  äffen  hei  t  dieser  neigungen,  und  die 
herstellung  der  eintracht  zwischen  den  äuszersten  gegen^ätzen  das- 
jenige verfahren,  welches  der  heilkundige  einschlagen  mus2,  um  dem 
guten  fpujc  zur  her&chaft  zu  verhelfen,  nachdem  der  redner  sodann 
nur  erwähnt  hat,  dasz  ein  analoges  verhttitnis  auch  bei  der  gym- 
uastik  und  dem  landbau  herscht,  spricht  er  sich  ausfuhrlicher  über 
die  IpUüTiKd  der  töne  aus  und  bezeichnet  barmonie  und  zeitmasz  als 
das  ziel  jener  neigungen,  die  mu^ik  ab  die  kenntnis  derselben  und 
die  aujsgleicbung  der  äuszersten  gegensätze  auch  hier  als  das  ver-. 
fahren,  durch  das  der  gute  ^pLUC  hergestellt  werde;  diese  ausglei- 
chuDg  ist  das  rechte  Verhältnis  zwischen  dem  hohen  und  tiefen, 
schnellen  und  langsamen,  während  nun  anfüllung  und  enileerung 
nach  den  jedesmaligen  umständen  sowohl  zweckmäszig  als  zweck* 
widri>(  sind,  wird  dppovia  und  ^u^^6c  nie  zur  dvap^ocTia  und  äp- 
puBpia  werden  können;  deshalb  herscbe,  meint  Eryx. ,  iu  den  faar- 
moni:>cben  und  rhythmtscheu  Verhältnissen  an  sich  nur  der  gute 
ipwCf  der  schlechte  trete  erst  ein,  wenn  barmonie  und  takt  durch 
fieXoTioua  und  7rQib€ia,  dh.  TTaib€ta  ^ouciKft,  auf  die  menschen  an- 
gewandt würden;  darum  bedtlrfe  es  hier  eines  tdchtigen  meisters, 
der  nur  den  sittlichen  menschen  willfahre,  die  welche  es  noch  nicht 
seien  dazu  mache  und  den  f puic  jener  bewahre. 

Die  inconsequenz  des  denkens,  die  Eryx.  in  dieser  bemerkung 
verrät,  beruht  darin,  dasz  er  von  dem  doppelten  ^puic,  der  nach 
seiner  meinung  allem  seienden  (186*  iv  iräci  TOic  oöci)  eigentüm- 
lich ist,  auf  den  ^puic  KÖCfiloc  der  menschen  und  dessen  gegenteil 
abgleitet,  die  Sache  liegt  näherbiu  so:  wie  es  nach  des  redoers  ur- 
teil im  menschlichen  kOrper  einen  richtigen  und  fehlerhaften,  einen 
£puic  des  gesunden  und  kranken  gibt,  »o  musz  Eryx.  auf  seinem 
Standpunkte  auch  in  dem  hohen  und  tiefen,  dem  langsamen  und 
schnellen ,  also  im  reiche  der  töne ,  zwei  erotische  kräfte  annehmen, 
von  denen  die  eine  auf  barmonie  und  rhythmos,  die  andere  auf 
deren  gegenteil  abzielt,  es  gibt  in  den  tönen  ihrer  natur  nach  dis- 
harmonien  und  arrythmien,  die  eben  auf  verkehrter  neigung  disr* 


ersten  reden  in  Piatons  Symposion.  617 

selben  beruhen ;  und  wenn  es  auch  wahr  ist ,  dasz  das  harmonische 
nicht  unharmonisch,  das  rhythmische  nicht  unrhythmisch  sein  kann, 
so  ist  es  doch  ebenso  richtig,  dasz  harmonie  und  rhythmos  nur  unter 
der  Voraussetzung  ihrer  gegensätze  gedacht  werden  können  und  also 
diese  zugleich  mit  jenen  gegeben  sind,  soll  daher  die  definition  der 
musik  derjenigen  conform  sein ,  die  Eryx.  vorher  von  der  heilkunde 
aufgestellt  hat,  so  wird  man  in  ircpi  dpjioviav  Kai  ^u6)Liöv  187^  das 
ziel  des  doppelten  f  puüC  sehen,  also  harmonie  und  rhythmos  im  sinne 
des  harmonischen  und  unharmonischen;  rhythmischen  und  un- 
rhythmischen verstehen  müssen,  die  aufgäbe  des  musikers  aber, 
mag  er  nun  melopoiie  oder  pädagogik  treiben ,  ist  die  erkenntnis 
(biaTiTVUüCK€iv)  der  neigungen  der  töne  und  die  beförderung  des- 
jenigen f pujc ,  der  auf  harmonie  und  rhythmos  gerichtet  ist.  diese 
aufgäbe  ist  der  des  arztes  entsprechend  gedacht:  denn  es  ist  un- 
wesentlich, dasz  der  gesunde  und  der  kranke  körper  dem  arzte  gegeben 
sind,  während  der  musiker  die  composition  aus  sich  hervorbringt 
oder  doch  wenigstens,  in  der  melopoiie,  hervorbringen  kann,  auch 
entsteht  dadurch  kein  unterschied ,  dasz  in  der  cuCTacic  aÖTf|  dpr 
jLioviac  Kai  ^uO/uioö  für  den  schlechten  fpujc  keine  stelle  ist:  denn  in 
einer  theoretischen  darstellung  des  gesunden  körpers  würde  ebenso 
wenig  von  dem  ^puJC  des  kranken  die  rede  sein,  was  aber  der 
musiker  hierdurch  leistet,  kommt  auf  Eryx.  Standpunkte  und  an 
dem  thun  des  arztes  gemessen  nur  den  tönen  zu  gute;  ihnen  verhilft 
er  mit  seiner  ^TTiCTfj)LiT]  zu  dem  guten  f puJC ,  bei  welchem  das  hohe 
und  tiefe,  schnelle  und  langsame  in  das  rechte  Verhältnis  gebracht 
ist,  wie  der  arzt  dem  körper  zu  dem  ipwQ  im  Tlf»  UTlClVUJ.  dasz  der 
musiker  als  componist  und  namentlich  in  der  iraibeia  jüiouciKrj  durch 
die  harmonie  und  den  rhythmos  der  töne,  die  er  erzeugt,  auch  in 
den  Seelen  der  menschen  das  rechte  Verhältnis  und  masz  hervor- 
bringt und  die  ^puJTiKa  derer,  die  noch  nicht  KÖCjüiioi  sind,  in 
schranken  hält,  ist  zwar  richtig  und  war  ein  grundsatz  der  griechi- 
schen Pädagogik;  wenn  aber  Eryx.  die  Sache  so  darstellt,  als  habe 
es  der  musiker  vermöge  seiner  diTiCTii)Liri  mit  der  leitung  der  mensch- 
lichen £pu)T€C  zu  thun  —  denn  dasz  der  ^puJC  überhaupt  sich  auch 
auf  die  seelen  der  menschen  erstreckt,  hat  er  gleich  im  anfang  er- 
klärt — ,  so  geht  er  mit  dieser  ansieht  aus  dem  erotischen  System, 
das  er  vorträgt,  heraus,  er  irrt  also,  wenn  er  sagt,  es  wiederhole 
sich  hier  das  früher  bemerkte,  dasz  man  den  sittlichen  menschen 
willfahren  müsse  (187^  ttoXiv  Tdp  f{^^^  ö  aiiiöc  XÖTOC,  ÖTi  TOIC 
)Li^v  KOC]iioic  .  .  bei  xoipi2l€c6ai),  da  Pausanias  wohl  einen  doppelten 
IpuJC  statuiert,  aber  überhaupt  nur  einen  f  pu)C  der  menschen  kennt, 
während  er  selbst  den  begriff  auf  alles  seiende  ausgedehnt  hat.  man 
wende  auch  nicht  ein:  musik  als  der  Inbegriff  aller  Verhältnisse,  in 
die  das  hohe  und  tiefe ,  schnelle  und  langsame  zu  einander  treten 
können,  bestehe  nur  dadurch,  dasz  sie  von  menschen  vernommen 
werde,  und  sei,  so  lange  sie  nicht  gehört  werde,  auch  nicht  vorhan- 
den: weil,  wenn  es  auch  richtig  wäre,  dasz  die  rhythmischen  und 


648 


CScbirlitz ;  die  reiheufolge  der  lünf 


bsrmoniscben  Verhältnisse  erst  durch  den  hervorbringenden  kOnatler 
zu  tönen  werden,  nur  als  solche  gehört  werden  können  und  zwar 
erst  dünn,  wenn  ein  menscbliches  obr  sie  vernimt,  doch  Eryx.  die» 
nicht  für  sich  in  ansprach  nehmen  könnte,  da  seine  bemerkung,  in 
der  auxfi  fi  cuciacic  dpjuoviac  kqi  puSjaou  sei  der  doppelte  Ipuic 
nicht.  Yoihanden,  nur  so  verstanden  werden  kann,  das;£  In  ibr  allein 
der  epujC  xaXäc  herscbei  womit  zugegeben  ist,  dasz  die  disbarmoni- 
sehen  und  arryibni loschen  verhäLlniftSe ,  obne  die  der  begriff  der 
cucxacic  auTTi  äpjuoviac  Kai  ^uO^oö  nitht  zu  denken  ist,  von  dem 
epujc  KaKÖc  beherscbt  werden,  auch  bat  der  redner  schon  vorher  auÄ- 
drücklieb  bemerkt,  die  Übereinstimmung  in  allem  diesem  (ndci  TOÜ- 
TOic,  dh.  dem  hoben  und  tiefen,  schnellen  und  langcjamt-n)  bewirke 
wie  dort  die  beilkunsti  so  hier  die  tonkunst,  womit  wiederum  gesagt 
ist,  dassi  es  die  musik  mit  den  neigungen  des  ö£u  und  ßapu,  taxu 
und  ßpabu  zu  tbun  bat. 

Zu  dieser  logischen  mconsequenz  gesellt  sich  aber  bei  Erjx. 
auch  eine  eibische.  nachdem  er  nemlicb  deutlich  erklärt  hat^  man 
dürfe  dem  &cblechten  lpu>C  durchaus  nicht  zu  willen  sein,  begnügt 
er  bich  187"  damit,  bei  der  handhabung  des  f pujc  Tiävbimoc  nor 
vorsieht  zu  empfehlen,  damit  man  obne  schaden  genieszen  kOnae 
(ÖTTUUC  ÖV  .  .  djinotiicr)),  und  dvbnt  dies  Zugeständnis  nachträglich 
auch  auf  das  gebiet  der  laTpiKti  aus*  in  der  be^precbung  der  natur 
der  Jahreszeiten  kehrt  er  dann  wie^dtir  zu  dem  doppelten  in  den  ele- 
menten  selbst,  hier  also  in  dem  warmen  und  kalten,  trockenen  und 
feuchten,  enthaltenen  (püic  zurück  und  bezeichnet  als  die  wissea* 
Schaft  von  diesen  liebesverbältnissen  in  ihrer  beziehung  auf  den  lauf 
der  gestirne  und  den  Wechsel  der  Jahreszeiten  die  astronomie;  doch 
iöt  er  nicht  im  stände  einen  TtxviKOC,  und  vollends  nicht  einen  bt]- 
pioupifoc  zu  nennen ,  dessen  aufgäbe  es  wäre  dem  guten  ^pujc  auf 
diesem  gebiete  zur  herBchaft  zn  verbelfeo,  wie  denn  der  astronom  in 
der  tbat  auch  auf  i^inem  vorgerückten  stände  kleiner  Wissenschaft 
höchstens  die  bedingungen  des  gedeibens  anzugeben,  nicht  aber  den 
schlechten  £puüC  in  den  gutun  zu  verwandeln  vermag,  im  übrigen 
nimt  die  darlegung  des  Eryx.  auch  hier  wieder  die  ricbtung  auf  das, 
was  den  menschen  k^uträgiicb  ist,  da  sie  die  gesundbert  und  da« 
Wohlergehen  derselben  von  der  rechten  mischung  jener  elemente  ab* 
hängig  macht  (188''  Kai  direibdv  *  .  r^öiKTicev).  zuletzt  wird  auch 
die  religion,  als  der  verkehr  zwischen  den  göttem  und  meuschen,  in 
das  gebiet  des  lpu)C  gezogen,  die  gottlo^igkeit  als  die  Wirkung  des 
schlechten,  die  gottesfurcbt  als  die  des  guten  ^puic  und  die  mantik 
als  diejenige  Wissenschaft  bezeichnet,  die  eine  kenntnis  der  liebe  der 
menschen  in  bezug  auf  recht  und  gottesfurcbt  sei  und  als  solche 
freundschaft  zwiticbeu  göttern  und  menschen  zu  erzeugen  vermöge, 
der  mantiker  beaufsichtigt  und  heilt  diese  iiebesverb&ltniss6|  dio 
den  übrigen  darin  gleiobAtebeo,  dasz  sie  einen  gegensatz,  den  der 
götter  und  menseben,  enthalten,  der  in  harmonitj  aufzulösen  ist, 
darin  aber  von  ihnen  ubwticben,    das^  ein  fuUebes  verhalten  df^r 


erBten  reden  in  Platons  Sympodion.  649 

götter  zu  den  menschen,  wie  es  durch  die  analogie  der  frühem  Ver- 
hältnisse gefordert  würde,  überhaupt  nicht  denkbar  istJ^ 

So  hat  die  betracbtung  der  rede  des  Eryx.  mancherlei  Wider- 
sprüche und  Unrichtigkeiten  aufgedeckt,  die  sich  aus  dem  grund- 
gedanken  des  redners  ergeben,  aber  auch  diese  Unklarheiten  können 
die  idee,  von  der  der  redner  ausgeht,  nicht  verdunkeln.  <^pu)C» 
sagt  Zeller  (Platons  Gastmahl  s.  100),  «hat  hier  die  bedeutung,  die 
er  in  den  alten  theogonien  als  weltbildende  kraft  hat,  zugleich  er- 
innert der  doppelte  IpuJC  an  die  zwei  kosmischen  grundkräfte  des 
Empedokles,  liebe  und  hasz,  so  wenig  er  auch  mit  denselben  zu- 
sammenfällt>  gewis  ist  dies  ebenso  richtig  als  wenn  andere  (Suse- 
mihi)  daran  erinnern ,  dasz  Eryx.  durch  die  Zusammenstellung  der 
begriffe  ^pav  und  dTTi9u]i€Tv  die  erste  aufklärung  über  das  wesen 
der  liebe  gibt,  fragt  man  aber,  warum  seine  rede  an  dritter  stelle 
erscheint  und  gerade  den  reden  des  Phaidros  und  des  Pausanias 
nachgeordnet  ist,  so  liegt  der  gi-und  hiervon  darin,  dasz  sie  die  be- 
stimmungen  dieser  reden  zu  einer  einheit  zusammenfaszt;  indem  sie 
den  IpuJC  für  eine  kraft;  erklärt,  die  einer  auf  wissen  beruhenden 
leitung  bedarf,  um  sich  in  zweckmäsziger  weise  geltend  zu  machen, 
die  liebe  ist  also  nicht  eine  ausschlieszliche  und  directe  Wirkung  der 
gottheit,  aber  doch  insofern  göttlicher  art,  als  alle  träger  des  $pu)C 
jene  kraft  nicht  aus  sich  selbst  erzeugen,  sondern  von  einer  höhern, 
übergeordneten,  also  göttlichen  macht  empfangen ;  anderseits  ist  sie 
kein  rein  menschliches  thun,  nimt  aber  doch  auch  die  menschliche 
thätigkeit  dadurch  in  anspruch ,  dasz  das  wissen ,  möge  es  sich  mit 
der  Unterscheidung  der  entgegengesetzten  kräfte  oder  mit  der  er» 
Zeugung  der  guten  kraft  und  der  Verwandlung  der  schlechten  in  die 
gute  beschäftigen,  von  Eryx.  als  das  menschliche  element  des  eroti- 
schen processes  bezeichnet  wird :  denn  der  arzt,  dermusiker,  der  astro- 
nom,  ja  selbst  der  Wahrsager  ist  nach  seiner  darstellung  auf  die  eigne 
Wissenschaft  angewiesen,  ipwc  ist  also  auf  Eryx.  Standpunkte  ein 
trieb,  denn  unter  dem  triebe  verstehen  wir  eben  eine  von  gott  ge- 
gebene naturbestimmtheit,  die  zugleich  durch  menschliches  wissen 
und  wollen  bedingt  wird  und  mithin  der  ein  Wirkung  des  mensch- 
lichen thuns  zugänglich  bleibt,  dasz  fpujc  eine  von  gott  in  alle 
Wesen  gelegte  kraft  ist,  nimt  den  gedanken  des  Phaidros  wieder 
auf;  dasz  aber  die^e  kraft  dem  menschlichen  wissen  und  können 
unterliegt,  rückt  die  liebe  in  die  Sphäre  des  menschlichen  handelns 
hinein,  so  hat  Eryx.  die  diametralen  anschauungen  seiner  Vorredner 
ausgeglichen  und  zuerst,  wenn  auch  ohne  ein  bewustsein  des  wahren 

17  Hh  dies  bei  der  lesart  ö  bk  iT€pi  TäyaOÄ  ^€TÄ  cuKppocOviiC  Kai 
6iKaioci)vT)c  diroTcXoOnevoc  xal  irap'  V||Litv  xal  irapd  Ocotc,  oötoc  t^iv 
|Li€TicTriv  bOva^iv  €xe\  (188«*)  entstehen-  würde,  will  Hug  die  worte  xal 
irap'  i^iLitv  xal  irapd  Oeoic  streichen,  während  er  früher  (s.  s.  222)  daran 
dachte,  sie  hinter  ^x^i  zu  setzen,  vielleicht  genüpft  die  Umstellung  von 
OÖTOC  (ö  6^  .  .  diTOT€XoO^€voc «  oÖTOC  Kttl  .  .  ^x«) ,  das  hinter  diroT£- 
Xou|Li€voc  leicht  ausfallen  konnte  und  dann  an  falscher  stelle  in  den 
text  kam. 


650 


CSchirlitz:  die  reikeafolge  der  filnf 


wertes  beiner  definitioD^  die  erkenn inis  aasgesprochen,  dasz  sieb  in 
der  liebe  göttliches  und  menschliches  wirken  vereinigen,  seine  Ver- 
mittlung leidet  aber  an  neuen  bedenken  und  verlangt  daher  die  fort- 
fübrung  der  unterduchnng  auf  grund  des  gewonnenen  reäuttates* 

Zunächst  erregt  das  Verhältnis  anstosz,  in  dem  bei  dieser  auf- 
fassung  das  göttliche  und  menschliche  element  zu  einander  stehen. 
wenn  wir  nemlich  ?agen,  es  liege  im  wesen  des  triebes,  dasz  er^  ob- 
wohl göttlichen  Ursprungs,  doch  durch  den  vernünftigen  willen  des 
menschen  beher^cbt  njnd  geleitet  werden  müsse,  was  selbstveratänd- 
lich  auf  den  men-ch!ichen  trieb  beschränkt  ist,  so  soll  damit  nur  ge- 
meint t«ein ,  dasz  die  entartung  der  ursprÜDglich  guten  und  zweck- 
mäiszigen  triebe  eine  folge  der  menschlichen  schwäche  und  die 
herstellung  ihrer  ursprünglichen,  gottentstammten  angemessenheü 
eine  an  den  men^chlicben  willen  gerichtete  forderung  ist.  anders 
gestaltet  sich  die  sache ,  sobald  das  göttliche,  wie  es  hier  geschieht, 
erst  durch  menschliche  hilfe  vervollkommnet  werden  musz.  es  er- 
klärt sich  zwar  dies  Verhältnis  beider  selten  sogleich  aus  der  an- 
nähme des  doppelten  ^puJC,  mit  der  Eryx.  dem  Fau&anias  gefolgt 
ist;  aber  der  doppelte  epuJC  des  Pausanias  ist,  wie  sich  gezeigt  hat, 
in  Wahrheit  das  menschliche  handeln^  das  gerade  als  i^olches  ent- 
weder  gut  oder  schlecht  ist  wird  aber  die  liebe  als  eine  in  alle 
Wesen  geltgte  treibende  kraft,  mithin  als  etwas  göttliches,  dargestellt, 
wie  es  in  Eryx.  rede  geschieht,  so  können  wir  sie  nicht  als  gut  oder 
schlecht,  vollkommen  oder  unvollkommen  denken,  vielmehr  er- 
warten wir,  dasz  der  trieb  als  ein  ausflusz  göttlicher  kraft  auch  nur 
gut  und  zweckmäszig ,  seine  entartung  aber  und  jede  krankhafte  er- 
scheinung  nur  eine  folge  der  schwäche  der  menschlichen  natnr  und, 
soweit  es  sich  um  das  reich  des  unpersönlichen  handelt,  eine  Wirkung 
des  zusammentfüffens  äusserer  hemmnlsse  ist,  woraus  sich  ergibt 
dasz  die  Verwandlung  des  falschen  triebes  in  den  richtigen  gerade 
die  Wiederherstellung  der  ursprünglichen  göttlichen  absieht  sein 
mu.sz,  i^ei  es  dasz  es  dazu  eines  dem  willen  der  gölter  entsprechenden 
sittlichen  lebens  oder  der  besettigung  derjenigen  umstände  bedarf, 
die  in  den  cui^ara  der  menschen  und  tiere,  den  q>uTä  und  |i€T€uipa 
die  Störung  des  normalen  von  der  weltordnenden  macht  verliehenen 
triebes  verursacht  haben,  die  Zwiespältigkeit  de;»  fpujc  verträgt  sich 
also  nicht  mit  seiner  göttlichen  natur,  sie  \Uii  aber  auch  die  be- 
schaff enheit  des  triebes  selb<$t  nicht  erkennen:  denn  der  trieb  txm&i 
der  trieb  su  etwas ,  und  6in  trieb  der  trieb  zu  etwas  einheitlichem 
sein,  welches  ist  aber  dies  eiDheitliche  ziel?  die  menschliche  auf 
wissen  beruhende  techniki  die  Erjx*  als  mitthätig  darstellt,  ist  aller- 
dings stets  auf  die  erzeugung  des  guten  und  auf  die  ahwehr  des 
geblechten  fpujc  bedacht  (s.  186^  Kai  6  |ii£TaßdXXeiv  iroiuiv  .  . 
bripioupTÖc] ;  in  den  dingen  selbst  aber  liegen  entgegengedetate 
neigungen,  so  dasz  ^paic  ebenso  sehr  die  richtung  auf  den  natnr- 
gemäszen  als  auf  den  naturwidrigen  zustand  ist,  jener  ist  naell 
Eryx«  die  eiutracht  der  gegensätze:  dies  wird  von  dem  redner  aller- 
1 


erBten  reden  in  Piatons  Symposion.  651 

dings  nur  an  einigen  gebieten  genauer  nachgewiesen,  doch  läszt  sich 
der  gedanke  insofern  auch  auf  das  sittliche  leben  ^^  übertragen,  als 
das  richtige  verhalten  für  die  zwischen  den  extremen  liegende  mitte 
gelten  kann,  ein  drittes  bedenken  endlich  entsteht  durch  die  aus- 
dehnung;  die  der  Wirksamkeit  des  ^puc  gegeben  wird,  und  zwar 
deshalb ,  weil  Eryx.  damit  1 )  den  doppeleros  auch  da  wirken  läszt, 
wo  nur  eine  menschliche  diriCTriiLiTi ,  nicht  aber  die  kunstverständige 
leitung  des  brmioupTÖc  möglich  ist,  2)  den  besondern  gegensatz  des 
liebhabers  und  geliebten  in  das  allgemeine  Verhältnis  der  ^vavTia 
verwandelt. 

Diese  bedenken  können  aber  nichts  an  dem  ergebnisse  seiner 
rede  ändern,  das  wir  in  dem  satze  zusammenfassen:  Ipujc  ist  eine 
Vereinigung  göttlichen  und  menschlichen  weaens,  dh.  ein  trieb;  der 
trieb  beruht  (seinem  begriffe  nach)  in  dem  verlangen  nach  dem  was 
man  nicht  besitzt,  dies  verlangen  setzt  also  bei  dem  der  es  hat  einen 
mangel  der  eignen  natur  und  die  möglichkeit  ihrer  ergänzung  durch 
das  fremde  voraus.  '•  ist  dies  richtig,  so  erwarten  wir,  dasz  der  fort- 
gang  der  Untersuchung  an  diesem  resultate  festhält,  zugleich  aber 
eine  erledigung  derjenigen  bedenken  bringt;  die  aus  dem  Verhältnis 
des  göttlichen  und  menschlichen  Clements,  aus  den  entgegengesetzten 
ricbtungen  des  triebes  und  aus  der  ausdehnung  erwachsen  sind ,  die 
Eryx.  für  die  Wirksamkeit  des  ^puJC  in  anspruch  genommen  hat. 
wie  es  aber  der  Schriftsteller  in  frühem  reden  verstanden  hat  dem 
leser  über  den  mangel  der  jedesmaligen  auffassung  eine  aufklärung 
zu  geben,  ohne  dasz  dieselbe  dem  redner  selbst  zum  bewustsein 
kommt,  so  läszt  sich,  glaube  ich,  auch  in  der  rede  des  Eryx.  die 
stelle  bezeichnen ,  in  der  derselbe,  ohne  es  selbst  zu  wissen,  auf  den 
mangel  seiner  darstellung  hinweist,  als  begeisterter  anbänger  seiner 
Wissenschaft  macht  er  den  £pujc  zu  dem  groszen  arzte  der  mensch- 
heit  und  der  weit,  der  überall  in  der  natur  die  durch  das  Übermasz 
des  krankhaften  triebes  gestörte  gesundheit  wiederherstellt;  zu 
diesem  zwecke  dehnt  er  die  Wirksamkeit  des  £pUJC  Über  das  welt- 
ganze aus  und  sieht  in  dem  widerstreite  der  naturkräfte  nur  die  be- 
thätigung  der  erotischen  triebe,  wenn  er  nun  aber,  wie  oben  ge- 
zeigt ist,  wiederholt  aus  dieser  betrachtung  herausgeht  und  nicht 
nur  bei  der  betrachtung  der  musik  und  astronomie  die  bedeutong 
hervorhebt,  die  der  ^pujc  für  die  menschen  hat,  sondern  auch  am 
ende  seiner  rede  nochmals  sagt,  die  liebe,  welche  dem  guten  mit 
masz  und  gerechtigkeit  nachtrachte,  verschaffe  dem  menschen 

^s  gleich  der  anfang  der  rede  des  Eryx.  (186*  6ti  bk  oö  ^övov 
dcTlv  ^Tii  TQtc  Hiuxalc  Tuiv  dvOpiüiiuJV  npöc  toOc  koXoOc)  läszt  erkennen, 
dasz  Eryx.  eine  Wirksamkeit  des  ^piuc  auch  im  sittlichen  gebiete  statuiert. 

I*  dasz  der  trieb  ein  verlangen  ist,  spricht  Eryx.  durch  die  Identi- 
fication der  begriffe  ^pdv  und  ^iriGu^ctv  186^  aus;  dasz  nur  ein  fremdes, 
nichtbesessenes  verlangt  werden  kann,  liegt  in  den  worten  tö  bi  dvö- 
ILioiov  dvo|Lioiu)v  dtri6u)i€t  xai  kpä;  die  bedürftigkeit  der  natur  und  die 
möglichkeit  der  ergänzung  ist  eine  von  Eryx.  nicht  ausgesprochene, 
aber  notwendige  Voraussetzung. 


652 


CScbirlitz :  die  r^iheufolge  der  fSnf 


jegliche  glQckseligkeit,  so  macht  sich  auch  bei  ihm,  wiewohl  im 
widersprach  mit  seiner  sonstigen  auäfühning»  die  wabrbeit  geltend« 
dasz  die  eigentliche  Wirksamkeit  des  fpujc  auf  das  menschliche  leben 
beschränkt  ist.    wir  können  erwarten  dasz 


die  rede  des  Aristopbftnes 

diesen  gedaoken  ausführt;  wir  dürfen  aber  gleichzeitig  hoffen,  dasz 
sie  dadurch  auch  die  Übrigen  bedenken  erledigt,  die  der  rede  dea 
Eryximachos  anhaften.  Aristophanes  bemerkt  üiunäcb^t,  er  werde 
in  anderer  wei^e  alb  Eryximaclios  und  Paubanias  sprechen**"  die 
menschen,  Bagt  er,  haben  die  macht  des  ?pu>C  nicht  wahrgenommen, 
sonst  würden  sie  ihn  mit  den  grösten  tempeln,  altären  und  opfern 
geehrt  haben,  denn  er  ist  der  menschenfreundlichste  gott,  da  er  ein 
beistand  und  arzt  der  ment^chen  bei  solchen  leiden  ist^  durch  deren 
beilung  dem  menschengesehlechte  das  gröste  glück  widerfährt.'^  zur 
Würdigung  seiner  macht  bedarf  es  der  erkenntnis  der  (ursprüng- 


*°  hierzu  sngt  Hug  s.  87,  AristopUftneB  bestätige  die  von  Erjxi« 
machüfl  (188*  f\  et  ttujc  ÄXXtuc  ^v  vi|j  Ix^xc  ix^wit\6l£iv  töv  0€6v)  mit- 
gesprochen e  verrautiiug^,  und  \u  der  that  könne  e»  keinen  schärfero 
coDtrast  geben  ala  zwis'hen  der  trockenen,  gelehrten  rede  de8  Eryxi- 
maehos  und  der  pb an t&sie vollen  aasfuhriiag  dea  Arittopbanei.  oan 
bebt  allerdings  Ariatophaoei  den  abweicbeuden  ton  seiner  rede  nicht 
nur  um  ende  hervor  (193^  dXXoloc  f)  CÖc),  aondero  erklärt  auch  ichoa 
im  Vürß;efiprlich,  er  meide  daa  spHBzhnfte  (ycXolov)  nicht,  das  freilieb 
nicht  lächerlich  (KaTaT^XacTov)  werden  dürfe,  da  es  eine  ifabe  setner 
muse  aei.  bedenkt  man  aber,  dn^z  »ich  Ariatopbanea  in  gegenaatx  tu. 
Erjximaehos  und  PauäaDias  scta^t,  und  dasz  der  Platoniache  auadruck 
nicht  selten  einen  ticabsichtt^ten  doppelainn  enthält,  so  liegt  die  an- 
nähme nahe,  Aristophnnes  weise  ao^letcb  d^n  gedauken  ab,  der  gerade 
von  diesen  beiden  rednern  durchgeführt  ist,  dh,  die  vorsteltnng  eine« 
^uten  und  schlechten  IpujC.  jedenfalls  stimmt  das  tdp  i^^ol  T^p  ho^ 
Kodci  .  0  besser  zu  dieser  annähme  als  su  dem  bloasen  hiawetsti  auf 
den  heitern  Ion,  den  er  anschlagen  werde.  *'  gewis  ist  der  ausdroek 
tarpdc  eine  scherzhafte  anspitjlunj^  siuf  das  von  Eryximachoa  186 •—* 
gesagte,  aber  der  achers  kann  auch  hier  eine  ernate  seite  haben,  ta- 
mal  in  PlaCgni  sinne,  denn  im  Gorgiaa  464*>ff.  wird  die  iatrik  aU 
negative,  abwehrende  kunst  dargestellt,  wührend  die  entsprechende  posi- 
tive und  priticipgeniilsx  entw^tckelnde  tbätigkeit  der  gymnastik  angeb5rl. 
nun  bat  zwar  aoeh  V.xyx,  denjenigen  einen  guten  praktiker  genamity 
der  den  schlechten  Ipwc  in  den  guten  an  verwandeln  wisse  (186^)»  aber 
er  bezeichnet  ebd.  auth  die  erzengiuig  des  (guten)  ^pu»c  als  eine  i&nt- 
liehe  aufgäbe  und  hat  vorher  (186 ''i  von  einem  fpujc  im  gesunden  ge* 
aproehcn.  soll  man  nun  die  macht  dea  Ipuic  (gerade  ans  der  heilknod« 
kennen  lernen,  wie  Eryx.  mit  den  Worten  KaOcuipaK^vat  .  .  irpäy^TO 
erklärt  but,  und  besteht  die  aufgäbe  der  heilkonde  nar  in  der  abwehr 
der  leiden«  so  kann  es  eben  im  gesunden  keinen  {pinc  geben,  mein 
fpufc,  will  Arihioph.  demnach  sagen,  i^t  in  Wahrheit  der  nchlige  arst, 
denn  nar  er  hat  es  allein  mit  der  abwehr  von  Übeln  an  thnn.  damit 
würde  denn  sofort  antredeutet  werden,  dnsz  die  liebe  nicht  ein  im  ge* 
Bunden  wurzclnrter  trieb  sein  kann,  bei  dem  aleb  die  menschliche  tbJltig- 
keit  auf  das  (ir(ctoc6ai  oder  biapT^d^CKCiv  beschrankt,  oder,  waa  daa- 
selbe  ist,  dasr  en  eine  doppelte  liel>c  in  der  art,  wie  oie  Erjx.  und 
Paus,  angenommen  babeu,  dh,  einen  eiitg<*geiigMetsten  lpU)C  nicht  gibt. 


ersten  reden  in  Platons  Symposion.  653 

lieben)  menschlichen  natur  (9äcic)  und  dessen  was  ihr  spttter  wider- 
fahren ist  (Tra6rj)LiaTa).  die  9UCIC  der  menschen  wies  anfangs  drei 
geschlechter  auf,  das  mttnnliche,  weibliche  und  ein  aus  beiden  zu- 
sammengesetztes, das  jetzt  nur  noch  dem  namen  nach  vorhanden  ist. 
dabei  waren  die  menschen  von  runder  gestalt,  hatten  doppelt  so  viel 
glieder  als  jetzt,  einen  runden  hals  und  an  6inem  köpfe  zwei  ge- 
siebter, die  dreizahl  ihrer  geschlechter ,  ihre  gestalt  und  ihr  gang 
erklären  sich  aus  der  ähnlichkeit  mit  ihren  stammeltenii  der  sonne, 
der  erde  und  dem  monde.  auch  hatten  sie  gewaltige  kraft  und 
stärke ,  waren  stolzen  sinnes ,  wagten  sieb  selbst  an  die  götter  und 
versuchten  den  himmel  zu  ersteigen  (189^ — 190*).  um  nicht  der 
ihnen  zustehenden  ehren  verlustig  zu  gehen ,  sahen  die  götter  von 
einer  Vernichtung  des  menschengeschlechtes  ab;  wohl  aber  teilte 
Zeus  jeden  der  bisherigen  doppelmenschen,  damit  er  ihn  durch 
Schwächung  gefügig  mache  und  gleichzeitig  durch  die  vermehrte 
zahl  an  ehren  gewinne,  in  je  zwei  hälften,  wobei  er  dem  Apollon 
befahl  das  gesiebt  nebst  der  halshälfte  nach  der  Schnittseite  umzu- 
drehen, die  haut  auf  dem  leibe  zusammenzuziehen  und  die  wunde 
zu  heilen,  so  wurden  die  menschen  durch  den  auf  den  schnitt  ge- 
nebteten  blick  und  die  zurückgebliebenen  nabelfalten  fortwährend 
an  ihren  frühem  zustand  erinnert,  die  folge  war,  dasz  die  hälften 
aus  Sehnsucht  sich  suchten;  umschlangen  und;  weil  sie  in  ihrem 
halbierten  zustande  auf  ernährung  und  thätigkeit  verzichteten,  dem 
tode  verfielen,  da  gewährte  ihnen  Zeus  aus  mitleid  die  möglichkeit 
der  Zeugung  durch  begattung;  so  ward  durch  das  zusammentreffen 
zweier  hälften,  die  den  beiden  nunmehrigen  geschlechtem  ange- 
hörten, die  fortpflanzung  des  gescbleehtes  ermöglicht'*;  trafen  aber 
zwei  männer  zusammen ;  so  trat  doch  wenigstens  eine  Sättigung  des 
Zusammenseins  und  darum  auch  wieder  eine  beteiligung  an  den  ge- 
schäften  des  lebens  ein.  dies  also  sind  die  TräOri  der  menschen,  f pu)C 
aber;  seit  jener  zeit  den  menschen  eingepflanzt,  ist  der  wiederher- 
steller  ihrer  frühern  natur,  indem  er  aus  zweien  eins  zu  machen  und 
die  natur  des  menschen  zu  heilen  versucht  (190* — 191  ^).  weil  aber 
jeder  seine  hälfte  sucht,  so  gibt  es  nach  dem  ursprünglichen  ge- 
schlechte  des  ganzen ,  dem  die  hälften  angehören,  eine  dreifache  art 
des  £puJC,  die  sich  in  den  drei  formen  der  fivbpec  9lXoTUVaiK€C  und 
TUvaiKec  9iXavbpoi ,  der  ^raipicTpiai  und  der  dem  alter  nach  ver- 
schiedenen iraibepacrai  und  qpiXepacrai  darstellt,   die  pbilerasten 

"  an  den  Worten  y^TVOITO  tö  t^voc  (191*)  hat  Hag  nichts  geändert, 
während  von  andern  Seiten  textverbesserungen  für  nötig  erachtet  wurden, 
er  hält  tö  t^voc  für  das  'menschengeschlecht  in  der  neuen,  gegen- 
wärtigen form',  so  werde  der  artikel  erklärlich,  einfacher  würde  es 
freilich  sein,  wenn  y^voc  in  dem  allgemeinen  sinne  '(menschliche) 
gattung'  genommen  werden  könnte;  und  da  es  sich,  wie  auch  Ver- 
mehren (Platonische  Studien  s.  72)  glaubt,  nur  nm  die  erhaltung  der 
gattung  handeln  kann,  würde  dem  gedanken  mit  öiaTixvoiTO  TÖ  y^voc 
genügt  sein,  falls  man  nicht,  was  von  andern  (Vermehren j  geschieht, 
den  fehler  in  T^voc  sucht. 


654 


CSchirliti:  die  rftiheöfolge  der  fünf 


zeichnen  sich  durch  tapferkeit  und  mannhaftigkeit  aus,  we&balb 
auch  nur  aus  ihnen  die  Staatsmänner  hervorgehen^*;  allen  gemein- 
sam aber  ist  die  Sehnsucht  nach  der  hälfte,  besonders  der  eignen 
hfilfte  eines  jeden;  treffen  sich  also  die  beiden  hälften  irgend  eines 
ursprtlnglichen  ganzen,  so  werden  eie  von  Zuneigung,  anbängHchkeit 
und  liebe  (<piXiqi  le  KCl  oiKeiötriTi  Kai  ^pu>Ti)  wundersam  ergriffen 
und  wollen  auch  nicht  für  einen  aagenblick  von  einander  lassen, 
fragt  man  sie  aber^  warum  sie  zusammen  sein  wollen,  so  können  sie 
es  nicht  sagen :  denn  nicht  am  der  (iq)po6icituv  cuvouda  willen  ge- 
schieht es,  vielmehr  will  ihre  seele  etwas  anderes,  das  sie  nur  in 
rätseln  und  ahnungen  anxutleuten,  nicht  auszusprechen  vermag,  weil 
eben  die  macht  der  liebe  unaussprechlich  ist.  ihr  verlangen  ist  die 
denkbar  innigste  nnd  dauerhafteste  Vereinigung  während  des  lebens 
und  über  dasselbe  hinaus,  grund  desselben  die  ursprüngliche  be- 
schaflenbeit  der  menschlichen  natur,  fpujc  mitbin  verlangen  und 
streben  nach  dem  ganzen:  imOu^ia  Kai  btouEic  ToO  ÖXou  (191**  — 
19^  *)♦  sind  wir  aber,  fähii,  der  redner  zur  parflnese  überleitend 
fort,  um  unserer  dtbiKia  vrillen  in  hälften  zerlegt,  so  steht  zu  be- 
fürchten, dasz  wir  bei  zuchtlosem  wandel  nochmals  gespalten  wer- 
den, was  Zeus  sogleich  bei  dem  ersten  strafaet  in  aussieht  gestellt 
hatte  (190^J.  daher  müssen  wir  jeden  zur  gottesfurcbt  ermahnen, 
dann  werden  wir  der  nochmaligen  Spaltung  entgehen  und  die  wieder* 
Vereinigung  erlangen^  zu  der  ims  lpu>c  führt,  ihm  darf  niemand 
zuwiderhandeln^  das  aber  thut  nach  dem  gesagten,  wer  sich  den 
gQttern  überhaupt  misfällig  macht,  stehen  wir  mit  ihnen  in  gutem 
vernehmen,  so  werden  wir  den  geliebten  finden,  der  mit  uoi  sta- 
sammengehört ,  was  jetzt  nur  wenigen  gelingt,  nicht  mit  rücksichi 
auf  Pausanias  und  Ägathon,  fügt  Aristophanes  scherzend  hinzu^  sag« 
er  dies ,  sondern  das  gröste  glück  bestehe  eben  darin ,  dasz  die  liebe 
an  ihr  ziel  käme  und  ein  jeder,  indem  er  seinen  geliebten  fUnde,  tut 
ursprünglichen  natur  zurückkehre,  unter  dem  jetzt  möglichen  aber 
sei  das  beste,  wa;?  jenem  zunächst  stehe,  nemlich  einen  geliebten  zu 
finden,  wie  er  jedem  nach  dem  herzen  sei.  mit  recht,  schlieszt  der 
redner,  preisen  wir  daher  den  fpUJC,  der  nns  schon  jetzt  viel  gute« 
erweist,  indem  er  uns  zu  dem  verwandten  hinführt,  für  die  zukunft 
aber,  falls  wir  uns  der  gottesfurcbt  befleiszigen ,  die  berlichste  boff* 
nung  gewährt,  durch  Wiederherstellung  unserer  Ursprung! tclieli 
natur  und  heilung  unseres  Schadens  uns  selig  und  beglückt  zu  machen 

Aristophanes  bat  als  dichter  seinen  vertrag  in  das  gewand  dea 
mjtbos  gekleidet  und  als  komiker  dem  heitern  element  (teXoiov) 
in  der  durch fübrung  seiner  erzählung  einen  weiten  i^pielraum  ver> 
staltet;  aber  wie  der  factiscbe  bergang  in  dem  mythos  stets  nur  da« 
mittel  abgibt,  dessen  sich  der  dichter  znr  veranscfaaulichung  der 
idee  bedient^  und  auch  das  komische  nur  eine  bestimmte  und  zwar 

**  über  den  iroui«icbi*n  stnn  dieses  lobea  a,  Hog  8.  %^  (, 


m 


■■■ 


ersten  reden  in  Piatons  Symposion.  655 

diejenige  erscheinungsform  der  idee  ist,  bei  der  die  endliche  erschei- 
nung  der  idee  gegenüber  sich  in  ihrer  nichtigkeit  aufhebt  und  doch 
zugleich  in  eigentümlicher  Selbständigkeit  behauptet,  so  müssen  wir 
annehmen,  dasz  der  dichter  auch  hier  nicht  nur  eine  bestimmte  idee 
ausspricht,  sondern  auch  das  scherzhafte  detail  seiner  rede  in  der 
hauptsache  mit  besonderer  absieht  verwendet,  worin  besteht  nun  der 
grundgedanke  seiner  auslassung,  und  inwiefern  fuszt  er  auf  der  idee 
seine«  Vorredners?  dieser  hatte  den  fpujc  als  einen  im  mensch- 
lichen, animalischen  und  vegetabilischen  leben,  überhaupt  in  allen 
kreisen  des  kosmos  thätigen  trieb  gefeiert  und  zuerst  das  im  begriffe 
des  triebes  liegende  verlangen  als  qualität  des  Ipwc  ausgesprochen. 
Aristophanes  eignet  sich  diese  Wesensbestimmung  der  liebe  zwar 
nicht  ausdrücklich  aber  thatsächlich  an,  wie  er  denn  überhaupt  nicht 
mit  einer  polemik  gegen  die  behauptungen  des  Eryximachos  be* 
ginnt.  £pujc  ist  nach  der  erklSrung  des  redners  dem  menschen  (wie 
alle  triebe)  eingepflanzt  (^jiiqpuTOC  191  ^);  seiner  natur  nach  ist  er 
ein  sehnen  (ttoöoOv^*  ?KaCTOV  .  .  HuvcTvai  191*),  ein  begehren, 
verlangen,  wollen  (d7ri9u|LioövT€C  Hu|Li9Övai  191^,  äpd  T€  ToObe 
^7n6u|Li€TT€  192*^,  el  yoip  toutou  dTTiGujLicTTC  192«,  ei  toütou 
dpäxe  ebd.,  ovb'  fiXXo  ti  Sv  q)av€iri  ßouXöjuievoc,  dXX*  diexvcöc 
oToit'  äv  dKiiKO^vai  ..8..d7r69u|Liei  ebd.),  bei  dem  es  auch  eine 
befriedigung  (7rXT]C|Liovr|  191^)  gibt;  er  ist,  wie  der  redner  ab- 
schlieszend  sagt,  eine  d7ri9u|Liia  und  biujSic  (192«),  aber  über 
dieses  formale  merkmal  des  begriffes  reicht  die  Übereinstimmung  dea 
Aristophanes  mit  seinem  Vorredner  nicht  hinaus,  zwar  ist  es  eine 
schon  im  begriffe  liegende,  also  logische  consequenz,  dasz  das  ver- 
langen nach  etwas  das  nichtbesitzen  dessen  einschlieszt ,  wonach 
man  verlangt;  und  es  kann  insofern  diese  consequenz  auch  aus  der 
lehre  des  Eryximachos  gezogen  werden;  aber  ausdrücklich  hat  sie 
Eryx.  selbst  nicht  gezogen,  vielmehr  nimt  er  den  im  gesunden  und 
kranken  haftenden  trieb  aus  der  erfahrung  auf,  ohne  auf  die  ent- 
stehung  desselben  einzugehen,  wollte  man  sagen,  was  Eryx.  fpiuc 
nenne,  sei  nichts  anderes  als  der  Selbsterhaltungstrieb,  so  wider- 
spricht dem  die  annähme  eines  ungesunden  Ipujc:  denn  da  £pu)C 
eine  in  den  dingen  liegende  kraft  ist,  würden  sie  nicht  nur  den  trieb 
zur  Selbsterhaltung,  sondern  auch  den  selbstvernichtungstrieb  be- 
sitzen, ebenso  wenig  hilft  es,  das  im  fpujc  vorhandene  verlangen 
aus  dem  Verhältnis  der  ^vavTia  zu  erklären,  mithin  den  mangel,  der 
jenem  verlangen  zu  gründe  liegt,  auf  die  natur  der  beiden  Seiten  des 
äuszersten  gegensatzes  zurückzuführen :  denn  erstlich  hat  Eryx.  nir- 
gends die  einsei tigkeit  der  dvavTia  ausdrücklich  als  den  grund  ihres 
gegenseitigen  Verlangens  angegeben,  vielmehr  begnügt  er  sich  mit 
der  bemerkung,  man  müsse  liebe  und  freundschaft  zwischen  dem 
bewirken,  was  im  körper  das  feindseligste  sei  (186**);  sodann  würde 


'^  hierfür    dTTÖGouv  Usener,    i-nöQovy  ^xacToi  Tifi  r||Li(c€i  t^  aÖToO 
Huveivai  Vermehren  Plat.  stinlien  s.  71. 


656 


CSch-irlitz;  die  reihenfolge  der  fünf 


eich  dtr  angesunclp  epujc  auch  mit  dieser  erklärung  nicht  vertra^jeii, 
weil  er  sich  nur  aus  dem  verlangen  des  ^vaVTiOV  nach  j^ich  selbst, 
nicht  aber  au3  dem  verlangen  des  evavTiov  nach  seinem  ^vavTlov 
herleiten  lä^zt,  wie  etwa  krankheiten  des  körpers  und  ungüngtig© 
Witterung  durch  das  tiberwiegen  des  feuchten  oder  trockenen,  mig- 
töne  durch  das  übergewicht  des  tiefen  und  hohen  entstehen,  man 
sieht,  Eryx.  bat  die  entstehung  des  triebes  unerklärt  gelasRen;  erst 
Aristophanes  erklärt  sie:  weil  die  natur  der  menschen,  sagt  er,  froher 
©in©  andere  war  als  sie  jetzt  ist,  und  weil  sie  ihre  jetzige  bescliatfen» 
heit  als  einen  mangel  empfinden,  trachten  sie  danach  ihre  frühere 
beschaffenbeit  wiederzuerlangen-  IpuuC  ist  also  der  trieb  nach  weseni»- 
ergänzung,  ein  verlangen  nachdem  ganzen  (^möupia  Tou  6Xou 
192*')t  dem  der  menäch  als  die  häUte  dessen,  was  er  gewesen  ist  und 
sein  .«ollte,  wieder  anzugehören  begehrt. 

Aber  der  lujthos,  den  Aristophanes  vorträgt,  erklärt  nicht  nur 
die  exi!>tenz  des  ^paic,  sondern  auch  die  den  Zeitverhältnissen  des 
redners  entsprechenden  arten  desselben  (191*^ — 192  •*  dcTTOlöjLievoc) 
und  die  zu  allen  zeiten  bewährte  macht  der  liebe  als  einer  indivi- 
duellen neigung  {192^^-").  die  genetische  erklärung,  die  Aristo- 
phanes von  der  liebe  gibt,  bedingt  nun  auch  den  fortschritt,  den  die 
Untersuchung  mit  seiner  rede  macht:  denn  wie  Eryx.,  weil  er  den 
grund  des  fpujc  unerklärt  läszt,  auch  das  ziel  desselben  nicht  ansu* 
geben  vermag,  so  ist  Aristophanes  durch  die  erkenntnis  seiner  enU 
btehung  auch  zur  angäbe  dessen  beftihigt,  was  in  der  liebe  erstrebt 
wird,  zwar  ergibt  sich  auch  ans  des  Eryx.  darstellung,  dasz  der  go- 
sunde  fpujc  ein  zweckentsprechendes «  sachgemäszes  verbalten  der 
dinge  hervorbringt  (s.  zb.  188*,  wo  frucbtbarkeit  und  ge^undheit 
als  folge  der  dp^ovia  und  Kpäcic  ciicpptuv  des  feuchten  und  trockenen 
bezeichnet  werden);  da  aber  der  ungesunde  fpu>c,  der  doch  auch 
eine  erscheinung  des  ^pUJC  ist,  das  entgegengesetzte  bewirkt,  bleibt 
die  frage  nach  dem,  wozu  alles  liebende  den  einheitlichen  trieb  hat, 
auf  dem  Standpunkte  des  Eryx,  unentschieden,  diese  entscheid ung 
gibt  Aristophanes;  ihm  ist  fpuuc  der  wiederbersteller  der  frühem 
menschlichen  natnr,  bei  der  die  menschen  abgesehen  vom  köpfe  und 
den  eitremitäten  die  gestalt  einer  kugel  und  die  doppelte  zahl  der 
gegenwärtigen  gliedmaszen  hatten  (189*  ^TTeiTa  6Xov  —  190»  die 
.  .  CtKCtcetev),  sich  kreisförmig  fortbewegten,  an  kraft  und  st&rke 
ausgezeichnet  waren  und  vermöge  eines  hohen  selbstbewustaeiiis 
sich  den  göttem  gleichstellten  (190'*  n€piq)€pf^  .  .  8€0?c),  alle  züge 
dieser  bescbreibung  sind  bestimmt  den  anfänglichen  zustand  dee 
menbchengeschlechtes  über  den  jetzigen  zu  erbeben,  da.^?,  die  kugel 
die  schöubte  gestalt,  die  kreihförmige  dreh  ung  aber  die  beste  uller 
bewegungen  igt,  hören  wir  von  Platoti  auch  sonüt.*^   die  doppelte 


•*  Tim.  SS'*  cxf^Ma  hi  fbuiKcv  aÖT^ip  t6  irpctrov  koI  t6  Ivrt^vic» 
T<f>  bi  lä  irdvT*  ^v  aÖTCp  tsuvra  ircpUx^iv  ^^XXovn  14»*+»  wp^irov  dv  clii 
Cif\}XQ  t6  ir€pi€iXr]qp6c  ^v  aöiij»  ndvia  öirdca  cx^M^ra  bi6  %a\  C(paipO' 
cib^c,  iK  n^cou  TtdvTT)  iipdc  tAc  TcXeuTdc  tcov  dir^xov,  KuicXoT€p4c  a^^ 


ersten  reden  in  Platons  Symposion«  667 

zahl  der  glieder  musz  natürlich  eine  gröszere  beweglichkeit  und 
stärke  verleihen ;  aus  dieser  entspringen  dann  die  |üi€TOtXa  9pOV/i- 
|iaTa,  mit  denen  sich  die  menschen  an  die  götter  wagen,  endlich 
würde  Zeus  nicht  eine  abermalige  Spaltung  der  menschen  als  strafe 
für  fernere  dbiKiai  in  aussieht  stellen,  wenn  sie  nicht  gerade  so  eine 
herabsetzung  des  gegenwärtigen  zustandes  der  menschheit  bedeuten 
sollte,  wie  die  erste  teilung  der  menschen  eine  Schwächung  ihrer  bis- 
herigen qpucic  in  sich  schlieszt.  so  erscheint  ^pu)C  in  des  Aristophanea 
rede  als  der  dem  menschen  eigentümliche  trieb  nach  Voll- 
kommenheit, drei  punkte  aber  sind  es,  in  denen  sich  dieser  satz 
von  dem  resultate  der  vorhergehenden  rede  unterscheidet,  denn 
Ipujc  ist  nach  Aristophanes  1)  ein  einheitlicher,  2)  ein  menschlicher 
trieb ,  3)  der  trieb  nach  Vollkommenheit,  nun  ergibt  sich  zwar  so- 
fort, dasz  diese  drei  bestimmungen  zu  einander  in  beziehung  stehen : 
denn  wäre  £puJC  nicht  einheitlicher  natur ,  so  könnte  er  nicht  ein 
streben  nach  Vollkommenheit  sein,  und  ebenso  kann  er  als  streben 
nach  Vollkommenheit  nur  ein  menschlicher  trieb  sein ,  wie  er  auch 
umgekehrt ,  wenn  er  nicht  ein  menschlicher  trieb  wäre ,  nicht  das 
streben  nach  Vollkommenheit  sein  könnte;  es  fragt  sich  aber^  wie 
wir  uns  das  Verhältnis  der  bedingtheit  denken  sollen. 

Diese  frage  kann  hier  nur  im  sinne  der  vorliegenden  Unter- 
suchung beantwortet  werden,  wenn  daher  von  den  erklärern  mehr- 
fach hervorgehoben  wird ,  Aristophanes  habe  den  begriff  der  liebe 
auf  das  menschliche  gebiet  zurückverlegt*',  so  ist  das  zwar  richtig, 
läszt  aber  noch  nicht  den  fortschritt  der  Untersuchung ,  der  sich  in 
seiner  rede  vollzieht,  erkennen,  ein  fortschritt  in  der  erkenntnis  der 
liebe  war  aber  nur  dadurch  möglich,  dasz  die  Unbestimmtheit  be- 
seitigt wurde,  die  in  dem  satze  des  Eryximachos  verblieben  war. 
Eryx.  hatte  den  fpujc  für  einen  trieb  erklärt;  der  trieb  ist  aber  ein 
relativer  begriff:  denn  wir  fragen,  wenn  £puiC  ein  trieb  ist,  wozu  er 
der  trieb  ist,  und  Aristophanes  antwortet,  er  sei  der  trieb  nach  voll- 

^TOpveOcaTo,  TrdvTuuv  TcXeii^xaTov  öiiioiÖTaTÖv  t€  qOtö  lauxCp  cxn- 
jxdTUJv,  vo|Li(cac  ^vpiijj  xdXXiov  6|lioiov  dvo^oiou  und  Tim.  34«  K(vT)av 
yäp  dTr^v€i|ui€v  aÖTtp  Tfjv  toO  CLÜ|uiaT0C  olneiav,  xdiv  knrä  Tf|v  irepl 
voOv  Kai  qppövriciv  {LidXiCTa  oCicav.  wenn  Aristophanes  gestalt  and 
bewegung  der  menschen  dann  aus  der  ähnlichkeit  mit  ihren  eitern  (der 
sonne,  der  erde,  dem  monde)  erklärt  (iT€pt9€pf)  .  .  ö^oia  €Tvai),  so 
läuft  diese  'mystisch  gelehrte  begründung,  wie  nahe  auch  eine  derartige 
beziehung  gelegt  war,  nur  auf  die  persiflage  der  gelehrsamkeit  seiner 
sophistischen  Vorgänger  hinaus'  (Hug  s.  90)  und  kann  nichts  an  der 
thatsache  ändern,  dasz  es  dem  redner  lediglich  darauf  ankam,  die  ar- 
sprüngliche  cpOcic  der  menschen  in  ein  möglichst  günstiges  licht  zu  setzen. 
'^  s.  Zeller  Plat.  Qastmahl  s.  101:  'Aristophanes  faszt  den  begriff 
der  liebe,  den  Eryx.  in  eine  naturphilosophische  allgemeinheit  zu  ver- 
flüchtigen geneigt  war,  wieder  in  seiner  anthropologischen  bestimmt- 
heit'  und  Steinhart  IV  234:  'so  wird  die  liebe  von  den  ins  ungemessene 
scb weifenden  gedankenspielen  des  Eryx.  auf  ihr  eigentümliches  gebiet 
zurückgeführt  und  eine  anthropologisch-physiologische  entwicklung  ihres 
begriffes  angedeutet,  wovon  Phaidros  und  Pausanias  noch  keine  ahnong 
hatten.' 

Jahrbücher  für  class.  philol.  1893  hft.  10.  42 


CScbirlitx:  die  reihenfolge  der  fSat' 


kommenheit.  darin  liegt  due  fftiilicb«  dasz  fpujc  nur  ein  einbeit- 
licher  und  nur  ein  menschlicher  trieb  ist,  nicht  ein  solcher  der  ^v 
TTttci  TOic  oöci  (186*)  hervortritt,  hiermit  ist  der  doppelte  £pu>c 
des  Eryximacbos  überwunden  und  zugleich  die  richtige  an  schau  ung» 
welche  sich  auch  schon  bei  ihm  geltend  machte,  als  er  im  Wider- 
spruch mtt  dem  grundgedanken  seiner  rede  die  bedeutung  hervor* 
hobf  die  der  (music  all  sehe)  Ipuüc  für  die  menschen  hat,  zu 
ihrem  rechte  gelangt,  ferner  aber  ist  erst  jetzt  der  trieb  auf  die 
seinem  begrifiTe  entsprechende  weise  gefaszt.  in  allgemeiner  bedeu- 
tung ist  er  eine  in  das  seiende  von  gott  gelegte  kraft ,  die  tu  ihrer 
äuszeruDg  der  mitwirkung  ihres  trägers  bedarf,  diese  mitwirkun^ 
entspricht  der  stufe,  auf  der  das  seiende  steht,  so  soll  der  mensch  iii'^ 
der  beihtitigung  seiner  triebe  anders  verfahren  als  das  unpersönlich- 
seiende f  wenn  er  auch  dieser  forderung  oftmals  nicht  entspricht^ 
jedenfalls  aber  erwarten  wir,  dasz  der  träger  der  kraft  ihr  selbst  2 ux 
Äüszerung  verhilft;  dies  gilt  jedoch  bei  Eryx.  nur  für  diejenigen  ge- 
biete, wie  zb.  das  der  /jiet^ujpa,  auf  die  der  redner  seine  tbeorie  nicht 
ausdehnen  konnte,  da  dieselbe  gerade  darin  besteht ^  dasz  er  neben 
die  träger  des  triebes  eine  die  äuszerungen  desselben  teils  hervor- 
bringende,  teils  regulierende  menschliche  thätigkeit  setzt,  mithin 
was  in  öiner  person  vereinigt  sein  SüUte,  an  zwei  subjecte  verteilt* 
erst  durch  Aristophanes  gewinnen  wir  die  vermiszte  Identität  der 
person^  sein  IpuüC  ist  zunächst  ein  trieb:  denn  die  cpuctc  der  men- 
schen» aus  der  der  ^puJC  bervorgeht|  ist  von  gott  bestimmt  und  zwar 
in  der  spräche  des  mythos  durch  den  strafact»  zu  dem  sich  Zeus  ver- 
anlaszt  hiebt;  ^puic  selbst  aber  kann  nur  durch  diejenigen,  in  die  er 
gelegt  ist,  zur  erscheinung  kommen,  dazu  aber  bedarf  es  nicht  mehr, 
wie  bei  Eryi[imacbos,  eines  T^xviKÖc  oder  npaKTiKÖc,  vielmehr  sind 
die,  denen  der  trieb  verliehen  ist,  dieselben  welche  ihn  äuszern  nni 
in  zweckentsprechender  weise,  wie  sie  Aristophanes  191***  he 
echreibt,  zuerst  durch  Umarmung  und  umschlingung  (TTCpißdXXov- 
lec  Tctc  xttpac  xai  cuiiirKcKÖMCvoi  dXXriXoic),  dann,  als  Zeus  ihnen 
die  tähigkeit  dazu  verlieben  hatte,  auch  durch  zeugung  (TtVViJüVTCC) 
£U  befriedigen  suchen. 

So  werden  die  Schwierigkeiten,  denen  wir  in  dem  vortrage  des 
Eryximacbos  begegne! en,  durch  die  rede  des  Aristophanes  gehoben ; 
aber  auch  dessen  darsteltung  legt  ein  bedenken  nahe  und  führt  da*j 
her  über  sich  hinaus,  denn  wenn  IßWQ  der  den  menschen  angeborenf 
trieb  nach  Vollkommenheit  ist,  so  fragt  sich,  ob^  was  Aristophane 
Vollkommenheit  nennt,  dem  begriffe  des  vollkommenen  entspricht^ 
zwar  ist  es  nur  eine  folge  des  mythos,  dessen  er  sich  bedient,  da 
er  den  vollkommenheitszustand  in  die  Vergangenheit  verlegt:  da 
^zeitlose  ansichsein'  mnsz  bei  dieser  form  als  'zeitliches  vorhersein* " 


»'  StiBemihl  im  PhiloL  VI  186,  Ähnlich  Steinhurt  IV'  *2:J5;  Mi  et  wird 
gaDs  in  der  weis©  des  mythos,  der  zeitlich  oder  rltumlich  tren&t,  wm 
suiammengebört^  aU  die  cewnlt^ame  serstÖniDp  eines  frühertit  voll» 
kommenern  sastandea  der  meuschhelt  ditrgiistellL' 


ersten  reden  in  Piatons  Symposion.  •  650 

erscheinen,  und  die  ursprünglichen  doppelmenschen  bezeichnen  dem- 
nach die  'idee  der  gattung,  in  welcher  sowohl  die  geschlechtsdifferenz 
als  die  Vereinzelung  der  individuen  aufgehoben  ist'  (Sasemihl  ao.). 
aber  ist  nun  hierin  die  Vollkommenheit  enthalten,  deren  der  mensch 
fähig  ist  ?  Aristophanes  stellt  den  £piuc  als  den  vereiniger  der  an- 
fänglich vereinten,  nun  getrennten  geschlechter  dar  (191^  |üi€Td9r|K€ 
. .  TiTVOiTo  TÖ  T^voc.  191  **  6coi  jiifev  oöv  . .  jucixcOrpiai)  und  macht 
ihn  damit  allerdings  insofern  zu  einem  streben  nach  Vollkommen- 
heit, ^als  es  schon  darum  keinen  vollkommenen  menschen  geben  kann, 
weil  jeder  entweder  als  mann  oder  als  weib  existiert''^;  die  einheit 
der  geschlechter  gilt  dabei  als  gattung  und  diese  den  geschlechtem 
gegenüber  als  das  vollkommene,  diese  Vollkommenheit  selbst  aber 
bleibt  im  leiblichen  stehen,  sehen  wir  nun  von  der  absieht  des 
redners  ab,  die  arten  oder  vielmehr  entartungen  der  liebe  ihrem  Ur- 
sprünge nach  zu  erklären ,  so  beschreibt  er  den  ^pu)C  als  den  trieb 
zum  verwandten  (192  *>  del  tö  EuTT€vfec  dcTroZöjuicvoc) ,  zum  ent- 
sprechenden (193  <*  de  TÖ  oiK€iov  ätuiv),  zum  ganzen  (192»)  und 
nennt  es  das  höchste  glück,  dasz  jemand  seine  hälfte  finde,  das 
nächst  beste  aber,  was  jetzt  möglich  scheint,  dasz  ein  jeder  den  ge- 
liebten erlange  I  der  ihm  nach  sinne  sei  (193  <^  Xi.'XW  hk  .  .  toOto  V 
dcriv  TTaibiKoiv  TuxeTv  Kaid  voOv  aöriji  7r€9üK6TU)v).  gewis  wird 
man  im  hinblick  hierauf  nicht  nur  mit  den  erklärem  annehmen 
dürfen,  dasz  er  damit  die  schranke  (der  leiblichen  natur)  bis  zu 
einem  gewissen  grade  überschreite  (Zeller  Plat  Gastmahl  s.  101) 
und  sein  absehen  auf  eine  ausgleichung  der  verschiedenen  geistigen 
gaben  (Susemihl  ao.  s.  191)  richte,  sondern  auch  Zeller  beipflichten 
können,  wenn  er  die  darstellung  des  Aristophanes  das  richtigste  und 
tiefste  nennt,  was  von  irgend  einem  redner  auszer  Sokrates  vor- 
gebracht wird ,  und  wenn  er  insbesondere  die  worte  dXX'  dXXo  n 
ßouXojLievri  ^Kai^pou  f\  \\fvxi\  briXri  iciiv  .  .  alvCrreTai  (192<*),  in 
denen  der  ernsthafte  grundgedanke  der  stelle  am  deutlichsten  za 
tage  komme,  zu  dem  tiefsten  rechnet,  was  von  alten  Schriftstellern 
über  die  liebe  gesagt  sei  (ao.  s.  104)**;  aber  gleichwohl  wird  man 
sich  nicht  über  den  wert  teuschen  dürfen,  den  die  ansieht  des  Aristo- 
phanes für  den  fortschritt  der  Untersuchung  hat.  er  sieht  in  den  an- 


'^  s.  Steinhart  IV  344  anm.  46  and  das  daselbst  mitgeteilte,  oben 
erwähnte   citat   aas  Schwarz  pädagogik  I  150.  "  gegen  die  formn- 

lierang  des  grundgedankens  der  rede,  'die  liebe  sei  der  jedem  menschen 
angeborene  trieb  nach  ver vollst ändigang  darch  ein  anderes  individnom 
von  d^m  geschlechte,  dessen  er  zu  seiner  ergänzang  bedürfe,  doch  fasse 
der  redner  zunächst  nur  die  leibliche  natur  des  menschen  ins  ange» 
wenn  er  auch  nachmals  diese  schranke  bis  zu  einem  gewissen  grüe 
überschreite',  läszt  sich  allerdings  einwenden,  dass,  da  Aristophanes  die 
teilung  der  drei  arten  der  ursprünglichen  menschen  sogleich  neben 
einander  stellt,  mithin  die  verschiedenartige  ergänznng  als  gleich- 
berechtigt behandelt,  die  Vervollständigung  nicht  immer  durch  ein  In- 
dividuum von  d^m  geschlechte  erfolgt,  dessen  der  mensch  zu  seiner 
ergänzung  bedarf. 

42* 


660 


CSchirlitz:  die  reihenfolge  der  fünf 


geführten  stellen  den  Cpiuc  als  die  Sehnsucht  des  iDdiyidnums  nach 
einer  geistesverwandten  individualität ,  als  den  zug  der  herzen  zu 
einander  an  und  gibt  damit  einem  gedanken  ausdrucke  der  gewis 
das  innerste  wesen  der  liebe  erschlieszt  und  gerade  der  modemea 
auffassung  entspricht«  auch  wird  dies  streben  durch  die  ausgleichung 
von  mangeln  eine  bereicherung  des  gemUtes^  eine  erh5hung  der  Spann- 
kraft, kurz  jene  vielseitige  ergänzung  zur  folge  haben^  die  der  Aristo- 
phanische mythoa  in  dem  bilde  der  ein  ganzes  bildenden  Ursprungs- 
menschen  veranschaulicht;  aber  immer  strebt  doch  hier  die  bestimmte 
individualitüt  nur  nach  einer  andern  individuellen  bentimmtheit,  und 
es  wird  daher  dies  streben  eine  manigfaltigkeit  aufweisen,  die  der  un- 
endlichen Verschiedenheit  der  Individualitäten  gleichkommt,  hierauf 
beruht,  was  man  das  geheimnis  der  liebe  nennen  kann,  insofern  sie 
zwei  bestimmte  Individuen  mit  einander  verbindet:  das  ziel,  nach 
dem  sie  strebt ,  ist  unnennbar,  weil  die  Individualität  selbst  zuletzt 
unbeschreiblich  ist ,  und  die  unbegrenzte  Verschiedenheit  der  indivi- 
duen  eine  unendliche  Dlanigfaltigkelt  der  ergänzung  in  sich  schlieszt. 
wenn  daher  Susemihl  (Pbilol.  VI  192)  mit  rückzieht  auf  die  voa 
Ariätophanes  angenammene  Verbindung  zweier  männer  oder  frauen 
erklärt,  die  vom  ^puJC  getriebenen  vermöchten  eben  deshalb  nicht 
zu  sagen,  was  sie  treibt  (192"^),  weil  es  dem  Aristophanes  selbst  un- 
aussprechlich sei,  so  würde  seine  bemerkung  in  genauerer  form 
lauten  müssen :  Aristophanes  wisse  zwar ,  was  jene  (in  zwei  mftnner 
oder  zwei  frauen)  geteilten  überhaupt  erstrebten,  nemlich  die  indivi- 
duelle wesensergönzung ,  wonach  aber  der  einzelne  fUr  sieh  trachte« 
wie  sich  also  jene  ergänzung  in  jedem  einzelnen  falle  gestalte^  kdnse 
er  nicht  sagen,  weil  es  überhaupt  unsagbar  sei.  während  also  in  der 
leiblichen  Sphäre  durch  die  Vereinigung  der  beiden  geschlecbter  in 
der  that  die  gattung  hergestellt  ist,  wird  in  der  von  Aristophanea 
symbolisch  bezeichneten  wesen sergSnzung  durch  die  Verbindung 
zweier  individtien  wohl  ein  vollkommneres  Individuum ,  aber  doch 
eben  nur  ein  individuum  gewonnen:  denn  nur  auf  die  individualität 
war  das  titreben  gerichtet,  nicht  auf  das  allgemeine  und  also  auch 
nicht  auf  das  gute  an  sich,  wie  förderlich  es  immer  sein  mag,  wenn 
die  geistigen  kräfte  ausgeglichen  werden  und  zwei  individuen  sich 
völlig  in  einander  einleben,  deshalb  bleibt  nun  aber  auch  die  wahre 
Vollkommenheit  unerwähnt,  wollte  man  aber  sagen ,  da  f pu)c  das 
streben  nach  Vollkommenheit  sei,  müsse,  wenn  auch  die  voUkommeii- 
beit  selbst  nicht  erreicht  werde,  doch  wenigstens  das  erotische  stie- 
ben für  sich  genommen,  also  die  äuszerung  die  sich  jener  trieb  gibt, 
eine  ent Wicklung  vom  niedern  zum  hohem,  dh.  ein  process  der  Ter^ 
vollkommnung  sein,  so  wird  auch  diese  erwartung  durch  das,  waa 
der  redner  sagt,  geteuscht^  wir  hören,  wie  nach  der  strafe,  die  Zeua 
verhängt  hat,  die  durch  die  teilung  entstandenen  hälften  sich  nach 
einander  sehnen,  in  dem  bestreben  zusammen  zuwachsen  sich  um- 
armen und  umschlingen  und  zuletzt,  weil  sie  in  dem  zustande  der 
trennung  nichts  vollbringen  wollen,  durch  enthaltung  von  der  nah* 


ersten  reden  in  Platons  Symposion.  661 

rung  und  unthfttigkeit  dem  tode  verfallen  seien  (191*  diT€iöf|  .  . 
191  **  diTUüXXuvTo).  da  habe  Zeus  sich  ihrer  erbarmt  und  ihnen  durch 
die  )ir|xavr|  der  t^vvticic  i\  öXXriXoic  geholfen,  beabsichtigt  habe 
der  gott  dabei  hinsichtlich  zweier  hälften  verschiedenen  geschlechtes 
die  Zeugung  und  bei  der  Vereinigung  zweier  hSlften  desselben  ge- 
schlechtes  eine  befriedigung  des  Zusammenseins  und  die  wieder- 
aufnähme ihrer  menschlichen  beschftftigungen  (191  ** — 191  <^  dXeiicac 
bk  ö  Zeiic  . .  dTTijLieXoTvTo).  nachdem  der  redner  sodann  die  durch  die 
drei  arten  der  doppelmenschen  entstehenden  vier  erscheinungsformen 
des  Ipujc  angegeben  hat,  beschreibt  er  jenes  rätselhafte  und  eben 
nur  aus  der  dpxotia  91JCIC  zu  erklärende  streben  nach  einer  mög- 
lichst innigen  Vereinigung,  deren  zweck  keineswegs  die  cuvoucia 
d9pobiciuJV  sei. 

Halten  wir  uns  an  diese  darstellung,  so  hat  der  trieb  nach  Ver- 
einigung mit  der  hälfte  und  nach  Wiederherstellung  des  ganzen  die 
menschen  ergriffen ,  sobald  sie  getrennt  waren ;  sie  befriedigen  ihn 
durch  das  suchen  des  r^jLiicu,  durch  umschlingung  und  umarmung, 
und  finden  von  Sehnsucht  verzehrt  ihren  tod.  welche  Veränderung 
hat  nun  aber  die  )ir)xavr|  des  Zeus,  abgesehen  von  der  zeugung,  die 
sich  doch  nur  auf  das  dritteil  der  gespaltenen  bezieht,  in  diesem  zu- 
stande hervorgebracht?  ist  etwa  das  suchen  nach  der  hälfte  infolge 
des  einschreitens  des  Zeus  von  anderer  art  als  es  vorher  war?  oder 
wird  von  einem  durch  die  Vermittlung  des  gottes  herbeigeführten 
unterschiede  in  der  äuszerung  jenes  Sehnsuchtstriebes  berichtet?  der 
redner  hebt  hervor,  welche  freude  es  bereite  auf  die  eigne  hälfte  zu 
treffen  (192'*  ÖTav  .  .  xpövov);  aber  warum  dies  und  der  dadurch 
bedingte  tibergang  aus  der  dpfict  in  die  thätigkeit  erst  nach  der 
hilfe  des  Zeus  möglich  sei,  ist  nicht  zu  ersehen:  kurz  in  dem  gegen- 
seitigen verlangen  der  hälften  gibt  es  keine  Veränderung  und  also 
auch  keinen  fortschritt,  den  man  für  eine  Vervollkommnung  erklären 
könnte,  ebenso  wenig  kann  die  innige  und  in  sich  selbst  ihr  genüge 
findende  Vereinigung  der  hälften,  die,  wie  der  redner  192**  bemerkt, 
nichts  über  ihr  Zusammensein  hinaus  verlangen ,  für  einen  process 
der  Vervollkommnung  gelten :  denn  ein  solcher  läszt  sich  nicht  ohne 
selbsttbätigkeit  der  beteiligten  denken,  diese  aber  wollen  gerade  in 
der  ruhe  ihrer  Vereinigung  verharren  und  nur  bleiben  was  sie  sind, 
wie  sie  es  einst  gewesen  sind,  nemlich  die  einheit  des  ganzen;  von 
einem  werden,  einem  streben  nach  einer  höhern  existenz  ist  also 
auch  in  diesem  zustande  der  befriedigung  des  £pu)C  keine  rede. 

Nun  scheint  es  allerdings,  als  ob  Aristophanes  zuletzt  doch  die 
eigne  thätigkeit  der  liebenden  für  die  erreichung  ihres  zieles  in  an- 
spruch  nähme,  wenn  er  sagt,  es  sei  zu  befürchten,  dasz  die  menschen 
einer  nochmaligen  Spaltung  verfallen  würden ,  wenn  sie  sich  nicht 
ordentlich  gegen  die  götter  betrügen;  wollten  sie  also  diesem  Schick- 
sale entgehen  und  dem  ^puüC  seine  aufgäbe  erleichtem,  so  müsten 
sie  gottesfürchtig  sein,  da,  wer  sich  den  göttem  misf^llig  mache, 
auch  jenem  zuwiderhandle  (193***  9Ößoc  .  .  diT€xOdv€Tai).    dass 


662 


CSchirlitz:  die  reihenfolge  der  fünf 


der  redner  bei  dieser  aufforderung  zu  sittlicher  mitwirkung  der 
meEhchen  an  die  zukunft  denkt  und  demgemäsz  das  ziel  als  ein  nur 
allmäblich  auf  dem  wege  der  Vervollkommnung  erreichbares  hin- 
stellt, ergibt  sich  noch  deutlicher  ans  den  folgenden  schluszworten 
seiner  rede  (193*=**):  'dem  ^puuc»  dem  v^ir  dies  verdanken,  gebührt 
unser  lob,  denn  schon  jetzt  erweist  er  uns  so  viel  ffutes,  indem  er 
uns  zu  dem  verwandten^  hinführt,  und  für  die  zukunft  gewährt 
er  uns  die  herlichste  boffnung,  wenn  wir  uns  der  frömraigkeit  gegen 
die  götter  befleiszigen,  durch  Wiederherstellung  unserer  ursprüng- 
lichen naiur  und  durch  heilung  unseres  Schadens  uns  zu  beglücken 
und  2U  beseligen.*  gleichwohl  können  auch  diese  sKtze  an  dem 
resultate  der  obigen  betrachtung  nichts  lindem :  denn  Aristophanes 
verlegt  die  gottes furcht  oder,  nm  den  gattnngsbegriff  zu  gebraueben, 
die  tugend  nicht  in  die  liebe  selbst  hinein  und  stellt  sie  daher  auch 
nicht  als  die  in  und  mit  dem  fpujc  sich  vollziehende  Wirkung  des- 
selben, sondern  nur  als  seine  bedingung  oder  als  ein  mittel  zu  dem* 
Beiben  dar,  wie  wenn  es  (nach  Susemihls  gen.  entw.  der  PlaL  pbiU 
I  335  richtiger  bemerkung)  etwas  noch  vollkommeneres  für  die 
menschen  geben  könne  aU  die  tugend.  so  ist  nun  die  gottesfttrcht 
zwar  vom  ^ptuc  hervorgebracht,  aber  ihm  doch  nicht  immanent  ge- 
worden; sein  Inhalt  lai  nicht  eine  fortschreitende  Vervollkommnung, 
sondern  jenes  leere ,  in  sich  beharrende  streben  nach  dem  ganzen, 
das  nicht  in  worte  zu  fac^sen  ist  freilich  möchte  man  glauben,  der 
redner  ahne  das  selbst,  und  es  schwebe  ihm  eine  höhere  Vereinigung 
als  die  mit  der  hälfte  vor,  nach  der  der  mensch  als  nach  seinem 
wahren  ziele  streben  müsse,  wenigstens  weist  die  ernste  mahnung 
<piXoi  T^P  T€VÖ|ievoi  Kai  biaXXaT^vxec  xqj  Oetp  dE€i>pnco|iev  t€  köI 
dvxeuSo^töa  toic  naibiKOic  usw,  auf  die  notwendigkeit  einer  Ver- 
söhnung mit  dem  ewigen  hin,  indes  erscheint  dieses  höchste  xiel 
doch  eben  aoch  hier  nicht  als  Selbstzweck,  wohl  aber  kann  seine  er- 
wähnung  für  einen  hinweis  des  Schriftstellers  auf  denjenigen  mangel 
der  rede  des  Äristopbanes  gelten,  dessen  beseitigung  dem  nächsten 
redner  obliegt,  denn  auch  an  andern  stellen  der  vorliegenden  rede 
bat  Piaton  seiner  gewohnheit  entsprechend  dem  leser  eine  aufklft- 
rüng  über  den  Vorwurf  gegeben,  der  der  darstell ung  des  Ariato- 
phanes  mit  recht  gemacht  werden  kann.  Ipujc  soll  der  wiederber- 
fiteller  des  frühem  zustandes  der  menschheit  sein ,  der  ein  sn^tand 
der  Vollkommenheit  war;  aber  in  eben  diesem  zustande  haben  die 
menschen  gegen  die  götter  gefrevelt,  so  dasz  sie  Zeus  für  ihre  freoh* 
heit  (190^'  ouT€  önujc  ^uiev  dc€XTaiv€iv.  190*^  ^ctv  5*  irx  5oicu»av 


•"  dftsz  AriMtopbQDes  unter  dem  oUclov  eine  geistesverwandte,  ein* 
gi58timmte  ifidivid  Unit  tut  versteht,  Jteigt  das  \oraii|»ehen<!e:  toOto  .  * 
Karä  voüv  aöri^;!  tt€<puk6tu>v,  auch  bei  dieseiD  werke  des  Cpufc  miua 
die  €6c^ßeia  der  menschen  mitwirken,  wie  denn  «ein  siUticber  eindoai 
ausKer  frag*«  ateht,  ab«r  Arbtophane«  macht  sit  £u  der  voraoaaetcaoff^ 
die  erst  gegeben  aein  mnix,  wenn  die  wiederberstellan^  der  dpXQia 
cpücic  erfolgen  0OIL 


ersten  reden  in  Platons  Symposion.  663 

äceXtaiveiv)  und  zttgellosigkeit  (190  <^ . .  iraucmvTO  ific  dKoXaciac) 
mit  einer  strafe  belegte,  die  sie  stets  an  ihr  unrecht  erinnern  sollte, 
damit  sie  durch  den  anblick  ihres  irdOoc  bescheidener  würden  (190* 
ha  0€iJajui€voc  Tf|V  aöroO  T^fjciv  KOCjiiiOTepoc  eXr)  6  ävBpumoc);  wie 
verträgt  sich  aber  die  sündhafte  überhebung  der  menschen  mit  dem 
begriffe  der  Vollkommenheit?  die  Vollkommenheit  schlieszt  das  gute, 
dies  die  tugend^  also  auch  die  besonnenheit  und  mäszigung  ein.  hier 
aber  erscheinen  die  menschen  als  revolutionär  (190^  ^etdXa  q>po« 
WjiLiaTa  elxov),  ausgelassen  (dceXteic),  zügellos  (ÄKÖXacTGi);  und 
wird  nicht  dieser  Widerspruch  zu  offener  ironie,  wenn  der  redner  die 
liebenden  ermahnt  durch  gottes furcht  dem  ^pujc  in  seiner  thätig- 
keit  zu  helfen  und  so  die  Wiederherstellung  d6s  zustandes  mit  herbei» 
zuführen,  in  dem  sie  die  götter  misachtet  haben?  man  wende 
nicht  ein,  Aristophanes  denke  sich  diesen  zustand  bei  seiner  Wieder- 
kehr als  einen  sittlich  geleuterten.  er  bezeichnet  am  schlusz  der  rede 
(KaTacTrjcac  .  .  iroificai)  als  schönste  hofibung  und  höchstes  glück 
lediglich  die  zurück  Versetzung  in  die  dpx^tici  9OCIC.  ist  aber  die  ur- 
sprüngliche natur  wiederhergestellt,  so  sind  auch  ihre  Wirkungen 
gegeben :  eine  folgerung  zu  der  wir  nur  dann  nicht  berechtigt  sein 
würden ,  wenn  sie  der  redner  ausdrücklich  abgelehnt  hätte. 

Blickt  man  nun  auf  das  ergebnis  der  rede  des  Aristophanes  zu- 
rück ,  so  verdankt  ihr  die  Untersuchung  den  wichtigen  fortschritt, 
dasz  £pu)C  hier  als  der  den  menschen  innewohnende  trieb  zur  Voll- 
kommenheit bezeichnet  wird  ^  der  sich  in  dem  verlangen  nach  dem 
ganzen,  dh.  nach  der  ergänzung  der  individualität  durch  eine  andere 
zweckentsprechende  individualität  bethätigt.  aber  wie  schön  auch 
dieser  gedanke  insofern  ist,  als  es  sich  bei  der  liebe  tbatsächlich  um 
eine  ergänzung  der  leiblichen  und  geistigen  unvoUkommenheit  der 
menschennatur  handelt,  eine  endgültige  lösung  der  frage  nach  dem 
^pujc  gibt  er  nicht,  der  redner  nennt ,  wie  wir  gesehen^  zwei  arten 
jener  bethätigung:  1)  die  zeugung,  2)  die  Vereinigung,  die  nXiiquoWl 
ojvouciac.  jene  aber  bleibt  ihm  etwas  nebensächliches'':  denn  er 
setzt  sie  in  keine  ursächliche  Verbindung  mit  dem  erstrebten  ziele, 
weil  er  die  frage,  ob  und  wie  man  durch  diesen  zweck,  dh.  dorch 
die  bildung  des  neuen  zur  Vollkommenheit  gelange,  unberührt  Iftszt. 
darum  ist  ihm  die  f^vvT^cic  nichts  anderes  als  die  Vereinigung  der 
geschlechter,  also  die  darstellung  oder  vielmehr  die  Wiederherstel- 
lung der  gattung.  nun  ist  diese  zwar  dem  individuum  gegenüber 
das  vollkommene,  aber  doch  nur  insoweit,  als  sie  die  ausgleichung 
der  beiden  geschlechter  bedeutet,   wird  daher  der  zweck  dieser  aos- 


^^  aach  Sasemihl  gen.  entw.  I  384  sagt  'Aristophanes  fasse  aus* 
drücklich  die  zeugung  nicht  als  immanenten  zweck  der  liebe,  sondern 
selbst  in  der  geschlechtsliebe  nnr  als  etwas  accidentelles'  (191"  ff.), 
die  werte  tva  .  .  Y€vv«I»€V  Kol  tttvoiTO  t6  t^oc  (191«)  enthalten  eben 
in  Aristophanes  sinne  nicht  den  zweck  der  ^pdlvT€C,  sondern  die  ab- 
sieht des  Zeus:  das  interesse  der  götter  verlangte  die  fortpflansong  nnd 
erhaltang  des  menschlichen  geschlechtes. 


664        CSchirlitz:  die  fünf  ersten  reden  in  Piatons  S^^mposion. 


gleichung,  wie  es  hier  geschieht,  nicht  b ertick 8 icbiigt»  so  kann  mftB 
in  ihr  nur  eine  der  drei  formen  der  ursprünglichen  menschen  sehen, 
die  durch  ihre  vergehung  die  berabsetzung  der  menschlichen  natur 
verschuidet  haben,  ebenso  wenig  gelingt  es  dem  redner  in  dem,  was 
er  Über  die  zweite  art  der  bethätigung  des  triebes,  die  T^^r|c^OV^ 
CUVOUCtQC  sagt,  zu  dem  begriffe  der  Vollkommenheit  bindurcb- 
2udriugen.  dasz  das  Individuum  durch  seine  Vereinigung  mit  einer 
andern  individualität  eine  sittliche  Förderung  erfährt,  die  Aristo- 
phanes  hier  mit  dem  symbot  der  cuvoucioi  andeutet,  ist  gewis;  abe 
weil  sie  im  individuellen  verharrt,  ist  sie,  wie  oben  gezeigt  wurde,1 
unaussprechlich,  das  gute,  welches  doch  gerade  für  die  einzelnen  das 
allgemeine  und  also  das  gemeinsame  ziel  aller  menschen  sein  soUtö» 
bleibt  als  solches  ungenannt  und  daher  auch  unerkannt,  zwar  scheint 
dasselbe  dem  redner  wie  eine  ahnung  vorzuschweben,  wenn  er  die 
gotteafurcht  xur  bedingung  des  wirkens  des  fpujc  macht,  aber  auch 
damit  hat  er  es  nur  als  mittel  vor  die  liebe  statt  als  ihren  zweck  und 
inhalt  in  sie  selbst  hineingelegt,  fehlt  aber  das  gute  als  ziel,  so  kann 
es  auch  nicht  das  ferment  der  entwicklung  sein,  das  leidenschaft- 
liche verlangen  der  hälften  nach  einander ,  das  Aristophanes  in  der 
Umarmung  und  umschlingung  symbolisiert,  ist  nicht  eine  in  thätig- 
keit  sich  vollziehende  Vervollkommnung,  sondern  energielose  ruhe, 
und  das  schlieszlicbe  ziel  dieses  strebens,  das  völlige  verwachsen  zu 
der  ursprünglichen  einbeit,  das  wir  als  Vollkommenheit  ansprechen 
sollen,  in  Wahrheit  ein  zustand,  der  sich  durch  seine  eigne  unvoll- 
kommenheit  selbst  gerichtet  hat.  ist  aber  die  Vollkommenheit  in  der 
rede  des  Aristophanes  zum  blosi^^en  postulate  herabgesunken,  so 
haben  wir  damit  denjenigen  punkt  erkannt,  an  dem  die  weitere 
Untersuchung  einsetzen  musz.  denn  gewis  dürfen  wir  erwarten,  daAz 
die  Vollkommenheit  eine  andere  und  zwar  eine  solche  fassung  er- 
bält,  durch  die  sieb  zugleich  das  erotische  streben  in  den  procesa 
der  Vervollkommnung  verwandelt,  den  wir  hier  vermissen,  endlich 
aber  weist  die  rede  des  Aristophanes  noch  einen  andern  mangel  auf, 
der  in  der  weitern  erdrterung  seine  erledigung  finden  musz,  ist 
nemlich  die  Vollkommenheit  als  das  ziel  des  Ipuic  bezeichnet,  so 
sollten  wir  glauben,  dasz  dies  einheitliche  ziel  auch  auf  einheitlichem 
wege  erreichbar  sei.  nun  bat  aber  Aristophanes  zwei  arten  der  be- 
thätigung des  erotischen  strebens,  die  zeugung  und  die  Vereinigung, 
als  gleichberechtigt  neben  einander  gestellt,  allerdings  war  die  be- 
deatung  der  zeugung  auf  dem  Standpunkte  des  redners  nur  ein 
schein ,  da  er  ihr  nicht  die  absieht  des  zeugenden ,  ein  neues  zu  bil- 
den, sondern  die  absiebt  des  gottes  untergelegt  bat,  der  den  unter- 
gang  des  menscbengescblechtes  aus  eignem  interesse  verbinden! 
wollte,  gleichwohl  werden  wir  annehmen  können,  Platon  hnh9 
auch  bei  der  erwHhnung  der  zeugung  eine  bestimmte  absieht  wr* 
folgt  und  werde  im  weitern  verlaufe  der  Untersuchung  die  beziebung 
aufdecken,  die  zwischen  den  beiden  von  Aristophanes  unvermittelt 
gelassenen   bethätigungs weisen  des  l0wc  besteht,    eine  i^olcho  ist 


KFrey :  zu  HerodotoB  [V  67].  665 

aber  nur  dann  möglich,  wenn  sich  fpiüC  gerade  dadurch,  dasz  er  zum 
zeugungstriebe  gemacht  wird,  als  das  streben  nach  wahrer  voll* 
kommenheit  erweist,  dasz  freilich  alle  diet>e  erwartungen,  die  sich 
uns  bei  der  prüfung  des  mythos  des  Aristophanes  aufgedrängt  haben» 
durch  die  rede  des  Agathon  auf  directem  wege  befriedigt  werden» 
ist  hiermit  nicht  gesagt.  Piaton  hatte  dazu  um  so  weniger  veran- 
lassung, als  er  in  allen  rednern,  wie  bereits  oben  bemerkt  wurde» 
historische  personen  und  zwar  Vertreter  bestimmter  bildungskreise 
auftreten  läszt,  die  bei  der  behandlung  ihres  themas  einen  ihrer 
individualität  entsprechenden  ton  anschlagen  müssen,  aber  so  ge- 
wis  sich  der  Schriftsteller  zugleich  von  mimischen  motiven  leiten 
läszt y  so  deutlich  wird  sich  aus  dem,  was  Agathon  sagt,  die  not- 
wendigkeit  der  stelle  ergeben,  an  der  wir  seine  rede  lesen. 
(der  schlasz  folgt  im  nächsten  hefte.) 
Neustbttin.  Carl  Schi  blitz. 


71. 

ZU  HERODOTOS. 


In  mehreren  arbeiten  über  die  entstehung  der  attischen  tragödie 
scheint  uns  die  stelle  des  Herodotos  V  67  nicht  genug  gewürdigt  zu 
werden,  die  iräOea  *Abpr|CTOU  weisen  doch  auf  eipen  ernsthaften 
Inhalt  dieser  ^tragischen  chöre'  hin ,  die  um  etwa  50  jähre  der  tra- 
gödie des  Tbespis  vorausgehen;  schon  hier  ist  also  der  'bockschor*, 
wenn  von  einem  solchen  überhaupt  zu  reden  ist,  feierlich  geworden 
(d7T€C€)Livüv6Ti  Aristoteles  poetik  4) ,  und  die  *scheidung  von  satyr- 
drama  und  tragödie'  (Sittl  gescb.  d.  gr.  litt.  III 141)  hat  sich  schon 
hier  vollzogen;  das  ästhetische  bedürfnis  des  volkes  konnte  aber 
schon  jetzt  nach  dem  trauerspiel,  das  wir  uns  wohl  nicht  urwüchsig- 
grauenhaft und  laut  genug  vorstellen  können,  ein  erheiterndes  nach- 
spiel  verlangen ,  besonders  da  man  das  heitere  wesen  als  ursprüng- 
liche tonart  dieser  chöre  kannte;  allerdings  setzt  diese  annähme 
voraus,  dasz  WDindorf  recht  hatte,  wenn  er  an  der  richtigkeit  des 
Satzes  TTpaTivac  TrpoiTOC  ftpciipc  CaxtJpouc  zweifelte. 

Ferner  ist  der  Inhalt  dieser  ^passion  des  Adrastos'  deutlich  die 
heldensage,  eben  die  ganze  Thebais  bis  zum  tode  des  Adrastos;  wenn 
nun  die  sikyonische  tragödie  die  vorläuferin  der  attischen  ist,  wie 
kann  Wilamowitz  annehmen,  erst  Aischylos  habe  dem  'bocksgesang 
die  heldensage  zum  inhalt'  gegeben,  ^damit  war  das  tragische  ge- 
funden', diesen  Sätzen  der  bewundernswürdig  gelehrten  abhand- 
lung  'was  ist  eine  attische  tragödie?'  können  wir  unserseits  nicht 
beistimmen ;  das  'tragische'  lag  naturgemäsz  schon  in  der  passion, 
und  die  'heldensage'  erst  recht  —  wenn  es  überhaupt  eine  grie- 
chische poesie  ohne  'heldensage'  gegeben  hat. 


666 


KFrey:  zu  flerodotoa  [V  67]. 


Aber  man  kann  noch  weiter  geben  und  sagen :  schon  diejenigen 
chÖre  zu  ehren  des  DionygoSj  an  deren  stelle  die  rrdOca  'AÖpfiCTOU 
traten,  müssen  era^lbaft  gewesen  sein,  Tov  M^v  Atövucov  ou 
Ti^eoviec,  TÖv  be  *'Abpr|CTOV:  Dionysos  war  die  regel,  Adrastos  die 
ausnähme,  wie  ßollte  die  ausnähme  eine  ganz  neue  Stimmung  ein- 
führen dürfen?  ja  jedem  guten  willen  wird  ea  klar  sein,  dasz  Hero* 
dotos  nicht  nur  Dionjäos  und  Adrastos  einander  gegenüberstellt, 
sondern  die  TTCtSEa  des  gottes  den  irdGea  des  beiden.  ÖTrebuJKe  über- 
setzt Sittl  wohl  richtig  'zurückgab*;  es  gab  also  in  Sikyon  ein© 
paasion  des  Dionysos,  dargestellt  oder  nur  gesungen  von  einem 
^bockHchor^  oder  von  einem  tragischen  eher,  in  der  ihat:  eine 
passion  des  Dionysos,  TTCcBea.  Wilamowitz  erkllirt  allerdings  dieU^ 
toriscb:  beiden  zunächst  gibt  es  nicht%  erst  die  Orpbiker  hätten 
dergleichen  erfunden,  aber  wenn  sich  die  kritik  zu  einer  solchen 
behauptung  genötigt  glaubt,  so  sagt  ihr  diese  Herodotätelle,  dasi 
sie  falsch  behauptet;  für  unser  grammatisches  äuge  schwarz  auf 
weisz  —  die  vollständige  gleichstellung  ou  ,  ,  TÖv  bi  will  es  — 
stehen  die  leiden  da,  für  eine  zeit  vor  580  sieber  bezeugt.,  als  glaube 
und  als  gegenständ  einer  dichtung* 

Also  liegt  der  tragödie  wahrhaftig  ein  passionsspiel  zu  gründe. 
Wilamowitz  sagt:  ^was  die  modernen  unbewust  oder  bewust  be- 
herscht,  ist  schlieszlich  doch  nichts  als  eine  analogie  der  christlichen 
weibnachts-  und  passionsspiele,  sie  können  sich  nicht  daran  ge- 
wöhnen, dasz  e^  eine  religion  ohne  heilige  gescbicbte  und  ein  heiliges 
buch  geben  kann,  die  eonsequenz,  da^z  Dionysos  dann  wirklich  aaf 
erden  gewandelt  sein  müste,  sehen  sie  nicht  ein'  —  wenigstens  das 
sehen  wir  allerdings  nicht  ein,  dasz  nur  eine  geschichtliche  erscheinuiig 
gegenständ  der  kunst,  zb.  eines  passionäspiels  sein  könne,  und  wir 
sind  in  Versuchung  ihm  die  worte  einfach  zurückzugeben:  er  sieht 
die  möglichkeit  einer  passion  des  Dionysos  nicht  ein,  weil  er  sich 
keine  religion  obne  gescbicbte  denken  kann. 

Dann  ist  natürlich  auch  ganz  unhaltbar,  was  Sittl  etwas  deut- 
licher als  Wilamowitz  sagt:  'die  edle  Schwermut  der  tragödie  ist 
nicht  der  Volksseele  nachgefühlt,  sondern  das  eigne  empünden  weihe- 
voller dichter'  oder  eine  eründung  des  Aischylog,  nach  Wilamowiti, 
vielmehr  in  jenen  passionschÖren  zu  Sikyon,  also  in  etwas  urvolka- 
tümlichem,  Hegt  das  fundament  der  ganzen  tragödie  bis  auf  den 
heutigen  tag,  und  die  tragödie  stammt,  wie  alles  künstlerische  grosse, 
nicht  von  der  noch  so  weihevollen  entdeckung  eines  einzelnen,  sau* 
dern  vom  volke  selbst  und  von  seinem  glanben. 

Bern*  Kabl  Fret. 


HStadtmüUer:  zur  griechischen  anthologie.  667 

72. 

ZUR  GRIECHISCHEN  ANTHOLOGIE. 


I. 

Die  Atjs- legende  behandelt  eine  reihe  von  weihepigrammen 
des  sechsten  buches,  auch  VI  218,  dessen  tezt  noch  nicht  in  Ordnung 
ist.    die  ersten  distichen  lauten: 

K€ipd)Li€voc  Tovi)Linv  TIC  fiiTo  q)X^ßa  MriTpöc  dTupiric 

"Ibvic  evbivbpov  Trpuüvac  ^ßouvoßdTei. ' 
TU)  bk  Xeujv  f^vTHce  TieXiipioc,  ibc  ^m  Goivnv 

Xdc)ia  9^pu)v  xaXeTTÖv  TreivaXeou  (pdpuTOC. 
6  beicac  b*  ui)Lir|CT€Uü  Gripöc  )Li6pov  ibc  aubdEai 

TUjLiTravov  iE  lepdc  ^irXaTdTnce  vdriric. 
Der  Pal.  hat  v.  5  ibc  aubd£ai  (der  accent  steht  doppelt,  der 
corrector,  dem  der  acut  des  ersten  Schreibers  nicht  deutlich  genug 
schien,  hat  einen  zweiten  hinzugefügt);  das  autographon  des  Planudes 
hat  gleich  den  Planudes -ausgaben  (bc  aübaEe  (die  Variante  in  der 
epidiorthosis  der  erbten  Aldina  dvbaEe  stammt,  wie  es  scheint,  nicht 
aus  hsl.  quelle);  die  hss.  des  Suidas  schwanken  zwischen  (bc  &V 
böEa  (A),  (bc  dv  böEac  (B),  ibc  dv  böEai  (E);  in  dem  Leidensis,  den 
ich  dank  der  groszen  gute  des  hrn.  du  Rieu  in  Heidelberg  benutzen 
durfte,  fehlt,  wie  man  weisz,  die  betreffende  partie.  die  conjecturen 
ibc  aÖTaEe,  eicauTdEai,  i5k*  aördEai  (Hecker),  ibc  ifibaEe  (Emperius), 
oiib'  aubdEac  (Geel)  sind  metrisch  zulässig  (denn  bei  dem  dichter 
des  epigramms  ist  der  spondeus  an  fänfter  stelle  nicht  bedenklich), 
im  übrigen  verkehrt  der  jüngste  Vorschlag  OT)pöc  CTÖpa  pif]  cq>€ 
baiEai  ist  nicht  besser  und  nicht  schlechter  als  flöpov  ibc  dtb'  öid 
(Jacobs)  und  ähnliche  herstelluugsversucho,  der  sinn  ist;  ""wie  er  in 
seiner  todesangit  auffuhr»  zuckte'  —  oder  -infolge  dieser  bewegung 
an  dm  tympanoo  stieaz,  es  schwang,  ertönte  dieseB^,  ako : 
beicac  b'  uu^nereuj  Onpöc  ^öpov  ibc  ai9u£ej 

TU|iTTavov  d£  iepdc  ^TiXaidtrice  vottic. 
in  diesem  fall  ist  aiöuccev  inlrauaitiv  g^ebraucbt,  wie  th. 
progn*  302  xm  cpXöxec  alöijccaici  ^apaivop^vou  Xüxv«^^' 
jemand  ibc  öiöuEe  TUpiravov  verbinden,  hO  wikdw  n. 
zweiter  stelle  genannte   gedaoke  ergaben  (^p) 
qjüXXuuv  Sappbo  4,  2\  f\i€v  '€p|ific  aiöikcuv  n: 
Dion.  IV  2),  und  es  lie^xe  sich  gegei]    '^ 

*  die  zweite  AMiD&  (1&31)  l 
IßouvOTTÄTei   aufgenommen  und 
sich  ftbf^r  iiD  aiiio^raphon  dtiA   i 
welche  die  Aid.  II  hat,  ist,  ikr/ 
bietDl,   welche  die  er«t«  Äl<L  n 
ioeofern   stimmt   also   der  U%i 
ay&gaben   &m   meinten  mit  di n 
geitamit€ti  epidiorthoBin  Uauvt  winti 
des  Lmk^rla, 


668  H Stadtmüller:  zur  griechischen  antbologie. 

wenden,  dasz  das  object  zum  verbam  im  hexameter  erst  im  penta< 
meter  folgt,  um  so  weniger,  da  TÜ^Travov  dann  beiden  setzen 
ungehören  würde.  —  Am  schlusz  des  pentaraeters  stand  im  PaL 
nröprUnglich  €TTXaTtitrjc€V  dirric»  dies  verwandelte  erst  der  corrector 
in  iTrXaTCtfnc^c,  vdTTT]C;  das  komma  setzt  der  corrector,  um  die  nach 
seiner  meinung  richtige  worttrennung  zu  bezeichnen,  man  bat  an 
väTTT^c  gezweifelt,  auch  ohne  dasz  man  das  nähere  der  palat.  Über- 
lieferung kannte,  ein  wort  in  dem  sinne  von  ävTpov  möchte  wün- 
schenswert scheinen,  so  heis?.t  es  VI  217,  5  aüiap  ö  iTETrra^^vrj 
^i^a  TÜpnavov  ÖcxeBe  x^ipi  fjpaEev,  Kavaxti  l^'iaxev  fivipov 
äitav.  sollte  danach  etwa  TUfinavov  t£  kpäc  (oder  iK  CKupoc) 
^TtXatäTCi  CTtiXöboc  zu  schreiben  sein?  wenigstens  liest  man 
zn  anfang  des  genannten  epigramms  t  fciXXoc  cpi^MCtiilv  fjXü6*  UTtÖ 
CTtiXtiba,  alüo  CTiiXdc  mit  övrpov  abwechselnd,  aber  vielleicht 
triflft  folgende  Vermutung  das  richtige,  dasz  der  vor  angst  bebende 
Ätys  das  tympanon  anfaszt»  dasz  daa  anfassen  jene  Wirkung  hat, 
iüt  das  werk  der  ihn  heschützenden  göttin: 

TtijuTTavov  ^t  iepäc  ETiXaTÄfTicev  dqpnc 
ich  erinnere  an  Stobaioa  anthoL  103,  27  ^Tracpd  hl  muciKd,  an  Plot. 
Per.  15  cp6ÖTT0uc .  >  dM^eXouc  d(j>f|c  Kai  Kpouceujc  beoM^vouc  und  an 
Aisch.  Hik.  18.  auch  mag  man  Kai  Tivoc  aupr|  baijiOVOC  ic  CT0VÖ6V 
TÜ^Travov  f|Ke  X^P^  in  dem  epigramm  des  Dioskorides  (VI  220,  9) 
vergleichen,  —  Im  vorhergehenden  schreibt  FWSchmidt  X^^MCK 
Xavüüv  (poßcpöv  für  x-  (p^pujv  xcnXeiTÖv*  an  <p^pu;v  ist  beBonnener 
weise  nichts  zu  Kndern;  dagegen  scheint  grund  zur  Änderung  des 
hier  seltsamen  xöXetiov.  in  der  bs.  i«t  vor  X  «io  c  radiert,  es  ist 
meines  erachten.s  c(pebavöv  für  xciXeTTOv  zu  lesen,  für  xdc^a  setzt 
der  dichter  unseres  epigramms  nachher  T€VUC,v.  7  x^  M^V  ^V€icX€iC€V 
(povlav  Y^vuv,  und  in  dem  Antipatros-epigi-amm  ( V I  2 1 9 )  gleichem 
inbaltt^,  das  sich  an  das  des  Alkaios*  anlehnt,  liest  man  v.  11:  ßpu- 


*  zn  dem  aiitorlemma  'AvTiirdtpou  (VI  219  =  PL  VI  76  c.  11,  I) 
findet  sich  in  der  Wechelinuii  dti*  sdiolion?  öc  ^v  itpiiiT^'  tfir^^aTi 
cIttcv  KeipdMCvoc  TovfMnv  äitö  «pX^IJa  (AP,  VI  «18  —  PI.  P  c,  8»,  6), 
niemand  wird  aich  duTL^h  das  seagiii«  dieses  scboliasten  ('AvTindTpOU 
öc  clfTCv*  Keipd^evoc)  HUch  nur  eine  sccnnde  verleiten  Iftsien  .  .  daa 
epigramm  cU*b  AlkaioB  (VI  2IB  K€lpdM€VOC  ^Oyi^r^y  üsw.)  dem  Antiputro« 
suzasclireibon;  aber  mancher  wird  iich  tfA^t^n:  woher  diete  acholiftsten- 
weiflheit  in  dtr  Wechcliana?  die  stüdibitiUothck  in  B«ru  besiUt  eioe 
Floreutina  (1494)  des  Planude*^  mit  hah  nindbemerkungeu  (aus  dem 
aofuni;  des  sechzehnten  jh.}.  die  |;'tite  des  hm«  bibliothecars  hat  mir  die 
bemit^nng  der  aua^abe  gestaltet,  einem  khuliofaen  exemplar  der  Flor* 
sind  ilie  SL'holieu  der  Wecbeliana  ihnt  wortlieh  entnommen;  dabvt  Ut  ao 
l^edatiketiloH  verfnhren,  dasz  Hnderung^en  oder  tilgungen,  wie  «ie  bei 
der  bejibsicbtiirteii  anpatsußg^  der  scbolien  stir  Flor,  an  die  textgestal' 
tung  der  Wecbelinna  erTorderlich  waren,  in  geradf^u  komischer  wet«e 
an  vielen  stellen  unterblieben,  ea  Ut  zwetkloj«  hier  belege  dafür  mu 
bringen,  man  nuiüz  Bich  nur  wundern,  dH^z  noch  jemftnd  den  acbolien 
der  Werbeliana  irgend  welche  bedeutting  beimesaen  kunn.  Ah*  oben 
erwftbnte  merkwürdige  anlorUberlieferong  dieser  seholien  beruht  auf 
einem    elut'acbeu    verseben«     in  der  Pemer  Flor,   tindet  sich  dasselb« 


HStadtmüller:  zur  griechischen  anthologie.  669 

XäTO  ccpe^avoiv  ößpijiiov  ^kt^vOiüv.  so  möchte  ich  die  zwei 
distichen  folgendermaszen  schreiben: 

Ttu  bk  Xiijjy  f^vTr|C€  TieXiupioc ,  ibc  ^m  Goivriv 

XacjLia  9^puüv  ccpebavöv  ireivaX^ou  9äpiiT0C. 
beicac  b*  ujjir|CT^u)  6r|pöc  jiöpov  übe  a!6u5€, 
TÜjiiTavov  Ü  Upäc  ^TiXaidTticev  dcpflc. 

Noch  eine  kurze  bemerkuDg  zu  zwei  stellen,  die  dieser  epi- 
grammengruppe  angehören,  das  Antipatros- epigram m  beginnt  so 
(VI  219,  1):  *'€k  itot^  TIC  (ppiKToTo  Geäc  cecüßim^voc  oicTpifi 
^Ojißr|TOiic  bov^ujv  Xucco)iaveic  7rXoKd)iOiic.  man  hat  seltsamer 
weise  dieses  Tic  bis  jetzt  unbedenklich  hingenommen.  Dioskorides 
(VI  220)  beginnt  die  erzählung  ähnlich :  f KcppuüV  )iaiV0)Li^vilv  öouc 
dvejioici  Tpixa.  jedermann  sieht,  dasz  sich  Xiicco)iaveTc  uXcKd- 
jiouc  und  jLiaivojLieviiv  Tpixa  entsprechen;  nun  folgt  aber  bei  Dios- 
korides d^vöc  "Atuc  (der  erste  Schreiber  des  Pal.  gab  ÄTeic ,  durch 
rasur  verwandelt  dies  der  corrector  im  text  zu  dTic,  notiert  aber  am 
rand  TP  dTUc).  bei  der  Verwandtschaft  zwischen  VI  219  und  VI  220 
musz  man  m.  e.  VI  219, 1  schreiben :  "€  K  IT  0  T  *  "A  T  u  C  (ppiKTOiO  usw. 

Bei  Dioskorides  heiszt  es  von  dem  löwen  (VI  220,  7):  ToO  bk 
\iwv  löpouce  KttTd  CTißov,  dvbpdci  beijua  GapcaX^oic,  fdXXip  b* 
oub'  6vo)LiacTÖv  öxoc.  schwerlich  wird  einer  geneigt  sein  das  über- 
lieferte fixoc  mitDiltheys  fiTOC  zu  vertauschen;  aber  an  der  richtig- 
keit  von  dxoc  mag  man  zweifeln ;  ein  stärkerer  ausdruck  ist  erforder- 
lich: 'der  löwe,  ein  schrecken  auch  für  den  beherzten  mann,  wird 
für  den  Kjbelepriester  zu  etwas  ungeheurem,  das  anzuschauen, 
nur  zu  hören  grauen  und  entsetzen  bewirkt.'  der  geblendete  Oidipus 
bietet  einen  anblick,  vor  dem  man  schaudernd  zurückweicht,  Soph. 
OT.  1426  (9X6Ta)  aibeicG'  dvaKTOc  *HXiou,  TOiövb*  droc  dKd- 
XuTTTOV  u)be  beiKvOvai.  im  Pal.  ist  wie  in  sonstigen  hss.  T  mit  x  un- 
zählige male  verwechselt.  Dioskorides  schrieb: 
dvbpdci  beijLia 
GapcaX^oic,  ^ak\^>  b*  oub'  övojLiacTÖv  firoc. 

Ein  epigramm  verwandten  inhalts  ist  das  des  Leonidas  aus 
Tarent  VI  221.  die  vom  löwen  verschont  gebliebenen  hirten  stiften 
zum  gedächtnis  an  ihre  rettung  ein  den  Vorgang  darstellendes  ge- 
mälde  (v.  9  f.): 

o\  bk  7rd6r|C  fpTOv  TÖb'  ^uTpciq>fcc  dKpoXo9iTa 
TTavi  Tiap*  eÜTrp^iivuj  Tqib*  dv^0evTO  bpui. 
man  hat  7rd6T]C  fpyov  zu  erklären  versucht,  und  was  merkwürdiger 
ist,  die  erklärung  acceptiert.    im  Pal.  stammt  bk  irdBnc  von  dem 
corrector,   A  schrieb  be  Tra0f]c.    Leonidas  gab  in  den  corrupten. 

scholion,  nur  nicht  zu  dem  autorlemma,  sondern  zu  den  ersten  versen 
des  gedichtes,  und  es  heiszt  nicht  6c  ctiTCV,  sondern  il)c  ctircv:  dh.  das 
scbolion,  welches  in  der  Wecheliana  die  autortiberlieferang  des  Pala- 
tinus  und  des  Marcianus  bestreitet,  ist  ursprünglich  nichts  als  eine 
harmlose  vergleichung  der  worte  des  Alkaios  KCipdfxcvoc  TOv(|Lii}V  diTO 
q)X^ßa  mit  der  beschreibung  des  tOpic  dvr|p  im  Antipatros-epigramm. 


670  HStadtmüUer:  zur  griechiBcHen  aatbologie. 

Worten  den  grund  der  Stiftung  an;  es  ist  zu  schreiben:  oi  b'  dna- 
06 IC  ^pfov  TÖb'  duTpotq[>€C  ,  .  dveGevTO.  das  weihgescheak  Ut  der 
dank  der  unversehrten  birten,  vgl,  zb.  Aiach.  Perser  8G1  VÖCTOI 
b'  Ik  TToX^juiüV  dirdvouc  diraöeic  dv^pac  €u  irpäccovTac  &fov 
OIKOUO  —  Das  vorletzte  distichon  des  epigrarams  lautet: 
Xeifia  hi  Ofip  luteivac »  Öqp  vuktioc,  oöt€  tiv*  (SvbpCuv 
ouie  ßoTuuv  ßXdij^ac  üji^t^'  dTTauXöcuvoc.  ' 
an  die  richtigkeit  des  öberlieferlen  örip  fAcivac,  önp  glaubt  kaum 
jemand,  noch  weniger  glaube  ich  an  einen  derverbessernngsversuche, 
von  denen  0€p|af|vac  noch  nicht  der  verkehrteste  ist.  der  gedanke 
kann  nur  der  sein :  'er  hielt  den  stürm  aus,  wartete  das  unwetter  abj 
ohne  schaden  anzurichten.'  sachlich  ist  also  pc^vac  durchaus  ent^ 
sprechend ,  eä  musz  aber  dafür  ein  gleichbedeutender  ausdruck  ge- 
setzt werden ,  mit  dem  das  vor  OriP  VUKTloc  verkehrte  6fip  beseitigt 
wird;  im  sinne  von  UTtOfitveiv  wird  von  Homer  an  bexecÖai  ge- 
braucht» und  m  l^sÄt  gich  Kovvobl  das  praesens  bexvu/ievoc  als  auch 
der  aor*  6eEd^€V0C  rechtft^rtigen ,  doch  gebe  ich  dem  letztern  den 
Vorzug,  also:  X^^M^  ^^  bcEd^evoc  6f|p  vuktioc. 


IL 

Die  vier  Meleagros-epigramme  V  175.  182.  164.  187  ge- 
hören inhaltlieh  zusammen,  dasz  187  die  einleitung  2U  182  bildet, 
hat  schon  Wyttenbach  gesehen,  aber  auch  die  beiden  andern  175 
und  184  gelten  derselben  Lykainis.  das  lemma  von  175  eic  ii\V 
auTTiv  ZrivocpiXav  ist  sinnlos,  und  184  konnte  es  genauer  tic  Tf|V 
dTTiüpKOV  AuKaiviba  anstatt  des  aHgemeinen  elc  diriopKOV  dxaipocv 
heiszen.  ein  kleines  liebesdrama  ist  der  inhalt  der  vier  epigramme: 
der  dichter  wird  geteuächt,  wiederholt  geteuscht  von  Lykiunia,  sie 
bevorzugt  den  schönen  Kleon;  zwar  beteuert  sie  ihre  Unschuld  und 
will  bei  allen  göttern  schwören,  aber  der  dichter  glaubt  mehr  dem 
was  er  gesehen  als  ihrem  schwur.  V  184  beginnt:  fyvuiV,  oö  ^* 
^XaOec*  Ti  OeoYJC;  nun  vergleiche  man  den  anfang  von  176  oib*  Sn 
^01  K€v6c  6pK0C.  offenbar  war  die  Übereinstimmung  der  beiden 
stellen  ursprünglich  eine  genauere,  das  wirkungsvolle  der  ersten 
stelle  liegt  in  dem  absolut  gebrauchten  IfVUJv  und  in  der  ellip ti- 
schen frage  ti  8eoüc  (sc.  ö|iVuc).  diesem  (jvüjv  entspricht  ofta, 
und  es  musz  bei&zen:  olba*  ti  poi  Kevöc  dpKOc;  also  xi  ^ot  Kevöc 
SpKOC  nach  sinn  und  form  übereinstimmend  mit  it  Beouc*  man  vor- 
gleiche noch  V  176,  1  beivdc  ^'Gpuic,  bcivöc.  li  bk  t6  ttX^ov  und 
den  anfang  von  180  ti  E^vov.  aus  diesen  und  andern  stellen  ersieht 
man  Meleagros  verliebe  für  die  von  mir  hergestellte  satzform,  auch 
die  Überlieferung  führt  auf  diese  correctur:  175,  1  steht  im  Pala« 
tinus  nicht  olÖ'  öxi,  sondern  olba  ÖTi;  so  schrieb  A,  er«t 
jüngere  band  (nicht  der  corrector)  setzte  zwei  punkte  unter  das  i 
um  den  buchst^ben  zu  tilgen ;  die  punkte  gerieten  an  falsche  stell«^ 
sie  gehören  unter  5.  —  In  175  sagt  der  erzürnte  dichter  (9):  fppc, 


HStadtmfiller:  zar  griechischen  anthologie.  671 

fuvai  irdTKOivc',  dem  entspricht  184,6  ?pp€,  KaKÖv  Koitnc  Otipfov, 
Ippe  Tdxoc.  hier  ist  diipiov  höchst  auffallend :  KaKÖv  Koirric  ist  za 
verbinden  im  sinne  von  pestis  concubitas;  sie  geht  heimliche,  ver- 
stohlene wege^  daher  kam  ich  auf  koköv  KoiTTjC  qxibptov  oder 
XäOpiov:  aber  das  einfachste  ist  wohl:  ^pp€,  kqköv  KoiTiic,  ic 
966pov,  ?pp€  tdxoc. 

Dafi  distichon  (V  187),  das  mit  182  zu  verbinden  ist,  beginnt: 
eiirfe  AuKttivibi,  AopKdc*  Tb'  übe  dirliiiKTa  9iXoOca  |  f[\\DC.  der 
erste  Schreiber  gab  CTniKTd  (so),  der  corrector  verwandelte  dies  in 
^TTiKTiiTa,  Brunck  schrieb  ^TTiTiiKTa.  Stembach  weisz  hier  mitzuteilen, 
dasz  der  Vatic.  1416  die  lesart  diriKXeirra  bietet  'e  Musuri  libro'. 
dieser  mitteilung  habe  ich  folgendes,  das  nicht  unwichtig  ist,  bei- 
zufügen, jenes  diriKXeiTTa  ist  nicht  blosz  in  dem  genannten  Vaticanus 
zu  finden,  es  steht  auch  unter  den  randbemerkungen  der  Berner 
Florentina,  von  der  ich  schon  oben  gesprochen,  was  folgt  nun 
daraus?  was  man  bisher  nur  etwa  vermuten  konnte,  dasz  die  scho- 
lien  der  Florentina,  also  auch  ihre  flüchtige  und  verständnislose 
redaction  in  der  Wecheliana  auf  MMusurus  zurückgehen,  ist  jetzt, 
meine  ich ,  mit  der  Sicherheit  erwiesen ,  die  sich  in  solchen  fragen 
erreichen  läszt.  übrigens  musz  nach  meiner  meinung  obige  stelle 
lauten:  Ib'  übe  KißbriXa  q>iXoOca  |  f^XuJC.  der  dichter  vergleicht 
die  falsche  Ljkainis  mit  unechter  münze,  vgl.  zb.  Eur.  Hippel.  616  t{ 
bf)  KißbiiXov  dv6pu)TT0ic  KQKÖv  T^vaiKac  eic  9a»c  f|Xiou  KaTijiKtcac; 
—  Hinsichtlich  des  textes  sei  hier  nur  noch  bemerkt ,  dasz  mir  die 
herstellung  von  175,  3  jurivuei  iravdtpDiTVOV ,  iboO,  ßeßapiiM^vov 
ö)i)ia  aus  der  vergleichung  mit  VII  195,  5  sich  ergeben  hat.  die 
zeitliche  reihenfolge  der  vier  epigramme  aber  wird  diese  sein,  zu- 
erst kommt  V  175:  die  schuld  der  Lykainis  ist  dem  dichter  bekannt, 
noch  nicht  der  nebenbuhler;  er  verstöszt  sie;  da  er  dies  bereut,  will 
er  die  Dorkas  schicken  (187  und  182);  der  auftrag,  den  Dorkas  er- 
hält, der  treulosen  ihre  schuld  zu  vergegenwärtigen,  entspringt  dem 


'  die  folgenden  worte  des  Meleagros  KoX^  C€  fäp  i\  qpiXÖKUi^oc 
miKTlc  Kai  KpordXujv  x€ipOTUirf|C  irdTOTOC  erhalten  eine  treffliche  er- 
läuteruDg  durch  Nikarchos  (?)  VI  285.  Nikarete  entsagt  der  Athene, 
deren  dienst  so  rechtschaffen  ist,  dasz  jagend  und  Schönheit  verk&m- 
mern,  nnd  begibt  sich  in  das  lager  der  Kypris:  etXcTO  bi  CTcqxIvouc 
Kai  iriiKTCöa  Kai  |li€T&  kuüjliuiv  i\  iralc  T€pirvöv  (Lx^iv  iv  OaXiaic 
ßioTov.  Spindel  und  Webstuhl  überläset  sie  andern:  £pp€T€,  q>U)vficaca, 
KttKUiv  XijLiripd  TuvaiKUiv  |  £pTCt.  ^schlecht'  kann  Nik.  solche  franen  nicht 
nennen,  und  miserae  beiszt  KaKa(  nicht;  also  ist  xaKdiv  fehlerhaft. 
Nikarete  ist  nicht  so  thöricht  wie  jene  tugendhaften  frauen,  die  in 
ihrer  herzenseinfalt  sich  abmühen  und  dafür  gelegentlich  hongem. 
nach  ihrer  anffassung  grenzt  derartige  tugendhaftigkeit  an  €Ciif)6€ta; 
nicht  sehr  verschieden  von  eöfiBric  aber  ist  dKaKOC  ■■  &irXoOc.  es  ist 
zu  verwundern,  dasz  noch  niemand  daran  dachte  mit  einem  apostroph 
den  fehler  zu  beseitigen,  denn  das  lob  tugendhafter  ehrlichkeit,  der 
lohn  des  freudlosen,  kümmerlichen  daseins  wird  von  Nikarete  den  sitt- 
samen bereitwillig  zugestanden,  es  musz  also  heiszen :  £pp€T€,  q>uivr|Cac\ 
ÖKdKwv  Xi|LiTipÄ  TvvaiKÜLiv  I  ^pta. 


672 


HStadtmöller;  zur  griechischcD  anthologie. 


wünsche  nacb  wieder  Versöhnung,  die  Sendung  der  Dorkaa  genügt 
dem  dichter  nicht,  er  macht  sich  selbst  auf  (köitoi  ti  C€»  AopKdc, 
^KTT€^nu>;  c  Treue  tu  Kauiöc,  iboü,  irpoä^iüv  182,  10;  cTreucm  lese 
ich  hier  für  cuv  coi).  das  resultat  der  Unterredung  ist  das  zu  er- 
wartende, stolz  und  zorn  beugen  sich  vor  den  reizen  der  Lykainis, 
über  zum  zweiten  male  wird  er  geteuscht,  diesmal  lernt  er  meinen 
rivalen  kennen  (KX^UJV,  184).  schon  ist  er  im  begriff  die  treulose 
zu  verabschieden^  aber  sie  soll  den  schönen  Kleon  nicht  sehen,  son- 
dern bei  dem  dichter  in  gewahrsara  bleiben,  die  empfindung,  dasi 
er  noch  nicht  von  der  sUndeiin  lassen  kann,  drängt  ihn  zur  klage 
über  die  macht  des  Eros:  tetvöc  *6pujc,  beivöc  (176). 

ra. 

Dem  Poseidippos   schreibt  der  Palatinua  folgendes  epigramm  ' 
au  (V  213): 

TTuÖidc,  €1  |u£v  ^x^'  Ttv'r  dncpxo^ar  €i  bfe  Kae€iJl>€i 
dibe  |iövr),  fiiKpov,  Hpöc  Aiöc  eicKdXecaL 

eiiT€  bi  crmeiov,  li^Ö^uJV  ort  Kai  bid  KXtuirujv 
fiXGev  "GpuiTi  epac€i  xP^M^voc  fite^ovi. 
man  acceptiert  (v.  l)  fx^i  und  KaSeübei  von  Jacobs  (für  l%eiQ  und 
KaSeiibeic)   mit  recht.    fluOidc  ist  nach  Jacobs  vocativ  und  name  _ 
der  angeredeten  dienerin;  man  nimt  also  an,  dasz  weder  der  lieb-  ■ 
haber  noch  die  geliebte  von  dem  dichter  genannt  werde;  nur  Stern- 
hach  möchte   den  namen   des  erslem  nicht  missen,   ändert  daher 
^iKpdv  in  MiKpov.    dasz  der  erste  schroiber  nicht  mKpöv  schriebi , 
ist  leicht  zu  sehen  und  hat  auch  Sternbach  mitgeteilt-,  aber  die  i 
bauptsache  hat  dieser  nicht  gesehen:  dasz  v  ursprünglich  an  stalle J 
des  li  stand,  dasz  A  nach  k  nicht  po,  sonder  uu  schrieb;  ob  nun  dtri 
letzte  buchstab  ein  V  oder  i  war,   läszt  sich  mit  voller  Sicherheit  f 
nicht  sagen ;  als  ursprüngliche  lesart  ist  also  viKuiv  oder  viKUfl  Sd  { 
betrachten«    das  erste  distichon  lautete  meines  erachtens; 

TTuBidc  el  ^ev  Ix^i  tiv',  dir^pxopar  €i  hk  icaBeubci 
üub€  jiovri,  NiKOi,  TTpöc  Aide  cIcKdXecau 
TTuOldc  ist  feubject  zu  l^^i  und  Ka0€ub€U  nicht  der  name  der  dienerin, 
sondern  der  geliebten  |  die  angeredete  ist  NiKti),  nicht  die  dienerin 
der  Pythias,   sondern  ihre  routter,  daher  cicKdXccai.    das  ist  un- 
schwer zu  beweisen*    die  epigramme  des  Asklepiades  verhalten  sich  ] 
zu  denen  des  Poseidippos  so ,  dasz  die  einen  die  andern  Tariieren« 
ergänzen^  fortsetzen,  auch  zum  teil  antithetisch  beantworten*  V  164  j 
trftgt  das  autorlemma  'AcKXn^tdbou  und  beginnt: 

Uüi,  ci  tdp,  ouK  dXXnv  papTupOMai,  cid  }x  iißpi^ei 
TTuöldc  i]  NiKOuc,  oüca  (piXtEoirdnc 

kXtiOcic  ,  OUK  dKXriTOc  ^XrjXuda. 
Pythias  ist  also  die  tochter  der  Kiko,  und  ohne  zweifel  sieht  hier! 
KXriBcic  mit  bezug  auf  das  von  Poseidippos  gebrauchte  cicKdXecau  — I 
Das  zweite  distichon  tinl  hi  crmctov  MeOuuiV  ÖTi  Kai  bid  icXujTTd»v  | 
fjXGev  enthält  das  erkennungszeicheDi  das  Pythias  über  den  zu  er- 


HStadtmüUer:  zar  griechischen  aatiiologie.  673 

wartenden  besuch  ohne  nennung  des  liebhabers  aufklttrt,  ja  die  an- 
gäbe des  namens  aosschlieszt.  man  schreibt  daher,  meine  ich,  mil 
unrecht  in  der  parallelstelle  des  Asklepiades  (V  181):  eink 
bk  omeTov  BdKXiuv  ötx  tt^vt'  ^(plXricev  |  äf)c;  auf  das  nahe- 
liegende ist  man  hier  merkwürdigerweise  nicht  gekommen,  nem- 
lich  fQr  Bqkxuiv  das  participium  fkiKXwy  Inu^ßhana  {ygl.  Msch. 
Sieben  498)  zu  schreiben:  ßaicxu^v  ÖTt  bei  Asklepiades  genau  ent- 
sprechend dem  ineOiJUJV  ön  bei  Poseidippos«  sollte  man  es  nun  für 
möglich  halten,  dasz  an  stelle  von  peOuuJV  änderungen  wie  füi^ccuiv, 
£iq>^ujv  (Herwerden)  vorgeschlagen  wurden?  —  Nike  die  mutter 
war  früher  gefeiert  wie  jetzt  die  tochter  Pythias ,  gleich  dieser  gab 
sie  ihren  liebhabem  grund  zur  klage,  eine  solche  enthält  V  150, 
ein  epigramm  des  Asklepiades: 

ib|uioX6imc*  f\ie\\  de  vÖKia  |yioi  f|  'iripöiiTOC 
NiKdj  Kai  c€|yivf|V  dijucce  6€C|yi09Öpov* 

KOUX  f^KCl, 

und  das  autorlemma  'AcKXr)Tndbou  trägt  auch  V  189: 

Ndg  füiaKpfi  Kai  xei\ia,  \xicr\v  b*  inX  TTXeiäöa  OtJCt, 

Kdtui  irdp  irpoOOpoic  viccofüiat  öömcvoc  , 
TpiDOelc  Tftc  boXiric  Kciviic  7r68i)i. 
man  hat  dies  Kcivric  in  '€X^vrtc  (Planudes,  dem  FWSchmidt  beizu- 
stimmen vermag),  in  KXeivoOc  (Meineke),  KXeiviic  Hecker,  KOwiic 
(Boissonade),  CkuXXiic  (Jacobs)  verwandelt,  soll  für  Kciviic  hier  ein 
name  gesetzt  werden,  so  kann  es  kaum  ein  anderer  sein  als  NlKoOc: 
man  hat  dann  die  corruptel  darauf  zurückzuführen,  dasz  K  und  V 
ihren  platz  vertauscht  haben,  aber  K€ivr)C  ist  durchaus  richtig; 
Poseidippos,  der  freundeskreis  für  den  das  epigramm  zunächst  be- 
stimmt war,  kennt  die  treulose  und  ihren  Charakter  zur  genüge,  sei 
es  auf  grund  eigner  erfahrung  oder  weil  ihnen  der  dichter  sein  leid 
geklagt  hat.  —  In  dem  oben  angeführten  verse  N0£,  ck  tdp,  OÖK 
dXXriv  jLiapTOpoMOtt  hat  man  dXXrfV  verschiedenartig  geändert,  an- 
sprechend ist  Ludwichs  OÖK  dbaf),  aber  schwerlich  das  richtige,  so 
wenig  als  oö  boXir)V,  woran  ich  früher  dachte,  vielmehr  ist  zur  cor- 
rectur  der  Überlieferung  auch  hier  eine  parallele  beizuziehen.  der 
verschmähte  liebhaber  musz  das  Zeugnis  der  nacht  anrufen,  er  ist 
leider  nicht  in  der  läge  gleich  dem  der  sich  seines  abenteuers  rüÜmt, 
einen  erwünschtem  zeugen  anzuführen,  der  schlusz  von  V 181  lautet 
(nach  tt^vt'  d9iXTiC€V  Öflc):  iBv  KXtvn  jüidpruc  inefp&fpeto.  also 
sagt  der  dichter,  nicht  ohne  ironie  auf  das  eigne  misgeechick:  fi&^ 
ck  Tdp,  ou  kXivtiv  |yiapT0pO|yiat. 

Noch  eins  sei  hier  bemerkt,  wollte  jemand  behaupten;  dasi 
das  einfache  autorlemma  'AocXiiTTidbou  sowie  TTocctbiimou  in  nnsem 
anthologien  nur  eine  willkürliche  Verkürzung  ist  für  'AcxXiiTndbou 
f\  TToceibiiTTroi),  dh.  dasz  eine  von  den  anthologien  indirect  benutzte 
samlung  der  Asklepiades-  und  Poseidippos-epigramme  ohne  autor- 
lemmata  zu  den  einzelnen  gedichten  nur  den  gesamttitel  'AckXt)- 
iTidbou  Kai  TToc.  trug,  so  ist  dies  nicht  beweisbar,  aber  eine  müg- 

Jahrbücher  f&r  eUst.  philol.  188S  hft.  10.  48 


672 


HStadtmüUen  lut  griechischen  antbologie* 


wünsche  nach  wiederversöbnung.  die  sendung  der  Dorkas  genQgtj 
dem  dichter  nicht,  er  macht  sich  selbst  auf  {KaiTOi  Tl  C^,  AopKGtC, 
^KKC^Tiui;  CTr€ucu>  KttUTÖCt  ibou,  TTpodTUJV  182,  10;  CTTeücuL»  lese 
ich  hier  für  cuv  coi).  das  resultat  der  Unterredung  ist  das  zu  er- 
wartende, stolz  und  zom  beugen  sich  vor  den  reizen  der  Ljkainis, 
aber  zum  zweiten  male  wird  er  geteuscht ,  diesmal  lernt  er  «seinen 
rivalen  kennen  (KX^uiv,  184).  schon  ist  er  im  begriff  die  treulose 
ZM  verabschiBden;  abr^r  sie  soll  den  schönen  Kleon  nicht  sehen,  son* 
dern  bei  dem  dichter  in  gewahrsam  bleiben,  die  empfindung,  daji£ 
er  noch  nicht  von  der  Sünderin  lassen  kann ,  drängt  ihn  zur 
über  die  macht  des  Eros:  b€iv6c  '€pujc,  beivöc  (176). 

IIL 

Dem  Po&eidippos   schreibt  der  Palatinus  folgendes  epigrmmml 
4tu(V2l3): 

TTuOidc,  €1  iitv  fx€v  Tiv*,  diT^pxoiLiar  ci  hk  KaOcutci 
übbe  ^iövri,  ^ucpov,  Tipoc  Aide  eicKdXecau 

elire  be  cr)p€i0Vt  ^eButJuv  öu  Kai  biä  kXujttüjv 
f|Xe€v  ^'epyuTi  Opacei  xpii^evoc  f|TeMÖvL 
man  acceptiert  (v.  1)  Ix^^  ^^^  Ka0€ubei  von  Jacobs  (für  ^X^**^  ^^^ 
KaÖeubcic)  mit  recht.  fTuOldc  ist  nach  Jacobs  Yocativ  und  name 
der  angeredeten  dienerin ;  man  nimt  also  an  ^  dasz  weder  der  lieb- 
haber  noch  die  geliebte  von  dem  dichter  genannt  werde;  nur  Stern* 
bach  mlichte  den  namen  des  erstem  nicht  missen  ^  ändert  dsher 
lAlKpöv  in  MiKpOV.  dasz  der  erste  scbreiber  nicht  )LitKp6v  schrieb, 
ist  leicht  zu  sehen  und  hat  auch  Sternbach  mitgeteilt;  aber  4ie 
hauptsache  hat  dieser  nichi  gesehen:  dasz  v  ursprünglich  an  stelle 
des  fi  stand,  dasz  A  nach  ic  nicht  po^  sonder  \jj  schrieb;  ob  nun  der 
letzte  buchstab  ein  v  oder  i  war,  läszt  sich  mit  voller  sicbarbeitl 
nicht  sagen :  als  ursprüngliche  lesart  ist  also  viKUiv  oder  viKu»|  %u\ 
betrachten,    das  erste  distichon  lautete  meines  eracbtens: 

TTuOidc  ei  ptv  exei  tiv\  dnepxopai  •  ei  h^  KaGeubei 
übbe  ^6vi],  NiKoi,  TTpoc  Aide  eicKaXecai. 
TTuOtdc  ist  subject  zu  Ix^i  und  KoBcubei,  nicht  der  name  der  dienerin, 
sondern  der  geliebten;  die  angeredete  ist  NiKUi,  nicht  die  dienerin 
der  Pytbias,   sondern  ihre  mutter,  daher  cicKdXecat.    das  ist  on-j 
echwer  zu  beweisen,    die  epigramme  des  Asklepiades  verhalten  sich^ 
zu  denen  des  Poseidippos  so,  das«  die  einen  die  andern  variieren, 
ergänzen,  fortsetzen,  auch  zum  teil  antithetisch  beantworten.  V 
trägt  das  autorlemma  *AcKXr]TTidbou  und  beginnt: 

NuE,  et  Tdpi  OUK  dXXriv  /iopTupOMai,  old  )li*  ußpiZei 
ITuÖidc  i\  NiKoöc,  ouca  q)iX€£aiTdTic' 

KXnöeie,  OUK  ärXiitoc  Ur|XuÖa* 
Pythias  ist  also  die  tochter  der  Niko,  und  ohne  zweifei  steht  I 
xXiiBeic  mit  bezug  auf  das  von  Poseidippos  gebrauchte  eicKdXecau  — ^ 
Das  zweite  dibtichon  tinl  bfe  crmeTov  Mtöuuiv  ÖTi  Kai  bid  kXu^ttiXtV  |  ' 
fjXdev  enthält  das  erkennungazeichen,  das  Pjtbias  über  den  zu  er- 


HStadtmfilier:  zur  griechischen  aatiiologie.  673 

wartenden  besuch  ohne  nennong  des  liebhabers  aufklärt ,  ja  die  an- 
gäbe des  namens  ausschlieszt.  man  schreibt  daher,  meine  ich,  mit 
unrecht  in  der  parallelstelle  des  Asklepiades  (V  181):  €ink 
bk  CT11L1610V'  BdKXUJV  ön  nivT*  ^cpiXricev  |  äf)c;  auf  das  nahe- 
liegende ist  man  hier  merkwürdigerweise  nicht  gekommen,  nem- 
lieh  für  BdKXUiV  das  participinm  ßcncx^v  haochans  {YgL  Aisch. 
Sieben  498)  zu  schreiben:  ßaxxuiv  ÖTt  bei  Asklepiades  genau  ent- 
sprechend dem  ^€6uu)V  ön  bei  Poseidippos.  sollte  man  es  nun  fOr 
möglich  halten,  dasz  an  stelle  von  fieGuuiv  Änderungen  wie  fx^ccuiv, 
£i(p€U)V  (Herwerden)  vorgeschlagen  wurden?  —  Nike  die  mutter 
war  früher  gefeiert  wie  jetzt  die  tochter  Pythias ,  gleich  dieser  gab 
sie  ihren  liebhabem  grund  zur  klage,  eine  solche  enthält  V  150, 
ein  epigramm  des  Asklepiades: 

lb^oXÖTl^c*  f\ie\v  de  vuKia  fioi  f|  'iußöriTOC 

NlKU)  Kai  C€lLlvf)V  d)^OC€  6€C|LlO(pÖpOV* 
KOÖX  f^K€l, 

und  das  autorlemma  'AcxXiiTndbou  trägt  auch  Y  189: 

Nug  jLiaKpfi  Kttl  xe\\xa,  ^icr\v  V  inX  TTXeidba  Guei, 

Käyu)  Trdp  TrpoOüpoic  viccoiiiai  döfievoc, 
TpuiOeic  TT^c  boXiiic  Kciviic  iröGip. 
man  hat  dies  K€ivr|C  in  '€X^vr)C  (Planudes,  dem  FWSchmidt  beizu- 
stimmen vermag)  y  in  KXeivoOc  (Meineke),  KXeivric  Hecker,  KOwiic 
(Boissonade),  CkuXXiic  (Jacobs)  verwandelt,  soll  fQr  Kcfviic  hier  ein 
name  gesetzt  werden,  so  kann  es  kaum  ein  anderer  sein  als  NlKoOc: 
man  hat  dann  die  corruptel  darauf  zurflckzuftlhren ,  dasz  K  und  v 
ihren  platz  vertauscht  haben,  aber  Kciviic  ist  durchaus  richtig; 
Poseidippos,  der  freundeskreis  für  den  das  epigramm  zunächst  be- 
stimmt war,  kennt  die  treulose  und  ihren  Charakter  zur  genüge,  sei 
es  auf  grund  eigner  erfahrung  oder  weil  ihnen  der  dichter  sein  leid 
geklagt  hat.  —  In  dem  oben  angeführten  verse  NOS,  c^  tdp,  OÖK 
dXXriv  ^apTupojLiai  hat  man  fiXXriv  verschiedenartig  geändert ,  an- 
sprecheud  ist  Lud  wichs  ouk  dbaf),  aber  schwerlich  das  richtige,  so 
wenig  als  ou  boXiriv,  woran  ich  früher  dachte,  vielmehr  ist  zur  cor- 
rectur  der  Überlieferung  auch  hier  eine  parallele  beizuziehen,  der 
verschmähte  liebhaber  musz  das  zeugnis  der  nacht  anrufen ,  er  ist 
leider  nicht  in  der  läge  gleich  dem  der  sich  seines  abenteuers  rühmt, 
einen  erwünschtem  zeugen  anzuführen,  der  schlusz  von  V 181  lautet 
(nach  tt^vt'  dcpiXricev  Öflc):  iLv  kX(vti  fidpruc  ^TrcTpdqpero.  also 
sagt  der  dichter,  nicht  ohne  ironie  auf  das  eigne  misgeschick:  NäEi 
et  Tdp,  oö  kXivtiv  ^apTOpoiiiai. 

Noch  eins  sei  hier  bemerkt,  wollte  jemand  behaupten;  dass 
das  einfache  autorlemma  'AacXiiTTidbou  sowie  TToceiMinrou  in  nnsem 
anthologien  nur  eine  willkürliche  Verkürzung  ist  für  *AcKXr|Tridbou 
f\  TToceibiTTTTOU,  dh.  dasz  eine  von  den  anthologien  indirect  benutzte 
samlung  der  Asklepiades-  und  Poseidippos-epigramme  ohne  autor- 
lemmata  zu  den  einzelnen  gedichten  nur  den  gesamttitel  *AckXt]- 
TTidbou  Kai  TToc.  trug,  so  ist  dies  nicht  beweisbar,  aber  eine  m0g- 

Jahrbüchcr  fUr  class.  philol.  1898  hft.  10.  43 


674 


HStodtiDüUer:  zur  griecliifichen  aiathologie» 


Ikhkeit.  man  bat  alsdann  in  vielen  fallen  auf  eine  scheidong  ded 
eigentums  zu  verzichten,  in  andern  dürften  nur  innere  gründe,  nicht 
die  Überlieferung  entscheidend  sein,  so  könnte  man  hier  die  epi- 
gramme  an  Niko  (V  150.  205*  209  'AcKXnTndbou ,  äbnXov,  TTocci- 
biiTTTOu  f\  'AcKXriTTidöou)  dem  Asklepiades,  die  an  Kikos  tocbter 
Pythias  (V  164,  213  *AcKXTiTTlctbo\j,  noceibiTTTTOD)  dem  Poseidippos 


zuweisen. 


IV. 


Den  dritten  Philippos  von  Makedonien  und  seinen  heldenmnt 
verherlichen  drei  epigramrae  des  sechsten  buches^  114  —  116.  das 
letzte  iBt  von  Samos  (Samios);  115  von  dem  Sidonier  Antipatros, 
also  imitation;  wer  bat  das  erste  114  verfaszt?  man  kennt  nach 
Sternbacbs  und  meinen  mitteilungen  da»  nübere  der  autorüberliefe- 
rung  vn  diesem  gedichte »  weisz  dasz  TTopct  <tiXi7i7rou  TOU  auTOU  in 
ganz  unvernünftiger  weise  von  dem  corrector  in  irapa  <J>iXiTrTrou 
TOU  'AftuvTOU  verwandelt  wurde,  dasz  sein  einen  neuen  au tor  be- 
zeichnender ztisatz  Ct^iXtTTTTOtj  8eccaXov.  noch  verkehrter  ist.  m&n 
hält  sich  also  an  die  autorüberlieferung  des  ersten  Schreibers  TOU 
äÖTOO  r  dh.  Ci|iiou  yP^^M/^^'^^koö  :  denn  der  Rhodier  Simiaa  ist  der 
verfa&ser  des  vorhergehenden  gedichteg  VI  113.  es  liegt  nun  nahe 
dieses  Cifiiou  für  VI  1 1 4  zu  verwandeln  in  Cd|iOU  (od.  Ca^iou) :  Samos 
stand  ja  jähre  lang  in  freundschaftlichem  verkehr  mit  dem  gefeierten 
Philippos,  und  das  epigramm  gleiches  inhalts  116  stammt  über- 
liefe rtermas2en  von  Samos.  aber  dieser  zweite  ponkt  spricht  meines 
eracbtens  nicht  für  Samos  als  verfasöer  von  VI  114,  sondern  eher 
gegen  die  annähme,  denn  nichts  berechtigt  an  eine  selbstwieder 
hokng  des  Samos  zu  glauben ,  wie  sie  die  für  beide  gedichte  ang6» 
nommene  identttät  des  Verfassers  voraussetzt.  VI  114  lautet: 
Aipjia  Kai  öpT^ictia  K^pa  ßoöc  Ik  ßaciXfioc 

'A|iqpiTpi>a»vtäl)qi  Kt(^€9'  dtvd  TTpÖTTuXov » 
T€Ccapaicaib€Kd5ujpa,  töv  auxncvta  OiXiirTrui 

dvTÖjuevov  Kaid  ydc  f^Xace  beivöc  ökujv  , 
ßoiißoTOV  'OpßiiXoio  Tiapd  cqpupöv    ä  TToXüoXßoc 

*Hpaeic  f  S  Toitü  xpaiveTai  dT€MÖvu 
V.  2  Ke(^£0'  dvd  TrpöiruXov  vergleiche  man  mit  KciMcS^ivI 
EuX6xuj  VII  445,  2  v.  3  den  anfang  TECcapaicaibcKdbujpa  mit 
dem  versanfang  teccapaKQibeK^Tiv  VII  487,4  v.5dioworte 
ßoußoTOV  *OpßiiXoio  Ttapä  ccpupöv  mit  olviiPn<^  Atcßoio  ttapct 
c<pup6v  VII  501,  5  V.  5  fi  TToXuoXßoc  'HjiaOic  mit  6Xßia 
eiXiiöuia  VI  274,  3. 

Nun,  dietie  vier  parallelen  (aus  Vn4i&.  487.  501  und  VI  274) 
gehören  epigrammen  des  Perses  an;  VI  113  ist  nicht  von  Persea« 
wohl  aber  das  unmittelbar  vorhergehende  epigramm  VI  112.  was 
folgt  hieraus?  zwei  epigramme  haben,  wie  dies  nachweisbar  einige 
male  in  der  anthologie  vorkam,  ihre  steile  vertaui^ebt:  VI  H2i»U]iil 
ursprünglich  nach  VI  113,  xoO  auToO  bei  114  bedeutet  aUoTT^pCOU£ 


UStadtmüller:  zur  griechischen  anthologie.  675 

die  that  des  makedonischen  königs  haben  Samos,  Perses  und  Anti- 
patros  verherlicht,  Antipatros  später  als  nachahmer,  gleichzeitig 
Samos,  der  vertraute  des  königs,  und  Perses  der  Makedonier; 
dies  gentile,  welches  VII  487  zu  dem  dichternamen  geschrieben  ist, 
darf  nicht  beanstandet  werden;  aus  dem  anders  lautenden  gentile 
©rißaiou  (welches  von  dem  corrector  zu  VII  445  gesetzt  ist :  TT^pcou 
6rißaiou)  darf  man  nicht  auf  einen  zweiten  Perses  schlieszen;  trotz- 
dem ist  6iißaiou  keineswegs  fälschung  oder  unrichtig:  der  dritte 
Philippos,  den  Samos  und  Perses  feiern,  hat  das  in  Phthiotis  ge- 
legene Theben  im  j.  217  vor  Ch.  erobert  und  dahin  an  stelle 
der  verkauften  einwobner  Makedonier  gesandt  (vgl.  Polybios 

V  100  T€V6^€V0C  bk  KÜpiOC  TUJV  GllßlSv  —  sc.  TÄV  OOllüTibUJV  — 

Toüc  jifev  ÖTTdpxovTttc  oiKiiTopac  dgrivbpaTTobicaTo,  Manebövac 
b'  eicoiKicac  usw.);  unter  diesen  kann  Perses  gewesen  sein, 
der  also  nach  seiner  abkunft  Makedonier,  nach  seinem 
spätem  Wohnort  Thebaner  heiszt.  das  sind  folgerungen,  die 
sich  nicht  allein  für  das  eigentumsrecht  an  VI  114,  sondern  für  die 
zeit  und  das  leben  des  Perses  mit  notwendigkeit  ergeben,  wenn,  wie 
ich  bewiesen  zu  haben  glaube ,  meine  annähme  von  der  ursprüng- 
lichen reihenfolge  des  Simias-  und  des  Perses  -  epigramms  richtig 
ist.  —  Was  nun  den  text  betriflft,  so  ist  in  v.  4  dvTÖ^€VOV  Kttld 
Tdc  fjXace  beivöc  dKU)v  der  ausdruck  Kard  tdc  befremdend;  ich 
versuchte  kct*  dKpac  fJXace  und  dvTÖ^ievov  kot*  fiXac;  aber  das 
richtige  ist  meines  erachtens : 

dvTÖjievov  TiXatiiwc  fjXace  beivöc  Skiüv. 
denn  bei  Erjkios^,  der  das  epigramm  des  Perses  nachahmte,  heiszt 
es  (VI  255,  5)  auidp  6  (sc.  Taöpoc)  ßoÜT€U)  |  dviioc  ^k  TiXa- 
Tiiwv  teG'*  ö  bk  ßoiraXiij  usw.   bei  Erykios  ist  also  ^k  iiXaTiuiv  ans 
TiXoTiiwc,  und  dviioc  teio  aus  dvTÖjLievoc  geworden. 

V. 

Zu  den  Moiro - epigrammen  gehört  folgendes,  das  unter  den 
anathematischen  (AP.  VI  119)  steht: 

KcTcai  bf)  xpwceav  uttö  Ttacidba  rdv  'AqppobiTac 
ßÖTpu,  Äiujvücou  ttXti9ö^€V0C  CTOTÖvr 

oub'  fn  TOI  }xair\p  dpaxdv  Ttepi  KXfjjLia  ßaXoOca 
qpucei  uTiep  Kpaiöc  vcKidpcov  TT^TaXov. 
vielleicht  haben  schon  andere  sich  über  das  attribut  dparöv  bei 
KXfijLia  gewundert,  ich  dachte  mir  dafür  ßabivöv  TTCpl  KXf)^a,  wie  es 
ih.  bei  Sappho  heiszt  öpTtaKi  ^abCvip  ce  jLidXiCT'  diKdcbui.  mit  der 
erkenntnid ,  dasz  die  conjectur  unnütz  ist,  erlangte  ich  zugleich  eine 
cndere.  das  epigramm  ist  inbaltlich  auffallend,  wenn  man  will,  die 
aombination  eines  anathematischen  und  epitjmbischen  gedichtes. 
^nicht  mehr  wird  die  mutter  um  dich  die  liebliche  ranke  winden, 
nicht  mehr  dir  zu  häupten  das  nektargefüllte  blatt  sprieszen  lassen/ 
es  ist,  wie  wenn  mutter  und  tochter  mit  einer  letzten  umarmong 
abschied  nebmen.    das  epigramm  musz,  um  richtig  verstanden  zn 

43* 


676 


HStadtmüLler:  itir  griechi&clteD  aütbologie. 


werden,  als  concurrenzgedichkben   mit  seiner  vorläge  verglichen 
werden;  diese  lautet  (VII  G46  'AvUTT^c): 

AokOia  bfj  Tctbe  narpi  cpiXuj  irepi  X€^p€  ßaXoOca 
ein'  'EpaTÜj  xX'JJpoic  buKpuci  Xeigo^cva* 

«i  TidT€p,  oö  TOI  It'  cijii»  ^i\ac  b'  ^möv  öppa  KaXOirrct 
fjbil  duocpöifi^vac  Kudveoc  ödvatoc. 
in  beiden  epigrammen  bildet  br\  die  zweite  arsis  des  ersten  hesa- 
meters;  x^^J^P^^^  bdKpuci  X€ißo^€va  und  Aiiüvucou  TiXtiSö^evoc 
CTcrfövi  im  ersten  pentameter  entsprecben  sich  nach  construction  und 
form  &o  geDEU,  dasz  die  beziehung  des  anathematischen  epigramms  in 
dem  epitymbischen  in  die  äugen  fallen  mu^z.  ebenso  offenbar  ist  der 
parallelismus  zwischen  ili  irdtep »  OÖ  TOi  ^t'  und  ou6*  ftl  TOi  \X&Tr\Q 
(ja  es  wäre  denkbar,  dasz  mit  noch  genauerer  Übereinstimmung  die 
erste  stelle  lautete:  OUK  ^Ti  TOi»  TTdxep,  eifii:  wenigstens  findet  sich 
in  den  hss.  oft  genug  ein  interlineares  w  bei  dem  interjectionslosen 
vocativ  und  mag  manchmal  in  den  teit  geraten  sein),  auf  die  wort© 
'dunkle  todesnacbt  bedeckt  schon  das  äuge'  erwidert  Moiro  in  sinn- 
reicher aniithe^e:  ^nicht  mehr  wird  das  nektarduftende  blatt  das 
haupt  beschatten.*  die  w  or  t  e  Ticpi  KXf^^a  ßaXouca  und  Tr€pl  %Ö^ 
ßaXoOca  entsprechen  einander,  und  die  bezeichnung  dp  aide  gü- 
braucht  Moiro,  weil  in  der  vorläge  '€paTUJ  steht,  es  kann  dporÖV 
KXf|^a  heiszen:  dennErato  i^t  der  name  der  tochter,  und  die  ranken 
sind  kinder  des  rebstockes,  wahrscheinlich  aber  war  das  adjectiv 
attribut  zu  ßörpuCi  damit  in  genauer  Übereinstimmung  die  dem  tode 
verfallene  tochter  und  die  der  Aphrodite  geweihte  traube  gleicher- 
maszen  bezeichnet  werden,  also: 

ou6'  ir\  TOI  pdTT)p  dpaT«|*  irepl  KXfj^a  ßaXoOco. 
(übrigens   kann   es   VII  646  nicht  peXac  —  Kudveoc  OävaroC 
heiszen^  es  musz  m.  e,  fi€Xac  corrigiert  werden  in  dfiaXac^  also: 

ilr  TTOtTep,  ou  TOt  fr  d^\  djuaXdc  b'  i^oy  fi^pa  KaXuiriei 
fjbri  dTTOqpSip^vac  Kudvcoc  Gdvaioc, 
vgl.  zb.  Eur.  Herakl.  76.)  ich  hübe  die  beiden  epigramme  darum 
eingehender  verglichen,  damit  man  weisz,  was  unter  amoibäi^chen 
epigrammen  zu  verstehen  ist^  unddamitmandie  Moiro  nicht 
für  Slttjr  hält  als  Anyte:  denn  darüber  kann  kein  zweifei  be- 
stehen, dasz  von  den  beiden  gedichtchen  das  epigramm  der  Anyle 
als  das  ältere  anzusehen  ist^  dasz  dagegen  das  Moiro  -  epigramm 
mit  seinem  zum  teil  geküust^^lten  paraUeUsmus  die  Umbildung  jenes 
entbült 

HeiDELBBEG.  Huao  8tadtii(^ll£r* 


GMSakorraphos:  zu  Aristoteles  Politeia  und  zu  Herodianos»    677 

78. 

ZU  ARISTOTELES  POLITEIA  UND  ZU  HERODIANS 
GESCHICHTE. 


Aristot.  Pol.  c.  2  jueid  bk  raOra  ojv^ßn  CTacidcai  touc  t€ 
TVU)p(|Liouc  Kttl  TÖ  irXfiGoc  iroXüv  xP^vov  [töv  bfifiov].  die  hgg. 
haben  mit  recht  die  werte  töv  hf\yiOV  gestrichen,  wahrscheinlich 
hatte  Aristoteles  statt  dessen  dXXifjXoic  geschrieben,  wie  c.  5 
ävT^cTTi  TOic  TVuipiiLioic  6  bfjjLioc  •  Icxupfic  bk  Tf^c  crdccuic  OÖCfJC 
Ktti  TToXuv  xpövov  dvTiKaÖrm^vuiv  dXXt'jXoic. 

c.  3  ae.  biö  Kai  iiiövii  Tiiiv  dpxuüv  ili€ili^viik€  bid  ßiou  Kai  vOv. 
in  der  vorliegenden  schrift  sagt  Aristoteles  stets  £ti  Kai  vCv:  c.  7. 
8.  22  usw.  so  musz  man  auch  an  unserer  stelle  entweder  vor  oder 
nach  Kai  vCv  das  in  einsetzen. 

c.  12  (Solons  verse) :  &  \xkv  fäp  elira  cöv  GcoTciv  f^vuca, 
fiXXa  V  od  lidTiiv  fcpbov,  oitbi  fioi  Tupavvfboc 
dvbdvei  ßCcji  ti  <ß^Z>€iv  usw. 
das  wort  elira  in  dem  ersten  verse  gibt  keinen  passenden  sinn,  bei 
Aristeides  (II  536),  wo  der  vers  ebenfalls  überliefert  ist,  findet  sich 
d  }xky  dcXirra  usw.,  welche  Variante  eine  alte  corruptel  in  diesem 
werte  anzeigt,  vergleichen  wir  fr.  36,  15  ipeia  Kai  bi^ivuc'  die 
i)TT€CXÖjLiiiv,  so  erscheint  es  auszer  allem  zweifei ,  dasz  Selon  d  fx^v 
Tdp  IpEa  geschrieben  hatte,  aber  auch  die  folgenden  verse  scheinen 
nicht  in  Ordnung  zu  sein :  Selon  hatte  durch  seine  gesetze  die  bou- 
Xeia  aufgehoben,  aber  sowie  die  verse  überliefert  und  ergttnzt  sind, 
sagt  Solon  vielmehr,  er  sei  nicht  geneigt  gewesen  gegen  die  Tupowic 
etwas  zu  unternehmen  (vgl.  Soph.  Ant.  59.  79).  glücklicherweise 
finden  sich  in  den  bruchstücken ,  die  uns  von  Selon  erbalten  sind, 
folgendes  fr.  (32):  el  bk  T^c  ^cpeicdiiiiiv  iraTpiboc,  Tupavviboc  bt 
Kai  ßiiic  djLieiXfxou  ou  KaOimidfiriv,  und  es  unterliegt  keinem  zweifei, 
dasz  er  auch  an  unserer  stelle  die  TUpawtt  und  die  ßia  zusammen- 
gestellt hatte,  also  sind  meiner  meinung  nach  die  verse  des  Solon 
so  herzustellen  (dvbdvei  in  i\vbav€  hat  schon  Richards  zu  ttndem 
vorgeschlagen) : 

d  ^tv  Tdp  fe'pEa  cöv  Gcoiciv  f^vuca, 
dXXa  b'  od  lidTiiv  fepbov,  oöb^  fioi  Tupovviboc 
f^vbavev  ßiac  xe  <Xi7rr>€iv  usw. 

c.  22  fr«  bk  fierd  laOia  buübeKdrqi  viKifjcavTCc  ifjv  iv  Mopa* 
6Ü&VI  jidxTiv  dirl  OaiviTTTTOu  dpxovroc  biaXiirövrec  irr]  böo  ^erd 
Tf|V  viKTiv,  OappoOvToc  fibr\  toO  bi\\xov  usw.  die  werte  ^eid  Tfjv 
ViKTiv  sind  nach  dem  verbum  biaXmövT€C  ganz  flberflttssig;  wUI 
man  sie  jedoch  nicht  streichen ,  so  kann  man  sie  mit  änderung  der 
praep.  ^erd  in  bid  zu  dem  pari  OappoOvTOC  ziehen. 

c.  27  TTpöc  bf|  rauTTiv  Tf|v  xopnTiav  diriXemöjLievoc  6  TTcpi- 
KXfic  TT)  oöci()i,  cujißouXeuovToc  auTijj  Aa^u)vibou  toO  OlriOev  .  • 
dTTei  TOic  Ibioic  firrfiTO,  bibövai  toic  ttoXXoTc  rd  aö-n&v.    statt 


678    OMBakon-aphoB ;  jlu  Arisiotele«  Politeia  und  zn  HerodiftQO«. 


dee  imperf.  ftTTäio  wird  es  nötig  sein  den  viel  richtigem  Optativ 
f)TTiüTO  herzustellen,  hatte  nicht  übrigens  Aristoteles  am  anfang 
des  Satzes  Trpdc  hf\  vr^kiKaxiTTiv  X'^PTlticiV  geschrieben? 

c.  36  Ol  b€  TTpdiTOv  ^vavTiuL}8^vT€C,  ^TTei  biecTTdpTicav  oi  XÖTOl 
Tipöc  TÖ  TrXfi9oc  .  *  qpoßTiO^vrec  usw.  nehr  leicht  konnten  die  par* 
tikeln  ^fcv  —  hi  vor  iv-  bi-  ausfallen,  es  ist  also  wahrscheinlich 
zu  schreiben:  oi  bc  TtpiJuTOv  jitv  ivavTiuü6^VT€C,  inel  bi  biccird- 
pncav  usw, 

c.  49  bibövai  hk  bn^ociqi  Tpo^pi^v  buo  ößoXouc  ^KCtCTiu  ttig 
fj^^pac,  der  ausdruck  scheint  mir  fremdartig;  hingegen  igt  bibövot 
Tivi  buo  ößoXoiJC  eic  ipoqpfjv  udgl.  sehr  üblich.  vgK  c,  62.  Aischines 
1,  102  Kai  Tt  Kai  ek  Tpoqpriv  cuviaHaiuevoc  ^bibou  rij/  *ApiTvu*Tu>. 
so  wird  auch  bei  Aristoteles  zu  schreiben  £^ein  trotz  des  hiatus,  du 
wir  uns  Heber  einen  biatus  als  eine  härte  des  ausdruckg  werden  ge* 
fallen  lassen« 

Gehen  wir  jetzt  zu  Herodianos  über. 

1  J>,  2  kpov  dttJüvct  TeXouci  'Pui^aioi  Ali  KaTTtTUjXiiJü  ÖEd^aTd 
T€  . .  Kai  icxiJoc  ndvia  dSpoKeiai  die  ic  ßaciXiba  nöXiv  TravriTUp^ 
Zoucav.  nach  der  partikel  T€  ist  oflFenbar  ein  wort  ausgefallen.  Sjl 
bürg  dachte  an  coqpiac  (so  auch  Bekker)  oder  ^oucrfC.  leichter 
konnte  nach  T€  da»  wort  Texvr|C  ausfallen*  vgl,  c.  10,  ö  ^n^pl  Ocüüv 
noMTTf)V  reXoCct  Toj^aToi'  Kai  Ttavta  öca  Tiap*  ^Kdcioic  ttXoutou 
cÜMßoXa  K€iMr|Xid  le  ßaciXcuuv  öXiic  te  ^  (i^chi'.  Kai)  t^xv^c  Öau- 
^aia,  ific  9eo0  irpOTro^Tteüei. 

I  9,  5  raöia  elTrövioc  auioü  elie  ött6  tivoc  batMovtou  tux»1 
^TteixOcvTCC  £iT€  KoX  ToXpr|caVTOC»  Yva  boEav  öpT)Tai.  MendeUäobi 
hat  mit  recht  daä  wort  Tuxn^  ^^^  streichen  vorgeschlagen:  vgh  zu 
diesen  ausdrücken  Frohberger- Gebauer  zu  Lydias  13»  63.  zur  Ver- 
teidigung der  Überlieferung  bei  Herodian  konnte  man  von  beispielen 
nur  das  bei  Eur.  Med.  671  fiiraib^c  ic^ev  bai^ovöc  tivoc  Tiixp  An- 
fuhren, vgl.  auch  Aischines  3, 117  dvaßoricac  Tic  täv  *A^q)icc^uiv 
dvOpuuHoc  dccXT^CTaTOC  Kai  \hc  i^öi  ^cpaivcTo  oubcmäc  rraibciacj 
^i€T6cxn*c^c,  Tcujc  bfc  Kai  bai^ovbu  tiv6c  ^iapaprdveiv  auxö% 
TTpoaxOjUievou ,  von  welcher  stelle  wir  das  verbum  Trpodif€c6ai  für 
Herodian  gewinnen  können,  in  dem  folgenden  vermiä2»e  ich  dea 
gegensatz  zu  bai|ioviou  Tuxiic:  richtiger  sollte  es  heiszen  tilt  Kai 
aÖTOÖ  ToX^ricavTcc. 

I  10|  1  djc  iiTiK^Ti  XrjcTuiv  dXXd  Kai  noXepiujv  ^x^iv  diiui^a, 
der  ausdruck  m^IK^'^i  —  dXXd  Kai  ist  nicht  nur  sprachlich,  s>ondern 
auch  lugisch  fthlcrhaft:  denn  was  nicht  mehr  ibt  (^r]K^Ti)^  dasi  kann 
nicht  auch  (Kai)  sein,  etwas  richtiger  i^teht  bei  Philostr.  epist.  31 
(Boise.) :  Td  Xeli^java  auToiv  dvTiTT€Mi|*ov  jun*^^*^^  frv^ovTa  ^buiv 
lx6yoVf  dXXd  Kai  cou.  die  hi^s.  DP  befreien  Herodian  von  dieae 
fehler,  indem  sie  die  partikel  Kai  auslassen  (vgl.  1  15,  6).  ich  hali#1 
für  wahrscheinlich  da^z  Her.  ge^chneben  hatte  dXX'  f{hf\  ttoXcmIüiv* 

1  12, 4  /jXTTtlc  TTpocd£€c6ai  t6v  T€  bfi^ov  Kai  t6  cTparÖTrebov» 
cl  npdiTOv  iv  cndvei  tu»v  dTrtTnbeiuiv  KttTöcTncac  ^mböccct  Xaf*- 


GMSakorrapbos:  zu  Aristoteles  Politeia  und  zu  Herodianoft.    679 

TTpaTc  dXöviac  ttöOu)  toö  xpciu&öouc  TTpocaTÄTOiTO.  vor  dem  wort 
^TTiböccci  ist  das  nötige  €tt€It'  (wie  schon  in  dem  codex  Monacensis 
steht)  oder  eil'  ausgefallen:  vgl.  II  1,  10  TrpujTOV  diraTTJcai  ßou- 
XecGe  €l9'  outu)  cpoveöcai. 

I  13,  4  Toiaöid  Tiva  eiTioOca  pr\EoL\xivr\  t€  xfjv  kefJTa.  der 
stehende  ausdruck  ist  TT€pippT]ga^^ VT]  (seltener  TT€pippr|Eaca):  vgl. 
VIII  8,  6  7T€pippriEavT€c  hi  Sc  eixov  Ttepi  toTc  cu)^aclv  kOfliac. 
Xenophon  Eph.  II  5  Kai  TTCpippriEa^i^VTi  xfjV  icOflia  usw.  es  ist  also 
7T€ptppr]£c(M^Vil  zu  schreiben. 

II  1,  .3  statt  Tpocpfic  schlage  ich  Tpuqpfic  vor. 

II  3,  11.  nachdem  Pertinax  eine  rede  vor  dem  senat  gehalten 
hatte,  Tipöc  TrdvTiüv  eucprijuiOelc  TTdcT]C  t€  TijLific  Kai  aiboOc  Tuxibv 
€ic  T€  TÖv  Aide  vediv  Kai  id  Xomd  Upd  7^€^q)6€lc  .  .  elc  xfjv  ßad- 
Xeiov  diTavfiXGcv  auXrjv.  es  unterliegt  keinem  zweifei,  dasz  Her. 
TrapaTTC^cpOelc  statt  TrejiiqpOelc  geschrieben  hat.  die  präp.  napd 
itit  wegen  der  vorhergehenden  silbe  -pd  ausgefallen,  vgl.  in  12,  7 
ic  Td  ßaciXeia  7^7T€it€to  öXifiüv  auröv  TTapaTTCjLiTTÖVTiuv.  I  13,  7. 
die  coDJectur  von  Sjlburg  TTpoTre^qpOelc,  wiewohl  auch  sie  ganz  dem 
Sprachgebrauch  des  Her.  entspricht  (vgl.  IV  5,  1),  scheint  nicht  so 
wahrscheinlich  zu  sein. 

II  9,  3  ouTOC  TOivuv  (Ceoufjpoc)  Trapd  xiBv  dTTcXXövTwv 
TTuveavöjLievoc  xfjV  'Puj^aiiuv  dpx^iv  ^€T^^)pov  (pepo\iiyr\v  dp- 
ndZecGai,  KaroTvouc  toö  jutv  ßqiGujLiCav  toO  bk  öucirpaTiav  .  . 
TOic  TTpdTMCtciv.  die  lücke  ist  leicht  zu  ergänzen  mit  den  werten 
<d7Ti9€c9ai  fTvuj>  Toic  Tipdr^aciv.  vgl.  c.  15,  2  toOtov  toIvuv 
^G^Ticev  ö  Ceou^poc  olK€iu)cac0ai  jutittujc  .  .  dtnGflTai  toic  irpdT- 
^aciv.  I  6,  6.  mehr  beispiele  dieser  formel  hat  mein  verehrter 
lehrer,  professor  CSContos  in  der  'AGrivd  bd.  III  s.  370  angeführt. 

II  10,  1  GcpaTieucac  oöv  bid  tpommotiüv  TtdvTOC  touc  KaTd 
TÖ  IXXupiKÖv  .  .  äjLia  Kai  dp^OYTac.  das  ausgefallene  wort  kann 
sein  entweder  CTpaTiuüTac,  wie  schon  Schott  conjiciert  hat,  oder 
vielmehr  IbiiÜTOC :  vgl.  III  4,  7  ^r|T€  dpxu)V  ^l^T€  lbiU)TTic. 

II  13,  6  TauTHV  (Tfjv  dpx^v)  alcxpi&c  Kai  dTi^iwc  djcircp  n 
TUJV  ibiujTiKiüV  KCijLiriXiujv  in*  dpTUpiip  KOTiiXXdEacOe.  die  Griechen 
gebrauchen  am  meisten  das  worb  dvTlKaTaXXdTTO^al ,  das  oft  in 
KttTaXXdTTO^ai  (zb.  Deinarchos  3,  21)  oder  in  dvTaXXdirojLiai  (zb. 
Themistios  or.  216^  Ddf.)  corrumpiert  wird,  dasselbe  kommt  bei 
Herodian  sehr  oft  vor:  I  6,  9.  11  6,  13  usw.  und  musz  auch  an 
unserer  stelle  hergestellt  werden. 

III  3,  2  ÖTTcp  Kol  ouTÖ  Trdv  7Tap€TT^q)pOKTO  ÖTTÖ  ToO  Nixpou 
TOÖ  TTavTaxö0€v  KUjXuecGai  [Sv€ko]  Tf|V  Wobov  toö  cTpaTOÖ.  das 
^V€Ka  ist  sehr  verdächtig,  denn  auch  alle  die  spätem  haben  nach 
Thukydides  vorbild  (I  4  mit  Krügers  anm.  TÖ  T€  XijCTlKÖV  Ka6^p€l 
.  .  TOÖ  Tdc  irpocöbouc  ^idXXov  Uvai  ouTifi)  den  bloszen  genitiv 
gebraucht,  zb.*  Heliodor  Aith.  II  31  Td  cuV€KT€6^VTa  KOTCIXOV  ToO 
jLiri  Tiva  dTTißouXfjV  T^v^cOai  bi*  auTd  tQ  KÖpr].  darum  halte  ich  das- 
selbe wort  für  interpolation  bei  losephos  arch.  lud.  XI  293  ^xp^ipe 


GMSakoiraphoB:  zu  Anstoteles  Politeia  und  ta  Herodianoe, 

hi.  MapboxctToc  Toic  'loubaioic  toötoc  Trapaq)uXäcc€iv  idc  f)^€pac 
Köi  iopT¥\v  dT€iv  ahme  Kai  toic  ^ktövoic  irapabouvai  tou  irpöc 
TTÖvra  bia^£ivai  töv  XP<ivov  ifiv  ^opr^v  [?V€Ka]  Kai  ^t\  XrjSi) 
TTapairoXecöai.  übrigens  hat  Her.  viele  auadrticke  von  Thukydides 
ontlelint. 

III  4,  7  Kai  €1  Tiv€c  üv  ^övov  ^k  Ttpoaipecetwc  dXXa  b\  äv&x- 
KTjC  7rpoce9€VTO  aÜT(|i.  in  den  hss.  wert]tn,  wie  bekannt,  die  gilben 
bi  und  Ö  oft  mit  einander  verwechselt  (vgl.  Cobet  var.  lect.  a.  68), 
welche  confusion  auch  an  unserer  stelle  stattgefunden  haben  wird 
(schreib  d£  dvdxioic),  und  wenn  ich  nicht  irre,  so  ist  I  9,  6  dEoXccOai 
statt  bioX^c6ai  und  11  l,h  dSef  cipouci  .statt  bi€Te»pouGi  zu  schreiben, 
bei  Lukianos  Skythes  S  ujc  TOÖv  ÜTT^cxeto  auTUj  ö  TöHapic  d£  ^vöc 
avbp6c  Toö  CöXuiVOC  äiravTa  fTVui  ^v  dxapci  Kai  ndciv  fjv  tvuipi- 
^OC  inus2  man  bi'  ^VOC  dvbpöc  schreiben ,  da  der  sinn  nicht  'von 
6inem  manne'  sondern  'durch  6inen  mann*  ist. 

in  6, 9  iiavTÖc  T£  KÖcjLiou  Kai  Ti|ific  d(patp£Ö^v  [xö  BuCdvnov] 
KOifiri  bouXeyeiv  ITcpivOioic  ^böör].  wer  die  ganze  stelle  tiberblickt 
und  den  gebrauch  Herodians  kennt  (vgl  ib.  III  *^,  7),  welcher  die 
Wiederholung  von  Wörtern  nur  der  deutlichkeit  wegen  vermeidet, 
wird  ohne  «weifel  die  worte  tÖ  ByZdvTiov  streichen. 

IV  2,  9  in&v  bfe  ^^ticTOv  xw^a  dp0i^  xüuv  dpujpdrujv.  das 
XUJ^a  ist  in  X^/^o  äu  ändern:  vgl.  Älkiphron  epist.  I  23,  1  ^TTCixa 
ouK  ^ninoXfic  dXX*  eic  öi|ioc  fip^xo  Tf\c  vi<pdboc  xO^a  TrdjuTroXu. 
wegen  der  betonung  des  wortes  vgl.  Lobeck  paralip.  ^,  419. 

IV  8,  2  KQUCiav  x€  im  xfiv  Keq>aXfiv  <p€pujv.  Mendelssohn 
ßchlug  ^TTi  xf|c  KEcpaXfic  vor.  richtiger  ist  ^iri  rri  KcqpaXij  (popd/v. 
vgL  jedoch  Demosth.  19|  265. 

V  2,  1  ?Kacxdc  x€  i|*€xo  £i<poc  dTT0C€C€ic8ai  xok  aöx^av, 
diTaimpoupcvov.  der  ^inn  verlangt  das  perf.  iTTr)Ujpr||i^V0VJ 
einen  ähnlicht^n  fehler  liest  man  bei  Heliodoros  Aith.  I  2  Kai  qHX^ 
p^xpav  xujv  ü&iiiuv  ^Enirro  Kai  xiu  Xaiip  ßpaxiovi  xö  xö£ov  uire- 
cxripiKXO,  f]  Xomfi  bi  xtip  dcppovxicxujc  dirriujpcixo,  was  in  dnq- 
liiprixo  zu  verbessern  ist. 

V  4, 7  kÖf|xd  X€  öboinopiKTiv  Xaßuiv.    vielleicht  dvaXaßiüv. 

VII  11»  8  Ol  bi  cxpaxuüxai  pcxd  TToXXfic  d|iTT€tpiac  djirXic-^ 
p^voi  .  .  x€  xdc  ^TidXEeic  Kai  xdc  dcTiibac  xöEoic  X€  auxoOc  ß<i 
XoVX€C  dTTCbiUiKOV.     nach   dem   part,    uiTiXtcp^VOt  fiel   wegen  de 
gleichen  endung  TTpoßepXrip^voi  aus»   also  ^€xd  noXXfic  ^pTiftpia 
ÜtiXicp^voi  TTpoßcßXim^voixe  xdc  ^TrdXEcic  usw.   vgl.  II  u J 
in  14,  8  dcTtiba  cxcvfiv  irpoßeßXriP^voi.   Heliod,  Aith.  I  5  xöv  i 
TtoXiJV  Kttxd  xö  SXoc  KdXapov  dvxi  xapaKiüjnaxoc  TrpoßcßXrip^voi 

Vni  8,  6  dTTOCKubTTXOVxec  xouc  dirö  cutkXiixou  ßaciXcac.  di 
verbum  dTTOCKUiTixciv  wird  nach  fe.sts Gehendem  Sprachgebrauch  mit 
clc  (^c)  und   accüsativ   construiert:   vgl.  IV  6,  4.  9»  2.   VIII  6,  2. 
Unemosjne  bd,  XXI  s.  270.    man  musjc  also  die  ausgefallene  prttp. 
einsetzen :  dTrocKCÜirxovxec  ^c  xoüc  dTTÖ  cuTKXf|xou  ßaciX^ac. 

Atben,  Ocoao  M,  Sakokuaphos. 


£Ha8se:  über  den  dualis  bei  Lukianot.  681 

74. 

ÜBER  DEN  DUALIS  BEI  LUKIAN08. 


Zu  der  frage,  wie  Lukianos  den  dualis  gebraucht,  wird  in  zweien  * 
seiner  Schriften  selbst  die  anregung  gegeben,  denn  wie  er  in  cap.  29 
des  Pseudologistes  dem  gegner,  welcher  über  das  von  jenem  ge- 
brauchte wort  dTTOcppdc  gelacht  hatte,  unter  andern  Sprachfehlern 
auch  den  ausdruck  TpiUüV  ^1lV0lV  vorwirft,  so  gehOren  die  worte  in 
cap.  4  des  Lexiphanes:  xal  ö  '€XXdviKOC  i(pr\'  ifü)  hk  Ka\  bucujirifi' 
Kai  T^p  Td  KÖpa*  fioi  diTiT€6öXu)c6ov  zu  dem  von  Lexiphanes  ver- 
faszten  Symposion,  welches  Lykinos  wegen  der  teils  veralteten,  teils 
neugebildeten  aber  unverständlichen  ausdrücke  tadelt,  nach  dieser 
kribik  und  nach  dem  resultat  der  Untersuchung  des  Lukianischen 
Sprachgebrauchs  in  dem  buche  von  W.  Schmid  ^der  Atticismus  in 
seinen  hauptvertretem'  bd.  I  (1887)  s.  216 — 432  ist  zu  erwarten, 
dasz  Luk.  den  dual  so  wie  die  Attiker  gebraucht  hat.  inwieweit  sich 
diese  erwartung  bestätigt,  wird  die  folgende  Zusammenstellung 
lehren,  und  zwar  werden  wir  handeln  1)  vom  artikel  und  pronomen, 
2)  vom  Zahlwort  bvo,  3)  vom  nomen  und  4)  vom  verbum. 

1)  artikel  und  pronomen. 
Zur  bezeichnung  zweier  masculina  steht  TOtv  Symp.  9.'  V€Kp« 
bläk.  Ibi  1.    Gediv  £kkX.  12.   Prom.  5  (2mal).   bpair.  33.   Alex.  8 
und  in  Verbindung  mit  iroboTv  in  Kpov.  19.  Nigr.  34.  Tox.  60/  bk 


^  in  betreff  des  Soloikistes  stimme  ich  WSchmid  bei,  der  dieses 
bnch  in  seinen  'bemerknngen  über  Lnkians  leben  nnd  Schriften' 
(Philol.  L  8.  800  ff.)  ans  stilistischen  bedenken  dem  Lnkianos  abspricht 
(^dasz  sich  Lnkian  zur  zeit,  da  er  dialoge  schrieb ,  noch  mit  so  ärm- 
lichen wortklanbereien,  wie  sie  im  8oloikistes  stehen,  abgegeben  haben 
sollte,  ist  nicht  wahrscheinlich')  nnd  hervorhebt,  dass  Lnk.  seine  Über- 
legenheit in  grammatischen  dingen  nnr  znr  schau  träjrt,  wo  er  auf 
grammatischem  gebiet,  wie  im  Pseudologistes,  angegriffen  wird,  und 
seinen  spott  auf  die  Hyperattikisten ,  wie  im  Lexiphanes,  in  einer 
seiner  würdigen  weise  ausgieszt.  in  cap.  6  rühmt  Lykinos  aem  Soloi- 
kisten  einen  grarnrnntiker,  der  in  seiner  freundlichen  und  «chershaften 
weise  über  Soloikismen  belehrnngen  zu  geben  einem  der  da  sagte» 
viXi'i  toOto  boKct,  geantwortet  habe :  cd  Kai  vAiv  £pelc  i(k  6MOpTdvo|iev. 

'  Td  KÖpa  in  eigentlicher  bedentung  steht  Soph.  Ant.  769,  ai  KÖpat 
die  pupillen,  auch  die  äugen  oft  bei  Enripides,  der  dualis  in  dieser 
bedeutung  bei  keinem  Attiker.  '  toIv  AloCKÖpolv  steht  Charid.  8. 

£ZiegeIer  'Studien  zu  Lukian'  (progr.  Hameln  1879)  hat  wegen  des 
fehlens  der  dem  Lukianischen  stil  eigentümlichen  Vorzüge  (beherschung 
des  gesamten  Sprachschatzes  der  guten  attischen  prosa,  gesehmack- 
volle  auswahl  des  jedesmal  passenden,  Variation  des  gedankens)  und 
wegen  der  offenbaren  anlehnung  an  Isokrates  Helene  nnd  Xenophons 
Symposion  sowie  der  sklavischen  nachahmung  des  Luk.  selbst  die  un- 
echtheit  des  Charidemos  erwiesen,    vgl.  WSchmid  bemerkungen  8.  800. 

*  WSchmid  ao.:  ^dasz  von  sprachlicher  seite  gegen  den  Lukiani- 
schen Ursprung  des  mit  dem  Anacharsis  durch  die  gleiche  tendens  ver* 


682 


EHasse;  über  den  dualis  bei  Lukianoa. 


KttTTiT.  34.  Philops.  20.  ^TQip.  hioK.  14,  3»  aOioiv  Hermot  38. 
eeOüV  bidX.  26,  2.  Tox.  7.  Pbilops.  27,  ^K€ivoiv  Toi.  11,  d^qpolv 
Chan  3.  V€Kp*  blä\.  15,  U  Hermot.  30.  TupavvoKT.  22,  Alex.  2. 
fpujTCC  5,  47/  Sjmp.  38.  dXT]eTiC  kx/II  20.  [ncpi  TOu  OiKOU  24],^ 
Pbalaris  II  9  {(S^<poiv  Kai  r^i  6£uj  KOi  TOic  euccß^ci) ,  während  sick 
dt^cpoiv  in  ^Toip.  bidX.  4,  5.  ^pujxec  12,  diroKiipurr.  29  auf  ein 
maacnlinura  und  femininum  bezieht, 

Neutrum  ist.  toTv  Philops.  27.  Chat,  4*  Zeux.  4  und  bei  CK€- 
XoTv  Tim.  26.  bVc  KairiY.  0.  An  ach.  1.  ^tti  fiicöui  cuvöviec  24. 
nXoiov  2^,  ebenso  Toutoiv  in  lpiOT€C  5,  €?c€ivoiv  Char,  4  und  aMqjoiv 
Philops.  6.  Prom.  11.  bk  KaiT)^.  21.  Demon.  2'  [irepi  ToO  aiK0u6« 
paras.  61  (TTpOK€inevu>v  d|a<poTv)].*   9€uiv  bidX.  5,  3. 

Aber  während  die  hss.  für  den  femininiscben  genitiv  in  dXi€UC  33 
TOiv  (6€0iv)i  jedoch  anch  laiv  (9eoiv)  ^laip.  bidX.  7,  1  und  ausser 
dpcpoiv  Paras.  27  (?.  anm.  9)»  auTOtiv  Tox.  23.  caiv  Tragod,  211  •* 
bieten,  ist  der  dativ  laiv  bei  x^poiv  an  folgenden  stellen  überliefert: 
ivuirv.  6.  13.  veKp.  bidX,  3,  2.  27,  2  (^taiv  libri  onines,  nullns 
TOiV»  Fritzsche).    kaüiplus  15.    ciKÖvec  0.    UTT^p  Tüuv  elK.  9.    blC 


bundeneti  Tozaris  nichts  einEnwendeo  sei,  Lifit  Isldor  QnttentJig^  (de  iitb- 
dito  qui  inter  Lucianeos  le^ri  solet  dinlog-o  Toxaride,  1860),  lodem  er 
das  gegen  teil  bciWeisei:!  wollte,  in  setuer  für  die  kenutni«  des  LakiAii^ 
Beben  spracbgebrauchs  wertvoUeu  schrift  bewieaen.'  Vgl.  Krets  de 
Lnciani  dialogo  Tozaride,  progr.  Oflfenbnrg  1891. 

^  weil  es  «rwiesen  ist«  dftBS  die  beiden  dlnloge  cUdvEC  und  tftip 
ti£iv  ctxövuüv  von  Luk,  sind«  weil  ferner  diesen  die  ^piuicc  Innsicbtlich 
der  rhetoriscben  farbung  am  nächsten  stellen,  und  weil  ofleubur  in 
jenen  beiden  auf  diesen  dialog  besug  genommen  wird,  so  dind  nmch 
WSchmid  ao.  9.  302  trotz  der  auffallenden  stilistischen  eigentümlich* 
keiten  (vgl.  Cobet  var.  lect.  s  117.  257)  anch  die  ^piUTEC  ah  echt  zQ 
beeeichnen.  *  die  schrift   irepl  toO  oUou  erklärt  Somnierbrodt  f^f 

unecht,  und  Schmid  titellt  sie  mit  den  abfiolut  unltikianischeD  iraTpi&o< 
iXXiiC'^iov,    Halkyon  und  HLppias  zusammen,  ^  iy  Totv  iDtoiv  »tehl 

17    TOÜ   oCkou  7.  '^  OWicbmann   'zu  Lukianos  Demotiaz*   in  diesen 

JAhrb.  18B1  e.  841 — 849  verteidigt  die  beorteilnng  des  Demonaz  durch 
AHchwHrz  'eine  schrift  Lnkians,  welche  durch  fremde,  wahrscfa^tDlieh 
uhriAtliche  band  corrnmpierl  i^V  (zs.  f.  d.  öst.  gymn,  1878  s.  661  — &{H), 
gegen  EZiegeler  'eine  schrift  Lukians,  welche  troti  <tcr  oberflnchUeh* 
kett  im  ersten  teile  und  des  misverbjittiiisses  zwischen  dem  eraten  und 
zweitf^Ti  teile  durclmiiB  nicht  zerrüttet,  »ondem  ühnlich  wie  die  nchrifl 
TidiC  h€\  ICTOpiav  cuTTpdcpciv  nur  fltichtig  geirbeifet  ist'  (jahrb.  1891 
8.  327 — 335}*  die  gründe,  welche  üBernaje  (LukiüU  und  die  kyniker 
1879)  gegen  die  echlheit  <ies  Demonaz  Torbringt,  hat  Zicgeler  ao. 
s.  329  ff.  widerlegt.  WScbmid  bemerkungen  s.  301  erklUrt  unter  hin* 
weis  auf  die  stilistische  Verwandtschaft  von  Demom^z  12  und  Soloik,  5 
('ein  loses  geschiehe  von  einsehien  witsen ,  eine  nnklinstlerische  ZQ* 
sammenstellung  von  bemerkungen,  wie  wir  sie  sonst  bei  Luk.  nieht 
finden*)  den  DemonHZ  für  iinlnkiaßisch.  '*  Johannes  Bieter  'über  4i« 
echtheit  des  LukianiKchen  dialogs  de  paraaito*  progr.  lUtdeähetm  1890, 
weist  iiacbf  dats  dir  Sprachgebrauch  im  Parasiren  von  demjeitigtQ 
Lukians  so  bedeutend  abwetoht,  dasz  dieser  unmo^rlich  der  Verfasser 
sein  kann.  ^^  KZiegeler  'su  Lukianos*  jahrb.   1879  s.  491  hiU  ait 

Sommerbrodt  das  gedieht  Tragodopodagra  für  Lakiani»oli, 


EHasse:  über  den  dualis  bei  Lukianos.  683 

KttTHT-  2.  Anach.  27.  )iuiac  ^tk.  3  («laiv  revocavi  cum  cod.  pro 
TOiv»  Jacobitz).  Demonaxll.  [nepiToO  oTkou  31.  Philopatris  6]." 

Mit  rüüksicht  auf  die  Wichtigkeit  der  sache  (vgl.  jahrb.  1891 
s.  416  ff.  und  zs.  f.  gjmn.-wesen  1891  s.  577  ff.)  stellen  wir  dem 
an  elf  stellen  überlieferten  Taiv  x^PoTv  und  dem  caTv  ßia  x^poiv 
Tragod.  211  die  beispiele  aus  dem  attischen  dialekt  an  die  seite: 
Tttiv  X€poTv  Tttiv  djLiauTOÖ  Andok.  1, 144.  x^poiv  xaivbe  Soph.  EL 
1132.  x€poiv  ^jLiaiv  OT.  821.  Eur.  Alk.  847.  caiv  xepoTv  Herakl. 
578.  x^poiv  caiv  Soph.  Trach.  1066,  ziehen  aber  auch  zum  ver- 
gleich den  Arrian  herbei.  Arrian,  welchen  Lukianos  (Alex.  2)  einen 
^sehr  ausgezeichneten  Römer  nennt,  der  sein  ganzes  leben  dem  um- 
gange mit  den  Wissenschaften'  gewidmet  hat,  den  er  wohl  auch  bei 
der  bestimmung  der  aufgäbe  für  einen  vollendeten  geschichtschreiber  , 
(ttiüc  bei  tCTOpiav  cuTTP^cpetv  44)  im  äuge  hat,  gebraucht  djucpoiv 
TOiv  x^poiv  Ind.  16,9'*  wie  Piaton  Prot.  314  <*.  ohne  djicpoTv 
findet  sich  ToTv  X^poiv  Plat.  Erast.  132  ^  Theait.  155«.  Isokr. 
15,  14  und  TOi[v  X€ipoiv]  CIA.  II  744  B  9  (360  —  300  vor  Ch.). 
aber  CIA.  II 1559  (viertes  jh.  vor  Ch.)  steht  Taiv  Geaiv  wie  Aristoph. 
Thesm.  285.  Wespen  378  und  Arrian  Anab.III  16,  8",  laiv  0€oTv 
bei  Lukianos  iiaxp.  biäX.  7, 1,  jedoch  auch  toiv  6€oTv  (die  eleusini- 
schen  gottheiten)  dXieuc  33  wie  in  den  inschrifteji  und  bei  Andokides. 

Der  nominativ  tuj  zur  bezeiehnung  zweier  masculina  findet 
sich  dvuTTV.  7  [tt.  toO  oTkou  23  (2  mal).  31.  Paras.  45],  Tü&be 
Tragod.  212,  dKcivuj  Char.  3,  Vii)  ebd.  3.  Hermot.  35.  Anach.  16. 
^puJT€C  11,  ccpu)  Prom.  19.  V€Kp.  b\&\.  3,  1,  fijLicpu)  Tim.  10.  18. 
Prom.  5.  Geujv  bidX.  23, 1 .  26, 1.  V€Kp.  bidX.  1 1, 2  (2  mal).  16, 4.  24, 2. 
TT.  Tijüv  im  jLiicGiu  cuvövTUJV  8.  unfep  Tdiv  eU.  19.  Eunuchos  2. 
Symp.  15.  Tox.  21.  30.  62.  fpu)T€C  50.   AoÜKioc  46  (3  mal).  55'", 

"  schon  der  scholiast  zweifelt  an  der  echtheit  des  Philopatris;  er 
fehlt  wie  Nero  und  Charidemos  in  allen  bessern  hss.  nnd  ist  erst  kurz 
vor  der  ed.  princ.  (Florenz  1476)  in  das  corpas  Lacianeum  gekommen, 
vgl.  Sclimid  hemerkungen  h.  300.  nach  AvÖutsehmid  litt,  centralblatt 
1868   8.  641  f.    ist    der    Philopatris    ums  j.  628    nach   Ch.  geschrieben. 

^*  ebenso  äfiq)olv  Tolv  i^TTcCpoiv  Anab.  VII  30,  1.  vgl.  d|iq>o1v  TOlv 
iroX^oiv  Thiik.  V  "29,  2.  Isokr.  12,  97,  aber  aaoh  dfiqpolv  bi  xatv  öia- 
6r)Kaiv  Isaios  5,  16.  "  der    femininische    artikel    iindet   sich   noch 

takt.  37,  5  fiaXOaKalv  ralv  7rX€upalv.  ^*  KBiirger  hat  in  seiner  diss. 

de  Lucio  Patrensi  1887  nachgewiesen,  dasz  uns  im  Aoi^Kioc  f\  "Ovoc 
kein  originalwerk,  sondern  nur  ein  ziemlich  nachlKssig  angefertigter 
auszug  aus  einem  bedeutend  umfangreichern  romane  vorliegt,  und 
kommt  zu  dem  schlusz,  dasz  Lukianos  nicht  der  Verfasser  der  nach 
logik  und  spräche  so  mangelhaften  epitome  sein  könne,  auch  hat  die 
diss.  vou  CHDee  'de  ratione  quae  est  inter  asinum  pseudo-Lucianeum 
Apuleique  metamorphoseou  libros'  (Leiden  1891).  die  unechtheit  des 
AoOkioc  f\  ^'Ovoc  zur  Voraussetzung,  dagegen  sucht  WSchmid  be- 
merkuugen  s.  313—316  diese  schrift  dadurch  für  Lnk.  zu  retten,  dasz 
er  sie  als  einen  zur  recitatiou  recht  flüchtig  zubereiteten  auszug  aus 
den  metamorphoseu  des  Lucius  von  Patrae  zu  den  recitationen  'HpaxXftc, 
Aiövvjcoc,  dXr)6f)c  IcTopia  stellt,  welche  Luk.  in  hohem  alter  um  des 
täglichen  brotes  willen  und  mit  rücksicht  auf  den  geschmack  des 
publicums  verfaszte. 


684 


EHftBBe;  fiber  den  duaXis  bei  LukiajiOB. 


äfiq)0T6piU  in  ivvnv.7,  Zcuc  tpay.  12»  der  accusativ  tu»  in  bpCTi,  33» 
ß(uiV  Tipdcic  13  (2 mal),  [n.  tou  oIkou  31]  und  bei  öcpOaXMti»  in  bic 
KttTTiT-  31.  Ikarom.  14,  Philops,  16,  fpurrec  29.  [tt,  tou  oIkOU  2] 
sowie  bei  iröbe  in  veicp.  bidX.  27,  5.  tt.  Öuciüjv  6.  kataplus  3  4. 
bpaTT.  33*  6eu)v  bidiX*  7,3.  ^tti  Mic6<?»  cuvovtcc  13.  [kuviköc  4] '% 
auTULi  in  ßiUDV  irpäcic  13,  toutuü  in  6€a>v  bidX.  20,  15.  bpaii.  33. 
ßiujv  npäcic  13,  ccpüb  in  ttXoTov  1,  fiMCpiw  in  fpiuiec  9.  während 
gicb  der  nominativ  d|iq)Ui  in  ti,  TflC  Cupir]C  OcoO  31  (2  mal)  '*  auf  die 
bilder  der  Hera  und  dm  Zeas  bezieht.'^ 

Als  norainativ  stebt  tui  bei  ^cipaKtiu  Cbar  3,   bei  Oepairat* 

Vlbiui  in  äXieuc  17  tiü  und  toutuu  ab  accusativ;  d^q)UJ  als  nominaüir 

bezieht  eich  auf  zwei  netitra  Tim.  15.    kataplus  22.    Toi.  17,  als 

,  accusativ   Chan  ö.    Zeuc  ^XctX-  14      dXcKTp.   2k.    Aoukioc  25. 

epigr.  3  [Soloik.  7.    tt.  öpxr|C€uJC  71.'*   tt.  dCTpoX.  29].  ^* 

EbeDiso  verbindet  sich  der  accusativ  tu*  mit  T€xva  in  dXieuC  20 
und  mit  x€Tp€  Prom,  1.  dX  icT.  1 18.  Nigr.  19t  Tim.  35,  TtXoiov  30. 
71.  TOU  ^vuirviou  6.  14.   Tox.  26. 


2)  das  Zahlwort  buo. 

Der  genitiv  buoTv  findet  sieb  in  folgenden  beispielen :  iK  buotv 
TOiv  KoXXicTOiv,  ^K  buoiv  Totv  dpicToiv  Prom.  5.  TOtV  büoiv  dßo- 
Xoiv  2v€Ka  in  öeujv  €KkX.  12.  buotv  ößoXoTv  ?V€ko  in  tt.  toO  i^X^k- 
Tpou  3.  diTÖ  buoiv  CTixoiv  Cbar.  4.  dttö  buoiv  in  ttoic  bei  VcT- 
CUTTP*  ^3.  in\  buoiv  xXripoiv,  im  buoiv  Hermot  44»  urrö  buoiv 
Hkv  ^Kcivoiv  Tox.  11.  buoiv  Sdiepov  in  Zcuc  Tpat-  4,  4K  Kpo- 
viaKd  37,  IpujTec  20.  nXoiov  10  (buoiv  i^<I>t^,  bueiv  A  ^a,  orstared 
hat  Fritz&cbe,  letzteres  Jacobitz  im  texte),  buoiv  bi  ÖVTOiv  in  Ttpöc  ' 
TÖv  dnaib.  17.  buotv  dvbpotv,  buotv  ouv  paxo|i^voiv  itaOoiv  in 
^puiTCC  5.   dpTui^uiv  buotv  in  n.  tiic  Cupirjc  Beoü  30. 

Dagegen  haben  Fritzscbe  und  Jacobitz  in  ihren  texten :   im6 
bueiv  Totv  MCticTOiv  Tupavvoü^cvov  Tupdvvoiv  Alex.  8  (Fritzacbe : 

^^  JBieler  'Über  die  eehtheit  des  Lukianiscben  dialo^  Ejoikot* 
(prog^.  Hüdeahelm  1891)  a.  17:  ^elti*^  achrift,  die  wie  die  vorlte^eiidtt 
sowohl  ihrem  Inhalte  Dach  wie  in  anlag'e  und  Ausfühnit)^  su  so  mAiii|^ 
fachen  berleokcn  anlasz  gibt;  die  ia  20  CHpiteln  —  sie  sahlt  zu.  den 
kürzesten  der  Luktiinischen  dialoiii'  —  von  den  feat  bestimmten  aprjieb« 
goAetzen  unBeres  Bchrifbitellera  »o  vielfach  abweicht;  die  endlich  bereiia 
von  dem  alten  erklärer  für  unecht  geh  Alien  wurde:  darf  mit  fug  und 
recht  auf  echtheit  keinen  Anspruch  machen.»  *•  WSchmid  hemerkungen 
0.  399  nennt  ir.  Tf\c  Cupiric  BeoO  eine  treBDiche  achrift,  hinter  deren 
ireuhersiger  Herodotma^ikG    jeden    augeoblick    der   gcbalk    hervorblickt. 

"^  auf  Tfjv  Tfjv  Kai  töv  d^pa  gehl  änq>ui  in  ^aKpößioi  6,  Otl^ 
Hiracbfeld  ""die  HbfaaBun^flzeit  iler  Makrobioi'  im  Hurmea  XXIV  (t§89) 
8.  156 — 160  meint  Rotbstein  gofrenüberi  der  in  seinen  ^quaestionei 
Lncianeae'  a.  124  die  Abfassung  dieser  p«eado  •  Lok.  scbrift  ina  viert« 
}h,  setzt,  dasz  sie  im  j.  212  oder  213  u^ch  Ch,  entstanden  seL  **  ircpl 
6pxnC€Uic  acbreibt  Rotbatein  in  seinen  ''qnaestiooes  Lnrianeae*  den 
Libanios   zn,  **  trcpl  dctpoXotin^  tat  unecht  wie  die  beiden  flreul* 

loaen  Schriften  trcpl  roO  ^i^  fiqbiiuc  iricrcüctv  biaßoAQ  tiod  Ati>io<6€VOuc 
^TKU&Miov.     TgL  Schmid  bemerkanfen  s.  2^9, 


EHasse:  über  den  dualis  bei  Lokiaoos.  685 

bu€TvBÄÄ2 Mv,  buoiv  WW20¥E).  Ik  bueiv,  Miuxfjc  Kttl  cififiaioc 
in  V€Kp.  bi&k.  16,  4  (Fritzscbe:  bueiv  BOWSHÄAbo,  buoiv  %^v). 
bueiv  b^0VT€c  T€TpaKÖcioi  kataplus  6  (Fritzscbe:  buofv  91<Z>F). 

ünflectiertes  bOo*^  stebt:  bi*  ößoXi&v  in  dXieiic  15.  23.  27. 48, 
ßiuüv  TTpacic  11.  v€Kp.  bläk.  4,  1  (buo  ößoXwv).  bdo  bpaxiLi(£iv  in 
V€Kp.  bidX.  4,  1.  ^raip.  bidX.  14,  2.  buo  iiivi&v  ebd.  6,  1.  dx  bdo 
KaXduv  Prom.  5.  dirö  bOo  nXiipuifidroüV  in  dX.  Ict.  II  37.  bijo 
ßoujv  becTTÖTiiv  Skytb.  1.  irapövTUiv  buo  i^  rpiiliv  q^xkvjv  in  ir.  ti&V 
^7Ti  jLiicOijj  CUV.  19.  |i€Td  büo  Tttiv  TiaXaiuiv  (piXuüV  ebd.  14.  buo 
Top  dvbpuüv  Tdvovxia  €Öxo|idvu)V  Ikarom.  25.*' 

Der  dativ  buoiv  erscheint  Hermot.  61  iv  buoiv  ößoXoTv  und 
^pu)T€C  19  buoiv  övojidroiv,  nnflectiert  ist  er  Alex.  40  böo  Tid  und 
ebd.  53  iy  buo  ßißXioic  biacpöpoic.  ebenso  findet  sich  die  form 
buciv  an  zwei  stellen:  Hippias  8  buciv  dvaxu)prjc€Civ  nnd  fiuCac 
^TK.  3  TOic  b^  TrpocOioic  buciv.  die  erste  scheidet  jedoch  ans,  weil 
der  Hippias  nach  dem  urteil  der  kritiker  nicht  von  Luk.  verfaszt  ist. 
was  aber  [iviac  ijK.  3  betrifft,  ^ein  prachtstflck  der  naturbetrach- 
tung'  aus  der  ersten  periode  von  Lukians  schriftstellerischer  thätig- 
keit  (Sommerbrodt):  d£diTOUC  bk  oöca  TOic  jifev  T^rrapci  ßabfZei 
jLiövoic ,  TOIC  bk  irpoc6(oic  buciv  öca  Kai  x^pd  XP^'^^^i  ^^oic  dv  odv 
auTf|v  im  T€TTdpu)v  ßeßriKUiav  fxo^cdv  ti  dv  laTv  x^poiv  fiCTd- 
Uipov  dbiubijLiov,  so  glaube  ich,  weil  Luk.  niemals  das  zahlwort 
hinter  ein  mit  dem  artikel  verbundenes  Substantiv  gesetzt  hat  und 
zwar  hinter  ein  solches ,  das  paarweise  vorhandene  kOrperteile  be^ 
zeichnet  (vgl.  progr.  Bartenst«in  1889  s.  18),  zumal  auch  die  vorder- 
füsze  hier  mit  den  bänden  verglichen  werden  —  dasz  buciv  durch 
interpolation  in  den  text  gekommen  ist.  ich  glaube  aber  auch,  dasz 
die  form  bueiv  rücksichtlich  der  beispiele  mit  der  genitivform  buofv 
und  besonders  wegen  der  Verbindung  buoiv  TOiv  nur  den  ab- 
schreibem  zu  danken  ist,  so  dasz  uttö  bucTv  Totv  fieTicTOiv  Alex.  8 
nach  iK  ToTv  buoTv  KaXXiCTOiv  Prom.  ö,  ix  bueiv  in  V€Kp.  bidX.  16,4 
nach  in\  buoiv  Hermot.  44  und  buetv  b^ovrcc  kataplus  5  nach 
buoTv  Gdrepov  zu  verbessern  ist. 

Um  die  ansieht,  dasz  Luk.  nur  buoiv,  nicht  bu€lv  gebraucht 
habe,  zu  stützen,  empfiehlt  es  sich  einerseits  auf  Polybios,  ander- 
seits auf  Arrian  zu  verweisen,  bei  Polybios,  der  sich  zuerst  der 
KOivrj  bedient  hat,  steht  auszer  HI  22,  3  (TpidKOVT*  £t€CI  Xeiiroua 
buoTv)  und  90,  11  (buoiv  Gdrepov)  im  Vaticanus,  der  besten  hs., 
in  welcher  die  ersten  fünf  bücher  überliefert  sind ,  nur  bueiv.  mit 
recht  lassen  daher  Eälker  (quaest.  Polyb.  s.  332)  und  Bttttner- 
Wobst  (praef.  s.  LXXVni  und  jahrb.  1884  s.  115)  nach  dem  vor* 
gange  von  Hultsch,  unter  berücksichtigung  des  gebrauche  in  den 
gleichzeitigen  inschriften  und  gestützt  auf  das  Zeugnis  des  Suidas 
(unter  bueiv:  TToXußioc*  bueiv  irpoeX^cOm  OdTcpov)  nur  diese 

*<>  biä  Tdiv  b<)0  \x  Soloikistes  5.  irp6  bdo  ^toIv  Tf)c  T€X€UTf|c  in 
liQKpöß.  12.  vgl.  anm.  1  and  17.  *'  60o  öiraTiKdiv  fi^coc  in  ir.  6px*  88. 
vgl.  anm.  18. 


686 


E Hasse:  über  deo  dualis  bei  Lukianoa. 


form  boetv  ftlr  Poljbios  gelten:  vgl.  Scbenkls  jabresbericbt  bei 
Bursian-Müller  bd.  XXXVllI  (1884)  s.  235,  aber  bei  Arririn  findet 
siich  (auszer  5üo  fijiepüuv  ciTia  Änab.  III  21,  3)  büo  dvtpuJV  Ktti 
€V€vfiKovTa  tukt  tO,  1*  7.  dvbpil>v  bvo  Kai  TpidKOVxa  14,3»  Xöxujv 
büo  Ka\  ipictKOVia  10,  5.  tuiv  ^ijo  itttt^uiv  40,  2**  wie  bei  den 
Attikern  ftir  den  genitiv  nur  die  form  buoiv. 

Aüo  in  Verbindung  mit  einem  dual  im  nominativ  kommt  vor 
Alex.  23.  Leiipb.  2  W  ößoViü.  e€u>v  bidX,  20,  15  Tiaibc.  icTÖv 
hio  kqXuj,  Skythes  10  öiio.  ^CTOV  flfitv  övbp€  dpicTUJ  und  in  dem 
gedieht  Tragodopodagra  v,  212  buuü  Tuübe  qpüüTe  ToXjirjpu»  und  im 
accusativ  bparr.  33  tuj  biio  toutuj  bpaTTCTtcKor.  ßiuuv  TTpdcic  13 
TUJ  büo  TOÜTO*.    sonst  verbindet  sich  buo  mit  dem  pluraHs. 

3)  nomen. 

Während  von  nomina  nach  der  ersten  decl.  nur  der  dativ  bc- 
CTTÖTatv  in  bparr.  33  sich  ßudet,  kommen  a)  sub^tantiva  auf -otv  der 
zweiten  decl.  vor  als  gen.  6eoiv  in  ^tatp.  bldX.  7,  l.  dXieüc  33.** 
cavbdXoiv  Philops.  27;  bibacKdXoiv  in  veKp.  bidX.  15,  1.  ßpccpuX- 
Xioiv  Char.  4.  veotvoiv  Zeuxia  4  und  mit  buoiv:  tupdwoiv 
Alex.  8.  ößoXoiv  in  0€üjv  ^kkX.  12.  tt.  toO  l^X^KTpou  3  (dativ 
Herniot.  61).  KXf|poiv  Hermot.  44.  cxixoiv  Chan  4  —  b)  adjectivm 
KaXXiCTOiv,  dpicTOiv  Prom,5.  jueTiCTOiv  Alex.  8.  xp^CoTv  Philops.  27, 
ceßacjLtioiv  in  Ipiüiec  19  —  c)  partieipia  dmXXuijuevoiV;  liaxoMtvoiv 
in  fpujTec  5. 

Äuszer  den  btdden  porticipien  ÖVTOIV  Philops.  27.  Ttpdc 
ditaib.  17.  XeT<5vT0iv  in  fpaixec  5  stehen  hauptwörter  auf  *oiV 
nach  der  dritten  decU:  dvdKOiV  Symp«  9.  x^po^V  in  ^vuitviov  6.  13, 
V€Kp.  bidX.  3,  2.  27,  2.  kataplus  15.  ek.  9.  uirtp  tu»v  cIkövojv  9. 
bic  KaT7]T-  -.  Änach.  27.  ^uiac  l-fK.  3.  Demonax  11.  [tt*  toO 
oiKOU  31.  Philopatr.  6.  11.]  Tragodop.  73.  211.  TToboiv  in  Kpov*  19. 
Nigr.  34.  Tox.  60.  blc  KainT- 3^-  Philops.  20.  draip.  bidX.  14,  3. 
CKeXoiv  Tim.  26.  blc  Kanrf.  9-  Anach.  I.  n.  T.  ini  mcöuj  cuvöv* 
Tujv  24.  ttXoiov  2*'  und  mit  buoiv:  dvbpoiv,  tiaOoiv  in  fpujTic  5* 
dvoiidtotv  ebd,  19,*'^ 

Während  von  nomina  auf  -a  nur  der  accasativ  T^XVCt  in  dXieuc 


^  f^egeo  Köchly,  der  io  den  drei  Züricher  uniy.prog'ramnieu  vöo 
1861  bis  1858  Me  libd«  iacticis  qui  Arritiüi  et  Avliwn  ftruniur*  Auf 
grund  gewisier  ähnlich keiien  nach  inhalt^  ADor<lnung  und  daratetlun^ 
in  diesen  beiden  «chrtften  nachzuweisen  versnclife,  dasz  die  dem  .Vrn«n 
sngesch riebe ne  taktik  vielmehr  dem  AUUnos  gehöre,  haben  Hercher, 
RFörster  (Hermes  XII  s.  426  ff.),  ABöhner  («oU  sem.  pbiloL  ErUoip. 
11  a.  1^6  f.)  nnd  üEOrnndtnanQ  (quid  in  elocutionc  Ärriani  Herodoto 
debeHiur,  1884),  letzterer  nameutlich  auf  grund  der  tibereiustimmang 
der  dprache  in  der  rixyr}  TOKTiicn  mit  den  andern  schriften  Arrianc, 
den  beweis  tretnhrt,  dasx  es  mit  der  am  Schlüsse  dienes  baches  stehen» 
den  Unterschrift  ^AppiavoO  t^x^ti  TaxTUC^j  seine  nehtigkeit  hat.  ■'  sn 
Tolv  AiocKOÜpoiv  Charid.  3  s  anm.  3.  •*  «n  ^v  Toiv  ü&toiv  in  ir.  TOO 
otKOU  7  i*  «lioi.  6.       *>  lu  irpö  öOo  (?)  Itoiv  in  den  jjLaKpößiot  ».  anm,  17. 


EHasse:  über  den  dualis  bei  Lukianos.  687 

20**  sich  findet,  kommen  a)  substantiva  auf  -uj  vor  als  voc.  iS  Aioc- 
KÖpu)  in  dX€KTp.  20.  diaip.  bidX.  14,  4,  als  acc.  öcpGaX^iU)  in  bic 
KttTTiT.  31.  Ikarom.  14.  Philops.  16.  fpujT€C  29.  [tt.  toO  otKOU  2]; 
ßiu)  in  ßiu)V  irpäcic  13.  Traibiuj  Zeax.3.  OepaTraivibiuj  in  dXieuc  17. 
'lTTiTOK€VTaupuj  Zeux.  3.  bpaTT€TicKUJ  in  bpaiT.  33,  als  nom.  6€iu> 
in  TT.  Toö  ^TTUTTvicu  7  [^Tttipu)  in  tt.  tou  oiKOu  23]  und  bu*  ößoXiö 
Alex.  23.  Lexiph.  2  —  h)  adjectiva  dpiCTU)  Skythes  10.  ^övu) 
Herme t.  9.  KaXii)  in  Geujv  bidX.  20,  15.  djacOdXu)  Char.  3.  ö^io- 
Tijiuj,  xciXkuj  in  Zeiic  Tpay.  12.  [d0Xiu)  in  tt.  toö  oIkou  31.]  ToXjiriP^ 
Tragod.  212  und  als  acc.  bibu^iuj  vnTTiU)  Zeux.  3.  dpiCTU),  coqpu)- 
Tdiiu  in  ßiu)v  irpäcic  13.  euvoiKOidju)  (Pritzsche  verm.  olKeioidTiu) 
in  dXieiic  17  —  c)  participia  fCvricojLi^vuj  in  9€UJV  bidX.  20,15  und 
npm.  dTTaTOjLieviu  Skythes  9. 

Neben  den  beiden  participien  im  acc.  dvT€  in  dXieuc  17  und 
TTapabo9€VT€  in  bpaTT.  33  —  die  nominative  TrapcXGövTe,  XaGövTC, 
T€XdiVT€ ,  öpujVTe,  elböie  finden  sich  in  der  schrift  tt.  toO  oikou  23 
und  31  —  stehen  substantiva  auf  €  als  acc:  X^^P^  Prom.  1.  dX.  kl. 
I  18.  Nigrinos  19.  Tim.  35.  ttXoiov  30.  tt.  toO  dvuTTViou  6.  14. 
Tox.  26.  TTÖbe  in  V€Kp.  bidX.  27,  5.  tt.  Guciaiv  6.  kataplus  3.  4. 
bpttTT.  33.  Geujv  bidX.  7,  3.  tt.  tOüv  ^tti  jliicGuj  cuv.  13.  [kuviköc  4]; 
flT€jiöv€  in  Geoiv  bidX.  20,  15  [TTaibe  in  tt.  toO  oikou  31],  aber  als 
nom.  TTaibeinZeucTpaT.  12.  9€UJV  bidX.  20, 15.  fivbpe  Skythes  10. 
[tt.  TTapaciTOU  45].    qpujie  Tragod.  212. 

4)  verbum. 
Auszer  den  beiden  imperativen  KardßriTOV  in  ßiu)V  irpficic  13 
und  £TT€c8ov  in  dXieuc  17  finden  ^ch  nur  indicativische  dualformen 
in  der  dritten  person:  a)  vom  präsens  dCTÖv  in  GeoJV  bldX.  20,  15. 
dXieuc  20.  Skythes  10.  11.  Zeuc  Tpay.  13.  ßn^.  bib.  6.  ä^eiov 
ebd.  6.  f^K€T0V  Skythes  9.  ^Tivueiov  Tragod.  84.  eöboKijueiTOV  in 
TT.  ToO  ^vuTTViou  7.  [KttGficGov  in  TT.  ToO  OIKOU  31]  —  5)  vom  imper- 
fectum  fjcTTiv  Char.  3.  KttTUJjivuTnv,  i(ppallv!\v  Tragod.  213.  bi€- 
Xct^cGtiv  in  Zeiic  Tpay.  4  ~  c)  vom  aorist  ^TicdiTiv  Char.  3  [^Tpct- 
^idiriv  in  tt.  toö  oikou  23].   cuv€T€V^c6tiv  in  bpaTi.  8. 

Resultat:  vom  femininischen  artikel  heiszt  der  accusativ  TU), 
der  genitiv  tqTv  und  ToTv,  der  dativ  TQIV. 

Der  artikel  steht  immer  bei  den  begriffen  der  natürlichen  ge- 
paartheit:  tuj  X€ip€,  TUJ  TTÖbe,  TUJ  6980X^0),  ToTv  X^poTv,  TOIV 
TTOboTv,   TOIV   CKCXoTv,   TOIV   CttVbdXoiV  •   TOTv  dvdKOlV,   TttlV  0601V, 

ToTv  Geoiv.  nur  in  dem  pseudoluk.  Philopatriö  c.  11  liest  man  ^k 
TToboiv  Kai  x^poiv  und  in  den  gedichten  Tragodopodagra  v.  73  vo- 
mxJVTec  xcpoTv  sowie  Okypus  v.  149  djiiqpoTv  TToboiv. 

Bei  Polybios  lauten  genitiv  und  dativ  von  buo,  wenn  diese 
nicht  unflectiert  bleiben,  bueiv,  buci.*^  bei  Arrian  heiszt  der  genitiv 

2"^  zu  nom.  TÜJ  v€av(a  in  TT.  TOÖ  otKOU  23  s.  anm.  6.      ^  vgl.  oben 
8.  16J  ff. 


688 


EHasae:   Qber  den  dualis  bei  Lakianos, 


1>U01V,  btim  dativ  macht  hieb,  wie  ABöbner  'de  Arriani  dtcendl 
genere'  0.  IT  bemerkt,  der  einflüsz  des  ionischen  insofern  geltend, 
ak  neben  Oen  regelmäÄzigeii  beispielen  buoiv  T€q)upaiv  Aoab.  III 7,  !• 
buoiv  KttKOiv  IV  9»  1.  KeKoupoiv  buoiv  VI  19,  :3.  cuv  buoiv  Xdt- 
Xaiv  Ukt,  41,  4  und  ^v  büo  Ttrix^ci  12,  6  die  beiden  ausdrücke  ^v 
bucxv  fmepaic  Anab.  UI  25,  6.  IV  3,  1  und  ttoci  bvci  takt.  12,  8 
Bich  finden,  bei  Ltikiiinoa  lauten  genitiv  und  dativ  vonbüo,  wenn 
diese  nicht  unüectiert  bleiben,  buoTv.  besonders  aber  musz  nach 
Alex.  8  tiTTO  buoiv  (Fritzsybe  und  Jaeobitz  bueiv)  Toiv  ^€TicTOlV 
TUpavvou|ievov  Tupdvvoiv  die  rege!  gelten:  Lukian  setzt  zu  artikel 
und  nomen  auf  -otv  nur  buoiv,  nicht  buelv.  bei  WSchraid  Attioia- 
mu8  I  ä.  226  ^iud  daher  die  formen  ^U€tv  und  biici  aus  der  reibe  der 
anomalien  zu  streichen. 

Zum  beweise,  dasz  das  gesetz  der  congruenz  auch  bei  &ubject, 
attribnt  und  prädicat  streng  durchgeführt  ist,  dienen  folgende  bei- 
spiele:  Toiv  cavbdXow  XP^coTv  övTOiv  Philops,  27.  buo  lOUTUt 
bpaTrcTiCKUJ  TiapaboöevTt  in  bpaTi.  33.  tuj  6€pa7TaivibiuJ  toOtuj 
cuvoiKOTditu  poi  övie  in  ctXieüc  17.  toOtu)  Trapabuucui  f|t€|i6v€. 
Tcvricojitvuj  in  öeujv  hxäh  20,  15.  tuj  rexva»  mici  T<ip  ^ctov  in 
äXicuc  20.   tcmbe.    ^ctöv  buo  KaXa»  in  OctLv  bidX.  20, 15.  tuj  dciui 

dlJqpOTCpuU.     €übOKl|i€lTOV    in   TT.  TOÖ  dvUTTVioU  7,     EKCIVUI.     IUI  ^€1- 

paKitw,  dxacSdXuj  rdp  iicxiiv,  biKOC  dTicdtiiv  Char.  3.  buo  tap 
kcTov,  a\  TTpöc  TTiv  ^r|TOpiKriv  dtCTOV  in  pT^TÖpujv  bib.  6,  wo 
Sommer brodt  mit  Cobet  richtig  £1  statt  a'i  wegen  des  folgenden 
äX€TOV  liest,  anders  ist  es  Tipöc  dTraib.  17  buoiV  Övxoiv,  &TT*  dv 
TIC  KXficaiTo:  denn  hier  ist  ärra  der  aceusativ  des  neutrums.  die 
Verletzung  der  congruenz  ist  ein  merkmal  der  unechtbeit  TT.  irapac. 
45  Tub  dvbpe.  napdciToi  f\cav  wie  ebd*  61  TTpoK€l^evuJV  d^(poTv* 
endlich  tritt  der  dual  des  verbuma  auch  zu  zwei  subjecten:  bporrr.  d 
€ö^oXTroc  Ktti  'Opcpeuc  cuv€Tcvec9Tiv.  Zcuc  Tpat-  4  Ti^oicXf|c  icai 
Aä^ic . .  bi€XeT€c8r|v.  Skythes  9  'Avdxapcic  Kai  T6£apic . .  iik€tov  . , 
€iiatoji€vuj.  ebd.  11  ^CTÖv,  ul6c  Kttl  Tiarnp.  Zeuc  TpaT*12  x<i^ku». 
djLi<poTEpuj  ^cTov  .  .  ö^oTtpu) .  .  TiQtbei  6  Atövucoc  Kai  'HpaKXv)c. 

Und  ao  können  wir  ab  das  ergebnis  unserer  Untersuchung  die 
behauptung  aufiytelleü:  Luktanos  gebraucht  den  dual  wie  die  Attiker. 
und  weil  er  als  '^einer  der  genialsten  Stilisten  aller  zeiten,  der  Aristo- 
phanes  des  zweiten  jb.  nach  Cb.%  wie  WScbmid  Atticismus  I  s.  431 
sagt,  die  spräche  Piatons,  Xenophons  und  der  attischen  komÖdie  zu 
einem  sprachcomplei  zusammenzufassen  im  stände  war,  so  kmnn 
Lukians  spräche  eben  auch  als  eine  stütze  und  bestätigung  deaaen 
dienen,  was  die  Attiker  gebrauchten  (vgl.  UScbmidt  'de  doali 
Oraecorum  et  emoriente  et  revivi^cente'  s.  49  ff.  und  EE&dse  *der 
dnalis  im  attischen'  s.  18.  60  C)» 

Barten 8TEIN  in  OsTFREuazEN.  Erhst  Harse. 


CKrauth:  verschollene  länder  des  altertums.  I.  689 

.75. 

VERSCHOLLENE  LÄNDER  DES  ALTERTUMS. 


I. 

Die  östgrenze  der  oikumene  und  der  Araxes. 

Verschollene  menschen  gibt  es,  die  in  der  heimat  ihr  glück 
nicht  fanden  und  in  der  fremde  verdorben  oder  gestorben  sind,  man 
vermeidet  es  die  angehörigen  nach  ihnen  zu  fragen,  um  keine  alten 
wunden  aufzureiszen.  aber  verschollene  länder?  welcher  geschicht- 
schreiber  oder  welcher  geograph  hätte  die  nachricht  verzeichnet: 
^diese  länder  sind  seither  nicht  mehr  aufzufinden  gewesen'?  haben 
wir  nicht  vielmehr  kartenwerke ,  die  es  sich  gerade  zur  aufgäbe  ge- 
macht haben  alle  Veränderungen  des  besitzstandes,  die  die  einzelnen 
länder  der  erde  im  laufe  der  letzten  zwei  Jahrtausende  erlitten  haben, 
mit  Sorgfalt  zu  verzeichnen  und  so  für  das  Verständnis  der  geschichte 
eine  unentbehrliche  beihilfe  zu  bieten?  und  doch  gibt  es  länder, 
Städte  und  dörfer  im  Orient,  von  deren  einstiger  grösze  und  geschicht- 
licher bedeutung  das  abendland  keine  ahnung  mehr  hat.  aber  hier 
gewährt  die  nachfrage  freude  auf  beiden  selten:  denn  ein  tragisches 
geschick  hat  über  jenen  Völkern  gewaltet,  sie  haben  sich  unter  dem 
druck  einer  oft  wechselnden  fremdherschaft  in  sage  und  lied  ein 
leises  erinnern  bewahrt  an  ihre  einstige  grosze  Vergangenheit,  wie 
unter  schnee  und  eis  das  moos  sich  frisch  und  grün  erhält,  aber 
diese  stimmen  wurden  meist  als  eitle  anmaszung  zurückgewiesen 
oder  überhört,  daher  wird  sich  auch  das  abendland  freuen  endlich 
eine  ehrenschuld  abzutragen  an  jene  so  lange  verkannten,  zumal  da 
es  sich  in  der  hauptsache  um  Indogermanen  handelt. 

Fragen  wir :  hat  etwa  ein  beleidigter  sänger  seinen  fluch  aus- 
gesprochen über  jene  länder,  dasz  sie  versunken  und  vergessen  sind, 
oder  haben  die  geschichtschreiber  und  geographen  des  altertums 
nicht  ihre  Schuldigkeit  gethan?  sie  thaten  was  in  ihren  kräften 
stand,  aber  freilich,  einen  mangel  hatten  sie:  sie  besaszen  noch  nicht 
die  hilfsmittel  richtige  erdkarten  zu  entwerfen,  die  uns  heute  zu  ge- 
böte stehen,  ja,  wenn  das  Perikleische  Athen  oder  Alexandreia  zur 
zeit  der  Ptolemaier  ein  kartographisches  Institut  in  unserm  sinne  ge- 
habt hätte,  dann  wäre  kein  fusz  breit  alte  weit  dem  wissen  des  abend- 
landes  verloren  gegangen,  wer  heute  die  atlanten  durchblättert,  die 
mit  immer  sich  überbietenden  reizen  ausgestattet  auf  dem  bücher- 
markt  erscheinen,  der  vergiszt  wohl ,  welchen  weiten  und  beschwer- 
lichen weg  von  den  Zeiten  des  altertums  bis  jetzt  die  kunst  der  erd- 
kartenzeichnung  hat  zurücklegen  müssen,  bis  es  uns  vergönnt  wurde 
die  länder  der  erde  mit  ihren  bergen  und  thälern.  Aussen  und  mensch- 
lichen siedelungen  und  die  Weltmeere  mit  ihren  tiefenverhältnissen 
so  anschaulich  und  nur  in  verkleinertem  maszstabe  wie  auf  das  papier 
gezaubert  vor  uns  zu  sehen,  und  doch  weisz  jeder,  der  nur  die  spanne 

Jahrbücher  für  class.  philol.  1893  hfl.  10.  44 


690  CErauth:  yerschollene  länder  des  altertama.  L 

eines  menschenalters  überblickt,  dasz  die  atlanten  der  frühem  Jahr- 
zehnte dürftig  und  mangelhaft  waren  im  vergleich  za  dem  heu- 
tigen Stande  dieser  Wissenschaft,  und  nun  gar  die  kartenwerke 
der  verflossenen  Jahrhunderte  bis  zurück  in  die  Zeiten  des  Klau- 
dios  Ptolemaios  oder  der  ionischen  gelehrten  der  vorchristlichen 
zeit!  welche  mängel  und  irrtümer  dürfen  wir  wohl  da  erwarten! 
in  der  that,  es  musz  für  den  menschlichen  geist  eine  schwere  auf- 
gäbe gewesen  sein  die  läge  und  raumverhältnisse  der  bewohnten 
erde  ein  erstes  mal  bildlich  darzustellen,  veräuche  es  nur  einmal 
ein  jeder,  auch  nur  ein  kärtchen  seiner  nächsten  Umgebung  frei- 
händig zu  zeichnen,  vergleiche  es  dann  mit  dem  mesztischblatt,  und 
er  wird  finden,  dasz  er  dem  fluäse,  an  dessen  ufern  er  täglich  spazieren 
gieng,  eine  etwas  andere  richtung  gegeben  hat  und  dasz  jenes  ge- 
birge  y  das  er  so  oft  bestiegen ,  von  ihm  falsch  gerichtet  worden  ist. 
die  fehler  werden  sich  mehren  ,  je  gröszer  das  gebiet  ist ,  das  einer 
auf  das  papier  zu  zeichnen  sich  vornimt.  und  dabei  sind  für  viele 
doch  die  fertigkeit  im  zeichnen  und  der  anblick  guter  karten  nicht 
zu  unterschätzende  hilfen.  und  die  alten  Griechen  sollten  fehler- 
freie erdkarten  gezeichnet  haben,  die  unsere  hilfsmittel  noch  nicht 
kannten? 

Es  hiesze  einen  schweren  irrtum  verewigen,  wollte  man  den 
aus  dem  altertum  uns  überlieferten  karten  eine  urkundliche  bedeu- 
tung  beimessen,  wenn  es  gilt  die  läge  der  einzelnen  länder  der  alten 
weit  zu  bestimmen  und  unter  unser  gradnetz  zu  bannen,  das  die  alten 
noch  nicht  in  dieser  Vollkommenheit  kannten,  ja  es  wird  endlich 
zeit,  dasz  das  abendland  aufhöre  Städten  und  ländern  des  Ostens  der 
alten  weit  eine  geschichtliche  Vergangenheit  zuzutrauen,  die  sie  nie 
gehabt  haben,  alle  geschichtsbücher  und  erdbeschreibungen  des 
altertums  sind  voll  rühmens  von  Indien,  Sogdiane,  Baktriane,  Hyr- 
kanien,  Parthien  und  dem  lande  der  Seren,  aber  die  erdkarten- 
zeichner  konnten  in  der  bildlichen  darstellung  dieser  länder  den  an- 
forderungen  nicht  genügen ,  die  wir  an  einen  kurtographen  stellen 
müssen,  so  ist  es  gekommen,  dasz  hier  das  be.*>chreibende  wort  und 
das  kart^nbild  vollständig  aus  einander  gefallen  sind,  um  diesen 
mangel  zu  verstehen ,  musz  ein  leser  der  alten  geographen  sich  in 
die  Seelen  anderer  versetzen,  die  in  mancher  hinsieht  weniger  wüsten 
als  unsere  zeit;  er  darf  nicht  befangen  sein  in  dem  wissen  der  gegen- 
wart  und  den  alten  schon  manche  kenntnis&e  zutrauen,  die  sie  noch 
nicht  haben  konnten;  er  musz  gewissermaszen  die  gegenwärtigen 
Vorstellungen  von  den  ländern  der  erde  zu  hause  lassen,  beispiels- 
weise darf  man  nicht,  sobald  der  name  Indien  bei  einem  alten  Schrift- 
steller begegnet,  gleich  an  Vorderindien  denken  oder,  wie  Arrianos 
es  that,  unter  dem  indischen  Kaukasot»  einen  andern  als  den  be- 
kannten Kuukasos  verstehen  wollen,  blosz  weil  seiner  zeit,  dem 
zweiten  jh.  nach  Ch. ,  der  zusatz  'indisch'  unverständlich  gewor- 
den war.  man  musz  mit  jenen  Schreibern  denken  können,  denen 
noch  alles  neu  war,  was  jenseits  der  heimatlichen  Stadtmauer  lag, 


CErauth:  yerschollene  länder  des  altertums.  I.       *       691 

und  die  noch  mit  kindlicbem  äuge  in  die  weit  mit  ihren  tausend 
wundern  blickten. 

Die  grenzlinie  bis  zu  welcher  bei  den  alten  das  kartenbild  sich 
mit  der  geschichtlichen  Wirklichkeit  leidlich  deckte  —  eine  voll- 
ständige tlbereinstimmung  wird  eigentlich  nirgends  erreicht  —  und 
wo  der  irrtum  anföngt  für  die  Wissenschaft  geföhrlich  zu  werden, 
läszt  sich  ziehen  schräg  von  der  mündung  des  Dnjepr  nach  der  nord- 
ostspitze des  persischen  meerbusens.  über  alles  land,  das  jenseits  Olbia 
zu  Europa  und  jenseits  Trapezunt  und  des  kurdistanischen  grenz- 
gebirges  von  Iran  zu  Asien  gerechnet  wurde,  sind  die  alten  nicht  zu 
voller  klarheit  gekommen,  was  sie  versäumt  haben  musz  heute  die 
altertumswissenschaft  nachholen,  die  geographische  läge  jener  länder 
der  aufgehenden  sonne,  Skythien,  Altindien ;  Sogdiane,  Baktrien, 
Hjrkanien,  Parthien  und  des  Serenlandes  zu  bestimmen  und  zu  er- 
forschen ,  wie  es  kam ,  dasz  sie  in  verschollenheit  gerieten  und  bis 
heute  in  unsern  geschichtsatlanten  an  falscher  stelle  verzeichnet 
wurden,  das  ist  wohl  der  mühe  wert,  zur  erreichung  dieses  zieles 
müssen  die  anfange  der  erdkunde  zurückverfolgt  werden  in  jene  zeit, 
wo  diese  Wissenschaft  noch  in  der  pflege  der  dichtkunst  stand,  bis 
sie  dann  die  unzertrennliche  begleiterin  der  geschichte  wurde. 

Ein  unübersehbarer  Untersuchungsstoff  liegt  vor  uns  in  den 
Schriftwerken  aller  Völker,  die  während  der  letzten  Jahrtausende  in 
jenen  ländern  entweder  selbst  gewohnt  oder  durch  kriegsztige  oder 
wissenschaftliche  interessen  mit  ihnen  in  berührung  gekommen  sind, 
und  wenn  einer  alle  sprachen  wüste,  in  denen  diese  werke  geschrie- 
ben sind ,  sein  leben  würde  nicht  ausreichen  den  gewaltigen  stoff 
zu  bemeistern.  die  arbeit  des  einzelnen  wird  hier  sich  immer  in  den 
engern  grenzen  halten  müssen,  die  jedem  menschlichen  können  ge- 
zogen sind,  gelingen  kann  das  ganze  nur,  wenn  kundige  Vertreter 
aller  zweige  der  altertumswissenschaft  an  diesem  werke  mit  helfen, 
nicht  um  ein  Pompeji ,  nicht  um  ein  zweifelhaftes  Ilion  winkt  hier 
die  palme  dem  forscher,  es  gilt  an  räumlicher  ausdehnung  ein  an- 
sehnliches stück ,  an  culturgeschichtlicher  bedeutung  vielleicht  die 
hälfte  der  alten  weit  wiederzuerwecken  aus  zweitausendjährigem 
schlaf,  in  dem  sie  wie  Dornröschen  verzaubert  lag,  umgeben  von 
der  dornenhecke  einer  verworrenen  Überlieferung,  goldene  schätze 
des  Wissens  sind  hier  zu  heben,  die  nun  nicht  länger  von  den  hjper- 
boreischen  greifen  bewacht  werden. ' 

Da  die  in  frage  kommenden  gebiete  nicht  blosz  in  der  neuzeit, 
sondern  auch   im  altertum  die  zeugen  gewaltiger  politischer  um- 

^  möchten  die  gelehrten  bald  mittel  und  wege  finden,  die  in  den 
wiederaufgefundenen  ländern  des  classischen  altertums  noch  vorhandenen 
baudenkmiller  aus  alten  zeitcn  zu  untersuchen  und  die  sprachen  jener 
zahlreichen  völkertrümmer  der  altertumswissenschaft  dienstbar  zu  machen, 
ehe  es  zu  spät  ist,  ehe  die  alles  einebnende  cnltur  der  gegenwart  den 
Zauber  der  ursprünglichkcit  von  diesen  menschen  abgestreift  und  auch 
die  letzten  spuren  der  alten  hcrlirhkeiten  dieser  länder  wie  mit  einer 
gleichmachenden  tünche  überzogen  hati 

44* 


692 


CKrauth:  verBchoUene  länder  des  altertoms.  l. 


wälzungen  waren ,  ist  es  notweDdig,  dasz  der  teser  jedesmal  eia 
neues  bild  von  ihnen  gewinnt^  so  oft  ^ie  einer  gr6szem  i^taatlicben 
omwähang  unterworfen  waren,  der  reicbtum  der  geschichtlichen 
und  geographi:äcfaeQ  quellen  steht  mit  der  bochflut  politischer  ereig* 
njsse  immer  in  einem  ursächlichen  zusammenbang,  wir  werden  da* 
her  zunächst  das  Verhältnis  jener  länder  zum  alten  Perserreiche,  dann 
zu  Alexander  dem  groszen  und  schlieszlicb  zum  Bömerreiche  ins  äuge 
fassen,  eine  spätere  öorge  wird  es  sein,  da3  Schicksal  derselben  auch 
darch  die  litteraiur  des  mittelalters  hindurch  bis  in  die  neuzeit  KU 
yerfolgen.  für  heute  wollen  wir  nns  begnügen,  alä  grundlage  aller 
weitern  forscbang  die  ostgrenze  der  den  alt«n  Griechen  bekannten 
weit  festzustellen  und  die  Araxesfrage  zu  beantworten* 

Die  heldentbaten  der  zahlreichen  griecbiscben  stammberoen  sind 
in  einschal  tun  gen  bei  Homer  und  den  dichtem  der  nacbhomeriacbeii 
zeit  besungen«  aber  schon  Horatius  wüste,  dasz  es  Tor  Homeros 
dichter  gab^  die  ihre  stammessagen  an  die  personen  heldenhafter 
Stammfürsten  und  ihrer  nachkommen  anknüpften,  solche  gene 
logien  enthalten  nicht  selten  spuren  einer  Urgeschichte  des  landQ 
von  der  auch  der  geograpb  etwas  lernen  kann,  die  einzelnen  gliede 
solcher  heroenreihen  fassen  wir  nicht  als  pers5nlichkeiten  auf«  die 
den  beschränkten  Zeitraum  eines  menschenalt ers  erfüllten,  sondern 
als  träger  ganzer  culturperioden ,  deren  ausdebnung  wir  nicht  mebr 
ermessen  können,  an  der  spitze  der  Stammbäume  steht  meist  ein 
gottf  weil  bei  dem  erobernden  vordringen  der  alten  volksstämme  der 
cultus  der  angestammten  landesgötter  nach  der  neuen  beimat  ver- 
pflanzt wurde,  oft  wurde  sogar  das  alte  götterbild  mitgenommen, 
bekannt  ist  ja  das  beispiel  des  Aineias,  der  aus  dem  brande  TroJM 
die  alten  bausgötter  nach  Italien  trug,  so  erklärt  sich  das  mytho- 
logische element  in  diesen  alten  stammsagen.  eine  genealogische 
reibe  von  ausgesprochen  ganz  verschiedenen  bestand  teilen  läszt  sich 
so  erklären,  dasz  die  einzelnen  culturträger  aus  6iner  und  dersolben 
weltgegeod  herstammen,  das  ist  allem  anscbein  nach  der  fall  bei 
den  gliedern  des  argeii^chen  Stammbaumes,  an  dessen  spitze  der 
Okeanos  steht;  seine  nachkommen  sind  in  gerader  linie  Inachos,  lo, 
£paphoB,  Libya.  Belos,  Danaos  und  Aigyptos.  vom  fernen  oki^anos 
also  kam  ein  volk  unter  fUhmng  des  Ägypters  Inachos  nach  Argos, 
er  ist,  wie  auch  sein  name  verrät»  der  Noah  der  argeiiscben  sage, 
der  nach  der  Deu kaiionischen  flut  zuerst  von  den  bergen  in  die 
ebene  hinabstieg,  sie  zu  bebauen,  er  brachte  den  ägyptischen 
mondcuUus  mit,  daher  hieszen  später  die  Arkader,  welche  die  var- 
ägyptische  grundscbicht  der  bevölkerung  der  Peloponnesos  ane- 
machten,  die  'vor  dem  monde  dagewesenen'  (ApoUonioe  Argon.  IT 
263  f.),  Griechenland  und  besonders  die  Peloponneson  war  der 
haltepunkt  der  ägypti sehen  cultur  und  ge wisse rmaazen  der  schritt- 
stein  bei  ihrem  vordringen  nach  dem  Nillande,  das  wir  Ägypten  zu 
nennen  gewohnt  sind«  die  drei  namen  lo,  Fpapbos  und  Libya  spre« 
eben  das  aus,    die  yerwandtscbaftlichen  beziebuugen,  in  die  lo,  di^ 


CErauth:  verschollene  l&nder  des  altertumB.  I.  693 

sonst  die  tochter  des  Inachos  heiszt,  auch  zu  Prometheus  gesetzt 
wird,  und  ihre  Wanderung  vom  Eaukasos  nach  dem  Nillande  Iftszt 
es  auszer  zweifei,  dasz  wir  auch  des  Inachos  heimat  am  Kaukasos  zu 
suchen  haben,  denn  Prometheus  ist  unstreitig  ein  kaukasischer  held : 
das  beweist  schon  die  örtlichkeit  der  Aischylischen  tragödie.  der 
chor  der  Okeaninen,  der  dem  an  den  Eaukasos  gefesselten  manne 
tröstend  erscheint,  entstammt  dem  Easpisee,  den  dieses  Zeitalter  fttr 
den  äuszem  östlichen  okeanos  hielt.'  der  trftger  der  dritten  cultur- 
periode,  Belos,  der  söhn  der  Libya,  stammt  nach  unserer  meinung 
nicht  vom  Nillande  oder  Phönikien  her ,  sondern  weil  er  in  einer 
genealogischen  reihe  steht,  die  auf  den  Easpi- okeanos  ihren  Ur- 
sprung zurückführt,  leiten  wir  auch  seine  berkunft  von  Eaukasien 
ab.  sein  name  verr&t  ein  volk  semitischer  rasse ,  als  dessen  reprft- 
sentant  sonst  der  Phöniker  Eadmos  genannt  wird,  er  soll  höherer 
Weisung  nach  einer  kuh  folgen  und  sich  da  niederlassen,  wo  sie  sich 
lagern  würde,  unter  der  kuh  sind  die  ägyptischen  bewohner  Oriechen- 
lands  gemeint,  die  Verehrer  des  gehörnten  mondes.  und  so  trägt 
seine  stadtgründung  den  echt  ägyptischen  namen  Thebai  im  lande 
der  kuh ,  Boiotia.  die  Vertreter  einer  vierten  oulturperiode  sind  die 
feindlichen  brUder  Danaos  und  Aigyptos.  beide  führen  ihren  ge- 
meinsamen Ursprung  auf  Okeanos  zurück,  folglich  haben  wir  auch 
ihre  ursitze  in  Eaukasien  zu  suchen,  der  phönikischen  epoche  ge- 
hört, so  scheint  es,  die  heldengestalt  des  Herakles  an,  dessen  thaten 
ein  abbild  geben  von  dem  wirken  des  Sonnengottes  vom  Eaukasos 
bis  zu  den  Pyrenäen,  der  jüngsten  ägyptischen  Völkerwanderung 
gehört  dagegen  an  die  ausbreitung  des  Dionysoscultes.  Herakles 
sowohl  wie  Dionysos  sollen  nach  der  spätem  sage  im  boiotischen 
Theben  geboren  sein,  aber  es  scheint  doch  naturgemäsz,  den  Ur- 
sprung dieser  culte  schon  in  der  Urheimat  der  Völker  selbst  zu  suchen, 
dort  am  Eaukasos  und  am  Easpi-okeanos,  bis  zu  dessen  westlichem  ge- 
stade  der  Überlieferung  nach  Herakles  und  Dionysos  ihren  Wirkungs- 
kreis erstreckten  (Dionysios  perieg.  1161  f.  Arrian  anab.  Y  26,  5). 
man  begegnet  zuweilen  der  ansieht,  als  wenn  mit  dem  Alexander- 
zuge nach  dem  Orient  sich  auch  der  horizont  der  Herakles-  und 
Dionysos-sagen  bis  dahin  willkürlich  erweitert  habe,  das  ist  nicht 
richtig ;  die  kämpfe  des  streitbaren  Dionysos  gegen  die  Inder  am 
Eaukasos  bildeten  schon  den  stofP  der  ältesten  griechbchen  tragödien.* 
und  wie  Herodotos  berichtet,  spielt  Herakles  schon  in  der  skythi- 
schen  stammsage  eine  hauptrolle.  bei  dem  vordringen  des  Hellenis- 

*  an  den  südlichen  oder  indischen  okeanos  ist  hier  nicht  sa  denken, 
weil  die  sichere  bekanntschaft  mit  demselben  durch  die  bis  in  das 
Herodotische  Zeitalter  (etwa  600  vor  Ch.)  hineinragende  einrechnong 
Libyens  zu  Asien  als  einem  erdteile  ffir^'ene  ältesten  selten  aosge- 
scblossen  erscheint.  '  Baku  bewahrt  noch  heute  den  namen  des  wein- 
gottes;  es  ist  ein  genitiv,  übrig  geblieben  von  der  (griechischen)  be- 
zeicbnung  des  durch  seinen  indischen  feuercult  noch  heute  berühmten 
ortes  als  'fusztapfe  des  Bakchos'  oder  ^seulen  des  Bakchos'  (Dionysios 
perieg.  1153  f.  1161—66). 


694 


CKrauth :  YeracbolkDe  länder  des  aliertume.  L 


mu6  nach  Osten  wurden  daher  nur  alte  erinnemngen  wieder  auf* 
gefrischt. 

Aber  noch  andere  erwägungen  bestiminen  uns  die  wurzeln  der 
ägyptischen  culttir  am  Eaukasos  zu  suchen  und  als  ostgrenze  dieser 
weit  der  {iltesten  sagen  die  Westküste  desKaspi-okeanos  anzunehmen. 

Die  ältesten,  von  den  griechischen  stammfürsten  unternommenen 
bef^rfabrten,  von  denen  uns  die  Homerischen  dichter  melden,  die  Ar- 
gon au  tenfahrt,  der  zug  der  Sieben  und  ihrer  nachkommen  geg^li 
Theben,  der  heereszug  gegen  Ilion,  zeigen  uns  diese  forsten  einem 
fQhrer  im  wesentlichen  gehorchend,  den  vorübergehenden  lorn  des 
AchiUeus  abgerechnet,  diese  einmUtigkeit  kommt  zwar  unserm  Zeit- 
alter der  bundesstaaten  und  Staatenbünde  natürlich  vor»  aber  &ie 
hatte  weder  zur  zeit  der  auädichtung  der  uns  vorliegenden  Homeri- 
schen gesünge  noch  nachher  in  Hellas  irgend  ein  vorbild.  da  war 
vielmehr  jedes  band  wider  den  nächsten,  und  erst  unser  Jahrhundert 
hat  diese  einigung  Griechenlands  unter  feinem  scept^r  erlebt,  es  hat 
daher  den  anschein ,  als  ob  der  kern  der  Ilias  sich  auf  einen  vor- 
geschichtlichen Staat  der  argeiischen  Danaer  bezieht,  wo  die  ver* 
bällnisse  des  Wohnraumes  viel  einfacher  lagen  als  in  dem  von  ge- 
birgen  vielgeteilten  Griechenland,  und  wo  die  zusammenfa^ssung  der 
macht  durch  ^ioen  heerkönig  viel  leichter  möglich  war.  nur  »o  er* 
klären  sich  auch  gewisse  Vorstellungen  von  der  weit  und  von  den 
menschen  in  diesen  dichtungen^  die  eigentlich  mit  der  neuen  heimat, 
auf  welche  die  tbaten  einer  grauen  vorzeit  mit  übertragen  worden, 
nicht  mehr  vereinbar  waren,  schon  die  zusammen fügung  des  groszen 
epos  aus  verschiedenen  einzelliedern  bringt  es  mit  sich,  dasz  man 
nicht  von  vorn  herein  ein  einheitliches  und  fest  umschlossenes  bild 
von  der  Homeriscben  oikumene  erwarten  darf,  uralte  vorsteUungea 
von  der  weit  werden  neben  jungen  zu  finden  sein. 

Eine  reibe  von  stellen  gibt  es,  die  einen  ziemlich  engen  g^ 
sicbtskreis  des  oder  der  Verfasser  verraten,  dabin  gehört  vor  alldm 
die  vorstellong  von  dem  aufgehen  der  gestime  in  einem  östlicheii 
okeanos  und  ihr  Untergang  in  einem  westlichen.    IL  €  6  f. 

Ibnlich  dem  gJantgeütirne  der  berbatnfteht,  welches  am  meisten 
klar  den  hiEniuel  durchatrahU,  in  Okeannii  Outen  gebadet. 

ebd.  H  421  ff. 

HpUo8  Hber  höacUieu  mit  erneuetem  »trahl  die  grelilde, 
aus  sHnftwallender  tlut  des  tiefen  Okeauoastrom«» 
steigend  am  himmel  empor. 

ebd.  C  239  ff. 

HeNoa,  rastlos  im  Intif,  entäaitdi  von  der  herscherin  Here, 
kehrcte  jetzt  unwillig  hinnb  zu  Qk^anos  fluten. 
nieder  tauchte  die  8oiin\tund  das  beer  der  edlen  AchaJer 
rulite  vom  schrecklicben  kämpf  und  allverderbenden  kricpe. 

dem  Homeros  hierbei  die  kenntnia  des  ätillen  oceatia  zuzutratieii 
ist  niemand  berechtigt,  aber  auch  nur  unter  dem  andern  okcADOS 
ohne  weiteres  den  atlantic^cben  zu  verliehen  scheint  gewagt,  wenn 


CKrauth :  verschollene  länder  des  altertums.  I.  695 

man  bedenkt,  wie  .viele  erf&hrungsschlüsse  erst  gezogen  werden 
musten,  ehe  beispielsweise  der  kleinasiatische  Hellene  seine  teuschung 
einsah,  dasz  die  sonne  nicht  im  aigaiischen  meere  untergehe,  und 
der  bewohner  Griechenlands ,  dasz  sie  nicht  im  adriatischen ,  nicht 
im  tyrrenischen  meere,  sondern  jenseits  der  strasze  von  Gibraltar 
in  dem  undurchmessenen  atlantischen  ocean  untergehe,  dahin  ge- 
hört die  ansetzung  des  ewig  in  dunkel  gehtlllten  Eimmerierlandes 
jenseits  des  Sonnenunterganges  im  okeanos  Od.  X  12  fp. 

nieder  tauchte  die  sonn*,  und  schattiger  wurden  die  pfade; 
jetzo  erreicht  war  das  ende 'des  tiefen  Okeanos>tromes. 
allda  liegt  das  land  des  kimmerischen  männergebietes, 
ganz  von  nebel  umwölkt  und  finsternis;  nimmer  auf  Jen*  auch 
schauet  Helios  her  mit  leuchtenden  Sonnenstrahlen; 

dahin  Od.  o)  11  ff.  die  erwähnung  des  felsen  Leukas  als  aufenthaltes 
des  seligen  Achilleus  und  anderer  beiden  ebenfalls  im  fernen  westen. 
es  verrät  sich  hier  deutliph  ein  dichter  vom  ostgestade  des  schwarzen 
meeres.  hier  sah  man  täglich  die  sonne  im  meere  untergehen,  wie 
konnte  sie  da  noch  dem  fernen  Thrakien  leuchten  ?  denn  Kimmerier 
saszen  vor  den  Skythen  an  der  ganzen  nordktlste  des  schwarzen 
meeres  und  auch  in  Thrakien,  nach  einer  später  allgemeinen  an- 
nähme galt  die  Insel  Leuke,  der  Donaumündung  gegenüber,  für  das 
Elysion  des  Achilleus,  sie  wird  also  auch  unter  dem  Homerischen 
Leukas  zu  verstehen  sein,  das  schwarze  meer  ist  also  diesem  kauka- 
sischen dichter  noch  der  westliche  okeanos.  auch  die  benennung 
einer  schmalen  landzunge  der  skjthischen  küste  unweit  der  mündung 
des  Dnjepr  mit  'rennbabn  des  Achilleus'  sowie  die  Versetzung  der 
Iphigeneia  nach  Tauricn  klingen  wie  erinnerungen  aus  uralten  Zeiten, 
ferner  sind  die  Schrecknisse  der  meerfahrt,  die  Homer  gern  schil- 
dert, recht  eigentlich  auf  dem  schwarzen  meere  zu  hause,  der  öst- 
liche okeanos  dagegen  musz  das  nächste  meer  hinter  dem  kaukasi- 
schen isthmos  sein,  das  wir  das  kaspische  nennen,  aus  ihm  steigen 
dem  bewohner  des  Kaukasos  die  gestime  auf.  der  dichjier  bezeichnet 
den  Kaspi  noch  nicht  mit  einem  besondern  namen,  sondern  nennt 
ihn  schlechthin  okeanos,  Weltmeer,  weil  man  seinen  Charakter  als 
binnensee  noch  nicht  kannte,  man  wüste  nur,  dasz  jenseits  des 
kaukasischen  gebirgsrückens  das  meer  brande  an  einer  nach  nord- 
west  und  Südost  verlaufenden,  in  ihrer  ausdehnung  noch  unerforschten 
küste.    wenigstens  scheint  es  gewagt  aus  einer  einzigen  steile  Od.  f  1 

Helios  strebte  nunmehr,  aus  dem  herlichen  teiche  sich  hebend, 
auf  zum  ehernen  himmel 

den  schlusz  zu  ziehen,  dasz  diesem  dichter  die  geschlossenheit  des 

Kaspi  schon  bekannt  gewesen  wäre. 

Zu  den  erinnerungen  eines  kaukasischen  dichters  scheint  auch 

zu  gehören  die  scbeidung  der  menschen  in  östliche  und  westliche, 

Od.  e  28 

dieser  frerodling,  ich  weisz  nicht  wer,  kam  irrend  ins  haus  mir, 
sei's  von  des  niedergangs  und  sei's  von  den  Völkern  des  aofgangs. 


696  CKraatli:  TencboUene  länder  des  altertums.  L 

desgleicbeu  die  teilting  der  Aithiopen  in  Östliche  und  weetHche 
Od.  a  22 

lern  war  dieser  nunmehr  zu  den  Aitbiopen  (gewandelt: 
AiihiopeD»  die  zwiefach  geteilt  sind»  äuszerste  menacbeD, 
diese  zum  untergange  des  Helios,  jene  zum  autgaiig. 

namentlich  die  erste  heobachtung  scheint  da  entstanden  zu  sein,  wo 
das  land  eine  vorwiegend  nord südliche  erstreck ung  hat  und  in  leicht 
zu  übersehender  weise  begrenzt  ist  vom  meere  im  osten  und  westen. 
das  iät  der  fall  auf  der  kaukasischen  landenge ,  auf  deren  nord-  und 
Südseite  die  iuszlllufe  eine  Scheidung«  der  menschen  —  im  süden 
wohnten  dunkel  häutige  Aithiopen  —  in  östliche  und  westliche  vor- 
schrieben. 

Ea  liegt  nicht  in  der  absieht  des  diehters,  uns  über  die  ur- 
sprOngUche  herkunft  der  Danaer  aufzuklären;  das  alte  sagengut  des 
Volkes  ist  längst  mit  den  neuen  Wohnsitzen  in  Hellas  und  Klein- 
asien in  einklang  gebracht,  auch  über  daa  .Verhältnis  der  Danaer  eu 
den  Ägyptern  kann  oder  will  uns  Homer  keinen  reinen  wein  ein- 
schenken, wir  sind  daher  auf  eine  Verknüpfung  Homerischer  und 
Herodotischer  Überlieferung  angewiesen,  es  ist  bekannt,  mit  wel- 
cher Vorliebe  die  Homerischen  götter  sich  bei  den  Aithiopen  auf* 
halten,    so  heiszt  es  IL  A  423  f. 

Zeus  gieng  gern  zum  mahl   aar  qua  traf)  ichen  Aithiopen 

an  des  Okeanos  flut,  und  die  himmliscben  folgten  ihm  alle. 

und  V  205  £ 

nötiget  nicht|  denn  ich  eile  zurück  an  Okeanoa  flnlen, 
dortf  wo  die  Aithiopen  den  ewiiren  jetzt  hekatomben 
festlich  weihe I  dasx  ich  selber  des  opfennahls  mich  erfreue! 

und  Od.  a  22  ff. 

fem  war  dieser  (Po5t»ition)  nuumehr  zu  den  Aithiopen  gewandelt; 
Aithiopen,  die  zwiefach  geteilt  sind,  fluäzerste  menschen, 
diese  zum  untergange  des  Helios,  jene  sum  aiifgang; 
dort  der  festhekatombe  der  stier'  und  widder  «u  nahean. 

hieraus  ergibt  sieb,  daas  die  götter  Homers  eigentlich  götter  der 
Aithiopen  sind,  die  von  den  Danaern  zwar  angenommen  waren,  aber 
sich  bei  den  Aithiopen  doch  noch  beimiscber  fühlten,  nun  erzählt 
uns  Herodotoa  II  60—  68  alles  ernste«  nach  mitteilungen  der  prieat^r 
des  oberägjp tischen  Theben,  dasz  die  griecbiäcben  gütter  eigentlich 
von  den  Ägyptern  stammten,  also  ägyptische  gottbeiten  seien,  folg- 
lich sind  die  Aithiopen  Homers  die  kaukasischen  Ägypter,  da  Au 
eine  derartige  beeinflussung  der  griechischen  cultur  vom  obern  Nil 
aus  in  so  alten  zeiten  nicht  zu  denken  i^t.  zu  seiner  zeit  war  es  all- 
gemein bekannt  (II  104  f.),  daäz  die  Ägypter  den  bewohnern  tod 
Rolchiä  in  Südkaukasien  aufs  haar  ähnlich  waren,  wenn  die  Ägypter 
dem  forscher  das  so  erkl&rten,  dasz  die  Kolcher  eine  von  einom 
ägyptischen  heereszuge  dort  zurückgelassene  colonie  seien ,  so  liegt 
darin  das  Zugeständnis  ausgesprochen,  dasz  die  Kolcher  Ägypter 
waren  f  und  zwar  unserer  meinung  nach  Urägypter. 


CErauth:.YerBchollene  länder  des  altertums.  I.  697 

Diese  ägyptischen  Kolcher  sind  also  die  westlichen  Aithiopen 
Homers,  als  Vertreter  der  östlichen,  am  Kaspi  -  okeanos  wohnenden 
ist  Memnon,  der  söhn  der  morgenröte  anzusehen,  der  dem  be- 
drängten nion  zu  hilfe  eilt,  schon  dieses  bundesverhältnis  l&szt  auf 
enge  beziehungen  zwischen  dem  volke  des  Priamos  und  den  Aithiopen 
schlieszen.  die  gemeinsamkeit  der  götter  Ilions  und  der  Danaer  er- 
hebt es  daher  zur  Wahrscheinlichkeit,  dasz  in  Ilion  eine  aithiopisch- 
ägyptische  Stadt  bekämpft  wurde  —  vielleicht  schon  in  Kolchis; 
der  aufenthalt  der  Helene  in  Ägypten,  worunter  die  spätere  dich- 
tung  das  Nilland  verstand,  scheint  auf  die  wahre  örtlichkeit  der 
ursprünglichen  sage  am  Kaukasos  hinzuweisen  (Od.  b  581  f.). 

Wenn  sich  aus  den  Homerischen  epen  ein  kaukasischer  kern 
herausschälen  läszt,  so  ist  anzunehmen,  dasz  auch  die  dem  troischen 
kriege  voraufgegangenen  Unternehmungen  achaiischer  beiden  den 
Kaukasos  zum  hintergrund  haben,  zumal  da  teilweise  dieselben  per- 
sonen  wie  im  troischen  kriege  daran  beteiligt  sind,  sie  weisen  auch 
gewisse  gemeinsame  züge  auf.  Danaos  mit  seinen  50  töchtern  wird 
von  den  50  söhnen  des  Aigyptos  verfolgt,  lason  und  seine  fahrt- 
genossen von  den  Eolchern,  in  denen  wir  Ägypter  erkannten,  als 
erbauer  der  Argo  wird  übrigens  auch  Danaos  und  sein  schiff  Danais 
genannt '*,  so  dasz  diese  beiden  ersten  Sagenkreise  eng  in  einander 
greifen.^  hierher  gehören  vielleicht  schon  die  beiden  heereszUge 
gegen  Theben,  die  stadt  mit  dem  urägyptischen  namen.'^  Tydeus 
(IL  A  396)  tötet  von  50  Thebanem,  die  sich  in  einen  hinterhalt 
gelegt  hatten ,  49 ,  6inen  läszt  er  entrinnen,  den  schlusz  dieser  an- 
scheinend kaukasischen  sagenreihe  bildet  das  von  den  aithiopisch- 
ägyptischen  göttern  bedrohte  unternehmen  der  Danaer  gegen  ein 
aiUiiopisches  Ilion  und  die  gefährdete  heimkehr  der  beiden,  viel- 
leicht ist  es  nicht  zufall,  dasz  auch  hier  die  zahl  50  wiederkehrt  bei 
den  söhnen  und  töchtern  des  Priamos. 

Vereinzelte  stimmen  aus  dem  altertom  behMipten,  der  diöhter 
Homeros  sei  ein  Ägypter  gewesen,  nach  un^ürL-j^  uunaLiric  fine^ 
aithiopischen  Ägyptens  in  Btidkaukasien,  wo  nahe  beziehungen  zu 
den  acbaiischen  Danaern  be^^tandeiif  ist  es  gar  EJcht  &ö  ünmögliuUi 
dasz  sich  diese  Urheberschaft  auf  einen  gewissen  teil  der  Ilias  hu^ 
schränkt  hat,  der  dann  von  den  grieübischen  rbapsoden  mit 
nommen  wurde»  die  Vornehmheit,  mit  der  gferado  dittv^*^ 
Achaier  in  der  Ilias  geztficbiiet  w^rrbtt^  im  vergtc 
die  Danaer  zuweilen  wie  recht  wnge&chlaf***^ 
vielleicht  auch  die  wichtige  stdlung,  (*^ 
*Sphinx'  Boiotia  noch  in  der  11 


*  auch  hat  man  h*  vieT*^ 
schiff 8D amen  wiedererkftmr 
hat  übrigens  anch  in  dtr"^ 

>  überhaupt  scheint  ~  ^ 
zu  berahen  an  eine  Wgy- 
d.  gr.  auf  gesetsgebtftor 


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CKrauth  t  verschollene  länder  des  aliertums.  L 


auffaUende.  ApoHonios  berichtet  Argon.  IV  259  f.,  dagz  die  ägyp- 
tischen pries ter  von  Theben  in  Oberägypt4?n  eine  andere  fassting 
des  Argoliedes  besäszen  und  alte  erdkarten  mit  den  wegen  und 
grenzen  der  oikumene  von  den  vätern  her  bewahrt  hätten  (v.  279 
— 281).  warum  sollte  das  nicht  auch  von  einem  kern  der  Uias  mög- 
lich sein?  und  welches  interesse  hätten  die  Ägypter  an  den  ältesten 
heldenliedern  der  Danaer  gehabt,  wenn  sie  nicht  selbst  die  sache 
angieng^  und  wenn  nicht  darin  auch  ein  stÜck  Urgeschichte  ihres 
Volkes  abgehandelt  wurde? 

So  werden  wir  zu  der  annähme  geführt,  dasz  es  einen  ägypti- 
schen culturmittelpunkt  in  Kaukasit« n  gab  —  ein  Thebe  oder  Ilion  — 
das  den  wiederholten  anstürmen  der  Danaer  erlag,  als  Wegweiser 
dahin  kann  uns  eine  stelle  dienen  aus  dem  Homerischen  hymnos  5,d 
(nach  Stein  zu  Herod.  HI  97,  ö),  wo  es  beiszt:  'ein  Nysa  gibt  es 
irgendwo,  sehr  hoch  ist  sein  berg,  blühend  im  baumschmuck,  fern 
von  Phoinikien ,  nahe  den  wogen  des  Aigyptos/  die  nysäiscbe  flur, 
mit  dem  Dionysoscült  untrennbar  verbunden  (Hom.  hy.  26,  3  f.), 
als  ein  weinland,  wo  der  kleine  Bakcbos  von  den  nympben  grosz 
gezogen  wird,  sind  wir  berechtigt  da  zu  suchen,  wo  der  weinstock 
2U  hause  ist,  nemtich  in  dem  südkaukasischen  rehenland,  an  das 
der  heiszen  zone  angehörige  Nilland  ist  dabei  nicht  zu  denken,  denn 
diese  ist  der  rebe  abhold.  Nucha  am  ausgang  des  durch  seine  weine 
berühmten  Kachetinerthales  darf  nach  unserer  meinung  den  an- 
spruch  erheben  das  Nysa  der  alten  zu  sein,  das  ursprünglich  Nusa 
geBprochen  wurde,  der  sehr  hohe  berg  in  setner  nähe,  den  wir  im 
Nillande  vergeblich  suchen,  ist  der  sonst  mit  dem  gott  von  Nosa 
Dionysos  oft  zusammen  genannte  Meroaberg,  dessen  name  vielleicht 
sich  im  Murow-dagh  erhalten  hat  (Strabon  XV  687.  Arrian  anab» 
V  1,  6.  2,  ö).  der  Aigyptos  aber  ist  in  diesem  Zusammenhang  der 
alte  name  für  den  hauptstrom  des  kaukasischen  Ägypten,  vielleicht 
der  spätere  Oxotj,  ein  kaukasischer  flusz,  den  wir  bis  jetzt  noch  nicht 
bestimmen  konnten,  auf  Anahita,  die  göttin  des  Oxosstromes,  Ifiait 
sich  vielleicht  die  ägyptische  Ant  oder  Neitb  zurückführen,  manches 
spricht  auch  für  den  spätem  Kura.  namentlich  die  Umgebung  der 
heutigen  hatiptstadt  Südkaukäsiens  Tiflis  ist  reich  an  recht  alter- 
tümlich klingenden  siedelungsnamen,  zb.  Grosz-  und  Klein -Iiilo 
nordöstlich,  Lisi  nordwestlich  von  Tiflis.  dieser  dorfname  verrftt_ 
uns,  dasz  der  name  der  hauptstadt  im  altertum  Tibiüsi  zusammea 
gesetzt  ist  aus  Tibi  und  Lisi,  der  erste  bestandteil  geht  vermutlic 
geradezu  zurück  airf  das  alte  Thebe.  das  schwinden  der  aspirata 
k{Jnnen  wir  auch  in  andern  kaukasischen  namen  beobachten ,  zb.  ist 
Baku  aus  Bakkhu,  Baktriany  am  oberft  Alasan  in  Kachetien ,  helle- 
nistisch Baktriane,  aus  Bakbtri  des  altpersiscben,  Bäk'bdhi  des  Avesia 
entstanden,  dasz  Tibilisi  erst  verhältnismäszig  spät  gegründet  seia 
soll,  ist  kein  gegenbeweis:  denn  an  dem  kreuzungspunkte  zweie 
hauptvölkerstraszen  von  nord  nach  süd  und  vou  west  nach  ost  wi 
die  anläge  einer  Stadt  geographisch  bedingt,  seitdem  es  überban| 


CKrauth :  verschollene  länder  des  altertums.  I.  699 

Völkerverkehr  gab.  sie  mochte  oft  feindlichen  angriffen,  ja  der  Zer- 
störung ausgesetzt  sein,  aber  ebenso  oft  muste  sie  an  derselben 
stelle  wieder  erstehen,  wie  so  viele  städte  und  länder  des  classischen 
Orients  wird  auch  Parthien  mit  seiner  stadt  Hekatompylos  bis  heute 
an  einer  stelle  angesetzt,  wo  es  nie  gelegen  hat.  vielleicht  gelingt 
es  späterer  forsch ung  und  vor  allen  der  Wissenschaft  des  spatens, 
die  uns  hier  nie  im  stich  lassen  darf,  in  dem  parthischen  Heka- 
tompylos  die  hundertthorige  Thebe  Homers  wiederzufinden  (Ilias 
I  3B1  ff.),  deren  dichterischer  beiname  neben  Tibilisi  vorüber- 
gehend Selbständigkeit  gewonnen  hatte. 

Die  Ägyptenforscher  sind  längst  davon  überzeugt,  dasz  die 
Ägypter  nicht  in  Afrika  ihren  Ursprung  haben,  auch  haben  sie  ge- 
wisse deutliche  beziehungen  zwischen  der  ägyptischen  cultur  zur 
babylonischen  und  indischen  erkannt,  dieser  einflusz,  der  sich  noch 
erweitem  läszt,  reicht  zurück  in  jene  zeit,  wo  es  noch  ein  ägypti- 
sches Thebe  am  Kaukasos  gab.  denn  ^dort  liegen  die  quellen  des 
Nil' ;  das  erkannte  und  schrieb  an  seine  mutter  Olympias  Alexander 
der  grosze,  in  glücklicher  nachahmung  der  blumigen  redeweise  des 
Orients  (Arrian  anab.  VI  1,  4). 

Wo  so  viele»  dafür  spricht,  die  .ursitSo  der  Ägypter  in  Kau- 
kasien  zu  suchen,  wird  es  auch  nicht  an  anhaltspunkten  fehlen,  das 
heimatrecht  der  Danaer  im  Kaukasos  zu  sichern :  denn  beide  sind  ja 
brudervölker  der  sage  nach,  ein  sprengstück  von  dem  achaiischen 
beere  vor  Ilion  nennt  Dionysios  perieg.  682  f.  die  Achaier,  die  noch 
in  geschichtlichen  zeiten  am  nordostgestade  des  Pontes  ein  enges 
felsenthal  des  Kaukasos  bewohnten,  darin  liegt  doch  für  uns  das 
Zugeständnis,  dasz  man  das  vorkommen  dieser  Danaer  für  so  alt 
hielt  wie  jenen  uralten  gegensatz  der  Danaer  und  aithiopischen 
Ägypter,  der  vor  Ilion  ausgefochten  wurde,  denn  dasz  diese  Achaier 
bei  der  heimfahrt  von  Troja  die  himmelsrichtungen  verwechselt 
hätten  und  statt  nach  westen,  wo  die  uns  vorliegenden  epen  ihre 
hüimat  nennen,  vielmehr  durch  die  meergassen  der  Propontis  nach 
Osten  gefahren  seien,  ist  doch  sehr  bedenklich,  hier  liegt  vielmehr 
ein  compromiss  vor  zwischen  dem  alten  und  dem  neuen  lied.  die 
beiden  der  ursprünglichen  Ilias,  deren  kämpfe  vielleicht  schon  vor 
einer  kaukasischen  Ilios  ausgefochten  wurden,  gehörten  den  kau- 
kasischen Achaiern  an.'  erst  die  jüngere  fassung  des  Werkes,  die  in 
Kleinasien  entstand,  verlegte  die  örtlichkeit  nach  der  ebene  von 
Troja,  mit  derselben  willkür,  wie  etwa  das  Nibelungenlied  später  in 
Worms  seinen  mittelpunkt  erhielt,  so  erklärt  sich  vielleicht  der 
doppt'lname  der  stadt  des  Priamos,  Ilios  und  Troja,  der  sonst  recht 
auffallend  erscheint,  nach  einer  andern  auffassung  bei  Strabon  496 
waren  die  kaukasischen  Achaier  ein  sprengstück  vom  Argonauten- 
zuge; und  Arrian  in  der  umfahrt  des  schwarzen  meeres  §  28  nennt 
ihr  land  einfach  das  'alte'  Achaia.  Herodotos  erwähnt  in  seinen 
geschiebten  aus  dem  Skythenland  die  Gelonen^  deren  Wohnsitze  im 
lande   der  Budinen   wir   am  nordwestlichen  abbang  des  Kankasos 


700 


CKrautli :  TerscbolleDe  länger  dea  aliertums.  L 


wieder  finden  werden,  ihre  spräche  verriet  Bie  a]a  'ursprüDglietl 
Hellenen'»  die  >  wie  man  sagte ,  aus  den  colotiien  an  der  küste  land- 
einwärts entwichen  waren,  wer  dächte  da  nicht  an  die  art,  wie  sich 
die  spätem  Ägypter  das  vorkommen  eines  ihnen  ähnlichen  Volkes 
in  Kolcbid  erkllirten?  dazu  kommt  dasz  das  wort  'Dan*,  von  dem 
unserer  ansieht  nach  der  kaukasische  Danaos  und  die  achaiiscben 
Danaer  ihren  namen  haben,  noch  beut«  einen  bestandteil  in  den 
namen  der  nördlichen  Ponto&flüsse  ausmacht,  es  bedeutet  ^flusz' 
und  ist  dasselbe  wort  wie  unser  'Don*;  es  steckt  auch  in  den  flnsz- 
namen  Donez,  Dnjeper  (Danapris)»  Dnjestr  (Danastris),  Donau 
(Danuvius).  wie  es  kam,  dasz  das  Homerische  Dan  vorübergehend, 
seit  dem  Zeitalter  Herodots,  von  der  form  'Tan-ais*  verdrängt  wurde, 
musz  die  gescbichte  und  die  Sprachwissenschaft  erforschen. 

Die  Danaer  sind  also  auf  deutsch  die  fluazmenscben  des  Homeri* 
sehen  Zeitalters,  seit  Herodotos  tritt  mit  bestimmiheit  der  namelndoi 
auf  für  das  der  etrasze  von  Kertsch  zunächst  wohnende  ktistenvolk 
des  Kauka&os,  eine  vogelstrauszkritik  hat  daf&r  Sindoi  setzen  wollen, 
obwohl  in  allen  hss.  Herodots  dafür  'Ivboi  überliefert  ist,  als  ob  da- 
durch  an  der  thatsaeho  etwas  gelindert  würde ,  dasz  hier  indische 
*fluszmenschen'  wohntSn.  im  indischen  bedeutet  nemlicb  hmdut 
hindu  otler  sindu  ^flusz',  es  ist  nur  dialektisch  verschieden  voa 
dem  OB^etischen  dan,  wir  meinen  daher,  dasz  der  name  auch  aas« 
zudehnen  ist  auf  die  weiter  landeinwärts  den  nordwest^bhang  des 
Kaukasos  bewohnenden  Völker,  mit  feinem  worte:  die  Herodotischen 
Inder  Nord  westkau  kasiens  sind  die  nachkommen  der  Homerischen 
Danaer*  die  altindi^che  erdtafel  des  Ävesta,  deren  iänder  wir  fast 
alle  in  den  engen  grenzen  des  kaukasischen  isthmos  wiedergefunden 
haben,  weist  auch  ein  land  der  sieben  fltis^e  —  hapta  hendu  — 
auff  wir  erkennen  darin  das  heimatland  der  Danaer,  deren  sieben- 
zahl  uns  in  ihren  alten  heldenliedem  so  bedeutungsvoll  entgegentritt. 

Nach  harten  kämpfen,  die  für  die  Dan&er  siegreich  endeten» 
erfolgte  das  zahlreiche  ausschwärmen  der  feindlichen  brudervölker 
aus  den  engen  gebirg^thälern  des  Kaukasos.  das  Argolied»  die 
Odyssee,  die  übrigen  Nostoi  schildern  ursprünglich  die  aben teuer 
dieser  kühnen  entdeckung^fahrten  nach  dem  westen.  ^ankunftslieder* 
und  nicht  rückkehrlteder  sind  sie  von  haus  aus  gewesen  beachten^* 
wert  ist  namentlich  der  umstand,  dasz  Odysseus  »ein  Ithaka  gar 
nicht  kennt,  sondern  dasz  es  ihm  erst  von  Athene  beschrieben  wer* 
den  musz.  hier  (Od.  V  200  £f.)  hat  nicht  Homer,  sondern  der  spätere 
umgestalter  des  epos  geschlafen. 

Es  mag  mehrere  Jahrtausende  vor  Ch»  gewesen  sein»  als  die 
Danaer  den  durchzug  durch  die  Strasse  von  Kouätanlinopel  und  die 
Dardanellen  vieHeicbt  unter  manchen  kämpfen  zu  schiffe  bework* 
stell  igten,  die  Verlegung  des  Schauplatzes  der  Ilias  in  die  nähe  der 
dardanischen  meeresgasse  erinnert  daran,  es  sehloü^z  sich  dann  hinter 
ihnen  die  wasserstrasze ,  die  nach  dem  lande  des  Sonnenaufgangs 
führte,  auf  Jahrhunderte,  und  die  Kimmerier  hausten  an  dem  ge- 


CErauth;  verschollene  länder  des  altertums.  I.  701 

Stade  des  ungastlichen  meeres.  so  verschwand  allmählich  das  klare 
bild  der  alten  heimat  aus  dem  bewustsein  des  Volkes ,  und  nur  das 
epos  rettete  einige  verblassende  züge  davon  hinüber  in  die  neue 
heimat  an  der  küste  Eleinasiens  und  nach  Hellas. 

Es  überwiegen  daher  in  den  uns  überlieferten  epen  der  Griechen 
die  geographischen  gesichtspunkte,  die  in  der  Umgebung  des  öst- 
lichen Mittelmeeres  gewonnen  waren  und  von  da  aus  allmählich  er- 
weitert wurden  nach  westen  und  von  neuem  nach  osten ,  nachdem 
die  kimmerische  sperre  des  Pontos  von  den  gastfreien  Skythen  auf- 
gehoben war. 

Den  Umschwung  in  den  beziehungen  zu  diesen  pontischen 
Völkern  malen  deutlich  folgende  stellen.    Od.  X  15  ff.  heiszt  es: 

nimmer  auf  jen*  (die  Kimmerier)  aach 
schauet  Helios  her  mit  leuchtenden  Sonnenstrahlen, 
nicht  wenn  empor  er  steiget  zur  bahn  des  sternigen  himmels, 
noch  wenn  wieder  zur  erd*  er  hinab  vom  himmel  sich  wendet; 
nein,  rings  grauliche  nacht  umrubt  die  elenden  menschen. 

dagegen  IL  N  3  ff. : 

upd  er  (Zeus)  wandte  zurück  die  strahlenden  auj^en, 
seitwärts  hin  auf  das  land  gautummelnder  Thrakier  schauend, 
auch   nahkämpfender  Myser    und    trefflicher  Hippomolgen  (Skythen), 
welche  bei  milch  arm  leben,  ein  volk  der  gerechtesten  männer. 

diese  spätem  Homerischen  rhap.soden  wüsten,  dasz  der  Wohnraum 
der  sterblichen  menschen  von  einem  groszen  binnenmeer  in  vor- 
wiegend westöstlicher  richtung  durchschnitten  sei.  erdteile  anzu- 
nehmen hatte  man  noch  keine  veranlassung,  Europa,  Asien  und 
Libyen  werden  noch  nicht  namentlich  unterschieden,  sie  zeigten  ja 
auch  für  den  küstenfahrer  landfesten  Zusammenhang,  die  schmale, 
wüste  landenge  zwischen  Asien  und  Libyen  scheint  damals  noch 
kein  hellenischer  mann  durchmessen  zu  haben,  um  zu  entdecken, 
wie  nahe  hier  der  südliche  okeanos  seine  fühler  nach  dem  Mittel- 
meere ausgestreckt  hat.  die  künde  von  einem  okeanos  östlich  vom 
Kaukasos  bewahrte  das  Argolied,  das  noch  immer  in  aller  munde 
lebte,  nach  der  altem  fassung  desselben,  die  dem  dichter  Mimner- 
mos  von  Kolophon  (um  630  vor  Ch.)  eigen  ist,  und  die  man  daher 
wohl  auch  im  Homerischen  Zeitalter  voraussetzen  darf,  gelangte  die 
Argo  aus  dem  schwarzen  ins  asowsche  meer  und  von  da  auf  einem 
für  die  spätem  dichter  rätselhaften  fluszlaufe,  der  durch  eine  bifur- 
cation  bemerkenswert  gewesen  sein  musz,  in  den  äuszem  Kaspi- 
okeanos  zur  wohnung  des  Aietes.  es  ist  derselbe  weg,  auf  dem 
Mimnermos  den  Sonnengott  nach  seinem  Untergang  im  Pontoa- 
okeanos  des  nachts  auf  dem  sonnenbecher  von  den  Hesperiden  — 
Thrakien  ist  damit  gemeint  (vgl.  Hesiodos  theog.  274  f.)  —  zu  den 
östlichen  Aithiopen  gelangen  läszt,  wo  seine  strahlen  ausruhen  im 
lande  des  Aietes  im  goldenen  gemach  (s.  Athenaios  XI  470  und 
Strabon  I  46).  es  setzt  dieser  schöne  mythos  mithin  noch  denselben 
engen,  vom  Kaspi  und  Pontos  begrenzten  horizont  der  weit  voraus, 
den  wir  auch  in  den  ältesten  teilen  der  Ilias  glaubten  voraussetzen 


702  CKrautk:  verschollene  länder  des  altert  um«.  K 

zu  müssen,  wo  der  dichter  vom  auf-  und  Untergang  der  gestirne  im 
Okeanos  redet,'  mit  groszer  naivetät  übertrug  man  nach  dem  fort- 
schreiten der  geographischen  kenntnibse  bis  über  die  sirasze  von 
Gibraltar  hinaus  die  urt>prünglich  nur  vom  Pontes  geltende  eigen- 
Schaft  einer  Verbindung  mit  dem  Kaepi  ^  okeanos  durch  Vermittlung 
eines  nördlichen  noch  unerforschten  meerea  —  nemlich  des  asow- 
gchen  —  auf  den  atlantischen  okeanos.  und  so  entstand  der  glaube, 
dasz  die  ^anze  bewohnte  erde,  soweit  man  sie  damals  kannte  — 
auch  im  sUden^  dichtete  man  hinzu  —  von  einem  zusammenhängen- 
den Weltmeere  umflossen  sei. 

Beachtenswert  ist  bei  Homer  das  sohmUckende  beiwort  des 
Okeanos  *in  sich  zurückströmend',  man  hat  das  so  zu  erklären  ver- 
sucht« dasz  die  alten  sich  den  Okeanos  rings  am  die  oikumene  in 
flieszender  bewegung  dachten,  ohne  ende  wie  die  schlänge,  die  ^ich 
in  den  schwänz  beiszt.  vielleicht  liegl  aber  hier  eine  beobachtong 
wirklich  geschauter  verhSltnisse  vor.  in  der  Odyssee  u  61  ff.  wünscht 
Penelope,  die  harrende  gattin  des  Odysseus : 

Leilige  tochter  de»  ZeuBi  o  Artemie,  wenn  du  mir  jetzt  doch 
träfst  da«  hera  mit  deloem  geschoaz  und  das  leben  'entnilhinuftl, 
jetzo  ßogleiüh!    ja,  weun  doch  empor  mich  raffend  ein  stormmod 
führet«  weit  in  die  fern'  auf  mitternächtlicben  pfuden 
und  hinwürfe,  wo  kreisend  die  flut  des  Okeanoü  ausströmt! 

Mag  nun  diesem  dichter  bier  der  borizont  im  westen  mit  ^em 
austritt  des  Pontos  bei  Byzantion  begrenzt  gewesen  sein  oder  mag  er 
mit  weiterm  blick  schon  die  seulen  des  Herakles  im  äuge  gehabt 
haben,  kurz,  es  spricht  diese  stelle  für  eine  .sichere  beobachtung  der 
meeresströmungen  in  den  engen  meeresstraszen  des  Mittelraeer- 
gebietes.  an  der  strasze  von  Kertsch  im  äuszersten  nordoäten  imd 
durch  die  seulen  des  Herakles  im  äuszersten  westen  traten  starke 
ströme  des  geglaubten  äuszein  okeanos  in  das  binnenmeer  ein»  ohne 
dasz  doch  eine  Steigung  des  Wasserspiegels  an  den  küsten  bemerk- 
bar gewesen  wäre,  wo  blieb  das  wasser?  die  starke  Verdunstung, 
der  das  Mittelmeer  auisgesetzt  ist,  batt«  man  noch  nicht  beobachten 
kennen,  so  erdichtete  man  einen  unterirdischen  abfiuäz,  die  Styx, 
die  den  groszen  kreislauf  des  in  sich  zurückströmenden  Okeaßo» 
vollendete  (Hesiodos  theog.  775—792).  diese  auffassung  von  dem 
Weltall  fand  ihren  beredten  ausdruck  in  dem  entwurf  einer  ältesten 
erdkarte  —  auf  dem  schild  des  Achilleus,  den  Hephaistos  t^chmiedeie, 
die  form  des  den  ganzen  mann  schützenden  Schildes  entsprach  ge- 
rade der  herschendeu  Vorstellung  von  den  umrissen  der  oikumene. 
am  rande  desselben  war  der  Okeanos  gebildet,  nunmehr  streng  ge- 
schieden von  dem  andern  meer  in  der  mitte;  dieses  ist  da«  reich 
des  Poseidon,  des  Nereus  und  der  Nereiden,  jener  ist  das  macht- 
gebiet  des  göttlichen  Okeanos  und  dei:  Okeaninen.  doch  was  äoU 
der  himmel  auf  der  erde  des  Hephaistischen  kunstwerkes  bedeuttni 
und  wie  haben  wir  uns  die  anbringung  der  sternbtlder  zn  denken? 
die   oft   wiederkehrende  erwäbnung  de«  auf*  und  untergangei  der 


CKrauth:  verBchollene  länder  des  altertams.  I. 


703 


sonne,  des  mondes  und  solcher  gestirne,  die  für  den  seemann  des 
Homerischen  Zeitalters  von  bedeutung  waren,  der  Pleiaden,  der 
Hyaden,  des  Orion,  des  Bären  beweist,  dasz  schon  damals  der  ver- 
such gemacht  war  die  läge  der  länder  der  weit  zu  einander  mit  hilfe 
dieser  Sternenbahnen  zu  bestimmen,  wir  haben  uns  daher  die  an- 
geführten Sternbilder  am  west-  oder,  was  wahrscheinlicher  ist,  am 
ostrande  des  ehernen  kartenbildes  zu  denken  und  ihre  bahnen  von 
ost  nach  west  vielleicht  schon  durch  linien  angedeutet,  die  bahn, 
des  Bären ,  der  allein  von  alten  Sternbildern  des  bades  im  Okeanos 
nicht  teilhaftig  wird,  musz  sich  der  dichter  in  fdrm  einer  ellipse 
über  dem  nördlichen  teile  der  oikumene  gedacht  haben. 

Es  ist  eine  merkwürdige  fügung,  dasz  das  wissen  der  Hellenen 
von  der  sie  umgebenden  bewohnten  erde  zuerst  vom  geiste  der 
dichter  geformt  wurde  und  sich  in  dieser  gestalt  dem  gedächtnis 
späterer  Jahrhunderte  einprägte,  so  ist  es  gekommen,  dasz  bei  dem 
ersten  versuche  ein  bild  von  der  weit  zu  machen  die  phantasie  eine 
so  bedeutende  rolle  gespielt  hat.  und  auch  die  spätere,  mehr  wissen- 
schaftliche erdkunde'  hat  es  nie  verstanden  sich  von  diesem  zauber- 
haften banne  los  zu  lösen. 

(der  schlusz  folgt  im  nächsten  hefte.*) 

Erfurt.  Carl  Krauth. 


Über  Sicht 

p  r  0  d  o  ts ' 


704       LGurlitt:  in  Ciceronis  epistulas  ad  Atticum  [XIV  12,  2], 

76. 

IN  CICERONIS  EPISTÜLA8  AD  ATTICUM. 


Cicero  in  episiola  a.  d.  X  kal.  Maiaa  ad  Atticum  säum  data 
(XIV  12)  perhonorifice  et  peramice  narrat  Octavium  secum  Puteolia 
agere,  baec  dicta  quae  seqtiunttir  qod  tarn  äcribarum  incuria  quam 
ßtudio  iöterpretum  in  errorem  deduclo  hucuiäque  perverse  tractata 
apud  omBes  quos  equidem  inspexi  edilores  sie  fere  leguntur:  (2) quem 
guidtm  {Oäavium)  sui  Caesarem  saltäahantj  Philippus  tum;  iiaque 
ne  no8  quidem ,  quem  nego  posse  ^essey  honum  ciiem :  iia  muUi  cir- 
cumslant,  qni  qutdeni  nostrts  mortem  mmÜQfdur ;  negant  haec  ferri 
pOSSCn  displicet  Ciceronem  in  Universum  negare  OctaiHum  esse  bonitm 
civem^  praesertim  cum  eertet  cum  eis  laudibus,  quibus  tdein  cani 
ceteris  illius  temporis  epistulis  tum  ipsa  bac  episiula  Octavium  effert. 
sine  dubio  Cicero  uberias  de  saluUtione  disserit,  quo  animo  at  ipse 
et  alii  eam  acceperint,  quid  et  ipse  et  alii  fecerint  atque  inde  facturi 
sint.  non  en  im  nullius  proftcto  erat  momenti,  quo  modo  Cicero  Octa- 
vium sakitabat  atque  appellabat;  nam  ip90  nomine  Caesaris  Ülum 
beredem  Caesaris  paf  ri?«  esse  concessisset«  libri  mss-  non  mediocriter 
consentiunt :  Francogalli  Germanique  praebebant  tewtibus  Lambino, 
Bosio,  Cratandro:  quem  negant  (Italici  negai;  nego  Lambini  con- 
iectura) po^^e  <^essc  Lambinus  addidit^  honum  ciuem;  .  .  negant  haec 
(Med.  hec,  suprascriptum  uelhuws)  ferri  posse  {haec  fieri  Lnmbinus 
ci.),  hoc  librorum  fundamento  nixi  leni,  fero  nulla  verborura  muta« 
tione  sanuäi  sensus  potest  restitui:  finge  in  arcbetypo  maiusculia 
litteris  scripto  fuisse  QUEMQÜAM,  unde  uaitatissimo  seribamni 
errore  QUI^M  ortum  sit,  tum  ceteris  servatis  haec  evadunt:  q%i0m 
quidem  sui  Caesarem  sahäabant^  Philippus  wo»,  itaque  ne  nos  quidem^ 
quemquam  negant  posse  banum  civem  (sc.  eum  ita  salutare) :  Um 
muUi  drcumstant^  qui  quident  nostris  mortem  minUantur:  negant  haee 
ferri  posse.  babenius  efficacera  gradationem:  neque  Philippus  nequa 
ego  ita  salutabarans.  alii  (hoc  eät  amici  tjrannoctononim) :  nega&t 
bonum  civem  eum  ita  aalutare  posse  —  causa  additur  ^  quin  etiaiD 
negant  (baec)  ferri  posse  (sc.  ut  alii  eum  ita  salutent  et  amicis  Broti 
mortem  miniteaLur)«  optima  consentiunt  ea  quae  sequuntur:  quid 
censes  (sc.  futurum  esse)^  cum  Bomam  puer  venerit^  ubi  fwstri  Ubera^ 
tores  tuti  esse  rum  possuni  ?  qui  quidem  semper  errmt  dari^  eomeientia 
vero  facti  sui  beati.  sed  nös,  nisi  me  faltU^  iacebimus,  intellegit 
igitur  Cicero  se  suo^^que  impedire  non  posse,  quominug  Octavios 
etiam  a  ^plebecula'  Eomana  (ad  Att.  I  16,  II)  tamquam  heregatqut 
vindex  luli  accipiatur» 

Steglitziab.  Ludovioüs  6ubijt7« 


RPaukstadt:  zu  Gatullus  [61,  136].  705 

77. 

ZU  CATÜLLUS. 


Die  ziemlich  allgemein  angenommene  lesart  bei  CatuUus  61, 
136—139  lautet: 

sordehant  tibi  vilicae, 
ooncuhine^  hodie  atque  heri: 
nwnc  tuum  dnerarius 
iondet  os. 
die  Schreibung  vilicae  ^  gegen  die  man  übrigens  schon  bedenken  er- 
hoben hat,  ist  aus  einem  doppelten  gründe  anstöszig.  sind  vüicus 
und  vüica  in  der  bedeutung  'Verwalter'  und  Verwalterin*  (vgl.  Mart. 
I  55,  11)  geläufig y  so  ist  vüica  'landmädchen'  nicht  zu  belegen  und 
wegen  des  festen  gebrauches  in  der  bedeutung  Verwalterin'  nicht 
wahrscheinlich,  dazu  kommt  noch,  dasz  die  stelle  in  obiger  fas- 
sung  einen  mindestens  geschraubten,  wenn  nicht  gar  verkehrten  sinn 
gibt,  wir  haben  in  der  Strophe  offenbar  einen  gegensatz.  sehen  wir 
zunächst,  was  die  zweite  hälfte,  die  keinen  zweifei  aufkommen  Ittszt, 
■  besagt,  um  daraus  zu  schlieszen,  was  als  erstes  stück  des  gegensatzes 
zu  erwarten  wäre,  der  zweite  teil  lautet :  nunc  ttium  dnerarius  tondet 
08  'nun  kommt  der  scherer  und  wird  den  flaum  deiner  wangen  schnei- 
den', was  bedeutet  dies?  die  schönen  tage,  da  du  'mit  nüssen 
spieltest'  {concubinCy  satis  diu  lusisti  nucibus:  Juhet  iafk  servire  Ta- 
lasio)  sind  vorüber;  deine  bevorzugte  Stellung,  die  du  der  neigung 
deines  iierrn  verdanktest  und  die  dir  gestattete,  mit  langem  haar 
und  keimendem  hart  einherzugehen ,  wird  nunmehr  durch  die  Ver- 
mählung deines  herrn  aufgehoben:  du  gehörst  jetzt  mit  dem  ge- 
schorenen haar  zu  der  übrigen  masse  der  arbeitenden  Sklaven,  dies 
ist  alles  klar  und  alltägliche  erscheinung  des  römischen  lebens. 

Was  soll  nun  die  erste  hälfte  des  gegensatzes,  wenn  wir  lesen: 
sordebant  tibi  vilicae^  concubine^  hodie  atque  heri?  'bisher  waren  die 
mädchen  auf  dem  lande  für  dich  schmutzig',  eine  ganze  reihe  von 
Zwischengliedern  —  durchaus  im  Widerspruch  mit  der  darstellungs- 
weise im  gedieht  —  müsten  wir  uns  erst  hinzudenken,  bis  wir  auf 
den  Satz  kämen :  nunc  tuum  dnerarius  tondet  os^  und  die  gegenüber- 
Stellung  der  beiden  Strophenhälften  bleibt  schlechterdings  ein  rätsei. 

Es  ist  von  mir  schon  früher  auf  die  möglichkeit  hingewiesen, 
dasz  statt  vilicae  vielmehr  malulae  z\x  schreiben  sei.  diese  lesung 
soll  hier  näher  begründet  werden,  es  ist  kein  zweifei,  dasz  nun  der 
gegensatz  klar  zu  tage  tritt:  'bisher  färbte  der  flaum  deine  zarte 
wange ,  jetzt  aber  verfällst  du  der  schere.'  die  leichte  Umwandlung 
von  MALULAE  in  UlLICAE  kommt  der  Vermutung  nur  entgegen, 
dasz  das  deminutiv  malüla  (vom  geläufigen  mala)  sonst  nicht  vor- 
kommt, kann  kein  grund  gegen  4ie  annähme  sein.  Gatullus  liebt 
anszerordentlich  das  deminutivum,  bringt  auch  eine  zahl  solcher  ans 
der  Umgangssprache I  die  uns. sonst  znföllig  nicht  überliefert  sind. 

JahrMehtr  Ar  da».  philoU  1808  hfl.  10.  46 


706 


HPAukstadt:  zu  Catullua  [61,  130]. 


Mariialis  aber  führt  uns  direcfc  auf  die  von  mir  vorgeschlagene  lestmg« 
er  besitzt  einen  freund^  den  centurio  Pudens,  dieser  verheiratet  sich, 
und  wie  Catulluiä  äainem  freunde  Manlius  das  epithalamium  dichtet 
und  den  jungen  ehemann  in  eben  geschilderter  wei^e  zu  necken  weisz, 
80  begrüszt  auch  Martialis  seinen  freund  mit  IV  13.  die  verse  lauten: 
Claudia^  Bufe^  meo  nuhU  Feregrina  Puäenti: 

macte  esto  taeäis^  a  Hymenaee^  tuis. 
tarn  hme  rata  suo  miscentur  cinfiama  nardo^ 

Massica  Theseis  tam  bene  vina  favis; 
nee  melius  teneris  iun^niur  mtiht^  ukni^ 

nee  plus  Mos  aquas^  Utora  myrtus  amat, 
Candida  perpätw  reside ,  Concordia  ^  lecio  ^ 

tantque  pari  semper  sü  Venus  aequa  iugo. 
dUigat  iUa  senem  qtwndatn ,  sed  et  ipsa  marUo 

kim  quoque  cum  fu^U ,  non  videatur  anus* 
dieses  gedieh tcben  kann  man  eine  inhaltsangabe  von  Catnlls  epi- 
thalamium nennen:  wir  haben  dieselben  vergleiche,  ähnliche  wünsche. 
Pudens  aber^  dem  Martialis  diese  zellen  widmet,  besitzt  auch  wie 
Manliufi  einen  schönen  lieblingssklaven  mit  wallendem  haar  und 
2arten  wangen.  das  erfahren  wir  aus  I  31.  da  heiszt  es :  nuUa 
ieneri  sordent  lanugine  voUrn^  deceni  fusae  lactea  eoRa  iuhae,  hier 
steht,  wie  bei  Catullus,  das  verbum  $order€y  und  zwar,  wie  der  von 
mir  geforderte  gegensatz  es  angibt,  in  demselben  sinne,  das  sub» 
ject  zu  sordent  ist  aber  teneri  voUus,  der  sache  nach  dasselbe  wie 
ienerae  malae  =^  malulae,  aber  auch  das  wort  mala  findet  eich  bf 
Martialis,  dem  'perpetuus  Imitator  Catulli'^  ganz  genau  in  deräell 
Verbindung,  und  zwar  in  einem  gedieht  das  seine  verwandtschaf 
mit  CatuUischen  ver^en  nicht  verleugnet,  es  ist  II  61.  der  anfang 
lautet : 

cum  tibi  vemarent  dubia  l^nugine  malae, 

lambebat  medios  improba  Ihigua  mros, 
wer  nur  einigermaszen  mit  der  weise  Martials  vertraut  ist,  an  Cl^ 
tullus  sich  anzulehntju,  dem  wird  es  nicht  zweifelhaft  seiu^  daat  er 
auch  an  diesen  angeführten  stellen  bewuet  oder  unbewust  seineoi 
TOrbilde  gefolgt  ist. 

Somit  Bchlieszen  wir  aus  dem  bedürfnisdes  gegensatzes  in  de 
Catullischen  gedieht  und  nach,  den  ßngerzeigen,  die  uns  M« 
gibt,  dasz  an  unserer  stelle  malulae  gestanden  hat 

CaABLOTTENBURO.  BUDOLF  PAUK  STADT. 


GHubo:  ausdehnung  des  gebietes  der  Helvetier.  707 

78. 
ÜBER  DIE  AUSDEHNUNG  DES  GEBIETES  DER  HELVETIER. 


Man  liest  bei  Caesar  &.  &.  I  2, 5 :  in  longUudinem  müiapassnum 
CCXL^  in  lutitudinem  CLXXX,  man  pflegt  daran  wohl  die  bemer- 
kung  zu  knüpfen ,  dasz  diese  angaben  Caesars  übertrieben  seien.  ^ 

Ein  derartiger  Vorwurf  ist  aber  in  bezug  auf  die  erste  zahl  nicht 
berechtigt,  die  wirkliche  Sachlage  ist  vielmehr  folgende.  Caesar 
(6.  6r.  I  2,  3)  gibt  als  grenzen  des  gebietes  der  Helvetier  den  Jura, 
den  Rhein  (vgl.  auch  5.  ©.  I  1,  5)  und  den  Rhone  (vgl.  auch  h.  G, 
I  6,  2  sowie  I  1,  5*)  mit  einschlusz  des  Genfer  sees  an.  G^f  selbst, 
welches  nach  Caesars  beschreibung  sich  damals  nur  am  südlichen 
ufer  des  Rhone  ausdehnte  (h,  G.  17,  1  f.) ,  gehörte  nicht  den  Hel- 
vetiem ,  sondern  den  Allobrogen  (6.  G.  I  6,  3).>  auch  die  stelle,  wo 
der  Jura  fast  unmittelbar  an  den  Rhone  so  herantritt,  dasz  nur  ein 
weg  etwa  von  wagenbreite  frei  bleibt,  und  welche  heute  pas  de 
TEcluse  heiszt,  gehört  nicht  den  Helvetiern,  sondern  den  Sequanem 
(h.  6r.  I  6,  1  sowie  I  9,  1  u.  4,  auch  I  11,  1).  aber  das  ganze  nörd- 
liche ufer  des  Rhone  von  Genf  bis  zum  pas  de  T^cluse  befindet  sich 
im  besitze  der  Helvetier  (vgl.  h.  6r.  I  6,  2  u.  4  sowie  18,  1).  sie 
wollen  von  da  aus  an  verschiedenen  stellen  über  den  Rhone  dringen 
(b,  G.  I  8,  4);  was  zu  versuchen  ihnen  überhaupt  nicht  möglich  ge- 
wesen wäre,  wenn  sie  nicht  ungehinderte  herren  des  landesteiles  von 
diesem  nördlichen  Rhoneufer  bis  zum  Jura  gewesen  wären.'  die 
strecke  dieses  nördlichen  Rhoneufers  von  Genfan,  welche  die  Hei: 
vetier  im  besitze  haben,  läszt  sich  ziemlich  genau  bestimmen. nach 
der  länge  des  schanz  Werkes  Caesars  auf  dem  südlichen  Rhoneufer, 
diese  länge  wird  von  Caesar  auf  19  römische  meilen  angegeben  (h,  G. 
I  8,  1).  miszt  man  in  Napoleons  atlas  tf.  3  von  Genf  an  auf  dem 
Rhonelaufe  mit  seinen  krümmungen  19  römische  meilen  mittels  des 
zugehörigen  maszstabes  ab ,  so  kommt  man  unmittelbar  an  den  pas 
de  rifecluse.  *  die  westlichste  stelle  des  gebietes  der  Helvetier  musz 
also  in  unmittelbarer  nähe  des  pas  de  TEcluse  gelegen  haben.  ^  von 

^  vgl.  zb.  die  ausgaben  von  Oudendorp,  Herzog,  Möbius,  Walther, 
Menge  zdst.  sowie  Doberenz  und  Dinter  im  geographischen  register 
u.  Helveiiiy   ebenso   Held  in   seinem  register.  '  übrigens  ist  gerade 

diese  grenze  im  index  nominum  der  Teubnerschen  textausgabe  unter 
dem  Worte  Helvetii  sowie  bei  CPeter  gesch.  Roms  II'  s.  282  übergangen, 
auch  in  der  ausgäbe  von  Rheinhard  zu  I  1,  6.  '  daher  steht  schon 

richtig  auf  der  nach  Rösch  angefertigten  karte  in  Helds  ansg.  bei 
diesem  landesteile  angegeben:  'pays  de  Gex  pars  Helvetiae.'  vgl.  auch 
den  atlas  Napoleons  III  zur  gesch.  Caesars  tf,  2,  3  und  4  sowie  die  karte 
nach  Menke  in  Menges  ausg.  und  Meyer  n.  Koch  atlas  zu  Caesar  tf.  II  A. 

*  vgl.  auch  Napoleon  III  gesch.  Caesars  II  s.46  und  danach  Fröhlich 
kriegswesen  Caesars  s.  238.  ^  man  darf  also  nicht,  wie  es  öfter  ge- 
schieht (in  früherer  zeit  zb.  bei  Clnverius  Germ.  II  4  und  jetzt  wieder 
im  index  zu  Prammers  ausgäbe  u.  Helvetii^  oder  im  bist,  hülfsbuche  von 
Herbst  u.  Jäger  I ''s.  178),  als  westlichste  grenze  Genf  oder  den  Genfer 
See  ansetzen. 

45* 


708  GHubo;  aufidehnung  de«  gebietea  der  Helvetler. 

hier  aus  entireckt  Bich  nach  Dordosten  als  grenze  der  Jura,  jetzt  der 
französische  und  der  schwekerische  Jura  genannt ,  in  faat  onunter* 
bro ebenem  zuge  bis  dahin,  wo  er  auf  den  Ebein  tri 8^,  ganz  nahe  an 
der  müudung  der  Aar.  von  hier  aus  bildet  der  Ebein  stromaufwärts 
gegen  norden,  osten  und  sdden  bis  In  die  unmittelbai'e  nähe  seiner 
quelle*,  dh«  hU  an  den  St.  Gottbard,  die  grenze  des  gebietes.  Ton  dem 
Hheine  übernimt  sofort  am  St.  Gottbard  der  Ehoue  von  seiner  quelle 
aus  die  grenzbildung ;  er  scblieszt  das  gebiet  in  seiner  äüdweätlichen 
ecke  gegen  andere  vdikerscbaften  ab^  und  führt  die  grenze  dann 
wieder  bis  zum  paa  de  TEcluäe  bin,  nach  Caesars  klarer  angäbe  über 
die  grenzen  ge)i5ri  dieses  ganze  gebiet  ohne  irgend  welche  elnschr 
kung  den  Helvetiern/  die  östlichste  stelle  desselben  bildet  also  d£ 
krtlmmung  de»  Rheins  nicht  weit  von  St.  Margarethen,  kurz  bevor 
er  in  den  Bodensee  flieszt.  lon^udo  ist  demnach  die  ausdebnting  von 
dieser  östlichaten  stelle  bis  zu  der  wetjtHehsten,  al&o  vom  Eheine  bei 
St,  Margaretben  bis  in  die  unmittelbare  nähe  des  pas  de  l'£cluse. 
miszt  man  -diese  enifernung  auf  eiuer  karte  ab  und  vergleicht  damit 
den  zugehörigen  maszstab,  sp  findet  mau,  dasz  sie  etwa  325  kilometer 
ausmacht,  die  longüudö  des  gebietezi  der  Helvetier  betr&gt  also  in 
der  luftlinie  etwa  325  kilometer*  rechnet  man  nun  1  röm.  meile  zu 
lf48  kilometer',  so  sind  diese  325  kilometer  etwa  gleich  220  rdm. 
meilen.  ^^  und  was  gibt  Caesar  an?  240  r5m.  meileu.  selbstverständ- 
lieh  masz  Caesar  nicht  so,  wie  wir  es  thun^  die  luftlinie  zwischen  den 
beiden  äuszersten  stellen ,  soudern  er  muste  sich  nach  den  angaben 
über  die  wege  richten,  die  von  einem  orte  zum  andern  bald  bergauf 
oder  bergab,  bald  mit  einer  ausbiegung  nach  links  oder  nach  rechts 
führten,   also  muste  sein  masz  etwas  grdszer  sein  als  unsere  lufblinie. 

"  an  der  qnclle  selbst  wohnen  keine  Helvetier,  sondern  die  LepoiK 
tier:  vg\.  b.  0.  W  10,  3.  ^   südlich   vom  Genfer  9»e  and  von   dem 

Bchwelzeridcben  teile  des  Kbüue,  aber  öatüch  von  den  Allobrogen  wohnen 
nach  b.  ^.  HI  I,  1  die  Seduncr,  Yer&grer  and  Nantn&ten  (von  dieten 
letziern  wohot  auch  nach  6.  G.  IV  10,  B  ein  teil  in  derjenig'en  gegend, 
welche  anf  dem  rechten  Rheinnfer  liegt),  es  ist  alao  anrichtig,  weam 
Napoleon  III  in  seinem  atU«  tf,  2  die  Veragrer  nnd  Sedaner  anoU  auf 
das  rechte  ufcr  des  Hhone  hinübergreifen  ViB%i  weit  in  dajtjenige  gehitt« 
weiches  den  Hei  vettern  gehört,  ebenso  ist  die  darstellung  auf  Kampeoa 
wandknrte  von  Gallien  zu  berichtigen.  *  «a  ist  zn  beachten,  dasi  naeh 
b.  G.  I  2,  3  die  anfgezühlten  grensen  das  gebiet  undique^  also  auf  altml- 
liehen  selten  und  an  jeder  stelle,  folglich  ohne  wesentliche  nnterhrechnnf 
gegen  benachbarte  Völkerschaften  abschliesaen.  daher  ist  es  nicht  rieh* 
ti^»  wenn  auf  karten,  wclcUe  Gallien  so  Caesars  i«it  veranschauUclieQ 
•oUen,  das  gebiet  der  Helvetier  nicht  die  angegebenen  grenzen  vSlUg 
ansfölit.  das  betrifft  namentlich  die  Kiepertscbe  karte  in  der  «nsg.  von 
Kraner-Dittenbergerv  aber  auch  andere,  th,  die  karten  in  Hinspeten  ond 
in  Prammers  aus^.  sowie  die  in  der  Tenbnerschen  teztansg.  dem  rich- 
tigen kommt  wenigiteus  Napoleon  III  atlus  tf.  8  etwas  niher.  *  irrtüv- 
Hch  steht  bei  Doberenz  tu  Diuter  zdst.  ''^  |  kilometer^  sowie  im  geographi* 
sehen   register  u.    Helvetii  *^&56^  kilometer,  ^^  dnrch  das  angef&hrl# 

ist  zugleich  die  berechnnng  von  Clnverius  Oerm.  II  4,  der  nnr  172  rönu 
meilen  annirot,  als  hinntlüg  nachgewiesen;  ähnlich  steht  es  mit  deo 
von  d'Anville  ai^gegebenen  IdO  italiänischen  meüen.     vgl,  Möbitia  sdat. 


GHubp:  ausdehnung  des  gebietefl  der  Helvetier.  709 

der  unterschied  beträgt  aber  nur  etwa  ein  elftel  der  luftlinie.  die 
20  römischen  oder  4  deutschen  meilen,  um  welche  demnach  die  luft- 
linie von  der  zahl  Caesars  übertrofTen  wird ,  werden  den  biegnngen 
der  wege  ziemlich  genau  entsprechen,  statt  also  bei  dieser  gelegen- 
heit  von  einer  Übertreibung  zu  reden ,  werden  wir  anerkennen ,  wie 
gut  Caesars  angäbe  zu  der  Wirklichkeit  stimmt. 

Anders  steht  es  freilich  mit  der  zweiten  zahl,  die  man  bei  Caesar 
liest:  CLXXX  milia  passuum.  oder  vielmehr:  es  würde  anders  mit 
dieser  zahl  stehen  —  vorausgesetzt  nemlich  dasz  sie  die  wirkliche 
zahl  Caesars  wäre,  aber  das  scheint  sie  gerade  nicht  zu  sein,  der 
grund  ist  folgender,  die  grenze,  welche  der  Rhone  etwa  von  dem 
orte  Martigny  im  canton  Wallis  bis  zum  St.  Gotthard  und  daran  an- 
schlieszend  der  Rhein  vom  St.  Gotthard  bis  etwa  nach  Chur  im 
canton  Graubünden  bildet  ^\  läuft  ziemlich  parallel  mit  der  im  vor- 
hergehenden besprochenen  longitudo  und  auch  mit  derjenigen  grenze, 
welche  der  Jura  etwa  von  der  westlichsten  stelle  des  cantons  Neuen- 
burg bis  nach  dem  orte  Klingnau  nahe  an  der  mündung  der  Aar 
bildet,  das  zwischen  den  beiden  eben  genannten  grenzen  liegende 
stück  des  landes  der  Helvetier  hat  also  überall  ziemlich  dieselbe 
breite,  die  man  sich  unter  einem  geraden  striche  veranschaulichen 
kann,  welcher  die  genannte  longUudo  unter  einem  rechten  winkel 
schneidet,  man  denke  sich  zb.  diesen  strich  auf.  einer  karte  der 
Schweiz  von  dem  eben  genannten  orte  Klingnau  quer  hinüber  ge- 
zogen bis  zu  einer  stelle  des  Rheinthaies  in  der  nähe  des  Bt.  Gott- 
hard, etwa  bis  zu  dem  orte  Disentis,  wo  mit  dem  eigentlichen 
Vorderrheine  der  Rheinarm  von  Medels  zusammenflieszt.  dieser 
strich  von  Disentis  bis  nach  Klingnau  entspricht  dann  der  latüudo 
in  der  beschreibung  Caesars,  miszt  man  nun  diesen  strich  auf  der 
karte  mit  dem  zugehörigen  maszstabe,  so  wird  man  finden,  dasz  er 
etwa  1 10  kilometer  beträgt,    das  sind  etwa  74  röm.  meilen.  '*   die 


^^   man   stelle  sich  unter  den  geraden  strichen  in  der  beigegebenen 
Zeichnung  etwa  das  folgende' vor: 


MGC  die  hanptrichtong  des  Rhone  und  des  Rheins  von  Martigny  über 
den  gebirgeknoten  des  St.  Gotthard  bis  nach  Chur.  N  K  die  banptrichtiing 
des  Jura  vom  canton  Neuenbürg  bin  nach  Klingnau.  DK  die  laHtudo  von 
Disentis  bis  nach  Klingnau,  welche  unter  rechtem  winkel  die  vom  pas 
de  r;^clu8e  bis  nach  St.  Margarethen  reichende  tongitudo  PS  schneidet. 
^2  Cluverius  Germ.  II  4  nimt  ähnlich  zwischen  der  Aar  und  der 
Rheinquelle  etwa  76  röm.  meilen  an. 


710  GHabo:  ausdehDUDg  des  gebiete«  der  Helvetier. 

laiitudo  betrSgt  also  in  der  luftlinie  etwa  74  r5m,  meilen.  rechnet 
man  nun  wieder  zu  gunsten  der  krümmangen  der  wege,  niich  denen 
Caesar  Beine  angäbe  inachen  mubte,  in  demselben  Verhältnis,  wie  es 
bei  der  longUudo  geschah  ^  etwa  ein  elftel  des  betrages  noch  zu  der 
gefundenen  zahl  hinzu,  dh.  noch  etwas  Qber  6  römische  meilen.  so 
kommt  man  auf  etwa  80  röm,  raeilen»  und  was  steht  bei  Caesar? 
180  rdm.  meilen.  jeder  kundige  wird  nun  sei  bist  den  schlusz  ans 
diesen  thatsachen  ziehen,  es  ist  vernünftigerweise  nicht  anzunehmen^ 
daßz  derselbe  Caesar^  welcher  die  longiiudo  so  übereinstimmend  mit 
der  Wirklichkeit  angegeben  hat,  in  der  latUudo  einen  so  groszen  irr- 
tum  durch  eine  zugäbe  von  gerade  100  röm.  meilen  gemacht  haben 
sollte,  sondern  dasz  vielmehr  ein  abschreiber,  der  kurz  vorher  in  der 
£ahl  240  zweimal  ein  C  zu  tsetzen  hatte ^  fälschlich  auch  der  zahl 
Z/XXX  ein  C  vorgesetzt  hat,  demnach  haben  wir  in  der  überlieferten 
zahl  CLXXX  blosz  das  C  zu  streichen,  dasz  sich  aber  die  falsche 
2abl  CLXXX  in  allen  hss.  ohne  irgend  welche  abweichnng  zu  finden 
scheint",  würde  nur  ein  beweis  dafür  «ein,  dasz  der  fehler  bis  vor 
unsere  hss.  etwa  in  eine  zeit  zurückreichte,  wo  man  von  den  Ört- 
lichen Verhältnissen  der  Schweiz  erst  wenig  kenntnis  hatte. 

Das  gebiet  der  Hei  votier  war  also  ungei^br  so  grosz  wie  swei 
dritteile  der  heutigen  Schweiz*-^  man  kann  es  etwa  auf  25000 
quadratkilometer  schätzen,  da  nun  die  kopfzahl  des  ganzen  Völk- 
chens der  Helvetier  vor  der  auswanderung  nach  Caesars  angäbe 
etwas  über  ^^  raillion  ^^  betrug ,  so  kam  damals  durchschnittlich  auf 
je  10  köpfe  ein  quadratkilometer  bodenfläche."  da  in  diese  durch- 
schnittäzahl  10  auch  die  knechte'^  und  überhaupt  alle  dienenden 
oder  unselbständigen  mit  eingerechDet  sind,  so  wird  man  sich  nicht 
weit  von  der  damaligen  Wirklichkeit  entfernen,  wenn  man  etwa  an- 
nimtj  dasz  durche^chnittlich  auf  jeden  haushält  ein  quadratkilometer 
des  gehietes  kam. 


^*  auch  Petrarca  las  CLXXX,  wie  »u«  seinen  comm.  de  vita  Caojtaris 
hervorgeht,  vpl.  Davis  zdat.  Caesar».  Oiidendorp  bemerkt  jedoch  :  'CXXIU 
ed.  ine'  ^*   die   »wei  dritteile   «r erden   heute  etwa  von  2  miUiooen 

menBcbeu  bewohnt,  dh.  die  bevölkerung8s»hl  ist  heute  etwa  achtmal  00 
gro82  als  zu  Caesars  zeit,  ^^  263000  seelen  bei  Caesar  L  G.  I  29«  t. 
diese  selbe  stelle  bietet  öbripens  aach  einen  lehrreichen  vergleirh  mit 
dem  heutigen  so  geannnten  und  Öfter  so  geach mähten  militHriAmas, 
denn  unter  den  in  jenem  capitel  znsacnmenjresUhlten  369000  köpfen 
waren  nicht  weniger  als  92000  krteger,  dh.  volle  2ö  proceut.  and  von 
der  gai)^eu  bevölkcrungsKahl  waren  nach  dem  kursen  feldzuge  nur  noch 
110000  übrig,  dh.  Her  krieg  hatte  mehr  als  awei  drittetle  des  Volke«  ver- 
nichtet, die  lahl  der  übriggebliebenen  Helvetier  kann  sich  spüter  nur 
langsam  wieder  gehoben  haben,  wenigstens  wurde  ihnen  im  krieft 
dea  Vercingetorix  nur  auferlegt  8000  Soldaten  lu  stellen:  vgL  h,  ff, 
VII  76,  3.  *•  das  ist  eine  so  geringe  bevölkerungsdichtigkeit^  data 
man  wohl  schwerlich  mit  Napoleon  III  gesch.  Caesars  fl  s.  43  wird 
behaupten  wollen,  die  Helvetier  seien  Mureh  Übervölkerung  beliitifl* 
worden.        >^  Orgetorix  allein  hntte  etwa  10000:  vgl.  K  ö,  l  A,  2. 

Stolberq  im  Rbsinlande.  Ofioaa  flueo. 


MKiderlin:  altes  und  neues  zu  Qaintüianus  I— III.  711 

79. 

ALTES  UND  NEUES  ZU  DEN  ERSTEN  DREI  BÜCHERN 
DES  QUINTILIANUS. 


I  3y  12  modo  nuUa  uideatur  aetai  tarn  infirmay  quae  nonpro- 
tini^  quid  reäum  prauwnque  sU  dtscat,  tum  ud  maxime  formanda^ 
cum  simulandi  nescia  est  et  praecipientihus  facüUme  cedit,  weil  die 
Worte  tum  ud  maxime  formanda^  cum  usw.  zu  dem  subject  oMas 
nicht  passen,  schlug  ich  in  den  blättern  f.  d.  bajr.  gw.  1886  s.  9  die 
einsetzung  von  mens  est  nach  maooime  vor  (vgl.  I  1,  16  a2»  %lUs  [sc 
nutridhus]  quoque  iam  formandam  quam  optimis  instü%Uis  mentem 
infantium  und  X  1, 59  muUa  magis  quam  müUorum  leäione  formanda 
mens).  Meister  hat  diesen  verschlag  in  den  text  aufgenommen.  Becher 
dagegen  bemerkt  (Bursian  -  Müllers  Jahresbericht  1887) :  *aber  wie, 
wenn  die  Schriftsteller  nicht  immer  grammatisch  correct  verfahren 
w&ren,  wie,  wenn  wir  recht  hätten  einer  gewissen  grata  neglegentia 
mitunter  das  wort  zu  reden?  bei  der  synesis  geht  nicht  alles  nach 
der  tabulatur,  sondern  was  dem  geiste  des  schreibenden  vorschwebt, 
ist  entscheidend:  hier  ist  es  das  alter  der  kleinen,  und  dazu  passt 
vortrefflich  t.  u,  m.  formanda.*  also  —  das  alter  der  kleinen 
ist  dann  sogar  am  meisten  zu  bilden,  wenn  es  sich  auf  die  ver- 
Stellung  noch  nicht  versteht?  danach  hätte  Quint.  unterschieden 
zwischen  einem  alter  der  kleinen ,  welches  sich  auf  die  Verstellung 
noch  nicht  versteht,  und  einem  alter  der  kleinen,  welches  sich  ai^ 
die  Verstellung  versteht?  es  ist,  meine  ich,  nicht  schwer  einzusehen, 
dasz  die  werte  tum  ud  maxime  formanda,  cum  zu  dem  subject  'das 
alter  der  kleinen'  ebenso  wenig  passen  wie  zu  dem  subject  'kein 
alter',  wegen  tum  —  cum  scheint  mir  die  einsetzung  von  mens  est 
unerläszlich  zu  sein. 

I  4,  10  atque  äiam  in  ipsis  uocaUbus  girammatici  est  uidere,  an 
aliquas  pro  consonantibus  iMus  acceperü,  quia  ^uun*  sicut  ^eiiam* 
scribUur  et  ^uos*  ut  Huos\  so  Halm  und  Meister  nach  Ritschi,  läszt 
sich  aber  von  den  Wörtern  iam  und  diam,  uos  und  tuas  behaupten, 
dasz  sie  gleich  geschrieben  werden?  die  alten  hss.  ABnN  geben 
übereinstimmend :  quia  iam  sicut  tam  scribitur  d  quos  ut  cos.  daraas 
mache  ich,  meinen  frühern  verschlag  (bl.  f.  d.  bajr.  gw.  1886  s.  12) 
etwas  abändernd:  quia  ^iam*  i,  wt  'uiam\  scrihUur  atque  *uos*^  ti' 
Huos*  (weil  iam  mit  i  geschrieben  wird  wietttam,  und  uos  mit  u  wie 
tuos).  aus  i  ut  konnte  leicht  sicui  werden;  vgl.  §  14,  wo  statt  fui 
ASb  uduty  BNM  ue2  und  statt  /*  B N M  ei  geben,  ebenso  konnte 
aus  atq.  uos  leicht  d  quos  werden ;  ich  nehme  daher  das  von  Iwan 
Müller  (Bursian-Müllers  jahresber.  1876  s.  270)  vorgeschlagene  atque 
iu>s  an.  zu  der  ausdrucksweise  vgl.  I  7, 26  nastri  praec^ares  seruum 
ceruumque  u  d  o  Uäeris  scripserunt  und  Xn  10,  30  ut  equos  hoc  (sc. 
q  lUtera)  d  aequum  scribimus\  sodann  I  5, 12  cum  cpro  g  uierdur. 
I  7,  10  nam  Je  quidem  in  nuUis  uerhis  utendum  puJto.  I  7,  19  tu 


712  MEiderlin:  altes  und  neues  zu  Quintdlianus.l — III. 

eisdem  pluräli  numero  e  wtehavUur.   I  4,  16  quid?  non  e  guoque  i 
loco  fuU'f 

I  4, 10  f.  at  quae  wt  uocaUs  iunguntur  aut  unatn  hngam  faciunt^ 
ut  ueleres  scripserunty  qui  geminatione  earutn  uehU  apice  täehantur^ 
aut  duas^  nisi  quis  piäat  etiam  ex  ttibus  uacalibus  ayüabam  fieri,  si 
nan  aiiquae  offido  consonawtmm  fungantur.  quaeret  hoc  etiam  ^  quo* 
modo  duahus  demum  uocalibus  in  se  ipsas  coeundi  natura  sü^  cum 
cönsoncmtium  nuüa  nisi  aUeram  frangat,  atqui  litter a  i  sihi  insidü: 
^conücW*  enim  est  ah  iUo  *iacif^  et  u,  quomodo  nunc  scrihüur  ^uulgus* 
et  *seruu8\  sciat  etiam  Ciceroni  placwisse  *aiio  Maiiamque*  geminata 
i  scribere:  quod  si  est^  etiam  iungetur  ut  consonans.  während  man 
nach  dem  yorliegenden  texte  glauben  sollte,  dasz  Qnint.  schon  längst 
zu  etwas  anderm  übergegangen  ist,  zeigen  uns  die  worte  quod  si  est^ 
etiam  iungäur  ut  consonans,  dasz  er  immer  noch  die  frage  behandelt, 
ob  nicht  der  gebrauch  die  vocale  t  und  u  als  consonanten  angenom- 
men hat.  ich  glaube  daher,  dasz  folgende  gedankenyerbindung  her- 
zustellen ist:  *cmd  auch  bei  den  vocalen  selbst  hat  der  grammatiker 
zu  sehen,  ob  nicht  der  gebrauch  einige  als  conspnanten  angenommen 
hat;  weil  iam  mit  i  geschrieben  wird  wie  uiam^  und  uos  mit  u  wie 
tuos^  und  weil  diejenigen,  welche  als  vocale  verbunden  werden,  ent- 
weder die  geltung  von  6inem  langen  haben  oder  die  von  zweien.* 
denn  wenn  jemand  glaubt,  dasz  auch  aus  drei  vocalen  6ine  silbe  ge- 
bildet wird ,  ohne  dasz  einige  (nemlich  i  und  u)  die  stelle  von  con- 
sonanten vertreten',  so  wird  er  auch  die  frage  aufwerfen,  wie  es 
kommt,  dasz  nur  zwei  vocale  die  fähigkeit  haben  sich  mit  sich  selbst 
zu  verbinden' .  .  er  soll  auch  wissen,  dasz  es  Cicero  gefallen  hat  aiio 
und  Maiia  mit  doppeltem  •  zu  schreiben,  in  welchem  falle  t  auch  als 
consonant  verbunden  werden  wird.'  diese  gedankenverbindung  Iftszt 
sich  durch  zwei  leichte  änderungen  herstellen:  wir  brauchen  nur  das 
vor  quae  stehende  at  in  et  und  das  vor  quis  stehende  nisi  in  na m  st 
zu  verändern,  zu  nam  vgl.  1 5, 66  aut  e  duohus . .  nam  ex  tribus  nostrae 
utique  linguae  non  concesserim. 

II  11,  6  qui  plurimum  uidentur  höhere  rationis^  non  in  causas 
tarnen  lahorem  suum ,  sed  in  locos  intendunt  usw.  in  diesen  jahrb. 
1885  8. 121  f.  suchte  ich  nachzuweisen,  dasz  die  worte  qui  plurimum 
uidentur  habere  rationis  in  diesem  zusammenhange  nichts  anderes 
bedeuten  können  als  Velche  recht  viel  methode  zu  haben  scheinen'. 


<  daraus,  dasz  diejenigen,  welche  als  vocale  verbanden  werden, 
nicht  auch  die  geltung  von  drei  vocalen  haben  können,  geht  hervor, 
dasz  in  Wörtern  wie  teruae  u  consonantisch  gebraucht  ist.  *  Becher 
will  ao.  mit  Bergk  opusc  II  s.  766  aliqua  .  .  ftingatttr  schreiben,  es 
miiste  aber  dann  jedenfalls  auch  consonantium  in  consonaniis  geändert 
werden.  '  daraus  dasz  nur  die  vocale  i  und  u  die  fähigkeit  haben 

sich  mit  sich  selbst  zu  verbinden,  während  die  andern  vocale  und  alle 
consonanten  diese  fähigkeit  nicht  haben,  läszt  sich  schlieszen,  dasz  in 
Wörtern  wie  coniicit  und  uuigtis  nicht  beide  t  und  beide  u  wirkliche 
vocale  sind,  sondern  dasz  das  erste  t*  und  das  erste  u  consonantisch  ge- 
braucht sind. 


MKiderlin:  altes  and  neaOB  zu  QuintilianiM  I— III.  713 

und  dasz  der  gedanke  ^diejenigen,  welche  recht  viel  methode  za  haben 
scheinen,  verwenden  ihre  mühe  dennoch  nicht  auf  die  ganzen  ftlle,  son- 
dern auf  einzelne  stellen'  aus  mehr  als  öinem  gründe  nicht  befriedigt, 
und  schlag  sodann  (der  yorhergehende  satz  beginnt  mit  nonnuUi) 
die  änderung  von  qui  in  quidam  oder  sunt^i  vor,  wodnrch  der 
gedanke  gewonnen  wird:  'manche  scheinen  recht* viel  methode  za 
haben ,  verwenden  jedoch  ihre  mühe  nicht  auf  die  glänzen  Alle,  son- 
dern auf  einzelne  stellen.'  Becher  erklärt  ao.  eine  textesänderung 
für  durchaus  überflüssig  und  übersetzt:  'welche  (unter  den  natura- 
listen)  noch  die  meiste  methode  zu  haben  scheinen,  richtep  ihre 
thStigkeit  dennoch  nicht,  trotzdem  sie  .  .  scheinen,  auf  ganze  yejr- 
handlungen,  sondern  auf  einzelne  teile.'  meine  bebauptung,  dasz 
jT^rimtun  hier  nicht  durch  den  Superlativ  übersetzt  werden  dürfe, 
weil  von  den  in  den  vorhergehenden  stttzen  gekennzeichneten  rednem 
gesagt  worden  sei,  dasz  sie  gar  keine  methode  hätten  (fiuUa  ratione 
adhibUa  §  4),  sacht  er  dadurch  umzastoszen,  dasz  er  sagt:  'die  übri- 
gen dem  mUgaris  tnodus  (11,  1),  dh.  der  gemeinen  methode,  die 
noch  immer  eine  art  von  methode  ist^  (der  naturalismus  nemlicb), 
trotzdem  sie  «=  nvMa  ratio  ist;  nuüa  ratume  adMnta  (11»  4)  ist  sehr 
gut  von  Baur  übersetzt:  sie  folgen  keiner  vernünftigen  methode.' 
Becher  unterscheidet  also  zwischen  einer  vernünftigen  methode  und 
einer  naturalistischen  methode ;  bei  nUtta  ratume  will  er  an  die  ver- 
nünftige, bei  plurimum  rationis  an  die  naturalistische  gedacht  wissen. 
ist  es  zulässig,  das  wort  ratio  an  der  6inen  stelle  in  jenem,  an  der 
andern  stelle  in  diesem  sinne  aa&ufassen  ?  mir  §cheint  es  keinem 
zweifei  zu  unterliegen,  dasz  ratio  an  beiden  stellen  in  der  bedeutung 
'rationelles  verfahren'  («»  methode)  zu  nehmen  ist. 

n  17  ^30  pliirinMuero  ex  hoc  contra  rhetoriomcauiOatio  est,  quod 
ex  utraque  causae  parte  dicatur.  inde  haec:  nuüam  esse  artem  con- 
trariam  sibi^  rhetoricen  esse  contrariam  sibi:  ntdlam  artem  destruere 
quod  effecerU^  accidere  hoc  rhäorices  operi:  item  out  dicenda  eaim 
docere  aut  non  dicenda:  ita  uei  per  hoc  non  esse  artem ,  quod  non 
dicenda  praecipiat,  uet  per  hoc^  quody  cum  dicenda praecejperüj  äiam 
contraria  his  doceat.  wenn  man  den  werten  accidere  hoc  rhetoricSB 
operi  (es  geschehe  dies  aber  dem  werke  der  rhetorik)  nicht  gewalt 
anthut,  so  kann  man  in  ihnen  keinen  andern  sinn  finden  als  diesen; 
destrui  rhetorices  opus  (es  werde  aber  das  werk  der  rhetorik  nieder- 
gerissen), dadurch  kommt  aber  der  Vorwurf,  welcher  gegen  die 
rhetorik  erhoben  wurde,  nicht  genügend  zum  ausdruck.  aus  den 
Worten  nuUam  artem  destruere  quod  effecerit  geht  klar  hervor,  daes 
der  rhetorik  vorgeworfen  wurde,  sie  reisze  ihr  eignes  werk  nieder 


^  kann  man  es  eine  art  von  methode  nennen,  wenn  manche  naoh 
der  decke  blickend  oft  mehrere  tage  anf  einen  grossen  gedanken,  der 
sich  ihnen  von  selbst  darbiete,  warten  oder,  nachdem  sie  sich  doreh 
ein  unbestimmtes  geniurmel  wie  durch  ein  trompetensignal  angefoaart 
das  suchen  der  worte  mit  den  aufgeregtesten  bewegungei)  des  körpers 
begleiten  (§  4)? 


714 


MKiderUnr  altes  udcI  neues  zu  Quintilianu»  I— IIU 


(vgl.  auoli  §  34  Uem  non  merivt  opus  rhetorice  quod  efficU),  ich  glaaba 
daher,  daß?  zu  schreiben  ist:  acddcre  hoc  rhetorice  suo  operi  (es  ge- 
schehe dies  aber  durch  die  rhetorik  ihrem  eignen  werke).  —  Die 
Worte  Üa  uel  per  hoc  non  esse  artem^  quad  non  dicrtida  praecipiat^ 
ud  per  hoCf  quody  cum  diccnda  praeceperU^  etiam  contraria  his  düceai 
»eigen  deutlich,  dagz  der  dritte  vorwarf,  welcher  aus  dem  umstände, 
dasE  für  und  wider  ge^procben  wird»  gegen  die  rhetorik  abgeleitet 
wurde,  in  zwei  teile  TeiftLUL  es  wurde  ihr  vorgeworfen,  1)  dasz  sie 
fum  dicenda  lehre,  2)  dasz  sie,  wenn  sie  dicenda  gelehrt  habe,  auch 
das  diesem  entgegengesetzte  Ithre.  ich  kann  daher  nicht  verstehen, 
wie  Becher  ao.  von  den  worten  item  aut  dicenda  eam  docere  a%U  non 
dicenda  sagen  konnte:  ^ja  ich  wage  zu  b<^haupten,  dasz  der  rhetor 
sich  kürzer  und  treffender,  dh*  besser  kaum  ausdrucken  konnte.' 
mag  er  aut  —  aut  auffassen  wie  er  will,  so  viel  steht,  glaube  ich, 
fest,  dasz  die  worte  quod  fwn  dicenda  praecipiat  den  worten  aui  non 
dicenda  (sc.  eam  docere\  und  dasz  die  worte  quod^  cum  dicenda  prae- 
ceperitf  etiam  contraria  his  doceat  den  worten  aut  dicenda  mm  docere 
entsprechen  sollten,  entsprechen  sich  aber  die  letztern  worte  auch 
wirklich?  nur  teilweise,  die  worte  cum  dicenda  pracceperit  und 
dicenda  eam  docere  entsprechen  sich,  aber  gerade  dasjenige,  worauf 
es  hauptsächlich  ankommty  nemlieb  der  Vorwurf,  quod  eiiam  dicendis 
conircma  doceat ^  liegt  in  den  worten  dicenda  eam  docere  nicht,  ich 
kann  daher  von  der  meinung  nicht  abgehen,  dasz  nach  aui  dicenäa 
etwas  ausgefallen  ist  in  den  bl.  f.  d.  bayr.  gw.  188$  s.  365  schlug 
ich  vor  ei  contraria  dicendis  einzusetzen*  ich  halte  es  jt*tzt  für  wahr- 
scheinlicher, dasz  ei  dicendis  contraria  ausgefallen  ist,  weil  man  von 
et  dice  leicht  auf  eä  doce  abirren  konnte,  eine  bestätigung  dieser 
Vermutung  finde  ich  in  den  Worten  neque  praecipU  (sc.  rhetorice) 
umquam  non  dicenda  nee  dicendis  contraria^  sed  gwoe  i«  qua(^/^  causa 
dicenda  sunt  (§35).  wir  haben  hier  die  nemliche  Zweiteilung  wie 
oben:  1)  non  dicenda^  ^)  dicendis  contraria,  dasz  Quint.  hier  nicht 
dicenda  ei  dicendis  contraria  schrieb,  sondern  nur  dicendis  conJtrarm^ 
kann  nicht  auffallen,  da  der  eigentliche  Vorwurf  nur  in  ^tioemÜB 
contraria  Hegt,  nicht  auch  in  dicer^, 

11  18,  5  si  tarnen  ($c.  rhetorice)  una  ex  trihus  artihus  habenda 
Sit ,  quia  maxime  eius  usus  adu  continetur  atque  est  in  eo  frequenÜi' 
sima^  dicatur  adiua  uel  adminisiratiua :  fiam  et  hoc  eiusdem  rei  nomim 
est,  Quint.  teilt  in  den  §§1  —  2  d\&  artes  in  drei  gattungen  ein:  in 
betrachlende^  wie  die  astronomie,  handelnde,  wie  die  taniikunst,  und 
bildende,  wie  die  malkunst*  von  der  rhetorik  sagt  er  in  §  2 — ö, 
dasz  sie  zwar  der  hauptsacbe  nach  auf  dem  handeln  beruhe,  aber 
doch  auch  manches  von  den  beiden  andern  gattungen  an  sich  habe« 
darauf  folgen  die  worte  si  tarnen  una  ex  trihus  artitms  habenda  siL 
es  i.-^t  khir,  dmi  nnU^r  trihus  artHms  die  drei  kunstgattungen  zn  ver^ 
stehen  sind,  wir  hatten  also  zu  übersetzen:  ^wenn  s^ie  jedoch  ftLr 
eine  von  den  drei  kunstgattungen  gehalten  werden  roOste/  der  go- 
dankenzusammenhang  verlangt  aber:  'wenn  sie  jedoch  unter  6ine 


MEiderlin:  altes  und  neues  zu  Quintilianos  I— III,  716 

von  den  drei  knnstgattangen  gerechnet,  werden  müsfce.'  ich  vermute 
daher  dasz  zu  schreiben  ist:  si  tarnen  in  una  ex  tribus  artüms  habenda 
sU.  wie  leicht  konnte  in  zwischen  en und  un ausfallen!  vgl.  U  21, 3 
rhetoricen  quoque  dicunt  in  una  aUqwi  parte  ponendam. 

U  20,  5  quod  phüosophi  quidem  müUis  et  acutis  conclusianibus 
coUigunt^  mihi  uero  äiam  planiare  hac  praprieqiie  nostra  probatione 
uidäur  esse  perspicuum,  in  diesen  jahrb.  1885  s.  118  schlug  ich 
vor  hac  in  hoc  zu  ändern,  über  diesen  verschlag  bemerkt  Becher 
(ao.  in  der  rec.  von  Meisters  ausgäbe) :  *dasz  hac  .  .  probatione  nicht 
die  Worte  des  rhetors  sein  können,  hat  K.  überzeugend  nachgewiesen, 
in  der  that  erwarten  wir  nach  hac  pr. ,  dasz  uns  Quint  in  dem  zu- 
nächst folgenden  abschnitte  seinen  beweis  vorführe  und  nicht  die 
Schlüsse  der  philosophen,  denen  er  seine  probatio  erst  §  8  gegen- 
überstellt, was  aber  E.  vorschlägt  planiore  hoc  proprieque  nostra 
probatione  t  ist  wegen  der  Stellung  des  hoc  zwischen  den  ablativen 
verfehlt,  §  8  ist  anderer  art.  der  rhetor  schrieb  wohl  pHaniore  ae 
proprie  nostra  p.  war  einmal  ac  in  hac  verderbt  (b  gibt  ac),  so 
konnte  sich  ein  abschreiber  leicht  gemüszigt  finden  proprieque  zu 
conjicieren.'  §  8  sed  ptenius  hoc  idem  aJtque  apertiusAntueri  ex  ipsis 
operibus  uolo  ist  allerdings  nicht  von  ganz  gleicher  ärt.  aber  ich 
sehe  nicht  ein,  warum,  wenn  hoc  idem  zwischen  zwei  durch  aique 
verbundenen  adverbien  stehen  kann ,  dann  nicht  auch  hoc  zwischen 
zwei  durch  que  verbundenen  attributen  sollte  stehen  können«  dasz 
Quint.  auch  zwei  durch  que  verbundene  Wörter  zu  trennen  sich  er- 
laubte, zeigen  stellen  wie  X  1,129  muUae  in  eo  daraeque  senteniiae] 
4,  1  sed  facäius  in  iis  simpliciusque  iudicium,  quae  replenda  uel  dei- 
cienda  sunt]  XII 1, 21  e^  licebatj  si  aliter  sentirem^  fortius  id  liberiMsque 
defendere,  die  von  mir  vorgeschlagene  änderang  ist  jedenfalls  die 
leichtere.  Becher  sucht  eine  stütze  .für  seinen  Vorschlag  darin ,  dasz 
b  pUmiore  ac  proprieque  gibt,  aber  wenn  A  und  B  übereinstimmen, 
ist  es  bedenklich  sich  auf  b  zu  stützen,  die  lesarten  von  b  sind  für 
diejenigen  teile,  welche  uns  durch  A  erhalten  sind,  ohne  bedeutung« 

II  21,  23  Aristoteles  tris  fadendo  partes  orationis^  tudidaiem^ 
deliberatiuam^  demonstratiuam  ^  paene  et  ipse  oraiori  subiecU  omnia: 
nihü  enim  non  in  haec  cadit.  nach  Quint.  bilden  den  Stoff  der  rede^ 
kunst  omnes  res^  quaecumque  ei  ad  dicendum  subiectae  erwfU  (§  4). 
dieser  ansieht  war  nach  §  21  auch  öprgias  und  nach  §  21  f.,  wenig- 
stens unter  einer  gewissen  bedingung,  auch  Hermagoras.  es  ist  also 
klar,  was  in  unserm  satze  unter  et  ipse  zu  verstehen  ist.  ^Aristoteles 
hat,  wenn  er  die  rede  in  drei  gattungen  teilte,  die  gerichtliche,  be-. 
ratende  und  epideiktische,  ebenfalls  alles  dem  redner  zugewiesen:  • 
denn  alles  fällt  unter  diese  gattungen.'  bedenken  erregt  mir  das 
vor  et  ipse  stehende  paene.  dasz  es  nicht  mit  et  ipse  verbunden  wer- 
den kann,  liegt  auf  der  band,  aber  auch  wenn  man  es  als  zu  dem 
ganzen  satze  gehörig  bezeichnen  wollte,  würde  mein  bedenken  nicht 
schwinden,  denn  wenn  alles  {nihü  non)  unter  diese  gattungen 
fällt,  so  hat  Aristoteles  nicht  beinahe,  sondern  wirklich  alles  dem 


716 


MKiderlb;  dli>eB  und  neues  zu  QmntilianuK  I — IIL 


redner  zugewiesen,   ich  glaube  daher,  dasi^  paene  nicht  yon  Qamt 
herrührt,    es  kann  aus  einer  dittographie  von  am  e  entiätanden  sein, 

m  1,  18  M  (se.  ApoUodortis  et  Theodorus  rheiores)  dinersas 
opiniones  tradidernnt  appellaiiqiie  inde  ApoUodorei  ac  Tkeodorei  ad 
morem  certas  in  philosophia  seäas  seqttenäi,  wenn  Baor  dhersetzt: 
*diese  trugen  verschiedene  ansichten  vor,  wovon  ihre  aohänger 
Apollodoreer  und  Tbeodoreer  genannt  wurden,  nach  art  der  philo- 
sophen,  welche  bestimmten  secten  foIgten*|  so  weicht  er  in  zwei- 
facher beziebung  von  dem  lateinischen  texte  ab;  er  fügt  'ihre  an* 
hänger'  hinzu  und  übersetzt,  als  ob  nicht  seqiiendi  überliefert  wftre, 
Bondem  sequentium.  eine  genaue  Übersetzung  des  satzes  müate  etwa 
HO  lauten:  Miese  haben  verschiedene  ansichten  vorgetragen,  und 
nach  ihnen  wurden  die  Apollodoreer  und  Tbeodoreer  benannt  nach 
der  sitte  dch  bestimmten  philosophischen  schulen  anzuschlieszen/ 
dadurch  wird  sich  kaum  jemand  befriedigt  fühlen,  ich  glaube  dasz 
hier  ein  schwereres  Verderbnis  vorliegt,  wahrscheinlich  hat  Qninu 
die  anhänger  der  rhetoren  Apoll odorua  und  Theodorus  mit  den  an* 
hungern  bestimmter  philoBophenschulen  verglichen,  es  wird  also 
sequi'ndi  in  sequentium  zu  verändern  sein,  damit  ist  der  schade 
aber  noch  nicht  gebeilt:  denn  es  kann  doch  nicht  als  eine  sitte  der 
anhänger  von  bestimmten  pbiloaophenschulen  bezeichnet  werden, 
dasz  sie  benannt  wurden,  welche  sitte  haben  die  anhänger  he- 
ßtimmter  philosopbenscbulen?  sie  schwören  auf  die  worte  ihrer 
raeister,  sie  balten  sich  streng  an  deren  ati fs teil iin gen.  es  läszt  sich 
also  daran  denken,  dasz  Quint.  geschrieben  hat;  .  .  appeüaiique  inde 
ApoUodorei  ac  Tkeodorei  <öd  eas  se  adstringunty  ad  morem  certas  in 
philosophia  sectas  sequefiiium,  Miese  haben  verschiedene  ansichten 
vorgetragen,  und  die  nach  ihnen  benannten  Apollodoreer  und  Tbeo- 
doreer halten  sich  streng  an  dieselben  nach  art  der  anhänger  von 
bestimmten  philosophenschulen.  Quint.  gehörte  weder  zu  den  einen 
noch  zu  den  andern;  er  sagt  §  22  von  sich:  neque  enim  me  asius- 
quam  sectae  udut  qt*adam  supersiUione  imbuttis  addixi,  die  lück« 
kann  durch  abirren  von  dem  ersten  ad  auf  das  zweite  od  entstanden 
sein.  ZM  ad  eas  se  adstringunt  vgl.  II  IS,  d  ut  se  ipsi  kmnineBi 
seruUutem  iuris  adstringerent  und  VII  3,  16  Ula  ex 
phUosophorum  ducia  scruitus  €ui  eerta  se  uerba  adstringendi*  zu  seetm 
sequeniium  vgl.  V  7,  36  I^curi  seäam  se^jutos, 

ni  3,  2  f  $ed  neque  omnia ,  tßtae  res  postuUU,  dicere  nequ$  swp 
quaeque  hco  poterimus  nisi  adiuuante  manorta,  quapropier  ea  quöqm 
pars  quarta  erit,  uerum  haec  cunda  conrumpU  ac propemodum perM 
indecora  uä  uoce  uel  pestu  pronuntiatio :  huic  quoque  igUur  trihuendiu$ 
est  nee^sario  qumius  locus.  Quint,  weist  in  diesem  abschnitte  nach* 
das«  die  rbetorik  fünf  teile  umfuszt:  inuefUio^  dispasitiOt  docuHa^ 
memoria  und  pronuntiatio,  in  §  2  erwartet  man  entweder:  qtta- 
projfter  ea  quoque  pars  erit  (deshalb  wird  auch  dieses  ein  teil  sein)^ 
oder:  quapropier  ea  pars  quarta  erit  (deshalb  wird  dieses  der  vierte 
teil  sein) ;  ebenso  in  §  3  entweder :  huic  quoque  igttur  fritmendus  €d 


MEiderlin:  altee  und  neues  zu  Qointilianus  I — III.  717 

necessario  hcus  (auch  diesem  musz  daher  notwendig  eine  stelle  ein- 
geräumt werden)»  oder:  huic  igitur  tribuendus  est  necessario  quintus 
locus  (diesem  musz  daher  notwendig  die  fünfte  stelle  eingeräumt 
werden),  dasz  sich  Quint.  nicht  correct  ausgedrückt  hätte ,  wenn  er 
quoque  und  quarta^  qt^oque  und  quinttis  neben  einander  gesetzt  hätte, 
ist  leicht  einzusehen,  dies  ist  wohl  der  grund,  warum  quoque  in 
jungem  hss.  und  alten  ausgaben  an  beiden  stellen  weggelassen  ist. 
aber  wie  sollte  quoque  in  den  text  gekommen  sein  ?  viel  leichter  ist 
es  anzunehmen,  dasz  quarta  und  quintus  neben  pars  und  locus  an 
den  rand  geschrieben  worden  ist,  und  dasz  diese  Wörter  dann  in  den 
text .  eingedrungen  sind,  zu  dieser  annähme  möchte  ich  mich  lieber 
entschlieszen  als  dasz  ich  Quint.  eine  so  sonderbare  Vermischung 
zweier  ausdrucksweisen  zutraue. 

III  4,  6  f.  mihi  cunäa  rimanti  et  talis  quaedam  ratio  succurrü^ 
quod  omne  orationis  officium  aiU  in  iudiciis  est  aut  extra  iudida, 
eorum,  de  quihus  vudicio  quaeritur^  manifestum  est  §ewus:  ea,  quae . 
ad  iudicem  non  ueniunt^  aui  praeteritum  häbent  tempus  aut  futurum: 
praeterüa  aut  laudamus  aut  uituperamus^  de  futuris  deliheramus.  so 
ist  in  allen  ausgaben  interpungiert.  mit  rücksicht  auf  talis  möchte 
ich  vorschlagen  nach  su>ccurrtt  einen  doppelpunkt  und  nach  iudicia 
ein  komma  zu  setzen,  wir  können  dann  übersetzen:  Venn  ich 
alles  durchforsche,  föllt  mir  auch  folgende  einteilungsweise  ein: 
weil  die  rede  alle  ihre  aufgaben  entweder  vor  den  gerichten  oder 
auszerhalb  der  gerichte  zu  erfüllen  hat,  bildet  dasjenige ,  worüber 
gerichtlich  verhandelt  wird ,  offenbar  eine  gattung ;  dasjenige ,  was 
nicht  vor  den  richter  kommt,  gehört  entweder  der  Vergangenheit 
an  oder  der  zukunft;  das  vergangene  loben  oder  tadeln  wir,  über 
das  zukünftige  beratschlagen  wir.' 

m  5, 1  omnis  autem  oratio  constai  OMt  ex  iis  quae  significantuTj 
atU  ex  iis  quae  significant^  id  est  rebus  et  uerbis.  weil  es  keine  rede 
gibt,  welche  nur  aus  gedanken,  und  keine,  welche -nur  aus  werten 
besteht,  weil  vielmehr  jede  rede  gedanken  und  worte  haben  musz 
(vgl.  III  3,  1  omnis  uero  sermo,  quo  quidem  uöluntas  aliqua  enun- 
tiatu/r^  häbeat  necesse  est  rem  et  uerha),  schlug  ich  in  den  bl.  f.  d. 
bayr.  gw.  1886  s.  377  vor:  constat  [atU]  ex  iis  quae  significantur  et 
ex  iis  quae  significant ,  indem  ich  darauf  hinwies ,  dasz  das  erste 
aut  nach  constat  aus  einer  dittographie  entstanden. sein,  und  dasz 
dies  dann  die  Veränderung  von  et  in  aut  nach  sich  gezogen  haben 
kann.'^  dagegen  bemerkt  Becher:  'K.  geht  von  der  falschen  Unter- 
stellung aus  —  die  allerdings  von  vielen  geteilt  wird  —  als  ob  durch 
aut  nur  begriffe  verbunden  würden,  die  sich  gegenseitig  ausschlieszen. 
es  kann  kein  besseres  beispiel  für  die  Unrichtigkeit  dieser  gewöhn- 
lichen regel  geben  als  dieses,  wo  aut  ex  üs  quae  significa/Wtwr  aut  ex 
iis  quae  significant  einfach  durch  id  est  rehtM  et  uerbis  erklärt  wird. 

^  vgl.  auch  §  4,  wo  A  esse  quaestiones  in  scripta  ei  in  non  scripto 
gibt,  während  die  übrigen  hss.  esse  quaestiones  aut  in  scripto  aut  in  non 
scripto  geben. 


7 18    ANehriög:  aber  die  originalitHt  van  Seaecas  naturaleB  quae&tiooe 

dem  Schriftsteller  fällt  es  nicht  ein  mit  aut  —  aut  unreines  ifiar  wähl 
zu  stellen,  sondern  alle  beide  können  nicht  nur  sehr  wohl  neben  ein* 
ander  bestehen,  sondern  sind  sogar  gewöhnlich  mit  einander  ver- 
bunden (vgl.  Sey  Gert -Möller  zu  Cic.  Lael.  s*  470)/  mit  dem  waa 
Müller  zu  Cic,  Lael.  bemerkt  bio  ich  vollkommen  einverstanden, 
nicht  aber  mit  der  anwendung,  welche  Becher  davon  macht,  ich  bin 
weit  entfernt  zu  glauben,  dasK  derjenige,  der  sagt:  homines  aut  0$^ 
qtiae  e  terra  gignurUurj  aut  came  uescunttir^  damit  sagen  will;  die 
menschen  nähren  sich  entweder  nur  von  vegetabillen  oder  nur  von 
fleisch  j  er  bestreitet  damit  gewis  nicht,  dasz  sie  sich  auch  von  beidem 
nähren  können,  auch  das  nicht,  dasz  sie  sich  gewöhnlich  von 
beidem  nähren,  aber  so  wenig  man  meiner  ansieht  nach  sagen  kann: 
homines  atä  aere  aut  cibo  egenty  oder :  homo  conslat  aut  ex  anima  aui 
ex  corpore^  ebenso  wenig  kann  man,  glaube  ich,  sagen:  oratio  canstai 
aut  ex  iis  quae  significantur  aut  ex  iis  quae  ^ignificant,  der  grnod 
liegt  darin,  dasz  die  rede  nicht  nur  auB  gedanken  und  werten  be- 
stehen kann,  dasz  sie  nicht  nur  gewöhnlich  aus  beidem  besteht, 
sondern  dasz  sie  immer  aas  beidem  bestehen  mnsz. 

München.  Moriz  Kiderlih. 


80. 

ÜBER  DIE  ORIGINALITÄT  VON  SENECAS  NATURALES 
QÜAE8TIONE8. 


Vor  kurzem  erhielt  ich  durch  hrn.  Johann  Müller  in  Innsbruck 
einen  von  demselben  verfaszten  aufsatz  'über  die  Originalität  der 
naturales  quaestionea  8enecas%  sonderabdruck  aas  dem  *festgrufi« 
aus  Inngbruck  an  die  philo! ogenv er sarolung  in  Wien*  (Innsbruck 
1893)  freundlichst  zugesandt,  in  diesem  aufsatze  wird  mir  zum 
vorwürfe  gemacht,  dasz  ich  durch  meine  beiden  programmabhand- 
lungen  'über  die  geologischen  anschauungen  des  philosopben  Senecib* 
(Wolfenbüttel  1873  und  1876)  eine  zu  hohe  meinung  von  Senecas 
wissenschaftlicher  forschung  und  insbesondere  von  seiner  originalitllt 
erweckt  habe,  dieser  meinung  des  geehrten  Verfassers  glaube  ich 
mit  einigen  bemerkungen  entgegentreten  zu  müssen,  um  den  sUnd- 
punkt  klar  zu  stolleOf  von  dem  aus  ich  meine  oben  citierten  pro* 
grammabhandlungen  geschrieben  habe,  ich  verfolgte  bei  abfassiing 
derselben  zwei  ziele:  1)  wollte  ich  den  modernen  geolog^n  be- 
weisen^ dasz  die  alten  Griechen  und  Römer  auf  dem  gebiete  der 
geologie  doch  schon  etwas  weiter  gewesen  seien,  als  man  heutzutagie 
meistens  annimt,  und  2)  wollte  ich  speciell  die  bedeuioiig  der  nai* 
quaest,  des  Seneca  gegenüber  der  viel  bekanntern  und  oft  citierten 
Hol.  hist.  des  Plinins  hervorheben. ' 

*  daas  man  mir  von  vielen  aeiten  in  der  betontio^  dieier  heldeo 
punkte  zugestimmt  hat,  k^unte  ioh  aas  sablreichcn  rece&aionen  leickt' 

nachweisen. 


ANehriDg :  über  die  originalitftt  yon  Senecas  naturales  qnaeationes.    719 

Wer  die  ersten  abschnitte  meiner  abb.  von  1873  mit  aufmerk- 
samkeit  liest,  wird  obige  ziele  leicht  erkennen,  die  'Originalität'  dea 
Seneca  habe  ich  nirgends  gerühmt,  sondern  vielfach  betont,  dasz  er 
hauptsächlich  aus  griechischen  qi^ellen  geschöpft  habe;  aach  habe 
ich  für  meine  arbeit  absichtlich  den  titel:  'die  geologischen  an- 
schauungen  (nicht  etwa  'forschangen')  des  philosophen  Seneca' 
gewählt,  um  anzudeuten  dasz  es  sich  im  allgemeinen  nur  um  die 
durch  das  Studium  anderer  autoren  gewonnenen  anschauungen,  nicht 
um  originale  forschungen  des  Seneca  handle. 

Im  übrigen  begnüge  ich  mich  damit ,  aus  meiner  abhandlung 
von  1873  s.  10  ff.  folgende  sätze  anzuführen: 

'Ich  werde  mich  in  der  vorliegenden  abhandlang  daraaf  beschränken 
die  geologischen  anschauungen  der  alten  im  anschluss  an 
Seneca  kurz  sur  darstellnng  zu  bringen  und  auf  den  verhältnismäszig 
weit  fortgeschrittenen  Standpunkt  derselben  hinzuweisen,  dasz  ich  mich 
hierbei  gerade  auf  Seneca  stütze,  hat  darin  seinen  grund,  dasz  kein 
Anderer  uns  erhaltener  Schriftsteller  des  altertums  die  hierher  gehörigen 
erscheinungen  und  fragen  so  vollständig  und  methodisch  behandelt  hat 
wie  er.  alles  was  die  alten  naturphilosophen ,  was  Pythagoras,  Plato, 
Aristoteles,  Theophrast,  Demokrit,  Epikur  und  besonders  die  stoiker 
auf  dem  gebiete  der  geologie  geleistet  haben,  hat  ejr  berücksichtigt  und 
kritisch  gesichtet/ 

'Es  ist  zu  verwundern,  dasz  mit  ausnähme  von  Alex,  von  Humboldt 
die  nenern  geologen,  welche  überhaupt  von  den  alten  autoren  notis 
nehmen,  eich  meistens  auf  Plinius  berufen  und  nur  selten  auf  Seneca» 
Plinius  führt  allerdings  eine  grössere  bnzahl  von  beispielen  auf  als 
Seneca;  er  hat  in  dem  2n  buche  seiner  nai.  hUt,  cap.  79 — 109  mit  ge- 
wohntem sammelfleisz  eine  masse  von  geologischen  .phänomenen  und 
zwar  in  einer  gewissen  systematischen  reihenfolge  zusammengestellt, 
aber  die  ansichten  und  erklärungsversuohe,  welche  Plinius  jenen  phäno« . 
menen  hinzufügt,  sind  meist  sehr  unwissenschaftlich  und  noch  vielfach 
mit  aberglauben  vermischt,  viel  näher  steht  dem  Seneca  unter  den 
Römern  Lucretius',  usw.  usw. 

'Es  würde  zu  weit  führen,  wenn  ich  die  griechischen  Schrift- 
steller hier  einzeln  durchgehen  wollte,  welche  sich  mit  der  Schilde- 
rung und  erklärung  von  geologischen  na tur Vorgängen  ausdrücklich  oder 
gelegentlich  befaszt  haben,  die  Römer  haben  vorzugsweise  aua 
ihnen  geschöpft  und  verdanken  ihnen  viel;  aber  keiner  der- 
selben hat  die  ansichten  der  griechischen  autoren  so  voll- 
ständig berücksichtigt  und  mit  so  richtiger  kritik  unter- 
sucht wie  unser  Seneca.' 

'Oft  ist  es  nicht  ganz  leicht,  die  ansichten  anderer  forscher, 
welche  Seneca  anführt,  von  den  bemerkungen,  die  er  selbst  hinzufügt^ 
zu  unterscheiden,  und  ich  glaube,  dasz  diese  Unterscheidung  in  den  aus- 
gaben noch  nicht  überall  richtig  angedeutet  ist.  .Seneca  beginnt  oft 
fremde  ansichten  zunächst  in  indirecter  rede,  geht  dann  aber  gern  an- 
vermerkt in  directe  rede  Über  und  fügt  nicht  selten  kritisierende  be- 
merkungen hinzu,  der  punkt,  wo  letztere  beginnen,  kann  leicht  über» 
sehen  werden;  zuweilen  erscheint  eine  äuszerung  als  bemerkung  des' 
Seneca,  während  man  beim  weiterlesen  findet,  dasz  derselbe  gani 
anderer  ansieht  ist.  schon  Georg  Agricola  hat  an  mehreren  stellen 
seines  Werkes  <de  ortu  et  causis  subterraneorum>  auf  diesep  umstand 
aufmerksam  gemacht;  s.  28  u.  24  behauptet  er  sogar,  Seneca  habe  dem 
Demoeritus  eine  ansieht  untergeschoben,  die  ihm  nicht  gehöre.  vgL 
s.  23  ^  atque  ista  quodammodo  cum  Aristotelis  scriptis  consentiunt ;  qaae 
vero    sequuntur,    ips.e   Seneca   interpretationis   causa   adiecisse   videri 


720   ANehring:  über  die  Originalität  von  Senecas  naturales  qaaestionet. 

potest».  .  .  8.  24  «certe  si  Democritus  in  hac  sententia  fnit,  non  pro- 
cul  abfait  a  re  ipsa.  sed  verendum  nobis  erit,  ne  Seneca  istad  at- 
tulcrit  de  8uo:  et  quod  ipse  in  ezplicandis  scriptomm  opinionibna  rao 
more  rernm  et  verborum  copia  ludere  soleat,  et  quod  Aristoteles  atqae 
Plutarchus  hnins  Democriti  sententiae  nullam  fecerint  mentionem>  usw. 
freilich  scheint  dieser  Vorwurf  des  Agricola  ge^en  den  Seneca  hier 
einigen  gruud  zu  haben,  und  es  würde  jedenfalls  der  mtibe  wert  eein 
zu  untersuchen,  bis  zu  welchem  grade  Seneca  in  der  anführnng  fremder 
ansichten  genau  ist.  im  allgemeinen  können  wir  xins  ohne  sweifel  anf 
seine  citate  und  angaben  aus  fremden  autoren  verlassen,  wenn  er  aach 
oft,  besonders  aus  griechischen  Schriftstellern,  mehr  eine  freie  inhalta- 
angäbe  als  eine  genaue  Übersetzung  zu  geben  scheint.  —  Ich  ffige  noch 
hinzu,  dasz  er  bei  seinen  Untersuchungen  in  der  regel  zunächst  die 
altern  ansichten  über  die  vorliegende  frage  angibt,  sie  kritisiert  and 
zuletzt  sich  entweder  einer  derselben  anschlieszt,  oder  eine  neue,  selb- 
ständif^e  meinung  aufstellt/ 

'Diese  bemerkungen  mögen  genügen  über  den  Standpunkt  und  die 
methode  des  Seneca  bei  der  erörtemng  der  naturwissenschaftlichen 
fragen.' 

Ich  glaube  dasz  ich  in  den  vorstehend  abgedrackten  bemer- 
kungen meiner  abh.  von  1873 ,  welche  ich  leicht  aach  aus  der  von 
1876  vermehren  könnte',  hinreichend  betont  habe,  in  welcher  weise 
Seneca  zu  seinen  'geologischen  anschauungen'  gelangt  ist; 
ich  kann  nicht  finden,  dasz  ich,  wie  Job.  Müller  andeutet,  bei  den 
lesem  eine  zu  hohe  meinung  von  Senecas  wissenschaftlicher  forschnng 
und  von  seiner  *  Originalität'  erweckt  habe,  dasjenige,  was  Job.  MfiUer 
in  dieser  hinsieht  darlegt,  läuft  bei  näherer  betrachtung  auf  dasselbe 
hinaus,  was  ich  bereits  1873  und  1876  gesagt  habe,  vielleicht  mit 
dem  kleinen  unterschiede,  dasz  ich  damals  mit  einem  gewissen  eniha- 
siasmus  von  dem  objecto  meines  Studiums  erfüllt  war,  während  Joh. 
Müller  den  naturales  quaestiones  des  Seneca  *kühl  bis  ans  hers  hinan* 
gegenüberzustehen  scheint. 

'  vgl.  zb.  die  abh.  von  1876  s.  21. 
Berlin.  Alfred  Neerino. 


ERSTE  ABTEILUNG 
FÜB  CLASSISCHE  PHILOLOGIE 

HEBAUSGEGEBEN  VON  AlFBED  FlEGKEISEN. 


(65.) 

DIE  BEIHENFOLGE  DER  FONF  ERSTEN  BEDEN 
IN  PLATONS  SYMPOSION. 

(schluBZ  von  8.  661—585  und  8.  641—665.) 


Die  rede  des  Agathen, 
Nach  einem  gespräche"  zwischen  Sokrates  und  Agathen,  das 
zwar  bald  von  Phaidros  mit  dem  hinweise  auf  die  notwendigkeit  der 
fortsetzung  der  lobreden  des  Eros  unterbrochen  wird,  aber  doch 
deutlich  auf  eine  vorlftufige  Charakteristik  des  Sokrates  abzielt,  der 
seine  sittliche  Überzeugung  zum  alleinigen  maszstabe  seines  handelns 
macht  (toöc  hk  noXXoöc  . .  Troieiv)  und  das  biaX^ycctoi  äXXuic  t€ 
Kai  KttX^  als  die  aufgäbe  seines  lebens  betrachtet,  erklärt  es  Agathen 
für  einen  mangel  seiner  Vorredner,  dasz  sie  niicht  sowohl  den  gott 
gelobt  als  die  menschen  wegen  der  guter,  die  sie  ihm  verdankten, 
glücklich  gepriesen  hätten,  er  werde  daher  zuerst  von  seinen  eigen- 
Schäften  und  dann  erst  von  den  wohlthaten  reden,  die  er  den  menschen 
erweise,  so  nennt  er  den  Eros  den  seligsten  unter  allen  gOttem,  da 
er  der  schönste  und  beste  aller  sei.  der  schOnste  ist  er  1)  als  jüng- 
ster: denn  das  greisenalter,  das  doch  schnell  ist,  flieht  und  haszt  er, 
dagegen  verkehrt  er  stets  mit  den  jungen,  und  so  ist  er  es  aueh" 

^'  in  den  demselben  voran  flehenden  worten,  die  Sokrates  an  Eryzi* 
machos  richtet:  ei  6^  T^voio  oO  vOv  tfili  clfii,  jüiAXXov  bi  Ycuic  oG  £cojMn, 
inciödv  Kai  'Aydeivv  cTirq,  €Ö  kqI  |yidX'  Äv  «poßoto  Koi  4v  iravrl  ctnc, 
ÜJCTTcp  ^T^lj  vOv  (194 •)  wollte  Hirschig  €0  ^dX^  Vermehren  8.  74  Kol  fAoX' 
schreiben,  und  zwar  dieser  unter  berafnng  anf  die  vorhergehende 
äuszerung  des  Erjx.  €i  ^i\  Euv^öri  .  .  irdvu  Av  i(poßo6fAY)v  .  .  vOv  hi 
6^U)C  Oappd).  dazu  aber  würde  die  ändemng  von  cO  in  cd  noch  besser 
pHssen:  ci)  Kai  jüidX*  dv  (poßoto  .  .  dücircp  txS}  vOv.  ^  zu  dem  ersten 
beweise  für  die  jagend  des  Eros  fügt  Agathon  den  sweiten,  den  er 
dem  Zusammensein  desselben  mit  der  jagend  entnimt,  in  den  Worten 
hinzu:  ^€Td  6^  viwv  dcl  EOv€Ct(  T€  Kai  £cTt  (196^).  statt  dieser  hsl. 
lesart  schrieb  Sauppe  fA€Td  bi  yiwv  dcl  EOvcctC  t€  Kai  £cTi  v^oc,  ebenso 
Schanz  und  Hug,  der  letztere  mit  der  bemerkung,  erst  so  werde  icn 
neben  HOvecTi  fA€Td  vduiv  erträglich,  aber  die  folgerang  der  jagend 
des  Eros  aus  seinem  verkehr  mit  der  jagend  würde  auch  damit  nidit 
Jahrbacher  f&r  cUm.  philol.  1S88  hft.  11.  46 


722 


CScliirlits:  4ia  reibenfol^e  der  finf 


nach  dem  Sprichwort,  dasz  sieb  gleieb  und  gleich  gern  gesellt,  iikhi 
also  älter  als  Eronos  und  lapetos ,  wie  Phaidros  will ,  sondern  der 
jüngste  gott  und  immer  jung  bt  Eros;  jene  alten  gescbichten  aber, 
die  flesiodos  und  Parmenides  von  den  gCSttem  erzählen^  mtlsaeSi 
wenn  sie  wahr  sind,  von  der  notwendigkeit,  nicht  vom  Eros,  veran« 
laszt  sein,  weil>  wenn  6r  unter  den  g5ttem  gewesen  wäre,  nicht  ge- 
walt,  sondern  friede  Qnd  freundscbaft  unter  ihnen  geherscht  hätte^ 
wie  jetzt,  seitdem  Eros  die  götter  regiert  (194*  iy\jj  bk  .  .  195* 
pactXeüei).  er  ist  2)  zart,  seine  Zartheit  zu  beschreiben  bedQrfie  ee 
eines  dichters  wie  Homer;  denn  wie  dieser  von  der  Ate  sagte,  ihre 
ftlsze  seien  zart,  da  sie  nicht  auf  dem  boden,  sondern  auf  denbänptem 
der  menschen  wandle,  so  wandelt  und  wohnt  Eros  in  dem  weiebsten« 
den  herzen  und  seelen  der  gdtter  und  menschen,  und  läszt  sich  anck 
nicht  in  den  harten  gemUtem ,  sondern  nur  in  den  weichen  nieder« 
berührt  er  aber  mit  der  ganzen  Oberfläche  (ndvTri)  nur  das  weichste, 
BO  musz  er  am  zartesten  sein,  dazu  ist  er  Z)  geschmeidig:  denn 
wSre  er  es  nicht,  so  würde  er  nicht  überall  durchs chlQpfen  und  un* 
bemerkt  in  alle  Seelen  hinein-  und  aus  ihnen  herausgehen.  4)  von 
harmonischer  gestalt,  was  sein  gefälliges  äuszere  (seine  grazie)  be- 
weist, die  von  allen  anerkannt  wird  und  sich  aus  seiner  bestftndigen 
feindschaft  mit  dem  ungefälligen  ergibt  endlieh  ist  er5)?on8di5ner 
färbe,  worauf  sein  verweilen  auf  dem  blöbenden  hinweist:  denn  auf 
blütenlosen  oder  verblühten  leibern  und  seelen  weilt  er  nicht,  son- 
dern nur  da  wo  es  blüht  und  duftet  (195^  Ocöc  .  .  196**  ^^V€t)• 
wie  er  aber  der  schönste  ist ,  so  auch  der  beste :  er  besitzt  jede 
tagend,  zunächst  gerechtigkeit :  denn  weder  fügt  er  göttern  <»der 
menschen  unrecht  zu,  noch  erleidet  er  es  von  ihnen,  weil  in  beidem 
zwang  liegt,  der  ihn  nicht  berührt  und  auch  nicht  von  ihm  ausgeübt 
wird:  wer  ihm  dient,  thut  es  freiwillig,  femer  kommt  ihm  selbst^ 
beherschung  zu,  dh.  bewältigung  der  leidenschaften;  nun  aber  Ist 
keine  gewaltiger  als  Eros;  bewältigt  er  aber  lüst^  und  begierden^ 
80  musz  er  vor  allem  die  selbstbeherschung  Üben,  in  der  tapferkeit 
femer  steht  ihm  nicht  einmal  Ares  gleich;  denn  nicht  Eros  ergibt 
sich  dem  Ares,  sondern  Ares  der  liebe  (zur  Aphrodite);  wem  man 
sich  aber  ergibt,  der  ist  d6m  überlegen,  der  sich  ergibt,  ist  er  aber 
dem  tapfersten  überlegen,  so  musz  er  der  allertap ferste  sein,  anch 
die  Weisheit,  die  noch  Übrig,  besitzt  er.  er  ist  ein  geschickter  dichter 
und  kann  auch  die,  die  er  berührt  hat,  da2U  machen,  mithin  ist  er 
ein  meister  im  dichterischen  hervorbringen  (näcov  TToinctv  ttjv 
KaTd  ^ouciKTiv),  wie  er  es  bekanntlich  auch  im  hervorbringen  des 
lebendigen  ist;  daneben  ist  er  auch  ein  trefflicher  lehrer  in  den  ans* 
Übenden  künsten:  denn  durch  neigung  und  liebe  hat  Apollon  die 
bogenschieszkunsti  die  heilkunde  und  weissagekunst  erfunden;  nnd 

aasd  rück  lieh  ^exogen  sein;  dies  ge<chihe,  wena  man  schriebe  fierd  H 
v^u)v  dcl  tuvccnv  iK^cre  ical  icxiy  (oder  icrx  v4oc};  jedeafAtls  cotbiU 
das  nächste  6  T^p  iraXai6c  X6toc  cO  Ixet,  d^c  Ö^oiov  i^it^  dcl  TrcXdIUi 
nicht  die  folgeruD^  selbst,  sondern  deren  begründnug. 


ersten  reden  in  Platons  Symposion.  723 

wie  dieser  sein  schüler  ist ,  so  sind  es  die  Musen  in  der  tonkonst 
und  Hephaistos  in  der  schmiedekunst ,  Athena  in  der  weberei  und 
Zeus  in  der  beherschung  von  göttern  und  menseben,  daher  haben 
sieb  die  angelegenbeiten  der  götter  geordnet,  als  Eros,  die  liebe, 
nemlicb  zur  Schönheit,  in  sie  kam.  denn  vom  häszlichen  hält  sich 
Eros  fem,  und  während  früher  durch  die  herschaft  der  'AvdTKH  viel 
schreckliches  unter  den  göttern  geschah ,  ist  seit  der  entstehung 
dieses  gottes  aus  der  liebe  zum  schönen  alles  gute  bei  göttern  und 
menschen  hervorgegangen (196 '^irepi  )Lifcv..l97<=(iv0pt6iroic).  indem 
aber  Eros  Schönheit  und  tugend  nicht  nur  besitzt,  sondern  auch 
andern  verleiht,  ist  er  insbesondere  der  Stifter  des  friedens  und  der 
ruhe  unter  den  menschen  und  in  der  natur :  er  befreit  von  abneigung 
und  erfüllt  mit  Zuneigung,  vereinigt  die  menschen  zu  freundlichem 
Zusammensein  als  führer  bei  festen,  chören  und  opfern,  gewährt 
milde  und  wohlwollen,  steuert  dem  gegenteil,  ist  den  guten  hold, 
den  weisen  und  göttern  wert,  unglücklichen  versagt,  den  glücklichen 
gegeben,  ein  Schöpfer  der  lust  und  Zärtlichkeit,  der  anmut,  des  Ver- 
langens, der  Sehnsucht,  ein  helfer  in  allen  nöten,  aller  götter  und 
menschen  zierde,  der  schönste  und  beste  führer^  dem  ein  jeder  folgen 
soll ,  mit  herlichem  lobgesang  in  die  weise  einstimmend ,  mit  der  er 
der  menschen  und  götter  gemüter  bezaubert  (197*  oÖTiüC  .  .  197  • 
dvBpÜJTTUJV  vÖTi)Lia).  die  schluszbemerkung  des  redners,  sein  Vortrag 
sei  aus  scherz  und  mäszigem  ernst  gemischt,  gilt  natürlich  vorzugs- 
weise von  dem  zweiten  teile  der  rede,  in  dem  die  rücksicht  auf  die 
Wahrheit  hinter  dem  streben  nach  gefälliger  form  hat  zurücktreten 
müssen,  ist  daher  die  nachahmung  des  Gorgianischen  stils  für  die 
richtige  auffassung  des  inhalts  der  rede  nicht  von  belang,  so  kann 
die  vorliegende  erörterung  im  wesentlichen  auch  von  einer  Prü- 
fung der  sophistischen  beweisführung  absehen  ^  deren  sich  Agathon 
bedient  hat,  zumal  da  die  analjse  seiner  trugschlüsse  keine  Schwierig- 
keiten verursacht. 

Um  so  wichtiger  ist  die  frage,  ob  sich  in  dem  grundgedanken 
der  rede  derjenige  fortschritt  der  Untersuchung  erkennen  läszt,  den 
wir  nach  der  obigen  kritik  der  rede  des  Aristophanes  erwarten, 
wenn  die  drei  letzten  Vorredner  trotz  der  Voraussetzung,  dasz  Eros 
ein  gott  sei,  seine  Wirksamkeit  in  einer  weise  beurteilt  haben,  dureh 
die  auch  die  göttlichkeit  der  liebe  alteriert  werden  muste,  so  wird 
das  gleiche  bei  Agathon  der  fall  sein,  wiewohl  er  also  die  Voraus- 
setzung seiner  Vorredner  teilt,  werden  wir  prüfen  müssen,  ob  die 
Vorstellung  von  dem  wesen  der  liebe,  die  seiner  rede  zu  gründe 
liegt,  mit  jenem  äuszerlichen  anerkenntnis  der  göttlichkeit  des 
IpuJC  übereinstimmt,  nun  scheint  allerdings  der  descriptive  Charakter 
seiner  rede  darauf  hinzuweisen,  dasz  er  unter  dem  SpuiC  einen  per- 
sönlichen gott  versteht :  er  schildert  ihn  als  einen  schönen ,  anmut- 
vollen, nimmer  alternden,  farbenfrischen  jüngling,  der  sich  im  be- 
sitz jeder  vortrefiflichkeit  befindet  und  alle  tugenden ,  die  er  besitzt, 
nur  dadurch  dasz  er  sie  besitzt  den  menschen  verleiht,    damit  wird 

46* 


724 


CScbirlits:  die  reihenfolge  der  fünf 


anscbeinend  auf  den  Standpunkt  des  Phaidros  zurückgegriffen ,  wie 
denn  auch  Fbaidros  der  einzige  redner  iät,  gegen  den  Agatbon  (in 
betreff  des  alters  des  Eros)  direct  polemisiert,  bat  sieb  aber  der 
scbriftsteller  aus  bestimmten  gründen  veranlasst  geseben,  gerade 
dem  Agatbon  eine  solcbe  darstellung  des  Eros  in  den  mund  in 
legen,  so  ist  er  anderseits  bemüht  gewesen  das  resultat,  das  Ejyxi- 
machos  und  Arlstophanes  gewonnen  haben,  auch  in  der  rede  des 
Agatbon  festzuhalten  und  den  begrifif  des  triebes  in  geeigneter  weise 
bervorzukebren*  zunächst  fehlt  es  nicht  an  stellen,  in  denen  Agatboii 
den  Ipujc  deutlich  als  trieb  faszt:  so  wenn  er  197*  sagt  TOEiicf|V  •  . 
'AnöXXüJV  ctveupev  diriOu^iac  Kai  IpwTOC  fiT€pov€ucavTOCt 
wo  Ipujc  wegen  der  yerbindung  mit  dem  abstracten  ausdruck  ini- 
Ou|ila  (s.  Hug  s*  112)  offenbar  die  bedeutung  'trieb,  neigung'  bat, 
ebenso  wird  unter  binzuftigung  des  objectes  der  liebe  Eros  197^* 

{Öe€V    bf\    KQl    KaT€CK€UdCÖtl    TtüV    9€lI»V    TOt  TtpCtTfiaTa  'epUJTOC 

^Ipfcvo^^vouj  bfiXov  ÖTl  xdXXoiiC)  der  trieb  zur  Schönheit  ge- i 
nannt  ]  und  wenn  sich  schon  aus  diesem  ausdruck  ergibt ,  wie  leicht 
für  den  redner  die  Persönlichkeit  des  gottes  in  den  unpersönlichen 
trieb  zerflieszt ,  so  wird  dies  noch  ersichtlicher  durch  eine  verglei- 
chung  mit  den  folgenden  worten  (197 '^  ^ireibf)  b*  6  Oeöc  OUTOC 
?(pu,  iK  ToO  fpävTUJVKaXoJV  rrdvi'  dTCtÖd  TtTov€  xal  0€Oic  ical 
dvöpii/TTOic)^  durch  die  die  thätigkeit  der  Ipujvtec  geradezu  an  dio 
stelle  des  persönlichen  gottes  gesetzt  wird,  ganz  ebenso  bat  sich 
schon  vorher  (196'^)  dem  Agatbon  die  concrete  gestalt  des  gotte« 
in  ein  abstractom  aufgelöst:  denn  sonst  würde  er  nicht  den  gott  in 
die  liebe  des  Ares  zu  Aphrodite  verwandeln  können,  wie  er  es  mit 
den  Worten  thut:  ou  ydp  fx^i  "CpujTa  *'ApT]C|  dXX*  *6ptüC  *Apn, 
'Aq>poblTTic,  djc  Xötoc.  dasz  dieser  Übergang  in  den  abstracten  be- 
griff hier  zur  Vollendung  eines  trugscblusses  dient,  kann  seiner  be- 
deutung für  die  vorliegende  frage  keinen  abbrucb  tbon:  denn  gilt 
die  sophistische  beweisführung  für  ein  charakteristisobes  merkmal 
des  redners  überbaupt^  so  kann  man  auch  die  art,  in  derer  mit  dem 
begriff  fpU)C  operiert,  zur  erkenntnis  seiner  anscbauung  vom  fpujc 
verwenden,  man  wird  sich  daher  zum  beweise  dafür,  dasz  er  den 
Ipnjc  für  einen  trieb  erklärt,  auch  auf  dasjenige  sophisma  berufen 
dürfen,  mit  dem  er  kurz  vorher  dem  gotte  die  cuucppocuvr]  vindi- 
ciert  hat.  der  obersatz  lautet:  ^besonnenheit  ist  mächtiger  sein  ab 
die  begierden*  (196*  elvai  Top  öpoXoTeiiai  cuxppocuvTi  TÖ  lepa- 
teiv  fibovüav  Kai  ^mQufiluiv),  der  Untersatz:  'nun  ist  Eros  mttcbtiger 
als  die  (andern)  begierden'  ("'GpiUTOC  bi  \xr\beiiiav  fiboviPiv  KpclTTUi 
elvai)»  der  scbluszsatz  tmithin  ist  Eros  ca»q)puivv  (Kpatutv  hl  fjbovilrv 
.  .  öv  cujqppOVoT).  der  trugschlusz  kommt  also  dadurch  zu  stände, 
dasz  fpiuc  im  Untersatze  als  abstracte  iTttSupia,  im  scbluszsatza  als 
moralische  person  gefaszt  wird,  ^   an  allen  diesen  stellen  wird  f piüc 

M  a.  Hug  t.  110|  der  auch  darauf  aufmerksam  macht,  date  niolit 
jedes  KpclTTU)  cTvot  ein  KparcTv  im  sinne  des  kämpfe»  und  •lefea  über 
andere  lo  sich  schlieizt. 


ersten  reden  in  PlatonB  Sympouon.  725 

als  ein  trieb,  ein  verlangen  bezeichnet^  dessen  ziel  entweder  genannt 
ist  oder  unerwähnt  bleibt;  aber  auch  andere  ausdrücke,  die  den  be- 
griff des  strebens  nicht  in  ausgesprochener  form  enthalten,  lassen 
erkennen ,  dasz  Agathen  unter  dem  £pu)C  nicht  sowohl  die  göttliche 
individualität  als  eine  in  bestimmter  weise  wirkende  kraft,  dh.  ein 
allgemeines  princip  versteht,  wir  hören,  dasz  £pUiC  mit  der  dcxY)- 
juccOvr)  im  steten  kämpfe  liegt  (196*),  von  der  ß(a  nicht  berührt 
wird  (196  ^),  vom  alcxoc  sich  fernhält  (197^);  können  wir  ihn  aber 
als  gegensatz  dieser  abstracta  denken,  ohne  ihn  selbst  als  abstrao- 
tum  zu  denken,  mag  er  nun  das  princip  der  eucxilJiiocuvr],  der  qpiXCa 
oder  des  KdXXoc  sein?  gewis  konnten  sich  aus  diesem  begriffe  leicht 
die  eigenschaften  der  person  gewinnen  lassen,  aber  doch  nur  des- 
halb, weil  sie  selbst  eine  abstraction  bleibt,  die  der  individualitftt 
entbehrt ;  und  schlieszen  nicht  anderseits  auch  jene  aussprüche  die 
gewisheit  ein,  dasz  £pu)C  eine  auf  bestimmte  ziele  gerichtete  kraft, 
ein  treibendes  princip,  also  ein  trieb  ist?  mit  der  dcximocuvT]  kann 
er  doch  nur  dadurch  im  kämpfe  liegen,  dasz  er  der  eOcximocuvT] 
zum  siege  verhilft,  und  seine  abneigung  gegen  ß(a  und  atcxoc  kann 
er  nur  dadurch  bethätigen,  dasz  er  den  dvavT(a  jener  begriffe  in 
und  durch  sich  selbst  geltung  verschafft 

Zu  demselben  ergebnis,  wie  die  eben  erwähnten*  einzelnen 
stellen  der  rede,  führt  aber  auch  die  betrachtung  des  gesamtbildes, 
das  Agathen  von  der  persönlichkeit  des  gottes  entwirft.  Eros  ist 
nicht  nur  ein  jugendlicher,  sondern  auch  der  jüngste  gott:  damit 
wird  er  auf  die  grenze  beider  weiten  gestellt  als  vermittler  gött- 
lichen und  menschlichen  wesens"^,  der  seine  eigenartige  natur  auch 
dadurch  bezeugt,  dasz  er  seinen  einflusz  nicht  nur  auf  die  menschen, 
sondern  auch  auf  die  götter  ausübt  {19b  ^  il  od  "'GpUiC  TÜbv  6€U)V 
ßaciXeuci,  197«  dneibfi  V  6  Geöc  oötoc  ?<pu . .  ndvi'  draGd  t^tovc 
Kai  GeoTc  xal  dvGpiüTTOic,  197«  f\v  $b€i  G^Xtujv  TrdvTuiv  G€div  t€ 
Kai  dvGpu)TTU)V  vÖTijLia).  er  ist  femer  der  gegensatz  der  "AvdTKTi 
(195  «^  *AvdTKij  Kai  oök  "Gpum  T€Tov^vai),  dh.  der  Inbegriff  der 
freiheit.  was  in  seinem  namen  geschieht,  geschieht  aus  freier  ent- 
schlieszung ,  ohne  zwang  und  gebundenheit,  so  dasz,  wer  ihm  dient, 
zwar  den  willen  des  gottes,  aber  in  demselben  nur  seinen  eignen 

^^  Susemihl  gen.  entw.  I  886  weist  anf  die  entgregengesetste  alten- 
beatimmung  des  Eros  bei  Pbaidros  und  Agathon  hin,  von  denen  ihn 
dieser  anter  die  geistigen  göttermäcbte  der  Olympier  und  zwar  als 
jüngsten  reebne,  während  ihn  jener  für  einen  kosmischen  natnrgott 
und  für  älter  als  die  Titanen  erkläre,  und  bemerkt  im  anschluss  hieran, 
bei  Pbaidros  sei  er  der  keim,  bei  Agathon  die  letste  entwioklang  des 
lebens,  und  dies  sei  die  unmittelbarste,  aber  noch  unklar  aufffefaszte 
Vorstufe  zu  der  Sokratischen  betrachtung  der  liebe  als  des  triebes  zum 
idealen,  wenn  auch  im  übrigen  Aristopbanes  gedanke  am  nächsten  an 
die  Sokratische  rede  binanstreife.  die  letzte  bemerkung  kann  ich  mir 
nur  hinsichtlich  der  begründung  des  £pu)C  als  einer  ^niOufiia  aneignen: 
denn  dasz  die  rede  des  Agathon  überhaupt  den  gedanken  des  Aristo- 
pbanes zur  Voraussetzung  hat,  soll  gerade  die  obige  Untersuchung 
darthun. 


726 


CSchirlits:  die  reihenfolge  der  fünf 


willen  erfüllt  (196«  ndc  yäp  ^küjv  'CpujTi  rräv  ömipcTCi)*  mit 
diesem  gedanken  stimiDen  auch  die  prädicate  des  Eros  überein,  die 
gewis  nicht  nur  seine  körperliche  erscheinong  veransch  au  lieben 
sollen:  er  wandle,  beiszt  es,  leicht  und  leise  dahin,  gleich  der  Ate 
bei  Homer  (19ö**-*),  sei  zart  (dTToXöc)  und  geschmeidig  (ÜTpöc  xö 
cTboc  190*},  80  dasz  er  sich  Überall  berumscblinge  und  unbemerkt 
die  seele  betrete  und  verlasse  (196 '^  ou  T^p  hv  . .  f|v).  was  anderes 
hat  der  redner  mit  diesem  bilde  ausdrücken  können  als  den  leisen 
beginn  und  das  stille  wachsen  der  Liebe  im  innern?  denn  im 
innern,  im  zartesten,  in  den  seelen  der  menschen  und  götter  bat 
Eros,  wie  der  redner  gewis  nicht  ohne  absieht  hervorhebt,  seinen 
sitz  (1 95*  ^v  T<ip  ffi^ci  Kai  ^/uxak  Bcuiv  KOi  dvöpuJTTiuv  tfiv  oiicnciv 
tbpuTai),  wohnt  er  aber  in  den  herzen  der  götter  und  menscheDy  so 
ist  er  eben  nicht  ein  gott  wie  die  übrigen  ^  Bondern  ein  innerlicher  i 
Vorgang  f  ein  allen  persönlichen  wesen,  aber  auch  nur  diesen **,  g^\ 
meinsames  verlangen  der  seele,  das  in  ihr  entsteht  und  sie  nach 
einem  auszer  ihr  liegenden  ziele  trachten  läszt.  der  dichterisch  ge- 
artete redner  sieht  dies  verlangen  als  ein  göttliches  individuum  an ; 
aber  die  kunst  des  Schriftstellers  hat  dafür  gesorgt,  daax  wir  den 
Eros  auch  bei  dieser  angehauung  als  das  erkennen,  was  er  nach 
Erjiimachos  und  in  richtigerer  form  nach  Aristophanes  ist,  als  den 
trieb,  der  sich  in  spontaner  weise  bethätigt,  wenn  er  auch  durch 
eine  höhere  macht  in  die  menschen  gelegt  ist.  diese  anschauang 
durchzieht  die  ganze  rede  des  Agathon :  sie  zeigte  sich ,  wie  wir 
oben  gesehen  haben,  in  einer  reihe  von  stellen,  die  sich  nur  von 
jener  bedeutung  aus  verstehen  las^sen :  sie  trat  ebenso  sehr  in  dem 
bilde  hervor,  das  der  redner  von  der  person  des  gottes  entwirft;  sie 
verleugnet  sich  endlich  auch  nicht  in  dem,  was  wir  von  Agathon 
über  die  Wirkungen  des  Eros  hören.  | 

Wie  ErjximachoB  in  seiner  darstellung  von  der  iatrik  aosgeht, 
80  ist  Eros  dem  Agathon  der  grosze  TioiriTric:  niemand,  sagt  tr, 
werde  bestreiten,  dasz  die  hervorbringung  des  lebendigen,  durch  die 
alle  lebenden  wesen  entstehen  und  gebildet  werden  (197*  Kai  ^tv 
,  .  TCt  tu/a),  seine  kunst  sei.  nun  lÄszt  sich  aber  ebenso  wenig  be» 
streiten,  dasz  die  (continuierlichc)  bervorbringung  des  lebendigen 
nicht  die  that  eines  gottes  ist,  sondern  auf  einem  in  das  lebende  ge- 
legten triebe  beruht,  der  verbunden  mit  dem  Selbsterhaltungstriebe 
die  existenz  der  Kjja  bedingt,  wird  daher  die  bervorbringung  des 
lebenden  als  die  kunst  des  Eros  bezeichnet,  so  ist  er  damit  adbai 
mm  zeugungstriebe  gemacht,  wahrend  wir  ihn  in  Eryximachoe  dar- 
stellung für  den  trieb  der  Selbsterhaltung  erklÄren  müsten,  wenn 
nicht  dieser  redner  den  guten  und  schlechten  (pwc  unterschiede, 
aber  Agathon  hat,  noch  ehe  er  die  notncic  Tuiv  l\\iwv  erwähnt^  auch 

••  tljimit  vertrugt  »Ich  auch  die  «rwUbming  der  götter:  denn  der 
redner  il«nkt  (Hhe\  iin  die  »iis  der  mythologte  bekitnoteii  b«iii)itol«  iroQ 
licbtohaften   dersclbet) ,  wenn  er  Atieh  mit  seiner  bemerktiitg  dai  tob, 

dos  €pu^C  SU  erhoh<!n  üucht. 


ersten  reden  in  Platons  Symposion.  727 

die  geistige  zeugung  (Tiäcav  7roiT]av  rfiv  Kaxd  jLiouciKnv  196  •)  für 
das  werk  des  £pUJC  erklärt  und  dabei  insbesondere  der  erotischen 
anlasse  zum  dichten  gedacht  (nac  .  .  npiv  196^).  diese  anschauong 
lag  zwar  insofern  nahe,  als  das  griechische  bewustsein  die  dichterische 
begeisterung  überhaupt  zu  verkörpern  pflegt;  hier  aber  wird  das 
künstlerische  schaffen  zum  ipwc  gemacht,  also  ein  act,  der  nur 
dadurch  möglich  ist,  dasz  sich  der  künstler  getrieben  fühlt  in 
Worten  und  tönen  auszusprechen,  was  ihn  beseelt,  so  wird  Ipuic 
zum  triebe  künstlerischer  äuszerung,  wie  wir  auch  die  spräche  selbst 
als  allgemeinste  form  der  mitteilung  auf  einen  trieb  zurückzuführen 
gewohnt  sind,  den  gegensatz  zu  diesem  verlangen  das  innere  mit- 
zuteilen bildet  der  trieb  zur  aneignung  des  fremden  durch  wissen 
und  können,  mag  es  erst  erfunden  oder  als  ein  bereits  vorhandenes 
von  dem,  der  es  sich  zu  eigen  machen  will,  nur  gelernt  werden 
müssen,  in  diesem  sinne  gehört  dem  £pu)c  auch  die  ausübung  der 
künste  an  (197»  tujv  tcxvüjv  ÖT])LiioupTlct);  denn  auch  zu  ihr  bedarf 
es  der  cocpta,  nach  der  nur  deijenige  trachtet,  in  den  der  trieb  des 
Wissens  und  könnens  gelegt  ist.  die  bethätigung  desselben  erfordert 
ft'eilich  eine  anspannung  des  willens,  aber  sie  ist  um  so  stärker |  je 
stärker  der  trieb  ist,  weshalb  gerade  dem  der  trieb  abgesprochen 
wird,  dem  es  an  lust  und  liebe  zu  seiner  beschäftigung  fehlt. "^ 
darum  kann  Agathon  sagen,  berühmt  werde  in  der  5r])LiioupTi(X  Tuüv 
T€XVdiv  allein  der,  dessen  lehrer  Eros  sei;  und  wenn  nun  selbst  die 
götter ,  wie  Apollon ,  die  Musen ,  Hephaistos ,  Athena  und  Zeus  in 
ihren  Wirkungskreisen  zu  schülem  des  Eros  gemacht  werden,  so 
wird  auch  damit  ausgesprochen ,  dasz  die  individualität  des  Eros  in 
der  Vorstellung  des  Agathon  von  anderer  art  ist  als  die  der  übrigen 
götter. 

Die  bisherige  besprechung  hat  gezeigt,  dasz  es  der  kunst  Platons 
gelungen  ist  den  abstracten  begriff  des  triebes  auch  in  derjenigen 
rede,  die  den  Eros  als  persönlichen  gott  feiert,  nicht  verloren  gehen 
zu  lassen,  freilich  erscheint  Eros  dabei  im  besitze  und  als  Spender 
dessen,  das  thatsächlich  nur  das  ziel  des  in  ihm  verkörperten  triebes 
ist.  das  aber  war  nicht  zu  vermeiden ,  wenn  der  wissenschaftlichen 
behandlung  der  sache  nicht  vorgegriffen  und  anderseits  in  den  ersten 
fünf  reden  alles  erwähnt  werden  sollte  ^  was  für  die  blosze  Vorstel- 
lung mit  ihren  mittein  erfaszbar  ist.  dasz  sich  Eros  auf  das  schöne 


^^  es  ist  daher  keine  von  der  obigen  wesentlich  abweichende  er- 
klärung,  wenn  Hng  s.  112  zu  ^mOufitac  xal  ^puiTOC  ifJYCfXOVcOcovTOC 
mit  Ast  bemerkt,  ^pu)C  bedeute  hier  ganz  allgemein  'liebe  zur  sache'. 
der  unterschied  besteht  nur  darin,  dasz,  sobald  £pu)C  als  trieb  zur 
coq){a  gilt,  damit  die  allgemeine  und  natürliche  begründung  dessen  be- 
tont wird,  was  sich  in  jedem  einzelnen  falle  als  liebe  zur  sache  be- 
zeichnen läszt.  die  von  Hug  (nach  Ast)  hinzugesetzte  erklämng  'leiden- 
schaftliche neigung  zur  entdeckung  des  unbekannten'  liegt  an  sich 
nicht  im  begriffe  des  ?pujc,  sofern  es  sich  um  die  6r|iyuoupT(oi  xexviöv 
handelt,  rechtfertigt  sich  aber  durch  die  beispiele  von  erfindungen,  die 
den  göttem  mit  hilfe  des  ^pu)c  gelungen  sind. 


728 


CSehirlitzj  die  reüienfölge  der  fQnf 


ricbtet,  hatte  noch  keiDer  der  frühern  redner  gesagti  und  doch  konnte 
sich  gerade  diese  heziehung  dem  allgemeinen  bewustaein  nicht  ver* 
bergen,  wenn  daher  Ägathon  den  Eros  das  verlangen  nach  dem 
schönen  und  zugleich  den  schönsten  gott  nennt,  so  bleibt  das  aller- 
dings ein  Widerspruch  f  war  aber  doch  ein  der  kOnstlerii^chen  dar- 
Stellung  geläufiger  gedanke^  den  wir  der  künstlernatur  des  Agathon 
am  wenigsten  verargen  dürfen,  mit  recht  hat  man  bemerkt,  die 
bildende  kunst  sei  überhaupt  nicht  im  stände  gewesen,  das  ver- 
langen nach  dem  schönen  anders  als  durch  eine  schöne  gestalt  dar* 
zustellen.^*  so  gewis  also  diese  ineinsbildung  des  triebes  und  seines 
objectes  eine  folge  mangelhafter  erkeuntnis  ist,  so  sicher  kann  sie 
anderseits  auch  wieder  als  ein  beweis  dafür  gelten,  dasz  Eros  ohne 
die  Schönheit  nicht  zu  denken  ist.  hat  sich  nun  aber,  auch  wenn  der 
Eros  des  Agathon  in  Flatons  sinne  als  trieb  zu  betrachten  ist,  die 
Erwartung  erfüllt,  zu  der  die  rede  des  Aristophanes  veranlassang 
gab?  ist  die  Tollkommenheit,  die  das  ziel  des  erotischen  rerlangens 
bilden  soll,  damit  in  einer  ihrem  begriffe  enti<prech enden  weise  um* 
gestaltet  worden  ? 

Zur  beantw Ortung  dieser  frage  brauchen  wir  nur  das,  was  wir 
so  eben  als  die  absieht  des  Schriftstellers  bezeichneten,  mit  d<*m 
grundgedanken  der  rede  zu  combinieren.  Eros,  als  schönster  und 
bester  gott,  ist  der  inbagriff  des  schönen  und  guten  überhaupt,  ist  er 
nun  in  Wahrheit  ein  trieb,  so  geht  der  erotische  trieb  auf  eine  Voll- 
kommenheit, die  das  schöne  und  gute  in  sich  schliesxt 
an  stelle  des  ganzen  ist  also  das  KaXov  und  dTOiÖöv  getreten,  jenes 
(tö  KüXöv)  als  object  des  erotischen  Verlangens  zu  erkenoen  konnte 
auch  der  vorsteliuDg  auf  grund  allgemeiner  erfahrung  nicht  schwer 
werden;  wie  aber  ist  es  zu  denken,  dasz  die  liebe  auf  das  gute  geht 
oder,  da  uns  die  Untersuchung  in  ihrem  bisherigen  verlaufe  den 
fpujc  bereits  als  trieb  nach  Vollkommenheit  kennen  gelehrt  hat,  wie 
kann  Ipujc  als  schönheits trieb  auf  das  gute  gerichtet  sein?  dh.  wel- 
ches Verhältnis  besteht  nach  des  redners  angäbe  zwischen  den  beides 
begriffen?  zunächst  scheint  ein  solches  für  ihn  überhaupt  nicht  vor- 
handen zu.  sein;  wenigstens  behandelt  er  beide  begriffe  als  einander 
ausschlieszende,  wenn  er  zuerst  über  die  Schönheit  des  gottes  spricht 
und  sodann  mit  genauer  Scheidung  der  teile  erklärt:  n€pi  ^^v  ouv 
KdXXouc  Toö  8eoö  Kai  Taöia  \Kavd  köi  fii  ttoXXq  XeiTrexai^  iT€pi 
bfe  dpeific  *'6pu>Toc  ^€Tä  Taöia  Xckt^ov  (19G'')*  aber  diese 
dispositive  genauigkeit,  die  er  von  Gorgias  gelernt  hat,  hindert  ihn 
nicht  das  schöne  und  gute  an  anderer  stelle  mit  einander  in  Verbin- 
dung zu  setzen,    eine  solche  liegt  sogleich  in  ihrer  beiderseitigen 


*  8.  Hnß^  f.  1S8:  *diö  henterkung  (de*  Sokrates  über  die  rerweebt- 
Inng  des  *€pijüc  mit  dem  ^puü^cvov,  die  steh  A^ntbon  hat  tn  8chald«a 
kommen  lassen)  igt  mit  heziehung  nuf  die  gesamte  «uffassuag:  des  Eroa 
bei  den  griechischen  dichtem  und  künstle rn  vollkommen  richtig'  .  .  aber 
für  pla«1J0che  darstellung  eignet  steh  unsUettig  ein  schöner  Eros  beaser 
alfl  sich  ein  Sokralifobes  peraEu  akxpoO  koI  kqXoO  eignen  würde.' 


ersten  reden  in  Piatons  Symposion.  729 

beziehung  zur  glückseligkeit.  das  schöne  und  das  gute  werden  der 
€UÖai)Liovia  untergeordnet:  denn  Eros  ist  der  glückseligste  gott,  in- 
sofern er  der  schönste  und  beste  ist  (195^  eöbaijiiov^CTaTOV  .  . 
SpiCTOv) ;  die  eubaijiiovia  aber  ist  ein  einheitlicher  begriff,  mithin 
musz  das  xaXöv  mit  dem  äxaGöv  wesens verwandt  sein,  dasz  ferner 
die  Schönheit  das  bedingende  und  das  gute  erst  in  und  mit  dem 
schönen  gegeben  ist,  dürfte  sich,  um  von  einzelnen  bemerkungen*' 
abzusehen,  schon  aus  der  anordnung  der  teile  ergeben,  nach  der  zu- 
erst die  Schönheit  und  dann  erst  die  tugend  des  gottes  nachgewiesen 
wird,  ist  aber  auch  von  Agathon  direct  ausgesprochen,  wenn  er 
sagt,  nach  der  entstehung  dieses  gottes  sei  aus  der  liebe  zum 
schönen  alles  gute  bei  göttem  und  menschen  entsprungen  (197  ^^~^ 
dneiöf)  .  .  ävOpuüTTOic).  der  redner  behauptet  das  wie  etwas  selbst- 
verständliches und  ohne  es  zu  begründen;  um  so  notwendiger  ist  es 
festzustellen,  ob  eine  begründung  des  satzes,  dasz  die  Schönheit  das 
gute  in  sich  schlieszt,  in  der  rede  des  Agathon  implicite -enthalten 
ist.  Eros,  sagt  er,  ist  der  beste  gott,  weil  er  aller  tugenden  teil- 
haftig ist.  wie  die  damalige  Unterscheidung  derselben  (in  gerechtig- 
keit,  besonnenheit,  tapferkeit,  Weisheit)  besonders  von  den  Sophisten 
(s.  Hug  s.  109)  vertreten  wurde ,  so  sind  auch  die  beweise ,  die  der 
redner  bringt ,  durchweg  sophistisch  gehalten ,  aber  der  Sokratisch- 
Platonische  gedanke  von  der  einbeit  der  tugenden  läszt  sich  doch 
namentlich  am  Schlüsse  des  ersten  teiles  der  rede  des  Agathon  wohl 
erkennen.  Zeus,  heiszt  es  197^,  habe  die  kunst  götter  und  menschen 
zu  beberschen  vom  Eros  gelernt,  dadurch  hätten  sich  auch  die  Ver- 
hältnisse der  götter  geordnet  (KaT€CK€udc6ii) ,  nachdem  sich  die 
liebe,  nemlich  zur  Schönheit,  ihrer  bemächtigt  habe,  eine  ordnnngs- 
mäszige  herscbaft,  deren  gegensatz  hier  das  gewaltthätige  regiment 
der  'AvdTKii  bildet,  wie  überhaupt  jedes  der  Ordnung  angepasste 
leben,  sei  es  der  götter  oder  der  menschen,  ist  nur  möglich  durch 
die  geltung  der  gerechtigkeit :  denn  alle  Ordnungen  und  gesetze  be- 
ruhen auf  dem  recht  (öiKaiov);  die  pflege  der  gerechtigkeit  aber 
setzt  voraus ,  dasz  jeder  sich  selbst  beherscht  (cuJcppocOvT)),  den  an- 
griffen, die  der  rechtszustand  erfährt,  mit  einsetzung  seines  lebens 
entgegentritt  (ävbpeia)  und  von  der  sittlichen  beschaffenheit  seiner 
handlungen  die  zutreffende  erkenntnis  hat  (cocpia).  so  verwirklichen 
sich  sämtliche  tugenden,  also  das  gute,  in  einem  ordnungsmäszig 
eingerichteten,  durch  masz,  gesetz,  recht  zu  fester  gestalt  gelangten 
leben  und  zwar  unter  dem  einflusse  der  liebe  zum  schönen  ^GpoiTOC 
dTT€vo|Li^vou,  önXov  ÖTi  KCtXXouc).'*" 

'^  dahin  gehören  die  worte  197  •>  "epuiTOC  lTT€VOfX^vou ,  öfJXov  ÖTI 
KdXXouc.  Eros  als  subjectiver  trieb  ist  auf  das  schöne  als  sein  nächstes 
object  gerichtet  und  ist  überhaupt  (6f)Xov  ÖTi)  ohne  dasselbe  nicht  zu 
denken.  ^^  am  ende  des  zweiten  teiles  seiner  rede  nennt  Agathon 

den  Eros  .  .  HufiTidvTWv  T€  Getüv  kqI  dvepii^irwv  KÖCfAOC,  f|T€M*hv  KdX- 
XiCTOC  Kai  dpiCTOc.  aus  den  umgebenden  bestimmungen  ist  die  bedeu- 
tung  von  KÖc^oc  nicht  zu  ersehen.  Schleiermacher,  Zeller,  Jahn  geben 
es  durch  'zierde'  wieder,   Müller  durch  'schmuck':  trifft  dies  auch  die 


CSdKtSIc:  die  mhfwfolgc  dar  fBuT 

Wie  kattii  nun  &ber  der  liebe  tmn  «ebenes  oder  Tiebnelir  den 
webHimem  selbst  diese  öuvoiitc  tagesehfiebeo  werden  ?   prILfen  wir  { 
en  dea  pitdicateft,  die  AgsÜiOB  dem  Eros  ak  Oeöc  icdXXicroc  <  _ 

Qnd  bringen  wir  d&bei  diejenigen  ia  mbtiig«  die  sieh  ms  dem  solbr»- 
pomorphiscban  cbar&kter  der  damteliimg  efkÜrea,  sise  die  jo^eaii 
(yioc)  und  die  färbe  (xf^c  xäXXocj'^  oder  «af  die  nsiar  des  Cpoc 
aU  eines  triebe«  znrückzoffibren  sind ,  db«  sein  wirken  in  der  oeeito, 
sein  unvermutetes  eindringen  (diraXu/TOToc,  trpoc  bc  toütoic  vrpAc 
TÖ  clboc  196^),  &o  bleibt  ab  weeentlicbes  merkmal  des  scbönen  die 
CUM^^1^P<>^  i^ö  Obrig,  die  der  redner  mit  der  €VCXnJ^ocuvr|  be* 
gründet.  ^  £ro«  iei  slso  wohlgestaltet,  denn  die  ibea  cv|l}ieTpOC  ist 
harmonie  der  glieder,  ebenmsss ,  und  das  schdne  defnnadi  form«  g»- 
iiUlt,  db«  die  einbeit  des  maoigfaliigeiL  wird  nan  tun  des  begriAa 
der  eitü^eit  willen  auch  die  einbeit  des  maaigfaltigen  ftlr  &ine  cud 
dieselbe  erklärt,  möge  sie  fQr  die  sinnlicbe  oder  gei^ge  anscbattttng 
bestellen;  wird  al^  nicht  nur  von  dem  sehönen  die  geetalt,  BOBdem 
auch  von  dieser  die  schOnbeit  prSdiciert^  so  fKIlt  das  schöne  mit  dcEm 
ewigen  zusammen:  denn  es  ist  auch  die  in  allem  Wechsel  der  er- 
scbeinungen  beharrende ,  onverg&ngliche  gestalt  oder  form ,  dh.  die 
idce»^  gewis  hat  Agathon  diesen  gedenken  weder  aosgesproclieB 


abfticlit  de«  •ehrifisieller«,  so  eaUprieht  e«  doch  der  oelgaog  Flatetts 
mit  der  uJicbttea  b^deatnDg^  eine  tiefer  liej^eode  ea  verbiadeo;  daber 
hAlie  ich  ei  für  vrahrjicbemticb,  dmBZ  der  Ausdruck  g^ewllilt  itt^  oa  Atm 
k,rot  zugleich  alt  ordneudea  priaeip  der  gotter  und  meosebea  s«  b#* 
seicbtieii- 

**  da  et  sieh  um  die  bescbreibung  göttlicher  sch<Siibeit  in  oiea«e^ea*_ 
ireetalt^    db.  fneoicfaltcber  «ch<SQbeit  handelt,    war   die   erwäbmtixg 
Juffend    und    also    auch    der   färbe   ani^rllatlicb:    denn   das   wea 
taerkmiil  des  schunheiiibc^iä^eB  ist  im  berelche  meoscbUcbar  schd 
Hü   «in   b<tstitnmtea   alter    gebatiden   iiod   i^eht   im   spätem   verlasfe  iea 
1  «belli  verloren.  "  eq  lesen  I«t  cu^M^^pou  hi.  IbidC  M^a  T€K|iHpi<iW 

f\  cOcximocOvr) ,  den  xusatz  Kai  6Tpdc  hinter  tUfi^^^Tpou  Ulfe  ich 
d«tD  Vorgänge  Jahns,  so  auch  Hag.  dageiteu  möchte  ich  Hug 
bcfitimroeo,  wenn  er  bemerkt ,  die  als  bewei«  für  die  harmonisch«  < 
ttalt  des  Eros  vorifebrachte  altgemein  anerkannte  grazte  [ii)Cjpl^ 
dc«i»elben  sei  mit  dieser  itn  gründe  ideotisch*  der  unterschied  der 
cÖM^CTpoc  «od  €Öcx»l>iocOvr|  ist  doch  immer  der»  das«  jene«  die  bi 
mouische  gestalt  an  sich  db,  in  ruhe,  dies  die  harmonische  schiSnbait 
In  bewef^tiDg  ist,  **  nur  dadurch  dasz  das  schünc  die  form,  die  ge- 
stalt vertritt^  daiic  es  die  einheit  des  manlgraUigeu  in  der  geij 
anschautmg  wie  anderseits  in  der  sinnlichen  bedt^utet,  konnte  et, 
Natorp  im  Fhilol.  XLVIII  439  seigt»  zur  mct^pher  werden  für 
twifft  schlechthin,  als  das  allein  wahre  obj«ci  det  philosophi«. 
recht  hebt  Natorp  dabei  hervor,  dass  sn  dieser  anffassnog  des  begritfiM 
des  schönen,  die  namentlich  das  Symposion  hestltige,  schon  in  di 
liefen  andentungen  des  GorRias  Über  die  verwand  tschaft  d^^  icdXA 
mit  v6|ioc,  Td£ic,  itboc  iiud  folglich  mit  dem  droOdv  der  groad  gelegt 
sei.  ebenso  Ist  es  sti  billt|ren,  wenn  der  genannte  diese  meiapher  aaf 
das  Hellen ontiim  zurückführt,  als  Hellene  habe  Ftaton  gewtiat,  wo 
seine  henenischen  leser  am  sichersten  so  fassen  wareu^  mit  nainraot^ 
wendififkcit,  miichte  man  sagen»  sei  ihm  das  schöne  der  tinnliehen  ge- 
stalt  zum  sltii^^bnis  der  ewig^en  gestall,  der  idee»  geworden. 


ersten  reden  in  Piatons  Symposion.  781 

noch  aussprechen  können,  aber  die  yorstellong,  dasz  die  liebe  zom 
schönen  auch  ein  Wohlgefallen  am  aittJiohschönen,  am  guten  er^ 
wecke ,  rechtfertigt  sich  nicht  nur  darch  die  allgemeine  gewofanfaeU 
die  begriffe  der  Ordnung  und  des  maszes  auf  das  sittliche  gebiet  zu 
übertragen,  wie  auch  wir  von  ordentlichem  und  unordentliohem 
leben,  von  maszvollem  und  maszlosem  handeln  reden,  sondern  ent* 
sprach  auch  besonders  einem  grundzuge  im  Charakter  der  griechischen 
nation,  die  die  Vollkommenheit  als  innigste  Vereinigung  des  schönen 
und  guten,  als  KaXcKäTQ^iot  zu  betrachten  pflegte,  nichts  anderes 
aber  ergibt  sich,  wenn  wir  das,  was  A.gathon  196*  und  197^  sagt, 
in  der  oben  angegebenen  weise  combinieren.  £puic  ist  liebe  zum 
schönen,  zur  gestalt.  gestalt  aber  ist  es  ja  eben,  was  die  angelegen- 
heiten  der  götter  gewannen,  als  die  liebe  zum  schönen  in  Zeus  und 
den  übrigen  göttem  erwachte,  gestalt  und  Ordnung,  recht  und  ge- 
setz  bilden  den  gegensatz  zu  den  greueln,  die  unter  dem  regimente 
der  'AvdTKT]  geschehen,  sind  also  das  gute  oder,  wie  Agathen  sagt^ 
TrdvT*  drfaQä,  die  den  göttem  und  menschen  Ik  toO  dpäv  tijliv  koX&v 
zu  teil  werden,  so  ist  also  durch  den  begriff  der  gestalt  eine  Ver- 
mittlung zwischen  dem  schönen  und  guten  hergestellt. 

Die  rede  des  Agathon  gewährt  aber  noch  einen  weitem  anhält 
für  die  annähme,  dasz  das  gute  nach  des  redners  Vorstellung  eine 
consequenz  des  schönen  ist  oder  mit  demselben  coincidiert.  ab- 
weichend von  der  genauen  disposition  des  ersten  teiles  seines  Vor- 
trages häuft  er  im  zweiten,  in  dem  er  nachweisen  will,  dasz  Eros 
nicht  nur  selbst  der  schönste  und  beste,  sondern  auch  für  die  andern 
die  quelle  des  guten  und  schönen  sei,  eine  menge  von  prftdicaten 
des  gottes  auf,  scheinbar  ordnungslos  und  so,  dasz  nur  die  absieht 
der  nachahmung  des  Gorgianischen  Stiles  zu  tage  tritt,  thatsftchlich 
aber  mit  einer  wähl  der  ausdrücke,  die  kaum  erl^ennen  läszt,  ob 
man  mehr  an  die  Schönheit  oder  an  die  tugend  des  gottes  denken 
soll,  und  jedenfalls  in  einer  reihenfolge,  di^  die  im  ersten  teile  vor- 
handene Scheidung  des  guten  und  schönen  auszer  acht  Iftszt  denn 
wenn  der  redner  den  Eros  als  Friedensstifter^  feiert,  der  von  ab- 
neigung  befreie,  mit  Zuneigung  erfülle,  der  die  menschen  zu  allen 
freundlichen  Zusammenkünften  als  führer  bei  festen  y  reigentftnzen 
und  opfern  vereinige ,  der  Sanftmut  bewähre,  Wildheit  entferne,  der 

**  Hug  bemerkt  s.  114,  die  auffassung  von  dem  'besänftigenden, 
jeder  leidenscbaft  entbehreDden ,  schwächlicben  wesen  des  Eros  ent- 
spreche dem  sUszlichen  Agathon  and  werde  in  der  meisterhaften  nach- 
ahmung des  poetisierenden  klingklangs  Gorgianischer  rhetorik  weiter 
aasgesponnen.'  ähnlich  findet  Rettig  s.  244,  dass  keine  stelle  geeig- 
neter sei  den  Charakter  des  Agathon,  seine  Weichlichkeit  und  sinnlioh- 
keit,  zu  veranschanlichen  als  die  sich  anschlieszende:  TpU(pf)C,  AßpÖTTfroc 
.  .  irar/ip.  dies  trifft  im  ganzen  zn,  wiewohl  der  ansdruek  'schwächlioh' 
zu  den  spätem  prädicaten  £v  irövip  .  .  Ku߀pvf|Tr)C ,  £inßdTr|C,  irapa- 
C7&TY\c  T€  Kul  cu)Tif|p  nicht  recht  passt,  berührt  aber  nicht  den  oben 
dargelegten  wert  der  gedanken.  Piaton  weisz  eben  auch  hier  die  an- 
forderungen  des  fiOoc  und  der  Individualität  mit  dem,  was  der  fortgang 
der  Untersuchung  verlangt,  in  einklang  zu  bringen. 


732 


CSchlrlib::  die  feÜxenfolge  der  f^nf 


ein  geber  des  woblwoUena,  nicht  der  feindscbaft  sei  (197^  outoc 
bi  fmäc  .  .  buc|i€vetac) ,  so  kann  man  diese  einwirkung  mit  dem- 
selben  rechte  ethisch  wie  ä&thetisch  neonen:  ethisch,  weil  milde, 
Sanftmut,  wohlwollende  geginnung  ein  kenn  zeichen  der  Sittlichkeit 
ibt  und  auch  feste,  reigen,  opfer  nur  in  einem  zustande  der  gesittung 
denkbar  sind ,  ästhetisch ,  weil  gerade  diese  einrichtungen  '^  veran- 
lassung zur  darstellung  der  Schönheit  boten  und  dadurch  natürlich 
auch  wieder  veredelnd  auf  die  gern  titer  einwirkten,  noch  enger 
werden  die  bezeichnungen  des  kocXXoc  und  der  äperri  im  folgenden 
verbunden,  wo  die  worte  dßpÖTiiTOC,  x^^^H^t  XOtpiTüuv,  i^cpou** 
Tranip  an  die  schöne  und  anmutvolle  erscbeinung,  die  folgenden 
aber  (^nipeXfic  dta^uiv,  d^eXTic  KaKutv.  dv  ttövuj,  iy  cpößiu  .  .  tta- 
pacrdTTic  t€  kgI  cuüifip  fipicTOC,  EupiravTinv' öciuv  t€  koI  dvSptu« 
TTiuv  KÖC^Oc)  an  die  tüchtigkeit  des  Eros  zu  denken  nötigen ,  wäh- 
rend in  dem  schluszsatze  (fiY^MÜbv  KdXXiCTOC  Kai  dpiCTOC;  ii  XP^ 
^iT€c8ai  Trdvta  ävbpa  dq>ü^v"oövTa  Kai  ^bf\c  Metexovta,  f\Y  äbti 
^ikfwy  TidvTUJV  6€u»v  T€  Kai  dvOpU)iTu;v  vöima)  der  dpciri  nur 
beiläuBg  erwäbnuDg  geschiebt,  das  bauptgewicht  aber  nach  der 
ganzen  Situation  und  den  einzelnen  ausdrücken  (KdXXiCTOC,  ^ei 
O^YU/v)  wieder  auf  die  Schönheit  gelegt  wird,  die  von  beginn  an 
das  leitende  motiv  für  die  rede  des  Agatbon  abgegeben  hat 

Vergleichen  wir  jetzt  ihr  bisheriges  ergebnis  mit  dem  der  vor- 
hergehenden rede,  so  liegt  der  fortschritt,  der  sie  kennzeichnet,  in 
der  veränderten  fassung  der  voilkommenheit:  nicht  das  ganze,  son- 
dern das  schöne,  das  uns  des  guten  teilhaftig  macht,  bildet  nun- 
mehr das  object  des  erotischen  triebes.  mit  dem  guten  aber  ist  der 
der  Vollkommenheit  entsprechende  begriff  gewonnen ,  der  insbeson- 
dere ihre  aneignung  als  allmShlicbe,  als  einen  process  der  vervoll« 
kommnung  zu  denken  gestattet,  lehrt  doch  schon  die  allgemeine 
erfabrung,  dasz  nicht  nur  der  erwerb  jedes  gutes  eine  anstrengong 
des  erwerbenden  erfordert,  sondern  auch  das  gute  nur  sucoessiT^ 
dh.  in  und  mit  der  sittlichen  besserung  des  subjects,  erlangt  werden 
kann,  hat  nun  aber  der  redner  gerade  in  dieser  beziebung  die  er- 
Wartungen,  die  wir  hegen  durften,  erfUllt?  er  findet  zwar  den  be- 
griff, der  es  überhaupt  ermöglicht  bei  dem  erotischen  triebe  an  eine 
entwicklung  zu  denken,  wie  sollen  wir  sie  uns  aber  nach  seiner 
rede  vorstellen?  halten  wir  uns  an  seine  wortö,  so  ist  das  gute  mit 
dem  schönen  gegeben:  sobald  Eros,  sagt  er,  entstanden  war,  ward 
durch  die  Hebe  zum  schönen  göttern  und  menschen  alles  gute  zu 
teil  (197  ^  in^ibi} . .  dv6pi£jTroic).  das  schöne  schlieszt  also  das  gute 
in  sich :  dann  kann  aber  auch  der  grund  der  entwicklung  nicht  in 
dem  Verhältnis  des  schönen  zum  guten,  sondern  nur  in  dem  schönen 
selbst  liegen,  wollte  man  aber  sagen,  nicht  das  schöne  als  objectifes 

*^  benoDdera  die  iopTüi  und  xopo(,  nber  doch  auch  mjicb  Sehomaoa 
griech.  alt.  I  63  die  öuctai.  *•  Tpu<pfiC  vor  6ßpÖTT)T<K  hat  Ilug  be- 

seitigt, weil  er  der  von  VÖgelm  pUiuibel  gemachten  ftreicbtißg  von 
1TÖ80U  oach  tp^pou  ittstimmt. 


ersten  reden  in  Platone  Symposion.  733 

gebe  den  ansschlag,  sondern  das  verhalten  des  liebenden  sobjeotes: 
wer  am  eifrigsten  nach  der  Schönheit  strebe,  werde  sich  auch  den 
besitz  des  gnten  am  besten  sichern,  so  würde  auch  damit  nichts 
gewonnen  sein,  denn  bei  der  annähme,  dasz  das  schöne  von  ein- 
facher beschaffenheit  ist,  wird  auch  der  erotiker  trotz  aller  intensität 
seines  strebens  doch  nur  der  einfachen,  in  sich  vollendeten  Schön- 
heit teilhaftig  werden ,  mithin  der  höhere  oder  geringere  grad  des 
£pu)C  ohne  bedeutung  bleiben,  daraus  aber  folgt  dasz,  wenn  der 
gröszere  eifer  ein  höheres  ziel  erreicht  |  also  die  aneignung  des 
schönen  einer  Steigerung  fKhig  ist,  der  grund  davon  nur  in  der 
natur  des  schönen  selbst  gesucht  werden  kann:  nicht  als  ob  dadurch 
eine  entwicklung  des  erotikers,  eine  erhebung  der  liebe  von  dem 
niedem  in  ein  höheres  Stadium  ausgeschlossen  würdci  aber  sie  wird 
eben  dadurch  bewirkt,  dasz  innerhalb  des  schönen  selbst  eine  Stufen- 
folge der  erscheinungen  der  Schönheit,  ein  fibergang  von  der  niedem 
zur  hohem  existenzform  des  schönen  besteht,  gerade  diese  eigen- 
tfimlichkeit  des  schönen  hat  Agathen  nicht  aufgezeigt,  er  hat  nicht 
nachgewiesen,  in  welcher  weise  der  erotiker  mit  dem  schönen  ver- 
kehren musz,  um  an  sich  selbst  den  process  der  Vervollkommnung 
durchzumachen,  zu  dem  sich  £pu)C  gestaltet,  wenn  er  die  liebe  zum 
schönen  ist  und  das  gute  mit  dem  schönen  zusammenfftllt.  zwar  er- 
kennen wir  leicht  den  wert  der  eigenschaften ,  die  der  redner  von 
dem  66ÖC  KdXXiCTOC  aussagt:  denn  Jugend,  Zartheit,  geschmeidig- 
keit,  ebenmasz  und  färbe  bilden  offenbar  die  charakteristische  Schön- 
heit des  menschlichen  leibes;  auch  musten  wir  uns  davon  fiber- 
zeugen, dasz  die  gestalt  insofem  das  constitutive  merkmal  des 
schönen  ist,  als  sie  sich  nicht  nur  in  der  sinnlichen  anschauung, 
sondern  auch  auf  sittlichem  gebiete  wirksam  zeigt  und  daher  das 
schöne  mit  dem  guten  in  bezieh ung  setzt;  wie  aber  die  Schönheit 
der  menschlichen  gestalt  den  erotiker  in  zweckmSsziger  weise  zu 
fördern  vermag,  in  welchen  reihen  sich  das  schöne  darstellt,  und. 
wie  diese  mit  einander  verbunden  sind,  wie  femer  der  erotiker  ver- 
fahren musz,  um  von  den  niedem  stufen  der  Schönheit  zur  höchsten 
emporzudringen  ^  in  welchem  Verhältnis  er  endlich  zu  dem  schönen 
objecto  steht,  dh.  wie  er  den  erotischen  trieb  bethätigt:  alle  diese 
fragen  bleiben  in  Agathons  rede  unerledigt,  eine  endgfiltige  auf- 
klärung  aber  den  begriff  des  schönen  erhalten  wir  also  durch  sie 
nicht;  wir  begegnen  aber  in  ihr  noch  einer  andem  aporie,  und  fast 
scheint  es,  als  habe  Piaton  wie  in  frfihem  fällen  so  auch  hier  gerade 
die  darstellung  der  mftngel  des  Vortrags  zu  einer  andeutung  fiber 
ihre  beseitigung  und  damit  auch  fiber  den  weitem  verlauf  des  ge- 
sprächs  benutzt. 

Schon  Aristophanes  hatte  die  zeugung  als  eine  der  beiden  be- 
tbätigungs weisen  des  Eros  bezeichnet ,  aber  da  er  sie  nicht  aus  dem 
zwecke  des  zeugenden  ein  neues  zu  bilden,  sondem  aus  der  absiobt 
des  Zeus  erklärt,  der  die  Vernichtung  des  menschengeschlechtes  im 
interesse  der  götter  verhindem  will,  konnte  seine  auffassung  der 


Tb4  C'bcmriiu;  ciit  reiiieuiuigt  ix*fi  iüul 

flivvriCiC  Uii^iii  uelr'iecii/u'eK.  Aj^utuoL  ii&:  diüj»<;ij  feuier  Miinefc  vor- 
leaiivfe  \eiuiit;uci.  uuc  ^eiJi  aucL  iL  divüni  uezieuuxi^'  Über  ifas 
iiiiiaur. :  ef  iMeiii  iu.  Li'ut  ouht  wt^i;«rec  öen  i^euguug^iriet .  uxid  fiO 
ßi^iit'f  lai  iiiU;  Ob£  uewü»: .  QbfZ  e?  ^iicL  iUr  den  buu.  die  bervor- 
üi.:ij;^uiig  G<;fc  leoeudeL  be.  eibe  wei^ueii  det  Lrub,  luii  der  uerufun^ 
auf  CiC  uli^^-'^iiitiLt  /*Ufciiii;uiuii^'  ütguüjL'i  (1V7''  KUi  Mtv  br]  .  .  Tic 
tvüVTiow'_tTui  MV  ovxi  'tpUTTOC  tivtti  Cücpiuv ;  .^-  Liüt  ibi  iiut  &t>«r 
iiu<;L  cit  iritukrali  ui-J  Cieit  ijtbieu  .  dut  racöv  Ttüirjciv  Tf|v  KOTÖ 
IaOucu.T'V  uu^lbczl.  jttGf  ktoibüeribuut  proauution.  bebondere  die  de« 
OiULU'.'f.  aer  beiLeii  iibUieL  \ol  der  b<:ti6pferibciie&  iLbligkeh  erhalten 
iiui  t'.eül  uLC  j^eijii;^.  uuier  »eiLer  leii^ubg.  drüu^*i  bicL  dtt  niuht  die 
ifb;^L  auf .  Wie  (.p\)j(.  die  iie'ue  i^uxi.  b>;iiÜXiexi  uLci  jl*'uu'xi  bem  künne. 
weiii;  ti  ati-  ifitb  :tu  je;^.li;Ler  -ivui^uhii ,  der  iei'.-litLeji  wie  der 
;/ext^t«;^t-ii  itiV  und  wiro  l^lli  uuuL  die  uuiwori  immer  B&her  ge- 
j'U«;kl.  OA-  üooL  nur  ihuien  kaüD :  'er  ist  beidet .  weil  er  die  ÜeU? 
zuiJL  bcL^xiHii  j^ertüt  dadurc:.  l»e»'fiijrt,  dtkbz  er  der  irieo  der  gesamieii 
zeu;/tLy  iti'V  A;^u'.L«jZi  i.al  oiebt  Wiiwon  liitLt  ^egel>en,  hierin 
atUL  v\ai  e»  fca;/l  iie;^i  ein  gewit  wiu  b'.-Lrilitit'ier  Usibbbicbtigtier 
uiuMeit  auf  die  oevoj>U:Leiide  iöbun;/.  aenii  cflenbw  luil  bedacht 
wjid  d*e  vorble-i'vu;/  des  hro©  ait  defc  7:oir>Tr)C.  cet  ^eugungstriebeK. 
yiuüL  LeweJbe  ft»  bt.ne  coipi«  beiiL'.iti.  dieber  beweib  uuwrbcheidet 
ti«-L  vvü  ut'ti  o-t-  üv»\!;/eti  iu;^endeij  belreflenden  bcb'.n  inbofem,  als 
jjj  .j.fij  aiie.JLi  ue&  \erL^it2j.&be:£  dee  Knji:  t\j.  deL  iLeUbcbeD  gedacht 
w.j': :  '>f*0  bfebotidert  ^rebcbl'.ifi  itl  efc  e.nijferltLiel»  datz  der  leiblichen 
/Ar.yjhy  nur  naciar£;/ii<;L  und  beiiäuü;/,  wie  einer  belbblverblbld- 
i-4;}j«:jj  t-a^rM-.  t'i'v\£lljnun;/  ;;et<;LieLt.  damil  auldiebe  weiee  die  Trotl^ciC 
Kaia  [iO'jciKfjV  und  oie  bn^ioopf iu  tujv  T€XVWV,  dah  ktinnleribche 
fccijutien  und  o^e  ^prakiibcLe;  aufcüounj/  o'Jer  beUeibung  der  kflnete 
uniM  den  j/eüjeinearneu  ;/e!;J<;bl!tptinkl  0er  co<pia  |/ebraicLt  werden 
kcfji<en. 

J5etja<:blel  n.an  jbre  ;/e;/eubeitij/e  bezlebung  ;^enauer,  bo  er- 
b'.i.einl  an  jcmrj  ^TToir]CiCy  dat  ttokIv.  die  zeu^ung,  ale  das  webentr 
l.tAii::  u\ji:i-  wjir  aii(.'i:  kf'^nnf-n  aui  dem  kennen  beruht,  bO  bedarf  auch 
tili:  kUiii:Ut'.n:tt.l*:  jifoouction  der  co<pia,  die  dann  auch  an  den 
(f¥i'//tß  o<:n  i.i/.truiiitiiif:t:u  *U::i  kfini^iicM» ,  haftet;  uui^/fekehrt  ist  die 
hmi\'jij{tiiu  TUJV  T(xvO;v  /unacb::t  auf  die  C0(piu  gegründet,  da  auch 
(Ici  pn:nuiJ!i:U:  iielji<;b  utii  wi&hen  oder  verbleben  voraussetzt,  bchlieäzt 
ali«:j  andejbeilh  au'.b  ein  bervoi bhngen  ein,  weil  die  kunst  schon 
ibiijü  niiinen  na<.b  ^t^x^H'  '^bne  ein  *^ol«:be<:  nicht  zu  denken  »t  und 
aiif  li  der  jiraklikcr  duich  hi-ine  thuti^keit  etwab  leibtet  oder,  um 
<  jfii-ji  üu.^'lriick  IMiilonü  zu  gehraucben,  ^pTU  (seiner  T€X VT]  aufweisen 
ksinn,  wt:nn  tu  auch  nur  nacbbilduugen  de^henhind,  was  ihm  der 
h<  ]i';|/ii:ii!:(:b(:  ^'eihl  der  erfjnder  vorgedacLt  hat.    hO  reicht  die  f^v- 

*'  iriiji-  •  «iriicliii  di'b  urteil«  t\*:u  AriHtopiiMnCH  ülier  dii;  T^vvr|CiC  iat 
mit  lii  h  i/iii(.'t-M  woiirii  iiidff fiTii  fiHMfffrfsjfruilii-ii,  alh  JHiHflrücklich  tresagt 
Wii'l  ,  illt  iiciji:  r«li-r  ;/('ncli|iM:|it(-r;  fei  auf  «iii:  TXOinciC  TÜJV  ^diwv,  dh. 
i:li«  II  ilii:  ijiliinii^  liiiii:«  iic'ucu  (^criclitct. 


ersten  reden  in  Platons  Symposion.  735 

VTicic  aus  der  iroincic  Kaid  jnouciKfjV  in  die  brijuioupTia  tüjv  xexvujv 
und  die  coq)ia  aus  dieser  in  jene  hinüber :  beide  bethätigungsarten 
des  menschlichen  geistes  sind  durch  zwiefache  beziehungen  mit 
einander  verbunden ,  von  denen  die  eine  nur  in  und  mit  der  andern 
zu  denken  ist:  alle  (geistige)  production  setzt  die  C0(p(a  voraus,  und 
diese  wiederum  kann  nur  in  der  geistigen  zeugung  wirksam  werden, 
die  coqpia  ist  demnach  eine  treibende  kraft ,  ein  Schaffenstrieb :  sie 
ist  ein  streben  um  der  erkenntnis  willen  in  dem  doppelten  sinne, 
dasz  die  erkenntnis  Ursache  und  zweck  desselben  ist,  mithin  ist  sie 
wesentlich  liebe  zur  Weisheit  (q)iXocoq)(a) ,  die  zu  ihrer  äuszerungs- 
form  die  zeugung  hat.  dem  redner  gilt  die  (geistige)  zeugung  als 
ein  beweis  für  die  coqpfa  des  f pu)C ,  und  diese  als  eine  der  erschei- 
nungen  seiner  dp6Tii ,  die  das  gute  in  sich  schlieszt.  das  gute  ist 
aber  nach  dem  oben  gesagten  im  schönen  enthalten ,  daher  bleibt 
auch  das  in  der  geistigen  zeugung  sich  bethätigende  weisheitsstreben 
ein  streben  nach  Schönheit,  der  gedanke,  dasz  Weisheit  Schönheit, 
also  auch  das  streben  nach  Weisheit  ein  streben  nach  Schönheit  ist, 
folgt  hier  aus  dem  obersatz :  das  gute  ist  schön,  und  dem  Untersatz : 
Weisheit  ist  tugend ,  mithin  gut ,  kehrt  aber  auch  sonst  bei  Piaton 
häufig  und  zwar  ohne  begründung  wieder,  wie  im  eingange  des 
Protagoras  (309*^  ttujc  b'  ou  jii^XXei,  lö  juaKdpie,  tö  coqpiiTepov  xdX- 
Xiov  q)aiv6c6ai;)  und  des  Charmides  (153^  irepl  (piXocoqpiac  .  .  TT6p( 
T€  Tuiv  vduüv,  €1  Tivec  ^v  auToTc  biaqp^poviec  f\  coqplqi  f\  xdXXei 
f\  djLiq)OT^poic  ^tT€T0v6t€C  elev).*®  um  so  sicherer  dürfen  wir  das 
Verhältnis  der  Weisheit  zur  Schönheit  nach  Platons  willen  auch  in 
der  rede  des  Agathon  als  eine  aufklärung  des  lesers  über  den 
weitem  verlauf  der  Untersuchung  betrachten:  der  redner  selbst  frei- 
lich verknüpft  die  Vorstellungen  vom  fpujc,  die  ihm  das  gewöhnliche 
bewustsein  bietet,  nur  in  der  seiner  disposition  entsprechenden 
weise  und  nötigt  uns  das,  was  er  in  verschiedenem  zusammenhange 
sagt,  auf  zweckentsprechende  art  zu  combinieren.  ist  dies  aber  zum 
Verständnis  der  kunst  des  Schriftstellers  erforderlich ,  so  musz  end- 
lich auch  die  leibliche  zeugung ,  deren  Agathon  als  einer  co(p(a  des 
Eros  erwähnung  thut,  in  dem  zuge  der  gedanken,  auf  di»  Piaton 
hinzielt,  ihre  bedeutung  haben.  Agathon  findet  sich  mit  der  iTo(i]ClC 
TiJüV  Iwujv  (197^)  als  einer  bekannten  thatsache  ab,  die  für  ihn  nur 
die  Voraussetzung  geistiger  zeugung  ist;  den  innern  Zusammenhang 
beider  TTOirjceic  erkennt  er  nicht:  denn  als  solcher  kann  die  zeugung 
an  sich  nicht  gelten,  vielmehr  läuft  die  rede  auch  hier  in  eine  aporie 
aus,  die  nur  dadurch  ihre  lösung  findet,  dasz  sich  Eros  auch  in  der 
leiblichen  zeugung  als  das  streben  nach  derjenigen  Schönheit  offen- 
bart, die  das  gute  in  sich  schlieszt.    dem  guten  aber  eignet,  wie 


*'^  als  Sokrates,  von  Charmides  jugendlicher  Schönheit  hingenommen, 
zu  erfahren  verlangt,  ob  er  wohl  auch  an  seele  woblgebildet  sei,  preist 
Kritias  seine  (piXoco(p{a,  s^  Natorp  ao.  s.  437,  der  auch  auf  Gorg.  481' 
hinweist,  wo  sich  Sokrates  als  liebhaber  des  Alkibiades  nnd  der  philo* 
Sophie  bekennt. 


736 


CBchirlitz:  die  reibanfolge  der  fönf 


wir  sahetit  die  vollkomtnenbeit;  als  vollkommenes  musz  es  die  ver* 
beiBzang  der  UDvergänglichkett,  der  ewigen  dauer  in  sieb  tragen, 
dieselbe  bescbafifenbeit  gebärt,  wie  sieb  oben  zeigte,  aucb  dem 
scbönen  an,  das  als  gestalt  im  böcb&ten  sinne  mit  der  im  Wechsel 
der  ei-Bcbeinung  bebarrenden  gestalt,  db,  der  idee,  also  dem  ewigen 
Eüsammenföllt.  zweck  der  zeugung  ist  nacb  Agatbons  eignem  aos- 
dmcke  die  ttoitioc  täv  Zibiuv»  also  die  Setzung  eines  neuen»  das  von 
gleicber  bescbaffenheit  wie  das  zeugende  ist.  welchen  zweck  aber 
diese  setzung  hat,  erfahren  wir  erst  durch  Sokrates.  sie  ist  für  die 
leibliche  existenz  die  einzige  mögliebkeit  der  fortdaiier,  also  die  ein- 
zige form  der  Unsterblichkeit,  deren  sie  f^hig  ist.  so  ist  £pu)C  auch 
in  der  leiblichen  zeugung  das  streben  nach  Unsterblichkeit,  and  da- 
mit eine  neue  Verbindung  seiner  prädicate  in  aussiebt  gestellt. 

Agathen  feiert  den  Eros  als  den  schönsten  und  besten  gott« 
formulieren  wir  dieses  thema^  wie  wir  nach  der  obigen  darlegung 
dürfen,  so  preist  er  ihn  als  das  streben  nacb  der  Schönheit «  die  mit 
dem  guten  zusammenfallt,  die  nSbeni  augfllbrungen  des  redners 
regen  eine  reihe  von  fragen  an ,  deren  lösung  die  kunst  des  Schrift- 
stellers anzudeuten  weisz,  deren  erledigung  aber  einer  neuen  betrach- 
tung  vorbehalten  bleibt,  verschieden  in  sich  selbst  durch  die  objecto^ 
auf  die  er  gerichtet  idt »  und  zwar  so  weit  verschieden ,  als  leibliche 
Wohlgestalt  von  dem  ursch^nen  der  idee  abliegt ,  aber  dadurch  mit 
sich  selbst  eins,  dasz  er  stets  auf  das  schöne  gerichtet  ist,  verschie- 
den femer  durch  das  was  er  erlangt,  aber  darin  mit  sich  derselbe^ 
dasz  er  stets  ein  un vergängliches  gewinnt,  mOge  es  die  leibliche  fort- 
dauer  der  Persönlichkeit,  die  Wahrheit  der  fmcTfijiai  und  liaGri^aTO, 
oder  die  höchste  imcTriiJn  j  verbunden  mit  wahrhafter  tagend,  sein, 
verschieden  endlich  durch  die  art,  in  der  er  mit  dem  schönen  ver- 
kehrt, aber  darin  wiederom  sich  selbst  gleich,  dasz  er  sich  überall 
dorch  die  zeugung  bethfitigt,  kann  ^puic  seinem  werte  und  seiner 
auadehnung  nach  nur  durch  eine  erörterung  erkannt  werden,  die 
von  seinem  begrife  ausgehend  auch  die  not  wendigkeit  und  die  folge 
seiner  stufen  ins  licht  setzen  wird,  weil  aber  gerade  die  begri^liche 
erkenntnis  allen  rednern  auszer  Sokrates  versagt  war,  ist  jetzt  die 
stelle  gekommen,  an  der  dieser  das  wort  ergreifen  musz,  er  ver- 
kündet die  philosophische  erkenntnis  des  fpuiC,  die  Pfaton  bei  sich 
selbst  ausgebildet  hatte »  w&hrend  jene  die  dem  gewöhnlichen  be- 
wustsein  eignen  Vorstellungen  von  der  liebe  zum  ausdruck  bnngexi, 
indem  durch  die  gesamtheit  ihrer  reden  der  gehalt  dieser  Vorstel- 
lungen erschöpft  und  dabei  doch  die  Individualität  jedes  redners  ge- 
wahrt wird,  aber  wie  Sokrates  erst  da  eintritt,  wo  es  gilt  die  liebe 
als  den  in  der  zeugung  sich  bethätigenden  trieb  zur  Schönheit  zu  be- 
greifen ,  so  kommt  auch  jeder  seiner  Vorredner  gerade  da  tu  werte, 
wo  er  nach  seiner  persönlichen  eigentümlichkeit  die  antersnchung 
weiter  zu  führen  geeignet  ist 

Gs  war  der  zweck  dieser  abhandinng  nachzuweisen,  dasz  Piaton 
bei  der  reihenfolge  der  reden  einem  bestimmten  plane  gefolgt  ist. 


ersten  reden  in  Platons  Sympoeion.  737 

und  dasz  jede  rede  mit  je  einem  Stadium  der  Untersuchung  zusammen* 
nillt.  dem  Phaidros  ist  ^pu)C  die  reine  thätigkeit  des  gottes,  also 
der  zustand  des  £v6oucid2[u)V ,  Pausanias  sieht  in  ihm  ein  mensch- 
liches tbun ,  ein  iTpdTT6iv ,  Eryximachos  vereinigt  diesen  gegensats 
zu  dem  begriffe  des  triebes,  Aristopbanes  bestimmt  den  trieb  als  das 
streben  nach  einem  vollkommenheitszustande,  Agathen  endlich  setzt 
an  die  stelle  des  öXov  die  das  gute  in  sich  schlieszende  Schönheit 
und  nimt ,  den  Vorredner  auch  in  dieser  beziehung  überholend ,  die 
leibliche  und  geistige  zeugung  für  den  £pu)C  als  die  form  seiner  be- 
thätigung  in  anspruch:  nicht  als  ob  die  genannten  Sätze  den  aus- 
gangspunkt  jeder  einzelnen  rede  bildeten  oder  auch  nur  ihren  Ver- 
tretern in  dieser  pr&cisierung  zum  bewustsein  kämen;  hält  doch 
jeder  redner  an  der  annähme  fest,  dasz  Eros  ein  gott  sei;  aber  eine 
betracbtung,  deren  aufgäbe  die  begründung  der  reihenfolge  der  reden 
ist,  musz  den  that^ächlichen  inhalt  jeder  rede  und  die  bedeutung, 
die  jede  einzelne  rede  für  den  gang  des  gespräches  hat,  in  der  an- 
gegebenen weise  zusammenfassen,  ob  sich  nun  die  reihenfolge  der 
fünf  reden  überhaupt  durch  das  Verhältnis  begründen  läszt ,  in  dem 
sie  zu  einander  und  zu  dem  ergebnis  der  Untersuchung  stehen,  hängt 
natürlich  von  der  richtigkeit  dessen  ab,  was  zu  ihrer  beurteilung 
oben  gesagt  ist ;  eine  bestätigung  dieser  beurteilung  kann  aber,  wie 
ich  glaube,  auch  dem  verlaufe  der  rede  des  Sokrates  entnommen 
werden. 

Sokrates  erklärt  im  beginne  seines  Vorgespräches  mit  Agathen, 
es  komme  ihm  auf  die  Wahrheit,  nicht  auf  eine  möglichst  hoch- 
gehende lobeserhebung  des  ^puic  an.  diese  erklärung  bereitet  den 
leser  auf  das  bedingte  lob  vor,  das  dem  £pu)C  seinem  wesen  nach 
zukommt,  als  relativer  begriff,  der  mit  dem  des  begehrens  identisch 
ist,  bedarf  er,  wie  Sokrates  weiter  zeigt,  der  ergänzung  durch  ein 
object.  da  man  aber  nur  das  begehren  kann,  was  man  nicht  besitzt, 
und  da  £pu)c  nach  Agathons  aussage  das  schöne  und  das  in  ihm  ent- 
haltene gute  begehrt,  so  ergibt  sich  dasz  er  weder  gut  noch  schön 
ist  (199^ — 201^).  hiermit  spricht  Sokrates  den  gegensatz  der  be- 
grifflichen erkenntnis  zur  bloszen  Vorstellung  aus,  die  ihre  Unklar- 
heit besonders  dadurch  erweist,  dasz  sie  den  £puic  für  ein  begehren 
erklärt  und  ihn  doch  das  besitzen  läszt,  was  er  gerade  deshalb,  weil 
er  es  begehrt ,  nicht  besitzen  kann,  das  ergebnis  der  Unterredung 
mit  Agathon  deckt  also  das  Verhältnis  auf,  in  dem  Sokrates  zu  sämt- 
lichen teilnehmern  des  gespräches  steht:  es  ist  eine  absage,  die  er 
an  alle  seine  Vorredner  richtet,  wenn  er  nun  aber  in  der  eigent- 
lichen lobrede  auf  £pu)C,  die  er  von  Diotima  empfangen  haben  will, 
die  disposition  des  Agathon  beibehält  und  zuerst  das  wesen  (q>öcic) 
des  Ipujc  und  sodann  seine  Wirkungen  auf  die  menschen  (XP^i^  und 
ipfo)  bespricht,  so  sehe  ich  in  diesem  anschlusz  an  den  nächsten 
Vorredner  einen  hinweis  Platons  darauf,  dasz  auch  Agathons  rede 
nur  da  stehen  konnte,  wo  sie  steht,  dh.  dasz  die  Untersuchung  gerade 

JahrbQeher  far  clast.  philol.  1893  hfl.  11.  47 


738 


CSchirlitsit  die  reihenfolge  der  lÄnf 


dürcli  ihn  dabin  geführt  ist^  wo  sie  von  Sokrates  aufgenommen  wer- 
den muäz*  und  in  der  thal  iat  es  auch  ein  salz  des  Agathen»  den 
sich  Sokrateä  aneignet:  denn  eben  jener  hatte  behauptet,  f ptjuc  gehe 
auf  die  Schönheit,  woraus  sich  ergibt  daaz  er  der  Schönheit  entbehrti 
wenn  oiun  doch  nur  das  begehren  kann,  was  man  nicht  besitzt,  im 
ersten  teile  (201  *' — 204*^)  filhrt  Sokrates  als  die  lehre  der  Diotima 
aus:  wenn  Eros  nicht  selbst  gut  oder  schön  ibt,  so  ist  er  deshalb 
nicht  schlecht  uud  bäszlich,  sondern  steht  In  der  mitte  zwischen  dem 
guten  und  schönen  einerseits  und  dem  schlechten  und  häszlichen 
anderseits,  gemde  so  wie  die  richtige  vortitelhing  zwischen  dem 
wissen  und  der  unwiss-enheit  die  mitte  bildet,  deshalb  ist  er  kein 
gott:  denn  die  götter  sind  glückselig;  die  gltickseligkeit  aber  beruht 
auf  dem  besitze  des  guten  und  schönen,  aber  auch  k*?in  sterblicher» 
sondern  ein  mittelweaen  zwischen  dem  sterblichen  und  unsterblichen 
(|i€TaHi>  OvTiTOÖ  Ktti  dÖavdTOu),  also  einer  der  dämonen ,  deren  auf- 
gäbe es  ist  den  verkehr  zwischen  göttem  und  menschen  zu  ver- 
mitteln, näher  bestimmt  und  in  der  spräche  des  mjthos  ist  er  ein 
sobn  des  ITöpoc  und  derTTcvia,  daher  mit  den  entgegengesetzten 
eigenschaften  dieser  seiner  eitern  begabt,  erzeugt  am  tage  der  geburt 
der  tichönen  Aphrodite,  ein  weiäheitsfreund  sein  leben  lang  und, 
wie  nochmals  betont  wird  ^  seinem  wesen  nach  weder  ein  gott  (un- 
sterblicher) noch  ein  mensch  (sterblicher),  sondern  bald  lebend,  bald 
sterbend  und  wiederauf lebend  und  darum  auch  zwischen  Weisheit 
und  Unwissenheit  die  mitte  haltend,  die  der  eigentliche  Standpunkt 
der  Philosophie  ist  (203*—  204**'  Kai  0UT6  ibc  dSävaioc  TT^(puKev 
oöre  die  6vr|TÖc ,  dXXd  tot^  ^iv  jf]c  auxfic  fjjicpac  ÖdXXei  xa\  If^^ 
Tüii  hi  dtio9vTiCK€i;  TrdXiv  bi  dvaßiuicKeTai  .  .  Tivtc  oOv  .  ,  oi 
(piXoco(pouvT€c,  €i  JL111T6  Ol  cocpoi  |Lir|T€  o\  djuaöeic ;  AfjXov  *  *  ÖTl 
o\  fietaEu  toutuüv  d^qporc'pujv,  iliv  hf\  m\  6  ''€pu)c).  ist  nun  dies© 
ausftlhrung  nicht  eine  deutliche  antwort  auf  die  reden  des  Phaidro«, 
Fausanias  und  Eryx imachos?  oder  sollte  es  ohne  bedeutung  sein, 
dasz  der  gedankc»  Eros  sei  weder  unsterblich  noch  sterblich,  bei- 
nahe in  wörtlicher  fas^ung  zweimal  wiederkehrt?  Eros  ist  kein  gott: 
damit  ist  über  die  grundanschauung  des  Phaidros  entschieden ,  ta 
der  für  die  bethätigung  der  menschlichen  natur  kein  räum  blieb  f  er 
ist  aber  auch  kein  sterblicher:  damit  wird  die  annähme  des  Pausania« 
verworfen,  dem  das  ^pdv  im  npdiieiv  aufgeht;  er  ist  keines  veii 
beiden,  weil  er  beides  und  darum  allerdings  ein  trieb  ist«  aber  nicht 
ein  trieb  im  sinne  des  Erjximachos ,  der  ihn  auf  alle  gnbiete  dds 
seienden  ausdehnte,  sondern  ein  dämon,  ein  vermittler  dos  gött- 
lichen und  menschlichen  wesens  (baipoviov  ^p^T|veOov  Kai  bm- 
TTopOficOov  6€0Tc  '  .  TOt  irapd  Beiuv) ,  dem  menschen  und  nur  ibm 
immanent,  weil  der  mensch  als  der  wahre  söhn  der  TTevia  und  des 
TTöpoc  einerseits  bedürftig,  anderseits  aber  nach  seiner  höhern  anläge 
im  Stande  ist  sich  das  fehlende  zu  erwerben»  dieser  d&r  mensch- 
lichen natur  inwohnende  trieb  zum  göttlichen  macht  den  Eros  anoh 
zum  9iXöcocpoc,  der  in  der  cocpia  einen  göttlichen  besitz  erstrebt* 


ersten  reden  in  Platons  Sjfmponon.  739 

Gewis  sind  einzelne  bemerkangen  nicht  nur  im  mjtbos,  sondern 
auch  in  den  dialektischen  abschnitten  als  ausblicke  zu  betrachten, 
die  Sokrates  in  den  weitem  verlauf  seiner  rede  thut:  dasz  Eros  am 
tage  der  geburt  der  Aphrodite  erzeugt  wird  (203  ^) ,  kann  nur  aus 
der  bedeutung  verstanden  werden,  die  die  erscheinung  des  schönen 
für  die  erweckung  der  liebe  hat^*;  warum  Porös  söhn  der  Metis 
heiszt  (203 '')|  lehrt  erst  die  spätere  erwägung,  dasz  gerade  diejeni- 
gen guter,  um  welche  es  sich  hier  handelt,  nur  durch  die  mensch- 
liche Vernunft  und  erkenntnis  erworben  werden  können^;  dasz  end- 
lich die  Weisheit  zum  schönsten  gehört  (204  ^) ,  wird  erst  durch  das 
wesen  der  idee  ersichtlich ,  die  zugleich  höchste  erkenntnis  und  Ur- 
bild der  Schönheit  ist.  sieht  man  aber  von  diesen  beiläufigen  be- 
ziehungen  auf  den  weitem  gang  der  rede  ab ,  so  beweist  Sokrates 
im  ersten  teile  seines  Vortrags ,  dasz  Eros  weder  ein  gott  noch  ein 
sterblicher,  sondern  ein  mittelwesen  ist,  das  die  menschen  und  götter 
mit  einander  verbindet,  damit  ist  freilich  die  allen  bisherigen  rednem 
gemeinsame  Voraussetzung  der  göttlichkeit  des  Eros  widerlegt;  aber 
da  sich  doch  jene  redner  trotz  ihrer  gemeinsamen  annähme  thatsäch- 
lich  sehr  verschieden  über  Eros  geäuszert  haben  und  eine  berich- 
tigung  ihrer  einseitigen  und  halbwahren  Vorstellungen  gerade  von 
der  rede  des  Sokrates  erwartet  werden  musz,  so  ist  die  form  des  be- 
weises,  der  kürzer  ausfallen  konnte,  wenn  es  sich  nur  um  die  Wider- 
legung der  göttlichkeit  des  Eroa  gehandelt  hätte ^',  und  die  ausdrüok- 
lichkeit,  mit  der  gesagt  wird,  dasz  er  weder  ein  gott  noch  ein 
mensch ,  sondern  ein  baijUiJüV  sei;  allerdings  geeignet  auch  über  das- 
jenige aufschlusz  zu  geben ,  was  als  grundgedanke  der  drei  ersten 
reden  zu  gelten  hat. 

Diese  Überzeugung  wird  bestärkt,  wenn  wir  auch  das  ergebnis 
der  beiden  folgenden  reden  im  lichte  der  Sokratischen  erörterung 
betrachten,  indem  der  redner  zu  den  Wirkungen  übergeht,  die  die 
liebe  auf  die  menschen  ausübt,  stellt  er  fest,  dasz  Eros  als  liebe  zum 
schönen  in  Wahrheit  das  allen  menschen  gemeinsame  verlangen  nach 
dem  besitze  der  glückseligkeit  und  dem  guten  sei ,  und  erklärt  den 
zunächst  auffälligen  Sprachgebrauch,  der  das  prädicat  tp&v  nur 
einigen  menschen  gäbe,  während  doch  alle  das  gleiche  verlangen 
nach  glückseligkeit  hätten,  mit  der  auch  sonst  üblichen  Verwendung 
des  namens  der  gattung  zur  bezeichnung  der  art;  er  wisse,  fährt  er 
fort,  sehr  wohl,  dasz  man  von  denen  zu  sagen  pflege,  sie  liebten,  die 
ihre  hälfte  suchten;  nach  seiner  behauptung  gehe  aber  die  liebe 

*^  8.   Zeller  philosophie  der  Gr.  II«  1  s.  612.  ^  8.  Zeller  ebd.t 

Porös  heiszt  ein  söhn  der  Metis:  denn  wie  der  erwerb  überhaupt  die 
frucht  der  klagheit  ist,  so  beruht  insbesondere  derjenige  erwerb,  um 
den  es  sich  hier  handelt,  auf  der  vernünftigen  geistigen  natnr  des 
menschen.  ^*  für  sie  genügten  die  sätze:  a)  dasz  Eros  des  schönen 

und  also  auch  des  guten  entbehre,  b)  dasz  die  glückseligkeit  (eöbai^ovia) 
auf  dem  guten  und  schönen  beruhe,  c)  diese  aber  nach  allgemeine!: 
meinuDg  das  Vorrecht  der  göttlichen  existens  sei  (s.  202«  Xif€.  Tdp 
—202*  oöbaiLnic,  die  t'  2oik€v). 

47* 


740 


CScbirlitz:  die  reibenfolge  der  fOnf 


weder  auf  die  hälfte  noch  auf  das  ganze,  sondern  nur  auf  das  gute, 
denn  die  menschen  liehten  eben  nur  das  gute  oder,  wie  man  sich 
genauer  auszudrtlcken  habe»  den  ewigen  besitz  des  guten  (204* 
— 206*).  der  grundgedanke  des  Aristophanes  ward  oben  in  dem 
satze  zusammengefasztt  Ipiüc  ist  das  menschliche  streben  nach  einem 
vollkommenheitszustandp-  dasz  diese  beurteilung  zutrifft,  wird  darch 
den  fortgang  der  Sokratischen  rede  bestätigt,  zwar  haben  auch 
schon  die  drei  ersten  redner  den  Eros  als  wohUhäter  der  menschbeit 
gepriesen ,  aber  da  ihn  der  erste  als  eine  reine  cinwirkung  der  gott* 
heit,  der  andere  als  ein  rein  menschliches  thun  betrachtet,  und  der 
dritte  in  einen  allen  dingen  inwohnenden  trieb  verflOchtigt  hat,« 
war  ihr  verhalten  in  dieser  beziehung  wirklich  nur  ein  dvaTi8evatl 
ujc  ^eticia  Tuj  TtpdTpctn  Kai  ibc  KdXXicia  (198*).  erst  in  Äristo- 
phanes  lehro  kann  mit  recht  von  einer  xptlci  des  Eros  für  die  men- 
schen die  rede  sein,  weil  er  er^^t  dort  zu  einem  streben  nach  einem 
vollkommnern  zustande  geworden  ist.  wenn  nun  Sokrates  gerade 
da  auf  Aristophanes  bezng  nimt  und  zwar  nicht  seinen  namen,  aber 
doch  seine  ansieht  sogar  wörtlich  anftlhrt,  wo  auch  er  die  XP^^^  ^^^ 
die  ?pY0i  des  Eros  besprechen  will,  so  beweist  schon  die  stelle  seiner 
rede,  dasz  der  fortschritti  den  die  Untersuchung  durch  Aristo pbanes 
erfährt,  und  der  grundgedanke  seiner  rede  oben  richtig  angegebe«i 
ist,  aber  auch  die  gedanken,  die  Sokrates  ausspricht,  enthalten  eine 
kritik  dessen,  was  wir  als  das  ergebnis  der  vierten  rede  bezeichnen 
durften.  Aristopbanes,  hören  wir,  hat  recht,  wenn  er  sagt»  Alle 
menschen  trügen  das  verlangen  nach  einem  vollkommnern  itustande, 
und  wenn  er  dieses  verlangen  fpujc  nennt 5  aber  er  hat  nicht  recht, 
wenn  er  jenen  zustand  der  gl  tick  Seligkeit  in  die  Wiedervereinigung 
der  getrennten  hälften  statt  in  den  dauernden  besitz  des  guten  ver- 
legt, man  kann  daher  auch  nicht  sagen,  ^die  Opposition  gegen  Ari^to- 
phanes  sei  nur  eine  bedingte,  seine  definition  werde  weniger  aufge- 
hoben als  eingescbr^inkt,  sie  werde  gleichsam  moralisch  umgedeutet« 
wthrend  sie  scheinbar  wenigstens  blosz  physisch  verstanden  war* 
(Bug  s.  143);  viel  mehr  wird  sie  gerade  so  wie  die  der  vorhergehen* 
den  redner  dadurch  berichtigt,  dasz  das  haltbare  anerkannt^  das  un- 
zutreffende verworfen  wird,  eher  könnte  man  sich  über  den  strengen 
ton  wundem,  den  Sokrates  gerade  dem  Aristophanes  gegenüber  mit 
den  Worten  anschlägt:  6  b*  ipiöc  Xötoc  oöt€  fmic€Öc  q>r|civ  elvoi 
TÖv  fpujTa  oöre  ßXou,  ^äv  ^f\  itfTX^vrjT^  ttoü,  i  ^löipe**,  dTa9öv 
6v '  iiie\  auTÄv  t^  Kai  Ttöbotc  Kai  xeipac  iSeXouciv  dnoTe^vecÖai 
o\  ävOpujiTOi,  iav  auTOic  6ök^  tci  iauiuiv  7T0VT)pä  clvar  ou  jap  t6 
laöTUJV  .  .  dXXÖTplov  (205*),  der  Schriftsteller  wollte  aber  wohl  in  , 
nachdrücklicher  form  darauf  hinweisen ,  dasz  das  erotische  streb^Ui  1 
welches  den  gegenständ  dieser  schrift  bildet,  etwa»  anderes  als  dt«| 
neigang  zweier   für  einander  geschaffener  Individuen  sei,   die  da 

^*  das«  die  Anrede  \Sj  iräipi  der  form  niicb  von  Diotinm  mn  Sokrate«, 
der  tache  niicb  von  dem  letzlcru  an  Aristophaoes  gerichtet  iit|  bemerkt 
mit  recht  Hug  a.  143. 


ersten  reden  in  Platons  Symposion.  741 

höchste  glück  in  ihrem  gegenseitigen  besitze  finden,  diese  an  sich 
berechtigte  definition  der  liebe  wird  in  bestimmter  form  gerade 
wegen  ihrer  berechtigung  abgelehnt:  sie  passt  in  den  Platonischen 
gedankengang,  weil  auch  hier  die  liebe  eine  dTTiOujiiia  Tf)c  €Ö5ai- 
fioviac  ist,  aber  sie  stellt  sich  in  Piatons  sinne  als  eine  mangelhafte 
auffassung  dar ,  weil  nur  die  individualität  und  nicht  das  gute  den 
gegenständ  des  strebens  bildet. 

Um  nun  die  fp^a  des  Eros  genauer  zu  bestimmen,  nennt  So- 
krates,  nachdem  er  das  ziel  desselben  angegeben,  auch  den  weg  zu 
dem  ziele,  also  den  Tpöiroc  btU)£€U)C  oder  die  rrpäSic.  Eros  bethätigt 
sich  durch  die  leibliche  und  geistige  zeugung  im  schönen,  den  tÖkoc 
dv  KaXii)  Kai  KOTd  tö  coijiia  Kai  Kara  ttiv  ipuxi^v.  die  zeugung  kann 
nur  im  schönen  stattfinden:  denn  sie  ist  etwas  göttliches  und  das 
unsterbliche,  das  in  sterblichen  wesen  wohnt;  dem  göttlichen  aber 
entspricht  allein  das  schöne,  während  ihm  das  hSszliche  widerstrebt, 
mithin  ist  die  Schönheit  für  das  werden  eines  neuen  wesens  die  Moipa 
und  EiXeiOuia:  sie  setzt  die  stunde  des  werdens  fest,  das  an  die  er- 
scheinung  leiblicher  oder  geistiger  Schönheit  gebunden  ist,  und  führt, 
indem  sie  das  kuoCv  Ton  seinen  schmerzen  befreit ,  die  entbindung 
zu  glücklichem  ende,  ist  aber  die  liebe  auf  zeugung  gerichtet ,  so 
ist  sie  das  streben  nach  Unsterblichkeit  und  nach  dem  guten,  wo- 
durch die  frühere  bestimmung  bestätigt  wird,  die  sie  für  das  ver- 
langen nach  dem  dauernden  besitze  des  guten  erklärt:  denn  wer 
etwas  immerwährendes  begehrt,  begehrt  eben  damit  die  Unsterblich- 
keit, wie  tief  der  durch  zeugung  sich  bethätigende  trieb  zur  Un- 
sterblichkeit im  sterblichen  wurzelt ,  lehrt  besonders  das  verhalten 
der  tiere ,  sowohl  bei  der  begattung  als  bei  der  emährung  und  Ver- 
teidigung ihrer  jungen:  denn  bei  den  Oripia  kann  an  bewuste  Über- 
legung nicht  gedacht  werden ;  und  in  der  that  beweist  der  hinblick 
auf  den  unauihörlichen  Wechsel,  dem  das  körperliche  und  geistige 
leben  unterliegt,  dasz  das  sterbliche  nicht,  wie  das  göttliche,  unver- 
ändert fortbestehen ,  sondern  sich  nur  durch  die  hinterlassung  eines 
jungen  von  gleicher  art,  wie  es  selbst  ist,  erhalten  kann,  auch  die 
thaten  der  aufopferung,  zu  denen  die  menschen  durch  das  motiv  der 
qptXoTtjLita  bewogen  werden,  finden  ihre  erklärung  nur  in  dem  stre- 
ben nach  der  Unsterblichkeit  des  namens  und  des  ruhms,  der  dp€Tf| 
deävaToc  und  der  böla  euKXerjc.*'   wie  aber  die  dTKUjucvec  xard 


^'  za  den  von  Phaidros  erwähnten  beispielen  der  Alkestis  nnd  des 
Acbilleus  fügt  der  Schriftsteller  hier  das  des  Kodros  hinsn:  gewis 
(8.  des  vf.  beitrage  zur  erkläruDg  der  rede  des  Sokrates  in  Plat.  Symp., 
Neustettin  1890,  s.  19),  um  auf  diese  weise  je  ein  beispiel  der  gatten*, 
der  freundes-  und  der  eltemliebe  zu  (gewinnen,  wenn  aber  Hog  s.  153 
bemerkt:  'nicbt  die  liebe  allein,  wie  Phaidros  meinte,  sondern  anch  die 
(piXoTi)Li(a  bat  zu  diesen  aufopferungsthaten  begeistert',  so  fragt  sich, 
wiü  das  Verhältnis  beider  zu  einander  zu  denken  ist.  als  antwort  auf 
diese  frage  genügt  mir  auch  jetzt  noch  die  ao.  s.  19  gegebene  erklä- 
rung: 'Phaidros  bat  den  Eros  als  vollbringer  jener  thaten  gefeiert, 
Diotima    führt   sie  auf  den  Unsterblichkeitstrieb  zurück,     in'  Wahrheit 


742 


CSchirlitz :  die  reilieDfolge  der  fSnf 


TÖt  coijLiaTa  durch  erzeugung  von  kindern  Unsterblichkeit  zu  erlangen 
glauben,  so  bringen  die,  in  denen  der  geistige  zeugungstrieb  den 
leiblichen  überwiegt,  einsieht  und  alle  sonstige  lugend  her%^or.  zu 
ihnen  gehören  die  dichter,  die  (erfinderischen)  künstler  und  vor  allen 
die  Ordner  der  haus-  und  Staatswesen,  die  die  höchste  einsieht,  nem- 
lich  besonnenheit  und  gerechtigkeit,  erzeugen,  um  ihren  trieb  zu  be- 
friedigen, geben  sie  umher,  eucben  die  Schönheit  und  haben  an  ihr 
Wohlgefallen,  schon  wenn  sie  ihr  in  einem  schönen  körper  be- 
gegnen, weit  mehr  aber,  wenn  mit  ihm  eine  schöne  Seele  verbanden 
ist ;  und  solchen  gegenf)ber  strömen  sie  über  von  reden,  deren  gegen- 
ständ die  tugend  und  die  bestrebungen  des  wackern  mannes  bildeni 
und  suchen  sie  zu  unterweisen,  auch  geht  aus  ihren  reden  eine 
engere  gemeinschaft  als  die  eheliche  hervor;  die  Unsterblichkeit  aber 
ist  den  groszen  dichtem  und  gesetzgebern  durch  ihre  ^PT^  besser 
verbürgt  als  denen,  die  nur  eine  menschliche  nacbkommenschalt 
hinterlassen  haben  (206  **— 209*). 

Die  be&chreibung,  die  Sokrates  in  den  obigen  sHtzen  von  der 
TTpfilic  dei)  Eros  gibt,  iht  zwar  auch  noch  gegen  Aristophanes  ge- 
richtet, weil  dieser  eine  solche  überhaupt  nicht  angegeben  oder  viel- 
mehr gerade  die  unthätigkeit  an  ihre  stelle  gesetzt  und  die  zeugiing 
als  den  zweck  der  liebe  sogar  ausdrücklich  verworfen  hatte,  der 
bauptsache  nach  setzt  sich  aber  Sokrates  in  diesem  teile  seiner  rede 
mit  seinem  unmittelbaren  Vorredner  aus  einander,  was  Agathon  teila 
ohne  begründung  teils  ohne  genügenden  Zusammenhang  behauptet 
hat,  daäz  fpaic  das  verlangen  nach  dem  schönen  sei,  und  dasz  ihm 
als  dem  inbegriüe  der  tugend  auch  die  weii>heit  zukomme,  weil 
die  TTOiTicic  Katä  /lOuciKriv  und  die  T6XVÜJV  ÖTmioupTict  nur  unter 
Boiner  leitnng  gelinge,  wtlhrend  die  Ttoiricic  Tiuv  l\h\jjv  nach  allge- 
meiner Übereinstimmung  seine  kunst  sei,  wird  erst  von  Sokr&tes 
durch  den  \otic^6c  airiac  mit  ein^iuder  in  Verbindung  gebracht  und 
zur  form  der  erkenn tnis  erhoben.  IpuJC  iat  allerdings  die  iTTtÖu^ia 
TOij  KaXoO,  aber  nur  de:>halb,  weil  die  zeugung,  in  der  er  sich  be* 
thätigt,  an  die  erscheioung  des  schönen  gebunden  ist;  die  zeugung 
ferner  gehört  ihm  zwar  als  geine  eigentümlichkeit  an,  aber  nicht  als 
eine  folge  seiner  co<pia,  sondern  weil  ihre  beiden  arten,  die  leibliche 
wie  die  geistige,  für  das  sterbliche  die  einzige  möglichkeit  bilden 
an  der  Unsterblichkeit  teilzunehmen,  die  Unsterblichkeit  aber  ut 
nicht  sein  besitz,  da  er  nur  ein  dämon  und  nicht,  wie  Agathon  im 
Widerspruch  mit  sich  selbst  behauptet  hatte,  ein  gott  ist;  wohl  aber 
musz  sie  das  ziel  seines  strebens  sein,  wenn  er  alj»  ^iriOu^id  TC^O 

ist  hZro»  selbst  der  trieb  nach  imsterbUchkeit,*  mit  rücksieht  Aber  auf 
die  abwicht  der  vorliegenden  Untersuchung^  köim^ti  wir  jetst  isgi^n: 
gerade  thaten  wie  die  ajigel'übrten  be» einen,  diL«z  Ipw^  uieht,  wie 
Pbäidro«  iiieintf  ein  die  tltiLtigkeit  der  menschen  iiufheb<»ndor  gOtt« 
sondern  ein  trich  der  menschen  i«t:  denn  nnr  die  konacn  »ic  voll* 
bringen,  die  das  leben  nicht  für  das  hi^ebsie  gut  halten,  soadern  aich 
Über  die  endlichkeit  z,\i  erheben  wiaaeii,  dh.  vom  IpUK,  dem  atreben 
nach  Unsterblichkeit,  erfüllt  sind. 


ersten  reden  in  Platons  Symposion.  743 

KaXoC  nach  der  frühern  festsetzung  auf  den  dauernden  besitz  des 
guten  gerichtet  ist.  ebenso  wenig  kann  ihm  endlich  der  besitz  der 
coqpia  als  eines  teiles  der  togend  zugesprochen  werden;  dagegen 
musz  er  als  das  streben  nach  dem  guten  auch  das  streben  nach 
Weisheit  sein,  und  er  bewährt  sich,  wie  Sokrates  zeigt,  als  solches 
durch  die  geistige  zeugung,  indem  er  wertvolle  reden  hftlt,  unsterb- 
liche werke  der  dichtung  hervorbringt,  durch  gesetzgeberische  thfttig- 
keit  heilsame  Ordnungen  der  Staaten  schafft  und  so  im  verkehr  mit 
dem  schönen  auch  der  qppöviictc  in  ihrer  ^schönsten'  form ,  dh.  der 
cujqppocuvTi  und  biKaiocuvT)  teilhaftig  zu  werden  sucht,  in  dieser 
weise  föllt  von  der  aufklärung  der  Schwierigkeiten ,  die  beim  ende 
der  rede  des  Agathon  übrig  blieben,  auch  auf  den  gmndgedanken 
dieser  rede  ein  licht  zurück. 

Aber  die  vollständige  lösung  des  problems  steht  noch  immer 
aus.  wenn  sie  mit  den  Worten  begonnen  wird :  TaCra  |Liiv  o8v  t& 
dpujTiKa  icujCy  ü5  Ci[)KpaT€c,  K&v  cu  |Liuii6€(iic*  Td  bk  T^Xea  xal 
dTTOTTTiKd,  Obv  ?v€Ka  Kol  xaÖTa  £cTiv,  i&v  TIC  öpOiDc  M^Til)}  O&K 
olb'  ei  olöc  T*  fiv  eine  (210*),  so  kennzeichnet  der  schriftsteiler  in 
dieser  wcndung  das  folgende  als  eine  lehre  die  ihm ,  nicht  seinem 
lehrer,  dem  historischen  Sokrates  angehOrt.  dasz  die  erscheinung 
des  schönen  den  TÖKOC  bedingt  und  dasz  dieser  die  irpoEic  ist,  durch 
die  sich  fpujc  als  das  streben  nach  Unsterblichkeit  oder,  wie  zuvor 
gesagt,  nach  dem  steten  besitz  des  guten  bewährt,  ist  nunmehr  aus- 
gemacht; aber  schon  in  der  obigen  auseinandersetzung  stellte  sich 
das  schöne  selbst  als  etwas  mehrfaches  dar,  und  in  der  zeugung 
ward  nicht  nur  die  leibliche  von  der  geistigen,  sondern  auch  inner- 
halb dieser  eine  mehrheit  der  Zeugungen  unterschieden,  die  nicht 
gleichen  wert  haben  können ,  da  doch  die  biKaiocuvil  und  ctAjq>po- 
cuvTi  als  qppövricic  KaXXicTr)  bezeichnet  werden  durfte,  sodann 
bildet  die  Unsterblichkeit  zwar  stets  das  ziel  des  ^puic,  ist  aber  von 
anderer  art,  wenn  sie  das  fortleben  in  leiblichen  kindem,  als  wenn  sie 
die  Unsterblichkeit  des  namens  bedeutet;  auch  sieht  der  schrifteteller 
jenes  ofifenbar  als  minderwertig  an^  wie  man  aus  den  werten  (bid 
iraiboToviac dGavaciav  kqI  jLivrjjLiriv  Kai  ^öbatpovlav,  ibcoTovrai, 
elc  TÖv  ^neiTtt  xpövov  irdvia  noptZiöjLievoi  208  •)  leicht  erkennt,  so 
hängt  das  erotische  streben  von  der  beschaffenheit  des  schönen  ab, 
zu  dem  es  in  beziehung  tritt,  und  verläuft  in  einem  stufengange, 
der  nicht  ohne  ein  letztes  ziel  gedacht  werden  kann,  ist  dasselbe 
noch  nicht  genannt,  so  wird  doch  seine  natur  durch  eine  andere  er* 
wägung  nahe  gelegt,  es  gibt  verschiedene  erscheinungen  des  schönen, 
aber  sie  würden  nicht  alle  dasselbe,  nemlich  schön,  sein  können, 
wenn  es  nicht  ein  einheitliches  gäbe,  das,  wie  jene  das  schöne  an 
einem  andern ,  so  das  schöne  an  sich  ist.  sollte  nun  nicht  dieses  an 
und  für  sich  schöne  gerade  das  ziel  der  entwicklung  sein?  endlich 
ist  im  verlaufe  der  frühern  entwicklung  nicht  nur  das  gute,  sondern 
auch  die  Weisheit  als  schön  bezeichnet,  daraus  folgt,  dasz  1)  das 
gute  oder  die  tugend  mit  der  erkenntnis  zusammenfällt,  und  daaz 


744 


CSchirlitzt  die  leihenfolge  der  fSnf 


2)  das  vollkommen  £>chöne  auch  das  böcbbte  gat  und  somit  die 
voUendüte  erkeDiitnis  in  bich  begreift,  da  nun  aber  das  vollkommen 
scböue  das  ^iel  der  erolischen  entwicklung  bildet,  so  musz  der  ero^ 
iiker,  wenn  er  zum  tökoc  in  dem  schönen  an  sieb  gelangt  läl,  de 
jentgen  unsterblicbkeit  teilhaftig  werden,  die  ein  tugendhaftes  lebef 
tind  die  höchste  erkeuntniä  in  sich  schlres2t.  indem  »ich  Diotima 
nunmehr  an^chickt  den  entwicklungsgang  des  erotikers  darzustellen, 
spricht  sie  es  wiederholt  aus,  dasz  alle  formen  des  erotischen  ver- 
kehrt für  den  liebenden  nur  die  Vorstufen  oder  mittel  sein  dürfen 
(210*  lä  hk  T^Xea  köi  ^ttotttikci,  iLv  eveKa  köi  Tai}TO  fcTiv.  210* 
touTO  dKetvo,  ti  CdbKpaxec,  ou  br|  ^V€K€V  kqI  oi  ^^npocöev  rravTCc 
TTÖvoi  ?icav),  um  sich  ^um  tökoc  in  der  höchsten  Schönheit  f^hig  zu 
machen,  wer  recht  geleilet  werde,  beginne,  «agt  sie,  in  der  jugend 
mit  der  liebe  zu  Einern  schönen  körper»  bringe  da  schöne  reden  her- 
vor^ liebe  dann^  wenn  er  geseh<»nf  dasz  die  scbönheit  eines  schönen 
körpera  der  des  andern  verwandt  sei,  die  Schönheit  aller,  wende  sieb 
hierauf  der  wertvollem  Schönheit  einer  schönen  seele  oder  i^ittücbetl 
bestrebung  zu  und  trachte  (TtKTetv  Kai  ^r^Tetv)  nach  reden,  durch 
die  die  Jünglinge  gebessert  würden ^  gehe  sodann  zu  der  an  allen 
bestrebungen  und  sitten  haftenden  schönbeit  über  und  steige  hier* 
n{£chst  zu  den  Wissenschaften  auf,  wo  er  in  unerschöpflichem  weisheiiä- 
triebe  eine  menge  herlicher  reden  und  gedanken  erzeuge,  bis  er  sich 
zu  dem  ^inen  wis^^en  erbebe,  dessen  gegenständ  ein  schönes  von 
wunderbarer  art  bilde:  denn  es  sei  ewig  und  unt^erlinderUch,  abäolat 
(dh«  in  allen  beziehungen)  schön,  übersinnlich  (also  nicht  eine  schöne 
körperliche  oder  geistige  erscheiDung),  substantiell  (nicht  an  einem 
andern),  immer  sich  selbst  gleich,  also  das  schöne  an  sich,  an  dem 
alles  einzelne  schöne  nur  anteil  habe,  wer  dieses  schöne,  scblie^zt 
Diotima,  mit  d&m  äuge  ansehe,  mit  dem  es  zu  schauen  sei,  der 
bringe  nicht  scbattenbüder  der  lugend ,  sondern  wahre  tugend  her- 
vor, denn  er  habe  eben  die  Wahrheit,  also  die  vollkommene  erkennt* 
nis  erreicht  und  gewinne  durch  die  erzeugung  und  pflege  wahrer 
tugend  die  liebe  der  götter  und,  wenn  irgend  ein  anderer  menech« 
die  Unsterblichkeit. 

Die  frage,  wie  das  schöne  beschaffen  sein  müsse,  um  das  böchfite 
gut  und  die  höchste  Weisheit  zu  sein,  trat  zwar  schon  in  der  beapre« 
chuDg  der  rede  des  Agatbon  auf,  und  e^  könnte  daher  die  entsebei* 
düng,  dasz  diesen)  ansprucho  nur  die  idee  genüge^  weil  nur  ihr  die 
prädicate  Bau^aCTÖv  Tfiv  cpuciv  und  kqXöv  angehören,  auch  noch 
für  eine  erwiderung  auf  die  rede  des  Agathon  gelten;  in  Wahrheit 
aber  ist  der  abschlusz  der  rede  der  Diotima  an  alle  gerichtet,  die 
sich  über  den  Ipuic  aui^gelas^en  haben,  denn  da  sie  alle  die  absieht 
hatten  ihn  zu  verherlichen ,  sind  sie  auch  alle  an  dem  höchsten  ans 
geinem  wegen  hergeleiteten  lobe  beteiligt,  das  gerade  in  der  philo* 
SOphischen  darstellung  der  liebe  enthalten  ist.  wie  aber  das  vor* 
geaprILch  des  Sokrates  mit  Agathon  den  gegensatz  begrifflicher  er- 
kenntnis  zur  Vorstellung  und  der  auf  beide  sich  stützenden  methodea 


ersten  reden  in  Platons  Symposion.  746 

betont,  80  trägt  der  letzte  abschnitt  der  Sokratischen  rede  den  an- 
sichten  der  Vorredner  gegenüber  insofern  einen  positiven  Charakter, 
als  er  auch  die  liebe  zum  sinnlichschönen  und  die  leibliche  zeugung 
als  eine  Vorstufe  der  höchsten  form  des  £puic  anerkennt,  insbeson- 
dere aber  legt  das  ende  die  erinnerung  an  den  anfang  nahe :  nicht 
ein  gottbegeisterter  zustand  ist  £pu)C,  sondern  das  in  die  sterblichen 
gelegte,  langer  leitung  und  höchst  energischer  thätigkeit  der 
menschen  bedürftige  streben  nach  Unsterblichkeit;  wer  aber  den 
lauf  zurücklegt,  der  gewinnt  sie:  denn  da  dem  liebenden  das  schöne 
in  dem  er  zeugt,  und  das  was  er  in  ihm  zeugt,  auf  den  hohem 
stufen  der  liebe  in  seinem  eignen  geiste  gegenwärtig  ist,  so  musz, 
wer  in  dem  urscbönen  zeugt,  das  unvergänglich  ist,  an  seinen  er- 
Zeugnissen,  dh.  an  der  dp€Tf|  dXriO/jc  dasjenige  gewinnen,  was  dem 
menschen  mehr  als  alles  andere  ein  ewiges  leben  und  mithin  der 
götter  loos  und  Vorrecht  verleiht. 

So  wird,  was  sich  uns  bei  der  besprechung  der  einzelnen  reden 
als  beabsichtigter  verlauf  der  Untersuchung  ergeben  hat,  durch  den 
gang  der  rede  des  Sokrates  bestätigt,  endlich  aber  dürften  die 
grundgedanken  jener  reden  in  der  obigen  formulierung  auch  der 
persönlichkeit  der  redner  entsprechen,  jedenfalls  war  niemand 
geeigneter  das  erotische  verhalten  in  der  thätigkeit  des  gottes  auf- 
gehen zu  lassen ,  als  Phaidros ,  der  nicht  nur  von  vorn  herein  eine 
verherlichung  des  gottes  beabsichtigt  und  die  veranlassung  zu  allen 
lobreden  auf  Eros  gegeben  bat  (177^),  sondern  auch  durch  seine 
person  an  das  nach  ihm  benannte  gespräch  erinnert,  in  dem  die  liebe 
gerade  als  fiavia  (Geia)  (244  ^  256  <^.  258^)  und  der  liebende  als  der 
fvGeoc  q)tXoc  (255  ^)  erscheint.  Pausanias  ferner  wird  an  den  weni- 
gen stellen,  an  denen  seiner  erwähnung  geschieht,  der  erklärte  lieb- 
haber  des  Agathun  genannt ;  um  so  passender  konnte  er  als  die  himm- 
lische liebe  die  auf  das  männliche  gescblecht  gerichtete  verkünden 
und  seine  rede  zu  einer  kritischen  prüfung  der  über  jene  liebe  bei  den 
griechischen  stammen  herschenden  anschauungen  gestalten,  um  mit 
einer  geschickten  Verteidigung  des  vöfioc  itoik(Xoc  der  Athener  zu 
enden,  wurde  er  aber  durch  seine  Persönlichkeit  darauf  hingewiesen, 
bei  dem  stehen  zu  bleiben ,  was  in  erotischer  beziehung  unter  den 
menschen  üblich  ist,  und  die  thatsächlich  vorhandenen  den  Eros  be- 
treffenden Sitten  und  gebrauche  zu  prüfen ,  zu  erklären  und  zu  be- 
urteilen ,  SO  war  er  hierdurch  auch  berufen  die  liebe  überhaupt  als 
einen  act  menschlicher  absieht  und  Verständigkeit  zu  fassen,  die  sich 
freilich  in  ihrem  vermeintlichen  streben  nach  tugend  selbst  betrügt, 
dh.  jener  Qvr\Ti\  cujqppocüvil ,  welche  im  Phaidros  (256*)  vielmehr 
dem  nicbtliebenden  gehört  und  dort  gerade  den  gegensatz  zu  der 
6eia  jLiavia  des  liebenden  bildet,  das  interesse  des  Eryxiroachos 
haftete  zunächst  an  dem  väterlieben  berufe  der  heilkunde^  wandte 
sich  aber  dadurch  auch  einer  umfassenden  betrachtung  der  natnr 
und  der  in  ihr  tbätigen  kräftc  zu,  welche  wiederum  in  damaliger 


746        CSchirbtzi  die  fünf  ersten  reden  in  Platonft  Symposion* 


zeit  nicht  ohne  eine  gewisse  kenninis  und  berücksichtigung  philo- 
Bopbischer  gedanken  möglich  war.  weil  nun  Eryxiraacbos  berufs- 
mäsziger  weise  auf  die  in  den  dingen  thä Ligen  kräfte  zu  achten 
hatte)  kam  es  gerade  ihm  zu  auch  den  ^pujc  ftlr  eine  solche  in  den 
dingen  liegende  triebkraft  anzusehen*  zugleich  aber  ist  es  die  folge 
seiner  ürztlicbcn  Ihätigkeit^  wenn  er  auf  die  der  menschlichen  ^tti- 
CTt]|ir|  und  T^X^n  gegebene  möglichkeit  hinweist^  jene  kraft  auf  rich- 
tiger bahn  zu  erbalten  oder  bei  eingetretenen  Störungen  in  dieselbe 
zurUckzuleiteo^  rreilich  gerät  er^  wie  sich  gezeigt  hat^  durch  diese 
annähme  in  mancherlei  Schwierigkeiten^  weil  er  den  eroti:jchen  trieb 
auf  solche  naturgebiete  ausdehnt»  die  einer  einwirkung  menschlicheii 
könnens  für  immer  veräcblossen  sind,  auch  Aristophanes  spricht 
einen  seiner  Persönlichkeit  eonformen  grundgedankeu  aus.  ist  nem* 
lieh  fpujc  der  trieb  nach  einem  voHkommnern,  bessern  zustand« 
das  bessere  aber  noch  nicht  das  gute  selbst,  das  als  ziel  der  entwicl 
lung  vor  dem  menseben  und  mithin  in  der  zukunft  liegt,  so  musx" 
der  vollkommnere  zustand  ein  vergangener  und  die  form  seiner  dar* 
Stellung  der  mythos  sein,  anderseits  schlieszt  aber  auch  schon  daa 
streben  nach  dem  bessern  wenigstens  die  forderung  eines  entspre- 
chenden sittlichen  Verhaltens  ein,  und  dem  bessern  tritt,  weil  es 
vergangen  ist,  die  gegenwart  als  das  schlechtere,  als  die  zeit  des 
Verfalls  gegenüber:  das  aber  bildete  ja  eben  einen  grundzug  der 
komödie  des  AristopbaneS|  dasz  sie  bei  dem  uiedergange  des  volks* 
lebens  das  beil  in  der  Vergangenheit  erblickte  und  eine  nationale 
Wiedergeburt  gerade  durch  den  hinweis  anf  die  kraft  und  tUchtigkeit 
der  vorfahren  erstrebte,  natürlich  ist  dadurch  nicht  ausgeschlossen, 
da^z  der  Schriftsteller  auch  eine  directe  anregung  fflr  manche  zdge 
dieser  rede  aus  bestimmten  stellen  der  komödien  des  Aristopbane^ 
erhielt,  erst  in  Agathons  rede  ist  Eros  zum  Ipuic  TOÖ  KaXoO  und 
damit  auch  zum  weisbeitss^treben  oder,  sofern  wir  uns  an  sein  wort 
halten,  zum  Geöc  cocpuitaTOC  geworden,  während  die  Weisheit  selbst 
durch  die  bedentung  bewiesen  wird^  die  Eros  f(lr  das  gesamte  ge- 
biet der  Zeugung  hat.  dasz  der  preisgekrönte  dichter  iien  Eros  als 
den  TTOir|Tr|c  feiert,  war^  wie  er  selbst  bemerkt,  ein  naheliegendes 
motiv;  hatte  doch  Eryxiraachos  das  entsprechende  benutzt  {lÖÖ** 
tv*  aö  Kai  itti>  Tf)V  .  .  t^jv  auTOÖ)j  aber  ebenso  passend  ist  es,  dasi 
gerade  er  die  begrifie  des  KaXov  und  C0(pÖv  einführt:  denn  wie  er 
schon  durch  seine  Jluszeru  erschein ung  in  hervorragendem  maaze  die 
Schönheit  repräsentiert  (174*  laöia  bk.  iKaXXujmcdpiiv,  Iva  KOki 
Trapd  KaXov  Tu).  194*^  uu  qpiXc  'Ata0u)v,  ^dv  otTiOKpivri  Cu/Kpdi  ^ 
o6btv  ^Ti  bioic€i  auTip  öirrjoöv  täv  ^vOdbe  itiouv  titvecöai,  ^diT 
pövov  ix^  ö^HJ  biaX^xf^iai,  äXXmc  le  Kai  KaXuj,  213*  dXXct  ^le^rh 
Xaviicu)  önujc  irapd  tuj  KaXXicTtu  tuüv  ^vbov  KaiaKelcci),  so  spricht 
er  auch  nur  schöne»  (198  ^  fjteid  KaXöv  oütuj  Kai  TiavTobaTTÖv  Xötov 
{ii\BivTa)  «nd  ist  besonders  nm  den  beifall  der  Ijuqjpovec  oder  CO<pot 
bemtlbt  (194^),  so  dasz  ihm  s^päter  auch  Aristophanes  seine  huldt* 
gung  als  dem  cotpiOiaTOc  Kai  KdXXicioc  darbringt  t2l2*Tva  dTi6 


OEeller:  za  Strabon  [XI V  660].  747 

Tflc  djLif^c  K€<paXflc  Tf|v  ToO  coqHJüTdxou  Kttl  KaXXfcTOU  KCcpaXfiv 
dvabrjcu)).  —  Gewis  lassen  sich  die  leitenden  motive  der  fünf  ersten 
reden  der  schrift  nicht  aus  der  individnalit&t  der  redner  erkennen, 
wohl  aber  werden  wir  uns,  sofern  mit  der  betrachtung  des  inhalts 
ihrer  reden  auch  das  übereinstimmt,  was  ihre  Persönlichkeit  erwarten 
läszt,  um  so  eher  Ton  der  richtigkeit  jener  analjse  überzeugen  dürfen« 

Wenn  es  längst  anerkannt  war ,  dasz  es  der  darstellungsgabe 
des  Schriftstellers  gelangen  ist  bei  der  Verteilung  aller  über  den 
Eros  umlaufenden  yorstellungen  an  eine  bestimmte  zahl  von  rednem 
der  individualität  jedes  einzelnen  in  glücklichster  weise  gerecht  zu 
werden  I  so  ist  die  kunst  Piatons  nun  auch  nach  einer  andern  seite 
ins  rechte  licht  getreten :  sie  hat  die  ffir\  der  redner  zu  wahren  ge- 
wust^  aber  sie  hat  es  ebenso  sehr  verstanden  jede  der  fünf  ersten 
reden  nicht  nur  zu  einem  in  sich  abgeschlossenen  bilde  des  Eros, 
sondern  auch  zu  einem  notwendigen  gliede  in  dem  ganzen  dieses 
ersten  teiles  des  kunstwerkes  zu  machen  und  dem  leser  neben  der 
freude  an  dem  Wechsel  der  neuen  und  selbständigen  darstellungen 
des  Eros  auch  das  höhere  Wohlgefallen  zu  verschaffen ,  das  mit  der 
erkenntnis  des  fortschritts  der  Untersuchung  und  des  bei  der  anord- 
nung  der  reden  befolgten  planes  verbunden  ist. 

Neustbttin.  Carl  Sohiblitz. 

81. 

ZU  STBABON. 


XIV  650  (II  s.  186  Kramer)  steht:  TTcpkcivrai  bi  d£iöXoTOi 
KaToiKiai  TT^pav  toO  Maidvbpou,  KocKtvia  xal  'OpOwcia*  dvröc  hk 
BpiouXa,  Mdciaupa,  'Axdpaxa,  Kai  öirep  t^c  iröXeuiC  iv  tijj  öp€i 
Td  "ApojLia,  tcucTAXoviec  tö  ^ä  ypöt^ixa'  öGev  dpicTOc  Mccui- 
Tinic  oTvoc  6  'Apoiiieüc.  dazu  die  anmerkung:  Werba  cucT^XXovT€C 
TÖ  {>6j  TpdMliOt  videntur  spuria  esse.'  bei  Stephanos  Bjzantios 
s.  129,  16  wird  unter  den  weinsorten  der  M6CCU)T(Tric  und  der 
*ApO|LiaTeuc  aufgezählt,  die  Überlieferung  bei  Strabon  will  wohl 
sagen,  dasz  der  beste  wein  des  Mesogis-  oder  Measogisgebirges  'Apo« 
^€uc  oder  'ApoinaTEuc  heisze,  mit  auffallendem  kurzem  o  (cuCT^X» 
X0VT6C  TÖ  U)  TpotMM<^)  •  ^^^^  ^^^  sollte  dpu)|LiaT€uc  wie  oTvoc  dpui- 
^aTlTHC  (bei  Dioskorides)  erwarten :  gewürzwein,  die  bezeiohnung 
aber,  meint  die  Überlieferung,  komme  nicht  von  dpuipa  gewürzi  son- 
dern von  dem  bergnamen  ^ApOfia  mit  0  her.  es  ist  leicht,  wenn 
man  etwas  nicht  versteht,  es  als  interpolation  einfach  wegzuwerfen, 
doch  sollte  man  sich  immer  auch  die  frage  nach  der  entatehung 
und  dem  beabsichtigten  sinne  einer  solchen  interpolation  vorlegen. 
meiner  ansieht  nach  ist  also  allerdings  in  den  werten  cucT^XXovT€C 
TÖ  ^U)  TpdjiXMCt  wahrscheinlich  eine  interpolation,  ein  erklärender 
fremder  zusatz  zu  erkennen,  zugleich  aber  musz  statt  pCi)  vielmehr 
oj  gelesen  werden. 

Prag.  Otto  EbllbbI 


748  FHultfich:  2ur  Sjntitxifl  dci  Ptolemalos. 

82. 

ZUR  SYNTAXIS  DES  PT0LEMAI03. 


Dem  abbS  Halma  mag  das  verdienst  unbeetrittea  bleiben,  das£ 
er  in  seinem  'Almageste  ou  aströHomie  de  Ptolfemfee,  en  grec  et  en 
fran^ais'  eine  lesbare  und  im  allgemeinen  zuveriäsBige  ausgäbe  der 
Syntaxis  geschaffen  bat.  freilicii  ist  nicht  zu  verwundern ,  das2  der 
hg^i  der  mehr  fachmane  auf  dem  gebiete  der  astronomie  als  philolog 
war,  den  strengen  anforderungen  der  texteskritik  nicht  allenthalbex 
genügt  hat.  80  ündet  sieb,  auch  wenn  man  nur  das  von  Halm« 
selbst  in  einem  anhange  gebotene  hsL  material  benutzt,  noch  man« 
eher  anla8z  z\i  nacbbejsserungen  des  textes,  und  mehr  noch  wird  ohne 
zwei  fei  von  einem  künftigen  hg.  auf  gnind  neuer  collationen  ab- 
zuändern sein,  an  dieser  stelle  gilt  es  zunächst  nur  einen  störenden 
fehler  im  6n  buchüf  der  von  Halma  gegen  die  hsL  autoritäi  in  den 
text  gebracht  worden  ist,  zu  beseitigen,  bd.  I  s.  421,  9  — 15  ist 
herausgegeben :  Kai  dbc  TOÖ  WtDö  tu»V  Tf€piM€TpuJV  Ttpdc  ToiC  bia- 
geTpouc  övToc  öv  (x^i  Tct  f  ^  A"  TTpöc  t6  ä  ouToc  top  6  XÖTOC 
fietaEij  ^cTiv  Iytict«  toO  t€  TpiTiXaciou  Tipöc  n|*  ißi^öjiuj  n^pei  kqi 
TOÖ  TpiTiXadou  TTpöc  ToTc  b^Ka  ^ßbojiTiKOCTOic  fiövoic»  olc  6^ 
*ApxtpTiÖT|c:  KQTä  t6  airXoücTepov  cuvcxpilcaTO,  dh.  da  das  ver* 
hältnis  der  perimeter  der  kreide  zu  den  diametern  gleich  dem  ver-  ' 
hllltnis  ?0E  3  ganzen  und  8-  sechzigsteln  zu  1  ist ' ;  denn  dieses  ver- 
höltnis  liegt  nahezu  in  der  mitte  zwischen  den  Verhältnissen  Sy  :  1, 
und  3^  :  1 ,  welche  Ärchimedes  als  einfachere  n&berangswerte 
setzt  hat.' 

Nun  braucht  man  nur  die  hier  citierte  stelle  des  Archimedes 
in  dessen  kreismessung  propos,  3  (b.  262  Heiberg)  nachzuschlagoa 


^    die    obige    fiiaftQng    ^3    ganse    und    Sy  aecbzigstep   ist  gewählt 
worden,  um  elaeo  leirht  veratHüdlichen  auftdrtick  für  die  Ptolemäifcbei 
zeichen  y  ^    ^*   ^^  bieten,    die  ffexag-esim&Ucifang  der  ulten  nstronomei 
ist,    soweit   es  «ich  um  die  bezeichnung  der  grade  der  kreisperipberi^ 
oder   des   winkeb  tmd  der  teile  von  graden  handelt,    bis  zum  beatigei 
tage  in  allgemelnein  gebranche  gehlieben;  es  wurde  also  düs  griechiiehi 
y^  r(  k"  =•  3  grttd   8  minuten   3U  secunden    keiner  erklÄrung  bediirf« 
allein  Ptolemaio«  wendet  die  ihm  gelllu6g:e  sexng^esinmlteiliing  aach  aiil 
Jede   beliebige   gröstc   an,  und  in   den  ausgaben  werden  dann  die  ein- 
heilten oder  ganzen  durcb  einen  bon2ont«i»lrich  über  dem  sahUeicheni 
dies   ersten    sechzigste! »   wie  bei  der  grndeinteitung  die  ixiiuuteQf   dar 
^inen   ficbiefen   strich   liinter  dem  8«bUvicben,   dm  zweiten  sechsigst 
dh,    brUcbe    mit   dem   nenner  60 '^    durch  2  striche  unvr.  bezeichnet,     to 

ist   also  an   d^r   obigen  textest  teile  das  rerhältnis  S-j^  :  1  ausgedrückt 

worden  durch  (3  +  ^^  +  g^)   s  I*      *  vgl.  meine  ahh.  Mle  nlhenio|fa- 

werte   irrationaler  quadratwarseln  bei  Arcbün^dcs'    in  den  nachricht 

der  Göttinger  geg.  der  wiis,  189^  a.  a$6  ff. 


FHultsch:  Zur  Syntaxis  des  Ptolemaios.  749 

um  zu  der  Vermutung  zu  kommen,  dasz  Ptolemaios  doch  wohl  ebenso 
wie  sein  gewäbrsmann  ^ßbo|uiT]KOCTO|uiövoic  geschrieben  hat.  denn 
biKü  dßboMTiKOCTOic  iLiövoic,  wie  bei  Halma  steht,  kGnnte  nimmer- 
mehr 7ö^«  sondern  nur  ^,  hervorgehoben  durch  den  gar  nicht 
hierhergehörigen  zusatz  pövoic,  bedeuten,  aber  nicht  um  siebzigste), 
sondern  umeinundsiebzigstel  handelt  es  sich  hier,  und  darauf 
weist  auch  unverkennbar  die  hsl.  Oberlieferung  hin.  die  älteste  von 
Halma  benutzte  hs.,  der  Paris.  2389  saec.  VII,  hat  nach  Halmas  an« 
gäbe  dßbOMiiKOCTU)  juiövoic,  und  aus  dem  Yen.  313  saec.  XI  und 
Flor.  2390  saec.  XII  wird  ^ßbCjüiriKOCTO  jüiövoic  angeführt,  auch 
die  sonst  so  wenig  zuverlässige  ed.  princeps  (Basel  1538)  s.  161,  38 
bat  sich  mit  ^ßbCjuiiiKGCToG  jüiövoic  noch  nicht  so  weit  von  der  rich- 
tigen lesart  entfernt  als  Halma  mit  seinem  dßbo|üiT]KOCToTc  juiövoic. 
statt  dieser  corruptel  ist  also  ohne  zweifei  ^ßbo|üiT]KOCTO|uiövotc 
in  den  text  zu  setzen. 

Auch  zwei  spätere  anftLhrungen  des  schluszresultates  der  Archi- 
medischen kreismessung  sind  zu  erwähnen.  Eutokios  hat  in  seinem 
commentar  dreimal  die  richtige  form  ^ßbo|üiT]KOCTÖ|uiovov '  wieder- 
gegeben (s.  266,4.  300, 10.  13  Heib.).  der  comment«r  Theons  von 
Alexandreia  liegt  bis  jetzt  nur  in  der  Baseler  ausgäbe  vor.  hier 
werden  zunächst  s.  316,  20  —  23  die  oben  ausgefdbrten  worte  des 
Ptolemaios  in  der  folgenden  freiem  fassung  wiederholt :  Kai  die  toO 
XÖTOu  Tf\c  Trepifi^Tpou  npöc  -rtiv  bidfi£Tpov  övtoc  öv  Ix^x  xä*  f  l' 
X"'  Trpöc  TÖ  ä-  oÖTOc  Tap  6  Xötoc  MexoEu  kiiv'  fTTicxa  xöv  bei- 
XOevxuüv  TTapd  'ApxiMi^bouc  Xötuiv,  Ttjj)  xf|v  TrepijuieTpov  xoO  kökXou 
TTpöc  xf|v  bidfiexpov  dXäxxova  jui^v  Xötov  ^x^^v  fi  xpmXacieqp^ßbo- 
MOV,  |üi€i2[ova  bi  ti  xpmXdciov  irpöc  xoic' T  ^ßboMiiKocxoic. 
dann  folgt  als  erklärung  Theons:  koI  jcxiv  ö  jüi^v  xpiTrXaci€q>^ßbo|üiOC 
XÖTOC  6  xdiv^  T  v[  ^b"  Trpöc  xö  a,  6  bfe  xpiTrXdcioc  irpöc  xoic  T 
dßbojüiilKOcxoic  6  xdiv  t  vf  kZ"  "pöc  xö  ä*  Jiv  jüiexaEi}  &xiv*  6 
xOüV  T  il'  X"  Trpöc  xö  a  Xötoc.  ohne  zweifei  ist  hier  beide  male  statt 
dßbOfiiiKOCXoTc  der  von  Archimedes  gebildete  und  so  eben  bei  Ptole« 
maios  wiederhergestellte  ausdruck  für  ^einundsiebzigsteP  ^ßbojuiil- 
Kocxojüiövoiczu  schreiben,  auch  die  nachrechnung  der  von Theon 
gegebenen  sexagesimalen  werte  bestätigt  dies:  denn  wie  f  Vi  Xb'' 
=  3  +  ^  +  ^  das  äquivalent  für  die  Archimedische  zahl  Sy 

ist,  so  kann  t  v[  kZ"  •=  3  +  gö  4"  ^öö  ^^^  umgerechnet  sein  aus  3 
und  10  einundsiebzigsteln,  nicht  aus  3  und  10  siebzigsteln. 
Wie  ist  nun  Archimedes  auf  die  eigentümlicheibezeichnung  ^ßbo-  * 

^  8.  300,  13  Heib.  ist  ^ßbofiiiKOCTÖfiova  sa  betonen  statt  ^ß6o|ii|- 
KOCTOfiöva.  ^  tä  habe  ich  corrigiert  statt  t6.  ^  die  swei  striche 
hinter  X  sind  nnr  undeutlich  ausgedruckt,  und  noch  undeutlichernach- 
her  die  striche  hinter  X6;  dagegen  erscheinen  sie  deutlich  hinter  idC 
und  dem  letzten  X.         "  MCxaEO  Icxlv  Basil.  '  irp^c  xotc  habe  Ich 

corrigiert  statt  des  offenbar  verderbten  tipoc^xi  xal.  das  richtige  irpöc 
Totc  steht  nachher  bei  Theon,  wie  bei  Ptolem.  ao.       ^  xdiv  Tdiv  Batil. 


760 


FHultBoh;  zur  Syntaris  des  Ptolemaios, 


^t|xoct6|üiovov  gekommen?  wie  im  laieiniscben  und  in  den  modernen 
cuUurspr achten  werden  auch  im  griechischen  die  bru  ch teile  durcb 
ordinal  ia  ausgedrückt,  und  von  diesem  gebrauche  ist  Archimedes 
nicht  abgewichen,  am  häufigsten  erscheint  bei  ihm  TplTOV  M^poc 
oder  TpLiaiuöpiov;  auszerdem  finden  sich  TrejUTTiajuiöpiov,  ?ktov 
ptipoc,  ißbopov,  ^KaiocTÖv,  biaKOCiocTÖv  ^^poc*  öderes  istpepoc  M 
(iLt^pn)  zu  ergänzen:  TpiTOV  I  264,  2.  266,  3,  20,  T€TapTOV  I  16»  23,  ■ 
büo  nepiTTa  II  234,  28,  236,  19  ^^  rpia  TT^^ina  oder  Tct  ipia 
TT^MTTTa  II  218,  15.  226,  1—25,  232,  12.  236,  11.  26,  238,  1.  2.  5, 
gpbojiov  I  262,  ö,  t6  ?ßbo)jiov  I  266,  14,  tö  cIkoctöv  Kai  inra- 
KOciocTov  II  248,  20,  m 

Wenn  wir  aber  die  Zahlenreihe  rückwärts  verfolgen,  so  reigt  | 
sich  sofort,  dasz  die  regel  'die  nenner  der  brüche  werden  durch  die 
ordinalia  aiiSgedrUckt'  zwei  auenahmen  hat.  man  sagt  tt€H!TTOV 
(p^poc) ,  T^xapTOV,  xpiTOV,  aber  weder  ^euTCpov  noch  TTpuJTOV*  ■ 
natürlich :  denn  j  ist  entweder  mit  Archim,  I  370,  13^16  aus- 
zudrücken  als  *der  eine  von  zwei  teilen',  dh,  ^T€pov  /iepoc,  oder, 
und  das  ist  bekanntlich  das  allerbäufigate,  durch  fj^icu  oder  das 
uralte  zeichen  der  hälfte  S,  und  es  mag  bierzn  gleich  bemerkt  wer- 
den, dasz  für  j  das  zeichen  ß  im  griechischen  ebenso  wenig  möglich 
ist  wie  das  gesprochene  oder  geschriebene  zahlwort  b€UT€pov.  *' 


"  B.  die  xusammenatclhingren  Heibergs  im  index  I  unter  i^dpoc,  rpdoc, 
TpiT»)|i6piov  und  TTCpiTTTmdpiov.  bei  M^poc  ist  noch  der  verwcii  auf 
xptTov  ^i^poc  II   s.  lü,  16  nftc  bin  tragen.  ♦<*  50o   u^^irra  fehlt  b«i 

Heibcrg^  imter  iT^|iiiTOC,    (^ie  oben  angeführten  seilen-  und  zeilenziUilen 
sind  ebiJ.  bei  Tpia  rr^^iTTa  »u  tilgen.       '^  eine  Häufung  der  aufralU^eten 
Irrtümer    hat    eich   [loche   in    seioer  ausgäbe   der   dpiB^.   ctcOTUUT^   des  ^ 
Nikomacbos    s.  XI    in    den    wenigen    worten   €^"  Huhschius   esse   vult 
{»CÜTcpov  Ycl  50OCTOV»  ZU  schulden  kommen  lassen.     Hocbe  bildet  hi«r 
zunächst,   lediglich  nach  seiner  erfindung,  den  faUcben  ansdnick  öcO-   ^ 
TCpov   statt   ffjiicu,    beruhigt  bich   aber  nicht  bei  diesem   ^inen  fehler«  ■ 
sondern    fdfct    noch    die    uoclassiache   form   6öoctov   (vgl,   Steph.   thes,)    ■ 
binsT],  welche  nietnnU  von  einem  alten  mathematiker  gebraucht  worden 
ist.     doch  auch  dnntit  ist  es  nicht  genug:  denn  2U  den  beiden  falschen 
auBdrücken   wird   anch  das  falüche  seichen  p  ersonnen  und  i«hlicsxticli 
werden  alle  dicac  senguifise  grÖster  Ignoranz,  die  lediglich  auf  Hochca 
erfindun^r   beruhen ,   mir  zugeachoben  ^   der  tcb  nie  etwas  so  verkehrtea 
gedacht,  geschweige  denn  geschrieben  ba^e.     dass  ß,  wo  es  als  brach- 
zeichen  in  Jüngern  hss.  vorkommt,   stet«  bOo  >iotpai  oder  öt^oipov,    dh. 

■j  beieichnct,   habo   ich   raetrol.   Script.  I   s.  174    ausdrücklich  bemerkt 

and   daselbst  auch   das   gewöhnliche  and  in   den  altern  hsa.  allein  ge* 

brüachliche  zeichen  uK'  auf  die  ursprüngliche  be«eichnnng  C?" -■  T^T 

zurückgeführt    wie  hier  die  beiden  schiefen  striche  regelmllsilg  in  den 
Heronischen   and   andern   bis.  erscheinen,   so  sind  sie  auch  bei  andern   h 
zahlen,  welche  nenner  von  brüchen  bezeighneni  üblich  (metrol.  sorii^t.  ao.).  ■ 
um  dies  zu   erklKrcn  habe  ich  nebenbei  aof  die  abbrcviatur  V  fUr  t6v   H 
aufmerksHtn  gemacht,  Im  übrigen  aber  lediglich  nach  dem  answciB  der 
Herouischon    hss.   constatiert,    dasz    die    bezcichnungi^n   t'   1^1'  TgtTOV 
(und   zwar  gleichmHszfg   für  alle  casasformen  dieses  nentrams],  6'  lUr  I 


FHaltsch:  zur  Syntazis  des  Ptolemaios.  751 

Aber  es  ist  zuletzt  noch  zu  fragen,  wie  die  der  cardinalzahl  1 
entsprechende  bruchbezeichnung  gebildet  wurde,  im  gegensatz  zur 
hälfte,  zum  dritten,  vierten  teile  usw.  kann  wohl  auch  einmal  von 
dem  einzige  n  teile  die  rede  sein,  dh.  nach  mathematischem  sprach* 
gebrauch  von  uneigentlichen  biHchen  von  der  form  y,  yusw.  denn 
wenn  die  teile  einer  durch  3,  4  usw.  geteilten  grösze  Tpira,  T^Tapra 
(füiepr))  usw.  benannt  werden,  so  musz  es  auch  für  den  einzigen 
teil,  den  wir  erhalten,  wenn  wir  eine  grösze  durch  1  dividieren,  eine 
besondere  bezeichnung  geben,  diese  kann  aber  nicht  £v  \xipoc  ge- 
lautet haben,  denn  wie  aus  Archim.  sandrechnung  1, 16.  18.  22  her- 
vorgeht, wird  damit  der  Zähler  1  eines  bruches.von  beliebigem 
nenner  bezeichnet,  zb.  1,  22  (s.  262,  3)  biaipeOefcac  Täc  6p6ac  eic 
c'  Kttl  t'  toutwv  Iv  jui^poc,  dh.  -—-  des  rechten  winkeis.  Archimedes 
muste  also  für  1  als  nenner  einen  ausdruck  wählen,  der  erstens 
einer  Verwechselung  mit  1  als  zähler  vorbeugte,  zweitens  eine 
analoge  bedeutung  zu  den  ordinalien  Tp(TOC,  T^TOpTOC  usw.,  die  als 
Superlative  zu  deuten  sind,  in  sich  trug,  es  ist  klar,  dasz  es  dafür 
keinen  passenderen  ausdruck  als  jiiövov  ji^poc  geben  konnte,  so 
also  ist  dßbo)üir)KOCTÖ|üiOVOV  für  einen  nenner,  der  die  summe  70  -|-  1 
darstellte,  gebildet  worden. 

Dem  gebrauche  des  Archimedes  ist,  wie  zu  anfang  dieses  a^f- 
satzes  nachgewiesen  wurde,  Ptolemaios  gefolgt,  und  später  haben 
die  commentatoren  dieser  beiden  mathematiker,  Eutokios  und  Theon, 
denselben  ausdruck  angewendet,  allein  zuerst  in  den  Heronischen 
€icaTU)TOtl  tujv  CT€p€Ofi€Tpou|üi^vu)V  1,  2  (Heronis  geom.  et  stereom. 
rel.  s.  153,  11  Hultsch)  und  dann  bei  Nikomachos  dpiOfi.  elcat. 
I  12,  1  (s.  28,  8  Hoche)  erscheint  die  bruchbezeichnung  cIkoctö- 
TTpUJTOV,  dh.  es  ist  sowohl  zu  elKOCi  als  zu  elc  das  übliche  ordinale 
und  dann  aus  beiden  zusammen  das  compositum  gebildet  worden, 
bei  Heron  ist  it  €iKOCTÖTrpu)Ta  «=>  ^  durch  die  beste  Überlieferung 
gesichert,  wenn  statt  dessen  zwei  jüngere  hss.  iZ'  elKOCTÖjüioipa  "=  ^ 
haben,  so  ist  das  dieselbe  Verwechselung  wie  in  der  Baseler  ausgäbe 
des  Tbeon  dßbo|KiiKOCToTc  für  dßbo|üiiiKOCTO|üiövoic.  auch  bei  Niko- 
machos ist  T(fj  €iKOCTOTrp(£iT({i  ()üi^p€i)  durch  die  älteste  Überlieferung 


T^Toprov  (ebenfalls  für  alle  casusformen) ,  und  die  entsprechenden  fBr 
die  übrigen  nenner  sich  möglichst  nahe  an  die  Oberliefemng  ansohliessen. 
ja  die   abschreiber  haben  sich   so  sehr  an  diese  brnchbeseichnang  ge« 

wöhot,   dasz  sie   dieselbe   anch  bei   verschiedenen  seichen  für  y  (ebd. 

8.  173  f.)  regelmässig  anwendeten,  deshalb  habe  Ich  in  der  ausgäbe  des 
Heron,  wo  unzählige  brüche  vorkommen,  diese  aach  im  typendmck 
leicht  herzustellende  bezeichnung  durchgeführt,  und  Heiberg  ist  mir  in 
seiner  ausgäbe  des  Archimedes  darin  gefolgt,  auch  Halma,  dem  für 
Ptolemaios  so  vortreffliche  hss.  zu  geböte  standen,  hat  bd.  I  s.  891,  28 
TÖ  b"  (dh.  TdrapTov)  Tf\c  btafiirpou  Tfjc  ceXrivtaicffc  herausgegeben  und 
dasselbe  s.  473  als  lesart  aller  seiner  hss.  beglaubigt,  damit  sind  auch 
die  übrigen  von  Hoche  ao.  irriger  weise  erhobenen  elnwendangen  erledigt. 


752 


JOeri:  zu  Demoatheneg  [Olynth,  1  §  7], 


geeicbertf  und  die  Variante  zweier  jüngerer  bss.  tlü  EiKOCTopovqj  ist 
wobl  als  eine  reminiscenz  an  Arcbimedes  kreismessung  zu  deuten. 

Mit  ckocTÖTTpUJTOV  ist  zu  vergleicbon  Tili  eiK0CT0TT€p7TTUJ  bei 
Nikomachos  ao. 

Im  ganzen  bat  es  als  ausnähme  zu  gelten  ^  wenn  in  mathemati- 
sehen  scbriften  der  nenner  eiuQS  bruebes  durch  das  ausgeschriebene 
zablwort  bezeicbnet  wird:  denn  in  den  allermeisten  fällen  werden 
statt  der  Zahlwörter  die  Zahlzeichen  gesetzt,  deshalb  stehen  mir 
zur  zeit  keine  weitern  belege  für  die  gesprochenen  nenner,  die 
aus  zebnern  und  einem  zusammengesetzt  sind^  und  noch  weniger 
für  ähnlich  zusammengesetzte  gröflzere  nenner  zu  geböte,  insbeson- 
dere vermag  icb  zu  den  inscbriftUch  bezeugten  ordinalien  juidc  Kttl 
ciKOCTTJc,  elc  «ai  TpiQKOCTÖc,  Miol  Kttl  TeTTapaKDCTfi  ua.  (MeiHterhanß 
gramra,  der.  att.  inschr.*  a.  130)  nicht,  die  entsprechenden  bezeich- 
nungen  für  nenner  von  brüchen  nachzuweisen.  M 

Aus  der  vulgärsprache  scheint  Pltit.  de  facie  in  orbe  lunae  1^ 
(s.  932*)  entnommen  zu  haben  AItutttiouc  dß6o^T|KOCTÖbuov 
oT^ai  (pdvai  pöpiov  (ific  Tnc)  «Jvoi  xfjv  ceXfiviiv.   doch  ist  auch 
mit  der  möglichkeit  zu  rechnen,  dasz  dßbo|ur|KOCtöbuov  erst  nach- 
trSglich  von  einem  abschreibe r  statt  oß*^'*'  gesetzt  worden  ist. 

Zum  scblusz  noch  eine  andere  ricbtigstelinng  zur  Sjntaxis, 
VI  s.  408,  14  ist  ohne  zwei  fei  mit  den  hss.  im  bl  jf\c  auTfjc  oIkou* 
p4vT|c  OUK  äv  TTOTe  cujMißairi  zu  lesen  etatt  ctjjußaivoi ,  was  Halma 
aus  der  schlechten  lesart  der  Baseler  ausgäbe  cu^ßaivr]  umgebildet 
hat.  vgl  Polyhios  II  64,  4  el  cu^ßairi  ,  .  aOiöv  .  *  ^EcXOciv  und 
öhnlicb  VIII  20,  5,  dens.  I  58,  8  lujc  ,  .  cu/jißfj  töv  ?T€pov  aurujv 
TTpOTTeceiv  und  ähnlich  Öfters  (Hultsch  erzfthl  Zeitformen  bei  Poly- 
hios XIX  5,  abh.  der  itächs»  ges.  d.  wiss.  pbil.-hist.  cl,  XIII  s.  154), 
Kleomedes  kukX.  Geujpia  II  s,  220,  2  (ZiegUr)  toöto  ^f|  buvac8ai 
cu^ßfivai,  Pappos  cuvctxujpi  I^  s,  264  (Hultscb)  ei  pf[  öv  xaic 
TÜxriv  norfe  cupß^, 

Dresden.  — . . Fkieduich  Hultscb« 


83, 

Zu  DEMOSTHENES. 

Die  kleine  correctur,  die  ich  vorschlage,  hat  gewis  stilbchwai 
gend  schon  mancher  leser  gemacht;  es  scheint  aber,  da  die  neuem 
ausgaben  sie  nicht  enthalten,  immerhin  rätlicb  sie  einmal  6ffe&tUch_ 
vorzuschlagen,   in  der  ersten  Oljnthisehen  rede  §  7  t\[ily  tJCp'  UfiOCiW 
ncic8^VT€C  öveiXovTO  töv  iröXcpov ,  cqyaXepoi  cuMfiaxoi  kqI  m^xp*^ 
Toy  tauT*  öv  ^tvuJKÖTCc  i'jcav  iciuc  wird  statt  des  Tagen  und  nur 
zur   not   aus  dem  ganzen  Zusammenhang  erklärlichen  taDra  doch 
wohl  Tauid  (also  laÖT*  &v)  zu  schreiben  sein,  so  dasz  Demo- 
sthenes  sagt  'sie  wären   unzuverläsBige  bundesgenossen  und  'ihm 
einigkeit  mit  euch  hätte  ihre  grenze*. 

ßAset«  Jacx>b  Obri 


GErauth :  yenohollene  Iftader  de«  aliertmiit«  L  76S 

(75.) 

VERSCHOLLENE  LÄNDEE  DES  ALTEETUM8. 


Die  ostgrenze  der  oikamene  und  der  Arazes« 
(schlusz  von  8.  689—703.) 

Die  erste  epoche  hellenischer  colonisation  am  die  wende  des 
zweiten  Jahrtausends  vor  Ch.  hatte  befruchtend  gewirkt  für  die  ans- 
dichtung  der  Homerischen  ansieht  von  der  oikamene.  wir  haben 
gefunden,  dasz  diesem  Zeitalter  die  Westküste  des  Easpi  die  ost- 
grenze der  bewohnten  erde  und  die  östlichen  Aithiopen  die  äaszer- 
sten  bekannten  menschen  waren. 

Die  zweite  colonisationsperiode,  deren  blUte  in  das  siebente 
und  sechste  jh.  vor  Ch.  mit  der  glanzzeit  Milets  zaeammenfftllt,  that 
den  ersten  schritt  Ober  die  grenzen  der  oikamene  hinaas  und  schuf 
die  anfange  einer  wissenschaftlichen  erdkunde  überhaupt,  uns  ver- 
langt namentlich  zu  erfahren ,  ob  die  ostgrenze  der  oikamene  durdi 
sie  eine  Veränderung  erlitten  hat  oder  nicht,  zur  beantwortnng 
dieser  frage  und  zur  beurteilung  dieser  erdbeschreiber  überhaupt 
stehen  uns  freilich  nur  dürftige  bruchstücke  ihrer  werke  und  nament- 
lich die  bekämpfung  ihrer  ansiohten  bei  Herodotos  zur  Verfügung. 

Die  ionischen  philosophen  Kleinasiens,  in  deren  pflege  die 
geographie  nun  übergeht,  zehren  noch  von  den  brosamen  Homers. 
in  der  Vorstellung  von  den  umrissen  der  oikamene  schloss  man  sieh 
eng  an  das  epos  an.  denn  was  ist  die  eherne  erdtafel  des  Heka- 
taios  (um  500)  anderes  als  ein  nach  dem  vorbild  des  Achilleischen 
langschildes  ausgeführtes  kunstwerk,  das  vielleicht  sogar  die  cylin- 
drische  Wölbung  des  Schildes  beibehielt?  neu  ist  der  gedanke  des 
Anazimandros  (um  600),  dasz  die  ganze  erde,  von  der  die  oikamene 
ja  nur  die  eine  seite,  und  zwar  etwa  die  hälfte^  darstellte,  einer 
liegenden  cylindrischen  walze  ähnlich  sei.  man  siebt,  wie  auoh 
dieser  gedanke  entsprungen  ist  aus  der  Homerischen  ansieht  von 
der  oikumene.  der  Achilleische  langschild  stellte  gewissermaszen  die 
hälfte  eines  senkrecht  zu  den  beiden  grundflächen  dnrchsehnittenen 
cjlindermantels  dar.  Anazimandros  fügte  die  andere  hälfte  dazu 
und  gewann  so  für  die  erde  eine  erste,  den  alten  denkbare  gestalt. 
es  ist  uns  unzweifelhaft,  dasz  Anazimandros  sich  den  bewohnten  teil 
der  erde  auf  dem  mantel  des  ruhenden,  nicht  eines  aufrechtstehen- 
den ,  erdcjlinders  dachte  und  nicht  etwa  auf  einer  der  beiden  kreis- 
runden grundflächen;  wenn  er  das  im  ange  gehabt  hätte,  lag  ihm 
der  vergleich  mit  einer  flachen  diskosscheibe  gewis  näher  als  der 
mit  einer  (liegenden)  steinernen  seule.  er  musz  sich  aber  doch  nicht 
deutlich  genug  ausgedrückt  haben,  denn  wir  begegnen  sehr  bald 
bei  seinen  landsleuten  der  auffassung  von  einer  kreisrunden  gestalt 
der  oikumene.    gegen  sie  richtet  sich  der  tadel  Herodots  IV  30 : 

JahrbQcher  f&r  cIms.  philoL  1898  hft.  11.  48 


754 


CErauili:  verficliolleiie  länder  des  altertums.  I. 


*ich  lacbe  aber,  wenn  ich  sebe,  wie  so  mancher  erdumrisse  gezeichnet 
hat  ohne  sino  uüd  verstand,  wo  der  okeanos  rings  um  die  erde  flieszt» 
die  rund  ist,  als  wäre  sie  abgezirkelt;  und  dabei  ist  Asien  gleich 
grosz  wie  Europa  gemacht/  der  tadel  der  letzten  worte  richtet  sich 
gegen  eine  weitere  neuerung  der  lonier,  die  teilung  der  oikumene 
in  zwei  erd teile,  wobei  zu  Asien  auch  Libjen  mitgerechnet  wurde^ 
das  wir  Afrika  nennen,  auch  dieser  gedanke  ächeint  auf  dem  kau- 
kasischen iathmos  heimatberechtigt  zu  sein,  hier  hatte  die  natur 
den  menschen  zuerst  auf  den  unterschied  zwischen  den  beiden 
himmelarichtungen  osten  und  westen  aufmerksam  gemacht  n«r 
nach  diesen  beiden  seiten  hin  zeigte  sich  ihre  weit  begrenzt  vom 
meerei  aus  dem  6inen  stieg  ihnen  die  sonne  herauf  und  der  reigen 
der  andern  gestirne,  in  das  andere  sanken  sie  wieder  hinab;  naeb 
dem  Kaspi  flosz  die  6ine  hUlfte  der  kaukasischen  fltisse  ab,  nach 
dem  Pontos  die  andere«  so  wurden  die  beiden  ersten  binuneb- 
richtungen^  die  der  kaukasische  mensch  überhaupt  nnterschied, 
licht  and  dunkel,  osten  und  westen,  Asia  und  Europa,  im  Äuszer- 
sten  Westen  war  die  trennung  Europas  von  Afrika,  das  man  Libyen 
nannte,  durch  den  einbruch  des  atlantischen  oceans  in  das  Mittel- 
meer vorgezeichuet.  dann  folgte  das  vorwiegend  von  westen  nach 
osten  sich  erstreckende  innere  meer  mit  seinen  anhSngseln  im 
nordosten  bis  zum  Kaukasos.  von  der  ostküste  des  Fontos  nach 
dem  östlichen  okeanos  war  es  nicht  allzu  weit«  das  wusle  man.  es 
lag  daber  nahe  auch  hier  eine  trennende,  natürliche  grenzte  aufzu* 
richten  zwischen  den  beiden  hälften  der  oikumene.  die  ttltare 
fassung  des  Argoliedes  hatte  mit  der  möglich keit  gerechnet,  d&as 
die  Argo  aus  dem  schwarzen  meere  durch  vermittelang  des  asow* 
sehen  auf  einem  rtitselbaf  ten  fluszlaufe  nach  dem  Kaspi  -  okeanos  ge- 
langt war.  in  spätem  Jahrhunderten  verlegte  man  den  wohnsitx  de« 
Aietes  nach  Eolchis,  an  den  Phasis,  auf  den  die  eigenschaften  jenes 
rZ&iselhaften  verbindungsEu.sses  mit  übertragen  wurden.  80  kam  eS| 
dasz  man  eine  zeit  lang  den  Phasis  als  grenzüusz  zwischen  Asien 
und  Europa  ansah  (Herod.  IV  45).  andere  gelehrte  sahen  ein,  duas 
es  eine  teuschung  sei,  auf  dem  Pbasis  vom  Pontos  nach  dem  öst> 
liehen  okeanos  gelangen  zu  wollen,  sie  kamen  wieder  auf  die  atta 
spur  der  Argofahrt  und  sahen  in  dem  Tanais,  der  in  den  nördlich« 
Winkel  des  asowechen  meeres  mündete ,  den  weltenteiler.  auf  ih 
sollte  es  also  der  Argo  möglich  gewesen  sein  in  den  äussern  oketinc 
zu  gelangen,  bis  heute  hält  man  den  Don  für  den  Tanais  der  altei 
man  kann  aber  den  Don  hinauffahren,  so  weit  man  will,  man  wird 
nie  in  den  Kaspi,  nie  in  die  0siM?6  gelangen*  wir  lassen  diesie 
Schwierigkeit  vorläufig  auf  sich  beruhen,  es  zerfiel  aUo  diedea 
physikern  die  oikumene  in  zwei  gleichlange,  einander  gegenüber- 
liegende hälften,  von  denen  die  nördliche  Europa,  die  südiieh^i 
Asien  genannt  wurde,  den  arabischen  meerbusen  kannte 
demnach  entweder  überhaupt  noch  nicht  oder  hielt  ihn  fUr 
binnenmeer. 


CErautli:  yerschollene  länder  des  altertauiM.  L  766 

Die  ältere  Zweiteilung  verlor  immer  mehr  an  boden  und  machte 
der  dreiteilnng  platz ,  nachdem  der  könig  Nekos  von  Ägypten  am 
ausgang  des  siebenten  jh.  vor  Cb.  durch  die  Phoiniker  eine  erste 
umsegelung  Libyens  vom  roten  meere  aus  befohlen  und  durch- 
gesetzt hatte  (Herod.  IV  42  ff.),  es  hat  zwar  nicht  an  leuten  ge- 
fehlt, die  diese  kühne  Unternehmung  angezweifelt  haben,  aber  es 
hat  noch  niemand  bewiesen,  dasz  es  im  altertum  den  menschen  an 
persönlichem  mute  oder  unternehmendem  geiste  gefehlt  habe,  navi- 
gare  necesse  est^  vivere  non  necesse  galt  schon  im  altertum,  und  das 
leben  des  einzelnen  war  niemals  niedriger  im  preise  als  damals,  als 
eine  entschädigung  an  die  alte,  aufgegebene  Zweiteilung  der  oiku- 
mene  kann  man  gewissermaszen  die  Zurechnung  Ägyptens  zu  Asien 
ansehen  fast  während  des  ganzen  altertums;  ja  noch  heute  pflegt 
man  das  Nilland  zu  den  Staaten  des  Orients  zu  rechnen,  oder  liegt 
hier  eine  erinnerung  an  das  kaukasische  Aegypten  vor? 

Aber  auch  bei  der  dreiteilung  der  oikumene  waren  nach  der 
meinung  Herodots  die  physiker  von  irrigen  Voraussetzungen  aus- 
gegangen, gegen  sie  richten  sich  folgende  werte  (lY  42) :  Uch  wun- 
dere mich  basz,  dasz  man  Libyen  und  Asien  und  Europa  von  einander 
trennen  will :  denn  sie  stehen  alle  drei  in  keinem  rechten  grOszen- 
verhältnis  zu  einander,  an  länge  nemlich  kommt  Europa  beiden 
andern  gleich,  in  bezug  auf  die  breite  aber  dürfen  jene  sich  mit 
Europa  überhaupt  nicht  messen.' 

Wir  begegnen  hier  ein  erstes  mal  den  ausdrücken  'länge'  und 
'breite'  und  müssen  uns  darüber  klar  werden,  was  die  physiker  und 
Herodotos  damit  sagen  wollten,  an  eine  einteilung  der  alten  weit 
durch  längen-  und  breitengrade  ist  natürlich  noch  nicht  zu  denken, 
wohl  aber  liegt  in  der  auffassung  der  lonier  die  quelle  für  die  noch 
heute  geltende  benennung  der  mittagslinien  als  längen-  und  der  mit 
dem  äquator  parallel  laufenden  linien  des  erdglobus  als  breiten- 
linien. 

Der  längste  weg,  den  ein  küstenfahrer  des  altertums  zurück- 
legen konnte,  ohne  eine  bestimmt  vorhersehende  himmelsrichtung 
aus  den  äugen  zu  verlieren ,  war  der  von  den  seulen  des  Herakles 
durch  das  Mittelmeer  mit  seiner  pontischen  gefolgschaft  bis  zur 
mündung  des  Tanais  ins  asowsche  meer.  bedeutend  kürzer  waren 
die  strecken,  welche  von  Phoinikem  oder  Hellenen  jenseits  Gibraltar 
an  der  spanischen  oder  libyschen  küste  zurückgelegt  waren,  man 
mochte  sie  gerade  weit  genug  kennen ,  um  das  zurückweichen  der 
äuszern  landmasse  nach  osten  für  zweifellos  zu  halten,  im  osten 
der  oikumene  dagegen  war  man  über  die  kenntnis  eines  Verhältnis- 
mäszig  kleinen  küstenstreifens  am  kaspischen  meere,  dem  vermeint- 
lichen östlichen  okeanos,  bis  auf  Herodotos  nicht  hinausgekommen. 
dasz  man  es  bei  dem  kaukasischen  landrücken  zwischen  dieser 
okeanosküste  und  dem  pontisch-asowschen  meergebiet  nur  mit 
einem  isthmos  oder  einer  landenge  zu  thun  habe,  wüste  man  eben- 
falls noch  nicht,  man  glaubte  vielmehr,  dasz  Europa  dort  überhaupt 


766 


CKrauth;  verscbolleDe  läader  des  altertums,  I. 


eo  scbmal  sei,  und  daäz  es  vom  Pontos  bie  nach  dem  TenneintUcheti 
nördlicben  okeanos  —  der  fortsetzung  des  östlicben  oder  Kaspi  in 
DOrdwestlicber  richtung  —  gar  nicbt  so  sebr  weit  seiB  könne,  so 
kam  es,  dasz  man  diese  ausdebnutig  Europas  von  sQden  na^^b  norden 
bedeutend  unterscbätzte  ^  man  nannte  sie  breite,  durcb  seine  reise 
ins  Skytbenland  an  der  nordktiste  des  Pontos  und  durch  seine  erkan- 
digungen,  die  er  dort  einzog,  batte  Hero^otos  docb  einen  andern 
begriff  von  der  ausdebnung  des  europäischen  festlandes  nach  norden 
zu  gewonnen  als  seine  vorginger  in  der  Wissenschaft,  deren  eigne 
erfabrung  nicht  so  weit  reichte,  an  den  ausdrücken  länge  und 
breite  .«elbat  ändert  er  aber  nichts,  auch  ihm  war  die  ausdebnung 
der  oikumene  von  westen  nach  osten  länge  ^  und  das  trennende  ele- 
raent  zwischen  dem  norden  und  dem  Süden  blieb  das  Mittelmeer  mit 
seinen  pontiachen  anhängsein,  obwohl  man  über  die  nördlichere 
läge  de*^  Pontos  und  des  asowschen  meeres  nicht  im  zweifei  war, 
ja,  das  rauhe  klima  des  Skythenlandes  galt  den  Hellenen  als  ein  be- 
weis, dasz  sie  es  hier  mit  den  nördlichsten  gegenden  ihrer  oikamene 
überhaupt  zu  tbun  hatten,  auch  die  ausdebnung  der  oikumene  von 
Süden  nach  norden  blieb  dem  Herodotos  breite,  doch  bekämpft  er 
auf  grund  bessern  wissens  die  falsche  Vorstellung,  als  ob  Europa 
Überall  so  scbmal  sei  wie  im  äuszersten  westen  und  osten.  an  breite, 
sagt  er,  lassen  sieb  Asien  und  Libyen  überhaupt  nicht  mit  Europa 
vergleichen ,  so  breit  ist  dieses  und  so  scbmal  sind  jene  yerhältnis- 
mäszig.  mit  bestimmt  in  diesem  irrigen  urteil  bat  unsern  gewäbrs- 
mann  offenbar  die  künde  von  der  umschiffbarkeit  Libyens,  er  hielt 
es  deshalb  (ür  Terbältnismäszig  kleiner  als  Europa,  dessen  umschifif« 
barkeit  noch  niemand  erkundet  hatte,  seine  ausführungen  IV  44  f. 
enthalten  die  scharfe  Verurteilung  der  okeanoBtheorie ^  die  bis  aaf 
seine  zeit  bei  den  loniem  geherscht  hatte. 

Es  ist  sein  unvergängliches  verdienst,  zuerst  die  gescblossen* 
heit  des  meeres  nördlich  von  der  strasze  yon  Kertscb  und  die  ge* 
Bchlossenbeit  des  meeres  jenseits  des  Kaukasos  erkundet  und  be* 
stimmte  namen  für  sie  in  die  Wissenschaft  eingeführt  zu  haben. 
die  strasze  von  Kertscb  erscheint  jetzt  ali^  kimmerischer  Basporos^ 
das  asowsche  meer,  das  bisher  in  seiner  ausdebnung  noch  völlig  un- 
erforscht eine  dunkle  Vermittlerrolle  gespielt  hatte  zwischen  dem 
Östlichen  und  westlichen  okeanos,  erscheint  jetzt  als  ein  in  seiner 
grÖfize  allerdings  noch  nicbt  richtig  bestimmtes  binnenmeer  anter 
dem  namen  Maietis,  ^mutter  der  meere',  das  äuszere  meer«  Östlich 
vom  Kauk&sos,  erscheint  jetzt  unter  dem  sondemamf^n  "kaspisches 
meer.*  Herodotos  sagt  darüber  I  202:  *das  kaspiüche  meer  aber  ist 
für  sich ,  nicht  verbunden  mit  dem  andern  meere.  deiin  das  meer, 
welches  die  Hellenen  ganz  befahren,  und  das  sogenannte  atlantiscbe 
jenseits  der  seulen  des  Herakles  und  das  rote  meer  sind  ein»,  daa 
kaspieche  aber  ist  ein  anderes  meer  für  sich/  und  I  204  sagt  •?: 
Hm  Westen  von  diesem  sogenannten  kaspischen  meere  ragt  die  ga- 
birgssohranke  des  Kaukasos,  die  ostküste  aber  wird  von  einer  ebtM 


CEraoth:  verschollene  l&nder  de«  altertams.  I,  757 

gebildet,  deren  ansdehnung  nicht  abzusehen  ist'  also  die  unbekannt- 
Schaft  der  physiker  mit  der  ungemessenen  ansdehnung  Europas  über 
das  Skjthenland  hinaus  nach  norden ,  mit  der  geschlossenheit  des 
Easpi  sowie  mit  der  unermeszlichen  landerstreckung  im  osten  des 
Easpi  hatte  die  teilung  Europas  und  Asiens  hier  im  osten  auf  einer 
noch  fraglichen  Tanaislinie  verschuldet,  daher  der  spott  des  EUili- 
karnassiers.  aber  er  kannte  die  menschen,  er  ahnte  dasz  seine 
bessere  einsieht  nichts  ausrichten  würde  gegen  die  macht  der  ge- 
wohnheit.  nachdem  er  daher  mit  kritischem  lächeln  die  passe  der 
drei  damen  Europa,  Asia  und  Libya  durchmustert  hat,  die  ihre 
namen  hergegeben  hatten  (IV  45),  behält  er  die  gebräuchlichen  aus- 
drücke für  die  drei  erdteile  bei.  auch  heute,  wo  man  sogar  die  erd- 
teilnatur  Europas  wissenschaftlich  zu  begründen  gesucht  hat,  würde 
es  sich  nicht  empfehlen,  den  durch  sein  alter  ehrwürdigen  Sprach- 
gebrauch zu  ändern ,  der  einem  irrtum  der  lonier  seine  entstehung 
verdankt. 

Aus  dem  kämpfe  Herodots  gegen  die  ionischen  physiker  ergibt 
sich  ohne  weiteres,  dasz  bei  diesen  gelehrten  noch  die  ostgrenze  der 
oikumene  mit  der  Westküste  des  E^aspi,  ihres  vermeintlichen  okeanos, 
zusammenfiel.  ^ 

Was  lernen  wir  aus  dieser  thatsache  für  die  läge  der  östlichsten 
Provinzen  des  persischen  reiches,  Hyrkanien,  Baktriennnd  Sogdiana? 
die  lonier  der  kleinasiatischen  küste  waren  seit  Eyros  zelten  (646 
vor  Ch.)  persische  unterthanen.  wäre  es  da  mOglich,  dasz  leute,  die 
auch  auf  andern  gebieten  der  Wissenschaft  bahnbrechendes  geleistet 
haben,  nicht  wüsten,  wo  jene  berühmten  landesteile  lagen?  oder 
hätte  der  damaligen  zeit  die  geschlossenheit  des  Easpi  entgehen 
können,  wenn  jene  provinzen  so  weit  an  der  ostküste  des  Easpi 
hinauf  reichten ,  wie  wir  es  auf  den  bis  jetzt  geltenden  karten  des 
alten  Orient  sehen  müssen?  selbst  wenn  nur  die  nordküste  des 
Easpi  unerforscht  geblieben  wäre,  so  hätte  doch  die  annähme  der 
lonier ,  es  sei  dieses  meer  eine  bucht  des  okeanos ,  in  diesem  ÜEdle 
des  nördlichen,  keinen  boden  gewinnen  können,  weil  zugleich  mit  ^* 
der  kenntnis  solcher  landmassen  im  osten  und  nordosten  Asiens 
auch  die  okeanostheorie  würde  in  frage  gestellt  worden  sein,  und 
was  für  einen  zweck  hätte  es  gehabt,  die  Phasis-  oder  Tanaislinie 
als  grenze  zwischen  Europa  und  Asia  anzunehmen ,  wenn  es  noch 
jenseit  der  östlichen  okeanosbucht  land  zu  teilen  gab?  und  wie 
hätte  man  dann  noch  von  gleicher  länge  Europas  und  Asia-Libyaa 
reden  können  ?  es  können  also  die  genannten  persischen  provinzen 
gar  nicht  im  sogenannten  Turan  gelegen  haben ,  und  wir  haben  ein 
recht  sie  innerhalb  der  ostgrenze  der  alten  oikumene,  dh.  westlich 
vom  Easpi  zu  suchen. 

Es  erbebt  sich  nun  die  frage :  sind  durch  diese  erweiterung  des 
erdkundlichen  Wissens  über  den  Easpi  hinaus  auch  die  grenzpfähle 
der  bewohnten  erde  von  Herodotos  weiter  nach  osten  vorgerückt 
worden?   es  hat  zunächst  den  anschein.   denn  im  engen  zusammen^ 


758 


CErauth:  verBchollene  landet  dea  altertums.  X* 


hang  mit  der  arwähnung  der  weiten  ebene  im  osten  des  Kaspi  sagt 
er  I  204 :  *  einen  bedeutenden  teil  dieser  besagten  ebene  haben  die 
Maesageten  inne/  und  so  weisen  auch  die  bis  jetzt  Üblichen  karten 
den  natnen  der  MasBageten  im  osten  des  Kaspi  auf.  aber  es  darf 
nicht  übersehen  werden,  dasz  Herodotos  irrtümlicher  weise  den 
Kiiukasos  auf  die  ganze  Westküste  des  Kaapi  ausdehnt,  während  er 
die  grosze  ebene  auf  die  ostküste  einschränkt,  in  Wahrheit  beginnt 
ober  die  steppe  schon  im  nordwesten  des  Kaspi,  und  es  wird  sich  er* 
weisen,  dasz  die  Wohnsitze  der  Massageten  in  dieser  steppe  nördlich 
vom  Kaukasos  waren,  als  Kyros  auf  seinem  feldzuge  gegen  die 
Massageten  den  Araies,  den  grenzflusz  des  persischen  reiches  und 
der  Massageten^  Überschritten  hatte,  so  erzählt  Herodotos  I  20d| 
träumte  ihm,  er  sähe  von  den  söhnen  des  Hystaspes  den  ältesten, 
wie  er  flügel  an  den  schultern  trug  und  mit  dem  einen  derselben 
Asien,  mit  dem  andern  Europa  überschatte,  wir  meinen,  Kyros 
würde  diesen  träum  nicht  gehabt  haben,  wenn  nicht  der  Araxes  in 
der  Vorstellung  der  Perser  als  grenzüusz  zwischen  Asien  und  Europs 
gegolten  hätte,  dem  Herodotos  entgieng  das»  in  der  that  erscheint 
in  dem  Zeitalter  Alexanders  des  groszen  neben  dem  Tanais  dername 
V  des  Araxes  als  weiten  teilen 

So  kommen  wir  end  lieh  dahin,  das  b oll  werk  zu  zerstören,  hinter 
dem  sich  ein  zweitausendjähriger  irrtum  bisher  verschanzt  hat»  ea 
i«it  die  unbekanntschaft  mit  dem  fiusse,  den  die  alten  Araxes  nannten. 
und  zwar  worden  wir  uns  die  geschosse  aus  der  rüstkammer  der  erd- 
kunde  holen ,  da  die  philologische  kritik  dieser  aufgäbe  gegenüber 
machtlos  ist. 

Zar  auffindung  des  massagetischen  Araxes  —  denn  um  diesen 
handelt  es  sich  hier  —  reichen  die  nach  richten  Herodots  ein  erstes 
mal  nicht  aus.  er  wüste  über  den  lauf  dieses  flusses  nur,  dasz  er  nach 
osten  gericbtet  in  den  Kaspi  mündete  ^  und  weil  dieselben  eige 
Schäften  auch  von  dem  ihm  besser  bekannten  armenischen  Araxa 
galten,  so  hielt  er  beide  flüsse  für  einen,  so  ist  es  gekommen,  da^ 
die  ganze  Schilderung  des  Araxes  I  202  eigentlich  dem  armenischen 
Araxes  gilt,  der  damals  noch  selbständig  in  eine  viet  tiefer  ins  land 
einschneidende  südwestliche  bucht  des  Kaspi  mündete,  dahin  gehört 
seine  vergleichung  mit  dem  Istros,  unserer  Donau,  seine  quelle  aot 
den  matienischen  bergen,  unweit  des  Gyndes,  der  nach  süden  sum 
Tigris  eilt,  dazu  passen  die  vierzig  mündungen  in  ein  gewaltiges  an 
sand  und  sümpfen  reiches  Delta,  aus  dem  nur  6in  fluszarm  den  oflenen 
weg  zum  Kaspi  findet,  ähnliche  mündungsverhältnisse  des  massa- 
getischen  Araxes  mögen  freilich  die  Verwechslung  dem  Herodotos 
erleichtert  haben. 

Entsprechend  der  ansetzung  der  Massageten  in  der  grosien 
ebene  im  osten  des  Kaspi  suchte  man  bis  jetzt  auch  den  massagi^ti* 
sehen  Araxes  in  der  sogenannten  turanischen  tiefebene.  nur  sind 
die  meinnngen  geteilt,  ob  Herodotos  hier  an  den  Sir  dat;ja,  in  dem 
man  bisher  den  Jaxartes  des  altertums  erblickte^  oder  an  den  Ama- 


\ 


CErauth:  verschollene  länder  des  altertums.  I.  759 

darja,  den  vermeintlichen  Oxos,  gedacht  habe,  die  bedenken,  die 
sich  dagegen  erheben,  sind  aber  so  schwer,  dasz  man  sich  schier 
verwundern  musz,  wie  eine  so  völlig  unbegründete  ansieht  trotz- 
dem immer  und  immer  wieder  auf  die  beine  gekommen  ist.  der 
besagte  Araxes  mündete  nach  der  übereinstimmenden  ansieht  des 
gesamten  altertums  in  den  Easpi.  weder  vom  Amu  noch  vom  Sir 
darja  kann  man  das  behaupten,  was  geschah  ?  man  entdeckte,  dasz 
der  üsboi  —  jene  harmlose  tiefste  rinne  zwischen  Aral  und  Kaspi 
—  ein  alter  eingegangener  arm  des  Araxes  sei.  man  yergasz  dabei, 
dasz  dieses  Turan  nicht  zum  Monsun-gebiet,  sondern  zur  wüsten- 
zone  gehört,  der  *alte  lauf  des  Oxos  ist  lange  genug  ein  wahres 
kreuz  für  den  altertumsforscher  gewesen,  wir  wollen  die  geschichte 
dieses  seltsamen  irrtums  hier  nicht  weiter  verfolgen,  wir  stehen 
und  fallen  mit  dem  classischen  altertum  und  können  uns  in  dieser 
Verwicklung  keinen  bessern  gehilfen  wünschen  als  Aristoteles. 

Durch  Alexander  den  groszen  war  aufklärung  geschaffen  wor- 
den über  die  gebiete  nördlich  vom  Kaukasos,  die  er  und  seine  krieger 
mit  eignen  äugen  sahen,  auf  seinem  erorberungszuge  in  Asien  war 
auch  er  bis  zu  dem  alten  grenzflusse  zwischen  Asien  und  Europa, 
dem  Araxes  vorgedrungen,  er  überschritt  ihn,  um  eine  abschweifung 
gegen  die  unruhigen  Skythen  zu  unternehmen,  die  damals  die  alten 
sitze  der  Massageten  inne  hatten,  jetzt  klang  der  name  des  fiusses 
etwas  anders :  Orxantes  (Arrian  anab.  III  30,  7)  und  Oxyartes  (ebd. 
VII  16,  3)  hörten  die  Makedonier  und  Griechen  ihn  nennen,  eine 
mischung  beider  formen  zeigt  die  wichtige  stelle  bei  Plutarch  Alex.  45: 
^den  Orexartes  überschreitend,  den  er  selbst  für  den  Tanais  hielt, 
schlug  er  die  Skythen  in  die  flucht  und  verfolgte  sie.'  das  Skythen- 
land reichte  auch  nach  Herodots  (IV  21)  bericht  bis  zum  Tanais 
und,  wie  wir  bereits  früher  (jahrb.  1890  s.  1  ff.)  nachgewiesen 
haben,  nicht  über  die  Westküste  des  Easpi  hinaus,  folglich  musz 
auch  der  Orexartes  im  norden  des  Eaukasos  gesucht  werden,  doch 
was  hat  der  Orexartes  mit  dem  Araxes  zu  thun?  hier  tritt  aufklärend 
Aristoteles  ein ,  dessen  Schriften  auch  sonst  eine  wahre  fundgrube 
für  das  gesamte  wissen  der  zeit  Alexanders  d.  gr.  sind,  der  sagt  in 
seiner  meteorologie  113:  'vom  Eaukasos  aber  flieszt  auszer  vielen 
andern  an  zahl  und  grösze  auffallenden  Aussen  auch  der  Araxes;  von 
diesem  aber  zweigt  sich  ein  teil  nach  der  maiotischen  see  ab,  nemlich 
der  Tanais.'  auf  einen  andern  Zeitgenossen  des  groszen  Makedoniers 
geht  die  Weisheit  des  sog.  Skymnos  von  Chics  zurück  v.  865  ff. : 

nach  den  Maiotem  wird  genannt  der  binnensee 
MaiotiSy  jenen  Völkern  naehbarlioh  gesellt, 
in  den  der  Tanais, 
der  vom  ArazM  sei    r  Anten  lauf  begann, 

eicL  big^iL^^^i,  ao  laj     Bska      ••  ans  Eretria. 

ihnen  folgen  die  Orphiso^''^'   ^  m  ▼•  762  and  Avienus  in  der 

u  iD schrei b^ng  der  ireA  8  ▼•  28. 

Diese  b|  AxftZM|  an  der  man  bis- 


^ 


760 


CKraoth;  TerBcboUene  länder  dea  altertums.  L 


ber  ratlos  vorüber  gügacgen  ist^  enthält  die  lasung  des  Araie»^ 
Problems  überhaupt,  wir  lernen  daraus,  dasz  der  Araies  mit  d6 
Tanais  eine  gabelung  bildet,  vom  Tanais  sagte  bobon  Herodot 
IV  Ö7,  daaz  er  in  die  Maioiia  mündet,  das  thut  heute  der  Don,  folg- 
lich —  so  echlosz  man  —  ist  der  Don  der  Tanaia  der  alten,  bat 
aber  der  Don  auch  die  zweite  eigenschaft,  die  er  nach  Aristoteles 
haben  musz,  entsendet  er  einen  arm  unter  dem  namen  Araxes  isis 
kaspische  meer?  nein:  folglkh  kann  der  Don  auch  nicht  der  Tanais 
des  Aristoteles  äein*  wir  stehen  hier  scheinbar  vor  einem  onlö^baren 
rätsei.  sehen  wir  uns  das  mllndungsgebiet  des  Don  einmal  genauer 
an.  wie  schon  die  Schraffierung  auf  der  Stielerschen  karte  andentet, 
zieht  sich  da  von  der  heutigen  mündung  ein  allmähliefa  scbmaler 
werdendes,  von  mäszigen  erbebungen  eingefasztes  sumpfiges  gebiet 
den  Don  aufwärts  bis  zu  seinem  letzten  knie  bei  Kudinow,  wo  die 
westsüdwestliche  rtchtung  des  unterlaufes  anfängt  der  Don  ist  noch 
beute  ein  hlnnendeltabildner.  was  solche  flUsäe  in  einem  Zeitraum 
von  2000  Jahren  im  anschwemmen  von  neuland  leisten  können,  das 
zeigen  deutlich  die  mündungsgebiete  von  Euphrat- Tigris  in  Meso- 
potamien und  Aras  und  Kura  in  Südkaukasien.  diese  üüsse  mündeten 
im  altertum  noch  jeder  für  sich  in  das  damals  noch  tiefer  ins  laad 
einschneidende  meer,  durch  die  fortgesetzten  anscbwemmujigen  an 
ihrer  mündung  haben  beide  fiuszpaare  bewirkt,  dasz  nicht  nur  deer 
stärkere  den  schwächern  in  seine  gefolgscbaft  genommen  bat,  son* 
dem  auch  der  kaspiscbe  meerbusen  sowohl  wie  der  persiscbe  meiieti< 
weit  verlandet  sind,  daher  ist  anscunehmen,  dasz  das  sump6ge  ge- 
biet des  untern  Don  im  altertum  noch  ein  schmaler,  tief  ins  land 
einschneidender  meerbutien  der  Maietis  war,  in  den  selbständig  die 
drei  fiüsse  Don,  Donez  und  Manjtscb  mündeten,  die  beute  im  unter- 
lauf des  Don  ihre  wasser  geeint  dem  meere  zuführen,  unter  dieeen 
Voraussetzungen  ist  es  leicht  die  frage  zu  entscheiden,  welcher  von 
den  drei  Aussen  der  Tanais  der  alten  war.  es  musz  der  Manytacb 
gewesen  sein:  er  vereinigt  alle  die  eigenscbaften,  die  AristoteleH  yon 
ihm  aussagt,  ^elne  quelle  liegt  an  den  nördlichen  ausläufern  des 
Kaukasos,  nach  kurzem  nördlichen  (Strabon  493^)  laufe  gabelt  er 
sich  und  entsendet  einen  arm  westlich  durch  den  Manjtscbsee  nacli 
dem  damals  viel  tiefer  ins  land  reichenden  zipfel  der  Maietis ,  wäh- 
rend der  östliche  Manytsch  unter  dem  sondern  amen  Araxes  in  den 
Kaspi  mündet,  das  war  dt^r  rätselhafte  fluszlauf ,  auf  dem  die  Argo 
in  den  östlichen  okeanos  gelangte,  das  war  der  flusjc,  den  Alezander 
d,  gr.  Orexartes  nannte  und  für  denselben  wie  den  Tauais  hielt, 
das  ist  derselbe  flusz,  für  den  das  ^teitalter  des  Römer  reiches  dea 
weniger  zungenbreebenden  namen  Jaxartes  kannte.  Aristoteles  hatte 
nur  den  Herodotischen  namen  des  flusses  wieder  angewendet;  nadi- 
dem  er  in  dioi^er  Streitfrage  das  erlösende  wort  gesprochen  bat,  babtsn 
die  aufs  neue  verwirrenden  nachricbten  späterer  Stubengelehrten  nur 
noch  einen  gescbichtlicben  wert,  heute  hat  sich  das  mündungsgebiet 
des  einstigen  weltenteilers  behr  verändert,    der  Östlicbe  Hanytucb 


CKrauth:  yerschollene  Iftnder  des  alterkuns.  I.  761 

verrinnt  längst  ruhmlos  im  dttnensande  der  wachsenden  meerea- 
küste.  der  Tanais  dagegen  mnste  seinen  berühmten  namen  an 
seinen  m&chtigern  nachbarflosz  abtreten,  der  im  laufe  der  spfttem 
Jahrhunderte  allmählich  die  führung  der  wassermassen  übernahm, 
die  sich  in  den  winkel  der  Maietis  ergossen:  denn  es  war  einmal 
so  überliefert^  dasz  der  ^Tanais'  in  die  spitze  dieses  binnenmeeres 
münde. 

Das  Unglück  wollte  es^  dasz  das  werk  Arrians  aus  dem  zweiten 
jh.  nach  Ch.  uns  allein  von  all  den  trefflichem,  zeitgenössischen  dar- 
stellungen  der  Alexandergeschichte  vollständig  übrig  blieb,  bereits 
im  Zeitalter  des  römischen  kaiserreiches ,  dem  dieser  Schriftsteller 
angehört,  war  ein  beträchtliches  stück  des  langen  Maietis-zipfels  ver- 
landet, und  ein  hauptstrom  führte  die  gesammelten  wassermassen  der 
drei  Maietis- flüsse  Donez,  Don  und  Manytsch  unter  dem  namen  Tanais 
ins  meer.  es  war  dies  allerdings  nicht  mehr  der  Tanais  Herodots. 
Arrian  glaubte  nun ,  dasz  schon  zu  Alexanders  zeiten  diese  Verschie- 
bung des  Tanaisnamens  vor  sich  gegangen  sei,  über  deren  ent- 
stehung  er  allerdings  nicht  unterrichtet  war.  denn  sonst  hätte  er 
nicht  mit  ziemlicher  entschiedenheit  geleugnet,  dasz  der  Tanais- 
Orexartes  der  Makedonier  derselbe  flusz  wie  der  Herodotische  Tanais 
sei,  sonst  hätte  er  nicht  den  gesamten  ^indischen'  Eaukasoe,  den 
Alexander  d.  gr.  mehrmals  überschritt,  hinter  die  coulissen  der  alten 
oikumene  versetzt  (anab.  III  30,  6—9  und  V  3,  3.  5,  3).  er  hat  es 
daher  verschuldet,  dasz  der  ganze  Alexanderzug  den  spätem  jähr- 
hunderten  bis  auf  unsere  zeit  als  ein  glänzendes,  aber  planloses 
abenteuer  erscheinen  muste,  das  dem  heim  weg  eines  trunkenen 
Bakchanten  nicht  unähnlich  sieht. 

Mit  der  lösung  des  Araxesproblems  haben  wir  also  die  Wohn- 
sitze der  Massageten  am  Manytsch  festgestellt. 

Es  zeigte  sich  bei  dieser  Untersuchung  deutlich,  dasz  Herodotos 
noch  nicht  im  stände  war  die  erweiterung  der  geographischen  kennt- 
nisse  über  den  Easpi  hinaus  in  vollen  einklang  zu  bringen  mit  der 
Wirklichkeit,  er  wüste  ja  noch  nicht^  dasz  der  Tanais  und  dar 
Araxes  ein  und  derselbe  flusz  war^  und  suchte  daher  audi  die  Massa- 
geten nicht  nordwestlich,  sondern  östlich  vom  Kaspi.  überhaupt  be- 
weist die  etwas  einseitige  Unterbringung  des  Easpi  zwischen  Kau- 
kasos  und  der  östlichen  ebene,  dasz  er  von  der  landesnatnr  des 
kaukasischen  isthmos ,  der  sich  aus  tiefebene  und  hochgebirge  zu- 
sammensetzt, ebenso  wenig  eine  klare  Vorstellung  hatte  wie  von 
den  geographischen  breiten  des  Easpi  selbst  als  er  sich  in  Olbia 
am  Borysthenes  aufhielt,  scheint  er  wenigstens  keine  ahnung  da» 
von  gehabt  zu  haben,  wie  nahe  er  verhältnismäszig  dem  kaspischen 
meere  war. 

Sein  irrtum  in  betreff  der  Massagetensitze  verliert  aber  an 
schwere,  da  er  aus  ihm  bei  der  aufzählung  der  be wohner  Asiens  von 
Westen  nach  osten  keine  weitere  folgerung  gezogen  hat  und  die  alten 
grenzpföhle  der  oikumene  am  westufer  des  Easpi-okeanos  von  ihm 


762 


CKrauth:  verfichollene  länder  des  altertutos.  I. 


tbatsSchlieb  unberührt  gelasseE  worden  sind*  und  so  mag  ihm  im 
gründe  genommen  doch  ein  wesentlich  richtiges  bild  von  den  Wohn- 
sitzen der  Massageten  nördlich  vom  Kaukasos  vorgeschwebt  haben. 

Herodotos  gebt  bei  der  aufzählung  der  Völker  Asiens  von  einer 
nordsüdlich  gerichteten  naittellinie  aus,  aaf  der  die  Perser  wohnten, 
er  sagt  (lY  37):  'Asien  bewohnen  die  Perser,  die  bis  zum  südmeere 
reichen,  das  man  das  rote  nennt.  Über  den  Persem  wohnen  nach 
dem  nordwind  zu  die  Meder»  über  den  Medern  die  Saspeiren,  über 
den  Saspelren  aber  die  Eolcber,  die  bis  zum  nordmeere  reichen,  in 
welches  der  Phasis  mündet,  diese  vier  Völker  wobuen  von  (-inem 
meere  bis  zum  andern.'  mit  dem  nordmeere  ist  hier  das  schwarze 
meer  gemeint^  weil  nach  der  laudläufigen  Vorstellung  der  klein* 
asiatischen  lonier  aWe^^  was  dorthin  segelte  oder  gieng,  die  richtung 
'zum  nordwind*  hatte, 

Nachdem  er  sodann  die  Völker  genannt,  die  westlich  von  jener 
mittellinie  Asiens  wohnten^  kommt  er  zur  nähern  grenzbesümmung 
des  Ostens  der  bewohnten  erde,  er  sagt  IV  40  t  *was  aber  jenseits 
einer  linie,  auf  der  die  Perser,  Meder,  Saspeiren  und  Kolcher  wohnen, 
nach  Osten  und  nach  der  aufgehenden  sonne  bin  kommt,  wird  auf  der 
einen,  der  südlichen  seite  vom  roten  meere  begleitet ^  nach  norden 
zu  aber  vom  kaspischen  meere  und  vom  Araxesflusz,  der  nach  sonnen* 
aufgang  fiie&'iL*  gemeint  hi  hier  der  mabsagetische  Arases,  nicht 
der  armenische-  denn  die  kaukasischen  Kolcher,  das  nördlichste  volk 
jener  mittellinie,  haben  ein  anrecht  darauf,  im  osten  von  kaukasi- 
schen gebieten  begrenzt  zu  werden,  die  nördlicher  liegen  als  Armenien^ 
und  der  armenifiche  Araxes  hat  niemals  als  grenzflusz  Asiens  gegolten, 
dessen  bevölkerung  ja  hier  von  Herodotos  vollständig  aufgezählt 
wird,  'bis  Indien'  fShrt  Herodot  fori  'wird  Asien  bewohnt,  von  da 
an  aber  nach  osten  ist  unbewohntes  gebiet ,  und  kein  mensch  weias 
zu  sagen ,  was  es  eigentlich  ist'  —  nemlich  ob  Jaud  oder  okeano 
wenn  demnach  die  Inder  das  letzte  volk  sind,  das  Herodots  zeitalt 
im  Osten  Aliens  kannte,  so  müssen  die  angeführten  grenzen  des  ge- 
biate."«  ÖBtlicb  von  jener  mittellinie  zugleich  die  grenzen  des  damali- 
gen Indiens  gewesen  sein,  mit  andern  Worten :  Indien  war  damals 
begrenzt  im  norden  vom  Araxes-Manytsch,  im  osten  vom  Kaspi  und 
dem  unbewohnten  gebiet,  im  sfiden  vom  roten  meere«  das  wir  den 
indischen  Ocean  nennen. 

Am  Msnytsch  •  Araxee  und  nordwestlich  vom  Kaspi  haben  vnr 
al80  die  Maesageten  zu  Kjros  Zeiten  gefunden,  zu  Herodots  zeit 
wohnte  dasselbe  volk  unter  dem  namen  ^abgefallene  Skythen'  zwi- 
schen Kuma  und  Terek,  für  den  wir  den  classiscben  namen  'Tjre»* 
aus  Herodotos  er»cblie»zen  werden,  von  diesem  wichtigen  flosa« 
hat  seinen  namen  da»  Tu  ran'  der  alten  kaukasischen  Inder,  von 
denselben  Skythen  sagt  der  prophet  Jeremias  6^  22  f.:  'sieb,  es  wird 
ein  volk  kommen  von  mitternacht,  und  ein  grosz  volk  wird  sieh  er* 
regen  von  *den  enden  der  erde>,  die  bogen  und  lanie  führen.'  es 
ergibt  sich  daher  überhaupt  als  ostgrenze  der  oikumene  oder  der 


CErauth:  yerschoUene  l&nder  des  altertoms.  L  768 

bewohnten  erde  auch  im  Zeitalter  Herodots  die  Westküste  des  kaspi- 
schen  meeres. 

Und  wenn  noch  jemand  daran  zweifelt,  dasz  dieMassageten  nicht 
im  fälschlich  sog.  Taran,  östlich  vom  Easpi;  wohnten  nnd  dasz  der 
Arazes  der  östliche  Manytsch  sei,  so  rufen  wir  Herodotos  selbst  zum 
zeugen  auf  für  die  richtigkeit  unserer  beweisführung,  der  da  sagt, 
dasz  östlich  von  Indien  unbewohntes  gebiet  sei  —  eben  die  sog.  tura- 
nische  tiefebene  — :  die  Massageten  können  doch  nicht  in  einem  un- 
bewohnten gebiet  wohnen,  und  dasz  der  Araxes  nach  Sonnenaufgang 
—  in  den  Easpi  —  flieszt,  welcher  turanische  flusz  thut  das?  aber 
wie  konnte  es  unserm  gewährsmann  entgehen,  dasz  der  von  ihm  an- 
scheinend im  Osten  des  Kaspi  angesetzte  Wohnraum  der  Massageten 
eigentlich  mit  dem  unbewohnten  gebiet  östlich  von  den  Indem  zu- 
sammenfallen muste?  es  standen  ihm  über  den  Osten  der  weit  offenbar 
zwei  quellen  zu  geböte,  die  Massageteugeschichte  zeigt  eine  gröszere 
Vertrautheit  mit  den  gebieten  nördlich  vom  Eaukasos;  hier  (1 201  f.) 
steht  auch  die  erstmalige  künde  von  der  geschlossenheit  des  Easpi, 
während  der  quelle  über  den  Wohnraum  der  Inder  eine  ziemlich 
sichere  kenntnis  der  südostkaspischen ,  sog.  turanischen  tiefebene 
offen  stand,  er  wüste  auch,  warum  diese  tiefebene  unbewohnt  war« 
m  98  sagt  er:  Wom  indischen  lande  nach  Sonnenaufgang  zu  ist 
sand.'  'es  ist  aber  östlich  von  Indien  unbewohntes  gebiet  infolge 
des  sandes.'  III  102  drückt  er  sich  ähnlich  aus.  den  schlusz,  dasz 
beide  noch  nicht  näher  erforschte  gebiete  nordöstlich  von  den  Massa- 
geten und  östlich  von  den  indischen  bergen  des  ostrandes  des  heu- 
tigen Iran  sich  jenseits  des  Easpi  vereinigten  und  eben  dadurch  die 
geschlossenheit  des  Easpi  bewirkten ,  hat  Herodotos  wohl  gezogen, 
nachdem  er  über  die  küstenforschung  des  Dareios  I  gesprochen 
hatte ,  fährt  er  fort  IV  44  f. :  'so  haben  sich  auch  die  küsten Verhält- 
nisse Asiens  als  ähnliche  herausgestellt  wie  die  Libyens,  auszer  was 
nach  Sonnenaufgang  liegt,  von  Europa  aber  weisz  niemand,  ob  es 
umscbiffbar  ist,  weder  nach  osten  noch  nach  norden  zu.  an  länge 
aber,  das  weisz  man^  kommt  es  beiden  andern  erdteilen  gleich.' 
aber  der  Widerspruch  mit  den  Massagetensitzen  schlich  sich  bei  ihm 
ein,  weil  die  erweiterung  seiner  geographischen  kenntnisse  nach 
Osten  hin  noch  so  neu  war,  dasz  er  sie  noch  nicht  völlig  beherschte. 
so  viel  war  ihm  klar,  dasz  von  einer  umsegelung  Europas  und  Asiens 
im  sinne  der  alten  okeanostheorie  nicht  mehr  so  ohne  weiteres  ge- 
redet werden  könne,  denn  ihm  war  der  Easpi  nicht  mehr  ein  teil 
des  okeanos,  ihm  fielen  die  grenzen  Europas  im  norden  nnd  Europaa 
und  Asiens  im  osten  nicht  mehr  mit  der  alten  oikumene  zusammen, 
sondern  waren  über  dieselbe  hinaus  in  unbewohnte  und  ungemessene 
fernen  entrückt  worden. 

Die  Inder  also  waren  und  blieben  auch  dem  Herodotos  die  letzten 
menschen,  die  den  ostrand  der  oikumene  bevölkerten  (III  98),  und 
um  die  ganze  ausdehnung  der  bewohnten  erde  von  west  nach  ost  zu 
bezeichnen,  sagte  man  nach  wie  vor:  'von  den  seulen  des  Herakles 


764    MEubensohn:  eine  Übersetzung  d.  Paulue  Diaconui  aus  d.  gr.  anth« 

bis  zu  den  Indern  am  Kaukasos'  Strabon  I  64*^,  oder  nach  Dionysias 
perieg.  v.  1164  bis  zu  den  ^eeulen  des  Bakcbos'  —  in  Baku. 

Weisz  wie  nur  sonst  die  karte  Innerafrikas  war  bisber  die  ge- 
gcbicbtlicbe  karte  dieser  gebiete,  die  wir  nun  im  geiste  und  mit  einem 
gewissen  freudenscbauer  betreten ,  aber  mit  der  lösung  des  Araies- 
Problems  besitzen  wir  den  scblUssel  zu  den  verschollenen  ländem 
des  altertums,  Altindien,  Sogdiana»  Baktriana,  H^rkanieu,  Partbien 
und  dena  lande  der  Seren,  und  mit  gottes  hilfe  werden  sie  der 
wissenscbaft  sieb  wieder  erscblieszen ,  mögen  die  'kaspiscben  tbore* 
auch  noch  so  eingerostet  sein. 

Erfurt.  Carl  Krauth. 


84. 

EINE  ÜBERSETZUNG  DES  PAULUS  DIACONUS  AUS  DEB 
GRIECHISCHEN  ANTHOLOGIE. 


Professor  TbMommsen  hatte  die  freundlicbkeit  mich  noch  aus- 
drücklich auf  die  von  ihm  im  Hermes  XXVIII  s.  34  f.  kurz  angedeutete 
ansiebt  aufmerksam  zu  machen ,  wonach  Paulus  Diaconus  einem  an 
Karl  den  groszen  ums  j.  782  gerichteten  poetischen  briefe  (Dümmler 
poetae  Lat.  aevi  Carolin i  I  s.  49  f.)  ein  ihm  in  geiner  Jugend  vor- 
gelegtes epigramm  der  griechischen  anthologie  (VII  542)  in 
lateinischer  Obersetzung  in  der  absieht  beigefügt  habe,  sich  als  der 
griechischen  spräche  nicht  völlig  unkundig  zu  bezeicboen.  daa  sei 
vielleicht  die  erste  spur  einer  kenntnis  der  anthologie  au8  nachrömi- 
scber  zeit  (und  zwar,  nach  dem  autornamen  Flaccus  zu  urteilen»  des 
Phüippiscben  bestandteiles  derselben'),  dies  ergebnis  —  dasz  Paulos 
eine  griechische  anthologie  gekannt  hat,  bzw.  danach  in  seiner  Jugend 
unterrichtet  wurde  —  ist  in  keiner  weise  anfechtbar,  im  übrigen 
möchte  ich  zu  der  lateinischen  fassung  des  Paulus  das  folgende  be- 
merken,  indem  ich  mir  vorbehalte  auf  die  wichtige  frage  bei  ge* 
legenbeit  nochmals  zurückzukommen. 

DUmmler  scheint  die  Übersetzung  des  epigramms  dem  Paula« 
selber  zu  vindicieren,  ich  glaube,  mit  recht,  trotz  Baehrena'  ein- 
spräche (poetae  Lat»  min,  IV  s.  14).  am  schlusz  jener  epistel  heiait 
es :  sed  omnino  ne  Ungu^rum  dicam  esse  nesdus ,  pa%$ca  mihi  q%tae 
fueruni  tradita  pucrulo  dicam:  cetera  fugerufü  iam  gravanU  ^emh* 
zunächst  beziehe  ich  eben  auf  das  metrische  übersetzen  dicam  im 
letzten  verse.    ferner  konnte  Paulos  ja  weder  durch  das  einsenden 

*  nßdere  (Weiiilittitpl  grabgedichte  s,  9  und  Meok  epi^r.  septtlor. 
8,  47  u.  6)  rechneu  das  epifrriLnjin  aur  MelengriacbeD  eoroo«.  die  über* 
tetzungr  steht  Hbrigeiis  auch  iu  t]er  anUialogi«  Latina  (Biese  n.  709)| 
hier  mit  der  autorbeieicLnaug  Juiü  Caesar U  oder  6crmamci  C^iesmii; 
dem  hrivfe  r^ngegen  Ut  Me  ohne  eine  aolche,  nur  mit  dem  lemma  de 
puero  qtd  in  ytacie  exiinctut  eat  ao geschlossen« 


MBobensohn :  eine  übenetsung  d.  Panlus  Diaconiu  aoB  d.  gr.  Anfh.    766 

des  griechischen  Originals  (so  Ebert  gesch.  der  litt,  des  mittelalters 
II  [1880]  s.  49)  noch  durch  das  mitteilen  einer  fremden  Übersetzung, 
die  ihm  die  lehrer  einst  vorgelegt  (so  Mommsen  ao.);  das  beweisen, 
was  er  beweisen  wollte,  nemlich  einige  kenntnis  des  griechischen, 
die  er  in  scherzhaft  übertreibender  weise  sich  Torher  abgesprochen 
hatte,  dazu  kommt,  dasz  Paulus  durch  die  beifügung  der  anekdote 
von  des  thrakischen  knaben  wunderbarer  enthauptung  durch  das  eis 
des  Hebrus  offenbar  noch  einen  besondem  poetischen  schmuck  der 
epistel  verleihen  wollte  —  de  suo  natürlich,  was  endlich  das  ^fehlen 
des  letzten  distichon  in  allen  auf  Paulus  zurückgehenden  texten' 
betrifft  'in  lateinischer  fassung  allein  erhalten  in  der  hs.  von  Beauvais', 
so  gibt  gerade  dieser  umstand  zu  denken,  denn  dies  letzte  distichon 
entspricht  nicht  mehr  dem  griechischen  original,  das  vielmehr 
vollständig  und  gar  nicht  übel  in  den  drei  ersten  lateinischen 
distichen  wiedergegeben  wird,  die  verse  7  und  8  sind  eine  erweite- 
rung,  eine  interpolation  des  griechischen  epigramms.'  da  wir  also 
das  lateinische  gedieht  mit  dieser  erweiterung  und  ohne  sie  haben, 
wird  man  doch  wohl  die  letztere  fassung  für  die  ursprüngliche  zu 
halten  haben,  mit  cetera  fugerunt  tarn  gravanie  senio  —  was  Mommsen 
allerdings  zunKchst  in  bestechender  weise  von  dem  fehlenden 
distichon  erklärt  —  will  demnach  der  bescheidene  dichter  nur  sein 
pauca  dicam  begründen. 


*    das   verhftltnis   der   griechischen   und    lateinischen   fassung  ist 
folgendes : 

griech.  lat. 

V.  1.  2  —  v.  1.  2 

6  —  3 

8.  4  —  4 

6  —  6 

7.  8  —  6 

die  lateinische  bearbeitung  ist  demnach  kürser  ausgefallen,  am  so 
bemerkenswerter  oder  auffallender  wäre  es  nun,  wenn  ihr  autor  die 
klage  der  mutter  bei  der  bestattnng  des  aufgefundenen  kopfes  v.  6  hoe 
peperi  flammii,  cetera,  dixil^  aqms  die  völlig  dem  griechisonen  sdilusa- 
verse  (8)  entspricht:  t6  ^^v  cou  |  iiupKat/|,  TÖ  hi  cou  micpöv  CdQi|icv 
dbuip  am  die  doch  recht  klägliche  pointe  vermehrt  haben  sollte  v.  7  d 
me  miseram,  plus  amnis  habet  solumgue  reUquit^  \  quo  naH  maier  noseerei 
interitum,  —  Das  alter  der  hss.  ist  ohne  belang  für  die  frage:  der 
Bellovacensis  ist  nicht  mehr  erhalten,  die  älteste  hs.  der  andern  grnppe 
stammt  aus  dem  nennten  jh.  —  Als  cnriosität  mag  noch  erwKhnt  wer- 
den, dasz  wir  von  Poliziano  eine  g^echische  Variation  des  epigramms 
des  Flaccas,  von  Joseph  Scaliger  eine  griechische  Übersetzung  des 
lateinischen  gedichts  besitzen. 

Berlin.  Max  Bubbmsohr. 


766 


ULewy:  tu  Heeychios. 

85. 

ZU  HESTCfflOS. 


1*  ZwUcben  KCKumäKactv  und  KeKUcpÖTa  stehen  folgende  drei 
glossen : 

tKEKuXTa*  büupa  T«  Ti^  x^*p'*  ^XKoiueva. 

tKCKUKiT  KafiirüXri. 

tKEKUCÜüCÖar  dKT€Ti)jfic6aL 
die   letzte  von   den  drei   will  MSchmtdt  zweifelnd  in  KeKupuiCdai 
ändern,    aber  auf  berste] lang  der  alpb&be tischen  Ordnung  darf  man 
hier  Terzicbten.   es  ist  zu  lesen :  k€ k ü 6p  WJ  c 0 a r  ^KT€Tififlc9au  vgl. 
Hesjcbios  Kubpri;  cs^vi].  Tipia.  ^VTifioc. 

2.  Zu  der  ersten  der  obigen  drei  glossen  bemerkt  Schmidt  fol* 
gendes:  «IcKuXiat*  bopd  Cobet  van  lect.  p.  256,  cuius  vestigia 
nollem  pressisset  Meineke  Pbilöl.  XTI1561,  qui  scriptoris  Dorici 
fragiBentum  esse  contendit  bis  verbis  conceptum  KCKuXiat  bopa 
T$   X^^P*   (X^pi?)    fXKÖ|i€va.     cum   ordo  requirat  K^KüCia,    patet 

k^kuXtol  natum  esse  ex  KCKUCTCt  b.  e.  dXKUCTa  *  Xüüpa  •  xa  t^  X^^P^ 
AKÖpeva,  vel  cum  crasi  Attica  xotXxuCTd.»  K^KuXxa'  bu)pa  td  t^ 
X€ipi  ^XK6|i€va  ist  verderbt  aus  KUKXoiTot  hiXipa^  Tct  rfl  X€tp[ 
^  X I C  <  C >  6  g e  V  a.  vgl.  E un  Herakles  927  iv  kukXuj  KavoOv  etXlKTO 
ßuip^oG  ^ wurde  rings  um  den  altar  herumgetragen'*  kukXoOv  'im 
kreise  bewegen',  med.  'sich  im  kreise  herum  bewegen',  7T€pk  ßui^öv 
Kallim,  hy.  a,  Art.  267, 

3.  Z«  K€KUKr|-  KajiTTuXri  bemerkt  Schmidt:  «K€KUTn|  (a  kÜtttuj)' 
»cafiTtuXXiiTai  vel  KajiTiuXoc  ij?  —  kckiivti,  quad  ordo  requirit,  forte 
haculum  e  ramo  sycamini  notare  monet  Heringa  obs.  p,  226  coli. 
K€iKUVT|'  cuKäfiivoc.»  nunmehr  ändere  ich  kckukt)'  Ka);iTTuXri  QU* 
bedenklich  in  kukXiki]'  KajüiTTuXr).  vgJ.  die  Ka^nuXa  KUKXa  des 
Wagens  IL  £722  und  Hesychios  KüKXoxcpec  TtepKp€p€C,  Int' 
xapmic,  sowie  xipKOi'  . .  Kai  Tidvxa  xd  €mKafiitn  Kipicoi  Xctovrau 

4.  fKa^^er  KaGe^ei. 

Lobeck  rbem.  118  KCtBil^x,  Schmidt  Ka^vicr  Kaxecdici.  ich  leae 
Kaii\xi<^v0i'  KaSilei  'er  (der  feldherr)  bleibt  an  einem  orte, 
db*  er  lÄazt  lagern*.  KaOil€iv  cxpaxov,  cxpaxidv,  cxpdxcujia  öfter. 
odt^r  auch  ''es  (das  beer)  lagert  äich\  Kadileiv  intransitiv  Thok.. 
III  107,   es  folgt  die  gloese  kom^^vciv  •  Kaxajueveiv. 

5.  t^vapujv*  ^Ttaucaxo  ckuXwv. 

vorher  geht  ivdpuj'  küXoc.  —  dvdpujv  ckuXujv  Mu^rus.  Scbmidl: 
cbaud  scio  an  lateat  Soph.  Ai.  117  kXuxujv  ^vdplDV  et  ^VCtpuiv 
iiiaucaxo*  ckuXüjv  .  .»  ich  lese  ^vapov  icTrdcavxo  cicöXov. 
nach  Aristarcbos  heiäzt  dvaipciv  eigen  Hieb  Mem  getÖteUii  fvtndi» 
die  rüstong  abziehen'  (Lebrs  Arist'  s.  145).  vgl.  Snidai  ^vaipcty- 
xö  xd  ÖTrXa  cKuXcueiv. 

6.  yöva*  xö  öpiov  «Dotviicec 
tövaxa  Aldus*   Gesenius  monum.  Phoen.  II  388  'idem  vacabol" 
sed  anffulum  potius  quam  finem  significaas,  reporitur  ia  nnnitMi. 


HLewy:  zn  Hesychios.  767 

propriis  BiAsgania  sive  Busconia^  ScUaconia,  Punice  id  scribo  9ysj 
fem.  n:j53  (fortasse  etiam  n;^3,  ^?5,|)>  ductum  a  a>?3  ^ea?ö ,  genu 
fecitj  cf.'»^procübuUf  cui  in  Qraecis  cognatum  et  yövu  (lat.  genu) 
et  TUivia  (ati^u^).'  6pia  cod.,  öpia  Movers  Phon.  II  2  s.  575,  69. 
Schmidt:  «lego  Tovd  (Dorice)'  xö  jiiöpiov.  Toßpiar  q)avol  Xajii- 
TTTfipec,  (ibc  CTpamc)  Ooiviccaic.»  die  glosse  steht  zwischen 
YVUiTÖv  und  TOßpiai.  jede  Schwierigkeit  ist  beseitigt,  wenn  man 
statt  TÖva  das  phönikische  wort  für  TÖ  öpiov  einsetzt,  hebräischem 
b?3J|  g'hül  ^grenze'  entspricht  pbönikisch  bSA  corp.  inscr.  Sem. 
n.  3',  20.  der  punische  plural  gubültm  findet  sich  bei  Plantus  Poen. 
938  (V  1,  9).  für  u  ist  griechisch  nur  o  möglich;  so  setzen  auch 
die  LXX  o  für  ü  zb.  'OboXXd^  für  olrn?  "'diOläm.  also  zeigt  sich 
rONA  entstanden  aus  rO<BO>YA:  toßoöA'  xö  öpiov.  0oiviK€C 

7.  t^n^'  cüvGecic. 

ich  vergleiche  bei  Hesjchios  Kilia*  dv^x^pa,  KUidZeiv  dvexupd- 
Jeiv,  KwaGeic-  dvexupiacGeic,  Koöa  (Cyprii)*  dv^x^pa,  Koudcai 
(CypriiV  ^V€xupi(4cai,  koiov  ^v^x^pov,  Koiacov  cüvGec  (dieses 
cuvTiGevai  im  sinne  von  ^anvertrauen  ^  übergeben'),  also  wird  zu 
lesen  sein:  kuj^j*  cüvGecic. 

8.  dppaßuüv  TTpöbojLia.  Ka\  tfitKicxpov. 

Schmidt:  «pro  dY^icxpov  conicinnt  jiivficxpov. >  wir  dürfen  nicht 
ändern,  in  ersterer  bedeutung  ist  dppaßuüv  bekanntlich  gleich 
hebräischem  ita^j?  ^eräbön  'unterpfand*  (Lagarde  mitteil.  I  212. 
AMüller  in  Bezzenbergers  beitr.  I  286).  die  bedeutung  ^angel- 
haken'  und  überhaupt  ^haken'  erscheint  recht  wohl  denkbar,  da 
hebräisch  :i'ip  ^öreb  den  raben  und  griechisch  KÖpaS  wie  lateinisch 
conms  auch  einen  haken  bezeichnet:  vgl.  Perles  etym.  stud.s.  53  anm. 

9.  tdppdßn'  Güpa.   olov  t^pov. 

schon  Musurus  T^ppov  dh.  'flechtwerk  aus  ruten'.  also  fischrensen. 
WZ.  a^«  *ärab  'flechten',  davon  n^j-iN  **rühhä  'gitter'.  über  den 
fischfang  bei  den  küstenbe wohnern  von  Babylonien  Diodoros  III  22 
^aßbujxdc  hk  Gupac  Iti'  äxpac  auxdc  ^Tncxrjcavxcc  dvaßaivoucnc 
jLiiv  xfjc  TcXiijLiupibGc  dvoiTouciv,  elc  bk  xouvavxiov  jiiexamTTXOÜaic 
KXeiouciv.  demnach  ist  Schmidts  Verzweiflungszeichen  unnötig, 
allerdings  steht  die  glosse  zwischen  dppaßiüviZexai  und  dppaY^C 
öixixa.  aber  die  alphabetische  folge  läszt  sich  herstellen:  dppa- 
ß<ijüxöc.  dppdß>iT  Gupa  olov  T^ppov.  die  erstere  form  ist  ab- 
geleitet vom  plural  nla'n»  *^rübhöt,  wie  Xißaviüxöc  vom  plural 
n'i3^b  l'bänöt  neben  Xißavoc  und  anderes,  worüber  demnächst. 

10.  tKOußnZöc-  cxrißeüc. 

Salmasius  K0ußi2!öc '  cxtßdc.  Schmidt  weisz  keinen  rat.  für  cxrißeuc, 
das  nicht  griechisch  ist,  lese  ich  cxißeuc  'walker'.  dann  stammt 
KOußriZöc  vom  hebr.  033  Jcöhes  (auch  phön.  bezeugt)  'walker',  das 
die  LXX  durch  Yvaq)€uc  wiedergeben,  auffällig  ist  J  «=  0  s,  wofür 
sonst  c.  Lagarde  ges.  abh.  s.  189  beanstandet  Seldens  gleichsetzung 
ZuJTdvnc  Athen.  XIV  44  (s.  639'=)  =  IJO  sägän.  aber  neben  cajißuKT] 
steht   CajißuKTi'    jbiouciKÖv  öptctvov  (Hesychios),   höchst  wahr- 


768 


HLewy:  zu  Heajchio«. 


ächeinlicb  aus  aram.  N^äD  N'DSb  sabh*kä^  sabh*kä  wir  finden  auch 
(kyprisch)  t  ^  'S,  Sy  wofür  sonst  c:  vgl.  meine  ausführungen  indo* 
germ.  forsch»  I  508  f*  Lagarde  ao.  s.  281  anm.  erwähnt  zu  C6Ku^o^ 
als  wichtig  für  die  ausspräche  des  Ci  dasz  Eustatbios  369«  635 
T21^Xu;iOi  hat.    ich  weisz  auch  heispiele  för  c  =  T  ^^  wofür  sonst  I. 

11.  tKicTaiLta*  TÖEcu^a.  öictoc. 

Kiciac  Kupiöc 
die  glossen  stehen  an  richtiger  stelle,  zu  der  zweiten  schlag  Alberti 
Kupxouc  Tor,  was  Schmidt  zu  billigen  scheint,  zu  Kicra^a  hemerkt 
Schmidt:  tl.  öicteu^a.»  gegen  diese  Änderung  habe  ich  schwere 
bedenken  und  meine,  es  gibt  eine  andere  lösang.  wie  xöEcujua  'pfeil* 
von  ToEeüui  und  dieses  von  xöEov  airgeleitet  ist,  so  mag  auch  K(cTa^a 
von  einem  worte  abstammen»  welches  'bogen'  bedeutet,  da  haben 
wir  nun  hebr,  r'^Ji^  q^s^t  (grundform  qast)  für  den  bogen  als  waflFe, 
anch  für  den  regenbogen.  dazu  ein  aram {lisch es  denominativam 
n^|j  q'mi  ^m\t  dem  bogen  schieszen',  vgl.  hebr,  nTEj?  qässät  'bogen* 
echtitSEe*.  ob  etwa  *  KiCTOUi  =  ToEtOuj  irgendwo  gesagt  wurde,  weiss 
ich  nicht,  aber  Kiciac  ^  TÖEov  erscheint  mir  nunmehr  glaublicbi 
und  da  TÖ£ov  bei  spätem  alles  gebogene,  gewC>lbte  bezeichnet«  so 
sträube  ich  mich  gegen  Albertis  auf  den  ersten  blick  ansprechende 
lesung  KiCtac  Kupiouc.  höchstens  dürfte  man  Ktctac*  KupTÖv 
schreiben,  unter  annähme  einer  falschen  angleichung  in  den  endungen^ 
wie  sie  häufig  auftritt:  vgl.  Condos  bull,  de  corr.  helh  I  302. 

12.  AtjaXoc*  6  Aiövucoc  Trapa  TTaiuitiv. 

Gerhard  gr.  myth.  I  488  wollte  ApüaXoc  lesen«  m  hehzi  ein  Ken* 
taur  bei  Hesiodos  dciT.  187.  doch  auf  AuaXoc  weist  auszer  der 
alphabetischen  folge  auch,  wie  schon  andere  bemerkt  haben,  die  (an 
richtiger  stelle  stehende)  glosse  AuaXöc  6  Aiövucoc.  ich  h»be 
iadog,  forsch.  II  44ö  f.  AcuKaXtuJV  =  'AeuKaXiuJv  und  boOXoc 
*=  *XoOXoc  erklärt  erstere  deutung  wird  bet^tätigt  durch  das  vor- 
kommen der  namensfonn  AeuKQpiwv  (Etjm.  Flor»  s,  204,  Et*  M. 
ä*  561,  54,  Süidas  II  s,  543  Beruh.,  wie  KTömpel  mir  freandlicfa 
mitteilt),  welche  durch  dissimilation  aus  •AcukqXIujv  entstanden 
sein  musz,  wie  dpTttX^oc  ans  *dXyaX^oc.*  nunmehr  eotxe  ich 
AuaXoc  =  *AüaXoc  und  fasse  es  im  sinne  von  Auatoc  'löser*: 
diesen  namen  (nicht  beinamen :  vgl.  Bruchmann  epitbetas.  87)  führt 
bekanntlich  Dionysos, 

*  auch  das  b6i  Prellwiit  atjm.  Wörterbuch  a,  60  mit  einem  fraf*> 
seichen  versehene  wort  f^ap^C  'meiszel,  bohlmeijftel*  wird  dnreh  an* 
nähme  einer  diAsimtl Alton  zu  erklären  sein:  *Ypap{c  (taffix  pt  frl«  in 
U^piC  'kundig'  £ti  WS.  Fi6  'wUgen*)  sn  yp&w  Killim.  fr  2^M)  ^  tpotvil» 
*'nA$ren,  auabohlen',  v^l.  ifpd>voc 'Au^gefreiSAen.  Raifrelu>hU'.  Tptifvrt 'ffrott»* 
(Freliwits  ao  s.  64).  —  Plnt*  Aires.  19  Tuvatica  ^^v  'Ap^aXdou  KXcdoav 
wollte  KKeit  annU  eptgr,  b.  16U  KXccXav  scbreibeit  KX€6Xa,  KicöJU« 
heiflst  die  tochter  de«  Dids  (gchol.  in  Eotip.  I  s.  96  Srhw.j,  vgl,  KXcöXooCt 
KXcdXac    die  n-MOieosform  KXeöpa  erklärt  flieh  anstandalo«  atis  disttimil atiea* 

MÜLBAUSEN  in  ElSASS.  HbIUBIGB  LsWT, 


F Wilhelm:  su  Tibullns  (LygdamQB)  [llf  6].  TS9 

86. 

ZU  TIBÜLLUS  (LYGDAMUS). 


Die  verschiedene  benrteilang,  welche  der  kunstwert  des  letzten 
unter  den  sechs  pseudo-Tibullischen  gedichten  des  dritten  buches  er- 
fahren hat  \  macht  eine  unbefangene  analyse  dieser  elegie  wttnschettS« 
wert,  welche  der  interpretation  auch  im  einzelnen  manche  nicht  un- 
erhebliche Schwierigkeiten  bereitet. 

£in  liebeskranker,  der  bei  Bacchus  erlösnng  sucht,  das  ist  ein 
den  elegikem  sehr  geläufiges  thema.  Propertius  hat  es  in  einer  seiner 
glänzendsten  elegien  (IV  17)  in  forpi  eines  tief  empfundenen  und  in 
wahrhaft  Pindarischer  m^jestftt  ausklingenden  gebetes  an  Bacchus 
ausgeführt,  einfacher  löst  Ljgdamus  seine  aufgäbe,  er  versetzt  uns 
in  ein  Symposion,  wo  er  im  kreise  teilnehmender  freunde  —  er  selbst 
ist  moffister  hibendi  (y.  10)  —  seine  ungetreue  Neaera  für  immer 
vergessen  will. 

Im  ersten  distichon  beschwort  er  den  heitern,  sorgenbefreienden 
gott  bei  dem  was  ihm  am  teuersten  ist,  bei  der  rebe'  und  beim  ephea*, 
sich  zu  nahen.  ^   dann  heiszt  es  nach  der  Überlieferung  (v.  3): 

auf  er  et  ipse  meum^  parüer  medicando ,  cMorenS. 
das  metrisch  falsche  medicando  hat  Statins  durch  die  leichte  ände- 
rung  medicande  beseitigt,  und  ich  halte  es  nicht  für  zu  gewagt 
diese  lesart,  die  gegenüber  allen  andern  verbesserungsvorschlSgen 
der  Überlieferung  am   nächsten   kommt,    aufrecht  zu  erhalten*: 


<  scharf  vernrteilt  haben  es  Diesen  bd.  II  b.  870  ff.  nnd  Tenffel 
^Studien  und  charAkteristiken  sar  gn^^^ch.  n.  röm.  Iitt.-ge8oh.'*  (Leipiig 
1889)  8.  497  f.  vgl.  auch  mein  urteil:  jabrb.  1892  s.  6U.  beifällig  haben 
sich  ^eäuszert  Yalpius  8.  261,  Heyne  I^  s.  216  u.  II  s.  807,  Vom  'Albins 
Tibuflus  und  Lygdamas  äbersetst  und  erklärt*  (Tübingen  1810)  s.  879, 
Ribbeck  r5m.  dichtnng  II  s.  20  f.  überschätst  hat  das  gedieht  Gmppe  Mie 
röm.  elegie'  I  117  ff.  er  bezeichnet  es  als  'eines  der  lebendigsten  nnd 
wärmsten  kanstwerke,  die  nns  ans  dem  altertam  gerettet  sind'.  '  die 
'mystische'  heiszt  sie  wegen  der  rolle,  die  sie  bei  den  mjsterien  und  orgteo 
des  Bacchus  spielt,  vgl.  Verg.  ge.  I  186  mystiea  vttnmt$  laeeM.  *  Ov. 
fast,  III  767.  ^  nachgeahmt  ist  in  v.  1  f.  wohl  die  anmfong  des  Phoebne 
bei  Tib.  II  6,  121  f.  dem  perpetuo  in  v.  122  entspricht  dann  in  III  8,  t 
semper.  wie  jenes  in  das  zweite  durch  sie  eingeleitete  glied  gehört,  so 
scheint  es  angemessen  das  komma  mit  Haupt-Yahlen  hintervlftf  sneetiea* 
wer  es  mit  Hiller  hinter  semper  vorsieht,  mag  dies  nicht  eowohl  damit 
verteidigen,  dasz  Bacchus  sich  nicht  immer  mit  ephen,  sondern  aueh 
mit  weinlaub  oder  blnmen  kränzte,  als  mit  der  straffem  ooneinnitRt  der 
glieder,  welche  dann  entsteht,  wenn  jedes  derselben  mit  dem  bedeatnngi- 
vollen  sie  anhebt,  vgl.  ausserdem  Tib.  I  6,  62.  *  in  beanstanden  ist 
diese  lesart,  die  keiner  der  neuem  hgg.  in  den  tezt  aufgenommen  hat. 
ja  die  nach  Belling  «kritische  prolegomena  zu  Tibull'  (Berlin  18981 
8.  76  nicht  einmal  der  Widerlegung  bedarf,  doch  wohl  nur  deshalb,  weil 
sie  die  construction  medieare  oder  medieari  aliguem  voranssetst.  aber 
darf  diese  construction,  die  sich  der  echte  Tibnlfas  nicht  gestattet  hätte, 
bei  einem  Lygdamus  befremden,  der,  wie  Diesen  ausführt,  gerade  fttr 
das  absonderliche  eine  verliebe  hat?  III  2,  14  wagt  er  maerere  aUpiOf 
Jahrhfteher  fBr  cUr».  philol.  1896  hfl.  11.  49 


770  FWühelm:  zu  Tibullua  (Lygdamua)  [Ul  6]. 

'aii(i*  nimm  du  selbst  meinen  Liebeäschmerz  hinweg,  der  du  ja  m\ 
gleicher  weise  (durch  den  wein)^  zu  heilen  bist'  (wenn  du  liebea- 
krank  bist).*  in  dem  folgenden  pentameter  (v,  4)  ist  der  gedanke  an 
den  liebesgott  durch  die  grosze  Schreibung  (^iwor)nahe  zu  legen,  der 
liebesgott  ist  es  ja  doch,  der  den  dichter  quält,  und  gegen  den  ihm 
Baccbua  helfen  soll,  wie  er  ihn  schon  oft  mittels  der  gäbe  des  weines 
(der  gleichsam  seine  wafife  ist)  zu  falle  gebracht  bat.  so  wird  Amor  am 
ende  von  v.  4  dem  candide  Liber  am  anfang  von  v.  1  scharf  geg^n- 
tibergestellt.*  v.  5  wendet  sich  an  den  dienen  er  soll  edle  weine 
auftragen,  und  zwar  {ä)  soll  er  ibra  selbst»  dem  rex  convivii  (nobis 
plur.  mai.  und  mit  nachdruck  an  den  anfang  des  verses  gestellt), 
von  den  edelsten  derselben,  den  Falemerweinen ,  reichlich'**  ein- 
schenken (v,  6),"  nachdem  der  dichter  sodann  zuerst  sich  seibat 
(v.  7  f.) ",  hierauf  die  freunde  zur  fröhlichkeit  ermuntert  hat,  aprieht 
er  ELm  Schlüsse  des  ersten  einleiteoden  abschnitts  (v,  1  — 12)  den 
gedanken  aus:  wer  den  mäazigen  genusz  des  weines  verschmäh^  deiij 
treffe  unglück  in  der  liebe. 

Damit  ergibt  sich  tingesucbt  der  Übergang  zu  dem  folgeiideii 
abschnitt  über  den  Amor'"  (v.  13  —  18).    er  ist  ein  mächtiger  gott^ 

während  nur  maerere  aliqua  re  varkommt  (Vulpitis  fanct  genero  und  v« 
Als  dative;  aber  Cic.  p.  Sesito  5  32,  worauf  er  sich  beruft,  beweist  uiolii 
und  hat  einen  andern  sinu;  vgl.  Halm  sd5t.);  1113,36  brancht  er  st«t 
nent   die  form  neunl ,   die  bei  profansohriftatellern  so  gut  wie  gar  nicht 
vorkommt  (v^K  zu  Georges  ^lexicon  der  lat.  wortformen',  Leipzig  1890J 
s.  4&0  Augustinus   de  civ,  dei  X  14  ö,  424»  2ö  Domb.«);  III  4,  41   pa4t^ 
quam  mit  ind.  plusqpf    (was  sich  bei  TibuUus  nirgends,   bei  Fropertiail 
nur  V  9|  63   findet);    III  6,  ö&   nobU   mcrenti  für  miM  merenti  (ÜhiiticU«4 
nur  bei  altern  dichtem,  wie  Terentius  eun.  647  und  Catullus  107,  &  f.).. 
übrigens   iHszt   sich   medtcetre   atiquem  noch   dazu   wenigstens  durch  dioj 
^ine  stelle  bei  Cohim.  IX  13,  7  igatbanum  etiam  ut  etut  odore  medicentuf 
[sc.    ape9]t  incendi  convenit)   verteidigen ,   wUirend   sich  medicari  aUqu 
sogar  öfters  findet:  vgL  Forcetlini  u,  medicor* 

«  f/  =i  T€|  wie  häufig;  et  ipae  «^  Kai  aOröc  zu  setien  und  zu  über* 
setzen:   'nimmf  der  du  ja  auch  selbst  in  gleicher  webe  to  heilen  bist, 
meinen   schmerz   hinweg'   empfiehlt  sich  weniger,   weil   to   eine  su  ge- 
künstelte Wortstellung  entsteht.  ^  dies  ergänit  sich  schon  an«  der 
Situation  mit  leichtigkeit.          ^  den  besten  commentar  au  v.  8  f«  ItefertJ 
die  parallele  bei  Prop.  IV  17,  3  ft,        *  amor  abstract  zu  fassen  nötigt^ 
die   £ur  vergleiehung   herangezogene,   inhaltlich   aber  vollkommon  ver- 
schiedene  stelle  bei  Catullus  11,  21  ff.  in  keiner  weise,     vielmehr  ent- 
spricht es  der  art  der  elegiker,  wo  der  liehe§gott  eine  so  hervorragend« 
Stellung  einuimtf  amor,  wenn  es  irgend  angeht,  personifictort  tu  denkML 
auch  gewinnt  der  pentameter  durch  das  anmutige  bild  der  beiden  jagend* 
liehen  kämpf  er  Amor  und  Bacchus  bedeutend  an  tnhnlt         *^  das  sinQ*| 
fällige  prona  hätte  man  nicht  tadeln  sollen.         ^'  in  v.  5  f.  generalUiertl 
also  der  hexameter,  während  der  pentameter  speciülisiert.         **  wenn  mmuM 
V.  7   mit   Baehrens  curae  (hier  die  liebeasorgen)  und  labores  (^  iio4»rf«| 
animi^  ttövoi)  personifiotert  denkt  (vgl.  Verg.  Aen,  VI  274.  :i77.   Hör*  ra, 
III  1,  40),    worauf    bei   curat  der  ausats   äwwm  \   ,   genu*   hinaudeuteiil 
scheint,   so   steUt  sich    an  diesen  trübseligen  geitalten  der  Delfu^  9^9€i9i 
,  .  aiitibui  in  hiihsclien  gegensiitt.    v.  8  hat  keinen  andern  sinn  als  pro*  1 
saisoh   ausgedrückt;  oriw   sit  hie  ttits  {ßeHui   fiir  FMoelmt  ^  die*  nmi,^ 
aber  nicht  ungehörig)  fautia  omine,        •  **  dats   nur  dieser  unter  dem 


FWilhelm:  za  Tibnllas  (Lygdamiu)  [III  6].  771 

der  in  gleicher  weise  beglücken  kann  {iUe  facU  dUes^*  animos)^  wie 
er  den ,  der  ihm  trotzig  widerstrebt ,  seine  macht  empfinden  läszt 
(ßle  ferocem  contudU  asw.).  dies  und  gröszeres  vermag  Amor  (y.  17). 
doch  fordert  nur  —  dann  will  ich  nicht  wünschen  dasz  Amor,  der 
natürlich  auch  das  unbedeutendere,  nemlich  einen  wünsch,  wie  den 
V.  12  ausgesprochenen,  leicht  zu  erfüllen  vermag^',  denselben  wirk- 
lich erfülle ''  —  die  gäbe  des  Bacchus,  wem  unter  euch  kOnnen 
trockene  becher  freude  machen  (v.  17  f.)? 

Dem  Bacchus  gilt,  durch  die  unmittelbar  vorhergehende  er- 
wähnung  desselben  leicht  vermittelt,  der  dritte  abschnitt  (v.  19—26). 
während  die  er  wähnung  des  Liber  zu  anfang  der  elegie  nur  dem 
zwecke  diente  in  die  Situation  einzuführen,  wird  jetzt  das  wesen  des 
gottes  in  kurzen  zügen  und  nicht  ausführlicher  vorgeführt,  als  es 
der  absieht  des  dicht^rs  entspricht ,  bei  den  freunden  für  ein  nicht 
ausartendes ,  aber  doch  fröhliches  Symposion  Stimmung  zu  machen : 
freundlich  {ex  aequo)  ^^  und  nicht  finsterblickend  naht  sich  Liber  bei 
solchen  '^  die  sich ,  und  die  zugleich  den  scherzreichen  wein  ehren  ** 


üle  .  .  deu8  in   y.  18  verstandeD   werden  kann,   darüber  läszt  das  auf 

f  leicher  linie  stehende  iUe  in  demselben  verse  (vgl.  Tib.  II 1,  72),  sowie 
as  nie  in  y.  15  (vgl.  Verg.  Ciris  135  f.)  and  das  zusammenfassende  haee 
Amor  (ohne  jeden  grand  verdächtigt  in  der  zs.  f.  d.  gymn.- wesen  XXX 
1876  8.  663  f.)  et  maiora  valet  in  v.  17  nicht  den  geringsten  zweifei. 
man  hat  die  art  dieser  anknüpfang  durch  iüe  . .  deua  getadelt,  da  Amor 
im  vorhergehenden  gar  nicht  erwähnt  sei.  aber  der  unmittelbar  vor- 
hergehende V.  12  gibt  ganz  von  selbst  die  Vorstellung  des  liebesgottes 
an  die  band,  auch  ist  derselbe,  wie  wir  gezeigt  haben,  thatsächlich 
bereits  v.  4  erwähnt,  dem  dichter  mag  das  fdc  .  .  deua  in  der  Schilde- 
derung  des  Amor  bei  Tib.  II  1,  79  vorgeschwebt  haben,  der  ^r  wohl 
auch  die  anaphora  üle  (Tib.  II  1,  78  hie)  entnommen  hat. 

^^  Dissen  empfiehlt  statt  des  überlieferten  dite»  das  von  Lipsins  vor- 
geschlagene mites,  er  hat  zweck  und  Zusammenhang  der  partie  über 
den  Amor  nicht  erkannt  (bd.  II  s.  374f.);  auch  hat  er  ir^/m. selbst  nicht 
in  seinen  tezt  aufgenommen,  wenngleich  das  Üle  facit  dites  animos  sonst 
nur  dem  Bacchus  nachgesagt  wird  (vgl.  zb.  Hör.  ca,  1 18,  6.  lU  21, 18. 
epist.  I  5^  20.  16,  19),  so  läszt  sich  ebendasselbe  doch  von  keinem  an- 
dern gotte  mit  gröszerem  rechte  aussagen  als  gerade  von  Amor,  dasi 
auch  dieser  die  herzen  reich  mache  (mit  reicher  hoffnung  erfülle),  da- 
für bedarf  es  keiner  parallelstelle.  '^  dies  durch  Schilderung  seiner 
macht  zu  begründen  ist  eben  der  zweck  des  passus  über  Amor« 
^*  schaltet  man  diesen  gedanken  ein,  der  für  die  zuhörer  gewis  sehr 
nahe  liegt,  so  erscheint  die  partie  über  Amor  wohl  eingegliedert,  sie 
als  eine  ungehörige  digression  zu  bezeichnen  geht  so  wenig  an,  dasz 
man  von  einem  dichter,  der  während  des  ganzen  sjmposions  fortgesetzt 
die  herschaft  Amors  empfindet,  ein  ausführlicheres  wort  lüber  den  so 
mächtigen  gott  geradezu  vermissen  würde.  "  so  verstehe  ich  mit 

Heyne  und  Dissen;  ex  aequo  «-  aequue.  ^^  vgl.  Prop.  IV  19,  28  {aeqma 
in  hoste).  '^  sinn:  Bacchus  hat  an  solchen  seine  freude,  die  waoker 
trinken  können,  ohne  sich  deswegen  zu  ungebührlichen  reden  oder  hand- 
langen hinreiszen  zu  lassen,  von  solchen  heiszt  es:  se  eohmt  (sie  wissen, 
was  sie  sich  schuldig  sind),  der  dichter  wünscht  eben  kein  thrakisches 
gastmahl,  sondern  ein  solches,  was  Bacchus  verecunduB  (Hör.  ca,  I  27,  8) 
regiert,  wenn  man  se  auf  Bacchus  bezieht,  was  grammatisch  möglich 
ist  (vgl.  Bolle  'de  Ljgdami  carminibus',  Detmold  1872,  s.  18),  so  ent- 

49* 


772  KWiliitilixi:  SU  TibuLiufe  .'LvgdamuEy  'Hl  6j. 

(y.  1^  i  ,:  z.orii\ii  naLt  er  bicb  den  allzu  nüchternes'"  (t.  21).  t.  22 
hb.\  ooiiclubive  krafi:  darum,  wer  dit  macht  des  gottee  in  Beinem 
zorut  fUrcLtet,  der  trinke,  wie  er  die  nüchternen  zu  fiftrafen  weiBz% 
zfigi  der  aui  beinen  antrieb  vou  der  eignen  mutier  zerriBsene  Pen- 
theuh  ^v.  2b  i.j.  da«  ungeheuer) ich 8t«  aller  beiepiele  f&r  die  beBtr»- 
fuug  öer  Verächter  deb  Jiacchub  hat  der  dichter  wohl  nicht  ohne 
iauue  gewfiLlt.  gebchickt  kuüpft  er  daran  die  folgende,  natürlich 
«^Oenbo  wenig  erutit  gemeinte  verwünbchung  der  treuloben  geliebten: 
doch  von  unb  m6ge  bolche  iurcht  fem  bein,  und  müge  [viebnebr] 
^je  verb puren,  wab  jegiicher  zom  deb  l/eleidigten*"  gottes,  den  es 
gil/l,  ve>uibg  'v.  20  1.,.*' 

KbuiL  aubgebprochen  wird  die  verwüubchung  v.  27  nach  Tibnl- 
jibcLer  art  bofoit  uiit  einem  guid yreour  ah**  dewtens?  zur^ckgakOBt- 
ux^u*' :  m^gen  winde  und  wölken  den  übereilten  wunbch  forttragen* 
^v.  27  i.).  dub  lolgeude  dibtichon  kehrt  die  verwünbchong  —  wie- 
d«:ium  echt  'j'ibullibch  —  in  ihr  geradeb  gegen  teil :  wenn  da  mich 
aucb  nicht  mehr  liebst,  Neaera,  lebe  glücklich^,  und  heiter  sei  dein 
getcLick  (\.  2'J  i.j.  wir  aber  wollen  unbere  zeit  der  tafel  widmen, 
di^  keinen  liebebkummer  kennt. ^  endlich  nach  vielen"  tagen  4* in 
tag  der  freu  de. 

Allein  bo  KuverEichtlich  dvb  auch  kliogt,  dae  liebende  hen  kann 
bich  über  beinen  wirkücheu  zustand  nicht  teubchen:  ach**,  ich  armer! 
wi«:  ui  frb  bo  schwer  faibche  freude  au bzu drücken  'v.  33 j,  wie  ist  es 
fcO  bcljwer  bJch  fröhlich  zu  stellen,  wenn  dab  herz  traurig  ist  (t.  34). 
k«riii  lat.Leij  gelingt  dem  verstellten  munde  (v.  36),  und  schledit 
klingen  die  weisen  trauriger  zecher  (v.  36 j.'^  was  klage  ich  armer? 
wei<:fjet,  häbzliche  sorgen  (w.  37;!  bacchuti  habzt  traurige  worie 
(w.  :i><j. 

iet*-)it  tiiic  taut'>l'>gi<; :  'Jcuu  '<ierj  Jiaccbub  ehren'  uud  'den  wein  ehren' 
iHi  «ia<i«i:lb<r. 

''^  fohvfnit  .  .  krvt-ron  LHcbfiiMiini,  vou  eämtlicben  neaern  bss»  auf- 
{/fijoiijificnc  <'oijj<f<:tur  «tfitt  non  v^nii  .  .  ttrvrruM.  ob  übrifreni  Lv^damvi 
ttfiirntH  *Afi  kfvffu  |{ei>(:ljii«-beii  bat,  wi«;  Liviucius  vorscbläipt,  Bag 
'Ibbiiii^t  «teilt    ljl«;ib(rii,    neveriM  war«  ilaun  natürlich  vou  iratu»  abhängig. 

''  tliti  lüVHrt  ii«ii  ir  Cuinc.  wirl  «instiminifr  all  die  ricbtiga  aner- 
liMiiiit.  *>  btftcidifft  jift  tltrr  icott  durcb  die  trauriskeit  dei  dicbten  aa 
b«:iij«{iii  itinw..  «inilurub  dHHE  NuMerK  di«  urb eberin  dieser  tranrigkeit  ist 
ijiiil  H'-bou  dmliiirh  düHz  iiii;  überbaupt  dem  sjuipoiion  feru  geblieben 
ikl  ^v|fl.  V.  r>*j  i,;,  hut  Mui'b  »ii;  di:ii  cott  beleidif^t.  "  die  wortstellaog 
ibl   vi-rti-hli;    v^'l.   diiKif^i-n    Trop.  IIJ  10,  17  f.  *'  nicht  a  statt  des 

iibtsrlii'ti'rteu  ah,     V|jrl.  Neue-Wnfjrener  Ut.  formenlebr«  II'  s.  9M  f. 
«^  vtfl.    lib.  IV  13,  17,  Hijch  1  2,  11  f.         x*  v|rl.  Catullus  30, 10.         "  Tgl. 
t'aLijlJiiii  OH,  165.         "^  niMU  bencbte  das  Wortspiel  mit  curae  -v.  29)  und 
tirrunii-  (v.  31;.         '^  Statt  d<:s  Überlieferten  multoM  ist  doch  wohl  snc//os 
y.ij    Inui'U :    v(fl.  V.  &1  (longo»  .  .  rfi>«).  ^  ob  Lygdainns  ef  (Baehrens 

und  llillfr;  oder  /iW  ' Haupt- Vahlvn)  f?escbrieb»*u  hat,  wird  sich  schwer 
riitüi'biMden  laHNeu.  *'  das  distichenpaar  33—86  gehört  eng  snsammen, 
iii  di-i-  wi:iiie  dfisK  das  c weite  distichon  das  im  ersten  abstract  gesagte 
roiirri't  niinlübri.  i\%r  inbalt  seigt,  dasz  der  dichter  psjchologiscbe  in* 
Htihid*f  «II  bi'obacbtüu  vertttebt. 


FWilhelin:  sa  TibolIiiB  (Lygdamiu)  [HI  6].  77S 

Aber  die  erinnemDg  an  die  geliebte  iSazt  doh  so  leicht  nicht 
auslöschen,  kaum  unterdrückt  ruft  sie  im  herzen  des  dichters  das 
bild  der  von  Theseus  treulos  yerlassenen  Ariadne  hervor,  wir  ftlhlen 
dem  dichter  nach ,  was  er  durch  die  form  der  apostrophe  andeutet, 
wie  er  im  moment  seinen  seelenzustand  mit  dem  ihrigen  vergleicht: 
Gnosierin,  du  hast  einst  des  Theseus  falsche  schwttre  beweint  (v.  39), 
als  er  dich  allein  auf  unbekanntem  strande  zurückgelassen  hatte 
(v.  40).  so  hat  es  der  meister  CatuUus  bezeugt  im  liede  für  dich**, 
tochter  des  Minos,  kttndend  des  undankbaren  mannes  schnöde  that 
(v.  41  f.).  die  folgende  partie  stellt  sich  zu  der  vorausgehenden  über 
Ariadne  in  beabsichtigten  gegensatz.  statt  sich,  wie  Ariadne,  in 
nutzlosen  klagen  zu  ergehen,  ermannt  sich  der  dichter  in  seiner  ähn- 
lichen läge  zu  einer  mahnung  an  die  freunde,  aus  der  er  am  Schlüsse 
des  abschnitts"*  für  sich  selbst  die  nutzanwendung  zieht:  Catullus 
—  dies  ist  der  naheliegende,  aus  v.  43  ff.  leicht  ersichtliche  Zusammen- 
hang —  hat  durch  das  beispiel  der  Ariadne  daran  gemahnt,  dasz  in 
der  liebe  die  treulosigkeit  gilt;  euch  mahne  ich  jetzt  [durch  mein 
beispiel]*^:  lernet  aus  dem  liebesleid  des  andern  eignes  verhüten*^ 
(v.  43  f.),  nicht  aber  laszt  euch  durch  halsumschlingende "*  arme  ge- 
fangen nehmen  (v.  45)  oder  die  gewinnsüchtige  zunge  durch  ein- 
schmeichelnde beteuerung'^  teuschen  (v.  46).  wenn  die  falsche  auch 
die  heiligsten  schwüre  thut  (v.  47  f.),  es  wird  ihr  nicht  zu  glauben 
sein."^  Juppiter  lacht  der  meineide  der  liebenden  und  läszt  die 
winde  sie  forttragen  (v.  49  f.).  absichtlich  hat  der  dichter  dieses 
nicht.  Übel  gelungene  charakterbüd  eines  treulosen  mftdchens  ganz 
allgemein  gehalten  und  die  eigne  geliebte  schonend  mit  keiner  silbe 

"  pro  te  gehört  sowohl  sn  cednii  als  auch  zu  refereru,  durch  seinen 
eeB&Dg,  in  welchem  er  die  that  des  Tbeseua  an  den  pranger  stellt,  ist 
Catullus  der  'anwalt»  der  Ariadne.  »»  v.  61  f.  •*  vgl.  Prep.  I  16, 41  f. 
vielleicht  schwebte  dem  dichter  für  die  folgende  partie  (v.  48  ff.)  der 
CatuUische  vers  (64,  143)  vor:  nunc  tarn  mala  tiro  iuranti  femtna  eredat^ 
den  er  in  umgekehrter  beziehung  auf  das  andere  gesohlecht  ausführt, 
demnach  erklären  manche,  wie  Strombeck  'des  A.  Tibullos  elegien  übers. 
u.  erklärt'*  (Oöttingen  1826)  s.  191:  «Catallas  warnte  die  weiber  vor 
der  männer  untreue;  jetzt,  ihr  männer,  warne  ich  euch.'  *^  diese 

mahnung  steckt  dodi  iroplicite  in  den  werten  felix  gidcmmque  dolcr€\ 
alterius  disces  posse  cavere  tuo  (vgl.  Od.  or«  am,  III  466  nnd  Prep.  Iv 
11,  8).  sofern  aber  diese  worte  selbst  schon  eine  mahnung  sind,  braucht 
man  sie  nicht  mit  Haupt^Vahlen  in  parenthese  su  setzen  und  die  er- 
mahnung  erst  mit  v.  46  beginnen  zu  lassen,  wer  so  will,  mnss  v.  46 
statt  nee  vo8  aut  capiant  schreiben:  ne  voa  aut  eapiani,  ^nee  ist  aber  doch 
wohl  in  AYG  überliefert  (Baehrens  wie  Hiller,  deren  texte  nee  bieten, 
lassen  eine  ausdrückliche  angäbe  vermissen),  es  steht  für  seä  ne,  wie 
es  bei  TibuUus  an  der  dem  Lygdamns  vorschwebenden  stelle  I  4,  16 
heiszt:  ged  ne  te  capiani.  in  derselben  elegie  (v.  47  t)  findet  sieh 
übrigens  auch  nee  mit  folgendem  mi/,  wie  III  6, 46.  för  die  ganze  stelle 
v.  45  —50  scheinen  dem  Ljgdamus  die  lehren  des  Priapus  in  1 4, 16—86 
vorgelegen    zu   haben,     vgl.  ausserdem  die  Übereinstimmung  swischen 

III  6,  49  f.  und  Ov.  ars  am.  1  638  f.        **  zu  pendentia  .  •  eo/to  vgl.  Prop. 

IV  12,  22.        S7  yg].  Vahlen  vor  dem  index  lect.  Berol.  1886/87  s.  11. 

^  nulla  fides  inerit  sc.  in  ea  oder  in  eins  verbis. 


774  FWimelmj  zu  Tiballuß  (LygdamQs)  [III  6]. 

erwähnt,  erst  v.  51  deutet  er  das  faäax  in  r,  47  wiederRuftiebmend 
aü,  dasz  bei  jenem  bilde  auch  an  sie  gedacht  war"*:  darum ^^  —  weil 
sie  treulos  ist,  wie  sie  alle  sind  —  was  klage  ich  so  oft  über  die 
Worte  des  falschen  raädchens?  weichet  von  mir,  worte  des  ernstes^ 
ich  bitte*'  darum  (v*  61  f.). 

Aber  statt  heiterer  worte  ein  letztes  auflodern  glühender  liebes- 
Sehnsucht  i  wie  wollte  ich  mit  dir  durchruhen  lange  nSchte  (v.  53) 
und  mit  dir  durchwachen  lange  tage"  (v.  54), 
perfida  nee  merito  nohis  inimica  mereftü^ 
perfida^  sed^  quam  vis  per fida ,  mra  tarnen! 
hier  culminieri  das  gedieht,  erst  nachdem  der  dichter  sich  selbst 
Ton  aller  schuld  am  bruche  die&es  liebesbündnisses  freigesprocbea 
und  der  treulosen'^  nicht,  nur  verziehen,  sondern  sie  sogar  seiner 
fernem  liebe  versichert  hat,  darf  er  sich  von  herzen  des  Bacchus 
freuen^*:  wein  will  wasser,**  du  säumst,  lässiger  diener  (v,  57)? 
gealterten  wein  mildere  Eoms  bestes  wasser  (v.  58).  ich  bin  nicht 
ditr  mann,  der  darüber  dasz**  das  wankelmütige  mSdchen  von  unserm 
mahle  fern  geblieben  ist,  das  lager  eines  niedrigen  mannes*'  Tor- 
ziehend*-  (v.  59  f.),  die  ganze  nacht  seufzt  (v.  61),  darumi  burücbe, 
her!  giesz  stärker*"  geklärten  wein  hinzu  (v.  62)!  schon  längst** 
hätte  ichf  die  schlafe  mit  syrischer  narde  befeuchtet,  mein  haar  be- 
kränzen sollen  (v.  64  f.)« 

Hiermit  ist  das  gleichgewicbt  der  seele  hergestellt,    die  fröh* 
lichkeit  ist  zum  siege  gekommen,  und  der  leser  errät  von  selbst. 


^  dabei  hat  man  keineswegs  nötig  ansunehmen,  dAS£  auch  Jeder 
eins  ei  oe  zu^,  zb.  das  sordida  lingua  in  v.  46,  genaq  auf  sie  paast.  Tri, 
Vom  äo.  B.  Sdä  f.  *^  falsch  erklärt  das  trgo  in  v.  51  Voss  ao.  s,  383:  ULm. 
also  selbst  die  ^otter  den  lelchtsinn  der  liebe  leicht  nehmen,  WArain  soll 
ich  im  ernst  über  die  verhei^zung-en  des  betrüblichen  miidohens  klAgetit^ 

^*  vgb  Kleemann  Me  Hhri  tertli  carminibas  qnae  Tibulli  nomine 
cirtumferuntur*  (Ötraeaburg  J876)  s.  60,  bei  precor  mag  der  dichter  auch 
an  Bacchas  denken,  der  ihn  fröhlich  stimmen  solL  *•  Voss  ao.  i.  889 
denkt  diese  worte  {gesprochen  'im  lustig'en  trinktone,  der  ihm  v,  36  nooli 
nicht  fifetang*.  *^  man  wendet  ein,   die  treolosigkeit  der  Keaera  b«* 

stehe  in  nichts  anderm  als  dass  sie  von  Ljgdamiis  nichts  wissen  wolle 
und  einen  andern  vorsiehe,  aber  wer  weiss  denn^  welcher  seitrfttiai 
«wischen  den  ernten  vier  Neaera-eleglen  und  dieser  elegie  lieft,  quiI 
wie  sich  diese  Neaera,  von  der  es  III  4,  00  beisst;  nee  gaudet  ea»ta 
nupta  Neaera  domo,  in  der  swischenseit  verhalten  hat?  **  nach  Diaeeii 
bd«  II  s.  371  bt^griindet  der  dichter  seine  freudigkeit  immer  nur  mit  der 
anfforderung  xum  trinken  oder  damit  dasx  er  die  aor^n  weichen  heUat. 
nUein  er  begründet  sie  sehr  deutlich  mit  der  treulosif^keit  der  geliebten 
(v,  45  C  &1  t)^  die  seiner  nicht  wert  ist  (v,  60),  nnd  mit  seinem  eigtieo 
schuldfreten  hersen.  *^  Nmda  (nicht  naida)  ßacchui  amaU  **  H  alehl 
hier   wie   cl  nach  ausdrücken   der  gemÜ tsbewef^uufr.  *''  iffnotmm  ,   . 

torum  ^  iorum  viri  ignobilis  (niedrig  von  i^eburt^  whs  nach  antiker  Vor* 
Stellung    auch    auf   den    Charakter   ein   Streiflicht  wirft),  *^  Dia«ett 

meintf  der  dichter  verletze  hier  die  decens  gegen  Neaora,  aber  dice« 
Worte»  mit  denen  er  ihr  endgültig  valet  sagt,  «ind  gemiHeri  dnreli 
V.  66   {eara  tarnen!),     auch   gilt  die  Verachtung  wohl  mehr  dem  ^otat. 

**  fcrlhts  kann  sehr  wohl  adverbium  sein.        ^  vgl.  Plautaa  Persm  fttt. 


FWilhelm:  zu  Tiballus  (LygdamuB)  [III  6].  776 

dasz  nunmehr  auch  das  gastmahl  einen  wirklich  heitern  verlauf 
nimt.  80  ist  das  gedieht  eine  ausführung  des  Tibullischen  saepe  ego 
temptavi  curas  depeüere  vino:  \  at  dolor  in  lacrimas  verterat  omne 
memm  (I  5,  37)  mit  fröhlichem  ausgange. 

Wer  eine  gliederung  der  elegie  in  hauptteile  nachsucht^',  mag 
den  zweiten  hauptteil  mit  y.  27  beginnen,  nachdem  im  ersten  haupt- 
teil nach  dem  ersten  einleitenden  abschnitt*^'  (v.  1 — 12)  des  Amor 
(v.  13 — 18)  und  des  Bacchus  (v.  19 — 26)  gedacht  war,  der  beiden 
götter,  die  sich  hier  so  zu  sagen  um  die  herschaft  über  den  dichter 
streiten,  führt  der  zweite  hauptteil  (v.  27 — 64)  aus,  in  welcher 
weise  sich  dieser  kämpf  zwischen  liebe  und  wein ,  zwischen  traurig- 
keit  und  fröhlichkeit  entwickelt  und  endet,  während  im  ersten 
hauptteil  das  subjective  empfinden  des  dichters  gegenüber  dem  be- 
streben, das  Symposion,  wie  es  die  pflicht  des  magister  bihendi  er- 
heischt, in  flusz  zu  bringen,  noch  in  den  hintergrund  tritt,  so  ent- 
hüllt er  uns  im  zweiten  hauptteil  sein  herz,  und  hier,  wo  er  selbst- 
erlebtes und  wahrhaft  empfundenes  vorträgt,  verdient  die  darstel- 
lung  unsem  beifall.  in  jähem  Wechsel  lösen  die  beiden  entgegen- 
gesetzten grundstimmungen  —  dieser  contrast  passt  zum  wesen  der 
elegie  vortreflFlich  —  einander  ab.  viermal  (v.  27.  33.  39.  63)  er- 
wacht die  Sehnsucht  nach  der  geliebten,  dreimal  (v.  31  f.  37  f.  51  f.) 
wird  sie  vergeblich,  erst  beim  vierten  mal  endgültig  (v.  57—64) 
zu  gunsten  des  Bacchus  niedergeschlagen,  so  mag  der  zweite  haupt« 
teil  in  vier  abschnitte  zerfallen  (v.  27—32.  33"— 38.**  39  —  52. 
63  —  64),  deren  jeder  durch  die  refrainartig*  wiederkehrende  auf- 
forderung  sich  des  Bacchus  zu  freuen  abgeschlossen  wird,  dabei 
fällt  der  schlusz  des  vierten  abschnitte  (v.  57 — 64)  mit  dem  schlusz 
des  gedichts  überhaupt  zusammen.* 

Ich  meine  dasz  nach  dieser  analjse  der  haupteinwand,  den  man 
gegen  dieses  gedieht  erhoben  hat;  dasz  es  nemlich  über  ein  plan- 
loses, zusammenhangloses  und  psychologisch  unbegründetes  umher- 
fahren in  den  verschiedenen  Stimmungen  nicht  hinauskomme^,  für 
abgethan  gelten  darf,  wo  die  Übergänge  abrupt  erscheinen  mögen, 
wie  V.  33.  39.  53.  57 ,  glaube  ich  an  eine  bestimmte  absieht  des 
dichters ,  der  den  ruhelosen  Wellenschlag  der  empfindungen  gerade 
durch  diese  abgebrochene  art  der  Übergänge  in  überaus  sinnfälliger 
weise  zum  ausdruck  gebracht  hat.  wechselnde  Stimmungsbilder  sind 


^^  Dissen  hat  an  der  möglichkeit  einer  gliederang  überhaupt  ver- 
zweifelt: ygl.  bd.  I  8.  CXVIII.  ir  8.  871  ff.  >*  in  dem  also  v.  1^4 
dem  Bacchus,  v.  6  u.  6  dem  diener,  v.  7  n.  8  dem  dichter,  v.  9 — 12  den 
freunden  gilt.  ^  mit  dieeem  verse  lassen  die  hss.  AVG  ein  neues 
gedieht  beginnen.        ^  diesen  abschnitt  hat  Gruppe  ao.  8.  118  erkannt« 

^^  man  beachte  die  zum  teil  wörtliche  Übereinstimmung  in  v.  87  f. 
und  V.  61  f.  ^^  für  eine  neue  ausgäbe  des  Tibullischen  nachlasses 

wäre  es  dringend  wünschenswert,  dasz  die  einzelnen  abschnitte  eines 
jeden  gedichts  durch  den  gedankenstrich  getrennt  würden,  wie  ihn  jetzt 
zb.  MHertz  in  seiner  ausgäbe  des  Horatins  mit  erfolg  angewendet  hat 

»7  Teuffei  ao. 


776 


FWilhelm;  zu  Tibullua  (LjgdamuB)  [III  0]. 


es»  die  hier  in  demselben  unmittelbaren  wecbsel,  wie  sie  in  der  se« 
anftauchen,  auf  der  stelle  bingeseicbnet  erscheinen*  was  von  TibuU 
gesagt  worden  ist^  ]äazi  sich  hier  auch  auf  Lygdamua  anwende 
'inconBtans  eit,  quod  voluit  non  vulfc,  quod  optavit  relugit,  see« 
dissideng ,  ut  in  vera  cupidinis  rota  illnm  circumagi  credas.'  den 
man  sich  noch  dazu  'die  einzelnen  berzenäergCisse  unterbrochen  vc 
trunk,  wie  die  Ständchen  und  andere  gelänge  vom  zwischenspie 
so  l&szt  dich  gegen  diese  Übergänge  so  gut  wie  nichts  einwenden. 

Was  dae  gedieht  auszeicbneti  das  ist  die  wttrme  des  herzei 
die  es  namentlich  in  seineii]  zweiten  bauptteil  durchströmt,  wie  zi 
ist  diese  liebe,  die  alles  verzeiht  und  niemals  aufhören  wül  (v| 
V.  29  f.  63— 56),   hier  ist  in  Wahrheit  ein  castus  pada  ( vgL  III  4,4J 
dabei  nichts  mehr  von  der  weinerlichen  seutimentalitöt  der 
gedichte.    vielmehr  kommt  —  in  richtiger  berechnung  des  dii 
sehen  effects  am  schlusz  (v*  60)  —  die  würde  des  mannes  zu 
durcbbruch^  der  stand  und  namen^^  besitzt  und  einer  verständig 
entsagung  ebenso  fähig  ist  wie  einer  zärtlichen  liebe,   von  den  ül 
gen  gedichten  des  Lygdamus«  insbesondere  von  III  2,  unter^^cheid 
sich  das  vorUegende  auch  durch  den  verhäUniämäbzig  sparsamen  , 
brauch  Tibullischer  reminiscenzen^^  ja  man  darf  sagen ,  dasz  ail 
statt  bloszer  nachahmung  bereit«  die  spuren  eines  Studiums  Tibv 
6cher  kunst  zeigen ^  ohne  dasz  sich  der  dichter  auf  Tibullus  als  sf 
einziges  vorbild  bescbiänkt."* 

Freilich  braucht  man  nicht  einmal  ein  gründlicher  kenner 
Tibullischen  muse  zu  sein,  um  leicht  einzugehen  ^  dasz  auch  die4 
gedieht  mit  den  besten  werken  des  meisters  keinen  vergleich 
hält,    schon  die  häufig  mangelnde  gedankenfülle,  die  gemeinplätz« 
die  Wiederholungen^*  und  manche  Ungeschicklichkeiten  imaubdrucl 
machen  einen  ernsthaften  vergleich  unmÖgHch ,  nicht  zu  gedenkj 
der  unnachahmlichen  kunät,  mit  welcher  Tibullus  seine  disticl] 
auszubauen*^'  und  zu  verknüpfen  weisz^  und  der  sonatigen 
fachen  poetischen  mittel,  welche  er  angewandt  hätte '^t  wenn  er 
I  5, 37  f.  bezeichnete  motiv  zu  einer  elegie  verarbeiten  wollte,  immfl 


^  vgl.  Gruppe  &o.  b.  123;  Tib.  III  4,  57*        ^*  soweit  sie  irgvod) 
betracht   kommeii,   sind  sie   in   den   luimerkatigeii   aufgeführt,     an 
uachahniuiig    von    I  2    (Teuffei   üo.   s^  497.1    ist    nie  hl    eu   denken 
Bitufition  ist  eiue  gnm  verschie«}et)e;   v^T.  inhrb.   t&92  s.  $11  ff.     ael 
das   adde  merum  in  III  6,  62   brKiu'hi  nicht  aus  I  t,   1  su  stfimmt'n, 
sieh   diese  aasdrucksweise  nuch  sonst  öfters  findet:   vgl.  Ov,  am.  l  4,  | 
und  Mart.  IX  93,  1.         ^<^  Gatulliiche  Anklänge  «tut!  uiehrfKch  hegtg 
von   den    ubereinstinimangen   mit  J*rop«?rliuJi  und  Ovidias  nisg  in«i)o| 
gemein  gut  der  elegiker  sein.         *^  sh.  Amor,  Bnccbtis^  Fenthens,  Aris  ' 
(vgl    Prop,  in  24,  43.   Ov.  ors  am.  \\l  36  f.h         ^*  sb.  v.  7  n.  37,  ve 
in  V.  61  u.  63»  mentae  in  v.  31  n.  69.        *'  ib.  v.  19.  wo  noch  daia 
MP  aequo  dem  iratus  in  v.  21  sehttfcbt  eulspricbt,  lie^souders  tober  v«  fi 

^   selbst  dem   vielge rühmten   ▼,  6d  lassen  sich  vorschiedcue  Till 
lische,    hunderte   von   Qvidi^cheo    sar  Seite  stellen.  ^'^  duhtn  ir«1i 

utL,   die   richtige   proportion   der   teile,    die   beispieUweise  sejtist  ift  i 
sonst  gelungenen  ecLildurung  des  Amor  vermis&t  wird^ 


WSternkopf :  sa  Ciceroa  Pompeiana  [§  88].  777 

bin  dürfte  sich  ergeben  baben,  dasz  der  Verfasser  in  diesem  gedieht 
nicht  ohne  talent  ist  und  im  vergleich  mit  seinen  Mhem  leistongen 
in  kunst  und  gesinnang  einen  nicht  unerheblichen  fortschritt  ge- 
macht hat.  kurz  gesagt:  das  sechste  gedieht  ist  sein  bestes  und 
über  eine  schülerarbeit,  wie  es  der  panegyricus  auf  Messalla  ist,  weit 
erhaben." 


**  auch  die  übrigen  gedichte  des  Ljgdamns  sind  bei  weitem  nicht 
Bo  schlecht,  wie  sie  noch  bei  Schans  gesch.  d.  röm.  litt.  II  s.  118  be- 
urteilt werden. 

Crossbn  am  der  Oder.  Friedrich  Wilhelm. 


(57.) 

ZU  CICEROS  POMPEIANA. 


Oben  8. 484  schlägt  Felix  Brüll  ohne  anführung  von  gründen 
vor,  in  §  33  der  or.  de  imp.  Cn.  Pomp,  statt  nam  qiUd  ego  Osiiense 
incammodum  .  .  querar  zu  lesen  iam  quid  ego  usw.  er  ist  von  der 
evidenz  seiner  Verbesserung  so  überzeugt,  dasz  er  sich  'cetera  legen- 
tium  iudicio  relinquens',  damit  begnügt  die  ganze  stelle  von  Cnidum 
bis  audiatis  mit  gesperrtem  iam  abdrucken  zu  lassen,  so  leicht 
wird  nun  freilich  das  nam  nicht  zu  verdrängen  sein.  Brüll  meint 
allerdings ;  die  partikel  gebe  in  diesem  Zusammenhang  keinen  sinn: 
'mirum  sane  est'  sagt  er  in  den  einleitenden  werten  'quod  nemo 
adhuc  dubitavit,  quid  tandem  particula  nam  significaret  in  illo  sen- 
tentiarum  nexu.'  aber  so  wunderbar,  wie  er  glaubt,  dürfte  das  eben 
nicht  sein,  das  nam  der  occupatio  ist  vielen  leuten  bekannt,  und 
gerade  der  satz  nam  quid  ego  Ostiense  incammodum  .  .  querar  steht 
mit  unter  den  musterbeispielen,  die  MSejffert  in  den  scholae  Latinae 
I  §  22  bei  der  behandlung  der  occupatio  anführt  und  erleutert.  ich 
bin  überzeugt,  dasz  der  hinweis  auf  Seyfferts  ausfUhrungen  Brüll 
bewegen  wird  die  stelle  nochmals  zu  prüfen  und  dann  seine  con- 
jectur  zurückzunehmen,  wenn  irgendwo ,  so  passt  hier  die  partikel 
nam,  in  der  —  um  Seyfferts  worte  zu  gebrauchen  —  die  absieht 
liegt,  das  so  eingeführte  wegen  der  nachträglichen  erwähnong 
zu  rechtfertigen,  'mit  der  rechtfertigung,  warum  der  ärgste  ft*evel 
bis  zuletzt  aufgespart  sei,  ist  zugleich  die  ezceptionelle  bedeutung 
desselben  weit  mehr  als  mit  der  schlichten  partikel  der  aufsählung 
iam  ins  licht  gesetzt.'  dieser  satz,  der  sich  bei  Sejffert  auf  or.  tu 
Verrem  V  §  158  {nam  quid  ego  de  P.  Qavio  .  .  dieaiwC)  bezieht,  passt, 
wenn  man  nur  statt  'der  ärgste  frevel'  einsetzt  'der  schmachvollste 
vorfair,  vollkommen  auf  unsere  stelle,  es  ist,  als  wenn  Seyffert  vor- 
ahnenden  geistes  nam  vor  dem  hätte  schützen  wollen,  was  ihm  non 
doch  widerÜEkhren  ist. 

Dortmund.  Wilhelm  Sterekopf« 


778 


FPolle:  zu  PhaedroB  fabeln  |T  7,  4]. 


ZU  PHÄE0EU8  FABELN. 


Y  7,  4  iat  ohne  Variante  tlberliefertt 

Princeps  (ihicen  natior  paulo  fuU 

operam  BaihyUo  solUus  in  scaena  dort* 
dies  notior  paulo  bat  noch  niemand  Yerstanden  ^  und  es  ist  fast  be* 
kstigend  zu  geben,  wie  sich  die  erklftrer  mit  der  deutung  abquälen* 
Johnson  will  hinzudenken  aUis  qui  sokhant  Bathylh  operam  dare\ 
Aubin*  und  Schwabe  übersetzen  'ziemlich  bekannt*:  so  könnte  man 
notior  übersetzen,  wenn  |)attZo  nicht  dabei  stünde;  Barman  will, 
höchst  wunderlich,  hinzudenken  qiLam  scurra  mit  bezug  auf  die  fabe 
V  ö,  also  nicht  die  zuletzt,  sondern  die  an  zweiter  stelle  vorher»! 
gehende!  der  erwähnte  Äubin  hat  auch  vorgeschlagen  paulo  in 
popido  zu  ändern,  und  das  ist  offenbar  der  erträglichste  der  ge- 
machten Vorschläge.  CWNauck  erklärt  ^notior  pauio,  als  er  es  sonst 
(durch  sich  selbst)  gewesen  sein  würde',  und  ähnlich  SiebeÜs  'alaj 
sonst  dergleichen  leute  zu  sein  pflegen;  der  grund  im  folgende! 
vers*.  —  Ich  vermute^  Pb.  hat  geschrieben  notior  fauno  fuit.  dieser 
faunus  ist  Marsyas,  der  flöten  virtuos  schlechthin»  und  es  dürfte  wohl 
niemanden  geben,  mit  dem  Princeps,  ^derselbe,  wie  es  scheint,  dessen 
grabschrift,  von  seiner  tochter  selbst  gestiftet,  noch  erhalten  ist* 
(Ribbeck  gesch»  der  röm-  dichtung  III  30),  angemessener  verglicheii 
werden  könnte,  der  Römer  aber  muste,  zumal  in  einem  solchen  ver*_^ 
gleiche,  bei  faunus  sofort  an  Marsjas  denken:  wie  wenig  eg 
namens  bedurfte,  sehen  wir  aus  Ovidius  mei,  VI  383  und  Plinit: 
fi.  h,  XXXIV  67 ,  wo  Marsyas  ohne  solchen  vergleich  schleehtwc 
aatyrus  genannt  und  die  richtige  deutung  dem  leser  überlassen  wird 
und  Ov,  ex  Ponto  III  3,  42  genügt  die  bezeichnung  Phryx  saiymSf\ 
obgleich  doch  alle  satyrn  als  söhne  der  Sangariostochter  Nikaia 
(Memnon  Herakleia  41)  nach  Phrygien  gehören  i  also  der  zusAt&, 
Phryx  ziemlich  nichtssagend  ist. 

Dasz  aber  die  satyrn  von  den  Römern  obne  weiteres  ihren  fauneii^ 
gleichgesetzt  werden,  darüber  sind  alle  einige  die  über  diese  wesen 


^  über  diesen  AuMn  danke  ich  der  aueserordentlicben  gute  dei  bm. 
oberbibliotbekar  dr.  FSehoorr  von  ÜAroUfeld  fol^eode  Auskunft.    Lauii 
läAAC    Le   Maletre    de   Sacy   nannte   «ich   ab  pseiitionjmus   le   sieur   de  . 
8aintAubin  (Barbier  dictionnairc  dea  ouvragcs  nnonymes  et  paeu^tonynKfly  j 
2e  editioQ    t.  11    1823   9.  2  f*    n.  6&66).     rti«  Saint- Anbinacbe  Ph«edni«-1 
Übersetzung  ericbien   aum   ersten  mal  1647  und  ward  oft  nen  gitd^Of^kl. 
Barbier  ao.    sag:!  unter   beKagnabme   auf  Öcbwabe:    Tinexactitado   dea 
deux  ^crivain»  fran^ais  [Fabre  und  Ooujet,  die  anheben,  die  uberseliiiiif 
fioi  «chon  1646  heransgekommen]  est  cause  qne  XI  Scbfrabe,  dana  na  b^na« 
Edition  de  Ph^dre,  ßraniwiek  1806,  t.  I  ]>.  49  a  pri'sent«^  cette  editio 
de  1647  comrne  la  aeeondo  de  la  tradnction  de  8äc>\*    nach  JMi^nerar 
'la  France  litt^'ratre'  U  V  s.  130  »tarb  LILemaUtre  de  8acy  am  1  Jana 
ie84  72  jähr  alt. 


FPoUe:  zu  Phaedras  fabeln  [V  7,  4].  779 

geschrieben  haben,  zunächst  werden  /atmi  und  satj^  oft  zusammen 
genannt,  wie  man  Synonyma  verwendet:  Oy.  Ibis  81  faufii satyrique. 
mä.  VI  392  iUum  (nemlich  den  Marsyas)  rurioölae^  süvarum  numinaj 
fauni  et  scUyri  fratres  . .  fleruni  1 193  faunique  satyrigue^  und  zu 
diesen  werten  bemerkt  MHaupt :  'die  caTupoi,  begleiter  des  ßacchus, 
allmählich ,  besonders  in  der  Vorstellung  der  römischen  dichter,  den 
faunen  nahe  gerückt  oder  mit  ihnen  verschmolzen.'  in  EJacobis 
myth.  Wörterbuch  heiszt  es  s.  802 :  'besonders  sind  von  den  römi- 
schen dichtem  die  unterschiede  zwischen  satym  und  panen  und  den 
den  panen  entsprechenden  latinischen  waldgöttem,  den  faunen,  bald 
mehr  bald  weniger  zurückgedrängt  worden.'  dem  Fan  wird  Faunus 
ganz  allgemein  gleichgestellt  (Jacobi  ao.  unds.  340;  Preller- Jordan 
röm.  myth.  I'  379;  ]£iumeister  denkmäler  d.  class.  alt.  I  523),  mit 
dem  das  römische  altertum  ihn  verwechselt  oder  identificiert  hat.  nun 
sagt  aber  Brunn  bei  Baumeister  III  1562  von  den  satym :  kleine 
hömer  bilden  zuweilen  den  Übergang  ins  geschlecht  des  Pan  und 
der  panisken.  dagegen  beruhen  die  bocksfüszler  {capripedes)^  welche 
die  römische  poesie  (Lucr.  lY  580,  Hör.  carm.  II  19,  4)  als  satym 
behandelt,  auf  einer  von  den  Griechen  durchaus  gemiedenen  ver- 
mengung mit  der  Pansnatur,  welche  aus  der  beide  gattungen  um- 
fassenden benennung  der  fauni  hervorgegangen  ist.'  ähnlich  Wissowa 
in  Boschers  lex.  d.  gr.  u.  röm.  myth.  I  1454  'die  erkenntnis  der 
Wesenheit  dieses  gottes  (des  Faunus)  wird  dadurch  erschwert,  dasz 
die  römischen  dichter  seit  dem  letzten  jh.  der  republik,  veranlasst 
durch  manche  gemeinsame  züge  der  beiderseitigen  mythen,  sehr  viel 
griechisches  in  die  auffassung  des  Faunus  hineingetragen  haben  .  . 
und  auch  von  einer  mehrheit  von  fatmi  entsprechend  den  griechi- 
schen satym  reden'.  Wissowa  führt  auch  ein  citat  des  Servius  an, 
das  allein  schon  die  gleichsetzung  der  faune  und  satym  beweist* 
Servius  sagt  nemlich  zu  Äen.  1  372  von  den  nymphen:  nam  et 
moritmtur  secundttm  Aristotdem  ut  fauni  panesque^  das  original 
dieser  worte  des  Aristoteles  ist  uns  nicht  erhalten,  aber  es  ist 
sonnenklar,  dasz  der  philosoph  nicht  von  römischen  faunen  ge- 
sprochen hat,  sondem  von  griechischen  satym. 

Und  in  der  that  war  Marsyas  in  Born  eine  bekannte  gestalt* 
nicht  blosz  gab  es  sagen  von  einem  phrygischen  könige  Marsyas  am 
Fuciner  see,  von  dem  die  Marser  ihren  namen  und  ihre  kunst  der 
Weissagung  ableiteten  (Preller- Jordan  I' 392),  sondern  auch  bild- 
werke,  die  Marsyas  darstellten,  waren  in  Bom  sehr  zahlreich,  wie 
dieser  denn  überhaupt  seit  Myron  einer  der  beliebtesten  gegenstände 
der  alten  bildkunst  war.  ein  gemälde  des  Apelles,  Marsyas  nügatus^ 
befand  sich  im  tempel  der  Concordia  in  Bom  (Plin.  XXXV  66);  dasi 
sein  bild  häufig  war  auf  den  markten  italischer  städte,  sagen  E  Jacobi 
ao.  s.  599  ('als  Sinnbilder  strengen  gerichts'),  Preller- Jordan  11'  52 
und  Baumeister  ao.  s.  887,  und  s.  888  heiszt  es  in  diesem  buche: 
'die  bedeutende  zahl  der  übrig  gebliebenen  kunstwerke  mit  dar- 
Stellungen  des  Marsyasmythus  besteht  meist  aus  vasenbildem  and 


CFWMüller:  m  Pomponius  Mela, 

römiscben  sarkophagreliefs,'   über  den  aus  Hör.  sai^  I  6,  120  allge- 
mein  bekannten  f  in  Silensgestalt  dargeatellten  Mar^jaa  auf  den 
forum  in  Rom  gibt  es  eine  besondere  schrift  von  H Jordan  (Berlii 
1883),  der  ihn  b.  5  als  Sinnbild  der  städtiäcben  freibeit  faszt. 
Dre8den.  Friedrich  Polle, 


88. 

zu  POMPONIUS  MELA, 


II  1,  5  8.  28,  27  (Frick)  terra  (die  l>p6^oc  'AxiXX^uic  genannte 
balbinsel  im  Pontns  Eminus)  tum  hnge  distenta  excedcTis  tenui  raäice 
Utori  adneäUur^  post  spatiosa  modke  patdatim  se  ipsa  fastiffat  et  quasij 
in  mucronem  longa  coUigens  latera  facie po$iti  ensis  adfecta  est 
so  Frick  mit  Bursian;  Überliefert  miad^eda^  unver&tändücb.    abe 
facie  positi  ensis  adfecta  mag  verständlicb ,  dh.  übersetzbar  sein,  vic 
verständiger  ist  es  nicbt.    zugegeben  terra  facie  aliqtta  adfeda 
wäre,  üiamal  in  Melas  spracbe,  ertrKglicb,  was  ist  unter  positits  ensk 
denkbar?    siebt  ein   bingelegtea  scbwert  anders   aus  als  ein  auf- 
gericbtetes?    bei  einiger  vertrautbeit  mit  dem  sÜIe  unseres  autofSj 
wird  man  sieb  scbwer  eutscblieszen  etwas  anderes  anzunehmen  aN 
dasz  facie  ensis  'wie  ein  scbwert'  beiszt  (s.  s.  34,  16  und  62,  21/ 
Aur.  Victor  Caes.  32,  3  usw.,  anderwärts  in  oder  ad  fadem) ^  und 
da&z  in  adfeda  ein  gekünstelter  ausdruck  für  'gestreckt'  zu  sncbe 
ist    man  bat  anporreda  gedacht,  wabrBcbeinl icher  Gessner  im  Tbc 
u.  ÄchiUes  an  adrecta,    da  die  batbinsel  die  gestatt  eines  knimmeg 
sab  eis  hat,  so  liegt  es  nahe  positi  in  Fers  ici  zu  corrigieren.  Plinit 
IV  83  sagt  nur  ad  formam  gladii  in  transversum  porrecta. 

III  6,  3  ae,  (48)  s.  67, 5  GaUieenas putant  se  in  quae  vdint  ani* 
malia  vertcre^  sanare  quae  apud  alios  insanahüi^i  sunt,  sdre  Ventura 
d  praedicare,  sed  nonnisi  deditas  napigantibi4s  et  in  id  tantum^  h$j 
se  cönsulerent^  profedis,  tiberliefert  ist  dedita,  deditas  ist  alte,  abe 
darum  nicbt  erträglichere  conjectur,  ich  wage  mit  bestimmtheit 
behaupten,  dasz  dedita  mit  oder  ohne  öpera  zu  schreiben  ist^  dh.  'aus 
drttckiicb  zu  diesem  zwecke*,  s.  Cic.  de  or,  III  50,  193  ut  neque  i 
satientur^  qui  audient,  nee  nos  id,  quod  faciemus,  apera  dedita  facert^ 
vidcamur^  Landgraf  zur  rede  p.  S.  Boscio  s.  326.  bei  Cic.  ad  Att. 
XV  4,  i  itaque  misi  dedita  opera^  *express*,  ist  opera  zusatz  der  bgg*j 
und  wohl  zu  streichen  mit  WKalb  im  archiv  I  83.  es  ist  vielleiclil 
nicht  sehr  wahrächeinlich ,  aber  immerhin  möglich,  dasz  Meta  i 
nur  dedita  geschrieben  bat.  ?gl.  Scrib.  Largui«  271  s.  105,  0  edtami 
per  lintefifn  vel  es:  iunco  factum  deindustria  colum,  'eipresa  dann*. 

BRBetAU.  C.  F.  WiLUELM  MOllml 


PDChHeonings:  vx  Ciceros  Cato  maior  [(  2B].  781 

89. 

ZU  CICEROS  CATO  MAIOR- 


Cicero  hat  im  Cato  maior  mehr,  als  er  sonst  zu  thnn  pflegt,  die 
Persönlichkeit  des  redenden  im  dialog  wiederzugeben  gesacht;  und  es 
ist  ihm  wohl  gelungen  eine  gewisse  greisenhafte  geschwfttzigkeit  zur 
darstellung  zu  bringen,  welche  von  der  eignen  Vergangenheit  zu  er- 
zählen und  weniger  logisch  als  sprungweise  den  faden  des  gedankens 
weiter  zu  spinnen  liebt,  darin  finde  ich  den  gnmd ,  warum  es  der 
auünerksamkeit  entgangen  ist,  dasz  der  tezt  kaum  richtig  überliefert 
scheint  in  §  28 :  oratar  fnetuo  ne  la/nguescaJt  senecMe:  est  enim  mufms 
eius  non  ingenii  söktm^  sed  laterum  eiiam  et  vwium,  ommno  canarum 
iüud  in  voce  splendeseU  äiam  nesäo  quo paäo in senectute  {guodequi- 
dem  adhuc  non  omi^t,  ä  videtis  cmnoa).  sed  tarnen  est  decorus  senis 
sermo  quietus  et  remissiM^  faciiquepersaepe  ipsa  sibi  audientiam  diserH 
senis  composita  {compta)  et  mitis  oratio,  'doch  der  redner,  fürchte 
ich,  möchte  schlaff  werden  durch  das  greisenalter:  denn  sein  geschftft 
erfordert  nicht  blosz  geisteskraft,  sondern  auch  eine  krftftige  brüst* 
überhaupt  tritt  jener  Wohlklang  in  der  stimme  merkwürdiger  weise 
sogar  glänzend  henror  im  greisenalter  (den  habe  ich  wenigstens  bis 
auf  den  heutigen  tag  nicht  verloren,  und  ihr  seht,  wie  alt  ich  bin), 
aber  dennoch  macht  die  ruhige  und  gelassene  Unterhaltung  des  greises 
einen  stattlichen  eindruck.'  oder  wenn  das  äiam  nicht  zu  dem  vor- 
hergehenden splendescU^  sondern  zum  folgenden  tti  senectute  gezogen 
wird:  ^im  allgemeinen  tritt  wohl  jener  helltönende  klang  der  stimme 
ich  weisz  nicht  wie  noch  im  hohem  alter  hervor;  ich  habe  ihn  wenig- 
stens bis  jetzt  noch  nicht  verloren  und  ihr  seht  mein  alter  [84  jähre]; 
doch  abgesehen  davon  steht  ein  ruhiger  und  gelassener  vertrag  dem 
greise  wohl  an ,  und  gar  oft  verschafft  sich  die  .  .  rede  des  greises 
schon  selbst  gehör.' 

Bei  beiden  Übersetzungen  scheint  mir  nur  zu  berechtigt  der 
zweifei,  ob  es  der  Wirklichkeit  entspricht,  dasz  jener  Wohlklang 
der  stimme  (welcher  den  jüngenr  redner ,  welcher  einen  vollendeten 
redner  auszeichnet)  im  allgemeinen  auch  noch  im  greisenalter 
vorhanden  ist,  selbst  wenn  ein  Cato  ihn  noch  behalten  haben  sollte, 
die  parenthese  'den  ich  wenigstens  bis  auf  den  heutigen  tag  nioht 
verloren  habe',  auch  sogar  wenn  nondum  den  verlust  wirklidi 
deutlicher  als  einen  erwarteten  bezeichnen  sollte,  scheint  doch  ein 
seltenes  beispiel  von  körperlicher  rüstigkeit  im  greisenalter  be- 
zeichnen zu  sollen. 

Wenn,  wie  alle  erklärer  richtig  sagen,  in  dem  satze  mit  omnino 
eine  concession  enthalten  ist,  so  musz  darin  etwas  ähnliches  stecken 
wie  das  orator  mäuo  ne  languescaiy  eine  Variation  davon:  'die  körper^ 
lieben  kräfte  gehen  aus',  'die  safte  mit  den  kräften'.  das  sed  tarnen 
est  decorus  senis  sermo  erklärt  OLahmejer:  'wenn  dies  auch  der 
fall  wäre,  doch'  usw.  dh.  wenn  auch  die  äuszerlichen  gaben  durch 


782  PDChRenniogs:  zu  Ciceroe  Cato  msdot  [%  2S]. 

das  alter  genomtaen  wtlrden,  so  ist  doch  die  cmterbaltiing  des  greife 
wohlanstehend.  Lahmejer  wird  nicht  aus  der  parentbese  diese 
gedanken  ergänzen  wolleo:  *wenn  auch  der  verlast  des  Wohlklang 
eintreten  sollte'  usw. 

Einen  andern  gedankeneprung  scheint  mir  JSommerbrodt  '* 
hier  angenommen  zu  haben,  welcher  sagt:  'sed  tarnen^  db*  wenn 
dies  auch  nichi  der  fall  ibt.'  also  'wenn  auch  nicht  der  Wohlklang 
der  stimme  im  grelsenalter  glänzend  hervortritt,  so  ist  doch  die 
Unterhaltung  .  .  angenehm'*  ich  weisz  nur  nicht,  wie  wir  eben  die 
Worte  dem  Cato  in  den  mund  legen  können:  Mer  Wohlklang  tritt 
überhaupt  noch  glänzend  hervor',  um  ihn  gleich  nachher  andeuten 
zu  lassen  ^aber  selbst  wenn  er  nicht  hervortritt*. 

Kurz  und  gut,  ich  möchte  glauben,  dasz  hier  in  dem  auffallen- 
den prtdicat  splendescit  eine  sehr  alte  corruptel  steckt;  fast  mit  den- 
aelben  buchstaben  möchte  ich  dafür  lesen:  supkndescU  oder  viel* 
mehr  suhlentescit  Mäszt  allmählich  nach*,  das  wUrde  eine 
gemessene  gedanken  folge  ergeben:  ^was  den  redner  anlangt, 
furchte  ich  dasz  der  im  greisenalter  schla£F  wird:  denn  sein  geschSlI 
erfordert  auch  eine  kräftige  lunge.  überhaupt  nimt  jener  Wohlklang 
der  i*timme  auch  leider  im  greisenalter  allmählich  ab  (den  ich  frei* 
lieh  noch  nicht  verloren  habe,  und  ihr  bebt  meine  jähre);  aber  doch 
(auch  wenn  er  abnimt)  ist  die  Unterhaltung  eines  greises  wohlan- 
stehend*' eben  die  Seltenheit  des  compositums  suhlentescit  —  ich 
weisz  es  aus  den  vorhandenen  Lateinern  gar  nicht  zu  belegen  — 
könnte  veranlassung  zum  verlesen  des  Wortes  geworden  sein. 

Hüsuit.  PExea  D.  Ob.  Hsi^NtNOd. 


90. 

ZU  OVIDIUS  METAMORPHOSEN  UND  GERMÄNICÜS. 

XV  838  nee  nisi  cum  senior  I^lio8  aequmferU  annas^ 
aetherias  sedes  cognataque  $idera  tangä, 
hierzu  bemerkt  Siebeiis:  ^cognata^  weil  Caesar  bereits  unter  die 
ßterne  versetzt  ist.'  dem  ist  aber  nicht  so,  wie  die  unmittelbar 
folgenden  verse  zeigen,  denn  jetsct  erst,  nach  jenen  Worten  Juppiters, 
eilt  ja  Venus  in  die  curia  des  Pompeju.«^  suique  \  Caesaris  ertpuU 
membris  nee  in  a^a  solvi  |  passa  recentem  animam  caelestibus  in- 
tulit  astris  (846).  es  müste  also  cognaia  von  der  zukunft  ver* 
standen  werden,  wenn  anders  das  wori  jene  bej^chränkte  beziebuQg 
haben  und  speciell  an  das  lulmm  m/äm  oder  an  die  steUa  crinüa  I%dä 
Caesar is  gedacht  werden  sollte,  das  ist  aber  unrichtig,  nicht  an 
einzelne  bestimmte  sidera^  wie  den  planeten  Venus  und  die  steäa 
Cmsaris ,  ist  zu  denken,  sondern  die  sidera  überbaupt  und  ins- 
gesamt werden  von  Juppiter  coffnala  Augasti  genannt,  weil 
letzterer,  ein  nachkomme  des  luluSf  des  Aeneas,  der  Venus,  götl* 


EGoebel:  zu  Ovidins  metam.  [XV  888]  und  Germaniei»  [j^iamk  668].   783 

licher  herknnft  ist,  vom  himmel  stammt  und  daher  wieder  zum 
himmel  ad  astra  cadestia  (846)  zurückkehrt;  denn  am  mit  Laoretioa 
(11  1000)  zu  reden:  quod  misstimst  ex  aetheris  oria^  \  id  ruraum 
caeli  rdkUum  templa  receptant.  dem  dichter  aber  ist  m  aidus 
verti  steUamque  camantem  (749)  dasselbe  wie  deum  accedere  eado 
(818).  daher  heiszt  es  auch  841  f.  fac  iübar,  ui  aemper  CapUoUa 
nostra  fortmque  \  divua  ah  excelaa  prospeäet  luliua  aede. 

Gleiche  bewandtnis  aber  hat  es  nun  auch,  wenn  es  in  den 
phaenomena  des  Caesar  Germanicus  558  ff.  heiszt: 

hie  {capricarnus) ,  Auguste  ^  tuum  genüaU  corpore  numen 
aäonUas  inier  gentis  patriamque  pavetUem 
in  cadum  tuUt  et  maternia  reddidü  aatris. 
man  hat  ohne  not  sich  abgemüht  mit  der  frage:  was  nennt  der 
dichter  hier  materna  astra?  vgl.  Maass  im  index  schol.  Grjphiswald. 
1893/94  s.  IV  ff.  dasz  man  blosz  an  den  planeten  Venus  denke,  ver- 
bietet der  plural  astra.  wie  man  aber  den  kometen  des  Julius  Caesar 
eine  steUa  materna  nennen  könne,  da  er  doch  vielmehr  steUa 
paterna  (oder  avi)  zu  nennen  wäre,  leuchtet  ebenso  wenig  ein. 
die  künstliche  interpretation  von  Maass  endlich  (ao.  s.  VI),  in  cadum 
tuiU  et  nuxternis  reddidU  astris  sei  so  viel  als  *in  caelum  ad  deos 
Veneris  quodammodo  socios',  haben  wir,  dünkt  mich,  gar  nicht 
nötig ,  sobald  wir  maternus  einfach  verstehen  und  erklären  •«  unde 
oriendus  est. 

Dasz  aber  das  wort  maternus  auch  diese  bedeutung  haben  kann, 
dafür  will  ich  mich  nicht  auf  Delum  matemam  (->»  natdkm)  iitwisU 
ApoUo  bei  Verg.  Aen.  IV  144  berufen,  da  hier  ebenso  gut  eine  an- 
dere erklärung  platz  greifen  kann  («>  Latonae  matris  tfMuJafn),  wohl 
aber  auf  ein  unwidersprechliches  beispiel  Ov.  fast.  IV  131  veremonei 
curvas  materna  per  aequorapuppes  ire.  das  heiszt  doch  nichts 
anderes  aU  ex  guibus  ipsa  oriunda  est.  wie  Venus  Aphrodite,  die 
schaumgeborene ,  dem  meere  entstammt ,  so  Octavianus  Augustus, 
der  äthergeborene  y  der  stemenwelt,  den  cadestihus  asifis.  darum 
also  heiszt  es:  in  cadum  tuilU  et  maternis  reddidit  astris.  das 
Zeitwort  reddidit  hat  man,  scheint  es,  auch  nicht  genugsam  beachtet« 

Fulda.  Eduard  GobbUi. 


91. 

DE  GEBMANICI  PHAENOMENON  PROOEMIO. 


Mirum  in  modum  et  quem  viz  intellegas  hos  versus,  quos  Caesar 
Germanicus,  divi  Augusti  ex  Druso  nepos,  in  phaenomenon  prooemio 
(14  et  15)  pepigit: 

haec  ego  dum  Latiis  conor  praedicere  Musis^ 
pax  tua  tuque  adsis  nato  numenque  secundes 


784 


EGoebel :  de  Grerfnanicl  phaenomenou  prooemio. 


nuper  in  scbolarum  Gryphiswaldensium  hib.  1893/94  indioe  £r« 
nefitus  Maass  explicare  ac  constituere  conatus  est  scribendo 

pax  iua  iuque  adsis  naiOy  numen,  que  secundes. 
ne  vero  tjpograpbi  esse  errorum  exiatimes,  legas  quae  in  p.  VIII  in- 
veniuottir :  'primi  nos*  inquit  *ita  distinximas,  cum  antea  inde  a 
Oratio  Omnibus  fmmen  esset  pro  accusativo  et  ad  secundandi  notio- 
nem  factitivam  traduceretur*  vocativum  vero  adnexa  quc  copula 
anctnm  neqtiaquara  insolenter  [?1]  poeta  usurpavit,  sed  faabent  talia 
Angustei,  quäle  hoc  est  Ovidianum  md.  VIII  560  adnuU  Ae(fides 
*^utar*  que^  *Äc}i€lüe\  domoqut  |  con^eZto^e  /lio»  respcndU*  eqs, 
verum  enim  vero  talia  eiempla,  quäle  boc  est,  quamquam  freqaen* 
tiBsima  sunt  apud  eundem  Ovidium  —  conferaa  velim  met,  I  753, 
II  33.  III  644,  V  195.  XIII  874  al,,  omnia  gcilicet  ita  eomparata,  ut 
primo  cüique  directae  alicuius  orationis  vocabulo  adbatjreat  particala, 
non  quo  traducenda  sit  verbiß  aity  dixi,  inquU^  respondU^  ßxclamat  — 
tarnen  eiusmodi  transpositionis ,  qualem  vir  doctus  fingere  anitnum 
induiit,  gemellum  exemplum  nusquam  aut  inveni  aut  repperii  neque 
quisquam ,  opinor,  reperiet. 

Qnodsi  quis  vocativo  poetam  bic  nsuni  eese  sibi  perauaserit, 
8icuti  Maassios  voluit,  qui  Aogustum  imperatorem,  non  Tiberium 
boc  prooemio  respici  venssime  saltem  mibi  dissernisse  videtur,  «i 
facili  iranspositione  dicendiim  erit:  pctst  tua  tuqtie  adsis^  fmmen^ 
natu  que  Steundes.  facillime  enim  potuit  fuito  adscribi  verbo  aä»it^ 
ut  non  ad  secundandi  verbum  solummodo  illud  referendum,  sed  bis 
cogitandum  esse  indicaretur:  adsis  nato  natoque  se^mndes,  usita» 
tissimam  autem  banc  parliculae  traiectionem  esse  H oratio  nema 
ignorat:  cf.  ca.  III  4,  11.  19.  serm.  I  6«  43  al.  vide  Goasraa  94 
Verg.  Äen,  XII  904. 

Nibilominus  talis  secuftdandi  verbi  naos,  nt  et  notioneni  ei 
Btructuram   verbi  adesse  aequet,  haud   gcio   an  prorsue  novua 
novicius  sit  (=  'einem  Recundieren').    certe  apud  Augusteos 
secundare  verbum   transitivum   est^   veint  apud  Vergiliom 
IV  397  {emitüs).  Am,  III  36  {tnsüs),  VII  259  (nösira  incepta), 

Quae  cum  ita  sint,  quid  iam  boc  sibi  vult  numemque  8emmde$f 
sententia  perspicua  esset,  si  legeres  coeptumque  semnd^ät  qno4 
similiter  dictum  foret  atque  Ovidianum  illnd  di  cocptis  .  *  ad$piraU 
meis  vel  Vergilianum  di  nosira  incepta  secundent.  ac  facile  poterat, 
quo^iam  secundare  coepta  proprie  deorttm  est  vel  n  u  m  i  n  i  s,  a  sctenie 
lectore  numen  addi  ac  deinde  in  locum  alterius  vocabuli,  qiiod  aal 
coeptum^  inrepere.  attamen  utut  est«  utrum  emendando  potius  loeo 
difficili  5;ubveniendum  esse  dicam  an  explicando,  dubius  sum.  aUqu<l 
enim  modo  eam  quam  Maastiius  voluit  sententiam  possis  citoere,  si 
verbum  secundes  absolut«  positnm  dieas  (sie  vento  necundanU  apud 
Tacitum  et  lustinum  legitur)  et  msmm  (^  aU  gott,  in  ddnor  goti» 
beit)  pro  nominativo  habaaa* 

FuhDAF..  EoVAnDUB  OOBBKIi. 


BESTE  ABTEILUNG 
PUB  CLASSISCHE  PHILOLOGIE 

HEBAUSQEQEBEN  VON  ALFRED  FlECKEISBK. 


92. 

ZUM  FÜNFKAMPF  DER  GRIECHEN. 


Die  nachfolgende  arbeit  wurde  im  j.  1892  vollendet  und  war 
bereits  der  redaction  dieser  Jahrbücher  eingesandt,  als  mir  zwei  neue 
Schriften  über  den  fünfkampf  za  gesiebt  kamen :  Henrich  über  das 
Pentathlon  der  Griechen  (inaug.-diss.),  Erlangen  1892,  und  Haggen- 
müller :  die  aufeinanderfolge  der  kämpfe  im  pentathlon  mit  berück- 
sichtigung  der  früheren  erklärungen,  München  1892.  einer  völligen 
Umarbeitung  brauchte  ich  meine  abh.  nicht  zu  unterziehen ,  da  ich 
in  den  hauptpunkten  von  Henrich  und  von  Haggenmüller  principieU 
abweiche;  indessen  berücksichtigte  ich  beide,  wo  es  mir  nötig  schien, 
in  nachträglichen  Zusätzen  und  anmerkungen. 

L  Die  bestandteile  des  fünfkampfs  und  die  bildlichen 
darstellungen. 

Es  ist  unzweifelhaft,  dasz  sprung,  lauf,  diskos,  speerwurf  und 
ringkampf  die  bestandteile  des  fünfkampfs  bildeten,  dafdr  haben 
wir  nicht  weniger  als  zehn  zum  teil  sehr  gute  zeugen.'  einer  andern 
Überlieferung'  zufolge  waren  es  faustkampf,  ringkampf,  spmng, 
diskos  und  lauf,  in  einer  dritten  Überlieferung'  wurde  der  sprang 
durch  das  pankration  verdrängt,  und  in  einer  vierten^  muste  der 
Sprung  dem  faustkampf  weichen.^  das  pentathlon  wurde  ol.  18  unter 


<  Simonides  epigr.  155.  aoth.  Pal.  XI  84.  Philostr.  II  262  (Kayser). 
Artemid.  oneir.  I  57.  Paulas  Festi  u.  pentathlum.  Enstath.  II.  Y  621. 
schol.  Find.  Jsthm.  1,  26.  schol.  Soph.  £1.  691.  schol.  Piaton  erast.  135*. 
schol.  Arist.  pan.  IIJ  839  Ddf.  >  schol.  ree.  Pind.  Ol.  13,  89.    bibl. 

Med.  Lanr.  plut.  LXXIV  cod.  18  s.  808^.  Phavorinos  ndw.  cod.  Barocc  68 
fol.  124  \  Tzetzes  scbol.  Lykophr.  41.  '  Pbotios  cod.  246  s.  409  Bk. 
scbol.  Arist.  pan.  HI  839  Ddf.  *  cod.  Palat.  Gr.  fol.  37^  15--18.  schol. 
Nikephor.  Gregor,  in  der  Pariser  aasg.  des  Synesios  von  1688  s.  428. 

^  vgl.  Fedde  'der  fünfkampf  der  Hellenen'  s.  4  ff.,  progr.  des  Elisabeth- 
gymn.  in  Breslau  1888  (von  mir  'Fedde  pr.'  citiert).  Faber  'sum  fünf* 
kämpf  der  Griecben'  im  Philologus  L  (1891)  8.  469  ff. 

Jahrbucher  für  class.  philol.  1898  hfl.  12.  50 


786 


FMie:  zum  funfkampf  der  Grieclieii. 


die  zahl  der  heiligen  wettkämpfe  in  Olympia  aufgenommeQ ,  der 
faustkanipf  ol.  23  und  das  pankratioD  erst  ol.  33.  es  ist  an  und  für 
sich  8t:br  uBwabrscheinlieb,  dasz  faustkampf  und  pankration  ur- 
sprünglich bestand  teile  des  fünf  kam  pfs  waren  und  allmählich  selb- 
ständige kampfarten  wurden,  auszerdem  nennt  Pollux  III 151  gerade 
speerwurf  und  sprang  samt  djskos  die  dem  fünfkarapf  eigentümlichen 
Übungen,  und  der  gpeerwurf  wird  von  Pindaros  Isthm.  1,  21  f.,  der 
Sprung  von  Pausanias  V  7^  10,  17,  10.  III  11,  6  und  Philo&tratoa 
11  s.  291  K.  als  dem  fünf  kämpf  zugehörig  bezeugt.  Pinders  ver- 
dienst ist  es  wenigstens  den  Ursprung  der  einen  falschen  Überliefe- 
rung aufgedeckt  zu  haben/  in  der  gruppe  von  Zeugnissen,  die  dea 
faustkampf,  rlngkampfj  sprung,  diskos  und  lauf  als  bestandteile  dea 
fünfkampfs  angeben,  deutet  nemlich  der  allen  gemeinsame  gebruucb 
des  Wortes  biaX^a  statt  des  gewöhnlichen  äX^a  auf  eine  gemeinsame* 
quelle,  dies  ist  die  beschreibung  der  kampfspiele,  die  die  Phaiaken 
Odjsseus  zu  ehren  veranstalten  Od.  8  120  ff. 

Yomfaustkampf  und  pankration als  teilendes  fünfkampfs spricht 
kein  alter  gchriftsteller^  und  man  darf  nicht  mit  Marquardt  annehnaen^ 
dasz  eine  falsche  Vorstellung  von  der  Zusammensetzung  des  pentaiblon 
schon  im  classischen  altertum  verbreitet  gewesen  sei/  Marquardt 
führt  zwei  vasenbilder  an.  auf  dem  einen,  von  Pamphaios  gemalten 
(t£  I  =  Mon.  ined.  XI  1880  tf.  XXIV)  sind  von  links  nach  rechU 
acht  figuren  dargestellt:  1)  ein  lauf  er,  2)  ein  Springer,  3)  ein  flöten- 
bläser,  4)  ein  Speerwerfer,  5)  ein  aufseher,  (>)eindibkoswerfer,  7)  und 
8)  zwei  faustkämpfer.  auf  diesem  bilde,  so  vermutet  Marquardt,  habe 
Pamphaios  die  bestandteile  des  fUnfkampfs  veranschaulicfaen  wollen, 
nur  habe  er  irrtümlich  statt  des  ringkam  pfs  den  fauslkampf  gesetzt, 
das  zweite  von  Marquardt  (tf.  II)  veröffentlichte  bild  einer  bydra 
im  britischen  museum  zeigt  angeblich:  1)  und  2)  zwei  ringkämpfer, 
3)  einen  Speerwerfer,  4)  einen  diskoswerfer,  5)  einen  Springer, 
6]  einen  aufseher ^  7)  und  8)  zwei  läufer,  dieses  bild  bietet  nach 
Marquardt  eine  richtige  geaamtdarateltung  des  wirklichen  fünf- 
kam  pfs.  die  ab  weichung  der  beiden  vasenmaler  in  der  darsteUaag 
dea  Pentathlon  sei,  so  meint  Marquardt  s.  6,  auf  denselben  grund 
zurückzuführen,  auf  dem  die  Verschiedenheit  der  schrifUichen  quellen 
beruht,  ohne  zweifei  habe  sich  schon  früh  die  irrige  meinung  Ter* 
breitet,  dasz  die  Homerischen  fünf  kämpfe  (Od.  6  120  ff.)  d&aspfttere 
Pentathlon  gebildet  hätten;  schon  im  altertum  müsse  es  zwei  Ter* 
schiedene  traditionen  über  die  Zusammensetzung  des  fünfkampfs  ge* 
geben  haben;  der  einen,  falschen  sei  Pamphaios  gefolgt,  der  andem^ 
richtigen  der  maier  der  britischen  hydra.  dagegen  ist  folgendes  su 
bemerken,  die  von  Pamphaios  dargestellten  fünf  kampfarten:  Uol^ 
Sprung,  Speer,  diskos,  faustkampf  sind  gar  nicht  die  Homerischen; 


•  EPinder  über  den  fdufkHiiiprder  Hellenen,  1867,  «.  2t  ff.         ^  Maf*  | 
qu&rdt  tum  penUthlon  der  UelleaeD,  mit  cwei  hndliebeo  dar« teil iitigeQ 
det  gesamtkittnpfeB,  progmtnm  der  doinftohule  cti  Güstrow  ISS<$. 


FMie;  sum  fdnfkampf  der  Griechen.  787 

das  sind:  faustkampf,  ringkampf,  sprung,  diskos,  lauf,  hätte  aber 
Pampbaios  wirklich  die  fünf  teile  des  peniathlon  als  gegenständ 
seines  bildes  gewählt,  so  hätte  er  keinen  solchen  irrtam  begangen, 
wie  ihm  Marquardt  vorwirft,  er  lebte  im  fünften  jh.  und  kannte 
die  Zusammensetzung  des  fUnfkampfs  aus  eigner  anschauung  ganz 
genau  (vgl.  HaggenmttUer  ao.  s.  21  f.).  die  falschen  Überlieferungen 
von  den  bestandteilen  des  peniathlon  sind  ganz  jung,  wenn  man 
auch  nicht  genau  weisz,  von  wem  und  wann  sie  aufgebracht  wurden, 
aber  auch  die  britische  hjdra  bietet  keine  gesamtdarstellung  des 
fünfkampfs.  der  unter  5  als  Springer  bezeichnete  mann  trägt  wahr- 
scheinlich wurfstangen,  jedenfalls  keine  Fpringstangen  und  kann 
daher  auch  nicht  als  Springer  gelten,  springstangen  kannten  die 
alten  anscheinend  noch  nicht.  ^  eine  andere  darstellung  des  fünf- 
kampfs glaubt  Schreiber  anführen  zu  können.*  nach  einer  deutung 
Kleins  ao.  s.  68  fiP.  würden  wir  hier  allerdings  die  fünf  teile  des 
Pentathlon  beisammen  haben,  aber  schon  Blümner  ao.  berichtfgte 
die  Eleinsche  erklärung  in  verschiedenen  punkten,  vor  allem  be- 
zweifelte er  mit  recht,  dasz  im  innenbild  der  schale  neben  dem  zum 
würfe  ausholenden  diskoswerfer  ein  die  stange  ansetzender  Springer 
dargestellt  sei.  man  darf  getrost  hinzufügen,  dasz  auch  dieser  Jüng- 
ling zum  würfe  ausholt  und  damit  beschäftigt  ist  der  wurfstange 
die  richtige  läge  zu  geben,  in  ebenderselben  Stellung  sieht  man 
einen  Jüngling  auf  einem  vasenbilde  bei  Krause  gjmnastik  und  ago- 
nistik  der  Hellenen  tf.  XVIII»  f.  66".  wir  können  also  auf  den 
beiden  zuletzt  besprochenen  vasenbildern  nur  eine  zufällige  Zu- 
sammenstellung von  vier  teilen  des  fünfkampfs  erblicken,  eine  ge- 
samtdarstellung des  Pentathlon  gibt  es  nicht,  oder  besser  gesagt, 
wir  kennen  bisher  keine  darstellung,  in  der  gerade  die  fünf  teile 
des  fünfkampfs  beisammen  wären. 

Überhaupt  wird  von  den  bearbeitern  der  fünfkampffrage,  ich 
kann  nicht  anders  sagen ;  ein  groszer  misbrauch  mit  den  bildlichen 
darstellungen  getrieben,  zufällig  steht  auf  einer  der  oben  bespro- 
chenen vasenbilder  ein  flötenbläser  neben  einem  Speerwerfer.  Mar- 
quardt s.  11  schlieszt  daraus,  dasz  die  flötenbegleitung,  die  wahr- 
scheinlich nur  beim  sprung  stattfand  (s.  unten  s.  792),  auch  auf  den 
diskos-  und  den  speerwurf  ausgedehnt  worden  sei  (vgl.  Fedde  pr.  s.  12. 
Haggenmüller  s.  15  f.).  auf  einigen  bildern  sieht  man  athleten,  die  zu- 
föllig  drei  wurfstangen  tragen.  Fedde  s.  107  und  Faber  s.  478  folgern 
daraus ,  dasz  jeder  fünfkämpfer  den  speer  dreimal  hinter  einander 
geschleudert  habe,  zufällig  sind  auf  manchen  vasen  Wettkämpfer 
zu  dreien  beisammen.  Fedde  pr.  s.  36  erblickt  darin  eine  stütze  für 
die  annähme,  dasz  alle  fünfkämpfer  in  triaden,  dh.  abteilnngen  von  je 
dreien  geschieden  wären,   diese  Vermutung  bekämpft  auch  Haggen- 

^  Blümner  in  Baumeisters  denkm.  d.  class.  alt.  I  614.    Fedde  über 
den   fünf  kämpf  der  Hellenen   (1889)  s.  104  (von  mir  'Fedde'  citiert). 

^  Schreiber  in  Seemanns  cultnrhist.  bilderatlas  I  tf.  XXI  8.    Klein 
in  arch.  ztg.  XXXVI  (1878)  tf.  XI.    Blümner  ao.  fig.  672. 

50* 


788 


FMie :  sum  fdnfkampf  der  Griechen. 


müller  s*  33  mit  recht*    im  übrigen  kann  ich  auch  ihm  nicht  immer 

in  der  erkläning  der  bilder  zustimmen«  auch  er  ist  geneigt  Zufällig- 
keiten in  der  darstellung  für  beabsichtigte  eigen tümlichkeiten  zu 
halten,  in  der  mitte  eines  scbwarzfigurigen  vasenbildes *"  sieht  man, 
wie  ein  nackter  jüngling  von  einem  bekleideten  bärtigen  manne  mit 
ranken  geschmückt  wird,  der  maier  beabsichtigte  wohl  die  krönung 
eines  siegreichen  athleten  durch  einen  kampfrichter  darzustellen/* 
Haggenmüller  scheint  es  ebenso  wie  Finder  und  Fedde  ein  fQnf- 
sieger  2u  sein,  darauf  soll  der  fünffache  zweig  hindeuten,  als  ob  in 
Wirklichkeit  die  fünfdeger  mit  einem  fünffachen  zweige  bekränzt 
worden  wären*  dasz  es  überhaupt  ein  fünffacher  zweig  ist,  soll  auch 
erst  bewiesen  werden,  ferner  glaubt  Haggenmüller  s.  57  eine  an- 
zahl  abbildungen  gefunden  zu  haben,  auf  denen  das  mal  am  anfang 
der  bahn  (lip^xa)  für  die  wurfÜbungen,  den  Sprung  und  den  lauf 
durch  eine  stange  oder  einen  bäum  gekennzeichnet  sei.  es  musz  aber 
jeder  zugeben,  dasz  für  läufer,  Springer,  diskos- und  Speerwerfer 
ein  bäum  oder  eine  aufi  echtstehende  stange  als  mal  so  unpassend 
und  unpraktisch  wie  möglich  ist.  für  alle  diese  Wettkämpfer  wurde 
das  mal  auf  dem  erdboden  hergerichtet  (s.  unten  s.  795).  man  kann 
mit  Sicherheit  behaupten,  dasz  die  bäume  und  stangen  auf  den  von 
Haggen  müller  bezeichneten  ^asenbildern  ohne  jede  beziehung  zu  den 
Wettkämpfern  stehen,  und  dasz  sie  nichts  bestimmtes  andeuten«  son- 
dern nur  den  platz  ausfüllen  sollen,  ein  hervorragendes  beispiel  fUr 
dia  falsche  benutzung  bildlicher  darstellungen  bietet  Faber  s.  481^ 
indem  er  das  von  Krause  tf.  XIV  49  wiedergegebene  bild  bespricht. 
dort  sieht  man  einen  mit  der  Wurfscheibe  zielenden  diskoswerfer; 
neben  ihm  steht  ein  bündel  von  drei  st^mgen.  mit  recht  wird  man 
dieses  bild  immer  heranziehen,  will  man  die  cbarakteri st is eben  motive 
in  der  kSrperhaliung  und  action  der  diskoswerfer  veranschaulichen. 
aber  zur  bestimmung  der  reihenfolge  einzelner  kampfarten  im  pent- 
atblon  kann  es  nie  verwendet  werden.  Faber  freilich  führt  es  xu 
gunsten  der  reibcnfolge  diskos,  speerwurf  an  und  sagt:  'die  drei- 
zahl und  der  umstand,  dasz  die  Speere  (?)  zusammengebunden  sind, 
offenbar,  um  nur  von  Einern  Wettkämpfer  verwendet  zu  werden  (l), 
deuten  an,  dasz  es  sich  um  eine  darstellung  aus  der  agonistik,  nicht 
aus  der  gymnastik  handelt/  auch  Gardner  (Journal  of  Hell,  studies 
I  214)  erschien  das  bild  einer  panathenäiscben  amphora  im  briti- 
schen museum  für  die  anordnung  der  kämpfe  im  pentatblon  be- 
achtenswert im  hinblick  auf  dieses  gelUsz,  wo  von  links  nach  rechtä 
ein  Springer,  ein  speerweifer  und  ein  diskoswerfer  abgebildet  sind« 
war  er  geneigt  den  speerwurf  vor  den  diskoswnrf  «u  eetses.    mit 


^  Stackeiberg  grabe r  d«r  Hellenen  tf.  Xtl.    Gerhard  io  arcb^  il|f. 
1&53  tf.  LI.     HaggenmSller  abb.  IJL  *'   von   der   mtUtlgruppe   ttit* 

fernen   «ich   zwei  nackte,  gerHiacbaftcn  trag^ende  jrmfrlin^e,  mtki  jeder 
leite  feiner,    daai;  dies  nDglUckliche  mitkümpfer  den  ftiegem  «ei«ii  (Pin4er  ^ 
i.  40.  Fedde  pr.  b.  .H7)»  liszt  nor  eine  rege  ph^ntMie  vermuten.    Il^ggen^ 
müller  bült  nie  fclr  dltner  {?], 


FMie :  zam  f&nfkampf  der  Griechen.  789 

recht  bemerkte  schon  Holwerda  (arch.  ztg.  XXXIX  8.  212  tf.  IX  1), 
dasz  das  bild  in  dieser  hinsieht  nichts  beweise,  indem  er  auf  eine 
panathenäische  vase  in  Leiden  aufmerksam  machte,  die  in  demselben 
altertümlichen  stile  wie  die  Londoner  bemalt  ist  und  genau  die  um- 
gekehrte folge :  diskos ,  speerwurf ,  sprung  zeigt,  den  weg  für  die 
anordnung  der  einzelnen  teile  des  fünfkampfs  können  die  bildlichen 
darstellungen  nicht  weisen,  trotzdem  versuchte  Henrich  s.  24  ff. 
von  neuem  in  dem  capitel  über  die  reibenfolge  der  fünf  wettkämpfe 
die  vasenbilder  zu  verwerten,  freilich  das  ganze  resultat  seiner  Unter- 
suchung ist,  dasz  die  armübungen  auf  den  bildem,  wo  sie  zusammen 
vorkommen,  neben  einander  stehen,  bald  als  speer^  diskos^  bald  als 
diskos,  Speer,    auch  das  ist  nur  ein  spiel  des  zufalls. 

Die  angeführten  versuche  aus  den  bildlichen  darstellungen 
Schlüsse  auf  die  beschaffenheit  und  die  einrichtungen  der  wett- 
kämpfe zu  ziehen  sind  somit  als  verfehlt  zu  bezeichnen,  das  ist 
auch  nicht  anders  möglich,  da  man  meist  mit  falschen  Voraus- 
setzungen an  die  erklärung  der  vasenbilder  herantritt,  so  macht 
man  bisher  einen  strengen  unterschied  zwischen  agonistischen  und 
gymnastischen  oder  palästrischen  bildern;  die  sog.  agonistischen 
bringen,  wie  es  heiszt,  nur  Vorgänge  bei  den  öffentlichen  wett- 
kämpfen zur  anschauung,  die  gymnastischen  oder  palästrischen 
spiegeln  das  leben  im  gymnasion  und  in  der  palaistra  wieder,  dar- 
stellungen der  letzten  art,  die  sich  als  solche  charakterisieren,  sind 
zahlreich,  die  eindrücke,  die  die  vasenmaler  beim  besuch  der  Übungs- 
plätze empßengen ,  gaben  ihnen  grosze  anregung  und  reichen  stoff 
für  ihre  Schöpfungen,  auszerdem  gibt  es  eine  menge  von  vasen- 
bildern  und  andern  kunstwerken,  die  uns  einfach  Wettkämpfer,  sei 
es  in  ruhe  oder  in  action,  vorführen,  ohne  dasz  der  Schauplatz 
irgendwie  angedeutet  wäre,  derartige  darstellungen  kann  man  mit 
demselben  recht  agonistisch  wie  gymnastisch  nennen,  und  ich  zweifle, 
ob  sich  die  künstler  selber  in  diesen  fällen  die  Wettkämpfer  an  einem 
bestimmten  orte  dargestellt  dachten,  gelegentlich  tritt  uns  auf  vasen- 
bildern  diese  oder  jene  reminiscenz  an  die  öffentlichen  spiele  ent- 
gegen, aber  darstellungen,  die  man  als  ganzes  betrachtet,  ohne  der 
erklärung  im  einzelnen  gewalt  anzuthun,  rein  agonistisch  nennen 
und  die  man  unbedingt  als  getreue  abbildungen  von  Vorgängen  bei 
den  agonen  betrachten  müste,  sucht  man  vergebens,  die  vasenmaler 
pflegten  sich  ja  bei  der  composition  ihrer  bilder  im  allgemeinen 
keinen  zwang  aufzulegen  und  lieszen  ihrer  phantasie  gern  die  zügel 
schieszen.  es  lag  ihnen  daher  auch  fern  illustrationen  zu  scenen  aus 
den  öffentlichen  wettkämpfen  zu  liefern,  selbst  die  darstellungen 
auf  den  sog.  panatbenäischen  preisamphoren  sind  nicht  durchaus 
agonistisch  und  stehen  nicht  in  engster  beziehung  zu  den  panathe- 
näischen  wettkämpfen,  wie  man  bisher  annimt.  die  gymnastischen 
scenen  auf  diesen  gefäszen  sind  nicht  anders  zu  beurteilen  als  die 
auf  andern  vasen.  dies  näher  zu  begründen  würde  hier  zu  weit 
führen. 


790 


FMie :  zum  fdnfkmnpf  der  6rieclie&. 


IL  Die  reihenfolge  der  fünf  kämpfe  im  pentatfalos. 

Da  das  pentathlon  nicht  eine  zufällige,  lose  Verbindung  von 
fünf  verschiedenen  kampfartea  war,  sondern  ein  geschlossene«^  har- 
monissobes  ganzes  bildete,  so  musz  man  auch  annehmen,  dasz  die 
fünf  teile  in  einer  feststehenden  reihenfolge  durchgekämpft  wurden, 
was  für  hilfamittel  gibt  es,  um  diese  reibenfolge  zu  bestimmen? 

Die  stellen ,  an  denen  die  bestandteile  des  fünfkampfa  aufgeführt 
werden  (s.  oben  anm.  1),  zeigen  eine  bunte  abwecbstung  in  der 
reibenfolge;  nur  drei  gewöbrsmttnner,  Eustatbios,  derPindaros-  and 
der  Sopbokles-scholiast,  stimmen  in  der  anordnung  der  teile  Obereln. 
Pinder  bezeichnete  alle  diese  stellen  als  wertlos  für  die  bestimmung 
der  reihenfolge,  seine  nacb folger  dagegen  suchen  nach  grUnden,  nm 
die  auf/,äblung|  die  ihnen  von  vorn  herein  richtig  zu  sein  scheint, 
bald  diese,  bald  jene,  zu  ehren  zu  bringen,  so  tritt  zb*  Fedde  für  die 
reihenfolge  bei  Äricmidoros,  Faber  für  die  bei  Simonides  ein,  Gardne 
stutzt  sich  bei  der  anordnung  der  fünf  kämpfe ,  wie  schon  vor  ibi 
Philipp,  wenigstens  auf  das  dreifache  tlberein^timmende  zeugnis  de 
Eustathios  und  der  beiden  f^choliasten.  man  muäz  aber  doch  von 
vorn  herein  zugeben,  dasz  ein  dichter,  der  die  fünf  teile  dea  fünf- 
kampfü  in  einen  vers  brachte,  sich  nicht  an  die  wirkliche  reihen* 
folge  zu  binden  brauchte,  und  da&z  auch  ein  prosaiker  bei  der  auf- 
zählung  der  fünf  teile  von  der  wirklichen  reihenfolge  abweichen 
konnte,  mochte  er  sich  dabei  von  diesem  oder  jenem  gesichtspunkte 
leiten  lassen»  nur  dann  würde  eine  der  vorliegenden  stellen  für  die 
be&limmung  der  reihenfolge  bedeutung  haben,  wenn  der  aufzttblung 
die  Versicherung  hinzugefügt  wäre,  dasz  die  fünf  teile  auch  wirklidi 
in  der  reibenfolge  angegeben  seien,  in  der  sie  ausgeführt  wurden* 
das  geschieht  nirgends,  wenn  Eustathios  von  den  Verfassern  d^ 
von  ihm  mitgeteilten  merkverses  sagt,  sie  hätten  die  Verhältnis 
der  heiligen  agone  untersucht^*,  so  genügt  das  nicht  um  uns  glauben 
zu  machen,  dasz  der  merkvers  auch  wirklich  die  richtige  reihenfolga 
enthalte,  auch  auf  die  Übereinstimmung  des  Eustathios  und  der  bei* 
den  scboliaaten  ist  kein  gewicht  zu  legen,  schon  Finder  s.  48  U 
machte  es  glaublich,  dasz  diese  Übereinstimmung  auf  einer  ge- 
meinsamen quelle  beruhe,  dasz  die  reihenfolge  der  kümpfe,  die  die 
drei  ßchriflstelier  angeben,  wahrscheinlich  nicht  richtig  ist,  werden 
wir  unten  sehen,  unter  diesen  umständen  verehrt  man  nur  daail 
richtig,  wenn  man  bei  der  bestimmung  der  reibenfolge  alle  teng» 
nisse,  die  prosaischen  wie  die  poetischen,  bei  seite  läszt  und  nach  an* 
dem  hllfsmitteln  sucht. " 

*•  Eöst.  2u  IL  V  621   ol  fi^vTOi  Td  nepl  UpdJv  dTJ»vu*v  linCK€«t^ 

Hcvoi  oOrmc  ^^lu^rpiuc  touc  deXooc  MfTpoOciv 

äk}ia  iTo6d>v  b(cKou  t€  ßoX^  nal  dKOVTOc  ipuji) 
Kai  ftp^MOC  f[hk  wdXf),  ^{a  b'  InXeto  ndcx  tiXcuti^, 

Kai  toOt6  ^cn,  cfHicI,  w^vTaeXov,    ^tcpoi  bi  oötu)c  *  äk)M  ndX?)  6icK€UMa 

IC0Vt6v  KOl  hpö|ioC.         '^  Fnber  niHcht  gniix  verzweifelte  anatrengung«!! 

die  reihenfolge  im  epigminm  des  SimoDides  aU  richtig  zu  erweiaeo,    e« 


FMie:  zum  fänfkampf  der  Griechen.  791 

Die  Stellung  des  ringkampfs  im  pentatblon  läszt  Xenophon 
Hell.  VII  4,  29  erkennen,  dort  heiszt  es:  ol  bt'ApKdbec  ^Keivouc 
(die  Eleier)  jutv  ouK  fiv  ttotc  iJjovto  dXöeiv  diri  cq)ac,  aÖTol  bi  cuv 
TTicdiaic  bieiiOecav  -rfjv  TTavntupiv.  xai  ifjv  jufcv  liTTrobpo^iav  fiht\ 
dTT€TTOir|Kecav  Ktti  Td  bpojLiiKd  ToO  TrevidBXou.  ol  b'  elc  iidXiiv 
dcpiKÖ^evoi  ouK^Ti  iv  Tip  bpö^qj,  dXXd  jueiaHu  toO  bpÖMou  Kai  toO 
ßujjLioO  dTtdXaiov.  ol  Tdp  *HXeToi  cuv  toic  öttXoic  Trapfjcav  ffix]  elc 
TÖ  T^pevoc.  ol  bk  *ApKdbec  itoppujT^puj  ^^v  oök  dirrivTTicav ,  im 
hk  ToO  KXabdou  TTOTafioC  TraperdEavTO.  dem  ringkampif  giengen 
also  Td  bpofXiKd  im  pentatblon  voran.  G Hermann  meinte ,  Td  bpo- 
jLiiKd  Toö  TTevidBXou  wäre  so  viel  wie  6  tüjv  TrevTdOXujv  bpö^oc. 
aber  diese  erklärung  ist  scbon  aus  spracblicben  gründen  unzulässig 
(Fedde  s.  79).  ganz  ricbtig  bezeichnete  Finder  Td  bp0|LiiKd  als  die 
dromosübungen,  db.  als  die  Übungen,  die  man  im  dromos  oder  stadion 
vorzunehmen  pflegte,  das  waren  im  fUnfkampf  alle  Übungen  auszer 
dem  ringen:  lauf,  sprung,  diskos  und  speerwurf.  die  eigentliche 
statte  des  ringkampfs  war,  wie  schon  der  name  sagt,  die  palaistra. 
als  ol.  104  bei  der  feier  der  Olympien  die  Arkader  die  vier  dromos- 
übungen  des  fünfkampfs  abgehalten  hatten,  flüchteten  sie^  durch 
einen  ein  fall  der  Eleier  ins  heilige  festgebiet  erschreckt,  auf  den 
platz  zwischen  stadion  und  Zeusaltar,  um  dort  den  letzten  teil  des 
pentatblon,  den  ringkampf,  vorzunehmen.**  der  ringkampf  war  also 
der  letzte  in  der  reibe  der  fünf  kämpfe,  und  diese  stelle  gebührte 
ihm  auch :  denn  er  war  der  schwierigste  unter  allen,  und  bei  der  feat- 
stellung  des  gesamtsieges  gab  der  sieg  im  ringen  eventuell  den  aus- 
schlag  (s.  unten  s.  808).  von  den  dromos-übungen  gieng  der  speerwurf 
dem  ringkampf  wabrscbeinlich  unmittelbar  voran ;  wenigstens  scheint 


meint  sogar  s.  485,  der  dichter  würde  ein  hanpterfordernis  aller  poesie, 
die  Rinnliche  anRchaulichkeit,  verletzt  haben,  wenn  er  in  seinem  distichon 
nicht  die  wirkliche  reibenfolgre  der  fünf  kämpfe  beobachtet  hätte  (1). 
Feddes  versuch  aus  der  Wortstellung  bei  Paus.  III  11,  6  ical  T^P'^P^I^qi 
T€  ^KpdT€i  Kol  TTr)bf)|jiaTi  'IcpiiivuMGV  "Avbpiov  und  bei  Philoatratos 
gymn.  s.  263  K.  TcXapdjv  p^v  KpdxiCTa  ^öicKCue,  AufKcdc  bi  /|KÖvti£€, 
^Tpexov  bi  Koi  ^irnbuiv  ol  ^k  Bop^ou  auf  die  folge:  lauf,  sprang  zu 
Hchlieszen  weist  Faber  s.  484  zwar  zurück;  aber  er  selber  soheat  sich 
nicht  8.481  im  distichon  auf  Phayllos: 

ir^vT*  ktiX  ircvTriKOvra  tiöbac  ir/jbTjce  OduXXoc, 

blCK€UC€V  b*  ^KQTÖV   IT^VT*  dTroXclIlO^^VUJV 

angedeutet  zu  sehen,  dasz  der  sprang  vor  dem  diskoswurf  ausgeführt 
wurde,  ebenso  wenig  ist  er  berechtigt  Pind.  Isthm.  2,  36  fiaKpd  btCKif^ 
caic  dKOvrCccaifii  als  stütze  für  die  folge:  diskos,  speerwurf  zw  ver- 
werten,    über  diese  stelle  vgl.  unten  s.  814. 

^*  man  darf  nicht  mit  Pinder  annehmen,  dasz  iu  friedenazeiten  bei 
jeder  Olympienfeier  der  Schauplatz  während  des  fünfkampfs  gewechselt 
wäre,  dieser  Wechsel  fand  nur  ol.  104  wegen  der  voa  den  Eleiem 
drohenden  gefahr  statt  (ol  jap  *HXe1oi  cOv  Totc  öirXoic  icapflcav  f|&Y| 
elc  t6  t^m^voc):  s.  Holwerda  s.  213  anm.  6.  Faber  s.  495  f.  für  ge- 
wöhnlich wurde  der  fünfkampf  in  allen  seinen  teilen  im  stadion  zu. 
Olympia  ausgeführt,  dromos-übungen  konnten  die  vier  ersten  teile  des 
pentatblon  im  gegensatz  zum  ringkampf  darum  doch  genannt  werden. 


792 


FMie:  £um  Mnfkampf  der  Griechen. 


dies  aus  Find,  Nem.  7,  70  ff.  her  vorzugeben."  speerwurf  und  ring- 
kämpf  bildeten  also  den  echlusz  des  pentatblon.  vergleicht  man  mit 
diesem  nunmehr  gewonnenen  resultat  die  oben  citierten  zeugniss©, 
in  denen  die  einzelnen  teile  des  fünf  kam  pfs  aufgeführt  werden,  so 
sieht  mani  dasz  nur  drei  gewährsmänner  dem  speerwurf  und  dem 
ringkampf  den  richtigen  platz  anweisen:  Simonides,  Artemidoros 
und  Paulus  Festi,  eine  bestätigung  f(lr  die  gefundene  reihenfolge 
erblicke  ich  in  diesem  dreifachen  zeugnis  natürlich  nicht. 

Für  den  ersten  platz  im  fünfkampf  kommen  wetllauf  und  sprang 
in  frage,  zwischen  beiden  die  wähl  zu  treffen  ist  schwer.  Pausanias 
(VI  14,  10)  und  Plutarch  (de  mus.  26)  berichten,  dasz  beim  fünf- 
kampf flute  gespielt  wurde,  wahrscheinlich  geschah  dies  aber  nicht 
während  des  ganzen  Verlaufs  des  kampfspiels,  sondern  nur  während 
der  ausführung  des  Sprunges  (Paus.  V  7,  10.  17,  10.  Philostr.  II 
201  K.).  vielleicht  sollte  die  flötenniusik  nicht  blosz  die  aihleten 
beim  spränge  anspornen,  sondern  auch  das  ganze  kampfspiel  in 
würdiger  weise  einleiten,  es  ist  daher  möglich,  dasz  der  sprung  die 
reihe  der  fünf  kömpfe  eröffnete  (s.  Pinder  8.  97  f.).  mit  demselben 
rechte  kann  man  aber  auch  den  wettlauf  an  den  anfang  dos  pent- 
athlon  setzen,  er  war  die  leichteste  unter  sämtlichen  gjmniscben 
Übungen  und  stand  als  selbständiges  kampfspiel  in  den  Olympien 
und  vielen  andern  agonen  (m.  quaest.  agon.  s.  36)  an  der  spitze  des 
ganzen  gymnischen  programms.  vielleicht  nahm  der  lauf  auch  im 
fünfkampf  die  erste  stelle  ein. 

Dasz  die  bildlichen  darstellungen  keine  Schlüsse  auf  die  reiben- 
folge  der  kampfarten  gestatten ,  bemerkte  ich  oben,  mit  den  'prak* 
tischen'  gründen,  die  jeder  neuere  bearbeiter  der  ftlnfkampffrage  für 
die  von  ihm  verteidigte  reihenfolge  ins  treffen  zu  führen  pflegt,  hat 
ea  eine  eigne  bewandlnis.  Fedde  s.  83  spricht  die  Überzeugung  aus, 
dasz  vom  praktischen  Standpunkte  nur  seine  anordnung:  lauf,  di»kas, 
Sprung,  Speer«  ringen  allen  anforderungen  genüge.  Faber  s.  4d6 
dagegen  preist  mit  beredten  worten  'die  turnerische  brauchbarkeit* 
der  reihenfolge  des  Simon ides  (vgl  Marquardt  s.  14).  man  kann 
getrost  behaupten,  dasz  sich  irgendwelche  praktische  gründe  für 
jede  reihenfolge  geltend  machen  lassen. 

Haggenroüllers  anordnung  ist:  lauf,  Speer,  sprung,  diskos,  ring- 
kampf; Henrichs:  lauf,  sprung,  Speer,  diskos,  ringkampf.  Henrich 
gelaugt  zu  dieser  aufstellung,  indem  er  angeblich  ^die  forderungeo 
der  Physiologie*  befriedigt.  Haggenmülter  geht  von  der  ansiebt  aas. 
dasz  ein  bisher  zu  wenig  beachteter  punkt  gerade  hier  am  schwer* 
sten  ins  gewicht  falle,  *'die  mecbanik  des  menschlichen  körpcr»*, 
beide  wollen  dasselbe,  sie  streben  nach  einer  anordnung,  in  der  #in 
stufenmäsziger  Übergang  vom  leichtern  zum  schwerern  stattBnd«!, 
aber  sie  kommen  nicht  zu  demselben  resultat  Henrich  meint,  laaf 
und  Sprung  hätten  von  den  frühesten  Zeiten  an  gaiis  natnrgenUUt 


i»  über  diese  itelle  vgl.  outen  9.  811  ff. 


FMie:  zum  ffinfkampf  der  Griechen.  793 

ein  zusammengehöriges  ganzes  gebildet,  und  auch  in  der  Zusammen- 
setzung des  fünfkampfs  wäre  diese  natürliche  Zusammengehörigkeit 
nicht  gestört  worden;  er  hält  auszerdem  den  speerwurf  für  schwerer 
als  den  sprung.  Haggenmüller  erklärt  unbedingt  den  speerwurf  für 
leichter,  man  sieht ,  wie  miszlich  es  ist,  in  dieser  frage  an  'die  ge- 
setze  der  physiologie'  zu  appellieren. 

Es  bleibt  also  dabei :  der  ringkampf  bildete  sicher  den  schlusz^ 
der  Sprung  oder  der  wettlauf  den  anfang.  der  speerwurf  gieng  wahr- 
scheinlich dem  ringkampf  unmittelbar  voraus,  mit  den  vorhandenen 
hilfsmitteln  läszt  sich  die  reihenfolge  der  fünf  kämpfe  im  pentathlon 
kaum  genauer  ergründen. 

III.  Über  einzelne  teile  des  fünfkampfs. 

Will  man  den  verlauf  des  wettkampfs  in  den  einzelnen  teilen 
des  pentathlon  ermitteln,  so  darf  man  die  für  andere  wettkämpfe 
überlieferten  einrichtungen  nicht  auszer  acht  lassen,  die  bestim- 
mungen,  die  für  ringkampf  und  wettkampf  als  einzelne  kampfspiele 
bestanden ,  galten  natürlich  auch  für  beide  als  teile  des  pentathlon. 
über  die  art  und  weise,  wie  der  wettlauf  ausgeführt  wurde,  be- 
richtet Pausanias  VI  13,  4:  TToXittic  jifev  bi\  dm  ific  beut^pac  *  ♦  * 
Kttl  T^ccapac,  ibc  ?KacTOi  cuviaxOdiciv  uttö  toO  KXrjpou,  kqi  ouk 
dGpöouc  dqpiäciv  de  töv  bpöfiov  o*i  b'  fiv  dv  dKdcnj  idEei  Kpairi- 
cuiciv,  unfep  auTOiv  auöic  0douci  idiv  ööXuiV.  die  läufer  wurden 
also  in  kleine  gruppen  eingeteilt,  erst  liefen  die  einzelnen  gruppen 
nach  einander  um  die  wette,  dann  die  abteilungssieger ,  bis  aus 
diesen  schlieszlich  6iner  als  gesamtsieger  hervorgieng.  dasz  wirk- 
lich immer  nur  vier  läufer  zu  einer  gruppe  zusammengestellt  wur- 
den, ist  unwahrscheinlich,  in  der  angeführten  Pausaniasstelle  ist 
vor  Kai  eine  lücke,  und  es  ist  immerhin  möglich,  dasz  auszer  anderm 
auch  noch  Tp€ic  f|  oder  irevie  f|  odgl.  ausgefallen  ist.  überdies  aber 
konnten  gar  nicht  alle  abteilungen  vier  umfassen ,  sobald  die  zahl 
der  Wettkämpfer  ungerade  war.  ein  sicheres  zeugnis  für  die  quaterne 
im  wettlauf  scheinen  AMommsen  heortologie  s.  147  f.  die  panathe- 
näischen  amphoren  zu  geben,  die  mit  verliebe  vier  wettläufer  zeigen, 
in  dieser  hinsieht  beweisen  die  bilder  nichts,  es  gibt  auch  gefösze 
mit  zwei ,  drei  und  fünf  läufern. 

Quer  vor  den  schranken  der  wettläufer  war  in  der  regel  ein  seil 
(uC7TXr]irE)  gezogen,  das  niedergelassen  wurde,  sobald  sie  auslaufen 
sollten,  eine  linie  (xpajLijLiii)  bezeichnete  die  stelle  auf  der  sie  an- 
traten,  und  auch   das  ende  der  bahn.*'    in  Olympia  sind  uns  die 


^6  vgl.  Find.  Pyth.  9, 118.  ßchol.  Find.  Fytb.  9,  208.  Aristoph.  Ach.  483 
u.  East.  zu  II.  I  8.  772,  9.  Saidas  u.  ßaAß{c.  Etym.  M.  u.  ßaXßic.  Bekker 
anecd.  gr.  s.  220.  Follux  III  147.  Harpokration  u.  ßaXßic.  Arist.  Ri.  1169 
u.  Eust.  zu  Od.  a  8.  1404,  55.  Lukianos  calumn.  12,  Tim.  20.  vgl.  Krause 
8.  140  f.  Kietz  agonist.  Studien  I:  der  diskoswurf  bei  d.  Griecheu  n.  seine 
künstler.  motive  (1892)  s.  25  entnimt  aus  Eustathios  index  n.  ßaXßic,  die 
schranken  der  wettläufer  hätten  in  einem  niedrigen  erdwalle  bestanden. 


794 


FMie:  zum  föof kämpf  der  Griechen* 


schrankeE  für  den  wettlauf  noch  erhalien.  ziel  und  abl&af  haben 
gleiche  beE^cbaffenheit  und  bestehen  aus  je  einer  0,48  m  breiten 
steinschwelle,  jede  schwelle  wird  durch  quadratische  löcher,  die 
zur  aufnähme  von  hölzernen  pfoaten  bestimmt  sind,  in  zwanzig  ab- 
teilangen oder  stände  für  die  läufer  zerlegt  und  ist  mit  je  zwei  drei- 
eckigen von  pfostenloch  zu  pfostenloch  laufenden  rillen  versehen, 
diese  rillen  sollten  wahrscheinlich  den  wettkimpfern  einen  festen 
halt  für  den  ablau f  geben. " 

An  den  meisten  stellen ,  wo  die  Zusammensetzung  dea  fünf- 
kampfs  erwähnt  wird ,  steht  für  den  wettlauf  das  allgemeine  wort 
t>pö|iOC,  das  jede  art  des  Wettrennens  bezeichnen  kann,  nur  im  spott* 
gedieht  des  Lukillios  (AP.  XI  84)  heiszt  es  von  einem  fünfkämpfer: 
Ibpapc  TÖ  Cidbiov,  und  Simomides  epigr.  155  gebraucht  notiuKcif). 
da  uns  ajich  sonst  keine  nachricht  Über  die  beschaffenheit  des  weit- 
laufä  im  fdtifkampf  zu  teil  wird,  so  kann  man  nicht  entscheiden,  ob 
es  das  einfache  cxdbiov  oder  der  biauXoc  warj  der  böXixoc  kommt 
nicht  in  betracht.    man  neigt  zur  annähme  des  einfachen  laufs. 

Beim  sprang  benatzten  die  fünfkämpfer  hanteln  (äXifipec) 
und  Sprungbrett  (ßatrip).  einer  sprang  nach  dem  andern,  wo  sie 
niedersprangen,  war  das  erdreich  aufgelockert  (^CKa^^eva,  CKd^ia), 
und  wo  die  hintere  ferse  des  Wettkämpfers  im  niedersprung  zuerst 
den  boden  berührte,  wurde  eine  furche  gezogen  (Find.  Nem.  5^  20. 
Q.  Smym.  IV  464).  dann  wurde  die  weite  des  Sprungs  gemessen 
(Philostn  II  291  K*  Pollux  HI  151)*  das  sprungbrett  war  50  fim 
vom  ende  des  CKdjj^a  entfernt»  der  Lakoner  Chionis  sprang  aber 
noch  zwei,  der  Krotoniate  Phajlloa  sogar  noch  fünf  fusz  darüber 
hinaus,  schon  die  grdsze  dieser  entfernung  macht  es  unglaublich, 
daaz  der  sprang  der  fünfkämpfer  ein  gewöhnlicher  einfacher  schlusz- 
sprang  gewesen  sei*  wahrscheinlich  musten  sie  den  sog.  dreisprung 
ausführen,  der  aus  zwei  sprungsch ritten  und  einem  schluszsprung  be- 
steht»*'^ Feddes  Vermutung,  dasz  die  im  nördlichen  teile  des  übungs* 
hofes  der  olympischen  palaistra  aufgedeckte  thonfiiesenlage  als  doppel- 
gleisige Fpringbahn  gedient,  und  dasz  sich  für  die  wetlkämpfe  selbst 
eine  ähnliche  springbahn  im  stadion  hefojiden  habe,  weist  F&ber 
ß.  479  mit  guten  gründen  zurück. 

Auch  für  den  diskoswurf  wurde  eine  bestimmte  strecke  ab- 
gesteckt,    die  in  Olympia  anscheinend  hundert   fu:»z   lang   war. '^ 


der  entweder  beim  ablnuf  überBpmngeQ  worden  wäre  oder  iilt  BchweUe 
und  trittbrett  gedient  hätte,  dai»  steht  weder  im  index  noch  hei  Etista- 
tfaios  selber,  ßaAßk  iat  ein  allgemeiner  nuedmck  für  da«  mal  der  wetl- 
kilmpfer  und  heieichnet  ebenso  gat  den  strich  der  läofer  i»ie  den  erd- 
ftufwurff  von  dem  ans  die  dtskoswerfer  die  Wurfscheibe  schlenderton. 

1^  das  n^are  s.  in  den  ausgrabun^ren  V  37  und  bei  Flaeeli  in  Bau* 
meisters  denkm.  I  I  tOi  F  0.  *"  s.  Fedde  s.  8  ff.  S2  ff.  **  Phildetr. 
her.  145  K.  dvaKpouci  ^^v  t^p  6ir^p  Tdc  v€i|»^^qc  t6v  hlcxov,  ^{nrct  t4 
()nip  To6c  ixaröy  iri^x^^  ^^^  TOOB\  thc  4^p4c,  bmXikinv  toO  *DJloftin«o0 
6vTa.  die  eile  mnss  sn  swei  fusi  gereoboel  werden*  vgl.  Hullioli 
metrologte*  s.  617  t 


FMie:  zum  fünfkampf  der  Griechen.  795 

natürlich  warfen  die  fünfkämpfer  den  diskos  wie  den  speer  nur  Ein- 
mal. Feddes  annähme  von  dreimaligem  speerwarf  ist  schon  oben 
zurückgewiesen  worden ;  eine  bestätigung,  wie  Faber  s.  478  meint, 
erfährt  sie  durch  die  inschrift  von  Zea'°  nimmermehr.  Faber  gebt 
also  von  einer  falschen  prämisse  aus,  wenn  er  sagt,  die  ^gymnastische 
gerechtigkeit'  erfordere  auch  die  annähme  eines  dreifachen  diskos- 
wurfs.  eine  stütze  dafür  glaubt  er  in  der  bekannten  Pausaniass teile, 
die  von  den  drei  Wurfscheiben  handelt,  gefunden  zu  haben.  Paus. 
VI  19,  4  berichtet  vom  schatzhause  der  Sikjonier:  dv  toütiu  tijj 
Gncaupi^  biCKOi  TÖv  dpiG^öv  dvdKCiviai  xpeTc  öcouc  de  toö  ttcvt- 
dOXou  TÖ  dYtuvicjLia  dcKOjLii2^ouciv.  überliefert  ist  ic  öcouc.  schrieb 
Pausanias  öcouc  de,  so  wollte  er  sagen :  'im  schatzhanse  der  Sikyonier 
sind  drei  Wurfscheiben  aufgestellt  von  der  grö>ze,  wie  man  sie  beim 
fünfkampf  gebraucht.'  es  gab  ja  Wurfscheiben  von  verschiedener 
grösze.  durch  'wie  viele'  kann  man  öcouc  hier  nicht  übersetzen: 
dann  enthielte  der  relativsatz  eine  nebensächliche  bemerkung,  die 
der  Schriftsteller  nicht  machen  wollte,  andere  vermuten ,  Pausanias 
habe  oOc  de  geschrieben ,  was  der  stelle  wieder  einen  andern  sinn 
gibt,  dann  hätten  die  Eleier  die  im  schatzhause  der  Sikjonier  auf- 
bewahrten drei  disken  zum  gebrauch  beim  fünfkampf  verwendet. 
Pinder  machte  die  stelle  in  dieser  fassung  zu  einem  grundstein  seines 
Systems,  indem  er  annahm  dasz,  wenn  beim  fünfkampf  nur  drei 
Wurfscheiben  gebraucht  wurden,  zum  diskoswurf  auch  nur  drei  Wett- 
kämpfer hätten  zugelassen  werden  können,  aber  erstens  ist  es  metho- 
disch falsch,  einer  corrupten  stelle,  die  nicht  sicher  emendiert  werden 
kann ,  eine  grundlegende  bedeutung  zu  geben,  zweitens  ist  Finders 
schlusz  auch  durchaus  nicht  zwingend,  wurden  wirklich  nur  drei 
disken  beim  pentathlon  gebraucht,  so  genügte  diese  zahl  vollkommen, 
mochten  Wettkämpfer  da  sein,  so  viele  wollten.*'  denn  sie  warfen 
die  Scheiben  nach  einander,  jeder  Einmal,  indem  sie  auf  die  ßaXßic 
traten ,  einen  kleinen  erdaufwurf  in  der  form  unseres  Sprungbrettes 
(vgl.  Kietz  agon.  Studien  I  22  ff.),  die  stelle,  wo  die  scheibe  zuerst 
den  boden  traf,  wurde  durch  ein  cf^jiia  bezeichnet*',  die  scheibe  selber 
wurde  an  die  abwurfsstelle  zurückgebracht. 


*•  CIG  2360  ToEÖTi]  dvbpl  TÖEov  (pap^Tpav  ToHcu^ärunf,  &€UT€p€tov 
TÖEov  dKCVTiCT^  dvbpl  XÖTXOC  Tpelc.  in  Zea  erhält  der  sieger  im  apeer- 
vvarf  drei  lanzen  als  preis,  daraus  darf  man  doch  nicht  schlieszen,  dass 
die  Wettkämpfer  in  Zea,  geschweige  denn  anderswo,  jeder  den  speer 
dreimal  hinter  einander  werfen  mosten.  '•  vgl.  Hnggenmüller  s.  16  f. 
über  diese  stelle.  >*  Od.  6  192  f.  und  Enst.  dazu.  Statins  TMeb,  VI  703. 
Fedde  s.  44  f.  Od.  6  193  ist  mit  T^pfiaTQ  das  v.  195  von  Athene  er- 
wähnte cf)Ma  (zielmarke)  gemeint,  das  ergibt  sich  aus  dem  Zusammen- 
hang, so  erklärt  schon  Kustathios  die  stelle,  an  dem  plural  ist  kein 
anstosz  zu  nehmen.  Haggenmüller  s.  55  f.  übersetzt  fOr^KC  T^pfiaT*  *A6/)V17: 
'Athene  steckte  die  grenzen  ab:  von  wo  an  bis  wie  weit,  bestimmte  also 
abwurfsort  und  ziel,  das  erreicht  werden  muste.*  wozu  soll  Athene  noch 
einen  abwurfsort  bestimmen,  nachdem  Odysseus  schon  einen  wurf  gethan 
hat?  wer  nach  Odysseus  den  diskos  schleudern  wollte,  muste  es  natür- 
lich von  derselben  stelle  aus  thun  wie  dieser. 


796 


FMie :  zum  ftinfkampf  der  Griechen. 


Die  frage,  ob  der  speerwurf  ein  weit-  oder  ^ielwarf  war,  ist 

viel  besprocben  und  bald  in  diesem»  bald  in  jenem  sinne  beantwortet 
worden.  Holwerda  s.  215  be2weifelte^  dasz  sich  überhaupt  eine  end- 
gültige entscheiduDg  fällen  lasse,  mir  scheint  Faber  s.  270  ff.  im 
groszen  und  ganzen  das  richtige  getroffen  zu  haben,  die  meisten 
der  einschlägigen  stellen  deuten  einen  weitwurf  an.*'  man  mus* 
annehmen,  dasx  auch  für  die  Speerwerfer  eine  wurfstrecke  abgegrentt 
war;  seitliches  abirren  aus  der  bahn  (lim  ajüiVOC  ßdXXciv  Pind. 
Pytb,  1,  44)**  machte  den  wurf  wohl  zum  fehlwurf.  vielleicht  war 
am  ende  der  bahn  irgend  ein  ziel  gesetzt,  das^  den  Speeren  kaum  er- 
reichbar^ die  riehtung  angab,  in  der  sie  geschleadert  werden  musten. 
an  eine  moderne  scheibe  mit  centrum  in  der  mitte  darf  man  natür- 
lich nicht  denken. 

Aber  man  behaupteti  dasz  einige  Pindarstellen  für  den  zielwurf 
im  moderneti  sinne  sprächen.  Pindaros  Ol,  13, 93  ff,  sagt:  ^^e  b*  €U0öv 
dKÖVTUJV  I  i£VTa  ^ö^ßov  napa  cKOnöv  ou  XP^  I  ^d  TToXXd  ßeXca 
Kapiüveiv  xepoiv.  ^gerade  aus  aber  die  sausenden  speere  schleudernd 
darf  ich  nicht  am  ziele  vorbei  die  meisten  geschosse  mit  starkem 
arm  senden*  ruft  der  dichter ,  indem  er  von  einer  mythologischea 
abschweifung  zur  verberlichung  des  siegreichen  Xenophon  und  seine» 
ge&chlechts  zurückkehrt.  ßeXoc  bezeichnet  überhaupt  das  gescboss, 
nicht  blosz  den  Speer,  ebenso  gut  auch  zb.  den  pfeil  (vgl.  Pind.  OL 
2,  83  f.).  Pindaros  vergleicht  also  seine  werte  in  demselben  aatze 
sowohl  mit  Speeren  wie  mit  andern  geschossen,  dasz  er  die  bilder 
häuft,  indem  er  6in  gleichnis  dem  andern  grammatisch  unterordnet, 
geschieht  öfter  (vgl,  zb.  Istbm.  2,  35.  Nem,  7^  70  f.)«  diese  stelle» 
die  übrigens  auch  von  Faber  nicht  richtig  erklärt  wird ,  bringt  also 
den  Speer  überhaupt  nicht  mit  einem  ziel  in  Verbindung  und  ist  da* 
her  ganz  auszuscheiden*  ein  ziel  wird  ferner  erwähnt  Pind.  Nem. 
9»  63  ff,  ZeO  irdiep»  |  eöxo^ai  laüiav  dpcidv  KcXabntai  cuv  Xapt- 
Tccav,  iiTtep  TToXXüüV  re  Ti^aXcpeTv  Xötoic  [  vikov,  dxoviülujv 
CKonoö  dtX^^'^*^  Moicdv.  der  dichter  vergleicht  hier  nicht,  wie 
Faber  meint,  seinen  speerwurf  mit  dem  der  Musen,  er  will  vielmehr 
den  Speer  ganz  nahe  an  das  ihm  von  den  Musen  gesteckte  ziel  werfea, 
dh«  so  schön  dichten ,  wie  die  Musen  gestatten,  natürlich  konnte 
man  auch  in  Wirklichkeit  mit  dem  Speer  nach  einem  ziele  werfen, 
wie  die  krieger  im  felde.  es  folgt  darum  aus  der  Pindarstelle  noch 
nicht,  dasz  die  Speerwerfer  im  wettkampf  einen  sog.  zielwurf  thaten. 
an  einer  dritten  stelle,  OL  lO,  71,  in  der  beschreibung  der  mythi- 
schen von  Herakles  veranstalteten  wettkämpfe  in  Olympia  heistt 
es:  äKOVTi  <t>pdcTujp  b'  fXacc  CKonov.  hier  ist  IXace  ckottöv»  wie 
Faber  richtig  bemerkt,  in  übertragenem  sinne  gebraucht:  es  bildet 
eine  Variation  zu  dpicieucev  v.  64  und  {(p6p€  reXoc  v.  67  und  h^ 


»  11.^637.  04.0  229.  Pind,  Pytb,  1, 45.  lithm.  2, 35.  Lok.  An«ch.  ST?, 
Hör.  ca.  l  8,  12.  Btkker  «necd.  g^r.  «.  67,  i9.  **  dyt^v  b«seioliaet  oft 
den  kampfplats,  beiooders  bei  Homer. 


FMie:  zum  fünfkampf  der  Griechen.  797 

deutet:  *mit  dem  speer  that  Phrastor  den  besten  wurf.'  diese  erklS- 
rung  findet  sich  auch  schon  im  schol.  vet  zu  85  Skcvti  bk  OpdcTUip] 
ÄKCVTiiu  dTUJVicdjLievoc  f  ppiipe  Kaxd  ckottoO.  o\  bk  tö  f[Kac€  ckottöv 
dvTi  Tou  Tf|V  viKTiv  cuxüxTicc  qpttciv.  vgl.  schol.  rec.  zu  76  cidbiov 
jn^v]  6  0pdcTU)p  bk  b\'  dKOVTOC  f Xacev,  firouv  dcpHKCV ,  f TrcjLiipcv 
^ttI  töv  ckottöv,  TouT^CTiv  €uct6xujc  r^KÖVTicev. 

Ob  der  speer  aus  dem  anlauf  oder  aus  dem  stand  geschleudert 
werden  muste,  war  wohl  kaum  bestimmt.'^  sicher  war  den  Speer- 
werfern wie  den  läufem^  Springern  und  diskoswerfem  ein  mal  vor- 
gezeichnet,  das  sie  beim  abwurf  nicht  überschreiten  durften,  jeden- 
falls wurde  auch,  sobald  der  speer  niedergefallen  war,  die  stelle, 
wo  er  zuerst  den  boden  berührt  hatte,  durch  ein  cfi|Lia  bezeichnet, 
und  der  speer  selber  aus  der  bahn  entfernt. 

IV.  Der  sieg  im  fünfkampf. 

Die  frage  nach  der  Zuteilung  des  sieges  im  fünfkampf  erörterten 
schon  Böckh  (Find.  I  542.  abh.  der  phil.-hist.  cl.  der  ak.  d.  wiss. 
Berlin  1822/23  s.  391  ff.  =  kl.  sehr.  V  387  ff.)  und  GHermann 
(opusc.  III  27  ff.),  veranlaszt  durch  die  eiklfirung  von  Find.  Nem. 
7,  70  f.  Böckh  nahm  im  gegensatz  zu  Hermann  an ,  dasz  der  fünf- 
kampf nicht  immer  in  allen  teilen  durchgekämpft,  sondern  eventuell 
abgekürzt  worden  sei,  stimmte  aber  doch  mit  ihm  in  der  ansieht 
übereiu;  dasz  die  niederlage  in  einem  einzelnen  kämpfe  vom  gesamt- 
siege ausgeschlossen  habe.  GFFhilipp  ^de  pentathlo  sive  quinquertio 
commentatio'  (1827)  suchte  aus  der  Überlieferung  nachzuweisen, 
dasz  schon  drei  einzelne  siege  für  den  gesamtsieg  genügt  hätten, 
und  fand  Hermanns  Zustimmung  (opusc.  III  praef.) ;  die  frage  nach 
der  Zuteilung  des  sieges  wirklich  zu  lösen  versuchte  er  nicht,  die 
Untersuchung  über  diesen  punkt  ruhte  lange :  denn  Krause  gymnastik 
und  agonistik  s.  490  ff.  brachte  nur  einige  unbewiesene  Vermutungen 
vor.  lebhaft  wieder  aufgenommen  wurde  sie,  nachdem  man  des 
Philostratos  Y^MVOlCTtKÖc  1844  vollständig  gefunden  und  1858  zu- 
erst herausgegeben  hatte,  den  neuen  btoff,  den  diese  bis  dahin  nur 
aus  fragmenten  bekannte  schrift  in  der  beschreibung  des  mythischen 
von  lason  veranstalteten  fünfkampfs  bot,  verwertete  EPinder  in 
einer  1867  erschienenen  eingehenden  abh.  'über  den  fünfkampf  der 
Hellenen',  ihm  schien  aus  der  bisher  bekannten  Überlieferung  her- 
vorzugehen, dasz  drei  einzelne  siege  für  den  gesamtsieg  erforderlich 
gewesen  seien;  so  erklärte  er  das  wort  rpidZeiv.  indem  er  mit  dieser 

*^  auf  vasenbildern  sieht  man  Speerwerfer  mit  ausgerichtetem  wurf- 
stabe  in  eilip^er  bewegung,  so  arch.  ztg.  1881  tf.  9.  Kraupe  tf.  XVIII«  66**. 
ans  diesen  darHteliungen  glaubt  Faber  s.  478  scblieszen  zu  müssen,  dasz 
unmittelbar  vor  dem  abwurf  das  linke  knie  in  die  höbe  gezogen  und 
das  rechte  bein  auf  die  zehen  gestellt  wurde  {vf^l.  Holwerda  s.  214). 
ein  praktischer  versuch  wird  Faber  überzeugen,  dasz  diese  Stellung  un- 
mittelbar vor  dem  abwurf  unmöglich  ist.  in  ähnlicher  bewegung  wie 
der  Speerwerfer  ist  übrigens  auch  der  Springer  arch.  ^tg.  ao. 


798 


FMie:  zum  fönfkampf  der  Griechen. 


Überlieferung  des  Philostratos  erzftblung  vom  mythischen  fQnfkampt 
in  eioklang  za  bringen  suchte,  entwickelte  er  ein  System  der  zuteiLtuig 
des  Sieges  in  scharfsinniger ,  aber  ebenso  künstlicher  weise,  trott- 
dem  erfreute  sich  die  Pindersche  schrift  lange  des  beifalls  der  ge- 
lehrten, und  erst  in  den  achtziger  jähren  begann  man  an  den  festen 
des  Pinderscben  baus  zu  rütteln  und  ihm  seine  grundsteine  tu  ent- 
ziehen, aber  so  viele  auch  nach  Pinder  und  gegen  ihn  über  den 
fünfkampf  geschrieben  haben,  keiner  hat  etwas  besseres  an  die  stelle 
des  alten  gesetzt,  alle  von  Gardner  bis  auf  Fedde  betrachten  das 
TpiäZetV  der  fünfkämpfer  als  ausgemachte  thatsache,  nur  in  derauf- 
fassung  desselben  weichen  sie  von  einander  ab.  so  verschieden  im 
einzelnen  die  deutungen  dieses  wortes  auch  sind,  bei  allen,  die  bis 
auf  Fedde  die  frage  behandelt  haben ,  hängt  von  der  erklärung  des 
TpidZ€tv  das  System  der  Zuteilung  des  Sieges  ab ,  und  ^ines  ist  allen 
Systemen  gemeinsam:  sie  zeichnen  sich  all©  durch  grosze  kttnat- 
lichkeit  aus. 

Neuerdings  hat  Faber  im  Philologus  L  487  ff*  die  bedingungen 
untersucht,  unter  denen  der  sieg  im  fünf  kämpf  verliehen  wurde,  er 
glaubt  zwei  Überlieferungen  scheiden  zu  müssen,  vor  deren  ver- 
quickung er  warnt  angeblich  waren  nach  der  einen  drei  einzelne 
siege  für  den  gesamtsieg  erforderlich,  nach  der  andern  wurde  deger» 
wer  im  ganzen  am  erfolgreichsten  gekämpft  hatte,  wie  Peleus  jm 
mythischen  fünf  kämpf  (Philostr.  gymn.  s.  262  f.  K.).  beide  Qber- 
Ueferungen  bestehen  nach  Faber  zu  recht:  am  ehrenvollsten  wäre 
der  sieg  in  drei  oder  mehr  stücken  gewesen,  aber  nicht  immer  wire 
ein  solcher  sieg  möglieb  gewesen;  dann  habe»  wer  dem  durchschnitt 
nach  der  beste  von  den  kämpfern  gewesen  sei,  als  sieger  gegolten,  für 
einen  sieger  der  letzten  art  glaubt  Faber  einen  agonistischen  terminos 
entdeckt  zu  haben,  in  der  oben  anm,  4  angeführten  Heidelberger 
excerpten-bs.  steht:  Tr^VT€  irap'  "6XXr|civ  äöXor  TTUTpf|  ndXn  bpöfioc 
dKÖvTiov  Kai  bicKOC.  tö  hi  TraTKpdTiov , ,  viKticr).  ö  T^  ^^v  viKrjcac 
Katd  Touc  TT^vte  dvuütepuj  ^nÖ^VTac  dOXouc  Tr€VTa8Xoc  iKaXetro' 
6  hk  jirj  TOUC  ^v  iKdcrtp  Tr€pißor|Touc  buvriöeic  viKncai  dXXot  Toüc 
bcurepCiiovTac  üuvoMdi^eTO  TTCVTa6Xoc  ^ev,  ünaKpoc  bi:  'wer  In 
den  fünf  oben  genannten  kampfarten  siegte,  wurde  n^VTadXoc  ge* 
nannt;  wer  aber  nicht  die  in  jeglicher  kampfart  berühmten,  sondern 
nur  die  geringem  besiegen  konnte,  wurde  n^VTaOXoc  öiraKpoc  ge- 
nannt' zunächst  ist  gegen  diesen  sog*  terminus  UTraKpoc  einzu- 
wenden, dasz  man  ihn  sonst  nirgends,  wo  man  es  erwartet,  über- 
liefert findet  dann  i&t  aber  auch  die  definition  des  uiraKpoc  an 
der  angeführten  stelle  höchst  unklar;  nebenbei  bemerkt,  werden  ja 
auch  die  bestandteUe  des  fünfkampfs  falsch  angegeben*  was  f^r 
ein  gegensatz  ist  das:  ol  iv  ^KaCTip  Ttcpi^diiTOi  und  ol  bcure- 
peuoVTCC?  athleten  ersten  und  zweiten  ranges?  und  Peleoa  war 
solch  ein  (maKpoc,  der  nur  die  wettkfimpfer  zweiten  grades  über- 
wand? wenn  er  auch  in  vier  kämpfen  unterlag,  im  ringen  warf  er 
doch  die  eisten  in  den  vier  andern  teilen  des  fünfkampfs.    man 


FMie:  zum  ffinfkampf  der  Griechen.  799 

prüfe  also  die  beiden  andern  stellen,  mit  denen,  wie  Faber  sagt,  die 
Heidelberger  hs.  vollständig  übereinstimmt,  bei  Piaton  dpacTai  135  ^ 
sagt  Sokrates:  Kd^u),  fxi  TOtp  auTOu  i^^qpe^vöouv  töv  Xötov  8  ti 
^ßoiiXeTO,  *Ap'  dvvoüü,  fqpnv,  orov  X^t^ic  töv  q)iXöco90v  fivbpa; 
boKcTc  ^dp  )Lioi  X^T€iv  olov  iv  Ti5  ÄTUJvicy  clciv  o\  ircvTaGXoi  Ttpöc 
Touc  bpojLi^ac  f|  TOiic  TraXaicidc.  kqI  yäp  ^k€ivoi  toütiüv  jli^v 
XehrovTai  Kaid  xd  toutujv  dOXa  kqi  beuiepoi  €ici  npöc  toutouc, 
TUüv  V  dXXuiV  dGXriTUüv  TrpüüTOi  kqI  vikiIiciv  auiouc.  idx'  fiv  tcujc 
ToiouTÖv  Ti  X^YOic  KQI  xö  qpiXocoqpciv  d7r€pTd2l€c9ai  toijc  ^tti- 
TTibeuovTac  toOto  tö  dTTiiiibeujLia*  tuüv  jiifev  irpiuTiuv  elc  Euveciv 
Tiepi  xdc  T€xvac  dXXciTrecGai,  id  b€UT€peTa  b'  fxovxac  idiv  öXXuiv 
7T€pieTvai,  KQi  ouTUic  T^TvecGai  nepi  irdvxa  öiraKpöv  xiva  fivbpa 
TÖV  ireqpiXocoqpTiKÖxa*  xoioOtöv  xivd  ^oi  boKcic  dvbeiKVUcOai. 
weil  Tivd  dem  ÖTraKpov  beigefügt  sei,  und  weil  im  folgenden 
(136^  und  136  <^)  uiraKpoc  entweder  für  sich  allein  stehe  oder  dem 
TT€VTa6Xoc  als  snbstantiv  nebengeordnet  sei,  deswegen,  meint  Faber, 
wäre  das  wort  unaxpoc  ein  terminus  für  eine  art  von  fünfkämpfer. 
dasz  es  aber  ein  terminus  für  eine  art  von  sieger  im  fünfkampf  sei, 
beweise  die  antwoi:t,  die  der  gegensprecher  dem  Sokrates  gebe: 
denn  das  darin  vorkommende  dnoXemecOai  sei  der  terminus  für  das 
zurückbleiben  der  weniger  guten  Wettkämpfer  hinter  dem  sieger: 
KaXdic  T^  Moi,  fqpri,  u&  CiuKpaTec,  qpaivei  uiroXaiiißdveiv  xd  irepi  xoO 
qpiXocöqpou,  dneiKdcac  auxöv  xip  Tr€Vxd0Xijj.  ^cxi  ^dp  dxexvujc 
Toicöxcc  oloc  ixx]  bouXeueiv  jniibevi  irpdTMaxi ,  jinib' elc  r^v  dKpi- 
ßeiav  jUTibfev  biaTTeTTCVTiKevai,  ujcxe  bid  xf]v  xoö  dvöc  xoutou  im- 
ILieXeiav  xiliv  fiXXujv  dnavTiüv  dTToXeXcTqpGai,  djcircp  ol  bimioupToC, 
dXXd  TrdvTUJV  juexpiuic  iq>f]q>Ba\.  136®  heiszt  es:  qp^pc  bf\  TViüfiev, 
el  dXnOfi  Xe^eic,  ttoO  kqi  xP^ciMoi  fmiv  elciv  ol  ÖTiaKpoi  oijxoi; 
bflXov  Tdp  öxi  ^KdcTOu  ye  xujv  xdc  x^x^ctc  ^x^ivTiuv  9auX6Tep6c 
^cTiv  ö  91XÖC090C.  'QfioXÖTei.  4)^p€  bi]  cii ,  fjv  b*  ifvj ,  ei  xüxoic 
f|  auTÖc  dc8evr|cac  f\  xäv  9iXuJv  xic  tüüv  ciwv,  irepi  Jiv  cu  cTTOub#|V 
^eTdXnv  ?xcic,  irÖTepov  uTieiav  ßouXö^evoc  icxricacGai  xöv  ÖTiaKpov 
dKeivov  xöv  qpiXöcoqpov  eicaTdTOic  fiv  eic  xf^v  olKiav  f^  xöv  laxpöv 
Xdßoic;  noch  einmal  wird  uiraKpoc  138  <^  gebraucht:  iröxepov  odv 
Kai  TTcpi  xaöxa  X^Tw^Mev,  Icpnv,  ir^vxaGXov  auxöv  beiv  etvai  ical 
uiraKpov  .  .  i\  uöw.  die  von  Faber  angeRlhrten  gründe,  weswegen 
liTiaKpcc  an  diesen  stellen  als  terminus  aufzufassen  sei,  sind  nicht 
stichhaltig,  der  philosoph  wird  mit  dem  fttnfkämpfer  verglichen, 
weil  beider  bildung  vielseitig,  aber  im  einzelnen  mittelmäszig  ist. 
der  fünfkämpfer  bleibt  im  laufen  und  ringen  hinter  den  eigent- 
lichen läufern  und  ringern  zurück:  denn  diese  beschäftigen  sich 
nur  mit  6iner  Übung  und  leisten  infolge  dessen  mehr  darin  als  der 
fünfkämpfer,  der  sich  fünf  kampfarten  einüben  musz."   so  leistet 

<^  vgl.  Photios  cod.  249  s.  440  ßk.  iv  ^KdcTi]  bi  toOtu)v  Xciirexai  xal 
üjCTTCp  ö  TidvTaeXoc  Tidcac  l\[X)y  räc  öuvdjLicic  tOöv  dOXnMdxujv  dv  dxdcTi] 
fJTTiüv  icji  ToO  ^v  TI  dniTnöeucvTcc  oÖTU)  Kai  6  dvOpdJiroc  irdcac  ixwy 


800 


FMie:  £t2tD  fünlkampf  der  Gneoheo. 


auch  der  brj^ioupYÖc,  der  sieb  nur  mit  einem  zweige  der  kunst  oder 
Wissenschaft  beschäftigt,  bierin  mehr  als  der  philosoph^  der  sich 
nicht  mit  seiner  ganzen  kraft  anf  ^in  gebiet  wirft ,  sondern  alle  ge- 
biete der  knn&t  und  wiasenscbaft  zu  umfassen  strebt«  aber  wenn 
der  pbilosopb  auch  wie  der  fUnfkämpfer  auf  dem  einzelnen  gebiete 
nur  den  zweiten  preis  bekommt,  so  ist  er  doch  den  briM^^^^PToi  wie 
der  fQnfkSmpfer  den  andern  athleten  durch  seine  Vielseitigkeit  über- 
legen ,  und  £0  wird  der  pbilosopb  in  allem  so  za  sagen  beinahe  der 
erste  (önaKpoc).  dKpoc  bezeichnet  besonders  seit  Piaton  häufig 
das  ausgezeichnetste f  vortrefflichste  seiner  art.  das  seltene  wort 
ÜTraKpoc  (beinahe  fiKpoc)  erhält  in  rücksiebt  darauf  den  passenden 
zusat2  t\c  'gewlssermaszen*.  es  findet  sich  nur  noch  TT6pt  iji|«ouc  199 
€i  b*  dpt9^d),  f^n  TU»  per^Oei  Kpivouc  lä  Katopecüfiora,  oütuüc  fiv 

KOV  *YTTep€ibT|C  TUJ   TiaVTl   TTpO^XOl  AtiuOCÖ^VOUC*    ?CTl  Tctp  aUTOU 

7roXuq)ujv6Tepoc  Kai  ttUiouc  öpctac  ixiuv  Kai  cxtbov  ürraKpoc  £v 
Träciv  luc  6  Tt^vraOXoc,  &ct€  täv  p€v  7TpiwT€iujv  ^v  äiraci  Turv 
fiXXuJv  dxuiviCTujv  Xei7T€c6ai,  TTpujT€U€iv  bl  Tüjv  ibiuiTiJüv:  ^wenn 
man  aber  nach  der  zahl,  nicht  nach  der  grösze  die  Vorzüge  beurteilte, 
dann  möchte  auch  wohl  Hjpereides  durchaus  Demosthenes  Ober- 
ragen :  denn  er  ist  wortreicher  als  dieser  und  hat  mehr  vortUge 
und  ist  80  zu  sagen  beinahe  der  erste  in  allem  wie  der  fünfkämpfer, 
insofern  er  auf  den  ersten  preis  in  allen  stücken  der  andern  kSmpfer 
verzichtet,  die  ungeübten  aber  übertriflFt/  dann  beschreibt  der  rhetor 
ausführlich  die  Vorzüge  des  Hjpereides  und  kommt  zu  dem  resultate« 
dasz  sie  sehr  zahlreich  seien;  die  Vorzüge  des  Demosthenes  seien 
zwar  geringer  an  zahl,  aber  um  so  gröszer  und  gewaltiger;  ihm  sei 
der  preis  zuzuerkennen,  so  steht  also  Hypereides  in  demselben  ver* 
bältnis  2«  Demosthenes  wie  der  fünfkilmpfer  zu  den  athleten,  die 
nur  in  6iuer  kampfart  ausgebildet  sind,  und  wie  der  philosopH  im 
vergleich  zu  den  br^fuiOUpTOt  bei  Piaton,  so  wird  hier  Hypereides  im 
vergleich  zu  Demosthenes  'so  zu  sagen  beinahe  der  erste  in  allem* 
genannt 

Die  beiden  zuletzt  angeführten  stellen  passen  also  vorzügUcli 
zu  einander,  stimmt  aber  euch  die  angäbe  in  der  Heidelberger  ha. 
damit  Uberein?  ich  kann  es  nicht  finden,  vielleicht  las  der  verfaaser 
dieser  angäbe  die  andern  beiden  stellen »  ohne  sie  zu  verstehen,  untl 
machte  daraus  jene  unklare  deßnition  des  ÖTraxpoc  zurecht,  wenn 
man  die  bedeutang  von  üiraKpoc  bestimmen  will,  musz  man  von 
Piaton  dpaciai  135*^  ff.  und  von  Tiepl  u^i^ouc  s.  199  ausgehen,  dann 
kann  man  allerdings  ürraKpoc  als  agonistischen  terminus  für  eine 
art  von  sieger  im  fünfkampf  nicht  mehr  in  anspruch  nehmen. 

Wir  wollen  jetzt  die  andere  Überlieferung  prüfen,  der  zufolge 
angeblich  der  sieg  in  drei  einzelnen  teilen  des  ftinfkampfs  (so  cr- 

r6c  5uvd^ji£tc  *v  ^Kdcrr]  XttireTar  Aristeidea  p»n.  s.  318  Ddf*  ^^oi  p4v 
o'bhi  it^vtaÖAoi  öoicoöciv  ol  itdvra  vikuuvtcc  tocoötov  toic  näa  icpovctv. 
La.  Biog.  IX  57.  Suidas  u.  irfvTadAoc  und  n.  *€paTo<:9^VT|C.  X«n.  H^. 
IV  7,  6. 


FMie:  zum  fOnfkainpf  der  Orieehen.  801 

• 

klärt  man  im  allgemeinen  diroTpidZeiv)  fdr  den  gesamtsieg  erforder- 
lich war.  an  zwei  stellen  wird  das  wort  äiroTptdZciv  direct  mit  dem 
fttnfkampf  in  Verbindung  gebracht,  im  schol.  rec.  Aisch.  Agam. 
172  Ddf.  heiszt  es:  TpiQKTfipoc'  viKiiToO.  Ik  |üi€Taq)Opäc  tAv  £v 
TOic  irevTdBXoic  dTTOTpioZövTiJüV  lux  dXTiibi  viktic.  PoUux  UL  151 
sagt:  im  hk  nevTdOXou  tö  viKfjcai  dnoTptdEai  X^touctv.  der 
scholiast  läszt  uns  überhaupt  ganz  im  unklaren,  was  unter  dem  äiro- 
Tpid2l€iv  der  fünfkämpfer  zu  verstehen  sei.  PoÜux,  dem  wir  manche 
schätzbare  bemerkung  aus  dem  gebiete  der  agonistik  verdanken, 
sagt  wenigstens,  man  nenne  so  das  siegen  im  fünfkampf.  den  grund, 
warum  man  das  thue,  fügt  er  nicht  hinzu,  aber  es  scheint  so,.  alB 
wenn  Plutarch  cu^ttoc.  9, 2,  2  die  erklärung  zu  Pollux  Worten  gebe, 
diese  Plutarchstelle  gilt  daher  ihrem  inhalte  nach  als  hauptstütze 
der  Überlieferung  für  das  diroTptdZeiv  der  fünfkämpfer,  den  aus- 
druck  selber  enthält  sie  allerdings  nicht,  sie.lautet:  irpoÜTeiVCV 
oöv  *€p|ui€iac  6  fewiiiTpr\c  npiwTOT^vci  Ttp  TpaMMOTiKiji  TrpiÄTOc 
aiTiav  €lir€iv,  bi'  f\v  tö  Sk(pa  TTpoidTTCTai  t&v  TpaWütdxujv  dirdv- 
TUJV  6  hl  Tf|v  iv  xaTc  cxoXaic  X€Tojli^vt|v  dir^bujKe'  id  jiifev  tdp 
9UJvr|€VTa  Tip  biKaioTdiui  Xötip  7rpuJT€U€iv  tuiv  dqpdivujv  xal  f||ii- 
(piivuiV  iv  bk  TouTOic  Twv  ^fev  juiaKpüüv  6vTUJV,  TUIV  hk  ßpax^uiv, 
TUIV  b*  djLi9ÖT€pa  KQi  bixpövwv  XcTOjLi^vuiv,  tqOt'  cIkötwc  tQ  bu- 
vdfi€i  biaqp^peiv  aÖTÄv  bk  toutuiv  TidXiv  f|T€jLioviKU)TdTT|V  lx€iv 
ToEiv  TÖ  TrpOTdTT€c9ai  tODv  fiXXuiv  bueiv,  ÖTroTdTTCcOal  bk  jniibe- 
T^pq)  iT€9UKÖc  oWv  dcTi  TÖ  fiXcpa*  toutI  Tdp  oöt€  toO  Ima  b^i- 
T€pov  oÖT€  ToO  u  TaTTÖjiCVOv  dGAciv  6|uioXoT€iv  oitbk  ö|üiona66tv, 
UJCT6  cuXXaßfiv  jLiiav  i^  d^qpoiv  T€v^c0ai,  dXX'  (Iicirep  dTavaKToOv 

KQl    dTTOTTTlbOüV    IblQV    dpXf|V    2IT|T€IV    dci.      dKClvUlV    bk    ÖTTOT^pOU 

ßoüXei  TTpOTaTTÖjLievov  dKoXouGoOvTi  kqI  cufiqpuJVoCvTi  xp^icOai 
KQl  cuXXaßdc  övo^dTU)v  ttoiciv,  dlcirep  toO  aCpiov  kqi  toO  aöXciv 
kqI  toO  ATavTOc  kqi  tou  albcicGai  kqI  juiupCuiv  fiXXujv  biö  toic 
Tpiciv  ujCTiep  o\  TT^VTaOXoi  TicpiccTi  Kai  vik^i  tq  jiifev  TioXXd  Tifi 
(pujväev  elvai,  tq  b'  oö  <pu)vd€VTa  tiJi  bixpovov,  TauTa  b*  aÖTd  x^ 
TieqpuK^vai  xaSiiTcTcOai,  b€UT€p€U€iv  bk  ^T^b^^TOT€  }ir\b*  dKoXouOeTv. 
in  drei  stücken  wie  die  fünfkämpfer  besiegt  das  a  alle  andern  buch- 
staben,  nemlich  1)  als  vocal  alle  consonanten  und  halbvocale,  2)  als 
doppelzeitiger  vocal  die  einzeitigen  vocale,  3)  aber  auch  die  beiden 
andern  doppelzeitigen,  weil  es  in  Verbindung  mit  diesen  immer  an 
erster  stelle  steht,  es  fragt  sich ,  wie  man  den  vergleich  zwischen 
dem  a  und  den  fünfkämpfem  vervollständigen  soll,  bisher  that  man 
es  allgemein  in  folgender  weise:  das  a  ist  den  andern  buchstaben  in 
drei  stücken  überlegen,  wie  die  siegreichen  fttnfkämpfer  den  andern 
(unterliegenden)  fünfkämpfern  in  drei  teilen  des  pentathlon.  infolge 
dessen  meinen  Philipp  und  Holwerda,  zum  gesamtsieg  im  fünfkampf 
sei  der  sieg  in  drei  einzelnen,  wenn  auch  beliebigen  teilen  nOtig  ge- 
wesen. Pinder  hält  den  sieg  in  den  drei  letzten  stücken  für  erforder- 
lich, nach  Gardner  (Journal  of  Hellenic  studies  I  210  ff.)  wurden 
alle  fünfkämpfer  in  paare  geteilt,  und  jedes  paar  muste  zunächst 

Jahrbücher  ihr  clus.  philol.  1898  hfl.  12.  61 


802  FMie :  zum  füufkampf  der  Griechen. 

für  sich  einen  ganzen  fUnfkampf  durchmachen,  die  kSmpfer,  die  in 
diesem  ersten  pentathlon  drei  einzelne  siege  errungen  hatten,  wur- 
den von  neuem  durchs  loos  gepaart  und  musten  in  einem  weitem 
fünfkampf  gegen  einander  losgehen,  bis  schlieszlich  nur  zwei  übrig 
blieben,  zwischen  denen  dann  der  entscheidende  schluszfünfkampf 
stattfand,  während  Philipp,  Holwerda,  Pinder  und  Gardner  unter 
d7TOTpiä2l€iv  ein  siegen  in  drei  verschiedenen  kampfarten  verstehen, 
sieht  Marquardt  darin  ein  siegen  in  drei  gangen  der  nemlichen 
kampfart,  ähnlich  wie  beim  ringen.  Fedde  teilt  alle  fünfkämpfer 
in  triaden,  dh,  abteilungen  von  je  dreien,  und  läszt  von  jeder  triade 
für  sich  den  wettkampf  in  den  vier  ersten  stücken  des  pentathlon 
ausführen,  nach  bcendigung  dieser  kämpfe  musten  mindestens  so 
viele  zweifache  sieger  dasein,  wie  triaden  gekämpft  hatten,  und 
diese  traten  in  der  gewohnten  weise,  dh.  in  paaren  zum  letzten  und 
entscheidenden  kämpf  an,  zum  ringen,  wer  darin  siegte,  gewann 
den  dritten  einzelnen  sieg  und  ward  gesamtsieger.  allen  diesen 
schluszfolgerungen  wird  der  boden  unter  den  füäzen  entzogen ,  so- 
bald man  feststellt,  dasz  der  Plutarchische  vergleich  bisher  nicht 
richtig  erklärt  worden  ist.  in  der  that  stehen,  wie  das  a  den  andern 
buchstaben,  so  nicht  die  siegreichen  fünfkämpfer  den  unterliegenden 
fünfkämpfern  gegenüber,  sondern  die  fünfkämpfer  überhaupt  den 
andern  athleten  insgesamt,  und  wie  das  a  allen  andern  buchötaben, 
so  sind  auch  die  fünfkämpfer  allen  andern  athleten  in  drei  stücken 
überlegen,  was  für  drei  stücke  sind  das?  drei  teile  bezeichnet 
Pollux  III  151  als  Xbxa  toi  TT€VTd6Xuj:  sprung,  diskos-  und  speer- 
wurf.  in  den  nationnlspielen  kamen  diese  Übungen  nur  als  teile  des 
pentathlon  vor,  selbständige  wettkämpfe  wurden  darin  nicht  ver- 
anstaltet, von  den  Wettkämpfern  übten  sich  daher  nur  die  fUnf- 
kämpfer  in  diesen  drei  stücken,  von  den  andern  keiner,  und  während 
sie  im  laufen  und  ringen  hinter  den  läufern  und  ringkämpfern  von 
profesbion  zurückblieben,  leisteten  sie  im  t^pringen,  im  diskos-  und 
im  Speerwerfen  mehr  als  alle  andern. ^^  diese  drei  stücke  hatten  also 
die  fünfkämpfer  vor  allen  andern  athleten  voraus,  und  in  diesem 
sinne  i^t  auch  der  vergleich  bei  Plutarch  aufzufassen:  biö  TOlC  Tptciv 
ujCTTcp  o\  TievTaGXoi  Trepiecxi  kqi  viKqi  (xö  a)  heiszt:  demnach  hat 
das  a  vor  allen  andern  buchstaben  die  drei  (angeführten)  stücke 
voraus,  wie  die  fünfklimpfer  vor  allen  andern  athleten  die  drei 
Übungen:  sprung,  diskos-  und  speerwurf  voraushaben.'" 

"  TTriöÄv  tOl»v  TTCVTdeXwv  MQKpÖTcpa  oder  viKöv  iy  Tiji  irribäv  touc 
-TT€VTd6Xouc  (Libnnios  (iir^p  Ttliv  öpx.  III  'M^i  Keinkc)  frnlt  für  etwas 
niiszcrordeiitlichcs.  '^  \g\.    anrli    die   oben   s.  799  f.    angeführten 

ätellcn.  die  wortc  tI  twv  Tpiiiiv  (PhiloBtr.  II  26G  K.)  ttollen  nach  Fabers 
ansieht  dem  IMutari'liiscIion  Tolc  Tpic(  entuprcclu'ii.  Faber  übersieht* 
dab(>i  (ran^M  dni«z  die  Pbilostratiacbe  atelle  in  der  fassunjr,  wie  er  sie 
gibt,  von  Kayftcr  borriibrt.  die  Überlieferung  (s.  Knyser  praef.  s.  XXXII) 
it>t  so  verderbt,  dasz  man  an  einer  wiederberstellting  den  textei»  ver- 
zweifeln niii!-z.  man  kann  nur  so  viel  sagen,  dasz  Piiilnstratos  von  der 
Vorübung  der   fünt'kümpfer  in  Olympia  npricbt,   vielleicht  specieU  von 


FMie :  zum  f Qnfkainpf  der  Griechen.  803 

Die  hauptstütze  fttr  die  ansieht,  es  seien  drei  einzelne  siege  im 
fünfkampf  für  den  gesamtsieg  erforderlich  gewesen,  ist  also  gefallen, 
wie  aber  soll  man  die  bemerk ungeu  über  das  dTT0Tptd2[€iv  der  fünf- 
kämpfer  bei  Pollux  und  dem  schol.  des  Aiscbjlos  erkl&ren?  bevor 
wir  auf  diese  frage  näher  eingehen ,  müssen  wir  uns  umsehen ,  ob 
und  wo  TpidCeiv  sonst  überliefert  ist.  nicht  blosz  Tpiarrciv  (ipidCeiv) 
kommt  sonst  noch  vor,  sondern  auch  ipiaTfiöc  (Tpiacjiiöc)^  TpiaKTr|p 
(ipiacTric),  dipiaKTCC  (dipiacTOc)."  ipiaTMÖc  bezeichnet  zunächst 
die  dreiheit.  der  tragiker  Ion  soll  eine  philosophische  schrift  ver- 
faszt  haben ,  in  der  er  drei  elemente  annahm  und  jedem  demente 
wieder  eine  dreifache  äpevf\  zuschrieb:  ]cuV€Cic  Kpdxoc  lUXT].  diese 
schrift  führte  daher  den  titel  ipiOTMÖc  oder  xpittTMoi.'"  Africanus 
(öXu^TTidbuiV  dvaTpa9ri  bei  Eusebios)  führt  zu  ol.  154  an:  Aeiu- 
vibac  'Pöbioc  xpiacT^c  cidbiov.  dieser  Leonidas  wird  Tpiacirjc  ge- 
nannt, weil  er  an  demselben  tage  nicht  nur  im  crdbiov,  sondern 
auch  im  biauXoc  und  ÖTiXirnc  siegte  (Philostr.  gymn.  s.  278  K.  Afric. 
zu  ol.  155 — 157.  Paus.  VI  13, 4).  in  demselben  sinne  gebraucht  Afri- 
canus ol.  67  ipicccueiv :  Oavdc  TteXXiiveuc  TrpdJTOC  dxpicceucev 
cidbiov  biauXov  ÖttXov.  auch  Hekatomnos  und  Polites  waren  ipia- 
CTaiy  wenn  sie  auch  nicht  ausdrücklich  so  genannt  werden:  der  erste 
siegte  ol.  177  im  cidbiov  biauXoc  öttXittic,  der  andere  ol.  212  im 
cidbiov  biauXoc  böXixoc  (vgl.  Africanus  rec.  Rutgers  s.  79  f.  89  f.). 
daher  ist  die  erklärung,  die  sich  bei  einigen  lexikographen^'  u.  ipia- 
XOnvai  an  zweiter  stelle  findet:  ipic  ipoxdcavia  viKTi0fivai  cidbiov 
biauXov  böXixov,  durchaus  richtig,  es  bedeutet'also  ipidCeiv  in  der 
agonistik  zunächst  das  siegen  in  drei  beliebigen  kampfarten,  Tpiacirjc 
einen  dreifachen  sieger.'*  es  steht  daher  auch  nichts  im  wege,  einen 

der  Vorübung  im  laufen;  wenigstens  steht  der  ir^vTaGXoc  in  der  mitte 
zwischen  dem  6oXixo6p6)Lioc  und  den  andern  öpcjuetc  Schlüsse  irgend- 
welcher  art  aus  dieser  stelle  zu  ziehen  ist  natürlich  verboten. 

^^  die  formen  vom  A-stamm  und  ^stamm  sind  gleich  gut:  vgl.  Lobeck 
Aglaoph.  s.  353  f.  '°  vgl.  Harpokration  u.  "luiv.  Isokr.  ir.  dvTib.  268. 
La.  Diog.  VIII  8.  Suidas  n.  'OpqpeOc  Clem.  Alex,  ström.  1  131.  zur 
Sache  Lobeck  Aglaoph.  s.  384  ff.  '^  Suidas  udw.  Photios  8.  600.  Etym. 
M.  8.  765.     Bekker  anecd.  gr.  s.  114,  wo  ööXixov  fehlt.  ^*  der  sieg 

in  drei  kampfarten  an  einem  tage  war  selten,  und  wo  uns  dreifache 
siegur  begegnen,  sind  es  läufer.  meistens  siegten  sie  in  der  ipiTiOc 
(TpittTlnöc):  CTdöiov  öiauXoc  ötiXCttic.  das  war  auch  natürlich:  denn 
diese  drei  lanfübungen  waren  einander  am  ähnlichsten  und  am  leich- 
testen auszuführen;  weit  schwieriger  war  der  ööXixoc.  daher  behandelt 
auch  Philostratos  gjmn.  s.  277  f.,  wo  er  über  die  körperliche  beschaffen- 
heil der  verschiedenen  Wettkämpfer  spricht,  den  ööXixoc  für  sich,  die 
TpiTxOc:  CTdfeiov  öiauXoc  ÖTiXirric  zusammen  in  einem  abschnitt.  Her- 
mogencs  aus  Xanthos  trug  in  drei  Olympiaden  acht  siege  im  laufen 
davon  und  war  also  wahrscheinlich  in  zwei  Olympiaden  ein  TpiaCTif|C: 
ol.  215  und  ol.  217  siegte  er  im  CTdöiov,  sonst  lassen  sich  die  einzelnen 
kurapfarten  nicht  näher  bestimmen  (Paus.  VI  13,  3.  Afric.  s.  90  f.  B.). 
schon  der  zweifache  sieg  an  c'inem  tage  war  sehr  ehrenvoll,  besonders 
berühmt  unter  den  doppelsiegern  waren  die  sog.  TrapaöoHovtKai,  dh.  die 
Wettkämpfer  die  an  e'inem  tage  im  ringkampf  und  pankration  siegten 
(Plut.   comp.  Cim.  c.  Luc.  2).    es   gab   deren   acht  in  Olympia,     diese 

öl» 


804 


KMiet  zum  fünfkam pf  der  GriecheD. 


fUnfkämpfer,  der  in  drei  teilen  des  pentathlon  gesiegt  hatte,  als 
TpiacTTtC  zu  bezeicbnen*  denn  wenn  ich  auch  bestreite,  dasz  för  den 
gesamtsiog  im  fünfkampf  der  sieg  in  drei  einzelnen  teilen  eine  not- 
wendige Voraussetzung  gewesen  sei,  so  kann  ich  doch  nicht  leugnen, 
dasz  gelegentlich  ein  fünfkämpfer  seine  nebenbuhler  in  drei  stücken 
überwand,  sollte  vielleicht  PoUux  diesen  speciellen  fall  im  sinne 
gehabt  und  verallgemeinert  haben?  es  ist  ja  möglich,  aber 
wenig  glaublich. 

Eine  specielle,  aber  klare  und  dnrchsichtige  bedeutung  haC 
TpldZüeiv  beim  ringkampf.  es  heiHzt  'den  gegner  dreimal  aus  dem 
gtand  auf  den  boden  werfen',  wer  das  gethan  hatte,  wurde  zum 
Bieger  gekrönt,  häufig  sprechen  die  schriftsteiler  von  den  drei 
gangen  ded  riDgkampfs  (tpia  TTaXaicpaia) ,  sei  es  im  eigentlichen 
oder  bildlichen  sinne. ''^  da  mit  dem  dreimaligen  werfen  (TpidJIctv) 
der  sieg  verbunden  war,  so  war  in  der  spräche  der  rtnger  rpicülciv 
gleich  'siegen*,  Tpidl€COai  gleich  'besiegt  werden*,  allmählich  aber 
gewann  ipmltiv  eiüc  allgemeinere  bedeutung:  man  gebrauchte  es 
schlechtweg  für  'siegen',  TpiaKTT|p  für  'sieger*  usw.  das  lehrt  uns 
Aiach.  Agara,  171  öc  b*  fTteix'  €(pu,  TpiaKTiipoc  oixeiai  Tuxiuv, 
und  Cho.  339  nennt  der  dichter  die  &Tj\  eine  dipiaKToc  'unbeaieg- 
Hche*.  in  dem  epigramm  des  fünfkümpfers,  der  sich  selber  wegen 
seiner  niederlage  in  allen  fünf  teilen  des  pentathlon  verspottet 
(AP*  XI  84)  j  bildet  Lukillios  das  komische  woi  t  TrevTeTpiO(2^ö/i€voc 
'fünfmal  besiegt*:  xT^vte  b*  an*  öBXujv  7rpd»T0C  eKr}pOxÖT]V  irevie- 
TpiaZIöpevoc.  der  gebrauch  von  TpidZtiv  im  weitern  sinne  hatte  zur 
folge,  dasz  spätem  schriftsteilem,  deren  kenntnis  in  der  agonisUk 
mangelhaft  war,  das  bewustsein  von  der  ursprünglichen,  aUmählidi 
erweiterten  bedeutung  des  wortea  verloren  gieng,  es  ist  ih.  nicht 
anzunehmen,  dasz  der  ge währsmann  der  oben  citierten  lexikographeni 
die  unter  xplotxOfjvai  nur  zwei  specielle  lUlle  anführen,  von  der  um- 
fassenden bedeutung  des  Wortes  noch  eine  ahnung  hatte,  was  PoUox 
betritlt,  so  ist  mir  am  wahrscheinlichsten,  dasz  er  fünfkampf  imd 
ringkampf  verwechselte«    diese    Verwechslung  war  nm  so  leichter 


wurden  nachfolger  des  Herakles  (Pau«.  V  8,  4)  genannt  und  im  elischeo 
Biegerverzeichnia  der  reih©  nach  geüähti  (Afric*  oK  142.  156.  I7t.  178. 
182.  198.  204  R,).  Krause  (gymn.  u.  agon.  a.  650.  Olympta  a.  310  f. 
Pyihien  Nfme^^n  nnd  I&thmicn  s,  316)  enitiimt  aus  Paus.  Vi  15,  S  und 
AP.  IX  588,  der  Thebaner  KIcitomachoD  Imbe  in  den  Istlimien  an  ^m«ia 
laße  drei  siege  im  ringen,  fafistkarapf  und  pankratioo  erranjren.  Paü- 
sanias  sagt  aber  nur,  dass  Kleitomaclios  an  demselben  tage  im  faiist 
kämpf  und  pankration  siegte j  der  ringkampf  fand  »ieber  ein  andtfinil] 
Statt :  ^v  McÖ^itV  iraXaicTÄc  KaTcndXaiccv  dv5pac,  ical  iftl  ii^ipoc  tljc 
adTfJc  Touc  Te  Tt'iv  iiirTrM»1v  ical  touc  ic  tö  iTaT»cpdTiov  ^ccXOdvnK 
i»Cp(ÜTet  T^  M^XT)-  ebenso  wenig  berechtigt  das  epigramm  dea  Alkalo« 
Krauae  zu  seiner  Folgerung. 

"  Suidaa,  Pbotio*.  Ktym.  M.  Bekker  ao.  AP,  IX  Ö8H,  XI  316.  Ata 
Eum.  589  Ddf.  und  aciiol.  Aiach,  Cbo    339  Ddf.     Piaton  Phaidros  iÖtC 
Euthyd.  277 '».  Soph.  fr.  ine.  678,  13.  Philü«tr.  11  tU  K.  t>«n.  tie  benef.  V  3; 
Heaychios  n.  diroTpid^ai.    Bekker  anecd.  gr.  s,  438.    vgl.  ICrausc:  b,  itA  f. 


FMie :  zum  fünfkampf  der  Griechen.  805 

möglich ,  als  der  ringkampf  den  letzten  and  entscheidenden  teil  des 
Pentathlon  bildete,  mit  dem  siege  im  ringkampf  fiel  auch  der  sieg 
im  ganzen  fünfkampf  zusammen,  die  worte  des  schol.  rec.  zu  Aisch. 
Agam.  172  sind  meiner  meinung  nach  unverständlich  und  über- 
haupt nicht  zu  deuten,  der  Byzantiner  scheint  das  alte  scholion,  das 
nur  xpiaKTfipoc*  dirl  ^Xiribi  viKiic  lautet,  ohne  kenntnis  der  sache  er- 
weitert zu  haben  und  war  sich  selber  wohl  nicht  ganz  klar ,  was  er 
eigentlich  sagen  wollte."  noch  eine  stelle  gibt  es,  die  auch  beweisen 
soll ,  dasz  der  gesamtsieg  im  fünfkampf  den  sieg  in  drei  einzelnen 
teilen  unbedingt  voraussetzte,  das  schol.  zu  Aristeides  pan.  III  339 
Ddf.  (Photios  cod.  246  s.409  Bk.):  dvTi  TÜ&V  ä0Xoc  fx^^v  7t^VT€  äfw- 
vicjuaia,  TrdXiiv  bpö^iov  dtKÖviiov  bicKOv  TraTKpäTiov  f^  ävtItoO 
o\  e'  ÖQTUJviW^evoi  f\  o\  iv  toic  e  dTiwvic^aci  viku»vt€c  oöx  8ti 
Trdviec  (Phot.  bk)  o\  Tr^vTaOXoi  irdvia  vikujciv  •  dpK€i  fäp  auToTc 
t'  tOüv  e'  TTpöc  viKTiv.  hier  steht  nicht,  dasz  drei  siege  von  fünfen 
für  den  gesamtsieg  gefordert  würden,  sondern  dasz  sie  genügten,  als 
beweismaterial  für  die  herschende  ansieht  kann  diese  stelle  daher 
nicht  verwendet  werden,  das  resultat  meiner  Untersuchung  ist:  die 
behauptung,  es  sei  für  den  gesamtsieg  im  fünfkampf 
der  sieg  in  drei  einzelnen  teilen  unbedingt  erforder- 
lich gewesen,  hat  keine  Überlieferung.^ 


^*  Pinder  s.  81  f.  hat  eine  auszerordentlich  hohe  meinung  von  dem 
Byzantiner  und  hält  es  anscheinend  für  anmöglich,  ihm  eine  erweite- 
ruDg  des  alten  scholion  ohne  kenntois  der  Bache  zuzumuten,  eine  scharfe 
iuterpretation  der  stelle  vermisse  ich.  Pinder  sagt  nur,  dTrOTpid2^€iv 
bezeichno  das  siegen  in  den  drei  letzten  teilen  des  pentathlon,  das 
durch  ein  dreimaliges  abwerfen  der  gegner  erkämpft  werde,  und  sei 
sehr  anschaulich  mit  dem  aasdruck  ^ttI  ^Xti(6i  vCki^C  verbunden.  Mar- 
qnardt  s.  10  erklärt  ^irl  dXiriöi  v{kt]C  dircTpidlciv :  in  steter  hoffnung  auf 
sieg  sich  von  neuem  am  dreikampf  beteiligen.  Faber  s.  491  sucht  sinn 
in  die  stelle  zu  bringen,  indem  er  dem  diT0Tptd2Ieiv  eine  neue  beden- 
tung  gibt  und  so  übersetzt:  'infolge  einer  vergleichung  mit  denjenigen 
unter  den  fünfkUmpfern,  welche  in  der  hoffnung  anf  sieg  nur  in  drei 
stücken  zu  siegen  suchen  (dh.  sich  nur  in  diesen  üben).'  er  glanbt  die 
berechtigung  für  diese  Übersetzung  in  den  werten  des  Philostratos  s.  266 K. 
Kai  ö  TrdvTa9Xöc  ti  tOjv  TpiOöv  (sc.  TUlivdZeTai)  zu  finden  und  hält  über- 
haupt, wenn  ich  ihn  recht  verstehe,  die  bedeutung,  die  er  dTroTpid2^€iv  im 
scholion  beilegt,  für  die  ursprüngliche  (vgl.  oben  anm.  28).  nach  Haggen- 
müller  s.  37  steht  das  diT0Tpid2Iciv  hier  'in  der  gans  abgeschwächten 
form  des  kämpfens,  wie  es  im  pentathlon  üblich  war'.  '^  mit  recht 

bestreitet  Faber  s.  490,  dasz  der  sieg  in  drei  stücken  die  einzig  mög- 
liche form  des  gc^amtsieges  im  fünfkampf  gewesen  wäre,  den  beweis 
für  seine  behauptung  bleibt  er  aber  schuldig,  mit  Plut.  cu^iroc.  IX  2 
findet  er  sich  überhaupt  gnr  nicht  ab.  das  wäre  doch  in  erster  linie 
nötig  gewesen.  Haggcnmüller  und  Henrich  bestreiten  beide,  dasz  drei 
oiuzelne  siege  für  den  gesamtsieg  genügt  hätten,  eine  erklärnng  des 
Plutarchischen  Vergleichs  gibt  auch  Haggenmüller  nicht,  er  macht 
nur  die  bemerkung,  nicht  auf  grund  dreier  siege  gewinne  das  a  die 
erste  stelle,  sondern  'aus  drei  gründen'  (s.  36).  Henrich  s.  66  geht  bei 
der  erklUrung  des  Vergleichs  von  der  annähme  aus,  dass  die  kampf- 
ricliter  regelmüszig  nach  dem  vierten  kämpfe  des  pentathlon  eine  Sich- 
tung der  athletcn  vorgenommen  und  nur  die  im  durchschnitt  zwei  bis  drei 


806  FMie:  zum  fQnfkainpf  der  Griechen. 

Nach  Fabers  arbeit,  aber  UDabhängig  davon  und  auch  anab- 
hängig von  einander  erschienen  die  Schriften  von  Henrich  und 
Haggenmüller  über  den  fUnfkampf.  Henrich  steht  in  der  mitte 
zwischen  Faber  und  HaggenmQller  und  hat  mit  beiden  berührungs- 
punkte,  er  spricht  gleich  wie  Faber  viel  von  durchschnittsleistungen. 
aber  Faber  will  nichts  von  einer  ausschlag  gebenden  Stellung  des 
ringkampfd  im  pentathlon  wissen  und  meint ^  dasz  nach  der  be- 
endigung  des  ganzen  Fünfkampfs  die  fünf  leistungen  eines  jeden  teil- 
nehmers  zusammengerechnet  worden  seien;  wer  im  durchschnitt  am 
erfolgreichsten  gekämpft  habe,  dem  sei  der  gesamtsieg  zugesprochen 
worden.^  Henrich  dagegen  nimt  an^  dasz  die  feststellung  der  durch- 
schnittsleistungen  nach  dem  vierten  kämpfe  stattgefunden  habe,  die 
bis  zu  einem  gewissen  grade  erfolglosen  fünfkämpfer  seien  dann 
ausgeschieden  und  nur  die  zwei  bis  drei  besten  zum  ringkampf  an- 
getreten; ohne  ringsieg  kein  gesamtsieg.''  in  der  Würdigung  des 
ringkampfs  stimmt  Haggenmüller  mit  Henrich  ganz  überein.  er 
teilt  auch  die  ansieht,  dasz  nach  dem  vierten  teile  des  pentathlon  eine 
anzahl  teilnchmer  von  der  fortsetzung  des  kampfes  ausgeschlossen 
wären,  die  erlaubnis  weiter  zu  kämpfen  hieng  seiner  meinung  nach 
von  der  richtigen  erfüllung  der  in  den  vier  ersten  Übungen  ge- 
stellten anforderungen  ab  (s.  41).  Haggenmüller  s.  52  glaubt  sogar 

besten  zum  engern  Wettbewerb  im  ringen  zugelassen  bätten,  die  übrigen 
aber  seien  stets  ausgescbicden.  wie  das  a  den  andern  buchstaben  in 
drei  stücken  üborlefi^en  ist,  so  sei  auch  1)  der  fUnfkttmpfer  allen  übrigen 
kämpfern  durch  seine  eii^cnschaft  als  fUnfkämpfer  überlegen;  S)  seien 
zwei  fUnfkämpfer,  manciimal  auch  drei,  der  mehrzahl  überlegen  und 
gelangten  in  den  engern  Wettbewerb  mit  einander;  8)  im  engern  kreise 
der  besten  zeige  sich  ^iner  überlegen  und  gewinne  den  gesamtaieg 
nicht  nur  im  pentathlon,  sondern  zuf^leich  auch  über  alle  kümpfer  ohne 
unterschied,  diese  erklärung  ist  schon  deswegen  zu  verwerfen,  weil 
meiner  meinung  nach  eine  veren(|[un^  der  teilnehmerzahl  nicht  immer, 
sondern  höchüteus  unter  frewissen  umstunden  stattfand  (s.  unten  s.  814  f.). 

**  nach  dem  vorganfi^  von  Fcrlde  pr.  s.  88  sagt  Faber  s.  498:  'am 
tage  der  siegesverkündigunfr  wurde  dann  auf  der  dfopd,  dem  platse 
zwischen  dem  stadion  und  dem  iiltar,  wie  uns  das  eptgramm  des  La- 
killioH  lehrt,  von  jedem  der  teilnchmer,  vom  erfolglosesten  kämpfer  bis 
liinauf  zum  Hief^er,  verkündet,  wievielter  er  in  den  verschiedenen  kämpfen 
und  demßfemäsz  im  i;anzcn  des  kampfspieles  geworden  war.''  der  aas- 
druck ^KT]pOxBT]v  ircvTCTpiaZöficvoc  des  Spottgedichts  soll  also  eine  be- 
ffrUndung  dieser  annähme  enthalten?  auch  zeit  nnd  ort  der  siegesrer- 
kündigung    f^ibt    Faber    falsch    an:    vgl.    meine    quaest.   agon.  s.  80  f . 

"  Henrich  71  f.  meint,  dasz  Piaton  erast  136*  f.,  Pholios  coH.  S49 
s.  440  Hk.,  Xon.  Hell.  IV  7,  5,  La.  Dioc.  IX  87,  Suidas  n.  "EpaTOcO^VTic 
die  feststellung  der  durchschnittsleistungen  im  fünfkampf  andeuteten, 
in  welchem  zusammenhange  diese  stellen  zu  verwerten  sind,  ist  oben 
B.  799  f.  ffczeiprt  worden,  warum  das  messen  der  Sprünge  im  pent- 
athlon auf  eine  durehschnittsleistung  hinweisen  soll,  ist  mir  nnbefrreif* 
lieh  (s.  oben  r.  794).  dasz  der  bericht  des  Pauwanias  III  11.  6  und  die 
ausdrücke  ^XGd)V  ^c  £piv  (Her.  IX  .H8)  und  ol  b'  ^c  TrdXr|v  d(piKÖM€VOi 
(Xen.  Hell.  VII  4,  29)  nur  dann  verständlich  seien,  wenn  man  eine 
Verminderung  der  teilnehmcrzahl  vor  dem  ringkampf  annimt  (Henrich 
s.  64.  67),  kann  ich  auch  nicht  finden. 


FMie:  zam  funfkampf  der  Griechen.  807 

behaupten  zu  dürfen,  dasz  in  den  ibta  Tqj  ireVTdOXiu  bestimmte 
leistungen ,  die  die  kampfrichter  auf  grund  ihrer  erfahrungen  wäh- 
rend der  dreiszigtägigen  Vorübung  feststellten,  verlangt  wären, 
diu  erfUllang  dieser  sog.  normalleistungen  berechtigte  angeblich  zur 
teilnähme  am  ringkam pf.^ 

Das  ^System'  des  fünfkampfs  musz  man  sich  so  einfach  und  so 
natürlich  wie  nur  möglich  vorstellen,  es  i^t  undenkbar,  dasz  es  aus 
dem  rahmen  der  griechischen  agonistik,  den  die  für  andere  wett- 
kämpfe überlieferten  gesetze  und  brauche  begrenzen,  so  vollständig 
herausgefallen  sei,  wie  man  nach  den  auseinandersetzungen  der  bis- 
herigen bearbeiter  der  fünf  kämpf  frage  anzunehmen  genötigt  ist.  wo 
die  quellen  der  Überlieferung  für  das  pentathlon,  die  überhaupt  nur 
spärlich  flieszen,  versiegen,  musz  man  in  diesem  rahmen  bleiben,  das 
ist  die  erste  forderung,  und  diese  ist  berücksichtigt  worden,  als  ich 
oben  über  das  wesen  einzelner  teile  des  fünfkampfs  sprach,  ich 
stellte  fest  dasz,  was  über  die  ausführung  des  wettlaufs  im  allge- 
meinen überliefert  ist,  auch  für  den  wettlauf  im  funfkampf  gelten 
musz.  sicher  rangen  die  fünfkämpfer  ganz  in  derselben  art  und 
weise  wie  die  eigentlichen  ringkämpfer,  sicher  hatten  sie  dieselben 
bestimmungen  und  gesetze  zu  beachten  wie  diese,  es  wäre  gegen 
den  in  den  kampfspielen  herschenden  brauch  gewesen,  wenn  jeder 
fünfkämpfer  diskos  und  speer  dreimal  hinter  einander  geworfen 
hätte,  wie  Fedde  und  Faber  annehmen,  die  feststellung  von  durch- 
schnitts-  und  normalleistungen  im  pentathlon  wird  nicht  nur  nir- 
gends angedeutet,  sondern  ist  auch  im  hinblick  auf  die  einrichtungen 
der  andern  gymnischen  wettkämpfe  ganz  unwahrscheinlich,  in  jeder 
gymnischen  kampfart  der  groszen  panbellenischen  agone  siegte  6iner, 
von  einem  zweiten  und  dritten  sieger  erfährt  man  nichts,  daraus 
ist  zu  folgern,  dasz  auch  in  den  einzelnen  teilen  des  fünfkampfs  nur 
6iner  siegte,  zweit-  und  drittbeste  nicht  berücksichtigt  wurden; 
daher  ist  beurepoc  fjv  (Philostr.  II  263  K.)  mit  *er  unterlag'  zu 
übersetzen;  nicht  'er  war  der  zweitbeste',  sobald  ein  kämpf  im 
pentathlon  beendet  war,  wurde  natürlich  von  den  kampfrichtern 
der  Sieger  festgestellt,  nach  abschlusz  des  ganzen  fünfkampfs  der 
gesamtsieger.  dieser  wurde  vor  versammeltem  volke  vom  herold 
laut  ausgerufen,  den  erfolglosen  Wettkämpfern  widerfuhr  diese  ehre 
natürlich  nicht. 

Welche  bedeutung  hatte  der  ringkampf  unter  den  fünf  teilen 
des  pentathlon?  aufscblusz  über  diese  frage  gibt  die  erzählung  vom 
mythischen  funfkampf  bei  Pbilostratos:  denn  ich  setze  mit  Finder 
und  andern  voraus,  dasz  sich  in  der  sage  die  einrichtung,  wie  sie  in 
historischen  Zeiten  bestand,  widerspiegelt.  Pbilostratos  II  262  f.  K. 
berichtet:  TTpö  jLifev  bf\  Idcovoc  xal  TTT|Xdujc  fiXjuia  dcT€9avoÖTO 

8^  zu  der  anDahme  von  uormalleistang^n  fühlt  sich  Haggenmtiller 
unter  anderm  durch  Find.  Nem.  5,  20  und  Pytb.  1,  44  veranlaszt.  er 
erklärt  diese  stellen  nicht  richtig,  8.  oben  s.  794.  796.  für  den  aprung 
forderte  übrigens  auch  schon  Finder  eine  normalleistung. 


808 


FMie:  %um  fünfkampf  der  Griechen. 


il>ia  Kai  bicKOC  Ibia,  xal  tö  ctKÖVTiov  f|pK€i  ^c  vikt^v  Kaiä  Todc  XP^ 
vouc,  oOc  f]  *ApYÜj  ^irXer  TeXafiujv  p^v  KpctricTa  ibiciceue,  Auxk€uc 
b^  ^KÖvTiCev,  ^Tpexov  be  kqI  ^inibiuv  o\  Ik  Bop€ou,  TTfiKeuc  bt 
Taöia  ^fev  nv  beuTCpoc,  ^Kpaici  be  airavTUJV  TrdXi[]-  6ttöt'  oöv 
^YiuvKovTO  ^v  An^VLu^  (paciv  Idcova  TTr|Xei  xGtpiWjuievov  cuvdqicu 
TCt  TTtvie  Kai  TTqXea  ttiv  vikt|V  oötuj  cuXX^HacOai,  HaggenmQller 
a.  41  behauptet,  da  Philostratos  nicht  den  eigentlichen  verlauf  des 
sagenhaften  ftinfkampfs  schildere,  sondern  nur  die  aussiebten  auf 
erfolg,  die  fünf  von  den  Argonauten  hatten,  so  dürfe  man  auf  die 
leistungen  der  helden  im  pentathlon  eelbst  keinen  schlu>»z  xiehen. 
dem  kann  ich  nicht  beistimmen,  dasz  Peleus  den  gesamtsieg  ioa 
fünfkampf  nur  seiner  tücbtigkeit  im  ringen  verdankt,  darüber  lassen 
Philostratos  worte  keinen  zweifei,  dieg  gibt  auch  HaggenmüUer  zu. 
aber  man  kann  weiter  gehen  und  mit  fug  und  recht  annehmen,  dasz 
wie  vorher  so  auch  im  fünfkampf  auf  Lemnoa  Telamon  den  besten 
diskos-  und  Lynkeiia  den  besten  Speerwurf  that,  dasz  die  beiden 
Boreaden  am  besten  liefen  und  sprangen,  wäre  der  fünfkampf  anders 
verlaufen  als  wie  die  worte  von  TcXa^ibv  ptv  bis  TtctXq  vermnten 
lassen  I  8o  hätte  es  Pbilostratos  in  irgend  einer  weise  angedeuiel. 
nach  seinen  worten  musz  man  sich  den  vertauf  des  mythischen  pent- 
athlon  so  denken:  die  Argonauten  traten  alle  zum  fünfkampf  an, 
aus  den  vier  ersten  teilen  giengen  vier  verschiedene  sieger  bervor 
(Telamon,  Lynkens,  die  beiden  Boreaden),  und  alle  teitnebmür  am 
pentathlon  wurden  zum  letzten  kämpfe,  dem  ringen,  zugelae^QO. 
hätte  einer  von  den  vier  siegem  auch  noch  darin  gesiegt,  so  wILre 
er  selbätversttindiich  gesamtsieger  geworden,  aber  es  siegte  ein 
fünfter  Argonaute,  der  bisher  noch  nicht  gesiegt  hatte,  Peleus,  und 
diesem  wurde  auch  der  gesamtsieg  zugesprochen,  daraus  musz  mmn 
den  schlusz  ziehen,  dasz  der  ringkampf  unter  den  fünf  teilen  dee 
pentathlon  eine  hervorragende,  ja  eventuell  entscheidende  dtellung 
einnahm:  der  sieg  im  ringen  bedeutete  mehr  als  der  sieg  in  einer 
der  vier  andern  kampfarten-  aber  man  darf  jedenfalls  nicht  an- 
nehmen, dasz  er  so  viel  galt  wie  zwei  andere  siege;  er  war  sicher  nur 
so  zu  sagen  primus  inier  pares. 

So  zeigt  uns  also  die  sage  bei  Pbilostratos  den  verlauf  eine^ 
fünfkampfs,  wo  in  jedem  teil  ein  anderer  siegte,  aber  der  kämpf 
konnte  sieh  auch  anders  gestalten,  nicht  immer  gieng  aus  jedem 
der  fünf  kämpfe  ein  anderer  sieger  hervor*  leider  sind  wir  Über 
kein  anderes  pentathlon  so  genau  unterrichtet  wie  über  das  mythisebe« 
denn  die  Überlieferung  von  dem  olympischen  fünfkampf,  an  dem 
Tisamenos  und  Uieronymos  teilnahmen,  ist  lückenhaft  und  läaxl 
fragen,  die  man  gern  beantwortet  wüste,  offen,  wir  lesen  bei  Hero- 
dolos  IX  33:  TicaMCvip  tap  jn^vTcuoM^vip  £v  AeXq^oici  TTCpl  tövou 
dveiXe  f]  TTueiii  dyiüvac  touc  pettcTouc  (ivaipT|C€c6ai  Tr^vre.  ö  ^tv 
bi\  otiiapTtbv  Tou  xPIcxripiou  irpocfTxe  T^pvacioici  übe  ävoipt^cö- 
^levoc  if^Mvi»cöuc  dttuvac,  <5ck€u>v  be  ttcvtcuöXov  TTap*lv  TraXaicMa 
Ibpape  viKUv  'OXufiTTidba,  Icpuivu^ui  tuj  'Avbpiiu  ^X6iüv  ic  Ipiv* 


FMie:  zum  fOnfkampf  der  Griechen.  809 

Pausanias  III 11, 6  erzäblt:  Ticafi€V({li  bk  övn  'NXciip  n&v  lajüitbi&v 
XÖTiov  4t^v€to  dtuivac  ävaiprjcecOai  tt^vtc  ^irKpavecrdrouc  aöröv. 
oÖTU)  TreviaGXov  'OXujünriaciv  dcx/jcac  dirfiXGev  f|TTii9€Cc.  Kairot 
Tä  buo  T€  f\y  irpuüTOC*  xal  t^P  bpöfAip  Te  ^xpdTci  kqI  inibyifiaTt 
lepuCivujLiöv  ""Avbpiov.  KQTairaXaicOelc  bk  öir"  qötoO  Kai  d^aprüiv 
Tflc  vIktic  cuvfiici  ToO  xpncfioO,  bibövai  ol  töv  Ocöv  fiavTeuofi^vip 
TT^VTC  äffSjyac  Tio\i}xw  xpaTf^cai.  Pausanias  sagt  also  aasdrücklichy 
dasz  Tisamenos  im  lauf  und  sprang  siegte,  nnd  fügt  hinzu,  was 
auch  Herodotos  bestätigt,  dasz  er  im  ringen  besiegt  warde.  über 
Hieronymos  erfahren  wk;  dasz  er  im  lauf  und  sprang  von  Tisa- 
menos besiegt  wurde,  im  ringen  aber  jenen  besiegte,  auszerdem 
berichtet  uns  Paus.  VI  14,  13:  itiX  bk  ainoic  (KeiTai)  lepuivufioc 
"Avbpioc,  öc  TÖV  *HX€iov  Ticafi€vdv  7i€VTaeXoOvTa  iv  'OXujünrfqt 
KaT€iTdXaiC€V.  es  stand  also  eine  statue  von  Hieronjmos  in  Olympia, 
die- ihm  infolge  seines  sieges  in  jenem  fünfkampf  gesetzt  worden 
war.  der  sieg  im  ringen  allein  konnte  ihn  natürlich  nicht  zum  ge- 
samtsieger  machen,  da  bereits  Tisamenos  in  zwei  kampfarten  der 
erste  geworden  war.  Hieronymos  war  mindestens  noch  in  einem  der 
beiden  übrigen  teile,  im  diskos-  oder  im  speerwurf,  siegreich  ge- 
wesen, vielleicht  auch  in  beiden,  im  ersten  falle  müste  noch  ein 
dritter  unbekannter  fünfkämpfer  einen  einzelnen  sieg  errungen 
haben,  gern  wüsten  wir,  ob  sich  Hieronymos  und  Tisamenos  allein 
im  ringkampf  maszen^  oder  ob  noch  andere  athleten  zum  ringen 
zugelassen  wurden,  auch  diese  frage  bleibt  ungelöst  *^  aber  das  er- 
fahren wir,  dasz  Hieronyraos  und  Tisamenos  wie  die  Argonauten  das 
Pentathlon  bis  zu  ende  durchkämpften ,  und  dasz  hier  wie  da  erst 
der  ringkampf  die  entsoheidung  brachte. 

Aber  brachte  denn  wirklich  in  jedem  falle  erst  der  ringkampf 
die  entsoheidung?  musten  jedesmal  alle  fünf  teile  samt  und  sonders 
durchgekämpft  werden?  gesetzt  den  fall,  ein  und  derselbe  siegte 
in  den  drei  ersten  kämpfen  des  pentathlon,  dann  gebührte  ihm 
meiner  ansieht  nach  ohne  weiteres  der  kränz,  und  selbst  wenn  er  in 
den  beiden  übrigen  kampfarten,  seien  es  welche  es  wollen,  unter- 
legen wäre,  der  kränz  hätte  ihm  nicht  mehr  streitig  gemacht  werden 
können,  wer  dies  billigt,  musz  auch  zugestehen  dasz,  wenn  nach 
dem  dritten  oder  vierten  kämpfe  einer  unter  den  athleten  war,  dar 
drei  einzelne  siege  gewonnen  hatte,  eine  fortsetzung  des  kampfes 
zwecklos  war.  wozu  sollten  sich  die  fünfkämpfer,  wenn  der  sieg 
entschieden  war,  noch  weiter  ohne  aussieht  auf  erfolg  abmühen?  es 
gab  doch  nur  6inen  sieger,  zweite  und  dritte  preise  wurden  ja  nicht 
verteilt,  um  sich  zu  üben  giengen  die  athleten  ins  gymnasion.  wel- 

s»  anders  urteilt  Böckh  (abh.  d.  Berliner  ak.  d.  wiss.  1822/28  8.  894 
BS  kl.  sehr.  V  390)  über  die  stellen:  'man  bemerke,  dass  sowohl  nach 
dem  Ansdrack  des  Herodot  als  des  Paasanias,  besonders  des  erstem, 
nur  diese  beiden  kämpfer  aufgetreten  waren;  yon  andern  mitkämpfem. 
ist  nicht  die  rede,  nnd  es  können  andere  nicht  dabei  gewesen  sein« 
weil  sonst  die  schriftsteiler  sich  ganz  anders  hätten  aosdrficken  müssen.* 


810  FMie:  zum  fünfkampf  der  Griechen. 

ches  Interesse  hatten  die  zuschaaer  an  einem  kämpfe,  dessen  Sieger 
schon  feststand  ?  um  den  ehrenvollen  kränz  im  kämpfe  zu  erringen» 
kamen  die  kftmpfer,  und  um  den  wettkampf  um  den  kränz  zu  schauen, 
wallfahrteten  die  zuscbauer  zu  den  heiligen  nationalen  agonen.  aller- 
dings sagt  AMommsen  (Bursians  jahresber.  LXIX  118):  'ein  abbrach 
des  Pentathlon  nach  dem  dritten  oder  vierten  kämpfe  empfiehlt  sich 
auch  vom  sacralen  Standpunkte  nicht,  man  kämpfte  vor  dem  an- 
gesicbte  des  Zeus,  ihm  galten  die  Olympien,  und  es  war  nicht  in  der 
Ordnung  an  dem,  was  sich  gebührte,  zu  kürzen  und  statt  eines  voll- 
ständigen Pentathlon  einen  bruchteil  desselben  darzubieten,  weil 
dem  ehrgeize  des  ganzsiegers  schon  durch  drei  erfolge  genügt  war.' 
ist  dies  richtig,  dann  wäre  auch  eine  für  die  Olympien  und  Pythien 
bezeugte  einrichtung,  der  sieg  dKOViTi,  unmöglich  gewesen,  auch 
ohne  vorhergehenden  kämpf  (dKOViTi)  konnte  ein  athlet  eventuell 
den  kränz  erhalten,  wie  zb.  ol.  75  Dromeus  in  Olympia,  da  sein 
gegenkämpfer  Euthymos  durch  den  faustkampf  mit  Theagenes  zn 
erschöpft  war,  um  es  noch  mit  ihm  im  pankration  aufzunehmen 
(Paus.  VI  11,4),  und  ol.  2 18  Herakleides,  dessen  gegenkämpfer  Apol- 
lonios  Rhantis  nicht  rechtzeitig  eingetroffen  war  (Paus.  V  21, 14).  ^ 
dasz  der  sieg  äKOViTl  dieselbe  geltung  hatte  wie  jeder  andere  sieg, 
bezeugt  Xenophon  Ages.  6,  3  xai  iv  TOic  dtu^ci  bi  oub^v  fJTTav 
Touc  dKOViTi  f\  Touc  bid  jLidxiic  viKoivrac  CTeqpavoCciv.  auch  Fedde 
s.  93  f.  bestreitet  die  möglichkeit,  dasz  ein  pentathlon  nach  dem 
dritten  oder  vierten  kämpfe  hätte  abgebrochen  werden  können,  und 
behauptet  sogar,  kein  fünfsieg  sei  ohne  sieg  im  ringen  gewonnen 
worden,   er  führt  Simonides  epigr.  155  an: 

"IcÖiLiia  Kai  TTuÖoi  Aiocpuiv  ö  OiXuivoc  dviKC 
&\}xa  TTobuiKciiiv  bicKOv  dKovTa  irdXiiv 
und  glaubt  daraus  entnehmen  zu  müssen,  dasz  Diophon  auch  noch 
zum  ringen  antreten  sei,  obwohl  er  bereits  in  vier  stUcken  den  sieg 
davongetragen  habe,  diese  annähme  ist  nicht  nötig,  der  pentameter 
enthält  eine  Umschreibung  des  wertes  n^VTaOXov,  und  der  dichter 
konnte  sich  diese  erlauben :  denn  wenn  auch  Diophon  nicht  in  allen 
einzelnen  stücken  gesiegt  hatte,  so  war  er  doch  gesamtsieger  im  pent- 
athlon geworden,  in  welchen  einzelnen  teilen  er  die  gegner  Über- 
wunden hatte,  läszt  das  epigramm  nicht  erraten. 

Dasz  die  sieger  in  den  beiden  fünfkämpfen,  von  denen  wir 
genauere  künde  haben,  auch  zum  ringen  antraten  und  darin  siegten, 
hindert  nicht  anzunehmen,  dasz  gelegentlich  nach  dem  dritten  oder 
vierten  teile  der  fünfkampf  abgebrochen  wurde,  wir  wissen  sogsr 
von  einem  bestimmten  fünfsieger,  dasz  er  nach  einem  glücklichen 
speerwurf  der  mühe  des  ringens  enthoben  wurde,  in  den  schol. 
70, 94  und  150  zu  Pindar  Nem.  7  berichten  Aristarchos  und  Aristo- 
demos ,  der  dichter  Pindaros  wäre  von  den  Aigineten  getadelt  wor^ 

<o  vgl.  Africanas  ol.  118.     Paus.  VI  7,  4.     die    anfrabe    des   Philo- 
Stratos  8.  266  K.,    dasz    die  Eleier  nur  ringkämpfer  dKOVtTi  bekrinit 

hätten,  ist  nicht  richtig. 


FMie:  zum  fünfkampf  der  Griechen.  811 

den ,  weil  er  sich  in  einem  paian  (fr.  52  Bergk)  anziemlich  über  das 
ende  ihres  stammheros  Neoptolemos  in  Delphoi  geäuszert  habe,  und 
es  liegt  kein  grund  vor,  diese  angäbe  mit  GHermann  and  TMommsen 
(Übersetzung  s.  148)  für  eine  kümmerliche  scholic^stenerfindung  zu 
halten  (vgl.  Nem.  7,  102  f.).  gegen  diesen  von  den  Aigineten  er- 
hobenen vorwarf  verteidigt  sich  Pindaros  in  Nem.  7 :  er  erzählt  aus- 
führlich, wie  Neoptolemos  nach  Pelphoi  gekommen  sei,  dort  den 
tod  gefunden  habe  und  begraben  liege  (v.  30  fif.).  im  hinblick  auf 
den  geschmähten  Neoptolemos-paian  ruft  er  dem  fünfsieger  Sogenes 
aus  Aigina,  der  durch  Nem.  7  verherlicht  wird,  v.  70 ff.  eindringlich 
zu:  EuEeviba  TrdrpaOe  Cu)T€V€c,  äTTO)Livuuj  |  jif)  T^pjiia  Trpoßdc 
fiKOvG'  dbie  xö^KOTidpacv  6pcai  |  0oäv  t^Oüccqv,  öc  iEdTTCjimiev 
TraXaicjudiiJüv  |  aux^va  kqi  cG^voc  dbiaviov,  ai0ijüvi  npiv  dXlui 
tmov  ijLiTreceiv.  |  el  ttövoc  ?iv,  iö  Tepirvöv  ttXcov  Treb^pxeiai.  la 
IH€*  viKÜüVTi  T€  xopiv,  et  Ti  TT^pav  depGeic  |  dv^Kpatov,  ou  Tpaxuc 
€i)Lii  KaTaG^)Li€V.  öpcai  darf  man  nicht  mit  Böckh  durchs  futurum 
übersetzen,  es  ist  indnitiv  des  praeteritums  (GHermann).  unter 
T^P)Lia  ist  hier  nicht  das  ziel,  über  das  der  speer  hinausfliegt,  zu  ver- 
stehen, dann  hätte  der  dichter  T€p)Lia  TTpoßdvT',  auf  dKOvra  bezüg- 
lich, gesagt  oder  einen  ausdruck  in  dem  sinne  von  T^p)Lia  ÖTiepßaXidv 
gewählt,  es  bedeutet  T^p^a  überhaupt  die  grenze,  ebenso  gut  am  an- 
fang  wie  am  ende  der  bahn,  hier  ist  das  mal  am  anfang  gemeint,  das 
die  zum  wettkampf  antretenden  athleten  nicht  überschreiten  durften 
(vgl.  oben  s.  793  ff.),  der  dichter  bedient  sich  also  nicht  6ines,  son- 
dern zweier  den  wettkämpfen  entlehnter  bilder,  indem  er  schwört: 
'ich  überschritt  nicht  die  schranke  und  liesz  nicht  wie  den  erz- 
wangigen Speer  die  schnelle  zunge  schieszen,  der  dem  ringkampf^' 
enthob  den  starken  nacken  unbenetzt,  bevor  der  glühenden  sonne 
der  körper  verfiel.'  Pindaros  gieng  also  nicht,  so  schwört  er,  in 
jenem  Neoptolemos-paian  über  die  ihm  als  dichter  gesetzten  schranken 
hinaus  wie  ein  Wettkämpfer,  der  frevelhaft  das  mal  am  anfang  der 
bahn  überschreitet,  er  machte  es  aber  auch  nicht  wie  der  fünf- 
kämpfer, der  seinen  speer  weithin  schieszen  liesz  und  durch  einen 
glücklichen  wurf  sich  von  den  mühen  des  ringkampfs  befreite,  er 
zügelte  vielmehr  seine  zunge  und  unterzog  sich  der  grösten  mühe, 
indem  er  in  dem  vielgetadelten  paian  die  letzten  Schicksale  des 
Neoptolemos  in  Delphoi  wahrheitsgetreu  und  doch  in  einer  fttr  den 
beiden  rücksichtsvollen  weise  besang,  'war  die  mühe  grosz,  so  ist 
die  freude  nachher  um  so  gröszer.'  nur  so,  wenn  man  den  Zu- 
sammenhang zwischen  v.  74  und  dem  vorhergehenden  berücksich- 
tigt, kann  man  die  stelle  richtig  würdigen. 

Wie  beschaffen  muste  ein  speerwurf  ^ein,  der  den  fünfkämpfer 
von  der  mühe  des  ringens  befreite?  Mezger  (Pindars  siegeslieder 
s.  371)  meint,  'einzelne  fUnfkämpfer  hätten  mitunter  den  kunstgriff 

<i  wo  Pindaros  iraXaCc^ara  gebraucht,  bedeutet  es  stets  wirklich 
ringkampf ,  nicht  blosz  kämpf  (Ol.  9,  13.  Pyth.  8,  35.  Nem.  10,  22). 


812 


FMie:  zum  fünfkampf  der  Griecben. 


gebraucht,  mit  aufbieturig  der  Äaszersten  kraft  den  wnrfspeer  so 
weit  zu  schleudern,  dasz  die  gegner  dadurch  von  der  fortsetzung  dee 
kampfes  abgeschreckt  worden  wären'  (vgl.  Bissen  in  B^ckhs  explic 
Pind.  n  2  8.  433  f.),  auf  diese  list  nehme  der  dichter  bezug,  indem  er 
sagei  dasz  er  es  bei  der  abfassung  des  viel  getadelten  paians  nicht  so 
gemacht  habe,  von  einem  'mitunter  von  einzelnen  gebrauchten 
kunsstgriff*  kann  nicht  die  rede  sein*  den  vermeintlichen  knnstgriff 
mit  aufbietuög  der  äuszersten  kraft  den  Wurfspeer  möglichst  weit 
zu  schleudern  wandte  sicher  jedesmal  jeder  fünf  kampier  an,  dem  ea 
ernst  um  den  wettkampf  war.  Böckh  (not.  crit.  s.  542)  meint  ^  der 
dichter  vergleiche  seine  zunge  mit  dem  speer  des  Sogenes/*  dieser 
habe  nemücb  in  den  vier  ersten  teilen  des  fünfkam pfs  gesiegt  und 
im  vierten  kämpfe  den  f^peer  so  weit  übers  ziel  hinausgeschleudert 
(l^plia  Tipoßdc)|  dasz  die  gegner  auf  die  fortsetznng  des  pentathlon 
dh.  auf  den  ringkampf  verzichtet  hätten,  es  ist  nicht  anzunehmen! 
dasz  sich  nur  durch  den  besonders  weiten  speer wurf  eines  fQnf* 
kömpfei^s  die  tlbrigen  vom  ringkampf  hätten  abschrecken  lassen, 
wenn  es  ihnen  noch  möglich  gewesen  wäre  durch  einen  sieg  im 
ringen  auch  den  gesamtsieg  zu  erlangen,  nur  wenn  ihnen  diese 
möglich keit  ganz  genommen  war,  konnten  sie  auf  die  ausführang 
des  ringkampfs  verzichten,  mit  andern  worten :  nur  dann^  wenn  der 
betreffende  fUnfkämpfer  zugleich  mit  dem  glücklichen  Speerwurf 
den  dritten  einzelnen  äieg  errang,  der  speer wurf  war  entweder  der 
dritte  oder  der  vierte  in  der  reihe  der  fünf  kämpfe ,  wahrscheinlich 
der  vierte,  das  gebt  aus  diesem  gedichte  hervor,  es  konnte  daher 
ein  fQufkämpfer  auch  schon  in  der  kampfart,  die  den  dritten  plati 
inne  hatte»  den  dritten  einzelnen  sieg  gewinnen,  und  die  befreinng 
von  der  mühevollen  fortsetzung  des  kampfes  war  daher  nicht  die 
specißsche  eigentümlichkeit  eines  glücklichen  speerwurf»«.  auch  der 
sieg  im  dritten  teil  des  pentathlon  konnte  einen  athleten  eventuell 
der  fortsetzung  des  kampfes  und  also  auch  des  ringkampfs  eni* 
heben:  denn  der  ringkampf  bildete  sicher  den  schlusz  des  guuscQ« 
wenn  also  der  dichter  seine  zunge  mit  einem  Speere  vergleicht,  def 
dem  fünfkümpfer  die  mühe  des  ringens  ersparte^  so  kann  er  nicht 
einen  dann  und  wann  nur  beim  speerwurf  vorkommenden  glQcks- 
fall  andeuten,  sondern  musz  auf  ein  bestimmtes,  wahrscheinlich  mit 
dem  Speerwurf  des  Sogen  es  in  Verbindung  stehendes  ereignis  an- 
spielen* ein  glücklicher  speerwurf  brachte  Sogenes  den  dritten  ein- 
zelnen sieg  und  damit  den  gesamtsieg;  des  ringen»  aber  wurde  der 
Sieger  überhoben,  denn  eine  fortsetzung  des  kampfes  war  zwecklOi»| 
wenn  der  sieger  fet^tstand. 

€t  7TÖV0C  flv,  TÖ  tepTTVöv  TiXcov  TTCb^px^Tai,  sagt  der  dichter 
sunächst  mit  bezug  auf  sich  selbst,   auch  Sogenes  hätte  sich  Tiel* 

*•  ßöckti  weist  nuf  dns  echol  veL  tinter  109  tl  növoc  i^v  rd  Tf(>- 
irvöv]  hin:  Ö  dKUJv,  cprictv,  alxioc  y€v6^€Vüc  Tt\c  itavT«XoOc  vticnc  o^x 
£iro(iiC€  xpi^itxy  cc  Ix^xy/  toO  hiä  iTdXr)C  ce  trcpitcv^cöat  tU»v  dvTOXUivi« 
CTiüv,  dXXd  cou  dßp€KTov  i6v  aOx^va  U4ir€fiiv€  toO  dfii)voc. 


FMie:  zum  fünfkampf  der  GriecheD.  813 

leicht  noch  mehr,  als  er  es  thut,  über  seinen  sieg  gefreut,  wenn  er 
sich  durch  den  ringkampf  zum  siege  hindurchgerungen  und  einen 
weniger  glänzenden,  aber  mühsamem  sieg  gewonnen  hätte,  diesen 
gedanken  legen  die  worte  des  dichters  nahe,  aber  dasz  sie  im  stände 
seien  die  siegesfreude  des  Sogenes  zu  schmälern ,  glaube  ich  nicht. 
Holwerda  s.  211  nimt  dies  an  und  legt  in  y.  75  f.  ia  )li€*  vikuivti 
T€  xcipiv,  €1  Ti  TT^pav  depGeic  |  dv^Kpatov,  ou  xpaxuc  eljui  Kaia- 
9^)Li€V  einen  sinn  den  sie  nicht  haben:  Masz  mich;  ihm,  der  jeden- 
falls gesiegt  (viKUuvTl  fe) ,  sei  es  auch  mit  einem  siege ,  der  mindere 
freude  (x^piv)  macht,  werde  ich  die  härte  nicht  haben  diese  freude 
herabzusetzen,  wenn  ich  auch  vielleicht  mein  lied  zu  hoch  angestimmt 
habe/  in  v.  75  f.  wendet  sich  der  dichter  endlich  von  Neoptolemos 
ab  und  dem  sieger  zu.  d  Ti  irepav  depGeic  dv^Kpatov  bezieht  sich 
auf  die  absch weifung  zu  Neoptolemos  und  besonders  auf  den  schwur 
V.  70  ff. 

Böckh  hat  das  verdienst  für  die  erklärung  dieser  stelle  den 
rechten  weg  gewiesen  zu  haben,  wenn  er  auch  im  einzelnen  irrte, 
mit  recht  folgte  ihm  Holwerda  und  nahm  auch  an,  Sogenes  sei  des 
ringens  überhoben  worden,  weil  er  drei  einzelne  siege  und  damit 
den  gesamtsieg  schon  vor  dem  ringkampf  errungen  habe;  aber  er 
blieb  auf  halbem  wege  stehen,  insofern  er  den  ganzen  Zusammen- 
hang ,  in  dem  die  worte  stehen ,  nicht  näher  untersuchte  und  auch 
den  vergleich  T^pjiia  Trpoßdc  nicht  richtig  auffaszte.  eine  ganz  andere, 
von  den  meisten  neuern  (Bergk,  Gardner,  Marquardt,  Fedde,  Haggen- 
müller) angenommene  deutung  gab  Finder  dieser  stelle,  sein  ver- 
dienst ist  T6p)Lia  TTpoßdc  zuerst  richtig  verstanden  zu  haben,  aber 
indem  er  die  möglichkeit  der  abkürzung  des  fünfkampfs  bestritt, 
faszte  er  das  dK7Te|Li7T€iv  TraXaicjiidTUüv  als  folge  des  T^pjLia  Trpoßfjvai, 
dh.  als  ausschlusz  von  der  fortsetzung  des  kampfes  wegen  des  freveis. 
er  nimt  eine  unbewiesene  hypothese  G Hermanns  an,  der  dichter 
spiele  V.  58  ff.  auf  einen  pythischen  wettkampf  an,  in  demThearion, 
des  Siegers  vater,  einem  Achaier  (v.  64)  unterlegen  wäre,  dieser 
abschweifung  wegen  wolle  sich  Pindaros  v.  70  ff.  bei  Sogenes  ent- 
schuldigen, ^seine  eigne  zunge  vergleicht  er  dabei  mit  der  lanze  im 
fünfkampf,  und  feierlich  leugnet  er  ab,  dasz  er  die  grenze  über- 
schreitend einen  wurf  gethan  habe,  die  ihn  hätte  ausschlieszen  müssen 
von  fernerm  kämpfe ,  nein ,  weiterzuführen  sein  lied  habe  er  so  ge- 
sungen, um  durch  mühen  (v.  74)  hindurchzudringen  zum  preise' 
(Finder  s.  88,  vgl.  53.  91).  so  kommt  v.  74,  der  eine  deutliche  be- 
ziebung  auf  das  unmittelbar  vorhergehende  enthält,  nicht  zu  seinem 
rechte,  und  die  worte,  die  v.  73  den  ringkampf  als  so  mühevoll 
schildern,  werden  zur  floskel.  schon  aus  diesem  gründe  ist  die 
Pindersche  erklärung  zu  verwerfen,  auch  Faber  s.  475  schlieszt 
sich  Finder  im  groszen  und  ganzen  an.  nur  meint  er,  Finder  habe 
die  stelle  noch  nicht  zu  völliger  klarheit  zu  bringen  vermocht,  volles 
Verständnis  gebe  erst  die  vergleichung  mit  Isthm.  2,  35.  Isthm. 
2,  30  ff.  lautet:  Ktti  Tdp  oÖK  dTvOüxec  ujüiTv  dvxi  böjüioi  |  oöt€  Kifi- 


814  FMie:  zum  fünfkampf  der  Griechen. 

fiuiv,  (h  6pacußouX*,  ^paroiv,  |  oCt€  )Li€XiK6fiTTuiv  dotbfiv.  |  oö  t&P 
TTÄTOC,  oube  TrpocdvTTic  d  K^XeuGoc  TiTveiai,  |  e!  Tic  cuböEuiv  tc 
dvbpdiv  dxoi  Ti^dc  'EXiKiüvidbujv.  |  fiaKpd  biCKrjcaic  dKOVTiccaiMi 
TOCoOG',  öcov  öpTdv  |  — ervoKpdnic  uirip  dvepuiiruiv  ifXuKeiav  j 
f CX€V.  der  hier  gefeierte  Xenokrates  wird  auch  in  Pyth.  6  von 
Pindaros  wegen  eines  pythischen  wagensieges  besungen.  *das  fiaicpa 
bic.Kiicaic'  sagt  Faber  s.  472  'bezieht  sich  offenbar  auf  jene  sechste 
pythische  ode,  während  der  vorliegende  gesang  vom  dichter  mit 
dem  dKOVTiZeiv  verglichen  wird.'  das  ist  keineswegs  offenbati  son- 
dern höchst  unwahrscheinlich,  ich  bin  davon  Oberzeugt,  dasz  dem 
dichter  in  den  Worten  )LiaKpd  biCKrjcaic  äKOVTtccaijLii  jede  anspielung 
auf  ein  zweites  siegeslied  fern  liegt,  eine  solche  würde  deutlicher 
zu  erkennen  sein,  das  gleichnis  bezieht  sich  nur  auf  die  vorliegen- 
den Worte  von  Isthm.  2;  wie  auch  sonst  (zb.  ol.  13,  93  £  Nem. 
7,  70  ff.),  so  verschmelzt  der  dichter  hier  zwei  dem  fünfkampf  ent- 
lehnte bilder  zu  6inem.^'  dasz  sich  in  Nem.  7,  70  ff.  Skuiv  und 
7raXaiC)LiaTa  auf  zwei  nach  einander  entstandene  gedieh te  besögen, 
dKUJV  auf  den  Neoptolemos  -  paian  und  TraXaCcjüiata  auf  Nem.  7,  ist 
daher  auch  eine  willkürliche  annähme  Fabers. 

Es  ist  noch  übrig  den  verlauf  des  fünfkampfs  in  zwei  verschie- 
denen fällen  zu  untersuchen,  wir  wissen  dasz,  wenn  aus  den  vier 
ersten  teilen  des  fünfkampfs  vier  verschiedene  sieger hervorgegangen 
waren,  alle  teilnehmer  am  wettkam pf. zum  ringen  zugelassen  worden. 
geschah  dies  auch ,  wenn  nach  dem  vierten  kämpfe  zwei  agonisten 
mit  je  zwei  einzelnen  siegen  da  waren?  traten  in  diesem  falle  alle 
fünfkümpfer  zum  ringen  an,  so  war  die  möglichkeit  vorhanden,  dasz 
einer  sich  als  bester  ringer  zeigte,  der  bisher  ganz  erfolglos  gekftmpfl 
hatte,  wem  sollte  dann  der  kränz  gegeben  werden?  dem  ring- 
kSmpfer,  der  nur  6inen  sieg  aufzuweisen  hatte,  gebührte  er  nicht. 
von  den  beiden  andern  hatte  aber  jeder  gU'iche  ansprüche  auf  den 
preis,  wenn  alöO  in  dem  angegebenen  falle  alle  teilnehmer  am  fünf- 
kampf zum  ringen  zugelassen  wurden,  konnte  die  frage  nach  dem 
gesamtsiegcr  sehr  verwickelt  werden,  um  dies  zu  vermeiden,  lieszen 
die  kanipfrichter  vermutlich,  wenn  in  den  vier  ersten  stücken  zwei 
Wettkämpfer  je  zwei  ^ioge  gewonnen  hatten,  nur  diese  beiden  im 
ringen  auftreten,  mir  scheint  diese  annähme  durch  die  Verhältnisse 
geboten  zu  sein. 

Es  konnte  aber  auch  der  fall  vorkommen,  dusz  im  verlauf  der 
vier  ersten  teile  des  fünfkampfs  einer  zweimal  und  zwei  je  Einmal 
siegten,  nahmen  dann  alle  agonisten  ohne  ausnähme  am  ringkampf 
teil,  so  konnten  den  kampfrichtern  allerdings  niemals  solche  Schwierig- 
keiten bei  der  Zuteilung  des  sieges  erwachsen  wie  die  vorher  ge- 
schildert(T..    trotzdem  glaube  ich,  dasz  auch  in  diesem  falle  vom 

*-^  vgl.  Hohol.  vet.  51  uaKpd  öicxficaic  dKovriccaifii]  fiaKpuiic  xal  ^c- 
•fiiXujc  Tov  ^luAv  Xöyov  j!>(ipac,  (pT]ci,  kolX  töv  viKT]<pöpov  tTKUifAicÜliuv, 
iiTTcpßaXoOMai  touc  dXXouc,  ötröcov  xai  ö  HevcxpaTnc  Tpönov  tAukOv 
Kai  cTTOubaiöTEpov  irdvTUJv  dvepiiiirwv  ^cx€v. 


EJLiebhold:  za  PlatooB  Politeia.  815 

ringkampfe  alle  die  ausgeschlossen  wurden,  die  bisher  erfolglos  ge- 
kämpft hatten,  denn  hätte  auch  einer  von  diesen  im  ringen  gesiegt, 
den  gesamtsieg  konnte  er  doch  nicht  mehr  dadurch  erlangen,  wahr- 
scheinlich traten  nur  die  sieger  der  vier  isrsten  teile  des  pentathlon 
zum  ringen  an.  siegte  der,  der  vorher  schon  zweimal  gesiegt  hatte, 
so  wurde  er  selbstverständlich  gesamtsieger.  siegte  einer  von  den 
beiden  andern,  so  waren  nach  dem  abschlusz  des  fünfkampfs  auszer 
einem  einfachen  sieger  zwei  sieger  in  je  zwei  stocken  da.  natürlich 
wurde  d^m  zweifachen  sieger,  der  auch  im  ringen  gesiegt  hatte,  der 
kränz  zu  teil  gemäsz  der  bedeutung,  die  der  ringkampf  im  Verhältnis 
zu  den  andern  kampfarten  hatte. 

Mit  diesen  auseinandersetzungen  steht  das  oben  s.  805  angeführte 
scholion  zu  Aristeides  pan.  nicht  im  Widerspruch,  nur  ist  die  angäbe 
des  scholiasten  unvollständig  und  nicht  erschöpfend,  wollte  er 
genau  sein,  so  muste  er  sagen :  *drei  von  fünf  siegen  genügen  unter 
allen  umständen  zum  gesamtsiege;  unter  gewissen  bedingungen,  nicht 
immer,  genügen  zwei  siege  und  eventuell  sogar  6iner.'  das  letzte 
beweist  die  erzählung  vom  mythischen  fünfkampf  bei  Philostratos. 

Rostock.  Friedrich  Mib. 

(62.) 

ZU  PLATONS  POLITEIA. 


I  342*  Ti  bk  br\;  ami]  i\  laTpiKrj  icTX  irovTipd,  f\  äWx]  Tic 
T€xvr|  f  c9'  6ti  irpocbeiTai  xivoc  dpexfic,  üjcirep  öq)OaX^oi  öipeuüc 
Kai  iLia  diKofic ,  Kai  bid  lauia  ^tt*  auToTc  bei  xivöc  t^xvtic  ttjc  tö 
HujLiqpepov  eic  auid  raura  CKei|;o|Li^vTic  t€  Kai  iKTTopiJ^oucric;  die 
bedürftigkeit  der  kunst  soll  in  dieser  frage  weder  als  eine  zeitweilige 
r^cö*  6t€)  noch  als  eine  in  irgend  einer  beziehung  vorkommende 
(^c6'  ÖTi),  sondern  als  eine  durch  die  mangelhaftigkeit  (TTOViipia) 
ihres  wesens  unzweifelhaft  bedingte  hingestellt  werden,  da  nun  die 
zweifellosigkeit  von  Piaton  sehr  häufig  durch  die  formel  oicG*  ÖTi 
ausgedrückt  wird,  so  ist  es  wahrscheinlich,  dasz  auch  an  dieser  stelle 
f|  dXXri  Tic  T^xvn  oIcG'  ÖTI  rrpocbciTai  tivoc  dpCTflc  in  dem  texte 
gestanden  hat.  dieser  Sprachgebrauch  wird  bestätigt  durch  stellen 
wie  III  393^  orc0'  ÖTi  ouK  dv  ^\}xr\c\c  ?iv,  dXX'  diTXfi  birJTncic. 
VI  505  *  KOI  vOv  cxeböv  oTc0'  öti  jli^XXuj  toOto  X^t^iv  und  auszer- 
dem  durch  Phaidon  72'*  orc0'  ÖTi  ixdvTa  TcXeuTUJVTa  tö  auTÖ 
cxfljua  äv  cxciT].  Gorg.  486*  oTc0*  Sti  ouk  Sv  fxo^c,  öti  xpn^aio 
cauTui.  Menon  85*^  oTc9'  öti  tcXcutujv  oubevöc  fjTTOV  dKpißiöc 
dTricTr|C€Tai  irepi  toütiüv.  Theait.  171*  ua. 

343  ^  Kai  br\  Kai  toiic  dv  TaTc  ttöXcciv  fipxovTac,  o*i  ibc  dXii0uic 
öpxouciv,  dXXuic  TTUiC  fjTcT  biavoeicGai  rrpöc  toüc  dpxojüi^vouc 

f|    ÜJCTiep    fiv    TIC   TTpÖC   TTpÖßaTa   biaT€0€lTl,    Kai  fiXXo  Tl  CKOTTeiV 

auTOuc  bid  vuktöc  koi  fjju^pac  fj  toöto,  Ö0€V  auTOi  ibq)€Xr|covTai. 
an  dieser  stelle  ist  wegen  des  folgenden  ckottcTv  das  vorangehende 


816 


EJLiebboldi  zu  Flatons  Poliieia« 


biavoeicGat  entbebrlicb  und  Dacb  dem  spracbgebraucb ,  der  in  ver- 
gleiebuQgen  denselben  oder  einen  verwandten  begriff  zu  fordern 
pflegt,  unwabrscbeinlicb ^  wcsbalb  es  sich  empfeblen  würde  bia- 
K€ic6ai  anstatt  Öiav0€ic6ai  mit  rücksiebt  auf  das  folgende  bia- 
TCÖeiT)  zu  scbrejben.  übrigens  ersehe  icb  aus  der  Stall  bäum  sehen 
ausgäbe,  dasz  dieser  verschlag  schon  früher  Ton  Faesi  gemacht 
worden  ist. 

349^  ToiouTOc  dpa  icilv  iKärepoc  auTtirv,  okncp  foiicev* 
*AXXä  xi  |i€X\€i;  lqpT|.  hier  sind»  wie  es  scheint,  zwei  ungenaoi^- 
keiten  des  texten  zu  bemängeln,  denn  er&tlicb  ist  zu  schreiben  o  lOt 
(sc,  ciclv)  oiciT€p  coiKeVj  und  ausserdem  anstatt  des  unhaltbaren 
dXXct  Ti  iieXXei  dem  kurz  vorhergehenden  ttojc  jap  ou  ptXXei  ent- 
sprechend entweder  dXXd  Ti  oij  /itXXei;  oder  dXXct  ti  dXXo  ^^XXct; 
wie  dies  aus  ähnlichen  stellen^  z,  b.  III  392 <*  tI  fäp,  €q>Ti,  dXXo  (sc. 
eivai  peXXei);  VlII  566^  tI  b*  oü  fitXXci;  ebd.  568»  ti  b'  ou  iiiX- 
Xouciv;  und  X  605'=  ri  b*  oü  ^AX€i,  clirep  ^e  bpa  aurö;  erhellt. 
dagegen  sind  die  von  Stallbaum  angezogenen  stellen ,  wenn  nicht 
dasselbe  versehen  der  Überlieferung  anzunehmen  ist^  schon  aus  d^m 
gründe  nicht  zu  verwerten ,  weil  in  keiner  von  beiden  das  verbum 
jLieXXetv  in  frage  kommt,  denn  Gorg,  480^  heiszt  es  xi  yäp  bi) 
(pdu|i€v,  Ol  CuiKpaT€c;  und  Prot  312^  ti  äv  einoiMCv  auTÖv  elvai,  ^ 
uj  CaJKpaxec,  f\  diTKxdxiiv  roO  TTOifjcai  beivov  Xeteiv ;  ■ 

352'*'=  ÖTi  piv  Totp  Kai  coqpujxepoi  Kai  d^icivouc  Kai  buvaxtu-  ™ 
Tcpoi  irpdTT^iv  Ol  biKaioi  (paivovTai ,  o\  b^  fibiKOi  oub^v  irpdrreiv 
ptx'  dXXT]Xujv  otoi  T€   —   dXXd  bq  Kai  oüc  (papev  ippujp^vojc 
TTiuTioT^  TI  peT*  dXXr|Xüuv  KDivrj  TTpdSai  dbiKouc  övtac,  toOto  ou 
TTavTarraciv  dXrjSec  Xetopev.   mit  dem  öxi  zu  an  fang  der  periode 
würde  man  offenbar  eine  jäh  abbrechende  construction  erhalten,  die 
nur  durch  biiXov  oder  q)av€pöv  ^CTi  vervollständigt  werden  könnte.  | 
da  jedoch  dem  attischen  dialog  diejenige  aposiopesis  am  gelliufig« 
ßten  istf  bei  welcher  von  zwei  einander  entgegengesetzten  bedinf^ti^it  I 
ßfttzen  der  erstere  ohne  nacbsatz  bleibt,  zb.  Prot,  325*^,  Symp.  18ö^, 
Thuk.  III  3,  während  im  vorliegenden  falle  die  Unebenheit  durch 
eine  leichte  Undening  entfernt  werden  kann^  so  halte  icb  es  für  wahr- 
aebeinlich,  dasz  früher  ftl  in  dem  texte  gestanden  bat,  weil  durcb 
diese  partikel  bisweilen  auf  die  noch  andauernde  gflUigkeit  einer 
frühem  bebauptung  oder  eines  aus  der  frllbern  beweisfübruog  sich 
ergebenden  resultates  hingewiesen  und  somit  ungefähr  dasselbe  adi^ 
etwas  ähnliches  wie  durch  die  weiter  unten  (352'*)  folgende  wen- 
düng  cpaivovTai  ptv  ovv  kqi  vöv,  &c  t^  MOi  boKei,  ^  tüv  eipHKa^cv 
(sc,  £ijbai|iOVtcT€poi  €?vai)  erreicht  wird*  damit  würde  zugleich  die  M 
von  Woblrab  (in  seiner  scbukusgabe  von  1893)  aufgenommene  «i*  ■ 
klärung  Hüllers  überflüssig  werden,  wonach  der  fitatz  mit  ÖTi  ebenso 
wie  die  viel  spätem  worte  xauTa  pev  ouv  ÖTi  oöiwc  ^x^i  von  ^iov- 
ödvuj,   von  dem   es  durch  eine  beträchtliche  entfemung  getreitni| 
ist,  abhängig  sein  soll. 

K  UDO  LS  TA  DT.  KaBL  J  Uli  US  LtESBOLI», 


FSusemihl:  snr  teztüberlieferung  der  Aristotelinchen  politiik.     817 

93. 

ZUR  TEXTÜBERLIEFERÜNG  DER  ARISTOTELISCHEN 
POLITIK. 


Da  meine  dritte  ausgäbe  der  Aristotelischen  politik  jetzt  in 
neuem,  hie  und  da,  so  weit  es  angieng,  verbessertem  abdruck  er- 
scheint, fühle  ich  eine  gewisse  Verpflichtung  mein  von  mehreren 
Seiten  angegrififenes  und  allerdings  einer  modiflcation  bedürftiges 
und  nunmehr  von  mir  modifioiertes  verfahren  bei  der  textgestaltung 
noch  einmal  teilweise  zu  beleuchten,  im  zweiten  teil  meiner  *quae- 
stiones  Aristoteleae  crit.  et  exeg/  (Greifswald  1893)  s.  III — IX 
habe  ich  mich  zu  zeigen  bemüht,  dasz  WLNewman  in  seiner  höchst 
schätzbaren,  bisher  leider  nur  die  beiden  ersten  bücher  umfassenden 
ausgäbe  (Oxford  1887)  mit  unrecht  die  hss.-familie  IP  vor  W  im 
gegensatz  zu  mir  bevorzugt  habe,  und  mein  recensent  MWallies 
Berl.  ph.  woch.  XIU  (1893)  sp.  1196  findet,  dasz  es  mir  gelungen 
sei.  dagegen  hat  Newman  'prof.  Susemihl  on  the  mss.  of  Aristotles' 
Politics'  in  class.  rev.  VII  (1893)  s.  304  —  309  mich  in  einer  viel- 
fach beachtenswerten  weise  zu  widerlegen  gesucht,  und  dieser  ver- 
such verdient  daher  eine  möglichst  gedrängte  antwort. 

Zwar  das  erste  buch,  darüber  sind  wir  beide  einig,  kann  wenig 
oder  gar  nichts  entscheiden,  freilich  habe  ich  hier  keineswegs ,  wie 
ein  anderer  recensent  CGoebel  woch.  f.  cl.  ph.  X  (1693)  sp.  736  be- 
richtet, mich  blosz  dahin  ausgesprochen,  dasz  bei  berechnung  der 
sichern  fälle  das  Verhältnis  der  richtigen  lesarten  in  W  und  IP 
=R  13  :  16  sei,  und  keineswegs  mich  sonst  nicht  bestimmt  ent- 
schieden; ich  habe  vielmehr  noch  für  eine  reihe  anderer  stellen  sehr 
bestimmt,  nur  nicht  mit  gleicher  gewisheit  meine  mit  gründen  unter- 
stützte meinung  geäuszert  und  dargelegt,  dasz  auch  bei  der  mög- 
lichsten liberalität  gegen  IP  nach  abzug  aller  schlechthin  unent- 
scheidbaren  fälle  sich  das  wirkliche  Verhältnis  mit  Wahrscheinlichkeit 
vielmehr  =  23  :  19  oder  gar  24  :  19  gestaltet.  Newman  hat  sich 
begnügt  1252»  8.  ^20.  1253^  33.  1267*»  7.  1260»  31  vielmehr  für 
W  in  anspruch  zu  nehmen,  mögen  denn  andere  zusehen,  ob  meine 
dort  und  früher  entwickelten  gründe  oder  die  seinen  die  starkem 
sind,  es  handelt  sich  dabei  namentlich  um  die  von  mir  selbst  her- 
vorgehobene thatsache ,  die  aber  natürlich  auch  Newman  nicht  Üür 
allein  entscheidend  hält,  dasz  häufig  in  W  worte,  namentlich  kurse 
mit  unrecht  weggelassen  sind,  seltner  mit  recht,  um  so  mehr  sollte 
man  freilich,  beiläufig  gesagt,  denken,  dasz  da,  wo  vielmehr  die 
beiden  erhaltenen  hss.  M^P^  der  familie  IP  solche  kurze  Wörter  wie 
den  artikel  im  gegensatz  zu  il^  hinzufügen,  dies  öfter  richtig  sein 
werde  als  verkehrt.  ^ 


1  diese  frage  wird  sofort  praktisch  1362*  2  und  1268«  25,  8.  unten, 
vgl.  anm.  2. 

Jahrbacher  f&r  class.  philol.  1898  hfl.  12.  52 


818     FSusemibh  zur  textub erlief erung  der  Aristotelisclien  politik. 

Im  zweiten  bacbe  habe  icb  das  mit  voller  oder  anoälienider 
Sicherheit  zu  beredmende  verbältnis  auf  64  oder  65  :  39  angesetzt» 
dabei  aber^  wie  Newman  bemerkt,  ein  paar  irrttimer  begangen»  indem 
ich  zu  Ungunsten  von  JI*  noch  1266*'  6.  1268  ^  16  und  zu  gnnsten 
noch  1271*  40,  1273»  9  hätte  aufführen  müssen  und  1270*»  12 
nicht  zu  gunsten  von  1J\  sondern  von  U^*  so  wäre  das  Verhältnis 
aleo  vielmehr  65  oder  66  :  42. 

Unter  jenen  65  oder  66  fälhn  stimmte  nun  Newman  in  41  oder 
42  und  stimmt  jetzt  in  42  oder  43  mit  mir  äberein ,  in  bezug  auf  5 
andere  schwankte  er  schon  früher ,  und  jetzt  sind  zu  diesem  seinem 
schwanken  noch  7  weitere  hinzugelangt :  ich  sehe  keine  Ursache 
auf  die  von  mir  dargelegten  gründe,  weshalb  ich  hier  gar  nicht 
schwanke,  sondern  diese  lesarten  unbedenklich  17^  zu  gute  schreibe» 
noch  einmal  zurückzukommen,  denn  ich  wenigstens  hege  zb.  nicht 
den  leisesten  zweifei  dagegen,  dasz  1262^  2  tujv  äpi6^0uv  in  77^  aus 
TÖV  äpiG^äv  Ojv  verderbt  und  zubammengeflossen,  und  dasz  1268*  25 
das  für  den  sinn  kaum  entbehrliche  Kai  aus  W  aufzunehmen  iatV 
und  wenn  Goebel  Bp.737  behauptet,  die  lesart  von  iT^gebe  1272^  8  f. 
denselben  sinn  ohne  conjectur  wie  die  ohne  die  conjectur  von  Kora^ 
nicht  zu  haltende  von  n\  so  ist  dies  einfach  nicht  wahr:  sie  gibt 
vielmehr  gar  keinen  sinn,  denn  was  soll  eigentlich  eine  akoämie  der 
mächtigen  heiszen?  akosmie  kann  ja  doch  nichts  anderes  bedeuten 
als  su&pendierung  des  kosmenamtes,  wozu  denn  die  Wortstellung  in 
n^  mit  der  äuszerst  leichten  Verbesserung  von  6xav  in  oTav  vor- 
trefflich passt.  *  und  wenn  Newman  meint^  es  habe  1264  ^  31  leichter 


*  daza  kommt  obendrein  noch  der  obige  geüichispunktt  s.  mhiii.  i, 
'  in  bosng  auf  1261 '^  2  ^T.  ist  ja  Newman  mit  mir  einTerttundeDf 
er  trä^t  nur  bedenken  meine  conjectur  dvofioioiK  fUr  b*  ibc  öfioCouc 
anzunenmen ,  weil  sie  ihm  nicht  leicht  genug  ist.  aber  sie  ist  f^r 
nicht  so  flcbwer:  A  und  A  liegen  ja  einander  nahe  genu^  und  werden 
oft  verwechselt,  aus  den  beiden  ersten  haken  eines  etwas  rundlich  ge- 
Hchriebenen  N  aber  konnte  sehr  wohl  Q,  aus  dem  dritten  C  werden,  mit 
dieser  verbeasernng'  tat  nun  Aber  der  text  vod  J7'  gej^enüber  dem  inter- 
polierten von  JI'  gnnz  in  Ordnung.  Goebel  dagregen  9«tEt  iich  «os  der 
leg&rt  von  JI»  toÖto  hk  gi^tltai  rö  iv  ^^p€i  toüc  tcouc  €Sk€Iv  t6  5'  ük 
d^ofouc  etvat  il  äpxf\c  und  12*  iv  toijtoic  bi  |ütt^€lc6ai  t6  dv  ^^pci  to^k 
Icoüc  oIkciv  (oder  cCkciv)  öjiolovc  (oder  ÖfioCu/cj  toTc  ix  äpxf[Q  folgenden 
text  zusammen:  toÜto  &eT  (so  Montecatino?)  MtMCicOai  t6  iv  ^^p€l  TOi>c 
Tcouc  elKCiv  öMOtwc  tok  i^  dpx'ic,  in  welchem  rote  H  äp%f\c  mit  'deneo^ 
welche  ausserhalb  der  obrigkeit  stehen'  (!  l)  übersetzt  wird,  eine 
weitere  Widerlegung  ist  unnötig,  ich  erlaube  mir  nur  den  rec.  auf  meiiie 
^quaeationes  criticae  de  Politicis  Aristoteleis'  zu  verweisen,  die  er  atlem 
Anschein  nach  nicht  gelesen  hat,  aber  doch  wohl  billige rwebe  erst  hUtte 
lesen  müssen,  noch  wunderlicher  ist  sein  verhiiUen  1272'*  39  f.,  wo  er 
offenbar  nicht  einmal  eine  etBsige  meiner  drei  ausgaben  lur  band  g«« 
commen  hat.  denn  er  schreibt,  durch  die  aufnähme  von  ica6^  a(n^ 
lasse  sich  die  sielte  nicht  heilen,  gerade  ich  aber  habe  auch  nichl  im 
entferntesten  geglaubt  sie  dadurch  allein  heilen  xu  können,  sondern 
gennu  angegeben,  wie  diese  schwer  verderbte  stelle  längst  von  andern 
dem  sinne  und  annttherud  auch  dem  Wortlaut  nach  gehciU  hl.  gerade 
Goebel  dagegen,  v{>llig  hierum  unbekümmert,  nimt  die  worte,  wie  tie 


FSasemihl:  zur  textüberliefenmg  der  Aristotelisohen  poIitik.     819 

tap  in  bk  übergehen  können  als  nmgekehrty  so  ist  zu  erwidern,  daes 
die  häufige  Yertauschnng  beider  partikeln  mit  einander  in  den 
Aristoteles-hss.  lediglich  auf  der  ähnlichkeit  der  compendien  beraht. 

Es  bleiben  also  noch  folgende  12  fftlle  ttbrig. 

1260^  27  und  1261  ^  4.  ich  könnte  auch  hier  mich  darauf  be- 
schränken für  die  rechtfertigung  der  weglassungen  in  J7^  auf  meine 
frühern  begründungen  zu  yerweisen,  da  Newman  auf  dieselben  nicht 
eingegangen  ist.  bei  dem  allgemeinem  interesse,  welches  die  sache 
an  der  erstem  stelle  hat^  ist  indessen  eine  Wiederholung  nicht  über- 
flüssig, man  hat  längst  bemerkt,  dasz  der  schlusz  des  ersten  und 
dieser  anfang  des  zweiten  buche  nicht  zu  einander  passen,  nicht  bi, 
sondem  toip  würde  einen  leidlichen  Zusammenhang  herstellen,  aber 
auch  der  anfang  des  dritten  und  der  des  sechsten  (früher  vierten) 
sind  ohne  solche  copula,  so  leicht  sich  auch  an  ersterer  stelle  bi 
einschieben  liesze.  es  stimmt  dies  ganz  zu  der  jetzt  wohl  allgemein 
gewonnenen  Überzeugung,  dasz  die  schrift  aus  yerschiedenen  ent- 
würfen zusammengesetzt  ist.  auch  im  überlieferten  anfang  des 
vierten  (siebenten)  buche  ist  bk  von  dem  hauptcodex  der  familie  IP 
interpoliert,  kann  es  noch  einen  zweifei  leiden^  dasz  es  auch  im 
eingang  des  zweiten  eine  interpolation^  und  zwar  hier  von  der  ganzen 
familie  IP  ist? 

1261*  27.  hier  wird  das  futurum  £XKt}c€i  durch  das  folgende 
futurum  bioicei  gestützt;  und  IXxiicq  ist  nun  einmal  sprachwidrig. 

1263^  7  TauTÄ  t€  bf|  (oö  fügt  IP  ein)  cufißaivci  toTc  Xiav  8v 
TTOioOci  Tf)V  TTÖXiv.  Ncwmau  gibt  zu,  dasz  unter  den  Xiav  &v  iroi- 
oCvT€C  Piaton  zu  verstehen  ist  und  nicht  seine  Staatsbürger,  nun 
entgeht  doch  aber  der  genusz  etwas  sein  eigen  nennen  und  nahe- 
stehenden gefällig  und  hilfreich  sein  zu  können  nicht  jenem ,  son- 
dern er  würde  diesen  entgehen,  wohl  aber  begegnet  es  jenem,  dasz 
seine  theoric;  ins  praktische  hinübergeführt,  alle  diese  übelstftnde 
hervorrufen  würde,  das  erkannten  Vettori  und  Schneider  und  tilgten 
daher  das  oö. 

1265*  33  f.  hier  gibt  Goebel  mir  recht.  Newman  dagegen 
beharrt  bei  seiner  ansieht,  er  berief  sich  für  seine  meinung ,  dasi 
dKoXouOeTv  blosz  comes  esse  bedeute,  wie  es  hier  Sepulveda  überaetiti 
auf  Bonitz  index  Ar.  26  *  25  ff.  ich  entgegnete  ihm,  dasz  Bonitz  hier 
vielmehr  schreibt:  ^sequi  videtur  causam  effectus,  propositiones  oon- 
clusio ,  condiciones  id  quod  ex  iis  suspensum  est ,  substantiam  aed- 
dens;  de  bis  rationibus  dKoXoiideiv  usurpatur'  und  dann  unter  den 
beispielen  z.  44  diese  stelle  nur  mit  *cf.'  einführt  und  nicht  axuh 
schreibt,  woraus  ich  schlosz  und  noch  schliesze,  dasz  er  hier  an  dem ' 
Bekkerschen  text,  dem  er  sonst  folgt,  gegen  den  er  aber  gelegent- 
lich auch  durch  fragezeichen  oder  conjecturen  seine  bedenken  aus- 

überliefert  sind,  ruhig  hin  mittels  einer  erkl&mng,  de  qua  honoris  oaosa 
taceo.  man  erkennt  den  eindringenden  und  scharfsinnigen  kritiker  des 
textes  der  tnetaphjsik  hier  nicht  wieder,  leider  ist  ihm  an  der  letztem 
stelle  Newman  mit  ähnlichem  üblem  beispiel  vorangegangen. 

62  • 


820     FSusemih] :  ziu  texiüberlieferuiig  der  ArietoteUscben  politik. 

spriclitf  ftnstOGZ  nahm,  darauf  kommt  ja  nichts  an;  wenn  ab«r 
Newman  meint,  Bonitz  sage  nicht,  unter  welchen  jener  Tier  f&lJe  «r 
diese  stelle  begreift ^  so  sagt  er  dieü  eben  auch  bei  aUeu  andern  to» 
ihm  angeführten  beispielen  tiicht,  und  es  kann  hier  Ton  allen  vier 
doch  selbätveretändlich  nur  der  erste,  kaum  etwa  noch  der  dritt« 
in  betracht  kommen,  nun  kannte  man  freilicb,  je  nachdem  man  die 
ßache  ansieht^  ebenso  gut  sagen:  'scb weigeret  erzeugt  Terscb Wen- 
dung* wie  ^Verschwendung  erzeugt  schwelgereiV  aber  vernünftiger 
weise  nicht  mehr:  'kärgliches  leben  erzeugt  geiz*,  sondern  nur  no^  : 
'geiz  erzeugt  kärgliches  leben.'  und  die  Vereinigung  von  Sparsamkeit 
und  Hberalität  wird  doch  offenbar  nicht  deshalb  empfohlen,  als  oh 
sie  bei  der  trennung  aus  üblen  Ursachen  entsprängen,  was  ja  ein 
Widersinn  wäre,  sondern  weil  bei  ihr  Sparsamkeit  in  geiz^  liberalltftt 
in  verbchwendung  ausartet  und  diese  dann  jene  üblen  folgen  nach 
sich  ziehen*  daher  ist  die  lesart  von  W  mit  der  conjectur  von 
Korans  di<aT€pi|j  für  ^KCtrepov  schlechthin  durch  den  sinn  geboten: 
Xwpk  Tctp  dKaT^puj  Till  |ifev  TÖ  Tpuqpäv  dKoXouöricei  tuj  bi  tö  dm- 
TiöviDG  und  nicht  die  von  /I^  xmpxc  fäp  iKdxepov  t6  ^tv  tlu  Tputpov 
dKoXou6riC€i  TÖ  hi  Tui  ^TTiTTÖvuüC  auch  nur  erträglich»  vielmehr  zog 
die  verderbung  von  ^KOtT^piu  in  iKOtTEpov  diese  weitere  verschlimm- 
besserung  nach  sieb,  von  welcher  sich  auch  hier  wieder  W  frei  ge* 
halten  bat. 

1267^  35.  dasz  die  beiden  hss.-classen  öfter  in  den  tempora 
der  verba  von  einander  abweichen,  ißt  natürlich  auch  mir  nicht  ent- 
gangen, aber  was  hier  der  infinitiv  des  aonsts  ^KXmetV  (IP)  statt 
dKXemetV  soll,  verstehe  ich  nicht, 

12G7  ^  25  ff.  TpixuL)V  T€  TrXrieei  Kai  KO^rjc  (köc^u)  iraXuTcXcI  U^ 
Iti  bt  ^cOtiToc  eOieXcOc  /liv  dXceiviic  hl  ouk  ^v  itp  x^^M^J^vi  pövov 
dXXd  Kd  TTCpl  TOiic  Bepivoüc  xpövauc.  Kewman  sucht  die  leaaH 
von  n^  durch  die  annähme  zu  halten,  durch  welche  sie  sich  in  der 
that  allem  würde  halten  lassen,  dasz  Hippodamos  seine  langen  haare 
und  seine  einfache  k leidung  mit  kostbarem  schmuck  Überlud,  das 
ist  sehr  scharfsinnige  aber  es  bringt  den  übelst&nd  mit  sich,  daas 
doch  gar  keine  Sonderbarkeit  darin  lag,  wenn  jemand  einmal  lange 
haare  trug,  dasz  er  sie  dann  auch  mit  kostbarem  schmuck  zusamoien* 
steckte,  so  dasz  also  die  beiden  von  nXriGct  icai  Kocpiu  noXirrcXci 
abhängigen  genitive  Tpixu)V  und  dcÖf^TOC  usw.  zu  köc|liuj  iroXincXtl 
nicht  in  gleichem  Verhältnis  stehen  würden.  Aristoteles  würde  alao 
dann  doch  wohl  vielmehr  geschrieben  haben:  Tpixu>v  TC  nXrjOct  aol 
nXriOti  fxi  hk  KÖcpip  ncXureXei  k6fjT0c  usw.  dazu  kommt  aber, 
daBZ  es  bei  der  lesart  tob  IP  doch  nicht  t(  tiXi^Bci,  sondern  ttA^i 
T€  hetsaen  müsie,  da  sonst  diesem  tc  nicht  das  nächstfolgende  wtAt 
sondern  anakoluthisch  erst  €j\  bk  entspricht^  was  doch  wohl  auch 
für  Aristoteles  zu  stark  sein  möchte,  daher  man  denn  dies  in  bt 
auch  bald  getilgt  und  bald  in  in*  geändert  hat.  dagegen  gebalten 
sind  doch  die  bedenken  gegen  die  lesart  von  W  verblttnismissig 
gering. 


FSoBemihl:  zur  textüberlieferong  der  AristoteÜBchen  politik.     821 

1268^  3.  für  Tf)V  biKiiv  in  Verbindung  als  object  mit  xara- 
biKdZ:€iv  führt  Newman  Polybios  XXII  4,  7  (Hultsch)  an.  aber 
dort  handelt  es  sich  nicht  um  das  verurteilen  des  angeklagten  als 
solchen,  sondern  in  einer  bestimmten  prozessgattung ;  dort  ist  also 
diese  Verbindung  ganz  in  der  Ordnung,  hier  ist  jeder  zusatz  zu  KttTa- 
biKäZoi  überflüssig ,  und  sollte  er  doch  gemacht  werden ,  war  hier 
nicht  jene  ganz  ungewöhnliche  constmction,  sondern  der  angeklagte 
als  object  am  orte ,  und  da  man ,  wenn  trotzdem  Tf|V  b(Kiiv  hinzu- 
gesetzt war,  dies  auch  wieder  zu  äircXuoi  ergänzen  musz,  so  fragt 
sich  weiter,  ob  denn  auch  dTToXueiv  Tf|V  bCiciiV  griechisch  ist.  unter 
diesen  umständen  ziehe  ich  entschieden  die  weglassung  von  Tr)V 
blxTiv  in  W  auch  jetzt  noch  vor. 

1268*  6  f.  ?Ti  bk  vöfiov  dTiGci  W  (doch  Jti  V  diiGci  vöfiov 
mg.  P"^),  €Ti6ei  bk  vöjüiov  jTZ^.  za  gunsten  der  letztem  Schreibung 
macht  Newman  mit  recht  geltend ,  dasz  auch  sonst  überall  die  ein- 
zelnen punkte  hier  ohne  Übergang  an  einander  gereiht  werden,  wäre 
also  für  77'  die  besser  bezeugte  Ordnung  in  b'  tciBei  vöjüiov  und 
nicht  vielmehr  £ti  bk  vöjüiov  ^TiOei,  so  würde  ich  glauben ,  dasz  der 
zusatz  von  in  bi.  auch  an  dieser  stelle  blosz  durch  dittographie  ent- 
standen sei.  so  aber  ist  vielmehr  anzunehmen,  dasz  in  bi.  in  driOei 
bk  in  der  vorläge  von  77^  verschrieben  war  und  nun  in  folge  davon 
dTiOci  hinter  vö^ov  gestrichen  ward,  übrigens  ist  der  mit  diesen 
Worten  eingeleitete  punkt  nur  ein  nebensächlicher,  so  dasz  er  ganz 
passend  von  den  andern  punkten  durch  dies  in  bi  abgesondert  wird. 

1268  *>  12.  auch  Bekker  hat  6  jüifev  (772)  verworfen,  und  es  ist 
doch  wohl  noch  etwas  anderes,  wenn  wir  meteor.  I  3,  340'  13  f.  jifev 
)Lif]  statt  }xf]  ^^v  lesen ,  als  wenn  Ar.  hier  umgekehrt  6  }xk,y  statt 
jüi^v  6  geschrieben  hätte,  seine  Wortstellung  ist  ja  zuweilen  etwas 
verzwickt,  aber  oft  genug  sind  auch  solche  kleine  Verschiebungen 
durch  die  abschreiber  verschuldet,  wie  ich  es  zb.  von  1273*  9  kqI 
TOUTUiV  statt  TOUTUJV  kqI  glaube  und  Vahlen  es  mir  in  bezug  auf 
poetik  8,  1451  *  32  glaubt,  wo  ich  TauTT]C  Kttl  für  xal  laÜTiic  ver- 
mutete. 

1269*»  6.  freilich  kann  Ar.  so  gut  wie  andere  TTeppaißoic  ge- 
schrieben haben,  aber  schwerlich  ist  dies  die  richtige  form,  denn 
von  welchem  wortstamm  liesze  sie  sich  herleiten?  dagegen,  denke 
ich,  haben  diejenigen  recht,  welche  TTepaißoi  mit  TT^a  in  Zusammen- 
hang bringen,  s.  Pischel  in  Kuhns  ztschr.  XX  (1872)  s.  378  f. 

1271''  20.  äXXä  ^f)V  ß^Xriöv  T^  läszt  sich  ja  allenfalls  so  er- 
klären :  'aber  doch  ist  es  (wenn  es  überhaupt  besser  ist)  wenigstens 
(nur  unter  der  Voraussetzung)  besser,  wenn'  usw.  nun  kann  ich 
aber  nach  wie  vor  nicht  begreifen,  wie  \xi\y  in  K&v,  was  der  alte 
Übersetzer  in  seinem  codex  {F)  las ,  hätte  verderbt  werden  können. 
wohl  aber  begreife  ich,  wenn  Ar.  sich  correcter  so  ausgedrückt 
hatte,  dXXd  k&v  ß^Xiiov,  ßdXriöv  T^»  ^^z  dann  versehentlich  ß^- 
Tiov  nur  Einmal  geschrieben  und  das  nun  sinnlose  k&v  in  fif|V  um« 
gewandelt  wurde. 


822     FSuaemilil:  zur  textüberlieferuDg  der  Arifitotelischeu  politik. 

Nicbt  mitgezählt  babe  ich  versebentlicb  1264^  15  (Kai  alterum 
om.  r)  und  auf  der  andern  Seite  1274  ^  9,  wo  allein  P^*  durch  cor- 
rectur  von  erster  band  das  richtige  OaXeou  geben,  denn  in  Wahr- 
heit, womit  Newman  einverstanden  ist,  müssen  auch  solche  fölle^  in 
denen  nur  ein  teil  von  /Z^  oder  der  bessere  von  W  das  richtige 
erbalten  hat,  den  ganzen  familien  zu  gute  gerechnet  werden,  wSb* 
rcnd  umgekehrt  nur  diejenigen,  in  denen  alle  ihre  glieder  irren, 
zu  ihrem  schaden  anzusetzen  sind*  ersteres  kommt  aber  in  TT* 
häufiger  vor,  in  W  überaus  selten,  und  auch  dies  ist  ein  zeichen 
dafür,  dasz  77^  die  etwas  bessere  recension  ist/* 

Mag  man  nun  immerhin  mit  recht  in  einigen  der  eben  beban- 
delten f^lle  schwanken  und  sie  vielleicht  lieber  zu  den  an  sich  un* 
entscheid  baren  werfen,  geändert  wird  dadurch  in  der  bauptsache 
nichts,  zumal  da  es  fast  nur  lappalien  sind,  in  denen  77^  durch  IP 
berichtigt  wird  und  77^  mehrmals  im  gegensatz  zu  77*  den  ver- 
derbten text  durch  willkürliche  und  verfehlte  conjeciuren  ver- 
schlimmbessert* 

Nun  sucht  aber  Newman  noch  eine  reihe  anderer  stellen  m 
gonsten  von  77^  auf:  1261^  7.  1264*  21.  1265»  12.  21.  1267»  40. 
1268 «^  6.  ^17,  1269^  21.  28.  1273 »>  32.  1274»  4.  ^6.  14.  er  hätte 
vielleicht  noch  1265»  36  hinzufügen  können,  wo  ich  selbst  das  in 
77^  weggelassene  \ikv  nur  in  eckigen  klammern  in  den  text  auf- 
genommen habe^  wo  aber  freilich  die  sache  doch  sehr  ungewis  steht, 
in  bezug  auf  1261*»  7.  1269*»  2L  28,  1274»*  14,  vielleicht  nueb 
1268*  6  mag  nun  Newman  recht  haben.  1265*  21  ff,  habe  ich  ab- 
sichtlich auszer  ansatz  gelassen,  weil  auf  alle  fKUe  das  Öftere  ein- 
dringen von  glossen  in  den  text  von  77*  im  gegensatz  zu  77^  sehr 
natürlich  ist,  indem  der  archetypos  von  77^  eben  nicht  mit  glossea 
versehen  war,  so  dasz  dies  folglich  für  die  gröszere  gute  des  letztem 
gegenüber  dem  arcbetjpos  von  77'  nichts  beweist,  in  bezug  auf 
1274*  4  will  ich  mich  nicht  wiederholen,  hinsichtlich  aller  andern 
6  stellen  bleibe  ich  bei  meiner  meinung,  dasz  die  möglichkeit  auf 
beiden  seilen  gleich  steht,  so  läszt  sich  1265'  12  für  die  weg- 
lassung  des  dritten  TÖ  inM'P*  die  wiederholte  ähnliche  gewohnhcii 
dea  Aristoteles',  gegen  dieselbe  die  häufigkeit  ähnlicher  Sünden  in 

*  gans  richtig  bemerkt  Newman  s.  806  «nm.  1,  daas  ich  12<il*  35. 
*»26.  1265*  19.  "»39.  1266  *•  3  (wo  Übrigen»  die  weglaasüDg  vod  t6c  in 
M*P*  §ogar  gaoa  richtig  sein  kann).  1268«  26.  »>2S.  1270-  8.  21. 
1271^  22,  1272*  1  ausser  rechiiuDg  gelaasen  habe,  weil  sich  hier  über 
r  nichts  ausmachen  lässt,  und  er  ist  denn  auch  damit  sufrieden.  wenn 
ich  advocatisch  hHtte  verfahren  und  gans  streng  hütte  zw  werk  gehen 
wollen,  h&tte  leb  dies  aach  noch  auf  1261«  18.  ^19.  1268*  17.  1269*89. 
IST!**  S8  ausdehnen  und  so  die  zahl  der  stellen  für  IP  noch  um  6  ver- 
kllrfen  dürfen,  zumal  da  ich  gnr  nicht  so  ganz  sictier  bin,  ob  nicht 
1272^  28  die   weglassutig  von  f{   vor  AttKUiviKi^   richtig  ist^  a.  anm.  d, 

^  auch  Goebet  sp.  737  schreibt:  ^im  «llgemeioen  scheint  die  famiUe 
77^  freier  von  conjectaren  zu  seiD  als  H*,*  hütte  er  da«  nur  hei  seiner 
behandlung  von  1261  ^  2  ff.  (s.  anm.  3)  mehr  im  ange  behalten  1  *  Tgl.  tb. 
poetik  1,  1447'  13  ff.     hilafiger  ist  es  ja  freilieb,  dasi  er  in  solchen  ver- 


FSuBemihl :  zur  textGberlieferung  der  Aristotelisclien  politik.     823 

77*  geltend  macben,  so  gegen  die  weglassang  des  zweiten  &v  1267  ^  40 
wiederum  der  letztere  umstand,  für  sie  das  hSufige  schwanken  der 
Wortstellung  in  den  bss.  und  die  hie  und  da  durch  dasselbe  ver- 
schuldete Wiederholung  desselben  worts  oder  derselben  worte  an 
einer  zweiten  stelle.  1174^  6  gehört  überdies  mit  in  die  frage  der 
Wortstellung  hinein,  die  ich,  wo  die  sache  nicht  ganz  klar  liegt,  aus- 
drücklich von  meiner  Untersuchung  ausgeschlossen  habe,  rechnen  wir 
also  getrost  noch  die  5  bezeichneten  stellen  der  recension  77^  zu  gute 
mit  demselben  grade  von  Wahrscheinlichkeit,  mit  dem  ich  oben  für 
einige  andere  zu  gunsten  von  77^  stehen  geblieben  bin^  dann  aber 
auch  noch  in  bezug  auf  1263^  23  stehen  bleibe^  so  gestaltet  sich 
das  Verhältnis  von  77^  :  77^  etwa  ==  67  oder  68  :  48,  nimmer  aber, 
wie  Newman  herausgerechnet  hat  «s  35  :  64.  und  wenn  er  meint, 
die  redaction  77^  zeige  sich  im  zweiten  buche  vielleicht  am  meisten 
von  ihrer  glanzseite,  so  glaube  ich  jahrb.  1887  s.  801 — 805  ihre 
Überlegenheit  über  TP  auch  in  denjenigen  partien  des  dritten  und 
sechsten  (vierten)  dargethan  zu  haben,  welche  in  den  durch  Heylbut 
bekannt  gemachten  vaticanischen  fragmenten  erhalten  sind. 

Dreierlei  st^ht  mir  bei  Newman  im  wege,  seine  scheu  vor  con- 
jecturen ,  vor  allzu  sterkem  abweichen  vom  Bekkerschen  text  und 
vor  dem  alter  dieser  vaticanischen  blStter.  ^  über  die  beiden  letzten 
punkte  habe  ich  mich  anderweit  und  jetzt  auch  in  der  vorrede  zu 
meiner  neuesten  ausgäbe  hinlänglich  ausgesprochen,  in  bezug  auf 
den  ersten  sei  hier  noch  folgendes  bemerkt,  die  Überlieferung  der 
Aristotelischen  und  pseudo- Aristotelischen  Schriften  ist,  wie  schon 
LSpengel  geltend  machte,  sehr  verschieden  von  der  ersten  analytik 
ab ,  in  welcher  vielleicht  kaum  ein  dutzend  conjecturen  nötig  ist, 
bis  zu  dem  entsetzlichen  zustande  der  Eudemischen  ethik ,  der  ab- 
handlungen  über  Melissos,  Xenophanes,  Gorgias,  der  musischen 
Probleme  hin.  ein  so  elendes  hilfsmittel  wie  die  syrisch -arabische 
Übersetzung  der  poetik  hat  jüngst  gegen  70  bis  80  ältere  und  neuere 
conjecturen  bestätigt,  wäre  uns  die  politik  nur  in  der  form  77'  oder 
77^  überliefert,  so  hätten  wir  auf  diesem  wege  alle  diejenigen  be- 
richtigungen  aufsuchen  müssen  j  welche  uns  glücklicherweise  jetzt 
durch  die  andere  form  gegeben  sind,  und  wie  viele  gegner  würden 
diese  versuche,  auch  wenn  sie  das  richtige  getroffen  hätten,  gefunden 
haben!  ist  es  nun  aber  unter  diesen  umständen  wohl  nicht  von 
vom  herein  mehr  als  wahrscheinlich,  dasz  noch  recht  zahlreiche 
beiden  redactionen  gemeinsame  fehler  zurückgeblieben  sind  ?  nach 
dem  verschiedenen  zwecke  meiner  verschiedenen  ausgaben  bin  ich, 


bindungen  (wie  zum  teil  auch  an  dieser  stelle)  zunächst  den  artikel 
wegläszt  und  im  folgenden  ihn  setzt  (s.  Vahlen  zu  poetik  4,  1449*  1), 
aber  ich  zweifle  nicht  daran,  dasz  sich  auch  sichere  ähnliche  bei- 
spiele  wie  hier  und  1272''  28  (nach  M*P^  s.  anm.  4)  finden  werden,  wenn 
sie  mir  auch  jetzt  auszer  1273^  25  ff.  nicht  zur  hand  sind. 

^  wie  wenig  entscheidend  vielfach  das  alter  ist,  so  viel  mindestens 
hat  sich  jüngst  an  dem  papyrus  von  Piatons  Phaidon  auf  alle  fälle  gezeigt. 


824 


VPiDgel;  au  Sophokle«  Antigone  [t*  4]» 


was  ich  hier  zu  wiederholen  nicht  für  überflüssig  halte,  yersohieden 
2U  werke  gegangen :  in  der  kritischen  habe  ich  fast  gar  keine  con- 
jecturen  in  den  text  gesetzt,  in  der  mit  Übersetzung  Yerbundenem 
recht  viele f  um  text  und  UbersetzuDg  möglifjhst  in  einklang  tu 
setzen»  in  der  handausgabe  endlich  habe  ich  einen  mittlem  weg  ein- 
geschlagen. 

Geeifswald.  Franz  Susbkih];*. 


(53J 

ZU  SOPHOKLES  ANTIGONE. 


Mein  gelehrter  freund  OSiesb^re  teilt  mir  brieflich  mit,  da 
die  conjectur  SKr]c  &T€p  tn  Soph.  Ant.  4,  die  ich  yor  einigen 
Wochen  in  dieser  Zeitschrift  oben  s.  447  als  neu  publi eiert  habe, 
schon  am  anfange  des  Jahrhunderts  yon  einem  dentächen  gelehrten 
aufgestellt  worden  ist,  in  den  an  merkungen  zu  seiner  metriachen 
Übersetzung  des  Sophokles  von  1804  schreibt  nemlich  PAst  nach 
besprechuDg  der  von  Brunck  und  Kora^'s  versuchten  emendationen 
der  stelle:  f  vielleicht würe  treffender  ÖKIIC  örep:  unheilbar,  rettungs- 
los, von  ÄKfi  dh.  Ta^a,  öepaneia;  so  OK.  1270  ÖKri  |u^v  icn,  npoc- 
<popd  b*  OUK  f  CT^  ijh  »  in  einer  dies»  *^de  analogiae  Graecae  capitibaB 
minus  cognitis'  in  bd*  VII  der  abhh.  der  k.  hayr*  akad,  der  wiaa. 
(1855)  bespricht  FThiersch  a.  313  £v  trap^ptu),  wie  er  selbst  sagt, 
die  stelle  der  Antigone  und  schreibt:  'malum  sustulerat  Frid.  Astius; 
sed  postea  [vielleicht  in  seiner  mir  unzugänglichen  ausgäbe  der  AnU« 
gone  von  IBIO]  coniecturam  ipse  repudiavit^  quamquam  palmariam/ 
es  scheint  mir  von  nicht  geringem  psychologischem  intoresse,  diMit 
der  z weißer  an  der  echtheit  so  vieler  Platonischer  dialoge  auch  m 
seinem  eignen  glücklichen  fund  ine  geworden  ist»  während  der 
wackere  Thiersch  sich  der  verwaisten  coi^ectur  warm  und  tttobtig 
annimt  und  zu  der  zweifelhaften  belegstelle  aus  dem  Oidipus  auf 
Kolonos  die  Zeugnisse  des  Hesychios  und  des  Etjm.  M.  hinsttlügt^ 
sonderbarer  weise  scheint  aber  die  so  kräftig  empfohlene  coiyectar 
Aats  nachher  in  völlige  Vergessenheit  selbst  in  Detttachland  gesunken 
zu  sein,  sollte  jetzt  an  der  neige  des  Jahrhunderts  die  günstige  teii 
für  sie  gekommen  sein?  das  ist  allerdings  unsicher;  ab^r  die  im» 
umwunden  ausgesprochene  Verzweiflung  von  Makler  nnd  Wilamewils 
über  den  elenden  zustand  des  vierten  versea  der  Antigone  acbeinl 
mir  ein  nicht  ungünstiges  prognostikon  zu  enthalten. 

K0P&NHAG£K.  TicToaiNua  PikqsIm 


FSkutBch  et  F Vollmer:  ad  Statu  tiluas  symbolae.  II.         825 

(66.) 

AD  STATU  SILVAS  SYMBOLAE. 


IL 


Postquam  de  subsidiis  manu  scriptis  quorum  ope  Statu  silnae 
restituendae  sunt  disserui  (supra  p.  469  —  484),  iain  Fridericus 
Vollmer  amicus  et  ego  locos  nonnullos  tractabimns ,  quorum  aut 
uitia  rectius  aliis  intellexisse  et  sanasse  aut  integritatem  demon- 
strare  posse  nobis  uidemur.  secuti  autem  sumus  numerorum  or- 
dinem ,  quae  uterque  disputauit  adpositis  siglis  Sk.  et  Yo.  discer- 
nentes.  nam  ne  alteri  quidem  ubique  persuasimus  quae  alter 
disputauerat.  itaque  rogatos  uolumus  quicumque  bis  pagellis  forte 
manus  admouebunt,  ut  sua  utrique  uitia  siquae  inerunt  tribuant. 

I  2, 100  in  laude  Stellae  miror  ne  Herzogium  quidem  uerba  tra- 
dita  recte  tractasse.  Stellam  Amor  laudat  quod  Yeneri  celebrandae 
se  dederit  et  amores  cecinerit : 

hie  itmenum  lapsus  stuique  aut  externa  reuoluit 
wuH/nera, 
de  codicibus  dictum  est  1.  1.  p.  472  adn.  8,  unde  apparet  antiquitus 
scriptum  fuisse  quod  modo  dedimus.  atque  perbene  id  intellegitur : 
sua  aut  externa  uulnera  sunt  ipsius  aut  aliorum  uulnera,  quae  ut 
iu/uenum  lapsus  idem  significant  quod  amores  (ad  lapsus  cf.  Prop. 
I  1,  25.  13, 8).  externus  enim  interdum  a  Statio  adhibetur,  ut  quod 
subiecto  grammatico  uel  logico  contrarium  est  denotet:  cf.  V  3,  70 
externis  etiam^  non  mihi  solum,  miseräbüe  uisu  funus  eat;  Theb. 
III  128  matres  prociduae  super  extemosque  suosque^  IX  675  idem 
ardor  rahidis  externum  haurire  cruoreni  ac  fudisse  suum. 

Neque  melius  Herzogio  res  cessit  in  u.  103.  ibi  enim  quam- 
quam  Codices  uariant  {finis  erat  AMB,  f  finierat  suprascr.  B*,  fini- 
erat  B),  dubium  esse  non  potest  quin  Statins  scripserit  finierat, 
sane  finis  erat  reperitur  in  Thebaide  VI  212  et  348  in  fine  desorip- 
tionum  ab  ipso  poeta  factarum ;  ubicumque  autem  ut  nostro  loco 
uerba  alicuius  qui  loquens  a  poeta  inducitur  desinunt,  ipsnm  illud 
finierat  Statius  usurpat:  of.  Theb.  I  283.  Y  753  itemque  Lneanus 
X  193.  neque  est  cur  cum  Handio  et  Herzogio  in  asyndeto  offendas: 
secuntur  d  u  o  uerba  artissime  inter  se  inncta  quibus  perbene  äcuv- 
b^TWC  opponitur  quod  actiones  eorum  antecedit  ideoque  plusquam- 
perfecto  exprimitur.  exempla  talis  asjndeti  babes  Culicis  u.  42  sqq. 
(cf.  Leo  ad  h.  1.),  Statii  Ach.  I  619  sq.,  Theb.  II  527  sqq.,  nbi  recte 
quidem  enuntiatorum  dnorumsnbiectadiuersaessestatuitHerzogius, 
uerum  id  cuius  in  hac  figura  esse  possit  momenti  non  capio.  error 
codicum  finis  erat  ortus  est  e  nocabulo  male  dispesto  fini  erat,  Yo. 

I  4,27 :  licet  Pimplea  etPirene  me  non  admittant,  Rutili  Gallice, 
largos  potius  mihi  gurges  in  Juiustus^ 
qui  rapitur  de  fönte  tue. 


826         FSkiitfich  et  FVolltner:  ad  Statii  siluas  sjmbolae.  U. 


mutant  editorea  \  ego  ellipsis  ratione  rectius  puto  perspeeta  explico : 
mihi  pothts  is  gnrges  in  hausius  adsii  qui  eqs.  cf  e.  g*  Theb*  VII  293 
idmam  haec  concordia  nostrisf  [detur  e  u.  26  supplet  Vollmer].'  Sk- 

I  6|  35  sqq.  loco  intricato  nequeo  cam  editoribus  facere.  Co- 
dices, quiaquilias  si  neglegimus,  baec  babent: 

orhem  qua  meUor  seucriorgue  est 

ei  gefites  alis  insemel  togataSj 

et  (nmi  tot  populos  heata  pascas^ 

hunc  Ännorm  äiem  superba  nescit. 
subiectom  uerbi  alis  sine  dubio  est  Caesar;  cf.  u.  46  d  tu  quin  eiiam 
.  .  nohisciim  socias  dapes  inisH,  uemm  quominus  uerbi  pasc^is  idem 
gubiectwm  esse  aiamiis^  impedimnr  eo  quod  sie  heata  (popidos  heata 
jiascas)  construi  non  potest.  quod  cum  sentiret,  Domitius  adiecti- 
uum  heata  ad  Annonam  pertinere  uoluit  seripsitque  nescis.  aide 
tarnen  quid  dicentem  fecerii  Statium :  Ännona  cum  beata  tot  po« 
pulos  pascat^  superba  banc  diem  nescit.  qood  et  per  se  stare  nequii, 
iicöt  ponas  Statitim  lusisse  Annonae  nomine  pro  neutro  quod  dicitor 
uocabulo  usum,  neque  cum  illis  tUy  Caesar,  alis  omnes  ordines  ullum 
conexum  babet.  adde  quod  coniunctiuus  pascas  nuUa  ratione  gram- 
matica  explicatur.  aliud  ergo  quaerendum  est  substantiuum  ad 
quod  heata  pertineat  atque  ego  id  diem  esse  arbitror.  quare  scribo : 

et  cum  tot  populos  heata pascat, 

hanc  Ännona  diem  superha  nescit, 
et  n.  7  dum  refero  diem  heatam  laeti  Caesaris,  omnino  Statioa 
metri  causa  —  id  quod  alio  loco  accuratius  eiponere  in  animo  est 
" —  genns  femininum  buius  uocabuli  praeamat;  LXV  locis  in  siluia 
et  epeain  genus  non  distinguitur^  XXXII  locis  pooitur  masculinunii 
L  femininum»    Vo. 

II  praef.  lin.  25  sq.  gmdhUacon  Lucani  quod  PcUa  Ar^efUarim 
clarissima  uxorum,  cum  hum  diem  forte  consuleremuSr  imptUari  sSbi 
uoluit.  sie  Sangallensis,  cf.  1.  L  p.  47d.  consukremus  maltixnodia 
temptatnm;  eimpitcissimum  quod  est,  nondum  inuentum  puto:  cum 
hunc  diem  forte  coleremus*^  et  II  7, 23  Üomani  colUur  dkm  Baaer- 
dos^  126  ipsum  sed  colit.   Sk. 

II 1, 6  ctim  iam  egomet  cantus  et  uerha  medentia  saeuiB 
confero,  tu  planäus  lameniaque  fortia  mauis. 
810  inde  ab  editione  principe  propagatur.  at  ^a^R$  haben t  ABR, 
qnod  Marklandi  adootatione  ^quomodo  saeuus  qui  bumanttatia 
officio  fungitur  in  consolandis  amicis ,  qui  uerba  medentia  adcnmi* 
6 trat?'  non  refelli  cognosces  coli.  II  6,  1  sam0  nimis  lacrimis  qui^ 
quis  discrimina  ponis  lugcftdique  modos  et  V  6,  59  fitmiifii  cruddi$ 


*  ellipses  durioroB  non  rarae  aptid  Sutinm,  itt  V  3,  MS  9Vt%t  aie 
interpuDgere  debebHDt  editoret: 

^Oi  effo  tunt^  gemHus  —  comitum  manut  nnxia  uiäii^ 
uidil  et  ea^fmpi$tm  gtnetrtjc  ganisofue  mauit  — » 

quae  lamenia  tuli. 


FSkutsch  et  F Vollmer:  ad  Statu  siluas  symbolae.  II.         827 

.  .  qui  dicere  legem  fletibus  . .  audet.   uerba  medentia  ut  medicabüe 
carmcndixit  ValeriusFl.  IV87.'   Sk. 

II 1,  28  non  bene  editores  acquieuere  in  Marklandi  coniectura 
duri  pro  diu  codicam.  rectius  puto  sie  leguntur  uersus  inde  a  uice- 
simo  sexto: 

et  ntmc,  heu,  uütis  et  frontis  honare  sohäo 

infaustus  uates  uersä  mea  pectara  tecum 

plango  hjrä:  sedtu  comitem  sociumque  dohris^ 

si  merui  luctusque  tui  consortia  sensit 
30  iam  lenis  patiare  precor, 
poeta  Melioris  dolorem  mitigaturus  comitem  se  lugendi  interponit 
et  amicum  maerentem  sensim  a  condolendo  ad  consolandum  pro- 
grediens  erigere  studet.  uide,  inquit,  me  tecum  pectora  plangentem 
lyrä  uersä  (qualis  lugen tem  decet:  cf.  fasces  in  funere  intiersi  consol. 
ad  Litr.  141 ,  Tac.  ab  exe.  III  2,  schol.  Lucani  VIII  735  ^  Seru.  ad 
Aen.  XI  93);  tu  tua  uice  iam  lenis,  i.  e.  iam  aliquantum  dolorem 
tuum  comprimens,  me  patere  comitem.  quoniam  igitur  inter  se 
opponuntur  duae  personae  grammaticae,  ex  uerbis  corrnptis  et  diu 
elicias  sed  tu^  quod  a  litteris  traditis  continua  scriptura  scriptis  non 
nimis  abhorret.  et  diri  illo  siue  et  duri  quod  posuerunt  editores  et 
quomodo  uerba  inter  se  opponantur  obscuratur  et  iambici  uocabuli 
lyrä  elisio  molesta  uersui  infertur.  utraque  offensio  euitabitur,  si 
sed  reposueris ,  quam  particulam  Statins  saepius  in  talibus  adhibet, 
cf.  u.  164.  174.  II  2,  13.  Vo. 
II  1,  64  puer  Melioris 

äbitusque  moräbUur  artis 

nexibus  adque  {atqueB'Ba,)  ipsos  reuocabit  ad  osculapost^s, 
sie  Codices  et  Baehrensius.  in  quo  ne  geminata  qnidem  praepositio 
tantum  displicet  quantum  ipsos  pronomen,  quod  equidem  explicare 
non  ualeo.  cur  enim  postes  tanta  ui  efferuntur?  fac  Meliorem  iam 
porta  egressum;  esset  aliquid,  si  in  ipsa  penetralia  domus  a  puero 
reuocaretur,  sed  siquidem  reuocatur  foras  egressus,  nonne  ad  postes, 
ad  portam  reuocari  minimum  est?  at  recte  se  habet  pronomen,  si 
lectionem  ante  Baehrensium  uulgatam  retinemus:  aque  ipso  reuo- 
cabit ad  osculaposte.  iam  bene  procedit  oratio:  dum  abiturus  est, 
nexibus  artis  puer  dominum  moratur ,  atque  cum  iam  in  limine  est, 
uel  tum  reuocat  ad  oscula;  intranti  rursus  obuiam  prosilit  eqs.  Sk. 
II  1,  67:  sed  haec  prius  fuere;  nunc  puer  mortuus, 

muta  dofnuSy  fateor,  desolatique  penates. 
credisne  nullum  fere  siluarum  uocabulum  coniecturis  magis  nexatum 
esse  quam  illud  fateor?  taedet  sescenta  illa  conamina,  ineptissima 

'  uiz  operae  pretium  facere  mihi  aideor,  cum  contra  Baehrensium 
defendo  illud  spectatumgue  urbi  seelus  n.  20.  scilicet  notissimum  est 
scelus  interdum  esse  pro  infortnnio:  cf.  CatuUns  8,  15,  Martialis  VII  14; 
matrem  sceleratam,  parentes  sceleraiissimos  in  miiltis  titulis  iuaenies  nt 
CIL.  VI  15160.  21899;  alia  dabit  Lorenzius  ad  Plauti  Most.  170.  ~~ 
itemque  in  n.  40  car  de  probitate  qaae  maturior  est  aeao  dabitari 
posait  non  uideo.    cf.  ex.  gr.  Qaintil.  inst.  VI  prooem.  10. 


82S         FSkut^oh  et  FYollmer:  ad  Statu  ailua«  aymbolae.  IL 


plerumqtie,  recensere;  putes  critieos  Qon  minus  nostri  loa  securoa 
quam  sermonis  latmi  ignaros  fuisse.  nam  quam  saepe  paretitbeticum 
illud  faieof  poetae  adbibuerint,  dici  nequit;  uide,  ut  ex  multis  patica 
delibem,  Ouidiam  rem.  314.  met,  IX  362;  ipsum  Statium  sUu. 
III  4,  39;  Martialem  I  90,  5.  II  28,  5.  III  12,  1;  Claudianum  com- 
plunbus  locifi  quos  Birtii  index  subministrabitf  Maximianum  11  29. 
V  39;  poet  lat,  min.  IV  p.  424  c.  527  u.  4  Baehr.,  ibd.  V  p,  367 
c.  62  u.  3.  sed  Marklandus  ^si  domus  muta  o^t  et.  desolata'  mqiiit 
'quaeso  a  te,  Stati,  quid  ad  rem  est  siue  tu  boc  tatearis  siue  non 
fatearia?'  baue  tarnen  quaestiom^m  non  minus  recte  cet^ris  poetis 
quos  nomiDaui  plurimis  locis  eorum  quos  modo  congesei  propo- 
sueris.  immo  non  pauci  loci  erunt  quibus  minus  beno  illud  fateor 
expUces  quam  nostro.  nam  Statins  sane  fatetur  quod,  si  propcaitniii 
exequi  nolt,  celare  praestaret;  consolari  aolt  amicum,  sed  ne  con- 
solaturus  quidem  celat,  qnantum  damni  pueri  mors  praematura 
attulerit.  at  apud  Ouidium  1.  L  si  Dryojme  in  arborem  mutatae 
soror  ait:  opernque  |  non  poteram  tibi  ferre^  soror;  qiMntumq%i€  uale- 
bam,  1  crescentem  truncum  ramosque  amplexa  mornhair  \  et,  fmUow^ 
u(^i  suh  eodem  cortice  condi,  hoc  loco  fateor  uix  intellegitur,  nisi  com- 
pertum  tibi  egt  quantopere  huius  parenthesis  uh  continuo  nsu  del>i- 
litata  sit,  qua  de  re  fuöius  dicendi  compendium  mihi  faciunt  qiise 
adnotauitBonnetus  deOregoriiTuronenäis  latinitatep.258adn.2.  Sc 
II  1, 170  unde  animi  saeuaegue  manus  et  harbaru»  horrow 
dum  modo  fasus  humi  l%$cem  auersaris  miquam 
nimc  toruus  pariter  uestes  et  pectora  rumpis 
düedosgue  premw  uisiis  eqs, 
sie  B,  recte  putoj  cf.  quae  dixi  supra  p.  473  {Tu  modo  Ba).  bomines 
docti  uaria  coniecerunt  (uelut  nam  modo  Otto  mus.  Rb.  XLII  632) 
deeepti  illo  Dummodo,  quod  male  ex  C  lestaturBaebrensius.  &  aerbo 
dum  duplex  enuntiatum  pendeL^  cuius  partes  incipiunt  a  particoHg 
modo  —  nunc  —  qua©  itidem  sibi  respondent  V  1,  161  &qq^  Tbeb, 
IX  773  sqq.  et  per^aepe  apud  alios,  post  horror  non  Interrogationb 
sign  um,  sed  comma  ponendum  est.    Sk. 

II  1,191  nouerat  effigtem  generosiqve  ardua  Blaesi 

ora  puer^  dum  saepe  dornt  noua  seria  Ugantem 
te  uidet  et  similes  tergentem  pectore  curas, 
baue  ob  remBlaesumLelbaei  lustrantem  gurgititjoraastatimagnos 
puer*  mira  de  bis  uerbis  excogitauerunt  interpr«t68|  quae  nollem 
amplexari  uideretur  uel  KroUiua  meua  libri  de  Sjnnmachi  studüa 
(dies,  pbil-  Vratisl.  VI  2)  p.  58.  comparatis  enim  locis  I  3,  10^, 
Ou.  ex  P.  II 1,  ö,  aliis  quos  uide  apud  Krollium,  tergere  pedore  emwä 
idem  esäs  uolunt  quod  detergerc  uel  rcmouerc.  sed  fac  id«iii  etse 
po&se,  cum  inde  magii^  locus  intellegitur?  ut  concedam  siimk9cum§ 
Dude  dictum  de  morte  Blaesi  Intellegi  posae:  nempe  quia  Melior 
olim  luctom,  quo  ob  mortem  Blaesi  depressum  crederea,  non  dieo 
tulit  sed  procul  babuit  et  remouit,  ideo  puer  nouit  ora  Blaesi?  aide 
mibi  quae  baec  nugae  sint.    pro  certo  ent  quaeri  deber«  in  iUi«  tiw^ 


FSkntseh  et  F Vollmer:  ad  Statu  siluas  symboUe.  IL         829 

^entern  pedore  euras  actum  aliquein  Melioris,  quo  puero  Blaesnm 
apad  inferos  i^oscendi  oopia  detur.  id  quod  aito  quoque  modo 
probabile  redditur ;  aliud  enim  Statio  eat  pedore  aliquid  dekrg€te 
{nubem  I  3,  109),  aliud  peäare  tergere,  hoc  quid  sit,  uidebis  e  u. 
Y  1,  162  sqq.:  nunc  tmxius  amnibus  aris  |  Macrimat  signatque 
fores  et  pectore  terget  \  limma,  pedore  iergere  igitur  idem  est  quod 
ad  pedora  premer^j  und«  simul  apparet  in  uerbo  cunstö  non  abstrac- 
tum  sed  concretum  aliquod  inesse  debere.  iam  uix  dubium  esse 
puto  quin  quod  in  uerbo  ci^as  latet  nil  aliud  sit  nisi  imago  mortui, 
quam  sententiam  eo  citius  probabis,  si  memineris  saepe  a  Statio 
superstites  induci  mortuorum  imagines  parantes  et  ornantes;  uide 
e.  gr.  n  7,  128  sqq.  III  8,  200  sqq.  V  1,  8  sq.  231  sqq.  quaeritur 
num  ipsum  illud  quod  traditur  uerbum  aptum  sit  quo  imago  mortui 
significetur.  atque  exposuit  certe  OCrusius  mus.  Rh.  XLIV  449 
opera  artificis  interdum  latine  curaa  ut  graeoe  jUcX^TiiV  dici ,  uerum 
et  poetica  tantum  quod  ego  uideam  ita  uocantnr  et  nimis  contorte 
uel  a  Statio  dictum  uideretur  eins  modi  curas  pectore  tergere.  muto 
igitur,  uerum  unam  tantum  litterulam  muto:  simües  tergentem pec- 
tore ceras.  iam  habes  aptam  sententiam  apte  ezpressam:  puer  nouit 
ora  Blaesi,  quia  saepe  Meliorem  ceream  amici  imaginem  eamque 
hominis  simillimam  ampl^xantem  uiderat.  ne  quid  scrupuli  rema- 
neat,  cf.  V 1, 1  manus  simües  äocilis  fingere  ceras^  praeterea  III 3, 201 
te  simüem  doctae  referd  mihi  linea  cerae.  IV  6,  21  atque  hcuturas 
mentito  corpore  ceras.  II  7,  129  uuUus  simüi  notatus  auro, '  Sk. 
II  2, 60  iam  Mdhymnaei  uatis  mantM  d  cheJys  una 
Thehais  d  Odid  cedai  tibi  gloria  plectri: 
et  tu  saxa  moues  d  te  nemora  aUa  secuntur. 
pro  una  Marklaudus  iUa  uocabulnm  inutile  plane  et  nihil!  inferens, 
melius  mentem  poetae  capiens  uni  Schraderus.  scilicet  poeta  non 
cum  Orpheo  aut  Amphione  aut  Arione  singulis  PoUium  comparasse 
satis  habet,  sed  tres  uates  in  unum  redactos  enm  superare  dicit.  haec 
tarnen  sententia  ut  efficiatur,  mutatione  opus  est  nuUa,  modo  pro- 
ducas   quam  hucusque  male  correptam  esse  uolnere,  uocnlae  tma 

^  haec  commentus  eram,  cum  Sandstroemii  libellus  diu  desideratus 
(studia  critica  in  Pap.  Stat.,  Ypsaliae  1878)  in  manas  meas  peraenit. 
occupauit  is  coniecturam  meam  p.  SO,  uerum  de  ceteris  tarn  {prauiter 
errans  ut  coniecturae  paene  omne  pretiam  ipee  adimat.  aliis  quoniam 
dissertatio  lila  non  minus  if^nota  esse  solet  quam  mihi  fuerat,  addo 
occupaulsse  eandem  Sandstroemium  egregiam  Ottonis  coniecturam  (1. 1. 
p.  362)  ante  tnanus  artemque  I  3,  16  {arte  m.  a,  eodices),  praeterea  quod 
ad  siluas  attinet  nil  sani  continere  libellum  nisi  quod  speciosa  est 
emendatio  I  4,  68  genus  ipse  »ms  praemigsaque  retro  |  nobiHiat  (nobiHtOM 
Codices).  —  Ceterum  ad  II  1,  191  sqq.  ut  redeam,  etiam  Mvba  noua 
serta  üganiem  coniectura  facillima  sie  temptare  possis  noua  sefia  UtatU^mj 
ut  V  3,  bl  frondentia  uatum  praemia  laudatoy  genitor^  tibi  rite  Utment 
Schwartzius  (ind.  lect.  Rostoch.  aest.  1889  p.  6)  volnit  pro  lig^em  co- 
dicum.  nam  ne  ideo  qnidem  quod  Meliorem  s«rta  ligadtem  n^erat, 
Blaesum  puer  agnoscere  potest,  sed  quod  serta  Blaesi  imagini  affigetitem 
siue  offerentem.  sed  nolo  hoc  nimis  premere,  praesertim  eam  fallax 
nideatur  Schwartzii  coniectura  quamuis  speciosa.    of.  iofra  p.  883. 


830 


FSkutack  et  F Vollmer:  ad  Statu  siltias  ajmbalae,  II, 


syllabam  finalem:  cf.  IV  2,  7  qua  cdebrem  mea  uota  l^a?  •  *  fu>n  si 
pariter  mihi  uertice  laeto  \  neäat  adoratas  et  Smyrna  ä  Mantua  \ 
lauros^  I  digna  loquar,   Sk. 

II  5j  15  dausas  circum  undique  portas 

(hoc  licuisse  nefas!)  placiäi  Hmuere  kones*^ 

tum  cunäis  cecidere  iuhae  puduitque  relaium 

aspicere  et  totc^  duxere  in  lunüna  frontes, 

toruas  pro  totas  coniecit  Markland  us  non  uidens  Statium  facete  in 

Signum  pudoris  detorsisse  quod   est  sign  am  furom  leonini  apud 

Homerum  P  136  träv  bi  x'  ^TriCKÜviov  KctTUJ  IXKetat  6cc€  KaXüii- 

TtJUV*'    Sk* 

n  6,  6  loüum  uexatiBsimum  sie  mihi  post  Leonem  tandem  recta 
constituis&e  uideor: 

durum  et  deserti  praerepta  contuge  partem 
5  condamare  tori ,  maesta  et  lamcnta  sororum 

et  fratrum  gemitus:  alte  et  tarnen^  at  procul  intrat 

(ütiu^  in  sensus  maioraque  uulnera  uincit 

plaga  minor, 
ad  te  tarnen  at  procul  inirat  codicas;  alte  tarnen  et  procul^  intrat  Leo, 
seoBus  hie  est:  'hart  ist'e  den  gatten  zu  beklagen,  üef  ist  der 
schmerz  um  den  verlust  ¥on  gescbwistemf  tief  aber  doch  auch,  ja 
bei  weitem  tiefer  dringt  der  leichtere  schlag.'  iam  aequitor  ratio 
et  solutio  huLus  paradox!  quod  uidetur.  necessitate  ductii8  et  uocalam 
interposui^  qua  äola  sententiarum  conexus  fulcitur;  sjnaloepbe 
uocabttli  spondiaci  eodem  uersus  loco  inuenitur  in  u.  17.  a  Leonid 
autem  coniectura  defendenda  est  at  particula^  obseruaodus  enim  est 
U8US  uoculae  proctd ,  quem  quamquam  iam  Handius  Turs*  lY  594  j 
reote  notauerat  lexica  nostra  neglegunt.  3cüicet  procul  idem  eei 
quod  muUo  uel  lange  ('bei  weitem'),  cf.  u,  34  guaUs  eras!  pracul 
(en!)  cunctis  puerisque  uirisquc  \  pukrior  et  tantum  ddmtno  minor t 
quamobrem  comma  non  cum  Leone  post  proeuZ,  sed  ante  at  posni.  Vo. 
II  7»  12  sqq.  noD  erat  cur  offenderent  editorea  in  uerbid  trm* 
ditis  quibus  monetur:  ad  Lucani  natalem  ceiebrandum 

dodi  largiuß  euagentur  amnes 

et  plus  Aoniae  uirete  siluae^ 

d  si  qua  paiei  aut  diem  r&xpU, 

smiis  moMbus  esepleatur  umhra. 
non  inteUeguntur  uerba  nisi  accurate  uooabulum  umbra  interpretaris 
'laub';  cf.  II  3.  51.  Theb.  IX  692.  Verg.  Aen.  VIII  276.  Calpurmi 

*  sie  interpuDri,  ut  semarsxn  qaod  Codices  tradtint;  tumuert  eorri* 
gitur  plerumque,  etausa§  cireum  undiuue  portiis  retinui  Vollmeriuii  8*< 
cutaB,  qni  e  medio  amphitheatro  leoDes  re  uera  circoin  caroer«« 
ooDspici  8UO  taro  conteodlt,  idem  Schwartiiam  U  I.  p*  14  post  n.  IS 
lacuoam  utataeotem  recto  refellit.  mooet  enim  lougiorcm  d«  leoni« 
clade  narmtionem  ne  posse  quidem  expectan,  cum  Statias  camieii 
atatim    in    amphitheatro    itnperatori    tTadiaerit.  ^  aat    Homert    aitl 

Statii  locum   imitatua   est  Claudi^Dus  tu   Ruf.  11  265  leo  .  .  inelinaifm^ 
iuba»  demhsaque  tumina  ueUU^  abi  oeuiram  exemplar  Blrtias  adnotaäll* 


FSkutsch  et  FYollmer:  ad  Statu  siluas  symbolae.  II.         831 

ecl.  1, 101.  Nemesiani  ecl.  4, 23.  iam  atU  particula,  in  qua  mazime 
haesit  Marklandus ,  bene  se  habet,  umbraruin  enim  hiatas  animad- 
uertuntur  aat  tuenti  caelum  uersus  aut  lustranti  solum  hie  illic  sola 
radiatum.  illud  est  tm^hra  patet,  hoc  umhra  diem  recepü.  cf.  Lucani 
in  443  arbores  ttmc  primum  posuere  comas  et  fronde  carentes  \  ad" 
misere  diem,  Vo. 

n  7,  126  sqq.  Polla  uzor  Lucanum  mortuum  non  fälsi  numinis 
induit  figura ,  non  sub  dei  alicoius  imagine  Laodamiam  imitata  re- 
praesentat, 

ipsum  sed  cölü  ac  frequentat  ipsum 

imis  altius  insUum  medtUliSy 

ac  sölacia  uana  sübministrat 

uuUus  qui  simüi  notatus  auro 
130  stratis^  praenUet, 
quemuis  puto  primo  obtatu  locum  ita  correctnnim ,  ut  sententia 
euadat  qualem  effinxerunt  Baehrens  Schwartz  (1. 1.  p.  10)  Leo  (1.  1. 
p.  19)  aut  uana  in  uera  aut  ac  sölacia  in  nee  sölacia  mutantes,  uerum 
paulatim  mihi  subnata  est  dnbitatio.  nam  primum  quidem  non 
satis  bene  inter  se  opponuntur  te  non  fcAsi  numinis  induit  figura  et 
sölacia  non  uana  sübministrat  uuUus  simüi  auro  notatus:  nam  certe 
etiamsi  Lucani  imago  dei  alicuius  figuram  imitabatnr,  u^us  similis 
esse  Lucani  et  poterat  et  debebat.  tum  uero  illius  aeui  hominibus 
trita  est  sententia  mortuorum  memoriam  sie  uenerari  debere  super- 
stites,  ut  formam  ac  figuram  animi  magis  quam  corporis  complec- 
tantur^  non  quia  intercedendum  sit  imaginibus  quae  marmore  aut 
aere  fingtmtur^  sed  ut  u^Üt^  hominum,  ita  simülacra  uöltus  imheciUa 
ac  mortalia  sunt^  forma  mentis  aeterno  quam  tenere  et  exprimere  non 
per  (üienam  materiam  et  artem^  sed  tuis  ipse  moribus  possis.  exscripsi 
hanc  sententiam  e  Taciti  Agricolae  capite  ultimo;  is  autem  Senecae 
philosopho  eam  uidetur  debere^e  quo  multa  similiacongessit  Zimmer- 
mann deTacito  Senecae  imitatore  (diss.  phil.  Vratisl.  V 1)  p.  11  sq.  38, 
omisit  epist.  40,  1  ubi  haec  habentur:  imagines  nobis  amicorum  ab- 
sentium  iucundae  sunt  quae  memoriam  renouant  et  desideriwn  ab- 
sentiae  falso  atque  inani  solacio  leuant,  uanum  igitur  Statins 
uocare  poterat  imaginis  solacium ,  uanum  eo  magis  quod  in  contem- 
platione  defunäi  Polla  marito  iungebatur  tamquam  si  nunc  tue  sibi 
magis  luicaret^  ut  iterum  Senecae  uerba  afferam  (ad  Marc.  24). 
iamque  securae  quoque  in  u.  131  melius  intellegere  mihi  uideor: 
cuius  enim  rei  secura  esset  Polla,  antea  frustra  mecum  reputaueram. 
nimirum  secura  est  ipsius  imaginis  aureae  meliorem  mortui  imagi- 
nem  imis  altius  insitam  meduUis  secum  ferens.^   Sk. 


^  straius  Baehrensianam  non  intellegitur.  ^  sententiam  quae  est 
de  imaginum  euanidarum  et  mularum  (Senecae  quem.  amic.  continenda  sit 
fr.  II,  diss.  phil.  Vratisl.  II  3  p.  XXIX;  cf.  etiam  Plinii  ep.  III  10,  6. 
II  1,  12)  nilitate  apud  Graecos  hacusque  frustra  qaaesiui;  a  stoicorum 
aliqiio  proueuisse  suspicor  carmini  de  Lucano  stoicorum  sectatore  in- 
sertam.  —  Obiter  moneo  in  eiusdem  carminis  u.  68  uerborom  seriem 


832         Fb^kutBcb  et  FVoUitiert  ad  Statu  siluas  symbolae.  IL 


ni  praef.  lin,  23.  fugit  adhuc  edUores  quam  sensu  casstun  ait 
uerbum  seit*  nihil  ad  rem  aitinet  Earinum  scire  quamdia  StatLua 
iiöglexerii  optato  obsequi,  immo  Statu  intererat  liberto  imperatoria 
cuBctationem  excusare ,  non  prae  se  ferre,  id  quad  Marklaudus  bene 
sensit  quam  diu  interpretatas  quam  non  diu^  oeque  a  ratione  gram^ 
matica  non  abhovret  persona  tertia  quam  non  eius  sequi  debebai, 
Bed  auum*  Statium  igitur  pro  certo  babeo  sci'ipsis&e  scis  sc.  tn 
Melier:  cf,  lin.  7  cum  6das^  30  cum  sdas  et  in  sententiis  eodem 
modo  conexia  11  praef.  lin*  16  seis^  cf.  10  qui  nosü.   Vo, 

III  1,  164:  exemplum  Bermonis  abrupti  quo  Statius  paene  ab- 

utitiir  latet  adbuc  in  notis  crÜicis.    pessime  enim  ediiores  ipsum 

scripaerimt,  cum  optima  babeant  quae  in  codicibus  leguntur: 

haec  ego  n(iscenks  ladus  hacchatus  ad  arm 

lihamenta  tulL   nunc  ipse  —  in  limine  cemo 

sducntem  uaces  et  talia  dicta  ferefdem  eqs. 

poeia  bene  enuntiatum  abrumpit  ut  eorum  quae  uidere  sibi  uideivT 

inaudita  atque  inexpectata  noa  quodammodo  participes  fiamus.  dicere 

uolentia   ^nunc  ipse  Hercules  haec  dicit^  animum  subit  imago  dei 

in  limine  templi  stantis   statimqne   quae   uidet   breuiter  enarrat 

prorsuä  eodem  modo  Statiua  enuntiatum  a  prima  persona  incobatum 

noua  cogitatione  abrumpit  loco  a  Baebrensio  mala  coniectttra  et 

interpunctione  deprauato  V  3,  10  «qq»: 

certe  ego^  magnanim^m  qm  facta  aUoUere  r^um 
ibam  aUurn  spirems  Mariemque  aeqmre  cammda  -^ 
0^ia  itetäi  mea  nkorda  situ,  quü  ApaUine  mersa 
flrigida  damnalae  praeduxU  m*Ma  menti? 
ef.  similia  in  adlocutionibus  prooemiorum  (Vablen  ind.  leet.  BeroL ' 
1888  p.  6,  Buecbeler  mus.  Rb.  XLV  325).    Vo. 

III  2|  82  Melius  nauem  conscendit;  i-emanet  in  litore  poeiA  i 
anxius  atque  amico  timens : 

quos  nunc  ego  peäore  samnas 
quösue  qucam  pcrferre  dksF 
sie  Codices  et  editiones  omnes^  male  si  quid  uideo.  exclamare  poleimt 
poeta:  quos  nunc  ego  sofnnos  (i.  e.  nocUa)  qtumu  dUßperferamt  l  e. 
quantum  me  nocte  dieque  angam  animi,  quibus  similia  leguntur 
apud  Yaltrium  FL  I  329  quos  iam  mcnie  dks^  quam  saetM  mmwmia 
tmris  I  pTüSpicio!  sed  interrogat,  Codices  si  sequimur»  quos  dit«  Aoe- 
tesue  perferre  queat,  dum  amicus  abest  ergo  erunt  quos  perCeiro 
potent f  alii  quos  non  potent?  an  est  qaatstio  rhetorica?  di«tlae 
ergo  B«  nuUum  diem  amplius  amioo  abeente  niuere  posse?  hHm 

msle  cancelJia  positis  MAduigium  adu.  II  160  disaecnissQ^  quem  bimi 
nominaium  Buehren&iua  Rccutua  est,  uno  tenore  legenduiu  esse  htgraim 
Nera  äulcibui  iheairis  et  notier  tibi  proferwtw  Orpknt§  enlavit  uita  'Viic««e* 
(LttcantiB  ed.  Hoiiaa  p»  Mjtd^  t^  «qq  ):  cffiaminf  ^itniaiitrito  tteto  im 
Pompei  theairo  taudibu$  rteiintit  in  Nrronfm  fmerai  eoromatm» 
ti  §3D  tempore  Orpkea  tcHpium  *  ,  ttüderai,  bon  torpt«  oanietre  iiilllt 
uldeor  «x  Lucaiti  Orp}t«o  colortts  qooadiim  Hutium  in  koe  §ca«lbliao«ii,J 
irMiituUase:  uide  nu,  39  »qq,  90  iq.  III  tq« 


FSkutsch  et  FVollmer:  ad  Statii  silaas  symbolae.  U.         833 

quam  non  recte  haec  se  babeant.    mutatioiie  lenissima  looas  re- 
stitoitur : 

quo  nunc  ego  peäore  samnos 

quoue  queam perferre  dies? 
cf.  luuen.  6,  93  pertülü  lonium  constanti  peäore]  Lucani  VII  701 
qiu)  peäore  Romain  intrabit,   et  memineris  cum  alibi  tum  apud 
Statium  saepe  uitia  male  adsimilatis  casuum  terminationibns  orta 
esse.  ®   Sk. 

III  4,  75 :  uetuit  Domitianus  homines  castrari 
gauisaque  solos 

quos  genuit  natura  uidä, 
solos  coniecturis  uexatum  esse  credet  quicumque  criticorum  Statia- 
norum  auiditatem  coniciendi,  intellegendi  inertiam  nouerit.  mibi 
semper  recte  natura  a  poeta  gaudens  induci  uidebatur,  quod  iam 
eos  solos  uideret  quos  et  quales  genuit ,  non  eunucbos  quoque  qiii 
uelut  arte  bominum  procreati  sunt,  id  quod  iam  loco  quodam 
Claudianeo  ita  confirmari  uideo,  ut  dubitatio  relinquatur  nuUa  (in 
Eutrop.  I  338):  iUas  (feminas)  praeterea  rerum  natura  creauüi  \ 
hos  (eunucbos)  fecere  manus.    Sk. 

III  5,  9  Statins  coniugem  bis  uerbis  laudat:  si  ego  ut  Vlixes 
per  bella,  per  aequora 

errarem,  tu  miUeprocos  intaäa  fugares; 

non  interseäas  commenta  retexere  teias, 

sed  sine  fraude  palam  thalamosque  armata  negasses. 
postquam  Markland us  abiectis  aliarum  editionum  sordibus  uoca- 
bulum  interseäas  unice  uerum  ex  Parmensi  et  Bomana  protraxit, 
quod  Codices  nobis  noti  tuentur  praeterquam  quod  optimi  (BB; 
interseäas  a  cui  nibil  adscripsit  Politianus)  mendo  paene  nullo  inter- 
feäas  exhibent,  Imbofius  (progr.  Hai.  1863  p.  12)  extitit  qui  quam 
uebementissime  in  banc  lectionem  inueberet  et  coniecturam  aMark- 
lando  dubitanter  propositam  inperfeäas  poetae  obtruderet.  at  rec- 
tissime  praeter  /"litteram  pro  /"scriptam  Codices,  intersectas  re- 
texere telas  Statius  more  sat  noto  dixit  pro  intersecare  et  räexere 
tdas,  acumen  poeta  in  eo  ponit,  quod  duas  illas  actiones  quarum 
utraque  fraus  conficitur  {räexere  enim  non  minus  fraudulentum  est 
quam  intersecare^  cum  proci  Penelopen  noui  aliquid  texturam  esse 
credant)  ita  ordinat,  ut  tempora  earum  interse  excipiunt.  nostrum 
quidem  secundum  sensum  intersecandi  uerbum  magis  premeremus 
quam  alterum  a  poeta  latino  pressum.  intersecare  autem  significare 
posse  ^dissecare  mediam  telam  siue  cultro  siue  forfice'  ne  Imhofius 


^  uide  e.  gr.  IV  2,  7  quas,  6,  26  caeli,  55  uuHuSj  82  sacrilegas,  III  i,  47 
neleres  al.  sie  in  nostri  carminis  u.  125  recte  Otto  1.  1.  p.  535  faciiüt  prae- 
uertere  gyro  (facili  Codices)  restituit,  sie  V  1,  21  coniecerim  scribendum 
esse :  et  famulos  lassare  greges  et  uincere  planctu  {planctus  Codices),  nam 
cur  uxore  mortua  maritus  famulos  magis  lasset  quam  antea,  non  magis 
intellegitur  quam  cuius  planctus  uincere  dicatur.  iam  nero  omnia  plan» 
sunt:  planctu  lassare  famulos  et  uincere  dioitnr. 

JahrbQcher  fUr  class.  philol.  1893  hfl.  12.  53 


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c«*I.v..  :I  '.s  ].'..--.':':  i:".  '.■•■  L^'.w  11.  lii:  '..»TLii^  ilü:ii*-*Vt*"..  ^'Ci'J2'^'. 
.,J..L.'      1*..--       •■-■      '  V  i..'..r"  1.,-,  V'  '■!.•■:■'       V."       .'l.       Ui'.'".      -!     M      llUu     iOL't 

',■ '  j ':-!•.  L. -  1   '•■«.'■..    jjv  ;      J^ir  ta.t',:  t    o*  i   jf  I y.** «: t  '*:: •..' i'.  •  'i/ri*.  zienut 

j.i'  .■!  .f.i;.".. '     l.u'.-'      .1.  .•  '  j'r»-".i.    ,^     •;,.     „:;..■.      "^".i:;il.-     ül.^  ;  L:     iJ'Jir       -ilL. 

'^    c    -i   ''■-'.':;■..    '^    -i".     i.  ..v'i.  u.-.-L.;i.  .  i-:^'!::!»-.-»;..»!!'.  i::::u:  Ouidi. 

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^  .*tt.'.  .1.1.      .1.    .ui  ..•    ■"■••..lii«'.    i     i:     .      J-'.u\\.'j''.     -ühU'  ii'r'  jirucuf 

"''.....:'.  .j..:     '  i  ' '.  n .  \  c       S.  jh-  i.i.    h  :/•.'  i"  hu*.    *  :\  \  p'.lw    -1  li  r  "iL    T  Ci  U*.  .      Uer 

*§,*.*:..  ■.;■;»'.■:  ...".t. '.-....  ;':...'»».  .  -.•"iK-ji.i.'t,*  .La«  r.-.  ■.  ^LiuLgi  liOiui: 
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FSkutsch  et  FVoUmer:  ad  Statu  siluas  symbolae.  IL         835 

negabat,  Imhofius  quamquam  secundum  Codices  uno  tenore  scripsit 
interpretatus  ^quamcumque'.  at  post  tot  nomina  certam  aliqaam 
coniugem  desiderari  apparet  neque  sanus  est  sententiarum  conexus 
qualem  Imhofius  proposuit :  questa  est  Aegiale,  questa  est  Meliboea, 
questa  est  quaecumque  uehementer  questa  est.  immo  duo  sunt  uerba, 
id  quod  iam  Geuartius  sensit,  alterumque  cum  saeui  coniungendum. 
parentbeses  similes  habes  e.  gr.  I  6,  61  d  mortem  sihi  (qua  manu/) 
minantur,  II  1,  34  cum  proprios  gemerem  defeäus  ad  ignes  {quem^ 
natura /)patrem ;  Ou.  am.  I  2, 3  c^  uacuus  somno  noctem  {quam  longa/) 
peregL  innuit  autem  poeta  Laodamiam  quam  Maenados  ritu  Bacchum 
colentem  ipse  describit  II  7,  124  quaeque  apud  Ouidium  her.  13,  33 
Protesilao  scribit :  ut  quas  pampinea  tetigisse  Bicorniger  hasta  \  cre- 
ditur,  huc  illuc  qua  furor  egit  eo.     Vo. 

111  5,  104  propius  quam  adbuc  perspexere  Codices  ad  uerum 
acceduni.  inter  amoenitates  regionis  Neapolitanae  poeta  Baias  Cumas 
Misenum  Gaurum  Capreas  Surren  tum  enumerat,  deinde 

denarumque  lacus  medicos  Stahiasque  renatas. 
sie  Codices,  ubi  Stahias  renatas  quidem  recte  Imhofius  uindicauit, 
Süd  e  moDstro  denarumque  male  elicuit  Dimidiaeque  nomen  fontis 
Stabiani  e  Plinii  nat.  bist.  XXXI  9  notum.  uerius  Domitius  Äena- 
riacque  rem  recte  assecutus,  sed  litteris  traditis  et  metro  uim  in- 
ferens.  prosodiam  enim  nominis  dat  Aetnae  carminis  u.  430  discitur 
indidis  flagrasse  Äenaria  quondam,  \  nunc  exstincta  stupet.  a  qua 
non  deflexit  Statins :  ut  enim  supra  (u.  100)  Telehoum  domos  dixit, 
sie  hoc  loco  incolarum  nomine  usus  ut  insulam  designaret  haec 
scripsit:  Äenarumque  lacus  medicos  Stdbiasque  renatas.  nomen 
sune  neque  alibi  extat  neque  in  titulis  insulanis;  Homerus  autem 
dixit  (B  783)  elv  'Apijuioic,  ö0i  q)aci  Tu9uü^oc  fjLijLievai  €uvdc,  et 
Strabo  V  4,  7  p.  246  TTiGriKOUCcaiouc  nominat.  medicos  illos  lacuSy 
quos  tituli  (CIL.  X  6786  sqq.)  nymphas  nitrodes  appellant,  Strabo 
V  4,  9  p.  248  et  Flinius  n.  h.  XXXI  2,  9  commemorant.  ordo  autem 
locorum  quem  Imhofius  apud  Statium  odorari  sibi  uidetur  nnllus 
est.     Vo. 

male  cum  Aegiulo  confusam  esse  Kuaackias  contendit,  uerum  nusquam 
nut  Meliboeam  uut  Aeglen  a  Theseo  derelictatn  questus  fudisse  disoi- 
mu8.  ergo  quod  unum  leuitatis  illius  Statium  conuincere  poterat,  id 
nihili  est.  apparet  Aegialen,  Meliboeam  et  illam  quam  saeui  feceruni 
Maenada  planctus  quaecumque  est  maritos  uel  in  pericula  et  bella  sequi 
paratas  fuisse.  ne  hoc  quidem  in  Meliboeam  et  Aeglam  illas  quadrat, 
omnium  autem  minimc  in  Ariadnen  quo  tempore  n  Theseo  relinquebatar, 
quam  in  u.  49  latcre  Knaackius  sibi  persuasit.  quadrat  uero  in  Aegialen 
et  Laodamiam  —  ac  de  hac  mox  plura  —  quarum  mariti  in  bellom 
Troianum  abibant.  nnde  fortasse  non  falso  concludetur  Meliboeam 
quoque  iierois  aduersus  Troiam  proficiscentis  esse  uxorem  neque  temere 
de  Meliboeus  adiectiuo  a  Meliboea  Phüoctetae  patria  facto  (cf.  Lncr. 
II  500.  Verg.  Aen.  III  401.  V  251)  monuisse  eum,  qui  Statu  Kohl- 
manniani  indicem  confecit,  et  iam  antea  Marklandum,  quocum  in  aliis 
quoque  consentio.  uelut  Marklandus  quoque  u.  49  feminam  significari 
putat  'cuius  maritus  ad  bellum  Troianum  profectus'  sit.  de  Ariadna 
certe  praefracte  negat.     Sk. 

53* 


836         FSkutsch  et  F Vollmer:  ad  Statii  siluas  sjmboiae.  II. 

IV  2,  7  fugit  adhuc  oculos  editorum  leue  quoddam  uitium; 
scribendum  enim  est: 

qua  celehrem  mea  uota  lyra^  qua  aduere  graies 

sufficiam? 
quas  soluere  Codices;  neqae  tarnen  de  quantitate  uel  qaalitate  gra- 
tium,  ut  ita  dicam,  dubitat  Statins,  sed  de  potestate  sua  aeqnaa 
grates  soluendi.  quare  qu^as  locnm  non  habet,    cf.  III  2, 131  gua$i4ä 
uotiua  mouebo  pledra  lyrä^  de  uitio  cf.  supra  adn.  8.     Vo. 

IV  4,  81  sqq.  Statins  de  locis  Vesuuii  emptione  nastatis  dieit: 
credetne  uirum  uentura  propago , 

cum  segetes  Herum ,  cum  iam  haec  deserta  uirebunt , 

infra  urbes  populosque  premi  proauüaque  tosto 

rura  abiisse  mari? 
tosto  ego,  ubi  toto  Codices,  /u^o  Baehrensius,  fofa  Grasberger.  sed 
neque  quae  tradita  neque  quae  ab  illis  coniecta  sunt  satisfacinnt. 
nullus  hie  locus  mari  nisi  ei  quod  ex  monte  ardente  profluens  regiones 
uicinas  deuastat.  hoc  potuit  dicere  poeta  tostum^  cf.  Aetnae  Carmen 
u.  363  ardentis  .  .  flammae  flumina  et  totam  illam  descriptionem 
uu.  484 — 510  ubi  saepo  quam  'lava'  dicimus  cum  undis  comparatar. 
dbirc  autem  tosto  mari  'im  feuermeere  untergehen'  pro  in  mare  äbire 
structura  est  Statio  usitatissima.     Vo. 

IV  6,  47  Btatuam  a  Lysippo  confectam  admiratur  poeta: 

tale  nee  Idaeis  quicquam  Teichines  in  antris 

nee  stoUdus  Brontes  nee  qui  polit  arma  deorum 

Lemnius  exigua  poiuisset  ludere  massa, 
sie  Codices,  at  quomodo  Brontes  stolidus,  cuius  artificia  laudibns  ex- 
tollere poetae  solent?  sane  si  Bronten  solum  spectant;  hoc  antam 
loco  uidesne  Bronten  comparari  cum  Lysippo  nee  malus  fere  excogi- 
tari  posse  blandimentum  quam  quod  prae  illo  Cyclops  ipse  con* 
tcmnit.ur?  adde  quod  Hercules  ille  Lysippi  gestamen  mensae  est  ez 
exigua  massa  confectum  quäle  Cyclopes  fere  non  fingebant.  nam 
Haruioniae  quoque  dotale  decus  praeter  consuetudinem,  dodi  quaim- 
quam  maiora^  laborant  (Theb.  II  273).  de  adiectiuo  autem  com- 
paratiuü  ut  ita  dicam  adhibito  ne  dubites^  cf.  e.  gr.  ipsarum  siluamm 
locum  (V  1, 105)  tuas  laurus  uolucri^  Germanice^  currti  {cursu  BB^ 
corr.  Barth)  |  Fama  uehit  praegrcssa  dicm  tardumque  sub  astris  \ 
Arcada  et  in  medio  linquit  Thaumantida  caclo.  quo  loco  paene  miror 
quod  critici  ad  unum  omnes  recte  intellexisse  uidentur  Mercurium 
ceteroqui  uelocissimum  sane  tardum  uideri  posse,  si  cum  Oomitiuii 
Fama  comparaueris.  adde  Tliymclen  rusticam  luuenalis  6,  66  recte 
oxplicatum  a  Maduiglo  opusc.^  p.  38  adn.     Sk. 

IV  8,  28  Slutius  Menecrati  amico  grululatur,  quod  tertia  ei 
nata  est  »uboles  eaque  poät  filium  ut  filiam  uirilis.  ita  rem  se 
habere,  id  quod  interprotos  nonnulli  ne^rloxere,  c  loco  III  1, 175  sqq. 
cognosciiur,  ubi  de  Pollii  Felicis  nopotibus  qui  bunt  Menecratis 
libcri  legimus:  concedamquc  diu  iuucncs  spcctarc  nfpiAeSy  \  donee  et 


FSkutsch  et  F Vollmer:  ad  Statu  BÜuaB  symbolae.  II.         837 

kk  sponsae  maiurus  et  iUa  marito.    illo  igitor  tempore  Menecrati 
filius  et  filia  erant.    nunc  uero  poeta: 

made  quod  et  proles  tibi  saepius  auäa  uirüi 

röhore;  sed  iuueni  laetanda  et  uirgo  parenH^ 
ut  ponam  quod  puto  Staiium  scripsisse.  Codices  laetam  dai  uirgOy 
quod  cum  Baehrensius  in  laetandast  uirgo  mutaret  adnotans  'restat 
emendandum  saepius'^  Grasbergerum  pellexit  ut  laetius  coniceret. 
at  saepius  sine  dubio  probum  est:  nam  alter  filius  Menecrati  natas, 
ergo  proles  saepius  uirili  robore  quam  feminino  aucta  est.  ne  tamen 
filiae  parum  laudis  tribuat,  pergit  poeta:  sed  iuueni  parenti  etiam 
uirgo  {sed  et  pro  sed  etiam  habes  II  praef.  lin.  11.  Th.  1 415)  laetanda 
est^  nam  ut  ßiis  aptior  uirtus  sü^  at  citius  illa  nepotes  däbü,  prae- 
cedens  quoque  et  uno  uerbo  explicandum  esse  sentio;  coniungit  autem 
duas  laudes  quas  a  made  uocabulo  poeta  incipit:  altera  inde  a  u.  14 
domus  fertilitatem  in  uniuersum  praedicat,  altera  patri  gratulatur 
quod  inter  tres  liberos  duo  sint  filii :  d  igitur  debebat  locnm  habere 
ante  made^  postpositum  est  ut  saepe  apud  poetas  aeui  imperatorum. 
uersus  de  quibui«  disputaui  sequitur  comparatio  liberorum  cum  tri- 
plici  prole  Ledaea,  quam  non  ad  filiam  solam  spectare  moneo,  licet 
structura  grammatica  ad  uocabulum  uirgo  inclinet,  sed  ad  omnea 
tres.  quare  melius  Baehrensio  rem  geres,  si  colon  post  parenti 
omissisque  parenthesis  signis  punctum  post  nepotes  pones ,  ut  more 
epico  comparatio  nouum  enuntiatum  efficiat.     Vo. 

IV  8,  54  post  Oronouium  editores  patrii  in  patriae  mutauere 
perperam;  bene  traditur:  hos  cum  plehe  sua^  patrii ,  seruate  penates. 
patrii  uocatiuus  repetit  quos  ante  enumerauerat  deos,  Apollinem 
{patrius  .  .  ApoUo  u.  19)  Cererem  Tyndaridas,  quos  omnes  in 
initio  sententiae  allocutus  est  u.  45  di  patrii,     Vo. 

y  1,  17  sqq.  hoc  quoque  loco  interpretandi  potius  quam  con« 
iectandi  artificium  adhibere  debebant  editores.  recte  omnino  in 
codicibus  hi  uersus  leguntur : 

sed  cum  plaga  recens  d  adhuc'in  uutnere  primo 

nigra  domus  quesiu  miseramque  accessus  ad  aurem : 

coniugis  orbati  tunc  flere    .... 

.     .     .    .    d    .    .     ,    pulsare  querelis 

caelicolas  sölamen  erat. 
male  adhuc  apodosin  incipere  uolnerunt  a  particula  tunc^  cum  recte 
a  uerbis  coniugis  orbati  incipiat,  qui  genetiuus  non  ex  awrem^  sed  ex 
solamen  pendet:  neque  enim  misera  auris  mariti  est,  sed  coniugia 
mortuae  etiam  tunc  in  atrio  expositae.  porro  tres  agnoscendad  sunt 
TTpoböceic:  sed  cum  plaga  recens  {essef)  et  adhuc  in  uulnere  primo 
(cf.  Schwartz  1.  1.  p.  6)  nigra  (essd)  domus  et  guestu  (««  querenti 
marito)  accessus  (esset)  ad  miseram  aurem.  que  particula  liberiuB 
post  secundum  enuntiati  uocabulum  posita  est,  quode  ad  III  5,  9 
obseruauimus.  sie  postquam  questu  uocabulo  locus  datus  est  in  pro- 
dosi  tertia,  non  est  cur  cum  Heinsio  nigra  mutemus;  domus  nigra 
est  uestibus  pullis  repleta.     Vo. 


J'^iitiAi:,Miniw\fui  Uhür.u  'Jh'.'m  mu'tv^^i  uu'i^'en:. 
Dif   .'^iiiUk-L u.".'^',  uc  yf\  tr«:  yu'ji  vs;  :l  JB£&  uuätiG  cotuii  müloen 

xi/.. f  t  ö  - '.     i .  c t  t .  >•  • .  L  uo  L  f.  L  u    a t  *: . t :  I '.   j  »r j  orun:  j » citruir u xl  inü- 
"UxVj •  t  ;. .  :  *^  ö'^  V .     i. 'X  A '^cc   t;- t*r:+  i£  ■. •  j  a " :  i; u.  ei p •.  tJsB : ;  poeu.    'j&nn . 

JyAMutfi,i^i4tit  /t'^wr^jf  ui^*fiA.i    fc.L;jru*3fc  'jt;.».l:ifr  iti/jr^ot  :p^t■  coma- 
I  t.a  x*','L'..  i*e  t.j^L  LufciJt.  VI  e:  .;jöt  t!..l'-  'juovut  ffc»;:;   V  ei.  27 ^.  Tbeb. 

fyil  j.  /'  t?i  ^'.uuctL.u.    .L  Üu?.  J  4k.  :l  LuLr;.;.  JI  111,  rapl. 
j''i '^e    J j  *:J 9  -0  .  0  L tj; I.  1 V; u f L   •  b';>  Kov l  ': •- c  l;.' u d  B ; ri: u IL  t x p :i catil 
}j-^*,kLi!,ijL:  ».','iL  .•-.',  'JJL'  C70  ?v,.  :  i^*rcutfx  ^'.•p'.T  C'^Tiii:  }ta%di0t.am: 
« i^*ia?  /xy / i  »A o^ /i/y  <//»*« r -^ m     cUfttydu fü'/sßA.  uiyu^  ^r^r.^^i  crimbuB 

V  J .  <->;  uti '. fi.  ^ vL ".v/ 1  IL '. tt*. ivLt  .♦»:*:! :■•- :I l  T  'J Ub:^  pUtfcl'IUll.  legAfe : 

h'^a».'-!:  i-'.M«.  t^',  /o(<*w/  y.\\  tn^ui  '..'!.!«:::  öt'.Lih  Iz,  urcbetjpo eist 

V  j .  7  <;  I  <: '.  li:  <y.  d :  V:  c  tM(  fi<ifft/^vit  ^u  ««f  etil .  &  0  i  viam  U6  tan  dem 
Miiiü.ü/.':,  '.',h.*:*.\jiaui  '..'i-i.Jy'jft  t'i>..or!'ou>i  probi'«ani  nauatmque. 
Ahtx'.^MhM  fjui^i:  /«:u<r/a  v«/yi(4  «^fi^*  .  q'.ia  o.I  i^ro  re  publica  agebat 
Ta^reb/'j^c  iii'Wl':  *:lui:  04:  fa'.-^^itätib'j!:  L^oduir.  u!<;batur.  poljejndeti 
b  tiei^'y  ui/ii/  lirhfUrtAii  tiit:iLhnitij  ijFituum  Sutiub  eequentibofi  omni- 
tyiifa  f/i'/do  Lb'j'i  «r.fe'Jif^y  cppoiiil:  CVrc^r  Abafecantum  uana  qniete 
fiiii  uid.l,  f:ijr/j  ////^.^  eiui:  ifurxin<ia^/u^  jMict(/ra  curi8 ,  uiffües  sensuMj 
bohria  fjjrda  <;  u  ru  i li «  x .  //j  o  i d o neu  in  j  <:'i  d er  <:  d  t ,  q  u i  i n  negoli ia  pnblicU 
tiuibnn-Anr.      Vo. 

V  1,'M  t;f|f|.  fidoft  tPjniinu«  si  diuidot  enses^ 

jttifidtrf.j  fjuih  tiüntum  ualeat  frtnare.  maniplos 

inti-r  MibhUh  f-f/Uf:}»^  fjuifi  J/TU^OtJ/USe  cohr/fti  ^ 

7ti///i  do:/:at  dari  j/ra^tifantior  ordo  (ribuni, 

fjuinnam  fmügtrat:  Signum  dare  dignior  alae. 

bof:  IhKh  IwUi  u  Halriiabio  riiuiiii  cuniectiiris  u«xato  nu  una  qaidem 

\i\lt:rn  ifiiiluridu  aal  n<:f|ijo  cum  Maduigio  (kl.  philo!,  fechr.  p.  539  adn., 

liliutiti  ucutUiui.'*  \i.  ;{]  udn.  1),  f{ii\  hen-um  »ane  recte  p«rcepit,  at 

piiftt.  i: II III  Hirni:hri!ldjuin  (vvrw.-^esscli.  I  p.  204  adn.  X)  in  anticnm 

'"  I  (.  I.i*'i  n<i  r'iiliri'iii  |i.  73.  allcro  quoque  loco  forsitHii  non  plane 
iite|ftir  Hifr.tliiitiiiii  tottui  iil»  <t<litoriliiiH  ohlitiim  »Jefcn  lere  posflis:  I  S,  10 
lutii  /'r»ff/4  lihtliiH  un;iil  //ijitiffui  Hutin  |  permiiltHque  romit  «sie  BRa.  erociä 
iiuIkoj  blauilutinfnf  rtliifiiil  otiorrm.  cf.  Sil.  It.il.  VII  4G7  tiffuigU  uuUu 
tiihni  l'rnuH  itmniii  rintt  j  tt  nemora  et  penihix  ftf$nthntU  rupibus  antra  \ 
hpimntfut  kürt  II  tnurrunt  uerlicr  oflorem;  Vcrfr.  Aen.  I  403  ambrofiaeque 
ruiHttt  dininum  uetlirf  odorem  |  apirauere;  CUudiani  de  iiupt.  Hon.  289. 


FSkutsch  et  FVollmer:  ad  Statu  siluas  symbolae.  II.         839 

errorem  reccidisse  mirere,  maniplo  iniermisstis  eques  legamus  necesse 
est,  dummodo  intermisst^f  quod  est  in  codicibus,  in  duo  uocabula 
diiungamus  praepositionemque  agnoscamus  postpositam  ut  IV  2, 17. 
6,  32.  ab  CO  qui  imperatori  est  ah  epistidis  Statias  eorum  nomina 
proponi  dicit,  qui  quattuor  officiis  militaribus  digni  uideantur,  primo 
pilo,  praefectura  cohortis,  tribunatu  legionis,  praefectura  equitum. 
primipilatum  intellegit,  cum  dicit  centum  frenare  (Ov.  a.  a.  III  525 
dvuc  honus  huic  centum  commisU  uüe  regendos^  Florus  Verg.  orator 
an  poeta  p.  108  [Halm]:  si  mihi  maximus  Imperator  uitem  id  est 
centum  homines  regendos  tradidisset]  primum  autem  pilum  notum 
est  inter  centuriones  fuisse,  et  frenare  baudquaquam  de  equitantibus 
accipiendum  est,  sed  in  uniuersum  dictum  idem  ualet  quod  regere^ 
cf.  frenare  cohortes  III  3, 52.  IV  4,  61),  deinde  addit  oum  licet  eques 
sit  mitti  inter  pedites  eadem  uocabuli  maniplus  ui  usus  qua  Val.  Fl. 
V  590  sq.  maniplos  i.  e.  pedites  equitibus  opponit.  praepositio  autem 
postposita  eodem  modo  primum  uersus  locum  tenet  apud  Ou.  met. 
X  49  umhras  erat  iUa  recentes  \  inter,  Vo. 
V  1, 108  sqq.  qualem  te  superi^  PrisciUa  .  . 
aspexere  die ,  cum  primum  ingentihus  actis 
admotus  coniunx:  uicisti  gaudia  cene  (B;  cene  B) 
ipsius,  effuso  dum  peäore  prona  sacratos 
uolueris  ante  pedes  domini  tam  magna  merentis, 
cenae  prauum  esse  ita  a  Marklando  demonstratum  est,  ut  contra 
siquis  sentiat  nil  sentiat.  unum  addo  Priscillam  gaudentem  sine 
Priscillae  gaudia  gaudia  cenae  uincere  pessime  diel,  cum  cenae  in 
bis  esse  non  possit  nisi  genetiuus  quem  dicimus  obiectiuus.  ergo 
corruptum  cene.  in  quo  duae  res  uidentur  inesse  posse:  aut  aduer- 
bium  aliquod,  ut  solum  ipsius  nullo  substantiuo  addito  maritum  de 
quo  modo  dictum  est  denotet,  aut  genetiuus  subiectiuus  i.  e.  alterius 
cuiusdam  gaudentis  significatio  cui  accederet  pronomen  ipsius.  ipse 
autem  quisnam  boc  loco  dici  potest?  nemo  puto  nisi  maritus,  nam 
is  ante  omnes  ingentihus  actis  admotus  gaudere  debebat  oiusque 
gaudia  poetae  uel  ideo  commemoranda  erant,  quia  facere  paene  non 
poterat  quin  in  carmine,  quod  a  Domitiano  lectum  iri  et  sperare  et 
scire  poterat,  Abascanti  ipsius  siue  amici  siue  fautoris  laetum  obse- 
quium  imperatori  commendaret.  sed  e  litteris  cene  quomodo  ullam 
mariti  significationem  elicies?  atque  si  contingeret  ut  eliceres,  num 
senteutia  euaderet  Statio  imperatori  humiliter  adulandi  artifice  summo 
(nam  ridicule  nuper  contra  dixit  GGCurcio  ^studio  su  P.  Papinio 
Stazio'  p.  76)  digna?  uix  puto  satis  commendatur  Abascantus,  si 
gaudium  suum  ab  uxore  superari  patitur.  igitur  non  mariti  signi- 
ficatio in  cene  inerit,  sed  aduerbium  aliquod,  ut  Marklandus  uoluerat. 
ncque  tamen  id  certe  esse  coniciemus  ut  ille,  quod  aduerbium  non 
iuane  solum  esset,  uerum  et  ipsum  adulatoriam  loci  rationem  eo  de 
quo  diximus  modo  infringeret,  sed  quod  unum  et  poetae  aulici  sen- 
tentiae  et  litteris  traditis  satis  conuenit,  pfne,  legimus  igitur  uicisti 
gaudia  paene  \  ipsius.     Sk. 


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'I fi^'.p'.  ■    » Kii   pr-, ,'.',... itfi»r*'.  :-.AO**n?.  ne^'ie  lUiiiendi 

M'n.i'.i  ///  /  r'»1;  AifTi  r.ft'j  ,/i  .»i.Vi  .n  -i,.#.H  ••.*«r<«a<  int^rpolacos 
fr."  tt,'i'f,,f  Ttt''Tftir,i  '•'  i/r"..»  (»^'i  jri'<'rf#0'if^r-i  n.nr.x  AXC|^i^ta.  ae 
rr.  .M-.   f/MiUfi.i,  /..»  'I,  i,f,f>  ',    'i«;<<ri''la  -i.r/ii.;^  p/'.^':  oneri,  poaemdA 

■  nf  jr'-  -iiKi'r-^'frn  *'  /|'r^^,.»^  jir.i/«'li/ >iS<  ji'#<t#Tir,ri  y/'/.^tp'.nitar 'I  5,  46. 
M  \  '•  fti  /  il/>  «"-ntf-nti  I  'f  n  ^;,  V.)  fV  1,  i.'#  })/M«nM  /ociffidia 
fttnihtil  nnunf,  A#K  Mi/  rtrurit,  tpud  mfiffn/um  .  .  M<j»  f^M'tna parmi 
tfitifurifitr  'fiffirmt  nif  ttnfiftv^  ('.\nftt\tnui  |||  f:/iri.i(.  ffon.  86  sie  üttOM 
ntthiin  ii'i'i'it  Ht  f«|-i  iiliu  fniilfu  f|iiuiia  r.on^nHKit.  Hef;kera8  commeot. 
Kf  it    '!>•  MiiMi    Mr     )i     'O.-;.       .>',K 

V    ».   M  '    "\'\ 

tiHrm  tir.  furrihuR  aUin 

4tt'$tih9'»  fhiUifi*'  nrrQtttifrm  in  pitlurrr.  mtian 

i'f'fifithitfif  'f'utitir  wm  furuo  luminr.  mnIrrH. 

f 'f i«l<iiinit  i><|MiM,  huiitvt  rtttfitt  rt.  ur.rtmH  Hin  fiwiti  mlct  ferocis  eqmi 

I  I  Pi  I  t.iiiii  t'iiiilii>iiM|Mii  M  i>iiiti|iiiiAl.iii-,  f|iiui('iii  Hnti!  Thebas  ez  equo 

l'MiiiiiiitiiMti  i|<ti>  Mlnhii^  ili>>:iii)iil.  (Tlinli.  IX  iiK.'i  ^qq.).   quem  Tvriae 

iiftlii.«    «i,-!»   f,*tun  hniiiiir  m|mmIiiiiI.,   iit.  illo   inro  (u.  lOi))  dat  SponiC 

}.>•  '»M«  I  riMilii>iiM|iiii>ii)  t'hiluniii  iuunUun  nnlorum  mrmores  vi Sidoniae 

«•NiHf'^fii'         I,iuilit9tt  i7  ttirUo  dui'ufit  siisjnria  uoto^   i.  e.  pueri 

itiintHiHp   !•(    iifini  (ii(«>  rii)ilHiiliir,    f]iiiiif  Kt'qiiitur  de.icriptio  ftda- 

If  .-•  niio    l'.M.^ic  ut9ittntis  fvifYrM,  luiiii  LMÜtoroK  aileo  non  inU'Ueie- 

tni«i.   tii   M>iililtiMtli  ftttnttis  riiiii«*i*hiniiii  possiiiiiiin  nmplectereniDr 

II.  «1    •MiinMiilii«tii«>ii(i  ^   i*|ilirl>iiin  TtyiMtem  nun  Liiuhiri  a  Statio  at 

iliicrin   •iiiMKin,   «imI  iiI  <i«}intriii  nlt|iie  rx  equn  ip^um  pugnantem« 

f..i  (  M,  M4,  r.i.«  tiii'in  tmI  ipuMl  //rv/iTc  j///r()5.    iu  Statius  ip^e  flezuram 


FSkaUoh  et  FVollmer:  ad  Statu  tilaa«  tymbolae.  IL         841 

qaae  apud  metam  fit  in  illam  tran'sfert,  cum  dicit  V  2,  26  incuruae 
mäae,  cf.  Tbeb.  VI  418  flexae  circa  compendia  metae  et  Per8.  3,  68 
meiae  qua  möUis  flexus  (u.  Olabn  ad  h.  1.);  metam  flectere  ezpliees 
Ouidii  uerbis  (am.  III  2,  69)  metam  circuit  orbe,  iam  quamquam 
in  campo  Tbebano  nbi  pagnaior  non  sunt  nerae  metae  quas  flectere 
uel  uergare  possit  adulescens ,  tarnen  cum  inter  bostes  circumuoUU 
(Tbeb.  IX  736)  circulos  facit  equitando  qaasi  metam  feruidis  euUet 
rotia.  denique  mäae  quas  adalescens  Arcae  uersat  Statins  dicere 
poterat  Ärcadas,     Vo. 

V  2,  125  poeta  Crispinnm  bortatur  ut  ad  gloriam  bellicam 
parandam  se  accingat, 

nam  magno  ducis  indulgentia  pulaat 
certaque  dat  uotis  hüaris  uestigia  frater. 
sie  Codices,  sed  uerba  recte  tradita  editores  post  Domitium  mnlti- 
modis  pessumdedernnL  magno  datiuum  puta  *zu  etwas  groszem' 
(de  nsn  adiectiui  neutri  generis  compara  interim  Silium  ed.  Buperti 
uol.  II  app.  p.  173  sq.)  et  confer  Silinm  X  343  non  te  maiorxbus  •  • 
a/usis  .  .  uoco,  quodsi  Marklandus  in  coniunctione  uerborum  indut- 
gentia  pulsat  Oxymoron  non  ferendum  inesse  putat,  non  meminit 
ducis  indulgentiam  esse  solitam  circumlocutionem  Caesaris  indal- 
gentissimi,  cf.  I  2,  174.  III  4,  64.  deinde  pulsat  non  semper  ^nim 
et  uiolentiam  denotat',  sed  qaemlibet  interdum  sensaum  affectum 
quo  quis  ad.agendum  compellitur.  similiter  Sil,  It.  II 580  hortatibui 
mpuiä  auras  (cf.  Drakenboreb  ad  Sil.  III  693  et  IV  7).     Vo. 

y  3,  53  sqq.  in  epicedio  patris  poeta  dicit:  si  mibi  per  forta- 
nam  liceret  monumentum  ingens  in  tuam  memoriam  ezstruere,  ego 
ibi  non  gjmnica  certamina  neque  equestria  in  bonorem  tnum  in- 
stituerem,  sed  musica: 

ülic  Oebalio  non  finderet  aära  disco 
Crtaiorum  uis  nuda  uirum^  non  arua  rigaret 
sudor  equum  aut  puiri  sonitum  dar  et  unguda  fossa^ 
sed  Fhoebi  Simplex  chorus,  et  frondentia  uatum 
praemia  laudato,  genüor^  tun  rite  ligarem. 
locum  nouissime  tractauit  Scbwartzius  1.  1.  p.  5  bene  nocabalom 
fossa  ab   omnibus   fere  editoribus  eiectum  defendens,   non  bene 
Ugarem  in  Utarent  mutans,   structura  baec  est:  sed  Fhoebi  simpltx 
Chorus  adesset  (uel  sonaret  quod  per  zengma  elicias  e  sonitum  daret) 
et  ego  frondentia  uatum  praemia^  Coronas^  tibi  laudato  rite  Ugarem. 
coronae  igitur,  quae  praemia  eomm  poetarum  erunt  qni  superiores 
e  certamine  musico  a  filio  pientissimo  instituto  Papinio  patre  optima 
laudato  discesserint,  peracto  agone  patris  statuae  dedicabantur,  qoi 
pro  genio  loci  uel  deo  patrono  agonis  erit  Statins  autem  ipse  quasi 
sacerdotis   diui  patris  munere  fungens  dedicationem  soo  iure  rite 
exequetur  ideoque  prima  utitur  persona  Ugarem.    coniunctionem 
Coronas  (alicui)  Ugare  tutatur  uersus  II 1, 193  dum  saepe  domi  noua 
seria  ligantem  \  te  uidet^  ubi  ex  insequentibus  suppleas  simüilms  cerisi 
cf.  quae  antea  de  hoc  loco  dicta  sunt,   laudato  u.  57  bene  indieat 


FSktitficli  et  PYollmer:  ad  Statu  silaas  s^^mbolae.  IL 


materiem  carminum  a  ceriantibus  poetis  compositoram.  similiter 
eodero  participio  ulitur  poeta  III  3,  7  tu^  Pietas^  mHihus  exequüs 
ades  ei  lugentis  Elnisd  \  cerne  piüs  fktus  laudataque  lumina  terge^ 
id  quod  bene  Schwartzius  notauit  p»  9.  eteniin  si  Pietas  in  terr&m 
ddScendeDS  pios  fletus  Etrusci  uiderit,  laudabtt  quidem  oculos  pie 
flentis,  uerum  etiara  tergebit,  huiüs  usus  partieipialis  sane  non  miri 
exenapla  ne  in  ipso  quidera  laudandi  uerbo  desunt,  cf.  Lia.  II  13, 
laudatanique  uirginem  parte  ohsidum  se  donare  dixit\  Calp.  ecK  6,  ll 
tu  quoque  laudatum  nosses  Älcona  probare.     Vo. 

V  3, 105  crinernque  afflato  morUe  scptdium 

pone  super  tumulos, 
sie  reciissime  contra  tot  coniectores  Codices,  omniä  difficaltas  siqaa 
est  inest  in  üocabulo  montey  quod  hoc  loco  non  Vesuniam  significat, 
sed  partes  eius  cinercs  et  saxa  eruptione  egesta,  cf  Lactanlius  ad 
Tbeb.  I  10  ^Tyrios  montes'  emphaticos  dixit  montes  pro  scu^is  et  m 
eadem  re  aeque  uTTCpßoXiKUJC  dictum  u,  206  b.  c.  pater  cjcemptum 
terris  ad  siäera  monfem  |  $us(uUt  et  laie  miseras  deiecit  in  urbes.  de 
iierbo  afflato  ue  dubites,  memineris  a  uiris  doctis  eruptionea  quas 
dicimo^  uulcanias  ita  explicatas  esse  ui  nentis  ig'Qeia  terraij  uiscera 
turbari  ponerent,  cf.Äetnae  u,  143  sqq.,  VaKFl.  IV  508  aK  adde  quod 
afEari  res  dicutitur  rebus  subitis,  praecipue  f ulmine,  i magine  siue  i 
nata  ut  Verjy.  Aen.  II  648  ex  quo  nie  äiuom pater  atqtic  hominum  i 
fulminis  affJauü  uentis  et  Cünttgtt  igni,  siue  non  seruata  uel  non  ex- 
pressa  e.  gr.  apud  Ou.  ex  P,  IIl  G,  17  fulminis  afflatos  interdum  uiucrc 
felis,  structurae  afflare  alicui  aliquid  exempla  lexica  exbibent.     Vo. 

V  3, 127  Graia  .  .  Hyele,  ffrauidus  qua  puppe  magtsier 

excidit  et  mediis  miser  euigilauU  in  undis, 
de  nomine  urbis  (sele  AG)  nunc  non  quaero  contentug  si  adnotau« 
neque  iSeUe  latiuum  esse  neque  Velie  graecum  et  reponendum  caa 
Heinsio  Uyele.  at  suo  iure  in  Palinuri  epitbeto  Graius 
[sie]  B^  grauis  B)  eritici  offenderutit,  nam  neque  Graius  erat  Deqofl_ 
si  foisset,  Statius  adiectiuum  tarn  breui  spatio  inleriecto  iteraaset. 
sed  et  Baebreosii  Troius  et  Auantii  Marklandique  Fhrygius  a  Htleris 
traditis  abborrent,  reposui  grauidus\  nam  grauis  somno  e  pnp^i 
exciderat  magister  (Verg.  Aen.  V  840  sqq.)  et  mediis  miser  euigi* 
lauit  in  undis*  grauidus  autem  post  aeuum  Aagusteum  propter 
commodum  in  bezametris  usum  paulatim  breuioris  adiectiut  grü 
locum  sibi  uindicauit^  quod  de  somnolento  ei.  gr.  Lucretius  III  IC 
posuerat:  aui  abii  in  somnum  grauis^  an  quetnquam  Romanorua 
doctorum,  qui  Vergilii  carmina  probe  norant,  uel  dempta  pat 
significatione  fugisse  puUs,  quis  ille  magit»ter  esset?     Yo. 

V  3,  171  describit  poeta  Baiana 
litora  qua  mediis  alte  permixtus  anhdat 
ignis  aquis  et  operta  domos  incendia  seruani. 

§ic  BBa,  at  quomodo  domos  &eruare  pOHsint  incendia,  non  int^l* 
legitur*  löitto  uirorum  doctorum  coniecturas  partim  a  litt€<risabbor 
rentefi  partim  sensu  cassas  partim  utroque  aitio  laborantea. 


RLeyds:  über  zwei  briefe  Ciceros  an  C.  Trebonius.  843 

accusatiuo  domos  pone  nominatiuum  domus  ot  plana  omnia  enint. 
Bais  subesse  credebant  Pyripblegetbontem  (Strabo  p.  244);  band 
procul  aberat  uilla  Ciceronis,  in  qua  cum  diu  'seruatae'  calidae 
subito  eruperant,  Tullius  Laurea  notissimum  epigramma  scripsit 
(Plinius  n.  h.  XXXI  7;  Baebrensii  poet.  lat.  fragm.  p.  316);  et  man 
et  tellure  Baianis  ignem  operiri,  ut  Statins  sie  Plinius  quoque 
testaturl.l.     Sk." 

*i  hae  paginae  iam  prelis  premebantur,  cum  recepimus  GAdriani 
quaestiones  Statianas  (diss.  Herbipol.  1893).  Adrian  nonnuUis  locis 
eaodem  qnas  nos  defendit  lectiones  Don  ubique  eisdem  rationibus  usus 
(I  2,  103.  III  4,  75.  V  1,  27.  2,  13).    errat  aperte  II  1,  67.  7,  128. 

Vratislaviab  et  Düsseldorpii. 

Franciscvs  Skvtsoh  et  Frideriovs  Vollmer. 


(51.) 

ÜBER  ZWEI  BRIEFE  CICEROS  AN  C.  TREBONIÜS. 


Die  aufklärung  der  zeitverbältnisse,  in  denen  Cicero  die  briefe 
XV  20  und  21  an  C.  Trebonius  gescbrieben,  welche  wir  WSternkopf 
verdanken  (oben  s.  424  ff.),  wird  wohl  als  gelungen  betrachtet  wer- 
den, und  wir  dürfen  den  letztgenannten  brief  in  den  anfang  des  j.  709 
nach  der  abreise  des  Trebonius  nach  Narbo  ansetzen,  wogegen  XV  20 
nicht  lange  nachher  geschrieben  ist,  als  Trebonius  schon  in  Narbo 
eingetroffen  war  und  Cicero  von  ihm  nachrichten  verlangte  über 
M.  Brutus,  der  damals  noch  in  Gallien  stand,  während  Caesar  in 
Hispanien  krieg  führte,  nur  die  werte  XV  20  §  2  quamquam  duae 
causae  sunt ,  cur  tu  freqtientior  in  isto  officio  (sc.  litterarum  miäen- 
darum)  esse  debeas  quam  nos:  primum  quod  olim  sölehant^  qui  Bomae 
eranty  adprovinciales  amicos  de  re publica  scribere,  nunc  tu  nobis 
scribas  oportet,  res  enim  publica  istic  est;  deinde  usw.  sind  meines 
erachtens  von  Sternkopf  nicht  ganz  in  ihrer  bedeutung  erfaszt  wor- 
den.  weil  nemlich  damals  der  hispanische  krieg  seiner  entscheidung 
entgegenharrte ,  der  staat  so  zu  sagen  damals  in  Hispanien  war  {res 
enim  publica  istic  est) ,  deutet  Cicero  gerade  die  in  Italien  sich  be- 
findenden als  provinciales  an,  eine  benennung  in  den  damaligen  zeit- 
verhältnissen  ganz  nach  Ciceronischem  geschmack.  er,  Trebonius, 
müsse  mehr  schreiben:  die  in  Rom  wohnenden  schrieben  olim  auch 
mehr  an  ihre  provinciales  amicos  als  umgekehrt:  nicht  Trebonius 
also  kann  hier  als  der  provincialis  amicus  gemeint  sein  (Steiiikopf 
s.  429  f.),  sondern  Cicero  selbst,  und  die  werte  qui  Bomae  erant 
haben  nichts  mit  Ciceros  derzeitigem  aufenthaltsort  zu  schaffen 
(Sternkopf  meint  nemlich,  diese  werte  würden  beweisen,  dasz 
Cicero ,  als  er  dies  schrieb ,  in  Rom  war) :  sie  deuten  nur  auf  die 
männer,  welche  sich  auf  dem  schauplatze  der  Weltgeschichte  befanden 
im  gegensatz  zu  ihren  provincialibus  amicis, 

Groningen.  Rbinier  Lbyds. 


844  FHeidenhain :  su  Suetonius  vita  des  Horatras. 

94. 

ZU  SÜETONIüS  VITA  DES  HORATIUS. 


In  SuetoDS  yita  des  Horatias  wird  ein  brief  des  Augnstns  mit- 
geteilt ,  in  dem  dieser  Maecenas  bittet  ihm  den  dichter  abzutreten, 
damit  derselbe  sein  privatsecretär  werde :  ante  ipse  sufficiebam  Mfi- 
hendis  epistulis  amicorum,  nunc  occupatissimus  et  infirmus  Horatium 
nostrum  a  te  cupio  ahducere,  im  unmittelbaren  anscblosx  darui 
schreibt  Augustus  den  unverständlichen  satz:  veniet  ergo  ab  iaia 
para&itica  mensa  ad  hanc  regiam  et  nos  in  epistulis  scrihendis  iuvälrit, 
denn  was  hier  parasitica  mensa  soll ,  ist  durchaus  unerfindlich,  war 
der  dichter  bei  Maecenas  parasUus^  so  war  er  es  auch  bei  Augustiu. 
die  Vi  orte  parasitica  und  regia  bilden  also  keinen  gegensatz,  wie  aie 
doch  sollen;  auch  dann  nicht,  wenn  Hör.  nicht  einÜBU^h  als  esser,  aon* 
dem  als  unnützer  esser  an  der  tafel  des  Maecenas  bezeichnet  werden 
sollte :  denn  seit  wann  saszen  dergleichen  leute  an  der  mensa  regia 
nicht?  auszerdem  ist  bei  regia  anstöbzig,  dasz  Augustus  das  wort 
überhaupt  von  sich  gebraucht,  liesz  er  sich  selbst  von  seinen  kin- 
dern  und  enkeln  nicht  einmal  im  scherze  dominus  nennen  (Baet. 
Äug,  53) ,  so  musz  er  die  bezeichnung  rex  noch  weniger  gewQnscbt 
haben :  und  hier  gebraucht  er  sie  selbst,  beide  anstOsze  yerachwin- 
den,  wenn  man  st&ii parasitica  schreibt  satrapica.  denn  nan  ist 
regia  nicht  als  ausdruck  der  Wirklichkeit,  sondern  nur  dem  mit 
satrapica  eingeleiteten  bilde  zn  liebe  angewendet,  und  beide  stehen 
in  einem  gegensatze ,  durch  den  die  dem  Hör.  zugedachte  befÖrde- 
rung  vortrefiflich  veranschaulicht  wird,  übrigens  ist  es  wohl  kdn 
Zweifel,  dasz  (wie  der  brief  überhaupt  mehr  ein  ballon  d'essai  als  ein 
ernstlich  gemeinter  antrag  sein  soll)  Augustus  die  worte  satrapiea 
und  regia  mensa  nicht  nur  gebraucht  hat,  um  des  Maecenas  bürger- 
liches Verhältnis  zu  ihm  zu  bezeichnen,  sondern  auch  um  einen 
scherz  zu  machen,  bei  satrapica  mensa  dachte  nemlich  der  leser  tn- 
nächst  lediglich  an  eine  üppige  tafel,  und  eine  solche  führte  Maecenas 
bekanntlich,  da  muste  es  nun  einen  überraschenden  und  darum 
komischen  eindruck  machen ,  wenn  Augustus  die  doppelbedeatang 
des  Wortes  satrapica  und  seinen  be.-«itz  einer  höhern  stellnng  be- 
nutzte, um  seinem  überaus  einfachen  tische  (Suet.  Äug»  74)  das  bei- 
wort  regia  beizulegen. 

Strassburo  in  Westpreuszem.       Friedrich  Heidemhain. 


FPhilippi:  zur  Peutingerschen  tafel.  84& 

(68.) 

ZUR  PEÜTINGERSCHEN  TAFEL. 


Oben  8.  485 — 512  hat  ESchweder  einen  eingehenden  au fsatz 
'über  Ursprung  und  ältere  form  der  Peutingerschen  tafel'  veröffent- 
licht, in  welchem  er  es  wahrscheinlich  zu  machen  sucht,  dasz  die« 
selbe  mit  der  sog.  ^Weltkarte  des  Agrippa'  in  Verbindung  stehe,  oder 
mit  andern  werten,  dasz  die  entfern ungsangaben  der  Peutingerschen 
tafel  auch  als  auf  dieser  berühmten  karte  ursprünglich  verzeichnet 
anzunehmen  seien,  da  der  positive  zweite  teil  der  abh.  s.  499  ff. 
sich  nicht  im  einzelnen  mit  meinen  forschungen  beschäftigt,  habe 
ich  keine  veranlassung  darauf  näher  einzugehen ,  möchte  aber  doch 
kurz  darauf  hinweisen ,  dasz  ich  dem  hauptvehikel  seines  beweises, 
jenem  sagenhaften  berichte  über  die  erdvermessung  unter  Augustus 
eine  ausschlaggebende  kraft  beizumesen  nicht  im  stände  bin. 

Der  erste  teil  seiner  beweisführung  dagegen  richtet  sich  haupt- 
sächlich gegen  die  auf&tellungcn  meiner  Bonner  doctordiss«  'de 
tabula  Peutingeriana'  1876.  da  ich  im  allgemeinen  meine  damals 
in  diesen  fragen  gewonnenen  ergebnisse  auch  jetzt  noch  aufrecht 
erhalten  zu  sollen  glaube,  aber  nichts  desto  weniger  einiges  anders 
als  damals  aufzufassen  geneigt  bin ,  ergreife  ich  mit  freuden  diese 
gelegenheit  darauf  zurückzukommen. 

Im  allgemeinen  scheint  mir  der  von  Schweder  in  anlehnung  an 
Kitschis  und  Mommsens  forschungen  aufs  neue  vertretenen  anschau- 
ung ,  dasz  die  Peutingersche  tafel  eine  ableitung  der  Augusteischen 
weitkarte  sei,  eine  ganz  moderne  Vorstellung  von  geographischen 
karten  zu  gründe  zu  liegen,  nach  welcher  dieselben  nicht  nur  oro- 
graphische,  hydrographische,  politische  usw.  eintragungen  enthalten, 
sondern  auch  die  städte  und  die  sie  verbindenden  Verkehrswege  auf- 
weisen sollen,  die  entwicklung  der  geschichte  der  chartographie 
lehrt  aber,  dasz  gerade  die  einzeicbnung  der  straszen  eine  verhältnis- 
mäszig  moderne  errungenschaft  ist.  auf  karten  des  sechzehnten  jh« 
sind  wege  noch  sehr  selten  zu  finden,  erst  im  achtzehnten  jh.  finden 
sie  sich  häufiger ,  um  in  unserm  jh.  als  unentbehrlicher  bestandteil 
einer  guten  karte  zu  gelten,  diese  beobachtung  würde  nun  nicht 
die  möglicbkeit  ausschlieszen,  dasz  im  altertum,  welches  ja  in  vielen 
dingen  dem  16n  und  17n  jh.  unserer  Zeitrechnung  voraus  war,  schon 
straszeneinzeichnungen  auf  karten  gemacht  worden  wären,  gegen 
eine  solche  annähme  sprechen  aber  zweierlei  beobachtungen :  zu- 
nächst zeigen  diejenigen  karten  des  altertums,  welche  vom  wissen- 
schaftlichen Standpunkt  als  die  vorzüglichsten  zu  bezeichnen  sind 
und  von  denen  wir  auszerdem  die  getreusten  nachbildungen  be- 
sitzen ,  die  Ptolemäischen ,  keine  wege-ein tragungen,  sodann  aber, 
und  darauf  möchte  ich  das  gröste  gewicht  legen,  weil  es  sich 
um  römische  tradition  handelt,  habe  ich  auf  keiner  mittelalter- 
lichen karte  des  abendlandes,   auch  auf  den  beiden  grösten,  der 


846 


FPhilippi;  lur  Peutingerscheu  tafel. 


Hereforder  und  dar  Ebbtorfer,  auch  nur  unbedeutende  reste  voil 
Strassen  gefüBden.  di^se  karten  werden  aber  allgemein,  ancli  von 
Scbweder,  als  —  wenn  auch  bcbr  verblaszte  und  verballbomte  — 
abklatsche  der  Augusteischen  karte  angesehen,  dieser  umstand  mnst 
doch  bei  dem  versuche  die  Peutingersche  tafel  auf  dieselbe  quell© 
zorQckzufUhren  stutzig  machen,  ich  gebe  jedoch  zu,  dass  aaoh 
dieser  beobachtung  beweisende  kraft  nicht  innewohnt* 

Noch  weniger  aber  kann  ich  im  gegengatze  dazu  anerkennen^ 
das2  die  von  Schweder  für  den  Zusammenhang  der  Peutingerschea 
tafel  mit  der  Augusteischen  karte  vorgebrachten  beweisgründe  ttber- 
zeugend  oder  gar  zwingend  seien*  eins  seiner  hauptargumente  Ut 
die  behauptung,  dasz  die  Peutingersche  tafel  den  orbis  terrarum 
darstelle,  also  nicht  als  wegekarte  des  römischen  reiches  an« 
gesehen  werden  könne,  ich  fürchte,  Schweder  wird  ftir  diese  be- 
hauptung  die  zubtimraung  der  forscher  nicht  gewinnen,  weil  thai* 
sächiich  die  tafel  nicht  den  orbis  terrarum  gibt,  sondern  sowohl 
die  ganze  nordhülfte  Europas  wie  die  stldlichen  teile  Africas  günz- 
lich  unbeachtet  und  un verzeichnet  läsit^  dagegen  ist  Schweders  be- 
tonung  der  thatsache,  dasz  die  Peutingersche  karte  mehr  als  da$ 
römische  reich  darstelle,  nemlich  auch  den  grösten  teil  von  Aalen, 
unzweifelhaft  gerechtfertigt  wie  dies  selbst  bei  der  annähme,  die 
Peutingersche  karte  sei  eine  straszenkarte  des  römischen  reichea«  2I1 
erklären  sei^  soll  weiter  unten  erörtert  werden. 

Vorab  möchte  ich  dagegen  auf  die  ?on  Schweder  zum  ersten 
male  in  diesem  umfange  ausgeführte  annähme,  dasz  die  bandartige 
form  der  tafel  nicht  die  ursprüngliche  sei,  näher  eingehen,  für  die 
möglichkeit,  ja  Wahrscheinlichkeit,  dasz  der  tafel  die  langgestreckte 
form  erst  durch  mittelalterliche  copisten  gegeben  worden  sei,  wird 
die  unbestreitbare  that^acbe  ins  feld  geführt,  dasz  diese  copisten  mit 
der  form  ihrer  Vorbilder  sehr  willkürlich  umgegangen  sind,  wenn 
sie  das  thaten,  sehen  wir  aber,  dasz  sie  ihre  gründe  hatten  oder  tu 
haben  glaubten,  indem  «ie  den  orbis  terrarum  auch  als  rund  dar- 
stellten,  ein  grund  aber,  aus  welchem  der  Zeichner  der  tafel  dia 
format  derselben  zu  einem  langen  »chmalen  bände  verändert  haben 
sollte,  ist  schwer  erfindlich,  das  würde  nun  allerdings  noch  nicht 
genügen,  um  die  mögliehkeit  zu  bestreiten,  wenn  es  auch  die  an- 
nähme sehr  der  Wahrscheinlichkeit  entkleidet*  aber  ich  halte  oa 
geradezu  für  unmöglich,  dasz  mittelaUerliche  copisti^n  eine  solche 
Umarbeitung  des  formats  ausgeführt  —  oder  richtiger  gesagt  tn 
dieser  vorzüglichkeit  ausgeführt  haben  könnten,  wenn  schon  die 
Veränderung  der  ellipse  oder  des  rechtocks  der  weitkarte  zum  kreise 
solche  Verwüstungen  angerichtet  hat,  wie  sie  die  Hereforder  und 
Ebstorfer  karte  an  den  betreffenden  stellen  zeigen,  um  wie  viel  mehr 
würde  die  Peutingersche  tafel  bei  dem  noch  viel  schwierigem  expori* 
ment,  eine  kreisrunde,  elJipsenförmige  oder  rechteckige  (dh,  höhere 
als  breite)  karte  in  eine  Zeichnung  von  20  mal  grösserer  breit«  ala 
höhe  umzumodeln,  haben  leiden  müssen  1   davon  ist  aber  durchaaa 


FPhilippi:  zur  Pcutingerschen  tafel.  847 

nichts  zu  bemorken:  denn  wenn  die  karte  auch  ganz  gewis  nicht 
fehlerfrei  ist,  so  sind  doch  diese  fehler  zum  allergrösten  teile  derart, 
dasz  sie  nur  auf  geringen  versehen  beruhen  \  die  dann  bei  weiteren 
copierungen  noch  verschlimmert  wurden,  dies  der  negative  grund, 
der  mich  nicht  glauben  läszt,  dasz  die  Peutingersche  tafel  bzw.  ihre 
Vorbilder  jemals  ein  wesentlich  anderes  format  gehabt  haben  können 
als  heutzutage,  aber  es  liegt  auch  ein  positiver  grund  dafür  vor, 
und  das  ist  eben  ihre  jetzige  form,  die  wähl  des  für  uns  moderne 
allerdings  auffälligen  breiten  rollenformats  ist  nur  durch  die  an- 
nähme zu  erklären,  auch  das  urbild  sei  schon  so  gezeichnet  gewesen, 
weil  ein  solches  format  nur  im  altertum  für  schriftliche  aufzeich- 
nungen  gebräuchlich  war.  das  mittelalter  kannte  zwar  auch  noch 
roiuUy  rodeln,  sie  wurden  aber  nicht  der  breite  nach,  sondern  der 
länge  nach  beschrieben,  daher  musz  die  annähme,  der  oder  einer 
der  mittelalterlichen  copisten  habe  dieses  in  seiner  zeit  gänzlich  un- 
gewöhnliche format  gewählt,  als  höchst  unwahrscheinlich  bezeichnet 
werden.  —  Sei  dem  aber  wie  ihm  wolle,  jedenfalls  hat  die  karte 
dieses  format,  und  das  format  entspricht  dem  zwecke,  welchen  die 
karte  verfolgt,  vortrefflich  —  ich  werde  darauf  unten  zurückkom- 
men — ;  es  kann  nur  unter  der  oben  als  irrig  gekennzeichneten  an- 
sieht, dasz  die  karte  den  orbis  terrarum  darstellen  wolle  und 
solle,  auffällig  erscheinen,  so  musz  m.  e.  nach  allen  regeln  der 
kunst  denen,  welche  meinen,  dasz  die  vorhandene  form  nicht  die  ur- 
sprüngliche sei,  die  last  der  beweisfUhrung  obliegen;  mir  scheint 
aber  nicht,  dasz  Schweder  einen  beweis  erbracht  hat;  auch  nicht  da- 
durch, dasz  er  darzulegen  versuchte,  die  tafel  habe  nicht  den  prak- 
tischen zweck  einer  reise- oder  marschkarte  gehabt,  dh.  mit  andern 
werten,  sie  sei  als  eine  geographische  karte  anzusehen,  er  glaubt 
zunächst,  mit  dem  bekannten  Vegetius - citate  über  die  itineraria 
pida  werde  insofern  misbrauch  getrieben,  als  Vegetius  von  special- 
karten und  nicht  von  einer  karte  des  ^orbis  terrarum'  rede,  ich 
kann  hierin  nichts  weiter  als  ein  misverständnis  erblicken,  sowohl 
Miller,  der  hier  wohl  eine  erwähnung  verdient  hätte,  wie  ich  —  von 
mir  kann  ich  es  mit  bestimm theit  behaupten  —  haben  das  citat 
doch  nur  herangezogen,  weil  wir  darin  eine  treffende  Charakteristik 
der  art  von  graphischen  darstellungen  fanden,  zu  welchen 
die  Peutingersche  tafel  gehört,  ohne  eine  identität  behaupten  zu 
wollen,  auch  die  annähme  Schweders,  dasz  ich  der  meinung  ge- 
wesen sei,  jeder  römische  feldherr,  oder  Miller,  jeder  römische  heer- 
führer  und  reisende  habe  stets  die  ganze  tafel  bei  sich  geführt, 
beruht  auf  einem  misverständnis.  der  einzelne  wird  selbstverständ- 
lich nur  je  den  für  seine  zwecke  in  betracht  kommenden  ausschnitt 
mit  auf  die  fahrt  genommen  haben,  es  ist  genau  dasselbe  Verhält- 
nis, wie  ein  moderner  tourist,  ein  heutiger  offizier  zu  seinen  wande- 

'  ich  verweise  dafür  auf  Millers  umfassende  zasammcnstellaDg  ^Welt- 
karte des  Castorius'  s.  18  ff.  bes.  s.  22. 


848  FPhilippi:  zur  Peutingenchen  tafel. 

rungen  und  Übungen  sich  der  ^generalstabskarte'  bedient,  er  nimt 
selbstverständlich  nur  die  in  betracht  kommenden  sectionen  mit 

Einen  weitern  grund  dagegen,  dasz  die  Peutingersche  tafel 
nicht  eine  für  den  praktischen  gebrauch  bestimmte  graphische  dar- 
Stellung  des  straszennetzes  gewesen  sei,  findet  Scbweder  darin  dass 
die  tab.  P.  vieles  enthält,  ^was  in  eine  blosze  straszenkarte,  die  zam 
praktischen  gebrauch  bestimmt  war,  nicht  hineingehört',  es  ist  dies 
ein  einwand,  dessen  gewicht  nicht  zu  unterschätzen  ist,  und  die  be- 
merkung,  dasz  ich  wohl  gefühlt  habe,  'dasz  das  vorkommen  vieler 
solcher  namen  mit  dem  behaupteten  praktischen  zweck  der  karte 
schlecht  verträglich  sei',  ist  wenn  auch  etwas  abgeschwächt,  als  zu- 
treffend zu  bezeichnen,  nichts  desto  weniger  musz  ich  an  der  von 
mir  1876  dafür  gegebenen  erklärnng,  besonders  an  den  schloBZ- 
Worten,  dasz  der  Zeichner  *non  certa  ratione  procedens,  »ed 
fortuito  eligens  res  illas  addidit,  omittens  maiora,  minora 
adiciens'  festhalten;  allerdings  mit  6in(T  modification:  ich  gieng 
damals,  wie  auch  die  bezeichnung  'pictor'  andeutet,  von  der  irrigen 
anschauung  aus,  das/  die  Peutingersche  tafel,  wie  sie  uns  jetzt  vor- 
liegt, als  ein  einheitliches  werk  im  groszen  und  ganzen  zu  betrachten 
sei ,  so  dasz  also  ohne  weiteres  aus  ihrem  jetzigen  allgemeinen  er- 
scheinen ebenso  gut  wie  aus  darin  aufgeführten  einzelheiten  rück* 
Schlüsse  auf  das  vorbild,  das  urbild  gemacht  werden  dürften,  dem 
entsprechend  habe  ich  mich  auch  an  der  m.  e.  dh.  meines  jetzigen 
orachtens  unmöglichen  aufgäbe  versucht,  die  zeit  der  abfassung  des 
Werkes  zu  bestimmen,  ich  masz  eben,  wie  die  meisten  modernen 
forscher  es  noch  thun,  die  uns  vorliegende  copie  mit  demselben 
maszstabe  wie  die  abschrift  irgend  eines  Schriftstellers  aus  dem 
altertum.  das  erscheint  mir  jetzt  unhaltbar,  ich  möchte  jetzt,  nach- 
dem ich  gelernt  habe,  wie  mittelalterliche  gelehrte  und  künstler  mit 
ihren  Vorbildern  umspringen,  in  jeder  neuen  copie,  welche  das  Ur- 
bild über  sich  hat  ergehen  lassen  müasen,  eine  Überarbeitung 
sehen,  bei  diesen  Überarbeitungen  ist  sicher  manches  charakte- 
ristische weggelassen,  manches  ursprünglich  fremde  eingefügt  wor- 
den, ehe  nicht  unter  diesem  gesichtspunkte  der  bestand  der  tafel 
gründlich  untersucht  ist,  glaube  ich  kaum,  dasz  es  möglich  sein 
wird  festzu!>tellen ,  in  welcher  zeit  zuerst  ein  solches  werk  zu- 
sammengestellt worden  ist.  ich  halte  es  nicht  für  unmöglich,  son- 
dern sogar  für  wahrscheinlich ,  dasz  die  arbeit  überhaupt  nicht  auf 
einmal  entstanden,  sondern  aus  zeitlich  auseinanderliegenden  einiel- 
nrbeiten  allmählich  zusammengeschmiedet  wurde,  eine  solche  an- 
nähme würde  dann  die  sog.  'anachronismen',  dh.  die  kennzeicfaen 
der  verschiedenen  entstehungszeiten  vollkommen  erklären. 

Dasz  aber  mittelalterliche  gelehrte  dem  grundstock  allerlei  tu- 
gefügt  haben,  ist  unzweifelhaft;  wahrscheinlich  ist  mir  auch,  dasx 
gerade  auf  diese  bearbeiter  ein  groszer  teil  der  geographischen  an- 
gaben ,  richtiger  notizen  entfallt,  welche  auf  die  karte  des  Agrippa 
und  die  aus  dieser  wieder  reichlich  schöpfende  litieratur  zurück« 


FPhilippi:  zur  Peutingerachen  tafel.  849 

gehen;  sei  es  nun  dasz  dafür  mittelalterliche  karten,  Solinus,  Orosias, 
Honorius,  Dicuil  oder  wer  sonst  hergehalten  hat. 

Dieses  Verhältnis  als  wahrscheinlich  vorausgesetzt ,  können  die 
geographischen  notizen  hei  der  frage,  welches  der  ursprüngliche 
zweck  der  tafel  war,  um  so  weniger  in  frage  kommen,  als  ein  auf 
irgend  ein  beliebiges  segment  der  karte  geworfener  blick  die  that- 
sache  unbestreitbar  ergibt,  dasz  die  hauptsache  bei  der  ganzen 
Zeichnung  das  Wegenetz  ist.^  wozu  anders  aber  als  zu  prakti- 
schem gebrauche  eine  solche  Zeichnung  entworfen  worden  sein 
sollte,  kann  ich  mir  nicht  denken,  und  ich  halte  die  Vegetius- stelle, 
in  welcher  die  itineraria  annotata  den  üineraria  pida  entgegen- 
gesetzt werden,  nach  wie  vor  für  eine  classische  illustration  unserer 
tabula,  dasz  aber  für  den  praktischen  gebrauch  im  sattel  oder  reise- 
wagen, dh.  ohne  einen  tisch  zur  band  zu  haben,  eine  auf  zwei  rollen 
laufende  karte  das  bequemste  ist,  bedarf  wohl  für  niemanden,  der 
eine  karte  unter  solchen  umständen  zu  gebrauchen  gezwungen  war, 
der  hervorhebung. 

Schweder  führt  jedoch  noch  einen  weitem  grund  an,  und  der 
ist,  wie  oben  gesagt  wurde,  sehr  beachtenswert:  denn  er  verbietet 
allerdings,  wie  gewöhnlich  und  auch  von  mir  geschehen  ist,  die 
Peutingersche  tafel  schlechtweg  als  eine  straszenkarte  des  'römi- 
schen reiches'  anzusehen  oder  zu  bezeichnen«  es  sind  das  die 
zahlreichen  auf  der  karte  sich  findenden  angaben  über  Asien ,  bes. 
das  östliche  Asien,  welches  niemals  römischer  herschaft  unterworfen 
war.  dasz  dagegen  diese  thatsache  die  ansieht  widerlege,  die  tafel 
sei  als  reise-  oder  marschkarte  aufzufassen ,  vermag  ich  nicht  ein- 
zusehen, zunächst  haben  sicher  römische  händler  jene  wege  wenn 
auch  nicht  häufig  benutzt;  dann  aber  ist  das  Vorhandensein  dieser 
wege  doch  sehr  leicht  dadurch  zu  erklären ,  dasz  der  oder  die  Ver- 
fasser eben  die  möglichste  Vollständigkeit  erstrebt  und  daher  alle 
ihnen  bekannten  wegestrecken  eingetragen  haben ;  möglicher  weise 
liegt  aber  auch  hier  eine  sonderarbeit  vor,  welche  erst  später  mit 
dem  ursprünglich  auf  das  römische  reich  beschränkten  werke  zu* 
sammengearbeitet  wurde,  es  sind  dies  jedoch  nur  hingeworfene  Ver- 
mutungen ,  denen  erst  eine  genaue  Untersuchung  hintergrund  und 
festere  gestalt  geben  könnte ,  die  aber  m.  e.  für  die  hauptfrage ,  ob 
wir  es  in  der  Peutingerschen  tafel  mit  einer  für  den  praktischen  ge- 
brauch bestimmten  arbeit  zu  thun  haben,  wenig  ausgeben. 

Es  sei  mir  zum  Schlüsse  noch  gestattet,  auf  zwei  thatsachen, 
denen  ich  im  anschlusz  an  Schweders  erörterungen  schlecht  erwäh- 
nung  thun  konnte,  hinzuweisen,  da  sie  m.  e.  deutlich  erkennen  lassen» 
dasz  die  ursprüngliche  gesamtanlage  der  tafel  in  dem  uns  vorliegen- 

>  dasz  auf  der  jetzt  vorliegenden  Zeichnung  berge  und  flüsse 
mehrfach  eher  gezeichnet  waren,  als  die  wegelinien  gezogen  sind,  soll 
nicht  bestritten  werden;  ich  kann  jedoch  nicht  zugeben,  dasz  daraus 
auf  ein  gleiches  Verhältnis  bei  den  Vorbildern  oder  gar  bei  dem 
ur bilde  zurückgeschlossen  werden  könne. 

Jahrbflcher  für  class.  philo).  1898  hft.  12.  64 


850 


OApelt:  SU  Flatone  Menon  [98^]. 


den  abklaiacb  kaum  wesentlich  alieriert  ist.  claa  erste  iat  die 
samtanlage,  die  von  Miller  ao,  s*  84  ff-  treffend  charakterisiert  istr 
Eom  ist  ausgangs-  und  mittelpunkt;  von  hier  aus  ist  der  stoff  prak- 
tisch und  dem  zweck  entsprechend  verteilt,  aber  ohne  jede  röcksicbt 
auf  himmelsrichtungen  und  ohne  jede  rücksicht  auf  wirkliche  ent* 
fernuDgen.  da  dieselben  durch  zahlen  angegeben  sind,  war  eine  ein- 
haltuDg  eines  maszstabes  Überflüssig,  bei  dem  format  aber  auch  an- 
möglich,  sollte  man  wirklich  zu  der  annähme  berechtigt  sein ,  ein 
mittelalterHcher  copist  habe  bei  der  umzeichnung  aus  einer  andern 
form  eine  so  ganz  neue  und  durchdachte  form  gesucht  und  ge- 
funden? nach  meiner  kenntnis  des  mittelalters:  nein,  das  zweite 
ist  die  bezeichnung  der  Stationen,  hätten  wir  es  mit  einer  geogra- 
phischen karte  zu  thun,  deren  grundlage  die  angäbe  der  orte  ist, 
zwischen  denen  dann  erst  die  verbindenden  wege  eingezeichnet  wur- 
den, so  würden  diese  orte  durch  irgend  ein  zeichen,  etwa  einen 
kreis,  wie  auf  neuern  karten,  kenntlich  gemacht  worden  sein,  das  ist 
aber  nur  in  beschränktem  masze  der  fall;  weitaus  die  mehrzahl  der 
Stationen  ist  durch  einen  treppenartigen  absatz  der  vregelinie  ge- 
kennzeichnet, diese  anordnung  f^llt  aber  nicht  den  copisten  zur 
last,  sondern  sie  ist  ursprünglich,  wie  eine  einsichtnahme  derafrica- 
nischen  straszen  unter  dem  bilde  der  stadt  Rom  (segraent  V  5  und 
VI  1  —  6  bei  Miller)  erweist:  denn  gerade  diese  teile  haben,  wie 
aus  der  capiialforra  der  buchstaben  und  der  Weitläufigkeit  der  auf- 
scbriften  hervrorgeht,  am  treusten  die  alte  form  bewahrt,  gerade 
diese  schematiscke  darstellung,  die  selbst  von  den  sonst  so 
figuren-  und  farbenfreudigen  mittelalterlichen  copisten  beibebalteji 
worden  ist,  beweist  dasz  die  tabula  Peutingeriana  keine  geogra* 
phiscbe  karte,  sondern  eine  graphische  darstellung  des  damalt 
bekannten  Wegenetzes  ist. 

OsNABRöcK.  _^ Friedrich  Pbilifpi. 

Zu  PLAT0N8  MEKON. 


98 '  ^TTCibfi  TOivuv  oO  MÖvov  bi*  iniCTiiiLiTiv  ÄTctOol  fivbpcc  fiv 
€l€v  Kai  ujqpcXiMOi  tak  iröXeciv,  efnep  tiev,  äWä  koI  bi*  öpOf^ 
böSav,  ToÜToiv  bfe  oOb^iepov  qjucci  ^criv  Tok  dvOpiüTToic,  oÖrt 
^TTKTiiMil  oure  bö£a  dXnefic  out*  dnlKTTiTa  —  f\  toK€i  coi  9uc€t 
6iTOT€povouv  auTOiv  elvai;  hier  klammern  die  hgg.  das  unsinnige 
OUT*  ^TTiKTTiTa  ein,  während  es  sofort  verständlich  wird,  wenn  man 
schreibt  6 VT*  ^niKTTiTa,  als  Opposition  zu  iTTicifiMTi  und  bölll 
dXiiOi^c.  das  i5vT*  (ÖVTa),  an  sich  ungemein  leicht  mit  oÖT*  zu  ver- 
wechseln und  ihatsächlich  oft  genug  von  den  Schreibern  verwecbselii 
wurde  hier  auch  noch  durch  die  vorhergebenden  beiden  oöie  giK 
wissermaszen  attrahiert. 

Wkimar.  Otto  Afsi^t. 


ARzach:  zu  den  SibylliniBchen  orakeln.  851 

96. 

ZU  DEN  SIBYLLINISCHEN  ORAKELN. 


V  440  f. 

^r\V  eipeo  pir\hk  jaepijava 
TTiIic  TTepcüJV  fipHeic  fi  ttujc  Mr|bwv  t€  Kpairiceic. 
die  unstatthafte  Stellung  des  T€  hat  die  vorschlage  es  in  bi  oder  cu 
zu  verändern  veranlaszt ,  ohne  dasz  hierdurch  die  Schwierigkeit  be- 
friedigend gelöst  wäre,  wie  ich  nunmehr  glaube ,  empfiehlt  es  sich 
weit  besser  Mrjboici  zu  schreiben  in  der  art,  wie  wir  im  epischen 
sprachgebrauche  vOv  aÖT€  ^ifa  KpaT^€icv€KU€CCiv  Hom.  \  485 
oder  uj  T€  Kai  äWoic  |  dvbpdci  t€  Kpaxdouci  kqi  deavd- 
TOici  deoiciv  TT  264  f.  finden,  wollte  man  einwenden,  dasz  die 
phrase  ITepCiJüV  SpSeic  dagegen  spreche,  indem  dann  die  con- 
cinnität  des  ausdrucks  in  den  halbversen  gestört  wäre,  so  sei  darauf 
hingewiesen,  dasz  gerade  ein  solcher  Wechsel  in  der  construction 
dem  epischen  Sprachgebrauch  entspricht:  vgl.  Hom.  A  288  TrdvTWV 
jLifev  Kpaieeiv  dG^Xei,  TrdvTeccib*  dvdcceiv,  was  die  Orphiker  nach- 
bilden Orph.  hy.  16, 7  (Abel)  TtdvTUJV  Tdp  Kpax^eic  jaoiivn  Tidvieccl 
t'  dvdcceic,  fast  gleichlautend  auch  hy.  68,  10  (Abel),  dasz  in 
unserm  verse  der  genitiv  TTcpcujv  auch  Miibujv,  zumal  bei  Kparrjcci, 
mit  dem  an  vielen  stellen  der  Sibyllinenüberlieferung  zur  verkleiste- 
rung von  corruptelen  miabrauchten  flickwörtchen  T€  nach  sich  zog, 
ist  weit  begreiflicher  als  dasz  zb.  Sib.  II  341  die  hss.  die  corruptel 
015x6  Td|LitüV  (P  Tdjiov)  jiejbieXriM^vr]  oöxe  XoticmgTc  bieten,  wo  der 
dativ  XoTiCjicTc  (vgl.  für  diese  bei  den  Hellenisten  beliebte  con- 
struction I  126  KaXoTc  x'  fpTOici  jaejan^ii&c)  vor  der  Verderbnis 
fdjLiUJV  (aus  Tdfiuj)  hätte  warnen  können. 
XI  304  flF. 

ai  ÖTiöcoic  Gripecciv  ?Xwp  Kai  KÜpina  T€vr|cq, 
ATfUTTxe  TToXuoXße,  öejbiicxeuouca  bk  XaoTc, 
i\  TTpiv  KOI  ßaciXeöciv  dTaXXojii^vr]  jacTdXoiciv 
XaoTc  bouXeüceic,  xXriiauiV,  bid  Xaöv  ^KeTvov, 
öv  Tidpoc  usw. 
in  dieser  reihenfolge  sind  die  verse  überliefert  und  bisher  geschrie- 
ben worden,    indes  gewinnt  die  stelle ,  wie  ich  meine,  erst  dann  die 
augenscheinlich  vom  Verfasser  beabsichtigte  Wirkung,  wenn  v.  305 
seinen  platz  mit  306  vertauscht,  also  gelesen  wird: 
OLi  ÖTTÖcoic  9r|p€cciv  eXujp  Kai  Kupjiia  Tevricij 
fl  TTpiv  Kai  ßaciXeöciv  dTaXXojn^vr]  jacfdXoiciv, 
AiTunxe  TToXuoXße'  9e|iicx€Üouca  bk.  Xaoic 
Xaoic  bouXeüceic,  xXrjiuujv,  bid  Xaöv  ^kcTvov  usw. 
jetzt  erst  tritt  der  contrast  in  der  läge  Ägyptens ,  die  der  Sibyllist 
schildert,    klar   hervor,    indem  einerseits  den  werten  ßaciXeCctV 
dTaXXojLi^VTi  juieYdXoiciv  der  ausdruck   Sripecciv  ?Xwp  koI  Kupjüia 
gegenübersteht,  anderseits  das  chiastisch  gestellte  6€|üiicx€U0UCa  bk 

64* 


852  ARzach:  zu  den  SibjUiniscben  orakeln. 

XaoTc  XaoTc  bouXeüccic  den  gedanken  zu  besonders  kräftiger  geltung 
kommen  läszt.  endlich  gewinnt  erst  durch  diese  Umsetzung  das  von 
Alexandre  hergestellte  bk  (die  hss.  \bk)  seine  volle  berechtigung. 

XII  280  f. 

ax  ai  AaobiK€ia,  a'i  al  'lepdTToXi  iXiijutüV 
ujLiäc  Tap  TTpiiiac  ttot'  dbeEaio  TCtia  xotvouca. 
in  den  yersen  vor  und  nach  dieser  stelle  liegen  nur  Weissagungen 
vor,  die  in  die  form  des  futurums  gekleidet  sind,  es  ist  hier  keinerlei 
grund  ersichtlich ,  warum  der  Sibyllist  das  Unglück  der  genannten 
Städte  in  der  form  der  Vergangenheit  erzählen  sollte:  hierzu  müste, 
wie  sonst  in  diesem  falle  regclmäszig,  ein  besonderer  anlasz  vor- 
liegen, es  dürfte  daher  zu  vermuten  sein,  dasz  ursprünglich  ttotc 
b^Heiai  ala  geschrieben  war.  die  form  ala  ist  den  Sibyllist en 
nicht  unbekannt,  vgl.  V  168  navT*  dKd0apT€  ttöXi  Aaiiviboc  atiic. 

XIV  330 

dXX'oub'fiic  fiirpriKTOV  öböv  leXeouciv  fiiravTec. 
Alexandres  Vorschlag  dXXd  Kai  £ic  entfernt  sich  allzu  sehr  von  den 
überlieferten  buchstaben,  während  Gutschmids  (kleine  sehr.  IV  277) 
conjectur  dXXd  öXujc  gegen  die  sonst  von  den  Sibyllisten  betreflfs 
des  hiatus  beobachteten  normen  verstöszt,  vgl.  meine  metr.  Studien 
zu  den  Sibyll.  orakeln  s.  61  f.  durch  die  leichte  ttnderung  dXXä 
T'  öjuiujc  wird  dem  gedanken  und  seiner  form  genügt,  die  ein- 
loitungsformel  dXXd  fe  ist  bei  den  Hellenisten  beliebt,  vgl.  Sib. 
I  :}85;  sie  ist  auch  V  265  von  mir,  VIII 188.  XII  öl  von  Herwerden 
hergestellt  worden. 

XIV  340  flf. 
'loubaiouc  b'  öX^couci  jaevcTTToX^jiGuc  dvöpiÜTtouc 

ÖXPIC  dXÖC  TTOXlfiC  K€paiC0VT€C  TTOX^^OICIV 
7T0l|i€V€C  djLlCpÖT€pOl  7T€pi  TTaTpibOC  f\bk  TOKr|U}V. 

für  das  verdächtige  TToXejiioiciV  ist  jetzt  wohl  richtig  iTaXd|Ltir)ClV  ge- 
funden; dagegen  erscheint  der  anfang  von  v.  342  noch  verbesserungs- 
bedürftig, da  keiner  der  biälierigen  vorschlage  (ä|Liq>ÖT€pOV  iTpO- 
jLidxouc  vermutete  ich  früher  selbst,  TTOivfiv  äpvüjüievoi  Herwerden 
Mnem. n. s. XIX  372,  TTOijaevec  d)a9ÖT€pov  Gutschmid  kl.  sehr.  IV 277) 
zureichend  ist.  ich  bin  jetzt  zu  der  Überzeugung  gelangt,  dasz  der 
eingang  des  verses  einst  7Toivl^Ol,  dpqpÖTepov  gelautet  hat; 
hierdurch  gewinnen  wir  in  engem  anschlusz  an  die  Überlieferung 
einen  durch  den  Zusammenhang  geforderten  ausdruck;  v.  342  weist 
deutlich  auf  v.  337  f. 
XIV  315  f. 

TT.oXXol  Tdp  Keicoviai  im  i|;a^a6üüb€ac  dKidc. 

Hav9d  Kdpnva  7T€C0VTai  ütt'  AItutttIijüv  7T€T€iivu)V. 
da  i'ine  bcziehung  von  v.  345  zu  dem  vorausgehenden  di  öiröcot 
(ptÜT€C  TT6pi  KUjuaTa  vnXHCOVTai  nicht  vorhanden  ist,  so  musz  die 
begründende  ausdrucki^wcise  des  eingangs  von  v.  345  als  unzulässig 
Ixv.eichnet  werden,  es  hat  daher  auch  HerwerJen  Mnem.  n.  s.  XIX  372 
TToXXOüV  b\  o'i  lEovrai  in  Verbindung  mit  dem  in  v.  346  folgenden 


ThOpitz:  die  Trierer  Sallustliandschrift.  853 

Sav9ä  Kdpnva  usw.  vermutet,  näher  liegt  meines  eracbtens  die  fas- 
sung  TToXXOüv  b'  fip  Kcicoviai  ^ttI  ipajuaGüübeac  dKidc  |  SavOd 
KdpTiv',  &  TT^covrai  usw.,  wobei  nur  drei  bucbstaben  der  Überliefe- 
rung zu  ändern  sind,  es  ist  von  den  durcb  die  ^beflügelten'  Ägypter 
(die  reiterei)  am  strande  getöteten  Juden  die  rede. 

Prag.  Alois  Rzaoh. 


97. 

DIE  TRIERER  SALLUSTHANDSCHRIPT. 

unter  dem  titel  'brucbstücke  einer  Sallustbandscbrift  in  der 
dombibliothek  zu  Trier'  (Hamburg  1893)  hat  uns  Karl  Hamann 
mit  den  resten  eines  'nicht  früher  als  im  elften  jh.  geschriebenen' 
Sallustcodex  bekannt  gemacht,  sie  finden  sich  auf  ^drei  pergament- 
blättern, deren  zwei  vordere  schutzblätter  und  eins  hinteres  schutz- 
blatt  eines  sammelbandes  in  eichenholzdeckeln  bilden,  welcher  im 
katalog  mit  n.  118  bezeichnet  ist',  und  enthalten  Cat.  23,  3  foret 
— 30,  7  pro  cuiusque  op,  lug,  91, 1  cotidle  —95,  3  ooio  lUy  lug,  84,  2 
praeter ea  — 85,  39  morilms.  der  Verfasser  hat  diese  bruchstücke 
genau  mit  Dietschs  letzter  textausgabe  verglichen  und  teilt  in  der 
genannten  schrift  sämtliche  abweichende  lesarten  mit.  leider  hat  er 
zu  seiner  arbeit  nur  noch  die  ausgaben  von  Jordan  (1876)  und  Kritz 
(1828)  hinzugezogen,  daher  nimt  er  von  ziemlich  vielen  lesarten  an; 
dasz  sie  sich  lediglich  in  der  Trierer  hs.  fänden ;  während  ihn  die 
grosze  ausgäbe  von  Dietsch  (1859)  vielfach  eines  bessern  hätte  be- 
lehren können. 

Was  nun  zunächst  das  Verhältnis  dieser  neuen  bruchstücke  zu 
den  bekannten  hss.  des  Sali,  betrifft,  so  würde  sich  von  vorn  herein 
darüber  bestimmter   urteilen  lassen,   wenn   eine  der  von  Dietsch 
comm.  s.  2  als  charakteristisch  hervorgehobenen  stellen  in  ihnen 
enthalten  wäre,    im  allgemeinen  zeigen  sie  mancherlei  beziehungen 
zu  der  sich  aus  der  ersten  classe   der  hss.  absondernden  familie 
MM'M'TF  (s.  Dietsch  ao.  s.  6),  namentlich  zu  M,  mit  dem  sie  Cat, 
24,  3  ingentes  stupro  corporis  sumptus  (so  nur  noch  <r)  statt  ingentes 
sumptus  stupro  corporis  und  29,  2  ita  statt  itaque  gemeinsam  haben, 
trotzdem  wird  die  Trierer  hs.  der  zweiten  hss. -classe  zuzuweisen 
sein,    da  sich  besonders  in  den  stellen  aus  lug,  eine  ganz  auf- 
fallende Übereinstimmung  mit  der  hs.  m  zeigt,  die  Jordan 
als  den  besten  Vertreter  dieser  classe  bezeichnet,   folgende  lesarten 
bieten  nur  m  und  die  Trierer  bruchstücke: 
lug,  84,  3  uolenti  plehi  müitia  statt  plehi  müitia  uolenti 
85,  21  mores  suos  statt  maiores  suos 
24  huius  rei  statt  huiusce  rei 
inopiam  ego  statt  ego  inopiam 


VERZEICHNIS 

DER  IM  JAHRGANG  1898  BEURTEILTEN  SCHRIFTEN. 


■rite 
G.  Jorio:  codici  if^norati  nelle  bibliotcche  di  Napoli.    fasc.  I  (Leipzig 

1892) 166 

B.  Keil;  die  Solonische  Verfassung  in  Aristoteles  verfassuugsgeschichte 

Athens  (Berlin  1892) 118 

E.  Maass:  Aratea  (Berlin  1892) 37 


SACHREGISTER. 


Agesilaos  8  ff. 

Ägypten  699  ff. 

Aigjptiaden  95  ff. 

Aischylos  (Promethei«)  276  ff. 

Aithiopen  696  ff. 

Alexandria  34  ff.  301  ff. 

alexnndrinische  litteratur  37  ff. 

Ammianus  Marcclliuus  362  ff. 

dvdeciLia  369.  374 

Antalkidns  (friede)  4  ff. 

ante  annns  ^  vor  jähren  201  f. 

antlioiogie,  gricch.  667  ff.  764  f. 

Antioühos  (liiötoriker)   177  ff. 

Antoniiii  itincrarium  487  ff. 

Apullodoros  95  ff. 

Aratos  37  ff. 

Araxes  758  ff. 

Aristophnncs  (Ri.)öl9ff.  Ö39ff.  (Wo.) 

52öff.  (Fri.)526ff.  (Vü.)399f.  526ff. 
Aristotelcs(puliiik)  192.817  ff. ('AGnv. 

woX.)  113  ff.  677  f. 
AsUlepiadcs  (diclitor)  672  ff. 
Athens   verfa.ssung    113  ff.  wUhrend 

des    pelop.    Krieges    513  ff.   zins- 

iirknndo  225  ff. 
hiiienx  hnstin  65  ff. 
IJrutus  (M.)  49  ff. 
Caesar  {^h.  GaU,)  357  ff.  707  ff. 


Catullus  705  f. 

Cicero  {Pomp.)  484.  777  {/lortensitts) 

224  {episf.)  424  ff.  843  {ad  AU.)  704 

{Cato  w.)  781  f. 
Dauaer  700  ff. 
Danaiden  95  ff. 
Demosthenes  (Olynth.  I)  752  (Toin 

trierarch.  kränze)  593  ff« 
dorische  wandt-rung  184  ff. 
Drakon  118 
dualis  (bei  Polyblos)  162  ff.  (bei  Lu- 

kianos)  6()1  ff. 
Ephoros   178  ff. 
Epikiiros  462  ff. 
Kpimenides  47 
^iriTpoiTOC  521  ff. 
^p^aia  ^^p|iaK€c)  375 
£pUJC  bei  riaton  561  ff.  641  ff.  731  ff. 
Euagoras  1  ff. 

Fabiiifl  (Q.  F.  Maximus)  600 
tlitchmale  (Steinhaufen)  in  Griechen- 
land 369  ff. 
frau,  Stellung  dcrs.  in  Griechenland 

261  ff. 
fünfkampf  der  Griechen  785  ff. 
Galcnos  467  f. 
gcographie,  alte  34  ff.  301  ff.  689  ff. 

75.^  ff. 


Sachregister. 


857 


Germanica  s  (phaen,)  783  f. 

grammatisches  (griech.)  162 ff.  681  ff. 

QranioB  Licinianas  50  ff. 

griech.  geschichte  1  ff. 

Hekate  381 

Hellanikos  377 

Helvetier  707  ff. 

Hermes  379  ff. 

Hermesheiligttimer  in  Griech.  369  ff. 

Herodianos  678  ff. 

Herodotos  559  f.  665  f.  753  ff. 

Hesychios  766  ff. 

Homeros  694  ff.  (II.)  81  ff.  (Od.)  112. 120 

HonorioB ,  Julius  486  ff. 

Horatios  (epod.)  638  ff.  (episL)  305  ff. 

Hyginas  (fab.)  107  ff. 

Hypereides  (g.  Athenogenes)  145  ff. 

inschriftliches  (griech.)  94.  225  ff. 

Isokrates  (paneg.)  1  ff. 

itinerarkarten  des  alt.  n.  mittelalters 

487  ff.  845  ff. 
Jnlianus  apostata  362  ff. 
Juliopolis  34  ff.  301  ff. 
kampfschilderungen  in  der  Ilias  81  ff, 
Karthago  289  ff.  (häfen)  321  ff. 
KdTOXOC  380 
Eaukasos  693  ff.  753  ff. 
Kleomedes  (kukXik^  OcujpCa)  298  ff. 
Kleon  515  ff. 
Eonon  1  ff. 

kosmogonie  der  stoiker  298  ff. 
Kothon  in  Karthago  321  ff. 
Kratippos  21  ff. 
Kreta  184  ff . 
kyprischer  krieg  1  ff. 
Lactantius  121  ff.  203  ff. 
Lepidus  (M.)  49  ff. 
Libanios  362  ff. 
litteraturwissenschaft  433  ff. 
Livius  512.  557  ff.  600 
Lucanus  (hss.)  337  ff. 
Lucretius  455  ff. 
Lakianos  681  ff. 
Lygdamns  769  ff. 
Macrobius-excerpte  142  f. 
Maecenas  305  ff. 
^dXicra  bei  zahlen  u.  massbegriffen 

585  ff. 
Manilius  417  ff. 
Massageten  758  ff. 
Meleagros  (dichter)  670  ff. 
mories  persecutonm  (Verfasser)  121  ff. 

203  ff. 
mythologisches  95  ff. 
Nauck,  Aug.,  griech.  gedieht  144 
Neapeler  hss.  165  ff. 
Nikias  600 

Nikopolis  34  ff.  301  ff. 
Oidipus  392  f. 

Jahrbücher  für  class.  philol.  1893  hft.  12. 


oikumene  609  ff.  758  ff. 

Olympische  spiele  791  ff. 

Oppiauos  (halieut. ,  hsi.)  409  ff. 

Oreibasios  364  ff. 

Ovidius  (met.)  338  ff.  601  ff.  782  f. 

öEuOOiiia  382  f. 

TTapBcvCai  177  ff. 

Paulus  Diaconas  764  f. 

Pausanias  (perieget)  388  ff. 

w^vTaeXov  785  ff. 

Perikles  513  ff. 

Peutingersche  tafel  485  ff.  845  ff. 

Phaedrus  (fabeln)  778  ff. 

Philologie ,  classische  433  ff. 

Philon  (pseudo-)  ir.  d(p6apc(ac  köcuou 

449  ff. 
Philosophie ,  griech.  298  ff.  449  ff. 
Philostratos  (gymn.)  797  f.  807  f. 
Pindaros  796  f.  811  ff. 
Piaton  (Symp.)  561  ff.  641  ff.  721  ff. 

(Gorgias)  401  ff.  (Philebos)  283  ff. 

320  (Menon)  850  (^pacTaC)  799  f. 

(Staat)  555  f.  815  f.  (Gesetze)  382 
Plautus  (Persa)  193  (Men.)  198  f. 

(Capt.)    194.   197  f.  (Trin.)   196  f. 

(Rud.)  197  f.  (Stichus)  432 
Plinius  {nat,  hisL)  559  f.  (-excerpte) 

139  ff. 
Plutarchos  (cu|iTroc.)  801  f. 
Polybios  162  ff. 
Pomponius  Mela  780 
Poseidippos  (dichter)  672  ff. 
irpocTdTTic  514  ff. 
Ptolemalos  (syntaxis)  748  ff. 
Quintilianus  {insL  orat,)  69  ff.  711  ff. 
Kavennas  cosmographns  486  ff. 
römische  geschichte  49  ff. 
roman  (griech.)  403  ff. 
Sallustius  853  ff.  {hisL)  49  ff. 
Samos  (Samios)  674  f. 
Schillers  übers,  d.  Aen.  143  f. 
Seneca  {nat,  quaest)  463.  718  ff. 
Sibyllinische  orakel  851  ff. 
Sikelien  zur  zeit  Timoleons  289  ff. 
Skylakeus  (Lykier)  378  f. 
Solon  677.   seine  Verfassung  113  ff. 
Sophokles  (Ant.)  446  ff.  824 
Statins  {silvae)  79  f.  469  ff.  825  ff. 
Stoiker  (deren  kosmogonie)  298  ff. 
Strabon  177  ff.  747 
Strategen  in  Athen  540  ff. 
Suetonius  (ü.  Hör,)  844 
Sulla  49  ff. 
Tacitus  (Agr.)  353  ff. 
TajLiiac  521  ff. 
Tarent,  gründung  177  ff. 
tempelgelder  in  Athen  225  ff. 
Terenüus  (Haut.) 382 (Phormio)  199 f. 
Theognis  395  ff. 

54  •• 


858 


Sachregister.  —  Berichtigungen. 


Theophrastos  449  flf. 
Thukydides  26  ff. 
TibuUus  769  ff. 
Timoleon  289  ff. 
tragödie  (attische)  665  f. 
Trebonins  (C.)  424  ff.  848 
TpidZciv  803  ff. 
Valerius  Mazimus  78 
Varro  {res  rust,)  612 
Tasenbilder,  griech.  786  ff. 


Vergilius  (Aen.)  148  f. 
verschollene   länder   des  altertums 

689  ff.  763  ff. 
Waffen  der  Homer,  kämpfer  82  ff. 
weitkarte  des  Angnstns  486  ff.  845  ff. 
Xenophon  (anab.)  161  f.  260  (Hell.) 

8  ff.  165  ff.  791 
Zenon  (stoiker)  449  ff. 
zinsfusz  in  Athen  226  ff. 
zinsurknnde  ans  Athen  225  ff. 


BERICHTIGUNGEN  IM  JAHRGANG  1893. 


S.  529  z.  7  V.  n.  statt  'Diels  (Hermes  XXIY  s.  355)  lies  'BKeil  (Hermei 

XXIII  s.  355)' 
S.  769  nnm.  1  z.  6  statt  'II  s.  20  f.'  lies  'II  s.  201'.