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NEUE JAHRBÜCHER
FÜR
PHILOLOGIE TIOT) PAEDAGOGIK.
GEGENWÄRTIG HERAUSGEGEBEN
VON
ALFRED FLEGEEISEN und HERMANN HASIUS
PROFESSOR nr DRSCDKR PROITftSOR DT UnpnO.
DBEIUNDFÜNFZIGSTEB JAHBGAKG.
KINHUNDERTUNDSIEBENUNDZWANZIQSTER BAND.
LEIPZIG
DRUCK UND VERLAG VON B. 0. TEUBNER.
1883.
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JAHRBÜCHER
FÜB
CLASSISCHE PHILOLOGIE
HERAUSOEOEBE>:
VON
ALFRED FLECKEISEN.
NEUNÜNDZWANZIGSTER JAHRGANe 1883
ODER
DER JAHN8CHEN JAHRBÜCHER FÜR PHILOLOGIE UND PAEDAGOGIK
BIKHUNDERTUNDSIEBENUNDZWANZIGSTER BAND.
LEIPZIG
DBUCK UND VERLAG VON B. G. TEUBNEB.
VERZEICHNIS DER MITARBEITER
AN DEN JAHHGÄNGEN 1875 BIS 1888.
(die in parenthese beigesetzten zahlen beziehen sich auf das aaehstehende Inhal tST^rseichnis.
die namen der mitarbeiter zu den ersten zwanzig- Jahrg-äng-en sind zu anfang- der Jahrgänge
1860, 1864 und 1874 abg:edrackt.)
1. Emil Albbecht in Berlin (29, 5ä)
2. Otto Amdohb in Frankfurt an der Oder
3. Julius Abnoldt in Qumbiiuien
4. RicHABD Abnoldt in Prenzlau
5. Ebnst Bachof in Bremen
6. Fbanz Badbb in Eutin
7. Emil Babhbens in Groningen (97. 113. 119)
8. Albbbt von Bambebg in Gotlia
9. Julius Babtsch in Stade
10. Hebmann Baumoabt in Königsberg (Ostpreuszen)
11. Malwin Bechebt in Leipzig
12. Theodob Beckeb in Scblawe (Pommern)
13. Julius Beloch in Rom (30)
14. Hans Kabl Bbnickbn in Bastenburg
16. Gustav Bbnseleb in Chemnitz
16. Hugo Beboeb in Leipzig
17. Theodob Bebok in Bonn (f 1881)
18. Gbeoobius Bebnabdakis in Leipzig
19. Rudolf Bitschofsky in Wien
20. Fbiedrich Blass in Kiel (3. 64)
21. Hebmann Blass in Berlin (j 1881)
22. Hugo Blümneb in Zürich
23. Rudolf Bobbik in Beigard (Pommern)
24. Fbubdrich Bockemülleb in Stade (68)
26. Wilhelm Böhme in Stolp
26. Ebnst Bösseb in Plön
27. Max Bonnet in Montpellier
28. Heinbich Bbandes in Leipzig
29. Wilhelm Bbandes in Braunschweig
30. Samuel Bbandt in Heidelberg (13)
31. Ludwig Bbbitbnbach in Naumburg
32. Adolf Briegeb in Halle (86)
33. Julius Bbix in Liegnitz
34. Kabl Bbugman in Leipzig
36. OsKAB Bbugman in Leipzig
36. Hebmann Bbuncke in Wolfenbüttel
37. Fbabz Bücrblbb in Bonn
38. Cabl Büngeb in Straszburg (Elsass)
39. RiCHABD Büngeb in Görlitz (103)
40. Heinbich Bubbmann in Berlin
41. Theodob Büttneb -Wobst in Dresden
42. Jacob Bubkhabd in Zürich
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C5. A>7.j. i.7:-'s7 I.'LALOKB in Anrieh
W.. Kts-r I'iAET.-K :l Berlin
CT. Allix.mil LiLLsr.HLH iii Mainz i ..
Kth. Hl:>^:.l:> DiiEssleb in Bautzen
0&. L:lw:> DiiEwL« in Helmstedt
7'>. HE;*t:cE Dul: in Buru
71. Hliskich I'lntzkr in Köln
7:f. FtiEi'Eicu vos Duux iu He.iilelh
7'i. HiCHAhi' DuNCKEB in üreiffen«.'-
74. HEkiiA>'.N DuNfiER in Dresden
75. Kabl liziATZKO in Breslau .
7C. PETEi: Ege.nolff in Manuiiei
77. HrtEET KicULKR in Kraiikri'f'
7*. Kdiakd KiäEN in Liirr.'i'-h (:h>'
76. Ot7j Kkumann iu Ötni«.'. J
^■.^ Aj'AM KLa^NKK iu \Vür..u..
*1. FfcANZ KVSÜENHAKIJI ifl 'l.
%-j. Johann I'all von F.v!"iiN.'
»3 Hans Flach in Tübii.-^- ..
•*4. Ai'AM Flasch in F.rUii.,
«5. Alfred Fi.f.ckkiskv i.-. .■
86. CiRT Fleisciiku ii.
87. JxiiAN.v Karl Fi. K!- ... .
8fc. KiciiARü Füiiifir.J^ i' .'
&9. PtTKR WlLnLl.M *■"'{. ..
90. f'oHNELis .Marin r- '.
91. AUTIILU Frkdkkk"
92. Jmiia.nnes VllV.l !'=•'
93. Karl Fiifv in I'
94. Carl Fru k in I'
95. Ottü Fitii. k in ü,.
96. WlLUEI.Sf Fi;iv.. • '• .
97. Adulf Fujt.-«' .•
98. TiiKonnis Fitif.
99. FuiEnnicii V'r- ,. k
lUM. A.VTU-V Fl.Nt K
IUI. Adolf Fli.-«
Verzeichnis der mitarbeiter. ix
' T^iEBHOLD in Hudolstadt
'":.' hiPSiUR in Leipzig
.^-1! in Mainz (f 1881)
■ i.K in Dorpat
.11 Güttill gen «y 1883)
: k in Wiesbaden (80)
-M in DfUtoch-Krone {.67)
■ i< :! in Kijnigäberg Ostprenszen)
.'. in Hrenien
L' :•(.( KE ia Ürcmen
i.; n (..'{: j:r in Linien
.r...i in St. Petersburg (67;
L: i: s in ^traszbnrg -Elsasz)
'.: :)!;>:.%' fiFK iu liurgdorf (Schweiz;
*1 ■■ \\i.\ II! Hasel ,67/
'■I.m.n;-. in Berlin
- M Vi: „•[ AijiiT in Güstrow
I M.-.vM-Kr- in Dresden
■ ; Mk'i::: in Hannover ,112
Ml>:-.!: in München
-A.N Mk:i<«nkb iu Breslau
:::• :iAi;i< Meister in Leipzig
"*iK(.iKKiKr» Merleb in Wien
•>iTi Mkltzer in Dresden 10
L; iiwiG Mendelssohn in Dorjiat
Heinrich Menge in Mainz
Ab'jLF nr Mesnil in Frankfurt an der Oder
-jlT. irOTTROLD Mel'tzneb iu Plaueu 'Vogtland,.
'Jl^. Krnst Meyer in Herford
'J4'.*. GrsTAV Meter in Graz
-J.'i't. Theodor Mommsbk in Berlin
'JM. i.1 ERHARD Heinrich Ml'lleb in Wongrowitz
'2bi. Hermann Johannes Müller in Berlin
'2bS. Friedrich Max Müller in Oxford
254. Hermann Mi llkh-Strübing iu London b^
255. Moritz Müller in Stendal
256. Christian Mcff in Stettin :4i
257. Cabx. Nauck in Künigsberg (Xeumark^ 81;
S6& KjlSL Johannes Xbümann in Halle 82]
S59. Fhaxi HiUtixoBR in Scbneidexnühl
260. KoiBAD HuamK ia Kiel
Ml. Max Mip**.— in Berlin
im MasJ^ ■ ^Snigsberg 'Ostprenszen
'i^^taH n Straszburg ..Elsasz,
^1^^^ Posen
^ in Breslau
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VIU Yereeichnis der mitarbeiter.
161. Fbahz Hbtbb in Bartenstein
162. Alfred Hillbbrandt in Breslau (67)
163. Edüabd Hillbb in Halle (25. 46)
164. Gustav Hibschfbld in Königsbergs (Ostpreuszei
166. Bbüno Hibschwäldeb in Breslau (6. 70)
166. Hbbmann Hitzig in Bern
167. Adblbbbt Högk in Husum (79)
168. £manubl Hofpmann in Wien
169. Gustav Hoffmann in Neunkirchen
170. Fbitz Hommel in München
171. Fbbdinahd Hoppe in Gnmbinnen (f 1881)
172. Abhold Hug in Zürich
178. Fbiedbich Hültsch in Dresden (61. 9o)
174. Cabl Jacobt in Danzig (60)
176. OsKAB Jäger in Köln
176. Karl von Jan in Straszburg (Elsasz)
177. Justus Jebp in Wolfenbüttel
178. Albbecht Jobdan in Dortmund
179. Wilhelm Jobdan in Frankfurt am Main
180. Leopold Julius in München
181. Emil August Junghahn in Berlin
182. Emil Jungmann in Leipzig
183. Adolf Kaegi in Zürich
184. Eduabd Kammer in Lyck
186. Adolf Kannengiesser in Lüneburg
186. Karl Heinbich Keck in Husum
187. Philipp Keipeb in Zweibrücken
188. Otto Kelleb in Prag
189. Albebt Kellerbaubb in Kempten
190. Fbanz Kebn in Berlin (18. 66)
191. Fbiedbich Kiel in Hannover
192. Adolf Kiene in Hannover
193. Otto Kienitz in Karlsruhe
194. Johannes Klein in Eberswalde
196. Ebnst Klussmann in Rudolstadt
196. Rudolf Klussmann in Gera (92)
197. Paul Knapp in Tübingen
198. Hebmann Adolf Koch in Pforta (f 1876)
199. Reinuold Köbleb in Weimar
200. Emil König in Patschkau
201. Wilhelm Heinrich Kolster in Eutin (64)
202. Hebmann Kothe in Breslau (115)
203. Hebmann Kraffert in Aurich
204. Heinrich Kratz in Stuttgart
206. Karl Kraut in Blaubeuren (65)
206. Johannes Samuel Kroschel in Arnstadt
207. Gustav Krüger in Dessau
208. Emil Kuhn in Dresden (f 1880)
209. Johann Kvicala in Prag
210. Gustav Landgraf in Schweinfurt
211. Hugo Landwehr in Berlin (77)
212. Carl Lang in Offenburg
213. Adolf Lange in Kassel
214. Gustav Lange in Berlin
216. Ludwig Lange in Leipzig
216. Peter Langen in Münster (Westfalen)
217. Friedrich Latendorf in Schwerin
218. Fbiedbich Leonhard Lentz in Königsberg (Oi
219. Julius Lbv in Saarbrücken (107)
Yeneiobnis der mitarbeitet'. IX
820. ItARL Julius Liibholo in RudoUtadt
221. JuBTUB Hbbmanr Lipsiub in Leipsig
222. Rudolf Löbbaob in Mains (f 1881}
228. GsoBG LoBBOBOKB in Dorpat
224. Gustav Löwb in Oöttingen (f 1888)
226. Fbibdbxcr Lorb in Wiesbaden (80)
226. Anton I^owinski in Dotttsoh*Krone (67)
227. Abthub Ludwxoh in Königsberg (Ostpreussen)
228. Ebbst Ludwig in Bremen
229. Fbxbdbioh Lüdbokb in Bremen
280. Oottlibb Lüttobbt in Lingen
281. Kabl Luobbjl in Öt. Petersburg (67)
282. Bbbnhabd Lupus in Strasasbnrg (Elsass)
288. Fbanz Lutbbbaohrb in Burgdorf (Sohweis)
284. Jacob MIhly in Basel (67)
286. Hugo Magnus in Berlin
286. Habs Mabquabdt in Güstrow
287. Kabl Matroff in Dresden
288. Ludwig Mbjeb in Hannover (112)
289. Cabl Meisbb in München
240. Roman Mbissneb in Breslau
241. Richabd Mbxstbb in Leipzig
242. SiBOFBiBD Mbklbb in Wien
248. Otto Mbltzbb in Dresden (10)
244. Ludwig Mbndblssohb in Dorpat
246. Hbinbioh Mbnob in Maine
246. Adolf du Mbsnil in Frankfurt an der Oder
247. Gotthold Mbutzbbb in Planen (Vogtland)
248. Ebbst Mbybb in Herford
249. Gustav Mbtbb in Gh'az
260. Thbodob Mommsbb in Berlin
261. Gbbhabd Hbimbich Müllbb in Wongrowitz
262. Hbbmanb Johabnbs Müllbb in BerUn
263. Fbibdbicb Max Müllbb in Oxford
264. Hbbmanb Müllbb-Stbübing in London (89)
266. Mobitz Müllbb in Stendal
266. Chbistiab Muff in Stettin (4)
267. Cabl Nauck in Königsberg (Nenmark) (81)
268. Kabl Johabnbs Nbumabb in Halle (82)
269. Fbanz NiblIndbb in ScbneidemÜbl
260. Konbad Nibmbybb in Kiel
261. Max Nibmbtxb in Berlin
262. Max Nibtzki in Königsberg (Ostpreoszen)
263. Hbinbich Nissbn in Straszbnrg (Elaasz)
264. Richabd Noetbl in Posen
266. Johabnbs Obbbdick in Breslau
266. Ko^BAD Ohlbbt in Berlin (109)
267. Thbodob Opitz in Dresden (36;
268. Johann Nbpomuk Ott in Rottweil
269. Fbibdbich Otto in Wiesbaden
270. Paul Pabst in Gentbin
271. Kabl Pansch in Soest
272. Edwin Patzig in Leipzig
273. Ludwig Paul in Kiel
274. Hbbmann Pbtxb in Meiszen
276. EcGEB Pbtbbsbb io Prag
276. Hbbmabn Pbtbi in Höxter (16)
277. MicHABL Pbtschbbio io QrtLZ
VIS, Fbanz Pflügl in Straubing
X VerzeichniB der mitarbeiter.
•
279. Otto Pfündther in Königsberg (Ostpreuszen)
280. Adolf Philippi in Gieszen
281. RoBEBT Philippson in Leipzig
282. EuGBH Plbw in Danzig (f 1878)
283. Thbodob Plüss in Basel (75. 93. 118)
284. Fbiedbich Polle in Dresden
285. Hahs Rudolf Pomtow in Hamburg (51)
286. Paul Preibisch in Tilsit
287. Rudolf Prinz in Münster
288. Albebt Pbocksch in Eisenberg
289. Hugo Purmann in Cottbus
290. Rudolf Rauchbnstbin in Aarau (f 1879)
291. OsKAB Rebling in Wesel
292. Paul Regbll in Hirschberg (Schlesien)
293. Emil Rbichenhabt in Frankenthal
294. Leopold Reinhardt in Oels
295. Johannes Renner in Zittau (26)
296. Qeorg Fribdrich Rbttig in Bern
297. Ernst Rbuss in Frankfurt am Main
298. Fribdbioh Rbuss in Wetzlar (103)
299. Fbodob Rhode in Reichenbach (Schlesien) (73)
300. Ernst Albert Richter in Altenburg (f 1881)
801. JoHANNBs Richter in Nakel
802. Karl Ribck in Neustrelitz
303. Albxandbb Ribsb in Frankfurt am Main
304. Hbbmann Röhl in Königsberg (Keumark)
305. Adolf Römeb in München
306. Hermann Rönsch in Lobenstein (35. 101)
307. Christian RÖse in Qieszen
308. Erwin Rohdb in Tübingen
309. Wilhelm Heinbich Röscher in Würzen (27)
310. Emil Rosenbbrg in Hirschberg (Schlesien)
311. Konrad Rossbbrg in Norden (12. 88. 111)
312. Franz Rühl in Königsberg (Ostpreuszen) (7. 108)
313. Heinrich Rumpf in Frankfurt am Main
314. Leonard SadjSb in Freiburg (Breisgau) (60)
315. BCax Sandbb in Waren
316. Abnold Schaefer in Bonn (f 1883)
317. Carl Schäfer in Athen
318. Otfribd Schambach in Altenburg
319. Mabtin Schanz in Würzburg
320. Cabl Schapbb in Berlin
321. Adolf Scuaube in Brieg
322. Carl Schirlitz in Neustettin
323. Karl Schirmer in Metz (104)
324. JacoB ScHLENGER in Mainz (21)
325. Joseph Hermann Schmalz in Tauberbischofshcim
326. Georg Schmid in St Petersburg
327. Friedrich Wilhelm Schmidt in Neustrelitz
328. Hbbmann Schmidt in Wittenberg
329. Max C. P. Schmidt in Berlin
330. MoRiz Schmidt in Jena (114)
331. Otto Schmidt in Eisenach
332. Otto Eduard Schmidt in Dresden (86. 120)
333. Otto Schneideb in Gotha (f 1880)
834. RiCHABD ScHNEiDEB iu Duisburg (68)
335. Rudolf Schneider in Berlin
836. Karl Schnelle in Zittau
337. FsiTK Scholl in Heidelberg
Verzeichnis der mitarbeiter. XI
338. Geobo Fbiedrich Schömann in Greifswald (f 1879)
339. Cabl Schrader in Düren
340. Theodor Schreiber in Leipzig
341. Otto Schroedbr in Berlin (2)
342. Paul Schröder in London
343. Franz Martin Schröter in Leipzig
344. JoH. Heinrich Ch. Schubart in Kassel (71)
346. Rudolf Schubert in Königsberg (Ostprenszen)
346. Hermann Schütz in Potsdam
347. August Schultz in Hirschberg (Schlesien)
348. Ferdinand Schultz in Charlottenburg
349. Ernst Richard Schulze in Bautzen (28)
350. Karl Paul Schulze in Berlin
351. LuDwia Schwabe in Tübingen (72)
352. Wilhelm Schwartz in Berlin (19)
353. Paul Schwartzkopff in Wernigerode
354. Heinrich Schweizer-Sidler in Zürich
355. Paul Schwenke in Kiel
356. Kabl Schwerino in Coesfeld (90)
357. Konrad Seeliger in Meiszen
358. Christian Friedrich Sehrwald in Eisenach
359. Hebmann Siebeck in Qieszen
360. Otto Sieroka in Gumbinnen
361. Jacob Sitzleb in Tauberbischofsheim
362. Johann Söegrl in Hof
363. Julius Sommebbbodt in Breslau (20)
364. Mabtin Sobof in Cöslin (17)
365. RoBEBT Spbengeb in Northeim (31)
366. Albebt Stachelscheid in London
367. Hugo Staotmülleb in Heidelberg (106)
368. Thomas Stanol in München (38)
369. August Steitz in Frankfurt am Main
370. Paul Stengel in Berlin (52)
371. Fedoe yon Stojentin in Breslau
372. Heinbich Wilhelm Stoll in Weilburg
373. Abeaham Strelitz in Rostock
374. Wilhelm Studemund in Straszburg (Elsasz)
375. Fbanz Susemihl in Greifswald (37. 91)
376. Gebhabd Tebwelp in Andernach (78)
377. August Teuber in Eberswalde (9)
378. Sigmund Teuffel in Tübingen
379. Wilhelm Teuffel in Tübingen (f 1878)
380. Theodob Thalheim in Brieg
381. Philipp Thielmann in Speier
382. Rudolf Thimm in Bartenstein
383. Theodob Tohte in Leer
384. RicHABO Teeitschke in Dresden (f 1883)
385. Geobg Tbeu in Dresden (94)
386. WoLDEMAB Tböbst in Hameln
387. Heinbich Uhle in Dresden
388. Gustav Uhlio in Heidelberg
889. Geobg Frieobich Ungee in Würzburg (55 >
390. Robbet Unoeb in Halle ^ '
391. Gustav Un gebmann in Münstereifel
892. August Uppenkamp in Düren (73)
893. Heemann Useneb in Bonn
394. Cabl Venedigeb in Spandau
395. Anton Viertel in Gumbinnen
896. Julius Völkel in Moskau (f 1882)
xn Verzeichnis der mitarbeiter.
397. August Vogsl in Colmar
398. Fbibdrich Vogel in Zweibrücken (121)
399. Theodor Vogel in Leipzig (32)
400. Richard Volkmann in Janer
401. Ferdinand Vollbecht in Otterndorf
402. Wilhelm Vorlaender in Saargemtind
403. CuRT Wachsmuth in Heidelberg
404. August Waokner in Gent
406. Carl Wagener in Bremen
406. Ernst Waoner in Königsberg (Ostprenszen)
407. K. Walter in Arnstadt
408. Nicolaus Wecklein in Passaa (66)
409. Andreas Weidner in Dortmund
410. Oskar Weise in Eisenberg
411. Fritz Weiss in Dresden
412. Edmund Weissenborn in Mühlhansen (Thüringen)
413. Paul Weizsäcker in Heidenheim
414. Eduard Wellmann in Berlin
415. Heinrich Welzhofer in München
416. Karl Welzhofer in München
417. Hugo Wbnsky in Breslau (96)
418. Martin Wetzel in Paderborn (23)
419. Georg Peter Wetgoldt in Lörrach
420. Oskar Wichmann in Eberswalde
421. Simon Widmanh in Wiesbaden (49. 100)
422. Karl Wibseler in Greifswald (f 1883)
423. Erich Wilisch in Zittau
424. Hans Wirz in Zürich
426. Albert Wodrio in Schwedt an der Oder
, 426. Eduard Wölfflin in Manchen
427. Emil Wörner in Leipzig
428. Martin Wohlrab in Chemnitz
429. Jan Woltjer in Amsterdam
430. Konrad Zacher in Breslau (69. 99)
431. Eduard Zarncke in Leipzig
432. Ernst Zieoeler in Bremen
433. Christoph Zieoler in Stuttgart (41)
434. Leo Zieglbr in München
435. Gerhard Zillobnz in Wittstock
436. Michael Zink in Zweibrücken
487. Hermann Zurboro in Zerbst (14).
INHALTSVERZEICHNIS.
(die in parenthese beigesetzlen zahlen beziehen sich auf das voranstehende Terzelehnis
der milarbeiter.)
Seite
1. ZU den griechischen elegikern (51) 1
2. zu der schrift vom Staat der Athener (841) 18
3. zu Empedokles (20) 19
4. anz. V. NWeckleins technik der chorgesänge des Äsehjlus (256) 21
6. zu Euripides (218. 115) 29. 729
6. zur biographie des Thukydides (165) 32
7. der letzte kämpf der Achäer gegfen Nabis (312) 33
8. epigraphisches (46) 46
9. zu Florus (377. 80) 48. 486
10. anz. y. EPais* la Sardegna prima de! dominio Romano (243) . 49
11. zum Truculentus des Plautns (75) 61
12. zur Kritik des Propertius (311) 65
13. ein druckfehler bei Ovidius [trist, IV 10, 107] (30. 118) . 78. 192
14. zu Xenophons Hellenika (437) 79
15. anz. V. ABoettichers Olympia (49) 81
16. zu Sophokles Antigene (276) 103
17. die dnaTiüTn ^^ mordprocessen (364) . 105
18. zu Timon von Phlius (190) 113
19. das halsband der Harmonia und die kröne der Ariadne (352) . 115
20. zu Lukianos (363) 128
21. zu Ciceros reden gegen Verres (129. 324) 132. 484
22. quisquiliae Plautinae (142) 133
28. anz. v. HKluges consecutio temporum im lat. (418) ..... 135
24. zu L. Seneca (160) 141
25. Inschrift von Metapontion (163) 144
26. zu Sophokles (295) 145
27. die Vergiftung mit stierblut im classischen* altertum (309) . . 159
28. utra futuri forma oratores Attici uti maluerint, ä^iU an cx/|CtD
(349) 163
29. die gegner in der ersten rede des Isaios (1) 167
30. die weihinschrift des Dianahaines von Aricia (13) 169
31. zu Justinus (365. 80) 175
XIV Inhaltsverzeiclinis.
Seite
32. anz. y. KSittls locale yersohiedeuheiten der lat. spräche (399) 177
33. Pseudoboethiana (368) 193. 285
34. zu Ciceros Brutus (86) 208
36. zu Gellius (306) 211
36. Sallustius und Aurelius Victor (267) 217
37. Zenon von Kition (376) 223
38. zu Livius (78) • 224
39. Studien zu Babrios und den Aisopeia (54) 225
40. zur erklärung und kritik der Homerischen gedickte. I — III
(106) 260. 767. 839
41. zu Theognis (433) 268
42. das thronfolgerecht der spartanischen kronprinzensöhne (148) . 265
43. zu Piatons apologie des Sokrates (118) 267
44. anz. y. CJacobjs anthologie aus den elegikern der Römer (140) 261
46. zu Ovidius Fasti (112. 111) 272. 862
46. das fragmentnm Cuiaciauum des Tibullus (163) 273
47. anz. yon Ennodii opera omnia ed. GHartel (64) 275
48. zu Livius und Aelius Spartianus (123) 284
49. Wisibada (66. 421) 301. 49?
60. philologische gelegenheitsschriften (86) 303. 676. 7f
51. die Orakelinschriften von Dodona (286) ?
62. die einführung der in Homerischer zeit noch nicht bekannten
Opfer in Qriechenland (370)
53. zu Antiphon (1)
54. zu Archimedes (20)
55. die regierungen des Peisistratos (389)
56. über den schlusz des zweiten epeisodion in Sophokles Antige
(190)
57. anz. v. HUseners philolo^ie und geschichtswissenschaft (14
58. zu Epikuros brief an Herodotos (24)
59. zu Quintilianus (80)
60. zu Dionysios von Halikarnasos (314. 174)
61. Xf)|Li)üiaTa cic Td cq>aipiKd. reste einer verloren geglaubten s
(173)
62. zu Ovidius metamorphosen (129)
63. zu Ciceros philosophischen Schriften (96)
64. anz. v. Virgil with notes of TLPapillon (201) . . .
65. zu Sallustius (205) •
66. anz. v. Aischylos Agamemnon von FWSchneidewin i
(408)
67. zu Aischylos (231. 234. 162. 226)
08. ö ÖTTcp ÖL in der bedeutung ^weshalb obgleich wäh
69. zur hypothesis von Aristophanes Wespen (130) .
Inhaltsverzeichnis. XV
Seite
70. zn Ciceros briefen (165) 468
71. Pausanias und seine ankläger (344) 469
72. anz v. KBaedekers Griechenland (351) 482
73. zu Ciceros rede pro Milone (392. 299) 483
74. animum inducere im archaischen latein (100) 487
75. Horazischer realismus (283) 493
76. zum libellus de Constantino Magno (160) 503
77. anz. y. CWesseljs proleg. ad papyrorum graec. collectionem
edendam (211) 605
78. zu Hieronymus de viris illustribus (107. 376) 513. 851
79. zur geschichte des zweiten athenischen bundes (1G7) .... 515
80. zur Schlacht bei Marathon (225) 523
81. Homerisches (257) 526
82. zur landeskunde und geschichte Kilikiens (258) 527
88. zu Minucius Felix (80) 551
84. zu Hesychios Milesios (159) 552
85. ein vermeintlicher archetypus des Lucretius (32) 553
86. zu Ciceros briefwechsel mit M. Brutus (332) 559
87. zur lateinischen anthologie (80) . 568
88. zur Orestis tragoedia (311) 569
89. das erste jähr des peloponnesischen krieges (254) . . . 577. 657
90. zu Horatius (356. 173) 612
91. die textüberliefe rung der Nikomachischen ethik (375) . . . 615
92. anz. y. WEngelmann u. EPreuss bibl. Script, class. 2e abt.
(196) 621
93. ein chorlied der Sophokleischen Elektra (293) 625
94. Pausanias und sein Verteidiger (385) 631
95. zu Aristophanes Fröschen (67) 634
96. zu Valerius Maximus (417) 637
97. zu Tacitus Agricola (7) 641
98. zu Martialis (112) 643
99. zu Tacitus annalen (430) 648
100. differentiae sermonum (421) 649
101. zum itinerarium Alexandri (306) 653
102. zu den scriptores historiae Augnstae (123) 656
103. zu Xenophons anabasis (39. 298) 713. 817
104. anz. v. FWecks beitragen zur erklärung Hom. personennamen
(323) 717
105. Homerisches (93) 721
106. zur kritik des Aischylos (367) 724
107. zu Ciceros Cato maior (219) 734
108. vermischte bemerkungen (312) 735
109. zu Athenaios (266) 753
XVI InhaltsverzeichniB.
Seite
110. Pausanias und Olympia (164} 7*69
111. zu Tiberianu» (811) 771
112. zu VergiUus Aeneis (238) 772
113. die oonsonantengemination im lateinischen (7) 774
114. zu Sophokles Philoktetes (330) 801
115. zur Ökonomie der historien des Timaios (202) 809
116. zu den quellen der Messeniaka des Pausanias (43) .... 814
117. zum fünften buche der Aristotelischen politik (83) .... 832
1 18. Horazische allegorie (283) 858
119. zu Tibullus (7) 860
120. die zeit der lex Antonia Cornelia de permutatione provineiarum
(44 vor Ch.) (832) 863
121. zu Ammianus Marcellinus (398) 865
122. zu Qennadius de yiris illustribus (107) 866
ERSTE ABTEILUNG
FUß CLASSISCHE PHILOLOGIE
HBBAUSGEGEBEN VON ALFRED FlECKBISEN.
1.
ZU DEN GEIECHISCHEN ELEGIKEEN.
Es ist Theodor Bergk leider nicht vergönnt gewesen, die vierte
aufläge seiner poetae lyrici graeci noch selbst bis zu ende heraus-
zugeben : ein halbes jähr vor dem erscheinen des zweiten bandes^hat
der tod den ausgezeichneten gelehrten und »unermüdlichen forscher
der Wissenschaft entrissen, zum glück hat er aber seine arbeit noch
80 weit fördern können, dasz das wichtige werk, welches nicht lange
fehlen darf, nun bald wieder vollständig und in neuer ausrüstung
vorliegen wird, auch in dem was bis jetzt erschienen ist zeigt sich
überall das bestreben der seit 1866 mächtig angewachsenen litteratur
gerecht zu werden. Bergk geht oftmals auf einwürfe, die ihm ge-
macht worden sind, ein und hat nicht wenige partien des kritischen
commentars durch die aufnähme von neuem material erweitert, einige
bemerkungen, clie sich dem unterz. bei der durchsieht des ersten ab-
schnitts des zweiten bandes, welcher bekanntlich die elegiker uqi-
faszt, ergeben haben, mögen hier ihren platz finden, es wird sich
dabei im wesentlichen um eine hervorhebung dessen handeln, was
in der neuen bearbeitung gebessert oder übersehen worden ist. wir
nehmen aber auch die gelegenheit wahr, auf weitergreifende contro-
Versen einzugehen, welche sich an einige der hier zusammengestellten
dichter anknüpfen, vieles kann wegen der knappheit des diesem
aufsatze zugemessenen raumes nur berührt werden.
Im texte des Kall in os hat B. nichts geändert, sondern nur im
commentar einiges hinzugefügt, wie gleich zu anfang die Verweisung
auf JBenners verdienstliche Untersuchungen über den dialekt der ele-
* poetae lyrici graeci. recensuit Theodorus Bergk. editionis
qnartae vol. II poetas elegiacos et iambographos continens. Lipsiae
in aedibus B. G. Teubneri. MDCCCLXXXII. IV u. 622 s. gr. 8.
Jahrbücher mr clats. philol. 18S3 hfl. 1. 1
2 WClemm : zu den griechischen elegikem.
giker (in Curtius Studien I)*, die er zwar lobt, denen er jedoch allzu
groszes streben nach gleichheit der formen vorwirft, dies letztere-
thut B. seinem eignen eklektischen verfahren gegenüber gewis mit
unrecht , wiewohl er allerdings bei Eallinos keinen grund hatte daa
ÖTTTTÖTe I 8 wegen köt' v. 1 xmd ku)C v. 12 mit Bach in ökkötc zu
Undern. denn Renner selbst ao. 1 1 s. 157 hat jene form als Homerische-
reminiscenz geschützt und nachträglich die bedeutung dieses gesichts-
Punktes in seiner schrift 'über das formelwesen im griech. epos und
epische reminiscenzen in der filtern griech. elegie' (Leipzig 1872)^
weiter ausgeführt, aber bei andern dichtem wird sich die sach&
anders stellen, in der polemik gegen Bernhard j , der ja in der be-
urteilung der griech. elegiker so wenig glücklich war , hat B. die
beispiele von GvrjcKClv = Gaveiv durch hinweis auf anth. Pal. VH
245 vervollständigt, der Sprachgebrauch ist bekannt genug und
hätte aus den tragikem, Herodotos, Isaios, Demosthenes ua. noch.
besser belegt werden können als aus jenem epigramm, von welchem
am schlusz dieses aufsatzes noch die rede sein wird, bemerkens-
werte emendationen zu Kallinos sind seit 1866 nicht gemacht wor-
den; doch erwähnt Bergk zu v. 15 Meinekes conjectur euX€Tai mit
dem Zusatz 'quod non magis commodum quam quod facile aliquia
commendaverit CTT^pxCTOl.* mit unrecht: denn letzteres gibt gar
keinen sinn, fpT6Tai aber, das mit B. auch StoU und Thudichum
aufgenommen haben, ist weder an sich so verständlich wie in Dem.
kranzrede 97 iv oiKiCKip Tic auTÖv KaOeipEac rrip^, noch so passend
wie das überlieferte ^pX€Tai ^kehrt zurück', wie bereits Schneidewin
Philol. X 359 f. überzeugend dargethan hat. zu €UX€Tai aber, welches
Meineke im Hermes UI 161 mit 'gloriatur se mortem efiugisse' wieder
gibt, passt sowohl der xmmittelbar vorhergehende als der unmittelbs
folgende vers am besten: der welcher sich rühmen kann dem tod
entgangen zu sein und dann doch zu hause stirbt, ist nicht durchar
(ouK f iLiTTac , lies f ^tttic) dem volke angenehm , nach dem tapfe
aber, der auf dem felde der ehre gefallen ist, hat es immer sehnsur
dasz der feigling, welcher 'sich zu hause einschlieszt', dem v
nicht qpiXoc und TToOeivöc sein kann, braucht wohl nicht gesa
werden , wie bereits StoU Philol. VI 744 richtig gefühlt hat.
brauchen auch bei dieser erklärung weder mit Bach in diesen j
XXVIII (1840) s. 37 die ungenauigkeit der pronomina mit der]
digen darstellung zu entschuldigen noch mit Schneidewin
s. 56 f. nach v. 16 eine lücke anzunehmen.
Die fragmente 2 — 5 gehören nach B. derselben elegie
man ebenso gut behaupten wie bestreiten kann, merk
könnte man es finden, dasz B. bei der fassung des kritisc
mentars zu fr. 3 gar keine rücksicht auf die untersuchu
nommen hat , welche in den letzten jähren im anschlusz
* [die bemerkangen zu diesen Untersuchungen Kenners
in diesen jahrb. 1882 s. 504—518 konnten in dem obigen a'
mehr berücksichtigt werden. A. F.|
WClemm : anz. v. poetae lyrici graeci reo. ThBergk. ed. IV vol. II. 3
gebnisse der assyriologie von Geizer, Cäsar, Geiger und Duncker
über das Zeitalter des Eallinos und die damit zusammenhängenden
politischen Verhältnisse angestellt worden sind. B. hält mit den
meisten litterarhistorlkem Kallinos für älter als Archilochos und
geht deshalb von Strabon XIV 647 aus, obgleich dessen angaben
nur schluszfolgerungen (T€K^aip€c6ai irdpecTi) sind, die aus dem
scheinbaren (qpaiverai) sinn einer stelle des Archilochos gezogen
werden und in der frühesten geschichte von Magnesia (vgl. Geizer
rh. mus. XXX 259) gar nicht begründet sind, nun ist nach unan-
fechtbaren Zeugnissen (Geizer ao. s. 249 ff. Bohde ebd. XXXIIT
194 f.) Archilochos der Zeitgenosse des Lyderkönigs Gyges, dessen
regierung von 687 — 653 währte, und die einnähme von Sardeis,
welche Kallinos erwähnt haben soll, müste vor dessen regierung
fallen, dies nimt aber unter den neuesten forschem nur Duncker
gesch. des alt. P 466 an, der jenes ereignis vor das j. 689 setzt
(nach Herodots ansätzcn müste es sogar vor 719 fallen), allerdings
haben die Kimmerier während des ganzen siebenten jh. einfalle in
Kleinasien mit wechselndem glück unternommen; aber die einnähme
von Sardeis gelang ihnen höchst wahrscheinlich erst kurz nach dem
tode des Gyges im j. 652, der sie etwa acht jähre vorher zurück-
geschlagen hatte (Nik. Dam. fr. 62 Müller), auf diese einnähme
von Sardeis glauben nun Geizer ao. s. 259 und Geiger de Callini
aetate s. 14 die elegie des Kallinos beziehen zu müssen , während
Cäsar quaest. de Callini aetate suppl. s. 11 an die von Herod. I 15
bezeugte einnähme von Sardeis denkt, welche unter könig Ardys
um 632 stattfand und insofern unvollständig gelang, als die bürg
verschont blieb, da nun das zeugnis des Herodotos nicht weggeräumt
werden kann, so kommen wir um die zweimalige einnähme von
Sardeis nicht herum und brauchen jedenfalls nicht mit Geizer dem
Kallisthenes schluszfolgerungen zuzuschreiben, welche seine auf-
stellungen als ein 'mühsames gebäude' erscheinen lassen, hat er
doch auch die dritte einnähme von Sardeis durch Kyros im j. 546
mit recht in diesem Zusammenhang genannt: nur ist in bezug auf
die zweite die angäbe öttö Tpiipaiv Ktti AuKiuJV etwas ungenau, wenn
auch die möglichkeit nicht ausgeschlossen ist, dasz den verbündeten
Kimmeriern und Trerem die Lykier heeresfolge leisteten, bei einem
dieser einfalle (wohl um 632) zerstörten die barbaren auch Magnesia
am Maiandros , und die Ephesier bemächtigten sich nachher des ge-
biets, was Ath. XII 525^ mit einer eroberung der stadt durch die
Ephesier (^äXuJCav T^ip ^^ro '€q)€ciu)v) verwechselte, diese annähme
hat nichts unwahrscheinliches, wenn man bedenkt dasz die Magneten
sich gegen einen dreifachen feind zu wehren hatten : gegen die mäch-
tigen nachbarstädte, insbesondere Ephesos (Strabon XIV 647. Aili-
anos IT. \, 46), gegen Gyges mit seinen Lydern, als dieser die ioni-
schen Städte angriff, und gegen die kimmerischen horden, denen sie
schlieszlich erlagen, als resultat dieser erwägungen ergibt sich dasz
Archilochos in der ersten hälfte des siebenten jh. blühte, Kallinos
1»
4 WCiemm: zu den griechischen elegikem.
in der mitte oder in der zweiten hälfte, sowie dasz Bergks anmer-
knng zu fr. 3 aus mehr als einem gmnde nicht richtig ist.
Bei Tyrtaios machen gleich fr. 3 und 4 Schwierigkeiten,
welche bei Diodor exe. Vat. I s. 118 Ddf. und Plutarch Ljk. 6 mit
anderer Verteilung der verse Überliefert sind, dasz beide dem Tyrtaios
angehören, ist wahrscheinlich, dasz nach 3, 1 6in oder mehrere verse
ausgefallen sind, sicher, wenn auch der erste vers, der die werte des
Orakels im dorischen dialekt wiedergibt, mit in die elegie aufgenom-
men war. dies aber ist minder ausgemacht, und vollends unwahr-
scheinlich die jetzt von B. ausgesprochene Vermutung, Tyrtaios habe
einen pentameter hinzugefügt und die Verbindung durch fiXXo T^
ovbiv hergestellt, denn 6inmal würde er den Wortlaut des Orakels,
wenn er in authentischer fassung angeführt werden sollte, nicht ge-
ändert haben, anderseits hätte er dann auch im dialekt des Originals
fortfahren müssen, ich halte daher an meinem restitutionsversnch
rh. mus. XÄVll 478 fest, beide fragmente sind übrigens, was B.
vielleicht nicht absichtlich unerwähnt gelassen hat , ausführlich be-
sprochen worden von PWeissenfels 'ad poetas lyr. gr. analecta'
(Berlin 1869) s. 1 — 16, nach dessen auffassung die Stellung des Poly-
doros und Theopompos zu dem orakel eine etwas andere sein würde als
wie sie in der langen anm. zu fr. 4 erscheint, in fr. 5 hat B. drei
stücke mit einander verbunden, deren Zusammengehörigkeit keines-
wegs auszer zweifei steht, ohne weiter auf das einzelne einzugehen,
sei nur bemerkt dasz bereits Osann comm. sem. phil. Giss. IV s. 13
dagegen einspruch erhoben hat und namentlich v. 3 nach den ein-
leitenden werten des schol. zu Piaton s. 488 eher den öiTo9f(Kai als
der €UVO^(a zuweisen will, es fruchtet nichts versprengte trümmer
verlorener gedichte so zurechtstutzen zu wollen, dasz sie sich zu
einem bau aneinander fügen, der doch nicht vollständig ist und
keinen Zusammenhang hat. das grosze fragment oder nach B. die
vollständige elegie aus der Leocratea hat durch die neuern arbeiten
über Lykurgos nicht viel gewonnen, die Holländer gefallen sich
darin digammierte formen einzusetzen, und B. verzeichnet mehrere
derartige conjecturen von Herwerden; aber er hätte schon in der
vorigen aufläge die digammierten formen nach van den Es 'redevoe-
ring tegen Leocrates' (Groningen 1862) verzeichnen können, die
collation dos Oxon. zur Leocratea, welche Blass in diesen jahrb. 187f
8. 597 ff. gibt (vgl. Thalheim ebd. 1877 s. 673 ff., Rosenberg s. 683 ff.^
f>cheint Bergk übersehen zu haben ; sie ist aber doch für manche stell«
nicht unwillkommen, besonders zu v. 10, wo 0 die ionische for
äTifiif], welche Bekker und Hermann gegen die andern hss. vo
geschlagen hatten, bestätigt, die schwierige stelle v. 11 ff. ble'
und wird auch nicht durch die neusten versuche Sitzlers rh. n
XXXni 301 ff. gehoben , welcher das 7e distichon an die spitze
gedichts stellen will, der Übergang zu v. 15 bleibt unvermit
und läszt die annähme einer lücke oder eines andern gedichts r
immer als möglich erscheinen, ein fortschritt in der kritik is
WClemm : anz. v. poetae lyrici graeci rec. ThBergk. ed. IV vol. II. 5
wenn B. jetzt 11, 27 seine frühere conjectnr Hpbeiv . . TreXefüiiZiüV in
den text aufgenommen und sich in fr. 12 von der Unvereinbarkeit von
V. 37 mit 41 f. überzeugt hat, freilich ohne im text durch klammem
anzudeuten, welches distichon er ausgeschieden wissen will.
unerheblich sind die Veränderungen welche Mi mn er mos er-
fahren hat. B. schreibt jetzt 1, 12. Ti6€i und 2, 16. 5, 8 biboT
statt TiOei und biboi. denn diese formen sind bei Homer so zu be-
tonen, wie Rumpf quaest. Hom. 1 19, Benner ao. 12 8. 36, Hinrichs
de Homericae elocutionis vers. aeol. s. 136 erkannten; sie sind nicht
äolisch, sondern episch- ionisch und werden richtig beurteilt von
Meister griech. dial. I 178 vgl. mit 177 anm« dagegen ist es nicht
zu billigen , dasz B. trotz Benner I 1 s. 156 fortfthrt 12^2 oub^
ttot', 14, 5 oünore neben 11,1 ovbi kot' stehen zu lassen, zu 9, 5
hat der hg. in jeder auflJage eine neue conjectur vorgebi*acht, aber
die neueste ist nicht die beste, wir erwarten hier durchaus einen
eigennamen, und welcher könnte passender sein als ''AXtlc (denn
diese Schreibung, nicht ''AXeic, ist bei Pausanias imd Lykophron be-
zeugt)? wer die länge des a für unerklärlich hält, der schreibe mit
Schneidewin KciOev b' aö Tic "AXevTOC. diEisz Gomperz bei Philo-
demos it. eiiceßeiac 29, 4 aus den buchstaben MNEP den namen
Mimnermos herausliest, durfte derjenige nicht befremdlich finden,
der (rh. mus. XXXIV 317) mit hilfe von anderthalb buchstaben
dem attischen komödiendichter Chionides neueren zweifeln gegen-
über zur existenz verhelfen hat.
Bei Selon hatte B. wie auch bei Mimnermos (zb. 1, 4. 12, 1)
verschiedene neuere conjecturen abzuweisen , wie 9 1 ^ cUe metrisch
fidsohe von Cobet; dankbarer müssen wir ihm aber dafür sein, dasz er
die neuere responsions' und symmetriegelüste abgewehrt hat, welche
kaum für mehr als ein müsziges spiel der phantasie gelten können,
nach dieser seite hin bin ich selbst einst (Philol. XXX 170 ff.) zu weit
gegangen, hier kann ich B.s ablehnendem urteil selbst Weil gegen-
über nur beistimmen, auch die Verteidigung der Weilschen hypo-
these durch OHense (riv. di filol. U 305 ff.) , welche B. übersehen
hat, vermag mich nicht von deren richtigkeit zu überzeugen, wenn
auch das distichon 39 f. durch Veränderung von boxei in 7ro8€i ge-
wonnen haben mag. die elegie wird den versuchen responsion her-
zustellen immer ein dankbares &ld bieten, weil vielfach in dem.
rahmen eines distichons ein gedanke abgeschlossen wird, im vor-
liegenden falle hält aber die auch nach Hense so klar vorliegende
£(ymmetrie bei näherer betrachtung nicht stich, gleich das einleitende
gebet ist keineswegs mit v. 8 abgeschlossen, sondern, wie Leutsch
richtig bemerkt, mit v. 6, und die distiohen v. 37 — 62, worin beispiele
für die eiteln. bestrebungen der menschen aufgeführt werden, lassen
sich ebenso leicht in beliebige andere gruppen einteilen als die von
Weil und Hense angenommenen, das gedieht zer^Ült dem inhalt
nach in drei abschnitte : 1—33, 34—63 (nicht 66), 64— schlusz und
damit punctum, die unglückliche h3rpothese von Leutsch aber, wo*
6 WClemm: zu den griechischen elegikern.
nach hier ein Terpandrischer nomos mit ö^q)aXöc an fünfter stelle
vorliegen soll, hat B. mit vollem recht zurückgewiesen, dagegen
emendationsversuche zu einzelnen schwierigen stellen von Weissen-
fels und Herwerden übersehen ; er selbst setzt 34 br]V€Ü€iv in den
text, worin ein fortschritt zu erkennen ist.
Wir übergehen einige kleinere fragmente sowie das pseudo-
Phokylideische lehrgedicht, für welches auch durch Vermehrung des
hsl. apparats manches geschehen ist, und wenden uns zu Xeno-
phanes, um im vorbeigehen zu constatieren dasz 1, 1 die form
2[äiT€bov zwar nicht durch die wunderbare etymologie (cäirebov,
2[diTebov, bäireboV; direbov !), wohl aber durch das parische epigramm
Eaibel 750* »» Bohl n. 501 eine stütze erhalten hat. damit er-
ledigen sich manche zweifei (vgl. Hinrichs ao. s. 43 f.) , aber das
singulare öcbö^€VOC v. 6 ist deshalb noch nicht geschützt: denn
die dem asiatischen äolismus eigentümliche bezeichnung der inter-
dentalen tönenden spirans durch cb (vgl. GMejer gr. gr. § 284 und
Meister gr. dial. I 136 f.) ist für den text der Homerischen gedichte
sonst nicht angewandt worden (fitoc 'zweig' zb. findet sich 20mal
ohne entsprechende Variante), und doch müste sich auf diesem wege
der äolismus bei Xenophanes erklären, möglich dasz ein abschreiber
des Athenaios, der sich der form aus Theokrit (Morsbach in Curtius
Studien X 34) erinnerte, dieselbe in unsem text hineintrug, bei
anlautendem ^ «» b steht die sache anders, in derselben elegie be-
merkt B. zu V. 18 «TTipaX^oc nulli calumniae obnoxium: poeta unis
senibus aetate provectis comitem largitur». er weist damit eine
conjectur Heimsoeths zurück und hätte noch zwei andere neuerdings
hinzugekommene hinzufügen können, von denen die eine (TupoX^oc
Wilamowitz im Hermes XTV 163) sogar etwas bestechendes hat,
wenn man an das gehen im bogen bei betrunkenen denkt, das epi-
theton, welches freilich bei Oppian kyn. I 57 etwas anders ge-
braucht wird, wäre dann äuszerst bezeichnend, aber plP^^^C ) ^^
altes poetisches wort, welches, durch Aischylos und Pindaros be-
zeugt ist, braucht nicht geändert zu werden, da nkht schlechthin
der gang eines betrunkenen mit dem eines greises verglichen werden
soll, sondern der zusatz nur zur weitem ausführung von fiveu irpo-
TTÖXou dient, das adj. steht an stelle des adv. und bedarf durch-
aus keiner ergänzung von ujv. Herwerden , Stoll , Buchholz haben
die stelle nicht richtig aufgefaszt. — £ine neue erklärung erfährt
fr. 7, welches B. auf eine Umarbeitung des lehrgedichts irepi q>uC€UJC
beziehen will, die Xenophanes noch im 92n lebensjahr vorgenommen
haben soll, zugegeben dasz q)poVTtc ^sorge' auch den gegenständ
der sorge, des nachdenkens, hier das gedieht bezeichnen könne, was
wohl möglich ist , so weisz man nicht was bei dieser interpretation
der zusatz eiTrep if\b ircpi Tuivb ' olba X^T€iv dxu^ujc bedeuten soll
auszerdem enthalten die verse absolut nichts was auf curae secundr
hinweisen könnte, und wenn auch dies alles richtig wäre, so ist d
ansieht nicht richtig, Xenophanes habe ol. 47, 1 als ^admodu
WClemm : anz. v. poetae lyrici graeci rec. ThBergk. ed. IV vol. II. 7
iuvenis' zum erstenmal jenes geclicht herausgegeben , da er höchst
wahrscheinlich nicht ol. 40, wie B. wohl nach der vermeintlichen
angäbe ApoUodors bei Riemens AL ström. I s. 353 glaubt, sondern,
wie Diels rh. mus. XXX 22 zeigt, ol. 50 geboren ist. hierzu kommt
die un Wahrscheinlichkeit der annähme, dasz X. sich noch als greis
von 92 Jahren entschlossen haben soll das gedieht umzuarbeiten,
dem er seinen grösten rühm verdankte, wenn überhaupt ein bedtlrf-
nis der art vorlag, vielmehr wird das gedieht Trepl qpuccuic , worauf
auch der inhalt der fragmente hinweist, erst entstanden sein, nach-
dem der Verfasser Sicilien und ünteritalien besucht hatte, möglicher-
weise sogar erst nach seiner niederlassung in Elea. in unserm frag-
ment aber ist qppovTic nichts anderes als qppovTic qpiXöcoqpoc — audi
in diesem sinne steht der sing. — dh. das philosophische nachdenken,
die Philosophie, seit 67 jähren, sagt der dichter, sei seine Philo-
sophie in ganz Griechenland bekannt; damals, bei seinem ersten
auftreten, sei er 25 jähre alt gewesen, wenn anders, fügt er mit be-
wuster Übertreibung hinzu , er von einer so weit zurückliegenden
zeit der Wirklichkeit gemäsz (^TUfiUiC) reden könne. X. will damit
nur* sein hohes alter hervorheben, und anders haben auch die ge-
währsmänner für dieses fragment den inhalt nicht verstanden: vgl.
La. Diog. X 19 fiaKpoßiiJüTaTÖc t€ t^tov€v (6 Zevoqpdvnc), äc
TTOU Kai auTÖc q>iiciv* f{br\ usw. — In der dritten aufläge hatte B.
dem Xenophanes auch ein iambisches fragment zugewiesen, er hat
sich aber inzwischen durch Meineke überzeugen lassen, dasz es sich
hier nur um ein prosaisches fragment vielleicht aus einem briefe
handelt.
Über keinen der von B. zusammengestellten dichter ist seit
1866 mehr geschrieben worden als über Theognis^ und doch ist
das resultat vieler eindringender und fleisziger Untersuchungen nur
«in negatives, die entstehung der vorliegenden Theognideisohen
spruchsamlung ist mit den uns zu geböte stehenden hilfsmitteln nun
einmal nicht mehr zu ergründen. Nietzsches stichworttheorie ist
auch mit den moditicationen Fritzsches nicht zu beweisen, und die
scheinbar beweisenden partien erklären sich aus dem vei-such sinn-
verwandte stellen an einander zu reihen, in denen dann natürlich
auch oft dasselbe wort zur Verwendung kommt, ich halte mit Hiller
in diesen jahrb. 1881 s. 470 Bergks auch in der neuen aufläge
wiederholte ansieht für die wahrscheinlichste, wonach vielleicht schon
bald nach Isokratos eine sjlloge entstand und die echten Theogni-
deisohen gedichte verdrängte, dasz mit wenigen ausnahmen nichts
von Theognis citiert wird, was nicht in unserer samlung stünde,
spricht dafür dasz alles oder vielleicht der gröste teil der Theogni-
deisohen gedichte in dieselbe verarbeitet war, beweist aber nicht
dasz unsere samlung schon so frühzeitig abgeschlossen war. er-
weiterungen durch einschiebung von fragmenten oder ganzen ge-
dichten anderer Verfasser haben jedenfalls wiederholt und wohl noch
in nachalexandrinischer zeit stattgefunden, die namen der dichter
22 ChMuff: ans. y. NWecklein über die chorgesftnge des Äschylos.
hier der fall, so ernst nimt es der Sprecher mit seinem wünsche,
dasz er dem böses gönnt, der anders denke als er. eine derartige,
durch die abwehr der entgegengesetzten meinung wzielte bekräfti-
gung eines gethanen ausspruchs ist etwas ganz natürliches und be-
gegnet uns im leben wie in der litteratur sehr häufig, ich erinnere
nur an stellen wie Soph. OT. 269 xal TaOra toTc iii\ bpüticiv eöxojiai
Oeoüc usw. aber die mangelhafte Suszere Verbindung? auch die ist
nichts seltenes und findet sich gerade dann, wenn wie hier die gegen-
sätze scharf hervorgehoben werden sollen, charakteristiseh ist das
beispiel OT. 401 xXaiuiv boxetc moi Kai cu x^ cuvOek T&be ämi-
XaTr)ceiv. es verlangrai also, so viel ich sehe, jene zwei verse durch-
aus keinen gesonderten spredier, und damit wird W.s einwurf gegen
Arnoidts Verteilung hinfKllig. es wfire auch schade gewesen, wenn
wir einen tausch hätten vornehmen müssen: denn so harmonisch
die eine Verteilung ist, so unharmonisch die andere, bei Amoldt
steht die sache so :
483 475 489 479 485
(2v.) (4v.) (14 V.) (4v.) (3v.)
f a € ß' b'
(Kop.)
hier entsprechen sich die parastaten* und tritostaten, und der kory-
phaios überragt sie dann, wie sich das für ihn ziemt, mit seiner
* in einer anmerkung sagt W., fcapacrdTTjc sei gar keine technische
bezeiobnang, nad wir hätten kein r^ebt den parastaten eine bevorzugte
stelle zu geben, diese bemerkang ist nicht nen, so wenig wie ihre
begründang, scbon Christ batte in bezog anf meine ansfübrangen
(cbor. tecbntk d. Sopb. s. 11 ff.) bemerkt, als verittatnng wolle er sich
die rolle der parastaten wobl gefallen lassen, sie werde aber nicht
durcb Ar. metaph. IV 11 erwiesen, da dort lediglich davon gesprochen
werde, dasz der iropacrdTTfC dem KOpu<pd!oc näber stehe als der Tpi-
T0CTdTr]C. W. urteilt ebenso; es verlohnt sich also wohl der mühe noch
einmal anf die stelle zarückzakommen. Aristoteles führt aus: es gibt
ein früheres nnd ein späteres, ein erstes and zweites in manigfacher
beziebung: rä liiv icatd rdirov . . t& 64 xard xP<^vov . . Td bä xard
K(vr]Civ , . rä bi xard bOvapiv . . Td 6^ xaid t&iv. wenn nun xard
TdSiv bloss aaf die äaszere stellang gehen sollte, so würde der philo'
soph nur dasselbe sagen, was er schon anter der rabrik xard TÖirov
gesagt hat; xdEtc bedeutet also hier die stellang dem ränge nach, die
einfluszreiche stellang, 'es zeigt das auch der zusatz &Uctt)xc xard
TÖv XÖYov, proporiionalUer distant^ wie es in der lat. Übersetzung heinst,
und wofür wir sagen müssen 'in innerem, logischem abstände' ; es zeigt
das ferner das zweite beispiel das Ar. anführt, irapavi^rr) vf|Tr)C, wie
die nebensaite von der grundsaite absteht: die grundsaite nemlich ist
die äuszerste, die höchste saite; es zeigt das endlich der umstand dasz
Ar. rein räumliche und zeitliebe unterschiede nur bei den beiden ersten
kategorien statuiert, dasz er aber von der dritten an (rd xard xivv|av)
die innere qualitüt der verglichenen dinge ins äuge faszt. nimt man
hinzu, worauf Sommerbrodt 'scaenica' s. 11 hingewiesen hat und wo-
für in 8tephanaa* Thesaorus u. irapOCTdri^c viele belegstellen ange-
ChMuff: anz. v. NWecklein über die chorgeaftnge dea Äachylos. 39
viel umfjBngreicheni tttnazerung. bei W. aber ei:geben sich folgende
zahlen :
/Kop. 4 Y. /KOp. 2 V. /KOp. 13 ▼.
\TTap. 4 Y. \Trap. 3 y. \irap. 2 y.
ob man da noch Yon 3x2 teilen sprechen darf, wenn das in den
beiden ersten gewahrte gleiohmäszige Yerfohr^ im dritten YÖllig
aufgegeben wird?
Enm. 244^-^275 hatte W. noch vor einigen jahven unter zw^U
choi-euten vertat, jetzt unterscheidet er acht absätze in der partie
und verfügt über dieselben also: die trimeter 244—253 spricht der
koryphaios als führer des ersten halbchors. darauf ruft der halb-
chor seinem führer zu dpa . . dTirac nun kommt der zweite halb-
chor, 6in mitglied nach dem andern, diese aufstellung trifiPt schwer-
lieh das richtige: sie ist in einer weise unsymmetrisch, dasz man
sich wundiert, wie ein mann von dem geschmacke Weckleins sie auch
nur einen augenblick hat festhalten kennen, man denke : in halb-
chören soll der chor einziehen, was bei der erregung der Erinyen
wenig wahrscheinlich ist, und von dem 6inen spricht erst der führer,
dann die gesamtheit der sechs glieder , während Yon dem zweiten
jeder einzelne zu worte kommt, was ist das für eine responsion zweier
gleichen hälften I und W. findet noch , es liege der gleiche fall vor
wie in der epiparodos des Aias , während hier die teilung klar be-
zeugt und prächtig gegliedert ist: 4 von hüben, 4 von drüben, der
5e und 5e, der 6e und 6e (s. chor. technik d. Soph. s. 72 ff.).
Man sollte meinen, nachdem W. die annähme von zwölf dia*
reuten an dieser stelle habe fahren lassen, sei er nicht mehr ver«
sucht gewesen die zwölf zahl, an der er unbeirrt festhält, gerade aus
ihr zu beweisen, und doch thut er es. die 6 im halbchor leisten
ihm dieselben dienste wie 12 im gesamtchor. ja wohl, wenn sie er«
wiesen wären ! weil W. von 15 choreuten bei Aischylos durchaus
nichts wissen will , was allmählich befremden musz , leugnet er sie
auch Agam. 1344 ff. y aber er vermag gegen Amoldts darstellang
nichts stichhaltiges vorzubringen.
Eine dritte nichtantistrophische partie musz nach W. entschie-
den in dem ersten teile der parodos der Sieben 78 — 108 anerkannt
werden, alle liebesmüh Strophen und antistrophen au bilden sei um«»
sonst gewesen, nun wohl , ich will die mühe mit vielen Vorgängern
gern aufgewendet haben, wenn ich nur eines bessern belehrt werde,
doch W. kommt erst später auf diese grosze parodos zurück.
Eine vierte der responsion ermangelnde partie findet er in den
Sieben v. 848—860. es sei ein sehr unglücklicher gedanke gewesen
daraus eine zweite strophe und antistrophe, eine fortsetzung des
vorausgehenden gedankens zu machen, das eine ist richtig, eine fort-
fährt sind, dasz 7rapacTdTT]C häufig den genossen, den helfer bezeichnet,
so glaabe ich bei meiner ansieht verharren zu dürfen, dasz der irapa-
CT&TY\c tiefer steht als der Kopuipaloc, aber höher als der rpiToCTdri^c,
dasz er den halbchorfiihrer bedeutet.
24 ChMnff: anz. v. NWecklein über die chorgesänge des Äschylus.
Setzung des stasimons liegt nicht vor; ich habe das selber schon
ao. s. 23 nachgewiesen, nur für so unglücklich kann ich den yersuch
responsion herzustellen nicht halten: die vielfache metrische Über-
einstimmung des zweiten teiles mit dem ersten Iftszt ganz natürlich
an Strophenbildung denken, immerhin kann W. sehr wohl recht
haben, dasz hier eine astrophische partie vorliege; deshalb ist aber
seine weitere behauptung, dasz auf die frage xi q>ui; mit Ti b' äXXo f *
t\ 1TÖV0I ITÖVUJV böfiuiv dqp^CTioi ; von einem andern sprechenden die
antwort gegeben werde , und dasz deutlich drei teile hervortreten^
noch gar nicht richtig, dieses Ti qpuü ; ist keine wirkliche frage, auf
die eine antwort erwartet wird , sondern nur eine rhetorische Wen-
dung, der Chorführer oder wer sonst die partie hat sucht nach
einem passenden ausdruck und steigert dadurch die erwartung.
man vergleiche die aufregung der Antigene beim nahen ihrer
Schwester OK. 316 ff. t( qpdi;* äp' &tiv; äp' ouk icuv; f\ Tvuijin
TrXavql; koX qpiipi KäiTÖq>ruAi kouk^x^ '^ 9^). TdXaiva, ouk Ictiv
äXXr). so sicher sich hier Antigene selber antwortet, so gut kann
es dort der koryphaios auch.
Darin dasz Hik. 825 — 835 nicht zum vorhergehenden dritten
stasimon zu ziehen ist ; musz man W. unbedingt beipflichten , wie
denn die meisten gelehrten das schon früher gesehen haben, auch
das wird man ohne weiteres zugeben, dasz eine herst^llung der
responsion an dieser corrupten stelle sehr schwierig ist. dasz aber
keine spur davon vorhanden sein soll, ist wieder zu viel behauptet.
Oberdick hat bereits darauf aufmerksam gemacht, dasz d^q)aivu}
und TrpoTdccou die schluszworte der Strophen gewesen zu sein
scheinen; dasz nach äfiqpaivui etwas ausgefallen sein musz, worauf
sich der anfang der antistrophe des chors (rdbe qppoijüiia) bezieht,
dasz dies die TiXfioi und CTiTfioi in der rede des herolds gewesen
sein mögen, dasz also auch diese in den antistrophisch gegliederten
kommos hineinzuziehen ist er hätte auch noch darauf hinweisen
können, dasz das refrainartig wiederholte coOcOe coucO' am schlusz
der kurzen rede auffHUt, dagegen am anfang einer neuen strophe
wiederholt sich trefflich ausnimt. man wird also kaum fehl gehen,
wenn man mit Oberdick die strophe des herolds zwischen die beiden
chorstrophen stellt und mit dem coCcOe coOcO' eine neue der zwei-
ten chorstrophe sich anschlieszende strophe des herolds beginnen
läszt, von der freilich nichts als die erste zeile erhalten ist. wie dem
aber auch sein mag, so viel ist leicht zu ersehen, dasz diese partie
denselben kommatischen Charakter trägt wie die folgende , und dasz
hier wie dort dieselbe Vortragsweise geherscht hat. da nun aber,
was ich hier nicht weiter ausführen kann, der übrige kommos wahr-
scheinlich von dem keryz auf der einen und den beiden halbchor-
führem auf der andern seite aufgeführt worden ist, so werden wir
* vielleicht ist mit Meineke <pu)vOEi; £a lesen, was an der sache
nichts ändert. '
ChMuff: anz. v. NWecklein über die chorgeefinge des Äscliylas. 25
auch in der anfangspartie den korjphaios und den parastates zu be-
schäftigen haben, eine annähme die noch dadurch gestützt wird, dasz
auf die alarmierenden bemerkungen der 6inen person in der strophe
das öpuü einer zweiten in der antistrophe passend folgt.
Hiernach kann es für mich nicht zweifelhaft sein, dasz die
schluszfolgerungen W.s unhaltbar sind, er schreibt (s. 219): 'wenn
man diese fünf partien mit einander vergleicht, so erkennt man dasz
der dichter in Situationen, in welchen sich der chor an der handlung
auf das lebhafteste beteiligt und sich seiner eine besondere erregung
bemächtigt, chorika ohne responsion anbringt.' es ist das schon für
die besprochenen fälle nicht richtig, und dann sprechen viele andere
dagegen, in der kommatischen partie Perser 256 ff. ist doch wohl
bei der nacbricht vom untergange des ganzen heeres der chor in der
denkbar höchsten aufregung, und doch haben wir die schönste anti-
strophische entsprechung. und jetzt noch ein xopiKÖv cuvim^^voVi
wie es Westphal nennt. Hik. 418 — 437 richtet der chor in zwei
Strophenpaaren die bitte an den sinnend dastehenden könig, ihn
gegen die feinde zu schützen, nun ist es ja möglich, was die hgg.
angemerkt haben, dasz die mädchen, um das nachdenken des königs
nicht zu stören , iltren ton etwas gedämpft, dem päonischen metrum
mit seinem stürmischen Charakter ein etwas langsameres tempo ge-
geben haben ; aber befinden sie sich trotzdem nicht in der höchsten
aufregung? ihre worte bezeugen es deutlich genug.
2. Was W. s. 219 — 224 über die ephjmnien und ihre bedeutung
für die kritik sagt, ist sehr hübsch ; es ist dies das gebiet auf dem er
zu hause ist. freilich haben ihm andere, namentlich Kirchhoff, tüch-
tig vorgearbeitet ; aber er hat doch das bisher geleistete gut zu be-
nutzen gewust. welch erfreuliches resultat kann er am Schlüsse ver-
kündigen : 'alle künstlichen Systeme, alle prooden und mesoden fallen
weg . . an die stelle wunderlicher gliederungen ist die gröste ein-
fachheit getreten.'
Feinsinnige beobachtungen finden wir weiter über eine andere
art von ephjmnien gemacht, die W. 'rhythmische ephymnien' nennen
möchte. KKruse hatte es schon in seinem commentar zu Hik. 677
für bemerkenswert erklärt, dasz alle Strophen des gesanges 630 ff.
in der mitte gleichmäszig durch eine starke interpunction geteilt
sind und überall der vorhergehende vers auch einen metrischen ab-
schlusz gibt. W. geht weiter und deckt die eigentümliche erschei-
nung auf, dasz in dem zweiten teil der drei Strophen und anti-
strophen sich sechsmal derselbe logaödische rhythmus wiederholt:
. ^^ . ^.^ ^ ^
- ^ - v^ . o
^ b^ _ \^\^ •» ^i# ..
— ^ . v/w — ^
das gleiche verfahren constatiert er Agam. 367 ff. so weit ist alles
schön und gut. aber nun die Verwertung des fundes. das rhyth-
26 GhMaff: anz. v. NWeckleio über die chorgesftnge des Äsohylcui.
mische ephymnion soll wie das wirkliche ein kennzeicheii daftür aeim
dasz die betreffenden partien nicht von dem gesamten cbor yor*
getragen worden, und weil mit ausnähme eines einzigen chor«
gesanges alle chöre, welche ephjmnien haben, aus drei Strophen be*
stehen, so soll daraus mit notwendigkeit folgen, dasz je ein stoichos
allemal strophe und antistrophe und der gesamichor das ephymnton
singe, unzweifelhaft verlangt, wie sich Amoldt 'chor des Agam.'
s. 17 vorsichtig ausdrückt, der refrain in derselben partie eine nach-
rufende mehrheit gegenüber einem einzelnen; aber das gilt doch
nur von dem wirklichen refrain, nicht von der analogie desselben.,
zwischen dem rhythmischen ephjmnion und dem logischen, um eei
80 zu nennen, ist ein himmelweiter unterschied, das logische ist die
reine Wiederholung, das rhythmische nur eine gleichheit in der
metrischen form, bei jenem w&re die Zuteilung an den Sprecher der
vorhergehenden partie absurd, bei diesem kann sie von selten d^
inhalts geboten sein, man sehe sich darauf hin das erste stasimon
im Agamemnon an , und man wird finden dasz eine sonderung der
beti^effenden nachgesftnge nichts anderes wäre als ein gewaltsames
zerreiszen eines innerlich eng verbundenen ganzen. beeehrilnkeA
wir uns also, wie es nötig ist, auf die wirklichen ephymnien, so
bleibt blosz 6in fall übrig, wo drei Strophenpaare den nachgesang
haben, und das vierte nicht, £um. 321 ff. ob dann die dreizahl
noch urgiert werden darf? mir scheint dasz in diesem falle, wie in
den übrigen allen, mit halbchOren und gesamtchor recht wohl aus-
zukommen ist. indes verdient jener Vorschlag immerhin beachtung,
S. 226 ff. kommt W. zu der in aussieht gestellten besprechung
von Sieben 108—- 150. seine strophische gliedm^ng stimmt mit
der meinigen (v. 105 — 135) überein; aber während ich sechs oho«
reuten beschäfdge, meint er, es könne kein zweifei mehr sein, dasz
die drei CTOiXOi nach einander in strophe und antistrophe die glei-
chen partien sängen , und ß' ß' bei mir, die ich an die übrigen sechs
verteile, weist er halbchören zu. aber seine stoichostheorie stützt
sich wieder auf den rhythmischen refrain , und seine hemichorien-
annähme auf das viermal hergestellte £ £ 1 1. mir will scheinen,
als ob meine gründe für die teiluog in 6 bzw. 12 glieder (ao. s. 6)
schwerwiegender wären.
Zu W.s eigner gröster Überraschung stellt sich eine ganz an-*
dere norm heraus , als sie gewöhnlich angenommen wird. Ver die
strophe singt, singt in der regel auch die antistrophe.' aber wir
wissen nach dem obigen, was wir von diesem satze zu halten haben :
er ist nicht bewiesen, ein argument wie das, es singe ja auch Prom.
574 — 608 lo sowohl die strophe wie die antistrophe, hätte W. nicht
bringen sollen, aus dieser thatsache läszt sich doch nur folgern^
dasz 6in und derselbe beide Strophen singen kann (s. chor. technik
d. Soph. s. 23). und nun führt W. gar noch selber einen beleg da-
für an , dasz die strophischen und antistrophischen teile nicht der-
selben person zu gehören brauchen, er billigt Eirchhoffs scharf-
ChMuff: ans. v. NWecklein Über die chorgesänge des Aschylus. 27
•
sinnige diathese der seidoszpartie in den Hiketiden, deren drittes
strophenpaar also unter die frauen and dienerinnen verteilt wird :
str. ant.
Dan. 2 V. — anc. 2 v.
anc. 2 V. — Dan. 2 v.
Dan. 1 V. — anc. 1 v.
aber W. weisz auch dieser schwieiigkeit herr zu werden, es hersche
zwar, meint er, nicht gleiche reihenfolge in strophe-und antistrophe;
da aber alle das ionische versmasz hätten | so könne man sagen dasz
auch im dritten wie in allen anderen teilen strophe und antistrophe
an die gleichen personen verteilt seien, und es kommt noch besser,
im 3n abschnitt versetzt W. seiner strophentheorie den gnadenstosz.
oben führt er den umstand, dasz eine btthnenperson strophe und
antistrophe singt, als beweis dafür an, dasz es in der orohestra
ebenso gewesen sei, und s. 236 verteilt er ein strophenpaar an zwei
bühnenpersonen, an Orestes und Elektra. diese beobachtung erlaubt
es uns doch wohl, um nicht mehr zu sagen, strophe und antistrophe
auch halbchören zuzuteilen. W. denkt wieder anders; die vorgefaszte
meinung hindert ihn die einfachste oonsequenz zu ziehen, er schreibt :
'die beiden geschwister vertreten gleichsam nur 6ine person. zudem
sind es bühnenpersonen.' ich sage: in viel höherm sinn als die zwei
geschwister bilden die halbchöre ein einheitliches ganzes , und viel
häufiger als auf der bühne ist die responsion in Stellung und Strophen-
bau in der orchestra zu finden.
Von den drei teilen in der parodos der Hiketiden weist W. den
ersten, die anapästischen hypermetra, dem koryphaios zu: natür-
lich ; den zweiten soll jedenfalls der gesamte chor gehabt haben : das
ist möglich^ aber nicht bewiesen; vom dritten, in dem er die CTOixoi
beschäftigt, ist oben die rede gewesen. — In ähnlichem weise ver-
fügt er über die parodos der Perser, aber 6inmal hätte er, wenn er
bei V. 114 einen neuen teil anheben läszt, vier und nicht drei teile
unterscheiden müssen (1—64. 65 — 113. 114—139. 140—158), und
dann glaube ich 'de choro Persarum' s. 17 f. gezeigt zu haben, dasz
man, wie das jetzt auch Kirchhoff gethan hat, nur die sog. mesodos
zur epodos zu machen und die respondierenden Strophen den halb-
chören, die epodos dem gesamtchor zu geben hat, um die durch den
inhalt geforderte Verteilung zu gewinnen, und dasz auch die folgen-
den Strophen hemichorienvortrag erheischen. W. übersieht auch
hier wie in den analogen fällen den parallelismus oder die an tauto-
logie streifende gleichartigkeit des inhalts in so vielen Strophen und
antistrophen. nur so erklärt es sich, dasz er als gesetz aufstellt, dasz
strophe und antistrophe nicht einen wechselgesang , sondern ein
symmetrisches ganzes bilden.
3. über den dritten teil der abhandlung kann ich mich kurz
fassen. W. behandelt den unbestreitbar richtigen salz, dasz manche
chorlieder vielfach gegliedert sind und einen verschiedenartigen vor-
28 ChMuff: anz. v. NWecklein über die chorgesftnge des Äschylus.
trag erfordern; im einzelnen gehen unsere ansicbien wieder vielfach
auseinander, ich verweile nur noch einen augenblick bei der stelle
Sieben 865 ff. W. urteilt über den gebrauch von bfiia ähnlich wie
ich ao. 8. 26, dasz es in Verbindung mit einem wiederholten worte ge-
wöhnlich so gebraucht wird, dasz der 6ine das wort des andern nach-
spricht, das kann so sein, habe ich in der anm. gesagt, musz aber
nicht so sein, allerdings liegt Personenwechsel an allen stellen des
Aischjlos vor, wo mit bryia ein vorhergehendes wort wieder auf-
genommen wird ; aber an allen diesen stellen ist die vorhergehende
rede abgeschlossen, und der satz mit bf\Ta hat volle Selbständig-
keit; anders liegt die Sache hier: die worte bi' €ÖuivufiU)V T€TUfi-
)i^voi sind an sich ganz unverständlich, es musz also in 6inem atem
mit ihnen der zusatz ö^ocirXdTXVUDV T€ TiXeupuifidTwv gesprochen
werden ; da ist es auf keinen fall erlaubt die störende Unterbrechung
T€TUjLi)i^voi bryz' eintreten zu lassen, die worte bis äpai gehören
ein und demselben Sprecher, so kommen also wirklich nur 12, nicht
14 teile heraus, und es empfiehlt sich nach wie vor die 12 choreuten
heranzuziehen.
Nach dem allem habe ich nicht nötig noch besonders auszuspre-
chen , dasz nach meiner Überzeugung mit den s&tzen , in denen W.
am schlusz (s. 238) das ergebnis seiner Untersuchung zusammen-
faszt, nichts rechtes anzufangen ist. sie enthalten unzweifelhafte,
auch sonst schon gekannte Wahrheiten und daneben manigfache irr-
tümer. wenn mir 6iner die Offenheit, mit der ich dies ausspreche,
nicht übel nimt, so ist es Wecklein, wie ich weisz dasz er alles, was
über die dramatische dichtung der Oriechen geschrieben wird , und
namentlich auch die chorischen Schriften, kennen zu lernen be-
müht ist und an alles den höchsten maszstab, den der Wahrheit, an-
legt, so darf ich hoffen dasz er auch meine gegenbemerkungen als aus
dem streben der sache zu dienen hervorgegangen betrachtet, an
gutem willen, mich von ihm überzeugen zu lassen, hat es mir nicht
gefehlt, aber es ist mir nicht möglich gewesen, das lebhafte inter-
esse, das ich seiner abhandlung entgegenbrachte, in Zustimmung zu
verwandeln, und wenn ich mich frage, woran das liegt, so dürfte
dies der hauptgrund sein , dasz W. nicht jeden chorgesang für sich
unter eingehender Würdigung des Zusammenhangs , des inhalts , der
gliederung und ent Wickelung betrachtet , sondern dasz er generali-
sierend verfährt und, statt die gesichtspunkte aus den liedem zu ent-
nehmen, sie mehr äuszerlich an dieselben heranträgt, wenn er
künftig anders verfahren sollte , wie ich hoffe , so bin ich überzeugt
dasz wir uns noch einmal über die hauptpunkte der chorischen frage
verständigen werden.
Stettin. Christian Muff.
FLLentz: zu Euripides. 29
5.
ZU EURIPIDES.
Jahrb. 1882 s. 95 habe ich über die stelle des Euripides Iph.
Taur. 836 gehandelt und vermutet dasz ri cpuj; auszerhalb des verses
wie eine art von inteijection zu behandeln sei. in dieser meinung
bin ich durch eine dem gedanken nach sehr ähnliche stelle desselben
dichters bestärkt worden. Hei. 656 sagt Helene im hochgeftthl der
freude den gemahl wiedergefunden zu haben: Ti qpui; Tic &v rdb'
fiXiTicev ßpoTWV TTOTC; dbÖKTiTOv ixix) ce Trpöc cx^pvoic, nur dasz
Ti q>di; innerhalb des verses steht, was nicht auffallen kann, da
alle interjectionen wie la, qpeO, elev bald intra, bald extra versum
ihre Stellung haben, was aber ri q)i^c; betrifft, wovon ich damals
ein beispiel auszerhalb des verses aus Aristophanes (Ritter 1346)
gegeben habe, so kann ich auch aus Euripides eine ähnliche stelle bei-
bringen. Hei. 706 Ti q>^c; vecp^Tic äp' äXXuic elxoM^v ttövouc ir^pi;
so spricht der alte kriegsgef&hrte des Menelaos, nachdem dieser ihm
erzählt hat dasz alle leiden und kttmmemisse vor Troja um eines
nebelbildes willen erduldet worden seien, wenn auch unter etwa
23 stellen , in denen diese inteijection Überraschung , schreck , be-
stürzung, erstaunen, ekel (Rjklops 127), Einmal freudige bewegung
(Hipp. 1450) ausdrückt, dies die einzige ist, in der sie extra versum
gefunden wird, so haben dfch Härtung, Eirchhoff ua. mit unrecht
die Worte gestrichen *weil sie die stichomythie störten', es ist aber
an dieser stelle k^ine stichomythie: denn v. 700 f., ebenso 704 f.
enthalten notwendig zusammenhängende werte des boten und des
Menelaos. auch GHermann hat hier nicht das richtige: in seiner
ausgäbe von 1837 ordnet er die werte so dasz tI q>qc; einen vers
für sich ausmacht (^recte ti q)i(jc ; pro integre versu est stupente ali-
quamdiu nuntio nee statim respondente Menelao'), also : Trpöc Oeuiv
fijiev T^TTttTim^voi , IT t( q^i\c ; f vecp^Xric fit^^X^a — f ve^^Xtic äp *
äXXuic — . Hermann meint dasz der alte kriegsmann schon nach den
werten 'wir sind von den göttem betrogen' aufbrausen musz; ich
denke dasz das erst geschehen kann, wenn Menelaos gesagt hat,
worin die teuschung bestanden habe: wenigstens ist diese ansieht
mehr berechtigt als die Hermanns, nie bildet Ti (p^c; einen vers
für sich: entweder folgt unmittelbar der grund der erregung, oder
wenn es, was sehr selten ist, allein steht, so ist es ein teil eines
verses, wie v. 685 der schlusz eines dochmius. bei Nauck findet
man das richtige, dasz ti (prmi; 'quid dico?' etwas anderes ist als
Ti qpuj ; 'quid dicam ?' ist selbstverständlich : ich würde dies auch
nicht erwähnen, wenn ich nicht an der stelle ras. Her. 518 anderer
meinung wäre als die hgg. nemlich des Herakles gattin Megara, die
durch den tyrannen Lykos gezwungen nebst ihren kindern und
Amphitryon dem unvermeidlichen tode entgegensieht, glaubt in der
Entfernung plötzlich ihren aus der unterweit zurückkehrenden gemahl
30 FLLentz: zu Eonpides.
zu sehen, dessen ankunft sie alle vom tode erretten würde, in höch-
ster Spannung verfolgt sie die allmtthliche annäherung des Herakles,
und die verse 514 — 519, natürlich mit ausnähme von 515, welcher
dem Amphitryon gehört, spricht sie allein, während 517 von den
hgg. ebenfalls dem greisen vater zugeteilt wird; also: Meg. ^o greis,
sehe ich mein liebstes? oder was soll ich sagen?' Amph. 'ich weisz
nicht, tochter, ich bin sprachlos.' Meg. 'er ist es, von dem wir ge-
hört haben, dasz er tot in dir Unterwelt sei, wenn ich nicht bei
hellem tage ein traumbild sehe, was sage ich? ist das ein
traumbild, was ich in meiner herzensangst sehe? nein, er ist es
wirklich; kinder^ eilt ihm entgegen.' schöner kann, glaube ich, die
marternde ungewisheit und die freudige erkenntnis einer gattin
nicht ausgedrückt werden, natürlich ist das fragezeichen hinter 516
zu tilgen.
Ich habe eine stelle besprochen , in welcher ich mit OHermann
nicht übereinstimmen konnte; anderseits ist es sehr befremdend^
^asz die hgg. des finripides die vdelen goldkömer, die sich in Her-
manns werken finden, aufzulesen and zu verwerten nicht einmal der
mühe für wert gehalten haben, wenn der leser sich an der lectüre
erfreuen soll, so musz er doch wenigstens dasjenige, was sicher und
evident verbessert ist, im texte finden; statt dessen liest man noch
immer den hsl. unsinn und ärgert sich dasz man eben keinen sinn
herausfinden kann, an stellen wo längst schon die helfende band
Hermanns geschickt und offenbar die Runden geheilt hat. was Her-
mann von einer brauchbaren ausgäbe verlangt, hat er in sehr be-
herzigenswerten Worten in der vorrede zur Andfomache s. YIE aus-
gesprochen: 'cum propositnm haberem, ut eam tragoediae formam
repraesentarem, quae nee barbare aut soloeoe dictis neque ineptis sen-
tentiis neque inconditis numeris lectorem moraretur (ich füge hinzu
'et taedio enecaret') , hoc est talem , qualem ab Euripide profectam
esse non esset incredibile, iis quae quoque in loco optimae viderentur
scripturae esse usus sum, iudicata potissima diversitate lectionis,
quo lector ipse iudicare et, si aliter sentiret, praeferre aliam scriptu-
ram posset.' in diesem sinne scheint mir unter den neueren muster-
haft die ausgäbe der Hiketides in den 'analecta Euripidea' von
Wilamowitz-MöUendorf (Berlin 1875). die loci desperati und die
verdorbenen stellen sind mit einem kreuz bezeichnet , und leider ist
die zahl dieser cruciferen nicht gering, aber man weisz doch wenig-
stens sofort; wo der weg noch nicht gangbar ist, und wird darauf
sinnen ihn gangbar zu machen : nirgends steht im texte unsinn, und
mit dankbarer gewissenhaftigkeit sind überall die männer genannt,
deren divinationsgabe den richtigen weg gezeigt hat. die inter-
polierten stellen sind ebenfalls unter dem strich verzeichnet, und
bei lücken hat der hg. angegeben, was dem gedanken nach an der
verloren gegangenen stelle gestanden haben mag. ich wenigstens
habe diese analecta mit groszer befriedigung gelesen, wenn ich auch,
wie es nicht anders sein kann; zuweilen anderer meinung bin, zb.
FLLentz : SU Earipides. 31
Hik. 702, in welchem verse das ermuntemde kriegsgesohrei der
kämpfenden Athener und Tfaebaner enthalten ist : Oeiv ', ävT^p€ib€
Toic '€p€x6€ibaic bäpu. dazu bemerkt Wilamowlts: 'interciderunt
clamores Atheniensium.' hier hat , glaube ich , Bothe das riditige
gesehen, wenn er bemerkt: «0€Tv€ vox Atheniensium» iferi bei den
Römern) ; das übrige gehört natürlich den Thebanern. zu verwerfen
dcheint femer die conjectur zu ras. Her. 164, wo Lykos sagt: wer
von weitem mit einem pfeil einen maifn tötet, der ist noch kein held,
&XX' 6c ^^vu)v ßX^Trei t€ KdvTib^pKetai bopöc Taxe la v äXoKa räSiv
£p߀ßu)C. statt des unsinnigen Tax€iav will W. Tpaxeiav 'horrentem
hastis segetem', musz aber, da rpaxuc ein makroparalekton ist, d&s
wort bopöc ans ende des verses stellen, so schön diese Vermutung
dem sinne nach ist, so musz doch ßaOetav äXoKa gelesen werden,
^amplam segetem' ; dieselbe Verbindung findet sich im Bhesos 796
und bei Aischylos Sieben 578 ; auch ist damit aus der Ilias zu ver-
gleichen K 353 ^XK^fi€vm veioTo ßaGciiic tttiktöv äpoTpov.
Es bleibt noch übrig dasz ich mich wegen des harten Urteils
-über die ausgaben des Euripides , die wir gewöhnlich zur band neh-
men , von Eirchhoff , Nauck , Dindorf verantworte, man vergleiche
die wundervolle behMidlung des stasimon aus der Helene v. 1301
— 18 6p€ia noxfe bis iXXav jnoTpav ^Kpaivev bei G^Hermann mit
dem was wir sonst lesen, die construction ist ÖT€ ZcuSdca Oeqi
(Ejbele ist gemeint) ^€Tä rdv dpiracOeicav (Proserpinam) KoOpai
f'ApTejiic — ropTCüTTic) iTpoöEuipMiSjVTO : *cum deae iunctis leoni-
bus vehenti virgines ad quaerendam raptam Proserpinam se in viam
dederunt': mit dem letzten werte hat Hermann die lücke gefüllt:
so ist alles schön und klar, wie herlich hat femer Hermann die
chorstelle 229—32 geordnet: Tic f|v 0puTuiv, xdv bttKpuöeccav
*IXiiw T€ TreuKOV öc freiie toTc G' '6XXav(ac ditö xöovöc; 'quis erat
Phrygum, qui lacrimabilem et Troianis et Graecis scapham struzit?'
nach dem gewöhnlichen texte sollen wir glauben dasz ein Phryger
oder wohl ein Grieche das fahrzeug für Paris gebaut habe, ebenso
wird uns 936 zugemutet zu glauben, dasz jemand auf dem Scheiter-
haufen — verbrannt? o nein — getötet worden sei: dv TTupoi Kax-
€cq)dTili während Heimanns wLpq, dfa. Mm jenseitigen fremden
lande' offenbar richtig ist, so dasz k^^ Trepqt sowohl mit OavüJV als
auch mit KaT€cq)dTT| zusammengehört, worauf sich im folgenden
verse dTTÖVTOC bezieht, diese Verbesserung hat Kirchhoff angeführt,
es muste aber ir^pcji statt des unsinnigen Trup^ in den teitt gesetzt
werden, wie wahr ist femer in v. 122 auTÖc tdp öccoic elböjiiiv
Kai vOv c' öp(|!i die emendation afiTUic ^aeque iÜam vidi olim ac
nunc te Video' ! endlich v. 1512, wo der böte zum könig spricht:
fivaS, xd KdKiCT* dv böfioic eöpVJKajLiev ibc KaCv* dKOÖcei irrmaT*
dE £^oO Tdxoe. Eirchhoff sagt: Macunae resarciendae causa additum
esse ab interpolatore recte statuisse videtur GDindorfius.' Nauck
sagt: ^spuria videntur.' aber nicht doch: der erste vers musz mit
Hermann gelesen werden dva£, Td jidKiCT* £v bö^oic c' €Öp/JKajui€V
32 BHirschwälder: zur biographie des Thukydides [§ 26].
dh. 'o rex, postremo tandem domi te nacti sumus: scito te novas
aerumnas ex me auditurum esse.' von einer Interpolation ist da
nicht die rede : ein auch noch so schlechter in^erpolator würde doch
wohl einen richtigen trimeter gebildet haben ; die rechtfertigung von
fidKiCTa durch Homer (jifJKiCTa) und Aischylos ist wohl genügend,
und das alles aus einer einzigen tragödie : habe ich da unrecht, wenn
ich die hgg. der nachlässigkeit beschuldige, wenn sie das so schön
gebotene gar nicht einmal benutzen ? beiläufig : ich wundere mich
darüber, dasz Orestes um seine mntter zu töten 'Ap^öOev gereist
sein soll, was man Androm. 1032 liest und merkwürdigerweise auch
Hermann hat passieren lassen: vielleicht ist er d TP Ö 66 v 'peregre'
gekommen, erwähnen möchte ich noch, dasz auch Madvigs emen-
dationen in seinen 'adversaria critica', so mislungen , ja haarsträu-
bend, manche sind, doch teilweise auch wert sind in den text auf-
genommen zu werden, hierzu rechne ich Hik. 322 öpqic, TOic xep-
TOjLioOci TopTÖv d)c dvaßX^Trei cf| Traxpic; vor dvaßX^Tiei hat
sich Wilamowitz mit recht bekreuzt, dafür ist mit Madvig dvTi-
ßX^TT€i zu schreiben. Wilamowitz entwickelt den gedanken sehr
gut: ^vides Athenas cavillationes truci oculo contemnere', vielmehr
aspemari cum indignatione , uTTÖbpa iboOcac. in der bedeutung
*mit mut dem feinde ins äuge sehen' findet sich dvTißX^iT€iv bei
Aischines g. Etes. s. 539 Bsk. ö TOic TToXejiioic oubdnoT' dvTi-
ßX^ipac, und bei JBuripides selbst dvTib^pK€c6ai ras. Her. 163.
auch Hik. 530 hat Madvig aicxpuJC bk V€Kpouc emendiert für
^Keivoic, da der parallelismus durchaus einen accusativ erfordert.
Alkestis bereitet sich feierlich zu dem bevorstehenden tode und
legt trauerkleider und schmuck an , den sie aus dem von cedem ge-
bauten hause nimt: dgeXoOca K€bp(vujv bö)iuiv Alk. 160, was
Graevius erklärt: ^ex cedrinis arcis.' ja wenn nur böjioc diese be-
deutung haben könnte! es musz aber statt bö)iUJV heiszen boxujv.
das adj. boxöc ^recipiens' hat Theophrast; von dem subst. box<^C
liest man bei Hesjchios : boxouc * boxcTa dh. ^receptacula', was an
dieser stelle gefordert wird.
Königsberg. Friedrich Leonhard Lentz.
6.
ZUR BIOGRAPHIE DES THUKYDIDES.
Bei gelegenheit der besprechung des Dorpater programms von
EPetersen *de vita Thucydidis disputatio' (1873) bemerkt ASchöne
in Bursians Jahresbericht III (1875) s. 816 : ^mir ist nur ^ine stelle
erinnerlich, bei der die quelle bis jetzt nicht anzugeben sein dürfte :
Marcellin § 25 bWTpißuiV dv CKttTTiq öXq UTTÖTrXaTdvu) £TPOtq>€.
woher mag das uttö TtXaTdvip stammen?' sollte etwa das sonder-
bare TTAATANQI eine corruptel sein aus TTArrAlQI? Skapte Hyle
war ja am fusze des goldreichen Pangaion gelegen.
Breslau. Bruno Hirschwälder.
FRühl: der letzte kämpf der Achäer gegen Nabis. 33
7.
DER LETZTE KAMPF DER ACHÄER GEGEN NABIS.
unsere gesamte Überlieferung über den letzten feldzug der
Achfter gegen Nabis geht bekanntlich , wie allgemein zugestanden
wird, ausschlieszlich auf Poljbios zurück, absieht und verfahren
der schriftsteiler jedoch , aus denen wir unsere künde zu schöpfen
haben I sind so yerschiedener art; dasz es nicht ganz leicht ist den
ursprünglichen bericht zu reconstruieren und die modernen dar-
Stellungen in manchen punkten sehr weit von einander abweichen,
eine neue Untersuchung über diese Vorgänge ist daher nicht Unzweck-
mftszig , um so weniger als dabei einige fragen von allgemeinerem
Interesse verhandelt werden müssen.
Nabis war durch den vertrag mit Flamininus auf das binnen*
land von Lakonien beschränkt worden ; die städte der küste hatte
man dem achäischen bunde angeschlossen, neben einer anzahl von
anderen Schwierigkeiten , welche für die vorliegende aufgäbe nicht
in betracht kommen, fällt hier eine lüoke in unserer kenntnis auf,
welche meines wissens noch nirgends hervorgehoben worden ist, die
aber ein vollkommenes Verständnis der folgenden ereignisse er-
schwert, obwohl nemlich Nabis sämtlicher Seestädte und aller seiner
besitzungen in Kreta beraubt worden war , so hatte man ihm doch
gestattet zwei schiffe zu behalten, wenn er sich nachher wieder eine
gröszere flotte verschafFt, so ist das leicht zu erklären; aber wo in
aller weit sollte er jene beiden vertragsmäszig erlaubten schiffe
unterbringen, und zu welchem zweck sollten sie ihm nach der ansieht
des Flamininus dienen? wir werden notwendig annehmen müssen,
dasz wenigstens 6in hafenplatz in seinem besitze geblieben war.
Aufgestachelt von den Ätolem begann Nabis im j. 192 die
feindseligkeiten aufs neue, der bericht des Livius (XXXY 13) ist
ziemlich unklar, wir müssen annehmen dasz Nabis zunächst ver-
suchte sich eine partei in den Seestädten zu gewinnen und seine
dortigen gegner zu beseitigen. ^ die Achäer, seine plane erkennend,
mahnten ihn von einem frledensbruch ab, allein ohne erfolg. Nabis
begann vielmehr den krieg und zwar mit einem angriff auf Gjtheion,
die wichtigste unter den küstenstädten. die Achäer warfen darauf
(wir wissen nicht auf welchem wege) eine besatzung in die st^dt
und sandten zugleich eine gesandtschaft mit der nachricht von dem
vorgefallenen nach Rom. Nabis seinerseits setzt die belagerung von
Gjtheion zu lande und zu wasser fort und macht zugleich raubeinfälle
in das achäische gebiet ^ also nach Arkadien oder nach Argolis. die
* wenn Kortüm griech. gesch. III s. 254 sagt, Nabis habe die meisten
Seestädte zum anschlusz genötigt, so findet das in den quellen keine be-
gründang, und es ist auszerdem durchaas' nnwahrscheinlich.
Jahrbacher f&r class. philol. 1883 hft. 1. 3
34 FRühl: der letzte kämpf der Achäer gegen Nabis.
Achäer warten die rückkebr ibrer gesandten ab und berufen dann
eine versamlung nacb Sikyon. wir müssen annehmen dasz der senat
sie aufgefordert hat gewalt mit gewalt zu vertreiben und sie zugleich
an Flamininns und die anderen legaten verwies, welche er nach
Griechenland abgeordnet hatte (Livius c 23 ^ 5). der senat kann
den Achäern nicht wohl geraten haben zu warten, bis ein römisehee
beer eingetro£fen sei : denn die versamlung erkl&rte sich für den so*
fortigen krieg, während man doch von vom herein entschlossen war
die eignen masznahmen von der antwort abhftngig zu machen, welche
die gesandten mitbringen würden (L. c. 25, 3). die regierung hatte
indessen gleichzeitig mit der berufung der versamlung den rat des
Flamininus erbeten, offenbar nicht sowohl über das ob als über das
wie des vergebens. Flamininus aber, der über Eorinth nach Athen
gegangen zu sein scheint (L. c. 31, 1), riet bis zur ankunft der rö-
mischen flotte zu warten, durch die Verlesung seines briefes wurde
zwar ein teil der versamlung umgestimmt, die majorität beschlosz
aber dochj namentlich unter dem einflusz einer freilich diplomatisch
zurückhaltenden rede des Philopoimen, ein sofortiges vorgehen, der
beschlusz war verständig, so wünschenswert es gewesen wäre auf
die mithilfe einer römischen flotte rechnen zu können , so war doch
keine zeit zu verlieren, vielmehr gefahr im Verzug, es stand zu be-
fürchten — und der erfolg hat das als nur zu begründet erwiesen —
dasz Gytheion ge&Uen sein und das gesamte beer des Nabis in
Arkadien stehen konnte, ehe die Römer herankamen, ob der ver-
schlag des Flamininus zu jener gattung weiser ratschlage gehörte,
wie sie kühlsinnige mächtige leidenden zu geben pflegen , oder ob
er aus dem bestreben hervorgieng, die band in den dingen zu be-
halten und das frühere spiel zu wiederholen, kann dahin gestellt
bleiben.
Das erste unternehmen der Achäer , der versuch Oytheion von
der seeseite zu entsetzen , scheiterte freilich auf das kläglichste und
rief ein allgemeines gelächter hervor (Livius XXXV 26. Plut. Philop.
14. Paus. VIU 50). am ausführlichsten ist der bericht des Livius.
aber gerade bei diesem treffen wir auf eine angäbe , die nicht wahr
sein kann, es heiszt nemlich c. 26, 9 : ipse Fküopoemen in levi spe-
culatoria nave fugüy nee ante fugae finem^ quam Fatras ventum est,
fecit. das ist ein geschichtchen, wie es zum höhne der Achäer wohl
erdacht sein kann, wie es sich in einem spottliede sehr gut aus-
genoiumen haben würde, das aber auf nicht mehr glaubwürdigkeit
anspruch machen kann als etwa die bekannte erzählung, französische
flüchtlinge von Rossbach hätten nicht eher zu laufen aufgehört, als
bis sie den Rhein erreicht hätten, man wird zugeben, dasz jener
satz in der vorliegenden form nicht bei Polybios gestanden haben
kann, wenn man bedenkt, welche Stellung dieser sonst zu Philopoimen
einnimt. aber es könnte allerdings der schroffe ausdruck von Livius
selbst herrühren, die angäbe, dasz die achäische flotte nach Patrai
zurückgekehrt sei, aber trotzdem richtig sein, das letztere nehmen
FRühl : der letzte kämpf der Achäer gegen Nabis. 35
auch Thirlwall history of Greece VIII s. 334^, Schom gesch. Griech.
von der entstehung des achäischen und ätolischen bundes 8. 271 und
Weissenbom an.
Allein was weiter berichtet wird steht damit in entschiedenem
Widerspruch. Nabis legt nemlich in der absieht auch entsatzversuche
zu lande abzuschneiden den dritten teil seiner truppen in «in lager
bei Pleiai, weil er von Leukai und Akriai her einen angriff der
AchSer vermutet. Akriai war eine Eleutherolakonenstadt, aber un-
bedeutend ; jedenfalls war die besatzung nicht stark genug, um einen
angnff auf das beer des Nabis wagen zu können, das verhalten des
letztern erklärt sich nur, wenn er einen angriff von osten, also von
den Elentherolakonenstttdten jenseits des Parnon her erwartete,
dasz er an eine landung bei Akriai nicht dachte , geht aus Livius
c. 27, 1 und Flut. Philop. 14 deutlich hervor, mit recht wundert
sich Weissenbom über das verfahren des tjrannen, da doch Philo-
poimen nach einer ganz andern gegend entflohen sei. Philopoimen
zieht aber in der that eine flotte von kleinen schiffen in ocadtam
stationem agri Argivi zusammen und besetzt sie mit peltasten und
leichten truppen. er befindet sich also auch im osten, und seine Vor-
bereitungen können nach dem ganzen zusammenhange nicht sehr
lange gedauert haben, auch wenn man auf die worte des Pausanias
VIII 50, 8 fijLi^paic hi öctepov ine vaupaxioic ou TroXXaic kein ge-
wicht legen will. Weissenbom nimt nun an, unter den navigia
parva sei die eben bei Gjtheion geschlagene flotte zu verstehen,
welche man von Patrai nach dem Argivischen geschafft hätte, das
ist ein geradezu unglaublicher gedanke, und es wäre mehr als auf-
fallend, wenn ein für damalige Verhältnisse so unerhörtes unter-
nehmen von unsem quellen mit schweigen übergangen wäre, ins-
besondere müsten wir erwarten, dasz Plutarch seiner gedächte, die
worte des Livius zwingen aber an sich gar nicht zu jener annähme ;
warum sollten sich nicht kleine zum truppentransport geeignete
fahrzeuge an der ostküste des Peloponnes gefunden haben? was
Weissenbom bestimmt hat, dürfte die stelle des Plutarch sem
(Philop. 14): Tipöc laöra TivibcKU)v KOTaqppovoOvTac auroO touc
TToX€^iouc die TtavTciTTaci TTcqpcuTÖTOC Ik. Tfjc GaXdmic, xal ttoXi-
opKOövTac uTiepTiqxivuJc tö füBiov, eöOCic dTT^irXcuccv aöioic
DU TipocboKiüCiv, dXX* dKXeXuji^votc bm Tf|V viKriv. das setzt aller-
dings voraus , dasz der zweite angriff mit denselben Streitkräften
unternommen wurde wie der erste, es schlieszt aber auch den land-
transport der schiffe geradezu aus. wir werden daher nach alledem
anzunehmen haben, dasz sich Philopoimen in Wirklichkeit nicht nach
Achaja, sondern nach dem osten zurückzog und dasz bei Livius eine
corruptel vorliegt, statt Patrai musz Poljbios irgend einen hafen
an der ostküste des Peloponnes genannt haben, am ehesten würde
' ich eitlere nach einer Londoner ausgäbe ohne Jahreszahl, welche
von der von Freeman benutzten verschieden sein musz.
3*
36 FRühl: der letzte kämpf der Achäer gegen Nabis.
es sich empfehlen statt ^atros bei Livius ^rasias zu schreiben, die
corruptel erklärte sich dann so, dasz irgend ein abschreiber dem un-
bekannten namen dem c. 26 , 7 genannten ^dtr&nsis Tiso zu liebe
den bekanntem untergeschoben hätte, es ist indessen auch nicht
unmöglich, dasz Livius, wie anderwärts, so auch hier die corruptel
bereits in seinem Polybiosezemplar vorfand und, als er dann kurz
darauf an der zweiten stelle Prasiai erwähnt fand, diesen ort, der
ihm sonst noch nicht vorgekommen war, einfach als eine stcUio
occuUa agri Argivi bezeichnete.'
Philopoimen föhrt dann mit seinen schiffen und truppen um
das cap Malea herum , landet an einem Vorgebirge , wohl der halb-
insel Eyparissia, und überi^llt das lager von Pleiai. dann folgt bei
Livius c. 27, 9 wieder etwas unmögliches: üa percidsis hostibtis
Phüopoemen protinus ad depoptüandam Tripolim Laooniei agri , qm
proximus finem MegalopoUtarum est^ duxU et magna vi pecorum homi-
numque inde ahrepta^ priusguam a Gytheo ttfrannus praesidium agris
mitterety discessü, das steht geographisch auf derselben höhe wie
der bericht des Zenon, welchen Polybios XYI 17 so bitter durch-
zieht, bereits Manso (Sparta m 1 s. 401) hat das richtige gesehen,
dasz nemlich Philopoimen, nachdem der Überfall geglückt war,
wieder abzog und von Megalopolis aus seinen einfall unternahm.
Unterdessen war ein regelmäsziges 'achäisches landheer auf-
geboten worden, und auf einer versamlung in Tegea, an der auch
epeirotische und akamanische gesandte teil nahmen ; wurde be-
schlossen den entsatz von Gytheion durch eine diversion gegen Sparta
zu versuchen, auch daraus ergibt sich dasz der Überfall von Pleiai
keineswegs als ein groszes kriegsuntemehmen mit strategischen ab-
siebten gedacht war , zu dem man eigens eine neue ezpedition aus-
gerüstet hätte, sondern weiter nichts war als ein kecker handstreich
mit dem eben geschlagenen beer, der den gesunkenen mut wieder auf-
richten sollte. Philopoimen rückte dann wirklich nach Earyai vor^,
allein es war zu spät : an demselben tage fiel Gytheion. der tyrann,
von dem einfall benachrichtigt, eilt den Achäem mit seiner gesamten
macht entgegen , erleidet jedoch eine grosze niederlage. es gelingt
dann Philopoimen durch eine reihe geschickter manöver , die feind-
lichen truppen noch mehr zu schwächen und Nabis in Sparta ein-
zuschlieszen. diese Vorgänge im einzelnen zu besprechen ist zwecklos,
da die antike topographie dieser gegenden nicht genügend aufgeklärt
ist. Philopoimen hält darauf Nabis dreiszig tage lang in Sparta
eingeschlossen , verwüstet das lakonische gebiet und — kehrt dann
^ die politischen Verhältnisse von Prasiai in dieser epoche sind un-
klar, nach Polybios IV 36 gehörte die Stadt zu Argos, Pansanias III
24, 3 bezeichnet sie als die äoszerste Stadt der Eleutherolakonen.
* Manso ao. zieht Polybios XYI 36 f. hierher, dasz das irrtümlich sei,
hat bereits Thirlwall ao. VIII s. 335 bemerkt, die Chronologie schlieszt
jene annähme ans, und die hergänge, von denen Polybios dort berichtet,
sind mit dem was hier unsere quellen melden unverträglich.
FRühl : der letzte kämpf der Achäer gegen Nabis. 37
debüUatis ac prope fradis iyranni virilms nach hause zurück, gefeiert
von den AchSern, von diesen mit Flamininus zusammengestellt und
sogar um seiner thaten im lakonischen kriege willen höher gepriesen.
So steht bei Livius XXXY 30, 12. ich möchte fragen: kann
das so gewesen sein ? und ich antworte keck : nein , so können die
dinge nicht verlaufen sein. Philopoimen war kein narr, er war zu
sehr Staatsmann, um sich wie ein irrender ritter des mittelalters
damit zu begnügen , dem gegner seine kraft gezeigt zu haben , es zu
versäumen seinen erfolg auszubeuten und den politischen gewinn
seines sieges einzuheimsen, man kann auch nicht sagen, wie Thirlwall
ao. YIII s. 335 , dasz Philopoimen vor der belagerung von Sparta
zurückgeschreckt sei, welche Flamininus an der spitze von 50000 mann
für zu schwierig erklärt hatte. 6inmal hatten die Achäer seiner zeit
die behauptungen des Flamininus für leere ausreden gehalten, zweitens
war die Verteidigungsfähigkeit des Nabis jetzt viel geringer als im
j. 195 , und drittens hätten die Achäer doch wenigstens Sparta ein-
geschlossen halten müssen , bis die Römer endlich mit ihrer flotte
herankamen, sobald Philopoimen abzog, war Nabis wieder frei,
und das alte spiel konnte von neuem beginnen, es war dann nicht
einmal der nächste zweck des feldzugs erreicht: Gjtheion blieb in
den bänden des feindes. es müssen schwer wiegende gründe gewesen
sein, welche Philopoimen zum rückzug bestimmten. Livius läszt uns
hier vollkommen im stich, und das spricht, wenn wir seine sonstigen
gewohnheiten beachten, dafür dasz er etwas für die Römer wenig
rühmliches zu verschweigen hatte, so ist es in der that. Plutarch
Philop. 15 erzählt, dasz Flamininus aus ärger darüber, dasz Philo-
poimen von den Hellenen so gefeiert worden sei und zwar gerade
auch im gegen satz zu ihm selbst, dem kriege ein ende gemacht habe
(KaiaXuexai ö Tixoc xij) Ndßibi töv TtöXcjiiGv), und Pausanias VIII
50; 10 belehrt uns des weitem, dasz wir es nicht mit einem friedens-
schlusz, sondern mit einem wafifenstillstande zu thun haben (Näßic
jLifev de elpriM^VGV xp6vov CTiovödc Tiapä 'Puijuaiuiv eüpdjLievoc
TeXeuTcl, Trpiv fj oi toö ttoX^iliou xdc dvoxdc ÖriKeiv).* das ist der
ganzen natur der Verhältnisse nach durchaus glaublich ; es entspricht
der bisherigen wie der spätem politik der Römer* und speciell der
Stellung, welche Flamininus von vom herein zu diesem kriege ein-
genommen hatte, dasz die Achäer sich ohne weiteres fügten, lag
gleichfalls in den bahnen der politik, welche sie vernünftigerweise
allein befolgen konnten und die insbesondere Philopoimen sein ganzes
leben lang innegehalten hat. über die bedingungen des Waffenstill-
standes wissen wir nichts, es scheint als sei der Status quo ante
hergestellt worden, hätten die Achäer das lakedämonische gebiet
^ das schweigen des Jnstinns kommt nicht in betracht, da er auch
über das ende des Nabis nichts sagt. ^ Ihne röm. gesch. III s. 83
zieht mit recht an Livius XXXY 31, 2 minimum operae (legati Romanorum)
in Achaeis adeundis consumpseruntj quos, quia Nabidi infesii erant, ad cetera
quoque aatU fidos censehant esse.
38 FRüfal: der letzte kämpf der Achäer gegen Nable.
besetzt gehalten oder auch nur betreten dürfen, wäre der krieg, wie
Tbirlwall will, lediglich infolge der schwäche des Nabis unterbrochen
worden , so hätten nachher die ätolischen hilfstruppen , die offenbar
durch Messene marschiert sind, den tyrannen nicht erreichen können ;
anderseits aber scheint es als sei Gytheion den Achäem zurück-
gegeben worden; wenigstens wird bei Livius c. 35, 1 wieder hervor*
gehoben, dasz Nabis vom meere abgeschnitten war.
Die neueren haben die angaben über den Waffenstillstand bald
angenommen (Kortüm ao. III s. 255. ^chorn ao. s. 273. Hertzberg
Griechenland unter den Römern I s. 114. Ihne ao. III s. 82), bald
verworfen (Thirlwall VIII s. 335 f, Nissen Untersuchungen s. 172
und Weissenbom, der ihm in der regel ziemlich kritiklos folgt), bald
endlich schweigen sie über die frage ganz (Manso Sparta lU 1 s. 404.
Mommsen röm. gesch. I^ s. 726. 727. Freeman history of federal
govemment I s. 628). eingehend begründet hat seine ansieht , ab-
gesehen von Thirlwall, dessen einzelne argumente bereits oben ge-
würdigt worden sind, blosz Nissen, auf ihn allein haben wir daher
rücksicht zu nehmen, er stellt weiter keine betxachtungen über den
Zusammenhang der ereignisse an, sondern behauptet einfach, Livius
c. 35 ff. zeige dasz sich Plutarch geirrt habe, diese behauptung ist
jedoch vollkommen unbegründet, jene capitel behandeln die ankunft
der Ätoler in Sparta, den tod des Nabis, die Überrumpelung der
Stadt durch die Ätoler und den einmarsch des Philopoimen. aus
der gesamtheit dieser ereignisse ist weder für noch gegen einen
Waffenstillstand etwas zu schlieszen, einige einzelheiten aber machen
eine fortdauer des kriegs im höchsten grade unwahrscheinlich, wenn
nicht unmöglich, wenn c. 35, 3 gesagt wird, Nabis habe die Ätoler
gebeten, tU auxtUa sibi^ cum Ulis auctorihus rebeUüsset ^ mUterentury
so ist das mit dem abschlusz eines Waffenstillstandes durchaus verträg-
lich, und die ankunft der hilfsvölker war, wie bereits oben bemerkt,
wohl nur während eines Waffenstillstandes möglich, wenn aber
weiter (c. 35, 9) Alexamenos dem Nabis rät seine Soldaten nicht
unter dach und fach verweichlichen zu lassen, sondern sie ordentlich
zu üben, und wenn in folge dessen allerlei friedliche manöver in der
Eurotasebene vollzogen werden, so sind das dinge welche mit einem
augenblicklichen kriegszustande unvereinbar sind. Nissen redet
freilich, seiner gleich zu besprechenden meinung über die quelle des
Pausanias wegen, von einem frieden den Flamininus nach Plutarch
gewährt haben solle, allein er faszt die werte KaTaXu€Tai TÖv iröXe-
^ov zu eng : sie besagen weiter nichts als dasz Flamininus eine ein-
stell ung der feindseligkeiten veranlaszte , und es hätte Nissen wohl
stutzig machen können , dasz seiner eignen auffassung zufolge Pau-
sanias, der doch auch griechisch verstand, nur einen Waffenstillstand
aus den worten des Plutarch herauslas.
Auch die art, wie Nissen den Irrtum des Plutarch erklärt, ist
nicht überzeugend, 'bei dem kriege nemlich', so sagt er ao. Velchen
Flamininus 569 [lies 559] gegen den tyrannen führte, bemerkt er
FBühl: der letzte kämpf der Achäer gegen Nable. 39
[Plutarch] Flam. 13 , derselbe habe frieden geschlossen, entweder
aus furcbt vor einem nachfolger (ebenso [Liv.] XJCXIV 33) oder
aus neid gegen Philopoimen, der aber seit 555 noch immer in Kreta
verweilte, und braucht nun ganz dieselben worte wie Philop. 15.
so bringt er an dieser stelle fälschlich den frieden, an jener fälsch-
lich den neid hinein und macht aus den beiden feldzttgen von 559
und 562 einen einzigen.' die confusion in der stelle des Titos ist
nicht wohl zu bestreiten, einem buche g^enüber , das so stolz auf
seine methode ist, darf man indessen wohl hervorheben, dasz es wenig
methodisch ist von einer verwirrten stelle eines Schriftstellers aus-
zugehen, um eine andere zu erläutern, welche an sich klar ist. man
darf femer nicht vergessen , dasz Plutarch die ganze angelegenheit
im Philopoimen als einen integrierenden teil seiner aufgäbe behan-
delt und im Titos blosz beiläufig, es wird ja auch nicht bestritten,
sondern ausdrücklich von Nissen zugegeben , dasz die angaben über
die eifersucht des Flamininus auf Philopoimen aus Poljbios stam-
men, und da sollen wir wirklich annehmen dasz Plutarch, der hier
den Poljbios vor sich hatte , einen grund eigner erfindung für den
rückzug des Philopoimen vorgebracht habe , womöglich mit Unter-
drückung der von Polybios angegebenen ? denn wer Poljbios kennt,
wird sich auch überzeugt halten , dasz dieser das so auffallende ver-
halten seines beiden auch motiviert haben werde, wenn man Plutarch
nicht für einen Schwindler erklären will , so kann man die stelle des
Titos wohl aus einer undeutlichen reminiscenz aus dem früher ge*
schriebenen Philopoimen erklären, aber nicht umgekehrt.^
Einen von vom herein durchschlagenden grund für den wirk-
lichen abschlusz des Waffenstillstandes, dasz nemlich Pausanias das-
selbe berichte, hat sich Nissen freilich entgehen lassen müssen, weil
er der ansieht ist , dasz Pausanias nicht den Polybios , sondern im
wesentlichen nur den Plutarch benutzt habe.
Für die geschichte des Philopoimen ist das allerdings von unter-
geordneter be(^eutung. für die schriftstellerei des Pausanias aber
ist die frage sehr wichtig, und wenn vollends Pausanias, wie Nissen
weiter behauptet (s. 287), nur eine ganz undeutliche Vorstellung
von den werken des Polybios gehabt haben sollte, so wäre dies eine
thatsache von sehr weiü'eichenden consequenzen. es verlohnt sich
also, wenigstens die Nissensche demonstration für den vorliegenden
fall etwas näher anzusehen, eine zwingende beweisführung ist für
beide teile nicht leicht, denn da Pausanias bedeutend kürzer ist
als Plutarch , so wird nur an wenigen stellen bei ihm etwas zu er-
warten sein, was bei diesem fehlt, und an noch wenigeren etwas das
er nur aus Plutarch geschöpft haben könnte, die art aber, wie Nissen
hier — und auch sonst oft — argumentiert, erschwert eine polemik
^ ziemlich unklar ist die anBicht von Schorn ao. 8. 273. was dieser
aus Livius XXX IV 41 hierher zieht, geht natürlich auf einen römischen
Annalisten, wahrscheinlich Valerius Antias, zurück und ist historisch
ebenso wertlos wie für die vorliegende frage ohne bedeutung.
40 FBühl: der letzte kämpf der Achäer gegen Nable.
iingemein. er stellt nemlich seinen satz an die spitze und erklärt
dann alle vorliegenden erscheinungen aus diesem, ein entgegen-
stehender satz wird nun — wenn er nicht ganz unvernünftig ist —
in der regel für die meisten erscheinungen dasselbe leisten können,
und es werden schlieszlich einige wenige punkte sein , über welche
der kämpf ernstlich entbrennen kann, so ist es zb. gleich von vom
herein klar , dasz alle diejenigen abweichungen zwischen Pausanias
und Plutarch , welche blosz auf der klugschwätzerei des erstem be-
ruhen, absolut nichts beweisen: denn Pausanias kann den Polybios
ebenso gut mit Verbesserungen haben bedenken wollen wie den
Plutarch. wenn Pausanias ferner die Schilde der Achäer mit denen
der Perser und Kelten vergleicht, so kann das aus seinem anti-
quarischen interesse erkl&rt werden, er kann aber auch etwas der art
in seinem Polybios gelesen haben, weiter wird , wer Plutarch für
die quelle des Pausanias hält , die notizen über Pylades , Arkesilaos
und Timotheos für zusätze ^aus dem gedächtnis' nehmen; wer
anderer meinung ist, wird das um so mehr bestreiten, als diese
Personen sonst bei Pausanias nicht vorkommen, und darauf hin-
weisen, dasz Pylades ein landsmann des Polybios war. ebenso ist es
möglich, sowohl dasz Pausanias über das aussehen ^ des Philopoimen
und über seine Verwundung bei Sellasia dem Polybios gefolgt ist,
als dasz er Plutarch corrigiert hat.
Immerhin findet sich jedoch bereits unter diesen kleinen ab-
weichungen 6ine, die Nissen übersehen hat, wo die Veränderung
nicht gut auf Pausanias zurückgeführt und auch nicht wohl aus den
nebenquellen abgeleitet werden kann, welche ihm Nissen zuschreibt,
das ist Vm 49, 7 'AxaiÄv bk Kai öcoi cuvTeiaTM^voi toic
'Axotioic^cav Tiepi Adpicov jiaxoM^vuiV iTOTaMÖv. die gesperrt
gedruckten worte finden sich nicht bei Plutarch und können auch
nicht aus ihm herausgedeutet sein, denn dieser hat blosz (c. 7) cu-
cidcTic bk TTJc TTcpi Tov Adpiccov auToTc TTOTaiiöv. der bericht
des Pausanias ist aber auch richtig ; es ist nicht w^hr , wie Nissen
(s. 283) annimt, dasz über das gefecht am flusz Larissos nichts weiter
bekannt sei: es ist vielmehr mit demjenigen identisch, welches Livius
XXVII 32 beschreibt*
Mit den angeblichen nebenquellen des Pausanias femer steht
es ziemlich mislich. nach Nissen hätte er nemlich an verschiedenen
stellen die Plutarchische darstellung aus excerpten vervollständigt,
welche er früher benutzt hatte und welche weder auf Plutarch noch
auf Polybios zurückgiengen. es kommen folgende früher geschriebene
abschnitte des Pausanias in betracht: 1) IV 29, 8 und VUI 27, 15
über das verhalten des Philopoimen bei dem Überfall von Megalo*
polis durch Eleomenes III; 2) IV 29, 10 über den zug des Nabis
gegen Messene; 3) VH 8, 4 f. über die beseitigung der Lykurgischen
" darüber ist übrigeDS Schnbart im anhang zu seiner Übersetzung
8. 18 f. zu vergleichen. * vgl. Freeman history of federal govemment I
8. 589.
FBühl : der letzte kämpf der Achäer gegen Nabis. 41
Verfassung durch Philopoimen ; 4) IV 29, 11 f. über das ende des
Philopoimen. einem aufmerksamen leser des Pausanias wird es nicht
entgehen, dasz alle diese stücke aus 6iner und derselben quelle
stammen können und zwar aus einer leidlich vernünftigen, die ein-
zige Verkehrtheit, welche darin vorkommt, ist, w^n der text in
Ordnung ist, die erwähnung des todes des Lydiades VIII 27, 15.
dafür können wir aber getrost Pausanias selbst verantwortlich
machen oder die sonderbare quelle, derer die Schlacht von Mantineia
verdankt, in der Agis in fiel, erwägt man nun den engen Zusammen-
hang von Vn 8, 4 mit allem was dort folgt, so wird man nicht
zweifeln dasz wenigstens dieses stück und vielleicht auch alle oder
die mehrzahl der andern aus demjenigen geschieh ts werke geflossen
sind , aus dem Pausanias den abrisz der achäischen geschichte im
7n buche geschöpft hat. es liegt die Vermutung nahe — und sie
ist auch wiederholt ausgesprochen worden — dasz dieser ganze be-
richt auf Polybios zurückgehe, abgesehen natürlich von zahlreichen
verballhomungeU; an denen insbesondere die erzählungderereignisse
reich ist, welche den Untergang des achäischen bundes herbeiführten,
ein beweis für diesen sa^z ist freilich noch nicht geführt worden,
'aber der beweis für das gegenteil steht auch noch aus. wie es sich
indessen damit immer verhalten möge , in den angeblich aus jenen
ezcerpten entnommenen stücken der biographie des Philopoimen
findet sich nichts, was nicht aus Polybios entlehnt sein könnte.
YIII49,4 erzählt Pausanias, Philopoimen habe aus Megalopolis
zwei drittel tüüV iv f]XtKia und auszerdem weiber und kinder ge-
rettet, ebenso hat er IV 29, 8 und VIII 27, 15 berichtet. Plutarch
Philop. 5 sagt blosz toiic bk TToXirac TpÖTTOv Tivot ix]C iröXeuiC ili-
kX€1(I€. die quelle des Pausanias wird dasselbe gehabt haben wie
die des Plutarch im leben des Kleomenes c. 24, dh. Aratos, für
Philopoimen ohne zweifei eine hauptquelle des Polybios, wo wenig-
stens steht dasz blosz 1000 bürger im kämpfe fielen und die übrigen
mit weib und kind nach Messene flohen, femer sagt Pausanias VIII
50, 3, Kleomenes habe den flüchtlingen einen vertrag angeboten,
von ö^oXoTia und CTTOvbrj steht kein wort bei Plutarch. bei Poly-
bios aber stand es wie bei Pausanias; vgl. Pol. II 62 und Plut.
Eleom. 24.^° auch die groszartige phrase des Philopoimen, welche
dem römerhaften letzten Griechen' sehr wohl ansteht, kann recht
gut aus Polybios sein, etwas weniger gut scheint es mit VIII 50, Ö
bzw. IV 29, 10 zu stehen, der bericht an der letztern stelle ist
kürzer, beide aber weichen dadurch von Plut. c. 12 ab, dasz Nabis
UTTÖciTOvboc abzieht , während Plutarch blosz seiner flucht gedenkt,
aus den früher benutzten excerpten kann nun Pausanias im 8n buche
kaum geschöpft haben, da er dort sagt, Philopoimen sei de Tf)V
*^ Thirlwall VIII s. 191 will einen gegensatz zwischen Plutarch und
Polybios statuieren, dem letztern kommt es aber II 61 gar nicht auf
die einzelnen thatsachen an; er polemisiert gegen Pbjlarchos auf grund
der von diesem selbst erzählten dinge.
42 FBühl: der letzte kämpf der Achäer gegen Nabis.
ucrepaiav gekommen, w&hrend er ihn im 4n buohe in der nacht
eintreffen läszt. bei Plutarch wird der Zeitpunkt gar nicht bestinunt,
und auszerdem hat Pausanias mehr, dasz Nabis die Stadt mit aus-
nähme der akropolis genommen hatte, dieses letztera ist nun mit
dem bericht des Plutarch wohl verträglich , obwohl es nicht ohne
weiteres daraus folgt; was aber den abzug des Nabis betrifPt, so er-
gibt sich zunächst aus der polemik des Polybios gegen Zenon (XVI
17), dasz dieser dasselbe erzählt haben musz wie Plutarch (tJirCKbüc
b\ä TTuXiüV ^T^puiv). aber mit dem abzug des Nabis aus der stadt
kann der krieg doch noch nicht zu ende gewesen sein, und es liegt
kein grund vor den abschlusz eines waffenstillstfmdes oder sonstigen
Vertrags für unhistorisch zu erklären, die Achäer konnten dazu
ebenso viel* grund haben wie Nabis, Plutarch aber legt in seinen
biogi'aphien bekanntlich auf den zusammenbang und die einzelheiten
der historischen ereignisse gar kein gewicht , begnügt sich vielmehr
mit den zügen, welche für die Charakteristik seines jedesmaligen
beiden von bedeutung sind.
Die übrigen von Nissen hierher gezogenen stellen müssen wir
indessen in einer andern Verbindung behai^deln. ein durchschlagen-
der beweis für die benutzung des Polybios durch Pausanias läszt
sich nemlich nur aus der betrachtung solcher erzählungen schöpfen,
für welche eine anderweite Polybische Überlieferung im zusanunen-
hange vorliegt, dahin gehört nun zunächst der bericht Über den
letzten feldzug gegen Nabis. von den ab weichungen des Pausanias
von Plutarch beweist freilich die angäbe, dasz der Überfall von Akriai
in einer mondlosen nacht erfolgte, nichts, und ebensowenig die ein-
führung des Homer statt des Epameinondas bei dem mislungenen
versuche 6y theion zur see zu entsetzen, ein paar andere angaben in-
dessen — kleinigkeiten freilich, aber wir dürfen auch nur mit
kleinigkeiten operieren zu können erwarten — sind wohl aus dem
berichte dos Livius, aber nicht aus dem des Plutarch zu erklären.
Zunächst beruht es nemlich nicht auf einem misverständnis der
'etwas unklaren erzählung Plutarchs', wenn Pausanias c. 50, 7 sagt
7Tap€CK€uac|Li€VUJV bk iTiX Tov Ndßiv vouTiKÖv Tiliv *Pu)^aiu)v, 6
0iXo7TOi|LiTiv UTTÖ 7rpo0u|iiiac |ii€0ä€iv fjucWc Toö diYüJVOC. davon
steht bei Plutarch absolut nichts, Pausanias aber hat aus dem be-
richte geschöpft, den Livius XXXV 25 wiedergibt, wo ja ausdrück-
lich angegeben wird, dasz eine römische flotte zum kämpf gegen
Nabis im anznge war. wenn femer Pausanias c. 50, 9 in der schlacht
am Barbosthenes von den truppen des Philopoimen sagt, sie seien
dpiOjLiöv QU TToXXoi gewesen, so wäre es sehr verkehrt das für einen
willkürlichen oder aus fremder quelle geschöpften zusatz zu halten,
während es bequem als misverständnis der Polybischen werte ge-
deutet werden kann, welche Livius XXXV 29, 3 so wiedergibt:
pi'ocedente cetiamine et numero vicere tyranni auxüiares. liegen die
dinge aber so, so werden wir auch das fm^paic bk ucTcpov rfic
vaujiaxiac ou TToXXaTc § 8, eine angäbe welche ohnedies sicherlich
FBühl: der letzte kämpf der Achäer gegen Nabis. 43
richtig ist, auf Poljbios zurückführen dürfen, in § 10 dann die
bezeichnung des Alexamenos als eines Ealydoniers und die bei
Plutarch fehlenden angaben über die Ätoler überhaupt, welche doch
unzweifelhaft bei Poljbios gestanden haben (vgl. Livius XXXV 35),
der früher benutzten quelle zuzuweisen und die verhältnismäszig
eingehenden angaben über den Waffenstillstand für eine erfindung
des Pausanias zu erklären liegt wenigstens kein zwingender grund
vor. die notizen über den wafifenstillstand aber musz Nissen ftlr
freie erfindung erklären; stammten sie aus einer nebenquelle, so
hätten wir eine von Plutarch unabhängige quelle dafür, und die
ganze argumeütation über die von diesem angerichtete confusion
fiele über den häufen.
Was die beseitigung der Lykurgischen Verfassung und die da*
mit zusammenhängenden Vorgänge und maszregeln betrifft, so treffen
wir hier bei Pausanias neben manigfaltigen auslassungen zwar auf
kleine zusätze zu Plutarch, aber nicht auf abweichungen. wenn
Plutarch sagt (c. 11), Philopoimen sei gegen Sparta gezogen ^TKa-
X^cac Ti Toic AaK€bai|Liovioic, Pausanias dagegen AaKebaijioviuiV . .
^c £|Liq)uXov irpoiiTM^vuiv crdciv , so stammt diese notiz nicht aus
Plutarch, stimmt aber mit Polybios (Livius XXXVIII 31, ö); wenn
wir bei Pausanias lesen toiv £IXujtu)V dn^boTO öcov TpicxiXiouc,
so ist die bezeichnung der betreffenden personen gleichfalls richtig,
war aber nicht aus Plutarch zu erfahren, es bleibt die angäbe bei
Pausanias, Philopoimen habe die 300 hauptführer der CTdcic aus dem
Peloponnes vertrieben, bei Plutarch steht das nicht; es müste nach
Nissen aus der nebenquelle stammen, es wäre auffallend, wenn
Pausanias zur erweiterung des ihm vorliegenden berichts ein ander-
weitiges excerpt zugezogen und sich daneben doch einige von Plutarch
berichtete thatsachen hätte entgehen lassen, von denen ihn manche,
wie die erbauung der halle von Megalopolis, doch besonders hätten
interessieren müssen, aber sei es — die nachricht, dasz damals 300
Spartaner aus dem Peloponnes vertrieben wurden, musz auch bei
Polybios gestanden haben, unter den Te6avaTU))i^voi bei Polybios
XXIII 4 kann nichts anderes verstanden werden ; sie werden von
den dK7T€TTTU)K6T€C, dh. den aus Lakonien vertriebenen neubürgern,
die sich in Achaja umhertrieben, zweimal deutlich unterschieden,
diese männer werden eben von den Achäern zum tode verurteilt
worden sein; sie musten den Peloponnes verlassen, wenn sie nicht
wollten dasz das urteil an ihnen vollzogen würde. Nissen s. 285
scheint übrigens diesen bericht bei Plutarch im wesentlichen auf
Aristokrates zurückfuhren zu wollen, ich sehe dafür in den vor-
liegenden thatsachen, mit ausnähme der einzigen stelle wo Aristo-
krates ausdrücklich citiert wird, keinen grund. Nissen irrt überdies,
wenn er die worte Tf|V jifev 'AxctiK#|V fq)utov TroXiTeiav am schlusz
des capitels auf den abfall vom achäischen bunde bezieht; es sind
lediglich die achäischen gesetze im gegensatz zu den Lykurgischen
gemeint.
44 FRühl: der letzte kämpf der Achäer gegen Nabis.
Endlich der letzte feldzug und der tod des Philopoimen (Paus.
VIII 51, 5£f. Flut. Philop. 18 ff.), abweicbungen zwischen Pausanias
und Plutarch finden sich nicht, wohl aber steht bei jedem von beiden
manches was sich bei dem andern nicht findet, zunächst steht bei
Plutarch nichts von dem feldzuge des Ljkcrtas, welcher den des
Philopoimen veranlaszte. dasz er stattgefimden hat und bei Polybios
erzählt war, ersehen wir aus den letzten Worten des Philopoimen bei
Plut. c. 20 und bei Livius XXXIX 50. weiter läszt Pausanias den
Philopoimen reiter und peltasten mitnehmen, Plutarch blosz reiter.
aber Polybios stimmte mit Pausanias , vgl. Liv. XXXiX 49, 2 ipsfitn
potuisse effugere Thracum Cretensiumque auxüio tradunt. wenn
Pausanias den ganzen harst des Philopoimen auf 60 mann angibt,
wovon Plutarch auch nichts weisz, so ist das natürlich ihm selbst
zuzuschreiben; Polybios wird von 60 reitem gesprochen haben,
ferner ist es bemerkenswert, dasz Plutarch über die sich damals in
Messene bekämpfenden parteien gar nichts sagt, während Pausanias
die regierenden als buvaTol toTc xP^IM^^^V bezeichnet und ihnen den
bfijiioc entgegenstellt, das stimmt gut sowohl zu dem ausdruck
magistratus et principes bei Livius c. 49, 11 als zu der Schilderung
bei Polybios XXIII 16^ wo et TroXXoi im gegensatz zu der regierung
gesetzt werden, ebenso ist das ö bf)|üioc aurfKa des Pausanias (§ 8)
offenbar weiter nichts als die durch die kürze des auszugs unver-
ständlich gewordene Wendung des Polybios (XXIII 16, 4) et hk
TToXXoi irapaxXiiO^vTec . . Tax^wc dTraKoXou0rjcavT€C.
Es erübrigt noch diejenigen mit Pausanias übereinstimmenden
stellen des Plutarch zu betrachten , wo dieser nicht dem Polybios,
sondern dem Aristokrates gefolgt sein soll.'' es handelt sich um die
capitel 13. 15. 16 und 17 des Plutarch. cap. 15 erledigt sich ein-
fach, was hier von der uneigennützigkeit des Philopoimen berichtet
wird, hat Pausanias an einer andern stelle. Nissen erklärt das aus
kritischen bedenken des Pausanias; wir werden eher geneigt sein
bei Plutarch eine vertauschung anzunehmen, welche dadurch hervor-
gerufen wurde, dasz der autor auch noch eine zweite quelle zuziehen
wollte, was das 13e cap. anbetrifft, so meint Nissen, hier gehe
Plutarch zu einer seinem beiden feindlichen quelle über , kehre erst
wieder mit den werten fjcav bi Tivec ol X^tovtcc zu Polybios
zurück und erzähle dann von der verfeindung des Philopoimen mit
den Megalopoliten wieder nach jener ersten quelle, diese ansieht
ist unbegründet, der erste satz des 13n cap. nemlich enthält nichts
was auf eine dem Philopoimen feindliche quelle hindeutete, sondern
lediglich die thatsache, dasz ihm aus seiner reisläuferei ein Vorwurf
gemacht wurde, auf welchen dann der dritte satz (fjcav bi Ttvec usw.)
die antwort enthält, wir werden also blosz den zweiten satz auf
'^ darauf, dass der eine lehrer des Philopoimen bei Polybios Demo-
phanes, bei Plutarch nnd Pausanias Megalophanes beisst, gibt Nissen
offenbar selbst nichts; er hätte sich sonst auch mit dem namen des
andern, Ekdelos oder Ekdemos, auseinandersetzen müssen.
FBühl: der letzte kämpf der Achäer gegen Nable. 45
Aristokrates zurückzuführen haben und von dem folgenden viel-
leicht die angäbe, dasz Philopoimen aus übelwollen gegen sekie
mitbürger die komen von Megalopolis ablöste, da diese letztere
thatsache an sich richtig ist, wie die münzen beweisen, so musz auch
bei Polybios ihrer gedacht worden sein : liegen aber die dinge so,
80 haben wir keinen grund zu bezweifeln , dasz auch die werte des
Pausanias (c. 50, 6) TTOioujüi^vuiV hk dv öpT^ bia Tf)V diTobiiiiiav
Twv *ApK(ibiüV auTÖv dirdveict T€ ^k KprJTT^c usw. auf Polybios
zurückgehen.
Auch was das 16e cap. angeht, hat Nissen eine zu starke be-
nutzung des Aristokrates angenommen, ich kann nicht finden dasz
dieser für die thatsachen dem Plutarch wesentlich von Polybios ab-
weichendes geliefert habe; nur auf die fUrbung des ganzen ist er
von einflusz gewesen. Nissen meint s. 284 f., dasz der anfang des
cap. aus Aristokrates, nicht aus Polybios stamme, ergebe sich schon
daraus Masz hier von dem verhalten Philopoimens in bezug auf den
krieg mit Ajitiochos und zum zweiten mal c. 17 nach letzterem [soll
heiszen 'nach Polybios'] die rede ist, und dasz auch die vereitelte
Intervention der Bömer und die restitution der verbannten im fol-
genden cap. wiederkehrt.' was Nissen von der Vereitelten Inter-
vention der Römer' sagt ist falsch , aber auch nebensächlich, die
Ursache, warum die Chronologie in cap. 16 und 17 so schlecht ein-
gehalten wird, ist indessen nicht in einem quellenwechsel, sondern
in der Ökonomie von Polybios' biographie zu suchen, es erklärt sich
alles aufs beste, wenn wir annehmen dasz Polybios zuerst eine Über-
sicht des Verhaltens von Philopoimen Sparta gegenüber gab und
dann seine Stellung in bezug auf die Römer auseinandersetzte, was
aber machen wir mit dem zuge des Diophanes und Flamininus gegen
Sparta? formell constatieren wir zunächst, dasz Pausanias den
Mamininus nicht wie Plutarch zum consul macht , sondern ihn un-
bestimmt als 'PujjiaiuiV tuüv Tiepi t^v '€XXdba f|T€MU)V bezeichnet,
das war er aber auch in Wirklichkeit ; der ausdruck ist keineswegs
zu übersetzen 'commandeur der trnppen in Qriechenland' (Nissen
s. 289), sondern 'leiter der dinge in Griechenland', das ereignis
selbst wird so' zusammenhängen dasz, als nach der abreise des Philo-
poimen von Sparta und dem ende seiner Strategie sich römer- oder
achäerfeindliche ^' bewegungen in Sparta bemerklich machten, Flami-
ninus, um die angelegenheiten in die band zu bekommen, mit den
trappen von der inzwischen herbeigekommenen flotte intervenieren
wollte und auch Diophanes für seinen plan gewann, der sich ja rein
als militär fühlte und dem es groszes vergnügen machte , mit den
Römern darauf loszuschlagen , ohne sich über die politischen folgen
der ereignisse graue haare wachsen zu lassen. Philopoimen wüste
'' die waren von vorn herein zu erwarten, wenn bei Plutarch c. 15
richtig überliefert ist Tuiv fui^v dKÖVTUiv, Toiic bi cujuiiTcicac. nach der
sonstigen färbung des Plntarchischen berichts sollte man freilich eher
vermuten, er hätte dKÖVTUiv geschrieben.
46 FCauer: epigraphiscfaes.
dann das ganze untemebmen durch keckes eingreifen zu vereiteln. ''
ich setze diese Vorgänge in den Spätherbst 192, kurz nach dem be-
ginn der Strategie des Diophanes, als Antioohos eben in Griechenland
gelandet war. vielleicht ist es nicht zu kühn damit die angäbe des
Livius XXXV 37, 2 f. in Verbindung zu bringen: Phüopoemen • .
sodetati Ächaeorum Lacedaemonios adiunxü , eo eHam facüius^ qiMd
ad idem forte tempus A. Atüius cum quaUuor et viginti qmnquere^
mibus ad Gytheum accessit, ein genaues chronologisches zusammen-
treffen liegt ja nicht vor, die flotte war auch noch nicht da, als
Philopoimen die Lakedämonier zum eintritt in den bund veran-
laszte — sonst hätte Livius accesserat schreiben müssen — und es
ist sehr wohl möglich dasz sie erst im Spätherbst eintraf, da Livius
die innergriechischen angelegenheiten principiell so kurz als mög-
lich abmacht, so ist es gar nicht so unwahrscheinlich, dasz er hier
zwei verschiedene Vorgänge zusammengezogen hat.
^3 im wefientlicben richtige anfgefaszt von Thirlwall ao. VIII 8. 351.
wenn dieser aber sagt 'at a juncture when the contest beiween Antiochus
and the Romans was still pending in Greece,', so fehlt für das 'stilP
jeder quellenmässige anhält.
KöNiGSBERQ. Franz Rühl.
8.
EPIGRAPHISCHES.
1. Im vierten bände der ^Leipziger Studien' s. 319 macht OCur-
tius auf das verbale curiosum Trapat^vuiVTi aufmerksam, das auf
einer durch Newton veröffentlichten inschrift von Kamiros zu lesen
sei (transact. roy. soc. lit. sec. ser. XI [1878] s. 436). doch hält er
auch für möglich, dasz a in der endung nur durch zufall weggefallen
sei. auf eine dritte auffassung der form , welche wohl den vorzug
verdient, führt zunächst eine er wägung des Zusammenhangs. toOtoi
bk cuvXeT^cGujv iv KaMipuj etc tö lepöv läc 'AGavaiac, ökkq toi
IcpOTTOioi 7TapaT^[v]u)VTi, Kai dOpeövru) id lepd id Kajiiip^uuv:
^diese (dh. die KTOtväTm) sollen sich im tempel versammeln, wenn
die kpOTTOiol ankommen' usw. die kpoTroioi sind tempelbeamte.
wo halten sie sich für gewöhnlich auf; wenn sie zum zweck jener
versamlung erst ankommen müssen? und wie sollen die KTOtvärai
ihre ankunft erfahren? — In der inschrift steht gar nicht napa-
T^vuJVTi. das wort ist über zwei zeilen verteilt; am anfang der
zweiten ist eine lücke, dann folgt QNTI. am ende der vorhergehen-
den zeile steht PAPAr^. das macht zusammen TrapaTT[^X^]w)VTl:
damit ist der richtige sinn hergestellt und die falsche verbalform
entfernt.
2. Es ist wohl gestattet bei dieser gelegenheit noch einem an-
dern verbalen curiosum zu seinem rechte zu verhelfen, das in einer
PCauer: epigraphisches. 47
französischen Zeitschrift bisher, wie es scheint, versteckt gelegen
hat. in der 'revue arch^ologique' VIII (1863) s. 469 fiF. hat Wescher
ein decret der Brjkuntier auf Karpathos zu ehren eines samischen
arztes veröfifentlicht, in dem ua. angeordnet wird (z. 33 ff.) : äva6^|-
p€iv elc TÖ Icpöv Toö T7oT€ibävoc ToO TTopGjiiou | ciaXav XiGivav
Kttl dvatpäipai cic aurdv tö | ipdqpicpa, Ka9ÖT[i] Tx\xaf\e\ 6 bä|iioc
6 BpuKOuvTiujv I [M]T]vÖKpiTOv MTiTpobiJüpou CdjLiiGV USW.: *den
beschlusz aufzuschreiben, dasz (nemlich) das volk der Brykuntier
ehrt' usw. die form Tijiariei ist gewis curios und wird durch
Weschers gelehrte erörterung darüber nicht gerettet, auf dem steine
steht KAGOTETIMAHEi : daraus ist mit einer ganz geringfügigen
Änderung zu machen xaG' 5 T€Ti)Lid[K]6i, also *den beschlusz in wel-
chem das volk geehrt hat', der sinn ist nicht schlechter als vorher,
und T€Ti|udK€i ist die regelrechte form des perfects , wie es auf Kar-
pathos und in benachbarten dorischen niederlassungen gebräuchlich
war. in derselben inschrift haben wir biaT€T€X^K€i 4. 17, Y€t6v€1 11,
und auf einer inschrift von Knidos (La Bas voy. arch^ol. III n. 1572
bis = explic. s. 369) 4cTdK€i 11 und eben jenes [T6T]i|LidK€i 19.
diese formen dienen zur weitem erläuterung dessen was GCurtius
griech. verbum II' s. 200 f. über das eindringen präsentischer aus-
gänge in die conjugation des perfectums gesagt hat.
3. In der Urkunde der Aitoler CIG. 3046 = Le Bas voy. arch.
III n. 85 (in meinem Delectus n. 96) heiszt es z. 12 ff.: €i bi t(c Ka
ä-xx] f\ auToOc (touc Tiitouc) f\ tu ^k tSc nöXioc f| x^J^^Pöc, td jifev
^jilqpavfi dvttTTpdcceiv töv c[Tp]aTa[töv] kqi touc cuv^bpouc dei
Toiic evdpxouc , tujv bfe | dqpav^ujv UTTobiKOUc eljuev touc [dbiKjt]-
KÖTttC, Tivoji^vac TOic Tritoic töc dTbiKdcioc usw. überliefert ist in
der letzten zeile dxviiKÖiac. Böckh hat dies geändert, Wad-
dington aber (in den ^explications des inscriptions' zu Le Bas' werk
s. 41 f.) sucht die form zu erklären, indem er ein verbum dxv^u)
annimt in der bedeutung ^causer de la douleur*. die etymologie
wäre klar; aber eine andere spur dieses verbums findet sich, so viel
ich weisz, nirgends. — BHaussouUier hat im Bull. corr. Hell. V
(1881) s. 372 ff. n. 3 ein ebenfalls aitolisches decret veröffentlicht,
in dem z. 5 zu lesen ist: dTraugriKubc Tdji ßactXefav Kai dv Tdv kqX-
XiCTav bidO€Civ dTVTiKUüC. es gab also in diesem dialekt ein verbum
dtvduj, gleichbedeutend mit äfw. dasselbe passt nun auch an jener
ersten stelle aufs beste in den Zusammenhang, indem es sich auf das
vorhergehende ei bd Tic Ka äfv^ zurückbezieht, die aspiration in
dxvT]KÖTac hat nichts auffallendes, wenn man sich des einflusses
erinnert, den v auch sonst in ähnlicher weise auf benachbarte gut-
turallaute ausübt, wovon trdxVTi neben Tidtoc ein beispiel ist und
mit anderen von GCurtius grundzüge^ s. 510 besprochen wird.
Berlin. Paul Caüer.
48 ATeuber: zu Florue [I 87],
9.
ZU FLORÜS.
Von den Cimbern, welche sich in Norditalien festgesetzt hatten,
heiszt es bei Florus 1 37 (s.Gl, 16 ff. Jahn) : $i statim infesto agmine
urbem petissent, grande discrimen; sed in VenäiUy quo fere tradu
Italia moüissima est , ipsa soU caelique dementia rohur danguU. ad
hoc panis usu carnisque codae d dtdcedvne vini mitigatos Marius in
tempore aggrtssus est. venere HU quam d in harharis muUa vestigia
diem pugnae a nostro imperatore pdierunt, d sie proximum dedit.
in patentissimo y quem Baudium vocant, campo concurrere. die voll-
ständig sinnlosen worte quam d in harharis muUa vestigia , welche
nebst den vorhergehenden ed venere iUi im Bambergensis weg-
gelassen sind , bedürfen noch einer bessern emendation , als sie bis
jetzt in den texten zu lesen ist. OJahn schlug vor: venere üico, nam
mdus in harharis nuUa vedigia; diem pugnae usw., was von Halm
im ganzen gebilligt worden ist, der mit kleinen ab weichungen den
text folgendermaszen gestaltet hat: venere ipsi — nam mdus in har-
haris nuUa vedigia — d diem pugnae usw. doch widerstrebt die
nüchterne bemerkung mit nam dem emphatischen venere an der spitze
des Satzes, auch hat HSauppe *de arte critica in Flori bellis recte
facienda' s. 19 mit recht daraufhingewiesen, dasz bei dieser emen-
dation sich eine art von Widerspruch zum vorhergehenden ergebe:
denn wenn jetzt den barbaren furchtlosigkeit beigelegt werde, so
könne der sieg über sie nicht als leichter gelten , wie er doch den
verweichlichten gegenüber erscheinen soll, infolge dessen schlägt
er statt venere iUi quam usw. vor: atque rei iUius (sc. der Verweich-
lichung) tamdsi in harharis muUa vedigia y diem . . pdienmt —
wenig glücklich , wie es mir scheint, aus dem gedankenzusammen-
hang geht vielmehr folgendes hervor: dasz die Cimbern den tag
zum kämpfe dem Marius zu bestimmen anheimgeben, imponiert dem
Florus ganz besonders; man erwartet daher einen ausruf der bewun-
der ung darüber, dasz barbaren einer solchen handlung fUhig seien,
von vedigia musz daher ein genitiv abhängig sein, durch welchen
den barbaren noch etwas mehr als blosze furchtlosigkeit beigelegt
wird, so scheint denn in muUa ein fehler zu stecken; sieht man
dies wort als corruptel näher an, so verfällt man leicht darauf, dasz
darin aUus enthalten ist, was für den ganzen gedankenzusammen-
hang sehr gut passt. das m in mtUta scheint rest einer abbreviatur
für animi zu sein, statt quam ergibt sich leicht quanta. die ganze
stelle möchte ich daher folgendermaszen verbessert wissen: venere
Uli; q Hanta d in harharis animi alti vestigia: diem pugnae a
nostro imperatore pdierunt usw. 'da rückten jene heran; wie deut-
liche spuren vornehmer gesinnung, trotzdem sie barbaren waren! sie
baten unsem feldherm den tag zur schlacht zu bestimmen.'
Eberswalde. August Teubeb.
OMeltzer: anz. y. EPais la Sardegaa prima del dominio Bomaao. 49
10.
LA SARDE6NA PRIMA DEL DOMINIO ROMANO. STUDI STORICI ED ARCHEO-
LOOioi DI Ettore Pais. con sette tavole. Roma, coi tipi
del Salviucci, 1881. [reale accademia dei Lincei, anno CCLXXVIII
(1880—81)]. 126 8. gr. 4.
Durch die vorsiebend genannte arbeit wird für Sardinien im
wesentlicben dasselbe erstrebt und erreicht, was für Sicilien in dem-
selben Zeitraum AHolm unter allgemeiner und verdienter anerkennung
geleistet hat: eine möglichst umfassende Zusammenstellung und kri-
tische Sichtung unsers geschichtlichen Wissens, die doch dabei auch,
weit entfernt nur die ziele einer blossen oompilation zu verfolgen,
die forschung selbständig weiterzuführen strebt, die verhältnis-
mftszig weit geringere Wichtigkeit des gegenständes seiner darstel-
lung für die allgemeine geschichte verhehlt sich Pais selbst durchaus
nicht, wie sie denn auch in dem äuszem umftog seiner arbeit gegen-
über den zwei bisher erschienenen b&nden Holms zum ausdruck
kommt; das unternehmen selbst bleibt, zumal da es in so anerkennens-
werter weise ausgeführt worden ist, darum nicht minder dankenswert,
zugleich wird uns die fortsetzung desselben über die zeit der römi-
schen hersohaft in einem zweiten bände versprochen.
Der vf., ein schüler Domenico Comparettis , dem er auch seine
arbeit gewidmet hat, seit einigen jähren gymnasialprofessor und
vorstand des archftologischen museums der Universität zu Sassari
auf Sardinien, hat sich bereits durch mehrere historisch-antiquarische
arbeiten auf verwandten gebieten bekannt gemacht, kürzlich weilte
er, von der italiänischen regierung gesandt, längere zeit in Deutsch-
land, um sich besonders unter Mommsens leitung für eine künftige
beteiligung an wichtigen epigraphischen arbeiten noch weiter zu ver-
vollkomnen. er legt bei seiner Untersuchung umfassende Sachkennt-
nis, klaren blick und ein vorsichtiges urteil an den tag — Vorzüge
welche hinreichend zu schätzen wissen wird, wer nur irgend gelegen-
heit gehabt hat von der vielfach überaus bedenklichen beschaffenheit
des zu verwertenden materials eine anschauung zu gewinnen, durch
einen falsch verstandenen localpatriotismus sich irre führen zu lassen
hatte er, der nicht von geburt Sarde ist, nicht einmal äuszem an«-
lasz. geradezu staunenswert ist es , in welchem umfang er die litte-
ratur über seinen gegenständ zur benutzung heranzuziehen verstanden
hat. hier finden wir nicht nur, womit wir gewis schon ganz zufrieden
hätten sein können, diejenige Italiens, sondern auch diejenige des
ausländes und namentlich Deutschlands bis auf dissertationen und
aufsätze von geringer ausdehnung und bis auf die neueste zeit herab
in ihren ergebnissen verwertet.
Im ersten capitel (s. 7 — 23 '1 Shardana deir Egitto ed i Sardi;
le colonie libiche e le iberiche') nimt er seinen ausgang von den
bekannten altägyptischen darstellungen und inschriften, in welchen
kämpfe der könige Eamses 11, Menephtah I und Bamses III mit
JahibQcher fUr das«. philol. 1883 hfU 1. 4
50 OMeltzer : asz. v. EPais la Sardegna prima del dominio Romano.
libyschen stSmmen und überseeischen verbündeten derselben behan-
delt werden, bzw. auch söldner ans einer der letztem Völkerschaften^
die mit dem namen Shardana bezeichnet wird, als in ägyptischen
diensten befindlich erscheinen, die füglichkeit den namen Shardana
(um von den Sakalsha, Tuirsha usw. hier zu schweigen) auf Sar-
dinien zu beziehen, wie sie zuerst de Boug6 im j. 1867 aussprach,
würde von dort her den ersten lichtstrahl auf die geschichte der insel
fallen lassen, eine weitere frage nun , welche sich alsbald hieran
schlosz, nemlich ob nicht Sardinien sogar direct von Ägypten irgend-
welche bevölkerungs- und culturelemente empfangen habe, ist ja
seitdem allerdings auch schon wieder zur Verneinung reif geworden,
das als hauptsächlichstes argument dafür benutzte vorkommen zahl-
reicher und zum teil anscheinend auf eine sehr frühe zeit zurück-
weisender ägyptischer oder ägyptisierender altertflmer auf der insel
i&.t durch die forschungen ERenans und WHelbigs über den Charakter
der phönikischen kunstübung auszer kraft gesetzt, und der vf. schlieszt
sich den ergebnissen derselben überall mit wohlberechtigter ent-
schiedenbeit an, obwohl er übersieht dasz die sache im lichte von
OEbers' Eaphthor-theorie denn doch noch einigermaszen anders ge-
artet erscheinen würde als unter der ihr von Chabas und seinen
anhängern gegebenen beleuchtung, gegen welche er seinerseits sich
hauptsächlich wendet, übrigens wird durch die dieser angelegenheit
zu teil gewordene entscheidung die an erster stelle bezeichnete
frage schlieszlich nicht unmittelbar berührt, was auszerdem gegen
de Roug6s anschauung, wonach die zu jener zeit schon in diesen
ihren Wohnsitzen befindlichen bevölkerungen Sardiniens, Siciliens
usw. raubzüge nach Africa und in gemeinschaft mit libyschen stam-
men einfalle in Ägypten unternommen hätten, zur zeit sich vor-
bringen läszt und auch von Pais vorgebracht wird , kommt am ende
doch nur auf allgemeine Wahrscheinlichkeitsgründe hinaus, wir
werden den Vertretern jener ansieht, auch wenn wir uns ihnen nicht
unbedingt anschlieszen wollen , doch das recht zugestehen müssen,
derartigen einwendungen entgegenzuhalten , es sei eben nicht das
erste mal, dasz durch neue Urkunden ein völlig neues licht über dinge
verbreitet werde , von denen die bis dahin vorhandene Überlieferung
nichts habe ahnen lassen ; speciell im vorliegenden fall aber seien im
wesentlichen dieselben bedenken , wie gegen de Roug^s theorie « so
auch gegen die im anschlusz an ünger, Hal^vy, Duncker ua. von
Pais adoptierte anschauung zu erheben, nach welcher die Shardana usw.
ihrer herkunft nach libysche Völker und nach der zeit jener angriffe
auf Ägypten aus Libyen in ihre spätem Wohnsitze übergesiedelt
seien, bis auf weiteres werden wir uns doch mit dem bewustsein
bescheiden müssen , dasz ohne neues material ein gültiger Spruch in
der frage nicht zu fällen ist.
Seinerseits sucht nun allerdings der vf. die zuletzt bezeichnete
theorie weiter zu begründen, indem er die zuerst durch WvHumboldt
wissenschaftlich vertretene annähme von der Zugehörigkeit der ur-
OMeltzer: anz. v. EPais la Sardegna prima del dominio Romano. 51
bevölkerüDg Sardiniens zum iberischen stamm wenn nicht in abrede
zu stellen, so doch nach möglichkeit zu beschränken, dagegen Zeug-
nisse für einen Zusammenhang derselben mit der libyschen rasse aus
der Oberlieferung, aus der läge, den Ortsnamen und altertümem der
insel zu gewinnen sucht, ref. gesteht dasz ihm in dieser Untersuchung
wohl alles eingehend erwogen erscheint, bis hinaus auf den einflusz,
welchen die entscheidung der Vorfrage über die herkunft der Balearier
und Iberer , sowie über den weg auf dem diese in ihre historischen
Wohnsitze gekommen seien , auf die beurteilung der sache ausüben
musz. doch wollen ihm weder die Schlüsse aus namensanklängen
noch aus der kläglich verworrenen, in sich selbst widerspruchsvollen
tradition recht zwingend vorkommen, als haltbarste stütze für die
annähme einer altlibjschen einwanderung spontaner art will ihm
immer noch der hinweis auf die geographische läge der insel er-
scheinen , und noch immer vermag er sich nicht so leicht von der
Vorstellung zu trennen, dasz, was etwa von libyschen dementen auf
Sardinien in historisch erkennbarer zeit vorhanden gewesen ist, unter
der karthagischen herschaft und durch dieselbe dort eingang ge-
funden habe.
Der Urbevölkerung der insel , wie wir sie im gegensatz zu den
unter historisch erkennbaren Verhältnissen eingewanderten Phöni-
kern; Karthagern und Böniern mit ihrem anhang nennen wollen,
werden bekanntlich allgemein die Nuraghen, jene merkwürdigen
turmartigen bauwerke, zugeschrieben, deren über 3000 in mehr oder
weniger wohl erhaltenen resten, einzeln und in sehr einfachen formen
wie in ganz eigentümlichen gruppenbildungen und complicierten
Zusammenstellungen, auf der insel nachweisbar sind, sie behandelt,
neben anderen altertümem verwandter art ('tombe dei giganti'),
das zweite capitel (s. 23—47 'i Nuraghi'). der vf. hat selbst eine
an zahl derselben untersucht und dabei interessante beobachtungen
gemacht, in der hauptsache muste er sich freilich an dem von andern,
besonders von A. della Marmora, zusammengebrachten und bei aller
reichhaltigkeit doch noch keineswegs recht ausreichenden material
genügen lassen, hier wäre vor allem eine erneute Untersuchung
des thatbestandes , zugleich umfassend und gründlich, wenn auch
möglichst schonend, mit beobachtung aller der anforderungen, welche
die heutige Wissenschaft an eine solche stellen musz, am platze ; auch
eine vollständige kartographische darstellung über die räumliche
Verteilung der betre£fenden untersuchungsobjecte müste natürlich
damit verbunden sein und würde schon für sich allein die erkenntnis
zweifellos erheblich fördern, über die kräfte ein«s einzelnen würde
derartiges allerdings hinausgehen, die frage nach dem zweck der
Nuraghen sucht der vf. mit recht nicht, wie fast durchaus seine
Vorgänger, unter nur Einern gesichtspunkte zur lösung zu führen,
sondern läszt dieselben eine entwicklung durchlaufen, innerhalb
deren von den mit einander streitenden meinungen über die erfolgte
benutzung der baulichkeiten als gräber oder cultusstätten oder ver-
4*
52 OMeltzer : auz. y. EPais la Sardegna prima del dominio Romano.
teidigungswerke oder endlich — was freilich nur in beschrftnktestem
masze in betracht kommen kann — als Wohnungen eine jede ihren
angemessenen platz findet, die ausführungen des yf. , durch welche
hinsichtlich des Ursprungs der Nuraghen jeder gedanke an ein zurück-
gehen auf phönikische oder etruskische anregung au8ge8ohlos869
wird , sind nur zu billigen ; dabei wird aber doch auch zugegeben,
dasz in einer gewissen veryollkomnung ihrer bauart, gleichwie in
der fabrication von waffen, Schmucksachen udgl., die häufig in und
bei Nuraghen gefunden werden, ein phönikischer einflusz zu erkennen
sei. Yor einer naheliegenden misdeutung des begriffes 'prähisto-
rischer' altertümer, den man ja leicht auf die Nuraghen anwenden
kann, hütet sich der vf. wohl,, denkt sich vielmehr im gegenteil und
mit recht den culturkreis, welchem dieselben angehören , bis in die
historische zeit der insel herab lebendig fortdauernd, der versuch
auch aus dem hier behandelten material einen beweisgrund für den
libyschen Ursprung der betreffenden bevölkerung zu gewinnen scheint
allerdings denselben bedenken zu unterliegen wie die früher er-
wähnten, die etymologischen anklänge sind doch eingestandener-
maszen sehr wenig stichhaltiger natur , die übrigen momente aber
weisen ebensogut, wie nach Libyen, über die Balearen nach Spanien
(wozu vgl. den nachtrag s. 121). schlieszlich möchte dem nach weis
von ähnlichkeiten in solchen, wir möchten sagen, allgemeinen lebens-
äuszerungen des menschlichen geistes überhaupt nur eine bedingte
beweiskraft zugestanden werden.
Hinsichtlich der in den capiteln lU (s. 47 — 61 'le fattorie fe-
nicie; tentativi per parte dei Qreci di colonizzare la Sardegna; gli
Etruschi ed i Liguri ; Cartagine esclude gli altri popoli e disegna la
conquista deir isola') und IV (s. 62 — 77 4a dominazione cartaginese
neir isola') behandelten fragen steht der vf. durchgängig im wesent-
lichen auf demselben Standpunkt, welchen ich zuletzt in meiner dar-
stellung der altem k^'thagischen geschichte vertreten habe, eine
ergänzung gibt der hinweis auf die Stadt Olbia im nordosten der
insel, deren griechischen Ursprung ihr name bezeugt, deren Schick-
sale freilich nur vermutungsweise, aber sicherlich in der vom vf.
angedeuteten richtung, zu bestimmen sind, dafür wird der versuch
die traditionen über lolaos zu griechischen ansiedelungsversuchen
auf der insel und ihrer Vereitelung durch die Karthager in beziehung
zu setzen als nicht völlig geglückt bezeichnet werden dürfen, den
anschauungen, welche sich der vf. auf grund der allerdings nur sehr
spärlichen und vielfach getrübten Überlieferung; der Verbreitung
von namen und altertümem phönikischen Charakters , späterer ana-
logien und geographisch-ethnographischer Wahrscheinlichkeitsgründe
über die beziehungen der Phöniker zu den Ureinwohnern und ihre'
einflüsse auf dieselben , über die ausdehnung und den Charakter der
karthagischen herschaft auf der insel gebildet hat, wird man gern
beipflichten , auch wenn man sich mit ihm nicht verhehlt , dasz hier
mehrfach die gewinnung einer gewissen Wahrscheinlichkeit schon
OMeltzer: anz. v. EPais la Sardegna prima del domiino Romano. 53
das äuszerste mit unsem mittein wreichbare darstellt, der versuch
einen stamm der Sardi, nach welchem die insel bei den aasw&rtigen
Völkern benannt worden wäre, von den unabhängig gebliebenen
bergstämmen abzusondern ist interessant , führt uns nur aber auch
in letzter instanz immer wieder auf die vorher zu entscheidende
frage wegen einer altlibyschen einwanderung zurück, denn der ge-
danke an eine solche, dem auch der vf. sich zuneigt, nicht an eine
durch Karthago vorgenommene Verpflanzung von Libyern, würde
uns durch das frühe vorkommen des namens Capbui bei den Griechen
doch geradezu aufgenötigt werden, wenn noch in neuerer zeit im
norden der insel die bezeichnung der bewohner ihrer südlicheren
teile als Sarden mit einer gewissen geringsohfttzigen nebenbedeutung
verbunden ward, so würde das, selbst alle anderweitigen Voraus-
setzungen zugegeben, doch kaum in dem vom vf. behaupteten sinne
als beweiskräftig gelten können, da ja dort, in der auch äuszerlich
so eigentümlich von dem gesamtkörper der insel abgesonderten
Oallura, eine von Corsica herübergekommene bevölkerung als grund»
läge der spätem nachgewiesen ist.
Im übrigen sehen wir , um das wesen der karthagischen her-
schaft auf der insel verständlicher zu machen , wiederholt hinweise
auf die Verhältnisse späterer, lichterer zeiten mit geschick und zu-
gleich mit masz benutzt.
Die durchgängige billignng, welche ref. abgesehen von wenigen
einzelheiten gegenüber den vom vf. vertretenen anschauungen über
die begründung, art und ausdehnung der karthagischen herschaft
auf Sardinien hier auszusprechen gesonnen ist, darf allerdings jetzt
nicht mehr ohne eingehendere Verteidigung bleiben, hat doch in
einer fast gleichzeitig mit Pais' buche erschienenen Untersuchung kein
geringerer als GFÜnger der zuletzt vom ref. ausgeführten ansieht
über die zuerst im sechsten jh. vor Ch. stattgefnndene karthagische
besitzergreifung überhaupt jede berechtignng abgesprochen, diesen
act vielmehr nur auf die zeit zwischen 383 und 379 vor Ch. ver-
legen zu können erklärt (rhein. mus. XXXYII s. 153 — 205: römisch-
punische vertrage; speciell über Sardinien s. s. 165—172). indem
derselbe die bisher vorgebrachten gründe für und wider die zulässig-
keit der Polybischen datierang des ersten römisch-karthagischen
Vertrags gegen einander abwägt, findet er dasz gerade d6r factor,
welcher besser als viele andere unter jenen argumenten über die
zeit der von dem vertrag vorausgesetzten Verhältnisse aufzuklären
vermöge, am wenigsten zu diesem zwecke verwendet worden sei :
die betraehtung der punischen geschidite nemlich lehre , dasz Kar-
thago zur zeit des Brutus die in der Urkunde angegebene herschaft
über Sardinien und Sicilien noch nicht besessen habe, die eingehende
begründung dieses einspruches wird nun unternommen und durch
weitere, aus den Urkunden als solchen und aus den römisch- italischen
Verhältnissen abgeleitete einwände gegen die bei*echtigung der Poly-
bisdran datierung zu verstärken versucht
54 OMeltzer: anz. v. EPais la Sardegna prima del dominio Romano.
Indem ich mich anschicke den auf Sardinien bezüglichen teil
dieser darlegung, wie es in der vorliegenden Verbindung allein mög-
lich ist, zum gegenständ einiger erwiderungsversuche zu machen,
darf ich vielleicht zunächst eine so zu sagen zu meinen gunsten auf-
gestellte Voraussetzung (ao. s. 154) ablehnen, die annähme, dasz
mir der wahre Sachverhalt — in Ungers sinne gesprochen — zwar
nicht habe verborgen bleiben können, ich aber nur das von andern an
der römischen geschichte geübte verfahren, sie aus den im sinne des
Pol jbios datierten angaben der Urkunde zu corrigieren, auf die kartha-
gische übertragen habe , kann ich auch nicht einmal in ihrem ersten
teile für mich als gültig anerkennen, gewis habe ich den betreffenden
vertrag, wie ich das nach meiner aus andern gründen abgeleiteten an-
sieht über das alter desselben nicht anders konnte , zur beleuchtung
der damaligen Verhältnisse Sardiniens benutzt: auf die bilduhg der an-
sieht von der zeit seiner hereinziehung in den karthagischen macht-
bereich hat jene datierung, soviel ich weisZ; einen bestimmenden ein-
flusz nicht ausgeübt, auch ohne rücksicht darauf würde die darstellung
der Schicksale Sardiniens im wesentlichen dieselbe geworden sein.
Die darlegungen über die seit dem achten jh. vor Ch. drohende
Verdrängung der Phöniker auch aus dem westlichen Mittelmeer-
becken und ihren unter Karthagos führung organisierten widerstand
dagegen sind hier nicht zu wiederholen, soweit Sardinien dabei in
frage kommt, ist das material'zwar sehr dürftig, aber doch aus-
reichend um einen allgemeinen überblick über die Schicksale der
insel zu gewinnen.
Dasz die anerkannte thatsache des Vorhandenseins altphöni-
kischer colonien auf derselben schon an sich eine gewisse Voraus-
setzung dafür erweckt, dasz Karthago diese im gleichen Zusammen-
hang mit andern in sein System hineingezogen habe, wird nicht leicht
in abrede gestellt werden können, sicherlich hat eine derartige an-
nähme schon an innerer Wahrscheinlichkeit, wenn ich so sagen darf,
einiges vor der andern voraus, welche nicht ohne eine gewisse künst-
lichkeit der beweisführung würde erklären können, wie jene alt-
phönikischen orte noch mehr als anderthalb Jahrhundert sich ohne
jenen schützenden rückhalt zu halten im stände waren, wie es kam
dasz Sardinien von jeder ernstlichen griechischen invasion verschont
blieb, wie endlich die ezistenz jener Phönikergemeinden sich in den
rahmen des angenommenen karthagisch- etruskischen neutralisations-
Vertrags über Sardinien einfügte.
Nun sind zwar derartige eindrücke, wie ich gern zugestehe,
weit davon entfernt eine ausreichende beweiskraft zu besitzen ; masz-
gebend waren aber auch sie für mich ebensowenig wie die Poljbische
datierung des ersten römisch-punischen Vertrags , sondern der um-
stand dasz wir um die mitte des sechsten jh.* ein karthagisches
* wiederholt sei jedoch der Hinweis darauf gestattet (vgl. jahrb. 1873
8. 229), dasz der bei Orosins lY 6 an die erzählung über Malchns an-
geknüpften Zeitbestimmung ein qnellenmäsziger wert nicht zukommt.
OMelUer: anz. y. EPais la Sardegna prima del dominio Romano. 55
lieer unter Malchos aaf der insel krieg führen sehen und dasz
Karthago im j. 537; 6 mit den Etruskem gemeinschaftlich gegen
die aof Corsica angesiedelten PhokSer einschreitet, eine thateache
welche andernfalls gar nicht recht verständlich wird, freilich ist
Malehns mit groszem yerlust geschlagen worden, aber indem neben
dieser bloszen angäbe gänzlich unerwähnt bleibt, ob durch die be-
treffende niederlage eine erstrebte karthagische festsetzung auf der
insel flberhaupt vereitelt oder nur eine bereits vollzogene in irgend-
welchem umfang wieder rückgängig gemacht, bzw. eine beabsichtigte
besitierweiterung verhindert wurde, verliert dieselbe in bezug auf
die hier zn erörternde frage alle ausschlaggebende bedeutung. ich
glaube eben, mit rücksicht auf die anderweit obwaltenden verhält-
niase, sie in dem letztgenannten sinn auslegen zu sollen : die kartha-
gische festsetzung war erfolgt und wurde durch die niederlage nicht
«ofgehoben. gerichtet war jene der absieht und, wie ich glaube, auch
dem bereits damals erzielten erfolge nach auf die beherschung der
kfisienzone', welche übrigens keineswegs eine herschaft über die
letitere im buchstäblichen sinne um den ganzen umfang der insel
xa sein brauchte, und sie verdiente einen solchen namen ebensogut,
wie sie den beabsichtigten zweck erfüllte, wenn sie ausreichte fremde
ansiedier fernzuhalten, in diesem sinne würde sich auch kein Wider-
spruch zwischen der auf Sidlien und der auf Sardinien bezüglichen
bestimmung im ersten römisch-punischen vertrag ergeben, falls man
diesen mit Zugrundelegung der Polybischen datierung betrachtet,
auf Sicilien gab es neben dem karthagischen herschaftsbereich,
mochte derselbe nun mehr oder weniger ausgedehnt sein', jederzeit
dvilisierte Staaten, gab es gebiete welche für römisch- latinische
handelsbeziehnngen in betracht kamen, auf Sardinien nicht
Ganz derselben beirachtnng, wie die kriegerische thätigkeit des
Malchus auf Sardinien, ist weiterhin diejenige des Hasdrubal (Justi-
nus XIX 1) zu unterziehen, was über ihren ausgang verlautet^ be-
zieht sich auf das mislingen eines Versuchs zur erweiterung , nicht
eines solchen zur begründung einer karthagischen herschaft auf der
insel. nebenher sei die bemerkung gestattet, dasz, wenn wir die
letztere mit Unger als durch das karthagisch-etruskische bündnis^
' ihre bedentnng wird von Unger ao. s. 165 aum. völlig zutreffend
dargestellt, dagegen ist meine aoffassung von der Sachlage kurz vor
der entspreebeiiden stelle im tezt nicht ganx vollständig wiedergegeben.
' dasz der in den beiden ersten vertragen gebrauchte aosdmck
CiKcXia f\c KoipxT)^<Wiot ^irdpxouav einen schlusz aof die aosdehnung
des betreffenden gebiets^gestatte, wie Unger ao. s. 172 will, kann nicht
zagestanden werden. — Ü'ber den gebrancb von ^irtKpdTCta und ^iropxia
ist jabrb. 1878 s. 234 f. gehandelt forden (wo es übrigens s. 235 z. 11
heiszen moss 'sich so gebraucht findet' statt 'sich so sebr gebraucht
findet'}. * den abscblusz desselben verlegt, besonders nach maszgabe
der aoBfuhrnng auf s. 168 a. e., auch er anscheinend in das sechste jb., in
die zeit des gemeinsamen einschreitens gegen die Phokäer in Alalia, wäh-
rend er anderseits den tod des Hasdrubal gegenüber meiner ansetzung
sogar noch um etwa 20 Jahre, bis gegen 490 vor Ch., herabrückt.
56 OMelUer: anz. v. EPais la Sardegna prima del dominio Romano.
neutralisiert betrachten wollten, das unternehmen doch im wider*
Spruch zu diesem vertrag und seinen Verpflichtungen gestanden
haben und eine besondere erklftrung erfordern würde, nun gesteht
Unger für die nach seiner ansieht zwischen 383 und 379 erfolgte
kai-thagische besitzergreifnng in der that solches zu und sucht es zn
erklären , aber dies gerade mit berufung auf eine eben damals zom
abscblusz gekommene fundamentale Veränderung der Verhältnisse
gegen frtther. wie sollten, so dürfen wir wohl fragen, die Etrusker,
deren macht zu Hasdrubals zeit in ihrer höchsten blute stand , einen
karthagischen versuch zur Verschiebung der sei es durch vertrag sei
es auch nur durch die umstände geregelten besitzverhältnisse der
insel geduldet haben? lassen wir femer die darüber zweifellos zum
ausbruch gekommene differenz wieder ausgeglichen gewesen sein:
würde es auch dann gerade sehr wahrscheinlich sein, dasz die fitrusker
wenig mehr als zehn jähre später einen so unzuverlässigen bundes-
genossen so thatkräftig unterstützt hätten , wie es Unger s. 168 —
wenn auch mit unrecht — annimt? zugegeben endlich, die beiden
letztgenannten einwände lieszen sich beseitigen, so würde doch immer
noch eine inconsequenz übrig bleiben : wenn Karthago durch Has*
drubal trotz der bestehenden vertrage einen solchen versuch untere
nehmen konnte, wie läszt sich dann (vgl. s. 172) die thatsache eines
römischen eingreifens in die sardinischen Verhältnisse im j. 368 der
Stadt als beweisgrund gegen die existenz eines karthagisch-römischen
Vertrags zu dieser zeit benutzen?
Weitere gründe gegen das bestehen einer karthagischen her-
schaft auf Sardinien vor dem von ihm angenommenen Zeitpunkte
leitet Unger aus dem wiederholten auftauchen griechischer plane
auf oceupation der insel in der zeit von etwa 545 bis 490 vor Gh.
ab: zwei thatsachen wie die genannten seien absolut unvereinbar
mit einander, also komme gegenüber der unbestreitbaren existenz
der letztern die glaubwürdigkeit der erstem in Wegfall, indem ich
mich gegen die gültigkeit dieser schluszfolgerang wende , lege ich
noch nicht einmal gewicht darauf, dasz der erste und bedeutsamste
jener Vorgänge (Blas' verschlag an die lonier, um 545 vor Ch.;
Herod. I 170) in eine zeit gehört, zu welcher wir die karthagische
festsetzung auf Sardinien etwa gerade sich vollziehen oder soeben
erst vollzogen sein lassen, also den Griechen des Ostens noch keines-
wegs eine deutliche Vorstellung von diesem Vorgang und seiner be-
deutung aufgegangen zu sein brauchte, denn ich bin Überzeugt dasz,
wenn an jene erscheinnngen überhaupt sehluszfolgemngen anzu^
knüpfen sind, dieselben sich doch in einer ganz andern richtung zu
bewegen haben, dasz bei den Griechen im andenken an jene schöne
zeit, da ihnen anscheinend der ganze westen zu mühelosem erwerb
offen gestanden hatte , der gedanke an erwerbungen daselbst fort-
lebte, wenn auch jetzt schon weniger gewinnsucht und frohe wage-
lust als not und bedrängnis daheim der eigentlich treibende factor
war, ist wahrlich nicht zu verwundem; auch dasz dabei Sardinien
OMeltzer: anz. v. EPais la Sardegna prima del dominio Romano. 57
besonders — und wir möchten wobl sagen, streng genommen über
sein verdienst hinaus — hervortrat, erklfirt sich leicht, fttr die be-
nrteilung der frage aber, ob in der beirefifenden zeit bereits jemand
ein interesse daran und die macht dazu hatte, griechischen gelüsten
auf eine festsetzung daselbst entgegenzutreten , kommt doch wohl
vor allem der umstand in betracht, dasz es in keinem dar genannten
fälle auch nur zu einem veirsuch der ausführnng jener plane ge-
kommen ist.
Allerdings wird an einen derselben auch noch eine weitere er-
wägung geknüpft: wie könnte, wenn Karthago die insel beherschte,
Histiaios dem groszkönig Dareios gegenüber sich erboten haben ihm
dieselbe zu unterwerfen (Herod. V 106) , da dieser sich im genann-
ten falle doch schon als ihren legitimen oberherm betrachten muste ?
indes selbst wenn die frage, ob der groszkönig denn wirklich so ge-
nau über die Verhältnisse Sardiniens unterrichtet zu sein brauchte,
zu bejahen wäre , wenn femer anzunehmen wäre dasz damals Kar-
thago schon ausdrücklich seine Oberhoheit anerkannt habe, was
würde uns hindern zu glauben, dasz er den ihm vorgespiegelten
plan dennoch acceptiert habe, um an die stelle der nur ideellen ab-
hängigkeit der insel eine reellere zu setzen? würde doch obendrein
ein solches unternehmen, ganz nach dem recept des Bias zugeschnit-
ten, wie es war, für jeden fall die unruhigen lonier nach auswärts
abgeleitet haben, unter diesem gesichtspunkt war es für das per-
sische reichsinteresse sogar ziemlich gleichgültig, ob dasselbe logisch
berechtigt, ob es aussichtsvoll war oder nicht, schlieszlich musz
freilich im hinblick auf den durchaus schwindelhaften charakter des
betreffenden anerbietens und auf den in Wahrheit damit verfolgten
zweck die berechtigung einer benutzung desselben zu ernsthaften
schluszfolgerungen auf die Verhältnisse der insel überhaupt frag-
lich bleiben.
An letzter stelle leitet Unger einwendungen gegen den bestand
einer karthagischen herschaft auf Sardinien vor der von ihm ange-
nommenen zeit aus dem mangel an nachrichten über dort statt-
gefundene aushebungen für das karthagische beer ab , während bis
zu dem betreffenden Zeitpunkte von sardischen söldnem , aber auch
nur von solchen, ausdrücklich die rede sei. dieselben dürften jedoch
insgesamt und ohne weiteres dadurch hinföllig werden, dasz — wenn
mich meine samlungen auf diesem gebiete nicht trügen — nach dem
betreffenden Zeitpunkte sardische truppen in karthagischen diensten
überhaupt nicht erwähnt werden, somit zu folgerungen der gedachten
art aus einer lücke der Überlieferung für die vorangegangene periode
uns die berechtigung abgeht.
und wie wenn eine solche lücke obendrein nicht einmal mit
hinreichender gewisheit zu statuieren wäre? denn wenn Unger
meint, die sardischen truppen, die für das j. 392 vor Ch. bei Diodor
XIY 95 zwischen libjrschen und italischen erwähnt werden, möchten
gleich den letztem Söldner gewesen sein , so werden wir nicht blosz
58 OMeltzer: anz. v. EPais la Sardegna prima del dominio Romano.
rein an sich mit ebendemselben recht die gegenteilige Vermutung
aussprechen dürfen, dasz sie gleich den ersteren ausgehobene ge-
wesen sein könnten , sondern es spricht auch dafür die fassung der
Worte selbst in weit höherem grade, wenn ich dieses arguments
mich bediene, so geschieht es allerdings ohne dasz ich selbst erheb-
lichen wert darauf legte, kann ich doch im gegenteil für meine
person den eindruck nicht verhehlen, dasz neuerdings namentlich
in quellenuntersuchungen eine richtung überhand zu nehmen droht,
welche auf äuszerlichkeiten im Wortlaut der abgeleiteten darstel-
lungen meist viel zu viel baut, ohne ausreichend zu berücksichtigen,
wie viel von dem gehalt der Urquellen, ganz abgesehen noch von
jeder be wüsten absieht der aus ihne^ schöpfenden darsteller, ab-
gesehen von allen durch sie hineingetragenen motivierenden erklä-
rungen und ausmalenden erweiternngen , selbst ganz unwillkürlich
bei dem bloszen durchgang durch köpf und band derselben wegfUllti
sich verschiebt, eine andere fftrbung annimt. es gilt das noch jeden
tag und für jeden Verfasser einer historischen darstellung, mag er
— was obendrein bei den antiken geschichtschreibem in der regel
beiderseits nicht der fall war — die strengste wissenschaftliche
Schulung genossen haben und ausschlieszlich wissenschaftliche ziele
verfolgen, wie die Selbstbeobachtung eines jeden unter ihnen be-
stätigen wird, und eben der mangel solcher erfahrungen an sich
selbst trttgt unter anderm gewis vieles mit dazu bei , dasz uns so
häufig die Verfasser der beliebten 'quellendissertationen' den zu-
weilen höchst fragwürdigen Wortlaut einer abgeleiteten darstellung
glattweg für denjenigen der — übrigens immerhin oft richtig eru-
ierten — Urquelle ausgeben, dasz sie einerseits bei unwesentlich
variiertem ausdruck sofort auf eine andere quelle schlieszen, ander-
seits bei dingen, zu deren bezeichnung jemand, wenn er sie überhaupt
erwähnen will, selbst mit dem besten willen keine anderen ausdrücke
in der spräche findet, auf eine abhängigkeit desselben von einer be-
stimmten quelle , die sich einigermaszen entsprechender ausdrücke
bedient, schlieszen möchten, und was dergleichen mehr ist. kehren
wir von dieser allgemeinen bemerkung , der ich vor allem nur noch
den wünsch hinzufügen möchte , sie nicht misdeutet und in falscher
richtung bezogen zu sehen , zu unserm gegenständ zurück , so kann
ich auch einer weitern betrachtung üngers nicht beistimmen, ich
kann die berechtigung nicht anerkennen , der nichterwähnung sar-
discher truppen für den feldzug des j. 480 vor Ch. bei Diodor XI 1
neben der erwähnung solcher bei Herodot YII 165 eine selbständige
bedeutung einzuräumen und beide neben einander zu selbständigen
Schlüssen zu benutzen.^ dasz übrigens Herodot dabei in der that
nur sardische Söldner im äuge gehabt haben könnte , stelle ich nicht
^ die beziehang aaf die Etrusker in dem scbol. zu Piod. Pjrth. 2, 8 —
in anderer hinsieht s. darüber gesch. d. Karth. I s. 500 und vgl. das
gegenstUck dazu 8. 603 — enthält nichts als eine, für die betreffende
stelle natürlich irrtümliche, reminiacenz an die Seeschlacht vor Cumae.
OMeltzer: anz. y. EPais la Sardegna prima del dominio Romano. 59
einmal in abrede, an der berechtigung meiner allgemeinen auffassung
würde, 80 glaube ich, dadurch ebensowenig etwas geändert werden,
wie wenn obendrein auch noch für die oben behandelte stelle Diodors
(]£rV 95) dasselbe gälte und somit jede erwähnung ausgehobener
uardischer truppen in wegfall käme, wir wissen viel zu wenig von
der form der karthagischen herschaft auf der insel und von der
Organisation des karthagischen reichs im allgemeinen, um schlieszen
zu dttrfen dasz dasjenige , was in dem unterworfenen Libyen statt-
fiemd, auch auf Sardinien stattfinden muste, bzw. dasz umgekehrt,
wenn wü^^^<^^ aushebungen auf Sardinien nicht erwähnt werden,
dasselbe nicht in irgendwelchem umfang Karthago unterthänig ge-
wesen sein könnte, dasz anderseits — mag es nun fttr die zeit und
den bereich dieser herschaft mit den aushebungen gestanden haben
wie es will — gegen die daneben erfolgte anwerbung von söldnem
ans dem unabhängig gebliebenen teile der insel keinerlei stichhaltiger
einwand erhoben werden kann , liegt auf der band, derselbe würde
sonst ebenfalls erhoben werden müssen mit bezug auf die Balearen,
wo doch Karthago im siebenten jh. zuerst fusz faszte, auf Spanien,
wo es mindestens seit dem sechsten jh. eine wenngleich beschränkte
herschaft ausübte, wo aber auch nach begründung des groszen reiches
durch HamilkarBarkas noch söldner angeworben wurden, auf Libyen,
wo man in dem unterworfenen gebiet aushob und daneben freie Li-
byer (Numider) mietete, mit denen man doch ein andermal wieder,
gerade so wie mit den bewohnem des unabhängigen Sardiniens, im
kriege lag. dasz schlieszlich auf Sardinien auch ausgehoben worden
ist, hat allerdings schon an sich die Wahrscheinlichkeit für sich, und
Pais s. 73 f. verweist zur Unterstützung der annähme auf die ver«
breitung einer interessanten art von altertümem, die mit recht als
weihgeschenke heimgekehrter -Soldaten aufgefaszt werden dürften,
über die ganze insel. dasz sardische truppen überhaupt so selten
erwähnt werden, liesze sich, wie er dabei gelegentlich erwähnt, unter
anderm wohl auch aus ihrer verhältnismäszig geringen zahl oder aus
ihrer ähnlichkeit mit andern truppengattungen (Libyern) erklären.
Zum schlusz spricht auch noch der umstand, dasz im j. 480 der
vor Himera angelangte Hamilkar seine transportschifife alsbald zur
herbeiholung von zufuhr nach Libyen und Sardinien schickt, dasz
Himilko im j. 396 nach seiner ankunft vor Syrakus ebenso verföhrt
und dasz während des bald darauf ausgebrochenen libyschen auf-
standes Elarthago wesentlich durch die ihm von Sardinien zugeführ-
ten lebensmittel sich erhält, sicherlich mehr für das bestehen einer
karthagischen herschaft auf der insel zu den bezeichneten Zeitpunkten,
als für das bestehen eines zustandes daselbst, wie ihn Unger vor-
aussetzt.
Mit rücksicht auf die ausdehnung, welche die vorstehende aus-
führung gewonnen hat, sei über die letzten abschnitte von Pais' buch,
unter dem ausdruck der Übereinstimmung in allen wesentlichen
punkten, nur noch in gedrängtester form referiert.
60 OMeltzer: anz. v. £Pai6 la Sardegna prima del dominio Romano.
Im fllnften ci^itel (s. 78 — 97 *la geografia della Sardegna prima
dei Romani ; sgnardo ai moiramenti fenid e cartaginesi dell^ isola')
finden wir das material über die läge und das etwaige alter der alt-
phönikischen und karthagischen niederlassnngen , die ausdehnung
der karthagischen herschaft , die Terteilang und den Charakter der
punischen altertümer auf der ineel zusammengestellt und damit die
früher in dieser richtnng ausgesprochenen ansiohten ausführlicher
begründet, woran sich ein blick auf den culturzustand und die reli-
giösen anschauungen der unabhftngig gebliebenen st&mme und den
von der punischen cultur etwa auch auf sie ausgeübten einflusz
schlieszt. vielleicht hfttte hierbei in der begründung von Schlüssen
auf etjmologien eine noch etwas gröszere Zurückhaltung bewahrt
werden können, als dies schon geschehen ist.
Von den beiden anhängen versucht der erste (s. 98 — 112 'alcune
OBservazioni sulle fonti della storia Sarda prima del dominio Romano')
nach einer allerdings ziemlich überflüssigen aufzfihlung der Schrift-
steller, welche fdr die geschichte des behandelten Zeitraumes in be-
tracht kommen oder kommen könnten, wenn sie erhalten wSren,
das dürftige und verworrene material der vorhandenen Überlieferung
nach möglichkeit auf seine Urquellen zurückzuführen, gröszere be-
deutung möchte ich dem zweiten anhang (s. 112 — 120 'alcune oseer-
vazioni sulla genuinitä di una gran parte degli idoli di bronzo pub-
blicati dal La Marmora') zusprechen, in welchem im anschlusz an
vereinzelte äuszerungen früherer gelehrter über die verdächtigkeit
zahlreicher unter den so vielbesprochenen ^sardischen idolen' der^
wie es mir scheint , wohlgelungene nachweis ihrer unechtheit und
der einflüsse , auf welche die fftlschung zurückzuführen sein dürfte,
erbracht wird, gern wird man jene fratzenhaften ungeheuer nun-
mehr in dieselbe kategorie mit den Urkunden von Arborea verwiesen
sehen.
Die sieben tafeln* bieten auszer zwei Übersichtskarten (tf. 1 u.4)
sowie darstellungen von Nuraghen (tf. 2 u. 3), die von della Marmora
entlehnt sind , eine reihe von abbildungen sardinischer altertümer,
worunter einige inedita, und zum schlusz umrisse der hervorragend-
sten typen unter den unechten idolen.
Mit bedauern musz auf die starke incorrectheit des drucks hin-
gewiesen werden, wenn auch äuszere umstftnde, die der vf. nicht
ändern konnte , ihm ein erhebliches masz von nachsieht in dieser
beziehung sichern möchten, sein Verzeichnis von berichtigungen auf
der rUckseite eines lose beigegebenen blattes , dessen Vorderseite er
zugleich noch benutzt, um zu einem inzwischen erschienenen werke
über eine gimppe sardinischer altertümer Stellung zu nehmen, ist
auch innerhalb der daselbst bezeichneten beschränkung noch recht
unvollständig (zb. s. 10 z. 10 1. *Lidia' stott 'Libia', s. 62 z. 17
*' die auf s. 124 fehlende erklärnng zu tf. 6 nr. 8 ergänze man ans
8. 91. in derjenigen zn tf. 4 nr. 3 z. 3 (s. 122) ist wohl zu lesen *tav. Y
£g. 10^ (anstatt 9).
KDziatsko: zum Truculentus des Plautos. 61
l. 650 st 260, ebd. z. 27 1.-664/3 st. 664/3, s. 98 z. 8 1. 'AristÄgora'
fit. 'Anassagora' usw.).
Dem erscheinen der fortsetzung der Terdienstiichen arbeit sehen
wir mit interesse entgegen, in bezug auf den Übergang Sardiniens
unter die römische herschaft wird sich der vf. hoffentlich nicht be-
wegen lassen von der darstellong und datierung des Polybios ab-
zuweichen; ref. wenigstens hat sich bei eingehendster Untersuchung
von der Stichhaltigkeit der neuerdings gegen dieselbe erhobenen
einwände nicht überzeugen können.
Dresdbn. Otto Mbltzer.
11.
ZUM TRUCULENTUS DES PLAUTUS.
Im anfang von act 11 sc. 1 des Plautinischen Truculentus findet
sich im unmittelbaren anschlusz an y. 209 (= I 2, 106) von der band
des rubricator im Vetus die scenenüberschrift ZASTBAPHIVC • ^L
(s. SchöUs ausgäbe zdst). sie enthält den namen der in jener scene
allein auf der bühne befindlichen Astaphium, einen zur bezeichnung
dieser person bestimmten griechischen buchstaben (Z), das bekannte
die scene als canttcum charakterisierende C- und endlich einen wei-
tem rest antiker adnotatio^ von dem in den folgenden Zeilen die
rede sein soll. Scholl praef. s. XXXY erinnert wegen desselben
mit recht an das zeichen LX^ welches derselbe Vetus am Schlüsse
von act II sc. 1 des Trinummus (s. Bitschi* zdsi und praef. s. LXY)
bietet.' Kitschi vermutete darin^ wenn auch mit vorsichtiger Zurück-
haltung, eine alte stichometrische angäbe; Scholl glaubt ao. eben
wegen der neu zugekommenen parallelstelle, an welcher L wegen
seiner Stellung nicht als Zahlzeichen aufgefaszt werden könne,
zu einer andern erklärung greifen zu müssen, er identificiert das
fragliche L mit der diple ohelismene^ von welcher es in dem bei
Beiffersoheid Suetoni reliq. s. 137 ff. abgedruckten tractat von den
notae XXI quae ttersibus apponi consuenmt heiszt: y — diple obelis-
mene ad separandas in comoediis et tragoediis periodos, und weiter:
— ^atiersa ohelismene^ quotiens Strophe {et) antistrophas infertur.
die in den beiden Plautusscenen dabeistehenden zahlen (V bzw. X)
sollen die musikalischen abschnitte des canticums bezeichnen.' die
bedenken, welche dieser auffassung entgegenstehen, werden von
Scholl nicht einmal angedeutet, dasz der obelus im laufe der zeit
ganz geschwunden sein, die diple aber eine volle frontveränderung
erfahren haben müste — und zwar beides übereinstimmend
^ gesichert ist die lesung LX darch GLöwes mitteiluog in diesen jahrb.
1875 8. 526 f. > praef. s. XXXVI anm. 2 stellt ScböU deren 'exempli
gratia' für die scene des Trinnmnias 9 (statt 10), für die des Trucu-
lenttiB aber die nötigen 6 auf. man sieht indes nicht ein, warum nicht
ebenso gut wie nach v. 212, 223, 236 und 245 auch hinter v. 240 und
250 ein abschnitt anzusetzen wäre.
62 RDziatzko: zum Tracnlentus des Plantus.
an beiden stellen! — ist das erste bedenken, vor allem aber
musz auffallen und steht im Widerspruch mit dem Wortlaut des
Suetonischen tractats nicht nur für unser zeichen (s. oben) , sondern
ebenso für die übrigen notae^ dasz die diple nicht zur trennung der
einzelnen abschnitte, dh. jedesmal da wo ein neuer solcher abschnitt
beginnt, gesetzt sein, sondern summarisch mit der zahl der teile sich
verbinden soll. ' ist es denn aber so undenkbar, wie Scholl kurzweg
annimt, VL als zahl zu erklären? schon die analogie von X, das vor
C und L gleich den einem (vor V, X, L und C) sehr häufig als sub-
trahendus erscheint, dürfte für das gegenteil sprechen, es, findet
sieb aber sogar dieselbe zahl V • L • (= 45) auf einem africanischen
cippus (Renier 1103 = CIL. VIII 3998)*, so dasz von dieser seite
her kein einspruch berechtigt ist. steht dies aber fest, so müssen
meines erachtens alle zweifei an der stichometrischen bestimmung
der zahl angesichts der thatsache schwinden, dasz die scene II 1,
um welche es sich handelt, im Vetus genau 45 verse, nicht einen
mehr noch einen weniger, zählt. ^ codex C hat nur 41 verse; dasz
seine versabteilung aber gleich der des codex D ohne wert ist, heben
Spengel praef. s. IV und SchöU praef. s. XXXYI hervor und lehrt
ein blick in den von CEChSchneider aus codex C besorgten abdruck
dieses Stückes (Breslau 1834). codex A hat nach Scholl ao. im wesent-
lichen die gleiche Zeilenabteilung wie 6, jedoch in folge einiger zu-
sammenziehungen nur 43 verse.
Die dargelegte Übereinstimmung in der gesamtzahl der verse,
welche der text unserer scene im codex 6 hat, mit der darauf bezüg-
lichen stichometrischen angäbe musz meines erachtens , wenn diese
Zählung auch nur von relativ hohem alter sein mag^, ebenso für die
versabteilung des codex B im einzelnen ein günstiges Vorurteil er-
^ für die griechischen dramatiker findet man in Otto Henses
Heliodoreischen Untersuchungen zahlreiche stellen, wonach zwar in den
scholien die in einem bestimmten abschnitt des drama gesetzten
gleichartigen zeichen gezählt wurden, nie aber in der adnotatio selbst.
* leider hat nur ein teil der bände des CIL. in ihren indices eine
rubrik für bemerkenswerte Zahlzeichen, übrigens steht bei lienier kein
piinkt zwischen V und L. ^ von den 56 versen der Schöllschen aus-
gäbe ist einer (v. 250) in B mit dem vorhergehenden vereinigt (s. praef.
s. XXXVII). der ausruf HeJtahe im anfang des canticoms ist in A
mit V. 209, in den andern hss. mit v. 210 verbunden, von Scholl nach
Bothes Vorgang vorausgeschickt, ohne gezählt zu werden. ^ aus der
vielcitierten stelle des Donatischen arg^m. in Hecjram (a. e.; Reiff. s. 13)
docet autem Varro neque in hoc fahula neque in alUs esse mirandum, quod actus
impares scaenarum paginarumque sint numerOj cum haee distributio in rerum
riiscriptione, non in numero uersuum constituta sit, non apud Latinos modo,
uerum etiam apud Graecos ipsos ist wohl zu schlieszen, dasz zu Varros
zeit die verszählung noch nicht üblich gewesen ist, da sonst jene
mHnner, gegen welche Varro polemisiert, eben auf die zahl der verse
und nicht der scenen und Seiten (in den ausgaben der lustspiele) ihr
augenmerk gerichtet hätten bei vergleichnng der actlangen (vgl. OKaibel
Deutsche LZ. 1880 s. 336). von paginarum dinumeraiio ist auch im argum.
in Adelphos a. e. die rede.
KDziatzko: zum Trucalentns des Plautns. 63
wecken und in folge dessen unserer scene für die aufstellung von
theorien über die oomposition der cantica eine nicht zu unter-
schätzende bedeutung verleihen, im Trinummus ao. findet übrigens
zwischen der gegenwärtigen verszahl in II sc. 1 des codex B (58) und
der Zahlangabe (60) eine kleine differenz statt (s. Ritschi ao.).
Ich knüpfe hieran die besprechung einiger textesstellen aus dem
Truculentus, au welchen mir Scholl, durch dessen ausgäbe die kritik
des in so verzweifeltem zustande überlieferten Stückes eine hervor-
ragende förderung erfahren hat, ohne grund von der hsl. Überlie-
ferung abgegangen oder bei ihrer Verbesserung noch nicht das rich-
tige getroffen zu haben scheint, gleich in v. 2 lautete die vulgata
richtig:
perparuam partem posttUat Plauttis hei
de uostris (bzw. uestris) magnis atque amoenis moenibus^
Äthenas quo sine archiiedis conferat,
quid nunc? daturin estis an non? — adnuont.
uestris steht bei Priscian und Apulejus (s. Scholl zdst.) und ergibt
sich zunächst aus der lesai-t von B JDeü eris (CD deum eris) , dh. De
uns (für u^streis), wobei die erklärung des buchstaben e freilich
etwas fraglich bleiben musz. wenn Scholl schreibt de moeris magnis
usw., so werden wir auf eine schwer verständliche Unterscheidung
von muri und moenia hingewiesen und vermissen durchaus eine an-
gäbe darüber, welche mauern gemeint seien , an wen Plautus seine
förderung richte, dasz er die Zuschauer anredet, beweist v. 4, und
es ist nicht etwa aus v. 6 das gegenteil zu folgern.
V. 248 ist von dem jungen Athener Strabax die rede , welcher
gleich Diniarchus und dem söldner Stratophanes in die netze der
Phronesium geraten ist. die vorausgehenden zwei verse (uehd hie
agrestis est adulescenSj qui hie habet j \ nimis pol mortalis lepidus
nimisque prohus dator) enthalten seine erste erwähnung im stück,
die folgenden verse sind nach Scholl zwei anapästische dimeter mit
einer iambischen clausel und lauten so :
is dam UUerem diam hac node iUac^
porro hortum transiluü ad nos:
eum uoh conuenire.
hier ist laterem mit unrecht für patrem (so A, die Palat. pater) von
Scholl conjiciert worden. Einmal kann unmöglich bei den komikem
der Singular later collectivisch für eine aus Ziegelsteinen gebaute
mauer stehen, so wenig wie das dach je mit tegüla (statt tegulae) be-
zeichnet wird.^ anderseits ist die erwähnung des vaters hier nicht
zu entbehren, wenn Strabax selbst des nachts heimlich durch den
garten zu Phronesium schleicht und sie nicht gleich Diniarchus und
wie andere junge mann er der palliatcomödie in ähnlicher läge thun,
offen aufsucht, so kann das nur d^n grund gehabt haben, dasz sein
^ anderer art ist der Singular in y. 304 maceria . . quae in noctes
singttlas latere fit minor.
64 KDziatzko: zum Truoulentus des Plantus.
vater noch lebte und jener sich noch unter dessen zucht befand (vgl*
y. 297. 308 ff.), dies muste aber zur motivierung des in y. 248 ff.
gesagten angegeben werden, und daran wird bei constituierang des
textes festzuhalten sein.
V. 882. als Diniarchus unmittelbar nach seiner yerlobung mit
der tochter des Callicles nochmals mit Phronesium zusammentrifft,
um von ihr den untergeschobenen knaben zu yerlangen, der in-
zwischen als sein eignes kind erkannt worden ist, da legt er sich in
seinem verhalten gegen die frühere geliebte ersichtlich eine durch
die umstände durchaus gebotene Zurückhaltung auf. ohne liebkosung
erfolgt von seiner Seite die begrüszung {tniUier^ ad te sum profectus
V. 860), und als jene ihn schmeichelnd anredet quid agüury uokiptas
mea? weist er entschieden diesen ton zurück mit den Worten : non
uoluptas: aufer nugas; nü ego nunc de istac re ago. vgl. v. 863 f.
867. und selbst auf den rat der frühem geliebten (868 ff.), sich bei
ihr für die zukimft und für den fall der not ein plätzchen zu sichern,
antwortet er, der Verpflichtungen welche die yerlobung ihm auf-
erlegt sich ganz bewust , nur ausweichend : otium ubi erU , de istis
rebus tum amplius tecum hquar. nunc puerum redde. aus dieser
rolle würde er offenbar fallen, wenn er v. 882 beim abschied das
sagte, was in den hss. steht oder was die hgg. durch conjectur daraus
gemacht haben :
Di. bene uale^ Phronesium* Pu. iam me tuom ocukim non uocas?
Di. id quoque interim futatim nomen conmemorabüur,
numquid uis? usw.
Scholl hält die werte interim futatim für verdächtig; was er selbst
aber etwa an deren stelle setzen möchte {inter rem nouam furtim)
und was andere vermutet haben (futatumj furatim^ interdum furtim^
etiam interduatim usw., s. Scholl zdst.) , trägt eben dem dargelegten
verbalten des Diniarchus keine rechnung : er musz den gebrauch des
kosenden oculus als zur zeit (interim) unpassend zurückweisen gleich
den andern an ihn herangetretenen lockungen {id quoque . ,), da-
bei läszt er freilich wie y. 871 mit interim durchblicken, dasz es
später einmal anders kommen könne, den gewünschten sinn erhalten
wir durch eine kleine änderung, wenn wir für futatim vielmehr fut-
titim schreiben, dieses wort ist zwar sonst nicht nachweisbar, aber
von dem bei Priscian (IV s. 131 H.) erwähnten futtire^ dem Stamm-
wort von efftUiire^ ganz der regel gemäsz gebildet im sinne von
'nichtig, vergeblich* {^ temer e),^ noch entschiedener erhält unser
vers den gewünschten sinn, wenn wir das part. futtitum in prädi-
cativem sinne einsetzen und für conmemorabitur schreiben conmori-
hitur. über die form dieses futurum vgl. Neue formenlehre II' 448.
'' die richti{^e erklämng des verssioDes finde ich nur in Corradinis
bearbeitung von Forcellinis lexicon, wo das wort futatim unter berufang^
auf unsere Truculentnsstelle mit 'futiliter, vane' erklärt ist. wie es zu
dieser bedeiitung kommen soll, ist allerdings nicht nachgewiesen.
Breslau. Kabl Dziatzko.
KBossborg: zur kritik des Propertias. 65
12.
ZUR KRITIK DES PROPERTIUS.
Die vor zwei jähren erschienene ausgäbe des Propertias von
£Baebrens hat einen wahren stoim der entrttstung hervorgerufen
dadurch , dasz B. den bisher so hoch gehaltenen codex N degradiert
und ihm eine ziemlich untergeordnete Stellung unter den kritischen
hil&mitteln fflr Prop. anweist, die kritische grundlage bilden in der
Baehrensschen ausgäbe vier bisher teils wenig; teils gar nicht be-
nutzte Codices AFDY, welche sich deutlich in zwei familien, AF
und D y , scheiden, cod. A besitzt geringen umfang (er hört schon
11 1, 63 auf), und deshalb ist die erste familie für den grösten teil
der gedichte des Prop. nur durch den von Schreibfehlern strotzenden
F vertreten, da jedoch nach 6. der codex N derselben quelle ent-
stammt wie AF, so behält derselbe für ihn noch den wert einer
€ontrol-hs. für F. damit scheint B. nun auch mir in der unter-
schStzung von N viel zu weit gegangen zu sein , während anderseits
die gegnerische behauptung, N bleibe wie bisher die einzige grund-
lage für die Prop. -kritik und die andern hss. seien von der gewöhn-
lichsten Sorte , weit über das ziel hinausschieszt. mir hat sich aus
langer, sorgfältiger vergleichung der lesarten in den fünf hss. fol-
gendes ergeben: 1) dasz es mit unseren kritischen hilfsmitteln für
Prop. nach wie vor kittglich aussieht; 2) dasz N nicht mehr für frei
von interpolationen gelten kann; 3) dasz aber die übrigen hss. eben-
falls interpoliert sind , nur meist viel ungeschickter als N ; 4) dasz,
wenn die lesart von N der aller übrigen hss. gegenübersteht, in
ersterm oft eine correctur oder interpolation vorliegt (über einen
andern möglichen grund sieh unten) ; 5) dasz die zweiten httnde in
F und Y deutlich unter dem einflusse von N stehen, also keinen
selbständigen wert beanspruchen dürfen (Baehrens vertritt die an-
sieht dasz N auf den zweiten httnden von F und Y ruhe); 6) dasz
N in der zahl guter lesarten Jedem einzelnen der übrigen sehr über-
legen ist und daher auch jetzt noch für den besten codex gelten
musz; 7) dasz aber die übrigen hss. AFD Y bei der kritik des Prop.
nicht ohne schaden unberücksichtigt bleiben, weil es eben (und damit
kehre ich zum anfang zurück) mit unsem hilfsmitteln viel zu dürftig
bestellt ist, als dasz wir solche von geringerem werte bei seite
schieben dürften.
Über das abstammungsverhältnis der fünf Baehrensschen hss.
wage ich folgende Vermutung, dieselben gehören nicht zwei, sondern
drei familien an. es iSszt sich nemlich nicht erweisen j dasz N mit
zur familie AF gehört, wie B. behauptet, sondern derselbe vertritt
einen selbständigen zweig der Überlieferung. * die differenz in den
' in sehr engem verwandtschaftsverhältnis zu N steht der von
Hertzberg^ benutzte codex Hb. (Hamburgensis) , ohne jedoch aus jenem
Jahrbücher f&r olass. philol. 1883 hft. 1. 5
66 KBoBsberg: zur kritik des Propertius.
lesarten der drei familien erklärt sich zwar zum teil aus den ge-
wöhnlichen Ursachen, irrtum, nachlässigkeit und willkür der ab-
Schreiber; für eine grosze anzahl von fällen reichen diese aber als
erklärungsgrund nicht aus. es scheint vielmehr angenommen werden
zu müssen, dasz die gemeinsame quellschrift 0 mit Varianten ver-
sehen war. diese entsprangen indessen sicher nicht der vergleichung
mit einer andern hs. (denn eine solche ^war nicht vorhanden), sondern
sie sind als Verbesserungsversuche eines oder mehrerer leser anzu-
sehen, die richtigkeit dieser annähme vorausgesetzt ist es klar dasz
wir bei der Prop.kritik auf ein eklektisches verfahren angewiesen
sind , noch öfter freilich auf die conjectur : denn die zahl der Mle»
in welchen entweder die gesamtheit der hss. den gleichen verdorbenen
text gibt oder bei obwaltender Verschiedenheit keine hs. eine brauch-
bare lesart bietet, ist bei Prop. legion.
Auf eine nähere ausführung der so eben vorgetragenen Sätze
musz ich verzichten , da eine solche sehr viel mehr zeit und räum
erfordern würde, als mir zur Verfügung steht, für diesmal habe ich
mir nur zur aufgäbe gestellt durch besprechung einer anzahl einzelner
stellen unter besonderer rücksichtnahme auf die Baehrenssche aus-
gäbe, welche die anregung dazu geboten, auch meinerseits ein neues
scherflein zur kritik und erklärung des Propertius beizutragen.
I 1, 7 e^ mihi iam toto furor hie non deficit anno, unleugbar
hat der dativ etwas anstösziges. mögen sich immerhin «beispiele
für diese construction finden (wie Statins Ach. I 445 ip$um iam
puppibus aequar deficit) , für Prop. lag nicht einmal eine nötigung
vor um des metrums willen von der gewöhnlichen construction ab^
zuweichen. Heinsius verlangte deshalb auch einfach restitution von
me. ich glaube jedoch dasz wir der Überlieferung treuer bleiben,
wenn wir schreiben : ei mihi, iam toto furor hie non deficit anno, für
den absoluten gebrauch von deficere in der bedeutung 'nachlassen,
aufhören' bedarf es keiner belege, hier aber macht auszerdem der
ganze Zusammenhang die hinzufügung der person völlig entbehr-
lich. ~ In demselben gedieh te v. 13 bietet die familie AF percusstts
arhore rami^ während der hier noch allein stehende Vertreter der
andern V und mit ihm N ufünere für arhore schreibt, diese lesart,
obwohl sprachlich vollständig zu rechtfertigen, macht doch den ein-
druck eines heilungsversuches , während arbqre in seiner offenbaren
fehlerhaftigkeit den schein ursprünglicherer Überlieferung für sich
hat. das fühlt auch Baehrens, wenn er in der ann. crit. fragt 'an
uerl)ere?\ obgleich sich gegen dieses uerhere an sich nichts erheb-
liches einwenden läszt (denn Ovidius met. XIV 300 ua. gebraucht
uerhere uirgae\ so scheint mir doch der ausdruck markiger zu werden
geflossen zu sein, sollte derselbe für die kritik noch wieder heran-
gezogen werden, so würde sich eine neue collation durchaus notwendig
erweisen f da ich aas aatopsie versichern kann dasz die Hertzbergsche
höchst ungenau ist. allein für I 1 habe ich mir neun Unrichtigkeiten
oder ungenauigkeiten notiert.
KBoBsberg: zur kritik des Propertius. 67
durch herstellnng von rohore, das heiszt wörtlich ^getroffen vom
eichenholz des Hjläiscben astes' dh. Wom eichenast des Hjlaeas'.
die ausdrucksweise ist ganz dieselbe wie Verg. gearg, I 162 (und in
der nachahmung dieser stelle Yal. Flaccus VII 555) grave röbur
aratri ^der schwere eichene pflüg', für unsere stelle ist noch von
bedeutung, dasz sich röbur öfters als bezeichnung für die keule findet,
so Verg. Am, VULl 220 nodis grauatum röbur, Val. Fl. II 534 no-
doswm röbur und ebd. I 634. Mart. IX 43, 4 röbur schlechthin.
I 3, 37 namque ubi longa meae conswmpsti tempara noctiSy
languiäus exactis (ei mihi) sideribus?
so alle hss. und neueren ausgaben, über frühere änderungsversuche
dieser verse sehe man Burman. mir widerstrebt zunächst das nam-
que^ sodann auch in v. 38 der mangel eines verbums, ich möchte
daher vorschlagen zu lesen :
iarnquCi ubi longa meae consumpsti tempora noäis,
languiäus exactis eis mihi sideribus?
der fehler im pentameter mag darin seinen grund haben , dasz man
die ältere Schreibung eis für ts nicht verstand, der dativ wie so
häufig bei venire oder als dativ des Interesses.
I 4, 7 schlage ich für das schwerzuverdauende formosi iemporis
aäas vor formosi corporis aetas 'das Zeitalter der körperlichen
Schönheit', worunter natürlich die heroenzeit zu verstehen ist. eine
möglichkeit wäre auch zu verbinden quascumque formosi corporis
und adas ganz allgemein zu fassen 'die zeit', natürlich die bisher
verflossene (vgl. Hör. carm. IV 9, 9 non si quid ölim lusit Änacreon
delewit aetas), doch entscheide ich mich für die erste auffassung. —
Bei V. 13 f. desselben gedichts kann ich Baehrens na. nicht zugeben
dasz von geistigen Vorzügen die rede sei. es werden vielmehr ganz
allgemein Vorzüge genannt, durch welche der wert der forma y der
schönen körperbildung, noch erhöht wird, derartige sind ingenuus
color = natürlicher schöner teint, muUis decus artibtis = der durch
viele künste gehobene körperliche reiz, hierauf fährt der dichter
nach meiner Vermutung fort: et quae \ gaudia subtacita dicere
uoce Übet 'und freuden die man nur mit flüsternder, gedämpfter
stimme zu erzählen pflegt', zum gedanken vgl. I 13, 18 et quae
deinde meus celat^ amice^ pudor. der umstand dasz subtacitus zufällig
nur noch bei Prudentius Hamartig. 174 vorkommt, gestattet keinen
rückschlusz auf die mangelnde bekanntschaft früherer sprachperioden
mit diesem werte, da unzählige analoge bildungen {subcrispus^ sub-
ridicutus^ subagrestis) existieren. tacUa uoce sagt 0 vidius met, IX 300.
I 6, 24 ist omnia allgemein beanstandet, ohne dasz bisher eine
wahrscheinliche heilung gefunden wäre, der gegensatz von nostros
labores in v. 23 scheint aber deutlich auf otia hinzuweisen, wie
nahe es lag öta für oda zu verlesen , bedarf kaum der andeutung.
otia vom müszigen leben des liebenden gebraucht zb. Tib. 11 6, 5
urepuer^ quaeso^ tua qui ferus otia Uqmt, Cat. 68, 103 f. ne Paris
äbducta gauisus libera moecha otia pacato degerä in thdtamo,
6*
68 EBosBberg: zur kritik des Propertias.
I 7, 16. die heilnngsversuche der cormpten worte quod noUm
nostros euiolasse deos s. bei Baehrens in der ann. crit. v. 16 muaz
eine nähere bestimmung zu puer hio enthalten haben (die Umstel-
lung von V. 23 — 26 vor v. 15, wie sie B. in den text setzt, kann ioh
nicht billigen), ich vermute deshalb dasz Prop. schrieb: qui ua-
luit nostros et uioHasse deos. die compendien fflr gui und quod sind
bekanntlich einander sehr ähnlich, der satzton liegt natürlich nicht
auf nostros y sondern auf deos, zu welchem auch das d eigentlich
gehört, für die trennung des et (<» *auch , sogar') von dem hervor-
zuhebenden Worte vgl. die ganz analogen stellen Ov. met. VIII 279
tangit et ira deos. III 291 titnar et detis tue deorum. zum gedanken
vgl. Ov. cp. 4, 12.
I 8, 40 schlägt Baehrens für carminis ohsequio in der ann. crit.
carminis aUoquio vor. die überlieferte lesart wird indessen gestützt
durch eine stelle des Ausonins, welche sich wie eine reminiscenz an
die unsrige ausnimt. es heiszt nemlich parent. 21, 6 sMngamus
maesti carminis ohsequio, hier wie dort ist zu übersetzen
^durch die höfliche (dienstbeflissene , ergebene) widmung eines ge-
dichts'. — I 8, 45 zeigen die hss. ein eigentümliches schwanken:
für das gewöhnliche certoSj welches durch NY und die 2e band von
F vertreten ist, bietet A und F 1 summos und D, der bruder von Y,
somnus. möglich dasz hier der archetjpus eine Variante hatte, aus-
zugehen scheint von stMnmos, wofür B. zweifelnd sandos, ich firmos
vermute.
I 9, 6 verwirft B. das überlieferte qtws iutienes quaequepudla
dornet und conjiciert quamque. ich weisz nicht, ob er jenes quaeque
als fem. von quisque faszt; nach s. 76 seiner ^miscellanea critica'
will es mir fast so scheinen, allein wir haben es hier jedenfalls mit
quaeque = et quae zu thun. der dichter behauptet sagen zu können,
welche Jünglinge ein mädchen behersche und welches sie behersche.
es gilt also auch für diese auffassung der stelle dasselbe beispiel aus
Nepos Timol. 2 oculis cerneretur , quem et ex quanto regno ad quam
fortunam dettUisset^ welches B. für seine lesart anführt, ich kann
aber aus demselben Nepos noch ein anderes schlagenderes beispiel
beibringen, nemlich Att. 18, 3 notans^ qui a quoque ortus quos hono-
res quibu^que temporibtis cepisset. — Auch I 9, 13 musz ich die Über-
lieferung gegen B. und anderer änderungsvorschläge in schütz
nehmen, die hss. bieten i quaeso et tristis istos compone libeUos, das
erklärte man so , dasz man unter tristes libdli die Thebais des Pon-
ticus verstand und componere im sinne von 'bei seite legen' faszte,
vgl. componere heUum usw. andere, welche die unzulässigkeit dieser
bedeutung von componere an unserer stelle einsahen, wollten depone
oder sepone lesen , während B. compesce einsetzt, es ist nichts za
ändern ; nur musz man sich die worte tristis istos . . libeüos gleichsam
in anführungszeichen stehend denken, t quaeso hat dieselbe ironische
färbung der auf forderung wie das häufigere t nunc oder das blosze «.
der dichter fordert also den Ponticus auf: 'nun geh doch, bitte, und
EBossberg: zur kritdk des Propertius. 69
Terfasse einmal solche trübselige bücheichen (wie ich) und
singe, was jedes mädchen zu hören wünscht.' Ponticus hatte offen*
bar die elegien des Prop. wegwerfend mit tristes isti Ubetti bezeichnet ;
das rückt ihm Prop. jetzt vor. vgl. Hör. cann. I 23, 2 misera-
hües degi,
I 11, 6 ist mit der Überlieferung ecquis in extremo restat amare
locus? entschieden nichts anzufangen, die conjectur Heimreichs
pedare restat amor^ welche B. biUigt, scheint mir zu gewaltsam,
sollte vielleicht zu lesen sein : ec quid in extremo restat amare loco?
subject ist amare , das ecquid correspondiert mit dem in v. 1. wem
extremo loco als bezeichnung für Bajae zu stark erscheinen sollte, der
müste freilich auch noch externo für extremo lesen.
I 19; 10 haben AN uenerat umhra domum, dagegen DY
uerherat. letzteres als des sinnes entbehrend scheint der lesart von
AN gegenüber mehr anspruch auf glaub Würdigkeit zu besitzen,
sollte nicht ursprünglich uerterat von Prop. geschrieben sein in
derselben reflexiven anwendung wie I 16, 28 mea uocuta rima per-
cussas dominae uertat in auricuias? — I 19, 25 hat an dem inter
nos schon Schneide win anstosz genommen und dafür interea ver-
mutet, wie jetzt auch wieder Baehrens ; doch dürfte das interea neben
licet einen pleonasmus enthalten, mir scheint näher zu liegen : quarCy
dum licet interris, laetemur amantes. bemerkt sei hier dasz Prop.
gerade den plural von terra auszerordentlich häufig gebraucht.
I 20, 25 ff. hunc duo sectati fratres, Äquüonia proles,
hunc super et Zetes^ hunc super et Calais,
oscula suspensis instahant carpere pälmis.
der V. 26 ist mindestens unbeholfen, die beiden Boreaden verfolgen
den Hylas, sowohl Zetes ist über ihm als auch Calais, bei einer so
einfachen angäbe wirkt die anaphorä geradezu lächerlich, dagegen
dürfte sie berechtigt sein, wenn wir lesen (wofür auch v. 28 spricht) :
nunc superat Zetes y nunc super at Calais 'bald überholt ihn
Zetes, bald Calais.' selbstverständlich haben wir uns die werte in
Parenthese zu denken.
n 1 , 6 hoc totum e Coa ueste uolumen erit, nachdem schon
Schrader und Lachmann an dieser fassung des ansdrucks anstosz
genommen (ihre vorschlage s. bei Baehrens), versucht B. hac tottmt,
nicht eben sehr gefällig , da von den beiden Wörtern hac und Coa
eins überflüssig ist. vielleicht ist zu schreiben mox totum oder ac-
tutum. die Lachmannsche Stellung der verse 9. 10. 7. 8. 5. 6 ziehe
ich der von B. aufgenommenen Fonteines 7. 8. 5. 6. 9. 10 vor. Leos
versuch die reihenfolge der hss. zu halten durch folgende änderung
von V. 5: sive iUam uideo fulgentem incedere Cois ist ein gewalt-
streich.
n 3, 22 gebe ich meinen früheren versuch die verzweifelte
stelle carmina qu(a)e quiuiis zu heilen {carmina quae quinis) auf,
ohne mich jedoch dem vorschlage von B. carminaque a uiuis, welchen
ich für grammatisch unrichtig halte (aequus a ist unerhört), an-
70 ERossberg : zur kritik des Propertius.
schlieBzen zu können, ich yermute jetzt einfach carminaque ullius
und denke mir die Verderbnis so entstanden, dasz in einem m^jaskel-
codex das q, welches ja auch als abkürzung für que gilt, doppelt
geschrieben war; also: CARCniMAqquUlüS. wegen der stellang
uUius non vgl. Ov. trist. V 1, 67 sed neque ohesse potest: üHU nee
scripta fuertmt nostra nisi auctori perniciosa suo und Tib. IV 6, 9
sie hene compones: uUae non Ute puedae seruire aut cuiquam digniar
üla uiro. — Die verse II 3, 39. 40 scheinen mir nicht an richtiger
stelle zu stehen, wenigstens ist qtMdem in diesem zusammenhange
nicht zu verstehen, anderseits dürfte an der lesaiii nichts zu ändern
sein, da sich Ov. met, VI 458 derselbe versanfang findet : diffna gtii-
dem fades, ein sehr passender sinn ergibt sich, wenn man v. 39. 40
auf V. 34 folgen iSszt:
hac ego nunc mirer si flagrat nostra iuuentus?
ptderifis hac fueratj Troia^ perire tibi:
digna quidem facies, pro qua ud obiret AchiRes
ud Priamus: heiu causa prohanda fuU.
n 5, 10 wird die Vermutung von B. für ahfuerU zu schreiben
aufugiet dadurch zurückgewiesen, dasz das ganze distichon sich faat
gleichlautend mit den hss. in einer Pompejanischen wandinschrift
findet, die abweichungen bestehen nur darin, dasz die Inschrift den
anfang des pentameters folgendermaszen bietet: si dolos afuerü^ also
letzteres wort mit besserer Orthographie als die hss. (vgl. CWinter-
berg Mie neusten ausgrabungen in Pompeji' in ^unsere zeit' 1881
s. 857).
II 6, 32 dürfte für das unpassende iurgia nicht sowohl mit
Ruhnken orgia als vielmehr turpia zu schreiben sein. ebd. v. 34
erklärt sich die Variante tectus in F gegen pictus der übrigen hss.,
wenn wir annehmen dasz in einem frühern exemplare tictus d. i«
Und US stand.
II 7, 1 1 haben die hss. a mea tum quaUs caneret tibi tibia somnos
im wesentlichen gleichlautend , nur F läszt tibi aus. dasz der vers
so nicht richtig sein könne, hat man schon sehr früh gefühlt, denn
einige der ältesten ausgaben bieten canlus für somnos. aber canerd
— cantus spricht wenig an. ich möchte annehmen dasz der vers
ursprünglich mit rhythmos schlosz. war diesem vielleicht zur er-
klärung hymnos übergeschrieben, so würde sich auch die entstehung
der lesart somnos mit leichtigkeit erklären, die einsetzung eines
synonymen von carmina für somnos scheint mir mit notwendigkeit
gefordert zu werden , wenn man die offenbare nachahmung unserer
stelle Ov. ep. Med. 139 vergleicht: Ubiaque effundü sociaUa carmina
uohiSy at mihi funerea flebüiora tüba.
II 9, 11. 12 hat Vahlen nach v. 14 gestellt, was ich völlig bil-
lige; ebenso billige ich in v. 15 die beseitigung der apostrophe quam
tibi durch die conjectur der Itali quando ibi bei Baehrens. ob jedooh
V. 16 die allgemein in den ausgaben stehende lesart der Itali uiduo
ERosBberg: zur kritik des Propertius. 71
Deidamia t or o ftir uiduo D. u/iro das richtige trifft ^ ist mir doch
zweifelhaft;, man durfte doch das tUro nicht so ohne weiteres auf-
geben, dazu kommt dasz Deidamia uiduo toro gerade in diesem zu^
sammenhange wenig passend erscheint, ich vermute dasz uidiW zu
ftndem ist und zwar in dubio (=» duuid), dubio uiro ist dativ,
abhSngig von aderat. die bezeichnung dubius uir für Achilles in
seinem Verhältnis zu Deidamia passt in mehr als 6iner beziehung. —
Die zahl der versuche den folgenden vers zu heilen ist sehr grosz
(vgl. B.). die Überlieferung lautet in FN: tunc igiiur uiris gaudebai
Oraecia natis, während D V castis statt uiris geben, eine rationelle
kritik verlangt von der lesart in FN auszugehen, hier liegt auch
die heilung nahe, man lese miris natis, jetzt dürfte auch keine
Veranlassung mehr vorliegen natis zu beanstanden und nuptis zu
vermuten, für den gebrauch von mirus vgl. Prop. 11 12, 2 nonne
putas miras hunc habuisse manus?
II 13, 28 schlägt B. unter dem texte für das eigentümliche nee
fueris vor nee fies, sollte aber nicht vielleicht das fueris einer aus-
lassung von tu (entsprechend dem tu in v. 27) seine entstehung ver-
danken? die werte lauteten wohl ursprünglich tu nee eris'^ war
tu
nun geschrieben nee eris, so konnte dies überaus leicht beim ab-
schreiben in nee fueris umgestaltet werden.
n 15, 16 dieitur et nudae concubuisse deae. nudae ist allerdings,
wie B. bemerkt, verdächtig; aber weder sein verschlag cupidae noch
der von APalmer nitidae scheinen das richtige zu treffen, dagegen
dürfte eine Wiederholung des nudus aus v. 15 am platze sein.
Das distichon II 16, 41. 42 ist an seiner stelle wenig motiviert;
besonders passt der pentameter nicht in den Zusammenhang. Fonteine
meinte daher dasz die verse am falschen orte ständen, das glaube
ich nicht gerade, wohl aber mögen sie von Prop. erst später ein-
geschaltet sein , als er durch Maecenas mit Augustus näher bekannt
geworden war. ungeschickt angebracht ist das compliment freilich
auch so.
II 18 ist kein einheitliches gedieht, v. 1 — 4 sind ein irgend
woher stammender fetzen , der rest das bruchstück eines andern ge-
dichtes.
II 28, 40 ändert B. das überlieferte infernos . . locus in infer-
nos . . locos, mit unrecht, wie ich behaupte, zunächst erregt bedenken
dasz wir mit der Überlieferung an unserer stelle gleichlautend Tib.
n 6, 40 lesen: venit ad infernos sanguinolenta lacus. gegen den
«inwand von B. gegen lacus ^at in lacu ratis fatalis uehitur' ist zn
bemerken, dasz doch in der bekannten stelle Verg. Äen. VI 369
flumina tanta paras Stygiamque innare pat/udem deutlich ein unter-
schied zwischen den Aussen der unterweit und dem stygischen sumpfe
zu erkennen ist. demnach würde an unserer stelle die ratis fati nicht
in lacu sondern in fluminibus infemis ad lacus fähren, über allen
zweifei aber wird diese auffassung erhoben durch die beschreibung
72 EBoBsberg: zur kritik des Propertius.
in Piatons Phaidon s. 113, besonders 113^ xai 0*1 ^^v &v böEiuct
jidcujc ßeßiuüK^vai, iiopeuO^VTec dm töv 'Ax^povra, dvaßdvTcc St bi\
auTOic dx^Mord dcxiv, ini toütiwv dqpiKVOÖVTai €icTf|vXi^VT)v
(vgl. 113') xal £k€T oIkoCci usw. so meine ich denn dasz wir auch
künftig dem Prop. sein infemos Uzcus werden belassen müssen.
n 29, 7 schreibe ich für das unsinnige sed nuäifuenmt: semi-
dei fuerunt^ vgl. y. 12. — v. 21 wird gewöhnlich mit Heinsios ge-
lesen : atque Ua mi iniedo dixerunt rursus amictUj ohne dasz berück»
sichtigt wird dasz nirgends etwas von einer entkleidung des dichter»
zu finden ist. B. schreibt jetzt: atque Ua me iniedo solueruni
rursus amictu und will ixmidu von dem nodus y. 10 verstanden
wissen : eine etwas starke Zumutung, wie lautet aber die Überliefe-
rung? atque itame in lecto duxerunt rursus amidu. wenn wir nun
in V. 20 lesen : et iam ad mandatam u>enimus ecce domum und femer
Y. 22 die auff orderung i nunc et nodes disce manere dornig so wird
es nahe liegen vor allem duocerunt zu halten und herzustellen : atque
Ua me in tectum duxerunt rursus amicae. meine frühere auffas-
sung des gedichts , als sei es aus zwei selbständigen gedieh ten zu-
sammengeflossen, gebe ich hiermit auf. mane erat v. 23 heiszt:
'nun war's morgen*: vgl. Ov. fast, I 647. episf. Hyperm. 79.
n 34, 7 setzt B. für das offenbar verdorbene hospes in den text
hunc per , was dem sinne nach sehr wohl passt und nur wegen der
anastrophe der präp. per bedenklich ist. auch billige ich vollkom-
men dasz er im folgenden verse die frage beseitigt, nur würde ich
statt node^ welches er für nonne einsetzt, lieber naue vorschlagen.
— Wenn man 11 34, 22 uerha halten will, so kann man dies nicht
anders auffassen als so dasz Ljnceus in der ijrunkenheit mit seinen er-
folgen bei Cjuthia renommiert habe, darauf deutet jedoch nichts im
gedieht hin. darum möchte ich unter vergleichung von v. 9. 10. 14. 17
für uerba schreiben memhra. — Für das verderbte distichon 11 34,
91. 92 finde auch ich kein heilmittel; nur so viel glaube ich zu sehen^
dasz im anfang von v. 91 für et analog den drei vorausgehenden hexa-
metem haec zu schreiben ist. in v. 93 dürfte für quin etiam viel-
mehr herzustellen sein quin et er it.
III 1^ 35 ist durch alle hss. überliefert: meque inter serös lau^
dahit Borna nepotes, man darf sich füglich wundem dasz alle com-
mentatoren , soweit sie mir bekannt sind , sich der mühe entzogen
haben diesen vers zu erklären, die Schwierigkeit liegt in der präp.
irUer. zur angäbe einer zeit verbindet sich dieselbe ja bekanntlich
mit wörtem wie tempus , annus usw. , auch mit cena , bellum , nox^
gaudia usw. , immer aber doch nur mit sachlichen begriffen, das^
man auch sagen könne ifUer proavos oder wie hier inter nepotes , um
die zeit derselben zu bezeichnen , bedarf jedenfalls noch des nach-
weises. aus diesem gründe*, wie ich vermute, änderte wohl B. di&
' oder wegfen des tiDgewohnlicheD gebranchs yod que «■ quoquef
vgl. jedoch Cat 102, 3 und die bemerkuDg von Ellis za dieser stelle
in der ann. crit. seiner ausgäbe.
EHoBsberg: zur kritik des Propertius. 73
Worte in me quoque per serös usw. diese conjectur hat wenig an-
sprechendes. Einmal ist die änderung ziemlich stark, anderseits aber
müste man per in einer bedeutung nehmen ('durch . . hin'), in wel-
cher es zur bezeichnung der zeit schwerlich mit personen verbunden
vorkommt, denn per «= Vermittelst' nehmen zu wollen w^re zu
abgeschmackt, obwohl nun Ov. ex Ponto Hl 2, 35 vos etiam seri
laudalnmt saepe nepotes dafür sprechen könnte, dasz dieser dichter
die Worte des Prop. serös laudahü Borna nepotes vor äugen gehabt
habe , so weisz ich doch nicht , ob nicht an unserer stelle vielmehr
eine beeinflussung des vorliegenden Prop.textes durch jene Ov.stelle
anzunehmen ist. nach meiner ansieht schrieb Prop. meque inter
8 a er OS laudahü Borna poetas. war nun in einem frühem exemplare
sacros mit abkürzung geschrieben, so las der abschreiber serös ^ was
zur weitem folge die änderung von poetas in n^des hatte, viel-
leicht eben weil dem Schreiber die Ovidischen worte vorschwebten.
inter sacros poetas laudare würde ebenso gesagt sein wie zb. inter
sicarios accusare.
m 12, 14 musz ich misbilligen dasz B. die vulgate sie redeunt
(N si creäunty die übrigen hss. si credent^ welche dilferenz sich ein-
e
fach aus der correctur sicredunt erklärt) in si redient (oder si redeunt)
ändert, auch bei der vulgatlesart ist natürlich stillschweigende Vor-
aussetzung: *wenn sie eben überhaupt zurückkehren'; dies aber be-
sonders zu betonen ist unpoetisch, übrigens vgl. man die klage der
Alcjone Ov. met. XI 727 sie o carissime coniunx^ sie ad me, mise-
rande^ redis? (nemlich als leiche) und ähnlich Verg. Äen, IX 491 ,
wo die mutter des Euryalus beim anblick des aufgespieszten kopfes
ihres sohnes wehklagt: hoc mihi de tCy nate^ refers?
m 13, 8 cinnamon et muUi pastor odoris Ärabs, hier hsit pastor
mit recht allgemein anstosz erregt, was hat der hirt mit der zimt-
cultur zu thun? wenn LPolster 'quaestiones Propertianae' (OstTowo
1881) pastor zu verteidigen sucht und als parallelsteUe Statins ^«^t;.
I 4, 105 f. anführt: odoriferis Arahum quod doctus in aruis aut Am-
phrysiaco pastor de gramine carpsit, so scheint er nicht zu wissen
dasz dort schon Domitius Calderinus carpsi corrigiert hat, was auch
in den beiden neusten ausgaben der silven von Queck und Baehrens
steht, offenbar ist nemlich jener hirt Apollo (Verg. georg, III 2
pastor ab Ämphryso)^ der am thessalischen flusse Amphrysus zauber-
kräuter pflückt jene Verteidigung von pastor ist also durchaus hin-
fällig, auch an der Verbindung der worte mtdti odoris mit (pastor)
Arabs hat sich wohl mancher gestoszen; doch steht Prop. lY 3, 64
odorato duci von einem morgenländischen feldherrn. B. setzt für
pastor die conjectur Gujets coston in den text. in erwägung jedoch^
dasz jeder der drei vorausgehenden verse sein eignes verbum hat
(5 miUity 6 u>enü^ 7 praebet), suche ich auch hinter |7a5^ ein sol-
ches, und zwa.r prae st at. jetzt steht nichts im wege zu verbinden
cinnamon muUi odoris*
74 ERossberg: zur kritik des Propertius.
III 17, 12 bieten alle hss. ^^que tiimorque ammo uersat utroque
modoy nur Y hat von erster band animum. B. nimt die lesart der g
animum . . länmque meum auf, wie sie zb. schon Broekhujzen billigte,
der Überlieferung nSher dürfte kommen animo cursat utroque meo
(oder auch mihi^ wofür das compendium m gilt, während m das für
modo ist), zur vergleichung für den gedanken eignet sich die von
Broekhujzen und Burman zur stütze von utroque angezogene stelle
Ov. rem. am. 443 secta Upariüo cum mens discurrit utroque.
in 19, 4 möchte ich für captae lesen cupidae^ HL 21, 18
undicolas für undisonos] HL 22, 30 halte ich Äusonias . . dapes
für eine schon frühzeitig eingedrungene interpolation und schreibe,
indem ich hie gleichzeitig auf y. 29 und 30 beziehe, Ärgolicas.
III 24, 30 vermutet B. iamiam für das verderbte tamen^ ohne in-
dessen jenes in den text zu setzen, mir scheint passender nee semd
e» et non semd *so manchmal', für diesen gebrauch des nee vgL bei
Prop. selbst 11 3, 6 nee solüus »» et insölüus und viele stellen bei
Ovidius.
IV 2, 52 f&llt die Wiederholung von arma auf; vielleicht ist
ausa zu lesen , welches wort ja bereits durch Vergilius in aufnähme
gebracht war.
IV 3, 60 hat B. unter beibehaltung der lesart aller hss. ge*
schrieben: seu uoluU tangi parea lueerna mero. allein tangere ist
im munde des dichters doch ein gar zu allgemeiner und trivialer
ausdruck für die in rede stehende sache. die Itali corrigierten daher
tingij welches ich jenem vorziehen würde, wenn mir nicht eine stelle
des Petronius, welcher möglicherweise die unsnge zum vorbilde
diente, spargi zu schreiben riete, es heiszt nemlich bei Petr. 74:
lucernamque etiam mero spargi. man vgl. auch die ausdmcks-
weise Ov. epist, Herus 153 ecce merum nutrix faustos instillat in
ignes und epist. Laod, 113 iura damus lacrimamque super, quae
sparsa relucet, ut solet affuso surgere flamma mero.
IV 4, 47 craSy ut rumor ait^ tota pt^nabitur urhe, dasz pugna-
bitur nicht am platze ist , lehren die verse 75 und 78. darum hat
APalmer dem ungefähren sinne nach gewis richtig geschrieben
cessabitur (aufgenommen von Baehrens), welches jedoch etwas matt
ist und den überlieferten buchstaben gar nicht entspricht, diese
sowie conuiuia in v. 75 und ebria turba v. 78 führen vielmehr auf
potabitur, vgl. Ov. fast. III 526. im folgenden verse ist für tu
vielleicht besser tum zu lesen, auch die nSchsten verse 49. 50
scheinen fehler zu enthalten, unter vergleichung von Ov. met. JUY
785 f. und fast. I 269 — 272 möchte ich vorschlagen: quippe laten-
tes I fdUad celat limite supter aquas. — IV 4, 85 iai praebebant
ein stein des anstoszes. die verbessemngsvorschlSge s. bei Baehrens.
ich glaube nicht d&sz praebebant entstellt ist, sondern vielmehr die
folgenden werte somnos, sed. der ganze vers dürfte gelautet haben:
omn ia praebebant somno se: luppüer unus.
KBossberg: znr kritik des Propertias. 75
IV 5, 69 halte ich tegetes . . patemas trotz der Interpretation
Bnrmans für verderbt, anter vergleichnng von v. 2 und 75 schreibe
ich tahernae.
lY 6, 28, wo B. die lesart der hss. beibehält, indem er den vers
in klammem setzt, lese ich: quam tidit irato mobüis u/nda Noto,
der ablatiy ist von mohiUs abhängig. — IV 6, 33 scheint mir durch-
aus nötig zu schreiben uultum ^ some y. 35 quali. wie Prop.
sagen konnte attulerat crines^ so natürlich auch uuUum. — IV 6, 64
ist hoc unum, wie B. bemerkt, sicher verderbt, doch enthält sein
€^utum (in der ann. crit.) schwerlich die heilung. ich lese: iUapetU
Nüum (^tnha male nixa fugad \ hoc animo: itisso non marüura die.
auch habe ich wohl daran gedacht, es könne unter hoc untim ein
epitheton zu Nüum sich verbergen, sollte dies der fall sein, so läge
am nächsten occuUum (wegen seiner verborgenen quellen?).
IV 7, 2 hmdaque euinctos effugU umbra rogos. dies die les-
art von F D V ; N bietet eiimäoSy also dasselbe, in schlechteren hss.
findet sich dafür euktos^ welches in viele ausgaben eingang gefun-
den. Baehrens hat die Passeratsche conjectur extindos aufgenom-
men, wenn man aber die nachahmung Ov. trist. IV 10, 85 ver-
gleicht: si tamen extinctis aliquid nisi nomina restat, et gracüis
structos effugit umbra rogos^ so wird man geneigt sein
meinem vorschlage folgend an unserer stelle extructos zxi schrei-
ben , welches von der Überlieferung auch kaum weiter absteht als
jenes extindos. vgl. noch Ov. ex Ponto III 2, 31 effugiunt structos
nomen honorque rogos und für extrudus Ov. am. HL 9 {TibuUus)
ardet in extructo, corpus inane^ rogo. fast. III 546 (Dido) arserat
extructis in stM jfata rogis. — IV 7, 19 f. sa^pe Venus triuio com-
missa est pedore mia^o^ \ fecerunt tepidas pectora nostra uias. so
lesen FDV. das pedora ist in den pentameter offenbar aus dem
vorhergehenden verse eingedrungen. N und mit ihm die 2e band
in V bieten päRia , die 2e band von F palia. ich halte diese lesart
für eine verunglückte conjectur, da der entstehende sinn nicht ge-
nügt, wann haben mäntel einen weg warm gemacht? um dies
paUia zu heilen , ist proeUa vorgeschlagen worden , und B. versucht
jetzt furtaque. ich glaube , es entspricht der Sachlage wie der Über-
lieferung mehr corpora herzustellen, welches ja, wie bekannt, in
den hss. nicht selten mit pedora vertauscht wird. — IV 7, 36 sensi
ego, cum insidns päRida uina hihi, wenn die stelle richtig überliefert
ist, läszt sich nur verbinden uina insidüs paUida 'wein durch hinter-
list todbringend', diese ausdrucksweise wäre überaus geschraubt,
vielleicht empfiehlt sich in cyathis einzusetzen, welches geschrie-
ben sein konnte inciatis, vgl. die lesart von cod. F zu IV 8, 37. —
rV 7, 37 genügt das überlieferte aut Nomas in keiner weise , aber
auch der verschlag von Baehrens haut Nomas arcanas toUat uersuta
säliuaSy zu welchem er die erklärung gibt haut toUat <» 'non potest
negare', leidet an Unklarheit und Sonderbarkeit des ausdrucks. ein
besserer sinn wird sich ergeben, wenn wir für atä das concessive
76 ERoBsberg : zar kritik des Propertias.
ut herstellen, dann ist der gedanke: 'gesetzt auch dasz die ver-
schlagene Nomas den geheimnisvollen schleim (das zanbergift) bei
Seite schafft, so wird doch die feuerprobe die thäterin ans licht
bringen.' — IV 7, 63 Ändramedeqtse et Hypermestre sine fraude
maritae. die werte sim fraude marüae lassen zwei aaffassnngen
zu: entweder als dativ, dann würde man jedoch eher den ploral er-
warten; oder als nom. plur., dann läszt sich nicht einsehen wie diese
bezeichnung auch fQr Andromeda passen soll, die ein&chste hilfe
scheint mir zu sein statt maHt€ie den Singular mar ita zu. setzen.
IV 8, 37 las man bisher mit Scaliger uürique aesHua supeOex
unter vergleichung von Copa 29. dabei wurde ausgegangen von der
lesart utriquCy welche sich in N von erster, in V und F von zweiter
band findet dagegen haben V und F von erster band und mit ihnen D
uterque. dieser lesart gegenüber macht die von N usw. den eindruck
einer correctur. der corrector dachte wohl an den daüv von iderque
und meinte die Phyllis und Teia. B. hat nun nach uterque geschrie-
ben craterque. ich glaube, es ist gar nicht nOtig an der überliefe*
rung von D V F zu ändern ; man verstehe nur üter 'der weinschlauch',
ein solcher scheint gerade bei dem improvisierten sommerlichen
gartengelage (im inpluvium) wohl angebracht zu sein.
IV 9, 28 hat B. unter benutzung der Heinsiusschen conjeotur
iuris für putris in den text gesetzt : iuris odoraio lux erat igne casa.
die trennung des überlieferten luxerat in lux erat ist freilich einfach
genug; aber gibt jener text auch einen passenden sinn? 'in der
hütte war licht durch das duftige feuer des Weihrauchs'? ich habe von
brennendem Weihrauch zwar schon qualm genug, aber noch kein licht-
spendendes feuer gesehen, damit f^llt für mich iuris, unter odoraio
igne denke ich mir vielmehr ein solches feuer, wie es Verg. Am,
VII 13 beschrieben wird : (Circe) urü odoratam nocturna in lumma
cedrum, also von duftigem cedemholz oder ähnlichem, luxerat aber
leite ich nicht von lucere her, sondern von lucescere, so dasz also
unser ganzer vers mit dem wunderhübsch malenden putris hiesze :
'die baufällige hütte hatte zu leuchten angefangen (dh. war eben
erleuchtet worden) durch feuer von wohlriechendem holz.' ich wüste
nicht was daran auszusetzen wäre.
IV 10, 5. weder durch imbuis (N und V m. 2) noch durch
inicis (Baehrens) wird das induis der übrigen hss. berichtigt, die
stelle bleibt holprig, ich mag nicht empfehlen indutus Bomuley ob-
wohl sich auch solche Verbindungen finden (man denke an des
Ausonius: lat^ uent, nouus anne uem)\ schreibt doch auch
Baehrens Prep. IV 11, 24 nach den g und meinem verschlag Tan-
taleus corripiare liquor. die Verderbnis scheint tiefer zu liegen:
denn auch primae paHmae huiiAS ist sonderbar gesagt, ohne zu glauben
den ursprunglichen worÜaut getroffen zu haben, scheint mir doch
folgender herstellungsversuch der stelle der erwägung wert zu sein :
indiges exempUtm primus tu Bomute paimae
huvus es: exuuiopienus ab hoste redis.
EBoBsberg: zar kritik des Propertias. 77
rV 11, 37 testor maiorum cineres tibi^ Bomay cölendoSy
suh Quorum iüulis^ Africa, ttmsa iaces^
et Persem proaui stimulanlem pectus ÄchtUi
quique tuasproauo (regit Ächüle dotnos,
in diesen überaus schwierigen versen ist zunächst sicher richtig für
stifmlafUetn von den Itali simülantem hergestellt, zur heilung der
übrigen worte von v. 39. 40 sind allerlei versuche angestellt wor-
den, worüber am ausführlichsten bei Burman. Baehrens hat die
coiyectur von Heyne qui Persem . . et tumidas . . aufgenommen,
die sich auf Sil. Ital. XY 291 stützt, aber einerseits sehr stark von
der Überlieferung abweicht, anderseits das im anfange von v. 39
unentbehrliche et beseitigt, ich schlage vor mit änderung von zwei
buchstaben zu schreiben :
et , Persem proaui simülantem pectus ÄchiUi
quique reas proauo fregit ÄchiUe domos,
zn construieren ist natürlich: et eum^ qui Persem Äc^iUis proaui
pectus simülantem et domos ÄchiUe proauo reas fregit. die worte
ÄchiUe proauo sind als freierer ablativ (eine art abl. abs.) zu fassen.
*die wegen ihres urahnen Achilles schuldbeladene familie' wird
das geschlecht der makedonischen könige genannt, weil Achilles
die Trojaner^ von denen die Römer ihren stamm ableiteten, bekriegt
und zum Untergang ihrer stadt beigetragen hatte, zu diesem ge-
danken vergleiche man Verg. Äen. VI 838 eruet iUe Ärgos Äga^
memnoniasque Mycenas ipsumque Äeadden^ genus armipotentis
ÄchiUis^ ultus auos Troiae. — IV 11, 86 wird von Heinsius für
cauta nouerca vorgeschlagen torua^ von einem andern gelehrten
ducta^ letzteres entschieden matt, ersteres mit rücksicht auf v. 88
auf den ersten blick nicht unpassend, indessen möchte ich nicht
glauben dasz der Cornelia hier ein tadelndes epitheton der nouerca
in den mund gelegt werden darf, sind doch die verse 85 — 90 eben
darauf berechnet die Stiefmutter gegen die söhne günstig zu stim-
men, das hätte aber durch eine bezeichnung wie cauta oder torua
schwerlich geschehen können, torua hat auch in ansehung seiner
buchstabengestalt wenig Wahrscheinlichkeit für sich, der Überliefe-
rung würde nun sehr nahe kommen culta oder comta Mie geputzte',
weil neuvermählte, allein auch hierin könnte noch ein anfing von
tadel gefunden werden, nach meiner Überzeugung schrieb Prop.
casta nouerca. nur eine solche kann sich Cornelia als ihre nach-
folgerin denken, nur einer solchen gegenüber dürfen die söhne er-
mahnt werden : coniugium paternum laudate et ferte. dasz dennoch
V. 88 davon die rede ist, dasz die Stiefmutter durch die Hebens Wür-
digkeit der knaben gewonnen werden soll, darf doch gewis nicht
auffallen: denn wenn dieselbe auch casta ist, so bleibt sie doch
eben — nouerca,
Norden. Eonrai> Bossberg.
78 SBrandt: ein drnckfehler bei Ovidius [trist. IV 10, 107].
13.
EIN DRUCKFEHLER BEI OVIDIUS.
Ein stehen gebliebener drnckfehler , gewis nichts sonst ist es,
wenn es in der Merkeischen textausgabe. von Ov. trist, IV 10, 107
heiszt :
totque tuU castus pelagoque terriique y quot ifUer
occuUum steUae conspicuutnque pc^um.
es wäre kaum ein wort über eine solche kleinigkeit zu Tcrlieren,
wenn es^nur bei diesem erratum im Merkeischen texte geblieben
wäre, aber aus Merkel gieng der fehler in die ausgäbe Ton Biese
über bd. III s. 181, zum dritten male erscheint der vers mit tHrra
in der auswahl von Volz ^die römische elegie' 2e aufl. 1876 s. 11^
und damit noch nicht genug, auch noch ein viertes mal findet er
sich bei Jacoby 'anthologie aus den elegikem der Römer' (1882)
I 8. 58. da scheint es denn doch nötig diesem zählebigen vers-
monstrum eine etwaige weitere existenz unmöglich zu machen.
Was nun die richtige lesung des verses betri£ft, so ist sie nicht
ohne eine kleine Untersuchung den hss. zu entnehmen, in dem wert-
vollen teile des Laurentianus, den FTank 'de Tristibus Ovidii recen-
sendis' (Stettin 1879) ermittelt hat, fehlt der letzte teil des 4n buches
der Tristien. der Palatinus I, den Merkel in der ausgäbe von 1837
zu gründe legte, jetzt aber Tank als den unzuverlässigsten aller
zeugen erweist, gibt mit anderen schlechten hss.: totque tuU casus
terra pelagoque quot inter^ willkürlich in dem sonst bessern Pa-
latinus n geändert in: totqtie tüli poenas terra pelagoque quot
inter. der bisweilen subsidiär zu verwendende Gothanus hat : totque
tuli casus pelago terraque q. i. , und in dem für die im bessern
teile des Laur. fehlenden partien zunächst maszgebenden , freilich
ihm weit nachstehenden Guelferbjtanus findet sich, wie wir aus
gelegentlicher freundlicher mitteilung von hm. dr. Tank wissen,
totque tüli terra casus pelagoque q, i.
In unterm falle werden wir von vom herein nicht geneigt sein
dem Guelf. mit seiner nicht natürlichen trennung von terra und
pelagoque recht zu geben, der Pal. I aber verdient keine beachtung«
doch gibt der Pal. II , der freilich in poenas gefälscht ist , ebenfalls
terra pelagoque ^ so dasz nun zwischen ihm und dem Gothanus mit
pelago terraque entschieden werden musz. wir werden nicht zweifeln,
welcher von beiden lesarten der vorzug gebührt, wenn wir die ganz
ähnliche sichere stelle ^ri^. III 2, 7 vergleichen: plurima sed pelago
terraque pericula passum ustus ab assiduo frigore Pontus habet.
dieselbe Stellung findet sich wiederum trist. IV 1, 51 et partim
pelago partim vestigia terra vd rate dignatas (sa deas) vet pede
nostra sequi ^ und mit geringer änderung trist. V 3, 12 nuncprocul
a patria Geticis circumsonor armis^ multa prius pelago muUaque
passus humo. demnach hat allem anschein nach hier, wie auch sonst
HZurborg: za Xenophons Hellenika. 79
bisweilen, im Gothanus sich die richtige lesart pdago terraque er-
halten^ und so wollte gewis auch Merkel schreiben, allerdings wendet
Ovidius, wo er von seiner reise in das exil spricht, auch die um-
gekehrte Stellung an: trist, III 11, 59 tot mala sum fugiens tellurCy
tot aequorepassuSf und IV 8, 15 non ita di$ visum, qui me terra-
que marique actum Sarmaticis exposuere lociSy und ex Ponto TL
7, 30 quos (sc. lahores) ego sum terra, quos ego passus aqua. vgl.
auch trist, IV 1, 21 f. allein hier wird man annehmen dürfen dasz
der dichter, zumal da er in den gedichten aus der Verbannung von
peinlicher Sorgfalt weit entfernt ist, dem zwange des verses nach-
gab, an der zweiten stelle auch um der gewöhnlichen redeweise terra
marique willen , abgesehen davon dasz an keiner dieser stellen das
wort pelagus angewandt wird, denn für das naturgemäsze, dem
wirklichen gange der reise wie der schwere der mühen und gefahren
entsprechende wird man jedenfalls die Stellung pelago terraque
halten müssen : zuerst kamen die groszen leiden zur see (Jurist, I 2.
4. 11), dann die viel geringeren, kaum erwähnten {frist. IV 1, 21 f.)
auf dem landwege durch das bistoniscbe Thrakien von Tempyra aus
{trist. 1 10, 21 £P.). Ovidius hat also die Stellung peZa^o terraque hier
ebenso mit be wustsein und absieht gewählt, wie her, 4, 5 die um-
gekehrte terra petagoque, wo für Phaedra, wenn sie an Hippel jtus
schreibt, briefe überbrächten geheimnisse überallhin, die erwähnung
des landes näher liegt als die des meeres.
Heidelberg. Samuel Brandt.
14.
ZU XENOPHONS HELLENIKA.
1 1, 36 Ktti auToO Toiv vediv ipcic diröWiiVTCci dv Tifi *6XXtic-
TTÖvTq) ÖTTÖ TOIV 'AxTiKoiv ^vvctt vciliv, ttt dci ^viaOGa xd iiXoTa
bi€q)uXaTTOV, al h ' fiXXai f cpirrov elc Ct]ctöv, dKcTGev bk elc BuCdv-
Ttov £ciu6r]cav. zu der zeit, von der hier die rede ist, war Sestos
athenische flottenstation ; es ist also auffällig , dasz die peloponne-
sischen schiffe , welche auf der fahrt nach Byzantion und Ealchedon
begriffen sind, sich vor den Athenern gerade dorthin geflüchtet
haben sollen, denn wenn ihnen etwa jene thatsache unbekannt war,
so werden doch die dort stationierten attischen schiffe sie jedenfalls
am einlaufen gehindert haben, ich vermute deshalb dasz Xenophon
£q)€UTOV schrieb; so dasz sich der sinn ergibt: 'sie beabsichtigten
(waren drauf und dran) ihre flucht nach Sestos zu nehmen , retteten
sich aber (ohne wirklich einzulaufen , da sie im letzten augenblick
die drohende gefabr erkannten) von dort nach Bjzantion.' genau
so gebraucht wird das imperfectum 17,7 TOiauTa X^yovtcc I tt € 1 6 o v
TÖv bf^^ov 'sie waren drauf und dran das volk zu überzeugen', wo
das thatsächliche nachher ebenfalls mit dem aorist IboSe bk dva-
ßaX^cOai entgegengestellt wird.
80 HZurborg: zü Xenophone Hellenika.
n 1, 15 Ka\ TrpocßaXdiV (6 Aucavbpoc) ttöXci Td»v *A6iiva(u)V
cumidxtu övo^a Kebpeiatc tQ äcrepaia TrpocßoX^ xard Kpdroc atpei.
die ausleger streiten, ob die worte tQ öcrepaiqi TipocßoX^ zu ver-
binden sind = impäu postero^ oder ob rfji ucrepafa so viel wie
postridie ist und TTpocßoX^ als instrumentaler dativ za KOrd KpdTOC
a\p€T gehört, im erstem falle wäre der artikel sehr auffällig; auch
steht einem 'zweiten angriff* gar kein eigentlicher ^erster' gegen-
über, da das an der spitze des satzes stehende TrpocßaXüLiv nur all-
gemein den beginn der feindseligkeiten gegen die stadt andeutet,
in dem zweiten falle aber ist irpocßoX^ ein völlig überflüssiger, ja
störender zusatz (vgl. § 19 TrpocßaXövTCC hk TlJ iiöXei atpoCci Kard
KpdTOc); und so dürfte denn in diesem worte nur ein zur erklärung
von T^ ucTcpaicji aus TrpocßaXövT€C fälschlich hinzugefügtes emblem
zu sehen sein.
II 3, 19 6b* aö Qr\Qaiiiyn\c xai irpöc laOra ?X€T€V , ön firo-
7T0V boKoiii iaxniSji T€ clvai xö ttpätov jitv ßouXofi^vouc toöc ßcX-
TiCTOuc Tdiv TToXiTiBv KOivuivoöc iioii^cacOai xpicxiXCouc <TTOir|ca-
c6ai add. Sauppe^ . • ^TTCiTa h\ £q)T)> ^P^ Itü>T€ usw. unbegreiflioh
erscheint dem redner zweierlei: erstens dasz die dreiszig, in der
absieht die besten unter den bürgern mit zu ihrer neuen Staats-
ordnung heranzuziehen, gerade auf die zahl 3000 verfallen sind;
zweitens (^TieiTa b* — dieser gedanke ist als hauptsatz gegeben)
dasz sie inconsequenter weise eine gewaltherschaft erstreben und doch
sich in abhängigkeit von jenen 3000 bürgern bringen wollen, nun
heiszt aber tö TiptÜTOV 'anfänglich, früher' oder 'zum ersten male';
was man erwartet, ist vielmehr TTponrov. der artikel tö ist also hinter
TTpuJTOV fiiv zu stellen und mit dem (zweiten) infinitiv TTOirjcacGai
zu verbinden.
II 3, 40 €ÖbT]Xov tdp fjv, ÖTi TOUTUiV dTroXo|Li^vuiv (dh. nach
der von Kritias vorgeschlagenen hinrichtung von dreiszig metöken)
Kttl ol fLi^TOiKOi dnavTCC ttoX^iuioi tQ TToXiT€i(x &01VT0. der redner
will offenbar nicht die befürchtung aussprechen, dasz die metöken
durch die von Kritias veranlaszte grausam keit in eine feindselige
Stellung gegen den athenischen staat gedrängt werden würden,
sondern dasz sie von der gegenwärtigen oligarchischen Ver-
fassung und ihren häuptem sich abwenden würden, so heiszt es
auch vorher ähnlich von den gesinnungsgenossen des hingerichteten
Leon fjbciv . . ÖTi . . ivavrioi xfjbe t^ TroXiTeicji fcoivro und von
denen des ebenfalls getöteten Nikeratos ^TiTVWCKGV . . ÖTt . . buc-
lueveTc flfiiv t^v/jcdivtc. der sinn verlangt also dasz auch in
obigem satze vor t^ TroXiT€(qi ein T^be eingeschoben wird, das ja
infolge des gleichklangs leicht ausfallen konnte, ähnlich heiszt es
auch unten § 42 dird yc |Lif|V ttoXXouc diwpujv iv Tf| iröXci -rij dpx^
Tribe bucjLieveic.
Z ERBST. Hermann Zürboro.
BESTE ABTEILUNG
FÜR CLASSISCHE PHILOLOGIE
HERAUSGEGEBEN VON ALFRED FlECKEISEN.
15.
OLTMPIA. DAS FEST UND SBIME STÄTTE. NACH DEN BERICHTEN DER
ALTEN UND DEN ERGEBNISSEN DER DEUTSCHEN AUSGRABUNGEN.
VON Adolf Boettioheb. mit vielen Holzschnitten und
15 tafeln in KUPFERRADI rbung, LITHOGRAPHIE ETC. Berlin, Ver-
lag von Julius Springer. 1883. XII u. 407 8. lex. 8.
Möge es mir vergönnt sein die nachfolgende besprechung von
Adolf Boettichers 'Olympia' anzuknüpfen an die recension von Ernst
Cnrtius' Teloponnesos', welche ich bald nach der Veröffentlichung
dieses werkes vor dreiszig jähren (1853) in diesen selben Jahrbüchern
bd. 67 s. 288 — 315 erscheinen liesz. zunächst will ich an die worte
erinnern , welche ich Curtius' damaliger Schilderung der ebene von
Olympia (II 49 — 71) s. 308 hinzufügte: 'möchten die wünsche,
welche er am schlusz ausspricht, dasz mit kraft angegriffene und
mit ausdauer fortgesetzte nachgrabungen an dieser stelle noch viele
denkmäler des altertums ans licht bringen werden — er selbst
nennt sie in der Überschrift fromme wünsche, doch nur im wahren
nnd besten sinne des wertes — bald in erfüUung gehen!' und ihnen
lasse ich den znruf folgen, den Curtius in seiner königsrede (22 märz
1880) mit freudigem dankgefühl an seine Universitätsgenossen rich-
ten durfte (altertum und gegen wart 11 195) : 'in Olympia ist durch
ruhig fortschreitende aufräumung innerhalb der gezogenen grenzen
einer der merkwürdigsten platze des altertums mit der dichten gruppe
geschichtlicher denkmäler jeder art vollständig an das licht gezogen,
und mit hilfe der zuletzt gewährten mittel werden wir am ende des
fünften jahres sagen dürfen: hier ist die Altis von Olympia, hier
liegt sie mit allen ihren gründnngen und dem ganzen bestände dessen
was der Zerstörungswut der barbaren und der demente entgangen
ist, übersichtlich vor euch!' vier wochen später ist mir das glück
xa teil geworden in Curtius' und seiner freunde geleite vier tage
Jahrbücher für clau. philol. 1888 hft. 8. 6
82 JClassen: anz. v. ABoettichera Olympia.
(20 bis 24 april 1880) diese ebene in anscbanung ihrer wiederauf-
gedeckten schätze zu durchwandern.
Ich schicke diese persönlichen erinnerungen der ausfUhrung
meiner aufgäbe voraus, um es meinen lesem begreiflich zu machen,
dasz die von befreundeter seite an mich gerichtete aufforderung mein
urteil über Boettichers 'Olympia' auszusprechen mir freude gemacht
hat. denn so wenig ich den anspruch erheben kann, die Verdienste
des buches nach allen Seiten würdig abzuschätzen, so darf ich doch
hoffen den eindruck, den das inhaltreiche werk auf einen an seinem
groszen gegenstände mit liebe teilnehmenden gelehrten auch noch
in höherem alter macht, nicht ohne innere erfahrung aussprechen zu
können.
Ich folge aber jener aufforderung um so lieber, weil derselbe
grundgedanke , welcher mich bei der abfassung der recension über
Curtius' Teloponnesos' erfüllte, mir auch bei der lectüre der
^Olympia' lebendig vor die seele getreten ist. wie damals möchte
ich auch jetzt die teilnähme recht vieler jüngerer beruf^genossen
auf ein werk hinlenken, aus welchem uns die quelle frischer erkennt-
nis des lebens des altertums aus umfassender anschauung und gründ-
lichem wissen anregend entgegenspradelt.
Boettichers 'Olympia' kommt zunächst einem allgemein empfun-
denen bedürfnis zu günstiger zeit entgegen, wir haben zwar wäh-
rend der sechs jähre , in welchen das ruhmvolle erste friedenswerk
des neuerstandenen deutschen reiches seinen rüstigen fortgang nahm,
durch die regelmäszigen mitteilungen des 'deutschen reichsanzeigers'
von den fortschreitenden erfolgen der arbeit officielle künde erhal-
ten, und die von 1876 bis 1881 alljährlich erschienenen abbildungen
der ausgrabungen mit den sorgfältigen erläuterungen der heraus*
geber, denen noch vor kurzem 'die funde von Olympia , ausgäbe in
6inem bände , herausgegeben von den directoren der ausgrabungen
in Olympia in 40 tafeln' gefolgt sind, haben uns über alle einzelnen
ergebnisse des groszen Werkes aufs dankenswerteste belehrt und
Zeugnis gegeben von den unablässigen bemühungen der herausgeber
'die reiche ernte der sechsjährigen ausgrabungen im Alpheiosthale
zu verwerten und die wissenschaftliche darstellung der gesamtresul-
tate vorzubereiten.'
Die Vollendung einer so umfassenden arbeit wie diese ist aber
nicht in kurzer zeit zu erwarten , und doch war es in hohem grade
wünschenswert dasz ein gesamtüberblick über alles durch deutsche
einsieht und ausdauer in Olympia geleistete den zahlreichen freunden
des altertums, welche das werden und fortschreiten des erfreulichen
Werkes mit lebhafter teilnähme begleitet hatten, so bald wie mög-
lich geboten werden möchte. ABoetticher, der mit frischem mute
an diese aufgäbe herangetreten ist, hat die erwünschteste begabung
und Vorbereitung zu derselben mitgebracht, sein entschlusz war
von anfang an dahin gerichtet, seine zusammenfassende darstellung
nicht für den engem kreis der fachgelehrten zu bestimmen, sondern
JClasaen: anz. y. ABoettichers Olympia. 83
den versuch zu machen ^die kenntnis von dem in Olympia positiv
gewonnenen und eine Vorstellung von den hoffnungen , welche sich
daran knüpfen, in die weiteren kreise derer zu tragen, denen die he-
Bchftftigung mit dem leben und der kunst der classischen zeit eine
liebgewohnte ist'. B. ist nicht gelehrter im gewöhnlichen sinne des
wertes , sondern ein classisch gebildeter architekt von umfassenden
Studien und gründlicher kenntnis alter und neuer geschichte und
kunst. als solcher ist er, wie er uns s. 72 berichtet, im verein mit
dr. Oustav Hirschfeld (jetzt professor in Königsberg) zur leitung
der archäologischen und technischen arbeiten bei den Ausgrabungen
in Olympia im auftrag des directoriums zu anfang September 1875
ausgesandt worden und hat während der ersten campagnen diese
arbeit, so weit es seine gesundheit gestattete, freudig und eifrig
durchgeführt, auf späteren reisen ist ihm der gröste teil des übri-
gen Griechenlands bekannt geworden , und er hat sich somit nach
allen Seiten eine so lebendige anschauung von dem gegenstände
seiner aufgäbe gewonnen, wie sie einem werke wie dem seinigen
den dauerndsten eindruck auf den empfänglichen leser verbürgt,
dazu lesen wir gern in seinem verwerte, dasz er sich der teilnehmen-
den aufmunterung von ECurtius zu seinem unternehmen erfreut hat
und unter seinen freunden und mitarbeitern besonders dem prof.
Hirschfeld und dr. BWeil kräftige förderung seiner arbeit verdankt,
durch den ganzen verlauf des buches ist bei den verschiedensten
gelegenheiten dankbar der belehrung gedacht worden , welche ihm
die Untersuchungen von Dörpfeld, Treu, Borrmann, Gräber, Bohn
ua. über bestimmte fragen der gesamtaufgabe gewährt haben.
Von diesen erfreulichen einfiüssen ist der Charakter des Werkes
in inhalt und form durchgehends erfüllt, gern lassen wir uns von
der gehobenen Stimmung, welche dem vf. in seiner angestrengten
arbeit ununterbrochen treu bleibt, durch die lebendige Schilderung
sowohl der landschaft wie der Überreste der architektur und sculptur
hindurchführen, und folgen mit nicht minderer teilnähme den fein-
sinnigen und eindringenden betrachtungen , die sich seinem offenen
blick und klaren urteil über die entwicklung der geschichtlichen
zustände und die wechselnden gestaltungen der kunst jener zeiten
aufdrängen, der ausdruck ist in allen teilen des buches, von der
wohlüberlegten einleitung bis zu dem hoffnungsvollen schluszworte,
frisch und lebendig , edel und ungekünstelt , so dasz wir nirgends
störend berührt oder ermüdet werden, auch das zähle ich zu den
gewinnenden Vorzügen der schönen arbeit, dasz überall da, wo in
frskgen der richtigen erklärung älterer kunstwerke oder der recon-
struction trümmerhaft erhaltener fragmente eine entscheidung zu
treffen war, B. seine ansichten mit klarer begründung vorträgt, den
abweichenden meinungen anderer aber besonnen ihr recht wider-
fahren läszt und in der polemik niemals verletzt.
Wir versuchen diesen Charakter der ^Olympia* in einem über-
blick ihrer einzelnen teile näher darzulegen, es ist nicht meine ab-
6*
84 JClassen: anz. v. ABoettichers Olympia.
sieht , Id das detail der besonderen Untersuchungen ausführlich ein-
zugehen: ich überlasse die anziehende lectüre und lehrreiche prtt-
fung derselben dem leser selbst und beschränke mich darauf, neben
der allgemeinen Übersicht des inhalts einzelne punkte, die aus einem
oder dem andern gründe von gröszerem interesse sind, hervorzu-
heben, ich habe mir auch gern gestattet B.s eigne werte, wo sie
den gegenständ mit besonderer schärfe treffen, öfters zu diesem
zwecke anzuführen.
Die einleitung (s. 3 — 11) führt den Standpunkt, den der vf. für
sein werk eingenommen hat, bestimmter aus: in dem oben ange-
deuteten entschlusz, Verständnis und anschauung für die in den aus-
grab ungen zu Olympia gewonnenen resultate einem gröszem leser-
kreise zu eröffnen, fühlt er sich, unbeirrt durch die trüben ahnungen
eines pessimistischen beobachters, von der ho&ung durchdrungen:
'dasz, so sehr auch die moderne zeit nach einer auf den realen
Wissenschaften basierenden erziehung hindrängt, sie niemals im
stände sein werde , einen völligen bruch mit der geistesbildung un-
serer Väter herbeizufahren, die an dem lebendigen bom alter dich-
tung und kunst ihre lebensnahrung getrunken haben', gerade das
wiederaufgedeckte Olympia, davon ist er überzeugt, werde noch
lange 'als ein neugewonnener waffenplatz gelten flU* die Verfechter
der classischen erziehung und eine bedeutsame etappe auf dem
marsche der kämpfer, die sich um das banner des Ideals scharen'.
B. ist weit entfernt die aufgrabungen von Olympia für abgeschlossen
zu halten: 'so viele an den boden Olympias gestellte fragen auch
beantwortet wurden, so viele bleiben ungelöst zurück.' dasz das so
ist, dasz so viele probleme sich bieten, an deren lösung alle zweige
der Wissenschaft beteiligt sind, das ist ein nicht hoch genug anzu-
schlagender gewinn, beides, sowohl das aufgefundene und neu-
gewonnene in seinem wert und umfang dem leser vorzuführen^
wie auch die immer noch schmerzlich empfundenen lücken zu be-
zeichnen, die unserer erkenntnis geblieben sind, ist die absieht des
vf. der hinbliek auf die sonst so spärlichen naehrichten, die uns
aus dem altertum über Olympia aufbehalten sind, führte ihn zu dem
ausdruck der gerechten anerkennung der alles andere bei weitem
überwiegenden bedeutung, welche das fünfte und sechste buch des
Pausanias bei allen seinen schwächen und irrtümem für unsere
kenntnis von Olympia, auch nachdem wir die alten fundstätten wie-
der aufgedeckt haben , für immer behalten werden.
Der nächste abschnitt (s. 15 — 25) Mie geographische und land-
schaftliche läge Olympias' vergegenwärtigt uns mit einer klarheit
und bestimm theit, die nur eine lange und eindringende anschauung
zu gewähren vermag , den Schauplatz der grösten nationalfeste des
hellenischen Volkes durch einen Zeitraum von mehr als tausend
Jahren, den die durch läge und gestaltung von natur neutrale küste
von Elis wie keine andere griechische landschaft darbot: *£lis ist
ein offenoA üachland, dessen sanfte hänge zu nur mäsziger höhe gegen
JCluMsen: anz. t. ABoetÜckers OlyiupiA. S5
das srkadiscbe hochlajid ansteigen, wellige waldhftgrl umschlie$7eii
flache wofalbewässerte tbalmulden, in denen öl und wein, geireide
und gartenfrficbte in reicher ftdle gediehen und trotf. niAngelhafter
cnltar noch heute. gedeihen.' die spuren früherer Verbindungen mit
entfernten kfisten und wiederholter einwanderungen aus dem Orient
werden in aufgefundenen geraten aus terracott^ und bronte, in
alten Ortsnamen von phönikischer herkunft nachgewiesen. Rtoliscbe
and dorische demente gesellen sieb den phönikischon einwanderun*
gen zu nnd vermischen sich mit ihnen : so l&set sich dio bevtUkerung
von Elis auf keinen einheitlichen stamm zurUckHihron. so gewis
auch Sparta nach der Unterwerfung von Messene auch nach dem l^e-
aitz des fruchtbaren nachbarlandes getrachtet hat, so sind doch
seinem gewaltsamen vordringen früh grenzen gesogen : dor bozeuKt«'
vertrag zwischen dem spartanischen gesetzgebor Lykurgos und doin
elischen fürsten Iphitos (884), dessen Urkunde Pausanias i^V 4, 5.
20, 4) noch auf einer ehernen scheibo im Horatonipel zu Olympia
gesehen hat, begründete ein friedensverhttltnis , das die einloiinng
zu dem nationalen bundesfeste war. dio landiichuft KÜh erlunK<o
dadurch den gottesfrieden, die dauernde ekechoirin, wolcho h\v h\A\
lange durch enthaltung von den griechischen cantonnifuhdvn Hirbi*rto.
in anerkennung dieser groszen wohlthat weihte EHh an d«*r biwor-
zugt^sten stelle des ganzen festplatzes, in der huUu vor dniii «Ein-
gang ins innere des Zeustempels, ein grupponbild: IphiioH, woh*)Hiti
die als gottbeit personificierte Ekecheiria mit dem krtinzo HclimlU^ki.
insbesondere gibt B. von der Alpheiosubeno bei Olympiu im bpiznit
des durch läge und natur zum frieden prildeBtiniurUm IhikIoh in (•in-
fachen Zügen ein ungemein naturwahros, ansprechundcH bild (h. lU).
die geographischen schildenmgon dieses nbHcbnittH Hind diinili y.wi>i
anschauliche kärtchcn dem Icscr vor augon goftÜirt.
In dem folgenden abschnitt (H)lympinH nntiirgatig und npAtnr»
Schicksale der ebene' s. 29 — 46) sind die KpArlichon nnc.hricbton /n
sammengetragen , welche wir aus dor zeit nach OonHinniin Uhnr di«t
geschichte von Griechenland und besonders (hm lUAnpotuwnt*» \m
sitzen, mit der grausamen Verfolgung des hoidentunis diirrli Thiui
dosius I werden auch die gewaltsamen zorstt^rungon ht*\i\n\tnht*r
tempel begonnen haben, der let^^ten feier der ulympmhi'n fipi«ilo
(393) folgte wahrscheinlich bald die wegfflhrnn^ t\*ir iih]tUÄf$*u
beinernen Zensstatue nach iSyzantion« sind aiiüh <\m nlibf<rMn um
stAnde derselben bei KedrenoH wenig glaubwOrdif^ bft/«tti^f, nn 'mt
die thatsache doch schwerlich zu U;zwe)f^Jn: K';b/;n da^ f'dikri if«d«tr
spur der herlichen bildseule ^lei d«m n^i'm auf^rabtinf^^n, wHhtt^w)
von den fibrigen bild werken fU:n U^mjftslH no vi<fl«m (^^fundfri worden
ist, spricht für eine frühe hinwegv;baffrjn(f«
Auch glaube ich dasz H. m'i%rf.f-M das /ArfiWtrrini(nwt^rk *U^t VV/'^f
gothen unter Aiarich fßr Kli-t rmd n^km^rntli^/h in OlyrripiM rii'.bt n\^ nh
umfangreich nnd7em;^,btAnd;innirr»t,, wi^H*^rt./bftrj(^((^^'.b.Of»''/b. IM
398) es schildert, es i.<t rieimehr keinem zw«if#jl nhf^rw^rf^n , da*/
86 JClassen: anz. y. ABoettichers Olympia.
furchtbare erdbeben, wie sie oft die nordwestküste des Peloponneses
beimgesuclit , im sechsten jh. auch über Olympia die entsetzliche
katastropbe herbeigefflhrt haben, deren Wirkung wir noch vor äugen
sehen. B. hält es auf grund der sorgfältigen nachforschungen des
neugriechischen gelehrten Sathas über die von byzantinischen Schrift-
stellern erwähnten erdbeben bis zum ende des sechsten jh. und des
groszen münzfundes in Olympia vom 19 febr. 1876, welcher in einer
aus bruchstücken des Zeustempels zusammengebauten mauer einzelne
münzen bis zu Justinians zeit zu tage gebracht hat, für das wahr-
scheinlichste, dasz eins der groszen erdbeben der jähre 522 und 551
das Zerstörungswerk vollbracht oder dasz beide ihren anteil daran
gehabt haben, ^nach dieser gewaltigen katastropbe scheint die olym-
pische ebene eine feste ansiedelung nicht mehr sehr lange besessen
zu haben.' slavische bevölkerung ist wahrscheinlich erst im siebenten
jh. in diesen gegenden ansässig geworden; doch läszt sich jetzt über
die Schicksale Olympias im mittelalter wenig bestimmtes sagen:
'über alle diese trümmer olympischer herlichkeit und byzantinischer
armseligkeit hat sich im laufe der Jahrhunderte jene durchschnittlich
vier bis sechs meter hohe sandlage gebreitet, deren beseitigung das
werk der deutschen expedition galt.'
Über die entstehung der tiefen Versandung war lange die an-
sieht vorhersehend , dasz dieselbe durch eine periodische entle^mng
des Pheneossees im nördlichen Arkadien bewirkt worden sei, welcher
von zeit zu zeit durch katabothren sich von der von vielen selten
eingeströmten wassermasse befreie und sie dem Alpheios zuführe,
prof. Bücking bat 1880 durch gründliche geologische untecsuchungen,
die der Berliner akademie vorgelegt worden sind, die Unmöglichkeit
jener entstehung nachgewiesen: auf sie gestützt und unter mitteilung
des bauptinhaltes eines 'vorläufigen berichtes' derselben und einer
geologischen karte hat Boetticher die richtige erklärung gegeben
(s. 43) : 'es ist kein vom Alpheios auf die ebene heraufgetragenes
erdreich, welches dieselbe bedeckt, sondern lediglich der von den
umliegenden höhen herabgeflossene und teils direct teils durch Ver-
mittlung des Kladeos über die fläche hin ausgebreitete sand.' er
fügt noch am schlusz dieser erörterungen hinzu : 'die ablösung von
den lockeren sandmassen der uferhügel ist so stark, dasz schon wäh-
rend der ausgrabungsarbeiten kleine schuttkegel an diejenigen stellen
hinzuwandern begannen, welche erst kurz zuvor vom spaten der
arbeiter bloszgelegt waren, aus diesem gründe wird es nötig sein,
wenn anders der jetzige zustand der aufgedeckten feststätte erhalten
bleiben soll, energische Vorkehrungen gegen die abrutschungen vom
Kronosbügcl und den angrenzenden höhen zu tre£fen.'
Von groszem interesse ist der folgende abschnitt: 'geschichte
der Wiederentdeckung Olympias' (s. 49 — 72), welcher die von Mont-
faucon und Winckelmann vor mehr als hundert jähren gefaszten ge-
danken und plane zu nachgrabungen in Olympia verzeichnet und
die reihe der bald nachher unternommenen reisen und aufdeckungs-
JClassen: anz. y. ABoettichers Olympia. 87
versuche von Chandler (1766), Fauvel (1787), Pouqueville (1805),
Leake, Dodwell und Gell (1801 — 1808), Lord Stanhope und seinem
jungen architekten Allason (1813) historisch aufführt und beurteilt.
doch blieben alle diese bemühungen, da gröszere ausgrabungen nicht
unternommen wurden, ohne bedeutenden erfolg, die trümmer des
Zeostempels wurden zuerst von dem Franzosen Fauvel richtig er-
kannt, da bei seiner anwesenheit die umwohner ihn als Steinbruch
ausbeuteten, der Engländer Allason, der begleiter Stanhopes, ent-
warf bei einem 14tägigen aufenthalt in der ebene von Olympia die
erste kartierung derselben , welche bis zu den tagen der deutschen
expedition die einzige geblieben und allen Untersuchungen über
Olympia zu gründe gelegt ist. 'die karte erschien 1824 als der
wertvollste bestandteil des Stanhopeschen Werkes, dessen in hoher
künstlerischer Vollendung gestochene landschaftsbilder leider der
treue ermangeln und selbst im allgemeinen dem Charakter der land-
schaftlichen Physiognomie Griechenlands keineswegs gerecht werden.'
Die Unruhen des Unabhängigkeitskrieges haben dann längere
zeit die umfassenden plane, die in England wie in Deutschland zu
ausgrabungen in Griechenland gemacht waren, gestört, dagegen
hatte die aussendung des französischen armeecorps nach Morea
(1828 und 1829), welches das land von den grausamen Verheerungen
der ägyptischen horden unter Ibrahim Pascha befreite, den wich-
tigen erfolg, dasz die französischen ingenieure während ihres kurzen
aufenthalts im Peloponnes den grund zu der kartenaufnahme der
halbinsel legten, welche bis jetzt die vorzüglichste geblieben ist,
und dasz von den französischen gelehrten, welche das hauptquartier
begleiteten, die teilweise freilegung und aufgrabung des Zeustempels
im mai und juni 1829 ausgeführt wurde, in sechs wochen gelang
es ihnen, durch abgrabungen an dem durchschnittlich zwei bis vier
meter hoch mit sand bedeckten tempel die wesentlichen masze seines
seulenumgangs und die hauptein teilung des eigentlichen tempel-
hauses festzustellen, eine anzahl wohlerhaltener bildwerke, nament-
lich gröszere stücke von mehreren metopen, wurden aufgefimden und
bilden eine zierde der samlungen des Louvre. aber mitten im besten
finden stellte man die arbeit ein; wichtige messungen blieben un-
ausgeführt; das glänzende prachtwerk der 'expedition scientifique
de la-Mor^e' gibt keinen grund dafür an, weshalb das begonnene werk
nicht weiter geführt ist ; aber in zahlreichen mangeln und Übereilun-
gen, die es enthält, liegt der beweis zu tage, dasz die beendigung
hat in eile geschehen müssep. wir lesen jetzt mit interesse bei B. —
mir ist nicht bekannt dasz man von diesem Zusammenhang früher
gewust hat — dasz den leitem unserer ausgrabungen, 50 jähre nach
diesen vergangen, eine aufklärung darüber zugekommen ist. 'ein
ehemaliger hauptmann im griechischen beere' erzählt B. s. 58 'An-
donios Pappandonopulos, der jetzt in dem dörfchen Phioka nahe bei
Olympia als hochbetagter greis eine kleine hütto bewohnt und oft
in unserem (dem deutschen) hause ein gern gesehener gast war.
88 JClauen: anz. v. ABoettichera Olympia.
machte sieb , weil es ihn schmerzt« , dasz die fremden Franken die
schOnen denkmäler seiner vorfahren ans dem lande fUbren wollten,
auf die beschwerliclie nnd geiUlirliohe reise nach Nauplia, wohin
Kapodistrias den sitz der regentscbaft gelegt hatte, und es gelang
ihm durch die vermittelung des arztee Sisainis, des derzeitigen
prot'dros im Staatsrate, zutritt zum regenten zu erlangen. Espo-
üistriaa ala eifriger Buasophile und feind der Franzosen beraumte
lUBgehend eine staatsrat^aitzung an, und man beschlaaz den Fran-
zosen zwar das bis dahin gefundene zu Uberlasaen, die fortsetzung der
arbeiten indessen zu untersagen, frohen berzens zog Pappandonopulos
mit diesem befehl in seine olympische beimat. noch am tage seiner
rllckkebr, zwischen zwei und drei uhr nachmittags, wurde die arbeit
der Franzosen Histiert.' es ist kein einspruch erhoben, und die ge-
wonnenen bildwerke wurden, nachdem die nationalversamlung in
Ärgoa ihre Zustimmung gegeben hatte, auf äßszen den Alpbeioa ab-
wärts ans meer geschalTt und von da nach Paris geführt.
In dem langen Zeitraum zwischen der französischen eipedition
und dem beginn der deutschen ausgrabungen sind zwar wiederholt
ansiitze zu der wiederaufnähme des Werkes gemacht worden, von
Ludwig Boss durch lebhafte anregungen nach verschiedenen selten,
von dem fUrsten PUckler durch bestimmte plane uod vorschlage za
landschaftlichen und parksnlagen, vor allem von Ernst Curtiua durch
seinen beredten vertrag im wissenschaftlichen verein in Berlin am
10 Januar IS j2 , der den kGnig Friedrich Wilhelm IV mfichtig er-
griff und in dem damaligen prinzen von Preuszeu , unserem ehrwür-
digen kaiser, und seinem aobne wUnscbe und hofinuugen fttr der-
einstige ausfUhrung erregte, die nie aufgegeben worden sind, aber
erst nachdem die kräfte unserer naÜon durch jene Weisheit, welche
das mit klarheit erfaszte ziel nicht wieder aus den augea verliert,
und durch jene heldenmütige ausdauer, welche das fQr heilsam nnd
erreichbar erkannte durch die kräftigsten mittel auazufübren weisz,
zum einheitlichen reiche zuaammengefaszt waren , ist durch das zu-
sammenwirken glücklicher umstände und weit blickender und ener-
gisch handelnder männer das edle werk zu stände gekommen, auf
welches die blicke kundiger männer lange hingewandt waren. B. be-
richtet uns von dem gange der Verhandlungen mit der griechischen
regierung und teilt die am 13/35 april 1874 in Athen zwischen den
deutlichen und griechischen commiasarcn abgescbloasene Verein-
barung mit. im deutschen reicbstag fand der vertrag unter dem
einflusz der vortrefflichen denkscbrift, welche den lediglich der
Wissenschaft gewidmeten gesichtapunktSes Unternehmens hervorhob,
einstimmige annähme, die bedenken und achwierigkeiten , welche
griechischerseits dem abschlusz noch lange im wege standen, sind
erst durch das ausgezeichnete referat, durch welches Diamandopulos
den antrag empfahl, in der sitzung der kammer vom 11 november
1875 aberwunden worden, als in Olympia deutscherseits schon band
an die ausgrabungen gelegt var.
JCIassen: anz. v. ABoettichers Olympia. 89
B. beschlieszt seinen bericht über diese langwierigen Verhand-
lungen mit einer sehr begründeten Zurückweisung der auch in
Deutschland sich regenden Unzufriedenheit, als ob die uneigen-
ntttzigkeit unserer regierung zu weit gegangen wäre , und führt uns
mit freudiger anerkennung des erreichten in den beginn der arbeiten
in Olympia ein: 'nicht ohne hohe freude und tiefempfundenen dank
kann man auf diesen glücklichen ausgang der sache zurückblicken,
wenn man sich der mehr als ein Jahrhundert umfassenden , immer
vergeblich versuchten anlaufe erinnert, welche von männem aus-
giengen, die gewis mit nicht geringerer Sehnsucht und mit nicht
minder ernstem streben auf eine aufgäbe blickten, die nun erfüllt
ist; die jene saat ausgestreut haben, deren fruchtsegen wir nun mit
vollen hSnden einheimsen durften.'
Das- nun folgende capitel (s. 75 — 154) 'die festfeier in Olympia'
steht zwar in entfernterer beziehung zu der hauptaufgabe des buches,
unsere einsieht in die ergebnisse der deutschen aufgrab ungen in
Olympia zu vermitteln, doch hat B. es mit recht für angemessen
gehalten, uns auch die eigentümliche bedeutung der hellenischen
agonen von ihrem mythischen Ursprung an durch ihre stufen-
weise cntwicklung bis zu ihrer höchsten blute in derselben zeit , in
welcher die nation in politischer grösze und geistiger ausbildung
am höchsten stand , in historischem Überblick vorzuführen , um ein
klares Verständnis der wieder zu tage getretenen örtlichen Verhält-
nisse des hervorragendsten festplatzes und der aufgefundenen Über-
reste der architektonischen und plastischen kunstwerke aus der an-
schaulichen betrachtung der spiele und kämpfe selbst zu erreichen,
dieser abschnitt ist daher seiner natur nach allgemeiner art, aber er
gewährt uns sowohl durch die sorgfältige behandlung der frühsten
uns erhaltenen sagen über die entstehung der hellenischen national-
spiele, wie durch die eingehende erörterung der wichtigsten stellen
der alten autoren , namentlich Pindaros und Pausanias , und durch
mitteilung trefflicher abbildungen, welche anschauliche darstellungen
der verschiedenen kampfesarten bieten (s. 90 — 120), reiche beleh-
rung über diesen bedeutungsvollen gegenständ, ich enthalte mich
hier der besprechung einzelner punkte und fragen, darf aber das ge-
nauere Studium dieses wichtigen teiles der 'Olympia' von B. jüngeren
berufsgenossen warm empfehlen, wir besitzen schon seit 1838 in
JHKrauses 'Olympia' die gelehrte 'darstellung der groszen olympi-
schen spiele und der damit verbundenen festlichkeiten'. sie beruht
auf fleisziger erforschung der betreffenden litteratur und gibt uns
die mittel an die band , um uns aus den quellen kenntnis und urteil
über den gegenständ zu gewinnen, aber ein vergleich beider arbeiten
gibt den beweis , dasz B. seine leser seinem plane gemäsz (vorwort
8. VII) zwar nicht in die erneuten Studien selbst einführen will,
aber ihnen durch seine selbständige benutzung der Überlieferung
und durch die mit freiem und offenem blick erlangte anschauung der
Altisebene, ihres Inhaltes und ihrer Umgebung, in edler form ein um-
90 JClassen: anz. v. ABoettichers Olympia.
fassendes bild von der festfeier in Olympia darbietet, wie es nicht leben-
diger gewünscht werden kann, als einzelheiten von besonderem inter-
esse bebe ich hervor : die verschiedenen stiftungssagen bei Pindaros
und Pausanias (s. 80 fif.), die Übersicht der völkerverschiebongen in
Elis und ihre folgen (s. 82 f.), die begründung des gottesfriedens für
Elis und später für ganz Griechenland (s. 84), den vergleichenden
hin weis auf die gigantischen gestalten auf dem pergamenischen altar-
fries (s. 102), den wurfstein des Bybon mit der facsimilierten In-
schrift (s. 107 f.), die schSne Verwendung der stellen der Dias
Y 358 £f. und Soph. El. 663 für die anschauung des wagenrennena
(s. 122 f.), die hohe bedeutung der Pindarischen Siegeslieder (s. 134ff.),
die benutzung Olympias zum hellenischen Staatsarchiv (s. 140 f.).
Von dieser inhaltreichen betrachtung der festfeier zu Olympia
wendet der vf. sich zu dem wichtigsten teile seiner aufgäbe, der
historischen darstellung der Schicksale Olympias von der ältesten
bis zu der zeit der römischen herschaft, welche er durch die epochen
der Perserkriege, des auftretens der makedonischen und der römi-
schen herschaft in vier perioden zerlegt, wir begleiten diese um-
fassende arbeit mit ununterbrochener teilnähme: sie ist von den
ersten anfangen bis zu dem gedankenreichen schluszworte hin mit
demselben innem leben und demselben offenen blicke nach allen in
betracht kommenden selten abgefaszt, welche uns in den voranf-
gehenden capiteln erfreut haben, auf der grundlage des situations-
plans , der nach der Dörpfeldschen schluszaufhahme nach beendi-
gung der aufgrabungen (20 märz 1881) sorgfältig wiedergegeben
ist (tf. XlII. XIY), ist der vollständige bericht über die allmäh-
lich vorschreitenden aufdeckungen hindurch bis zu den mächtigen
bauten und den herlichen sculpturwerken ausgeführt, gleich an-
fangs erregt die Schilderung der unzähligen bronzenen und thö-
nemen figürchen und gerätstücke, die groszenteils in noch gröszerer
tiefe als die untersten fundamentlagen der tempel gefunden wor-
den sind, unser höchstes interesse. B. macht darauf aufmerksam
(s. 183 ff.), dasz die bronzefnnde in Olympia in hohem grade ge-
eignet sind uns eine anschauung von den kunstwerken zu gewähren,
welche die Homerischen gedichte der zeit ihrer beiden zuschreiben,
überhaupt aber sind jene kleinen bronzen und terracotten , die in
gröster zahl zu den frühesten funden in Olympia gehören, als votiv-
gaben anzusehen, welche den früh am höchsten verehrten gott-
heiten, vor allen dem Zeus dargebracht wurden, sie weisen da-
durch auf einen uralten Zusammenhang mit dem Orient hin, wo der
gleiche ritus gebräuchlich war. die nähere vergleichung der stilisti-
schen und ornamentformen auf diesen bronze- und terracottafunden
in Olympia mit den neueren ausgrabungen in Athen und Dodona,
mit den Schliemannschen funden in Bios und Mykenai, mit dem
was durch die nachforschungen auf Eypros zu tage gekommen ist,
wird auch nach Conzes, GHirschfelds, Furtwänglers ua. vorarbeiten
noch lange den stoff zu gelehrten Untersuchungen bieten.
JClassen: anz. v. ABoettichers Olympia. 91
Mit der fortschreitenden bedentung der olympischen festfeier
traten allmählich vor jenen kleineren weihgeschenken des ältesten
cnltus die gröszeren bauwerke , welche die bedürfnisse des festes
verlangten, in den Vordergrund, unter den bauten dieser frühesten
periode^ von denen Pausanias noch einige andere namhaft macht,
ist unzweifelhaft das Heraion am fusze des Kronoshügels das älteste
in der Altis , und überhaupt der älteste vorhandene tempel in helle*
nischer bauform auf dem griechischen festlande, seine erbauungs-
zeit ist ins achte jh. zu setzen, obgleich mehrere umbauten, die
wiederholt vorgenommen sind, sich bis ins sechste jh. erstrecken.
B. hat der genauen erforschung des Heratempels einen gröszem ab-
schnitt gewidmet (s. 190 — 198); ein wichtiges ergebnis derselben
ist der gesicherte beweis dafür, dasz das Heraion in ältester zeit
zum groszen teil aus holz bestanden hat, wie überhaupt die ursprüng-
liche architektur der Griechen im holzbtfu beruhte (s. 192). zum
«chlusz gibt B. uns eine vollständige aufzählung der weihgeschenke,
die in der cella des Heratempels aufgestellt waren (s. 199 — 202).
'das innere der cella war in seiner ursprünglichen wandnischenbil-
dnng ganz besonders für seine bestimmung geeignet, neben einem
weihgeschenk für Hera zugleich ein schatzhaus für den olympischen
Zeus zu bilden, auch das hinterhaus war für diesen zweck herAn-
gezogen und durch ein festes ehernes gitter nach auszen abge-
schlossen worden, dessen standspuren noch vorhanden sind.' unter
der groszen zahl von weihgeschenken, die uns Pausanias nennt, ge-
denke ich zweier, die für uns besonders merkwürdig sind: der lade
des Eypselos , eines kastens aus cedernholz mit einer auszerordent-
lich reichen fülle von plastischen darstellungen mythologischen in-
halts , in aufgelegter arbeit von gold und elfenbein auf holz , wel-
chen Pausanias gesehen und beschrieben hat und welcher lange zeit
einen lieblingsgegenstand für archäologische Studien gebildet hat,
und des Hermes mit dem Dionysosknaben von Praxiteles: dies ist
das werk, welches allein von allen aufgezählten weihgeschenken im
Heraion auf uns gekommen ist, ^der kostbarste fund der ganzen aus-
grabungszeit'.
Längs dem südlichen abhänge des Kronoshügels gehört femer
zu den älteren bauwerken die reihe der schatzhäuser, welche schon
früh in Olympia angelegt waren, als es galt für einzelne angesehene
Städte , namentlich für hervorragende colonien während der kurzen*
zeit der festspiele durch die entfaltung möglichsten glanzes das ansehen
ihrer heimat zu erhöhen, das erste derselben, von dem sikelischen
Gela gestiftet, stand da wo es am weitesten nach osten nahe dem
eingange zum stadion in weitem umkreise geschaut werden konnte,
seine anläge fällt in die zeit, wo Oelas mauern für seine bevölkerung
nicht mehr ausreichten und es einen teil seiner einwohner in das
bald mächtige Akragas aussandte (582). verschiedene in der byzan-
tinischen mauer aufgefundene bemalte terracottastücke, welche ofifen-
bar teile von traufrinnen waren, wurden als zu dem geloischen
92 JClassen: anz. v. ABoettichers Olympia.
schatzhause gehörig erkannt, und gaben unseren in Olympia bis
zum schlusz arbeitenden architekten Dörpfeld, Gräber, Borrmann
und Siebold anlasz, schon im frühjahr 1881 auf Sicilien und in
Unteritalien nachforschungen nach dieser eigentümlichen in Olympia
vorgefundenen technik anzustellen, und ^es gelang ihnen, die gleiche
tecbnik nicht nur in Gela, Selinus, Akrai und Syrakus, sondern auch
in den unteritalischen Städten Kroton, Metapontum und Paestum
nachzuweisen' (s. 204). Boetticher verweilt länger bei dem geloischen
schatzhause , weil die nähere kenntnis seiner construction einen be-
deutenden wert für eine seite der ältesten griechischen architektur
besitzt (s. 207). auch das me garische schatzhaus gehört in die
zweite hälfte des sechsten jh. sein übrigens einfacher bau war,
wie Pausanias berichtet, durch ein giebelfeld merkwürdig, das mit
einem Gigantenkampfe geschmückt war ; und dieses bescheidene bild-
werk ist , freilich in sehr mangelhaftem zustande seiner fragmente,
ebenfalls in dem südlichen teile der byzantinischen mauer wied^
aufgefunden (fast zur selben zeit mit der friescomposition des ge-
waltigen pergamenischen altars über das gleiche thema) und von
Treu in der arch. zeitung sorgfältig behandelt worden, denn als
^die älteste zur zeit bekannte giebelfeldcomposition Griechenlands
hat diese gruppe vollen anspruch auf die teilnähme der forscher und
kun^freunde' (s. 209). B. schlieszt seine lehrreiche betracbtung
(s. 211) mit den werten: 'es ist ein weiter weg von den rohen ver-
suchen am Megarer- schatzhause bis zu den köstlichen Schöpfungen
am Parthenon, die oljrmpischen ausgrabungen haben uns zwei feste
marksteine für die erkenntnis seiner bahn geliefert: ein mittelglied
in den compositionen des Zeustempels und den bis jetzt frühesten
ausgangspunkt im giebel des thesauros von Megara.'
Von den übrigen schatzhäusern — ihre gesamtzahl war zwölf
— ist das baumaterial nur in so geringen bruchstücken aufgefunden
worden, dasz die reconstruction derselben bis jetzt nicht möglich
gewesen ist. Vermutungen über die einzelnen , so weit sie einiger-
maszen zu begründen sind, und andeutungen über interessante einzel-
heiten sind s. 214 fif. zusammengestellt.
Ein wichtiger bau, der noch dem sechsten jh. angehört, ist das
buleuterion, dessen umfassende fundamente an der Südseite der
Altis aufgefunden worden sind: wir erhalten dadurch zum ersten
mal eine anschauung von der anläge eines solchen gebäudes, wie es
in Olympia durch die zunehmende bedeutung des festes für die be-
hörden von Elis bedürfhis geworden war. 'die planbildung: ein
langgestreckter, durch eine seulenstellung in zwei schifife geteilter
saal mit darangehängter halbrunder apsis, in römischer zeit häufig,
im mittelalter beliebt, findet sich hier zum ersten male bei einem
hellenischen bau der frühzeit' (s. 219). auch ist erkennbar, dasz
sich im fünften jh. an den ersten bau ein neubau angeschlossen hat,
der sich mit dem ersten in gleicher form und richtung parallel ver-
bindet, der architekt Borrmann, dem wir die genaue Untersuchung
JClassen: anz. v. ABoettichera Olympia. 93
des gebftndes verdanken , hat die bestimmung der einzelnen durch
den nenban zusammengefügten teile mit groszer Wahrscheinlichkeit
erkannt und nachgewiesen; den wesentlichen inhalt seiner erlfiute-
ningen teilt B. s. 221 ff. mit.
Die beiden rennbahnen von Olympia, das stadion und der hippo-
drom, sind natürlich von ältester zeit an vorhanden und im gebrauch
gewesen ; doch hat sich bis jetzt nur die läge des stadion bestimmt
•nachweisen lassen, der hippodrom hat sich unzweifelhaft an der öst-
lichen Seite der Altis hinab erstreckt; allein Überreste seiner anläge
sind nicht entdeckt worden, das stadion dagegen ist von dem süd-
dstlichen abhang des Eronoshügels nach osten in seiner richtung
und aasdehnung (211 m. länge und 32 m. breite) aufs genaueste zu
unserer künde gekommen, zwar ist seine sohle durch die Jahrhun-
derte langen abrutschungen von den umgebenden höhen hoch mit
erde bedeckt, die man um der mühsamen arbeit willen nicht hat
fortschaffen wollen; nur die beiden enden des Stadions sind durch
unsere ausgrabungen freigelegt worden, und es sind dadurch an
beiden enden die ablaufsmarken zu tage gekommen: eine reihe
aufeinandergelegter 48 centimeter breiter Steinplatten bildet das
gemeinsame bathron für die aufstellung der läufer, deren einzelne
Standplätze durch pfosten getrennt waren, ihre anläge ist auf bei-
den Seiten dieselbe, aus dem masze zwischen beiden pfosten ergibt
sich die länge des olympischen Stadions , und somit als ihr sechs-
hundertster teil diejenige des olympischen fuszes. durch die auf-
deckung dieser schranken war nun das mittel der directen ahm es-
sung des olympischen fuszes gefunden, nach Dörpfelds sorgfältigen
messungen betrug die entfernung zwischen den mitten der ablauf-
schranken 192,27 meter, und demnach die länge des fuszes 0,3204
meter, welches masz von der durch rechnung gefundenen länge nur
um ein fünftel millimeter abweicht, der anblick dieser sehr ein-
fachen Vorrichtung in ihrer seit Jahrtausenden unveränderten er-
scheinung macht einen ergreifenden eindruck, der die längst ver-
klungenen zeiten in lebendigster vergegenwärtigung uns vor äugen
führt.
Endlich wird uns noch aus den aufzeichnungen des Pausanias
eine gröszere zahl von sculpturen namhaft gemacht, welche mit Wahr-
scheinlichkeit in diese früheste zeit der Olympien zu setzen sind, in
welcher sich die kunst allmählich aus den banden des handwerks zu
einer hohem stufe erhob, zur erläuterung dient eine reihe vorzüg-
licher illustrationen, in welchen wir den altertümlichen Charakter in
den individuellen zÜgen mancher figuren erkennen, gern füge ich
auch B.s treffende bemerkung hinzu, mit welcher er diesen abschnitt
beschlieszt: 'noch einmal vollzieht sich dieser process im übergange
von der kunst des mittelalters zu der der renaissance, in Italien so
gut wie in Deutschland, die meisterschafb eines Michelangelo in
der darstellung des muskelspiels wäre undenkbar ohne die arbeit,
welche seine Vorläufer, ein Verocchio und Donatello, auf die fest-
94 JClassen: anz. y. ABoettichers Olympia.
Stellung des knochenbaus verwendet und womit sie den unverrück-
baren kanon des menscbliche'n gerüstes gegeben batten. und was
uns die oft barten und unerfreulicb erscbeinenden kunstgebilde der
frübzeit so lieb und teuer macbt, das ist ja gerade der tiefe sitt-
licbe ernst, mit dem wir den künstler nacb der Vollendung ringen
seben, die liebevolle Sorgfalt, mit der er das kleinste treu und ge-
wissenbaft wiederzugeben trachtet.' möge B. aucb recht behalten
in der hofifnung, die er von unserer gegenwart ausspricht : 'zu weni-
gen Zeiten bat man so mühsam gestrebt die dinge so darzustellen^
wie sie wirklich scheinen , hat man so fleiszig die natur belauscht,
nacb dem modell bossiert und gemalt, wie in der gegenwart. eine
zukünftige generation wird es den biedern handwerkem unserer
tage, die sich für künstler halten, dank wissen, dasz sie wieder
sehen und darstellen gelehrt haben, auf ihren schultern wird eine
künstlerscbaft stehen, der nun wieder zeit bleibt, ihre gebilde mit
geistigem gebalt zu erfüllen' (s. 235).
Die Schilderung der glänzendsten periode von Oljmpias ge-
schichte 'die blute Oljmpias von den Perserkriegen bis zur zeit der
makedonischen herschaft' (s. 243 — 337) erö&et B. mit der einfachen,
aber inbaltreicben betrachtung des tiefgreifenden einflusses, welchen
die zurückwerfung des erbfeindes, wie auf alle Verhältnisse von
Hellas, so auf die alle hellenischen stamme vereinigende festfeier zu
Olympia geübt hat: 'während an den Tbermopylen die dreihundert
spartanischen männer den passweg des landes mit ihren leibem
decken, wogt in Olympia eine freudig erregte menge in stadion
und bippodrom.' das kraftbewustsein, das den sieg verbürgte, ward
mit 6inem schlage so mächtig , dasz der kämpf an den grenzen des
landes keinen grund abgab, die olympischen spiele auch nur ein
einziges mal auszusetzen, es war das fest der fünfundsiebzigsten
Olympiade, von welchem Mardonios mit staunen vernahm, dasz es
ein reis vom Ölbaum sei , welches den preis der kämpfe hellenischer
männer bildete. *in ihrem zweiten jähre brach sich die woge des
persischen beeres an dem walle der vereinten Griechen bei Plataiai'
(s. 243 f.).
B. gibt uns in ausführlicher darstellung ein lebendiges bild von
dem Wetteifer, mit welchem in den nächsten zeiten nacb der schlacht
bei Plataiai die Stiftung zahlreicher weibgeschenke aus allen teilen
Griechenlands und den colonien zum dank für die götter ausgeführt
wurde, in gleichem geiste kamen bald nachher die Eleier zu dem
entscblusz, an stelle des alten Zeustempels zu Olympia einen gröszem
und dcbönem zu erbauen und in demselben, ein bild des gottes von
der band desselben meisters errichten zu lassen, welcher'damals auf
der burghöbe von Athen das herliche bild der jungfräulichen göttin
Attikas erschuf, die ausführung des tempelbaus durch den ein-
beimischen architekten Libon mit der feststellung der chronologi-
schen daien nach ürlichs* sorgfältigen Untersuchungen ist bei B.
8. 246 ff. nachzulesen, ich unterlasse es in diesem anziehenden ab-
JClassen: anz. v. ABoettichers Olympia. 95
schnitt der geschieh te in einzelheiten einzugehen : es möge nur noch
die betrachtung folgen , welche B. dem gesamtvergleiche zwischen
den groszen tempeln auf der akropolis und zu Olympia widmet:
*bei einem vergleiche des olympischen tempels mit dem Parthenon
ist der erstere in erheblichem nach teile durch die Verschiedenheit der
erhaltung ihrer ruinen. von diesem ragen die herlichen fronten mit
der goldigen patina ihrer seulen noch hoch hinauf in die blaue luft;
dort bezeichnen nur noch armselige stumpfe die stelle , wo sich die
stolzen hallen und mauern erhoben (tf. II). wer mithin bei einem
vergleiche der beiden Schöpfungen nicht ungerecht gegen meister
Libon verfahren will, der musz bei beiden nur die in gleicher manier
hergestellten Zeichnungen mit einander concurrieren lassen, wer so
eine der zahlreichen abbildungen des Parthenon mit der darstellung
des Zeustempels vergleicht, dem wird nicht verborgen bleiben, dasz
die gröszere anmut , Zartheit und eleganz freilich auf selten des atti-
schen Werkes zu finden ist, dasz aber aus der erscheinung des olym-
pischen heiligtums ein weit tieferer ernst, eine königlichere würde
und göttlichere heiligkeit spricht als aus jenem, nach dieser seite
hin steht der olympische Zeustempel unübertrofifen da, der könig
unter den tempeln, wie sein bewohner der könig war unter den
göttem' (s. 252).
Ebenso wird der teilnehmende leser am liebsten selbst den
gründlichen und sachkundigen erörterungen folgen, welche B. auf
die fragen über die reconstruction der beiden giebelfelder verwendet,
sowohl über die mythischen stofife beider — die Vorbereitung zu
dem Wettrennen des Oinomaos und Pelops am östlichen, den kämpf
der Lapithen und Kentauren am westlichen giebel — wie über
die Zusammenstellung der aufgefundenen, viel zertrümmerten bild-
werke, bei welcher B. sich für den ostgiebel vorwiegend Treus an-
sichten angeschlossen hat (s. 258. 263), während des Pausanias über-
lieferung grosze irrtümer aufweist, sind die ausführungen des vf.
in hohem grade belehrend, zumal da die sorgfältigen nachbildungen
auf tf. VII. VIII die anschauung ungemein erleichtern.
An die giebelfelder schlieszt sich die eingehende besprechung
der metopen (s. 274 — 286) an, welche die beiden Vorhallen des
tempels über deren seulenstellung schmückten, es ist sehr erfreu-
lich, dasz zu den von den französischen archäologen 1829 aufgefun-
denen und im Louvre bewahrten teilen der metopen durch die deut-
schen ausgrabungen grosze ergänzungen hinzugekommen sind, frei-
lich ist ein teil dieser bildwerke, welche die zwölf arbeiten* des
Herakles darstellten, in hohem grade beschädigt; andere aber sind
in guter erhaltung zu tage gekommen und gehören zu den vorzüg-
lichsten funden aus Olympia, alle Überreste sind bei B. möglichst
getreu im holzschnitt wiedergegeben ; doch verweist er diejenigen,
die sich von den stilistischen eigentUmlichkeiten eine richtige Vor-
stellung machen wollen , auf die in gröszeren bibliotheken zugäng-
lichen Photographien nach den onginalen. auch die metopen ver-
96 JClassen: anz. v. ABoettichers Olympia.
danken ihre reconstruction , so weit sie möglich war, besonders
Treus eifrigen bemühungen (s. 275).
B. hat an den historischen Überblick der den Zenstempel zu
Olympia schmückenden sculptnrwerke eine lehrreiche betrachtung
des hohen wertes angeschlossen , welchen sie für unsere einsieht in
den entwicklungsgang der hellenischen plastik in der zeit ihrer höch-
sten blute besitzen (s. 292 ff.), wir unterbrechen nicht diese zu-
sammenhängenden ausftlhrungen, heben aber als ein gesichertes er-
gebnis derselben hervor, dasz die angäbe des Pausanias, der meister
des östlichen giebelfeldes sei Paionios, der des westlichen Alkamenes,
begründeten zweifeln unterliegt, nachdem wir in der zu anfang der
ausgrabungen gefundenen Nike ein inschriftlich bezeugtes werk des
Paionios erhalten haben , bleibt es auffallend dasz jene sculpturen
des östlichen giebels mit dem künstlerischen Charakter dieser statue
in keiner verwandtschaftlichen beziehung stehen, auch dasz zwischen
dieser und jenen sculpturen ein Zeitraum von 40 jähren in der mitte
lag; indes kann es immerhin auf Wahrheit beruhen, dasz Paionios
schon früh das östliche giebelfeld geschaffen habe, dagegen ist für
Alkamenes die möglichkeit ausgeschlossen, dasz er der urheber des
westlichen giebelfeldes sei. die uns bekannte lebenszeit des Alka-
menes als jungem Zeitgenossen des Pheidias läszt es nicht zu , dasz
er an dem um 460 von Liben vollendeten Zeustempel eine so grosze
arbeit schon viel früher ausgeführt haben sollte, ehe der grosze
attische meister die Zeusstatue begonnen , zu deren anfertigung er
erst zwanzig jähre nach Vollendung seiner werke auf der akropolis
von Athen nach Olympia übersiedelte, das nähere über diese Unter-
suchungen s. 288 — 295. B. schlieszt dieselben mit der bemerkung:
^nun wir wissen , dasz die olympischen tempelsculpturen lange vor
Pheidias blütezeit entstanden sind , kann es uns nicht mehr befrem-
den, wenn sie nicht den Stempel der Vollkommenheit tragen, welcher
den parthenonischen Schöpfungen aufgedrückt ist. die hoffhung, in
ihnen eine reihe von kunstwerken absolut ersten ranges zu finden,
ist durch ihre hebung thatsftchlich vereitelt worden, dagegen ist
ein in kunstgeschichtlicher beziehung sehr hervorragendes ergebnis
gewonnen: eine lücke in der entwicklungsgeschichte der griechischen
plastik ist reich und glücklich ausgefüllt, ein zeitliches mittelglied
gefunden zwischen den erscheinungen der noch gänzlich befangenen
altertümlichen kunst, der die giebelgruppen von Aigina angehören,
und denen der hellenischen kunst auf ihrem höhepunkt in den bild-
werken des Parthenon.' die nähere begründung dieser ansieht und
die bestimmtere darlegung der eigentümlichen Vorzüge der olympi-
schen tempelsculpturen, sowohl an den giebelfeldem wie an den
metopen , folgt bis s. 300 in lebendigster ausführung.
B. hat den fernem verlauf seiner aufgäbe mit derselben gründ-
lichkeit der beobachtung, derselben schärfe und klarheit des urteile
durchgeführt, die wir bisher mit freude anerkannt haben, doch wir
begnügen uns im folgenden den gang seiner darstellung sowohl bis
JClassen: anz. v. ABoettichers Olympia. 97
mm abschlüSE der bltttezeit wie durch die perioden der makedoni-
schen und römischen herschaffc in ihren besonders charakteristischen
sllgen EU bezeichnen, zunächst folgt ein einblick in die innere archi-
tektur des Zeustempels, durch welchen der lange streit über die
tempeldachOffhung , das hypaithron, für die unzweifelhafte ezistenz
desselben entschieden ist: 'wer heute das hypaithron des griechi-
schen tempels leugnet, ist ein fremdling in der hellenischen archi-
tektnr . • Dörpfelds Untersuchungen am Parthenon haben den be-
weis ToUendet' (s. 303).
'Unmittelbar hinter dem hypaithron, im glänzenden zenith-
lichte, stand das colossale goldelfenbeinbild des olympischen Zeus
Panhellenios , die höchste Schöpfung des höchsten griechischen
meisters.' näheres darüber bis s. 307 , mit hinweis auf die schöne
stelle in der olympischen rede des Dion Chrysostomos (12 s. 400 Rsk.).
l^ach der besprechung verschiedener baureste , die sich an der
Westseite der Altis gefunden haben, deren ursprüngliche bestimmung
und spätere Verwendung nicht immer ganz gesichert ist (der byzan*
ünischen kirche, des römischen hauses, des theokoleon, des Leoni-
daion, des prytaneion usw.), wendet sich B. zu den vorzüglichsten
werken der plastischen kunst, mit welchen die Altis in dieser zeit
der blute geschmückt worden ist, und hebt unter diesen vor allen
noch einmal die beiden hervor, die .uns durch eine besondere gunst
des geschickes erhalten worden sind : die Nike des Paionios und den
Hermes des Praxiteles: die lehrreiche besprechung derselben ist
s. 320 — 332 nachzulesen, 'so spiegelt sich in dem mikrokosmos der
olympischen weit' schlieszt s. 337 'das ganze geistige und sociale
leben , das thun und denken der groszen hellenischen weit auf fest-
land und inseln , im mutterlande und in den colonien , auf das deut-
lichste wieder, und so viel auch von diesem bilde unwiederbring-
lich verloren gegangen ist, so wenige scherben wir auch von diesem
Spiegel aus der tiefe wieder zusammentragen konnten, sie reichen
iloch aus, um uns leuchtende strahlen jener glanzepoche heraufzu-
senden, die wir im vorstehenden in ihrem geschichtlichen Zusammen-
hang zu schildern unternahmen.'
Mit dem untergange der freiheit Griechenlands bei Chaironeia
war nicht der geist des hellenischen volkes weder für kunst noch
für Wissenschaft zu gründe gegangen; aber seine richtung wurde
eine andere , und seine Schöpfungen nahmen einen andern Charakter
an. im allgemeinen trat an die stelle des nationalen das persönliche.
für die geschichte von Olympia ist es charakteristisch , dasz in den
hundertundfünfzig jähren von den Perserkriegen bis zur herschaft
Alezanders ehrenstatuen und ehreninschriften für einzelne so gut
wie gar nicht vorkamen, wo wir — abgesehen von den siegersta-
tuen, die ein selbstgesetztes erinnerungszeichen bilden — statuen
von menschen aufgestellt finden, sind sie nicht diesen zum rühme,
sondern zum gedächtnis an ein bemerkenswertes ereignis errichtet,
die zeit der Schmeichelei gegen mächtige und Würdenträger ist in
JahrbQcher TAr closs. philol. 18S3 hfl. 2. 7
98 JClassen: anz. y. ABoettichers Olympia.
dem freien Griechenland noch nicht angebrochen ; aber sie trat bald
genug in der makedonischen herschaft hervor und nahm unter dem
römischen kaisertum immer gprOszere dimensionen an. ^Alexander
hat in seiner einwirkung auf Olympia seinen groszartigen sinn nicht
verleugnet, er ist es ohne frage gewesen, der seinem yater Philippos
und seiner familie in dem glänzenden rundbau des Philippeion^
dessen fundamente noch Tor uns liegen , ein glänzendes denkmal er-
richtete, welches fünf aus 6iner band hervorgegangene, lebensgrosze
goldelfenbeinfiguren schmückten : die nähere beschreibung lese man
8. 351—354 nach, über die manigfachen baulichen anlagen, welche
er an der westlichen grenze der Altis zur yerschonerung. ihres ge-
samteindruckes vornahm, berichtet B. s. 343 ff.: er vermutet dass
sie nach dem plane seines groszen baumeisters Deinokrates, den er
zu allen seinen gewaltigen bauten, ua. für die neue hauptstadt der
weit, Alexandreia, zu rate zog, entworfen worden seien. Über den
um- und ausbau des Leonidaion, das mit den makedonischen bauten
in Zusammenhang stand und im vierten jh. zu dem um&ngreichsten
gebäude in Olympia ausgebildet wurde , ist s. 345 — 350 zu yerglei-
chen. aus Pausanias V 15, 2 wissen wir, dasz zu seiner zeit in die-
sem gebäude hochgestellte fremde, die römischen Statthalter, ihr ab-
steigequailier nahmen, in den ausgang des vierten oder den beginn
des dritten jh. fällt auch die er]^auung derjenigen für die gymnasti*
sehen Übungen bestimmten anlagen, welche die ausgrabungen zu
tage gefördert haben, sie liegen im westen der Altis in der nähe des
Eladeos, dessen lebendig flieszendes wasser zum erquickenden bade
nach den anstrengungen der gymnastischen spiele sehr willkonmien
war. palaistra und gynmasion sind in ihrer groszen ausdehnung
wieder erkannt worden, obgleich ihre genaue bestimmung nicht mit
Sicherheit zu unterscheiden ist. B. hat mit Zugrundelegung von
Vitnivs beschreibung eine möglichst klare Schilderung derselben
auszuführen versucht s. 360 — 371. er bedauert dasz die aufdeckung
des gymnasions durch unsere arbeiter nicht hat zu ende gebracht
werden können, und hofft dasz durch eine spätere fortsetzung des
wrerkes auch die dort bewahrten inschrifttafeln mit den namen der
olympischen sieger zu tage kommen werden (s. 372).
Noch verdient ein bau erwähnung, der aus der diadochenzeit in
seinen trümmem auf uns gekommen ist, das Metroon, der dritte
und letzte tempel innerhalb der Altis, der, wie der name sagt, der
göttermutter, der Bhea-Eybele geweiht war: seine dürftigen Über-
reste sind teils auf der plattform vor den schatzhäusem, teils in dem
baumaterial der byzantinischen ostmauer gefunden und nach Pausanias
beriebt seiner Wanderung (V 21, 2) unzweifelhaft an ihrer stelle er-
kannt, der cultus der Bhea war in Olympia sicher uralt; doch fällt
seine emeuerung gerade in diese spätere zeit. B. äuszert (s. 374 f.)
die ansprechende Vermutung, dasz der olympische tempel der groszen
göttin eine Schenkung des Ptolemaios Philadelphos und seiner ge-
rn ahlin und Schwester Arsinoö gewesen sein möge, welche nach
msBaerÖBXL är^ OiZt^^ baJzi^jic :z. r*'T7i.Ti2& ernst "ii^ jjissM^r.
tLsL "■■-r "^m fiLi^fis: rt<Ä>:.rÄrr5;:".nj?
kppf €!£€< »itkict. itT. wie üe rr:::r>:cllfr ä=i bil^e «ictr. . jtt-
wihsixs TOE rznzii kzz^'z^t: wcrcfn ;:xi iwiss'nen sw^: i>«Äi:^n
so scrgftlü Terwfciri wcritn w&r. i&sc s^icc ;>i--:pf frhjLli;:iur e:r.^
imgewGiiiilici nfckell:-f* i^L cie irrild-r^ *f. XI lissi uc? d;i ivhe
phTsiognozziie dr^ «rifsniSäiiwJi i&csik&iEpf^rs wohl erkt?iiner..
B. aber Tersict^r: nacr der ans-cisucnc des oricinals 'oIam o*:^ über-
zeugende watih^it des p*:r:rST5, die aus diesen glriohsazn Qbor n«tur
abgefc^B^eI2 züren sprlchi. den kcpf Überaus an ciehend maolU: e$
ist der nackte, aller :de&Iii£l bare rea]:>mus. mit welchem oin über
die Yollendet&le Technik gebietender künstler seinen ^\cvnst;md bo-
bandelt bat' < s. 379 . 'kimst^schiobiliob ist dieses dem au^^sr^ii^
des dritten jh. zuzuteilende werk doppelt wichtig in einer feit, wo
die gro&zartigen funde auf der bürg von Pergamon ein nur etwa ein
balbes jabrhunden spSter entstandenes werk bedeutendsten mas2-
Stabes kennen gelehrt haben.' und so beschlies^t R diesen inter>
essanten abschnitt seiner darstellung mit der dankbaren anerken-
nnng des groszen gewinns, welcher uns durch eine reihe neuer eut-
deckungen zu Samothrake, zu Pergamon und nun auch zu Olympia
für die wahrhafte erkenntnis der groszen venlienste der an^hitektur
und plastik der diadochenzeit zu teil geworden ist.
Olympia imd seine feste haben auch unter der römischen her-
schaft noch über 500 jähre fortbestanden; aber ihr glan/ und ihre
nationale bedeutung, die schon vorher mehr und melir g<'s«unkeu
waren, sind allmählich völlig entschwunden, die Körner haben nm'h
lange nach der eroberung von Ach<\ja eine wahrhaft innen^ teilnahino
Olympia nicht zugewandt, wir wissen nichts von olympischen siegeru
römischer nationalitttt, so lange die republik dauert. wahrHchoinlioh
gehören auch die um- und neubauton, diu wir mit Hiohorheit auf
römischen Ursprung zurückführen können, der kaiHorzoit an. I). hat
mehrere derselben genauer untersucht und bettohriobou h. l\Hi\ iT. von
100 JClassen :. anz. v. ABoettichers Olympia.
allen bauanlagen aber aus römischer zeit, von denen noch Überreste
aufgefunden worden sind, ist bei weitem das hervorragendste die
mächtige und künstlerisch glänzend ausgestattete sogenannte exedra
des Herodes Atticus. wie dieser fürstlich begüterte rhetor Athen
und Korinth mit ansehnlichen bauten geschmückt hat, so ist er für
Olympia dadurch ein ausgezeichneter wohlthäter geworden, dasz er
dem mangel an ausreichendem wasser, welcher trotz zahlreicher Ver-
anstaltungen immer in Olympia schwer empfunden worden ist, ohne
zweifei wirksam abgeholfen hat. B. benutzt zunächst diese gelegen-
heit, nach den sorgfältigen Untersuchungen des fachkundigen Bau-
führers Gräber uns einen Überblick über die gesamten wasserleitungs-
anlagen in der ebene von Olympia aus der alten hellenischen zeit zu
geben (s. 391 ff.), deren 125 teils Zuleitungen, teils entwässerungs-
stränge gezählt werden, da das wasser des Alpheios nicht trinkbar ist
wegen der groszen menge kalkiger sinkstoffe und das des EHadeos
leicht getrübt wird, so leitete man die von der höhe dieses flusses zu-
strömenden bäche und unscheinbaren quellen in ein bassin am ab-
hänge des Eronoshügels oberhalb des Heraions, von wo aus die öst-
liche Altishälfte mit wasser gespeist wurde; ein zweites reservoir
war für die andere Seite angelegt, dadurch dasz man in den Ejronos*
hügel in beträchtlicher höhe einen stoUen hineintrieb, auszerdem
sind schon in verhältnismäszig früher zeit in Olympia auch brunnen
angelegt, aus denen man zu jeder zeit klares wasser schöpfen konnte.
die ausgrabungen haben neun derselben freigelegt, welche auf der
Situationskarte bezeichnet sind.
Bei dem in den ersten Jahrhunderten der römischen kaiserzeit
wieder auflebenden künstlichen glänze der olympischen feste und
spiele und dem in folge davon wachsenden bedürfnis war es in der
that eine auszerordentliche wohlthat, welche Herodes Atticus für
Olympia durch die groszartige anläge schuf, die an stelle des mangels
an wasser überflusz treten liesz. die reichliche Wasserversorgung
wurde aus einem östlichen seitenthale des Alpheios etwa 3 kilo-
meter weit teils auf pfeilern, teils in gemauerten stollen am berg-
hang bin in ein groszes hochreservoir oberhalb der nachher ge-
bauten exedra geleitet und von doii; nach allen teilen der Altis ver-
sendet.
Mit der groszartigen wasseranlage verband Herodes Atticus
auch einen prachtbau, für welchen er den platz auf der terrasse zwi-
schen dem Heraion und den schatzhäusem wählte, dieser sollte zu-
gleich dem kaiserhause der Antonine und ihm selbst und seiner
familie zum ehrendenkmal dienen, die eingehende beschreibung
desselben gibt B. s. 398 f. hier sei nur erwähnt, dasz in den sieben
nischen der innem wandfläche einundzwanzig marmorne bildseulen
ihren platz fanden, porträtstatuen der kaiserfamilien des Antoninus
Pius und Marcus Aurelius und der familie des Urhebers des mäch-
tigen Werkes, eine anzahl dieser statuen ist noch wohl erhalten und
gibt Zeugnis von dem aufschwung, den die römische plastik zur zeit
JClasscn: anz. y. ABoetticliers Olympia. 101
des Marcus Aurelias genommen hatte, ebenso ist der marmorne stier
völlig erhalten , den Herodes als Sinnbild der naturkraft nahe dem
zum bequemen schöpfen angelegten platze hat setzen lassen, mit
einer inschrift, in welcher seine gattin Begilla als priesterin der
Demeter 'das wasser und was mit dem wasser zusammenhängt' dem
Zeus weiht.
'Die ezedra des Herodes Atticus ist das späteste bauwerk inner-
halb der Altis, nächst dem Zeustempel aber durch ihren höhenmasz-
stab das bedeutendste, sie hat offenbar die einheitliche erscheinung
des festortes und das rechtmäszige übergewicht, welches dem Zeus-
tempel in derselben zukam, beeinträchtigt, ja schwer geschädigt,
eine deutlichere illustration für den gänzlichen Umschwung der an-
schauungen , für das verändert« gefühl der bevölkerung , läszt sich
kaum finden als dieser bau mit seinen porträtbildnissen , die freilich
laut inschrift als «das was mit dem wasser zusammenhängt» dem
Zeus geweiht sind, im gründe aber doch nichts anderes bedeuten als
menschenverherlichung' (s. 398).
So beschlieszt B. die beschreibung dieser merkwürdigen anläge,
deren Überreste noch jetzt den blick des beschauers in hohem grade
auf sich ziehen, aus den folgenden Zeiten bis zum völligen unter-
gange der alten festesherlicbkeit ist nichts mehr von bedeutung zu
berichten, die letzte aufgefundene siegerinschrift datiert von ol. 257
(252 nach Ch.), die letzte inschrift Überhaupt von ol. 261 (nach Ch.
268). so wenig ist aus den beiden letzten Jahrhunderten erhalten,
dagegen bemüht sich der vf. in seinem 'schluswort' das chrono-
logische System , welches er bei seiner Schilderung von Olympia zu
groszem gewinn der deutlichkeit und klarheit beobachtet hat, durch
zwei bildliche Übersichten zu ergänzen, denen er kurze erläuterungen
hinzufügt : der situationsplan nach Dörpfelds aufnähme gibt eine
anschauliche Vorstellung von der grundteilung der ganzen ebene in
die Altis und die auszenanlagen, jene mit den drei tempeln des Zeus,
der Hera und der göitermutter und den sich daran schlieszenden
kleinen heiligtümern und geweihten statten, diese mit den beiden
rennbahnen im Osten , den anlagen für gymnastik , den priesterwoh-
nungen und dem Leonidaion, dem vornehmen absteigequartier im
Westen, und dem buleuterion und andern Verwaltungsgebäuden, die
zum teil noch nicht aufgedeckt sind, im Süden, die ansieht von
Olympia in der reconstruction ist von dem architekten Bohn,
dem amtsnachf olger B.s in Olyifipia , mit gröster Sorgfalt und treue
von dem Standpunkt zwischen dem Leonidaion und der byzantini-
schen kirche aus gegen die westliche seite der Altis aufgenommen,
er hat sich bemüht die ergebnisse der architektonischen forschungen
zu einem künstlerischen bilde zu gestalten, auf welchem nichts zu
gunsten der Wirkung verschoben , in seinen maszen geändert oder
durch unerwiesene zuthaten bereichert ist. so urteilt B. aus sicher-
ster kenntnis, und der leser erfreut sich der belebenden anschauung
des schönen bildes.
102 JClaeseQ: anz. t. ABoettichers Olympia.
Auf diese weise hat B. seine absieht *die kenntnis von dem in
Olympia positiv gewonnenen und eine Vorstellung von den hoffiiun-
gen, welche sich daran knüpfen, in die weiteren kreise der freunde des
classischen altertums zu tragen' (s. 4), in seiner 'Olympia' in jeder
weise aufs würdigste zum ziele geführt, die ho&ungen und wünsche,
mit denen er sein schönes werk abschlieszt, und denen viele gleich-
gesinnte aus vollem herzen zustimmen werden, mögen auch hier
zum schlusz nachfolgen: ^noch ist die znkunft aller jener funde nicht
entschieden ; noch schwebt die frage, ob sie den museen der griechi-
schen hauptstadt einverleibt werden sollen, oder ob man in Olympia
selbst ein würdiges museum errichtet, für das letztere spricht
das gefühl; für das erstere tritt der verstand ein. Oriechenland,
welches sich durch seine commissare — unsere zu lieben freunden
gewordenen collegen — in der verständnisvollsten weise an den
arbeiten beteiligt hat, wird hier hoffentlich das rechte treffen. —
Die volle erkenntnis , welche man jetzt in Athen für den wert der
landeseignen altertümer besitzt, wie sie sich in der einrichtung weit-
räumiger museen, in der mustei^ltigen aufstellung einzelner bereits
definitiv geordneter samlungen ausspricht, bürgt dafür, dasz auch
die olympischen schätze eine ihrer würdige statte und eine ange-
messene aufstellung erhalten werden, dabei wird dann die thätig-
keit unserer griechischen collegen ; von deren treuer und fleisziger
mitarbeit nur diejenigen wissen, welche die mühen und Yreuden des
lebens in Olympia mit ihnen teilten, auch nach auszen hin zur vollen
geltung kommen, denn niemand ist im stände diese samlung zu
sichten und zu ordnen, als wer bei ihrer gewinnung beteiligt gewesen
und mit den localen Verhältnissen und der topographie Olympias
vollständig vertraut ist. . . Wir Deutsche werden aller voraussieht
nach wohl noch nahezu ein Jahrzehnt zu warten haben , bis die ab-
güsse der olympischen funde in der hauptstadt eine definitive statte
finden , bis die dringend erforderliche und auch längst beschlossene
umfangreiche erweiterung der museen eine vollendete thatsache ge-
worden ist. — Möchten die plane für diesen bau nicht zu knapp be-
messen werden ! noch ruhen überall im classischen boden die her-
liebsten und wertvollsten schätze und warten nur der band, die sie
ans licht fördert, allerorten haben in den letzten jähren die schür-
fungsversuche die thatsache ergeben, dasz man nur die schaufei ein-
zusetzen braucht, um zu finden. — Freilich bedarf es , um so grosze
und so allseitig befriedigende resultäte wie bei den olympischen aus-
grabungen zu erreichen, auch erheblicher mittel, aber wir möchten
auch hoffen und vertrauen, dasz unserm vaterlande noch lange zeit
der friede nach innen und auszen gewahrt bleibt, dasz seine mate-
rielle macht sich mehrt und dasz es, nach den glänzenden ergeb-
nissen, welche seine uneigennützige freigebigkeit einmal erzielt
hat , bei gelegener stunde nicht anstehen wird , wiederum für grosze
ideale zwecke der Wissenschaft einzutreten.'
Ich aber will meine feder, die ich vielleicht schon zu sehr nach
HPetri: sa Sophokles Antigone [t. 160 f.]. 103
neigong sich* habe ergehen lassen, nicht niederlegen, ohne dem vf.
nodi einmal meine gr5ste hochachtong f&r seine yerdienstvolle arbeit
und meinen wärmsten dank für die fireude aaszosprechen, welche
seine lebensvolle darstellong mir durch die krSftige Wiederbelebung
nnd Verstärkung der erhebenden eindrücke gemacht hat, die ich von
meinem knnen aber unvergeszlichen aufenthalt in Olympia mit mir
genommen habe.
Hamburg. Johannes Classen.
ZU SOPHOKLES ANTIGONE.
Y. 150 f. haben sämtliche hss.
Ik liiv bf) iToXd^ujv
Tuiv vöv 0€c6€ Xiic^ocuvriv.
dasz die stelle verderbt ist, beweisen die vergeblichen bemühungen
der erklärer, einen treffenden sinn in den Worten zu finden, und die
mancherlei heilungsversuche. wir wollen zuerst die erklärungen,
dann die emendationen betrachten. OHermann übersetzt: ^ex hisce
proeliis iam capite oblivionem' nemlich auT&v, was aus iroXd^uiv
Tfiiv vGv zu O^cOe Xiic^ocuvriv zu ergänzen sei. so scheint auch
Böckh zu verstehen, der übersetzt: 'deshalb denket des kampfes jetzt
nicht nehr'y eine erklärung aber nicht gibt. Wunder ebenso: ^post
bella haec obliviscamini eorum. nam OicOai Xiic^oaJvr]v idem fere
est atque Xa6dc8ai.' und in der that ist eine andere erklärung auch
unzulässig, da tuiv vOv von itoX^)liu}V zu trennen teils wegen der
nahen Stellung, teils wegen des bei iroXdfiiuJV fehlenden artikels
nicht angeht; nemlich Erfurdt construierte ^k ttoX^^uiv OdcOe Xric*
fiocOviiv tOüv vOv 'post bellum obliviscamini praesentia, i. e. funera
fratrum', was Hermann mit recht zurückweist, auch der sinn er-
laubt dies nicht, 'nach dem kriege vergesset die gegenwart' ? die
kriege will der chor vergessen, aber nicht die gegenwart: denn
diese ist nicht mit Erfurdt «s 'ftmera fratrum' — diese sind viel-
mehr identisch mit dem kriege — sondern die befreiung von der
gefahr , freude über den sieg ; dazu fordert der chor auf. der sinn
musz also offenbar sein : vergesset den krieg und das leid das er uns
gebracht hat, und nahet euch, wie es weiter heiszt, den tempeln der
götter mit nächtlichen reigen , und Bakchos sei führer. also zu aus-
gelassener Siegesfreude ermuntert er, nicht zum vergessen der gegen-
wart, können aber die eben beendeten kriege TTÖXe^oi oi vOv ge-
nannt werden? gewis nicht: denn mit der flucht der feinde gehören
sie der traurigen Vergangenheit an , nicht mehr der gegenwart. —
Donner übersetzt: 'deshalb denkt nach dem kämpf ihr auch nicht
des jetzigen mehr', was ich nicht zu verstehen bekenne, sehr gut
dagegen der scholiast : ttävu m9avd»c xä t^c euxflc •dTTijLiviicO^v-
Tec Tcip bucx€pu»v TTÄXiv dirl tä Kai' äpx^c €Öq)Tma Tp^-
'irovTai. wir sehen dasz weder der sinn erlaubt tuiv vCv für sich
104 JBPetri: zu Sophokles Antigene [y. 150 f.].
zu nehmen als genitiv von lä vGv, noch es mit ttoX^^ujv zq ver-
binden ; was sollte dann auch das sonderbare Ik ? warum sagte der
dichter nicht einfach tuiv ttoX^)liu)V (nicht tuiv vCv itoX^^uiv) O^cOc
Xt]C^OCÜVT]V?
Die neueren hgg. haben deshalb auch meist zu änderungen ihre
Zuflucht genommen; nur Dindorf von den mir zug&nglichen hgg. be-
hält die bsl. lesart bei (nur dasz er mit Brunck XiiCfLiocOvav schreibt),,
eine erklärung gibt er weder in der praefatio zu den poetae scenici
noch in der fünften Sophoklesausgabe der bibliotheca Teubneriana. —
Gustav Wolflf schreibt mit Wecklein XP^UJV für tOjv und O^cOai für
6^c6€, dem sinne ganz entsprechend, wenn in dem worte xp^iiCfV eine-
aufforderung läge, was nicht der fall ist; auszerdem ist die ände-
rung zu gewaltsam , der grund der Verderbnis zu wenig ersichtlich^
als dasz man dieser conjectur grosze Wahrscheinlichkeit beilegen
könnte. — MSejffert ändert Ik }iiy in dK^V), desgleichen liest er
6^c0ai für O^cOe (ob die correctur im La. O^cOe aus O^cOai oder
0^c6u) entstanden ist, bleibt unentschieden; Dindorf: 'alterum € ex
uj factum'); er sagt mit recht: Wulgo scriptum Ik fi^v itoX^^u>v
TUJV vCv post memoratum iam Victoriae adventum ineptissimum
est.' aber ist es nicht, wie oben erwähnt, ebenso ineptum, ver-
gangene kriege ttöXc^oi o\ vCv zu nennen? die von ihm zur ver>
gleichung angeführte stelle Hör. cartn. 1 37 nunc SaUaribus omare
ptdvinar deorum tempus erat dapibus^ sodales hätte ihn belehren
sollen , dasz das vOv mit dem eben beendeten kriege nicht in be**
Ziehung gesetzt werden darf, sondern als ausdruck der gegenwart
im gegensatz zu dem kriege stehen musz.
Den Schlüssel zur heilung der worte gibt die schon von Seidler
angezogene stelle Hom. Od. u) 484 f., wo Zeus zu Athene sagt: fl^eic
b' au Traibwv t€ KaciTvrJTU)V t€ q)övoio ^kXticiv O^ui^ev, von
Ameis richtig erklärt durch 'eine amnestie machen', diese stelle
scheint Sophokles vor äugen gehabt zu haben, wobei er das sonst
auch nicht weiter vorkommende ficXficic in Xric^ocOvi] änderte und
statt des activs OeTvai das kräftigere medium setzte, mir scheint
nemlich die stelle durch eine kleine Umstellung geheilt werden za
können , indem man liest
i K vOv O^cOe XiicfiocO vav ,
und übersetzt: 'bellorum quidem nunc proponatis oblivionem.' masi
wäre versucht i,K zu Xr]cpocuvav zu ziehen und eine tmesis anzu-
nehmen , dKXr)C^ocOvii »> £kXticic, O^cOai «» iroieicOai. allein diese
art tmesis bei einem substantivum scheint doch (s. Krüger di. 68, 46 f.)
kaum zulässig zu sein, dagegen hindert nichts Ik mit O^cOe zu ver»
binden, und wenn auch ^KTiOecOai in dieser bedeutung sich nicht
weiter belegen läszt, so ist doch der gebrauch dieses verbums ein
so ausgedehnter und manigfaltiger, dasz ein bedenken dagegen nicht
gerechtfertigt scheint.
HöxT£R. Hermann Pbtri. •
ÜSanR Ott tiim * um^ xl moranrneenet li'tf^
17.
skCiröer beünzer 'vir mir T-srirt reiirniss« acs öeiL blr^rrciri. die
SBff&be iiL rheiDn-sber itrihor §.. i'f»".. T. w: vor äet <•ifmfeTiiif.ni
gcsftTi inrc : Kc; t:»ii: cr»":iii€VDy: €t:; icaicoiirTTjuac: raptXauäin'Ov
icXemac öt: cvbxicrnbirra: cc: cnrvfk . btjehn lIli^ ucr rtÄrtibpr
dasz fi» in äer iht* ni!»r:jiii revescr ist : &ljf nlLberez beiinrnTicim
und nisBLLziat. rrier irfjjäiär fit tiL liiai?* war. siua vir cen5iici
uu der bz, reot ":»el Axiiijiir'r rezi toi 'Hou»boi c»C'Vi>v. uns äer
ISb Qt§ LTBiÄi kbt' ArcipsTC^L HDC öer ae? DemosTiiraeii vor'
'ApiCTDKpäro'jc $ !**j ri eraie'r.:iipr wkLrend wir &ber in oen boi-
des zusTBi KUpeftLirüGL reDer virk^tbt fk'iie tc-h. arcrfurfr vor i:iis
laibec. emiilLJi dbs Iteizj rtKibsL^&he rpcrcis nur eise he$i3nQTnr.n^
Aber die inBziiELkei derselbcE i:uc i«i ron Seaen cesoniert zu be-
tncLteiL. ein EBÖffr«- fbL. der ldc-i: icfi &ncvzoeen 2c veräeii pflept^
der des Prmutb:« tcI. Lxriirzo« c. Leckr. § 112. Thuk. VIll <i2\
g^!iii nickt rierber. c& die tce den Tierkundert getrofFenen ina$z-
regeln keinen »cbiuFz hz: ge&eT^Tr.Rsrlge zGst£nde erlftnben und «u$7or-
dem die &nBral*en nicki busreicben. -dm ein kl&re« bild von dem Vor-
fall zu erballen.
Wenn wir nun zrir beiracktcng der processfillle übergeben, aus
denen die vcn Antipkcn zjiä, Lvj^i&s verfaszten reden erbalton «no, so
ist Tor der band die annabme als unbegründet zurückzuweisen, dasz
jede znordklage okne unterscbied von den clfm&nnem angenommen
werden konnte, dagegen streitet scbon der umstand, dasz die kläger,
fSr deren einen Lysias die rede g. Agoratos gesobrieben, von den
elfm&nnem gezwungen wurden den zusati in' auTOipiupifi in ihre
klagescbrift aufzunehmen, und dasz auch die Antiphon! ischc rode
nicht zu solcher meinung berechtigt, wird im folgenden nachzu-
weisen sein.
■
Der redner bei Antiphon beklagt sich, dasz er als mörder durch
änocfurff] und nicht vor dem Areiopagos belangt sei; er sa^t § 8,
dasz er KOKOÜpToc dvbebeiTM^voc * q)övou biKiiv q>€Üt€i, wnd vor-
wahrt sich im folgenden auf das entschiedenste gogon eine solche
falsche anwendung der gesetxe. nach dem vöjütoc KaKOiipT^uv wür-
den xX^TTTai und XuiTrobuTai, keine mQrdor l^langt. ungosotx-
mKszig sei dasz er dv T^ dTOpa (§ 10)^ ungosetr.mIisy.ig dasz or
nicht tv uTraiGpuj gerichtet werde (§ 11). os sind oben dies dio
bestimmungen , die sonst für mordprocesso galten, und allo dioso
ansführungen des Sprechers haben nur den rhotorischcn zwork , auf
das gesetzwidrige des Verfahrens gegen einen des mordos nngoklag-
* die bezeichnung ^vb€^€lT^^voc hnt nllgomoinon hiiiu und koiiiint
nur an dieser stelle der rcdo vor; der fall int eine dTTayiUYi^. wIn «us
allem übrigen hervorgeht.
lOG MSorof: die diraxurf/i in mordprooessen.
ten hinzuweisen, ist es aber denkbar, dasz die elfmänner die klage
angenommen hätten , wenn sie nicht vor ihr forum gehörte ? sicher-
lich nicht, was sollten sie denn für einen grund gehabt haben , sich
unnötigerweise mit der aburteilung eiites processes zu befassen^ der
zwar im interesse der betr. klftger lag , von dem sie selbst aber nur
mühe haben konnten? was war es nun für ein moment welches die
klage annehmbar machte? in der rede gegen Agoratos lesen wir
§ 86, dasz die elfmänner sich mit der klageschrift nur einverstanden
erklären wollten, wenn die kläger das dir* auTOq)ii)pi{i hinzufügten,
der Zusatz dieser formel kann in dem process gegen den angeb-
lichen mörder des Herodes unmöglich die annähme der klage von
Seiten der richter bewirkt haben, da der angeklagte nicht in ' auTO-
<ptüpuj ertappt war, im gegenteil Herodes verschwunden und nicht
einmal der mord selbst constatiert war. ja wir müssen sogar an-
nehmen dasz diese bestimmung^ nach welcher dem mörder das ttt '
auTO(pu)pif} nachgewiesen werden muste, um seine belangung durch
ätraTCüTvi zu ermöglichen , zur zeit des Herodes-processes noch gar
nicht existiert habe (denn es läszt sich nicht einsehen, weshalb jener
Zusatz, den zu Lysias zeit die elfmänner ausdrücklich verlangten, zur
zeit der Antiphontischen rede den richtern nicht nötig erschienen
sein sollte), und wäre selbst dies der fall gewesen, hätte sich der
angeklagte sicher auf jenes gesetz berufen und auf leichte weise die
anklage dadurch als unzulässig erweisen können , dasz er sagte : 'ihr
dürft mich als mörder nicht durch i'naf\jjfi\ belangen, weil ich nicht
in * auTOcpuipui ertappt bin.'
Angenommen nun, dasz der redner bei Antiphon recht hat sich
darüber zu beschweren, dasz er als angeblicher mörder nicht vor
dem Areiopagos gerichtet werde , so bleibt noch immer die frage zu
entscheiden, ob der Standpunkt, auf den er sich stellt, ein richtiger
sei, und ob nicht vielmehr die anklage schrift wirklich solche be-
hauptungen enthalten habe, welche seine belangung durch diraxuitTJ
ermöglichten oder notwendig machten, dasz vor dem Areiopagos
nur reiner mord gerichtet wur^e, geht aus der rede Antiphons § 1 1
selbst hervor, die kläger musten einen feierlichen eid ablegen
fj jmr]v iii\ fiXXa KOTTiTopriceiv f| elc auröv töv q)övov, djc ^ktcivcv.
wenn nun der angeklagte als xaKoOpTOC vor den elfmännem be-
langt worden ist, so musz er in der klageschrift eines vergebens
beschuldigt worden sein« welches ihn dem vö^oc xaKOupTuiv ver-
fallen liesz ; und da unter den KaKoOpTOi sonst gemeinhin diebe und
räuber verstanden werden, so bleibt keine andere annähme übrig
als die, welche auch Meier att. proc. s. 232 vertritt, dasz die an-
klage auf raubmord gelautet habe, und dafür finden sich allerdings
beweise in der rede selbst, in § 9 heiszt es : Kai ibc fi^v ou KaKoCp-
TÖc elfii oub' fvoxoc tuj tiDv KaKoOpTuuv vö^ip, aurol oöroi tou-
Tou T€|LidpTup€C T€T^VT]VTai. Tiepl Top TOJV kXctttüjv Kol Xu)7ro-
buTOüV ö vöfioc KeiTai, i&v oub^v iyiox npocöv dn^beiSav.
oÖTUJC eTc T€ TttÜTiiv Tf|v diraTWTnv vo^i^uiTdiriv Kai biKaio-
MSorof: die dvorurrn in moidproceMen. 107
idniv irETroif)Kaav umiv ttiv änoi|nfiq)idv ^ou. die zengen haben
niebiB nachraweiseii yermocht, was den angeklagten zum KQKoCp-
YOC machte, so dasz in hinsieht auf diese klageschrif t die riehter
ilm mit gutem gewissen freisprechen kGnnen. wenn aber die
sengen darflber haben nachweise bringen sollen, ob der ange-
klagte etwas gethan, was ihn zam KCncoöpTOC stempelt, so müssen
doch gewis in der anklageschrift solche behanptungen aufgestellt
worden sein.
Zu diesen andeatongen , welche auf eine anklage wegen raub-
mordes hinweisen , kommt noch der umstand dasz die klage schfitz-
bar gemacht ist (Tgl. § 10). wäre nun der angeklagte des reinen
mordes beschuldigt worden , so liesze sich schwer einsehen, weshalb
dasselbe yerbrechen vor dem einen forum, dem Areiopagos, mit tod,
Tor dem andern durch eine geldbusze gesühnt werden sollte, viel-
mahr scheint Meier ao. s. 239 dies mit recht so zu erklären, dasz die
dirarurni wegen mordes schätzbar war, wenn mit dem morde zu-
gieidi verübter raub durch diese klageart yerfolgt werden sollte,
indem hier die anverwandten den durch den mörder an hab und gut
erlittenen schaden schätzen musten, dasz sie dagegen dann unschätz-
bar war, wenn durch sie nur der mord geahndet werden sollte.
• letzteres konnte natürlich erst dann der fall sein, nachdem es ge-
stattet worden war einen mörder durch diroTuiTT) zu belangen , wie
xnr zeit des processes gegen Agoratos. so lange aber diese bestim-
mung noch nicht galt und der mörder zugleich KaxoCpTOC sein
muste, um vor den elfmännem gerichtet werden zu können, muste
jeder solche process schätzbar sein.
Wie kommt aber der redner dazu , sich so vollständig über die
anklageschrift hinwegzusetzen und , nachdem er die bescbuldigung,
er sei KcncoOpTOC, einfach durch die berufung darauf zurückgewiesen,
dasz die zeugen ihn eines solchen Verbrechens nicht haben über-
führen können, sich ganz auf den Standpunkt zu stellen ^ als werde
er des reinen mordes angeklagt? konnte er daä thun, wenn nicht
in der tbat , schon nachdem der process eingeleitet war, die anklage
eine änderung erfahren hatte ? war im laufe der Verhandlungen an
stelle der raubmordklage die reine mordklage getreten, so durfte er
allerdings mit vollem rechte freisprechung vor dem gerichtsbof der
elfinänner und ladung vor den Areiopagos verlangen, falls die klägor
die bescbuldigung des mordes aufrecht halten wollten, und dasz
diese annähme nicht des rückhaltes entbehrt, wird die darlegung
der Voruntersuchungen lehren, wie sie in der rede berichtet werden.
Was die aussagen der beiden von den klägem gefolterten be-
trifft, so ist zwar der redner selbst in der angäbe derselben nicht
ganz consequent, doch sind wir im stände dieselben aus seinen an-
deutungen richtig zu stellen. § 49 heiszt es, derjenige, welcher da-
mals sofort gefoltert wurde , ein freier, habe nie dazu gebracht wer-
den können , etwas nachteiliges gegen den angeklagten auszusagen,
der Sklave dagegen habe viele tage später (vgl. § 30), nachdem er
108 M8orof : die diratuJT^ ^ mordprocessen.
also genügend bearbeitet worden war, gestanden, er habe den vom
angeklagten gemordeten mit aufgehoben , in das fahrzeug gebracht
und dann in das meer gestürzt, dies geht aus § 39 hervor, dort
greift der redner eine etwas ungenaue , kurz gefaszte angäbe des
klfigers, der sklave habe auf der folter gestanden cuvaiTOKT€tvai
TÖv dvbpa , auf, um sie in obiger weise richtig zu stellen und den
für die kläger nachteiligen schein zu erwecken , als hätten sie sich
in ihren behauptungen widersprochen, während aber hier der redner
diesen kurzen ausdruck (cuvanoKTeTvai) als falsch zurückweist, nimt
er § 54 eben dieselbe version der aussage des Sklaven an, um sie zu
verdrehen und dadurch einen widersprach nachzuweisen, in den sich
die kläger in ihren bemühungen ihn, den angeklagten, zu verderben
verwickelt hätten, die betreffende stelle lautet: lirciTa dv6u^€tc6€
ÖTi bidcpopov fjv TÖ TP^XM^ciTeibiov tiD ßacavicOdvTt, biäq>opoc b'
ö SvOpuiTroc Tijj TpaMMaT€ib{ifi * 6 fiiv T^P ßacaviZö^cvoc ainöc
f (pri dTTOKTeivai , tö bt jpaii^iaieibxov dvoixOiv i^ii töv dnoicrd-
vavra djütrjvue. in dem angeblich im schiff gefundenen briefe meldet
der angeklagte dem Ljkinos, er habe den Herodes ermordet, dazu
stimmt allerdings nicht ganz die aussage des sklaven cuvaTtOKTCtvai
t6v Svbpa, welche der redner hier geradezu verdreht, als habe der
sklave gesagt, er habe den mord selbst begangen, diese aussage
widerspricht aber der obigen § 39 vom redner selbst als allein rich-
tig angegebenen, von welcher das schreiben durchaus nicht abweicht.
Nachdem wir nun nachgewiesen , dasz kein widersprach iwi*
sehen der erpressten aussage des sklaven und dem an Lykinos ge*
richteten briefe besteht, lesen wir weiter § 55: TÖ )li^v jap irpü&TOV
oöx nöpov iv TfJ» TrXoiqj JiitoOvt€C tö Tpctfi^aTclbiov, öcTCpov b^.
TÖT€ fi^v f&p ofiTtu) ouTU) d^€MiixdvTiTo aÖTOic £iT€ibf| bi, ö fivOpui«*
TToc ö irpÖTepoc ßacavicOcic oibiv iX^je kqt" d^oC, t6t€ elcßdX-
Xouciv €lc TÖ irXoiov tö Tpa^paTefbiov, tva TaiiTn ye (richtig für
TttÖTTiv von Jerastedt verbessert) f x^^^^ ^Moi t^v aiTiav ^iri(pdp€iv*
aus diesen werten des redners wird es vollkommen klar, wie die
kläger beweise gegen den angeklagten aufzubringen suchten, zu*
erst foltern sie den freien, ohne von ihm eine für den angeklagten
ungünstige aussage erpressen zu können, dann bearbeiten sie den
Sklaven, und zwar zuerst auch ohne erfolg, was für aussagen sie von
diesem haben erzwingen wollen, steht in der rede nicht und konnte
niemand sicher wissen, jedenfalls aber solche, welche mit der an-
klageschrift, durch die der redner als KQKoOpTOC belangt war, über-
einstimmten, wir werden also nicht irren, wenn wir annehmen,
jene beiden sollten den angeklagten des raubmordes überführen,
aber die Überredungskunst der kläger schien an der festigkeit beider
gefolterten scheitern zu sollen, da beschlieszen sie, besorgt sie
möchten auf diesem wege nichts erreichen, den angeklagten aaf eine
andere weise zu verderben und setzen das einverständnis mit Ljkinos
in scene, indem sie den brief an diesen unterschieben, dadurch
waren sie natürlich gezwungen die ursprüngliche anklage auf raub*
MSorof : die dirarurrfi in mordprocessen. 109
snord fallen za lassen, da angestifteter mord unmöglich mit raub-
mord identificiert werden konnte, wenn nun, nachdem diese neue
üitrigue ins werk gesetzt war, der sklave sich zu aussagen bereit
erUbrte, musten dieselben begreiflicherweise mit der veränderten
«nklageform in Übereinstimmung gebracht werden, und dasz dem so
ist, haben wir vorhin gesehen.
Jetzt ist es auch erklärlich, wie der redner sich nur als des
mordes angeklagt bezeichnen durfte, und seine forderung (§ 9 a. e.)
ihn mit rücksicht auf die klageschrift frei zu sprechen ist vollkommen
berechtigt , da der charakteristische punkt in der anklage , der eine
belangung durch dTrayuiTil notwendig gemacht hatte (raub) , weg-
gefallen war. darauf kommt er auch immer wieder zurück , so § 85
tfdi bt KttO' oöc iikv dirrixOiiv, oök ivoxöc ei^i Toic vöfiioic, Jiv b'
IXUD TTiv ahiav, diTuiv iioi vö^i^oc uiroXeiircTai. er unterscheidet
hier scharf zwischen der dTraTUiTrj durch welche er belangt ist, und
der beschuldiguDg die ihn eigentlich trifft; und derselbe gegensatz
findet sich in § 96 vöv ^ikv oöv äTroi{iiiq)icac8€ jliou- dv bfe tQ toO
q>övou bixri ouToi t€ töv vofii21ö^€Vov fipKov biofiiocdfievoi dfnoO
xaTTfropiicouci, Kai vyiüc Trepi dfnoC xarä touc kci^^vouc vöfiouc
ftiQTVwcecOe, kqi i^iox oubeic Xötoc fcTai fji, ddv ti irdcxu), djc
n(zpavö^(uc diruiXöfiiiiv-
Fragen wir nun danach, was die kläger bewogen hat die an-
klage in der weise zu formulieren, dasz diraTUüTn notwendig war,
so finden wir in der rede selbst mehrfach andeutungen, welche ihre
beweggründe in helles licht setzen, der unterschied zwischen drra-
TU)Tri nnd einer TP<x<P^ (pövou besteht äuszerlich darin, dasz bei der
dnaturf rj dem angeklagten alle die vorteile entzogen wurden, welche
er bei einem process vor dem Areiopagos genosz. war er vor diesen
gerichtshof geladen , so konnte er immer noch frei umhergehen und
sich sogar noch nach der ersten Verteidigungsrede der strafe dadurch
entziehen , dasz er ins ausländ gieng. der durch diraTUiTil belangte
dagegen wurde sofort in fesseln gelegt oder muste doch bürgen
stellen , was in unserm falle dem angeklagten gar nicht einmal ge-
stattet worden war (vgl. § 13). mochte schon diese erschwerung
des processes fUr den angeklagten die kläger veranlaszt haben diese
form der klage zu wählen (vgl. § 13), so weist der redner selbst
noch auf einen andern grund hin. wurde die anklage auf raubmord
erhoben, so war sie, wie wir gesehen haben, schätzbar, und der
redner macht vielleicht mit recht seinen anklägern den Vorwurf, sie
hätten bei dem process noch profitieren wollen, er sagt § 10:
liTCiTa Tifiiiciv jLioi dTioiTicav, dvTaTToeaveiv toO vö^ou Keiju^vou
TÖV diTOKTeivavTa, ou toO iiioi cujiKp^povTGC ^vexa, dXXd toO
ccpiciv auTOic XuciTeXoOvTOC, Kai dviaOea fXaccov fveijuav tiu
T€0viik6ti TiiJv iv TIU vö)Liui K€i|i^vujv , und als er in § 58 bei er-
wägnng der gründe, welche ihn zum morde hätten treiben können,
auch den einwand zurückweist, es sei auf eine beraubung des Ilero-
des abgesehen gewesen, nimt er gelegenheit den Vorwurf der geld-
110 MSorof: die dirorurf^ in mordproceasen.
gier mit kräftigen werten auf den ankläger zurttckzuscfaleadem, der
ihn des geldes wegen zn verderbeii suche : dXX& XP^M^'^<^ ^MeXXov
Xrii|i€c8ai diroKTcivac auröv; dXX' oök fjv aurc^. dXXd col ^fiXXov
iyOj Tf) V 7rpö(paciv TauTiiv ^xo»M * öv €Ik6tu)c ^erd ific dXiiOctac
dvaOeivai, ort xpvij^'fuüv ivena lr\Te\c t\ii dnoKreivai, fiiäXXov i^
cu l^oX dxcivov. wir haben keinen grund, an der richtigkeit der
annähme des redners zu zweifeln , dasz dies das motiv zur klage ge-
wesen sei , da dasselbe vollständig das verfahren der kläger erklärt.
die anklage des raubmordes wählen sie, da der process dann schätz-
bar ist. bewiesen kann die stattgefnndene beraubung in diesem
falle, da Herodes verschwunden ist, nur werden durch auf der folter
erpresste geständnisse. die ankläger glaubten leichtes spiel zu haben,
sahen aber an der standhaftigkeit des freien und anfangs auch des
Sklaven ihre plane scheitern, um nun überhaupt die klage aufrecht
erhalten zu können , schoben sie den brief an Ljkinos unter , womit
sie allerdings zugleich ihre ursprüngliche klage auf raubmord fallen
lassen und gewärtig sein musten , dasz der angeklagte auf die an-
klage Schrift hin freigesprochen wurde.
Halten wir also die drei momente zusammen , dasz der process
über Herodes mord von haus aus ein raubmordprocess ist, ferner
dasz wir in der Antiphontischen rede keine spur finden von der
existenz der formel hl' aÖToq>uipif), die bei Lysias als unerläszliche
bedingung der belangung eines mörders durch dirotuiTil erscheint,
und endlich dasz der redner bei Antiphon von dem Standpunkt aus-
gehend, dasz er in Wirklichkeit nur des mordes angeklagt werde,
sich auf alle weise dagegen sträsbt vor den elfmännem gerichtet zu
werden, und als allein zuständigen gerichtshof den Areiopagos ver-
langt : so ist klar dasz es zur zeit des Herodes-processes in der that
nicht gestattet gewesen ist einen mörder durch diraTurni zu be-
langen, diese form der anklage dagegen gewählt werden muste,
wenn zum morde ein anderes verbrechen hinzutrat, welches nach
dem vöjLioc KaKOUpyuiv gerichtet werden muste. die bestimmung
aber, dasz ein mörder, der in* auTOq)(I)pip ertappt war, vor die elf-
männer gebracht werden durfte, musz in der zeit zwischen beiden
Processen, dem gegen den angeblichen mörder des Herodes und dem
gegen Agoratos , getroffen worden sein, dasz dies nicht lange vor
letzterm fall geschehen sei, kann man vielleicht daraus schlieszen,
dasz hier die elfmänner, trotzdem sie vollständig auf seiten der
kläger stehen und die berechtigung der klage an sich völlig aner-
kennen , dennoch , um nicht ungesetzlich zu handeln , den zusatz der
formel in* auroquiipcp verlangen, die der redner bei Lysias nur
schwer als auf den angeklagten zutreffend erweisen kann, der pro-
cess über Herodes mord fällt wahrscheinlich in die zeit zwischen
dem frieden des Nikias und der sikelischen expedition, der andere
um 400. wir werden daher nicht irren, wenn wir dieses gesetz nut
der revision der Verfassung nach Wiederherstellung der demokratie in
Verbindung bringen, den anlasz zu dieser im Verhältnis zu früher zwar
MSorof: die diratuJTi^ in mordprocessen. Hl
weitem, aber doch präcisen fassung der mordgesetze mögen fUlle
gegeben haben , auf welche in der rede gegen Agoratos § 44 hin-
gedeatet wird, in welchen unter den dreiszig die diraxuiTil niis-
branöht worden, um sich private feinde vom halse zu schaffen, dasz
aber gerade diese fassang gewählt und das zutreffen der formel in *
aÖT(Kpt(ipi{i verlangt wurde , ist erklärlich, man gieng eben auf die
ursprüngliche anwendung der diraTUüTri überhaupt zurück und zog
die alte formel , welche bei den übrigen dnatwirai nicht mehr als
notwendig betrachtet wurde, wieder hervor, war der mörder auf der
that ertappt , so bedurfte es in der regel keiner umständlichen ge-
richtsverhandlungen; sondern es war einfach das urteil zu sprechen.
dasz aber auch dieses gesetz bald laxer gehandhabt wurde, ersehen
wir aus dem Agoratos-process ^ wo der begriff in* auToq)iüpif) die
denkbar weiteste ausdehnung erhalten hat.
Zuletzt ist noch die frage zu entscheiden, wie die bei Demo-
sthenes g. Aristokrates § 80 erwähnte bestimmung über dTrayurpfi
gegen mOrder mit dem eben erläuterten in einklang zu bringen ist.
nachdem dort der redner die fünf blutgerichtsstätten und ihre com-
petenzen erörtert hat, um nachzuweisen dasz der antrag des Aristo-
krates gegen alle darauf bezüglichen gesetze verstosze, fährt er fort :
2ti Toivuv ^CTiv ?KTii Ti^ujpia TTpöc dirdcaic Tauiaic , f^v 6|Lioiu)c
iTOpaßdc T^TpcKpe tö niriq)ic|i' oütoci' ei travTa Taörd Tic t^tvö-
11K€V, f| Kai TTapeXfiXuGaciv o\ xpövoi, dv ok ftei toutojv ^Kacxa
noieiv, f| br fiXXo ti oöxi ßouXeTai toOtouc touc Tpöirouc in-
cEUvai, TÖv dvbpocpövov b' öp^ irepiiövr' dv loic UpoTc xal Kaid
Tf|V dTopdv ' dirdTCiv f EecTiv eic tö bccjiuJTrjpiov usw. betrachten
wir die bedingungen dieser diraTUitil) so müssen wir zu dem resultat
kommen, dasz die ersten condicionalsätze Venu jemand dieses alles
(das verfahren bei den fünf blutgerichtsstätten) nicht gekannt hat
oder auch die termine vorüber sind oder er überhaupt den mörder
nicht auf diese weise belangen will' unmöglich im gesetz selbst ge-
standen haben können , da sie viel zu ungenau und weit abgefaszt
wären, die erste bedingung Venn jemand dieses alles nicht gekannt
hat' ist für sich allein genommen zu unbestimmt und läszt sich erst
mit der zweiten vereint verstehen: ^wenn jemand dies verfahren
nicht gekannt hat und , ehe er sich darüber hat orientieren können,
die zeit verstrichen ist, in der während des Jahres eine mordklage
anhängig gemacht werden konnte (die ersten neun monate)'; die
zweite bedingung kann für sich bestehen : Venn (jemand von haus
aus wohl mit dem einzuschlagenden verfahren bescheid wüste, aber)
die frist abgelaufen war, innerhalb deren die klage beim archon
könig angebracht werden muste' ; die dritte bedingung ist ganz all-
gemein gehalten: Venu jemand überhaupt diese klagarten ver-
schmähte.' nehmen yrir den ausdruck iix TOtvuv dcTiv Sktt) Ti^uipia
*es gibt noch eine sechste möglichkeit den mord zu sühnen' hinzu,
so erkennen wir dasz jene erstgenannten Bedingungen nur äuszer-
licher natur und von Demosthenes selbst als der praxis entnommen
112 MSorof: die dtratuiT/i in mordprocessen.
hinzugefügt sind, das eigentliche gesetz ist: 'wenn jemand den
m Order in den heiiigtümern oder auf dem markte umhergehen sieht,
kann er ihn ins gefiLngnis abführen.' doch ist auch dies kein wört-
liches citat, da in dem gesetze selbst gewis das tn^ auToqH{>pi)i
XajLißdveiv , welches auf alle diese flQle zutraf, ausdrücklich hervor-
gehoben war, während es hier von Demosthenes frei durch 6päv
wiedergegeben wird, es entspricht also diese bestimmung voll*
ständig der ursprünglichen anwendung der dTTOtUjyrj , bei der das
in* auTOcpiüpqj eine notwendige bedingung war. sie ist dagegen
keineswegs auf gleiche stufe zu stellen mit den übrigen gesetzen
über dTTatuJTil > sondern gehOrt zum sacralen recht und enthält das
verbot für den mörder geweihte statten zu betreten, mit hinzu-
fügung der eventuellen Strafmöglichkeit, deshalb konnte diese
Satzung aber auch unter gewissen zutreffenden Voraussetzungen
dem , welchem die rächung eines mordes zukam , die handhabe wer-
den, den mörder unverzüglich zu belangen, nemlich wenn die ersten
neun monate des Jahres verstrichen waren, oder wenn dem, welchem
die klage obl&gy überhaupt das verfahren vor den fünf blutgerichts-
stätten wegen seiner Umständlichkeit und langwierigkeit nicht be-
hagte, in welchem falle er sich darauf legen muste, den mörder bei
Übertretung jener sacralrechtlichen bestimmung zu ertappen, also
nicht eigentlich der mord , sondern die nichtachtung dieser Satzung
wurde durch die diraTUUTil g^^x^det, wobei jedoch selbstverständ-
lich ist, dasz der mordprocess sich unmittelbar daran anschlosz, da
der angebliche mörder des ihm zur last gelegten Verbrechens erst
überführt werden muste. die berechtigung zu dieser art der dira-
TU)Tn 8^8^^ den des mordes noch nicht angeklagten wurde noch be-
sonders gegeben und ausgesprochen in der Tipöppiicic, durch welche
dem mörder schon am grabe des ermordeten der zutritt zu markt
und heiiigtümern untersagt wurde, wiederholt wurde dies verbot
dann auf dem markte und scblieszlich vom archon basileus, wenn
er die klage angenommen hatte, es läszt sich daher noch eine an-
dere möglicbkeit denken, von dieser dnaTWfTJ gebrauch zu machen,
wenn nemlich der process vom archon könig schon instruiert war
und dann der angeklagte jene statten besuchte, konnte immer noch
eine änderung im verfahren eintreten , indem dann der mörder ins
gefUngnis geworfen und die Verhandlungen vor den elfmännem
weiter geführt wurden, doch ist dieser fall gewis sehr selten oder
gar nicht vorgekommen , da ein des mordes beschuldigter sich wohl
gehütet haben wird seinen klägem eine solche waffe gegen sich in
die bände zu geben.
Weil aber diese bei Demosthenes g. Aristokrates erwähnte
Satzung dem sacralrecht entnommen ist und durch sie nicht der
mörder als solcher, sondern nur insofern er die helligkeit der tempel
oder des marktes verletzt, betroffen wird, schlieszt sie die oben er-
örterten bestimmungen hber diTOrfuiirj nicht aus, sondern ist gewis
so alt wie das verfahren vor den elfmännem überhaupt.
FKern: zn Timon von Pliliu8 [fr. 49]. 113
Fassen wir das resultat der vorhergehenden Untersuchungen
noch einmal kurz zusammen, so ergibt sich : die Antiphontische rede
Aber Herodes mord ist kein beweis dafür, dasz in jener zeit reiner
mord vor den elfmännem gerichtet werden konnte, sollte ein mör-
der ins geföngnis abgeführt werden können, so muste ein anderes
verbrechen (raub) hinzutreten , das ihn dem vöjlioc xaKOUpTtüV ver-
fallen liesz. dagegen wurde in der folgezeit, während das oben er-
wähnte gesetz natürlich fortbestand, wahrscheinlich bei revision der
ver&ssung (403), die competenz der elfmänner auch auf solche fälle
ausgedehnt, wenn zwar nur reiner mord vorlag, aber der mörder
^it' auToq)UüpiiJ ertappt war. neben diesen gesetzen konnte die
eacralrechtliche bestimmung, welche wir bei Demosthenes g. Aristo-
krates § 80 lesen, wohl bestehen, die notiz im rhetorischen lexikon
endlich stimmt mit dem sonst überlieferten wohl überein, da der
Verfasser jener bemerkung sich sowohl auf die stelle bei Demosthenes
als auf die späte anwcndung der äTTaTU)Til gegen mörder, die dir'
aärcxpuipiu ertappt waren, beziehen konnte.
CösLiN. Martin Sorof.
18.
ZU TIMON VON PHLIUS.
Sextos Empeirikos nennt adv. math. IX 51 als entschiedene
athelsten EuemeroS; Diagoras, Prodikos. diesen schlieszt er Kritias
an, von dem er (54) nur sagt boKcT ^k toO TaTMCtTOC tujv dGdujV
undpXClV; obwohl die mitgeteilten verse an seinem atheismus nicht
zweifeln lassen, dann föhrt er fort cujucp^pcTat bk toutoic toTc dv-
bpdct Kai 6€Öbujpoc ö dGeoc Kai Kard Tivac TTpujTaTÖpac ö
'AßbiipiTiic und berichtet dann weiter die bekannte äuszerung des
Protagoras über seine Unfähigkeit zu einer entscheidung über die
existenz der götter zu gelangen , indem er diese worte einführt mit
jiriTtuc TTOu Tpdviiac.
Es kann kein zweifei sein, dasz das part. Ypdtpac in concessivem
sinne zu verstehen ist. obwohl nemlich Protagoras ausdrücklich die
entscheidung über die frage abgelehnt hatte , wurde er von einigen
doch ohne weiteres für einen atheisten erklärt, wenn nun Sextos
in unmittelbarem anschlusz daran die geschieh te von dem deshalb
über ihn ausgesprochenen todesurteil erzählt, so geschieht das, um
zu beweisen dasz er trotz der vorsichtigen ausdrucksweise bei den
athenischen bürgern als gottesleugner galt, und so sein Kard Tivac
zu rechtfertigen.
Zu demselben zwecke citiert er folgende verse aus Timons sillen
[fr. 49 Wachsmuth]:
d)C Kai fl€T^7T€lTa CO9ICTUIV
göt' dXiTUTXiücciu göt' dcKÖTTifj göt* dKuXicTiu
TTpwTaTÖpq • f OeXov bk T^cppiiv cuTTpdMjLiaTa Öeivai,
Jahrbhcher für das», philo!. 1883 hft. 9. B
114 FKern: zu Timon von Phlios [fr. 49].
ÖTTi 6€ouc KOT^TPöV' oöt' cib^vai oÖT€ buvac6ai,
ÖTTTTOioi Tiv^c clci Kol c! Tiv€C, ä6pr|cac6ai,
iräcav fx^^v qpuXaxfiv iiruiKciric* xd jiifev oö ol
XPoicjiTic', dXXd qpuKTlc iTrejLiaCcTO, öqppa |if| oötiüc
CuJKpaTtKÖV TTlViWV ^UXPÖV TIOTÖV fiiba bUTl-
im vorletzten verse hat Bekker statt des unverständlichen outujc
zweifelnd aÖTiuc vorgeschlagen, was wohl eine zweifellose Wieder-
herstellung des richtigen ist. mir scheint aber auszerdem auch daa
äXiyuTXüüCCiiJ im zweiten verse verdorben zu sein, das sonst nicht
vorkommende wort müste nach seinen bestandteilen den sinn haben
^nicht laut sprechend' oder, wie Mullach tibersetzt 'fusca voce prae-
dito', mit den drei (sSmtlich negierten) adjectiven würde dann
Protagoras charakterisiert als einer, der weder von leiser stimme ist
noch unvorsichtig noch unbeweglich und starr, also ohne die nega«
tionen als ein laut sprechender (Pape im lexikon 'mit tönender
stimme'), vorsichtiger und gewandter (sich schmiegender) mann,
ich musz gestehen, diese Verbindung der körperlichen eigenschaft
der lauten stimme mit den beiden (fast synonymen) moralischen hat
etwas sehr seltsames, will man aber auch die erste eigenschaft auf
geistiges beziehen, so dasz o&r* äXtTuyXuJCCOC ein mann wSre, der
mit zweifelloser deutlichkeit oder mit entschiedener rücksichtslosig-
keit sich ausdrückt, so wird die sache noch viel bedenklicher, denn
in diesem sinne aufgefaszt wäre das oCt* äXiTurXwccoc nicht mehr
blosz müszig für den Zusammenhang , sondern geradezu damit con-
trastierend, denn was ist der sinn des ganzen? alle vorsieht (irfica
q)uXaKf) £m€iK€iiic) half dem Protagoras nichts , er muste fliehen,
weil er jene worte geschrieben hatte, die zwar die existenz der götter
nicht leugneten, aus denen man aber auf seinen atheismus, und wohl
nicht mit unrecht, schlosz. obwohl er also kein laut, unverhtlUt,.
offen sprechender war, sondern es an vorsieht und gewandtheit nicht
fehlen liesz, entgieng er doch nicht dem verdacht des atheismus und
den folgen des verdachtes.
Danach scheint mir der Zusammenhang mit notwendigkeit oCtc
XiyuTXuüCCtfjzu fordern. XitutXujccoc wäre freilich auch, so viel
ich weisz, ein &tco£ €lpii|Li^vov (wie es dXiTUTXiuccoc ist), aber ein
solches, dem ähnlich gebildeter adjectiva viele zur seite stehen, wäh-
rend für eine bildung wie dXiTUTXwccoc (ein diroE €lpii|Li^vov noch
mit dem a privativum componiert) sich wohl wenig analogien finden
würden, doch das ist nebensächlich ; die hauptsache ist , dasz dXi-
yOtXiuccgc in dem zusammenhange unerklärlich ist. der Schreiber
aber, dem weder dXiTUTXuJCCOC noch XitutXwccoc ein geläufiges
wort war, wählte bei undeutlicher vorläge lieber das erstere, weil
so die drei adjectiva mit dem a priv. anfiengen, wie in dem Homeri-
schen verse (Q 167) oÖT€ Tdp ^ct' dqppiuv oöt* dcKoiroc oör* dXi-
Tri^iüv.
Berlin. Franz Kern.
WBchwariz : das halsband der Harmonia u. die kröne der Ariadne. 1 15
19.
DAS HALSBAND DER HABMONIA UND DIE KRONE DEB
ABIADNE.
Der mytbographus II bei Westermann nr. 78 bringt bei gelegen-
beit einer geschichte des zauberhaften halsbandes der Harlnonia,
welches allen seinen besitzerinnen Unglück gebracht habe (fnonüe
fuUiherrimum infausti ominis, ita ut necesse esset hoc monile gestan-
fem <ierumnarum mole opprimt)^ am schlusz eine notiz , welche teils
in überraschender weise früher von mir im ^Ursprung der myth.'
ausgesprochene ansichten bestätigt, teils neue höchst interessante
perspectiven für griechische wie analoge germanische mythen er-
Offiiet. nachdem der eben citierte erzähler nemlich ausgeführt, dasz
unter dem bösen Verhängnis des halsbandes Harmonia — multa
aäversa patiens — selbst schlieszlich mit Eadmos in drachen ver-
wandelt sei {in draconem conver'sa) , dann Semele , ihre tochter , das
halsband getragen, welche durch des Zeus blitz umgekommen, und
weiter sich dann mit dem betr. schmuck das unheil auf ihre schwestem
Ino, Agaue und Autonom und endlich auf lokaste, Argeia und Eriphyle
erstreckt habe, an welche es nach einander als geschenk gekommen :
berichtet er über das betr. monüe zum schlusz-: quod in fontem
praiedum hodie cerni dicitur. quod si quis attrectaverit^ dicunt
solem offendi et tempestatem oriri. das halsband, welches der
himmlische schmied Hephaistos so wunderbar gefertigt, und in
welches er allerhand zauber gebannt haben sollte, galt also als in
eine quelle versenkt, und es hiesz, wenn es jemand zu heben ver-
suche, so verfinstere sich die sonne und es entstehe un wetter.^
In dieser abgerissenen notiz haben wir nicht blosz einen merk-
würdigen anklang an den in das wasser (den Bhein) versenkten
Nibelungenhort, sondern noch direct trotz der irdischen locali-
sierung der sage einen speciellen hinweis auf die ursprüngliche form
des betr. mythischen sagenelements überhaupt in seinem natürlichen
hintergrund am himmel, wo eben jenes schöne, goldige hals-
band oder, wie ich schon früher behauptet habe und nachher noch
des weitem ausführen werde, der regenbogen (als gürtel oder ge-
schmeide) in den himmlischen wassern (den regenwassem) plötzlich
au&utauchen schien und ua., wenn er sichtbar wurde, so wie es noch
von ihm bei Homer nachklingt, als ein teil des Unwetters (des oupd-
vtov &XOC <^®8 Sophokles) dh. als ein böses verhängnisvolles Wahr-
zeichen gefaszt wurde, ein T^pac f\ TToX^)iOto f\ Kai x^^M^voc buc-
6aXTT^oc II. P 548. spricht dies unsere stelle als eine reminiscenz
^ der vorangehende satz in der betr. stelle ist offenbar corrampiert
und wahrscheinlich so zu lesen: quam (sc. Eriphylen) postea filius Ale-
maeon in vindictam patris occidit et ut Orestes (statt Orestesque) furore
oceisa matre correptus idem monile Apollini consecravit. vgl. mytb. I 152,
namentlich aber Servias znr Aen, VI 445 und sachlich Athen. VI 282.
8*
116 WSchwartz: das haUbaod der Harmonia u. die kröne der Ariadne.
gleichsam in abstracter form noch einfach aus, indem es nemlich
kurzweg heiszt: tempeskUes oriri — ähnlich wie andere sagen daß
eintreten eines Unwetters mit regengttssen und stürm an die mo-
mente von blitz und donner und einer nachahmung eben dieser er-
scheinungen im gebrauch, wie wir gleich sehen werden, verknüpft
erscheinen lassen — so ergibt sich dabei sofort von selbst für die
mjthehbildende urzeit, dasz in ihr dies und analoges je nach der
weitem deutung des gewitters und der in ihm angeblich auftretenden
Personen (sonnenfrau, sturmesheld usw.) auch weitere leb^isvollere
bedeutung und dem entsprechende Verwendung unter der verschie-
densten form der motivierung in der sich manigfach entwickelnden
tradition empfangen konnte.
Was nun aber zunächst das erwähnte charakteristische moment,
das auftreten von Unwetter beim rühren bzw. auftauchen des wunder-
baren, im Wasser ruhenden halsbandes, also des regenbogen-
halsbandes anbetrifft, so stellt sich dies in diesem sinne als eine
neue art von Variante zu analogen primitiven Vorstellungen bei
Griechen, Bömem und Deutschen über den modus, bzw. die mög-
lichkeit, direct regen oder unwetterzu erzeugen, falls man wasser
peitsche oder steine in solches hineinwerfe (oder solche, zb. im rö-
mischen regenzauber, dem bekannten aquaeliciumj rolle), was, wie
ich nachgewiesen, ursprünglich eine mimesis des angeblichen peit-
Sehens der himmlischen wasser mit der blitzes- bzw. sturmesgeiszel
oder des werfens (bzw. rollens) von steinen im donner sein sollte,
womit man meinte, dasz dort oben regen bzw. unwetter erzielt
werde, indem man ein accidens für die causa efQoiens nahm und
nun durch nachahmung desselben Vorgangs dasselbe resultat zu er-
zielen hoffte, an die verschiedensten momente aber, die beim ge-
witter in die erscheinung treten, knüpfte der glaube die Vorstellung
von dem wunderbaren entstehen des in der Ökonomie der natur auch
für den naturmenschen so bedeutsamen regens, und sagenhafte tra-
dition wie gebrauch hielt *in irdischer localisierung' die sache viel-
fach fest, kann ich mich gleich im allgemeinen auf die von mir an
verschiedenen andern stellen beigebrachten ausführungen beziehen,
zb. von dem regenzauber, welchen hexen durch ^schlagen mit gerten in
wasserbächen' in ähnlicher weise betreiben sollten , wie der priester
des Zeus Lykaios an der (heiligen) quelle Hagno verfuhr, wozu sidi
als eine zweite mythische kategorie dann der aberglaube stellt, dasz
angeblich unwetter entstehe, Venn man steine in gewisse zauberhafte
Seen werfe' udgl. mehr*: so will ich doch ein paar beispiele der letztui
art hier anführen, zumal sie, abgesehen von dem nuancierten modus,
dasz in unserer sage der regenbogen statt des blitzes oder donnere
herangezogen wird, in der form sich fast ganz an das oben erwähnte
quod si gtiis (monüe) aJttreäaverü^ dicunt solem offendi et tempestaUs
' urspr. d. myth. 8. 260 ff. (vgl. 86). poetische nataranseb. II s. 197.
Berliner zs. f. ethnologie 1875 s. 401 ff.
WSehwarts: das halsband der Harmonia u. die kröne der Ariadne. 117
crki anschlieszen. ^wirft man steine in die tiefe des wUdsees' heiszt es
zb. *80 föngt er an zu brausen und zu tosen ; der heitere Himmel trttbt
sich, und es entsteht ein ungewitter mit stürm und hagel.' ebenso
schlieszt eine ähnliche sage, welche JGrimm hierbei myth.' s. 564 von
einem see auf dem berge Cavagum in Catalonien aus Gervasius von
Tilbnrj anführt, mit den worten : in lacum si quis aliquam lapideam
atU äliam sölidam proiecerü materiamj statim tamquam offensis daemo*
mbus tempestas erumpU. vgl. poet. naturansch. II s. 110. 120. 197.
Wenn dies, wie erwähnt, ganz rohe, primitive Vorstellungen
sind, in deren kreis der regenbogen nach der oben beigebrachten
sage nun auch zum teil einrückt, so werden, wie gleichfalls schon
angedeutet, die beziehungen manigfacher und reicher, je nachdem
die betr. himmelserscheinung in entwickelteren mythologischen bil-
dem mit himmlischen wesen in relation tritt, dasz aber auch hier
überall als hintergrund und ausgangspunkt bestimmter oder unbe-
stimmter das gewitter erscheint, wird die folgende Zusammenstellung
weiter ausführen, hierbei musz ich aber doch noch einige bemer-
kungen vorausschicken , die klar legen , wie so ich seiner zeit über-
haupt dazu kam, die betr. sagenhaften halsbänder usw. auf den
regenbogen als schmuck der verschiedenen in localsagen auftreten-
den sonnengöttinnen bzw. deren Substitute zu beziehen.
JGrimm hatte schon myth. s. 284 das goldgeschmeide der nor-
dischen göttinnen Freyja und Frigg so wie der Menglöd, namentlich
das wunderbare halsband Brlsingamen der erstem, welches auch Thor
anlegt, als er, in die gewandung jener gekleidet, dem Thrymr behufs
Wiedererlangung seines hammers gegenübertritt, mit der Aphrodite
6p|Lioc im hy. a. Aphr. 88 und dem kcctöc l)idc TroiKiXoc bei Homer
H 214 — 218 Men sie am busen trägt und dessen zauber alle götter
und sterbliche bewältigt', und mit dem auch Hera sich dann schmückt
um den Zeus zu teuschen, in bezieh ung gebracht, indem er weiter
noch auf ein anderes mythisches, bei Freyja wie Hera wiederkehren-
des moment, nemlich die sage von einem ^unnahbaren gemach' hin-
wies, hatte er die parallele zwischen Hera und Aphrodite einerseits
so wie Frigg und Freyja anderseits in dieser hinsieht mit recht als
^erwiesen' hingestellt, weiter ist er freilich nicht gegangen, trotzdem
er in dem capifcel vom 'regenbogen' schon die finnische bezeichnung
und anschauung desselben als gürtel der Lauma beibrachte, wie
auch unsere dichter von demselben als 'gürtel der Iris' reden, ich
habe dann 'urspr. d. myth.' s. 116 ff. diese Vorstellung jenen himm-
lischen halsbändem wie goldbinden, gürtein usw. im anschlusz
an eine mir gemachte mitteilung des grafen Lunzi aus Zante sup-
peditiert, nach welcher noch heute griechischer Volksglaube den
regenbogen als ^gürtel der mutter gottes' bezeichnet (Ziiuvdpiov Tf)c
TTavorf(ac). die christliche himmelsfrau ist nemlich auch bei den
Griechen selbst noch mit diesem schmuck den alten himmelsgöttinnen,
welche so oder in ähnlicher weise ausgestattet erschienen , substi-
stuiert worden, namentlich der Aphrodite und Harmonia, dann ancb
118 WSchwartz: das halsband der Harmonia u. die kröne der Ariadne.
der Hera, Athena und Leto so wie endlich der Eileithjia, deren
neun eilen langer goldiger schmuck in seinen riesenhaften maszen
ähnlich wie der der Hera mit seinen hundert troddeln (H 181) fast
noch direct an die gewaltige himmlische scenerie erinnert, nehmen
wir doch auch im deutschen Volksglauben eine ähnliche entwicklung
wahr, indem fast überall , wo die Jungfrau Maria im aberglauben in
beziehung zur natur tritt, sie sich an die gestaltungen der heidnischen
sonnenfrau anlehnt, indem ich weiter noch das betr. mythische de-
ment des himmlischen r'egenbogengürtels bzw. geschmeides in seinen
sagenhaften niederschlagen verfolgte, erschlosz sich noch eine fülle
anderer hierher einschlagender Vorstellungen, welche sich von dem
rohesten aberglauben durch die heldensagen bis zu entwickeltsten
göttergestaltungen nicht blosz weiblichen, sondern auch männlichen
geschlechts hinziehen und wie sie gelegentlich immer wieder an den
naturkreis, aus dem sie entstanden, nemlich an die sonnen- — oder
wie ich jetzt noch mehr betone gewitter wesen anklingen, doch
in ihrer individuellen gestaltung die gröste manigfaltigkeit nicht blosz
bei den verschiedenen indogermanischen Völkern überhaupt, sondern
auch in localer differenzierung innerhalb desselben Volkes zeigen.
Entwickelte sich nemlich die Vorstellung eines den himmlischen
wesen beiwohnenden Vermögens zu zaubern vor allem an den wunder-
baren Wandlungen, die im gewitter am himmel vorzugehen schienen,
so konnte, wie der blitz als zauberstab dabei galt, auch der regen-
bogen vom Standpunkt eines gürteis aus als das medium gelten, an
welches sich die eine oder andere zauberhafte Wandlung oder Wir-
kung angeblich knüpfte, so gehört hierher, wie ich schon 'urspn d.
myth.' ao. ausgeführt, der primitive aberglaube von dem zauber-
gürtel der werwölfe, dh. ursprünglich der heulenden sturmeswesen,
welche die wölken zerreiszen , ebenso wie die zauberkette oder der
zauberring der Schwanjungfrauen, der streitbaren Valkyrien. ' und
wenn den letzteren die reisigen Amazonen entsprechen ^ so zeigen
^ Qrimm (myth. s. 1049) und Manohardt (germ. myth. s. 690 ff.) haben
die betr. sagen von dem wunderbaren giirtel, riemen, halsband, hals-
kettc, zaaberring, der angelegt wird, dem dann auch ein einfacher hals-
oder armring zur seite tritt (wie ja auch der regenbogen noch den
namen 'himmelsring' führt), ohne freilich ihrerseits an den regenbogen
zu denken, so ausführlich behandelt, dasz es sachlich auf sie zu ver-
weisen hier f^cnügt. * auf die identität der Amazonen mit den Yal-
kyrion im naturelement habe ich gleichfalls schon im 'urspr. d. myth.'
hingewiesen, ich trage zu dem verschiedenen dort beigebrachten für
ihren mythischen und speciell himmlischen Charakter noch nach, dasz,
wie sie fast an allen weltenden mit den verschiedensten mythischen
beiden in berUhrung kommen, sie ebenso auch auf dem festlande
Griechenlands in der tradition auftreten und in einzelheiten auch bei
ihnen wie bei den Valkyri^n eine beziehung zum wasser- und feaer-
element des gewitters hindurchbricht, wenn von den mahnen der rosse
der Valkyrien der tau trieft, so reiten die Amazonen auch über das
meer, das freilich ein Hellanikos dann in der auffassung der spätem
zeit zu dem zweck gefrieren läszt; ihre rosse schnauben feaer
(schol. z. Hom. II. f 189) usw.
WSchwartz: das halsband det Harmonia u. die kröne der Ariadne. 119
diese zwar nicht den märchenhaften zug einer Wandlung in schwttne
und damit den bedeutsamen ring; dafür weisz aber die sage fast
noch charakteristischer von einem wunderbaren goldgürtel ihrer
königin zu erzählen, der das ziel eines zuges des Herakles war (ähn-
lich wie das goldene widderfeil von Seiten Jasons) und um dessen
gewinnung dann (im gewitter) die (sturmes-) schlachten mit den
Wolkenjungfrauen geschlagen sein sollten, die mit Herakles zügen
am weltrande localisiert wurden, ebenso wie, wenn Theseus den
gürtel erkämpft haben sollte, dies in Attika selbst in den dort mit
den Amazonen angeblich stattgehabten kämpfen geschehen war. hat
der regenbogen in letzterer sage den Charakter eines zaubergürtels
verloren, und gilt er blosz als ein kostbares, des kampfes wertes ge-
«chmeide, wie auch nach nordischer sage um den der Freyja geraubten
Brlsingamen Heimdallr mit dem räuber Loki kämpft '\ so tritt die
wunderbare kraft des betr. gürtels auch auf griechischem boden
nicht blosz bei dem erwähnten schmuck der Aphrodite, sondern auch
bei einem anthropomorphischen gegenbilde zu den sturmeswölfen,
nemlich bei den gewitterkämpfern Ares wie Thor auch wieder in
zauberhafter weise als der eigentliche sitz 'ihrer kraft' hervor, indem
diese sich an ihn als einen sogenannten stärkegürtel knüpfte, den
sie bei ihren ^himmlischen kämpfen' zur mehrung ihrer kraft an-
geblich anlegen sollten.
In besonderer weise und am reichsten hat sich die Wirkung
jenes schmuckes — und damit gelangen wir wieder mehr zum aus-
gangspunkt unserer Untersuchung zurück — zunächst entwickelt in
dem Charakter desselben als eines verhängnisvollen horts, wel-
cher sich von geschlecht zu geschlecht streit und tod bringend im
geschlecht der Harmonia forterbt, dem stamme der sonnenwesen,
welcher seinen Ursprung der buhlschaft der sonnenfrau Aphrodite*
mit dem sturmesgott Ares verdankt, w ie nach der oben citierten stelle,
wenn der schmuck aus den wassern gleichsam auftaucht, unheil am
himmel entsteht, die sonne sich verfinstert und unwetter hereinbricht,
fio schien, mythisch gedacht, verderben sich an seine trägerinnen
immer wieder zu heften, sobald man ihn als einen sich forterbenden
schätz der himmlischen dort oben ansah.
Hahn hat in seinen 'sagwissen schaftlichen Studien' (Jena 1876)
diesen Charakter eines verhängnisvollen hortes, insofern er durch ein
goldenes halsband oder eben solche kette in griechischer wie deut-
scher sage repräsentiert erscheint, schon genugsam herausgestellt,
ohne, freilich dabei an den regenbogen zu denken, wenn er sich
' wenn Loki übrigens in Frejjas sonst unzagängliches gemach durch
-ein loch in gestalt einer fliege hineinkriecht, so tritt dies in analoge
beziehung zu dem von mir auch schon in dieser Zeitschrift 1874 s. 177 ff.
behandelten mjthos von Odin, der in gestalt einer schlänge zur Gunnlöd"
hineinschlüpft. ^ dh. vielleicht genauer gesprochen dem prototyp der
in der gestalt der Eos dann gegenüber dem männlichen Helios schon frei-
lich abstracter und verblaszter gefaszten morgenröte: vgl. poet. natur-
ansch. I s. 207. Ursprung dwr stamm- und gründungssage Roms s. 36 ff.
120 WSchwartz: das halsband da: Hannonia n. die kröne der Ariadne.
wundert dasz in der sage selbst das verhängnisvolle halsband und
der tt^ttXoc ^ von Harmonia bis zum Untergang Thebens gleichsam
latitiert und dann erst charakteristischer wieder auftritt, so findet
dieser umstand seine erklärung darin, dasz das Verhängnis der Semele,
Ino, Agaue, Autonom usw. in den Dionysosculten sich entfaltet und
dadurch andere momente in den Vordergrund getreten sind.^ zuletzt
^ der tt^itXoc geht ursprünglich auf die wölken als gew&nd. io den
vorliegenden mythen ist er nur von secandärer bedeatnng und tritt erst
in der Fortsetzung der sage bei Alkmaion statt oder neben dem hals-
band selbständiger ein. dasz er aber nominell vorhanden war, bestätigt
unsere auffassnng des halsbandes und ringes usw.: denn zum schwanen-
ring stellt sich das schwanenhemd, zum halsband der Freyja ihr falken-
hemd, und auch bei Zeus, Hera und Athena tritt in sage wie bei letzterer
namentlich im gebrauch ihr x^'^^v oder ir^irXoc charakteristisch, wenn
gleich in anderer ästhetisch entwickelterer weise, hervor: vgl. übrigens
weiter unten den bösen feurigen peplos in der Medeia-Glaukesage.
'^ hierher gehört das ganze an das gewitter sich anschliessende
bakchantisch-rasende treiben, das zerrissenwerden, herabstürzen ein-
zelner wesen udgl., s. uh. über Pentheus Mer heutige Volksglaube und
das alte heidentnm'* s. 49. 'urspr. d. mjth.', vor allem aber CDiltheys
eingehende behandlung der betr. mythenmassen in der arch. ztg. XXXI
(1873) 8. 78 ff. die beziehung speciell des todes der Semele zum gewitter
habe ich schon verschiedentlich berührt, namentlich bin ich, je nachdem
mir unerwartete funde dahin einschlagender ähnlicher naturanschauongen
zum teil selbst bei deutschen dichtem Veranlassung gaben, in einzelnen
miscellen darauf zurückgekommen. JCäsar hat in dieser Zeitschrift
1881 s. 93 einige notate gegen die letzten beiden miscellen gemacht,
wenn ein beleg für das von mir in betreff des todes der Semele ge-
brauchte i^qpavicOr) verlangt wird, so steht dieses im anonymus bei Wester-
mann mythogr. s. 325, und über die bedeutung des /|q>av(c6T) dürfte in
dieser hinsieht noch einen besondern fingerzeig geben Apollodor I 7, wo
es von Salmoneus heiszt: Zedc bi aCrröv Kcpauvdicac Tf|v KTicOcIcav i)n*
aCiToO TTÖXiv Kai rode oUci^Topac f^qpdvice TrdvTac. musz ich gleich im
übrigen Cäsar recht geben, dasz das in klammer zu dem prägnant von
mir gebrauchten 'dounerbraut' gestellte '(Pindar)' auf einem versehen be-
ruht (das sich leider auch in die nächste miscelle wie in den aufsatz in
der ethnol. zs. 1880 über denselben mythos eingeschlichen hat) und dafür
'(Nonnos)' zu setzen ist, auch besser in den letzten beiden miscellen die
knappe zusammenziehung in der darstellung unterblieben oder wenigstens
zb. hinter 'verschlungen' noch geeignet eingeschaltet wäre ^bzw. ver-
zehrt', so ändert dies in der Sache selbst nichts, zu den die 'wölken'
haschenden, schlürfenden und verschlackenden siebenbürgischen dämo*
neu (vgl. Herschels 'mond als wolkenfresser') stellt sich das Tiivciv
der himmlischen geburten von selten des Kronos, bzw. der dicken wölke
als gravida mater^ nemlich der Metis, von selten des Zeus, zu den
Goetheschen göttern, die 'mit flammender gewalt schwere wölken auf-
zehren', tritt speciell die Semelesage in parallele, zu der, wie ich jetzt
hinzufüge, in secundärer weise sich gesellt, wenn in bezug auf die art
des crscheinens des gottes Zeus der Aigina als 'feuerflamme' naht, oder
in betreff der gehurt des kindes wieder, unter eigentümlich anders aus-
geführter und motivierter scenerie, Apollon den Asklepios aus der
'brennenden' mutter reiszt (xaio^^c hi a(iTf)c &pirdcac t6 ßp^qpoc £k
Tf)c irupdc usw. Apollodor III 10, 8). in betreff meiner obigen deutnng
des TTivciv sehe ich übrigens nachträglich, dasz mein alter freund
JF Lauer, wie er gelegentlich in nnsern debatten seiner zeit im einzel-
nen schon einer ursprünglichen deat«ng auf die natar allmählich
WSohwartz: das hahband der Harmonia n. die kröne der Ariadne. 121
aber bricht der uralte fluch mit dem halsband und gewande wieder
desto bedeutsamer als schluszact des geschlechts bei Polyueikes her-
vor, worauf es dann durch diesen auf Eriphyle und die Melampiden
übergeht, um endlich, wie der Nibelungenhort, versenkt zu werden,
dasz er nicht mehr unheil in der weit anstifte, eine version der
sage, welche charakteristisch für die bedeutung des halsbandes und
des gewandes als eines besondem familienschatzes hierbei spricht,
ist fast immer übersehen worden, da die behandlung des Stoffes bei
den tragikem in betreff des Polyneikes und Eteokles sich meist mehr
nur als ein streit um die herschaft entfaltet. Hellanikos berichtet
aber zunächst von einer ^teilung der schätze', ein zug der auch in der
deutschen sage oft t3rpisch bei dem betreffenden mythischen schätze
wiederkehrt, und läszt dabei Polyneikes, als er das halsband und
gewand erhält, aus Theben ruhig weichen, um zunächst befriedigt
eine andere stadt zu gründen , ein moment das höchst eigentümlich
die bedeutung der betreffenden objecto hervorhebt.' wie diese stücke
aber dann in der sich fortspinnenden sage weiter die veranlassung
wurden, dasz des Oidipus entsetzlicher fluch sich an den söhnen
erftiUte, dasz sie nemlich nach Euripides (Phoin. 68) Ot]ktijj ci-
brjpui buj)ia biAaxov , ist bekannt, ebenso dasz dann weiter auch
Amphiaraos und Alkmaion dem gefährlichen schmuck zum opfer
fielen. ^^
sich näherte and noch mehr es gethan hätte, wenn er länger gelebt,
zwar nicht bei unseren mythen, aber doch beim Zeas XaqpOcTioc and
CTiXaTxvoTÖ^oc auch schon auf eine ähnliche Vorstellung hindeutet, nur
sie in seiner weise abstract ausspricht (und nicht weiter verfolgt}, wenn
er sagt: 'er ist der die wölken aufsaugende himmel.'
* '€XXdviKOC icTopcl, KttTä cuvefixac aÖTÖv (Polyneikes) cvfx^P^'
cai Tf|v ßaciXciav 'EicokXcI, X^fiwv aYpcciv aöxCp irporclvai xöv
'€T€OKXf^, €l ßouXoiTo Tf|v ßaciXciav ^x^iv fj TÖ ji^poc Tuiv xpr\-
jidTUJV Xaßelv xal ^x^pav iröXiv olK€tv. töv bi Xaßövra xöv öp^ov
Kttl xöv x*Tiöva *Apfioviac dvaxtüpflcai clc "Aproc xpCvavxa dvxi xoO
ji^pouc xf)v ßaciXc{av Oiö{TToboc cirrxu)pf)cai. (sind die letzten worte
von xpivavxa an freilich nur nach einer conjectur von Matthiae zu-
rechtgeschnitten, so lag jedenfalls dieser oder ein ähnlicher sinn ihnen
zu gründe.) ^° bei Alkmaion treten verschiedene Varianten auf. nach
der einen oben erwähnten sage legt er das verhängnisvolle halsband
in Delphoi nieder, nach der andern gibt er es seiner ersten gattin Alphe-
siboia zugleich mit dem it^ttXoc, und als er es ihr wieder abnehmen*
will, um es seiner zweiten frau Kalliroe zu schenken, wird dies die
veranlassung zu seinem tode, worauf der Alphesiboia brüdcr oder die
söhne Alkmaions von der Kalliroe den schmuck in Delphoi niederlegen,
aber auch in historischer zeit spann die sage noch weiter im sinne des
alten fluchs. indem man nemlich in Delphoi wirklich ein angebliches
halsband der Eriphyle wie der Helene, das Menelaos geweiht, zeigte,
sollten die weiber der phokischen tyrannen sich bei der plünderung des
tempels darüber gestritten haben, wer das eine oder das andere erhalte,
und das verderben sei nicht ausgeblieben, so berichtet Athenaios VI
232. Parthenios erzählt noch mehr im sinne der alten tragischen schold,
Phayllos habe es des Ariston weibe geschenkt, das er geliebt; da sei
bald ihr söhn von Wahnsinn befallen worden und habe das haus an-
gezündet, dasz die mutter und die meisten schätze verbrannt seien.
122 WSchwartz : das halsband der Harmooia u. die kröne der Ariadne.
In germanischer sage vibriert speciell dieser zug von der yer-
hängnisYollen bedeutang eines mythischen halsbandes «a. in der
form einer goldenen kette in der Ynglingasage nach, wenn auf
sie im geschlecht Auds des reichen der fluch gelegt wurde , sie solle
dem besten manne in dem geschlechte den tod bringen ; sonst ist
dort der zug eines mit einem (himmlischen) hört verbundenen tod-
bringenden Verhängnisses, eines steten Streites um denselben, seiner
teilung udgl. mehr haften geblieben an dem groszen goldhortder
Nibelungen und seinen Varianten, obgleich auch bei diesem,
worüber ich gelegentlich ausführlicher zu handeln gedenke , in be-
sonderer weise der dazu nach nordischer tradition gehörende And-
varanaut wieder speciell an den regenbogen in der form eines
ringes, als welcher der regenbogen noch in deutscher localsage
gilt, erinnert. Grimm, Simrock und Hahn haben die auf jenen mythi-
schen goldhort gehenden manigfachen bezüge in deutscher wie grie-
chischer mythologie schon vollständig aufgedeckt, freilich ohne zu
ahnen bzw. anzuerkennen, dasz die wurzel der betreffenden volleren
mythischen Vorstellungen, wie ich im ^urspr. d. myth.' ausgeführt,
vor allem in dem im gewitter angeblich heraufkommenden leuch-
tenden schätz — dem golde was brennt, wie es in der bäurischen
tradition heiszt — zu suchen sei , zu dem erst secundär der goldige
regenbogen als halsband, gürtel oder ring sich stellt, in dieser hin-
sieht wird nun das an die spitze gestellte citat aus dem mythographns
wieder höchst bedeutsam, wie der deutsche Nibelungenhort im
wasser ruht (historisch localisiert im Rhein), der des Andvari aus
dem wasser mittelbar gewonnen wird, so ruht auch nach der ange-
führten stelle das halsband der Harmonia im wasser versenkt, wie
wir gleich auch den Theseus die kröne der Ariadne aus dem wasser
werden hervorholen sehen, dh. alle diese schätze zeigten sich ursprüng-
lich im gewitter in den wolkenwassem. damit wird eine ganz neue
perspective für griechische und deutsche mythen eröffnet in betreff
der bisher rätselhaften wasserschmiede, um sie so zu nennen,
wie nach den gewonnenen anschauungen die goldenen himmelsschätze
aus dem wölken- wasserreich stammen, so fand man in den wolken-
grotten weiter dann auch die kunstfertigen schmiede, die im ge-
witter Mn den wölken' schmiedeten (urspr. s. 15. poet. naturansch. 11
*s. 182), und daher stammt ihre beziehung zum wasser. so sollte
nach Homer Hephaistos bei den wassergöttinnen Thetis und
Eurynome, als er aus dem obem himmel, der über den wölken war,
vertrieben worden, in geglätteter grotte verborgen schönes geschmeide
geschmiedet haben, so werden auch die Teich inen, die kunst-
fertigen schmiede, geradezu als Wassergeister geschildert und nicht
blobz in die manigfachste beziehung zu Poseidon gebracht, dem
sie den dreizack fertigen, dh. den blitz, wie dem Kronos die hippe
(db. den regenbogen als sichel gefaszt), sondern sie nehmen sogar
die gestalt von Wassergeistern an : so berichtet von ihnen Eustathios,
wie schon Lauer bemerkt, 'sie seien amphibien und in wechselnder
WSchwartz: das halsband der Harmonia u. die kröne der Ariadne. 123
^eetalt, dämonen, menschen, fische, schlangen usw.' dazu stimmt es,
wenn die deutschen zauberschmiede, der schmied in Darmssen, der
Orinkensohmied usw. auch im wasser sitzen", Völundr sowie And-
yari (auch Loki) aus dem wasser mit einem netz gefischt werden;
und wenn Andvari dabei in hechtsgestalt auftntt, so führt das be-
treffende bild ein finnischer mjthus noch mehr aus, den ich urspr.
8« 235 ff. ausführlicher behandelt habe, und dem zufolge man im hin
und herschieszenden blitze die jagd auf einen himmlischen fisch,
der den feuerfunken birgt, zu sehen glaubte, diese bezüge lieszen
eieb noch bedeutend mehren : ich will hier nur darauf hinweisen, dasz
diese yorstellung eines eigenen wolkenwasserreichs dort oben,
welches so gleichsam eine individuelle mjthologie für sich
entwickelt, auch bei den Indern sich zeigt, was zb. schon die beiden
lacta bewähren, dasz auch der indische feuergott Agni von den wölken-
wasserfrauen grosz gezogen wird und, was wieder an unsern im wasser
versenkten regenbogengürtel erinnert, dasz auch, wie Mannhardt
germ. mjth. s. 107 anführt, des Indra bogen Gändiva, der auch der
regenbogen ist, von den meergöttern dh. ursprünglich wieder den
himmlischen wassergöttern bewahrt wird.
Aber auszer dem verhängnisvollen gürtel und tt^ttXoc im ge-
achlecht des sonnenkindes Harmonia treten auch ähnliche kleinodien
höchst charakteristisch in anderen sonnengeächlechtem der griechi-
achen sage auf, und wenn gleich die Verwendung des betreffenden
mythischen Clements je nach der verschiedentlich entwickelten tra-
dition variiert, so erinnern doch immer einzelne momente wieder an
die von uns gezeichnete scenerie des bimmels, aus der die betreffen-
den anschauungen stammen, gemeinsam ist zunächst der zug, dasz
das betreffende kleinod mit der sonnentochterin Zusammenhang
tritt, ihr als preis entweder der buhlschaft (wie der Fre^'a) oder
eines von ihr an ihrem geschlecht zu verübenden verrats geboten oder
von ihr dämonisch zu solchem zwecke verwendet wird, die mythen,
welche hierher gehören , sind die der sonnentöchter Skjlla, Ariadne
und Medeia ; bei der ersten ist es wieder ein goldener gürtel, bei den
letzteren ein goldener kränz, bei der Medeia kommt, wenn gleich se-
cundär, auch das gewand wieder zur geltung. man könnte bei dem
ausdruck kröne an die sonne denken, weil diese auch mythisch so
^efaszt wird'*; da aber die ursprüngliche bezeichnung mehr ein
'goldener kränz' und volkstümlich der regenbogen auch als ein
solcher prächtiger kopfschmuck erscheint'', femer auch die be-
^^ Kuhn westph. sagen (s. index) und in seiner Zeitschrift IV 81 ff.
** poet. natnransch. I s. 143. urspr. d. myth. s. 27. ^' als 'courroie'
de S. Li^nard, 'couronne' de S. Bernard in Lotbringen: Grimm mytb.
s. 696. bei den Karaiben als prüchtige binde des gottes Juluka, mit der
er plötzlich aus dem meer auftaucht: s. poet. naturanscb. I s. 189. wenn
sie aus den in allen färben spielenden federn des koiibri bestehen sollte,
so stellt sich dazu, wenn der Ariadne kränz ans sagenhaften blumen
geflochten sein sollte, der psalakantha oder dem thescion: vgl. Staveren
zu Hjginns astron. 5.
124 WSchwartz: das halsband der Harmonia u. die kröne der Ariadne.
tretenden mytben sich stellenweise genau den oben behandelten
anschlieszen, so dürfte auch ursprünglich in den letzteren der regen-
bogen der ausgangspunkt gewesen sein, wenngleich Übergänge nicht
ausgeschlossen sein mögen.
Wie Homer X 326 von der Eriphyle sagt: CT\rf€pr\v T* '€pi<pu-
^iiv, ^ XP^cöv cpiXou ävbpöc ih&otjo Ti|iri€VTa, so stellt Aisohylos
(Cho. 613 ff.) die Skylla ob dem verrat ihres vaters um ein goldenes
halsband an den pranger, wenn er sagt: äXXav hf\ nv' iv Xöyotc
CTUTeTv (poiviav CkuXXov, St* ix^piuv örrai qpujr' äiribXecev <pi-
Xov KpriTiKoTc xp^ceobjLir)Totciv öpjaoic iriOrjcaca boipoici Mivuiy
NTcov deavdrac rpixöc voccpCcac* äTrpoßoüXuic nvdovO* ä kuvö-
q)p(jüv UTTViiJ. wenn aber das *haar der Unsterblichkeit' oder das
goldene, purpurne (dv fj fjv aörCp tö ttov Tflc buväjiicuic , KaOäirep
Kai Tip CajLnpuiv *0, welches dem äKepceKÖjLiTic tok€uc (Nonnos
XXV 161) die tochter abschnitt, jenen gleich dem Pterelaos, von dem
eine ähnliche sage erzählt wurde , als altes sonnenwesen männlicher
art charakterisiert, so reiht sich die jii tEö6T)p CxuXXa als halb schöne
Jungfrau und halb drachenungeheuer in dieser Wandlung (die sie
als strafe für ihre unthat empfangen haben sollte*^) den misch-
gestalten wie Melusine ua. an, welche man plötzlich in den gewitter-
wassern wahrzunehmen wähnte, indem unerwartet die schöne weib-
liche sonne (dh. ursprünglich die den Helios den ganzen tag be-
gleitende Eos) dann in den sich schlängelnden blitzen in scheuszliohen
schlangenleibem zu enden schien, wie das nach der sonstigen ein-
fädelung der sage sich weiter entfaltete, dasz zb. das betr. wesen^
als es in dieser doppelgestalt sichtbar, dh., wie es in der Melusine-
sageheiszt, überrascht wurde, unerwartet wieder entschwunden,
zu sein schien, indem das bild plötzlich dem äuge wieder entrückt
war, so ist es natürlich, dasz die Wandlung bei der Skylla, wenn sie
als eine zweite Delila die schuld getragen zu haben schien, dasz der
goldhaarige Sonnengott im gewitterkampfe erlegen, als eine strafe für
den verrat gefaszt wurde. *'
Verrät aber Skylla durch ihren vater sich als eine sonnentochteFi
so documentiert dies bei Ariadne auszer ihrem groszvater Helios
auch noch ihre mutter Pasipha^ dh. die morgenröte: denn nur
das bis jetzt noch meist überall herschende misverständnis des Mino-
tauros, indem man nicht den griechischen donnerstier in ihm erkannte*',
** Tzetzes zu Ljkophroo 660. vgl. den goldhaarigen Apollon Axcp-
ceK6|Lir)C, Simson usw. im ^urspr. d. myth.' der kämpf entfaltet sich
übrigens auch in der Nisossage im gewitter, und die sonnenhaare gehen
dann in die blitzstrehnen über, ein Übergang wie er in ähnlicher weise
vielfach vorkommt; brachten doch aach selbst noch philosophen die
blitze in beziehnng zu den Sonnenstrahlen. ** in den bekannter ge-
wordenen formen der Nisossage wird Skylla in einen vogel oder fisch
verwandelt, doch sind dies nur Varianten, wie schon Voss zu Verg.
ecl. 6, 74 des eingehendem ausführt. *® nrspr. d. myth. index u. Skylla.
poet. natnransch. I s. 148. stamm- a. g^ndnngssage Roms s. 8. ^ die
citate hierfür s. weiter unten.
WSchwortz: das halsband der Harmonia u. die kröne der Anadne. 125
sondern von nichtgriechischen culten, zb. vom Baal udgl. auf Kreta
träumte , hat bewirkt dasz man bei Pasipha^ den mond hineinzog.
nun werden besonders zwei Versionen der Ariadnesage für uns inter-
essant, die eine findet sich bei Hjginus astr. 5, wo es heiszt: sed
{id aü qui Cretica conscripsü) quo tempore Liher ad Minoa venüy
cogUansÄriadnencomprimerey hanc coronam ei muneri dedit^
qua delectata non recusavü condicionem stupri. erinnert dies, wie
schon oben erwähnt, daran dasz auch Frejja ihr goldenes halsband
um denselben preis erhielt, so ist eine andere sage, die Hyginus ebd.
erzählt, nach welcher sie den goldenen ciifpawoc von Theseus er-
balten hat, noch interessanter, die form , in welcher sie uns da ent-
gegentritt, hat eine besondere motivierung und ausschmückung durch
die scenerie erhalten, in der die sage dort eingereiht ist; der volks-
tümliche kern ist aber kurz folgender : Minos und Theseus streiten
sich um ihre abkunft in ähnlicher weise wie Epaphos und Pha^'thon
bei Ovidius. Minos als Zeussohn will die abstammung des Theseus
von Poseidon nicht anerkennen, auf sein gebet donnert und blitzt
es — da haben wir die gewitterscenerie — Theseus taucht unter
ins Wasser und bringt die goldene kröne der Ariadne herauf, dh. der
regenbogen erscheint in den himmelswassem als eine gäbe der
Amphitrite: wahrlich, wenn man sich alles ausmalt, eine plastisch
drastische scene, die zu den schönsten mythischen genrebildern ge-
hört , von denen ich eine grosze fülle im 'urspr. d. myth.' dargelegt
habe und die da zeigen, wie bei den analogsten grundanschauungen
der Volksglaube doch überall die manigfachsten bilder und mythi-
schen ausätze im einzelnen produciert hat. '^
In Übereinstimmung mit dem eben entwickelten weist auch noch
ein anderer zug im kämpfe des Theseus mit dem donnerstier dem be-
treffenden kränze dieselbe scenerie an. bei Eratosthenes katast. 5
^^ vgl. als parallele die prächtige binde, mit welcher der karaibische
regenbogengott Juluna aus dem meere auftaucht (s. oben s. 123). die
erwähnte erzählung des Hyginus lautet vollständig folgcndermaszen:
alii dicunt hanc coronam Thesei esse et hac re propier cum conlocatam . .
dicitur enim, cum Theseus Cretam ad Minoa cum seplem virginihus et sex
pueris venisset, Minoa de virginihus Eriboeam quandam nomine . . comprimere
vobtisse: quod cum Theseus se passurum negarei^ ut qui Neptuni fiUus esset
et valeret contra tyrannum pro virginis incolumitate decertare: itaque cum
tarn non de puella, sed de gener e Thesei controversia facta esset, utrum is
Neptuni ftlius esset necne , dicitur Minos aureum anulum de digito sibi de-
traxisse et in mare proiecisse: quem referre iubet Theseum, si vellet se
credi Neptuni filium esse : se enim ex love procreatum facile posse declarare,
itaque comprecatus patrem petiit aliquid signi^ ut satisfaceret se ex eo natum:
statimque tonitru et fulgure caeli indicium significationis fecisse, simili de
causa Theseus sine ulla precatione aut religione parentis in mare se proiecit:
quem confestim delphinum magna multitudo mari provoluta lenissitnis fluctibus
ad Nereidas perduxit: a quibus anulum Minois et a Thetide coronam, quam
nuptüs a Venere muneri acceperat, rettulit . . alii autem a Neptuni uxore ac-
cepisse dicunt, coronam Ariadnae Theseus dono dicitur dedisse
usw. Pausanias I 17, 3 hat dieselbe erzählung, aber kürzer und ohne
den schlusz.
126 WSchwartz: das halsband der Harmonia u. die kröne der Ariadne.
heiszt es nemlich : iCTopcirai bi Kai biä toutou töv Qr\cia ccciB-
c6ai ^K Tou Aaßupiv6ou qp^TTOC ttoioOvtoc. wie der regenbogen als
glänzender goldener bogen des Apollon in dunkler wettemacht den
Argonauten leuchtet, dasz sie dem Apollon alxXifJTiic einen tempel
weihen (urspr. d. myth. s. 102), so leuchtete derselbe hier als der
goldene kränz der Ariadne dem Theseus, als er in dem dunkel des
Wolkenlabyrinths (aus dem er nur an dem [zauberhaften] blitzfaden
sich zurecht fand), mit dem brüllenden donnerstier den kämpf bestand,
der wie sonst der gewitterdrache sein opfer verlangte : denn Theseus
fahrt nach Kreta ist nur ein an andere anschauungen sich anknüpfen-
des ge Witterabenteuer, wie Herakles, Perseus und lason den kämpf
mit dem drachen um Hesione , Andromeda und Medeia , ja Theseus
selbst ein solches wieder mit dem marathonischen stier bestand. ^*
Zu diesem leuchtenden Charakter des kranzes der Ariadne bringt
noch der goldene kränz und der ndiiXoc der dritten sonnen-
tochter Medeia feurige glut hinzu ; die dämonisch- yerhängnisvoUe
kraft , die an ihm haftet , läszt ihn fressendes feuer aushauchen , das
den tötet, der diese kleinodien anlegt, bei Herakles tode tritt etwas
ähnliches hervor, der hintergrund des bildes ist das in den gewitter-
wolkengluten verendende sonnenwesen, mag es bei Herakles als
apotheose erscheinen oder bei Olauke als strafe dafür dasz sie sich
in den kreis der lichtwesen eindrängen will, die scenerie schildert
höchst anschaulich Euripides Med. 1186 ff.^ wenn er den boten der
Medeia den tod der Glauke folgendermaszen berichten läszt : XP^
coOc jLiiv äix(p\ Kpari Kcijuevoc ttXökoc GaujuacTÖv i€t vö^a irafi-
cpaTOUTTupöc, tt^ttXoi bi Xctttoi, cujv t^kvujv buiprjjLAaTO, Xeuicfiv
fbaiTTOv cdpKtt Tf|c bucbaijLiovoc. q)€UT€i b' dvacräc* ix Gpövuiv
7Tupou|Li^vri, cetouca xo^ttiv Kpäid t* äXXot' fiXXoce, ßii|iai 6^-
Xouca CTdq)avov dXX* dpapÖTuic EuvbccjLia xP^cöc clxc, nOp
b' ^TT€l KÖjUTlV fC€lC€, fldXXoV blC TOCUJC t' iXd|LlTT€TO. *^
Die römische mythologie oder , was sie doch eigentlich nur ist,
die römische stamm- und localsage hat auch eine vielleicht hierher
einschlagende und zum Skyllaraythos sich stellende geschichte, wie
schon Marg. Aug. Erepella (Ausland 1882 nr. 27) ausgeführt hat,
nemlich den verrat des Capitols durch die Vestalin Tarpeja um
goldene ringe, die ihr den tod brachten, dh. in historischer ge-
wandung die goldenen armringe der Sabiner, mit denen sie über-
schüttet wurde, reicher flieszt aber in dieser hinsieht, wie wir schon
zum teil oben gesehen, die germanische nationalsage, aber auch
in einzelnen localsagen klingt es noch verschiedentlich in dieser
^* über den Minotauros vgl. arspr. s. 60^83. 188. 188. äholich
faszte ihn zum teil, wie die elemente der ganzen sage, auch Kahn
westph. saften I 8. 292 ff. n. in seiner Zeitschrift IV s. 91, nur bleibt er
nicht bei den betr. elementen stehen nnd dentet dann das ganze hIb
einen mythos in einer weise, der ich nicht beistimmen kann. ^ in dieser
9A^e wäre noch am ehesten (s. oben) an die sonnenkrone wegen des
feurigen zu denken, wie Helios auch in Orph. Argon. 813 einen solchen
feurigen Strahlenkranz trägt.
WSehwartz: das halsband der Harmonia u. die kröne der Ariadne. 127
hinsiebt an. so berichtet zb. Bochholz von goldenen ringen udgl.,
die magisch das wasser bannen, ^anf dem berge hinter der Heiden-
bnrg liegt um die wurzeln einer eiche unterirdisch gespannt ein ring
aas purem golde, zum glück unerreichbar tief, denn wird ihn je eine
menschliche band berühren {si quis attredaverit , wie beim halsband
der Harmonia oben), so verschwindet er samt der eiche in den boden
hinein , und aus dieser höblung hervor drängt sich ein ungeheurer
ström, der das ganze thal unter wasser setzen würde' usw. die eicbe,
nm deren wurzel der ring gespannt, war natürlich ursprünglich der
himmlische lichtbaum (die nordische Yggdrasil); und wie die
tradition noch lehrt , fürchtete man dasz , bräche der goldene ring,
der die wasser da oben bannt, sich alle schleusen des bimmels Offnen
und alles überschwemmen würden, gerade so wie das ende der
weit bevorstehen sollte, wenn der schwan auf dem geheimnisvollen
see im innem des Frauenberges den goldenen prächtigen ring aus
seinem schnabel fallen liesze , den ihm gott der herr selbst einge-
hängt, damit er die weit im gleichge wicht hielte, so erzählt man in
Mittel- und Süddeutschland, und als ich mit Kuhn am Harz die
sagen sammelte , hörten wir fast gleichzeitig mit der bis dahin un-
bekannten, aber die angeblichen feste auf dem Brocken recht eigent-
lich als frühlingsfeste charakterisierenden tradition *die hexen kämen
zu Walburg zusammen, um den schnee wegzutanzen', die sage 'im
Bodekessel liege die kröne der prinzessin versunken, die käme dann
in der Walpurgisnacht hervor an die Oberfläche des wassers und
schwimme bis zum morgen oben, und jeder könne ihr gewaltiges
blinken sehen.'
' Der in den wassern aufbewahrte bogen des Indra, das in den
wassern ruhende halsband der Harmonia sowie die ebendaher stam»
mende kröne der Ariadne, der ring Andvarauaut so wie der goldene
wasseiTing in der Schweiz und die goldene im Bodekessel versunkene
kröne der frühlingssonnengöttin , der Nibelungen- und Amelungen-
hort sowie die brennenden schätze der volkssage sind von analogen
anschauungen in der urzeit ausgegangen, und in welcher Verschieden-
heit der fassung und Umgebung treten sie in den Wanderungen und
Wandlungen der Völker und zeiten uns entgegen ! ein altes erbe aller,
zunächst aber jedes unter so fremder hülle , dasz man für jedes wo
möglich einen besondem Ursprung zu suchen geneigt war und erst
die Wissenschaft mühsam den gemeinsamen Ursprung auf-
decken musz.
Posen. Wilhelm Schwartz.
128 JSommerbrodt: zu Lukianos«
20.
ZU LUKIANOS.
(fortsetEnng von Jahrgang 1878 8. 561 — 664.)
TTpojiTiOeuc £l ^v Xötoic c. 1. jemand hatte zu Lokianos
gesagt: 'du bist ein Prometheus.' in bescheidener weise lehnt L.
dieses lob ab : ^ich bin zufrieden-, wenn meine Schriften nicht ganz
und gar dei' erde anzugehören scheinen, nicht ganz unwürdig
sind desKaukasos.' das ist doch wohl der sinn, den dec Zusam-
menhang erfordert, ihm ist ja Prometheus verehrungs-, nicht straf-
würdig, deshalb ist gewis zu lesen: Tic b' f) nepirrfi coqpia Kai
TTpo^/jOeiadv Toic TP<iiMM<xciv; die £)üioiTe ixavöv, ei |if| nävu cot
fniva ibole jiiib^ KOjiibQ dväEia toO KauKdcou statt der gewöhn-
lichen lesart äixa toO KauKdcou.
TTepiOucidüvc. 5{^ Totp oi TaGra C€)üivoXotoCciv ol noinTai
TT€pi Ttüv 66WV Kai iioXu TOiJTuiv J€p({iT£pa TTCpi T€ 'Hq>aicTou Kai
TTpojLiiiO^wc Kai Kpövou Kai T^ac Kai cxeböv öXiic rfic toO Aiöc
oiKiac; der Zusammenhang verlangt |iiapu»T€pa statt UpiArepa.
öediv bidXoTOi IV c. 2 2€YC. iroO t^P ^Keivoc öi|i€Tai ce;
Ganymedes hatte gesagt: der vater wird mich suchen und zürnen,
wenn er mich nicht findet, und dann wird er mich schlagen, weil
ich die herde im stich gelassen habe, darauf soll nach der oben
stehenden lesart Zeus antworten: 'wo wird er dich denn sehen?'
das passt nicht in den Zusammenhang, ich lese oö y&p £k€ivoc
diperai ce mit tilgung des fragezeichens : 'er wird dich ja nicht sehen.'
worauf Oanjmedes: jinibajidic* itoOiij t^p fjbii aäröv 'das möge
nimmermehr geschehen (dasz er mich nicht sieht) ! denn schon jetzt
sehne ich mich nach ihm.'
ivdXioi bidXoTOi XIII c. 2 ENIHEYC Ti oöv; bid toOto
^XP^v c€TTpoopiTdcaiTÖvlpujTaKaiKa6uiTOKpivac6ar£viTr^a
dvTi TToceibÄvoc elvai Kai KaTacoq)icac6ai ifjv Tupuj dcpeXfl
KÖpT]V oucav ; Enipeus beklagt sich Poseidon gegenüber, dasz dieser
seine gestalt angenommen und so die gunst der Tjro erschlichen
habe, dazu passen die werte KaOuTTCKpivacOai . . dvri nicht, öiro-
KpivecOai mit acc. heiszt 'eine rolle spielen', KaOuTTOKpivecOai 'eine
rolle verderben', auf personen bezogen in übertragener bedeutung
'jemand durch sein spiel besiegen, überwftltigen, zu gründe richten',
wie Demosthenes irepl Tf)c irapaTrpecßcioc s. 449 von Aischinessagt:
KaiTOi Kai TTcpl ific (pujvfic icwc eiireiv dvdxKiT irdvu ydp ^iya
Kai ^Tii TauTij cppoveTv aöxdv dKOuui, die Ka6uTTOKpivoü|i€VOV
x)\xäc. ich glaube dasz KaOimoKpivacOai in TrapuircKpivacOai
zu verwandeln und cTvai zu streichen ist. irapuTrcKpivecOai
heiszt 'eine rolle anders spielen als sie vorgeschrieben ist, eine andere
rolle spielen als die vorgeschriebene', hier also die rolle des Enipeus
statt der ihm zukommenden des Poseidon (dvri TToceibOüVOc) , dh.
statt seiner eignen spielen, dasselbe sonst nicht vorkommende
JSommerbrodt: zu Lukianos. 129
wort, zu dessen erklärung die yerba irapuiropxcicGai , TrapifibeTv
dienen, habe ich auch bei Plutarcbos im leben der zehn redner
8. 841 ^ in das gesetz eingetragen , durch welches bestimmt wurde
dasz die Schauspieler die tragödien des Aischylos, Sophokles, Euri-
pides nicht abweichend von dem staatsexemplar aufführen sollten :
oOk äeivai T&p aördc (die genannten tragödien) irapuTTCKpive-
cdai (s. meine abh. *das staatsexemplar der tragödien des Aischylos,
Sophokles, Euripides und die Schauspieler' in ^Scaenica', Berlin 1876,
8. 253 f.)y eine änderung der Otto Jahn in seiner einleitung zu
Sophokles Elektra beigetreten ist. unsere stelle würde also so
lanten: bid toOto ^XP^v C€ TTpottpirdcai töv fpWTQ Kai TrapuTro-
KpivacOai 'GviTtea dvil TToceibwvoc Kai KaracoqiicacGai Tf|v
Jvpü) äqteXf] KÖpiiv oöcav;
0€cüvbi(iXoToiVIc. 1 HPA. TÖV NEiova toötov, (b Zcö,
itoTövTivaTÖv TpÖTTOvfiT^; ich lese ttoiöv nva töv ävöpiwTtov
flXQ; worauf Zeus antwortet: dvOpujTrov elvai XP^ctöv, Ji "Hpa,
Kai cu^TTOTiKÖv. auch in c. 2 nennt Hera Ixion verftohtlich töv
ävdpwTTOV.
ebd. YIII c. 1. Hephaistos beschreibt die Schönheit und anmut
der aus dem haupte des Zeus entsprungenen Athena: f) bk nr\b^ Kai
injppixi2[€i Kai Tf)v dcTriba Tivdcc€i Kai tö böpu TrdXXei Kai ivGouci^
Kol TÖ ^i^T^CTOv KaXfj ndvu Kai dK^iaia tct^vtitoi [f{br\] i\ ßpaxci,
TXauKWTTic ^^v, dXXd K0C|i€i Kai toOto f) KÖpuc. es fftllt auf,
dasz niemand, so viel ich weisz, an dieser stelle anstosz genommen
hat: *8ie ist zwar YXauKoiTric, aber auch dies schmttckt der heim.'
was soll das heiszen ^auch dies' ? was sonst wird durch den heim
geschmückt? das toOto kann sich doch nur auf die unmittelbar
vorher angegebene eigenschaft TXauKiIiTric beziehen, ich möchte
statt f| KÖpuc vorschlagen Tf| v KÖpii v : 'sie ist zwar yXauKiIimc, aber
auch das steht der göttin gut.' vgl. d€u)v bidX. XX 10 b^biac \if\ coi
^X^TX^Tai TÖ fXauKÖv twv öjijidTwv fiv€u toO cpoßepoO ßXcTTÖjucvov ;
woraus sich ergibt dasz diese färbe der äugen von den Griechen nicht
allgemein für schön gehalten wurde.
'ATTOKTipuTTÖjLievoc c. 7 Kol Tidcxci jitv cuviiGec TOIC Xu-
TioujLi^voic. es ist zu lesen tö cOvtiGcc. vgl. OiXoip. 6 dTtoXoTTi-
cd^€Voc rd cuvrjGTi TaOra. iT€pl toO ^vuirviou 3 u. o.
OiXonieub/icc. 17tö ixkv irpiÖTOV dTapaTTÖjLiiiv irpöc aörd
(die geistererscheinungen), vöv bfe önö toO £6ouc oöb^v Ti Ttapd-
XoTOV 6päv jLioi bOKU) Kai vöv jnaXicTo, ii ou ^oi töv baKTuXiov
ö "Apaip f bwKe cibrjpou toö ^k tuüv CTaupuiv ttcttoitijli^vov . . ^ktöc
€1 ^f| KdjLiol diriCTriccic, li Tuxidbt]. Kai ttuic öv, fjv b* ^t^, im-
CTVicaiMi €äKpdT€i . . co(pCu dvbpl Kai jiidXiCTa dXeuGepiuüc Td
bOKoOvTd ol X^TovTi o!koi irap' airip dir* dgouciac. in den
Worten Kai vO v jiidXiCTa tilgt Fritzsche mit recht das vOv, auch Marc.
434 hat es nicht, die weiterhin folgenden worte KaljidXiCTa . . dtr*
dSouciac möchte ich mit weglassung der worte dXeuGepiuJC
olKOiTrap' aÖTtfi lesen: Kai ^idXicr' dir' dEouciac rd bo-
Jahrbacher fOrclaB!«. philol. 1883 hn.8. 9
130 JSommerbrodt: zu Lukianos.
KoOvTdolX^TOVTtdh. 'der am unabhängigsten, am selbständig-
sten seine meinung ansspricht.' den satz in der vorliegenden gestalt
zu erhalten verbietet schon die rücksicht auf den rhythmus: so
schwerfällig nachschleppende Wörter wie oiKOi | nap' ourifi | in*
dgouciac verträgt die Lukianos eigentümliche abrundung des stils
nicht, die worte oTkoi Trap' auTip sind an dieser stelle ttberflttssig
und greifen in die folgende erzählung über, bisher hatte Eukrates
von seinem eignen hause nicht gesprochen , erst in c. 18 ist davon
die rede ; jene worte sind daher mit Marc. 434 (Q) und Laur. ((]>),
die sie nicht haben, zu beseitigen. dXeuOepiujc aber scheint als
glosse zu tu* £gouciac in den text gekommen zu sein, über gebrauch
und bedeutung von in* dgouciac s. Fritzsche quaest. Luc. s. 137 ff.
Zeuc TpaTipböc c. 30 dvSecOe €l jiifi ^KjLieTpa X^YOijiu
Marc. 434 bestätigt meine conjectur €i)üif|£|Li)üi€Tpa X^TOtfii.
'€TaipiKo\ bidXoToi Vin c. 3 f| T^vfi bk aüroO tcpöc
&7TavTac fX€T€V ibc und cpapjiKiKwv £KMr)vai^i auröv. tö bfc ?iv
fipa 2IiiXoTU7Tia tö cpdpiüiaKOV , ijjct€, d» Xpuci, Kai cu xpu) irA töv
ropTioiv Tijj auTijj (papjLidKU). ich zweifle nicht dasz tö bi^ was
leicht aus dem vorhergehenden töv entstehen konnte , zu streichen
und mit fjv dpa 2[TiXoTUTTia fortzufahren ist.
ebd. IX c. 2 irpoeiTrov €Ö6uc iv dpxQ ärravTa, Trpöc bk ck ouk
Sv cTirov, dXX* S fJKÖuca dßouXöjüiTiv elirciv, ineX irpöc T€ TTap-
^^vovTa OUTUJC i^pEd^iiv. hier ist wohl dir ei aus dem vorhergehen-
den elneiv entstanden und mit auslassung dieses wortes zu lesen:
TTpöc Tdp TTapji^vovTa oötuic i^pgdjiTiv. 'warum hast du nicht^
sagt die herrin zu ihrer magd 'zu allererst von meiner Sehnsucht
nach ihm gesprochen ? ' 'ich habe das gleich anfangs gethan' ant-
wortet diese 'aber ich sprach dir nicht davon , sondern wollte dir
zuvor mitteilen, was ich von ihm gehört habe, so nemlich begann
ich meine Unterhaltung mit Parmenon/ auch an dv vor cTttov nimt
Dindorf mit recht anstosz und ändert es in d.
Apa7T^Taic.l9d \ikv ydp dv toic cujUTTOciotc bpOüci xai &
fieOOcKOVTai fiaxpöv dv eXr\ X^yeiv. das zweite d möchte ich in ib c
ändern; die schriftzüge von d)C und d können leicht verwechselt
werden.
ebd. c. 28 u) Tf)c TÖX^iic, ö KdvGapoc qpiXococpci, cpiiciv^
fifiufv bk oubeic XÖYOC. mit recht hat Fritzsche (pT]civ gestrichen,
ich glaube aber dasz dafür TTCpi zu lesen ist: Tre pi f)^u)v bk oubeic
XÖTOC. der fehler beruht auf vertauschung der ähnlichen abkttrzungen
in den bss.
CufiTTÖciov c. 16 iru6öjLi€VOV ^Tic f| TOjiOUjLidvii Tiaic dxa-
XeiTO. hier ist {^Tic in ÖTi zu verbessern, vgl. c. 19 oÖTUic bf| 6
KaKobaifiuiv CaTupiujv — toöto ydp ö YeXurroTTOiöc ^KaXeiTO
— cucTdc diraYKpaT(aZ€V. dX. Ict. I 36 xttXeTraivovTec tiu Ckiv-
Gdpiu — toCto Tdp ^KaXeiTO und die in meinen 'Ludanea' (Leipzig
1872) s. 110 angeführten beispiele. danach sind auch cIkövcc c 2
und eivdX. bidX. VI 1 zu ändern.
JSommerbrodt: zu LakianoB. 131
AtimocO^vouc ^TKtliMtov o. 2 itiixribecf&p toi toutI tö
Tpo^ijLiaTCiov TrcpiTiTÖMfiv, el dpa Tiii cxoXf|v ÖTovri tiöv ^rdpuiv
irepiTuxoijLit. statt T(]p ist rqi zu lesen.
KpoviäKdc. 2£v adratc hk raic ^7it& cnoubaiov \xk\ oöb'
dTOpaiov bioiKVjcacGai \xox cutKexibpilTai, iriveiv bk xai McGiieiv
KCd ßoäv Ka\ TraiZeiv nsw. Wichmanns conjectnr, der statt oi)b*
dYopaiov vorschlägt oöb' dKQpiaiov 'auch nicht das geringste^
ein wort das bei Lukianos nicht selten vorkommt, ist ein glücklicher
griff, ich möchte sie nnr noch vervollständigen durch ein vor oi)bk
einzuschaltendes oöb^v, was auch einige hss. (die Görlitzer A und
Marc. 434 Q) bieten , also : iy aöraic bk raic iura cnoubaTov ji^v
oöbivoub'dKapiatov bioiKrjcacQai jiioi cuTKCXwpiiTai: ^in den
sieben tagen' (den Satumalien) sagt Satnmus Marf ich nichts, auch
nicht das geringste ernsthafte geschäft vornehmen.' im Kpovocö-
Xuiv c. 13 steht freilich jLir)b^va jiTib^v jiirJTe dTOpaiov \xf\r* Tbiov
Trpdrreiv, und das hat vielleicht die Verderbnis der obigen stelle ver-
anlaszt, allein während hier dYopaiov seinen richtigen gegensatz in
Ibiov hat Veder Staats- noch Privatgeschäfte', faszt CTTOubaTov oben
das dtopaiov und Tbiov zusammen , und von diesen beiden gilt nun
dasz auch nicht das geringste vorgenommen werden dürfe, anders
sucht Hartmann der stelle aufzuhelfen, indem er zur herstellung der
Übereinstimmung mit der zweiten stelle schreibt: iy aörak b^ rate
^TTid cTToubaiov ^€v oubtv oöt' dTopaiov oöt' Tbiov bioncrjca-
cOai jLioi arpccxwpTiTai.
ebd. c. 6 CKÖTTCi bfe oötujc. £c9* öctic dvGpwnoc uTTOjiieiveiev
Sv ^KU)v aÖTÖc KaTaq)aT€iv xd t^kvo, el ^irj Tic öu^cttic fjv kuI
dceßei db€Xq)i]p irepiTrecuiv f^cGiev; Ka\ fehlt in der Görlitzer,
Wiener und Yenetianer (Marc. 434 Q) hs., im Marc, steht auszerdem
f| statt f|V. statt dceßei dbeX(p(]jj hat Marc. 434 und die Görlitzer A
dc^ßeia dbeXcpiXiv. der Schreibart Lukians und namentlich dem
ihm eigentümlichen rhythmus entsprechend möchte ich lesen: ei
jiV) TIC 6u^CTiic dceßeicji dbeXcpoO irepiTreciIiv; 'wie möchte
ein mensch es über sich gewinnen von freien stücken selbst seine
kinder zu verzehren, wenn nicht einer wie (das bedeutet Tic) Thjestes,
dem die ruchlosigkeit seines bruders zum fallstrick wurde?' meine
änderungen beruhen , wie oben angegeben , meistenteils auf hsl. be-
glaubigung; f|v und fjcOie, die ich als lästiges beiwerk beseitigt habe,
verdanken ihren Ursprung dem von fremder band eingeschobenen Kai.
TTpoMTiöeöc f\ KauKacoc c. 2 TTPOM. dXXd köv läjueic toOv,
di "HcpaiCTe xai *€pjLifi, xaTeXe/jcaT^ jiie napd Tfjv döav bucru-
XoOvTa. EPM. TOÖTO cp^c, (b TTpojiiTiOeO, Td xaTeXeficaTe
dvTl coO dvacKoXoTTicöfivai aÖTixa jiidXa TiapOKOucavTac toO
^iTiTdTiLiaTOc; f{ oöx txovöc eTvat coi boxet 6 Kauxacoc xai dXXouc
dv xw'P^cai biio irpocTrarraXeuO^VTac; Madvig schreibt: toOto
q>^c . . TÖ xoTeXefjcoi , tö dvTl coO dvacxoXoTCicOflvai. Fritzsche
beseitigt mit Dindorf und andern das zweite xaTeXet^caTe. aber da-
mit ist der stelle, wie ich glaube, noch nicht völlig aufgeholfen, um
9*
130 JSommerbrodt: su Lnkianos.
KoOvTaoiX^TOVTidh. 'der am unabhängigsten, am selbständig-
sten seine meinting ansspricht.' den satz in der vorliegenden gestalt
zu erhalten verbietet schon die rücksiebt auf den rhythmus: so
schwerfällig nachschleppende Wörter wie oTkoi | nap' auTijj | in*
dSouciac verträgt dieLukianos eigentümliche abrundung des stils
nicht, die worte oTkoi nap' auTijj sind an dieser stelle überflüssig
imd greifen in die folgende erzählung über, bisher hatte Eukrates
von seinem eignen hause nicht gesprochen, erst in c. 18 ist davon
die rede ; jene worte sind daher mit Marc. 434 (Q) und Laur. (0),
die sie nicht haben, zu beseitigen. £X€u6€piujc aber scheint als
glosse zu in* HoxkUxc in den tezt gekommen zu sein, über gebrauch
und bedeutung von in* dSouciac s. Fritzsche quaest. Luc. s. 137 ffl
Zeuc TpaTH^böc c. 30 dvä€cd€ ci ^fj £K|i€Tpa X^yoimu
Marc. 434 bestätigt meine conjectur €i^f|£|iM€Tpa X^TOtfii.
'eTOipiKo\ bidXoTOi Vin c. 3 f| Twf| hk aöroO irpöc
&TTavTac £X£Tev ibc (mö (papfüidKuiv dx^Vivaiiüii auröv. tö b^ ?iv
fipa 2IiiXoTuiTia tö (pdp^KOV , i&ctc, di Xpuci, xai cu xpuf ifA töv
foptiav Tifi aÖT(!jj cpap^dKii;. ich zweifle nicht dasz tö bi^ was
leicht aus dem vorhergehenden töv entstehen konnte , zu streichen
und mit fjv dpa ZriXoTimia fortzufahren ist.
ebd. IX c. 2 irpoeiTTOV cöOuc i\ dpxQ diravTa, Trpöc bk ck ouk
Sv cTnov, dXX* S j^KÖuca dßouXö^iiv elirciv, ^irel irpöc t€ TTap-
jLi^vovTa oxriiuc i^pSdfüiiiv. hier ist wohl dir ei aus dem vorhergehen-
den €iir€iv entstanden und mit auslassung dieses wortes zu lesen:
TTpöc tdp TTop^dvovTa oCtuk i^pSd|ii]V. 'warum hast du nicht^
sagt die henin zu ihrer magd 'zu allererst von meiner Sehnsucht
nach ihm gesprochen ? * 'ich habe das gleich anfangs gethan' ant-
wortet diese *aber ich sprach dir nicht davon , sondern wollte dir
zuvor mitteilen, was ich von ihm gehört habe, so nemlich begann
ich meine unteriialtung mit Parmenon/ auch an dv vor clirov nimt
Dindorf mit recht anstosz und ändert es in d.
ApairdTaic.l9d ^iv ydp dv toTc cujütocioic bpdici Ka\ &
ficGucKOVTai jnaxpöv dv ett) X^yeiv. das zweite d möchte ich in d) c
ändern; die schriftzüge von die und d können leicht verwechselt
werden. I
ebd. c. 28 d) Tf)c TÖXfüiiic, ö KdvOapoC q)iXocoq>€T, (pnciv»
f)MWV bk oöbclc Xötoc. mit recht hat Fritzsche q>r\cxy gestrichen,
ich glaube aber dass dafür Trepl zu lesen ist: irepi fmüüV bk oöbelc
XÖTOC. der fehler beruht auf vertauschung der ähnlichen abkürzungen
in den bss.
CujiiTÖciov c. 16 Tru6ö|i€V0V ^Tic f| TOMOu^^VTi Tiaic dKa-
XeiTO. hier ist {\tic in ÖTi zu verbessern, vgl. c. 19 oÖTuic bf| 6
KaKobaiMuiv Carupiujv — toCto jdp 6 ycXurroiTOiöc dicaXeiTo
— cucTQC iitacfKfHXTialey. dX. icr. I 86 xöXcTraivovTCC Tiji Gciv-
Gdpcp — toOto idp ^KaXciTO nnd die in meinen 'Lucianea' (Leipzig
1872) 8. 110 angeführten beispiele. danach sind auch cbcövec c. 2
und €ivdX. bidX. VI 1 zu ändern.
^«
I
JSommerbrodt: zu LakianoB. 131
AriiiOcO^vouc dTKtdjiiov c. 2 diriTTibcc T<ip toi touti tö
TpojLl^aT€lOv TTCpiTiTÖMTiv, €l fipo Tijj cxoXf|V ÄTovTi TÄv drafpuiv
ir€piTUXOt)üit. statt Tdi ist tiij zu lesen.
Kpoviäxd c. 2 dv aöiatc bi taic ^Tird CTioubaTov \ikv oöb*
ätopaiov bioiKTJcacOai ^oi cuTK€X(iüpTiTai, irivciv bk Kai jueOtkiv
KCd ßoäv Ka\ irai&iv usw. Wichmanns conjectur, der statt oöb'
TdTopaiov vorschlägt oöb' dKapiaiov ^auch nicht das geringste^
ein wort das bei Lukianos nicht selten vorkommt, ist ein glücklicher
j griff, ich mOchte sie nnr noch vervollständigen durch ein vor oibk
« einzuschaltendes o ö b ^ V , was auch einige hss. (die Görlitzer A und
Marc. 434 Q) bieten, also: dv aöraic bk raic lirrd CTroubatov ji^v
oubiv oub' dKapiatov bioiKrjcacQai jiioi cuTK€XU)pTiTai: 'in den
sieben tagen' (den Satumalien) sagt Satnmus 'darf ich nichts, auch
nicht das geringste ernsthafte geschäft vornehmen/ im Kpovocö-
Xuiv c. 13 steht freilich jniib^va jiiiibiv juriTe dTOpaiov jlii^t* Tbiov
Trpdrreiv, und das hat vielleicht die Verderbnis der obigen stelle ver-
anlaszt, idlein während hier äxopaiov seinen richtigen gegensatz in
Tbiov hat 'weder Staats- noch Privatgeschäfte', faszt ciroubaTov oben
das dtopaiov und Tbiov zusammen , und von diesen beiden gilt nun
dasz auch nicht das geringste vorgenommen werden dürfe, anders
sucht Hartmann der stelle aufzuhelfen, indem er zur herstellung der
Übereinstimmung mit der zweiten stelle schreibt: iy ainaxc bk toTc
^TTid CiroubaTov juev oubtv oöt' dtopaiov oöt' Tbiov bioiKi^ca-
cGai jLioi cuTK€X»it»pi1Tai.
ebd. c. 6 CKÖTici bk oötuic. fcö' öcTic ävGpumoc uTto^ieiveiev
Sv ^KUiv auTÖc KaToq)aT€iv id t^kvo, el jurj Tic öu^cttic fjv xal
dc€ß€i äb6Xq)i]p 7T€pi7r€CUJV flc9i€v; kcI fehlt in der Görlitzer,
Wiener und Yenetianer (Marc. 434 Q) hs., im Marc, steht auszerdem
f\ statt f|V. statt dceßei dbeXqpiD hat Marc. 434 und die Görlitzer A
äcd߀ia dbeXcpüüv. der Schreibart Lukians und namentlich dem
ihm eigentümlichen rhythmus entsprechend möchte ich lesen: ei
jiV) TIC 6udcTiic dc€ß€i()i dbeXcpoO irepiTreciiuv; 'wie möchte
ein mensch es über sich gewinnen von freien stücken selbst seine
kinder zu verzehren, wenn nicht einer wie (das bedeutet Tic) Thjestes,
dem die ruchlosigkeit seines bruders zum fallstrick wurde?' meine
änderungen beruhen , wie oben angegeben , meistenteils auf hsl. be-
glaubigung ; fjv und JjcOic, die ich als lästiges beiwerk beseitigt habe,
verdanken ihren Ursprung dem von fremder band eingeschobenen Ka\.
TTpo^iriöeöc f\ KaÜKacoc c. 2 TTPOM. dXXÄKÖv ujli€ictoOv,
li "H^oiCTC Kai '€p^ifi, KaTcXe/jcaT^ ji€ napä Tfjv dHlav bucru-
^9 XoOvTa. EPM. TOÖTO cp/|c, ib TTpojiiTiOcO, tö KaT€X€r|caT€
ävTl coO dvacKoXomcOfjvai aÖTixa jiidXa TrapaKOucavTac toO
^THTÄTiLiaTOc; f[ oöx txavöc cTvai coi bOKei 6 Kauxacoc Ka\ dXXouc
Äv x^P^cai biio 7rpoc7raTTaX€u9^VTac; Madvig schreibt: toOto
<p4c . . TÖ KOTeXeficai , tö dvd coO dvacKoXoTricOfJvai. Fritzsche
beseitigt mit Dindorf und andern das zweite KaT€X€f^caT€. aber da-
mit ist der stelle, wie ich glaube, noch nicht völlig aufgeholfen, um
9*
132 EGrunauer: zu Ciceros reden gegen Verres [TV § 41].
den text festzustellen ist zun&chst nötig den eiforderlichen gedanken
aufzufinden, ^erbarmet euch meiner.' 'um erbarmen bittest du?
davon kann nicht die rede sein , denn folgten wir dir, so würde uns
beide sofort dieselbe strafe treffen, oder meinst du dasz der Eaukasos
nicht für zwei andere noch platz hfttte ?' einestellvertretung,
die in dvTi coC liegen würde, ist durch die folgenden worte Kai
dXXouc. . buo und irpociraTTqXeuO^VTac ausgeschlossen, daher
gewis statt coG die lesart guter hss. ^(87 Vat.), 434 Marc. Q, <t>Laur.
dv tI ToO aufzunehmen. toOto (pqc, u& TTpo^iiGeC, [t6 KOTeXei^caTe]
dvTi ToC . . heiszt also 'das sagst du' (nemlich erbarmet euch meiner),
'anstatt (zu sagen) . .' oder, was dasselbe ist: 'das bedeutet ebenso
yiel als wenn du sagtest . .' was? doch wohl 'laszt euch sofort für
euren ungehorsam mit kreuzigen ! oder ist etwa der Eaukasos nicht
grosz genug, dasz nicht auf ihm noch zwei andere dieselbe strafe
mit erleiden kOnnten?' ist so der gedanke der stelle richtig auf-
gefaszt, so möchte ich lesen: TTP. KaTeXeVjcaT^ )üi€ . . bucTuxoOvra«
EPM. TOÖTO 9qc, (b TTpo|iTiÖ€0, dvTi toO ävacKoXoTric6iiT£ &|i*
auTixa TTapaKOucavTCc toC dTrirdTMOToc. f{ oux tKavöc elvai coi
boKcT ö KauKttCoc Kai dXXouc dv xuipf)cai buoirpocnaTTaXeu-
O^VTac; aji konnte vor au leicht ausfallen, jiidXa fehlt im Marc.
434 Q, besonders kühn ist also die ftndernng nicht, ob aber damit
die ursprüngliche fassung Lukians hergestellt wird, möchte ich nicht
mit Sicherheit behaupten.
Breslau/ Julius Sommbrbrodt.
21.
ZU CICEROS REDEN GEGEN VERRES.
lY § 41 wird auch in den neuesten ausgaben mit beharrlich-
keit folg^de gestalt des textes festgehalten : res dara Sicilia tata^
propter caelati argenti oupiditatem reos fieri rerum capittüium^ neque
solum reos fieri ^ sed etiam absentes, Diodorus, aus Melite gebür*
tig, in Lilybaeum ansässig, hatte, um seiner kuüstvoll gearbeiteten
becher nicht verlustig zu gehen , Sicilien verlassen , und es war ein
criminalprocess gegen ihn anhängig gemacht worden, nun war es
aber nach den bestehenden gesetzen nicht gestattet in der weise
gegen einen abwesenden vorzugehen, und dagegen wendet sich auch
Cicero, muste es nemlich schon als ein arger gewaltact erscheinen,
einen anwesenden in anklagezustand zu versetzen, blosz um sich
dessen kunstwerke anzueignen, so verliesz der Statthalter den boden
des gesetzes gänzlich , sobald er eine anklage gegen einen abwesen«
den gestattete, es stehen sich also die begriffe praesens und absens
gegenüber, und es musz an unserer, stelle gelesen werden : nee soUtm
praesentes^ sed etiam absentes. reos fieri ist offenbar durch ein
versehen des abschreibers wiederholt.
WiNTERTHUR. EmIL GrUNAUER.
ThHasper: quisqtiiliae Plautinae. 133
22.
QVISQVILIAE PLAVTINAE.
Ad emendandum versum misere hiantem Meiiaochmon519,
ubi libri habest uxori rem amnem iam ui sU gesta doquar^ sat multae
adbibitae sunt medicinae ab hominibus dootis. Pjlades enim scri-
bendam coniecit gesta ut sU^ Camerarius tUi sit gesta, Bitschelius
ego eloquar^ Brixius ut siet gesta. nnperrime AWeidnerus in adyer-
sariis Plantinis (Darmstadiae 1882) p. 15 proposuit uxdri remomnem
iam üt sU gesta ita iloquar, mihi vix dubitandum videtur, quin
versus e Plauti mann profectns sit bunc in modum
numquam idepol quisquam me ixarabU^ quin tuae
uxöri rem omnem idmiam^ ut sU gesta, Hoquar,
Idem WeidneruB ad Amphitruonis versum 316 p. 22 hanc sibi
visns est emendandi viam invenisse dlia forma esse öre oportet, quhn
tu pugno pigeris. in libris mann scriptis est älia forma esse oportet
quem tupugno legeris. patet non andiendum esse Ussingium, cui talis
debetnr versiculns alia forma esse oportet., quem tu, pugne, teti-
geris. Fleckeisenus transpositis verbis oportet esse in extreme versa
posuerat pugnis iceris, qua coniectura adscita Bitschelius älia formad
esse oportet, Luchsius denique alia forma os esse oportet scripserat.
atque pegeris Weidnerianum vel propter constructionis insolentiam
non potest non veri esse dissimillimnm. ego in verborum elegantia
pugno legeris adeo non offendo, eam ut Mercurio iocanti mirum quan-
tum accommodatam esse existimem. verum est dictionem poetioam
longo diversam esse a dictione comica, non minus verum istam locu-
tionem quae est pugno legere fere änoi cipim^viiv esse, sed quan-
tum ego auguror coniectura, in delendis omnibus loquendi for-
mulis aliqua ex parte poeticae dictioni proximis nimii fuerunt multi
et docti homines. nam quemadmodum nos in coUoquendo supra
modum sermonis haud raro attollimur, ita etiam poetas comicos
Bomanos credibile est interdum sane aliquantulum recessisse ab usu
cottidiano, ubi aut res suaderent aut personae. noli credere propterea
comicorum usum non esse expressam imaginem sermonis vere Bo-
mani, qui hac in re prorsus eandem sine dubio prae se tulit speciem.
cavendum igitur est ne unam quaroque locutionem exquisitiorem
comicorum obelo ifotandam esse iudicemus. accedit quod ipse quo-
que Turpilius apud Nonium p. 332, 19 legendi verbo eadem eligendi
significatione usus est qtwm Ugere te optumum 4sset atque aequissu-
mum, I quaoum aäas degenda it vivendum essä tun, quo ipso loco
lectius elegantiusque diccndi genus facile cognoscas. sed ut ad
Amphitruonis versum 316 revertamur^ in priore parte re vera ali-
quid exoidisse credendum est, quod tarnen cave putes fuisse os voca-
bulum , ut ex proxima pronominis forma quem apparet certissime,
sed potius id quod, si quid video, hoc loco requiritur unice quodque
ante esse verbnm facillime po^rat omitti cum, ut totus locus cum
134 ThHaaper: qaiaquiüae Plaatiiiae.
eis quae et antecedunt et subsecnntur sie mihi formandos esse
videatur
ndm cofiHntMS häs tris noctis p^rvigäavi, f p^ssumumst
fddnus nequit6r ferire mdlam: nuüe discU manus.
äUa forma eum iase oportet^ quAt^ tuo pugno Ugeris.
r {üio homo me intSrpoiabü meumque os finget d6nuo.
^ 4xo88aium os fyse oportet, quAn probe percüsseris.
T wirum nei hie me qudsi nmrcienulam 4xossare cögitat.
V. 314 Codices pneheni pessum est. in prozimo versa homines cri-
tici iniuria mihi videntur offendisse: ne disoU quidem yocabolom
mutanduzn est in disds, quamvis posteriore versa manam alloqaatar
Mercurius. v. 316 scripsi tuOy qaamqaam tu qaod habent Codices
fortasse potest teneri. v. 319 mirum ne et nmraenam habetar in
codicibus.
Aalulariae v. 198 in scripta» codicam BD^ut^i velJFL
quin ibi nescio an lateat antiqoior adverbii forma cubiy qaae tamen
ab hoc loco aliena est.
In venustissimo illo nopoKXauciOupqi qaod habetar Ca reu -
lionis y. 147 sqq. nescio an v. 152 legendam sit misere pro misero.
versus est
qtui^ mihi nUsere amanti ^bibU sänguinem.
Eiusdem fabulae v. 219 ubi in codicibus est vaktudo dearescU^
accrescU lahor^ nisi quod J habet ac crescU^ hanc acripturam praeter
Brugmanum, qui scribit väletudo iam^ etiam Baehrensiua improbavit^
cuius haec coniectora est in his ipsis annalibus 1880 p. 121 «ole-
tüdo dum decrücUi accresoU labor ad sententiam prorsus apposita,
ad numeros non item, unde enim conduseris alteram sjllabam
väletudo vocis brevem fuisse apud comicos, quae apud posteriores
poetas semper longa est? ex Afranii enim versa quod hört väletudo
ohstäit nihil effioitur. immo veri simUe est comicos quoqae poetas
banc syllabam produxisse, non corripuisse. quod si verum est, scri-
bendum videtur vdUtiudo ut decr^sdt, ita crescU lahor.
Ibd. V. 306 dubito an coniecturis ab aliis tentatis haec lectio
praestet me haud magis tu cupis quam 4go te cupio.
Ibd. V. 323 ubi in libris invenitur pernam äbdomen sumen suis
glandium Goetsius mea quidem opinione non debebat Pyladis con-
iecturam redpere, qui deleto suis vocabulo cäOum po^t pernam in»
serit: immo reoipienda erat Scaligeri ooniectura sueris. cf. frag*
mentum Plautinum apud Festum p. 330 M., ubi etiam pema^ sumen
sueriSf spectüe^ caUuimy glandia enumerantur, et Yarronem de 1. lat« V
§ 110 pema a pede sueris. qua forma adscita habes integrum sep-
tenarium
p&nam^ abdomen^ siimen sueris, gldndium. t oin tu haec dmnia?
Dbbsdai. Thsodorvs Hasper.
MWetzel: anz. ▼. HElages oonsecutio temporum im latein. 135
28.
DIE COKSBCUTIO TEMPORUM, DEREK GRUNDGESETZ UND ERSCHEINUN-
GEN IM LATEINISCHEN. VON HeRMANN ElUGE, OBERLEHRER
AH HERZOGLICHEN LUDWIGS-G7MNA8IUM ZU CÖTHEN. COthen, TCr-
lag von Otto Schulze. 1883. YIII u. 124 8. gr. 8.
Eine eingehende Untersuchung über das wesen der tempusfolge
ist ein dringendes bedUrfhis in dreifacher Beziehung, erstens ist füx
die wissenschaftliche grammatik diese sprachliche erscheinung noch
nicht genügend ergründet, zweitens ist es nOtig, endlich eine feste
grundlage für die tezteskritik zu gewinnen , insofern dieselbe sich
mit auffallenden fällen des tempus- und modusgebrauches beschäftigt,
drittens endlich liegt auch ein praktisches bedürfhis für die lehrer
des lateinischen vor, die von den regeln, welche die schulgramma-
tiken bieten, offc im stich gelassen , wenn nicht gar irregeführt wer-
den, die letzte Wahrnehmung hat denn auch den vf. zu der vor-
liegenden Untersuchung veranlaszt. da er jedoch der ansieht ist,
dasz für die empirische beobachtung der einschlägigen fälle Wie!
geschehen', *gut gesorgt' sei — eine behauptung der wir wider-
sprechen müssen, wenn sie besagen soll dasz hier nicht noch manche
wichtige frage zu lösen wäre — so beschränkt er sich darauf, das
grundprincip der lehre von* der tempusfolge mit ihren regeln und
ausnahmen zu ermitteln, wenn er aber meint, *für die aufsuchung
der inneren gründe' sei ^so gut wie nichts geschehen' (s. 3), so irrt
er. von anderen beachtenswerten versuchen abgesehen hat die
Schrift von Behaghel ^die Zeitfolge der abhängigen rede im deutschen'
(Paderborn 1878) doch wahrlich einen bedeutenden beitrag zur
lösung dieser fragen geliefert.
Kluge geht nun von der ansieht aus, dasz das tempus des neben-
satzes nicht mechanisch von dem des regierenden satzes abhänge,
sondern dem princip nach durch den inhalt des nebensatzes selbst
bestimmt werde (s. 19). darin hat er unzweifelhaft recht, nur
durfte er nicht behaupten dasz 'bis jetzt die klare erkenntnis dieser
thatsache gefehlt' habe, deutlicher kann man diese 'klare erkennt-
pis' doch wohl kaum aussprechen, als ref. dies in seiner 1877 bei
Teubner erschienenen diss. 'de consecutione temporum Ciceroniana
capita duo' s. 6 gethan hat.
Die auf Fassung des vf. ist in der kürze folgende, während man
bisher fälschlich alle tempora nach 6iner anschauung beurteilte,
sind dieselben zwei anschauungskreisen zuzuteilen, von denen ein
^ jeder seine besondecen formen für die Vergangenheit, gegenwart
und Zukunft hat. der erste anschauungskreis , der der gegenwart,
drückt die Vergangenheit durch das (logische) perfectum, die gegen-
wart durch das präsens, die zukunft durch die beiden futura aus.
in dem andern anschauungskreise , dem der erzählung, haben wir
als tempus der Vergangenheit das plusquamperfectum , als tempora
• der gegenwart das historische perfect, das historische präsens und
136 MWetzel: anz. v. HEloget conseoutio tempomm im latein.
das imperfectum ; das futurum der erzählung musz ersetzt oder um-
schrieben werden, von den tempora des conjunctivs gehören präsen&
und perfect dem ersten, imperfect und plusquamperfect dem zweiten
anschauungskreise an. in den fällen nun, wo die regeln der conse-
outio temporum zur an Wendung kommen , ist der Lateiner in dem
nebensatze in dem anschauungskreise geblieben, in welchem der
regierende satz sich bewegt; und alle abweichungen von der regel-
rechten tempusfolge beruhen darauf, dasz der sprechende in dem
nebensatze in den andern ansohauungskreis Überspringt, 'der grund
eines solchen wechseis ist in den meisten fKllen in der natur der
dargestellten handlung zu suchen ; bisweilen aber ist er individueU
und liegt in seelischen vorgftngen, die den sprechenden momentaa
beeinflussen' (s. 112). in dem ersten falle kommt es auf den grsd
der Zusammengehörigkeit der haupt- und nebenhandlung an. e»
gibt nebensatze, die so eng mit dem regierenden satze zusammen-
hängen, dasz ein Wechsel der anschanung unmöglich ist. das sind
die finalsätze und die substanÜYSätze. eine zweite gruppe bilden die
causalsätze, in denen der Zusammenhang zwischen haupt- nnd neben-
handlung teils enger teils lockerer ist. die dritte gruppe endlich
bilden die übrigen nebensatze, yon denen wiederum die temporal-
sätze 'einen ziemlich hohen grad von Selbständigkeit' bewahrt haben
(s. 65). — Der nnterschied zwischen eonj. praes. und coi\j. impf»
(und ebenso zwischen oonj. perf. und conj. plusq.) ist nach Kluge
kein temporaler , sondern nur ein modaler, der gebrauch des conj.
impf, in irrealen wünsch- nnd bedingungssätzen besonders, meint er,
zeige hinlänglich dasz demselben eine präteritale bedeutung nicht
beizulegen sei es drOcke vielmehr der conj. praes. die nähere , der
conj. impf, dagegen die entferntere oder geringere mögliohkeit aus.
Zunächst erwidern wir, dasz die conjunctive der nebentempora
nicht blosz nach den tempora der erzählung, sondern auch nach dem
rein logischen ind. oder conj. perf. folgen können, von dem ind*
perf. leugnet dies Kl. nicht, er meint aber : 'sobald von dingen der
Vergangenheit die rede war, selbst wenn sie zunächst mit beziehung
auf die gegenwart des sprechenden vorgetragen wurden, glitt der
Römer unbewust in die erzählung hinüber, wie das erwähnte ge*
schab' (s. 66 f.). das liesze sich hören, wenn nicht — entgegen der
lehre Madvigs (spr. § 383 anm. 3) — auch nach solchen perfecta,
die in nebensätzen stehen , um eine vor einer andern wiederholten
handlung jedesmal vollendete handlung (der gegenwart) auszu-
drücken, nebentempora folgen könnten: vgl. Tusc IV 24 und Y 3^
und dazu die bemerkungen von HLieven (die cons. temp. des Cicero^
Riga 1872, s. 17); femer Tuae. HI 64. de off. III 107. dear. Ul
196 ua. st. auch nach perfecta, welche die vollendete handlung naol
ante — quam bezeichnen, können nebentempora folgen; zb. adQ.fi
I 1 , 38 ante oocupatur animua ab tracundia, quam providere raii
potuü ne occuparetur^ vgl. de off. I 117. acad. II 8. dasz der Lat^
ner in solchen läUen an vergangene bandlungen denkt, läsit f
MWetzel: anz. ▼. HEluges coniecatio tempomm im lateiiL 137
allenfalls begreifen, nicht aber dasz er nnbewust in die erzählung
hinübergleitet. — Nebentempora nach dem conj. perf., der niemals
erzählendes tempus ist , mnsz Kl. folgerichtig für unzulässig halten,
in der that findet er solche sehr befremdlich (s. 67). er glaubt nun
die Sache damit abzuthun, dasz er in den drei von Draeger (übrigens
nach Beusch) citierten fallen präteritaler tempusfolge nach dem
conj. perf. in indirecten fragen relativ-consecutive sätze annimt , in
denen ein Wechsel des anschauungskreises dh. eine abweichung von
der regelrechten tempusfolge häufig sei. oberflächlicher kann man
gewis nicht zu werke gehen, vor allem hätte sich El. vergewissern
sollen, ob die von Draeger angeführten beispiele die einzigen ihrer
art sind, er vergleiche noch p. Mü. 44 (citiert in m. diss. s. 23),
ferner Tusc. I 107. p. Cadio 52. auch in finalsätzen und finalen
objectssätzen , in denen EL ja ebenfalls einen Wechsel des anschau-
ungskreises für unmöglich hält , kommt der conj. impf, nach regie-
rendem conj. perf. vor: vgl. de inv. II 128. in Verrem III 160.
p. Flandc 26. i?. Sestio 78. in Vat. 33. epist. Vm 10, 5. XHI 7, 6.
ad Q. ^r. I 1, 2. I 1, 26. ad AU. I 3, 1. I 6, 2. HI 12, 3. V 6, 1.
Y 21, 13. Tu8C. Y 2 uö. übrigens wird wohl niemand recht ver-
stehen, wie die indirecte frage de domo sim 11 zugleich consecutiven
sinn haben könne, und was ist damit gewonnen , dasz wir conse-
cutiven sinn annehmen? El. meint, weil in consecutiven Sätzen die
tempusfolge freier sei, so könne in solchen ein nebentempus nach
einem haupttempus nicht auffallen, dem gegenüber musz ich darauf
aufmerksam machen, dasz die freiheit in der cons. temp., welche
mehreren Satzarten, besonders den folgesätzen, eigen ist, doch nur
darin besteht dasz in ihnen häufiger haupttempora nach präterita
eintreten, nicht umgekehrt, ich bin überzeugt dasz auch El.
seinen schülem sätze wie nemo nostrum tarn stuUus est^ut hoc cre-
der et (in der bedeutung 'geglaubt hätte') nicht als mustersätze für
die tempusfolge empfehlen, sie vielleicht sogar als fehlerhafk be-
zeichnen würde, obwohl man doch sagen kann nemo nostrum hoc
credehat.
Mit der somit erwiesenen thatsache , dasz auch nach dem nicht
erzählenden ind. und co^j. perf. nebentempora folgen, ofine dasz
ein Wechsel des ^schauungskreises angenommen werden darf, ist
nun der ganze bau der Eingesehen tempuslehre untergraben, seine
theorie von den zwei concentrischen anschauungskreisen ist aber
auch an sich durchaus unhaltbar, sie musz schon deshalb verworfen
werden, weil sie rein philosophisch , ohne alle berücksichtigung der
formenbildung, wie sie spradi wissenschaftlich feststeht, die grund-
bedeutung der einzelnen tempora bestimmt, davon abgesehen ist
die gruppierung der tempora der erzählung doch allzu compliciert.
das futurum musz in diesem anschauungskreise ersetzt oder um-
schrieben werden, für die gegenwart aber treten uns sogar drei
tempora (perf. bist. , präs. bist, und impf.) entgegen , die von bans
aus sich gar nicht unterscheiden sollen! El. sagt: Hhatsächlioh
138 MWetzel: anz. ▼. HKloges coiiBeciitio temporom im latein.
finden sich fftlle , in denen das impf, wie jene tempora (bist, perf .
und präs.) rein als mittelpunkt der enählong dient' (s. 15). es
wäre aber erst zu beweisen , dasz man in solchen fftllen ohne jede
nüancierung des gedankens auch das perf. oder pr&s. bist, setzen
könnte, er meint femer, dasz nicht die dauer allein in der bedeu-
tung des impf, liege, beweise das deutsche impf., welches eben-
sowohl die dauer wie den mittelpunkt der erzählung bezeichne, aber
das deutsche impf, entspricht ja in bezug auf die formenbildnng dem
lat. perfectum. Kl. wagt denn auch nicht mehr zu behaupten als :
^es scheint ursprünglich gleiche functionen gehabt zu haben wie
die erzähltempora' (s. 15) und : deshalb es die nebenbedeutung der
dauer den übrigen erzählformen gegenüber erhalten hat, läszt sich
bei dem jetzigen stände der Wissenschaft nicht mit einiger Sicherheit
sagen' (s. 16). da hOrt freilich alle Untersuchung auf. er versucht
zwar eine erklärung dieser bedeutungsentwicklung , aber lediglich
auf grund vager Vermutungen.
Dasz die grOszere oder geringere freiheit in der tempusfolge
durch den innem Zusammenhang der handlungen des haupt- und
nebensatzes bedingt wird , hat El. richtig erkannt, aber entgangen
ist ihm vor allem dasz in innerlich abbtogigen nebensfttzen, dh. in
solchen sfttzen die aus dem sinne des subjects im regierenden satze
gesprochen sind, im allgemeinen eine viel strengere tempusfolge
herscht als in ftuszerlich abhängigen nebensätzen : vgl. Lieven ao.
8. 13 und 33, m. diss. s. 7. wenn Kl. in den temporalsätzen die
lockerste Zusammengehörigkeit zwischen haupt- und nebenhandlung
erkennt und demgemftsz annimt dasz in solchen Sätzen eine abwei-
chung von der cons. temp. am ehesten möglich sei, so behauptet er
hiermit das gerade gegenteil von dem was Schweikert (zs. f. d. gw.
1882 sept.) mit recht lehrt, dasz nemlich gerade die temporalsätze
die strengste cons. temp. haben, umgekehrt hat er übersehen dasz
in finalsätzen, die nach ihm doch *die einzigen gehorsamen kinder
der alten grammatik' sind (s. 82), ein Wechsel des anschauungs-
kreises oft nötig ist: vgl. in Verrem IV 67 ne guis forte . . arbUre-
ttn-^ in faro . . damare coepit. ad Q. fr. III 1, 19 htiec inter cenam
Tironi didavi^ ne nUrere alia nutnu esse uä. st.
Die behauptung dasz der coig. impf, sich vom conj. praes. nicht
temporal, sondern nur modal unterscheide, hat vor Kl. schon Gossrau
in seiner lat. Sprachlehre aufgestellt, derselbe nennt letztem coi\junc-
tivus, erstem subjunctivus actionis infectae. diese ansieht ist ja auf
den ersten blick sehr bestechend (vgl. Lieven ao. s. 7). sie ist aber
grundverkehrt, auch hier sollte man vor allem die bildung der for-
men zu rate ziehen, nun hat ja zwar Westphal (die verbalflexion
der lat. spräche, Jena 1873, s. 105 ff.) den lat. conj. imp£ für einen
opt aor. I erklärt, wie schon Bopp (vergl. gr. III' 35) auf die ähn-
lichkeit zwischen staremusuud cnf|cai^€V aufmerksam gemacht hatte,
und Klage, der sich darauf beruft, dasz ja auch zwischen dem griech.
opt. praes. und opt» aor. kein temporaler unterschied hersche, scheint
MWetzel: anz. ▼. Hfilluges conBecutio tempomm im latein. 139
dem zuzustimmen, allein abgesehen davon dasz syntaktisch der lat
coig'. praes. zum conj. impf, sich nicht verhttlt wie der griech. opt.
praes. zum opt. aor. , sondern eher wie der coiy • (praes. oder aor.)
zum opt. (praes. oder aor.) , hat Cnrtius (Studien YIII s. 464) die
ansieht Westphals überzeugend widerlegt, vielmehr ist mit Bopp
und Schleicher (comp, der vergl. gr. s. 830) anzunehmen, dasz der
conj. impf, ein optatiy des imperfectums ist, da er sich von dem ind.
impf, ursprünglich nur durch den modusvocal des Optativs (t) unter-
scheidet (ind. esamtM [eramus]^ opt. esaimus »" esemus, woraus esse»
mus entweder durch Verdoppelung des s oder durch Zusammensetzung
der form mit dem verbalstamm es entstanden ist), der neuerdings von
Stolz gemachte versuch den lat. conj. impf, als einen ursprünglichen
ind. aor. zu erweisen darf wohl als mislungen bezeichnet werden.
Wenn man bedenkt dasz in so manchen föUen der lat. conj.
impf, nun auch wirklich dieselbe prftteritale bedeutung hat wie der
ind. impf, (tum cemeres — quid tum faoerem? — nemo fuit quin
fleret •— cum una essemus^ Cicero venit), so leuchtet ein dasz man
nie auf den gedanken gekommen wäre, die präteritale bedeutung
des coig. impf, zu leugnen, wenn man nicht geglaubt hätte dasz sich
der gebrauch dieser form in irrealen bedingungs- und Wunschsätzen
sowie in gewissen fUUen der abhängigen rede mit der annähme einer
solchen bedeutung durchaus nicht vereinigen lasse, man hätte aber
erst ermitteln sollen, ob nicht auch in diesen Sätzen ursprünglich
ein sich auf die Vergangenheit beziehender gedanke ausgesprochen
liegt, der dann in ähnlicher weise verwischt worden wäre , wie dies
mit der ursprünglichen bedeutung des perfects (voUendung) in der
erzählung geschehen ist. und wirklich beruht die tempusverschiebung
in der abhängigen rede einfach darauf, dasz uns die rede des subjects
im regierenden satze als bericht des Schriftstellers entgegentritt, wie
wir sehr deutlich' erkennen aus stellen wie Hs n'avaient (^sie hätten',
eig. 'sie hatten' a]s bericht Napoleons), disaienl-ils^ que ce chemin
jpour sortir de leur pays (Napolton bist, de Jules Cösar II 48). und
wenn der conj. impf, der abhängigen rede auch von handlungen ge-
braucht wird, die in der zeit, wo der Schriftsteller schreibt, noch
fortdauern, so ist das nicht auffallender als der meines wissens zu-
erst von Peters (progr. Deutsch-Crone 1861 s. 6) beobachtete, von
Lattmann und Gossrau berührte gebrauch des ind. impf, in stellen
wie Tu3C lY 54 quod nuXtum erat ('ist') iracundia foedius oder de
off. I 143 iktque quae er an t prudentiae proprio^ auo loco diäa sunt,
man setze an der letzten stelle eine indirecte frage ein: quae essent
prudentiae prqpria^ suo loco dictum est, und man wird das impf, ver-
stehen. — Dasz die durch den irrealen conj. impf, ausgedrückte
gegenwärtige nichtwirklichkeit ursprünglich als eine in der Ver-
gangenheit vorhandene mOglichkeit aufgefaszt wurde, beweist nicht
nur der griech. ind. impf, und das beim Übergang zur darstellung
der Wirklichkeit verwendete vCv b^, lat. nwnc aiutem, sondern vor
allem auch der mit präsensbedeutung gebrauchte ind. impf, von
140 MWetzel: anz. v. HKlages consecutio temporum im latein.
modalitätsverben im griechischen (£b€i, ^XP^IV« biKaiov fjv nft.) and
imlateiniBohen {dehebam ich müste; poieram ich kOnnte), worüher
man Tobler ('Übergang zwischen tempus nnd modus' zs. für Völker-
psych, und sprachwiss. 11 44 ff.) und Lattmann-Müller (lat. schulgr.
§125 anm. 1) vergleichen wolle (Draeger gibt die prftsen tische be-
deutuDg nur bei p^^am zu ; die meisten kennen sie gar nicht), die
fälle des präsentischen gebrauchs des eonj. impf, in entrüsteter frage
im altern latein , auf welche Kluge s. 22 so viel gewicht legt , er-
klären sich nach Tobler (ao. s. 42) einfach daraus, dasz hier eine
Verstärkung und Verschiebung der modalität (der Irrealität) vor-
liegt, irreal sind auch die noch häufig — und so auch bei Kluge —
als Potential geltenden coi^unctive veäem , noUem, fnaUem. man er-
gänze si fieri passet^ das auch zuweilen dabei steht: vgl. Tusc I 98.
I 23. uns will es freilich nicht in den sinn, dasz damit das wünschen
negiert wird, aber der Lateiner ist vernünftiger als wir : er wünscht
nichts was nicht erfüllt werden kann.
Kl. hatte also keine veranlassung dem conj. impf, die präte-
ritale bedeutung abzusprechen , um so weniger als er seine ansieht
nur durch eine sehr unsichere und zu neuen, noch schwierigeren
rätseln führende Vermutung zu stützen vermochte, sagt er doch
selbst: 'wie die conjunctive der nebentempora den begnjff der ent-
ferntem möglichkeit erhalten haben, das ist nicht mit einiger wahr»
scheinlichkeit zu vermuten' (s. 27). und zur erklärung des grundes,
dasz die conjunctive der entferntem mögliehkeit in der erzfthlung
verwendet werden, stallt er eine ansieht auf, die von ihm selbst nur
als 'wahrscheinlich' bezeichnet wird, in Wirklichkeit aber sehr un-
wahrscheinlich ist (s. 27).
Was nun die ausführungen Kl.s im einzelnen betrifft, so sind ja
mehrere punkte recht ansprechend beleuchtet dahin rechnen wir
besonders die erklärung der haupttempora nach präterita an ver-
schiedenen stellen lat. autoren (s. 88 — 97). aber sehr vieles ist auch
hier verkehrt, so nimt Kl. s. 67 von der regel, dasz selbst das offen-
bar nicht erzählende perf. (ind.) sich mit dem conj. der nebentempora
verbinde , die indirecten fragen aus. demnach wäre in stellen wie
Tusc, V 106 quam sU ea ooniemnepuUi^ paulo ante dictum est , logi-
sches, aber de off, II 43 ea quae essent, didum est in libro superiore.
episi. IV 10, 2 quoniamj quid mihi piaceret , ostendi (die aufzählung
ähnlicher stellen nur aus Cicero könnte ganze Seiten füllen) histo-
risches perfect anzunehmen, offenbar aber ist hier wie dort die natur
des perf. dieselbe; immer ist es ein rein logisches, das auch in in-
directen fragesätcen an sich nur dann mit haupttempora sidi ver-
bindet, wenn es sich geradezu mit einem präsens vertauschen läszt«
wenn trotzdem in sehr vielen fällen , wie in der stelle Tuse. V 106,
auch ohne diese präsentiscbe bedeuking haupttempora stehen, so ist
dies mit Sohweikert (zs. f. d. gw. 1876 s. 1 ff.) daraus zu erklären,
dasz der Schriftsteller den Inhalt der indirecten frage von seinem
Standpunkte aus betrachtet (oder, um mit Kl. zu reden, im neben-
MWetzel: anz. y. HEluges consecutio temporum im latein. 141
Satze sich im anschauungskreise der gegenwart bewegt), quam sit
ea cantemnenda, patdo anie dictum est unterscheidet sich also von
quam esset ea contemnendat paulo ante dictum est etwa so wie im
deutschen: 'wie sehr derselbe zu verachten ist, davon haben wir
früher gesprochen' von dem satze : 'wie sehr derselbe zu verachten
sei, haben wir oben gesagt.', denn der deutsche conj. drückt aus
dasz wir es mit einem gedanken des subjects im regierenden satze,
nicht mit einer bemerkung des Schriftstellers zu thun haben: vgl.
m. diss. s. 17 anm. 2. Schweikert gegenüber behaupte ich nun frei-
lich, dasz diese loslösung der indirecten frage aus dem anschauungs-
kreise des subjects des reg. satzes (welche übrigens auch bei regie-
rendem impf, vorkommt, zb. p. Balbo 2. p. Sestio 122. in Verrem
I 75. Quintil. VI 3, 41. Plaut. atiZ. 542) und der daraus sich er-
gebende gebrauch der haupttempora nicht immer möglich , dasz er
vielmehr im allgemeinen nur bei vorangestelltem indirecten
fragesatze zulässig ist, was auch schon Haase (zu Reisigs vorles.
s. 594 anm. 500) und Draeger (bist, sjntax V 219) gefühlt haben. —
S. 69 sind fälle übersehen wie cum gaUus cecinü (krttht), surgimus
und cum gaUus cecinerat (krähte), surgehamus uä. — S. 71, wo über
postquam gehandelt wird, hätten die resultate der schrift von EHoff-
mann 'die construction der lat. zeitpartikeln' (Wien 1873) verwertet
werden müssen. — Wie stimmen zu der behauptung 'er konnte
nicht sagen fieri non potest^ denn das geschehen der sache gehört
nicht mehr seiner gegenwart an' (s. 84) sätze wie de or» IL 285
patest fieri ^ ut iratus dixeriti vgl. de div, I 10. I 124. in Verrem
II 190. ad Ätt. Vm 3, 6. — In der s. 103 citierten stelle {p. Mü.
95 f.) beginnt das 'schwanken der anschauung' erst bei den Worten
si esset häbenda ratio, die früheren imperfecta esset y fleäeret, dek-
niret waren notwendig wegen feoisse: vgl. Beusch 'zur lehre von
der tempusfolge' (Elbing 1861) s. 9.
So fürchte ich denn dasz die ergebnisse der vorliegenden schrift
die frage nach dem wesen und dem grundgesetz der lat. tempusfolge
wenig fördern werden, vielleicht hätte der vf. ein annehmbareres
resultat erzielt, wenn er sich um die einschlägige litteratur, um die
lehren der Sprachwissenschaft über die bildung der lat. verbalformen
und um den factischen gebrauch der tempora bei den lat. Schrift-
stellern mehr gekümmert hätte.
Padbbborn. Martin Wbtzbl.
24.
ZU SENECA.
Einen beitrag zu der schrift de remediis fortuitorum liefert eine
bis jetzt unbekannt gebliebene, papierne, sehr schlecht und mit
starken abktlrzungen geschriebene Seneca-hs. in folio etwa des fünf-
zehnten jh. , die ich unter incunabeln und alten theologischen hss«
der hiesigen gymnasialbibliothek vergraben fand.
142 EHeydenreioh: zu Seneca.
Osann hat in dem miiTersitfttsprogramm 'de L. Annaei Senecae
scriptis qnibusdam deperditis specimen 11' (Gieszen 1847) s. 6 für
die nnechtbeit genannter schrifk nnter anderm auch geltend ge-
macht, dasz na<ä der Dresdener hs., welche er seiner ausgäbe za
gründe legt, in derselben die mittelalterlichen wOrter inlmmaüo und
invcisura vorkommen, allein mit recht hebt Haase III praef. s. XIX
hervor, dasz diese Wörter nur von der willkflr eines mittelalterlichen
rubricators herrOhren. und in der that fehlen beide Wörter in den
rubricaten der Freiberger hs., in der für it^humatio vielmehr de
. morte siue sepuUurck^ für de inuaeuira latronum aber de inimids steht.
Misglückt ist Osanns weiterer versuch den namen des Verfassers
aus den dem kurzen inhaltsverzeichnis vorausgehenden werten Ind-
piunt . . Ubri de remediis fartuUorum der Dresdener hs. durch ent-
ziffernng der zwischen inc^fmmi und Ubri stehenden abbreviatur zu
erschlieszen. dieselbe ist vielmehr mit Haase jRcf zu lesen und in
nibricae aufzulösen, dasz dies der sinn jener abbreviatur ist, wird
durch die Freiberger hs. bestfttigt, welche vor einem dem Dresdener
fthnlichen inhaltsverzeichnis folgende Überschrift bringt: IncipU re-
gistrum in librum Senece de remediis fortuitorum.
Dies Freiberger registrum ist auch an sich beachtenswert, wfth-
rend es im ersten teile der Dresdener hs. , ist es im zweiten (vgl.
Osann s. 15) einer Wiener hs. vergleichbar, es lautet unmittelbar
nach jener Überschrift: secimdum istitm prooeseunt Contra mortem^
contra poenam^ contra mortem in peregrinatione, contra mortem in
iuuentutey contra iacturam corporis ins^^i, contra aegritudinemf
contra malHoqmim, contra exiUum^ contra dolorem , contra panper-
tat&my contra impotentiam et memoriam, contra inuidiam peeimiae^
contra caecUatem^ contra orUkUem^ contra naufiragiumj contra m-
troitum latronum, contra . . (unleserlich), contra iacturam amissi
cunctij contra iacturam amissae uxoris. prologus istius, Hunc
Ubrum composuU Seneca nobHissimus oratorum ad QaXUonem quen-
dam amicum suum contra omnes impetus et machinamenta fortunae;
fecü autem tüum suh dyätogOy ut sU sensus conquerens et ratio respon*
dens, liber autem iste et sensuum maiestate et eloquii darüate ti sen-
tentiarum hreuüate refülget. Incipit liher manuscri Senece de
remediis fortuitorum.
Dieselbe hs. bietet auch einen beachtenswerten text des Über de
morihus. trotz ihres anscheinend jungen alters enthftlt sie mehrere
spruchteile uud lesarten, welche sonst in keiner der jüngeren hss.
und in keinem gedruckten text vor Schenkl und Wölfflin vorkom-
men, dies buch beginnt in der zweiten colunme von fol. 14* mit
der Überschrift Incipit Über Annei LucU Senece de moribus und nimt
673 colnmne ein. Spruch 143 Haasescher zfthlung, mit dem Wölff-
lins ausgäbe schlieszt, fehlt; die beiden letzten Sprüche aber nr. 144
und 145 tragen die besondere Überschrift de uirtutU>us. der b^nn
jedes neuen Spruches ist durch durchstreichen des anfangsbuchstabs
mittels roter tinte markiert, wir gewinnen durch diese hs. einen
fiHeydenreich: zu Seneca. 143
lesbaren text des 80n doppelspruches. bei Haase erscheint er s. 465
in folgender gestalt: Excusationem quaerere mtium. {*8ed omnia
ddingue ad dominum.*] an die fassung des cod. Paris, lat. 4841
saec. IX anknüpfend erblickt Wölfflin. folgenden sinn in diesen wer-
ten: 'qai se fato ad prava facinora coactnm esse dicit, omnia dea
impntat, i. e. omnem culpam in deum confert' und schreibt dem-
nach : Excusationem viiiis suis quaerere est omnia deo ddegare, doch
gibt er selbst in der anmerkung der lesart der übrigen hss. Eoccusa-
tionem quaerere vüium est, set omnia ad deum rdinque den vorzug.
er fügt dann im text unter der bezeichnung 80^ folgenden zweiten
teil hinzu : Batam viiam quotienscunque dubitaveris, an sü eripienday
* *y quoniam data eripi potest^ erepta reddi non potest. in den bei-
den St. Galler hss. nr. 238 und 141 fehlt nach Schenkl (Wiener
sitzungsber. 1863 8.49) das tm nach dubüaveris. der sinn des ersten
teils ist gewis der von Sexti sent. 374 omnem causam refer ad deum»
das in allen hss. wiederkehrende sei nach est ist schon von Wölfilin
als dittographie beseitigt; jetzt ist das fehlen desselben auch durch
F belegt, aber auch den zweiten teil enthält dieselbe ohne den fehler
am anfang und ohne lücke. der ganze spruch ist mit änderung von
delinque in relinque und mit hinzufügung des in der Freiberger hs.
fehlenden erepta reddi non potest buchstäblich nach dieser also zu
schreiben: Excusationem quaerere vütum est. BeUnque omnia ad
deum. De data vüa quotienscunque duhitaveris an sii eripienda a te^
desipis, quia data eripi potesi, erepta reddi non potest. den 51n spruch
bietet F so: Amicos secundae res optime parant ^ adversae certissime
prohant, das optime nach res fehlt bei Haase, dagegen bleibt das
autem Wölfflins und Schenkls hinter adversae besser weg. der von
Wölfflin durch copjectur hergestellte anfang adolescens si te femmis
adornaveris von spnich 119^ kehrt buchstäblich in F wieder, da-
gegen hat die an sich nicht wahrscheinliche Streichung von ex der
bisherigen Überlieferung durch F an glaubhaftigkeit noch mehr ver-
loren, durch dessen Variante expetet vielmehr Haases conjectur expdas
eine stütze erhält; ebenso Haases fassung l>ene docet loqui qui hene
docet facere am schlusz des 2n Spruches durch die im cod. Paris.
6379 wiederkehrende lesung von F hene decet loqui, hene decet facere.
die lesart contempnere contempni von spruch 24, die sich in den besten
hss. findet , steht auch in der Freiberger , die somit Wölfflins Ver-
mutung contemne te contemni empfiehlt, auch sonst bietet F eine
reihe beachtenswerter lesarten. so 12 cunctos in secreto admonCy
pälam autem lauda ; 66 Ubidims initia timehis, si exitium cogüaveris]
74 magna res est vocis et silentii temper amentum\ 113 stuUtmi est
sompno deledari d mortem horrere cum sompnus assiduus mortis
ymago est, wobei das letzte est falsch für sit steht; 126^ vis videri
ah hominihus an non? 132 *" longa vita honis optahüis est-, 138 ^ acuit
animum intentio, frangit remissio.
Bemerkenswert ist femer, dasz F folgende stücke enthält, die
in den jüngeren hss. und in den drucken vor Schenkl und Wölfflin
144 EHiller: inBchrift Yon Metapontion.
sonst fehlen: 52 schlnsz, 78% 80% 119% 119^ teilweise, 132% 132%
sohlieszlich steht noch am ende des ganzen Über de maribus Yor der
der Freiberger hs. eigentümlichen ttberschrifb de virtutibtis von
nr. 144 und 145 folgender in den bisherigen ausgaben fehlende
Spruch: Cum iudkaveriHs amate, non cum amaverüis iudicate.
Freibero. Eduard Heydenrbich.
25.
INSCHRIFT VON METAPONTION.
Eine interessante alte inschrift von Metapontion , die vor zwei
Jahren aufgefunden worden ist, bespricht Comparetti in der ^rivista
di filologia' XI s. 1 ff. vier Seiten einer stele von terracotta tragen
die folgenden worte:
I Xatp€ Fdva£ 'HpdKXctc.
NiKÖ^axöc |ui' iiröet.
n 6 TOt KcpojLicuc ^' dv^OiiKC.
III bö£av ix€xv draOdv
IV böc b^ Fiv ävOpuiiroic.
so lautet die herstellung Comparettis , dessen erörternngen hier zu
wiederholen nicht in meiner absieht liegt, nur auf wenige punkte
möchte ich vorlSufig aufmerksam machen, einmal scheint es mir
im letzten verse geratener, mit Vermeidung der jedenfalls höchst
problematischen pronominalform Fiv zu schreiben böc b^ F' Iv dv-
GpidiroiG die hinznfügung der prftposition ist sicherlich das ange*
messenere, und dasz die arkadische und kjrprische form iv (vgl.
GMeyer griech. gramm. s. 34) in der uns nicht nfther bekannten
mundart, mit der wir es hier zu thun haben^ undenkbar sei, wird
sich nicht behaupten lassen, sodann scheint es mir, dasz die an-
ordnung von lU und IV schwerlich in der absieht des Urhebers der
verse gelegen hat; derselbe wollte wohl, mit natürlicher Wortstellung,
sagen: böc b^ F' iv ävOpibTrotc böSav ^x^^v draOäv. vermutlich
sollte das auf die formel xaipe FdvoE "HpöiKXcic folgende ein — frei-
lich in 6inem versfusze mangelhaft ausgefallenes — distichon sein
(vgl. Solon 13, 4). der metrische fehler liesze sich durch die annähme
erklftren, dasz bi vor TOt irrtümlich ausgelassen ist, also:
Xatpc Fdva{ 'HpäicXcic.
NiKÖfiaxöc ^' iiröci, ö <b^> toi K€pa^euc |i' äv^9iiK€*
böc b^ FMv dvOpibiroic böiav ix^w dtaOdv.
Halle. Eduard Hiller.
ERSTE ABTEILUNG
FUß CLASSISCHE PHILOLOGIE
HERAUSGEGEBEN VON ALFRED FlECKEISEN.
26.
ZU SOPHOKLES.
l)PhiIoktetes490
KdK€iGev oö fioi fiaKpöc elc GIttiv ctöXoc
Tpaxiviav t£ bcipdba Kai töv €Öpoov
Ctt€px€iöv IcTai.
zur herstellung der in unmetrischer form überlieferten werte sind
verschiedene versuche gemacht worden, so vonHeath, der rhythmisch
unschön ändert Tpaxiviav beipdba T€ (s. auch unten), und von Blay-
des, der einen unpassenden plural hereinbringt durch die ttnderung
Tpaxiviac T£ beipdbac töv t' eöpoov. schon früher hatte Toup
unter GHermanns beifall bcpdba vermutet, doch scheint es mir be-
denklich auszer im äuszersten notfall zur reconstruction einer wenn-
gleich nicht der analogien entbehrenden, so doch nirgends vorkom-
menden wortform seine Zuflucht zu nehmen, an ein glossem dachte
Wunder, indem er schrieb Tpaxiviov T€ irpujva, ebenso Wecklein,
der in der 4n aufläge der Wunderschen ausgäbe nach Meinekes Vor-
gang Tpaxiviav T£ CTTiXdba herstellte, so sehr diese Vermutungen
auf den ersten blick ansprechen, so schwindet doch ihre probabilität,
wenn man ihre bedeutung ins äuge faszt. denn beipdc 'bergrücken,
gebirgszug' deckt sich nicht recht mit TTpuiV ^gipfel, anhöhe' und
cmXdc ^fäsen im, am meere'. lange zeit hielt ich es für das ein-
fachste an ein stammverwandtes glossem zu denken und herzustellen :
Tpaxiviav b^piiv tc Kai töv eöpoov. zu b^piiv konnte sehr wohl
die bei dichtem unter den Wörtern desselben Stammes gewöhnlichere
bezeichnung für 'bergrücken', beipdba (bei Soph. noch Aias 697 eh.,
Ant. 832), übergeschrieben werden; sein späteres eindringen in den
text aber hatte die Umstellung des t£ zur notwendigen folge, dasz
aber bipr\ im sinne von beipdc seltener ist, beweist dasz es nur
Hesychios anführt — b^pa* uTrepßoXfi öpouc* ol bk Td cijud Tiüv
öpwv — ; ist doch auch bipr\ 'hals' nicht häufig: es findet sich Aisch.
JahrbQcher fQr cUsa. philol. 188S hft. 3. 10
146 JRenner: zu Sophokles.
Ag. 319 nnd Eur. Or. 41 im dialog und in der form bipa in einigen
melischen stellen, weshalb ich oben auch b^pr]V gesetzt habe, allein
abgesehen davon dasz es mir nicht gelungen ist ein ähnliches hyper-
baton von T€ ausfindig zu machen (denn OT. 541. OK. 452. Phil.
1412 sowie die citate bei Kühner gr. gr. IE' s. 789 anm. 5 sind an-
derer art), entstünde hier eine Zweideutigkeit, da TpaxivCav auch
auf OiTT]V bezogen werden könnte, daher ziehe ich vor zu schrei-
ben: Tpaxiviov T€ ßaxCav töv t' eCpoov. infolge der fthnlichkeit
der Silbengruppen TPAX^vlAN und TePAXIAN konnte die letztere
leicht übergangen werden und dann die glosse bcipdba mit ver-
tauschung des t€ durch Kai in den text geraten, ^axia ^steiler berg-
rücken' findet sich Soph. fr. 934 Ddf. (EM. s. 702, 54 vgl. Gud.
s. 491, 3 napä Tip Coq)OKX€t ßaxta X^T^xai f) toC öpouc), auch
Agathias bist. s. 124 D. KpOToGci Tf)c fixpac ^X^o^i Leon Diak.
8. 166, 17 Aißdvou ßaxia.
2) Phil. 639 £f. nachdem Neoptolemos Philoktets aufforderung
jetzt mit ihm zu schiffe zu gehen das bedenken entgegengestellt, dasz
gerade conträrer wind wehe , und dieser dasselbe zu widerlegen ge-
sucht mit den Worten &e\ xaXöc nXcCc lcQ\ ötov q>€Üin]C Kaxd, er-
widert ersterer 642:
oÖK dXXd KdK€ivoici TaCr" ^vavria.
dasz weder mit Schneidewin o(hc dXXd im sinne von 'gewis doch,
sicherlich', noch mit GHermann, dem Wunder folgte, der satz als
frage und dXXd in sinne von 'doch' ('sind denn nicht doch auch
jenen diese winde hinderlich?') genommen werden darf, hat Bonitz
'beitrttge zur erklftrung des Sophokles' (sitzungsber. der phil.-hist.
cl. der Wiener akad. der wiss. bd. XVU) s. 420 ff. nnwiderleglidi
nachgewiesen, und anch der jüngste versuch die vulgata zu schützen
kann nicht als geglückt angesehen werden. Wecklein setzt nemlich
in der neuen aufläge der Wunderschen ausgäbe ein komma nach
ouK und erklSrt: ou bidiKOuci C€, dXXd Kai ^KCivoic rd 7rv€U|uiaTa
^vavTta icii. dem ist entgegenzuhalten, dasz logischerweise oÖK
sich nicht auf den nebensatz , sondern nur auf die ganze periode zu-
rückbeziehen kann, was natürlich dem sinne nicht entspricht; so-
dann erwartet man statt dXXd ein tdp. hieraus folgt dasz die stelle
corrupt ist und einer heilung bedarf, eine solche fand Döderlein,
der olb'* dXXd, Meineke, der ouk dpa — ; und MSejffert, der, unter
vergleichung von Trach. 600 dXX' aurd br) coi TaCra Kai irpdccui,
OUK auTd — ; conjicierte. am einÜEhchsten und passendsten scheint
die conjectur Döderleins, am wenigsten gelungen die Sejfferts, bei
der man eine Zustimmung vermiszt. wohl aber nehme ich bei allen
änderungsvorschlägen noch an dem unangetastet gebliebenen TOOra
anstosz: denn dessen bedehung ist unklar, da 641 Koxd vorausgeht,
und nicht concinn, da es doch 639 heiszt vGv fäp dvnocTaTei
(TTveCfia) und im folgenden wieder 643 oök Icn XijCTaTc irv€0|ui'
IvaVTioufiCVOV. ich halte daher für die ursprüngliche lesart:
olb*' dXXd KdKcivoici toCt" ivavriov.
JRenner: zu Sophokles. 147
das Kai dient gewissermaszen der engem corresponsion mit dem vor-
schwebenden correlativen gliede Acircp kqi f)fitv : vgl. Xen. Hell. I
7, 13 Kai dnl toutoic cIttövtoc Aukickou Kai toutouc T^aÖT^
i|iil<puj Kpiv€c8at ^Ttep Kai touc crpaiiiTOtic. ^vavria kam in die
hss. entweder durch einflusz des voraufgehenden KaKd oder durch
misverstttndnis des abschreibers, der Tairr^ als raCra faszte und
demgemttsz dvavriov Kndem zu mttssen glaubte, so brauchen wir
nicht mit Bergk eine lücke vor 642 zu constatieren.
3) Phil. 660 f. Kai |Lif|V dpiö t€, töv b' fpiüO* oötwc ixw
cl fiot B^fiic, 9dXoi|i' äv* €i bk. }if\^ näpec.
die überlieferten worte behalten Wunder- Wecklein bei und erklären
näpec mit 'praetermitte, neglege (desiderium meum)' unter ver-
gleichung von OK. 363 rd fi^v TraGi^^od' äTraOov . . Trapetc' ^dcui.
dies würde man billigen müssen, wenn auch bei dem ersten der
parallelen glieder, B^Xoiji ' fiv, ^purra oder vielmehr töv i^öv ^purra
zu ergänzen wäre, doch dies ist absolut unmöglich , hier musz man
vielmehr, wie Nauck richtig bemerkt, hinzudenken ßacrdcai rd
TÖSa. Trdp€C aber in der bedeutung 'gestatten, erlauben' wie zb.
El. 1482 zu nehmen und dazu ßacrdcai rd TÖSa zu ergänzen ver-
bietet der daraus entstehende unsinn. sonach können die worte
nicht für intact gelten. Nauck im anhang vermutet ei b^ jüiV), od
Qi\w und vorher , wie es scheint, mit Beiske cl ji^v G^fiic. natür-
licher scheint es mir jedoch , wenn man einen emendationsweg ein-
schlägt, der sich an irdpcc anschlieszt, da diqses als glossem nicht
verständlich ist. ich vermute daher €T )iOt B^fiic, B^XuiV dv* ci b^
|iif|, irapeic, letzteres im sinne von praetermüüns, neglegens^ so dasz
in beiden gliedern zu ergänzen ist ßacrdcai tö töSov. die corruptel
würde hiemach von napelc ausgegangen sein, nach dessen Über-
gang in irdpcc aber das nicht mehr haltbare particip O^Xuuv er-
griffen haben, was die construction betrifft, so vgl. Plat. Phaidon
59* TTdVTCC Ol 7TapdVT€C CX€bÖV Tl OÖTUI bt€K€i|i€6ay ÖTfe jifev
T€XuJVT€C, £vioT€ bk baKp\}ovT€C USW. Und Nauck zu Soph. El. 82.
Phil. 164 und Kühner gr. gr. 11' s. 624. der aorist an zweiter stelle
hatte mich anfangs auf die conjectur Qvxiirv geführt, wobei das ge-
meinschaftliche object der blosze seit 654 immer in rede stehende
bogen sein würde; allein die qualität der beiden handlungen läszt
sich ungezwungen als verschieden auffassen, O^Xujv mehr durativ,
irapcCc factisch oder ingressiv.
4) Phil. 667 8dpc€i, irap^crai raOrd coi Kai eiTT<iv€iv
Kai bdvTi boCvai KdgcirciiEacOat ßpoTi&v
dp€Tf)c iKaTi Tujvb' ^mipaOcai jiövov.
in diesen werten stört 1) das präsens GiTT<iv€iv, wofür man 'parallel
dem boCvai und iierceviacBax den aorist erwarten sollte' (Nauck) ;
2) das überflüssige TaGra, das man mit Nauck als nominativ zu
irap^crai ziehen musz, während wir den genitiv dieses. oder des
Pronomens auTÖc bei 6iTT<iv€iv erwarten würden; 3) das zurück-
geben des bogens, 'das nicht als ein Vorrecht, sondern lediglich als
10*
148 JRenner: zu Sophokles.
eine pflicht des Neoptolemos bezeiehnet werden kann' (Nauck):
denn die hjpotaktisdie geltung des Kai in der mitte von zwei an-
deren, die Wunder- Wecklein mit SchSfer hineinlegen, wenn sie über-
setzen 'licet tibi haec arma oontrectare, sie tarnen ut ea mihi redda8%
kann niemand erraten. 4) boövai, das hier nach dem schol. die be-
deutung von äTCoboCvai haben solL Wunder- Wecklein vergleichen
774 f. 8dpc£i TTpovoloc e!v€K'* oä boOrjcerai irXfjv coi tc xdfiot,
nicht mit recht, denn diese werte können t wie es bei Nauck heiszt,
nur bedeuten: 'so viel an mir ist, soll der bogen nur uns beiden in
die bände gegeben werden.' auch ein ausdruck wie etwa Aias 1134
jiicoGvT' d^ic€l dürfte kein tadelloses analogen bieten, da ja hier
von einer pflicht den hasz zu vergelten nicht die rede ist. 5) die
zwischen Kai GtTT<iveiv Kai bdvTi boOvai und Kd£€TTeu£acOai ßpo-
TUüV dp€Tf]C ^Kan rdlvb' iirtiiiaöcai ^övov bestehende tautologie.
zwar bemerkt Buttmann wohl richtig: Werbum 8iTT<iv€iv non solum
contredare, sed comprehenderef inmanum sumere significat; quod
patet vel ex eo quod sequitur Kai bövTi boCvai et ex cdiis exemplis' ;
doch würde der unterschied, hier zur geltung gebracht , nicht am
rechten platze sein, da dann, wenn der umfassendere ausdruck
8iTT<Siveiv vorausgeht, ^inqiaOcai gerade in Verbindung mit dScireO-
^acQat zu matt erscheint und schief. 6) schlieszlich sei bemerkt
dasz, nachdem Neoptolemos bereits kurz zuvor 656 f. mit ausführ-
lichen , durch das überwallende gefühl der bewunderung ihm ein-
gegebenen Worten das berühren des bogens besprochen: dp' £cTtv
äcT£ Kdrnj6€v O^ov Xaßciv , Kai ßacTikai ^e irpocKiJcai 6 ' i&circp
8€Öv; und ihm Philokietes darauf geantwortet: coit'« ^ t^kvov,
Kai TOUTO KäXXo T&v £^£rv öiroiov av coi £u|iq)^g T€vr)C€Tai, eine
Wiederholung derselben sache vom übel ist, dagegen ganz passend
ein ausdruck wie irap^CTai coi ^citeuSacGai • . TUivb' ^Triipaöcou.
dasz aber dmi|iaöcai ein hinreichend starker ausdruck ist, das kann
man ersehen aus OK. 328 TTpöcipaucov , (L troi. IT Gitravui buoiv
6^oC. würde man auch vielleicht durch eine ttnderung von bövn
boCvai den sinn der stelle etwas heben können, alle bedenken lassen
sich gewis nicht in überzeugender weise dadurch beseitigen, und
so bleibt als ultima ratio nur die annähme einer Interpolation übrig :
Kai GiTT<iv€iv Kai bövrt boCvat wird nach dem gesagten als glossem
zu diTii|iaöcai zu fassen sein, beigescbrieben von einem, der sich ge-
mUszigt fand genauer zu erklären, worin das dTTiipaueiv nur bestehen
könne, raura und Kai dienten später als flickwörter, um die werte
einzureihen, gewis vermiszt man in dieser fassung der stelle
8^c€i , irap^crai coi äcircuEacGoi ßpOTuiv
dp€Tf)c ^Kari Tuivb' £mi|Kxöcai fiövov
nichts^ was die Situation erforderte.^
' hr. rector Erler teilte mir mit, dasz er geneigt sei vor Odpcei den
ausfall ^ines oder mehrerer verse des Neoptolemos anzanehmen (vgl. zb.
El. 322. 14S6. Phil. 774. 810. OT. 1062. OK. 726 asw.). selbst unter auf-
recbterhaltoog meines Vorschlags gebe ich die mögUchkeit zu.
JRenner: zu Sophokles. 149
5) Phil. 691 W aÖTÖc fjv irpöcoupoc, oök ^x^v ßdciv,
oöb^ Tiv' dTX^pujv KoncoTciTova,
nap' tp CTÖvov dvTi-njuTOV ßapußpurr' äirOKXau-
C€l€V al|iaTT]pöv •
hierin ist irpöcoupoc eine wahre cruz interpretum. der scholiast
bemerkt daza: önou aCrröc jiövoc imö dve'jiwv ßaXXöjiCVOC, npöc
fiv€)Liov TCTpQfifi^voc fjv, und GHermann, doch wohl von dieser
ziemlich verworrenen glosse beeinfluszt : 4n quem locum ipse quasi
secundo vento venerat. quod sie est intellegendum, miserrimam illum
vitam sustinuisse eo in loco^ ad quem ipse fortuna &vente enisus
esset', so dasz man es also als mit 6 oOpoc zusammengesetzt anzu-
sehen hStte (vgl. Inoupoc Trach. 954 dh. ofipuj ^TreiTOUca), da ihn
es nach Bruncks vorgange mit 6 oOpoc, für 6 öpoc, zusammen-
zubringen der ionismus abhielt, doch einesteils könnte man sich
den ausdruck nur gefallen lassen, wenn Phil, an eine statte des
glflckes gelangt wäre, während doch im folgenden nur von unglück
die rede ist und an die schlieszliche glückliche Wendung seines ge-
schickes schon hier zu denken der ganze Zusammenhang verbietet;
sodann ist bei dieser erklärnng das nackte (ouk ^X^v) ßdciv zu
stark , da Phil, ja nach schmerzstillenden kräutem und auf die jagd
nach wildpret wenn auch nur schleichend geht, was Bruncks er-
klärnng betrifPt; , so ist allerdings der sprachliche einwand , den
Hermann dagegen erhob, hinfällig, da uns bei Aischylos Ag. 478
guvoupoc entgegentritt, anfuhren läszt sich noch dTXOpoc ^TX^i^-
poc bei Hesjchios : denn öfioupoc kommt nur bei Herodot vor. was
aber nun die bedeutung ^angrenzend, benachbart' anlangt (vgl.
Herod. III 97 AlGiOKCC o\ Tipocoupoi AItötttui. Xen. Kyr. VI 1, 17),
so würde man den sonderbaren sinn erhalten: 'wo er selbst, in
eigner person ein nachbar war.' denn wenn man es mit Wunder
für möglich hält, axnöc f\v npöcoupoc könne hier bedeuten: 'ubi
ipse ('sibi' in parenthese dazu) erat vicinus', stehe also gleichsam
für auTOirpöcoupoc, da iaxn(^ dem sinne nach in auTÖc enthalten
sei, auTÖc ^aurqj trpöcoupoc fjv, so überträgt man fälschlich die
eigentümlichkeit von aÖTÖc neben dem reflexiv in den nominativ
anstatt in den casus obl. zu treten, aus dem vollen satze auf das
compositum — das nicht determinativ wie zb. aÖTCndTT^XTCC ^selbst-
gemeldet, sich von selbst anbietend', sondern attributiv zu fassen
wäre, wie aÖTÖX€ip, auidTT^Xoc, worin das pron. die reflexive be-
ziehung durch das nomen erhält, an das sich das adjectiv schlieszt,
=* Tfjv auToO X€^P<x f Xüiv , aÖTÖv äTTcXov fx^^v — um von dort
aus einen noch ungerechtfertigteren schlusz für die weglassung des
reflexivbegriffes auf den hauptsatz einer singulären stelle machen
zu können, auch bliebe so das bedenken wegen oö ßdciv Ixvjv
bestehen. *
So sind wir, da npöcoupoc sich auf keine weise dem sinne
fügen will, auf eine textesänderung hingewiesen, conjecturen aber
wie die von Meineke \v* aÖTÖc o\ rrpöcoupoc, oder die eigentüm-
150 JRenner: zu Sophokles.
liehe Yon Blaydes oiKOupöc, oder die von Oberdick ouk ^x^v Kaciv
können f(ir uns nach obiger erörterung als abgethan gelten; zu der
letzten ist auszerdem zu bemerken, dasz ein auf ein eiland aus-
gesetzter doch nicht erwarten kann daselbst einen bruder zu finden,
zumal wenn von einem solchen sonst nichts bekannt ist. wir müssen
uns also an irpöcoupoc selbst machen und dem ßdciv ein attribut
verschaffen, die kleine ttnderung des c in v aber (die wohl schon
Bothe vorgenommen) könnte nur den sinn entstehen lassen *er hatte
keinen benachbarten tritt, dh. er hatte keinen nachbar', vgl. 174
ixr\bk g\3vTpoq)OV 6|i|ui' ^X^v, Aias 977 (b £üvai)iOV ö^x^^ iiioi — ,
was ja wieder mit dem folgenden tautologisch wäre, denn dasz darin
nicht liegen kann *er hatte nicht die möglichkeit indienachbar-
schaft zu gehen' ist mir unzweifelhaft dasz ßdciv aber nur *die
möglichkeit zu gehen' bedeuten kann, ist nach dem gesagten klar,
das adjectiv musz demnach eine ränmliche bestimmung dazu gefügt
haben, wie 'weit, fem, in die ferne', darauf weist offenbar das fol-
gende hin : denn als nShere erklttnmg oder begründung der völligen
Vereinsamung tv' auTÖc (dh. fiövoc) f\y müssen die beiden durch
^X^iV angereihten glieder unter einander in Wechselbeziehung ge-
standen haben : er konnte nicht weit gehen, anderseits (würde ihm
dies auch nichts genützt haben:) würde er auf der wüsten insel
keinen Unglücksgefährten getroffen haben, man könnte an ttiX^-
TTOpov Veit gehend, sich erstreckend' (vgl. Ant. 970 fivTpov) den-
ken; doch noch näher liegt TriXoupöv 'fem, entfernt' (tt)Xou-
pöc bei Aisch., Eur., Apoll. Bh., vgl. fiTTOupoc OT. 193, beide von
WZ. op): dies wollte ein glossator erklären durch Trpdc oOpov, in-
dem er es mit ionischem ofipoc für öpoc zusammenbrachte, die
glosse zum compositum zusammengeschmolzen verdrängte sodann
das echte wort; sobald endlich einer auTÖc im sinne von ipse nahm,
muste das endungs-v dem c weichen, noch einfacher ist indes viel-
leicht die annähme einer glosse irpöc oOpoc (für tö öpoc).
In den folgenden Worten erregt noch KaKOT€iTU)V anstosz. denn
dies kann man schwerlich als 'unglücksgefährte', sondern nach ana-
logie ähnlicher substantivischer composita nur lüs 'schlechter nach-
bar' fassen ; anderseits läszt es sich ebensowenig gerade in diesem
zusammenhange zu CTÖvov passend beziehen, zumal dieser der eignen
'brüst' entströmt, daher kann icaKO nicht ursprüngliche lesart sein,
als solche vermute ich AAB€ oder K1X€, von denen jedoch das zweite
den Vorzug verdient, wie häufig ist aus dem participium, hier £x^V,
in das verbum finitum übergegangen!
6) Phil. 762 ßouXci Xc^ujfiai b^ta Kai GiTU) Tt cou;
musz es schon an und für sich verdacht einflöszen, wenn ein wort,, zu-
mal eine für den Zusammenhang nicht unbedingt notwendige partikel,
in kurzen Zwischenräumen wiederkehrt, so erhält dieser verdacht ge-
wis eine bedeutende stütze, wenn eine massgebende hs. gerade hier
das eine mal eine lücke zeigt, diesen fall haben wir vor uns. bf\Ta
(erst 757 dagewesen: ri bf\xa bpäcuj;) kehrt 761 — 63 dreimal wie-
JRenner: zu Sophokles. 151
der: (Neopt.) bucTiiV€ bf)Ta b\ä itövujv irdvTUJV (paveic. ßouXct
Xdßuiiiai öfita Kttl Oitui ti cou; (Phil.) |Lif| öf|Ta toOtö t'. 762 ist
aber das wort im La. erst von zweiter hand hinzugeschrieben, parallel-
stellen zur Stützung desselben anzuführen ist verlorene mtüie, wie
evident zeigt Eur. Or. 217 ßouXei OiTU) cou KdvaKOuq)icui b€)Liac;
zwei versuche sind gemacht worden das bf\Ta zu beseitigen, der eine
von Nauck im anhang: dieser zieht die vier verse 762 — 65 in drei
zusammen ; indes die kflhnheit dieses Verfahrens drängt uns zunächst
die frage nach einer einfachem remedur auf. letztere bietet sich uns
dar in BMoUweides conjectur: ßouXei Xdßui Td TÖSa Kai OiTui ti
cou; wie wenig glauben dieselbe aber verdient, lehren uns gleich
die folgenden werte des Philoktetes: |if| bf)Ta toCtö t'* dXXd jioi
xd TÖH* iXdjv Tdb', d&CTTCp tfJTOu ji' dpriujc, ?u)C dv§ tö nf\iia . .
cvjiV aurd Kai q)uXacc€, welche unwiderleglich darthun dasz Neopto-
lemos nur vom anrühren oder anfassen des von seinem leiden be-
fallenen Philoktetes , nicht aber auch von dem ^bogen' gesprochen
hat: denn erstens bedingt toCtö t' nur die erwähnung 6iner sache;
zweitens passt fJTOu nicht zu einem ^anerbieten' den bogen zu er-
greifen : dieses kann nur gehen auf Neoptolemos werte 656 f. dp '
IcTiv AcT€ KdTTuOev 6^av XaßeTv, Kai ßacTdcai iie rrpocKucai 9'
ficncp Ocöv; und 660 f. Kai |if|v dpö T€, töv b* fpwG' oötujc fxw
€1 fioi G^fiic, GAoifi' dv* €i bk )Lir), irdpec. ich meinesteils mOchte
vermuten dasz ursprünglich im texte standx ßouXei Xdßujfiai T^be
Kai GiTUi Ti cou; zum ausdruck *soll ich oier anfassen — ?' vgl.
Trach. 1025 T^bi )li€ T^bi jie irpöcXaße KOuq){cac. durch die Schrei-
bung T$b€ für TTJibe mochte zunächst der ausfall von TAI herbei-
geführt werden , der bei der dreimaligen Wiederkehr desselben
diphthqpgen MAlTAIbeKAI leicht begreiflich ist; die entstandene
lUcke dann mit bfyta auszufüllen legte 757 ti bfyta bpdcui; nahe.
7) Phil. 1106 dvOdb' öXoCjbUXi, aiai, aiai, ou q)opßdv Iti npoc-
q)^pujv, ou nTavujv dir' £)liuiv öttXujv Kporraiatc |ui€Td x^pclv icxu)v.
als object zu ou KTavujv . . Icxtuv ergänzen Wunder- Wecklein (pop-
ßdv aus den vorhergehenden Worten und nehmen zwei parallele glie-
der an. doch bei dieser erklärung ist das erste dem zweiten gliede
gegenüber zu unbestimmt, dem gegensatze zufolge könnten dort
nur fruchte der erde gemeint sein, dies stünde aber in directem
widersprach mit Philoktetes eignen werten, der 287 sagt: tciCTpl
}ikv Td cu|Li<popa TÖEov TÖb' dgiiüpiCK€, Tdc uTioTiT^pouc ßdXXov
ireXcidc, sonst aber keine weitere nahrung erwähnt, ebenso 954 dXX'
aöavoCfiat Tt^b* iv auXiip fiövoc, ou tttiivöv 6pvtv oub^ 6fip'
dpeißdTiiv TÖSoic dvaipuiV T0icib\ 708 ff. aber, die man citiert,
können für unsere stelle nichts beweisen: oö q)Opßdv Updctdc
CTTÖpov, gOk dXXiüV aipuiv, Tqj V€)liÖ)li€c9' dv^pec dX(pr)CTai, nXfiv
ii d)KußöXu)v cT TTOTe TÖSujV TTTavoic lote dvuccie TOccTpl (popßdv,
da ja dort anfangs der chor nennt was Phil, überhaupt nicht
hat, hier dagegen Phil, davon spricht, was er nicht mehr hat nach
Verlust des bogens. die erde gewährt ihm nur schmerzstillende
152 JRenner: va. Sophokles.
kräuter 697 ff. sodann aber bilden irpocqp^piuv nnd Icxuiv keinen
richtigen gegensatz, insofern das herzutragen dem Phil, doch anch
bei der Jagdbeute nicht erspart bleibt, da Nauck nur letztem an-
stosz beseitigt dadurch dasz er Kpataiaic |i. X- tcxuiv sc. t& i\idi
önXa als nlübere bestimmung zu &n* ^jidiv öirXuiv und Trpocq)^pu)V
zu beiden gliedern zieht, so können wir auch hierbei keine beruhi'
gung fassen, ebensowenig darf an eine Subordination des zweiten
gliedes gedacht werden, da die anaphorische Stellung des oO auf
coordination hinweist (dann mttste es wenigstens heiszen <popßäv
oÖK^Ti TTpocq)^puiv). aus diesen gründen wohl schlug Bergk vor
€uiTTdvu)V. dasz das compos. mit cd sich sonst nicht findet, will
nicht viel besagen; eher möchte das durch cd verstärkte epithetoft
für den bogen zu sinnlich erscheinen: denn erst bei späteren findet
sich eÖTTTCpoc iöc (Opp. anth.), qmp^rpa (Bion), dagegen Phil. 711
iTTavoic loic. dies veranlaszt mich auf Bergks conjectur weiter-
bauend vorzuschlagen irravuibuiv. das wort findet sich bei Niketa»
Choniates s. 396^ metonymisch (iTTav(()b€Ci Kai KoOcpoic &vbpäciv)»
8) Trachiniai 196 f. als DeYaneira den äTfcXoc fragt^ wes-
halb Lichas mit der botschaft säume, antwortet er ihr, dasz derselbe
auf seinem wege durch das neugierige volk der Melier aufgehalten
werde, was er mit dem allgemeinen gedanken begründet:
TÖ T^p iro^Ov SKacTOc ^K^aOcTv G^Xujv
OUK fiv |Ul€0€iTO, TTplv KttO* f|bOVf|V kXu€IV.
'denn jeder, der ersehntes erfahren will, ruht nicht eher, als bis er
es nach wünsch vernommen.' so glaubte man früher, zb. Wunder^
mit dem scholiasten, der tö itoOoCv für tö ito6ou)li€VOV gesagt sein
läszt, übersetzen zu können, dasz jetzt freilich niemand mehr die-
sem grammatischen kunststück glauben beimessen wird, darf ala
selbstverständlich gelten, auch Hermanns erklärung von tö ttgOoCv
mit 6 TToGdfV X€(()C, *nam quod plenum est desiderii, unoquoque
rem cognoscere cupiente, non facile prius desistat quam ex animi
sententia audierit', wonach SKacTOC . . O^Xuiv zu tö ttoBgCv par-
titive apposition wäre, wird man schwerlich beizupflichten sich ent-
schlieszen : denn beide ausdrücke sind generell und somit tautologisch.
Nauck, der im anfang (schon früher Eur. Studien 11 s. 156) TOt
T^p TrapövB' und iroOuiv schreiben will, hat übersehen dasz das,
was Lichas verkündet oder verkünden will, unmöglich mit
Td napöVTa bezeichnet werden kann, dies hätte nur sinn, wenn
der gegenständ der wiszbegier des Volkes selbst zugegen wäre»
Wecklein 'ars Soph. emend.' s. 26 schlug vor, indem er Ikqctoc als
comimpiert aus r\ irac Tic annahm: 8 top ito6(£)V fjv irdc Tic^
^KfiaOeiv O^XuJV usw. unter vergleichung von Aias 28 ixeCvifJ itöc Tic
alTiav v^^€l , El. 984 irfic Tic äcpei ßpoTÜJV * doch iroBuiv fiv ist
hier nicht zu rechtfertigen, da mit oOk &v ficOciTO sich nur ein prä-
sens vertragen will, aber dasz der fehler nicht allein in iroOouv liege,
dies erkannt zu haben ist Weckleins verdienst, indem ich dieses
JBenner: za Sophokles. 153
€Öpr)iLia dankbar benutze, Sndere ich, um jenen anstoez zu beseitigen
und wieder eine allgemeine sentenz zu gewinnen: tö t^P ttoBcivöv
TT.fi c TIC ^KfiaBetv usw. und nehme an dasz noGoCv aus iroOeivöv
yerschrieben ward und sodann die änderung von rrfic Tic in IxacTOC
dem unmetrisch gewordenen verse wieder aufhelfen sollte, die obige
glosse begleitete ursprünglich vielleicht den richtigen text.
9) Trach. 901 Ka\ iraib* i\ aöXaic clbe KOiXa b^^ivia
CTopvuvG '.
als alte Variante ist KOivä Überliefert für KOtXa. dieses erklärte Her-
mann: *lecti cavi, culcita funibus laxioribus imposita, quo moUius
reoubet aegrotus', also gleichbedeutend mit fiaXaKd, andere nehmen
die bedeutung 'geräumig' an — beide ohne die möglichkeit eines so
singulftren bedeutungswandels des grundbegrifies 'hohl' erhärtet zu
haben, die Variante KOivd aber und ihre geistreiche erklärung durch
den scholiasten: KOivd' 1^ Tä ToC OavdTOu, 1^ t& auifjc kqi toö
'HpaxX^ouc ('sie BBr; ex aliis toG qutoG Elmsl.') kann ernstlich
kaum in frage kommen, da nicht nur diejenigen genannt sein mttsten,
denen die b^jivta gemeinsam sein sollen, sondern auch das epitheton
zur Situation — dem todwunden und seine gattin verwünschenden
Herakles wird ein lager bereitet , damit er da ende — wie die faust
aufs äuge passt. das richtige schwebte schon Nauck vor, wenn er
erwartete b€|iviuiv X^XH* ^^ genauerer betrachtung der buchstaben-
form scheint mir KOtXa aus dem subst. koitiic corrumpiert. der
flüchtige abschreiber hatte bereits b^jiVia vor äugen und schrieb
KOiTa, woraus dann später KOiXa und koivöi restauriert ward, ersteres
mit etwas mehr glück und verstand, zum ausdruck KoiTT]C ^^^via
vergleiche man Phil. 159 oTkov 7T€Tp(viic ko(tt]C.
10) Aias 1310ff,
inei KttXÖV JLIOI TOOb' UTTCpTrOVOUILl^VUi
6av€iv TTpdb/jXuic jiifiXXov i^ Tflc cfjc mkp
TuvaiKÖc f\ ToO coO 8' 6|ia{|Liovoc \4rf[X).
so die Überlieferung, nur dasz La. noch bietet TP* (iiTr€p)TTOVOU-
fi^vouc (und in Lb. ouc übergeschrieben ist). önepTTOVOUfidvifi
OaveTv npobrjXuiC wird auszerdem von Suidas u. Trpobr)Xu)C citiert.
wenn man die worte liest, bleibt man zunächst hängen bei rrpo-
bfjXujc. dessen erklärung in den schollen durch XafiTTpAc, ävbpciwc
kann höchstens darauf anspruch machen , den sinn im allgemeinen
wiederzugeben, auch die neueren interpreten befriedigen nicht, von
ihnen übersetzt Wolff 'vor äugen des ganzen heeres' und MSeyffert
«in acie mori, vel quod dicunt, ^k napaTdEcuJC», unter vergleichung
von Dem. Phil. HI s. 123. verträgt sich doch diese bedeutung nicht
mit dem zusammenhange, wollen die Atreiden des Aias begräbnis
hindern und Teukros, Tekmessa, Eurysakes von dem leichnam, bei
dem sie jetzt idlein weilen, wegtreiben, so werden sie nicht das
ganze beer, sondern höchstens einige krieger aufbieten.- dasz der
verwandte ausdruck irpö^Xoc GdvaTOC sich bei Dionysios anth.
154 JRenner: zu Sophokleiß.
X 552 und Zosimos III 716 ed. pr. findet, kann uns nicht zu einer
sinnwidrigen erklärung bestimmen. Nauok hat meines Wissens zu-
erst zweifei an der Überlieferung erhoben, von seinen beiden Ter-
mutungen, dasz TtpobifjXujc verschrieben oder an eine unrichtige
stelle geraten sei, verdient die letztere, wenn sie sich leicht bewerk-
stelligen läszt, in höherm masze unsere Zustimmung, prüfen wir
freilich die von ihm im anhang vorgeschlagene Umstellung: ^irci
TTpobrjXuiC ToCb' iJTT€pTrovou)Li^vif) 6av€tv KaXöv fiot luifiXXov
usw., so will die Stellung des 8av€iv zwischen den getrennten werten
U7T€pTT0V0U^^Vi() uud fioi nicht passend erscheinen, eher liesze ich
mir die entgegengesetzte Stellung der zwei dative gefallen; und ist
mit einem TrpobrjXuiC ÖTT€piT0V€Tc9ai viel gewonnen? daher ver-
mute ich Nauck auf dem von ihm gezeigten wege folgend:
inA 8av€iv ^ol toöö* unepTTOVOuii^viii
KaXöv TTpobf)Xu)C fiäXXov f\ usw.
^denn offenbar ruhmvoller ist es' usw. zu TTpob^iXuic in diesem sinne
vgl. auch Pollux VI 207.
Richten wir unsere aufmerksamkeit auf die folgenden werte,
dasz diese vOllig intact seien, kann niemandem mehr beikommen zu
behaupten : alle hgg. haben zum mindesten die Stellung der copula
6' in den Worten i) TOO coG 9' 6|iai|uiOVOC XifiX) als fehlerhaft be-
zeichnen müssen, seit Erfurdt unter Hermanns Zustimmung Bruncks
Übersetzung 'aut tui etiam fratris' als ungrammatisch zurückgewie-
sen hat. die ersten änderungen des textes haben alle nur diesen
übelstand im äuge und schlieszen sich möglichst eng an die Über-
lieferung an. ob dabei beruhigung zu fassen sei, wird eine prüfung
der gewonnenen textoonstituierung zeigen, je nach der art der letz-
tem erwähnt Teukros in seinen werten zwei oder drei personen.
So zwei personen, Elytaimnestra und Helene, nach Hermanns
(und Bothes in ed. pr., während er später coO b' vermutete) erster
änderung f| ToC coO t' • • X^TU)» der auch Lobeck im commentar
folgte und sie mit Bruncks werten erläuterte: 'haesitatio illa et
simulata ignorantia utrius uxor causa sit belli, irati et contemnentis
est.' etwas ähnliches scheint auch Eustathios s. 754, 21 gelesen zu
haben, wenn er sagt: dvieuOev (I 327) 6 Coq)OKXf)C ficOobcuBclc
TTOieT TÖv TeÖKpov X^cvta tuj *Ato^a€|livovi, öti 6 A!ac bid Tf|v
aiiToO TwvaiKa iv Tpoiqi d^äx€TO , laöröv ti XoTlcd^€VOC tö öia
Tf)v auToC Kai tö bid Tf|V toO MeveXdou toC dbeXq)0ö. fragen wir
uns aber , was für ein höherer grad von zem und Verachtung darin
liegen kann, wenn Teukros an erster stelle Agamemnens gattin und
erst an zweiter in zögernder frage die Helene nennt, so wird man
schwerlich darauf eine genügende antwort erhalten, doch nur wenn
beide Tyndaridinnen gleichmäszig als Ursache des troischen krieges
in betracht kämen , würde ein höhn darin liegen , dasz Teukros nur
Klytaimnestra nennte, dagegen bedenken trüge die anrüchige Helene
in den mund zu nehmen, in Wahrheit aber kann ja überhaupt Elyt.
gar nicht in frage kommen , und was Itit eine sonderbare prttderie
JEenner: zu Sophokles. 155
wäre jene haesitatio , nachdem Aias offenkundig so viele jähre hin-
durch vor Troja um das geraubte weib gekämpft! auch wäre ein
solcher höhn viel bosser an Menelaos adresse gerichtet worden, den
Agamemnon kann er wenig rühren, ja zu ihm gesprochen kommen
die Worte fast einer schmeichele! gleich, wenn vollends Hermann
recht gehabt hätte damit dasz er sagte: 'nam pariter ut Achilles
otiam Teucer ira commotos ambo Atridas comprehendit indecorum
sibi esse dicens pro eorum uxoribus pugnare, magis autem pro uzore
Menelai , qui ne summus quidem dux sit exercitus', so würde Teu-
kros seinen höhn auf etwas rein äuszerliches richten, wofür der ge-
troffene nichts kann, während er gerade dessen besonders stoff zum
angriff bietende blösze, sein ehebrecherisches weib, übergienge.
Wenn MSejffert im anschlusz an Hermanns conjectur X^t^ so-
dann in X^x^^c änderte, so kann dies unsere bedenken gegen den
sinn nicht heben, noch weniger wenn Bothe an Klyt. und Menelaos
dachte, ebenso Dindorf, der emendiert f{ ToO coO Suvai^ovoc.
Drei personen dagegen, Elytainmestra, Agamemnon, Menelaos,
kommen in den text durch Hermanns spätere änderung i) c oO coO 0 ^
(Bergk in der folge dafür toö 6') 'an pro te et fratre tuo dicam?',
welcher auch Wolff in seiner dritten ausgäbe folgte, nur dasz dieser,
offenbar überzeugt von der thatsächlichen unthunlichkeit Tf]C cf)C
YUVaiKÖc auf Elyt. zu beziehen, sie als 'geringschätzige' bezeichnung
der Helene auffaszte , indem er erklärte : 'um das weib , um das du
kämpfst und ganz Griechenland zum kriege gerufen hast' dies halte
ich aber aus doppeltem gründe für unmöglich : erstens weil Ag. selbst
ein weib hat, an das jeder sprachgemäsz denken musz, mithin, sollte
das pron. cöc hier nicht sowohl das eigentum bezeichnen als das
womit Ag. nur in beziehung steht, das nomen pr. '€X^vr)C zu setzen
gewesen wäre, wie in der von Wolff citierten stelle Enr. fr. 721 wo
Telephos zu Ag. (oder Menelaos?) sagt oök diroXoöjiai Tf]C cfic
*€X£vr]C o\JV€Ka; oder der generelle plural war zu setzen wie in
den citaten I 327 ävbpdci fiapväjicvoc ödpwv Sv€Ka cq)€T€päuiv,
340 f\ jioCvoi (piX^ouc' äXöxouc fiepÖTTUJV ävOpuiTTUJV 'ATpetbai;
und wie, was noch passender angeführt worden wäre, Ant. 572
wo Kreon von Antigene sagt: KQKdc tfü) TwaiKac uWciv cnrru);
oder endlich es hätte ein misverständnis durch die vorhergehenden
Worte ausgeschlossen sein müssen, wie Aias 791 wo Tekmessa sagt:
otfioi, Ti q)^c, dvOpujTTC; jüiOjv öXi6Xa)Li€v; worauf der böte erwidert:
OÖK olba Tr|V cf)V irpoEiv. offenbar hat sich Wolff, wie auch andere,
zu dieser auffassung durch des Eustathios bemerkung zur ersten der
zwei niasstellen verleiten lassen, sehen wir uns aber diese stellen
genauer an, so finden wir dasz sie nicht im entferntesten zur grund-
läge der Interpretation unserer stelle genommen werden dürfen, denn
I 327 erfordert der Zusammenhang (vgl. Faesi-Franke und Ameis-
Hentze): so war auch ich begriffen *in stetem kämpfe mit männem,
mit den feinden um ihrer weiber willen', des hauptteils der er-
strebten beute, und auch I 340 ist anders zu verstehen, nach jenem
156 JBenner: zu Sophokles.
ersten verse fährt der sänger folgendermaszen fort: 'in jenem kämpfe
zerstörte AchiUeus viele städte und machte reiche beate; diese über-
gab er aber stets dem Agamemnon, der mfiszig im schütze des schiffs-
lagers weilend sie in empfang nab;n, einen groszen teil für sich be-
hielt und den rest verteilte, wfthrend nun aber die übrigen fürsten
die erhaltenen ehrengeschenke nngeschmftlert besitzen können , hat
er dem Achillens das seinige genommen, (336) ^x^t b* fiXoxov
Ou^ap^a* tfji irapiaöuiv t€PTT^c9ui. wozu kftmpfen dso überhaupt
noch die Argeier mit den Troern? war es etwa nicht Helene (339)
(also eine geraubte fiXoxoc), um deretwillen Agam. das kriegsheer
vor Troja führte? (und doch raubt der saubere Atreide selbst dXoxotl
oder) haben die Atreiden etwa allein ein Privilegium auf gattenliebe
erhalten? (doch wohl schwerlich!) (341) tneX 6c nc dW|p dTOtOöc
xal lxi(ppwy^ Tf|V aöroG ('die ihm gehörende, eigene' Franke)
q>iX^€i Kol Kif)b€Tat, in welchem falle auch ich bin, (342) die xal
^T^ Tf|v Ik 8u^o0 q>(X€OV boupiicnrnf)V tt€P doOcav.' man sieht
aus meiner interpretation, die Verallgemeinerung , dh. ersetzung der
Helene durch den plural dXoxot (340) geschieht nur im hinblick auf
die geraubte fiXoxoc B r i s e i s , von El jtainmestra ist mit keinem
Worte die rede, und kann es auch füglich nicht sein, da Agamemnons
liebe zu seiner rechtmässigen gattin durch die neigung zur Briseis
hier verdrängt sein musz. was vollends , um nach dieser digression
zur Sophoklesstelle zurückzukehren, den höhn betrifft, der, soll an-
ders uns der sinn befriedigen, offenbar in der frage f[ coO . . X^rui
liegen müste, sollen etwa die beiden Atreiden als dem werte nach
unter Helene stehend bezeichnet werden? eine solche durch nichts
zu rechtfertigende behauptung des Teukros könnte nicht sinnreich»
nur plump genannt werden.
Wenn Wunder mit Döderlein unter benutzung von Hermanns
conjectur Xifiu als indicativ auffaszte und construierte inA X^T^i
xaXöv ^01 eivm . . f^ coO coO b' ö^ai^ovoc, so war der text nur
um eine construction bereichert, die wegen des nachschleppenden
X^T tu den werten ihre kraft nimt. — Eine radicalere cur hält Nauck
für nötig, ohne jedoch selbst verbesserung^vorschläge vorzubringen.
— Wecklein *ar8 Sopb. emend.' s. 77 schlägt vor: t^giiköc, ti ToO
coC 1T0T* fjv ö^af^ovoc, indem er bemerkt: 'nunc enim Tf)c cf)c
\)nip TwatKÖc eodem modo quo ö&puiv Svcxa cq)€T€pduiv (?) accipi
potest, quia sequitur f{ ttot* f)v kt^.' vortrefflich, wenn man die
werte allein auf Helene 'beziehen kann, aber, frage ich, können die*
selben einen andern sinn geben als 'deine firan, die früher deinem
bruder gehörte'? und wollte man die möglichkeit des gewünschten
Sinnes einräumen, würde dann nicht mindestens der relativsatz lästig
nachschleppen? auch ist nicht leicht zu glauben, dasz nach ausfaU
von itot' nv auszer der hinzusetzung von Xifw ein ganz Unverstand*
liches 8' nach coO eingefügt wurde. — Wolff, der auch seine be*
denken wegen cf)c nicht unterdrücken konnte, dachte (im anfang)
daran für Tf^c cf)c zu schreiben ßi^ccatc (dat. loci), hindeutend *wd
JBenner: zu Sophokles. 157
Züge, wie der ist, von welchem Teukros heimkommt (720)'. allein
80 zulässig die erwähnung der streifzüge neben dem hauptkampfe
in der troischen ebene wftre, so unpassend sind sie ohne letztem,
zumal doch bei jenen das ÖTrepTTOveicOai inkp 'EX^vt^c nur wenig
in betracht kommen kann. — Was endlich Lissners versuch (s. Weck-
lein ara s. 118) betrifft, der eine gröszere interpolation annimt und
nur übrig läszt : fAoXXov Oaveiv ^ coC £uvai^ovoc Xi'xw » so wird,
abgesehen von ihrer geringen textkritischen Wahrscheinlichkeit , die
rede dadurch nur verwässert und matt.
Sonach, glaube ich, ist klar l)'dasz die werte i^ . . X^T^ durch
das ungehörige 9' nicht nur, sondern auch durch das fj wie durch
die ganze wendung, die man nur als frage auffassen könnte, sich
als corrupt erweisen: denn eine höhnische in frageform gehaltene an-
führung der zwei Atreiden, nicht minder Helenes oder gar des Mene-
laos ist nach vorausgehender erwähnung Elytaimnestras unzulässig;
2) dasz aber auch ttic cf^c corrupt ist, weil es auf die person, auf
die es passen würde, Helene, grammatisch nicht bezogen werden
darf, und anderseits die person, auf die es grammatisch nur gehen
kann, Klytaimnestra, durch den sinn ausgeschlossen ist; 3) dasz,
nachdem Teukros zuvor auf die cjnische forderung der Atreiden den
toten nicht zu bestatten 1308 f. erwidert: eG vCv TÖb' kOi, toCtov
ei ßaXeiT^ tiou, ßaXeiTe x^M^^ '^P^^^ ^V^^^ cuTKeiji^vouc, die dies
begründenden werte, in denen dem tode im kämpfe für das gegen-
wärtig den Teukros allein noch leitende ziel, der leiche des bruders
ein ehrliches begräbnis zu sichern , gegenübergestellt wird der tod
im kämpfe für den ursprünglichen, beim auszuge nach Troja
für alle maszgebenden zweck , einen derben höhn auf letztem ent-
halten müssen, dies verlangt der gegensatz: denn da der kämpf
um den bruder als weit ehrenvoller bezeichnet ist, folgt mit zwin-
gender consequenz, dasz der wahre zweck des gesamten kampfes
vor Troja in Teukros äugen wenigstens ein unrühmlicher sein
musz. der höhn musz aber speciell Helene treffen, da ja weder
Agamemnon noch Menelaos [noch Klytaimnestra] von vom herein
mit recht, zumal als unedle motive des kampfes, hätten bezeichnet
werden können, darauf weist auch ijtt^, das auf die Atreiden be-
zogen wenig passen will, wohl aber zu einem in frage gestellten be-
sitze wie dem Helenes, dies ist nicht minder geboten durch die
Stellung der werte kurz vor dem schlusz der rede, denn auch
Agam. hat am ende der seinigen 1259 ff. dem Aias einen gewaltigen
schimpf angethan, indem er- ihn unter hin weis auf seine abstam-
mung von einer alx^otXuiTic als unfreien hinstellte, der, wenn er
überhaupt noch mit Agam. rechten wolle, eines TTpocTdTr|C bedürfe,
desgleichen, insofern die beschimpfung in Agamemnons mimde basiert
auf einem dem gegner nahestehenden w e i b e , passt in Teukros munde
als entgelt dafür am besten die erwähnung von Helenes Verhältnis
zu dem feinde.
Daher vermute ich als ursprünglichen text:
158 WHRoscber : die Vergiftung mit stierblut im classiscben altertum»
f^biccfjcönfep
T^aiKÖc, dxOpoO coO 8' ö^aifAOVOc Xex^iiv.'
die Worte dxOpoö . . X€XI&V bilden zu bicdf)c f^vaiKÖC eine epexe-
getiscbe apposition, Xexwv stebt concret im sinne von uaor. zur
bezeicbnung Helenes als btccf| yvvf\ vgl. Stesicboros fr. 35 (Bergk)
oövcKa Tuvbäp€U)c t>ilwv irorfe ttöci Gcoic fAOuvac XdOcr* i^mo-
bilipou Kunptboc K€(va b' fipa Tuvbdpeui Koöpatct xoXuica^^va
bttciMOuc T€ Ka\ TptT<iM0uc riOiici Kai XiTrecdvopac.
Damit niemand auf den gedanken komme, dasz t€ das erste
wort näber bestimmen müsse, so verweise icb auf Kttbner gr. gr. 11*
s. 788 anm. 1, der anfObrt Eur. El. 613 KTavdiv Ou^CTOU Tratba crjv
T€ jiiiT^pa (Aigisthos und Ely taimnestra). das Verderbnis wird wobl
so entstanden sein, dasz ein interpret f{ Tf)c cf)c und f{ toO coO dem
texte ttberscbrieb, indem er unpassenderweise bei biccf)c an Elyt.
mit dacbte und bei dxOpoO aucb das feindliche Verhältnis des Paris
zu Agam. andeuten wollte.
< erst vermatete ich wohl iii drastisch MdpifHC nach Eur. £1. 1027
vOv b* O0VCX* *€XivT| ^dptoc flv, dann K0ivf)c [hrit^c), so dass man Xcxuliv
im eigentlichen sinne zu nehmen hätte, hr. rector Erler weist zur
Unterstützung von 5iccf)c passend noch darauf hin, dasz ii\c cf{c nach
neugriechischer ausspräche einem biccf)c fast gleich lautet.
Zittau. Johannes Bbnneb«
27.
DIE VEBGIFTÜNG MIT STIERBLUT IM CLA88I8CHEN *
ALTEBTUM/
Es ist eine merkwürdige, meines wissens noch nichtgehörig
beachtete und erklärte thataache, dasz im gesamten classiscben alter-
tum frisches stierblut als ein tödlich wirkendes gift galt, fttr diesen
glauben spricht zunächst eine anzahl von Zeugnissen, welche teils
der mythischen teils der historischen zeit angeboren.
1) von lason [und Midas] berichtet uns Apollonios lex. Hom.
156, 18 Bk. rauptov al^a OavdctfAov, inö Miba xai 1dco-
V 0 c * iT€pl fäp OcfAtCTOKX^ouc oö Trfict cu^q>uiV€iTm. dies zeugnis
bildet also eine willkommene ergänzung zu dem berichte Diodors
IV 55, nach welchem lason sich selbst tötete, es ist demnach wahr-
scheinlich, dasz lason sich mit stierblut vergiftet haben sollte.
2) besonders stark bezeugt ist die sage, dasz Midas sich selbst
mittels Stierblutes getötet habe, auszer der eben citierten stelle des
* ich benutze diese gelegenheit dazu ein falsches citat aus Galenot
zu berichtigen, welches sich m meinem letzten aufsatze in diesen jahrb.
1881 s. 840 befindet, es musz daselbst z. 22 vo. heiszen Galenos VII
109 (Kühn).
WHBoBcher: die Vergiftung mit stierblut im classischen altertnm. 159
ApoUonios sind hier anzuführen : Strabon s. 6 1 Mibov al^araupou
TTiövra q>adv dTreXGcTv eic tö xp^^v. Flui, de superst. 8 Mibac
6 TraXaiöc, ujc foixev, ?k tiviüv ^vurrviiuv dGu^iiöv Koi Toparrö-
fA€voc oÖTU) KttKiöc fcx€ Tf|v ^lux^v, ficTC ^Kouduüc dnoGaveiv,
aljiaTaupouTniliv. vgl. auch Flut. Flam. 20, 6 und den wahr-
scheinlich aus Strabon schöpfenden Eustathios z. Od. s. 1671, 13 xal
Mibac X^T€Tai aljua xaupou ttiiüv, iLc de^icroKXfic öcT€pov>
€lc TÖ xpeüjv dneXöeiv.
i) in einem beim scholiasten zu Arist. Bi. 84 erhaltenen frag-
mente (660 Nauck) läszt Sophokles Helene sagen: l}io\ hk XipCTOV
al^a Toupeiov ttuiv Ka\ ^ri ti tiXciouc xi&vb* ixexv bucq>iifA(ac.
4) bereits der historischen zeit gehört die erzählung vom tode
des Fsammenitos an, von dem Herodot III 15 berichtet: yajüi-
fAifjviTOc . . i7i€iT€ ^itdicTOC dt^vcTO ÖTiö Ka^ßOc€U), aljüiaTavIpou
Trtujv dn^Oave Trapaxp%a. zweifelhaft erscheint, ob Fsammenitos
von Kambyses zum trinken des giftes gezwungen wurde oder ob er
sich aus Verzweiflung selbst tötete, mir ist das letztere wahrschein-
licher, weil, von einer einzigen ausnähme abgesehen, stierblut nur
von Selbstmördern getrunken worden sein soll.
5) genau in dieselbe zeit f&llt die geschichte von Smerdis,
dem bruder des Kambyses , von dem uns Ktesias bei Fhotios bibl.
37*» erzählt: affAari . . ToOpou, S iiitxieVj dvaipeTrat Tavuo-
SdpKiic (dh. Smerdis). das ist, wie oben bemerkt, das einzige sichere
mir bekannte beispiel für eine nicht auf selbstmörderische absieht
zurückgeführte Vergiftung durch stierblut.
6) der bei weitem bekannteste fall einer derartigen Vergiftung
ist die geschichte vom tode des^Themistokles, welcher ungef&hr
in die zeit von 464 — 461 vor Ch. fällt, der erste Schriftsteller, wel-
cher uns erzählt dasz Th. sich mit stierblut vergiftet habe , ist be-
kanntlich Aristophanes in seinen 424 aufgeführten Rittern v. 83
ß^XxiCTOV fmiV aljiO Taup€lOV TTICIV* 6 6€|ilCT0KX^0UC
Tdp OdvaTOc aip€TU)T€poc. vgl. dazu folgende erklärung des scho-
liasten: Trpoqpdcei xp^icd^evoc ibc Ouciav dniTeX^cai ßoOXoiTo xal
lepoupTficai rfl AeuKÖcppui 'Api^mbi koXou^^vij, tijj raOpip ÖTroGdc
Tf|v q>idXTiv m\ ÖTrobeSd^evoc tö aljua koI xcxvböv ttiüiv dreXeirnicev
eäO^uic. ungefähr dasselbe berichten Diodor XI 58 (der sich auf
ivxox cirpfpot^eic beruft), Stratokies und Kleitarchos; zwei Zeit-
genossen Alexanders d. gr. nach Cicero BnU, § 42 , Valerius Max.
V 6 e^f. 3, Flutarch Them. 31, 5 (vgl. auch Flam. 20, 6. Ath. 122*
und Eust. z. Od. s. 1671, 13). freilich steht diese Überlieferung,
wie schon die alten erkannten , insofern auf schwachen füszen , als
Thukydides I 138 ausdrücklich sagt: voci^cac bk teXeuT^ töv
ßiov, X^YOuci bi Tivec Kai ^kouciov cpap^dKiw dnoGaveiv aöröv,
welcher autorität gegenüber allerdings jene oben angeführten zeug-
' wahrBcbeinlich enthält dieser vers eine anspielnng auf das oben
angeführte fragment des Sophokles.
160 WHBoBcher: die Vergiftung mit stierblat im classifichen altertam.
nisse, das des Aristophanes eingeschlossen, kaum ins gewicht fallen
können (vgl. Cic. BnU. ao. Apollonios ao. Symmaohos bei dem schol.
zu Aristophanes ao.)-
7) nach einer von Plutarch Flam. 20, 6 berichteten Version
sollte sich auch Hannibal mit stierblut vergiftet haben (€vioi bk
[X^TOi^ct] ^i^Ticd^evov defAicTOKX^a koI Mibav alfia raOpeiov
711€IV).
8) sind an dieser stelle noch die Zeugnisse der antiken ttrzte
und naturforscher zu erwähnen , welche von der stierblat Vergiftung
als von einer ganz bekannten thatsache reden und sogar eine menge
von heilmitteln dagegen aufzählen, am ausführlichsten handelt da-
von Nikandros in seinen Alexipharmaka v. 312 ff. derselbe sagt,
frisches stierblut gerinne sofort nach dem genusse im magen und
in der Speiseröhre', bewirke furchtbare quälen und krämpfe und ver-
stopfe auch die luftwege. der vergiftete falle dann unter krämpfen
zu boden, und schäum stehe ihm vor dem munde, die von ihm em-
pfohlenen heilmittel haben nach seiner ausdrücklichen angäbe den
zweck, das im innem festgewordene, gewissermaszen einen pfropfen
bildende blut wieder flüssig zu machen und zu zerteilen, gleiches
oder doch ähnliches behaupten auch Oalenos antid. XIV s. 143
(Kühn), der scholiast zu NikaÄdros ao., der auch ausdrücklich hervor-
hebt dasz vorzugsweise Selbstmörder stierblut anwenden, Dioskorides
II 34, Plinius n. k. XL 222. XXH 90. XXIII 122. XXVm 122.
147. 195. XXXI 120.
Sehr auffallend ist es nun zu sehen, dasz diesen Zeugnissen andere
entgegenstehen, wonach das trinken von stierblut bisweilen ganz
ungefährlich war. so erzählt P/iusanias VII 25, 13 von einem
eigentümlichen gottesurteil , das bei der wähl der priesterin der Ge
zu Aigeira angewendet wurde : fvvi\ bk f| del Tf)V Upujcuviiv XafA-
ßdvouca 'dTicreüei ^fev tö dnö toutou, oö |if|v ovbk lä irpöiepa
icTai ttX^ov t\ ivöc dvbpöc ic neipav dqpiTM^vri* Trivoucai hl
aljLiaTaupou boKi^dZovTar 1^ b' &v auruiv tuxi) m^ dXiiOcuouca,
auTiKa ^K TOÜTOU Tf|V öCkiiv fcx€V. vgl. auch Plinius XXVIII 147
taurinus sanguis recens* inter venena esty excepta Äegira. ibienim
sacerdos Terrae vatidnatura tauri sanguinem bibit.priuequam
in specum descendat, nach Ailianos nat. an. XI 35 soll ein gewisser
Cbrjsermos, welcher an Schwindsucht und blutspeien litt, durch
trinken von stierblut gerettet worden sein. vgl. auch Plinius XXVm
195 si sanguis reiciatur, efßcacem trad/unt bubulum sanguinem
niodice et cum aceto^ sun^um, nam de taurino credere temerarium est.
Bei diesem eigentümlichen Widerspruch, in welchem die antiken
Zeugnisse mit einander stehen, ist es selbstverständlich von grOster
' vgl. auch Aristot. bist. an. III 19 u. partes an. II 4. * trockenes
stierblut gerieben {taurinta sanguis aridus tritus) gilt bei verscbiedenen
leiden als wirksames heilmittel: Plinius XXVIII 177. 217. ^ acetum
(ÖEoc) ist nach Nikandros und Oalenos ao. ein hauptmittel gegen stier*
blutyergiftung.
WHBoscher: die vergpiftung mit BÜerblat im clasBischen altertum. 161
Wichtigkeit die ansieht modemer physiologen über die in rede
stehende frage der stierblutvergiftung zu vernehmen, ich habe mich
daher brieflich an einen der berühmtesten Vertreter der phjsiologie,
hm. prof. Karl Ludwig in Leipzig, gewandt und von demselben
mit freundlichster bereitwilligkeit folgende antwort erhalten :
^Eine vorwurfsfreie antwort auf Ihre frage setzt die anstellung
eines Versuchs voraus, der meines Wissens in Deutschland von wissen-
schaftlicher band niemals ausgefährt ist. allerdings kann man mit
voller Sicherheit sagen, dasz geschlagenes ochsenblut, dh. solches
welches die gerinnung erhalten hat, eine durchaus unschädliche
«peise sei ; Ihre frage bezieht sich aber nicht auf dieses sondern auf
noch nicht geronnenes ochsenblut. nun gerinnt aber das aus den
adem abgelassene blut schon nach wenigen minuten; um also auf
einen versuch gestützt die behauptung aussprechen zu können, dasz
«das der gerinnung noch nicht verfallene blut unschädlich sei, müste
man im schlachthause selbst die beobachtung vornehmen, hierzu
bietet sich bei uns keine günstige gelegenheit.
Amerikanische ärzte wenden frisches blut öfters als genusz-
und arzneimittel an . . bedenkt man dasz geronnenes blut durch-
aus unschädlich istS und femer dasz raubtiere, hunde mit ein-
geschlossen, frisches ungeronnenes blut mit begierde verzehren ohne
irgend welchen nachteil zu verspüren, so ist es mit einer der
^ewisheit gleichen Wahrscheinlichkeit auszusprechen,
4asz der genusz frischen ochsenblutes dem menschen
eher nützen als schaden werde, die theorien der alten ärzte
und ihre ansichten über die art der Wirkungen der gerinnung des
«tierblutes entbehren der begründung. bei der gerinnung ent-
steht im ochsenblut nicht mehr faserstoff — fibrina — als bei der
gerinnung anderer säugetierblutarten, und der vom ochsenblut aus-
geschiedene faserstoff besitzt in jeder beziehung dieselben eigen-
schaften wie der faserstoff anderer Säugetiere.
Wie die fabel entstanden, läszt sich nur vermutungsweise sagen,
das blut kann sehr giftig werden, zb. wenn es einem an
milzbrand leidenden tiere entnommen ist. vielleicht haben
krankheiten , an denen menschen zu gründe giengen , die mit dem
blute milzbrandiger ochsen und kühe in berührung kamen, den
ersten anlasz zu der fabel gegeben.^ ähnlich wie in diesem falle hat
^ Aretaios 8. 312 K. berichtet, dasz er selbst gesehen, wie ein
epileptischer, am geheilt za werden, frisches menschenblat getranken
habe, wahrscheinlich handelte es sich in diesem falle um das blat von
gladiatoren, v^l. Plinias XXVIII 4 sanguinem quoque gladiatorum bibunt,
ut viventibtis poculd, condtiaUs morbu die sitte in solchen fällen das
frische blut hingerichteter za trinken hat sich bis in unsere zeit er-
halten: vgl. Wuttke der deutsche Volksaberglaube' s. 129. Galenos XII
260 K. empfiehlt statt dessen lämmerblut. [Boscher.] ^ dasz es sich
bei stierblutvergiftuDgen in der that wohl um milzbrandige tiere han-
deln konnte, dafür spricht der umstand dasz Aristoteles sagt, das blut
des stieres sei überaus reich an fasern (Tvcc, fibrae), sehr dicl^
J«hrbacher fUr class. philol. 1883 hft. 8. 11
162 WHBoscher : die Vergiftung mit stietblnt im claBsiscben altertum.
man bis zur kenntnis der tricbinen von einem Schinken- und wnrst-
gifte geüäbelt; noch zn der zeit, als ich professor in Zürich war,
wurde ein nach den gegenwärtigen erfahrungen vollkommen un-
schuldiger gastwirt zu schwerer kerkerstrafe verurteilt, weil eine
anzahl seiner gftste nach dem genosz des vorgesetzten Schinkens
schwer erkrankte, wäre das mikroskop nicht in das mittel getreten,
80 würde man heute noch von wurst- und schinkengift reden.' ®
Dies das urteil des ausgezeichneten Leipziger physiologen,
welches sich, wie man leicht erkennt, sehr wohl mit dem resultat
einer kritik der sämtlichen antikeh Zeugnisse über Stierblutvergiftung
vereinbaren läszt. die einzelnen flQle, die aus historischer zeit dafür
angefahrt werden , sind — man vergleiche namentlich das oben in
betreff des Themistokles' und Hannibal gesagte — samt und sonders
nicht wohl beglaubigt: denn auch die Zeugnisse des Herodotos und
Ktesias verlieren viel an gewicht, wenn man bedenkt dasz sie sich
auf lange vor ihrer zeit liegende ereignisse beziehen, und die antiken
ärzte dürften kaum einen fall von stierblutvergifbung wirklich con-
statiert haben, da es sich nach ihrer ausdrücklichen angäbe meist
um Selbstmorde*^ handelt, die in der regel nicht in anwesenheit
von ärzten vollzogen werden, nichtsdestoweniger musz eine so all-
gemeine annähme des ganzen altertums irgend einen realen grund
gehabt haben, und als solchen können wir wohl mit Wahrscheinlich-
keit vereinzelte fälle von Vergiftung durch milzbrandiges stierblut
annehmen , welche verkehrter weise den anlasz gaben zu glauben,
dasz stierblut überhaupt giftig sei.
und schwarz, und gerinne deshalb ausserordentlich schnell (Ar. bist,
an. III 19 u. p. an. II 4), was nicht auf gesunde, wohl aber auf milz-
brandige tiere passt, da diese bei der section vor allem theerartiges,
pilshaltiges blat aufweisen, von der acutesten form des milzbrandes,
dem sog. milzbrandblutschlag, der den tod schon nach wenigen minnten
unter convalsionen herbeiführt, sollen vorzugsweise die kräftigsten indi-
vidnen — also stiere . — befallen werden, nach Wagners handbnch der
allg. pathol.^ 8. 117 reicht zur überimpfang der krankheit schon der
kleinste blatstropfen hin. [Röscher.]
^ ziemlich dieselbe auskunft erteilte mir auch ein hervorragender
veterinärarit hr. dr. Max Sussdorf, professor an der tierarzneischule
in Stattgart, dem ich unter freundlicher Vermittlung meines 1. colleffen
dr. Steuding dieselbe frage vorgelegt hatte, auch dieser meint, die be-
hauptung, dasi frisches stierblut giftig sei, könne natürlich nur für
besondere fälle gelten — auch er denkt an milzbrand, der nach all-
gemeiner annähme schon im altertum vorgekommen sei — ein unter-
schied zwischen stier-, ochsen- und kuhblnt sei bis jetzt weder in phy-
siologischer noch chemischer noch histologischer beziehung nachgewiesen
worden. ' es braucht kaum hervorgehoben zu werden, wie glaubwürdig
sich auch von physiologischem stanapunkt aus die erzählung des Thuky-
dides vom tode des Themistokles darstellt. '* vgl. schol. zu Nikandros
alex. 312 bi6 Kai dqppövwc €Tir€v* Ttvk diroxapTCpoOvTCC irivouav
gOtö kqI TcXeirrCticiv.
Würzen. Wilhelm Hbinrioh Bosoheb.
EBScbulze: ßiu et ctfyciu apud oratorei Atticos. 163
28.
UTRA FUTURI FORMA ORATORES ATTICI UTI
MALUERINT, 6=Q AN CXHCQ?
Oratorum Atticorum scripta cum nuper perlostrarexn , quam
maxima poteram diligentia omnes collegi locos, quibus futurum
yerbi ^X^iv legebatur, eo consilio ut cognoscerem*, utram formam
usurpare maluissent oratores illi, quos, quoniam quidem apud
bomines Atbenienses orationes babuerunt, sincera lingua Attica
locutos esse censendum est. repperi autem ££ui formam multo
usitatiorem fuisse et tritiorem, cx^cui formam nisi in verbo kqt-
^X^iv fere repudiatam videri , ut ex bac quam subieci tabula perspi-
cuum erit:
iiw Simplex usurpatum est:
ab Antiphonte
ab Andocide
2 locis
3 -
a Gorgia
ab Alcidamante
a Lysia '
ab Isocrate
1 loco (Pal. 36)
3 locis (de sopb. 8. 13. 23)
22 -
70 -
ab Isaeo'
17 .
a Demostbene
83 -
ab Aescbine
4 -
ab Hyperide
a Lycurgo
a Dinarcbo
1 loco (4, XI, 7)
2 locis
3 -
omnino 211 locis,
item est SSojim apud Dem. 16, 28.
cx^cui Simplex non est nisi in veris Demostbenis orationibus in
iisque 7 locis (1, 9. 14. 6, 18. 18, 46. 19,
272. 23, 128).
yerborum'compositorum formae sunt usurpatae bae:
' orationes veras ab orationibus sporiis seiungere noloi: nee enim
In hac qnaestione magni id interest, cum omnes orationes Attioom ser-
monem prae se ferant, nee de singnlis scriptis inter yiros doctos satis
conyenit. leges et testimonia orationibas interposita non onravi, qnando-
qoidem plemmqne ficta et supposita sunt. ^ Isaei 8, 74 ficiv Beiskii
coniectora natom est, libri ex€iv praebent freqnenti errore, cf. Dem.
14, 4 £x€iv codd. AS Ddf., Dem. 28, 21 ^x^tv pr. S, Lys. 6, 6 ^x^iv
cod. G Bekk., Lys. 10, 10 irpoc^cic volgo, Isoer. ep. 1, 3 irpoc^eiv
volgo, iTpoc^etv r Blass., Dem. 18, 147 irpoc^ctv Aks Ddf., Aesch.
1, 126 irap^EovTOi cod. abghlmopq Vat Lanr. Schultz. i(ap^0VTai
ceit., Aesch. 2, 166 irap^o^ot cod. i Seh., Isaei 9, 26 1rap^o^al opti-
mus cod. A Bk.
11»
164
EBSchulse: CEiu et cxi^cui apud oratores Atticos.
dv^Eo^ai
ab Isocrate 1 loco (12, 140)
a Dexnosthene 3 locis
dqp&o^ai
omnino 4 locie,
ab Antipbonte 1 loco (6, 4)
ab Isocrate 1 - (12, 245)
a Demostbene 4 locis
ab Aescbine 1 loco (1, 133)
a Dinarcho 1 ■ (2, 3)
omnino 8 locis,
dTTOCXilcui a Demostbene 1 loco (14, 24)
dTrocxncojiat a Demostbene 2 locis (6, 26. [33], 28)
iv&0}ia\
imcxf\cw
Karacxiicui
^eO&ui
irap&ui
a Demostbene 1 loco ^[51], 11)
ab Isaeo 1 loco (fr. 15 Scbeib.)
ab Isocrate 1 loco (ep. 2, 18)
a Demostbenq 1 - (2, 9)
omnino 2 locis,
ab Isocrate 4 locis'
a Demostbene 1 loco (23, 12)
omnino 5 locis,
ab Andocide 2 locis
a Ljsia 2 -
ab Isocrate 7 -
a Demostbene 3 -
ab Aescbine 2
a Lycurgo 2 -
omnino 18 locis,
ab Andocide 1 loco (1, 136)
a Lysia 3 locis
ab Isocrate 2 - (12, 134. 15, 165)
a Demostbene 2 - (47, 28. 60, 44)
omnino 8 locis ,
item dvTiirap^Sui a Demostbene 1 loco (21, 123),
irapacxrjcui ab Isocrate 2 locis (6, 71 , ubi Trapdcxui^ev
praebent cod. E et corr.
e, et 15, 248)
a Demostbene 1 loco ([49], 64, ubi irapocrrjcciv
TPQ)
omnino 3 locis.
' 6, bA, 1, 8 (abi cod. F Blass. praebet tcaTacTficeiv rolrato errore,
cf. Ant. 6, S8 napocTfico^ai oodd., Dem. [49], 64 irapacT^C€iv TpQ)«
12, 107 (ubi Karocx^v Tolg.). 12, 188.
ERSchnlze: ^lu et qii\c\u apud oratore^ Atticos. 166
Trap^So^ai ab Antiphonte^ 4 locis
a Lysia
23 .
ab Isocrate
6 -
a Oorgia
1 loco (Pal. 15)
ab Isaeo^
24 locis
a Demosthene'
39 -
ab Aeschine''
12 -
ab Dinarcbo
2 -
omnino 111 locis,
Trapacxi^co^at ab Antiphonte^ 2 locis (5, 24. 28)
a Lysia 1 loco (9, 8)
a Demosthene 3 locis (20, 126. [33], 22. [58], 42)
omnino 6 locis,
Trpo^ui ab Isocrate 2 locis (10, 35. ep. 5, 5)
TTpoc^Su) a Lysia' 2 locis
ab Isocrate 6 -
a Demosthene 3 -
omnin<2 11 locis, I
cuv^So^m a Demosthene 1 loco (ep. 3, 36),
i&q>^Siu ^^ a Demosthene 5 locis.
lam vero quaerendum est, num aliam vim ££ui habuisse videatur,
aliam cxi^cui. Dem. 1, 9 rd b^ ^ AXovTa'oiöjievot cxilceiVKaXtüC,
Dem. 5, 18 "ApTcToi . . Ka\ Mecctiviot . . ^x^P^c cxrjcouci . .
6Tißaioi bk fxouci ^^v . . ätrexBa^c, iii b* ^x^POT^puic cxrj-
couciv, Dem. 18,45 t& auTujv dccpaXuic cxiiceiv: cxt^cu) cum
adverbiis coninnctum est. item ii\jj saepissime cum adverbio copu-
latum est: [Dem.] 13> 36 TrdvO' SSei KaX(J&c, 19,152 outuic
£H€iv, 20, 43 ^vb€üüc ££ei, [61], 41 ^TKparuic So^ev, prooem. 54, 1
€{;C€ßaic g£ei, ep. 1^ 12 = ep. 3, 10 ^Heiv xaXd^c, ep. 3, 14 »»
ep. 5, 4 ouTUiC lEeiv, Aleid, de soph. 13 eöiröpuic SSo^ev: Isocrates
quidem ££ui cum adverbiis maximeque cum voce koXuCic coniungere
consuevit: 3, 48. 4, 78. 8, 137. 9, 41. 55. 13, 18. 15, 94. 133. 323.
17, 18. 19, 47. fr. III 5 Blass. — cum Dem. 5, 18 cf. Isoer. 2, 28
ouTui cu Tipöc ^Kcivouc EScic, cum Dem. 18, 45 cf. pem.] 33, 8
TTpoiSat ÖTTuic auTip djc dcq>aX^CTaTa ££ei et Isoer. 5, 102 cufAqpöpuic
Ö€iv. — Dem. 1, 14 f|cuxio(v cxncei: ficuxiav Seiv est [Dem.] 47, 29
et Lys. 28, 7 , item TTpdTMaia Öeiv Lys. 3, 32. — Dem. 19, 272
€l ^f| Tfiv &xav TttÜTTiv äouciav cxrjceTC vOv ujieic : fere idem valet
quod est Isoer. 15, 277 Tf|V auTfiv ISo^ev lauinv btJvofAiv. —
Dem. 23, 128 ^Tib^TTOTC dXXiiv fVt&^Tiv fi tauxTiv cxirjceiv: fere
* fr. 71 Blass. irpdHoiuiat cod., irap^Eoiiat ci. Bernhardy. ^ Isaei
9, 25 napixopiax optimus cod. A Scheib., cf. adn. 2. * Dem. 19. 235
irapdSct pro iTap^E€Tai praebent codd. Yk Ddf., irpdEci codd. As, irpdHci
cod. r. ' cf. adn. 2. » cf. adn. 3. » 10, 10 volgo irpoc^cic, cf.
adn. 2. ^^ qnod est Dem. 19, 324 dirocxi^coMOt, hoc nihil ad rem.
166 EBScholze: fSu> et qc^cui apud oratores Attico8.
idem est Dem. 28, 21 riva ol6c8€ a\ni\v i|iuxf|V ££€iv, örav . .
ibr) . . apud ceteros oratores tvuim^^ '^^^ ££eiv saepissime legi-
tur: And. 1, 104. Lys. 2, 45. 6, 6. 12, 36. 22, 21. 26, 14. 27, 7.
Isoer. 5, 45. 118. 120. 6, 77. 12, 109. 143. 14, 15. 15, 143. 16, 49.
18, 43. Aesch. 1, 176. Din. 1, 3. 99. ex quibus apparet nihil fere
discriminis intercedere inter notionem formae äui et notionem
formae CXH^^* ne^^e verbis compositis has dnas forxnas diversam
vim addidisse paucis demonstrare licet. ÖTrocxirjcui et dmcxif)cui
singularia sunt. Dem. 6, 26 oibkv ^äXXov dTTOCX^ccvTai Tf)c
OiXiTTTrou (piXiac oöb' i&v dTraifTtXXeTai (abstinebunt Philippi
amicitia et eis quae pollicetur), [33], 28 Tiva 'fäp ^Xtriba ^CXOV
toOtov dTTOCXilcecOai \xov (istum mihi temperatoram esse):
eodem modo dv^EecOai cum genetivo coniunctom est Ant 6, 4.
I&ocr. 12, 245. Dem. 8, 23. 19, 151. 22, 42 *» 24, 190. Aesch.
1, 133. Din. 2, 3. — Karacxi^ceiv (fore ut teneant, possessnros
esse) quinque est locis : Isoer. 5, 64 (töv töttov äTravra), 7, 3 (Tf|V
•eXXdba, cf. adn. 3), 12, 107 (Tfjv 'Aciov äTrocav), 12, 188 (ibc
TiXeTcTQ Tujv äXXoTp(uiv), Dem. 23, 12 (Tf|V dpxrjv): eandem in
sententiam KttO^Seiv dictum est Isoer. ep. 2, 18 (Tf|V ÖTidpxoucav
dpxnv) , Dem. 2, 9 (ß(<ji id xpr^ait). — Trapacxncui plerumque
significat ^se praebere': Isoer. 6, 71 toioOtouc f||iäc auTOUc irapa-
cxr)C0|i€V, ibd. 15, 248 xp^icifiouc aÖTOuc Trapacx^couci. sed idem
Isocrates 15, 165 fjjüieXXov xp^ici^ouc onh'ouc Trap^Setv (se utiles
praebituri erant). [Dem.] 49, 64 xd voOXov Torv HuXuiv itapacxi^-
C€iv interpretandum est ^allaturum , dissoluturum esse', quo ciun
loco cf. Lys. 14, 37 ÖTTocxö^evoc bi' ^auTÖv Trap^Eeiv ßactX^a
XpriMora. — Trapaqc/jco^at obiectum habet aut vöjüiouc koA dXXoec
biKaiuiceic Lys. 9, 8, aut ciuiieiov [Dem.] 58, 42, aut fAdpTupa(c)
Ant. 5, 24. 28 (cf. adn. 3). Dem. 20, 126. [33], 22. cum primo loco
cf. Isaei 6, 8 Trap&o^ai töv vö^ov et Aesch. 3, 14 vö^ov djüi^Tcpov
TTap^Eo^ai, 3, 36 Trap^ovrat vö^ov, cum secundo loco T€K)Liiipiov(a)
Trap^EecOat, quod est Isaei 5, 26 et 31 [ubi TrpoeSö^eOa cod. Z
falso], 9, 16, denique |idpTupa(c) Trotp^SecOai dictum esse non est
quod locis allatis probem : tanta est exemplorum copia.
Quae cum ita sint, non sine aliqua probabilitate conicere licet
cxn^^^v formam iam oratorum Atticorum aetate fere obsoletam fuisse
et ab usitato hominum eruditorum sermone remotam. ex quo fäcüe
intellegitur , cur Isocrates potissimum et Demosthenes q(rjceiv for-
mam amplexi sint: alter enim in foro non versabatur, ut a con-
suetudine aetatis suae recedere facile posset, alter, quem vim et
maiestatem orationibus suis addere studuisse constat, libenter reti-
nuit formam antiquiorem eoque grayiorem.
ßuDissAE. Ernestus Ricardus Sohxtlzb.
E Albrecht: die gegner in der ersten rede des Isaios. 167
29.
DIE GEGNER IN DER ERSTEN REDE DES ISAIOS.
Von entscheidender bedeutung filr die frage, welche von den in
der ersten rede des Isaios namhaft gemachten personen dem spre«
eher die erbschaft streitig machten und in welchem Verhältnis sie
zn einander standen, ist, wie schon Blass (att. ber. II s. 494) ange-
deutet hat, § 44 f. diejenige partei, so wird hier argumentiert, hat
mehr ansprüche, deren erbschaft Eleonymos angetreten hätte, wenn
einer aus derselben ihm im tode vorangegangen wäre, unzweifel-
haft stellt der Sprecher hier seiner partei alle gegner gegenüber,
ganz wie er sonst gegen alle zusammen operiert, wenn er dann
zeigt dasz, falls Pherenikos oder einer seiner brttder gestorben wäre,
keineswegs Kleonjmos sie beerbt hätte, so kann die gegenpartei nur
aus den eben genannten personen bestanden haben: denn sonst wäre
das argoment, das die ansprüche aller gegner zurfickweisen soll,
nichtig, oder es hätte noch dargethan werden müssen, dasz dem
Eleonymos auch der tod der übrigen kein recht auf ihre erbschaft
gegeben hätte, sind die gegner nun brüder, so ist auch verständ-
lich , dasz der Sprecher in dem verwandtschaftlichen Verhältnis der-
selben zu jenem gar keinen imterschied macht, weder da wo er ihren
Verwandtschaftsgrad zu dem toten dem seinigen gegenüberstellt
<§ 36 T^V€i TToOlv TTpocriKOuctv) noch sonst wo (vgl. § 6 £f. 47. 49),
was im andern falle mindestens auffällig wäre.
Danach ist die ansieht Röders (beitrage zur erklärung und
kritik des Isaios, Jena 1880), dasz auch Simon (§31 f.) und Kephi-
«andros (§ 16. 28) unmittelbar au dem erbstreit beteiligt waren,
eine ansieht der auch Hitzig (jahrb. 1881 s. 106) zuneigt, zu ver-
werfen, für Eephisandros zeigt dies obenein § 2 , wo die eigent-
lichen gegner (toutwv . . ouTOi) scharf von den oiKeiot und Trpoc*
fJKOVT€C geschieden werden, die auf friedlichem wege die Streitig-
keiten zu schlichten vorgeschlagen hatten und zu denen jener eben
gehörte (§ 28 6 toutuiv oiiccToc vgl. § 16 oi TOikwv q>iXoi Kai
Kriqpicavbpoc). gleichzeitig erhellt aus dieser stelle aber auch, dasz
die gegner selbst an einen gütlichen vergleich nicht dachten, man
konnte einwenden dasz Kephisandros selbst nach § 35 (oihoi b*
IpTCfi Xuouciv ^6^XovT€C fifAiv ico^otpf)cai Tf)c ouciac) zu den mit
oCtoi bezeichneten und nach § 29 sowie 51 (liZiv dvTibiKUiv TiTVUi-
CKÖVTuiv fifAäc biKaiov elvat tö ^^poc aurd^v Xaßeiv) zu den dvri-
biKOX gehört (s. Schömann s. 173) ; indes mUste man dann mit dem-
selben recht alle übrigen vermittler zu denselben zählen, was nieman-
dem einfallen wird, es folgt hieraus nur dasz Kephisandros sich in
dem process auf die seite der gegner schlug und wohl auch einer der
q)iXoi war, die sie herbeigerufen hatten; in ähnlicher weise wird
dvTibiKOt 4, 1 und 24 gebraucht, wenn die aussagen jenes als die
der processierenden selbst hingestellt werden , so ist dies nichts als
168 £ Albrecht: die gegner in der ersten rede des Isaios.
ein sophistischer knifif, der in unserer rede nicht vereinzelt dasteht:
man beachte besonders § 34 (olc jüi^v liSjy ovbk bieX^T^TO fiiracav
boOvai Tf)V ouc(av), wo redner so thut, als wäre Eleonymos mit der
ganzen gegenpartei gegen ende seines lebens zerfallen gewesen^
während er es factisch nnr mit einigen war (§ 31); vgl. auch Schö-
mann zu 3, 66. dasz Kephisandros § 16 selbst nicht als zeuge für
den versuchten ausgleich aufgerufen wird, was an sich auffällt, er-
klärt sich gleichfalU bei der annähme , dasz er die gegenpartei vor
gericht unterstützte, dasz der Sprecher ihn trotzdem auffordern
konnte, ist nicht zu bezweifeln (vgl. einen ähnlichen fall 2, 33);
wenn er es nicht gethan hat, so wird er dazu seine grttnde gehabt
haben, über die wir nichts sicheres ermitteln kennen, ebenso wenig
läszt sich mit bestimmtheit sagen, weshalb er das zeugnis des Simon
§ 32 nicht benutzte ; möglich dasz auch er zu jenen g)iXoi gehörte.
Als solche , die dem Sprecher gegenüber die erbschaft für sich
in anspruch nahmen, bleiben also Pherenikos, Poseidippos und
Diokles (§ 3. 14. 15. 23) übrig, dasz auszer ihnen noch mindestens
ein bruder bei der sache beteiligt war, lehrt § 30 toutuiv )li€v Tict
bidqpopoc tfiyexo (vgl. § 31 irpöc toutouc ^t^vcto f| btaq>opa.
34 TOuc a(nf^ biaq>€po^^vouc). gewis konnte der Sprecher, um die
Sache schlimmer darzustellen als sie war, so reden, auch wenn Eleo-
nymos nur mit dem ^inen Pherenikos sich verfeindete (vgl. 5, 14
o\ jLidpTupec ^dXuicov, wo thatsftchlich nur 6in zeuge i|i€ubo|üiapTU-
piOüv verurteilt war); ohne jeden schein von richtigkeit aber that er
es, wenn auszer Poseidippos und Diokles, die nach seiner eignen
darstellung als noch beim tode des erblassers mit demselben ganz
gut befreundet erscheinen musten, kein weiterer bruder da war.
dasz das haus der gegner (§ 44) aus mehr als vier brttdem bestan-
den habe, erscheint mir sehr zweifelhaft: sonst würden sich wohl
spuren davon in der rede finden, und aus demselben gründe dürfte
die hypothesis recht haben, nach der auf der andern seite sich nur
zwei bruder befanden, ich erkläre mir daher — ohne indes anspruch
auf allgemeingültigkeit meiner ansieht zu machen — die von den
vermittlem vorgeschlagene teilung (§ 2. 35 ico^oipf^cai. 28 jüi^poc
^KacTov ix^w Tf)c ouciac. 51 fmfic tö jüi^poc auruiy Xaßctv) so,
dasz jede der beteüigten personen ein sechstel der erbschaft bekom-
men sollte, bei einer teilung nach stammen , bei der jede partei die
hälfte erhalten hätte, wären die gegner zu schlecht weggekommen,
und daher wird sie wohl auch von ihren freunden nicht vorgeschla-
gen worden sein.
Berlin. Emil Albrecht.
JBeloch: die weihinscbrift des Dianahaines von Aricia. 169
30.
DIE WEIHINSCHRIFT DES DIANAHAINES VON ARICIA.
Ans Catos Origines ist uns durch Priscian ein fragment auf-
bewahrt, das allgemein, und mit vollem recht, als eine der wichtig-
sten erhaltenen Urkunden zur altlatinischen geschichte betrachtet
wird : Zueum Dianium in nemore Aridno Egeriua Laevius Tusculantts
dedicavü dictator Latinus. Mpqpuli communüer: TiASculanus^ Äri-
cinuSy LanuvinuSy Laurens^ Coranus^ Tiburtis, PometintiSy Ardeatis
B\duiu3 (fr. 58 Peter), es ist kaum eine andere annähme möglich
als dasz Cato diese angaben einer inschrift entnommen hat; ja die
fassung der stelle ist der art, dasz man sich dem gefllhl nicht ent-
ziehen kann, Cato habe selbst den Wortlaut des Originals zum grösten
teil mit herttbergenommen. doch sei dem wie ihm wolle , jedenfalls
gestattet Catos autoritftt keinen zweifei an der richtigkeit der hier
überlieferten thatsache.
Für die historische Verwertung dieser Urkunde kommt natür-
lich alles darauf an, die zeit zu bestimmen, in der sie aufgezeichnet
worden ist. freilich trägt sie ein datum; für uns aber, denen die
latinischen dictatorenfasten verloren sind , ist diese angäbe chrono-
logisch ohne wert, und wir müssen suchen auf indirectem wege zum
ziele zu kommen.
Da nun in dem Verzeichnis der bundesstädte Pometia genannt
ist, Norba und Signia fehlen, Ardea noch als den Rutulem gehörig
bezeichnet wird , habe ich die Urkunde an den anfang des fünften
oder das ende des sechsten jh. vor unserer Zeitrechnung setzen zu
müssen geglaubt (ital. bund s. 179 f.). dieser ansatz ist kürzlich
bestritten worden: OSeeck (rh. mus. XXXVH s. 15 — 25) glaubt im
stände zu sein nicht nur im allgemeinen die zeit der inschrift be-
stimmen zu können, sondern sogar das genaue jähr, in dem sie ge-
setzt worden ist: 381 vor Ch.
Den beweis fttr diese behauptung findet er in dem bekannten
Verzeichnis der Latinerstädte, deren truppen an der schlacht am see
Regillus teil nahmen, bei Dionysios V 6 1. dieses Verzeichnis nemlicb
erklärt Seeck für eine 'schwesterurkunde' der inschrift von Aricia.
nun ist die liste bei Dionysios alphabetisch geordnet, dre bei Cato
nach einem ganz andern princip ; dort stehen 29, und standen höchst
wahrscheinlich 30 namen, hier nur 8; dort fehlt Pometia, hier ist
es aufgeführt; endlich werden bei Dionysios zwei crporiiTOl aÖTO-
KpdtTopec genannt, bei Cato 6in didator. man sollte also glauben
dasz es kaum zwei unähnlichere Urkunden geben könne, indes welche
Schwierigkeit vermöchte nicht eine geschickte Interpretation zu be-
seitigen? wenn bei Dionysios zwei Strategen erwähnt werden, so
ist der eine , Sex. Tarquinius *wohl auf grund des historischen Zu-
sammenhangs, in welchen man die Urkunde einzuordnen versuchte,
hinzu erfunden' (Seeck ao. s. 16 anm. 2); wenn Pometia bei Dio-
168 £ Albrecht; die gegner in der ersten rede des Isaios.
ein sophistischer knifif, der in unserer rede nicht vereinzelt dasteht;
man beachte besonders § 34 (olc jüi^v £aiv oübk bieX^T^TO fiTiacav
boCvai Tf)V ouc(av), wo redner so thut, als wftre Eleonymos mit der
ganzen gegenpartei gegen ende seines lebens zerfallen gewesen^
während er es factisch nnr mit einigen war (§ 31); vgl. auch Schö-
mann zu 3, 66. dasz Kephisandros § 16 selbst nicht als zeuge für
den versuchten ausgleich aufgerufen wird, was an sich auffällt, er-
klärt sich gleichfalte bei der annähme, dasz er die gegenpartei vor
gericht unterstützte, dasz der Sprecher ihn trotzdem auffordern
konnte, ist nicht zu bezweifeln (vgl. einen ähnlichen fall 2, 33);
wenn er es nicht getban hat, so wird er dazu seine gründe gehabt
haben, über die wir nichts sicheres ermitteln kOnnen. ebenso wenig
läszt sich mit bestimmtheit sagen, weshalb er das zeugnis des Simon
§ 32 nicht benutzte ; möglich dasz auch er zu jenen g){Xoi gehörte.
Als solche , die dem Sprecher gegenüber die erbschaft für sich
in anspruch nahmen, bleiben also Fherenikos, Foseidippos und
Diokles (§ 3. 14. 15. 23) übrig, dasz auszer ihnen noch mindestens
ein bruder bei der sache beteiligt war, lehrt § 30 toutuiv iiiy Tict
bid(popoc ^T^V€TO (vgl. § 31 irpdc toutouc ^t^vcto f| btaq>opa.
34 TOuc a{n(p biaq>€po^^vouc). gewis konnte der Sprecher, um die
Sache schlimmer darzustellen als sie war, so reden, auch wenn Eleo-
nymos nur mit dem ^inen Pherenikos sich verfeindete (vgl. 5, 14
o\ jndprupec ^dXuicov, wo thatsftchlich nur 6in zeuge ipcubo^apTU-
piu»v verurteilt war); ohne jeden schein von richtigkeit aber that er
es, wenn auszer Foseidippos und Diokles, die nach seiner eignen
darstellung als noch beim tode des erblassers mit demselben ganz
gut befreundet erscheinen musten, kein weiterer bruder da war.
dasz das haus der gegner (§ 44) aus mehr als vier brttdem bestan-
den habe, erscheint mir sehr zweifelhaft: sonst würden sich wohl
spuren davon in der rede finden, und aus demselben gründe dürfte
die hypothesis recht haben, nach der auf der andern seite sich nur
zwei bruder befanden, ich erkläre mir daher — ohne indes anspruch
auf allgemeingültigkeit meiner ansieht zu machen — die von den
Vermittlern vorgeschlagene teilung (§ 2. 35 ico^oipf^cai. 28 ^^poc
^KacTov ixexy rfic ouciac. 51 fmfic tö jüi^poc auriüy Xaßciv) so,
dasz jede der beteiligten personen ein sechstel der erbschaft bekom-
men sollte, bei einer teilung nach stammen , bei der jede partei die
hälfte erhalten hätte, wären die gegner zu schlecht weggekommen,
und daher wird sie wohl auch von ihren freunden nicht vorgeschla-
gen worden sein.
Berlin. Emil Albrecht.
JBeloch: die weihinschrift des Dianabaines von Aricia. 169
30.
DDE WEIHINSCHRIFT DES DIANAHAINES VON ARICIA.
Aus Catos Origines ist uns durch Priscian ein fragment auf-
bewahrt, das allgemein , und mit vollem recht, als eine der wichtig*
sten erhaltenen Urkunden zur altlatinischen geschichte betrachtet
wird : Ittcum Dianmm in nemore Aricino Egerius Laevms TuscuUmus
dedkavU didator Latinas. MpoptUi communüer: TiMCulanuSy An-
cinuSy Lanuvinus^ Laurens^ Coranus^ Tihurtis^ PometintM, Ardeatis
Rfdülus (fr. 58 Peter), es ist kaum eine andere annähme möglich
als dasz Cato diese angaben einer inschrift entnommen hat; ja die
fassung der stelle ist der art, dasz man sich dem geflihl nicht ent-
ziehen kann, Cato habe selbst den Wortlaut des Originals zum grösten
teil mit herübergenommen, doch sei dem wie ihm wolle , jedenfalls
gestattet Catos autorität keinen zweifei an der richtigkeit der hier
überlieferten thatsache.
Für die historische Verwertung dieser Urkunde kommt natür-
lich alles darauf an, die zeit zu bestimmen, in der sie aufgezeichnet
worden ist. freilich trägt sie ein datum; für uns aber, denen die
latinischen dictatorenfasten verloren sind , ist diese angäbe chrono-
logisch ohne wert, und wir müssen suchen auf indirectem wege zum
ziele zu kommen.
Da nun in dem Verzeichnis der bundesstädte Pometia genannt
ist, Norba und Signia fehlen, Ardea noch als den Rutulem gehörig
bezeichnet wird , habe ich die Urkunde an den anfang des fünften
oder das ende des sechsten jh. vor unserer Zeitrechnung setzen zu
müssen geglaubt (ital. bund s. 179 f.). dieser ansatz ist kürzlich
bestritten worden: OSeeck (rh. mus. XXXVII s. 15 — 25) glaubt im
Stande zu sein nicht nur im allgemeinen die zeit der inschrift be-
stimmen zu können, sondern sogar das genaue jähr, in dem sie ge-
setzt worden ist: 381 vor Ch.
Den beweis für diese behauptung findet er in dem bekannten
Verzeichnis der Latinerstttdte, deren trnppen an der Schlacht am see
Regillus teil nahmen, bei Dionysios V61. dieses Verzeichnis nemlich
erklärt Seeck für eine 'schwesterurkunde' der inschrift von Aricia.
nun ist die liste bei Dionysios alphabetisch geordnet, die bei Cato
nach einem ganz andern princip; dort stehen 29, und standen höchst
wahrscheinlich 30 namen, hier nur 8; dort fehlt Pometia, hier ist
es aufgeführt; endlich werden bei Dionysios zwei CTpaTT^Tol aÖTO-
KpäTOpec genannt, bei Cato 6in dktator. man sollte also glauben
dasz es kaum zwei unähnlichere Urkunden geben könne, indes welche
Schwierigkeit vermöchte nicht eine geschickte Interpretation zu be-
seitigen ? wenn bei Dionysios zwei Strategen erwähnt werden , so
ist der eine. Sex. Tarquinius *wohl aufgrund des historischen Zu-
sammenhangs, i^ welchen man die Urkunde einzuordnen versuchte,
hinzu erfunden' (Seeck ao. s. 16 anm. 2) ; wenn Pometia bei Dio-
170 JBeloch: die weihinschrift des Dianahaines von Aricia.
nysios fehlt, so musz der name eben ausgefallen sein, wodurch die
zahl von 30 bundesstttdten glücklich voll wird; wenn bei Dionysios
mehr namen stehen als bei Cato, so ist diese letztere liste nicht voll*
ständig; die alphabetische anordnung bei Dionysios endlich kann
nicht die ursprüngliche sein, so ist denn alles in schönster Ordnung,
und die beiden 'schwesterurkunden' sind fertig.
Da nun in der liste bei Dionysios einerseits Tnscolum vor-
kommt, das 381 vor Ch. als municipium in den römischen staat
aufgenommen worden ist, anderseits das 382 als latinische colonie
gegründete Setia, so müssen die beiden 'schwesterurkunden' der
Zwischenzeit angehören , und da sie aus verschiedenen jähren sind,
wie die verschiedenen dictatorennamen beweisen , so musz die eine
im j. 382, die andere im j. 381 abgefaszt sein, welch eigentümlicher
Zufall , dasz wir gerade nur aus diesen beiden jähren Urkunden des
Latinerbundes besitzen, und dasz der dictator in beiden jähren aus
Tusculum war!
Bei dieser ganzen ausführung ist nur der kleine umstand ver-
gessen , dasz weder das jähr der aufnähme Tusculums in den römi-
schen bürgerverband nodi das jähr der colonisierung von Setia hin-
reichend feststehen, von Tusculum erzählt Livius VI 26 unter dem
kriegstribunat des M. Furius Camillus, A. und L. Postumius, L. Furios,
L. Lucretius, M. Fabius, dh. nach der gewöhnlichen gleichung 381
vor Gh., dasz die bürger der stadt pacem nee Ua muUo past civUatem
etiam impetraverufU. dasz sie die civitftt noch in demselben jähre
erhalten haben , folgt daraus, wie man sieht, keineswegs, immerhin
liesze sich erwidern, dasz Tusculum in folge der ereignisse dieses
Jahres aus dem latinischen bunde habe austreten müssen. — Viel
problematischer steht es mit dem ansatz der gründung von Setia.
wir haben darüber zunächst die angäbe des Vellejus 1 14, 2 post Septem
annoSy quam GhMi urhem ceperant, Sutrium deducta cdania estetposi
annum Setia. Livius dagegen VI 30 berichtet unter dem tribunat
des P. und C. Manlius, L. Julius, C. Seztilius, M. Albinius, L. An-
tistius, also 379: eodem anno Säiam ipsis querentibus penuriam
hominum novi odUmi adscripti. es wird niemand glauben, Livius
spreche hier von einer verst-ärkung der vor drei jähren deducierten
colonie — er hatte diese deduction ja gar nicht berichtet; vielmehr
steht novi-colom hier im gegensatz entweder zu der alteinheimischen
büvölkerung der stadt, oder aber es gab von Setia wie von Ciroei
eine tradition, die die erste gründung der römischen colonie in sehr
frühe Zeiten hinaufrückte, es ist klar dasz Livius und Vellejus die*
selbe thatsache berichten , wenn auch mit einer kleinen chronologi-
schen differenz, wie sie auch sonst zwischen den angaben beider
Schriftsteller vorkommt: setzt doch Vellejus zb. die gründung der
colonie Nepete ganze zehn jähre später als Livius. die von Livius
benutzten annalen setzten also die deduction von Setia drei jähre
später als die eroberung von Tusculum durch die Römer.
Dem gegenüber verliert der chronologische ansatz der beiden
JBeloch: die weihinschrift des Dianahainea von Aricia. 171
'schwesierurkunden' auf die j. 382 und 381 allen halt, aber auch
ganz abgesehen davon ist es bei der beschaffenheit unserer Über-
lieferung über die römische geschichte dieser zeit ein sehr misliches
ding , irgend ein ereignis , das ohne consular- oder kriegstribunen-
datum überliefert ist, chronologisch genau fixieren zu wollen.
Dasz aber unsere inschrift überhaupt nicht in das vierte jh. ge-
hören kann, zeigt folgende betrachtung, zu der es mir gestattet sein
möge etwas weiter auszuholen.
Der alte Latinerbund , der in dem tempel des Juppiter Latiaris
auf dem Albanerberge seinen sacralen mittelpunkt hatte, dessen
politisches haupt erst Alba, dann Bom gewesen ist, war eine orga-
nische bildung^ deren Ursprung sich im dunkel der vorzeit verliert,
alle glieder der nation waren anteilberechtigt'; und da die zahl
30 in den politischen bildungen Latiums wie in der sage eine so
grosze rolle spielt, so ist es sehr wahrscheinlich, dasz der bund ur-
sprünglich in der that gerade 30 gemeinden umfaszt hat. da femer
die politische seite des bundes hinter der sacralen zurücktrat, so
konnten auch städte , die ihre Selbständigkeit verloren hatten , an-
teilberechtigt bleiben , dann wenigstens , wenn ihr gebiet mit dem
einer andern latinischen gemeinde — Bom zb. — vereinigt war, die
für die untergegangene stadt das Stimmrecht ausüben konnte, ob
freilich gemeinden , die durch eroberung von auszen vom bunde ab-
gerissen waren, für die also niemand mehr da war, der das Stimm-
recht hätte ausüben können , in der liste der bundesglieder weiter-
geführt wurden, ist eine andere frage, da aber die neugegründeten
latinisch-römischen colonien ohne zweifei in die festgenossenschaft
aufgenommen wurden, so liesz sich die alte normalzahl auch ohne
künstliche eingriffe annähernd festhalten.
Der Latinerbund dagegen, mit dem Bom 493 das Cassische
bündnis schlosz und anderthalb Jahrhunderte später den Latiner-
krieg führte, war eine künstliche Schöpfung zu politischen zwecken.
Bom war ausgeschlossen, und demgemäsz präsidierten auf den bundes-
tagen nicht, wie bei dem feste des Latiar, die römischen magistrate,
sondern die dictatoren von Latium. wir müssen also beide bünde
viel schärfer auseinanderhalten als es gewöhnlich geschieht
Über die ereignisse, die zur bildung dieses neuen Latinerbundes
geführt haben, läszt uns unsere Überlieferung freilich im dunkeln,
wie sollten wir auch davon künde haben, da die latinischen annalen
verschollen sind? da aber schon das foedus Cassianum das bestehen
^ dasz je ein albanisober bund in dem engern, dnreh Plinius nat,
hist, III 68 f. angegebenen umfang bestanden habe, wie Seeck behauptet
(ao. B. 3 — 16), ist schon aus geographischen gründen höchst unwahr-
scheinlich; dasz Seecks hjpothese auch historisch keine begründung
hat, ist von Mommsen (Hermes XVII s. 42 ff.) gezeigt worden, freilich
kann ich auch Mommsens ergebnissen nicht zustimmen, meine viel-
mehr dasz die erklftrung der Pliniusstelle auf ganz anderm wege zu
suchen ist; doch würde es zu weit führen hier näher auf diese frage
einzugehen.
170 JBelooh: die weihinschrift des Dianahaines von Aricia.
nysios fehlt, so musz der name eben ausgefallen sein, wodurch die
zahl von 30 bundesstädten glttcklich voll wird; wenn bei Dionysios
mehr namen stehen als bei Cato, so ist diese letztere liste nicht voll-
ständig; die alphabetische anordnung bei Dionysios endlich kann
nicht die ursprüngliche sein, so ist denn alles in schönster Ordnung,
und die beiden 'schwesterorkunden' sind fertig.
Da nun in der liste bei Dionysios einerseits Tascolüm vor-
kommt, das 381 vor Ch. als municipium in den römischen staat
aufgenommen worden ist, anderseits das 382 als latinische colonie
gegründete Setia, so müssen die beiden 'schwesterurkunden' der
Zwischenzeit angehören, und da sie aus verschiedenen jähren sind,
wie die verschiedenen dictatorennamen beweisen , so musz die eine
im j. 382, die andere im j. 381 abgefaszt sein, welch eigentümlicher
Zufall , dasz wir gerade nur aus diesen beiden jähren Urkunden des
Latinerbundes besitzen, und dasz der dictator in beiden jähren aus
Tusculum war!
Bei dieser ganzen ausflihrung ist nur der kleine umstand ver-
gessen , dasz weder das jähr der aufnähme Tuscalums in den römi-
schen bürgerverband noch das jähr der colonisierung von Setia hin-
reichend feststehen, von Tusculum erzählt Livius VI 26 unter dem
kriegstribunat des M. Furius Camillus, A. und L. Postumius, L. Furius,
L. Lucretius, M. Fabins, dh. nach der gewöhnlichen gleichung 381
vor Ch., dasz die bürger der stadt pacem nee Ua müUo past cwitatem
etiam impetraveru/fU. dasz sie die civitftt noch in demselben jähre
erhalten haben , folgt daraus, wie man sieht, keineswegs, immerhin
liesze sich erwidern, dasz Tusculum in folge der ereignisse dieses
Jahres aus dem latinischen bunde habe austreten müssen. — Viel
problematischer steht es mit dem ansatz der gründung von Setia.
wir haben darüber zunächst die angäbe des Yellejus 1 14, 2 post Septem
annos^ quam CMU urhem ceperant, Sutrium deducta cdania est et post
annum Setia. Livius dagegen VI 30 berichtet unter dem tribunat
des P. und C. Manlius, L. Julius, C. Seztiüus, M. Albinius, L. An-
tistius, also 379: eadem anno Setiam ^ms querentibus penuriam
hotninum novi odUmi adscripti. es wird niemand glauben, Livius
spreche hier von einer verstlürkung der vor drei jähren deducierten
colonie — er hatte dieee deduction ja gar nicht berichtet; vielmehr
steht novi'Colom hier im gegensatz entweder zu der alteinheimischen
bevölkerung der stadt, oder aber es gab von Setia wie von Ciroei
eine tradition, die die erste gründung der römischen colonie in sehr
frühe Zeiten hinaufrückte, es ist klar dasz Livius und Vellejus die*
selbe thatsache berichten, wenn auch mit einer kleinen chronologi*
sehen differenz, wie sie auch sonst zwischen den angaben beider
schriftsteiler vorkommt: setzt doch Vellejus zb. die gründung der
colonie Nepete ganze zehn jähre später als Livius. die von Lavins
benutzten annalen setzten also die deduction von Setia drei jähre
später als die eroberung von Tusculum durch die Römer.
Dem gegenüber verliert der chronologische ansatz der beiden
JBeloch: die weihiuschrift des Dianahainea von Aricia. 171
'schwesterurkunden' auf die j. 382 und 381 allen halt, aber auch
ganz abgesehen davon ist es bei der beaohaffenheit unserer Über-
lieferung über die römische geschichte dieser zeit ein sehr misliches
ding , irgend ein ereignis , das ohne consular- oder kriegstribunen-
datum überliefert ist, chronologisch genau fixieren zu wollen.
Dasz aber unsere Inschrift überhaupt nicht in das vierte jh. ge-
hören kann, zeigt folgende betrachtung, zu der es mir gestattet sein
möge etwas weiter auszuholen.
Der alte Latinerbund , der in dem tempel des Juppiter Latiaris
auf dem Albanerberge seinen sacralen mittelpunkt hatte, dessen
politisches haupt erst Alba, dann Bom gewesen ist, war eine orga-
nische bildungy deren Ursprung sich im dunkel der vorzeit verliert
alle glieder der nation waren anteilberechtigt*; und da die zahl
30 in den politischen bildungen Latiums wie in der sage eine so
grosze rolle spielt, so ist es sehr wahrscheinlich, dasz der bund ur-
sprünglich in der that gerade 30 gemeinden umfaszt hat. da femer
die politische seite des bundes hinter der sacralen zurücktrat, so
konnten auch städte, die ihre Selbständigkeit verloren hatten, an-
teilberechtigt bleiben , dann wenigstens , wenn ihr gebiet mit dem
einer andern latinischen gemeinde — Bom zb. — vereinigt war, die
für die untergegangene Stadt das Stimmrecht ausüben konnte, ob
freilich gemeinden, die durch eroberung von auszen vom bunde ab-
gerissen waren, für die also niemand mehr da war, der das Stimm-
recht hätte ausüben können , in der liste der bundesglieder weiter-
geführt wurden, ist eine andere frage, da aber die neugegründeten
latinisch-römischen colonien ohne zweifei in die festgenossenschaft
aufgenommen wurden, so liesz sich die alte normalzahl auch ohne
künstliche eingriffe annähernd festhalten.
Der Latinerbund dagegen, mit dem Bom 493 das Cassische
bündnis schlosz und anderthalb Jahrhunderte später den Latiner-
krieg führte, war eine künstliche Schöpfung zu politischen zwecken.
Bom war ausgeschlossen, und demgemäsz präsidierten auf den bundes-
tagen nicht, wie bei dem feste des Latiar, die römischen magistrate,
sondern die dictatoren von Latium. wir müssen also beide bünde
viel schärfer auseinanderhalten als es gewöhnlich geschieht
Über die ereignisse, die zur bildung dieses neuen Latinerbundes
geführt haben, läszt uns unsere Überlieferung freilich im dunkeln,
wie sollten wir auch davon künde haben, da die latinischen annalen
verschollen sind? da aber schon das foedus Cassianum das bestehen
^ dasz je ein albanisober bnnd in dem engern, dnrch Plinius nat,
htst, III 68 t, angegebenen umfang bestanden habe, wie Seeck behauptet
(ao. s. 3 — 16), ist schon aus geographischen gründen höchst unwahr-
scheinlich; dasz Seecks hjpothese auch historisch keine begründung
hat, ist von Mommsen (Hermes XVII s. 42 ff.) gezeigt worden, freilich
kann ich auch Mommsens ergebnissen nicht zustimmen, meine viel-
mehr dasz die erklftrung der Pliniusstelle auf ganz anderm wege zu
suchen ist; doch würde es zu weit führen hier näher auf diese frage
einzugehen.
172 JBeloch: die weihinschrift des Dianahaines von Aricia.
dieses bundes voraussetzt, wird die annähme gerechtfertigt sein, dasz
Latium die inneren wirren in Born beim stürze der königsherschaft
benutzte, sich staatlich zu consolidieren und von der römischen hege-
monie zu befreien.
Seeck meint nun, die neue latinisohe bundesverfassung sei nichts
gewesen als eine copie der Verfassung der albanischen festgenossen-
Schaft, wobei denn der bekannte gemeinplatz von der Unfähigkeit der
italischen Völker zur hervorbringung originaler politischer Schöpfun-
gen natürlich nicht fehlen darf, diese auffassung aber ist auf grund
des vorhandenen quellenmaterials in keiner weise berechtigt, wir
sehen im gegenteil, wie der neue latinische bund in bewustem gegen-
satz zur albanischen festgenossenschaft sich entwickelt hat: hier die
hegemonie erst Albas, dann Boms, dort ein verein gleichberechtigter
stftdte^; hier eine lose gemeinschaft hauptsächlich sacralen charak«
ters , dort eine enge Verbindung zur erreichung politischer zwecke.
wir haben nicht den geringsten anhält zu der annahmre, dasz der
neue bund die albanische festgenossenschaft gerade in dem Suszer-
lichen punkte der zahl der mitglieder copiert haben sollte, um so
weniger als beide bflndnisse gleichzeitig neben einander bestanden
haben. Schweglers behauptung (röm. gesch. 11 297) , es sei 'gewis,
dasz es der bundesstftdte, die im j. 261 d. st. das Cassische bOndnis
mit Bom geschlossen haben , eben dreiszig gewesen sind', schwebt
vollständig in der luft; er weisz kein einziges zeugnis dafür anzu-
führen als den formelhaften ausdruck trigifUa papuU ^ mit dem die
annalisten in der erzählung der ereignisse der königszeit und der
ersten jähre der republik vor dem Cassischen bttndnis hin und wie-
der die gesamtheit der Latinerstädte bezeichnen, dasz ein solcher
ausdruck in keiner hinsieht für die entscheidung unserer frage be*
weisend ist, bedarf keiner bemerkung, und in der that hat Seh wegler
selbst darauf kein gewicht gelegt, was ihn zu seiner behauptung
bestimmt hat, ist einzig die hjpothese Niebuhrs, wonach das städte*
Verzeichnis bei Dionysios V 61 der Urkunde des Cassischen Vertrags
entnommen sein soll — eine hjpothese die heute wohl von nieman-
dem mehr vertreten wird, wenn irgend etwas aus dieser zeit gewis
ist , 80 ist es höchstens die thatsache dasz es im j. 493 überhaupt in
Latium keine dreiszig selbständige gemeinden mehr gegeben hat.*
und es wäre gegen alle geschichtliche analogie, dasz ein neubegrün*
deter bundesstaat nicht mehr unabhängige gemeinden oder gar solche
die nie upabhängig gewesen sind in die liste seiner mitglieder anf-
nimt, blosz um eine ideale normalzahl zu erreichen.
Nun ist ohne weiteres klar, dasz wir es bei der weihinschrift
von Aricia mit einer Urkunde nicht der albanischen festgenossen-
schaft, sondern des engem Latinerbundes zu thun haben; trägt doch
* wenn Seeck an eine toscnlanisehe hegemonie im nenen Latiner-
band denkt, so ist das eine völlig haltlose hjpothese. * vgl. itaL
band s. 179—86, eine nntersnchnng deren ergebnissen aach Seeck im
wesentlichen zustimmt.
JBeloch: die weihinBchrift des Dianahaines von Aricia. 173
das document an der spitze den namen des dictators von Latium.
nach dem gesagten müssen also sämtliche darin aufgeführte popuU
zur zeit der abfassung der Urkunde selbständige Staaten gebildet
haben, damit ist denn zugleich erwiesen dasz* die inschrift in die
zeit vor der zerstärung von Pometia gehört.
Aber wann ist denn Pometia zerstört worden ? fest steht zunächst
dasz der ager Pam^inua gleich nach dem gallischen brande durch
Camillus den Volskem entrissen worden ist (Livius VI 5) ; in den
nächsten jähren erhalten römische bUrger hier land angewiesen (ebd.
VI 16. 21), aus dem später die tribtts Pomptina und vielleicht auch
die Puiblüia gebildet worden sind, da eine stadt Pometia weder jetzt
noch später erwähnt wird , sondern immer nur der ager Pomptinius^
so ist der schlusz unabweisbar dasz Pometia — wenn Seeck lieber
will, Suessa Pometia — schon um den anfang des vierten jh. nicht
mehr bestanden hat. ebenso wenig aber wird Pometia während der
siebzigjährigen Yolskerkriege erwämt, die jenem siege des Camillus
vorangehen ; und doch hätte die stadt in diesen kriegen eine bedeu-
tende rolle spielen müssen, wenn sie überhaupt noch vorhanden war.
damit stimmt nun aufs beste, dasz Livius U 17. 25 die Zerstörung
von Pometia schon während der ersten jähre der republik berichtet,
und zwar zweimal nach verschiedenen quellen mit geringer chrono-
logischer differenz (502 und 495). so wenig auch eines dieser data
absoluten wert beanspruchen kann, so ist doch so viel gewis, dasz
die Zerstörung von Pometia schon in sehr früher zeit erfolgt sein
musz. wenn eine Vermutung gestattet ist, würde ich den Untergang
der Stadt in den an&ing der Yolskerkriege setzen, etwas vor die
initte des fünften jh. denn das ist doch wohl sicher, dasz die lati-
nische bundesstadt Pometia durch die Yolsker, nicht durch die Bömer
zerstört worden ist.
Es gibt aber noch einen andern grund, der uns veranlaszt un-
sere Urkunde an das ende des sechsten oder den anfang des fünften
jh. zu setzen, der neubegründete Latinerbund muste naturgemäsz
bestrebt sein durch einrichtung von bundesfesten an geweihten
iftätten auch ein religiöses band um seine mitglieder zu knüpfen,
als solche bundesheiligttüner kennen wir auszer unserm aricinischen
Dianahain den hain der Yenus am Numicius zwischen Ardea
und Lavinium^ und den Dianahain auf dem hügel Corne bei
* Strabon V s. 232 dvÄ yiicov hk toOtujv tuiv tcöXeujv (Ostia und
Antinm] kcz\ t6 Aaouivtov, Ixcv KOtvöv tuiv AaTivujv icpöv *A(ppo5(Tiic *
4iTt|ji€XoOvTat 6* aÖToO 6i& irpoiröXujv 'Apbcäxar cTxa Aaupcvröv. öir^p-
Kctrai hi ToCrruJV i^ 'Apö^a, KaroiKia ToutoOXwv iv lßöo|Ji/)KovTa cra-
biotc dir6 Tf)c 6aXdTTT)C. Scrt hk Kai Taöxric nXiiclov *A9po&(ctov, öirou
TCavr)tDp(Zouci Aartvoi. dasz hier Strabon seine quelle misverstanden
oder sich angeschickt aasgedrückt hat und in Wahrheit nur ^in heilig-
tum der Venus Ewischen Lavinium und Ardea bestand, bedarf keines
beweises. den ort hat Nibbj (Diutorni I' 208 — 8) nachgewiesen in
der Tenuta Campi Jemini an der mtindung des Rio Torto (Numicius),
die in mittelalterlichen Urkunden als camptts Veneria bezeichnet wird.
174 JBeloch: die weihinschrift dee Dianahames von Aricia.
Tusculum.^ es ist selbstverstSndlich , dasz diese heiligen stfttten
schon seit nnvordenklichen Zeiten bestanden ; die dedication durch
den latinischen dictator bezweckte nichts anderes als dasz sie hin-
fort als bundesheiligtüiner zn gelten hStten. offenbar mnste diese
dedication gleich nach der begrttndung des bundes vorgenommen
werden; und da der band; wie das foeäias (Jassiamim beweist, schon
im j. 493 bestand , so föllt die weihung des Dianahaines bei Aricia
durch den dictator Egerius Laevius notwendig vor dieses jähr.
Es bleibt noch die frage , ob das Verzeichnis der an der dedica-
tion teilnehmenden stftdte, so wie es uns Priscian überliefert hat>
vollständig ist. denn da Priscian die Urkunde nur wegen der un-
gewöhnlichen form Ardeatis überhaupt anführt, so liegt die Ver-
mutung nahe , dasz er alle bei Cato noch folgenden namen einfach
fortgelassen hat (Schwegler ao. II s. 298 anm. 1). trotzdem hat
Mommsen (röm. gesch. I^ 352) kein bedenken getragen das ver*
zeicbnis als vollständig anzuerkennen , und ich selbst habe an an-
derer stelle (ital. bund s. 179 f.) aus der feige, in der die bundes*
Städte aufgeführt werden, den beweis dafür zu führen versucht, auch
liegt es in der natur der sache , dasz der bund in den ersten jähren
seines bestehens nur einen teil der von Bom noch unabhängigen
latinischen gemeinden umfassen konnte, man denke nur an die art,
wie der ätolische und achftische bund oder die schweizer eidgenossen-
Schaft sich entwickelt haben. Praeneste, Pedum, Nomentum, die
wir zur zeit des Latinerkrieges als bundesglieder finden, können
da die Ardeaten die vorstandschaft des tempels hatten, so lag dieser
offenbar auf dem gebiete von Ardea (vgl. Sitins VIII 869, ein aengnis
das freilich sehr wenig beweist), aber äher an Laviniom als an jener
Stadt, woraus sich die dittographie bei Strabon erklärt. Plinins III 57
und Mela II 71 setsen das Aphroduium Ewischen Antium und Ardea;
der gemeinsame Irrtum zeigt, dasz sie dieselbe quelle benutzt haben,
der griechische name, dasz diese quelle ein g^ecbisches werk war (vgl.
meine abh. über die quellen Strabons in der beschreibung Campaniens
in den Atti della R. Aocademia dei Lincei 1882). das jäirliche opfer,
das die römischen magistrate später der Vesta und den Penaten in
Lavinium darbrachten (Servius Aen. 11 296. III 12. Val. Max. I 6, 7.
Macrobius III 4, 11), hat mit diesem latinischen bundesfest zu ehren
der Venus natürlich nicht das geringste zu thun.
^ Plinius XVI 242 est in suburbano Tusculani agri colle, qui Come
appeUaiur^ lucus antiqua religione Dianae iacratu* a Lotio, dieser hain ist
offenbar identisch mit dem berühmten Dianaheiligtum auf dem Alridus,
dessen Horatius erwähnt (carm. I 21, 6. carm» saec. 69). der Algidus
ist den Römern der ersten kaiserseit die nördliche bergkette des Albaner-
gebirges von Frascati bis zur Cava dell* Aglio jenseits Rooca Priora,
auf deren höhe die ruinen von Tusculum liegen, es wäre nun sehr auf-
fallend, wenn in der unmittelbaren Umgebung dieser Stadt zwei be-
rühmte cultstätten der Diana bestanden hätten: denn es ist doch von
selbst klar, dasz nur den bedeutendsten heiligtümem im latinisoben
bundesgebiet die ehre widerfuhr, zu bundesheiligtümem erklärt zu
werden, danach würde der hügel Come im osten von Tusculum in
suchen sein, zwischen hier und Rocca Priora, und entweder der Mon-
tagnola di Monte Porzio oder dem Monte Salomone entsprechen.
JBeloch: die weihinschrifb des Dianahaines von Aricia. 175
später beigetreten sein, wie das von den latinischen colonien Signia,
Norba, Circei, Setia unzweifelhaft ist, wenigstens von den beiden
letzteren. Gabii, durch sein foedus aufs engste mit Born vereinigt,
hat dem bunde wohl niemals angehört', Labicum und Bola sind so
früh von den Aequem erobert worden , dasz ihre ganze ältere ge*
schichte verschollen ist. ,
Jedenfalls wird die 'schwesterurkunde'bei Dionjsios nicht gegen
die hier vertretene auffassung ins feldgeführt werden können, ein ver*
zeichnis, worin Setia und Circei als latinische gemeinden vorkom-
men, kann unmöglich bis ins fünfte oder gar ans ende des sechsten
jh. hinaufgerückt werden, und überhaupt haben , wie auch Seeck
ausdrücklich anerkennt, die darin aufgeführten gemeinden niemals
zu gleicher zeit als selbständige latinische Staaten bestanden, im
besten falle also kann das Verzeichnis bei Dionysios auf die albanische
festgenossenschaft sich beziehen, und das ist bekanntlich die ansieht
Mommsens. ich kann mich aber jetzt so wenig wie früher über-
zeugen, wie eine liste dieser art, bei der, selbst ihre echtheit zuge-
geben, die ursprüngliche anordnung mit der alphabetischen ver-
tauscht worden ist, überhaupt auf den namen einer Urkunde an-
sprach erheben kann, mit der weihinschrift des Dianahaines in
Aricia hat sie jedenfalls so wenig zu thun wie etwa mit dem Pli-
nianischen Verzeichnis der gemeinden Italiens nach der einteilung
des Angustus.
^ dasz Gabii 'schon durch den Tarqninischen vertrag tnunidpium
foHieratum geworden sei' (Seeck ao. b. 19 anm. 6) habe ich niemals be-
hauptet, vielmehr die anwendnng der staatsrechtlichen kategorien spä-
terer zeit auf diese epoche ausdrücklich abgelehnt (ital. hund s. 47).
ebenso wenig ist es mir natürlich in den sinn gekommen an behaupten,
G&bii wäre freiwillig in den römischen Staatsverband eingetreten.
Seeck hätte sich also die betreffende tirade ersparen können, in eine
polemik wegen der municipia foederata einzutreten ist hier nicht der
ort; nur das will ich bemerken, dasz gleich Seecks erste behauptung,
der ausdruck munidpium foederaium komme nie als technische beceich-
nung vor, ein irrtum ist: vgl. die capenatische inschrift bei Wilmanns
2084 (» Or. 3688) T. Flavio T. f. Qtär. Flaviano | aedili guestori desi-
gnato \ municipio Capenae foederato | usw. übrigens läszt sich der
ausdruck munidphan foederaium auch aus der stelle Cic. Pfäl, III 15 nur
durch ein interpretationskunststück hinwegdeuten.
BoM. Julius Belooh.
31.
ZU JUSTINUS.
VI 6, 5 kic annus non eo tantum insignis fuU^ quod repmte pax
tota Oraecia facta est, sed etiam eo quod eodem tempore f/trhs Bomana
a QäUis capta est. sed Lacedaemonii securi insidiantes^ ahsentiam
Arc€tdum specülati casteHum eorum expugnant occupatoquepraesidium
176 BSprenger u. AEassner: za Justinns.
inpanurU. securi mit insidianies zu verbinden geht nicht an,- es ist
auch überhaupt ftlr den Zusammenhang mindestens unnütz, wenn
man auch annehmen wollte dasz insidiari für die Überrumpelung
einer feste in firiedenszeiten der richtige ansdruok wäre, aus dem Zu-
sammenhang ergibt sich dasz zu lesen ist: sed LacedaemonU securi
indutiis agentes ahsentiam Arcadum specukUi castdhum eorum
expugnant usw. 'die Lakedämonier durch den Waffenstillstand {in-
dutiae was oben pax) in Sicherheit (vor einem anderweitigen angriffe)
lebend' usw. secwrus ^sicher vor geüahr* mit dem abl. fuga XULL 8, 5;
agere «= Heben' auch bei Justin öfter.
XTX 2, 5 cietn, cum famüia tanta imipcratcrum gravis liherae
civüati esset omniaque ipsi agererU sitnul et iudicarent, centum ex
numero senatorum iudices deUguntur, qui reversis a hello dudbus
rationem rerum gestarum exigerent, ut hoc metu Ua in hello vmperia
cogüa/refd , ut domi iudicia legesgue respkerent. imperia cogitare 'die
befehle Überlegen' bildet keinen oder nur einen matten gegensatz
zu iudicia legesque respicere. es ist zu lesen: ut hoc n^etu ita in hdlo
imperia agitarent^ ut domi iudicia legesque respiccrent: 'dasz sie
im kriege mit eben der furcht ihre befehlshaberstellen verwal-
teten, wie sie im frieden recht und gesetz respectierten.' imperium
agitare auch Sali. Cat. 9, 5.
XXXTX 3, 11 tunc Cleopatra execratione parricidarum mandata
violatis numinihttö uUione sui decedU. execratione parricidarum mar^
data könnte nur heiszen: 'nachdem sie die Verfluchung der ver-
wandtenmörder befohlen.' das passt aber nicht in den zusamn^n-
hang. zu lesen ist: execrationi parricidarum mandata 'dem fluche
der die Verwandtenmörder trifft preisgegeben'.
NoRTHBiM. Robert Sprbnoeb.
XIY 4, 1 — 3 (Eumenes) iussus ab universis dicere facto sHeniio
laocatisque tnnculis prdatam^ sicut erat catenatus, manum ostendit:
*cernitiSy müites' inquit, *häbitum atque omamenta ducis vestri^ quae
mihi non hostium quisquam inposuü: nam hoc etiam in sotado foret:
vos me ex Victore victum^ vos me ex imperatore captivum fedsHs', die
werte ex Victore viäum enthalten einen natürlichen gegensatz; aber
aus dem Zusammenhang erhellt, dasz der Schriftsteller den gegen-
satz künstlich gesteigert hat. wie Justinus nicht ex imperatore
mäiiem sondern captivum schrieb , so wird er nicht ex Victore viäum
sondern v in et um geschrieben haben, derselbe potenzierte gegen-
satz findet sich auch VIT 2, 11 captivum de rege faäuri, vgl. Curtius
VI 9, 26 ducem equitaius pridie viderant . . repente . . vinäum in-
tuehantur.
WüRZBUBO. Adam Eüssneb.
Th Vogel: anz. v. KSittla localen Verschiedenheiten der lat spr. 177
32.
DIE LOCALEN VERSCHIEDENHEITEN DER LATEINISCHEN SPRACHE MIT
BESONDERER BERÜCKSICHTIGUNG DES AFRICANISCHEN LATEINS
VON DR. Karl Sittl. Erlangen, verlag von Andreas Deichert.
1882. IV u. 163 8. gr. 8.
Situs Umfang- und inhaltreiche abhandlung durfte von vom
herein dessen sicher sein, im kreise der fachgenossen besondere be-
achtung zu finden , da ein meister historischer Sprachforschung wie
EWölfiflin hinter ihr steht, dasz dies dar fall ist, spricht das Vorwort
klar aus. aber auch ohne dieses zeugnis würde niemand daran
zweifeln können, der Wölfiflins letzte arbeiten einigermaszen ver-
folgt hat. wiederholt, insbes. s. 101 — 103, bezieht sich S. auf den
nach so vielen Seiten hin belehrenden und bedeutenden aufsatz Wölff-
lins über ^die latein. und roman. comparation' (1879); ganz vor-
nehmlich ist aber augenscheinlich für ihn desselben abhandlung über
^die latinität des AfHcaners Cassius Felix' (sitzungsber. d. k. bajr.
akad. 1880 I 4) anregend und vorbildlich gewesen, so dasz man
geradezu sagen kann, dasz S. die Untersuchung auszuführen versucht
hat, zu welcher dort s. 385 aufgefordert wird.
In dem umfangreichen ersten teil seiner abhandlung (s. 1 — 76)
bemüht sich S., vornehmlich auf die inschriften gestützt, die dialekte
Italiens, der Balkanhalbinsel, Britanniens, der beiden Gallien und
Spaniens zu charakterisieren; die zweite hälfte (s. 77 — 143) ist aus-
schlieszlich der besprechung des africanischen lateins gewidmet,
den schlusz bilden excurse und ein register.
Bef. gedenkt sich nahezu ausschlieszlich mit der zweiten hälfte
zu beschäftigen, hält es aber doch für angezeigt, über den vorauf-
gehenden teil in kürze zu berichten und dabei gelegentlich anzudeuten,
welche Stellung er zu dieser oder jener allgemeinen aufstellung des
vf. einnimt.
Dasz wie alle anderen sprachen, so auch die lateinische ihre
verschiedenen dialekte hatte, ist von vorn herein selbstverständlich,
zudem genugsam bezeugt. ' aber diese Zeugnisse aus dem altertum
sind ebenso spärlich der zahl wie kärglich dem inhalte nach, dazu
zumeist durchaus vereinzelt und ohne Zusammenhang unter einander,
so dasz mit ihnen herzlich wenig anzufangen ist.
Was ausspräche, Orthographie und formenlehre betrifft, so hat
man in neuerer zeit mit erfolg angefangen die inschriften als
eine fundgrube für dialektologie zu verwerten, man hat sich klar
gemacht, dasz es unstatthaft sei graphische und sprachliche eigen-
tümlichkeiten, welche in inschriften 6ines und desselben landesteils
in groszer anzahl auftreten, bzw. längere zeit hindurch sich daselbst
1 beispielshalber seien nur erwähnt die einigermaszen allgemein
gehaltenen zengnisse des Hieronymus ad Galat. 2, 3 cum . . Latiniias et
regionibus cotidie mutaiur ei tempore nnd des Consentius GLK. V s. 395
alia generalia quarundam nationum vitia,
Jahrbücher fQr clasf. philol. 1883 hfl. 3. 12
178 Th Vogel: anz. y. ESittls localen yerschiedenheiten der lat. spr.
verfolgen lassen, ebne weiteres als lapsus scalpri bei seite zu seb»
da ja docb nicbt angenommen werden könne, dasz ein einzelner mann
weite districte mit seinen epigraphiscben künsien versorgt babe,
nocb weniger dasz ein gröszerer kreis von aoftraggebem andauernd
orthograpbiscbe oder grammatische scbnitzer desselben ungerügt
gelassen haben würde, mit groszem fleisz hat S. alles auf dialekte
bezügliche von inschriften und monumenten zusammengetragen,
aber die ausbeute, welche auf diesem wege zu gewinnen war, ist
doch eine unerhebliche , jedenfalls beschränkt sie sich in der haupt-
Sache auf das gebiet der laut**and formenlehre.
Allein der vf. hat sich damit nicht begnügt, er ist auch der
frage näher getreten und ernstlich nachgegangen, welche bis dahin
noch niemand zu beantworten versucht hatte, ob sich nicht aus der
vergleichung des Sprachgebrauches von Schriftstellern, welche
demselben lande oder landesteile entstammt seien , irgend ein ge-
winn für die dialektologie ziehen lasse.
Er beantwortet diese frage nicht in irgend 6inem bestimmten
Satze, aber insofern doch deutlich genug, dasz er sich bezüglich der
gallischen, britannischen, spanischen usw. autoren mit einzelnen inter-
essanten andeutungen begnügt, sehr gründlich und eingehend da-
gegen die Af ricaner behandelt, hätte seine ^recognoscierung' auf
den gebieten der übrigen provinzen ihm reichem ertrag eingebracht,
so würde er sicher seine aufmerksamkeit nicht so ausschlieszlich den
Afri zugewendet und diese so unverhältnismäszig ausführlich be-
handelt haben.
Ref. billigt in vollem masze, dasz der vf. dies gethan hat : denn
wie er die sache ansieht, ist wenig aussieht vorhanden, dasz wir be-
züglich des dialekts irgend einer andern provinz je annähernd so
befriedigende auskunft erhalten, wie S. sie uns bezüglich der Africüas
gegeben hat. höchstens würde ref. es für möglich halten, dasz aus
einer umsichtigen vergleichung der spätem gallischen autoren unter-
einander und mit anderen Zeitgenossen sich ein einigermaszen lohnen-
des resultat ergeben könne, er begründet diese seine ansieht durch
folgende kurze betrachtung.
Kein dialekt der lat. spräche ist als solcher litterarisch aus-
geb^det worden, jeder schi'iftsteller bemühte sich vielmehr, soweit
es der grad seiner bildung zuliesz , der provincialismen sich zu ent-
schlagen und so urban zu schreiben , wie es ihm eben möglich war.
dies gilt von dem verf. des heUum Hispaniense so gut wie von Vitm-
vius und Petronius, soweit der letztere es nicht geflissentlich darauf
anlegt, den plebejerjargon dem leser vorzuführen, zudem war ja
auch der, dem seine mittel nicht gestattet hatten einen regelmäszigen
cursus durchzumachen, keineswegs dem einflusz der rhetorenschule
völlig entrückt, auch konnte es ja nicht anders sein als dasz pro-
vincialen, welche als Schriftsteller eine hervorragende bedeutung er-
langt hatten — wie Livius, Seneca, Fronte — manchem ihrer lands-
leute lehrmeister und Vorbilder wurden, gesetzt somit, es i&ade sich
ThVogel: anz. v. KSittls localen verBchiedenheiten der lat. spr. 179
eine reihe eigenartiger Wendungen nur bei den Seneca, Mela und
Lucanus, so dürften dieselben doch nicht ohne weiteres in ein hispa-
nisches idiotikon verwiesen werden, erst müste dargethan sein, dasz
sich dieselben weder auf eine gemeinsame rhetorenschule noch auf
beeinflussung durch irgend einen nicht hispanischen musterschrift-
steiler oder des einen der genannten durch den andern noch end-
lich — auf die vulgärsprache zurückfCihren lassen, was diesen
letzten punkt betrifft, so erlaube ich mir ein wort zur Verständigung
einzuschalten, sehr mit recht, meine ich, tritt S. der wenigstens sehr
Ulisdeutbaren äuszerung von Schuchardt entgegen (s. 44) ^dasz das
rustike latein auf den denkmälem aller gegenden eigentlich immer
als ein und dasselbe erscheine' ; seine fieiszigen samlungen liefern ja
den schlagendsten gegenbeweis. aber wenn man auch eine besondere
^bauemsprache' ebenso wie ein besonderes ^municipales latein' (s. 2)
mit vollem rechte leugnet, so ist damit doch nicht ausgeschlossen,
dasz in den verschiedensten teilen des römischen reiches alle gebil-
deten gewisse Wörter und Wendungen sich wohl im täglichen ver-
kehr, nicht aber in der Schriftsprache verstatteten, indem sie die-
selben als vulgär ansahen, wie wir Deutsche ja auch neben den
verschiedenen provinciellen eigentümlichkeiten einzelner landesteile
ein vulgärdeutsch haben, eine weitere Verwicklung entsteht daraus,
dasz viele provincialen, welche als Schriftsteller aufgetreten sind,
nachweislich oder wahrscheinlich lange zeit in Italien bzw. in Born
gelebt haben, wir wissen zb. dasz das gallische latein mancherlei-
absonderlichkeiten bezüglich des wortgebrauchs hatte (CicJBru^. 171),
dasz man einem Livius noch spät den Lombarden anmerkte, ist uns
bezeugt, in diesem einen falle ist also wenigstens das dasz fest-
gestellt, wenn wir auch bezüglich des inwiefern? nach wie vor
im dunkeln tappen, wie stand es aber mit Catullus, Nepos, Ver-
gilius, den beiden Plinius? haben auch sie sich in spätem jähren
gelegentlich als provincialen verraten und wodurch? wer kann sich
unterfangen solche fragen beantworten zu wollen-, zumal wenn die
betreffenden (wie wir dies zb. von Horatius , Ovidius , dem jungem
Seneca wissen) gar als knaben bereits ihre heimat verlassen hatten,
um sie später nur gelegentlich und vorübergehend als gaste wieder
zu betreten?
Ehrheblich anders steht die sache bezüglich desafricaniscben
lateins. während ja Spanien und Gallien in der litteratur doch nur
verhältnismäszig kurze zeit tonangebend gewesen und die meisten
der aus jenen ländera entstammten autoren, was die Untersuchung
erheblich erschwert, in hohem grade von der rhetorenschule beein-
fluszt gewesen sind, haben die Africaner zweimal eine art von prin-
cipat in der litteratur geführt , einmal in ^er zeit von Fronte bis
Cjprianus und dann wieder von Augustinus bis auf Priscianus und
den mythographen Fulgentius; auszerdem befinden sich in der statt-
lichen reihe von autoren aus jener provinz , von denen uns werk-e
erhalten sind, neben hochgebildeten männem auch solche, die aller
12*
180 ThVogel: anz. y. ESittU localen Verschiedenheiten der lat. spr.
Schulung entbehrten oder wenigstens die Verpflichtung fühlten —
als Verfasser von predigten oder bibelübersetzungen — ihre aus-
drucksweise durchaus dem Verständnis des gemeinen mannes an-
zupassen, bei solcher läge der dinge und da es sich bei den Afri
nicht um einige wenige, sondern um 30 — 40 Schriftsteller handelt,
musz die hofiEnung als eine von vom herein wohlbegründete erschei-
nen, dasz bei sorgföltiger vergleichung der Africaner unter einander
sich manches als gemeinsames ergeben werde.
Zunächst stellt S. die autoren übersichtlich zusammen (s. 81—90),
welche nachweislich Africaner waren oder seiner ansieht nach als
solche zu bezeichnen sind, als beachtliche einzelheiten seien aus
dieser liste ^ folgende hervorgehoben, nicht als ^africanisch' läszt
S. im Widerspruch mit anderen gelehrten gelten: Apicius, Macrobiu8^
Julius Valerius^, die Itala (s. exe. II s. 146 — 152) und den historiker
Florus.^ dagegen reclamiert er für die provinz Africa auszer der
tragoedia Orestis und der 1877 von EBaehrens herausgegebenen no-
velle aegritudo Perdicae den Minucius Felix und — A. Gellius (exe. I
s. 144 — 146), wie er auch den verf. des &. Hispan. und den scholiasten
Porphyrie (mit OKeller) für Africaner hält (s. 132). endlich bezeich-
net er Lactantius, Commodianus und Jordanis unter berufung auf
ihren langem aufenthalt in dem betreifenden lande als ^zugewandte'
der Africaner, zu welcher kategorie er auch (s. 94) geneigt ist unter
berufung auf die thatsache, dasz Sicilien und Sardinien zu dem afri-
canischen Vandalen reiche gehört haben, die von den genannten inseln
stammenden Schriftsteller (zb. den Siculer Firmicus Maternus) bis
zu einem gewissen grade zu rechnen.
Die lexicalischen, grammatischen und stilistischen absonder-
lichkeiten^, welche der v£ an den Africanem wahrgenommen hat,
bzw. zu haben vermeint, bezeichnet er als a) punismen, h) grä-
cismen, c) archaismen, d) vulgäre gebrauchsweisen.
unter diese rubriken ordnet er sein reiches material (s. 92 — 110;
110—120; 120—125; 125—143), nachdem er zuvor (s. 91) in
kürze die grundsätze angedeutet, nach denen er dasselbe gesanmielt
' dieselbe gehört unstreitig za den interessantesten teilen der ganzen
Schrift, man geht wohl nicht fehl, wenn man manches von dem dort
erörterten auf die von Wölfflin ausgegangenen anregungen zurückführt,
wenigstens gemahnt diese und jene feine bemerkung sehr an verwandte
auslassun^^en W.s in seinen jüngsten sprachgeschichtlicben arbeiten.
^ ref. macht ganz nebenbei darauf aufmerksam, dasz sich bei Macro-
bias ua. das snbst. valentia, die Verbindung si (et si) — sed und das
sonst wohl nur bei Africanem vorkommende commanere findet. ^ GLand-
graf (zs. f. d. öst. gymn. 1882 heft 4) bat nach der ansieht des ref. die
Africitas des Valerius in hohem grade wahrscheinlich gemacht.
^ s. s. 81 anm. 6. Wölfflin (Cassius Felix s. 413 anm.) bezeichnet den-
selben ganz zuversichtlich als Africaner; als solcher gilt ihm nach dem
Zusammenhang ao. anscheinend auch Gellius, obschon es nicht bestimmt
ausgesprochen wird. * über die ausspräche und lautlehre der Afri
ist einiges, dh. das wenige was sich ermitteln liesz, im ersten teile
8. 67—69 zusammengestellt.
Th Vogel: anz. v. KSittls localen verBchiedenheiten der lat. spr. ] 81
und gesichtet hat. als africanisch meint er nicht nnr das bezeichnen
zu dürfen , was sich allein bei Africanern findet , sondern auch das,
was a) am häufigsten oder V) am frühesten, bzw. c) am frühe-
sten in einem in prosa verfaszten originalwerke bei schrift-
steilem dieses landes vorkommt.
Gegen die eben erwähnten 'leitmotive' (s. 91)' hat ref. keinerlei
einspräche zu erheben — es kann von vom herein höchstens der
zweifei entstehen, ob wir nach dem derzeitigen stand unserer kennt-
nisse die betr. höchst schwierigen fragen mit der wünschenswerten
verlässigkeit zu beantworten im stände sind — dagegen bedauert
er dasz S. der ersten seiner vier rubriken die verfängliche Über-
schrift ^punisches' gegeben hat.
So lange das was? erst noch klar zu stellen ist, hat die frage
nach dem woher? etwas bedenkliches, da durch sie nur zu leicht die
forschung nach dem thatsächlichen bestände beeinfluszt wird, dasz
noch zur zeit Augustins in Africa, besonders auf dem lande, sehr
viel punisch gesprochen wurde, ist uns ausdrücklich bezeugt (s. die
belegstellen bei Marquardt röm. staatsverw. I ' s. 314) , somit von
vorn herein in hohem grade wahrscheinlich, dasz jene semitische
spräche auf die färbung des latein in jener provinz einflusz geübt
habe, was aber S. s. 92 — 110 als punisch bezeichnet, haben die
autoritäten, welche ref. zugezogen hat, zum teil gar nicht als semi-
tisch , geschweige denn specifisch semitisch anerkannt, am meisten
von allem was angeführt wird gemahnt der sog. ^identische genitiv'
(nugae mtgarum^ vanüatum vanUas, vüa vUae meae usw.) an alt-
testamentlichen Sprachgebrauch, aber Khsayathiya Khsayathiydnäm
= ßaciXeuc ßaciX^u)V^ findet sich nach Keiper (acta Erlang. I s. 195)
bereits auf persischen keilinschriften, dwum deus als ehrenname des
Janus nach Varro de l. lat. VII 27; Macrob. Bat. I 9, 14 u. 16 be-
reits in einem alten liede der salischen priester , deum deus bei dem
frühen dichter Q. Valerius Soranus nach August, de civ. dei VII 9,
avaE dvdKTiwv Aisch. Hik. 508; rex regum Plaut, capt. 825^; Cic.
ep. IX 14, 2; Liv. XLV 27, 9; Hör. ep. 1 1, 107; Vell. I 1, 2; Sen.
Agam, 39; Suet. Cälig, 5 uaw.; princeps prindpum Hart. VI 4;
nummorum mtmmi Petronius 37; urhs urbium Florus 11 6, 35;
{ipsorum etiam) barbarorum barbari ebd. IV 12, 13 usw., und con-
structionen dieser art lassen sich aus der Edda sowohl wie aus dem
altdeutschen und littauischen beibringen.' auch die entsprechende
adjectivconstruction {sanctvts sandorwm uä.) hat ja im persischen
^ ebenso in bezng auf Priamos Strabon XUI 32, anf Kyros ebd.
XV 7, auf ägyptische könige Diod. I 47; I 55, welcher letztere an
beiden stellen nach auBdrücklicher Versicherung den Wortlaut von in-
Schriften wiedergibt. Diod. I 55 steht noch dabei 6€ciTÖTr)c öecicoTOtiv.
^ bei Plautns auszerdem noch: reliqtäarum reliquiae^ servolorum ser-
voluSj summa atunmarum, victor victorum ua. ' s. Landgraf in den acta
Erlang. II s. 64 anm., in dessen fleisziger und musterhaft geordneter
samlung sich noch weitere beispiele verzeichnet finden.
182 Th Vogel: anz. y. ESittls localen yerschiedenheiten der lat. spr.
ntki nikän = hontis honarum^^ wie in kokoi kokuiv, äpp^T* äppyJTuuv,
^XOpoi exepÄv (Soph. OK. 1238. OT. 465. Eur. Andr. 20) ihrgegen-
stück. dasz die kirchenschriftsteller (sozb. aach der Gallier
Sidonius Apollinaris ep. VI 1) ganz besonders hSufig diese genitiy-
construction anwenden , sei bereitwilligst zugestanden, wie nicht
minder dasz für diese in der mehrzahl der fölle einfach der alttesta-
mentliche Sprachgebrauch vorbildlich gewesen sei. aber als einQ
specifisch semitische gebrauchsweise wird die bezeichnete yerbindung
nach dem eben erörterten schwerlich bezeichnet werden dürfen. —
So ungeheuerlich femer auch pleonasmen wie aevitas temporiSy sermo
coUoquii, lutum limi, contemplatianis ohtuttM uns erscheinen mögen,
so kann ich sie doch nicht toto genere verschieden finden von prodU
dimicaiio Cic. ad Q. fr. I 1, 5; omnis sermanis disptäoHo Cic. de or.
I 10; Habitus vestis Curtius III 3, 3 (auch bei Livius vorkommend);
foedus pacis Vell. 11 77; culminis fastigia Just. XXTV 8,4; ad-
sentationum adiuUxtiones ebd. XXXI 6; 8 uä., so dasz ich mich ge-
nötigt sähe mich auszerhalb des bereichs der indoeuropäischen spra-
chen nach einer erklärung fOr dieselben umzusehen. " das nemliche
gilt noch von dem und jenem was S. unter der rubrik 'punisches'
anführt, darum hätte ich gewünscht dasz S. für diese lieber das
harmlose Stichwort 'überschwänglichkeiten des ausdrucks' oder
'schwulst* {f,wnor Afiricus) gewählt hätte.
Die übrigen drei kategorien ergeben sich aus der sache selbst,
in hohem grade interessant ist die art, wie der vf. die beiden letzten
(archaistisches und vulgäres) auseinander zu halten gesucht hat.
wenn er s. 120 gebrauchsweisen , die den eindruck einer gewissen
altertümlichkeit machen, bei den schulmäszig gebildeten, durch
grammatiker- und rhetorenschule beeinfluszten Afrioanem, zumal
des zweiten und dritten jh., als archaismen, bei den minder ge-
bildeten Schriftstellern jenes kreises als vulgär bezeichnet, so hat
er sieber durchaus richtig und so gut unterschieden, wie es bei der
Schwierigkeit der frage nur möglich ist. dasz er zur erstem classe
Fronte , Gellius (der für ihn ja auch Africaner ist) und den altem
Arnobius rechnet, kann nur gutgeheiszen werden, nicht so klar liegt
die Sache bezüglich des Apulejus. dasz dieser, wenn auch einiger-
maszen in den veteres belesen, als Schriftsteller doch nur sehr selten
bewuste reminiscenzen aus jenen, dagegen altertümliches aus der
täglichen Umgangssprache in reichem masze bietet, hat neuer-
dings Job. Piechotta (curae Apuleianae , Breslau 1882) nach meiner
ansieht in völlig überzeugender weise dargethan, indem er dessen
^^ auch für den gen. sing, (vüa vÜae meae uä., s. 94) findet sich ja
wenigstens ein analogon bei den Griechen: 'EXXdboc cXXdc *A6f)vou,
was Landgraf ans der anth. Pal. VII 46 anführt. " wie viel behnt-
samer auch hierin der meister Wölfflin! indem er in seiner sehrift
über Cassius Felix s. 430 besüglich eines einzelnen aprachgebraachs
ganz beiläufig anmerkt, dasz derselbe nach dem arteil eines faehmanns
semitisch sei , hütet er sich wohl daraus irgendwelche weitergehende
folge rangen zu ziehen.
ThVogel; anz. v. ESittls localen Verschiedenheiten der lat. spr. 183
Wortschatz der genauesten Untersuchung unterwirft, insbesondere
mit dem der entschieden vulgSr schreibenden Africaner vergleicht.
Da S. unter den angefahrten rubriken zwar der Sache nach ver-
wandtes, insofern aber verschiedenartiges behandelt, als er das eine
mit ziemlicher bestimmtheit als africanisch zu bezeichnen vermag, das
^andere nur als häufig, bzw. besonders häufig in Africa vorkommend
usw., so wird sicher denen , welchen es um vorläufige Orientierung
zu thun ist, am meisten damit gedient sein, wenn sie in einer ge-
drängten Übersicht erfahren, was S. mit gröszerer oder geringerer
Zuversicht als africanische provincialismen bezeichnet hat.
um räum zu sparen und einen bequemen überblick zu ermöglichen,
werde ich gelegentlich für ganze gruppen gleichartiger spracherschei-
nungen einzelne ausgewählte beispiele eintreten lassen.
a) ausschlieszlich oder nahezu ausschlieszlich aus afri-
«anisohen (original-) prosaikern^' belegt S. 1) das suffiz -itta
s. 141; 2) poterint s. 126; 3) autumnum (sc. tempus) s. 123; den
infinitiv auf -ier ebd. ; 4) constructionen wie vanüatum vaniUis^ vüa
vitae s. 95; 5) filitis perdüionis^* ■= ßius perdUus u8. s. 105; 6) le-
nUate = leniter uä. s. 107; 7) incoram m. gen. s. 114; 8) Verbin-
dungen wie aegre atque aegerrime s. 102 ; 9) hnge beim positiv, den
positiv ohne magis in proportionalsätzen und die Verbindung eines
positivs mit einem regelmäszigen Superlativ s. 102. 117. 131;
10) egregk und eooimie bei tadelnden adjectiven s. 131; 11) quisque
beim positiv (vereinzelt schon bei Tacitus) s. 131 ; 12) habere m. inf.
für das futurum s. 127; 13) den ablativ des ortes bei convenire und
canoedere s. 130; 14) eiusmodi^ huiusmodi gleich Substantiven von
Präpositionen abhängig s. 132; 15) suh «= coram s. 135; 16) pro zur
bezeichnung des zwecks s. 136; 17) haden\AS «= ^nicht mehr' ebd.;
18) capü = dvb^x^Tai s. 119; 19) «c . . sie und quam . . quam
8. 117; 20) quardwm {äiam) und quare = quod s. 138; 21) quo =
quoad ebd.; 22) das lose (= be) verbindende etiam und namque
6. 139; 23) verschiedene späte barbarismen s. 140.
&) zuerst bei africanischen prosaikem kommen nach S. vor:
1) formen wie gestibcU^^^ Uiner s. 123; 2) transitiva auf -esco s. 141 ;
3) "von Superlativen abgeleitete verba s. 103; 4) popuU = 'leute'
8. 108 (schon bei Claudian?) ; 5) ipse «=» idem s. 115 ; 6) aliquanti »:
äUquot s. 119; 7) Verbindungen wie plus levioTy tam maximus (?),
pUmmum bonus s. 101. 103. 127; 8) sui melior = se mdior uä.
(vereinzelt schon bei Vitra v); 9) dominariy foras^ intus m. gen.
8. 113. 114; 10) opus est m. acc. s. 124; 11) eis «= 'in betreff*
8. 135; 12) maior ab iüo = maior quam iUe uä. s. 105; 13) de für
>' m&nehes hier aufgeführte kommt ja bekanntlich bei dichtem
der versohiedensten landschaften nicht selten, bzw. früher vor, ala
africanische prosaiker es anwandten. <' fast nar aas kirchenschrift-
stellern belegt, diese ansdrucksweise ist ja unzweifelhaft dem alttestam.
hebräisch entlehnt. ^^ von S. nachgewiesen aus Fronto, Gellius,
Apulejus, Macrobios und Fulgentius. *
184 ThVogel: anz. y. ESittls localen verBchiedenheiten der lat. spr.
abl. instr. s. 127; 14) conßeri ad deum s. 126; Ib) prae manu esse
s. 124; 16) penes local (?) s. 136; 17) reUnquere in medium^ tradere
m manihus, eo quo für ihi uhi uä. s. 129 f.; 18) guod {quia^ quo-
mam) = ÖTi nach verba sent. und decl. s. 110; 19) merüo m. gen. «»
oh s. 135; 20) fors = fortasse s. 124; 21) primitus s. 137; 22) H
viique^ si quando «= quandoque^ adeo <» ideo^ denique «» 'im spe-
ciellen' ebd.; 23) nam^ etenim mit blosz copulativer kraft s. 138 fT
c) besonders häufig finden sich bei africanischen prosa-
schriftsteilem nach S. folgende gebrauchsweisen^^: 1) neubildungen
auf -nten, -mentum, -osus, -hüis, letztere zum teil auch mit activer
bedeutung, s. 140 — 142; 2) nicht von adjectiven hergeleitete sub-
stantiva mit dem negierenden prftfix in s. 118; 3) Verbindungen wie
magis aptior, plus levior^ perqttam {nimiSy satis) graHssimus^ ingentia
et maiora s. 103; 4) tautologien wie sermo coUoquii^ mortis occasus^
prisca vetustas^ duo ambo^ plerique omnes, adeo sie, quippe etenim s. 93.
95. 97 — 99 ; 5) -Verbindungen wie carnifex libido^ virgines hubuUie (?)
8. 110; 6) conj. plqpf. für conj. imperf. s. 132; 7) licet m. Ind. s. 134;
8) ut quid? = !va Ti s. 116; 9) de für den gen. subj. s. 126;
10) audire und censeri = appeUari s. 119. 143. auch soll 11) der
indicativ in indirecten fragesätzen besonders häufig bei den africa-
nischen prosaikem vorkommen.
Obgleich es dem vf. an einer gewissen zuversichtlichkeit nicht
fühlt '°, so hat er doch darüber sich und andere nicht geteuscht, dasz
ein groszer teil seiner aufstellungen nicht auf ganz festem gründe
ruht. S. hat augenscheinlich selbst viel gesanmielt, die vorhandenen
monographien über einzelne autoren sorgfältig und umsichtig be-
nutzt, dazu noch — wie das vor wort bezeugt — an Wölfflins reich-
haltigen samlungen einen dankenswerten hinterhalt gehabt, aber
dazu, um mit einiger bestimmtheit versichern zu können, dasz diese
oder jene spätlateinische gebrauchs weise nur oder am frühesten
'^ ob der yf. einen gebraach unter die kategorien a, b oder c rechnet,
darüber spricht er sich mitunter — wie begreiflich — nicht ganz be-
stimmt aus; viele einzelne fragen sind ja auch so weittragend, dasz
es höchst bedenklich erscheinen musz, schon jetzt eine bestimmte ant-
wort geben zu wollen, ref. musz sich daher auch bescheiden nicht in
allen fällen ganz im sinne des vf. olassificiert zu haben. ^* die art,
wie gelegentlich der leistungen und auslebten bewährter forscher, zb.
Rönschs, Jordans, Beckers, erwähnung gethan wird, dürfte manchen der
altern fachgenossen nicht eben angenehm berühren, was insbesondere
die scharfen auslassungen gegen die beiden letztgenannten (s. 79) be-
trifft, so liegt es recht nahe zur abwehr derselben die autorität —
Wülfflins anzurufen, wenn dieser im j. 1880 (über Cassius Felix s. 383)
schreibt: 'dasz die eigentümlichkeiten der africanischen latinität, von
der man zu sprechen und zu schreiben wage, noch heute weit davon
entfernt seien erkannt zu sein', so hat dessen schüler wahrlich keinen
anlasz mit den gelehrten so streng ins gericht zu gehen, welche bisher
von dem unklaren Schlagwort Africitai^ 'von dem nebelbild einer be-
sondern africanischen latinität' (Jordan krit. beitrage s. 265; vgl. auch
dessen 'vindiciae sermonis latini antiquissimi' 1882 s. 18) nichts haben
wissen mögen. •
ThVogel: anz. y. ESittls localen verBchiedenheiten der lat. spr. 185
oder am häufigsten in einem bestimmten kreise vorkomme, ge-
hört eine behersphung der gesamten spätem litteratur, wie sie wohl
kein lebender sich wird zuschreiben können.
Immerhin ist es in hohem grade verdienstlich , dasz S. sich an
eine vorläufige beantwortung der interessanten frage gewagt hat,
und so viel ist nach des ref. meinung jedenfalls durch dessen arbeit
erreicht worden, Masz das nebelbild, genannt AfricUas\ wenigstens
bis zu einem gewissen grade 'greifbare gestalt angenommen hat'
(s. 143). denn wenn auch die hälfte von dem, was S. den Africanem
vindicieren möchte, durch die fortschreitende forschung denselben
sollte streitig gemacht werden , so bleibt doch immer noch genug
übrig, dasz die thatsache, dasz es wirklich gewisse charakteristische
africanische provincialismen gegeben hat, als ausreichend
erwiesen angesehen werden kann.
Nachdem ref. hiermit seine volle Zustimmung zu S.s unternehmen
und den hauptresultaten desselben ausgesprochen hat, gestattet er
sich einige kleine nachtrage und berichtigungen, überwiegend aus
Gellius, beizubringen^ von denen hoffentlich die eine oder die andere
als nicht ganz unerheblich angesehen werden wird.
Wenn S. s. 92 behauptet, Gellius habe sich von pleonasmen
wie avidUas desiderii freigehalten, so ist das sicher nicht richtig:
vgl. Gell. XI 1, 2 poenitio muUae^ II 3, 1 voces verborum, X 6, 2
classis navium, XV 28, 5 Studium amoris, X 12, 10 aura Spiritus^
XII 1, 7 ubera mammarum^ II 6, 4 squaloris inluvies, I 3, 22 docu-
menta exemplorum, III 10, 14 discrimina pericülorumy I 3, 27 in-
dulgentia graiiaCy XV 3, 6 significatio sententiae «= * Wortbedeutung',
XVI 3, 3 voluntcis desiderandi." verwandt hiermit: hieme (aestUj
aestate) anni I 2, 2. II 21, 2. m 10, 4. XVÜ 10, l.-XVIH 10, 1.
vgl. Suet. d, lul. 35; Servius z. Aen. II 311, wo die construction als
altertümlich bezeichnet wird.
ora lUoris (s. 93) findet sich bereits bei Val. Flaccus IV 613.
Ähnliches wie vetustas prisca, arcana mysteria (s. 95) haben
bereits die classischen dichter, zb. laeta gaudia Catullus 64, 236;
tardae morae TibuUus I 3, 16; anocius timor Verg. Aen. IX 89, ganz
abgesehen von suavis suavitas, pretium präiosum^ amoena amoenUas
bei Plautus ua. vereinzelt findet sich dergleichen aber auch bei
Prosaikern der frühern zeit: vgl. zb. bona benivöUntia Cic. ep. XHL
60, 1.
Für eadem ista haec (s. 97) liest Hertz bei Gellius XV 3 lemma:
eaäem istaec. neben uUa re aUqua (XIII 25, 4, nicht XIII 24, 4)
findet sich bei demselben autor auch nuü/us . . uXius I 2, 4. Vi 6, 2 ;
nemo quisquam XQ 7, 4 (mit älius U 6, 9. IX 10, 4); nihil quicquam
I 3, 3. IX 9; 12 uö., letzteres in prosa ja schon bei Cicero, weitere
abundanzen der pronomina bei Gellius sind : et quaedam item älia
" ans Julias Valeriaa führt Landgraf (zs. f. öst. gymn. 1882 heft 4)
an: tempus horae 1, 41 ; interpreiatio interpreiis 1,8; maiestatis magnificentia
1, 31.
186 ThVogel: anz. y. KSittls localen Verschiedenheiten der lat. spr.
X 9, 2 , item hoc quoque in eodem Ubro^^ X 16 , 11 , eodem eo dieYI
1, 11, tmum atque id ipsum VI 21, 2, item idem YI 9, 4 , cowi^ßki/res
ceteri V 14, 10, semet ipse sese volvens VII 2, 1, propnus . . suua
XVII 6, 10.
Zu statim protinus (s. 98) füge aus Qellias: statim tempore
praef. 18; tarn statim 11 29, 8. XII 4, 3. XVI 19, 11; dazu iisque
ahhinc, adhuc usque (ahnlich Cic. de rep, II 36) XIV 1, 20. II 4, 6.
für soVummodo «= tantummodo (s. 99) führt bereits Georges an:
Quintil. ded, 247; Servius z. Aen. I 159. '*
et . . eiiam (s. 100) auch Varro r. rust. 11 4, 10. Cic. ep. XII
18, 1; Plinius n. h. XXXV 36 uö. dagegen ist wohl spätlateinisch
etiam et, s. Wölfflin über Cassius Felix s. 427. da vero nur beteuert,
80 finde ich at vero . . contra (ebd.) nicht weiter bemerkenswert; at
contra^ at vero^ at ex contrario {p. Roscio com. 47) hat ja auch Cicero.
Das allerorten Torkommende iniuria ist jedenfalls s. 107 zu
streichen , ebenso vohmtate. im übrigen vgl. Eühnast Liv. sjntaz
s. 175 ff.
opifices manu^, regnator populus (s. 110) kann nicht wohl als
etwas absonderliches angeführt werden , da Wörter wie artifex , ^a-
diator, iirOy vidrix schon Cicero, solche wie advena^ domitor^ trans*
fuga auch Liviua und advena^ anus, domitor^ victor^ virgo ua. auch
Curtius adjeetivisch gebraucht hat.
Was den gebrauch von quod (guia^ qtumiam) nach den verba
sentiendi und declarandi betrifft, so bleibt zu bedauern dasz S., wie
er sich s. 110 ausdrückt, keine lust verspürt hat ^hunderte von
stellen aufzutürmen' (dieselbe Wendung auch s. 129). da es sich im
vorliegenden falle gerade um die häufigkeit oder spftrlichkeit des
Vorkommens handelt, würden genauere angaben — zumal über guia
und quoniam ss Sti, dasz — sehr erwünscht gewesen sein, was
quod in dieser bedeutung betrifft, so hat sich ref. die ansieht ge-
bildet, dasz dieser schon in Ciceros briefen (?) nachweisbare gebrauch
sich in der vulgärsprache erhalten, aber lange auf die fälle beschränkt
habe, in denen der Grieche &i\ oder das participium, nicht den
infinitiv, gesetzt haben würde, dh. wenn es sich um mitteilung oder
erörterung einer constatierten thatsache handelte, so bei renuntiare
im 6. Hisp. 36, bei testis Verg. Aen. IX 289, bei taceo Val. Max. IV
49, bei adnotatum Plin. ep. II 11, 6 (neben dem inf. ebd. III 16, 1,
pan, 56), bei recordor Suet. Tit. 8, bei cognitum, memor uä. Just. 11
5, 13. VIII 2, 11. XXXVI 1, 9 uaw. was Gellius betrifft, so
<" vgl. ibidem in III 16, 3. XII 8, 6; iiidem in XIII 21, 12; indidem
mit ablativ eines Ortsnamens (auch bei Cicero und Livias) VII 10, 4;
tum ex eo proelio, tum in eo sermane XII 13» 2. XVIII 10, 4 uö.; simul
nobiscum ibidem 1 2, 3; ibidem statim 1 19, 7. ^* mit ideo ergo (propterea)
bei Fulgentius und Tertullian (s. 99) vgl. itaque ergo Liv. I 26, 2. III
31, 6, wie denn überhaupt Livias mehrere derartige pleonatmen hat.
guippe etenim aber bat schon Lacretias etwa 16mal, es ist somit sicher
nicht als africauiache Singularität aufzuführen.
ThVogeh anz. v. ESittls localen verBohiedenheiten der lat. spr. 187
liegt die sache etwa so: abgesehen von den stellen, wo qiu>d ein
demonstratives correlat hat*^ (I 9, 12. III 10, 6. IV 11, 11. VI 1, 6.
XVI 8, 16) kommt es in der in betracht kommenden bedeutung im
texte nur vor bei notare XI 1, 6 ; (scriptum et) animadvertendum est
XV 28, 6. Xni 23, 15. X 11, 9; memoria est {extat\ in memoria est
II 10, 2. II 18, 10. X 27, 1 und zwar stets mit ind. dagegen findet
sich in den (abgesehen von buch XIX) doch wohl von Gellius selbst her-
rührenden lemmata sehr häufig in abhängigkeit von einem dabei-
stehenden oder zu ergänzenden verbum declarandi — abwechselnd
mit dem infinitiv — die conjunction quod und zwar, wenn ich recht
gezählt habe, 50mal m. ind., 22mal m. conj. ohne ersichtlichen unter-
schied des Sinnes, offenbar ist bei der Zusammenstellung der lemmata
wie in andern , so auch in diesem punkte Gellius darauf bedacht ge-
wesen , möglichst viel abwechselung im ausdruck walten zu lassen,
instructiv ist, dasz ohservaium est XV 7, 1 m. inf. verbunden ist, im
vorhergehenden lemma mit quod. — Bei Apulejus findet sich quod »■
^dasz' nur bei scire^ nuntiare und coUoqui,
longe m. gen. (s. 114) steht auch Apul. met. V 9. aus Gellius
gehört hierher frustrari V 10, 16 und dignus XX 1, 8, wenn dort
nicht nach dem sonstigen usus des Gellius poena für poenae zu lesen
ist. desinere m. gen. hat, beiläufig gesagt, auch Silius (X 84). se
tenere mit demselben casus findet sich Petr. 49 , wenn dort nicht
crudeUssimae severitatis als gen. quäl, zu fassen ist. vgl. übrigens
Eühners ausf. lat. gramm. 11 s. 347.
Die Verbindung idem ipse (s. 115) steht auch bei Gellius XI
13, 5. XVII 1, 11.
Die Partikel at im nachsatz zu concessiven und hypothetischen
Vordersätzen (s. 117) haben ja schon die classiker, zb. et{iam) si . .
at Cic. de or.m 13, p. CaeUo 8; quodsi . . at Livius IX 1, 8; ^' . .
at ebd. III 17, 3; vgl. quoniam . . at ebd. I 28, 9.
Mit dem negierenden in zusammengesetzte substantiva (s. 119)
zähle ich bei Gellius 17. von diesen sind 13 von gangbaren adjec-
tiven abgeleitet; die verbleibenden 4 sind infortuniiaSy innotitia, in-
quies und intemperiae. S. führt nur die beiden ersten an.
viderier gestibat (s. 123) bei Gellius XV 2, 1 möchte ich nicht
einfach als Gellianisch bezeichnen; offenbar soll dort das anspruchs-
volle pathos des besprochenen kretischen philosophen verspottet
werden, sonst findet sich die form viderier bei G. nur in dem ex-
cerpt aus Cato UI 7, 8.
prae manu esse (s. 124) auch bei Julius Valerius 1 , 21. eben-
derselbe hat auch 2, 22 das s. 135 erwähnte merito m. gen.; 1, 42
(epit. 1, 23) die präp. pro zur bezeichnung des Zweckes (s. 136) und
^ nicht 80 zu verstehen, als ob diesem punkte eine erhebliche
bedeutung beigemessen würde, das entscheidende war jedenfalls die
art des regierenden verbums. nur so viel ist wohl zuzugeben, dasz
die anwenduog von quod näher lag, wenn der hauptsatz ein correlat
enthielt, als wenn dies nicht der fall war.
188 Th Vogel: anz. v. ESittls localen yerschiedenheiten der lat. spr.
öfters, zb. I 10, 11. 17, 22, das specificierende denique (s. 137).
s. Landgraf ao.
Mit der s. 136 angeführten stelle veneru>fUpro reädenda ratume
vgl. Cic. de off. III 25 lahores susciperepro amnilms tuendis, Gellius
II 5, 10 scribere pro ävaXoyia tmnda, ebd. XVI 13, 5 trihuere . . pro
ferenda gratia. *' an dieser stelle hat S. der construction ex summis
viribus {studiis\ ex summa ope ndgl., welche Wölfflin (Cassias Felix
s. 413) als eine ^alte eigentümlicbkeit der africanischen latinitftt'
bezeichnet^ nicht erwähnung gethan, ob zuföllig oder absichtlich,
musz dahingestellt bleiben.
Möge S. aus diesen anspruchslosen bemerkungen ersehen, dasz
seine erörterungen vom ref. mit aufmerksamem interesse verfolgt
worden sind ; ein teil derselben dient ja auch sogar zur weitem be-
kräftigung dessen was S. zu beweisen versucht hat.
Zum schlusz verstattet sich ref. noch die frage, welche S. (exe. I)
bezüglich der herkunft des Gellius angeregt hat, von seinem
Standpunkte aus zu beleuchten, es gilt doch vorsichtig zu sein , ehe
man die römische litteratnrgeschichte mit einem neuen dogma be-
lastet , welches bedenkliche consequenzen haben kann, für die von
S. geführte Untersuchung ist es nach des ref. meinung von keiner
bedeutung, ob man Oellius als geborenen Africaner anerkennen will
oder nicht, da O. Jahrzehnte hindurch bekanntermaszen viel mit
angesehenen Africanem verkehrt und zu zweien derselben, Fronto
und Sulpicius ApoUinaris , in dem Verhältnis eines bewundernden
Jüngers gestanden hat, so wird er jedenfalls als ein ^zugewandter'
der Afri gelten müssen, wenn man ihn auch nicht als Africaner
anerkennen will , und das läuft für die Untersuchungen S.s ziemlich
auf dasselbe hinaus.
Die abstracto möglichkeit, dasz G. als söhn eines vermögenden
römischen bürgers in Africa geboren worden sei und daselbst seine
kinderjahre verlebt habe , läszt sich wohl kaum in abrede stellen,
aber keine spur weist darauf hin. dasz G. im gegensatze zu den
Griechen die Römer mit nos, nostri bezeichnet (V 20, 5. XIII 9, 5.
XIX 9, 9; II 7, 2. V 20, 6. XVUI 9, 11) darf man wohl noch nicht
ohne weiteres als eine instanz für seine italische herkunft in ansprach
nehmen wollen, da ja auch Fronto (II 26, 7) in gleichem gegensatze
daä latein lingua nostra nennt, auch aus dem umstände, dasz er in
Rom die praetexta ablegte (XVIII 4, 1), unmittelbar nach beendigung
seiner Studienzeit (s. Pauly realenc. IV 359) in das älbum iudicum
eingetragen (XIII 13, 1. XIV 2, 1), bald darauf mit der function
eines iudex extraordinarius betraut wurde (XII 13, 1), endlich dasz
dem geistig nicht hervorragenden jungen manne sich so früh die
häuser eines Fronto und Herodes Atticus gastlich geöffnet hatten,
darf wohl nicht mehr geschlossen werden als dasz er aus einer bürger-
" ähnlich Gellius XV 2, 6 adversum propulsandam violenäam\ XIV
5, 2 propter sonum declarandum, vgl. auch VII 14, 6 9.
ThVogel: anz. v. ESittls localen yerBchiedenheiten der lat. spr. 189
familie und zwar aus einem guten hause ** stammte, mehr fällt sicher
ins gewicht, dasz sich nirgends bei 6. eine andeutung von besonderen
beziehungen zu Africa , land und leuten , findet, er berichtet ja mit
groszem behagen allerlei persönliches; wir erfahren von seinen
Sommerfrischen in Bajae, Puteoli und Neapel wie von gelegentlichen
ausflügen nach Tibur und Praeneste^ hören von ihm mancherlei über
die in Griechenland verlebten IV2 — 2 jähre, aber kein wort bezeugt
irgendwelches besondere Interesse fUr Africa , obschon er gelegent-
lich von Puniern und punischen kriegen, Hannibal, Hasdrubal, ütica,
den Syrten udgl. spricht und IX 4, 7 dem Plinius eine wunder-
geschichte e terra Africa nacherzählt.
Wenn Sittl s. 145 sagt, G. habe sich überwiegend unter pro-
vincialen bewegt 'die damals noch in einem gewissen gegensatz zu
den privilegierten Italikem gestanden hätten', so erinnere ich zu-
nächst, was diesen beisatz betrifft , an die thatsache dasz Trajan und
Hadrian Spanier gewesen waren, Antoninus Pius, ^Qxprinc^s des G.,
von geburt Gallier, Septimius Severus*' Africaner, Fronte der er-
zieher zweier Caesaren war und der spätere kaiser Pertinax so gut
wie Gellius den Unterricht des africanischen grammatikers Sulpicius
ApoUinaris genossen hat. man ersieht daraus , dasz damals in Born
gewisse provincielle kreise nicht nur in hohem grade angesehen, son-
dern in der gesellschaft zu zeiten geradezu masz- und tonangebend
waren.
Dasz G., indem er bei zwei so angesehenen Africanem wie
Fronte und Sulpicius aus- und eingieng, zu manchem landsmanne
derselben in beziehung trat, war ja nur natürlich, dahingestellt musz
bleiben, ob Celsinus Numida (XIX 7. 10) aus dem lande stammte, auf
welches sein cognomen deutet; aber was Postumius Festus betrifft,
mit dem G. viel verkehrte, so wissen wir, was Sittl geltend zu machen
unterläszt, aus Fronte s. 200 (Naber) bestimmt, dasz er Africaner
war. allein der nemliche Gellius hatte als junger mann neben dem
Africaner Apollinaris noch mtmchen andern lehrer, ua. den Spanier
Antonius Julianus, mit eifer gehört, und in männlichen jähren ver-
kehrte er am allervertrautesten (XVI 3, 1) mit dem philosophen
Favorinus, einem Gallier, somit hat G. zwar sehr viel, aber keines-
wegs ausschlieszlich , vielleicht nicht einmal überwiegend viel mit
Africanem verkehrt, wenn aber seine lehrer zum grösten teil Nicht-
römer waren, so war das ja nur natürlich; dasselbe ist ja auch von
denen eines Cicero, Seneca und Plinius zu sagen, ohne dasz deshalb
'' auf eine gewisse Wohlhabenheit deutet alles was G. von seinem
lebensgang und Umgang berichtet; nach der praef. hatte er zuletzt ua.
auch viel mit der Verwaltung seines Vermögens zu thun. bekanntlich
war er Ja auch nie grammatiker von profession, sondern trieb als
vielbeschäftigter Sachwalter nur ganz nebenbei seine gelehrten Studien
{praef, 12. XI 8, 1. XVI 10, 1). *« mit welchem recht 8. behauptet,
dasz dem in Leptis Magna geborenen Septknius Severus 'die punische
spräche fremd gewesen sei' (s. 77), sehe ich nicht ab; die stelle bei
Spartianus (c. 19) scheint für das gegen teil zu sprechen.
190 ThVogel: anz. v. ESitÜs localen Verschiedenheiten der lai spr.
jemand sich zu der behauptong berechtigt halten wird , dasz die ge-
nannten sich überwiegend in ausländischen kreisen bewegt hätten.
Wie steht es nun aber mit spräche und stil des Gellius? in
lexicalischer beziehung erkenne ich eine weitgehende ähnlichkeit'*
mit Fronto, Apulejns, Tertullian ua. Africanem an. insbesondere
geht er im gebrauche von deminutivbildungen, der verbalia auf -or, -io
und -ii5, der adjectiva auf -alis (a2e), -iUs^ -osus, 'irndfAS ebenso weit
wie jene über den usus des silbernen lateins hinaus, und mit glei-
cher beflissenheit hat er altertümliche Wörter und Wendungen in seine
rede eingestreut (s. mein programm ^de A. Gellii sermone' Zwiokaa
1862). ebenso hat er mit jenen viele der von S. aufgeführten abun-
danzen des ausdrucks gemein, ja man kann wohl sagen dasz G.,
so sehr er auch als theoretiker gegen das strepere vocdbuHs^ verborum
turhas fundere (I 2, 4. IX 15, 9) eifert, in dieser beziehung mehr als
mancher Africaner leistet , wenn auch die eine oder andere art des
Pleonasmus bei ihm nicht vertreten ist. verschiedenes hierher ge-
hörige ist schon im vorstehenden erwähnt worden, aus dem capitel
der adverbia und coijunctionen fUhre ich noch an : inde iam deincepa^
post haec deinceps,, prorsum demceps XIV 1, 20. VII 8. V 9, 3 (ähn-
liches bei Livius); das häufige deinde post(ea) und umgekehrt, tvm
deinde {postea^ porro, deinceps), ibi Urne und umgekehrt, aigue t&t
posiea XIII 24 , 1 , alles dies zum teil selten , zum teil noch nicht
bei classikem; hnge iamdiu UI 1, 4; nequaqtmmprorsusXlV 1, 29;
proinde igUur IV 1, 12. XIV 3, 11 ; praenimis XIX 10, 8; quin tnagis
XI 15, 5 ; quin . . quoque XI 9, 2; sa^us numero Ul 16, 1 (vgl. toi
numero XIV 3, 2; non admodum numero i« non saepe (?) XX 1, 54,
vgl. Nonius s. 352), drcumundique IV 5, 3. Xm 25, 1 uö. (ctrcmn
circa Sulp, bei Cic. ap. IV 5, 4), endlich das an surstm^^ undique und
utroque angehängte versus {-um) IX 1, 2. VI 16, 6. XII 13, 20. V
12, 10. IX 2, 13 uö. doch wozu mehr belege? man braucht nur
ein paar Seiten von G. zu lesen, um den eindruck zu erhalten, dasz
sein stil ganz absonderlich pleonastisch ist. in dem bestreben es
recht schön und den trockenen stoff recht annehmlich zu machen
tunkt er eben unablässig in den farbentopf , um ja eine recht ge-
sättigte , wirkungsvolle färbe zu bekommen, aber ist das bei einem
begeisterten jünger Fron tos , auch wenn kein africanisches blutin
seinen ädern flosz, verwunderlich?
Anderseits herscht bei G. nicht die Verwirrung bezüglich der
Steigerungsgrade, welche S. als recht eigentlich africanisch bezeich-
net.'^ fast alles sodann, was S. s. 100 — 104 anführt, ist dem sprach-
'^ es läszt sioh noch viel mehr beibringen als S. s. 145 anfführt.
*^ er verstärkt den positiv durch per (s. unten), admodum {mire^
saney per-, oppido nimis) quam XIX 9, 9. XVII 2, 1. I 4, 1. V 11, 12.
XVI 7, 1. XV 30, 1. XIV 1, 4, nimiwn quantum XV 1, 1. XVI 6, 9,
egregie (in verbinduni^ mit einem tadelnden adjectiv, s. Sittl s. 181)
XX 1, 13, cumprimU XI 3, 4, praenmU XIX 10, S, inpetue X 24, 10.
XIII 10, 4 uö., den comparativ durch inpendio^ nimio 12,4. XI 18,4.
I 3, 25. X 26, 9, multo tanlo XII 2, 14 (so Plautus; vgl. auch aliquantwn
HiVogel: anz. v. ESittls localen Verschiedenheiten der lat. spr. 191
gebrauche des 6. fremd, dasselbe gilt von der mehrzahl der s. 110
— 117 angeftthrten grfteisiiieiK was di» aBwendssg usd naehahmnug
archaistischer Wörter und construetionen betrifft, so hat sich O. red-
lich bestrebt hinter seinen gefeierten lehrem nicht zurückzubleiben,
dergleichen einstreuen zu können war ja sein stolz und entzücken,
aber darf das als beweis für seine africanische herkunft gelten? bis
zu den kaiserlichen prinzen hinauf machte damals alles, was zur
neuen schule der beredsamkeit gehören wollte, die mode mit. vul-
gäres dagegen hat sich G. jedenfalls nur in ganz unbewachten
augenblicken und sehr wider willen entschlüpfen lassen, als echte
Wagnerseele, die ein feind von allem rohen ist, sieht er ja mit un-
endlicher geringschätzung, wie auf das leben und treiben, so auf die
spräche des groszen haufens hinab.'® auf Irrtümer und Unrichtig-
keiten der volkstümlichen spräche weist er wiederholt mit dem Selbst-
gefühl eines homo a volgo lange longeque remotus hin (II 20, 8. XII
9, 1. Xni 17, 1. XVIII 4, 10), indem er sich zu den mcorrupte
loquentes rechnet gegenüber dem indodum, inperUum völgus (XIX
10, 9). vgl. auch suhrustke praef. 10. dasz er sich darüber nicht
klar wird , dasz die hochbelobten veteres das beste und frischeste in
ihrer ausdrucksweise auf der strasze aufgelesen hatten , das ist das
hochkomische dabei, in den nachlässig hingeworfenen partien des
Werkes mag trotzdem dies und jenes vulgäre mit untergelaufen sein,
wie etwa et . . autem I 3, 8. 1 7, 19. Y 6, 18 uö., neqm autem 1 11, 1
(beides schon beim altern Plinius), femer das zumal in den lemmata
wider wäii;ig häufige inihi^ oppido (Quint. VIII 3, 26), inpendio^
sanequam^'j aber viel dergleichen ist ihm sicher nicht entschlüpft,
je genauer man zusieht, um so mehr wird sich in der mehrzahl der
fälle als wohlberechneter archaismus erweisen , was anfönglich wohl
den eindruck volkstümlicher ausdrucks weise machen konnte ; jedes
rohe bauemwort war ja für ihn sofort geadelt, wenn es ihm bei
seinem Ennius oder Pacuvius oder Cato entgegengetreten war.
Somit scheint durch eine genauere Untersuchung seines sprach-
multum Apnl. met. I 74) aud omnium verum II 15, 2, den Superlativ
darch muUo {omnium), omnino, prorsus (-um), unice, omnium {aliarum) verum
lU 11, 6. XVn 19, 6. XIV 1, 13. II 26, 23. XIX 6. 2. I 8, 12. II 15, 2,
durch ein vom adjectiv getrenntes per XVIII 4, 3 (ebenso beim positiv
n 18, 1. III 6, 1. XII 6, 1. XIV 1, 10), endlich vereinzelt durch vel
maxime XIII 17, i, wie maxime pessima sich schon Colum. IX 3, 3 findet.
aber für omnium vevum longe saluhria (XVII 19 lemma) ist doch wohl
0. r. /. salubewima zu. lesen; pvaequam = quam beim comparativ (I 3, 5.
XVI 1, 3) ist ja bekanntlich Flautinisch. egvegiissimus braucht G. dem
Pacuvins, penitissimus dem Plautus und Varro, illustvissimus dem Nepos
nach, die form Plautinissimus aber (III 3, 4) ist Plauii move gebildet,
^ie G. ausdrücklich ao. bezeugt.
'* 8. ua. XVI 7, 4 obaoleta et maculantia ex sovdidiove volgi usu, XVII
2, 21 sovdida verba. " s. Rebling ^die röm. Umgangssprache' (Kiel
1873). vortrefiflich ist auch bei S. s. 120 ff. die kurze erörterung über
das Verhältnis der archaisierenden richtung zum Vulgärlatein und des
letztern zu dem 'treibhausgewächs' des classischen lateins.
192 EGoebel: ein druckfehler bei Ovidius [trist. IV 10, 107].
gebrauchs die Wahrscheinlichkeit der bisherigen annähme, dasz Gel*
lius ein von der rhetorisch-grammatischen richtung der Frontonianer
stark beeinfluszter Italiker war, nicht verringert, sondern erhöht
zu werden, wenn man die von S. gegebene Charakteristik der Afrio
citas als im wesentlichen zutreffend ansieht.
Zum schlusz kann ref. sich nur von herzen dem s. 143 aus*
gesprochenen wünsche anschlieszen , dasz die von S. angeregten
fragen von recht vielen weiter verfolgt werden mögen, nachdem
durch ihn ein so schöner anfang gemacht, eine so schätzbare grund-
lage geschaffen worden ist.
Leipzig. Theodor VoasL.
(13.)
EIN DRUCKFEHLER BEI OVIDIUS.
In der interessanten Untersuchung über die stelle Ov. trist. IV
10, 107 oben s. 78 gelangt SBrandt zu dem resultate, dasz zu lesen
sei: totqiie tuLi casus pelago terraque^ quot itUer occtdtum steUae
conspicuumque pölum, wie in dem geringem cod. Gothanus steht,
während der ^fttr die im bessern teile des Laur. fehlenden partien
zunächst maszgebende' Guelferbytanus folgende gestalt des hexa-
meters bietet: totque tuli terra casus pelagoque, quot inter. und
diese lesart scheint mir nicht blosz darum , weil sie die bessere hsl.
autorität für sich hat, sondern auch noch aus folgenden gründen den
Vorzug zu verdienen: 1) die trennung von terra und pdagoque , wo-
durch beide begriffe stärker hervorgehoben werden (= cum terra
tum pelago), ist nicht nur nicht zu beanstanden, sondern eine Schön-
heit, die Verteilung der beiden Wörter in die beiden vershälften hat
hier ungefähr denselben effect wie IV 1, 61 und V 3, 13 et partim
pclago partim vestigia terra — muUa prius pelago muUaque
passus humo. 2) maszgebend aber war meines erachtens für die Stel-
lung ein anderer technischer grund, der, wie mir scheint, nicht
zu übersehen ist, nemlich die allitteration, welche bei der lesart
des Guelf. ungleich mehr hör fäll ig wird, aus gleichem gründe
steht, glaube ich, wie IV 1, 51 und V 3, 13 so auch HI 2, 7 plurima
sed pelago terraque pericula passum umgekehrt pe^o^o an der haupt-
tonstelle. die beabsichtigte starke hervorhebung des allitterierenden
Wortes wird unterstützt durch den widerstreit des wortaccents mit
dem verston {p^lagö — tSrrä). bei der Stellung pelago terrdque ist
dieser nicht vorhanden, da hier der wortaccent mit der arsis zu-
sammenfiele, so würde die erste silbe und damit die allitteratio]\
ganz zurücktreten, aus diesen gründen also dürfte an der durch
die bessere hsl. autorität geschützten lesart festzuhalten sein.
Fulda. Eduard Goebel.
ThStangl : Pseudoboethiana. 193
33.
PSEUDOBOETHIANA.
Die dickleibigen aber dttnnhaltigen commentare , die , nach all-
gemeiner Überlieferung in sieben bttchem, Anicius Manlius Severinos
Boethius zu Ciceros Topica zusammenschrieb, sind in keiner der bis
jetzt bekannt gewordenen handschriften ' vollständig und unverkürzt
auf uns gekommen, denn während Cicero, mit benutzung griechi-
scher vorarbeiten, die er möglichst zu entwissenschaftlichen und in
leeren Schematismus zu übersetzen bestrebt ist, doch unter Währung
des nationalen Charakters in der specifisch juristischen exemplification,
in den 100 paragraphen der Topica eine knappe Übersicht über die
gäng und gäbe gewordenen bethätigungsformen der ars inveniendi
gab , sind von des letzten römischen philosophen erklärung zu der
Schrift des redners, die besonders seit der mangelnden kenntnis des
griechischen und dem noch altem und ärgern Widerwillen gegen
strengwissenschaftliche arbeiten viel gelesen ward , blosz die ersten
fünf bücher und ein kleiner teil des sechsten, welche zusammen den
ersten 76 §§ von Ciceros Topica entsprechen, in sämtlichen Codices
überliefert worden (Cic. schol. edd. Orelli et Baiter I s. 270—388).
der einzige Parisinus regius n. 7711 saec. Xu fol. 47** — 49*
enthält eine an das verstümmelte sechste buch anschlieszende und
die zweite hälfte von § 76 wie den § 77 bei Cicero beleuchtende
oder, wenn man will, verdunkelnde erklärung, die von EBHase in
der genannten hs. aufgefunden und bei Orelli-Baiter s. 390 — 395
zum ersten mal abgedruckt wurde.
Auffinder und herausgeber, die auf manigfache leichte text*
Verderbnisse und gedankenähnlichkeit mit Ciceros Tusculanen und
Augustinus sechstem buch vom Staate gottes hinwiesen, sprechen in
den vorreden s. 389 u. 269 ihre feste Überzeugung von der echtheit
des tractates, der ja in jener Pariser hs. unmittelbar das allgemein
als echt anerkannte fragment von Boethius sechstem buche fortsetzt,
ohne allen rückhalt aus. * seit dem halben Jahrhundert, das uns von
OreUis verdienstvoller ausgäbe der Ciceroscholiasten trennt, hat nie-
mand mit wort oder gehalt des schriftchens de dis et praesensionihuSy
wie es Hase zweckmäszig betitelt, sich öffentlich irgendwie befaszt.
^ za den von mir in den ^Boethiana' (Gotha 1882) zuerst verwer-
teten acht hss. aas München, Bamberg und Einsiedeln kommt anszer
andern eine bei Jaff^ u. Wattenbach bibl. metropol. Colon. 1. mscr. s. 84
beschriebene saec. X, welche das in den Boeth. s. 12 aus Bamberg, n. 336
saec. X ausgeschriebene prooemium in vollerer und reinerer gestalt ent-
hält und sicher gleiches Ursprungs mit ihm ist. * erst bei ausarbei-
tnng des dritten teiles bemerkte ich, dasz Baiter nach 30 Jahren in der
zweiten Züricher ausgäbe IV s. 227 z. 10 von einem pseudo-Boethius
spricht : ^nam a Boethii dicendi genere longe abhorret.' natürlich, weil
ps.-Bo. selbst kaum je zu worte kommt.
Jahrbücher ffir cIms. philol. 1883 hft. 3. 13
194 ThStangl: Pseudoboethiana.
denn wenn JPMigne 1861 in seinem cursus patrol. compl. bd. 63
und 64 die gesamtwerke des Boethius, echte und unechte ^bei und
durch einander', nach der tradition des 16n jh. zumeist, wieder ab-
druckt und darunter bd. 64 s. 1040 — 1173 die commentare zn den
Topica ohne das Hasesche fragment und ohne nur ein wort von dem-
sellsen irgendwo zu sagen , so folgt daraus weder etwas für echtheit
noch für unechtheit. Migne kannte jenen Züricher druck von 1833
entweder gar nicht, oder, was wahrscheinlicher, er ignorierte ihn,
wie fast alle arbeit unseres Jahrhunderts in fast allen seinen neu-
drucken, consequent und vollstttndig. in der textgestaltung der
rhetorischen und logischen Schriften steht er auf dem Standpunkt
des Glareanus (<=» Heinrich Loriti ans Mollis im canton Glarus
1488 — 1563) in der Henricopetrina yon 1570 — wenn es nur wahr
wäre — , hinsichtlich der unechtheitsfrage einzelner Schriften auf
den weit mehr als ein halbes Jahrtausend veralteten anschauungen
des Boethius-commentators Gilbertus Porretanus, sein schweigen
ist also nicht als ein bewustes und wissenschaftlich überzeugtes fest-
halten an einer aus guten gründen bessern tradition zn verstehen,
sondern als bare akrisie. so haben wir es denn — heutzutage wirk-
lich ein seltener fall — von Hase-Baiters wenigen neuerungen ab-
gesehen, mit der Überlieferung selbst, nicht etwa mit einer zehnfach
umfangreichem litteratur über sie zu thun. unsere besch&ftigung
mit dem schriftchen wird sich nach drei richtungen hin bewegen,
nemlich :
I. möglichste Wiederherstellung des ursprünglichen textes und
darlegung der sprachlichen eigentümlichkeiten.
IL nachweis der bewusten flüschnng und unbeholfenen zu-
sammentragung der Schrift aus manigfachen antiken und mittel-
alterlichen autoren.
III. bestimmung von zeit, land und stand des pseudo-Boethius.
I.'
Der tractat beginnt s. 390, 1 nach P: Vel ex fama vulgi vel
ex testimonio multitudinis rem dübiam prob are contendity
uty quod vel ah Omnibus vel a pluribiis diciiur^ id omnino vel plurmum
credibile videatur, non enim muUum a fide dissentü^ quod unus Uem-
que alius ac deinceps diäis concurrentibus credendum introducU. zum
Verständnis d. st. vergleichen wir die worte Ciceros Top. § 76, worauf
sich des Bo. schlusz des gröszem fragments (s. 388, 19) und unser
eingang der fortsetzung bezieht. Cic. sagt hier, indem er die ver-
schiedenen Wege verfolgt und an einzelfällen klarlegt, auf denen der
redner beweisführend und das vertrauen und die Überzeugung der
börer erringend auftreten kann^ nach aufzählung anderer : concursio
aiäem fortuitorum talis est^ut^si interventum est casu, cum aut age-
3 p .. cod. Paria, reg. n. 7711 saec.XII; T •« Haae-Baiter in der
editio Turicensis von 1833.
4
ThStangl: Pseudoboethiana. 195
retur oLiquid quod proferendum non esset aut diceretur, in hoc genere
etiam iUa est in Palamedem conieda sttspicionum prodUionis muUi"
tudo ; quod gemis refutare interdum veritas vix potest. huius etiam
est generis fama vtdgi, qttoddam tnuUüudinis testitnoniuin. betrachtet
man die Vortragsweise der erklärung, die Bo. auf der letzten seite
des gröszem Fragmentes zu mehreren der unsrigen gleichgeordneten
beweisarten gibt : 388, 3 quin etiam ignorantia puerorum^ vi/ndlentia^
somnus quaedam saepe produxit in medium . . saepe etiam homines
praeter uUam animi perturbaiionem imprudentes propria confessione
ohligati su^nt usw. ; erwSgt man dasz innerlich wie ätAcerlich die person
des beweisführenden völlig in den hintergrund tritt zu gunsten eines
klarem hervortretens der zu beweisenden sache und dasz dieses gram-
matische Verhältnis sowohl die vorhergehende darstellung s. 387,
30. 33. 38. 39. 45 beherscht aJs auch gewahrt ist bis zu dem letzten
satze des ersten fragmentes s. 388, 1 4 concursio etiam rertim fortuüa-
rum facit fidem: so ist es handgreiflich, dasz unser fortsetzer erstens
unrichtig mit vel anknüpft stdtt mit einem ausdruck wie huius etiam
generis est quod oder pertinet eodem quod oder ähnlich^ zweitens dasz
er weder im ersten noch im zweiten satze das neue subject orator,
das auf Seiten hin nicht zu sehen ist und das er im Widerspruch mit
der ganzen vorhergehenden darstellungsweise schuf, vorstellt und
hinstellt, sondern einfach erraten läszt. so übel nun der Übergang
selbst geraten sein mag: wir haben nicht das recht eine bessere
fügung als der falscher selbst vermochte herzustellen , etwa mit be-
seitigung des vel. wohl aber hat die kritik die pflicht die worte
Ciceros fama vulgi , quoddam muItUudmis testimonium nicht durch
vd ex fama vulgi vd ex^ testimonio muUitudinis rem duhiam prohare
contendit erklären zu lassen, sondern herzustellen vd ex fama vulgi
velut ex testimonio muUitudinis rem duhiam prohare contendit
(sc. orator). denn einerseits ist in solchem Zusammenhang der aus-
druck fama vulgi vd testimonium muUitudinis jedes verständigen
gedankens bar, anderseits decken sich Ciceros qiwddam m. t. und
des compilators vdut t. m. sachlich und sprachlich vollständig, vgl.
394, 16 quxbus vduti vivae atque expertissimae deorum voci pro fidei
testimonio iwnitehatur antiquitas] 395, 9 in cuius vdut darissimo
senatum 395, 3 dafür qtuisi quodam cadi testimonio, auszerdem Quin-
tilian V 3 , 1 = Victor in den Rhet. lat. min. 404 , 30 H. famam
atque rumores pars äUera consensum (<» unserm concwrrentia dicta)
civitatis d vdut pühlicum testimonium vocaty altera sermonem sine uUo
certo auäore dispersum. dasz unser sinnloses zweites vd von pseudo-
Boethius selbst herrühre, ist unwahrscheinlich; es wurde vielmehr
vef unter dem einflusz des vorhergehenden vd wie auch des in der
nächsten zeile folgenden vd — vd diesen assimiliert dasz der com-
pilator an eine gleichsam-zeugnisablegung des ganzen Volkes dachte
und wie er sich dieselbe dachte, sagen klar die worte quod unius
Uemque älius ac deinceps (■« toO dvreOeev) diäis concurrenübus
credendum introdudt (sc. orator). indem ich Baiters schüchternen
18*
196 ThStangl: Pseudoboethiana«
Vorschlag unius aus unus der hs. herzustellen rückhaltlos beipflichte,
lehne ich dagegen, da nun einmal im ersten und zweiten satz oraiar
allein als subject zu denken ist, die ftnderung des von P gebotenen
probare in prohari ab. nemlich die phrase caniendo prohare ^ mon*
strare, efficere ist einer von jenen ausdrücken, die ps.-Bo. seinem
original nachschrieb, so heiszt es 349 , 25 prapasUo temnmo quem
prohare contendimus saepe ex adkmäis argumenta deßciurU. 350, 8
cum ab antecedenlibus et consequeniibus (Mquid probare contendmus.
376, 21 quüibet totius artis alienus ei intendere in aUerum crimen et
sese purgare scMf et argumenta aiiquid probare contendü] ähnlich
276, 36. 371, 27. 397, 43. ebenso ist auctor estphiUmphia 393, 7
eine reminiäcenz an 349, 22 ambuUUio auctor est oder 317, 1 di/*-
ferentia dissimüüudinis auctor est und , von anderm abgesehen , die
Vortragsweise 395, 4 (mit inguam) und 391, 24 — 31 unverkennbar
335, 35—36 nachgebildet
390, 13 gibt P : omnia autem quae virtute auctorüatem fidei com-
parant^ in gemina consideratione deorum hominumgue distribuens dooet.
Baiter vermutet in geminä consideratione ^ wohl da es auch 393, 25
heisze quae sunt deorum testimonia suibsequitur: dinumerans prind-
palUer in orationem resque distribuit und 391, 27 virtutem in naturam
industriamque dispertiat, ein anderer erkennt in als dittographie
der zwei letzten buchstaben des vorhergehenden wertes, wem stim-
men wir bei? keinem, wer wird auch von einem compilator, der,
wie wir sehen werden, auf der niedrigsten stufe sprachlicher kennt-
nis steht, das bewustsein von der kraft eines casus, der natur einer
Präposition verlangen, da schon der Cicerokenner Boethius bei Meiser
Bo. c. in Ar. irepl dpjbiiiveiac U 123, 28 schreibt: divisa sunt tem-
pora in tribus, feiner Top. 378, 28 inter constantes causas haibOus
quoque debuit aditmgi. 371, 8 casus {est) exterior causa nee inter
prifidpäles adnumeratur^ bei Meiser 11 319, 19 omnis determinatio
in terminorum numero non adscribüur, die letztgenannte stelle ist
auszerdem auch ein beleg, dasz bei Meiser II 123, 12 tn tdrarumque
definitione enuntiationis nomen adscripsit mit der ältesten hs. zu
lesen ist, nicht definitionem mit den weniger guten und hier falsch
verbesserten, übrigens ist lange, lange vor der bibel des Ambrosius
selbst eine derartige degeneration besonders bei africanischen Schrift-
stellern reichlich constatiert.
390, 16 deos dicit qttasdam incorporeas potestates, quas et uni-
versiiati praesidere eisque rebus quibus praesunt suorumque
responsorum indiciis humanam caUginem temperare opinabatur cmti-
quitas : P. wenn Baiter nach praesunt den ausfall eines verbums ver-
mutet, so kann man dieser forderung, dem in der luft schwebenden
eisque rebus quibus praesunt durch Schaffung eines dem praesidere
und temperare parallelen begriffes auf die beine zu helfen , nur zu-
stimmen, ob nun der leichtsinn des abschreibers der originalcompi-
lation consulere (393, 41 deum inteüegibüem , pro naturae suae boni-
täte Omnibus consulentem) oder prospicere^ providere oder ein ähnliches
ThStangl: Pseudoboethiana. 197
ausgelassen, läszt sich nicht entscheiden, vgl. Chalcidius s. 122, 26
Wr. detis est humanis rebus consulens. ebd. 286, 26 u. 289, 6.
390, 19 cur M. TuUius virtutem in divinis naturae ascHbcUj in
hutn€mis auttm manentihus studio et industriae^ Piatonis ceterorufn-
que phHosophiae sequacium dedarat assensus: P. das vielleicht unter
der einwirkung des unmittelbar vorhergehenden hwmanis zu manen-
tibus erweiterte und sicher ursprüngliche mentihus^ das ja auch
zum gegensatzglied in divinis in gedanken zu ergänzen ist, hätte t
ohne bedenken in den text aufnehmen sollen, vgl. 390, 27 hutnana
virtuSy quam interdum intentio porrigit, remissio angustat^ siuie muta-
hiUtatis sedem sortUa^ ah iUa incommuiäbiU divinorum nobüitate
degener at hominumque mentihuSy in quihusper accessus et recessus
variatur^ studio industriaque comparatur.
391, 1 anima necdum in contagionis corporeae indumento evo-
luta in Uta äbsolutissimae puriiatis suae specula omnium rerumpe-
riiiatn perfectissime considerat, postquam atUem in hoc luteum corpus
obruitury acies eius terrenae admixtionis tenebris caligosa ab Ula
suae ingenitaeque visionis claritudine caecaiur: P. natürlich ist hier
e mit f verwechselt und involuta in den text anzunehmen, vgl.
391, 13 postquam quodam crasso corporis tegimine irretita anima et
circumfusa quandam sui oblivionem subierü^ cum deinde studio ac
disciplina detergeri coepit atque nudariy tunc in naturae suae modum
animus revertitur atque revocatur. ähnlich heiszt es bei Meiser ao. II
232, 2 anima velut inligata corporibus, Chalcidius s. 45, 23 Wr. ani-
mae corporibus inserentur. der gegenüberstellung halber ist anziehend
Bo. Top. 287 , 48 quod involute nomine significabaUur evölvit atque
aperU, 290 , 28. dasz der ausdruck , von der bildung i/ndumentum
abgesehen, geradezu classisch ist, zeigt Cic. in Pis. 12 istius insignis
nequitia frontis invohda tegumentis. — cäHgosus, wofür t caUginosus
vermutet, ist eine regelrechte bildung wenigstens der spätem lati-
nität vom verbalstamm calig-are^ welche an die stelle der substantiv-
stammbildung caliginosus der classischen zeit tritt und, nach Rönsch
Itala s. 125, sich noch an fünf stellen späterer autoren findet. —
Als Vulgarismus musz femer an unserer stelle necdum «» nondum
(s. Sittl über die loc. verschiedenh. d. lat. spr. s. 99) bezeichnet
werden , eine Stellvertretung die freilich schon vor Bo. nachweisbar
ist. eben dahin gehört sive = et^ que 395, 12 m huiusiiMdi tractatu
Posidonii atque luUi Firmici sive rdiquorum mathematicorum regnat
oratio; aruspices etiam, variorum aucupatores eventuum, ab aerio
avium volatu sive cantu quandam futurorum nqoyvmaiv manare dixe-
runt [393, 20 lautet das Cicerocitat aärius avium cantus et volatus] ;
390, 33 essentiaUter sive naiwraliterr, femer tum . . immo statt non . .
sed 393, 6; nee etiam , . nisi st. nee . . sed 393, 8; oo »i «» quasi
391, 28 und 393, 5 ; an =» num 392, 1 ; der gräcisierende pleonas-
mus ipsa quoque, sicut et quoque. auch der gebrauch der präpo-
sition in den Worten ab iUa visionis claritudine caecatur: ferner
393, 28 aninik a terrena contagione defaecatis zeugt von einem
198 ThStangl: Pseudoboethiana.
Sprachgefühl, das sich der ursprünglicbeii kraft des casus nicht mehr
bewust ist; oder, wie 391 , 28 virtus de (»» ex) qua audoritas com-
paratur^ die eine präp. an die stelle der andern setzt; oder, wie 391,
1 1 tarn inscHUum domicüium inmigravU [bei Cicero heiszt es in tarn
ins. d, inm.] , die präp. nicht blosz bei stftdtenamen , sondern aach
bei allgemeinen Ortsbezeichnungen wegläszt.
391, 7 aiunt nuüo modo fieri posse^ ut a puerUia tot rerum atgue
tantarum insitas atqtie consignatctö notiones . . habemuSj nisi animus
ante quam incorporaretur in rerum cognitione viguisset :Pt. habere-
mus, das an der ausgeschriebenen stelle von Ciceros Tusculanen* I
§ 57 treu in allen hss. überliefert ist, können wir mit gutem grund
als vom abschreiber, nicht vom compilator selbst verderbt betrachten,
das gleiche gilt von 391, 30 cur; 390, 24 fit] 392, 1 pede, die zu
cum, Sit, pedem gedankenlos geändert wurden, femer kommen dazu
kleinigkeiten wie cdehranta st. cdebrata 392, 41; ac scribat st,
ascribai 393, 4; ^piouum st. specuum 394, 14; hylementis st. de-
meniis und speriüi st. 8ph<ierali 394 , 23 bzw. 32. man sieht: auf
5^2 groszoctavseiten eine ganz unverächtliche zahl leichter,
aber auch schwerer Schreibfehler, die auf keinen fall dem com-
pilator selbst zugetraut werden dürfen, sondern dem abschreiber
des bisher nicht bekannt gewordenen originalfalsifi-
cates zuzuweisen sind, wohl zu unterscheiden hiervon sind 39 1,
20 u. 22 wo respondet und quo si auch in einigen hss. des quellen-
Schriftstellers zu respondU und qtuui verderbt sind : diese vom com-
pilator selbst aus seinem Ciceroexemplar entnommenen fehlerhaften
lesarten dind hier beizubehalten und nicht auf kosten der eigenart
der compilation auszumerzen. 392 , 25 gibt adtribuunt ebensowohl
einen sinn wie das Augustinische adiribuuntur, übrigens s. hierüber
unten III.
391, IS in iüo libro gui Menon inscribüur heiszt es in P und
in den Codices saec. IX u. XII der Tusculanen , aus denen unsere
werte ausgeschrieben sind. Neue formenlehre I * s. 169 citiert für
die griechihch-lateinische form Menon des griechischen eigennamens
MevuiV eben diese Tusc ulanensteile I 24, 57, für die echtlateinische
form Meno dagegen s. 157 Livius XLII 58, 7 wo es heiszt: huic
armaiurae Midon BeroeaeuSy equüibus et summae partis eius Meno
Äntigonensis praeerat. also in demselben satze des Augusteischen
historiker.s zwei gleich gut griechische personennamen auf -UJV in ver-
bcbiedener weise, das eine mal mit der griechischen endung -Of», das
andere mal ohne die auslautende liquida, dem lateinischen angepasst.
und wie schreibt Cicero sonst den lat. nominativ von M^VU)V? dafür
i&t uns kein beleg mehr erhalten auszer das bei Neue ao. s. 156 bei-
gebrachte Zeugnis Priscians , der VI 6 , 29 aus der verlorenen rede
pi'O Fundanio die werte citiert: essetne id quod Meno nuntiasset
{pro Menon), [Orelli IV* s. 931 wird Farmeno aus fr. 8 vermutet]
wichtiger als diese einzelstellen sind die von Neue zusammen-
getragenen lehren der alteii grammatiker undrhetoren, am wichtig-
ThStangl : Paeudoboethiana. 199
fiten seine die ganze erhaltene litteratur umfassende stellensamlung
über die' lateinische nominativform der griechischen personennamen
auf -U)V. die bedeutendste grammatikerregel ist bei Priscian VI 6, 29
in on guoque genetivi graeci supra didam servant regtdam, paenuUima
seoundum Oraecos manente producta vel correpta: Miiivmv Mifivovog
JUc Memnon huius Memnonis^ Zivtav JSlvcavog hie Sinon huius Sinö-
nis . . haec tarnen antiqui solent ahlata n proferre et secun-
dum Laiinarum regulam in o terminantium (quod ubique Terentius*
fadt) dedinare, unter den beispielen aus Cicero, die alsdann an-
geführt werden, nennen wir auszer dem oben erwähnten Meno statt
Mßnan noch die ganz entsprechenden aus den Verrinen Dexo^ Zeno,
Xeno statt Dexon, Zenan, Xenon, knapper und gehaltvoller äuszert
sich hierüber Quintilian, der in seiner bekannten auseinandersetzung
über die fremd Wörter I 5, 55 — 64 im lateinischen von den gram-
matici veterum amatores sagt: id Palaemo ac Telamo et PUßo
(nam sie eum Cicero quoque appedat) dicerentur retinueruntj quia
latmum, quod o et n lUteris finiretur^ non reperiebant, nichts neues
fügt dazu Charisius.
Prüfen wir dies gesetz an Ciceros erhaltenen werken , so tritt
das entschiedenste bestreben der reinhaltung des nationalen idioms
hervor und eine so consequente Parteinahme für die lateinische en-
dung, dasz von einem wirklichen schwanken oder gar einer neigung
zu 'On hin keine rede sein kann, eine ausnähme bildet 'AtotM^MVUiV,
das in den Tusc. 2mal als -o , in de div. de ofif. u. p. Flacco 3mal
als -on vorkommt; 'Ajucpiuiv, je einmal als -o und -on; 'Gvbujbiiujv
Gupopiujv MiXiuv je einmal als -on-^ femer ^Apjiiöbioc und 'ApiCTO-
t€(TUiV, KX^oßic und BiTUJV, die je einmal als H. und Aristogiton^
Cl. und BUon sich finden, und deren namensform in allen sprachen
ebenso fest scheint wie die reihenfolge ihrer nennung und die haupt-
Züge d'es von der geschichte über sie bericbteten; weiter steht Te-
lamo an je 6iner stelle von de nat. d., de orat. (II 46, 193; Neue
berichtet falsch Tetamon)^ Tusc; Tdamon Tusc. III § 39 in einem
verse. Zeno kommt 43 mal in Ciceronischen stellen vor, von denen
keine dem briefstil, fast alle den philosophischen Schriften angehören,
und zwar 5 den Tusculanen , 7 de nat. deor. diesen 5 bzw. 7 Zeno
steht je 6in Zenon gegenüber, nemlich Tusc. V § 27 «i Aristo Chius
aut si stdcus Zenon diceret und de nat. d. I § 70 Zenon j wo in der
nächstvorhergehenden zeile urgu>ehat ArcesHas Zenonem steht: ich
trage bei solchem Verhältnis der Überlieferung kein bedenken beide-
mal Zeno zu lesen, selbst wenn dort das moment der Symmetrie,
^ et Plautus könnte man nach facii rein sachlich hinzufügen, indem
nach einer znaammenstellnng Neues ao. s. 160 nicht weniger aU 31
grieclusche personennamen in Piautinischen und Terenzischen stücken mit
der rein lateinischen nominativendnng auftreten, dasz übrigens unter
antiqui nicht blosz die archaischen £chter zu verstehen sind, sondern
auch Cicero und manche der Augusteischen zeit, beweisen die folgenden
belege aus den dichtem Horatius und Statins, an deren stelle er freilich
besser oder vielmehr allein passend prosaiker hätte eitleren sollen.
200 ThStangl: Pseadoboethiana.
hier die das Verderbnis leicht erklSrende Umgebung nicht hinzukäme.
endlich findet sich Serapion in einem briefe, Triton in einem verse
des Accius und in einer rede des Atticus , und Acad. 11 § 106 me-
minit Sciron Epku/ri dognuUa,
Verfolgen wir an der band Neues die bei Cicero fast ausnahms-
los in römischem gewand auftretenden griechischen eigennamen in
die späteren zeiten, so tritt unter den dichtem vor allem bei Ovidius,
unter den prosaikem bei Seneca eine unverkennbare hinneigung
zum griechischen dement wie in manchen andern beziehungen so
auch hier hervor : von allgemeineren erwttgungen abgesehen dürften
benutzung griechischer quellen und metrische gründe in vielen fällen
ausschlaggebende gründe sein. Curtius und Justinus schwanken, so
dasz sie beispielsweise bald Fartnenio bald Parmenian schreiben,
wie schon die indices ihrer guten kritischen ausgaben anmerken.
uftter den späteren Schriftstellern steht Boethius wohl als ausnähme
da, wenn er mit Cicero FUxto (llmal unter den von Meiser gesam-
melten stellen) , Phüo usw. consequent schreibt ; im grossen ganzen
herschte die griechische Schreibweise, und die lateinische endung
lebte fast nur in gelehrten notizen der grammatiker.
Also schreiben wir mit Orellis erster ausgäbe an der original-
stelle unseres citates, um nicht gegen den TuUianischen Sprach-
gebrauch zu verstoszen , und unter aufbürdung des verderbnisses an
die Schreiber der beiderseitigen Überlieferung, Meno ? nein : es gibt
einen dritten, weder von den alten noch von den neuem grammatikem
erwähnten weg mit griechischen werten überhaupt umzugehen:
man nehme sie ohne änderang von endung und schrift in die um-
gebende lateinische redeweise herüber, indem man sie einzig mit
einem die Originalausdrucks weise rechtfertigenden zusatz stützt:
eoruvn poetarum qui Xvqi%ol a Oraecis nominantur heiszt es § 183
im Orator, der mindestens 15 solcher beispiele bietet; eam quam
(ptXoaotflav Qraeci vocant und ei quos q>vaiiiovg Qraeci nominant de
orat. I § 9 bzw. 217, und zwar in der guten alten Erlanger hs*
saec. X mit lateinischen buchstaben geschrieben, und ist das nicht
der Schlüssel auch für unsere stelle ? wir halten die Überlieferung auf-
recht und den Sprachgebrauch Cicerosein, wenn wir die Überlieferung
scheinbar ändern in iüo Ubro qui Mivcav inscribitur. bei unserm
eigennamen ist das um so unbedenklicher zu statuieren , da in der
majuskelschrift für ihn eigentlich blosz beim o-laut die Schreibweise
des griechischen und lateinischen differiert, so ist auch 392, 18
MITHICON, 395, 15 nPOrNOCHX geschrieben, und Dombart merkt
zu August, de civ. dei YIII 7 s. 331, 27 an: 'prope usquequaque
codd. nostri vocabula graeca latinis litteris scripta exhibent', und
ediert demgemäsz VI 5 s. 252, 19 mythicon — physicon, wä)irend
Baiter 392, 18 f. auf grund einer fünf Jahrhunderte jungem ha.
die aus Augustinus ausgeschriebenen werte mit griechischen buch-
staben wiedergibt.
392, 2 videtur quihusdam haec senientiOj qua ait Cicero: deorum
ThStangl: PBeudoboethiana. 201
virtus natura exceUü^ hominum autem indiistria, ex libris M. Varronis^
hominis acuHssimi, de humanis et divinis rebus, uhi de theologiae divi^
sione agitur, succmcte per transvtutn tnutata: Pt. die richtigkeit
der behauptung vorausgesetzt, Cicero habe hierin wirklich Yarro
benutzt, so zeigt die folgende nebeneinanderstellung der breiten
Varronischen erörterung upd des knappstgefaszten satzes Ciceros,
der seines freundes eingehende besprechung des gegenständes in
aller kürze {succincte, ebenso bei Friedlein Bo. s. 389, 19. 413, 14)
zusammendrängt und nur im vorübergehen {per transüum , so auch
ServiuB Yerg. georg. III 526) berührt, dasz von Cicero die anschau-
ung Yarros nicht wörtlich abgeschrieben, wohl aber in ihrem grund-
gedanken erfaszt, dasz sie in nichts wesentlichem geändert (fnutata)f
wohl aber in ihrem kerne entlehnt (mutuata) wurde, und ftlrwahrr
was soll, rein sprachlich, sagen senientia ex libris M. V, mutata
videtur*^ tnutuare statt muiuari — um auch dieses bedenken zu
heben — steht bei Yitruvius XYIII 7 (12), 4. Tertull. apol. 45. ad
nat. 2, 4. Boeth. de ar. 12, 17 Fr. hinc quattuor elementorum mul-
titudo mutuata est, und in dem von unserm compilator an mehreren
stellen ausgeschriebenen Chalcidius s. 287 , 5 Wr. probationem ad-
fert de exempUs inlustribus mutuatum.
392 , 33 hoc genus . . nulta infamia denotavü. tertium genus
est, inquit, dvüe, quod in urbe cives, maxime sacerdotes, nosse atque
sacrificando administrare sölent: in quo etiam gener e cum multae
infamiae fiunt simütimaj quamvis tacente Varrone, a nobis iUi priori
iudicantur cognata: Pt. was will 'vieler schände aufs haar ähnliches
geschieht'? stellen wir her multa infamiae fiunt simiUima: Wiel
kommt vor was der Schlechtigkeit aufs haar gleicht', da unmittelbar
vorher das pronominaladjectiv nuUa , vor infamia stehend , auch zu
ihm construiert wurde, so ist es bei unserm abschreiber, von dem
bis jetzt schon mehr als ein halbes dutzend Schreibfehler constatiert
sind, die ein nichtverständnis der spräche und eine oberflächliche
wiedergäbe der Originalvorlage unwiderleglich bekunden, nicht auf-
fällig, dasz er auch hier denselben gleichklang bei adjectiv und sub*
stantiv , die ja in derselben reihenfolge sich zeigen , unwillkürlich
annahm.
392, 40 maiestati divinae indigna: P und die hss. des Augustin»
der hier ausgeschrieben ist. die classische latinität sagt blosz indig-
nus re, die silberne und gräcisierende auch indignus gloriae suae
(Yal. Max. IX 2. ext. 8. Yergilius und sein nachahmer Silius indignus
avorum an derselben versstelle); dagegen Aug. de civ. dei YIII 13
s. 340, 13 D.' indigna deorum maiesiate.
393, 16 divina haec fere sunt testimonia: primum orationis —
oracula enim ex eo ipso appeUata sunt, quod inest his deorum oratio — ;
demde rerum in quibus insunt quasi quaedam opera divina: primum
ipse mundus eiusque omnis ordo et ornatus; deinceps aärei volatus
avium e t cantus : P. t ändert inest in his, wie seiner zeit auch an der
entsprechenden stelle der Ciceronischen Topica § 77, beidemal gegen
202 ^] ThStangl: Pseudoboethiana.
die Überlieferung, hier der uniformen adjustierung, wie es scheint,
mit in quibtts instmt zu liebe, die hsl. lesart, die zu den Topica in
meinen ^textkritischen bemerkungen zuCiceros rhetorischen Schriften'
(bl. f. d. bayr. GSW. bd. XVIII hft. 6 und 7) hergestellt wurde, findet
eine hübsche bestätigung durch 394, 18 wo ps.-Bo. inesteis dearum
oratio in der erklärung wiederholt, richtig ist auch 391, 26 naiurae
audoritas in vitiute est (so) maxima , citiert aus Ciceros Top. § 73,
wo freilich gewöhnlich mcmme^ falsch ediert wird, nicht beistimmen
können wir ferner, wenn T voUUus avium atque cantus ändert, denn
wie 395, 14 avium volatu sive cantu und die ausschreibung der stelle
aus Ciceros Tusculanen (s. unten II) klar zeigt, hält sich ps.-Bo. in
solchen quisquilien, ja in viel wichtigeren dingen, keineswegs an
seine vorläge.
393, 22 a darmiefUibus quogue muUa significata visis: P t. wie
alle hss. zu Cic. Top. § 77, so hat leider auch unsere Pariser die von
GH Moser zuerst als interpoliert erkannte präposition. denn der
sinn ist: ^schlafenden auch wurde manches angezeigt durch träum-
gesiebte', nemlich von den göttem, wie die ganze vorhergehende
periode handgreiflich beweist, auch darf ich nicht verschweigen dasz
392, 3 und 393, 4 in dem satze dearum virtus natura exceQ/U nicht
die von sämtlichen älteren Cic.-hss. verbürgte präsensform der zwei-
ten conjugation excdlet erhalten ist, sondern eben die gewöhnlichere
form der dritten.
393, 34 vox tUa quam Socrates in animo sentiehat nan erai opinar
talis quae aere ido sonaret^ sed quae oh egregias virhUes purgatae
proptereaque vntdUgentiori animae praesentiam solitae dwimUdis
rcvelaret. die orlginalstelle bei Chalcidius in Plat. Tim. s. 288,
7 — 10 Wr. lautet: vox . . oh egregiam castimoniam tersae proptereaque
inteUegentiori animae praesentiam coetumque soUtae^ divinitätis rcve-
laret , si quidem pura puris contigua fore misceri fas sit. in diesem
Zusammenhang freilich begreift man noch einigermaszen, was soUtus
'gewöhnlich' bei divinitas sagen soll, es ist ein das coetum ver-
stärkender und, durch eine in der späteren latinität sehr häufige
in Version ^ zum abhängigen genitiv statt zum regierenden nominativ
gezogener begriff, in der fassung des copisten aber, wo das sehr
bezeichnende coetumque und der erklärungssatz si quidem . . sit mit
dem ausdrucksvollen misceri abgestreift wurde, ist es erschrecklich
hurt, und blosz die fassung des Originals und die rücksicht auf die
'' naiurae a. in v, vtest maximae. tempore autem muiia sunt quae äf-
fet ani fidem der besten dortigen hss. ist aufzulösen als n, a. in o. inett
maxima: e tempore autem multa sunt usw. * eine Wiener lis. saec. XII
lull bei Wrobel praesentiam, ceterumque soHtum divinitätis revelaret, was
auf praesentiam coetumque solitum dtvinitatia revelaret führen würde; aber
derselbe codex hat im selben sats intellegentioris animae als von casti-
moniam abhängig falsch constmiert. Mullach edierte sotUate divinUatis.
7 Meiscr Bo. II 239, 9 liberi arbitrii iudinum. II 139, 27 liben oHn-
triim iudidi, II 229, 19 liberi arbitrii voluntas. II 195, 12 liberum volun-
taiis arbitrium.
ThStangl : Fseudoboethiana. 203
erstaunliche borniertheit des copisten, der nicht das wesentlich not-
wendige vom überflüssigen zu scheiden weisz, hält uns ab einen in
falscher ausspräche seitens eines dictierenden genossen und dem
entsprechender wiedergäbe des wertes durch den librarius liegenden
fehler anzunehmen und solid ae statt söUtae zu schreiben, es würde
das um so näher liegen, da ^wirklich, leibhaftig' in aller latinität,
prosaischer und poetischer, auszer anderm auch durch solidus (soldus)
wiedergegeben wird und von einem enthüllen der anwesenheit der
leibhaftigen gottheit gegenüber einer reinen menschenseele durch
das mittel einer sog. innem stimme recht wohl gesprochen werden
kann, auch geht bei Chalcidius s. 287, 20 Wr. söUtum unmittelbar
voraus, und eine Verwechslung der beiden blosz durch einen ^-laut
verschiedenen werte wäre in anbetracht der ausspräche ebenso leicht
möglich wie etwa Cic. Brut. § 219, wo Piderit hiäc minime tnirum
est ex tempore dicenti solid am effluere mentem treffend herstellte aus
dem sölitam aller hss.
394, 18 ah hac deorum oratione verbi gratia ita ducUur testi-
fnonium, ut^ si de Socraiis exceUentia dübitetur, iUo Pythii oraculi
vaticinio omnis duhietas abstergatur: AINOC . ANIP . TA . KAKA . KAE.
ENANTIA . ETTOI ZOI .: ^sic P, adraso capite literae extremae in TTOI,
non secus ac si prius TTOP fuisset' bemerkt Hase. Baiter edierte :
Keivoc dvf)p Td Kaxd Ka\ dvavTia ^cti irop(£u)V nach Hases ver-
schlag, der dazu anmerkt: ^syllaba altera in KAKA producitur mire;
in promptu fuisset scribere TÖ KaKÖv Kai dvavTiov. aliis opinor
placeat aivöc dvrjp, cum Infinitive in clausula; malui Homericum
Keivoc dvrjp.' einverstanden, desto weniger aber können wir, dem
gott und Sokrates zu liebe, uns gefallen lassen KOKd . . icti nopiZuJV :
einem derartigen spruch selbst des pythischen dreifuszes gegenüber
verharren wir de Socratis exceUentia in ehrerbietiger dubietas. leider
wird diese nicht gehoben, wenn wir uns des Ibannes Opsopaeus
'oracula metrica levis' (Paris 1599) verschreiben, dieweilen auch
dieser gottesmann nur kennt die Pythiasprüche dvbp&V dTidvTUJV
CuJKpdTiic co(pu)TaTOc s. 50, und s. 90: fjiiiaTi k^v TpiTdrip 06itiv
ipißujXov tKOio = II. I 363. dagegen bin ich überzeugt dasz der
platonfeste leser oder vielmehr jeder, der über das eigentümliche
der Sokratischen denkthätigkeit sich jemals näher unterrichtet, be-
reits vorweggenommen hat die Wiederherstellung Keivoc dvf)p rd
KOKOL Km dvoVTia ^ctIv öpiZuiV. in solcher gestalt erweist sich
der in der erhaltenen litteratur blosz durch diese stelle bekannte,
sicher aber aus guter, alter quelle geschöpfte götterspruch nicht
blosz als jenen beiden oOc iCjiiev dTravrec ebenbürtig ; nein, er über-
ragt sie um turmeshöhe , indem er die philosophische bethätigungs-
weise des Sokratischen geistes in ihrem innersten wesen erfaszt und
aufs bestimmteste hinstellt, oder gibt es irgend eine geistesarbeit,
die in gleichem masze wie die des öp(2Ieiv (öpUlecOai «=» definire) von
Sokrates bei Piaton genannt, gefordert, vollführt wird? hier seien
aus vielen stellen blosz angeführt Gesetze I 632 ^ öpiCT^ov t6 re
204 ThStangl: Peeudoboethiana.
xaXöv xai tö mt). Gorgias 475 • fibovfl T€ Kai drciöiji öpiZöpcvoc
TÖ KttXöv. Euthyd. 9^ äp* oötdü ßoiiXci f||Liiv übpicOm vOv ircpl
ToO öc(ou Kai ToC dvociou; vor allem aber Phaidros 266^, wo nach
dem an Eros geübten öpicpöc ausführlich der gennsz dargethaa
wird , den der wahre dialektiker schOpfe aus eic p(av ib^av cuvo*
puüvra fitciv td TToXXaxfl biccirapp^va , tv' ^xacTov öpiZöpcvoc
bnXov TTOi^, TTcpl oö Sv dcl blbdCK€lV iO^Xij.
Dasz der inhaltlich so herliche götterspruch blosz auf fünf
füszen gebt, während ein sechster (rd Kaxd) hinkt, wird den, der
die von Opsopaens gesammelten versificierten Orakel nur oberflfioh-
lich durchblättert, der die metrischen aufschriften von kunstwerken
und Weihgeschenken , wie sie teils noch in stein erhalten sind teils
von alten Schriftstellern, besonders Pausanias, mit allen mangeln des
Originals gewissenhaft abgeschrieben wurden, übersieht, viel weniger
wundern, als ihn ein völlig tadelloses metrisches gebilde überraschen
würde, dazu kommt noch die erwägung, dasz die dehnung in der
pentbemimeres stattfindet, hinsichtlich des kcTvoc dWjp gilt das
wort , dasz alles was im versmasz Homers geschrieben ist mit der
gesetzmäszigkeit und freiheit des hexameters zugleich die eigentüm-
lichkeiten der epischen spräche verbindet.
395, 1 in hac cadesti vertigine si quando aliquid insuetum r€h
rumque et extraoräinarium su^picitur , eventus imminens mortälibus
in ntramlihet partem quasi quodam codi testimonio a maUhematida
praedicatur: Pt. credat ludaeus Apella, non ego — ; oder ist,
selbst für einen jeder moduslehre ledigen compilator, auch nur irgend
ein grund denkbar , die aussage über ein schlechthin thatsächliches
Verhältnis im conjunctiv zu geben? denn dasz ps.-Bo. eventum im»
minentem mortdUhus von den mathematikern nicht praedicari läszt,
sondern praedici, zeigen die aus Chalcidius entnommenen werte
395, 6 inteUegi datur^ sidera infrequenter orta non facere quaepro-
veniunt , sed futura praenuntiare. also geben wir dem compilator,
dessen ursprüngliche lesung vom abschreiber durch das freilich in
den von ihm vorher abgeschriebenen commentaren des Bo. mehr als
dreiszigmal vorkommende ^aedico^ur verdrängt wurde, ^in prae»
dicitur wieder, vgl. eben diesen Chalcidius s. 231, 23 Wr. out
alitum volatu aut extis aut oraculis homines praemaneniur praedkente
aliquo propitio daemonCy qui sit eorum omnium quae deinceps sequuv^
tut scius, pcrinde ui si medicus iuxta disciplinam medendi praedicat
cd cxithim vel sanitatetny aut etiam guhemator cadi condicumum non
ignarus ex nuhecula praenuniid iempestatem futuram . . aeque^ cum
ex motu siderum praediäio hahduTy Signa ohservari solent u»w.
395, 8 qui hos Stellas putani habere hanc potestatem^ ut volenies
nociva decernanty magnam caelo faciant iniuriam, in cuius vdut da-
rissimo senatu . . opinantur scelera facienda decemiy qualia si äliqua
civitas terrena decrevissdy genere humano decemente fuerant ever^
tenda: P . . fuerit evertenda t. gewis. subject ist zu etfertenda
nicht qualia y wie der abschreiber meinte, sondern civitas i der staat
ThStangl: Pseudoboethiana. 205
beschlieszt die aasführung von frevelthaten, also wird der staat aus-
gerottet von dem andern nicht frevelhaften menschengeschlecht. so
sicher das richtig , formal richtig , gefolgert ist, so sicher ist Baiters
Vorschlag fuerU ein grammatischer Schnitzer, den wir unserm ohne-
hin Übel zagerichteten librarins nicht aufbürden wollen, vielmehr
nehmen wir an , dasz der abschreiber , da er im satze mit genere . .
evertenda kein subject ausdrücklich genannt sah , das an der spitze
des Vordersatzes stehende qucdia als solches supponierte und dem-
gemftsz fuerat in fuerant änderte.
396, 14 artMpiceSj variorum aucupatores eventuum, ab aerio
avium völatu aive catUu quandam futurorum nqoyvoaöiv manare dixe-
runt : P. es ist handschriftenschreibem nicht blosz italiänischer zunge
kaum etwas häufiger begegnet als dasz sie, besonders am anfang
eines wertes, den hauchlaut weglassen, wo er zur wurzel gehört,
oder, in der weise jenes von Catullus und Lessing verspotteten
spiritusasper-manisten, überall wo es unpassend ist ein h hinsetzen,
unser 6ine mann ist zeuge für beides auf engstem räume : 394, 23
schreibt er hylementis statt elementiSj dagegen 394 , 32 sperali statt
sphaercUi, ob auch 395,* 14 aruspiceSy wie anderwärts oft, statt
haruspices (s. Yanicek etym. Wörterbuch d. lat. spr.' s. 96) geschrie-
ben ist? aber die ^darmseher' haben doch, wenigstens in des wertes
eigentlicher bedeutung , mit dem vogelluftflug nichts zu thun. also
ist, da für cvruspex «s ^seher überhaupt, Weissager im weitesten sinne
des Wortes' in derartigem zusammenhange ein beleg nicht bekannt
ist, wohl mit Baiter auspices aufzunehmen, übrigens zeigt unser
prognosin — - denn so kann man nach 391 , 1 und 394, 14 {adytis)
geradezu schreiben -— dasz bei Isidorus XII 7, 19 die hsl. lesung
von mehreren ohne grund zu prognosium umgestaltet wurde.
391, 13 postquam quodam crasso corporis iegimine irretita anima
et drcumfusa quandam sui ohlivionem suhierit^ cum deinde studio ac
disciplina detergeri coepü atque nudari^ tunc in naturae suae modum
ommus revertUur atque revocatur: P t richtig; Bhet. lat. 155, 31 H.
acies quamvis perfectae cmimae quodam corporis crasso tegmine in-
retitur et circumfundiiur ^ et üa fit ut quandam ohlivionem sui capiat.
cum vero studio ac disciplina vduti detegi (so Halm mit den frühem
ausgaben) coeperU atque nudariy tunc in naturae suae modum animi
habUus revertUur atque revocatur, der cod. Darmst. saec. YII, der die
sonstige Überlieferung um drei Jahrhunderte überragt, weist de-
tegeri auf, was nicht noch mehr zum trivialen detegi abzuschwächen,
sondern zu dem seltneren detergeri zu ergänzen ist. detegi änderte
man wegen des folgenden nudari, und ps.-Bo. war die übertragene
ausdrucks weise von detergere schon so geläufig, dasz er das vehUi
des Victorinus, das nur vor detergeri^ nicht vor detegi am platz ist,
fallen liesz. übrigens kommt dieses verbum sowohl als detergeo wie
als detergo in eigentlichem und bildlichem sinne nicht selten vor:
Chalcidius s. 46, 13 Wr. {cmimarum) omnem inluviem deterserU.
gleiche bedeutung und gebrauch hat abstergo bzw. ahstergeo : 394, 20
206 ThStangl: PBeudoboethiana.
omnis duhietas äbstergatwr. 378, 4 ad suspicionem mavendam deter»
gendumve. Bo. de mus. 185, 22 Fr. modis fertur cunctas abstersisse
molestias.
Im verlaufe der kritischen erörternngen ward Veranlassung
gegeben einige sprachliche bemerk ungen einzuflechten; diese
werden hier fortgesetzt und erweitert, doch weder mit dem bestreben
die Sache zu erschöpfen , noch im glauben als wflrde damit etwas
besonderes geboten.
a) substantiva: 392, 2 coauditor (so P, nicht con-) et con^
discipulus: ersteres kennen die lexika nicht, letzteres schon
aus Cic. Tusc. I § 41 Dicaearchum cum Aristoxeno aequaU et con-
discipulo suo omittatn'us^ wo discipiUo wohl der Zweideutigkeit halber
(neben aequäli?) vermieden wurde. 390, 31 in suis opusculis Gioero^
womit de inventione gemeint ist, das der echte Bo. blosz als rhetorica
{rhetorici sc. libri) citiert , zb. Top. 365 , 10. Bo. gebraucht seltnere
griechische Wörter nie ohne mildernden zusatz (ut Ua dicam, quasi^
quidam usw.); ps.-Bo. 391, 1 und 394, 14 in adytis phüasophiae
und ex adytis specuum ; 394, 30 tropus*, 395, 15 prognosis- das Sub-
stantiv statt der verbalform steht 390, 12 ad virtiUis enodationem
sese convertet. statt des ablativs tritt per mit acc. ein: 390, 10. 15.
391, 35. 393, 9. 394, 12 per naturam. femer ist der blosze ablativ
ersetzt durch ein subst. des mittels mit genitiv: 391, 17 dochrinae
exterioris heneficio] 393, 28 linguae officio^ durch beides zugleich
391, 38 ab instrumenta exercüH und 394, 7 per Unguae ministerium.
b) bei den adjectiven und adverbien ist anzumerken: die
hSufung 395, 1 insuetum rarumque et exiraordinarium; 394, 3 sin^
gülaris et arcanus atque ab opinione vulgi remotuSj die beim AMcaner
Victorinus im Über de definitionibus meist asyndetisch vorkommt
die Verbindung von positiv und comparativ 390 , 22 incammtUabüis
pvriorifique essentiae^ von positiv und Superlativ 394, 16 vivae atque
expertissimae voci\ die degradierung von superius 390, 9. 391, 25
und cxterius 391 , 33. 36 zum positivwert, in Übereinstimmung mit
Boethius, im gegensatz zu Victorinus. subseguenter 394, 34 und
verbi gratia 394, 19 sind etwas ganz gewöhnliches in der spätem lati-
nität. auch reihenpartikeln wie inprtmis . . deinde . • adpostremum
394, 26 und 394, 10 natior (oratio) ah ea quae = ^bekannter von
dem Standpunkt derjenigen aus welche'.
c) pronomina: 391, 33 ad affectum sui (st suum), 391, 39
iUe als artikelvertreter.
d) V e rba: 391, 6 ventHare und 391, 9 incarporare sind im sinne
von 'erörtern' bzw. 'verkörpern' seit Chalcidius und Fronte bekannt.
392, 2 ist valeat admittere^ wie auch bei Bo. öfter, »« admittat^
392, 8 das ganz geläufige supradiäus, noch später praefatus ua.
die das spätlatein beherschende präp. de , die dann von allen roma*
nischen sprachen aufgenommen wurde, thut sich bei den verben
hervor: 392, 33 denotare] 393, 28 defaecare^ 392, 28 deputare er-
setzen die simplicia. die decomposita 391, 12 se recoUigere und
ThStangl: Pseudoboethiana. 207
391, 38 reauscüare sind jenes seit den Augusteischen dichtern, dieses
seit den archaischen in aufnähme gekommen, sübsequitur 393, 25 »»
391, 11 exsequitur oder persequüur 'er verfolgt des weitem' ist den
lexikographen fremd, anlangend die moduslehre, so steht
der indirecte fragesatz 393, 25 und der relativsatz 393, 32 un-
puristisch im indicatiy; dagegen 390, 19. 391, 1. 25. 392, 1 die
indirecte frage im conjunctiv. sive — sive 390, 24 und quamquam
391, 39 werden, wie nicht selten bei Bo., mit conjunctiv verbunden.
6) der satzbau des compilators zeigt sich in seiner ganzen
roheit und ineinanderschachtelung 391 , 13 und besonders 39t,
32—40.
f) Horatiana: BPeiper hat in seinen trefiflichen indices zu
de cansolatione phüosophiae nicht blosz eine weitgehende benutzung
von Senecas tragödien durch Boethius für die zwecke seiner carmina
nachgewiesen, sondern auch auf einige Horaz-reminiscenzen hin-
gewiesen, der letztere punkt soll hier aufgegriffen und auf ps. -Bo-
ethius , besonders aber auf einige andere echte Schriften des echten
Boethius ausgedehnt werden.
390, 22 divinitas . . incorporalitate heatur. Spengel zu Ter.
And. 106 und Ussing zu Plautus Asin. 330 haben nachgewiesen,
dasz das Stammwort zu ho-nus^ he-atas usw. bei den scenischen dich-
tem zumeist und fast allein in Verbindungen wie i(2, hoc, quod^ nimis
beat mit dem object iwc, te usw. oder heas = 'du beglückst mich,
das ireut mich' ohne ein solches vorkommt, doch sagte schon Titi-
nius heare agrum Setinum^ eine kühnere weise, die bekanntlich
Horatius zu allgemeiner beliebtheit brachte, er variiert sehr hübsch
hea/re mtmere (ep. I 18, 75), Laiium dwüe lingua (ebd. II 2, 121),
caelo (carm. IV 8, 29), nota FaUmi (ebd. III 3, 7). von den spä-
teren geschicken des wertes schweigt selbst der treffliche Georges;
und doch hat es auszer unserer stelle auch Bo. de arithm. 124, 1 Fr.
incorporalitate heatur. — 393, 14 ne hunc locum . . corrugata
nare fastidiant. in ursprünglicher bedeutung kommt das wort bei
Columella vor; das vorbild unseres bildes ist Hör. ep. I 5, 23 ne
sordida mappa corruget nares. — 390, 27 humana vvrtus suae miUch
hüitcUis sedem sortita, 391, 34 naturae nomen sortitur, Bo. de
arithm. 7, 27 inmutabilem suhstantiam sortitmtur, ebd. 8, 12 nattira
inmutdbüem vitn suhstantiamque sortita sunt. ebd. 37, 5 vocahul/um
sortiuntur brauchen beileibe nicht als abklatsch des Horazischen
terrestria quando mortäles animas vivunt sortita betrachtet zu werden,
da neben und vor Horatius (bei Curtius, Livius, Cicero) das wort in
allen freieren Varianten seiner ersten bedeutung begegnet. — 381,34
artem praeferas inert iae erinnert nicht blosz an des Hör. tineae
inertes j sondern mehr noch an Cic. or. part. § 35 qitem ad modum
adfecti »int, virttUihus vitiis , artibtts vnertiis. übrigens scheint das
Wortspiel, das auch beim Verfasser des bellum Alexandrinum und
bei Petronius gelesen wird , ein blosz als rhetorische figur auch für
die reinere Schriftsprache sanctionierter Vulgarismus, den jeder für
208 AFleckeisen: zu Ciceros Bratus.
fiich aus der alltagssprache entnahm, anders dürfte die sache stehen
mit den kühnen decomposita incastigatus und disconvenire^
von denen jenes zuerst bei Horatius (ep. I 10, 45 nee me äimUtes
incastigatum ubi pkira cogere^ quam satis est ae non cessare videbor)
und dann erst wieder bei Boethius Top. 333, 28 vorkommt: tä
quaeque in mentem venerint, iniudicata atque incastigata promunt%ir;
dieses auszer bei den gromatikem und dem Africaner Lactantius,
Bo. de mus. 381, 5 und 389, 11 in der litotes non äisconvenü^
welche stellen in den lexica nachzutragen sind zu den aus Hör. ep. I
1, 99 u. 14, 18 angeführten. — In solchem zusammenhange begreift
man sehr wohl , dasz Meiser ao. im nachtrag zu II 4, 11 gut thnt,
die hsl. Überlieferung mtdta aint Aristotdis, quae sübtüissima jMh-
sophiae arte cdata sint als eaelata zu interpretieren — denn eine
änderung der Überlieferung ist das ja gar nicht — , nach jenem ¥U>vem
caelatum Musis opus des Venusiners. — Über läbor paret Bo. Top.
270, 20, das an lamentamur non adparere läbores erinnert, und über
pigrescere ac delassari animos 372, 5, das vor ddassare välent
Fabium schon bei Plautus begegnet, ist in den ^Boethiana' gehandelt.
" durch diese stelle wird die von HUsener bezweifelte lesung bei
Ennodins erklärt ep. 7, 13 . . per düigentiam imples omne quod cogitur tuw.
(der schlasz folgt im nächsten hefte.)
München. Thomas Stanol.
34.
ZU CICEROS BRUTUS.
3, 10 cum inambularem in xysto . . M. ad me Bruius^ ut con-
sueveratj cum T. Fomponio venerat, homines usw. über venerat
bemerkt Eberhard : 'statt des einfach erzählenden venu bezeichnet es
nicht die dem inambulare sondern die dem gespräche vorausgehende
zeit.' ich habe sämtliche einleitungen zu den dialogisch abgefaszten
Schriften Ciceros . durchgelesen und in keiner ein plusquamperf. ge-
funden, das in ähnlichem sinne gesagt wäre wie dieses venerat. so
ist denn auch hier sicherlich venit herzustellen, das nur von dem
Schreiber des archetypus in venerat verwandelt worden ist, weil ihm
die endimg des eben geschriebenen consueverat noch in der feder
steckte.
4, 17. je öfter ich diese stelle überlese, desto mehr befestigt
sich mir die Überzeugung dasz hier eine lücke anzunehmen sei, die
ich Jahrb. 1873 s. 847 so auszufüllen vorgeschlagen habe: mihi quo-
que, inquit Brutus , et exspectanda sunt ea quae Attico poUiceris, et
si fortasse ego a te huius voluntarius procuraior petam, quod ipse, cui
dcbesy (^se tuo^ incommodo exadurum negat , <^fie tu mihi susoenseas
oro), at vero, inquam usw.
6, 23 ist doch sehr zu überlegen, ob nicht statt quod mihi niUOa
res eripiet mit CFWMüller jahrb. 1864 s. 621 zu schreiben ist
nuUa vis.
.L
AFleckeisen: zu CiceroB Brutus. 209
8, 30. dasz Prodictis Cius auf grond der hsl. Überlieferung
SU schreiben sei, habe ich in Bitschis opusc. I s. 555 nachgewiesen ;
hier füge ich hinzu dasz dieselbe Überlieferung auch auf Hippias
Elius führt hat doch 4, 15 niemand Hesiodium angetastet
8| 31 Socrates gui sübtüUcUe quadam disputandi refeüere earum
(sophistarum) instUtUa sölehat, hinter solehat steht in den hss. noch
iierfitf, ohne sinn, daher es Schütz (nicht erst Haupt, wie Jahn-
Eberhard im krit. anhang sagt) gestrichen hat. ungleich wahrschein-
licher ist inerhis eine corruptel, und zwar aus acerhius^ wodurch
der kämpf des Sokrates gegen die Sophisten der Wahrheit gemäsz
charakterisiert wird, so haben Feldhügel im programm des Magde-
burger klosters von 1871 und Madvig 'textrettelser til Ciceros
Brutus' in 'det philologisk-historiske samfunds mindeskrift' (Kopen-
hagen 1879) 8. 166 — 173 unabhängig von einander emendiert.
8, 33 verharum qtiasi ^mätira et quaedam ad numerum con-
dusio . . natura magis tum {ante Isocratem) casuque non numquam
quam aut ratione aHigua atU ohservatione fiehat. bei Buünus, der
diese stelle citiert 6LE. VI s. 572, steht aut ulla Observation^ eine
knük, die eine solche aus dem fünften jh. stammende variaüte gegen-
über unsem gerade um ein Jahrtausend jungem hss. verschmäht, ver-
stehe ich nicht, der Wechsel zwischen aliquis und uUus hat seinen
guten grund : 'in folge irgend einer (bestimmten) berechnung oder
überhaupt irgend welcher achtsamkeit.' ähnlich epist. X 1, 1 quae
potest spes esse in ea re publica, in qua . . nee leges ullae sunt nee
Uidicia nee omnino sitnulacrufn aliquod ac vestigium civitatis? —
Dasselbe tdla scheint mir auch an einer andern stelle des Brutus
wieder eingesetzt werden zu müssen: 63, 227 sine iure fuit et sine
ulladignüate, hier ist uMa in Jahns dritter aufläge, ohne zweifei
durch einen druckfehler, ausgefallen (denn in der ersten und zweiten
steht es). Eberhard aber hat das für beabsichtigt gehalten und
streicht uUa gleichfalls — ohne jeden Innern grund.
10, 40 neque ipse poeta JUc {Homerus) tarn idem ornatus in
dicendo ac plane orator fuisset, hier hat sich Eberhard irre führen
lassen durch eine irrtümliche angäbe Piderits , der im kritischen an-
hang seiner ausgäbe bemerkt: Harn \idem] ornatus Koch rh. mus.
XYI s.*485^ und am schlusz hinzufügt: ^oder man müste das wort
als aus valde verderbt betrachten.' gerade das umgekehrte ist der
fall : Koch ao. will tarn valde ornatus schreiben, offenbar hat Piderit
hier frühere aufzeichnungen confundiert; Eberhard aber hat idem
im texte gestrichen und citiert als den auctor dieser änderung
HAEoch. mir scheint Kochs wirkliche conjectur tarn valde ornatus
sehr plausibel, zumal nach den höchst überraschenden aufklärungen
die wir Wölfflin 'lateinische und romanische comparation' (Erlangen
1879) s. 9 f. über die verliebe Ciceros für dieses steigerungsadverbium
verdanken, dasz auch die Verbindung tarn valde keineswegs unerhört
ist, zeigt de fin. V § 31 tam valde perhorrescere. Phü, I § 5 tam
valde . . dissensisse. — Vorstehendes war längst niedergeschrieben,
Jahrbüchor für clats. philol. 1888 hft. 3. 14
210 AFleckeisen: zu Ciceros Brntus.
als mir ein neuer verbesserangsvorschlag des idem von ThStangl
Hextkri tische bemerkungen zu Ciceros rbet. scbriften' (aus den blät-
tern für das bayr. GSW. bd. XVlll) s. 22 des Separatabdrucks zu
gesiebt kam : tarn int er dum omatus — und dieser scheint mir aller-
dings dem zusammenbang noch besser zu entsprechen als Kochs väide.
ebd. cuius (Homeri) etsi incerta sunt tempora^ tarnen annis
muUis fuit ante Ramulum, si quidem non infira superiorem Lycurgum
fuity a quo est discipUna Lacedaemoniorum astricta legibus, das bei-
wort superior zu dem namen Lycwrgus ist bisher (nach Wetzeis Vor-
gang) so erklärt worden wie noch von OJahn in seiner zweiten aus-
gäbe: 'um ihn von dem § 36 erwähnten attischen Lycurgus zu
unterscheiden.' das wäre doch aber eine thOrichte vorsieht Ciceros
gewesen, um einem möglichen misverständnis vorzubeugen, da er
durch den angeschlossenen relativsatz diesen Lycurgus als den Lace-
dämonier kennzeichnete. Jahn hat denn auch in der dritten ausgäbe
diese anmerkung und im texte (nach Ellendts Vorgang in seiner
ersten ausgäbe) das superiorem gestrichen, und Eberhard ist ihm ge-
folgt, dennoch ist superiorem entschieden echt, schon Bemhardy be-
merkt in einer seiner aureae notulae zu HMeyers commentar : ^Cor-
radus opinabatur duos Lycurgos ab Cicerone concessos fuisse.*
dasz dem wirklich so sei, hätte sogar eine schärfere betrachtung der
von Jahn selbst teilweise citierten stelle de re p. Vi % 1% lehren
können : centum et oäo annis post quam Lycurgus leges scribere insti-
tuit^ prima posüa est Olympias: quam quidam nominis errore
ab eodem Lycargo constitutam puiant. nominis errore kann doch
in diesem Zusammenhang nichts anderes bedeuten als Verführt durch
die namensgleichheit' ; mithin sagt Cicero, manche (alte Chronologen)
hätten den gesetzgeber Lycurgus und den Stifter der ersten Olym-
piade gleiches namens für identisch gehalten, beide lägen aber
108 jähre auseinander (884 — 776 vor Ch.). dasz Cicero mit dieser
ansieht nicht etwa allein stand, beweist Plutarch im leben des Lykur-
gos c. 1 Ti^aioc be örrovoet bueiv dv Cirdpiij Y€Tov6tu)v AuKOup-
tujv QU KttTd TÖv aÖTÖv XPÖvov usw. vgl. über alles dies HGelzer
im rh. mus. XXVIII s. 23 und ERohde ebd. XXXVI s. 527 f. hier-
nach dürfte das superiorem vor Lycurgum wohl nicht mehr bean-
standet werden, ich füge noch einen sprachlichen grund hinzu, sehr
richtig bemerkt Eberhard: ^infra Lycurgum in dieser bedeutung
höchst selten', und in der that wissen die lexikographen für die
zeitliche bedeutung von infra kein zweites beispiel anzuführen, auch
Hand Turs. III 377 nur eines aus Quintilian I 7, 20, wo es aber
adverbial steht, dieses wagnis Ciceros läszt sich nur erklären, wenn
superiorem echt ist: um nemlich die kakophonie inferior superiore
zu vermeiden ; ein nacktes infra Lycurgum hätte Cic. sicherlich nicht
geschrieben, sondern inferior Lycurgo.
(fortsetzang folgt.)
Dresden. Alfred Fleckeisen.
.■■4
HRönsch: zu Gellius [XVI 7, 4], 211
35.
ZU GELLIÜS.
Das 7e capitel des 16n buches seiner attischen nachte beginnt
Oellius mit den worten : Läberiu^ in mimis , quos scriptitavU, oppido
quam verha finccü pradicenter, und führt als beweise für diese allzu
groBze kühnheit die Wörter menäicimoniumj moechimonium^ aduUerio^
adMerUas^ depudicare^ ahluviumy manuarius an. sodann fährt er in
§4 fort: neque non obsoUta quoqueet maculantia ex sordidiore
vulgi U8U ponUy quäle est in Staminariis: töUä bona fidi vos orcus
nAdas in catönium. so steht der vers in der ausgäbe von Mllertz
(Leipzig 1853), ohne angäbe einer Variante auf s. VII. allein wir
mochten die richtigkeit dieser fassung bezweifeln, schon in formaler
hinsieht fällt das klein gedruckte arcus auf, während es in allen
übrigen ausgaben wegen der darin liegenden personification mit
groszem anlaut geschrieben ist. und dann was soll catönium be-
deuten? in den Wörterbüchern wird es von Kdruj, deorsum, abge-
leitet und durch ^Unterwelt' erklärt; auch soll ein Wortspiel mit
Cato darin liegen, was man in den früheren ausgaben (zb. in der von
Oronovius 1706 ua.) durch die Schreibung Catönium angedeutet hat.
aber das gezwungene dieser herleitung und dolmetschung springt
allzu sehr in die äugen, als dasz man sich damit begnügen könnte,
dasz man dies schon frühzeitig erkannt hat, beweisen die älteren
ausgaben, zb. die Juntina von 1513, die Aldina von 1515, die Gry-
phiana von 1534, die Longoliana von 1741, in welchen sich nicht
Catönium^ sondern Catomium findet; so auch in der Baseler Hen-
ricopetrina von 1565, der Petrus Mosellanus folgende adnotatio bei-
gefügt hat: ^videtur CcUomium- dixisse pro loco, quo apud Graecos
veteres supplicium sumebatur de adulteris : id in hunc modum fiebat,
ut tradit interpres Aristophanis , pariter et Suidas : deprehensus in
adulterio tantisper vellicabatur pudenda, dum multam constitutam
persolveret, id quod vocabulum graeca origine detortum quoque
significat.' der alte Peter Schade von Trier scheint demnach an die
strafe des ßaq)avic^öc od^r der diTopa(pav(bujcic gedacht zu haben,
jedenfalls mit unrecht, da eine solche auffassung in den Zusammen-
hang unserer stelle keineswegs passt ; was jedoch die zu gründe ge-
legte lesart catomimn betrifft (näheres über die dortigen lesarten über-
haupt s. bei Bibbeck com. lat. rel. s. 293), so glauben wir annehmen
zu dürfen , dasz man damals mit ihr der Wahrheit um einen schritt
näher gewesen sei als mit der jetzt beliebten catönium. denn die
einzig richtige nach unserm bedünken ist catomum. wie Lion zdst.
bemerkt, ist sie von Turnebus vorgeschlagen worden: 'Tumebus
adv. I 28 leg. Catomumj qua voce vinculum et catenam significai-i
ex schol. luven, testatur', wenn auch die beigefügte erklärung des
vorgeblichen Substantivs catomus durch ^fesseP oder 'kette' ebenso
wenig auf gutheiszung anspruch erheben kann wie die in einem
14*
212 HBönsch: zu Gellias [XVI 7, 4].
alten Slraszburger glossar durcb flageHum oder als die im sog. Bre-
viloquus und bei Papias ersichtlichen, wo catomi durch flageUa bzw.
durch virgae ferreae erläutert ist.
Verlangt man aber zu gunsten der lesung in catamum^ die bei
Gellius, so viel wir wissen, blosz auf einer emendation des Tumebus
beruht, auch ein hsl. zeugnis, so liegt ein solches sogar in Ciceros
Schriften vor, obschon dasselbe trotz der ihm zukommenden gewich-
tigkeit und hohen glaubwttrdigkeit bis jetzt unter den gelehrten,
wie es scheint, nur wenige gläubige gefunden hat. wir meinen nater
den briefen ad familiäres den an Faidius Oallus gerichteten VII 25,
dessen erster abschnitt lautet: quod qnstülam oonsdssaim doies^ noU
lahorare, salva est: damopetes^ cumlihebU. quod autem me numes^
vdLde gratum est, idque ut semper fadas rogo: videris enim mihi
vereri ne, ^ [?] istttm habuerimus, rideamus yilana caqiavMv. aed
hetis tu, manum de taMa; magister adest cUius quam putaramuß.
vereor ne in catonium (so auch Wesenberg in seiner ausgäbe der
briefe, Leipzig 1872; Catonium Emesti 1737) Catomnos. als vor-
letztes wort steht in der Orelli-Baiterschen ausgäbe (Zflrich 1846)
keineswegs die vulgäre lesart, sondern erfreulicher weise in catomumj
und zwar auf grund des vorzüglichen cod. Mediceus. um wie viel
drastischer aber und sarkastischer durch dieses dem volksmund ab-
gelauschte wort die ganze darstellung Ciceros in diesem vertraulichen
briefe aus dem j. 709 d. st. sich gestaltet, wird uns deutlich werden,
wenn wir auf dessen bedeutung etwas näher eingehen.
In ihrer durchsichtigsten gestalt zeigt sich die hier zu bespre-
chende ausdrucksweise in einigen belegen aus ^terer zeit, so
namentlich in der um 486 nach Ch. geschriebenen hi^oria peraecnh'
tionis Africanae provinciae des bischof^ Victor von Vita, wo es 1 28
heiszt : ordinaior quondam memorati sacerdotis nomine Thoma dum
variis ah eis insidiis saepius artaräur, quodam tempore venerdbüem
senem in publica fade catomos ceciderunt. die wortform catomos
haben drei hss. bei Halm (Berlin 1879) nebst der ed. pr. Par., nem-
lich BBV, von denen die erstgenannte (Bambergensis saecIX) unter
allen zeugen für diese schrift obenan steht, während ebenda oatomis
von WMsLb, catamis von C bei Petscbenig (Wien 1881) bezeugt
ist. in Africa werden beide formen neben einander gebräuchlich ge-
wesen sein: jene erstere als buchstäbliche wiedergäbe des griech.
kqt' ujjiouci diese als solche des adverbialen icaTui^ic den sinn
derselben findet man im Halmschen index s. 83 ganz zutreffend mit
den Worten erläutert: Venerabilem senem catomos ceciderunt, i. e. in
umeros sublati nates ceciderunt' (vgl. auch Georges im handwörterb.
1^8. 967); dagegen in dem daselbst citierten artikel des glossarinms
von Duoange Henschel 11 s. 245 f., dem auch wir weiter unten einige
anführungen entnehmen werden, sind blosz die letzteren von wert,
die erklärnngen aber in der hauptsache verfehlt und irreführend.
es bestand nemlich die von Victor erwähnte, damals in publica fade
(dh. 2^(^*^ an/e oculos ofmituiii; vgl. ebd. lU 21 muüerea et prae-
HRönsch: zu GelUne [XVI 7, 4]. 213
e^pme twhües contra ius naturae nudas omnino in facie publica
entdäbant) vorgenommene züehtigung darin, dasz der zu beetrafende
von einer andern person (oder auch von zwei) emporgehoben , über
die Bchnltem gelegt and sodann dessen entblöszter körperteil von
dem execntor durchgepeitscht wurde — eine strafweise die man
catomoa (catomis) caedere {tcUerCy levarCy suspendere) zu nennen
pflegte, bisweilen aber auch durch das 6ine wort catomidiarc (dh.
eatamieare >« KaTUJ^iZciv) oder catomare bezeichnete.
Hierzu vgl. Passio S. Afrae ap. Velser.: porro sacrifica^ ne . .
eaihomia (so) te caedi iubeam, Ado Viennensis [a. 859—874],
Beda in Martyrolog. 15 Tun.: deinde a Vakriano iudice catomis
caesus in confessione permansü. Acta 88. Viti et Modesti : cum cum
ad deorum cukum vocare non possei ^ cathomis caedi iussU. Acta
8. Babylae martyr. 2, 6 rex iussit tres infantes levari in catomo
(also auch so drückte' man sich aus) et primo dari duodedm plagaSj
secundo autem novem, tertio vero Septem. Ado et Beda 18 Nov.:
catomo (oder ist mit hinzufttgung des nSchstfolgenden anlautes
eatomos zu lesen?) suspendi cum ac verberari et postremo etiam
deooUari iusaU. Quiricus archiepisc. Tolet. in hymno 8. Eulaliae (in
Breviario Mozarab.): haec enim catomata sistüwr equuleo, caeditur^
emmgulatur («» ungulis raditur) atque flammis uritur. vita S. Eula-
liae €x Breviario Palentino : tunc Calpumianus turbido furore suc-
eensus^ putans pudicam virginem more infantum a tergo corporis
emendari (= castigari) , iubet per officium (»> officialem) curatoris
eam catomari . . cu/mque catomaretur corpus eius ddicatum et
sanäum^ ükUae caedis verbera aeqm atitmo sus^neboi, aus noch
früherer zeit ist das verbum caiomidiare nachzuweisen: Petronius
132, 3 tandem {matrona) ad uUionem decurrit voccUgue cubieularios
et me iubet catomidiari*^ nee contenta mulier tam gravi iniuria
mea convocat omnes quasülarias usw. 8partianus Hadr. 18, 9 de-
coctores bonorum stiorum, si suae auctoritaUs essenty catomidiari
{catamidiari vulg.) in amphitheatro et dimitti iussit. der sachlichen
veranschaulichung dienen zwei bei Henschel angeführte stellen:
Prudent. hymn. de S. Romano : vix haec profatus pusionem praedpit
SübUme toUant et manu pulsent nates Tenerumgue diris iäibus ter-
gum secent. vita S. Nicolai Studitae s. 911 dvbpcc bk toOtov kot"
ä^9UJ Tuj x^^pc änai(jüpi^cavT€C dviiXcuüC toTc ßouveupoic xaTrJKi-
loy ^T€pOl.
Auszer denjenigen Strafbezeichnungen aber, die wir erwähnt,
* so lesen wir nach einer von Bücheier in den tezt aufgenommenen
coDJectnr des Salmasins. die hss. bieten die offenbare comiptel cato-
rogare dar; sollte vielleicht eatomtzarf gemeint sein ?* im cod. LeiaensIsCl,
einstmals im besitze JScaligers, stehen auf dem rande (vgl. Büchelers
grössere ausgäbe s. 183) folgende bemerkungen über einander: 'cato-
rygare. natis mjip^. percidere. catalogare. cato rigare. xdTUi.' Pithoens
erklärte jene conjectur darch catomis caedi\ die hsl. lesart aber emen-
dierte Heinsios in eoKmU obhtrgari^ Tnrnebns in catomo ligare^ Scioppius
in catomo dare, Reiske in eaSapygare.
214 HItönsch: m Gellias [XVI 7, 4. 6].
gab es noch die bei Cicero ep. VII 25, 1 hsl. gutverbürgte in cato-
tnutn (toüere oder levare) — clc tö KdTU)|iOV (a!p€iv), von welcher
sich in catomo in den Acta S. Babylae (s. oben) nur wenig unter-
scheidet , und wir lernen aus jener stelle zugleich , dasz diese^ phrase
auch im römischen schulleben eingebürgert war. Caesar stand bei
der abfassung des briefes auf dem gipfel seiner macht, schon hatte
er (ungeföhr 7 monate vorher) gegen Ciceros lobschrift auf Cato
seine Änticatones geschrieben, Fadius Gallus aber, der adressat des
briefes, war — kaum 3 monate vor dessen empfang — ebenfalls fUr
Cato in einer flugschrift eingetreten (ep. VII 24, 2). durch diese
misliche constellation wurde in Ciceros seele ein gefühl der unbe-
haglichkeit und besorgnis hervorgerufen , das in jeder zeile des oben
citierten anfangspassus des 25n briefes sich deutlich kundgibt, ob-
schon er es unter dem deckmantel witziger scherzreden zu verbergen
sucht, indem er den gewaltigen dictator als einen Schulmeister
{magister) darstellt, von dem man befürchten müsse, ne in catomum
Catoninos (sc. toUat) , er werde den unartigen schulknaben, die über
ihn sich selbst zum unheil gelacht hätten, mit 6inem male über den
hals kommen und ihnen — nemlich den Catofreunden — eine ge-
hörige tracht prügel applicieren. dATum manum de täbtUal hübsch
artig und vorsichtig, damit ein solches Strafgericht nicht herein-
breche! — Hiemach dürfte es gerechtfertigt sein, wenn wir die
phrase in catomum auch bei Qellius XVI 7, 4 einsetzen und das
bruchstück des Laberius also lesen:
toUet band fide
vos Orcus nudas in catomum -^ ^ -
(über die zulässigkeit der beiden iambischen wortformen bona fide
im ausgang eines senars s. ALuchs in Studemunds Studien I s. 21.)
erst durch diese lesung wird man in den stand gesetzt klar und deut-
lich zu erkennen , wie Qellius dazu kam , das fragment des mimen-
dichters als einen beweis dafür beizubringen, dasz Laberius mit-
unter von flecken des gemeinen Volksgebrauches schillernde Wörter
angewendet habe.
Zu diesen ausdrücken rechnet Gellius auch clutriarCy indem er
XVI 7, 5 fortfährt: et elutriare lUUea . . dicU. wie aber hätte ihm
dies bei fallen können, wenn diesem verbum wirklich das wäre, wofür
man es auszugeben pflegt, nemlich ein derivatum von dem durchaus
schriftmäszigen und urbanen duere? man könnte an ein griechisches
etymon denken, sei es nun XouTpiov oder Xourrjp, so dasz im letz-
tern falle elutriare aus eluteriare synkopiert wäre, wahrscheinlicher
jedoch ist die entstehung aus lutum oder vielmehr aus dessen a^j.
lüteuSj dessen t man durch r verstärkte; aus dem so entstandenen
ehitreare (gleichsam ^entschmutzigen') wurde dann um der leichtem
ausspräche willen elutriare. eine derartige epenthesis, nemlich
einfUgung eines r nach ^, läszt sich in vielen Wörtern nachweisen,
schon in manchen schriftlateinischen, zb. in cuicitra (s. Georges band-
HR^uBch: zu GeUius [XVI 7, 4. 6]. 215
Wörterbuch^), weit öfter aber auf dem gebiete der vulgärsprache :
YgLgloss. ps.-Philox. s. 28, 5 haüistra, cqpevbövT). 28, 10 hälUstrari(i)y
cq)£vbovfiTai. Lucilius und Cato bei Nonius s. 143 mediastrinus.
gloss. Placidi s. 75, 14 (Deuerling) pdLpitans est qui animam trähit.
nam palpitrans non est latinum (war sonach eine plebejische
wortform), potest tarnen a palpehris venire.
Wir wenden uns wieder zu cato mos zurück, um noch einen
beleg anzuführen, dessen besprechung wir absichtlich bis zuletzt
aufgeschoben haben, weil sein wortbestand sehr corrumpiert ist. zu
dem yerse Juvenals 2, 142 nee prodest agüi pahnas praebere Luperco
lautet das scholion in der Cramerschen ausgäbe: sterües midieres
febnuintibus Luperds se offerehant et fenda verberäbantur. hoc
homine^ qui infra tectum mtdti seminis credit contracttis ab foecundi-
totem dandam. pätmas ideo dicity quia aut catomus laetabantur, aut
quia manibiiis vaptUant ctmei per civitcttem, tunc et in solio si quapost
ipsum descenderü statim concipit. eine längere reihe von Verbesse-
rungsvorschlägen aus älterer und neuerer zeit steht am fusze dieses
scholions, von denen aber keiner dem durch lässige abschreiberhände
arg gemishandelten texte eine durchgreifende und vollständige auf-
hilfe darbietet, so eben kommt mir noch zu rechter zeit eine freund-
liche mitteilung des hrn. Cph. Stephan, cand. phil. in Köln, zur
hand, aus der ich ua. ersehe dasz der wirkliche text des cod. San-
gallensis 87^ folgende abweichungen von dem obigen erkennen
läszt: vor steriles steht noch Natura indidget . . verberantur . . ob
fecunditcUem . . a (?) manibus . . per ipsam . . und dasz OJahn in
seiner ausgäbe der scholien hat drucken lassen: [nee prodest] nach
vndfüget . . verberabardur, hoc nomine . . ad fecunditatem . . catomis
caedebantur . . manibus vapulabant . . post lupercum . .
Unter berücksichtigimg alles dessen was vorliegt, sowie durch
hinzunahme einiger conjecturen von mir versuche ich das scholion
in folgender weise zu emendieren: Natura indulgente sterües
mulieres februantibus Luperds se offerebant et feruta verberabaniur,
hoc nomine quia infra tactum mtdti seminis creditur contractus
ad {ob?) fecunditatem dandam. pahnas ideo dicU, quia aut catomis
levabantur aut quia manibus vapulabant cunice per cmtatem :
tunc et in solio si qua post ictum descenderü^ statim concipit. die
präp. infra kann füglich belassen werden : sie findet sich in späteren
Zeiten nicht selten für intra gebraucht, vgl. Deuteron. 17, 2 cum
reperti fuerint apud te infra unam (Septuag. dv ^tqi) urbium
tuarumy Vulg. cod. Toletani. ludic. 14, 12 intra Septem dies con-
vivii] 'idiqui habent infra* Hugo ap. Vercellon. Iren, interpr. 1 2, 4
ipsam quidem infra (^VTÖc) pleroma perseverasse. II 3, 1 infra
se omnia continente eo . . infra spirüdte pleroma. ps.-Cjprianus
de singul. der. 18 nee infra [cod. C == Sangerm. 839 saec. IX]
uvham caveam habitans cum lupo tutus et agnus . . quantum välebit
si infra [C] muros acceperit häbitacuhim? hist. Apollon. Tjr. c. 12
216 HRGnsch: zu Gellius [XVI 7, 4].
s. 16, 3 (Riese) dtucü infra teäum. c. 42 s. 54, 5 spongia . . visceri"
htts tota turnet aqua gravata patuUs diffusa cavemis, infra qua»
lympha latet. comment. Einsidl. (aneed. Helv. ed. Hagen) s. 215, 2
infra tectum sederunt .i. inius. — Was catomis levdbaniur betriff^
so liesze sich fragen, ob nicht die hsl. dem griech. KOtr* dti^ouc anch
in der endang des acc. plar. nachgebildete form eatomus hätte bei-
behalten werden können ; leväbantu/r aber schien der Überlieferung
des Sangall. graphisch näher zu kommen als caedebantur. — Das&
cynice im volksmunde cunice lautete, ist aus Plautus Stichus 699 be-
kannt, die phra^e endlich in solio descendere ist mit der nicht bloss
bei Celsus 1, 3 dreimal, sondern auch bei demselben scholiasten (zu
Juv. 8, 86 sölium in quod [oder ist mit Henninius in quo zu lesen?}
descendebat) vorkommenden in solium descendere völlig identisch.
Die appendix zu dem glossarium novum Latinitatis im 9n bände
des Spicil. Rom. von Angelo Majo bietet s. 80 folgende notiz dar:
CeUomuSy i. schol. ms. ad luven. IV 151 cutile consilium ceperunt^
ut tamdiu eum (Neronem) caederent catomis^ id est virgis ferreis,
donec animam exhalare^; quod ille agnoscens cum uno servo aufiigit
et periit». über diesen scholiasten hat der hg. bemerkt: 'scholiastes
luvenalis di versus multoque copiosior edito, in codice pervetusto^
ubi sunt insuper interlineares glossae. auctor dicitur Probus, sed
tamen homo christianus est, vel oerte interpolatum opus nsque ad
saec. ferme IX . . abrupto hoc commentario circa operis medium,
usi deinde sumus scholiis aliis eiusdem generis atque aetatis, priscis
videlicet sed identidem a sequiore aliquo scholiasta interpolatis.^
in dem obigen scholion sind die werte id est virgis ferreis, da sie den
ausdruck catomis falsch erklSren, ohne zweifei ein späteres ein-
schiebsei, daraus hervorgegangen, dasz man ihn nicht für ein griech»
adverbium, sondern für den lat. ablativ hielt.
Vorstehende studio über in catomum und gleichartiges kann ich
nicht abschlieszen , ohne dem oben genannten herm in Köln für ge-
föUige auskunftserteilung über das im Sangall. enthaltene und nicht
minder hm. dr. Martin in Jena, secretSr an der dortigen univ.biblio-
thek, für die freundlichkeit, mit der er auch zu gunsten dieser arbeit
mir so manche willkommene Schriften zukommen liesz, verbindlich
zu danken ; zugleich aber spreche ich den wünsch aus, es möge dem
cod. Pithoeanus der JuvenalschoHen baldigst eine ganz zuverlftssige
und vollständige collation zu teil werden.
Lobenstein. Hermann Rönsch.
ThOpitz: SaUüsüns und Anrelius Victor.
217
36.
SALLÜSTIÜS UND AURELIÜS VICTOR.
Dasz Aurelius Victor unter den nachahmern des Sallustius einen
ziemlich hervorragenden platz einnimt, hat besonders WölfiOin im
rhein. museum XXIX 285 ff. nachgewiesen, zu den dort gegebenen
Zusammenstellungen teile ich im folgenden etliche ergftnzungen mit,
ans denen sich zugleich ergeben wird , dasz diese stilistischen remi-
niscenzen sich nidit nur in den ersten elf capiteln der Caesares be-
sonders bemerklich machen , wie WölfiFlin anzunehmen geneigt war.
satis ccmpertum Caes. 5, 3. 1 9, 3.
mihiplane compertum 11,13. quare
compertum est 40, 13. guis rebus
compertum habeo 39, 5 (sämtlich
als einleitung allgemeiner behaup-
tungen und Sentenzen)
luxus lasciuiaque Caes. 14, 6.
31,2
annUevUe Tito Caes. 9, 11. ntiZi-
tibus annUentibus 24, 1. cunäis
annüentibus 40, 4
Bomanum stcUum quasi abrupto
praedpüauere Caes. 24, 9
aquae penuria fatigabat Caes.
28, 1
adukscentis fiuxo ingenio Caes.
32,4
Ingebum . . imperandi cupido
incessit Caes. 33, 2
par simüisque semper ipsi habe-
bitur Caes. 33, 29
nobis satis cognvtum est lug.
82, 3. periculo atque negotiis com-
pertum Cat. 2, 2. compertum ego
habeo Cat. 58, 1 (desgleichen)
lubido atque hußuria Cat. 28, 4.
lug. 89, 6. laetüia atque tasduia
Cat. 31, 1. licentia atque laciuia^
lug. 39, 5. ludus et lasciuia lug.
66, 2. Utxi^ atque licentia Bist*
148, HD.
adnüewte Crasso Cat. 19, 1.
nuüo drcum adnitente Bist. IV
61, 14 D.
mores non paülatim . . sed for-
rentis modo praedpüati Bist. I
12 D.
fames fatigabat Bist. lU 34 D.
(vgl. Tac. Bist V 3 inopia aquae
fatigabat)
eorum (sc. adukscentiim) animi
moUes et fluxi Cat 14, 5
tanta cupido gloriae incesserat
Cat. 7, 3. lubido . . incesserat 13, 3
und wegen des acc. Bist. IV 61,
15 D. inopia rursiis ambos in-
cessü*
par simüisque ceteris efficiebatur
Cat. 14, 4
' diese Verbindung ist bei Wölfflin 'die allitterierenden verbindangen
der lateinischen spräche' s. 65 nachzutragen. * mehr über dieses bei
SalL ziemlich oft vorkommende verburo bietet besonders Lebmann 'de
verborum compositorum quae apud Sallustinm Caesarem Tacitum legun*
tur cum dativo structura' (Breslau 1863) s, 85 f.
218
ThOpitz: SallustiuB und Aurelius Victor.
bonis Salus ciuium ac longa sui
memoria cariora sunt Caes. 34, 6
milites frustra fore Caes. 37, 3
diuitiarum usum affiuentiam-
que Caes. 37, 7
quo officio adulescentiam mer-
cede exercuerat Caes. 39, 20
incredibile qucmtum laetüia gau-
dioque senatus ac plehes exuHaue-
rint Caes. 40, 24
rei publicae permixtionem Caes.
41, 14
cibi omnis, libidinis atque om-
mumcupidinumuiäorC9^%A2^ 23
ut uerutn ahsöluam breui Caes.
42, 24
müii reäius uidäur . . memoriam
nostri quam maxume hngam effi-
cere Cat. 1, 3
Uli (sc. nohües) frustra sint ' lug.
85,6
otium atque diuüiae . . ad/fu€-
rent Cat. 36, 4
ihigue iuuentutem suam exercuü
Cat. 5, 2 vgl. lug. 63, 3
plebs . . gaudium atque laäitiam
agitahat Cat. 48, 1
quasipermixHoterraelvLgAl^M
hMdinis et diuitiarum uictar
lug. 63, 2
uti pauds uerum dbsohwm Cat.
38, 3 vgl. lug. 17, 2 cetera quam
paucissumis äbscHiuam.
»
Nicht minder zeigt sich diese ahhttngigkeit im gebrauch ein-
zelner lieblingswörter und lieblingsformeln. ich erwähne das häu-
fige vorkommen des unpersönlichen uti seilet Caes. 14, 5. 17, 6. 20, 11
und 28. 28, 2. 31, 3. 33, 15 und 21. 35, 5 unter vergleichung von
lug. 25, 3. 66, 2 (s. Constans 'de sermone Sallustiano', Paris 1880,
8. 52) , oder den gebrauch von mortales in dem sinne von homnes
Caes. 3, 20. 12, 3. 16, 14. 24, 11. 28, 7. 33, 30 unter Verweisung
auf Brünnert 'de Sallustio imitatore Catonis' usw. (Jena 1873) s. 25,
oder die bevorzugung der formen von queo (quew^t Caes. 16, 8.
queas 12, 3. queat 8, 8. queant 33, 19. quihai 4, 5. quiuere 41, 2.
nequeunt 24, 10. nequeat 13, 7 und 35, 13. nequiensMj 2. nequirent
10, 3. nequvuü 20, 1) gegenüber denen "vompossum^ von denen ich
nur acht beispiele gezählt habe.
Femer gebraucht Victor auszer an zwei stellen (Caes. 11, 9
coeperunt und 25, 2 * appröhauerunt) für die dritte pluralperson perf.
stets die formen auf -ere, man sehe: accepere^ accessere cuxidere
apparuere^ cecidere cecinere cessere comperere concessere confecere con-
iurauere conuenere creauere curauere decreuere dedere dempsere denun-
^ weiteres s. bei Badstübner Me Sallnstii dicendi g^enere' (Berlin
1863) 8. 11 und Kraut 'das vulgäre element in der spräche des Sali.'
(Blaubeuren 1881) s. 9. * Caes. 39, 5 ist mit der hs. accesietini zu
lesen. ^ in der hs. sind die formen meistenteils ausgeschrieben, nur
hier und da (zb. Caes. 11, 10. 16, 15. 80, 1 uö.) durch einen über-
geschriebenen strich {conuenery decreuer, comperef) abgekürzt, dasi
dieser jedoch die endung e bezeichnet, geht aus zahlreichen andern
beispielen hervor, wie 24, 10 reger neqveunt. 83, 11 re/icef cantenderet.
83, 28 uulner tarn gram. 39, 9 proper petil. * das Caes. 17, 10 in den
texten stehende appeUauere ist hier nicht aufgeführt, weil es in der
hs. fehlt.
ThOpitz: SalluBtius und Aurelius Victor. 219
Uauere dixere duxere egere fecere foedauere fuere hdbuere interfecere
iugulauere mumuere ohtruncatierepatrattereperpidereperspexerepeti'
aere portendere potuere praecipüauere praefecere prohauere prodidere
prodiere quiuere retuiere rexere sacrauere sanocere secessere subnexere
ta/rdauere trmndcmere uenere uocauere. dasz bei Sali, die volleren
endungen ebenfalls nur in verschwindender minorität vorkommen,
kt bekannt: der kürze halber verweise ich auf Laws Me dicendi
genere Sallustiano' (Rössel 1864) s. 10 f. und Brünnert ao. s. 8.
Gerade wie Sali, eine besondere verliebe für die vollere form uii
hat, neben der er jedoch auch, freilich ohne jeden erkennbaren unter-
schied, td gebraucht, so verhält sich bei Victor der gebrauch von lUi
zn dem von td wie 5 : 3, jedoch mit dem streng eingehaltenen unter-
schiede, dasz vor i stets ui erscheint: Caes. 1, 7 u^ Indi, 8, 3 1^ inter.
11, 12 und 39, 25 ut in. 12, 3 und 16, 9 ut is. 16, 10 und 37, 3
ut tue. 42, 24 u^ imperator. anderseits erscheint in bestimmten for-
mein stets tUi^ wie in dem oben angefahrten uti solet (auch 31, 3
bietet die hs. die vollere form) oder dem damit synonymen uti mos
est 5, 14. 13, 9. 16, 7. 20, 33. 29, 2. 32, 2. 33, 17. 34, 8.
In demselben Verhältnis von 5 : 3 stehen hinsichtlich ihres Vor-
kommens die formen quis und quih%i$y worin wiederum anlehnüng
an Sali. (s. Constans ao. s. 9) zu erkennen ist. quis findet sich als
dativ: Caes. 3, 12. 18, 2. 33, 26. 38, 7, daneben quihus 3, 14. 4, 5.
11, 9. 22, 2; quis als ablativ: 5, 14. 10, 4. 26, 1. 28, 11. 35, 2.
39, 7. 40, 15. 42, 21, daneben quihus 14, 11. 15, 4. 20, 25. 26, 6.
28, 7. 35, 8. 35, 10. 41, 19. dagegen in Verbindung mit Präpo-
sitionen und dem subst. res steht nur quisi ex quis 28, 3; a quis
39, 34. 41, 16. 42, 16. auch hierin hat sich also der nachahmer
strengere normen gesetzt als der als vorläge dienende autor, denn
Sali, sagt sowohl quihus rehus (Cat. 31, 2) als quis rehus (lug. 105, 1).
Schon Jordan im Hermes I 234 und Wölfiflin ao. haben darauf
aufmerksam gemacht, wie auch die kritik aus solchen vergleichungen
nutzen ziehen kann, ich füge einige beispiele, zunächst für Sallustius,
hinzu.
Cat. 3, 2 schreiben die meisten neueren hgg. , denen sich auch
Gründel Me aliquot locis Sallustianis' (Thorn 1869) s. 3 und Anhalt
^quae ratio in libris recensendis Sallustianis recte adhiberi videatur'
(Jena 1876) s. 30 anschlieszen , tametsi haudquaquam par ghria*
ßequUur scriptorem et auctorem rerum^ während Dietsch unter Zu-
stimmung von Gerlach Heidelb. jahrb. 1868 s.891 stets an actorem
festgehalten hat. auctorem ist überliefert in PC, actorem in C, wo-
runter sich freilich nach Dietsch praef. ed. IV s. 3 der wichtige
P ^ befindet, die erstgenannte lesart wird auszerdem bestätigt durch
Gellius IV 15 und Charisius s. 215.^ doch wollen diesS citate nicht
zu viel bedeuten, da jene grammatiker unsere Salluststelle nicht
etwa wegen des ausdrucks auctor, sondern aus ganz anderen gründen
7 SacerdoB s. 23 [GLK. VI 445] (s. Wölfilin im Philologrus XVII 628)
citiert nur tametsi haudquaquam par gloria sequitur.
220 ThOpitz: SallustiuB nnd Aurelius Vietor.
eitleren, was nnn den Zusammenhang der stelle betrifft, so bildei
ador zu scriptor entschieden einen scharfem gegensatz als mietort
denn ersteres bezeichnet Men thtttigen ausführer und vollbringer
von tbaten'. dazu kommt nun als sehr gewichtiges neues moment,.
dasz actor geschützt wird durch die in die äugen springende nach»
ahmung bei Victor Caes. 20, 3. dort ist davon die rede, dasz Septi-
mius Severus die scripta seines vorgSngers Julianus zu vernichten
befohlen habe, dies ihm aber nicht g<flungen sei. dann geht es weiter:
tantum gratia dodarum artium uakt^ ut scriptorihus ne soeiit
mores quidem ad memoriam ofjfieiani. quin etiam mors huiuseemodi
ipsis (sc. scriptoribtts) gloriaCj execrationi actoribua (so diehs.) esi.
Zum schütze der vielbesprochenen werte Cat. 52, 35 älH intra
moenia atque in sinu urbis stmt hostes hat bereits Vogel in den
acta Erlang. II 411 (vgl. auch I 360) auszer stellen anderer nach-
abmer auch*Victor Caes. 27, 2 inter in^oHana urbis atque ipso
sinu beigebracht, durch den umstand, dasz wir an dieser stelle
ebenfalls zwei durch atque verbundene glieder haben, erledigen sieh
zugleich die bedenken von Ungermann in diesen jahrb. 1879 s. 557,
welcher atque, und von Hertz im Philologus XII 378, welcher gar
intra moenia atque streichen will.
lug. 70, 2: während an dieser stelle alle neueren hgg. unter
vergleichung von lug. 7, 1. 12, 3. 71, 3 nnd 108, 1 hominem nohOemp
magnis qpibus, carum acceptumque popularibus suis auf-
genommen haben, hat Vogel ao. I 347 die hsL lesart darum ae*
ceptumque zu halten versucht, gestützt auf die nachahmung ep. ad
Caes. de re publ. 11 7, 6 (s. 138, 30 Jordan) magis darum magisque
acceptum. aber an dieser stelle fehlt erstens der dativ, der auch an
drei der oben dtierten dabei steht und 71, 3 leicht aus dem su*
sammenhange zu erg&nzen ist, anderseits ist die Verbindung infolge
der elnschiebung von magis eine weniger enge, ebensowenig darf
man die Überlieferung bei Tac. ann. XII 29 {darus acoeptusque popu»
laribus)^ wo sicherlich mit recht WOlfflin im Philologus XXVII 128
carus corrlgiert hat, zum schütz unserer stelle anfahren, sondern es
ist vielmehr anzunehmen, dasz an beiden stellen zuftllig dieselbe
corruptel eingetreten ist, gerade wie dies der fall ist bei einer weiter
unten zu besprechenden stelle (Vict. Caes. 39, 15). als neuen be-
weis für die richtigkeit der lesart carus füge ich hinzu die nach«
ahmung bei Victor Caes. 3, 4 legiontbus carus aoceptusque habebatur.
Hist. I 48 D. (-i> or. Phil.) 11 lesen die meisten neueren aus-
gaben mit dem Vatlcanus agitur enim ae laceratur animi cupidine
d noxarum mdu , nur Eritz und Gerlach (vgl. auch Heidelb. jahrb.
1869 8. 25S\ schreiben mit schlechteren hss. angitur, woftlr sich
neuerdings auch Anhalt ao. s. 21 ausgesprochen hat dagegen ver-
treten Weinhold in Ritschis acta I s. 220 und Pratje 'quaestionee
Sallustlanae' (Göttingen 1874) s. 42 die lesart des Vat., freilich mit
belspielen die wenig schlagend sind , wie Curtius IV 9, 6 wmUitudo
aui studio agitur aut ira oder Septimius III 8 animi iadatione. dasi
ThOpitz: Sallustias und Aurelius Victor. 221
<x§UMr jedoch in der that die richtige lesart ist, erhebt über allen
zweifei die nachahmung bei Victor Caes. 39, 46 Uhidine tania age-
takur^ wo Ubidine völlig dem animi cupidine unserer stelle entspricht,
vergleichen Ifiszt sich auch noch 40, 2 ardore imperitandi agUabatur.
Ebenso kann umgekehrt die yergleichung des Sallustius für die
kritik der Caesares nutzbar gemacht werden.
Einen besonders ausgedehnten gebrauch macht Victor von den
verba frequentativa, wie nachstehendes Verzeichnis zeigt, die mit *
versehenen verba kommen auch bei Sali, vor (s. Brünnert ao. s. 40
und Kraut ao. s. 5) : * aduentare * affectare * afjßtäare * agüare (5 mal ;
auch bei Sali, ganz besonders beliebt) atteniare *consuUare cantrectare
deoeriare *despecltare *dictüare *exercUare *exuUare grassari ^impe-^
rUare *incüare madare ohleäare *occuUare *ostentare perseäari^
*prciaiare *propulsare ^praspectare *reduäare (bei Sali, nur im
Simplex) räetUare *räractare suspedare *st/istentare *tentare uenti-
taire *uexare, daher trage ich kein bedenken Caes. 3, 16 die in der
bs. überlieferte form protr ad ato (in den texten steht pratraäo)
aufzunehmen , wenngleich dieses compositum sonst nicht vorzukom-
men scheint, ebenso wird 41, 12 die sinnlose Überlieferung condenda
urbe formidandisquereligionibus ingentem animum auocauü nicht
mit Schott in formandis sondern in formitandis^ zu ändern sein,
ein verbum für welches ein zweites beispiel ich ebenfalls nicht habe
au^nden können.
Caes. 34, 1 lautet die Überlieferung: müüeSj quos fere contra
ingenium perdUae res suhiungunt recta constdere. statt des ver-
derbten Bubiunguwt hat bereits Schott subigunt geschrieben, eine
Verbesserung deren richtigkeit dadui'ch erwiesen wird (vgl. auch
Grüner zur stelle) , dasz subigere mit dem ixifinitiv eine speciell Sal-
lustianische und zwar nicht weniger als fünfmal vorkommende con-
strnction ist (s. Constans ao. s. 169).
In diesen jahrb. 1878 s. 655 habe ich die Vermutung ausgespro-
chen, dasz Caes. 39, 15 die corrupte Überlieferung i>o^ fMmariam
humani nicht in post memoriam humanam sondern iapost memoriam
generis humani zu corrigieren sei. die richtigkeit dieser änderung
wird bewiesen durch das original Sali. Hist. I 41 D. (= or. Lep.) 6
{post memoriam humani generis) , nur dasz an dieser stelle im Vat.
generis ebenfalls ausgefallen und erst durch Orelli eingesetzt worden
ist, während bis dahin hominum gelesen wurde, an der richtigkeit von
^ 80 ist Caes. 36, 7 za schreibeD. die gewöhnliche lesart insecta-
baiur beruht aaf einier conjectnr von Schott, während die hs. ^pectabaiur
bietet, das simplex sectabatur ist durch den susammenhang {contra
miHtarium morem prouinciarum praedaiores) ausgeschlossen, demnach ist
jedenfalls mit Umstellung ^ines buchstabens persectabatur eu schrei-
ben, wofür besonders der gleiche ausdruck in dem aus derselben quelle
geschöpften bericht des Vopiscus (Aurel. 39, 5) spricht: fures prouin-
dales . . ultra tnüitarem modum est persecutus. * dieselbe cor-
ruptel liegt Caes. 20, 1 vor, wo die hs. (ira) commodior statt commotior
bietet.
222 ThOpitz: SalluBÜns und Aarelius Victor.
Orellis ergänznng ^^ hat noch niemand gezweifelt , wohl aber kann
man darüber zweifelhaft sein, ob die Übereinstimmung beider stellen
hinsichtlich der art der Verderbnis auf znfall beruht (vgl. oben zu
lug. 70, 2), oder ob man etwa zu der annähme berechtigt ist, das^
Victor in seinem Historienexemplar die corruptel bereits vorgefun-
den , aber nicht bemerkt und somit sinnloses nachgeahmt hat.
Ebd. s. 656 habe ich femer vorgeschlagen, Caes. 41, 24 nach
dem stehenden Sprachgebrauch des autors huiusmadi in InUusceinodi
zu ändern, eine erwünschte bestätigung erhält diese Vermutung
durch die thatsache , dasz auch Sali, sich stets der letztem form be-
dient , worüber ich der kürze halber auf Dietschs index verweise.
Caes. 42, 7 cuitis (sc. Potentiani) stolidum ingenium adeopMfi
Romanae patribfisque eaMio fuit, uti passim domus fora uiae
templa cruore aut (so die hs.) cadauerihus opplerentur.
als das original dieser stelle ist entschieden anzusehen Sali. Cat. 51, 9
fana atque domos spoliari^ caedem incendia fieri^ postremo armis
cadauerihus cruore atque luctu omnia compleri.*^ aus dieser
vergleichung ergibt sich zugleich dasz, was schon durch den sinn
gefordert wird , atU zu beseitigen xmd dafür eine copulative partikel
einzusetzen ist, aber freilich nicht ac, wie in allen ausgaben steht,
denn im gebrauch der formen ac und atque ist Victor sehr streng :
vor vocalen verwendet er stets a^$t«€, vor consonanten im allge-
meinen stets ac^*, auszer vor c. vor diesem consonanten steht ent-
weder et (in der hs. meist dt geschrieben), wie Caes. 2, 2 et con-
uentus] 3, 5 und 39, 45 et ceteros] 9, 8 e^ cauati; 10, 4 et oonstan-
tiatn-y 20, 10 et cognomento] 20, 25 et cohortes^^; 42, 18 et consiUo^
oder atque , wie 33, 30 atque compositis. daher ist auch an unserer
stelle nicht ac cadaueribus^ sondern entweder et oder atque cada-
uerihus in den text zu setzen, ich würde das letztere vorziehen , da
atque leichter in aut corrumpiert werden konnte als et.
^^ ob freilich generis vor oder hinter kumani einzuschieben sei, ist
schwer zu entscheiden. Sali, hat beide Stellungen: lug. 2, 3 rector humani
generis; Hist. I 19 D. inceria humani generis , dagegen lug. 1, 1 genus
humanuni, *^ diese entlehnung ist Wölfflin allitt. verb. s. 62 entgangen.
<' von dieser regel, die sich auf mehr als sechsig stellen gründet,
finden sich nur wenige ausnahmen, wie Caes. 8, 1 und 42, 20 aigue
uiginti; 17, 7 atque deeimo; 37, 3 atque dudoribus; 40, 26 atque basiiieam;
41, 23 atque praeceps. in diesem punkte also ist Victor wiederum
genauer als Sali., während beide in dem streben ac vor vocalen und c
zu vermeiden übereinstimmen: s. Dietsch 'observationes criticae in
lugurthae partem eztremam^ s. 17. " an den beiden stellen aus dem
20n capitel steht in den ausgaben ac, die hs. hat aber ^. ebenso liest
diese Caes. 37. 7 nicht ar paene^ sondern tf* paene,
Dresden. Theodor Opitz.
FSusemihl: Zenon von KitioD. 223
37.
ZENON VON KITION.
Meine vt)llig harmlosen äuszemngen in dem kleinen aufsatz
'Zenon von Kition* (jahrb. 1882 s. 773 ff.) haben Rohde (ebd.
s. 831 f.) zu einer hochgradig gereizten erwiderung veranlaszt. meine
antwort soll und darf um so ruhiger sein, denn Rohde selbst weisz
recht gut, dasz der Widerspruch zwischen den nicht aus Persaios
stammenden chronologischen angaben über Zenon bei Laertios
Diogenes nur den ausgangspunkt meiner Untersuchung bildete, und
dasz es folglich für die sache gleichgültig ist, ob ich diesen Wider-
spruch entdeckt habe oder er. ich bedaure dasz mir letzteres nicht
ohne mein verschulden entgangen ist; sonst würde ich selbstverständ-
lich vielmehr von der bemerkung, dasz er schon das richtige gesehen
habe, ausgegangen sein und darüber keinen kummer empfunden
haben, denn ich bin nicht so thöricht auf eine an sich so gering-
fügige beobachtung mir etwas einzubilden.
Femer spottet Rohde darüber, dasz ich geschrieben habe, ich
träfe mit ihm darin zusammen, dasz die notiz aus Persaios nicht von
Apollonios stamme, statt ich schliesze mich darin an ihn an. dieser
pfeil fliegt auf den schützen zurück , sobald nur das von mir ge-
schriebene vollständig beachtet wird, denn ich stimme zwar in
jener negation mit Rohde überein , habe aber zugleich gezeigt dasz
die nachricht nicht aus Apollodoros, wie Rohde annimt, sondern
wahrscheinlich aus Antigonos von Karystos in den Diogenes ge-
kommen ist, und gerade das ist der wichtigste punkt in der ganzen
frage, statt eines mich nicht treffenden spottes wäre also gewis eine
Widerlegung besser am orte gewesen.
Noch mehr bringt es Rohde in hämisch , dasz ich gesagt habe,
er habe jene behauptung nicht bewiesen, er verweist mich auf rhein«
mus. XXXIII s. 178 anm. 2 , um hier den anlasz seiner Vermutung
kennen zu lernen, dort schreibt er nemlich: ^so viel aber scheint
deutlich, dasz bei Laert. VII 28 die durch den bericht des Persans
getrennten angaben, wonach Z. 98 jähre alt geworden wäre (dies
musz die geläufigste tradition geworden sein: auch Luc. Macrob. 19
folgt ihr) und 58 jähre seiner schule vorgestanden hätte, zusammen
gehören , dasz also nicht nur die zweite sondern auch die erste auf
ApoUonius . . zurückgeht.' nun, ein beweis ist dies doch nicht, das
sagt Rohde selbst, indem er behauptet, ein solcher lasse sich im
eigentlichen sinne nicht führen und sei auch von mir nicht geführt
worden, wäre dem so, dann könnten wir ja aber im eigentlichen
sinne auch nicht wissen , ob sich die sache wirklich so verhält oder
anders, und was kann es uns dann helfen, ob Rohde etwas ^deutlich
scheint' ? die Wissenschaft hat es doch eben nicht mit einfallen, auch
nicht mit guten einfallen , sondern mit beweisen zu thun. es ist ja
sehr möglich , dasz Rohde den von mir geführten widerlegen kann,
224 FSusemibl: Zenon Ton Eition. — EEiaea: zu Liyias [XXII 3, 6].
das musz er aber auch erst gethan haben, ehe er ein recht hat so zu
sprechen.
Für die sache selbst ist nnr ^ines, was Bohde vorbringt, von
erheblichkeit und allerdings von groszer. auch sogar ohne seine
spätere abhandlung hfttte ich billigerweise wissen sollen, dasz aus
Philodemos eine dritte angäbe über das von Zenon erreichte lebens-
alter hinzugekommen ist. und damit fSllt der von mir versuchte
beweis dafür^ dasz die 98 jähre bei Diogenes auf Apollonios zurück-
gehen, so dasz sich nunmehr nur noch im allgemeinen sagen ISszt,
was Bohde ao. in der that schon zu verstehen gegeben hf^: da die
nachricht aus Persaios anderweitig eingeschoben ist, liegt die Wahr-
scheinlichkeit vor, dasz sie zusammengehöriges auseinandergerissen
und dadurch die stelle sich so wunderlich gestaltet hat. audi ist es
bei der abhftngigkeit der Diogenesbiographie von Apollonios nicht
wohl denkbar, dasz gerade über diesen punkt gerade dessen angäbe
verschwiegen sei oder derselbe überhaupt gar keine angäbe gemacht
habe, freilich wenn , wie ich mit Bohde glaube , das 3Qj&hrige alter
des Zenon bei seiner ankunft in Athen nicht von Apollonios berichtet
ist, so fehlt hierüber dessen bericht ganz bei Diogenes und folgt erst
aus den übrigen daten.
Etwaige fernere sachliche Widerlegungen Bohdes werden mir
stets willkommen sein , etwaige fernere persönlichkeiten aber werde
ich unbeachtet und unbeantwortet lassen.
Greifswald. Franz Susbmihl.
38.
ZU LIVIUS.
Hannibal war aus Gallien über den Appenninus in das Amothal
eingedrungen und war offenbar schon bis Faesulae gelangt, als er
die sichere nachricht erhielt, dasz das römische beer bei Arretium
stehe, die entfemung von Faesulae nach dem südöstlich goldenen
Arretium beträgt etwa 70 kilom., so dasz nicht anzunehmen ist, er
sei weiter westlich von Faesulae stehen geblieben, von Faesulae
aus machte er nach süden und Südosten streifzüge um zu requirieren
und den hitzigen consul Flaminius noch mehr zu reizen, so sagt
auch Polybios III 82, 1 noiTicd^cvoc dvaZupVvdTrd xdiv Kaid ifiv
OatcöXav töttujv usw. die stelle des Livius XXII 3, 6 laeva reUäo
hoste Faestdas petens ist demnach in dieser fassung unhaltbar,
ebenso wenig kann angenommen werden, Livius habe das terrain
nicht gekannt und darum falsch geschrieben, lesen wir aber, und
diese conjectur dürfte wohl nicht zu gewagt erscheinen, Faesulis
cedens statt FaestHiiS petens^ so wäre alle Schwierigkeit gehoben.
Lörrach. ' Eduard Eissn.
ERSTE ABTEILUNG
FÜB CLASSISCHE PHILOLOGIE
HERAUSGEGEBEN VON ALFRED FlECKEISEN.
39.
STUDIEN ZU BABRIOS UND DEN AISOPEIA.
I.
In der textgestaltung des Babrios konnte man mit den alten
mittein, die von den virtuosesten kritikem seit etlichen Jahrzehnten
gehandhabt sind, nichts erhebliches mehr auszurichten hoffen, um
so erwünschter war daher die ergänzung und bereicherung des appa-
rates durch zwei schnell aufeinander folgende publicationen von
PKnöll, der die von Tyrwhitt nur bruchstückweise mitgeteilte
Bodleianische fabelparaphrase vollständig veröffentlichte , vor allem
aber den bisher nur aus Furias excerpten bekannten Yaticanus einer
erneuten prüfung unterwarf und für Babrios einen beträchtlichen ge-
winn an lehrreichen Varianten und neuen stücken zu tage förderte. '
Man hatte sich schon daran gewöhnt den Yaticanus — neben
dem Athous die wichtigste textquelle des Babrios — als verloren
zu betrachten, man pflegte nemlich vorauszusetzen, dasz die hs. von
Rom nach Florenz geschickt und dort von Furia verglichen worden
sei; auf dem rücktransport, so glaubte man, sei sie alsdann 'inter
bellorum turbas' verschollen (Halm Aesop. s. FV. Eberhard anal.
8. 3). zu dieser annähme, die einem energischen nachforschen gewis
nicht förderlich gewesen ist, war freilich nicht der leiseste grund vor-
handen: denn die hs. hat die Vaticana nie verlassen, es geht
das hervor aus Furias eignen werten praef. s. XL (Leipz. ausg.):
^uberrimam autem et nunquam editam fabularum seriem bibliothecae
Yaticanae codd. suppeditarunt, quarum exemplar virdoctiss. Caie-
tanus Marinius, illius bibliothecae custos primus, et Hieronymus
Amatus amicissime transmiserunt. dolendum tamen, horum codd.
scriptorem adeo imperitum . . fuisse , ut fere nulla . . verba mendis
' Fubularam Babrianarnm paraphrasis Bodleiana. ed. PiusKnoell.
Wien, Holder. 1877 (XII u. 77 s. gr. 8). — 'Neue fabeln des Babrius»
in den sitznngsber. der kais. akademie, jnli 1878, bd. XCI s. 659--690.
Jahrbücher f &r eUsi. phUol. 1888 hft 4. 15
226 OCniBias: Stadien su BabrioB nnd den Aiaopeia.
«
careant, nt ex fidelissimo Ainaü apographo apparet.' Fori« be-
nutzte demnach nur eine abechrift des Yaticanas', und so erkUrir
es sich denn auch, dasz er gegen seine sonstige gewohnheit (ygL
s. XXX f. den bericht über den Casinensis mit sdbriftprobe) keinerlei
angaben über die beschaffenheit der ha. macht, die schweren vor-
würfe wegen planloser answahl, flüchtig«!! imd fehlerhaften lesens
usw. sind also von Knöll (s. 6 f.) an die falsche adresse gerichtet.
sie fallen nicht Furia zur last, sondern seinen römischen freunden.
wenn Furia übrigens ao. und s.XXVI von Codices Yaticani spricht^
so wird man jetzt kaum mehr mit KnOll (s. 7 anm. 1) glauben, dass
er tbatsächlich mehrere derartige hss. der Yaticana benutzt hlttCi
die also zum teil noch aufzufinden wären.' Furia scheint hier nur
einen ungenauen allgemeinem ausdruck gew&hlt zu haben, zu dem
ihn vielleicht die beschaffenheit der alrachrift ocRT die disparate
natur der mitgeteilten &beln veranlaszt hat.
Die vaticanisehe fiabelsamlung, mit 242 nummem die umfimg*
reichste aller bis jetzt bekannt gewordenen, vertritt nemlioh nicht
eine bestimmte recension, sondern 'bietet vielmehr eine auswahl von
fabeln der verschiedensten redactionen, so dasz in dieselbe sowohl
prosafabeln . . als auch fabeln im sogenannten politischen ven nnd
choliambische &beln des Babrios angenommen sind* (KnSll s. 668).
in der hauptsache ist die Ordnung eine alphabetische; nur am schlnst
hat der Schreiber zehn stücke ohne bestimmte reihenfolge hinzugefllgt
(ebd. 8. 662). wir haben hier offenbar eine compilation des spMeaten
mittelalters vor uns. Babrios ist dabei leider keineswegs so stuk
ausgenutzt als man hoffen zu dürfen glaubte, allein abgesehen von
einer stattlichen anzahl bemerkenswerter lesarten, durch die manchei
rStsel gelöst, aber auch manches neue aufgegeben ist, hat KnSUs
sorgfältige collation das Babrianische fabelbudi um sechs in dieser
form unbekannte, zum teil ziemlich umfangreiche stücke bereichert,
allerdings hat hier ein byzantinischer diaskeuast bh manchen stellen
noch weit schlimmer gehaust als in der recension des Athens; im
ganzen aber ist doch sül und verstechnik des dichtere treu bewahrt,
so dasz über seine Urheberschaft kein zweifei aufkommen kann, so
ist echt Babrianisch* der gebrauch des genitivs V. 9, 5 (Gitlb. 160, 6)
* Amati scheint der absehreiber, Harini nur der TennitUer gewesen
zu sein; das 'et' würde dann in der notia Furias eine ähnliche bedea-
tong haben ipde so oft das Kai bei den griechischen grammatikem,
wenn sie swei antoren eitleren, demselben Amati verdankte Creoser
eine abschrift des dialogs ircpl MfifXf^c von Nikephoros: Plotin I s. 1488,
SQ Cicero de nai. (L s. 808. ' Kndll hätte bei seiner ansieht die mftg*
lichkeit erwägen müssen, dass die abweichongen in der collation Forias
aas der benutsnng einer andern hg. henrorgegaagen seien. ^ eine
anstfchliessliche eigentfimlichkeit des dichtere — etwa einen 'aramais*
mus' (OKeller jabn>. snppl. IV 896) — darf man nicht darin erkennen:
denn ähnlicheg findet «ich gerade in der spätem gräcität oft geang.
Tgl. Athen. IX 888« Tdc öndvbpouc Td^ inivmicd»v, Ailianos IX 8 CoOpov
Tibv vcapdiv, Zenoblos II 80 (■- Zenon Myndios) oi *AcirMioi Tibv
KiOaptcrtfkv, Philogelos s. 47 Sbh. 6 Töwoc vinß «aipiuiv.
OCruBius: Studien zu BabrioB und den Aisopeia. 227
q>iXoc . . Tujv d^av dvQTKdiüV , vgl. 6, 4 ix^uv . . ou tujv ibpaiwv
oder 46, 2 ävTpov . . tiüv doiKrJTUJV (wo Gitibauer grundlos und
sinnwidrig ibc ^votioicuüV ändert); ferner die gesuchte litotes OUK
äTTiüGev V. 9, 1, vgl. 51, 3 ou TTÖppiu und ähnliches 69, 2. 74, 17;
die Wendung ßouXdc ^Kivei V. 9, 2 vom fuchs wie KivoCca . . TViöjiilV
96, 49 ; tniic TtpoceXGtJüV V. 9, 4 wie 62, 4 ; iKTiecoöca xnc uipiic
V. 130, 6 vgl. 12, 4 '^; ßiü)idv a!)iaTOC TrXfipii als versschlusz V.
135, 6 vgl. 37, 8 ßuüjLiöv affiaroc TrXr)CUüV , und ähnlich zum folgen-
den verse 27, 1 ; Xukou Goivii V. 135, 10 wie 23, 7 ; iv fi^pei V.
164, 3 wie 32, 4 uam. auch die ionische färbung der spräche ist
wohlerhalten; bemeFkenswert sind formen wie ö'ic V. 135, 1 (wo-
durch die überlieferte lesart 136, 1 «= 131, 1 Ebb. gesichert wird)
und cjLiiKpd V. 130, 11 (nunmehr wohl auch an anderen stellen ein-
zuftthren). ebenso sind alle hauptgesetze der Babrianischen metrik
streng eingehalten, auch die neuerdings wieder angezweifelte längung
des versausgangs , da sich in den circa 70 gut überlieferten versen
nur zwei auch aus andern gründen verdächtige ausnahmen vorfin-
den (9, 1 dcTiöca, Ebb. elcTiiKei; 192, 2 Jqjov, Ebb. Zdjou). da-
gegen lassen die rhjthmen der vaticanischen fabeln an vielen stellen
die manigfaltigkeit und graziöse lebhaftigkeit vermissen , die man
den meisten athoischen nicht wird absprechen können, dieser mangel
ist aber wohl auf die rechnung des silben zählenden diaskeuasten zu
setzen, der für die dreisilbigen Stellvertreter des iambus kein Ver-
ständnis mehr hatte und sie daher, wo es bequem angieng, zu besei-
tigen suchte: vgl. zb. Y. 130, 2. 5 und die Varianten zu fabel 27, 2
(V. 30). 55, 3 (V. 173). 68, 8 (V. 64). 100, 3 (V. 90). 101, 7 (V. 97).
117^ 8 (V. 122). für die Wiederherstellung des textes sind besonders
durch Enöll und Eberhard® schätzenswerte beitrage geliefert; doch
bleibt hier immer noch viel zu thun. möchten die nachfolgenden be-
merkungen zu einer erneuten behandlung dieser arg verwahrlosten
und bisher wenig beachteten fundstücke anlasz geben !
Durchaus neu , nicht einmal durch eine paraphrase bekannt ist
fabel 9. sie stehe hier zunächst in der überlieferten fassung, abge-
sehen von den sichern correcturen der abschreiberfehler:
'AXuiTTTiE *Trdimc ouk dTriuGev icTuica
ßouXdc ^Kiv€t notKiXac ri TToificei.
XuKoc bi TauTTiv *TrXTiciov G€Uipr)cac
^TTÖc npoceXGiwv tö Kptec Xaßeiv ^t€i.
6 «q>iXoc Tdp eifii tujv drav dvaTKaiiüv.»
f) b ' elTiev • «^K€ T^bc Kttl bixox) xoipuiv.»
ö b' dGpöuüC ^Tn)XG€V' ibc bt npocKUipac
* Tf|v CKubaXiv £c€ic€ Ktti xotXacGeicTic
^dßbou ji^TiüTra cuv t€ ^ivac ^TTXrjim ,
^ V. 130 erweist sich auch durch ein citat bei Saidas als Babria-
niseh. die angeführte phrase ist mir an dieser stelle nicht recht ver-
ständlich. * analecta Babriana scr. AEberhard, Bonn 1879.
16*
228 OCnuias: itadien zn Babrios und den Aisopeia.
10 «dXX* ei TOioOra» qpnd «roTc qpiXotc bdrcctc
T& bi&pa^ ttAc co( TIC q>{Xoc cuvovri^cct;»
den Inhalt bildet eine list Beinekes, der den wolf in eine falle zu
locken sucht, um sich nngesohftdigt das als köder dienende fleisch
zu verschaffen, das motiv ist alt und volkstümlich, vgl. das Sprich-
wort €ic ndtotc ö XiSkoc, welches von Zenobios m 52 (■« Diogen.
Vindob. 11 55) erkUrt wird inX vSiV cic Kivbuvov irpoOirrov f|KÖV-
TUJV^, weniger gut app. prov. 11 30 hA TiDrv äpiroZövTUiv puiv^
KaTacx€6^VTuiv hi. ^ es läszt sich bis auf Archilochos zurttckvörfol-
gen , der nur die rolle des wolfes dem äffen zuteilte, vgl. fr. 90. 91
mit Bergks bemerkungen (s. 709) und Aes. Hahn 44 £v CUVÖlKfi
Tijav dXÖTUiV Zifiuiv irlOiiKOc 6pXTlcd|yi€Voc . . ßoctXcdc . . ^€ipo-
ToviiOii* 6i\\bnr\i hk aind^ <p8ovificaca die iOedcaTO £v Ttvt
iraTiöi Kp^ac Kcijicvov, droToOca oötöv £vTo06a£XcTev,*i{ic
€i&poOca 6r)caupdv . . T^poc • . a6vü^ Tf)c ßactXeioc TcnfipriKC, koI
iraprjvei aÖTif) Xaßciv. toO hk dTinmeXfiTuicIircXOövTOC
Kai ÖTTÖ Tf)c TraT(boc cuXXiiqpO^VTOc cdnuijuidvou t€ tf^v
dXi&neKa die dvebpeOcacov cn&nij), ^Kcfvii l^' «ifi niOriKC, cö it
TOtauniv (|iux^v ^uiv (Archil. 91 TOiifivbc b\ tb ni9r|KCt if^v
iTUT^v [?] (x\})y) Tiliv äXi^fuiv Zifiuiv ßaciXeikctc ;» wenn sieh nach
dieser einleuchtenden parallele die anläge und bedeutnng der vati- '
canischen fabel nicht verkennen läszt, so erscheint im einzelnen doch
vieles dunkel und Ittokenhaft. den häszlichen zwQlfsUbler v. 1 hat
man zwar durch Umstellung von äXcIiirnS und irdipic in einen evw
trftglichen vers umgewandelt.* aber damit ist nicht viel gewomm^
da der ganze eingang verkürzt zu sein scheint, wie in f. 65. 73. 88;
insbesondere ist die erwähnung der loekspeise, auf die es der fiiehs
mit seinen ßouXal iroticiXat abgesehen hat, kaum entbehrlich, eine
restitution ist mit unsem mittein unmöglich; sehr ansprechend ist
jedoch Eberhards Vermutung, dasz für die form dcrd^ca, die nie im
versausgang steht, elcnfJKei zu schreiben ist, wie 1, 12. 72, 6, 77, 1.
122, 1. — V. 3 ist irXiidov neben ixfiic irpoceXOibv ("» 52, 4) un-
denkbar; man könnte dafür — wenn der gegensatz nicht zwecklos
und pedantisch wftre — geradezu TiiXöOev erwarten, wie 105, 8
XuKOC craOetc iröppui (vgl. auch 103, 11). eine sichere emendation
wird an dieser wohl gleichfalls vom diaskeuasten mishandelten stelle
^ Zenobios III 62 ek irdroc 6 Xi&KOc: dvrl toO elc ViKovfmdvoc pMxoA-
pac rj als. £irl tAv cic k. irp. f|. die werte dvrl roO geben keinen
Binn; man könnte sie entweder streichen mit Apottolios VI 70f oder
die gewöhnliche formel 6^o(a xal (ö^oia tQ) an me stelle setien. aber
die ganze bemerknng dvrl . . alE ist vom rande her in den tezt ge-
dningen : ähnlich Diogen. II 8. IV 30. V 66. VI 80 nsw. * Plantns Föem.
III 3, 35 canei compdhmi in pUtgas lepide Lucwm ist dagegen von PfiOgl
'das lat. Sprichwort bei Plantns' s. 88 sehr mit nnreebt hierher ge»
zogen. * die nmsteUmig im Vat. ist vemrsaeht durch das bestreben
des redactors, den namen des protagonisten als stiehwort andenaa-
fang zu bringen: vgl. die vaücanischen Varianten sn Ath. 88. 65. 88.
28. 12. 88 (bei Knöll s. 674—681: vgL s. 666).
OCrusins : Studien zu BabrioB und den Aisopeia. 229
•
kaum zu geben sein; möglich wäre ixavuüV (vgl. 72, 2) oder wohl
noch ansprechender KViiKiric, vgl. 113, 2 kviiköv jLieT' auTÜJV
XÜKOV IfieXXe cuTKXeieiv und 122, 12 töv kvt]kiiiv (nemlich Xukov)
XcicKOvra XaKTicac q)€\JT€i. — Mit v. 5 motiviert der wolf nach der
gewöhnlichen anffassung seine mit den Worten tö Kp^ac XaßeTv ijfiei
ausgesprochene bitte, es gibt aber kaum einen analogen fall bei
Babrios, wo sich ein kurzer brocken directer rede ohne weiteres
an eine andeutung in indirecter rede anschlösse; f. 47^ 6 oder die
Wechsel reden in der stichomythie f. 89 sind ganz anderer art. durch-
aus zu billigen ist daher hier das verfahren Gitlbauers, der v. 6 mit
den einleitenden worten f) b' elnev vor v. 5 stellt, so dasz auch v. 5
dem fuchse zufällt; ganz ähnlich beteuert die inproha volpecula ihre
freundschaft zb. der terraneola bei Phaedrus app. 30, 8 M. ego te
muMum diUgo usw. nur ist die stelle damit noch nicht geheilt, da
man qptXoc nicht auf dXu)TTr)g beziehen kann, vgl. 95, 3 q>iXiiv b'
dXiLneK' €lx€V, ebenso 106, 4 uö. vor der wohlfeilen correctur
q>iXii scheint die Schreibung €? jbioi, die in der durch itacistische
fehler jeder art entstellten hs. kaum eine änderung genannt werden
kann, auch dem gedanken nach den vorzug zu verdienen. — v. 7 ist
das im spätem griechisch in der bedeutung 'schnell' (Suidas u. Hes»
udw.) ganz gebräuchliche äOpöujC (EnöU dTpöfiuüC, Hartel dpa Ooiuc)
mit Eberhard beizubehalten. '° — Für Ti\v CKubaXiv v. 8 corrigiert
Enöll Tf)V T€ CKUTaXib', indem er das eingeschobene t€ selbst als
lückenbüszer bezeichnet. Eberhard schrieb daher dKpiiv CK., Gitlbauer
auTf)V CK. I. diesen vorschlagen steht aber die feine, bisher durch
kein sicheres beispiel entkräftete Observation Lachmanns entgegen,
dasz Babrios 'qui asperiora omnia curiose vitaverit' nach zwei kurzen
Silben die dritte nicht zu elidieren pflegt. *' ich habe daher Leipz.
Studien II s. 168, 2 das barbarische CKubaXtv für ein glossem er-
klärt und rd ocavbdXriOp' vorgeschlagen: vgl. Aristoph. Ach. 687
mit den scholien. jedoch scheint der plural nicht hinreichend ge-
rechtfertigt, und so wird man denn — da die form CKdvbo(Xov (mög-
lich TÖ CKdvboXöv t' &€tc€) nur in der Septuaginta und meist in
übertragener bedeutung gebräuchlich ist — aus Babrios Zeitgenossen
Alkiphron ep. III 22 irdtriv ^cnica ^tti idc jiiapdc dXiwTreKac
KpcdbtovTficcKavbdXiic d7TapTf)cac die paläographisch auszer-
ordentlich nahe liegende form Tf)V CKavbdXiiv einsetzen müssen.
Hercher hat allerdings an der angeführten stelle toC CKavbdXou
*^ den in den Wörterbüchern nachgewiesenen stellen fäge ich hinzu
Antipatros anth. Pal. VII 210 d9pöoc i^XOc, Sextos Emp. Pjrrb. hyp.
I 227 Tip depöwc ^iT€iC€XeövTi, ähnlich ebd. III 78. 79. 80, schol. Arist.
Ri. 361, Suidas u. XdßpaE, dOpöwc . . KaTairivci (vgl. Pbotios and Suidas
u. d&Tiq>aY{a: dOpöiüC ke(u)v), Greg. Cypr. I 74 dOpöiüC ^YXCipoOvTWv.
verwandt Zenobios III 53 KaKOU^^vuJV dOpöiüC, Luk. Macrob. 25 dOpöip
t^Xurri. '* Lacbmann^praef. s. XV. das einzige in A überlieferte
beispiel 8, 2 verstöszt gegen zwei andere metrische gesetze (£berhard
praef. s. IV, Leipz. Stadien II s. 167) und stammt aus einer jener fabeln,
die der diaskeuast in tetrasticha umgeformt hat.
230 OCrasias: Stadien zu Babrios und den Aisopeia.
corrigiert; das ttberlieferte t{)c QCOvbäXac ftihrt aber mit notwen-
digkeit auf die von den ftlteren hgg. hergestellte form^ die auch Ton
Meineke zu Alk. s. 133 und Lobeok pathol. prol. s. 6 anm. 2 (freilich
mit dem vorsichtigen zusatz 'nisi scriptnra fallit') anerkaimt ond
durch eine stattlich reihe analoger fUle gesichert ist: vgl. ä^ni"
Xovov djumexövT), bp^iravov bp€7rdvii> rptiiravGV Tpimävfi, cie6-
TaX 0 V CKurdXfi uam. nadi EnQU ist nnn durch (idßbou t.9 derselbe
gegenständ bezeichnet wie durch jenes erste substaEOitiT; dann 18g«
hier aber ein arger stilistischer schnitzer vor, den man selbst einem
Spätling wie Babrios nicht wird zutrauen dttrfen.'* sollte durdi
^dßboc nicht vielmehr ein dem bttgel des heutigen fnchseisens ana-
loger teil bezeichnet sein? denn dasz die ircrfic neben dem steUholz
(CKavbdXfiOpov) eine derartige elastische und zu spannende Vorrich-
tung enthielt, geht auch aus den spftrlichen Zeugnissen" unverkenn*
bar hervor. — Fttr den schlusz vgl. £. 99, 5. die bei den attischen
dichtem ganz gewöhnliche Verkürzung der ersten silbe in TOUlOTa
(Eberhard zweifelnd cö ToOra) erscheint auch bei Babrios nicht na*
möglich, da er 97, 2. 103, 5. 106, 17 das et von irot^ui gekOnt
hat.^* V. 10 fl gibt Eberhard dem fochse*, indem er nach 9 den liti
schlieszt und mit xal v. 8 den nachsatz beginnen Ifiszt. der nadi«
gewiesene sinn der fabel Iftszt keinen zweifei daran, dasz die beiden
letzten verse dem wolfe gehören, so dasz man mit GKtlbauer qnf)cf
V. 10. als nachsatz wird auffassen müssen.
Ziemlich wertlos ist das folgende stück (V. 138), das ich schon
früher (Leipz. Studien 11 s. 222) neben manchem fthnlichen einer
jungem, dem Zeitalter der römischen sophistik angehörigen schidit
Babrianischer fabeln zugewiesen habe, die in ihrer dürMgkeit und
bei dem mangel jeglicher pointe wenig erbauliche erzfthlung, die
wohl aus einer schulmftszigen exemplification des Sprichwortes jiia
X€Xtbd)v fap od ttgui (Zenobios V 12) hervorgegangen ist**, mag
hier mit rücksicht auf die zu behandelnden stellen im auszug mit*
geteilt werden.
N^oc Iv Kußoic<iv> oöcbiv dvaXuicac
cToX#|v ^ournp Kor^Xmev y\rjy <|i0iiviiv>
xetjLiulvGC dvToc |if| irdSoi ti pvi\bcac.
** man würde sich sn einer st&rkem andemng — etwa tö t€ bc*
X^acfi' für Ti^v CKÖbaXtv -^ entschlietsen müssen. ** Antipatros 8id. 17
= anth. Pal. VI 109, 2 Tdc v€upoT€V€tc ircrrCbac. Pbotips n. itdTf|:
OripaTtKÖv öpYOVov Kai Ccn Tcrpdtuivov. Pollax X 156 (vgl. Vn 114)
t6 . . 4vtcTd^€vov Tcüc fiudrpoic iraTTdXiov cKav5dXT|6pov KoXdTai
, . TÖ bk cirapTiov (p cuWxcrat mAP^v6oc Shnlich sebol. Arist Aeb.
e87 1» Suidss and EM. n. cicav6dXf)6pov. bei Alkiphron ao. wird dordh
die wucht der fachsfalle ein Kuvibtov erseblageD. ** sweifelhaft ist
Xifivatouc 24, 8 und toIoOtov 27, 7. Gitlbaaer stünt wieder, am einen
kleinen schaden aussabessem, das ganse gebftade nm, wenn er sehreibt:
fdXX' €l 5i6otc <p(Xotav» cTirc ctoioOt^ | rd bd^po» usw., and veriegt dabei
den fehler doch nor an eine andere stelle. ** die beliebten her-
leitangen der Sprichwörter dq>' Icropiac bei den par5miographea bieten
oft ganz ähnliene albemheiten. •
. *
1?
-ii
i.
OCrusius: Stadien zu Babrios und den Aisopeia. 231
dXX' aÜTÖv * f| xelp dE^buce kqi lauTric'
5 TTpö Tctp eiapoc XiTroöca xac kqltuj drjßac
dqpdvT] x^Xibibv usw.
bei dem erscheinen der 'frühlingsbotin' glaubt er die gerettete CToXrj
nicht mehr nötig zu haben und verspielt sie. ^® da kommt ein Schnee-
sturm und hagelwetter,
KpOKUbOC bk Kaivfic TläciV fjV TÖT€ XP^ii]»
TUflVÖC b' ^KCTVOC iflC 6ÜpT]C UTr€KK\JV|iaC
16 KQI * KaTOTrreücac Tf|v XdXov xcXiböva
und ToO Kpijouc TT€coOcav * ibc CTpou9iov
«TdXaiva» <pT]civ (Ebh., elnev V.) «etOe juci t6t' ouk uj(p0T]C'
&C Totp C€auTf)v KdjLi^ vCv biav|i€ucuj.»
besonders zwei stellen sind es , an denen noch nichts befriedigendes
geboten ist: v. 4 und v. 15 f. zu y. 4 bemerkt Eberhard: 'neque
auTÖV licebit interpretari «sua ipse manu spoliatus est» . . neque
Xeip dE^buce nnUa addita significatione de ludo talario potest in>
tellegi» und schlägt beispielsweise vor 7TXf|V CKcipoupoc TÖv (?) oder
Sv CK€tpdq>eiov i.K.i,, womit Oitlbauers dXX' auTÖv f)8)Liöc L k. t.
sachlich auf eins herauskommt, ich würde in dem überlieferten X ^ ^ P
lieber einen latinismus sehen, wenn die Suet. Aug, 71 nam si qtMS
manus remisi cuique exegissem . . vicissem vel qumguaginta müia
angenommene technische bedeutung von manus (<=» wurf oder satz
im Würfelspiele) nur hinreichend gesichert wäre. *^ nicht viel besser
steht es mit dem politischen zwölfsilbler v. 15. hier hat Eberhard
mit gar zu kühner änderung in den text aufgenommen veKpfjv bk
TipÖKViiv Tf)v XdXov KaTOTTTeucac : überdies vermiszt man belege
für den singulären ausdruck TTpÖKVT] (= schwalbe), denn die that-
sache dasz Babrios auf den Tereus-Philomele-mjthos rücksicht nimt
(f. 12 und Bodl.45) genügt keineswegs, sicher scheint nur die schon
von Enöll vorgeschlagene Umstellung von KaTOTTTeucac an den vers-
schlusz ; aus den übrigen werten ist mit der leichten änderung x^Xi-
bdv* <ciö]> von Sauppe und Gitlbauer ein erträglicher vers herge-
stellt, schwerlich aber die ursprüngliche fassung, da man, wie auch
1^ es heiszt hier im Vat. tV)v ctoXi^v ^vtKr)9Ti. wohl mit recht hat
Eberhard die zulässigkeit dieser constrnction in frag^ gezogen; seiner
coujectur ^HiiXiüOri steht aber, abgesehen von sprachlichen bedenken,
die verstechnik des dichters entgegen , der den spondeus im fünften
fusz nur äuszerst selten (in fünfsilbigen Wörtern) zugelassen und vor x\i
den vocal nie verkürzt hat. ganz anderer art ist die Verkürzung vor Z
(Dübner s. 21, Eberhard obs. s. 6, praef. s. IV), die sich in gewissen
eigennamen schon bei Homer und Theokrit, sonst erst in spätem
Anakreonteia (Stark quaest. Anacr. s. 91) und epigrammen (IX 742.
VII 152), den Orphika (Hermann Orph. s. 761) und bei pseudo-Manethon
vorfindet, also etwa vom zweiten bis dritten jh. an (Stark ao.): ein
weiteres arg^ment für meine ansieht vom Zeitalter des dichters, das
ich mir ao. s. 193 nicht hätte entgehen lassen sollen. ^^ den von mir
ao. s. 177 ff. gegebenen nachweisen latinisierenden ausdrucks kann zb.
auch noch das unicum clc ^Ooc ßaivciv 106, 27 {=* in conmeiudinem venire^
abire) hinzugefügt werden.
/
232 OCniBiiis: Studien zu Babrios und den AiBopeia.
Eberhard gefühlt hat, für oder neben X&Xov ^ den entgegengesetzten
begriff erwartet : vgL Archias anth. PaL YII 191 d irdpoc dvrt-
qpeoTTOv dTTOKXdTEoca vofieOct (icicca) • . | vOv de tfiv ftr^^uiccoc
ävaObfiTÖc T€ iT€CoOca | ic€ijMXt usw. — In v* 16 haben EnQll, Eber-
hard und Oitlbaner an dem yergleiehe die crpouMov anstosz ge-
nommen ; Oiübauer schreibt dafür dicirepel CTpÖMßov (^Telat auoa-
mentum'). dies durch coigector geschaflbne gleidüus ist aber noch
viel geschmackloser als das überlieferte , und sudem in der baupt*
Sache völlig incongruent: denn die mieammta fallen nicht öit6 TOO
Kpuouc: consequent und yemünftig gebraucht das bekannte bild sb.
Klemens Alex, paedag. m 1 (tö k^Xoc) diroiriirret ToO TrerdXou
XOjuiai, ÖTav aöroO Kommvcöcuiav ai ipumical . • Xa(XaTr€C usw.
die Überlieferung ist auch sehr wohl zu erklftren'*: gerade von dsA
CTpouOoi oder crpouOte glaubte man dasz sie nur ein jähr lang lebten
und der winterkftlte zum opfer fielen : vgl. Ath. IX 391 VAptCTorfili|C
bi qpTici Touc dppevoc (crpoudoöc) tCp x€tM<&vi dqnxviZecOai. buiU
M^veiv bk Täc On^e(oc usw.; Aristot bist an. IX 7 (613,29) XCTOua
bi TIV6C Kai Tt&v crpoueiiuv ^aurdv fidvov Zf)v rotte dppevoc . *
rdc bk OnXeiac juuxxpoßiuiT^poc elvoi tiBv crpouOfuiv (Rose Aristot
pseudepigr. s. 291). übrigens ist der vers in der fusung des Yati*
canus ein zwölftUbler und gehört dem diaskeuasten; kühn« aber sdir
ansprechend ist EnüUs restitutionsversuch irecoOcotv dkircp crpou*
eiov Tt 7iG^ i|fOx€i (vgl. 16, 10. 74, 1).
Erfreulicher ist das folgende stück (135), das bereits durch eine
stark verkürzte paraphrase (Aes. Halm 273 «» Furia 107) und
Avians wenig gelungene Übersetzung (n. 42) bekannt war. der
wolf sucht hier vergebens das in einen tempc^of geflüditete schaf
ins freie zu locken, indem er es auf die gefthrlidien opfergerftt«
aufmerksam macht* für das schaf hat die paraphrase ein dpvioVt
Avian den aedus^ dieser letztem form stehen am nftchsten die Sprich-
wörter dXX' fi Xtkoc Tdc atfac ^locaXeic jioXidv Bodl. 169 — app.
prov. 1 16 (nach Schneidewins herstellung; erklftrt tni n&v iv imo*
Kpicet ^anardv Treipuiji^vuiv) und XOkoc altoc äocoXuiv ebd. III 73
(erklärt inX tu)V KaOinTOKptvoji^vuiv q>tX(av ^x^Pd^v). die Über-
lieferung ist ertriglich bis auf v. 3 6ucfa| tdp fiv Tic £opTf)c Kcrrd
TUX11V. allem ansdiein nach ist der eingang hier wieder durch den
diaskeuasten verkürzt, dessen thätigkeit sich öfters durch parenthe-
tische sätzchen verrät: vgl. 19,6. 22,2. emendationsvorscfaUge sind
*^ für dieses epitheton der schwalbe vgL die beispielMmlong bei
Leatsch in Makarios V 49 XaXfcrepoc x^Xtbövoc (paroemiogr. II s. 163).
1» vieUeicht lässt sieb aneb v. 18 bk Katvf)c (icmvfK V.) halten,
vgl. Soidas adw. ■■ i»t>v. Coisl. 119 (app. prov. Gfott. II 8) lopoc XP4^
iittX iraXatöv xiTübvo £xct — ans naheUegenden nfinden. frcHidi Ist
die vennatnng Eberhards anal. s. 6 sehr ansprechend, der hier eine
(arrythmisohe) coijectar des diaskeuasten Ik Mnvf)c 0^ denuo) erkennt
and xXafvtic oder iruKyf)c vorsehlägt, unertrilglicb ist Gitlbaners lKcCvf|Ct
verbanden mit irüctv nnd In der naehbarsohaft von liUlvoc (Im felgsn»
den vers an derselben stelle).
OCruBiuB: Studien zu Babrios und den Aisopeia. 233
also kaum angebracht; ganz unmöglich ist Gitlbauers völlig will-
kürliche umdichtung ^opTk Itux€ f&p Tic oSca KalOotvr), schon
wegen der unform ^opTtc.
Fabel 142 V. (fuchs und esel) =s Bodl. 108 ist in ein tetra-
stichon zusammengedrängt, wie f. 8. 28. 39. 41 uam. es verlohnt
sich kaum der mühe an dieser Byzantinerarbeit herumzucorrigieren;
EnöU und Eberhard haben sich denn auch damit begnügt den bei-
den schadhaftesten versen (1 und 3) den asteriscus vorzusetzen, wäh-
rend Gitlbauer auch hier einen trügerisch glatten text gibt, in den
von dem fuchs an den esel gerichteten werten nuüc ouTwc äiraX^
Ka\ dveiji^vij t^wccij (Gitlbauer oötuj tvx^v cu ttujc dveiju^viic
tXüücoic) könnte unter dem metrisch unmöglichen oÖTUiC das ojStoc
der anrede (heus tu) zu suchen sein.
Interessant ist die trefflich ausgeführte fabel vom schwänz der
schlänge , der sich an stelle des kopfes zum führer zu machen weisz
Vat. 164 (= Bodl. 116, Babr. Ebh. 17'6; eine eng verwandte in-
dische fassung bei St. Julien Ues Avadänas' 40, vgl. Liebrecht 'zur
Volkskunde' s. 113 f.). sie gehört, wie Aes. H. 197 (KOtXta Kttl
nöbec) und die anspielungen des Maximos Tyrios diss. XXI*^, unter
die griechischen prototjpa der fabel des Menenius Agrippa. der
ziemlich vollständig erhaltene text scheint mehr durch abschreiber
als durch den diaskeuasten gelitten zu haben, v. 4 ist überliefert:
TOI Xomä bk fi^pTi elTiev oux flT^Icei (ein zwölfsilbler). für ji^pt]
schreibt Enöll jLiAii'* und läszt den fehlerhaften hiatus bestehen,
Eberhard setzt fi^Xe' und verstöszt damit wieder gegen die oben er*
wähnte Observation Lachmanns, man wird sich zu einer starkem
änderung verstehen müssen, etwa rd Xomä fma (46, 1. 95^ 2) b*
€Itt€V fj cu t' ^T^ci;|C (letzteres mit Eberhard); bi an dieser stelle
auch 102, 7 xd It^a ndvia b* ibc öit^cxev cuGüvac, vgl. Eberhard
obs. 8. 6. schwieriger ist v. 8 ff.
•rtjv (sc. oupdv) b* ouK fireiOe, tö q)povoOv b' ^viKtiOt)'
TÖ ^f| q)povoOv bi, Xomöv fjpxe tOöv ttpüütwv,
10 Td b ' ÖTTlcGeV OUplic f|T€|LllüV Ka6€lCTr)K€t.
cüpouca Tvq>\rji näv tö ciüfia Kivfjcei
KOtXöv bk TT^TpT]C elc ßdpaGpov r^vexOn
Ka\ Tf|v fiKQvOav TaTc n^Tpijci cuvTpißei.
der fehler in den werten Td b' otticGcv oöpfic v. 10 ist zuerst er^
kannt von Eberhard, der öcpeuiC für oäpfjc vorschlug; Gitlbauer
setzt dafür wenig glücklich das (in diesem casus ungebräuchliche)
dvwTrf)c.^ ein zweiter übelstand blieb dann noch in dem bk v. 12
*o s. 84 (Dübner) ei bi OcXricci XoTOiroiöc OpOE fiOOov irXdTXCiv öri
dpa öucxcpdvac 6 iroOc T(p dXXip ciOjyiaTt xal diraTop€\!»cac irp6c töv
KdjüiaTGV . . cxoXf|v dT€iv . . iirav€iX€TO' f\ aO tüj toficpiui idc dXoOvT€
xal ^pToUlofi^vu) Tpoq)^v . . dirciirafi^vu) t6 ?pYOV t6 oötiöv cKOirctv
. . dXXo Ti f^ (p6apif)C€Tat 6 dvOpujTroc ^v j£) jüiOOip. *' unzweifelhaft
ist dies zunächst gemeint: vgl. ZenobioyYI 8, wo die hss. zwischen
fi^Xcciv und p^p€Civ schwanken. *• es wird bei Homer nur in dati-
234 OCroBius: Stadien su Babrios ond den Aiiopeia.
zu heben, wofllr Enöll Tt schrieb, wfthrend Qitiibaiier recht aaspre-
chend v. 12 vor 11 setzte, aber auch so macht die stelle noch kehMa
befriedigenden eindmck; insbesondere legen die in yerschiedene Satz-
glieder verteilten gegensätze TÖ q>povoOv : TÖ |yif| <ppovoOv, t(&v
TTpiUTUiv : TQ b* diricOev eine paarweise- znsanunenfassong nahe.
vollziehen wir diese, so werden dadurch die bertthrten übelstinde
gehoben, und zugleidi wird durch das ttbergreifen der syntaktiacheM
einholten von einem vers in den andern der einfSrmige rhythmische
bau der stelle ertrftglicher:
TÖ <ppovoOv b' ivucifiOn
Tip fif) qppovoOv Tt* Xotirdv fjpxe tiBv TrfM&Tuiv
ToGnicOev (vgl. 99,4 TdiKOrrrepov) ' oöfrfk <&*> f|T€|idiv KoOctcr/pcei.
bezieht man nun cupouca auf odpi^ und interpungiert nach t. 11, so
kann man hier vielleicht jeder weitem ftndemng entraten. das zu-
sammentreffen der werte ir^Tpr|C und ir^Tpqci v. 11« 12, das bei
Oitlbauers Umstellung freilich weniger aufiUlig ist, steht bei Bft-
brios keineswegs vereinzelt da, vgl. Eberhard zu 77, 1 und Leips.
Studien II s. 201. die schluszverse 17 if. sind, auch in Giflbaners
Umformung, noch nicht recht verstfindlich. wenn sie Oitlbauer der
KcqpaX/j zuteilt, wfthrend EnQll und Eberhard sie als fortsetnmg der
iKCieia der verunglttckten oöpVj auffassen, so ist wenigstens QitT-
bauers hauptgrund, dasz v. 18 <fit\öv eingeschoben wird, nicht duroli-
schlagend ; qpr^ci wird in ganz tthnlicher weise am ende einer iBogeni
rede verwendet Vat. 192, 12 und Ath. 10, 12. 75, 4 f. (mit A\
ebenso cIttcv 33, 13..
Vat. 192 (— Aes. H. 428, F. 197) erzfthlt von dem hanswieeel,
welches sich über die keckheit des neugekauflen rebhuhns** ftigart
eine hübsche Illustration dazu liefern etliche ^igramme dar anUio-
logie, zb. Vn 203 — 206, in denen der tod eines zahmen rebhuhaa
durch die katze (aiXoupoc), die verwandte und spfttere Vertreterin
des wieseis, behandelt wird, vgL bes. 205 (von Agathias)
oiKOT€vf)c alXoupoc (vgl. v. 6 f.) i^f|v n^pbtica qMiToOca
Zi\)e\v fmcT^pöic £Xir€Tat iv \ief6poic usw.
die vaticanische fabel macht am schlusz einen entschieden fragmen-
tarischen eindmck, da man erwartet dasz die katze ihrem groll gegen
das rebhuhn denselben thatsftchlichen ausdmck gibt wie in den epi-
grammen der anthologie. die annähme einer ftltem fkbel mit einem
derartigen abschlnsz ist wohl auch nicht unwahrscheinlich, ohne dasz
man deshalb in dem gedichte des Babrios hier eine lücke vermuten
dürfte ; hat doch der dichter oft genug junge und cormmpierte for-
men der fabeln seinen darstellungen zu gründe gelegt (vgl. Leipz.
▼ischer form, dorohaos adverbiell, angewandt; der bei Nikaadroa (ther.
227) Torkommende «enitiv iat gana singuUür und nicht hinreichend ga*
sichert (vgl OBohscIier sdst).
** der parapbrast setzt fÖr das im spätem mittelalter wohl nicht
mehr als hanstier gehaltene rebhahn den beliebten i|irrroK6c ein« doch
wird aach Aes. H. 92 vom ir^^ nOoccöc ersihlt.
OCrusius : etudien zu Babrios und den Aisopeia. 235
Studien II s. 203. 225). die Überlieferung ist im ganzen erträglich;
am meisten Schwierigkeiten macht v. 3 f.
KdKCivoc (6 nipb\£) euGuc KXafTÖv Ü f9ouc öb\x)V
näcav Kai' auXfiv * dKpißimdTwv fjei.
aus dem überlieferten dKptßii)LiäTU)V macht KnöU, dem Eberhard und
Oitlbauer gefolgt sind, mit sehr leichter Änderung dxP^ ßimdTU)V.
aber was bedeutet das? EnöU denkt an ^die stufen, die zu den
inneren räumen aus der ai)\i\ führen', Eberhard meint: 'tantum
constat; locum excelsiorem atque ut ita dicam sacrosanotiorem dici.'
doch schon EnöU äuszerte zweifei darüber , ob die stelle damit ge-
heilt sei. viel angebrachter wäre in der that eine beziehung auf die
in der fabel auch sonst verwertete stolzierende gangart des zum
hahnengeschlecht (Ar. Vö. 276 dpvic dßpoßdTTic) gehörigen rebhuhns
(Gerland Terdixsage' s. 16), welches zb. Aes. H. 392 einem land-
manne verspricht CKdirreiv xdc djiTTdXouc : vgl. Plut. de curios. 3 «»
Eallim. fr. an. 374 (Phaedrus app. 8) dpvic . . CKoXeuei, dasselbe
vom gäHus gäUinaceus bei Plautus aul, 465 ff. man könnte d k p o -
ßajiovuiv vorschlagen, wenn sich das Hippokratische wort in
dieser bedeutung und in diesem Zeitalter nachweisen liesze ; dKpo-
ßdjLiUJV (»» auf den fuszspitzen gehend) ist der spätem gräcil^t wohl
bekannt, vielleicht gelingt einem andern eine emendation in der be-
zeichneten richtung. bedenklich erscheint femer das unvermittelte
einsetzen des neuen satzes v. 10; die annähme einer lücke wird durch
die entsteh ungs weise der vaticanisclien samlung erleichtert.
Die vom Yaticanus zu den schon bekannten fabeln gebotenen
lesarten sind von Enöll und Eberhard im ganzen trefflich verwertet,
und Gitlbauer hätte auch hier meist besser gethan das von ihnen
gebotene anzunehmen, statt mit der ihm eignen aäOdbeia seine
eignen wege zu gehen. '^ nicht ganz überzeugend ist Enölls und
Eberhards ansieht, -dasz 33, 5 ipäp^c TVöXeOpoc cnep^dTWV dpou-
paiujv die lesart des Vat. vpäp^c t' öpuicrat den vorzug verdiene.
Eiiöll meint, die lesart dXeOpoc sei sachlich nicht ganz zutreffend,
da die stare die saaten nicht vernichteten, sondern dem landmann
* durch das aufwühlen der erde' unangenehm seien, vielleicht haben
sich die stare inzwischen zum bessern entwickelt; auf die altgrie-
chischen passt jener ausdruck völlig, vgL anth. Pal. VII 172 und
IX 373, 6 vpäpac dpoupaiTic äpTratac eunopiric. wenn Enöll femer
geltend macht, öpuKTiic werde als der seltnere ausdruck der echte
sein und öXeOpoc das glossem dazu : so ist darauf zu erwidern dasz
das wort öpuKTiic viel zu durchsichtig gebildet ist, um eine erklä-
rung nötig zu haben , und dasz ein auf die stare bezogenes dXeOpoc
durchaus nicht wie ein abschreibereinfall aussieht. — In der an an-
^ din beispiel für viele. 83, 2 hat A frptßev ^KTdvi2^€V i]^iprji irdci],
für ^rptßcv hat Y. Ii|iux€v: sehr hübsch and völlig evident erschlieszt
Enöll daraus &|it)X€v: Gitlbauer aber schreibt von einer wertlosen para-
pbrase beeinflnszt töv Yirirov £icT^vi2^€v i'm^priv irdcdv, und bringt so
glücklich wieder einen kurzen versansgang za stände.
236 OGnudos: atudien za Babrios und den Aisopeia.
derer stelle im zoeammenhang su behandelnden f. 12 liegt dn immer
noch ungelöstes problem in den Worten, welche die schwalbe an die
nacbtigidl richtet, um sie zur Übersiedelung in die Stadt su yeran-
lassen 9 v. 16 ff. (nach A):
16 Ti c€ bpodZei *vuicTÖc £vvuxoc CT€{ßi| (-» crißn)
Kai KaOfia ddXnei *irdvTa b* icfpdmjy tif|K€i
dre bi\ ceairrfiv co<pd XoXoOca *fit^vucov
hier bietet V.:
Ti COl bpOcKei VUJTOV fvbpOCOC KOiTT)
Kai KaOjüia OdXirei irdvra Kai KaroKolei
äT€ jifivucov cairrfiv co<pifi irep o3ca
y. 16 hat Ebisrhard anal. s. 10 im gegensats zu EnOU s. 681 der
fassung des Athous mit recht den Vorzug gegeben, yielleicht ist die
Umbildung des athoischen verses ausgegangen Ton der correeior des
verderbten VUKTÖC (Meineke und hgg« ict)ktöc), wenn hier nicht etwa
beiden lesarten (vuktöc und vi&TOV) das a^jectivvÖTioc (-» feaeht)
zu gründe liegt "^ — v* 17 scheint das teüs alsoormpi bebaohtetei
teils (wenig wahrscheinlich) als glossem zu 6dXiT€i aufgeftnte wort
TTiKCt auch in dem einer ganz andern hs8.-£unilie zugehörigen Vati-
canus am versende gestanden zu haben, an der breiten aoadmoka-
weise (vgl. 93, 4. 10, 8. 83, 2) wird man um so weniger anstoez
nehmen dttrfen, als in Tf\Kei eine Steigerung des begriffes liegt, und
so könnte man unter beibehaltung des von beiden queUen ftbeiw
lieferten Kai KaOjia OäXirei, irovräXaiva, xal ifpisix vermuten";
jedoch bleibt dabei das eindringen des Wortes äTPi&Ti)V in A uner-
klärt. — V. 18 hat auch der Va^canus das verderbte fufpfucov. Uk
habe dafür ao. s. 164, 1 }xi\ civou vorgesehlagen, und freue mich
in der reconstruction des gedankenganges mit Ebcarhard anaL s. 11
zusammengetroffen zu sein, der aber |ij| rptixou vermutet, dasz diA
änderung |if| civou viel leichter ist, liegt auf der band; es fragt sieh
nur, ob der allerdings sehr kräftige ausdruck (bei Homer und den
altem von rftubem, raubtieren, kriegsheeren) hier zulässig seL das
wird man aber kaum bestreiten können, da schon bei Hesiodos £Ki).
316 vorkommt albÜK: dvbpac \iifa c(v€Tai (interpoliert U. Q 45) und
bei Sappho EM. 449, 34 -> fr. 12 Bgk. Smvac yäp | eO Mui, Kfjvof
|Li€ lidXiCTa civovrai. Babrios wird das wort schon aus Homer ge»
kannt haben. "^ — Nach v. 18 habe ich ao. die bisher als dittograph^e
zu 11 ff. betrachteten verse 14 f. ihratOpov öXt|V Xcittc Kai irop'
*^ sweigeschleohüg ist es sehen bei Aisehylos Prom. 401. daraaf
dasz im pseado-Babrios des Minas 68, 10 crOpac vot(t|c ▼orkommt, wird
man kein gewicht legen dfibrfen; la den TenirteUenden stimmen (Oobet
und Naber, Eberhard obs. Babr., Wachsmnth rhein. mos. XXIIi $16)
ist neuerdings die gewichtiffe Nancks hinziirekommen Ball. XIII 3M.
M Tgl. Vat 180; 17 TdXatva, qnf)civ, ciOc |iot tot* oök (&9611C
(von der schwalbe), Ihnlich 87, 8. 104, 6; 62, 6 di «aTKdncrov kti|-
^dTUiv. ** in der spfttern grüdUit wird es besonders in der neben-
form avöu), wovon civou hergeleitet werden kSnnte, wiederholt
wendet.
■-■i
I,
OCrueius: Studien zu Babrios und den Aisopeia. 237
dv6pu»Troic (49, 4) | ö|iibpoq>öv jioi bujjia kqI ct^tyiv oIkci einzu-
setzen versucht. Umstellungen von textpartien haben gewis dann
die gröste probabilität , wenn dadurch an der einen stelle etwas stö-
rendes oder überflüssiges beseitigt, an der andern etwas fehlendes
ergänzt wird, das ist aber hier der fall, gerade bei der von Eber-
hard und mir selbständig gefundenen herstellung des gedankens:
denn nach dem negativen argumente ^steh dir nicht selbst im lichte'
ist die Wiederholung der positiven aufforderung, wie sie durch v. 14 f.
gegeben wird, durchaus notwendig, so schwindet auch das letzte
Überbleibsel der angeblichen doppelrecension dieser fabel, aus der
neuerdings Gitlbauer mit unglaublicher Willkür und ohne die bin-
dende bedeutung des zu gründe liegenden Tereus-m3rtho8 zu erkennen,
zwei selbständige stücke geformt hat.
Die schon 1877 von Enöll veröffentlichte Bodleianische fabel-
paraphrase steht an wert erheblich hinter der vaticanischen samlung
zurück, da hier die ursprüngliche form nur bruckstückweise erhalten
ist; dafür bietet sie etliche ganz treffliche neue fabeln, wie 100 (der
hase beim fuchs zu gast) und 69 (der hund aus der gladiatoren-
schule). für den nachweis der versspuren ist von Enöll und Eber-
hard die hauptsache gethan. Oitlbauers versuche überall quovis
pacto ein ganzes herzustellen waren ohne die freieste um- und nach-
dichtung nicht möglich, und für seine verse würde Gitlbauer wohl
wenig liebhaber gefunden haben, auch wenn sie minder incorrect
wären. ^ hier ist das scharfe wort Lagardes ganz am platze, man
möge , wenn so etwas gelten solle , die Urkunden doch lieber gleich
von anfang an selbst verfassen , welche man zu benutzen gedenke,
zur Charakteristik von Gitlbauers verfahren diene folgende stelle.
Bodl. 69 ist überliefert: kuiüv Tp€q>ö|Lievoc ^v otKip Oripdv eibuüC
'^ die verstösze gegen des dichters verstecbnik, mit denen G. schon
in den athoischen fabeln nicht sparsam ist (vgl. litt, centralbatt 1882
sp. 744 f.), hänfen sich naturgemäsz, wo er selbständig zu gestalten ver-
sucht, so wird beständig der unbabrianische kurzsilbige versschlusz
zugelassen, in circa 110 fabeln mehr als neunzigmal, in ^inem falle
(f. 161) viermal hintereinander, was völlig unerhört ist. die beste
Widerlegung ist wohl, dasz in den 120 fabeln des Athous selbst bei
Gitlbauer nur etwa 30 derartige fälle zu finden sind, obgleich er sie
mit einer gewissen Vorliebe conserviert, wohl auch coniectura oder aus
secundärer quelle einsetzt, sehr oft findet sich die falsche elision der
endsilbe tribrachischer und proceleusmatischer Wörter (141, 5. 143, 2.
152, 3. 167, 2. 176, 3. 177, 8. 209, 1. 210, 7); ebenso wird häufig gefehlt
gegen die für die auflösungen geltenden Lachmannschen gesetze (171, 4.
1Q2, 9. 155, 3 uö.]; auszerdem kommen falsche anapäste vor (146, 12.
150, 11), der bei Babrios unerhörte proceleusmaticus (129, 2. 201, 7.
208, 1), proceleusmatische Wörter im versanfang (151, 9. 185, 3. 199, 13);
cäsurlos sind 129, 19. 142, 4. 197, 1. 228, 1, mit zweifelhaftem hiatus
behaftet 196, 3, mit prosodischen gebrechen 159, 3. 164, 1. 175, 3. die
spräche der G.schen dichtungen hat sehr fragwürdige besonderheiten
(149, 5. 150, 2. 170, 7. 8. 182, 9. 194, 6); ein hanptcharacteristicum ist
der massenhafte verbrauch des flickwortes T^t das bei Babrios sehr
selten (23, 8. 50, 16. 93, 8) und nie ohne bestimmten zweck verwendet
wird.
240 OCnuias: Stadien tu Babrios und den Aiiopeia.
schlusz werden die todeszackungen der fische als tanz aufge&szt:
ganz ähnlich Snidas n. al6* iipcXec 6av^€iv ij iravOcTaTov 6p-
XrjcacOai . . firav irXfiT^ (f| y\ai£) TcXeunlkca crp^fprrai dkircp
öpxouji^vii * KoXXtjuiaxoc ^ ^6cdXq (fr. 43 Sehn.), anderer art ist
Lukianos Lukios 19 ö bk (dvoc) äin^t icdrui t6v ddvorov öpxoO-
|Ll€VOC.
F. 15 gehört zu den anekdotenhaften elementen, die auch nach
Phaedros zeugnis sehr frtth eingang in die üabelsamlnngen gefandea
haben, ein Athener und Thebaner streiten sich auf der waadenmg
über den wert ihrer nationalheroen Theseos und Herakles; scUieai-
lich sagt der Boioter oäx ixwr^ Xct\y Xötoic fi^iXXov: ^rtiwxoco'
vtKqic. TOiTopoOv xoXuiGciii | Oricedc jiiv fj^iv, 'HpoicXf)c b* *A6v|-
vaioic.» es ist meines Wissens noch nicht bemerkt^ dasz das bessere
Urbild dieses schwankes erhalten ist bei Cicäro de noL deorum 111% 60
Aläbandenses guidem sandius Akibcmdum cakmt^ a quo eri uris üla
condita^ quam quemguam nabümrn deontm; apud quos fum imufimie
StratonicuSy tä muMa^ cum qmdam ei moleshM Aläbanäum demm esse
confirmaret^ Heradem negaret: ^ergo^ tngii^ *fiitM Aktbamäm^ fXki
Herctdes sU WabusP bei Babrios sind auch hier die individueUen sflge
verwischt und durch allgemeine ersetzt.
F. 19, 1 f. hat A: BÖTpuc jLicXaiviic djiirAou iropuipdii dir-
€Kp^|uiavTO. fttr das unverständliche ncxpuipciii coigicierte Boisscmadei
dem die mehrzahl der hgg. gefolgt ist» irop* aiclipq. Oitlbauer bleibt
mit seiner correctur iropuipciou dem flberlieferten näher, und wie
ich glaube mit recht, jedenfalls hat Suidas im beginn der fabel das
wort aiidpo (Boissonade) nicht gelesen, sonst wlbrde er dafltr nidit
nur aus der mitte die in A verkürzten verse citiert haben ; den Wein-
berg (vgl. Bahr. 2, 1) hat Phaedrus IV 3 äUa m vmea^ und das lemma
7rap((ip€ta findet sich auch bei Suidas. dasz mit Gitlbauers ändemng
die band des dichters hergestellt sei, glaube ich nicht; der anfang
ist verkürzt, wie v. 6, wo sich der diaskeuast durch die häszliche
parentbese sowie das falsch verkürzte u von icx^ verrät.
F. 23, 3 ff. lauten in A: £er)K€ (6 ßonXdnic) b' eöxfjv TOk
öp€tv6jiotc vi}|ui<P<xic, I *€p|ii3 vojiaitp TTavi *toic ir^piE dpva | Xoißfry
napacxctv , ei XdßoiTO töv icX^inT|V (seines verlorenen zugstieres).
in V. 4 treffen mehrere Verdachtsgründe zusammen : so die unmög-
liche beziehung von Xotßf|v auf dpva*, der sonderbare und unver-
mittelte ausdruck TOic ir<!pt£ (vgl. jedoch anth« Pal. XI 107) und
der immerhin bedenkliche trochäus apva im versausgange. bereits
vor Jahren ist zu dieser schwierigen und viel behandelten stelle **
3^ zwar heitat es bei Suidas Adpfj* cirov6f|, 6uda, und darauf -be-
rufen sich Boissonade und Schneidewin (praef. s. X), welche die stelle
für intact halten, aber wenn Suidas mit der erklärtuff Oudo auf die
vorliegende stelle besag genommen hat, so benntste er emea verderbten
tezt, wie 86, 7. iS, 6. 66. 108, 8; wahrschelnlieh ist aber nur cirovMi
nraschreibung von Xoipi^, und 6uda ist als der allgemeinere begriff der
erklärung wegen binsngefQgt. ** Lachmann vermutet Xomv Ar
>*
OCrusiuB: studien zu BabrioB und den Aisopeia. 241
durch Eberhard (in Bursians Jahresbericht) eine Vermutung von mir
mitgeteilt worden ; und so will ich denn nachträglich das patrocinium
dafilr übernehmen, um eine sichere basis zu gewinnen , haben wir
auszugehen von den prosafabeln, die Bodleianische paraphrase bietet
f. 16 ßoTiXaTTic Taöpov dirijüXecev eöEaro be tCu Oeijj €i töv kX^tttiiv
cupoi TaOpov ^TTiOuceiv, ahnlich die Parisina, die auf den archetypus
der Bodleianischen zurückgeht, Aes. Cor. s. 333 raOpov ouv diri-
6uC€iv Tiöx^TO Tiu Geiu, el tiD rXcttti;] ^vtöxi]. dasz hier ein alter irr-
tum des paraphrasten vorliegt (laCpov stammt wohl aus dem vorher-
gehenden satze) , beweist der schlusz der fabel , wo in A gut über-
liefert ist bucTUxf|C b' dTTapäxai | Kai ßoOc (ex corr.) TrpocäEetv,
d 9UT01 T€ TÖV kX^ttttiv, während es in B heiszt: Ktti ?T6pov ßoOv
coi ^niOucuj usw. , in P noch ungeschickter ßoCv cot Kai Taöpov,
öcfe (sie), TTpocev^TKUü (für Trpocoiciu), el Täc x^ipac (vom löwenl)
TOÖ kX^tttou ßdiOrjceic )iOi dKq)UT€iv. wir haben hier in den para-
phrasen , deren wert von Gitlbauer wie gewöhnlich überschätzt ist,
eine willkürliche Umbildung vor uns und können aus ihnen nur
Bchlieszen, dasz auch in dem ihnen zu gründe liegenden texte ein
tier und nicht eine blosze libation (Hertzberg, Härtung, Grumme)
als opfer gelobt wurde, dasz dies die ursprüngliche fassung ist , die
der dichter vermutlich schon in seiner vorläge vorfand , scheint sich
zu ergeben aus den übrigen prosafabeln selbständiger fassung^ wie
Aes. Für. 41 (= Cor. s. 332) riögaTO tiu Ali oötu)C, öti iäv töv
kX^tttt^v töv XaßövTa töv h<5cxov ÖTTobeiEric jligi fpicpöv coi eic
euciav ^Trd£uj, ähnlich Aes. Sehn. 49 (= Halm 83), Cor. s. 73. 131,
weniger gut Cor. s. 333. man zerlege also TTavi TOic in TTavi T*
oTv^ und tilge äpva als glossem oder diaskeuastenconjectur.^^ über
die elision von t€ in der cäsur vgl. 95, 13. (74, 13), Eberhard praef.
8. V; eine nähere bezeichnung für Pan, der in der dichtermjtho-
XoißiP)v, wenig ansprechend; Hertzberg s. 204 dvTpoic für dpva, was
sachlich Schwierigkeiten macht; Härtung Ipoic mit falschem accent;
Bergk allzu kühn ircpuciav für rote irlpiS und für Xotnöv vielmehr
6o(vr)v, was aber v. 7 überliefert ist. auch die neueren vorschlage —
iroivi^v Halm, XcuKfjv Nauck und Eberhard, Ocolc Schenkl (zs. f. d. öst.
fymn. 1876 s. 352) für XoißiP)v, Grumme dXXoic, Gitlbauer unverständlich
pbi\y für dpva ^- heben die bedenken nicht völlig.
^' Knöll hat sie, so viel ich sehe, bei seiner recension nicht be-
nutzt, der künftige herausgeber der Aisopeia wird sie durchsehen
und verwerten müssen. ^"^ oder 6tv, vgl. oben s. 227. näher läge
noch der plural oTc: das wäre aber doch ein gar zu splendides opfer;
auch spricht das glossem dpva für den Singular, dieselbe Verderbnis
V. 8 (ßoOc A, ßoOv Bodl. Lachmann), die paraphrasten werden die dem
artikel entsprechenden buchstaben TOiv nicht verstanden und daher
TaOpov aus dem vorhergehenden ergänzt haben; den schlusz von v. 4
lasen sie wohl in der echten fassung. '^ vgl. 10, 12. 43, 6. 82, 5.
88, 2. 95, 16. 39, 4 öjiTipcOot, in mg. clpriveOoi A m. pr.; 13, 6 6€tKV\}€t,
in mg. cima(v€i A m. pr.; 115, 1 (vgl. 24, 3) Xijüivdciv hot' alöuiaic, in
mg. XiiLivaiaic A m. pr.; über 82, 7 später, der paraphrast hat dpva
nicht gelesen, sonst hätte er nicht auf die ergänzung TaOpov kommen
können.
Jahibacher f&r cIms. phUol. 1883 hft. 4. 16
242 OCrnnus: etadien su Babrios und den Aieopeia.
logie nur wfdd* und berggeist ist, darf man nicht fordern, ygL die
ganz ähnliche stelle Aristoph. Thenn. 977 '€p|if)v T€ vö^iov dvTOfiai
KQt TTäva Ka\ vOjiqKXC 9{Xac. ans den buchstaben irepiE ergibt sich
(vgl. prooem. 11 12 |i€Tivc£»QC€tv A, TCTuivicKetv Buigess, Naock) das
verbum ^iripp^Seiv* im archetypns von A wird die endong ooreh
ein compendinm bezeichnet gewesen sein.^ dmpp&eiv in der be»
deutong 6u€tv findet sich Theokr. 24, 97 (19, 99 Ahrens) Zi|vl b*
^Trtpp^Sat KaOuTT€pT^p((i dpccva xoipov, epigr. 4 (17 Ahr.) €fix€*
. . ^iTtpp^Eeiv xi^<xpov KoXöv^S anth. Pal. VI 157, 3 "'ApTCMic
. . Kai'coi dmppäei TöpTOC x^M^^^o voMaiiic | alfjia xal dipcdouc
Spvac iiii TrpoÖOpotc. solche oomposita, in denen die prftpoaition
(bes. tni) keine wesentliche beziehnng ausdrückt, sondern lediglieh
als schmuck dient, gehQren zu den eigentttmlichkeiten des Babriani-
sehen stils (vgl. 8, 1. 28, 3. 50, 7. 95, 53. 97. 103, 12; 5, 6. 27, 5.
75, 20. 95, 43; 43, 14. 85, 4. 118, 5); allgemeinere gesjehtspmikte
über diesen sprachlnxns bei GTeiohmtUler rhein. mus. XXXVI 310.
vollends gesichert wird unsere coi^jector durch das von den para-
phrasen gebotene IniOuceiV: denn dieses in der bedeutung des
Simplex sehr seltene compositum hätte der paraphrast schwerlich
angewandt; wenn er in seinem texte nicht etwas ähnliches vorgefun-
den hätte. — V. 5 nimt Nauck mit recht anstosz an iropocxctv: ein
solcher gebrauch des aoristinfinitivs in prägnant futurisdier bedea»
tung wird durch fälle wie die von Krüger spr. § 53, 6, 9 angeführ-
ten nicht entschuldigt. Naucks coigectur irpocdEciv liegt von der
Überlieferung schon etwas weit ab^; bei der oben gegebenen her»
Stellung von v. 4 kann mit ganz leiser änderung irapacx^bv (vgL
18, 5 vo|ui(Z€tv A, vojiQIuiv ausgaben; 68, 1 ToSeuciv A, toEcöuiv F,
ausgaben) geschrieben werden, worin man wohl eine weitere be*
stätigung ^ die richtigkeit uns^Bres verfahrene erblicken dar£ das
überlieferte XdßoiTO, wofür Dübner Xdßoi T€ vorgeschlagen hat
(vgl. Krüger spr. § 47, 12. 52, 8, 3), kann man dem Babrios, der die
Vorschriften der attikisten und grammatiker oft genug verletzt hat
(Zacbariae de dict. Bahr. s. 21 f.), vielleicht zutrauen*^ jedenfalls ist
die Symmetrie, welche nach Dübner s. 36 zwischen v. 5 und v. 8 be-
steht, mehr als zweifelhaft: denn v. 8 hebt tc das vorhergehende
q)\JTOt hervor und steht etwa im sinne von Ka( (*wenn er dem diebe
^^ auf die Verwendung von abkürsungen im archetjpos von A lassen
die anscerordentlich zahlreichen fehler In den endongen sehliesien (1, 4.
5. 8 Qsw.; Infinitiv 18, 6. 68. 1; «oXTdc für iröXcic T&C 70, 6, T^ f^v
für Y^v 21, 6, ähnlich 8, 8. 19, 18): Eberhard obs. s. 6. aach die
gemination könnte vernachlässigt gewesen sein (46, 11. 86, 1. 18S, 7*
26, 8), wie ja gerade die liqnidae in manchen hss. überhaupt nicht ver*
doppelt werden (Merkel praef. ApoU. Rh. s. IV ed. min.). ** Babrios
wird Theokritot nachgeahmt haben, wie 8, 4 (ca Theokr. 5, 1S8):
Zacbariae ao. t. 6. . ^* man darf znr bestätigong nicht anfShrea, das*
Aes. Cor. s. 888 «pocdSui, s. 888 iipocäSci, s. 78, 181 irpocdSciv aber* ,
liefert ist, da diese fabeln von Babrioe unabhängig sind. ^ Hartong
schreibt v. 6 Xdßot Cti, v. 8 «pOroi In mit nnbabrianiseher syniiese
und zwiefacher ändemng. -'
■i
OCrusiuB : Studien zu Babrios und den Aisopeia. 243
auch nur entrönne') , während v. 5 ('wenn er den dieb faszte') eine
derartige erklSning unzulässig ist. die ganze stelle wird also fol-
gendermaszen herzustellen sein:
fOriKC b* €Öxf|V Tttic öpeivöjioic v\i|iq)aic
'6p|iQ vojiaiiu TTavi t', oIv iuxppiiexv
Xoißfjv TTapacxiwv, el XdßoiTO töv kX^ttttiv.
dasz mehrere götter an Einern opfertiere teilnehmen, ist durchaus
gebräuchlich: vgl. Hermann-Stark gr. alt. II 26, 22; Aristoph. Vö.
848. 890. 1059. wenn dabei das geschlecht des opfers gegen die
bekannte regel TiD ö|Lioi(Ai X'^^9^^ '^^ öjLiotov (Eusebios praep. ev. IV 9)
dem der gottheiten nicht durchweg entspricht, so greife ich aus einer
fülle von beispielen einer solchen licenz nur die heraus, welche sich
auf die bei Babrios genannte trias beziehen : inschr. bei Conze Lesbos
tf. IV 3 s. 11 ÖK€ e^Xri euiiv ^711 TiD ßtü<MUJ> • • tiü *6pjia . . xai
Ipcev Kai Of^Xu. inschr. des thasischen nymphenreliefs (Fröhner
notice de la sculpture usw. s. 36) vii)iq>ijctv . . OfiXu Spc€V Sji ßöXij
Tipoc^pbev.^ Theokr. 1, 5 qIkq b' alto Xdßq (Pan) usw. Hör. carm.
I 4, 11 Faimo decet immölare . . seu poscat agna sive maUt haedo.
überdies wird man Babrios eine genauere bekanntschaft mit dem
antiken sacralwesen nicht mehr zutrauen dürfen: Leipz. Studien
n s. 232 f.
Fabel 24 («= Phaedrus I 6) heiszt es echt märchenhaft^: f&iioi
jifev fjcav *HXiou G^pouc (Sipr), | xä Jqja b' IXapouc fJTC n?» Oci?»
Kiu|iO\JC. die Vorstellung von der hochzeit des Helios im sommer^
ist für den mythologen von interesse als völlig unzweideutige ana-
logie zum iepöc T<i)iOC von Zeus und Hera im frühling, die sonnen-
hochzeit spielt besonders in rumänischen und littauischen liedem eine
grosze roUe: Boscher 'Juno u. Hera' s. 71. 84. Mannhardt 'Elytia'
s. 22 und sonst; als partnerin tritt meist Selene auf, und dasselbe
wird man hier voraussetzen müssen, zumal in der folge (v. 6 f.) Helios
deutlich als der himmelskörper^ fast ohne anthropomorphische Um-
hüllung aufgefaszt wird, der gedanke einer ehe zwischen sonne
und mond läszt sich übrigens bei den alten auch sonst nachweisen,
er ist mythisch ausgedrückt in der Verbindung von Helios und Perse
(Usener rh. mus. XXili s. 345. Mannhardt ao.) und wird ganz unzwei-
deutig ausgesprochen bei Aätios II 29 Diels dozogr. s. 360 Tac ji^v
^ es folgt ötv o(> Qi\ixc oi)bi x^'ipov. man könnte dies als gegen-
instanz gegen die vorgetragene emendation betrachten, vgl. aber Her-
mann ao. II 25, 20. 26, 3. Fröhner ao. s. 38 'on aurait tort d'en con-
clure que tel ^tait Tnsage dans toute Tancienne Gr^ce* usw. und die
von ihm beigebrachten ausnabmefälle. vgl. auch PStengel in diesen
Jahrb. 1882 s. 736. ^» märchenhaft ist auch fab. Bodl. 136 (= Babrios
Ebb. 138, Gitlb. 142), deren hanptmotiv und einzelne elemente sich in einer
reihe griechischer und deutscher mythen nachweisen lassen, so beson-
ders in der Atys-Adras tos- sage bei Herodotos (vgl. Baumeister de Atye
et Adrasto, Leipzig 1860). ^ so nur die griechische fassong; hübsch
ist auch die paraphrase in politischen versen F. 350 (. . ol bä ßdrpaxot
fjtdXXovTO fietdXuic ini t^ Xajyiirp^ ipartilr) toO i\Kio\) usw.).
16*
244 OCrasiiu: Stadien zu Babrios und den Ai
fiT]viaiouc dTroKp!}\|i€ic cuvobedoucav aÖTf^v fiX(t|i xal irept-
XafiTTOfi^VT]V iroi€ic8ai usw. (fthnlich Areios Did. ebd. 33 8. 367) ; Firai.
Mat. in pr. n. cap. 6 synocUca luna qmndo est eankmcki own 9ole^
coüu scüicet; schoL Hes. £icf|.784 . . efvat irpdiTOV oiöfyicvot f&iiov
<'rf|V> Tfjc ceXVjviic oScric (lotjoic Boscher, üsener) irpoc f|Xiou cOvo-
bov. vgl. auch üsener rh. mus. XXXIV s. 428, Beiflfersclieid Saei.
8. 214.
Von der in ein tetrastic&on verkürzten fabel 29 findet sich eine
treffliche fassnng bei Phaedms app. 19 M. (ygL LMflller de Phaedro
8. 27). zur erklftning hat Dttbner ApnL met. IX 11 (s. l61 Eyss.)
herangezogen ; jetzt kann aof Blflmner technol. I s. 35 f. Yerwiesen
werden, wo ich nnr Plaatns asm. 709 und das Sprichwort Imtou
Tfipac app. proY. m 29. Makarios IV 80 (Zenobios IV 41) nachzu-
tragen finde.
Fabel 32 behandelt die schon von Strattis (fr. 71 s. 731 E.)
erwähnte geschichte von der verwandelten foXti (Aüiaacflft nat. an«
XV 11) , auf die in einer ganzen reihe von Sprichwörtern bezog ge-
nommen wird: fok^ KpOKurröv, fdk^ x^'^^ov, oö Tcp^ei T^4
KpoKUiTÖv (Zenob. n 93. Mak. VI 65) , dir^bu töv KpOKiuTÖv fi jqkfi
(biegen. IQ 82 n. crit.). merkwürdig ist der nnr bei Apostolioa-
Arsenios XI 89 a und anon. Gram, anecd. DI 223 erhaltene spridi*
wörtliche vers 6 jiOc TOiXftv dX^T^t Tf|v T^uic vtjjuupnv. wenn man
hier das durch die besonderen zwecke des Schriftstellers bedingte
futurum dem technischen Sprachgebrauch entsprechend in den acxrist
fjXcTSc verwandelt, hat man einen correot gebauten choliambus
Babrianischer art^r woraus man vielleicht auf benutzung dieser
fabel, von der schon Julian den ersten vers anführt, schlieszen darf.
eine gute Variante Aes. Für. 273 >» Halm 149 ZeiK Kfid äXdnrt)E.
F. 42: ein hund wird von einem freunde, dessen herr ein opfer>
mahl hftlt , eingeladen (vgl. Makarios IV 43 f| kOuiv iv v^ "(6^^
usw.); als er aber erscheint, wirft ihn der koch ToO CK^OUC dpac
auf die strasze —
Tiilv icuv<Bv b* dpumdvTuiv
&n\jjc lbe[nvr\c\ etire «iruk t^P äv kp€ittov,
8c obbk iroiav dvoXOctv jic Twdicxui;»
zu dieser auf den ersten blick nicht recht verstftndlichen stelle
sind seit Lachmann die verschiedensten verbessemngsvorschlAge ge-
macht^; nur Boissonadci der eine sachlich und grammatisch unmög-
*'' er würde in der dankenswerten samlimg Ifeinekes (hinter Lach-
manns Babrios) naobzatragea sein, wie manches uidere ans den par-
ömiographen und Suidas! ansserdem kommen swei eholiamben ans La.
Diog. VII 184 (Nauek Philol. VI 140) hinca, sowie etUehe inschrifttiehe
rKaibel epigr. 876 und rh. mos. XXXYI 468) und handsohrifttiehe sttteke
(besoDders aus Millers m^langes), vor allem aber das epische fragmenl bei
pseado-Kallisthenes 146, welches ganz Babrianisehe technik seift.
^^ Lachmann 8c oM4 iroCov ViXdaiv fi* ^vuiocov (fi€ T^viiiCKUi Sduieide-
win) gegen des diehters versieehnik nnd mit gesuchter nnd nnbeseogter
wendang des gedankens; ebenso vericehrt Hartnng wokrr dvaAttetg'
OCrusius: Studien zu Babrios und den Aisopeia. 245
liehe Übersetzung gibt^^, und Fix revue de philol. I 71 halten an der
Überlieferung fest, auch Fix fördert die erklärung nicht, verweist
aber für den anfälligen Infinitiv gut auf Matthias gramm. § 538;
vgl. auszerdem die reiche beispielsamlung bei Lobeck Phryn. s. 772,
bes. Dion. Hai. VI 26 Tivac elvai buväjLieic . . ckottoüctic und Pro-
kopios Vandal. II 4, 243 * dv dTTÖpiw eixov § TÖ Tiapöv GdcGai. der
Infinitiv wird beizubehalten sein, dagegen scheint der accusativ )i€ mit
beziehung auf das subject von yivujckuü unmöglich (vgl. das beispiel
aus Prokopios) : man wird dafür fe (23, 8) schreiben müssen , was
hier in gewohnter weise zur Verstärkung von oubd dient : vgl. II.
P 363. Xen. Kyr. I 5, 11. PI. Phaidon 97 * ^ der sinn ergibt sich, da
dvaXueiv nach bekannter volkstümlicher metapher für ^zurückkehren'
gesetzt werden kann, mit voller evidenz aus Plautus Budens 811
ni istunc isti$ invüassüiSj usque adeo, donec qua domum aheat
nesciat; vgl. auch Theokr. 2, 84 (xübc ibov) . . oub' ibc TidXiv
oiKttb ÖTTTivGov ^TVUüV.*" der hund konnte das sehr wohl von
, sich sagen , da ihm nach dem stürze das laufen nicht eben leichter
geworden sein wird als wenn er pransus potus gewesen wäre, in
diesem doppelsinne sehe ich die bisher nicht klargelegte pointe.
F. 48 sagt Hermes zu dem hunde der seine bildseule salben zn
wollen vorgibt: fiv jiioi toöto |Lif| 'TiiXiXjLiricijc | TOÖXaiov dXGiiv,
jLiTibe jLioi Tipocoupricijc, | x&pxv eicofiai cor xai tiX^ov ^le fifi Tifia.
hierzu bietet Makarios IV 10 (paroemiogr. 11 s. 167 Gott.) unter
dem (wie so manches andere von ihm überlieferte) sonst ganz un-
bekannten Sprichworte '€p|Lifiv jniiT' äX€ii|ii]C ixryz* dTiaXein/ijc eine
merkwürdige parallele mit der erklärung ini tOuv bid TTpocTTOiTiTfic
XdpiToc d9aipou^^viJüV ti ^dXXov f\ bibövTuuv. iv ßaXaveitfj tdp
TlVl '€p^flC fjV IbpUjLl^VOC , ÖV 0\ TTOXXOI TÜüV XOUO^^VUÜV /iX€l90V
7T^vr|c bi TIC TTpo9dc€i Tou dX6i9€iv dK€ivov Trepiaipoü-
jLievoc TÖ fXaiov ^auTÖv fjX€i96V. doch scheint diese (indirect aus
einer fabelsamlung stammende) fassung, in welcher an stelle des
trefflich gezeichneten hundes der ir^viic getreten ist , jünger zu sein
als die Babrianische : wie überhaupt in den meisten fällen die er-
setzung der tiermasken durch menschliche seeundär sein wird.
Die echtheit von f. 52 ist von Eberhard und Hoch (de Babr.
fab. 8. 31) bezweifelt worden, ziemlich allgemein hat man anstosz
genommen an v. 3 f. Ka\ töv ßotüTTiv GujLiöc eIXe (als der wagen
knarrt), t§ (djudEi]) b ' oötuüc ( irt^c TipoceXeibv (= Vat. 9, 4) elTiev
übe dKOUcGfivai. v. 4 ^tT^c usw. halten Eberhard und Gitlbauer für
interpoliert und schreiben daher v.3 i(pr\ b' oÖTUüC (Ebb.) oder fj b'
^Y^viucKOv. besser sind die vorschlage Bergks und Eberhards (vgl. Ebb.
zdst.), zu denen jetzt noch Schenkls £b£i |Li* £tvu)V und Gitlbauers iTo{r)V
•öböv dvflo Y« hinzukommt.
*^ '. . qua egressns inde sim via' — dvaXueiv ist aber kein histo-
risches tempus. ^^ vielleicht darf man hier in dem von dem treff-
lichen Ambrosianus 222 gebotenen dirflXOctv eine spur desselben in-
finitivs (dTTCvOctv) erkennen, wodurch freilich der gedanke eine etwas
, andere färbung erhält.
246 OCrusius: Studien zu Babrios und den Aisopeia.
OUTUJC (Gitlb., unbabrianisch und ungriechisch); auch Zachariae ao.
s. 29 spricht von der ^rnira verborum copia'. aber die bei der er-
findung dieser fabel vorausgesetzte personificierung des wagens ein-
mal zugegeben , ist der vers hübsch und zeugt von dichterisch leb-
hafter Vorstellung: der wagen macht einen so heillosen lärm (v. 2. 5),
dasz der f uhrmann nahe herantreten musz, um vernommen werden
zu können, was sonst an kleinen sprachlichen Unebenheiten übrig
bleibt ^^ genügt nicht um ein Verdammungsurteil zu rechtfertigen.
Über die aus zwei ganz disparaten stücken zusammengesetzte
fabel 53 vgl. Leipz. Studien II s. 208. für das erste stück (der wolf
verspricht dem gefangenen fuchs gegen mitteilung von drei XÖTOi
dXr|6ivoi das leben zu schenken) ist eine weitere parallele die er-
zählung vonMidas und Seilenos beiPlut. consol. ad Apoll. 27: Lobeck
Aglaoph. s. 803, Böse Aristot. pseudepigr. s. 62, Bohde gr. roman
s. 204 anm. 3. wenn der fuchs dann im zweiten stücke dem wolf drei
boshafte Verwünschungen ins gesiebt sagt , so dient zur erläutening
eine bei Zenobios III 100 unter dem lemma eiTTOic TÖt Tp(a ^Ta^
TTapct Tf| auXr| erwähnte sitte : TOic inx Gdvaiov dTraTOji^voic Tf|V
TTappnclav TttuTTiv dbibouv, ÖCT€ Tpocpfic Kttl oTvou TiXiipiüOeTci
(auch auf derartige wünsche der todescandidaten läszt sich der wolf
ein: Aes. Halm 134. Babr. 122) Tpia X^T^iv S ßouXovTai. . kqI
Touc iv avTxji (auX^) biaiTU)|Li^vouc ömip^Tac aöXiKOuc dbvöjiiaZov,
ujc ^K TOUTou (pavepoOvTac (-t€C?) t^iv Xoibopiav (aus VB).
unbegreiflich ist, wie man bis auf Eberhard (obs. s. 11) die fabel
ohne anstosz hat lesen und übersetzen können.
Von der stark verkürzten, jetzt vierzeiligen fabel 73 findet sich
eine breit ausgeführte, in den Aisopeia nicht mitgeteilte fassung bei
Nikephoios Chumnos irepi M^uxfic (hinter Creuzers Biotin s. 1441,
vgl. zu Cicero de nat, d. III 22 s. 603): . . ^ipnic xi (cod. toi) 7T€1-
cö^eGa, 6 qpaciv ot ^uGoi toüc Iktivouc 7T€7TovWvai* outoi top • •
TÖv jifev fiXXov xpövov Upol ToTc 0€oTc fjcav . . ^KrjXouv t€ t^ djöQ
TTdvTa Kai oubfev fjv auroic TTpäTjua TxapaßXriGfivai, oöt€ kükvoi"
oÖTC T^TTiTec oÖT€ Ti fiXXo oubfev öpviGuüV ^leXtuböv T^voc . .
XcTexai bk tuj ^AttöXXujvi toutouc ^KicxaTficai Tfjc ^ttI tö KiGa-
pileiv lexvric . . ineibi\ bfe dTTCipoKciXwc Tiepl Tfjv TuiV Moucujv
böciv f cxov Kttl KaTexpoiVTC ouk ^v b^ovTi T^ X^P^Ti Tujv cuvriGujv
^* biogehen lassen kann man wohl ßctiinic für ßor)XdTiic v. 3. äpp€V€C
TaOpoi V. 1 ist verdächtig; Gitibaaer conjiciert i^p€^^c, die form /|p€^f|C
ist aber unbeseugt; möglich wäre i^p^fiac, worauf ich schon früher darch
V. 6 gekommen war, oder mit leichterer änderung dTpcjactc (dTp€|Lidc? als
adv., 8. Keller ao. s. 394): vgl. d. sprw. dTpdfUXC ßoOc. v. 6 dXXwv irt*
üj^oic qpcpo^^VT) bat Eberhard ao. s. 16 (Hoch s. 31, dagegen Zachariae
s. 33) mit recht verdächtigt, da die stiere den wagen nicht auf den schal«^
tern tragen; Qitlbaaers £t* für itt* ist mir unversändlich : ob man Babrios
das nachgestellte tit* (für in ) catrauen darf? vgl. Härtung za 96, 2.
^ sollte es mehr als ein zafälliges cosammentreffen sein, wenn es
in den dem Aphthonios zugeschriebenen fabeln Faria 201 >» Halm 170
heiszt: öciiv Totc kOkvoic i^ q)Ocic ihbf|v, TocoOniv IktCvoic irap^cx€
TÖ 1TpÖT€p0V?
OCrusiue: Studien zu Babrios und den Aisopeia. 247
djLi€Xr|cavTec, Kai bf| xai djCTiep ittttoi xP^MeTiCeiv ^irexeipouv'*
(vgl. V. 2 iTTTTOu b' dKOÜcac xpCMeTicavTOC usw.)* dviaöGa . .
dTavaKTrjcac kqt' auTuiv 6 Zeuc xai öpticGeic <tQ> tfic TvwMnc
dnXTiCTia inc le ini^rjceujc euGuc direipTe xai f^v eixov TiciXai irepl
TÖ äbeiv eÖKXciav i\ öXiTtu TravTctTraciv dcpijpeiio. xai vOv fijLiiv
elci qpaivö^evoi oubfev ^^v fibü . . cpGeTTÖMevoi, toepöv bi ti olov
Kai Tpaxu Kai dirriv^, ujCTiep ittttujv diro^i^TiiLia 9ujvfic, TeKjiiripia
In ciü2IovT€C Tou dpxciiou TrdGouc. in demselben dialog , der wohl
^u den besseren denkmälern byzantinischer prosa zählt, findet sich
mancherlei sprichwörtliches , sowie s. 1434 die aus Dion Chrjsosto-
mos Xn 7. LXXII 14 (= Aes. Halm 105. 106) bekannte fabel von
der eule und der mistel, welche auch Babrios (Bodl. 114, bei Gitl-
bauer 157 : von der schwalbe) erzählt zu haben scheint.
Zu den werten des zum arbeitsdienst gezwungenen schlacht-
rosses f. 76, 18 c\) Tdp jn' d<p' ittttwv elc övouc jueTacTricac | ttüüc
ai59ic Yttttgv iE 3vou jue TTOiticeic ; vgl. die sprichwörtliche redensart
d9 ' XnTHJJV in ' övouc Zenob. II 33 (Diogen. Vind. 1 56), erklärt : ini
Tüüv dTTÖ TU)V ceiLiVüüV im id fic€)Liva fiKÖVTtüV, und dirö övuüv ^<p '
iTTTTOuc Diogen. Vind. I 56 oder ujpouc' ic ittttguc dirö ßpabucKC-
Xdiv ÖVUÜV ebd. UI 100 (nach Naucks herstellung), erklärt: im tujv
diTÖ ^iKpujv €ic ^eiZuj x^^pouvTUJV.
Fabel 79 erwartete ich nach Lagarde s. 31 in den pseudocle-
mentinischen homilien UI 24 citiert zu finden, die worte um die es
sich handelt lauten: iknibi ToO t^vecGai 8 ^f) ^x^i (puciv Kai 8
ixei TTpocaTToXXuouca * es kommt also dabei auf eine ganz flüchtige
ähnlichkeit mit dem bekannten gemeinplatz des interpolierten epi-
mythions heraus : vgl. auch Babr. 6; 17. Eur. Bakchai 399. fr. 273.
Menandros monost. 18. Lukianos Tragodopod. 9. Plautus Psetid. 685.
F. 82: der fuchs verspottet den löwen, dasz er sich durch eine
maus, die über seine mahne gelaufen war, aus seiner ruhe habe auf-
schrecken lassen, der lö we antwortet :
ouxl TÖv mOv . . H) naXaiLivairi,
b^boiKa, jurj ^ou Tf|v bopfjv kvicij cpeuTUiV
KaKfjV bk jLieX^TTlV ^TT' djLlfe Tf]C 6boö Tpi߀l."
für den letzten vers bietet Suidas: xc^^T^lv b' ^jiieXXe TfjV d|ir|V
KaraicxOveiv. Boissonade und Hertzberg sehen hier wieder eine
spur der ^doppelten recension'; Hertzberg meint s. 208: Wiederum
kann man v. 8 in der lesart des A gegenüber Suidas . . die verstän-
dig bessernde band des dichters . . nicht verkennen . . in der that
ist kein recht erheblicher gegensatz in dem bopdv bdKveiv (KviZeiv)
und dem xctiTT]V aicxuveiv , noch ist die beschimpfiing des löwen-
haares durch die maus recht motiviert (?). vielmehr kommt alles
^^ 68 ist wohl dmxcipoOvrec zu schreiben. ^^ die verderbte lesart
des Athous lag bereits den von Eberhard citierten paraphrasten vor,
wie Aes. Cor. 218 =» H. 267'» oö töv imOv ^q)oßifieiiv , dXXd Tf|v kok^jv
Ö6ÖV Kai cuvr|6€iav dvoTp^Triu (diroTpdiiu) Lessing), was selbst Lessing
XI 102 L. nicht befriedigend zu erklären vermocht hat.
248 OCrusius: studien zu Babrios und den Aisopeia.
darauf an, dasz der löwe die Unverschämtheit des tierchens straft . .%
und demgemSsz übersetzt er s. 39 'doch soll sie frech nicht über
mich den weg wagen.' wie man das aber heraus- oder vielmehr
hineininterpretieren kann, hat Hertzberg nicht gezeigt, ebensowenig
wie er für die geschraubte redensart KaKf)V jueX^TTiv ttjc 6boö Tp(-
ßeiv oder die ungriechische Wortstellung £tt' iiii, rfic 6bo0 beispiele
beigebracht hat. der athoische vers ist ganz wertlos, sein erster teil
scheint durch einfache buchstabenverderbnis , der zweite durch ein-
gedrungene glosseme aus der tadellosen fassung des Suidas ent-
standen zu sein, welcher daher auch die mehrzahl der kritiker —
die neueren hgg. und Bemhardj gr. litt. 11^ 748 — den vorzug ge-
geben hat.^ den sinn des verses hat aber nicht nur Hertzberg, son-
dern auch Härtung (der über die lesart s. 171 richtig urteilt) gänz-
lich verkannt, wenn er übersetzt: ^nicht ihren bisz ins feil und
ihre flucht (!) furcht' ich: allein sie soll mir meine mahne nicht
höhnen.' KttTaicx^veiv ist wohl kot' €Ö9T]M^cMÖv gesetzt für das
kakemphaton Karax^civ, und da dies ein vielberufenes zeichen der
furcht ist^, so ist die pointe: 'ich fürchtete die maus nicht, sondern
wüste dasz sie selbst vor angst' usw. die tiefsinnigen , schon von
Lachmann athetierten verse des epimythions dpxö^€VOV dpTi TÖ
Gpacu tOuv ußpiCövTuüV, | kSv ^iiKpöv fj, KU)Xue jniibfe cuTX^P^i |
€UKaTa9pövTiT0V cauTÖv elvai toic 9ai3Xoic beruhen also auf
einem gröblichen misverständnis ; die fabel ist ein echtes Aicum€tOV
TcXoTov, wie 15. 34. 42. 48 uam.
Ob fabel 87 zu den verkürzten stücken gehört (Eberhard), er-
scheint mir sehr zweifelhaft; auch die von Babrios unabhängige
fassung bei Tzetzes chil. VIII 842 ff. ist nicht breiter angelegt,
verdächtig könnte allenfalls der anfang erscheinen: kuu)V Xatuidv
iE öpouc dvacTrjcac | dWwKC, bäKVU)v aÖTÖv ei KaTeiXri9ei, | etr*
aö CTpa9eic Icaive Kd9(X€i" ipaüujv — wo man sich von dem ver-
halten des hundes freilich keine rechte Vorstellung wird machen
können; für v. 1 vgl. 69, 1 Gd^vou Xatwöv bacu7T6br|v dvacTTjcac
Kuujv ^TiecTTev (Eberhard, ^biu^Kev A). einfach und klar wird das
motiv der fabel wiedergegeben in dem alten, schon von Sophokles
(fr. 902) gebrauchten sprichworte caivcic bdicvouca Kai küwv Xal-
OapTOC ei schol. Ar. Ri. 1031 = Eust. s. 1493, 32; ähnlich Zeno-
bios IV 90 Xi^GapTOC küujv ö Trpoccaivwv )li^v, XdGpot bk bdKVU)v.
'^ die entstehuog von KaKiivb€^€X€Tr)V€ii€fi€ aas xo^'^^^McXAeniv-
€|Lir)v ist evident; in öboO könnte der rest von fiuoxöbiu, einem passen-
den marf^inalglossem (vgl. oben zu 23, 3) zu KaTaicxuv€iv , zu suchen
sein (Ribbeck), in Tpißci eine falsche erklärang desselben Wortes oder
Tpißou — ÖboO. *« Aristoph. Vö. 68. Ri. 224. Wo. 296. Pro. 479.
We. 627. 941. Fri. 176. 1176 (=- Apostolios IV 73). Plut. 693. Phaedms
fab. IV 18, wo es den hunden bei Jnpiters anblick ebenso geht wie hier
der maus. ^^ so Eberhard; A ibc q>iX\^, für Eberhards ändening
spricht ancb Tzetzes ao. bdxvQvra . . ^v cpiXrmdTwv Tpöiroic. vorher
conjiciert Gitlbauer aV^ari Tpaq>€ic: was ans metrischen und sachlichen
gründen (vgl. die mitgeteilten Sprichwörter) wieder Yöllig unmöglich ist.
OCrusiuB: Studien zu Babrios und den Aieopeia. 249
Apostolios-Arsenios X 66 a XrjöapYOC el" ^ni tOüv TrpaüvojLidvuüV,
KpU9lUiC bi. baKVÖVTUiV.
Zum schlusz noch einige worte über die vielbehandelte stelle
95, 76 ff. , zu der bereits Leipz. Studien 11 s. 216 eine Vermutung
mitgeteilt {wurde, der fuchs sagt dem hirsch : xai vCv ^Keivoc (der
löwe) TtXeiov fj cu Gu^oOiai | Xiriv fiTiiCTOv Tieipdcac C€ xai kou9T]v, |
ßaciXea be <pr|ci töv Xukov Karacxiiceiv. v. 78 ist der überlieferte
proceleusmaticus (mit kürzung des a) völlig unzulässig, die mehr-
zahl der vorgebrachten emendationen hat ihre bedenken ^ ; am anspre«
chendsten vermutete Hecker (Philol. V s. 492) und später MSchmidt
XiJKOV bi (pr\Q\ ßaciX^a KaTacTrjceiv. man wird aber mit noch leich-
terer Änderung auskommen können, wenn man nach v. 76 ein kolon
setzt und v. 77 und 78 nach Streichung von bfe (vgl. 112, ö) ver-
bindet: Xir|v fimcTOV Tieipdcac C€ . . ßaciXfiä (pr\c\ usw.*®: denn
ßaciX^jäkann nicht' beibehalten werden, da der dichter den vers nie
mit tribrachischen oder proceleusmatischen Wörtern beginnt, son-
dern die erste silbe des tribrachjs stets von. den übrigen trennt
(Eberhard praef. s. IV. VII). die ionische form der bei Babrios sehr
seltenen nomina auf -€ijc'° ist überliefert 132 (131) = Vat. 137, 24
ouprjeciv (corr. o0pr)€cciv: .EnöU ao. s. 684) und musz 131 (130)
= Vat. 136, 1 vojLina (vO|Li^a V.) des verses wegen hergestellt wer-
den; analog ist in A überliefert vfia 71, 1.^* Babrios scheint dem-
nach, wie die gleichzeitigen epiker und epigrammatiker^*, diesen
formen den vorzug gegeben zu haben.*
^^ ßaciXf) Fix, Lachmann; aber diese von den alten dramatikem
und lyrikern angewandte form ist bei den Alexandrinern nur ganz ver-
einzelt, im Zeitalter des Babrios gar nicht nachweisbar (Eberhard obs.
s. 12). Eberhard gibt drei vorschlage: q>r)cl bi 6uvdcTr)V, qprjciv 6'
dvoKTa (obs. s. 11), <pr\c\ bi ßaciXda: der erste und dritte verstöszt
aber gegen das Lachmannsche gesetz über die form der auflösungen,
und auszerdem hat der dichter <pr\cl nie an den versanfang gestellt
(während es sich an der überlieferten stelle auch 13, 10. 60, 3. 103, 17.
106, 25. 110, 4 findet), die synizese, wozu Bachholz seine Zuflucht nimt,
ist unbabrianisch. ^^ das asyndeton bei einem erklärungssatze wie
91, 5 — 8: vgl. Krüger spr. § 59, 1, 5. ^® in A findet sich auszer
ßaciXeOc (67, 6 uö.] nur ßaciX^uic (prooem. II 1), und an kritisch ganz
unsichern stellen dXqpiTcOci (29, 4) und ßaciXctc (95, 65). ^^ die ver-
wandte form iTÖXr^ac schlug Nauck Philol. VI 407 in f. 70, 6 vor für das
überlieferte iToXTäc (mit übersehenem compendiam s= tröXcic Täc); die
verse 6 — 9 gehören aber dem epimythiendichter: Eberhard obs. s. 7
mitte, Hoche de B. fab. s. 17. 19. 23. auf ßaciXf)a Babr. syll. II 40, 3
darf man sich nicht berufen. « anth. ?al. VII 66. IX 125, 10. 624.
655. 656 usw. die form ßaciXf^a zb. bei Oppian kyneg. I 68. anth. Pal.
IX 461, 4. 524, 1. Lukianos iT€pi if\c Cupinc 6€o0 20. 23. [* Ruther-
fords ausgäbe konnte bei dem vorliegenden, schon im herbste v. j. ab-
geschlossenen aufsatze leider noch nicht benutzt werden, in der auf-
fassung von Vat. 164, 8 ff. (wie von 11, 3: vgl. Leipz. Studien 11 s. 184
anm. 1) bin ich, wie ich jetzt zu meiner freude sehe, im wesentlichen
mit Sauppe Gott. gel. anz. 1879 s. 1578 zusammengetroffen, der jedoch
V. 8 f. keinerlei änderung vomimt.]
Leipzig. Otto Crusiüs.
250 AGemoU: zur erklärung und kritik der Homerischen gedichte. I.
40.
ZUR ERKLÄRUNG UND KRITIK DER HOMERISCHEN
GEDICHTE.
I. EINIGES VON HOMERISCHEN ZAHLEN.
1. RHercher sagt in seinem trefflichen aufisatze ^Homer und das
Ithaka der Wirklichkeit' im Hermes I &• 274 anm. 1 folgendes: *za
wünschen wäre, dasz man endlich . . gewissen zahlen bei Homer nur
poetische bedeutung beilegte.' zu diesen 'gewissen' zahlen, 'die mit
der Wirklichkeit nichts zu schaffen haben', und die er deshalb auch
'imaginäre' zahlen nennt, rechnet Horcher in erster linie die z w an z i g.
er opponiert nachdrücklich gegen die bemerkung eines neuem er-
klärers (Ameis) zu ß 212, dasz zwanzig die gewöhnliche zahl der
rüderer auf Homerischen fahrzeugen sei , die nicht zum kriege , son-
dern für die reise bestimmt seien, dasz dieser neuere erklärer auch
nur von einer poetischen zahl spricht, hat Horcher in der eile
übersehen, doch meine ich dasz in der that weder die schiffe mit
zwanzig, noch die gröszem mit fünfzig rudern erfunden sind, wenn
unsere dichter jemanden zu schiffe fortschicken, so föllt es ihnen gar
nicht ein zu dem zwecke schiffe anzuwenden, die in Wirklichkeit
nicht existieren ; im gegenteil^ sie lehnen sich sorgfältig an die Wirk-
lichkeit an. und Homer sollte anders verfEÜiren sein? doch ich habe
auch einen stricten beweis für meine behauptung. i 322 sagt Odjs-
seus von dem knüttel des Kyklopen: 'wir schätzten ihn so grosz
wie den mast eines zwanzigruderers' usw. hier setzt der dich-
ter, indem er seinen beiden so sprechen läszt, eine ganz bestimmte
gröszenvorstellung bei seinen zuhörem voraus, es wäre lächerlich
eine maszbestimmung von einem fingierten gegenstände zu nehmen.
also zwanzigruderer sind nicht fingiert , es gab deren wirklich, jeder
zuhörer kannte sie. und was den zwanzigruderem recht ist, das
ist den fünfzigruderem billig, auch sie müssen notwendigerweise
existiert haben.
Die zwanzigruderer nun begegnen auszer i 322 noch A 309.
ß 212. b 669; die fünfzigruderer finden wir namentlich vor Troja.
so sind fünfzigruderer die schiffe des Philoktetes nach B 719, die des
Achilleus nach IT 170. doch auch für Nestors schiffe (B 602) läszt
sich dasselbe annehmen nach f 7, wie schon Nitzsch (anm. I s. 137)
gesehen hat. in der Odyssee nemlich feiert Nestor ein opfer mit
9 X 500 Pyliem. dieselbe anzahl ergeben die 90 schiffe Nestors in
der llias; wenn wir auf jedes schiff 50 rüderer rechnen, dasz diese
Übereinstimmung zwischen Ilias und Odyssee keine zufällige, son-
dern eine beabsichtigte ist, liegt auf der band, dasz aber hier der
Verfasser von Y 7 es war« der sich mit der Dias in Übereinstimmung
setzen wollte, habe ich im Hermes XViÜ s. 44 f. wahrscheinlich zu
machen gesucht.
AGemoll: zur erklärung und kritik der Homerischen gedichte. I. 251
Hat aber hier der Verfasser von f 7 schon den schiffskatalog
benutzt, so ist es doch kaum glaublich, dasz er B 510 gelesen hat,
wo den 50 schiffen der Boioter je 120 mann gegeben werden, da die
schiffe der Boioter zuerst genannt werden, so überträgt der leser
oder hörer die zahl 120 unwillkürlich auch atif die übrigen schiffe,
bis B 719 bei Philoktetes schiffen eine andere angäbe gemacht wird,
so hat denn auch Thukjdides in folge dessen (I 10) den durch-
schnitt von 120 und 50 als das normale angenommen, das kann un-
möglich richtig sein, nirgends werden bei Homer gröszere schiffe
als von 50 rüderem erwähnt , auszer hier bei den Boiotem. wenn
Achilleus, wenn Philoktetes, wenn, wie wir eben sahen, auch Nestors
schiffe nur fünfzig mann enthalten, so musz diese zahl als die nor-
male betrachtet werden; und das um so mehr, da, wie ich schon
sagte , der Verfasser von T 7 , der doch der zeit des schiffskatalogs
noch viel näher stand als Thukydides, Nestors schiffe nur zu 50
mann berechnete, das hätte er aber nicht gekonnt, wenn er B 510
schon an seiner stelle gefunden hätte, wo Thukydides den vers fand
und wo wir ihn linden, es folgt daher für mich ganz unzweifelhaft
aus der berechnung der Pjlier in f 7, dasz B 510 und somit
auch die vorhergehenden verse von 494 an erst nach der
entstehung von f 7, also sagen wir kurz, des dritten buchs der
Odyssee in die Ilias eingefügt worden sind.
Diese Vermutung wird noch gewisser, wenn wir finden dasz
auch des Odysseus schiffe zu rund 50 mann angesetzt werden. Odys-
seus, der ursprünglich 12 schiffe nach Troja gefELhrt hatte (B 637.
i 159), verlor bekanntlich bei den Laistrygonen alle bis auf ein ein-
ziges, in diesem befinden sich nach k 208 noch 44 geehrten, nun
hat Odysseus gerade mit seinem schiffe (i 173) das Eyklopenaben-
teuer bestanden und dabei 6 geehrten eingebttszt. das macht also
ebenfalls 50 mann, rechnet man noch Odysseus und Eurylochos
hinzu, so erhält man k 208 dieselben 52 mann wie auf dem Phaiaken-
schiffe (8 35), welches den Odysseus heimfährt.^
2. Wie eine zahl in 6inem falle der Wirklichkeit entsprechen,
in dem andern aufs geratewohl genommen sein kann, werde ich jetzt
an der neun zahl ausführen.
Wenn die pfeile des gottes (A 53) gerade neun tage fliegen,
9 herolde die Achaier (B 96), 9 kampfrichter die Phaiaken (9 258)
ordnen, Bellerophontes 9 ta^e (Z 174) bewirtet, Phoinix 9 nachte
bewacht (I 474) wird , wenn die götter 9 tage an der schiffsmauer
(M 25) zerstören, so sind das natürlich gerade so ^imaginäre' zahlen,
als wenn die zahl der Musen (uj 60) oder die zahl der jähre des
troischen krieges (B 134. 295 uö.) auf neun angegeben wird.
^ man hüte sich hierher noch i 60 zu ziehen, denn wenn es dort
heiszt: §H b' dq)* iK&CTY\c vy\öc £uKVir)juii6€C ^ralpoi JjXgvO', so zeigt
schon das ^ralpoi deutlich an, dasz das schiff des Odysseus ausge-
schlossen ist. wie konnte es auch anders sein, wo er selbst (i 43)
immer von dem thörichten beginnen abgemahnt bat?
252 AGemoll: zur erklftnmg und kritik der HomGrischen gedichie. L
Wenn dagegen Priamos (Q 664) 9 tage frhi tOat die totenUage
fordert, die himmlischen selbst 9 tage die Niobiden liegen lassen
und am zehnten begraben (Q 610) , Achilleus die laiche Hektors
9 tage (vgl. Q 107 mit 413) um des PatroUos grabmal schleift, so
sehe ich darin keine imaginftre zahl, sondern eine spur uralten
brauchs im griechischen volke. wer möchte auch dem soholiasttfi
zu Q 664 beistimmen, wenn er zu der Zeitangabe bemerkt: <piXo-
TrevB^c fäp tö ßdpßopov? dasz auch in, historischer zeit die schan-
stellung des toten Iftnger als bis zum dritten tage ausgedehnt wurde,
darüber vgl. EZFHermann privataltertttmer' s. 366. ganx mit recht
erklärt da^ber (Faesi-)Ea7ser zu u) 63 in diesem £Edle die nennzahl
der tage für ^e gebräuchliche, welche auch in den fvctrai saarum
novemdiäle erscheine.
Wenn nun an der letzl^fenannten stelle (ui 63) Agamemnon be-
richtet, man habe den Peleiden 17 tage beklagt und ihn am acht-
zehnten verbrannt, so ist das eine offenbare er&idung, deren Yeraa-
lassung auf der band liegt, der dichter will mit dieser verdoppeliiiig
der klagefrist andeuten, wie sehr man den yerlust des gOttersohnes
zu würdigen gewust habe.
Eine ähnliche Steigerung von 9 zu 17 bietet C 279. der gött-
liche dulder Odysseus hat vieles erduldet auf dem meere, er hat
zweimal 9 tage auf dem feuchten dement als schiffbrüchiger luge«
bracht (r\ 253. |i 447)'; aber welch eine übermenschliche kraft der
göttliche Odysseus besasz, dessen werden wir doch erst recht imie,
wenn wir ei^ahren dass er 17 tage ohne zu schlafen das Steuer seinaB
floszes lenkte, so weisz der diditer durch Steigerung des gewöhn-
lichen maszes in uns staunen und bewunderung zu erregen.
Ganz gleiche bewandtnis hat es mit 6 110 ffl gewöhnlich heiatt
es (H 161. 6 266) dasz sich neun fürsten zum kämpfe melden, bei
dem wunderbaren volke der Phaiaken dagegen reicht diese zahl
nicht aus. dort melden sich 17 Jünglinge zu kampfspielen auf die
auff orderung des Alkinoos , und Odysseus ist der achtzehnte.
Nicht anders steht es mit TT 783. dort heiszt es, dasz Patroklos
dreimal anstürmte und jedesmal 9 männer tötete, das will weiter
nichts besagen, als dasz Patroklos vor seinem tode eine wunder-
gleiche tapferkeit entwickelte, eine tapferkeit die dreimal gröszer
als die der beiden sonst war. man vergleiche TT 692. dort beginnt
der dichter: £v6a Tiva irpiürrov, Tiva b* öcrarov iSevdpiSoc»
TTaTpÖKXeic usw. und führt dann 9 namen gefallener auf. ganz
ebenso geschieht es A 299 bei Hektor.'
* anch die Seereise k 27 dauert 9 toge; femer treibt er aneh in der
erdichteten erzftblung E 314 9 tt^gt auf dem meere als schiffbrüchiger
umher. ' welche dimensionen diese cablenspielerei in den Homeii-
schen gediehten bat, ersieht man ans folgendem beispiel: der psendo-
Kastoride führt vor dem troischen kriege nennranbiüge (E230)» kämpft
dann nenn jähre vor Troia (240), fährt wieder mit nenn schiffen (248)
aus nnd treibt schliesslich nenn tage (814) anf dem meere.
.-w
CbZiegler: zu Theognis. 253
3« Hieran schliesze ich noch eine stelle, aus welcher hervorgebt,
wie fest ursprünglich vielleicht willkürlich gewählte zahlen im*geiste
der Sänger hafteten, auf der ziegeninsel finden Odysseus und die
seinen reiche beute (i 159): vfiec jii^v jiioi ^ttovto buiJübCKa, de bk
^KdcTTiv ivvla Xdtxctvov altec • djuci bk biK ' d£eXov oTip. das sind
im ganzen 118 ziegen. gerade so viel beträgt tt 247 die zahl der
freier mit ihren dienern, es kann nach meiner meinung gar keinem
zweifei unterliegen, dasz diese Übereinstimmung in der zahl eine
beabsichtigte ist. die ziegenjagd erscheint durch diese zahlengleich-
heit als eine symbolische Vorbedeutung des freiermordes. dasz diese
beziehung von 6inem und demselben dichter geschaffen sei, erscheint
mir deshalb als zweifelhaft, weil der Verfasser der stelle in tt sichtlich
grosze mühe gehabt hat die zahl 118 herauszubekommen, die sich
dem Verfasser von i 159 f. ganz von selbst ergab, man erwäge:
in 1 159 hat Odysseus wie B 637 zwölf schiffe, jedes erhält 9 ziegen^
er selbst 10. in tt dagegen stammen aus Dulichion 52 freier, die
merkwürdig genug gerade 6 diener haben, ein vorzug der den an-
dern freiem nicht zu teil wird ; aus Same sind 24 mann, aus Zakyn-
thos 20 Jünglinge, aus Ithake 12 der allerbesten; und bei ihnen sind
Medon, Phemios und, um die zahl voll zu machen, zwei zerleger,
ich bin daher der ansieht, dasz der Verfasser der stelle in TT
die ziegenjagd vorfand und auf seine weise symbolisch
deutete.
WoHLAu. Albert Gemoll.
41.
ZU THEOGNIS.
Im folgenden gebe ich die nachvergleichung, die ich von dem
Vaticanus 63 (N) angestellt und in diesen jahrb. 1882 s. 447 ver-
sprochen habe, der codex, einer der relativ besten der dritten classe,
gehört zu denen die in Paris waren, ist, wie Bekker richtig bemerkt,
^scriptum minuta et eleganti' und sehr leicht zu vergleichen, wie
alle Codices hat er seine fehler in accenten (cräcic, (pOvTa, dbuüv,
Keivoc t'> bfijLiov T^), in spiritus (dvbdvu), dXixpöv, äpjiieva, fjjioc),
in der elision (Kupve ^Eeic, KXaiouciv oöb'). constant accentuiert
wird wie im Vat. 915 out^ K€V, uicT^ c€, ördv toi, oöt^ Tiva. das
V dcpeXK. steht gleichfalls wie im Vat. 915 in der regel nur vor
vocalen und wo es position bildet, encliticae sind nicht selten jiiev
und be,
V. 53 kolon nach dXXoi, ebenso 56 nach ttöXiv 124 rrdv-
TU)V — TTdv* 139 ^e^Xijciv — ie^Xriciv 162 TifveTai —
Tiveiai 228 vöov — ßiov 236 dXiwcofi^vn ^vij 257
KaXXn 269—70 Trdviq — Trdvxn 329 ?Xev — 8 a sec. 358
* wo durch — geschieden ist, geht Bekkers collation voran, das
eine nnd andere hat B. vielleicht absichtlich übergangen.
254 ChZiegler: m Theognis*
dKÖOvai — ö corr. in 0 376 b* €Ö — €Ö 379 cuHppooivy|V —
-VT) 396 iOeia — iOefa 443 unten xaKOictv — Kaxoia 446
keine interpanotion 463 OÜTC TOt — oOri Ti 483 Spbuiv —
fpbu)v (508 £p£ui. 955 £pbovn. 982. 991 ^pbuiv) 487 cö Vk
£X€ sine intervallo — com interrallo post tii be 552 b^uiv —
br\l\x)V 572 unten dircipTiTOi 604 rä vOv — tovOv 609
TifvcTai — T Ä sec 658 direi der* — dirci fcr* 687 fcrtv —
fcTi 689—90 8 Ti — 8t€ 711 flXueev — fiXäev 732 nach
q)(Xov kolon , ebenso nach iprfa 735 Ticat — xkat 749 foUt
dvfip 760 dpOpd^cm — iS corr. in di 809 k* iti — k^ n 869
fjv b^ Tt jLioi TToO^v 894 die bf| KuqicXiZuiv — die icui|i€XX{Zuiv
899 nach £pT|iaTa kolon 901 dcnv 6 jilv x^ipov, 6 b' j^vöv
T* — iciiy 8 ^lky x«i ^öb* djüictvov t* ^18 odirtTuxdrv — Mm-
935—36 ICOL elicouctv 955 töv T€ — TÖv t€ 967 Trdv-
Tuic — irdvTuiv 988 nach XdßpuK kolon 999 dvi&rct —
dvii&TOi 1087 dvbpd TOt ict* 1058 i^o\ fif^v dfupl TrepticrCoa
— iyio\ fif|V lac. djuupl irepticnioct 1095 ^oi T€ — fjubite
1096 nach £pb€iv kolon. unten ToOe' 1211 b^wcdlc — b' fwoZc
a sec. 142. 193. 657 wftre die genauere fasBung: in maig.TP*
6€oi b' ^Kdc — IbdrVy sup. eibdic — firouv XuiroO sup. mbro a
sec. in meinen add. habe ich zu in nachzutragen: 131 — 142.
213—218. 895—900. 945-948. 1081—1086. 1103—1106. 1199
—1132. 1155—1160. 1183—1186.
. Die falschen litterarischen angaben, die sich noch in der tertia
der Bergkschen poetae lyrici im Theognis ÜEUiden, sind jetzt zu einmn
guten teil berichtigt, alle nicht, ungefthr 30 stellen eaford^m noch
eine berichtigung. ich erlaube mir dieselben der reihe nach hier aa-
zuführen, damit nicht dinge, die man bereits bei Yinetus und Came^
rarius liest, fortwfthrend Tumebus und Neander oder gar Brunek,
Bekker, Hermann, Härtung zugeschrieben werden.
V. 44 boicQ Gam. 101 ija\beic c' ut A Gam. 119 i sec.
Bekkerum dvcxCTÖc, dvcxCTOC primus Cam. 127 iror' iobpiw
Cam. in textu, in notis itot' ic i&piov et ttot' ic diviov ut Brunek
219 \ir\bky ut A Gam. 256 Bekker in I dpifnro, in H ipSxo
304 ßdXijc Crispinus 340 i^v . . idxot Gam. 365 Bekker vöov,
non vöip 537 — 38 oöb' — oibi Cam. 553 iceXeiieou Gam.
589 KaKi&c Cam. 608 ut Härtung interpunzit iam Cam. 628
Härtung fi^vg cum Tumebo 666 Gam. Ti|yif)c ut A 667 oki
TrdpoiGev, quod Stell in anthologiam suam reoepit, proposuit etiam
HSchneidewin 703 dibeui ut A Tumebus 716 Ta Yinetus, in
textu iam Hertel 770 interpunzit post eibciii iam Gam. 796
dXXoc To( C€ iam OrellL fiXXoc xk C€ Oun. 891 dvaXic€iT|C Bekker
in I , dvaXxinc in n 1006 ^^vq Cam. 1038 dv i^ox TVidfvg
Cam. 1058 Cam. in textu ^jiol lac dfuptirepiicnioct, in noiis
Tijiriv. Brunek Kai ^v äfiipmcpticrioct , Bekker xal ^ dfiqp-av
1093 TwdiCKUiv ut 0 Gam. 1129—32 primus diremit Bekker
1136 OSXujiirövb* Cam. 1157—58 primus huc inaeraiidos
GBeidtmann : das thronfolgerecht der spartan« kronprinzensölme. 255
censuit Yinetus, quem secutus est Cam. 1194 Yiverai, 1226 tivou
iam Cam. 1287 Bekker in 11 96UT0VTä ^€, in I in notis: «fortasse
nep» 1323 KuTipoTCV^c Bekker in I, KuTipOT^vn in 11 1327
Orelli coni. olim c' aivujv, postea id improbans c' aiToiv 1333
— 34 coniunxerat cum praegressis iam Welcker 1350 ££€|LidvT]V
Orelli postea reiecit , Baiteri emendationem ££6(pdvT]V praeferens.
Stuttgart. Christoph Ziegler.
42.
DAS THRONFOLGERECHT
DER SPARTANISCHEN KRONPRINZENSÖHNE.
zu HBRODOTOS VII 3.
Nach der gewöhnlichen ansieht gieng in Sparta das königtum
durch erbf olge nicht unbedingt auf den erstgeborenen , sondern auf
deiyenigen söhn über, der zuerst während der regierung des
Vaters geboren war (Schömann gr. alt. I' s. 233). wäre diese an-
sieht richtig, so müste man sich wundern dasz ein verständiges volk
ein so unverständiges gesetz haben und Jahrhunderte lang festhalten
konnte : denn eine solche einrichtung hätte nicht selten zu Unsicher-
heit in der thronfolge, zu Zerwürfnissen in den königlichen familien
und zu bürgerzwisten führen müssen, es kann aber nicht schwer
halten nachzuweisen , dasz eine solche bevorzugung jüngerer , viel-
leicht minorenner söhne vor älteren, vielleicht majorennen derselben
eitern in Sparta niemals bestanden hat. Schömann beruft sich allein
auf Herodotos VH 3, und auch andere gelehrte haben kein zweites
citat beizubringen vermocht; HStein bemerkt zu jener stelle aus-
drücklich ^von dem spartanischen brauche ist sonst nichts bekannt.'
es kommt also alles darauf an ob die in rede stehenden worte Hero-
dots {inei fe kqI ^v Cirdpii] i(pr] 6 AiifidpriTOC uTroxiG^iiievoc oötu)
vo^iCecGai, f\v o\ jnfev irpoTeTOVÖTec fuici irpiv f[ töv naiepcf C9^u)v
ßaciXeOcai, 6 bi. ßaciXeuovn öh/itovoc ^7TiT^VT]Tai , toO diriTevo-
jLi^vou Tf)v ^KbeEiv ific ßaciXniiic livecOai) als echt angesehen wer-
den dürfen, und diese frage ist unbedenklich zu verneinen.
Der Zusammenhang ist folgender, könig Dareios, Hystaspes
söhn, will einen feldzug gegen Aegjpten unternehmen und musz
deshalb für die zeit seiner abwesenheit einen regenten ernennen,
das nächste anrecht auf die regentschaft hat derjenige prinz, der
dem throne am nächsten steht, der kronprinz; mithin entscheidet
die emennung zum regenten zugleich über die thronfolge. dasz die
kröne wie unter Kjros so auch jetzt erblich sei nach dem rechte der
männlichen erstgeburt, galt als selbstverständliche Voraussetzung;
dennoch aber war unter den söhnen des Dareios streit über die nach-
folge, der könig lebte in zweiter ehe; in der ersten, mit einer toch-
256 GHeidtmann: das thronfolgeiecht der spartan.
ter des Gobryas, hatte er vor seiner thronbesteigimg drei sOhne ge*
zeugt, Yon weldien Artabaianes der filteste war; aus der EweitaB,
mit Atossa, der tochter des Eyros, die er nach seiner thronbesteigimg
geheiratet, stammten vier söhne, Yon denen Xerxes der lüteste war«
Artabazanes und Xerxes stritten um die regentsohaft und nachfolge.
ersterer stützte sich auf das , wie er sagte, überall anerkannte vedit
der erstgeburt, Xerxes beanspruchte ein Vorrecht als söhn der Atossa
und enkel des Eyros. für Xerxes war seine mutter, und da sie den
könig beherschte (elxe TÖ irfiv Kpdroc), war auch Il^ios nicht ab-
geneigt ihr zu willen zu sein; aber er zögerte mit der entsoheidung^
offenbar weil ihm ein dem Yolke einleuchtenderreehts-
grund für die boYorzugung des Xerxes fehlte, in dieser
Verlegenheit erschien Demaratos, und was bisher eine intrigue ge*
wesen war, erhob er zu einer rechtsfirage« seine deduction hatte,
wenn wir die bei Herodotos fehlenden mittelglieder ergänzen, ohne
zweifei folgenden inhalt: in einer erbmonardiie geht die fiOdgkeit
und ev. das recht den thron zu besteigen ipsa procreatione vom vater*
auf den söhn über als ausflusz seiner sonverftnen person; wer aber
weder einen thron inne hat noch ein recht auf denselben bentrt,
kann solches auch nicht procreando vererben, soll also Artabaiaiiea
kronprinz sein, so gehört dazu eine eigne staatsrechtliche stipnlatioA:
denn durch seine geburt hat er nur die qualitftt die sein vater da-
mals hatte, dh. die eines ibu(rrr|C Xerxes dagegen ist geboren ab
söhn eines königs und eo ipso thronffthig, dazu als fitester andi
thronberechtigt, g^fen diese deduction liesz sich nach meiner an-
sieht nichts stichhaltiges einwenden, und Dareios war ganz im reebtei
wenn er sie acceptierte und Xerxes zum steUvertreter und naehfölger
ernannte, die bemfiing auf Sparta war hier ganz überflüssig, imd
sie hätte überdies zwei ganz verschiedene dinge vermischt, nemtieh
das angeborene recht der prinzen in einer erbmonarchie und die be-
föhigung der söhne eines ibi((mic
Die entscheidung des Dareios, des Stifters einer neuen dynastie,
muste ohne zweifei für sein haus staatsrechtliche geltung haben,
und hätte er die angeblich spartanische erbfolgeordnung als riditig
anerkannt, so hätte auch in Persien später danach verfahren werden
müssen, das geschah aber keineswegs.
Achtzig jähre später bewarben sich zwei söhne des königs
Dareios Notiios um die nachfolge, Artaxerxee Mnemon und Eyros;
die mutter beider, Parysatis, war für Eyros und glaubte üsk auf
Demaratos berufen zu können, weil der ältere, Artaxerxee, ein kum^
prinzenkind, Eyros ein königskind sei ^lut. Artax. 2). Darsiot
Nothos entschied aber für Axtaxerxes und mit vollem rechte: denn
dieser war nicht als söhn eines ibubrric, sondern als der eines legi*
timen kronprinzen geboren und hatte deshalb ein angeborenes (ge*
nauer ein angezeugtes) erbrecht.
WsesL. OusTAY HiiDTiiAnr.
JBQoebel: zu Piatons apologie des Sokratet. 257
43.
ZU PLATONS APOLOGIE DES SOKRATES.
(fortsetzung von Jahrgang 1882 s. 747—750.)
35*» laOra t&Pi t5 fivbpec 'AGrivaToi, oöt€ ufiäc XP^ iroiciv
Touc boKoOvTac Kttl ÖTioöv eTvai, oöt', öv fiineic 1rolüü^€v, u^äc
^TTiTp^Treiv usw. die richtige auffassung^des f&p an dieser stelle
hängt mit der entscheidung darüber, ob man mit Cron und Hermann
die urkundliche lesart oöt€ U)Liäc beibehalten oder mit Bekker,
Stallbaum; Ludwig, Wohlrab, Schanz ua. in oijT€ fljLiäc ändern
solle, meines erachtens aufs engste zusammen, wer f&Q oder , si dis
placet, t' äp' hier als 'wenigstens nun' erklärt (so FWMUnscher in
Jahrb. 1865 s. 477) oder gar mit *also' übersetzt (Schleiermaoher),
der wird begreiflicher weise auf oike ^jiäc geführt, aber ist denn
jene deutung des fcip richtig? ich glaube es nicht und stimme auch
nicht mit der auffassung von Cron (jahrb. 1866 s. 125) überein,
sondern finde in dem satze mit f&p (»» 'nemlich') den grund oder
richtiger die erklärung fQr den voraufj^ehenden gedanken et
4jLioi bOKoOciv alcxuvT]v Tr| rröXei TrepidtTiTeiv , üjct' fiv xiva usw.
Sokrates findet es natürlich und begreiflich, dasz fremde, wenn sie
in Athen sogar männer von ansehen (boKOÖVTdc Ti eTvai) sich so
kläglich gebärden sehen, geringschätzig über den staat urteilen,
statt nun begründend fortzufahren: Menn so etwas ist ja auch
in der that höchst schmählich und schimpflich, sowohl für die welche
die scenen aufführen, als für die welche sie dulden', sagt Sokrates
erklärend: 'derlei (laÖTtt = TOiauTa) dürft ihr nemlich weder
thun, die ihr irgendwie in ansehen steht (toOc bOKoOvTac Kai
6tioCv etvai), noch dürft ihres dulden, sondern vielmehr den, der
durch solche jammerscenen den staat lächerlich macht, weit eher
verurteilen als den der sich ruhig verhält.' es ist also kein gi*und
die besser beglaubigte lesart out6 Ujuac zu verlassen, die haupt-
antithese ruht, während das erste upäc tonlos ist, auf den beiden
Verben TTOieiv und dTTirp^iTCiv, und dazu kommt eine zweite, secun-
däre der pronomina i\yie\c — Ujiiäc im zweiten gliede. auch hätte
doch wohl, wenn von vorn herein der hauptgegensatz auf f))iäc
und UjLiäc liegen sollte, Piaton (wie 35^) geschrieben oöO' Ujuäc,
Sv fmeic TTOiuj|Li€V, ^TTiTp^Treiv, anstatt GOT ', Sv f|M€ic tt., u^i&c
^TTiTp^neiv. endlich ist nicht zu übersehen ; dasz die anrede db äv-
bpec 'AOr)vaToi keineswegs lediglich auf die richter geht (vgl. 28 ^
32 ^ uaw.) , wenn auch im zweiten satzgliede vorzugsweise auf die
heliasteneigenschaft bezug genommen wird.
So« TÖ jLifev |Lif| dTavttKTeiv, ui fivbpec 'AGrivaioi, ^m toutiji
tCl) TCTOVÖTi usw. man vermiszt ungern (umgekehrt wie 38*^. 54 <*
(prjcouci TÖiP ö^ [M€] cocpdv ctvai) das subject zu dem inf. dtctvaK-
T€Tv, während anderseits das dem fi^v entsprechende l>4. fehlt, denn
das 36^ folgende TijiäTai b' ouv fioi 6 dvf|p OavdTOu wird doch
Jahrbacher f&r das«, philol. 1883 hft. 4. 17
258 EGoebel: zu Piatons apologie des Sokrates.
wohl dem voraufgehenden MeXiiTöv jiifev oöv . . diroTrecpeuta cor-
respondieren. sollte also vielleicht ixe ftlr jii^v zu setzen sein? den
umgekehrten fall nimt Hermann 39^ an: oiö|i€VOi ^^v diraXXd^e-
c6ai (wo freilich andere das in den besten hss. überlieferte |Li€ ganz
tilgen oder mit Winckelmann vor oiö)Li€VOi setzen).
36* QU T^p ipM^v fTW)T€ oÖTU) irap* öXiTOV ?cec9ai, dXXd
TTapd TTcXu. über den sinn dieser stelle kann kein zweifei ob-
walten , wohl aber über die construction und den sprachlichen aas-
druck, während Cron mit Viger s. 646 meint: ^das subj. zu £c€-
c8ai ist aus TÖv T^TOVÖra dpiOjiiöv zu entnehmen', nimt Ludwig
mit recht tö t^tovöc toOto als subject an. eine befriedigende er-
klärung des ausdrucks napd ttoXu kann man es aber sicher nicht
nennen, wenn Viger ao. sagt: ^irapd ircXu ^cnv idem est qnöd
müUum ahes^ und übersetzt: 'nee enim sane putaveram tantn-
lum, sed longe plurimum discriminis futurum' (nempe in
sententiarum numero). auch Ludwig erklärt den sprachlichen aas-
druck nicht, das ziemlich häufige irap" öXitov oder Trapd fiixpöv
helszt eigentlich 'an wenigem vorbei, hart vorbei' dh. knapp, wenig
fehlt, kaum und beinahe, zb. Tiap' öXiYOV bi^q)€UTOV Thuk. VII 71,
Tiap' öXiYOV dTT^9irr6C dXeOpov Eur. Iph. T. 871. so also auch
hier: dasz es, TÖ t^TOVÖC toOto dh. meine Verurteilung, (nur) so
knapp, mit genauer not, erfolgen werde.' als gegensatz dazu
steht nun hier irapd ncXu, dh., da von dem Stimmenverhältnis die
rede ist, 'mit überwiegender majorität'. bei Demosth. 24 ^ 138 da-
gegen, worauf Cron verweist, heiszt Tiap' öXiTCtc i|irJ90uc einfach
'gegen wenige stimmen' dh. 'fast einstimmig', nicht aber 'mit
einer mehrheit von wenigen stimmen', eine andere Vorstellung,
nemlich die der vergleichenden nebeneinanderstellung, liegt der
adverbialen redewendung nap' oub^v <» 'soviel wie nichts' (zb.
Aisch. Ag. 229. Eum. 213. 846. Soph. OT. 983. El. 1327. Ant. 36.
466) zu gründe: irap' ouWv icix juci, Tiap* oubfev KrjbojLiai toO
ßiou usw.
36'* dyuj bt bf| rivoc öjiiTv dvTmjLir^cofiai; mit rücksicht auf
den ethischen dativ ujiiv , der fast einem eingeschobenen ßouXecOe
gleichkommt, sowie auf die wenn auch nur scheinbare unentschlossen-
heit des Sokrates empfiehlt sich auch hier der conjunctiv der zwei-
felnden frage, welcher 37*^ in der besten hs. steht, jedenfalls
scheint es richtiger, wenn einmal beide stellen in Übereinstimmung
gebracht werden sollen, an unserer stelle den conj. (mit Hirschig
und Cobet) als an der andern das futurum (mit Stallbaum) zu ver-
langen, übrigens zeigen beispiele wie Eur. Ion 788 €iTru)fi€V f[
QVi^)xe\ fj Ti bpd c 0 )Li €V ; zur genüge die nahe Verwandtschaft beider
ausdrucksweisen.
37« QU Tdp IcTX jLioi xp^MOTtt, ÖTTÖGev ^KTicu). das wort
XprmoiTa hat Hirschig als ein glossem bezeichnet und da in dem
nebensatze notwendig yj^iwiaia ('eine hohe geldstrafe') zu er-'
ganzen ist; so ist allerdings das XP^M^^^a im hauptsatze nicht nur
EGoebel: za Platons apologie des Sokrates. 259
überflüssig, sondern geradezu störend und anstöszig. diesem anstosz
läszt sich aber auf leichteste weise dadurch abhelfen, dasz man das
wort als object in den nebensatz zieht, ganz anderer art ist die
stelle 38» el ji^v fäp fjv jioi xP^M^tTO, dTi|iTicd|iTiv övxpTi|i6-
T uj V öca f jicXXov dKT(c€lV.
37 ^ ^. auch wenige zeilen darauf scheint mir eine Snderung der
interpunction erforderlich und nur dann alles in schönster Ordnung,
wenn man annimt dasz ÖTi hier wie anderswo (zb. notwendig 50^)
nur die directe rede einführt, die stelle würde dann lauten ujct€
jifl bövacGai XoTiZecOai öxr «öjicTc jifev övt€C TroXTiai jliou oux
oloi xe dx^vecOe dvcTKcTv xdc dfidc biaxpißdc xai xouc Xötouc . .,
dXXoi b^ dpa aöxdc olcouci ^(jibiujc;» gerade so steht das iro-
nisch folgernde dpa in der frage auch 47^ und 50% und an
letzterer stelle findet sich auch die nemliche parataxis anstatt der
hypotazis. ob das neben xdc d^dc biaxpißdc grammatisch so ganz
und gar in den hintergrund tretende Kai xouc Xöyouc wirklich
ein epexegetischer zusatz des redenden ist oder vielleicht aus einer
randerklärung des wertes biaxpißrj, welches hier (anders als 41»)
in dem sinne von 'Unterhaltung, gespräch' verstanden werden musz,
in den text geraten sei, liesze sich zweifeln, und es nimt wunder,
dasz nicht Hirschig oder Cobet bereits den zusatz in die acht erklärt
haben.
38» xaOxa b* in fjxxov ircCcccO^ jioi X^tovxi. xd bfe ixei jifev
oöxuüc, übe i'xyi) qprilii, ä dvbpcc, nciOeiv bfe ou ^db lov (^dbia
Wohlrab). ob hier xd hk adverbialisch zu nehmen ist («= at vero)^
wie xö hi 23 ». 37 \ 39 <= uaw., oder als subject (= xaOxa bi) zu ?X€i»
kann allerdings zweifelhaft erscheinen, aber auch im letztem falle
ist es nicht nötig mit Wohlrab das im Bodleianus altera manu (an-
tiqua) überlieferte ^<^bia, wie freilich auch im cod. r (so nach Wohl-
rab, nach Schanz aber vielmehr im Yenetus 184 «=» Bekkers S)
geschrieben steht, aufzunehmen, zumal der sinn weniger für die
persönliche construction des adj. spricht als für die neutrale Wen-
dung oä ^dbiöv icTi 7T€i9€iv öjidc sc. aäxdofixuüC^X^^V. (anders
liegt die sache in der stelle zu anfang des c. 28 xouxi bl^ icTi ndv-
xiüv xctX€Tru)xaxov ireTcai xivac tJjLiuiv.) aber auch abgesehen hier-
von steht ja nichts im wege xd b(, einmal als nominitfy und sodann
als accusativ aufzufassen wie 40» S T€ bf| oliiOeiri öv xic xal vo-
40« el oöv xoioOxov 6 Odvaxöc dcxi, K^pboc fTW)T€ X^fw Kai
Tdp oöbfev TiXciujv 6 näc xpövoc 9aivexai oöxu) bi\ elvai f\ jnia
vu^. wenn Fischer aus Eusebios TrXeiov aufnahm , was auch der
gute cod. Yindob. O bewahrt, so hätte Stallbaum dem gegenüber
nicht sagen sollen : 'sed rectius rrXeiuJV retinetur, ut significet longior.^
Ficinus übersetzt, wie offenbar der gedanke an unserer stelle ver-
langt ^nihil plus (i. e. TrXeTov) quam una nox'. auch Cicero hat die
stelle richtig verstanden, wenn er sie also wiedergibt: ^perpetuUas
consequentis temporis (6 rräc xpövoc sc. 6 jucxd xöv Odvaxov) similis
17*
260 EGoebel: zu Platons apologie des Sokrates.
futura est uni nocti.' oöbfev ttXciov ist ein durch 6 nac xpövoc
nur wenig modificiertes ouö^v fiXXo. es kommt für die beweis-
führung ja lediglich auf die beschaffen he it der |i(a vuE, den
tiefen, traumlosen schlaf, nicht aber auf die länge derselben an.
auch die lesart TrXcfuj der hss. PDSF war mehr geeignet bedenken
zu erregen als für die vulgata verwertet zu werden.
41^''. abweichend von den bisherigen hgg. möchte ich diese
stelle in folgender weise interpungieren : Ifüj ixkv t&Q TToXXdKic
^6Au) TeOvdvai, ei tqöt* ictxv dXriÖfj • iirei ipioi-xe xal aÖTcJi 8au-
fiacTf) Sv ein i\ biaipißf] aiiiöOr öttötc dviiixoiMi TTaXctfiribci Kai
ATavTi Tifj TeXafiuJvoc Kai el Tic fiXXoc tujv TraXaiijjv öid Kpiciv
dbiKov T€0vTiK€v, dvTiTTapaßdXXovTi rd d|uiauToO irdOii irpöc
Td dKcivujv, übe if^h oTjLiat, ovik dv driö^c elr). Bekker, Stallbaum,
Cron, Wohlrab haben ein kolon vor dvTiirapaßdXXovTi, während
Ludwig mit Hermann und den Zürchern weder vor diesem werte
noch vor ÖTiÖTe ein kolon setzt, sondern mit Matthiä gr. gr. § 636 ^n
ÖTTÖTe dvTiJXOijLii sowohl einen voraufgehenden als auch einen nach-
folgenden hauptsatz annimt. Madvig und Schanz endlieh setzen
das kolon erst vor übe i^ih oIjLiai. vor inei (worauf jedoch weniger
ankommt) wird von allen auszer Bekker nicht ein komma, sondern
mit recht ein kolon gesetzt, weil ja der vorige satz schon in sich ab-
geschlossen ist und der grund mehr als ein selbständiger gedanke hin-
gestellt wird, setzt man mit Madvig und Schanz das kolon erst yor
(bc ifuj, so hinkt der participialsatz dvTmapaßdXXovTi unerträglich
nach ; wenn aber vor diesem part. die stärkere interpunotion ein-
treten soll, so scheint, wie Wohlrab richtig gefühlt hat, dribfjC €lt)
(sc. jLioi i\ biaTpißrj) nötig , während doch die autorität der-hss. ent-
schieden für dr^ö^c spricht, wird aber, wie oben geschehen, das
kolon vor öttötc gesetzt, so ist logisch wie grammatisch alles klar.
das asyndeton kann bei dem exegetischen satze nicht auffallen, und
wenn ÖTTÖTe dvTTJXOtjii als Vordersatz vorangeht, so erscheint einer-
seits die ergänzung des |uioi bei dem part. dvTiirapaßdXXoYTi leichter
und anderseits die lesart drib^c eXr\ ganz am platze, auch setzt
d V T i TTapaßdXXetv die gegenseitige mittcilung voraus und
schlieszt sich auch darum besser an Ö7TÖT6 dvTUXOijLii an. das wort
biaTpißrj abmr. obwohl es den begrifif conversatio involviert, ist doch
zunächst in oer ersten bedeutung commoraiio zu nehmen (anders
als 37^). ich übersetze: ^denn für mich zumal würde der aufentbalt
daselbst wunderbar schön sein : wenn ich da mit Palamedes und mit
Aias, Telamons söhn, und wer sonst in alter zeit durch ungerechtes
gcricht den tod gefunden, zusammenträfe und was mir widerfahren
ist , mit ihrem scbicksal vergliche , so müste das , wie ich glaube,
höchst interessant (äuszerst angenehm) sein.'
Fulda. Eduard Goebel.
OHarnecker : anz. y. CJacobys anth. aus den elegikem der Römer. I. II. 26 1
44.
ANTHOLOGIE AUS DEN ELEOIKERN DER RÖMER. FÜR DEN SCHUL-
GEBRAUCH ERKLÄRT VON DR. CarlJaCOBY, OBERLEHRER AH
K. GYMN. ZU DANZIG. ERSTES BÄNDCHEN: OYID UND CATULL.
ZWEITES bändchen: tibull und properz. Leipzig, druck und
Verlag von B. G. Teubner. 1882. VllI u. 132. IV u. 122 s. gr. 8.
Wieder eine neue antbologie ans den römischen elegikem. sie
sei wiUkommen , wie jeder Yersuch die blttte der römischen poesie
für die schule nutzbar und genieszbar zu machen, der letzte der-
artige versuch, das vielfacher Verbesserung fähige und benötigte buch
von EPScbulze, ist ausführlich besprochen worden von HMagnus in
den Jahresberichten des philol. Vereins zn Berlin 1881 (VII) s. 354
— 362 und vom unterz. in- der zs. f. d. gw. 1881 s. 600 — 615. vf.
des vorliegenden buches war also in der glücklichen läge mancherlei
winke benutzen und fehler vermeiden zu können, es ist anzuerkennen
dasz er dies mit fleisz zu thun bemüht war; wir werden zu unter-
suchen haben, ob er in der that für die schule das beste, das für sie
bekanntlich gerade gut genug ist, geboten hat. wir können dies im
allgemeinen für das zweite bändchen bejahen; nicht in gleichem
masze ist das erste gelungen.
Zunächst fällt recht unangenehm auf , dasz vf. es nirgends für
nötig hält über seinen tezt in fragen der hohem wie niedern kritik
rechenschaft abzulegen, wir müssen auch an dieser stelle die forde-
mng wiederholen, allerlei fragen, über die der lehrer orientiert sein
musz, in einem kritischen anhange zu besprechen, mag man solchen
anhang von Schülerexemplaren fern halten und besondere exemplare
mit anhang herausgeben — nötig bleibt er ganz gewis. die prak-
tische brauchbarkeit des buches würde es femer ungemein erhöhen,
wenn vf. in den Überschriften der selten statt der bloszen namefi
Ovidius Propertins auch die nummer seiner samlung und die vulgär-
zfihlung zum abdruck gebracht hätte ; so wie es ist , erschwert das
buch ein rasches aufschlagen und zurechtfinden ganz auszerordentlich.
Das erste heft bietet uns stücke aus Ovidius und Catullus. es
gibt von Ov! 20 nummern; fast alle finden sich bereits in Sey£ferts
^lesestücken' ; selbständig bietet vf. amor. III 15. ea; P. IV 5; von
andern stücken gibt vf. hie und da einige verse mehr, auch weniger
als Seyffert, so zb. trist. III 10, 1—40; «c P. EI 2 gibt vf. ganz, S.
nur V. 45 — 96. aus Catullus bietet uns vf. 23 nnmmem; selbständig
gegen Schulze c. 68. 70. 11. 51. 62.
Die einleitungen dieses ersten bändchens erheben sich nir-
gends zu einer wirklichen herausarbeitung der litterarischen persön-
lichkeit, sie lesen sich hie und da geradezu ungeschickt ; es ist an-
zuerkennen, dasz sich eigentliche Unrichtigkeiten nicht finden, wir
heben einiges heraus, das am übelsten auffällt, s. 3 : Mer charakter
seiner (des Eallinos) elegien ist ein politischer und kriegerischer,
wie auch der seiner Zeitgenossen' usw. was heiszt das? und
262 OHarnecker : anz. y . CJacobys anth. aus den elegikern der Römer. I. II.
meint vf. damit den Archilochos oder den Tjrtaios, der gleich nach
dem Semikolon folgendermaszen eingeführt wird : ^wie er seine lands-
leute zum kämpfe gegen Magnesia, so feuerte Tyrtaios die Spartaner
zum kämpfe gegen die Messenier an' ? oder soll mit obigen worten
der kriegerische stürm der zeit angedeutet sein ? der kämpf gegen
Magnesia ist übrigens ein alter irrtum, der endlich nach den neueren
forscbungen (Geiger, Cttsar, Deuticke) beseitigt sein sollte ; Eallinos
zielt auf die Kimmerier. — s. 5 muste in einem schulbuche durchaus
eine erklärung des wertes und begriffes Ama beigefügt sein. —
ebd.: 'Gallus, der frühe in politische und kriegerische Stellungen
kam'. — s. 8: ^sie (die Amores) knüpfen sich an den namen der
Eorinna, erhalten' (wohl nur druckfehler) . . ^einzelne scenen sind
mit witz und mutwillen, weniger mit gemüt und wahrem
gefühl gezeichnet, hierauf folgte ein lehrgedicht' usw. usw.
Auch die einleitung zu Catullus müste gttnzlich umgearbeitet
werden, wenn ein klares bild jenes eigenartigen menschen und dich-
ters gegeben werden sollte , jenes dichters den nicht minder talent
und begabung als ein emsiger fleisz auszeichneten, auf alles
kann hier nicht eingegangen werden; es sei nur der schreckliche
ßatz verzeichnet s. 78: 'Calvus huldigte in der beredsamkeit der
neuen attischen schule , die durch den einflusz der gelehrten alezan*
drinischen poesie und grammatik hervorgerufen auch auf dem
oratorischen gebiete vorzugsweise an dem verstandesmftszigen, über-
all mit bewuster reflexion wohl künstlich, aber völlig schmucklos
zubereiteten, an einem wohl glatten, aber dabei gedrängten aas-
druck gefallen hatte.' ein falsches bild gibt der satz s. 81 : *in diese
zeit wird auch die aussöhnung mit Caesar fallen , den er durch seine
beiszenden epigramme, mit denen er seine anhftnger wie
Vatinius und Mamurra verfolgte, erzürnt hatte.' ich denke,
dem Caesar selber hat Cat. doch auch einigermaszen mitgespielt,
dasz vf. über das Verhältnis Catulls zu Cicero noch Vorstellungen
hat, die auf einer kritiklosen aufnähme Schulzescher ausführungen
beruhen, zu denen sich dann freilich recht eigentümlich und unver-
mittelt ein satz aus meiner darstellung der Sachlage gesellt (s. 81 :
Won beziehungen gleichviel welcher art zwischen Cicero und Catoll
wissen wir nichts') — das alles ist ihm nicht sehr zu verübeln, da
er von meinen neueren arbeiten darüber noch keine kenntnis besasz.
in seinen anmerkungen zu c. 49 schwankt er hin und her; die stelle
für den omnium patronus Cic. q>, VI 7, 4 muste er auslassen, da er
meine bemerkungen darüber in der recension der Schulzeschen ele-
giker ao. s. 607 f. sicher kannte, für die Stellung Ciceros zu Cat.
und die m. e. richtige auffassung des c 49* verweise ich nur auf
^ über die schlaszworte des c. 49 ianto pessimus omnium poeia^ quamio
tu optimus omnium patronus will ich anch hier nochmals bemerkeD, dasx
Cat. mit ihnen der römischen valgftryorstellang vom werte der dich-
terischen geg^enUber der anwaltlichen bzw. staatsmännischen th&tigkeit
eine art concession macht: vgl. progr. 1882 8. 7. es ist dem Cat. nicht
OHarnecker : anz. y . C Jacobys anth. aus den elegikem der Römer. I. II. 263
mein programm 1882 'qua necessitudine coniunctns fuerit cum
Cicerone Catullus' und den aufsatz im Philologus XLI s. 465 — 81
und begnüge mich hier hinsichtlich der berühmten cantores Eupho-
rionis {Tusa III § 45) nochmals zu betonen; was man aus Meinekes
^analecta Alexandnna' s. 25 seit 40 jähren wissen konnte und seit
Haupt opusc. in 206 wissen muste, dasz Cicero an jener stelle ganz
vorzugsweise, wenn nicht einzig den Cornelius Grallus im äuge hatte. —
Dasz man über M. Caelius Bufus nichts vom vf. hört, mag mit dem
umstände entschuldigt werden, dasz keins der an ihn gerichteten
gedichte aufgenommen ist. wir meinen allerdings zum schaden
des dichters und der schule, ein schmerzensschrei wie c. 77 und 73
(das doch wohl auch auf Bufus zielt, vgl. meine ausführungen progr.
1881 s. 13) mag wohl dem schüler auf den lebensweg mitgegeben
werden.
Bücksichtlich der erklärung hatte vf. für Ovidius die vor-
trefflichsten vorarbeiten, den commentar HPeters zu den Fasten
wesentlich für die schule umzuarbeiten dürfte nicht ohne gefahr
sein; neben ihm lagen auch für die übrigen Ovidischen stücke
Seyfferts noten vor, dessen pädagogischer takt ebenfalls nicht leicht
übertroffen werden dürfte, wir finden denn nun auch , dasz sich vf.
an diese Vorgänger sehr genau anschlieszt. es gibt eben dinge, die
sich nicht leicht einfacher und zweckmäsziger werden fassen lassen,
und da ist es denn wahrlich besser, das wesentliche einfach von den
Vorgängern zu übernehmen als sich der gefahr des verwässerns aus-
zusetzen, nur, scheint uns , dient der autor seinem eignen interesse
weit mehr, wenn er darüber irgendwo auch dem schüler ein wort sagt.
Vf. selbst legt s. VI auf seine Studien für CatuUus gewicht;
es wird daher angemessen sein, auf diesen teil seiner leistung etwas
einzugehen, wir verzeichnen zunächst die ab weichungen seines textes
von Haupt- Vahlens ausgäbe, nr. IV (31) 13 gaudete vos quoque hoc
diCy V. vosque o Lihuae V (9) 4 anumqtte^ V. senemque VI
(50) 2 tuis statt meiSy eigne conj. oder woher? ebd. v. 3 u. 4
stellt vf. um, gibt aber in der anm. keine erklärung VHI (65) 8
läszt er die bruderverse aus , statt v. 9 eine lücke IX (101) 8
tristi munere, V. tristis munera X (68) 28 quisquis, V. quivis
39 päiti praesto est^ V. päenti factast 60 gibt vf. Haupts con-
jectur sensim^ Vahlen densi nach den hss. 66 AlUuSy V. Manius
68 dominaey V. dominam 85 scirant^ V. seibat 102 Graia^
V. Graeca 118 ^e tmum comUem, eigne conj. über die vf. in diesen
Jahrb. berichtet hat 141 Atquei^ V. at qma 142 tremtUi toüCj
ernst mit dem pessimus poeta and opHnau patronus; er scherzt auch nicht
blosz leichthin, sondern entsprechend der vorstellnng des durch und
dnrch so zu sagen jniristificierten Römers schraubt er das oratorisch-
patronale piedestal zu angemessener höhe, das des 'simplen poeten'
läszt er sinken, damit gibt Cat. nun nicht etwa seine eigne yorstellang,
sondern man merkt ihm noch sehr wohl an, dasz der schalk ihm im
nacken sitzt, vgl. Philol. XLI 8.477. mehr kann freilich' über das ge-
dieht durchaus nicht behauptet werden.
264 OHarnecker : anz, y . CJacobys anth. auB den elegikem der Römer. I. IL
Y. iremulist üla 145 muta^ V. rara 147 notat^ V. nokt (Haupt
früher notat) offenbar wegen des bezeichnenderen sinnes 15f> ipsi^
Y. ipsa 158 mi omnia nota bona^ Y. ohne mi und bona 157 gibt
er Hejses Änser XI (2) 8 {credo) et tum gravis acquiescet ardor^
Y. credo uti . . adqmescat XV (87 + 75) 2 est^ Y.es 3 in foedere
tanta, Y. ohne in XYII (76) 11 offirmas atque istmc teque^ Y.
affirmas itaque isti/nc teqiie IS in morte^ Y. ohne in 23 me ut^
y.utme XX (44) 19 gravidinem, Y. gravedinem XXII (62) 14
laborentj Y. laharant hinter 31 lücke 35 Eous^ Y. eosdem
nach 41 lücke XXIII (64) 61 cÄew, Y. euhoe 68 sä, Y. sie
100 Quam ttim, Y. qucmto 104 stio^ndt/, Y. stuxepü 108 rodi-
C27t(^, Y. radia&ti« 109 lateque et eominus^ Y. {a^ ^ua est impeius
122 ^u^ ti^ eam moUi^ Y. venerU aut ut eam 139 ^ und blanda^
Y. at und «o&is 143 lam^ Y. «tiwc 179 poti^t, Y. pontum
196 mtscra, Y. miserae 217 stellt vf. vor 216 249 quae
tum prospeäansy Y. quae tarnen adspectans. sehr viele dieser ab-
weichungen gehen auf den Oxoniensis zurück, dessen einflusz auf
die Catullkritik sicher nützlich, doch aber oft überschätzt ist, da di^
besten seiner lesarten meist längst eruiert waren , zum teil freilich
aus conjectur: vgl. bes. Sydow de recensendis CatuUi carminibns
s. 50 f. hie und da beruht des vf. text auch freilich auf willkdr *—
rechenschaft ist gewis das mindeste, was verlangt werden mosz.
Zur erklärung: nr. I (1) 9 o pairona virgo wird stets eine cmx
interpretum bleiben ; der gedankengang scheint mir auf Bergks oder
Hands Vermutungen hinzuweisen; eine eigne', bisher unterdrückte
conjectur mag noch platz finden: qtuüecunque; tua patrone voce.
freilich ist die möglichkeit der erklärung «» Muse , oder wie vf. «Ba
Minerva zuzugeben ; was Munro dagegen einwendet, Cat. tadle eigent-
lich ja die Muse, sein büchlein mit nugae bezeichnend, ist nicht
stichhaltig, der rec. von Munros 'criticisms' im philolog. anz. 1881
s. 366 f. hält an der vulgata fest und meint, nach römischem dichter-
brauch habe Cat. dreierlei zu thun: die gedichte einem gOnner zu
widmen, kurz den inhalt anzugeben, dann die Muse um beistand
anzurufen, gewis kann er das thun, aber der nachweis, die römi-
schen dichter hätten es gethan oder ^zu thun', steht noch aus. und
wie ruft denn Cat. hier die Muse um beistand an? wo sagt er:
'durch deinehilfe, o Muse, möge mein buch dauern' ? — 11 (76) 7
praetrepidans 'zitternd vor Ungeduld'. &epidare bedeutet *un-
ruhig hin und her laufen'; hier einfach <» unrnhvoll, was jeder
an sich wird erfahren haben, der auf einige zeit dem gewohnten heim
den rücken kehren und auf reisen gehen will. — zu III (4) muste
vf. auf die parallele Ov. trist. 1 10 deutlicher hinweisen als v. 5 ge-
schieht, vf. ist der allgemein geteilten ansieht, dasz Cat. mit diesem
anathematikon das ganze schiff geweiht und im tempel der Dioskoren
aufgestellt habe, aber man denke sich den tempel mit diesem doch
nicht so ganz unbedeutenden boote geschmückt, noch dazu nach der
langen reise in eeiner ganzen Seetüchtigkeit oder •untüchtigkeiti
OHaroecker : anz. y. CJacobys anth. aus den elegikem der Römer. I. IL 265
mir scheint nnzweifelhaft; : war das gedieht in einem tempel zu lesen,
80 war gewis nicht das ganze, geteerte nnd geflickte schiff, anch
nicht das blosze Vorderteil, sondern etwa ein zierliches m od eil ge*
weiht, anders liegt es, wenn wir an einen tempelbezirk denken,
aber es zwingt nns eben ganz und gar nichts an einen tempel zu
denken, im gegenteil — wie stimmt zu einem doch stets mehrfach
besuchten tempel das nunc recondita send quiäe in v. 25 f.,
dh. genieszt jetzt der wohlverdienten ruhe im verborgenen?
dann weist das hospiies in v. 1 doch zunächst auf freunde hin,
nicht auf besucher eines tempels, von dem noch dazu nirgends die
rede ist, der wahre Sachverhalt wird der sein : Cat. hatte in seinem
Sirmianum an einem passenden platze am see das boot unter einem
schütze aufgestellt, daneben einen altar oder eine capelle für die
Dioskuren mit c. 4 als weihinschrift. so erst wird alles recht ver-
ständlich ; kospUes sind freunde des dichters ; besucher des dichter-
haims. wie passend, ja wie nur so recht verständlich der vers hunc
ad f4sque Umpidum lacwin «» 'bis zu dem klaren see den ihr hier
seht*! — V. 6 volare vgl. 11 (46) 6. — v. 20 vocaret konnte Lach-
mann zu Lucr. ni 628 nicht verstehen und setzte vagaret\ Yahlen
ind. lect. aest. 1882 s. 6—8 stützt vocaret. — IV (31) Mer sinn ist
also : von allen halbinseln und inseln bist du Sirmio amschönstenl'
nein, sondern ^mir die liebste, mein augapfel'. 11 pro laborihm
taniis ^findet seine erklärung durch c. 10 und 28; Cat. sah die hof f-
nung sich zu bereichern durch die Sparsamkeit des prätors ver-
eitelt.' aber hoc est^ guod unum est pro laboribus tantis heiszt: 'das
ist doch etwas wahrhaft wertvolles gegenüber soviel mühsal.'
Cicero würde vielleicht gesagt haben hoc est tarnen aliquid, im
übrigen habe ich die absieht des dichters ^sioh zu bereichem' nie
anders als im übermütigen scherze geäuszert auffassen können, das
c. 10 sprudelt von Übermut, ebenso 28. sieh in eine cohors praetoria
au&ehmen lassen war wohl damals für junge leute von stände eine
art billig eine anständige bildungsreise zu machen, nun war dem
Cat. des Memmius benehmen gegen seine cohors nicht nobel genug,
vielleicht die tagegelder zu knapp, und er muste zu viel aus eigner
tasche brauchen, dergleichen ward dann in dichterkreisen so ver-
arbeitet, wie wir es finden (28, 8). näheres wissen wir nicht; mag
in anderen fällen wirkliche 'gewinnsucht' vorgelegen haben, Cat.
hat gewis seine besondem absiebten gehabt, gerade Bithynien auf-
zusuchen : das beweist sein besuch am grabe des bruders deutlich
genug, selbst aber gesetzt den fall, Cat. habe sich in Asien wirklich
bereichem wollen — in d ies e m gedieht denkt er sicher nicht daran,
d^ dichters seele ist matt und müde, ruhe ersehnt sein gemüt. 'wie
ists doch so erquicklich und süsz , am eignen herd , im eignen , oft
ersehnten bette zu mhen nach all der mühsal.' Ellis' anm. trifft
den gedanken weit besser: 'this is the one compensation for all that
loid of toü.' — VI (50) 17 dolorem « sehnsu«ht. — VII (30) 'über
Alfenus wissen wir nichts.' ich halte den Vams in c. 10 und 22 für
266 OHamecker : anz. y . CJacobys anth. aas den elegikern der Römer. I. ü.
identisch mit diesem Alfenus Yarus, nicht für Quintilios Yarus.
nehmen wir, was ja möglich ist, den Quintilius als Catulls freund,
so fehlt unter den gedichten Catulls eins, das ihn mit dem gentil-
namen Quintilius anredet; gegen Alfenus Yarus spricht absolut
nichts, f ü r Quintilius durchaus nicht, dasz er ein freund des Horatius
war. inhaltlich betrachtet gebietet nichts die drei gedichte zu tren*
nen — warum also zwei verschiedene personen annehmen? Eiessling
über Helvius Cinna in der festschrift für Mommsen hält ihn auch
für Alfenus Yarus und einen för derer der liebe Catulls zu Lesbia. —
von YIII (65) weisz vf. genau, dasz es *im j. 60 verfaszt sein musz' ;
er folgt Jungclaussen, Schwabe, Westphal. diese form der behaup-
tung aber verlangt , da in der einleitung nicht davon die rede ist,
eine anführang der gründe, ist nun aber c. 65 im j. 60 gedichtet,
so ist es c. 68 auch, denn 65 ist der bruder (v. 5) kürzlich ge-
storben, 68 ist er der frischen und lebhaften ü'auer wegen noch
nicht lange tot. aber bei 68 behauptet vf. durchaus nicht dass es
im j. 60 gedichtet sei. deutet nun der passus zu 68, 41 *in der fabel
von Protesilaos und Laudamia ist eine beziehung zu Cat. und Lesbia
zu sehen' (vgl. zu XYI [70] : 'das gedieht ist nach dem tode des
Q. Metellus Celer verfaszt, als Lesbia witwe war') darauf hin, dass
vf. meine Vermutung annimt (progr. 1881 s. 13), c 68 sei nach dem
tode des Metellus gedichtet: so fällt die zahl 60 auch für c. 65.
sicher ist jedenfalls, dasz 65 (und 66) vor 68 geschrieben sind, das
erklärt mancherlei, worauf noch nicht geachtet ist« zunächst ist
die enge Zusammengehörigkeit der gedichte wie der zeit, so auch
dem Stile, der Schreibweise nach erwiesen, es ist also a priori nichts
dagegen zu sagen, wenn in c. 65 und 68 sich das motiv von des
brudcrs tod öfter wiederholt ja es erklärt ohne Schwierigkeit,
wenn geradezu gedanken und Wendungen sich wiederholen, wie ja
in der that 65, 15 sed tarnen in tantis maeraribus miäo carmina zu
68, 13 f. 32. 37 deutlich genug reden, also ist es gar nicht so selt-
sam, wenn dieselben bruderverse im c. 68 sich wiederholen und in 65
sich finden, nun kündet auszerdem in 65 der dichter direct an (12)
semper maesta tua carmina morte canam {tegam ist trotz des Oxon.
einfach unsinn); es müssen also in 65 geradezu bruderverse stehen
oder es musz doch so vom bruder gehandelt sein, dasz man deutlich
sieht, der dichter reiszt sich von einem eben behandelten motiv los,
da er ja eben^doch verspricht es wieder vorzunehmen, ohne Lach-
manns einschiebung ist diese ganz ausdrückliche Versicherung 'immer
werde ich dich im herzen tragen und im lie de besingen' so un-
vermittelt, dasz sie fast unerträglich wird, handschriftlich ist nun
allermindestens das erwiesen, dasz hinter y. 8 nicht alles in Ordnung
ist; etwas fehlt sicher, auch anderwärts erwächst uns gewinn für
68 aus der betrachtung von 65. wir haben nemlich ganz deutlich
vor äugen, warum c. 68 der dichter die bitte des Allius um gelehrte
gedichte gar nicht abschlagen kann, denn wenn er, wie absolut
sicher ist, kurz vorher c. 65 und 66 dichtete oder doch an Hortensius
OHamecker : anz. y . CJacobys anth. aas den elegikern der Römer. I. II. 267
sandte — und dies doch wohl wahrscheinlich auch von Verona aus —
dann kann er des Allius bitte nicht rundweg abschlagen, wie er wohl
anfangs wollte : denn der hinweis auf das dem Hortensius gesandte
würde ihn bloszstellen. mag er nun c. 66 vielleicht bereits in frü-
herer zeit begonnen , jetzt erst endgültig durchgefeilt haben und so
im stände gewesen sein dem Hortensius gerecht zu werden — darauf
weist hin dasz c. 66 eine Übersetzung aus Eallimachos ist und für
68 ihm nur eine ganz geringe bibliothek zur Verfügung steht —
sicher ist dasz zu der zeit des dichters poetischer flug etwas gelähmt
ist; der stil von 65 deutet das genugsam an, die ^imitatio Alexan-
drina' oder die neuheit der dichtungsform (Gruppe röm. elegie s. 349)
erklärt doch wohl noch nicht alles, auch in c. 68 musz er sich gleich-
sam erst in flusz dichteii. manche härte im stil, manches springende
im gedankengang erscheint hiemach so naturgemäsz wie nur möglich.
Für die erklärung von nr. X (68) ist man dem vf. dank schul-
dig, er gibt den gedankengang dieses äuszerst schwierigen gedichtes
im engsten, öfter wörtlichen anschlusz an Haupts darstellung und
meine abh. über dies gedieht im progr. 1881.* ref. würde über
diese benutzung kein wort verlieren, wenn nicht vf. s. VI ausdrück-
lich erklärte schwierige stellen ^auch dem lehrer' erklären zu wollen,
alle eventuellen interpreten des c. 68 zu überzeugen ist ref. nicht
zuversichtlich genqg, daher musz doch der lehrer erfahren , wo er
nachprüfen kann, so etwas kann und mag im anhange mitgeteilt
werden.
Zu nr. XI (2) 7 ist meine Vermutung (progr. 1879) es noch
nirgends zurückgewiesen worden, ich halte passer in v. 1 für den
vocativ ; es ist doch ein ganz anderes bild , wenn sich der dichter
gleichsam direct an den passer wendet, als wenn man nach Scholl
und dem vf. mit est eine einfache prosaische behauptung passßr est
söladolum zu tage fördert. — XII (3) Veneres Cupidinesque, der plural
Veneres ist ofifenbar nur aus dem princip der angleichung zu erklären ;
wer wird in solchem liedchen gleich an die culte von Oolgoi, Idalion
oder dgl. denken? zu 5 ocülis vgl. nr. IV 2 oceUe. — XIU (8), meint
vf., sei nur äuszerlich ein abschied von der geliebten , innerlich ein
versuch sie wieder zu gewinnen, ganz und gar nicht, es ist der
unmittelbare ausdruck einer die seele beherschenden Stimmung; das
' bei dieser Gelegenheit mag noch ein wort an die adresse meines
recensenten in der Bremer ^philologischen rundschau' gerichtet sein,
wenn er meint, meine erklärung der munera Musarum und Veneria sei
^im allgemeinen zwar richtig, aber nicht gerade neu% so beweist er
einmal dasz er meine arbeit nicht genügend gelesen hat, und dann dasz
er zum urteilen eben nicht competent war. ich spreche s. 8 ausdrück-
lich von der 'alten erklärung, an der man festhalten müsse', neu ist
in meiner erklärung etwas ganz anderes: nemlich ich zeige, wie der
dichter die beiden begriffe trennen und doch wieder unter einem höhern
begriff gleichsam einigen, wie er also die ausdrücke so gebrauchen
konnte, dasz das wieder ein neuer beweis ist für die ganz eigne art,
mit der der rec. die ars nesciendi handhabt — was ich leider schon
viel früher habe nachweisen müssen — dafür kann ich nicht.
268 OHarnecker : anz. y. CJacobys anth. ans den elegikem der Römer. I. IL
gedieht atmet die schmerzlichste resignation. 'es ist vorbei, o wie
wars doch so schön I ' fülsere quondam einst, ja einst — jetzt nicht
mehr. — XV (87 u. 76). wo in aller weit steht nur etwas davon
da, dasz 'ihre untreue ihn zwingt sie zu verlassen' ? ähnlich orakelte
Schulze , mein Widerspruch scheint dem vf. nicht gewichtig genug
gewesen zu sein, 'nie war ein bund so treu, wie ich den unsem hielt,
jetzt ist mein sinn zerrissen (nicht « zwiespältiger » Stimmung) ; sein
eignes thun hat ihn zerrüttet; er kann dir nimmer wohlwollen,
würdest du ein engel , und doch auch nicht ablassen dich zu lieben,
bist du auch ein scheusal.' — zu XVI (70) 4 in vento et rapida scri-
here oportet aqua vgl. Goethe (weissagung des Bakis): 'aber der
reiszende ström nimt auch die lieder hinweg.* — XVII (76) zu der
anm. über quisquam in positiven Sätzen war rücksicht zu nehmen
auf CFWMüller zu Seyfferts Laelius § 9. — XVIII (11) der zweck
der anm. zu v. 1 ist unfaszbar. — v. 21 respedet gewis nicht ss
'rücksicht nehmen', vielmehr 'sich berufen auP — meine auffassung
des ganzen gedichtes in pbilol. rundschau 1882 sp. 299. — XTX
(51) 8 ff. vgl. Theokritos 2, 106 ff. die ansieht 'öl*», die schlusz-
Strophe, hat, wie man leicht sieht, mit dem vorhergehenden gedieht
nichts zu schaffen' ist doch sehr anfechtbar. — v. 2 si fas est «b
'wenn es möglieh ist', gewis nicht; es steht in stillschweigendem
gegensatz zu si nefas esty also : wenn es erlaubt, «renn es nicht frevel
ist. der Römer ist eben pedantischer, religiöser als die Griechen;
Cicero Tttsc, V 13, 38, Ovidius ex P. IV 8, 65 reden doch zu deut-
lich, zu V. 10 vgl. Ov. am. IE 14, 38. — zu XX (44) 'wahr-
scheinlich ist der Sestius Ciceros elient'. sicher; das 'wahrschein-
lich' erinnert an dfa ewige 'it seems' bei Ellis. — zu XXIII (64)
243 gibt vf. richtig infecti vdi; ref. würde dies nicht erwähnen,
wenn nicht KPSchulze mit seltener hartnäckigkeit trotz Magnus'
notiz im letzten Jahresberichte s. 355 (wo v. 225 statt 265 zu lesen
ist) an dem hsl. inflati festhielte. Schulze meint in diesen jahrb.
1882 s. 208: *nur wenn die segel aufgehiszt und vom winde ge-
sehwellt waren, konnte man deren färbe erkennen.' ich meine, wenn
kein wind ist, zieht man die segel nicht auf und sieht sie auch nicht,
wenn aber wind ist, musz dann ein dichter auch erst fein säuberlich
versichern, dasz er die segel bläht und dasz sie der bange vater sieht?
'dasz die segel aber infecta dh. schwarz gefärbt waren, ergibt sich
aus dem Zusammenhang von selbst.' nun was lesen wir? 241 ff.:
'sobald der vater bange ausschau haltend dos segeis gebauschtes
1 innen erblickt, stürzt er sich vom starren felsen ins meer, wähnend,
sein Theseus sei tot.' also verlangt Schulze vom leser, dasz er daran
denkt, wie ja Theseus die trauersegel, mit denen er von Athen ab-
fuhr, noch nicht mit andern vertauscht habe, das ist aber viel za
viel verlangt, hüte man sich doch ja die logik bei der dichterischen
behandlung der alten sagenstoffe mehr zu incommodieren als un-
bedingt nötig ist. denn ist unser nachdenken erst einmal so weit
geweckt, fragen wir uns natürlich, warum Theseus denn überhaupt
OHamecker : anz. y . CJacoby b anth. aus den elegikem der Römer. I. IL 269
mit dem ändern der segel angesichts der heimischen küste beginnen
sollte , wie ihm der vater v. 233 aufgegeben hatte, warum soll er
nicht gleich nach vollbrachter that von Kreta so absegeln? mitten
auf der fahrt die segel herablassen und andere aufhissen ist zu Zeiten
gefährlich oder auch unmöglich, solch einen unter allen umständen
unpraktischen rat gibt der alte erfahrene Aigeus ? solche logik gibt
es doch eben für die sagenbildung nicht, und auch für die poesie
gilt nur eine ganz eigne art von logik, nemlich die der unmittel-
baren intuition und empfindung. wer die nicht hat, thut am
besten etwas anderes zu erklären als gerade dichter.
Das zweite heft, Tibullus und Propertius enthaltend, bietet
ein vorteilhafteres bild. meist zeigt sich verständige Auswahl und
Selbständigkeit in der erklärung, so dasz dies buch einen wesent- ^
liehen fortschritt gegen Schulze bezeichnet.
Die au 8 wähl des Stoffes bietet wenig selbständiges, nur Tib.
IV 6 nr. IX suchen wir bei Schulze vergebens, alles andere bietet
auch er, nur in anderer gruppierung. dagegen finden sich bei Schulze
3 nummern aus Tib. und 20 nummem aus Prop. mehr, auch die
Einleitungen sind in spräche und inhalt weit freier und reifer ge-
halten , sei es dasz dem vf. seine Studien hier mehr aus dem vollen
zu schöpfen erlaubten, sei es dasz er sich so zu sagen mehr ein-
geschrieben hatte, nur einzelheiten fallen noch auf, so zb. s. 1:
*dazu stimmt dasz seine (Tibulls) haltung Hör. gegenüber' . .
vf. meint verhalten, benehmen, logische uncorrectheit zeigt der satz :
^T. starb frühe, so ist es gekommen, dasz manche gedichte die sicht-
baren spuren davon tragen, dasz der dichter durch den tod ge-
hindert nicht die letzte feile an sie hat legen können.' also weil er
jung starb, deshalb sieht man dies? s. 4 übemimt er einen satz von
Teuffel (studien und char.) über die ^briefartige form der elegien des
2n buches', <lie vielleicht durch den 'einflusz der episteln des Horaz'
veranlaszt sei. beides ist doch recht anfechtbar, im allgemeinen
suchen wir eine höhere auffassung der Tibullischen poesie, wie sie nach
Yahlens Vorgang durch die sonst vom vf. benutzten darstellungen von
ELeo in den 'philologischen Untersuchungen' heft II gegeben ist,
leider vergebens. — Die einleitung zu Propertius ist befriedigend,
nicht gerade ansprechend freilich, ihn als den ^vierten elegischen
dichter' angeführt zu sehen, ist er ja doch selbst in des vf. antho-
logie nur ganz zufällig der vierte, entschieden berücksichtigung
verdient, was s. 50 f. über Prop. Verhältnis zu Horatius (wohl im
wesentlichen nach Postgate ^select elegies') mitgeteilt ist.
Ebensowenig wie im ersten hefte läszt vf. sich in diesem über
die grundsätze aus, nach denen er seinen text constituiert hat. ref.
hat nur für Tib. die ab weichungen von dem texte Haupi-Vahlens
verglichen ; sie sind : nr. I (1 1) 25 iam modo iam nach den exe. Fris.,
Yahlen iners 46 continuisse nach Baehrens besten hss. AYG, V.
detmuisse 71 Ikebü, was zwar der bessern Überlieferung, dafür
270 OHarnecker : anz. y. CJacobys anth. aus den elegikern der Römer. I. IL
aber dem sinn und gedankengang nicht widerspricht, wie ich früher
(zs. f. d. gw. 1881 8. 612) nachgewiesen, übrigens ist die autorität
der Freisinger ezcerpte für decebü gewis äuszerst gering anzuschlagen ;
klosterbrüder kamen wahrlich leicht genug dazu , nee amare lieehit
in decebü umzuändern, nr. II (I 3) 4 Mors modo nigra ^ V. Mors
precor atra ebd. 14 respueretqtte^ V. despneretque^ ebd. 60 m«Äe
patentque viae teilweise nach Leos conj. ; mir scheint kein zwingen-
der grund vorhanden von der Überlieferung repente abzuweichen,
trotz LMüller praef. s. XVII und Leo III (I 7) 3 frangere, V.
fundere IV (I 10) 5 ^, V. an^ auch dem gedankengang weit
mehr entsprechend ebd. 11 dtdcis nach Heinsius conj.; V. vtdgo
ebd. 25 folgt vf. Müller ua. in der annähme einer lücke ; unnötig
VI (n ö) 4 verba t w»^> V. novas ebd. 21 Troiam nach
Leos conj., V. Bomam ebd. 82 eo^, V. erü ebd. 122 8% statt
sie (wohl nur druckfehler) VU (IV 2) 23 ganz nach LMüller haec
sumat (Baehrens sumet) in annos , V. hoc sumUe VIII (IV 4) 23
laäuSy V. lautiAS IX (IV 6) 19 sü iuveni gratum^ V. si^ iuveni
gratae. man sieht, vf. verfährt in der auswahl seiner lesarten ziem-
lich eklektisch; über seinen Standpunkt in der hohem kritik findet
sich nirgends eine andeutung.
Was nun die hauptsache, die erklärung, betrifft, so ist sie
im allgemeinen befriedigend, so verdient auch die entwicklung des
gedankenganges , die ref. gern etwas mehr durch den druck hervor-
gehoben sähe, meist uneingeschränktes lob; die abschnitte, die vf.
gibt , sind sehr oft an verszahl einander gleich ; es mag wohl auch
ein einflusz der inhaltsentwickelungen von CPrien (im Lübecker
progr. 1876) vorhanden sein; in d6r weise gehandhabt kann man
sich die 'responsion' schon gefallen lassen, dasz vf. die verse, die
Schulze in überängstlicher Sorgfalt (zb. V 11 f. u. 73 ff.) unterdrückt,
unbedenklich abdruckt, vermögen wir nicht zu bedauern, ref. gibt
zur förderung der sache, nicht um tadeln zu wollen, einige nachtrage
und berichtigungen.
Zu Tib. nr. I (I 1) ist der gedankengang 15—36 offenbar an
eine falsche stelle gekommen ; er steht zwischen den noten zu v. 6
und 7; vielleicht durch Schulze veranlaszt, der den gedanken bei
V. 6 angibt. — v. 46 tenero sinu 'jugendlich*, wie geschmacklos,
das von sich selber zu sagen I es ist stehendes beiwort und helszt
einfach 'zart', auch 'zärtlich' ist anzunehmen nicht nötig. — zu
dem Inhalt von v. 71 vgl. Goethes epigramm (sommer nr. 37) : 'leben
musz man und lieben, es endet leben und liebe; schnittst du, o Parze,
doch nur beiden den faden zugleich.' zu nr. II (I 3) wie auch zu
VII und zu Prop. nr. IV war auf Geibels vortreffliche Übersetzungen
im 'classischen liederbuch' hinzuweisen. — v. 13 rediius 'möglich-
keiten der rückkehr' ; vielmehr prägnant »'glückliche rückkehr';
der plural, weil von mehreren föllen die rede ist, wo das loos gezogen
wird. — zu V. 29 übemimt vf. Seyfferts irrtum von den ägyptischen
priester innen beim Isisdienst, die priester waren wohl wichtiger. —
OHamecker : anz. y. CJacobys anth. aus den elegikem der Römer. I. IL 27 1
zu IV (I 10) 31 f. der sitte mit wein auf dem tische skizzen za ent-
werfen hätte vf. neben den von mir aus der reo. von Schuhes elegikem
(ao. s. 612) übernommenen stellen noch geben können: Ov. am, 1 4^
20. ars am. I 571. U 131 ff. trist. H 454. — zu V (11 1) 15 vgl. Lygd.
m 6, 2. — V. 56 inexperta ab arte] ah 'einfach zur bezeichnung de&
mittels oder Werkzeugs', die stellen, die vf. hier und Heyne- Wunder-
lich zdst. über den gebrauch von ab anführen, sind ganz verschieden
zu erklären ; hier ist ab offenbar bezeichnung der richtung, gleichsam
profectus a: der landmann zuerst führte reigentänze auf, von nie
geübter kunst ausgehend, vgl. Prop. IV 1 (nr. XVIII) 24 maius ab
exequiis nomen in ora vemt. — v. 101 ingerere vom wieder-
vergelten der Schimpfwörter ? vielmehr 'ausstoszen'.
Prop. nr. 11 (I 1). in der inhaltsangabe versichert vf. ebenso
wie Schulze, v. 29 erkläre Prop. in ferne länder gehen zu wollen,
aber damit ist es ihm wohl nicht ernst. — das citat zu v. 19 Hör.
c. VI 85 ist druckfehler für (Ov.) Her. — zu 21 ^agedum = nunc-
dum.' schwerlich. — zu 27 vgl. Prop. IV 24 (nr. XV) 11. — nr. HI
(1 6) 2 Äegaeo säU>: 'dativ der richtung.' vielmehr gewöhnlicher abL
loci B= ^auf dem ägäischen meere fahren'. — V (1 17) 3 Cassope. auch
Cicero ept^. XVI 9, 1 nennt einen hafen des namens {Cassiope) auf
Corcyra. — nr. XI (1 15) 6 fadem quaerere 'das gesiebt schmücken',
einfacher: 'ein schönes antlitz zu schaffen suchen'; fades enthält
bei Prop. meist den begriff der Schönheit noch in sich. — XII (1 18) 8
zu nota vergleicht vf. recht unpassend das nota Cat. 68, 28. — XV
(IV 24). ist V. 1 tfia statt tuae eigne (natürlich verfehlte) conjectur
oder druckfehler? — v. 2 ocuUs meis war zu erklären, ich erkläre:
'du, allzu stolz gemacht durch die von mir besungenen äugen'
mit deutlicher beziehung auf 1 1, 1 (u. 3), der gewis der bekannteste
vers des dichters war. — zu nr. XVIII findet sich die nebenbezeich-
nung IV 1 und 2. man sieht aber nirgends , wo dieses zweite ge-
dieht hätte anfangen sollen. — XIX (IV 3). des Eallimachos AiTia
schlankweg ein 'mythologisches werk' zu nennen ist doch wohl
nicht zutreffend; es enthielt auch noch anderes. — nr. XX (IV 9) 37.
statt des geschraubten und schwer verständlichen sedisse (jsidisse
Lachmann) möchte ich vorschlagen ceddisse: non flebo in dneres
arcem ceddisse paternos Cadmi 'nicht will ich über ^heben klagen,
das in asche zerfiel'; vgl. II 8, 10 das entgegengesetzte et Thebae
stetertmt. Broukhuis' stellen helfen nicht über die Schwierigkeit. —
was hier paternus ^=3 'vaterländisch' soll , ist nicht ersichtlich ; es
ist wohl dichterisch etwas frei gebraucht mit bezug auf den epigonen-
krieg. — zu 53 utroque ab litore vgl. Cat. 31 (nr. IV) 3 uterque
Neptunus. — nr. XXI (III 10) 2 ist, wie ich schon früher ausführte
(zs. f. d. gw. 1881 s. 614), an Heinsias' Äanio festzuhalten, die hsl.
Überlieferung Eemonis ist offenbar durch abirren des auges auf das
Helicona in v. 1 veranlaszt. für die vortreffliche 'thessalische reiterei'
ist hier durchaus kein platz ; Prop., selbst wenn wir ihm den kühnen
(und unantiken) tropus zutrauen wollten, will ja seine dichterkraft
272 WGübert: zu Oyidiiu Fasti [VI 808—806].
gerade durchaus nicht stolz und unternehmend schildern, wie y. 5.
6. 11 u. 12 beweisen; der schlusz des gedichtes 25 und 26 mit den
Ascraei fontes und dem Permessus leitet augenscheinlich auf den
anfang zurück : das alles stützt Äonio. LMüllers Emathio ist un-
richtig: denn die Ovidstelle, die er praef. s. XXVI heranzieht, erzfthlt
nur dasz die Pieriden von den Musen besiegt aus den emathischen
gefilden (Makedonien) weichen und zu den nivosi Pcieones ziehen
wollen, schlieszlich aber in elstem verwandelt werden, wo ist da
auf einen equus Emathius zu schlieszen erlaubt ? — vf. hätte übrigens
Birts darstellung über dies gedieht (buchwesen s. 415 ff.) berttek-
sichtigen sollen, die dem ref. höchst gelungen erscheint; y. 7 u. 8
stehen entschieden an falscher stelle. — zu nr. XXFV (V 11) 8 *die
begriffe grab usw. werden oft mit einander verwechselt' — wohl
Vertauscht, für einander gesetzt'. — zu 23 Sisfff^hm vgl. Hom.
X 593. — 31 'Scribonia gehörte', deutlicher: Cornelias mutter Scri-
bonia. — v. 67. die erklärung ^anrede an die während der censur
des vaters geborene tochter' erklärt nicht genug das specimen censurae
paternae. es ist mit Broukhuis* erklärung (v. 93) zu oombinieren :
Hu 0 filia quae ita sancte nata es , ut censuram patris tui tuis ex-
primas moribus', o tochter, die du schon mit deii^er geburt ein
Probestück der censur des vaters bist, schlachte nach mir ! Schulzes
erklärung *die tochter war so sittenrein , dasz sie von einem oemsor
als ein muster guter sitte hingestellt werden konnte' ist mehr als
unbedacht, das kind war noch nicht sechs jähre alt!
Das buch ist recht brauchbar; hoffen wir, dasz dem vf. in er-
neuten auflagen bald gelegenheit gegeben ?Lird es zu einem guten
umzugestalten.
Fbiedbbbbo in der Nbumark. Otto Habnbokeb.
45.
ZU OVIDIÜS FASTI.
In meiner behandlung von Ov. fast. VI 803—806 (jahrb. 1878
s. 783 f.) ist, wie ich erst jetzt sehe, ein Schreibfehler untergelaufen:
8. 784 z. 15 'v. 803 und 804' statt W. 804 und 805'. derselbe hat
veranlaszt dasz die herren, die meine erörterung citieren (Peter in
seiner zweiten ausgäbe und Magnus in der zs. f. d. gw. 1879 s. 305)
als die von mir für unecht erklärten verse 803 und 804 ansehen.
für unecht hielt ich und halte ich noch v. 804 u. 805:
Marciaj sacrifico dedtuium nomen ah Anco
[in qua par fades nobüitate sua.
805 par animo guoque forma s%u> respandet. in üla]
et genus ä fades ingeniumque simul.
zu begründen brauche ich diese athetese hier nicht, da die ausführ-
liche ao. gegebene begründung nur für sie, nicht aber für Streichung
von 803 und 804 passend ist.
Dresden. Waltheb Oilbbbt.
EHiller: das fragmentum Cuiacianum des Tibullus. 273
46.
DAS FBAGMENTÜM CUIACIANUM, DES TIBULLUS.
Es ist eine bemerkenswerte thatsache, die ich in den mir be-
kannten Tibullausgaben und auf den text des Tib. bezüglichen ab-
handlungen nicht hervorgehoben finde, dasz jenes fragment einer
alten handschrift (F), über welches wir durch auf Zeichnungen und
mitteilungen Scaligers unterrichtet sind , bereits von den Italiänern
des fünfzehnten jh. benutzt worden ist. weitaus die meisten lesarten
von F, welche von unseren ältesten vollständigen hss. (0), insbeson-
dere vom Ambrosianus abweichen, werden auch aus interpolierten
hss., aus alten ausgaben und aus alten coUationen angeführt, den
beweis hierfür liefert die folgende Übersicht.
III 4, 65 scievus amor docuU vaMdos tentare lahores F, der vers
fehlt in 0, wird aber angeführt aus cod. Corvin., Voss. 1^ exe. Puccii,
exe. Perrei* 66 saeva stAÜ passe: Voss. 1, 2, 3 80 hoc st. ac:
cod. Mureti' 89 succmcta st. submixtai cod. unus Statu, cod.
unus Broukhusii , Vatic. , Vindob. , Ooth. , Bern. 6 , 23 qucdis
quantusque st. deus hie quantumque\ Vindob., Voss. 1 44 cavere
(so auch exe. Paris, und exe. Fris.) st. carerei cod. Falcenburgil,
Palat. 62 » st. 6^: Vindob., Monac, Voss, ö IV 1, 2 nc-
queant st. valeant: Colbert. 3 at st. a: codd. Heinsii, Vindob«, exe.
Perrei 30 qacique index st. gua iudex: Voss. 3, ed. Ven. 1475,
exe. Perrei, exe. Colotii 39 nam quis te st. nam quique tibi: cod.
ürsini, exe. Perrei ^i^hic F, om. 0: G, V m. 2, C usw.
55 lotos st. Cydops: exe. ^lotii, exe. in ed. Gryph. 70 inter
gemvnae st. ierminae: vier von JHVoss benutzte hss., cod. Laudi,
Guelf. 3, ed. Ven. 1475 {tergeminae steht auch in anderen hss.)
11 ore st orhe: vier hss. bei JHVoss, exe. Puccii, Colotii,
Lipsii 78 erroris st. errorum: Voss. 1 und 3 96 veniat gravis
(so auch exe. Par.) st. grandis vemt: Voss. 1 102 lU (so auch
exe. Par.) st. in: Monac, Bern., exe. Colotii 104 dexter uti (so
auch exe. Par.) st. dexteraque ut: Voss. 3, exe. Colotii 110
Arupinis st. et arpinis : Ambr. m. 2, g (Arupinus Guelf. 1 und 4,
sowie mehrere alte ausgaben) 175 ierint st. poscent: Voss. 1
(poserint cod. Lips.) 185 fecundas st. fecundis: Voss. 1 ad
st. in: exe. Perrei messis (= messes) st. mensis: Goth., Voss. 1,
exe. Perrei 189 anteaäos st. accüus {accitos) : Vindob. 198 sint
st. sü: d, e, cod. unus Heinsii, Lips., exe. in ed. Reg., mehrere
alte ausgaben 200 vincere st. nwttere: Voss. 1 und 3 205 cde-
^ andere hss. haben saevia amor docuit dominae fera verba minantis,
der erste teil des hezameters liesz sich leicht ans dem pentameter ent-
nehmen; die Übereinstimmung in dieser beziehnng kann also zufällig
sein, ein eigentümlicher zufall ist auch der umstand dasz F gerade mit
diesem im archetypus der übrigen hss. fehlenden verse begann, (für
diese stelle nimt, wie ich nachträglich sehe, benutzung des fr. Cui.
durch die Italiäner auch Leonhard an, de codd. Tib. s. 24.) ' vgl.
übrigens rhein. mus. XXIX s. 104.
Jahrbücher für elass. philol. 1883 hft. 4. • 18
274 EHiller: das fragmeutum Cuiaciannm des Tibullus.
rem st. fato : Voss. 2 2 10 quandocunque st. in quemctmque : code
Heinsii 2, 23 haec st. hoc: hss. bei JHVoss, cod. unus Gebhardi
5, 1 Qui mihi st. Est qui : exe. Perrei. 6, 7 neu quis st. we
f205 : g 7, 6 sua st. ^uain: g 9, 2 iam licet st. non sinet: exe.
Perrei, exe. Wallii 11, 5 o^ st. ah: cod. Bodl. unus 6 lento
st. ^o: zwei Beroll, bei Bach 13, 17 cedo st. credo: C, codd.
Eboracenses duo, cod. unus Statu, cod. Heinsii, Cuiac. rec, Vat.,
Goth., Lips., Voss. 3 und 4, exe. Colotii IS proderat st.prodeati
Dresd., exe. Wallii, alte ausgaben.
Übrig bleibt hauptsächlich eine anzahl von versehen, deren
aufzeichnung in der that keinen zweck gehabt hfttte*: III 6, 44 tttos-
st. tiw IV 1, 55 captos st. tempus (coeptos mit recht interpol. hss.)
60 erigit st. irrigat 97 ut st. atU 168 äUeram st. aUer
193 atm st. atmm 202 das fehlen von vel (?)^ 3, 21
at st. et 5, 10 volet statt des für calet verschriebenen välet {vdü
Puccius) 6, 19 sis st. si. leicht begreiflich ist es femer, dass
den Italiänem igUur st. ergo IV 1, 161 nicht beachtenswert erschien
und dasz sie mit den corrupten Worten ardet aredais und perhospüa
(statt Creieis ardet und caristia) IV 1, 142 nichts anzufangen wüsten*
sonst sind es nur noch die lesarten trita st certa Hl 5, 10^ und prae-
lia st. pedore IV 3, 3 {peäora die interpolierten hss.), welche blosz
durch Scaligers mitteilungen aus dem fr. Cniacianum bekannt sind.
Dasz nun an den sämtlichen oben von mir verzeichneten
stellen die Italiäner durch conjectur auf dieselbe lesart verfallen
seien , welche in dem alten fr. Cuiac. überliefert war, wird schon
an sich niemandem glaublich erscheint, völlig entscheidend aber
ist der umstand, dasz auch die durch F aufbewahrte autorbezeichnong
Bomitii Marsi für das epigramm auf Tibulls tod den Italiänem nicht
unbekannt war: sie wird, ohne bestimmte angäbe der hsl. quelle^
in den 1528 aufgezeichneten excerpten des Perreius angeführt: vgl»
Huschke s. XVU und 676.
Da von den zahlreichen interpolierten hss. des Tib. nur ein
verhältnismäszig geringer teil verglichen ist, so läszt sich mit ziem-
lieber Sicherheit annehmen , dasz sich jene lesarten von ¥ auch noch
sonst in derartigen hss. vorfinden, hie und da mögen auch lesarten
von F, welche Scaliger aufzuzeichnen unterlassen hat, von den
Italiänern beachtet und verwertet worden sein, für die kritik des
Tib. ist indessen mit dieser und mit weiteren hierauf bezüglichen
annahmen nichts gewonnen: denn niemand wird sich die fühigkeit
zutrauen , unter der masse von änderungen der Italiäner, die teils
willkürlich teils gerechtfertigt , teils verunglückt teils ansprechend
sind, etwaige sonstige lesarten von F herauszufinden, zumal da diese
lesarten, wie die obige Zusammenstellung zeigt, nicht auf bestimmte
hss. beschränkt sind, sondern da und dort vereinzelt auftauchen.
^ vgl. rh. mns. XXIX 8. 105. ^ vgl. iodetsen rh. mos. XXIX 8. lOS.
Halle. Eduard Hilleb.
BDombart: anz. v. Ennodii opera omnia ed. GHartel. 275
47.
CORPVS SCRIPTORVM ECCLESIASTICORVM EDITVM CONSILIO ET IMPEN-
SIS ACADEMIAE LITTERARVM CAESAREAE VINDOBONENSIS. VOL. VI.
MAONI FELICIS ENNODII OPERA OMNIA. RECENSVIT ET COMMEN-
TARiO CRiTico INSTRVXIT GüiLELMVS Hartel. Vindobonae
apud C. Geroldi filium bibliopolam academiae. MDCCCLXXXII.
LXXXX u. 722 8. gr. 8.
Das hohe verdienst, welches sich die kais. akademie der Wissen-
schaften in Wien dadurch erwarb, dasz sie zu der herausgäbe des
corpus scriptorum ecclesiasticorum den anstosz gab und dafür die
kosten übernahm^ wurde neuerdings in erinnerung gebracht, als
nach längerer pause die samlung in rascher folge durch mehrere
bftnde vermehrt wurde, die wichtigste der jüngsten publicationen
ist unstreitig diejenige, deren besprechung uns obliegt.
Die schriftstellerische thätigkeit des Ennodius reicht in die
für Europas neugestaltung so wichtige und doch so dunkle zeit des
sechsten jh. hinein, wer nun den dicken band zum ersten male zur
band nimt, mag sich eine grosze historische ausbeute versprechen,
zumal wenn er weisz dasz der Verfasser dem hofe Theoderichs d. gr.
und den pSpsten Symmachus und Hormisda nicht fem stand, sicher
ist auch der gewinn, den die geschicbtschreibong aus dem studinm
des Ennodius ziehen kann, nicht gering anzuschlagen, und die neue
ausgäbe bietet nach dieser seite ein treffliches hilfsmittel in dem
sorgfältig gearbeiteten 4ndez nominum et rerum'. und doch werden
die erwartungen in dieser beziehung einigermaszen entteuscht: denn
einmal zeigt der Schriftsteller für kleine und kleinliche dinge persön-
licher art mehr sinn als für die groszen geschichtlichen erscheinungen
seiner zeit, und auch da, wo die letzteren von ihm leise berührt oder
eingehender behandelt werden, sieht sich der leser vielfach statt vor
enthüllte thatsachen vor eine unendliche reihe von rätseln gestellt,
deren entwirrung mühsamer als lohnend ist. Ennodius verschmäht
es in der regel ^ das kind beim namen zu nennen und sucht etwas
darin, die einfachsten dinge und gedanken durch einen wüst ge-
zierter und gespreizter floskeln zu verhüllen und künstlich zu ver-
wirren, man musz bei ihm oft seitenlang durch die irrgänge seiner
verschnörkelten redefiguren sich hindurchwinden, bis man auf einen
gedanken stöszt, der wert war ausgesprochen zu werden, freilich
ist gerade diese wenig empfehlende eigenart dem geschichtskundigen
ein beachtenswertes zeichen der zeit.
Wenn nun also Ennodius durch den thatsächlichen gehalt seiner
Schriften die erwartungen nicht völlig befriedigt, so ist um so reicher
> nnr bisweilen, wenn er sich in innerer anfregnng befindet, spricht
er mehr sachgemäsz nnd von der leber weg; so in einigen briefen an
seinen neffen Parthenins, an Enprepia und an Beatus {ep. 8, 29; vgl.
8, 30 8. 219, 18). solche kräftige ergüsse wirken nnter dem übrigen
affectierten gerede wahrhaft wohlthnend.
18 ♦
276 BDombart: ans. y. Ennodii opera omnia edu GHarieL
die sprachliche aosbeute, die wir bei seiner lectüre gewinnen, man
musz zwar manche absonderliche Wendung auf rechnong seiner per-
sönlichen Verschrobenheit schreiben; aber es bleibt doch noch sehr
viel übrig, was zum gemeinsamen sprachgute der damaUgen römi-
schen weit, besonders aber von Norditalien und Südfrankreich zu
zählen ist.* wenn man nur mit der kenntnis der goldenen und sil-
bemen latinität oder des kirohenlateins aas dem vierten und der
ersten bftlfte des fOnften jh. an Ennodius herantritt, so steht man
verwundert vor dieser spräche, die zwar äuszerlich noch das römische
gepräge tr>, aber docli der classischen latinitftt innerlich sehr ent-
fremdet ist. in bezug auf stttmme und Wortbildung hat sich nicht
eben viel verändert; um so tiefgreifender aber ist die Wandlung auf
dem gebiete der syntaz und besonders der bedeutungslehre* grosm
gewinn wird deshalb aus dem Studium des Ennodius vomdmilieh die
lexikographie schöpfen, zumal da die beiden lateinischen thesanren
von Forcellini und Ducange, deren centra fem abliegen von iat
zeit des Ennodius, hierher nur mit ihren Peripherien reichen und
daher die schriftsteiler dieser periode etwas stiefindtterlich behandeln.
Um so wertvoller ist nun der um&ssende und inhaltreiche Hniax
verborum et locutionum' der neuen ausgäbe, derselbe bildat eine
erwünschte grundlage fttr sprachliche Studien , welche sich in der
vemachl&ssigten Übergangszeit von der classischen latinitftt sa der
des frühem mittelalters bewogen«
So wichtig fttr geechidite und Sprachforschung die erwihniMi
beiden indioes sind, denen überdies ein ^indez scriptonun' rieh an-
reiht, so liegt doch das Schwergewicht der neuen ausgäbe voinehm-
lich im tezt und in dem beig^gebenen kritischen apparat. eine
neue recension war Iftngst ein bedfirfiiis bei der mangelhaftigfceit
der bisherigen ausgaben, deren bearbeiter teils nicht das nOtigi
masz von Sorgfalt und kritischem geschick besaszen, teils keine
guten handschriften zur Verfügung hatten.
Die editio princeps («» b) erschien zu Basel im j. 1669. an
gründe lag ihr, wie Hartel nachweist^ der stark verderbte cod. Vindo«
bonensis (-» P; n. 745 saec XV) oder eine abschrift davoiL neben-
bei wurde auch der ausgezeichnete Bruxellenais («» B; iL 9845 —
9847 saec. IX) benutzt, aber so nachlftssig, dass darwis auch die
gröszeren lücken des Vind. nicht völlig ergtast und audi sonst niur
eine geringe anzahl von stellen verbeteert wurde, eine neue aus-
gäbe erschien zu Toumaj im j. 1611, besorgt von dem Jesuiten
Andreas Schott, derselbe rühmt sich in der widmungeepistdi mit
hilfe wertvoller manuscripte, die er in Belgien au%efonden {Hjk
Morinis Belgarum ultimis*), den leiditfertigen Baseler drack vöUig
* Ennodius ist sieh des Unterschiedes swischea seiner mehr pro-
▼inciellen latinitit und degenigen, welche die gtbildeUn der haaptnadt
sprachen und schrieben, wohl bewust. vgL im index verborum die au
^Latiaris stilus' gesammelten stellen mit den aosdr&eken mtüemu efo-
guium (s. ebd. unter 'rustioaas') und limäea tlmpHeSUt».
i
BDombart: anz. v. Ennodii opera omnia ed. GHartel. 277
in schatten za stellen, unter jenen 'manuscripten' versteht er den
Bruxellensis. wie eine von Schotts hand in diesem codex eingetragene
bemerkung bezeugt, wurde derselbe von ihm im j. 1607 verglichen,
aber weder der besitz dieses vorzüglichen hilfsmittels noch die
geringschätzige meinung von der thätigkeit der Baseler herausgeber
hinderte ihn den text der letztern fast wörtlich wiederzugeben, wäh-
rend die trefiflichen lesarten der Brüsseler hs. in unvollständiger
auswahl zugleich mit den ziemlich wertlosen eignen conjecturen
Schotts an den rand verwiesen wurden.
In demselben jähre wie Schott liesz sein berühmter ordens-
genosse Jacques Sirmond zu Paria eine ausgäbe des Ennodius er-
scheinen, welche der gelehrsamkeit und Sorgfalt des hg. alle ehre
macht , aber leider sich nicht auf den Bruxellensis , sondern neben
der ed. pn auf einige hss. der interpolierten classe stützt, die
späteren ausgaben des Ennodius sind fast nur Wiederholungen der
Sirmondschen. so ist denn Harteis ausgäbe die erste, in welcher
ein reiches und treffliches handschriftenmaterial sorgfältig und
wissenschaftlich gesichtet und ausgebeutet wird.
Die hauptgrundlage bildet der von Schott und den Baselern
unvollständig, von Sirmond gar nicht benutzte Bruxellensis. er ist
der einzige zeuge eines alten , noch unverfälschten textes und fast
durchweg ein sicherer führer. von der interpolierten classe sind die
ältesten und besten ein Vaticanus (= V; n. 3803 saec. IX — X), ein
Lambethanus (<» L; n. 325 saec. IX — X), und drei zusammen-
gehörige Trecenses {= T; n. 658. 461. 469 saec. XII— XIII). unter
ihnen nehmen eine hervorragende Stellung die Trecenses ein, welche
von erster und zweiter hand oft allein oder übereinstimmend mit B,
aber abweichend von den übrigen hss. der interpolierten classe die
richtigen lesarten bieten, die letzteren scheinen zum grösten teil
auf glückliche conjecturen zurückzugehen , teilweise aber vielleicht
doch auch auf marginal- oder interlinearvarianten , die aus der un-
verfölschten classe in ein älteres exemplar der verfälschten über-
gegangen waren.
Ist durch die sorgfältige benutzung des Brux. seitens des hg.,
der ihn selbst zweimal verglich , die kritische thätigkeit desselben
erheblich erleichtert worden , so gab es für ihn bei der ungemeinen
Schwierigkeit des Schriftstellers trotzdem noch eine arbeitslast zu
bewältigen, welcher nur eine so rüstige und wohlgeschulte kraft wie
die Bartels gewachsen war. sein verdienst ist es, dasz wir nun
nicht nur einen durch aufnähme der besten hsl. lesarten und treff-
licher eigner conjecturen^ vielfach gereinigten text besitzen, sondern
' gleich im ersten briefe s. 2, 18 nod s. 3, 1 schlägt Hartel im
krit. commentar zwei evidente bessemngen vor: fastigari statt fatigaA
(vgl. 8. 85, 11 ad quantum me faHigium perduxerit donum spiriialis allo-
quii) nnd adurges für adiunges^ wozu H. praef. b. LXI vergleicht Sym-
machuB epUt, 4, 20 eloqueniissimus iuvenis proximis facundiae calcibus
urget parentem, die beiden conjecturen hätten wohl unbedenklich in
den text aufgenommen werden können.
278 BDombart: anz. v. Ennodii opera omnia ed. GHartel.
auch zum erstenmal einen gröszem krit. apparat zur Verfügung
haben, durch den es uns ermöglicht ist an jeder stelle über die text-
gestaltung uns ein eignes urteil zu bilden, zudem liefern die reichen
indicesy abgesehen von ihrem groszen wert für geschichte, historische
grammatik und lexikographie , einen unschätzbaren commentar, der
in unzähligen fällen die uns entgegentretenden rätsei lösen hilft.
Wenn man nun im besitz solcher hilfsmittel bisweilen noch
nachzubessern vermag, so darf man sich darauf nicht viel zugute
thun. Hartel selbst hat, nachdem ihm die fruchte seiner bemühungen
in übersichtlicher weise vorlagen, über viele einzelheiten anders
geurteilt als zu der zeit, wo der text gedruckt wurde, in der prae-
fatio findet sich neben einer reichen fülle von kritischen und exe-
getischen erläuterungen, welche seine abhandlungen in den 'Wiener
Studien' ergänzen, auch eine nicht unbedeutende zahl von retrac-
tationen, welche ebenso sehr von dem nie rastenden fleisz des h^.
wie von seinem unbefangenen urteil auch seinen eignen aufstellungen
gegenüber rühmliches Zeugnis ablegen, wir bedauern dabei nur, dasz
die stellen, welche nachträgliche textbesserungen enthalten oder die
früheren verwerfen, nicht übersichtlicher geordnet sind, es würde
dieser übelstand minder fühlbar sein, wenn unter den 'corrigenda et
addenda' alle stellen, an denen der hg. die im text oder Inder adn.
crit. vertretenen lesarten später aufgegeben hat, unter hinweisung
auf die be treffenden selten der praef. aufgeführt wären, denn den
wenigsten lesem wird man zumuten dürfen, diese stellen selbst aus
der praef. mühsam herauszusuchen«
Es ist aus mehr als 6inem umstand ersichtlich, dasz die achtung
des hg. vor dem Bruxellensis im verlauf der arbeit sich gemehrt
hat. so werden praef. s. XXXV mehrere lesarten desselben , welche
in den ersten bogen der aufnähme in den text nicht gewürdigt wor-
den waren, nachträglich gebilligt, es hätten deren aber noch mehr
berUcksichtigung verdient, ich will versuchen diese ansieht durch
beispicle zu begründen , in denen ich solche föUe , wo B mit andern
bss. übereinstimmt, nicht ausschliesze.
E})» 1, 16. gegen schlusz dieses anElorianus gerichteten briefes
finden sich folgende werte (s. 28, 5 ff.) : si fida sunt quae scribis et
peniculo decorata menäaciiy muta propasituMy vd posteaquam vides
mcntetn innoiuisse quae feceris. B hat qua statt quae\ Uartel ver-
mutet im krit. commentar qua ea\ praef. s. LI erklärt er, er würde
das bloszo qua vorgezogen haben, wenn facere im sinne von agere
(also wohl der absolute gebrauch von facere) bei Ennodius nach-
weisbar wäre, ich glaube auch nicht an einen absoluten gebrauch
an dieser stelle; aber es ist doch hier recht leicht ein id oder ea zu
ergänzen, das zurückweist auf fiäa und peniculo decorata mendacU
scrihere, das vel vor posteaquam <» saltem ist im index verborom
nachzutragen, es fehlen dort auch noch folgende stellen: 231, 12.
232, 4. 246, 14. 501, 8-
Ep, 7, 15 gratuliert Ennodius dem Agnellus zu einer neuen
BDombart: anz. v. Ennodii opera omnia ed. GHartel. 279
hohen am ts würde, nach den einleitenden Worten, welche die neue
ehre ak eine längst verdiente bezeichnen, fährt er (s. 184, 16) also
fort: et vos quidem honores meruissey non optasse manifestum est;
sed praecedens concinnatio eloquitar vota düigentum, vor sed setzte
ich statt eines punctum ein Semikolon, da mir die beiden sätze enger
zusakmmenzugehören scheinen, es wird darin bezeugt, dasz in den
vorangeschickten werten {praecedens concinnatio ; vgl. praefata con-
cinnatio 8. 83, 3) mehr die wünsche der freunde als die des be-
scheidenen adressaten ausgesprochen würden, unter den diligentes
ist natürlich vornehmlich der Verfasser des briefes. daran schlieszt
eich nun folgendes : novit omnipotens et generis vestri luce permotus
et gratiae quam poUiciti estis invitatuis fiducia: praecessit in pro-
speris vestris quicquid vos discipUna aut ratione cohibetis. die parti-
cipialen attribute generis vestfi luce permotus und gratiae . . invitatus
fiducia, die hier auf omnipotens bezogen sind , geben von den gött-
lichen entschlüssen und ihren beweggründen eine zu menschliche
Vorstellung, zudem ist der begriff von gratia und dessen beziehung
nicht recht klar, endlich macht die deutung von praecessit Schwierig-
keit, für welches man eher processit erwarten sollte, nun hat aber
B nicht praecessit^ sondern praecessi; auch im Y ist der letzte
buchstab von praecessit getilgt, durch die aufnähme dieser lesart
gewinnen wir eine wesentlich andere und , wie mir scheint , bessere
form der periode. das subject zu permotus und invitatus ist nun das
in praecessi liegende ego , und die werte sind so zu interpungieren :
novit omnipotens: et generis vestri luce permotus et gratiae y quam
pollidti estis y invitatus fiducia praecessi inprosperis vestris quicquid
vos discipUna aut ratione cohibetis. wie hier (novü omnipotens) , so
ruft Ennodius öfter gott zum zeugen für die Wahrheit seiner aus-
sagen auch in unbedeutenden dingen an, zb. s. 208, 15 non me de
epistola mea aestimes, quam, deus t estis est, dum de basüica re-
mearemy transcursione diäavi\ vgl. s. 201, 2 deo teste, zu praecessi
wird in gedanken aus dem vorhergegangenen votis ergänzt, wegen
des vor quicquid ausgefallenen demonstrativs vgl. im index verborum
den artikel ^relativa enuntiata' usw. die gratia quam poUiciti estis
ist das wohlwollen gegen den freund , zu dem man sich bei der an-
knüpfung einer freundschaft gleichsam verpflichtet, es ist dasselbe
gemeint, was s. 35, 5 dX^promissa fides, s. 59, 20 alapromissa con-
cordia^ s. 117, 5 als promissus amor bezeichnet wird.
Ep. 7, 21 (s. 189, 7) numquid aequum fuU amantis paginis
tantum mandata restitui, aut par fides est liberae scriptioni et
f am Uli? numquid dignum proboitis moribus censuistis provocantem
ad officia religiosa non subsequi, vd nefas putastis epistolas reddere,
quas vobis inter excessus contigit non cepisse? die lesart scriptioni
setzte H. in den text für die hsl. Überlieferung scriptionis, auszerdem
schlägt er in der adn. crit. famulae für famvM vor. praef. s. XXXXV
nimt er den letzten verschlag allerdings zurück; doch beharrt er
auf scriptioni^ weil der dativ hier weniger hart erscheine als der
280 BDombart: anz. y. Ennodii opera omnia ed. GHartel.
genitiv. richtig aufgefaszt scheint mir aber der gen. hier besser als
der dativ. offenbar hatte der adressat Mazimus auf einen brief des
Ennodius {atnantis paginis) die antwort nnr mündlich durch einen
diener erteilt (tantum mandaia restitm). das findet Ennodius un*
genügend , weil die zuverl&ssigkeit (fides) eines Schreibens von
freier band {liher(ie scriptiams) und die eines dieners nicht die
gleiche sei. im folgenden hat H. mit den geringeren hss. cepisse ge-
schrieben, während B coepisse bietet ; überdies setzt er praef. s. LXU
excurstis anstatt des hsl. excessus. dazu bemerkt er : 'saepissime ex-
cesstis idem quod error significat, quae verbi yis sententiae non (?)
convenit ; contra itineribus quae Maximus suscepit (?) optime ex*
plicatur, quod epistulas accipere non potuerit.' als beispiel wird
angeführt aus dictio 28 (s. 506, 11 ff.) sciUcet cadesHbus cnidelüas
ista procuratwr auäorihus et interpres superorum ad hos iwmmem
conpeUit excursus^ ut düigentis Utora quasi scHum hostüe diffugiatf
ut usw. statt excursiis steht im text allerdings auch hier das hsl.
excesstis ; aber in der praef. wird excurstis gedruckt und die ftnderung
so begründet: 'nova Dido itinera significat, quae Aeneas deorum
iussu ingreditur.' ich glaube aber dasz an keiner der beiden stellen
die hsl. lesart zu ändern ist. das wort excessus ist wie öfter bei
Ennodius in dem sinne von delictum zu nehmen, ironisch ruft an der
letzten stelle Dido dem Aeneas zu: 'natürlich: auf göttlichen
antrieb wird solche grausamkeit ins werk gesetzt und der dolmetsch
der g Ott er {^^ i^ates) veranlaszt den menschen zu solchen ver*
gehungen, dasz er das gestade der liebenden wie ein feindesland
flieht, dasz er* usw. auch an der stelle, von welcher wir ausgegangen
sind, ist excessus im gleichen sinne zu nehmen; ehe wir aber darauf
näher eingehen, müssen wir einen andern punkt in Ordnung bringen,
aus praef. s. L23I sieht man dasz Hartel cepisse im sinne von accepissB
nimt und dadurch auf den gedanken kommt , der adressat habe den
vorhergehenden brief nicht erhalten, dies führt ihn offenbar
darauf, die Ursache dieses umstandes in einer reise {excursus) des
Maximus zu suchen, was wäre aber dann für ein anlasz gegeben,
dem Maximus vorwürfe zu machen? ich glaube dasz wir mit B
coepisse setzen müssen, die ungewöhnliche Zusammenstellung eptstoZo^
coepisse erklärt und entschuldigt sich aus der beabsichtigten antithese
zu epistolas reddere. das Sachverhältnis wird wohl am besten eine Über-
setzung der stelle klar machen; sie möchte etwa so lauten: 'hast du
es für vereinbar mit guter sitte gehalten , dem beispiel dessen nicht
zu folgen; der zur erfüllung heiliger freundespflichten heraus-
forderte, oder sahst da ein unrecht darin, briefe zu er-
widern, während dir schon damit ein f e h 1 er begegnet ist, dasz du
im briefschreiben nicht den anfang gemacht hast?' das
ist nun freilich weder besonders klar noch sehr geschmackvoll, aber
die gewählte form des ausdrucks gab dem Ennodius einen erwünschten
anlasz eine von seinen antithesenspielereien (provocare — subsequi;
nefas — excessus; reddere — coepisse) zur anwendung zu bringen.
BDombart: anz. v. Ennodii opera omnia ed. GHartel. 281
Ep, 9, 1. der Verfasser ermutigt seinen jungen freund Arator,
das cölibat und die gelehrten Studien , die sich in ihrer zeit doch
nicht mehr lohnten, aufzugeben und in den stand der ehe zu treten.
ergOy sagt er gegen den schlusz (s. 228, 17), post Mtisarum castra
et inanes aetate nostra cantüenas ad curam te serendae sübolis mtUa:
vUa quod vüuU, quia inter imperüorutn (nach dem gebrauch des
Ennodius = indoäorum) exercUus furor est noUe rusticari: iuvat
sapientem hoc esse quod pl/urimos, facessat phüosophiae in nostrorum
nota conventibus: ego curis deesse cupio, quotiens felkem inscitiam
sequüur qui praecedit. für Harteis conjectur curis deesse haben die
hss. LPTV donasse curis; B aber coris donesse, ich glaube dasz da-
hinter nicht das zu farblose curis deesse, sondern Corydon esse
steckt, die letzten worte sind dann wohl so zu fassen : 'ich möchte ein
Corydon sein, so oft ein mir vorangehender (ein besserer, höherer als
ich?) den weg glücklicher thorheit einschlägt.' ein solcher gedanke
entspricht wohl dem launigen tone des briefes. der name Corydon
und das vorhergehende rusticari erscheinen als eine von den vielen
reminiscenzen des Ennodius aus Vergilius. hier schwebt ihm offen-
bar ed. 2, 56 vor: rusticus es Corydon.
Ep. 9, 10. Celsus, an den der brief gerichtet ist, scheint schon
früher eine neigung zur absonderung von seinen freunden gezeigt
zu haben, und nun, da er in weite ferne gezogen, läszt er nichts von
sich hören, darauf beziehen sich folgende worte (s. 235, 6) : semper
et hie quidem Icdentia inter l^pores cubüia düigebas (nach praef. LXXV
deUgehas), sed saepe UUebram ttuim qui presso ore vestigia rimatus
est invenit. nunc aUiori consüio, credo, ut maerores accenderes, te
hominem coetibus sübmovisti. Hartel selbst sagt bezüglich seiner
conjectur maerores, welche sich zunächst an die lesart der geringeren
hss. maiores anschlieszt, praef. s. LXXXI: 'voz maerores ad signi-
ficandum desiderinm parnm placet/ die lesart des B wird auch hier
zu dem richtigen führen, er bietet matores. das ist wohl verdorben
AUS venatores, das obige jagdbild, das von hasen sprach und
einen vergleich mit nachspürenden hu n den zog, wird hier durch
die hereinziehung der jftger vervollständigt, auch sonst liebt es
Ennodius ein einmal begonnenes bild breitzutreten«
Ep. 9, 23 beginnt so : datum est mihi cadestis infusione mysterii
libera habere iudicia, etiam cum sim beneficiis obligatus. est enim
superni muneris, ut ingenuam sententiam ferat öbnoxius nee delec-
tetur inmanitate gratiae vigor examinis. der erste teil des letzten
Satzes enthält den gedanken, dasz die freimütige meinungsäuszerung
eines menschen, der sich einem hohem gegenüber verpflichtet fühlt,
als eine besondere gäbe von oben zu betrachten sei. wie stimmt
aber dazu der letzte teil des satzes? ich vermag ihm keinen erträg-
lichen sinn zu entlocken, auch wenn ich mit H. (adn. crit.) rigor statt
vigor lese, der fehler scheint mir nicht hier, sondern in deleäetur
zu stecken, dafür bietet B allein delUetur. statt dessen lese ich mit
geringer änderung debilitetur^ welches zu vigor und zum ganzen
282 B Dombart: anz. v. Ennodii opera omnia ed. GHartel.
gedanken gut passt. gelegentlich sei bemerkt dasz inmanitas =
magnitudo ist, wie inmanis =* magnus, vgl. darüber den index.
Ep. 9, 30. in diesem in Christi signo überschriebenen brief
wendet sieb Ennodius an einen nicht genannten hochgestellten mann.
die einleitung bilden entschuldigungen dafür, dasz es «ich erlaubt
einem höherstehenden gegenüber die correspondenz zu eröflnen. er
beruhigt sich jedoch selbst mit folgenden werten (s. 252, 9) : non
habet superhi conscientiam qui se tantum in affectionis muniia non
metitur (der ist frei vom bewustsein des hochmuts , der nur in den
gaben der liebe [dh. den briefen] seine Stellung verkennt). pra&'
sumo dicerCy directus subdüorum fervor est qui inhac re praecedentes
antevenit, es ist kein wunder, wenn man hier wieder einmal vor
lauter rhetorischen Zieraten den sinn nicht gleich erkennt, durch
aufnähme von H.s conjectur fervor aber wird die sache schwerlich
besser, die hss. haben error und das ist ganz richtig, wie in prae-
cedenies antevenire (den vorangehenden, dh. vornehmem, zu*
vorkommen), so liegt auch in directus error ein Wortspiel, es soll
damit ein 'löblicher irrtum' bezeichnet werden (carm. 1, 1, 33 heiszt
es dafür laudandus error, freilich in etwas anderm sinne), über di-
reäus (franz. droit) «» reäus vgl. 463 , 14. der letzte satz ist dem-
gemäsz zu übersetzen: 'ich wage es zu behaupten: es ist ein rich-
tiger irrtum der tief erstehenden , der in dieser beziehung den
vorangehenden zuvorkommt.' zu der ozjmoronartigen Zusammen-
stellung von directus error vgl. noch: datnat tadtumitas 110, 13;
ganz ähnlich 120, 25. 157, 3. 232, 18. otii labor 181, 11; fecunda
sterüitas 204, 4; nohüis hurnüitas 210, 13; loqueräur muta dissi-
mulatio 248, 16. es gehört hierher auch eine stelle aus der dictio 25
(s. 502, 4): Video Troiae fumaniis excidia et statu eam manente
suhversam, wo statu manente einen rhetorischen contrast zu suh*
t'ci'safn bildet, wenn hier Schott fato für statu und H. (adn. crit.)
de statu manente vorschlägt, so scheinen sie beide den zusammen-
bang nicht richtig aufgefaszt zu haben, die ganze rede ist der Thetis
in den mund gelegt, welche zeit aber hat der Verfasser im äuge?
nach der Überschrift verha Thetidis cumAc^iillem videret extinäum
bollte man allerdings meinen, Thetis spreche nach dem tode des
Achilles, dasz aber der Verlust ihres sohnes erst als zukünftig ge-
dacht ist, geht unter anderm hervor aus den worten (502 , 9 ff.) sed
quid Jiis laudihus pascor orhanda? rdigua süentio tegam, ne ante
dolor is tempus narratione conficiar. wir erkennen daraus dasz
unter videret nicht ein sinnliches, sondern ein geistiges schauen,
ein voraussehen gemeint ist so ist nun auch das video 502, 4 (und 5)
zu nehmen. Thetis meint: 'ich schaue im geiste das rauchende
Troja in trümmern und während seines noch fortdauernden be«
Standes seinen stürz.' trotz der rhetorischen zusammengehörig*
keit des statu manente mit subversam gehört es grammatisch zu video*
Vita Epiphanii s. 378, 12 ff. der Vorgänger des Epiphanius
ar.f dem bischöflichen stuhl zu Ticinum wai* von Theoderich d. gr.
BDombart: anz. y. Ennodii opera omnia ed. GHartel. 283
an den Burgunderkönig Gundobad geschickt worden , um die aus-
lösung von Ligurem, die Gundobad bei einem einfall als gefangene
mit fortgeschleppt hatte , zu erwirken, das gelang ihm , und nun
begann das entvölkerte land sich wieder zu erholen, aber die schwer
heimgesuchte bevölkerung wurde jetzt von den zu zahlenden steuern
hart bedrückt« da wandten sie sich an den bischof mit der bitte um
dessen fürsprache. mit bezug darauf heiszt es: infirmis Ligumm
et labantibiis umeris viz ferenda trihtUorum sardna manddbatur.
rursus ad te^ adflidorum consolator^ adcurrüur. doceres frustra
reddidisse patriae dves^ si iUis in sdo avito peridUantibus non ad-
esses. das verbum doceres ist völlig unverständlich; nicht besser
aber verstehe ich H.s conjectur dicereris* warum aber soll man sich
nicht bei der lesart des B doceris beruhigen? die letzten werte sind
so zu übersetzen : Vieder eilt man zu dir, du helfer der bedrängten :
man stellt dir vor, du habest vergeblich dem vaterlande die
bürger zurückgegeben, wenn du ihnen bei ihrer geföhrdung auf
väterlichem grund und boden nicht zur seite stündest.'
EucMristicum s. 399, 22iF. Ennodius hat erzählt, wie er aus der
not seiner jungen jähre durch eine glückliche heirat befreit worden
sei. infolge dessen sei er übermütig geworden ; gottes langmut aber
habe ihn eine geraume zeit gewähren lassen ohne ihn zu strafen,
daran schlieszt sich folgender satz : sed quia homo non corrigitur ex
iniusto nee facüe ad candidum post mactüas redigitur, steti in
sententia mea iUa qua caderem^ vici patientiam tuam continuatione
peccati. die lesart redigitur ist eine ansprechende Vermutung H.s für
seditur in B, während LTVb sedäur bieten, noch näher aber liegt
wohl der besten Überlieferung reditur, das subject ist dann natür-
lich nicht Iwmo , sondern es werden durch den neutralen ausdruck
allgemeine Verhältnisse ins äuge gefaszt.
Ich fürchte bereits die mir gesteckten grenzen überschritten
zu haben, ich will deshalb nur kurz noch einige änderungen vor*
schlagen.
S. 68, 6 würde ich vor hene lieber Semikolon statt punctum,
vor digruitione punctum setzen und nach potior die interpunction
streichen. — s. 104, 9 glaube ich statt conprehensi superius here-
dihus lesen zu müssen conprehensis superius her. der gleiche
ausdruck in der gleichen angelegenheit findet sich noch s. 114; 16.
überhaupt scheint superius conprehensus (»» quem supra memora-
vimus) vorwiegend auf personen zu gehen : s. darüber die im index
aufgeführten stellen, denen ich noch 229, 17 beifüge. — s. 139, 1
statt natus ist wohl datus zu schreiben; gegensatz reddü\is. —
8. 188, 8 dum preHorum famüli autumni dotem conpHerent usw. das
richtige ist wohl: dum prelum famuli aiUumni dote (B) conpU-
rent. — s. 200, 13 ff. nach conferre scheint mir besser ein punctum,
nach de curuli besser ein semikolon gesetzt zu werden. — s. 203, 21
musz \or procul wohl eine stärkere interpunction stehen: vgl. 23, 24
procul a moribt4S vestris malitiae facessat obscenitas. Min. Felix
284 JGolisch: zu Livius [VII 40, 9] and Aelias Spartianus [Sev. 22, 4].
16, 2 sed in NatdLi meo verstUiam nolo^ non credo: procul est ab
eins simplicUate sübtüis urhanitas. — im vorhergehenden z. 16 wäre
zu den werten in quihus fnancipiis iuxta adnuniiationem heatissimi
Laurentii martpis opes esse maximas qms negabit wohl eine Ver-
weisung auf Prudentins perist. 2, 293 ff. am platz, eine stelle auf
welche ich durch meinen freund dr. MZucker aufinerksam gemacht
wurde. — s. 214, 13 ist die nach atMlias Rtehende klammer erst nach
dictavi zu setzen*
Die neue ausgäbe bOte noch manchen interessanten stoff der
besprechung. wir erwähnen nur den umstand dasz einzelne stttcke
des Ennodius von dem falsarius der pseudo-Isidorischen decretalen
zurechtgestutzt wurden, auch zu dem sehr dankenswerten Wort-
register liesze sich noch manche bemerkung machen, doch wir
müssen uns das versagen, wir scheiden von dem buche mit auf-
richtigem dank für den groszen dienst, den Harteis rühmlich be-
währte und unermüdliche arbeitskraft aufs neue der Wissenschaft
geleistet hat.
Erlakobn. Bernhard Doiibart.
48.
ZU LIVIUS UND AELIUS SPARTIANUS.
Livius VII 40, 9 qtiod meum factum dictumve constdis gravius
quam trihtmi audistis? eodem tenore duo insequentes consuUdus gessi^
eodem haec imperiosa dictatura geretur^ non utique in hos meos ei
patriae meaemüüesmitior quam in vos — horreodicere — hostis. darin
liegt der sinn den Weissenbom mit recht voraussetzt 'ich werde als
dictator eben so mild mit euch verfahren, obgleich ihr feinde seid^
als mit meinem beere', das non utique (*nicht jedenfalls , nicht ge-
rade') findet sich bei einem ähnlichen gegensatze VIII 10, 11 ülud
adiciendum vidäur, licere consuli diäatorique äpraetori, cumlegiones
hostium devoveaty non utique se^ sed quem veUt ex legione Bomana
scripta dvem devovere und wohl noch öfter, das ut neque der hss.
ist offenbar fehlerhaft, das von Weissenbom in die textausgabe auf-
genommene neque . . erit mitior wohl nur als notbehelf anzusehen.
Im leben des Severus c. 22, 4 bei aufzählung der.omina für den
tod des S. schrieb Spartianus: post macer iem apud vaUum missum
in Britanniaf cum ad proximam mansionem reäket . . volvens animo^
quid ominis sibi occurreret, Aethiaps quidam e numero müiiari darae
inter scurras famae et cdebraJtorum semper iocarum cum Corona e
cupressu faäa eidem occurrü. für das von mir geaeiztepost maceriem
('hinter einer hecke, einem gehege') geben die hss. das daraus ver-
derbte post maurum. wenn Peter statt dessen post murum aufge-
nommen hat, so scheint dieses deshalb nicht passend zu sein, weil
in c. 18, 2 das vaUum selbst murus genannt wird {muro per tranS"
versam insulam ducto).
SoHWEiDNiTz. Julius Oolisob.
TbStangl: Pseudoboethiana. 285
(33.)
PSEUDOBOETHIANA.
(echlusz von s. 193—208.)
U.
^ Der erste teil dieser Untersuchung beschäftigte sich mit text
und spräche der schrift de dis et praesensionilms , der zweite wird es
mit dem inhalt zu thun haben, dort ist , wie wir glauben , der ab-
Schreiber des tractates als ein unverständiger arbeiter aufgedeckt
worden; hier werden die gedanken und worte des weitaus grösten
teiles der schrift als fremdes eigentum reclamiert und der Verfasser
selbst als versteckter und zugleich unbeholfener compilator enthüllt,
das vulgäre element der eignen forixigebung des flllschers ist aus
dem bisherigen hinreichend bekannt; hier tritt noch das bestreben
hinzu , diese gewöhnlichkeit des ausdrucks auch der reinem gestalt
des Originals aufzudrücken.
Unbeholfenheit im wort und zurschaustellen fremder gedanken
als eigner producte sind eigenschaften , die niemand fremder sind
als dem redner und Schriftsteller Boethius. für ersteres darf ich mich
auf meine 'Boethiana' berufen, in denen die spräche des Cicero-
erklärers im steten hinblick auf seine wichtigsten werke, und mit
benutzung trefflicher vorarbeiten, iix den grundzügen angedeutet ist;
dasz aber Boethius ein ehrlicher arbeiter ist, dasz er nicht sein nennt
was nicht sein ist, dasz er nicht fremde gedanken grundsätzlich als
eigne waare verkauft — dafür dient die gesamtarbeitsweise in allen
werken; besonders den commentarien zu Ciceros Topica, zum zeugnis.
Niemand dürfte behaupten , der letzte römische philosoph oder
überhaupt ein Schriftsteller jener Jahrhunderte, deren Signatur ency-
clopädische compilation im weitesten sinne ist, sei ein origineller,
productiver, die von ihm behandelten disciplinen mit neuen ideen
fruchtbringend bereichernder köpf gewesen, niemand aber wird auch
sagen, Boethius habe den klar erkannten und mit ausdauer verfolgten
beruf, seinen und den folgenden zeiten in den verschiedensten Wissens-
zweigen das beste , was die besten Griechen und Römer der vorzeit
gedacht hatten, in klarer spräche und leicht faszlicher gliederung zu
vermitteln, in d6r weise geübt, dasz er diese gesamte denkarbeit
früherer Jahrhunderte seinen Zeitgenossen als eigne und zuerst er-
sonnene Weisheit hinstellte. ^ in den Topicacommentarien sind hieriür
^ die von BPeiper bis ins einzelnste nachgewiesene benutzung von
Seneoas tragödien nnd die entlehnung zahlreicher gedanken aus ijisto-
teles jetzt verlorenem Protreptikos, wie sie JBemajs dargethan, und ans
andern griechischen und römischen philosophen in de cotuoUUione kann
unser urteil über die arbeitsweise des Bo. nicht modificieren, geschweige
umstoszen. denn wenn auch die schrift vom tröste der philosophie, in
der man insgemein den original-Boethias sucht, bei weitem nicht die
prodnctivste genannt werden darf, so ist doch die rege^aäazige nicht-
nennnng der qnellenschriftsteller durch die kunstform des^kizen, welche
286 ThStangl: PseudoboethiaDa.
besonders bezeichnend : 342 , 37 uti rerum ordo clarius coUiquescai^
pauca mihi ex Äristotele sumenda sunt. 372, 43 si cui comnientarios
nostros inspicere vacuum fuerit , sciai haec nos ex Aristotelis secundo
PJtysicorum volumine invertisse; 327, 3 wird die kritische aufzählung
der von Marias Yictorinus aufgestellten fünfzehn definitionsarten,
nach wiederholter (324, 45. 326, 2. 28. 32) nennung des Urhebers,
abgeschlossen mit den worten, die, auszer andern citaten, von
HUsener treffend zur yindicierung der bisher dem Boethius zu-
gewiesenen Schrift de definitionibus an Yictorinus benutzt wurden :
hae sunt definitianum differentiae ^ quas in eo Itbro quem de defim-
tionihus Yictorinus edidit annumeravH^ quas M. TuUius praetermittü
eo nomine quod eas minime necessarias aestimarit. nos vero^ ne quid
perfeäo deesset operi^ etiam quae sunt a Cicerone praetermissa sub'
iecimus, 299, 18 wird die da^legung der coemptio mit in suis Insti*
tutis Ulpianus exponit eingeleitet; 303, 20 die der mitgift mit Paukts
Institutorum libri secundi tüuto de dotibus ita dissertnt'^ 322, 3. 16
über nexus und cessio ähnlich Gaius als gewährsmann angefClhrt.
und so lassen sich auch in den andern werken Boethianische und
nichtboethianische gedanken an der band seiner eignen angaben
streng von einander scheiden, wobei die Selbständigkeit der arbeite-
weise des Bo. in einem ganz achtungswerten lichte erscheint.
Und der Verfasser unserer schrift? er verwechselt so con-
stant das mein und dein , dasz er mit dem Vortrag eigner gedanken
geradezu aus der rolle fällt und beispielsweise von der darlegung
391, 24 sed — AO proffrediatur^ deren form, wie erwähnt, Boethius
Top. 335, 35 f. nachgebildet ist, während der gedanke 391 , 24 L
aus einer andern quelle kurz und gut vorgetragen wird, mit der
poetisch erhebenden selbstanstaunung scheidet: his Ha nostrae
opinionis pede peragratis.
Die den Aristotelesübersetzer vor allen seinen Zeitgenossen aus-
zeichnende kenntnis des griechischen fehlte dem pseudo-Boethius aus
gründen die unten sich von selbst ergeben.
Ein weiterer hauptunterschied der Vortragsmethode unseres
Verfassers von der des Boethius liegt darin, dasz er eine stelle, statt
sie mit eignen gedanken Einmal und bestimmt zu erklären, zwiefach
und mit einander ausschlieszenden exoerpten anderer autoren oom-
mentiert : vgl. 392 , 1 videamus an supra dictus locus aUam atque
abwechselnd die des dialogs und des lyrischen gediebts ist, hinreichend
erklärt, oder würden wir es dem Bo. dank wissen, wenn er jeden schon
gedachten nnd aasgesprochenen gedanken in Zwiegespräch nnd vers
mit einem ut ait Plato, ut TuÜÜ verbig utar usw. schmücRte? sein ver-
dienst ist der schöne vertrag, die plastische gestaltvng, die harmonisehe
dnrchdring^ng des vielheitlichen zu einer gewissen einheit, die Ver-
klärung des Wortes durch die eigne tiberzeugnngstreue und tbatkräftige
persönlichkeit, wo Bo. die kunstform des verses und dialogs abstreift,
steht auch die ihm eigenartige ehrlichkeit der quell enbenutsung rein
vor uns; a|^ reinsten vielleicht in seinem hauptwerk, dem grl^Eem
coramentarlt Aristoteles ircpi ^pMr|V€iac.
ThStangl: Pseudoboethiana. 287
diversam admittere valeat explanationern. 393, 13 hunc locum quem
dupliciter commentati sumus. 393, 26 orationem hoc in loco
duohus modis possumus intellegere. 394, 3 sed quia iste modus ora-
tionis nimis singularis . . esse perpendiiur . . iam in hoc loco intellegere
debemus deorum orationem quae usw.
Zu der bestimmten erkenntnis nun dessen, was von pseudo-
Boethius selbst an gedanken herrührt , was von andern offen und
heimlich entnommen ist, dürften wir am sichersten gelangen, wenn
wir die ganze schrift, die bei der verschiedenartigkeit ihrer bestand-
teile natürlich einer einheitlich geschlossenen gedankenfügung ent-
behrt, in folgendem Schematismus ihres gehalts bloszlegen:
l)derverfassergibt die benutzten quellen scheinbar klar an.
2^ „ „ deutet „ „ „ unbestimmt an.
3) ,, „ gibt „ „ „ gar nicht an.
Es bedarf keines besondem hinweises, dasz in punkt 3 das
hauptkriterium der ganzen unechtheitserklärung gegeben ist; auch
dürfte auszer zweifei stehen dasz, wenn wir mit kriterium 3 den
nach weis be wuster fftlschung für drei selten des ganzen 572 S^^sz-
octavseiten einnehmenden schriftchens geliefert, auch für den rest
ein ungünstiges präJudicium geschaffen ist, selbst wenn der einzel-
nachweis, dasz jeder fuszbreit des restierenden besitzstandes eben-
falls fremdes eigentum sei und für den compilator blosz die qualität
der compilation — und was für einer 1 — bleibe, unmittelbar nicht
angetreten wird.
1.
Der name der unmittelbar benutzten quelle ist falsch :
Piatons Staat II 38 1*» TTÖTCpov in\
TÖ ß^Xriov T€ Kai KdXXiov )i€Ta-
ßaXX€t teuTÖv f| irix tö x^ipov
Ktti TÖ akxio V touTOÖ ; 'Avdricn
dm TÖ X€ipov, €TTr€p dXXoiouTai '
QU T^p irou dvbeä T€ qprjcofiev
TÖv 0€Öv kqXXouc f^ dperfic eTvau
und 380"^ dpa töv Oeöv oi€i
eTvai . . dXXdTTovTa tö auroO
€Tboc clc TToXXdc ^opqpdc . . i\
dTrXoOv T€ cTvai kqI irdviiüv t^ki-
CTQ Tf]c dauToO ib^ac dKßaiveiv;
hinsichtlich der i/ncorporcäMas vgl. Plat. Tim. 36^. 41*.
395, 4 ut ait Plato, quae longo intervaUo rursus apparent^ metm
et quaedam portenta significant vel mox futura vel serius. gehen wir
zum original* Tim. 40" zurück: fj^iv Kttid xpövouc oöcTivac ?KacTOi
(sc. Oeoi) KaTaKaXOrrTOVTai kqI irdXtv dva(patvö^€voi qxSßovjc kqi
390, 19 cur M. TuUius virtulem
vn divims naturae ascribat^ in hu-
manis autem mentibus studio et
industriae, Piatonis ceterorum-
que phüosophiae sequadum decta-
rat assensus. asseruni enim quod
divinüaSy quae incommutabiUs pu-
riorisque essentiae incorporaUtute
beatur^ suis se finibus continens
nee in minus efßuit nee in maius
exuberat.
^ die stellen Tim. 40« und Phaidros 246 ^ verdanke ich der gute
meiDOS platoDkundigen collegen JNusser in Kaiserslautern.
288 ThStangl: Pseudoboethiana.
crmeTct tuüv fi€Tä Taflia T^vricofi^vujv toic oö buvaji^voic XoTiC€-
c9ai TT^jiTTOUCt, so ist in der copie weder das ganze original wieder-
gegeben noch das wiedergegebene treu übersetzt und aufgefaszt.
auch kann die quelle nicht sein Cicero in seiner Übersetzung des
Timaios c. 10 (IV 1006, 10 Or.*): quibus {dei) temporibus a nostro
aspeäu ohlüescant rursusque emersi terrorem') incutiant rationis ex-
pertihus ; eherChalcidiusin seiner interpretation des Platonischen
dialogs s. 41, 17 Wr. cum, quod äliquanto ifUervaUo temporis fieri
seilet^ certae steUae mersae ac latentes operitmtur^ quae significent et
mox aut aliquante post fiUura portendant vet cum insölüis horis ctir-
riculisque temporum rursus emergunt et apparenty quantos denuntient
metus iis qui rationem motus earum intdlegere posstMU^; ganz be-
stimmt aber derselbe Chalcidius in seinem commentar zum Timaeus
s. 189, 20 {Plato) inquü: quae longo intervaUo rursus apparetü
metus et quaedam portenta significavd vd mox futura vd serius; signi-
ficationem vero pertinere ad eos qui de his rebus ratiocinari possunt.
ja sogar die erklftrung 395, 6 ex quo inidlegi datur sidera infrequenter
orta non facere quae proveniunty sed futura praenuntiare ist genommen
aus den nächsten Worten im commentar des Chalcidius 8. 189, 24
ex quo inteUegi datur non Stellas facere quae provenitmt, sed fiäura
praenuntiare.
Für die compilationsweise des ps.-Boethius dürfte es kaum eine
bezeichnendere stelle als die eben behandelte geben, man wirft mit
dem namen Plato um sich und kümmert sich dabei nicht um das
griechische original, weil man es nicht versteht oder gar nicht hat;
kümmert sich auch nicht um Ciceros tüchtige Übersetzung, die, zum
mindesten in ihrem jetzigen bestände, in allen nachboeüiianischen
Zeiten ohne Schwierigkeit erreichbar war: man geht in das vierte jh.
nach Ch. hinab und pltlndert einen erklSrer des griechischen beiden
aus, der Christ ist, volkstümliches latein schreibt und für gewisse
leute, ja Jahrhunderte, AUplato in nuce ist
Die consequenz, dasz auch die stelle aus der Politeia, die dem
original als copie in kaum noch faszbarer allgemeinheit gegenüber-
steht, nicht der ersten oder überhaupt einer griechischen quelle ent-
nommen sei, sondern einem lateinischen bericht (des Augustinus?)
über die Platonische lehre, ergibt sich von selbst und wird durch die
ganze folgende Untersuchung erhärtet.
£in weiterer misbraucb mit citaten aus quellenschriftstellem
wird getrieben 390, 31 virtuiem in suis opusculis Cicero definiens
ait: virtus est animi häbitus in naturae modum rationi consentaneus.
^ Klotz 8. 276 schreibt noch errorem^ während zotammenhang, Platons
(pößouc, Chalcidius metus , auch die bsl. überliefemng emersit errcrem
blosz emersi terrorem zulasseD. ^ Wrobel hätte durch Platons Totc
oO 6uva|Li^voic und Ciceros Übersetzung rationis experiihus doch zu
der sachlich notwendigen emendation non possunt sich angeregt fähleo
sollen, falsch ist bei ihm auch s. 231, 15 existimatio st. aestimaiio der
hss. (s. Boethiana s. 63) und s. 233, 14 inspeetatores (st. inspeciores)
speculatoresque, s. Bo. geom. s. 403, 1 Fr.
ThStangl: Pseudoboethiana. 289
tU enim a divina virtute^ quae omnino essentialüer sive naturaliter
inest y humanam virtutem secerneret^ idcirco Hn naturae modum* ad-
iecit. dtwbus emm constamuSy anima et corpore* anima inmortäUs
est. si inmortälis est , a divinis descendU. si ergo a divinis descendit,
cur omnium virtutum häbitu perfeäa non est? bei Cicero de inv. II
§ 169, hier absonderlicher weise opascula genannt, heiszt die ein-
stimmige Überlieferung nach inhalt und umfang blosz: virttis est
<jinimi hahUus natwrae modo atque^ rationi consentaneus. dagegen
faeiszt es im commentar des Marius Victorinus (aus dem vierten jh.
wie Chalcidius) zur rhetorik Ciceros, Bhet. lat. min. s. 155, 28 £f. H. :
virtus esMinimi hahUt/is, in naturae modum rationi consentaneus ^ et
ideo in naturae modum: du^ohus enim constamuSy anima et corpore,
anima inmortälis est. si inmortälis est, a divinis descendit; si a di-
vinis descendity perfecta est. sed acies quamvis perfedae animae quo-
dam corporis crasso tegmine inretitur et circtwifunditury et ita fit ut
quandam ohlivionem sui capiat. cum vero studio ac discipUna vduti
däergeri (s. oben s. 205) coeperit atqtie mtdariy tunc in naturae suae
modum animi Habitus revertitur atque revocatur, der zweite teil dieses
Yictorinischen berichtes wird von unserm compilator, ohne irgend
welche Quellenangabe, 391, 13—16, also 15 zeilen später, mitten in
eine aus Cicero entnommene stelle hineingekeilt in folgender muster-
Periode: postquam quodam crasso corporis tegimine in/i'etita anima
et drcumfusa quandam sui ohlivionem suhierity cum deinde studio ac
disciplina däergeri coepit atque nudariy tunc in natwrae suae modum
animus revertitur atque revocatur. diese stelle gehOrt also eigentlich
zu jenen unter nr. 3 angeführten, bei denen die benutzte quelle völLg
verschwiegen wird ; doch haben wir es vorgezogen, um des Zusammen-
hanges mit der vorhergehenden willen, der freilich unserm com-
pilator keine trennungsscrupel bereitete, sie hierherzusetzen.
2.
Eine unbestimmte quellenangabe und damit eine gewisse
rechtfertigung des plagiats findet sich 390, 37 — 391, 6 quod (dasz
die seele nicht omnium virtutum hahitu perfecta ist) qucde sity ah
eiusdem philosophiae (der Platonischen, dh. neuplatonisch ver-
rohten) adytis eliciatur. anima enimy necdum in contagionis
corporeae indmnento invölutay in iUa ähsohUissimae purüatis suae
specula omnium rerum peritiam perfectissime considerat. postquam
autem in hoc luteum corpus ohruituTy acies eius terrenae admixtionis
tenehris caligosa ah iUa suae ingetntaeque visionis clarUudine caecatur,
die Platonische originalstelle, in diesem zerrbilde späterer auf-
fassung freilich kaum mehr erkennbar , lautet im Phaidros 246 ^'i
TTcica f| i|iux^ TTavTÖc dmimeXeiTai toO dipOxou , irdvia bk oöpavöv
TrepmoXei, öXXot' dv dXXoic eiöeci TUfvoim^vri* reX^a ixiv oöv
* Marius Victorinas de definitionibus bd. 64 s. 897, 34 Migne citiert
ans dem gedächtnis ebenso.
J«hrbficher für cUis. phUol. 1883 hfU 4. 19
290
ThStangl: Pseudoboethiaiia.
OÖca Kai ^7TT€piü|Ll€Vr| )UieT€U)p07rop€l T€ Kttl ndVTa TÖV KÖCjLlOV ÖIOI-
K€i. f] b€ 7TT€poppurjcaca(|LieT€U)prjcaca?) qp^peiai, Ivjc Sv CTcpeoO
Tivöc dvTiXdßriTai, oö KaioiKicOeTca c&iia Trjivov XaßoOca . . Cqjov
TÖ SOjLiTrav dKXtiGr]. der genusz der die ideen der dinge schauenden
Seele ist geschildert ebd. 247 ^ ®.
Während die lateinische mittelquelle mir hier nicht bekannt
ist, liegt über Piatons lehren von wissen und rückerinnerung,
wie sie im dialog Menon 82^ ff. von Sokrates entwickelt werden,
ein allbekannter zusammenfassender bericht in Ciceros Tusculanen
vor, der wegen seines lateinischen gewandes, kürze und gemein-
verständlicher auffassung den späteren Zeiten , selbst so lange das
original vorhanden und zur not verstanden war, dieses ersetzte.
originalUbersetzung und copie lauten :
Cic. Tusc. I § 57 f.
docet (Socrates) . . nee fieri uUo
modo posse lU a pueris tot rerum
atque tantarum insüas et qutisi
consignatas in animis notiones,
quds ivvoiag vocant, haheremuSy
nisi animus, antequam in eorpus
intraviss et , in rerum eognUione
viguisset . . neque ea plane videt
animus^ cum repente in tarn in^
solitum tamque perturhatum
domictlium inmigrat^it, $ed cum
s^collegit atque recreavity tum ad'
gnoscit iUa reminiscendo.
ps.-Bo. 391, 7—13
aiunt (Platonici) nuUo modo fieri
posse ut a pueritia tot rerum
atque tantarum insitas atque
quasi consignatas in animis na-
tioneSy quas iwoUng vocant^ habere-
mus, nisi animus^ antequam in-
corporaretur^ in rerum cogni'
tione viguisset, neque ea piane
videt animuSy cum repente tam tn-
solitum tamque turbulentum
damicilium inmigravü^ sed cum
se recoUegü atque recreavU per
aetatis momenta, tum agno-
seit iüa reminiscendo.
Nach jenem zweiten teile des excerptes aus Viotorinus, den hier
unser compilator einfügt, folgt ein weiteres stück aus derselben
quelle , mit ähnlicher vulgarisierung des ausdrucks :
Cic. Tusc. I § 57
in illo lihro qui inscrihitur Mivmv
pt^sioncm quendam Socrates inter-
rogat quaedam geometrica de di-
mension^ qtiadrati, ad ea siciUe
rcspondet ut puer, et tamen ita
faciles interrogationes sunt^ ut
gradatim respondens eodem per-
vcniat quo si geometrica dididsset,
ex quo cffici voU Socrates ut discere
nihil aliud Sit nisi recordari. quem
locum mulio etiam accuratius ex-
plicat in eo sermone quem habuit
€0 ipso die quo cxcessvt e vita.
ps.-Bo. 391, 18—24
. . quod totum evidentius dedarat
Socrates in iUo lihro qui Mivmv
inscribitur pusionem quendam
interrogans de dimensione qua-
drati. ad quae sie iUe respondü
ui puerj et tamen ita faciles inter-
rogationes sunt^ tU gradatim re-
spondens eodem perveniatj quasi
geometrica dididsset. ex quo effid
vuU Socrates ut discere nihü aliud
Sit nisi recordari. quam rem
muUo accuratius ille expiicat in
sermone quem habuit eo die quo
excessit e vita.
ThStangl: Pseudoboethiana.
291
der leser wird bemerkt haben, dasz unser compilator, obwohl er den
Cicerobericht nicht blosz durch einen andern nicht homogenen unter-
bricht, sondern auch in der umgekehrten abfolge der gedanken vor-
fahrt , dennoch zum gleichen resultate wie Cicero und zu einem ihn
sogar zu selbsteignem philosophieren (391, 24 — 40) anregenden
abschlusz kommt.
3.
Dasz uns der Plato des mittelalters, Chalcidius, auch in jenem
geheimcabinet als beschädigter klSger begegnet, wo man ungerochen
ein litterarisches plagiat verüben zu dürfen glaubt , ist nach solchen
antecedentien nicht mehr überraschend, es handelt sich um das
Sokratische bat|Li6viov, über das man bei den Griechen der alten zeit
(Piaton und Xenophon) und der renaissance (Plutarch) , wie bei den
Lateinern Cicero , Apulejus und Augustinift wenig verbürgtes und
viel fabelhaftes erfahren koimte. der compilator zieht den theoso-
phisch angehauchten bericht des ihm auch sonst befreundeten Plato-
Interpreten vor.
Chalcidius s. 287, 24—288, 19'*»
^est ah ineunte aetcUe numen m'Uii
comes quoddam^ idque vox est guae^
cum ad animum sensumque meum
commeaty significat ab eo quod
agere propomi temperandumj hör-
iatur vero ad nMum actum' . .
eget emm ifibeciUa hominum na-
tura praesidio meUoris praestan-
tiorisque . . vox porro tUa^ quam
Socrates sentiebat^ non erat opmor
talis quae aere icto sonor et, sed
quae ob egregiam castimoniam
tersae proptereaque inteUegentiori
animaepraesentiam coetumque so^
litae divinitatis revdaret . . atque
ut in somnis audire nobis videmur
voces sermonum^^ et expressa verba^
nee tamen iUa vox esty sed vocis
officium imitans significatiOy sie
vigüantis SocraJtis mens praesen-
ps.-Bo. 393, 30—394, 3
perhibet {Socrates) se usum quadam
famüiari numinis amicitia . . cuius
voce ad animum suum commeante
inteUegebat, a quarum rerum ac-
tione sibi esset temperandum. nee
vero hortabatur cum ad aiiquem
actum, sedprohibebcU quae fieri non
expediret. vox porro tUa^ quam
Socrates m animo sentiebat, non
erat opinor talis ^ quae aere icto
sonaretj sed quae ob egregias vir-
tutes purgatae proptereaque intel-
legentiori animae praesentiam so-
Utae divinitatis revelaret. atque ut
in, somnis audire nobis videmur
voces sermonum et expressa verba,
nee tamen iUa vox est^ sed vocis
officium imitans iUa^^ significatiOy
sie vigilantis Socratis mens per
praesentiam numinis de rebus non
'^ an die ersten Sätze des Chalcidius klingt leise an Ang^stinas
de civ. dei VIII 14 s. 342, 1 D.' ex genere numinum Socrates habebat
adiunctum et amicitia quadam comunctum^ a quo perMbetur solitus admoneri,
ut desisteret ab agendo, quando id quod agere volebat non prospere fuerat
eventurum\ und ebd. VIII 3 s. 323, 26 — 31. ** Wrobel liest gegen die
bss. mit den frühern hgg. voce$ sermonumque expressa verba. ^* eigen-
tümliche Wiederholung des vorigen artikelvertretenden demonstrativ-
pronomens.
19*
292
ThStangl: Paendoboethiaiia.
tiam divinüatis signi perspkm
notatione auguräbatur. nee vero
dubitari fas est intdlegibüem deum
pro hoffkate naturae s%u»e rebus
Omnibus consukntem {oonstdeniem
tälem?) qpem generi hominuim . .
ferre voJuisse.
gerendis augfiräbatur{opimo enim
jpkttosopharum erat) dmm i/nMU"
gibüein^ pro naturae suae hanUaie
ommbus** consulentem^ kiriuemoM
opem generi hammum ferre voht'
isse^ qtm imbecOla hamimim na-
tura praesidio praestantims na-
turae indigeret.
Zum wunderlicBsten jedoch, was von oompilatioiuigeiiies je ge*
leistet worden, gehört 392, 2—13 und 392, 13— {393, 4: ein berioht
über Ciceros beziehiingen zu Yarro nnd des Beatmen teünng der
theologie, der ans etwa zwansig oft weit yon einander abliegenden
stellendefiAagustinischen Werkes vom Staate gottes(nind
hundert jähre yor Boethjps tod yollendet) in der notdürftigsten nnd
oft gewaltsamsten weise zosammengesetst ist. er beginnt: videtmr
quibusdam^* haec sententia qua aü Oieero ^dearum vkius nahmt ec-
ceUU, hominum autem indusMa' ex Ubris M. Varronis^ hammis oom-
tissimi, de humams et dMnis rebus^ uUdefhedogiaedmsione agitur^
succincte per transUum mutuata. ygL Angostinus de dy. dei VI 2
8. 247, 7 cum JEU Varrone^ hamine . . ocii^ismio; ebd.TI8s.S48,S4
quadraginta unum Ubros scripsU anUguttahum; hos in res kumanoB
divinasque dwisü] YI5 titel: deiribusgenerOmsfheologiaeseGunäum
Varronem.
Es folgt ps.-Bo. 392, 6 fuU enm TuOms eidem M. Varromi
coaudüor ei condiscipulus sub äodore iln^tacAo, partknjMeo partim
academico. der gedenke ist entlehnt ans Ang. ao. JLUL 8 s. 866,
24—28 haec sensisse atque docuisse academicos veteres Varro adserU
auctore Äntiocho^ magistro (Xceronis et suo^ quem sane Oieero inphir
ribt4s fuisse stoicum quam veterem academieum vuU videri. ygL (Sc.
Acad. 1 3, 12. de fin. V 1, 1 und Acad. 11 43, 132 {AnHoOms) appA-
labatur academious; erat jUMfem, si perpaiuoa nvutc^Asselt^ germanissi'
mus stoicus^ woraus der kirchenyater schöpfte. — ps.-Bo. 392, 8 — ^^18
in supradictis autem Ubris idem IL Varro adeo (Xceroms favorem
meruü^ tU in primo Academicorum suarum Ubro Oieero eiusdem UUe-
raria opera praedieä et adm^retur dieens ^nas in nasira urbe peregri-
nantes errantesque tamquam hospites fui Ubri quasi donrnm reduxerunt^
ut possemus aliquando qtriäuibi essemus agnoscere*. ygL Aug. VI 2
8. 247, 5 und 17—21 ipseTulUuskuie(JIIL Varrom) täte tesümanimn
perhibd^ ut in Ubris Academids dicai eam quae %bi versatur dispultar
tionem se häbuisse cum M, Varrone^ hamine^ inquit, omnium fadk
acutissimo et sine uOa dubitaHone doetissimo . . in primo autem Kbro
cum eiusdem Varronis Utteraria opera praedicaret: *noa^ inquU ^in
nostra urbe peregrinanies usw. buohstftblich bis agnasoere.*
<* hominibus^ nein; es kann nicht unsere aufgebe sein gewollte
mängel sn paralysieren. *^ nemli^ dem compilatorl
ThStangl: Pseudoboethiana.
293
Augnstinus
VI 3 8. 248, 28 intendü qui
agantj uhi agant^ quando agant^
quid agant.
VI 5 s. 252, 17—29 deinde
äl/ud quäle estj quod tria gener a
theologiae dicU esse . . eorumque
unum mythicon appeUari^ äUerum
physicon^ tertium civüe? latine si
usus admvtteretygenus quodprimum
posuxt fahulare appeUaremus; sed
fäbulosum dicamus; a fäbulis enim
mythicon dictum est, quoniam fiiJ-
^og graece fäbuHa dicitur, secun-
dum autem ut naturale dicatur,
tarn et consuetudo locutionis ad-
mittit. tertium etiam ipse latine
enuntiavüy quod civüe appeUalwr.
deinde ait: mythicon appellant quo
maxime uiuntur poetae; physicon^
quo phüosophi; civüe j quo populi,
primum, inquity quod dixiy in eo
simt muUa contra dignitatem et
naturam inmortälium fiäa.
VI 5 8.252, 29 — 253, 4 in
hoc enim est, ut deus aUus ex ca-
pitey aUus ex femore sü, aHms ex
guttis sanguinis natus; in hoc^ ut
di furati sint, ut aduUerari/nty ut
servierint homi/ni; denique in hoc
omnia dis adtrihuuntur quae non
modo in hominem^ sed etiam quae
in contemptissimum hominem ca-
dere posstmt,
VI 5 8. 253, 4—9 ist der ge-
danke gegeben; die schlag- und
schmähworte dagegen s. 255, 10.
256, 3. 257, 27, wo man sie nach-
sehen mag.
VI 5 s. 253, 10—15 secundum
genus est, inquüy quod demonstraviy
de quo muUos Uhrosphüosophi rdir
guerunt; in quibus esty di qui sinty
ubiy quod genuSy quäle est: a quo-
dam tempore an a sempiterno fu-
erint di; ex igne svnt, ut credä
JSeracUtus, an ex numeriSy ut Py-
ps.-Boethius
392, 13 tradans enim ihidem
de humanis relus partim ifüendity
qui usw. buchstäblich.
392, 14 — 23 disputans prae-
terea de divinis rebus tria genera
theologiae introdudt eorumque
unum mythicon appeUari dicity
quod quidemy nisi latini insolentia
prohiheret doquiiy fabulare appelr
laremus; sed fäbulosum interprete-
mur. a fabiüa enim mythicon dic-
tum esty quoniam (iv&og graeco
sermonefabulamsignificat. secun-
dam physicony quod ut naturale
dicatur iam diu tritus nostrae locu-
tionis usus admütit. tertium civüe
appeUavit. deinde adiedt mythicon
appeUari quo maxime utuntwr
poetae y in eoque esse muUa contra
dignit^em naturamque inmortä-
lium fiäa.
392,23-26 buchstäblich gleich,
wenn man süy nach sanguinis statt
nach femore gestellt, ausnimt.
392, 27 f. quod totum quia
poäids est mendaciis adornatum
et scaenicis ac theatrids nugis de-
putatumy omnmo putat esse sacri-
legum.
392, 29—32 gleich', wenn man
quod demonstravi und di nach
fuerint weglttszt, et quäle statt
qtuile est liest.
294
ThStangl: Pseudoboethiana.
thagoraSy an ex atomiSy ut ait Epi-
curus»
VI 5 s. 254, 22 hanc (theoUh
giam) pertinere testatur ad mtm'
dutn^ quo isti nihil esse exceUentius
opinantur in rebus] auch s. 253,
17 f.
VI 5 8. 254, 14—16 tertium
genus estj inquit^ quod in urhibus
civesy maxime sacerdotesj nosse at-
que administrare debent.
VI 7 ß. 257, 26—29 revocatur
ad theologiam cimlem theologia fa-
bulosa theatrica scaenica^ indigni-
tatis et turpitudinis pleno , et haec
tota quae merito culpanda et re-
spuenda iudicatur pars huius est
quae colenda et observanda cense-
tur-, auch 257, 1 und 266, 28.
VI 7 s. 258, 5—8 numquid
barbatum lovem^ inberbem Mer-
curium poäae Tiabent^ pantifkes
non habent? numquid Priapo im-
miy non etiam sacerdotes enormia
pudenda feceruni? an (Mer stat
adorandus in locis sacris quam
procedit ridendus in theatris?
VI 6 8. 256, 26—31 haec cum
dicimus, videri fortasse cuipiam
nimis harum rerum ignaro potest
ca sola de dis tälibus maiestati
indigna divinae et ridicula detesta-
biliaque celebrari^ quaepoeticis can-
tantur carminibus et ludis scaenicis
actüantur; sacra vero iHa^ quae
non histrionessed sacerdotes agunt^
ab omni esse dedeoore purgata et
aliena. zu distinguere vgl. 254, 25
und 257, 4; znpalmam 254, 20.
VII praef. 8. 272, 21—24 in-
genia celeriora atque meHiora, qui-
bus ad hanc rem superiores libri
satis superque suffiäunt^ patienter
et aequanimiter ferre debebunt et
propter alios non putare super-
fluum, quod iam sibi sentiunt non
neccssarium.
392, 32 f. hoc totum genus per-
tinere dixvt ad mundum nUUaque
infamia denotavU.
392^ 33^—35 tertium genus est^
inqmtj civüe, quod in urbe dves^
maxime sacerdotes^ nosse atque
sacrificando administrare sclent^
392, 35 — 37 in quo äiamgenere
cum muUa infamiae fkmt simü-
Uma^ quamvis tacente Vairrone^ a
noUs mi priori iudicantur cognata.
392, 37—39 numquid enm
Priapo mimi ac poetaCj non etiam
usw. wOrÜich.
392, 40—393, 4 videns ergo
Cicero in iUo priori genere prorsus
ridicula et maiestati divinae in-
digna ceHehratOj quaepoeticis can-
tantur carminibus et ludis scaenicis
actüantur y tn tertio quoque genere
Sacra iUay quae non histriones sed
sacerdotes aguntj a consimüi nequa-
quam dedecore purgata et aiiena
castigata quodam modo brevitate
distinxity cui horum trium paHmam
et decorem virtutum ascribat,
393, 12—15 quaeso ergo ne in-
genia dariora et ad obscurUates
subtüius indagandas cderiora hunc
locMin, quem dupiiciter commentaH
sumus, corrugata nare fastidiant
et ne forte putent minus doctis
superfluum^ quod sibi sentmnt non
neccssarium.
ThStangl: Pseudoboethiana. 295
Unter dem wenigen^ was nach diesem nachweis fremden eigen-
tums dem ps.-Boethins als eignes product verbliebe, nimt der orakel-
spnich KeTvoc dvf|p rd KttKd Kd dvavTia dcTiv öpKiuv die erste
stelle ein. der mann hat das Orakel , das ja in der erhaltenen litte-
ratur nicht weiter vorkommt, selbst gegeben? dazu ist uns der
Spruch wirklich zu trefflich, der mann aber zu wenig trefflich, aber
er verstand doch jedenfalls griechisch? wenn der gebrauch von
Wörtern wie tropus^ adyton y prognosis , denen schon die vorboethi-
anische zeit das lateinische bürgerrecht verlieh , wenn die kenntnis
Piatons aus Cicero und Chalcidius, nicht aber aus Platonischen oder
neuplatonischen quellen, eine kenntnis des griechischen auch nur
oberflächlichster art nahelegen, nun so verstand er griechisch, auszer-
dem ist im geiste der gesamten compilation blosz die hypothese, dasz
der Verfasser, wie die kenntnis griechischer philosophielehren, so
auch die des griechischen Orakelspruches aus lateinischer
quelle schöpfte, solche orakelsamlungen denken wir uns von der
art der oben genannten des Opsopaeus, dasz sie nemlich, gleich mittel-
alterlichen griechisch-lateinischen Wörterbüchern , den griechischen
Originaltext und die lateinische Übertragung zugleich enthielten,
künstlerische und persönliche rücksichten lieszen es dabei angezeigt
erscheinen , die griechische fassung vorzuziehen und die spräche des
gottes selbst zu reden.
Eine besondere besprechung fordern ferner die werte 394^
12 — 17 per orcdionem significasse videtur M. TuUitis quaedam con-
suUorum (= um rat gefragter?) numinum responsa^ quae quandoque
vario inteUedu perplexa quandoque perspicua quihusdam ex adytis
specuum spumantihus hucds rapidoque discursu oris furiatorum ruC"
tdbat insania^ quihus veluti vivae atque expertissimae de-
orum voci pro fidei testimonio innitehatur antiquitas,
gegenüber dem löblichen localpatriotismus der ein wohner von Pavia
und dem frommen glauben des ganzen mittelalters , Boethius sei in
wort und that ein begeisterter Verfechter speciell christlicher an-
schauungen und ein martyrer seines katholischen glaubens gewesen,
hält die moderne kritik, auch der unbefangenen protestantischen
und römischkatholischen theologen, seit Arnolds 'unparteiischer
kirchen- und ketzerhistorie' (Frankfurt 1700) an der aus den schrif*
ten des mannes geschöpften erkenntnis fest, dasz er, als Schrift-
steller wenigstens, dem Christentum gegenüber eine völlig
zurückhaltende Stellung einnimt, dagegen mit jenem geisti-
gen leben griechischer und römischer vorzeit, wie es
ihm bei Piaton und Aristoteles, Cicero und Seneca entgegentritt,
aufs innigste sich verbunden zeigt, allem edlen und eigen-
artigen, was von alter cultur ihm entgegentritt, bringt er achtung,
Vorurteilslosigkeit, Verständnis entgegen: so findet man bei ihm
kein belächeln oder bespötteln irgendwelcher religiöser, socialer,
politischer oder sonstiger anschauungen des heidnischen altertums.
eine so rohe auffassung des alten orakelwesens und Volksglaubens
296 ThStangl: Pseudoboethiana.
wie die oben angefahrte des pseudo-Boethins ist im munde des
wahren Boethius gar nicht denkbar, die fanatische polemik , die
ps.-Boethius mit den Worten des dialektischen kirchenvaters Augu-
stinus an Varros bericht über die verschiedenen arten der theologie
übt, ist in einem Boethianischen werke ein unding: so denkt, spricht,
kritisiert Boethius über das altertum nicht, es ist die schärfste waffe
gegen die echtheit der schrift die es gibt : der Verfasser ist in die
geistesweit des bekenntnislos wissenschaftlichen philosophen auch
halbwegs nicht eingedrungen und trägt die bekämpfung des heiden-
tums, auf der anschauung späterer Jahrhunderte fuszend, in den
Boethius hinein , dem nichts femer liegt als religiöser fanatismus.
und nicht blosz 6inmal war ps.-Boethius unwitzig genug durchblicken,
zu lassen, wes geistes kind er selbst sei. heiszt es ja auch 390, 16:
deos dicit quasdam incorporeas potestatesy qtias et universUcUi praesidere
eisque rebus quilms praesunt consulere suorumque responsomm indiciis
humanam cäliginem temperare opinahatur antiquitas, und 393,
41 werden des Chalcidius werte deum inteUegihüemy pro ncUurae stioe
honitate omnibfM constüentem^ huiustnodi opem (sc. der divination)
generi hominvm ferre voluisse mit einem opinio philosophorum
erat eingeleitet, so spricht der mann, dem das mittelalter einen
groszen teil des altertums dankt, über dieses altertum nie. also hat
ps.-Boethius keine irgendwie tiefere kenntnis von spräche, arbeits«
weise und Weltanschauung des autors , dessen verstümmeltes werk
er in congenialer weise fortzusetzen sich vorgenommen.
Dasz ps.-Boethius, der fortsetzer des fragmentierten Boethius,
auch seinerseits der nachweit ein bis zum rülimlichen ende durch-
geführtes werk vorenthielt, lag in der trockenheit des nun folgenden
stofifes und in der impotenz des compilators. was konnte verlockender
sein und des dankes zahlreicher gesinnungsgenossen sicherer als de
dis et praesensionibus je einen alten popularphilosophen, mystiker
und theoiogen sich zanken zu lassen und in dieses gebräu dann sein
eignes christlich-kritisches säftchen zu mengen? mit dem pikanten
Stoff von § 76 und 77 der Ciceronischen Topica, vor dem Boethius
eigentümlicher weise stehen geblieben war, während er doch später
manches alte werk noch fortsetzte, ja dies und jenes neue unternahm,
und mit der möglichkeit eine reiche und verschiedenartige litteratur
über denselben gegenständ zu benutzen und einander entgegen-
zustellen war auch die lust und fähigkeit zur weiterführung der
arbeit verschwunden: Cic. Top. § 77 beginnt: in homine virtutis
opinio 2^lurimufn vcUet : ein heikler satz, über den ganz unselbständige
köpfe schwer etwas einigermaszen erträgliches aussinnen imd über
den auch bei beiden und kirchenvätem sich nicht leicht und rasch so
von der Oberfläche etwas abschöpfen läszt ; endlich ein argument, das
Boethius in einem teil seines schluszcapitels (387, 28 — 39) grösten-
teils vorweggenommen, so dasz schon die anknüpfung der folgenden
erörterung erneute Schwierigkeiten bot.
Anderseits glauben wir sogar den äuszern anlasz zur be-
ThStangl: Pseadoboethiana. 297
schränkten Unternehmung der fortsetzung zu kennen, nem-
lich Cic. Top. § 73 heiszt es: persona non quaUscumque est testimomi
pondus habet; ad fidem enim faciendam audorüas qttaerUury sed
auäoritatem aut natura aut tempus adfert. naturae auäarüas in
virtute inest maxime; in tempore aiUem mtdta sunt quae adferant auc-
toritatem: diese letzteren punkte werden alsdann bis § 76 in hoc
genere etiam iUa est in Pälamedem coniecta suspicionum proditionis
fnuUitudo; quod genus refutare interdum veritas vix potest erläutert,
und sie sind es auch, die, mit einschlusz von Cic. Top. § 78 der als
gleichartig vom erklSrer vorweggenommen wird (387, 30 — 41),
Boetbius in seinem schluszcapitel allein erklärt hat. und wieBoethius
387, 28 von dieser stofi^liederung sprechend in betreff Ciceros sagt:
de virtute distulit (bis § 76 a. e.) dicere^ so kann man auch
von seinem commentar sagen : de virtute distulit dicere. diese Wahr-
nehmung, dasz nicht blosz das ganze werk des commentators ein
torso sei , sondern auch dieses einzelne capitel genau nur zur hälfte
ausgearbeitet, war für einen Verehrer des 'christlichen martyrers' —
und in welchem abendländischen culturlande gab es deren in den
mehr als sechs Jahrhunderten nach Boethius tod nicht die fülle? —
anlasz und ausgan'gspunkt, die durch eine art von hinweis geforderte
interessante andere hälfte des dem letzten abschnitt des commentars
zu gründe liegenden originaltractats über götter und orakelwesen
mit hilfe der einschlägig erscheinenden christlichen und heidnischen
litteratur zu bearbeiten und so wenigstens diesem capitel einen be-
stimmten abschlusz zu geben, so begreift sich erst jener naive ver-
such des compilators, den wir zu 390, 1 oben s. 194 f. besprachen,
mit einem schlichten vel den satz ex fama vulgi velut ex testimonio
muUUudinis rem dubiam probare contendit , als eine weitere Variante
desselben im vorhergehenden behandelten grundgedankens von den
ex tempore entnommenen argumenta , auch formal möglichst in der
art der noch von Boethius selbst erläuterten parallelglieder hin-
zustellen; so begreift sich besox^ders der satz des compilators am
eingang des commentars 390, 11 haäenus quae in tempore sunt düi-
genter eocsecuius nuncad virtutis enodationem^sicut paullu-
lum omissus ordo propositionis admonebat^ sese con-
vertit: was ist es anders als eine glatte Wiederholung von 387, 28
de virtute quidem (TuUius) distulit dicere. posteriorem vero partem, id
est in tempore positae auäoritatiSy divisit et evidentissimispatefecit exem*
plis? diesem bestreben ein zurück- und eingreifen des beginnenden
neuen teiles in den schlieszenden alten zu schaffen dient auch 390, 9 :
superifAS, sagt ps.-Bo. dort, auctoritatem^ quae ad faciendam fidem per-
sonae attribuitur, aut virtuti per naturam aut tempori per mutäbüitatem
subiacere proposuit. dieser satz ist eine unerträgliche Wiederholung
der genau ^ine seite ^^ vorhergehenden worte des Boethius 387, 21
<^ denn s. 388 ist nicht zur hälfte ausgefüllt mit dem scblusz des
Boethianischen commentars, 389 nimt Baiters titel und Hases vorwort ein.
298 ThStangl: Pseadoboethiana.
maximas exceUeniesque res in natura constüuü . . at vero quae poste-
rior a sunt sub tempore posuit ^ idcirco quod omnia tempori suhiecta
principalis honi non retinent statum , und diese selbst sind das resul-
tat einer 387, 7 — 21 dieselbe teilweise mit fast denselben werten
breit erörternden kritik des Boethius. auch ist es kein zufall , dasz
unter dem überaus wenigen, was ps.-Bo. an werten als eigentom
bleiben soll, noch vier ausdrücke ^' unmittelbar an den schlieszenden
echten commentar erinnern, endlich die Übergänge 393, 25 und
394, 22 mahnen an zahlreiche parallelen im gröszem fragment.
Musz man alle diese eigentümlichkeiten und mängel der fort*
Setzung kennzeichnen und rügen, so ist doch anderseits nicht zu
leugnen, dasz mit der fortfdhrung der commentarien bis zu Cic.
Top. § 79 ein fester abschlusz, der ja offenbar allein erstrebt wurde,
gewonnen ist. denn exposUis omnihus arffumentandi locis, wie Cicero
ebd. sagt, wird zu einem neuen hauptteil der schrift, den genera quae^
stionum, übergegangen, zu dessen interpretation unserm manne mut
und mittel fehlten.
III.
Blicken wir kurz auf die hauptergebnisse des zweiten teiles der
Untersuchung zurück, so haben wir folgendes gesamtbild: ein leser
der verstümmelten commentare des Boethius zu Ciceros Topica faszt,
durch eine stelle der endenden schrift angeregt, den plan das frag*
ment durch erklärung der letzten loci argumentorum oraHonis zu
einem bestimmten abschlusz wenigstens dieses hauptteiles zu führen.
selbst ohne besondere befähigung und griechischer spräche und cultur
fremd entlehnt er über die einschlägigen fragen verschiedene lehren
des Piaton und Varro durchgehends secundären und lateinischen
quellen, besonders Cicero, Chalcidius und Augustinus, und sucht
durch diesen und jenen eignen zusatz ein gewisses ganze herzustellen,
dessen innere Unwahrheit er durch entlehnungBoethianischer phrasen
und constructionen zu verdecken sich bemüht, das Signalement, das
die vereinten forschungen der Franzosen und Deutschen in Scholastik,
logik und geschichte des mittelalters für gesiebt und gesichtskreis
schwachsinniger köpfe dieser Zeiten festgestellt haben, trifft aufs
haar zu: pseudo-Boethius ist ein recht mittelmäsziger mittelalter-
licher Boethiusleser und -fortsetzer. da aber die kenntnis des Piaton
durch die Vermittlung jener lateinischen berichte und die nicht-
kenntnis des griechischen*^ dem ganzen mittelalter, soweit es hier
überhaupt in frage kommt, gemein ist, so gilt es für die lebenszeit
des compilators bezeichnendere kriterien zu schaffen.
*^ 387, 33 und 393, 8 dfgnos fide iudUare; 388, 9 und 393, 27 vulgare;
auBzerdem halte man an einander 388, 13 n. 394, 16; 388, 18 a. 890, 8;
*^ bloss einzelne irische mönche, wie Scotus Erig^na, verstanden
auch (rriechisch, zunächst aus der bibel und den griechischen kirchen-
Vätern, besonders Eusebios, wo der zusammenhält mit Ambrosia« Über-
setzungen das stndinm des fremden idioms förderte.
ThStangl: Pseudoboethiana. 299
TJm nun die entstehungszeit der compilation, für die
als Suszerste enden die erste hälfte des sechsten und die zweite des
zwölften jh. gegeben sind, enger zu begrenzen und bestimmter
festzustellen, dürften vor allem folgende fragen zu beantworten sein :
1) wie verhttlt sich der pseudo-Boethianische text des Cicero,
Chalcidius und Augustinus zu dem sonst erhaltenen dieser Schrift-
steller?
2) welches war die buchstabenform der ganzen Originalfälschung ?
3) welche Stellung nimt bei unserer Pariser hs. der text des
grOszem echten fragmentes zu dem bisher kritisch gesichteten übrigen
material eben dieses Werkes ein?
Zu den Ciceronischen Tusculanen sind in der zweiten
Züricher ausgäbe der codex Oudianus 294 saec. IX (= G), Parisinus
regius 6332 saec. IX (<» B) und ein Bruxellensis saec. XD. (>= B)
benutzt , von denen die beiden ersteren, nach Halm derselben quelle
entstammend, auch jetzt noch die grundlage für jede textesfest-
stellung abgeben, halten wir an diese unsem Parisinus regius 7711
saec. Xn (= P), so findet sich 391, 20 respandit in OBP, das richtige
respondet, offenbar durch conjectur aus dem folgenden et tarnen ita
facües sunt interrogationesy in B; 391 , 22 quasi in BP , das richtige
quo si in den um zwei jhh. altern OB; 391, 12 se coUigU atque re-
creavU in GBB , das richtige se (re)cöliegit atque recreavU in P, der
den gewis auch in seinem Ciceroexemplar enthaltenen Schreibfehler
coUiffit nach dem parallelen perfectum recreavU corrigierte; endlich
391, 9 Tiaheremus in ORB, das falsche liabemms in P, dh. in der fahr-
lässigen abschrift, während der compilator ut . . habemus weder in
seinem Tusculanenexemplar vorfand noch selbst jemals so oonstruiert.
das textverhältnis bei 391, 22, das allein beweiskräftig ist, führt
auf ein zwischen saec. X und XII entstandenes compilationsoriginal.
Dasselbe resultat ergibt sich an den aus Augustinus aus-
geschriebenen stellen: 392, 25 steht in hoc vor omnia und dis nach
omnia] femer 391, 21 appeUari nach mythicon nicht im cod. Cor-
beiensis saec. VII, wohl aber in allen hss. saec. X und XI (auch dem
interp. Coloniensis saec. VIII). 392, 30 et quäle blosz in hss. die
nicht bis saec. X hinaufreichen. 392, 35 statt adtribuunt von P^ das
freilich nicht sinnlos ist und von P * herrührt, in allen Augustin-hss.
adtriJmuntwr. und bei Chalcidius? die lesart 393, 38 voces ser-
monum et expressa verha steht blosz im Vindobonensis 1 u. 2 saec.
XI/XII, während die jüngeren noch mehr verderbt sind.
Nicht minder führen die Schreibfehler von P* dazu, P^ in die
zeit der minuskelzu setzen, dh. wenigstens hinter saec. Vm, da
nur messbücher (zb. das Tegemseer saec. X) auch später noch in
majuskeln geschrieben wurden, es wird nemlich 390, 24 u. 394^ 15
/* statt /*; 391, 2 e und t; 395, 4 t und a für einander gesetzt , Ver-
wechslungen die bei annähme eines majuskelarchetypus, für den auch
sonst jeder anhaltspunkt fehlt, schwer zu erklären sind.
Doch es gibt einen noch vidi handgreiflichem beweis , dasz die
300 ThStangl: Pseadoboetkiiaiia.
verlorene originalflllschTUig sicher nicht mehr als ein jahrhnnderi
vor die erhaltene copie zu setsen seL nemlieh unter den von mir
in den 'Boethiana' b«iatzten acht hes., welche, wie die Pariaer ans
dem 12n Jh., Boethius commentarien zu Ciceroe Topica enthalten, hat
keine ein wort unserer fortsetzong oder irgend welchen vmiierk
oder zeichen, das aaf eine solche hinwiese, nnd doch sind vier dieser
hss. saec. Xn, zwei saec. XI, zwei sogar saec. X, nnd stammen warn
verschiedener herren iSndem« anch die Kölner hs. nr* 84 saec X,
von Jaff6 genau beschrieben, kennt keine weiterfthrung des all-^
bekannten grOszem fragmentes, und die bessern kataloge der übrigen
bibliotheken , die zu diesem zweck durchmustert worden, haben
nichts anderes ergeben, so verengert sich denn fttr P * nicht bloai
der umkreis der zeit der entstehung, sondern auch der des ortee.
Aber die Pariser hs. entstammt eben einer andern quelle als
die bisher bekannten übrigen ! dem gegenüber ist in den 'Boethiaaa^
s. 4 aus gemeinsamen verschreibungen, zusfttzen und lücken dar*
gethan, dasz die verglichenen acht Ym. aus drei verschiedenen jahp-»
hunderten alle auf 6ine quelle zurückgehen, und dasz dies, nadb der
mehrfach erhaltenen subscription Condüar operis emet^davi^ dar rom
Boethius selbst revidierte archetypus ist. die gemeinsamen fiiUer
dieser acht hss. aber sind, nach einer gütigen mitteilnng des hau
prof. dr. Alfred Schoene", auch im Paris, reg. 7711, und es iit
damit unwiderl^lich dargethan, dasz P den aUen abschriften im
archetypus gemeinsamen grundstock der echten Überlieferung ms
die fragliche fortsetzuqg von seinem eignen bereicherte, dabei koBBto
es dem compilator nicht darum zu thun sein, dasz zu seinen lebieitai
noch die fortsetzung, vielfach abgeschrieben und weit verbreitet»
'^ der erste und iweite teil dieses aufsatses und der dritte Ms nun
letzten absats lagen schon mehrere wochen im polte der redaetiott
dieser zeitechrift, als unser liebenswürdiger landimann in Paris, durch
die vermittlang von dr. KKMüller in Wfinbnrg, mir über Paris. 7711^
alte Signatar cod. Colb. 1823 Regina 6618, diese nnd ausserdem noch
folgende höchst erwünschte anfschlfisse erteilte: 'der codex scheint mir
von ^iner band, wenn aooh in verschiedenen absEtsen nnd selten, ge*
schrieben.' 'über die proveniens des codex finde ich keinerlei aadeu-
tuDg.' 'von den erwarteten subseriptionen entdecke ich nichts.' 'fol. 84
extr. heiszt es einfach: ExpUcÜ uSer qtiürtu». indpU über ^ulalMt. De
Omnibus guidem. jmoiheiieti tyUogUmlM usw. nnd foL 4S^ extr.; BmplieU
liber quintu», inäpü 9emtk», lire quotdam nsw. fol. 7* med. lautet düie
subscriptio der Cioeronisehen Topica und die inseriptio der Boethiani-
schen commentarien: (Mi toviea. In corpore eonÜnentHr UM ««or. coei-
mentarius anieli tmmUfHi boem vM daristM et übu^rie de eontubm orM^
nibus ad patrMum in topica jk tuiU dceronie. Über prbmii indpiL* 898, 86
hat die hs. gm nmlta infamiae /hmt HwriiUma dh. gnonUm tmUia usw.; ferner
wird bestätigt meine vermntaiig, 89t, 6 sei SMteflf« statt wmUBtm su lesoai
indem P von erster band ein e über dem ersten a hat; 891, 8 die coa»
jectnr iwnotuta^ da P ineuobäa bietet, wenn anch tn von erster band ge*
tilgt; 390, 1 vehd (oder wt) ex teetimoniöf indem P tiel mit übergeeehm»
benem ut von erster band gibt. 898, 4 und 898, 8 sind die sohnihfeliler
unue und praedicatur nicht verbessert, diese genauen angaben ASehoenea
erweisen Hases eollation leider als nicht soreiehend.
302 JOCono: Wiiibada.
an wohner' ; Wisüxida sei begrifflich yerwandt nicht nar mit Nassau^
sondern auch mit Maüiaci^ das er zu maUe ags. mädo engL meadow
stellt, allein Maüiaci ist , wie schon die adjecÜTische endnng -ad
lehrt (Zeuss gramm. celt.* s. 806), sicher ein keltisches wert, du
wohl mit den gall. nnd brit. personennamen MaUo^ MatUmiiui uul
ähnlichen zusammenhftngt (Z.* s. 151 ; Olüok kelt namen bei Caesar
s. 56). auch der dentang von Usipetea wird man nicht zuzostiminiii
vermögen: denn der name lautet eigentlich UsipU (so bei Tadtna
Ann. Xm 55. 56. Bist lY 37. Genn. 32. Agr. 28. 32 ; nur Ana. 1 61
Usipetes). die Iftngere form ist durch Caesar aufgekommen, der den
namen aus dem munde von Oallien^Temommen hatte, die ihm djit
gall. endung -etes gaben (vgl. Z« praef. s. VII). doch verdankm wir
der Medemschen schrift die anftUirung der iJten inschrifib mit etoet
Wslnohates^ und dies führt xu dem wahrscheinlidi richtigen»
Dem Stadtnamen Wkibada liegt der volksname WUmSMiB sa
gründe: dies bezeugt noch die pluralform TFiestade», welche sich vttw
steinert erhalten hat, nachdem das bewustsein der ursprUngliehen ba^
deutnng, daau die hUfte des wortstammes verloren gegangen iit;.
Wisibada ist eine, wenigstens in der form, leichte latinisterung. dieaer
volksname setzt sich zusammen aus Nova oder Näba, dem galL ana^
druck für den Nahefluss, und der altir. prttposition ds *flupra', so data
jener name stSnde ittr ^Of-fnobo-to 'supra Navam hafaitanteB' : doeh
wohl eine passende bezeichnung eines den Tanmu bewofaBendea'
Volksstammes, gegenttber dem breiten und tiefen thale der Naht, daa
gall. lange o ist bereits in unseren Utesten irischen dankmalen (ana
dem achten jh.) übergegangen in «a, welcher laut leicht aich sa
einem consonanten verhirten konnte; und war dies geschehen, ao
muste sich die form Wietbadm im deutschen munde von selbst finden.
Volks- und personennamen die mit -a< abgeleitet sind konunen
im gallischen hftu^ vor: bo AJhrebates^ foXäTat, raicäTOt(Z.*Sw796).
möglich jedoch daisz jenes WsmobaUs verstümmelt ist aus ^(kmuh
tantes^i da n vor t im irischen immer ausfUlt, und dieser procete
doch wohl schon im gallischen vorbereitet sein muste : iilft<i|iww wSre
mit jenem namen zu vergleichen der name der TrimbanüeSf einer im
norden der Themse wohnenden väkerschafL in der Woigesch. Boms'
s. 490 ist vermutet worden dasz dieser name zusammengesetrt sei
mit der gall. prftp. M (ir. M oder tri^ ebenso in den brit. dialekten,
wo auch troSy irus^ tra^ tro uft. formen erscheinen), und dasz der für
Themse gebrauchte ausdruck hier appellative bedeutung habe, das
häufige vorkommen des Stammes noft, nav^ nav für flusznamen auf
gallisch-britannischem boden scheint geeignet diese Vermutung sa
unterstützen: ausser Niwa vergleiche man Ncvaria in Oberitalian»
Notnos (h. Nith, der in den Bolwaybusen sich ergieszt, Ptol. 11 82),
Ndßaioc — wohl einer der nordschottischen flords gegenüber den j
Hebriden ; femer den namen NooudvTOt für eine caledoniache TÜlker» -^'^
Schaft im norden des busens von Cardigan (P^L 11 3, 1 und 7. 6, 4). vj
QnAUDBNa. J oui» OutTAT Cmrow
PiiiloIogLsclie gelegenk^itsschrifteiu §03
50.
PHILOLOGISCHE GELEGENHEITSSCHBIFTEN.
Arnran (kantoBschiile) K. Fisch: la Horax canniita II S* drtiek von
H. R. S«iieriänder. 18SS. 15 a. gr. 4.
Amgsbarg. Bl2lter der erumerang an das drelhuiider^ihrig« jabüäam
des collegioms bei St. Anna in Angsbarg am 3 und 4 december
Igfö. Terlag der M. Riegerscben bnehb. 18S3. XII n. 36 s. gr. 8.
[entb. festpredigt des obereonsistorialrates dr. St ab Ha and rede
des directors dr. Schreiber.]
Bautsen (gyma.) Ernst Mucke: de eonsonanim in graeea lingaa
praeter Asiaticonun dialectom Aeolicam geminatione. druck you
E. M. Monse. 1883. 36 s. gr. 4.
Berlin (akademie der wiss.) J. Vahlen: über die Paetas-elegie des
Propertios. ans den sitzongsbericbten 1883 s. 69 — 90. reichsdruckerei.
hoch 4. — (nnir.) Ernst Cnrtins: die Griechen als meister der
eolonisation. rede xom gebnrtsfeste sr. mij. des kaisers und k$nigs
. . am 22 man 1883 gehalten, druck Ton G. Vogt. 16 a. gr. 4. —
(lectionskatalog 8. 1^3) loannis Vahleni vindiciae Electrae
Sophocliae. 14 s. gr. 4. — (Friedrich Wilbelms-gjmn.) Gustav
Braumann: die principes der Gallier und fiermaneu bei Cäsar
und Taeitus. druck yon A. W. Hayns erben. 1883. 44 s, gr. 4. —
(Luisen- gjmn.) W. Schwarts: bericht über eri>ffnuiig und eiu*
weihung der anstalt. druck Yon W. Pormetter. 1883. 17 s. gr. 4« —
(progymn.} M. Klatt: chronologische beitriige lur geschichte des
achaischen bundes. verlag von £ G&rtners buchh. 1883, 42 s« irr. 4,
Bonn (uniy., lectionskatalog s. 1883) Eduardi Luebberti prolego*
mena in Pindui Carmen Pythium nonum. druok von C. Georgi.
22 8. gr. 4.
Breslau (univ., lectionskatalog s. 1883) Auli Gellii noctium attioarum
libri in Caput HI ex recensione et cum apparatu critico Martini
Hertz, dnick von W. Friedrich. 7 s. gr. 4.
Darmstadt (gymn.) A. Weidner: kritische beitrage zur erklKrnng der
griechischen tragiker. druck von C. F. Winter. 1883. 68 s. gr. 8.
Deutsch-Krone (gyinn.) Bernhard Lehmann: das volk der Sueben
von Caesar bis Tadtus. ein beitrag zur ethnographie der germa-
nischen Urzeit, druck von F. Gar ms. 1883. 22 s« gr. 4.
Dresden (Vitzthumsches gymn.) Briefe von Ernestine Voss an Rudolf
Abeken mit erläuternden anmerknngen heransgeg. von Friedrich
Polle. zweite hälfte. druck von B. G. Teubner. 1883. 34 s. gr. 4. —
(kön. gymn. in Dr.-Neustadt) Walther Gilbert: ad Martialem
quaestiones criticae. 1883. 26 s. ffr. 4.
Frankfurt am Main (gymn.) Tycho Mommsen: griechische formen-
lehre. druck von Mahlau und Waldschmidt. 1S83. 48 s. gr. 4.
Gera (gymn.) Rudolf Klussmann: curae Africanae [verbesserungs-
vorschlage zu Fronto, Apulejus, Tertullianus, Aruobius, Draoontius^
anth. latina]. druck von R. Kindermann. 1883. 14 8. gr. 4.
Gieszen (gymn.) Peter Dettweiler: über den freiem gebrauch der
zusammengesetzten adjectiva bei Aeschylus. 2r teil. 1888. 8. 19
— 40 [fortsetzung des programms von 1882]. gr. 4.
Greifswald (univ., lectionskatalog 8. 1883) Adolfi Kiessling oon-
iectaneorum spicilegium I [zu Hygiuus, Asconius, Suetonius v. Bor,,
Lucilius]. druck von F. W. Kunike. 8 8. gr. 4. — (doctordisB.)
Karl Schüler (aus Loitz in Pommern): quaestiones Vergilianae.
1883. 59 8. gr. 8.
Güstrow (domsobule) G. C. H. Raspe: katalog der domsohulbibliothek.
druck von C. Waltenberg. 1883. 39 s. gr. 4.
304 Fhflologisohe gelegenhdtisohxlfteiu
Halle (aniy., lectionskaUlog s. 1888) Henricl Keilii obienrationet
criticae in Varronis rerum matioanim libros* dnick to& Hendel.
XII 8. gT, 4.
Heidelberg (onir., doctordiss.) Anton Aiekinger: de limnuie Utinae
apnd Plntarchom et reliqniis et yestigüa. drack von Cn. Lehnuum
in Frelbnrg. 1888. 67 8. gr. 8.
Helmstedt (gjmn.) L. Drewe8: die einweüinng des neuen gjrmnaaial-
gebäades m den tagen 11 — 18 oetober 1888. drack von J. C. Schmidt.
1883. 18 8. 4.
Jena (nniv., lectionskatalog s. 1888) Georg ii Ooets obserrationes
criticae [zu Serenus Sammonicns, Cicero, TibnlloB, PUntns, Apol-
linaris Sidoninsl. druck von A. Keuenhalin. VIU s. gr. 4.
Jülich (progjmn.} Joseph Kühl: Homerische Untersuchungen, fr talli
die bedentung des accentes im Homer, druck von J. Fischer. 1888.
18 8. 4.
Königsberg (unir., lectionskatalog s. 1888) Henrici lordani fjmi-
bolae ad historiam religionum Italiourom. druck Ton Härtung.
27 8. gr. 4 [I de nomine Panthei. II de titulo osco aedis ApoUiniB
Pompeianae].
Kreuzberg 0.-8. (gymn.) Th. Heine: methodische behaadlnaf
des lateinischen genitivs mit einer einleitong über die etiiiMiM
erziehung der Jugend, druck Ton £. Thielmann. 1888. 48 ••
gr. 4. ♦
Kristiania (uniyersitXtsprogramm für das erste Semester 1882) Bastiaa
Dahl: die lateinische Partikel ui. gekrönte preissehiift. druck
von Qrondahl u. söhn. Yl u. 804 s. gr. 8. •
Leipzie (ges. der iriss.) Theodor Schreiber: die Athena Partiieaot
des Phldia» und ihre nachbÜdungen. ein beitrag aur kunstgesehlditt.
mit vier tafeln, (aus den abhandlungen der philoI.-mst. nimm
bd. VIII.) Terlag Ton B. HineL 1888. 100 a. hoch 4. — (uair«,
habilitationsdiss.) Otto Crusius: analeeta critica ad parotmla-
graphos graecos. druck Ton B. G. Tsubner. 1888. 44 •• gr. S. —
(doctordiss.) Johannes Gilbert (aus Bautien): meletemata 8o-
phoclea. druck von B. G. Teubner in Dresden. 1888. 89 a. gr. 8. -~
(Thomasschule] Heinrich Stürenburg: de Bomanorum «adlbvt
Trasumenna et Cannensi. mit karte, druck Ton A. Bdeimaaik
1883. 20 8. gr. 4. — (Nicolaigymn.) Bichard Meister: aur grie-
chischen dialektologie. I. bemerkungen aur dorischen aecentuatioii.
n. die excerpte ir€pl bioX^icTUiv, namentlich in besug auf die ab*
schnitte ircpl AuipCboc. druck von 0. Dürr. 1888. 16 s. gr. 4. —
(kön. gymn.) K. Gebiert: de Cleomene HI Lacedaemoniorum rega.
druck von A. Edehnann. 1888. 26 s. gr. 4.
Lyck (gymn.) Ed. Kammer: lur Homerischen fvkge UL druck tob
R. Siebert. 1888. SO s. ar. 4.
Marburg (univ., lectionskatalog s. 1888) Eugenii Bormanni Tarlae
obserrationes de antiauitate Bomana. druck tob B. Friedrich.
XIV 8. gr. 4. [Inhalt; I de nominibus MaeceBalis. II de Tieis Ali*
minensibus. III de inscriptione arous triumphaUs Arimineaais. IV de
yiae Flamlnlae cursu medio. T de Tiris per cruoa TraiaBUs rem
alimentariam in Italia instituit. VI de anagljphis a. 1872 in fwro
Romano repertis.] — Gerhard Hennen (ana Trier): deHsonoBia
in Poennlo Piautina precatlonla qua« fertnr recenaloBe alter«
Punica. druck tob C. L. Pfeil (Terlag Ton O. Elirhardt). IMt
48 8. 8. — (gymn.) Friedrieh Mfinscher: ehronik dea gjnonft-
siums zu Marburg Ton 1888 bis 1888. druck Ton B. FnaoileL
1888. 89 8. gr. 4.
• <
ERSTE ABTEILOiT
FÜR CLASSISCHE PHILOLOOIK
HEEACSGEQKBEK VON ALFRED FlSCXSUEX.
51.
DIE OBAK£L£NSCHBIFT£N VON DODONA.
Vor mehreren jähren schon hat Const. Carapanos die reisulteU
seiner nugrmbnngen an der stStte des alten Dodona Teröffentlieht
('Dodone et ses mines' Paris, Hachette et co. 1878. ^ bde«)« und noch
immer bklen eingehende ontersnchongen sowie weitere bekannt*
machongen ans dem anscheinend wenig verbreiteten werke, einen
ToHftofigen bericht hatte Carapanos schon 1877 an die MQnchener
akademie gesandt, in deren Sitzungsberichten Bursian ihn TerSffent-
lichte (1877 s. 163 C). später sind mir — abgesehen Ton erlftu*
tenmgen nnd nachtrSgen durch Eggers im bull, de corr. hell. bd. I,
Bangab6 im Parnasses 11 5 s. 399 und arch. ttg. 1878 s. 116 f.,
Carapanos ebd. 1878 s. 114 f., Gompen in arch. u. opigr. boitrttge
aus Ost IV (1880) s. 59, Ourlitt ebd. s. 61, Schneider ebd. s. 64,
FBlass im rhein. mus. XXXIV s. 160, sowie von abdrücken und
gelegentlichen citaten in Röhls lOA. — nur drei gr(Sstere biorhor
gehörige pnblicationen bekannt geworden: von FWieseler in den
OOtt. nachrichten 1879 s. 1 — 79, Bursian in den sitiungäber. d.
Mfinchener akad. 1878 phil.-hist. cl. 11 s. 1—29, nacbtrag s. 324
und ÜKOhler *im neuen reich' 1879 s. 407 ff., von denen diu lotste,
eine populär gehaltene kurze darstellung der *ruinen und goschiohto
Dodonas' hier unberücksichtigt bleiben kann.
Wieseler und Bursian * beschäftigen sich zunächst mit der topo«
graphischen frage, geben dann eine ziemlich genaue Übersicht über
den inhalt des buchs und besprechen hierbei mehr oder minder ein«
gehend einige wichtigere punkte, zusammenhängende specialunier-
suchungen aber über ganze classen der zu tage geförderten schätze
^ dieser bespricht s. 10 — 14 gans karc die bleiplättchen, «Iso »iiid
stets diese selten gemeint, wo ein genaueres citat fehlt.
Jahrbfieher fftr class. philol. 1883 hft. 6 o. 6. SO
306 HRPomtow: die orakelinscbriften von Dodona.
sind bisher noch nicht geführt, und dies ist um so mehr zu bedauern,
als der dem werke selbst beigefügte commentar vielfach unvoll-
ständiges bietet und in seinen resultaten noch nirgends einer ein-
gehenden prüfung' unterzogen worden ist. wenn ich nun im folgenden
versuche eine dieser classen eingehend und ausführlich zu unter-
suchen, so geschieht dies hauptsächlich in der absieht die aufmerk-
samkeit und teilnähme weiterer kreise diesen nicht unbeträchtlichen
resten des ältesten griechischen Orakels zuzuwenden, sowie berich-
tig ungen und ergänzungen von berufenerer seite zu veranlassen, wa
es mir nicht gelungen ist das richtige zu finden.
Den nach vielen beziehungen interessantesten teil des Werkes
bildet die 'sixiämc cat^gorie' des katalogs: ^inscriptions sur plagues
de plomb' (I s. 68-83; II pl. XXXIV-XL). diese bleiplättchen
sind einzig in ihrer art. sie enthalten in 45 nummem die von den
theoren an das Orakel gerichteten fragen, und es bedarf wohl keines
hinweises darauf, von welcher bedeutung eine genauere Untersuchung
und ein weiteres bekanntwerden dieser plättchen für unsere kenntnis
des Orakel Wesens ist, abgesehen von dem hohen interesse, das ein
solcher einblick in das griechische privatleben uns gewährt, wie er
in gleicher unmittelbarkeit uns selten zu teil wird, und abgesehen
von der — hier geringern — epigraphischen ausbeute.
Über die allgemeine einleitung, betreffend die geschichte der
ausgrabungen , über die topographie und Vergangenheit Dodonas^
sowie über die übrigen dortigen funde darf ich hier um so kürzer
hinweggehen , als Bursian und Wieseler in diesen partien sehr aus-
führlich sind; nur dasjenige was zur beurteilung unserer plättchen
wichtig ist führe ich kurz an , bespreche dann sie selbst und werde
am schlusz versuchen das facit aus dieser willkommenen ergänzung
unserer dürftigen orakellitteratur zu ziehen und kurz auf die con-
sequenzen hinzuweisen, zu denen die aufBndung dieser plättchen
hinsichtlich unserer kenntnis des innem Orakelmechanismus ver-
anlassung gibt.
In betreff des materials ist zu bemerken, dasz bleiplättchen
sonst verhtiltnismäszig selten sind ; nur zwei grosze Serien äuszerlich
ähnlicher plättchen sind bekannt: die von Newton' publicierten
reihen der Verfluchungsinschriften , die man den toten in das grab
mitgab, und die schmalen mit namen beschriebenen täfeichen aus
* mich Hnngabc (arch. ztg. 1878 8. 116) erkennt die notwendigkeit
einer solchen ausdrücklich an. ' CWachsmuth 'insebriften aus
Korkyra' (im rhein. rous. XVIII 8. 537— 683), die zunächst einen auszng
AUS Mustoxydis nn vollendetem werke 'delle cose Corciresi' (Corfä 1848)
cntlmlten, gibt s. 560 ff. eine zusammenstellonf^ der bis dahin bekannten
blei)»latten dieser gattung; von 8. 568 an druckt er dann alle von
Newton in II 2 der 'hist. of discovericR at Ilalic, Cnidns etc.' (London
1863) s. 719 ff. edierten, im temenos' des Demeterheiligtnms eq Knidos
Ausgofifrahenen blcitnfeln, im anschlusz an seine eigne Zusammenstellung
nb j 80 dattz dort nun sämtliche dieser kategorie angehörige plKttcben
gesammelt sind.
HRPomtow: die orakelinscbriften von Dodona. . 307
Stjra, zuerst in 39 exemplaren von WViscber^ herausgegeben; über
deren zweck und Verwendung nocb nichts sicheres ermittelt ist.
Die dicke unserer plftttchen schwankt zwischen 1 und 3 mm;
die grösten mögen 0,12 Q m betragen haben; die mehrzahl hat
heute nur eine breite von c. 0,06 m und eine hObe von 0,04 m. sie
enthalten die an das Orakel gerichteten fragen und , wie Carapanos
behauptet, auch einige antworten des Orakels, einige sind auf beiden
selten beschrieben , andere enthalten vier oder fünf inschriften ver-
schiedener Perioden, bei noch anderen sind die inschriften ganz in
einander geschoben , so dasz wegen der färbe des bleis , seiner ab-
nutzung und vieler brüche und risse die lesung ungemein erschwert
ist. beim entziffern der inschriften, wobei nachträglich jede tafel
unter der lupe revidiert ist, hat sich Car. der bewährten hilfe PFou-
carts bedient; trotzdem sind drei tafeln nicht zu entziffern gewesen,
es sind nach des vf. andeutungen im ganzen 45 (?) tafeln gefunden
worden, drei davon unentzifferbar, 42 im facsimile auf pl. XXXIV —
XXXIX wiedergegeben, und 27 von diesen in minuskelumschrift und
mit commentar im katalog (I s. 69 — 83) mitgeteilt, das alter der
inschriften hatte ich früher auf c. 425 — 218 vor Ch. bestimmt; mit
geringen ausnahmen wohl richtig, doch komme ich unten genauer
hierauf zurück.
Das princip von Carapanos anordnung des katalogs und der
facsimili habe ich vergeblich aufzufinden gesucht, ich ordne daher
die platten ihrem inhalt nach und dann gemftsz des ungefähren alters
der schriftzüge, und unterscheide zunächst die beiden groszen classen
der öffentlichen und der privatanfragen, numeriert sind sie nach
dieser reihenfolge (doch füge ich das erstemal stets Car. nummem
hinzu), und danach wird citiert. ich erhalte sicher nur 44 nummem,
davon drei dopjpelnummern (8. 14. 26), also eigentlich nur 41; und
41 täfeichen sind nur gefunden worden, da sich von den 45 vier als
zu anderen plättchen gehörig ausweisen werden, im übrigen vgl. zu
nr. 45. eine tabellarische Übersicht meiner Zählung und der doppelten
von Car. füge ich am schlusz bei. die angäbe der gröszenverhältnisse
stammt von mir, ist also von der genau igk ei t der facsimili abhängig;
da die ränder oft vielfach geschweift oder gebrochen sind, so gebe
ich stets die gröste ausdehnung in horizontaler (bzw. verticaler)
gerader linie.
* kleine Schriften II s. 116; vermehrt darch Rasopnlos, (Waddin^on)
und Lenormant sind sie jetzt sämtlich, dh. 432 stück, in die IGA. 872
aufgenommen, wo man freilich bei den Lenormantiana auf der hui
sein mnsz; eine anzahl derselben wird jedoch durch abschriften von
Lampros (ehemals in Vlschers besitz) als echt bezeugt, über diese
abschriften, die in die bände von Vlschers erben übergegan^^en sind,
vgl. nenerdin^s Röhl im Hermes XVII s. 465 ff.
20'
308 UBPomtow: die orakelinschriften von Dodona.
ERSTER TEIL.
Erste classe:
Anfragen seitens irrieeklsdier Staaten.
* Nr. 1. 2: anfragen Eorkyras über innere verhäUnisse.
1. Carapanos pl. XXXTV 5 >» kat. nr. 5; breite 0,035 m, höhe
0,02 m. auf allen Seiten bmob ; doch scheint die inschrift nur ans
vier Zeilen bestanden zu haben, ist also oben und unten vollständig.
links sind 12 — 14, rechts 16 — 18 buchstaben weggebrochen; zu d^
ergänzungen vgl. nr. 2, weshalb ich diese unmittelbar folgen lasse.
6eöc. ^TiiKOivwvTjai KopK[upaioi Tifi AI Tifi Ndip
KQi T$ Aidiva, Ti]vi Ka Oeuiiv [f^ fipuiuiv 9uovt€c xal
euxÖMevoi KaX]XicTa koi fi[picTa Kai vCv xal elc t
öv ineua xpövov] Foik^oi€[v.
die ersten erhaltenen buchstaben ^z. 1) ai sind auf dem facsimile
nur punctiert. die rttckseite zeigt ein groszes, tief eingegrabenes A.
2. pl. XXXIY 4 — kat. 4; dazu gehört rechts pl. XXXIX 7
(fehlt im kat.). breite mit dem ergSnzungsfragment 0,107 m, h0he
0,04 m ; breite des fragments 0,025 m , höhe 0,035 m. die platte
zeigt fünf parallele brüche von oben nach unten; mit dem ange-
fügten fragment ist sie vollständig, nur rechts oben ist die ecke
weggebrochen.
Geöv. T[ü]xav [d]Taö[i]v.
£iT[i]KOivd)VTai Toi K[o]pKupa|[(oi T(|i AI
Ndi(i Kai T$ AMüüvqi, Tivi xa [e]|6div f^
flpiüWV 6uOV[t]€C Kai €Üx[Ö]||i€VOl
öjiovooiev d[Ti]l xditaGöv.
Da die lesungen und ergänzungen von Carapanos-Foucart nach
meiner meinung sehr häufig das richtige verfehlen , so bemerke ich
gleich hier, dasz ich selbst für die meisten der hier gegebenen ver-
antwortlich zu machen bin; gebe ich den text ganz unverändert
wieder, so habe ich stets ein C-F. (Carapanos-Foucart) davor gesetzt,
nicht selten freilich weiche ich nur in kleinigkeiten ab. den ganzen«
oft sehr breiten französischen commentar mit abzudrucken schien
unnötig, nur das wichtigste habe ich wiederholt.
C-F. bemerken (zu pl. XXXIY 3 s. 71; vgl. unten nr. 8): 'les
mots in\ KOiWJTqi et inX KOivüüvrqi qui se trouvent aussi dans trois
autres inscriptions de la presente cat^gorie, paraissent ötre un terme
consacre pour les demandes adress6es ä Toracle par plusieurs
personnes en commun.' wie sich die hgg. das gedacht haben , ver-
mag ich nicht einzusehen; es ist natürlich ^iriKOivf^Tai und dmxoi-
vuivrai zu losen. * KOtvöu) und sein comp. dvaKOtvöu) finden wir als
termini technici der orakelsprache , um das befragen eines gottes
auszudrücken, vielfach in der litteratur überliefert, und es ist inter-
essant dasz sie nun auch inschriftlich genau in dieser bedeutnng
^ Buraian ao. s. 11, Garlitt ao. und Rölil IGA. 822 lesen ebenso;
auch Kangab^ ao. erkennt darin eine form des yerboms (irtKOivdui.
BBPomtow: die orakeliiischrift«n yon Dodona. 309
bezeugt werden, für dTiiKOivoCctei in der bedentung 'jem. über
etwas um rat fragen' (nvi Tiepi nvoc) existiert nur 6in noch dazu
imsieheres beispiel in der litteratnr : Piatons Prot. 313 ^Z KOivoCcOai
*8ich mit jem. über etwas in gemeinschaft setzen' kam bald za der
bedentong *jem. um rat fragen'; so finden wir es bei Xenopbon^
und zwar gleich als orakelterminus anab. VI 2, Id KOivou|i€V(|i ttÖtc-
pov Xffkov Kai fijieivov eTii crpareuecOai. häufiger ist dvaKOivoOv
und ävOKOivoöcÖai, das wir als 'den gott um rat fragen' viermal'
bei Xenophon treffen; ja sogar das subst. ävaKoivuicic irpdc töv
Ocöv habe idi aus schol. Ar. Plutos 39 notiert die dorische neben-
form KOiväu) für koivÖU) ist aus Pindaros* hinlänglich bekannt,
meist finden wir das dor. regelmSszige diriKOivf^Tai (nr. 8. 9. 34)
und dTriKOivoivrai, Einmal auch dTTiKOivärai (nr. 4).
Das A der rückseite Iftszt sich wohl auf den öffentlichen Charak-
ter der anfr^e beziehen, so dasz wir bäjucu, bajiöctov oder dgl. zu
ergänzen haben« früher dachte ich an das episemon für 4 — an
sich nicht unmöglich — aber da dieses A als Stempel auf korky-
rftischen ziegeln wiederkehrt, entweder allein 'oder innerhalb seiner
fläche das monogramm von Korkyra' (Wachsmuth ao. s. 547) — was
wir doch wohl zu b[äjüioc] K[opicupaiu)v] ergänzen dürfen '° — so
ist mir die obige deutung wahrscheinlicher, nr. 35 (rückseite) steht
wieder solch ein A, und zwar scheint mir dieser vermerk beidemal
' ircpl bi ToÜTou oÖT€ T(|) irarpl oötc tCS) d&eX9fi ^ircKOtvuücui
oOt€ if\ivS)y Tdiv ^Toipujv oOöcvi, ctx' ^irtTpeirrkov e(Te kqI oö Tiji d9i-
KOii^vip ToOrip E^i|i Tfjv c^v MAJxnVi dXX* . . ircpl jiiv toOtou oOö^va
XÖTOV 006^ cu^ßouXf|v irotel usw. Sohleiermacber 'hierüber hast da
dich weder deinem broder mitgeteilt . .'; doch hat Barsian wohl recht
die obige bedentong anzonebmen, wie auch das folgende cu^ßouXf|v zu
beweisen scheint. ^ bei Polybios VII 16, 3 KOivujcaMCvov iT€pl irdvTUJv
^auTolc und Herod. I 8, 20 kqI toIc (pikoxc ircpl toO npoKT^ou KOtvoO-
|i€voc steht es gleichfalls in der bedentung 'um rat fragen'. ^ activ
anab. III 1, 6 cu^ßouXcOet C\UKp&Tr]C E€V09d)VTi ^XOövra cic A€Xq>oCic
dvaKoivCOcat ti}» 6€i{i ircpl Tf)c nopciac. VI 1, 22 toic Ocotc dva-
KOtvdicau medium Hell. VII 1, 27 iKtX (sc. ^v AcXcpoTc) bi ^Bövrcc
T<Jp niy Oci}» oöb^v dvcKotviOcavTO, öwwc . . VII 1, 81 dvoKoi-
viucat Tolc Ocolc. in der bedentung 'um rat fragen', wenn auch
nicht das orakel, finden wir es noch apomn. III 1, 8 xal yäp ÖTav Ti
dvaKOivCtrvTai cot, öpOi cc kqXCOc cu^ßouXeOovTa, und Fiat. ges.
IX 918^ |iT)b' aO Totc XcTo^i^otc MdvTcctv dvaKOiviOcatfii;
* Pyth. 4, 115 vdktI KOivdcavrcc Ö6öv. 133 irapcKoivdTO. Nem. 3, 19
XOp<]i KOivdco|iat. vgl. das äol. dHidcci von ähöw im tit. Lamps. CIQ.
3640 8. 88. Ahrens dial. dor. s. 811. ^^ ich bemerke jedoch dasz
sich auf einigen ziegeln auch ein anderer bnchstab, nemlich A findet;
häufiger jedoch ist A; bald ist es einfach, bald von einem kreise om-
geben, einmal finden wir auch genau in der mitte unter der seile ßui-
|i6c ToO 'AirdiXovoc (sie), dh. der ziegel gehörte zu einem Apollonaltar,
ein A mit einem verkehrten E in der mitte, innerhalb eines kreises,
was man nicht zu ö/)^ou oder dgl. ergänzen darf, vielmehr wird es der
anfang eines prjtanennamens sein sollen, wie wir deren mehrere auch
ausgeschrieben finden, man vgl. die von Viscber publicierten ziegel-
Stempel: kl. sehr. II s. 164 ff. -« rhein. mos. XII (1867) s. 619 ff., und
Wachsmoth ao.
310 HRPomtow: die orakelinschriften von Dodona.
von priesterhand herzurühren : denn es ist kein gewöhnliches schrift-
delta , die alle mehr oder minder unregelmäszig sind und geneigt
stehen , sondern ein genaues gleichschenkliges dreieck , dessen basis
dem untern rande parallel läufL
Zu z. 3—4 bemerke ich noch, dasz C-F. d[c(paX^CTaTa xai vGv |
KQi ^TieiTa ergänzen; da jedoch die buchstabenzahl nicht stimmt, so
habe ich obige ergänzung versucht mit bezug auf nr. 8 Ka\ vOv Kai
Ic TÖv fiTTavra xpövov und nr. 16 Kai vOv] Kai elc töv fireixa [xpö-
vov und vor allem auf Xen. anab. III 1, 6 wo es in einer anfrage
an den delphischen Apollon heiszt: Tivi &V 86WV 8uu)V KOl 6ÖXÖ|i€V0C
KdXXicT* &v Kai Spicra i\6o\.
Dasz das kleine fragment, welches Carapanos als letztes der
ganzen samlung pl. XXXIX 7 facsimiliert, als rechtes eckstttck zu
pl. XXXIV 4 gehört, scheint mir evident zu sein: denn abgesehen
davon dasz parallele bruchflächen, untere ränder usw. genau stimmen,
wäre es doch ein sonderbarer zufall , wenn gerade die hier am ende
zweier zeilen fehlenden Wörter als fortsetzung zweier andern noch
einmal wiederkehren sollten, es sind in der lücke die buchstaben
6-€iüV und €ux-0-|Li6V0i; sowie das halbe linke M verloren; femer
liest man auf dem facs. €tJx[o]|i€VOV (darüber ist die untere hSlfte
des f\ noch erhalten, sieht aber freilich heute wie ein risz im blei aus),
doch das ist bei dem entsetzlichen zustande , in dem die plättchen
sein müssen, begreiflicherweise verlesen, damit die leser eine ahnung
der Schwierigkeiten der entzifferüng bekommen, sind von Car. einige
platten auf pl. XL photographiert : diesen Photographien steht man
zunächst rat- und hoffnungslos gegenüber; es sind die leistungen
der herren C-F. beim lesen derselben in vollstem masze anzuerkennen,
und es ist leicht erklärlich dasz sie auf ihre hauptaufgabe, das ent«
zitfern, bedacht mehrmals die Zusammengehörigkeit einzelner platten-
fragmente nicht erkannt haben: auszer im vorliegenden falle noch
bei nr. 3. 9 und vielleicht auch 22." in gleicher weise wird aach
die reproduction und facsimilierung ihre groszen Schwierigkeiten
gehabt haben , woher manigfache ungenauigkeiten stammen mögen,
^o hier das scheinbar nicht ganz genaue übereinstimmen der schrift-
zUge in beiden fragmonten ua.
Das vorkommen des F auf nr. 1 gibt uns die möglichkeit diesem
täfeichen eine annähernd richtige stelle unter den bisher bekannten
korkyräischen inschriften anzuweisen, die älteste reihe derselben hat
das zeichen F für vau; jungem datums ist C. dann folgen die im CIO.
1841 tf. gesammelten inschriften im ionischen aiphabet mit keiner
spur eines noch existierenden vau; ßöckh setzt die ältesten derselben
um Ol. 140 (220 vor Ch. ; vgl. CIG. 1841). Vischers gröszeres korkj-
räisches decret stammt, wie er glaubt, aus dem vierten jh. (kl. sehr.
II s. 13 nr. 22, abgebildet tf. I 4 =■ epigr.-arch. beitr. aus Or. s. 7);
*' auch von deo Lrooze-iDscbriften gehört pl. XXXI 3 n. 4 so einer
und derselben inschrift: vgl. Rangabe' ao. s. 117 f.
HRPomtow: die orakelinsciirütec toq DodoDa. 311
es leigt ebenfftlk kein Tan mehr, das in später zeit auch in Korkyra
durch ß wiedergegeben wurde: CIG. 1909 5pßoc iapoü Koi öciou,
▼gl. Wachsmath ao. s. 577. da nun IGA. 346, das einzige bisher be-
kannte beispiel för das jüngere C. den ranhen hauch durch H aus-
drfiekt, also vor der reception des ionischen alphabets liegt, so fällt
unsere nr. 1 notwendig zwischen die letzten inschriflen der IGA. und
die bisher Sltesten mit ion. aiphabet in die mitte, da sie noch F (und
xwar wunderbarer weise dessen ältere form'') beibehält, aber im
übrigen ganz mit ionischen buchstaben geschrieben ist. es wird also
eine Itt^e in unserer kenntnis des ent wicklungsganges des korkj-
rtischen alphabets hierdurch ausgefüllt; dasz man aber auch nach
der reception des ion. alphabets das vau bewahrte (ja sogar, wie auf
nr. 3, den rauhen hauch noch durch ein besonderes zeichen aus-
drflckte), ist aus Tarent und Herakleia bekannt (Kirchhoff ao. s. 146)
und darum auch hier nicht befremdlich.
Fragen wir nun genauer nach der abfassungszeit unserer In-
schrift, so können wir, da die älteste classe (F und nichtion. aiphabet),
nemlich die gruppe der Amiades-, Menekrates> und Xenvares-
inschrifben, in die erste hälfte des sechsten jh. gehört (Kirchhoff ao.
s. 97) und wir für die zweite clause (C und nichtion. alph.) die erste
hftlfie oder mitte des fünften jh. annehmen können, unsere tafel nur
in der zeit von c. 450 — 350 vor Ch. placieren, die reception des
ion« alphabets vollzieht sich in den meisten griechischen Staaten am
ende des fQnften jh. ; wir haben bisher für Eorkjra keinen beweis
des gegenteils ; freilich würde ich die Inschrift des alten F wegen
" ich kann our schwer glaaben, da«x wirklich die form C aaf dem
ateine gestanden habe; derselbe ist stark verletzt und die lesnng nn-
aicher: vgl. darüber ausser Kirchhoff griecb. aiphabet' 8. 93 und der von
Röhl IGA. 322 citierten litteratur besonders Wachsmutb ao. s. 575. —
Die aufachrift der silbernen lampe (bei Wachsmath s. 549} stammt
nidit direct aas Korkjra, weshalb ihr sonderbares vau ^ ^in TpaxaFuöui)
hier anberücksichtige bleibt; es ist aus ^ »s y normal gebildet, und
dies T K) freilich lindet sich in Korkyra (Wachsmuth s. 556}, aber
doch aach als sigma in CIG. 1917 ebendaher, der form C begegnen
wir später auf Korkjra noch einmal wieder: sie ist das zeichen für
fligma znr zeit des Septimius Severus (Wachsmuth p. 557). — Bei einem
nochmaligen durchsehen der tabulae Herad. (CIG. 5774) behufs unserer
nr. 3 fällt mir eine eigentümlichkeit auf, die vielleicht geeignet ist
das schwanken zwischen F und C im korkjräiachen aiphabet zu erklären,
während nemlich sonst durchgängig auf beiden platten, dh. etwa 60mal,
C als form für vau erscheint, finde ich Einmal (CIG. III s. 696) z. 171 »>
segra. III z. 123 die alte form F; möglicherweise ein error typotheticus;
andernfalls wurde es den klaren beweis liefern, nicht nur dasz F und
C eine Zeitlang promiscne gebraucht wurden, was ja in einer Über-
gangsperiode selbstverständlich ist, sondern dasz wir an der gestalt des
vau, wo nicht vollständigere inschriftenreihen deren anwendung klar
le?en, keinen festen anhält zur datierung besitzen, dh. dasz wir (und
ich habe die Überzeugung, dasz dies überhaupt bei der heutigen epi-
graphischen methode der fall ist) der Individualität des einzelnen
Schreibers, bzw. seinen launen nicht genug Spielraum gönnen und den-
selben zu viel wert beilegen.
312 HRPomtow : die orakelinschriflen von Dodona.
Dicht unter das ende des peloponnesischen krieges herabdatieren, die
zweite platte ist nach dem schriftcharakter vielleicht ein oder mehr
Jahrzehnte jünger; znr Verwendung des vau war keine gelegenheit,
doch weisen die formen des u), deren einige schon spitz .A. werden,
^auf gröszere gettbtheit und längere Vertrautheit der Schreiber mit
den ionischen buchstaben hin.
Da wir so aus rein pal&ographischen gründen eine ungefähre
Zeitbestimmung gefunden haben, so wird es vielleicht nicht zu kühn
erscheinen, wenn ich unsere beiden plSttchen nun auch historisch
für eine zeit zu verwerten suche, der sie aus andern gründen bereits
zugewiesen sind, ist es schon an und für sich sonderbar, dasz unter
den fünf erhaltenen bleiplatten mit Staatsanfragen sich zwei aus
Eorkyra befinden, so werden diese noch beachtenswerter durch ihren
inhalt, der beidemal auf unruhige innere zust&nde der insel hinweist.
und zwar, wenn nr. 1 nur im allgemeinen darauf schlieszen Iftszt
dasz 'etwas faul war im Staate Korkyra', so deutet der Verfasser von
nr. 2 geradezu auf eine vergangene crdcic der bürger hin und fragt
an, wodurch der staat wieder zur ein tr acht gelangen könne, dass
nun diese beiden anfragen in directer oder indirecter Verbindung
stehen mit den vergangen auf Eorkjray die Thukydides (III 70 — 85.
IV 46—48) schildert, oder sich doch in deren gefolge befanden und
in Zusammenhang mit ihnen zu setzen sind , ist ein schlusz der zu-
nächst in dieser allgemeinheit gewis nicht unberechtigt erscheinen
wird.
Die von Thukydides ao. berichteten schreckensscenen erstreckten
sich bekanntlich über die jähre 427 — 425 vor Ch.; doch waren sie
hiermit noch nicht zu ende, es wird uns ausdrücklich von einer
nochmaligen CTdcic der korkyräischen bürger berichtet (Diod. Xili
48), die ins j. 410 vor Ch. (ol. 92, 3) fällt, und sie ist das einzige
was uns von der geschichte der insel in den 50 Jahren von 425 —
375, dem wiedergewinn Eorkyras für den zweiten seebund durch
Timotbeos, bekannt ist. zwar hat man den bericht des Diodor nicht
gelten lassen wollen, einmal weil Thuk. IV 48, 5 *' dagegen spräche,
und dann wegen der groszen ähnlichkeit dieses spätem bürgerzwistes
mit der Schilderung der greuel der jähre 427 — 425, und hat gemeint,
es läge eine der gewöhnlichen confusionen oder doppelerzäilungen
vor.'^ allein Thuk. IV 48, 5 ist von Ullrich richtig dahin inter-
*' Thuk. IV 48, 6 lotoOTip ^iv Tp6iTi|i ol ^k toO öpouc Kcpioipaloi
()it6 toO bi\\xov &t€q>6dpv)cav, xal i\ ctucic noXXf) T^vo^iw) ^TcXcOrncev
(c toOto, öca T€ xarä t6v iröXcfAOv tövöc* oö fäp in nv (möXotirov
TUJv ^T^pujv ö Tt Kai dEiöXoyov. ^* Wachimath hell, altert I S 8. 144
und nach ihm ausführlich Sievers comm. de Xen. Hell. (1888) 8. 18 and
66 bestreiten die historische Wahrheit des Diodorischen berichts. allein
nachdem schon QCAMüiler in der Göttinger preisschrift 'de Corcyrae-
omm repnblica' (1886) s. 88 wenigstens dem kerne nach ihn als wahr
in ansprach genommen, hat Ullrich, wie ich glaube, abschliessend dnrch
klare und genaue interpretation der fraglichen ThukydideMtelle, sowie
dnrch den nachweis, aass in der that in späterer seit, dh« vom ende
HRPomtow: die orakelinBchriflen tod Dodona. 313
preiiert worden, dasz wir Kara Tdv TiöXeiiov TÖvbc als Archidamischen
krieg, nicht aü sog. Mreiszigjfthrigen' aufzufassen haben, ja dass
Thuk. gerade darch diesen zusatz auf einen spfttem korky-
rüachen bOrgerkrieg indirect anspiele, und was Diodors bericht be-
triSt, 80 ist zwar die möglichkeit zuzugeben, dasz ihm bei ausmalung
des ganzen ereignisses Thukydideische färben aus dem frühem auf-
rohr vorgeschwebt haben und er bewust oder unbewust mehrere
illge ihm entlehnt hat (wie denn die Naupaktier unter athenischem
fUhrer Thuk. III 75, die flucht der optimaten nach dem festland
nnd ihre rückkehr III 85, endlich der kämpf bis zur nacht und be-
aetinng der dTopd durch optimaten III 72. 74 hier wie dort sich
finden) ; aber die ausdrückliche nennung Konons als athenischen an-
ffihrers und andere einzelheiten, die bei Thuk. fehlen, wie herbei-
rnfung der optimaten, freilassung von sklaven, bürgerrechts-
Verleihung an metöken, sowie der ganze tenor der erzfthlung, der
ftOBdrücklich auf die erste CTactc zurückweist, endlich auch die er-
wigong, dasz dergleichen zwiste, aus gleichen Ursachen entstanden,
im wesentlichen auch ähnlichen verlauf haben werden (wenigstens
in einer solchen inselstadt), werden uns nicht daran zweifeln lasseu,
dasz Diodor Wahrheit überliefert hat. ja wSre uns auch nichts von
solch erneuerter erdete bekannt, so würden wir doch der natur der
dinge nach schlieszen müssen, dasz so gewaltsame Umwälzungen
nnd erschütterungen des ganzen gemein wesens, wie die aus dem
an^EUig des pelop. krieges , langdauemde spuren hinterlieszen , dasz
dem Staate noch auf Jahrzehnte hinaus nicht die völlige innere ruhe
zn teil wurde und öfter noch krisen eintraten , die eine wiederholte
befragung des mit Eorkyra besonders eng verbundenen"^ dodo-
uBischen Orakels notwendig machten.
Dasz wir also auf die ereignisse der jähre 427 — 425 und 410
den Inhalt unserer bleiplättchen beziehen dürfen, scheint mir nach
dem gesagten gerechtfertigt; ob wir nun aber nr. 1 wegen des all-
gemeinen inhalts der anfrage, die für ein rein demokratisches KOivöv
sehr wohl passt, mit der zeit nach 425 vor Ch., nr. 2 wegen des
gewis nicht zufälligen ausdrucks öjiOVOoTev in\ tüjtoiOöv mit dem
compromiss zwischen demos und oligarchen im j. 410, wie es Diodor'*
des fünften jh. bis 875 vor Ch. auf der Insel die von Diodor ersählte
compromissregierung, ein KOtvöv aus demokraten und optimaten ge-
wählt bestand, die volle glaub Würdigkeit des Diodor dargethan. auch
Grote IV s. 400 anm. 34 (deutsche übers.) stimmt ihm bei. dasz aber
bei der constituierung eines solchen regierungskörpers eine anfrage
wie öfiovootev iitl TditaGöv ihre richtige stelle fände, ist evident, vgl.
Ulb-ich beitrage zur erkl. des Thuk. (Hamburg 1846) s. 96—101.
'^ diese enge Verbindung ist nicht nur durch Korkyras nähe wahr-
scheinlich, sondern geht auch aus den mehrfachen weihgeschenken
korkjräischer bUrger hervor, die Carapanos in Dodona aufgefunden hat.
" Diod. XIII 48 a. e. nctä hi Tivac i^^^pac tiöv tv xfl itöXci xivic
(ppovoOvTCC xd Toiv 9irrdöujv KarcXdßovro ti?|v dTOpdv xal jicto-
ii€|ii|id|üievot Toöc 9irrdbac 7r€pl toiv ÖXwv öii^twiviZovTO * t^oc bi vükt6c
KaToXaßoOciic cic öfioXoTiac fiXOov npdc dXX/|Xouc, xal Tf)c qnXo-
314 HRPomtow: die orakelinBchriften von Dodona.
ausdrücklich hervorhebt, in Verbindung bringen dürfen, ist mir zwar
nicht unwahrscheinlich, aber direct zu beweisen ist es nicht.
nr. 3: anfrage Tarents über Wohlergehen. Gar. pl. XXXIV
1 = kat. 1 ; dazu gehört links pl. XXXV 4 (fehlt im kat.). breite
mit dem ergänzungsfr. 0,085 m, höhe 0,067 m ; breite des fr. 0,025 m,
höbe 0^048 m. die platte ist oben, unten und links vollständig;
rechts fehlen 5 — 8 buchstaben. die obere hftlfte ist unbeschrieben.
e€oi[c]
ha TTÖ
Tuxqi draOql. [incpuiiQ
Xic ha Tuiv Tapav[Tivu)V
TÖv A|ia TÖv Ndov Kai T[äv Aiuivav
Tiepl TiavTuxiac koI 7r[ep\ . . . dv?
Tox^ >pu)i Kai Tiepl Tiöv
dasz pl. XXXV 4 das links fehlende bruchstück unserer platte sei,
hat zuerst FBlass ao. erkannt; buchstaben sind in der bmchlücke
nur bei z. 1 und 5 verloren; auf dem facs. steht 6E0l. . Tuxat usw.,
was unmöglich richtig isf ; t. läszt sich nicht zu C ergftnzen, denn
das sigma ist noch vierstrichig; da noch eine (von Blass übersehene)
buchstabenlücke dahinter ist, bleibt nur 66oT[c] übrig.
Es ist nur natürlich dasz uns auch hier das aus den Heraklei-
«chen tafeln (CIO. 5774 ff.) hinlänglich bekannte zeichen H für den
rauhen hauch begegnet, den also auch die Tarentiner, wie ihre
tochterstadt Herakleia, noch länger als ein Jahrhundert nach der
reception des ionischen alphabets nebst dem vau beibehielten, für
Tarent ist es hier zum erstenmal sicher bezeugt (vermutungsweise
auch schon in dem von Eirchhoff und Röhl für tarentinisch erklärten
aiphabet lOA. 546, sowie auf den ebenfalls wohl 'aus tarentinischen
fabriken stammenden vasen apulischen fundorts' Robert im bull.
deir Inst. arch. 1857 s. 56 f. vgl. Kirchhoff ao. s. 146); das zweite
h ist durch ausgleiten des griffeis einem kreuz ähnlich geworden,
weshalb es Bursian anfangs als tau ansah, zur Verwendung des vau
war keine gelegenheit. das sonst unbekannte wort TiavTUxia ist,
wie Bursian bemerkt, dem TravwXeOpia analog gebildet.
Dasz das letzte pi in z. 4 wegen des vorhergehenden und fol-
genden 7r€pl ebenso zu vervollständigen ist, ist mir wahrschein-
v€iK{ac iraucdficvoi KOivdic iIikouv Tf)v Trarpiöa. i\ niy oOv iy
KepKvpq, ccpa-^i] toioOtov €qc€ irö t^Xoc.
'^ es ist dies ein neuer beweis für meine behanptung, dasz die
reproductionen in vielen fällen nicht correct sein können; dies gilt auch
immentlich von der Zeichnung der umrisse, die bisweilen total falsch
sind und deshalb eine ergänsung erschweren, da man nicht weiss wie
man vor- und rückseite übereinander zu legen hat, um daraus die nr-
sprüngliche grösze der platte zu bestimmen; dies gilt namentlich von
nr. 22 (s. u.). aber auch hier bei nr. 3 sind die umrisse des fragments
nur annähernd ähnlich wiedergegeben; sie passen nur der gestalt,
nicht der grösze nach in die ränder der platte selbst (sind viel zu klein
sowohl unten wie rechts oben), und wäre hier nicht der znsammen-
hang und die gleichheit der buchstabengrösze zwingend, so würde man
ans der gestalt der bntchflächen niemals auf die wirkliche Zusammen-
gehörigkeit der platten haben schlieszen können.
HEPomtov ait. orajLtJiuscnniieL voi. Iiodana. SI5
lieb : doch kaam auct ein. mi; t iM^gumäxiäes suDsianrT ir pieicbeiL
casus wie irtnnvxic ^eioi{n xil. iiBÄ cuk- zni; £\ imd den: Q&iiv -pu-
wUifiBZfmät' nähert besiimmiinr De. sid. narti:. dit ersten imcb-
«tabm von z. o Bind beim: nnvexsibndiicL : tcx soüein: sicher, doci:
kam zwifichfiii a und x Tielieicni ildcl eiL imcbsiai- pesxandf^ iiabec :
die beiden nficiiBien sine ir der lUckfc verscc wunder . doct scbeim
Ton ersten ein ecwu scicücrer cincL oiten. und vom zweiT«£ eiL
etvas Bchr&firerer nicn-z;£ ernahei.. JkhSi sdükri vor : ttFüic ica Ti tv
TBX^EO ^'^ - ^^^ kann icl dae mir dem inhii:! der ranzen fra^
■ielit in fibereinsiinununf urinirexi. icL würdt . iul ein nngefbbras
beiqiiel zu nehnusn. Temiizien T'^ßi ccurnu:\ €\ oupcrvü> vci. r»ein.
g. Makaru 6C imd weiier iinien oder r oK€iiOL< €v odi^r cv\ mit
folgendem eigennamen : scnloEi eine£ mannesnunens ist w^ K)i€av '-
bpui. sicbereE irird nur dnrcL eine nocjimaiige cenaae prfifunc der
plat» Eich ermiuteln iassei:. 'ljl bi. eiier wei. .ieizi der £0samnie&bang
iiBgefi&br t»ekanni isi. wKcrenc vorher. r>e: d&r kJeinbeit des t:*a^-
ments, äit leBuns cieBe£ hllisiL^irut'ii enibehne.
Überhaupi ist itei rielen plaTXen eine nochmalige Untersuchung
Tcm kizndii?er seiu: in hohem irrade wlmschenswert " — ich bin ülvr-
sengt dasz sie in Tielen. ja den meisten flLüen ron gntem erfolg sein
wird — und namenilich bei dieser ersten clas^c- doppelt notwendig.
da wir die öffentÜLlien foifragen möglicherweise auch hist-orisc^h xev-
werten kComen -wie nr. 1 und 2 . ganz abgesehen von ihren sonstigen
eigenscfaafien.
C-F. haben das fehlende '.ohne das fragment'^ nur nach links
ergänzt, haben demnach rechts zeilenschinsz angenommen; das?. \ias
iznm5glich ist. lehrt die hinznfOgung des linken bruchstücks. das
sämtliche zeilenanf finge enthält, z. 1 ist überschrif\s die aber auch
links, genau lotrecht über den andern beginnt \^nr. 2o steht sie da*
gegen in der mitte von z. 1 . daher ist der freie räum recht« crklKr-
lieb. z. 3 — 5 hören aber 1 — 2 buchsuben weit vor dem rechten
nmde auf, was die hgg. eben zu ihrer falschen zeilensohlusKannahnic
Teranlaszte; das ist entweder wieder aus Verzeichnung der bo'>
grenznngslinie zu erklären, oder die buchst aben sind ohne jodo spur
vom blei verschwunden, dasz in der that dergleichen völliges ver-
schwinden von ganzen Zeilen sogar auf den plättchen vorkommt,
werden wir später (anm, 20) sehen , ich weise nur auch hier schon
aosdracklich darauf hin. dasz die platte nur auf der uutorn hälfte be-
schrieben wurde, wüste ich nur durch die annähme zu erklären, da«2
ihr oberer teil sich schon damals in dem verstümmelten ziistando
befand, wie wir ihn heute sehen ; dieser schlusz wird durch niehrero
beispiele weiter unten als richtig erwiesen.
Der inhalt ist nur fragmentarisch überliefert, und wir erfuhren
1^ denselben wonach äuszerte, wie ich toho, schon UnniriiUit no,
8. 116, der zu pl. XXIII 1 bemerkt: M>edUrfto oinor gouanon prUhuiK
des Originals, <l>iXoKX^&ao für <I>iXokX^^c ist fehler «utwedor den ifrii-
venrs oder der abschrift.*
316 HRPomtow : die orakelinBchriften von Dodooa.
weiter nichts als dasz Tarent über irovTUXici and andere dinge an-
fragte ; da es nun sehr wenige tarentinische Inschriften ausser den
münzlegenden gibt und auch die geschichte der stadt nur unvoll-
kommen bekannt ist, so ist selbstverständlich nur eine ganz un-
gefähre Vermutung über die zeit der abfassung dieser anfrage mög-
lich, im j. 433 vor Ch. (oL 86, 4) schrieb man in Tarent nodi
nicht ionisch (10 A. 548); im j. 212 wurde die stadt durch die
Römer zerstört und verödet (trst seit 123 vor Ch. ist dort eine
römische colonie); fast in die mitte dieses Zeitraumes, dh. 320 —
280, also rund um 300 vor Ch., fällt die abfassung der tabulae
Heracl. , und diese zeigen im groszen und ganzen den dialekt und
die buchstabenformen unseres plättchens; da letztere eine zu weite
herabrücl^pig der inschrift nicht gestatten, so möchte ich für die-
selbe den ausgang des vierten oder anfang des dritten jh. in anspruch
nehmen, und von der anwesenheit des Molossers Alexandres (t 326
bei Pandosia) bis zu den zeiten des Pyrrhos mochten die Tarentiner
oft genug das bedttrfnis fühlen, die götter irepi iravTiixiac um rat
zu fragen. '•
nr. 4 (=>rttckseite vonnr. 8): anfrage der Mon. . .diäten*
Car. pl. XXXIV 3 bis (fehlt im katalog); breite 0,107 m, höhe
0,025 m; oben und unten vollständig; links bruch, doch ohne die
inschrift zu verletzen ; rechts anscheinend vollständig (?).
AI Nd(|i Kai Ati6v<ji c
dTriKOivärai Mov . . öiaiäv tö koivöv Trcp tov
TTuppot Ta OejiiCTptai al £k t . . v icti rd Ocjit ....
VTi Kai ß^Xnov et KixpCjLiev ....
was zunächst die zeilenlänge angeht, so ist es sehr mislich, dasz wir
nicht wissen können, ob der sdir nachlässige Schreiber die Wörter
AI Ndqj Kai Atdivqi c vergessen und erst später rechts oben nach-
getragen hat, wie Bursian will, oder ob etwa vor diesen werten links
oben die eingangsformel Oeöc. Tuxa dxaGd spurlos vom blei ver-
schwunden ist.*® an der Stellung ist nicht anstosz zu nehmen: vgL
TU) AI Nd]qi Kai rql Aidivqi CuiKpdTiic £TriKOi[vfiTai nr. 10; die in-
schrift musz in einem fast unleserlichen zustande sein, oder der
^^ endlich verdient auch noch die fassong der anfrage beachtang.
während wir sonst meist finden dau nnr nm angäbe der gottheiten
gebeten wird, denen man opfer oder gebete darbringen müsse, man also
nicht directe hilfe von den priestem begehrt, scheint hier keine der-
artige sacrale frage vorsnliegen (wo im fall des nn glückliehen ansgangs
nicht die priester, sondern die angeflehten gottheiten die schnld traf)»
sondern directer rat begehrt an sein, wie man snr iravTUxia gelangen
könne, sicher läsat sich das jedoch wegen des fehlenden nicht be-
stimmen. *<^ so sind gleichfalls anf nr. 23 von den bocbstaben dya(0f|
tOxt] die leisten sechs bente von dem blei verschwunden, obwohl die
Stellung dieser worte als Überschrift in der mitte der obersten zeile,
sowie die sonst sorgfältig geschriebene und in ihrem obem teil gut
erhaltene inschrift dies unbegreiflich erseheinen läsat; ja aogar nac*li
unten hin reiset dieselbe inschrift, ohne dasz -auch nnr ^in fernerer
buchstabenrest erkennbar wäre, mitten im tatse plötslich ab.
HBPomtow: die orakeliDSchriften von Dodono. 317
graTeur war von unglaublicher leichtfertigkeit : denn auszer dem u)
in z« 1 findet sich constant o geschrieben" (iruppoi, irep tov); ein
eta kennt er überhaupt nicht , denn es kommt auf der ganzen in-
achrift keins vor, obwohl wir es sicher wenigstens in ß^XTiov iji
I. 4 erwarten; das sigma hat schon halbkreisförmige gestalt. es
steht so am schlusz von z. 1 deutlich da , wohl wieder ein versehen,
da es weder in den Zusammenhang gehört noch von früheren in*
seluriften auf dem blei irgend eine spur sich findet. -^ Dasz die
eingangsformel etwa links am anfang von z. 2 stand , wie denn an-
scheinend die zusammenhangslosigkeit der construction derartige
grosse Ittcken voraussetzt, ist unmöglich« weil die inschrift der andern
Seite (sB nr. 8) zeitlich vor unserer abgefaszt (da sie stets vier-
strichiges sigma zeigt) und zwar nach derselben seite hin etwas be-
atoszen, aber doch vollst&ndig ist. dasz der Schreiber von nr. 8 aber
das erste drittel unbeschrieben gelassen und erst beim anfang des
sweiten dritteis der platte begonnen habe , ist nicht gut möglich.
bei besprechung von nr. 8 komme ich auf diese inschrift zurück.
Welche volksgemeinde sich hinter den buchstaben Mov . . biaräv
verbirgt (wobei die lesung des ersten und wohl auch des zweiten
bnchstaben nach der lücke unsicher ist) , habe ich vergeblich zu er-
mitteln gesucht, z. 2 ist wohl irep tiüv zu lesen ; die Solische apokope
des irepi scheint also von den sonst dem dorismus mehr zuneigenden
be wohnem von Epeiros und den nördlichen districten angenommen :
denn auch die dodonäischen priester apokopieren ebenso : s. nr. 15
rückseite. in z. 4 ist wohl TTiippi|i Tai 8eMtCT[6]iai zu restituieren;
der buchstab hinter dem Ik kann auch f sein; am ende wohl rd
6€|Lit[cT6uO^VTa? z. 5 Ktxpejiev: Bursian liest KixpfjjLiev. ich ver-
mute vielmehr eine form von xq&hj: Keyßr\^i[ya? über das per-
fectum K^XP^M^^ ^0^ XP<i^ ^S}- Lobeck zu Aias 319 und bei Hero-
dotos TÖv KexpriM^vov ©dvarov IV 164, toO KaKoO toO K6XPilM^vou
YII 141 usw. der zustand der inschrift ist also nach dem facsimile
ein trostloser; der inhalt bezieht sich wohl auf die einem Pjrrhos
bereits gegebenen Weissagungen (ral 8€|iiCT6iat, 96|Lii[cT6uO^VTa)
und enthielt vielleicht die anfrage Über erneuerte consultation des
Orakels (?) (ß^Xiiov ^, Rixpe^ev - . .).
nr. 6: anfrage eines nachbarstaats der Molosser über
Politik. Car. pl. XXXIV 2 = kat. 2; breite 0,072 m, höhe 0,045- m.
rechts bruch, sonst vollständig; doch fehlen an z. 1 und 2 etwa
B — 4 buchstaben:
'CTrepuJTaivTi tö koivöv t&v ....
u)v Äia Ndov Kai Auiüvav jua . .
Tl aÜTOlC CU|iTloX€lT€OoUCl[v ?
|Li6Td MoXoccüüV äcq)aXf] ^.
'^ ist etwa im doriichen äholich die dativendnng -ip darch ot wieder-
gegeben wordeu wie im attischen die aaf -19 durch €i? auch in nr. 16
finden wir ainol a« aOTi{i, und auf einer bronseplatte (pl. XXV 1) rot
A(, während man sonst r\ wenigstens kennt.
318 HRPomtow: die orakelinschriften von Dodona,
wieder ist das fttr uns wichtigste, der name des Staates, bis auf die
endung ausgefallen ; es wird ein nachbarstaat der Molosser gewesen
sein mit so wenig wie möglich buchstaben im ethnikon. der plural
dTTepuJTUiVTi wlBgen des collectiven KOtvöv. obwohl z. 2 — 3 nur
wenig buchstaben fehlen, ist mir eine befriedigende herstellung doch
nicht gelungen. C-F. schreiben Ka[Tä] t{, was mir sprachlich nicht
angemessen scheint, auch ist der vorletzte buchstab der z. 2 dem
facsimile zufolge ein deutliches my (genau so wie das des gleich
folgenden cu)LiTroX.); und auch am anfang von r. 3 scheint kein tau
zu stehen; sicheres ist auf dem facs. nicht zu erkennen.**
Es ist dies die entschieden jüngste Inschrift von sämtlichen
durch Carapanos herausgegebenen, die sicher weit nach Dorimachos
an Wesenheit 218 vor Ch. gehört, wir finden nemlich den Übergang
zur cursive fast abgeschlossen, ich wage keine auch nur annähernde
Zeitbestimmung; nur so viel scheint klar, dasz die inschrift durch
ein bis zwei Jahrhunderte von der schriftperiode der meisten anderen
plättchen getrennt ist, und man begreift nicht, wie sie sich unter
diese anderen verirrt hat. freilich verbietet der noch völlig fest-
gehaltene dorismus anderseits ein zu weites herabdatieren.
Für die kenntnis der priesterpolitik aber ist es interessant, dass
ein Staat das Orakel, das im gebiete der Molosser liegt, doch wegen
politischer Verbindung mit denselben um rat fragt; man* traute alao
noch in später zeit der Unparteilichkeit des orakeis, und wir können
schlieszen dasz die priester ihre Unabhängigkeit von den sie um-
gebenden Staaten sich zu sichern wüsten.
Zweite classe:
Anfragen Ton priTatleaten.
A. Die antiquissimae.
nr. 6 (die rttckseite folgt unter nr. 14) : Car. pl. XXXVI l^i»
= kat. 12; breite 0,064 m, höhe 0,02 m; bruch auf allen seiten,
doch scheint die inschrift oben und unten vollständig zu sein :
TOxav dtTjctOdv. Tiöiepa TuvxCavoipi
T€ Toiv € dXXav o!k€c[iv l\ix)yf;
ich stelle nr. 6 und 7 den übrigen voran, weil die noch nicht differen-
zierte form des e-lauts (E), die zur bezeichnung des langen e auf
nr. 6 dreimal, auf nr. 7 zweimal wiederkehrt, auf eine frühere periode
hinweist, dh. noch auf das ende des fünften jh. auch Bursian (s. 10
anm.) erkannte in dem den ersten hgg. unverständlichen eaXXov**
natürlich f| äXXav. die anfangsworte von z. 2 sind freilich schwie-
riger, will man i^ räv i^ fiXXav lesen, so wäre dieser gebrauch des
** möglich ist auch dasz statt des my ein eta zu lesen ist, so dasz
viclleiclit T^ d[v] aOrotc dastand; dies dv kehrt ähnlich in nr. 12 wieder.
'3 'il est curieux de trouver dans cette demande le mot ^dXXav
qiii ßgiire dans one rtSponse de Toracle [s. n. nr. 7] et dont le seos est
difficile ^ determiner.'
HRPomtow: die orakelinschriften von Dodona. 319
arükelfl erst mit beispielen zu belegen, in Verbindung mit Tnvoc
steht er ähnlich Theokr. 1, 36 ÖKa |ilv tyivov . . fiXXoKQ b* au ttotI
TÖV. vgl. Ahrens dial. dor. 8. 268 fiP. der erste erhaltene buchstab
scheint ein tau zu sein ; dann wäre vielleicht mit correctur des dritten
buchstaben zu lesen: Tr)vav i^ dXXav. ich habe oTia)c[iv ergänzt^
denn das wort findet sich häufiger auf unsern plättchen (nr. 8. 20).
Borsian will oiKrjcac oder olKrjcavTCC, was dann aber eine neue er-
gSnzung f&y oder oiKiav oder dgl. nach sich ziehen würde.
Es war eine namenlose anfrage, dh. der fragesteller verschwieg
aus irgend einem gründe seinen namen, wie wir es von nun an,
häufiger finden werden (so noch nr. 17. 18. 19. 20 usw.)
Die inschrift kann nicht umfangreicher gewesen sein als zwei
Zeilen; der rest der anfangsformel ist erhalten, und da der sinn und
Inhalt der frage beendet ist, so kann das ende nicht weit hinter
oiK€c[ folgen, ungefähr stand also auf der tafel:
Tüxav dT]a9äv. jrÖTcpa Tuvx[avoi^i äjiicivov
7rpdccu)]v i^ toiv (oder Trjvav) i^ fiXXav oTKnc[iv fx^v;
ttber andere inschriftenreste unserer seite s. unten die rückseite
nr. 14.
nr. 7. Car. pl, XXXVIII 6 « kat. 26; breite 0,066 m, höhe
0,015 m. der streifen scheint oben und unten vollständig, an den
Seiten gebrochen, auf der tafel steht:
€aXXavjLiacT€i€i
Carapanos hält dies für eine orakelantwort'^; das halbe dutzend
Orakel, das er gefunden zu haben glaubt, werde ich unten im Zu-
sammenhang behandeln, hier haben wir zu lesen :
f| dXXav |iacT€lei;*'
ob ^acT€i€i für juacieuei verschrieben oder dialektische nebenform
ist, läszt sich nicht entscheiden ; vielleicht haben wir sogar |iaCT€UQ
zu lesen, dasz hier an kein orakel zu denken ist, sondern wir den
schlusz einer anfrage vor uns haben, leuchtet ein; beispielsweise
lieszen diese worte sich einer dor vorhergehenden ähnlichen frage
einfügen:
[Tüxav dtaGdv. ^rrepujTa ö beiva töv Aia Ndov koi idv Aiuüvav,]
7rÖT€pa Sv fx^i oiKHCiv djiieivov updccei] f\ dXXav juacieuei;
Carapanos sagt zwar, die inschrift sei vollständig, aber es ist nach
läge der buchstaben unmittelbar unter dem obem rande doch mög-
lich , dasz die obere zeile weggebrochen ist ; und dasz links von i^
dXXav bis zum rand ein bis zwei buchstaben ganz verschwunden
seien, wird uns nicht mehr wundern (s. anm. 20).
B, Dorier und Äoler.
nr. [8] = rückseite von nr. 4: Euandros und sein weib
fragen über Wohlergehen. Car. pl. XXXIV 3 «= kat. 3; breite
^* 'antre re'poose; rinscription est compUte et tris lisible; mais
eBt iocomprdbensible, ce qni da reste convient assez bien h une r^ponse
d*oracle.' *^ auch Bnrsiao, wie ich sehe, gibt die obige lesung.
322 HRPomtow : die orakelinscbriften von Dodona«
12. 13. 24 (in directer frage 17. 18. 19. 20. 22. 40) und seine er*
klärucg darin, dasz der Schreiber alles vorhergehende als formelle
Überschrift faszte und die eigentliche frage erst mit f| beginnend
ansah ; so wird nr. 17 sogleich nach dTCtOct Tuxot mit f| fortgefahren
(C-F. schreiben stets i^).
Beispiele der assimilation (Xub'ioT, äfiM^ivofi [sie]), die immerhin
auf ein relatives alter deuten , finden sich auf den platten nicht so
selten.
nr. 10. Sokrates fragt über Wohlergehen. Car. pl. XXXV
2 =s kat 7 ; breite 0,057 m, höhe 0,02 m. die platte ist auf beiden
Seiten beschrieben; links ist ein räum von 9 — 11 buchstaben weg-
gebrochen, sonst vollständig.
Tiu A\ T(|) Nd]i|j Kai Toi Aiu)va CwKpänic diriKOt-
vf^iar tI kqJ dpToZöjLievoc Xiwiov Ka\ fijiieivov
Tipdccoi auT]öc Ka\ aurt^ kqI T^ved;
so lesen C-F. (auszer ^ttI KOivrJTqi); doch standen wohl noch prae-
Scripte: Geöc. v!)\a dxaOd vom links; das Ti kq] dpToZöfiCVOC klingt
nicht sehr probabel und auch Tipdccoi auT]öc KalaÖTipKalTCve^t
ist wenig wahrscheinlich; ich vermute daher dasz die Zeilen nach
links hin noch um die praescripte länger waren , so dasz zwischen
dTTiKOivfiTai und dpTOtZöjLievoc noch genaueres über die art der
arbeit angegeben war (worin, in welchem gewerbe oder w i e ar-
beitend . .) und auch zwischen irpdccoi und . . oc noch mehreres
verloren ist; auch die rückseite scheint grössere ausdehnung nach
links zu verlangen.
rückseite:
vüxq. dTaö^. i7nK0ivtüv]Tqi All Kai Ai-
djvq. .... .]ioi . Kai fijiia ti X^TOfiCC
. . .j^€C Tvujjiev TÖ dXaG^c;
die ersten erhaltenen buchstaben lAI sind von C-F. zu im koivu)Vt]()1
ergänzt, doch kann es auch tu) gewesen sein, da das lu häufig die
spitze gestalt zeigt: _A_-
C-F. ergänzen z. 3 djjLi^c tvuüM^v, was ich nicht verstehe, da
fViuiLiev doch nur als inf. aor. gefaszt werden kann; wie dann aber
der satz gelautet, wissen nur die Schreiber: der construction und
grammatik spricht er höhn.
Wiederum ist die erste halbe zeile spurlos auf dem blei ver-
bchwunden, denn lAi beginnt erst in der mitte derselben über dem
schluszalpha von d^a Ti X^TOfiCC usw.
nr. 11: Lysanias fragt über das kind der Annyla. Gar.
pl. XXXVI 2 = kat. 11 ; breite 0,043 m, höhe 0,042 m. auf allen
bciton bruch, doch ist die inschrift vollständig, da der Schreiber am
t nde von z. 1 und 2 dem heutigen schrägen bruch folgend eher auf-
meini'S schiffäherrntums glücklicher sein werde?' vielleicht ist auch
von einem häuserpachtgeschäft die rede, was wenigstens in Athen vau-
KXr)p€iv auch bedeuten 'konnte (Isaios 6, 19).
HRPomtow : die orakelinscbriften von Dodona. 323
hörte als in den folgenden Zeilen, so folgt dasz die tafel schon in d^m
zustande beschrieben wurde, wie wir sie heute haben.
dpu)Tf\ Auca-
v(ac Äia Nqiov
Kttl Ancövav* fj oö-
K fcTi il auToO
■e* TÖ Trmbdpiov
8 *AvvuXa KÜei;
die frage ist insofern eine der interessantesten, da sie uns zeigt, bis
zu welchem grade man den gott zum vertrauten über familiengeheim-
nisse machte, und was man alles von den priestem zu erfahren be-
gehrte, ^ob das kind das Annyla unter dem herzen trägt, nicht von
Lysanias sei' — was mögen die priester da wohl geantwortet haben ?
ip\jjTf\ (und dnepiUTf) nr. 36) verhält sich zu dTTcpuirä (sie,
nr. 33) wie ^TTiKOivf^Tai zu dTTiKOiväTai. '^ beidemal fehlt das iota
subscr. auch das mundartliche Arju)vav ist auffallend ; da es aber
auch nr. 16 wiederkehrt, wo der Schreiber ein Ambrakiote ist, so
dürfen wir es wohl als specifisch ambrakische eigentümlichkeit be-
trachten, so lange es nicht auch anderswo nachgewiesen ist, und
auch den graveur unserer platte nach Ambrakia oder in dessen um-
gegend versetzen."
Für das zweite ny in Ai^u)vav zeigt das facs. <; z. 5 hatte
Lysanias schon Ol, die hasta als anfang des n(aibdpiov) geschrieben,
als er bemerkte dasz noch das tau des artikels fehle; er strich daher
durch zwei parallelstriche die ersten zwei buchstaben aus und schrieb
TÖ TT noch einmal." die behauptung der grammatiker (Aristophanes
bei Eust. s. 1788, 53. Ammonios s. 35 usw.), dasz Traibdpiov nur
ein gröszeres kind bedeute, das schon ^gehen könne und anfange zu
sprechen', dh. dasz es eine Verstärkung von Traibiov sei, ist demnach
hinfällig.
C-F. haben 8 dv NüXa Kuei gelesen. Bursian corrigierte auf
das vorkommen des namens "Ava'^ hin das ungehörige fiv und schrieb
si Rangab^ ao. (wie auch ähnlich Röbl IGA. 332 betreffs ^ni-
KOtvf^Tat von ^irtKOtvelcOai) nimt hier eine flexion des verbnms nach
der conjagation -iiu an, wozu mir kein hinreichender grand vorzu-
liegen scheint. ^piUT^ wäre die richtige dorisch gebildete form, und
das fehlende iota weist nur darauf hin, dasz dasselbe in der ausspräche
schon im schwinden war, wie wir ja genau so incpuJTd ohne dasselbe
auf nr. 33 finden, es kommt zwar ^iT€pu)Tet zweimal vor (s. die fol-
gende nr.), doch musz deshalb noch nicht ^pu)Tf^ derselben flexions-
methode angehören, vgl. Abrens dial. dor. s. 309. das beispiel eines
vernachlässigten iota auch auf pl. XXIV 3 Ndu). '< ähnlich steht
auf einer bronzeplatte (Car. pl. XXVII 2 s. 50. 2 s. 202) Aeuüvac. Ran-
gab^ glaubt in den obigen beiden beispielen den beweis einer zum
t-laut neigenden ausspräche des eta zu erkennen, gemäsz der neu-
griechischen Sprechweise. ^^ Carapanos: 'au commencement de la
cinqui^me ligne, il j a une signe qui pourrait 4tre pris pour un symbol
ithjphallique (?I) . . il se peut aussi' usw. '* 'Ava ist der name
einer illyrischen sklavin bei Wescher-Foucart inscr. recueillies k Delphes
21*
324 HRPomtow : die orakelinschriften von Dodona.
'AvvuXa, worin ihm Bücheier stillschweigend beistimmt (index schoL
Bonn. hib. 1878/9 s. 3).
Die rückseite zeigt wieder einige buchstaben in gröszerm format,
meist ligaturen , nnter denen sich anch A nnd Y erkennen lassen,
vielleicht Au[caviac (?).
nr. 12: Agis fragt über verlorene matratzen und kissen.
Car. pl. XXXVI 1 ^ kat. 10; breite 0,058 m, hOhe 0,029 m. die
platte ist nur rechts unvollstfindig und gebrochen, es fehlen etwa
8 — 9 buchstaben:
'ETr€pu)T€i ^Atic Aia Näov [kqI Aiuivav
lüiTT^ Td»v CTpu)MaTU)V K[ai Td»v irpoc
K€q>aXaiu)V, tq ätiu)XoX[€v auTÖc (?)*
i^ Toiv ßu)8^v TIC &v ^K[X€qj€V ;
z. 1 diT€piUT€i, das nr. 13 nochmals sich findet, zeigt dass auch dpui-
Tdu) im dorisGÜiien nach den verba auf -^w flectiert werden konnte,
wie öp^u) öpfi^ui cuX^uj imiuj ua. — öir^p scheint erst nach Demo-
sthenes gleichwertig. mit ir€p( gebraucht worden au sein, wie wir es
hier und nr. 18 treffen, während es umgekehrt im äolischen dnrcfa
7T€pi vertreten wurde (Ahrens dial. aeoL s. 151), und auch unsere
inschrift gehört einer spätem periode an, da das sigma durchgängig
die runde gestalt C zeigt. — dTriuXoX[€V ist wohl nur Schreib-
fehler. — das von C-F. in z. 3 ergänzte aÖTÖc befriedigt nicht gans,
auch zeigt es zwei buchstaben zu wenig: es stand wohl ein anderer
eigenname in der lücke.
Bückseite: auf der rechten hälfte finden sich wieder von natea
nach oben (wie bei £öav[bpoc) in doppelt so groszen buchstab^i ak
die Vorderseite zeigt: ^At[ic, und darunter (bzw. daneben) ein ebenso
groszes B. es ist wieder vermerk von priesterhand und zeigt oiia
den kleinen, immerhin beachtenswerten nebenumstand, dass man
die platten später der länge nach, nicht nach der breite, in bänden
hielt, was man wohl von den loos täfeichen her gewohnt war.
nr. 13: Amyntas fragt in betreff seines sohnes. Gar.
pl. XXXYII 8 = kat. 20; breite 0,052 m, höhe 0,035 m. oben
und unten vielleicht vollständig, desgleichen links oben; links unten
und rechts bruch, doch ist rechts wohl nur in z. 1 ^in buchstab
verloren.
^TtepuiTCi 'AjLiuvTal
A[(a Näjiov KQi Aiidyav *
f) Xuiiov xal iSfiCi
vov xüikQ To]ö Traiböc
Jorräcactei;
C-F. ^le demier mot est d'une lecture douteuse.' zwar ist am schloss
der ersten zeile nur eine hasta erhalten , doch können wir wohl mir
zweifelhaft 'Afiuvrac herstellen, was C-F. vielleicht mit absiolit
nr. 439, und aaeh hier haben wir es wohl nur mit dem verhiltnit
zwischen dem berrn and einer skUvin in thon.
HRPomtow: die Orakelinschriften von Dodona. 325
unterlaBBen (? thesprotische Völkerschaft 'Afiuvrat bei Steph. Byz.
udw.). — z. 2 : fttr das erste ny in Atiiivav steht in dem facs. ein r\.
beachtenswert ist , dasz die buchstaben [la Na] mitten in der zeile
spurlos yom blei verschwanden sind, die lücke kann ich der un-
sichern lesung von z. 5 wegen nicht ansfüUen. ^ das sigma ist rund C ;
u) B= Q; Einmal auch schon € »» €.
Nun steht noch zwischen z. 1 und 2, unterhalb |iuvTa, in ganz
kleinen, nicht halb so groszen buchstaben als die übrigen sind, €rX10,
was nur als if Xiou gelesen werden kann. C-F. beziehen es zwei-
felnd auf das Vaterland des Amyntas; allein dieser ist Dorier (Aiu)-
vav dneptuTei, nicht ^eipuirei), und diese buchstaben von solcher
Winzigkeit an der stelle hinzuzufügen hatte keinen sinn: so kann
es nur von einer frühem inschrift herrühren, und wir finden hier
zum erstenmal , dasz auch die bewohner der Westküste EQeinasiens
mit dem alten Stammheiligtum in Verbindung geblieben waren, o für
ou (dt Xio) deutet noch auf das fünfte jh. vor Ch.
nr. [14] («» rückseite von nr. 6): anfrage des Lysias und
Pasias. Car. pl. XXXVI 4 »« kat. 12; ausdehnung wie nr. 6;
über die bruchflächen s. ebd. :
Auciac AafiöXa
TTaciac 'Ajna ....
ai TTOjLiTraTia (?) . .
dasz links noch buchstaben gestanden, geht aus nr. 6 hervor, und
zwar müssen vor Auciac noch mindestens sieben buchstaben (Tuxav
dy] nr. 6) gestanden haben, auch existierte vielleicht noch oben
darüber eine zeile. dem schluszalpha z. 1 fehlt der querstrich.
Es sind nur namen zu erkennen : Lysias des Damolas und Pasias
des Ama(nitos?) söhn, und wohl noch 6in oder mehrere namen
standen zwischen z. 1 und 2 , denn die lücke kann wohl nur so aus-
geMlt werden.
Ob wir die öffentliche anfrage mehrerer etwa zusammen ab-
geschickter theoren anzunehmen haben, ist zweifelhaft und mir wenig
wahrscheinlich, da die übrigen öffentlichen anfragen überhaupt keinen
schreibemamen kennen, wir haben dann an die anfrage über eine
gemeinsame Unternehmung mehrerer zu denken.
Die unter nr. 6 besprochene Vorderseite zeigt nun auszer der
dort behandelten noch reste von zwei anderen inschriften : h) zwischen
z. 1 und 2 steht mit kleineren buchstaben OPION. c) es lief in dem
untern freien räume eine mindestens aus zwei teilen bestehende
inschrift entlang, deren lettem auf dem köpf stehen: in z. 1 ist
Till (?) T . . vo . . . p , in z.'2 Tii XcTijLiaT . . . . jioi Xirica . . i
zu erkennen, auf dessen deutung ich verzichte, zu bemerken isjb
jedenfalls, dasz auf derselben fl&che drei verschiedene inschriften,
auf der ganzen tafel also vier sich erkennen lassen.
*B vielleicht ist mit einer änderang von ir in v und 6 in k (z. 4)
zu lesen: dfA€t[vov, Ik t&c T]^aiK^c [irai&öiT]oii^coc6ai.
326 HRPomtow : die Orakelinschriften von Dodona.
nr. 15: anfrage über Schafzucht. Car. pl. XXXVIII 1 ^
kat. 21; höbe 0,017 m, breite 0,079 m. die platte ist scheinbar
vollständig, nur links unten ist die ecke weggebrochen, wodurch
der anfangsbuchstab yon z. 3 verstümmelt ist:
'EpouTqi KXeouTac töv Aia xai toiv
Aiuivav, ai icii aÖTOi TrpoßaTCuovTi
dvaiov Kai u)q)^Xi|iov.
grosze Schwierigkeiten bereiteten die beiden anfangsworte, die von
Carapanos (und auch Bursian wiederholt sie so) dpoCTai KXeoCrai
gelesen und als 'promesse de reconnaissance faite k Toracle par un
berger, s'il röussit dans une op6ration sur des troupeaux' erklftrt
wurden-, KXeouTai also als von kX^u) herkommend gefaszt und al
hypothetisch verstanden ; aber man denke einen hirten, der dem Zeus
verspricht ihn besingen (?) zu wollen , falls er ihm seine scha&ucht
segne! allerdings steht xXeouTal auf dem face.; allein man vgL
ähnliches auf nr. 13 z. 1 ; hier scheint mir die Verbesserung in £ und
die obige lesung evident: denn wir haben einen Thessaler vor uns,
dessen mundart den langen o-laut zu ou verdumpft (vgl. BMeister
griech. dialekte I s. 297).
z. 3 schreiben C-F. düvaioc ; nur ein oberer halbkreis des ersten
buchstaben ist erhalten, der viel mehr den übrigen omikron ähnlich
sieht als den omega; auch sprachlich ist 6vaioc (vom st. öva-) das
einzig mögliche, in der litteratur nicht überliefert war das wort
bisher nur aus Hesychios: 6vaioc, fipeiov bekannt, so dasz es nidit
etwa als positiv 'nützlich' aufzufassen sein wird , sondern auch hier
als comparativ: 'ob es besser und nützlich sei."* zu auTOi fttraÖTi|k
vgl. oben anm. 21.
Die rückseite trägt nun in doppelt so groszen, festen zttgen die
Worte :
irep Trpoßa
TcCac
die Schriftzüge sind durchaus andere als die der Vorderseite, ich
habe die worte für priestervermerk erklärt, bezüglich auf die an-
frage der andern seite; vgl. nr. 8. rechts davon befinden sich
noch ein k, ein verkehrtes t, darunter ein € : wohl reste früherer in-
schriften oder Zahlzeichen , oder auf die Vorderseite bezüglich , denn
es sind die anfangsbuchstaben der ersten drei worte der anfrage.
nr. 16: ein Ambrakiote fragt über seine und seiner
nachkommen gesundheit. Car. pl. XXXVI 5 »-kat 13; breite
0,036 m, höhe 0,032 m. die platte ist unten vollständig; oben links
und rechts bruch ; der bruch links war schon zur zeit der benutzung :
denn im anfang der letzten zeile (zwischen ihr und der vorletzten
fehlt kein wort) ist das erste wort wegen des bruches ganz weit nach
rechts gerückt.
^ den positiv vertrat wohl övcioc, övtoc, ionisch öv/|'ioc: vgl. Hesr-
chios: öv€ia, ÜKp^Xi^a usw.; Nikandros alez. 648 f\ irXcIov* irXdov Y&p
övr]iov. Tzetzes su Lyk. 621 iiToi^y öv(av.
HBPomtow: die Orakelinschriften von Dodona. 327
*
'ETTlKOlVflTai]
TIC 'A|ißpaKid[Tac
All Ndifi Käl Ati[u)V(ji
TTcpl uficiac aÖT[o]0 [kqI
ö TÄv ütrapxövTUüv [kq! vOv
Kai elc TÖv lireiTa [xp
övov Tivac GcOüv [1
XacKÖjLievoc Xuiiov
Kai fijLieivov Trpd[ccoi ;
warum C-F. z. 2 im anfang r^c und am ende *AjLißpaKid[Tr)C schreiben
in der anfrage eines Doriers, weisz ich nicht; auf dem facs. stehen
£u anfang von z. 2 zwei senkrechte hastae, aber viel zu weit von
einander entfernt, um teile eines H sein zu können, wenn man will,
kann man auch noch darüber eine zeile mit Geöc. Tuxav dtaOdv
ergänzen, über Ar)[uüV(ji s. nr. 11. Trepl UTicCac auToC Kai tuüv
U7TapxövTU)V : Bursian übersetzt ^in hinsieht auf seine gesundheit
und sein vermögen', nimt es also als gen. von xd öirdpxoVTa. aber
abgesehen von der sprachlichen härte (denn man erwartete dann
irepi UT* Kai tuiv utt. auToO) ist es wohl klar, dasz wir hier an o\
£i7TdpxoVT€C BS 'nachkommen' zu denken haben : denn so findet es
sich seit Polybios , der diesem ändpxovTec als gegensatz ol Trpo-
Tevöjuevoi gegenüberstellt (X 17, 12); die Stellung des ailToC gibt
noch mehr deutlichkeit: ^über seine eigne gesundheit und die seiner
nachkommen'.
Dasz wir hier nicht an die allgemeine phrase 'über Wohlergehen'
zu denken haben, sondern der Ambrakiote wirklich krank war,
scheint in IXaCKÖjLievoc zu liegen, nach dem glauben der alten, die
krankheiten seien von den erzürnten göttem gesendet.
Eückseite stark verwischt, nur wenig erkennbar, ich lese :
ui . . i A[i1a Nä[ov Kai A
l[U)Va]v, €1 f CTl
c. oviavb
€IU)
aÖT
V
<las erste sigma hat runde gestalt, das zweite vierstrichige. links
unten ein verkehrtes ny. z. 3 vielleicht: dvi[o]v, vgl. anm. 36.
nr. 17: anfrage über den ausfall von handelsgeschäften.
Car. pl. XXXVII 4 — kat. 18; breite 0,102 m , höhe 0,03 m. platte
anscheinend überall vollständig.
Tuxa dtaGd* fj TUTX<ivoifil Ka ijuTropcuöjucvoc
ÖTTuc Ka boK^ cujLiqpopov fjueiv Kai dt^JV tQ Ka boK^
dfia Td T^xv? XPCWji€voc ;
wir haben eine vollständige anfrage vor uns, die erste die uns sicher
lehrt, dasz sowohl die namenangabe des Schreibers als auch das
frageverbum samt göttemamen fortgelassen werden konnten ; dieser
ungenannte nun fragt: 'ob die handelsgeschäfte, die er neben
328 HBPomtow : die orakelinBchriften von Dodona.
seinem handwerk" zu treiben beabsichtigt, erfolgreich sein
werden' (Bursian). zn ötiuc vgl. Blass im Hermes Xlll s. 381.
^ji€iv fehlt noch nnter den von Ahrens dial. dor. s. 322 zu-
sammengestellten dialektischen Varianten des infinitivs von üyL
S^UiV T^ : &f[X) in dieser intransitiven bedeutung findet sich selten,
doch kann wohl vaOv äTU)V oder dgl. nicht ergänzt werden bei je-
mand der daneben sein handwerk treiben will; t^ ist vielleicht ver-
lesen oder verschrieben für tt^. zwischen und über diesen Zeilen
läuft nun eine viel leichter und flüchtiger eingeritzte inschrift, die
jedenfalls zeitlich die erste war, da die zeilen der eben besprochenen
sich mit ihrem Zwischenraum nach jener richten, zusammenhängen-
des ist nur noch in der* ersten zeile lesbar, zeigt uns aber dasz die
Wendungen etwas abweichend von den gewöhnlichen sind:
z. 1 (beginnend über dem G in äxaGd) : TÖv Aia TÖv AuibuJ»
vaiov
z. 2 (zwischen 1 und 2 von a) : wi . . A . . . . SiiUJ V
z. 3 ( „ 2 und 3 „ „) : ttOt V
4 (unter z. 3 )> n) X^^
femer finden sich noch auf dem freien untern räume gröszere buoh-
staben zerstreut , die einen davon in ziemlich gerader riebtong am
untern rande der platte verkehrt stehend, wo man sicher nur oXa • »
lesen kann (vgl. nr. 26); die andern unterhalb von a und 6, links N^
rechts nur p k v fi erkennen lassend.
Rückseite: anfrage über das Verhältnis zu einer fraa
(photographisch reproduciert auf pl. XL 2). auch die rfickseiie ent-
hielt eine gröszere, leider sehr lückenhaft erhaltene inschrift, deren
lesung noch erschwert wird durch eine, wie sich gleich zeigen wird,.
absichtliche entstellung der buchstaben:
6€Ö[c]. TÖx? äfaQ^ [ ipuir]^ tioipc . . pXoiTx[i
Xi . . . . uiOTTtpXv . . €0Bi . . . Ti draOöv läc t^v
vaiKÖc Taürac TiapajLio . . . fiovev . ^x^^ ^al xpK
vu)V V KriT€vi®ai. ISE P N . . . iX . .
dann findet sich noch ein doppelt so groszes AP von unten in die
vierte zeile hineinragend , und rechts unterhalb der dritten zeile be-
ginnend von oben nach unten geschrieben: IBE».
Statt des sigma in Oedc lesen wir heute ^, das folgende chi
ist durch darüber gesetztes lambda unkenntlich gemacht: X. das qi
in dYOiOql ist durch ganz besonders absichtliche entstellung (oder
haben wir nur kindisches spielen mit dem griffel vor uns?) ver-
unziert; aus dem a ist ein nj und nach unten ein tau gemacht: was
augenfällig ist; endlich ist auch das folgende iota durch angesetztes
v zum ny gemacht ; auch über dem letzten pi findet sich lambda usw.
hinter dpu)Tjqi ist wohl TrÖT[€]pa zu corrigieren ; das erste theta in
z. 2 zeigt ein kleines kreuz in der mitte; das doppelte ny in fw\
'^ denn anders werden wir wohl ä\i(k t^ ^ix^q, xP^Oficvoc nicht
deuten können.
HBPomtow: die orakelinBcbriften von Oodona. 329
vaiKÖc steht auf dem blei. Bursian schreibt z. 3 Trapafi6[vi])üi0Vy
unmöglich, weil [vi] den leeren räum bei weitem nicht ausfallt.
Wiederherstellungsversuche sind fruchtlos, nur reyision des täfelchens
kann helfen, wenn hilfe überhaupt möglich ist.
nr. 18: Car. pl. XXXVI 3 = kat. 14; breite 0,037 m, höhe
(bruch in der mitte) 0,019 m + 0,023 m.
Die sehr verstümmelte platte scheint nach oben, links und unten
schon im heutigen zustand dem Schreiber vorgelegen zu haben, rechts
fehlen 1 — 2 buchstaben ; mitten durch die ganze platte (z. 5) geht
ein der oberkante paralleler bruch, der es mir nicht unwahrscheinlich
macht, dasz zwei ursprünglich gar nicht zusammengehörige frag-
mente durch äuszern druck aneinander gepresst sind :
fj CUfl7r€C0Ov[Tl
aurqj utrfep t[o
ö TTpdTMttTOC, ö[v
Tivd KQ Tp6tl[0V
5 . . . tv . araia .
KljÜlOV ß^XTio[v
KQl fijiClVOV
TrUCTQKfwV (?) IC
cc€TTai (?)
'la cinquidme ligne est incompldte; les deux demiers mots sont d'une
lecture incertaine' Carapanos. der sinn wäre etwa: der und der
fragt ob es ihm besser und vorteilhafter sei, wenn er für die sache
mit überredete, vielleicht ist aber cujUTTciOcvTi plural des ind., dann
handelte es sich um die teilnähme mehrerer an der Überredung eines
einzelnen.
nr. 19: anfrage über den besitz eines Stadthauses und
landgute s. Car. pl. XXXVII 1 = kat. 15; breite 0,09 m, höhe
0,01 m. ein schmaler, doppelt gebogener bleistreifen; die inschrift
vollständig.
fj auTÖc TieTrajLi^voc idv ^ttöXi oiKiav kuI tö x^P^
ov ß^Xiiöfi jLioi K* €!ti Ktti tioXuu)(p€X^[c]T€[p]ov;
der Schreiber scheint geschwankt zu haben, ob er sein haus in der
Stadt und sein landguf^ verkaufen solle oder nicht, bzw. es seinen
erben übergeben, corrigiert ist die inschrift von Blass; es steht
nemlich auf dem blei ttoXu dicpeXcT^ov (C-F.), augenscheinlich ver-
schrieben für TToXuUi(p€X^CT€pov: 'die Zeichnung hat für die fehlen-
den buchstaben nicht den nötigen räum; also mag der Schreiber
selbst die schuld haben, unter diesen umständen ist aber auch au^
die Schreibung ^ttöXi statt ^fiTTÖXi (s. Bursian s. 13) nichts zu
geben . . die syntax ist, wie man sieht, entsprechend nachlässig^
^ XU)piov kann sonst auch bedeuten 'das zum hause gehörige Grund-
stück'; da aber das ausdrücklich hervorgehobene t&v ^iröXt olKiav in
gegensatz gestellt wird zu x^P^ov, so scheint mir die obige deutung
die richtige.
330 HRPonitow : die orakelinecbriften von Dodona.
(Blass). unser diröXi vergleicht Bohl IGA. 95 mit dem böotisdien
^Tiacic (= f jLiTracic), femer mit 'A(ji)(piTpiTa, vu(fi)q)n, 'OXuffi)moc.
Die rttckseite, die nach Carapanos meinoiig ein Orakel enthalten
soll, werde ich mit den andern vermeintlichen orakeln im Zusammen-
hang besprechen.
nr. 20: anfrage über bttrgerrechtsverleihung. Car.
j)l. XXXV 3 c= kat. 8, 8*»^; breite 0,065, höhe 0,055 m. die platte
musz ziemlich grosz gewesen sein, wenigstens nach unten hin: denn
die nach verticaler richtung hin beschriebene rückseite mnaz, von
der Vorderseite aus gerechnet, nach unten hin bedeutend länger ge-
wesen sein, auch unserer inschrift fehlt rechts etwas, an den andern
seilen scheint sie vollständig.
fj alTÄwjuai Tttvl [? . .
TToXiTciav iiA toutI
i^ ToO eiciövTOc \iii\v6c . .
ist TQVi richtig, und hat nicht etwa TOiv i[v . . dagestanden mit
folgendem stadtnamen , so ist es eine bitte um aufniäme unter die
dodonäischen bürger. itiX rauri «= 'jetzt gleich, unmittelbar' scheint
dann ergänzung von jiiTivöc oder dviauToC zu verlangen, viel scheint
also rechts nicht zu fehlen, zwischen ravi und ^ttI Tauri steht noch
iTiu, vielleicht oben oder unten ausgelassenes enthaltend und ver-
bessernd, von einer andern inschrift scheinen diese buchstaben nicht
herzurühren.
Bückseite rechts, oben und unten scheinbar vollständig, links
fehlt sehr viel :
.1 Aide ToO Nd
ou ] rjcacGai, ei fif|
? t(\) XüJpi]^^ Kai T$ oiKfjcei
TTa]T^pa OiXÖTttv Kai
5 jLiaT^pa . . . ? 1q)i]T^v€iav xal Gu
fai^pa ] 6 Traifip dv irav
t\ ]v T€v^c0ai TU) .
]|üi6v , ön ceX . .
die abweichende construction der anfrage (Aiöc ToC Nd[ou) ge-
stattet die ergänzung eben so wenig wie auf der Vorderseite; nur
ist deutlich von hausbesitz (und erbschaftsangelegenheiten ?) die rede.
So wie ich für C-F.s Trö]T€pa richtiger Trajr^pa (vgl. z. 6) zu
ergänzen glaube, möchte ich auch sein T^vcidv für den rest eines
weiblichen eigennamens (*Aq)po- KaXXi- 'Iqpi-T^veia usw.) halten,
dann folgt ^OT^pa von selbst; den söhn oder die tochter erwartet
jnan nach den eitern, und so habe ich 6u[TaT^pa ergänzt, obwohl
auf dem facs. Gr) . . . zu stehen scheint, zwischen den inschriften
der beiden selten liegt zeitlich ein weiter Zwischenraum; letztere
zeigt das regelmäszige ionische aiphabet des vierten bis zum anfang
des zweiten jh. vor Gh.; erstere hat zum teil cursivformen.
nr. 21: anfrage über eine schreibtafel. Car.pl.XXXVm
2 = kat. 22 ; photographisch reproduciert auf pl. XL 1 ; breite
HKPomtow: die orakelinschrifteii von Dodona. 331
0,072 m, höhe 0,022 m. die platte ist rechts und unten sicher voU-
st&ndig : denn unter das ende der letzten zeile ist der rest von ca-
^avGfi-|Li€V geschrieben; links fehlt sehr viel, auch oben wohl 6ine
oder mehrere zeilen :
[6€Öc. Tuxa &faQ&. ^TTiKOivf]Tai ö beiva tijjj Aü Nduj Kai]
rqi Aiu)V(!i nepi töc . . .]cioc xal tüüv cafi^iwv, rdv Apüc
Tac £]cafiävaTO oub' ^Trav^OeTO, ai c
€l]c Au)bu)vav TTCpl TOO TiivaKiou
5 ? Au)pi]Xaov iKeXrjcaTO oub ' ^lexvd
CttTO ]^[T]Tpa<pöf]ji€v Kai cajiiavöf)
)ül€V.
die ergänzungen C-F.s in z. 3 — 4 al cujuqpopov ^XOeiv und z. 5 die
lesung Xa öv £k€X. scheinen mir nicht richtig, letzteres vielmehr die
endung eines eigennamens im acc., auch z. 5 halte ich ihr oub^ T^xvot
ftir falsch; endlich habe ich z. 6 ein T ergänzt (C-F. . . € TpoiqpOfijLiev),
das wohl nach der bekannten nachlässigkeit in Schreibung von doppel-
consonanten ausgefallen ist.
Der dorische name 'Apüc[Tac findet sich bei Xenophon anab.
YU 3, 23 f., einen passendem habe ich nicht gefunden; vielleicht
stand zwischen diesem wort und ^co^idvaTO sein vaters&cime, oder
*auf meinen befehl' oder dgl., oder es mag noch eine negation (oök)
davor ausgefallen sein; das rdv von z. 2 geht auf das fem.^ dessen
endung noch in -cioc erhalten ist , und wohl auch eine schreibtafel
oder dgl. bedeutete, da die Siegel (rd cafii]a) dabei die nebensache
waren, denn das relativ bezieht sich nur auf das femininum.
Wir erkennen dasz von einer zu beschreibenden und zu ver-
siegelnden schreibtafel die rede war, sowie von den siegeln selbst;
alles übrige bleibt dunkel.
nr. 22: anfrage einer frau über heilung von der krank-
heit. Car. pl. XXXV 1 = kat. 6 und 6*>»»; breite 0,064 m, höhe
0;043 m. die platte ist nach links vielleicht doppelt so lang ge-
wesen, doch ist das nicht genau auszumachen, denn die umrisse sind
verzeichnet, vorder- und rückseite haben dieselbe form, so dasz man
nicht erkennt, wie sie sich decken sollen (vgl. anm. 17); oben, unten
und rechts scheint nichts zu fehlen :
a Gcöc. irrepu)!^ ]q Tivi Gediv Güouca
Kai €{;xojLi^va djiietvov] Tipdccoi Kai Tdc vöcou
dTraXXaxGeiTi ; ?]
das letzte wort ist von C-F. ergänzt, immerhin bemerkenswert ist
es für das griechische privatleben, dasz auch frauen ganz allein (mit
dem manne nr. 8) zum Orakel giengen, um sich rats zu erholen ; auch
dasz die fragestellerin die tafel selbst beschrieben habe, ist nach
der handschrift nicht unwahrscheinlich; für priesterhand sind die
Züge zu unregelmäszig.
Die rückseite zeigt in ihrer mitte verkehrt mit groszen buch-
staben das wort
löXac
332 HRPomtow: die orakelinBchriften von Dodona.
fraglos ein priestervermerk, und zwar diesmal im genitiy, denn man
darf hierin wohl den namen der frau erkennen: *l6Xa; damit wftre
auch die zeilenbreite nach links gegeben, von dem a vor xivi, das
C-F. lesen; ist nur noch der rechte seitenstrich erkennbar, und so hat
denn die erste zeile wohl gelautet: Geöc inepiur^ 16X]a, rivi Oediv
Oüouca usw.
Auf dem untern teile und am untern rande von a läuft nun
verkehrt eine andere inschrifb:
h fj elc *eX(vav TrepieXtPljiev
f\ clc 'AvaicTÖpiov
f| 7ru)Xo0vT€C TÖv [X^jißov 0. dgl. nelfji TTopeucöjLieOo;
aus Stephanos Byz. kennen wir das thesprotische volk der "'CXivot
gegenüber von Anaktorion; ihr land hiesz 'EXivia' entweder ist also
so zu verbessern, oder 'EXiva für die gleichnamige hauptstadt zu
halten; letzteres will auch Bursian s. 21. es ist eine directe frage
ohne praescripte, wenn diese nicht in einer oben weggebrochenen
zeile standen; statt des ui z. 1 steht o im face., doch ist ohne diese
con*ectur mit TrepieXo . . nichts anzufangen.
Vielleicht der deutlichkeit halber sind die drei fragen gerade
untereinander gestellt, so dasz wir dann in z. 2 nach 'AvcucTÖptOV
nichts mehr zu ergänzen haben würden.
Auch hier fragen mehrere zusammen; wie es scheint, wollen sie
eine reise in handelsgeschäften (?) unternehmen und fragen ob die
küstenfahrt nach Elina oder Anaktorion einer ev. fuszreise und dem
vorkauf des nachens vorzuziehen sei — wenigstens scheint der sinn
der erhaltenen werte eine derartige ergänzung zu verlangen, viel-
leicht ist auch Tr€pi€Xu)VT€C und nachher Trop€ucovTai zu schreiben,
die rückseite enthält eine inschrift , die schon zur folgenden classe
gehört.
C. Athener und lonier.
[nr. 22 rückseite:] anfrage über kindel*.
c C-F. TÖv] Aia Ktti Tf|v Aiuivnv
? Tjöv Gcöv dncpurr^
Ik Tflc T^atKÖc
die platte musz, wie schon die Vorderseite zeigte, nach links ziem-
lich weit gegangen sein, da sehr viel fehlt, ob das ov in z. 2 richtig
zu TÖV ergänzt ist, weisz ich nicht; vielleicht war es endung eines
eigennamens oder dgl. (AuibuivaTov ? vgl. nr. 23). die oonstruction
ist schwer verständlich, es folgte wohl: £TT€puiT(|l [f{ Xcbiov xod
äjicivov e\r\\ iK Tflc TwvaiKÖc [TraibOTroiificacOai.
Nun findet sich am untern rande der rechten bälfte nicht viel
über, bzw. unter 'löXac, verkehrt der rest eines zweiten namens in
ebenso groszen buchstaben wie der erste:
NlK c . . . .
der räum zwischen k und c ist grosz genug, um die annähme des
ausfalls eines iota zu rechtfertigen; wir erhielten dann den auch
HBPomtow: die orakelinschriften von Dodona. 333
sonst bekannten namen Nik[i]c; für andere zu ergänzende lettern ist
genug auswahl: NiK[a]ciac nsw., aber wohl kaum platz, die liand-
flchrift ist dieselbe wie in 'löXac, also auch priestervermerk; nur
kann man zweifeln , ob Nik[i]c sich auf einen der Dorier von h oder
auf unsem Schreiber (c) bezieht; mir ist ersteres wahrscheinlich;
dann wäre aber auch die möglichkeit vorhanden , das unter jenem
stehende löXac als dor. form to 'löXaoc anzusehen und hierin den
zweiten anfrager von h zu erkennen.
Links unten in der ecke findet sich noch ein in ein u corrigier-
tes tau, vielleicht ein Zahlzeichen.
nr.23: bitte des Atheners Diognetos. Car. pl.XXXVUI
3 «B kat. 23 ; breite 0,082 m, höhe 0,048 m. die einzige platte, deren
umrisse ganz vollständig und mit ziemlich regelmäszigen kanten er-
halten sind ; und doch hört die Inschrift mitten im satz und mitten
auf der tafel plötzlich auf, und zwar so spurlos, dasz entweder über-
haupt nie weiter geschrieben war, oder eine absichtlich sorgfältige
tilgung der buchstaben angenommen werden musz.
Die Zeilen sind , mit ausnähme der ersten , nie rechts bis zum
rande geschrieben, sondern hören bald früher bald. später auf:
s. anm. 20.
dTa[ef| Tuxn]
A^CTTora &vc£ Zeü Ndie kqI Aiü&vti
Kai AtubovaToi, aiTcT ujnäc
KCd Ik€T€U€1 AlÖYVTlTOC 'ApiCTCjurj
6 bou *A0T]vaToc , boOvai aÖTijj
Kttl ToTc iaxnov eövoic fitiaciv
Kai T€T jiT)Tpi KXeap^TCi Kai
z. 3 : das tu von Au)bovaioi (sie) war ursprünglich ausgelassen und
ist unter der zeile nachgetragen, z. 4: die beiden letzten buchstaben
sind auf dem facs. nur punctiert. z. 6 : das v in eCvoic ist undeut*
lieh; mir scheint fraglos ein Schreibfehler für £[ktö]voic vorzu-
liegen: denn ^allen seinigen wohlwollenden' ist unsinn, und wir
müssen an dieser stelle kinder oder nachkommen erwarten; da
es aber möglicherweise manchem leichter und probabler erscheint
€Cvoic in eCvouc zu corrigieren, bezogen auf djnäc, so habe ich
£[ktö]vöic nicht in den text gesetzt.
Leider ist jedes characteristicum und die hauptsache verloren ;
so können wir auch nicht entscheiden, ob wir unter Atubovaioi
etwa andere dodonäische gottheiten (sc. Geoi) zu verstehen haben **,
"' dagegen Wieseler s. 37: ^CarapanoB denkt sich die priöre adressde
k Zeus, Dione et aiuc dieuz de Dodone (soll doch wohl heiszen: anx
aatres dienx de D.). das hat aber keine Wahrscheinlichkeit, in den letzten
Worten wird man geneigt sein einen fehler voranszasetzen , zanächst
etwa in dem kqC. sollte etwa KY oder KTP, KÖpxoi gemeint sein? nur
dann brauchte man die stelle nicht für verderbt zu halten, wenn man
unter den Au»&uiva1oi nach Steph. Byz. u. CeXXoi die Seilen verstehen zu
334 EBPomtow: die orakelinBchriften von Dodona.
ob auf die bitte etwa später eine frage folgte, wie wir beide vereint
in nr. 24 treffen werden, nnd ob deshalb diese tafel mit den übrigen
zusammengeworfen ward, oder ob endlich die bitte selbst eine
directe antwort verlangte, denn an das zufällig schrifüicb fixierte
gebet irgend eines Dodona besuchenden Atheners ist nicht zu den-
ken; es liesze sich nicht absehen, wozu er solches aufgeschrieben
und wie es mit unsem frageplttttchen hStte zusammengeworfen wer-
den können, ich denke mir den weitem verlauf etwa folgender-
maszen : ^ihm und seinen nachkommen und seiner mutter Klearete
und seinem weihe .... gesundheit zu geben und ihm anzuzeigen»
welchen göttem oder heroen er zu diesem zweck opfer imd gebete
darbringen solle. ^^
iin24: Herakleidas fragt TTCpl T€iV€f)c. Car. pl. XXXYIII
4 B= kat. 34; breite 0,072 m, höhe 0,044 m. von der platte ist an
der linken seite oben ein oblonges stück herausgebrochen; rechts
fehlt ein räum von 20 — 21 buchstaben, dh. der rechte bruch erfolgte
ungefähr in der mitte der platte, im übrigen, dh. oben, unten, links,
ist die platte vollständig :
a Oeöc] 'HpaKX[€]ibac akei töv [A(a Ka\ Tf|v Aiilivriv boCvai au
Tifj] TÖXTiv ÄTaGfiv Kttl t[oic feuToO Kai fijua ^Treipiu
TeiJ TTcpi T€iv€flc fj fcTo[i ouTiji TTaibCov iK TT^c Tv^vai
KÖ]c AP]tXtic Tflc vOv ?X€i;
die form Y^iveffc zeigt den lonier, und doch steht 'HpaicX[€](bac
auf dem blei? ich halte das für verlesen, erklären kann ich es nicht»
Die ergttnzung beansprucht nicht volle Sicherheit; jedoch war
die von C-F. gegebene unmöglich, sie halten Aigle für des Hera-
kleides tochter: ich glaube, natürlicher denkt man in einer anfrage
ircpi T€tV€i)c an die frau. an stelle des c in TVJvaiKÖ]c ist vor dem
A nur eine senkrechte hasta erhalten, und da auch das iota von
A[T]tXt]C durch bruch verloren ist, wäre es möglich dasz der frauen-
name anders lautete und vom noch mehr buchstaben zu ihm ge-
hören, das TT^c in z. 4 ist befremdend, steht aber deutlich da : vieU
leicht ein syntaktisches versehen des Schreibers oder der ergänzung,.
ich habe aber nichts besseres finden können.
•
Bückseite:
h IcTopei NiKOKpäT[Tic TÖV Aia Ka\ Aiidvriv, ei
Xuiiov Kai ä|Li€ivov f|cTai aurij), öti? toO £-
iraOcaro;
das verbum IcTopeTv (in guter attischer prosa erst naoharistotelisch)
findet hier das einzige mal auf unsem platten Verwendung, hinter
fifiCivov ist nur noch eine senkrechte hasta sichtbar, die man auch
können glaubte, jedenfalls ist nicht von andern göttern za Dodona die
rede.' eine correctnr des vollkommen deutlich erhaltenen Ka( ist keines-
falls gestattet.
^ der genitiv anf -ou bei den eigennamen auf -fAfiöi^c, -q)dviic usw..
findet sich in späterer zeit auf inschriften sehr häufig.
HBPomtow: die orakelinscbriften von Dodona. 33&
zu r[pdccoi oder dgl. ergänzen kann; die Unterbringung des ind,
djiroucaro innerhalb einer indirecten frage macht Schwierigkeit.
Diese inschrift ist wohl am ungeschicktesten von aJlen, ii^
wahren lapidarbuchstaben — wogegen die kleinen omikron merk-
würdig abstechen — schief nach allen richtungen hin geschrieben ^
Nikokrates war in der schreibkunst sehr wenig geübt.
D, Die angeblichen Orakel.
nr. 25: Car. pl. XXXVIII 7 = kat. 27; breite von a 0,031m,.
höhe 0,049 m; breite von 5 0,022 m, höhe 0,014 m. die platte scheint
links und oben, wahrscheinlich auch unten vollstftndig. rechts fehlte^
wohl nur ein räum von etwa 9 (z. 1) — 6 (z. 4) buchstaben.
a ZeC Nd'ie [xai Aiuivri airei ö^äc Kai
\k€T€U€i r[aXagibu)poc k
al boOvai i[|iauTiu tuxtiv dtaGfiv kqI
T
60
[ai]|i \iO\} uki K[al
[ufarpl KailJTTäci b
aio Vw b
• •
C-F. : ^fragment d'une pridre analogue k celle de 1' Athönien Diognetos»
k partir de la quatridme ligne Tinscription est cach6e par un autre-
fragment de plomb qui y est adh6rent ; ce fragm. 6taitenvelopp6^
dans la plaque qui contient Tinscription transcrite. on 7 lit deuz.
foix le mot auTiD et toTc auToG 'f[ov6Gci]. — trois autres lamea
pr^sentent le möme fait d'une plaque plus petite enveloppöe dans
une autre plus grande et toutes les deux portant des inscriptions^
Texplication la plus probable de ce fait serait, que la granda
lame contient la demande adress6e äToracle et la petite
rinterpr^tation de la r^ponse des dieux. ces trois plaques.
n'ont pas 6t6 d6chiffr6es. le no. 3 de la planche XL en reproduit
une.' wie man sich dies '^tait envelopp6' zu denken habe, wird aus
dem facs. nicht klar ; das andere fragment (&) scheint durch ftuszere
gewalt auf- und in die gröszere platte hineingepresst , es zeigt fol-
gende verkehrt stehende buchstaben :
l IC auTtjj K
auTi|> 'iET[ . . . Ktti
ToTc auToO t[ov€Oci
IC u . . .
• • •
auf a erkennen wir unschwer ähnliche bitten an die gottheiten Do-
dönas wie auf nr. 23. 24: nach ihnen ist unsere ergänzt, der name
r(aXaHibu>poc) in z. 2 nur beispielsweise : ich glaube dasz nach die-
sem gamma der name, vielleicht mit dem Vatersnamen folgte; ob
am schlusz noch eine frage vorkam, können wir aus den resten
nicht schlieszen, müssen es aber so gut wie bei nr. 23 vermuten,
auch in den paar werten von h wird jeder unbefangene das ganz
ähnliche bruchstück einer solchen bitte bzw. frage erkennen, das
336 HRPomtow: die orakelinschriften von Dodona.
sieb auch ohne mühe dazu yeryollstttndigeii läszt. Schwierigkeit
macht nur das doppelte auTUJ. vielleicht ist die regellose syntax
schuld, und der Schreiber wiederholte zu grösserer deutlichkeit noch-
mals Kai aÖTiu '6T[eoKX€i oder dgL namen. Carapanos nimt aber
diese worte für ein orakel in ansprach und glaubt in den nr. 7. 25.
26. 27. 28. 29. (42) wirkliche orakel des Zeus Naios aufgefunden
zu haben, nr. 7 und 25 sind schon betrachtet und haben sich als
ganz harmlose fragen entpuppt.
nr. [26] (<=»rückseiteyonnr. 19) : schmaler bleistreifen; grOszen-
Verhältnisse usw. s. zu nr. 19.
iirl . AA TIC
C-F. schreiben ixA 8Xa Tic *qu'on pourrait prendre poar la r^ponse
de r Oracle', doch ist von dem omikron keine spur auf dem facs. zu
erkennen.
Die buchstaben sind doppelt so grosz wie die der Vorderseite,
ungemein gleich und regelmässig geschrieben; aber warum diese
lückenhaften worte ein orakel sein sollen, vermag man mit dem
besten willen nicht einzusehen, auch fügt Car. keinen grand hinzu,
wenn eine deutung erlaubt ist, so möchte ich bezugnehmend auf das
fehlen des namens auf der Vorderseite annehmen, dasz auch dies ein
vermerk der priester ist, so dasz wir nach inX den inhalt der frage
im genitiv oder besser im dativ (Herod. I 66 ^XP^I^'^lPi^OVro tv
AeXqpoTc irA irdai tQ 'ApKdbuiv X^PQ) zu ergänzen hätten und sich
das TIC auf den ungenannt sein wollenden fragesteller bezöge, oder
es ist wirklich in diesen buchstaben des fragenden name verborgen.
nr. 27 : Car. pl. XXXV 6 «> kat 9 ; breite 0,085 m , höhe 0,01 m
schmaler bleistreifen; links und rechts brach, doch ist nodi für 6inen
rechts für etwa 8 buchstaben platz bis zum rande. C-F. :
Tilü Tri]cT€uovTi Ti &[X]a6^[c
auch hier fügt Car. keinen grand hinzu, weshalb das ein orakel sein
soll ; der sinn ist unklar : 'dem der vertraut was wahr (ist)' ? meiner
meinung nach läszt sich das , wenn denn ergänzt werden soll , viel
leichter einer frage einpassen : iTTiKOivÜJVTai Ol t>€iV€C . • i{ Tri]cT€iJOVT(
Ti ä[X]a6^[c TOUTuiv tüjv Xötuiv . . ffieiv; *ob sie glauben soUen,
dasz etwas von diesen reden (oder dgl.) wahr sei/
nr. 28 : Car. pl. XXXYII 6 — kat. 19 ; höhe und breite 0,042 m.
die platte, lings unregelmäszig gebrochen, zeigt einige verwischte
wortreste über einem schlangenhals mit köpf, ganz roh mit dem
griffel eingeritzt:
i . . aiv M b
HRPomtow: die orakelinschriften von Dodona. 337
Carspanos: 'quelques lettres d'une inscription effac^e et une t^te
de serpent. c'est la seule lame de plomb, qui poite une sorte de
dessin. aurait-il quelque signification comme demande ou comme
r^ponse de Toracle?' das my ist höchst absichtlich gerade in die
mitte der obem rundung des Schlangenhalses gesetzt; was diese
Zeichnung zu bedeuten hatte (wenn sie etwas bedeuten soll und nicht
blosze Spielerei mit dem griffel ist, vgl. nr. 17), ahne ich nicht,
würde es aber vielleicht auf den ev. Inhalt einer frage (der Vorder-
seite?) beziehen: über heilung von einem schlangenbisz oder dgl. ;
wie dies aber ein orakel sein soll , ist Carapanos vermutlich ebenso
unklar wie uns.
Es ist ein wohl begreifliches, aber um nichts minder falsches
streben y wenn der, der die älteste orakelstfitte Griechenlands zu
tage förderte , nun dort auch mit gewalt orakel finden wollte ; bis-
her können wir keins der angeführten für ein solches halten , und
auch Wieseler (s. 70 anm. 2) und Bursian sind meiner meinung. eine
besondere bewandtnis hat es freilich mit dem letzten, und zu einem
klaren resultat über dieses wird man kaum gelangen können.
nr. 29: Car. pl. XXXVÜI 5 = kat. 25; breite 0,078 m, höhe
0,02m. links bruch, vielleicht auch oben; rechts und unten voll-
ständig, auf dem blei steht buchstäblich :
\€T0|LiaVTTlKl0VeTUJXpTlUJ
KcaXaec
C-F. lesen: TÖ]b€ TÖ jnavT/jiGV tfuj XPil^J
K^ dXdec
die beiden querstriche des deutlichen kappa auf dem blei sind wohl
nur risse, von dem quer durch die tafel laufenden bruch herrührend.
*r6ponse de Toracle. formes ioniennes XP^ui (xpdw)^ fxavTfjiGV.
äXdec peut dtre une forme dialectique du verbe dXdo|iai (je
m'^gare).' Car. zunächst — und das ist für die auffassung der In-
schrift von entscheidender Wichtigkeit — ist ausdrücklich zu con-
statieren, dasz z. 2 sicher von anderer band geschrieben ist als z. 1 ;
während letztere stark und tief eingegraben ist, sind die buchstaben
der zweiten ganz oberflächlich und flüchtig geritzt; die der ersten
sind eilig geschrieben und neigen rechts über, die d^r zweiten stehen
senkrecht, und das K€ liegt sogar völlig links über, kurz die Iden-
tität der Schreiber beider Zeilen ist unmöglich.
Nun hätten wir aber, wenn das ein orakel sein soll, ionisch
schreibende dodonäische priester? auch Bursian erkennt den ionis-
mus an; aber pavTiiiov ist die ursprünglich allen Griechen gemein-
same form , von den loniem am längsten bewahrt , aus der erst die
Attiker jnavTcTov ableiteten: es ist also keine speciflsch ionische
bildung, und XP<iw lautet ionisch XP^ui, nicht XPH^- oder haben wir
anzunehmen, dasz der fragende lonier, während die priester ihm
dictierten, hinschrieb TÖbe tö fi. L %* und dasz das orakel selbst,
dessen schlusz k^ dXdec lautete, dann von priesterhand hinzugefügt
Jahrbacher fQr class. philol. 1883 hft 5 a. 6. 22
338 HBPomiow : die orakelinBchriften von Dodona.
war? oder endlich heiszt XP^^ ^^^^ so ^^^^ ^® XP^^^ (obgleich
die erste person ind. praes. act. von diesem XP<^uj ■» XP4^w bisher
nicht durch beispiele belegt ist) and haben wir zn übersetzen : 'fol-
gendes Orakel verlange, heische ich . .' und nun kam die anfrage?
zu meiner ttberraschung finde ich dasz auch Wieseler genau dieselbe
Vermutung gehabt hat (s. 70 anm.), und so wird mir diese letzte an-
nähme die wahrscheinlichste.
Eine kleine erwägung hfttte Carapanos davon abhalten können,
hier unter 44 anfrageplättchen nach orakelantworten zu suchen;
vorausgesetzt dasz die antworten schriftlich erteilt wurden , so wur-
den sie entweder schriftlich deli fragenden durch die priester Über-
geben, oder jene schrieben sie nach dictat nieder (das genauere s.
unten im zweiten teil) : in beiden fällen geschah es doch nur, um ihr
wohlbezahltes Orakel mit nach hause zu nehmen , und es wftre un-
begreiflich, wie wir unter einer solchen fragensamlung im archiv
des dodonäischen Orakels einigen wenigen orakeln begegnen
sollten.
E, Die übrigen meist sehr verstümmelten und unleserlichen
inschriften.
nr. 30: Car. pl. XXXVI 3 (fehlt im kat); breite 0,058 m, höhe
0,029 m. oben und rechts vollständig, links fehlt ziemlich viel; ob
unten noch etwas folgte, ist ungewis.
a d7T€pujTqi TUJV TÖ] Kuvdv irepl t[ui]v k
.... Xapioc Kai inX iräci
. . . . öc xe fiiä TUJV cuvTu
.... X fTiv Ka biKa ÖVTiv[a
.... Tiov EevoT^ 0
z. 1 : ist Kuvöv für KOivöv dialektische nebenform? statt ui ist nur
A sichtbar, z. 2: . . Xapiac ist vielleicht eigenname, verwandt mit
oder verschrieben für Aapivr) , einen flecken in Epeiros (Athen. IX
376 **). das letzte wort ist wohl zu E€VOT^[X]o[uc zu vervollstftn-
digen. die platte gieng so weit nach links, dasz eine ergSnzung bei
der höchst mangelhaften lesung unmöglich scheint.
Es läuft nun über imd zwischen den beiden ersten zeilen eine
nur leichthin mit halb so groszen bucbstaben eingeritzte Inschrift;
folgendes ist erkennbar :
h 6€Öc. dyaOä tuJx«. NiKÖCTpaT[oc
f\ ffiev bei Kttl TÖc Tr^v[iiTac? . *
dem b, wenn es eins war, fehlt heute die basis; TÖc wohl für toOc
verschrieben.
Rückseite, erhalten ist noch :
c Geöc
'AXcEijiaxoc dibc Xi . . . .
€0c toi 0
denselben namen finden wir noch einmal auf
HRPomtow: die orftkelinschriften von Dodona. 389
nr. 81: C«r. pl. XXXIX 4 (fehlt im kat.); breite 0,042 m,
höhe 0,028m; auf allen Seiten brach, cloch scheint oben und rechts
nichts weiter gestanden zu haben :
a 'AlXeJCfiaxoc
T . . V../. .U
fl . . . \ . . . Ol iVK
beidemal ist das A nicht vollständig erhalten, so dasz auch AeEijua-
XOC dagestanden haben kann.
h rückseite: xal Ai((iv[av oder q,
ib oEaco
das hier rund erscheinende sigma war vielleicht ursprünglich ein o
od«r 6; praesoripte lassen sich beliebig aber nutzlos ergänzen.
nr. 32: Car. pl. XXXVII 5 (fehlt im kat.) ; breite 0,052 m, höhe
0,031 m. der platte, die auf allen selten gebrochen scheint^ und der
Inschrift ist entsetzlich mitgespielt worden ; die erste zeile ist noch
vollständig sichtbar, die folgenden nicht mehr; die inschrift wim-
melt von schreib- und lesefehlem, so dasz an irgend welche er-
gänzung kaum zu denken ist. auf dem blei steht:
a Kai Tiav oaiav ti xa Oucac
. vOiicai Oepa
. . VOITO c . . .
Geöc TÖ T^[voc oder vöjicvov
6 VT ߀X[T]lOV 7Tp(4c[c]€l
KttTap^ei Tä M€V
a Trepi t . viac .... cuv
KOrä TT €1 iTpäaccoifi[i (sie); das fi ist ttber das oi ge-
schrieben,
z. 1 ist wohl zu schreiben :
direpujTqi ö beiva töv Aia Naov] xai rdv [Aiuijvav* ti kq Oucac
z. 2 entweder KX€d[v6ric al Oepa . . oder . . v6f)[v]ai . . wenn man
nicht vorzieht es als inf. aor. eines auf -Odui endigenden verbums
unverändert zu lassen, z. 5 : das VT steht deutlich auf dem blei ; ein
platz für das tau ist freigelassen, es selbst ist völlig geschwunden.
Auszerdem laufen nun noch in der mitte von unten nach oben
doppelt so grosze , sicher und geradlinig aber ganz leicht eingeritzte
buchstaben :
h Aiovuci[oc oder öbuipoc oder dgl.
die sich zum teil wiederholen , von derselben band über z. 6 und 7
von rechts nach links verkehrt geschrieben und h kreuzend :
c Aiov C 0UT1V
Dasz wir wenigstens in h wieder einen vermerk von priester-
hand vor uns haben, der quer über die damals noch nicht auf dieser
Seite beschriebene platte lief, zeigt die ganze art und anordnung der
buchstaben. ursprünglich nach priesterart tief eingegraben blieben
bei einer neuen glättung des bleis jene züge nur verschwindend er-
kennbar stehen, in c ist wohl zu lesen: Aiuüvij Ouiiv, was man
allerdings als Orakelantwort fassen kann; aber dies war nicht die
22 •
340 HRPomtow : die orakelinschriften Ton Dodona.
antwort auf a: denn dort ist nur gefragt ri Ka ducac, und nicht
Tivi . .; Yielleicht ist auch h so zu Aiovuci[({j Ourfv] zu ergftnzen;
ich komme unten hierauf zurück.
nr. 33 : Car. pl. XXXVII 9 (fehlt im kat.); breite 0,045 m, höhe
0,04 m.
direpujTä KpaT[uXoc töv Aia
Naov Kai Aiu)v[av
TQfX TOI Ol fx p fj &q>i
Kai düq>€[Xi]|iav t
5 viov b
dir . . A . . AI
die platte scheint rechts, obgleich die seite schief Iftufti vollstän-
dig, wohl auch oben und unten; rechts brach« die schrift zeigt spä-
tere formen: a in iitepwrä (sie) schon A, sonst A; € stets 6; ir i*« ft;
UJ = Q.
Punctiert sind auf dem facs. z. 3 fi p; z. 4 q)€ fi; z. 5 b. dann
finden sich noch links oben zwischen z. 1 und 2 einige kleine buch-
staben ; zweimal ist 6 erkennbar.
Die rücksei te zeigt zeilenweise unregelmftsziges gekritzel:
h . . iX . V . V cOiav
. . i . Aia Ndov
. . IVO KU€6 T
. . iX . . uT • . Kai
beuTi
genau über dem ersten iota schwebt ein wagerecht liegendes € : ui ;
da nun das erste i gerade unter dem mittelsten querstrich steht, so
hält Carapanos das ganze für einen dreizack : T. am untern rande
der rückseite läuft verkehrt in starken groszen buchstaben diezeile:
c KXeanöc . .
die basis des b fehlt.
nr.34: Car. pl. XXXVII 7 (fehlt im kat.); breite 0,043 m, höhe
0,057m. links oben ist ein oblonges stück herausgebrochen; der
linke rand verstümmelt, doch fehlt da sonst nichts ; oben und unten
vollständig; rechts brach.
a 6€Öc. £m]KOivf)[Tai 6 beiva . .
Tifi Ai]i Ndui K[ai T^ Aiuiv()i . .
Kav al Oejiiea
TÖ dviüT€OV T
5 av Tijj diruib
. ^CT€pOV b
von z. 3 an beginnen die zeilen weiter auseinanderzutreten , da zwi-
schen ihnen eine frühere, nur noch in feinen, kleinen lettern sicht-
bare inschrift hinläuft ; sie füllt den räum zwischen z. 3. 4. 5. 6 aas.
6 Q_4juio
Itivi Ka ecujv [eucaviec f\
4—5 fijpiliuiv Xid'iov [Kai d^€ivov Tipdc-
5—6 C0I6V Kai b€ . . .
HBPomtow: die orakölinschriften von Dodona. 341
dies war wieder eine anfrage mehrerer personen (Trpdc]cot€v). das
uio stammt wohl (zum teil yerlesen) aus Nd]iu.
nr.36: Car. pl. XXXIX 2 (fehlt im kat.); breite 0,032 m, höhe
0,037 m; rechts bruch, sonst wohl Tollstftndig.
Oeöc. •ni[xa dfaGd
Geöc. TUYil [dfaGri . . .
*ATd6ujv lirLepujTqi
die erste zeile ist Yon anderer band als die beiden folgenden, das
sigma derselben ist yierstrichig; Agathon schreibt ^ (als Yorstufe
zu C).
Die platte ist dadurch interessant, dasz sie uns einen neuen
blick in das schreib verfahren thun iSszt. meiner ansieht nach kann
man den von verschiedener band herrührenden doppelten anfang nur
80 erklären, dasz, als Agathon die platte benutzen sollte, die alte in-
Schrift auf derselben getilgt wurde; um aber sich und Agathon mühe
zu ersparen , lieszen die priester die doch stets wiederkehrende ein-
gangsformel in der ersten zeile stehen; Agathon aber, weil jene
Worte, wie meist auf unsern platten, von Doriern herrührten und er
ein Athener bzw. ein lonier war (tuxii . .) oder aus sonst einem an-
dern gründe , begann seine anfrage undankbarer weise doch wieder
mit der gewöhnlichen formel , und so entstanden die beiden gleich-
lautenden Zeilen.
Die rückseite zeigt verschiedene reste :
u afiCT ganz oben am rand in kleinen , verwischten zügen.
ß diro . . V K darunter, etwas gröszer;
Ol . . dcK sehr weit unter jenen; acK in ziemlich groszen buch-
staben, wohl zu einer Überschrift 'AcK[Xr]Tiiöbu)poc
oder dgl. gehörig;
y ein verkehrtes Z links unten.
endlich steht gerade in der mitte ein groszes, regelmäsziges A mit
breiter basis, ganz ähnlich im ductus dem auf nr. 1 besprochenen,
vielleicht begann mit jener noch erhaltenen ersten zeile der Vorder-
seite die anfrage eines Staates und dies A bedeutet bdjiiou oder
bofiöctov.
nr. 36: Car. pl. XXXIX 1 (fehlt im kat.); breite 0,04m, höhe
0,04 m; platte auf allen Seiten unregelmäszig , meist im bogen ge-
brochen ; oben ist die Inschrift voUst^dig.
a £]7T€puiTf) B [ . . . . Aia Näov
Kai Aiuüv[av * f\ Xidiov xal
dfieivov fcT[ai
TTfi . . . l . . VTl
5 . . avtc f| KaXr) . .
zwischen z. 1 — 2 und 3 — 4 andere inschriftenreste :
6 1—2 KCl a uj X . V
3 — 4 TUJ . .
Die rückseite zeigt:
342 HRPomiow: die orakelinBchriften von Dodona.
c iba eoc 'nj[xa dxaOd?
£[TnKOivf)Tat
Aidivqi Ka . . .
u . . a Trepp] . . . oc
das omega ist schon CO geschrieben.
d am untern brache der rückseite miir Yerkehrten buchstaben:
6]€0ic Ka[l . . .
otc Kai f^pUJCl [6U0VT€C . . .
die ganze platte musz sehr breit gewesen sein, denn von den In-
schriften fehlt viel.
nr. 37: Car. pl. XXXIX 3 (fehlt im kat.); breite 0,042m, bOhe
0,027 m. nach oben hin scheinbar vollständige inschrift, wenigstens
ist da ein breiter unbeschriebener rand; platte auf allen selten ge-
brochen ; sie ist zum teil wegen willkürlichee entstellung nicht zu
lesen , obgleich die buchstaben grosz und tief sind.
a TTCTbu €be
TÖv Kcivou c . . .
c . . TT . . Xarov
das alpha hat gebrochenen querstrich A.
Rückseite : mitten über die tafel läuft in doppelter buchstaben-
gröse :
5 r UK€ . . .
vor dem f hat nichts gestanden, denn es wäre hinreichend weiter
räum bis zum rand; die buchstaben tragen den Charakter der priest«>
vermerke, doch musz der ausfall eines lambda angenommen wer^
den (ein mit f UK beginnendes griechisches wort gibt es nicht).
r[X]uK€[poc? . .
darüber in kleiner schrift zwei sinnlose Zeilen :
C VTTOTrO . fi€0 . €V
Xir . Toc coiv . .
d am imtem rande verkehrt : vi^f ev ; zwar erscheint das erste € ab
f (F) , doch ist der untere strich verloren gegangen, denn es gleicht
bis ins kleinste dem daneben stehenden €.
nr. 38 : Car. pl. XXXVUI 8 (fehlt im kat.) ; breite 0,042 m,
höhe 0,044 m. eine leere rings gebrochene platte mit den buch-
staben :
APO i— dpo oder ä<po.
nr. 39: Car. pl. XXXIX 8 (fehlt im kat); breite 0,024m, höhe
0,011m. ein schmales streifenstück , das nach rechts vollständig,
links gebrochen zu sein scheint.
. . epia. die geschwänzte form des p (R) bt auffallend.
Rückseite: Tiar ....
nr. 40 : Car. pl. XXXIX 6 (fehlt im kat); breite 0,087m, Wk»
0,013 m. schmaler dreimal und an den Seiten gebrochener blei*
streifen :
?i £ . . • . X Ka vaviai
üRPomtow : die orakelinschriften von Dodona. 343
Bückseite: afi . . . alles übrige spurlos verschwunden,
nr. 41 : Car. pl. XXXIX 6 (fehlt im kat.) ; breite 0,025 m, höhe
0,026 m. oben und links vollst&idig, rechts und unten bruch:
6€Öc. [£iT€pu)Td 6 beiva töv Aia Kai rdv At-
ujvav . . .
Tückseite: ipTTaval; das geschwänzte rho (R) ist mit f eng verbun-
den, wahrscheinlich verlesen für &Ya9dv ai • .
nr. 42: Car. pl. XXXV 5 (fehlt im kat.); breite 0,0dm, höhe
0,029 m. oben und links vollständig , sonst bruch :
Vorderseite: a 6€Öc Vüxa
Kai Aidiv[a . . .
fxctvov . .
rückseite: h a Goifiav
oIkciv f{
oben am rande der rückseite sind buchstabenreste erhalten, dann
läuft über und zwischen den Zeilen noch ganz fein geritzt :
Aia t[öv Näov
IVOV € . U|Ll€V . . .
a läszt sich mit den geläufigen phrasen ergänzen.
J^. Die noch unentzifferten plättchen.
nr. 43 — nr. 45 : auf Car. pl. XL 3 ist nr. 43 photographiert,
aber noch nicht facsimiliert und entziffert, es ist ein weiteres bei-
apiel der zusammenpressung einer kleinen und groszen platte; wo-
von noch zwei weitere bisher nicht publicierte ezemplare (nr. 44. 45)
im besitze des hm. Carapanos sich befinden (s. oben nr. 25).
nr. 46 f. (?). nun befindet sich noch auf pl. XL 4 der photo-
graphische abdruck einer platte, über die keine auskunft erteilt wird,
und die nicht zu den obigen eingepressten zu gehören scheint (Ue
HO. 3 de la planche XL en reproduit une', nemlich von den einge-
pressten; also nr. 4 nicht?), ich vermute dasz sie eine von denen
ist, über die Car. zu nr. 11 (s. o.) bemerkt: 'des questions du möme
genre (das kind der Annyla) paraissaient avoir 6t6 adress6es ä Toracle
quelques autres fragments', die aber noch nicht publiciert sind; oder
bezieht sich diese bemerkung auf nr. 43 — 45 ? eine genaue angäbe,
wie viel platten bis jetzt gefunden, wie viele davon facsimiliert
oder photographiert sind , und welche noch weder ediert noch ent-
ziffert sind , wäre recht bald zu wünschen, inzwischen ist von an-
derer Seite noch ein unerwarteter und wertvoller Zuwachs zu die-
sen plättchen hinzugekommen.
G. Nachtrag, zwei später ausgegrabene bleiplättchen.
^Im sommer 1879 kam ein grieohispher, zu Corfu wohnhafter
Ingenieur nach Wien, der ausgrabungen in Dodona veranstaltet zu
haben behauptete, als deren ergebnis er eine anzahl von antiquitäten
vorwies, welche zum teil von hm. FTrau hieselbst erworben
344 HRPomtow: die orakelinBchriften von Dodona.
wurden, darunter befinden sich die folgenden inschriffcen, welche
hr. Trau zum behuf der publication freundlichst zur verfttgnng
stellte' WGurlitt in arch.-epigr. mitteilungen aus Österreich IV 8.59«
es folgen drei weihinschriften auf grüner bronze und dann inschriften
auf zwei bleiplättchen.
Ich vermute dasz hm. Carapanos diese thatsache unbekannt
geblieben ist. dasz mehrere Veruntreuungen durch arbeiter vor-
gekommen sind, sagt er selbst (arch. ztg. ao.) ; einige der gestohlenen
Sachen haben ihren weg nach Berlin gefunden, wo er derselben wie-
der habhaft werden konnte, es ist nicht unwahrscheinlich, dass
auch die vorliegenden plättchen auf diese weise in die bände des
ingenieurs und durch ihn nach Wien gelangt sind, und es wäre ge-
wis eine genaue feststellung des Sachverhaltes wünschenswert, nicht
nur dasz ermittelt würde, wo denn die übrigen nicht von Trau ge-
kauften antiquitäten geblieben sind , ob sich unter ihnen etwa noch
andere bleiplatten befanden, und vor allem w o dh. an welcher stelle
des TT€pißoXoc der Corfiot sie ausgegraben zu haben behauptet, be-
ruht sein bericht aber auf Wahrheit, so würde die Vermutung, der
schon Bursian ao. s. 28 ausdruck gab, zur thatsache erhoben sein *das&
nemlich der boden der alten orakelstätte offenbar noch lange nicht
erschöpft ist , sondern noch manche für unsere erkenntnis griechi-
schen lebens und griechischer kunst wertvolle fundstücke liefern
kann'.
Die erste der beiden platten ist deshalb merkwürdig, weil sie
alle andern an alter übertrifft : der Verfasser schreibt nemlich noch in
nichtionischen buchstaben , und zwar im aiphabet von Korinth und
seinen colonien; die zeichen sind zum teil so unbeholfen, dasz Oor-
litts annähme vollkommen gerechtfertigt ist, der sie nicht weit unter
den anfang des fünften jh. vor Gh.- hinabsetzen will; die inschrifl
wäre also zeitlich durch 50 — 100 jähre von unsem übrigen getrennt.
(nr. 47) : anfrage über gesundheit. Ourlitt ao. ; auszerdem
abgedruckt IGA. 332, wo man das facsimile sehen mag, beidemal
'in Verkleinerung um ein viertel der wirklichen grOsze reproduciert'.
also breite 0,04m, höhe 0,025m. links fehlt viel, unten und zum
teil rechts ist die platte vollständig ; auch in der mitte oben noch
ein stück des randes erhalten , während die linke und rechte ecke
oben fehlen:
^TTiKOivfiTai *Av]Accx[€
Toc AI Kai AiuüV()i * rijvi xä 6eui
V t\ baifiövujv f^ f)p]ujuiv eux[ö
fievoc KQi Ouujv] \)fii\c eTii;
Den namen 'Av]dccx[€TOC habe ich ergänzt und glaube damit
ziemlich das richtige getroffen zu haben; er findet sich auf einem
der Styratäfelchen bei Vischer kl. sehr, n s. 119 f. die Unterbrin-
gung der göttemamen in z. 2 ist wegen raummangels schwierig,
HRPomtow: die orakelinschrifben von Dodona. 345
vielleicht war in so alter zeit nur der erste name Ad Ndip ge-
bräucblich.
Dasz Anaschetos ein Korkyräer war, da wir doch an eine korin-
thische colonie des alphabets wegen denken müssen , ist nicht un-
wahrscheinlich, läszt sich aber natürlich nicht beweisen, da zu wenig
korkjräische inschriften erhalten sind, freilich scheint die (oben
citierte) nr. 346 der IGA. dieser ansieht nicht günstig : denn sie ver-
wendet noch H als zeichen für den rauhen hauch, während hier schon
das lange e dadurch bezeichnet wird ; indes uj und o sind noch nicht
differenziert, auch an Anaktorion kann man denken (nr. 22) , das
ebenfalls Dodona nahe genug lag.
Die rückseite enthält unzusammenhängende reste verschiedener^
der zeit nach späterer inschriften (Gurlitt) ; erkennen läszt sich:
laiiov
IKOC
darüber von anderer band: v . . a . . XH^^
(nr. 48): Ourlitt ao.; breite oder länge 0,133 m, höhe 0,01m»
es war der längste erhaltene bleistreifen; heute freilich in vier frag-
mente zerbrochen, deren Zusammengehörigkeit von Gurlitt behauptet
und von Benndorf bestätigt wird.
Zwar sind die beiden ersten stücke auf beiden selten mit schrift-
zügen bedeckt, aber enträtseln läszt sich fast nichts, selbst die am
meisten verstümmelten inschriften der übrigen plättchen sind noch
leserlich zu nennen gegen das gekritzel das sich auf diesem streifen
vorfindet, es laufen (mit 6iner ausnähme) in eiiier und derselben
zeile drei, manchmal vier verschiedene handschriften über einander
entlang; zu erkennen ist etwa:
uia iT€p apuvaiii auT . api KX^apxov ic tö t
rückseite fragment a: OTr€p T^vea, darüber, dh. auf diese buchstaben
von späterer band: Kara; darunter am rande : Ttoi . 6€ioc.
fragment h: TT€p, darauf ca , . ocf, dito Tp, endlich 6€V.
Alles genauere sehe man bei Gurlitt; eine lesung ist unmög-
lich, aber doch ist dieser streifen dadurch merkwürdig, dasz — vor-
behaltlich seiner echtheit (?) — hier das blei niemals ausgeglättet
wurde, sondern jeder folgende Schreiber so deutlich und gut wie
möglich über die buchstaben seines Vorgängers hinweg schrieb.
ZWEITEE TEIL.
Nachdem wir so sämtliche bleiplatten der reihe nach durch-
gegangen, möchte ich hier kurz zusammenstellen, von welcher be-
deutung sie für unsere kenntnis von den einrichtungen eines Orakels
sind , und welche stelle sie innerhalb derselben einnehmen.
Um den fundort der plättchen wird es sich dabei zunächst han-
deln ,, und ich musz mich deshalb genauer auf die topographie Do-
346 URPomtow : die orakelinBchriften Yon Dodona.
donas selbst einlassen : so viel wie möglich geschieht das mit Cara-
panos eignen Worten.
Ziemlich in der mitte des thales von Tscharakovista finden sich
auf einer art von Vorgebirge, das durch einen vorsprang der dieses
thal von dem von Janina trennenden hügel gebildet wird, die
hellenischen minen einer kleinen stadt oder akropolis, eines theaters
und eines heiligen bezirks. auf dem gipfel dieses Vorgebirges liegt
die Stadt, fast 30m über der ebene; sie hat die form eines unregel-
mftszigen Vierecks; mauern und türme sind von verschiedenen dimen-
sionen und constructionen ; auf der nordostseite liegt das einsige
thor. im Südosten dieser citadelle lehnt sich das theater, das zu den
grösten und besterhaltenen zfihlt, nach gewöhnlicher weise an den
bergabhang, östlich und südöstlich daran grenzend, also mit der
nordostseite an den südostabhang der akropolis gelehnt liegt der
heilige peribolos. von diesen drei, nach C. scharf geschiedenen
abteilungen geht uns nur die letzte etwas an, die sog. 'enceinte
sacr^e'. sie zerflUlt in zwei abteilungen: die erste, der tempel-
bezirk (^enceinte du temple'), wird im Südwesten durch das theater,
im nordwesten durch die Stadtmauer und im nordosten durch eine
andere hellenische mauer begrenzt, und zwar schlieszt diese östliche,
aus behauenen steinen bestehende begrenzungsmauer sich unmittel-
bar an die südostecke der citadellenmaucr an. er ist ein unregel-
mäsziges oblongum von 225 m länge und 130 m durchschnittlidier
breite, die ruinen dreier gebäude sind in ihm zu erkennen, ihre
mauern erreichen jedoch jetzt nur das niveau des erdbodens. dieser
tempelbezirk liegt etwa 6 m tiefer als der dahinter liegende burg-
hügel und 4m höher als die zweite abteilung des peribolos, welche
C. das temenos nennt, der obere teil des tempelbezirks, unmittel-
bar unterhalb der südlichen citadellenmaucr, ist unbearbeiteter und
unbehauener fels; der untere ist ein hochplateau, das den tempel
und zwei andere gebäude trägt.
Der tempel selbst ist nach seiner ersten Zerstörung wieder
aufgebaut und dann in eine christliche kirche umgewandelt wor-
den: Dodona war später bischofssitz. er hat eine länge von 40 m,
eine breite von 20,50m, und C. glaubt noch die abteilungen zu er*
kennen, die ehemals pronaos, neos und opisthodomos bildeten; der
eingang liegt wie gewöhnlich im osten. im norden findet sich , an
die äuszere ecke der mauer des naos angelehnt, eine ^chambre
rectangulaire', deren wände aus kleinen steinen und kalk bestehen,
jedenfalls ein späteres machwerk. 0,50 m unter den steinflieszen
ihres bodens haben sich ziemlich viel bronzefragmente gefunden,
und 'überhaupt ist in diesen tempelruinen, in einer tiefe von 3 m
zerstreut, eine grosze menge von weihgeschenken aus bronze, kupfer
und eisen, eine grosze Inschrift auf kalkstein und fast alle in-
scbriftplatten aus bronze und blei ausgegraben worden'.
Über die bestimmung der beiden andern gebäude, die sich in
einer cntfernung von 20m und 30m vom tempel befanden,. läszt
HBPomtow: die Orakelinschriften von Dodona. 347
sich sicheres nicht ermitteln; da sich aber in dem einen die meisten
mflnzen yorfianden , so glaube ich mit Bursian und Wieseler gegen
Carapanos, dasz wohl das eine von ihnen der Or^caupöc gewesen
sei.**' 'die ganze oberflttche des tempelbezirks , die niemals vom
pflüge berührt ist, ist mit erde bedeckt, die zum grösten teil aus
kleinen steinen besteht, die. aus den trUmmem der alten gebäude
herrühren, die yerhältnismäszig geringe menge von ziegelbruoh-
stücken, denen man begegnet, und die ab Wesenheit jeder spur von
brand lassen mich voraussetzen , dasz die drei oben erwähnten ge-
bäude ganz aus stein bestanden , und dasz holz , wenn es überhaupt
Torkam , nur in sehr schwachem Verhältnis zu ihrem bau verwendet
wurde' (Carapanos s. 21).
Die zweite abteilung des peribolos, das nach Südosten gelegene
temenos, hat eine mittlere länge von 100m, breite von 108m,
und ist im norden nur durch den hügelabhang von dem oberhalb
liegenden tempelbezirk geschieden, ganz von mauern oder von ge-
henden umgeben, deren bestimmung sich nicht ermitteln läszt, zeigt
es an der südwestecke einen thorbam, eine art propyläen wie C. will,
von zwei türmen flankiert, augenscheinlich den haupteingang. an den
östlichen und westlichen mauern laufen im Innern hallen und corri-
4ore entlang; vor und auszerhalb von ihnen ist eine menge posta-
mente oder piedestale von weihgeschenken und statuen gefunden
worden. *8ehr zahlreiche bruchstücke von gefäszen, Statuetten und
andern gegenständen aus bronze, kupfer und eisen, mehrere frag-
mente von inschriften auf bronze- und kupferplatten und einige
Inschriften auf bleiplatten fanden sich um diese steine herum
vor' — ^das ganze temenos ist augenblicklich ackerland. es ist von
«iner obem schiebt alluvialerde bedeckt, die in der nähe der mauern
eine grosze menge kleiner steine enthält: eben die Überreste dieser
mauern, ungefähr einen meter tief beginnt eine zweite schiebt, zum
groszen teil aus ziegeltrümmern und teilweise aus einer schwarzen
erde zusammengesetzt, und enthält viele spuren verbrannten holzes
und kohlenstaub. diese erde herscht fast ganz vor vor den andern
elementen, welche die untere erdschicht um die votivmonumente
bilden, alle diese anzeichen eines brandes lassen mich voraussetzen,
dasz das temenos gebäude enthielt, aus holz gebaut und durch feuer
zerstört, einige menschliche knochen mit tierknochen gemischt, die
man fand, würden selbst voraussetzen linsen können, dasz ein ge-
wisser widerstand den angreifem entgegengesetzt sein musz durch
die leute, die sich in den tempeln befanden und die unter den trüm-*
mem der verbrannten gebäude begraben worden sind' (Carap. s. 27).
^1 Carap. hat 662 münzen gefunden; er hält die gebäude für ^affeot^es
TBknx diff^rents moyens de divinations employ^s par Torade de Dodone',
nnd denkt daran dasz die eiche, die tauben und die wunderbare quelle
in ihnen befindlich gewesen seien I über das innere des tempels, die
seulenstellnng^B nsw. vgl. Bursian s. 4 ff.; Wleseler s. 18 ff ; der 6iicaup6c
bei Wieseler s. 23.
348 HBPomtow : die Orakelinschriften von Dodona.
Vergleichen wir nun hiermit kurz die berichte der historiker.
aus Polybios IV 67 steht fest, dasz in dem bundesgenossenkriege
(cu|i)LiaxiKÖc TröXejiOC ebd. IV 18) zwischen Philippos V, dem achfti-
sehen bund, Boiotem, Phokem, Epeiroten und Akamanen einer-
seits , und dem tttolischen bund , Spartanern und Eleiem anderseits,
der Stratege des ätolischen bundes Dorimachosimj. 218 vor Ch.
nach Dodona vordrang und dort die hallen^ verbrannte; KOT^CKa^ie
bk Kai Tf)V l€pdv oiKiav. ähnlidies berichtet Diodoros XXVI 7. ob
unter den von Aemilius Paulus im j. 197 vor Ch. zerstörten 170
epeirotischen städten auch Dodona war, ist fraglich (Strabon VII 7, 3
und Plut. Aem. Paulus 29). die Thraker unter Mithridates ver-
wüsten im j. 88 vor Ch. Epeiros (C. Dion fr. 106 Sturz), und end-
lich erwähnt Servius zu Verg. Aen. III 466 das abhauen der heiligen
eiche durch den illyrischen rftuber Arkes. ^'
Lange war ich geneigt die spuren des von C. erwähnten brandes
auf des Dorimachos Verwüstung zurückzuführen und das alter der
bleiplatten auf die zeit vor 218 vor Ch. festzustellen, aber sowohl
mehrere inschriften, die ihrem epigpraphischen Charakter nach jünger
sein müssen (nr. 5. 13. 20. 33), als auch die spätere erwähnung des
Orakels von Dodona machen es zur gewisheit, dasz nicht nur der
tempel wieder aufgebaut worden ist, sondern dasz audi das ^avTctov
nach wie vor bestand, worauf aber haben wir dann jene ^sparen
verkohlten holzes' zu beziehen? wo befand sich das orakel, dh. der
ort der heiligen eiche, der tauben und der quelle ? alle diese fragen
sind von Wieseler einer eingehenden erörterung unterzogen und
meines erachtens in überzeugender weise gelöst worden, das ge-
nauere beizubringen liegt unserm zweck zu fem; seine resultsEtei
deren wir hier bedürfen, sind folgende (ao. s. 23 — 27).
Der dodonäische wald oder hain^, innerhalb dessen die heilige
^* unter denen wir wohl jene aufgegrabenen corridore zu versteheo
haben. *^ Polybios IV 67 CTfKnt\föc ijipiQf] Au)p(fAaxoc öc . . ^v^PoXcv
elc Touc dvuj TÖTTOUC Tf)c 'Hircipou Kai Tf|v x^pov iö^^u, OufAiKiOrcpov
Xpo()|Lievoc Tf) KaTaq)6op^. tö fäp irXdov oü Tf)c cq>CT^pac dicpcXcCoc
dXXd Tf)c Tuiv 'Hircipuirdiv ßXdßric xdpiv iKacra cuvct^Xci. iraporcvö-
^€voc bi Trpöc TÖ ircpi Awöidvriv Icpöv Tdc t€ CTodc ^v^irpHce xal iroXXd
TUIV dva6ii)idTU)v öUq>6€ipc, xaT^cxanic bi xal Tf|v Icpdv oiidav, djcre
}ii\T* €ipfivt]c öpov usw. Diodor XXVI 7 &n Auipifiaxoc 6 tu»v AItui-
XiXiv cxpaTTiTÖc dccßf) cuvctcX^coto irpäEiv* tö fäp ncpl A(ub(6vt]v ^av-
Tclov cuXif|cac ^v^irpHCC tö Upöv TrXfjv toO ciikoO. Servius Aen. III 466
ab Arce iatrone HÜlirio {lltyrio) exckU quereu» praecepia e$t, schol. la
^Luc. Phars, III 180 quereus illae /uerant coiuecraiae lavi, quae dabant
responsa mortalibus; postea Lacedaemones (sie) obruerwU, Wieseler corri-
giert mit recht Iatrone» (aus Laeones, wofür der schol. Lacedaemones
setzte, verlesen), und wir haben unter ihrem führer eben jenen Arkes
zu denken; dasz aber dessen that sich aaf S18 vor Ch. besiehe, wie
manche behaupten, halte ich mit Wieseler und Hermann (gott. alt. f 40
anm. 23) für undenkbar. Carapanos sucht in ihm einen christlichen
räuber und setst ihn ins vierte jh., vielleicht richtiger. ^ dXcoc bei
Supb. Trach. 1167; nemu» und siloa bei Servius ao., schol. Lac Pkart,
III ISO tu Chaonio nemore und VI 427 Dodona est süva. hmoptquellen
HBPomtow: die orakelinschriften Ton Dodona. 349
eiche stand , wird häufig von den autoren erwähnt , aber über seine
läge sagen sie nichts, folgendes haben wir aus einer combination
der ausgrabungen mit den schriftstellerangaben zu entnehmen : der
faain befand sich nicht auf dem plateau beim tempel, sondern in der
niederung des temenos, und jene holzkohlen sind seine reste; also
zwischen den beiden corridoren und dem sQdabhang des hügels bis
zum ausgangsthor breitete sich das äXcoc aus. in ihm standen in
mächtigem umkreis jene berühmten ehernen dreifuszkessel , deren
herumrollendes tönen zu dem Sprichwort Au)bu)vaTov xoi^K€iov ver-
anlassung gab, und diese wieder umschlossen die eigentliche orakel-
stätte, das fxavTcTov: die heilige eiche (oder mehrere), auf ihr die
tauben , an ihrer wurzel die quelle , daneben ein altar und der tisch
mit den softes.
Nur so können wir alle berichte in Übereinstimmung bringen ;
nun wird verständlich: dasz Dorimachos (bei Polybios) den tempel
zerstört und doch (bei Diodoros) TÖ MavTcTov cuXrjcac iv^Tipiice tö
lepöv 7rXf|V ToO ciikgO (unter dem ciiKÖc, dem fxavT€iov wird
eben jener von dreifuszkesseln umstellte räum verstanden) — dasz
Demon (bei Steph. Byz. u. AuibuüVr)) berichtet; der tempel des
dodonäischen Zeus habe keine wände gehabt (!) , sondern statt dessen
aneinanderstehende dreifüsze, und derselbe bei Suidas udw. aus-
drücklich angibt: ÖTi TÖ . . fiavTCiov X^ßr^civ £v kükXuj Tiept-
eiXiiTTTai^ — dasz der scholiast zu Lucanus {Phars. III 180) ganz
recht hat, wenn er sagt: in Chaonio nemore supra qtuisdafn quercus
in aereis ollis (deutlicher wäre intra gewesen) cölumhae quae
ddbant responsa usw. — und endlich dasz auch Servius angäbe ao.
circa hoc templum quercus inmanis fuisse dicüur hierzu vollkom-
men passt.
Auch der kleine auffallende umstand in jener bekannten Cicero-
steile^ findet nach meiner meinung hierdurch seine erklärung: wie
nemlich in aller weit der äffe des Molosserkönigs in das orakel-
heiligtum kommen konnte: er hielt sich auf den die Xeßiirec um-
gebenden bäumen des haines auf und konnte von dort herabsprin-
gend leicht genug die sortes in Verwirrung bringen.
für Dodona und seine geschichte waren und sind : Demon; des Prozenos
'HiTCipiüTiKd; Poleroon na. Proxenos iy Tolc Tf)c Au)&U»viic €X€Ci (Müller
FHG. U fr. 2 s. 462) stimmt aufs genaueste mit Carapanos: ^im Süd-
westen wird das thal von Tscharakovista durch den Tomaros abge-
schlossen . . an seinem fusze sprudeln zahlreiche quellen hervor, deren
Wasser einen teil der ebene in einen sumpf verwandelt.'
*^ dem Steph. Byz. verdankt man das wort vaöc, während Demon
^avTclov geschrieben (so bei Suidas) und damit jenen ofifenen platz ge-
meint hatte. *^ Cic. de div. I 76 maximum vero illud porterUum itdem
SpartiatU fuU, quod^ cum oraculum ad love Dodonaeo petivissent de victoria
sciscitarUes legaiique illud in quo inerant sortes coliocavissenty simiaj quam rex
Molossorum in deliciis habebai, et sortes ipsas et cetera quae erant ad sortem
parata disturbavit et aliud alio dissipavit, tum ea quae praeposita erat ora-
culo sacerdos dixisse dicitury de salute Lacedaemoniis esse, non de victoria
cogitandum.
350 HBFomtow: die Orakelinschriften von Dodona.
Doch zurück zu unsem bleiplftttchen. daraus dasz sie bei dem
brande nicht geschmolzen sind läszt sich auf einen nicht yerbrannten,
feuerfesten aufbewahrungsort, dh. ein steinernes gebäude schlieszen.
es gab also in Dodona ein orakelarchiv , wo die priester dasjenige
was zur innem Verwaltung des Orakels gehörte deponiert hatten.
Die grosze Verschiedenheit der dialekte^ und handschriften be-
zeugt zur genüge, dasz jeder theore^^ selbst mit eigner band das
täfelcben beschrieb, die völlige äuszere gleiohartigkeit der täfeichen
beweist, dasz sie nicht etwa den theoren gehörten, sondern dasz sie
ihnen leihweise von den priestem zur benutzung zugestellt und nach
derselben in das archiv zurückgegeben wurden.
Wir haben also in Dodona die feste einrichtung schriftlicher
anfragen, von welcher regel niemand, weder Staaten (nr. 1 — 5) noch
Privatleute, weder hirten (nr. 15) noch kaufleute (nr. 17. 22c), ja
nicht einmal frauen (22a) ausgeschlossen werden konnten; doch war
es gestattet dasz mehrere, die in handeis-, familien- oder sonstiger
Verbindung standen und die eine gemeinsame angelegenheit zur be*
fragung des Orakels nötigte, einen aus ihrer mitte mit abfassung der
anfrage betrauten (nr. 22 cd. 17), wie denn auch der mann zugleich
für seine frau fragen durfte (nr. 8). bei anfragen von Staaten fragt
der Schreiber im namen seines KOivöv, ohne nennung des eignen
namens : wir haben uns unter ihm wohl den &pxi6^Uipoc selbst vor-
zustellen, falls die theorie aus mehreren mitgliedem bestand, den
Privatleuten war es gestattet ihren namen zu verschweigen, wenn
sie dazu stichhaltigen gruad hatten, und nur die frage hinzusehrei-
ben, das regelmäszige jedoch ist, dasz der Schreiber nach voranstel*
lung der religiösen eingangsformel dem namen der götter dann seinen
eignen anfügt, dasz jeder theore ein besonderes plättchen zur an-
frage erhielt, nicht etwa verschiedene ein und dasselbe benutzten,
so dasz der erste die vorder-, der zweite die rücksei te beschrieb,
folgt nicht nur aus den priestervermerken, die auf die damals also
noch freie rückseite geschrieben wurden , sondern auch aus dem be-
kannten umstand, dasz die fragenden oft auf das ängstlichste be-
dacht waren , weder den Inhalt' der anfrage noch die antwort pro-
fanen obren bekannt werden zu lassen, ja sogar ihre namen ver-
schwiegen sie aus demselben gründe, die so von ihnen beschriebenen
platten wurden den priestern zurückgegeben, häufig von diesen
eigenhändig mit einem kurzen, in groszen buchstaben deutlich sicht-
baren vermerk auf der rückseite versehen, der bei öfifentlichen an-
fragen wohl nur in dem kurzen A(afiöciov) bestand (nr. 1. 35), bei
^^ wie man angesichts dieser thatsache doch sagen kann: 'iis ^ori-
vaient leurs demandes, on les faisaient ^crire par les pr^tres snr
des plnques de plomb* (Carapanos s. 169), verstehe ich nicht. ^^ der
kürze halber bezeichne ich die anfragenden mit dem gesamtnamen
Ocuüpoi; dasz dieser name aber eigentlich nur den von Staats wegen
fra^^enden zukam, stellt sich für jeden heraus, der beim durchlesen der
Htteratur darauf achtet.
HBPomtow: die orakelinschriften von Dodona. 351
Privatleuten jedoch den anfang des schreibemamens (€öav[bpoc
nr. 8; ^Air[ic 12; vielleicht 22 cd. 11. 32 e) oder bei namenlosen an-
fragen eine inhaltsüberschrift (irep irpoßaTeiac nr. 21) enthielt^ und
dann — ja was dann zunächst mit ihnen geschah , lehren sie selbst
uns nicht mehr, und wenn wir wie bisher nur positiv sichere Schlüsse
ziehen wollen , müssen wir sie zunächst ihrem Schicksal Überlassen :
denn erst über eine spätere phase ihres daseins geben sie selbst uns
wieder aufschlusz.
Wirkliche orakelantworten haben sich freilich nicht unter ihnen
gefunden , und der grund ist ja leicht genug einzusehen , da , wie
schon bemerkt (nr. 29), die theoren ihre orakel mit nach hause nah-
men, dasz dem in der that so war, dasz wir wie schriftliche fragen,
so auch schriftliche antworten als gesetz ansehen können — das
zu bezeugen treten nun in erwünschter weise die litterarischen be-
weismittel da ein, wo uns die unmittelbaren zeugen, dh. die auf-
gefundenen Orakelreste , im stich zu lassen beginnen, ich beabsich-
tige hier keine auch nur irgendwie vollständige Übersicht dieser
stellen , die ich mir für eine andere gelegenheit vorbehalte und die
ich auch in erschöpfender Vollständigkeit bei dem noch nicht abge-
schlossenen zustand meiner samlungen nicht zu geben vermöchte,
sondern weise nur kurz auf die beiden hauptstellen hin : Soph. Trach.
1165 ff. und Dem. g. Makart. 66.
In der ersten stelle erzählt uns nemlich Herakles , wie er sich
ein Orakel aus Dodona geholt: jiavTeTa Kaivd, toTc irdXai guvrJTopa, |
& Tuiv öpeiuiv Kai xctjiiaiKoiTuiv t(^ \ CeXXuiv ^ceXOibv SXcoc eice-
Tpotipä^riv I irpöc ttjc Traxpiuac kqI ttoXutXuiccou bpuöc , | f^ jioi
Xpöviij TiD Z^uivTi Kttl TrapövTi vöv | IqpacKe jiöxOuJv tOuv iqpecxifi-
TUiv djuioi Xüciv TeXeicGar KäbÖKOuv Tipd^eiv KaXuuc usw. mit der
gerade bei den tragikem so häufigen art anachronismus überträgt
Sophokles die zustände seiner zeit auf das mythische altertum; be-
handelt man diese anachronismen der tragiker vorsichtig und gründ-
lich, so werden sie uns noch viele bisher ungehobene schätze für die
culturgeschichte des fünften jh. mitteilen ; eine erschöpfende Unter-
suchung hierüber wäre wohl zu wünschen: ist doch allein die aus-
beute für unsere kenntnis des Orakelwesens im fünften jh. über-
raschend genug, man denke nur an den anfang der Eumeniden; und
so haben wir auch hier den beweis, wie man selbst die fragen (und
zum teil nach priesterdictat, davon später) niederschrieb, so auch
jeder theore die Orakelantwort, wie sie der priester ihm vorsagte,
ekeirpäMiOtTO. auch bei Herodotos^^ findet sich von Delphoi ähn-
liches bezeugt; dort will aber Stein das medium (cufTpdvpacGai) er-
klären 'für sich aufschreiben lassen', um diese auffassung zu wider-
legen und um die frage nun endlich abschlieszend zu erörtern, musz
** I 48 TaOra oi Auöol eccmcdcric Tfjc TTuGiac cuTTP<iM'<iM£voi otxovro
dmövrec ^c rdc Cdpöic. dazu Stein: «cvTYPdMiacOai für sich aufschrei-
ben lassen, nenoJich vom iTpoq>f|Tric (I 48, 1. VII 142, 2) . . aber VIII
185, 17 steht das wort vom Schreiber selbst» (!).
352 HRPomtow : die orakeliDschriften Yon Dodona.
ich etwas weiter ausholen und mich zu der oben citierten Demosthenes-
stelle wenden.
Alle in des Demosthenes reden eingelegten actenstücke haben
ihre bearbeiter gefunden, nur die orakel^ noch nicht; ich hoffe
dieselben später einmal eingehend behandeln zu können , hier musz
ich mich auf wenige, unumgänglich nötige notizen Über das vor-
liegende Orakel beschränken, es besteht deutlich aus zwei teilen;
der erste enthält noch die vollständige anfrage, der zweite die ant-
wort darauf, und es ist ungemein interessant zu sehen , dasz diese
form der anfrage auf das genaueste mit der unserer dodonäischen
bleiplättchen übereinstimmt; sie lautet: dT0i6^ 'Tuxi)« ^TrepuiT^ 6
bnjioc 6 'AGiivaiuJv Trepl toö aijueicu toO iv Tip oupovip T€vo|li^vou'
ö Ti &\ bpuiciv 'AOrivaicic f\ ötiu Oeijj Otiouciv f\ eöxoM^voic eXr\ tnl
TÖ Sfieivov diTÖ TOÖ crmeicu; wir würden nicht einen augenblick
verwundert sein, wenn sich wort für wort solche anfrage auf einem
der obigen plättchen erhalten hätte, es folgt die antwort : cu^q>^p€t
'AGiivaioic Trepl toO ameiou toO iv Tip oupavip tcvo^i^vou Otiov-
Tac KaXXiepciv All ÖTrdTi^, 'AGiiv^ uirdTij, 'HponcXei, 'AttöXXuivi
cujTTipi Kai dTTOTT^^ireiv 'A|üiq)i<KTi>öv€ccr nepVxvxac dTctOfic
*A7TÖXXuivi diruiei, AaToT, *ApT^^ibi, Kai toc dtuidc KVicffv,
Kai KpaTf^pac IcTd^ev Kai xopouc, Kai cT€q>aviiqK)p€Tv Korrd
TT&Tpia Geoic 'OXu^irCoic koI 'OXujLuriaic ndvTCcci koI ndcaic,
behäc Kai dpicrepdc dvicxovTac, juvacibuipeiv Korrd irdTpia*
T^puj dpxHT^TCji» oö iTrilivu^oi icT€, Giiciv kqI buipoTcXeiv KOTTd
irdTpia* ToTc diToq)6i^^voic iv iKVOu^^vqi djn^pqi TcXeiv toOc
TToGiKOVTac Karrd dtrm^va. das orakel gehört, mit ausnähme
der letzten werte (toic diToq)Gi^^voic . . dTTlM^va), die aus den
gleich folgenden des redners (6 Oeöc KeXeuuiv TOic kotgixojli^voic
TTOieiv Touc irpoci^KOvrac iv Taic xaGiiKOucaic f^^paic) später
hinzugefügt sind, gar nicht an diese stelle, der redner läszt es vor-
lesen : Kv * aicGricGc öti TaiiTd X^yei (f| ^avTcia) Trepl tiuv irpooiKÖv-
TUiV toTc vöjioic TOic ToO CöXuJVOC. diese kurz vorher vorgelesenen
vö^oi enthalten aber etwas ganz anderes als unser orakel I wie es
hierher gekommen, wissen die götter; dasz es aber seinen weg
ziemlich direct aus dem attischen Staatsarchiv des Metroon genom-
men, ist mir nicht unwahrscheinlich.^* dort wurden die erteilten
-^ es handelt sich, abgesehen von Dem. 8.311. 1466 (epist. 1) 1487
und 1488 (epist. 4), wo nur orakel erwähnt werden, um s. 436 (ir. irapairp.)
und 8. bSO f. (g. Meidxas), ausserdem unsere stelle s. 1072. der tezt des
ersten ist ausgefallen, läszt sich aber aus dem zusammenbang restituieren;
dann folgen die vier orakel der Midiana, die ich zwar für sämtlich un-
echt, aber doch in alter zeit entstanden und darum fOr wertToll halte
(Borgk GLO. I s. 335 anm. 69 ■- s. 339 anm.80 b< sie fOr echt), anoh
die sämtlichen übrigen redner sind heranzuziehen; eingelegt sind oder
waren orakel bei Aischines g. Kies. 118. Deinarcbos § 78 f. 98 f.; sonst
kommen natürlich nicht selten innerhalb der reden orakelerwihnangea
vor, die hier aufzuzählen zu weit abliegt. ^^ oder falls es noch ein ds»
sonderes archiv des ezegetencoUeg^ in Athen gegeben haben soUlSy
HBPomtow: die orakeliuschriften von Dodona. 353
Orakel, nachdem sie vor ßouXfj und dKKXT]cia von den zurückkommen-
den tbeoren vorgelesen , über sie ein psephisma (und meist ein zu-
stimmendes) gefaszt und sie dadurch sanctioniert und zum gesetz er-
hoben waren, bzw. ihre ausführung beschlossen war^', deponiert,
und zwar in der form , wie sie uns heute hier vorliegt : dasz nemlich
zuerst noch einmal die frage des theoren wörtlich vorangestellt und
dann das orakel darunter geschrieben wurde, wie sie es aus priester-
mund empfangen, oben oder unten wohl mit ftuszeren daten, wie
archon, prjtanie, tag der absendung und ankunft, name der Pythia
und des amtierenden prophetes udgl. versehen.
Die frage ist attisch geschrieben, auch der anfang der antwort;
im weitem verlauf aber kommen erst wenige, dann immer mehr
dorische formen vor: und dies ist hinreichender beweis, dasz nicht
die priester selbst den theoren die antworten aufschrieben (denn dann
wäre alles dorisch), sondern dasz sie ihnen dieselben dictierten
(vgl. die directe rede ou dirdivu^oi £ct€); natürlich dictierten sie
dorisch , die Athener aber schrieben anfangs attisch nieder , lieszen
dann aber einzelne, endlich mehrere dorische formen mit unterlaufen.
Also in Delphoi schrieben die theoren selbst die antworten nie-
der; wenn aber bei Herodotos I 47 demnach cuV€irp(iipotVTO diese
bedeutung hat, so müssen wir auch bei Sophokles eiceTpotMidMilv
ebenso übersetzen ('schrieb ich auP), und damit ist auch für Dodona
die thatsache als sicher gefunden: die priester dictierten den
wartenden theoren die antwort des gottes, die sie wohl auch auf
bleitftfelchen schrieben und dann natürlich mit nach hause nahmen.
Nun zeigen uns aber viele bleiplatten nicht nur die rückseite
beschrieben (nr. 4. 6. 10. 16—19. 20. 22 [22h], 24. 30. 31. 33.
35 — 37. 39 — 41), sondern auch auf dem freien räum der vorder-
und rückseiten nicht selten eine zweite anfrage (nr. 6. (17) 22.
33. 37). auszerdem finden sich oft verstümmelte worte, buchstaben-
auch daher; vermittler war wohl Krateros, von dem es ja feststeht
dasz er in seiner ^ir)q>tC)LidTUJV cvvaTUiip^ alle möglichen Urkunden auch
auszer den psephismen gesammelt hat, und es wäre nur consequent, wenn
er dergleichen öffentliche orakel auch im Metroon abgeschrieben. 4in
Orakel (freilich eins das noch in halb mythische seit gehört) läszt sich
wenigstens sicher unter den 18 fragmenten seines Werkes als in dieser
samlung vorbanden und ausführlich besprochen nachweisen: das orakel
und das sich daran knüpfende psephisma wegen der Brauronischen bärin :
Krateros fr. 17; aus ihm schöpften ausführlich ohne quellenangabe,
aber beide übereinstimmend, schol. (11) Ar. Lys. 645 und Suidas u. dpKTOc
fj BpaupiOvtoc. vorher hatte Lysias davon gehandelt fr. 244 (or. att. II
8. 297). da eben alle öffentlichen orakel ^ut legis vigorem habeant' erst
zu psephismen erhoben werden musten, so ist diese hypothese der existenz
von orakeln in Krateros samlung höchst wahrscheinlich, übrigens sieht
jeder dasz die obig^ orakelantwort aus mehreren teilen bestand; der erste
beginnt mit irepl xOxac draOdc usw., aber das alles auszuführen ist hier
nicht der ort. ^ die ausführliche begpründung der obigen darstellung
folgt aus der neuerdings in Eleusis gefundenen inhaltreichen Inschrift
über die dirapxotl tuiv KapiT(£)v (bull, de corr. hell. 1880 april), deren
hauptinhalt die Verhandlung über die fiavTeia f\ if A€Xq>u)v bildet.
Jahrbficher für cIms. philol. 1883 hft 5 u. 6. 23
354 HRPomtow : die orakelinschriften von Dodona.
resie usw., über deren wahre beschaffenheit ich erst aufgeklärt
wurde, als ich Yischers bemerkungen zu den bleiplättchen von Stjra
las (kl. sehr. II s. 118): ^dagegen ist noch eine eigentUmlichkeit zu
bemerken , welche das entziffern nicht wenig erschwert, auszer den
buchstaben des hauptnamens [auf unsern plättchen der hauptfrage]
sind nemlich noch sehr oft schwächere dazwischen und
darunter erhalten; bisweilen nur ganz feines gekritzel, bald
in gleicher Stellung wie der hauptname [bzw. die hauptfrage] bald
in verkehrter, auch wohl linksläufig, wo jener rechtsläufig, und um-
gekehrt, ohne zweifei sind, wie schon Busopulos bemerkt, frühere
auf das blei geschriebene namen [bzw. fragen] ausgestrichen,
dh. das blei ist möglichst ausgeglättet worden, auf einzelnen
platt eben unterscheidet man so drei bis vier verschiedene
Schriften, in den seltneren fällen läszt sich noch ein unterer
name [bzw. frage] mit Sicherheit erkennen.' es ist das wort für
wort auf unsere inschriften passend, auch hier sind oft ganze Zeilen
vom blei verschwunden (vgl. anm. 20), was wir ohne die annähme
einer absichtlichen tilgung nicht erklären können; oder es finden
sich verstümmelte inschriften genau in den zeilenzwischenräamen
der erhaltenen (nr. 6.. 13. 17. 225. 30. 32. 34. 36); jedoch keine
von diesen in gröszeren, tieferen zügen, was beweist dasz diese in-
schriften die ersten waren, dasz dann bei glättung der platte die
heute noch sichtbaren reste stehen blieben und der neue Schreiber
natürlich nicht über sie hinwegschrieb (um seine eignen buchstabeu
nicht undeutlich zu machen), sondern die breite seiner zeilenz wischen-
räume nach dem Vorhandensein dieser reste richtete (nr. IIb. 24 5.
34 ua.).
Sind mehrere inschriften auf 6iner platte erhalten, so scheint
die zweite doch dem Charakter der schrift nach bisweilen aus der-
selben epoche zu stammen wie die erste (nr. 10. 22. 30); bisweilen
freilich gehören sie einer jungem zeit an, oft liegen 60 — 80 jähre
dazwischen (nr. 4 [—8]. 6 [— 14]. 16. 20. 33).
Nachdem also von den theoren die anfrageplättchen benutzt
waren, erhielten sie die priester zurück und bewahrten sie, wie ihre
erhaltung beweist, im archiv auf. warum dies geschah, ist nicht so-
fort klar; wäre es nur der praktische zweck der spätem benutzung
gewesen, so würden alle platten und die ältesten gerade die meisten
spuren doppelten gebrauchs zeigen müssen; aber über die hälfte
(und unter ihnen die älteren nr. 1 und 2) sind völlig frei davon.
es bleibt nur die annähme übrig, dasz einer eventuellen controle
wegen es für nötig erachtet wurde, auszer der samlung aller ge-
gebunen Orakel'* auch eine fragensamlung anzulegen, auf eine
^ für Dodona steht mir im Augenblick der nach weis einer orakel-
SAmlung nicht zu fi^ebote; da aber alle griechischen orakel ähnliche
einrichtnngen besaszen und in Delphox eine orakelsamlung bestand, so
lasEt sich auch für Dodona unbedenklich eine solche voraussetzen,
weuigstcns die innern gründe sind hier wie dort dieselben, auch in
HBPomtow: die orakelinscluriften von Dodona. 355
doppelte Befragung in derselben angelegenheit , ja auf ein contro-
lieren der theoren und der von ihnen überbrachten antworten durch
die absender führen spuren in der litteratur ^ hin, und es ist eelbst-
yerstttndlich , dasz in solchen fällen die priester endgültige beweis-
mittel in bänden behalten musten, um sich rechtfertigen zu können,
dh. um nachzuweisen ; welche frage an sie gerichtet und welche ant-
wort von ihnen erteilt war. zum beweis des erstem diente die von
der theoren eigner band geschriebene anfrage , und d&rum wurden
diese plättchen aufbewahrt.
Diese aufbewahrung muste natürlich in irgend einer Ordnung
geschehen; wir haben diese nicht etwa aus einzelnen föchern (irep
npoßaTeiac usw.) bestehend zu denken , wie mir früher wahrschein-
lich war — denn dann wäre bei den wechselfällen des bürger-
lichen und staatlichen lebens eine unbegrenzte anzahl derselben nötig
gewesen — sondern wir können uns dieselbe nur als eine chrono-
logische vorstellen, wenigstens lösen sich nur dann alle Schwierig-
keiten, die uns die doppelt benutzten plättchen bereiten. ^^
Natürlich dürfen wir uns diese chronologische aufbewahrung
im archiv nic)it als unumstöszliche regel und für alle ewigkeit be-
stehend denken, wenn Hinz oder Kunz über köpf weh fragte, lag es
wahrlich nicht im interesse der priester, diese wichtige thatsache
ängstlich mehrere Jahrhunderte aufzubewahren ; und welcher ballast
von archivalischen verraten hätte sich da aufhäufen müssen! wenn
dagegen Staaten wie Korkjra oder Tarent über politische dinge sich
rats erholten, so konnten derlei thatsachen auch später noch wichtig
genug für das orakel werden , und man liesz sie nicht vernichten,
aus alle dem folgt dasz, wenn einmal bei besonders starker frequenz
Delphoi sind schriftliche fragen direct bezeugt durch ein bisher
nicht beachtetes nnd leider verstümmeltes scholion zu Ar. Plutos 39,
ans dem die oben angeführte dvaKoivuJCtc irpöc t6v Oeöv stammt; dies
ist, so weit mir bekannt, die einzige nachricht hierüber, über die be-
schaffenheit des archivs und der orakelsamlung in Delphoi hier eine
ausführliche Übersicht zu geben würde zu weit führen; sie werden be-
zeugt durch £nr. Pleisth. fr. 629; Aischines g. Ktes. cap. 35 anf.; Po-
lemon bei Ath. s. 606; Flut. Lys. 26; vgl. Lukianos Alex. 27 und vor
vor allen Photios u. JÖTOCTpov.
^ nicht nur folgt aus der nutur der sache dasz, wenn theoren auf
dem rückweg starben oder beraubt wurden oder — wie es gar nicht
selten vorkam — wenn sie vorher bestochen waren ein falsches orakel
unterzuschieben (solche bestechnngsgeschichte vgl. bei Menekrates fr. 6
in CMüllers FHG. II und öfter), die möglichkeit vorhanden sein muste,
das verlorene oder ursprüngliche, echte orakel wiederzuerhalten, son-
dern es folgt auch deutlich aus der erzählung im Oedipns Tyr. 603,
wo Kreon vom könig fordert, man solle boten nach Delphoi senden und
anfragen lassen, ob er das orakel unverfälscht überbracht habe (iru 6 oO
T& xpY\cQiyT * €i caq)(Z)C fJTTCtXd coi) ; über den anachronismns s. o. ; auch
Kroisos setzt voraus, dasz man alle ihm früher erteilte orakel in Delphoi
noch sehr wohl kenne (Herod. I 90] ua. ^^ vielleicht wurden auch
erst bei dieser einregistrierung in das archiv die priestervermerke und
Überschriften hinzugefügt, dienten dann also der Übersichtlichkeit und
leichtern auffindung.
2a»
356 HRPomtow : die orakelinBchriften yon Dodona.
oder aus anderen gründen die vorhandenen frageplatten nicht aus-
reichten , man auf filtere Serien zurückgriff , deren Schreiber längst
im Hades ruhten, dasz man entweder das blei von neuem glättete
und so die alte inschrift vernichtete, falls nicht mehr räum genug zu
einer neuen anfrage da war — und daher stammen dann jene alten
inschriften- und fragereste, wenn die glttttung, wie meist, nur ober-
flächlich geschah — oder man liesz bei geringerer ausdehnung die
alte frage stehen , da auf ihr bekanntwerden nun nach jähren nichts
mehr ankam , oder endlich man verschonte zur bequemlichkeit des
neuen benutzers die praescripte und vernichtete nur das übrige
(nr. 35). dasz aber auch bei diesem benutzen der frühem Serien
mit vorsieht und auswahl verfahren wurde, ist natürlich, und die-
sem umstände haben wir es zu danken, dasz einige verhältnis-
mäszig recht alte platten (nr. 1. 2. 6. 7. 47) auf uns gekommen
sind, die grosze mehrzahl stammt auch noch aus classischer zeit, dh.
aus dem vierten und dritten jh. vor Ch. , nur wenige sind jungem
datums.
Combinieren wir aber diese altersverhftltnisse sowohl mit dem
was uns von der geschichte Dodonas bekannt ist, al^auch mit den
deshalb ausführlich oben klargelegten topographischen Verhältnissen,
so erhalten wir folgende ergebnisse , die mir nicht zu weit ab von
der Wahrheit zu liegen scheinen.
Ein groszer teil der plättchen stammt in der that aus dem alten
von Dorimachos zerstörten archiv, wobei sehr viele der dort von
alters her aufbewahrten täfeichen zu gründe giengen. als local dieses
archivs nehme ich eins der beiden auf dem plateau des tempelbezirks
gelegenen, später nicht wieder aufgebauten steinernen gebäude in
anspruch ; wir müssen unweigerlich solche localität als aufbewahrongs*
ort voraussetzen, und war das dem tempel näher gelegene der Oricotu-
pöc, so ist das entferntere das archiv gewesen, bzw. umgekehrt, als
dann das orakel restauriert wurde, ward eben nur der tempel wieder
aufgebaut; man fand aber noch Überreste der alten registrierten
platten in den andern ruinen vor, brachte sie in den von nun an
als archiv benutzten tempel (in dessen trümmem Carapanos sie
fand, s. 0. s. 346) und fuhr fort dort die gebrauchten frageplatten
aufzustapeln, bzw. auf frühere Serien (dh. die aus der zeit vor Dori-
machos) zurückzugreifen, und von jener ersten zerstörang rühren
auf diesen jene Verstümmelungen her, die die Schreiber zwangen ihre
zeilcnuusgänge und -anfange den unregelmäszigkeiten der ränder an-
zubequemen (vgl. nr. 3. 9. 11. 16. 18).
Es ist aufs höchste zu bedauern dasz Carapanos unterlassen hat
ganz genau den fundort der plättchen, und zwar den jedes ein-
zelnen besonders anzugeben: uns ist damit der boden unter den
füszen weggezogen für den directen beweis der obigen hjpothesen.
OS wäre dringend zu wünschen dasz Carap. diesen nachweis (falls er
überhaupt noch möglich ist) bald veröffentlichte, damit wir er-
führen , welche platten oben aus den tempelruinen, und ans welcher
HBPomtow : die orakelinschriften von Dodona. 357
fiteile ^ derselben, und welche ans dem temenos (s. o. s. 347) stammen :
■derm erst dann kann man unterscheiden, ob die wenigen bleiplatten,
die man unten im temenos in der gegend der corridore, also an der
eigentlichen stelle des alten jnavTCiov oder ct]köc im £Xcoc fand, die
ikllerjüngsten unserer samlung^^ sind, wie ich vermute, dh. ob sie bei
der spätem Zerstörung gerade noch im ^avT€iov zurückgeblieben und
noch nicht in das archiv hinaufgebracht waren , oder ob die obigen
folgerungen einer wesentlichen Umgestaltung bedürfen werden.
Absichtlich habe ich mich mit keinem werte auf den orakel-
modus selbst eingelassen, einerseits hätte es mich zu weit abgeführt,
anderseits bietet derselbe so viele noch ungelöste Schwierigkeiten,
das was wir sicher wissen ist solch ein minimum von thatsachen, die
noch dazu meist sich widersprechen, dasz ich mich zum groszen teil
in hypothesen hätte bewegen müssen, und deren haben wir auf dem
orakelgebiet leider schon zu viel, nur kurz will ich bemerken , dasz
man die frageplättchen wohl zu den peleiaden hineinbrachte; aus
dem zeitgenössischen stillschweigen über diese folgt wohl, dasz die
theoren drauszen blieben und nur durch den mund der uTroqpnTai
(oder Selloi) die orakel empfiengen. verschiedene Schriftsteller be-
zeugen ausdrücklich dasz nicht wörtlich, sondern bid cujißöXuiv
in Dodona orakel erteilt wurden: dem widersprechen die nicht
so seltenen dodonäischen metrischen orakel ^^; die fassung der
prosaorakel rührte dagegen von den priestem her. wenn aber ßur-
sian, der an loosorakel denkt, unsere bleifrageplättchen unter den
sortes der oben ausgehobenen Cicerostelle versteht, so ist mir unbe-*
greiflich, wie er sich ein loosen mit plättchen denkt, welche ganz
^ dh. ob aus dem opisthodomos oder aus der ^chainbre rectangulaire'.
ich will nicht leugnen dasz auch vor Dorimachos das archiv vielleicht
im tempel selbst hätte sein können; aber für die blütezeit Griechen-
lands schien mir eine derartige profanation, dh. gebrauch des tempels
zu alltäglichen zwecken, anzunehmen unstatthaft, da dieser tempel mit
dem {LUXVTdov und seinen annexen gar nichts zu thun gehabt zu haben
scheint (vgl. Bursian ao. s. 4 f. Wieseler ao. s. 18). ich will noch be-
merken, dasz es ein eigentümliches zusammentreffen ist, dasz die
'chambre rectangulaire' genau an d^r stelle des Zeustempels in Dodona
angebaut erscheint, wo sich am Apollontempel in Delphoi das dburov
befand, dh. in der hintern tempelecke rechts. ^^ dasz unsere 45
(bzw. 47) nummern nur ein ganz kleiner teil der aufbewahrten platten
sind, ist ja selbstverständlich, die grosze mehrzahl, die sich auf tau-
sende belaufen mochte, gieng bei den verschiedenen Zerstörungen zu
gründe; und auch Carapanos betont stets, dasz diese platten ^ne sont
certainement qu'une tres-faible partie de la collection qui doit
avoir 4t4 formte k Dodone pendant les siöcles' (s. 169). ^^ vor allem
vgl. Strabon VII fr. 1 ^xPn^M^^^ci (sc. ZeOc Aujbwvatoc) bk oö bt&
Xöywv, dXXÄ bid tivujv cu^ßöXwv, üjcircp t6 iv Aißöi] *A|üi^ujviaKÖv.
über letzteres und seinen orakelmodus vergleiche man Kallisthenes bei
Diod. XVII 60, Strabon XVII 1, 43 (8..814 Gas.) und Curtius Rufus IV
7, 24. metrische dodonäische orakel findet man bei Macrobius Sat. I
7, 28 (=- Steph. Byz. u. 'AßopiTiv^c = Dionys. Hai. röm. alt. I 19).
Paus. VII 26, 1. X 12, 6. Suidas u. Tövov — Steph. Byz. u. TTavbodo —
Strabon VI 266. Dem. g. Meidias 60.
358 HRPomtow: die orakelinBcbriften von Dodona.
bestimmte anfragen enthalten (rivi Ka OeuJV usw.), die nicht blo8&
mit ja , nein oder dgl. beantwortet werden konnten ; auch Wieseler^
der ao. s. 69 die stelle emendiert, erklärt sich dagegen, ob in Do*
dona bestimmte orakeltage anzunehmen sind, ist fraglich; wahr»
scheinlich gab es, wie es sich auch für Delphois zweite epoche heraus-
stellt, nur bestimmte (ziemlich zahlreiche) dies nefasti (f^^pai äTTO-
cppdbcc), an denen orakel nicht erteilt wurden; sonst bekam also
jeder theore gleich am ankunftstage sein orakel; dann sind immer
nur wenige theoren gleichzeitig anwesend zu denken , und es ist be-
greiflich , dasz die priester die namenlos anfragenden kannten , ohne
deren frage zu verraten; war einmal besonderer zudrang, so yer-
sahen sie einzelne platten mit Überschriften (teils namen, teils in-
halt san gäbe), und das wäre die erklftrung, warum nur einige platten,,
nicht alle, dergleichen vermerke tragen.
Noch auf eine thatsache möchte ich zum schlusz aufmerksam
machen, die ein neues licht wirft auf die gewandtheit und berechnnng^
mit der bis ins kleinste die Orakelverwaltung gehandhabt wurde.
Dasz man heute bei fragen über echtheit der orakel meist nur
an die verschwindende anzahl der wirklichen jnaVTCia KißbiiXa (aracuia
ancipüia) denkt, und übersieht dasz der dritte teil sämtlicher erhal*
tenen orakel sog. cultusorakel sind, die sich auf die res saorae und
den religiösen cult im weitesten umfang beziehen, dasz ihre echtheit
meist nie anzuzweifeln ist, habe ich an anderm orte ausführlich dar-
gelegt. ^^ sie sind die allerunverfänglichsten : hierbei gilt die priester-
•liche autorittft unbegrenzt, man kann den wenigsten betrug nach*
weisen , und doch bleibt bei wirklicher oder angeblicher nichterfttl-
lung irgend einer minutiösen, mit dem Orakelspruch zusammen-
hängenden religiösen Vorschrift den priestem die sicherste ausflucht.
darum ist es höchst interessant, dasz wir nachweisen können, wie
die priester es sich bisweilen angelegen sein lieszen, anfragen an-
derer gattung in cultusorakel zu verwandeln.
Die obigen anfragen auf den plättchen sind in ihrem ersten
teile meist gleichlautend ; die aus verschiedenen ländern herkommen-
den theoren konnten nicht alle so genau den anfrageritus in Dodona
kennen , also wurde jedem frager die äuszere form der anfrage von
den priestem vorgeschrieben oder dictiert*^; diese schoben aber, so
^'•) schon vor Jahren in meiner dissertation, von der ich freilich nor
einen kleinen teil, das caput selectnm über die iambenorakel , drucken
liesz; ich hoffe dasz endlich in nicht zu langer Mit das übrige mit
in den 'proleg^omena ad oracnlorum graecornm editionem' und in der
'editio oraculonim' selbst erscheinen wird; bis dahin muss man schon
den obif^en behauptungcn (glauben schenken; sie sind ans langjährigen
litteratnr* und orakelstudien hervorgegangen, übrigens ist das oben
angegebene Verhältnis nicht überall gleich: zb. bei unserer haapt-
Orakelfundgrube Herodotos ist nur der vierte teil, bei Pausanias oa-
(regen weit über die hälfte cultusorakel. *® darauf deutet das doppelte
Tuxa dtoiOd in nr. S6, ferner die stets gleich lautende fassnng des ein*
gangs, endlich auch dasz die theoren ihre frage, db. ihre eignen
- HRPomtow: die Orakelinschriften von Dodona. 359
oft sie wollten , vor die directe anfrage ein unschuldig aussehendes
Tivi Ktt 06UIV f| f)pu)U)V Ouu)v Ktti €Ux6m€V0C (vgl. anm. 19), so dasz
also nr. 1 nicht lautete: Vie kann Korkyra in zukunft zu einem
|ruten staatlichen zustand kommen?', was zu fragen doch sicher den
theoren aufgetragen war, sondern Welchem gott oder heros opfer
nnd gebete weihend werden die Korkjrfier usw.?', nr. 2 nicht Vie
kann Korkyra seine einigkeit erlangen?', sondern 'durchweiche opfer
und gebete . .?'; vgl. nr. 1. 2. 8. 16. 22. 32. 346. 36 d. Demosth.
ao. durch diese eingeschobene phrase ward jedes orakel zum cultus-
orakel , und die priester hatten freie band , wenn es nicht eintraf,
dem erzürnten gott oder heros oder falscher darbringung der opfer
die schuld in die schuhe zu schieben.
Ja das sehr interessante beispiel eines derartigen falles aus Del-
phoi wird uns in der litteratur überliefert.*' den ratlosen Xenophon
schickt Sokrates nach Delphoi, um zu fragen ^ ob er sich der expe-
dition des Ejros anschlieszen solle oder nicht, er bringt die ant-
wort zurück: er solle dem Zeus Basileus (anab. Y 9, 22) und an-
dern gittern opfernd die reise machen ; Sokrates ist sehr ungehalten,
dasz er seine frage in dieser form gestellt habe, dasz er selbst
eigenmftchtig sich für die reise entschieden und nicht gefragt habe^
ob überhaupt er reisen solle, der arme Xenophon war daran ge-
wis unschuldig, er hatte gewis so fragen wollen, den priestem aber
schien die sache mit Kjros nicht geheuer, durch jenen kniff wälzten
sie sich jede Verantwortlichkeit vom halse und dictierten ihm , wie
«r selbst schreibt: tivi Sv Ocuiv GuuiV Kai €ux6^€V0C KdXXicra Kai
dpicTa IKQoi Ti\v öböv f^v dirivoei, Ka\ KaXuic irpäHac cuiOeiri ; was
hätten sie auch sagen sollen, wenn sie ihm die reise direct angeraten
hätten , und er wäre dann nach dem entsetzlichen rückzug vor sie
getreten und hätte von Apollon rechenschaft verlangt ? die blamage
war so schon grosz genug und leuchtet deutlich aus dem ganz ob-
jectiv gehaltenen bericht hervor : denn der sonst so fromme Xeno-
phon wagt kein wort zur rechtfertigung der priester.
Nachträglich bemerke ich noch dasz die zu anfaug v. j. von
LoUing herausgegebene orakelinschrift , betreffend das orakel des
Apollon Eoropaios auf der halbinsel Magnesia (mitt. des deutschen
Worte erst mit der eigentlichen frage anfangend ansahen und deshalb
die Partikel der directen frage i^ brauchten, während das vorangehende
eben den priestem gehörte (vgl. zu nr. 9).
ß* Xen. anab. III 1, 5 f. (■= V 9, 22) ö ^^vTOt HcvoqpiJÖv dvoTVoOc
Ti?|v iincToXf)v dvaKoivoOTOi Cu)KpdT€i T^ 'AenvaCip ircpl Tf)c iropetac.
Kai ö CuiKpärr^c ÖTroiTTeOcac, ixr\ xi irp6c xflc iröX€d;c ol öiTa(Tiov
€\r\, KOpip qpiXov fevkGai . . cuMßouXcOei Tip HcvoqpÄvxi ^Xeövra €lc
AeXcpoCfc dvaKOiviXicai tOi eetip irepl Tffc iropctac. dXediv b" ö Ecvoqxliv
iiii\p€To TÖv *AiTÖXXu)* t(vi öv (usw. sieh oben) cujOcCt]. Kai dvetXcv
oÖT<|i ö 'AiröXXujv ecotc olc 26€i eOeiv. iircl bi irdXiv fjXOc, X^t^i tf|v
^avTctav tC}i CinKpdTCi. ö b* dKoOcac tjTiÖTO aöxöv öti oö toöto irpiöTov
^piÜTo, irÖTcpov Xipov €Xy\ a(jT^ iropcOecGai f^ ^^vciv, dXX* ainöc Kpivac
It^ov clvai toOt* ^iruvedveTO, öirujc dv KdXXtcra iropcuOeiri. iircl im^vroi
oÖTUJc f\poVf toOt', €q)ni XP^ iroi€lv, öco ö Beöc ^K^Xcucev.
360
HRPomtow: die orakelinschriften von Dodona.
arch. Inst. VII s. 72 ff.), absichtlich von mir bei der besprechnng de»
dodonäischen orakelmodus unberücksichtigt gelassen ist. sie ist un-
gemein wertvoll für unsere kenntnis des orakelwesens der ersten
nachchristlichen Jahrhunderte und stimmt hierin in erwünschtester
weise mit dem, was Lukianos im Alexandres erz&hlt, überein; aber
man musz sich sorgfältig hüten diese art der orakelerteilung auch
schon für die classische zeit als geltend zu betrachten, hierzu kommt
dasz gerade an der entscheidenden stelle die inschrifb abbricht, und
wir nicht erfahren, wie denn nun eigentlich die XPn^Moi (das letzte
erhaltene wort) zu stände kamen, und so wird die obige ansieht Yon
der orakelerteilung in classischer zeit zu Dodona in nichts durch
diese inschrift tangiert.
Tabellarische Übersicht.
Carapanos
laufende
nr.
1
4
5
6
7
[8]=4&
bd. n planche nr.
34,5
34, 4 ; dazu gehört
39,7
||34, 1; dazugehört
I! 36,4
; 34, 3 »>'•
I 34, 2
36, 4 »>«
38,6
34,3
(37,2; dazugehört
1, 37,3
10
11
12
13
[14]=6fe
15
16
17
18
19
20
21
22
35,2
36,2
36,1
37,8
36,4
38,1
36,5
37,4
37, 4 »'»• (= 40, 2)
36,3
37,1
1 35,3
' 38, 2 (=40,1)
! 35,1
Hamburg.
bd.I
kat.nr.
5
4
fehlt
1
fehlt
fehlt
2
12
26
3
16
17
7
11
10
20
12
21
13
18
fehlt
14
15
8
22
6
Carapanos
laufende
biLI
nr.
bd. II planche nr.
kat.iir.
23
38,3
23
24
38,4
24
25
38,7
27
[26]=19&
37, 1 ^^
15
27
35,6
9
28
37,6
19
29
38,5
26
30
36,3
foUt
31
39,4
19
32
37,5
9>
33
37,9
1»
34
37,7
»»
35
39,2
•t
36
39,1
1t
37
39,3
II
38
38,8
9t
39
39,8
99
40
39,5
99
41
39,6
99
42
35,5
19
43
40,3
44.45
?
46
40, 4 (?)
47
(Ourlitt)IOA.332
48
99
Hams Rudolf Pomtow.
i.>i
PStengel : einführang der in Hom. zeit noch nicht bekannten opfer. 361
52.
DIE EINFÜHRUNG DEB IN HOMERISCHEB ZEIT NOCH
NICHT BEKANNTEN OPFER IN GRIECHENLAND.
Homeros kennt noch keine sühnopfer und keine toten-
opfer. wohl kann ein gott beleidigt werden und musz dann durch
opfer Yersöhnt werden , aber diese unterscheiden sich in nichts von
andern festlichen opfern: man schmaust von dem fleisch der ge-
schlachteten tiere, trinkt wein und feiert den gott durch gesang und
spiel (A 468 ff. f 144 ff. usw.). es ist ein solches opfer also in keiner
beziehung mit den spätem sühnopfern zu vergleichen, dasz diese
noch unbekannt waren , darf uns nicht wundern ; der mensch steht
in Homerischer zeit dem gotte anders gegenüber als später , oder
vielleicht richtiger der gott dem menschen, die dämonen des Orients,
denen man dort 'mit angst, quäl und asketischer Selbstverleugnung
diente' ^ waren dem harmlosen volke noch unbekannt, und wenn
sich vielleicht auch nicht nachweisen lassen wird, dasz alle helle-
nischen götter durch anthropomorphismus entstanden seien, so hafbet
ihnen doch noch ein gut stück davon an. Zeus beruft die götter,
welche *auf den höhen des vielgewundenen Olympos in besonderen
palftsten wohnen", zu schmaus und rat wie der ßotciXeuc diegeronten ;
Apollon ist das ideal des götterjünglings , leuchtend von Schönheit
und mit dem spiele der laute sich und die andern ergötzend wie
unter den menschen Achilleus, das ideal des heldenjünglings (B 674.
I 186); Artemis, des bruders gegenbild, kann doch auch der spindel
nicht entbehren (b 122 usw.), und die göttin der Schönheit und an-
mut wird dem Schöpfer der vielbewunderten metallarbeiten vermählt,
und von leidenschaften und schwächen ist kein einziger dieser götter
frei, 'diesen idealen typen, in denen er sein abbild erkennen muste",
brauchte der Hellene noch nicht sühnopfer zu bringen, von denen
weder der gott noch er selbst etwas genieszen durfte, selbst der
mörder bedurfte noch keiner puriflcation (B 665. N 574 und 697.
V 89. o 224. i 380), und die einzige mordsühne bestand in geld-
entschädigung an die verwandten des erschlagenen, der beste beweis
wie völlig fremd die später im cultus fortwährend begegnende Vor-
stellung voll der notwendigkeit einer reinigung des menschen und
eines sühnopfers fdr den gott diesem Zeitalter noch war. ^ die opfer
sind heitere mahlzeiten , und die götter denkt man sich mit an dem
genusse derselben teilnehmend (A 423. Y 206 f. t 435. r\ 201 ff.)*;
^ 1 Duncker gesch. des alt. III* s. 332. ' Voss mytbol. briefe I
8. 136. ' Duncker ao. ^ vgl. Lobeck Aglaopb. s. 303 f. ^ dies
ist viel bestritten, von Schömann (gr, alt. II' 8. 222 f. 251) and von
anderen, aber mit unrecht, man yerge88e doch nicht, wie menBchlich
und wie lebendiff nahe dem Griechen 8tet8 seine götter waren, auch
als Athene mit keinem OdysBeus mehr unter dem Ölbaum ratschlagt
und ihm die geschenke in der höhle verstecken hilft und zu keinem
Jfthrbacher fUr clats. philol. 1883 hft. 5 u. 8. S4
362 FStengel : einführung der in Homeriecber zeit
von sühnopfem genieszen die menseben nichts und also die göt-
ter auch nicht*: sie sind kein mahl wie die andern opfer, sondern
eine freiwillige entäuszerung eines werten gutes, durch dessen hin-
gäbe und Vernichtung man ein vergeben gegen einen gott wieder
gut zu machen meinte und denselben zu bewegen suchte ^ mit einer
strafe einzuhalten oder dieselbe gar nicht zu verhängen, hftufig
werden sie auch so zu sagen als präservativ gebracht, wenn augen-
scheinlich eine grosze gefahr oder ein unheil droht, um den gott zu
bewegen dasselbe abzuwenden, eine gäbe zum genusz für die gOtter
sind diese opfer ebenso wenig wie jener ring, den Poljkrates —
nicht einem gotte in sein heiligtum stiftete, sondern ins meer warf..
Zu diesen sühnopfem gehören erstens die menschenopfer.
da lesen wir nun gleich bei KFHermann gottesd. alt.' § 27: 'dasz.
der älteste griechische cultus auch menschenopfer gekannt habe,.
läszt sich um so weniger bezweifeln' usw. und anm. 9: ^anachro-
nistisch ist freilich Vossens ansieht antisjmb. II s. 452: «naoh-
hesiodischer handelsgeist brachte den einfachen sitten der Hellenen
von den ostbarbaren noch eine ansteckende rohheit mit, das gräsz-
liche menschenopfer » ' usw. Vossens worte haben wenig glaubea
gefunden, und Hermanns ansieht ist die herschende. es fragt sich
zunächst : haben die Hellenen wirklich die menschenopfer von den
Phoinikem und asiatischen barbaren angenommen? nnd zweitens:
in welcher zeit hat dann diese entlehnung stattgefunden? die erste
frage wird fast allgemein bejaht, auch von Hermann ao., doch ist
die art der Übertragung und der anwendung noch nie genauer erörtert
worden, eine Untersuchung aus der wie ich hoffe sich gesichtspunkte
und gründe für die entscheidung der zweiten frage ergeben sollen. ^
Sehen wir also zunächst, welchen göttem die Hellenen menschen-
Diomedes mehr auf den Streitwagen tritt: noch jahrhanderte später
jauchzt das Tolk, als die göttin auf dem wagen des Peisistratos mit
ihm in die Stadt einfährt (Herod. I 60), und baut dem Fan einen altar,
als er dem Philippides begegnet und ihm Terspricht, er würde den
Athenern helfen, wenn sie ihn mehr verehrten (ebd. VI 105), und wieder
Jahrhunderte später, als schon eine andere religion die weit cn erobern
begann, werden ihre boten Paulus und Barnabas für Hermes und Zeus
gehalten, und man bringt kränce und rinder um ihnen zu opfern (acta
apost. 14, 11 ff.}, nnd wenn in der tragödie die götter leibhaftig er*
schienen, ob da nicht manchen heilige andachtsschauer dnrchbebt haben
mögen?
^ das hat Schömann bei seinen ausein andersetznngen ao. eben
übersehen, gerade der umstand, dasz zn sühnopfern mit Vorliebe
menschen oder nicht eszbare tiere gewählt wurden, beweist dasz bei
den andern opfern, von denen die menschen selbst aszen, auch die
götter als mitschmausende gaste gedacht worden, ich citiere zu jenen
frühesten stellen ans Ilomeros hier nur noch eine aus dem ansgang
des heidcntums: lulianos rede V IIQ^ Ouciidv d»v K0ivuiV€tv d£iov Kai
TpaTieZioOv Ocotc, und erinnere an die sitte der theoxeiiien. ' das
meiste material finden wir bei Lasanlz 'sUbnopfer der Griechen nnd
Kömor' in den akad. abhandlungen (Würzburg 1844) s. 236 ff. gesammelt,
doch ist dasselbe hier noch weniger historisch-kritisch gesichtet als bei
Hermann.
noch nicht bekannten opfer in Griechenland. 363
Opfer darbringen, es sind dies so gut wie ausschliesslieh Zeus
(Ljkaios, Laphjstios), Dionysos, Artemis, die winde, ApoUon. die
Phoiniker und Karthager brachten vor allen ihrem Moloch menschen-
opfer. die Griechen identificierten diesen mit ihrem Eronos (Plut.
tt€p\ b€icibai^. 13 s. 171 ^ vgl. Porphyrios de abstin. II 56), wohl
blosz deswegen , weil auch dieser die kinder verschlungen , wie der
phoinikische gott die kinderopfer. ^ Kronos aber ist in alter zeit
nicht verehrt worden : er muste geschaffen werden , weil Zeus einen
vater haben muste, wie die menschen ihn hatten, und weil Zeus sich
durch einen heldenhaften sieg die herschaft errungen haben sollte*,
blieb aber zu wesenlos, als dasz ihm die opfer hätten gebracht wer-
den, von ihm hätte hilfe erfleht werden sollen, so trat Zeus an seine
stelle, und obwohl Moloch Kronos genannt wurde, empfleng Zeus
die Molochopfer. ^® unheimliche beinamen wurden ihm gegeben, und
dem Laphystios und Lykaios bluteten menschenopfer wie Mem
karthagischen Kronos' (Piatons Minos s. 315 ^. Herod. YII 197. Paus.
Yin 38, 7 usw.). es bedarf kaum der erwShnung, dasz dieser Zeus,
den die Griechen nur in ermangelung eines gegenstückes für den
höchsten phoinikischen gott substituierten, ja dessen namen sie sich
dabei offenbar zu nennen scheuten , von dem Homerischen vater der
götter und menschen auch nicht 6ine ader hat. Dionysos hat bei
Homer noch gar keine bedeutung; sein späterer cultus ist rein orien-
talisch ; das ekstatische und orgiastische dement, welches wir heute
noch in den orientalischen gottesdiensten, bei Homer aber noch gar
nicht finden, ist in demselben hauptsache. er ist ein gott der üppig
zeugenden naturkraft, wie solche dem Orient eigentümlich waren,
nnd so erhält denn auch der Aiövucoc übfiiiCTrjc oder übjidbioc der
Hellenen die opfer welche jenen asiatischen göttern genehm waren
(Paus. IX 8, 2. Porph. ao. 11 55 usw.). ganz ähnlich hat sich die
griechische Artemis entwickelt, sie ist bei Homer nur das gegen-
bild ihres bruders ApoUon ohne eigne individualität. als nun die
Griechen bei ihren ansiedlungen an der asiatischen küste die göttin
von Ephesos kennen lernten, da war es sehr natürlich, dasz sie diese
nährende und zerstörende naturgöttin, deren gürtel, gewand und
kopfschmuck mit tierbildem , deren tempel mit hirschgeweihen ge-
schmückt war, mit ihrer irÖTVia GnpuJV identificierten. " dann wurde
sie auch mit Hekate gleichgestellt, und die TaupoiröXoc, die auf dem
rennenden stier sitzende mondgöttin '^, wird zur taurischen Artemis,
der menschen geopfert werden , wie jener von der asiatischen küste
herübergenommenen (Paus. VII 19, 2. Eur. Iph. T. 1470 ff. usw.).
^ das hat schon Diodoros (XX 14 s. 416} erkannt. ^ so meint
auch Orote gesch. Griech. I s. 4 (Meissner). ^^ in Kreta, das sehr
früh phoinikischem einflusz ausgesetzt war, wird der stierhHuptige Moloch
zum Minotanros, einem ungeheuer: denn einen gott mit stierhanpt kann
sich der Hellene noch nicht denken, und der Minotanros verschlingt
die menschenopfer wie sein phoinikisches urbild. ' ' vgl. Duncker ao.
I* s. 414. « vgl. Preller-Plew gr. myth. I s. 252.
24»
364 FStengel: einführung der in Uomeritcher zeit
auch der cultus der winde, welchen gleichfalls menschen geopfert
werden, ist nicht ursprünglich hellenisch, sondern asiatisch-phoini-
kischen seefahrem nachgeaiimt. *' etwas anders liegt die sache mit
ApoUon. er gehört zu den ältesten griechischen göttem, und sein
cultus scheint niemals wesentlich von fremden beeinfloszt worden
zu sein, aber er erhielt im laufe der zeiten noch eine eigensohaft
und eine function, die er bei Homer noch nicht hat: er wird KoOdp-
cioc, der gott dem sühnnng und reinigung der schuldbefleckten ob-
liegt, und nur als solcher empfieng er menschenopfer (Strabon X
694 usw.); als sühnopfer fielen ihm ja auch die qMxp^oucoi oder
KaGdpjLiaTa an den Thargelien in Athen (schol. Aristoph. Bi. 1136.
Harpokr. s. 291 usw.). wo wir sonst noch in sage und geschichte
menschenopfer erwähnt finden , da werden diese gebracht in angen-
blicken, wo der tod bereits reiche ernte hält , oder wo er sie Yorana-
sichtlich sogleich halten wird. ^* als die seuche Athen entvSlkearte,
soll Epimenides einen jüngling, der sich freiwillig darbot, zur atUme
geschlachtet haben (Athen. Xm 78 s. 602, vgl. La. Diog. I 110);
in Sparta und in Sjrrakus wird bei ähnlicher Veranlassung eine jnxig-
frau zum opfer gefordert (Flut, parall. 35 s. 314 <^. 19 s. 310^« lo.
Ljdos de mens. s. 113). als in den Herakleiden des Enripides
Demophon sich gegen die Argeier rüstet und vorher die Xdrux ira-
Xaiä lijibe fxji cuiTrjpia erkundet, lauten sie verschieden, aber &v M
n&ci Yvuüjia TauTÖv ^juTrp^irer cq>d£ai KeXeüouci • • nap6(§vov
(405 ff.) '^; als Theben von den sieben belagert wird, erklärt Teire-
^3 8. meine abh. über Mie opfer der Hellenen an die winde* im
Hermes XVI 8. 846 ff^ wo noch hinzozoftigen ist, dan nach Herod. I ISi
die Perser den winden dpxf)6€V opfer gebracht haben. ^^ ioh Über-
gehe siof^uläre beispiele wie das menschenopfer der Aglaoros in Salamis
(Porph. ao. II 56) und einige andere, welche alle solchen gottheiten ge*
bracht werden, die Homer noch nicht kennt, oder die man später fSlMh-
lich mit ^griechischen identifioiert hat. ^^ aach v. 882 ist das ßpOTCÜllv
zweifellos richtig und besieht sich auf die opferang der Herakleatochter.
wenn diese verse (819—822) wirklich einem spätem Überarbeiter an-
gehören, wie Wilamowitz durch seine scharfsinnigen nntersoohongen
(Hermes XYII s. 339 ff.) wahrscheinlich macht, so stehen sie doch mehr
mit einzelnen angaben des Stückes (namentlich v. 666 ff.) im widei^
Spruch als mit der ganzen Idee dieser opfemng, wie wir sie doch auch
bei Enripides finden, und nur insofern ist darauf gewicht zu legen,
dasz es vorher heiszt, Makaria solle der Persephone geopfert werden,
w&hrend sie nun hinter der schlachtreihe getötet wird, als die heere
sich zum kämpfe anschicken, es konmit nicht darauf an, wem die
Jungfrau geopfert wird, sondern nur dasz sie geopfert wird ; ffeaohieht
dieses, so wollen die götter den ihrigen den sieg verleihen. Wilamowiti
nenut s. 343 Iphigeneia und Poljxene sehr richtig parallelfignren lu
Maksri« : warum wird Iphigeneia der Artemis und Polyzene dem Achilleoi
geopfert? so kann hier also auch von einer «probe auf das KoXXicpf)-
cai> nicht die rede sein, das opfer allein genügt, die ^dvrcic haben
dasselbe nur auszuführen, die prophezeiung ist schon dnrch die
O^cqpaxa gegeben (406). auch Iphigeneia wird ja von einem fidvnc
preopfert. aber alles dieses spricht gerade, wie mir scheint, für die
richtigkeit der W.schen hypothese. wenn dem Überarbeiter auch der
noch nicht bekannten opfer in Griechenland. 365
sias, es gebe nur 6in mittel die stadt zu retten : Kreon müsse seinen
söhn opfern, und der stürm wird abgeschlagen, als der knabe sich
wirklich das schwert in den hals gestoszen (Eur. Phoin. 890 ff.). '*
nnd nicht weniger reich an beispielen als die sage ist die geschichte.
als die schlacht bei Salamis beginnen soll , zwingt man den Themi-
stokles drei gefangene Perser zu opfern (Plut. Them. 13. Arist. 9)^^;
vor der schlacht bei Leuktra wird ein menschenopfer von Pelopidas
verlangt (Plut. Pelop. 20), und das schreckliche Jungfrauenopfer
des verzweifelten Messenierhelden wird wohl auch stattgefunden
haben (Paus. lY 9, 8, s. auch Plut. paralL 20 s. 310^). besonders
aber — und dies sind die ersten uns überlieferten l^ispiele —
werden menschenopfer vor dem beginn gröszerer und gefährlicherer
Seefahrten für nOtig gehalten.'^ bei dieser gelegenheit wird man
sie auch von den Phoinikem zuerst vollziehen gesehen haben, wie
die kjkliker bereits eine mordsühne kennen '^ so lassen sie auch
schon den königlichen führer, ehe die schiffe in see stechen, sein
erstgeborenes kind opfern — ganz nach phoinikischer sitte, denn
bei diesen ist kein opfer kräftiger als die erstgeburt des königs
(vgl. Movere ao. I s. 300. 303).*° als Menelaos, nach Ägypten ver-
widersprach mit y. 566 ff. entgieng, so konnte er doch nicht übersehen —
was an nickt weniger als drei stellen (407. 490. 601) gesagt war —
dasz Makaria der tochter der Demeter geopfert werden sollte, dasz
er hierin gleichwohl der Intention des dichters nicht folgte, ist nicht
ans flüchtigkeit, sondern eben dar aas za erklären, dasz er die nennanf?
der göttin als nebensache ansah and ignorieren za dürfen glaubte, und
in der that entspricht seine Schilderung von dem tode der jüngfraa dem,
was wir sonst von derartigen opfern wissen, weit mehr als eine von
. fraaen am altar einer göttin vollzogene opferang, wie sie Euripides in
aassicht stellte (665 ff.), wie dem aber auch sei, auf jeden fall finden
wir aochin dieser sage, mögen die dramatiker sie so oder so aasgeführt
haben, den glauben, dasz ein vor der schlacht gebrachtes menschen*
opfer zum siege verhelfe.
^" überall wird hervorgehoben, dasz die betreffenden sich frei-
willig zum tode entschlossen, ein solches opfer ist dem gotte am
liebsten und deshalb am wirksamsten (wie bei den Phoinikern, vgl.
Movers Phönizier I s. 302 usw.). die sage vom tode des Athenerkönigs
Kodros wird auch hierher gehören. " wohl in nachahmung eines auf
den phoinikischen schiffen gebrachten opfers (Herod. VII 180).
'* 80 sollen auch d^m gotte, den sich die Seefahrer so recht eigentlich
als ihren schutzdämon geschaffen haben — schon Pindaros kennt ihn
Ar. 1 Böckh — dem Melikertes, menschenopfer gebracht worden sein
(Tzetzes za Ljk. 229, vgl. Porph. ao. II 55 und Piatons Minos s. 315*).
er ist aber sicher doch nur eine gräcisierung des phoinikischen Melkart
(vgl. Duncker ao. I^ s. 270. Preller-Plew ao. I s. 494). *' in der
Aithiopis des Arktinos (Welcker ep. cyclns II s. 251) musz Achilleus
nach dem morde des Thersites gereinigt werden, in der Ilias würde
dieser totschlag ohne jede folge vorübergegangen sein. *® überhaupt
verrät kaam ein einziges opfer seinen phoinikischen Ursprung so dent-
lieh wie dieses, die sage erzählte bekanntlich, dasz die göttin selbst
für Iphigeneia eine hindin unterschob; wildopfer kennen die Homerischen
Griechen nicht, weil sie wild ebenso wie nsche nur in notfällen.aszen
und es also auch den göttem nicht als speise anbieten durften; von
den Phoinikern berichten der Tyrier Porphjrios (de abstin. II 56) und
866 PStengel: einführung der in Homerischer zeit
schlagen, durch widrige winde oder windstille fesi^ehalten wird,
opfert er ägyptische kinder (Herod. II 119); als Agesilaos sich in
Aalis zum feldzage gegen die Perser einschiffen will, verlangt ein
traumgesicht dasz er ein menschenopfer bringe, doch schlachtet er
in erinnerang an Iphigeneias Opferung nur eine hindin(Plut. Ages. 6).
alle solche opfer werden gebracht mit dem wünsche und in der hoff-
nung , dasz die götter es sich genug sein lassen möchten an diesem
^inen ihnen freiwillig dargebrachten leben und die andern schonen
möchten, wie dies auch aus Eur. El. 1024 ff. zu entnehmen ist und
wie es Philon (bei Eusebios praep. ev. IV 16 s. 156^) ausdrücklich
bezeugt (vgl. auch Plut. TT. ixXeX. XPH^^T. 14 s. 417^).
Sehen wir nun , bei welchen gelegenheiten die Phoiniker ihre
menschenopfer brachten. *beim beginn eines wichtigen
Unternehmens, bei eröffnung eines feldzuges wurde die
gunst des Moloch durch ein menschenopfer gesucht, nnerlädzlich
waren diese, seinen zom zu sühnen, das verderben von allen auf das
haupt einiger abzulenken.' 'als Himilko im j. 406 vor Ch. Agrigent
belagerte und eine pest das lager ergriff, opferte er zur abwendung
der Seuche dem Eronos einen knaben."* mehr zusammenfassend
zählt Movers^ die 'veranlassungen zu menschenopfern bei den Phoi-
nikem* auf: '1) alljährlich bei den groszen sühn- und reinigungs-
festen, 2) bei wichtigen Unternehmungen , wie der eröffnung eines
feldzuges, 3) bei groszen Unglücksfällen' — 'auch bei gründung
einer stadt' (Phon. I s. 302).^' also genau alle die fälle, in denen
die Hellenen menschenopfer zu bringen pflegten, ja sogar der letzte
fall 'bei gründung einer stadt' findet sein gegenstück in Griechen-
land: Athenaios (XI 15 s. 466^) erzählt dasz bei der gründung von .
Methymna eine Jungfrau ins meer versenkt worden sei.
Es kommt nun darauf an , die zeit , in welcher die entlehnung
und die einfQhrung der menschenopfer in Griechenland stattgefunden
hat^ zu bestimmen, ich will nicht mit Voss behaupten dasz 'nach-
hesiodischer handelsgeist' den Griechen die menschenopfer gebracht;
Hesiodos erwähnt zwar kein menschenopfer, aber das mag zufall
sein, ja man könnte aus einer mitteilung des Pausanias (I 43, 1,
Hes. fr. 39 Göttling) vielleicht schlieszeui dasz Hesiodos von dem
opfer und der errettung Iphigeneias bereits gewust habe.*^ das mag
EasebioB (praep. ev. lY 16), dass sie der Artemis statt früherer
menschenopfer hirsche darbrachteo. mehr über diese birschopfer
bei Movers 'opferwesen der Karthaeer' (Breslau 1847) s. 63, Phon. I
«. 406 f.
*^ Duncker ao. I^ s. 267, wo auch die belegstellen. " in Ersch
und Grabers encyclopädie unter 'Phönizier* III 24 s. 420. '* bei
dieser gelegenbeit sei die bemerkung gestattet, dass die Phoiniker die
menschen nie lebendig verbrannten, wie es auch nach Movers PhÖn. I
8. 328 und Duncker I^ s. 268 scheinen müste, sondern sie stets vorher
schlachteten und nur die leicbname verbrannten .(s. Schlottmann in
Biehms handwörterbuch des bibl. alt u. Moloch s. 1012 f.). die phoini-
kischen opfer sind also auch hierin ein treues vorbild der griechischen.
*^ Paus, sagt: oT5o bi 'Hc(o6ov Yroif|cavTO iv KaraXÖTtp T^vaiKdiv
noch nicht bekannten opfer in Griechenland. 367
also unentschieden bleiben; für ganz unmöglich aber musz ich es
Jm gegensatz zu Hermann und vielen andern (s. Hermann ao. § 27
«nm. 9) halten, dasz die Griechen Hn vorhomerischer zeit menschen-
opfer von Phoinikern und anderen vorderasiatischen Völkern an-
genommen haben.' dies würde eine häufige bertlhrung und einen
regen verkehr der Griechen und Phoiniker in vorhomerischer zeit
'voraussetzen, und dasz dieser mit einem volke, das noch Homeros
nur als abenteuernde kaufleute für kurze zeit an griechischen küsten
landend kennt, nicht angenommen werden darf, ist meiner ansieht
nach längst überzeugend nachgewiesen '^ und ich beabsichtige nicht
hier nochmals auf diese frage einzugehen, behaupte aber dasz es
völlig undenkbar ist dasz, wenn die Homerischen Griechen menschen-
Opfer gekannt hätten, sie, denen meuchelmord keine schände, ver-
Btümmelung der leichen'^* und beraubung der waisen nichts schlimmes,
seeraul) kein gerade unrühmliches gewerbe ist, denen die bewunderte
kunst andere durch diebstahl und meineid zu betrügen der gott
Hermes selbst verleiht (t 395 f.), dasz diese Homerischen Griechen
dann nicht auch menschenopfer gebracht hätten, wenn zeit und um-
stände sie zu fordern schienen, und dazu fehlte die gelegenheit nicht,
erstens bei der abfahrt von Aulis (B 303 ff.) : eine gefährliche See-
reise, ein gefährlicherer feldzug steht bevor, herliche hekatomben
werden den göttem verbrannt, aber kein menschenopfer. schon die
kjkliker brauchen dasselbe. Stasinos (Kjpria bei Welcker ep. cyclus
il s. 101) läszt den Agamemnon seine älteste tochter opfern.'^ vor
der abfahrt nach der heimat, die T 130 ff. ausführlich genug geschil-
dert wird, musz bei Arktinos (Iliupersis bei Welcker ao. II s. 185.
229. 523) Polyxene als sühnopfer bluten^, eine pest wird geschildert,
'lq)iT^€iav oÖK duoOavetv, Vf^y^Vi ^^ 'ApT^möoc 'GKdxriv cTvai. doch
wird man vorsichtig sein müssen daraus Schlüsse zu ziehen; der Kard-
XoTOC YUvaiKuiv wird sicherlich schon Jahrhunderte vor Pausanias stark
mit Zusätzen anderer poeten versetzt gewesen sein, wozu wohl kein
einziges gedieht leichter anlasz und gelegenheit gab, und sonst —
i\cf\, 652 hätte zb. anlasz geboten — findet sich bei Hesiodos nirgend
eine erwähnung oder nur andeutung dieser sage, auch die Verbindung
der Hekate mit Artemis wäre für diese frühe zeit zum mindesten sehr
auffallend.
'^ vgl. auszer Grote ao. I s. 601 f. und anderen namentlich auch
die trefflichen ausfnhrungen Schömanns ao. I' s. 74 f. baumeister, viel-
leicht auch noch andere künstler, mögen früh aus Asien herübergekom-
men sein, aber das beweist nie und nimmer, dasz auch 'eine solche
geistige anoäheruog, wie sie die Übernahme fremder religionsvorstel-
lungen und gottesdienste voraussetzen würde' (EPlew 'die Griechen in
ihrem Verhältnis zu den gottheiten fremder Tölker', Daozig 1876, s. 4),
zwischen Orientalen und Griechen schon in vorhomerischer zeit statt-
gefunden habe. *^ man lese und vergleiche nur, wie darüber bereits
Herodotos (IX 79) denkt! ^ die in der llias bekanntlich noch lebt:
denn schon die alten erklärten richtig, dasz Iphianassa (I 146) keine
andere als Iphigeneia sei (Lehrs Arist.^ s. 176). ^ spätere dioh
haben diesem opfer eine andere bedentung erfunden. Polyxene ie<
mit Achilleus in Verbindung gebracht worden, vielleicht haben
die kjkliker erzählt dasz sie anf seinem grabe geschlachtet ify.
368 PStengel: einführung der in Homerischer zeit
die das beer decimiert; alltäglich beginnt man einen gefftfarlicben
kämpf oder eine unsichere meerfabrt — kein menschenopfer (vgl*
2b. i 250 ff.). Menelaos wird nach Ägypten verschlagen, kein
günstiger wind will wehen, bis alle dem Untergang nahe sind (b 360 ff»
582) , aber er bringt kein menschenopfer. man konnte dies später
nicht begreifen, und Herodotos II 119 kennt bereits die sage, dasz
der held zwei ägyptische kinder geopfert habe, worauf dann günstige
winde eingetreten, soll dies alles zufall sein?
In den sog. Homerischen hymnen findet sich keine erwähnnng
Yon menschenopfem, vielleicht — auch hier will ich es gern zu-
sei; aber die liebe beider und das ppfer der braut auf dem grabe dea
geliebten, das ganz einsig dastehen würde, ist späte erfindang. Welcker
griech. trag. s. 1146 and neaerdiogs BFörster im Hermes XVII s. 199 f.
schreiben dieselbe wohl mit recht erst den Alexandrinern zn. Ursprung'
lieh aber hat das opfer einen ganz andern sinn, das« bei den Phoiiükem
und andern Orientalen nach glücklicher beendignng des krieges oder
einem glücklichen erfolge gefangene feinde, namentlich Jungfrauen,
geopfert wurden, wird mehrfach überliefert (Diod. XX 66. Prokopios
de hello Fers. II 28, vgl. Herod. U 86. VII 180); aber mögen die
Griechen diesen brauch zur zeit des Arktinos aueh noch nicht gekannt
oder nicht angenommen haben: hier steht die gefährliche Seefahrt nach
hause bevor. Vergilius (Aen, II 116) läszt den gefangenen Sinon den
Troern sagen, ein orakel habe den Griechen verkündigt, sie müsten
wie damals beim anfbruch, so auch jetzt vor der abfahrt durch ein
menschenopfer ventos placare; Iphigeneia wird schon von Aisohylos
(Ag. 214) eine iraucdvejLioc Oucia und eine ^inpböc Gpi^Kiuiv dr^druiv
(Ag. 1418) genannt: etwas anderes ist Polyzene auch nicht gewesen,
es ist dies mehr als eine blosze Vermutung: Euripides selbst Ittszt es
den Neoptolemos sagen (Hek. 636 ff.): ^X6^ 6' die itir^c lUXav \ Köpr|C
dKpaicpv^c a\n\ 6 cot 6u>po0fi€6a | cTpUTÖc T€ KdTtd* irpeufieWic 6' i\yXv
T€voO I XOcai t€ irpijfivac kuI x^^ivuiT/ipia | vetifv 6öc i^iüitv
irp€UM€voOcT"dir' *IXiou | vöctoü Tuxövrac irdvTUC elc irdrpav
^oXciv. und das opfer ist erfolgreich wie das Iphigeneias: während
vorher widrige winde geweht (Hek. 900 f. Ov. met. XIII 439 f.), treten
günstige* ein, sobald die Jungfrau geschlachtet ist (Hek. 1289 f.). wir
wissen nicht, ob die sage von anfang an erzKhlt hat, dass
dal opfer auf dem grabe des Achilleus dargebracht wurde;
aber aach wenn dies der fall gewesen ist, spräche es nicht gegen unsere
auffassung desselben, wenn die Weiterbildung der sage von dem opiler
und der errettung Iphigeneias es notwendig machte , dasz die Jungfrau
am altar der Artemis geopfert wurde — eine erdiehtung die auch aus
andern gründen schon nahe lag, vgl. anm. 20 — so fehlte hier schlechter-
dings jeder ort, an dem die opferang der Polyzene vollzogen werden
konnte: denn ein heiligtam der Griechen existierte an der küste nicht,
es hatte ja nun zwar ein altar eigens dazu erbaut werden künnen, aber
bot nicht der am meer gelegene weitbin sichtbare grabhttgel des tapfersten
der Hellenen von selbst eine passende statte? was Förster (ao. s. 199)
zu der annähme bestimmt, die alezandrinischen dichter hatten mit der
erzählung von dem opfer der Polyzene ein gegenstück zu Penthesileia
schaffen wollen, vermag ich nicht einfasehen. ich finde dasselbe wie
f^sagt in jener Opferung der griechischen königstochter in Aulis, die
ja dort auch dem Achillens verlobt werden sollte -^ eine erzählung
welche die alexandrinischen dichter bereits vorfanden, und welche
immerhin noch eine weitere äbnlichkeit mit der spätem ausführung der
Polyzenesage zeigt.
DOch nicht bekannten opfer in Griechenland. 369
geben — weil sich keine Veranlassung dazu bot. Pindaros kennt
die opfenmg der Iphigeneia (Py. 11, 22), Aischylos nennt sie ein
'windstillendes opfer' (Ag. 214), ja er scheint, wie auch sein Zeit-
genosse Herodotos , menschenopfer für die winde bereits als üblich
zn kennen: denn solches ist doch wohl aus den werten des chors
Ag. 146 ff. zu entnehmen : furj Ttvac ävTtTTVÖouc Aavaotc xpovtac
^Xcviiibac aöpac TeüHq, cneuboiuieva Guciav Ix^pav ävo^öv nv*,
dbaiTOV usw. Herodotos erwähnt menschenopfer häufiger: VII 180
ein von den flottensoldaten des Xerxes gebrachtes (vgl. auch II 86),
Vn 197 und IX 119 von Hellenen gebrachte. '^ seitdem finden sich
gelegentliche angaben bei den Schriftstellern zerstreut, immer aber,
auch in späterer zeit, sind den Hellenen diese opfer, wenn sie leider
bisweilen auch für notwendig gehalten werden, gräszlich. wie
Aischylos (Ag. 149) das menschenopfer ävO)üioc nennt, so erscheint
es dem Pelopidas und seinem beer TTapdvo)üioc und ßdpßopoc (Plut.
Pelop. 21), und Pausanias (VII 19, 3) nennt es eine livx] Ouda
(vgl. Eur. Iph. T. 465).
Wer möchte nun aber annehmen dasz die Griechen zur zeit
Homers y in der die moral und alle sittlichen anschauungen, wie sie
bald selbst empfanden, noch auf einer äuszerst niedrigen stufe stan-
den, menschenopfer bereits abgeschafft, einige Jahrhunderte später
dann aber von neuem eingeführt hätten?'^
In derselben zeit wie die menschenopfer werden auch die andern
Sühnopfer eingeführt. "' die Untersuchung derselben ist schwierig,
da Opfer, denen offenbar der gedanke und die absieht einer sühnung
zu gründe liegt, häufig nicht mehr als solche bezeichnet oder auch
nur verstanden werden, charakteristisch für dieselben ist dasz das
*' aasxer dem des Menelaos (II 119) nnd auszer einem hellenischer
Söldner, die in ägyptischen diensten stehen, vor der schlacbt bei Pelti-
sion (III 11); doch mögen hier die söhne des Phanes aach nur aas
räche und nicht als eigentliche opfer geschlachtet sein, über das opfer
des Menelaos ist Herodotos augenscheinlich deshalb am meisten ent-
rüstet, weil die getöteten d^m volke, bei dem der held so gastliche
aufnähme gefunden, angehörten. ^ was die Griechen selbst hierüber
dachten und erzählen, ist natürlich völlig gleichgültig, die einfübrung
aller culte und opfer, namentlich der nicht ganz gewöhnlichen, wird
von ihnen in die sagenhafte vorzeit zurück verlegt: Prometheus und
Herakles, Eriohthonios und Orestes lehren gebrauche, die zum grossen
teil nachweisbar erst in historischer zeit üblich geworden sind, es
sind dies fabeln, gleichwertig mit den erzählungen von der einwanderung
des Pboinikers Kadmos und des Ägypters Danaos, dem 'ergebnis der
ältesten speculation über Völkerkunde und culturgeschichte' (EPlew ao.
s. 9). '^ A 814 ff. ist von keinem solchen die rede, und das dircXu-
^a(vovTO und €lc dXa XOfiaT* fßaXXov scheint auch mehr eine sanitäre
maszregel als eine religiöse oeremonie zu sein, mag man darüber aber
denken wie man will, das darauf folgende opfer wird genau so ge-
schildert wie alle übrigen Homerischen, und es ist ein dankesopfer an
Apollon, der jetzt nicht mehr tod unter die Achaier senden will, und
kein sühnopfer; man iszt von den geschlachteten tieren ebenso wie von
der hekatombe, welche Odysseus gleichzeitig nach Chryse geführt hat,
damit auch dort dem gotte geopfert werde (A 467 ff.).
370 FStengel: einführung der in Homerischer zeit
fleisch der geschlachteten tiere nicht gegessen, sondern ganz ver-
nichtet wird , und dasz mit Vorliebe nicht eszbare tiere , namentlich
hunde, zu ihnen gewählt werden, ist ein mensch verunreinigt, so
genügt oft nur die anwendung bestimmter religiöser ceremonien,
ihn zu reinigen; uns gehen hier aber nur die stthnopfer an, die
zwar ebenso wie jene einfachem reinigungen oft geschildert sind,
deren Ursprung und einführung aber nie untersucht worden ist.
Das erste opfer, das wir dahin rechnen dürfen, ist das in der
Aithiopis erwähnte (Welcker ep. cyclus II s. 521), welches Achilleos
nach der ermordung des Thersites in Lesbos darbringt, worauf er
von Odysseus gereinigt wird, genaueres über sühnopfer erfahren
wir dann aus Aischjlos (s. besonders Eum. 282. 449. Cho. 1059)
und unter den späteren Schriftstellern namentlich aus Pausanias« wie
Zeus der sage nach der erste war, der einen menschen vom morde
reinigte (Pherekydes fr. 103. Aisch. Eum. 440 f. und 717 f. fr. 197
Herrn.) , so empfängt er auch schon früh sühnopfer. bereits Hero-
dotos I 44 kennt seinen beinamen KaGdpcioc. weil bei den sühn-
opfern die feige eine rolle spielt^*, soll er statt dessen auch cuKdcioc
genannt worden sein (Eust. zu Od. r] 116 s. 1572). sodann werden
dem Zeus ^eiXixioc sühnopfer gebracht, der beiname ist offenbar
euphemistisch'^ wie Eumeniden für Erinyen: denn der gott hat
einen chthonischen , unheimlichen Charakter.'^ auch wird der bei-
^' so auch bei den dem Apollon gefeierten Tbargelien («. Preller-
Plew ao. I 8. 210. vgl. auszerdem Athen. XIII 14 8. 78«). bei Homerof
wird nun aber die feige nar t] 116. 121. X 689. uj 246 erwähnt, also
in den gärten des Alkinoos, bei der 8childernng der bestraften Ter-
brecher im Hades nnd im letzten bnch der Odyesee, lauter später ein-
geschobenen und angefügten stellen. Hebn caltnrpflanzen und haos-
tiere asw. 2e aufl. s. 84 sagt daher mit Yollem recht, dass die feige
den Griechen in Homerischer zeit noch unbekannt gewesen sei, er be-
hauptet sogar: 'Hesiodos kennt die feige und deren cultur noch gar
nicht' ; dagegen (s. 83) 'hat der feigenbaam im semitischen Vorderasien
sein eigentliches Vaterland.' ebenso wird der lorbeer, den später
^Apollon Ka6äpcioc sich als zeichen und magisches mittel der von ihm
ausgehenden reinigungen erwählte', zwar einmal in der Odyssee (i 188)
erwähnt, hat aber natürlich noch gar nicht die ihm später gegebene
bedeutung (vgl. Hehn s. 194). " sollte imeiXixioc vielleicht nur eine
gräcisierung des phoinikiscben Moloch, Melecb sein, dnrch Volks-
etymologie entstanden? der "Aiör^c d^€(Xixoc bei Homeros (I 158 uaw.)
würde nicht dagegen zeugen, könnte im gegenteil zn jener angleichong
geführt haben. Melkart — McXiK^pTi^c böte schon ein analogon.
^ über das ihm gefeierte Diasienfest und die ihm gebrachten opfer ist
viel geschrieben worden. Schömann ao. IP s. 604 f. glaubt dass ihm
blutige Opfer nicht gebracht werden durften. KFHermanu (Philo!. II
8. 1 f[.) meint dasz zuerst nnblntige opfer ^CTd nvoc ctutvött)T0C (Luk.
Ikarom. 24) gebracht seien, woran sich eine heitere nachfeier mit blu-
tigen opfern geschlossen habe. AMommsen heortologie s. 382 ff. hat
mit recht gegen beider ansführungen manche einwände gemacht, irrt
aber selbst auch, wenn er sagt (8. 383): 'die götter werden an den
Diasien mit ganzen tieropfern bewirtet, also reichlicher nnd gläniender
als sonst je.' ich bin nach prüfung aller bezüglichen stellen (Thuk. I
126. Xen. anab. VII 8, 6. Aristoph. Wo. 407 mit scbol. Luk. Timon 7,
noch nicht bekannten opfer in Griechenland. 371
aame auf Dionysos übertragen , von dessen Zugehörigkeit zu diesen
^ttem (vgl. Soph. Ant. 1143) wir schon oben gesprochen haben,
und mehr appellativ auf 6eoi überhaupt, denen dann ebenso die
den chthonischen gottheiten eigentümlichen nächtlichen opfer, von
denen nichts gegessen wird , gebracht werden (Paus. X 38 , 4 : vgl.
auch Kaibel epigr. gr. n. 153). sodann empfängt ApoUon, welcher
ja früh schon zum KaOdpcioc kqt' iloxf\yf geworden ist '^, sübnopfer :
in Athen werden ihm die Thargelien gefeiert, in Argos soll man ihm
Wölfe geopfert haben (schol. Soph. £1. 6, vgl. Hesychios u. Xuko-
KTÖVOC), und es gab wohl keinen ort in Oriechenland wo ihm nicht
Sühnopfer gebracht wurden (vgl. Paus. II 24, 1. VIII 38, 6. CIG.
1688 usw.) . ganz besonders zeigt auch der in die mysterien ver-
flochtene Apollon Kameios diesen Charakter, und von den ihm ge^
brachten reinigungsopfern erfahren wir auch aus der andanischen
inschrift. auch opfer für Hermes , der bereits im letzten buche der
Odyssee zum totengeleiter geworden, fUr Demeter und Persephone,
die beide bei Homeros eine ganz untergeordnete rolle spielen , dann
aber durch die wohl aus Ägypten stammenden mysterien zu groszem
ansehen gelangen, scheinen oft hierher gehörig, eigentümlicher und
sicher als solche erkennbar sind dann wieder die sühnopfer, welche
Hekate empfängt (vgl. auch Movers Phon. I s. 22). ihr werden
namentlich hunde geopfert'*, ein tier von dem Plutarchos (qu. rom.
68) sagt: Tjfi bi kuvI noviec u)C firoc elireiv *'6XXtiv€c dxpÄVTO Kai
XpuiVTai Y€ M^XP* vOv fvioi cqpaYiiiJ npöc touc Ka6ap|uiouc. ebenso
musz das hundeopfer der Eileithyia in Argos (Plut. qu. rom. 52.
Hesychios u. TevCTuWic) und das von den spartanischen epheben
dem Enyalios oder Ares gebrachte (Paus. III 14, 9. Plut. qu. rom.
111) mit Schömann (ao. II' s. 250) für ein sühnopfer angesehen
werden '^, um so mehr da Plutarchos in dem betr. cap. ausdrücklich
Ikarom. 24. Paus. X 38, 4. Plut. Theseus 12. Mor. s. 417 <>) zu dem resultat
gekommen, dasz ihm sowohl blutige als unblutige opfer gebracht wur-
den, dasz dieselben aber ganz verbrannt wurden, dh. also sühnopfer
waren, dies wird bestätigt durch Polemon (s. 139 Preller), Suidas und
Hesychios u. Aiöc Kdiöiov, Eustatbios s. 1936. da wird dem Zeus
ffleiJichioB ein widder als sühnopfer geschlachtet, von dessen fleisch
nichts gegessen wird, vielleicht haben die unblutigen opfer ausschliesz-
lieh in Tilixixaia €lc Ziijjujv fiopqpdc TCTUirwfidva (schol. zu Thuk. 1 126)
bestanden, vgl. meine bemerkungen in diesen jahrb. 1881 s. 399 f.
^ dasz Achillens bei Arktinos vor seiner reinigung auszer Artemis
und Leto auch dem Apollon opfert, berechtigt zwar nicht zu der an-
nähme, dasz dieser bereits bei den kyklikern gott der sühne und der
reinigungen sei, wohl aber finden wir ihn als solchen ganz ausgesprochen
bei Aischylos. ^ Paus. III 14, 9. Plut. qu. rom. 52. 68. 111. Aristo-
phanes nach dem schol. zu Theokr. eid. 2, 12. schol. Aristoph. Frl. 277.
Lykophron Kass. 77 mit schol. Suidas u. KOpiKÖv 60^a. firasmus adag.
a, 221 u. Carica mctima. '^ so mag denn auch die nachricht des
Porphyrios (de abstin. 11 68), dasz die Lakedaimonier dem Ares menschen
geopfert hätten, glauben verdienen, wenn nicht vielleicht doch eher
anzunehmen ist, dasz diese notiz einem vor beginn einer sohlacht von
den Spartanern gebrachten menschenopfer ihren Ursprung verdankt.
372 PStengel: einführang der in Homerischer zeit
sagt: 'OXufüiTTiuiV fui^v Totp o\)bev\ Oeoiv kuuiv KaGt^puirai. auch die
groszen wild- und geflügelopfer, welche der Artemis bisweilen ge-
bracht werden (Paus. VII 18, 7. IV 31, 7. Bekkers anecd. b. 249,
vgl. schol. Aristoph. Lys. 645) sind hierher zu rechnen, die tiere
werden ganz verbrannt und zwar lebendig auf den flammenden altar
getrieben, kurz das opfer verrät in mehrfacher hinsieht und auf den
ersten blick den fremdländischen einflusz.*^ wie gesagt, es ist in
vielen fällen schwierig und unsicher zu bestimmen , ob ein Opfer für
ein sübnopfer zu erklären sei ; so viel aber geht auch aus den sichern
beispielen hervor, dasz weder die gottheiten, denen sie gebracht
werden , althellenisch sind , noch dasz der so oft genannte hnnd ein
ursprünglich griechisches opfertier gewesen sein kann, anter den
eszbaren opfertieren wird am häufigsten und als das zu reinigunga-
opfern besonders geeignete tier das schwein erwähnt (Aisoh. Enm. 430
und 282. Paus. V 16, 5. schol. Apoll. Argon. IV 704 usw.), seltener
der Widder (La. Diog. 1 110. Paus. I 34, 3 usw^ beide in der an-
daniscben inschrift), niemals aber das sonst gewöhnlichste opfer*
tier: eine kuh. sehen wir uns nun die opfertiere der Phoiniker
an : 'menschen-, hunde- oder schweineopfer brachten die Phoiniker
nach den berichten der alten ihren göttem dar."* 'ktthe wurden
von den Phoinikem nicht geopfert.' ^ aus dem Charakter der opfer
wie aus der art der tiere erhellt, dasz die opfer der Phoiniker
zum grösten teil holokausta waren ^^ also wieder opfer die Home-
^"^ vgl. Movere opferwesen der Karth. s. 68: 'hirtche gehörten bei
den Phöniziern zu den gewöhnlichaten opfertieren. so weit wir aje
kennen, waren diese opfer sühnopfer.' Lnkianos ircpl Tf\c Cupir^c OcAc 4B
schildert ein opfer, das die Tjrier alljährlich ihrer von den Griechen
für Artemis gehaltenen göttln bringen, und es entspricht dies gana
genau dem von Pausanias VII 18, 7 beBohriebenen griechischen opfer.
geflügel aber wurde von den Phoinikem auch viel häufiger geopfert ala
von den Griechen (s. auszer Lukianos ao. die magsilische Opferinschrift
bei Movere ao. s. 56. Diod. V 20 und vgl. besonders auch Luk. Zena
trag. 16). das älteste mir bekannte griechische vogelopfer ist der hahs^
den Sokrates nach Piaton (Phaidon 118') dem Asklepios geopfert wissen
will, auch GWolff ('gefitigelopfer' Philol. XXVIII s. 188 ff.) erwähnt kein
früheres, wie die wildopfer werden auch die geflügelopfer den Phoinikem
entlehnt sein, letztere werden von den Griechen fast aussdiliesslieh
dem Asklepios und Herakles (Plnt. qn. sjmp. VI 10, 1. CIG. 683) dar-
gebracht, die Homeros beide als götter noch nicht kennt (C 117 und
Lchrs Arist.' s. 188. B 732). ** Movere opferw. der Karth. s. 41.
vgl. Jiistinus XIX 1 , wo erzählt wird dasz Dareios den Karthagern
verboten habe hunde und menschen zu opfern. ^ Movers ao. s. 48.
Duncker I^ s. 280, wo auch die belegstellen. ^' Movers ao. s. 71
bezweifelt dies ohne hinreichenden grnnd. dasz die Phoiniker nicht
ausschlieszlich holokausta geopfert haben , gebt allerdings ans zwei
inschriften hervor (der massiliensiscben und einer karthagischen: vgl.
Duncker I^ s. 280); aus den beiden andern von Movers beigebrachten
stellen (Porph. II 26. IV 16), in deren einer nur von holokausta der
Juden gesprochen wird, nicht aber der Phoiniker, und in deren iweiter
es von den Phoinikem heiszt: 'dasz sie zuerst unblutig geopfert» dann
die tiere ganz verbrannt, dann auch opferfleisch gegessen hatten', Ist
gar nichts zu schlieszen. auch die Griechen haben ähnliche sagen
noch nicht bekannten opfer in Griechenland. 373
X08^ und Hesiodos noch nicht kennen; kurz sühnopfer, insbesondere
menschenopfer sind den Phoinikern entlehnt und haben erst lange
nadh Homeros, als der verkehr zwischen beiden Völkern ein regerer
wurde, in Griechenland eingang gefunden.^'
Wir kommen zu den totenopfern. Lehrs popul. aufsätze*
8* 304 sagt: Mer religion der Homerischen Griechen darf man nicht
den glauben an Unsterblichkeit^ an bewustes fortleben mit lohn und
strafe aufdringen.' an dieser thatsache ändert, wie er ebd. s. 305 ff.
Ilberzeugend nachgewiesen hat, nichts die besixafung einiger frevler
gegen die götter (Od. X), deren strafe in stets vereitelten fruchtlosen
mflhen besteht, so ist ein cultus der toten in dieser zeit denn auch
nnmöglich , und die spftter so regelmäszig dargebrachten opfer und
spenden fUr die verstorbenen sind Homeros noch fremd, es liegt
nahe dagegen einwendungen zu machen , und es ist dies in der that
auch von männem geschehen , welche sonst die ansieht von Lehrs
teilen, in Leopold Schmidts 'ethik der Griechen' (Berlin 1882)
lesen wir 11 s. ^6 f. : 'obwohl sonst den anschauungen der Homeri-
schen gedichte der gedanke eines Zusammenhangs zwischen den
lebenden und den seelen der abgeschiedenen fernliegt [vgl. I s. 97
und 99] 9 so findet sich doch auch an 6iner stelle bereits eine er-
wähnung eines eigentlichen totenopfers, das früher bestatteten zur
labung bestinunt ist: k 518 ff. X 26 ff. . . will man daher diese partie
nicht . . für eine sehr viel jüngere einschiebung halten, so läszt sich
(zb. Paus. I 24, 4. I 28, 11), auf die ebenso wenig zu geben ist. es
ist daraus nur zu entnehmen, dasz alle drei arten von opfern gebracht
worden, dies ist ja aach zu natürlich und nicht blosz bei Phoinikern
und Griechen so gewesen (vgl. sb. Herod. U 40), aber bei den Phoinikern
müssen die bolokansta viel häufiger gewesen sein als bei den Qriechen.
dasz sie menschen- and hnndefleisch nicht gegessen haben werden, be-
darf keines beweises, und geflügel werden sie wahrscheinlich auch
nicht zwischen den göttem und sich geteilt haben, übrigens haben
wir auch bei Bchriftstellem berichte über phoinikische opfer, wo die
tiere ganz verbrannt wurden, so erzählt Herodotos VII 167 von dem
Karthager Amilkas: iQ()€TO kqI ^KaXXip4§€T0 kiii m)pf\c \JLef&\r]C CibyLara
öXa KUTatÜIwv (vgl. das persische opfer Xen. Kyrup. VIII 3, 24 und
das Indische Herod. I 60). wenn wir den opferritas der Qriechen nur
aus ihren doch so viel zahlreicheren inschriften kennten, so würden
wir auch von den holokausta derselben so gut wie gar nichts wissen,
wo alles verbrannt wurde, war eben über die Verwendung des fleisches
udgl. nichts mehr zu bestimmen, mir ist nur ^ine griechische Inschrift
bekannt, die von einem ganz zu verbrennenden opfer handelt: es ist
dies ein sühnopfer zur abwendnng einer pest (Kaibel epigr. gr. n. 1034).
4* V 166 und UJ 66 werden keine opfer gebracht; ebenso wenig
X 45 f., worüber unten mehr. ^' eine auffallende bestätigung findet
dies durch Herodotos I 35, welcher bei der Schilderung der reinigung,
die Kroisos an dem mörder Adrastos vollzieht, gelegentlich bemerkt:
€cTi 6^ 7TapaiTXT)c(ii i\ KdOapcic Totci Au6o1a kuI toIci ^'EXXtici. Orote
ao. I s. 21 schlieszt sicher mit recht daraus, dasz die Hellenen die
mordsühne von den Lydern kennen gelernt haben, von den vorder-
asiatischen Völkern stammt der gedanke, dasz der mensch, welcher den
gott erzürnt, einer sühne bedarf: kein wunder also dasz auch die be-.
treffenden opfer denen jener Völker so ähnlich sind.
374 PSteogel: einführuDg der in Homerischer seit
nur annehmen dasz . • derartige opfer etwa als gebrauch eines ein-
zelnen ortes oder einer einzelnen gegend bekannt waren.' das letztere
halte ich nicht für wahrscheinlich ; von dem erstem bin ich meiner-
seits fest überzeugt , und an eine spätere einschiebnng dieser nnd
anderer stellen des elften buches glaubt man ja wohl auch allgemein,
wenn dieselbe vielleicht auch noch immer nicht spät genug angesetzt
wird; aber ich kann trotzdem Schmidt nicht zugeben, dasz es sieb
hier um 'ein eigentliches totenopfer', wie es später üblich war,
handle, die spende mag immerhin *zur labung früher bestatteter
bestimmt' gewesen sein, das opfer ist es jedenfalls nicht, bei den.
spätem totenopfem wird das blut des geschlachteten tieres den ver-
storbenen zum genusz in die tiefe des grabes gegossen, der leib des-
selben ihnen zu ehren und vielleicht auch zur speise verbrannt; hier
kommt es darauf an, dasz die schatten heraufgelockt werden: sie
sollen das blut, das lebenselement welches ihnen fehlt , trinken, nur
um dadurch für kurze zeit das ihnen mangelnde bewustsein (vgl.
Schmidt ao. I s. 99) zu erhalten, und die leiber der tiere werden
nicht ihnen zu ehren verbrannt, sondern, wenn überhaupt jemandem,
den göttem Hades nnd Persephone (X 45 ff.) ; ein opfer wird ihnen
also nicht gebracht. ^^ die unfruchtbare kuh aber, die Odyssens nach
glücklicher heimkehr auf Ithake zu opfern verspricht (X 30 f.), ist
schon deswegen mit den später üblichen totenopfem gar nicht zu
vergleichen, weil sie an einem ganz andern orte fem von den grftbem
der verstorbenen , ja hier selbst fem von orten wo diese sonst etwa
zum genusse heraufkommen könnten, (iv )üi€Tdpoici) geopfert wer-
den soll, noch viel weniger aber dürfen wir (vgl. Schmidt ao. 11
s. 98) die aus räche und dem gefallenen freunde zur genugthuung
geschlachteten Troer und die pferde und hunde, welche mit dem
leichnam des Patroklos (V 166 ff.), oder die schafe und rinder, welche
mit dem des Achilleus (ui 66 ff.) auf dem Scheiterhaufen zugleich
verbrannt werden, opfer nennen, werden ja doch selbst waffen mit
dem toten zusammen verbrannt (X 74).
In den Hesiodischen gedichten zeigt sich noch keine Verände-
rung, nichts von heroen- und totencultus. ganz anders bereits bei
Pindaros. in der zweiten olympischen ode finden wir fortleben, lohn
und strafe nach dem tode (s. auch fr. 96 und 97 Böckh) nnd, wie es
nicht anders sein kann, totencultus. dem Pelops werden in Olympia
blutige totenopfer gebracht (Ol. 1, 90 f.), dem Tlepolemos dampfen
schafopfer ujcirep Geoi (Ol. 7, 77 ff.), ebenso erhalten Herakles und
seine söhne (Isthm. 4, 61 [3, 74]) totenopfer, und nicht anders alle
andern toten (vgl. Ol. 8, 77). jetzt leben die toten fort, können
segnend oder verderbend auf die oberweit hin wirken, sie empfangen
den verwandten und freund, wenn derselbe stirbt, und dasz sie ihm
** Upr^iov (X 23) heisst bei Homeros niemals ^opfertier* soDdem
'Schlachtvieh', icpeOciv nar ^schlachten', cqK&TTCiv 'durch einen schnitt
oder stich dem (E 426 bereits getöteten) tiere das blnt entiieben';
'opfern' beiszt piluVj 80€iv 'verbrennen'.
noch nicht bekannten opfer in Griechenland. 375-
freundlich entgegenkommen, dafür hat dieser, so lange er auf der
oberweit weilt, durch opfer und spenden für die verstorbenen sorge
zu tragen, das sprechen die folgenden dichter häufig aus, besonders
Aischylos (zb. Ag. 1522 ff. fr. 281 H.) und Sophokles (OT. 13. 66 ff*
Ant. 71. 888 ff. vgl. auch Eur. Or. 674 ff. usw.). von heroen-
zu totenopfem ist nur 6in schritt, die heroen sind ja nichts anderes
als erhabene tote; dem Lykurgos wird ein heiligtum gegründet
(Herod. I 66), dem Brasidas werden 'heroische ehren' erwiesen
(Thuk. y 11), die bei Marathon gefallenen werden beim totenopfer
ausdrücklich als heroen angerufen (Paus. I 32, 4). zur zeit üerodots
ist der heroen- und totencultus ganz allgemein. *^ einen unterschied
zwischen den opfern der heroen und der toten gibt es nur insofern,
als den erstem häufig ibc 6€<]u geopfert wird.^' am interessantesten
sind die fftlle, wo demselben heros zugleich ibc 6€(£i und ibc f^pcutt
geopfert wird, so dasz demgem&sz von dem einen teil des opfers
gegessen werden darf, der zweite aber verbrannt oder sonstwie ver*
nichtet werden musz: Paus. II 10, 1 xal vOv €Tt äpva ol CiKUuivtov
cq)dHavT€C xal touc ^npo^c im toö ßui^oO xaucavTec td [xiv 4c6i-
ouciv uic dirö Icpeiou, xd bi ibc f^pwi tüüv xpetüv dvatKouciv.
ebenso wird dem Herakles in Thasos geopfert (Herod. II 44) , dem
Achilleus an seinem grabe von den Thessalem (Philostr. her. 19
8. 741).^'
*^ Herodotos erwähnt totenopfer I 167. 168. H 44. V 47. 114. VI 38.
69. Vn 43. 117. VIII 39 — nicht hellenischer Völker III 24. IV 26 —
ein totenorakel V 92. ** wo dann in der regel statt des für toten-
opfer technischen ^va^iJ^civ oder ivT^vciv gesagt wird OOeiv (vgl. Herod.
II 44. Diod. IV 39. Paus. VI 9, 2 usw.). *'' es gibt einige beispiele,
nach denen es scheinen könnte dasz auch von eigentlichen heroen-
opfern gegessen worden sei. sie sind noch nicht besprochen worden
und könnten vielleicht einmal zu falschen Schlüssen verleiten, in einer
inschrift von Thera GIQ. 2448 heiszt es: xal OOciv Totc fjpwci xal ^m-
X€U6ai irdvTac dirö 6€(irvou iiii tö irpÖTov iroT€ipiov täv T€ Moucöv usw.
das opfer ist vier heroen und den Musen gemeinschaftlich gebracht
worden; es bleibt fleisch übrig, über dessen Verwendung bestimmungen
getroffen werden, und da nicht wohl anzunehmen ist dasz dieses allein
von den den Musen geopferten tieren sei, so müssen wir glauben dasz
hier den heroen (Jüc 6€0lc geopfert worden ist, ohne dasz dies besonders
bemerkt wird; auf keinen fall aber hat die mahlzeit nach dem opfer
mit diesem selbst noch etwas zu thnn: es ist kein opfermahl, sondern
ein gewöhnlicher schmaus mit gelage. das erkennen wir daraus dasz
den Musen wein gespendet wird, was wohl beim gastmahl (Athen. XI 15«
8. 604), nicht aber beim opfer geschehen durfte (Polemon im schol. zu
Soph. OK. 100 und Plut. sept. sap. conv. 13). ebenso berichtet Athenaios
IV 8. 149^ von den Arkadern: ÖTQv bi TOlc f\p\uc\ 60u)Ci, BouOucia fic-
TdXri Y(v€Tai Kai ^cthIivtoi irävTCC H€t4 Tübv boOXwv* ol 6£ uolöec cuv-
beitivoOciv usw. hier werden die rinder, von denen nachher gegessen
wird, gar nicht den heroen geopfert sein; schon aus dem ausdruok
scheint geschlossen werden zu müssen, dasz dieses grosso rinderopfer
noch auszer dem heroenopfer stattfand, es wäre auch ganz anerhört,
dasz ein solches heroen dargebracht würde : denn diese empfangen, wie
alle toten, schafe zum opfer, und ein gesetz des äolon verbot sogar
geradezu den toten rinder zu opfern (s. ausführlicheres darüber in metner
376 PStengel: einführuDg der in Homerischer zeit
Woher denn nun diese verttnderang gegenüber der ansieht und
den gebrauchen der Homerischen zeit? ich glaube mit Lehrs ao.
8. 311 f., dasz die Vorstellung von der fortdauer der seelen sich ohne
fremden einflusz im Hellenentum selbst wird entwickelt haben , und
von dem c u Itus der toten darf dies mit Sicherheit behauptet werden*
dürften wir an ein fremdes volk denken, woher jener gekommen, so
könnten dies nur die Ägypter sein, von denen der glaube an seelen-
wanderung, Mer aber nie in die griechische volksreligion eingedrungen
ist' (Lehrs ao. s. 338), zu stammen scheint (vgl. auch Duncker ao. I^
s. 59 ff.), aber es liegt kein grund zu dieser annähme vor. was den
totencultus betrifft, so bemerkt Herodotos 11 50 ausdrücklich, dasz
die Ägypter den heroen keine totenopfer bringen, und unter den
griechischen totenopfem ist mir auch nicht ein einziges beispiel be-
kannt, das irgend welchen fremdländischen einflusz zeigte, auszer
einem von Lukianos (Skythes 2) erw&hnten, wo die Athener dem
Skythen Toxaris an seinem grabe ein weiszes rosz opfern, das ist
ungriechisch, wie alle opfer wo nicht eszbare tiere geschlachtet
werden*^; aber dies opfer wird auch keinem Hellenen gebracht,
sondern einem Skythen, bei denen roszopfer gewöhnlich waren
(Herod. IV 61. 1 216. Paus. I 20, 8, vgl. auch Eur. Hei. 1258).
Es bleibt noch eine dritte art von opfern übrig, die zwar
Homeros schon kennt, so dasz sie genau genommen nicht mehr in
den rahmen unserer abhandlung gehören, die aber dennoch einer-
seits wegen ihrer nahen Verwandtschaft mit sühn- und totenopfem
(vgl. Hesychios u. fvTOfxa), anderseits weil sie im laufe der Zeiten,
zimi teil auch durch ausländische einflüsse, manigfachen verftnde-
rungen unterworfen gewesen sind, hier nicht gut ausgesohloBsen
werden dürfen: die ei dop f er.
Es werden uns in der Ilias zweimal eidopfer geschildert T 258 ff.
schlachtet Agamemnon einen eher, den er nachher ins meer werfen
läszt. beim beginn des Opfers hat er dem tiere einige haare ab-
geschnitten, die er den schwur sprechend offenbar in der erhobenen
band behält, f 103 bringen Griechen und Troer lämmer zum opfer:
dem obersten der götter Zeus und dem allsehenden Helios wird je
abh. über 4vt^|liv€IV I8. f. d. gw. 1880 8. 743 ff.), es ist aber keine
Seltenheit, dass eiDem heros und daneben einem gotte geopfert wird:
s. zb. Paas. IX 29, 3 Tip Aivip Konä Itoc IxacTOV irpö i^c Oudoc Tifirv
Moucdiv ^vayiSIouctv (?gl. auch schol. Apoll. Arg. I 1126 und Lehre ao.
8. 824). so wird auch oberen and chthonischen göttem zugleich ge-
opfert, wo sicherlich doch auch nur von dem fleisch der den erstem
geopferten tiere gegessen sein wird: inschrift im *AOf)vau>v II s. S37
&uui&€KdT€i AiovOctp Av^vct ir/iaov ()nip KuMiruiv, All x^vitp, TQ
x6ov(r) öepTd fi^Xava ^Tfjcia. 6aivuc6uiv aOroO. von eigentlichen heroen-
opfern wird niemals etwas gegessen, und wo da eine haic erwähnt wird
(Find. Isthm. 4, 61 [3, 79]), da ist es ein mahl für die toten, die in\
t6 6€ltrvov Kai alfiaKoupiav (Plut. Arist. 21 — vgl. Pind. Ol. 1, 90)
heraufkommen, woran die lebenden aber nicht teilnehmen.
^'^ vgl. meine abh. über 'die pferdeopfer der Griechen' im PhiloL
XXXIX 8. 183 ff.
noch nicht bekannten opfer in Griechenland. 377
ein männliches geschlachtet, der Gaia ein weibliches, auch ihnen
wird (271 ff.) haar oder wolle abgeschnitten, dieses den yomehmsteft
Oriecheh und Troern in die band gegeben, um sie zu verantwort-
lichen teilnehmern des eides zu machen; die gesohlachteten tier«
nimt Priamos mit zur stadt, nicht etwa zur speise, wie die scholiett
zu r 310 richtig bemerken, sondern um sie dort zu vergraben oder
sonstwie zu beseitigen : denn Td dirö tOüv 6pKUJV iepeia oök ficOiov
dXX ' IpptTTTOV t\ ^Kaiov (schol. zu T 268). die spenden beim Opfer
bestehen aus ungemischtem wein, vielleicht der besondern heiligkeit
des Opfers wegen , wahrscheinlicher weil der wein ja ebenso wenig
zam trinken bestimmt war wie das fleisch der tiere zum essen. ^'
zweck und sinn des Opfers sind schon hier völlig klar : 'wie es diesem
tier hier ergehen wird, dessen haar ich bertthre , so möge es mir er-
gehen, wenn ich falsch schwöre.'^ die strafe ist der tod, und nichts
anderes bedeutet es auch, wenn die götter bei der Styz oder bei den
Titanen dort unten im Tartaros (E 279 vgl. 0 225) schwören, die
strafe, welche man später (Hes. theog. 792 ff.) für einen meineidigen
doch unsterblichen gott erfindet, kommt dem tode am nächsten.
Die gebrauche erleiden nach Homeros einige Veränderungen,
man nimt nicht mehr das abgeschnittene haar des opfertiers in die
band, sondern schlachtet das tier vor dem schwur, zerlegt es und
faszt die fleischstücke an^' oder tritt auf dieselben '^j krieger tauchen
auch wohl band oder waffen in das in einem Schilde aufgefangene
blut", und man opfert nur ausgewachsene (r^Xeioi)^^ und nur männ-
liche" tiere. hauptsächlich werden eher, widder, stier zu opfertieren
gewählt, wie die scholien zu T 197 richtig angeben (iTp6c bk T&
Spiaa Tptciv ^xp^vto 'AttikoI, Kdirpif) Kpiifi Toupcfi). die ganze
trittys finden wir bei besonders feierlichen opfern (Demosth. g.
Aristokr. § 68 s. 642, vgl. auch Xen. anab. 11 2, 9), häufiger den
eher allein (Paus. IV 15, 4. V 24, 2) oder den stier (Herod. VI 68.
Aisch. Sieben 44). der widder allein wird nie erwähnt, was nur
Zufall sein kann; in den allermeisten fällen steht eben blosz lepd
T^Xcta, worunter gewis auch öfter jene ganze trittys zu verstehen
^' 8. meine abh. über ^weinspenden bei brandopfern' im Hermes XVII
8. 330. bei totenopfem wird gemischter wein gespendet (s. meine abh.
über ^totenspeuden' im Phiiol. XXXIX s. 878 ff.); er soll den toten zam
trank dienen (Flut. Arist. 21), hier niemandem. ^ vgl. Andokides myst.
§ 126. Lysias g. Eratosth. § 10. Aischines g. Tim. § 114, Enst. rar II.
r 878 usw. ^< Herod. VI 68. Lykorgos g. Leokr. § 20, Isaios VII 16.
Aristoph. Lys. 192 und 202. Aischines trugges. § 87 s. 264. vgl. auch
CIG. add. 2661». Röhl inscr. gr. antiq. 491. ^ Demosth. g. Aristokr.
§ 68 8. 642. Paus. Ul 20, 9. »' Aisch. Sieben 44. Xen. anab. II 2, 9.
M Andok. myst. § 98. Demosth. g. Neaira § 60 s. 1866. Tbok. V 47.
Inschrift ans Erythrai: s. Hermes XVI s. 197. *^ es wird sich dies
aus dem folgenden ergeben. Suidas n. ßoOc 6 MoXomlfv: iv rote
^pKUifiodoic KOTaKÖirTcvTCC €lc luuKpd T&c ßoOc kann den zahlreichen
andern Zeugnissen gegenüber nicht ins gewicht fallen. Suidas legt
auf solche details kein gewicht mehr, kennt sie wohl auch gar nicht«
es bedeutet da t&c ßoOc einfach die rinder.
Jahrbücher f&r cIms. philoI. 1883 hfl. 611.6. 86
378 PStengel: einfühnmg der in Homerischer zeit
sein wird, zweimal finden wir pferde erwähnt: Paus, m 20, &•
Aristopb. Lys. 192. an der letztem stelle bringen heldenmütige
weiber das opfer, und schon der scholiast bemerkt richtig , dasz da-
mit auf die Amazonen angespielt werden soll; und dasz die Griechen
in der that von pferdeopfem der kdhnen reiterinnen gefabelt haben,
ersehen wir aus pseudo-Ejülisthenes IQ 25. das von Pausanias er*
wähnte Opfer bringt Tyndareos, als er die freier der Helene schwOren
läszt. warum hier das rosz genannt ist, darüber wage ich keine Ver-
mutung. ^
Bei internationalen eidopfem musz sich, wie das in der natur
der Sache liegt, ein volk dem andern in seinen gebrauchen accom-
modieren. das opfer musz stets ein gemeinschaftliches sein, wie die
Völker vereint werden sollen ; deshalb mischen schon Griechen und
Troer ihren wein in 6inen krug (f 269).^^ so opfert Xenophon bei
einem vertrag mit den Persem (anab. 11 2, 9) auszer stier, eher und
Widder einen wolf ^, was bei einem vertragsopfer zwischen Hellenen
natürlich nie geschehen sein würde.
Das fleisch der geopferten tiere wird vernichtet, sie waren ja
den mächten des todes geweiht worden. Talthybios schleudert den
eher, welchen Agamemnon geschlachtet, ins meer (T 267 f.), Tyn-
dareos vergräbt die stücke des geopferten pferdes (Paus, m 20, 9),
öfter sind die tiere wohl auch verbrannt (schol. zu D. T 268 vgl.
CIG. add. 2561 ^); niemals wurde von ihnen gegessen, wie mehrfach
bezeugt wird (schol. zu H. T 310. T 268, vgl. Paus. V 24, 2, wo
das xpn^^tt^ ^etwas damit anfangen' sich nur auf die art des besei-
tigens beziehen kann), es wird das eidopfer auch keinem gott dar-
gebracht, wenn es II. f 103 f. heiszt, dasz die lämmer Zeus, Helios
und der Gaia geschlachtet werden sollen , T 197 der eber dem Zeus
und dem Helios, Herod. VI 68 der stier dem Zeus, so bedeutet das
nichts anderes als dasz diese götter besonders angerufen werden
zeugen des eides und rächer des meineides zu sein (vgl. T 258 ff.,
die Inschrift im "AGiivaiov 1876 V s. 101); von dem fluchbeladenen
tier zu genieszen wird ihnen so wenig zugemutet wie den menschen
(schol. zu r 310).
^*' die sage wird oiebt alter sein aU etwa^ias der zeit der Perserkriege:
denn früher haben die Griechen pferde wohl nicht geopfert: s: Philo!.
XXXIX 8. 182 ff. ^^ HerodotoB erwähnt mehrfach die gebrauche
fremder vülker bei eidopfern und bemerkt ausdrücklich, dass dieselben
auch bei vertragen mit fremden beobachtet würden (III 8. IV 70. I 74).
^"^ es ist dies darcbaus nicht so auffallend, anch wenn 'dies bundet-
opfer einzig in seiner art* gewesen sein sollte, und Bothes conjector
trdXXcuKov für Kai XOkov (rbein. mus. III [1846] s. 633) ist entschieden
zu verwerfen; die motiviening derselben: 'nirgend wo bündnisse, feier-
liche eidschwüre, lustrationen beschrieben werden, erscheint das raubtier
neben jenen haastieren, deren fleisch, nachdem die götter ihren teil
empfangen, zum opferschmanse verwendet wird' ist, wie wir gesehen
haben, wort für wort falsch, übrigens berichtet auch Plutarchos (de
Is. et Osir. 46), dasz die Perser bei gewissen sübnopfern einen wolf
schlachteten.
noch nicht bekannten opfer in Griechenland. 379
Man wird den zweck meiner arbeit nicht verkennen, die onter-
sncbnng über die einführong der betreffenden opfer war mir ein
mittel zu demselben, wenn es mir gelangen sein sollte an einigen
beispielen auf thatsachen gestützt nachzuweisen, dasz die anffassong
und der durch diese bedingte cultus der hellenischen götter erst in
nachhomerischer zeit durch orientalische einflüsse modificiert
und weiter entwickelt worden ist, so dürfte ich auch hoffen dem
glauben an 'eine in die älteste vorzeit zurückgehende Übertragung
orientalischer culte nach Griechenland, wie sie zu yerschiedenen
Zeiten von verschiedenen gelehrten angenommen worden ist und
gegenwärtig namentlich von ECurtius vertreten wird' durch meine
ausführungen wieder ein stück boden entzogen zu haben.
Die oitierten werte gehören Eugen Plew (programm von Danzig
1876 s. 3), der, zu £rüh dahingeschieden, den wünsch und die hoff-
nung seiner lehrer Karl Lehrs (popul. aufs.' s. 274 f.) und Ludwig
Friedländer (jahrb. 1873 s. 313) ^eine griechische mjthologie im
geist der historischen kritik zu schreiben' nicht mehr erfüUen konnte,
zu diesem werke, das in nicht allzu femer zukunft ein berufener, im
sinne von Lehrs und Grote weiter arbeitender vollenden möge, wollte
ich einen bescheidenen baustein beitragen.
Berlin. Paul Stengel.
53.
ZU ANTIPHON.
2 a 5. nachdem die verschiedenen Vermutungen , die man hin-
sichtlich der Ursache des mordes haben kann , zurückgewiesen sind,
heiszt es : dTToXuo)üi^VTic bk rf^c uiroqiiac dirdcfic ainöc ö Gdvaroc
ii imfio\)\f\c diroOavöVTa ^fivuet auTÖv. dasz der mord Ü irci-
ßouXfic geschehen sei, ist aber neben den in § 4 erwähnten möglich-
keiten ebenfalls eine U1T0^lia; und in diesem sinne spricht der an-
geklagte auch ß 3 von der uiroipia, die jetzt auf ihn komme; vgl.
noch ß 6. T 2. 7. 10. b 2 (uirepaiToXoYOu^evot rf^c dXfiGoOc iJiTOipiac
dTrdcric). 3. 5. es ist daher zwischen Tfjc und äiroipiac einzuschieben
dXXric (vgl. 4 b 3 tujv dXXuiv dTidviuiv KarnTopnM^Vüüv). übrigens
ist auszer dieser stelle diroXueiv immer mit persönlichem object
verbunden (mit oder ohne den genitiv der schuld): 2 a 9. ß 4.
10. 11. T 10. 11. b 3. 4. 10. 12. 3 ß 8. 9. 10. 11. 12. y 11. b 9.
10. 4 ß 6. T 6. b 3. 9. 10. 11. 5, 40. 42. 70. 6, 31. 32; nur 5, 89
findet sich das medium mit dfüiapTiav, 6, 6 mit alriav.
T 5. aÖTutiv hat seine beziehung weder in dem zunächst vorher-
gehenden noch in der entsprechenden stelle der rede des angeklagten
(ß 8), da auch hier nicht ausdrücklich von solchen gesprochen wird,
die an stelle des angeklagten an dem morde sich beteiligt hätten, so
wenig hier eine deutliche bezeichnung derselben zn entbehren ist|
26*
380 EAIbrecht: zm Antiphon.
80 wenig ist die nachtrttgliche durch tuiv irapövnuv (hinter oöbcic
TÖip Scnc) am platze; aneh fiült die atellnag dieser werte, die doch
schon zn oäbdc gehören müssen, auf (vgl. dagegen b 4). ich setse
also TUIV napövTUJV hinter airruiv : wftre er abwesend gewesen, so
hfitte er ebenso, als wenn er zugegen war, riskiert als eigentlicher
nrheber des moordes erkannt zu werden — denn gerade von dea an-
wesenden (auf deren handeln er sich doch yerliesz) hfttte ihn jeder
als solchen überführt — ; und dabei stand die ausführung selbst in
gefahr — da jeder zaghafter als er dazu gewesen wftre.
b 10. dasz fiXXa nach rd bk elKÖTa ungehörig ist, hat man
längst erkannt; man hat auf verschiedene weise zu heilen gesacht,
doch ist kein Vorschlag probabel, sollte AAAA nicht blosz eine irr-
tümliche Wiederholung des in der zeile vorher hinter fast demselben
werte (ebcdruic) begegnenden AAA sein?
3 T 10. verbindet man elc toOc oö irpocnKOvroc mit Tf^c dfiop-
riac, was das natürlichste ist, und erkl&i; 'gegen die die mit dem
fehler nichts zu thun hatten', so widersprechen die werte dem was
kurz zuvor gesagt wird, da hier gerade der fall angenommen wird,
dasz der getötete gefehlt hat; und sie erregen sprachlich bedenken,
da sonst durchaus TrpocrJKei ^oi nvoc, nidit das persönliche «poc/pcui
Tivöc gebraucht wird: so bei Antiphon 6, 33. 46. vgl. 6, 66. sieht
man von der Stellung der werte ab , so wftre an sich noch die er-
kl&rung möglich 'gegen die die ihn nichts angiengen' (vgl. 5, 18.
48. 59); dann sind die werte aber ebenso nichtssagend, wie sie
schlecht zu cuXXrjimup und KOivuivöc (nemlich mit dem getöteten
selbst) passen, nur Jemstedt hat bisher an der stelle anstosz ge-
nommen; er bemerkt zu jenen Worten: 'corrupta an spuria?' ich
glaube das letztere und halte sie für einen zusatz, der deon clc ai^dv
im ersten gliede des gegensatses entsprechen sollte, herrührend von
einem der die stelle in Übereinstimmung mit § 9 zu bringen suchte,
wo &n fehler von Seiten des iraic geleugnet wird.
b 4 Tf)c bt btabpofif)c airiac taunic T€VO|yi^vr|c kann nur heiszen
'nachdem dies als Ursache des durchlanfens geschehen war*, allein
es kommt hier gar nicht auf die Ursache des durchlaufene an, sondern
▼orher war davon die rede, dasz die biobpo^i/i oder das oök drpe-
fiiZuiv &Tdvat die airia des todes wurde. Jemstedts Vorschlag
cdTUurdnic statt airiac Tathiic zu schreiben empfiddt sich wenig:
denn der Sprecher schiebt allein dem durchlaufen die Ursache des
todes zu (vgl. ß 5). biabpo^fic wird glossem zu aMac sein.
b 5 oöbiv &v fifiapre ist corrupt, da der Sprecher ausdrücklich
jede äjLiapria von seiten seines sohnes in abrede stellt, vgl. ß 7. b 7,
und ein lapsus hier, wo die begriffe so scharf getrennt werden, nicht
denkbar ist. sehreibt man oi^b^' 6v £ßoX€, welcher begriff gefor-
dert wird (vgL ß 5 oöb^va top fßaXe und oä fäp &v $Xn^), so
tritt dffir satz nicht nur in den sehftr&ten gegensatz zu dem folgenden,
auch das oÖTÖc wird weniger anfiallend. die verftnderung dürfte
nicht zu gewaltsam erscheinen, wenn man bedenkt dasz verwechse*
EAlbrecht: zu Antiphon. 381
langen von Wörtern in den tetralogien anch sonst vorkommen und
hier der begriff der dfiiapTia kurz vorher wiederholt begegnet.
5, 15 eil bk jiövoc bf| T€TÖXjiiiKac T^v^cöai vojlioO^ttic itiX toi
TTOVTipÖTaTa, Kai laOia irapcXGujv ZiiTeic |li€ öbiKuic dTroX^cai. ToOia
läszt sich nicht anf die eben berührten vöjbioi beziehen — denn dann
müste es toutouc heiszen; anch kann man dabei nicht mehr an die
§ 11 f. angeführten bestimmungen der gesetze denken, da der
Zwischenraum ein zu groszer ist. Beiske hielt das wort daher für
verdorben, der fehler steckt jedoch vielmehr in TrapeXGuJV, wofür
irap^X^v zu schreiben ist ; dann bezieht sich das pronomen auf ItA
rä TTOVTipÖTaTa; was überhaupt auch am nächsten liegt: 'du wagtest
die schlechtesten gesetze zu geben (vgl. § 12 aÖTÖc ceauTiD vöfLiouc
££€upi()v), und diese darbietend (auf grund deren) suchst du mich zu
verderben.* zu irap^x^iv vgl. § 36. 6, 26. veranlaszt wurde die
corruptel durch das mehrere male vorangegangene irapeXOuJV (§11
cü bk toOto jifcv TT. § 12 8 cu tt. und tt. toöc Keifi^vouc vöjüiouc),
das dem Schreiber noch im gedächtnis war.
§ 19. nach den langen auseinandersetzungen über die ungesetz-
mSszigkeit der klageform geht der redner zur erzfthlung über ; es
ist natürlicher dasz er jetzt am beginn der eigentlichen ausführung,
wenn er auf den process zu sprechen kommt, ihn als den gegen-
wartigen bezeichnet, dasz er also KaG^CTTiKa elc <TÖvb€> töv dt^va
sagt, so wie § 8. das pronomen steht in derselben oder in ganz
ähnlicher formel auch And. 1, 121. Isokr. 15, 25. 97. Lyk. 2.
§ 94. eure sache ist es )Lif| TTciOecOai Td fif) biKaia, sondern mir
zu folgen : 1) weil ihr überhaupt im letztem falle die sache wieder
gut machen könnt, im erstem nicht; 2) weil ihr bald in gesetzlicher
form gegen mich beschlieszen könnt, was ihr jetzt TrapavöjiUJC be-
schlieszen würdet, es fällt auf, dasz auf das toOto ji^v kein ent-
sprechendes toCto bi folgt; da wohl letzteres allein gebraucht wird
(5, 13. 69. 76. 82), aber nicht ersteres: vgl. 1, 1. 11. 5, 5. 11. 2f.
31. 50. 52. 53. 67. 81. 83 auszer allein 1, 9. falls daher nicht toCto
bk vor oibk xpövoc TToXuc ausgefallen ist; was ja sehr leicht geschehen
konnte, findet hier eine ähnliche freiheit statt wie 4 b 3 f. (et T6 jap
6 TtaTdiac . . ^tI bk oibk 6 iTTißouXctJcac). doch weit anstösziger
sind die nächsten hinter toOto |li^v ydp folgenden werte: ^fiol ttciOc-
fi^votc i&jLiiv fieraiLieXficat fcTtv. sie stehen in gar keinem gegensatz
zu dem was geschieht, wenn die richter den gegnem folgen — denn
reue konnten jene offenbar in dem letztem falle ebensogut empfinden,
als wenn sie sich durch die werte des Sprechers bestimmen lieszen — ;
und doch soll ein gegensatz vorhanden sein, ich schreibe daher:
toOto jüifev T^p , € l ^jLiol TT€i0Oji^voic öjiTv ^CTajicXyicai ('falls ihr
bereuen solltet'), ?ctiv toütou q)dp|üiaKOV tö aöGic KoXdcai. so
kommt der schönste gegensatz zu stände, und auch die einzelnen
teile desselben entsprechen einander genau, die einschiebung des
xal war die natürliche folge der ersten corruptel.
§ 95. wenn die falschen zeugen TÖ Trapaxpflfia fiövov die
382 FBlass: zn Archimedes.
lichter überzeugen, so dasz die Verurteilung des angeklagten er-
folgt, so ist mit seinem leben auch die räche für ihn dahin, danach
schiene es, als ob letzteres nicht der fall wäre, wenn die richter
für immer überzeugt würden , während die räche doch dann gerade
noch schwieriger wurde, dem Übelstande wird leicht abgeholfen
durch einsetzung eines Kai vor tö irapaxpfJlLia füiövcv.
Berlin. Emil Albreoht.
54.
ZU AECHIMEDES.
Im yajbijLiiTTic I § 9 (n 248 Heiberg) gibt Archimedes seine hypo-
these über das Verhältnis von sonnen- und monddurchmesser: er
setzt das Verhältnis 30 : 1, obwohl, wie er sagt, die früheren astro-
nomen einen weit geringem unterschied der grösze angenommen
hätten, diese worte lauten: xaiTTCp Tuiv rrpoT^piAiv dcTpoXÖTUiv
EuböHou jLi^v ibc dvveaTrXaciova dTroq)aivoji^vou , <t>€ibla bi toO
*AKOu7raTpoc ibc bf\ bwbcKaTrXadav (die buwbeKairXaciav?), *Api-
cräpxou bk Tre7T€ipa|Li^vou beiKvOeiv usw. wer ist dieser Pheidias,
und was heiszt ToO ^AKOUTraTpoc ? Hatet nomen patriam Phidiae
significans' sagt Madvig bei Heiberg, es dürfte aber schwer sein,
auszer durch sehr gewaltsame emendation , 'AKoOirotTpoc entweder
zu einem gentilnamen oder zu dem genitiv eines gebräuchlichen
eigennamens (damit es den vater des Pheidias bezeichne) umzu-
formen, unglücklicherweise kommt auch nur an dieser stelle der
astronom Pheidias vor. indes ich glaube, es läszt sich in anderer
art sehr leicht helfen: man belasse ToC . . iraTpöc, und ändere von
AKOY das K in M, was nach der Schreibart in den handschriften nur
ddr Verlegung eines verlängerten zuges bedarf, so entsteht ToO
djLioO TTQTpöc, dh. ToC f)jLi6T^pou, und es ist nun auch alsbald klar,
weshalb nur Archimedes diesen astronomen erwähnt: eben weil ^
Pheidias Archimedes' vater war, hierin aber wohl seine hauptsäch-
lichste bedeutung hatte, wegen des pluralischen djiiöc vergleiche
man, wenn das erforderlich, zb. § 3 in derselben schrift: tujv 1&9*
djLiOüv KaTUJVOjLiac^^vuJV dpiOjLiOüV. niemand sonst meldet den namen
von Archimedes' vater, und nun erfahren wir anszerdem auch, dasz
derselbe mathematiker und astronom war , also der söhn im berufe
des Vaters blieb, ich weise noch kurz daraufhin, dasz auch nach
den altersverhältnissen Pheidias als vater des Archimedes richtig
die mittlere stelle zwischen Eudoxos und Aristarchos einnimt; letz-
terer nemlich war zwar erheblich älter als Archimedes , aber doch
jedenfalls jünger als der vater desselben.
Kiel. Frieorioh Blass.
GFÜDger: die regierangen des Peisistratos. 383
55.
DIE REGIERUNGEN DES PEISISTRATOS.
Als Kroisos drei jähre vor seinem stürz (also 549) sich behufs
einer bundesgenossenschaft nach den Verhältnissen in Hellas erkun-
digte, erfuhr er dasz Athen, nachdem es zweimal die herschaft des
Peisistratos abgeschüttelt hatte , bereits zum drittenmal von jenem
regiert wurde, so berichtet Herodotos I 65 (vgl. 93), aber diese an-
gäbe wird von allen forschem verworfen und zu den groben ana-
chronismen gezählt, deren dem vater der geschichtschreibung mehrere
schuldgegeben werden : denn nach Aristoteles pol. V 9, 23 hat Pei-
sistratos 16 jähre im exil zugebracht, während von 560 (eigentlich
561, s. u.) bis 549 im ganzen nur 11 (12) jähre verflossen sind, die
zeit seiner regierungen und ihrer pausen wird von Larcher Ciavier
du Eresnoy Clinton Duncker ua. sehr verschieden bestimmt ; darin
jedoch kommen alle überein, dasz die dritte regierung erst nach dem
Sturz des Kroisos anhebt, ein versuch die ehre Herodots in dieser
beziehung zu retten darf dessen ungeachtet für nicht aussichtslos an-
gesehen werden: weder er selbst, der die geschieh te des tyrannen
blosz bis zu dem genannten Zeitpunkt im Zusammenhang erzählt und
aus der spätem zeit nur gelegentlich einige notizen mitteilt , noch
irgend ein anderer Schriftsteller bezeugt, dasz jene dritte regierung
auch die letzte gewesen sei; Peisistratos könnte sehr wohl, zumal
da nach dem brande des delphischen tempels 548 seine hauptgegner,
die.Alkmeoniden, durch die Übernahme und ausführung des Wieder-
aufbaus die gunst der einfluszreichen priesterschaft von Delphoi ge-
wannen, noch einmal verjagt worden sein und so von jenen 16 exil-
jahren ein teil in die zeit nach 549 fallen; dieser an sich denkbare
fall aber ist, wie sogar von mehreren Seiten her bezeugt wird, in der
that eingetreten.
Das in Bekkers anecd. 766 und von Tzetzes in der vita Homeri
angeführte epigramm , welches Homeros für einen Athener erklärt,
schreibt : ipic |Li€ TupavvrjcavTa TOcaurdKic £S€biuü£e bfJjLicc 'AOf]-
vaiiüv Kai rplc Imyfa^ejo töv iii^ay i\ ßouX^ rTeidcTpaTOV * : es
bezeugt hiermit ausdrücklich , dasz der tyrann nicht drei- sondern
viermal die herschaft an sich gerissen hat. die abfassung dieses ge-
dichtes möchten wir zwar nicht in so frühe zeit setzen wie Bergk
OLG. I s. 449 : so lange die Athener wert darauf legten einem frei*
Staat anzugehören, und es für eine hohe auszeichnung galt, ein Stand-
bild neben den statuen des Harmodios und Ahstogeiton zu erhalten,
wurde Peisistratos schwerlich in solcher weise wie hier von einem
Athener gepriesen, und die Übereinstimmung mit Aristarch in be-
treff der heimat Homers läszt eher vermuten , dasz es nach der zeit
dieses grammatikers geschrieben sei; dem werte des Zeugnisses an
^ Bergks meinang, die dritte Vertreibung beziehe sich auf Hippias,
ivideretreitet dem text (rpic |Ji€ ^cbCuiEc . . rpic £TTT)TdT€T0) und den
thatsachen: Hippias ist nicht wieder eingesetst worden.
384 GFUnger: die regieningen dei PeisiBtratos.
sich thut dies indes wenig eintrag, und es tritt ihm das einer rede zur
Seite, welche nur drei Jahrzehnte jünger ist als Herodots geschichts-
werk: Isokrates TT. ToO ZctJTOuc c 10 schreibt: TCTrapdKOvra ivi)
Tfic cidceujc T€vo|Li^vfic inxö jifcv täv Tupdvvujv Tocouxif) ^fiXXov
Tüüv dXXuüv djuicrjOTicav (ol 'AXK)Li€iuvibai), ujc6' 6itöt£ TdKcivuiv
KpaTTJcaiev ou jiövov Tdc oiKiac aörOüv KOT^CKairrov dXXa kxA touc
Tdq)0uc dvibpuTTOV. der 40jährige parteihader, von welchem hier
die rede ist, endigt ol. 67, 2 «s 511/10 mit dem stnrz der Peisistra-
tiden, beginnt also zehn jähre nach der ersten erhebung des tyrannen,
und da die zweite unter beihilfe der Alkmeoniden zu stände ge-
kommen, die hSuserzerstörung und gräberschändung aber, welche
Peisistratos über jene als die träger der Eylonischen blutschnld ver-
hängte, sie laut öiTÖTC KpaTi^cai€v KaT^cxairrov xai dvidpurrov mehr-
mals getroffen hat , so musz der tyrann nach der dritten regierung»
unter welcher es zum ersten mal geschehen ist, noch ein drittes exil
und eine vierte regierung erlebt haben; man mttste denn annehmen
wollen, wofür keinerlei anhält gegeben ist, dasz Hippias zweimal
tyrann geworden sei. bei seiner ersten erhebung war Peisistratos,
wie Herodot 1 59 z. e. angibt, überhaupt sehr schonend aufgetreten,
die Alkmeoniden hatten die stadt gleich verlassen (Plut. Solen dO)
und würden sicher mit ihm sich nicht wieder ausgesöhnt und ver-
bündet haben, wenn er schon bei jener sie als blutschnldige behan-
delt hätte; deswegen datiert der redner den tödlichen hass und hader
zwischen beiden familien von dem anfang der dritten regierung.
dieser föllt ihm also in ol. 57, 2 «s 551/50, und damit bestätigt er
den vermeintlichen anachronismus Herodots, nach welchem Pei-
sistratos 549 schon zum dritten mal über Athen herscht.
Zu der Verdammung dieser angäbe hat freilich noch eine andere
stelle Herodots beigetragen, deren inhalt in der that mit ihr nicht
vereinbar ist: I 62 schreibt er, Peisistratos sei nach seiner vertrei*
bung bid ^vbeKdrou ^tccc wieder zur herschaft gelangt, die dauer
zweier regieningen des tyrannen und seines ersten exils neben dem
zweiten, wenn dieses 10 bis 11 jähre gedunert hat, zwischen 561
und 550 unterzubringen ist ein ding der Unmöglichkeit, ein fehler
also jedenfalls vorhanden ; diesen suchen wir aber nicht mehr in der
zuerst behandelten , nunmehr gesicherten angäbe , sondern in ivhe^
KdTOU, und dürfen dies um so unbedenklicher thun, als aus der Schil-
derung, welche Herodot von dem zweiten ezil gibt, mit völliger
klarheit hervorgeht, dasz dasselbe weit weniger als 10 jähre ge-
dauert hat. um das zu erweisen , geben wir seine darstellnng , an
den entscheidenden punkten in Übersetzung , wieder.
Als der Alkmeonide Megakles, von Peisistratos gekränkt, sich
mit der dritten, bisher beiden feindlich gesinnten partei gegen jenen
verband , da räumte der tyrann das land , begab sich nach Eretria
und hielt, dort angelangt, mit seinen söhnen beratung, was jetzt zu
thun sei; die entscheidung fiel zu gunsten der ansieht, man müsse
die herschaft zurückerobern, sofort (dvOaOra) begannen sie bei-
GFUnger: die regierangen des PeisiBtratOB. 385
trttge in den Staaten zu sammeln , welche ihnen irgendwie zu dank
verpflichtet waren; von allen Seiten, ganz besonders aus Theben
flössen ihnen die gelder in reichem masze zu; nach verlauf einer zeit
war alles für die Unternehmung wohl vorbereitet (füierä b^, oö
7ToXX«?i XÖTif cliTCiv , xp<Woc bxifpv Kttl TTdvra C91 ÖViptuto de Tffv
Kärobov) : denn aus der Peloponnesos waren argivische söldner ein-
getroffen (diriKOvro), und hervorragenden eifer im herbeischaffen
von geld und mannschaft hatte ein freiwilliger teilnehmer, Lygdamis
aus Nazos , entwickelt (Trapeix^Tc). von Eretria aufbrechend biet
ivbCKdrcu £t€OC dTriKOvro örricuj. dies der bericht Herodots 1 63 f.,
aus welchem deutlich erhellt, dasz von der flucht des Peisistratos
aus Attika bis zu seiner rückkehr nur so viel zeit vergangen ist , als
die gleich nach der flucht begonnenen Vorbereitungen und rttstungen
in ansprach genommen haben, dasz zu diesen 10 — 11 jähre nötig ge-
wesen seien, wird niemand behaupten, um so weniger als Peisistratos
nirgends ein hindemis, vielmehr bereitwilliges entgegenkommen,
zum teil eifrigste Unterstützung und selbst unverhoffte mitwirkung
gefunden hat. die reisen in die Städte konnten teilweise wenigstens
gleichzeitig von den mitgliedern, dienern und anhängern der familie
gemacht werden, die anwerbung der Söldner, beschaffang von kriegs-
bedarf und fahrzeugen kostete, da es an geld nicht fehlte, kein halbes
jähr , die gesamte Vorbereitung kaum ein ganzes ; stftnde ^vbCKdrou
nicht im texte , so würde sicher niemand die dauer dieses ezils auf
mehr als 6in jähr veranschlagt haben, jenes zahlwort läszt sich aber in
gefälliger weise, durch einfachen abstrich beseitigen : aus bid £t€OC,
wie Herodot nach unserer ansieht geschrieben hat, ist durch Ver-
doppelung zweier buchstaben bid la' £t€OC entstanden.
Für diese textänderung spricht auszer der Chronologie und dem
sinn auch die grammatik. dem ausdrack bid ^vbCKdrou £t€OC hier
die bedeutung 'nach' oder *in dem elften jähre' beizulegen ist man
blosz durch die Verbindung desselben mit dTriKOVTC veranlaszt wor-
den, welche es unmöglich macht ihn in d6m sinne zu nehmen, wel-
chen bid bei einer Ordnungszahl sonst überall hat, nemlich undecimo
quoque anno^ wie zb. bei Herod. 11 4 ^'QXiivec bid TpiTOU £t€OC
d)Liß6Xi|üiov (lifiva) dTr€)LißdXXouci Ti&v dbpduiv etvcKCV, n 37 ol Ipdec
EupeOvrai iräv tö ctüfia bid TpiTtic fm^pric. die an unserer stelle
erforderliche bedeutung *nach' hat bid sonst nur in Verbindung mit
cardinalzahlwörtem wie VI 118 TÖv dvbpidvra bi' drdujv cIkoci
dKOfiicavTC oder mit ausdrücken welche diesen gleichkommen, zb.
IV 1 dirobimyicavTac öktw kqI elKOci ^Tca xal bid xpdvoif tocoijtou
KOnövrac, und wenn sich in der andern, distributiven bedeutung
hie und da bid auch mit der grundzahl anstatt mit dem ordinale
verbunden findet, so folgt daraus doch nicht, dasz auch die umge-
kehrte vertauschung da platz gegriffen hätte, wo die präposition
einem fLieid , post gleichkommt, den distributionsbegriff, welcher in
andern sprachen durch besondere zahlausdrücke (guinto quo^^ anno
*alle vier jähre') ausgedrückt wird, trägt im griechischen die blosze
386 GFUnger: die regierungen des Peisistratos.
präp. bid vermöge ihrer bedeutang vollständigen durchdringens und
allseitiger Verbreitung ; das ordinale sollte daher eigentlich im plural
dabei stehen , b\ä ir^jiTmuv dTiüv *in allen fünften jähren', und so
heiszt es, begünstigt durch die beistehenden plurale, in Piatons ge-
setzen 834« öcai iy fopTmc fijbiiXXm xopofv dvaTxaiai ifiTVCctoi,
K0C)üiTi9r|C0VTai cTtc ipiCTTipibec eixe Kai bid Tr^/LiTTTuiv diuiv. weil
aber die Ordnungszahl als ausdruck der letzten, eine reihe abschlieszen-
den einheit von haus aus ein singularbegriff und die pluralform ihr
ebenso zuwider ist wie dem zahl wort eins, so hat sich der sprach?
gebrauch dabin entschieden, von den zwei einander widerstrebenden
formen die eine abzustreifen und entweder den plural durch die ein-
zahl (bid TrejiTTTOu ^touc) oder die Ordnungszahl durch das cardinale
(bid TT^VTC ^TÜüv) zu ersetzen, dieses motiv kommt bei bid in der
bedeutung post nicht in betracht, weil hier nicht das ordinale son-
dern die grundzahl von vom herein gegeben ist: statt 5id Svb€Ka
dTÜJV dh. biaTCVOjLi^vujv ^vbexa ivSjv , interiecHs ttndecim annis ist
bid ^vbeKdrou £touc ebensowenig gesagt worden wie biaT€VO)üi^vou
^vbeKdrou ^touc oder interiecto undedmo anno.
Nicht in oder nach dem elften jähre also, sondern nach Jahres-
frist ist Peisistratos aus dem zweiten exil zurückgekehrt, und es
läszt sich nunmehr die zeit der Wandlungen, welche seine herschaft
durchgemacht hat , mit ausnähme nur der letzten mit annfthemder
Wahrscheinlichkeit bestimmen; jedoch ist es nötig vorher das ende
der gesamten Peisistratidenherschaft und, weil es bei diesem auf das
datum der Marathonischen schlacht ankommt, auch letiteres fest-
zustellen. Hippias wurde gestürzt im 20n jähre vor der Marathon-
schlacht (Thuk. VI 59) und im vierten nach Hipparchos ermordung
(Thuk. ebd. Tupavveücac Izt] xpia liririac in 'AGiivuiv Kai irouOelc
^v Tip T6TäpTip). da Hipparchos an den groszen Panathenaien (Herod.
Y 56. Thuk. VI 56), welche im dritten jähr jeder Olympiade gegen
ende des ersten monats hekatombaion gefeiert wurden, also im an-
fang ol. 66, 3, mitte juli oder mitte august 514 ermordet worden
ist, so fällt die Vertreibung des Hippias spätestens ende 67, 2 dh.
vor den 9n juli 510. dasz sie diesem archontenjahr, nicht dem näch-
sten ol. 67, 3 "■ 510/9 zuzuweisen ist, erhellt auch aus [Plat.]
Hipparchos 229 *» ipCa lvf\ drupawciiOiicav und schol. Ar. Ljsistr.
619 ^TTi irr] f\ o\ bk b': die grammatiker rechnen nach attischen
jähren ; bei einzählung beider grenzjahre ol. 66, 3 und 67, 2 erhielt
man vier. Herodotos V 55 dTupavvۆ0VT0 dir* liea T^cccpa oub^v
fjccov dXXd Kai ^dXXcv f^ TrpoToO setzt, da er naturjahre zu gründe
zu legen pflegt, wahrscheinlich den anfang in das mit frtthling 514,
das ende in das mit frühling 510 beginnende jähr, so dasz wir die
Vertreibung in den frühling oder vorsommer 510 zu setzen hätten;
eine noch engere begrenzung, auf die zwei letzten monate von 67, 2
«= 511/10, wird sich unten ergeben.*
* um das (zn späte, 8. u.) datum der MArathonischeD schlacht. den
6n boödromion mit den oben citierten angaben sn vereinigen, nimt
GFÜnger: die regierungen des Peisistratos. 387
Die erste erhebung des Peisistratos fällt ol. 54, 4 «=» 561. dies
«rgibt sich zunächst aus scbol. Ar. We. 500 bOKcT f) Tupavvic KttTa-
CTTivai, (jjc (priciv '€paToc0dvric, lux ?tii v': von 67, 2 = 511/10
fahren 50 jähre in 54, 4 «» 561/60; dasz aber Eratosthenes nach
vollen Jahren rechnet, lehren die fragmente seines kanons. wenn
Clinton ua. dem archonten Eomias , unter dem Peisistratos tjrann
wurde (Plut. Solon 32 ; marmor Par.), das j. 55, 1 *» 560/59 geben,
weil Eratosthenes 50 jähre auf die ganze Peisistratidenherschaft
rechnet und Thukjdides VI 59 iTTiriac ^c MapaGujva öcTcpov frei
elKCCTiu M6Td Mrjbujv dcTpareuccv schreibt, so begehen sie erstens
mit dieser summierung von 50 + 20 = 70 jähren vor 490 vor
Ch. eine vermengung ungleichartiger begriffe: Eratosthenes legt
archontenjahre zu gründe, während Thukydides absolute zeit im
äuge hat; zweitens ist das datum der Marathonschlacht der 6e bo&-
dromion (september), welches dabei aufgrund von Plutarch Cam. 19.
de Herod. malign. 26. glor. Athen. 7 vorausgesetzt wird, anerkannt
unrichtig und, wie Böckh mondcyclen § 15 gezeigt hat, durch Ver-
wechslung mit dem gedächtnistag der einige zeit nach der schlacht
gehaltenen Siegesfeier entstanden, die Spartaner rückten am tage
nach Vollmond aus, um den Athenern hilfe zu bringen; am dritten
tage in Athen angelangt fanden sie die schlacht schon geschlagen
(Her. VI 106. 120); diese hatte also am tage ihres ausmarsches oder
am nächstfolgenden.stattgefunden, jedenfalls in der mitte des monats,
weil dieser mit dem neumond anfieng. der beschlusz, dasz Miltiades
das beer hinausftlhren solle, war in der prytanie der Aiantis gefaszt
worden (Plut. quaest. sjmp. I 10, 3), dieselbe phyle hatte in der
schlacht den ehrenplatz auf dem äuszersten rechten flttgel (Plut.
ebd.); hieraus zieht Böckh den schlusz, dasz isie für jenes jähr die
erste prytanie erloost hatte, und setzt, um sich von dem datum der
Siegesfeier nicht allzu weit zu entfernen, den beschlusz in die letzten
tage dieser prytanie , anfang metageitnion , die schlacht aber in die
nächste prytanie, auf den 1 7n metageitnion, normal = I2n september.
mit besserm recht folgert KFHermann gr. monatsk. s. 27 aus jener
Stellung der Aiantis, dasz sie zur zeit der schlacht im besitz der pry-
tanie war, und dafür spricht auch Her. I 111 d£eb^KOVTO (in der
Schlachtaufstellung) (bc i^piOfüi^cvTO al q)uXai £x<^)Lievai dXXiiX^uJV :
denn wenn die Aiantis zu dieser zeit nicht als erste zählte, so würde
sie auch nicht am ehrenplatz gestanden haben, aus diesen angaben
Clinton an, Hippias habe vor hekatombaion 67, 3 «» 610 die herschaft
verloren, aber erst nach dem 6u boedromion Attika verlassen, zwi-
schen diesen zwei ereignissen vergiengen aber höchstens 10 — 14 tage,
den Lakedaimoniern , schreibt Herodot V 66 , würde es nicht gelangen
sein die Übergabe der akropolis zn erzwingen: denn eine belagernng
(£ir^6pT)v) anzustellen hatten sie nicht vor, nnd Hippias war mit speise
und trank wohl versorgt; nach einer belagerang weniger tage würden
sie Attika wieder verlassen haben, so aber spielte ihnen ein zafall die
kinder der Peisistratiden in die bände, worauf diese sich dazu ver*
standen binnen fünf tagen das land zu räumen.
388 GFUnger: die regierungen des PeisiBtratoB.
ist also kein schlnsz auf den monat der schlacht zu ziehen; wie auch
der tag von Böckh nicht richtig auf den 17n und auf drei tage nach
Vollmond bestimmt ist : stimmte der kalender zum mond, so war es
der 14e, 15e oder 16e monatstag.
Die Schlacht bei Marathon hat im zweiten viertel von 490 ^ im
letzten von ol. 72, 2 stattgefunden, dahin führt des Thukydides
eiKOCTiu fiel: denn der stürz des Hippias gehört dem zweiten viertel
von 510 an, von da bis zur schlacht waren keine volle zwanzig jähre.
dasselbe bezeugt Dionysios v. Hai. ant. VIT ikrcpct rd MopoOtüvta
Tflc BpoÜTOU Tacpfjc &Kaib€Ka f reciv : Brutus wurde 68, 1 — 608/7
consul und zwar am In Januar (ebd. V 1. Philol. suppl. IV 288); er
starb im hochsommer nach der ernte (Dion. V 13) , also im anfang
von 68, 2 = 507/6, von wo 16 jähre in 72, 2 = 491/90 führen.
femer Gellius XVII 21 ducentesimo et sexagesimo annopost Bomam
condUam aut non longe ampltus vidos esse Persas tradiium est pugnam
Maratkoniam. von den zwei quellen, welche Oellius in diesem oapitel
benutzt (rhein. mus. XXXV 13), ist die eine, Varro, für non longe
ampliiis anzunehmen: 490 vor Ch. vom 2 In april ab würde bei ihm
in das 264e , die voraufgehende zeit in das 263e stadIjahr gefiülen
sein, der andere gewfthrsmann, Nepos, setzte Roms gründung drei
jähre später als Varro, das jähr 490 vor Ch. muste er also bis mm
2 In april mit dem 260n, von da ab mit dem 26 In stadijahr verglei-
chen, vorausgesetzt nemlich dasz er die Jahreszeit oder den monat
genau treffen wollte ; in der regel hat sowohl er als Vairo sich ohne
zweifei damit begnügt die stadtjahre mit den archontei^ahren im
allgemeinen zu vergleichen, so dasz stadtj. 260 für Nepos, 263 für
Varro mit ol. 72, 2 — 491/90 identisch war. Nepos folgte dem
Eratosthenes und ApoUodoros (Solinus 1, 27); Dionysios von Hali-
kamasos erklärt 1 74 den kanon des Eratosthenes für den besten und
hat selber die Eratosthenisch-Apollodorische chronik neu bearbeitet
und fortgesetzt: in dieser war also die schlacht unter 72, 2 0^491/90
verzeichnet, die Vorbereitungen zu dem unternehmen hatte der
Perserkönig vor mehr als Jahresfrist getroffen : nach dem miserfolg
des Mardonios im herbst 492 war der Oberbefehl dem Datis und
Artaphemes übertragen worden (Her. VI 94) und 491 an die west-
lichen küstenstädte der befehl ergangen, neue kriegs- und lastschifTe
auszurüsten (VI 48. 95); als die neuen fiihrer mit dem beer, welches
sie Trapd ßaciX^oc empfangen, die kilikische küste erreicht und dort
ein lager bezogen hatten, stiesz die flotte zu ihnen (VI 95). ohne
zweifei waren sie von Babylon, wo die könige vom September bis zum
frühlingsanfang residierten (Xen. anab. m 4, 15. Kjrup. Ylll 6,22)«
nicht später aufgebrochen als seinerzeit Mardonios, nemlich mit früh*
lingsanfang (Her. VI 43), möglicherweise noch früher; nach 50 — 60
tagen, spätestens vor ende mai konnten sie sich einschiffen, anfangs
juni bei Eretria landen, diese stadt ergab sich am 7n tage, wenige
tage danach landeten sie in Marathon (VI 101. 102); am 13n juni
früh war vollmond; an diesem oder dem folgenden tage fand die
GFUnger: die regierongen des Peisistratos. 389
Schlacht statt, dh. am 15n oder 16n tage entweder des thargelion
oder des skirophorion, je nachdem der nfichste hekatombaion mit
dem 28n joli oder 28n juni 490 anfieng.
Mit dieser Zeitbestimmung verträgt sich auch Thuk. I 18 , wo
der zug des Xerzes (in Eappadokien herbst 481 begonnen, in Sar-
deis frühlingsanfang * 480 fortgesetzt) und die Übernahme der helle-
nischen heerftthrung durch die Spartaner (april 480, Herod. YII
173 — 174. 37) in das zehnte jähr nach der ßchlacht gesetzt werden;
ebenso die runde angäbe Piatons in den gesetzen 698 ^ cx^böv b^Ka
£t€ci npö Tfjc ^v CaXajüiivi vaufiiaxiac dqpiK€TO Aärtc: es waren 10
jähre und 3 — 4 monate. dasz Plutarch ao. und die parische chronik die
Schlacht unter Phainippos, den archonten von 72, 3 »» 490/89 setzen,
ist eine folge der Verwechslung des schlachttages mit dem datum der
Siegesfeier , 6n boödromion ; diese wurde so spftt, 3 — 4 monate nach
dem sieg abgehalten, weil auf den 6n bo6dromion das fest der beute-
göttin Artemis Agrotera fiel und an ihm das vor der schlacht dar-
gebrachte gelttbde fdr jeden erlegten Perser eine ziege zu opfern ge-
löst worden ist.' Ailianos var. n 25 nennt als eines der wichtigen
ereignisse, welche an der ÜKtt] Oapun^^^üvoc vorgekommen sind, die
Marathonschlacht; da die monatsdekade nicht angegeben ist, so
kann, was öfters vorkommt^, der ausdruck auch den 16n und 25n
(£ktt) q>6ivovTOC) monatstag mit bezeichnen, um so mehr als nachher
bei derPlataiaschlacht ausdrücklich kiafüi^vcu hinzugefügt wird, ohne
zweifei um zu verhüten, dasz bei ihr die Sktti nicht auf den 16n oder
26n tag bezogen werde, der unbestimmte ausdruck Sktt) bei der Mara-
thonschlacht wäre dann deswegen gewählt, weil diese einer andern
dekade angehört als der mit ihr verbundene geburtstag des Sokrates,
welcher auf die Sktii IcTafi^vou fiel (La. Diog. n 44. Plut. qu. symp.
VIII 1), und es könnte daher wohl der 16e thargelion gemeint sein,
obgleich freilich wegen der manigfachen irrtttmer, welche das capitel
enthält, nicht sonderlich viel auf die stelle zu geben ist.
Bestätigt und enger begrenzt wird das bis jetzt für den anfang
des Peisistratos gewonnene ergebnis durch Aristoteles poLY 9, 23 £v
ireci TpiäKOVTa Kai xpidv ^nraKaibcKa toötujv dxupdwficev, öktui-
KaibcKa bi o\ naibec , iSjctc rä irävra iflyero (rt] rpiäKOVTa Ka\
' die herabsetzong der ziegenzahl von 6400 (so viele Perser waren
gefallen, Her. VI 117) auf 600 oder 300 gehört sicher einer spätem zeit
an, als man nicht mehr blosz den Marathonsieg so feiern hatte: ,bei
dem gelübde hatte man auf eine noch grössere zahl von opfertieren
rechnen müssen, wenn man anf einen sieg über mindestens 110000
feinde hoffte, und damals war das dankgefühl jedenfalls so grosz wie
die dankespflicht; dasz die Schwierigkeit 640O ziegen aafznbringen
schuld an der Verzögerung der Siegesfeier gewesen, läszt sich nicht
annehmen. ^ so belegt Isigonos de rebus admirab. 44 die bedent-
samkeit der TCTpdc mit beispielen ans allen drei monatsdekaden; die
TpfTT) als heiliger tag der Pallas bezieht sich auf die Tpini q>6(vovTOC,
aber auch auf die Tpini lcTa|Ji^vou (Petersen in diesen jahrb. suppl. II 308) ;
die öcuT^pa ßoii6pofiiiS)voc Plutarch qn. sjmp. IX 6 ist die beuT^pa (p6(-
vovTOC (Böckh CIG. I s. 226).
390 GFÜngert die regidrongen dei Peitiitratos.
TT^VTC. dieser rechnet, wie die vorhergehenden zahlen (KjpseloB 30»
Periandros 8V2} Psammetichoe 3 jähre) und die nachfolgenden (Oelon
über 7, Hieron 10 jähre, Thraeybnlos ttber 10 monate, znsammen 18
jähre) lehren, nach absoluter zeit, und die 83 -f- 13^ ~ 61 jftlire be-
deuten nAhr als 60 V2» weniger als 51 7,, so dasz der anfang des
Peisistratos in 661 vor Ch. entfttUt. Henzens oapitolinische tafel CIO.
6866 schreibt d<p' ofi TTcidcTpOTOC £Tup6w€u(c€V £v *AOf^)vaic Kai
ATciUTTOC iy Zi€X<poic K0T€KpTi)üiv{c6ii ivf] <poO', was auf ol 68, 4 —
666/64 fuhren wttrde, weil als schlusztermin 198, 2 — 14/16 nach
Cb. vorausgesetzt ist*; die leichteste ttndernng <pO€' ergibt 64, 4 ■«
661/60. die parische chronik zählt 297 jähre von Peisistratos er-
hebung und dem archon Komias bis zum archon Diognetos 129, 1 ■«
264/68 ; da sie das letzte jähr bald einzahlt bald ausschlieszt, so kann
ol. ^4, 4 ebenso gut gemeint sein wie 66, 1/ endlich die notizen
des Eusebischen kanons lassen uns, wie überall wo es sich um ein
bestimmtes datum handelt, so auch hier im stich: die hss. variieren
zwischen 64, 8 und 64, 4.
Die zwei ersten regierungen des Peisistratos können nur von
sehr kurzer dauer gewesen sein, weil nicht blosz Isokrates sondern
auch Aristophanes von Bjzantion sie ganz ignoriert, in der that
schreibt Herodot von der ersten, sie habe ou iroXXÖv XP<^VOV ge-
dauert^, und von der zweiten ergibt sich dasselbe aus ihrer ge-
schichte: nachdem Peisistratos mit Megakles hilfe die herschaft ge-
wonnen hatte, heiratete er der Verabredung gemäsz dessen tochter,
und als diese ihren eitern verriet dasz er keine kinder mit ihr er-
zielen wolle, schlosz Megakles mit den bisherigen feinden ein btlnd-
nis, was den tyrannen veranlaszte sofort das land zu verlassen, seine
dritte regierung wüste er fester zu gründen (Her. I 64 ippiZiuce),
und erst von ihr ab rechneten manche die zeit der gesamten Pei*
sistratidenherschaft: Isokr. ir. t. ZcOtouc c. 10 TCTrapäKOvra £tt| Tfjc
CTdccwc T€VO)üi^vr)C, schol. Ar. We. 600 'AptCTO<pdvouc \ikv T€C*
capdKOvra koI Iv <pf)cavTOC. Aristophanes legte jedenfalls, wie idle
* 'Kyazares und Astjages' 0.76. * vWilamowits 'Antigonoi von
Karystof' f. 262 fetzt den Diognetos ein Jahr später: der chronlft habe
addierend von dem jedeimaligen archonten die namen gezählt vnd je
nachdem er Diognetoi ein- oder anMchloss, ein jähr mehr oder weniger
erhalten, dleeei verfahren wird eben bei der von W. mit grosser Zu-
versicht getadelten ansieht Böckhs na. vorausgesetzt und 264/68 vor Ch.
als jähr des Diognetos dabei gewonnen, zb. wenn von Sokrates tod
(400/899) inclusive 287 oder von der Leuktrischen Schlacht (871/70)
ezclusive 107 Jahre bis Diognetos gezählt werden, an den fall, wie
bei dem Vorgänger des Diognetos sn verfahren sein würde, soll der
Chronist nach w. gar nicht gedacht haben; dieser hat Jedoch laut seiner
eignen erklämng (Avifpat^ dpgd^cvoc dir6 K^Kpoiroc cfuic dpxovroc
AtOTV^TOu) auch an den Vorsänger Diognets gedacht. ^ Synkellos
und der Eusebische kanon: mtckTpatoc 'AOnvaiuiv iTupdvvr)C£ Kai cic
'ItaXlav irapf)X6€v (armen, flbers. ndgravlt^ Hieron. tramgreditur). er ist
also noch in demselben Jahre verjagt worden, statt 'iToXiav schreiben
wir 9€TTaX(av: einer von den söhnen des Peisistratos hiess Thettalos,
und 610 boten die Aleuaden den vertriebenen Peisistratiden lolkos an.
GFUnger: die regierangen des PeisiBtratos. 39 t
•
Alexandriner, arcbontenjahre zu gründe; die dritte regierung be-
gann demnach, vorausgesetzt dasz die 41 jähre inclusiv gezählt sind,,
ol. 57, 2 «= 551/50. das zweite exil hat, wenn wir bei Herodot
^vbCKCtTOU streichen, 1 jähr gedauert, also 57, 1 »> 552/51 be-
gonnen ; der vorausgegangenen zweiten regierung geben wir unge-
fähr Vj j^^' s^ ^^32 s^® ^^) ^ °^ ^^^ anfieng. auf ebenso viel
schätzen wir die dauer der ersten regierung; dann entfallen auf das
erste exil die 8 jähre 560 — 553.
Sein letztes exil hatte Peisistratos wahrscheinlich 536 , jeden-
falls aber 532 schon hinter sich, nach Herodot VI 103 siegte Kimon
der vater des berühmten Miltiades, nachdem ihn Peisistratos vers-
trichen hatte, zu Olympia mit einem Viergespann und liesz beim ver-
kündigen des Sieges mit seinem namen den seines Stiefbruders Mil-
tiades, des tjrannen von Chersonesos, verbinden; als bei der nftch-
sten feier dieselben pferde siegten, gab er die ehre dem Peisistratos
und erhielt dafür von diesem die erlaubnis nach Athen zurückzu-
kehren, als sie ihm noch einen dritten sieg erworben hatten, räum-
ten ihn die söhne des bereits verstorbenen Peisistratos meuchlings
aus dem wege. dasz der dritte sieg bei der nächstfolgenden feier
gewonnen worden war, nimt Duncker IV 324 mit rücksicht auf die
für rosse wahrscheinliche dauer der leistungsföhigkeit gewis mit
recht an; wenn er aber die drei siege 532 528 524 setzt, 'so geht
er von dem jetzt nicht mehr haltbaren todesdatum des Peisistratos
527 aus. nach Aristoteles regierte Hippias 18 jähre; dasz diese
reichlich bemessen und eher über als unter 18 volle sind, ist daraus
zu schlieszen , dasz Herodot VI 65 auf die wirkliche regierung des
Peisistratos und seines nachfolgers nicht wie Aristoteles 35 sondern
36 jähre zählt. Peisistratos ist also 528 , möglicherweise schon vor
ende 529 gestorben, vielleicht um die zeit der olympischen spiele
528 und Eimon gleich nach seinem tode, noch vor der Verkündigung
der Sieger zu Olympia getötet worden, hieraus erklärt sich das auf-
fällige schweigen Herodots über das verfahren Eimons bei dersel-
ben, ebenso aber auch seine ermordung: der vertrag, den er um die
heimkehr zu erwirken unterzeichnet hatte, war mit dem tode des
tyrannen erloschen, und sowohl er wie Hippias brauchten sich nicht
mehr an denselben zu binden, sein älterer söhn Stesagoras hatte
damals das mannesalter , dh. das 20e jähr noch nicht erreicht (Her.
VI 103 fjv xriviKauTa Trapd tuj TKÜxpiu MiXndbr) Tpeq)öjLi€VOC iy
Txji Xeppovriciu) ; dagegen 524 finden wir den jungem söhn Miltiades
schon als archon eponymos. diese würde hatten ihm die Peisistra-
tiden, welche durch besondere gnade gegen ihn den verdacht des
mordes von sich abzulenken suchten (Her. VI 40), vermutlich ver-
schafft, sobald er das gesetzliche alter von 20 jähren erreicht hatte;
bei der Marathonschlacht zählte er, wenn diese Vermutung zutrifft,
53 — 54 jähre, die drei siege Eimons fallen demnach 536 532 528,
und spätestens vor mitte 536 hat die dritte regierung des Peisistratos
begonnen.
392 GFUnger: die regierungen des PeiBistratos.
•
Die 7 für das letzte exil^ ttbrigbleibenden jähre falleii also zwi-
schen 549 und 536. in dieser zeit hat, wie aus Diodor zu schliessen
ist, wirklich eine Veränderung in seinen Verhältnissen stattgefunden,
die vaticanischen excerpte erwähnen nach einander IX 35 und 36, 1
den krieg des Harpagos gegen die lonier (begonnen zu anfang 5M),
c. 36, 2 — 4 den der Spartaner gegen Tegea (549, von Diodor aber
wohl episodisch bei der mehr anspruchsvollen als kräftigen Inter-
vention Spartas zu gunsten der bedrängten lonier angebracht) ; folgt
c. 36, 5 ein gedanke, der zu einer Verschwörung passt (Kpcirrov
elvai TeXeuTov f\ Zwvrac iaurouc fiCTa ti&v cuttcviIiv ^90pfiv
&E\a Oavärou TrpdTTOVTac) , dann c. 37 zwei anekdoten von der
launigen groszmut des Peisistratos beleidigem gegenüber; XI 1 die
ermordung des Servius Tullius (um 533). die auffallende thatsadhe,
dasz die lonier 545 von ihrer mutterstadt Athen keinerlei Unter-
stützung erhalten, ja nicht einmal um eine solche dort nachgesucht
hatten, obgleich Peisistratos damals schon auf der hOhe seiner macht
stand, die Kjkladen und Sigeion beherschte^ auch am Strymon be-
sitzungen hatte, diese thatsache läszt schlieszen, dasz er üdi mit den
Persem verständigt hatte und nicht helfen wollte: vielleicht um
Sigeion zu retten, wohl auch weil jene die herschaft der ^yranneiL
begünstigten, während Eroisos wenigstens in Epheeos die arisio-
kratie wiederhergestellt hatte (Polyainos VI 50). solche gefttU-
losigkeit gegen das Schicksal der tochterstädte mag in Athen er-
bitterung hervorgerufen und den anhang seiner gegner so verstärkt
haben, dasz der tyrann um 544 gestürzt werden konnte, wir geben
demgemäsz seinen regierungen folgende Zeitbestimmung:
54, 4 — 561 die erste, V2 H 54, 4 — 560 ezil 8 j.
56, 4 — 552 die zweite, Vs j- ; 57, 1 — 562 ezfl 1 j.
57, 2 — 551 die dritte , 7 j.; 58, 4 — 544 ezil 7 j.
60, 3 — 537 die vierte, 9 j. ; 62, 4 — 528 tod.
^ EoBebios kennt blosi ^ines: die notii TTcicicTpaToc 'AOiivaiuiv t6
beOrepov ^ßaciXcuce (Sjnkellos 451) bringt die armenisohe übersetxonf
unter ol. 59, 2, die hsB. des Hieronymas geben sie anter 68, 4; 59, 4;
58, 2 na. wenn er die 16 exiljahre lusammenschob, so entfiel ihm das
ende der verbannang in 68, 4.
WÜRZBUBQ. ObORO FrIEDRIOH ÜNQBR.
FKem: schluBz des zweiten epeisodion in Sophokles Antigene. 393
56.
ÜBER DEN SCHLUSZ DES ZWEITEN EPEISODION
IN SOPHOKLES ANTIGONE.
Ob in der letzten hälfte des zweiten epeisodion der Antigone
der vers 572 iS 91X108' AijiUJV, UJC c' dTijidZiei Trairip der Antigone
oder der Ismene angehöre, darüber scheint seit Böckh bei den neueren
hgg. kaum mehr ein zweifei zu sein, die für Antigone gegen die
autorität der hss. vorgebrachten gründe haben sich so siegreich ge-
zeigt, dasz man jetzt meistens den vers mit ihrem namen bezeichnet,
mir aber scheint ein zweifei an der Stichhaltigkeit dieser conjectur
noch immer durchaus berechtigt, ja ich glaube dasz man ohne zu-
reichende gründe das überlieferte verschmäht hat.
Der vers soll in Antigones munde fast unentbehrlich sein, es
soll unnatürlich sein, dasz die braut in dem ganzen drama nicht ein
einziges mal ausdrücklich des verlobten gedenke, darauf ist zu ent-
gegnen , dasz nach unsem begriffen es nicht minder auffallend ist,
dasz sie vor ihrer verhängnisvollen that dem Haimon , den wir als
einen entschlossenen, den zom seines vaters und den tod nicht
scheuenden Jüngling kennen lernen, zudem als einen jüngling, der
ihre that durchaus billigt, gar keine mitteilung macht, gar nicht
seinen rat, seine vermitÜung, seine hilfe beansprucht, weder bei der
ersten bestattung noch bei dem zweiten versuch, sondern sich frucht-
los an die schüchterne Schwester wendet, befremden musz es uns
auch , dasz die braut von dem abwesenden vater des verlobten nicht
schmerzbewegt über sein verfahren gegen Polyneikes, sondern voll
von höhn redet (v. 31) und nachher ihm gegenüber gestellt, gleich
von anfang an, ohne durch harte worte von ihm gereizt zu sein, den
rücksichtslosesten trotz zeigt, davon dasz sie mit seinem söhne ver-
lobt ist , also in einem pietätsverhältnis zu ihm stehen müste , hat
der leser durch die tragödie selbst nicht die geringste ahnung, bis
Ismene es v. 568 ausspricht. ' alles was Antigone vorher thut und
sagt spricht gegen solche annähme , gar nichts dafür, auch in dem
prolog hatte Ismene ihrer Schwester keine Vorstellung gemacht mit
rücksicht auf Haimon, was notwendig hätte geschehen müssen, min-
destens sehr zweckmäszig gewesen wäre^ wenn sie von einer innigen
Zuneigung Antigones zu ihm überzeugt gewesen wäre, mit dem ein-
zigen verse, in welchem sie nachher (570) von einer gegenseitigen
liebe der verlobten redet (o^x tSc T* ^Kcivqj rrj^bi t* fjv f)p|üiocjLi^va),
' keiner spielt auch nar mit einem worte vorher anf dies Verhält-
nis an, selbst Kreon nicht y. 486, wo solche anspielung auf dieses
thatsächliche so nahe gelegen hätte, statt dessen spricht er nur
von der blutsyerwandtschaft , dnrch die Antigone mit ihm verbunden
ist, und von der möglichkeit einer noch engem blutsverwandtschaft,
die zwischen ihnen bestehen könnte.
Jahrbflcher ffir cIms. philol. 1888 hft. 5 u. 8. 26
394 FKern: schlusz des zweiten epeisodion in Sophokles Antigene.
hat sie dem zweck ihrer rede entsprechend viel mehr Haimon als
Antigene im sinne.'
Wenn man nun aber auch wirklich den vers 572 gegen die hss.
und gegen Antigenes sonstiges thun und reden ihr in den mund
legt , so musz es doch unserer auffassung eines innigen brSutlichen
Verhältnisses aufs ttuszerste widerstreben, dasz ihre empfindung sich
eben nur in diesem einzigen verse zeigen soll, und nur heryorgerafen
dadurch , dasz Kreon sie als ein schlechtes weib für seinen söhn be-
zeichnet, wahnwitzig von kindesbeinen an hatte Kreon sie schon
V. 562 genannt, zu den schlechten sie schon v. 565 gerechnet, und
viel wegwerfender als in y. 571 über ihr Verhältnis zu Haimon in
den verletzenden werten 569 gesprochen : dpcüCifioi foip X<^^PUiV
eiciv T^ai. zu alle dem hat Antigene von tiefer Verachtung gegen
den schmähenden erfüllt geschwiegen ; ich sehe keinen zwingenden
grund, dasz sie gerade jetzt den in ihr zum vierten male beleidigten
Haimon in schütz nehmen müsse, da sie es doch vorher unterlassen
hat, um so weniger da sie auch nachher, wo sie so viel veranlassung
hat des verlobten zu gedenken, seiner mit keiner silbe erwfthnt.
Wohl klagt sie rührend und beweglich darüber, dasz sie un ver-
mählt in den Hades gehen solle; dasz sie aber von lebhaftem schmen
erfüllt wäre, weil sie von Haimon scheiden soll, dasz sie Sehnsucht
hätte ihn nur noch einmal vor ihrem tode zu sehen, das hat der
dichter in ihren klagen und reden auch nicht mit einem worte an-
gedeutet.' sie redet die stadtan, die bürger, den Dirkebach, den
hain bei der stadt; was aber nach unsem begriffen ihr das liebste
sein sollte, kommt gar nicht in ihre Vorstellung; sonst kOnnte sie
sich doch nicht 9iXujv äKXairroc (847), £91X00 (876) nennen, ja
ausdrücklich versichern, dasz ihr thränenloses geschick keiner ihrer
lieben beklage (882). so wenig sie bei dieser Übertreibung an Ismene
denkt , so wenig an Haimon. der verlobte steht ihr nicht näher als
die Schwester.
Und in der folgenden iambischen rede denkt sie wohl an die
lieben, die sie im Hades zu begrüszen hofft, von dem bräutigam aber,
den sie hier auf erden zurücklassen soll, redet sie kein wort ; ja noch
einmal nennt sie sich ausdrücklich (919) lpr\^oc npöc q)iXuiv, redet
nachher noch wieder die bÜrger an und scblieszt nach einer Ver-
wünschung des Vaters ihres verlobten mit dem ausdruck des tiefsten
hassos gegen ihn/
' auch in ihrem zweiten gespräch mit Antigone 536 — 560 kann sie
mit den worten 562 t( bf\T* &v dXXd vOv c' Ct' ü[iq>€Xolfi* ^T^; nicht
etwa an einen auftrag, ein letztes lebewohl denken, das sie dem ver*
lobtun der Schwester überbringen wolle, dagegen spricht Antigenes
antwort und Ismencs weitere rede. ' Klektra (Soph. EI. 166) klagt
ohne verlobt zu sein auch über die learheit ihres lebcns. * ja, sind
die versc 904 — 915 echt (was ich bezweifle: vgl. meine abbandloofr 'die
abschiedsrede der Sophokleischen Antigone' in der zs. f. d. gw. 1880
8. 1 ff), so würde sie, während sie au die möglicbkeit ihrer vermähloo^
denkt, zugleich den tod des gatten in sonderbar kühler weise erw&gen.
FEem: BcbluBz des zweiten epei»odion in Sophokles Antigone. 395
Den reden einer so gezeichneten dramatischen persönlichkeit
einen vers hinzuzufügen, der einen neuen zug in ihren charakter
bringt^, und das zu thun, wo nicht etwa die Überlieferung schwan-
kend ist, sondern alle hss. dagegen sind, scheint mir kritisch in
hohem grade bedenklich zu sein und könnte nur durch die aller-
stärksten argumente gerechtfertigt werden.
Ich weisz wohl dasz man in der nur einmaligen erwähnung
Haimons von seiten der Antigone eine besondere Zartheit des mftd-
chens und eine besonderes treffliche kunst dichterischer Charakteri-
sierung finden will/ ich würde mich auch dieser meinung unbe-
denklich anschlieszen, würde es thun müssen, wenn es sich um die
erklärung einer Überlieferung handelte , halte es aber ftlr ungemein
gewagt durch eine conjectur die dichterische gestaltungskraft des
Sophokles in einer so eigentümlichen art erhöhen zu wollen.
Einer andern Einmaligen erwähnung gegenüber (die wenigstens
nach der Überlieferung so aufgefaszt werden kann, nicht erst durch
Vermutung in den text gebracht wird) verfahren dieselben hgg.
gerade umgekehrt, ein beweis wie wenig dergleichen argumen-
tationen an sich Überzeugungskraft haben, in Antigones abschieds-
rede v. 899 ist bekanntlich streit darüber, wer unter KaciTViiTOV
Kdpa zu denken sei, Eteokles oder Poljneikes. nun wird unter an-
dern argumenten für die beziehung auf Poljneikes das geltend ge-
macht, dasz Eteokles auch darum nicht gemeint sein könne, weil
dieser stets durchaus im hintergrunde des interesses stehe, so steht
aber auch Haimon in Antigones reden, so weit die Überlieferung
sicher ist, ohne alle frage, scheut man sich also aus solchem gründe
das hsl. sichere Kac(TViiTOV Kdpa auf Eteokles zu beziehen, so müste
man sich noch viel mehr scheuen durch ttnderung des gegebenen
eine beziehung auf Haimon in Antigones reden hineinzubringen,
oder warum erklärt man nicht auch den halbvers 899 für eine be-
sondere feinheit der Charakteristik , da durch diesen fast unentbehr-
lichen zug dargestellt werde , dasz von der Vertreterin der familien-
pietät über Poljneikes keineswegs der andere bruder ganz ver-
gessen sei , wenn sie sonst auch in folge der dramatischen handlung
fast nur von Poljneikes zu reden habe?
Mindestens also gleichwertig scheinen mir die beiden begrün-
düngen, die eine: 'Antigone musz hier wenigstens von Haimon
was auch sehr wenig mit dem gefühl einer Jungfrau, die von ihrem
verlobten durch den tod scheiden soll, zusammenstimmen würde.
^ genau ebenso bedenklich wäre es, wenn durch eine conjectur in
der exodos in Kreons reden irgend eine berücksichtigung der Antigone
hineinkäme, auch hier könnte es sehr auffallend erscheinen, dasz
Kreon weder ein wort der reue noch der bittern anklage in bezug auf
Antigone hat. und doch ist dramatisch dieses schweigen gewis motiviert.
^ MSeyffert ist ganz aufgebracht gegen die welche den vers der
Ismene zuschreiben wollen und sich von Böckh (^divinitus de hoc loco
commentato'] nicht fiberzeugen lassen wollen, dieser vers gehört nach
ihm bis in alltf ewigkeit zu den «dTdXfiara artis Sophocleae».
26*
396 FKern: schlusz des zweiten epeisodion in Sophokles Antigone.
sprechen, da sie es sonst nirgends thut', und die andere : ^Ismene ist
es , die hier den abwesenden Haimon anredet : denn Antigone , die
so viel Veranlassung hat seiner zu gedenken, spricht sonst von ihrem
Verhältnis zu ihm nirgends.' es ist und bleibt für unsere auffassung
sonderbar , dasz eine liebende , in den tod gehende braut ihres ver-
lobten nie erwähnen soll; es ist. aber nicht weniger auffallend, dasz
sie gerade nur hier, dem von ihr tödlich gehaszten Kreon gegenfiber,
seiner erwähnt, während sie in ihrem gnspräch mit Ismene und
nachher in ihren klagen so redet, als ob Haimon gar nicht vorhan-
den wäre.
Wir müssen uns also darein finden, dasz der dichter zwar Hai-
mon als glühenden liebhaber Antigenes , diese aber keineswegs als
zärtliche braut hat zeichnen wollen ^, weil es ihm nur auf die moti-
vierung von Haimons Selbstmord , der den der Eurydike nach sich
zieht^ ankam, um Kreon nachher in völliger Vereinsamung zu zeigen.
durch die Voraussetzung einer auch in Antigone herschenden innigen
Zuneigung wäre ihre Charakteristik sehr viel complicierter geworden.
wie sie jetzt vom dichter gezeichnet vor unserer seele steht, ist sie
von zwei mächtigen (einander nahestehenden) gefühlen völlig be-
berscbt, von aufopferungsvollem Pflichtgefühl und pietftt für ihre
familie und von glühendem hasz gegen Kreon, hasz gegen den vater
aber und zugleich leidenschaftliche liebe zum söhne hätten eonflicte
in ihrer seele hervorrufen müssen , die vom dichter auch nicht von
fern angedeutet sind, wir mögen das nun bedauern and mit der
Schlichtheit der Charakterzeichnung nicht zufrieden sein, aber ich
meine, die dichtung behält auch so, wie wir sie haben, ihre staunens-
werte , ihre unsterbliche grösze. ein modemer dichter freilich hfttte
diesen stoff nicht behandelt, ohne eine bewegte scene zwischen Hai-
mon und Antigone zu erfinden, in der diese auch ihrer liebe und
ihrem schmerz um den verlobten ergreifenden ausdruck geben würde.
solchen liebesscbmerz aber hat ihr unser dichter nicht gegeben:
denn dasz jene allgemeinen klagen etwas derartiges nicht ent-
halten, ist einleuchtend ; natürlich ist aber ebensowenig an abneigung
gegen Haimon zu denken, dazu gibt keine stelle der tragödie anlasz.
und ihrem höhnischen trotzigen verhalten gegen Kreon, das für sich
allein betrachtet freilich eher auf abneigung gegen seinen söhn
schlieszen liesze, steht Ismenes urleil (v. 570) über ihr Verhältnis
zu ihm gegenüber, ein urteil das, wenn man auch den zweck dieser
Worte gebührend mit berücksichtigt, doch so viel erkennen läszi,
dasz Antigone sich gegen eine Vermählung mit Haimon nicht ge-
sträubt hat. '
^ so urteilt nuch Viehoff in der eioleituiig (s. SO) su seiner fiber-
setzunp: (1B70\ in welcher er mit recht v. 572 nnd 674 der Ismene l&Ht,
V. 576 aber mit unrecht dem Chorführer gibt. "^ Hermann nrteiit
pracf. s. XXXIV über das verhültnii der Antigone zu Haimon gewis
richtig', wenn er sagt: 'amoris tcneros sensas poeta neqae in Hatmonit
dictis* (hier hat H. wohl v. 699, der nicht ein blosier bcricht über die
FKem: schlusz des zweiten epeieodion in Sophokles Antigone. 397
EiAe innige (unausgesprochene) liebe in ihrer seele zu ihm dür-
fen wir aber schon darum nicht annehmen, weil solch ein starkes
gefühl nirgends als motiv erscheint; wenigstens hätte sein Vorhanden-
sein doch ihren beleidigenden höhn gegen den vater hindern , ihren
trotz mildem müssen, die einzigen motive, die sie zu ihrem thun
und reden hat^ liebe zum bruder und hasz gegen Kreon, verstärken
sich gegenseitig, daher ihre grosze entschiedenheit, ihr festhalten an
ihrer Überzeugung bis zum letzten augenblick. in Kreons seele da-
gegen wirken zwei entgegengesetzte motive, eifrigste sorge für das
wohl des Staates und innigste liebe zu den seinen; darum seine all-
mählich sich immer mehr geltend -machende Unsicherheit, darum
seine innere Zerstörung im ausgang der tragödie.
So scheint es mir ganz unbedenklich an der Überlieferung fest-
zuhalten, um so mehr da gegen die änderung manche nicht unerheb-
liche gründe, wie mir scheinen will, vorgebracht werden können.
Das plötzliche wiedereingreifen der nach Kreons harten worten
(v. 561 f.) verstummten Antigone in den dialog ist gewis nicht un-
dramatisch , wohl aber die art wie Kreon auf ihre worte antworten
würde.
Böckh übersetzt Kreons erwiderung ätov T€ XuireTc xal cu Ktti
TÖ cöv X^x^c durch die worte 'du bist verhaszt mir, du sowie dein
ehebett.' das ist eine ungenaue, die bedeutung von XuTteTv über-
treibende jlbersetzung. was das fit^^v T^ XuTieic zu bedeuten habe,
sieht man aus der stelle im Adas v. 589 , wo der held der tragödie
dieselben worte zu Tekmessa spricht, da ist doch an hasz nicht
zu denken; es heiszt nur: quäle mich nicht länger mit deinen Vor-
stellungen , ich habe es nun satt. * der ausdruck dient dazu fracht-
loses verhandeln mit scharf abweisendem wort abzubrechen, so
wird auch XuTTiipöc gebraucht Ar. Ach. 456 Xutnipöc !c9* ö)V xdiro-
XU>pTicov böjiUJV, und dXxuveiv OT. 446, wo das letzte wort des
Oidipus zu Teiresias lautet: cuOeic t* Sv oök öv dXxuvaic TiXfov.
noch ähnlicher unserer stelle ist OT. 1067, wo auf lokastes worte
KQi |Lif|V q)povoCcd T* €Ö xd XijjCTd coi X^t^^ Oidipus antwortet la
stimmnng der bürgerschaft ist, und v. 761 nicht genügend beachtet)
'conspiciendos exhibuit, neque in Antigona . . Antigona autem, cnius
ferox et generosus animus totus in iram ob indignnm Creontis edictnm
effasus est, eo ipso, quod tali in caussa amoris sni prorsns obli-
viscitur, maxime facit quod eius ingenio est consentaneum.' Haimon
musz Antigone leidenschaftlich lieben, sonst wäre sein Selbstmord nicht
begründet, und sein Selbstmord ist für die zwecke des dichters nötig,
wäre aber auch Antigone als zärtlich liebende braut dargestellt, so
könnte man darauf Schillers wort über Achilleus in den anmerknngen
zu seiner Übersetzung der Iphigenie in Aulis anwenden: 'diese kleine
eigennützige leidenschaft würde sich mit dem hohen ernst und dem
wichtigen Interesse des griechischen Stückes nicht vertragen.' GFrey-
tag (technik des dramas s. 196) sagt mit gutem griind, dasz wir die
beziehung der liebenden vor der Vermählung mit einer würde und einem
*adel zu umgeben pflegen, von welchem die antike weit nichts wüste.
* ähnlich ist auch das ]^uir€tc f6p des Teiresias Ant. 1084.
398 FKern: schlusz des zweiten epeiäodion in Sophokles Antigone.
Xtucia Toivuv TaOxd |li* dXTuvei iräXai. dort wird durch X^cra wie
in unserer stelle durch X^x^c das bezeichnet , was aus der rede des
andern dem das gesprftch abschneidenden das lästige ist; nur wird
in der Antigonestelle durch TÖ CÖY X^x^c blosz der wesentliche In-
halt von Ismenes rede wiedergegeben, während Oidipuis das XijiCTa
der lokaste geradezu wiederholt, andere ausdrücke um eine ähnliche
Stimmung zu bezeichnen sind bei den tragikem öxXeiv, öxXiipöc»
dtviapüüc X^T€iv. *^ ähnliches drücken sie auch mit andern Wendungen
aus wie El. 1501 TTÖXV dvTiqpuJveTc. OT. 676 oökoOv |li* idccic
KÄKTÖc €?; Aisch. Sieben 1037 jLif) ^aKpiiTÖpeu Eur. Alk. 72 iröXX*
&v cu X^Hac oöb^v fiv ttX^ov Xäßoic. demnach scheint es durchaus
geraten in dem verse mit fix^v T^ XuTTeTc die Stimmung eines sol-
chen ausgedrückt zu sehen, der seine unlust zur fortsetzung eines
gesprächs ausdrückt, nicht eines solchen der einer person , die bis
dahin geschwiegen hat, entgegentritt, das heiszt den voraufgehen-
den vers mit den hss. der Ismene zu lassen.
Thudichum hat also den sinn des verses richtig getroffen, wenn
er übersetzt *ge n u g! verhaszt bist du mir und dein ehebund' wenig-
stens durch das erste wort der Übersetzung, ebenso ist in der Wolff-
Bellermannschen ausgäbe Kreons Stimmung, wie sie sich in diesen
werten ausprägt, richtig wiedergegeben, wenn zu y. 673 die erklä-
rung gegeben wird: 'ungeduldig wendet sich Kreon von den
Schwestern ab, als wollte er ins haus gehen.' und Weoklein hat in
seiner erklärung des äxav ye XuTteTc in der Aiasstelle gewis rechti
wenn er dort das wort durch ^lästig sein' erklärt und hinzufügt:
^mit Y€ weist Aias darauf hin, dasz er nachgerade das aller-
lästigste vernommen habe (nemlich TTpdc Ocuiv).' Wecklein citiert
auch ausdrücklich dazu unsere stelle, aber ohne für dieselbe die
consequenz aus der richtigen erklärung zu ziehen.
Ein ähnliches misverständnis der Wortbedeutung herscht viel-
leicht auch in bezug auf das von Ismene gebrauchte drijudZeiV.
gewis kann das wort und die damit zusammenhängenden 'be-
schimpfen , entehren' bedeuten ; aber diese kräftige bedeutung hat
es durchaus nicht immer, und gerade in manchen Sophokleidchen
stellen entschieden nicht, es drückt sehr häufig nur ein vorent-
halten dessen aus, worauf man anspruch zu haben glaubt, beschimpft
ist zb. Oidipus von dem delphischen gott dadurch gewis nicht, dasz
er keine auskunft darüber erhält, wer seine eitern sind; dennoch
sagt er (OT. 788) Kai jii' 6 Ooißoc iLv m^v IkÖ|lit]V ötijliov ^E^ircjn-
\\te\. " so kann auch Ismene in unserm epeisodion v. 544 mit ihrem
10 OT. 446 \bc Trapdjv cO t * ^MYroöibv öxXdc. Enr. Hei. 462 6xXT|pöc
IcB' Ojv Kai Tax* ubce/)C€i ßi<;i. Aisch. Prom. 1006 6xXctc ^drnv fi€
kO^i* öitujc TTapiiTopiXrv. Ant. 816 oOk olcOa icai vOv die dviapuic X€tcic;
(auf dio8e leiste Htelle hat schon Wez aufmerksam gemacht.)
1* Ro heiszt es auch in der hypothesis su den Phoinissai (bei Nanok
s. 394) von Oidipus miserfolg in Delphoi nach dem herielit über die
vorhersaf^unf^ einfach: tqutI ^öva (^avOdvci) ' Tiv€C bi elcv a6t1p ol
Tov€tc, caqpdic oO ^avOdvci. iiraviUiv bi £kcT6cv usw.
FKem: schlusz des zweiten epeisodion in Sophokles Antigene. 399
an die Schwester gerichteten jurj jii* dri^äcijc von einem schimpf, der
ihr durch die versagung der bitte angethan wäre, nicht reden wollen,
nur von einem vorenthalten eines ihr teuren, wertvollen rechtes^
worauf sie anspruch macht. ** das dri^dZeiv Tf)V ttöXiv, das Oidipus
(OT. 340) dem Teiresias zum Vorwurf macht, besteht lediglich darin
dasz dieser über die Ursache der pest keine auskunft geben will,
ganz ähnlich der gebrauch OK. 49 , womit fiTi|Lioc v. 51 zu verglei-
chen, in derselben tragödie v. 286 ist es ein versagen des Schutzes,
der dem lK^Tr]C zukommt, in OK. 1409, woPoljneikes die Schwestern
mit den werten jurj ii* dn^dciiT^ T^ anfleht, befürchtet er nicht von
ihnen eine beschimpfung, sondern bittet sie einen von andern ihm
angethanen schimpf" au&uheben, auch ihm das recht der ehren-
vollen bestattimg zu gewähren, auf das alle toten anspruch haben,
im Aias v. 1339 ist dri^äZieiv ein vorenthalten der gebührenden an-
erkennung, ein jiif) X^T^tv. im allgemeinen passt für dri^ä^Ieiv viel
besser die Übersetzung 'geringschätzen' als 'beschimpfen , verun-
ehren'." vgl. auch Ant. 77. OT. 1081. Eur. Herakl. 227. Aisch.
Prom. 784.
Demnach glaube ich nicht dasz Ismene , indem sie dieses wort
ausspricht, von Kreons voraufgehenden, werten KQKdc if^ T^CXiKac
\}\ic\ CTirrui gerade nur das Kaxdc im sinne haben müsse, die be-
leidigung Haimons in der ehrenrührigen bezeichnung der braut (dazu
hatte sie, wie nachgewiesen, schon 562. 565. 569 anlasz), sondern
gewis auch das uUci CTUtOa '^ die mit schärfstem ausdruck ausge-
sprochene Weigerung Kreons, dem Haimon Antigene zur frau zu
geben, darauf kann Ismene, Kreons zärtliche liebe zu seinem
sehne wohl kennend, sehr zweckmäszig antworten: 'ach liebster
Haimon, wie wenig achtet der vater auf deine so berechtigten
wünsche, indem er dir das vorenthalten will, worin du dein lebens-
glück finden würdest!' auch das q)iXTaT€, das in Ismenes munde
** also das dixi^dtexy geht, wie die davon abhängigen worte zeigen,
keineswegs auf das beleidigende in Antigones rede XÖYOic q)iXoOcav,
sondern anf das, worauf Antigone nachher mit den Worten }ii\ iroioO
C€auTf)c hinweist. *' allerdings kann natürlich auch dieser selbst
durch dTt)idZ€tv bezeichnet werden, wie Aias 1842. ^* wenn lokaste
OT. 769 zu Oidipus sagt ätia bi irou ^aOetv, so ist das dem sinne nach
gleich einem ^V) ^' dxijidcijc, und wenn Oidipus darauf antwortet koö
|Lif) CTCpr^B^C ye, so wird mit dem verbum CTCpclv hier wie Ant. 674 ein
vorenthalten des gebührenden bezeichnet; dasz das mittel der Verweige-
rung hier ein schweigen, dort das allein sterben wollen ist, ist für die
dramatische Wirksamkeit der stellen von der g^Östen , für den verbal-
begriff von gar keiner bedeutnng. *^ dasz man uUci mit YUvalKac
verbinden solle, wie im lex. Soph. von Ellendt-Genthe als nötig be-
zeichnet wird, will mir nicht einleuchten. crxrfiS) ist wohl ein sehr
starkes, mit höchstem affect gesprochenes nicht wollen, es heiszt also
nicht 'schlechte weiber, die mit meinen söhnen verbunden sind, hasse
ich', sondern 'schlechte weiber will ich um keinen preis meinen söhnen
geben; der gedanke widersteht mir aufs äuszerste, ich verabscheue
sie für meine söhne', die dative bei Matthiä gr. gramm. § 389, 3
(worauf Wez hinweist) sind anderer art.
400 FEern : schlusz des zweiten epeisodioD in Sophokles Antigone.
bei dem nahen Verhältnis allerdings an sich ohne allen anstosz ist
und oft vorkommt, wo es viel weniger berechtigt ist als hier, ge-
winnt ebenso wie das TiaTfip noch eine besondere bedeutong und
gibt den Worten eine fiLrbung , die den Inhalt derselben für Kreon
noch um so peinlicher machen muste, so dasz er mit fit<^v f€ XuirciC
nichts anderes thon kann als dem gespräoh ein ende machen.
Als nemlich Ismene v. 568 ihn zuerst auf das verhftltiiis auf-
merksam gemacht hat, in welchem ihre Schwester zu seinem söhne
steht, glaubt er das bedenken, das dadurch in seinem vaterherzen
entstehen musz, leicht durch die erwägung beschwichtigen zu können,
dasz es viele Jungfrauen gebe, die Haimon heiraten könne, da spricht
Ismene von der besondem Zuneigung, die Haimon gerade zu Anti-
gone habe, und als nun Kreon so in die enge getrieben nach tyrannen*
art, ohne auf den einwand einzugehen, mit stärkstem wort seinen
entschlusz ausspricht nie in diese heirat zu willigen , das recht des
herzens seines sohnes also rücksichtslos verletzt, da nennt Ismene
ihn, der seines vaters liebe verloren zu haben scheint, liebster
HaimoU; da sagt sie zu Kreon, dasz der eigne vater ihm verweigere,
was ihm das schönste glück verbürgen würde.
Mit rücksicht auf das vorhergehende ist also y. 572 im
munde der Ismene dramatisch nicht nur ohne anstosz, sondern vor*
trefiflich. ebenso sehr spricht für die Überlieferung der anmittelbar
folgende vers, Kreons antwort. ganz abgesehen von dem oben
über den sinn von äfav fe XuTreic entwickelten ist dieser 6ine vers
mit seinem inhalt limge nicht effectvoU genug für eine antwort auf
eine rede der plötzlich wieder ins gespräch eingreifenden Antigone.
dramatisch berechtigt wäre es entweder, wenn Kreon durch völliges
schweigen im sinne seines oö yäp £ct' £ti (v. 567) seine tiefe Ver-
achtung , seinen innersten absehen gezeigt hätte , oder wenn er nun
zum letzten male noch seiner erbitterung in viel härteren werten
ausdruck gegeben hätte. " in dem äfav T^ XuTreic, das ja auch Aias
zu Tekmessa sagt, finde ich solche Stimmung auch nicht von fern
ausgedrückt. "
In den folgenden versen findet in bezug auf die personenver-
teilung keine so volle Übereinstimmung in den hss. statt wie in be-
zug auf 572; aber bei weitem am besten beglaubigt ist es auch
hier, dasz v. 574 und 576 Ismene spricht, und ich halte es auch
hier für richtig, treu der besten Überlieferung zu folgen.
An sich freilich hätte es kein bedenken anzunehmen , dasz nun
Ismene durch Kreons werte zur ruhe verwiesen schweigt und der
*' so urteilt auch Wez proleg. IV 29: 'accedit quod, si illo loco
Antigona vere amoris sui mentionem fectsset, Creon profecto plane
aliud quid responsurus fuiBset.' " wegen des TÖ cöv X^oc vgL
£ur. Hipp. 113 Ty|v d\y bi KOirpiv. dort steht vorher der nanoe Ki>irpic
V. 101, also weit eDtfemt für die besiehuDg, die durch ri^v o^v ausge-
drückt wird, aber Ton der sache ist bestündig die rede gewesen, wie
hier auch vom X^x^*
FEem: schlusz des zweiten epeisodion in Sophokles Antigone. 401
Chorführer zu einer letzten mahnung das wort ergreift; dasz aber
Ismene noch die beiden verse spricht, ist ebensowenig bedenklich
oder auffallend, so dasz die conjectur zun&ohst unnnötig zu sein
scheint.
Denn dasz sie mit dem ersten dieser beiden verse fj yoip CT€-
pfjceic Tficbe TÖv cauroO tövov; im wesentlichen dasselbe sagt
wie V. 668 dXXd ktcvcic vunq)€ia toö cairroö t^kvou; ist zwar
richtig, aber wie kann das auffallen, dasz Ismene diesen ihr so am
herzen liegenden gedanken mehr als 6inmal ausspricht, wenn es nur
mit andern worten geschieht? wie oft kommt dergleichen in dra-
matischen scenen vor ! man denke nur an die stichomy thie zwischen
Haimon und Kreon.
Und so ganz denselben inhalt haben die beide verse keineswegs,
der sinn des ersten verses (568) ist * Antigone soll sterben^ obwohl
sie die braut deines sohnes ist?' des zweiten *Haimons herzens-
wunsch soll nicht erfllllt werden?' freilich wird er ihm versagt
gerade durch Antigones tod, und darum sind die verse ähnlich ; dasz
aber Haimon dadurch tiefen schmerz empfinden werde, da er dann
des liebsten beraubt sein wird, das sagt Ismene hier zum ersten
mal , und darum ist der inhalt der verse eben nicht identisch, und
was V.576 beboTM^v*, übe £oiK€, Trjvbe KorOaveiv angeht, so scheint
er ja zu der tiefen, schmerzlichen empfindung, von der wir uns
Ismene erftlllt zu denken haben, wenig zu passen '^ ; aber vergleichen
wir ähnliche Situationen bei den tragikem, so erscheint diese aus-
drucksweise als eine sehr gewöhnliche , deren sich dramatische per-
Bonen bedienen, um mit einem letzten wort die unwiderruflichkeit
ihres entschlusses oder den schmerz über die erfolglosigkeit ihrer
Vorstellungen auszudrücken. '*
Lassen wir die beiden verse mit der besten Überlieferung der
Ismene , so steht der erste in engster beziehung zu ihrem dn^äZei
und dem zu ihr von Kreon gesagten CTUTUi, und der zweite ist ein
auch sonst Üblicher abschlusz von längeren Vorstellungen, der ja
auch mit tiefster bewegung vom Schauspieler gesprochen werden
kann, geben wir sie aber dem Chorführer, so haben sie in seinem
munde zwar nichts befremdendes , aber etwas dramatisch wirksames
kommt dadurch gewis nicht in die Situation.
Besonders bestimmt mich der anfang von Kreons letzter rede,
das Kai CGI T^ Kd^o( dazu, den unmittelbar voraufgehenden (also
auch V. 574) der Ismene zu lassen; und während ich bisher ent-
'^ 80 meint wenigstens Böckh, der die gleichgültige kälte, die nach
ihm in den worten liegen soll, nur dem chor angemessen findet.
^* vgl. £ur. Bakch. 1350 atat, 5d6oicTat, irp^cßu, rXrmovcc 9UTa{. Iph.
Anl. 1423 £iT€{ cot täbt boK^ (vgl. 1376 b^boKTat). Soph. £1. 1049 TrdXcu
Ö^ÖOKTat TaOra. OK. 1431 oütujc dp', (b iral, raOrd cot bcboTM^a;
Phil. 1277 oOtui bdboKTai; anch das ioiK€ erscheint in solcher Situation
der dramatischen personen Aisch. Cho. 910 KT€V€lv SoiKOC, (b t^kvov,
Tf|v ^iiT^pa. 914 SoiKa epi^velv IfSica irpöc TiÜMßov ^dniv. Enr. Hei. 1639
Koreavetv Ipdv SoiKac.
402 FEern: schlusz des zweiten epeiaodion in Sophokles Antigone.
schieden für die Überlieferung eingetreten bin, glaube ich dasz
diese werte eine corruptel enthalten.
Die erste erklftrang in den scholien lautet: oö jiiövq rairng
ujpiCTtti TÖ diroGaveTv , dXXd kqi coi. wer diese erklKrung gibt,
kann die werte nicht gelesen haben, die jetzt im texte stehen , aon-
dem hat vermutlich gelesen Kai coi fe KOivQ." and ich mosz be-
kennen dasz mir diese aus dem scholion erschlossene lesung (in der
natürlich coi T^ von KOivq abhängig wäre) vor der in den hss. über-
lieferten bei weitem den vorzug zu verdienen scheint, weil sie Tei^
ständlicber ist.
Zunächst ist in der Überlieferung die Stellung des t^ sehr auf-
fallend, wie man auch mit rücksicht auf den voraufgehenden vers
die Worte erklären mag, immer musz es sonderbar erscheinen ^ dasz
Kreon das i\xol nicht mehr als das coi hervorheben sollte.** man
würde also eher das freilich metrisch unmögliche Kai col Kdjiioi fe
erwarten.
Aber die beiden dative lassen sich überhaupt nicht ohne grossen
zwang von einem vorhergehenden verbum abhängig denken, su dem
voraufgehenden £oiK€ lassen sie sich wohl überhaupt nicht oon-
stmieren: deni^ in dem sinne, wie man bOK€i jlioibi^b^, wird sieh
^oiK^ )Lioi schwerlich nachweisen lassen.*' so bleibt nur übrig es
mit beboTM^va zu verbinden.
Was soll nun der sinn sein, wenn Kreon auf die ftuszerung *be-
schlossen ist es, dasz diese sterben soll' sagt: ^sowohl von dir als
auch von mir' ? beschlossen hat es keiner ausser Kreon, und diesem
beschlusz eben ausdruck gegeben durch seine werte *'Aibr|C 6 iraO-
cujv ToOcbe Touc Td^iouc Iqpu. in den werten, wenn sie vom Chor-
führer gesprochen die thatsache der Verurteilung feststellen, kann
Kreon aber auch unmöglich eine Zustimmung zu diesem beschlusz
(an einen beschlusz selber, was eigentlich in den werten liegt, ist
natürlich überhaupt nicht zu denken) erkennen: denn durch sein
bisheriges verhalten hat der eher dem könige zu dieser Vermutung
oder gar Überzeugung wahrlich keinen anlasz gegeben, und auf eine
etwaige rede der Ismene kann Kreon noch viel weniger so antworten.
So bliebe nichts übrig als trotz des dabei stehenden £oiK€ an-
zunehmen, dasz Kreon mit dem begriff beboTfi^va ein Wortspiel
^0 darauf wird auch in dem kritischen anhang der Wolff-Beller*
maniiBchen au8(^abe hingewiesen. *' vgl. OT. 606 xCj) TCpacKÖirqi
Xdßrjc KOivfl Ti ßouXcöcavra. Ant. 546 ^r) pLoi B6vt}c cd KOivd. von dem
Hprachlich und metrisch hier p^leich zulkssifren KOivQ und KOlvd wähle
ich das crstere wegen des ähnlichen ausgangs mit KÖfioi. ** wie Hai-
nion V. 749 seinem sweck entsprechend umgekehrt den angeredeten
dadurch hervorhebt xal coO yc KdjLioO Kai 6€<Ziv Titiv vcpr^puiv. ** in
£oiK€ liegt wohl der begriff 'es hat den anschein, es zeigt sich', et hat
also objectiven Charakter wie apparet. könnt« in dem sinne, wie hier
nöti^ wäre, ein dativ dabei stehen, so stünde er gewis, zb. El. 1116.
aus Homer, Sophokles, Aischjlos, Aristoteles läsit sich wenigstens, ao
viel ich weiss, ein toK^ ^01 im sinne von boKcT ^ot nicht naehweiieai
schwerlich auch aus Piaton, Xenophon, Thukydides.
FHeerdegen : anz. v. HUseners philologie u. geschichts-wisBenschaft. 403
macht und zwar dasselbe wie der Wächter v. 323, dem er selber
dieses witzeln mit boKcTv verwiesen hatte, indem auch hier b€boT-
^^va in seiner Verbindung mit co( im sinne des scheinens , und in
der Verbindung mit dfioi in dem des beschlieszens genommen wäre,
nun ist aber diese doppelte anwendung des Wortes erstens bei
bcboTM^va sprachlich bedenklicher als bei boKcTv, und zweitens
sollen wir in diesem augenblicke Kreon uns witzelnd vorstellen und
zwar in derselben weise , wie es schon einmal in der tragödie vor-
gekommen und gerade von ihm selber gerügt worden ist?^*
So scheint mir wegen der Stellung des Y€ in v. 577 und wegen
der mangelnden klaren beziehung der dative auf ein voraufgehen-
des verbum die Überlieferung unverständlich, um so willkommener
ist es , dasz sich in dem einen scholion noch eine spur des richtigen
findet.
Den klagenden ausruf der Ismene ^so soll Antigene denn in der
that sterben' überbietet der gereizte könig mit dem aussprach des
todesurteils auch über Ismene: ^und zwar mit dir zusammen.' dem
entsprechend läszt er denn auch Ismene mit abführen und kommt
von seiner absieht auch sie hinrichten zu lassen erst v. 770 durch
die Vorstellungen des Chorführers zurück.
** die anmöglichkeit die dative aaf öcöOYM^va zu beziehen hat Bonitz
(beitrage II s. 53) gegen Schneidewin schon dnroh hinweisung anf v. 674
einleuchtend dargethan; aber die beziehung auf £oiK€, die er mit Wunder
annimt (also £oiK€ mit der construction von boKet) wäre sachlich wohl
ohne anstosz,. aber nach meinem dafürhalten sprachlich bedenklich,
(in der fünften von Wecklein besorgten ausgäbe der Wunderschön er-
klärung werden die dative übrigens nicht auf foiKC bezogen: 'variat
vim yerbi öok^v ut supra v. 323 atque dicit acerbe ut iratus et moram
inique ferens.')
Berlin. Franz Kern.
57.
PHILOLOGIE UND GESCHICHTSWISSENSCHAFT. VON HeRMANNUsE-
NER. Bonn, Verlag von Max Cohen u. söhn. 1882. 39 s. gr. 8.
^Eein volk der geschichte, auch das begabteste nicht, Iftszt sich
isoliert betrachten' (s. 13). ^philologie in dieser auffassung ist nicht
eine Wissenschaft, sondern ein studienkreis' (s. 18). *die grundlage
aller philologischen thätigkeit ist die grammatik: nicht die buch-
mftszige, sondern die lebendige, nicht Wissenschaft, sondern kunst'
(s. 25). ^Philologie ist eine methode der geschichts Wissenschaft, und
zwar die grundlegende, maszgebende. denn nur sie besitzt in ihrer
kenntnis der sprachlichen form die letzte gewährleistung für das
richtige Verständnis des überlieferten' (s. 30). 'alle geschichtlichen
disciplinen bedürfen eines philologisch gelegten fondaments und der
einführung philologischer methode' (s. 35). 'der philologe ist der
pionier der geschichtswissenschaft' (s. 39).
404 FHeerdegen : anz. y. Hüseners pbilologie u. geschieht swissenBchaft.
Dies die leitenden grundgedanken der vorliegenden schrift der
verehrte Verfasser gestatte uns folgende einwendnngen.
1) Philologie im nationalen sinne ist doch wohl mehr als ein
bloszer studienkreis. ein studienkreis bestimmt sich durch zeit, kraft,
neigung usw. des studierenden; eine Wissenschaft durch einschnei-
dende im gegenstände des Studiums selbst liegende thatsachen. die
unterschiede der nationalität sind solche thatsachen. wenn s. 17
gesagt wird : *es ist als ob man aus einem buche alle stellen, die von
einem volke handeln, unbekümmert um den jedesmaligen Zusammen-
hang , ausschneiden und an einander reihen wollte^ so können wir
diesen vergleich nicht für glücklich halten, denn nicht von einem
buche, sondern vom leben müssen wir ausgehen; im leben der
menschheit aber sind nationale unterschiede gegeben, und einer
samlung von excerpten aus einem anderweitigen Zusammenhang be-
darf es nicht.
2) dasz lebendige grammatik, sprachbewustsein (s. 24) die
grundlage aller philologischen thfttigkeit zu bilden habe, unterliegt
keinem zweifei. aber was ist so national wie die spräche? und was
ist es, das uns zwingt gerade sie zur grundlage aller philologischen
thätigkeit zu nehmen? doch wohl der umstand dasz sie nicht nur
der ausdruck, sondern geradezu der inbegriff nationalen denkens ist.
daraus erklärt sich, warum es für den einzelnen so schwierig, ja un-
möglich ist eine spräche völlig auszulernen (s. 24): ein auslernen
einer spräche hiesze eben nichts anderes als ein auslernen des natio-
nalen denken selbst.
3) gewis darf der philologe der pionier der geschichtswissen-
schaft heiszen. aber damit ist nicht gesagt , dasz das wesen und die
eigenart seiner aufgäbe darin aufzugehen habe, die isolierte betrach-
tung einzelner Völker, selbst der begabtesten, soll nicht gestattet
sein ; wenn aber s. 1 7 gesagt wird : **jede wesentliche seite des ge>
schicbtlichen daseins ist berufen den inhalt einer disciplin zu bilden,
welche einheit und letzten grund in einer anläge oder einem be-
dürfnis der menschlichen natur findet: spräche, glaube, sitte and
recht, Organisation der gesellschaft und des Staats, poesie und Wissen-
schaft usw.' : was heiszt dies anders als eine isolierte betrachtung
einzelner seiten geschichtlichen geisteslebens? jede isolierung wird
in der Wissenschaft eben immer nur eine relative sein; ist eine solche
aber überhaupt gestattet , so ist sie es gewis in jenem falle so gat
wie in diesem.
Doch genug der einwendungen. sie hindern uns keineswegs,
die ächrift als eine ungemein anregende, inhaltreiche und glänzend
geschriebene zu empfehlen, sie ist ausgezeichnet durch viele geist-
volle einzelheiten ; auch zur geschichte der philolog^e liefert sie neue
beitrage: so zb. s. 22 f. über den ersten verbuch im altertum die
Philologie zu systematisieren.
Erlangen. Ferdinand JBbbbdeoen.
FBockemüIler: zu Epikuros brief an Herodotos. 405
58.
ZU EPIKUROS BRIEF AN HERODOTOS.
Für die richtige Wertschätzung des Epikurischen briefs an Hero-
dotos , dem in jüngster zeit zu groszer freude aller Verehrer Lucre-
zischer dichtung hervorragende gelehrte ihre aufmerksamkeit zuge-
wandt haben — ich denke zunächst an die Verfasser des osterpro-
gramms vom Haller stadtgjmnasium 1882 und des zweiten index
scholarum der univ. Bonn 1880 — bleibt zu beachten, dasz neben
diesem briefe , welcher auch wohl fiiKpd dTTiTO^fi Tipöc 'HpöbOTOV
genannt wird LD. X 31 s. 262, 2 (Cobet) in der fassung Briegers
ao. s. 8 anm.; 85 s. 273, 31, noch zwei für andere lebenskreise und
andere lebensziele von Epikuros eigenhändig abgefaszte auszüge
aus seinen 37 büchem TTCpl q)UC€U)C existierten: 1) f| ^€T(iXii ^Tri-
TO|Lif) TiüV Tipöc Toijc q)uciK0uc LD. X 27 s. 261, 12; in der fassung
üseners 38 s. 263, 46; 40 s. 264, 6; 73 s. 270, 48 = bu)b€Ka CTOi-
X€i(JüC6ic 44 s. 264, 49 ; 2) TT€pl TiüV 6vtujv böSai. der nachweis,
dasz letztere existiert haben , und ihr Verhältnis zu der ^iKpd ^tti-
TO^f) Tipöc 'H. (bzw. TTuOoKXfi, welche als ergänzung des ersten briefs
anzusehen ist und die bereits §72 — 82 s. 270, 48 — 272, 49 be-
rührten |Li€T^Ujpa ausführlicher behandelt) soll den gegenständ vor-
liegender erörterung ausmachen.
Zunächst musz ich in rücksicht darauf, dasz nicht allein die
Inauguraldissertationen des letzten Jahrzehnts, sondern selbst Conti-
Rossi (Esame 1879) s. 97 und Wallace 'Epicureanism» (1880) s. 79
sich möglichst unbestimmt und vorsichtig über diesen punkt äuszem,
ausdrücklich betonen, dasz die KÜpiai böEai von Epikuros eigenhändig
abgefaszt und (soweit anzahl und reihenfolge in frage stehen) auch
vollständig auf uns gekommen sind. Diogenes nennt unter t& cut-
Tpä|Li|LiaTa "Ettikoupou als sechstes werk Kupiai bögai 27 s. 261, 13,
fügt 29 s. 261, 29 hinzu Orjcojiiai bk Kai Tdc Kupiac aÖToO böEac . .
UJCT6 ck TiavTaxöGev KaiainaGeTv töv ävbpa Kd|Life Kp(v€iv elb^vai
(was 285, 12—288, 26 geschieht) und zeichnet das werk ganz im
sinne der schule 285, 16 als f) Tf]C eubaijucviac äpxf\: denn €ubai-
jucvia ist für Epik, tö t^Xoc, oö ?v€K€V dKXoTi2ö|Li€0a TaOxa, dh.
ifiv TUJV dpxiöv Kttl dTreipidc Gewpiav (= Physiologie), in bk. Kpi-
TTipiu)V Kai TraGuJV (38 s. 263, 35 = kanonik bzw. logik) ad Pyth.
fin. 280, 19. die 43 kemsprüche sind von dem meister der schule,
welcher den wert einer dem gedächtnis fest eingeprägten regelreihe
zu schätzen wüste 36 s. 263, 8 (Brieger ao. s. 25, 40), selbst gefaszt
xind in die vorliegende reihe gefügt, damit sie als leitfaden oder
*abrisz der ethik' (Zeller III 1 s. 367 anm. 6) benutzt würden, ich
übersetze also ad Men. fin. 284, 25 raOi* oöv Kai id Toutoic cuf
T€vn durch «diesen dialogismus und den mit ihm ebenbürtigen, weil
von derselben band aus denselben ethischen Schriften zusammen-
gefaszten leitfaden der Kupiai böSai». Cicero irrt offenbar, wenn er
406 FBockemüller: zu Epiknros brief an Herodotos.
de fin, II 7, 20 sagt : oivgCag do^ag id est qtmsi maxime ratas, quia gra-
vissimae ^int ad beate vivendum breviter enuntiatae sententiae : denn
unsere 43 böEai, mit denen er sich de finibus eingehend beschäftigt
(Hirzel Untersuchungen II s. 633 a. 1. Madvig index u. Epictui^s),
erhielten nur deshalb das attribut Kijpiai, weil sie sich auf die ethik
beschränken , deren Stellung im System bereits oben angedeutet ist.
Diogenes nennt denn auch unter den werken Epikurs noch Trepl
TTaGüüV böEai irpöc TijLioKpdTiiv 28 s. 261, 19 und irepi vöcuiv bölax
Trpoc MiOpav 261, 24. erstgenannter titel ist von Gassendi 'de
passionibus seu affectibus animi . . sententiae ad Tim.', von Ambro-
sius-Hübner 'de perturbationibus opiniones . . ad T.', von Cobet 'de
perturbationibus ad T/ übersetzt und von Menagius und Wallaee ganz
übergangen ; die oben aus dem schlusz des Pjthoklesbriefs angeführ-
ten werte ^Ti bk KpiTiipiu)V kqi TraOuiv gestatten keinen zweifei, dasz
TiäOri hier terminologisch und im weitesten sinne des wertes als die
für erkenntnis des jeweilig wirksamen motivs bedeutungsvollen afifec-
tionen bzw. zustände des subjects gefaszt sein wollen, also in dem
sinne 'sprücbe über die kriterien', ohne dasz daraus gefolgert werden
darf, Epik, habe seine ansichten öfter geändert und eine zeit lang nur
die TTäGr) im engem sinne für kriterien der Wahrheit gehalten (Hirzel
unters. I s. 133, 26). vgl. Diels doxographie u. näOoc s. 795, 20.
414,28 '€7TiKOupoc Kai xd irdGri i^ctl xäc alcGriceic ^v xcic ircTrovOöa
xÖTToic, 403 ^, 2 *€Tr. Kaxd eibu)Xu)v eiCKpiciv xö öpaxiKÖv ai)ißa(v€iv
Tüdeoc, LD. X 52 s. 266, 26 dKOUcriKÖv 7Td0oc, 266, 39 xd ndOoc
xö dKOucxiKÖv, 266, 41 xf|V dc|Lif|v vonicx^ov irdeoc ^pTdcac6at,
75 s. 271, 21 Ibia rrdOr) iracxoucac. damit erkennen wir in den
überlieferten Worten den titel einer zweiten doxographischen arbeit
Epikurs , welche sich bei dreiteilung seiner philosophie in phjsik,
kanonik, ethik auf die hier an zweiter stelle namhaft gemachte dis-
ciplin bezog und eine samlung sorgsam gefaszter und planmftszig
geordneter kernsprücbe bildete , wie sie der gründer der schule und
dieser stilgattung selbst zu nutz und frommen seiner clientel auf
grundlage der eignen erkenntnistheoretischen Schriften zusammen-
gestellt hatte, und es fällt nicht schwer, aus der von Diogenes ge-
botenen iKXofi] X 29 s. 261, 30. 261, 52^262, 45 einzelne dieser
collection entlehnte ööSai auszulösen: Kpixrjpia xf)c dXiiOeiac xdc
aic9r|C€ic kqI irpoXriipeic kqI xd iiaQr] (lose blätter 1877 I»), ircpl
xujv dbnXujv diTÖ xujv qKXivojLi^vwv xpt) CT]M€ioöc9ai (studien 1 106),
xd x€ xuiv )Liaivo)Li^vwv q)avxdcnaxa xal xd kqx* övap dXiiBf^- Kivct
fdp, xö bfe m öv QU KiV€i (1. bl. V^): vgl. LD. X 52 s. 266, 20 KCd
xauxTiv oöv cqpöbpa T€ bei xf|V böEav Kax^x^^v. es restieren ncpl
vöcu)V böEai Ttpöc M. so lesen nach Gassendis Vorgang Meibom^
Cobet, Woltjer phil. Lucr. s. 160 a. 3, Wallaee s. 79, während Hübner
das allein urkundliche TT€pl vöxuiV festhält, beides bleibt in glei-
cher weise unverständlich , nimt sich unter den andern bücbertiteln
wie ein fremdling aus, steht ohne beziehung zu den nachricbten über
die lehren der schule und findet keine erklärungin den authentischen
FBockemüller: zu Epiknros brief an Herodotos. 407
Schriften Epikurs. wohl schlieszt Lncretius sein gedieht mit einer
Schilderung seuchenartiger krankheiten VI 1088 — 1284, aber weder
Munro noch Woltjer haben für diesen abschnitt eine einzige parallele
aus Epik, namhaft machen können, diese Sachlage fordert eine ab-
hilfe durch conjectur, und ich schlage vor : Tiepi <TUJ>v ö<^v>TlüV
bögai: vgl. Plut. adv. Col. 1360, 51 Did. *€TnKOÜpou X^tovtoc f|
Tuiv ÖVTUJV qpucic, 1362, 26 dv dpx^ hk rfic TTpaT|LiaT€iac uiremuiv
Tf|v Tujv övTUJV q)üciv etvai ciufiara xai xevöv.
Versuchen wir diese änderung auch sachlich zu rechtfertigen,
von 27 bei Diogenes namhaft gemachten und ihrem inhalte nach
kenntlich gezeichneten Schriften des pbilosophen fallen 7 mit 43
büchern in die phjsiologie, 13 mit ebenso viel büchern in die ethik,
7 mit 7 in die kanonik : da will es doch nicht glaublich erscheinen^
Epik, habe für die 43 bücher der 6inen disciplin seinen anhängem
ein hilfsmittel vorenthalten, welches er zur aneignung des inhalts
der andern 7 bzw. 13 bücher für unerläszlich erachtet hat. ferner
ist, wie eine vergleichung der KÜpiai boiai mit den bezüglichen
stellen des briefs an Menoikeus ergibt, die böia resumö des zuge-
hörigen langem oder kürzern abschnitts und steht in parallele zu
der schluszclausel einer Lucrezischen gruppe (studien I 27 f.) , aber
Epik, liebt es nicht seine fortlaufende inductive entwicklung zb. des
Tidv ad Her. 39 f. durch derartige sachliche clausein zu unterbrechen,
da er der clausel zur einschärfung seiner leitenden gesichtspunkte
bedarf (68 8.269, 42—46 parallel 63 s. 268, 41. 42) : jedes gröszere
und schwerer verständliche werk seiner band wird also erst dadurch
in unserm sinne vollständig, dasz es so zu sagen als accurat gefaszte
inhaltsangabe noch eine zusammenhängende spruchsamlung in bei-
lage empfängt, das verlangen nach einer derartigen completierung
muste früher oder später laut werden und endlich auch den autor
veranlassen, dasz er die Übersicht über seine gröszem werke bzw.
über sein ganzes System nach der von ihm beliebten methode durch
abfassung von drei, die kanonik^ phjsik und ethik umfassenden
spruchsamlungen zu erleichtem suchte; wodurch natürlich nicht
ausgeschlossen ist, dasz ein dringlich praktisches bedürfnis nötigen
koimte mit einer spruchsamlung allein (den böSai Tiepl tujv 6vtu)v)
den anfang zu machen.' doch ich greife mir vor und musz zunächst
die Voraussetzung meiner argumentation ^Epikurs physik enthält
beachtenswertes und durfte den anspruch erheben mit aufmerksam-
keit studiert zu werden' gegen berechtigten Widerspruch sicherstellen.
Pachnicke sagt nemlich de phil. Epicuri (Halle 1882) s. 7 'Epicurus
ipse intellectu erat facilis', fügt jedoch hinzu ^Cicero enim' und be-
zeugt damit, dasz die von Epik, scharf betonte ^vfliiir) auch in der
philosophengeschichte ihre rechte geltend zu machen weisz. für vor-
liegenden fall ohne die ausreichende legitimation. denn Cicero schrieb
die herangezogenen worte im stände der notwehr gegen den immer
wiederkehrenden tadel der öffentlichen kritik ^er verstehe von Epi-
kurs lehre nichts' und berief sich in demselben atem als angehender
408 FBockemüller : zu Epikuros brief an Herodotot.
sechziger auf sein in Athen bei Phaidros-Zenon gehörtes colleg sowie
auf seine damaligen discussionen mit dem confrater Titus Pom-
ponius , der aber erst 40 jähre später in Born als sachverständiger
honoriert wurde, weil er sich nach art der Epikureer — vom OflSeuat-
lichen leben fem hielt (vgl. Cic. definA% 16. 27. II 12. 21. 76. de
nat. d. I 74. Tusc. I 77. II 8. III 37). und Ciceros Schriften bewei-
sen nur dasz ihm von den 43 icOpiai böSai 32 durch die feder ge-
laufen sind, aber doch so dasz durch sein zuthun unser Verständnis der
e t h i k nicht gefördert wird, während er in beziehung auf die p h j s i k
uns gar mit rätseln neckt acad, post, I § 6 tarn vero physica^ ai Epi'
curum . . probarem, possem scrtbere üa plane ut Amafinius. quid est
cnim magnttm . . de corpusculorum concursione fartuüa loqiU? Tusc.
II 7 quippe quem numguam legerim. es ist ein alter sproch, dasz an
groszen männem auch die Irrtümer grosz sind , und dieser sprach
erhält in Ciceros urteil über Epikurs phjsik seine bestfttignng : mir
hat eine umschau auf dem gebiete Lucrezisch-Epikurischer sacherklft-
rung ergeben, dasz ein correctes Verständnis der bezüglichen uns
vollständig überlieferten Schriftstücke noch in keiner der zahlreich
vorhandenen darstellungen erschlossen wird, dasz aber zn hoffen
steht; es werde bei dem zur zeit dafür vorhandenen interesse durch
vereinte anstrengung der hieran arbeitenden gelehrten in nicht gar
langer zeit ein solches erzielt werden, da sind denn noch jetzt die
kurzen citate aus Epikurs munde, wie wir sie wohl bei Plutarch und
Sextos Empeirikos verzeichnet finden, vortrefflich geeignet dem
längern grübeln darüber, weshalb zb. Epik, die 'vierte' in cap. 4 des
Herodotbriefs § 63 s. 268,40—269, 46 (Schneider s. 84 f. Conti-
Eossi s. 87) nicht ausdrücklich als das dKaTOVÖjLiacTOV namhaft ge-
macht, oder warum die Trop^TKXicic des primären kOrpers, welche
Epik, ebenfalls nicht nennt, weil sie nur folgerang aus der disposi-
tion des individuell durch ^Xdxicra gezeichneten atoms ohne Schwer-
punkt ist , bei Luci'etius dahin gestellt wird , wo sie steht usw., mit
6incm schlage ein erwünschtes ende zu machen und licht Über die
beziehungcn des durchforschten details zu den leitenden gesichts*
punkten des Systems zu verbreiten, ich nenne als solche dicta oder
ausschnitte aus dicta vor der band nur Seztos Emp. 8.456,33 Bk.
TÖ TTäv kqt' d)Liq)ÖT€pa fiireipov . . dvTiTTapiiKOucdiv äXXrjXaic tujv
Ka0* ^KttTepov dTTCipiAv (lose blätter 1882 II 3) — 457, 7 *€7r.
^Tcpov T^Eiou TUTXdvciv tö |Li^poc Toö 6Xou KaOdTrep Tf|V dTOjLiov
Toö cuTKpi^aTOC (ebd. nr. 6 ff.) — 506, 1 ol bk Tidvia (xd xe
cüüjLiaxa Kai xoiic xöttouc koI xouc xpövouc) cic dMcpf] KOxoXifJTCiv
elXriqpöxec übe o\ ncpl xöv '€tt. (ebd. nr. 21 anm.). gesetzt aber
auch , Cicero behielte recht und die in den 37 büchern irepl 9UC€UIC
entwickelte lehre bedürfte zu ihrem Verständnis weder der Vorkennt-
nisse noch der hilfsmittel, wie ich sie für mich in einzelnen kurz ge-
faszten Sentenzen gefunden zu haben glaube , so wäre damit die von
mir angeregte frage noch nicht zu meinen Ungunsten entschieden.
die intelligenz des lesers zu fesseln und von ihr eine anerkennong
F Bockemüller: zu Epikuros brief an Herodotos. 409
der entwickelten regeln des naturlebens zu erzwingen war ja für
Epik, wohl notwendiges requisit, aber dieses requisit blieb ihm,
dessen System mit dem ansprach auftritt aus 6inem gusse geformt
zu sein, immer mittel, zum zweck: denn die gewonnene einsieht in
die Vorgänge des weltlau fs sollte nur das fundament bilden, auf
dem der anhänger der schule sein leben neu zu gestalten hatte, um
der dqpOapcia und juaKapiÖTiic , wie sie den göttern von vorn herein
eignet, durch kunstgerechte neubildung der lebensgewohnheiten
teilhaftig zu werden, hierzu bedurfte es für den schlichten jünger
der lehre nicht weiterer anstrengungen der einmal zufrieden ge-
stellten intelligenz, wohl aber der andachtsvollen Übung, welche
die bereits gesicherten Wahrheiten als unverlierbares eigentum in
das bewustsein einbürgerte, so dasz aus diesem kern von prolepsen
ein neues homogenes vorstellungsspiel gezeitigt wurde, welches nun
nach maszgabe der correcten ethik die an sich gleichgültigen vor-
komnisse des laufenden tages läuterte und sie damit zu ebenso vielen
f5rdernissen eines dauernd glückseligen lebens umgestaltete, man
beachte die durchaus vornehme und passende anspräche bei der re-
ception des Eolotes Plut. IV 1366, 38 Did. äq)OapTÖc ^loi TT€piTTdT€i
Kai fi^äc dq)6äpT0uc biavooO. und dieser andachtsvollen Übung
diente ebensowohl die samlung der KiJpiai böEai wie das sprach-
buch mit den aus der gesamten phjsik verarbeiteten und in eine
passende reihenfolge gefügten kerasprüchen : TT€pl Toiv 6vTU)V böSai.
Trügt mich nicht alles ; so haben sich aus dieser samlung bei
andern Schriftstellern noch einzelne kernsprüche im citat erhalten,
von denen ich zunächst zwei aus Plutarch gegen Kolotes namhaft
mache, weil der Verfasser dieser wertvollsten von allen Streit-
schriften gegen den Epikureismus sich wohl als erbitterten aber
zugleich auch als intelligenten und mit ehrlichen citaten kämpfen-
den gegner ausweist: 1360, 52 ('GTriKOupou bk X^tovtoc) f| tüüv
6vTUJV q)ucic cdijLiaTd icTX Kai töttoc. diese böEa kann dem hanpt-
werk TT€pl q)üc€UJC nicht entnommen sein: denn hier stand 1362,
25 (iv dpxQ bfe Tflc TTpaTnaxelac ÖTrcnruiv) Tf|v xiöv övtujv 9\3civ
ctü^ara Kai K€VÖv. auch nicht der )Li€TdXii ^iriTOiiit^, weil dieser
die von Sextos Emp. 456,37 angeführte form zu vindicieren ist:
*€TTiKOupöc q)riciv , 8ti f| tujv öXujv (pvcic ctü^ard icvi Kai k€v6v.
und in der ^TriTO^fi Tipöc *Hp. 39 s. 263, 47. schreibe ich xd ttSv
icxi ciü^a* xö iLifev Tdp (nach BGP^Q mit änderang von xd ixiv
in xö ji^v, entsprechend der schon berührten form entwickeln-
der darstellung *lose blätter' II nr. 3 , Woltjer phil. Lucr. s. 18 a.,
Gneisse Jahrb. 1880 s. 844 lesen cdü|Lia <Kal K€vöv>' xd ixkv fäp,
üsener ao. s. VI 24 ^cuü^axa Kai xÖTroc> ' cuüfuaxa ixkv tdp), worin
ctü^a = körperstoif: Lucr. I 147—482 vgl. ad Pyth. 86 s. 273, 39
xö Tidv cCjixa Kai dvaq)f)C q)ücic ^cxiv, Plut. ström. 8, 4 (Diels dox.
s. 581, 20) öxi Tidv icA ciö|Lia Kai oö jiiövov djiiexdßXiixov (ad Her.
263, 42) dXXd Kai dircipov (ad Her. 264, 12), adv. Col. 1365,36
xö dvacp^c K6VÖV . . xö dvxepeiöov cuj^a xdc dpxdc xd cuTKpifuaxa«
Jahrbücher für cUss. philol. 1883 hft. 5 u. 6. 27
410 FBockexnüUer: zu Epiknros brief an Herodotos.
diese kleine böia könnte die erste ihrer reihe gewesen sein; als
zweite bietet sich Plut. adv. Col. 1362, 23 'EiriKOupoc öxav \£xQ
«TÖ Träv ÄTTCipov elvai Kai dx^viiTOV Kai öq)6apTov Kai pif^T*
auE6|Lievov MrJT€ jiieiou^evov» , wo die correcte form bis auf kleine
redactionelle Änderungen erhalten ist. hierher gehört auch , um aus
den placita des A^tios wenigstens 6in beispiel zu nennen, A6t. plac»
1 3, 18 (s. 285 ^ Diels) in der fassung des Stobaios 'EiriKOupoc &pxac
elvai Tujv övTU)v cu))LiaTa Xötiu dewpryrä^ äp^roxa k€VoC, dLf4.yr\TüLr
dbiäqpGapTa, oüie 6pauc6f]vai buväjLieva gCtc dXXoiuiOfivai. aber
von besonderm interesse war es mir, auch in dem oben umschriebenen
4n cap. des Herodotosbriefia einige in diese spruchsamlung zu ver-
weisende böEai ausfindig zu machen, welche von einem fleiszigen, nach
Epikurs Vorschrift arbeitenden schlüer notiert zu sein scheinen, in un-
serm texte jedoch nicht an ihrem platze sind : 269, 14 TÖ bi Xomöv
fiGpoicjna btaji^vov [Kai] öXov Kai Kard \iipoc ouk ^x^^ "^v atcOiiciv
^Keivou (sc. quartae) dTTiiXXaTM^vou (Lucr. 111 398). femer in 269,
24—42 [dXXd fifiv Kai . . id cunirruinaTa.] : «önvov [le] xivecOai
TUJV . .» — «TÖ T€ CTT^piLia dq)' öXuüV TiÄv cu)jLidTU)V q)^p€cOai» —
«TÖ bk K6VÖV oÖT€ TTOieTv oöt€ TiaöeTv bövarai, dXXd kIviiciv jluSvov
ToTc ci{j|Liaci Tiap^x^Tai.» so ist 65 s. 269, 10—46 nach Änderung
von dvuTtdpxouca f| ipux^- ^v UTrapxouciji tQ U^^Xtii ^ti>, [tö . .
dTrTiXXafM^VGu] , oCca: oOci 269, 23 und einstellung der im rhein.
mus. XXXIl s. 578 ff. publicierten lesungen der besten hss., wodurch
meine fassung der stelle ^Studien' I 67 nur in nebensächlichem modi-
ficiert wird, alsbald verständlich : biö bf) Kai i\ uirapxoucq TiJ M'^Xft
oub^TTOT€ dXXou Tivöc ji^pouc dTTTiXXaTM^vou dvaicGiida (dXXd äv
Kai TauTij HuvaTTÖXriTai <ti> toö cTeiföiovTGC XuG^vtoc eW öXou
€iT6 KaTd ji^pouc Tlvöc) , ddvTTep bia^i^vij öEü Tf|v aicOriciv öcov
TTOTe dcTi TÖ CUVT61V0V T&v dTÖ)Liu)V nX^öoc elc Tf|V Tf|c Miuxf)c
qpOciv. Kai |Lif)V Kai Xuojii^vou toO öXou dOpoic|LiaToc f) M/ux^ öia-
CTreipcTai koI oök^ti ixe\ rdc aördc bin^djueic oubfc Kiveirai, i&ct€
DU K^KTTiTai aicOriciv ou tdp olöv t6 voeTv auTÖ alcOavöpevov )ii\
dv TouTixj TU) cucTriiLiaTi Kai Taic Kivi^ceci Taüraic xP^M^vov , ÖTav
Td cT€Td2[ovTa Kai nepUxovTa jLif| ToiaöTa §, i\ olc vOv oöci ixex
TOUTOC Tdc Kivrjceic. TaÖTa oöv ndvTa rd biaXoticMOiTa nepl M/uxflc
usw. nicht zu übersehen ist endlich das citat LD. 135 s. 284, 31
|LiavTiKf)v b* dnacav dvaipei Kai dv t^ M^Kpä dTtiTO^q Kai qpiici*
«jLiavTiKf) übe dvÜTrapKTOC, ei bk. Kai uTrapKTrj, oub^v irpöc i\^ac iyfoO
Td Tivö)Lieva», wo Qassendi (bei meiner annähme ohne grund) ^axp^
vermutet bat s. 247', 54.
Die einbtellung dieser auf ^Kacra tuiv irepl q)uc€U)C dvaT€Tpa)i-
)Lidvu)V beschränkten spruchsamlung unter die eigenhändigen Schriften
Epikurs — unserer 7T€pl TUiv ÖVTUJV böEai, welche von ihrem Ver-
fasser (der doch für den urheber dieser stilgattung der doxographie
anzusehen ist) mit demselben rechte als diriTO^^ Tiic ö\r\c npaTMCt-
Teiac bezeichnet werden können wie die placita Plutarchi (Diels dox.
s. 1 'de Plutarcheae epitomes memoria') — verheiszt gute fruchte für
FBockemüUer: zu Epikuros brief an Herodotos. 411
die erklärusg der Epikurischen Schriftwerke, sie schützt sogleich
ad Her. 35 s. 262, 52 — 37 s. 263, 22 das urkundliche aÖToTc irap-
€CK€uaca . . iTOiiicacOai gegen die Änderungen üseners dv Tic
TrapacK€uäcai . . ^Troiricd coi und ermöglicht im übrigen auf grund-
lage von üseners recension von s. ^62, 48 — 263, 23 und unter dem
beirat von Briegers wertvollen bemerkungen zu 8.272,49 — 273, 11
ao. 8. 25 — 27 bereits ein befiiedigendes Verständnis des vor- und
schluszwortes im briefe Epikurs an Herodotos : toTc }xi\ buvajLi^voic,
iL *HpöboT€, ?KacTa tiüv irepi qpuceuic dvaT€Tpajii|Li^vuiv f||iiiv
££aKpißoOv ^r\bk idc ixexlovc tüuv cuvTeTaTju^viüv ßißXouc bia-
Gpeiv dTTiTOjiifjv Tfic 6\iic TTpaTMareiac elc tö Kaiacxeiv tOüv öXo-
cx€PijüT(4tuüv SoHüüv Tfjv MVTiiuiTiv kavujc aÖToTc TrapecKCÜaca,
Kva Ttap * ^KäcTOuc tüuv Kaipujv dv toTc Kupiuiidioic ßoiiGcTv auToTc
buviüVTai, Ka9' 6cov Sv dqpdTTTUüvrai Tflc Tiepi qpuceuüc Oeuipiac.
. . 69€V br\ TTdci xpr\ci}ir\c oöoic toTc liiKeiiJüjiidvoic qpucioXoTiqt xf^c
TOiauTT]C öboO TtapeTTww (Gassendi) tö cuvex^c dvdpTTi|Lia (cd.)
Iv qpucioXoYiqi xal tö tocoötov (Usener s. V 7: tö toütiüv ed.),
jiidXiCTa dTTtt^^viZuiV tüj ßitu Troii^cacOai xal TOiaÜTT]v Tivd dm-
TO|Lif|v Kai cTCixeiiüCiv tüjv öXuiv boHuJV. — 272, 49 TaÖTd coi, (b
*HpöboT€, ?CTi KeqpaXaiuübdcTaTa uitep Tfic tüjv 6XuiV qpuceuic, ijn-
T€T|iiil|ii^va ujc T€ Sv T^voiTO ouToc ö Xötoc buvaTÖc KttTttCXe-
0fl<vai> M€T ' dKpißelac, oTjLiai <b>fc (Sv ixi\ Kai Trpöc firravTa ßaöicij
TIC TUJV KaTd jLldpOC dKpißuüjidTUJV) dcO|llßXllTOV aÖTÖv Tipöc TOUC
Xomoöc dvGpiwTTOuc döpÖTiiTa XriipccGoi. koi tdp kqI KaOapd d9'
dauToO TTOiricei TroXXd Tibv KOTd jiidpoc iir\Kp\pwixiv\x)y KaTd Tfjv
ÖXiiv TrpaTinaTeiav fiMiv, Ka\ auTd TaöTa dv ii\r\\irj TiOdjiieva cuv-
exiwc ßoTi9ric€i. Toiaura tdp dcTiv , i5jct€ Ka\ touc KaTd jiidpoc ffix]
££aKpißoCvTac kaviDc f\ Kai TcXcluic Tdc TOiauTac dvaXOovTac
iTnßoXdc Tdc TtXciCTac tüüv Ttepiobeioüv uir^p ttic 6Xtic qpuceuüc
7roi€ic9ai. öcoi bk ^f\ iravTeXuöc auTiüv tüjv dTTOTeXeioujiidvuiv Ik
toutuüv elciv, II äjiia voriiuiaTi jj f| KaTd töv fiveu qpGöiTTwv TpÖTiov
TTiv II Trepiobov tujv Kupiu/TdTiüV Ttpöc TaXnviCjiiöv TroioOvTai.
So werden denn diese boEai Tiepl tujv övtuüv durch Epikurs
eigne werte zum unterschiede von der dTriTO|iif| juetdXTi tüüV irpöc
TOUC 9UCIK01JC , welche sich als Streitschrift gegen die 9UciKoi LD.
X 90 s. 274, 31. 134 s. 284, 14 einführt und aller Wahrscheinlich-
keit nach das gebildete publicum über die differenz in der natur-
forschung der (pucioXÖTOi und qpuciKoi (Lotzes Streitschrift über
sein Verhältnis zu Herbart, 'lose blätter' 1878 Ip 3) aufklären sollte,
als ^TriTOjiif) TTic öXtic TTpaTjuaTeiac gezeichnet und umfaszten Td
KupiiüTaTa, Tdc öXocxcpuiTdTac ööHac aller 37 bücher irepl qpOceuiC.
dabei dienten sie den interessen der schule insoweit, als sie bei den
anhängem der lehre in oben bereits angedeuteter form zum spruch-
buch Trap' ^KdcTOUC tujv KaipÜJV Verwendung 6nden sollten, moch-
ten immerhin diese jünger der schule noch nicht oder nicht mehr in
der läge sein, die correcte lehre Epikurs ÖTT^p ttic tujv öXwv q)Oc€U)C
zum gegenständ ernstlicher Studien zu machen (toTc jiif) buva]i^voic)|
27»
412 AEussner: zu Quintilianus [XII 10, 64].
und mochte auch ihr Verständnis der Sprüche selbst beschränkt blei-
ben (xaO' öcov &v d9dTrTUJVTai). einen eigentlichen lehrbrief, wie
die Schriftstücke an Herodotos , Pythokles , Menoikeus passend von
Brieger genannt werden, bildeten die böiai TTCpl TUiv fivTUJV nach
der damaligen auffassung Epikurs noch nicht, im gegensatz zu
diesen beiden ^TriTOjiiai behält der brief an Herodotos die nächsten
interessen der schule auszerhalb des Internats scharf im äuge und
bietet seinen wörtlich zu memorierenden stofif in einem nach der
fassungskraft des gedächtnisses sorgsam bemessenen umfang (zwei-
mal TÖ tocoCtov, Xötoc buvaröc xaTacxcOfivai) allen denen, welche
zu den kavÜLic Trpo߀ßTiKÖT€C gerechnet werden durften, wohl sind
auch unter ihnen wieder drei Ordnungen geschieden, von denen die
unterste noch Korä TÖv dv€u 96ÖTTUiV TpÖTTOV memoriert, die mitt-
lere bereits ihre Trepioboc Tdiv KupiurrdTUJV fi^a vorj^om iioieiTOi
und erst eine oberste im stände ist, ^mßoXäc dvoiXuovrec Täc
TiXeicTac tiüv Trepiobeiiöv UTrfep tt^c ÖXiic (pxtceatc TroieTcOai, aber
alle drei Ordnungen stehen noch als jünger unter den äugen des
meisters und bleiben (|jk€IU)^^voi 9UCioXoiriqi zum schlösse doch auf
das Studium der hauptschrift Epikurs gewiesen, deren vollständiges
Verständnis einen teil ihrer lebensaufgabe ausmachte.
Ich glaube , das gesagte reicht aus , und es bedarf nicht mehr
einer anfänglich beabsichtigten parallelisierung der Kupiai böSai and
des briefs an Menoikeus, um den beweis dafür zu liefern, dasz bei
den lehrbriefen Epikurs überhaupt und dem brief an Herodotos
insbesondere eine Vollständigkeit des materials für extranei, wie sie
die Spruchbücher bieten musten, von vom herein nicht im plane
Epikurs liegen konnte und factisch nicht gelegen hat.
Stade. Friedrioh Bockbmüllbb.
59.
ZU QUINTILIANUS.
inst. orat. XII 10, 64 (Hamerus) summam expresaurus in TTlixe
facundiamy et mc^gnUudineni iUi weis et tnm oratumis nivibus hibemis
capia verharum atque impetu parem tribuü. in diesem namentlicb
durch MSeyfferts Scharfsinn hergestellten satze ist die vergleichung
noch durch ein einschiebsei gestört, das sich mit Sicherheit erkennen
läszt. das Homerische ÖTra t€ |Li€TdXTiv findet in miigniiudinem vocis
sein äquivalent, Kai luea in vim araiionis. Homer stellt in^a einfach
neben viqpdbecciv x^iMcpdjciv, Quintilian fügt der vergleichung den
punkt der ähnlichkeit bei : vis araiionis und nives hibemae gleichen
sich copia atque impetu. aber t;cr&ortim ist ein störender eindring-
ling : es passt nur zu dem 6inen gliede des Vergleiches, überdies be-
deutet copia verhorum bei Quintilian nicht die fülle der rede, sondern»
wie aus X 1, 5 erhellt, den Sprachschatz über welchen der rednor
verfugt.
Wü&zBURG. Adam Eusbneb.
LSadäe: zu Dionysios von HalikarnasOB. 413
60.
ZU DIONYSIOS VON HALIKARNASOS.
1. Unter den rhetorischen Schriften des Dionjsios ist neben der
kleinem über Thukjdides die über Deinarchos die verderbteste, für
diese liegt der grund ihrer schlechten Überlieferung in dem umstände,
dasz in dem cod. Lanr. 59, 15, der für sie allein in betracht kommt,
die zweite band ihre correctur nur bis auf die schrift über Isaios
ausgedehnt hat, vermutlich doch, weil Trepi Aeivdpxou in ihrer vor-
läge nicht enthalten war. aus den zahlreichen Verbesserungen des
correctors in den übrigen Schriften (s. m. diss. 'de Dionjsii Hai.
scriptis rhetoricis quaestiones criticae', Straszburg 1878, s. 36 — 38)
läszt sich aber ungefähr ein schlusz auf den zustand jenes tractates
ziehen : durch zahlreiche verschreibungen wie auslassungen, die ganz
speciell der ersten band ihren Ursprung verdanken , ist der text arg
entstellt, fehler der letztem art liegen meines erachtens unter andern
an den folgenden beiden stellen vor: 1) s. 641, 6 ff. ö Audac . .
axjTÖc aÖTip 6|LioXoTOiijii€vöc dcTiv elc t€ töv Xcktiköv töttov Kai
Tf|v TUJV övojiidTUJV caqpi^veiav xal cuv9€civ aÖT09ufi jutv Kai Xdav
elvoi boKoOcav, TiavTÖc bfe <MaXXov> Xötou Kaid Tfjv f|bovf|v
biaqp^poucav. so möchte ich ergänzen unter vergleichung von s. 468,
11 f. £cTi TTavTÖc pfiXXov fpTou T6XVIKUIC fiexviKoO hss.) Kare-
CK€uacp^voc. — 2) s. 643, 14 ff. iöy |iifev koI f| Tf\c X^Seuic MCta-
XoTTp^TTCia Kai f| xfjc cuv6^c€U)c ÖaXXaff) . . iräci Trap^iniTai, ^rfitv
ijx TÖ KUiXtJOV £cTU) <dv ToTc> Ati|lioc0^vouc oötouc dvaTpd9€iv,
vgl. s. 643, 12 ty toTc Aeivdpxou dvatpacp^TU). 639, 4 touc dtÄ-
voc iv TOic ni€ub^civ dvaTpd90ijii€V dv.
2. in den Worten s. 596, 4 ff. tö i7nX€TÖ|Li€V0V TOÜTtp Itx ^äX-
Xov dKaTdcK€uov cpaivetai etvai koI Jbc öv Ibwlmic Tic direTv
bOvaiTO TÖ elpiliii^vov scheint mir der artikel vor €lpTi|ii^vov aus
dem vorhergehenden buvaiTO entstanden zu sein; an eine sprichwört-
liche redensart (tÖ elpTm^vov) ist nicht zu denken.
3. s. 863, 4 ff. heiszt es: oi>biv bei Tiepl avn&y t\xkvvv\ X^t^iv,
OÖb' ii iLv 0€U>pTlJlldTUiV T€ Kai TTpatMdT UJ V TOÜTUiVTlÖV dpCTUJV
^KdCTT] Tiv€Tai. Erüger bemerkt zu TrpaTMdTUiV: 'vide ne legendum
Sit TrapaTiipii)LidTU)v.' noch näher scheint mir TrapaTT€X|LidTU>v zu
liegen: vgl. s. 492, 15. 644, 9.
4. die Worte der Melier bei Thuk. V 86 f| \xkv ^TTieiKCia toO
bibdcKCiv KaG' f|cuxiav dXX/jXouc oö ip^T^Tar Td bi, toO ttoX^^ou
irapövTa f[br\ Kai oö jnAXovTa bia9^povTa auToO 9aiv€Tai ver-
anlassen den Dion. s. 908, 4 ff. zu folgender grammatischer bemer-
kung über auToC : toöto (sc. aÖTOu) oöt€ tiij 6r]XuKijj Kai iviKÜ^
Kai dvojLiaTiKtp (f| iiTiciKeia) TrpocopjiioTTÖ|Li€VOV cu&Zei Tf|v dKoXou-
Giav oÖT€ Tiji TrXriötjvTiKtu Kai oubeT^puj <Kal> Kcrrd Tfjv alTiaTiKf|v
kxnM^iTicjii^vq) TTToiciv (Td ToO TToX^iLiou). das eingeschobene Kai
wird nicht gut entbehrt werden können : dreifach anstöszig ist für
414 LSadäe: zu Dionysios von Halikarnasos.
Dion. wie die beziehung von auToO auf f) ^TTieiKeia so auch die auf
Tct ToO TToX^jLiou. Vgl. auch z. 1 ffl ^TTiCeÜTVUCi toiItoic ^VIKÖV Kttl
KaiCt TTIV T€VlKf|V kX11M«TlC^^V0V TTTUJCIV . . TÖ «auToO».
5. die Worte s. 981, 5 — 11 sind bei Sjlburg wie bei Reiske
wegen fehlerhafter interpunction unverstftndlich und gaben Beiske
veranlassung durch conjectur dem geforderten sinne zu entsprechen.
vielmehr ist alles in Ordnung, wenn mit richtiger interpunction so
gelesen wird : )Liupia TOiauTd den Tiapä AT]|iiocGkv€i xai ^dXicra dv
Toic Kaxd <|)iXi7rTrou Xötoic . . TToXXd bk Kai tv toTc biKaviKotc
dtOüci ToTc t' oöv biiMOcioic. xal cxeböv iv t€ toütoic Ka\ raic
brijiiiTopioic «IiTTep l(pr\y öv biOTVOiric aiineiip Trpox€ipoTdTt{i
TÖv ArijiOcO^vouc x<xpcxKTfipa. Sjlburg hat br)|Lir)TOpiaic. ipirep,
Reiske br]|LiT]Topiaic • ^^Tiep — er vermutete «Lirep oöv l(pr\y , 6ia-
YVoir|c dv.
6. Demosthenes behandelt die Trpooijiiia und binirjceic anders als
die TTicxeic und ^TiiXoTOi (s. 1097, 1 flf.) : iv alc ^fev ydp bei KoXa-
KCuGfivai TÖV dKpoaTf)v xai TrapaKoXouOncai toTc TrpdTMaci Koucdiv
dXXoTpiuiv biiiTi^c€civ auxMnP^c ivioxe xal diibeic dKOuovrac . . iy
olc bi td Tipöc TfjV dXrjGciov xai tö cujii9^pov cuvreCvovra X^ecOcu,
TaOxa bk dTiXo'iK&c iruic Koi T^waiuic Ka\ juetd c€^vött|toc aöcni-
pdc dTTaiToOciv o\ ttoXXoI jiiavOdveiv. Sylburg und Beiske haben
diese stelle für stark verderbt gehalten und manigfache änderungen
vorgeschlagen, irregeführt hat sie besonders die verkennung der that-
Sache, dasz dv alc jiidv und dv olc bi demonstrative bedeutong haben
und sich entsprechen; vgl. Krüger spr. § 50, 1, 5. dasz fibrigena
die anwendung der obliquen casus von de in Verbindung mit |üi^
und bi. dem Dion. durchaus nicht fremd ist, zeigen folgende stellen :
8. 93, 2 f. i(p" (Lv M^v T^P • • ^9* <I»v bi. 598, 7 f. Tiap' ^i jüiiv . .
irap' Jj bl desgl. 766, 3 ff. 839, 10 f. de ^^v . . de 5d. 1103, 10
& jiiev . . d Ö€. ist so die richtigkeit jener wor^ und damit die con*
struction der ganzen stelle nachgewiesen, so machen Schwierigkeit
nur noch die werte bir)Tr)C€Civ und dKOUOVTac, für die der rand des
cod. Bodl. (s. Reiske zdst.) meines erachtens durchaus richtig biilT^*
C61C und dKOucvTa gibt, der letzte satz Taöra bt usw. ist von dem
vorhergehenden durch ein kolon zu trennen.
7. s. 822, 6 ff. lese ich birjXXoSe tCjv Tipö aöroG cuTTpacp^uiv • •
KQTd TÖ XaßeTv öiröOcciv ^rJTe movökujXov TravTaTiaci ^rJT' {mb*
hss.) ek TToXXd )Li€|ii€piC)Lidviiv K€q)dXoia. — s. 920, 10 ff. Kai ircpl
ixiy Tüuv bioXÖTUiV SXic. toiv <b€> brmntopiKUJV Xötujv TeOaiJ-
^QKa usw. — s. 1007, 12 ff. fjv b* dpa TrdvTuiv IcxupÖTorov Ti|^
fidXXovTi TieWciv bf^jUGV f[ biKocTripiov <tö> dm Td irdOfi touc
dKpooTdc dyaTCiv, vgl. s, 1008, 2 ff. tö f)buv€iv . . Kai KaXXuiiriletv
ouK fjv xpnciMOv.
Freiburg im Breisoau. Leonard Sadi^b.
FHultsch: A/|muiaTa clc rd cqpatpiKd. 415
61.
AHMMATA €IC TA C<DAIPIKA.
RESTE EINER VERLOREN GEGLAUBTFN SOHRIFT.
In der untersnchnng über die isoperimetrischen figuren, welche
sich im 5n buche der cuvatuiTH ^det, beruft sich Pappos auf einen
hilfssatz mit der bemerkung toGto TOip ^v ToTc elc rä cqpaipiKä
Xii|ii)Liaciv b^beiKTQi (s. 310, 5). diese samlung von hilfssätzen schien
gänzlich verloren zu sein, doch konnte ich im dritten bände meiner
ausgäbe des Pappos drei stellen nachweisen, an denen das bezeichnete
lemma bewiesen wird^ und zwar allenthalben in einer weise, welche
die ableitung aus einer gemeinsamen quelle deutlich zeigt.* der ano-
nyme Verfasser der schrift "Oti tüüv lcOTT€pijii^TpuiV cxtlM<iTUiV usw.
führt Theon als gewährsmann an (Pappos III s. 1142): öti bk f)
re Trpöc OK ^€i2ova Xötov ixei . . ö^öciktoi jiifev 9^uivi iy tiJi
vTrojiiviijiiaTi ToO ^ixpoO dcrpovö^ou, oöbfev bfe fJTTov koI vöv*
b€ix6r)C€Tai. der juixpöc dcTpovö^oc, oder wohl richtiger dcrpo-
vo|iioO)Li€VOc', bezeichnet eine samlung kleinerer astronomischer
Schriften im gegensatz zu der groszen cuvroSic des Ptolemaios. nun
ist uns zwar nicht zum kleinen dcTpovO|iiou)i€VOC, wohl aber zum
Almagest ein commentar des Theon erhalten, und in diesem findet
sich der erwähnte hilfssatz mit ähnlicher beweisftthrung wie bei dem
anonjmus. ist nun die lesart iiiiKpöc bei dem letztem richtig und
dieses wort nicht etwa statt jn^yac verschrieben , so haben wir zu
folgern dasz Theon, auszer zum Almagest, auch zu den kleineren
astronomischen Schriften einen commentar geschrieben und darin
bei gelegenheit denselben satz nebst beweis gebracht hat, der uns
im commentar zu Ptolemaios erhalten ist. doch wie dem auch sei,
anstatt des Theon stellt sich uns als älterer zeuge fdr diesen hilfs-
satz und für alles was damit zusammenhängt Zenodoros dar, der im
zweiten jh. vor Ch., oder wenig früher oder später, geblüht hat.^
aber auch Zenodoros hat bei abfassung seiner schrift Tiepl icojiieTpuiV
CXHM^'^^V bereits ältere quellen vorliegen gehabt, als eine solche
quelle waren vermutlich die Xrj)Li|LiaTa eic Td cq)aipiKd anzusehen,
von denen wir zu anfang sprachen.
In der that trafen mehrere spuren zusammen , welche auf eine
frühere entstehung dieser lemmen hindeuteten. Zenodoros ist etwas
jünger als Archimedes gewesen ; letzterer aber hat denselben hilfs-
satz schon benutzt. ^ weiter aber liesz sich nachweisen, dasz die uns
erhaltene, wahrscheinlich dem ersten jh. vor Ch. angehOrige sphärik
^ vgl. Pappos bd. III 8. 1234 und was dort citiert ist. * vielleicht
verschrieben aas Vj^1v. ' s. Pappos s. 476 anra. 1. 1143 anm. 2.
* Nokk und Cantor an den zu Pappos s. 1189 f. citierten stellen.
^ ^la|Ul^{Tr)C 1, 21 8. 260, 11 (Heiberg), vgl. ENizze 'Archimedes
werke* s. 214 anm. y, denselben zu Theodosii Tripolitae sphaerica
(Berlin 1862) s. 168. Heiberg zu der angeführten stelle 8. 261.
416 FHultsch: Af)^fxaTa €lc rä ccpatpiKd.
des Theodosios von Tripolis beruht auf einem altem, wenig ab-
weichenden werke, welches bereits dem Autolykos, einem Zeitgenossen
des Aristoteles, vorgelegen hat. ^ zu diesem werke muste es aber auch
bereits hilfssätze geben von der art, wie sie Pappos an der zuerst
angefahrten stelle als XrJMMCt'^ct elc TÖi cq)aipiKd citiert.
Den einen hilfssatz, auf welchen Pappos sich bezieht, fand ich
vor kurzem in einer Mttnchener hs. auf, und zwar merkwürdiger-
weise unter Autolykos namen. möglich dasz die sogleich mit-
zuteilende Überschrift nur durch eine Verwechselung über den nach-
folgenden text gekommen ist; allein je weniger wir uns darauf
versteifen, dasz Autolykos selbst den erwähnten hilfissatz, und zwar
in der jetzt vorliegenden form, verfaszt habe, um so zuversichtlicher
können wir daran festhalten, dasz derselbe satz zu Autolykos zeiten
bereits bekannt war.
Der von uns im folgenden texte mit (1) bezeichnete abschnitt
ist das von Pappos citiorte Xfi|Lijiia eic Ta ccpaipiKd. es schlieszt sich
eng, auch in den geometrischen buchstaben, an die beweisfühnmg
zu demjenigen theorem an, welches uns als lle proposition des
3n buches der sphärik des Theodosios erhalten ist, und ergibt sich
deutlich als die quelle, welche sowohl der scholiast zu Pappos als
auch Zenodoros und der anonymus an den oben angeführten stellen
benutzt haben.
Die auszerdem noch folgenden drei hilfssätze knüpfen sich eben-
falls als scholien an gewisse textesworte an. dasz sie ebenso wie
der erste satz dem gebiete der sphärik angehören, ist leicht zu seheni
und man hätte demnach wieder zunächst an die sphärik des Theo-
dosios zu denken, doch ist es mir noch nicht gelungen dort oder
anderswo die stellen aufzufinden, denen sie einst beigeschrieben
waren, leider fehlen in der Münchener hs. alle fignren ; wären solche,
wie in anderen hss., sei es auch nur in kümmerlichen resten, er-
halten, so würde man leichter auf die richtige spur kommen, trots-
dem ist nicht zu bezweifeln, dasz auch diese scholien über kurz oder
lang sich an richtiger stelle werden einordnen lassen.
Wir lassen nun den text folgen, wie der codex Monacensis
gr. CCCI von fol. 49 bis 52 ihn bietet, wo keine ab weichungen an-
gegeben sind , stimmt unser text auch in der interpunction mit der
hs. überein.
^ von Autolykos werden in seinem buche ircpi kivoum^vt)c cqNtipac
einige aätze der sphilrik wörtlich citiert, andere als bereits erwiesen
vorAUBgesctzt, welche wir jetzt in den C9aipiKd des Theodosios an fol-
genden stellen finden: buch 1 propos. 1. 6. 7. 8. 15. 20, buch 2 propoi.
2. 3. 5. 10. 13. 20, buch 3 propos. 1. da nun mit diesen Sätzen wieder
andere theoreme desselben Werkes im engsten susammeuhange stehen,
so läszt sich diejenige composition der cq>aipiKd, welche dem Aatolykos
▼erlag, mit groszcr Wahrscheinlichkeit wiederherstellen, und es findet
sich dann, dasz dieselbe im wesentlichen Übereinstimmte mit derjenigen
form, welche später unter Theodosios namen sich Terbreitete and so
bis zur gegenwart sich erhielt.
FHultsch: A/mMara €lc rä ccpoipiKd. 417
aÖToXÜKOu, TTcpl Kivoujii^vr|c C9aipac: -^
(1) TTuJC tcvi b€b€ITM^VOV ÖTl f| Öp TTpÖC TfjV pT jicttova XÖTOV
£X€i ^Ticp f] ÖTTÖ prfi Tiwvia Ttpdc Tf|V irrö pörj t^viov.
"GcTU) TpiTiwvov öpGoTii&viov , tö aßt • Kai fjxöu) Tic f| ab • Kai
bio ToO_b^T^ ctT TTopdXXTiXoc f^xöui <f| be>- Kai ditel jueiZuiv dcTiv f| 6
b€ Tf^c bß big TP |Li€Ü[ova irtüviav tJTrorejveiv , 6p9f| T<iPi öEeia öpa
icrlv f| ÖTiö ßeb' dfiißXcTa fipa f| uttö a^, jueKuiv fipa f| ab Tfjc eb*
6 fipa K^VTpiu 1^ b biacTtiiLiaTi bfe t^ b€ kükXoc Tpa<P<5M€voc t€|li€T
fjifev Tfjv ab , ÖTTCpTiecciTai hk Tf|v ßb • fjK^TUi Kai £cTU) ö eZri • tö
aeb fipa ipiTWiVOV irpöc tov ebZ TOfJite fjieiCova Xötov ix^i , fJTrep lO
TÖ eßb TptTtüvov Trpöc töv erib TOji^a • Kai dvaXXaS tö aeb Tpituivov
TtpöcTÖ eßb Tpitiwvov juetZova Xötov ix^x ^Trep ö bei TOfieuc irpöc
töv €T|b Top^a* d)c bfe TÖ aeb TpiTuivov irpöc tö eßb TpiTuivov,
ouTUic f| oe irpöc ttjv eß • übe bfe ö eZb Toineöc Ttpöc töv eiib Tojii^a,
oÖTUiC f| UTTÖ Zbe Twvia irpöc Tfjv öirö ebß' koI cuv9^vti f| aß irpöc 16
Tf|v ße iLieiZova Xöjov Ix^x fJTiep f| üttö lbr\ fujvla irpöc TfjV uttö
ebß • f| bk UTTÖ ebß tIj uttö atß tcri dcTiv • f| fipa aß irpöc Tf|v ße
fJieiZova Xötov fx^ifljrto i\ öttö 2bß T^ivla irpöc Tf|v uirö aTß* fiXX*
d)c f|_aß irpöc Tf|V eß, oötujc f| Tß Trpöc Tf|v bß* Kai f| Tß fipa irpöc
Tf|v bß jiieiZova Xötov fx^i fjirep f| öirö Cbß Tuivia irpöc Tf|V öirö 20
ebr\: —
(2) "CcTiucav irapdXXiiXoi kOkXoi Kai ju^tictoi ol ep l\ iq)a-
irröpevoi toö eZ KaToi Td e £ cruneia' bid bk toO iröXou toO v Kai
Toö T CTiiLieiou jh^t^ctoc kOkXoc T€Tpdq)6ui ö iffv • X^tw) öti tcr] ^ctIv
f| Xv tQ vjü. 26
Aid Tdp ToO iröXou Kai TiBv dqp&v jh^tictoi kükXoi T€Tpdq)Oui-
1 2 die Überschrift und der anfangsbuchstab in TTCüc sind rot ge-
schrieben, ebenso später die anfangsbuchstabeu des 2n, 3n and 4n satzes
2 3 ^€(^Iovo* XÖTOV dxei yjirep f\ öirö cod. 3 4 TWvCav* | Ictui cod.
(neue zeile bei £cTU), aber kein absatz) 4 öpOoTtbvtov cod. in marg.,
öpOoTutfVUJ derselbe im texte i\xBiU tJc cod. 6 b Tf)c | ör cod. 1^ b€ von
mir hinzugefügt 6 koinma hinter öiTOTe(v€iv fehlt im cod. 7 ab
Tf^c I fol. 49^ I Tfic €Ö cod^also Tf|c zweimal) 8 5, 6iacTfmOTi cod.
Tpa<p6|uievo€, T€|Liet cod. 9 ßb | i^k^tw cod. (ohne interpunction) 10 töv
€ bl cod. 11 4vaXXdH* tö cod. 16 TU'vfal fw und darüber die ab-
o
kürzung von yia cod. cuvtcjO^vti cod. 16 fiuvi cod. 20 6ßy
|Li€{2Iova cod. 20 21 6itö €Ör|] man erwartet öirö orß (vgl. unten s. 420}
22 in den werten iTOpdXXr|Xoi — kqI >i^TtCTot steckt ein fehler,
denn zwei gröste kreise der kugel können nicht einander parallel sein
(Theodos. sphaer. 1, 11); vielleicht ist TCp jiCTfCTip zu lesen 23 ToO
(vor TtöXou)] toOto cod., doch ist to von erster band unterstrichen
26 26 tQ vp' bid T^P cod. (ohne absatz)
418 FHultsch: Alf)^^aTa €lc rä cqpatpiKd.
cav Ol ii€9* v2k* q)av€pöv oöv ÖTi öpGoi da irpöc touc eji* l\
kukXouc* Kai dTreZeüxOuücav a\ r\\' fp* tciüv bf| kukXiüv tiSjv eß' tk
Im biajLi^Tpuiv tOjv dirö tuüv € l Ica T|iirj)LiaTa kukXiüv irpöc öpOäc
80 i(pecn]Ke Täer\' r\l' kqI rä toOtoic cuvexn* kqI dTreiXriMM^vai ddv
Icai Tiepicp^peiai al efi , t^Z iXaiTOuc f| fmic€iai oöcai täv icpccnd-
TUiv t]lit]|ii(4tu)v kqI KOivfi auTüüv f| ÄTiö ToO r\ iii\ TÖ t imZeuTVU-
jLi^vr] €u0€To- ujcre f| er Tiepiqp^pcia tQ Zt Tr€piq)€p€iqi tcri ^cri* bi&
Td auid öf| Kai f| nX T^ X^ loi kri' Kai f| eji t^ £X dcrtv Tor d&cre
85 Kai XoiTTTi f| tX TT€piq)^p€ia T^ TM ^cxiv Ter] ' Kai iixe\bi\ ö iffv kukXoc
bid Tujv TTÖXuiv T^^vei TÖv 9vK, öpOöc dcTi Tipöc auTÖv * ki3kXou bfj
Toö 0va im bia^^ipou iflc dirö toO v, öpGöv T^f\}ia dq)^CTi]K€ t5
tv , Kai TÖ toOtuj cuvex^c • Kai direiXim^^vii Ictxv i\ fv dXdrruiv 1^
fl|Liic€ia oöca toO dq)€CTÜJTOC T^/JinaTOC* Kai fcriv Xcx] f| tm Trepiq)^-
40 p€ia T^ T^ irepiqpepeiqi, ficrc Kai f| dirö toO X tn\ tö TjEÖOcia Ten
Icii Trj dirö toO f ^Tti tö p* ujct€ Kai TT€piq)^p€ia f| Xv ifl vp teil
dcTiv : —
(3) Aid TÖ lä ToO f * ÖTi bk irpöc öpOdc icnv 6 €k£ ti|) Xe^,
dvT€ö9ev bfiXov ' inA tdp o\Jf\ , €kZ d9dTTT0VTai dXXi^Xujv , bid bk
45 TUJV TOÖ ^VÖC TTÖXlüV TOÖ €?!, Küi T^C dyT^C jbl^TlCTOC kOkXoC T^-
TpaTTTai 6 X€m, Kai bid tüjv ttöXuiv tou €k£ dXeuccTai* Kai el bid
Tiliv TTÖXuiv, Kai irpöc öpOdc aÜTiji fcrar itieX toOv 6 Xcm irpdc
öpGdc dcTi Tiu €k2[ , Kai ö ckZ irpöc öpOdc aÜTi^ dcTiv ' £cTt hk a&ü^
TTpöc ÖpOdc Kai ö tüüv TropaXXrjXuiv jndTicroc öuo dpa kukXoi o\
50 €k£ * jLißg TTpöc ÖpOdc eici ^ericrip KUKX41 t(|» eX^ touc ttöXouc ird
Tfjc TTcpiqpepeCac ^xovti: — _
(4) '€TT€i Tdp buo dvicd icn juct^Ot] , fj t€ Ok Kai f| dXdccujv
Tflc 0K, ßuiOev bfe TÖ auTÖ tö vH, tö bk, aÖTÖ TTpöc TÖ fXaccov
jLieiZova Xötov Ixex fJTTcp Trpöc tö jiieiZov, f| vH dpa TTpöc Tfjv dXdc-
65 cova Tf^c Ok jLiettovoXÖTOV £x€i flfTep Trpöc Tf|V Ok* die bk f| vE Trpöc
Tfjv ^Xdccova Tflc Ok, oötujc f| pv Trpöc Tf|v eO, bid tö Ocufpfijuia*
f| jüv dpa TTpöc Tf|v €0 iiieiZova Xötov Ix^x fJTTcp f| vE Trpöc Tfjv 6k:
Td Tdp 6|iioia t\ ivöc kökXou övtc t[ büo Icuiv , Kai Ica icTlv : —
28 Iciuv] Tciiv cod.; citiert wird Theodos. spbaer. 2, 11 Zk' in\ cod.
29 € ^, Tca cod. 80 ((p^cryice cod. 33 vcpKpcpcicjil .ircptqpcpct
cod. (der accent biuter a ist mit diesem buchstaben za einem %ng%
Ycroinigt) 84 £ctI | Ter) iDctc cod. 36 kOkXou 5i^ asw.] citiert wird
Theodos. spbaer. 3, 1 89 ic€pt<p^p€ia] o cod., ebenso gleich darauf
für Tr€pi9epe{<;[ 40 €ÜGela, Ter) cod. 40 41 Eukl.^em. 8, 11 61 ircpt-
cpepeiac] 9 cod. 62 dvtca £cTi cod. 63 t6 vE' tö cod. 66 Ok,
^ekova cod. 66 67 G€t(»pr)^a, /| cod. 68 Ja cod., and swar T rot
gescbriebcn.
FHultsch: A/m]LiaTa elc rä C9aiptKd. 419
Znm schlusz möge noch einiges zur erklärung des ersten lemma
folgen, auf die einleitenden worte TTüuc ^CTi bebeiTM^Vov ÖTi folgt
das wörtliche citat der stelle des Theodosios, zu welcher das lemma
gehört, die worte stehen gegen ende der beweisführung zu sphaer.
3, 11 (s. 78 Nizze): f| OP fipa Ttpöc Tf|v PT ixeilova Xötov ixex
fjTrep f| ÜTTÖ PTH TUivia irpöc ifiv öttö POH t^viav, und es sind
dazu die figuren 63 und 63 a bei Nizze zu vergleichen.
Die allgemeine fassung des theorems gibt Archimedes an der
bereits angeführten stelle (i|i(X|Li|ii. s. 260): wenn zwei rechtwinklige
dreiecke die eine kathete gleich, die andere aber ungleich haben, so
ist das Verhältnis des gröszem von den beiden winkeln, die den un-
gleichen katheten anliegen^, zu dem kleinern winkel gröszer als das
Verhältnis der gröszem hjpotenuse zu der kleinem und kleiner als
das Verhältnis der gröszem kathete zu der kleinem.^
Der Verfasser des oben abgedrackten lemma führt den beweis
mit hilfe einer besondern figur, welche
nach analogie der bei Theodosios
überlieferten linien und buchstaben
ohne zweifei wie nebenstehend her-
zustellen ist.
Mit beziehung auf diese figur ist
also der oben aus Theodosios ange-
führte und von dem Verfasser des
lemma wiederholte satz so zu formu-
lieren: f\ fß Ttpöc Tfiv ßö jueiZova
XÖTOV ixex fJTiepJi uttö ßöa Twvia
TTpöc Tfiv UTTÖ ßT«. in allgemeiner fassung würde das heiszen:
*das Verhältnis der gröszern kathete zu der kleinem ist gröszer als
das Verhältnis des gröszem anliegenden winkeis zu dem kleinem',
was mit dem zweiten teile des Archimedischen satzes identisch ist
und nur in der form durch eine wohl bequemere anordnung sich
unterscheidet.
Der beweis verläuft nun ebenso, wie ihn bereits Nizze zu Theo-
dosios s. 158 f. hergestellt hat.
Es sei ein rechtwinkliges dreieck aßt (dessen rechter winkel
bei ß), und es werde eine gerade ab (bis zur kathete ßy)) und zu ya
die parallele be gezogen, weil nun be gröszer als bß ist, da erstere
dem gröszem winkel , nemlich dem rechten , gegenüber liegt , so ist
der winkel ßeb ein spitzer', mithin aeb ein stumpfer, also ist
ab > be. also wird der mit dem centrum b und dem diameter b€
"* Archimedes setzt also voraus, dasz die beiden dreieoke so zn-
sammeDgelegt sind, wie es die obenstehende Ägva zeigt. ^ die trigo-
nometrische formulierun^ nach jetzt üblichem Sprachgebrauch gibt Nizze
an den oben anra. 5 angeführten stellen. ' dieser teil des be weises
erscheint über die maszen umständlich, doch ist zu beachten , dasz
der Verfasser für die folge auch das beweisglied eb^bß brauchte und
wohl deshalb die obige gliederung wählte.
420 EGrunauer: zu Ovidius metamorphoBen [IX 44].
beschriebene kreis die seile ab Bchneiden nnd über bß hinausfallen,
es sei der kreis ler\ gezogen.^® also ist A aeb : seä. cbZ > A €ßb:
seä. €T|b, und mithin auch A a€b : A €ßb > sed. ebl : sed, eiib. "
aber es ist A oieb : A cßb ^= a€ : €ß, und sect. ebl : seä. €iib »= Zbe :
ebß **, und componendo aß : ߀ > Cbß : ebß. " es ist aber ebßaorß ";
also ist aß : ߀ > Zbß : ayß* es ist aber aß : ße »» Tß : ßb "; also
auch Tß : ßö > Zöß : atß.
Vergleichen wir nun endlich mit diesem beweise jenes lemma,
welches im wesentlichen übereinstimmend in den schollen zu Pappos,
bei Zenodoros und bei dem oben erwähnten anonymus sich findet '*,
so zeigt sich sofort die durchgängige analogie in der beweisfühning.
nur heiszt der satz , welcher an den drei eben bezeichneten stellen
bewiesen wird, wenn wir die oben (s. 419) ans Arohimedes an-
geführte fassung benutzen : *das Verhältnis der grOszem kathete za
der kleinern ist gröszer als das Verhältnis des gröszem g^egenüber-
liegenden winkeis zu dem kleinem.' dieser satz liesz sich leicht
aus dem eben bewiesenen ableiten; allein es wurde eine besondere
beweisführung vorgezogen, welche ganz so verläuft wie die vorher
angegebene, nur dasz es in diesem zweiten falle keiner hilüscon-
struction (ziehung einer parallele zur hypotenuse) bedarf.
<" r\KiTVJ ist nogewöhnlicber and, wie es scheint, altertümlicher
ausdrack statt fe'^pdipBii). die buchstabenordnuug itf] des griechischen
textes ist auffällig, jedoch insofern erklärlich, als der kreis vollständig
gedacht wird. 2^ ist der Schnittpunkt der kreislinie mit ob, r\ mit der
verlängerten aß. ^' diese elementare folge rung aus dem vorhergebendea
satz wird bewiesen bei Pappos 7 propos. 5. " £ukl. elem. 6, 1.
6, 33 coroll. *' Pappos 7 propos. 8. ^* Eukl. elem. 1, 29.
1» Eukl. elem. 6, 4. ^^ Pappos III s. 1167. 1284 f. 1198. 1142 f.
Dresden. Friedrich Hultsch.
62.
Zu OVIDIUS METAMORPHOSEN.
mc^ IX 43 eroitque
cum pede pes iundus totoque ego pedore pro nus
d digitos digitis d frontem fronte premcham.
durch das adjectivum pronus wird offenbar der parallelismus der
glieder gestört, wenn es heiszt dasz die beiden helden Hercules nnd
Achelous in enger umschlingung dastehen , fusz an fusz , finger in
finger, stirn an stim, so erwarten wir doch wohl auch dasz sie brost
an brüst gepresst haben, demnach ist statt des die Situation nur nn-
bestimmt zeichnenden pronus zu lesen pectus, das erhellt anch aoB
dem ausdruck nUentia mea pedora y. 50 f. , womit man vei^^leichea
mag VI 242 f. (tod der kinder der Niobe) d iam contülerani arto
ludantia nexu pedora pedoribus.
WiNTERTUUR. EmIL GRÜNAUER.
WFriedrich: zu Ciceros philosophischen achriften. 421
63.
ZU CICEROS PHILOSOPHISCHEN SCHRIFTEN.
Tusculanae I § 105 lautet die Überlieferung sed plena erro'
tum SiMt onmia^ ein urteil an dem ich an sich nichts auszusetzen
habe, welches aber in seiner allgemeinheitan unserer stelle in
den Zusammenhang des ganzen nicht passt. es ist von den irrigen,
zum teil abergläubischen Vorstellungen der menge von der Wichtig-
keit des begräbnisses uud der fortdauer des menschen nach dem
tode die rede, mit welchen die geklärten anschauungen philosophi-
scher köpfe wie die eines Sokrates, Diogenes, Anazagoras in schroffem
Widerspruch stehen, von dem abschlieszenden urteil Ciceros, dasz
mit dem leben auch das empfindungs vermögen des körpers aufhöre,
leiten die angeführten worte zunächst zu einer anzahl dichterstellen
über, durch die solche verkehrte Vorstellungen von der fortdauer des
menschlichen empfindungsvermögens nach dem tode verbreitet wer-
den, daran schlieszt sich eine mitteilung über manche dem wahnglau-
ben entsprungene gebrauche ganzer nationen, wie der Aegjpter und
Perser, allein so weit verbreitete Irrtümer sich auch in der behan-
delten frage finden mögen, so genügt das doch nicht, um den hyper-
bolischen ausdruck zu rechtfertigen , der in omnia liegt , und zwar
um so weniger als Cic. beim übergange zum folgenden in § 108 auf
die meinungen nur einzelner {singulorum apiniones) zurückweist,
ferner hat ja doch Cic. selbst erst die aussprüche maszgebender
häupter von philosophenschulen angeführt und gezeigt, dasz es von
den irrtümem der menge freie seelen gibt und stets gegeben hat : vgl.
§ 91. dann bedenke man dasz die der incriminierten stelle folgen-
den citate, welche Cic. geiszelt, insgesamt dichtem entlehnt sind,
schlieszlich wie gern Cic. nach Piatons Vorgang gerade die dichter
für die unter dem volke verbreiteten falschen Vorstellungen über
religion und sitte verantwortlich macht (§ 36. 65. 92. II 27. HI 3.
IV 70. de nat. d. I 42. II 63. 77. III 62. 77. 91), und es scheint
mir unzweifelhaft, dasz Cic. an unserer stelle, wo er von den aus-
sprüchen der philosophen zu denen der dichter übergeht, statt des
generellen ausdrucks omnia (vgl. de div. I 50. II 137) sich eines
speciellen bedient hat und demgemäsz zu lesen sein wird : sed plena
trrorum stmt carmina. vgl. deleg. II 41. ganz ähnlich knüpft an
die irrigen Vorstellungen der einzelnen dichter die irrtümer ganzer
Völkerschaften des ausländes Cic. auch de nat. d. I 43.
Unter den beispielen, welche die ertragung des höchsten Schmer-
zes bekunden, befindet sich im anschlusz an den feuertod der Brah-
manen die indische witwenverbrennung Tusc. V § 78 mulieres vero
in India, cum est communis earum vir mortuus, in certamen iudi-
ciumque veniunt, quam plurimum iMe dilexerü — pHures enim singulis
solent esse nuptae ~; quae est victrix^ ea laeta prosequentibus suis
una cum viro in rogum inponitur, iüa viäa maesta discedit. statt
422 WFriedrich : za Ciceros philoBophischen Schriften.
des hsl. cuius hat wohl mit recht fast allgemeine aufnähme das com-
munis von Geel gefunden, dagegen sind der Verbesserungsvorschläge
mancherlei im schluszsatze gemacht worden, die alle auf denselben
sinn hinauslaufen. CFWMüUer führt statt des hsl. tUa folgende an:
turha^ turheUay turha iUa\ illae^ rdiquaey rdidae — discediMü. vgl.
Jahrb. 1864 s. 472. Sorof setzt i>iäa nuda non maesta discedU in
den text. ich enthalte mich jeder beurteilung dieser Vermutungen,
da nach meiner ansieht der hauptsitz der Verderbnis nicht sowohl in
iUa als in victa liegt, welches als rhetorischer gegensatz zu vidrix
aus einem naheliegenden werte verlesen ist. und was soll auch
im schluszsatz eine betonung der trauer der unterlegenen
frauen bekunden? nicht um diese, sondern um die freudige er-
tragung des höchsten körperlichen Schmerzes handelt
es sich hier, kurz, dieser matte rttckschlag, welcher in vida
maesta liegt, befriedigt nicht: ich erwarte einen fortschritt nnd
abschlusz des gedankens , eine lösung der Spannung , in welche den
leser die werte in rogutn inponitt4r versetzt haben, man vergleiche
nur die der unsrigen verwandte stelle aus Propertius IV 13, 15—22
am schlusz: ardent victrices et flammae pectora praebent inpanuntque
suis ora perusta viris, einen ähnlichen abschlusz des gedankens, nnr
ohne die dichterische färbung, gewinnen wir für unsere stelle, wenn
wir schreiben: nulla a vita maesta discedit, die entstehung des
fehlers ist von mir schon oben angedeutet und nicht schwer za er-
klären, zu a vUa discedere vgl. Hildebrand im Dortmunder Pro-
gramm 1859 s. 6.
de natura deorum I 4 nam et fruges et rdiqua quae terra
pariaty et tempestates ac temporum varietates caelique mutationes^ qutbua
omnia quae terra gignat maturata puhescant, a dis inmortatihus trOmi
generi humano putant nehme ich anstosz an dem ausdruck maiuraia
puhescant, da weder von einem maturata (u)paia) gignere noch von
maturata puhescere die rede sein kann, vielmehr bei dem natur-
proccsso des Werdens das pubescere (11 41. Cato m. 51) dem matu-
ratum {Cato m, 53. 71) naturgemäsz vorangehen musz. vgl. auch
II 50 pubcscani maturitatemque assequantur quae oriuniur e terra,
die Worte unseres textes halte ich daher als aus matureniur atque
pubcscant oder, was noch näher zu liegen scheint, aus maturescani
atque puhescant verderbt, dh. die Witterungswechsel üben ihren
einflusz nicht nur auf das reifen der frucht, sondern auch schon auf
ihr keimen aus.
Zu einer wiederaufnähme seiner philosophischen Studien nnd
schriftstellerischen thätigkeit veranlaszte Cicero, wie er öfters er-
wähnt, die beseitigung seiner person von der politischen bühne seiner
zeit sowie der im mäi*z des j. 709 erfolgt tod seiner Tullia. ul
diesen schicksalsschlag gemahnt er auch de nat. deorum I § 9« die
stelle daselbst lautet: hortaia etiam estj ut me ad haec amferrem^
animi aegritudo, fortunae magna et gravi commota tttttirta, cuius H
maiorem aliquam levationem reperire potuissem , non ad hanc potisBi'
WFriedrich: zu Cicero» (>hiU^o|^hibi')kru »otritteu.
42a
flNMN ctmfuffisscfH. ea i^ro ipsa nulla rutU^he im/iu^ /im« ^n^a« liMum
si me tum modo ad hgendos Ubros, st*d tlium ad Mum ^iU^soykMUk
pertractandam dedisscpn, wir hegegnt'U hi^r in «woi hviäpiulua ituiu
dritten bypotbetiscben falle, dati tT&U) ibt eiutur.h uiui klurj uurh iliti
beziebung von fnaior levatio luicbt veibtäuilliub uU uut' |itilitiMibu
tbatigkeit gehend (vgl. dv div. 11 7). nicht mt iIhu zwuitti liüi&iiiul
des irrealen falles: denn diuuo fübdung duu but^uu nrgihl dun vui ■
bcbwiegenen gegenHatz sed me non ad totam ithdadophUuH iurlimlan-
dam dedi, dem aber wider&pricbt diu untiurer btullu vuruiigchundu
sowie nachfolgende erörterung, deugleicbtin diu liüliiiiuiig guruilu
dieser nrnfas^enden beHcbttftigung von »einer beiLe auch uu uiiiluiii
orten wie de div. 11 1 — 7. de off. I .'J. Tuac. 1 I u. ft. Jl 1. wii- ge-
winnen den conformen gedauken, wenn wir den sat/ iw «jiiiur fragu
umgestalten und bcbreiben: m vero ipaa num ullu rntiunt' nuUua
firui potui quam iti . . dedissetnY eine Sbnlicbe coiibtriicliou tiudcL
eich de div. II 21.
ebd. I 93 ist in der stelle std sU/macluihatur st-Ht'j:^ öi ijuid lupt-
rnu dixeram, cum EjÄcurus Ari^äoltkm ve-jiarU r/jfUmudiijöiaäi$Hc
• . Xausipftanem , magistrum suum, a qu^ non nihil di/kctrut , tarn
mak accepcrü btatt des in den ttbrigen bbb. btebeudeu niJiü uub
dem cod. Rebdigeranus non niiiü auiigeuouimeu worden lüil rück-
sicbtUftbme auf % 1*6 in Kautnpkane iJemotrütc icneiur, fjucm cum a
86 non neget audUum , vexai tarnen omniOun c</iUu^neUüi. aub dersel-
ben stelle mubz auch tarnen Klau deb bier für eine eiupbabe gegeu-
standbiüöen tarn wiederbergebtellt werden.
I>ie Torsebung durcb dringt und durchwirkt die verocbiodeueu
teile der well, daher hat man bowohl die er^euguibbe dw ualur aU
ftuch gewisse sittliche iactürec in dem luenbchenleben auf die gou-
beit zurück gellihn und die e roteren ale gaUeL dejoeibeu aucL mit
dem namen einer gottet benauut. die ieizteiwi; tmiOöi peioociiLuAii.
dieser gedanK€ ocuijesz: itiCL hl äeii auochiiitr i^u. we^ciiei mjl der
fironnen ofrr gtiuriit gehunueii natu.-, üac worie »eiuot ii*aU:ij d4;
na:, ci. H ^ ^^-' rttuüu*. uuient alt4M f*atu^ae äcoruta tJ. vHagmt Oi./*t-
ficii-: iorwx uofi btff. iuubv e: u Oraec-iUt baptentibnim^ ei a tfMU/ri-
Uui nosiTLi^ cofisiuuiu< fumtmaiueqw. btMii. quidqa^d cnan tikuytMm
utiivaien^ gtiter ajüierre- hamuft/j . tti noti Ht^^. ä^VitM OonttaU uya
Mmktuti ft*rr arourauamur. jmg^. iiim iUidd^ quod erui u iU'j t*aiutn.
uppeijatHUi . .
j#k appeiiuiur,
axuiloe/ er-
«laaei jua'.,
tt^rttt^ per
fi aeii siii-
WfcUögeaon-
VeubU um
ipidich die
numtfi^. tpüixi-: ae nur
rii». eiftf'tTi' f *-■' tp'>ttn •■
ut t'v tvbv ftOTHifteiur dm^
re^: i-if.- zunicub: eoruh
der eiuii^i'.^ äie VitdlMsittf
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der iiftt, f
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424 WFriedrich : zu Ciceros philosophischen Schriften.
waltenden kräffce der natur (§ 63) personificiert. diese einzelnen
göttergebilde kann also der glaube nicht um eben der woblthaten
willen, die den menschen angeblich durch jene göttergebilde {ex
magnis beneficiis eorum) zu teil werden, aufgestellt haben, sondern
aus den wohlthaten, die aus den göttlichen gaben entspringen, hat
er einen schlusz auf den geber gemacht, das antecedens war der
nutzen , der dem menschen aus der göttlichen gäbe erwuchs (§ 62
utüitatum igUur magnitudine constUuti sunt ii di usw.), das con-
sequens der schlusz auf einen geber , und so sind jene göttergebilde
entstanden, mit hinweis also auf § 80 postremo cum saiis docueri-
mus Jios esse deos^ guorum . . et earutn rerum rifn, quae inesseni
in omni mrmdo cum magno usu et commodüate generis humani: effir
citur omnia regi divina mente atque prudentia werden wir auch an
unserer stelle ex magnis beneficiis rerum non sine causa lesen
müssen, man vgl. auch I 36 rebus inanimis^ 38 ipsasgue res uiiles
et salutares . . aui res sordidas atque deformes dearum honore adfioere.
für diese meine Vermutung spricht auszerdem der umstand, dasz am
schlusz unserer stelle dem res ein ipsa beigefügt ist: denn hier wird
die Sache selbst zur gottheit erhoben, doH aus dem nutzen
der Sache auf einen göttlichen geber geschlossen ; somit entsteht
denn ex magnis beneficiis rerum die anzahl manigficuiher götter-
gebilde. — Femer dem einheitlichen gottesgedanken (§71 deue)
Htebt die Vielheit des göttlichen wirkens in seinen erscheinnngen als
individuelle einzelne kräfte (§71 Ceres ^ Neptunus^ und daher ist
mit OThEeil im folgenden hoc eos zu lesen) sprachlich gegenüber.
es musz daher in dem satze unserer stelle itaque tum iüfud . . fitm-
cupahantj wie man bei a deo an den einheitlichen gottesbegriff denkt,
bei dei an die Vielheit von göttergebilden, die die dankbarkeit der
menschen schuf, gedacht werden, also, wie aus dem folgenden er-
hellt, an eine Ceres oder einen Liber. diesen gedanken gewinnen
wir nur, wenn wir nicht nomine ipsius dei, sondern nomine ipso
Uli US dei lesen, ganz ebenso gebraucht finden wir üla in dediv»
II 54 medid quamquam inteüegunt saepe^ tamen numquam aegris
diatfU illo morbo eos esse morituros.
ebd. n c. 38 u. 39 sucht Baibus die ezistcnz einer göttlichen weit-
regierenden Vorsehung aus der Schönheit der Schöpfung zu beweisen
und entrollt gleichsam vor den äugen seiner zuhörer ein bild der-
selben, zunächst der erde als festlandes, deren Schönheit und zweck-
müszigkeit er durch aufzählung einer groszen anzahl einzelheiten aas
ilor pÜanzcn- und tierweit preist, sodann aus den werken der men-
schen, die gleichsam als pfleger der göttlichen Schöpfung bestellt
sind, daran schlieszen sich in § 99, ehe Baibus zur betrachtung des
mecres übergeht, die werte quae 5i, ut animis, sie oculis videreposse-
mus, nemo cunctam intuens terram de divina ratione dubitaret, ein
irrealer bedingungssatz , der die möglichkeit des quae videre aus-
schlicszt. nun aber ist es doch keinem menschen, er müste denn
blind sein, benommen diese vorher aufgezählten einzelheiten, wie
WFriedrich: zu Ciceros pLüosophischen Schriften. 425
Städte, Villen, gärten ; tiere, berge, tbäler, wälder, flüsse usw. auch
nf irklich in augenschein zu nehmen, demnach haben entweder die
Worte cundam intuens terram Stellung und numerus vertauscht, oder
68 musz in der hypothesis ein fehler enthalten sein, ich fasse den
satz als folgerung aus dem vorhergehenden und schreibe quare si^
ut animis usw. zu den werten , auf welchen in unserm satze der
hauptnach druck liegt und die die Unmöglichkeit des octdis videre
erklären, nemlich cundam intuens terram dh. ungefähr aus der
vogelperspective, vgl. § 161, femer Tt^c. 144—47. de re p. III 14.
VI 15. de leg. I 60 f.
ebd. II 163 wird die existenz der göttlichen Offenbarung als
beweis der göttlichen ftlrsorge für den menschen geltend gemacht,
die daselbst von mir beanstandeten worte lauten: haec igüur sive
vis sive ars sive natura ad scientiam rerum futurarum homini profecto
est nee alii cuiquam a dis inmartalihus data, zu welchen Schömann
die erklärung gibt : 'eine von den göttem verliehene kraft oder eine
durch beobachtungen erworbene kunst oder eine naturgabe.' allein
die dreigliederung ist nach Ciceros schrift de divinatione eine unrich-
tige: nach dieser ist die divinatio eine vis (I 6. 12. 79. 80. 93. 118.
125. II 29), die entweder arte oder natura (I 11. 25. 34. 70. 72.
109. 110. 127. 128. II 26) in die erscheinung tritt, es ist somit
das erste sive vor vis zu streichen.
de divinatione I § 6 lesen wir: quod iUi in aliquare invitissi-
mis staicis stoico facere licuU^ id nos ut in reliquis rebus faciamus a
stoicis non concedetur? praesertim cum id^ de quo Panaetio non
Uquet, reliquis eiusdem disciplinae solis luce videatu/r darius, im
letzten satze nahm Ernesti anstosz an solis luce als einer nicht nach-
weisbaren Verbindung und vermutete dasz solis aus sociis entstanden
sei. Hottinger sucht imsere stelle , die sich auf die autorität sämt-
licher hss. stützt, auch noch durch den wenig beweisenden hinweis
auf de fin. 171 sole ipso iUustriora et dariora zu schützen, indessen
so wenig mir das Sprachgefühl an der Verbindung von solis luce auch
aussetzen zu können scheint, halte ich doch solis nicht für einen von
luce abhängigen genitiv, sondern vielmehr für den dativ von sölus zu
reliquis gehöng, worauf die vorausgehende erörterung Ciceros hin-
weist, der glaube an eine göttliche Offenbarung beruht eben auf
dem Volksglauben , nicht auf einer wissenschaftlichen begründung.
eine solche haben zwar seit alter zeit die philosophen versucht, aber
gänzlich verwarf sie schon unter diesen, abgesehen von den Epiku-
reern, der theist Xenophanes, von dea spätem erkannte der peripate-
tiker Dikaiarchos nur die sog. natürliche divination an, und ihm folgte
Kratippos. allein die stoiker verteidigten mit Scharfsinn (vgl. 11 150)
fast alle die verschiedenen arten der divination (72), und doch wagte
auch von diesen trotz des gegengeschreis in der eignen schule Panai-
tios wenn auch nicht die divination zu leugnen, so doch wenigstens
ihre existenz in zweifei zu ziehen, die übrigen stoiker waren es
also allein , die in diesem wichtigen punkte der manigfachsten diffe-
JahrbQcher für class. philo!. 1883 hfl. 5 a. 6. 28
426 WFriedrich: zu Ciceros philosophiBcben Schriften.
renzen (§ 5 sed non uno modo) hell sahen , und gegen welche Kar-
neades die schneidige waffe seiner dialektik führte, zu soltis vgl. 1 105.
II 150. de nat. d. I 43. II 154. 158.
ebd. I § 20 f. in dem aus Ciceros eignem gedieh te de consukUu
von seinem bruder Quintus angeführten bruchstücke wird drohendes
verderben dem Staate verkündet, wenn nicht das Standbild des Jup-
piter, welches vom blitz herabgeschmettert worden war, von neuem
auf dem Capitolium und jetzt zwar mit nach osten gewendetem antlit&
errichtet würde, die neueren ausgaben geben übereinstimmend fol-
genden text:
ni prius excelsum ad cdumen formata decore (v. 55)
sanäa lopis species claros speäaret in ortus.
tum fore ut occuU^s popiUus sandusque senatus
cernere conatus posset^ »i solis ad ortum
conversa , inde patrum sedes populique videret.
anstosz erregen die werte exceisum ad cdumen. Moser sacht die-
selben folgendermaszen zu erklären: * excelsum ad cdumen formata*
sagt er ^intellege, ut supra c. 11 magnum ad cdumen ^ dictum pro
instar magnae columnae.^ allein ich vermisse in der Weissagung
unserer stelle eine bestimmung, auf welche in einem folgenden
verse als auf eine wesentliche rücksicht genommen wird und auf die
auch Cicero in (Jatih III c. 8 bezug nimt. femer da in v. 59 für inde
die locale beziehung fehlt — denn dasselbe kann doch wohl nicht gut
als pleonastischer zusatz auf ad ortum conversa weisen — so glaube
ich eine solche in unserm verse suchen zu müssen, nun lesen wir
V. 61 : consule te tandem celsa est in sede locata^ femer in Caiü, DI
20: idemque iusserunt simulacrum lovis faccre malus et in exodso
cofdocare et contra atque antea fuerat ad orientem convertere. dem-
nach wird in der anstöszigen stelle ni prius ex celso zxl lesen sein,
welches dem in eoccelso cohlocare der genannten rede sowie das facere
malus in dieser dann dem ad columen formata unseres gedichtes ent-
sprechen würde, über die Verwechslung von um und o in den hss.
vgl. Jahrb. 1864 s. 136. — Auch 4 Zeilen später halte ich in dem
verse luppiier excdsa darahat scaeptra cdumna den abl. excelsa
columna für schwerfällig und nicht recht verständlich, die ans-
drucksweise gewinnt an klarheit und anschaulichkeit, wenn wir das
erste wort in ex und celsa getrennt ex celsa cdumna schreiben.
Zur zeit der schlacht am Trasumennischen see fanden an vielen
orten Italiens erdbeben statt: Livius XXII 5, 8 mdum terrae^ qui
multarum urhlum Italiae magnas partes prostravlt usw. mit be-
zugnahme hierauf lesen wir in unserer schrift I 78 : magnum iOmd
etiamy quod addldü Cadius, eo tempore ipso^ cum hoc aüamitosum
procUum ficrd, tantos terrae mdus In Liguribus^ GaUla compiuribusque
InsuUs iotaque in Italla fados esse^ ut usw. auffallend erscheint hier
der abl. Gaüla^ zudem nach nennung des namens der Ligurer. ich
vermute dasz hier der gen. chorographicus einzusetzen und in Ligu^
ribus Oalliae zu schreiben ist. so hat jedes der drei substantiva
WFriedrich: zu Ciceros philosophischen schriften. 427
lAguribuSy insulis^ Italia seine attributive bestimmung. auch com-
pturibtisque in insulis scheint mir aus der Überlieferung leicht her-
stellbar.
ebd. I 107 führt Quintus eine stelle aus Ennius an, in welcher
die erwartung der menge, wem von dem brüderpaare, dem Bomulus
oder dem Bemus, die götter das günstige Vorzeichen schicken würden,
mit der gespannten aufmerksamkeit der Zuschauer im circus ver-
glichen wird, deren aller blicke auf die ausfahrt der wagen gerichtet
sind, die stelle lautet:
exspedant vehäi^ constU cum mUtere Signum (v. 8)
volt, omnes avidi speäant ad carceris oras^
quam mox emittat piäis e faucibus cum^s:
sie exspectahcft papulus usw.
einstimmig geben die hss. aras^ nur V oris, indessen was soll ad
carceris oras bedeuten? mit ara verbindet sich der begriff der aus -
dehnung im räume als die äuszerste grenzlinie eines
ganzen nach 6iner sowohl als nach allen vier himmelsrichtungen
hin : Td ^cx^Ta. vgl. Döderlein lat. syn. in 214. Lachmann zu Lucr.
8. 223. daher nennt Cic. so die weltenden de nat. d. I 54. II 101.
de fin. n 102, die zone Tusc. I 68 ; land striche bezeichnet es de div.
II 45. 164, den küstenrand de nat d. U 100. aber immer umfaszt
das wort einen gegenständ in seiner vollen Ittngenausdehnung, soweit
das äuge reicht, sei er klein oder grosz. Lucr. IV 13 wird mit orae
der rand des bechers bezeichnet, Verg. Äen. X 243 der schildrand;
IX 528 nach Ennius Vorgang {ann, 178) die enden des Schlacht-
feldes, georg, IV 39 sind orae die rttnder der Zuglöcher in den
bienenstöcken, bei Celsus V 26. 23 die rttnder der wunde, und wenn
Festus erklärt: oram pro initio rei posuit Caecüius^ cum ait *oram
reperire nuUam quam expediam queo^, so verknüpft sich damit eben-
falls die Vorstellung nicht von einem an fangsp unkte als solchem,
sondern von dem anfang oder ende eines gegenständes in seiner
ausdehnung : ora ist eben nicht das ende oder anfang einer 1 i n i e ,
8ondei*n einer fläche, halten wir diese bedeutung fest, so gewinnen
wir von dem bilde , in welchem der dichter sich hier bewegen will,
bei unserer lesung keine rechte Vorstellung, gemeint sind die aus-
gttnge für die wagen , nach welchen die Zuschauer mit gespannter
aufmerksamkeit hinblicken: vgl. Verg. Aen, V 145 effusi carcere
currus. Lucr. IV 990 carceribus patefaäis. Hör. sat. 1 1, 114 carceri'
hus missos currus» dieselben befinden sich aber auf der einen Schmal-
seite des circus, welche für den blick eine beschränkte ist. auch
nicht auf die ränder der einzelnen ausfahrtsthore würden die Zu-
schauer blicken, sondern ihr äuge würde naturgemäsz in das innere
zu dringen suchen, nun ist im folgenden verse das bild mit e fauci-
h%tö weitergeführt, in diesem bilde verbleiben wir (vgl. Cic. jp. Ar-
chia § 21 belU ore ac faucibus), wenn wir das s streichen und lesen
ad carceris ora, womit eben treffend die einzelnen ausfahrtspunkte
für die wagen bezeichnet werden, vgl. Verg. Aen. II 482 et ingentem
28»
428 WFriedrich: zu Ciceros philoBophiechen schriiten«
lato dedU ore fenestram, Seneca Herc. für. 664 hk ora solvü DUis in-
visi domus. zu dem zusatze von s vgl. jahrb. 1864 ». 136. — v. 10
, ist das epitheton pidus wunderbarer weise auf faucihus bezogen, ein
anschauliebes bild gibt zwar der ausdruck desselben dicbters in un-
serer scbrift II 56 favent faucihus ru8sis\ allein an unserer stelle
würde der Situation nur ein ausdruck entsprechen , in dem die be-
deutung des dunkeln läge, ich vermute dasz dem Homerischen
äp^aTa TTOiKiXa (t 492) entsprechend pictos e faucihus cwrrus zu
lesen sein wird.
ebd. I 112 lautet nach A^B^H der tezt bei Christ: ah Anaxi-
niandro physico monüi Lacedaemonü stmt^ ut urhem et teäa linque-
rent armatiqu^ in agro excüharentj quod terrae nwtus instarety tum^
cum et urhs tota corruit et monte Taygeto extrema mofUis quasi puppis
avolsa est. Baiter-Kayser sowie CF WMüUer schreiben nach V e mofUe.
gegenständ manigfacher differenzen sind dann im folgenden die worte
extrema montis quasi puppis gewesen, über welche die Mosersche
ausgäbe rechenschaft gibt, allein wenn zur Verteidigung des teztes
Wopkens das quasi puppis mit recentes quasi tumares animi ans
Tusc. IV 63 vergleicht, so ist die heranziehung dieser stelle eine un-
passende, ebenso gut hätte er de nat. d. 1 49 nee tarnen ea ^pecies
(sc. deorum) corpus est sed quasi corpus ^ nee höhet sanguinem sed
quasi sanguinem anführen können, diese ausdrucksweise kennt der
Sprachgebrauch nur da, wo ihm der dem begriffe congruente ausdruck
fehlt, kurz, hier vermiszt man das dem puppis verglichene wort, und
so setzte denn Schütz mit richtigem gefUhle pars ein , obgleich ich
der Umgestaltung der stelle in ex Taygeto extrema pars montis nicht
beipflichten kann, da die isolierte Stellung von quasi puppis zwischen
subject und prädicat in seiner beziehung an klarheit nicht gewinnt.
ich rechne die stelle zu denjenigen , bei denen auf eine annähernd
sichere emendation verzichtet werden musz, weil die überlieferte
lesart den ursprünglichen text verdrängt hat: denn wie schon Davies
bemerkt hat , ist extrema (pars) montis ein glossem , nicht aber zu
pup2)is^ wie er annimt, sondern nach meiner meinung zu dem eigent-
lichen, jetzt im texte fehlenden subjecte des satzes, welches mit
einem scbiffshinterteile verglichen wird, nun hat ohne zweifei un-
sere stelle Plinius vorgeschwebt: denn n. h. II § 191 lesen wir:
instare cnim motum terrae , et tum urhs tota eorum corruit et Taygeti
mofitis magna pars ad formam puppis eminens ährupta. demnach
werden wir, wenn wir die grosze ähnlichkeit beider stellen verglei-
chen, vermuten dürfen dasz auch an unserer stelle etwas ähnliches
gestanden haben mag, wie et e monte Taygeto magna pars emi-
nens quasi puppis avolsa est.
ebd. I 34. im anschlusz an die orakeUprüche des Bakis, Epi-
menides und der Sibylla erwähnt Quintus die sortes, die in zwei
classen sich scheiden : cuius generis oracula etiam hahenda snnt^ non
ea quae acquatis sortihus ducuntur, sed iUa quae instinäu divino ad-
flatuque funduntur: etsi ipsa sors coniemnenda non est^ silet^ vgL
WFriedrich : za Ciceros philo8ophi^cheIl •chriftexu 429
Jahrb. 1864 s. 618] audcrttattm habet vetusiatis^ ut tat samt Mrtts,
quas e terra editas accepimus: quae tarnen duetae \a m rem apie
cadant fieri credo passe divinitus. vgl. II 70. sorles dwxre ist ter-
minus technicns fdr die prophetie durchs loos. ich Termifise deshalb
bei quae tarnen duetae eine bestimmung welche dem Toransgehenden
aeqiuxtis sortWus parallel steht nnd angibt, warom Qnintos gende bei
anwendnng dieser praenestinischen loose eine göttliche einmirkung
anzunehmen sich für berechtigt hSh. auch tarnen weist darauf hin,
dasz ein neues und zwar wesentliches moment zur auctorUas tetustatiß
hinzutritt, welches das divinitus fieri begründet, dasselbe kann
Quintus, da es ausschlaggebend f&r seine beweisf&hrung ist, un-
möglich als etwas selbstverständliches und im gedanken zu lop-
plierendes fibergangen haben, ich halte daffir daez nach 11 d6 qua^
tarnen ^Fortunae monituy duetae zu schreiben ist. — § 1.31 iMmo-
crUus autem censet sapienter instiiuisse veteres ut Mostiamm immo-
latarum inspicerentur exta^ quorum ex habitu at^pte ex efAf^re ium
saZübritcUiSj tum pestüentiae signa percipi. non numquam etittm. quae
Sit vel 8terüit<is agrorum vel fertüitas futura. der er^te relatiT§atz
enthält die begrfindung ftlr das Toraufgehende sapienter instituis^e,
kann also eines conjunctivi? nicht gut entbehren. wahrM^beinlicb fiel
hinter percipi ein possit aus, vgl. § 116. — § 72 lautet die Über-
lieferung : quae vero aut coniedura explieantur aut eventi$ ankmadcersa
ac notata sunt^ ea genera divinandiy ut supra dixi, non naturalia, $ed
artificiosa dictmtur. ich vermisse ein einziges wort, welches den
text dem bisher gesagten analog gestaltet : denn hier i?!t nur von der
künstlichen divination die rede, während unter die zweite cl»^»e
nach der überlieferten lesart die genera der divinatio naturalis doch
auch fallen könnten, auch von ihnen kann man sagen: eventis ani'
madversa ac notata sunt, nach § 34 nun beruht die künstliche divi-
nation entweder auf coniectura oder auf observatio, beide schöpfen
aus üuszeren anzeichen (109), nur erstreckt »ich die observatio mnf
den erfolg solcher anzeichen, aus deren Wiederkehr sich für die divi*
nation ein usus (131) herausgebildet hat (25). nach welchem die
zeich endeuter ihre Prophezeiungen geiittalten. was ako wird be*
merkt und aufgezeichnet worden sein? doch nicht die^^n^a, ai«f
welche der zweite teil unseres relativsatzes ebenfalb hinweiden würde,
sondern signa und eventa (5. 12. 15. 16. 25. 29. 36. 52. 58. 72. 75.
77. 121. 124. 128), auf grund deren (109; wundererftcbeinungen
(88. 127), deren erklSrung in das gebiet der natürlichen dirinaticm
gehört, erklärt werden {explieantur). es ist somit nach eventis ein
quae einzusetzen und zu schreiben: quae vero aut conifxtura expli'
cantur aut eventis^ quae anvmadversa ac notata sunt^ ea genera uaw.
man vergleiche auch im folgenden den satz quorum alia $unt pomta
in monumentis et disäplina . . alia autem subito ex tempore eoniedura
expUcantur.
Wie in der Überlieferung des textes von de ditinatione in einer
anzahl von stellen der ausfall von 6inem oder mehreren Wörtern con-
430 WFriedrich: zu Ciceros philoBOphiachen schrüten.
statiert werden musz , so krankt derselbe auch an einer anzahl Ton
Zusätzen. I 47 werden die worte des Inders Calanus so wieder-
gegeben : 0 praedarum discessum, inquü^ e fito, ct«m, ui HercuU con-
tigU^ mortaLi corpore cremcdo in Iticem animus excesserü! der hin-
weis auf den bekannten feuertod des Hercules tU HercuU contigü ist
höchst wahrscheinlich die vom rande in den tezt geratene bemer-
kung eines lesers : denn was mochte der Inder Calanus, welchen Cic.
Tu8C, II 52 einen indoctus ac barhartis nennt, für eine kenntnis von
dem griechischen heroencultus haben oder was ihn bewegen diesen
fremden sagengebilden eine solche bedeutung beizumessen, dasz er
nicht vielmehr aus seines eignen Volkes glauben nach einem analogen
beispiel gesucht hätte ? sollte aber hier ein dem Hercules verwandter
indischer halbgott gemeint gewesen sein , welchen die Überlieferung^
deshalb mit dem namen Hercules bezeichnet hatte, so zweifle ich nicht
dasz Cic. einen diesen umstand betreffenden zusatz dem angeführ-
ten beispiel würde angefügt haben. — In demselben § halte ich es
des bessern Verständnisses halber für richtiger, die worte discedo
parwnper a somniiSf ad quae mox revertar in form einer parenthese
zu geben: denn sie leiten nicht zu der absch weifung hinüber, son-
dern stehen mitten in derselben. — Auch § 93 glaube ich dasz in
dem Satze JEinisci autem, guod rdigione inbuli studiosms et crebrius
hastias immölahant^ extorum cogmtiani se maxime dediderunt^ guod-
queprapter aäris crassüudinem de cado apud eos muUafiebant et quod
ob eandem causam müUa inusUata partim e cado , alia ex terra orte"
bcmtur die einfachen worte guodque propter aöris crassitudinem de
cado apud eos muUa fiebant et inusitata durch randglossen in quod^
que propter . . e cado auseinandergezerrt worden sind : denn einen
unterschied zwischen de cado und e cado kann ich nicht finden« Cic.
gebraucht dasselbe unterschiedlos 1 16. 92. 97. 98. U 47. 71. 149.
vgl. in Catä. III 19. e cado halte ich für glosse zu de cadOy ob eandem
causam für einen zu den werten ex terra beigeschriebenen zusatz.
auch rdigione inbuti scheint mir tief verderbt, vielleicht dasz in dem
rd^ume ein regione steckt: denn nur aus der jedesmaligen boden-
beschaffenheit will Cic. auf die bei den be wohnern üblichen
divinationsarten einen schlusz machen, wie der anfang unseres cap.
ankündigt und sein ganzer übriger inhalt beweist: ac mihi qmdem
videntur e locis quoque ipsis usw. — Ein dem an erster stelle
bezeichneten glossem verwandtes enthält in II § 9 folgender satz:
out num nesdo qui iUe divinus, si ocuUs captus ^, uJt Tiresias fuU^
possit qude aUba sint^ quae nigra dicere? aut si surdus sit^ varietates
vocum aut modos noscere? ich halte die worte ut Tiresias fuU ein-
fach für reif zum streichen: denn 1) bedarf es an unserer stelle,
welche allgemein gehalten ist, eines solchen beispiels nicht, 2) ist
kein grund vorhanden aus der zahl blinder seher gerade den Teiresias
hervorzuheben, 3) würde die concinnität des satzbaus zu der folgen-
den annähme si surdus sit gleichfalls ein beispiel verlangen.
Aus dem ersten buche bringe ich noch folgende stelle zur be*
WFriedrich: zu Ciceros philosophischen Bchrifton. 431
fiprechung: § 128 atqiie ut tfi seminibus vis inest earum rerum quae
ex iis progigmmiur , sie in caasis conäUae sunt res futurae , quas esse
fisbwras aut concitata mens aut söluta somno eernit aut ratio aut con-
iectura praesentit, anstöszig erscheinen hier die worte ratio aut con-
iectura praesentit : denn die coniedura vermag nicht yorauszuahnen,
wohl aber ahnt nach Qointas ansieht die seele des menschen auf
g^rund schluszgerechter Überlegung oder Vermutung hin das künftige
voraus, wie sie auch fesselfrei in der begeisterung oder im schlafe
dasselbe schaut, vgl. TusOk III 11 mentis, cui regnum totius animi
a natura tribräa est. ich fasse daher coniectura als ablativ (II 12)
und schreibe dem entsprechend raiione: vgl. I 34. 47. 109. 111.
127. n 14. 16.
Zu anfang des zweiten buches reiht Cic. in der auf Zählung
seiner philosophischen Schriften an die drei bücher de natura deorum
seine schrift de divinatione wie de faJto an. die stelle daselbst lautet
§ 3 : quxbus rebus editis tres libri perfecti sunt ^de natura deorum\
in quibus omnis eius loci quaestio continetur, quae ut plene esset
cumutateque perfecta^ 'de divinatione^ ingressi sumus his libris scribere.
quibt^f tU est in animo, ^de fato* si adiwnxerimtis ^ erU abunde satis
factum toti huic quaestioni. auffallend erscheint hier omnis ^ da die
frage de natura deorum in der so benannten schrift als eine dunkle
und schwierige (II. III 93) ja gar nicht allseitig und erschöpfend
behandelt wird, vielmehr wichtige stücke (1 82. 11 7—12. 162—167)
wie eben de divinaiione^ de fato nur vorübergehend angeführt (III 19)
und ihre behandlung auf eine spätere zeit verschoben wird (III 94).
im zusammenhange hiermit steht was Quintus in unserer schrift
I § 9 sagt, auch der fortgang der rede wie der schlusz in unserem
Satze weist auf die Unrichtigkeit von omnis hin. wahrscheinlich fiel
vor omnis ein non aus.
Eigentümlich lautet dann das urteil Ciceros über seine con-
solationsschrift im folgenden: nam quid ego *de consolatione^ dicam?
quae mihi quidem ipsi sane äliquantum medetur^ ceteris item muUum
illam profuturam puto. wie äliquantum zu verstehen ist, zeigt Tusc.
1 SS in eo libro, in quo nosmet ipsos quantum potuimus consolati
sumus, freilich noch ganz anders urteilt Cic. in jenem briefe, den er
unter dem ersten eindrucke des Schmerzes an Atticus schreibt XII
14, 3 : quin etiam fed quod profecto ante me nemo , tU ipse me per
Utteras consolarer. adfirmo tibi null am consolationem esse totem, ich
halte muUum für die randbemerkung eines lesers, welcher äliquantum
sich durch muUum erklärte, und streiche es daher, denn diese be-
deutung würde, lassen wir muUum neben Uem stehen, äliquantum
gewinnen , was nach den angeführten stellen nicht möglich ist.
II 10 stehen die beiden sätze eadem in litteris ratio est reUquis-
que rebus, quarum est disciplina. num censes eos qui divinare dioun-
tur posse respondere, sol maiome quam terra sit an tantus quantus
videcUur? inhaltlich in einem causalen zusammenhange, nach der
lesart unseres textes aber ist der Übergang von einem satze zu dem
432 WFriedrich: zu CicerOB phüoaophischeu Schriften.
andern unvermittelt, ich glaube deshalb dasz die frage mit nam
censes einzuleiten ist. anderseits müste statt num hier an stehen.
II 15 am schlusz halte ich es fttr richtig die worte so abzateilen:
quo modo ergo id^ quod iemere fit^ caeco casu et völubüitate fartunae
praesentiri et praedici potest? denn die causalen ablative caeco casu
et völubüitate forttmae begründen die Unmöglichkeit das voraus-
schauen zu können, was ohne causalen Zusammenhang geschieht;
wie die fortftlhrung der rede im folgenden beweist: vgl. § 18 nihü
enim est tarn contrarium rationi et constantiae quam fortuna usw.
§ 25 si enim provideri nihü potest [futurum esse] earum^ guae casu
fiunt , quia esse certa non possunt, divinatio nuUa est, man vgl. auch
die verse des Pacuvius bei Cornificius II 36.
II 26 knüpft an des Quintus einteilung der divination in eine
künstliche und natürliche an : duo enim genera divinandi esse dicebas,
unum artificiosum j aUerum natwrale: artificiosum oonstare partim ex
coniectura^ partim ex ohservatione ditUi*ma: naturale, quod animus
arriperet aut exciperet extrinsecus ex divinitate, unde omnes animos
haustos [aut acceptos^ aut libatos haheremus, die worte aut acceptas
habe ich mit Bauer nach Bath in klammem gesetzt, doch ist es nicht
diese glosse allein , an der unsere stelle krankt, so vermisse ich bei
naturale eine prftdicative bestimmung: denn ein einfaches esse im ge-
danken zu supplieren, wie Moser will, genügt nicht, dieselbe müste
ähnlichen inhalts sein wie esse unius rationis nach I 70 und 1 15 im
gegensatz zu der Zweiteilung der künstlichen divination. im folgenden
aber glaube ich dasz die worte so umzustellen sind : quod animus arri-
peret extrinsecus aut exciperet, ferner auch an unserer stelle
ex ipsius divinitate zu schreiben ist nach § 119 hac igitur menüs et
ipsius divinitate et coniunctiane ctim externis mentibus cerni guae sini
futura: denn der gedanke 'die gottheit durchdringt das all': I 79
vim suam longe lateque diffundunty quam tum terrae cavernis
includunt tum ho min um naturis inplicant (I 17), femer I 65
plenus aer sit inmortalium und an derselben stelle , womit § 1 10 zu
vergleichen ist, der hinweis auf den göttlichen Ursprung der mensch-
lichen seelo weisen daraufhin, dasz auch an unserer stelle bei ein-
heitlichem Untergrunde die natürliche Weissagung nach zwei
ricbtungen hin sich ttuszert, einmal durch einwirkung von auszen
her {extrinsecus), wie bei der Pythia 1 38. 79. II 117, 126, das anderc-
mal durch eigne prophetische beanlagung der menschlichen seele^
wie bei der Sibjlla I 66 {extrinsecus iniecta atquc inclusa). 70. ich
setze dann, um die beziehung von unde als zu beiden gliedern ge-
hörig klarer hervortreten zu lassen , hinter divinitate ein kolon.
II 28 fragt Cicero, über einen wie langen Zeitraum hin sich die
erfabrungen der opferschauer erstrecken, die worte lauten : quam
diuturna ista fuU? aut quam longinquo tempore observari potuü?
beide fragen, deren zweite noch dazu durch aut eingeleitet wird,
unterscheiden sich ihrem inhalte nach auch nicht im mindesten, es
würde also eine von beiden überflüssig sein, ich fasse die erstera
WFriedrich: zu Ciceros philoBOphischen Schriften. 433
als die allgemeinere: 'seit wann finden überhaupt beobachtnngen
statt?' and die zweite mit einer begrenzung ausgesprochen oder als
nähere bestimmung hinzugefügt, indem ich nach § 33 haec ohservari
certe non potuerunt^ ut supra docui vor dem potuü unserer stelle
ein certe wiedereinstelle, dh. nach einem auf erfahrungen gegrün-
deten, an bestimmte grundsätze gebundenen sjstem. vgl. I 12 nihil
est autem quod non hnginquitas temporum excipiente memoria
prodendisque monumentis efficere atque adsequi possü, TL 43
quid igüur minus aphysicis did debet quam quicquam certi signi-
ficari rebus incertis? auf dieses certe würde auch % 29 et certe hin-
weisen, hinter welches dann ein fragezeichen zu setzen wäre, inso-
fern jetzt, nachdem die dritte frage abgethan worden ist, die zweite
zur behandlung kommt.
n 54. ganz unverständlich sind die worte muUa me cansule a
me ipso scripta recitasti usw. mag sich nun redtare sonst noch ein-
mal bei Cic. in der bedeutung von prontmtiare (I 22. II 14) finden
oder nicht, jedenfalls ist hier das von Quintus vorgetragene (I 17
cuii^ edidid etiam versus) gröszere stück aus des Marcus gedieht
de consülatu gemeint und demnach nach § 46. 1 18 u. 22 muUa me
consute facta et a me ipso scripta zu schreiben, da nach dem briefe
ad Ait, I 19, 10 das betreffende gedieht erst im j. 60 verfaszt ist.
in dem folgenden satze at hoc ne homines quidem probi faciunty ut
amicis inpendentes cälamitates praedicant^ quas Uli effugere nuUo
modopossinty ut medici, quamquam inteUegunt saepe^ tarnen numquam
aegris dicunt iRo morbo eos esse morituros handelt es sich um eine
ethische seite , wobei der mensch an sich, nicht sein beruf ins äuge
gefaszt werden musz. nun ist bei dem angegebenen verfahren der
ärzte doch wohl mehr ein praktisches als ethisches moment masz-
gebend. auch um ihrer selbst willen handeln die ärzte so. die medici
also als solche können nicht als species unter den allgemeinen be-
griff der fuymines probi subsumiert werden, vielmehr glaube ich dasz
Cic. , nachdem er die frage vom ethischen gesichtspunkte betrachtet
hatte, sie auch vom praktischen durch ein beispiel belegen wollte,
also den satz mit et medici fortführte, et wollte schon Davies.
II 103 — 107 verspottet Cic. das verfahren der stoiker beim
schlusz und vergleicht es mit dem der vielgeschmähten Epikureer zu
Ungunsten der erstem ; vgl. § 40 f. Epikur schlieszt aus Vordersätzen
die jeder einräumen musz, nicht so die stoiker. von ihnen sagt er ea
sumunt ad concludendum^ quarum iis nihü conceditur. nachdem dann
Epikurs methode des schlieszens an einem beispiele klar gemacht
ist , leitet der text zur Widerlegung der stoischen methode auf die
existenz einer divination zu schlieszen mit folgenden Worten über:
videsne ut ad rem dubiam concessis rebus pervenerit? hoc vos i-
lectid non facitis , nee solum ea non sumitis ad condudendi ^
ab Omnibus concedantur^ sed ea sumitis y quibus concessis nihuc
effidatur quod velüis, allein dieser satz kann nicht richtif^r ^
sofern er der vorausgehenden sowie folgenden erörtert i
434 JSchlenger: zu Ciceros reden gegen Verres [IV § 128].
spricht, dort sagt er ea sumufd ad condudendum usw. , an unserer
stelle dagegen ea fumsumUisodeonekidendumvLBw. und wie stimmt
das zu den hierauf folgenden Sätzen quis hoc twM dMt? . . amiiewg
istos pro certo^ quod dubium controversumque sü . . quanta pugna est
doctissimorum hominutn negantium . . videsne igiiury qtioe dubia si$9t^
ea sumipro certis atque concessis? . • adsumunt^ quod ipsum non ah
Omnibus concedOur? so wie das zweite glied ea sumitiSj quibus con-
cessis USW. in den folgenden §§ seine erörjLerung findet, so müssen
auch die aus ebendenselben angeführten stellen auf einen entspre-
chenden gedanken im ersten gliede hinweisen, ich meine daher
dasz sich non von seiner richtigen stelle verirrt hat und zu lesen
ist nee solutn ea sumitis ad condudendum^ quae non ah omnihus
concedantur. einen ähnlichen Vorwurf macht Cotta dem stoiker
Lucilius de not, d. III 21 f?idere oportet ^ BaUhe^^ quid tibi concedatur^
non te ipsumy quod vdis^ sumere.
MÖHLHAUSBN IN ThÜ&IKGEM. WiLHBLH FbIBDRIOH.
(21.)
Zu CICEROS REDEN GEGEN VERRES,
IV § 128 quid? ex aede Liherae parinum caput iB/ud pulcher-
rimum^ quod visere sölehamus^ num duhitcisti toUere? so gibt Halm
in seiner neuesten ausgäbe 1878 die stelle mit dem, wie er selbst
sagt, sinnlosen parinum der besseren hss., da ihm die verbessernngs-
vorschlage von Georges porcinum und Richter puerinum 'i. e. pueri
lacchi' nicht gefielen; auch das von ihm selbt wohl wegen des ge-
nauem anschlusses an die hsl. Überlieferung fOr passender ei*achtete
Panimim von Pon, an dessen existenz er aber selber zweifelt, er-
scheint sehr gewagt da hier nicht vom raube eines Signum^ sondern
von dem eines emhlema, eines Zierates die rede ist; bestehend aus
einem köpfe, dessen künstlerische Vollendung aufmerksamkeit erregte
und die beschauer anzog, so ist es wohl naturgemäsz, zunächst nicht
an einen menschlichen, sondern an einen tierkopf zu denken, mustern
wir nun die nicht eben grosze zahl solcher tierköpfe : adler-, hirsch-,
lOwen-, stier , eberköpfe , so werden wir zunächst bei dem köpfe
desjenigen tieres stehen bleiben, das als opfertier der Ceres und
Proserpina in ihrer eigenschaft als chthonischen gottheiten haupt-
sächlich geweiht war, bei dem eberkopfe, und Georges wäre somit
durch seine Vermutung jpordnum der Wahrheit sehr nahe gekommen,
dasz aber pordnum selbst in parinum stecke , dürfte um so weniger
glaublich sein, als man nur die beiden ersten buchstaben der über-
lieferten neckischen lesart porint^n in ihre ursprüngliche Stellung
umzusetzen braucht, um den richtigen eher- oder wildschweinskopf^
das aprinum caput zu erhalten, sollte sich bei Cicero das adj.
aprinus auch sonst nicht finden, so ist es doch von guter bildung
und gewähr: Varro, Lucilius und Plinius haben es.
Mainz. Jacob Sohlemger.
WHKolster: anz. t. Virgil with notes by TLPapillon. I. II. 435
64.
P. VERGILI MARONIS OPERA. VIROIL WITH AN INTRODUOTION AND
NOTES BY T. L. Papillon, M. A., fellow and Tutor opnew
COLLEGE, PORMERLY SCHOLAR OF BALLIOL AND PELLOW OF MBR-
TON. VOL. I: INTRODUOTION AND TEXT. VOL. II : NOTES. Oxford
at the Clarendon press. 1882. LXI u. 349, 381 b. 8.
Diese ausgäbe des Yergilius ist vom bg. seinem alten lebrer
am Balliol« College , archidiaconus Edwin Palmer in Oxford , als be-
sonderem freund und gönner der Vergilstudien so wie speciell seiner
eignen gewidmet, in einer kurzen vorrede stellt er uns sein ziel vor
äugen, er bestimmt die ausgäbe nicht für gelehrte zwecke, weder
der kritik noch der Interpretation , sondern er will damit dem be-
dürfiiis der schule und der strebenden dienen , zwischen dem zuviel
und zuwenig seiner Vorgänger hindurchsteuem. dann legt er in
einer ausführlichen einleitung uns seine Stellung zu den gegen-
wärtigen Vergilstudien dar und nennt als seine quellen Forbiger
und Gk)ssrau, Conington und Kennedy, da fesselt uns Deutsche so-
gleich die nennung zweier deutscher namen an der spitze, um so
mehr als wir bald gewahren, dasz die vorliegende ausgäbe es sich
recht eigentlich zur aufgäbe macht den gewinn aus den deutschen
forschungen zur kenntnis der englischen Jugend zu bringen, wie
denn cap. II und III der einleitung ausschlieszlich auf deutscher
forschung beruhen, ein wesentliches verdienst fällt dabei, wie es
scheint, dem lehrer des hg. prof. Nettleship zu, der in Oxford ein-
schlägige vortrage hält, das vierte capitel dagegen trägt uns eine
trefFliche frucht der englischen Schulung durch abfassung lateinischer
verse in einer reihe von höchst beachtenswerten winken über den
Yergilischen hexameter entgegen, so wird die einleitung als eine
auseinandersetzung über die Vergilstudien beider länder bald wich-
tiger als die spätere ausführung selbst, der man übrigens tüchtigkeit
durchaus nicht absprechen kann, indem sie erklärt sich wesentlich
auf die Forbigersche ausgäbe zu stützen , die freilich selbst wieder
hauptsächlich auf der von Ph Wagner bearbeiteten vierten Heyne*
sehen ausgäbe beruht , weist sie sich selbst ihre stelle an. wir aber
beschränken uns in dieser anzeige wesentlich auf die einleitung als
das für uns weitaus wichtigere, seinen text basiert Papillon auf den
Bibbecks, der einen kritischen apparat geschaffen habe, wie ein
solcher bis dahin gar nicht zugänglich gewesen sei (s. XLVI), aber
er gibt ihn doch mit modificationen. die mängel dieser groszen aus-
gäbe, sagt er, entspringen zumeist aus einer ungebührlichen be-
argwöhnung des recipierten textes und übertriebenem vertrauen auf
kritischen Scharfsinn im corrigieren, transponieren und emendieren;
aber, setzt er hinzu, ihre gediegenen Verdienste überwiegen weitaus
die mängel und machen ihr erscheinen zu einer epoche in der ge-
schichte des textes und zur basis aller spätem kritik. P. lehnt sich
mit seinem urteil meist an seine landsleute Conington und Munro an.
436 WHKolster: anz. v. Virgil with notes by TLPapillon. I. IL
so haben wir es mit einer ausgäbe zu thun , welche einerseits die in
England harschenden ansichten vertritt, anderseits der deutschen
forschung entschieden und entschlossen das wort redet.
Mit beziehung auf die einleitungen Coningtons, Seilars werk
über die dichter der Augnstischen zeit und Nettleships erinnerongen
zur einleitung in die Aeneide erklärt P., dasz er in der einleitung
die wortkritik habe zurücktreten lassen, um sich über minder hSufig
besprochene gegenstände, textkritik und Orthographie, zu verbreiten,
um so den studierenden eine Übersicht über art und umfang dessen
zu geben, was für die feststellung des textes maszgebend sei. dazu
sei die Orthographie ein punkt , über den nicht alle gelehrten über-
einstimmen, die frage gestaltet sich ihm sofort praktisch, ob man
Vergil oder Virgil schreiben solle, seine antwort stimmt — unbe-
wüst, wie es scheint : denn ein citat findet sich nicht — vollständig
mit dem resultate des sinnigen excurses von Bitschi opusc. II s. 779 ff.
aus dem j. 1868 überein, wonach die form Vergüius die für correctes
latein einzig berechtigte, dagegen in den modernen sprachen das
i der ersten silbe beizubehalten ist, also englisch (und deutsch) VirgU^
franz. Virgüe^ ital. Virgüio (nach Dantes Vorgang), dann verbreitet
sich P. über den dichter in vier capiteln: lebensgeschichte, text,
Orthographie und metrik. die erste, die auch bei uns wohl da tu
stehen pflegt, ist von den vier teilen der schwächste, sie tritt mit
dem bestreben hervor neues zu geben, wäre es nur auch zuverlässig !
zunächst sucht P. einen reichem inhalt für die Jugendgeschichte, da
hinein werden die kleinen gedichte verlegt, zwar die unechtheit
von Culex und Ciris erkennt P. an , aber die Catalecta oder , wie er
sie mit Nettleship nennt, Catalepta (richtiger mit Bergk und Bünger
Cat(üepton «^ xaTd Xeirröv nach dem vorbild des Aratos) möchte er
den jugendlichen jähren des dichters vindicieren. die beziehnngen
dieser ^kleinen dichtungen' sind heikel, wenn es auch mit keiner so
schlimm stehen mag wie mit VI, das zugleich Jugendgedicht sein
und sich auf die Vollendung der Aeneis beziehen soll! dasz dies die
zeit war, wo Verg. die dichtungen des Lucretius , Varius und Pollio
kennen lernte, ist ja sehr wahrscheinlich , aber überliefert ist davon
nichts und Gallns hätte daneben nicht fehlen sollen, ob Verg. je eine
römische geschichte nach dem muster des Ennius begonnen habe,
ist sehr fraglich; in seiner jugend that er es gewis nicht, über sein
Verhältnis zu Pollio hätten sich durch scharfe beachtung der einzel-
nen andeutungen in den eclogen 6chon mehr momente finden lassen,
&. meine schrift über die 'eclogen in ihrer strophischen gliedemng'
(Leipzig 1882), und danach zu fragen lag doch sehr nahe, da sich
zwei oder eigentlich drei eclogen direct an Pollio richten, die ans-
dehnung der zeit, in welcher Verg. die eclogen abfaszte, auf sechs
jähre (43—37) s. XVI läszt Donats angäbe hticolica triennh perfecU
einfach links liegen; die annähme, dasz ecl. V eine apotbeose des
Caesar sei, teilt P. freilich mit vielen, aber über die Schwierigkeit
dieser annähme sagt er kein wort.
WHKolßter: anz. v. Virgü with notes by TLPapiUon. I. U. 437
Die georgica hat er schärfer ins äuge gefaszt, als gewöhnlich
geschieht; er erinnert, dasz sie nicht könnten uno tenore geschrieben
sein, dasz das ende des ersten buches auf die finstere zeit um 33/32
hinweise, während der eingang des dritten nicht könne vor 30/29
abgeschlossen sein, s. diese jahrb. 1882 s. 693 fif. das ende des
zweiten buches müsse mit dem des ersten gleichzeitig fallen, und vor
dem dritten könne er möglicherweise Griechenland besucht haben,
damit soll offenbar für Hör. carm, I 3 eine zeit gewonnen werden.
Wo er an die besprechung der Aeneis geht, hebt sich sichtlich
der ton: das sei Yergils lied über die gesta Caesaris. mit recht weist
er darauf hin , wie bald sich nach dem beginn der Aeneis die er-
wartung nicht des Augustus allein, sondern ganz Roms (Propertius)
auf dies werk richtete, dann bemerkt er, dasz es trotz der Bearbei-
tung in einzelnen partien und trotzdem dasz der dichter die Vollen-
dung seines epos nicht erlebte, zu verwundem sei; dasz sich ecla-
tante Widersprüche nicht fänden (s. XIX). darauf aber beginnt fast
oin hymnus auf den dichter; P. erinnert daran, wie er die einstimmige
bewunderung der sämtlichen römischen Schriftsteller gefunden , da-
nach theologen wie Augustinus und Beda bezaubert, gelehrten wie
JCScaliger achtung abgezwungen, kritiker wie Voltaire in respect
gehalten, politiker wie Burke hingerissen habe, obenan stellt er,
dasz ein Tacitus seinen stil nachgeahmt, Dante durch ihn zum gesang
geweckt sei und ihn zum führer durch die hölle erwählt habe, es
versteht sich dasz er nicht davon schweigt, wie man ihn nach der
einen seite zu einem Vorläufer , ja verkünder des Christentums, nach
der andern zum groszen hexenmeister und zauberer gemacht hat.
hier fährt vor allem die deutsche kritik übel : er wirft ihr s. XXII
anm. 3 vor, dasz sie den dichter herabsetze; anders habe ihn England
zu würdigen gewust. aus keinem andern dichter würden so oft im
^ Parlament citate vernommen und mit georg, I 250 habe Pitt seine
rede über die befreiung der negersklaven geschlossen, die durch-
dringung mit seinem geiste, wie er dem Jüngling nahe gebracht
werde, erfülle denselben mit ernsten unverwischbaren lehren und
dürfte mehr als irgend sonst etwas dazu beigetragen haben in den
englischen Staatsmännern den hohen stolzen geist auszubilden und
die englische geschieh te zu gestalten, zum Schlüsse dieses teils nimt
P. den von allerlei tadlem dem Verg. hingeworfenen handschuh auf
und vertritt ihn mit der ganzen wärme der Überzeugung und der
energie des enthusiasmus, ohne gleichwohl nach meiner ansieht
weder Yergils gröste meisterschaft noch seine entschiedene schwäche
zu berühren, die erste ist die Verteilung und gliederung des Stoffes,
wie sie sich schon im groszen und ganzen in der anläge der dichtung
zeigt: die erste hälfte der gesänge die Irrfahrten, die zweite die
kämpfe des Aeneas ; zwei bücher der fahrt nach Italien : I und lY mit
zwei büchern episode und zwei büchem anhang, und im letzten teil
zwei bücher Vorbereitung, zwei lagerkampf, zwei kämpf vor der
hauptstadt. und ebenso sorgfältig ist der stoff in den einzelnen
438 WHKoIster: anz, v. Virgil v/iüi notes by TLPapillon. 1. IL
büchem gegliedert, auf der andern seite aber fehlt jeder anlauf den
einzelnen teilen eine partielle Selbständigkeit za verleiben, mit der
regelmäszigkeit des sandes in der nhr rinnt vers auf vers dahin ; nie
vernimt man einen stundenschlag, nie fühlt man den hauch einer
änderung der empfindung durch die verse wehen , nie ahnt man an
dem tone dasz das alte vergangen ist , dasz man vor neuen thaten,
neuen betrachtungen, neuen entwicklungen steht.
- Wenden wir uns von der vita, wie wir sie auch in deutschen
ausgaben finden, zu den beiden nttchsten abschnitten ttber text u^id
Orthographie des dichters , so fühlen wir uns sogleich erinnert, dasz
der englische hg. auch da, wo er für die lernenden schreibt, auf ganz
andere leser rechnet als der deutsche, der ausdruck ^scholar' umfaszt
zwei ganz verschiedene personefl, unsern schüler und den Studenten,
der dort nicht wie bei uns, wenn er die Universität bezieht, Virgil und
Horaz in den winkel wirft und, wenn er nicht eben philolog ist, nur
nach corpus iuris oder materia medica fragt, sondern fortschöpft am
born des altertums und aus ihm die männliche englische beredsamkeit
trinkt, die P. mit recht darauf zurückführt, den schüler darf man
nicht behelligen mit fragen nach verschiedenen lesarten, noch worauf
sich die eine stütze und wie eine andere zu einem ganz andern sinn
führe ; der Studiosus wird schon nachfragen, und es ist ein verdienst
dabei, seiner frage entgegenzukommen, wenn wir aber hier eine
nicht deutsche praxis vor uns haben, so haben wir doppelt mit dem
resultate deutscher forschung zu thun: es sind wesentlich Bibbecks
prolegomena, die den stoff zu dem zweiten, Ph Wagners orthographia
Yergiliana, die denselben zum dritten capitel hergegeben haben, die
citate englischer Schriftsteller verschwinden unter dem text. wie
willkommen aber eine kurze Orientierung über dergleichen für den
jugendlich strebenden ist, bedarf wohl keines wertes.
Der stoff des ersten teils ist von P. in fünf abteilungen gebracht:
1) handschriften, 2) alte common tare, 3) andere Zeugnisse vom text,
4) textgeschichte , 6) ausgaben (s. XXVII — XL VI). Bibbecks pro-
legomena beginnen mit 2 und lassen 1 folgen (das aber ist statt einer
kurzen Orientierung ein buch). 3 findet sich bei Bibbeck unter dem
text. aber mit leichtigkeit und klarheit dies dargelegt zu haben ist
P.s verdienst, an erster stelle bemerkt er, dasz nicht ohne weiteres
die ältere hs. an sich den bessern text verbürge, eine alte könne einen
schlechten, eine junge einen guten text enthalten, aber bei jeder
spätem mehre sich die gefahr von verscbreibungen und damit fehlem.
es seien aber die nncialmanuscripte des Verg. aus dem vierten oder
fünften jh. die ältesten handschriften lateinischer autoren überhaupt,
diese sind bekanntlich: Vaticanus, Palatinus, Mediceus, Bomanus,
daneben die palimpseste von St. Gallen, Verona und Berlin ; auszer
diesen werden noch sechs minuskelhss. genannt, mit der neben-
bemerkung, dasz dergleichen die Bodleianische bibliothek 45 be-
sitze, dann entwickelt er, wie aus den alten commentatoren gewinn
für die textkritik zu ziehen sei. Verg. sei der lieblingsschriftsteller
WHKolster: anz. v. Virgil with notes by TLPapülon. I. IL 439
seiner zeit gewesen , auch dem Unterricht der Jugend zu gründe ge-
legt worden; so seien denn reminiscenzen aus ihm ganz natürlich,
stimmen der lehrenden im ersten jh., deren noch manche in den
werken der späteren grammatiker erhalten wSren. dieser citate seien
so viele , dasz sich aus ihnen die ganze handlung der Aeneis , wSre
sie verloren gegangen, würde herstellen lassen.
Au^ aies capitel läszt P. ein viertes folgen , in dem er die be*
mühungen für die berichtigung des textes vor der zeit der erfindung
der buchdruckerkunst schildert, in drei verschiedenen perioden sei
man daftlr besonders thätig gewesen, im fünften jh., zur Karolinger-
zeit und zur zeit der renaissance. die thätigkeit der ersten periode,
wo in den obem classen der gesellschaft das interesse für die clas-
sische litteratur als reaction gegen die bekehrung zum Christentum
auftrat, stelle sich in den subscriptiones dar, einigen zeilen am
schlusz der hss. , in denen oft vornehme, hochgestellte männer er-
klären das vorliegende exemplar gelesen, interpungiert oder mit
andern verglichen zu haben, es folgte eine zeit, in der die öffentlichen
bibliotheken verschwanden, die klöster allein sich um dergleichen
kümmerten zum Unterricht in ihren schulen, bis die Karolinger-
zeit einen neuen anlauf nahm abschriften anzufertigen und correcte
texte zu edieren: so taucht denn hier das ^relegi' und 'recognovi*
wieder auf, es erscheinen eigne antiquarii, zum teil insassen der
gröszem klöster, und eine grosze zahl hss. in cnrsivschrift bezeugt
den fleisz der abschreiber des neunten und der folgenden Jahr-
hunderte, mit der renaissance endlich treten wir in eine dritte
zeit eifrigster nachfrage nach den alten autoren, ausgehend von Pe-
trarca und Boccaccio, während der zeit des concils in Constanz
entdeckte Poggio in den bibliotheken der Schweiz imd Schwabens
manche verlorene werke, die dort unbekannt und unbenutzt moderten
und von denen man sonst keine kenntnis oder doch keine vollständige
abschriften besasz, und nahm von manchen eigenhändige copien.
man erwarb die besten hss. zu hohen preisen für die gröszem biblio-
theken in Florenz und Rom.
So schlieszt sich denn ganz natürlich ein fünfter abschnitt an:
die drucke , die für Verg. in unglaublicher menge vorhanden sind :
von der ed. pr. (Rom 1469) bis zum j. 1600 vergehen durchschnitt-
lich nur 7 jähre , in denen nicht eine neue ausgäbe erscheint, die
erste englische ausgäbe von Wynken de Worde erschien 1512. die
reihe der aufgezählten schlieszt mit Hejne- Wagner, welcher letztere
1841 den ersten versuch machte, gestützt auf die Schreibweise des
Mediceus mit dem conventioneilen system der Orthographie der
renaissancezeit zu brechen und deren Irrtümer abzuthun. auch in
England hat sich nach dem Vorgang von Munro und Conington alles
um diese fahne gesammelt , da Ribbecks ausgäbe jenseits des canals
weniger bekannt sei. so habe P. denn im dritten capitel der ein-
leitung Wagners und Ribbecks wissenschaftliche resultate darzulegen
versucht, hierüber zu berichten dtLrfen wir uns erlassen, da die re-
-^^
440 EEraut: zu SallustiuB [hist. fr. I 56].
sultate im wesentlichen mit den bei uns allgemein angenommenen
übereinstimmen.
Nicht zu übersehen aber ist schlieszlich das letzte capitel über
den bexameter Vergils , so karz es auch ist. man durfte hier schon
etwas erwarten, da ja die anfertigung lateinischer verse in eng«
lischen schulen eifrig betrieben wird, und in der that finden wir
hier eine beachtenswerte bemerkung über die andere, durch Verg.
erreichte der von Ennius in die römische litteratur eingeführte bexa-
meter seine vollständigste ausbildung; die spätere zeit trat nur in
seine fuszstapfen. P. erinnert an die vier punkte , von denen die
metrische Wirkung einer reihe von hezametem abhänge : verständige
abwecbselung der cäsuren, richtiges Verhältnis von dactjlen und
spondeen, die stelle der sinnespausen und den wortfall der letzten
füsze. dann hebt er zwei eigentümlichkeiten des Vergilischen verses
dem des Ennius und Lucretius gegenüber hervor : dasz er gern ent-
weder 6in wort als fünften dactjlus habe oder die letzte silbe des*
selben mit den beiden schluszsilben in 6in wort befasse; andere vere-
Schlüsse seien nur ausnahmen, ganz dactjlische zeilen, bei Homer
häufig, seien bei ihm selten und auf bestimmte effeete berechnet
{qaadrupedante usw.). fast immer zügle und hemme Verg, im vierten
f usz die rasche bewegung durch einen spondeus , der für die beiden
andern dichtungen eine ebenso charakteristische form sei wie die
bukolische cäsur für die oclogen ; im ersten fusz dagegen liebe er
den spondeischen rhjthmus.
Ich breche ab. die leichte ansprechende weise, in der das alles
vorgetragen ist, wird sich als sehr geeignet erweisen den strebsamen
studierenden dafür zu interessieren und auf diesem felde heimisch
zu machen, dem commentar ist von dem hg. selbst der gesichtsponkt
gestellt worden, indem er erklärt, wie Forbiger seine Vorgänger, so
wieder ihn ausgebeutet zu haben.
Eutin. Wilhelm Heinrich RoLSTEa.
65.
Zu SALLUSTIÜS.
hist. fr. I 56 Kr. (or. Phil.) § 3 pro di honi, qui hanc urbem
omissa cura adhuc tegitis. die von RJacobs und H Jordan in den
text aufgenommene conjectur MHaupts amissa curia findet ASchöne
im Hermes IX 255 in der Vordemsenat gehaltenen rede mit recht
unerklärlich und vermutet, in den überlieferten werten sei securam
oder vohis sacram verborgen, das richtige wird sein nimis secU'-
ram: 'o ihr gütigen götter, die ihr diese stadt trotz ihrer allza weit
getriebenen Sorglosigkeit doch noch immer beschützet!' in dem
gegensätzlichen nimis securam gibt eben das nimis dem folgenden
adhuc seine volle begründung und richtige beleuchtung.
Blaubeuren. Karl Kraut.
BESTE ABTEILUNG
FUß CLASSISCHE PHILOLOGIE
HERAUSGEGEBEN VON ALFRED FlECKEISEN.
66.
AISCHYLOS AQAMEBfNON ERKLÄRT VON F. W. SOHMEIDEWIN.
ZWEITE AUFLAGE BESORGT VON Otto Hemse. Berlin, Weid-
mannsche buchhandlung. 1883. XVI u. 218 s. 8.
Der bearbeiter der neuen aufläge hat uns eine angenehme ent-
teuschung bereitet, wir fürchteten, derselbe werde der groszen Ver-
suchung nicht widerstehen und den Agamemnon in gleich radicaler
weise wie die Trachinierinnen behandeln, diese furcht war unbe-
gründet, die ganze bearbeitung zeigt das ernste und besonnene stre-
ben das Verständnis des Stückes zu fördern ^ nur das zu bieten, was
auf allseitige billigung anspruch machen könne, und wenn verschie-
dene mehr oder weniger glaubwürdige conjecturen geboten werden,
so finden sich diese meistens nur an solchen stellen, die notorisch
corrupt sind, und sind dem redlichen streben das wahre zu finden,
nicht dem haschen nach äuszerm schein entsprungen.
Dem commentar von Schneidewin zum Agamemnon gegenüber
befand sich Hense in ähnlicher läge wie Nauck bei der bearbeitung
der Sophoklesausgaben, mit recht wird in der vorrede bemerkt,
dasz Sehn, in dem berechtigten streben, den gedanken nach allen
Seiten auszuschöpfen und der interpretation in vollem sinne zu ge-
nügen , sich in abstruses und ungesundes verirrt habe. Hense hat
wohl daran gethan, dasz er das hineingeheimnissen verborgener be-
Ziehungen, das aufschraubenstellen einzelner werte aufgegeben oder
wenigstens vielfach beschränkt hat. manches der art ist stehen ge-
blieben, wie gleich zu v. 2 die bemerkung über (ppoupdv KOijLiäcOai,
dann besonders in den noten zu 898 ff., 1027 ^doch konnten die
werte wieder anders aufgefaszt werden : ich will nicht mehr unüber-
legt hinwerfen, um nicht als dTijiioc zu erscheinen, wenn meine mord-
gedanken sichtbar werden', 1078 f. aber wir dürfen H. daraus
keinen Vorwurf machen ; eine gerechtfertigte pietät hielt ihn ab die
eigenart des buches völlig zu verwischen, er erkannte auch dasz er
es hier nicht mit einer gewöhnlichen Schulausgabe zu thun habe,
Jahrb&cher Ar class. philol. 1883 hft. 7. 29
442 N Wecklein : anz. v. Aisch. Agamemnon v. FWSchneidewin u. OHense.
weshalb er sich, um das neue von dem alten zu scheiden und das
alte, wenn es auch nicht seinen beifall hatte, doch zu erhalten, eine
einrichtung gestatten konnte ; die in einem für schüler bestimmten
commentare nicht am platze wäre, dasz nemlich bald Sehn, spricht,
bald von Sehn, gesprochen wird, nur begreift man bei solcher be-
Stimmung des buches nicht recht, warum der leser erst immer im
anhange nachsehen musz , um das weitere zu erfahren , nicht sofort
das wissenswerte geboten erhält, es könnte immerhin der anhang
existieren und verschiedene notizen bringen , die den commentar in
unnötiger weise belasten würden; aber die anmerkungen sollten so
weit abgeschlossen sein, dasz eine besondere Verweisung auf den an-
hang überflüssig wäre, diese forderung dürfte übrigens auch fAr
Schulausgaben gelten.
Wenn man über den erfolg der neuen bearbeitung ein allge-
meines urteil abgeben soll , so musz man anerkennen dasz nicht nur
durch die sorgfältige benutzung dessen was andere zur erklftning
und emendation beigetragen haben, die brauchbarkeit des bnches er-
höht, sondern auch durch die selbständigen bemerkungen H.8 das
Verständnis des Stückes bedeutend gefördert worden ist. ich will
nicht behaupten, dasz nicht an manchen stellen ein gründlicheres
Studium des Stückes und des ganzen dichters sicherere resultate hätte
erzielen können und dasz das schwanken des urteile und die onent*
schiedenheit in der auffassung nicht hie und da mehr dem erklärer
als der mangelhaften Überlieferung zur last fällt; aber das ehrliche
^non liquet' ist immer der dreisten allwissenheit vorzuzieben, und
der Unfehlbarkeit kann sich keiner von uns rühmen, also kurz und
gut, wir haben eine wackere und solide arbeit vor uns. an diesem
urteil sollen die ausstellungen, die wir etwa im folgenden noch zu
machen haben, nichts ändern.
Hie und da ist durch die zusätze des neuen hg. einige uneben*
heit in die noten gekommen, zb. ist gleich in der ersten anmerkung
q)poupdc iieiac ixf\KOC mit recht nicht als apposition, wie es Sehn,
genommen haben wollte , sondern als acc. der Zeitdauer bezeichnet«
nun aber müste auch der anfang der anmerkung : 'ich flehe die götter
an, aber bis jetzt vergebens, denn — Kai vGv (puXäccu) 8' geändert
werden, da jetzt Kai vCv in beziehung zu cppoupac ijeiac juriKOC tritt
(^wie das ganze jähr über, so auch jetzt'), zu 104 f. wird die note
von Sehn, gegeben , in welcher die in den text aufgenommene con-
jectur dvreX^UJV erklärt ist. wenn nun in einem zusatz von H. diese
conjectur als ungenügend bezeichnet wird , so musz man sich nur
wundem, warum dieselbe im texte belassen worden. 115 f. verträgt
sich die Vorstellung des Wettrennens schwer mit der vorhergehenden
erklärung 'eben als es sich im dickicht zu bergen hoffte', zu 896 ff.
bezeichnet H. koXoccujv als verderbt, zu 398 f. erhält es als ge-
sund von Sehn, seine interpretation : 'äuszerlich schöne Standbilder
sind dem manne zuwider' usw. es ist diesmal um so schlimmer, als
KoXoccuiv gewis richtig ist. den kenner wird dergleichen nicht
NWecklein : anz. v . Aisch. Agamemnon v. FWSchneidewin n. OHense. 443
stören , aber derjenige , der eigentlich zum verstSndnis einen com-
mentar braucht, kann schlieszlich die geduld verlieren, wenn ihm die
amnerkungen nichts als aporien bieten.
fiense hat, wie bereits hervorgehoben, die reiche litteratar, die
seit dem erscheinen der ersten aufläge sich mit der kritik und er-
klttrung des Agamemnon beschäftigt hat, sorgfältig benutzt, von
dieser litteratur scheint die grosze abhandlung von HLAhrens im
ersten suppl.bande des Philologus durch die fülle der gelehrsamkeit
einen verführerischen reiz auf ihn ausgeübt zu haben, so dasz er
daraus manches entnahm^ was bei einer gesunden und unbefangenen
auffassung nicht recht bestehen will, in seinem verlangen das feinste
zu entdecken hat Ahrens vielleicht noch mehr als Sehn, gekünstelte
und erzwungene erklärungen gegeben, so zu 91 'die altäre werden
für die opfergaben in brand gesetzt', wo bijbpoici gewis ebenso in
instrumentalem sinne zu nehmen ist wie ircXdviu 96. man vgL über
Ahrens und seine conjecturen das urteil von GHermann in den
Wiener Jahrb. der litt. bd. 115 (1846) s. 159 u. 184.
Es wäre vielleicht eine unbillige forderung, wenn man von
dem neuen hg. verlangen wollte auch die jenseit der ersten aufläge
liegende litteratur zu studieren, aber doch bleibt es ein misstand,
wenn die fehlerhaften angaben sich von einer ausgäbe in die andere
fortpflanzen und nicht jedem ersten finder einer emendation sein
eigentum gegeben wird, wie Eirchhoff, so schreibt Hense consequent
(1282. 1590. 1639) Jacobs für Jacob, wie er (zu 1450 ff.) auch den
druckfehler Yerrallins von Kircbhoff herübergenommen hat. die Um-
stellung 92 hat vor Nauck Bichard Klotz vorgeschlagen. 112 hat
ßaciXeic zuerst Schütz (ßactXf^c Dindorf) emendiert, 474 8c Stanley
vor Schütz, jLioi Butler vor Kirchhoff, b€KdTOU 482 Jacob vor Wunder,
780 Kdirdrac Schwerdt vor Kirchhoff, 845 iriCTiJüjLidTiJüV Spanheim
vor Hermann, 872 b4. jLioi Bothe vor Scholefield, 948 euTTCiGfec Pauw
vor Westphal und Jacob vor Pauw, 967 jiieXiubei Hermann vor
Meineke, 1014 cxoXfjV Bothe und Dobree vor Wieseler, 1077 Karo-
XüXuEar" u5 Bothe schon in der ausgäbe von 1805, 1188 crjvoca
Wakefield vor Mähly, 1395 cpößov usw. EAJAhrens vor Klein,
1431 T^vaiKÖc Schütz vor Härtung, 1532 ^pgev Spanheim vor
Naber. nur bei ganz flüchtiger prüfung habe ich diese anzahl von
stellen gefunden, und doch ist es im Agamemnon noch besser be-
stellt als in den übrigen stücken, keinem ist es in dieser beziehung
schlimmer ergangen als dem neuesten hg. des Aischylos. da er nur
die drei ausgaben von Hermann , Dindorf und Weil benutzte — ich
kann es mir wenigstens nicht anders erklären — gehören unter
etlichen 90 conjecturen ungefähr 70 anderen an [vgl. jahrb. 1882
s. 529 ff.], indes obwohl auch die richtigkeit solcher angaben von
philologischer akribie gefordert wird , kommt es für die herstellung
des teztes weniger darauf an, ob eine conjectur diesem oder jenem
gelehrten angehört; von bedeutung aber ist es, wenn treffliche
emendationen früherer forscher unbekannt bleiben, so hat H. zu
29*
444 N Wecklein : anz. v. Aisch. Agamemnon v. FWSchneidewin u. OHenae.
1228 ff. die armselige erklärung f indem er mich hoch verlacht wer-
den liesz von feindlichen freunden in unzweifelhaft thörichter weise.
die ihrigen sind (piXoi ^X^POi^^ ^w. unbeanstandet stehen lassen.
nicht einmal der anhang hat daran etwas auszusetzen, wer aber
nicht sieht, dasz (piXuJV utt' ^x^P^V ou biX0pp6iTU)C KaTQTcXujfi^vn
bedeutet ^verlacht von freund und feind ohne unterschied', mit dem
läszt sich weiter nicht rechten, auf die richtige emendation der
stelle hat Schwarzmann mit ou bixoppÖTTUJC jiiaOetv hingewiesen
(vgl. 334 ixi\ btxoppÖTTiüC ibeiv). es ist aber sicher das über fiäniv
stehende ^^Ta nicht in das matte ixi'Xd zu ändern, sondern )yuin)V
heraufzunehmen: KttTaifeXuj^^viiv jndniv — bixoppÖTTUJC juiaOeTv. ja
die schönste entdeckung der neuzeit, welche mit 6inem schlage die
lücke der chorgesänge ausgefüllt hat, fällt der Vergangenheit zu, ich
meine die annähme von ephymnien. H. spricht zu 1450 ff. darüber,
ohne noch meine abhandlung 'über die chorische technik des Äsehy-
liis' zu kennen, aber auch ich habe darüber geirrt, nicht Merkel,
Bergk, Dindorf, Verrall, Kirchhoff sind die entdecker der ephymnien,
sondern GCWSchneider im j. 1829. wundem musz man sich dar-
über , dasz die entdeckung , wie es scheint, Hermann unbekannt ge-
blieben ist. ich schliesze es daraus, dasz er nur von dem ephymnien,
welches Burney nach 1524 ansetzen wollte ; spricht, er verdankt
seine kenntnis nur dem ungenauen referat von Blomfield; hätte er
Burneys werk Hentamen de metris' selbst darüber nachgesehen, 80
würde er gefunden haben dasz Burney auf gleiche weise auch die
erste lücke nach 1435 ausfüllt, dieses ephymnien also hat vor
Wilamowitz Kirchhoff, vor Kirchhoff GCWSchneider, vor Schneider
Burney gefunden.
Auch auf bereicherung unserer kenntnis handschriftlicher les-
arten macht natürlich der hg. keinen anspruch. eigentümlich be-
rührt es nur, wenn er einmal (zu 451) auf eine abweichende angäbe
Kirchhoffs gewicht legt, als ob Kirchhoff nicht einfach die vorliegen-
den collationen benutzt und dabei manches versehen hätte, wenn
eine neue collation der natur der sache nach nur weniges neue
bringt, so musz dieses wenige doch immer hoch willkommen sein.
so ist es doch gewis erfreulich, endlich zu erfahren, dasz 1620 auch
der Flor, so gut wie der Yen. und Farn. XT\\f{ bietet also musz
endlich Xt]kfji feststehen , mag man auch hinter dem Schreiber von
bai^ovoc \T\k^ ßap6i(f einen Christen, der an den pferdefusz des
tüufels dachte, gewittert haben, man müste 1305 cljUiUTM^iTi auf*
nehmen, wenn die angäbe, dasz der Flor, so habe, richtig wäre, aber
alle hss. haben das gleiche ol|LiU)TMCiciV. ebenso ist die angäbe von
Franz, dasz der Flor. 1420 XP^v biete, unrichtig, der Yen. hat 1490
q)povTiboc , nicht (ppovTibuiV. doch für solche angaben eignet sich
ein anderer platz, übrigens hätte H. manches richtiger angeben
können, wenn er, statt sich auf die angaben Kirchhoffs zu verlasseoi
der die neuere litteratur unberücksichtigt gelassen hat , die ausgäbe
von Ueusdes zu rate gezogen hätte.
NWecklein : anz. v. Aisch. Agamemnon v. FWSchneidewin u. OHense. 445
Nach diesen allgemeinen bemerkungen wojlen wir noch einige
abweichende meinungen zu einzelnen stellen vortragen und den yer-
8uch machen zum bessern Verständnis des Stückes ein scherflein bei-
zusteuern, in V. 26 hatte Sehn, die lesart geringerer bss. cii)Liavu)
aufgenommen; H. hat wieder die lesart des Med. cii)Liaivuü eingesetzt
und dazu die erklärung von Weil ^laetitia elatus Cljtaemnestram
absentem alloquitur servus, quasi eum exaudire posset' gegeben, es
kann dies für richtig und methodisch gelten, während anderseits
CiilLiavu) natürlicher erscheint und ähnliche fehler öfter im Med. vor-
kommen, die entscheidung liegt in dem gebrauch der griechischen
bühne, das abtreten der personen ausdrücklich anzugeben und zu
inotivieren. danach ist cr|)Liav(jü das richtige. — Zu 32 f. beruhigt
sich H. mit recht nicht bei der erklärung von Sehn., welcher €U zu-
gleich bei 6iico^ai denken will. H. betrachtet die Überlieferung als
fehlerhaft, fdr welche eine einleuchtende Verbesserung bisher nicht
gelungen sei. die bemerkung, ev irecövTa 6nco)Liat sei im sinne von
olK€iU)COlLiai nicht nachweisbar, ist nicht geschickt, da natürlich nur
6ilC0)Liai diesen sinn haben soll, die richtigkeit der Überlieferung
erweist sich aus den in der note citierten stellen wie Soph. fr. 862
CT^PT€iv bk TdKTrecövxa Kai 6^c6at Trp^Trei, woraus hervorgeht dasz
zum glücklichen erfolg des Spieles zweierlei gehört, Einmal, um mich
eines modernen beispiels zu bedienen, die gute karte, zweitens das
geschickte spiel, dem diener ist das Schicksal seiner herschaft eine
gute karte, mit der er spielen will. — Mit recht hat H. 79 f. mit
Martin die Überlieferung hergestellt; nur ist das fragezeichen nach
t&TT^PTilpwc zu setzen (tT 9* uir^pTilPWc;).
Zu 101 empfiehlt H. den verschlag von HLAhrens &c dva-
q)a(v€ic, welchen Hermann ao. s. 163 mit recht als ganz matt be-
zeichnet hat. — Der verschlag 127 CTOjiujGfev für cipaTUiGtv zu
lesen ist ein unglücklicher, wozu soll denn das gebisz geschärft
sein? dient es denn als zahn zum beiszen? zudem ist CTpariüO^v
durchaus richtig, wie ich schon anderwärts gezeigt habe, ganz nach
der weise Aischjlischer ausdrucksweise wird mit CTparujO^v die be-
sondere art des halfters bezeichnet, etwa wie es anderwärts KCjiia
XCpcaTov CTpaToG heiszt. das halfter ist gemacht aus einem beere,
ähnlich wird 420 von dem staube, mit welchem der goldwechsler
Ares handelt, gesagt, dasz es nicht goldstaub, sondern staub vom
Scheiterhaufen (rrupujÖ^v) sei. — Man kann über manche erklärung
zweifelhaft sein ; dasz aber Schn.s Interpretation zu 149 ff. , welche
H. acceptiert, falsch ist, beweist die grammatik und der Zusammen-
hang, von *an Zeus wende ich mich' steht nichts da; toGtö viv
TTpocew^TTUi ist nur nebengedanke, als wenn es hiesze: ^Zeus, den
ich so nenne, wenn ihm dieser name genehm ist.' der gedanke von
€l TÖ judiav fonrichtig jLiOTäv) . . ßaXcTv ^TTirOiLiuiC wird erläutert
durch iTpoq>povujc 161 und am besten durch mehrere chorgesänge
der Euripideischen Bakchai. dasz der gedanke der strophe ist:
^Zeus kann ich nichts gleich stellen auszer Zeus , niemand ist Zeus
446 K Wecklein : anz. v. Aisch. Agamemnon v. FWSchneidewüi u. OHense.
gewachsen' zeigt die ausführung der antistrophe. der anfang und
das ende dieses chorgesanges schlieszt sich za dem gedanken zu-
sammen : ^der allmächtige Zeus hat das gesetz gegeben irä6€i iiäOoc
und seine alimacht bürgt dafür, dasa dieses gesetz bestand habe
(vgl. Ant. 604 ff. OT. 870 f.)* es wird sich also auch an Agamemnon
erfüllen, der durch die Opferung seiner tochter gefrevelt hat. doch
wollen wir uns nicht mit schlimmen ahnungen vor der zeit beun-
ruhigen.' übrigens kann Ta ^vOev 233 nicht bedeuten Vas noch
weiter kommen wird', sondern nur 'das was weiter kam', nemlich
die blutige Opferung der tochter. wenn von zukünftigem die rede
wäre, könnte es nicht clbov, sondern nur olba heiszen.
Ziemlich trivial wird der gedanke 228 f., wenn man dann die
begründung sieht, warum die Jungfrau den mut gehabt haben wtträe
zu männem zu reden, der dichter läszt vielmehr die Jungfrau durch
den mitleid suchenden blick des auges sagen : 'ihr wollt mich töten,
nachdem ich euch so oft mit meinem gesang erfreut habe.' — 260
ist die erklärung von Schneidewin mit der von Schütz vertauscht,
in der that wird die deutung h6ia »= (pdc^a, qxiivTac^a durch Cho.
1048 Tivec C€ bögat CTpoßoöciv; nicht genügend gerechtfertigt, ich
möchte aber oub ' öipav ' oder vielmehr ouk dipav * vermuten, im
folgenden verse werden zu äTrrepoc qpdTic zwei erklärungen ange-
führt; richtig ist eine dritte, welche in äTTTcpoc den gegensatz zu
dem beflügelten traumbild sieht. — 272 hat H. mit Eirchhoff die
coDJectur von HLAhrens IxOCc aufgenommen : irövTOV (£)CT€ vuJTlcai
ixBOc iTopeuToO Xainirdboc Trpöc fiboWjv könnte nur heiszen: 'so
dasz das meer die fische auf den rücken (die Oberfläche) nahm, um
der sendflamme eine freude zu machen.' — Nicht ganz genau wird
zu 286 bemerkt , dasz Thiersch und Sehn, zwischen 270 und 271
eine lücke angenommen hätten, die lücke hat zuerst Casaubonns
notiert, und die annähme wird durch re in 271 bestätigt. Thiersch
aber hat in die lücke die zwei verse 285 f. versetzt und auch das
scheint richtig, denn was mit fJT^tpev dXXiiv ^Kbox^lV irupöc schon
gesagt ist, wird mit q)doc hi Vf\kiiio^no\ OÜK i^vaivCTO noch ein-
mal gesagt, und eben diese angäbe fehlt nach 270. nunmehr kommt
auch die ansieht von Dindorf , dasz das prosaische irX^ov Kaiouca
Tujv €ipii)Li^vuiv durch 7rpocai6pi2Iouca Trö^Tri^ov (pXöxa ersetzt wer-
den müsse , zur geltung : denn was man vorher dagegen einwenden
muste , irojiTroö — iiiX^TrojLiTrov — 7rö)Li7ri)Liov in drei auf einander
folgenden versen, fällt nach 270 weg.
Die tilgung von ixifa bouXetac 345 ist wenig wahrscheinlich.
Aischylischer ausdruck wird mit ^ifa bouXeiac t<Wt<^ov, äTr^v
TravdXujTOV gewonnen, die Verderbnis ist eine alte, da PoUux X 182
TOTTCiMOV fiTT]C TTavoXuiTOu citiert — 376 f. willH. biKatu)9€ic dvi/jp'
biuÜKei usw. schreiben, die änderung scheint unnötig und die ridi-
tige erklärung von biKaiUjOeic wird dadurch gestört: dennbiKOiuiOeiCi
iiiex biu)K€i ist eine freiere wendung für biKaiu>6€lc bi((»KUiv, 'ge-
richtet als eiu kind das nach vögeln hascht'.
ITWecklein : anz. v. Aisch. A gamemnon y . F WSchneidewin u. OHense. 447
413 erscheint der ausdruck 6iTT<iv€i TTp6c fjnap als unmöglich,
aber auch KtTX<!iv€t Trpoc fJTrap oder OiiToivei irpöc fjirap bessert nicht
viel an der construction. ich vermute dasz 6iTT<ivei glossem ist zu
XpilLiiTT6Tai. — 427 f. ist die Zusammengehörigkeit der worte noch
nicht richtig erfaszt; diese kann durch folgende interpunction deut-
lich gemacht werden: TÖv b' iv q)Ovaic KaXujc itccovt' — dXXo-
Tpiac bial TuvaiKÖc , Tdbe citd Tic ßaOZiei. — 434 bezeichnet auch
H. wieder eö^opq)Oi als unpassend, aber es ist ganz richtig und
drückt den gegensatz zu dem i|if]TMCi nupujO^v aus : *die einen kom-
men als asche nach Griechenland, die andern ruhen in voller ge-
stalt im Uischen lande , als feinde (^x^ovrac Orelli) im feindlichen
boden.' Hermann ao. s. 169 fordert freilich fUr diesen sinn £|i|iop-
q)Oi. die änderung wäre einfach, scheint aber unnötig, da der vorher
angegebene gegensatz der Verunstaltung recht wohl eu verträgt. —
Im anhang zu 467 fif. spricht sich H. gegen die Verteilung von 467
— 480 an zwei choreuten aus: allerdings werden mit der ttnderung
von CGI 474 und mit der unglücklichen conjectur zu 479 (Sjct' ei
TIC dXXoc die gründe jener ansieht beseitigt, was die methode for-
dert, ist eine andere frage.
Die note zu 521 hat H. zwar geändert, indem er *nur von freude
jetzt erfüllt' für Won lauterster freude jetzt übermannt' setzt, aber
den unrichtigen Inhalt hat er nicht verbessert, der chor begreift
nur das Oxymoron T€pTrvf\c vöcou nicht. — Der versuch, der schlim-
men stelle 534 f. mit Ti b' ou ct^vovtcc fiv XdxoiT€ irriiiaTOC ^^poc;
aufzuhelfen, dürfte nicht gelungen sein, einmal würde bk nicht am
platze sein, dann ist der ausdruck sehr gekünstelt, man braucht
nach ^wenn ich erzählen wollte' keinen hauptsatz; es ergänzt sich
von selbst ^ich würde nicht zu ende kommen', dann aber erwartet
man einen zusamnftnfassenden gedanken ^kurz welcher teil des tages
war frei von leiden?' also etwa Ti b* ouv fiv€u ctövujv dXdxo)Li€v
fJjiaTOC ji^poc ;
Zu 604 f. bemerkt H. : 'auffallend bleibt bei dem überlieferten
texte , dasz sich die beiden glieder der disjunctiven doppelfrage ge-
danklich nicht ausschlieszen : Menelaos konnte vor aller äugen von
Hion abgesegelt und doch später durch den stürm von den übri-
gen getrennt worden sein.' er möchte deshalb d^cpctvoic in dxKÖTUic
ändern, allein gerade durch d^qpavuic wird der gegensatz angedeutet :
'ist er aus dem beer verschwunden, nachdem er vor aller äugen ab-
gesegelt? ist er nicht etwa unvermerkt in Troja zurückgeblieben
oder ist er auf der fahrt durch einen stürm verschlagen worden?' —
Schneidewins erklärung zu 670 ff. 'ihre jagd will nicht ein wild er-
legen oder fangen, sondern fpiv aifiaTÖeccav erregen' verträgt sich
nicht mit der bedeutung von bid. sehr gut hat man bi' fpiv aljüUX-
TÖeccav mit 䣣iq)uXXouc verbunden; das blut wird die felder vor
Troja düngen, die änderung von KcXcdvTUJV in KcXcacuiv ist schon
wegen der poetischen form nicht annehmbar, ist auch unnötig , da
die ergänzung von auTUiv sehr gewöhnlich ist nur die deatlicU
448 N Wecklein : anz. v. Aisch. Agamemnon y. FWSchneidewin u. OHense.
gewinnt durch KeXcdvTOiv. — Allgemein wird 792 die ändenmg
von Blomfield äcmbr|q)öpoc aufgenommen, man sagt, in äcrri-
briCTpöq)OC habe der begriff CTp^q)eiv keinen zweck; aber vgL Aias
575 bid TroXuppdq)Ou CTp^q)uiv TTÖpTraKOC . . cdKOC. es kann sich
also nur fragen, ob dcmbocrpöcpoc für dcrribiiCTpöcpoc zu setzen
sei. — Der v. 838 sieht durchaus nicht wie interpolation aus, son-
dern passt sehr gut in die eigentümlich gefärbte rede der Kljtai-
mnestra. man will einen einflusz von v. 842 annehmen, aber die
Sache scheint gerade umgekehrt zu sein und musz umgekehrt sein,
wenn 838 echt ist. in 842 ist dvujOev ziemlich ungeschickt; man
erwartet dafür T€pd)LivuiV. — v. 909 scheint nur der erklänmg,
nicht der emendation zu bedürfen, zunächst darf man Kai nicht mit
cu verbinden, sondern musz es auf den ganzen satz beziehen: ^siehst
du gar hierin (wenn ich nachgebe) einen sieg im streite und legst
besondem wert darauf.' so sagt der siegreiche Agamemnon mit ge-
wisser ironie, da er im siege etwas höheres sieht. — Zu 917 ist das
unpassende citat toOtuüv \&olc* öti xal buvQTÖv aus 97, worin
TOUTUJV gen. part. ist, stehen geblieben. — 931 ist vielleicht irpou-
V€xB€VTOC in iTpouvexO^v TÖb' (acc. abs.) zu verwandeln; die stelle
würde damit an deutlichkeit gewinnen, das komma nach xptlCTTi-
ptoic hätte H. tilgen sollen,* da er im folgenden verse ^nX^vujfi^vq
gesetzt hat. — 982 ist wieder die wertlose conjectur von Tridinius
TTpoTTdpoiOe aufgenommen, die lesart der Flor. hs. TrpÖTrap ist um
so sicherer, als im entsprechenden verse der Strophe dKÖpccTOV dem
sinn und Zusammenhang nicht entspricht, es ist dafür eine sehr
einfache und der bedeutung nach durchaus passende Verbesserung
von Mählj gefunden worden, die H. nicht erwähnt, dKap^c. im
augenblick ist blühende gesundheit in krankheit verwandelt, man
könnte für die ganze stelle unter anleitung dis antistrophischen
verses t6 b' ^ttI tSv ttccöv &nai OavdcijiGV vermuten: jiidXa T^
TOI TÖ Xiirapdc uyttac dKapic T^p^a. im folgenden hat man doch
wohl mit recht in fCtTUiV, wofür der antistrophische vers einen ana-
päst erfordert, ein glossem zu öjiiÖTOixoc gefunden, man kann
dann etwa an vöcoc fäp del ßiordv 6|liötoixoc ipefbei denken. —
Die construction, welche zu 973 ff. angegeben wird, Kai Ökyoc Trpo-
ßoXuJv t6 iLifev tOüv xPIM^iTUiV . . tö bt f cuicev , leidet an einem
grammatischen fehler, es hätte bemerkt werden sollen, dasz der bau
des Satzes sich ändert und dasz der anfang erwarten läszt : «kqI tö
^^v tOüv xpr]ix&j[jjy TrpoßaXiIiV; tö bk ciücac hat er durch eine reiche
ernte wieder Schadenersatz erhalten.»
Eine ganz verkehrte interpretation ist zu 1006 stehen geblie-
ben: 'für dich fürwahr hat sie deutlich geredet, da du mit den Ver-
hältnissen unbekannt nur den wortsinn faszt und ihrem werte tränen
must.' wie kann der Chorführer dergleichen in gegenwart der Kly-
tairanestra äuszem? der sinn ist ein ganz anderer, da nach der
rede der Klytaimnestra Kasandra keine miene macht dem befehle
nachzukommen und eine pause eintritt, mahnt der chor die jnng^
!NWecklein : anz. v. Aisch. Agamemnon v. FWSchneidewinu. OHense. 449
frau: Mir galt die rede und die herrin hat aasgeredet; warum er-
widerst oder folgst du nicht?' — Ebenso unrichtig ist die erklärung
von 1020. gerade b^, welches H. mit der Snderung dy * dvrl q)UJvf\c
entfernen will, zeigt dasz der befehl, wie ea der Zusammenhang
fordert, an den Chorführer gerichtet ist. es müste sonst auch Elj-
taimnestra sagen: Verstehst du meine worte nicht, so will ich mit
der hand zu dir reden.' ebenso musz 101 1 an den Chorführer ge-
richtet sein , wo ich jet^ den ursprünglichen text mit icw q)p€VU)V
T€Tiuvd ireiOe viv \ir{{Jti gewonnen zu haben glaube. Eljtaimnestra
herscht den Chorführer an : ^rede nicht so zahm mit ihr , wie du es
mit ireiOoi' dv ei TreiOoio gethan hast, sondern sprich worte, die
ihr ins herz hineintönen, um sie zu überreden.' der leichte Über-
gang von T€TüJvd in X^TOUCa muste die weitere änderung nach sich
ziehen. — Becht nichtssagend ist auch der sinn, der in 1057 f. liegen
soll : ^gehört hatten wir schon früher von deiner Sehergabe , seher
aber verlangen wir hier zu lande keine.' waren die Griechen so auf-
geklärt, dasz sie an keine seher glaubten? es kann gar kein zweifei
sein — und die Überlieferung selbst bestätigt es — dasz das zweite
fj/iev aus dem ersten entstanden ist. ja diesmal kann sogar das
verlorene wort fast mit mathematischer bestimmtheit erraten wer-
den. Easandra spricht vorher von dem mahle des Thjestes. der
chor erwidert augenscheinlich : Won deinem seherruf hatten wir ge-
hört, seher der Vergangenheit aber suchen wir nicht (tuiv irplv irpo-
(pr\Tac). — Schwer ersichtlich ist es, wie 1081 f. in CTttTWV die
Kaipia 7TTUJCi|ioic Euvavuiei ßiou biivioc autdc der sinn liegen
soll: ^zum herzen hin ist mir safrangeförbt das blut gestiegen,
gleichwie es dem sterbenden grün und gelb vors äuge tritt.' der
chor sagt: *es überkam mich bei deinem worte tödliche angst', *zum
herzen drang mir der safrangeülrbte tropfen, der, wenn er an die
gefährliche stelle fällt (xaipia iTTUucijiGc) , ans ziel kommt zugleich
mit den stralen des untergegangenen lebens.' man fühlt ja, wie das
blut zum herzen dringt, und dasz die beklemmung unter ^günstigen'
umständen (xaipia) tötet, ist ganz verständlich mit dre . . autatc
ausgedrückt. — Hätte H. 1096 den Zusammenhang näher ange-
sehen , so würde er nicht im anhang die verkehrte bemerkung von
HLAhrens angeführt und nicht die emendation von Hermann 6po€?c
und Tittler (nicht Franz) £tt€TX^oic verschmäht haben; gerade OpoOü
entspricht dem Zusammenhang in keiner weise, und 6po€ic . . in-
CTX^ttC stellt auch das versmasz her.
Die emendation, welche 1166 im text stehen sollte ^ i^X6^tt]V
öjLioO, hat nicht einmal im anhang erwähnung gefunden. — In 1188
sollte endlich einmal das nicht existierende q)aibpövouc aufgegeben
und die richtige Schreibung , die freilich H. nicht einmal der erwäh-
nung wert erachtet hat, q)atbpöv ouc hergestellt werden, es er-
gibt sich daraus die weitere emendation der stelle, von der anderswo
schon die rede gewesen ist: oiIk olbev da t^tücca intaiT/j, kuvöc
XeiEaca KdKTcivaca qpaibpöv oöc biKiiv, diriv XaGpaiov TCuHexai
450 NWecklein : anz. v. Aisch. Agamemnon v. FWSchneidewin vl, OHense.
KQKr) TÜxi]* — 1299 hat die änderung von Keck diTiKpdvai schon
deswegen die meiste probabilitfit, weil solche aoristformen in der
Überlieferung gern alteriert werden, das gleiche ist der fall bei der
form dpac6at , wenn die erste silbe in die arsis zu stehen kommt
so ist die angäbe von Merkel, dasz der Med. Hik. 341 aipacOai habe,
ganz richtig ; es folgt daraus dasz dpacOat, nicht wie gewöhnlich ge-
schrieben wird a!p€c6at, das ursprüngliche ist. der optativ £m-
Kpdvai nach dem fut. dTTOTicei ist nicht ungewöhnlich, in dem
vorausgehenden verse scheint der sinn dXXoc für dXXuiV zu fordern.
Die bemerkung zu 1329 f. : ^somit entscheidet sich der korj-
phaios als diriKupuiv dafür , sich erst genauere künde von der that
zu verschaffen ; doch kommt Klyt. weiteren schritten zuvor* scheint
der intention des dichters durchaus nicht zu entsprechen, wie schon
anderswo bemerkt worden ist, entscheidet sich der korjphaios da-
für , in das haus zu dringen und der sache auf den grund zu sehen.
das kommt für die illusion durch das ekkjklema zur ansführnng,
durch welches der chor scheinbar in das badegemach des hanses
tritt. — Die zu 1381 ff. angeführte erklärung von Keck ist schon
deshalb nicht brauchbar, weil dB um blosze drohungen Eljtainmestn
nicht zu thun ist : sie musz gewalt gebrauchen wollen gegen wider^
spenstige bürger. so oft ich mir die stelle betrachte, kann ich keine
andere herstellung finden und für möglich halten als die Umstellung
von u)c 7Tap6CK€uacjLi^vr|c und x€ipt viKrjcavT* djLioC, also \ifijj bi
CGI I ToiauT* direiXeiv x^ipi vncTJcavT' ^jioO | Ik tuiv ö)Lioiu)v dbc
iTap€CK€uac|i^viic | dpxciv, ^wenn deine drohungen etwas bedeuten
sollen, must du erst mich mit gewalt bezwingen, da ich gerüstet
bin meine herschaft mit gewalt aufrecht zu erhalten, und unter-
liegst du im kämpfe , so wirst du durch schaden klug werden.' —
unrichtig ist die auffassung und herstellung von 1386 ff. der chor
denkt offenbar an die ttuszerung der Kljtaimnestra 1348 ff., wo sie
sich stolz und erfreut zeigt, dasz ihr antlitz von dem blute des er-
schlagenen gerötet sei. der sinn verlangt also das überlieferte €&,
und CS musz heiszen : ÜJC7T€p oCv q)OVoXi߀i Tux(f <PP^v ^m^aiveTatt
XiTToc dir' ö^^diiüv a^jiaTOc eö irp^ireiv. drieTOv usw., *wie du ja
in der wut und raserei, welche vergossenes blut dir eingibt, dir ein-
bildest, dasz der blutstropfen an deiner stim eine zierde sei.'
1470 ff. ist die Verbesserung, welche allein der stelle construction
und Zusammenhang gibt und die höchst abstrusen erklär ungen über-
flüssig macht, nicht berücksichtigt worden, ich meine Xid2l€Tai b*
öjLiGCTTÖpoic dTTippoatciv al)LidTiJüV jLidXac ^'Apiic, ÖTTOt btKav irpo-
ßaivujv 7Tdxv(f Koupoßöpip irapäei, 'der rachegeist wütet fort im
geschlecht, bis er sühne schafft dem kindermahle'. — Zu 1564 ff.
ist die anmerkung so gegeben, als ob im bu' dOXioiv im texte
stünde, der richtige ausdruck aber — denn es kann kein zweife)
sein, dasz blosz an drei kinder, Aigisthos und die beiden geschlach-
teten, zu denken ist — kann nur TptTOV tdp auTÖv dvra füi* dOXii(i
Tiarpt sein, entweder ist von vom herein die stelle durch interpola-
I^Wecklein : anz. v. Aisch. Agamemnon v. FWSchneidewin u. OHense. 451
tion verdorben, oder es ist, nachdem aÖTÖv ausgefallen, der vers
falsch ergänzt worden. — Zu 1572 ist von der Verbesserung von
iKwy in ^KOic keine notiz genommen, man würde ^kiüV gelten lassen
und als wiedergäbe von iräcav cuydipac ^riXGtvf|V bucßouX(ac (1568)
betrachten können, wenn nicht die werte jliövoc b' ^itoiktov TÖvbe
ßouXeCcai q)övov folgten, wie sich diese auf v. 1568 beziehen, so
musz der sinn von dupaioc ujv (1567) irgendwie wiedergegeben sein,
darum hat schon Enger dniüV für ^Kiuv verlangt; näher liegt dnäc,
welches wort noch dreimal im Agamemnon vorkommt. — Mit recht
hat H. 1584 f. von Wieseler ji^vuiv und von Keck aicxuviuv ange-
nommen, die weitere angäbe aber «alcx^vac Hermann, dem Schneide-
win folgte» ist nicht richtig, denn Hermann weist die meinung, dasz
Aigisthos angeredet werde, in welchem falle aicxuvac zu schreiben
sei, als irrtümlich ab; aicxuvac hat Wieseler vorgeschlagen, aber
aicxuvuiV ist offenbar nur in folge der falschen auffassung von xuvai
in aicxuvouc' geändert worden. Hermann fügt hinzu: ^praeterea ob
«andern ambiguitatem scribendum esset coniunctim yuvf) cu.' das
ist gewis das richtige. — Nach 1609 erscheinen wieder wie bei
Sehn, die zeichen der lücke. was H. dazu bemerkt, bedeutet wenig,
die ansieht von BAmoldt kann schon aus formellen gründen nicht
gebilligt werden, es ist aber von H. nicht beachtet worden, dasz
Heimsoeth den nachweis geliefert hat, dasz die verse 1602 — 7 ihren
richtigen platz nach 1586 haben, alles spricht für diese annähme,
werden nun die genannten verse umgestellt, so folgt 1609 auf
drohungen des Aigisthos 1598 — 1601 und fällt dem Chorführer zu.
dann aber ist mit der leichten änderung von inii in öttij und von
Kai in Kou alles gethan und die stelle in bester Ordnung: XO. dXX*
ÖTTi;! boKcTc Tab* ^pbeiv kou X^yeiv, tvwcij rdxa. Air. ela b/j,
<piXoi Xoxixai, ToiJpTOV oux ^Kdc xöbe. XO. eta bii, Öcpoc itpÖKUJ-
TTOV Träc TIC euTpe7ri2l6TUi. — In den letzten zwei versen will H.
uXdTjiaT'' eu b' ifü) Kai cu örjccjicv KpaTOuvTC Tujvbc bwfidTwv
TTcpi lesen, die Vermutung ist auf den ersten anblick ansprechend,
aber es liegt doch ein versehen dabei vor. H. bemerkt dazu : ^meine
Vermutung hat zur Voraussetzung, dasz der scholiast ein ihm vor-
liegendes eu durch KoXtJUC wiedergab: vgl. schol. zu 204 €U xdp
€tii: KaXurc äTToßairi.' der schol. soll also eu gelesen haben; soll er
dann nicht auch ir^pi gehabt haben ? das aber ist nicht möglich, da
er Tiijvbe Tuiv biufndTiüV mit KpaTOuvTec verbindet und biaOncö^eOa
Td Kad* auTOuc KaXujc zur erklärung gibt.
Noch ist zu erwähnen, dasz H. die vorrede und die ezplicatio
metrorum, welche EvLeutsch der ersten aufläge beigegeben, weg-
gelassen und sehr passend und zweckmäszig die inhaltsübersicht, die
nur ein vorläufiger, der letzten Überarbeitung ermangelnder entvmrf
Schneidewins gewesen, mit einer Übersicht über die verschied«
handlnng und entwicklung der sage aus Schneidewins einle
Sophokles Elektra (zweite aufl. 1855 s. 1 — 11) vertauscht ]
Passau. Nikolaus ¥
452 KLngebil: zu AischyloB.
67.
ZU AISCHYLOS.
Über die verwechslang von ttoXuc und \xi'X(ic von selten der ab«
Schreiber hat ANauck zu verschiedenen malen gehandelt, zuletzt in
den m^langes gr^co-rom. III s. 294 ff. und IV s. 201 ff. in der erstem
dieser stellen bespricht er Soph. Aias 226 tuiv ^€TiiXu)V Aotvau^
OTTO KXr)2^0)Li^votv, xdv ö jli^toc (Nauck verb. iroXuc) ^OOoc d^ei,
und Aisch. Perser 250 u5 TTepck ala xal ttoXuc itXoutou Xifi/jv,
(bc dv ixxä TrXiiT9 KaT^cpOapTai ttoXOc ÖXßoc. in betreff dieser
stelle verteidigt Nauck siegreich seine frühere , auf Eur. Or. 1077
gestützte emendation judyac ttXoutou \\\if\y gegen Haupts con-
servatismus. an beiden stellen war die veruilassung der Verderb-
nis eine und dieselbe: sie wurde hervorgerufen durch das nahe
dabei stehende (sei es vorausgehende sei es folgende) ^^Y^^c oder
iToXuc. aus diesem gründe können aber auch einander ganz fem-
stehende ausdrücke vertauscht werden ; also brauchte die möglich-
keit der vertauschung dieser ausdrücke an den beiden stellen nicht
erst nachgewiesen zu werden durch die im Sprachgebrauch begrün-
dete Verwendung des einen dieser ausdrücke im sinne des andern.
das thut aber Nauck bei der Verteidigung seiner emendation von
Aisch. Perser 250; sie sei, sagt er, namentlich darauf begründet,
dasz man vor der byzantinischen zeit nie TroXiic im sinne von fi^T<XC
gebraucht; nie etwa TTXdTiuv ö ttoXOc uft. gesagt habe, andere be-
weise für Verwechselung von iroXüc und [xi'XOLC in byzantinischer
zeit bringt Nauck nicht bei ; und doch schreibt WDindorf im lexicoy
Aeschyleum u. ttoXuc Nauck einfach nach : «ttcXuc pro ^ifac dictum
byzantinae magis quam veteris graecitatis est» anstatt Naucks moti*
vierung erst zu controlieren. diese wird nemlich meiner ansieht
nach durch beispiele wie TTXdruiV ö ttgXuc nicht bewiesen : erstena
weil TToXOc in diesem sinne auch schon viel früher, wenn auch wohl
nur vereinzelt vorkommt; vgl. Aristoph. Yö. 488 die werte des
Peithetairos vom hahne: oÖTUi b' Xcxvci T€ KQi ^^T<2C fj v töt€ Kai
TT 0 X U C , IJJCT ' f Tl Kttl VÖV ÖTTÖ TfjC ^ifi^HC TfjC TOT * ^KCfvilC, ÖTTÖTOV
vö^ov öp6piov der) usw. aber zweitens was würde solch eine Ver-
wendung von TToXOc denn beweisen, wenn sie sich auch blosz aus
byzantinischer zeit belegen liesze? in TTXdTUiv ö iroXüc bedeutet
ö TToXuc nicht der grosze, glaube ich, sondern der vielgenannte»
vielbesprochene = 6 iroXuc övo)Lia2Iöfievoc (alvou^evoc) nach Aisch.
Sieben 6 '€t€OkX^iic fiv elc ttoXuc . . öjiivotTO usw. und dem Hero-
dotischen (I 98) J\v ttoXXöc uttö ttoytöc dvbpöc kqI irpoßaX-
Xö^€V0C Kai aiv6Ö|i€V0C. ist diese meine ansieht richtig, so wftre
in TTXdTUiV 6 ttoXüc die bedeutung von ttoXuc zwar nicht die ge-
wöhnliche, wohl aber eine aus ihr oder aus ihr -|~ cinom dvo^oZö-
|i€V0C oder ähnlichen ausdruck entwickelt, daher dem ursprünglichen
.■i
ELagebil: zu Aischylos. 453
sinne des wertes immer noch näher stehend als der bedentung von
Eine ähnliche Veranlassung zur Verwechslung ven iroXOc und
|Li^Y<2C ^^^ ^ ^^^ 2^^^ andern stellen , die Nauck m61. gr.-rom. IV
8. 201 bespricht, nicht geboten, es sind: Prom. 732 ^crai bi Ovt]-
TOic elc del Xötoc ji^Tctc (ttoXuc Nauck) ttjc cf\c iropeiac und
Soph. Aias 714 TrdvO" 6 ^lifac xpövoc jiiapaivet. an letzterer stelle
müsse, bemerkt N., schon darum ttoXOc gelesen werden, weil ^lifCiC
hier, dem ausdruck juanpöc entsprechend v. 646, nicht eine gewal-
tige zeit bezeichnen kann, wie Ant. 934, sondern viel zeit (vgl.
Ant. 74 IT X € i uj V xpövoc 8v bei ji' dp^CKCiv toTc Kdiui tOöv ivGdbe).
also an diesen stellen musz die möglichkeit der Verwechslung beider
ausdrücke auf einer gewissen Verwandtschaft der bedeutung beider
beruhen, so dasz ^bei gewissen Substantiven das eine wie das andere
adjectivum denkbar ist' (Nauck). vgl. zb. iroXuc oTvoc, eine grosze
quantität wein, 6 TroTajiöc ttoXuc ^€i, der flusz strömt gewaltig,
mit macht; TToXXf) dvdyKii, eine vollständige, dh« wie wir sagen,
eine dringende not wendigkeit usw.
Eben dasselbe gilt auch für Aisch. Sieben vor Theben 489
dXuj bk 7roXXf)v, dcmboc kukXov X^t^J, ^q)piSa bivrjcavTOC, wo
zu lesen ist dXuj bi ixeyä\r\v: denn die richtige Übersetzung die-
ser verse, wie sie überliefert sind, könnte nur lauten : viel rundes,
ich meine den kreis seines Schildes (vgl. Soph. Phil. 1168 jiiupiov
dX^oc «B TToXu dx6oc). Aischylos musz aber hier vielmehr das ge-
sagt haben , was der überlieferte text nicht zu verstehen gestattet,
wie aber die sache auch Drojsen aufgefaszt hat in seiner Über-
setzung: 'den weiten mondhof, seines Schildes riesenkreis sah ich
ihn mit entsetzen schwingen', dh. die riesengrösze und riesenstärke
des Hippomedon wird Aischylos auch durch das riesige seines
Schildes angegeben haben, so dasz wir dadurch an den TreXiibpioc
Atac — q)^pujv cdKOC i^iiie ttuptoc erinnert werden, meiner ver-
.besserung dXuj bi ^CTdXiiv steht blosz der umstand entgegen , dasz
in zwei aufeinanderfolgenden versen der ausdruck jn^Y^C vorkäme
(488 . . Kai jn^xac tuttoc) ; aber wäre dieses ganz unerträglich , so
würde ich eher das jH^T^^c des vorhergehenden verses durch einen
verwandten ausdruck (etwa jiiaKpöc) vertauschen als die Vermutung
dXuj b^jLietdXriv fallen lassen.
St. Petersburq. Karl Luqebil.
Der erste chor der Hiketiden gehört bekanntlich nicht zu
den unverdorbensten, jede der vielen Strophen enthält irgend eine
crux für den erklärer oder Übersetzer, am schlimmsten aber sieht
es aus in der vierten strophe und antistrophe (v. 85 ff.), hier wer-
den dem leser nach dem gewöhnlichen texte dinge zugemutet, welche
auch ein köhlerglaube sich nicht gefallen lassen kann, es ist rührend,
wie die herausgeber sich abquälen irgend einen sinn in das para-
454 JMähly : zu Aischylos.
doxeste und unsiDnigste hineinzubringen und das widerspruchvollBte
zusammenzureimen, und doch — mit 6inem strich, oder besser zog,
ist alles geheilt und Strophe und antistropbe bilden den schönsten
zweiklang, man lese den überlieferten tezt:
Str. €id€tii Aiöc eu TravaXri-
6ujc. Aide fjiepoc ouk
euOripaTOC iTÖxön •
TravTä TOI q)XeT^6€t
Kdv cKÖTifj iieXaivqi
Hüv TUX9 M€pÖ7r€cci Xaoic.
antistr. mTrrei 5' dccpaXic ouö* M viu-
TUJ , Kopucpd Aide ei
KpavGQ TrpäTMO xeXeiov
bauXol Toip iTpaiT(bu)v
bdcKioi T€ xeivou-
civ TTÖpoi xanbeiv äcppacroi.
man merke in der strophe: Zeus wille (Y)bi€pOc) ist schwer zu er>
raten, denn — er leuchtet sogar durchaus und allerwege in der
finstemis! Donner übersetzt: 'in gedanken des Zeus diingt kein
sterbliches äuge, | dennoch leuchten sie rings, | auch gehüllt in
nacht I schwarzen geschicks, vor der menschen blicken. | siegend und
aufrecht wandelt die that hin, | in dem haupte des Zeus einmal gereift
zur Vollendung. | denn dichtschattig und wirr | ziehen seines Sinnes |
pfade , dem irdischen aug* unmerkbar.' — Wie man sieht, hat er in
der zweiten der angeführten Zeilen ein 'dennoch' eingeschmuggelt,
um den gedanken doch einigermaszen möglich zu machen , obsdion
der griechische text dieses 'dennoch' nicht enthält und der gedanke
auch so noch ungeheuerlich genug bleibt, nein, sondern das probate
heilmlttel ist einfach dieses : die beiden zweiten hftlfien von strophe
und antistrophe sind eine an die stelle der andern zu versetzen;
dann erhalten wir ein untadelliches , des dichtere würdiges ganzes:
elGeiri Aide €i5 ttovciXt]-
Ouie. Aide Yjiiepoe oök
eueyjpaToe Mxdr\ •
bauXol TÄp iTpairibuiv
bdeKioi T€ reivou-
eiv TTÖpoi Kanbeiv äcppacroi.
TTiTTTei b* decpaXk ot&b' inX vift-
Tifi, Kopuq)qi Aide el
KpavO^ TrpaTMCi r^Xeiov *
Travrä toi cpXcT^Oei
Kdv exÖTip iicXaivqi
guv Tux? Mcpöneeei Xou)ic.
deutsch ungefähr:
doch es drin^ kein sterblich ange
in des Zeas geheimen ratsehlnsz:
AHllIeimiidt: la Aiielijk«. 455
deam die pfade seines siaaes
lielm durch schatten and dnreh danke!
andorchdrin^eh jedem bfick.
aber steht die that roUendet
and gereift in seinem hanpte,
dann erfallt sie sich aach wirklich,
dann erscheint sie hell and leuchtend
selbst in tiefster nacht des anglficks,
sichtbar jedem mensehenkind.
ich meine, die sache ist nicht bloss klar und angenftUig, sondern
auch Ton etwelchem werte', nicht bloss für diesen speciellen fall,
insofern sie dem dichter sein eigentom surückgibt, sondern auch —
und das ist ihr höherer wert — als ein allgemeines kriteriomi das
vielleicht noch weitere fruchte trag^i kann: wir wissen jetst an
einem unzweifelhaften beispiel , dass Umstellungen solcher art auch
in den chorpartien plats gegriffen haben, und swar schon vor dem
scholiasten« denn der scholiast des cod. Med. wenigstens hat in
seinem exemplar die corruptel schon Torgefunden.
Den ersten Tcrs der strophe , der grtlndlich Terdorben ist, habe
ich nach Eirchhoff gegeben, er berührt unsere frage in keiner weise
und gehört höchst wahrscheinlich seinem inhalt nach zur vorher-
gehenden (dritten) antistrophe:
icn bk KÄK TTOX^^OU TCtpOfl^VOlC
ßuüjLidc dpf]c (purdciv
pv^xa bat^övu)V c^ßac
str. 4 el — — — —
wahrscheinlich folgte ein condicionalsatz. wäre die quantitftt nicht
hinderlich (bei Aischjlos nemlich , bei Homer nicht), so könnte man
vermuten
el Ti€i T^ TIC eu 7ravaXr|9iüc.
Basel. Jacob Mähly.
♦
Im vorigen Jahrgang dieser blätter s. 727 f. finde ich in einer
recension von ELugebil eine kurze besprechung des um seiner
mythologischen reminiscenzen willen schwer zu erklärenden verses
aus Aischylos Sieben g. Th. (380 f.)
Tubeuc bfe jiapTwv xal judxric XeXijUjii^voc
|i€cii|ißpivaTc KXaTTaTciv ibc bpäKUiv ßo$.
Lugebil macht im gegensatz zu andern erklttrem darauf aufmerk-
sam, dasz hier nicht die blosze wut des Tjdeus mit der eines draoheUi
sondern ^das mittägige geschrei des wütenden Tjdeus mit dem mit-
tägigen zischen (?) eines drachen' verglichen werden 8oll| und fährt
fort : Venu das kein unsinn sein soll , so bietet diese stelle wenig-
stens der erklärung unendliche Schwierigkeiten: erstens die, ob denn
kXq^TII und xXdZciv auch vom drachen gesagt werden kann , oder
als vom drachen gesagt sonst noch vorkommt, auszerdem aber noch
456 AHillebrandt: zu Aischylos.
die , ob auch nach den Vorstellungen der Griechen der drache zur
mittagszeit ganz besonders stark zischt.'
Bin ich auch nicht im stände gerade diese fragen zu beant-
worten, so glaube ich doch zur lösung der weitem frage, ob hier
eine reminiscenz an den Volksglauben vorliegt oder nicht, ob 'der
drache ebenso wie auch Tydeus nichts anderes als die sonne' yor-
stelle und die )Li€Cii)Lißpivai KXaTT<xi 'hinweisungen seien auf den
mittägigen glänz des Sonnenlichts', einiges wenige (mehr freilich
nicht) beitragen zu können, in dem 9n Tasnacapitel des Avesta
nemlich erzählt Haoma dem Zarathustra, wer die menschen gewesen
seien, die zuerst Haoma gepresst haben, nachdem er zuerst den
y ivanhat, dann den Athwya genannt, heiszt es vers 10: 'Thrita
(der Sämas hilfreichster) war der dritte mensch , | der mich für die
irdischen wesen auspresste. | dieses glück wurde ihm besohieden,
dieser lohn kam ihm zu : | dasz ihm zwei söhne geboren worden
Urväbsaya und Eeresäspa; | der eine ein lehrer und gesetzgeber,
der andere ein überlegener | Jüngling, locken- (?) und keulentrSger,
welcher erschlug den hOmenen drachen, | den rosse und menschen
fressenden giftigen grünlichen, | auf welchem g^ift hervorquoll, |
daumensdick und grün, | auf welchem Keresäspa | in eisernem kessel
sich essen kochte | um die mittagszeit da wurde es (oder : um die
mittagszeit wurde es) | dem verderblichen drachen heisz und er
schwitzte (?). | er schnellte unter dem kessel hervor | und schüttete
das kochende wasserum: | erschrocken sprang zurück | der beherzte
Kereeäspa.'
Ich habe diese stelle im wesentlichen nach der correcten Über-
setzung Geldners (metrik des jungem Avesta s. 125. 127) gegeben,
in welcher nur das an der entscheidenden stelle befindliche wort
'schwitzte' (hvtsat) unsicher bleibt, die parallele, welche dieser
abschnitt bietet, ist zwar nicht durchgreifend, sie ist aber immerhin
bedeutend genug um beachtet zu werden, der Zendsage und der
Aiscbylosstelle gemeinsam ist die Verbindung des drachen mit der
mittagszeit, und wenn auch in der erstem von einem geschrei des
drachen nicht die rede ist, so gibt er doch so deutliche beweise
seines ungestüms , dasz ich auf die abweichung beider verbionen in
diesem punkte kein gewicht legen kann, daraus würde sich ergeben,
dasz der vergleich, welchen gerade der angelos bei Aischylos gebraucht,
wahrscheinlich einer alten, dem Volksglauben angehörigen drachen-
sage entlehnt ist, deren umrisse wir nicht genauer ziehen können,
ferner dasz die deutung des Tydeus und des drachen als sonne , der
)Li€CTi)Lißpivai KXaTTCii als mittägiger glänz des Sonnenlichtes sehr be-
denklich ist. was der drache bedeutet, ist nicht klar ; mit Vermutun-
gen ibt nicht gedient; ich glaube, wir müssen uns vorläufig an einer
zwar sehr leisen , aber doch vorhandenen Übereinstimmung der ira-
nischen sage mit einem in eine Aischylische botenrede versprengten
rest der griechischen volksanschauung genügen lassen.
Breslau. Alfred Hillebramdt.
BSohneider: Ö 6ir€p d in der bedeatong ^weshalb obgleich während'. 457
68.
"0 'OneP "A IN DER BEDEUTUNG 'WESHALB OBGLEICH
WÄHREND'.
Der Sprachgebrauch, um den es sich hier handelt, ist, soviel
ich sehen kann, bisher noch nicht im Zusammenhang erörtert, auch
gelegentlich übersehen oder falsch aufge£Etözt worden, sagt doch
IBekker zu Apollonios de pron. s. 103, 7 meiner ausgäbe (s. 130C 9
Bk.) : cpronomine äTT€p uti solet auctor pro coninnctionibus Öttou f €
et KaiTOi» , als ob dergleichen bei andern 'auctores' nicht vorkäme ;
GFSchömann wollte bei demselben Apollonios jenes 6ir€p an drei
stellen entfernen (s. u.), und EWKrtlger gr. spr. II § 46, 4, 2 lehrt
unrichtig: 'ebenso [wie ri 'warum'] bei tragikem auch (in der
prosa nicht) 6 . . und & weshalb' [ebd. I § 46, 3, 4]. man sehe
femer, wie sich EFPoppo in vollständiger verkennung dieser sprach-
erscheinnng mit der erklärung der stelle Thuk. TL 40, 3 abmüht; da-
bei brauchte er nicht mit solcher geringschfttzung auf die bemerkung
des alteu Hoogeveen zu Yiger s. 33 hinzuweisen : denn der hat doch
wenigstens einen Schimmer des richtigen, geradezu erheiternd aber
wirkt es, wenn Th Arnold zu der angeführten Thukjdidesstelle in
stiller Verzweiflung bemerkt: 'the onlj question is how to explain
with the least violation of the rules of the language the anomalous
use of the relative öc' JClassen hat hier zuerst die allein richtige
erklärung gegeben.
Auch JNMadvig hält verschiedenes nicht gehörig auseinander,
in seiner gr. syntax § 195^ heiszt es zuerst: 'zu einem relativen pro-
nomen, das im allgemeinen auf das vorhergehende verweist, wird
bisweilen eine nähere angäbe desjenigen, woran gedacht wird, nach-
her hinzugefügt durch einen infinitiv oder accusativ mit dem inf.
als apposition zum relativ oder durch einen conjunctionalen neben-
satz (Demosth. 26, 7. Isokr. tt. dp. 7)'; dann in einer anmörkung:
'zuweilen erhält hierdurch und durch eine kürze im aus-
druck das relative pronomen im neutrum (6, äirep) blosz die be-
deutung einer anknüpfenden partikel (während, wie)'; und in der
angeführten Thukjdidesstelle soll & erklärt werden durch 'was bei
andern anders ist , indem — ' oder blosz 'während hingegen', dasz
diese auffassung eine unrichtige ist und dasz dies wieder auf die alte
ellipsentheorie zurückgehen heiszt, bedarf keines beweises. es sind
eben zwei ganz verschiedene dinge zusammengeworfen.
Im erstem falle ist 6 öirep grammatisches subject oder
object in dem satze, in dem es steht; die anknüfung an
das vorhergehende vermittelt es nebenbei; man kann sich dafür
Kai toCto, dXXd toCto, toCto oOv gesetzt denken , und dieses
auf das folgende, nicht auf das vorhergehende deu-
tende pronomen findet dann durch den angefügten in-
finitiv- oder conjunctionalsatz seine erklärung. bei-
Jahrbacher fQr dast. philol. 188S hfl. 7. 30
458 BSchncider : ö öircp d in der bedeutong 'weshalb obgleich während*.
spiele sind häufig und finden sich in allen ausführlicheren gramma-
tiken; auch an solchen fehlt es nicht, in denen nicht ö, sondern &
im folgenden seine umschreibende epexegese findet, wie Isokr. 15, 19
& cpuXaKT^ov kxiv, öttujc jiiTibfev t5|liiv cujLißriccTai toioOtov, wo alle
hgg. das & richtig beibehalten, ferner 8, 122 & xal irdvTUJV )LidXiCT*
äv TIC Gau)Lidc€i€V, £ti npoxcipiZecOe usw., wo Bekker und FBlass,
und 8, 4 S Kttl öiKttiOJC äv Tic öjiiTv dirminriccicv 8ti . . dirl täv
KOiViJüV oux 6)LioiuJC &idK€ic0€, wo alle hgg. & gegen das zeugnis der
besten hss. FE verwerfen, sehr mit unrecht : denn auch das neutrnm
plur. eines pron. kann sich auf einen inf., aco. mit inf. oder ganzen
satz beziehen, wie JMStahl zu Thuk. VI 17, 3 nachweist; zu den
angeführten beispielen gehört ua. auch Demosth. 3, 85 ön bk o\
Toö beivoc viKUJCi H^voi, TauTa TruvedvccGai.
Dieser gebrauch findet sich bekanntlich auch im lateinischen,
die grammatiken erwähnen ihn, scheiden aber auch hier verschieden-
artiges nicht und ziehen das griechische nicht zur vergleichnng her-
bei, obschon die sache erst dadurch die nötige klarheit gewinnt, bei
GTAErüger heiszt es § 558 anm. 3 ^ : 'steht qtwd vor dem zweiten
• satze, so bezeichnet es diesen als in folge einer natürlichen ideenasso-
eiation mit dem vorhergehenden verbunden, im deutschen läszt sich
dies durch dabei («> in beziehung darauf) oder durch einschie-
bung von nun, aber ausdrücken ; keineswegs soll jedoch dieses quod
eine folgerung (darum) bezeichnen'; es folgt dann die stelle Cic«
p. Caec. 25 quod vobis venire in mentem profeäo necesse est^ mhü esse
in civitate tarn düigenter quam ius civile retinendum^ und dann heisxt
es weiter: 'am häufigsten findet sich dieses quod vor m, nisi* usw.
dagegen ist erstens zu bemerken, dasz dabei nicht deutlidi wird, ob
quod nominativ oder accusativ sein soll; nach der Übersetzung 'in
beziehung worauP zu schlieszen scheint es fast, als wenn es Krüger
als beziebungsaccusativ fasse, diese auffassung müste als unrichtig
bezeichnet werden: quod ist hier, wie an den analogen stellen im
griechischen, subject oder object seines satzes und kann dabei wohl
ein hoc igitur vertreten, also eine folgerung bezeichnen und durch
Marum' wiedergegeben werden, von dem quod vor si nisi ist dieses
quod zu scheiden. — Im ganzen richtig erklärt es Madvig lat. spr. '
§ 449 anm., nur dasz er diesem quod fälschlich seine Stellung aus-
schlieszlich vor cum und ubi einräumt.
Man sollte meinen, diese ansieht sei durch die parallele des
demonstrativs (zb. Cic. de off. III 28, 102 usw.) und durch die ana-
logie des griechischen sicher gestellt; gleichwohl entscheidet sich
UJordan 'kritische beitrage zur gesch. der lat. spräche' s. 348 in
gewissen fällen für eine andere, es werden hier vier stellen, in
denen quod ego vos moneo quaesoque ui animadvortatis neu — oder
quod ego vos oro aique obsecro ut animadvortcUis neu — formelhaft
wiederkehrt, in folgender weise erklärt: *quod ist nicht abhängiger
objectscasus , sondern hat die function einer satzverbindenden con*
junction; die aufforderung selbst verlangt doppelgliedrig das anir
BScbneider: ö 6ir€p ä in der bedeatnng 'weshalb obgleich w&hrend'. 459
madvartere neu {hoc facere)^ und animadvortere steht demnach ohne
object im sinne von acht geben.' dasz qtioä nicht als öbjeot zu
mmnadvartere gelten darf, ist unzweifelhaft; aber ebenso unzweifel-
haft scheint es mir, dasz es das object der in oro guaesoque oder oro
atque obsecro enthaltenen thfttigkeit bezeichnet, das dann in dem fol-
genden doppelgliedrigen conjunctionalsatz mit ut • . neu seine er-
klftrung findet : *der gegenständ meines mahnens und bittens, meines
bittens und beschwörens ist somit, dasz ihr . . und dasz ihr nicht.'
diese einfache, durch die analogie gestützte erklärung verdient doch
auch deshalb vor der andern den vorzug , weil nicht klar ist , was
man sich unter der ^fonction einer satzverbindenden conjunotion'
zu denken habe, soll damit gesagt werden, qtwd sei in dem vor-
liegenden falle wirkliches pronomen und vereinige nur mit der rela-
tivischen function die conjunctionale in d6r weise, dasz auf das fol*
gende als auf ein ergebnis des vorhergehenden hingedeutet werde,
so ist allerdings nichts dagegen einzuwenden, vorausgesetzt dasz
quod in der angenommenen weise construiert wird.
Wir wenden uns zu dem zweiten der von Madvig verbundenen
fftUe, der von dem vorigen vollständig zu trennen ist. hier haben
wir es ausschlieszlich mit dem beziehungsaccusativ zu thun,
der in dem satze, in dem er steht, weder subject noch object ist, der
in einem ganz bestimmten logischen Verhältnis auf das vorhergehende
zurückweist und bei dem natürlich gar nichts zu ergänzen ist. auch
die gröszem grammatiken neuem datums, von den altem zu schwei«
gen, geben darüber keinen genügenden aufschlusz (zb. Kühner ausf.
gr. gr. II' s. 267 anm*. 6), und es bedarf daher wohl keiner weitem
rechtfertigung , wenn wir uns etwas eingehender mit ihm beschäf-
tigen.
Der anfang dieses gebrauchs findet sich bei Homer, er hat
zwar nicht das relativ , aber das demonstrative tö in der bedeutung
'deshalb' an acht stellen, die in den indices angeführt werden. * die
bedeutung wurde von jeher richtig erkannt: Apoll. Soph. s. 153, 29
Bk. bemerkt zu M 9 t6 dvrl toO biö, Eustathios zu M 9 (s. 1179,57)
TÖ fiTOUV (das heiszt) bxö na. nur führte man die entstehung des
gebrauchs fölschlich auf die auslassung des bid zurück (s. Schömann
opusc. III s. 263). nach Homer findet sich dieses TÖ auch bei an-
dern dichtem, sowohl altem, wie Pindaros (Ol. 6, 56 TÖ Kttl Kare-
qxüjüiiHev KaXcicGai juiv XPÖvip cujUTravTi \x&vf\p toOt' övujüi* dGdvo-
Tov. Py. 5, 39 TÖ C9 ' f X€i KUTrapicavov jnÄaGpov i^cp ' dvfepidvTi
cxcböv. zu der erstem stelle bemerkt Böckh «tö est biö» , zur zwei-
ten «TÖ esse biö nemo dubitabit»), Sophokles (Phil. 142 TÖ |üiOi £v-
V6Tr€, Ti CGI XPCdiV Ö7T0upT€iv; TÖ könnte hier natürlich auch, wie
Ellendt bemerkt, object zu £vv€Tr€ sein; aber der Zusammenhang
verlangt ein Mamm'), als auch bei denen der mittlem zeit, Anti-
machos (tö Kai 090) TcivOTO lif[Tr]Q s. 28 StoU) und bei den Alexan-
' TÖ kann an einigen stellen auch anders gefatzt werden; 8. n»
30*
460 BSchneider: Ö öircp ä in der bedeutong 'weshalb obgleich w&hrend'*
drinern, Apollonios (tö kqi oö Tic dvrjXuOe ^eOpo T^vaiKuiv Argon.
III 894), Aratos (tö bf| KaXtovTtti äjuagai Phain. 27).
Auch in die prosa gieng dieses tö über, aber nur in d^r weise,
dasz die beziehung auf das vorhergehende die des gegensatzes war«
der durch das beigefügte bi. noch versch&rft wurde, dieses tö bi
^anderseits aber, dagegen' wurde zuerst erläutert von Heindorf zu
Piatons Theait. § 37 s. 334 ('quoniam nondum, quod sciam, a doctis
de hoc geuere explicatum est') und nach ihm von PhButtmann zu Pia-
tons Menon § 38, 6 (danach ist die bemerkung Classens zu Thuk. 11
40, 3 zu berichtigen), wenn nun Piaton dieses tö bi nachweislich
an mehreren stellen gebraucht hat^ so liegt gev?is kein grund vor es
Aristoteles abzusprechen , selbst wenn es bei ihm nur an einer ein-
zigen stelle vorkommen sollte, mir scheint daher der zweifei , den
Bamsauer zu Ar. Nikom. ethik f 13 s. 1118^ ftuszert ('quid auiem
tö bi ? nisi enim absolute opponendi vim habeat, ut sit «e contraria
parte» — id quod ab usu Aristotelis alienum est' usw.) , durchaas
nicht begründet: jenes TÖ bi ist vollständig sicher nnd allerdings
durch 'e contraria parte' zu erklären, ist doch das adversative 5 bei
Thukydides auch nur an einer einzigen stelle nachweisbar, und bei
manchen schriftsteilem scheint es gar nicht vorzukommen.
An dieses TÖ bi schlieszt sich unmittelbar an TÖ bi Ti Kai
'anderseits aber auch in gewisser hinsieht, zum teil aber auch', das
Thukydides an drei steUen hat: I 107, 4. 118, 2. YII 48, 2.
Wenn wir uns nun zu dem analogen gebrauch des relativs wen-
den , so ist klar dasz auch bei diesem die grundbedeutung ist 'mit
bezug worauf, nemlich auf den ganzen vorhergehenden gedanken
oder die vorher erwiesene thatsache. ist das Verhältnis zum folgen-
den ein derartiges, dasz dieses durch das vorhergehende begründet
wird , so ergibt sich die bedeutung ^weshalb', so haben es mehr-
fach die tragiker: Sophokles & Trach. 136 & Kai C6 rdv ävaccav
^Xtticiv X^t^ Tab' aUv icx6iv (die richtige erklärung 'quapropter*
gibt GHermanA, der Ellendt im lexikon mit recht zustimmt; sie
wird mit unrecht von Schneidewin-Nauck^ verworfen; Ellendt reiht
im lexikon an obige stelle OK. 1291 8l b* fiXOov, i\br\ coi O^Xui
X^£ai, irärcp, aber hier ist & inhaltsaccusativ : s. u.), 6 bei Eori-
pidcs (Hek. 13 ö Kai jli€ t^c äTTe£^TT€jLii|i€V, wo Hermann die rich-
tige erklärung gegen Valckenaer und Person verteidigt*, Phoin. 155
ö Kai beboma ixi\ ckottuic' öpOuic 6€oi, und ebd. 263 d Kai b^boixa
)Lirj )Lie biKTuujv Icw Xaß6vT€C ouk £Kq)pu)c' dvaifiOKTOV X96a) und
bei alexandrinischen dichtem (Apoll. Argon. I 205 d Kai fiCTO-
pi9)Liioc i'iev ndciv dpicTi^ccciv).
In derselben bedeutung findet sich ö.5iT€p auch in prosa, aber
auch hier nur selten, unrichtig ist es also, wenn KWKrüger ao. die-
sen gebrauch der prosa abspricht , richtig aber auch nicht die be-
merkung Matthias gr. gr. § 477 « : 'besonders steht o f t zu anfang eines
' die stelle wird weiter unten ooch eiomal behandelt.
BSchneider : ö 6iT€p ä in der bedeutong 'weshalb obgleich während». 46 1
Satzes 6 dh. bi' 6 statt bia toOto, quare statt Uaque'y ganz abge-
sehen von der veralteten auffassung. ich mOchte unter anderm hierher
rechnen Isokr. 8, 7 önep (weil es einmal in der natur des menschen
liegt, nie mit dem zufrieden zu sein, was er hat, deshalb) dSiöv den
be^t^vai, \xi\ Ka\ vOv fiineic fvoxoi fevdj^eQa Taüraic raic dvolaic'
hier ist dem Dionysios, der 67T€p richtig verstand, dafür ^löirep in
die feder gekommen , ähnlich wie Schömann opusc. IV s. 250 an
drei stellen des Apollonios Dyskolos öirep in ^lönep verändern
wollte, aber an keiner dieser stellen ist äirep zu ändern: s. 133, 8
meiner ausgäbe (543, 12 Bk.) 67T€p (deshalb) dTri)Li€)LiiTTOV (ist xpr)
als unregelmäszig zu tadeln) iv jfji Karä töv TraparariKÖv Trpo90p$
Kttia Tdciv-^ ^XPnv. 8. 167, 24 (578, 27 Bk.) öircp (deshalb) ixpf\v
Kai TÖV Tp\39UJva Tiepi täv öokoüvtujv d)c dvTiK€i)i^vuJv diro-
XoTncacGai. s. 195, 5 (608, 19 Bk.) öircp (deshalb) Tivk juCT^Tpa-
i|iav TÖ oöpav66€V (setzten einige in dem verse f 3 oupavöOev an
die stelle von oupavödi). ebensowenig ist anzufechten s. 179, 5
(591, 1 Bk.) öirep (wenn man das zuletzt gesagte in betracht zieht)
TidXiv DU jfjlbe €lx€ TÖ TrpoKcijüievov dnippif))Lia. s. 51, 9 (64 C 7
Bk.) 5 cuCuTUJC ol auToi qpaci t^ jii^v ifiby Tf)V libv (demgemäsz
behaupten eben dieselben, dem ifiby entsprechend sei luüV gebildet;
letzteres verbum oder ^X^iv ist hinzuzudenken), von andern spätem
führe ich nur noch einige stellen an. bei Diodoros XIII 18 haben
alle hss. ÖTT€p €i ^i\ TrapCKpoucdricav , dccpaXdic &v ^xuipicOricav.
Stephanus wollte für 6tt6P schreiben öttou, Wesseling djirep *qua
quidem re nisi decepti fuissent\ und dies hat LDindorf sowohl in
den text seiner groszen Leipziger ausgäbe vom j. 1828 als auch in
die Teubnersche textausgabe von 1867 aufgenommen, obwohl er
selbst noch eine andere stelle aus Diodor (exe. Photii s. 543; 6)
citiert : ßncp oi 4yT€V€Tc ÜTT^Xaßov Kpiciv ouk £c€Cdai tujv kokiüv,
dazu noch eine aus Phalaris s. 8 önep täv eO 9pov(£iv TUTxdvi]c,
TVUi)LiTiv Xd߀, und aus Appianos I s. 530, 81 Schw. öircp ^CTi ttoX-
Xoöc IbcTv dXoYtüT^pouc tiTVOjli^vouc daDTWV. an dieser letzten
stelle hat Bekker im Teubnerschen text I s. 267, 15 und ebenso
Mendelssohn I s. 342, 15 das öirep beibehalten; Valesius wollte
UJC7T6P ändern, auch an der ersten stelle des Diodor durfte öirep
nicht angetastet werden : 'somit wären sie sicher davon gekommen,
wenn sie sich nicht hätten teuschen lassen.' man vergleiche noch
Plutarch de adulat. et amico c. 22, 13 (I s. 77 Didot) 5 bi\ Kai AaK€-
bai)Liövioi C)Liupvaioic beoin^voic citov 7r^|LH|iavT€c usw.
Ist das Verhältnis des folgenden zum vorhergehenden das des
vollständigen oder teilweisen gegensatzes, so ergeben sich die be-
deutungen Viewohl, während, dagegen', das älteste beispiel hier-
für wird wohl die schon erwähnte stelle des Thukydides sein II 40, 3
ö (während) toTc dXXoic dfnaOia \xkv Opdcoc, Xoticjliöc bi ökvov
^ man kann hier öirep auch als object eu öeöUvai nehmen, aber
wegen des scharf benrortretenden logischen Verhältnisses zum vorher-
gehenden halte ich die gegebene erklärang für die richtige.
462 RSchneider : 6 öircp ä in der bedeutong ^weshalb obgleich während'.
cp^pei. auszerdem führe ich an Isokr. 12, 181 tuüv faß OUTUi |yii^v-
ll äpxnc beivd 7T€7TOv6ÖTUiv, iv bk toic iropoOci Kaipoic xpiicifiuiv
övTUüv ££€CTi TOIC d9Öpoic dKpirouc dnoKTeivat tocoutouc öttöcouc
jäv ßouXiiBu)Civ ' Sl (während, wogegen) toic äXXoic *'€XXif)Civ oiihk
Touc TTOvripoTaTOuc Tojv oIkctuiv öciöv dcTi |üitaiq)ov€iv. Apoll.
Dysk. s. 79, 27 (102 B 3 Bk.) öircp (aber) ß^XTtov (es ist besser an-
zunehmen) im Tujv TOioÜTUJV Trap^XK6c6ai t^jv |iiv. ebd. s. 103, 7
(130 C 9 Bk.) ÖTTCp 0\) TOO KTT))iaT0C l^lOV, TOÖ bi, |üi€TeiXimLl^VOU
SeuT^pou npocuiTTOu, äirep iräXiv oibk toOto (wiewohl wiederom
auch diese, die zweite person, nicht) KttTOi TÖ navTcX^c dipicrai. ebd.
8. 205, 12 (616, 29 Bk.) öirep navTi ji^pei Xöjou TrapaKoXouOei tö
bieX^TX^cGai cic dKaToXXÖTTiTa (wiewohl bei jedem redeteil ein un-
regelmäsziger gebrauch sich nachweisen läszt). ebd. sjnt. s. 128, 11
Bk. öirep (aber) €! Tic TdKpiß^c dg€Tdc€ieV; oux cupoi dv usw. ebd.
8. 325, 17 Bk. ÖTTCp (aber) cl TTapeiireTO tö Ü dvecroiTOC äpx€c6ai
Tctc cuvG^ceic Kai jucTicvai ItiX toüc TrapqiXilM^vouc, TropciTreTO
dv usw.
Da GFSchömann über die causale bedeutung der accusative
der pronomina in einer besondem schrift (opusc. III s. 268 — 70)
gehandelt hat, so wird es nötig sein auf diese näher einzugehen, es
soll darin erörtert werden der 'usus pronominum quae accusatlTO
casu posita causae et rationi alicuius rei indicandae inserviunt; yelnt
cum toCto, tö, TaÜTa propterea^ ri autem cur significare dicitur'
(vom relativpronomen ist vorläufig nicht die rede, es wird aber
gegen den schlusz auch die stelle Eur. Hek. 13 d xai fi€ T^^c utt€£-
^TT€)Liv|i6 besprochen), nachdem zuerst die alte erklärung, nach wel-
cher b\a ausgelassen sein sollte, erwähnt worden ist, wird auch
GHermanns ansieht verworfen, nach dieser hätten die Griechen zu-
erst jenes TÖ nur von einem verbum abhängen lassen, wie f 176 TÖ
Kai KXaiouca t^tiiko von KXaiouca, *quam ego rem deflens conta-
besco'; dann aber^ nachdem das tö einmal die bedeutong 'weshalb'
angenommen habe , sei es auch da so gebraucht worden , wo es mit
einem verbum nicht verbunden werden konnte, diese erklärung
sei falsch ; das hiesze ja annehmen 'Graecos falsa quadam similitu-
dinis specie deceptos vitiose locutos esse' : denn , wie Apollonios de
pron. 7, 22 (7B Bk.) sagt, tö jli^ Taic koto q)uciv X^eci K€XPnc6ai
KaKia. darauf entwickelt Schömann seine ansieht, es müsse von
vorn herein als unbestritten angesehen werden, dasz jene accusative
tö, Ti, TOUTO, TaÜTü ebcuso gut objecto seien wie irgend welche an-
dere mit Verben verbundene accusative; nur müsse man festhalten,
dasz die sogenannten verba intransitiva und esse ebenso wie die an-
dern den begriff einer thätigkeit enthalten, das object ist nun ein
doppeltes: entweder wird dem verbum ein auszerhalb desselben
liegender gegenständ entgegengestellt, auf den die handlung fiber-
geht (äuszeres object, TcXdv Tf)V inujpiav), oder das was gethan wird
ist selbst object der handlung (ycXdv n^iCTOV t^Xuito). die be-
deutung jedes verbums zerlege sich also in zwei teile: eine generelloi
RSchneider : 6 Öircp ä in der bedeutung 'weshalb obgleich während'. 463
indem jedes ohne unterschied eine handlung bezeichnet, und ein«
specielle, indem es besagt 'in quo quaeque actio versetur'. beides
wird auseinandergehalten in den mit to do und Troi€ic6ai um-
schreibenden ausdrücken, von diesen beiden bedeutungen bezeichnet
die eine das object der andern; wenn man also ein verbum aus-
spricht, bezeichnet man zugleich die handlung und auch ihr (inneres)
object. letzteres kann auch in form eines Substantivs mit einem ad-
jectiv seinen besondem ausdruck finden (biibK€iv biujSiv Tax€iav),
und da die adjectiva die natur der participia haben — nur dasz
■sie der zeitbezeichnung entbehren — so können auch die adjectiva
solche accusative des innern objects zu sich nehmen (kqköc Tiäccxv
KQKiav). da femer diese accusative des Substantivs nur deshalb bei-
gefügt werden, damit sie einen bestimmenden zusatz erhalten, so
ergibt sich dasz dem erstem gleichsam die zweite , dem letztem da-
gegen die erste rolle zufällt, weshalb denn auch das Substantiv fehlen
kann : f\b\) oder i\bia fOiäv , rdbe )Liaiv€Tai. tritt in dem letzten
beispiel an die stelle des demonstrativs das fragepronomen , so hat
man Ti juaiverat dh. Tiva fnaviav juaiverai; daraus erklärt es sich
also , warum Ti TiTTTe im sinne von cur und TÖ und raOra im sinne
von propterea stehen, dies wird an einer groszen menge von bei-
spielen erläutert, was von den verben gilt, gilt auch, wie vorher,
von den adjectiven : raCra Xctttöc ist nichts anderes als ursprüng-
lich Taiiiriv Tf|v XeirrÖTTiTa Xctttöc* tqOt' fip* eÖTTpöcuJiroc fjv,
Jiaec erat eius pulcritudo , hoc est quod putcra fuü.
Diese herleitung muste im Zusammenhang wiedergegeben wer-
den , um zu zeigen dasz der von uns zuletzt behandelte gebrauch in
ihr keine stelle findet, im übrigen ist sie gewis richtig und längst
^emeingut geworden, es soll auch zugegeben werden, dasz man die
stelle des Euripides (Hek. 13) ö Kai )i€ T^c äTr6£^ir€)Lii|i€, wofür
nach Homerischer ausdrucksweise TÖ Kai jiie yf\c uir€£^ir€|Lii|i€ stehen
könnte, allenfalls erklären kann durch hoc erat quod me amandahat \
auch für das Homerische tö Kai KXaiouca T^TiiKa kann man sich
denken toOtov töv KXau9)iöv KXaiouca x^TTiKa. es bleibt aber
noch eine anzahl von fällen übrig, in denen diese auffassung des-
halb nicht möglich ist, weil das prädicat im satze, sei es ein verbum
oder ein nomen mit der copula, seine inhaltsbestimmung schon hat,
und weil überhaupt dieses ö oder öirep oder & offenbar nicht zu
«inem einzelnen wort im angeknüpften satze , sondern zum ganzen
satze gehört und dessen logisches Verhältnis zum vorigen präcisiert.
da bleibt nichts anderes übrig als den beziehungsaccusatiy anzuneh**
men; wie kann man zb. in dem yerse T 213 tö fioi oö Ti )li€T&
<pp€ci raOra ju^juiiXe das tö mit )Li^|Lir]X6 verbinden, da TauTa schon
das, worauf die im verbum enthaltene thätigkeit gerichtet ist, dar-
stellt? und so wird auch an den andern stellen, an denen die be-
deutung 'mit rücksicht auf das vorher gesagte' klar hervortritt, das
TÖ so gut wie das ö ebenso zu fassen sein, auch Hek. 13 erscheint
^ie Schömannsche erklärung gezwungen, man kann sich wohl für
464 RSchneider : ö öirep & in der bedeutung ' weahalb obgleich während'.
ö ^' i£^TT€fii|ie denken toOto f)V ö fi* l£^TTefii|i€^ aber das ist nicht
80 viel wie aörr) f)V f) Tr^fiipic f^v fi' ÖTTcS^irejuiiie : denn dadurch
wird der begriff des schickens in einer weise hervorgehoben, die
dem Zusammenhang gar nicht entspricht; sondern: ^das war der
umstand, mit bezug auf welchen er mich fortschickte', also
wieder beziehungsaccusativ , erst recht ^significatione causali usor-
patus', aber von Schömann nicht berücksichtigt
Wie vorher, so liegt es auch hier nahe verwandte sprachen und
in erster linie das lateinische heranzuziehen, dies thut Glassen ao^
indem er auf quod vor si , nisi uä. hinweist, über diesen gebrauch
handelt am eingehendsten KBeisig Vorlesungen über lat. sprachw.
s. 367 : sehr richtig läszt er die bedeutung sich so entwickeln , dass
quod sage, es stehe der satz in beziehung zum vorhergehenden ^in
betreff dessen', und scheint damit anzudeuten, dasz auch er quod als
beziehungsaccusativ fasse, sagt es aber nicht ausdrücklich, letzteres
geschieht von FHaase zdst. , der bemerkt dasz dieser accusaüv als
object der betrachtung das vorige für das folgende andeutend hin-
stelle: auf das griechische nimt auch er keinen bezug. in den ge-
bräuchlichen lehrbüchem schlieszt man sich entweder dieser auf-
fassung an, oder man wirft diesen gebrauch mit dem des Inhalts-
objects zusammen, oder man drückt sich mOglichst unbestimmt aus^
wie noch in der neuesten ausgäbe der EUendt-Seyffertschen gram-
matik § 227, 2 a. 2: 'das neutrum quod steht scheinbar über-
flüssig vor den coi^unctionen «i, nisi^ cum^ ^mi« quoniam usw.
und dient zur bloszen weiterführung des gedankens in
einer schluszreihe : f wenn (da) nun also» oder twenn (da) nun aber».'
Eine von der bisherigen g&nzlich abweichende erklärung gab
zuerst ThBergk im Philol. XIY s. 185: *quod si^ quod uiinam und
ähnliches ist nicht auf den accusativ sondern den ablativ zurück-
zuführen, dessen altertümliche form sich auch noch bei Plautus in
manchen fiülen erhalten hat, wenngleich von den abschreibem und
kritikem nur da geduldet, wo sie die bedeutung der form nicht
erkannten.* obgleich Bergk zur begiUndung kein wort hinzufügt,
stimmt ihm doch FBitschl 'neue Plaut, ezcurse' s. 57 ohne weiteres
bei ; gerade darin, dasz in diesen Verbindungen das bewustsein ihres
Ursprungs abhanden gekommen war, sieht er den grund, weshalb sie
sich mit bewahrung des alten ablativischen d durch alle zeiten er-
halten haben, er hielt es also doch für nötig die auffallende erschei-
nung zu erkl&ren, dasz, während sonst das ablativische dl bis auf
wenige spuren verdrängt ist, während sich quödcirea nur ein ein-
ziges mal io einer inschrift erhalten hat gegenüber sehr vielen quo-
circa — neben dem angeblichen quod si ein quo si nirgends nach-
zuweisen ist. und doch war es kaum anders möglich als dasz in der
zeit, in welcher quod in quo übergieng, neben quod si auch quo si
auftrat, es wäre in der that weniger auffallend , wenn umgekehrt
ein quocirca gar nicht vorkäme ; denn während man das ablativ-d ver-
lor, vergasz man zugleich dasz drca auch mit dem ablativ verbunden
BSohneider : ö öircp ä in der bedeutong ^weBhalb obgleich während'. 465
worden war, und so h&tte es nur der veränderten ausspräche bedurft,
um das quod in guodcirca vor allen angriffen zu schützen, aber
gerade die quantität stand dem entgegen ^ und diese hätte ebenso
bei quöd vor si dahin führen müssen, dasz das d allmählich abge-
stoszen wurde, da das nicht geschehen ist, liegt der rückschlusz nahe.
Zu diesen erwägungen kommen die analogien der verwandten
sprachen, denn auszer dem griechischen kann nicht nur das deutsche
herangezogen werden (ahd. daedaz^ daz »= qu(xtenus\ man sehe über-
haupt, was JGrimm d. gr. III s. 165 über die bedeutung des accu-
sativs für die bildung der sogenannten partikeln sagt), sondern
vor allem die alten denkmäler des Orients, hr. prof. dr. HOsthoff
in Heidelberg hat die gute gehabt mir eine anzahl von belegen zu-
kommen zu lassen , die ich hier mit seinen anmerkungen vollstän-
dig mitteile. «I. Avesta. Yasht X 21: yat cii hvastem anhayeüi^
yat cit tanüm apayiitiy at cii dim nöif räshaySntS frina. agha/nam
tnäthranäm yäo verezyeiti avimUhrish' \ Venu er auch wohlgezielt
wirft, wenn er auch den körper trifft, so verwunden sie (die ge-
schosse) ihn (den körper) doch nicht wegen der menge der frevel-
haften reden, welche der Mithrafeind thut.' — 11. Sanskrit.
A, Yeda. Bigv. I 26, 6 ydc cid dhi gdgvatä tdnd devdfjfi — devdtii
yäjdmähey tv4 id dhüyate havüii Menn wenn wir auch in stetiger
folge jedweden gott verehren, so wird doch nur in dich opfertrank
hineingegossen (aus einem liede an Agni, den feuergott). Bigv. I
29, 1 ydc cid dhi, scUya somapä, andgastä iva smdsiy ä tU na, indra,
gamsaya göshv dgveshu guhhrishu sahdsreshu tuvimagha: 'ob wir
gleich, 0 wahrhaftiger somatrinker, wie aussichtslose sind, so gib
du uns doch , o Indra, aussieht auf rinder, rosse, auf glänzende, tau-
sende, du reichlich spendender.' B. nachvedisch. Meghadüta 27:
vaJcrahpanthd yad api hhavatah prasthitasyottarägdm, saudhotsanga-
pranayavimukho md sma hhür ujjayinydh'. ^obgleich dein pfad da-
hin, wenn du nach der nördlichen gegend dich aufgemacht hast,
krumm ist , so sei doch nicht dich abwendend von der annäherung
an die dächer der paläste dh. von üjjayinl.' anmerkungen: 1) da
skr. yad, avest. yai <» gr. ö, skr. dd, avest. dt «=» gr. Ti ist, so ent-
spricht ydc cid (aus yad cid assimiliert) in den beiden vedischen
stellen und yat cit in der Avestastelle genau dem gr. öm (ö Tt) ; das
zugefügte cid verallgemeinert das concessiv gebrauchte yad: Venu
auch immerhin, mag auch immer, obschon irgendwie.' 2) in der
nachvedischen stelle versieht api hinter yad weniger die rolle des
verallgemeinerns als vielmehr die des nachdrücklichen hervorhebens.
formal «» gr. im bezeichnet api an sich 'ndbh dazu, obendrein, auch,
sogar', also yad api wörtlich *wenn obendrein, wenn auch, selbst in
dem falle wenn', bei dem hervorhebenden Charakter des gr. KCp
dürfte also yad api dem öircp der Griechen näher kommen ils jenes
* die Verkürzung des ablativ-o ist stets erst nach dem schwlndea
des ä eingetreten, nie vorher; vgl. Büoheler grnndrisz der lai. deel.'
8. 94 f.
466 KZacher: zur hypothesis von Aristophanes Wespen.
yäc cidy yat dt im Yeda und Avesta. 3) für einfaches yad {"^ 5) in
der bedeutung als concessivpartikel 'obgleich' habe ich keinen beleg
gefunden.»
Die beigebrachten beispiele unterscheiden sich insofern von den
von uns behandelten griechischen und lateinischen , als in ihnen yac
cid, yad api, yat cii stets im Vordersätze stehen und entschiedener
den conjunctionalen Charakter tragen als das bloss anknüpfende
ö öirep. aber die concessive bedeutung ist nachgewiesen, und dasz
sich diese nur aus der des beziehungsaccusativs entwickeln konnte,
ist doch wohl sicher.
Als endergebnis stellen wir folgendes hin. derbeziehungs-
accusativ des pronomens zur anknOpfung an das vorher-
gehende in der bedeutung 'mit rücksicht worauf, wes-
halb, da doch, obgleich, während' kommt von Homer an
bis in die sp&te gräcität hinein bei dichtem und pro.-
saikern vor, aber nirgends häufig, wenn sich daher dieser
gebrauch bei einem Schriftsteller nur vereinzelt nachweisen läszt,
80 ist dies kein grund ihn durch emendation gänzlich beseitigen
zu wollen.
Duisburg. Bicbard Sohnxider.
69.
ZUR HYPOTHESIS VON AEI8T0PHANES WESPEN.
Von der hypothesis zu den Wespen ist viel besprochen worden
der schluszabschnitt mit den unklaren und offenbar schwer verderbten
notizen über den Proagon und Philonides. man scheint dabei nicht
beachtet zu haben, dasz die ganze hypothesis sehr schlecht über-
liefert ist. einzelne stellen will ich im folgenden zu heilen ver-
suchen, ich zähle die zeilen nach Dübners scholienausgabe.
Z. 6 d£ö&ou auTip ixi\ irpoKCifi^viic nach meiner collation
hat V irepiKCiju^viic, R TrepiKeiinevov. es ist also offenbar zu lesen
7TapaK€l)i^VTlC.
14 ö b^ iraic ^TreipaTO Tdc ÖTroi|iiac dgaipeiv toö TTpärfiOToc
es ist zu lesen i&Tr6poi|iiaCy bezüglich auf das vorausgehende iff(t\
6 TipccßuTric elvai tö irpfiTMa CTroiibaiov kqi cxcböv dpx^v rö
hxKalexy, ij7T€poi|iia in der bedeutung 'Übermut, stolz' findet sich
bei attischen rednem und späteren.
19 ff. Ka\ Kard Touc*q)€UTOVTac iK^lp^iv cuvcx^ic Tf)V i|iT)q>ov
fu^XXujv , dTiaTTiOeic dKUJV Tf)v KarabiKdZoucav dfia q>^p€i i|if)q>ov.
so die Aldina, die hier wieder einmal, wie häufig, die richtige voll-
ständige lesart bietet, während V und R gleichmäszig verstümmelt
sind : beide haben statt der vorher ausgeschriebenen werte nur: Kol
xard ToO (peuTOvroc ^Kcp^pei TfjV i|ifiq)OV. natürlich ist die lesart
der Aldina im einzelnen zu emendieren : statt touc (peuTOVrac mnsi
EZacher: zur hypothesis von Anstophanes Wespen. 467
68 wie in y B heiszen toO 9€utovtoc , statt Kara^iKd^ioDcav viel-
mehr dTTObiKoZoucav: ob äjua 96p€i aas dva9€p6i oder ^laqp^pei
entstanden oder das &ixa einfach auszuwerfen ist, lasse ich dahin-
gestellt, ich nehme anstosz ancuvex^üC, das Dindorf und Dübner
rahig haben stehen lassen, das kann doch nur heiszen ^im begriff
sofort seine verurteilende stimme abzugeben' usw. in der that
aber findet im stücke die abgäbe der stimme erst nach einer ganz
regul&ren gerichtlichen Verhandlung statt, somit hat cuv€Xi£ic gar
keinen sinn, noch dazu in Verbindung mit jli^Xujv. der gegensatz
ist: während er die absieht hat zu verurteilen, spricht er in der
that, durch Bdelykleon betrogen , frei, es möchte daher zu lesen
sein ^Kcp^peiv cuvrjdujc ii\v \\tf\(poy jli^XXujv: ^er will, wie er es
immer thut, verurteilen'; was zu seinem benehmen während des
processes vorzüglich passen würde.
22. auf das epirrema der parabase, v. 1071 ff., beziehen sich
folgende worte: irepi^x^i bk Kai biKaioXoTiav Tivd toO itoi-
TITOO ^K TOO TTOITITIKOO 7TpOCU)7TOU, d)C CCpriHlv 4|Liq)€p€lC €ICIV
ol ToC XopoO. so VR nach Dübner und nach meiner eignen colla-
tion. (unverständlich ist mir, was Martin 4es scolies du manuscr.
d'Ar. ä 'Bav.' s. 183 sagt: «nva toC Troir]ToG £k ttpocuittou, les
mots ToC xopoG manquent.» es ist zu bedauern dasz Holzinger in
seiner collation des Bavennas [Wiener Studien IV] die hjpotheseis
nicht mit berücksichtigt hat.) die Aldina liest: iT€pidx€i bk xal
öiKaioXoTiav rivct loö xopoC ^k toO ttoiiitikoO TrpociÖTrou bid
TÖ C9r)£iv £)Li9ep€Tc elvai touc toO xopoO. das gibt auch keinen
sinn; deshalb bessert Dindorf, dem Bichter folgt: biKaioXoTidV Tiva
ToO xopoC Ik toG TTOiiiToO irpocuiTTOu. damit ist ein aus-
druck hergestellt, wie er sich in den scholien öfter findet, so heiszt
es bei der parabase der Wolken zu v. 518 in der Aldina: f) Tiapd-
ßacic bOKei jufev Ik toö xopoO X^TCcGm, elcdrci bk tö ^auioO
irpöcuiTiov 6 TTOiriTric (om. VB), und in den (noch ungedruck-
ten) interlinearglossen S und Yat. 1294: d)C ^K TTpocuJirouToO
TT 0 1 T] T 0 0. ebenso zu dem letzten vers der Wolken (KCXÖpeuiai Tdp
|Ll€TpiUJC TÖ T€ TrijUepOV f||iiv): ibcdTrÖTOÖTTOlllTOÖbfeÖ XÖTOC
Aid., 6 XÖTOC Ik toO ttoiiitoO gl. 6 Vat. ferner zur parabase
der Bitter v. 507 haben Aid. V S (in B fehlen zu dem grösten teil
der Bitter die scholien ganz) : ö XÖTOC ^KToCxopoC irapd (1. tt 6 p i)
TOO TTOITITOO *ApiCT09dV0UC TÖV XÖTOV TrOlOlijüiCVOC (1. TTOIOU-
fi^vou). ganz ähnlich schol. Find. Pyth. 5, 96 (72): 6 XÖTOC dirö
TOÖ xopoO Tujv Aißuujv f\ dTTÖ ToO 7TOiif]ToO, bezüglich auf
TÖ b' Ifiöv und djLioi iraT^pcc. aber aus diesen parallelstellen geht
hervor dasz die Dindorfsche lesart biK. T. ToO xopoO Ik toO ttoiiitoö
irpocuiTTOU bedeuten würde : eine rechtfertigung , die scheinbar vom
chor , factisch vom dichter selbst über seine eigne person gegeboHi
wird, das würde ja nun wohl auf die parabase selbst ganz gut
passen, nicht aber auf das dnippii)Lia , von dem doch hier die iBde
ist , wie aus dem folgenden d)c cq>iiSiv ^jiKpcpeic clciv o\ toO XOpoO
468 BUirschwälder: zu Ciceroe briefen [XV 4, 9].
hervorgeht, denn in diesem rechtfertigt sich der chor, ohne auf des
dichters persönliche Verhältnisse irgendwie einzugehen, wegen seines
erscheinens in wespengestalt und so heiszt es in dem scholion tu
V. 1072: TaCra^^ npöc ri\y ckcutiv, flv TTcpi^Oexo 6 xopöc,
Tfjv Tdiv C9TIKUIV TTOiKiXiav fii|üioufi€VOC, irepi toO cx^MOtoc
äiToXoTOÜpevöc qpiici. daher denke ich dasz in der hypothesis
zu lesen sein wird: SiKatoXoTioiv Tiva ToO 7TOtr)ToO x^ntp
ToO xopiKoO TTpocuiTTOu, dic cq)ii£\v dpq)€p€ic eiciv o\ toO
XOpoO , eine rechtfertigung des dichters wegen der maske des chors.
die von Gardthausen griecb. paläographie s. 260 aufgeführte sigle
fUr uTT^p "X ist mit der geläufigen abkttrzung von Ik ^ leicht xa
verwechseln, vgl. auch schol. YO. 1102 TroXXdKic Iv Tak iropa-
ßäceci Kai o\ TroiriTal X^youci Tiva elc ra iavxfSjv xP^cifia bid
TOÖ xopiKOÖ npocibTTOu.
24. die hypothesis fUhrt fort: 0I 6t6 p^v i^cav v^oi, niKpiIic
raic biKaic ^qprjbpeuov, ^ttci ^^ T^povrec T^TÖvact, KCvrcOa
TOTc K^VTpoic. dies ist offenbar Inhaltsangabe der epirrematisehen
Bjzygio V. 107 1—1121. aber die worte TriKpÜJC raic bkaic lq)fibp€uov
sind unsinnig, schon aus sprachlichen gründen, namentlich aber weil
sie keinen gegensatz zu dem folgenden enthalten und nicht dem inhalt
des epirrema entsprechen, denn der gedankengang der epirrema-
tischen syzygie ist dieser: * warum wir als wespen erscheinen? einst
waren wir oEiüOupoi gegen die Perser, die wir zu land und so
wasser besiegten: da dachte keiner an sykophantie; jetzt schwär-
men wir ö£u6u)Lioi um die biKacTif)pia: irdvra ycip K€VToO)Aev
ävbpa KäKTTopitofiev ßiov.' demnach dürfte in der hypothesis etwa
folgendes gestanden haben: 0I öt6 jli^v fjcav vfoi, mKpd^ Taic
MtibiKttic £9r)bp€uov vouciv, IttcI bk T^povrec tct^vociv,
iy TOIC blKttCTTlpioiC KCVTOOCl TOk K^VTpOlC (vgl. V. 1098 TtttC
Tpiripcciv. 1098 TTÖXeic Mi^bwv dXövT€C. schol. 1078 cuvcxwc elo
dToviai Tujv MnbiKdiv |Li€pvri|Li^voi).
Breslau. Konrad Zaoher.
70.
Zu CICEROS BRIEFEN.
In dem berichte , den Cicero ep. XV 4 über seine kriegsthates
in Cilicien gegen die unruhigen stamme des Amanusgebirges an Cato
erstattet, heiszt es, nachdem die einnähme von Erana {quae fuU nom
vici instar sed urbis) und zweier sonst unbekannter Ortschaften erzählt
ist, in § 9weiter: his rebus iia gestis . . in reliquiis {rdiguis Med.)
Ämani ddendis agrisque vastandis . . id tempus omnc consumpsmug^
der ausdnick rdiquicie Ämani^ an dem bisher niemand anstosz genoni-
men hat, erscheint mir einigermaszen befremdlich, nach Frey soll er
bedeuten 'die bewohner des Amanus und ihre Wohnsitze', deutlicher
wäre jedenfalls: inreliquis vicis Ämani usw.
Breslau. Bruno HiRtCHWÄLDER.
JHChSchubart: Pausanias und seine ankl&ger. 469
71.
PAUSANIAS UND SEINE ANKLÄGER.
Unter dem titel Tansanias und die inschriften von Olympia'
enthält die archttologische zeitung Jahrgang XL (1882) sp. 97 ff. eine
abhandlang von GHirschfeld, die durch die Wichtigkeit des in*
halts und das ansehen des Verfassers zu ganz besonderer beachtung
und gewissenhafter prüfung auffordert.
Gleich von vom herein stellt sich Hirschfeld mit fester Überzeu-
gung auf die Seite von Wilamowitz-Möllendorff , welcher zuerst Mie
authenticitSt (?) des Pausanias principiell angegriffen' ; er gibt diesem
'princip' recht und bedauert nur, dasz W. nach dem ersten rich-
tigen flöilauf halt gemacht habe, in der etwas sonderbaren eingangs-
note heiszt es dann *ich sage das, weil ich es für die Wahrheit halte . •
ihr gegenüber ist mir auch die auslassung ganz gleichgültig, welche
▼. W. in den anal. Eurip. s. 138 . . sich gegen mich gestattet hat'
die genannte auslassung gegen eine inschrifterklftrung Hirschfelds
lautet ganz kurz : ^taceo ut parcam.' aus der feder von Wilamowitz
ist dies kaum eine unhOflichkeit, keinesfalls aber kann es einen grund
abgeben, von einer erkannten Wahrheit abzugehen , weil der gegner
dasselbe für wahr hält, zu bedauern ist da^, so weit ich wenigstens
sehe, weder Hirschfeld noch sein kampfgenosse ihr princip genau
pr&cisiert haben : denn jemanden angreifen kann man doch nicht für
ein princip halten , wenigstens nicht für ein wissenschaftliches ; mir
ist es nicht gelungen zwischen den beiden herren eine andere wesent-
liche gemeinschaft zu entdecken als dem Pausanias gegenüber die
gleiche spräche und, ich kann es nicht anders bezeichnen, den
gleichen — zoilismus.
Hirschfeld führt seine Untersuchung als ^process von Wilamo-
witz und consorten contra Pausanias.' ob diese form eine glückliche,
ob überhaupt eine wissenschaftliche ist, braucht hier nicht 'eingehend
erörtert zu werden ; jedenfalls beeinträchtigt sie die notwendige Un-
befangenheit. Pausanias ist der inculpat, dr. Hirschfeld der ankläger,
dessen rolle es mit sich bringt alles aufzusuchen, was die schuld des
verklagten klar legen , dagegen nach möglichkeit zu verhüllen , was
zu dessen rechtfertigung dienen kann, nicht ohne rabulistische fär-
bung hat er sich seiner aufgäbe entledigt, es musz aber auch der
Verteidiger gehört werden, und wer ist zuletzt richter?
'Die aussage der inschriften hat das urteil über die Eliaka [soll
wohl heiszen Olympia?] des Pausanias in erster linie zu bestimmen;
sie hat zu bestimmen , ob der angeklagte ganz oder teilweise schul-
dig, mit andern werten, wie Pausanias in den Eliaka gearbeitet hat.
der Charakter als verhör bedingt die art der a ihx er ei bt
kreuz- und querfragen an die zeugen' (sp. 98). ^
kreuz- und querfragen das hereinziehen von
Sache gehören, so kann dadurch allerdings
470 JHChSchubart: Paasanias und seine anklftger.
Verdunkelung, Unklarheit gebracht werden, die der anklftger be-
nutzen kann, die aber der erforschung der Wahrheit nicht förderlich
ist. was heiszt nun aber 'die aussage der inschriften hat das urteil
über die Eliaka in erster linie zu bestimmen' ? will Hirschfeld damit
sagen, wenn Paus, etwas erzähle und die darüber aufgefundene in-
scbrift gebe etwas abweichendes , so liege ein irrtum auf selten des
Paus.: so wird sich gegen diesen ebenso harmlosen wie unfmcht-
baren satz gewis kein widersprach erheben, liegen denn aber solche
fälle vor? die inschriften, welche hier wesentlich in betracht kern«
men, sind fast ausnahmslos inschriften auf athleten, und H. hat zur
abbörung der 'entlastungszeugen' eine tabelle aufgestellt von 37 in-
schriften, welche sich mit angaben des Pausanias decken, diese
dankenswerten, zweckmäszig eingerichteten tabellen (sp. 99 — 104)
haben folgende rubriken: laufende nummer, stelle des Paasanias,
angäbe des denkmals, wo die inschrift in der arch. ztg. steht, zeit
des denkmals, ob Paus, im yerhältnis zur Inschrift mehr oder weniger
gibt, fundort. ist das Verzeichnis vollständig, was ich nicht zu be-
zweifeln wage, so ist das resultat auch nach H.s Zugeständnis (sp. 105)
nicht ungünstig, vielleicht darf man selbst sagen: sehr günstig, die
positiven beweise sprechen also für Paus., es bleiben folglich nur die
negativen, aus dem schweigen desselben hergenommenen, es unter-
liegt keinem zweifei, Paus, verschweigt uns viele olympische in-
schriften , auch manche von denen welche H. (sp. 107 ff.) mit der
groszen ihm eignen inschriftenkenntnis zusammengestellt hat, die
nicht allein für uns, sondern ganz im allgemeinen ein höheres Interesse
haben als viele der von ihm mitgeteilten inschriften; die billigkeit
fordert aber nicht den maszstab unseres Wunsches anzulegen, sondern
ihn darauf anzusehen, was er zu geben für zweckmäszig hielt, und
das hat er deutlich ausgesprochen (H. musz mir wohl gestatten die
ihm misliebige anführung [sp. 108] noch einmal auszusprechen): er
wollte nach wohlüberlegtem plane nicht alle denkmäler verzeichnen,
sondern mit auswahl nur die welche ihm besonders merkwürdig
schienen (1, .39, 3. 3, 11, 1). ein catalogus monumentoram Oljm-
picorum, mit Inbegriff der inschriften, lag nicht in seinem plane; dass
er ganze kategorien ausgeschlossen, kennen wir nur bedauern.
Die sich mit angaben des Paus, deckenden 37 inschriften ordnet
nun Hirschfeld nach der zeit, und kommt zu dem resultat (sp. 106),
dem kernsatze der ganzen arbeit : 'der letzte fest bestimmbare Olym-
pionike mit statue, den wir bis jetzt bei Paus, nachweisen kOnnen, ist
Agemachos von Kyzikos (VI 13, 7), der sieger von ol. 147: so führt
auch dieser weg nur bis znm anfang des zweiten vorchrist-
lichen Jahrhunderts.' einige ausnahmen betrachtet H. als ez*
curse Mie Paus, als curiosa seiner zeit (kqt' i\xi\y böEav 6, 14, 2)*
und seines engem Vaterlandes anführt, wie so manches andere, was
* den zweck des eingeschobenen kot' i|if|v bdlay verstehe ich nicht;
es bedeutet ja weder ein cariosnm noch seiner zeit; eine meinong ist
aber an keine seit gebunden, und eine meinong darf Paus, doch habest
JHChSchubart: Pausanias und seine anklagen 471
ihm als bestandteil im recepte seiner authenticität von nöten schien'
(sp. 106). ist das würdig? ist das wissenschaftlich? der angeklagte
also fügt in betrügerischer absieht^ das publicum zu teuschen, die
ezeurse und anderes ein?
Ehe ich zur besprechung des hauptsatzes übergehe, scheint es mir
zweckmäszig einige nebenpunkte zu erledigen. Tansanias (6, 16, 8)
führt eine von Deinosthenes in Olympia gestiftete stele an, deren
inschrift besagt, der weg von dieser stele bis zu einer andern in
Lakedaimon betrage 660 Stadien, ein glückliches geschick hat es
nun gefügt, dasz die inschrift selbst wieder aufgefunden ist; sie ist
von Purgold (arch. ztg. 1881 sp. 87) mitgeteilt, in dieser höchst
merkwürdigen Urkunde' heiszt es: airö Täcbe tSc crdXac dXXaK€-
baijLiova ÖaKdiioi TpidKOvia, dnö xäcbe noTTav updiav ciäXav
TpidKOVTa. Purgold ist nun der ansieht. Paus, 'beschreibe offenbar
das monument nach autopsie' (womit ich ohne bedenken überein-
stimme), und will die 660 Stadien des Pausanias in 630 berichtigen,
hiergegen erklärt sich Hirschfeld (sp. 103 anm.), nach meiner Über-
zeugung mit recht: 'derirrtum könnte aus einer thörichten addition
[so der ankläger; ein unbefangener würde sagen: aus einer irrigen
addition] entstanden sein.' sp. 105 sagt er dann : 'im vorübergehen
will ich schon hier bemerken, dasz der irrtum bei der stele des
Deinosthenes bei directem auszug aus der steininschrift schwer er-
klärlich wäre.' nein umgekehrt: der irrtum erklärt sich bei directem
aiiszug aus der inschrift gerade am leichtesten, wir werden auf
ilidirecte benutzung, also auf ein buch hingewiesen, wozu denn aber
die fiction eines buches, wo die autopsie des Originals nicht in abrede
gestellt werden^ kann — ich sehe von der rolle des anklägers ab — ?
entlehnte Pauf<* aber einem übrigens nicht nachweisbaren buche , so
fragt es sich: stand schon in ihm der additionsfehler? dann ist
shuldlos ; oder gab es die inschrift correct , so ist doch
"^{^^J^VHIlt ersichtlich, warum der irrtum bei directer benutzung
des Originals schwerer erklärlich sein soll , als wenn die Urkunde in
einer abschrift vorlag, bei der eile und dem gedränge an ort und
stelle konnte ein irrtum leichter unterlaufen, als wenn Paus, zu hause
in aller ruhe und bequemlichkeit seine notiz einem buche entnahm,
ein irrtum ist vorhanden, fast ohne zweifei des Paus., |lle darauf ge-
bauten folgerungen sind haltlos, wenn dannH. bei dieser gelegenheit
«gleich von vorn herein nur eine indirecte benutzung der xpd|Li|uiaTa
Tuiv 'HXdiüV oder der ircXuiTpaTMOVificavTec cnoub^l rä tc touc
irXdcTac» zugesteht, so wird darüber im folgenden gesprochen
werden.
Bei erwähnung des Gorgias fügt Paus. 6, 17, 9 die bemerkong
' Ourtius in einem nach trag zum Pnrgoldschen aufsatce (ao. sp. 9S)
sagt, gewis mit vollstem rechte : 'die inschrift gibt zu mancherlei flragea
anlasz, die sich leichter anfwerfen als beantworten lassen.' fast mit
bedauern musz ich manches als nicht hierher gehörig unterdrückeiii i
ich sonst gern sagen möchte.
472 JHChSchubari: PauBanias und seine ankl&ger.
hinzu , die von den Syrakusem zerstörte Stadt der Leontiner werde
zu seiner zeit (das von H. wiederholt bespöttelte kqt' iixi) wieder
bewohnt. H. nennt dies ^eine unglaubliche albemheit, da eich dies
hunderte von jähren vor ihm in geltung befand' (sp. 115). gern
gebe ich zu dasz die bemerkung des Paus, nicht eben tiefsinnig,
sondern unbedeutend ist, wie das ja auch bei gelehrteren leuten vor-
kommen kann; aber ich möchte H. doch fragen, ob er die anglaub-
liche albernheit fdr gröszer hält als die geschmacklosigkeit mit der
er selbst (sp. 108) das Tassodenkmal zu Sorrent in seine beweis-
ftihrung einfügt. — Schwerer wiegt ein anderer anklagepnnkt im
gymnasion zu Antikyra sah Paus. (10, 36, 9) ein ehernes Standbild,
nach der inschrift des pankratiasten Xenodamos, der unter den
männem einen olympischen sieg errungen habe, hieran hfttte sich
ein gewöhnlicher ^reisender' (auch diesen ausdruck bespöttelt H.)
genügen lassen; Paus, aber forscht sorgfftltig nach diesem Sieger,
und kommt zu dem ergebnis , wenn die inschrift die Wahrheit sage,
so müsse Xenodamos den kränz in der 21 In Olympiade errangen
haben, aÖTTi iv TOic*HX€iu)v TP<iMM<>ci irapciTai juiövt] iracil^v f|
öXujLiTrtdc. ^ein ganz unerhörter znsatz' ruft H. aus, *da er doch
VI 22, 3 die 8e, die 34e und die 104e — aber die 21 le nicht —
als die einzigen ausgelassenen Olympiaden nennt.' (die 'einzigen'
setzt H. zur Verstärkung hinzu.) « um die gottähnlichkeit des 'reisen-
den' Pausanias kann einem da bange werden , um den compilator
freilich noch lange nicht, der eben in den OuiKiKd andere hilfsbflch-
lein plünderte als in den 'HXtaKd» (sp. 109). nicht bangigkeit, wohl
aber ein ganz anderes gefühl kann einen überkommen bei einer
solchen art eine ernste wissenschaftliche frage zu behandeln ; hier
ist H. selbst aus der rolle des bloszen anklägers heraüigefallen. hat
sich je irgend jemand so weit verirrt , um auch nur annähernd von
der gottähnlichkeit des Pausanias zu sprechen? und iKWelcb^f ■«■
gelegenheit ? im vorliegenden falle ist der inculpat gew^taaicht gott-
äbnlich , aber — er hat recht, ehe H. sein fi^T^t ^ttoc in die weit
schickte, hätte er die sache doch reiflicher prüfen sollen, allerdings
sagt Paus., die 21 le Olympiade sei unter allen die einzige, welche
in den Eleischen Urkunden ausgelassen , übergangen sei (TTOpcirai),
und doch hatje er selbst die 8e, die 34e, die 104e genannt, ganz
richtig ; diese waren aber von den Eleiern nicht anerkannt, es waren
keine Olympiaden, sondern anolympiaden; die 21 le Olympiade war
aber eine echte, anerkannte, und (aus unbekanntem gründe) unter
allen die einzige welche die Eleier übergangen hatten, übrigens
tritt H. auch hier wieder mit seiner abschreibet heorie, dh. der nnr
indirccten benutzung vor die schranken; Paus, hat in den <l>unciKd
andere hilfsbüchlein als in den 'HXtQKd geplündert, was soll er denn
hier geplündert haben? etwa die inschrift? diese hatte er ja selbst
vor äugen; oder den zweifei an der richtigkeit, el dXr|0€uoi t6 dirt-
TpapjLia? oder die mögliche lösung, q>a(voiTO 5v? kann irgend ein
unbefangener in zweifei ziehen, dasz wir hier so recht eigentlich eine
JHChSchubart: Pausanias und seine ankläger. 473
bemerkuDg des Paus, haben? dasz das bilfsbüchlein ganz gewis einen
die eitelkeit der Antikyräer verletzenden zweifei nicht ausgesprochen
haben würde? und alsdann, woher hatte denn das bilfsbüchlein,
welches Übrigens lediglich eine unbewiesene und unbeweisbare er-
findung H.s ist , woher hatte dieses die notiz von der ausgefallenen
Olympiade? soll dessen Verfasser nach Olympia gereist sein um den
zweifei zu lösen? Überhaupt wäre es erwünscht, dasz H. sich genau
ausgesprochen hätte, was er unter directer, was unter indirecter be-
nutzung verstehe, es würde dadurch die beliebte abschreibetheorie^
wenigstens ein gewisses erkennungszeichen haben, was aber gerade
die Olympiaden betrifft, so war das Verzeichnis derselben eine art
von kalender, vom höchsten interesse für ganz Griechenland, für die
einzelnen städte, für einzelne personen; es war unentbehrlich für
geschichtschreiber und gelegentlich andere Schriftsteller, dasz diese
jedesmal , wenn sie es brauchten , nach Olympia gereist sein sollten
um die Ypä|ii|iiaTa zu befragen, ist undenkbar, und H. denkt es auch
nicht; was bleibt also Übrig? das allereinfachste , naturgemäsze : es
waren abschriften in Umlauf und zwar sehr zahlreiche, ist es denn
so schwer glaublich, dasz sich auch Paus., bei dem das bedürfnis so
oft eintrat, ein exemplar verschafft habe?
Kehren wir nach dieser abschweifung zu dem satze zurück, dasz
der letzte bestimmbare Olympionike , den wir bei Paus, finden , uns
nur bis zum anfang des zweiten vorchristlichen jh. führt, zu dem-
selben ergebnis gelangt Treu (arch. ztg. 1882 sp. 72 ff.) 'es lasse sich
in dem Verzeichnis des Paus, nicht ein einziges denkmal (?) nach-
weisen, welches jünger wäre als die mitte des zweiten vorchristlichen
jh.' diese thatsache ist, wie Treu nachweist, schon von Rutgers in
seiner ausgäbe des Julius Africanus bemerkt worden, allerdings eine
sehr beachtenswerte thatsache! wir stehen hier vor einem rätsei,
dessen lösung, falls sie je allgemein befriedigen soll, unausgesetzte,
ernste, unbefangene forschung in anspruch nehmen dürfte, mit
' es ist unglaublich, was dieser diraiöcuToc Kai öXi^a ßißXia K€KTr|-
jmdvoc alles abgeschrieben (geplündert) haben soll, auch was er mit
eignen äugen sehen konnte, die ankläger kommen immer darauf zurück,
in der absieht den inculpaten möglichst herabzusetsen. nun kann es
ja gleichgültig sein, ob eine notiz von Paus, selbst herrührt oder ab-
geschrieben ist, wenn sie nur gut ist. wundern darf man sich aber,
dasz die herren nicht bemerken, welch eine auszerordentliche belesen-
heit der angeklagte gehabt haben müste, um alle diese notizen zu er-
langen, und welch ein gedächtnis oder eigentlich welche beherschung
es voraussetzt, sie immer zur rechten zeit gegenwärtig zu haben: denn
ein buch gab es doch nicht, in dem Paus, alle die verschiedenartigsten
notizen beisammen fand, die er etwa brauchen konnte? gerade jetzt
bin ich damit beschäftigt den Paus, durchzuarbeiten in beziehung auf
dessen belesenheit und litteraturkenntnis, und — hr. v. Wilamowitz möge
es mir verzeihen — ich bin erstaunt, mit welcher Sorgfalt er die litteratur
durchforscht hat, in so weit sie seinen zwecken dienlich sein konnte,
ein geistreicher mann äuszerte sich über Paus. : 'c'est une mer k boire' ;
je tiefer ich in das buch eindringe, in verschiedenen richtungen, desto
treffender scheint mir dies urteil.
Jahrbücher flkr class. philol. 1883 hft. 7. 31
474 JHCIiScbubart: PausaDias und seine anklftger.
voller Überzeugung unterschreibe ich was Curtius (arcb. ztg. 187S
s. 50) sagt: ^keiner, der so merkwürdige Schriftdenkmäler zuerst
herausgibt . . wird den anspruch machen , alle probleme I9sen zu
können, welche sie darbieten, der hauptgewinn ist ja, dasz der alter-
tumswissenschaft in den ausgegrabenen denkmttlem so vielerlei neue
Probleme gestellt werden, an deren lösung alle zweige derselben be-
teiligt sind, und für das, was bei unseren jetzigen hilfsmitteln rätsel-
haft bleibt, wird mit dem fortgange der entdeckungen sicherlich noch
manche aufklftrung uns zu teil werden.' ein auf echter cuKppocuvTi
und gründlicher Sachkenntnis beruhender satz.
Es sind schon einige versuche gemacht worden die auffallende
erscheinung zu erklären; den meisten beifall scheint jetzt die ab-
Schreibetheorie zu haben: Paus, hat das Verzeichnis der olympischen
Sieger und ihre denkmäler lediglich abgeschrieben, und Wilamowitz
hat auch das buch entdeckt, welches Paus, geplündert haben soll,
den Polemon; Treu nennt diese Vermutung hoch wahrscheinlich, und
allerdings hat sie wenigstens das für sich , dasz durch sie der termi-
nus ad quem eine leidliche erklärung findet. Hirschfeld dagegen
bedauert es (sp. 106 anm.) dasz Treu so ohne weiteres mit in die
übliche Polemontrompete gestoszen habe; er selbst gibt jedoch nicht
an, in welche trompete er selber stöszt. die hOchst ärmlichen reste,
welche uns von Polemons Eliaka erhalten sind , bieten freilich auch
nicht den allerschwächsten anhält; aber kennt H. ein anderes buch,
welches einen starkem anhält gewährte? denn abgeschrieben hat ja
auch nach seiner ansieht Paus, auffallenderweise ist aber , so weit
es mir bekannt geworden , noch nicht hervorgehoben worden , dasz
durch diese abschreibetheorie im gründe weiter nichts erreicht ist
als die feststellung der thatsache, dasz das Verzeichnis der denk-
mäler nur bis zu einem einige Jahrhunderte vor Paus, liegenden
Zeitpunkt herabreicht, hat er auch alles das , was er hierüber mit-
teilt, wirklich abgeschrieben, warum bricht er plötzlich ab, wo seine
quelle aufhört ? warum führt er nicht proprio Marte das Verzeichnis
fort bis auf seine zeit? hierüber verlangt man eine antwort, nicht
den Vorwurf der gedankenlosigkeit, des blOdsinns. ein ähidiches
stilles bedenken scheint auch H. gekommen zu sein , für welches er
eine freilich recht sonderbare lösung andeutet, er möchte das alibi
beweisen, und wirft deshalb (sp. 113) die frage auf: 'war Pausanias
in Olympia?' die antwort lautet: 'die einzige stelle, welche mir
für eine wenn auch flüchtige anwesenheit zu sprechen scheint, steht
V 20, 8 cuv^ßn . . raOta \xiv 5f| aördc ^iftpunf öpuccöjuieva. nicht
sowohl auf die letzte Versicherung lege ich dabei gewicht als darauf,
dasz da eine unzweifelhafte und in gröstem umfang bestätigte that-
sache — das Vorhandensein von bronzeresten aller art im Altis-
boden — falsch erklärt wird.' hier drängt sich doch die frage auf:
ist das die manier (methode mag ich gar nicht sagen) wie man
wissenschaftliche fragen behandelt ? ist es nicht vielmehr ein 'reoept' ,
wie man misliebige gründe umgeht und mit ungehörigen redensarten
JHChSchubart: Pausanias und seine ankläger. 475
verdunkelt? fast jedes wort ist ein irrtum, ob absichtlicher, ob un-
absichtlicher, mag H. selbst entscheiden, ^flüchtig' ist ein willkür-
liches einschiebsei; ^scheint' eine tendenziöse Verdrehung; dasz er
auf die Versicherung des Paus, 'er habe es selbst gesehen' (worauf
es doch einzig und allein ankommt) weniger gewicht legt als auf
die ausgegrabenen bronzetrtimmer (die für die vorliegende frage
absolut bedeutungslos sind) und deren falsche erklärung — alles
dieses verdient in der that keine Widerlegung, nur noch eine frage
über die falsche erklärung, auf welche H. besonderes gewicht legt;
es war ja da überhaupt nichts zu erklären, und Paus, wenigstens
erklärt auch gar nichts , folglich auch nichts falsch ; er erzählt ganz
einfach, er habe gesehen , wie man die bronzestücke ausgegraben,
also aus der angeführten stelle geht für jeden unbefangenen zweifel-
los hervor: Pausanias war in Olympia.^ — Ist nun aber die an-
geführte stelle wirklich die einzige, in welcher Paus, seine an Wesen-
heit in Olympia zu bezeugen 'scheint' ? H. ist vielleicht der ansieht,
sich danach umzusehen sei Obliegenheit nicht des anklägers, sondern
des Verteidigers: denn sonst hätte es dem so genauen kenner der
periegese nicht entgehen können, dasz es auszer den zahlreichen 'in-
directen* beweisen auch noch mehrere 'directe' Zeugnisse gibt, welche
diese anwesenheit darthun. ohne Vollständigkeit zu beanspruchen,
führe ich nur an: 5, 20, 4 f. über ein gewisses vorkommen will er
nicht hinweggehen, das Aristarchos, der olympische exeget, ihm er-
zählt; sie unterhalten sich darüber und kamen dann überein . .
Icpaiveio flliiTv. mit einer art von befriedigung erzählt er 6, 18, 2,
dasz es ihm gelungen sei eine statue des Anaximenes aufzufinden:
oTba dveupOüV. im schatzhause der Sikyonier in der Altis waren
zwei 0dXa)iioi: xciXkou auToiic diipujv elpTCic^^vouc , ob, wie die
Eleier sagten, von Tartessischem erze, ouk oTba. in begleitung des
exegeten betrachtet er das eine giebelfeld des groszen tempels
(5, 10, 7); die einzelnen personen werden besprochen; über die haupt-
personen war ein zweifei ausgeschlossen, nur in bezug auf den wagen-
lenker des Pelops bemerkt er, der exeget habe ihn Killas genannt,
nach Troizenischer sage heisze er jedoch Sphairos.^
^ ich führe die worte eines mannes an, dessen autorität auch Wila-
mowitz nachdrücklich anerkennt. Cnrtius hat auf der vorjährigen
Karlsruher philologenversamlung (s. diese jahrb. 1882 abt. II s. 589)
folgendes gesagt: 'interessant ist ein vergleich des aufgedeckten Olympia
mit den angaben des Pausanias: treu hat er als augenzeuge berichtet
was er gesehen hat, und sicher nicht ans einer beschreibnng geschöpft,
das ergibt sich einfach daraus, dasz Pausanias nur zehn Schatzhäuser
erwähnt, während uns zwölf in den grundmauern erhalten sind, von
diesen zwölf aber liesz Herodes Atticus zwei zur anläge eines weges
abreiszen, woraus hervorgeht dasz der perieget nur denjenigen zustand
schildert, welcher kurz vor seinem besuche in Olympia eingetreten war.'
^ über die Streitfrage», welche dieses giebelfeld bei den archäologen
angeregt, werde ich mich vielleicht in einem zweiten artikel aus-
sprechen; jetzt nur die bemerkung, dasz die beschreibung des Paus,
den Vorwurf der flüchtigkeit ausschlieszt.
31*
476 JHChScbubart: Pausanias und seine anklagen
Also Pausanias war nach eignem zeugnis wirklich in Olympia.
wie beseitigt nun H. diesen ihm .ungünstigen umstand ? man höre,
sp. 115 ^wollte Pausanias betrügen? tbat er wirklieb wesentlich
anderes als andere alte und als die mehrzabl der modernen Italia-
pilger, welche ihre dürftigen paar einblicke und erlebnisse mit den
grösten dosen von Ooetbe und Burckhardt, von bewährten kunsi-,
cultur- und litterarhistorien, mit Baedeker, ja mit Meyer anrichten?
etwas ärger ist es [was?] wohl; um wie viel; das scheint mir noch
nicht spruchreif zu sein.' ich gestehe , so etwas ist mir bei einer
wissenschaftlichen forschung noch nicht vorgekommen, wäre ich
Präsident des gerichtshof es , vor welchem der ankläger mit solcher
beweisart aufträte , so würde ich ihn ernstlich zur Ordnung rufen«
nur eine faule sache hilft sich mit solchen mittein. das ist aber die
folge, wenn man die processform in die Wissenschaft einführt, warf
H. seine frage auf, so muste er mit nein oder mit ja antworten; im
ersten falle hatte die frage zu ihren andern eigenschaften noch die,
überflüssig zu sein; im zweiten falle musten tüchtige beweise vor*
gebracht werden ; fanden sich keine andern , so doch mindestens zu-
treffende psychologische. H. umgeht eine bestimmte antwort; er
gibt uns dafür einige redensarten von dingen , welche mit der vor-
liegenden frage nicht einmal eine ähnlichkeit haben, ich also als
Verteidiger sage geradeaus: Pausanias wollte nicht betrügen, aach
ist ein zweck nicht findbar, warum er hätte betrügen sollen.
Gern würde ich hiermit dieses leidige capitel verlassen, allein
H. bringt es noch in anderer Verbindung vor. sp. 114 lesen wir:
* würde mir jemand erwidern, dasz auch die ganz beiläufige notis
über die bronzefunde entlehnt sein könnte , so wüste ich dem ein-
wurf allerdings nur meinen subjectiven eindruck von authenticitit
entgegen zu halten; erkennt man diesen an oder teilt ihn^ so hätten
wir auch die bekannten irrtümer bei der Atlasmetope, bei den
« Pferdeknechten )» ^ des ostgiebels und doch wohl auch bei der mitte
des westgiebels dem Pausanias oder seinen ciceroni zuzuschreiben.
aber wer bürgt uns denn dafür, dasz nicht auch schon ein oder selbst
ein paar Jahrhunderte früher bei starker beteiligung mündlicher tra-
dition solche legenden — um milde zu sein — aufkommen konnten?'
das ist ein mustersatz an klarheit und bündigkeit; betrachten wir
ihn genauer, ein gewisser Quidam macht die bemerkung, der
lügenhafte Pausanias renommiere nur von seiner an Wesenheit bei
ausgrabung des — Nibelungenhorts? nein, einiger bruchstücke
von bronzenen schnallen und pferdegebissen; er habe aber seine
notiz nur entlehnt, der vorsichtige H. weisz diesem nichts entgegen-
zuhalten als »einen allerdings nur subjectiven eindruck von authen-
ticitüt. was heiszt das ? soll es bedeuten, er habe den eindruck, die
aussage des Paus, sei richtig? dann bedurfte es keines subjectiven
^ über diese auch von andern mit viel behagen hervorgehobenen
Pferdeknechte vielleicht ein andermal, so gani glatt ist die Mche
doch nicht.
JüChSchubart: Pausanias und seine ankläger. 477
eindracks; das zeugnis des Paus, genügte vollkommen. H. fährt
fort: 'erkennt man diesen an oder teilt ihn' — wen denn? gram-
matisch kann sich diesen und ihn nur auf ei nd ruck beziehen;
dann hat aber das folgende keinen sinn; also müssen sich diese
Wörter wohl auf das entfernte einwurf beziehen, dann hätten wir
den sinn : Venn Paus, die notiz von ausgrabung der bronzesachen
entlehnt hat, so haben wir auch die Irrtümer von den Pferde-
knechten usw. dem Paus, oder seinen ciceroni zuzuschreiben.' die
folgerung ist kühn und stimmt nicht genau zu den gesetzen der
vulgären logik. ganz unverständlich aber ist mir das folgende ; wohl
dürfte man wünschen, H. wäre etwas weniger mild gewesen und
hätte geradeaus gesagt, was er unter legenden verstehe ; etwa lügen ?
nun, mag es sein was es will, worauf bezieht sich denn die legende?
auf das ausgraben einiger bruchstücke von ehernen schnallen usw. ?
H. verlangt nun bürgschaft, dasz diese legende nicht schon ein paar
Jahrhunderte früher aufkommen und unter starker beteiligung münd-
licher tradition fortgepflanzt werden konnte (so soll es doch wohl
heiszen?). also ein paar Jahrhunderte vor Paus, ereignete sich \x^
Olympia die aufsehen erregende thatsache , dasz einige bruchstücke
eherner schnallen ausgegraben wurden: es bildete sich darum eine
legende (oder lüge) , die sich unter beteiligung mündlicher tradition
fortpflanzte, bis sich Paus, derselben bemächtigte und die ganz bei-
läufige notiz seinem buche einverleibte, habe ich den sinn richtig
erraten, so scheint es mir unnötig noch ein wort hinzuzufügen.
H. fährt fort : *nur wer sie (dh. die verhängnisvolle tradition)
dem Polemon selber zutraut, musz sich ein sonderbares bild von ihm
gemacht haben und darf logischer weise seinen Verlust nicht be-
klagen.' (!) 'Polemon ist nicht der einzig mögliche.' (sie) 'auf der
andern seite ist aber wieder das fehlen der bauten römischer zeit
in der Altis des Paus, gravierend und spricht entschieden gegen jede
andere als eine ganz flüchtige anwesenheit; und so wird es auch auf
diesem wege zweifelhaft, ob die erwähnten Irrtümer von Paus, selber
herrühren.' ich kann nicht anders, ich musz auch mit Wilamowitz
sagen 'taceo ut parcam'. nur eins will ich bemerken : wenn H. ge-
nauere bekanntschaft mit Paus, gemacht haben wird , wird es ihm
nicht entgehen, dasz derselbe, tempel^ öffentliche gebäude und ge-
schichtlich etwa besonders merkwürdige häuser ausgenommen, bauten
so gut wie gar nicht berücksichtigt, so dasz aus nichterwähnung
derselben nichts gefolgert werden kann.
Gern würde ich eine stelle (sp. 109) umgehen , wenn nicht H.
derselben durch gesperrten druck eine besondere Wichtigkeit gegeben
hätte, unmittelbar an die oben erwähnte gottähnlichkeit schlieszen
sich die worte: 'für die Eliaka ist nur 6in schlusz möglich: die
bücher über kunst und künstler, die man las, die auch
Pausanias direct oder indirect ausnutzte (sic),^ reichten
— rund gerechnet — bisl90vorCh.' wie dieser einzig mögliche
schlusz zu erklären sei, habe ich nicht finden können, da im voran-
478 JüChSchubart: Pausanias und seine anklftger.
gehenden von kunst und künstlern gar nicht die rede gewesen ist ;
gewis aber soll der satz mit zum beweise dienen, dasz Paus, nicht
das Olympia seiner zeit, sondern das des zweiten jh. vor Ch. be-
schrieben habe, irgend ein beweis für diesen allein möglichen schlusz
fehlt; mit Umgebung des sonderbaren 'die man las' mag hier nur
bemerkt werden dasz, wenn die bücher die Pausanias ausnutzte
wirklich nur bis 190 vor Ch. reichten (das soll doch wohl 'indirect'
heiszen , dasz die von Paus, angeführten künstler nur bis etwa 190
vor Ch. reichten?), dies einen sehr einfachen grund hat. da Paus.
die künstler nur bei gelegenheit der denkmäler erwähnt, er seine
aufzäh lung aber mit dem anfang des zweiten jh. vor Ch. abschlieszt,
so fehlte für ihn jeder anlasz neuere künstler aufzuführen, die be-
nutzten bücher mochten reichen so weit sie wollten.
Ich bin die processualische form müde , der leser wohl auch;
doch musz ich noch eine stelle ausführlicher besprechen, die an sich
von hervorragender bedeutung unter den beweisen für den sats,
dasz Paus, nur ein älteres Olympia beschreibe, vorzugsweise ver-
wendet worden ist. Paus. (5, 15, 10) gibt uns eine ziemlich ein-
gehende, interessante bescbreibung der groszen opferprocession,
welche die Eleier allmonatlich feierten, ich will hier gleich sagen,
dasz mir die anwesenheit des Paus, bei den olympischen spielen
durchaus nicht unwahrscheinlich ist^; abgesehen von allem übrigen
scheint mir die genaue bescbreibung der iTTTTdq)€Ctc und ihres
mechanismus (6, 20 , 10 — 14) für eigne anschaunng zu sprechen.
dasz er aber der groszen monatlichen opferprocession persönlich bei-
gewohnt, ist mir wenigstens hoch wahrscheinlich, ein mann, der
hauptsächlich nach Phigaleia gereist ist, um der Demeter zu opfern
(8, 42, 1), der es ausdrücklich bedauert (8, 41, 6) zum feste der
Eurynome nicht rechtzeitig angekommen zu sein, dieser sollte die
gelegenheit der groszen opferprocession beizuwohnen unbenutzt
haben vorübergehen lassen? nein, auch hier spricht die genaue
Schilderung für eigne anschauung. also: einmal in jedem monat
opfern die Eleier nach altem brauch auf allen genannten altftren (der
zahl nach rund sechzig) ; dann folgt die bescbreibung , wie auf den
verschiedenen altären geopfert wurde, und dann angäbe der personen
welche bei dem opfer thätig waren, es ist hier alles klar, anschau-
lich, und gibt nicht den mindesten anlasz zu bedenken; die form ist
ganz die, wie ein augenzeuge oder doch Zeitgenosse erzählen würde;
die annähme einer absichtlichen teuschung wird man gern denen
überlassen, welche für ihre ansieht keine besseren gründe auffinden,
nun wurde bei den aufgrabungen in Olympia eine anzahl von in-
^ ausdrücklich hebe ich herTor, dasz ich nur Vermutungen ffebe,
die ich nicht durch 'offenbar, zweifellos, natürlich, unleugbar, einii^
möglich' usw. fälschen will; wem sie misfallen, der beweise ihre halt-
losif^keit und gebe etwas besseres» wenigstens wahrscheinlicheres; dast
ich die abschreibetheorie, welche durch nichts bewiesen ist, nieht dafür
halten kann, habe ich schon ausgesprochen.
JHChSchubart: Pausanias und seine anklagen 479
Schriften, teils unversehrte, teils yerstümmelte, aufgefunden, welche
ein ofßcielles Verzeichnis gewählter priester enthalten; die titel der
functionäre stimmen im wesentlichen mit den von Paus, genannten
überein, so dasz die annähme, beide bezögen sich auf dieselbe priester-
schaft, sich fast von selbst bot. stellen wir die listen einander gegen-
über, wie sie uns Paus, und einige wohl erhaltene inschriften der
neuern zeit bieten (arch. ztg. 1880 nr. 348 f.).
Pausanias 5, 15, 10 inschriften
GeiiKÖXoi GeoKÖXoi®
|idvT€ic CTrovbocpöpoi
CTTOVbOCpÖpOl jLldVT6lC
ilrYfr\Tr\c iEr\fr\Tr\c
auXirrric CTrovbauXTic
HuXeuc dTTiCTTOvbopxncTai
YpajLi|uiaT€UC
der in diesen inschriften nicht aufgeführte HuXeuc war ein bei der
Opferhandlung unentbehrlicher, aber untergeordneter diener, der für
das erforderliche holz zu sorgen hatte ; der YpajLipaT€UC war schwer-
lich beim Opfer unmittelbar beteiligt; die ^TriCTTOVbopxn^'r^xi? was
aber hier in betracht kommt, ist der umstand dasz Paus, einen auXr]-
Tr|C, die inschriften cirovbaüXiic haben. Dittenberger macht nun
(arch. ztg. ao. s. 58) darauf aufmerksam, dasz wir zweigruppen
derartiger kataloge haben, von denen die eine, der zeit kurz vor
beginn der christlichen Zeitrechnung angehörig, einen auXr]Tiic,
die andere, zwischen 181 und 265 nach Ch. verfaszt, zwei oder drei
CTTOvbaOXai nennt. Dittenberger ist nun der meinung ('meines
erachtens' sagt er), da^z die frage, ob Paus, die aufzählung des Per-
sonals aus einer altern quelle geschöpft oder nach eigner erkun-
digung an ort und stelle über diezuseiner zeit bestehenden ein-
richtungen gegeben habe, durch vorliegende inschrift zu gunsten der
ersten alternative entschieden sei ; die Verschiedenheit der benennung
genüge zum beweis, dasz Paus, nicht den bestand des personals, wie
er zu seiner zeit war, angebe, das wäre gewls ganz richtig, wenn —
Paus, ein officielles staatshandbuch schriebe ; so aber ist es doch etwas
seltsam , aus einem titel so schwerwiegende folgerungen zu ziehen,
wenn etwa jetzt in einem buche der geheime justizrat X citiert wird,
dieser aber schon zehn jähre vorher geh. oberjustizrat geworden ist,
würde man dann die folgerung billigen , das buch müsse also vor
jener zeit erschienen sein? H. freilich erklärt (sp. 111) den schlusz
für 'unleugbar' richtig, ich erlaube mir die unleugbarkeit zu leugnen,
wenigstens in der anwendung. nehmen wir an (die annähme darf
eben so viel unleugbarkeit für sich in anspruch nehmen wie irgend
eine der H.schen), dasz Paus, dem opfer selbst beigewohnt, so ist es
gewis das allereinfachste , dasz er beschreibt was er selbst gesehen,
^ die inschriften geben die form 6€OKÖXoi, die hss. des Paus, über-
einstimmend 6€nKÖXoi; ob diese durch die officielle form zu verdrängen
sei, ist mir bedenklich, gerade aus kritischen gründen.
480 JHChSchubart: Pausanias und seine ankl&ger.
und die personen benennt, welche dabei beschäftigt waren; befand
sich unter ihnen ein flötenspieler , so nannte er ihn flötenspieler
(auXr]Tiic), ohne im staatshandbuch nachzuforschen, ob er nicht viel-
leicht officiell einen andern titel hatte, gesetzt aber auch, meine ansieht
sei unhaltbar, angenommen selbst, die Dittenbergerschen prämissen
mit der unleugbar richtigen schluszfolgerung ständen fest, dennoch
würde daraus der theorie H.s, dasz Paus, nicht das Olympia seiner
zeit beschreibe, sondern ein etliche Jahrhunderte älteres , keinerlei
nutzen erwachsen. Paus, schöpfte den namen aus einer altern
quelle; nun ja; konnte er den namen flötenspieler nicht aus sich
selbst schöpfen , so lag er in den zahlreichen altem Inschriften vor
seinen äugen.
Die von Dittenberger zusammengestellten priesterlisten haben
eigentlich durch Paus, erst gehalt und — richtung bekommen; ohne
ihn wären sie nicht viel mehr als namensverzeichnisse , welche der
Vermutung den weitesten Spielraum eröffneten, nun gab die stelle
des Paus, eine priesterliste, die im wesentlichen mit der der inschrif'
ten stimmte , und die richtung war der forschung gegeben ; ob die
richtige? diese frage mag einmal aufgeworfen werden, meines
Wissens sind hierbei bis jetzt zwei wesentliche punkte unbeachtet»
wenigstens unerörtert geblieben, die inschrifttafeln haben an der
spitze die aufschrift AlOP lEPA und für die amtsthätigkeit die Olym-
piade, nehmen wir dazu, dasz die OcoköXoi, und wenigstens in
6iner inschrift (nr. 350) auch die jnävTCtc als 'OXu|iiTTtKoi ' bezeichnet
werden, femer dasz es von höherem und allgemeinerem interesse
war die priester kennen zu lernen und ihre namen zu verewigen,
welche bei den groszen olympischen festen den opferdienst versahen»
als die namen derer in Inschriften aufzubewahren, welche die all-
monatlichen Opfer zu besorgen hatten — nehmen wir alles dieses
zusammen, so wird man der Vermutung, dasz die in frage stehenden
inscbriften sich auf die opfer bei den olympischen spielen be-
ziehen^ die Wahrscheinlichkeit schwerlich versagen können, aber die
Übereinstimmung mit Paus., der doch unbestreitbar von den monat-
lichen opfern berichtet? allerdings unbestreitbar, und es darf
diesem umstände bei vorliegender Untersuchung die ihm gebührende
bedeutung nicht verkürzt werden; ebenso wenig darf auch übersehen
werden, was Curtius in der oben angeführten äuszerung hervorhebt»
dasz die aufgefundenen Inschriften neuen forschungen ein weites
feld eröffnen, und wohl dürfte es geraten sein , nicht gleich mit ent-
scheidenden Sätzen aufzutreten, sondem vorerst die einzelnen be-
züglichen inscbriften jede für sich und in ihrem Verhältnis zu den
andern zu untersuchen , mit vorsieht , mit umsieht , mit dem festen
willen die Wahrheit, nicht etwas wahr zu finden, und da bieten die
inscbriften noch reichen stoff. was wissen wir denn von den priester-
* freilich suche ich noch nach einer sichern erklärung für 'OXu^-
triKÖc, desgleichen warum, wenigstens in ^iuer inschrift, nar noch die
fidvTCic dieses prädicst hsben.
JHChSchubart: PauBanias und seine ankläger. 481
liehen coUegien in Elis und Olympia? von ihrem Verhältnis zu ein-
ander? von den Verrichtungen der einzelnen personen? war das
collegium , dem die opfer an den groszen Olympien oblagen , ganz
oder teilweise dasselbe mit dem, welches die monatlichen Opfer be-
sorgte? man forsche, ob sich die eine oder die andere dieser fragen
aus den inschriften oder anderen quellen beantworten lasse, ein
heranziehen der stelle des Paus, wird sich dabei von selbst ergeben,
gibt un§ aber diese ein deutliches bild der ganzen Opferhandlung ?
uns, in der studierstube, wird es freilich nicht viel schweisz kosten,
der procession zu folgen, wer aber einmal einem fronleichnamsfest,
selbst unter unserm himmel , beigewohnt hat, wird gesehen haben,
welch eine körperliche anstrengung für den priester damit verbunden
ist; und doch wird diese anforderung nur Einmal im jähre gestellt,
und nur an vier altären. stellen wir uns nun aber eine procession
vor, die allmonatlich an sechzig altären opfer darzubringen hatte,
und das unter der sonne oder auch den regengüssen Olympias;
nehmen wir dazu dasz diese opfer nicht von in Olympia wohnenden
tempeldienem, sondern von Elis aus besorgt wurden, dasz der gang
nicht der topographischen, sondern einer nach andern bestimmungen
geregelten Ordnung folgte : so gestehe ich dasz es mir unfindbar ist,
wo zeit und kräfte zur erfüUung einer solchen Obliegenheit herkommen
sollten ; die Schwierigkeit wird wenig und nur teilweise dadurch ge-
mindert, dasz der oberpriester, nach dem zeugnis des Paus, monat-
lich, vermutlich nach einer dreimonatlichen reihenfolge wechselte,
steht hier nicht den Vermutungen ein weites feld offen ?
Da halten wir wieder an dem punkte, von welchem wir aus-
giengen. Hirschfeld hat nachgewiesen, dasz das athletenverzeichnis
des Paus, nicht über den anfang des zweiten jh. vor Ch. herabreicht;
er hat femer die aufgefundenen hierher gehörigen inschriften, wie
mir scheint, sorgfältig zusammengestellt; dasz Paus, nicht das Olym-
pia seiner zeit, sondern das beschrieben, wie es um die eben an-
gegebene zeit gewesen, hat er nicht bewiesen, nicht einmal wahr-
scheinlich gemacht; die quelle, aus der Paus, abgeschrieben haben
soll, hüllt er in tiefes geheimnis. das rätsei ist also ungelöst.
Wenn man bei wissenschaftlichen forschungen den 'subjectiven
eindrücken' einige bedeutung beilegen will (H. wird dagegen nichts
einwenden), so will ich gestehen dasz, mit so groszem interesse ich
auch die aufgefundenen inschriften begrüszt habe, dieses interesse
doch nachliesz oder ganz aufhörte ^^, sobald die römischen namen
eintraten und zuletzt herschend wurden, kann nicht Paus, ähn-
lichen subjectiven eindrücken zugänglich gewesen sein? die art,
wie er die heuchlerische, brutale ordnungsstifterei der Römer in
Achaja erzählt, verrät eben keine Zuneigung: seine ganze gesinnung
drückt er 8, 27, 1 in cu)iKpopä dpxf^c Tf^c Pwjuiaiwv aus; und nur
ein sprechendes beispiel anzuführen (H. wird gestatten dasz ich aus
^® die bedeutnng derselben liegt auf einer andern seite, die mich
eben weniger ansprach.
482 LSchwabe: anz. v. KBaedekers Griechenland.
der stelle eine folgerung ziehe , die von der seinigen wesentlich ab-
weicht), 5, 20, 8 lesen wir, ein römischer Senator habe für einen
olympischen sieg sein Standbild aufrichten wollen; warum ver-
schweigt er den namen des olympischen siegers? warum füg^ er
die spöttische bemerkung hinzu , er habe sein bild aufrichten lassen
iO^XuJV ijTToXm^cGai inc vIktic UTTÖ|iiVTi|iia? — Zum schlusz die be-
merkung, dasz für unsere frage die stelle 10, 9, 1. 2 wohl zu be-
achten ist.
Über die auslassungen von Wilamowitz im Hermes Xu s. 344 ff.
vielleicht ein andermal; hier nur, dasz seine spräche in bezug auf
Paus, schon ganz dieselbe ist wie in seinem 'Kydathen', und dasz
auch seine gründe denen ebenbürtig sind, welche er im angeführten
buche vorgebracht hat.
Kassel. Job. Heinrich Ch. Schubart.
72.
GRIECHENLAND. HANDBUCH FÜR REISENDE VON KaRL BaEDEKBB.
MIT EINEM PANORAMA VON ATHEN, SECHS KARTEN, SIEBEN PLÄNEN
UND ANDERN BEIGABEN. Leipzig, Verlag von Karl Baedeker. 1883.
CXXII u. 372 8. 8.
Es ist vielleicht manchem leser dieser Zeitschrift nicht un-
erwünscht auf das oben genannte buch hingewiesen zu werden,
welches (um nicht von den sich immer mehrenden Orientreisenden
hier zu reden, die begierig nach dem lange vermiszten Baedeker
greifen werden) die aufmerksamkeit auch der philologen und archäo-
logen in vollem masze verdient, und zwar nicht nur der reisenden.
es ist in dem vorliegenden werke ein solch umfangreiches material
zur geographie und geschichte, zur topographie und archäologie
Griechenlands zusammengefaszt und verarbeitet , dasz dasselbe auch
demjenigen , der nur im geiste von seiner studierstube aus die grie-
chische reise mitmachen kann, die gröste belehrung und anregung
gewährt, in dieser hinsieht läszt sich dieser neueste band mit dem
Baedekerschen handbuch für Palästina vergleichen, das so manchem
zu hause festgehaltenen theologen und geistlichen lieb und wert ge-
worden ist. namentlich wird es auch für denjenigen, der nicht das
glück gehabt hat Griechenland zu sehen, anziehend sein die eni-
wicklung des alten Griechenlands ins neue zu verfolgen: wozu dieses
buch auf jeder Seite an Weisung gibt.
Nirgends anderswo findet man jetzt solch eine stets die neuesten
ergcbnisse der forschung sorgfältig verwertende knappe, wohl-
gesichtete darstellung alles betreffenden , wie sie dieser band bietet,
einen hoch anzuschlagenden eigentümlichen wert erhält derselbe da-
durch , dasz alle angaben zur topographie und über die altertümer
und kunstwerke auf persönlicher anschauung an ort und stelle be-
ruhen.
Verfasser des buches ist einer der besten kenner des neuen
Aüppenkamp : zu CicerOB rede pro Milone [29, 79]. 483
Griechenlands and des alten im neuen, HGLolling, bibliothekar am
deutschen archäologischen institut in Athen, den fachmännem durch
seine arbeiten zur griechischen epigraphik, topographie usw. wohl-
bekannt, nur einige abschnitte sind von anderer band : so die treff-
liche beschreibung Olympias von WDörpfeld in Athen und EPurgold,
welche bekanntlich beide bei den dortigen ausgrabungen früher thätig
waren, die skizze in der einleitung (s. LXVII — CXIX) 'zur geschichte
der griechischen kunst' von RKekule in Bonn wird jedermann mit
vergnügen und mit belehrung lesen.
Die Zuverlässigkeit des buches im groszen und kleinen habe ich
bei beständigem gebrauch während eines neulichen aufenthalts in
Griechenland unzähligemal erproben können, dasz es praktisch an-
gelegt ist, versteht sich bei einem Baedekerschen reisebuch von selbst.
Mit karten und planen ist das werk ausgestattet , soweit dies
die zum teil noch sehr dürftigen vorarbeiten zulieszen. eine er-
yrünschte beigäbe ist vor allem die aus HKieperts neuem handatlas
entlehnte karte des königreichs Hellas, femer finden sich gute karten
und plane von Athen , seiner Umgebung , seiner akropolis (auch ein
panorama des modernen Athen), vom Peiraieus ; von Olympia, seiner
Umgebung; von Nauplia, Mjkenai, von Corfü und andere.
Tübingen. Ludwig Schwabe.
73.
ZU CICEROS REDE PRO MILONE.
29, 79 quid? si ipse Cn, PompeiuSj qui ea virtute ac fortuna
est, ut ea potuerit semper, quae nemo praeter iüum^ si is, inqiuiin^
potuisset aut quaestionem de morte P. Clodü ferre aut ipsum ab in-
feris excitarCy utrum putatis potius facturutn fuisse? etiam si propter
amicUiam vdlet iUum ab inferis avocare , propter rem püblicam non
fecisset. die im vorigen Jahrgang s. 472 vorgeschlagene berichtigung
dieser stelle durch ergänzung eines non vor ferre ist ebd. s. 859 f.
auf Widerspruch gestoszen. dies veranlaszt mich zu folgenden be-
merkungen, zunächst schlieszt meine erklärung 'wenn Pompejus
die möglichkeit gehabt hätte, entweder auf die Untersuchung zu
verzichten (non ferre quaestionem) oder den Clodius wieder auf-
leben zu lassen, so würde er das erstere vorgezogen haben' durch
den ausdruck Verzichten' die annähme aus , dasz die Untersuchung
dem P 0 m p e j u s unangenehm gewesen sei. ich hatte vorher gesagt,
dasz Pompejus zu Ciceros bedauern die Untersuchung beantragt
habe. — EMeyer sagt weiter: 'was nun das au^allende in dem ersten
bedingungssatze betrifft, so vergesse man nicht dasz hier von einer
alternative die rede ist : « wenn er die w a h 1 gehabt hätte zwischen
quaestionem ferre und excUare ab inferis, er würde trotz seiner freund-
schaft für Clodius ihn nicht ins leben gerufen haben. »' ganz richtig ;
aber eben deshalb weil die beiden gegensätze, wie ich ebenfalls
hervorgehoben habe, einander in der weise ausschlieszen, dasz, wäh-
484 AUppenkamp: zu Ciceros rede pro Milone [29, 79].
rend der eine bejaht wird, der andere verneint werden mnsz and
umgekehrt, bin ich genötigt den satz 'er würde den Clodius nicht
ins leben gerufen haben' durch den zusatz ^sondern eine Unter-
suchung beantragt haben' zu ergänzen, nun Ittszt sich zwar
sagen, es würde jemand auch unter anderen yerhttltnissen
dasselbe gethan haben, was er wirklich gethan hat; aber es ist nicht
möglich, ohne irgendwelche bestimmung zu sagen, Pompejus würde
die Untersuchung beantragt haben , die er wirklich beantragt hat.
es musz vielmehr heiszen: Pompejus würde die Untersuchung nicht
beantragt haben, und diesen werten entspricht ein sipotuisset non
ferre im Vordersätze, wenn man nicht etwa mit AEberhard amiUere
statt ferre oder eine andere gewaltsamere Änderung vorzieht, die
art, wie Meyer dessen ungeachtet in die überlieferten worte einen
sinn zu legen versucht, glaube ich übergehen zu können, derselbe
räumt zwar ein dasz eine äuszerung wie 'er würde darauf ver-
zichtet haben' an dieser stelle erwartet werde, meint aber dennoch,
dieser gedanke werde erst etwas später wirklich ausgesprochen
mit den worten : de eins nece lata quaestio est^ qui si eadem lege revi-
viscere possä^ lata lex numquam esset, bei dieser auffassnng wird
verkannt, dasz die unmittelbar darauf folgende und durch igiltur an-
geknüpfte Periode im engsten zusammenhange mit den beiden vorher-
gehenden gedanken steht, zuerst nemlich wird den richtem und
dann dem Pompejus eine 'alternative' gestellt, aus welcher hervor-
geht, dasz beiden teilen der tod des Clodius erwünscht ist. die be-
trachtung wird eingeleitet mit den worten nempe haec est quaestio
de interüu P. Chdii, dann heiszt es : fingüe animis — liberae sunt
enim nostrae cogitationes ä quae völunt sie intuenturj ut ea cemimus^
quae videmus — fingite igUur cogitatione imaginem huius condicionis
meae: sipossim efficere, ut Müonem ahsolvatiSj sed ita^ si P, Clodius
revixcrit — . hierauf wird die rede abgebrochen mit hinweisung auf
die bestürzung , die schon durch diesen bloszen gedanken auf den
gesiebtem der richter sichtbar wird : quid vultu extimuistis? quonam
modo nie vos vivus afficeretj quos mortuus inani cogitatione percussU?
dann folgt die besprochene stelle quid? si ipse Pompeius usw., welche
aussagt dasz selbst Pompejus trotz seiner freundschaft für Clodius
dessen tod als ein glück für den st-aat ansehe, beide gedanken, so-
wohl der auf die richter als der auf Pompejus bezügliche , werden
demnächst in einer durch igitur angeknüpften periode zusammen*
gefaszt: eius igitur mortis sedetis ultores, cuius vitam si putetis per
vos rcstitui passe, nolitis, et de eius nece lata quaestio est^ qui si eadem
lege rcviviscere passet j lata lex numquam esset, die richter also und
der Urheber des gerichts Pompejus sitzen zu gerichte über einen
mann^ dem sie eigentlich dank schuldig sind, wie könnten sie ihn
wirklich strafen wollen , da sie doch wissen dasz sie durch ihn von
Clodius befreit sind? dann hinweisung auf die belohnnng der
tyrannenmörder bei den Griechen, so stehen die gedanken bia zu
ende des capitels im genauesten zusammenhange mit einander.
FRhode: zu Ciceros rede pro Milone [29, 79]. 48Ö
Meyer bezieht nun die den riohtem vorgelegte alternative auf
Cicero; denn er erklärt die oben angeführten worte so: *wenn ich
die freisprechung des Milo durchsetzen könnte, jedoch nur unter der
bedingung daszClodius wieder auflebe^ ich würde darauf verzichten',
und tadelt Halm, welcher ergänze bürdet ihr wohl die condicio an-
nehmen?' dadurch wird der Zusammenhang aufgehoben ^ und die
worte cuius vüam si ptädis per vos restituipösse, nolitis ermangeln
der erklärung. die gleiche auflösung des Zusammenhanges und die
gleiche ratlosigkeit in betreff der erklärung tritt ein , wenn wir an
der überlieferten lesart festhaltend die mit quid? si ipse Pompeius
beginnende periode von den werten et de eius nece lata quaestio est
usw. zu trennen versuchen, völlig klar dagegen ist folgende gedanken-
folge: könnte ich bewirken, ihr richter, dasz ihr die wähl hättet^
entweder den Milo zu verurteilen oder durch freisprechung desselben
den Clodius ins leben zurückzurufen, ihr würdet das letztere nicht
wollen, so schwer es euch werden möchte den Milo zu verurteilen,
und hätte Pompejus vormals die wähl gehabt, entweder seinen an-
trag auf eine auszerordentliche Untersuchung nicht zu stellen, oder
den Clodius ins leben zurückzurufen , er würde ebenfalls nicht das
letztere , sondern das erstere gethan haben, ihr richter sitzt daher
zu gerichte über einen mann, dessen that ihr nicht ungeschehen oder
erfolglos machen möchtet, selbst wenn ihr den Milo, der durch be-
seitigung des Clodius uns allen einen dienst erwiesen hat^ dadurch
retten könntet, und selbst Pompejus würde nicht eine Untersuchung
über den an Clodius begangenen mord beantragt haben, wenn dieser
antrag dem Clodius das leben zurückgegeben hätte, so sehr ist auch
er überzeugt, dasz das leben des Clodius ein unglück'für den staat
sein würde.
Düren. August Uppbnkamp.
Nachdem in diesen jahrb. 1882 s. 472 AUppenkamp die ansieht
ausgesprochen, pro Milone § 79 sei zu lesen non ferre statt ferre^
ist ebd. s. 859 f. EMejer für die richtigkeit des ferre eingetreten,
in manchen punkten hat letzterer gewis recht, zb. wenn er gegen
ü. hervorhebt, dasz dem Pompejus die Untersuchung nicht un-
angenehm, sondern sehr erwünscht sei. das scheint aber gerade
f ü r die einsetzung der negation zu sprechen, an sich gibt beides
einen sinn, nach der überlieferten lesart ist der gedanke Venn das
Schicksal dem Pompejus die macht gegeben hätte zu wählen und
entweder die Untersuchung zu beantragen oder den Clodius vom
tode zu erwecken: er hätte das erstere gewählt, wie er das auch
wirklich gethan hat ; seine persönliche freundschaft für Clodius wäre
ihm nicht so viel wert wie diese quaestio' — dieser gedanke ist zwar
nicht gerade unlogisch in diesem zusammenhange, wo Cicero be-
weisen will, wie Clodius gegenständ allgemeinsten hasses ist, aber
er ist überaus matt und nichtssagend ; die behauptung, dasz Clodius
486 AEuBsner: zu Florus.
auch dem Pompejus im gründe ein greuel sein müsse, wird dadurch
nur sehr schwach gestützt, dagegen liegt eine scharfe pointe darin,
wenn Cicero sagt: ^so lieb dem Pompejus die Untersuchung ist, er
hätte doch auf dieselbe verzichtet, wenn er das Zustandekommen
derselben nur erreicht hätte durch das wiederlebendigmacben des
Clodius.' nun verkennt ja Meyer nicht, dasz Cicero diesen gedanken
auch ausspricht, er findet denselben aber erst etwas sp^r in dem
folgenden satze {de eius nece lata quaestio est usw.) wirklich aus-
gesprochen; in dem satze quid si ipse usw. (mit der überlieferten
lesart) sieht er einen gelegentlichen feinen spott über Pompejus
freundschaft mit einem subject wie Clodius. allein dieser spott wird,
wenn non ferre gelesen wird, sogar noch feiner, zu beachten ist aber
bei der beurteilung der vorliegenden frage noch ein umstand : die
anknüpf ung des folgenden satzes mit igitur (eins igitur mortis stäetis
ultores), dieser enthält ein resum6 der vorangegangenen gedanken-
reihe : wie die werte cuitts vitam si puietis per vos restitui posse , fUh
litis eine folger ung enthalten aus dem satze quid vuUu extimuistis?
quonam modo iUe vos vivus afficeret , quos mortuus inani cogUatume
pcrcussit ? — so müssen die werte de eius nece lata quaestio est^ qui
si eadcm lege reviviscere posset, lata lex numquam esset entsprechen
dem gedankeninhalt des satzes Pompeius . . si potuisset aut quae-
stionem usw. daraus scheint sich die richtigkeit der üppenkamp-
sehen emendation zu ergeben.
GuHRAu. Feodor Rhode.
(9.)
ZU FLORÜS.
I 12, 1 (s. 21, 16 Jahn) Etruscorum duodecim populi^ Umbri
in id icmpiis intacti^ antiquissimus Italiae populus, Samnitium reliqui
in txcldium lloniani nominis repente coniurant. Florus schrieb ver-
mutlich Samnitium reliquiae wie 18, 21 (19, 4) reliquias eorum\
40, 27 (66, 21) rebcUis Äsiae reliquias ] II 7, 8 (85, 14) reliquias
latromim^ 13, 64 (101, 14) reliquias partium naufragarum.
I 19, 3 (33, 13) denique utrique cotidiani et quasi domesiici
hostcs tirocinia miliium inbucrant. es ist wohl zu lesen iirocinio
militcm inbuerant: vgl. Livius IX 43, 18 tirocinio inbuendum
Samnitcm.
1 41, 10 (68, 18) ipsas Propontidos fauces Porcius Cato sie ob-
ditis 7iavihus quasi portam obseravit. Lipsius erkannte dasz nach
dem Sprachgebrauch des Florus dem mit sie verbundenen ablativ
der gleiche casus bei quasi entsprechen müsse; s. Halms praef. s.XIII.
aber die Undcrung porta ergibt einen so matten vergleich, wie er der
lebhaften darstellung des autors nicht angemessen erscheint, ich
vermute ipsas Propontidos fauces Porcius Cato sie obditis navibus
quasi portam <^obicey obseravit,
Würzburg. Adam Ecssner.
AFunck: animum inducere im archalBchen latein. 487
74.
ANIMUM INDUCEBE IM ARCHAISCHEN LATEIN.
Die redensart animum inducere findet sich im archaischen latein
etwa dreiszig mal mit geringem Wechsel in der stellang ihrer ein-
zelnen teile, aber in manigfachen grammatischen Verbindungen, die
bisher nicht die richtige beachtung gefunden zu haben scheinen.
Hinsichtlich der äuszern form ist zunächst zu bemerken , dasz
die Präposition in vor animum nur bei Plautus zweimal (Rud. 22.
Mgl. 1269) und bei Terentius fünfmal (Heaut. 49 J 1028. Hec. 292.
603. Ad. 597) hinzugefügt erscheint, sonst stets fehlt, sodann fällt
es auf dasz an nicht weniger als 20 stellen die wendung am vers-
schlusz steht und zwar 7 mal in den metrisch genau gleichen for-
mein : in animum inducunt suom (PI. Rud. 22), in animum inducas
tuom (Ter. Heaut. 1028), in animum induxti tuom (Hec. 292), in
animum induxi meum (Ad. 697), animum induxis tuom (PI. Capt.
149), animum induxti tuom (Ter. Andr. 883), animum induco meum
(Ad. 68), und ganz ähnlich in animum indtices pati (Ter. Hec. 603),
animum ego indu^cam tamen (PI. Cist. III 1, 3), ferner animus induci
potest (PI. Persa 66); wiederum stimmen zu einander die versaus-
gänge : in animum induxi maxumum (Ter. Heaut. 49) , animum in-
duxti esse utile (Andr. 572), animum inducas credere (ebd. 834);
ferner ne animum induxeris (PI. Trin. 704), huic adsentari animum
induxeris^ (Ter. Eun. 490), animum inducere (Hec. 99), animum
inducUe (Heaut. 41); endlich für sich allein stehen: ita animum in-
duxerunt socrus omnis esse iniquas (Ter. Hec. 277), omnia esse ut
dicis animum induco (ebd. 264) , facere inducam animum (PI. Ba.
1201). man sieht, bei Terentius, der überhaupt die wendung sehr
liebt, rückt sie wie von selbst immer wieder an dieselben vers-
stellen, nur in dem zuletzt erwähnten verse ist der acc. animum
hinter das verbum gesetzt, was auszer PI. Mgl. 1269 induxi in
animum und Asin. 832 possum equidem inducere animum nicht
wieder vorkommt, die übrigen dichterstellen , wo animum inducere
anfang oder mitte des verses einnimt (PI. Stichus ^46. Poen. IV
2, 55. Lucilius 27, 51. 29, 77), sowie die prosaischen (CIL. I 201
z. 5. 10. 13 dreimal, Cato 8.42^ 10 Jordan) haben stets den acc. ani-
mum vor dem verbum. es ergibt sich also hier dasz im archaischen
latein die wendung animum inducere durchweg in dieser Stellung
der beiden glieder und meist ohne hinzufügung von m in fast formel-
hafter weise gebräuchlich war ; besonders häufig ist sie aus Terentius
belegt (14 mal sicher); dasz aber schon zu Plautus zeit ihr gebrauch
* wiederholt Hec. 50, wo die verse von Fleckeisen gestrichen wer-
den, während Umpfenbach Heaat. 48 ff. als unecht bezeichnet. ' so
sind mit Fleckeisen die in den hss. yerschieden gestellten worte zu
ordnen.
488 AFunck: animum inducere im archaischen latein.
voll entwickelt war, beweist die kühne passivische Wendung Persa
66 eum animus induci potest civem et fiddem esse et bonum.
Schon den alten grammatikern fiel nun eine Shnlichkeit von
animum inducere mit persuadere auf, vgl. Nonius s. 330, 9 inducere^
persuadere] und in der {hat trifft dieser gedanke das richtige ^ nur
dasz man nicht inducere =>^ persuudere, sondern animum ind%$cere «»
sibi persuadere oder auch sibi persuasisse, persuasum habere ansetzen
darf, ausgehend von dem bilde 'etwas in seinen geist einführen'
spaltet sich für unsere Vorstellung die bedeutung in die zwei im lat.
persuadere ebenfalls vereinigten begriffe *eine gewisheit entweder
im denken oder im wollen hervorrufen* ('überzeugen' und 'über-
reden'), die doppeldeutigkeit des verbums wurde bei dem lat. per-
suadere durch die wechselnde construction mit dem acc. c. inf. oder
mit ut , ne aufgehoben : genau dasselbe kehrt bei animum inducere
wieder.
I. animum incJucere^ 'sich überzeugen, die Überzeugung hegen'
a) mit dem acc. c. inf. die ursprüngliche bedeutung 'einer an-
sieht im geiste räum geben' tritt am deutlichsten hervor in den
stellen wo erst durch das perfectum die weitere 'eine ansieht, Über-
zeugung hegen' gewonnen wird. PI. Trin. 704 id me commissurum
ut patiar fieriy ne animum induxeris mag wegen der imperativischen
form des ausdrucks nicht voll hierher gerechnet werden ; wohl aber
die folgenden stellen: Ter. Hec. 292 levia sunt, quae tu pergravia
esse in animum induxti tuom\ Hoaut. 49 eum esse quaestum in ani-
mmn induxi maxumum ; Andr. 572 si ita istuc animum induxti esse
utile '^ ebd. 883 quom ita animum induxti tuom, quod cuperes aliquo
pacto effidundum tibi] Hec. 277 ita animum induxerunt, socrus omnis
esse iniquas, mit dieser bedeutung, wonach die Wendung im praesens
das aufnehmen eines gedankens in den geist, im perfectum bald mehr
Lald minder deutlich die so gewonnene dauernde ansieht bezeichnet,
kommt man in den andern Zeitformen ohne mühe aus, so lange der
Zusammenhang erlaubt an eine einmalige momentane handlung zu
denken, so bei den imperativischen formen: Ter. Heaut. 41 mea
causa causam ha^ic iusiam esse animum inducite-, ebd. 1028 obsecro,
mi gnatc, ne istuc in animum inducas tuom^ alienum esse te (^'rede dir
das nicht ein'); femer auch Hec. 264 quae dicis omnia esse u/ cUcis
ayümum induco] PI. Persa 66 eum animus induci potest civefn et
fidclcm esse et bonum\ Cato s. 42, 10 (Jordan) quantoque suam vUam
supcriorcm atque ampliorem atque antiquiarem animum induceni esse
quam innoxüorem? nun gehört aber offenbar diese Wendung zu jenen
bezeichnungen geistiger thätigkeiten, welche wie das deutsche *glau-
ben, sich erinnern' ua. zugleich eine einmalige momentane und eine
dauernde handlung bezeichnen ; es liegt diesem bedeutungsObergange
dem sprechenden unbewust die durchaus richtige anscbauung zu
gründe, dasz das einmal in den gedankeninhalt aufgenommene so-
fort darin bleibend wird und bei dem geringsten äuszem anstosx
dem subject wieder gegenwärtig ist. eine hinneigimg wenigstens la
AFanck: animum inducere im archaischen latein. 489
dieser durativen bedeutung ^der ansiebt sein, glauben' zeigen die
folgenden stellen : CIL. I 201 z. 5 ea nos animum nostf^m non in
doucehamus iia facta esse; z. 10 tanto magis animum nostrum in-
doudmuSj iia utei ante arhitrahamur^ de eieis rebus af voheis peccatum
non esse; z. 13 credimus vosque anvmum vostrum indoucere oportet^
item vos papulo Bomano purgatos fore\ und namentlich PI. Bud. 22
hoc scdesti (üHy in animum inducunt suom, lovem se pläcare posse
doniSi hostiis.
b) bekanntlich konnte nun aber der gegenständ der Überzeugung
bei persuadere auch im accusativ des neutralen pronomens stehen,
denselben gebrauch zeigt der vers PI. Capt. 149 numquam istuc
dixis neque animum induxis tuom, wozu die bereits erwähnten
stellen PI. Bud. 22 hoc . . in animum inducunt, Ter. Heaut 1028
ne istuc in animum inducas tuom als parallelen angezogen werden
mögen ; zugleich erleichtert hier das Torangegangene dixis die Ver-
bindung, ebenso wird zu beurteilen sein Lucilius 27, 51 aut quod
animum induxit semel et utüe omnino putat ^ wovon er sich einmal
überzeugt hat und was «r überhaupt für nützlich hält', vgl. Ter.
Andr. 572; ob aut oder das von LMüUer veimutete at im anfange
das richtige trifft, ist ohne den Zusammenhang nicht zu entscheiden;
jedenfalls entbehrt das von Müller auch Erwähnte ad, was Dousa als
coi^'unction auffassen wollte, als präposition aller analogie. ganz
vereinzelt steht Ter. Ad. 597 numquam te atüer atque es in animum
induxi meum *ich habe dich nie anders aufgefaszt als du bist'; um
die hSrte der construction zu vermeiden schiebt daher Madvig (adv.
crit. II 21) und mit ihm Dziatzko hinter es statt des entbehrlichen
in ein esse ein.
c) wie in den eben genannten beispielen (PI. Bud. 22. Ter.
Heaut. 1028) durch ein pronomen auf den folgenden acc. c inf. hin-
gewiesen wurde, so konnte das auch durch ein adverbium geschehen:
vgl. oben Hec. 277 ita animum induxerunt, socrtis omnis esse iniquas]
Andr. 883. daher steht auch das adverbium allein, um auf den in-
halt der ansieht hinzuweisen, Ter. Ad. 68 mea sie est ratio et sie ani'
mum induco meum] und hier tritt zugleich die durative bedeutung
Mch bin der ansieht' besonders deutlich hervor, auch Lucilius 29, 77
Hymnis , ego animum sie indtu^ , quod tua ab insano auferas gehört
wohl hierher, obgleich der mangelnde Zusammenhang keine sichere
entscheidung über die bedeutung an dieser stelle zuläszt. da nun
an allen bisher angeführten stellen und ebenso an den noch zu be-
sprechenden animum stets in unmittelbare Verbindung mit induco
gebracht wird — nur CIL. 1 201 wird das pron. poss. zwischengescho-
ben und PI. eist. III 1, 3 das subject ego — so hat der verschlag
LMüUers sie animum induco viel für sich, dagegen glaube ich dasz
seine weitere änderung ('propter rationem musicam') quo für quod
immer noch keine möglichkeit bietet, einen deutlichen Zusammen-
hang zwischen haupt- und nebensatz klarzustellen, es scheint dasz
Jahrbtteher r&r cUst. philol. 1883 hft. 7. 32
490 AFunck: animum inducere im archaischen latein.
Müller animum induco etwa mit *ich überlege' wiedergeben würde,
eine bedeutung die freilich sonst nicht erweislich ist.
II. animum inducere »= *sich zu etwas überreden, sich za etwas
entschlieszen'.
a) die bedeutong 'einem entschlusz im geiste räum geben' hat
hier mit notwendigkeit zur Verbindung mit finalen conjunctionen ge-
führt, von der Plautus eine anzahl von belegen bietet: Mgl. 1269
induxi in animum ne oderim] Stichus 346 animum inducam ut (^ney
istuc verum te docutum esse arhiirer; Cist. III 1, 3 meum animum
ego inducam tarnen^ ut tUud . . consulam] Poen. lY 2, 55 animum
inducam facHe, ut tibi istuc credam'^ Asin. 832 possum equidem tii-
dt^ere animum^ ne aegre patiar.'
b) aber schon bei Plautus ist wenigstens an 6iner stelle die
Wendung der analogie der verba des beschlieszens und woUens ge-
folgt und bei gleichem subject einfach mit dem infinitiv verbunden :
6a. 1201 facere inducam anmum. dies ist die bei Terentius allein
übliche construction: Hec. 603 non tute incommodam rem • • in ani-
mum induces pati?* Andr. 834 oro^ tU ne iUis animum inducas cre^
dere\ Eun. 490 gut huic adsentari animuniinduxeris; Hec. 99 quod
ego numquam credidi fore, ut iUe hac viva passet animum inducere
uxorem habere.
Ganz offenbar tritt diese bedeutung, welche zb. noch in Klotz
lat. Wörterbuch als die einzige angeführt wird, im archaischen latein
gegen die zuerst besprochene zurück (10 stellen gegen 20). Terentius
hat wie dort die grOszere stellenzahl so hier den bequemem und wohl
jungem gebrauch mit dem bloszen infinitiv ausschlieszlich; es zeig^
also auch diese metaphorische Wendung bei ihm einen merklichen
fortschritt (vgl. Langen in diesen jahrb. 1882 s. 673 ff. 753 ff.).
Den dargelegten constmctionsverhältnissen fügen sich nur zwei
stellen nicht, die deshalb hier noch kurz besprochen werden mOgen*
Epid. 550 liest man: novin ego te? IT si ego te novi^ animum in-
ducam ut noveriSf ohne dasz die hss. erhebliche abweichungen bSten.
der gedanke, durch die von CFWMüller Plaut, prosodie s. 577 vor-
geschlagene Schreibung tu animum noch klarer hervorgehoben , ist
augenscheinlich: *wenn ich dich wirklich kenne, so will ich wohl
glauben dasz du mich auch kennst.' unerklärlich erscheint aber dann
die Verbindung mit ut^ wo nach aller analogie der acc. c. inf. erfor-
dert würde, oder ist etwa die seltsame constraction einem in ani-
mum inducam liegenden 'ich will mir das einreden, ich will mich
entschlieszen zu glauben' zuzuschreiben? — Die zweite stelle ist
Ter. Hec. 689 ntmc animum rursum ad meretricem induxii tiunn,
und diese enthält auszer der beispiellosen trennung des animum Yon
induxti die redensart in der sonst nie vorkommenden constraction
' Ba. 1186 beraht induce$ animum nur auf einer sprachlich allerdinft
unanfechtbaren coojectnr. * Briz sn Trin. 287, der hier getrennt tm
te schreiben will, übersieht dass bei der hier notwendigen bedeatnng
'sich entschlieszen' der acc. c. inf. nach animum inducere unerhört ist.
AFunck: animum inäucere im archaiBchen latein. 491
und bedeutuDg von ^seinen sinn zuwenden', das gewöhnliche in
diesem sinne ist animum adicere *ein äuge auf jemand werfen' (PI.
Merc. 334. Ter. Eun. 143 mit ad, Mgl. 909. Poen. V 4, 1 mit dem
dativ) , was hier indes kaum in den vers zu bringen wäre, ich ver-
mute dasz zu schreiben ist adduxti tuom, woraus bei der oben er-
örterten httufigkeit des versausgangs induxti tuam leicht dieses ver-
schrieben werden konnte, die redensart animum adducere hat Teren-
tius Hec. 836 numquam animum guaesti gratia ad mälas adducam
partis, allerdings mit sächlichem object; aber dasz bei derartigen
Wendungen auch persönliche objecto standen, zeigt auszer animum
adicere auch das ganz ähnliche animum adpeUere Andr. 446 animum
ad uxorem adpulit, neben Andr. 1 poeta quam primum animum ad
scrihendum adpulit.
Nachtrag, der gute des herausgebers dieser Zeitschrift ver-
danke ich den hinweis auf zwei stellen, an denen Madvig einen
unterschied von animum inducere und in animum inducere aufstellt,
nach der einen — lat. Sprachlehre § 389 ^animum induco , ich be-
queme, überrede mich (auch in a/nimu/m induco, bringe übers herz)'^
— könnte es scheinen als suchte Madvig eine wenn auch geringe
Verschiedenheit der bedeutung zwischen beiden Wendungen zu be-
haupten, dasz dies nicht der fall ist, zeigt die zweite stelle 'bemer-
kungen über verschiedene punkte des Systems der lat Sprachlehre'
(Braunschweig 1843) s. 11 anm. **: ^§ 389 habe ich zuerst zwei für
dieselbe bedeutung auf verschiedenen wegen gebildete phrasen (ani-
mum induco B= induco aliquem ad faciendum, und induco in animum),
die man gewöhnlich vermengt, indem man eine falsche ellipse zu
hilfe nimt, unterschieden ; es wäre leicht gewesen noch hinzuzufügen,
dasz sich bei Cicero (auch pro Cluentio 15), mit ausnähme einer
stelle in den ausgaben (pro Sulla 30), nur die erste phrase findet, bei
Livius nur die zweite (Drakenborch zu I 17, 4); das gehörte aber
nicht hieher.' es werden also beide Wendungen nicht der bedeutung,
wohl aber der entstehnng nach von einander getrennt, da die ellipse
des in bei animum falsch sei. allein dieser grund scheint mir nicht
zutrefi^end. die Schwierigkeit schwindet sofort, wenn man den accu-
sativ cmimum in derselben weise von der dem verbum angefügten
Präposition abhängig macht, wie er es ohne zweifei bei exercitum
flumen traducere ist, und ähnlich bei viam inire, urhem ingredi.
man hat also dann nicht eine ellipse bei animum induziere, sondern
einen sehr gewöhnlichen pleonasmus der präp. bei in animum in^
ducere.^ für diese einfache erklärung sprechen vorzüglich die zahl-
reichen stellen von animum inducere mit einem acc. c. inf. als ob-
ject, die zu dem Madvigschen animum inducere ad faciendum durch-
aus nicht stimmen, besonders schwerwiegend würde die Verbindung
eines einfachen objectsaccusativs mit animum inducere sein ; indes
& ars 4e anfl. § 343, wo indes die durchans richtige Übersetzung
'überrede mich' fehlt. ^ vgl. LLange in den Verhandlungen der Göt-
tinger pbilologenvers. 1852 s. 104.
32*
492 SWi4mann: Wisibada,
von den zwei belegstellen hierfür wird Capi 149 die construction
durch das vorhergehende dixis leicht erklärt; Luciüus 27, 51 aber
ist kritisch zu unsicher , um als beweis verwertet zu werden.
Alles in allem genommen scheint es mir nun doch ganz das
richtige, die beiden nach bedeutung und construction zusammen-
fallenden Wendungen auch auf gemeinsamen Ursprung zurttckzuführen.
dabei wird allerdings zuzugeben sein, dasz im weitem verlauf der
Verwendung von animum inducere mit ut oder dem inf. die analogie
von äliquem inducere dem redenden gewis oft nahe trat; dasz sie
nicht bleibend die herschaft erhielt , zeigt der von Madvig erwähnte
Livianische gebrauch.
Kiel. Anton Fumok.
(49.)
WISIBADA.
Wenige deutsche Ortsnamen haben wohl so arge etymologische
torturen zu erdulden wie der name Wiesbaden.* das non plus
ultra aber leistet doch wohl JGCuno oben s. 302. die sache ver-
diente mit stillschweigen übergangen zu werden, wenn sie sich nicht
abermals auf eine *alte inschrift' beriefe, in welcher die dves Wsino-
hates vorkommen sollen, die kenntnis derselben verdankt der vf.
des artikels einer kleinen im j. 1880 erschienenen monographie
'Wiesbaden, der name, seine herkunft und bedeutung', verfaszt
von dem k. archivrat a. d. von Medem zu Homburg (s. s. 16), ent-
weder haben wir es bei beiden herren mit einer ganz unbegreiflichen
Unwissenheit oder mit einer unheilbaren hartnäckigkeit zu thun. die
angeführte 'alte inschrift' ist nemlich schon vor mehr als dreiszig
jähren als eine grobe fälschung des maiers prof. N Müller in Mainz
nachgewiesen worden, verübt in den annalen des Vereins für nassauische
altertumskunde bd. II heft 2 (1834) s. 110 fif. der verstorbene archiv-
director Friedemann in Idstein erhob schon 1849 im 'wanderer*, dem
beiblatt der nass. allg. ztg. nr. 22 — 24 zweifei an der echtheit, und
1851 wies prof. KKlein in Mainz in den Jahrbüchern des vereine
rheinländischer altertumsfreunde XVII s. 205 ff. die unechtheit nach.
seine hofTnung , dasz *jede weitere berücksichtigung derselben von
selbst wegfallen würde', ist leider von Medem-Cuno| zu nichte ge-
macht worden, wir sprechen jetzt abermals die hoffnung aus, dasz
die inschrift als das was sie ist, eine erbärmliche fälsch ung^ der Ver-
gessenheit anheimfalle und der unfug, der damit getrieben wurde, mit
den Medem- Cunoschen etymologien sein ende gefunden haben mOge«
mit der inschrift zerfallen diese selbstverständlich in ihr nichts.
* vgl. aaszer der im tcxt g^enannten Schrift die annalen des vereinB
für nassHuische altertumskunde an mehreren stellen, bes. XII 8. 340,
dazu FOtto gcschicbte der Stadt Wiesbaden (Wiesbaden 1877) s. 76 ff.
Wiesbaden. Simom Wjdmamh.
ThPlüss: Horazischer realismus [carm. I 25]. 493
76.
HORAZISCHER REALISMUS.
Wenn vom realismus des Horatius die rede ist, führt man wohl
als beispiel auch das fünfnndzwanzigste gedieht des ersten buchs
der öden an ; man denkt dabei — vielleicht mit Schauder — an die
dritte und noch mehr die vierte strophe, worin leben und leiden-
Schaft der alternden buhlerin dargestellt sind, nun gibt es aber
verschiedenartigen realismus in der kunst, verschieden je nach dem
zweck und der Wirkung, und es käme darauf an , im gedieht an die
verblühende Lydia den Horazischen realismus auf zweck und Wir-
kung zu prüfen.
Nach den erklärem, von den alten scboliasten bis auf die neusten
hgg., ist der zweck des gedichtes : Lydia soll verhöhnt und beschimpft
werden, also wäre die Wirkung, dem zweck entsprechend, beschä-
mung oder ärger der Lydia und Verspottung und Verachtung der-
selben durch hörer oder leser des gedichtes. das gedieht wäre ein
pasquill, dem praktischen zweck persönlicher beschimpfung dienend.
Dasz ein römischer circuskutscher , welcher von einer dime ge-
prellt worden, derselben in der wut dergleichen dinge zum zwecke
der beschimpfung sagte , würde wohl zu verstehen sein, dasz ein
mann wie Horatius einem mädchen oder über ein mädchen, mit
dem oder in dessen Sphäre er selber verkehrt hat, dergleichen dinge
im augenblick der realen leidenschaft ausspreche, ist manchem viel-
leicht denkbar, aber doch nicht wahrscheinlich ; dasz er die gemeine
injurie sogar in verse und zwar in weiche sapphische verse bringe,
dasz er also bei kälterem blute und in harmonischerer Stimmung —
da doch auch dichter im realen leben und im augenblick der realen
leidenschaft nur in prosa zu schimpfen pflegen — zum zwecke der
Verhöhnung und beschimpfung dergleichen hinterher noch 'singe',
das ist mir moralisch unbegreiflich, und hätte Hör. je in maszlosem
ärger oder in mehr als tollem Übermut einen solchen moralischen
misgriff begangen, würde er wohl so etwas in die samlung der öden
und zwar gerade in die Umgebung sittlich reiner, zum teil zarter
gedichte aufgenommen haben ?
So viel von der moralischen seite der sache. aber nun die ästhe-
tische! die erklärer reden, einer immer lauter als der andere, von
derber, von verletzender, ja von unflätiger art des hohns; haben sie
aber nur ein einziges mal die frage aufgeworfen , ob dann das ge-
dieht eben noch gedieht sei ? ob injurie als solche ein kunstzweck
sei? die satiro schont bei den Römern und bei Hör. namen und
personen nach unsem begriffen durchaus nicht, sie macht an den
Personen sehr bedenkliche persönliche eigenheiten und Verhältnisse
ohne scheu namhaft, und doch ist sie immer noch kunst, weil sie
nicht die person als solche beschimpfen oder verhöhnen, sondern
durch einführung bekannter gestalten in ihre lebensbilder gewisse
494 ThPlüBs: Horaziacher realismuB [carm. I 25].
typen des römisch-menschlichen lebens lebendig darstellen will, und
weil diesem zweck entsprechend nicht misachtong und hohngelächter
über eine bestimmte persönlichkeit die Wirkung ist, sondern eine
kräftigere ästhetische teilnähme üi dem dichterisch gerundeten,
kräftig gezeichneten bilde der widerspruchsvollen römisch-mensch-
lichen weit, der epodus ferner, in der form lyrischer als die satire,
hat immer den zweck, einer Stimmung, einer empfindung, einer
leidenschaft ästhetischen ausdruck zu geben : ist die Stimmung durch
eine weit, ein leben hervorgerufen, in welchem es derb und persön-
lich aggressiv zugeht, so werden auch im kunstbilde derb pers^^n-
liche Züge vorkommen; aber zweck des kunstbildes ist nicht die
injurie oder invective, sondern das ästhetische nach- und miterleben
eines so zu sagen injuriösen lebens. sollten sich etwa leute, die in
Archilochos iamben angegriffen wurden, darauf hin aufgehängt haben,
so haben sie es gethan, weil sie zum hängen reif waren, dh. weil sie
reale gründe dazu hatten, nicht weil persönliche beschimpfung oder
gar Vernichtung etwa der kun st zweck dieser dichtungsart war.
Man wird vielleicht sagen: nun gut, dasz Lydia beschimpft
wird, ist nicht zweck sondern form, eine form nemlich, um einer
leidenschaftlichen Stimmung gegen sie ausdruck zu geben, oder
aber: dergleichen Verhöhnungen sind überhaupt bei den dichtem
nicht so ernst zu nehmen; Lydia war vielleicht noch jung und blü-
hend, und niemand nahm also ein solches gedieht auf sie für mehr
als für einen derben spasz. oder auch: Lydia ist überhaupt nur
eine fingierte gestalt, spott und höhn treffen also niemanden, und
der dichter stellt sich blosz so grimmig, so wird man si^n, und
namentlich die beiden letzten erklärungs weisen sind in unsem
lyrikerausgaben die herkömmlichen, allein, um das letzte zuerst zu
nehmen : fingiert oder nicht fingiert — auch die fingierte Lydia ist
ein verblühendes mädchen , welchem der sprechende mit gemeinem
höhn ihre wüste Zukunft ausmalt, und genau genommen ist jede
dichterische gestalt mehr oder weniger ästhetisches ideal wirklicher
gestalten, also mehr oder weniger fiction, und es wäre ein sonder-
barer poet, der einer stärker idealisierten gestalt, einer — wie mans
mis verständlich nennt — rein fingierten person gegenüber unflätiger
wäre als gerade einer realem gegenüber, was sodann den bloszen
derben spasz gegenüber einer jungen, schönen Lydia betrifft, so
wäre der spasz erstens dumm: denn einem blühenden jungen mäd-
cben, das viel umworben wird, zu sagen, sie werde nicht viel um-
worben, ist nicht eben geistvoll, zweitens wäre es ein plumper,
rober spasz, höchstens dem geschmack des schon erwähnten circua-
kutschers entsprechend, wenn man Lydia in den tagen ihrer jugend
und Schönheit dasjenige Schicksal ausmalte, das in Wirklichkeit nur
allzu oft ihre Standesgenossinnen trifft und vielleicht auch Lydia
tbatsächlich treffen wird, um endlich von der Verhöhnung ala poeti-
scher form der empfindungsdarstellung zu sprechen , so darf aller-
dings der dichter seiner leidenschaft den stärksten, furchtbaistea
ThPlüBs: Horazischer realismas [carm, I 25]. 495
aasdruck geben, sofern dieser geeignet ist uns ^ben diese leiden-
schaft recht lebhaft und dabei in schongegliederter bewegung mit-
und nacherleben zu lassen, damit ich aber eine emp6ndung oder
leidenschaft nacherleben könne, musz ich vor allem ihren grund und
anlasz klar und eindrücklich dargestellt finden ; dann musz die leiden-
schaft selber nach ihrem besondem wesen sich deutlich und krSftig
aussprechen^ wie ist es mit diesen beiden dingen in unserm ge-
wichte bestellt?
Man nimt an, der dichter sei von Lydia zurückgewiesen, und
zorn über die erlittene kränkung oder rachbegier sei die leiden-
schaft, die sich in der form von höhn und schimpf ausspreche, achtet
man auf den ton und etwaigen tonwechsel des gedichtes , so könnte
sich zorn oder rachsucht in den beiden ersten Strophen allenfalls in
der form boshafter Schadenfreude aussprechen; nach schadenfrohem
spotte könnte das woTt parcim klingen, ebenso die Wendungen 'sie
rauben dir den schlaf nicht', 'die hausthür bleibt gern bei der
schwelle', 'früher gieng die thür so liebenswürdig gern auf. in den
beiden nächsten Strophen, wo das wüste elend der ^ten dime in den
grellsten färben und stärksten strichen gezeichnet und ausgemalt
ist, ohne jede ironische oder humoristische färbung, da müste sich
ein ingrimmig ernster zorn, ja hasz ausdrücken wollen, endlich
würde der schluszvers der vorletzten strophe wieder nach Ironie
klingen, und die letzte strophe möchte dann eine art genugthuung,
«ine empfindung gesättigter rachbegier ausdrücken in der darstel-
lung, wie die fröhlich kräftige Jugend ein wesen wie Lydia wie einen
welken kränz mit recht von sich werfe, angenommen , Hör. könne
real so unedel empfinden und könne wiederum als dichter das be-
dürfnis haben so unedle empfindungen ästhetisch zu idealisieren —
hat er denn aber die empfindung der rachbegier in ihren einzelnen
abstufungen spottlustiger Schadenfreude, ingrimmigen hasses, trium-
phierender genugthuung wirklich klar und kräftig dargestellt ? so
lebhaft, dasz ich ihm die grundempfindung sowohl wie die einzelnen
iiuancen nacherleben müste? oder auch nur könnte? denn was ich so
eben von diesen empfindungen gesagt habe, das ist nicht empfunden,
sondern als möglich gedacht, und ist die angegebene reihenfolge
der nuancen, in der sich doch die entwicklung des grundgefühls dar-
stellen soll, etwa eine natürliche und eine wirksame?
Unklar und unwirksam bleibt aber die darstellung der leiden-
schaft vor allem deshalb, weil auch die andere forderung, der dichter
müsse uns grund und anlasz seines gefühls klar und eindrücklich
machen, keineswegs erfüllt ist. der dichter sagt: immer weniger
und weniger höre Lydia die vorwurfsvolle klage eines auf der strasze
um einlasz flehenden liebhabers. daraus hören nun die erklärer
den Vorwurf des dichters heraus, Lydia sei hartherzig* aber zu-
nächst sagt es doch der dichter, im Zusammenhang seiner eignen
Worte, in d^m sinne: 'du bist nicht mehr so viel umworben wie
früher*, nicht um selber einen Vorwurf wegen hartherzigkeit zu er-
496 ThPlüsB: Horazischer realismuB [carm, I 25].
beben, sondern um die abnabme der bewerbung auszudrücken, so-
dann wird man auch den Vorwurf, der mehr zärtlich als heftig klingt,
aus dem munde des liebhabers nicht so tragisch nehmen; ein lieb-
haber, der auch nur ein einziges mal eine einzige halbe stunde vor
dem fenster gestanden, würde sich wahrscheinlich nicht weniger
stark ausgedrückt haben, und wenn denn auch manche vergebens
drauszen gewartet haben, so ist damit noch nicht gesagt, dasz auch
der sprechende darunter gewesen sei und nun grund habe selber
zornig zu sein und sich zu rächen, also angenommen, Lydia sei
hartherzig gewesen, so ist das hier jedenfalls nicht so zur darstellung
gebracht, dasz damit ein leidenschaftlicher ergusz von höhn und
schimpf poetisch begründet wäre.
Aber ich sehe im gedichte überhaupt nur das gegenteil von
einer sprödigkeit Lydias wirklich ausgesprochen : Lydias thttr — so
heiszt es — habe sich früher gar willfährig in den angeln bewegt,
im gegensatz zu jetzt, wo sie notgedrungen gern geschlossen bleibe.
es ist ein blinder eifer, der unsere erklärer in Einern atem von der
hartherzigen sprödigkeit Lydias und ihrer leichtfertigen geflQligkeit
reden lUszt. Lehrs hat den Widerspruch bemerkt und schreibt: quae
priu^ nullt facüis movehas cardines und verbindet diese worte statt
mit den vorhergehenden werten von der hausthür vielmehr mit den
folgenden die sich auf Lydia selbst beziehen : audis minus et minus
iam. Lehrs fügt hinzu, die vorhergehenden worie amaique ianua
Urnen seien wohl auch nicht richtig, er hätte sagen müssen: sie seien
unmöglich richtig, wenn nemlich seine eigne erste Veränderung des
textes richtig sei. erst heiszt es: *jetzt ist im gegensatz zu früher
die thür gern geschlossen' ; also denkt man : ^früher war sie gern
offen', nun aber heiszt es wieder: ^früher wurde die thttre nicht
leicht geöffnet' ; also sollte man denken : *jetzt wird sie gern geöffnet'«
dieser Widerspruch ist doch wahrhaftig nicht vernünftiger als der,
den Lehrs durch seine textänderung beseitigen wilL ehe wir so den
text nach unseren gedanken umgestalten, wollen wir erst unsere
orklärergedanken nach dem texte zu gestalten suchen, also Lydia
ist nicht spröde, nicht hartherzig, wenn auch mancher liebhaber sie
so genannt und nachtschwärmer in häufen an ihre fensterladen ge-
schlagen haben ; nicht hartherzig gegen diese gar zu ungeduldigen
und mutwilligen und ebenso wenig gegen den dichter; wenigstens
redet derselbe nicht davon, also fehlt jede poetische begründung
für einen leidenschaftlichen zomesergusz.
Ich vergleiche ein paar ähnliche stellen und gedichte: aus der
vergleichung ergibt sich vielleicht noch deutlicher, was an unserm
licde eigentümlich und noch nicht erklärt ist. etwa Ovidius ars am.
III 69 ff. tempus erit, quo tu^ quae nunc exdudis amanteSy \ frigida
descrta nocie iacehis anti5, | nee tua frangetur nocturna ianua rixOj \
sparsa nee invcnies limina mane rosa. Ovidius mahnt, aber er h0hnt
und schimpft nicht; was er aus dem künftigen leben des mädchens
anführt, ist nur, dasz sie einsam, unbeachtet, frostig und freudlos
ThPlüsBs Horazischer realismus [oarm, I 25]. 497
die nachte verbringen werde, er malt keine wüsten, wilden begierden,
kein fortgesetztes dimenleben im gäszcben; die künftige Verlassen-
heit soll weder folge noch gar strafe der vorangehenden sprOdigkeit
sein , sie wird nur natumotwendigkeit sein , wie sie Ov. hier durch
vergleiche eben aus der natnr illustriert; dasz er überhaupt an die
freudlose Zukunft erinnert, begründet Ov. poetisch damit, dasz er
sich ausdrücklich an ein blühendes mädchen wendet, das gegenwärtig
etwa liebhaber ausschliesze, aber daraus, dasz etwa ein mädchen
frtüier, so willig auch ihre thür aufgieng, doch bei dem starken an-
drang von liebhabem nicht jeder zeit jeden eingelassen hat^ nimt er
nicht ein recht her, ihr die jetzige abnähme spöttisch und die künf-
tige gemeine Verkommenheit ingrimmig vorzuhalten. — Ich ver-
gleiche femer Propertius IV 25, wo die an Hör. anklingenden werte
vorkommen: exdusa inque vicem Jasttis patiare superhos \ et^ quae
fecisliy facta queraris anus. hier ist im ganzen ersten teile des ge-
dichtes sehr klar und sehr lebhaft die schnöde behandlung durch
die geliebte dargestellt, also die poetische begründnng der leiden-
schaftlichen wünsche des dichters und somit für uns die möglichkeit
gegeben, ästhetisch die leidenschaft nachzuerleben und die wünsche
mitzuwünschen. dann werden aber auch der schnöden nur solche
dinge vorausgesagt oder angewünscht, welche früher oder später so
wie so kommen werden , nemlich das schwinden der Schönheit nach
dem naturgesetz des alters , aber keine wüsten folgen für lebens-
weise und begierden des alternden weibes. selbst dasz sie dann auch
ausgeschlossen sein werde, ist um der scharfem pointe willen
so gesagt: wie si^ jetzt etwa dem treuen liebhaber ihrehausthür
schlieszt, so werden dann alle männer sie ausschlieszen dh. sie
verschmähen , sie nicht suchen ; es ist der massive realismus der er-
klärer, der an solchen stellen gleich an ein nachlaufen seitens der
dirne und an ein liegen derselben vor der hausthür des mannes denkt,
und selbst die unvermeidlichen und unverschuldeten spuren des
alters soll nach Propertius das weib nur darum wahrnehmen, damit
sie auch ihrerseits erfahre, wie weh es ihm jetzt thue, hochmütig
verschmäht zu werden, demgemäsz klingt der ton des liedes wohl
schmerzlich zornig, aber nicht höhnisch.
Man vergleiche auch Horatius mit sich selber, nach dem zehn-
ten gedieht des vierten buches ist Ligurinus grausam und stolz;
wenn er aber älter und weniger schön sein wird , wird er zur ein-
sieht kommen , dasz er früher nicht so hartherzig hätte sein sollen,
also eine deutliche begründnng dafür, wamm das zukünftige Schick-
sal gezeichnet wird; das künftige loos nur als das natürliche, un-
vermeidliche loos des alters dargestellt; sinn dieser darstellung nach
der poetischen Situation nicht höhn, sondern flehentliche bitte, mah-
nung. — Am stärksten könnte an unser gedieht im ersten buche das
dreizehnte im vierten, das gedieht an Lyce, erinnern, das gedieht
ist freilich noch nicht erklärt, die herkömliche erklärung spricht
jeder logik in der Ijrik höhn, ieh will vorläufig nur die unterschiede
498 ThPlüas: Horazischer realismat [carm. I 25].
zwischen beiden gedichten herausheben, das altwerden Lyces wird
ausdrücklich als eine erftillang von ehemaligen wünschen des lieb-
habers bezeichnet; man wird sich die Situation, in welcher einst der
liebhaber wünschte , sie möge alt werden, etwa so wie in der vorhin
erwähnten Cjnthia-elegie des Propertius denken, gewünscht hat
der liebhaber nur , sie möge alt werden ; dasz sie alt geworden nun
noch so häszlich buhlt, gehört nicht zu den ehemaligen wünschen
oder Weissagungen des sprechenden, ich interpungiere so: di awdt*
vere^ Lyce: fis anus! et tarnen vis farmasa videri. es wird sodann
das liebesüchtige und gefallsüchtige benehmen der alten Lyoe in
seinem Widerspruch mit der natürlichen häszlichkeit des alters dar-
gestellt, und zwar, obwohl hier spott eher motiviert wftre, zuerst
im tone unwilligen Staunens über diesen Widerspruch wider natur
und sitte , sodann im tone moralisierender reflexion über die natur
und ihre gesetze. dann folgt eine erinnerung an die ehemalige blute
der jungen Lyce , und diese erinnerung hat zuerst den ton aufrich-
tiger bewunderung des einst und aufrichtigen bedauems für das
jetzt, dann stellt sich in der erinnerung eine andere, noch schönere
gestalt neben Lyce, und das bringt dem sprechenden den gegensati
zum bewustsein, welcher zwischen zwei frauen dieser art besteht,
der 6inen, die noch in der zeit der unverblühten Jugend sterben darf,
und der andern , die hat alt werden müssen , und die hftrte dieses
letztem Schicksals — nicht schadenfrohe gefühle — spricht er zum
schlusz mit sch&rfe und schneidigkeit aus. nicht spott oder höhn
gegen Lyce persönlich höre ich aus dem gedichte heraus, sondern die
wechselnden empfindungen eines alternden, lebenserfahrenen mannea
bei der begegnung mit einem weihe, welches ihn einst durch schön»
heit und anmut bezauberte , welchem er in Ungeduld und zom einst
das alter angewünscht hat und welches nun alt, aber dabei häszlich
buhlend ihm wieder zu gesicht kommt.
Daneben nun das Lydiagedicht, von wünschen kein wort:
'jetzt schon nimt der zudrang der bewerber ab, die einst so oft auf
der strasze harrten und flehten — ja einst, wenn du alt bist, wirst
sogar umgekehrt du weinen und klagen.' es wird ein Schicksal,
welches frauen von der classe Lydias oft genug trifft und , offen ge-
sprochen, doch um so sicherer trifft, je weniger sie zurückhaltend oder
wählerisch sind , einfach als thatsächlich sich ankündigend und als
künftig vollendet dargestellt, sodann kein wort von eitelkeit und
koketterie und lustiger gesellschaft , keine andeutung eines Wider-
spruchs mit alter und häszlichkeit, sondern es wird eine wüste Sinn-
lichkeit und wilde brunst als eine natürliche Übergewalt geschildert —
daher auch der vergleich aus der natur, dem tierleben — und dasz
diese begier nicht befriedigt wird, erscheint nicht als selbstverschul-
dete folge eines Widerspruchs zwischen alter und begierden, sondern
nur als Ursache von elend, thränen und klage, demgemäsz erscheint
die künftige Lydia als elend auch in der äuszem lebenslage: sie
wohnt im engen gäszchen, und daraus wird man sich unwillkOrlich
ThPiüss: HorazUcber realismus [carm. I 25j. 499
das bild der armut machen; Lyce dagegen pninkt in kölschem
pnrpurkleid und in geschmeide mit kostbaren steinen, w&hrend
Lyce uns in leichtfertiger, ttppiger gesellschaft vorgeführt wird,
sehen wir Lydia einsam und verlassen ; das enge gäszchen zur zeit
mondloser sturmnächte — ein bild der Verlassenheit, trauriger, un-
heimlicher einsamkeit. wie thöricht es ist, mit gewissen erklärem
Lydia drauszen im gäszchen in stürm und finstemis ihrem erwerb
nachlaufen oder etwa einem manne, der im engen gäszchen wohnt,
vor der thür liegen zu lassen, braucht blosz angedeutet zu werden:
die gesuchten männer wohnen da nicht, und in der finstem sturm-
nacht ist ein an sich einsamer ort erst recht kein Spazierweg, nein,
Lydia ist es, die dann dort wohnen wird, und es kommt in der
sturmnacht eben niemand zu ihr. wenn endlich die jungen leute,
zu deren spasz das Schicksal Lyce aufgespart hat, Lyce doch wohl
eben in jener gesellschaft sehen, in welcher sie trinkt und spielt und
kokettiert, so ist bei Lydia nicht gesagt, dasz die fröhlichen kräf-
tigen Jünglinge über sie lachen oder auch nur sie sehen , dasz sie
sich ihnen also noch aufdränge; es heiszt nur, Lydia klage dann oft,
dasz die Jugend das frische, frühlingsgrüne kranzlaub liebe, das
welke laub dagegen den winterlichen mächten weihe, mau darf
auch die hochmütigen, anspruchsvollen ^ehebrecher', um welche
Lydia weint , nicht etwa mit dieser fröhlichen Jugend verwechseln :
diese Jünglinge sind keine moechi^ so wie Hör. das wort gebraucht.
es sind eben ältere und gemeinere männer, verbuhlte ehemänner,
welche etwa noch Lydia aufsuchen könnten, aber sie zu zelten auch
verschmähen.
Diese vergleiche, denke ich, können zeigen , wie Hör. in fällen,
wo spott wenigstens motiviert wäre, dennoch keinen verletzenden
und persönlich gemeinten spott in lyrischer weise singt; sie können
es auch erkennen lassen, dasz in unserem gedichte jede motivierung
des Spottes fehlt und die darstellung zum teil ganz entgegengesetzt
wirkende mittel anwendet.
Entgegengesetzt wirkende — : ich meine nicht, dasz die Wir-
kung eine empfindsame rührung über das traurige loos einer alten
dirne sei : dem würde wieder der besprochene humoristisch scharfe
ton des eingangs , der derbkräftige ton der mitte und der gelassen
feste ton der schluszstrophe widersprechen, empfindsamerer art und
doch stimmungsverwandt ist ein bild in Andersens 'bilderbuch ohne
bilder\ da sehen wir auch die enge gasse , in die das mondlicht
kaum hinabdringt, da ist eine frau, todkrank auf dem bette Hegend ;
der hauswlrt will sie auf die strasze werfen , weil ihre abgezehrten
Wangen die leute verscheuchen; er schminkt ihr die wangen, flicht
rosen in ihr haar, setzt sie ans fenster, das brennende licht daneben,
sie sitzt unbeweglich ; ein windstosz schlägt das fenster zurück, dasz
eine scheibe zerbricht und die gardine um sie flattert — die frau ist
tot. der moderne dichter führt uns das bild des lebens in recht ob-
jectlven zügen vor und erzählt in einem unbefangen klingenden tone,
500 ThPlüBs: HoraziBcher realismus [carm, I 25].
im ton des femBtehenden, naiv erstaunten beobachters mensohlicfaer
dinge ; er läszt dämm den mond reden, freilich die erinnenmg an
die zeit kindlicher Unschuld, an die kleine pfarrerstoohter an der
rosenhecke, und wiederum der zug dasz die frau schon den tod in
der brüst trttgt und nun stirbt, der contrast zwischen einem geträum-
ten ideal von Weiblichkeit und weiblicher lebensseligkeit und einer
schmerzCafb unyoUkommenen Wirklichkeit — das alles ist eben in
modemer art empfunden« trotzdem ist die dichterische absieht bei
beiden dichtem ein und dieselbe: ein empfindungsvoUes bild des
lebens zu geben oder eine reale empfindung des wirklichen leben»
ästhetisch darzustellen, oder sollte etwa Andersen die tote frau der
Verachtung anderer preisgeben, sollte er durch Vorhaltung dieses
schicksalsbildes im Zukunftsspiegel die noch lebende selber persön-
lich ärgern oder beschämen, sollte er unmoralisch moralisieren
wollen?
Der dichter^ heisze er Andersen oder Horatius, hat in seinem
leben hundert und tausendmal das unerbittliche gesetz der Vergäng-
lichkeit erfahren, an sich, an andern, an edlen männem, an schönen
frauen, an menschen und an dingen, er hat die furchtbare not-
wendigkeit in ihrer härte und schneidenden schärfe bis ins tiefste
gemüt gespürt, die fähigkeit der teilnähme, des mitverlangens , der
mitfurcht, des mitleidens, ist ihm als einem dichterischen zuschaaer
des lebens besonders eigen — zugleich die fähigkeit die teilnähme
in ästhetischen formen zur schönen darstellung zu bringen, nun hat
Hör. vielleicht an einem mädchen, das noch vor wenigen jähren
blühend schön und viel umworben war, in jüngster zeit erlebt ^ wie
nach jenem harten gesetze Schönheit und gestalt, menschengunst
und lebensfreude schwinden, in seiner phantasie gestaltet sich ihm
das bild des gesamtlebens eines solchen schönen mädchens: das
schwinden in der gegenwart im gegensatz zur blute der Vergangen-
heit, und wiederam im gegensatz zur blühenden Vergangenheit die er-
barmungslos verwüstete zukunft. Hör. nimt die Wirklichkeit so, wie
sie ist oder wie sie wenigstens in besonders charakteristischen fällen
ist. er zeichnet sie vom Standpunkt eines antiken lebenserfahrenen
mannes, der mit scharfem blick das gegenwärtige beobachtet und
das zukünftige voraussieht, mit unverhüllter nacktheit das wirk-
liche ausspricht, mit demselben naturalismus das leben und treiben
einer Lydia ohne ein wort sittlichen tadeis und die härte eines solchen
Schicksals ohne ein wort des Widerspruchs einfach als selbstverständ-
lich hinnimt. er stellt diese Wirklichkeit dar — erst im tone jenes
gelassenen humors, der, wie er ein andermal sagt, das bittere ver-
sttszt, einer ironie welche nicht der person Lydias, sondem der sache,
dem menschlichen leben und seinen widersprttdien gilt; dann im.
tone bitteren, scharfen ernstes, dessen schärfe wiederum nicht der
persönlichen leichtfertigkeit oder wüsten begehrlichkeit Lydias gut,
sondem der verkehmng und Verwüstung blühenden lebens durch
Schicksal und naturgewalt; sodann endlich wieder im tone leichterer
ThPlÜBB: Horazischer realismus [carm. I 26]. 501
gelassenheit, die das unvermeidliche als solches erkennt und in dem
grausamen Schicksal des alternden , verwelkten lebens das recht des
neuen, frisch blühenden lebens anerkennt, nur diese dichterische
teilnähme an dem Schicksal einer mehr oder weniger idealen Lydia
drückt sich in der anrede an Lydia, in der wirksamen form der apo-
strophe aus — nicht etwa die praktische bestimmung des gedichtes,
der Lydia zugeschickt oder vorgelesen oder gar vorgesungen zu wer-
den, die dichterische lebensstimmung ist dieselbe wie in den schlusz-
Worten des zunächst vorhergehenden liedes : dort war es das unerbitt-
lich harte Schicksal eines edlen mannes, woran der dichter teil nahm,
und das lied klang aus in den Worten *ach, hart ist es ; doch leichter
wird durch ergebung, was zu ändern die götter uns versagt haben.'
Im einzelnen bemerke ich kurz folgendes, ich verstehe in den
Worten von der zukunft invicem moechos onus arrogantes fleUs das
wort invicem nicht von einer Vergeltung, sondern wörtlich nur von
einem Wechsel, einer bezeichnenden umkehrnng der dinge: ^bisher
klagten die liebhaber, dann wird umgekehrt sie klagen.' — Sodann
scheint mir das beiwort der alternden dime levis im scharfen con-
trast zu den werten in solo angiportu zu stehen, die Stellung von
levis gerade mitten zwischen diesen werten fordert ja jedenfalls
nähere Verbindung : Lydia ist in späteren jähren baltlos leichtfertig,
aber mit ihrer leichtfertigkeit gerät sie in Widerspruch mit der ein-
samkeit ihrer gasse^ in die niemand kommt, und dieser Widerspruch
ist dann Ursache ihrer thränen. über die anspruchsvollen moechi als
ältere, verbuhlte ehemänner habe ich oben schon gesprochen. — Der
thrakische stürm, ein wintersturm, der zur zeit mondloser nachte
noch toller als sonst rast oder einem zu rasen scheint, sowie die
mondlose, finstere nacht selber sind vorzüglich geeignet den eindruck
der Verlassenheit zu verstärken und zu der gestalt der weinenden
alten dime dort an der menschenleeren gasse die naturscenerie zu
geben, zugleich bereitet die Vorstellung des drauszen wie toll toben-
den winterlichen Sturmes dichterisch glücklich auf die Vorstellung
der im innern der dime wütenden leidenschaft vor : dies sind auch
winterstürme, und so wie der thrakische wind mit einer art ttber-
natürlicher gewalt rast, was mit dem wort hacchari angedeutet ist, so
wütet die leidenschaft in der wunden zerrissenen bmst Lydias mit
einer art übernatürlicher stärke, man kann sich hier Amor und Libido
als göttliche mächte denken, vielleicht die namen grosz schreiben,
der vergleich mit den stuten gewinnt an energie und verliert die
blosze derbheit, wenn einem dabei eben das zauberhafte und wunder-
bare vorschwebt, welches gerade die brunst der rosse in der Vor-
stellung der alten, auch der Augustischen dichter umgab, vielleicht
ist es bedeutsam , dasz zb. nach Yergilius (georg, UI 277 £f.) gerade
nordwind und nordwest oder aber Mer schwärzeste süd mit kal-
tem, düsterm regen' die naturscenerie für die toll dahin jagenden
Stuten andeuten : vgl. Voss zdst. — In der letzten Strophe möchte ich
das beiwort puUa nicht auf die myrte beziehen. puUus erweckt nach
502 ThPlüss: Horazischer realismuB [carm. I 25].
etymologie und Sprachgebrauch immer die Yorstellang des fahlen
und dunklen im gegensatz zur hellen, leuchtenden färbe; es be-
zeichnet daher fast immer die färbe des todes und der unterwelti
des moders, der trauer; es kann gelegentlich im Zusammenhang auch
die färbe der Vollreifen frucht oder des Vollreifen lanbes im gegen-
satz zum hellen grttn der jungen frucht oder des jungen lanbes be-
zeichnen, nun scheint es mir in unserm Zusammenhang, wo gerade
das frische g^n, womit die Jugend sich schmückt, im gegensats zum
entfärbten, dürren laube bezeichnet werden soll, völlig verkehrt vom
dichter, der mjrte als dem g^rün der frischen Jugend das bei wort
pulla zu geben, ich verstehe vielmehr so : die fröhliche Jugend freut
sich mehr am frischgrtinen epheu als am dunkelgewordenen ephea
und mehr an der myrte ; die mjrte ist ja schon ohne beiwort als die
immergrüne, gedacht und steht so von selbst im gegensatz zu den
laubzweigen, welche gegen den winter hin dürr und trocken werden.
für einfachen ablativ beim comparativ statt quam und ablativ gibt
Kühner ausf. lat. gramm. II 976 gerade aus Hör. beispiele; der abl.
pulla bezeichnet den dunklem epheu als das mittel durch welches
die höhere freude am frischgrünen epheu bewirkt, oder als den mast*
Stab -an welchem sie gemessen wird. — Endlich möchte ich am
schlusz die überlieferte lesart Hebro beibehalten , die vielfach an-
genommene Snderung Euro ablehnen, zunftchst kann ja freilich der
Ostwind im winter wehen, aber eigentliche wintergegend ist der
norden; für den nordwind oder ein anderes bestimmt nordisches
element wäre es jedenfalls charakteristischer, der ^gewohnte genosz'
und kamerad des winters genannt zu werden, sodann hat gerade
die Jugend zu quellen und Aussen als nShrem der jugend und Jugend-
kraft ein besonderes religiöses Verhältnis: sie weiht ihnen zb. ihr
haar als Sinnbild der jugendkraft es würde also passen, dasz hier
die üppige jugend einem flusse etwas weiht, gerade in Italien weihte
man den quellen und Aussen gern zweige und kränze, man warf diese
dabei in das wasser. hier würde also die üppig frT^hliche jugend dem
ström des nordens, dem genossen des winters, bezeichnender
weise den dürren laubkranz weihen, was man eingewendet hat»
die römische jugend des Hör. sei nicht in Thrakien am Hebms, ist
seltsam, erstens steht nirgends , dasz es gerade oder nur römische
jugend sei, es ist jugend überhaupt, dichterisch ideale jugend. die
dichterisch ideale jugend lebt in einem dichterisch idealen land,
dessen berge unter umständen Haemus und Pindus heiszen, dessen
mecr gelegentlich das ikarische oder das kretische ist. die bewohner
dieses landes führen meist griechische namen; die geliebte eines
Jünglings in diesem lande ist aus Opus, eine andere aus Chios. im
norden dieses landes pAegt Thrakien zu liegen, von Thrakien her
kommt demnach auch der wilde nordsturm in das gäszcben der
Lydia, der Ausz , welcher den einwohnem als der eigentliche nord-
Ausz, als der winterkamerad gilt, ist daher von rechtswegen der
thrakische Ausz Hebrus. an diesen idealen winterstrom kann die
EUeydenreich : zum libellas de ConBtantino Magno. 503
ideale Jugend vermöge ihrer idealen beweglichkeit hingelangen, so
oft sie will ; freilich um einem fluszgott etwas zu weihen , braucht
sie noch nicht einmal an seine ufer zu wandern, sie weiht es ihm da^
wo sie ist. über ideale landschaft bei dichtem vgl. meine ^Horaz-
studien' s. 91. 229. 297, 1. 302, 1 ; über das ideale leben in solchem
lande habe ich ebd. s. 56 f. 72. 190 f. 196 f. gesprochen.
So viel von einzelheiten. frage ich nun schlieszlich wieder nach
dem zwecke des Horazischen realismus, so finde ich, dieser zweck
sei ein idealer. Hör. zeichnet das lebensschicksal seiner idealen
Lydia in zügen, welche scharf und hart eine harte, schneidende
Wirklichkeit wiedergeben, zu dem zwecke, der lebensstimmung des
teilnehmenden , aber gelassenen Zuschauers solcher lebensschicksale
ästhetischen ausdruck zu geben, und die Wirkung ist bei gleich-
gestimmten ebenfalls idealer art: es wird in ihnen ein lebensgeftthl,
das sie in der Wirklichkeit oft genug vielleicht unrein empfunden
haben mögen, in schöngegliederter bewegung wieder erzeugt, gegen
den Vorwurf des crassen realismus habe ich unsem dichter schon
bei der behandlung des zwanzigsten liedes im zweiten buch — Horaz-
studien s. 179 ff. — zu schützen versucht.
Basel. Theodor Plüss.
76.
ZUM LIBELLUS DE CONSTANTINO MAGNO.
Der kleine lateinische roman über Constantin den groszen und
dessen mutter Helena , welchen ich aus der dem vierzehnten jb. an-
gehörenden hs. J 46 der k. öffentlichen bibliothek in Dresden (D)
und der um etwa ein Jahrhundert jungem copie (F^ derselben in der
gjmnasialbibliothek zu Freiberg (CLYII fol. 141) zum ersten mal
herausgegeben, hat, wie aus der groszen anzahl der darüber bis jetzt
veröffentlichten arbeiten* hervorgeht, das Interesse von philologen
* da ich dieselben nirg^ends, auch nicht bei Schwabe in dessen
bearbeitang^ von Teuffels RLG. s. 988 und 1211 vollständig aufgeführt
finde, will ich sie hier verzeichnen: anonym! im philol. anzeiger 1879
s. 54 f. 8. 66 f., litt, centralblatt 1879 sp. 1288 f., revne historique
1880 8. 465. Burckhardt: die zeit Constantins des groszen* s. 402.
Eussner: zum libellus de Constantino im Philol. XLI s. 186 ff. Heyden-
reich in Schnorrs archiv f. litt, (i^esch. X s. 319—363, Verhandlungen
der Trierer philo logen vers. s. 177 ff., mitteil, des Freiberger Altertums-
Vereins XYII s. 122 und XVIII s. 128—130, König in den Berliner mitt.
aus der hist. litt IX s. 323. Landgraf in den blättern f. d. bayr. 6RW.
1879 s. 462 f, in philol. rundschan II sp. 216; Mie vulgata als sprach-
liches Vorbild des Constantinromans' im progr. von Speier 1881 s. 60 ff.
Ludwig in diesen jahrb. 1880 s. 654 f., zs. f. d. öst. gymn. 1880 s. 98 f.
EMeyer im Jahresbericht der gescbichtswiss. II Jahrgang I s. 128.
HJMüller in der Festschrift zu der 2n säcularfeier des Friedrich- Werder-
schen gymnasiums zu Berlin (1881) s. 41. Rohde in diesen jahrb. 1880
s. 655 f. Schmalz in diesen jahrb. 1881 s. 804. Schröter in diesen jahrb.
1880 s. 649 ff. Sprenger in philol. rundschau I sp. 214—219. Thielmann
in den blättern f. d. bayr. GRW. 1880 s. 124 f. 'Verbesserungen zum lat.
504 EHeydenreich: zum libellas de Constantino Magno.
und historikem derart beschäftigt, dasz es nicht unangemessen ist,
wenn ich im folgenden auf die gründliche und umfassende arbeit von
Achille Coen Mi una leggenda relativa alla nascita e alla gioventü
di Costantino Magno' (in Boma, presso Forzani e c, tipografi del
Senato. 1882. 191 s. gr. 8) die deutschen fachgenossen besonders
aufmerksam mache.
Als Separatabdruck aus dem 'archivio della societä Bomana di
storia patria' bd. lY und Y erschienen bringt dieses werk teils bei-
trage zur textkritik, teils eine sehr umflingliche sagenuntersuchong,
die, unabhängig von meiner eignen (archiv f. litt-gesch. X s. 319 —
363), zu ähnlichen resultaten gelangt, dieselbe aber in mehreren
stücken ergänzt, sie liefert damit zugleich den schlagendsten beweis
für die richtigkeit der bemerkung von FMSchröter in dieser Zeit-
schrift 1880 s. 652, dasz von einer historisch-kritischen prüfong des
lat. Constantinromans 'auch für die sagenweit des germanischen und
romanischen mittelalters erwünschte aufklärung zu erwarten ist.'
Da die bisher bekannten zwei hss. meines libellus ziemlich
fehlerhaft und unleserlich geschrieben sind , so ist es für die text-
kritik von hoher Wichtigkeit, dasz Coen innerhalb der im sech*
zehnten jh. geschriebenen, der biblioteca Chigiana zu Bom gebf^ren-
den hs. Q II 51 über deutsche und polnische geschichte unter n. 19
f. 171 einen neuen text des anonymus entdeckt hat. durch diese
hs. (C) wird zb. die fassung de talibus novibus (so in D und F) s. 9
z. 13 der ausgäbe als bloszer Schreibfehler für de talibus novis (so C)
erkannt und damit die Vermutung nubibus von Ludwig jahrb. 1880
s. 654 und sermonibus von Landgraf in bl. f. d. bajr. GBW. 1879
s. 464 beseitigt, completiert wird 14, 11 (D) o düeda domina mea
et sponsa, ego enim sum pauperis mulieris ßius durch C: o dileda
mea et sponsa, tibi genus et statum meumpandam. ego enim
sum usw. nicht minder erhält 22, 20 (D) qui a me non lange po 8t
mar cm ncgotiafuii gratia recessU durch C die richtige fassung ^i
postmodum a me longc ncg, g, r. damit erledigen sich die Ver-
mutungen post amorcm ncgotiandi gratia phil. anzeiger 1879 s. 55 ;
ad marc neg. gr, von Landgraf. ao. s. 465; non longam post
mar am von Thielmann in bl. f. d. bayr. GBW. 1880 6. 127. die
Iciiarten von C weichen erheblicher als die in F von D üb. so steht
zb. s. 14, 1 statt ipsi nos excitäbunt quando erit tempus vielmehr in
C: postquam tempus instabil abeundi, oder s. 5 z. 15 statt ipse de
hac vita sublatus fore dicitur antequam ego natus essem vielmehr in
C : antequam ego natus sum mortuus est, für eine neue bearbeitung
deä libellus de Constantino ist eine vollständige collation von C
unerläszlich.
Constuntiiiroman' anhaiig ded Speicrer progr. 1881 s. 60 — 67 und mehr*
faeh iu seiner abh. 'über spräche und kritiK des lat. Apolloniasromaiis'
ülxi. 8. 1 ff. Uscner iu verhdi. der Trierer philologenvers. 8. 179 f.
Wülfflin im pbilol. anz. 1870 s. 64 f. 1881 8. 250 f.
Fkgidero. Eduard Heydemreich.
ERSTE ABTEILÜNa
FÜB CLASSISCHE PHILOLOGIE
HERAUSGEGEBEN VON ALFRED FlECKEISBK.
77-
PBOLEQOMENA AD PAPTBOEUM UBAEOORUM NOVAM OOLLEOTIOMBM
EDENDAM . . SCRIPSIT CaROLUS WeSSELY VU^DOBONENSIS.
INSUNT DISQUISITI0MB8 PALAEO GRAPHIC AE ANTIQUARIAE DIPLO-
MATIGAE MBTROLOGICAB CHRONOLOGICAE INTERPRBTATIONESQUB
NONNULLOBUM PAPTBOEUM. Vindobonae sumptibus et typis Caroli
Gerold filii. MDCCCLXXXUI. 80 s. gr. 8.
Vorstehende arbeit umfaszt folgende abschnitte: disquisitio
palaeographica : vorliegende Urkunden bezeichnen den terminus ad
quem in der papyruslitteratur s. 1 — 10, disquisitio antiquaria: Ägyp-
ten in römischer, byzantinischer und arabischer zeit s. 11 — 21 , dis-
quisitio diplomatica: formular der Urkunden und dessen geschichte
s. 22 — 41, disquisitio metrologica: über münzbeschreibungen und
Zahlzeichen s. 42 — 47, disquisitio chronologica : verschiedene indic-
tionen s. 48 — 50, interpretatio instrumenti letlls. 50—61, appen-
dix de graecitate s. 62 — 65, addenda s. 66 — 71, index s. 72 — 80.
zu den lateinischen Überschriften sind die angegebenen deutschen
erläuterungen hinzugefügt, auf alle diese vielseitigen Untersuchungen
einzugehen kann nicht der zweck dieser anzeige sein, sondern es
sollen hier nur die disquisitiones palaeographicae und diplomaticae,
sowie die interpretatio instrumenti I et II ausfuhrlicher betrachtet
werden, wenn in der besprechung mancherlei irrtümer nachgewiesen
werden, so mag dies nicht unrichtig aufgefaszt werden, ich möchte
hm. dr. Wessely gern auf verschiedene fragen hinweisen, welche der
erörterung dringend bedürfen, und über die er jetzt leicht bei seinen
arbeiten beobachtungen anstellen kann, während ihm später eine
wiederholte durcharbeitung des gesamten materiales nicht erspart
werden würde, ich werde auch vereinzelt einige meiner beobach-
tungen mitteilen, soweit es der beschränkte räum gestattet.
Im allgemeinen mag über die arbeit vorausgeschickt werden,
dasz es immer gewagt erscheint, eine kritik von prolegomena zu
schreiben, bevor das genau bekannt ist^ wozu dieselben als vorrede
geschrieben sind ; anderseits sollten aber auch nicht eher prolego-
mena geschrieben werden, bevor der stoff, dem sie als vorrede dienen
JahrbQcher fQr class. philol. 1883 hft. 8. 33
506 HLandwehr: anz. v. CWessely prolegomena
sollen , allgemein zugänglich vorliegt, die in frage stehende arbeit
soll nun nicht eine vorrede sein für eine etwa zu veranstaltende
samlung sämtlicher griechischer papjri , sondern sie hat den zweck
im allgemeinen zu orientieren über die erwerbungen des hm. Theodor
Graf in Wien^ welche derselbe in Medinet- el-Fajnm gemacht hat
(vgl. 8. 74).
In dem ersten abschnitt wird eine aufzfthlung der griechischen
papyri unternommen, jeder der sich mit diesem gebiete der litta-
ratur beschäftigt hat wird einerseits die Schwierigkeiten nicht ver-
kennen, welche mit einer derartigen arbeit verknüpft sind, anderseits
aber wünschen dasz das was gegeben wird etwas vollständiges und
abschlieszendes sei: denn oberflächliche leistungen haben wir auf
diesem gebiete zur genüge, vor allem thut uns hier not eine sam-
lung und Sichtung des materials. dasz W. in diesem abschnitt etwas
derartiges gegeben habe, musz ich entschieden verneinen; weder
abgeschlossen noch vollständig kann seine Übersicht genannt werdeUi
selbst wenn man nur das bis jetzt bekannte material ins äuge fiisst.
ich kann keinen grund finden , weshalb aus der zeit der Ptolemfter
nur die gruppen der Urkunden des Ptolemaios des sohnes des Glankias
und die auf die Choachyten bezugnehmenden erwähnt und genan
aufgezählt werden, gibt es etwa auszer diesen keine andern papjri?
kennt W. nicht die sonstigen Urkunden der Ptolemäerzeit, die sieh
zb. in der Pariser samlung befinden, dazu die EäböEou t^xvt]? ftner
hat ja auch GParthej papyrusfragmente aus dieser zeit in den abh.
der Berliner akademie 1869 veröffentlicht, dann konnten die Dres-
dener papyri erwähnt werden , auf die JGDroysen in der Beiliser
litterarischen ztg. 1840 s. 270 hingewiesen hat: mit Einern wort,
diese aufzählung ist nicht vollständig, aber ebenso wenig vollstSndig
ist sie, wenn wir jene beschränkuug gelten lassen : denn s. 2 unter
Berolinenses fehlt der pap. Berol. n. 119, welcher eine griechische
Unterschrift unter einem demotischen kaufcontract enthält, derselbe
ist vom j. 182 vor Gh., also das älteste stück der papyruslitteraiar,
und danach müste auch berichtigt werden, was s. 1 gesagt ist: 'anti*
quissimi qui adhuc exstant sunt pp. graeci illi, qui inventi sunt in
regione Serapei.' jener pap. Berol. konnte W. bekannt sein: denn
er ist, wenn ich nicht irre, von Revillout in der 'nouvelle Chresto-
mathie d^motique' (das buch ist mir augenblicklich nicht zur hand)
veröffentlicht, es muste aber auch erwähnt werden, dasz wir neben
den Urkunden des Ptolemaios des sohnes des Glaukias auch ebenso
alte Codices wie den der €ub6£ou t^XVT] besitzen, für den der termi-
nus das j. 165 vor Ch. nach notices et extraits XYIII 2 s. 36 f. ist.
warum dieses paläographisch bedeutende fragment nicht erwähnt ist»
kann ich nicht ergründen, es mag hier gleichzeitig zu s. 2 anm. 2
ein nachtrag gegeben werden, bei einer erwähnung der controvarse,
ob Choachyten oder Cholchyten zu sagen sei, muste auf Bngdne
Bevillouts abhandlungen in der zs. für ägypt. spr. 1879 und 1880
verwiesen, namentlich 1879 s. 85 anm. 1 citiert werden.
ad papyrorum graecornm novam collectionem edendam. 507
In der aufzählung der papyrusurkanden der römischen kaiser-
zeit muste femer angeführt werden , dasz das Berliner maseam aus
dieser zeit nicht unbeträchtliche schätze besitzt, wenn dieselben
auch bis jetzt noch nicht in extenso publiciert sind , so konnte doch
W. davon künde haben aus der zs. ftlr ägypt. spr. 1878 s. 109, wo
Adolf Bauer kurz angedeutet hat, dasz in dem vom Berliner museum
erworbenen fände aus Fayum sich Urkunden aus der zeit des Alexan-
der Severus von 233 und 269 befinden.
Die auf s. 4 gegebene einteilung der papyri in 'I papyri scripti
aetate Ptolemaeorum, II papyri scripti aetate Bomanorum, III papyri
scripti aetate imperii Byzantini et Arabum Aegyptum occupantium'
ist eine willkürliche, die nichts für sich hat als die historische Zeit-
folge, ob sie aber richtig ist, wird dahin gestellt bleiben, eine andere
viel richtigere einteilung wäre die nach materien gewesen: denn
nach meiner ansieht musz scharf zwischen Codices und acta geschie-
den werden, wobei die acta wiederum in publica und privata zu
trennen wären, gesondert von diesen müsten wiederum schreib-
Übungen, wie sie zb. pap. Paris, n. 4 bietet, betrachtet werden, denn
ich glaube kaum dasz das, was von den Codices gilt, auch ohne
weiteres auf die Urkunden zu übertragen ist. — Ebenso wenig kann
ich die teilung der Fayumer funde (urkxmden , soweit sie in Wien
sind) s. 5 f. billigen, der vf. scheidet sie in classen BCDEP , wobei
ihU; wie es scheint, ein rein äuszerlicher umstand geleitet hat, nem-
lich die verschiedenen Zeiten , in welchen ihm die betreffenden Ur-
kunden zugesandt wurden, eine erleichterung bei der lectüre der
Schrift ist diese teilung nicht gerade, sondern man musz bei spätem
citaten wie zb. s. 64 sich immer erst besinnen , was etwa F 24 zu
bedeuten habe, und wird leicht verführt eine sachliche Scheidung
anzunehmen, wenn nun aber s. 67 f. auch papyri mit der Signatur A
citiert werden, so sucht man vergebens nach auskunft, welcher kate-
gorie denn diese papyri angehören, es wäre daher besser gewesen,
die sämtlichen papyri in fortlaufender nr. anzuführen und s. 5 an
der betr. stelle zu sagen, bis zu welcher nr. der vf. im august 1881
usw. kenntnis gehabt habe, dieser mein Vorwurf ist natürlich hin-
fällig ^ wenn etwa jene Zählung bei der katalogisierung der Wiener
samlung vorgenommen ist, worüber ich aber eine bemerkung in der
Schrift selbst vermisse.
Ich hatte in dieser disquisitio palaeographica etwas ganz anderes
erwartet, was für die geplanten prolegomena ohne zweifei von nutzen
gewesen wäre, es musten wirkliche disquisitiones palaeographicae
angestellt werden, dh. es muste klar gelegt werden, ob man aus den
buchstabenformen hilfsmittel für die datierung anderer Schriftstücke,
in welchen nicht das jähr eines herschers angegeben ist, gewonnen
werden können, dies wäre für die später erfolgende herausgäbe der
in Wien befindlichen stücke des Fayumer fundes ohne zweifei von
gröszerm nutzen gewesen, denn aus s. 31 ff. ersehe ich dasz in Wien
sich recht viele bmchstücke befinden, welche für eine datierung in
33*
508 HLandwehr: anz. y. CWessely prolegomena
aich selbsfc keinen anhält bieten, es konnte dann in der ausgäbe ge-
sagt werden : nach proleg. s. . . gehört diese Urkunde in die und die
zeit, doch durfte eine derartige Untersuchung sich nicht nur auf die
spätere zeit erstrecken, sondern muste, sollte sie fruchtbringend sein,
bis in die Ptolemtterzeit zurückgehen, hier hätte namentlich pap.
bibl. Paris, n. 40 sehr lehrreich sein kOnnen. wir haben in dem-
selben den entwurf zu einer Urkunde aus dem j. 156 vor Ch. über
form und Schreibweise der buchstaben kann man sich hier auf das
manigfachste unterrichten, so lernen wir zb. dasz 6 mit dreimaligem
aufsatz des rohres geschrieben wurde; in gleicher weise sind die
buchstaben o v Ui u charakteristisch, zu diesem papyrus wäre dann
pap. Londin. n. 2 und 4 (Forshall), welche gleichen schriftcharakter
zeigen, hinzuzuziehen, ich werde an anderer stelle auf diese dinge
zurückkommen, dasz Wesselj auf derartige Untersuchungen sich
nicht eingelassen hat, musz uns wunder nehmen, denn bei der aus-
gäbe des pap. Yindob. n. 31 (Wiener studien IV s. 192 ff.) hat er
es gethan und hätte diese forschungen hier auf die spätere zeit aus-
dehnen müssen, denn jeder , der sich mit griechischer paläographie
beschäftigt hat, wird wissen dasz, so schätzbar auch Gardthausens
Untersuchungen sind, denselben doch in vielen punkten die Voll-
ständigkeit fehlt, für eine ausgäbe der Fayumer funde, die in Wien
vorliegen und die nach Earabacek 'die ThGrafschen funde' (Wien
1883) wesentlich in die spätere zeit gehören, wäre eine derartige
Untersuchung allein aus den oben angegebenen gründen ersprieszlich
gewesen, selbst wenn diese Untersuchung ein negatives resultat ge-
habt hätte , was ich kaum annehmen kann , wäre sie von nutzen ge-
wesen.
Die abschnitte s. 6 f. über 'materia chartarum ipsarum, de
atramento et de scriptura' sind so kurz gefaezt, dasz ich nicht weisz
wozu sie hierher gesetzt sind, allerdings ist es richtig, dasz man
auf diese dinge rücksicht nehmen musz, aber in weit ausführlicherer
weise, ohne zweifei ist das active und passive Schreibmaterial von
groszem einflusz auf die entwicklung der form der buchstaben ge-
wesen, und man wird in vielen fällen die form dieses oder jenes
buchstaben erst dann verstehen können, wenn man sich das material,
mit dem jene Schreiber arbeiteten, vergegenwärtigt, sicher ist die
vervollkomnung desselben von groszem einflusz auf die form der
einzelnen buchstaben gewesen, ich will hier beispielsweise nur daran
erinnern, dasz es uns mit unserm europäischen Schreibmaterial ganz
unmöglich ist, in so eleganter weise die chinesischen schriftzeichen
zu schreiben, wie die Chinesen es können.
Auf den abschnitt *de scriptura' s. 7 f. kann ich mir nicht ver-
sagen etwas ausführlicher einzugehen, ich musz hier zuerst, um
allgemein verständlich zu sein, die werte des vf. selbst anführen:
'iam primum Oardthausen Pal. Gr. p. 171 cf. beitrage zur griech.
Pal. I p. 4 in opinionem incidit, quae quidem quamquam recte se
habet, tarnen aliquantum corrigi debet. deinde celeberrimi Watten-
ad papyrorum graecorum novam coUectionem edendam. 509
bachii opinionem (anleitung' p. 27), qui quidem statuit scripturam
codicum medii aevi, quae minuscula vocatur, neqnaquam cohaerere
cum scriptura ea quam dicunt cursivam — quam sententiam v. d.
Gardthausen (Pal. Gr. p. 173) iam merito notavit et perstrinxit —
refellendam totam et repudiandam esse pataverim.' das citat aus
Wattenbachs scbrift ist nicbt richtig : denn an dem angeführte orte
spricht Wattenbach gar «icht von derartigem, sondern zftblt nur die
Urkunden auf, welche in cursive geschrieben sind, femer hat Watten-
bach an keiner stelle der angeführten schrifb behauptet, dasz die
schriffc der Codices des mittelalters, die minuskel, durchaus niciit mit
der cursive zusammenhänge, vielmehr sagt er in der anleitung' s. 33 :
*es gestaltet sich als eine neue kunstform die minuskel, gebildet
aus einer mischung von capitalformen und cursivfor-
men.' ebenso wenig polemisiert Gardthausen an der von Wessely
angegebenen stelle s. 173 gegen Wattenbach, vielmehr stimmt er
s. 172 Wattenbach bei in der datierung der Urkunde vom j. 162
vor Ch. (beitrage I), wo bei Gardthausen richtig citiert wird 'Watten-
bach anleitung* s. 27.* welcher art dieser Irrtum Wesselys ist, ob
druckfehler oder gedSchtnisfehler oder dgl., kann ich nicht sagen, in
einer andern arbeit spricht Wattenbach allerdings etwas Shnliches aus
wie das was W, ihm vorwirft, in den schrifttafeln zur gesch. d. griech.
Schrift usw. (Berlin 1876) einl. col. I behauptet er Masz die bis ins
siebente jh. nach Ch. reichenden Urkunden wohl eine zunehmende
entartung der schrift zeigen, aber nicht den Übergang zur minuskel
bahnen', gegen welche ausführungen sich Gardthausen in seinen bei-
trögen (1877) s. 3 ff. u. gr. pal. (1879) s. 176 ff. gewendet hat.
Ich komme nunmehr zu der von W. s. 9 aufgestellten sehr com-
plicierten teilung der papyri. zunächst musz ich die schon oben von
mir zurückgewiesene strenge Scheidung zwischen unciale und cursive
abweisen, über die teilung unter A der litterae unciales kann ich
mir kein urteil erlauben, da ich nur die erste abteilung a kenne, von
der zweiten (exempla exstant in pp. meis) bis jetzt noch nichts zu
gesiebt bekommen habe, anders verhält es sich dagegen mit den
unter B zusammengefaszten papyri. die litterae cursivae werden in
a) quae ab uncialibus propiores stant und in ß) expeditae geteilt,
beide gruppen haben dann wieder Unterabteilungen nach der zeit der
Ptolemäer, Römer und Byzantiner, ich musz eine derartige schema-
tische teilung der papyri für unrichtig erachten, zumal auf die ligatur
der buchstaben eingehendere rücksicht nicht genommen ist, wie es
doch nach Gardthausens Vorgang hätte geschehen müssen. Wessely
wäre, wenn er genauere und tiefergehende Studien gemacht hätte,
ohne zweifei zu andern resultaten gekommen und hätte eine andere
Scheidung vorgenommen, was nun die für jede rubrik angegebenen
beispiele betrifft , so musz ich auch hier sagen , dasz er in der wähl
derselben nicht glücklich gewesen ist. als beleg für Uitterae quae
ab uncialibus propiores stant aetatis Ptolemaeorum' (B a I) hat er
nicht mit glück pap. Paris, n. 10 gewählt, besser wäre pap. Paris.
510 HLandwehr: anz. y. CWessely prolegomena
n. 8 gewesen, welcher einen der unciale noch näher stehenden schrift-
charakter als n. 10 aufweist, allerdings weisz ich nicht, wohin W.
pap. Paris. 12 und 13 rechnet, von denen der erstere durchaus keine
buchstaben cursiven Charakters zeigt, bei dem zweiten aber nur ein-
zelne wenige buchstaben Verbindungen eingegangen sind, so wird
beispielsweise im pap. Paris. 13 a und i bald verbunden, bald ge-
trennt geschrieben, wobei in beiden fftUen eine verschiedene form
des a gebraucht wird, ebenso wenig kann ich einen groszen unter-
schied finden zwischen pap. Paris. 69 und pap. bei Young &• 46. die
Alkmanfragmente durften auch nicht mit dem unbestimmten aas-
druck 'partes papyri Alcmanis Paris. 71 qui est aetatis Bom.' unter
die rubrik B a II gesetzt werden, sondern es muste gesagt sein,
welche partes der vf. im äuge gehabt habe, was die rubriken
B a, ß II anlangt, so will ich hier nur bemerken, dasz die Unterschrift
des Kallinikos aus besondem gründen von der schrift der Urkunde
abweicht, man musz berücksichtigen, dasz die Urkunde ein pro-
fessionierter Schreiber abgefaszt hat, die Unterschrift aber von jemand
darunter gesetzt ist , der das schreiben nicht als sein band werk be-
trieb, in den griechischen Urkunden wurden stets lacken gelassen,
welche später bei der Vollziehung derselben von anderer band aas-
gefüllt wurden, zb. pap. Paris. 69 col. B 25 , wozu sich aus den bis
jetzt veröfifentlichten Urkunden mit leichtigkeit noch mehrere bei«
spiele hinzufügen lieszen. jeder, der den pap. Vindob. 31 mit dem
bei Young vom j. 354 bierogl. s. 46 vergleicht, wird mit leichtigkeit
erkennen, dasz beide papyri durchaus nicht in dieselbe reihe xn
stellen sind.
Bei der 'disquisitio diplomatica' können wir uns kürzer fassen
als bei dem vorhergehenden abschnitt, der vf. will nachweisen^ dasx
in den griechischen Urkunden der christlichen zeit ein gewisses
Schema zur anwendung gekommen sei: er entwirft dieses schema
und detailliert es. wenn ich nun auch zugebe dasz bei der abfassung
der Urkunden eine gewisse conventionelle form geltend gewesen sei,
so kann ich doch nicht einer so weit gehenden schematisierung, wie
sie s. 2;^ if. vorgenommen ist, beistinunen. es erinnert dies an die
behandlung der attischen Urkunden durch Hartel, dessen schttler ja
Wessely ist, in den Studien zum attischen Staatsrecht, lohnend wäre
es gewesen, wenn Wessely die von ihm s. 22 berührte frage über
den Zusammenhang der Urkunden christlicher zeit mit den demo-
tischen der Ptolemäerzeit weiter verfolgt hätte, es musten hierbei
dann auch die griechischen Urkunden der Ptolemäerzeit herangezogen
werden , die in der form mehrfach von den demotischen derselben
zeit abweichen, durch das aufgestellte schema wird es W. mOglich
viele fragmente, auf denen oft nur ganz geringe buchstabenreste
erhalten sind, zu completieren , wovon sich in der schrift s. 31 ff.
viele beweise finden, mag es mir gestattet sein über die von W. in
seiner schrift gegebenen stücke aus den Fayumer funden im all-
gemeinen mein urteil abzugeben, die kürzlich erschienene und von
ad papyrorum graecoram novam coUectionem edendam. 511
mir bereits oben erwILhnte schrift von prof. Karabacek zwingt mich
zum teil dazu, in Wien sieht man ohne zweifei die dort befindlichen
stücke der Fayumer funde für viel bedeutender an, als sie in der
that sind, daher glaubt auch W. jedes noch so kleine stUck mit-
teilen zu müssen. Karabacek spricht von rund 10000 stücken der
papyri, aber man glaube deshalb ja nicht, dasz dies 10000 vollstän-
dige Urkunden wären, in welchem falle die Wiener Fayumer papyri
eine ungeheure bedeutung hätten, im gegenteil der gröst« teil der
samlung sind kleine, unbedeutende stücke, deren W. eine ganze
anzahl mitgeteilt hat; der vollständigen Urkunden sind gegenüber
jener obigen zahl verschwindend wenige, es musz allerdings die
weitere Untersuchung jener kleinen stücke lehren, ob sich viele von
diesen zu gröszem partien zusammensetzen lassen werden, da W.
sich bereits längere zeit mit jenen funden beschäftigt hat, so ver-
spreche ich mir von der samlung sehr wenig, viel bedeutender und
besser erhalten sind die vom Berliner museum (ägyptische abteilung)
erworbenen Fayumer funde. auch im alter gehen sie viel weiter
hinauf: vgl. AdBauer in der zs. für ägypt. spräche 1878 s. 108 £f.,
FBlass ebd. 1880 s. 34 ff., Landwehr edit. pap. Berol. n. 163 (Gotha
1883) s. 7.
Am schlusz der disq. dipl. konnte s. 40 f. die stelle des Corpus
iuris nov. 47 ausführlicher behandelt werden, wozu bei AdSchmidt
'die griech. papyrusurkunden der k. bibl. zu Berlin' (1842) sich
reichliches material fand, dessen nochmalige behandlung sicher nicht
ohne resultate geblieben wäre.
Eine im fünften abschnitt der schrift, der Misquisitio chrono-
logica' s. 49 gemachte conjectur mag mir gestattet sein hier zu be-
sprechen. W. will bei Toung hierogl. pap. 42 (soll wohl heiszen
tab. 46) lesen: uiraTeuövTUJV becTroTdiv fijiiujv KujvcTavTivou
AuTOucTou TÖ V Ktti KajvcTavriou dTiKpavecTdiou Kaicapoc tö t'
TÜßi iV IvbiKTidivoc in' *eX€<pavTivij TiöXei Tfjc fivuj Örißatboc
in der Urkunde steht iy 'EXeqpavTivij , was ich nicht ohne weiteres
zurückweisen möchte, wenn ich pap. Paris, n. 21 bis z. 2 ivbiKTiuJVOC
iv KU)jLir) Givöc ^K Giißaiou dTrapxiac vergleiche, auf s. 50 befindet
sich ebenfalls eine stelle, an der ich der lesung des vf. entgegen-
treten möchte, pap. D 1 bietet nach dem vf.: diT€iq) ly oip/ X] iv$ €ir
ApciVs, was er so ergänzt: iiie\q> ly' dpx^ dybÖTic IvbiKTiiövoc in*
'ApcivotTOU. nun ist aber auf s. 49 gesagt: 'compendio dp/ vel dpc
significari Arsinoiticam' und etwas weiter unten, dp sei gleich dpxr).
wenn also das was W. gesagt hat richtig ist, so kann ap/ nicht gleich
dpxn sein, sondern wäre die bezeichnung der Arsinoitischen ära.
diese kann wiederum auch nicht gemeint sein, da sie gleich darauf mit
€Tr ApciVs bezeichnet wird, ich möchte daher vorschlagen zu lesen:
ineitp it' dpxQ tvbiKTiUJVOC ^tt* 'Apcivotiou. es wäre dann der von
W. notierte abkürzungsstrich bei ap der rest eines verwischten x*
ich habe die Urkunde selbst nicht gesehen, weisz daher nicht ob meine
lesung zu den folgenden, vielleicht erhaltenen werten passt.
512 HLandwehr: anz. v. CWessely proLegomena
Ich komme nunmehr zum dritten pankt unserer erörtemng, der
^interpretatio instrumenti I et IE', beide Urkunden, die eine vom
j. 618 nach Ch., die andere aus dem 6n — 7n jh. nach Gh., von denen
autographierte facsimili beigefügt sind , wurden erst zeile für seile
mit allen abkürzungen der handschrift transcribiert, dann in fort-
laufenden Zeilen ohne abkürzungen abgedruckt; hierauf folgt die
lateinische Übersetzung derselben, woran sich einzelne erklftrende be-
merkungen anschlieszen. die lectüre der facsimili wird durch jene
doppelte Wiedergabe des griechischen textes dem der griechischen
paläographie weniger kundigen sehr erleichtert, was die erste
wiedergäbe der Urkunden, wo die Zeilen genau so abgeteilt sind^
wie es die Urkunde vorschreibt, anbelangt, so kann es leicht ver-
wirrend wirken, dasz für das abgekürzte Kai und für die bezeichnnng
eines abgekürzten wertes am ende desselben fast dasselbe zeichen
gebraucht wird, zb. C xz z. 2 5 *« Kai, z. 5 und 12 dasselbe s
als bezeichnung des abgekürzten wertes, in z. 5 scheint nach dem
von W. autographierten facsimile in dem papyrus ein ähnliches
zeichen zu stehen, aber z. 12 ist dies nicht der fall, sondern wir
haben 9^ interessant ist es, diese abkürzung des Kai auch aus den
griechischen papyrusurkunden (soviel ich augenblicklich sehen kann,
kommt dieselbe sonst nirgends vor) kennen zu lernen, die sonst sich
Läufig in hss. findet, zb. im cod. Palat. 281 saec. XI (bei Wattenbach
zwölf schrifttafeln s. 3). bemerkenswert ist femer, dass diese ab-
kürzung nur in den präscripten der Urkunden C zx und B i, nicht
im eigentlichen texte derselben angewandt ist, wie C zx z. 33 und
B I z. 19. 24. 27 lehren, ob auch in den übrigen Urkunden dieser
zeit so ver&hren ist, wäre wohl der mühe wert zu untersuchen. la
der transcription des instr. I will ich noch bemerken , dasz ich die
anm. 37 und 38 auf s. 51 *ez uiXimiou correctum' nicht verstehe,
denn das facsimile weist nur in z. 10 eine correctur auf, wo ich aber
auf grund des facsimile nicht zu entscheiden wage , ob W. recht hat
oder nicht, auf mich machen allerdings die wiedergegebenen schrift-
züge nicht den eindruck, als ob ujXinriou ursprünglich dort gestanden
hätte, anders verhält es sich mit der notierten correctur in anm. 38
auf die rückseite des papyrus bezüglich, hier ist im facsimile deni-
lich zu lesen uiXujiimou , eine correctur ist von W. nicht angezeigt.
also entweder ist an dieser stelle das facsimile nicht genau (was bei
einer autographie, wie ich aus eigner erfahrung weisz, sehr leicht
passieren kann), und dann ist mein einwurf hinfällig, oder W.s auto-
gramm ist richtig , und dann ist anm. 38 überflüssig, in der inter-
pretatio instr. I s. 53 kommt der vf. auf diese frage zu sprechen,
aber seine werte sind hier ebenfalls unklar, er sagt nemlich : 'quam-
quam clare et perspicue exarata sit lectio ijbXujLiTriou, tarnen dabinm
non est, quin öXujiiTriou genuina sit utroque autem loco librarini
haesitavit, utrum UJXu^TrlOU an diXumou exararet; ^ littera enim
utroque loco videtur esse addita.'
Die bemerkung über Ou€väq>pioc hätte nicht in dieser form
ad papyroram graecorum novam coUectionem edendam. 513
gegeben werden sollen: denn sicherlicli hfttte sich noch weiteres
material für die erörterung dieser gr&cisierenden form finden lassen«
mit den formen Alexander für 'AXäavbpoc nnd Macedo für MaK€buiV
durfte OÖ€vd(ppioc nicht in parallele gestellt werden. — Die s. 62 ff.
gegebene appendix 'de graecitate' enthält manches bemerkenswerte,
was jedenfalls bei weiterer Untersuchung jener und anderer griechi-
scher papyri noch ausgedehnt werden kann, doch ist auch hier des
interessanten schon manches geboten, so dasz x] und €, ai und €
mehrfach verwechselt werden, woraus rückschlüsse auf die damalige
ausspräche gemacht werden können.
Somit sind wir am ende der abhandlung angelangt, und es mag
gestattet sein unser gesamturteil zusammenzufassen, die arbeit W.s
enth< manches wertvolle und hat einen weiten gesichtskreis, aber
gerade diese Vielseitigkeit der einzelnen abhandlungen ist fdr das
buch nicht von vorteil gewesen, sondern hat an vielen stellen die gründ-
lichkeit beeinträchtigt, prolegomena kann die arbeit nicht genannt
werden, wie ich oben dargethan habe, auch ist sie kein ^specimen
editionis novae papyrorum graecorum', sondern eine Zusammenstel-
lung einzelner Untersuchungen ^ wie sie bei der durcharbeitung jener
Fayumer Urkunden in Wien entstanden sind, wenn also W. jene
Grafsche samlung der Fayumer funde herausgibt, so wird er sich ent-
schlieszen müssen neue wirkliche prolegomena zu schreiben, es
wird dabei manches in der vorliegenden arbeit zu streichen, aber an
noch mehr punkten wird eine weitere ausfuhrung notwendig sein.
Berlin. Hüso Landwehr
78.
ZU HIERONYMÜS DE VIRIS ILLUSTRIBUS.
praef. s. 2 (Herding) si qui autem de his qui usque hadie scrip'
tüant a me in hoc vohmine praetermissi sunty sitn tnagis quam
mihi imputare dehebunt. neque enim cdantes scripta sua de his^
quae non legi, nosse potui, et qtiod äliis forsvtan notum, mihi in
hoc terrarum angülo fuerit ignotum. die Versicherung des Hierony-
mus, dasz er Schriftsteller aus dem, was er nicht gelesen, nicht
habe kennen lernen können, ist zu albern als dasz wir sie dem Hier,
zutrauen könnten, ich schreibe conlegi statt non legi, dadurch
kommt 1) das cdantes scripta zur geltung: Hier, kann aus seinen
samlungen manche Schriftsteller nicht kennen lernen, da sie ihre
Schriften verbergen ; 2) wird dadurch der gedanke des ganzen satzes
besser gegliedert: die samlungen des Hier, sind unvollständig, weil
manche schriftsteiler ihre Schriften geheim halten und weil sein
aufenthaltsort nicht geeignet ist fflr grosze samlungen.
c. 13 s. 19 hat Herding den text so gestaltet: apparuU enim
eis tertia die vivens. muUa et haec et aHia miraWia carminihus pro-
514 WGemoU: zu Hieronymus de virlB illustribas.
phäarum de eo vatUmantibus et usque hodie Christianomm gern ab
hoc sortUa vocäbuHum non defecü. Hier, führt hier eine stelle des
losephos an und zwar, wie die yergleichung der ganzen stelle von
eodem tempore fu4t lesus an lehrt, in wörtlicher Übersetzung, es ist
jüd. alt. XVIII 3, 3. unsere worte heiszen da: £q)dvTi Totp auTOic
TpiTTjv f x*wv fijLi^pav TrdXiv Cäv, toiv Ociuiv iTpoq)iiTU)V raOrd le icai
dXXa fiupia Oau^dcia 7T€pi auToG eipriKÖTiuv. €ic^Ti t€ vOv toIv
XpiCTiavdEiv dirö ToCbc (bvo^acJLl^vuiV ouk dir^Xme tö q>OXov. da
nun der satz muUa et haec et aUa . . defecit gar keinen sinn gibt,
hauptsächlich wegen des e^^ d. h. wegen des fehlenden verbums im
ersten teile des satzes, da femer multa et haec et dtia kein ver-
nünftiger mensch sagen wird , so ist es am geratensten die vorläge
unserer Übersetzung zu rate zu ziehen und mit Umstellung von muUa
zu schreiben: vwens^ et haec et myUa aUa mrabüia carmmibus pro-
phetantm de eo vaticinantibus. et u$gue usw.
0. 59 S.41 Gaius . .in eodem volMmineepistidasquoguePaMtre-
dedm tantum enumera/ns quartam decimamt quae fertur ad Hebraeoa^
diät non eiiu8 esse; sed apud Bomanos tisgue hodie qt^asi PauU apostdU
non habetur, sed ist ansUSszig: 1) die beiden durch sed getrennten
Sätze enthalten keinen gegensatz. Gaius, der wohl in Bom lebte
(s. die ersten worte dieses cap. Qaius suh Zephyrino^ Bomanae u/rbis
episQopo\ und ebenso die Bömer rechneten den brief an die Hebräer
nicht unter die Paulinischen. 2) diese ansieht der Bömer war auch
die der christlichen weit: s. c. 5 s. 12 episiula autem quae fertur ad
Hebraeos non eius creditur . . sed vet Barnäbae . . vd Luoae evan-
geUstae . . vel Clementis^ Bomanae postea ecclesiae episcopi. soll also
die besondere ansieht der Bömer Über den Hebräerbrief hervor-
gehoben werden , so kann es nur eine der allgemeinen und der an-
sieht des Gaius entgegengesetzte sein, nemlich dasz sie Paulus für
den Verfasser hielten, erst dann wird die erwähnung der Bömer an
unserer stelle verständlich, wenn Hier, sagt: trotzdem der römische
priester Gaius den Hebräerbrief fllr unecht erklärte, hält die römische
gemeinde ihn bis heute noch für echtpaulinisch. man musz demnach
non vor habetur streichen, wirklich hat auch der Bambergensis 677
saec. XI, wie Herding praef . s. XXIX angibt, non ausgelassen, femer
gab es, wie Hier. c. 5 ae. angibt, eine ansieht, nach welcher Paulus
diesen brief hebräisch geschrieben und Clemens ihn ins griechische
übersetzt hatte, so dasz die Bömer mit ihrer ansieht nicht allein,
wenn auch im gegensatz zu Gaius standen.
Stribgau. Wilhelm Gbmoll.
AUöck: zur geschichte des zweiten athenischen bundes. 515
79.
ZÜE GESCHICHTE DES ZWEITEN ATHENISCHEN BUNDES.
In seinen ausführlichen Untersuchungen über den bund, wel-
chen die Athener im j. 378 vor Ch. zum schütz gegen die sparta-
nische Übermacht mit einigen griechischen küsten- und inselstaaten
stifteten, war GBusolt* zu dem resultat gelangt, dasz bei beratungen
Über krieg, frieden und bündnisse mit auswärtigen Staaten der rat
der bundesgenossen (tö koivöv cuv^bpiov tuüv cujiijLidxtüv) dem athe-
nischen Volke gegenüber nur eine beratende stimme gehabt habe,
der demos sei nemlich berechtigt gewesen ein dogma des bundesrats
über einen mit einem fremden Staate abzuschlieszenden vertrag zu
verwerfen und dann im namen des bundes einen den vorschlagen
des synedrions nicht entsprechenden vertrag abzuschlieszen, der für
die bundesgenossen bindende kraft gehabt habe, ohne dasz die
Athener verpflichtet gewesen seien, ihre änderungen auch nur nach*
trftglich von bundesrate genehmigen zu lassen.
Dieser ansieht bin ich zuerst in einem aufsatze entgegengetre-
ten, der sich in diesen jahrb. 1878 s. 473 ff. findet, während ich
mich hier bei der Widerlegung von Busolts ansieht hauptsächlich auf
die eidesformeln der inschrift CIA. IE I add. n. 49 ^ stützte , habe
ich im Hermes XIV s. 119 ff. meine entgegenstehende ansieht durch
eine Untersuchung der Verhandlungen des Philokratischen friedens
vom j. 346 zu befestigen gesucht, dieselbe geht dahin, dasz das athe-
nische volk bei der beratung über krieg, frieden und bündnisse mit
fremden Staaten sich nach den vorschlagen der majorität des bundes-
rats richten oder , wenn es dieselben verwarf oder abänderte , seine
änderungen nachträglich vom bundesrate genehmigen lassen muste,
ehe es die mitglieder des bundesrats zur beschwör ung des im namen
des bundes abgeschlossenen Vertrags veranlassen durfte.
Dieses resultat hat Emil Lenz in einer Königsberger diss.' dahin
präcisiert, dasz die öötjlk^'^oi cufijLidxuJV über bündnisverträge nicht
von derselben bedeutung gewesen seien wie die über krieg und frie-
den, während nemlich die Athener ohne Zustimmung der mehrheit
des bundesrats keinen bundeskrieg anfangen oder beendigen konn-
ten (Lenz s. 24 ff.) , waren sie bei dem abschlusz eines bündnisver-
trags mit auswärtigen mächten zwar auch verpflichtet den bundes-
rat zu einem gutachten über das bündnis aufzufordern, brauchten
sich aber beim abschlusz des bündnisses an die vorschlage des syn-
edrions nicht zu binden ; wenn sie dieselben jedoch verwarfen oder
abänderten , so konnten sie die mitglieder des bundesrats nicht zur
beschwörung des Vertrags zwingen (ebd. s. 30 ff.).
* ^der zweite athenische band' im 7n «upplementbande dieser jahrb.
fl. 641 ff., wo über die uns hier beschäftigende frage s. 690 ff. gebandelt
ist. ' Mas synedrion der bundesgenossen im zweiten athenischen bunde'
(Elbing 1880).
516 AHöck: zur geschichte des zweiten athenischen bundes.
Ob diese strenge scheidang zwischen friedens- nnd bündnis-
yertrftgen berechtigt ist, scheint mir zweifelhaft, in vielen Allen
war beides eng mit einander verbunden, so zb. in den beiden wich-
tigsten fällen, denen wir unsere künde von der mitwirknng des bnn-
desrats bei solchen Verhandlungen verdanken, bei den Verhandlungen
mit Dionysios I von Syrakus im j. 368 und bei den Verhandlungen
des Philokratischen friedens im j. 346. im erstem falle handelt es
sich sowohl um die beschickung des friedenscongresses in Delphoi
als auch um den abschlusz eines bündnisses zwischen Athen und
Dionysios (Lenz s. 31 ff.); im letztem beschlosz das volk im gegen-
satz zu den vorschlftgen des bundesrats, mit Philippos nicht nur frie-
den, sondem auch ein bündnis zu sohlieszen (Lenz s. 58 ff.).
Da aber beide Verhandlungen von Lenz ganz besonders auch
dazu benutzt werden, um die modalität der Verhandlungen zwischen
dem bundesrat einerseits und dem athenischen rat und volk ander-
seits zu erlftutem, und ich auch in diesem punkte seinen ausfUhrun-
gen nicht ganz beistimmen kann, möge es mir gestattet sein diese
Verhandlungen hier noch einmal einer kurzen besprechung zu unter-
ziehen und im anschlusz daran sowohl den geschSftsgang als auch
die bedeutung der bÖTMOtra cu^x^dxuiv zu erörtem.
Die Verhandlungen der Athener mit Dionysios I von Syrakus
sin^ von ÜEöhler in den mitteilungen des deutschen arch. Inst, zu
Athen I s. 13 ff. ausführlich besprochen worden, im sommer 368
vor Gh. kamen gesandte des sikelischen tyrannen nach Athen , um
mit den Athenem und ihren bundesgenossen zu verhandeln, ttber
das ergebnis dieser Verhandlungen besitzen wir ^wei Urkunden, CIA.
n 1 n. 51 und 52. die erste der beiden Urkunden ist ein probuleu-
matisches decret aus der zehnten prytanie des jahres des archon
Lysistratos (369/8). es lautet:
[*67rl A]u[ci]cTpdTOu äpxovroc dirl [ttJc • . • j]
. . (b]oc bcKdTTic 7rpuTav€[{]ac , ß] *6[E]ti[k .
. . . . ]i[ ] *AZnvi€[ü3c ifpami&xe[\)e
V Tiijv irpo^bpuiv] i[7r€]i|ifi[q)i]C[€ '
|. . . i]bioc cTircv ' ircpl dbv o\ irp^cßetc o[V
irapd] Atovu[c](ou flKOv[T€]c X<touci[v], b€b[öx'
0ai Tfi]i ßouX^' TTcpi \xky tiBv Tpö[M]Md[Tuiv
dbv ?tT€]vt|i€v Atovuctoc, [tflc] o[lK]obo)ui[iac
TOÖ V€]di Kttl Tflc €lpifi[v]llC TOUC CU[^]p<i[X0UC
10 bÖTMla Ö€V€[t]K€[iV €lc] TÖV bflflOV, [ö Tl ÄV
aÖTojTc ßouX€u[o]fi[^]voi[c bOK]Q äpi[CTOV
clvaji- irpocaraTctv bk t[oöc] Trp^c߀[tc cl
15
TÖV] bflflOV €l[c] Tf|V 1Tpi(nr[Tlv] £KKX[TlCiaV TT
pocKlaX[^c]avT[a]c toöc [cuMMaxMuc [toöc ir^
po^bjpouc [K]al Xprn]MaT[(]2:[€i]v mcpl iLv [X^tou
av, TlyifiM[nv] b[fe c]uMßdXX€[cea t [tflc ßouXf|'
c ic T[dv bfiMOv, ÖTi bo[K]€i Tfi[x] ßou[Xi}, im
tv^c]ai ^^v Aiovuctov tö[vj CtK€[X{ac dp'
AHöck: zur geschichte des zweiten athenischen bundes. 517
XOVT]a K[a]i Touc ueic toüc rAi]ovu[ciou Ai
20 0VU]C10[V] Kttl 'ep^ÖKplTOV, OTl €[iclv fivö
pec] dtaGoi [Tr]€pi töv bf\iio\ töv ['A0T]valuj'
y Kttl] TOUC cu^fidxouc Kttl ßon9[oGciv Tfl
i ßacJiX^uüC €l[pri]vij f^v i[Tr]orica[vTO 'AGriv"
aioi] Kai AaK€bai^6vio[i] K[a]i [ol äXXoi ^'E
26 XXnV€C] Kttl [A]l0[v]uCl4i flfev [äTtOTT^^TieiV T
öv CT^qpavov] öv iiiin9ic[a]T0 6 [bfifioc, ct€9'
aviücai bfe TOÜC u]€Tc TOUC Aiov[uciou xp^c
]ifi CT€9äv4i dJK[dT]€pov [d]Trd [xiXliüv bpax'
jbidiv dvbpataGijac [2v]€[Ka Kai 9iXiac* etv
30 ai bk Aiovuciov Kai] to[u]c ü[€Tc auTOu *A0ri
yalouc auTOuc] Ka[l] iKT6vou[c Kai 9uXf)c k'
al brmou Kai 9]pa[T]piac [fjc &v ßouXriTai, t
ouc bfe 7rpuTdv€]ic [tou]c [thc 'CpexOni^oc bo
övai TfjV niti90V 7r€]pl [auTOu usw.
die folgenden zeilen sind nicht zu entziffern; doch lassen sich in z. 40
deutliche spuren der aufzeichnungsordre erkennen (vgl. Köhler s. 14).
Obgleich in den praescripten dieser inschrift die sanctionierungs-
formel nicht erhalten ist , dürfen wir doch aus den von Kartei und
Lenz^ angeführten gründen nicht zweifeln, dasz dieselbe fboHev T^
ßouX^ Kai T(fi biifiifi gelautet habe, und dasz wir also nicht einen ein-
fachen ratsbeschlusz , sondern ein sog. probuleumatisches decret dh.
ein zum volksbeschlusz erhobenes irpoßouXeujLia vor uns haben, in der
erklärung der probuleumatischen decrete bekämpft nun Lenz s. 35
mit recht die hypothese Harteis, wonach die auch in unserer in-
schrift z. 12 ff. vorkommende sog. probuleumatische formel irpoc-
atat€iv bk TOÜC irp^cßeic elc töv bflfiov eic Tf|v irpoiTiiv ^KKXriciav
TOÜC Ttpoebpouc Kai xPHM^TiCeiv nepl div X^to^civ nicht von dem
Standpunkte der ratssitzung zu verstehen sei, in welcher das lipo-
ßoüXeufia abgefaszt ward , sondern von dem Standpunkte der volks-
versamlung , in welcher es genehmigt ward , dasz also die worte elc
Tf)V TTpu)Triv dKKXnciav nicht auf die erste, sondern auf die zweite
versamlung nach der abfassung des TTpoßouXeufia zu beziehen seien. ^
jedoch führt Lenz seine entgegenstehende ansieht nicht consequent
durch, sind die worte elc ttiv TipiuTriv dKKXriciav, worüber meiner
meinung nach^ die inschrift CIA. II 1, 76 keinen zweifei aufkommen
läszt, vom Standpunkte der ratssitzung aus zu erklären, so darf man
keine Urkunde, in welcher sich die probuleumatische formel findet,
anders erklären, dies thut aber Lenz bei der inschrift CIA. II 1, 51.
3 Hartel Demosth. Studien II 50 ff. Studien üb. att. Staatsrecht s. 106.
Lenz 8. 32. * diese auffassun^ Harteis, auf welche er seine theorie
von der ersten und zweiten lesung in der athenischen volksversamlung
und von der procheirotonie stützt, ist auch sonst lebhaft bekämpft wor-
den, so von GGilbert in diesen jabrb. 1879 s. 225 ff. 1880 s. 529 ff., vom
vf. dieses aufsatzes ebd. 1880 s. 801 ff., von AHug in seinen Studien
aus dem class. altertum I s. 104 ff. ^ vgl. meine anzeige von Harteis
Studien üb. att. Staatsrecht in der Jenaer litt.-ztg. 1879 s. 263.
518 AHöck: znr geschichte des zweiten athenischen bandes.
er gesteht s. 34 ff. Hartel zu , dasz die definitive entscbeidnng über
die antrSge des sikelischen tyrannen erst in der zweiten Tolksversam-
Inng nach der abfassnng des trpoßouXeu^a, das unserer Urkunde zu
gründe liegt, erfolgen konnte, er wird dadurch genötigt s. 42 eic
Tf|V Trpdmiv diacXnciav geradezu zu übersetzen *in die zweite
volksyersamlung', was natürlich eine reine Unmöglichkeit ist. die
gründe, die ihn dazu bestimmen, sind folgende: sind in den pro-
bnleumatischen decreten die werte eic Tf|V irpumiv ^kkXticiov vom
Standpunkte der ratssitzung zu verstehen, so musz man annehmen
dasz alles, was der zur einleitung des eigentlichen TrpoßotJX€u^a
dienenden formel TViib^T|V bk. EufißdXXecOm Tf^c ßouXf^c de töv
öf\^ov, ÖTt bOK€i tQ ßouXQ vorausgeht, sowie diese formel selbst
beschlüsse des rates enthftlt, die zu ihrer ausfUhrung der genehmi-
gung des volkes nicht bedürfen, dies ist denn auch die ansieht der
gegner Harteis, wie sie besonders klar von Hug ao. s. 126 ff. dar-
gelegt ist. danach wSren in unserer inschrift sämtliche beschlüsse
von Ö€b6x0at tQ ßouXQ in z. 7 bis ÖTi boKet tQ ßouX^ in z. 17 selb-
ständige beschlüsse des rates, deren ausführung innerhalb seiner
competenz läge.
Der erste dieser beschlüsse geht nun dahin, dasz die bundes-
genossen (dh. die mitglieder des bundesrats) über das schreiben des
Dionjsios, den tempelbau und den frieden ein gutachten an das volk
einreichen sollen , wie es ihnen bei reiflicher erwägung am besten
scheine, an diesem beschlüsse nimt Lenz in doppelter beziehung
anstosz. zunächst erftihren wir nemlich aus der inschrift CIA. II 1
add. n. 57 ^, dasz im j. 362 das dogma der bundesgenossen über das
bündnis mit den Arkadem, Achaiem, Eleiem und Phliasiem zuerst
beim rate eingereicht ward und erst durch diesen an das volk ge-^
langte, daher behauptet Lenz s. 33 im anschlusz an Hartel (Demosth.
Studien II 48 ff.), dasz in der inschrift n. 51 der ausdruck TOÖc
cufifidxouc h6f\ia ££ev€TK€iv eic töv bf^^ov ungenau sei, dasz
vielmehr auch in diesem falle das gutachten des bundesrats seinen
weg an die volksversamlung durch den rat genommen haben müsse,
obgleich sich diese beweisführung auf den bekannten grundsatz des
attischen Staatsrechts ^r\bky dfiv dirpoßoöXeuTOV eic töv bf)^ov €lc-
qp^pecOai beruft, kann ich ihr doch nicht beistimmen, wegen des
verschiedenen Wortlautes beider urkanden glaube ich vielmehr, dasz
in beiden fällen auch ein verschiedener geschäftsgang beobachtet
worden sei. aus CIA. II 1, 168 wissen wir, dasz der rat durchaus
nicht verpflichtet war über jeden gegenständ , den er vor die volks-
versamlung brachte, ein materielles gutachten abzufassen, sondern
dasz er sich bisweilen mit der formellen einbringung eines Ver-
handlungsgegenstandes begnügte, dies konnte er hinsichtlich der
antrage des Dionysios um so mehr thun , als diese ja ohnehin vom
bundesrate begutachtet wurden, ich schliesze mich daher nicht nur
der ansieht Köhlers ao. s. 18 an, wonach das dogma des bundesrats
über die vorschlage des sikelischen tyrannen vor dem volke die stelle
AHöck : zur gescbichte des zweiten atheniBchen bnndes. 519
des TTpoßouXeufia yertreten sollte, sondern glaube aucb in der Ur-
kunde selbst eine andeutung darüber zu finden, wie nemlich in der
inscbrift 168 der rat mit den Worten dKOÜcavra TÖv öf)fiov tujv
KiTi^uiV Ka\ SXXou 'AOrivaiuiv toO ßouXofi^vou ßouXeucacOai ö ti
&v auTqj boK6i SpiCTOV elvat auf sein recbt das gesucb der
Eitier zu begutachten verzichtet, so lesen wir in n. 51 : touc cufi-
fidxoiJC bÖT^a ^EevetKeTv €lc TÖV bfifiov , ö ti Sv aÖToTc ßou-
Xeuo|i^votc boKf) äpiCTOV cTvat. dasz diese formel den ver-
zieht auf die begutachtung enthält, dafür möchte ich noch ein bei-
spiel anführen, im j. 346 verzichtete umgekehrt der bundesrat zu
gunsten der Athener auf die begutachtung des friedens mit Philip-
pos mit den werten: ö ti b* &v ßouXeiicTiTai 6 bf)|iOC, toöt*
eTvat KOtvöv öötmoi toiv cu|i|Lidxwv (Aischines v. d. ges. 60).
Weit wichtiger als diese frage ist aber die andere, zu deren be-
handlung Lenz s. 34 ff. gleichfalls durch die so eben besprochenen
werte der inscbrift 51 veranlaszt wird, es ist unmöglich , so argu-
mentiert Lenz in Übereinstimmung mit Hartel (Dem. Studien II 50 ff.);
dasz in derselben volksversamlung, welche Über die dem Dionysios
zu erweisenden ehren entschied , auch schon über das bündnis mit
dem sikelischen tyrannen endgültig beschlusz gefaszt worden sei:
denn es werde hier ja erst beschlossen das dogma der bundesgenossen
über die antrage des Dionysios einzufordern und die mitglieder des
bundesrats zur Verhandlung in der volksversamlung einzuladen, er
folgert daraus , dasz bei Verhandlungen mit auswärtigen mächten,
die den bund angiengen, der athenische rat nicht berechtigt gewesen
sei die mitglieder des bundesrats zur abfassung eines gutachtens und
zum erscheinen in der nächsten volksversamlung aufzufordern, son-
dern dasz dies durch volksbeschlusz habe geschehen müssen, so
wird er genötigt die worte elc ttjv TTpuiTiiv dKKXriclav s. 34 im
Hartelschen sinne zu erklären, und es ist auffallend, dasz er nicht
auch dem rate die befugnis abspricht, fremde gesandtschaften in die
nächste volksversamlung einzuführen, wie dies Hartel thut. diese
beweisführung sucht Lenz noch durch herbeiziehung der Inschrift
CIA. II 1, 52 zu stützen, dieselbe enthält ein volksdecret über ein
bündnis der Athener mit Dionysios , in welchem weder der mitwir-
kung des athenischen rates noch der des bundesrats mit irgend einem
Worte gedacht wird, dasselbe stammt aber nicht wie n. 51 aus der
zehnten prytanie des archontats desLysistratos, sondern aus dem
amtsjahr des folgenden archon Nausigenes (368/7).
Wir sehen hieraus dasz die endgültige entscheidung über das
bündnis mit Dionysios in der that nicht in derselben volksversam-
lung stattfand, in der das probuleumatische decret n. 51 vom volke
angenommen ward, daraus folgt aber noch keineswegs ; dasz eine
beschluszfassung über das bündnis in derselben ekklesie, in welcher
über die ehren des Dionysios beschlossen ward, unmöglich gewesen
sei, weil erst in dieser das volk den bundesrat zur abgäbe eines gut-
achtens aufzufordern beschlossen habe, zwar können wir über den
520 AHöck: zur geachichte des zweiten atheniBchen bundes.
grund der Verschiebung der beratnng über das bündnis nur Ver-
mutungen auÜBteUen ; doch glaube ich dass meine Vermutung ebenso
grosze Wahrscheinlichkeit hat wie die von Lenz, ich schliesze nem-
lich mit Lenz aus n. 52, dasz der bundesrat das bündnis mit Dio-
nysios ablehnte, da nun, wie ich aus n. 51 schliesze, der rat dem
synedrion die begutachtung des bündnisses überlassen hatte , so ge-
langten die antrftge der sikelischen gesandten ohne irgend ein be-
fürwortendes gutachten an das volk. da sich aber dennoch in der
volksversamlung stimmen für ein bündnis erhoben, so faszte das volk,
wie dies auch sonst bisweilen geschah (vgl. CIA. II 1, 65. 76 ua.), den
beschlusz , der rat solle die sache noch einmal einer beratung unter-
ziehen (Tf|v ßouXf)v iTpoßouXeucacav £E6V€TK€tv eic töv bf\\iov eic
Tf)V irpumiv dKicXiidav). ein solcher beschlusz war um so mehr ge-
rechtfertigt, als durch das ablehnende verhalten des bundesrats die
frage in ein neues Stadium eingetreten war, insofern es sich jetzt
nicht mehr um einen im namen des bundes abzuschlieszenden ver-
trag, sondern nur um ein separatbündnis der Athener mit Dionjsios
handelte, allerdings müssen wir dann annehmen, dasz auch dieses
npoßouXeu^a nicht die Zustimmung des volkes fand, mag es nun
das bündnis abgelehnt oder andere bedingungen vorgeschlagen haben
als die in dem volksbeschlusz n. 52 angenommenen.
Mag nun aber dies der grund der Verschiebung gewesen sein
oder ein anderer, jedenfalls glaube ich mit bestimmtheit behaupten
zu dürfen, dasz der von Lenz angeführte grund nicht der richtige
ist. ich stütze mich dabei auf die treffliche Untersuchung der pro-
buleumatischen formel durch Hug ao. s. 126 £f. hiemach sind in lülen
probuleumatischen decreten ohne unterschied die worte eic Tf|V npdi-
T11V dKKXiiciav vom Standpunkte der ratssitzung zu verstehen: denn
die probuleumatischen decrete sind unveränderte abschriften der rats-
Protokolle, denen nur durch die Versetzung der auf die volksversam-
lung bezüglichen praescripte und durch änderung der sanctionierungs-
formel f bo£€V tQ ßouXQ in ihoiev t^ ßouX^ xal T(|i brJMifi der Cha-
rakter eines Volksbeschlusses aufgedrückt ward, daraus folgt dasz
nur das mit tviüfinv ö^ HufißdXXecOai usw. eingeleiiete'irpoßouXeu^a
beschlüsse enthält, die zu ihrer ausführung der genehmigung des
Volkes bedürfen , dasz dagegen alles vorhergehende mit einsdilusz
des £u|LißdXXec9ai beschlüsse sind, zu deren ausführung der rat ohne
genehmigung des volkes befugt ist. solcher beschlüsse enthält nun
die inschrift n. 51 vier: 1) ToOc cu^fyidxouc b6f\ia dEeveTKCiv,
2) TTpocatatciv touc irp^cßeic, 3) irpocKoX^cavTac touc cufjifid-
Xouc TOUC irpo^öpouc xpilf^^^^^^v, 4) TViüfinv cufyißdXXecOai. wäh-
rend nun Lenz im gegensatz zu Kartei in betreff des irpocaTat^^v
und xpnM^^'fi^^^v dem rate die befugnis zugesteht, diese beschlüsse
ohne weiteres auszuführen (s. 42) , glaubt er dasz derselbe die auf
die bundesgenossen bezüglichen beschlüsse nicht ohne genehmigung
des Volkes habe ausfahren dürfen, da er sich hierfür auf Hartel be-
ruft, teile ich mit, was dieser in den Dem. Studien II s. 56 für diese
AHöck: zur geschichte des zweiten athenischen bundes. 521
ansieht vorbringt, 'alles was wir über die athenische bundes verfas>
8ung wissen' sagt er Mftszt daran zweifeln, dasz in der bundesurkunde
von vom herein alle fölle genau definiert waren , welche vor das be-
gutachtende forum des synedrions zu verweisen waren und welche
nicht.' da wir aber die bundesurkunde nicht besitzen , können wir
diesen zweifei weder begründen noch widerlegen und sind ebenso
berechtigt anzunehmen, dasz die vorschlSge fremder gesandten dem
synedrion durch den rat mitgeteilt wurden mit der aufforderung ein
dogma darüber abzufassen und bei der Verhandlung in der nfichsten
volksversamlung zu erscheinen, als dasz dieses nur durch das volk
geschehen konnte, zu der erstem annähme aber nötigt uns die con-
sequente interpretation der probuleumatischen decrete. wenn diese
vom Standpunkte der ratssitzung zu interpretieren sind , so müssen
in n. 51 die beschlüsse Touc cufifidxouc bÖTfia dE6V€TK€iv und
TipocKaX^cai touc cufi^dxouc ebenso gut innerhalb der competenz
des rates liegen wie irpocataTeTv, xpr\^axileiv und cufißdXXecOau
Diese auffassung wird auch durch die Verhandlungen des Philo-
kratischen friedens nicht widerlegt, denen ich mich jetzt zuwende,
über diese bemerkt Lenz s. 59 : 'es wurde nemlich gleich nach der
rückkehr der elf gesandten aus Makedonien nach Athen im frühjahr
346 vor Ch. eine ekklesie berufen, welche über die modalität der
friedensverhandlungen beschlusz faszte; danach sollten am 8n und
9n elaphebolion zwei volksversamlungen abgehalten werden, bei
denen auch die bundesgenossen sich zu beteiligen hfttten. wie ge-
legentlich der Verhandlungen über das bündnis mit Dionysios I, so
sehen wir auch hier, dasz nur der demos, nicht die bule aus eignem
antriebe das dogma der bundesgenossen einfordern konnte.' aller-
dings habe auch ich im Hermes XIV s. 121 mich der ansieht Harteis
(Dem. Studien II s. 82 f.) angeschlossen, dasz dieser beschlusz vom
athenischen volke dem bundesrate mitgeteilt worden sei mit der
aufforderung ein dogma über den Meden mit Philippos abzufassen
und sich an den Verhandlungen -am 8n elaphebolion zu beteiligen,
doch kann ich Lenz durchaus nicht beistimmen , wenn er meint, die
versamlung, in welcher jener beschlusz gefaszt wurde, habe eben
deshalb berufen werden müssen , um eine auffordemng an das syn-
edrion ergehen lassen zu können. Aischines erwähnt jenen beschlusz
zweimal (v. d. ges. 53. g. Etes. 66 ff.), ohne der beziehungen zu den
bundesgenossen auch nur mit einem worte erwähnung zu thun. viel-
mehr gibt er an der letztern stelle § 67 als motiv des Demosthenes,
weshalb er den antrag zu jenem volksbeschlusz stellte, an: Iva, ddv
f{br\ Tiapijjciv ol ToO 4>iXiTr7T0u Tip^cßeic , ßouXeüciiTai 6 öfl^oc djc
xdxiCTtt TTcpl Ttiiv TTpöc 4>iXi7rTrov. man berief also die volksver-
samlung , welche über die modalität der friedensverhandlungen be-
schlusz faszte, nur, um den gang der Verhandlungen zu beschleu-
nigen und nicht nach ankunft der gesandten mit den notwendigen
formalitäten zeit zu verlieren (vgl. hierüber Gilbert in diesen jahrb.
1879 s. 235 f.).
Jahrbacher f&r class. philol. 1883 hft. 8. 34
522 AHöck: zur gescbichte des zweiten atheniBchen bandes.
Ebensowenig berechtigt ist ein anderer schlusz, den Lenz s. 61 ff»
aus dem bei der beratang des Philokratischen fnedens beobachteten
verfahren zieht, wie Demosthenes in dem so eben besprochenen an-
tmgB die anss^eibcmg aw^r volksversamlungen für zwei unmittel-
bar auf einander folgende tage zur beratung des friedens verlangt
hatte, so beantragt auch das synedrion der bundesgenotoen in seinem
ersten auf den frieden beztlglichen dogma, welches uns bei Aischines
Y. d. ges. 60 erhalten ist und vermutlich am 8n elaphebolion dem
demos voigelegt wurde (vgl. Hermes XIY s. 122) : ^mibf) ßouXeikTOi
ö bf\}ioc ö 'AOrivatujv inip eiprjvTic iTp<6c OiXiinrov, ol b^ 7rp^c|l€ic
oüfTAJj iTdp€tciv . . beböxOai toic cvMMdxoic ^irctbotv diiiby)^if)ciuciv
ol TTp^cßac Kai T&c iTp€c߀iac äTiaTTcUuictv 'AOiivaicic xai toic
GUMfHüXOic, iTpoTP<iM'at touc irpurdveic dxKXiiciac ^üo xarä töv
vö^ov^ der «usatz Kard Tdv vö^ov war schon von Hartel (Dem.
Studien II s. 83 ff.) eng mit ^KKXiidac buo verbunden worden und
haMe ihn zu der behauptung veranlaszt, dasz die beratung über
symmachievertrfige nach einer gesetzlichen bestimmungregelmftszig
in zwei volksversamlungen stattgefunden habe, obgleich diese an*
sieht schon von Gilbert ao. s. 236 f. mit gewichtigen grOnden be-
kAmflt worden ist, glaubt doch Lenz, dasz wenigstens zur zeit des
zisfeiten athenischen bundes ein gesetz existiert habe, wonach ver-
trüge, die den bund angiengen>, m zwei volksversamlungen an zwei
unmittelbar auf einander folgenden tagen beraten werden musten.
zu einer solchen annähme aber nötigt uns die stelle des Aischines
durchaus nicht« denn da es nach der dem beschlusz der bundes-
genossen vorausgehenden motivierung dem bundesrate lediglich um
vexBohiebung der endgültigen entsdieidnng über den frieden mit
Philippos zu thun war, ist es viel natürlicher, mit Gilbert die werte
KttTd t6v vö^ov mit dem infinitiv npoTpdi|iai zu verbinden und das
dogma der bundesgenossen so zu wklttren , dasz sie von der vorher-
bestimmuag der verhandlungstage durch volksbeschlusz nidits wissen
wollen, sondern die gesetzntüszige ausschreibung der beiden volks-
versamlungen durch die prytanen nach ankunf t der gesandten
fordern.
Husum. Adblbsbt Höok.
80.
ZUR SCHLACHT BEI MAJRATHON.
Als ich neulich nach ermüdendem Tandem durah die saatoi
und die weinfelder der marothenlsQhen ebene auf dem Soresi, dem
gcabhügel der Athener, mich «nsFabte, kafeu mir trotz der peesie 4w
umgeboag die trockene prosa des OomeUns Nepos in den sinn, leaer
säte aus der vita des Miltiades, der alljfthi4idli in der quarta sich die
gefährlichsten Operationen gefaUen lassen musz: dein postero die 9^
FLohr: zur schlacht bei Marathon. 523
\
montis radicüms ade regione inslntäa non apertissiiA ^*om-
miserunt {namque arhores muUis locis erant rarae\ ht
numtium aUüudine tegerentur et arborum tradu eqt
impediretur^ ne muUüudine dauderentur, ich habe ihflrg«WOlmIic&
die eingeweide ausgenommen, denn er kann auch ohne die parenthese
namque arbares usw. existieren, sie ist doch nur eine erklärung des
vorhergehenden non aperüssima und für den der das Schlachtfeld
selbst gesehen hat nicht notwendig, nach dem meere hin ist die
ebene ganz ofifen dh. baumlos, aber am fusze des Kotroni, welcher
das fladiland im Westen begrenzt, stehen drei bis vier reihen bäume :
mandeln, feigen und Ölbäume, gewis hat sich seit jenen herbsttagen
des j. 490 in der bebauung des marathonischen feldes mancherlei ge-
ändert, aber ebenso sicher kann man wohl behaupten dasz die Vege-
tation damals eine üppigere dort war als jetzt, darauf deuten auch
die verse hin , mit welchen Aristophanes den Wiedehopf die scharen
der Vögel locken läszt: öca t' eubpöcouc t^c töitouc ix^re Xei^divd
T* ^pöevra MapaOujvoc, öpvic ttt^pujv irotK(Xoc t' dTratäc dTTcrräc
(Ar. Vögel 245 ff.}, in dem eingeschobenen satze des Nepos soll
übrigens gar nicht gesagt sein, dasz nur hie und da ein bäum stand,
sondern die arhores sind rarae genannt im gegensatz zu dem dichten
gestrüpp , das sich die hügel hinanzog, da wo. der fette boden der
ebene beginnt wachsen fruchtbringende bäume, und solche stehen
naturgemäsz in kleinen abständen von einander, faszt man das ad-
jectivum in diesem sinne, so verliert auch der zusatz muUis lods
alles anstöszige.
MDunoker kehrt (bist. Zeitschrift n. f. X s. 281 ff. und gesoh.
des altertums YII s. 126 ff.) zu der schlechter b^laubigten lesart
stratae zurück, weil hoc consüio ein solches participium verlange,
zwingend ist dieser grund nicht: denn der ablativ schlieszt sich
passender an ade instruda an, da die erste hälfte des absichtssatzes
ut d montium aUUudine tegerentur mit jenen arhores gar nichts zu
thun hat mislioh ist es auch , iradus mit Werhan* wiederzugeben,
es ist vielmehr ein synonymon von locus und regio und bedeutet 'land-
strich'. tradus arhorum übersetze ich *da wo sich baumreihen hin-
ziehen' oder 'das mit bäumen bestandene feld'.
Die werte nova arte vi summa y welche gleichfalls das part.
stratae stützen sollen, gibt nur der c. Monac. an stelle des allgemein
aufgenommenen non apertissuma. ob mit vi summa proeUum com-
miserufU der beginn eines defensivkampfes treffend bezeichnet wird,
möchte ich bezweifeln; ebensowenig leuchtet mir ein, dasz der
verhau mit recht eine ganz neue erfindung genannt werde, müsie
ich die lesart der Münchener hs. verteidigen, so würde ich sie auf
die neue art des angriffiB beziehen, auf den laufschritt, in welchem die
hoplitan den feinden zu leibe giengen.
Duncker betont dasz Nepos von der ofbnsive des Miltiades
nichts erzähle, und constatiert damit einen Widerspruch in dessen
bericht. denn vorher habe der eifrige strateg auf eine entscheidung
S4^
524 FLohr: zur schlacht bei Marathon«
gedrungen und jetzt warte er hinter der yerschanzang den angriff
ab. allerdings ist die erzShlong des Nepos nicht klar und bestinimt,
aber dasz er die Ferser angreifen lasse, braucht man nicht notwendig
anzunehmen, er sagt sowohl von MiUiades wie von Datis: proeHmtn
eammisU (dort geht acie instruäa voraus, hier j^rociim^), und zu der
Ungeduld des Atheners stimmt sehr wohl die beschreibung des bildee
in der Poikile in c.6 ti^ . . prima eius imaffo poneretur isque hartare"
tur müites prodiwmque cammüterä. schwerlich konnte Nepos bei
seinem gewtthrsmann Ephoros etwas anderes finden als was jeder-
mann, der über die athenische agora gieng, sah, dasz nemlich die
Athener es waren , welche den kämpf begannen.
Wenn in dem texte desselben Schriftstellers die stttrke der
Meder verschieden angegeben wird, so ist daran wohl nur die
schlechte Überlieferung schuld, gewis woUte weder Ephoros nodi
Nepos berichten, dasz die hftlfte des persischen heeres vor beginn
der Schlacht eingeschifft gewesen sei, dasz somit Miltiades nur die
zurückgebliebenen überrumpelt habe, während sie im begriff waren
die schiffe zu besteigen. Herodotos hat in seinem gedrängten beridht
keinen platz für die groszen zahlen eines Nepos oder gar eines Justi*
nus, er erwähnt nur dasz auf seiten der Perser an 6400 mann ge-
fallen seien, durch die grösze dieses Verlustes begründet Duncker
(HZ. X s. 253) seine ansieht, nach welcher der kämpf bei Marathon
eine durchgefochtene schlacht' gewesen ist. gewichtiger scheint mir
in dieser beziehung der umstand zu sein , dasz auch die athenischen
knechte , die in der reserve standen , in das gefecht verwickelt wur-
den, das konnte nur der fall sein, wenn die Perser gegen die hügel
hin vordrangen und das griechische centrum durchbradien.
Bisher nahm man an dasz die cavallerie der Meder auf die fahr-
zeuge geschafft war, ehe der kämpf begann, gegen diese darstellung
polemisiert Duncker meines erachtens mit recht, denn jeder der
Her. VI 112 unbefangen liest musz zugeben, dasz der concessivsatz
oCt€ tirirou uirapxoOciic C91 oöre loievii&xojy wenig sinn hat, falls
nicht den Peraem selbst reiterei und bogenschützen zu geböte stan-
den, da die beere mehrere tage lang sidi gegenüberlagen und die
anführer der Perser durch ihre kundschafter ohne zweifei von der
kampflustigen Stimmung des Miltiades gehört hatten, so wäre es
doch unverantwortlich leichtsinnig gewesen, die truppe, der zu ge*
fallen Hippias die marathonische ebene zum Schlachtfeld ausersehen
hatte, vollständig zu entfernen, waren die Perser stolz auf ihre
reiterei, so woUten die Griechen sich ihr gegenüber möglichst vor*
sichtig verhalten, deshalb durchliefen sie die acht Stadien, welche sie
von dem feindlichen beere trennten, damit sie möglichst bald ins
handgemenge kämen, in dem reiter und bogenschützen wenig aus-
richten können, schon bei der aufstellung hatte Miltiades auf die
gefährlichste Waffengattung des feindes rücdcsicht genommen, wenig-
stens klingt aus den oben angeführten werten des Nepos hoc am-
süUo ut usw. deutlich genug die besorgnis heraus, welche den grie*
FLohr: znr schlacht bei Marathon. 525
chischen Strategen erfüllte gegenüber der Vertrauensseligkeit der
Meder. falls der erste stürm misglückte, sollten sich die hopliten
in eine Stellung zurückziehen können , in welcher sie vor überflüge-
lung, besonders von Seiten der reiter, geschützt waren.
Dasz beide teile die Überzeugung hatten, die reiterei könne in
das gefecht eingreifen, ist demnach höchst wahrscheinlich; ob sie
wirklich eingehauen hat, läszt sich mit Sicherheit nicht bestimmen,
sehr auffallend ist es , dasz bei erwShnung der reichen beute nichts
erzählt wird von den vorzüglichen persischen rossen, die etwa den
Siegern in die bände gefallen wären, was Duncker HZ. X s. 249
sagt, um diese Schwierigkeit zu heben, hat wenig Überzeugungskraft,
denn wenn auch die Meder bei ihren spätem einfallen in Attika mit
den alten tieren gründlich aufgeräumt haben sollten, so müste sich
doch eine erinnerung daran erhalten haben , dasz die Athener von
Marathons strande manches edle rosz mit heimbrachten, die beute
an pferden war offenbar gering, so dasz sie Plutarch (Arist. 5) unter
dem allgemeinen ausdruck Xd9Upa mitbegreifen kann, vielleicht
findet auch dieser umstand seine erklärung, wenn man sich den her-
gang der schlacht folgendermaszen vorstellt.
Datis möchte gern schlagen, da aber die Athener sich nicht
aus ihrer gedeckten Stellung bei dem temenos des Herakles heraus-
wagen , versucht er sie zu reizen , indem er einen groszen teil seiner
gefürchteten reiterei einschifft, nur einige züge halten hinter den
flügeln des heeres; sie werden ja wohl genügen dem schwachen
feinde genug zu schaffen zu machen, da brausen di''. griechischen
hopliten heran, nach wenigen minuten brechen sie in die reihen des
fuszvolks ein, und im erbitterten handgemenge, in welches die reiter
sich nicht mischen können, wogt der kämpf hin und her. jetzt wer-
den die persischen flügel zurückgedrängt; sie fliehen zu den schiffen
und reiszen die hinter ihnen stehenden Schwadronen mit sich fort, so
dasz diese nun auch es vorziehen, auf den fahrzeugen schütz zu
suchen, bis die Griechen das ins thal von Yrana vorgedrungene per-
sische centrum besiegt haben und vor sich her dem strande zu jagen,
werden wohl die meisten der pferde auf den lastbooten geborgen ge-
wesen sein.
Zum schlusz noch ein wort über die anekdote , die Suidas bei-
bringt zur erklärung des Sprichwortes X^P^C iinretc. sie macht in
der that, wie Duncker HZ. X s. 235 treffend bemerkt, den eindruck,
als sei sie den loniem zu ehren erfunden, nicht einmal gut erfunden
ist sie. denn wer auf der spitze des Kotroni gestanden und von dort
aus die ebene überschaut hat , weisz dasz die lonier sich nicht auf
die bäume zu bemühen brauchten, um ihren stammesgenossen ein
zeichen zu geben. Miltiades konnte von diesem hügel aus bis in die
lagergassen der feinde sehen und jede bewegung nach den schiffen
hin auf das deutlichste wahrnehmen.
Wiesbaden. Fribdrioh Lohb.
526 CNauck: HomeriBche».
81.
HOMERISCHES.
1. noch einmal eUocivfiptTOC
Im archiv f. phil. u. pSd. bd. XII (1846) s. 126 habe ich nach-
gewiesen, dasz es ein wort eiKOCtv/jpiTOC nicht gibt und nicht geben
kann, dasz vielmehr II. X 349 dasselbe zu trennen und der ganze
vers so zu schreiben ist:
Oub* €l K6V bexdKlC T€ Kttl cTkOCI VTIplT* äiTOiva
'auch nicht wenn zehnmal und zwanzig unendliche lösung'. so
steht ÖCKdKtc T€ Kai cTkoci fttr bcKÖiKtc T€ Kai elKOcdKic n. I 379,
^zehnmal und zwanzig' für ^zehnmal und zwanzigmal', damals ver-
glich ich das einigermaszen ähnliche £u)c rerdprou Kai elKOCt (Stra-
bon XV s. 733) für ?u)c leidprou Kai elKOCToO ; aber ganz ebenso,
wie Homer bcKttKic T€ Kai elKOct fELr bcKdKic T€ Kai clKOcdKic, ebenso
hat Ooethe Im getreuen Eckart ^dreimal und vier' fOr ^dreimal und
viermal' gebraucht:
man trinkt in die mnde schon dreimal nnd vier,
und noch nimt der krag nicht ein ende.
2. Ö^Te'dbfiriTTiv II. Y 266 und 656.
Zwei merkwürdige und bei einiger Überlegung unerklärliche
stellen sind II. Y 266 f. tiJi beurdpi}) Ittttov ?0iik€V, S^tc' db/yii^Tnv,
ßp^qpoc fmiovov Ku^oucav , und Y 664 f. fmiovov raXacpTÖv äfijjv
Katibr]C* iv dtwvi, Ö^T€* db^rjTTjv, f{ t* dXTicni bafidcacGai. in
der ersten stelle wird eine stute als preis gestellt, die ein maultier-
junges trägt ; in der zweiten ein arbeit ertragendes maultier, welches
am schwersten zu zähmen : und dabei heiszt das eine wie das andere
tier sechsjährig und ungezähmt.
Hier sehen wir lauter Widersprüche, wenn ein solches tier mit
sechs Jahren noch nicht gezähmt war , wann sollte es dann wohl ge-
zähmt werden? ein ungezähmtes rind wird gewöhnlich, wie K 292,
als ein jähriges (fivtc) bezeichnet, sodann kann ungezähmt weder
eine stute welche tragend ist genannt werden, noch ein maultier
welches die arbeit erträgt: ein ungezähmtes rind wird K 293 als
ein solches bezeichnet, welches noch kein mann unter das joch führte
(fjv oö TTUJ önd Ivföv fixöTCV dv/jp). endlich wird zwar der wert
der stute erhöht, wenn sie sich als brauchbar zur aufzucht bewährt;
aber gewis nicht der wert des ungezähmten maultieres , wenn her-
vorgehoben wird dasz es am schwersten zu zähmen sei.
Dagegen erscheint sofort alles passend und zusammenstimmend^
wenn sowohl die sechsjährige stute als auch das sechsjährige maul-
tier gezähmt ist: und dies ist der fall, sobald wir in beiden stellen
lesen: dSdrea b^1lTt)v usw.
EÖMIOSBERO IN DER NSUMARK. CaRL NaUOK.
EJNeumann : zur landeskunde und gescbicbte Eilikiena. 527
82.
ZUR LANDESKUNDE UND GESCHICHTE KILIKIENS.
MIT BEITRÄGEN ZUR KRITIK DER GESOHIOHTSOHREIBER ALEZANDERS.
I. DIE WESTGKENZE KILIKIENS.
Wer die angaben der alten geographen über die einteiluqg
Eleinasiens in ibrer Vollständigkeit überblickt , fühlt sieb zanftcbst
in einem labjrrintb abweichendster anslcbten gefangen, über die
ausdebnung und die grenzen der einzelnen landscbaften finden sich
die verschiedensten nachrichten, die auch der kühnste harmonist zu
widerspruchsloser einheit zusammenzufassen nicht vermöchte, die
Ursache dieser differenzen in Unwissenheit oder Sorglosigkeit der
berichterstatter zu suchen verbietet sich wenigstens bei einer reihe
gewissenhafter und gut unterrichteter Schriftsteller von selbst, bei
den griechischen geographen fast durchweg, es musz vielmehr
die einsieht platz gewinnen, dasz die ansetzung der grenzen von ver-
schiedenen gesichtspunkten ausgehen konnte und dann natürlich zu
abweichenden resultaten führen muste. es ist notwendig bei jeder
einzelnen grenzbestimmung nach diesem leitenden geslchtsponkte
zu fragen.
Das natürlichste und nächstliegende war es unter allen um*
ständen, diese grenzen nach der ausdebnung der Wohnsitze der ein-
2elnen Völker oder stamme zu bezeichnen. * und besonders muste
diese Scheidung nach ethnographischen gesichtspunkten sich erleich-
tem, wo Stämme von scharf ausgeprägter individualität sich berührten,
indessen konnte es auch an Verhältnissen nicht fehlen, welche sich
wohl im wesentlichen mit den ethnographischen deckten , aber in
bestimmten einzelheiten von ihnen unterschieden waren, hier kom-
men die natürliche beschaffenheit des landes und die politischen
Verhältnisse in betracht. es lag nahe den höhenzug eines mächtigen
gebirges als grenzscheide anzusehen, auch wenn die Wohnsitze des
Volkes nicht bis an den kämm hinanreichten , oder auch wenn sie
stellenweise sich noch über denselben hinauserstreckten, und war
durch eroberung eines fremden Volkes von der groszen masse des
Stammes ein teil politisch losgelöst worden, so ward häufig die
Staatengrenze entscheidend, endlich wirkte in dem vielfach ge-
gliederten Organismus eines groszen reiches auch die administrative
einteilung bestimmend.
Dem gedanken und dem ausdruck eines hervorragenden geo»
graphen der gegenwart folgend verstehen wir unter ländem die gut
individualisierten teile der erde, eine gute länderscheidung aber
läszt sich weder durch einseitige berücksichtigung der ethnographi-
* Herod. II 17 i^|ui€tc hi ÄÖ€ Kai ir€pl toötuiv X^ojicv, ATtvittov
M^v ndcav cTvai Ta&n]v Tf|v 6ir * Altuitriuiv oIkcdii^viiv, kctÄ ircp KiXi-
KiTjv Tf|v Ö1TÖ KtXiKUiv Kai 'Accupli^v Tf|v ött6 'Accupluiv.
528 EJNeamaDn: sur landeskande und geschichte Kilikiens.
sehen noch der physischen oder der politischen verhältniase erreichen^
sondern musz allen forderungen thunlichst gerecht zu werden Sachen,
ein solches wissenschaftliches princip der Scheidung findet sieb im
altertum nicht eben hftufig durchgeführt, es musz sogar als frsLglich
gelten, ob der gröste geograph der Oriechen, ob Eratosthenes von
Eyrene dieser forderung entsprochen hat; sein geometrisches princip
der teiluBg ISszt dies nicht als wahrscheinlich gelten, es scheint in
der that, dasz Strabon der einzige gewesen ist, der einen tiefen ein-
blick in diese notwendigkeit besessen hat; und dies verdienst Tvird
man um so mehr hervorzuheben verpflichtet sein , je weniger man
die groszen schw&chen seiner forschung auf dem gebiete der mathe-
matischen geographie verkennt, die meisten geographen scheinen
sich vielmehr die einteilung nicht eben schwer gemacht zu haben ;
es war ihnen entschieden am bequemsten die politischen grenzen
festzuhalten, dies» grenzen aber sind die zu ihrer zeit zu recht be-
stehenden, es mttste denn sein dasz jemand aus Slterer quelle achtlos
veraltetes herübemimt oder aus historischem interesse die zustSnde
vergangener Zeiten ttberliefert.
Es ist die absieht der folgenden blätter, auf die verschiedenen
motive hinzuweisen, welche die angaben der alten geographen über
die westgrenze Kilikiens bestimmt zu haben scheinen, die ergebnisse
der Untersuchung werden es wahrscheinlich machen , dasz eine ähn-
liche betrachtung auch auf andere örtlichkeiten angewendet nicht
ohne neue resultate bleiben werde.
Der einzige, der die verschiedenen angaben der alten über die
westgrenze Kilikiens eingehender behandelt hat, ist Karl Müller*;
aber über eine nicht immer richtige feststellung der grenzen nach
den Zeugnissen ist der hochverdiente herausgeber der griechischen
geographen nicht hinausgegangen.
Die ftlteste uns erhaltene nachricht über die kilikische west-
grenze entstammt der mitte des vierten vorchristlichen jh.; sie findet
sich in dem periplus des sog. Skjlax von Karyanda.' nach
Skylax ist Korakesion die letzte Stadt Pamphyliens; östlich von
* geogr. gr. min. I s. CXXV f. 76. 487. in Barkers 'Cilicia and ita
governors' (London 1863) wäre man zwar wohl berechtigt die lösang
dieser aufgäbe za sacken, findet sie aber gleichwohl nicht. * § 101 f.
8. 76 f. M. Karl MfiUeri versach die grenzbestimmang des alten Heka-
taioB aas fr. 262 (Steph. Byz. u. NdyiÖoc) za ermitteln scheitert daran,
dasz die worte aaf die es ankommt gar nicht dem fragmente, sondern
dem Stephanos angehören, and auf eine so unsichere and anwahr-
scheinliche vermatang, wie dasz die im 249n fr. za Pamphylien ge-
rechnete Stadt KOpßr) mit Kißupa identisch sei (GOM. I 491), ist doch
wohl auch kaam viel za geben, da also aas Hekataios aaf keinen
fall für ansere zwecke etwas za gewinnen ist, so erscheint es aach
nicht erforderlieh, aaf die ganz neuerdings wieder vorgebrachten ein-
würfe gegen die echtheit der Hekatäischen periegese an dieser stelle
einsagehen. genauere Untersuchung wird noch lehren, das« Herodotos
jeben in der that und in noch weit gröszerm umfange als man in der
Tegel annimt die Schriften des Milesiers benutzt hat.
EJNeamann: zur landeekunde nnd geschiebte Eilikiens. 529
Korakesion beginnt Kilikien. die erste stadt Kilikiens , die Skylax
nennt, ist Selinus. in späterer zeit aber bat sich Kilikien etwas nach
Westen ausgedehnt/ S traben läszt diese landschaft schon mit
Korakesion beginnen. ^ ab kilikische stadt gehört Korakesion zar
zeit, da Diodotos Tryphon gegen die rechtmftszigen herscher Syriens
kämpfte (147 — 139 vor Gh.), zum Seleukidenreiche/ es wird dies
immer so gewesen sein, seitdem PamphyHen in folge des Römer-
kriegs Antiochos des gr. dem syrischen reiche verloren gegangen
war. bei Ptolemaios kreuzen sich zwei principien der abgrenzung.
hauptsächlich berücksichtigt er die politische einteilung in provinzen/
die pro V in z Kilikien beginnt nach ihm östlich von Korakesion und
Syedra mit lotape und Selinus/ Korakesion und Syedra gehören
administrativ noch zu Pamphylien'; und dieselbe grenze hat die
pamphylische eparchie noch zu den zeiten Justinians, wie der synek-
demos des Hierokles uns lehrt.'® neben dieser administrativen
einteilung aber tritt bei Ptolemaios eine zweite altlandschaftliche
hervor, und so kommt es dasz derselbe Korakesion und Syedra aus-
drücklich als Städte des rauhen Kilikien bezeichnet", obwohl sie
administrativ mit der kilikischen provinz nicht verbunden sindJ*
wenn also die gegend um Korakesion von der frühesten zeit bis in
die späteste immer wieder als die grenzscheide hervortritt, so werden
wir wohl zu der annähme berechtigt sein, dasz dies die ursprüng-
liche und natürliche grenze Kilikiens gewesen ist, bis zu der das
Volk der Kiliken seine Wohnsitze ausgedehnt hat.
Indessen finden sich auch grenzbestimmungen , welche zu der
eben besprochenen in entschiedenen gegensatz treten, aber gerade
hier wird es von wert sein die gründe der Abweichung zu ermitteln«
Nicht Korakesion , sondern der erheblich weiter westlich mün-
dende flusz Melas erscheint bei drei berichterstattem aus sehr ver-
schiedenen Zeiten als kilikisch-pamphylische grenze, zunächst nennt
Pliniusin seiner encyclopädie diesen flusz als alte grenze Kilikiens.'*
und dieselbe grenze statuiert der stadiasmus maris magni.'^ indessen
hüte man sich aus der angäbe des Plinius weitgehende folgerungen
zu ziehen, die beschreibung, die Plinius von Kilikien entwirft'^, ist,
wie die mehr als Einmal gestörte reihenfolge der örtlichkeiten deut-
lich zeigt, mindestens zwei quellen entnommen, deren angaben der
^ ganz abzusehen ist von Livius XXXIII 20, der die Ijkischen
Chelidonien kilikisch nennt: legatos ad regem naserunty ne Chelidonias —
promuniurium (!) CUiciae est — superarei, hier darf man allerdings nicht
Ciliciae in Lyciae corrigieren, da bald darauf folgt superato Anemurio —
promuniurium id quoque CUiciae est, aber die quelle des Livius bot
gewis das richtige. ^ XIY 4, 2 C 667. 6, 2 C 66a ^ Strabon ao.
7 II 1, 7 s. 73 (Müller) ötaKptvoO|uiev bi Kai rd TOiaOTa jn^r) rate
TUiv caTfMXTTCiuiv fj ^iTCipxuXfv iicpiTpaqxitc. • V 7 8. 343, 8 ff. (Wil-
berg). » V 6 8. 321, 24 f. W. <» s. 682, 8 f. Wess. s. 29 f. Parthey.
11 später werden wir sehen dasz Ptolemaios die landschaft Kili-
kien sich noch weiter nach westen erstrecken läszt. i* Y 6 s. 331,
23 W. <' n. h. y 98 finisque aniiquus Ciliciae Melas amnis, ^* § 213.
214 (GGM. I 488). " n. Ä. V 91—93.
530 EJNeumanQ : zur landeskunde und gescbichte Kilikiens.
gelehrte wirrkopf auch nur einigermaszen richtig zu ordnen nicht
vermochte, wenn er daher den Melasflusz als finis anHquiu OiUciae
bezeichnet, so hat das weiter nichts zu besagen als dasz die filtere
oder älteste seiner qaellen diese grenzbestimmung bot. es wftre
nicht onmögliöh, dasz in derselben die politische grenze ihrer zeit
angegeben ist; indessen ist zuvor noch eine scheinbar verschiedNie
erklfirung zu berücksichtigen, die unbestritten pamphylische Stadt
Side liegt in groszer ntthe der Melasmflndung '*, nur wenig westlich
von derselben. " der kttstenstrich aber wesüich von Side und dem
Melasfiusz bis nach Korakesion war von den Kleinkibjraten beaetit^'*
die bewohner dieser stadt Kibjra 59 Stadien Ostlidi von der mfln-
düng des Melas** stehen, wie ihr name zeigt, ofiFenbar in verbindmig
mit den Kibjraten in der Eabalis, sie sind weder Pamphylier nooh
Kiliken. liesz man aber trotzdem Pamphylien und Kilikien unmittel-
bar an einander stoszen, so konnte man die kttste der Kleinkibjmten
zu der einen oder der andern landschaft rechnen, das eine war an
sich nicht richtiger als das andere, den ausschlag konnten nur die
politischen Verhältnisse geben. Skylaz'^ rechnet Eibyra noeh in
Pamphylien, fügt es aber wie einen uihang bei'^; östlich davon Uait
er Kilikien beginnen , wahrscheinlich weil die Eibyratis nieht aMhr
zur satrapie Eilikien gehörte, eine Vereinigung der Eabyrmftig mit
Pamphylien nehmen natürlich alle an, welche Eorakesion fttr die
westgrenze Kilikiens erklfiren, aber wenn der gowährsmawi des
Plinius vielmehr im Melasfiusz die grenze Pamphyliens und Kiii-
1* Paus. VIII 28, 8 M^avoc toO irapd Ciöiiv tOiv TTaiupOXuiv.
ZoBimos y 16 s. 267, 6 Bk. ToO M^Xavoc iroraiioO Kai toO €öpu|UoovToc,
Ujv 6 11^ £irdK€tva ötaßaivei Tf)c Ciönc, 6 bi iropappct tQ 'A€irivb«|i.
^^ der die südküste Kleinasiens in der ricbtang von ost aaeh west
verfolgende stadiasmng m. m. 214 gibt an: dirö ToO M^Xavoc irora-
^oO elc Cibr\v CTdöiot v'. der Melas ist bekanntlich der heutige Manaw-
gat Tschai, und genau 50 Stadien westlich von seiner mündang liegen
die minen von Side, von der 'Unwissenheit der heutigen Türkoi, die
gegen selten und orte ganz gleichgiltig bleiben', Eski Adalia dh. AU-
Adalia genannt: s. Karl Ritter erdkunde XIX s. 599—606. ^^ 8trabea
XIV 4, 2 C 667. 19 stad. m. m. 212. 213. die richtige reihenibige
von west nach ost ist also Side, mündung des Melas, Kibjrra. Strabon
XIV 4, 8 C 667 setzt die Kibjratenküste fillschlich in dem engen räume
zwischen Side und dem Melas, also westlich von dessen mündung aa.
wahrscheinlich benutzte er einen periplus, der die richtung von osten
nach Westen einhielt, da er selbst aber in der beschreibung der afid-
kiiste Kleinasiens der entgegengesetzten richtung folgte, so moste er
die reibenfolge umkehren, in welcher seine quelle die einzelnen ertHeh-
keiten nannte; an unserer stelle aber scheint er dies aus versehen
unterlassen zu haben. Niese (rhein. mus. XXXII [1877] s. 801) halt in
dieser partie die benutiung Artemidors durch Strabon nicht für wahr-
scheinlieh, weil Artemidor die südküste Kleinasiens von ost nach west
beschrieben habe, die vorausgegangene bemerknng aber IKszt naa
gerade fragen, ob nicht eben dies die richtung war, der die qoelle
Strabons folgte. s® § 101. '< nachdem er in üblicher weise den
schlusz der Tandschaftsbeschreibung mit den werten iropdirXouc TTc^i-
<puX{ac dir6 TT^pTnc fiixicx) i\^ipac angezeigt, fügt er noch hinzu: ckl
bi Kai dXXat uöXetc TTa|uiq>uX(ac, Kißupa, elra KopaKf|ctov.
KJNöumann: zur landeskunde und geschichte Eilikiens. 531
kiens erkannte, so war er abweichender ansieht und schlug die Kiby-
ratis eben zu Eilikien, vielleicht ebenfalls durch die politischen Ver-
hältnisse seiner zeit dazu veranlaszt. ebenso setzte Ptolemaios
die grenze an, wenn er in der landschaftlichen einteilung Eibjra
als Stadt des rauhen Eilikien bezeichnet.'* was in ftUherer zeit ein-
mal eine politische bedeutung hatte , ist jetzt in historischem sinne
landschaft; wozu die parallelen aus unseren Verhältnissen sich einem
jeden auf den ersten blick darbieten, ähnlich wie Plinius und Ptole-
maios ist die angäbe des stadiasmus maris magni aufzufassen,
der seine beschreibung Eleinasiens aus alter quelle geschöpft haf
und an unserer stelle vergangenes als gegenwärtig hinstellt.
Eine andere ansetzung der grenze wird, wie ich glaube, die
beantwortung der frage nach der ursprünglichen ausdehnung der
römischen provinz Kilikien gestatten, dasz nicht erst P. Servilius
Vatia im j. 78 vor Ch. diese provinz eingerichtet hat, hat bereits
Sigonius mit scharfem blick erkannt und mit ausreichenden gründen
erwiesen.*^ indessen ist erst Mommsen zu der lange zurückgedrängten
ansieht des Sigonius zurückgekehrt*^, und Friedrich Junge hat den
nachweis in ausfElhrlichkeit geboten. ** wir finden nemlich schon
vor den zelten des Servilius Statthalter von Eilikien erwähnt, im
j. 92 Sulla, 89—88 Q. Oppius, 80—79 Cn. Cornelius Dolabella.
demnach musz bereits im j. 103 vor Ch. M. Antonius bei seinem
kriege gegen die kilikischen piraten die provinz eingerichtet haben.
Pamphylien, Qroszphrygien und Pisidien wirkten mit zur gründung
dieser administrativen einheit.'^ von Eilikien hat wenigstens Dola-
bella sicher einen teil besessen*^; und da die Überlieferung weder
von ihm noch von Oppius oder Sulla eine eroberung kilikischen
gebietes zu berichten weisz, so musz bereits Antonius einen teil
dieser landschaft erobert haben.** auch weist Mommsen mit recht
darauf hin , dasz die Römer damals mindestens einige küstenpunkte
des rauhen Eilikien besetzt haben müssen, da man nur bei einer
solchen besetzung der küsten dem seeraub steuern zu können hoffen
durfte, das östliche, ebene Eilikien kam erst unter Pompejus unter
die herschaft der Römer, bis dahin kann dieselbe nur auf dem boden
der Tracheiotis bestanden haben ; aber es ist immer noch nicht fest-
gestellt, wie weit sie sich hier erstreckte.
« y 5 8. 383, 9 (Wilberg). hier ist Kibyra allerdingr« unter die
binnenstädte des rauhen Kilikien geraten, aber dasz in der that die
küstetistadt gemeint ist, lehrt die vergleichung ihrer Ortsbestimmung
mit der von Side und Korakesion (s. 831, 22 und 24). vgl. Müller
06M. I s. 76. » Müller QGM. I 8. CXXIV ff. *« de antiquo iura
provinciarum 1 11 (opera V s. 517 ff. Mediolani 1786). *» RG. W 183.
36 f^e Ciliciae Romanorum provinciae origine ac primordiis' (Halle
1869). ^ Junge ao. s. 22 ff. Marquardt röm. staatsverw. I' 381.
*^ dies schliesEt Junge ao. s. 24 f. mit vollem recht aus Cic. in Caec. di0,
2, 6. da hier Pamphjlien neben Kilikien genannt wird, so kann Kili-
kien hier nicht die provinz, sondern nur die landschaft bezeichnen.
^ Junge ao. s. 21.
532 EJNeumann: zur landesknnde und geschichte Eilikiens.
Dasz vor Pompejus der römische besitz an kilikischeiii boden
noch nicht sehr ausgedehnt gewesen ist und dasz derselbe gegen-
über den anderen bestandteilen der provinz noch zurücktrat, erkennt
man auch daraus , dasz gelegentlich die provinz als Pamphylien be-
zeichnet ward.'^ und doch tmg sie den namen von Eilikien, wofür
belege zu häufen überflüssig ist.
Wenn mich nun nicht alles teuscht, lehrt uns die grenzbestim-
mung eines griechischen geographen, nach deren gn^xmde man bisher
noch nicht gefragt hat, die ursprüngliche beschrftnkung des römischen
besitzes genau erkennen. Strabon sagt uns, dasz Artemidoros
und mit ihm noch andere Eilikien erst mit Eelenderis beginnen
lieszen; was westlich davon lag, begriffen sie nicht unter diesem
namen." vergebens sucht man nach einer andern als einer poli-
tischen begründung dieser grenzbestimmung. die scheide zwischen
dem rauhen und dem ebenen Eilikien bildet erst der Lamosflnss,
und diese grenze ist geographisch wohl bedingt.'* dagegen trigt
die gegend von Eelenderis durchaus den Charakter der Tracheiotis.
und ebenso wenig wie die natürliche beschaffenheit können altland-
schaftliche Verhältnisse bestimmend gewirkt haben, denn Eelenderia
ist weder anfangs- noch endpunkt der kilikischen landschaft Eetis,
sondern liegt mitten in derselben. " es bleibt also nichts anderes
übrig als an politische Verhältnisse zu denken, da kann es aber kein
Zufall sein, dasz die blute des Artemidoros von Ephesos in die
169e Olympiade oder die jähre 104 — 101 vor Ch. fällt *^, und dasz
im j. 103 Antonius die küikische provinz begründet es ist gewig
kein allzu kühner schlusz, dasz die besetzung der kilikischen kü3te
durch die Römer sich damals eben bis Eelenderis erstreckte, dieser
Stadt indessen hatten sie sich noch nicht bemeistert, und bei der
hohen bedeutimg ihrer läge und ihres hafens*^ ist dies wohl be-
achtenswert.
Wir sehen , es ist in der that erst ein kleines stück der kOi-
kischen küste, nur die westhälfte der Tracheiotis, die anfangs in der
gewalt der Römer sich befindet; der gröste teil kilikischen landes
war noch nicht in ihren bänden, es ist daher sehr wohl begreiflich,
^ Oppius wird von Athenaios V 60 8. 213* CTpaniT^c TTaMqniXiac
genannt, die provinx dei Dolabella nennt Cicero bald CiUda (in Ferrem
1 17, 44), bald Pamphylia (aei. 1 1, 2. 4, 11. acc. I 22, CM). 37, 93. III 8, 6).
an allen diesen orten seigt die xoBammenstellong mit Ana^ dais Pam-
phylia die provinx bexeicbnen loll. vgl. Jnnge ao. 8. 22. Marqnardt ao.
I * 380 f. *i Strabon XIV 6, 3 C 670 ctra TÖiroc McXavia xal KcX^
bcpic, iTÖXic Xtfidva €xouca* rivk 6£ ToOniv dpxi^v riOcvrat Tf)c KiXif
K{ac, oC» Tö KopaKf|aov, div ^cn xal ö 'ApTC^(^lupoc. " KRitter erd-
künde XIX i. 348: wirklich endet hier die fällige kttste, aaf die eia
kiesufer folgt. ** Ptol. V 7 ■. 343 W. '• llareiani Her. epit. per.
Men. 3 (GOM. I 666) 'ApTCMibuipoc b^ 6 '€q>^cioc T€urrpd<poc kotA tf^v
^KatocTfiv ^EaKOCTf|v ^vvdrriv 6XuMind6a T^ToviiK. Bfarcian, der felbät
einen aossug ani Artemidor gefertigt hat (4 i. 667), wird diese notia
eben aus Artemidor selbit haben. Termotltch gibt da« datam genan
die abfasBungfseit des werkes an. ^ KRitter ao. ■. 361 ff.
EJ Neumann: zur landeskunde und geschichte Kilikiens. 533
dasz^Artemidoros bei seiner ansetzung Kilikiens, das sich ihm mit
Kelenderis beginnend nach osten hinzog, von dem römisch ge-
wordenen gebiete absah, es ist dies um so mehr begreiflich , als die
Bömer selbst, wie wir vorhin bemerkten, die neu begründete provinz
Kilikien auch als Pamphylien bezeichneten. Artemidoros wird ebenso,
gehandelt und die küste westlich von Kelenderis zu Pamphylien ge-
rechnet haben.
Denn daran kann im ernste niemand denken, dasz Kelenderis
vielmehr die grenze zwischen dem gebiet der Seeräuber und dem
der Seleukidenherschafti bezeichnen solle, denn staatsrechtlich ge-
hören auch die seerftuber der Tracheiotis zum Seleukidenreiche.
und auch das ist nicht zu glauben, dasz Artemidoros wenigstens das
factische besitzverhältnis in seiner grenzbestimmung habe consta-
tieren wollen, einmal ist es wenig wahrscheinlich, dasz die Seeräuber
nur diesen kleinen teil des westlichen Kilikiens besaszen; wahrschein-
lich dehnten sie ihre macht noch viel weiter nach osten aus. sodann
aber hatten gerade sie so recht eigentlich einen anspruch auf den
kilikischen namen; und dasz man in der that bei der nennung der
Kiliken eben zunächst an sie gedacht hat, sehen wir noch aus Strabons
äuszerung, wenn er von den Armeniern sagt, dasz sie die Seleukiden-
herschaft vernichteten, das meer aber den Kiliken überlieszen. ^
dagegen ist es wohl verständlich, wenn Artemidor das kleine von
den Bömem eroberte gebiet des landes nicht mehr zu Kilikien
rechnete.
Junge ^ hat es wahrscheinlich gemacht, dasz P. Servilius Vatia
von Kilikien nicht mehr als Antonius besessen hat, dasz er eben
dieses stück , nachdem es der herschaft der Bömer sich entwunden,
wieder mit ihrem reiche vereinigt habe, mit dieser ansieht steht
Strabons äuszerung im einklang, dasz nicht Artemidor allein, son-
dern auch noch andere Kelenderis die grenze Kilikiens bilden lieszen."^
es bezeichnete eben dieser ort für längere zeit die grenze der römi-
schen herschaft, nach der zeit des Servilius scheinen allerdings die
Seeräuber sich wieder weiter nach westen ausgedehnt zu haben,
denn als Pompejus gegen sie heransegelte, empfiengen sie ihn bei
Korakesion und wurden nach verlorener Seeschlacht dort belagert. ^
Auch die grenzbestimmung des PomponiusMela gestattet
uns, wie ich glaube, einen einblick in die politischen Verhältnisse
seiner zeit. Mela bezeichnet das Vorgebirge Anemurium als die west-
•« XIV 5, 2 C 669 Kai toOc ßaciX^ac Kar^Xucav elc 60va|iiv kqI t6
Y^voc aCrrdiv cO|üiiTav, Tf|v bi OdXaccav toIc KiXiEi irap^bujKav. "^ ao.
B. 29—86. ^ . . KeX^vbepic ttöXic Xifm^va ^xo^ca. tiv^c bi xaiixiiv
dpxi^v Tieevrai rf^c KiXixiac, oö tö KopaK/|Ciov, iDv icvx xal ö 'ApTC-
\iibiupoc, mit der angäbe des Steph. Bjz. Ndti&oc icöXic |yi€TaSO KiXi-
Kiac Kai TTa^qpuXiac ist nicht viel anzufangen, aas welcher quelle sie
auch stammen möge, wenn derselbe autor *lccöc eine iröXic |ui€Ta£0
Cupiac Kai KiXixiac nennt, so sieht man dasz er nur die läge in der
nähe der grenze bezeichnet, ohne eine genauere bestimmung zu er-
möglichen. 89 Flut. Pomp. 28.
534 KJNeomaiin: rar landeikiiiide und getddcBte KflikiimB.
gnaae Kilikieiu^'; und dasz hier weder phyasehe noch etliBO^ira-
ploBche gesiditBiiiiiikte maesgebend sem konnteD, bedarf kämm der
erwilmnng. die abfiueoiigBzeit der cborogTsphie des Mela wird be*
kmBtlicb dmch den binweis auf einen gorade damaJa in BritanniffW
gefllbrien kri^ der Bfimer und den in aoaaicbt atehenden trion^ih
dee kaiaecB beatimmt.'' ea kann bier nnr an den kzi^ des dandiiis
im j. 43 nacb CL, dem im niebaten jabre ein triumpb folgte ^, oder
an den zng Caligulas vom j. 40 godacbt werden.^ Galigiila batte
im j. 37 dem kOnig Antioebos IV von Kommagene sein TSfeeriiciies
reicb nnd anazerdem einen teil Kilikiena verlieben.^ allerdings
nahm er es ibm wieder; aber im j. 41 erbielt Anüochoa seinen beatts
von dandina zurfiek* imd bebielt ihn mm bis com j. 72/73, deea
Tierten jähre Vespasiana.^ dorcfa Tacüns^ erfiduen wir, daaz zn
aeinem gebiete ancb die stadt Anemmiom gehOrtn. es liegt nahe
mit dieser angäbe die grenzbestimmong lüelas za eombinieraa.
offianbar eratreekte das gebiet, das Gains dem Antioebos Terlieben
and das Clandins ibm zarttckg^geben, sich in Kilikien gerade bis
Anemnrinm und reichte nicht über diea voigebirgB binana nach
Westen, dagegen möchte ich ans Mela nidit mit gleicher bestimmt-
heit scblieszen, dasz die strecke zwischen Anemoriom und Eora-
kesion damals administmtiy za Pampbylien gehörte.
Denn PI in ins Iftset ebenfalls Ei^kien ni(M über Anemoriom
binaosreichen, fdgt aber zogleich den tadel bei, dasz seine yerginger
insgesamt Pampbylien gleich an E[ilikien stoszen lieszen , ebne mi
beachten dasz dazwischen Isaorer wohnten, die bei Anemoriom daa
meer berührten. ^^ es moste dies also mindestens schon seit einiger
zeit der fall aein: denn aof gnmd einer erst ganz kürzlich ein*
getretenen Veränderung hfttte Plinios seinen tadel doch nieht aos-
sprechen können, dasz gerade Anemoriom erwShnt ist, zeigt ons
dasz aoeh Mar politiBche Verhältnisse berücksichtigt sind, indessen
mosz es fragltdi bleiben, ob damals diese Isaorer in der westlichen
Tgaoheiotia ih» Freiheit behaopteten , oder ob sie mit dem isasri-
sflben haoptlande vereinigt waren ond also zur galatischen provina
gehörton. jedenMls ist es von interesse, schon zor seit des Plinies
Isaorem in der TraeheiotiB zo begegnen, welche spftter ja von diesem
veUnstamm ihren namen entlebnen sollte, die widmong der ttohi-
^ I 18, 77 quod CiUeiam a PumphyHa dUtinguü AnemuHum. <> III
6, 49. ** Bnrsian in diesen jahrb. 1869 8. 630. ^> Frick im Philo-
Item XXXin 8. 742. die erste möglidikeit hält Frick für onwahr-
sofceialioh, weil Mela die einteilang Bfanretaniens ui die Caesarientis
und die TingiUna noch nicht kennt, über Oebmicheni behanptnng,
das« 'Mala «nttr Angnstos geschsleben habe, ist nach den bemerkoogen
iUoks (in Bossiaiis jafavesber. 1880 III «. 668 L) kein wovt mehr an
vertieren. ^ Dien LIX 8 ö T^p *Am6x<|i tc Tifi *Awid)(ev t^ Kofi-
Mcrtqvifiv, f^v 6 icoTf)p a^oO Ccxe, wil npockn koI t& irapo<kiXdccta
Tlk KiXtKiac bo6c nsw. «& Dion LX 8. ^ leaephos jüd. krieg
VU 7, 1. " ab exe. XU 66: berioht ttber den krieg der Clitae vem
j. 62 nach Ch. *^ n. h. Y 94.
EJNeumann: zur landeskunde und geschichte Kilikiens. 585
ralis historia an Titus ist bekanntlich im j. 77 abgefaszt; aber da-
mit ist natürlich nicht erwiesen, dasz nicht unsere im 5n buch
stehende stelle schon erheblich früher geschrieben sei. es mnsz da-
her unentschieden bleiben, ob Anemurium nach Plinius noch die
westgrenze des kommagenischen reiches bezeichnen soll , ober ob
seine angäbe schon auf die zeiten der directen römischen herschaft
hinweist.
II. DIE KILIKISCH-SYRI8CHEN PÄSSE.
Über den passweg, der das ebene Kilikien mit dem Südwesten
Eappadokiens verbindet, ist man vollkommen unterrichtet: es sind
dies jene 'kilikischen pforten', durch die Alexander der gr., durch
die schon früher das beer des jungem Kyros in Kilikien eingedrungen
ist. diesen heute Gülek-Boghas genannten pass benutzte auch jene
grosze Verkehrs- und handelsstrasze , die von Ephesos ausgieng und
über Apameia Kibotos nach den östlichen landschaften Eleinasiens
und nach Syrien führte.
Viel schwieriger ist die bestimmung jener pfisse an der ost-
grenze Eilikiens, welche den verkehr mit Syrien ermöglichten, es
sind hier deren mehrere, die von den alten bald ebenfalls als kili-
kisehe, bald als amanische und syrische pforten bezeichnet werden,
diese örtlichkeiten eines bodcns von hoher geschichtlicher bedeutung
zu bestimmen haben geographen und historiker sich bemüht, die
ergebnisse der reisenden zeigen deutlich, was für passe in jener
gegend überhaupt vorhanden sind; hierfür vereinigt das gesamte
material die gelehrte und umsichtige bearbeitung Karl Bitters. ^'
von Bitter selbst und seinen vorgftngem^^ sind auch die classiker
zum teil herangezogen worden, aber wenn hier auch bereits wert-
volle resultate vorliegen, so fehlt es doch immer noch an einer voll-
ständigen und übersichtlichen Zusammenfassung des vorhandenen
materials, die sich bemühte in jedem falle festzustellen , welcher be-
stimmte pass gemeint ist. im folgenden sei nur in kürze auf die
bereits gesicherten resultate hingewiesen , während einige noch gar
nicht oder nicht genügend beantwortete fragen ausführlichere be-
handlung finden mdtgen.
4» erdkunde XVII 2 (1856) s. 1778 ff. Kotschy 'reise in den kili-
kischen Taurns über Tarsus' (Gotha 1858) bat die für uns in betracht
kommenden gegenden nicht berührt; und Langlois 'voyage dans la
Cilicie «t dans les mMitagnes «tu Tanrns ex^cnt^ pendant les ann^es
1.853—1853' (Paris 1861) bietet wenigstens nichts neues. ^ vor allem
von Ainsworth 'notes npon the comparative geographj of the Cilician
and ^rian Mtes' (the j<»amal of the royal geographica! socifity of
Londea. Yllf [1838] s. 185—195 mit guter karte), vgl. denselben bei
Barkicr 'CiUeia and its governors' s. 21 f. auf vollständigster kenatnis
&^T geographischen litteratur beruhen die aosetsungen in Kieperts meialer-
hufter kartft von Kleinasien (BerKn 1844). dagegen kommt Kieperts
kaufte des türkischen reichs in Asien (Berlin 18&3) für unsere zwecke
nieht in betracht und ebensowenig seine 'carte de TAsie mineore'
(ergänsungsheft nr. 20 zn Petermanns geogr. mitt. Gotha 1867).
536 KJNeamaim; zur landesknnde und geschichte Kilikiens,
Aaszugehen ist von jenen angaben der alten , welche dorch ^e*
nane ortsbestimninng zu völlig sicheren resultaten führen, es ist
dies der bericht des Xenophon über den 'zog des jflngem Ettos
und anszerdem die geograpben. erst von diesem Standpunkt ans
gewinnt man einen klaren einblick in die angaben der ttbrigen
historiker , die yon zfigen in jenem grenzgebiet berichten, bei den
geschichtschreibem Alexanders führt die geographische frage not*
wendig auf das gebiet der qnellenkritischen antersachong.
Nach Xenophon" legte Ejros die 15 parasangen wegs vom
Pjramosflusse bis nach Issoi, der letzten stadt Ejlikiens, in zwei
tagemärschen zurttck. von da aus gieng es in 6inem tage zu den
5 parasangen weit entfernten kilikisch-syrischen thoren.^' es war
dies ein strandpass; die berge traten fast bis an das meer hinan,
und der Zwischenraum bis zum meere war durch zwei schanzen ge-
sperrt, diese schanzen waren drei Stadien von einander entfernt,
und zwischen ihnen flosz der Korsos, es unterliegt jetzt keinem
zweifei mehr, dasz dieser flusz mit dem Merkes Su identisch ist. und
noch heute erkennt man an erhaltenen trümmem Verteidigungs-
mittel des altertums." dann gieng es nach Myriandros und weiter
nach dem Euphrat. die erwfthnung von Myriandros zeigt uns, auf
welchem pass das beer des Eyros den Amanos überstiegen hat.
diese stadt lag südlich vom Korsos, dem Merkes Su. man hat also
nicht den Übergang benutzt, der den Merkes Su aufwärts begleitend
über das gebirge führt, nicht durch den Bagras Beli Boghas ist
Kyros gezogen, sondern von Myriandros aus südöstlich über den
niedrigsten und bequemsten Übergang des gebirges , der noch heute
fast allein benutzt wird, und über den die groszen straszen von
Aleppo und von Antiochia führen, es ist dies der Beilanpass , der
als erste Ortschaft im osten des gebirges das jetzt verfallene"^ Bagras,
das Pagrai des altertums, berührt."
Yon dem unvermeidlichen Übergang über diesen zweiten pass
hat Xenophon nichts erwähnt, offenbar weil eine Verteidigung des-
selben durch die feinde überhaupt nicht zu besorgen , und weil der
pass leicht zu übersteigen war. man würde sich auch gröblich irren,
wenn man diesen Beilanpass in dem berichte Diodors zu finden
meinte. ^ allerdings sind die ntiXai Diodors von bergen gebildet,
sie sind kein strandpass. aber wenn Diodor drei Stadien als die
^1 anab. I 4. »* iirl irOXac rf\c KiXixiac xai rffc Cupiac.
^ Aiosworth 'travels in the track of tbe ten thonsand Oreeks' (London
1844) s. 58 f. derselbe JRGS. VIU (1838) 8. 186 f. 191. Chesney Hbe
expedition for the sunrey of the rivers Enphrates and Tigris' (London
1850) II 211. Gallier 'voyage en Orient' im Bulletin de la sooi^t^ da
g^ographie. Ue s^rie tome III (Paris 1885) s. 248 f. Benneil 'Ulnstim-
tions of tbe history of the expedition of Cynis' (London 1816) s. 50 ff.
^ KNiebohrs reiaeheschreitNing III 18. ^^ wenn bei Agathemeros
IV 15 (GGM. II a. 475) die entfemnng vom Euphrat bis Myriandros
angegeben ist, so weist aach dies aaf eine Strasse, die über den Beilan^
pass zur küste führte. ^ XIV 21, 8 f.
KJNeamann: zur landeskunde und geschichte Eilikiena. 537
breite angibt, so sieht man deutlich, dasz dies dieselben drei Stadien
sind, die nach Xenophon zwischen den beiden schanzen des strand-
passes liegen, bei Biodor ist weiter nichts als eine verballhomang
des ursprünglichen berichts za finden ; der allerdings seltener vor-
kommende strandpass ist zu einem gewöhnlichen gebirgspfad ge-
worden.
Diesen vom Merkes Su durchflossenen strandpass haben wir
auch in den TiuXai des Artemidoros^^ wiederzuerkennen, von der
mündung des Orontes an der küste nordwärts segelnd erreicht man
sie nach einer fahrt von 525 Stadien ; und diese entfemungsangabe
fuhrt eben auf den pass des Xenophon. ganz begreifliGh, dasz gerade
dieser pass bei seiner läge dicht am meere berücksichtigung im
periplus fand, noch heute sieht der Schiffer trümmer einer befesti-
gung etwas südlich von der stelle wo die schanzen Xenophons ge-
standenhaben, es sind dies jene eben von den schiffem^ sogenannten
Jonasseulen, bei denen nach der Morgenländer glauben der walfisch
den Propheten ans land geworfen hat ^
Sehr wertvoll sind die angaben des stadiasmus maris
magni, der die beschreibung der kleinasiatischen südküste be-
kanntlich aus guter alter quelle geschöpft hat. er erwähnt kili-
kische^ und amanische'* pforten. bei der bestimmung der
kilikischen pforten können wir leider von seinen entfernungs«
angaben keinen gebrauch machen, da die zahlen teilweise unzweifel-
haft verdorben sind, aber die reihenfolge in der aufzählung der orte
genügt durchaus zu fester bestimmung. der periplus fahrt uns von
Bhosos über Myriandros und "AXeSdvbpeia kot" "Iccöv zu den kili-
kischen pforten und von dort aus über das lepöv nach Issos. es
bedarf keiner weitem darlegung^ dasz auch hier der strandpass des
Merkes Su gemeint ist. über Issos hinausfahrend gelangt man zu
den amanischen pforten, die iv toi KCiXoTärtp toC köXitou
liegen ; und weiter zu dem dorf Alai und der stadt Aigaiai. auch
diesen pass haben die bemühungen der reisenden ermittelt : es ge-
nügt auf die äuszerst sorgfältigen mitteilungen von Ainsworth^ zu
verweisen, der pass liegt etwas nördlich von den Matakh genannten
ruinen. er hat eine breite von nur 500 englischen fiisz; halbwegs
auf ihm steht ein groszer bogen, Eara Eapu, das schwarze, oder
Demir Eapu, das eiserne thor genannt, danach ist er auf den karten
von Ainsworth und Kiepert eingezeichnet, in südwestlicher richtung
führt der weg durch diesen pass nach Ajas, dem alten Aigaiai.
auch die entfemungsangaben des periplus passen zu der ansetzung
beim eisernen thore: denn die amanischen pforten sollen 150 Stadien
von Aigaiai und 90 von Issos entfernt sein.
57 bei Strabon XIV 6, 3 C 670 M bi t6v 'Op6vTT]v iroraMÄv xiXio
^KOTÖy xpidKovra, ini bi xdc wiXac &c,i\c irevraxöaa €Ikoci ir^vre.
'^ Ainsworth JRGS. 1838 s. 186. vgl. travels s. 59. ^ Niebahr ao.
8. 101. ^ KiXiKtai irOXat § 153 (GGM. I s. 476), 154 (s. 477), 213
(8. 488). ei 'A^aviKal irOXai 156 f. (s. 478 f.). «' JRGS. 1838 8. 189.
Jahrbücher fOr eUss. philol. 1883 hft. 8. 85
538 EJNeumann : zur landeekunde und geBchicbte Eilikiens.
Sowohl die passe des Merkes Su und des eisernen thores als
den von Beilan finden wir bei Ptolemaios. auch bei ihm be-
zeichnen die'AjLiaviKalTTuXai*' den pass des Demir Eapu. Ptole-
maios setzt diese pforten etwas nördlich von Issos und in gleicher
breite mit Aigai an.^ sie liegen östlich^ von Aigai**, und wenn
sie, der Wirklichkeit nicht entsprechend, auch etwas östlicher als
Issos ^^ angesetzt sind, so findet dies seine erklämngin dem glauben
der alten, dasz dieser pass im innersten winkel des busens liege.**
einen ganz ähnlichen irrtum begieng bekanntlich das altertum, wenn
es bei Bioskurias den winkel des Pontes Euzeinos ansetzte.
Die KiXiKiai nuXai** des Ptolemaios dürfen wir unbedenk-
lich in dem strandpasse des Merkes Su wiedererkennen, obwohl sie
nicht nach länge und breite bestimmt sind, welch andern ort könnte
Ptolemaios meinen, wenn er sagt^^: nach Issos und den kilikischen
pforten kommen die syrischen städte Alexandreia bei Issos, Myrian-
dros und BhososV unter den syrischen pforten (COpiai mjXat) *'
dagegen versteht Ptolemaios den Beilanpass. er setst denselben
östlich ^^ von Alexandreia und Myriandros^', und westlich von
Pagrai ^^ dem heutigen Bagras , an , das von der Beilanstrasze be*
rührt wird, wenn sie dagegen stldlich^ von Pagrai** liegen sollen,
so bleibt es unentschieden, ob Pagrai nur von den abschreiben! oder
von Ptolemaios selbst zu weit nördlich angesetzt ist. die breite der
syrischen pforten ist im Verhältnis zu Alexandreia^ und Myriandros^
annähernd richtig angegeben.
Jetzt kann auch die deutung Strabons keine Schwierigkeit
mehr bieten, in der küst^nbeschreibung von westen nach Osten vor-
schreitend nennt er die amanischen pforten mit ihrem anker-
platz zwischen Aigaiai und Issos.*' er meint also den pass des eiser-
nen thores. die erwähnung des Xenophontischen Strand passes
hatte er bereits früher dem Artemidoros entlehnt** und nennt ihn
jetzt aufs neue als grenze der Kiliken und Syrer.** endlich finden
wir noch einmal amanische pforten.^ diese liegen aber bei
Pagrai. sie sind also nicht mit den früher genannten amanischen
pforten, dem pass des Demir Kapu, sondern mit dem Beilanpass
identisch.
Diesen weg über den Beilanpass zeigt uns auch das itine-
rarium Antonini ^, wenn es uns die entfernungen zwischen
" V 7 8. 846, 7 und 343, 2 Wilb. •« So» 30' nach B E Pal. 1.
breite von Issos 360 26'. " 69« 80'. ^ 69«. " 69« 20'.
•- stad m. m. 156 iv T«p KOiXordTifi toO köXttou. •« V 14 s. 368, 10 W.
"^^ |üi€Td tV|v Mccöv kqI Tdc KiXiKiac iruXac CupCac *AX€Hdv6p€ia i\
Kai* Mccöv, Mup(av6poc, Twcöc '« V 14 s. 366. 20 W. " 69» lO'.
7^ 69« 30'. '* 70". " 3eo 15'. 7S 350 35' 77 350 iq'.
« 35" 60'. " Strabon XIV 5. 18 C 676. « XIV 6, 3 C 670.
«1 XIV 6, 19 C 676. der ausdrack TTOXai XcTÖMCvai läszt keinen tweifel
an der Identität mit dem von Artemidoros ohne jeden insats TTOXai
genannten passe. •* XVI 2, 8 C 761. " 145, 6—147, 1 Weis.
s. 67 f. Parthey.
KJNeamann: zar landeskunde und gescbichte Kilikiens. 539
Aegaeae , Castabalum , Baiae, Alexandria, Pagrae und Antiochia an-
gibt, aucb der pilger von Bordeaux ist über diesen pass ge-
zogen.^ dagegen führt uns eine andere angäbe des itinerarium
Antonini ^ noch über eine weitere passage. es ist der weg, der von
Nikopolis über Dolicha und Zeugma am Euphrat nach Edessa führt.
Nikopolis lag am issischen busen, etwas nördlich von Myriandros,
Alexandreia^* und dem strandpass des Merkes Su, etwas südlicher
als Issos. ^ der weg, der von Nikopolis direct über das gebirge nach
Syrien führte, kann keinen der bisher von uns genannten passe be-
nutzt haben ; man kann hier nur, wie Ains worth dies bereits getban %
an den pass des Pinaros, des heutigen Deli Tschai, des Hollen
flusses' , denken , einen pass der den flusz aufwärts begleitend über
den Amanos führt, die Untersuchung dieses passes verdankt man
dem brittischen viceconsul zu Suwaidiyah , Edward B. B. Barker. ^^
Endlich sei von geographen noch der ältere P 1 i n i u s erwähnt,
wenn dieser in seiner beschreibung von Eilikien in allerdings keines-
wegs musterhafter reihenfolge Aegaeae , den Pjramus , die portae
Ciliciae und Malios nennt '^ so kann doch kaum ein zweifei sein,
dasz er mit den kilikischen pforten den pass des schwarzen thores
meint, es ist möglich, dasz Plinius denselben pass im sinne hat,
wenn er den dritten parallelkreis durch die kaspischen pforten, Issos
und die kilikischen pforten'' gehen läszt. wäre man hier genauer
Ortsbestimmung sicher, so müste man allerdings an den pass des
Pinaros denken, in dessen nähe Issos lag. aber eine solche genauig-
keit ist bei einer ansetzung nicht zu erwarten, die denselben parallel
durch Eataonien und Kypros gehen läszt.. ''
Nunmehr wird es möglich sein über die noch übrigen berichte
der historiker ein sicheres urteil zu gewinnen, den grösten rühm
verdankt die enge strandebene von Issos dem siege Alexanders
überDareios. eigentümlich waren die Verhältnisse, die schliesz-
lich zu dem zusammentreffen der feindlichen beere auf einem boden
führten, der zu schlachten so wenig wie möglich geeignet war.
Die durch Arrianos repräsentierte gruppe der zuverlässigen
traditien bietet uns folgenden bericht. während Alexander sich in
Tarsos zu einer diversion nach Westkilikien rüstet, schickt er den
Parmenion voraus, die kilikischsyrischen thore zu besetzen." von
^ itin. Hierosolymitanum 681, 3 Wess. b. 274 Parthey: maruio Pangrio9.
85 190, 6 — 191, 5 Wess. s. 86 Parthey. " ßtrabon XIV 5, 19
C 676. " stad. m. m. 162 -155 (GGM. II 476—478). die ergänzung
elc ^NiKÖ^iToXiv musz als evident bezeichnet werden, gegenüber den
angaben iStrabons und des stadiasmus kann die nördlichere ansetzung
des Ptolemaios V 7 s. 345, 5 W. nicht in betracht kommen, über die
bei Steph. Byz. befindliche identificierung mit Issos ist längst richtig
gearteilt worden. ^8 jrqs. 1838 s. 194 f. »' Ainsworth bei William
Burckhardt Barker 'Cilicia and its governors' s. 22. ^ n, h, Y 91.
<»i n. A. VI 214. »* noch weniger läszt sich über n. h. V 99 sicher
urteilen, wo kilikiscbe pforten ohne jeden zusatz, der eine deutung er-
möglichte, erwähnt werden. ^^ Arr. II 6, 1 lirl täc dXXac müXac (im
gegensatz zu den kappadokisch-kilikischen , dem Gülek-Boghas) , dt 6f|
35 •
540 EJNeumann: zur landeskunde und geschichte Eiükiens.
Soloi naeh Tarsos zurückgekehrt sendet er den Philotas mit der
reiterei durch das aleische gefilde zum Pyramos , während er selbst
über Magarsos nach Mallos zieht.'* hier erfährt er, dasz Dareios in
Syrien stehe, kaum zwei tagemärsche von den syrischen pforten.
am nächsten tage bricht er auf, am zweiten marschtage geht er
durch die passe und lagert bei Myriandros.'^ inzwischen war anch
Dareios, in dem glauben, Alexander wage es nicht zur Schlacht nach
Syrien vorzurücken, durch die amanischen thore zu der schmalen
strandebene gelangt, er kam Alexander in den rücken« er besetzte
Issos und zog am folgenden tage zum Pinaros. auf die sichere künde
hiervon wendet Alexander um; mit einbrach der nacht bricht er anf,
um mitternacht besetzt er aufs neue den pass , und mit beginn der
morgenröte zieht er dem Dareios entgegen nach norden , znr Unken
das meer, zur rechten die berge. "^ so treffen denn die feindlichen
beere an den ufern des Pinaros, des Deli Tschai, aufeinander; die
Perser auf dem rechten (nördlichen) ufer des flusses^ auf dem linken
(südlichen) Alexander: gerade umgekehrt als es hätte geschehen
müssen, wenn nicht Dareios dem Alexander in den rücken gekommen
wäre.
Ich glaube, wir können hier mit voller bestimmtheit erkennen,
welche passe gemeint sind, die unzweideutigste angäbe bietet die
nachricht, dasz Alexander, mit beginn der nacht von Myriandros
aufbrechend , um mitternacht den pass erreichte, es kann hier also
nur der strandpass des Merkes Su gemeint sein, unmöglich der des
Demir Eapu; wozu auch stimmt, dasz erst erheblich später der
Pinaros erreicht wird, und sprechen nicht zwingende gründe da-
gegen, so müssen wir in demselben strandpass die thore erkennen,
welche Alexander, von Mallos aufgebrochen, am zweiten tage dnrdi*
zog, bevor er bei Myriandros anlangte, allerdings macht einen die
bedeutende cntfernung von Mallos bis zum Merkes Su stutzig, es
ist schon einer der stärksten märsche, die das beer des Jüngern Kyros
machte, wenn es die 15 parasangen vom Pyramos nach Issos in zwei
tagen zurücklegte. " die 5 parasangen zu den passen des Merkes Sa
legte man an einem dritten marschtage, die weiteren 5 parasangen
nach Myriandros an einem vierten zurück, nun ist der ausgangs-
punkt des Xenophontischen marsches, der Pyramos, mit dem Alexan-
ders, der Stadt Mallos, im wesentlichen identisch, heutzutage flieszt
allerdings der Pyramos erheblich östlich von dem Vorgebirge Kara*
öpdouci Tf)v KiX(ku)v t€ Kai *Accup(uiv xdipav, nach der glänKendea
darlegung von Nöldeke (Hermei V s. 448 ff.) ist ei wohl nicht erst
nütif!^ zu bemerken, dass zwischen 'AccOpioc and Cupioc ein nnteriehied
nicht besteht.
M II 6, 8 f. »* II 6, 1. 2. •• U 7. 2. 8, 1 ff. " Xen. anab.
I 4, 1. im ganzen ist das heer des Jüngern Kyros in 82 marsohtagsn
607 parasangen marschiert, im durchschnitt also etwa 6^/9 paratange
täglich, bei uns legen infanteriedetachementa an einem tage gewöhn-
lich 2 Vt~4, nötigenfalls 6 meilen zurück, indessen kommen aaeh ftXrkere
gewaltmärsche vor.
KJNeumann: zur landeBkonde und geschichte EilikieDB. 541
tasch BuruB (schwärzliche nase) , anf dem Mallos lag. aber es ist
längst erkannt und anerkannt, dasz der Pyramos seinen unterlauf
geändert hat und früher westlich vom Karatasch Barun ins meer
gemündet ist. '"^ wenn indessen auch ungefähr den gleichen ausgangs-
punkt verlassend , so hätte Alexander doch in den zwei tagen eine
erheblich grössere strecke zurücklegen müssen als das beer des Ejros.
denn dies kam in zwei märschen bis nach Issos, Alexander aber
hätte noch am zweiten marschtage wenigstens den Merkes Su er-
reicht, angesichts dieser Schwierigkeit ist man versucht an den pass
des Demir E[apu als den zu denken, den nach dem berichte Arrians**
Alexander vor seiner ankunft bei Myriandros durchzogen, gemeint
hat Arrian keinen andern als den strandpass ; aber er könnte sich ja
geirrt haben, da trifft es sich nun aber glücklich , dasz wir wenig-
stens in ^inem falle wissen, dasz das beer des Kjros einen ähnlichen
gewaltmarsch ausgeführt: es hat die 30 parasangen von Keramon
Agora nach Eaystru Pedion in drei tagen zurückgelegt. '^ wir sind
also berechtigt daran festzuhalten, dasz die assyrischen thore Arrians
mit dem strandpasse identisch sind. Alexander hat denselben wenig-
stens mit der spitze des heeres noch am zweiten tage nach dem auf-
brach von Mallos durchzogen und dann zwischen dem Merkes Sn
und Myriandros das lager aufgeschlagen, in dem er am nächsten
tage blieb. ''^^ denselben pass meint Eallisthenes, ein teilnehmer
am zuge, mit seinen kilikischen thoren und seinem engpass. ^^ auch
nach ihm ist Alexander auf die künde von der ankun^ des Dareios
wieder umgekehrt und durch den pass zum Pinaros zurückgegangen.^^
endlich sei noch darauf hingewiesen , dasz auch die thore an der
grenze Eilikiens und Syriens , die Parmenion auf befehl Alexanders
vorausbesetzte ''^^ nichts anderes als der strandpass sind. Arrian
identifidert sie entschieden mit dem passe von Myriandros, und auch
nur dieser konnte als grenze bezeichnet werden, denn er war es in
der that in der zeit der Achaimeniden, wie wir aus Xenophon er-
kennen, der pass des eisernen thores aber ist eine solche grenze
nicht, natürlich hat sowohl Parmenion als Alexander auch ihn durch-
^ vgl. die überzeugende darlegang KBitters erdknnde XIX s. 116 ff.
hinzu füge man die angäbe des stad. m. m., der, die richtung von ost
nach west einhaltend, erit Mallos erwähnt und dann S 164 (GGM. I 486)
mitteilt: iropd t6 dKpmr/ipiov iroTaiüiöc kri itXuitöc 5c TTOpaibioc koXcI-
Tat. auch Kieperts karte von Kleinasien setzt den alten lauf des Pyra-
mos westlich vom Karatasch Burun ao. *' II 6, 8. *^ Xen. anab.
I 2, 11. ^^^ für die grosse eile, mit der Alexander marschiert ist,
S rechen auch die kranken, die er in Issos zurücklassen muste: Arrian
7, 1. Curtius III 8, 14 inoaUdiy qui agmen non poterant persequi.
io> bei Poljbios XII 17. 19. ><» nach Kall, bei Poljbios XII 19 hat
Alezander im süden des strandpasses von der ankunft des Dareios ge-
hört, als ihn nur noch 120 Stadien vom feindlichen beere trennten,
etwas abweichend ist die schon erwähnte angäbe Xenophons, wonach
zwischen Issos und dem strandpass 5 parasangen liegen, solche diffe-
renzen sind bei bloszer Schätzung der entfernungen nach der zeit des
marsches schwer zu vermeiden. ^^* Arr. anab. II 5j 1.
542 KJNeumann: zur landeskunde und gescbichte Eilikiens.
ziehen müssen, um zu dem Merkes Su zu kommen, indessen ist er
bei Arrian, der hier dem Ptolemaios folgt '^, gar nicht erwähnt, weil
er in diesem feldzug gar keine bedeutong hatte.
Die berichte zweier teilnehmer an dem zage, des PtolemaioB
und des Eallisthenes , in den erwähnten angaben übereinstimmend,
lassen uns die absiebten Alexanders deutlich erkennen, wohl moste
er wünschen in der engen strandebene, welche der entfaltung der
persischen massen keinen räum bot nnd deren numerische Überlegen-
heit aufhob , die schlacht zu liefern, aber er konnte nicht erwarten,
dasz Dareios so völlig aller einsieht in den eignen vorteil bar sei,
dasz er selber ihm nach Kilikien entgegenkäme, daher muste Alexan-
der sich entschlieszen die schlacht in Syrien zu liefern, indessen
war gefahr vorhanden, dasz selbst dieses nicht gelänge, wenn Dareioa
die kilikisch-sjrischen passe sperrte und, auf energische defensive
sich beschränkend , die Makedonier eben nicht nach Syrien hinein-
liesz. dem zuvorzukommen sandte Alexander den Parmenion vorans,
und darum eilte er selbst in so gewaltigen märschen von Mallos
über Issos nach dem strandpass. offenbar war seine absidit über
den Beilanpass in Syrien einzudringen, indessen was er nicht ein-
mal zu hoffen wagte, das geschah'^: Dareios selber zog in dem
glauben , dasz Alexander sich ihm entziehen und eine schlacht Ter-
meiden wolle, durch die amanischen t bore in die strandebene von
Issos. auch diese thore, die sowohl Kallisthenes '^ als Arnan'^ er-
wähnen, können wir bestimmen, nördlich von dem strandpass nnd
dem Bagras Beli Boghas führen noch zwei passe über den Amanos,
der eine nach Baias, dem alten Baiai, von Ainsworth als sommerpass
bezeichnet, der andere, noch weiter nördlich, zum thal des Deli Tsohai
nach Issos. es ist dies der bereits erwähnte weg, der von Barker er»
kündet wurde. Dareios langte beim Pinaros, bei Issos an: also ist er
^^^ dies läszt sich meines erachtens aas II 11, 8 für die gaue
schlachtbeschreibong folgern. ^^ Aischines g. Ktes. 164 liefert uns
keine für die einsieht in die plane der kriegfohrenden Irgendwie ver-
wendbare auskunft; man hüte sich ja ans der behauptung 'AXäavöpoc
f|v diT€iXiimui^voc iy KxXitciq etwas anderes als eine allgemeine kenntnit
der Schwierigkeit des kilikischen terrains, etwa gar genaue bekannt-
schaft mit den einzelnen passen sn erschUescen. die mehnahl der pXsse
könnte uns allerdings die läge Alexanders in der strandebene ffeflbrlieh
erscheinen lassen, bei genügender kenntnis derselben hätten die Perser
ihre numerische Überlegenheit wohl cn dem versnch einer einsohliesiaiig
des makedonischen heeres benutzen können, aber thatsache ist, dass sie
einen solchen versuch nicht gemacht haben; sie hätten dann doch vor
allem den strandpass oder den Beilanpass besetien müssen, es seheint
eben nicht, dasz man im persischen hauptqnartier geogpraphisoh so
genau orientiert war. auch Alexander ist dies kaam gewesen, bei dem
versuch in die absichten der kriegführenden einsudrhigen dürfen wir
nicht von der erst durch diese cüge nnd später erworbenen kenntnis
der zahlreichen passe ausgehen, ebensowenig wie Dareios an die ein»
schlieszung gedacht hat, konnte Alexander diese gefahr in betraoht
ziehen, nur die abschliesznng von Syrien hat er gefürchtet. *^ bei
Polybios XII 17. «ö^ n 7, 1.
KJNeumann : zur landeakunde und geschichte Kilikiens. 543
durch Barkers pass gezogen, denselben pass hat er zur flucht benutzt,
abweichende ansichten , welche für den rückzug des besiegten einen
südlichem passweg wählen, verdienen keine Widerlegung, nur daran
sei noch erinnert, dasz Dareios auch nicht den nördlichsten weg be-
nutzt haben kann , den Ainsworth und Kiepert uns zeigen : denn
dieser führt nach dem heutigen Marasch, und Dareios eilte nach
Thapsakos am Euphrat.
So liegen die Verhältnisse nach den zuverlässigsten quellen,
ein ganz anderes bild der dinge zeigt die Eleitarchische tra-
ditio n , die uns am reinsten bei D i o d o r o s erhalten ist. ^^ während
seiner krankheit (zu Tarsos) erfährt Alexander, dasz Dareios von
Babylon aufgebrochen sei. *'^ als derselbe nur noch einen weg von
wenigen tagen entfernt ist, sendet Alexander den Parmenion voraus,
die thore zu besetzen, als Dareios hört dasz Alexander im besitz
des passes ist, glaubt er, derselbe wolle eine schlacht in der ebene
nicht wagen, und rückt in eilmärschen ihm entgegen, inzwischen
erreicht Alexander Issos , und jetzt ist das beer der Perser nur noch
30 Stadien von ihm entfernt.^'' so prallen die feinde einfach auf
einander, natürlich Alexander im norden, Dareios im süden stehend,
kein wort, ja keine ahnung von der so glänzend verbürgten Um-
gehung und der dadurch veränderten Stellung der beere, die thore
erreicht Alexander, bevor er nach Issos gelangt: es ist also der
pass des Demir Kapu.
Eine eigentümliche Verbindung der Eleitarchischen und der
von Arrian wiedergegebenen tradition bietet uns der bericht des
Q. CurtiusBufus. zunächst erzählt er einfach nach Eleitarchos. "'
Parmenion ist vorausgeschickt, den pass zu besetzen, über den man
auf dem wege nach Issos musz, also den des eisernen thores. Alexan-
der kommt nach Issos und bescblieszt auf diesem ihm so günstigen
terrain den Dareios zu erwarten, auch die ausführliche erzähiung
über die beratung des Dareios '*' ist nicht dem von Arrian benutzten
berichte über Amjntas den söhn des Antiochos'^^ sondern, wie die
enge Verbindung mit der sendung der schätze nach Damaskos bei
Curtius"^ sowohl alsDiodor"* lehrt, der Eleitarchischen quelle ent-
lehnt, unmittelbar darauf indessen folgt die unkleitarchische ge-
schichte der Umgehung. "^ Curtius hat ganz vergessen, dasz er kurz
vorher den plan Alexanders bei Issos stehen zu bleiben gemeldet
hat"^; und läszt ihn jetzt, ohne über eine änderung des planes irgend
etwas zu bemerken, zu den fauces quihus S^ria adUur^ dem strand-
passe des Merkes Su, gelangen, während in derselben nacht Dareios
die amanischen pforten erreicht."^ Dareios zieht zum Pinaros,
109 es genügt vollständig auf JKaerst 'beitrage zar quelleokritik des
Q. CurtiuB Bufiis' (Qotha 1878) s. 2 ff. zu verweisen. "<> Diod. XVII
81, 6. >" ebd. 32, 2—33, 1. "» III 7, 6-10. "« III 8, 1-12.
*>* Arr. n 6, 3 ff. >'* III 8, 12. "» 32, 3. "' Curtius III 8,
13—23. 1^® III 7, 10. ^1' III 8, 13 ad eum locum quem Amanica» Pylas
vocani, vgl. Arr. II 7, 1 kütöl räc irOXac Tdc 'AfiuxviKäc KaXouM^vac.
Kall, bei Polybios XU 17 b\ä Tiöv *A|iav(6u)V XcTo^^vuiv iruXtXiv.
544 KJNeomann: zur landeskunde und gesehiehte EilikieiiB.
Alexander aber kebrt um und geht den passweg wieder znrflek»
jetzt kehrt Cnrtiiis wieder zu Kleitarchos znrflck, wenn er 30 Stadien
zwischen beiden beeren ansetzt. ^^
Der ursprQngUebe bericht, wie ihn uns Arrian eriialten, ist bei
Curtius mehüfiach yerftnd^. Alexander hatte in lasos kranke zurück-
lassen müssen, die Dareios nach Arrian"* verstümmeln und töten
liesz. nach Curtius Iftszt Dareios bie nur verstümmeln und sendet
sie dann als verkflndiger seiner berlichkeit zum makedonischen beere»
eine schlimmere ver&nderung ist es« wenn bei Curtius Dareios den
Pinaros, bis zu dem er nach Arrian gelangt, überschreitet, denn der
Pinaros trennte beim beginn der schlacht die feindlichen beere, die
auch von Plutarch*** gebotene angäbe, dasz Alexander und Dareios
in derselben nacht die verschiedenen passe durchzogen, widerspricht
wenigstens den chronologischen daten nicht, die wir aus Arrian ge-
winnen, auch das dürfen wir als sicher betrachten , dasz Alexander
erst am sp&ten abend am Merkes Su angelangt sein kann, dag^en
erkennen wir bei einer andern stelle, die Curtius ebenfalls nicht der
Slleitarchischen tradition entlehnt hat, dasz er allein eine wichtige
thatsache erhalten hat. ich meine die beschreibung der makedo*
nischen Schlachtordnung."' Polybios"^ tadelt es in seiner kritik der
Kallisthenischen Schlachtbeschreibung vor allen dingen, dasz Ealli-
sthenes behauptet, Alexander habe in unmittelbarer nfthe des fisindes
seine schlachtreihe in einer tiefe von nur 8 mann aufgestellt. Poly-
bios zeigt, dasz bei dem engen räum des Strandes die aufstellung des
heeres nur unter der Voraussetzung einer tiefe von 30 mann denkbar
sei. damit will er das minimum der tiefe bezeichnen, die Schlacht-
ordnung des Curtius stimmt mit der Arrianischen überein, nur
wenige zusfttze bietend, aber einer derselben ist im höchsten grade
wertvoll, wir verdanken ihm die kenntnis , dasz die schlachtreihe
in der that eine tiefe von 32 mann besasz.'*^ der gewfthranann,
dem Arrian folgt, und auf den Curtius hier wenigstens in letzter
linie zurückgeht, Ptolemaios, hat also einen durchaus correctan be-
richt geboten, in seiner kritik des unmilitärischen Kallisthenes hat
Polybios fast genau das als notwendig gefordert, was der kundige
Ptolemaios einüach berichtet hat.'"
Es ist hier nicht der ort, die ganze beschreibung der scUaeht
"• III 8, U vgl. mit Diod. c. 88, 1. «* II 7, 1. «« Alex. 20.
<» III 9, 7—12 vgl. mit Arr. II 8, 1—4; 9, 2—4. die ubereinitimmang
dieser stelle mit Arrian hat bereits Laudien bemerkt 'fiber die quellen
snr gesch. Alex, des gr.' (Leipsig 1874) s. 20. *** XII 81. >•» III
9, 12: XXX et duo armatarum ordines ibani, neque tnim latiut extendi
aeiem paHebantur angustiae. *** denn die angäbe des Cnrtins anf eine
berücksichtignng der Polybischen kritik zurüeksnführen hat nicht die
mindeste Wahrscheinlichkeit für sich, dieser sats, den Cnrtins mehr
bietet als Arrian, steht genau anf derselben linie mit den zwei andern
BUSätzen in diesen §§: § 9 ante hane aeiem poeuerat fündiiomm manum
eagütarü» admixtis und § 10 zn Agrianos opponni der insats ex Greecia
fmper advecioif wo Cnrtins die angäbe der qnelle genauer erhalten hat
als Arrian mit seinem blossen ^ipoc tiIiv *ATptav<A)y.
I
I
I
1
KJNeumaim: zur landeikande und geschichte Kilikiei^. 646
▼on Ibsos, die Cnrtios bietet, in ihre zwei bestandteile aafzulösen,
was mit Sicherheit geschehen kann. *" hier sei nur noch die frage
aufgeworfen, ob erst Cortius selbst diese Vereinigung der Eleitarchi-
schen und Arrianischen tradition vorgenommen oder ob er sie bereits
in seiner quelle vorfand, die antwort auf diese frage ist bei J u s t i n u s
zu suchen, es ist jetzt allbekannt, dasz unter den erhaltenen geschicht-
schreibem Alexanders Curtius und Justinus im allerengsten Verhält-
nis zu einander stehen, und ^dasz sich das nicht aus bloszer berttck-
sichtigung des Trogus durch Curtius erklären läszt, ergibt sich aus
der einfachen erwägung, dasz Trogus das gleiche thema in zwei,
Curtius in zehn bttchem behandelt hat.' "^ haben also Trogus und
Curtius 6inen und denselben gewährsmann zu rate gezogen, so kommt
alles darauf an, ob Trogus die Kleitarchische tradition rein und un-
vermischt gibt, oder ob auch er Ptolemäisch-Aristobulische stücke
bietet, fehlen dieselben, so ergibt sich daraus dasz Curtius selbst
die contamination bewerkstelligt hat; sind sie vorhanden, so hat
schon ihr gemeinsamer gewährsmann die später von Arrian bevor-
zugten quellen herangezogen, ich meine dasz uns die betrachtung
der zwischen Alexander und Dareios gepflogenen Verhandlungen eine
bestimmte antwort gestattet'**; auf welche weise das gewirr der
darüber vorhandenen nachrichten entstanden ist, haben weder
Hansen ^"^ noch Crohn'" erkannt.
Zunächst musz genau bestimmt werden, was die Ptolemäisch-
Aristobulische , was die Kleitarchische tradition an nachrichten ge-
boten hat.
Der Ptolemäisch-Aristobulische bericht kennt nur eine einzige
Verhandlung zwischen Dareios und Alexander. '^'' Alexander erhält
den brief des Dareios nach der schlacht bei Issos in der phoinikischen
Stadt Marathos. Dareios bittet um die freigebung seiner mutter,
gemahlin und kinder, sowie um die absendung makedonischer ge-
sandten zur fortsetzung der Unterhandlungen, bestimmte vorschlage
finden sich nicht. Alexander sendet an Dareios den Thersippos mit
einem briefe, der dieaufforderung enthält ihn als herm anzuerkennen.
**'' auch bei der scbilderuai; der belageroog von Tyros ist mit
leichtigkeit aus Curtias herauszanehmen , was aus Arrianischer quelle
geschöpft ist. für die aufspürnng der Arrianischen bestandteile bei
Curtius hat Kaerst äuszerst dankenswerte fingerzeige gegeben, eine
erschöpfende behandlung aber leider nicht beabsichtigt, es ist durch-
aus notwendig diese stücke sämtlich aus Curtius herauszuschälen und
mit zur reconstruction der guten tradition zu benutzen, der Arrian ausser
in den )«gomena gefolgt ist. '*^ AvGutschmid im rhein. mus. XXXVII
(1882) s. 553. '*^ die rede Alezanders vor der schlacht bei Issos (Arr.
II 10, 2 ff. Curtius III 10, 8 ff. Just. XI 9, 3 ff.) kann zur entsoheidung
der frage nicht herangezogen werden, da aus dem, was Droysen (gesch.
d. Hell. I* 2 s. 413 ff.) bemerkt hat, mit evidenz hervorgeht, dasz die
rede in ihrem ganzen umfange zu den Arrianischen legomena gehört.
i»> 'über die echtheit der briefe Alex. d. gr.« im Philol. XXXIX
s. 276—283. "' 'de Trogi Pompe! apud antiquos auctoritate' (diss.
phil. Argent. VII 1882) s. 35-88. "* Arr. n 14.
546 lyiNeainaiixi : zur landeskunde und geschichte Kilikiens.
Aman meldet noch von einem zweiten briefe des Dareios, den
Alezander während der belagerung von Tyros erhalten habe. *^ aber
dieser brief gehört zu den legomena. und zwar ist keineswegs nur
die erzfthlung von der antwort des Parmenion diesen legomena
entnommen.*'^ dasz die ganze erzfthlung einheitlich Eleitarchisch
ist, lehrt die vergleichung mit DiodorJ"^ und der echten tradition
kann die erzfthlung Arrians gar nicht entlehnt sein. Dareios hfttte
wahnsinnig sein müssen; um dem Alezander bereits das ganze land
bis zum Euphrat anzubieten, als derselbe erst Kleinasien und Nord-
syrien erobert hatte, allerdings weicht Arrian in einem wesentlichen
punkte auch von Diodor ab ; aber diese di£ferenz wird weiter unten
ihre erklftrung finden.
Der von Diodor bewahrte reine Kleitarchische bericht kennt
zwei Verbandlungen*'', von denen sich, wie es zunächst scheint,
keine mit der Ptolemftisch-Aristobulischen deckt, als Dareios auf
der flucht nach der schlacht von Issos in Babylon angelangt ist, sendet
er einen brief an Alezander, 2000 silbertalente lOsegeld für die ge*
fangenen und die abtretung des landes bis zum Halys bietend« seinen
freunden zeigt Alezander nicht diesen brief, sondern einen von ihm
selbst gefftlschten, und schickt die gesandten unverrichteter dinge
fort. Dareios verzweifelt an einem friedlichen ansgleicfa und rüstet
sich, da Dareios diesen brief erst von Babylon absandte, so kann
derselbe den Alezander nicht mehr in Issos getroffen haben, wenn
dies nach Diodor gleichwohl so scheint, so ist daran nur der um-
stand schuld, dasz Diodor c. 40 mit seinem Jahresanfang einen neuen
anlauf nimt. Eleitarchos hat keinesfalls Issos als den ort des empfangs
genannt.
Von einer zweiten Verhandlung meldet Diodor kurz vor der
Schlacht bei Arbela. ^" Dareios dankt für die gute behandlung seiner
gefangenen familienglieder und bietet eine summe von 3000 talenten
(wohl als lOsegeld); sodann alles land westlich vom Euphrat, die
band einer seiner töchter und die mitherschaft über das ganze reich,
im freundesrat erklärt Parmenion, er würde diese anerbietnngen
annehmen, wenn er Alexander wftre; worauf dieser ihm erwidert:
auch ich, wenn ich Parmenion wftre. Alezander erklärt eine doppel-
herscfaaft fOr unmöglich, er läszt dem Dareios die wähl zwischen
dem kämpfe um das ganze oder einem frieden bei dem Dareios etwa
als Satrap Alexanders weiter regieren könne, nach dieser antwort
verzweifelt Dareios an einem friedlichen ausgleich und rüstet sich
zum kämpfe. '"^ damals starb die gemahlin des Dareios und Alezander
liesz sie mit allen ehren bestatten. *
Man sieht, keiner dieser Kleitarchischen berichte deckt sich ohne
18S IX 25. <•« wie Hansen ao. s. 278 anntmt. >» XVII 64, 2 ff.
!>• Diod. XVII 89 vgl. mit 64, 1 ; 64, 2 ff. es sind zwei, nicht drei :
denn 64, 1 ist nur eine recftpitnlation des bereits o. 39 ersfthlten. die
2000 Silbertalente o. 69, 1 entsprechen dem xp^mdruiv irXf)€k>c des c 39, 1.
»»» c. 64, 2 ff. *w Diod. c. 66, 1.
KJNeumann: zur landeskunde und gescbichte Eilikiens. 547
weiteres mit dem Ptolemäisch-Aristobulischen. sollen wir nun aber
glauben , dasz in der that dreimal verhandelt worden sei , und dasz
uns die Ptolemäisch-Aristobulische tradition nur von der ersten, die
Eleitarcbische von der zweiten und dritten Verhandlung berichte,
dasz also die beiden Überlieferungen und die verschiedenen gesandt-
schaften mit einander Versteckens spielen? sollen wir glauben, dasz
weder Ptolemaios noch Aristobulos von so wichtigen ereignissen wie
zwei weiteren diplomatischen Verhandlungen mit Dareios künde
hatten, oder dasz sie es für überflüssig hielten davon zu berichten ?
zu einem solchen resultate führt nur eine um jeden preis harmo-
nistische methode. "^ ich glaube aber , die sache liegt in Wahrheit
sehr anders, aber auch sehr einfach, von derselben gesandtschaft
erzählt, wie es scheint, der Arrianische und der erste Kleitarchische,
allerdings die thatsachen entstellende bericht. die zweite gesandt-
schaft des Kleitarchos aber verdankt, wie ich glaube, ihre entstehung
der Sendung des Thersippos, von der uns Arrian erzählt, diese Sen-
dung war offenbar resultatlos, denn es wird nichts weiter von ihr
berichtet. Dareios war kaum in der läge auf den brief Alexanders
anders als ablehnend zu antworten , und diese antwort konnte Ther-
sippos selbst dem Alexander überbringen, aber eben diese Sendung
wird die veranlassung gewesen sein , eine zweite gesandtschaft des
Dareios anzunehmen, man wird geglaubt haben , zugleich mit der
rückkehr des Thersippos seien neue persische gesandte zu dem sieg-
reichen könig gegangen, damit waren denn die zwei gesand tschaften
gegeben, von denen uns Kleitarchos mit manigfachen weiteren ände-
rungen und ausschmückungen berichtet.
Die differenzen der verschiedenen berichte waren nun so grosz
geworden, dasz man die identität der ihnen zu gründe liegenden
Üiatsachen verkannte, schon die späteren historiker des altertums
haben daher die Ptolemäisch-Aristobulischen und die Kleitarchischen
angaben dadurch mit einander auszugleichen versucht, dasz sie bei-
den recht gaben und also drei gesandtschaften statuierten, dies
können wir zunächst bei Curtius erkennen, an erster stelle ^*^ über-
nimt er den bericht Arrians von der gesandtschaft nach Marathos.
die identität des briefes Alexanders bei Curtius und Arrian tritt auf
den ersten blick unzweifelhaft hervor, dagegen ist in dem schreiben
des Dareios der ursprüngliche sinn bereits verfälscht, sodann ^^^
bringt Curtius den ersten brief des Diodor mit dem anerbieten der
Halysgrenze, allerdings schon jetzt auch das der ehe mit einer toch-
ter des Dareios willkürlich hinzufügend, dagegen wird es kaum in
Widerspruch mit der darstellung Eleitarchs stehen, wenn Tyros als
der ort genannt wird, wo der brief des Dareios den Alexander er-
reichte, an dritter stelle *^' endlich finden wir bei Curtius die zweite
gesandtschaft Diodors, kurz vor der schlacht von Arbela abgesendet,
das neue angebet der tochter und das der Euphratgrenze stimmen
1S9
80 Hansen ao. »« IV 1, 7—14. ><» IV 6, 1-8. "« IV 11.
548 EJNeimi&iiii : zar landeeknnde und geschichte Eilikiens.
ttberein , ebenso die scene mit Parmenion. dagegen sind aus den
dOOO Silbertalenten inzwischen 30000 talente gold geworden« der
hanptoiiterschied zwischen diesen beiden berichten aber ist, dasz
nach Diodor die gattin des Dareios erst nach der sendung der aonen
gesandtschaft starbt, wtthrend nach Gurtius dieser tod schon frtther
erfolgt ist ««
Dieselbe contamination der echten und der Eleitarehischen an-
gaben aber, die wir bei Curtius gefunden haben, begegnet uns wieder
bei Jnstin. '^ allein entscheidend ist schon die dreizahl der briefe.
dazu kommt dieselbe steigerang der zngestttndnisse. beim ersten
mal ist von landabtretang noch gar nicht die rede, beim zweiten
mal wird die HalTSgrenze, zuletzt der Enphrat angeboten, auch ein
Widerspruch in der zeitansetzung ist nicht zu constataeren : denn dass
alle drei Verhandlungen erst nach dem zuge Alezanders nach Agjp*
ten*^ gemeldet werden, kommt lediglich daher, dasz alle drei im
zusammenhange bei gelegenheit der letzten behandelt werden sollten,
die angäbe Eleitarcfas *^, dasz Dareios bereits in Babylon angekommen
war, bevor er die Verhandlungen eröffiiete, eine angäbe die Gurtius
etwa IV 1, 3 hfttte au&ehmen kOnnen, hat Justin erhalten, auch bei
der letzten antwort Alexanders bleibt er der Eleitarehischen dar-
stellung '^ treuer als Gurtius. dagegen teilt er mit ihm entstellungen
wie die 30000 talente, das angebot der tochter schon bei der zweiten
gesandtschaft, der ersten Diodors, und endlich die ansetzung. des
todes der gemahlin des Dareios schon vor der dritten gesandtschaft.
nun versteht es sich aber ganz von selbst, dasz Trogus gar nicht im
stände war in seinen zwei büchern alle diese erzfthlungen, wie zb.
die meidung vom tode der gemahlin des Dareios*^ und von der
dritten gesandtschaft in solcher ausftlhrlichkeit zu geben, dasz Gurtius
aus ihm seinen bericht hfttte schöpfen kOnnen. die annähme einer
gemeinsamen quelle ist ganz unvermeidlich, wir sehen also, bereits
diese '^ hat die Vereinigung der Eleitarehischen und Arrianiachen
tradition vollzogen, bei der groszen Schwierigkeit das eigentum des
Ptolemaios und Aristobulos zu sondern"^ will ich nur Arnanisch
und nicht Ptolemftisch oder Aristobulisch sagen.
<«* IV 11, 9; 10, 16^34. den dritten bHef kennt anch Platarcb
Alex. 29. bei ihm wie bei Diodor stirbt die gemahlin erst später
(vgl. c. 80). dagegen bietet er 10000 talente statt der aOOO. bei
Valerins Mazimns VI 4 ext, 3 ist es gar eine miUion talente, und
ans dem Enphrat ist der Tanms geworden. <^ XI 12. >«» Jnst.
XI 11. **« bei Diod. c. 89, 1. "^ Diod. c. 69, 6. C "• Cnrtius
rV 10, 16-84; vgl. Just. XI 12, 6—8. »« AvGutschmid 'Trogus
und Timagenes' (rhein. mus. XXXVII s. 568). <m glfieklicher
weise ist dies auch historisch von geringerer bedeutnng; nnr in selte-
nen fällen kommt es erheblich darauf an. bei technisoh-miiitärisehen
fragen aber macht es natürlich einen unterschied, ob ein berioht auf
Ptolemaios oder auf Aristobulos zurückgeht, die beschreibung der
schlecht bei Issos dürfte, wie bereits erwähnt, wesentlich Ptolemäisch
sein, bei der belagerung Ton Gaza sind wir, meine ich, im stände den
bericht Arrisns in seine zwei beetandteile aufzulösen, hier Überrascht
EJNeumann: zur landeskonde und geschichte Eilikiens. 549
Es bleibt nur noch übrig dem berichte Arrians '^* von der zwei-
ten gesandtschaft seine stelle anzuweisen, dies legomenon ist der
verdorbenste bericht den wir über die Terhandlungen besitzen, zu
ihm hat sowohl die erste als die zweite Eleitarchische gesandtschaft
ihren beitrag gesteuert, aus der ersten stammt die nennung Ton
Tjros als dem orte des empfangs ; der zweiten ist die Euphratgrenze
und die scene mit Parmenion entlehnt, auch das angebot der tochter
findet seine stelle, das lösegeld hat, wie bei Plutarch'^, bereits die
hohe von 10000 talenten erreicht, man sehe , was für dinge man
gefahr läuft dem Ptolemaios oder Aristobulos au&ubürden, wenn
man sich der einsieht verschlieszt, dasz dieser ganze bericht den
legomena angehört, zugleich aber wird aufs neue deutlich, welch
geringen wert diese legomena Arrians besitzen und durch wie viel
hftnde sie zum teil bereits gegangen sind.
Doch kehren wir nach dieser notwendigen abschweifung wieder
zurück zu unseren passen.
Auch in den kämpfen der diadochen spielen die kilikischen
passe eine rolle, im kriege gegen die verbündeten belagerte Anti-
genes Tyros, das er im j. 314 sich unterwarf."^ dann zog er aus
Syrien, wo er seinen söhn Demetrios Poliorketes zurückliesz, durch
die kilikischen pforten nach Eilikien.*^ natürlich wird er den
bequemsten weg, den Beilanpass, gewählt haben.
In dieser gegend sollte sich auch das geschick des Demetrios
Poliorketes vollenden; hier kämpfte er gegen Seleukos den letzten
krieg seines vielbewegten lebens. während Demetrios in Eataonien
überwinterte , sperrte Seleukos die nach Syrien führenden passe. '^
uns (II 27, 3) die unglaabliche behauptnng, Alexander habe befohlen
Gaza zum zwecke der beschieszung mit einem walle von zwei Stadien
breite und nicht weniger als 250 fusz höhe zu umgeben, anch eine
höhe Yon 65 fusz (nach KWErügers conjectnr v' KOl c' für v' Kai c')
bleibt bei der beabsichtigten breite immer noch bedenklich, wir sina
aber auch keineswegs gezwungen nach pedantischer ansleg^g des
Arrianischen prooimions anzunehmen, dusz in dieser angäbe Ptolemaios
und Aristobulos mit einander übereingestimmt haben, vielmehr zeigt
uns eine stilistische Unebenheit das mittel beider ei^entum zu scheiden.
I 26, 3 heiszt es ibÖK^i hi\ X^^M^i ^v kOkXip Tf^c iröXcujc x^iwOvai und
I 27, 3 aufs neue ib6K£\ bi\ x^yiü äv kOkAi^j irdvToOcv Tf)c it6X€U)C
XiuvvOvai. dieses Ungeschick erklärt sich dadurch, dasz I 26, 8 xal
^X^vvuTO Kard t6 vötiov usw. bis I 27, 3 üx^foc bi de iröbac v' xal e'
in den sonst einheitlichen bericht eingeschoben ist. nach ausscheidung
dieses passus erhalten wir eine glatte Schilderung und können diese
dem Ptolemaios, dagegen das einschiebsei mit seinen militärischen un-
wahrscbeinlichkeiten dem Aristobulos zuweisen.
*^' II 25. ^^' Alex. 29. den ort des empfangs nennt Plutarch
nicht, sollte auch er Tyros gemeint haben, so könnte er, wie aus dem
vorhergehenden ersichtlich, nur an den dortigen aufenthalt Alexanders
nach der rückkehr aus Ägypten gedacht haben und nicht, wie Arrian
und Gurtius, an die zeit der belagerung. '^' piod. XIX 61, 5.
^^ Appian Syr. 54 (xwpuiv 6' öirdp rdc KiXiKiac irOXac) verbunden mit
Diod. XIX 69. *** Plut. Dem. 48. wenn hier vom dnoxcixttciv der
direpßoXai die rede ist, so wird man zunächst an den strandpass denken.
550 EJNeumann : zur landeskunde und geschichte Kilikiens.
gleichwohl wurde Demetrios der passe herr. hier von schwerer
krankheit befallen , aber nach 40 tagen wiederhergestellt bricht er
scheinbar nach Kilikien , dh. nach norden und westen auf, wendet
sich aber des nachts nach der andern seite , geht über den Amanos
und verwüstet das land am fusze desselben bis zur syrischen land-
Schaft Kyrrestike. als aber seine sOldner zu Seleukos übergehen,
flieht er zu den amanischen pfortenJ^ den pass gleiches namens,
durch den Dareios gezogen war, haben wir in dem pass des Deli
Tschai erkannt, und offenbar haben wir es bei dem passe, durch
den Demetrios bis zur Kyrrestike in Syrien eindrang, mit keinem
andern zu thun. an einen der südlichen passe kann nicht gedacht
werden, da Demetrios ja auf dem wege nach norden war und plOtz*
lieb in der nacht abschwenkte. Demir Eapu aber ist natürlich ebenso
ausgeschlossen, dies lag ja in der richtung nach Kilikien, die Deme*
trios verliesz ; und vor allem führte der weg über den pass nach der
syrischen Kyrrestike.
Aufs neue wurde man an die passe des Amanos erinnert, als
Cicero im j. 51 als proconsul nach Kilikien gieng. Gaelius traute
dem beere Ciceros nicht die kraft zu auch nur einen einzigen pass
gegen die Parther zu halten. *" dagegen vertraute Cicero selbst eben
auf diese passe ^^; Kilikien schien ihm durch die besetzung der bei-
den nach Syrien führenden engpässe sicher verteidigt werden zu
können. '^^ Cicero meint damit offenbar den pass des Deli Tschai,
des Pinaros, und den strandpass des Merkes Su. der Beilanpass be-
durfte keiner Verteidigung: denn wer durch ihn nach Kilikien wollte,
muste ja auszerdem auch noch den des Merkes Su passieren, gleich-
wohl wird es ein glück für die Römer gewesen sein, dasz sie es
nicht nötig hatten die ab wehr der Parther durch den vater des Vater-
landes abzuwarten, sondern dasz dieselben schon vorher abgezogen
waren, da Cicero indessen in seinem ruhmeskranze den kriegerischen
lorbeer noch vermiszte , so zog er gegen die bewohner des Amanos
zu felde. vier tage lagerte er mit gehobenen gefühlen bei den altftren
Alexanders ^"^ auf dem schlachtfelde von Issos'"' und wurde dort
von seinen Soldaten als imperator begrüszt
Auch der von P. Ventidius Bassus geführte. Part herkrieg
desAntonius benutzte die passe des Amanos. nach Dion '** schickte
»»« Plut. Dem. 49. *" bei Cic. epist, VIII ö, 1 tuus parro extrcituM
vix unum saltimi Uteri potett. ^''^ an Gaelius epUt, 11 10, 2 Parikico
bello nuntiato locorum quihusdam angusiiit et natura montium fretu» ad
Amanum exereUum adduxu **^ an Cato epUt. XV 4, 4 duo tunt enba
uditus in CUiciam ex Syria^ guorum utergue parvi* praesidiiM propter
angustias intercludi potest^ nee ett quicquam Cilicia contra Syriam munitius,
!«• episL XV 4, 9. »" ad Att, V 20, 6. an Caeliu« epUt. II 10, S
apud Issum . . quo in loco, taepe ut ex te audivij CHtarchui tibi narrimii
Dareum ah Alexandra esse superatum. *** XL VIII 41, 1 ff. hier ist
TTouTrr)6iov bi 6f| CiXtuva in TTo)Liirf)6iov usw. lu corrigieren, da an dar
idcntitUt des namens mit dem des bekannten Marserführers Q« Pom-
pedius oder richtiger Pompaedins Silo nicht su zweifeln ist. aas Dion
schöpft Zonaras X 23 (II 8. 406 Ddf.).
AEuBsner: zu Minucins Felix [Oct. 10, 8]. 551
Ventidius (im j. 39 vor Ch.) von Eilikien aus seinen legalen Pom-
paedius Silo , den pass des Amanos zu besetzen, hier standen aber
schon die Parther ^ und mit not entgieng Silo durch die hilfe des
Yentidius der Vernichtung, wenn Dion den engpass des kilikisch-
syrischen grenzgebirges als mit mauern und thoren versehen be-
schreibt und mitteilt, dasz der ort von diesen thoren seinen namen
hatte, so ist es zweifellos ; dasz er die TTuXat am Merkes Su uns
schildert.
Auch die entscheidungsschlacht zwischen SeptimiusSeverus
und Pescennius Niger im j. 194 nach Ch. ist an dieser stelle ge-
schlagen worden. ^^ das terrain war von natur zum schlachtfelde so
wenig wie nur eines geeignet, aber beere, die von Kleinasien und
Syrien aus einander entgegenrückten, musten eben hier auf einander
treffen, so kam es denn auch, dasz das beer des Severus unter dem
commando des Yalerianus und Anulinus gerade bei den passen von
Issos ^^* mit dem des Niger zusammenstiesz. genau beschreibt uns
Dion diesen pass: auf der einen seite steile berge, auf der andern
das meer. wer erkennt hier nicht sofort den schon so oft erwähnten
strandpass? und wenn uns gemeldet wird, das beer des Severus
habe nach seinem siege auch Antiocheia eingenommen ^'^, so hatte es
seinen weg über den Beilanpass fortgesetzt.
Wie sticht von der knappen und richtigen beschreibung Dions
das gerede Herodians ab ! das wegen der enge des raumes berufene
Schlachtfeld schildert er uns mit folgenden werten: Won beiden
seilen treffen die beere beim sog. issischen busen zusammen, einer
breiten und weit ausgedehnten ebene, in amphitheatralischer ge-
stalt zieht eine hügelige erhebung sich um den busen, und weit dehnt
sich der Strand am meere aus, als ob die natur selbst diesen ort zum
schlachtfelde geschaffen habe.'^'^ wert hat diese behauptung ftlr
uns nur als neuer beitrag zur Charakteristik der Herodianischen
geschichtschreibung.
i«3 Dion LXXIV 7 vgl. Zon. XII 8 (III s. 99 Ddf.). Herodian III 4, 2 ff.
^^ Dion c. 7, 9 iy *lccCü trpöc Tale KaXou)Li^vaic irOXaic. vgl. Zon. ao.
««5 Dion XLIX 8, 3. Herodian III 4, 6. ««^ Herodian III 4, 2.
Halle. Karl Johannes Neumann.
83.
ZU MINÜCIUS FELIX.
Od, 10, 3 unde autem vel quis iUe aut ubi detis fmicus, sölüariuSj
destittätis^ quem non gens Itbera^ non regna^ non saUetn Bomana super-
stUio noverunt? an dem Wechsel des numerus nahm schon Heumann
anstosz; aber sein verschlag gentes liherae trifft nicht das richtige,
es ist wohl zu lesen : non gens Ubera, non regnata. vgl. Tac. Germ.
25. 44. hist, I 16. ann. XHI ö4.
Würzbürg. Adam Eussner.
552 EHesselmeyer: zu Heejchios Müesios.
84.
«
Zu HESYCHIOS MILESIOS.
Moucatoc '€q)^ctoc ^iroirotöc xal ainöc tiüv € l c touc TTcfrr«*
liiivouc kukXouc ^tpoH^c TTepciitboc ßißXia t' Kai clc £u^€vf) koi
""AttoXov. JToupios hat zuerst erkannt dasz diese stelle Yerderbt ist.
er schlug yor zu lesen: Moucatoc . . etc tuüv toC TTepTa^iivoG xal
aviTÖc kukXou usw. allein wozu die umfinderong Yon clc in €lc,
wozu die gewaltsame nmstelliing der textesworte? der zweite, der
die stelle verbessern wollte, ist DVolkmann. er überbietet aber Ton*
pins in der gewaltthftügkeit, da er lesen will: MoiKQioc . . kqi
Q^öc* £tpcim^€ TTepcTiiboc . . xal elc &}^vi\ xal ''AttoXov touc
TTepTOjinvouc iirivixouc. die worte werden also ganz willkür-
lich versetzt, und statt kukXouc, das hinausgeworfen wird, wird ein
hsl. nirgends bezeugtes dntvixouc geschrieben. Volkmann hat darum
gleich eine zweite conjectur in bereitschaft: Moucatoc . . ^iroirotöc
xal aÖTÖc xuxXixöc tiSiv de toOc TTcprOMIvoOc usw., wiederum
gewaltsame Verstellung der worte, vnederum einfügen eines hsl. nicht
bezeugten xuxXtxöc, das obendrein dem begriffe nach unrichtig ist:
denn die bezeichnung xuxXtxöc kommt doch nur demjenigen epen-
dichtem zu, die sidi eng an das Homerische epos ansddossen. einen
vierten verschlag zur heilung der stelle macht GWachsmuth. er be-
h< iiroiTOtöc xal oötöc bei und will u^vouc vor cic €ä^evf) ein-
setzen, dies ist gleichfalls nicht bezeugt und unnötig: denn diese
aphoristische ausdrucksweise kehrt bei Hesjchios sehr oft wieder,
der verschlag den vrir zu machen haben ist ganz einfach: wie so
oft nemlich wird man es auch hier mit einer verschreibung zu thun
haben, im original stand: Moucatoc '€q>^ctoc iironotöc xal ainöc
TUüv ToO TTcpta^iivou xuxXou' ^TpOM^c TTcpoilboc ßißXia i'
ical elc EOficvf) xal "'ArroXov. durch das versehen eines abechreibers
vmrde das clc vor Cuficvf) auch vor tou TTcpTa|Uii)voC geschrieben,
eine zweite band verbesserte natürlich die construction des clc mit
dem geniüv, so dasz wir jetzt in allen hss. de Toiic TTcpTa^T|VoOc
KUxXouc lesen, durch obige emendation erhalten wir erstens einen
guten sinn und haben zweitens keinerlei gewaltth&tige Umstellungen
und einschaltungen nOtig. dasz man aber das clc vor touc TTcpta-
^Tivouc usw. nicht durch Verwandlung in clc zu retten braucht, wie
dies auch Flach in seiner ausgäbe der 'biographi graeci' (Berlin
1883) thun mOchte, lehrt der Sprachgebrauch des Hesjchios selbst^
wie er uns in den artikeln TTiTraxoc und CöXiuv entgegentritt, dort
wird clc nur deshalb gesagt^ weil die bestimmte zahl tujv l' coq>uiv
mit angegeben wird, in unserm falle aber handelt es sich nicht um
eine bestimmte zahl, der pergamenische künstler- dichter- imd ge-
lehrtenkreis am hof der Attaliden kann beliebig grosz gewesen sein.
TuBiNOEN. Ellis Hbssklmkybb.
ABrieger: ein yermemtlicher archetypos des Luoretius. 553
85.
EIN VERMEINTLICHER ARCHETYPUS DES LÜCRETIUS.
Im Jahrgang 1881 dieser Jahrbücher s. 769 — 783 hat der um
die Lucrezforschung wohlverdiente holländische gelehrte hr. professor
JanWoltjer eine interessante archetypushjpothese aufgestellt, er
hat gefunden dasz auslassungen , Interpolationen und Umstellungen
nicht selten durch einen abstand von 13 oder so und so viel mal 13
versen getrennt seien, und nimt danach einen dem Lachmannachen
archetypus voraufgehenden urcodex an, der auf der seite oder in der
columne — beide ausdrücke scheinen sachlich dasselbe zu bedeuten
— je 13 Zeilen hatte, s. s. 769 f. weiter unten, s« 782, spricht W.
die Vermutung aus ^singulos versus dimidiatos fuisse, in binis lineis
ut scripti essent', was doch wohl nur heiszen kann, es habe immer
die zweite versh&lfte unter der ersten gestanden, das würde, bei 13
versen, 26 zeilen für die seite ergeben, diese urhandschrift soll^
nachdem ein 'lector philosophus' satirische bemerkungen , entspre-
chende und vndersprechende stellen und endlich inhaltsangaben bei-
gefügt, dann ^parum accurate' abgeschrieben sein, über den zustand,
in welchem sich die hs. befunden, als sie abgeschrieben wurde, sagt
WoKjer ^multis locis schedarum supremas et infimas partes muti-
latas et corruptas fuisse , viz ut legi possent.'
Wenn ein solcher codex als quelle des Lachmannschen arche-
typus wirklich existiert hat und Wolljers annahmen und berech-
nungen auch im einzelnen richtig sind, so ist damit die unechtheit
einer beträchtlichen anzahl von stellen endgültig entschieden, die
echtheit anderer, von einzelnen angefochtener wenigstens wahrschein-
lich gemacht, es gilt also für jeden Lucrezkritiker, zur Woltjerschen
hypothese Stellung zu nehmen, wenn ich das in durchaus ablehnen-
dem sinne thue, so zeigt die folgende prüfung — so hofife ich wenig-
stens — dasz ich mich dazu berechtigt glauben darf.
Woltjer hat bei seiner berechnung 6ins versäumt, was Lach-
mann und andere urheber ähnlicher hypothesen sorgf<ig durchzu-
führen pflegen: er hat es unterlassen sich klar zu machen, wie sich
die Seiten auf die blätter verteilen und welche zwei selten also
immer ein blatt bilden sollen, er zählt auch nicht die Seiten der
ganzen hs. , sondern nur die der einzelnen bücher. sehen wir jetzt,
wie das Verhältnis von Seiten und blättern sich unter den von W«
gemachten Voraussetzungen stellen müste.
W. nimt an dasz I 11 und III mit einer vollen seite begonnen
hätten; sieht dasselbe auch für IV als wahrscheinlich an, und ebenso
für V und VI. lassen wir nun I mit einer Vorderseite beginnen, wie
es W. sich doch jedenfalls gedacht hat; so ergibt sich, wie jeder dem
der aufsatz vorliegt leicht nachrechnen kann, dasz in I II IV die
mit ungeraden zahlen bezeichneten selten Vorderseiten; die mit
geraden bezeichneten rück Seiten sind und dasz in Xu V VI das
J«hrbQcher für clast. philol. 1883 hfuS.
554 ABrieger : ein yermeintlicher archetypns des Lucretius.
umgekehrte der fall ist. in I II IV nehmen also die Seiten 1 und 2,
3 und 4 usw. je ein blatt ein, in III V VI ist eeite 1 rückseite des
blattes, dessen Vorderseite den schlusz des vorhergehenden buches
enthält, und 2 -f- 3, 4 -f- ö usw. stehen auf Einern blatte, es springt
nun in die äugen dasz , wenn der obere oder der untere rand eines
blattes so verstümmelt ist, dasz dadurch eine lOcke entsteht, diese
auf zwei Seiten vorhanden sein, oder doch der lücke der einen seite
mindestens eine beträchtliche Verstümmelung des entsprechenden
verses , bzw. der entsprechenden verse der andern gegenüberstehen
musz. prüfen wir nun danach die lücken, deren entstehung W. ans
der einrichtung und dem spätem zustande seines archetypus erklärt.
1 189 soll, so nimt W. mit Munro an, pauMim crescunt^ ut par
est die erste gröszere hälfte eines hexameters, seniine certo der scblnsz
eines zweiten sein, eine art des aunfalls die ja vorkommt — s. unten
zu IV 990 — aber hier schwerlich anzunehmen ist, s. Philol. XXIII
4G2 f. mit pauMim cresciint usw. soll s. 15 des Woltjerschen arch.
angefangen haben , dann wäre also in der zweiten reibe der schlusz
des V. 189 ausgefallen, in der dritten reihe die gröszere hälft« von
189*^. das könnte, wenn eine Verstümmelung die Ursache sein boI],
nur dadurch geschehen sein, dasz zwischen z. 1 und 4 vom äuszem
rando aus ein stück in gestalt eines spitzen dreiecks ans dem blatte
herausgerissen wäre, das wäre eine sonderbare art der Verstümme-
lung, und dasz sie hier nicht stattgefunden hat, erkennt man aus der
Unversehrtheit von 201. 202, welche die ersten verse der rückseite
gewesen sein würden, aber vielleicht nimt W. an , was doch wohl
Munros meinung ist, dasz hier, wie an der oben erwähnten stelle,
und aus einer ähnlichen Ursache — b. Munros ergänzung — der blick
des abschreibers aus einer zeile in die andere hinübergeirrt sei. wenn
er das annehmen und wenn, was ich wie gesagt bezweifle, die art
und entstehung des ausfalls damit richtig erkannt sein sollte, so
sprächo das in keiner weise für seine hypothese, da ein solches über-
gleitcn offenbar bei allen Zeilen einer seite mit ausnähme der letzten
vorkommen kann und, denke ich, in der mitte noch leichter als am
an fang, an eine Verstümmelung als Ursache des ausfalls müssen wir
notwendig bei I 699 ♦ * ♦ denken, wo nach W. die 4 letzten verse der
seite 46 ausgefallen sein sollen; aber die vei-se 588 — 590 zeigen keine
spur einer lÜcke. nicht anders steht es mit dem ausfall nach 8G0, wo
der gegenvcrs 870 sein soll*; mit dem nach 1013 — nach W. sind
zwei vcrso ausgefallen — wo die gegenverse 1025 f. wären; mit der
lücke nach 11 1G4, wo die letzten vier verse von s. 13 fehlen sollen und
175 — 178 die gegenverse wären; mit der nach 501 («?. 39, 13 arch.
W.), gogcnvers 514; mit der nach I G81 (s. 53, 13 arch. W.), gegen*
VVY6 G94, und mit der welche W. mit dem unterz. nach 1071 an-
• W. stellt nemlich 873 f. vor 861, tlh. yersc, welclie von der erde
111x1 (U'iii liolz >?!) hHiidcln, zwischen solche, in denen vom kürper und
!«oin(>r nahrunpf die rede U\. s. wegen dieser stelle Suseraihl und Brie^er
im l'hilol. XXIII Cyin.
ABrieger: ein vermeintlicher archetypus des Lncretias. 555
nimt (s. 83, 13), gegenvers 1084. ebenso ist es in den andern
bücbern: an keiner einzigen stelle entspricht einer lücke an der
antipodiscfaen stelle des betreffenden blattes des angenommenen
archetypus eine zweite lücke. es sind dies, nach dem verse welcher
vorangeht bezeichnet, folgende ausfälle : III 98. 019. 1011; IV 144.
195(hinter 198 gestellt, s.u.) — s. ßursians jahresb. 1873s.ll20— ;
VI 48 (vier verse nach W.) 607. 697. 839, wo übrigens sicherlich
mehr als 6in vers fehlt, in IV ignoriert W. eine der unzweifelhaf-
testen Iticken, die hinter 216, indem er Lachmanns mitti für mira
gelten läszt.
Aber vielleicht sollen die ^mutilatae et corruptae infimae partes
schedarum' an den lücken unschuldig sein, man begreift dann frei-
lich nicht, wozu W. denn überhaupt seine urhandschrift *multis locis*
oben und unten verstümmelt sein läszt, da er, wie wir sehen wer-
den, nur bei zehn versen die Verderbnis eines verses aus seiner Stel-
lung erklärt , bei einem elften, VI 839 , eine solche nur als die eine
von zwei möglichkeiten setzt, sollen aber jene ausgefallenen verse
durch ein versehen des abschreibers ausgefallen sein, so sprechen sie
statt für Woltjers hypothese gegen dieselbe: denn keinen vers
Übersieht ein abschreiber weniger leicht als den ersten einer seite
seiner vorläge^ und jeden folgenden bis zum vorletzten leichter als
den letzten.
Wir kommen nun zu den Verderbnissen der textes-
worte, an denen der spätere zustand des archetypus, in dem er
abgeschrieben wurde, schuld sein soll. II 902 soll als letzter vers
von s. 70, 903 als erster von s. 71 verderbt, vielleicht auch eine
lücke vorhanden sein; aber die verse 889 und 923, vor 916, sind ja
unversehrt; ebenso sollen IV 544. 545 als letzte und erste zeile
zweier seiten verderbt sein, aber die gegenverse, 533 und 560, haben
nicht gelitten, in beiden fällen ist also die erklärnng der thatsache
unwahrscheinlich, femer wird HI 658 = 51 X 13 als in folge
seiner Stellung im arch. sehr verderbt bezeichnet, aber der gegen-
vers 645 ist intact, wenn man von der leichten verschreibung dicicUt
für decidit absieht, ebenso ist V 299 richtig überliefert, der ver-
derbt sein müste, wenn 312 als s. 25, 1 des arch. W. verderbt wäre,
dagegen läszt die endverstümmelung von V 586 (s. 41, 1 W.) und
die von IV 612 (s. 48, 1 W.) die möglichkeit der Woltjersohen er-
klärnng zu, neben andern möglichkeiten; ebenso ist es mit V 901,
wenn dort das erste wort fehlt, was ja aber zweifelhaft ist, s. Munro
und Polle im Philol. XXVI 528. endlich soll V 1160 als s. 89, 13 W.
verstümmelt sein, nb. in der mitte; aber 1147 ist bis auf ^ra för
iura^ einen kaum erwähnungs werten Schreibfehler, ganz richtig.
Nachdem wir gesehen haben, dasz die lücken und die verderb-
ten verse, deren entstehung aus Woltjers hypothese licht empfangen
soll, sich aus ihr nicht erklären lassen, komme ich zu den ziemlich
zahlreichen Umstellungen, welche W. als zu seiner berechnung
stimmend aus der beschaffenheit des von ihm angenommenen ur-
86*
556 ABrieger : ein yermeintlicher archetypoB des Lucretiiifl.
codex erklärt, hier entspringt eine gewisse Schwierigkeit daraas,
dasz W.s Worte nicht immer deutlich erkennen lassen , ob eine Um-
stellung vom Schreiber des arch. oder vom abschreiber dessel-
ben herrühren soll, dem erstem werden nur wenige imistellangen
mehr oder weniger bestimmt zugeschrieben. 11 1146 — 1149 stellt
EGoebel mit recht hinter 1138. Wolljer erklärt: *a librario arche-
typi quem finge hi versus omissi erant, sed in fine paginae (89)
collocati.' ebenso gut kann der fehler schon bei der redaction ge-
macht sein, ebenso ist die umstellungi durch die VI 1245 von seiner
stelle hinter 1236 verschlagen ist (Bentlej), aus W.s annähme er-
klärbar , aber ebenso gut auch anders zu erklären, endlich rechne
ich hierher die von W. geforderte Umstellung von II 334, welcher
vers mit der änderung von sint in sunt hinter 347 eingeschoben wer-
den soll, die Umstellung ist jedenfalls falsch — s. jahresb. 1878. 79
8. 197 — aber ich will hier an einem besonders geeigneten beispiele
zeigen, wie sich W. zuweilen zweideutig ausdrückt und wie unwahr-
scheinliche annahmen er zu gunsten seiner hjpothese macht wir
lesen folgendes: '334 id est 339 . . -» 26X 13 + 1 et 347 id est 352
SB 27 X 13 -|- 1. in bis annalibus (1879 p. 782) iam demonstravi
hos versus inter se commutandos esse: fuerunt autem primi duamm
contiguarum paginarum.' wenn 334 und 347 ihre platze tauschen
— etwas anderes kann 'inter se commutandos' doch nicht heiazen —
so entsteht an der ersten stelle eine unverständliohkeit, an der zwei*
ten eine lücke. W. will etwas anderes sagen als was er sagt, nem-
lieh 334 sei vor 347 einzuschieben, diese beiden verse sollen nun
im arch. vertauscht gewesen sein ('fuerunt primi duarum contigua-
rum paginarum'), während, wenn sie dort so gestanden hätten, wie
W. sie ordnen will, 334 der letzte vers von s. 27, 347 der erste von
s. 28 gewesen wäre, danach haben wir uns die entstehung des fehlers
so zu denken: der Schreiber übersprang, als er s.27 anfieng, 12 verse
seiner vorläge und schrieb den vers der jetzt 334 ist, dann bemerkte
er das versehen und holte die 12 verse nach; darauf schlag er um
und liesz nun den vorweggenommenen vers aus. absichtlich kann er
das nicht gethan haben, nachdem er einmal den irrtum bemerkt
hatte, er müste also den vorhin am unrechten orte geschriebenen
vers da, wo er ihn hätte schreiben sollen , zufällig übersehen haben.
das wäre wohl eine mOglichkeit, wenn die Umstellung richtig wäre,
aber doch eine recht unwahrscheinliche.
Dem abschreiber werden, wie es scheint, folgende Umstel-
lungen zur last gelegt 'I 14 et 15 «» 13 4* 1 et 2: versas priores
alterius columnae inter se sunt commutati' : sehr unwahrscheinlich.
I 923 vor 915 (Bemajs); 923 soll als letzter vers von s. 71 über-
gangen sein. s. 71 ist Vorderseite; die annähme, dasz der abschreiber
einen weggelassenen vers von der Vorderseite nachgeholt habe, als
er beim abschreiben der rückseite war, hat keine Wahrscheinlichkeit.
IV 261 vor 260 (s. 20, 13; 21, 1 W.): wenig glaublich, a. das oben
über den ersten und den letzten vers einer seite bemerkte, dasselbe
ABrieger: ein yermeintlicher archetypus des Lncretius. 567
gilt von der erklärung der umstellnngen IV 826 hinter 821, 1204
(s. 92, 13 W.) hinter 1209. lY 990 sind die schluszworte desverses
durch das saepe quiete des ursprünglich folgenden verses verdrängt;
dieser ist dafür hier ausgefallen , aber hinter 998 nachgeholt unter
Wiederholung der ihm sich anreihenden vier verse (1000 — 1003 «a
991 — 994). da W. diese vier verse nur einfach zählt, so meint er
mit dem ^somnolentus librarius', dem er die Verwirrung schuld gibt,
den abschreiber. die hypothese leistet hier gar nichts : denn jenes
überspringen von einem verse der vorläge in den andern kann gleich
leicht bei jedem beliebigen verspaare einer seite der vorläge ein-
treten, imd der umstand, dasz der abschreiber ni^ch weglassung
jenes verses oder vielmehr jenes verszweidrittels eine neue seite
seiner vorläge abzuschreiben begann, konnte die Wahrnehmung des
gemachten fehlers mindestens nicht erleichtern. V 573. 570: der
fall ist ähnlich wie der vorige — die verse sollen s. 44, 12 und 13
des arch. W. gewesen sein — und ebenso zu beurteilen. V 965 ff. :
will W. wirklich zu gunsten seiner hypothese 975 statt hinter 967,
hinter 965 stellen oder liegt ein versehen vor? VI 934. 935 ge-
hören vor 930: nach W. hätte der abschreiber den letzten vers von
s. 72 des arch. W. und den ersten von s. 73 weggelassen und dann
nachgeholt, wobei noch zur Vermehrung der unwahrscheinlichkeit
hinzukommt, dasz s. 72 Vorderseite gewesen sein müste. IV 195
soll hinter 198 gehören und ein sich an ihn anschlieszender vers
ausgefallen sein, schwerlich richtig, spräche auch nicht für, sondern
entschieden gegen die hypothese. der abschreiber müste nemlich
einen vers der folgenden rückseite des arch. vorweggenommen
haben, während er die Vorderseite abschrieb, und als er dann die
rückseite abschrieb, diesen und den folgenden vers weggelassen
haben, wie man sieht, rächt es sich, dasz W. immer nur nach buch-
seiten und nicht nach blättern des arch. rechnet, die Umstellungen,
welche W. mit I 873 f. 884 f. 11 476 und 743 vomimt bzw. billigt,
glaube ich schon anderswo als falsch erwiesen zu haben: s. Philol.
XXTTT 632 ff. jahresb. 1873 s. 1117. ebd. s. 1118. diese Jahrb. 1875
s. 609 ; ebenso die Lachmannsche Umstellung IV 662. 671 : s. Philol.
XXXm 435 f.
Ich fasse das ergebnis dieses abschnittes dahin zusammen, dasz
die überwiegende mehrzahl der richtigen Umstellungen, welche W«
für sich anführt, gegen den Ursprung aus dem vermuteten arche*
typus spricht, keine einzige entschieden dafür, zur stütze der
Woltjerschen Vermutung bleiben nur noch die Wiederholungen
und interpolationen, welche für dieselbe angeführt werden,
diese haben wir jetzt zu prüfen.
I 769 Mibrarius (archetypi) initio novae paginae falsus est, ut
denuo a v. 762 inciperet, sed errore intellecto continuo 770addidit.'
das wäre möglich. 111474. 475 : 474 »b 510. 475 eine sinnlose Varia-
tion dieses verses. W. sagt: ^postremi duo paginae 37^® hnius libri' :
das kann nur heiszen, sie haben im arch. W. gestanden, dasz sie
558 ABriegcr: ein yermeintlicher archetypua des Lacretios.
aber dort nicht gestanden haben sollen, ergibt sich daraus dasz W.
sie nicht mitzählt, nehmen wir also an , W. sage dies letztere , so
frage ich wie der abschreiber dazu gekommen sein soll, als er s. 37
abschrieb, einen vers von s. 39 mit einem zweiten ihn sinnlos
variierenden einzuschieben, mit 510 beginnt ein neuer abschnitt,
welcher, wenn 476 — 486. 487 — 609 fortblieben, h i e r angeschlossen
werden konnte, sieht e^i nun nicht ganz so aus, als ob wir hier eine
spur von der liederlichkeit der Ciceronischen redaction hätten?
III G85 und 743 tilgt W. mit Munro ua. als interpoliert, nach meiner
meinung mit unrecht, ebenso (neben 763) auch mit Bernajs 764:
s. Purmann in dieser Zeitschrift bd. 67 (1853) s. 665 f., Munro,
NcuDiaun de interpol. Lucret. s. 46. auch hier begegnet uns übri-
gens bei W. die oben erwähnte irreleitende ausdrucks weise. III 806
— 818 = V 351 — 363. diese einschiebung soll deshalb für die
hypoihosc sprechen, weil die eingeschobenen 13 verse (an beiden
stellen) gerade eine seite ausgemacht haben würden, die Ursache,
weshalb der sog. 'lector philosophus' gerade diese 13 verse ab-
schrieb, liegt doch auf der band und ist überdies von Lachmaim
nachgewiesen. IV 808 = 804 als 'ultimus paginae' (62) getilgt,
der fehler des ausdrucks wie oben, die sache ohne belang. IV 1034
= 79 X 13 soll der abschreiber deshalb vor 1048 wiederholt haben,
weil seiu äuge von dem letzten verse von s. 80 auf den letzten von
s. 79 (links) abirrte, hätte W. auf den in halt der verse geachtet,
so hätte er den nächstliegenden erklärungsgrund, weshalb 1034 hier
wiederholt wird, sicher nicht übersehen, auch VI [)SS hat W. nicht
beachtet dasz die verse 988. 989 «= 996. 997, welche mit recht vor
997 gestrichen werden, nicht ohne sinn von einem leser vorweg-
nehmend eingeschoben sind, sie haben also mit der beschaffenbeit
eines urcodex ebenso wenig zu thun wie die reminiscenz intcrväUa
vias usw. 1 1020 (vgl. II 726. V 441), die ein leser arglos an den
rand geschrieben hatte, interpoliei-t im eigentlichen sinne des wer-
tes soll III 358 sein; ich begreife nicht, w*elehen anstosz dieser vers
gibt; nachdem ihn Munro emendiert hat. femer V 704, ein vers der
als Interpolation unbegreiflich wäre, dagegen durch annähme des
aiisfalles eines verses, wie Munro ihn ergänzt, verständlich wird:
man musz das scheinen betonen, auch die einschiebung von
V 1344 — 1316 nutzt, mag sie herrühren von wem sie will, der
Woltjerschen annähme nichts. VI 90. 91 endlich ist mit 86 — 89
einzuklammern, nicht zu streichen.
Als gesamtresultat ergibt sich, dasz die anzahl der stellen,
wo eine textvcrderbnis irgend einer art sich aus der W.schen hjpo-
thc&c erklären liesze, sehr gering ist, und dasz diesen stellen eine
gröszere anzahl gegenübersteht, welche gegen jene hypotbese spre-
chen, dabei könnte aber vielleicht die zahl der flQle, wo irgendwie
verderbte stellen um 13 verse oder um ein mehrfaches von 18 vom
an fang eines buches oder von einer andern verderbten stelle ab-
stehen, schon an und Air sich zu gunaten der kühnen und zweifeUot
OESchmidt: zu Ciceros briefwechael mit M. Brutus. 559*
^obarfeinnigen Vermutung zu sprechen scbeinen. nun, diese zahl be-
trägt jetzt; wenn wir alles falsche oder zweifelhafte ausschlieszen,
nicht mehr ctls 25, nemlich 2 in I, 4 in II, 3 in III, 7 in IV, 6 in V
und 3 in VI. ich denke, diese anzahl von Wiederholungen eines
bestimmten abstandsverblUtnisses verderbter stellen reicht, bei der
dunkelhedt des Zusammenhanges welcher meistens zwischen der stel-*
lang im vermuteten urcodex und der art der Verderbnis besteheu
würde, und bei der anzahl der gegen W.s annähme ins gewicht
fallenden stellen, in keiner weise aus, um für das einstige dasein des
archetypus mit sechsundzwanzigzeiligen selten zu JQ dreizehn versen
einen rest von Wahrscheinlichkeit zu retten.
Halle. Adolf Bbieger.
86.
ZU CICEEOS BEIEFWECHSEL MIT M. BRUTUS.
Als ich vor zwei jähren Paul Meyers umfangreiche ZUrcher
dissertatioii ' Untersuchung über die frage der echtheit des bxief^
wechseis Cicero ad Brutum sowohl vom historischen als vom sprach-
lichen gesichtspunkt aus' (Stuttgart 1881) zum ersten male durch-
geleseil hatte^ glaubte ich nicht dasz dieser arbeit erheblicher beifall
gezollt werden könnte, hat doch Meyer eigentlich nichts besseres
geleistet, als dasz er mit allerlei vagen bedenken^ und von ihm selbst
nnr halb geglaubten ausstellungen^ die geistige arbeit derer, welche
sich neuerdings mit erfolg für die anerkennung der Brutusbriefo be-
müht haben, wieder illusorisch zu machen sucht, um doch schliess-
lich gestehen zu müssen , dasz diese briefe bereits unter Augustus
eutstanden und von einem hochgebildeten falsarius aus echten briefen
und reden Ciceros — so sehr atmen sie seineli geist — gefertigt seien,
ferner ist sich Meyer so unklar über die forderungen, die an eine
derartige Untersuchung gestellt werden können, dasz er zwar zu-
gibt, EFHermann habe 'mit überlegenem Scharfsinn die angriffe
der Engländer Tunstall und Markland in sehr vielen punkten für
immer abgewiesen', und doch gegen Hermann moniert dasz er ^den
positiven beweis von der möglichkeit der echtheit nirgends auch nur
versucht hätte', als ob die Zurückweisung der angriffe auf die echt-
heit von briefen, welche Jahrhunderte lang von groszen Cicerokennern
nicht angezweifelt wurden, nicht auch ^die möglichkeit der echtheit'
involviere, was die argumente des um die Streitfrage hochverdienten.
KFHermann für uns weniger bindend macht, ist etwas ganz anderes,
ihm lagen die mit den Brutusbriefen etwa gleichzeitigen briefcorpora
Ciceros noch nicht so chronologisch und historisch gesichtet vor, wie
es die zwischen Cicero und Plancus^ Dec. Brutus, C. Cassius gewech-
selten briefe durch die arbeiten von Nake, Gurlitt und vom Verfasser
' vpri. zb. 8. 12 f. 2 vgl. zb. die auseinandersetzung über Cio.
ad Br. II 1 s. 9—11.
560 OESchmidt: zu Ciceros briefVechsel mit M. Brutus.
dieser Zeilen heutzutage sind, deshalb hat Hermann Ton manchen
ereignissen, zb. von der schlacht bei Mutina^ eine falsche Chronologie
und damit eine basis fflr weitere imingen. deshalb hat er auch
nicht den versuch gemacht , die Brutusbriefe mit den gleichzeitigen,
unzweifelhaft echten briefen Ciceros zusammenzustellen und so ein
einheitliches zeitbild zu erzielen, diese Iflcke versuchte ich 1877
gelegentlich einer Untersuchung über die Cassiusbriefe* auszufüllen,
indem ich nach dem zeugnis mehrerer fachgenossen ^ den beweis er-
brachte, dasz die Brutusbriefe bei methodischer textkritischer be*
handlung nicht nur in den rahmen der gleichzeitigen andern briefe
vorzüglich hineinpassen , sondern auch das aus jenen gewonnene ge-
schichtsbild der jähre 44 und 43 vor Ch. in wertvollster weise er-
gänzen, freilich hatte ich noch nicht alle Schwierigkeiten besprochen»
aber docH den pfad für den endgültigen echtheitsbeweis vom histo-
rischen Standpunkt aus gezeigt und geebnet; indem ich eine Chrono-
logie der Brutusbriefe aufstellte , die auch Meyer nicht umzustoszen
vermag, und die den Brutusbriefen beigeschriebenen datiemngen
und sonstigen Zeitangaben als auf den punkt richtig erwies, was
noch zu thun übrig war, versparte ich mir auf die vorrede zu der
ausgäbe der Brutusbriefe, die von mir vorbereitet wird, auch
LGurlitt fand , von einer ganz andern frage ausgehend , bei seiner
oben citierten trefflichen arbeit meine aufistdlungen über die Brutus-
briefe durchaus bestätigt ; überdies hat neuerdings die echtheit der
Brutusbriefe auch in CGCobet einen warmen Verteidiger gefunden,
wiewohl dieser etwas über das ziel hinausschieszt.^ auf der durch
die genannten Schriften gewonnenen basis muste Meyer weiterbauen,
wenn er in der beregten Streitfrage das letzte wort sprechen wollte,
was sollte aber dieser schritt rückwärts? denn streng genommen
steht Meyer auf dem längst abgethanen Standpunkt eines Markland
oder Tunstall, bei dieser Sachlage war es mir um so wunderbarer,
von GAndresen' und FBecher' recensionen des Meyerschen buches
zu finden, in welchen demselben nicht nur ein bedeutender wert, son-
dern fast die endgültige entscheidung des streites zu gunsten der
unechtbeit beigelegt wird. ^ dieser umstand veranlaszt mich schon
' 'de epittulit et a Cassio et ad Castinm post Caesarem occiaum'
nsw. (Leipzig 1877) 8. 37—60. « litt centralblatt 1878 s. 44. LGurlitt
'de M.Tnllii Cic. epistalia eammqiie pristina collectiooe' (Göttin|en 1879).
KSchirmer im philol. anzeiger XI 8. 626 and 8iipplementheft I za 1883
8. 773 f. ^ Mnemosyne N8. VII s. 262 ff.; freilich stimme ich mit Cobet
darin nicht überein, dasz er anch Cic. ad Br. I 16 a. 17, die ich mit Nip-
perdey für unecht halte, f&r echt erklärt. * deutsche litteratarseitani^
1882 sp. 1616. ^ philol. ans. XII s. 102 ff. * als diese Zeilen {|r«schrie-
ben waren, kam mir eine zweite im philol. anz. 1883 supplementheft I
8. 765 ff. erschienene treffliche recension des Mejerschen baohes von
Karl Schirmer in die hftnde, welche ebenfalls den recensionen von
Andresen und Becher entgegensteht, anch die Scheinbeweise, die
Meyer aus der spräche der Brutnsbriefe für deren nnechtheit entnom-
men hat, sind von Schirmer gründlich und in überzeugender weise
widerlegt.
OESchmidt: zu Ciceros briefwechsel mit M. Brutus. 561
Tor fertigstellung meiner ausgäbe gegen Meyer und seine genannten
recensenten einen punkt zu besprechen, auf welchem mich Meyer,
wie aus dem von ihm angeschlagenen tone hervorgeht, ganz beson-
ders glücklich aus dem felde geschlagen zu haben glaubt, von diesem
punkte aus wird sich auch eine kurze beleuchtung der ganzen frage
und des Meyerschen buches bewerkstelligen lassen.
Es handelt sich um den dritten brief des ersten buche, der auch
den Verteidigern der echtheit grosze Schwierigkeiten bereitet hat.
einige orientierende bemerkungen schicke ich voraus, zum entsatze
des seit ende des j. 44 in Mutina von Antonius eingeschlossenen Dec.
Brutus war endlich am 19nmärz 43 der consul Pansa ins feld gezogen
und lieferte dem Antonius südöstlich von Mutina bei Forum Oallorum
ein treffen, in dem er selbst geschlagen und stark verwundet ward,
aber Hirtius, der andere consul, der in gemeinschaft mit Octavian ope-
rierte, brachte dem in seine Stellung vor Mutina zurückkehrenden An-
tonius so schwere Verluste bei, dasz der sieg des tages doch noch der
republik gehörte, dies geschah am 15n april. in Rom wurde, nachdem
zuvor unbestimmte gerüchte von einem siege des Antonius die partei
Ciceros in grosze besorgnis versetzt hatten, M. Antonius auf die
Siegesnachricht des Hirtius am 2 In april' zum staatsfeind erklärt,
sodann wurde am 27n april ^^ unter den mauern von Mutina selbst
eine mörderische schlacht geliefert, in der Antonius dermaszen aufs
haupt geschlagen wurde , dasz er mit dem reste seiner reiterei ent-
fliehend vor der band nur auf rettung seines lebens bedacht sein
muste. freilich war auch Hirtius in der schlacht gefallen , und am
28n april ** erlag Pansa seinen bei Forum Oallorum erhaltenen wun*
den. noch vor diesen kämpfen bei Mutina war es dem M. Brutus
gelungen den C. Antonius, des M. Antonius bruder, welcher sich
nach der provinzverloosung des 28n nov. 44, die freilich am 20n
dec. vom Senate f(lr ungültig erklärt worden war, Macedonien an-
gemaszt hatte, in Apollonia gefangen zu nehmen.*' diese Verhält-
nisse werden in dem fraglichen briefe Ciceros ad Br, I 3 berührt,
welcher am ende das datum des 22n april trägt , also mitten in die
zeit zwischen die schlachten bei Forum Oallorum und bei Mutina
hineinfallt, um so auffallender ist es aber, dasz in diesem briefe
auch dinge mit erwähnt sind, die sich erst bei Mutina oder nach
dieser schlacht zugetragen haben, so zb. der tod der consuln. aus
diesem gründe bildete dieser brief immer eine haupthandhabe derer,
welche die echtheit bezweifeln, indessen hören wir den brief selbst,
den ich, um jedem zweifei über meine auffassung der einzelnen
stellen vorzubeugen , in deutscher Übersetzung folgen lasse.
'Unsere läge hat sich gebessert, auch weisz ich sicher, dasz das
was geschehen ist an dich geschrieben worden ist. so wie ich dir
die consuln oft geschildert habe, so haben sie sich gezeigt, des
• vgl. meine dies. s. 42—46. *® vgl. ebd. s. 43 f. " ao.
" ebd. 0. 30 f.
562 OEScbmidt: zu Ciceros briefwechsel mit M. Brutus.
jungen Caesar anläge zur tapferkeit ist wunderbar: könnten wir
ihn nur auch, nun er im steigen ist, durcb ehren- und gunstbezeu-
gungen so leicht leiten und halten, wie wir es bisher vermocht haben.
das ist freilich weit schwieriger; dennoch hegen wir kein mistrauen.
der knabe hat nemlich die Überzeugung und zwar am meisten durch
mich, dasz wir durch seine bemtlhung gerettet sind, und sicherlich^
wenn er nicht den Antonius von der Stadt abgewendet hätte^ wäre
alles verloren gewesen. [2] drei bis vier tage lang vor dem jüngsten
herlicben ereignis strömten die bürger von einer unbestimmten
furcht erschüttert mit weib und kindern in ihren gedanken zu dir,
mein Brutus; nachdem die bürgerschaft nun am 20n april neu ge*
stärkt ist, will sie lieber als zu dir gehen, dasz du hierher kommest.
an diesem tage habe ich für meine vielen mühen und nachtwachen,
wenn überhaupt wahrer und dauerhafter rühm einen genusz ver-
leiht , die schönste frucht erhalten, denn so viel volks unsere stadt
faszt, so viel lief zu mir^ und ich wurde von der Volksmenge bis auf
das capitol geführt und dann unter gröstem beifall auf die redner-
bübne gestellt, nichts eitles ist in mir und darf nioht in mir sein«
aber dennoch bewe>;rt mich die Übereinstimmung aller stände und
die danksagung und das glückwünschen deswegen, weil es herlich
ist, dasz mein verdienst um die rettung des Volkes vom volke aner-
kannt wird. [3] aber du mögest dies lieber von andern hören, unter-
richte mich über deine plane und deine angelegenheiten auf das
sorgfältigste, besonders aber bedenke jenes, dasz nicht etwa deine
milde [gegen C. Antonius] allzu kopflos erscheine, so denkt der
Senat, so das römische volk, dasz keine feinde jemals jede strafe
mehr verdient haben als diejenigen bürger, welche in diesem kriege
gegen das Vaterland die waffen ergriffen haben; ich wenigstens for-
dere ihre bestrafung bei jeder abstimmung und verfolge sie unter
beistimmung aller gutgesinnten, was du freilich denkst, steht in
deiner einsieht, ich denke dasz es mit allen drei brüdern eine und
dieselbe »ache ist. [4] [zwei consuln, gute zwar, aber eben
nur gute, haben wir verloren. Hirtius ist beim siege
selbst gefallen, nachdem er wenige tage früher in
einem groszen treffen gesiegt hatte: denn Pansa war
getlohen, nachdem er tödliche wunden empfangen hatte,
die Überbleibsel der feinde verfolgt Brutus und Cae-
sar.] als feinde aber sind alle Antonianer erklärt worden, daher
legen die meisten jenes senatsconsult so aus, dasz es sich auch auf
deine gefangenen bzw. capitulanten erstrecke, ich habe bei der ab-
stinnnunijf über C. Antonius mich nicht härter ausgesprochen, weil
icl) von der annähme ausgieng, dasz der senat von dir über die sache
dei>äclben instruiert werden müsse, den 22n april.'
Den beweis, dasz dieser brief unecht sei, schlieszt Meyer mit
der Zusammenstellung folgender Verdachtsmomente (s. 43): '1) das
falsche datuin, welches 2) auf einer gänzlichen Vermischung und za-
sammenziehung der beiden schlachten bei Forum Gallorum und Mu«
OEScbmidt: zu Ciceros briefwechsel mit M. Brutas. 563
tina beruht , die sich besonders in § 4 zeigt ; 3) die angäbe , dasa
Cicero am 20n april eine rede gehalten; 4) die angäbe, dass Octavian
an der Verfolgung des M. Antonius teilgenommen. Schwierigkeiten,
mehr allgemein sachlicher natur bilden 1) die frostigen eingangs-
werte; 2) die Unklarheit des ausdrucks ante harte rem puickerrimam
und die ungenauigkeit der angäbe tridtko aut qiuidriduo:^ 3) das un-
passende der Worte te huc venire quam se ad te ire malehat] 4) die
ungeschickte darstellung» als ob die rostra auf dem capitol wären;
5) das abfichätzige urteil über Pansa.'
Den Vorwurf, dasz in diesem briefe die schlachten bei Forum
Gallorum und bei Mutina zusammengeworfen seien, als den cardinal-
punkt lasse ich einstweilen unerledigt, die angäbe ^ dasz Cicero am
20n april vor dem volke gesprochen habe, finden wir allerdings nur
hier; aber ist dies ein beweis dafür, dasz das nicht der Wahrheit ent-
spreche ? dann müsten wir alle thatsachen, die nur durch ein Zeug-
nis gestützt sind , aus der geschichte streichen, ebenso verkehrt ist
Meyers einwand gegen die notiz, dasz Octavian den M. Antonius
verfolge, dasz Octavian später die Verfolgung einstellte und auf
frieden mit Antonius sann, ist für die beurteilung dieser steUa
gleichgültig. Cicero schreibt nach den ersten siegesdepeschen von
Mutina; dasz in diesen bei der Verfolgung der feinde auch Octavian
mitgenannt war, oder dasz Cicero sich die sache wenigstens so dachte,
ist doch sehr wahrscheinlich, sodaim findet Meyer die eingangsworte
"nostrae res mdiore loco videhantur zu frostig; das sind sie in der
that und darauf hatte ich bereits in meiner diss. hingewiesen: so
kann nimmermehr ein brief beginnen nach dem glänzenden siege
bei Mutina. aus dieser frostigen ausdrucksweise folgert nun Meyer
die fälschung des briefes, als ob ein falscher, der nach Meyers eigner
angäbe den Cicero eifrigst studiert hatte, um so ciceroatmende briefe
schreiben zu können, einen dem Cicero untergeschobenen brief über
die eben gewonnene entacheidungsschlacht mit diesen worten be«
gönnen haben würde, ein falscher hätte doch wohl solche Uneben-
heiten und unerklärlichkeiten eher vermieden, viel näher liegt der
schlusz, dasz diese kühlen anfangsworte sicherlich nicht nach ein-
gang der künde von Mutina geschrieben sein können; dieser brief-
anfang war am platze nach dem anfangs verlorenen, dann aber unter
groszen opfern dennoch gewonnenen treffen bei Forum Gallorum.
auch enthalten die ganzen §§1 — 3 unseres briefes zunächst eine
beschreibiing der läge in Rom vor und nach der künde von Forum
Gallorum (vgl. Cic. jPM. XIV § 15), von Mutina wird kein wort
erwähnt, dann geht Cicero über zu ratschlagen über das mit C. An-
tonius, dem von M. Brutus gefangenen bruder des M. Antonius, an-
zustellende verfahren, und mitten hinein in diese auseinander-
setzung — ich sage ^mitten', weil sie danach wieder aufgenommen
■wird — kommen ganz unvermittelt die Sätze consules duos^ bonos qui-
dem, sed dumtaxat bonos, amisimus, Hirtitis quidem in ipsa viäoria
occidit, cum paucis diebus magno proelio ante vicisset; nam Pansa
564 OESchmidt: zu CiceroB briefwechsel mit M. Brutas.
fugerat völneribus acceptis^ quae ferre nonpotuU, reliquias hastium
Brutus persequitur et Caesar^ welche mit depeschenartiger kürza das
melden , was gerade an dem betreffenden tage über die schlaoht bei
Mutina in Rom bekannt wurde : den tod der consoln, die Verfolgung
der feinde.
Deshalb nahm ich schon 1877 an — und mit der zeit und wei*
terer forschung bin ich immer fester in dieser ansieht geworden —
dasz die letztgenannten werte ein brief fUr sich sind oder, was anf
dasselbe hinauskommt, das fragment eines selbständigen briefes 3\
fftlschlich an diese stelle geraten durch eine blfttterversetsang im
archetjpus, die wir constatieren müssen, da auch die andern briefe
chronologisch geordnet nicht mit der überlieferten Ordnung überein-
stimmen, sondern in folgender reihe geschrieben sind: 1. 3. 3^ 5.
2. 4. 6 usw., ein ähnliches Verhältnis, wie es Mommsen in den briefen
ad Quintum fratrem erwiesen hat man beachte femer dasz, wenn
die bezeichneten werte als 3^ herausgehoben sind, nun auch kein
störender gedanke mehr im dritten briefe mitten in die ausspräche
über C. Antonius eingeschoben ist, sondern dasz der gedanke ego sie
sentiOy trium fratrum tmam et eandem esse causam nun naturgemäss
fortgesetzt wird: Jiostes autem '* omnes iudioati^ qui M. Äntanü sectam
sectUi sunt^ itaque id senatus consuUum plerique inierpreiantur etiam
ad tuos sive captivos sive dediticios pertinere. ganz abgesehen von der
echtheitsfrage wird mir jeder vorurteilsfreie kritiker zugeben müssen,
dasz die von mir verlangte Operation evident notwendig ist, gleich-
viel ob wir den brief 3 dem Cicero oder einem gelehrten fUscher der
frühesten kaiserzeit zuschreiben ; musz doch sogar Meyer s. 40 anm. 3
zugeben, dasz der vermeintliche ftlscher eine ahnnng von den zwei
schlachten habe, da er von Hirtius schreibe: cumpaucis diebus magno
proelio ante vicisset- wenn Meyer trotzdem an der behauptung fest-
hält, der brief 3 sei 6ine epistel und dem f&l&cher trotz seiner
^ahnung' von der Wahrheit eine vermengung der schlachten bei
Forum Gallorum am 15n april und bei Mutina am 27n april in 6ine
Schlacht vindiciert, so hätte er seinen oonfusionsrat wenigstens nicht
sollen in Augustns zeit leben lassen : denn wie konnte ein solcher,
fast Zeitgenosse der ereignisse, gebildet genüg um aus Ciceros briefen
und reden '^ eine Mischung herauszuarbeiten , die Jahrhunderte lang
gelehrte geteuscht hat und noch teuscht, eine derartige Verwirrung
der geschieh te anrichten? das wäre gerade so ab ob ein gebildeter
falsarius zu anfang des 20n jh. eine nnechte correspondenz irgend
eines deutschen Staatsmannes aus dem deutsch-französischen kriege
fabricierte, in welcher die schlachten bei Wörth und Mars-la-Tonr
in t'ine zusammengeflossen wären.
Man bedenke femer, dasz nach der von mir verlangten opera-
'^ Meyer 8.43 behauptet dasz niAn bei meiner annähme statt mät
entschieden enim erwarten müsse, bekanntlich wird aber eine schlnsi-
folg^crung mit autem fortgesetzt: vgl. Ellendt-Seyffert lat. gr. | 346, 3.
" vgl. Meyer s. 164—167.
OESchmidt: zu Ciceros briefwecheel mit M. Bratas. 565
üon das am schlusz verzeichnete datum des 22n april, sowie das
datum an dem sich die republikaner durch die künde von Forum
Oallorum neu gestärkt fühlten , der 20e april , welches uns in der
mitte des briefes überliefert ist , ganz genau der Wirklichkeit ent-
sprechen, denn ein briefbote von Mutina kam am sechsten tage in
Bom an *^, der sechste tag nach dem 15n ist aber eben der 20e april,
dessen siegesfreude uns Cicero schildert, im anschlusz daran wird die
ftchtung des M. Antonius erwähnt; wir müssen also die betreffende
Senatssitzung auf den folgenden tag ansetzen, den 2 In april, ein
datum das mit^n berechnungen, die sich aus einigen gleichzeitigen
briefen ad familiäres ergeben, auf den punkt stimmt, wiederum am
folgenden tage , am 22n april , schrieb Cicero über diese ereignisse
an Brutus , wesentlich zu dem zwecke den Brutus zu veranlassen,
auch den C. Antonius als staatsfeind zu behandeln, bekanntlich
lagen den alten genauere chronologische Studien fem: wie sollte
nun ein falscher, der nach Meyer nicht einmal Forum Oallorum und
Mutina auseinanderhalten konnte, zu diesen richtigen daten gekom-
men sein? predigen diese datierungen nicht vielmehr mit imum-
stöszlicher Sicherheit die echtheit unseres briefwechsels , zumal diT
auch die den andern briefen beigeschriebenen datierungen zur Chro-
nologie der unbezweifelt echten briefe ad fam. nicht nur passen,
sondern sogar denselben Schreibfehler zeigen ? ^'
Für die kurze depesche 3^ ergibt sich das datum auch sehr
leicht: da am 27n april die Schlacht bei Mutina stattfand, kam wohl
am 2n mai die erste siegeskunde nach Bom, noch nicht begleitet von
der trauemachricht über die consuln , zumal da Pansa ja auch erst
am 28n april seinen wunden erlag; nicht am 2n mai also konnte
Cicero 3^ schreiben; wir haben aber auch von diesem tage eine
ähnliche depesche an Munatius Plancus, nur noch unbestimmter als
3^ und ohne nachricht von den consuln, ad fam, X 14^^: o gratam
famam hiduo ante victoriam de subsidio tuo, de studio ^ de cderUatej
de copiisf atqtie äiam Jiostibus fusis spes omnis est in te: fugisse enim
ex prodio Mutinensi dicuntur notissimi latronum duces; est autem non
minm grcUum extrema delere quam prima depeUere. sollte Cicero an
diesem 2n mai eine ähnliche notiz an M. Brutus fortgesendet haben,
so ist sie uns wenigstens nicht erhalten; auch war der brief an
Plancus nötiger als an Brutus : denn der letztere war der republik
sicher , Plancus sollte erst noch gewonnen werden, am morgen des
3n mai kam in Bom wohl genauere künde an vom tode der consuln
und von der Verfolgung des Antonius; danach entsendete Cicero
einen boten an M. Brutus, die ihm mitgegebene depesche ist das
briefchen 3 ^, dessen anfang vielleicht weggefallen ist.
Wenden wir uns nun noch kurz zu den ^Schwierigkeiten mehr
allgemein sachlicher natur'. verdächtig sind Meyer die werte ante
^^ vgl. meine diss. 8. 5. '* vgl. ebd. 8. 99 f. '^ über das datum
8. ebd. 8. 44.
566 OESchmidt: zu Ciceros briefwecheel mit M. Brutus.
hanc rem ptUchcrrimam als ein unklarer ausdruck für ante puffnam
ad Forum Gallorum commissam] was sagt denn aber Meyer dazu,
dnszpicero in der gleichzeitigen, noch von niemand angefochtenen
epistel X 14 an Plancus statt ^Antonius nnd sein anhang' sagt notis-
simi laironnm di4ces? die Verdächtigung der genannten worte fDhrt
uns auf die hauptschwäche des ganzen buches: die falschen forde-
rungen, die Meyer, ohne sich irgendwie in Ciceros läge zu versetzen,
hinsichtlich der eleganz des stils und der wähl der worte an diese
briefe stellt, ihm ist alles verdächtig, was er sich nicht ohne wei-
teres erklären kann; daher finden wir in dem buche so häufig tadel
derart: 'das unpassende der worte, die ungeschickte darstellung, das
falsche urteil' usw. , als ob sich daraus momente gegen die eebtheit
ergeben könnten. Meyer übersieht ganz, dasz wohl ein rhetor, der
den ereignissen selbst fern stand und den ausdruck feilte, solche
briefe glatt und klar fabriciert hätte, dasz aber den beteiligten leiden-
schaft und eigne not wohl andere worte in den griffel dictierten, als
sie jedem in der gelehrtenstube sitzenden kritiker gut dünken, dasz
zwischen Brutus und Cicero auch feinere föden zu einem gegenseiti-
gen Verständnis gesponnen waren , als wir im neunzehnten jh. mit
der feinsten hermcneutik wiederauffinden können, knrz dasz man
gut beglaubigte Schriftstücke nicht als unecht bezeichnen darf, weil
sie dunkülheiten enthalten, von seinem Standpunkt aus müste Meyer
den ganzen briefwechsel mit Atticus verdächtigen, weil wir einen
teil der feinem persönlichen anspielungen , an denen diese briefe
so reich sind, nicht zu erklären vermögen, in den allermeisten fällen
sind aber Meyers ausstcllungen noch dazu so subjectiv, dasz die von
ihm in disserendo berührten ansichten seiner gegner weit mehr an-
sprechen als seine eignen deductionen. so verweise ich wegen der
vermeintlichen ungenauigkeit der angäbe triduo aut quadriduo, wegen
der ungeschickten darstellung, als ob die rostra auf dem capitol
wären , wegen des abschätzigen Urteils über Pansa einfach auf das
material, welches über diese punkte Meyer s. 39 — 41 teils aus Cicero
teils aus den Schriften seiner Vorgänger gegen seine eigne meinung
zusammengestellt hat. dasz aber ^^eyer bei der exegese der worte
tc huc venire quam sc ad (e irc malehat einen grund Ciceros, den
Brutus nach Italien zu wünschen, nicht finden kann, beweist mir
nur seine Unfähigkeit die Zeitverhältnisse und Charaktere zu durch-
schauen, oder sollte Cicero nicht den Brutus herbeiwünschen dür-
fen , um die sicgesfreude mit ihm zu teilen und um mit seiner hilfe
die Vernichtung der Antonianer zu vollenden (vgl. die gleichzeitigen
worte an Plancus X 14 est autem nnn minus gratum extrnna delere
quam )>rlma depellere), bzw. auch den der partei lästigen Octavian zu
(»ntwatVnfnV wie contrastiert diese Urteilslosigkeit Sfeyera mit dem
anmas/endon, ja manchmal sogar spöttischen tone, in welchem er
die arbeiten seiner Vorgänger bespricht I oder was soll es heiszen,
wenn er s. i^ von Gurlitt sagt, dasz er bezüglich des briefes I 3
'natürlich ohne weiteres dieser [meiner] hypothese gefolgt' sei (vgl.
OESchmidt: eu Ciceros briefwechsel mit M. Brutus. 567
s. 32)? derartige versteckte insinuationen , als ob ein fachgenosse
die argumente eines andern ohne eigne prüfung angenommen habe,
geziemen sich nicht, wenn nicht directe beweise vorliegen.
Wenn fernerhin Meyer über meine Zerlegung des briefes I 3
folgendermaszen urteilt (s. 43) : ^ganz abgesehen von der etwas will-
kürlichen und durch keine fiuszern indicien gerechtfertigten operatiom
ist zunächst zu bemerken, dasz das [3 ^] jedenfalls ein sehr sonder»
bares briefchen wSre und höchstens dadurch zu erklären, dasz man
dasselbe als fragment'® eines briefes auffaszte^ so kennt er wahr-
scheinlich nicht das noch kürzere briefchen, mit dem Cicero dem
Minucius Basilus in der ersten aufregung nach Caesars ermordung
gratulierte: ad fam, VI 15 tibi grattdor; mihi gaudeo; te amo; tua
iueor; a te amari et quid agas quidque agatur certiar fieri volo.
In einem umfangreichen capitel s. 107 — 163 hat Meyer auch
Werstösze gegen den guten Sprachgebrauch' zusammengestellt, die
^einem Cicero oder Bmtus' nicht zuzutrauen seien, dabei hätte
er etwas mehr textkritik , die bei der unleugbar groszen verderbt-
heit der Überlieferung doppelt angezeigt gewesen wäre, anwen^
den können; diejenigen seiner ausstellungen, die wirklich etwas
anspruch auf entgegnüng haben ; sind von Karl Schirmer ao. über-
zeugend widerlegt worden, im übrigen aber verweise ich Meyer und
diejenigen , die ihm etwa auf dieser bahn zu folgen gesonnen sein
sollten , auf die unstreitig beste autoriiät über diesen punkt , auf
Cicero selbst, der anPaetus IX 21, 1 schreibt: vermn tarnen quid tibi
ego in epistulis videor? nonne plebeio sermone agere tecum? necemm
semper eodem modo, quid enim simüe habet episttda aut iudicio aui
contioni ?
Nach alledem stehe ich nicht an Meyers arbeit als eine verfehlte
zu bezeichnen, der offenbare fleisz des vf. kann uns für seinen mangel
an wirklichem Scharfsinn und innerlicher auffassung der Zeitgeschichte,
deren documente die Brutnsbriefe teilweise bilden, nicht entschä-
digen, wer kleinlich am buchstaben mäkelt und mehr mechanisch
von gar nicht feststehenden historischen oder sprachlichen gesichts-
punkten aus litteraturwerke auf Verdachtsmomente hin durchstöbert,
der ist für eine derartige Untersuchung wie die besprochene durch-
aus ungeeignet: er wird aus unberechtigten zweifeln nicht heraus-
kommen, wer aber mit den bei jedem andern alten Schriftwerke an-
erkannten kritischen mittein auch die Brutusbriefe richtig zu stellen
ernsthaft versuchen will und mit vorurteilsfreiem blicke und einer
gewissen liebe zur sache sich bemüht personen und Verhältnisse jener
schwer zu erforschenden zeit vor seinem geistigen äuge wiederzube-
leben, der wird in den Schreibern dieser briefe nicht den fälschen-
den rhetor, sondern die handelnden personen selbst erkennen und
empfinden.
*^ vgl. meine diss. 8. 43.
Dresden-Neustadt. Otto Eduard Schmidt.
568 AEussner: zur lateinischen anthologie.
87.
ZUR LATEINISCHEN ANTHOLOGIE.
Die zwei gedichte des Seneca de vUa htMnüiori — denn es sind
nur zwei, wie Biese AL. n. 407 f. und Baehrens PLM. IV s. 61 richtig
annehmen, und sie dürfen mit Baehrens und OBo^bach dem Seneca
zugeschrieben werden — variieren das gleiche thema in der weise, dasz
das erste die freundschaft der hohen verwirft und die der gleich-
stehenden empfiehlt, das zweite dagegen jene wie diese abweist und
nur für sich zu leben rät. aber vers 1 f. des zweiten gedichtes *vwe
ei amicUias onines fuge\- verius hoc est^ quam Wegum* sdlas ^eff^ge
amicitias^ — setzen voraus, dasz die beschränkte mahnong aimicUiaa
regum fuge vorhergegangen ist dagegen wollen vers 1 f. des ersten
gedichtes ^vive et amicUias regum fuge*, pauca manebas: maaomus
hie scopuhis, non tarnen unus erat — sich dem Zusammenhang nicht
fügen, sie legen den gedanken amicäias regum fuge einem andern
in den mund und tadeln die beschränkung der miJmang, während
doch die folgenden verse gerade diesen gedanken durchführen nnd
von einer ausdehnung desselben keine andeutung enthalten, daraus
ergibt sich dasz diese verse nicht an die spitze von n* 17, sondern
von n. 18 (Baehrens) gehören, ob n. 17 mit den versen begonnen
hat, die jetzt das zweite distichon bilden, oder ob am anfang ein
distichon verloren ist; das wie jenes an die spitze von n. 18 gehörige
mit den werten vive et amicUias regum fuge begann, läszt sich kaum
entscheiden, durch die letztere annähme würde sich der fehler unserer
Überlieferung leicht erklären , indem der gleichlautende versanfang
von n. 17 und 18 den Schreiber verführen konnte das zu n. 18 ge-
hörige distichon vor 17 zu stellen und dann vor 18 wegzulassen, da-
durch aber unversehens das erste distichon von n. 17 zu übergehen.
für die erstere der beiden möglichen annahmen scheint zu sprechen,
dasz durch dieselbe die zwei als gegenstücke einander entsprechen-
den gedichte auch gleichen umfang erhalten, dann erinnert scopuXm
(18, 2) an das bild contrahe vda usw. (17, 5), wie cofüapsam dommm
(18, 8) an magna ruina (17, 8), amicus minor und maior (18, 6 f,)
an pares noveris (17, 7) und anncUiae nUenies (17, 1). dasz unter
amicUiae regum nicht ein engerer begriff als unter amicUiae nimio
splendore nUentes zu denken ist, erhellt aus dem gegensatze von
regum amicUias zu omnes amicUias in n. 18.
WüRZBUBQ. Adam Eussnee.
EBoseberg: zur Orestis tragoedia. 569
88.
ZUR 0RE8TIS TRAGOEDIA.
Die verse 80 — 82, von denen besonders der mittelste schwer
verdorben überliefert ist, lauten in B
Nee uocor ad thalamos set uidima trador achras
Et mitis ad pia templa de miserante dianae
Pro me cerua dolus lucenda uicaria nudus.
über die besserung der gröbsten entstellungen hat sich die kritik so
ziemlich geeinigt; so ist in v. 81 natürlich zunächst Diana und v. 82
datur zu lesen, sodann v. 82 lugenda nach Rothmalers verschlag all-
gemein angenommen, für nuUus wird entweder nuUi oder nuüis ge-
lesen, dasz V. 80 adoras aus ad aras verderbt ist, sollte von niemand
bezweifelt werden; trotzdem schreibt Peiper ad oras^ indem er v. 81
fortfuhrt Et tmds ad pia templa deae. miserante Diana, natürlich
um die Verbindung ad aras und ad pia templa zu vermeiden, über
die herstellung von v. 81 gehen die ansichten noch weit auseinander;
m. vgl. die ausgaben, ich halte Et mitis fdr verlesen aus FleuiUs
und schreibe die ganze stelle folgendermaszen :
Nee uocor ad thalamaSy sed uidima trador ad aras
Flehüis; ad pia templa deae miserante Diana
Pro me cerua datur lugenda uicaria nuUis.
das epitheton flehüis zu uidima empfiehlt sich besonders durch den
gegensatz zu lugenda uicaria nuUis.
V. 150 ist cari zu halten und mit Pyladis zu verbinden.
V. 164 ff. spricht Cljrtemestra zu Aegisthus:
OccidimuSi redit iUe meus post heUa maritus
Vidor d armatus zelo mordente minatus
Morihus Argolicis leges inducere castas
Tristibus imperiis,
Mähly, der in v. 165 die schlechte lesart des A tdo mordente im
texte hat, verbindet diese werte ganz richtig mit armatus und setzt
daher hinter mordente ein komma. dies komma ist nun aber auch
in die ausgaben von Schenkl und Peiper übergegangen, trotzdem
diese das richtige zelo aus B aufgenommen haben, wollen diese hgg.
die Worte eeHo mordente auch mit armatus verbunden wissen? das
wäre doch geschmacklos, wenn Agamemnon aus dem kriege zurück-
kehrt, so thut er dies 1) als uidor und 2) armatus , nicht aber zelo
mordente armatus, oder aber , soll nach der ansieht von Seh. u. P.
zelo mordente etwa zu redit gezogen oder gar als abl. quäl, mit
maritus verbunden werden? keine dieser auffassungen dürfte sich
empfehlen, zumal es so nahe liegt das komma hinter armatus zu
setzen und zelo mordente zum folgenden minatus zu ziehen: Von
eifersucht gestachelt droht er mit finsterer gewalt Rir die sitten der
Argiver keuschheitsgesetze zu geben.'
V. 227 ff. sind in B wieder arg verdorben, es heiszt hier:
Jahrbücher fOr class. philol. 1883 hfu 8. 37
570 ERoBsberg: zur Orestis tragoedia.
Motibus his mulier melius gauisa resumsU
Turpiter infames animos redit iUa i4oluptas
Inpletepleäi /// /// /// rustica coUa pependit,
zunächst ist klar und durch v. 60 per pcUria coUa pependit so gut
wie erwiesen, dasz vor rustica ein per ausgefallen ist. dies ist auch
in alle ausgaben aufgenommen, zur heilung des versanfanges sind
di6 manigfachsten versuche angestellt worden, der interpolierte A
ergänzt Inplentem amplecti^ was Mähly billigt, LMüller will inpia et
amplexi , Haase inplere amplexum , Schenkl inplexum ampHecti , end-
lich Peiper inpia et effeti. alle diese versuche weichen von den Über-
bleibseln in B erheblich ab und empfehlen sich auch sonst nicht
wegen der elision. mir scheint inpUte aus inpete verschrieben, pUeti
aber zu plectibüi zu ergänzen zu sein: 'es kehrt die wollust mit
strafwürdigem ungestüm zurück.' das ai^ectiv plectibüis steht anch
V. 426, inpete v. 259 im versschlusz inpete mortis^ v. 510 dagegen
wie hier im versanfang impete mortifero. an dem iüa ist kein an*
stosz zu nehmen, da dies pronomen bei Dracontius bisweilen in ganz
verblaszter bedeutung, fast wie ein artikel, vorkommt, Tgl. Or. 24.
163. 408. 846. Drac. 5, 181. sonst könnte man auch übersetzen
'die alte wollust', vgl. Statins Theb. 6, 487 sed Thraces equi ui
iddere iacentem Hippodamum, redü illa fames 'der alte appetit auf
menschenfleisch.'
V. 288 heiszt es von Electra, die ihren bruder Orestes nach
Athen gerettet hat : et hene soüicUum studiis sapientibus addit. Both-
maler nimt anstosz an soUicUum^ indem er frag^: 'sed quid, quaeso,
hoc est , quod hene sollicitus dicitur puer ab Electra servatus ? * und
schlägt soUicUa mit verlängerter endsilbe vor. ich glaube dasz gar
keine nötigung vorliegt hene mit söUicitum zu verbinden , es gehOrt
vielmehr zu addit, der ganze vers heiszt also : 'und widmet in passen-
der weise den bekümmerten jüngling dem Studium der philosophie.'
mit dieser erklärung kommen wir vollständig aus; sonst läge es
nahe zu schreiben et hene saiuütum^ wobei natürlich hene mit saHuatum
zu verbinden wäre, dasz die nächsten beiden verse den zusammen*
hang in störendster weise unterbrechen, wird wohl von keinem in
abrede gestellt, da das cuius^ welches sich eng an v. 288 anschlieszt,
bei zwischeuschiebung dieser verse gänzlich in der luft schwebt.
doch kann ich den Vorschlag von Schenkl sie nach v. 304 repenaafU
(er hätte wohl richtiger gesagt, vor 305) zu stellen in keiner
weise billigen, die er wähnung des schiffs, welches die flQchtlinge
davontrug, käme hier viel zu spät, eine erträgliche Unterkunft finden
die in rede stehenden verse nach v. 285. wir haben dann folgenden
gedankengang: 'Electra wird zwar von dem plötzlichen unglück
niedergeschmettert, rettet aber doch den Orestes als den zukünftigen
rächer des vaters. und zwar trägt dasselbe schiff, welches den
Agamemnon gebracht hatte, nun auch die kinder des kOnigs, die
liabe Agamemnons und die troischen schätze wieder fort. Electra
nemlich, den bruder dem rächen der mutter entreiszend, setzt ihn
KRossberg: zur Orestis tragoedia. 571
auf das fahrzeug , nimt ihn mit sich nach Athen und widmet dort
den bekümmerten jüngling in passender weise dem Studium der
Philosophie, sein treuer. freund war Pjlades' usw. in der nun fol-
genden Schilderung der zärtlichen freundschaft der jttnglinge hat
die bisherige kritik so ziemlich glatte bahn gemacht, ich bin mit
der fassung von 292 — 304 bei Peiper in allen stücken einverstanden
bis auf isset v. 300, woftlr mir Rothmalers ibat die ein/Jg richtige
herstellung zu sein scheint, und bis auf die worte hoc sirnüis faciebat
amor. das steht freilich in B; was es aber heiszen soll, ist mir völlig
unklar, es ist entschieden zu schreiben: hos similTs faciebat amor^
dh. Venn jeder von ihnen den leichten renner tummelte , liesz die
liebe sie ähnlich erscheinen', indem nemlich einer wie der andere
ritt und keiner den andern an kunstfertigkeit zu übertreffen suchte.
V. 325 ist nitens von nitere abzuleiten, nicht, wie offenbar bei
Mähly und dem anschein nach (mit falscher prosodie) bei Sehen kl,
von niti. der inf. placare hängt vielmehr von adgreditur ab. gerade
der Orestes nemlich weist einen sehr freien gebrauch des infinitivs
auf, der in den übrigen gedichten minder stark hervortritt, wiewohl
sich auch in diesen beispiele genug finden (vgl. 8, 124 conmrat in
arma Graecia iota dolens rapium punire Lacaenae; 8, 81 Laame-
dontiades capitolia celsa petebat reddere uota Ioui\ 8, 288 thalami con-
soriia casti scindereposcebant] Or. 154 facinusque parare disponitusv/,
V. 326 hat B psüta suae dulcedine linguae, für das mit
compendien geschriebene wort will Mfthly praestruäa, Baehrens
praefuUa lesen, es wird jedoch nichts weiter flötig sein als die com-
pendien in gewöhnlicher weise aufzulösen praesumta. dies ist in
derselben weise zu fassen wie Drac. 5, 91 qtiando fugax praesumpius
erit uel debilis audax? nemlich «= audax, dasz praesumere nicht
selten = andere (zb. Or. 930. Drac. de deo 3, 204 quis tarn saeuas
rabies compescere uindex armatus praesumpsit homo)^ ist bekannt,
der gebrauch von praesumtus in activem sinne aber auszer diesen
beiden stellen des Dracontius von mir nicht nachzuweisen, vielleicht
jedoch in der bei Forcellini citierten stelle des Corippus loann. 4, 550
natus et eximius sumptis praesumptior armis^ wo F. bemerkt: 'active
qui praesumit.'
V. 342 läszt sich das überlieferte bipennis (B uipennis) halten,
wenn- man verbindet tarn turpi morte bipennis.
V. 451 ist dreiteilig: pronuba ftamma fuU^ thalami rogiis, et
pyra lectus: 'brautfrau war die flamme, das brautgemach der holz-
stosz und das ehebett der Scheiterhaufen.'
V. 456 ff. sind zu lesen :
Ibat alumna manus tumuUs regalibtis omnis
Nodibus in mediis, flens per haec tempora regetn^
Anxia quae gemituet tremulis tUulatibus tisa
Temperte moderante fremit terrente pauore.
B bietet que gemüü et und tremit. fremere ist ein bei Dracontius
überaus beliebtes verbum.
37*
572 ERossberg: zur Orestis tragoedia.
V. 549 — 551. bei diesen versen kommen die früheren ausgaben
nicht in betracht, da sie y. 550 statt des hsl. uiuum noch nach der
CWMüllerschen coUation uiua im texte haben und dies nicht anders
als mit cnidelia membra cremanda in v. 551 verbinden konnten.
Peiper schreibt zwar uiuum ^ interpungiert aber entschieden falsch,
wenn er im texte bietet:
Ore fremunt famuli, gut carpere dentihus Optant
Corpus Egisteum ud uiuum tradere flammis,
Coniugis infandae crudelia membra cremanda.
das könnte nur etwa heiszen: 'die diener muiTen und sie wünschen
den körper des Aegisthus mit den zahnen zu zerfleischen und ihn
lebendig den flammen zu übergeben (und meinen) dasz die grausen
glieder der abscheulichen gattin verbrannt werden müsten.' wie
unbeholfen das ist, bedarf keines weitem nachweises. Peiper wurde
verleitet durch die annähme dasz uel^ wie so oft bei Draconiiua, so
auch hier = et sei. dasselbe hat indessen hier sicher seine steigernde
bedeutung, und das komma ist hinter uiuum zu setzen: 'weldbe den
körper des Aegisthus gleich bei lebendigem leibe zu zerfleischen und
die grausen glieder der abscheulichen gattin den flammen zur Ver-
brennung zu übergeben wünschen.' . ich denke , das ist klar und
einfach.
V. 567 ff, lese ich :
Flumina pectoreo dedit uhere lactea lahris^
Dulcia nectareum fundentia meUa saporem.
B flumine — uhera -^ nedareum, die mutter gibt den lippen des
kindes zweierlei: 1) ex übere peäoreo flumina laäea und 2) dudeia
mella nectareum saporem fundentia,
V. 645 ff. auch in diesen versen kann ich die hergebrachte
intcrpunction der ausgaben nicht billigen, in v. 645 fragt Dorylas :
'lebst du mein pflegling? ja dann leben wir alle.' sodann fährt er
fort : 'wir sind nur den nachstellungen aus dem wege gegangen, so
lange der ehebrecher in üppiger pracht lebt', und nun beginnt er
seine Schilderung von dem treiben des Aegisthus und der Cljie-
mestra, um dann in v. 051 die eigne handlungsweise mit nos tarnen
dazu in gegensatz zu stellen, es ist also hinter v. 645 sowohl wie
hinter v. 646 ein punctum zu setzen, die verse 647 — 654 reis bilden
dann einen satz. denn dasz die werte fjuod superest cito poena reis
mit dem vorhergehenden zusammenhängen, hat Haase (bei Peiper)
richtig gesehen, die werte hängen ab von cuius promissa tenemus
und vielleicht gleichzeitig von quamvis Cassandrae fuerint responsa
priora: 'dessen versprechen wir haben (obgleich ja früher auch schon
die Prophezeiung der Cassandra sich dahin aussprach), dasz den
schuldigen bald ihre strafe bevorsteht.' das cito der hs. mit den
ausgaben in cita zu ändern ist ganz überflüssig ; superest ist >» ven^
turn est, für die kürze der endsilbe von cito vgl. v. 143.
v. 658 ist mit B zu lesen astringere ferrum : vgl. Statius Hieb.
3, IIG motos capuUs astringeret enscs.
KRossberg: zur Orestis tragoedia. 573
V. 677 hat B hoc nescire, ehe man durch die neue collation des
B von HHagen wüste dasz vor nescire noch ein hoc steht, hatte
Baehrens vermutet rescire , damals sicher mit gröster berechtigung.
heute dürfte einfach zu schreiben sein ?u>c scire (nicht mit Peiper
hoc nosse), da nescire offenbar durch das sogleich folgende negcUtur
veranlaszt ist.
y. 697 habe ich in meinen observ. crit. vorgeschlagen plandu
gaudentis auf Orestes bezogen, es war mir damals entgangen , dasz
B vor planctu ein et hat. durch dieses wird die herstellung der stelle
noch leichter, man lese:
Fostquam introgressum cognoscü turha ministra ,
Os Agamemnonium gressus ocülosque mantisqtie ,
Et planäu gaudens fremuit sine twcibus oris,
Uam portae daudantur^ ait Pylades Oresti,
B ä plandu gaudentes fremunt. die drei ersten verse bilden den
Vordersatz.
V. 726 ist wohl zu lesen quibus est protractus Airides für
prostratus in B unter vergleichung von v. 348.
V. 892— 93^ enthalten die anklagerede des Molossus und die
Verteidigungsrede des Orestes, in beiden reden ist nach dem in den
ausgaben gebotenen texte noch mancherlei unklar, ehe ich auf
einzelheiten mich einlasse , sei es mir gestattet folgende recension
der verse vorzulegen: *
Et sie orsus ait: ^proceres, legälis origo^
Arguo mortiferutn scelcratae mentis Orestem ,
Sanguinis oblitumy humani iuris egenum,
S9b Sacrilegum superum, perfusum sanguine matris
Heu dextra fundente sua, sed aduUera forsan
Mater erat: — Pyrrhus numquid fuit aUer Egistus?
Quem necat in templo caekstia dona ferentem
Euer Sorem Asiae^ natum armipotentis AchiUis, —
900 Forte referty quia mater erat scelerata j profana. —
Crimen aduUerii cumulat quae morte mariti ,
Percutienda fuit rea maxima iudice iusto ,
Non tarnen ense suo. quid iam peccasse pudehit^
Cui prius est in matre nefas? censete seuera,
905 Cecropidaeproceresf decet uUio tälis Athenas :
Cuius in exüium sat erit non cuUet^s unus ,
Taliht^ huic opus est: aequentur uut/nera memhriSy
Partibus absdsis sibi sit de morte superstes^
Tempore sed modico uiuax lanianda cadauerf*
910 Haec ait et tacuit, cui sie respondü Orestes:
^Summaies Danaum, sapientes lumine cordis^
Culmen Athenaeum, censores iuris honesti^
Gaudeo securu>Sy quod apud uos causa mouetur^
Sunt quibus uxores, quibus est affeäus amandi,
915 Et meminisse reor primcteui temporis annos,
574 KBoBsberg: zur Orestis tragoedia.
Quid Sit amor sponsae^ thalami quae uota futuri.
Bis superis grates , quod post tot funera mentis
Ärguor adsistens intcr subseUia sospes^
Incolumis ueneror sandum per iura tribunaly
920 A licUo discerno nefas, tracfaie uerendi:
Non de lue mea sententia uestra ferenda est ,
Sed de iure deum , qui me purgasse pröbantur ,
Dum medidnalem irihuunt per corda salutem.
Nemo poli seruare deum, piUo^ ueUet if^iquum,
925 lustior inueniory dum matrem uindicat uUor:
Si ulciscenda rea genetrix, quid iam pater insons?
Quis^ rogo^ sacrilegosy quis demens audeat aimos
Accusare deos^ quihus est perfecta potestas?
Scilicet accuset^ nocet in certamina diuoSy
930 Obiciat facinus^ praesumat heUa gigantumf
Forsitan obiciat: <fuerant cur ergo furores?*
Cura doloris eraty proceres, nee poena reatus.
Taedia soUicitant animos mentemque fatigani.
Fprhus erat raptor^ uindexpost beUa rapinae,
935 Ärguit unus iners, quem conprobat ordo deorum ,
Quaeso , duces legum , sententia uestra resoluat
Purgatum sub iure deum , stib sorte benigna f *
wi^man sieht, habe ich an der interpunction manches, an den werten
des textes wenig, an der Stellung der verse gar nicht» geSndert. die
relativsätze v. 901. 906. 935 sind zum folgenden zu ziehen, v. 896
lese ich heu für ety y. 907 huic für hoc. die worte sed aduUera forsan
mater erat sind eine concession des redners , um die erwiderung des
angeklagten von vorn herein abzuschneiden, freilich l&szt er auch
diese entschuldigung nicht ganz gelten: denn er nimt diesen punkt
V. 900 noch einmal auf. in diesem verse vertritt quia einen acc. c.
inf. der gedankengang der rede des Orestes ist folgender, er be-
ginnt mit einem appell an das gefühl der richter als gatten und
ehemalige bräutigame (911 — 916) und wendet sich sodann zum
dank gegen die götter, welche die nacht des Wahnsinns von seinem
geistü verscheucht haben, so dasz er mit klarem verstände recht und
unrecht unterscheiden und sich vor dem gerichtshofe verteidigen
könne (917 — 920). diese heilung vom Wahnsinn durch die götter
bildet nun den kern- und angelpunkt seiner Verteidigung. Ä. zuerst
fordert er die richter auf zu erwägen {tradaie uerendi) , dasz es sich
gar nicht um seine Streitsache, sondern um das recht der gOtter
handle, a) sie haben mich vom Wahnsinn geheilt, wer von den
göttern wird aber einen frevler retten? folglich bin ich frei Ton
schuld (921 — 924). b) durch die forderung der räche für die matter
seitens des anklägers erscheine ich nur noch mehr gerechtfertigt, denn
wenn er für die verbrecherische mutter räche heischt, so war
ich erst recht verpflichtet den unschuldigen vater zu rftchen.
war ich aber dazu verpflichtet, wie soll ich strafbar sein? der an-
ERossberg: zur Orestis tragoedia. 575
kläger verstöszt also gegen die logik ; ihn zu widerlegen ist nicht
weiter nötig (925. 926). c) will aber jemand die götter eines frevels
zeihen {almos deos ut sacrüegos accusare)? nun, der versuche es nur,
er wird ja das resultat bald an sich erfahren (927 — 930). B. nun
könnte aber eingeworfen werden: wenn sich das alles so verhält
und die götter so auf deiner seite stehen, warum warst du denn
vorher wahnsinnig ? war das nicht eben eine von den göttern ge-
sendete strafe? darauf erwidere ich: nein, es war eine folge des
schmerzlichen kummers, nicht strafe für eine schuld, anhaltender
verdrusz beunruhigt ja das gemüt und ermüdet den geist (931 — 933).
C. was den Pyrrhus anlangt, so verliere ich kein wort: er war ein
räuber und maszte sich, als gar kein krieg mehr war, eine beute an.
dafür war ich berechtigt ihn zu strafen (934). D, resumö: hier steht
^in tropf als mein anklSger — dort tritt der ganze stand der
götter für mich ein. darum sprecht auch ihr mich frei, den bereits
das recht der götter und die gunst des geschickes losgesprochen
haben (935 — 939). die rede ist nichts weniger als ein meisterstück,
es fehlt ihr an einer geschickten disposition und an concinnität. es
kann nicht geleugnet werden, dasz die verse 925. 926 sich in ihrer
Umgebung nicht sehr passend ausnehmen , doch , glaube ich , ist das
dem späten Africaner zu gute zu halten, will man sie durchaus
umstellen, so würde ich ihnen ihren platz nicht mit Peiper nach 920
anweisen (denn diesem musz offenbar v. 921 folgen), sondern eher
vor 934 , so dasz dann in den drei versen 925. 926. 934 die beiden
hauptpunkte der anklage kurz abgefertigt werden.
v. 960. wenn irgendwo, läszt sich bei diesem verse zeigen, wie
lange fehler , die sich in einer ersten ungenügenden ausgäbe finden,
sich fortschleppen, alle bisherigen hgg. setzen die in der ausgäbe
von CWMüUer aufgenommene lesart des A amplexuque tenent laeua
dextraque sorores in den text, ohne zu beachten dasz B amplexeque
tenent bietet, dasz dies <= amplexaeque tenent ist, bedarf keines be-
weises, zum Uberflusz ergibt sich indes, dasz Drac. hier, wie so
häufig, Vergilius vor äugen hatte, bei welchem es Aen, 2, 490 heiszt:
a mplexa eque tenent postes atque gscula figunt.
NoBDEN. Eonbad Rossbebg.
(50.)
PHILOLOGISCHE GELEQENHEITSSCHRIPTEN.
Meiszen (landesBchale St. Afra) Konstantin Angermann: geogra-
phische namen Altjifriecbenlands. druck von C. £. Klinkicht u. söhn.
1883. 31 8. gr. 4.
Metz (lyceum) Ferdinand Weck: beitrage zur erklärung Homerischer
Personennamen, druck von gebr. Lang. 1883. 34 s. 4.
München (akademie der wiss.) £daard Wölfflin: gedäcbtnisrede
auf Karl von Halm, gehalten . . am 28 märz 1883. druck von
F. Straub. 36 s. gr. 4. — G. F. Unger: zur gescbichte der Pytha-
goreier (aus den Sitzungsberichten der philos.-philol. n. bist classe
576 PhüologiBche gelegenheitsschriften.
1883 beft 2 s. 140—192). — K. Krambacher: eine neue band-
Schrift der g^ammatik des Dosithens nnd der interpretamenta Lei-
densia (ebendaher s. 195 — 203). — A. Spengel: scenentitel und
scenenabteilung in der lateinischen komödie (ebendaher 8. 267
— 298). — H. Brunn: über tektonischen styl in griechischer plastik
nnd maierei (ebendaher heft 3 s. 299 — 331). — (uniy., docftoridisser-
tationen) Robert Leonhard: de codicibns Tibnllianls capita tria.
▼erlag von Th. Ackermann. 1882. 66 s. gr. 8. — Karl Kram-
b acher: de codicibns qnibas interpretamenta Psendodositheana
nobis tradita sunt, druck von F. Straub. 1883. 68 s. gr. 8. —
Johann Frants: die kriege der Scipionen in Spanien 536— 64S
a. u. c. Verlag von Th. Ackermann. 1883. V u. 77 s. gr. 8.
Münster (akademie, lectionskatalog s. 1883) P. Langeni analectomm
Plautinorum part. III. druck von Coppenrath. 14 s. gr. 4.
New York (Columbia College) Augustus C. Merriam: the greek
and latin inscriptions on the obelisk-crab in the metropolitan mnseam^
New York. Harper & brothers, Franklin Square. 1883. 49 s. lex. 8.
Patschkau (gymn.) E. Koenig: quaestiones Plautinae. druck von
E. Hertwig. 1883. 18 s. gr. 4.
Plauen i. V. (gymn. u. realschule) William Fischer: Studien zur
byzantinischen geschichte des elften Jahrhunderts. I. loannes Xiphi*
linus, Patriarch von Constantinopel. II. die patriarchenwahlen im
elften jh. III. die entstehungszeit des tractatus de peculiis, des
tractatus de privilegiis creditorum, der Synopsis legum des Michael
Psellus und der Peira, und deren Verfasser, druck von F. E. Neupert.
1883. 56 s. gr. 4.
Rastenburg (gymn.) H. K. Benicken: die litteratur zum sechsten
buche vom zorne des Achilleus im sechsten und siebenten buche
der Homerischen Ilias. teil I. • druck von W. Kowalski. 1883.
20 8. gr. 4.
Rostock (univ., lectionskatalog s. 1883) Georg Kaibel: observationea
criticae in Athenaeum. druck von Adler. 10 s. gr. 4.
Speier (studienanstalt) Philipp Thielmann: beitrage zur teztkritik
der vulgata, insbesondere des buches Judith. L. Gilardonesche
buchdruckerei. 1883. 64 s. gr. 8.
Verden (domgymn.) A. Fokke: rettungen des Alkibiades. erster teil:
die sicilische expedition. verlag von W. Haynel in Emden. 1883.
87 s. 8.
Wien (Franz-Joseph-gymn.) Josef Egger: katharsis-studien. druck
von G. Qistel u. co. 1883. 39 s. lex. 8. — (Leopoldstädter gymn.)
Carl Ziwsa: die eurythmische technik des Catnllns. iXr teil,
druck von C. Fromme, 1883. 40 s. gr. 8. [der erste teil erschien
1879 als Programm des gymn. in Hernais.]
Wiesbaden (gymn.) Friedrich Lohr: aus dem alten Rom. ein brief
an die schüler des gymnasiums. L. Sohellenbergsche hofbnch-
druckerei. 1883. 22 s. gr. 4.
Wittenberg (gymn.) Carl Haupt: ein -beitrag zu der frage nach
ziel nnd methode des geschichtsunterrichts auf gymnasien. druck
von A. Löbcke. 1883. 38 s. gr. 4.
Wohlau (gymn.) A. Arlt: Catulls 36s gedieht. Horaz sat. 2, 1, 34
—39. druck von C. Koppel. 1883. 14 s. gr. 4.
Zittau (gymn.) Johannes Renner: kritische und grammatische be-
merkungen zu Homer, druck von R. Menzel. 1883. 28 s. gr. 4.
Zweibrücken (studienanstalt) Franz Krupp: die Homerischen gleich*
nisse zusammengestellt nach den verglichenen personen und an-
Schauungskreisen, welchen die bilder entnommen sind, mit angäbe
der Vergleichungspunkte, druck von A. Kranzbühler. 1883. 35 s. 8..
ERSTE ABTEILUNG
PÜß CLASSISCHE PHILOLOGIE
HERAUSGEGEBEN VON ALFRED FlECKEISEN.
89.
DAS ERSTE JAHR DES PELOPONNESISCHEN KRIEGES.
EIN BEITRAG ZUR CHRONOLOGIE DES THUKYDIDES. *
Im anfang des zweiten buches seiner geschichte des krieges der
Peloponnesier und der Athener gibt Thukjdides eine genaue datie-
rung des nächtlichen Überfalls der mit den Athenern verbündeten
boiotischen stadt Plataia durch die Thebaner, welche in dem Wort-
laut, in dem sie uns in den sämtlichen handschriften vorliegt , mit
mehreren andern stellen desselben Werkes so schwer in Übereinstim-
mung zu bringen ist, dasz man fast unabweislich auf den gedanken
kommen muste, es liege mindestens in einer dieser mit einander
streitenden stellen eine textverderbnis vor. so ist es denn wohl er-
klärlich, dasz eine sehr leichte und schonende emendation Krügers,
die diesem Übelstande abzuhelfen schien , bald fast allgemeine Zu-
stimmung gefunden hat, zumal da sie von einem meister wie Böckh
gebilligt worden war. ich habe nun schon in diesen jahrb. 1882
s. 305 an der richtigkeit des Krügerschen Vorschlags bei Thuk. 11 2
vier monate zu schreiben statt zwei (nicht zehn, wie ao. durch einen
'*' dio nachstehende abhandlung ist hervorgegangen aus den vor-
arbeiten zu einer gröszern schon ziemlich weit vorgerückten Unter-
suchung über die quellen zur geschichte des peloponnesischen krieges.
es wollte mir nicht recht gelingen, diese Vorstudien in angemessener
weise mit dem text zu verschmelzen, und so war der gedanke, dieselben
als etwas vorläufiges selbständig zu veröffentlichen, um später auf sie
verweisen zu können, schon in mir anfgestiegen, als meine ernennung
zum dr. phil. und mag. art. Über, durch die philosophische facultät der
Universität Königsberg den anstosz zur ausführung dieses entschlasses
gab. in dem schreiben, in dem ich der hochverehrten facultät meinen
dank dafür ausflprach, verpflichtete ich mich zugleich zu dem versuch,
durch eine eigne schrift die mir erwiesene ehre in den äugen der fach-
genossen wo möglich zu rechtfertigen, so ist diese abhandlung ent-
standen, und nun erlaube ich mir denn diesen beitrag zur Chronologie
des Thukydides dem herrn decan und den herren professoren der philo-
sophischen facultät der univ. Königsberg gleichsam als eine verspätete
doctordissertation ehrfurchtsvoll zn überreichen und zu widmen.
Jahrbücher fQr class. philol. 1883 hf\. 9. 3d
578 HMüller-StrübiDg: das erste jähr des pcloponnesischen krieges«
wunderlichen druck- oder wahrscheinlicher Schreibfehler wiederholt
zu lesen ist) meinen zweifei ausgesprochen, und es scheint mir um
so dringender geboten, meine abweichende ansieht zu begründen,
da Krügers emendation von fast sämtlichen , jedenfalls von den be-
deutendsten neueren herausgebern des Thukydides, von Classen,
Böhme, Stahl, Herwerden in den text aufgenommen worden ist, so
dasz die gefahr nahe liegt, dieselbe werde, wie das zu geschehen
pflegt, wenn nicht rechtzeitig einspruch geschieht, sehr bald durch
eine art von Verjährung eine fast handschriftliche autorität erlangen.
hat doch ein so gelehrter und scharfsinniger forscher wie GFUnger
in zwei sonst sehr verdienstlichen Untersuchungen, mit denen ich
mich weiterhin noch vielfach zu beschäftigen haben werde \ den von
Krüger angeblich ermittelten Jahrestag des Überfalls von Plataia
nicht blosz zum epochentag für den ganzen krieg gemacht (wobei er
denn freilich das Zugeständnis machen musz, dasz Thukydides 'im
Widerspruch mit sich selbst' an einer andern stelle seines werkes,
V 20, nicht diesen Überfall , sondern den angriff der Lakedaimonier
auf die attische grenzfestung Oino^ als den anfang des krieges be-
zeichne) — ja mehr als das : ünger ist noch weiter gegangen, denn
nach ihm soll Thukydides sich den doch rein zufälligen umstand,
dasz das angeblich von Krüger festgestellte datum des Überfalls in
die nähe des anfangs der — ich will kurz sagen der guten Jahreszeit,
in der die Griechen ihre kriegsoperationen zu beginnen pflegten,
fiel , zu nutze gemacht haben , um dasselbe ein für alle mal als den
anfang auch des sommers zu bezeichnen, mich dünkt, das wäre, wie
ich anderswo schon gesagt habe (jahrb. 1879 s. 441), schon für den
Archidamiscben krieg eine seltsame schrulle, für den sikelischen, den
ionischen krieg aber eine vollkommene absurdität gewesen, wenn es
mir nun gelingen sollte, die Unrichtigkeit dieses Krügerschen angeb-
lichen datums für den Überfall von Plataia nachzuweisen — und das
wird keine schw^ere noch saure, vielmehr eine, ich hoffe auch für den
leiser ergetzliche arbeit sein, gleichsam die schluszscene einer philo-
logischen komödie der irrungen, die sich in Wohlgefallen auflöst —
dann wird freilich das ganze stattliche gebäude, das ünger auf dem
funüament dieser falschen datierung aufgebaut hat, in sich selbst
zusammenfallen, trotzdem dasz es, um mit ChAVolquardsen (Bursians
juhresber. XIX s. 113) zu reden, 'nach einem wohldurchdachten,
einheitlichen, den angaben des Thukydides mit vieler kunst an-
gepassten System errichtet ist.' mit diesem urteil stimme ich durch»
aus überein und meine dasz Ungers Untersuchungen trotz des grund-
irrtums, auf dem sie beruhen, einen bleibenden wissenschaftlichen
wert behalten werden, da, um weiter mit Volquardsen zu reden,
'durch den leitenden gedanken derselben, die annähme nemlich, dasi
* 'zur Zeitrechnung? des Thukydides' in den sitznngsberichten der
philos.-philol. classe der Münchener akad. der wissensch. 1876 bd. I,
uud Mer attische kalendcr während des pcloponnesiichen kriegei' ebd.
bd. II.
HMüller-Strübing : das erste jähr des peloponnesischen krieges. 579
Thukydides seine kriegsjahre auf attische bürgerliche jähre fundiert
habe , nach unserer Überzeugung unsere forschung auf eine richtige
bahn gelenkt worden ist.' es gilt nun auf dieser richtigen bahn
weiter fortzuschreiten.
Thukydides bringt die Vorgeschichte des von ihm beschrie-
benen krieges damit zu ende, dasz er berichtet, die Athener hätten
den zu ihnen geschickten lakedaimonischen gesandten erklärt; sie
könnten die von diesen gestellten forderungen nicht erfüllen, seien
aber bereit den bestehenden vertragen gemäsz dieselben der ent-
scheidung eines unparteiischen Schiedsgerichtes vorzulegen. *und
die Lakedaimonier giengen nach hause und schickten von da ab keine
gesandtschaften mehr, dies waren die gegenseitigen beschwerden
und Zerwürfnisse vor dem kriege , welche sogleich mit den handeln
in Epid&mnos und Korkyra angefangen hatten, inzwischen verkehr-
ten sie noch untereinander, zwar noch ohne geleit von herolden,
aber nicht ohne mistrauen , denn in dem geschehenen lag doch eine
aufhebung der vertrage und eine veranlassung (oder ein vorwand?)
sich zu bekriegen' : aliiai bk auiai Kai biaqpopai ^y^vovto djiqpOT^-
poic TTpö ToO TToX^jiOu, dpEctjuevai euGuc dirö tOüv iv 'GTribdjLiviji
Ktti KopKupcjt. ^TT€|iiTVuvTO bi. öjiujc iv aÖTttic Ktti TTttp* dXXrjXouc
dqpoiTUJV dKr|pÜKTU)c jn^v, dvuTTÖTTTUJC bk oö • ciTOvbuJV Tdp HOtx^cic
Td TiTVÖjLieva fjv Kai Trpöqpacic toO TroXejüieiv. damit schlieszt die
einleitung des Werkes und das erste buch, im zweiten fährt der
Schriftsteller fort: ^von hier ab beginnt der krieg der Athener und
der Lakedaimonier und ihrer beiderseitigen bundesgenossen, in
welchem sie nicht mehr ohne geleit von herolden mit einander ver-
kehrten und ununterbrochen sich bekriegten, geschrieben sind die
einzelnen begebenheiten der reihe nach , wie sie sich zutrugen , nach
sommern und wintern, denn als der nach der einnähme von Euboia
geschlossene dreiszigj ährige Waffenstillstand vierzehn jähre bestanden
hatte, da, als Chrysis in Argos 48 jähre priesterin gewesen war und
als Ainesias in Sparta ephoros war und Pythodoros in Athen noch
für zwei monate archon war, im sechsten monat nach der schlacht
von Poteidaia und zugleich mit dem beginn des frühlings drangen
thebanische männer etwas mehr als 300 an zahl . . um die zeit des
ersten schlafes bewa&et in die boiotische stadt Plataia ein, die mit
den Athenern verbündet war' : T^ccopa jüifcv Tdp Ktti b^Ktt i,Tr\ ^v-
^jueivav Ol TpiaKCVTcOieic cTrovbal a% ^y^vovto juct' €ößoiacfiXuj-
ClV, Ttjj bk .TT^jUTTTtU Kttl bCKdllW f TCl , ^TTl XpUCibOC iv "ApTCl TÖT€
TTevTrJKovTa buoTv b^ovia iir] lepujjn^vric Kai Aivr|ciou ^qpöpou dv
CirapTr)* Kai TTu9obüüpou fxi biio ^fjvac fipxovxoc *A9T]vaioic, jucTd
* ich musz gestehen dasz jedesmal, wenn ich diese stelle lese, der
verdacht in mir aufsteigt, ob nicht nach iv CirdpTi] in unsern hss.
etwas ausgefallen sei, die angäbe, wie viel monate das ephorat des
Ainesias schon gedauert oder noch zu dauern hatte, mich dünkt, das
gefühl für stilistisches ebenmasz verlangt das — und die zeit des amts-
antritts der ephorie kannte Thukydides doch ganz sicher, und ebenso
seine leser.
38*
580 UMüUer-Strübing: das erste jähr des peloponnesischen krieges.
TTjv ev TToTeibaict jLACtxnv junvi 2ktiu koi &^a fjpi dpxoji^vqj 6nßaiujv
ävbpec öXiTiw nXeiouc TpiaKOCiuiv . . dcf|X9ov irepi TTpiIiTov öttvov
Huv öttXoic de TTXdTaiav Tf]c BoiuiTiac oucav *AOiivaiuJV Eumüiaxiba.
Man sieht f Thukjdides gibt flir dies so hochwichtige ereignis,
das ja in der that die letzte und unmittelbarste yeranlassung des
verhängnisvollen krieges war , mit einer gewissen feierlichkeit und
einer bei ihm sonst beispiellosen genauigkeit eine Zeitbestimmung,
die für die Zeitgenossen zur feststellung des Jahres vollkommen ge-
nügend war und das auch für uns ist; in bezug auf den monat hat
die angäbe 'im sechsten monat nach der schlacht bei Poteidaia' fttr
uns gar keinen wert und hatte einen solchen auch nur fUr die seiner
Zeitgenossen, die den monat, in dem die schlacht geliefert war, ander-
weitig kannten : denn aus dem werk konnten sie ihn nur aus dieser
stelle durch rückwSrtsrechnen erfahren ; für den tag des ereignisses
aber hatten die Zeitgenossen, so gut wie wir noch heute, nur die
eine bestimmung, es sei geschehen, als Pythodoros noch zwei monate
archon war. ich bin daher entschieden der meinung Böckhs, dasz
wir, um den tag des Überfalls festzustellen , schlechterdings an dem
letzten tage des dritten monats vor dem ab lauf des archon tats des
Pythodoros festhalten müssen (vorausgesetzt dasz die angäbe ttber
die noch zweimonatliche dauer des archontats des Pythodoros richtig
ist) — und das um so entschiedener, da Thukydides an einer andern
stelle diesen nur durch den hinweis auf das ende des archontats be-
stimmten tag benutzt zur tagesdatierung eines andern gleichfalls
hochwichtigen ereignisses, des einfalls der Lakedaimonier in Attika,
von dem er sagt , er sei geschehen ungefähr am 80n tage nach dem
Überfall von Plataia (II 19). freilich wird die genauigkeit dieser
letztem datierung durch das schillernde * ungefähr* (fidXiCTa) schon
geschwächt; wenn wir aber auch für den terminus a quo ein solches
'ungefähr' annehmen müssen, dann haben wir ja gar keine feste Zeit-
bestimmung mehr, ich sage dies gegen ünger, der seinem system
zu liebe aus dem gründe, dasz Thukydides an einer andern stelle
(II 4) sagt, der Überfall sei geschehen TeXeuriJUVTOC TOU MilVÖc, sich
für berechtigt hält , nicht den letzten tag vor ablauf der zwei , oder
wie er will vier monate, sondern den dritt- oder viertletzten des
betreffenden monats als den tag des Überfalls und epochentag des
ganzen krieges anzusehen, die gründe, die Unger auszerdem noch
für seine datierung anführt, sind nicht stichhaltig und lassen sich
leicht widerlegen, ja zum teil gegen ihn kehren, wie das auch Vol«
quardsen (ao. s. 112 namentlich in bezug auf Thuk. VIII 61; vgl.
auch Bursians jahresb. I s. 415) anerkennt.
Danach also würde unserer Überlieferung zufolge der Überfall
von Plataia auf den letzten munichion zu setzen sein , wie das aach
von allen früheren gelehrten, die sich eingehend mit den chrono-
logischen bestimmungen bei Thukydides beschäftigt haben, von
Düdwell an bis auf Ullrich und Grote wirklich geschehen ist. aber
da mubz man sich doch sogleich verwundem, dasz diese gelehrten
HMüller-Strübing: dos erste jähr des peloponnesischen krieges. 581
sich gar nicht gefragt haben, ob denn Thukjdides wirklich eine be-
gebenheit, die am letzten municbion, dh. 90 tage nach dem ersten
tage des monats, der im attischen kalender der blumenmonat heiszt,
sich zutrug, als gleich im anfang des frühlings, äjna fjpi dpxojii^viu
geschehen bezeichnen konnte? dies scheint doch auf den ersten blick
so wunderlich, dasz hierdurch schon ein zweifei an der richtigkeit
der Überlieferung sich regen musz. es finden sich dann an anderen
stellen noch weitere, sp&ter zu besprechende angaben, die nicht um-
hin können diesen zweifei noch zu verstärken, und so hat denn Krüger
schon im j. 1830 zu seiner lateinischen übersetzunpf von Clintons
Fasti Hellenici den Thukydideischen werten Kai TTuGobiüpoii In
b\JO jifjvac fipxovTOC die anmerkung hinzugefügt: Hamen vereor ne
emendandum sit b' i. e. T^ccapac MH^ctc, quae coniectura quibus
rationibus nitatur alio loco dicam.' auch hat er sein versprechen
erfüllt: denn in seinen im j. 1836 erschienenen *studien' I s. 221 flf.
gibt er seine gründe ganz erschöpfend an, dem sinne nach so: die
Thebaner überfallen Plataia, nach Thukjdides zwei monate vor dem
ende von ol. 87, 1, und zwar ziemlich genau äjna fjpi dpxofx^vu),
also nach attischem kalender gegen den ausgang des munichion.
'auffallend, dasz Thukjdides dies als gleichbedeutend mit dem früh-
ling erwähnt.' femer: Mer einfall der Peloponnesier geschah am
80n tage nach dem Überfall, mitbin nach der mitte des hekatombaion,
mit der angäbe, dasz damals das getreide blühte oder reifte' [jiCTOi
Ttt dv TTXaTaiqt TCVöjLieva fuLi^pcji ÖTboriKOCT^ juciXicxa , xoö O^pouc
Kai ToO ciTOU äKjidt^IovTOc]. auf jeden fall aber muste die kornemte
in Attika geraume zeit vor der mitte des hekatombaion beendigt
sein, ^bei der blute und selbst beim reifen des getreides sind wir
genötigt etwa an die zeit unseres mal zu denken.' femer: 'die
Sonnenfinsternis, die am dritten tage des Julianischen august eintrat,
erwähnt Thukjdides nach abzug der Lakedaimonier [c. 28], und es
ist unmöglich alles, was Thukjdides nach dem einfall erzählt, in
diese Zwischenzeit einzuzwängen.' 'wie soll man nun diese auffallen-
den Widersprüche beseitigen? dürfen wir annehmen, dasz durch
kalenderverwirrung die Zeiten etwa um zwei monate verrückt, Metons
kjklos also ol. 86, 4 noch nicht eingeführt worden ? aber eine so arge
Verwirrung ist schon an und für sich wenig denkbar, unglaublicher
aber wird sie noch dadurch dasz Thukjdides , dessen schweigen in
solchen dingen immer als bedeutsam zu betrachten ist, ohne weiteres
die natürliche Zeitbestimmung mit der bürgerlichen zusammenstellt,
wäre die letztere damals beträchtlich verschoben gewesen, so würde
er dies doch wohl, um keine irrige Vorstellung zu veranlassen, ent-
weder angedeutet oder auch sich blosz mit der natürlichen Zeit-
bestimmung begnügt haben, je unwahrscheinlicher es aber ist, dasz
Jm anfang des peloponnesischen krieges eine sehr bedeutende ver-
rückung der monate eingetreten war, und je weniger die lösang der
vorliegenden Widersprüche durch eine annähme der art als zulässig
erscheint, desto unabweisHcher dürfte ein ausgleichungsversuch sein,
582 IIMüller-Strübing: das erste jähr des peloponnesischen krieges.
der, wenn gleich er eine Veränderung erfordert , doch eben so sehr
durch die leichtigkeit derselben als durch die genügende erledigung
der Schwierigkeiten sich empfiehlt, ja wie ungesucht drängt er sich
auf, wenn wir die natürlichen Zeitbestimmungen des Thukjdides
zum gründe legen und dabei den kanon des Meton festhalten, wenn
wir nemlich den einfall der Peloponnesier in Attika in die letzten
tage des mai setzen, so föllt der angriff, den die Thebaner ungefähr
80 tage früher gegen Plataia unternahmen , etwa um den 8n märz.
gerade um diese zeit aber endigte ol. 87, 1, welches jähr mit dem
5n juli schlosz, der anthesterion. es waren mithin, sds der angriff
auf Plataia erfolgte, von dem jähre noch 4 monate übrig, und man
musz also bei Thukydides TTu9obuipou fxi büo |Lif)vac fipxovTOC
'AOtivaicic statt des buo ein b' dh. T^ccapac setzen: eine Verwech-
selung die so leicht ist, dasz man sich nicht wundem darf sie von
den abschreibern öfter verschuldet zu sehen.'
So weit Krüger, dessen eigne worte ich hier so viel wie nötig
angeführt habe, da ja seine argumentation fast alle neueren gelehrten
ohne weiteres überzeugt hat. so sagt Böckh (mondcyclen s. 7G):
'Krüger behauptet, Thuk. II 2 sei statt b\JO zu schreiben T^ccapac,
welches mit Ä geschrieben gewesen . . solche Verwechselungen sind
in späteren Schriftstellern eher nachweisbar; in älteren nehme ich sie
ungern an, aber zwingenden gründen musz man weichen, und keiner,
der die Thukydideische Zeitrechnung genau studiert hat, konnte jener
Krügerschen änderung widerstehen, nicht Weissenbom (Hellen
8. 169), nicht Vömel, nicht EOEMttller', und, setze ich hinzu, nicht
Classen , nicht Stahl , nicht Böhme , nicht Herwerden , die alle die
Krügersche emendation in den text aufgenommen haben, was Krttger
selbst nicht gethan bat, der im texte buo beibehalten und sein t^c-
capac nur als verschlag in die anmerkung verwiesen hat. sie müssen
also alle durch die zwingenden gründe der Krügerschen argumen-
tation überzeugt worden sein.'
^ unter den neueren bearbcitom des Thukydiden, die mir bekannt
sind, hat Poppo in seiner kleinem ausgäbe Krügers emendation zurück-
gewicäun und Tpdc ^f)vac statt 60o vorgeschlagen. Be'tant in seiner
Übersetzung behält 60o bei, ohne ein wort der erkläruiig. eben so lesen
wir in der ncuenten englischen Übersetzung des Thukydides (von B.
Jowett, M. A., master of Balliol College, Kegins profcssor of Oreek in
tlie university of Oxford, doctor in theologie of the university of Leyden,
Oxford 1881) im texte ^at Athens Pythodorus having two months of
liis archonship to run', über nicht ohne den versuch dies festhalten an
der Überlieferung in den anmerkungen zu rechtfertigen, diese anmer-
kuugen, die den zweiton band des Werkes ausfüllen, dürfen übriffeni
auch bei nichtcnglischen philologon ein gewisses interesse beanspnKmeOy
da das werk des gelehrten professors, wie der recensent desselben im
Athcnaenm 13 aug. 1881 s. 192 sagt, 'von einer art syndicat, dai die
gesamte Oxforder gelohrsamkeit so ziemlich repräsentieren dürfte, wenn
nicht ausgeführt, so doch revidiert worden ist' (the work appears to
have beeu execnted or at least revised by a sort of syndicate, fairly
represeutHtive of Oxford scholarship). sind wir da nicht berechtigt das
werk mit hochgespannten erwartungen in die hand zu nehmen? und
HMüller-Strübing: das erste jähr des peloponnesischen krieges. 583
Wie kommt es denn aber, dasz wir, während doch Erttger, wie
wir eben gesehen haben, als den tag des Überfalls von Plataia den
8n m&rz ermittelt hat, bei Böckh und den genannten gelehrten (auch
bei dem geschichtschreibe r ECurtius) den 4n april als das datum
des Überfalls angegeben finden? auszer bei ünger, der zwar Krügers
emendation annimt, aber den ersten april als tag des Überfalls vor-
zieht? wie kommt das? ist das nicht seltsam? gewis! und höchst
ergötzlich dazu ! es ist dies die exposition jener philologischen ko-
mödie der irrungen, die ich oben angekündigt habe.
Das kommt daher, dasz Böckh bei der berechnung von Ejilgers
naturdaten auf die attischen monate ein anderes kalendarisches
System zu gründe gelegt hat als das , auf welches Krüger seine be-
rechnung basiert hat. Krüger geht , wie er ja selbst sagt , von der
Voraussetzung aus, dasz zur zeit des archons Pythodoros Metons
reformierter kalender in Athen schon angenommen und eingeführt
war; er thut dies im anschlusz an Idelers handbuch der Chronologie,
dürfen wir nicht über eine so wichtige stelle wie die hier besprochene
auf eine neue belebrung hoffen? was wird uns nun geboten? eine auf-
Zählung der bedenken, die den älteren gelehrten bei dieser stelle auf-
gestiegen sind und die gröstenteils sich schon in Poppos groszer aus-
gäbe finden, mit dem schluszresultat: ^wir müssen annehmen, entweder
dasz ein versehen oder eine confusion in den worten des Thukydides
vorliegt, oder dasz ein irrtum sich in den text eingeschlichen hat. ein
solcher irrtum könnte durch die emendation Krügers beseitigt werden,
der Tdccapac {b') statt 60o lesen will, es findet sich aber auf der andern
Seite keine abweichung in den hss., und es könnte gegen Krüger gel-
tend gemacht werden, dasz der griechische ausdruck «das arcbontat
des Pythodoros hatte noch zwei monate zu dauern» sich besser eignet
für einen kürzern als für einen längern Zeitabschnitt' (on the other
hnnd, there is no Variation in the mss., and it may be argued against
Krüger, that the Greek phrase ^ühaving still so many montbs of his
archonship to run» is better suited to a shorter than to a longer period
of time). ex ungue leonem! in diesem geiste sind die sämtlichen noteu
gehalten; nie, absolut nie versuchen die Oxforder gelehrten eine Schwierig-
keit selbständig zu lösen, sie haben es ein für allemal aufgegeben selbst
zu arbeiten, seihst band anzulegen, to put the Shoulder to the wheel,
wie man englisch sagt; überall begnügen sie sich mit skeptischer In-
differenz, wie der referent im Athenaeum sagt (und mit indolenter
Selbstgefälligkeit, will ich hinzusetzen), dienresultate der arbeiten anderer
gelehrten zu registrieren, und 'legen bei ihrem gänzlichen mangel an
kritischem gefühl (lack of instinct) bei ihrer Unfähigkeit zur anwendung
der grundsätze der kritik eine vergnügliche Verzweiflung (a cheerful
despair) an der mögliuhkeit, sich noch etwas mehr als ansichten über
grammatik bilden zu können, an den tag, ganz in demselben gering-
schätzigen ton, den auch der Verfasser der Übersetzung in der vorrede
und in dem essay über die Inschriften in bezug auf verbal- und text-
kritik in verdeckter weise anschlägt.' dasz dies urteil nicht zu hart
ist, werde ich noch an einzelnen beispielen nachweisen, ist es doch
charakteristisch, dasz in der zeit, da die gesamtgelehrsamkeit der Uni-
versität Oxford sich in bezug auf das Studium des griechischen in den
noten zu Thukydides ein so klägliches testimonium paupertatis aus-
stellt, man in England damit umgeht, ein archäologisches institut nach
dem muster des französischen and des deutschen in Athen zu gründen.
084 HMüller-Strübing: das erste jähr des peloponnesi sehen krieges.
das ja damali«, als er schrieb, classische autorität genosz; er reduciert
also den von ihm für die dKjiirj des getreides angenommenen 25n mai
des Julianischen kalenders auf das entsprechende datum des Meto-
nischen cjclus, wie Ideler ihn festgestellt hatte, und ganz eben so den
80 tage vorher geschehenen Überfall von Plataia. seit jener seit,
da Krüger schrieb, hat nun aber zuerst CRedlich die sofortige ein-
führung des 19jährigen Metonischen cyclus in Athen mit gewich-
tigen gründen bestritten , und später hat Böckh aus zum teil frfiher
noch nicht benutzten rechnungsurkunden mit vollkommener Sicher-
heit nachgewiesen , dasz der Metonische cjclus in der ersten hälfte
des peloponnesischen krieges in Athen ganz gewis noch keine geltung
hatte, damit sind alle stimmfiLhigen gelehrten jetzt einverstanden,
so Emil Müller, KirchhofiF, Unger, Volquardsen, üsener. ist es dann
aber nicht eine fast unglaubliche Verkehrtheit, Krügers chrono-
logisches System als unrichtig zu verwerfen und trotzdem die von
ihm nach diesem System ermittelten daten als richtig anzuerkennen
und zu weiterer berechnung zu verwenden ? wie kann denn das facit
eines rechen exempels von denen, die den einen factor mit dem ge-
rechnet ist als irrig nachweisen, als ein richtiges angesehen werden?
und doch ist es geschehen, was dann bei dieser contamination
herauskommt, das wird sich ergeben, wenn ich die anmerknng
Classens, der die stelle am ausführlichsten bespricht, hier anführe:
« TTuGobiwpou in T^ccapac |Lif)vac fipxovToc : so liest Krüger gewis
mit recht statt des buo jiifjvac der hss. : denn nach dieser lesart
würde der einfall der Thebaner in das ende des munichion , dh. in
den mai oder anfang juni fallen , was nicht mit der angäbe fifia fjpi
dpxoji^vqi übereinstimmt , und der 80 tage später erfolgte einbrach
der Peloponnesier in Attika nach der mitte des hekatombaion, gegen
ende Juli, wozu weder der zusatz toö citou dKjiid^IovTOC , dh. wenn
das getreide der reife nahe ist, ende mai und anfang juni (Yömel
frühlingsprogr. 1846 s. 10 ^äKjiif) recte inter adulescentiam et senec-
tutem media interponitur sive aetatis humanae sive frumenti atqoe
anni.' Niebuhr vortrage über alte länder- und völkerkunde's. 494
Mie weizenemte ist in Athen am 20n juni'), noch die angäbe, dasz
sie längere zeit in Attika verweilten und doch vor der Sonnenfinster-
nis , die auf den 3n august- fiel , abgezogen waren , passt. alle diese
Schwierigkeiten fallen durch die an sich sehr leichte ändernng Erttgers
weg . . da nun nach c. 4, 2 das ereignis TeXeuTUJVTOC toO |ir|vöc
oder nach m 56, 1 iepOjüiTivia geschehen ist, so ist nach der lesart
T^ccapac jLifjvac das ende des anthesterion dh. anfang april dafür
anzusetzen. Böckh berechnet unter der Voraussetzung, dasz die vier
monate von dem schlusz des archontats ganz genau zu verstehen
sind, den Überfall von Plataia auf den letzten anthesterion , dh. den
4n april. » der schlusz ist nicht genau, den letzten anthesterion hat
allerdings Krüger gefunden , nur die berechnung auf den 4n april
hat Böckh gemacht, und hat dadurch verschuldet, dasz nach Classens
auseinandersetzung die Peloponnesier am 20n juni (denn das ist der
HMüller-Strübing: das erste jähr des peloponnesischen krieges. 587
unserer bss. durch so viele alberne zuthaten verhunzt hat, aus dem
text zu entfernen, was w&re auch daran verloren? überflüssig sind
diese worte ja doch im gründe : denn durch die angäbe 'so und so
viel monate vor ablauf des jahres' kennt der leser ja auch ohne sie
die Jahreszeit des ereignisses. diese Überflüssigkeit allein würde
uns nun keineswegs berechtigen die echtheit der worte anzuzweifeln :
denn das verfahren, alles im Thukjdidestext zu beseitigen, was etwa
fehlen könnte ^ ohne den sinn zu alterieren, halte ich für sehr ver-
kehrt; nur bei dem, was sich als unsinnig nachweisen läszt, oder
was nicht anders als durch gewaltsame interpretationskUnsteleien,
wie sie die theologen zur herstellung ihrer concordanzen anzuwenden
pflegen (ich könnte vielleicht auch sagen durch Hralaticische exe-
gese', wenn ich nur wüste was das wort bedeutet, vgl. Classen Thuk.
bd. V * s. V f.), erklärt werden kann , dürfen die eckigen klammem
angewendet werden, hier aber haben die worte äjna fjpi dpxojii^vuj,
auch wenn wir Krügers datierung des Überfalls auf den 8n märz für
richtig halten, trotz ihrer Überflüssigkeit sich bis jetzt noch nicht als
anstöszig ergeben, ob sie das aus andern gründen thun werden, das
wird sich im weitern verlauf dieser Untersuchung zeigen.^ denn
* beiläufig will ich hier ein charakteristisches beispiel anführen
für das was ich nnter theologischer ezegese verstehe, ans der beschrei-
bung der Seeschlacht von Sybota zwischen den Korinthern und den
Korkjraiern. gegen abend machten die siegreichen Korinther noch einen
letzten angriff auf die Korkyraier; ihre schiffe ruderten anter sang und
klang auf die feinde zu, und die schon anwesenden zehn athenischen
schiffe auf dem rechten flügel der Korkyraier schickten sich eben an
zu gUDsten derselben in den kämpf einzugreifen, als die Korinther plötz-
lich rückwärts ruderten; sie hatten das ansegeln von 20 schiffen bemerkt,
die sie als athenische erkannten und für die avantgarde einer gröszern
flotte hielten, daher wichen sie zurück, die Korkyraier, die von ihrem
Standpunkt aus diese schiffe nicht sehen konnten, wunderten sich darüber,
bis einige von ihren leuten riefen, es kämen schiffe, da wichen auch
sie zurück, denn es ward schon dunkel, so trennten sich die beiden
flotten, als es nacht war. dann heiszt es (151,4): TOtc bi KopKupaioic
CTpaTone6€uo|Li4voic in\ xq AeuK(|bivn al cIkoci vf\€C dwö xiliv *Aer]vdiv
auTai . . biä Tdiv v€Kpaiv xai vauaYuuv iTpocKO|biic6etcai KaT^irXeov ^c tö
CTpaiöireÖcv oO 7roX\(^ (icTepov fi üjcpOncav. oi bi KopKupaloi (fjv yäp
yi)l) ^(poßr)6r)cav jiif) iroX^ibitai diciv, ^irciTa bk Ifvwcav xai üjp-
jiicavTO. dazu Classen: <:Totc bi KopK. der dativ von irpocKO^tcOdcai
abhängig: ^auf die Korkyraier aber, da sie sich bei Leukimne aufge-
stellt hatten, fuhren die attischen schiffe heran', and KaTdirXeov ic tö
CTp., um sich mit ihnen zu vereinigen: doch wird das einlaufen noch
unterbrochen (daher das imperf.) durch die bemerkuug ^q)oßf)Or|cav . .
^TTCtta bi ^vujcav (sie hätten es ihnen sonst gewehrt); und nun erst
folgt der abflchlusz in parataktischer weise: xai ülp^{cavTO, nemlich ai
diTO TÜJV *A6r)viX)v vf)€C, mit demselben subjectswecbsel wie III 5, 4.
vgl. krit. bem.» das soll geschehen, da steht denn: «^rvuicav, xai üip-
iLiicavTO. durch die interpunction nach ^yvujcav, die bei Bekker, Krüger
und Böhme fehlt, musz angedeutet werden, dasz ein subjectswecbsel
eingetreten ist, nemlich die attischen, nicht etwa die korkyräischen
schiffe iJüp^icavTO. nur bei Göller finde ich ausdrücklich bemerkt: 'et
naves illae in stationem invectae sunt.' mit dem imperf. xar^iiXeov
konnte der bericht über die attischen schiffe nicht schlieszen: es for-
586 HMüller-Strübing: das erste jähr des peloponnesischen krieges.
der Metonische cyclus sei damals in Athen noch nicht ein^^eführt
gewesen , entgegentreten und den von Ideler festgestellten Metoni-
schen cyclus, nach dem Krttger seine attischen monatsdaten be-
rechnet hat, wieder zu ehren bringen, damit wäre denn auch, denke
ich , die grundlage , von der Unger bei seinen Untersuchungen aus-
geht, beseitigt, zerstört; wenn sich in denselben dennoch brauchbare
ergebnisse finden, so hat er das rein dem zufall zu danken, wie das
weiter unten ausgeführt werden wird.
Nun bleibt noch zu untersuchen, ob denn die annähme des von
Krttger aufgestellten Julianischen datums des Überfalls von Plataia
*etwa um den 8n märz' (also *etwa um den' letzten gamelion der okta-
öteris) geeignet ist alle Schwierigkeiten die die stelle bietet zu heben.
zuerst: neumond war in der nacht des 7/8n märz, das stimmt also
sehr wohl zu dem TeXeuTÜJVTOC toO ^iivöc und zu der \€po^Y\v\a,
sodann wttrde mir die bestimmung &^a fjpi äpxojn^vifi für den an-
fang des märz kein bedenken erregen, sicherlich weniger als fdr den
letzten munichion, der in diesem jähr nach Böckh und ünger auf
den In juni, nach Ideler und Krüger auf den 3n mai fallen würde,
nun hat zwar Unger sehr geschickt nachgewiesen, dasz bei Thnk.
der Zusatz Sjua f^pt (äpxojidvip) zu dem stehenden ToO ^TTiTtTVOfi^vou
O^pouc sich an den meisten stellen ganz gewis auf den astronomischen
frühlingsanfang, die' frühlingsnachtgleiche (damals in Griechenland
am 26n märz^ s. ünger Zeitrechnung s. 29) bezieht; aber ich meine
nachweisen zu können, dasz an andern stellen das äyia f^pt nichts
anderes bedeutet als , wie wir sagen würden , ^mit der guten Jahres-
zeit'; Unger gibt auch selbst zu dasz Mie heutzutage allein Übliche
frühlingsepoche der frühlingsnachtgleiche bei den alten selten ge-
funden wird' und dasz sie keineswegs volkstümlich war. wir wissen
ja aus Aristophanes (VO. 502) dasz die gabelweihe (Iktivoc, miluus
regalis) als erster frühlingsbote von dem athenischen volke begrttszt
ward, nun sagt Hartlaub (AMommsens griech. Jahreszeiten s. 169),
die gabelweihe besuche Attika nur auf dem durchzuge, ende februar
seien alle aus dortiger gegend verschwunden; was sehr wohl damit
stimmt, dasz sie bei mir zu hause, in Mecklenburg, ende februar ein-
trifft, von jedem Jäger fast mit gleicher freude , wenn auch weniger
demonstrativ begrüszt wie von dem attischen bauer, da sie ihm die
baldige ankunft seines lieblings, der Waldschnepfe, ankündigt, und
auch der zweite frühlingsbote, die schwalbe (Ar. Bi. 419 &pa v^a,
XcXibibv!), trifft nach Hartlaub (ao. s. 253) anfang märz in Athen
«in, so dasz, denke ich, der geschichtschreiber füglich den anfang
des märz für Athen schon als frühlingsanfang bezeichnen konnte,
wie wir in Deutschland für anfang märz auch etwa sagen könnten
*gegen den frühling hin', ja, wenn Krügers datierung des Überfalls
sonst wohl begründet wäre, und es stände ihr nichts entgegen als
diese notiz äjuia f^pi dpxoji^vifj , so würde ich mich nicht lange be-
denken sie als den einfall eines superklugen, naseweisen ^aufinerk-
samen lesers', dh. desselben grammatikers , der den urtypus aller
UMüller-Strübing : das erste jähr des peloponnesischen krieges. 589
Krüger setzt , wie wir gesehen haben , den einfall der Pelopon«
nesier toö citou dKjidCovTOC, von dem er rückwärts den Überfall
auf den 8n märz berechnet, auf den 25n mal : denn, sagt er 'bei der
blute und selbst beim reifen des getreides sehen wir uns genötigt
etwa an die zeit unseres mai zu denken.' nun ja, für die reife des ge-
treides und selbst für die ernte ist das richtig, unrichtig aber für
die blute, oder besser für 'die zeit da das körn in voller kraft steht'
oder 'wenn es sich der reife naht', welche bedeutung der äKjiifi des
getreides Vömel (s. oben s. 584) unter allgemeiner Zustimmung
(auch Krügers in seiner Thukydidesausgabe von 1855) nachgewiesen
hat. aber darin irrt Vömel, dasz er die zeit dieser dKjiif) (übrigens
nur , wie man deutlich erkennt , der auch von ihm angenommenen
und auch von ihm misverstandenen , dh. falsch berechneten Krüger-
schen emendation T^ccapac zu liebe) auf ende mai und anfang juni
ausgedehnt hat. die Zeugnisse der reisenden, auf die er sich für die
zeit der ernte in Attika beruft, haben so gut wie gar keinen wert;
ebenso wenig Niebuhrs ansatz der weizenernte in Attika auf den
20n juni.^ das ist ja auch sehr begreiflich: als Niebuhr in Bonn
lehrte und selbst noch zu Vömels zeit waren die zustände des modernen
Griechenlands wenig bekannt, nur durch die gelegentlichen äusze-
rungen einzelner flüchtiger reisender, seitdem ist das anders gewor-
den: zahlreiche gelehrte besuchen jetzt jene classischen gegenden und
verweilen dort längere zeit, sind selbst in Attika ansässig und machen
im Interesse der Wissenschaft ihre aufzeichnungen , so dasz wir jetzt
auch über die Stadien, die das getreide dort in seiner entwicklung
zu durchlaufen hat, weit besser unterrichtet sind, als unsere Vor-
gänger es noch vor 30 jähren waren , und so können wir die für
unsem zweck wichtige frage nach der zeit der ernte in Attika mit
Sicherheit beantworten, wann sie im altertum in dem nahen Boiotien
hielte hier einen subjectswechsel anzunehmen, aber ich halte Classens
ganze auffassung der stelle für verfehlt, von den athenischen schiffen
weisz der aufmerksame leser gerade so viel wie er braucht, wenn er
liest, sie seien nach dem abzug der Korinther in das ihnen befreundete
CTpaTÖncÖcv gesegelt; dasz sie dort vor anker giengen, ist selbst-
verständlich, aber die Korkyraier wüsten noch nicht, was es mit diesen
schiffen auf sich habe ; sie fürchteten sich noch vor ihnen als möglicher
weise feinden, darauf erkannten sie sie als freunde, wohl auch an den
lauten zurufen, mit denen die schon anwesenden athenischen schiffe
ihre landsleute begrüszt haben werden, nun waren sie beruhigt und
giengen vor anker. nachträglich sehe ich dasz Uerwerden, der die
stelle dem sinne nach auffaszt wie Classen, doch an dem unmotivierten
subjectswechsel anstosz nimt und vorschlägt zu schreiben: ^ireira ö*
^vujcav Kai a'i liüppiicavTO. ich halte das auch aus sprachlichen gründen
für verfehlt.
^ 8. oben s. 584. an der dort von Classen angeführten stelle sagt
Niebuhr, er habe in Neapel durch den intendanten von Apulien er-
fahren, dasz die weizenernte in Apulien gegen ende mai sei, 'also drei
Wochen früher als in Athen, wo sie am 20n juni ist.' er gibt aber
nicht an, von wem er diese notiz in bezug auf die attische weizen-
ernte habe.
588 HMüller-Strübing: das erste jähr des peloponnesischen krieges.
richtig ist Krügers ansatz des Überfalls Yon Plataia auf anfang mftrz
keineswegs.
dert für den aufmerksamen leser einen weitem fortgang. dasz aber die
korkyräischen schiffe schon Yorher bei Leukimne aich gesammelt und
geordnet hatten, ist hinlänglich in CTpaT07r€b€UO^^voic kitl t^ A. aus-
gesprochen, der scholiast, der den Wechsel des snbjects nicht beachtet,
hilft sich dadurch, dasz er ibp^icavTO im transit. sinne fasst: bei sich
vor anker gehen lassen : denn er erklärt: toCic 'A6i|va{ouc oi KopicupOtoi,
und so auch die Übersetzung von APortus: 'et in suas stationes rece-
perunt.' es wird sich aber dieser Sprachgebrauch nirgends nachweisen
lassen.» das ist richtig, aber wie kann ein verständiger Schriftsteller
seinem leser, auch dem aufmerksamsten, zumuten herauszufinden, dass
hier ein snbjectswechsel eingetreten ist? es erzählt jemand die geschicfate
des krieges von 1815 und schlieszt so : 'endlich kam es zur Schlacht von
Waterloo. Wellington commandierte die Engländer, Napoleon die Fran-
zosen. Wellington siegte, und gieng als gefangener nach St. Helena.' —
aber ums himmelswillen — 'ach was! es musz durch ein komma nach
siegte angedeutet werden, dasz hier ein snbjectswechsel eingetreten ist,
und dasz es Napoleon war, der nach St. Helena ^ieng.' — ach so.' —
nun, subjectswechsel kommen bei allen Schriftstellern in allen sprachen
vor, im deutschen wie im griechischen und bei Thukydides sehr häufig;
aber sie müssen sich durch den Zusammenhang des ganzen ohne ansto»
ganz von selbst ergeben, was zb. in der von Classen citierten stelle
UI 6, 4 durchaus der fall ist, oder sie müssen doch durch etwas anderes
als durch ein blosses interpunctionszeichen angedeutet werden, du
haben denn auch die Oxforder gelehrten, die mitarbeiter an professor
Jowetts Übersetzung wohl gefühlt: sie nehmen natürlich (denn wie wäre
ihnen je ein neuer, ein eigentümlicher, ein selbständiger gedanke ge-
kommen?) die Classensohe interpretation ohne bemerkung an, im text
lesen wir aber: 'at first in the darkness the Corcjraeans feared that
they were ennemies, but they soon recognised them and the Athenian
vessels came to anchor.' diese andeutung ist freilich verständlich ge-
nug, aber das heisze ich den schriTtsteller corrigieren, nicht ihn über-
setzen, wäre es nicht besser diesen oorrectionsversuch vorerst einmal
an dem überlieferten text anzustellen? die genannten englischen ge-
lehrten werden anderer meinung sein: denn sie haben einen gründlichen
absehen vor den conjecturen, und wenn sie auch sehr häufig nicht tun-
hin künnen fremde conjecturen aufsunehmen, so haben sie sich doch
des vergebens einer selbständigen textänderung, so viel ich bis jetst
gesehen, auch nicht ein einzigesmal schuldig gemacht, ja sie beklagen
fast das Studium der inschriften, weil es die üble tendenz habe, die
gewohnbeit des conjicierens, die ohnebin schon einer der grossen schaden
der Philologie sei, noch za befördern: 'the evil tendencj of the study
(of inscriptions) is that it encourages the habit of coiy'ecture, which
has already been one of the great corruptions of philology.' nun, zum
heil für unsere Wissenschaft haben die grossen englischen philoIogen
früherer zeit diese wasserscheu vor dem conjicieren nicht gehabt, und
es gibt glücklicher weise auch noch heute englische philoIogen, die
nicht von ihr angesteckt sind, ich will nun zeigen, wie der an-
gebliche subjectswechsel hier sehr wohl iestgehalten und durch eine
ganz leichte textänderung motiviert und gewis besser als durch ein
interpunctionszeichen verständlich gemacht werden könnte, nemlich so:
oi hi KopKupaloi (i^v T^P vdg) dcpop/^ericav fiiP) iroX^^ioi diciv, €irctTa &i
STvuicav, die koI ibpfüitcavTo. dadurch würde denn auch angedeutet
werden, woran die Korkyraier erkannten, dasz es athenische, wenig-
stens befreundete schiffe waren, nemlich an dem blossen factum, dasz
sie vor anker giengen. so würde ich schreiben, wenn ich es für nötig
HMüUer-Strübing : das erste jähr des peloponnesischen krieges. 591
attischen ebene ende märz bis ende april als blütezeit angibt; und
ebenso mit Julius Schmidt, dem director der Sternwarte in Athen, der
(beitrage zur phys. geogr. von Griech., publ. de TObserv. d* Äthanes
II ser. s. 201) angibt: U861 märz 31 blüht der roggen. april 2
roggen und gerste blühen bei Athen, april 5 blüht auch der weizen.'
Diese Zeugnisse, denen ich übrigens aus den auf Zeichnungen
einzelner reisender noch manche hinzufügen könnte", werden hoffent-
lich genügen, die durchschnittszeit der ernte in Attika auf die mitte
des mai festzustellen, zur vergleichung der alten mit den modernen
zuständen gebe ich hier noch das zeugnis eines antiken botanikers,
des Theophrastos bist, plant YIII 2 , 5 (das auch Vömel in dem
Frankfurter osterprogr. 1846 anführt): dTTOXVJGeic b' eöGiic dvOei
jieO' f]|Li^pac x^Txapac f\ ir^vie Kai irupöc Kai Kpi9f) Kai dvGei
cx€böv xdc Tcac, ol bk xdc TrXeicxac X^TOvxec iv xaTc ^nxd qpaciv
dTTavGew . . inexa bk xfiv dTfdvGriciv dbpüvovxai Kai xeXeioövxai
TTupöc jifev Kai KpiGf) x€xxapaK0cxaTa judXicxa . . nepl bk xf|v 'GXXdba
KpiGal jLifev ^v xiu ^ßböjüiqj (jiiTivi), Ttapd bk xoTc nXeicxcic ötWiij
(|Lir|vi), TTupol bk fxi 7Tpoc€7TiXa|Lißdvo\JCiv, was der botaniker Kurt
Sprengel so übersetzt: ^sobald sich die ähre aus der scheide ent-
wickelt hat, so fangen der weizen und die gerste nach 4 oder 5 tagen
an zu blühen und setzen das blühen fast eben so lange fort; einige
sagen , dasz die meisten in 7 tagen abblühen . . nach dem abblühen
verstärken sich und reifen der weizen und die gerste meist in
40 tagen . . in Oriechenland wird die gerste im 7n, in den meisten
gegenden erst im 8n monat reif, der weizen aber erfordert noch
mehr zeit.*
Wie gut das mit den aussagen der neueren beobachter überein-
stimmt ! die gerste , um nur von dieser zu reden , da ja in Attika
wenig weizen gebaut ward und noch wird bid xö X€7TXÖY€UJV, wird
nach den ersten herbstregen im october und november gesät (Hesiods
frühaufgang der Pleiaden 6n oct., Mommsen heort. s. 103), und reift
^ WVischer zb. in seinen erinnerungen aus Griechenland, er hatte
seine reise von Athen nach Korinth am lln april 1853 augetreten ; etwa
10 tage darauf sagt er von der hochebene von Tripolitza, sie habe
wegen der hohen läge eher ein mitteldeutsches als ein südliches klima.
Mas getreide, das bei Argos fast ausgewachsen war, hatte hier noch
keine ähren.' er kam am 13n mai wieder nach Athen zurück; aber
ein paar tage vorher, etwa um den lOn mai, spricht er wieder von dem
klima in den hohen gebirgsthälern Arkadiens: während dort oben die
kirschbäume blühten, begann hier in der ebene die ernte. — Als ich selbst
im j. 1875 nach dem Peloponnes kam, ende juni, war die ernte längst
vorüber, ja die schön gelegene grosze Wassermühle nicht weit von Nemea,
die wohl kein reisender, der sie gesehen hat, leicht vergessen wird,
war schon wieder geschlossen und von ihren bewohnern verlassen, da
das zu ihrem bezirk (dem phliasischen) gehörige getreide längst ver-
mählen war. in Athen sagte mir ein seit vielen jähren dort ansässiger
Deutscher, die gerstenernte sei in Attika ende mai vorüber; er setzte
hinzu, die dortige gerste sei vorzüglich, gröszer und mehlreicher als
in Deutschland, und der mann muste das wissen, denn er war seines
Zeichens ein bierbrauer.
590 HMüller-Strfibing: das erste jähr des peloponnesaiBcheii krieges.
war, das wissen wir ganz genau durch einen sehr zuverlässigen
zeugen, durch Hesiodos, der sagfc (£icf|. 383): TTXr]ta&ujv 'AtXqtc-
v^uiv diriTeXXo^evduiv fipx^cO* ä^rjrou, dpÖTOio bk &uco^eväuJv.
nun wird der aufgang der Pleiaden von Ideler (handb. d. chron.
s. 243) auf den lln Gregorianischen mai, dh. nach dem Julianischen
kalender, auf den sonst die antiken daten berechnet zu werden
pflegen, auf den 18n mai angesetzt (s. auch AMommsen heortologie
s. 103). das war also der durchschnittsan&ng der ernte in dem
feuchten fetten Boiotien, und da, wie AMommsen (diegriech. Jahres-
zeiten s. 41 anm.) sagt, ^es fest steht, dasz sich das attische getreide
besonders schnell entwickelt' (sehr begreiflich, auf dem heiszen
leichten kalkboden) , so dürfen wir den beginn der attischen ernte
im altertum wohl sicher mindestens ebenso früh ansetzen, und das
stimmt vollkommen mit dem ttberein, was uns die neuesten beob-
achter aus eigner anschauung mitteilen, so sagt CWachsmuth (das
alte Griechenland im neuen s. 112): 'in Attika fUngt der weinstock
mitte mftrz an sich zu belauben, ist im laufe des april voll belaubt;
die volle ähre der gerste blüht durchschnittlich anfang april, die des
Weizens mitte april; die getreideernte beginnt durchsxshnittlich mitte
mai, die weizenemte ende mai; die feigen reifen im juli und die
trauben sind anfang august reif, bleiben aber länger am stock.'
femer: T. von Heldreich, der director des botanischen gartensin
Athen (die nutzpflanzen Griechenlands, Athen 1861, s. 4): 'man
baut nur winterweizen, der in der ebene nach dem ersten herbstregen
im november bis december ausgesät wird , im gebirge im frühsten
frühjahr; Januar und februar; die emtezeit fällt der aussaat ent-
sprechend in der ebene spätestens in den juni, in den gebirgen
in den august . . die gerste ist am meisten verbreitet imd cultiviert . •
man sät die gerste in der ebene nach dem ersten herbstregen, october,
november; endo mai oder' spätestens ausnahmsweise im juni ist die
ernte.' man sieht, Heldreich spricht hier von den durchschnitts-
zeiten für ganz Griechenland; aber in AMommsens ^griechischen
Jahreszeiten' (Schleswig 1877) sagt er s. 571: 'die ernte beginnt in
Attika in mitte mai und endet je nach den lagen spätestens mitte
juni. im allgemeinen reift die gerste etwas früher und wird zuerst
geschnitten.' dasselbe sagt AMommsen ao. s. 54: 'die komernte
beginnt mit dem gerstenschnitt , in Attika 4/16 mai' und gleich
darauf ebd. 'die anfang mai a. st. anhebende komernte gehört den
günstigsten lagen Attikas an; in ungünstigeren lagen fällt die ernte
erheblich später.' zu den günstigeren lagen gehört denn doch ohne
allen zweifei vor allem die 'ebene', in die , wie Curtius gr. gesch. H
386 sagt, Arohidamos nach der vergeblichen beifnnung von Oino^
die truppen hinabführte, 'wo die junisonne inzwischen das getreide
gereift hatte' — er hätte wohl besser gesagt die maisonne, für die
durohschnittszeit der attischen gersten blute gibt Mommsen (ao.
8. 41 anm.) den 17/29n märz an, was ziemlich genau mit Heldreich
stimmt, der ao. s. 520 für hordeum vulgare und hexastichon in der
HMüUer-Strübing: das erste jähr des peloponnesischen krieges. 593
gar nichts bestimmender zusatz zu dem viel schärferen toG citou
äK]Liä2[0VT0C ! ähnlich Vömel, der ja die Krügersche emendation an-
genommen hat und sich ihr also accommodieren musz , da sagt er
s. 9: Wiget aut^m in Attica calor non solum inde a Maio exeunte . .
usque ad Sirii ortum matutinum, i. e. iUa aetate ad lulium exeuntem,
sed magis etiam postea, quo tempore maximus aestus Etesiis fran-
gitur' ; aber sobald er sich um diese stelle nicht mehr zu bekümmern
braucht, sagt er ganz unbefangen, toG O^pouc dK|Lid2l0VT0C sei wohl
dasselbe wie toG 0^pouc )LiecoGvTOC in V 57. für ganz richtig halte
ich das freilich nicht, mir scheint die letztere bestimmung genauer,
schärfer als jene: denn ich glaube in griechischem, alt- wie neu-
griechischem sinne zu sprechen, wenn ich die äKjiirj des sommers auf
die nach Aristophanes (Vö. 39) einen bis zwei monate dauernde zeit
bestimme, da die cicade, die sonnentolle, von den bäumen herab
während des tiefen Schweigens der natur die flimmernde luft mit
ihrem schrillen gesang, ich möchte sagen , wie mit hörbarer glut er-
füllt (nach Mommsen griech. jahresz. s. 68 etwa vom 14n juni a. st.
an Venu das getreide längst geschnitten auf den halonien liegt'),
damit stimmt auch das neugriechische volkswort sehr gut: &v jiif)
XaXrjcr) T2!iT2!iKac, b^v elvai KaXoKaipdKi Venn die cicade nicht
zirpt, ist kein sommer.'
Doch man mag die höhe des sommers definieren wie man will,
die Zusammenstellung toG Oepouc Kai ToG citou dK]Lid2:ovTOC ist und
bleibt eine schreiende albernheit, und wenn irgendwo , so läszt sich
hier wieder die vorwitzige band des ^aufmerksamen lesers% dh. des
textfUlschenden grammatikers erkennen^ der ja auch schon unmittel-
bar vorher eine spur seiner albernen geschäftigkeit hinterlassen hat.
denn es heiszt dort c. 19 oi TTeXoTTOWricioi . . )Li€Td td iv TlXaiaiCji
[tOüv dc€X0övTUiV önßaiujv] T€v6|Li€va fjM^pa ötöotikoct^ jiidXiCTa
ToG G^pouc Kai ToG citou dKjLidCovTOC ic^ßaXov de Tf|v 'ArriKriv.
jene worte tiüv dceXGövTUJV örißaiwv hat Classen gestrichen, Stahl
und Herwerden stimmen ihm bei ; werden sie es nun billigen, wenn
ich meinerseits auch die worte Kai ToG citou mit eckigen klammern
versehe? vielleicht; ich weisz es natürlich nicht; aber (jas weisz
ich : wenn wir c. 2 die überlieferten worte Kai T7u0obu)pou Jti büo
lifivac dpxovTOC 'AOrivaioic (über den zusatz Kai &ixa fjpi dpxojLi^vifi
wird weiter unten noch zu reden sein) unangetastet lassen, und wenn
wir hier c. 19 blosz schreiben ToG G^pouc dK|Lid2[0VT0C , wenn also
demzufolge Plataia überfallen ist am letzten munichion (In juni)
ol. 87, 1 unter dem arcbon Pythodoros, und wenn könig Archidamos
80 tage darauf, also am 2 In hekatombaion (2 In august) ol. 87, 2
unter dem archon Euthydemos, als der sommer auf der höhe war,
den einfall zur Verheerung der attischen ebene gemacht hat: so steht
der bericht, den wir bei Thukydides lesen, nicht länger im Wider-
spruch mit der angäbe der übrigen altem griechischen historiker,
stimmt vielmehr vollkommen mit ihr überein. und die herstellung
dieser concordanz halte ich für einen groszen gewinn, dasz dem aber
JmhrbQcher för class. phUol. 1883 hfu 9. 39
592 HMüller-Strübing: das erste jabr des peloponnesisclieii krie^es.
in 7 bis 8 monaten, also durcbscbnittlicb mitte mai ; etwa 40 tage vor*
ber ist die blute, also durcbscbnittlicb anfang april — und die &kjliii ?
^inter adulescentiam et senectutem media interponitur', also gegen
ende april. ^ da also, etwa um den 5n april, sollen die Peloponnesier
ibren einfall in Attika gemacbt baben, und ungefäbr 80 tage vorher,
anfang februar, also am letzten tage des zweiten poseideon (denn ein
letzter monatstag musz es docb sein : reXeuTUJVTOC toO fiiiivöc !} ä|yia
fjpi dpxojLi^vqj die Tbebaner den Überfall von Plataia, im sechsten
monat nacb der scblacbt von Poteidaia. dasz diese letzte notiz über die
scblacbt von Poteidaia unmöglicb ricbtig sein kann, werde icb weiter
unten zeigen; aber es ist nocb lange nicbt der scblimmste unäuuif
den berunterzuwürgen durcb die Überlieferung des Tbukjdidestextea
uns zugemutet wird, der ärgste ist die angäbe, die Lakedaimonier
hätten den einfall gemacbt ToO O^pouc Kai ToO ciTOu dKfxä2IovTOC,
^als das getreide der reife nabe und der sommer auf der spitze war,
db. auf der böbe der kraft stand.' das ist eine contradictio in ad-
iecto, die ein vernünftiger mann, ein G-riecbe, nie und nimmer schrei-
ben konnte. Krüger bilft sicb^ um seinen 25n mai zu retten, mit
der ausflucbt: «G^pouc dKjLir), unstreitig von der mitte des sommers,
wobei jedocb etwa schon an den mai zu denken' — wo schon das
Bcbücbterne ^jedoch etwa' gleich verrät dasz die sache ihm selbst
nicbt recht geheuer vorkommt, was wäre das auch für ein mttsziger,
^ in einem eben erschienenen buche, der ^Chronologie' von AMommsen,
das ich bis jetzt nur auf dem ladentische eines buchhändlers habe an-
sehen können (denn in der bibliothek des British museum ist es noch
nicht vorhanden), fand ich bei hastigem durchblättern, dasz der vf. bei
besprechung von toO dTOU dK|üid2IovTOC die frühere, vor Vömel gäng und
gäbe bedeutung der reife des getretdes wieder zu ehren bringen will,
denn er sagt zur feststellung dieser zeit s. 367: ^in den gunstigsten
lagen und bei günstiger Witterung gibt es mitte mai allerdings schon
reife gerste in Attika, aber Thukydides wird die allgemeine getreide-
reife meinen, und diese ist nicht wenig später anzusetzen.' was Thuky-
dides meint, darüber läszt sich streiten; ich bin nicht der ansieht des
vf., meine vielmehr, wenn Thukydides den einfall in Attika nach dem
entwickiungsstande des getreides datiert, so meint er den stand des-
selben in Attika, deni^ sonst gibt er eine ganz vage zu nichts branch-
bare notiz. aber über die wieder aufgewärmte auffassung der dKfji^
TOO c(tou durch Mie reife des getreides' ist nicht mehr zu streiten, denn
die scheint mir durch Vömels schrift ein für allemal beseitigt, ^so
wenig man von einem manne, der mit weiszem haar gebeugten hanpts
am rande des grabes steht, sagen kann, er sei in seiner dK^f| , ebenso
wenig von dem getreidehalm, wenn er gelb geworden mit gesenkter
tthre dasteht im begriff zu sterben, entweder gewaltsam durch die sichel
oder eines natürlichen todes durcb das ausfallen der körner.' so hatte
ich früher geschrieben, bevor mir im laufe dieser meiner arbeit die
beiden Vömelschen pro^^ramme zugleich mit Emil Müllers Schrift über
den anfang des peloponnesischen krieges durch die Verwaltung der
Staatsbibliothek in München mit dankenswerter gute nach London über-
sandt waren, ich hatte das dann ausgestrichen, weil mir nach Vömels
überzeugender beweisführung jede weitere argumentation überflüssig
schien, nun mag es denn wieder hier stehen — es hat wenigstens das
verdienst richtig zu sein.
HMüTler-Strübing: da« erste jähr des peloponnesischen krieges. 695
Ich kann hier auf die vielumstrittene frage, ob Diodor neben
Ephoros, den er ja c. 41 als seine quelle für den anfang des pelo-
ponnesischen krieges nennt, auch den Thukydides benutzt, wenig-
stens verglichen hat, nicht eingehen; wenn es der fall war, so kann
er die bemerkung, dasz Thukydides, abweichend von seiner haupt-
quelle, den krieg schon unter dem archon Pythodoros anfangen
lasse, selbständig gemacht haben; war es nicht der fall, so musz
Diodor schon bei Ephoros die bemerkung gefunden haben, dasz
Thukydides den anfang des krieges unter einen andern archon setze
als er selbst.
Auf jeden fall bezieht sich die durch Diodor bezeugte differenz
zwischen Thukydides und den übrigen historikem nur darauf, dasz
der erstere mit ihm eigentümlicher auffassung den krieg der Athener
und der Lakedaimonier und ihrer beiderseitigen bundesgenossen
schon anfangen läszt mit dem angriff der Thebaner auf Plataia, wäh-
rend die übrigen erst den einfall des bundesheeres oder vielleicht
den angriff auf Oino^ als den wirkUchen anfang des krieges be-
zeichneten, ob nun jene eigentümliche auffassung des Thukydides
eine historisch berechtigte ist, das wird später zu besprechen sein;
hier will ich nur folgenden satz aufstellen: wenn wir die richtigkeit
des überlieferten Kai TTuOcbtüpou iii btjo ]Lif)vac SpxovTOC festhalten
mit vorläufiger ignorierung des KQi &fxa fjpi dpxojii^vqj , wenn wir
dagegen in c. 19 blosz schreiben toO G^pouc äK]Lid2IoVTOC mit un-
barmherziger Streichung des Kai toG citou: dann ist kein Wider-
spruch mehr zwischen Thukydides u^d den übrigen historikem vor-
handen : denn dann f^Ut auch bei Thuk. die dcßoXrj am 80n tage nach
dem Überfall schon unter den archon Euthydemos und zwar auf un-
gefähr — fxdXiCTa — den 2 In hekatombaion = 21n august.
Aber die Sonnenfinsternis vom dritten august! wie es mit die-
ser steht, das wird sich wohl mit Sicherheit erst beurteilen lassen
nach genauer prüfung einer vor nicht langer zeit gefundenen Stein-
schrift, einer leider sehr verstümmelten Urkunde der Schatzmeister
der Athenaia aus ol. 87, 1, unter dem archon Pythodoros ^ von der
ich hier [s. 596] eine abschrift gebe.
Das fragment der marmorplatte , auf der diese Urkunde einge-
hauen ist, ist von ÜEöhler auf der bürg zu Athen unter als wertlos
bei Seite gelegten steinen gefunden ; später ist dann noch ein zweifel-
los zu dieser Urkunde gehöriges marmorfragment bei gelegenheit der
yon der archäologischen gesellschaft in Athen veranstalteten aus-
grabungen am südabhange der akropolis zu tage gekommen, beide
Fragmente sind von Eirchhoff veröffentlicht , zuerst in den abhand-
lungen der Berliner akademie 1876 und später im CIA. IV n. 179
a—d. in der umstehenden abschrift sind die erhaltenen buchstaben
in uncialschrift , Eirchhoffs zweifellos richtige ergänzungen aber,
die uns die historische Verwertung der Urkunde eigentlich erst er-
möglichen, in altattischer schrift in minuskeln gegeben, des bessern
89*
596 HMüller-Strübing : das erste jähr des peloponnesischen kiteges.
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HMüller-StrüblDg: das erste jähr des peloponnesischen krieges. 597
verstfindnisses wegen lasse ich die ganze Urkunde hier noch einmal
in der später üblichen schrift folgen.
Ä 1 e[€oi]
2 'A0TivaToi <ivriX]iucav de Ma[Keboviav kqi lücke von 24
stellen inX TTuGobiipou fipxovxoc Kai im t-
3 TIC ßouXflc 5 Ai]ÖTi)Lioc '€tt[ TrpujTOC i-xpa^iiäieve, rajuCai
UpiiJv xpim^Tiuv Tfjc 'AGrivaiac €up-
4 ^KTTic 'AiTiveuc] Kai Huvdpxov[T€c, olc 'AiroWöbiüpoc Kpiriou
'AqpibvaToc dTpa)Li)LiäT€U€ , irap^bocav ct-
5 paTTiTU) de MoKJebovfav €iiKpäT[€i lücke von etwa 40 stellen,
diri xfic iboc Trpu-
6 ravcioc beurdpjac TrpirraveuoülIcTic — — lücke von etwa 65
stellen —
7 lücke von 15 stellen — 7r]opdb[ocav lücke von etwa
60 stellen,
hier ist der stein gebrochen ; es mag 6ine , es mögen mehrere zeilen
verloren gegangen sein, dann setzt das später gefundene fragment an :
JB 1 — lücke von 22 stellen — ]€Co[lücke von etwa 54 stellen
2 — lücke von 22 stellenjIHPAA — lücke von 52 stellen
3 — lücke von 14 stellen dirl Tf]C 1]7r7ro0iuvTiboc irpuiaveiac
7rpuTav€uoucT]C — lücke von etwa 17 stellen
4 — 13 stellen raOia d]b60ii xrj CTpaT[i^ — 46 stellen
5 — etwa 7 stellen — dm Tf]c Jriboc irpuiavcioc —
TTpuTaveuGÜCTic — etwa 25 stellen
6 — 19 stellen]fiT6 (? T^ vel T^xdiTiv) de TToTepboiav cxpaTioi —
lücke von etwa 35 stellen
7 — 14 stellen — 'GXXjTivoTajLiiaci 'G7n[ etwa 50 stellen
8 — 15 stellen dJirraKaibCKa : ^PTT — etwa 48 stellen
9 — 14 stellen K€(p]dXaiov toO de Ma[K€boviov sc. ävaXuijiiaTOC
10 — 14 stellenjtu cxpaTidl x^ irepl [TteXoTrövvricov — 36 stellen
11 — 12 stellen 'ÄX]ai€i, tTpüjxda AiHiuveT — 46 stellen
12 — 12 stellen fi|i]dpai (?) Xomoi J^cav ök[xi6 — 47 stellen
13—13 stellen]püj "iKapieT i0iXoEdv[üj oder OiXoEevtbr) — etwa
47 stellen
14 — 13 stellen XJapiq AatbaXlbij — 60 stellen
15 — 4 stellen dni xfic] iTTiroGiJüVxibGC Trpuxa[veiac irpu-
xoveüoucric 27 stellen
16 — 13 stellen] xaöxa dbö0ii KapKivifi [öopiKi^f — etwa 40 stellen
17 — 13 stellen jvxiboc Trpuxaveiac [ irpuxaveuoucric —
32 stellen
18 — 13 stellen KapJKivuj 9opiKitp 50 stellen
19 — 19 stellen] i 'AXoiei'Ka — 48 stellen
in z. 20 und 21 sind dann noch die reste einiger buchstaben zu er-
kennen , die aber absolut nicht zu entziffern sind.
Die hier von Kirchhoff vorgenommenen ergänzungen halte ich,
von ein paar nebendingen abgesehen, für ganz unanfechtbar; ebenso
seine Vermutung, dasz in z. 2 nach de MaKebovtav noch eine andere
598 HMüller-Strübing: das erste jähr des peloponnesischen krieges.
Ortsangabe gestanden habe, ja ich denke mehr als ^in Ortsname,
da das von ihm vermutete de IToTeibaiav nicht hinreicht, um die
24 stellige lücke Yor InX nu9obu)pou fipxovTOC auszufüllen: denn
nach der ganz sichern und lückenlosen ergänzung von z. 4 haben
wir 79 stellen auf die zeile zu rechnen, was nach ic TToTeibaiav
etwa noch gestanden haben kann , wird später zu untersuchen sein.
denn hier musz ich gleich einsprach thun gegen Elirchhoffs meinung,
der annähme, dasz der CTpQTiiTÖc de MaKCboviav Eukrates in z. 5, an
den die erste Zahlung geleistet worden ist, einer der vier collegen
des Strategen Eallias Kalliades söhn, der nach Thuk. 1 61 eine Ver-
stärkung von 40 schiffen und 2000 hopliten nach Makedonien führte,
gewesen sei, stehe durchaus nichts entgegen, wie gesagt, dem musz
ich widersprechen, denn es geht ja aus dieser stelle des Thukydides
ganz deutlich hervor, dasz Eallias von dem athenischen volke gar
nicht nach Makedonien geschickt war , dasz er vielmehr den auftrag
erhalten hatte gegen Poteidaia und die übrigen chalkidischen städte,
deren eben erfolgter abfall nach Athen berichtet war, zu operieren:
TToTeibam dirdcTTi • fjXGe bfe Kai loic 'AGrivaioic euGuc f| dTTcXia
tOüv ttöXcwv ÖTi dcpccTdci, Kttl Tre^TTOuci . . bicxiXiouc dauTUiV
ÖTrXiTac Kai reccapdKovTa vauc Trpöc rd dqpecTüiTa Kai KoXXiav
TÖv KaXXidbou Trd^TrTOv aötöv CTpaiTiTÖv. wir würden also den
führer dieser hopliten und schiffe in der Urkunde als CTpaniTÖV ic
TToTcibaiav bezeichnet finden, dagegen hatte der früher mit 30
schiffen, 1000 hopliten und 10 (?) collegen abgesandte Stratege Ar-
chestratos Lykomedes söhn ursprünglich vom volk den einzigen
auftrag erhalten, nach Makedonien zu gehen und den könig Per-
dikkas zu bekriegen; er war eben im begriff dahin abzusegeln, als
in Athen die nachricht von dem drohenden abfall der chalkidischen
Städte eintraf, da erhielt er den weitern auftrag auch hier zum
rechten zu sehen, geisein zu nehmen und die mauer in Poteidaia
niederzureiszen: TTpocdq)€p€ hk (TTepbiKKac 6 *AX€Eavbpou, Maxe-
bovujv ßaciXeuc) Xötouc koI toTc inX 9paKTic XaXKibeöci Kai Bot-
Tiaioic EuvaTTOCTficai . . iLv ol *A0TivaToi alcOiS^evoi Kai ßouXö^€VOl
TTpoKaTaXajLißdvciv toiv tiöXcujv xdc dTTOCTdceic (diuxov t^P Tpi-
dKovia vauc dTrocTdXXovTec Kai xiXiouc ötiXitoc im Tf|v tflv auroO,
'ApxecTpdTOu ToO AuKO^rjbouc inex' dXXu)V biKa CTpaniToOvToc),
dTTicTdXXouci ToTc fipxouci Tujv vea»v TToTeibaiaTtüv xe öfxrjpouc
Xaßeiv Kai tö xeixoc KaOeXeiv. diesen auftrag nun konnte Ar-
chestratos nicht ausrichten, da er bei seiner ankunft in jenen ge-
wässcrn die städte schon abgefallen fand, und dann sagt Thnk.
c. 51) : vo|LiicavT€C bi o\ CTpaTTiTOi (Archestratos und seine collegen)
dbiivaToi eivai Ttpöc t€ ITepbiKKav iroXeiieiv t^ Trapoücq buvdpci
Kai id EuvacpecTwia x^P'ct, Tp^Troviai dm Tf|v MaKCboviav,
dqp' ÖTTcp Kai TÖ irpÖTcpov dEcTidjUTTOVio, Kai KoracrdvTCC
dTroXdjLiGuv USW. die eigentlichen CTpaniTol de MaK€boviav sind
also Archestratos und seine collegen, und so bezeichnen auch die ge-
sandten in Lakedaimon c. 58 das geschwader des Archestratoa als
HMüller-Strübing : das ei*ste jähr des peloponnesischen krieges. 599
a\ vf)€C a\ im MaKcboviav. nun könnte man mir freilich einwenden,
Eallias mit seinen vier collegen sei ja doch auch, da er sich offenbar
zu schwach fühlte gegen das abgefallene Poteidaia allein etwas aus-
zurichten, mit seinen truppen nach Makedonien gegangen, um sich
mit Archestratos zu vereinigen , und so habe er in der viel später
redigierten Urkunde füglich als crpaTiiTÖc ic MaKeboviav bezeichnet
werden können, um diesem möglichen einwurf zu begegnen, der
übrigens durch Kirchhoffs höchst wahrscheinliche annähme , es habe
in der Überschrift nach ic MaKeboviav Kai noch ^c TToxeibaiav ge-
standen, eigentlich schon beseitigt wird, will ich doch noch weitere
gründe anführen, die mich zwingen von Eirchhoff abzuweichen : viel-
leicht wird dadurch zugleich etwas gewonnen für die urkundliche
feststellung des monats , in dem die schlacht bei Poteidaia geliefert
ist, und überhaupt zur berichtigung der Chronologie der korkyräischen
und poteidaiatischen händel, die noch gründlich im argen liegt.
Diese an Eukrates in der zweiten prytanie, also nach dem 9n
oder lOn metageitnion (wir sind in einem Schaltjahr) , dh. nach
dem 19n oder 20n august ^im zweiten oder dritten monat des atti-
schen Jahres' (Kirchhoff ao. s. 62) , dh. zwischen dem 20n aug. und
25n Sept., von den neuen Schatzmeistern der göttin nach ihrem amts-
antritt an deiT Panathenäen geleistete Zahlung war die erste Zah-
lung, die unter dem archon Pythodoros überhaupt, und namentlich
für Makedonien und Poteidaia verabfolgt ist. denn wäre schon in
der ersten prytanie vor den Panathenäen geld für den krieg in den
dortigen gegenden gezahlt worden, so hätte das nur durch die Schatz-
meister des vorigen Jahres, die ja bis zu den Panathenäen im amt
blieben, geschehen können, und wir würden dann diese Zahlungen ini
TTuOcbtüpou äpxovTOC erwähnt finden, gerade wie in der Urkunde
CIA. I 179, die mit den Worten 'AGrivaToi dvrjXiucav de KöpKupav
Tdbe im 'Aipeubouc SpxovTOC anfängt, die erste Zahlung am 13n
tage der ersten prytanie noch von den Schatzmeistern, die unter dem
vorigen archon Krates fungiei*t hatten , geleistet ist und die neuen,
* für das archontat des Apseudes erloosten Schatzmeister erst bei der
zweiten, am letzten tage der ersten* prytanie, also nach den Pana-
thenäen in function traten, irre ich nicht, so werden wir ganz dem-
selben fall bei der weitern analyso dieser Urkunde wieder begegnen,
wäre nun in unserm cip^TTiTÖc ic MaKeboviav Eukrates einer der
mitfeldherren des mit Verstärkung, wie Kirchhoff sagt, nachgeschick-
ten Strategen Kallias zu erkennen, so müste, da in der ersten pry-
tanie unter Pythodoros keine Zahlung stattgefunden hat, der früher
abgeschickte Archestratos, der eigentliche CTpaiTiTÖc de MaKeboviav,
noch unter dem archon Apseudes an seinen bestimmungsort abge-
gangen sein, vielleicht in den letzten tagen des skirophorion ol. 86, 4,
ende juni oder anfang juli. da er nun bei seiner ankunft den ab-
fall von Poteidaia, von dem die Athener bei seiner abfahrt noch
nichts gewust hatten, schon vollzogen fand, so ist doch wohl kein
zweifei, dasz er sofort über den veränderten stand der dinge nach
598 HMüller-Strübing: das erste jähr des pelopoxmesischen krieges.
Ortsangabe gestanden habe, ja ich denke mehr als 6in Ortsname,
da das von ihm vermutete de TToTetbaiav nicht hinreicht, um die
24 stellige lücke vor dirl ITuGobiiipou fipxovTOC auszufüllen: denn
nach der ganz sichern und lückenlosen ergänzung^ von z. 4 haben
wir 79 stellen auf die zeile zu rechnen, was nach £c TToTcibaiav
etwa noch gestanden haben kann , wird später za untersuchen sein,
denn hier musz ich gleich einspruch thun gegen Kirchhoffs meinung,
der annähme, dasz der crpaniTÖc de MaKcboviav Enkrates in z. 5, an
den die erste Zahlung geleistet worden ist, einer der vier coUegen
des Strategen Kallias Ealliades söhn, der nach Thuk. I 61 eine Ver-
stärkung von 40 schiffen und 2000 hopliten nach Makedonien führte,
gewesen sei, stehe durchaus nichts entgegen, wie gesa^, dem mnsz
ich widersprechen, denn es geht ja aus dieser stelle des Thukydides
ganz deutlich hervor, dasz Kallias von dem athenischen volke gar
nicht nach Makedonien geschickt war , dasz er vielmehr den anilrag
erhalten hatte gegen Poteidaia und die übrigen chalkidischen städte,
deren eben erfolgter abfall nach Athen berichtet war, zu operieren:
TToTeÄaia dirdcTTi • fjXGc bfc xal toic 'AOnvaioic euSuc f| dTT^Wa
tO&v iröXcuiv ÖTi dq)€CTäci, Kai ireMTiouci . . bicxiXiouc ^auiiöv
ÖTrXirac Kai xeccapdKovxa vaOc irpöc id dqpecrüjTa Kai KaXXiav
TÖv KaXXidbou tt^^tttov aöxöv CTpanitöv. wir wUrden also den
führer dieser hopliten und schiffe in der Urkunde als CTpaTilT^V &
TToTcibaiav bezeichnet finden, dagegen hatte der früher mit 30
schiffen, 1000 hopliten und 10 (?) collegen abgesandte Stratege Ar-
chestratos Lykomedes söhn ursprünglich vom volk den einzigen
aufkrag erhalten, nach Makedonien zu gehen und den könig Pcr-
dikkas zu bekriegen; er war eben im begriff dahin abzus^eln, als
in Athen die nachricht von dem drohenden abfall der chalkidischen
stftdte eintraf, da erhielt er den weitern auftrag auch hier zum
rechten zu sehen, geisein zu nehmen und die mauer in Poteidaia
niederzureiszen: 7Tpoc^q)€p€ bfe (TTepbiKKac ö 'AXeEdvbpou, MaK€-
bövwv ßociXeöc) XÖTOUC koI toTc dnl 9pdKTic XoXKibeOci koI Bot-
Tiaioic £uvaTT0CTf)cat . . «Lv o\ 'AOiivatoi alcOöjievoi Kai ßouXöjievoi
irpoKataXa^ßdveiv tujv nöXewv xdc dirocTdccic (Ituxov t^P fPJ'
dKOvra vaOc dirocTeXXovTCc Kai xiXiouc ÖTiXirac iii\ Tf|v Tnv aöroO,
'ApxecTpdiou ToO AuKojufibouc ^€T ' dXXujv b^Ka CTpatiiToOvTOc),
dmcT^XXouci Toic dpxouci tujv veuiv TToTeibaiaTujv t€ öjinpouc
Xaßeiv Kai tö tcixoc KaOeXeiv. diesen auftrag nun konnte Ar-
chestratos nicht ausrichten, da er bei seiner ankunft in jenen g^*
wässern die städte schon abgefallen fand, und dann sagt Thuk.
c. 59 : V0M(cavT€C bi ol CTpaniTol (Archestratos und seine collegen)
dbtjvaToi elvoi irpöc t€ ITepbiKKav TroXefxeiv t^ irapouci] buvdfiei
Kai xd Huvaq)€CTU)Ta Xü^pia, xp^Trovrai im Tf|v MaKCboviaVf
dq)' ÖTiep Kai xö irpöxepov ££€iT(f|üiTrovxo, Kai Kaxocxdvxec
^iroX^^ouv usw. die eigentlichen cxpaxT]Tol £c MaKCboviav sind
also Archestratos und seine collegen, und so bezeichnen auch die ge-
sandten in Lakedaimon c. 58 das geschwader des Archestratos als
HMüUer-Strübing: das erste jähr des pelopoiiDesischen krieges. 601
Das sind die aus den zeitverhSltnissen hergenommenen gründe,
weshalb ich in dem cxpaTTiTÖc de MaKcboviav Eukrates nicht einen
den sind, sie sich sämtlich im Irrtum befinden, ich will das ganze
capitel durchgehen, gleich im anfang heiszt es von Kallias und seinen
collegen: o\ dcpiKÖ^evoi ^c MaKCÖoviav irpiIiTOv KaraXafißdvouci Todc
irporlpouc x*^^o^c O^p^Tiv öpri ijpTiKÖTac Kai TTubvav iroXiopKoOvTac.
dies TTpd»TOV, das im Vat. fehlt, hat Herwerden gestrichen 'probante
Classenio', und allerdings hat Classen in seiner ersten ausgäbe (1862)
es eingeklammert, weil es nicht ohne zwang erklärt werden könne und
wahrscheinlich aus § 4 Kai ircipdcavTCC irpOiiTov ToO x^P^o^ irrtümlich
hierher gekommen sei; in der zweiten ausgäbe aber hat er es wieder
hergestellt und erklärt es, in der that nicht ohne zwang : «irpÜJTOv, zu-
erst, ehe sie nemlich an ihrem eigentlichen ziel, rd dqpccTdira, und vor
Poteidaia ankommen.» diese erklärnng beweist doch erst recht die
Yollkommene Überflüssigkeit des Wortes, aber auch seine völlige harm-
losigkeit, da es weder eine Störung noch auch nur eine falsche färbuug
des Sinnes hineinbringt, und so denke ich ist es besser, das ai*me wort
ungeschoren zu lassen, ich wenig[|(ens liebe es nicht, wenn ich einmal
auf die Jagd gehe, mein pulver auf solche spatzen zu verpuffen, und
spare es mir lieber für gröszeres und gefährlicheres wild auf, an
dem es in unserm Thukydidestext wahrlich nicht fehlt, wie uns denn
sogleich ein solches begegnen wird, nach iroXiopKoCvrac nemlich heiszt
es in der Überlieferung weiter: TtpocKaOe^Iö^cvot bi Kai aÖTol Tf|V
TTiibvav iiroXiöpKTicav |i^v, ^ireira bi HOfißaciv iroiiicdnevoi koI Euii-
liaxiav dvaxKaiav irpöc xöv TTcpöiKKav, tue aöxoOc Kaxi^TrciTev i^ TTo-
xciöata Kai ö 'ApicxcOc irapeXtjXuÖiJÜc , diravicxavxai ^k xflc MaKcboviac,
Kai dqpiKÖnevoi kc B^potav KOKetOev dTricxp^\|iavx€c Kai ireipdcavxcc
irpuixov xoO x^P^ou Kai oöx ^Xövxcc ^iropcOovxo Kaxd ff\v irpöc xi?|v
TTox€(6aiav, xpicxiX(oic ixtv öirXCxaic ^auxüöv, x^plc bä xüöv Iv^ixdxiuv
iroXXolc, iTTireöci 5 * dHaKocioic MaKcbövujv xotc nexd OiXiirtrou Kai TTau-
cavtou • ä|uia bä vfjec irap^uXeov lß5o)uii^Kovxa. Kax * öXixov bä irpoiövxcc
TpiTaloi dcpiKOvxo ^c riTiüvov Kai ^cxpaxoircbeOcavro. jeder Thuky-
didesleser weisz dasz die erklärung dieser stelle eine ganze geschichte
aufzuweisen hat, die noch keineswegs abgeschlossen ist. zuerst das
unglückliche ^iTiCTp^v(iavT€c, dem durch keine erklärung beizukommen
war. so ist es denn sehr begreiflich dasz die interpretes erleichtert
aufatmeten, als der holländische gelehrte Pluygers durch die ent-
deckung, ^mcxp^vjiavTCC sei verdorben, und es sei zu schreiben ^iri
Cxp^ij/av, sie von dieser crux glücklich befreite, diese emendation ward
natürlich allgemein mit freuden aufgenommen und findet sich jetzt
in allen neueren ausgaben, wenigstens den deutschen, denn die Oxfor-
der gelehrten der neuen Übersetzung, die überhaupt aus der groszen
Popposchen rüst- und rumpelkammer, der sie ihre oft sehr verschim-
melten Waffen zu entnehmen pflegen, sich nur selten herauswagen, be-
zeichnen zwar in den noten Pluygers' emendation als 'ingenious', aber
'extremely uncertain% und so heiszt es denn im text unverfroren: ^so
they prepared to quit Macedonia [vgl. bei Poppo: <diravicxavxai videtur
tantum castra movent (sie machen sich auf, brechen auf) ad Macedoniam
relinquendam valere. Od. Müller, ante quem iam Haack hoc verbum de
conatu et consilio Macedoniam relinquendi accipiendum esse dixerat»].
they first marched out of their way to Beroea, which they attempted
to take witbout success. returning to their route, they moved on by
land towards Potidaea', mit der naiven anmerkung: «the order of the
words is stränge, ireipdcavxcc xoO x^^P^ou should come bifore ^irtcxp^-
\pavxec» [vgl. bei Poppo s. 349, wo sich das auch findet: es sei viel-
leicht ein dcxcpov irpöxcpov]. ob nun die deutschen gelehrten in der
ersten freude über die beseitigung des absoluten unsinns das ^nl Cxp^-
602 HM üller-Strübing : das erste jähr des peloponnesischen krieges.
collegen des Kallias, sondern einen mitfeldherm des früher abge-
sandten Strategen Archestratos erkennen zu müssen glaube; und
\yav nicht doch zu yertrauensvoll auffi^enommen haben, das soll sogleich
erörtert werden: denn vorher musz B^pota an die reihe kommen, das
den erläuterern nicht geringere scrupel gemacht hat; und mit recht.
selbst die Oxforder gelehrten geben zu, es sei unmöglich dasz eine
iHngsam marschierende armee (xar* öXi^ov irpoiövrcc) den wenlgstene
60 eng], meilen langen weg [nach Kieperts karte mindestens 17 deutsche
meileu] von Beroia nach Gigonos in drei tagen zurückgelegt habe, ohne
um die sonstigen schwierififkeiten, die der marsch landeinwärts nach
Beroia den auslegern bereitet, sich weiter zu kümmern, diese faast
Classen schon in der ersten ausgäbe (1862) so zusammen: ^die treff-
liche conjectnr von Pluygers dnl CTp^v|iav hat zwar von der einen seite
erwünschtes licht gebracht, rätselhaft aber bleibt, wie das attische
beer, das um Poteidaia zu bedrohen Makedonien aufgeben will, von
Pydnu zuvor den marsch ins innere Makedonien über das Pierosgebirge
und den Haliakmon auf Beroia antritt, in welcher bedeutenden make-
donischen Stadt es kein hindernis zu finden scheint (d9iKÖ^€voi ic
B^poiav, als ob sich das von seihst verstände) und von dort wieder
nach Überschreitung von zwei Aussen (Lydias und Axios) auf Strepsa [?]
weiterrückt, ich vermute dasz auch Bcpoiav (ein name der den ab-
Schreibern leicht aus der apostelgeschichte c. 17 geläutig sein mochte)
verschrieben ist aus 0^p)ir)V. . . da dieser wichtige hafenplatz in den
bänden der Athener war, lag es am nächsten, dasz sie sich von Pydna
wieder dorthin einschifften [?J, dann aber, um sich bei dem unternehmen
auf Poteidaia den rücken zu sichern, Strepsa zu besetzen suchten^ wo
sich die straszen von Makedonien und Thrakien treffen: nur so ist
dq)iK6)üi€voi ^c 0^p^r)v ein natürlicher ausdruck. . . da der versuch nicht
gelang, so schlugen sie die strasze längs der küste bis Gigonos ein, um
sich in Verbindung mit ihrer flotte zu erhalten, wenn es hier ausdrück-
lich hciszt KOTd Y^v und später äpLa bi vnec nap^irXeov, so machen aach
diese ausdrücke es wahrscheinlich, dasz die truppen nach Therme sa
schiffe gelangt waren.' mit dieser emendation Classens ^c G^p|üH]v, die
er übrigens nicht in den text aufgenommen, sondern nar in den noten
vorgeschlagen hat, bin ich ganz einverstanden, und im ganzen aach
mit seiner rechtfertigung derselben; ehe ich aber darauf eingehe,
müssen doch die gej^uer derselben (gehört werden, der erste, der da-
gegen einspruch that, war 8tnhl in diesen jahrb. 1868 s. 404. die 'her-
liche emendation' von Pluygers ittl CTp^i|iav nimt auch er an: 'wenn
aber Classen ferner, weil er den marsch in das innere Makedonien an-
begreiflich findet, statt ^c B^potav vorschlägt ^c G^p|üir)V . . so kann ich
dem nicht beistimmen, warum freilich die Athener auf dem umwege
durch das innere Makedonien nach Poteidaia marschierten, hat ans
Thnk. nicht gesagt; allein man weisz, wie oft er ihm unerhebliche
ncbenumstiinde der erzählung wegzulassen pflegt, [ja, das weiss der
himmul! auch dann, wenn diese unerheblichen nebenumstände den ein*
zigen Schlüssel zum Verständnis der erzählung bilden würden, wie ick
da» im weitem verlauf dieser Untersuchung an einem sehr wichtigen
beispiele noch nachweisen werde.] auch Classen begründet ja die
diversiou von Therme nach Strepsa durch nebeuumstände, die bei Thnk.
nicht zu lesen sind: man habe sich durch den besitz Strcpsas, wo sich
die straszen von Makedonien und Thrakien treffen, den rücken sichern
wollen.' auch darin hat Stahl recht, um so mehr da dies 'treffen der
straszen' bei Strepsa eine ganz willkürliche erfindung Classens ist, ein
reines autoschediasma; oder rührt sie vielleicht von ECurtias her, der
(gr. gesch. 11^ s. 352) ebenfalls Strepsa als 'einen wichtigen knoten-
punkt der makedonisch- thrakischen Strassen' bezeichnet? so viel ist
HMüller-Strübing : das erste jähr des peloponnesisclien krieges. 603
dann vermute ich weiter dasz vielmehr die nächste Zahlung, auf die
das 7T]ap^b[ocav oder TrapeböOr) oder iTap^bo|i€V in z. 7 schlieszen
sicher, dasz weder Pluygers noch Classen noch Curtias noch sonst ein
mensch in der weit auch nur mit einiger Sicherheit anzugeben weisz,
wo Strepsa lag. diese bemerkung Stahls wäre also im gründe mehr
gegen Plnygers gerichtet als gegen Classen. was dann Stahl aus seiner
auffassung der politischen läge der dinge beibringt, die möglichkeit
des marsches nach Beroia zu rechtfertigen, damit *brauche ich den leser
nm so weniger zu behelligen, da Stahl ja selbst diese schönen argu-
mente als nicht recht stichhaltig angesehen haben musz. denn sehr
bald hat er sie über bord geworfen, um Bergks emendatlon ic Bp^av
statt ^c B^potav anzunehmen (s. seine ausgäbe des Thuk. vom j. 1873).
zur Charakteristik eines andern Verteidigers des überlieferten ^c B^poiav,
Schütz (in der zs. f. d. gw. 1866 s. 46 f. und abermals 1881 s. 461), will
ich nur den schlnszsatz anführen: 'ich denke also, die Athener haben
von Pydna einen Streifzug nach Beroia gemacht und dadurch eben den
Perdikkas zum friedensschlusz gezwungen, [in der gufui^axiot dva^Kaia
war also die dvdxKT] für Perdikkas vorhanden, weil eben Aristeus in
Poteidaia angekommen war, nicht für die Athener!] von Beroia kehr-
ten sie um (lmcTp^n;avT€C , wofür vielleicht dirocTp^n;avT€C) und mar-
schierten (nunmehr richtig) zu lande (gewis über das schon vorher eroberte
Therme) nach Gigonos, während die flotte etwa von Therme an die küste
entlang sie begleitete.' ich denke, das genügt, was sind das nun für
gründe, die Stahl bewogen haben das so eifrig verteidigte Beroia auf-
zugeben und das von Bergk (Philol. XXII s. 537] empfohlene ^c Bpdav
in seinen text aufzunehmen? was, beiläufig gesagt, auch Herwerden ge-
than hat und was Classen nur deshalb unterlassen hat (s. seine aus-
gäbe I' s. 279), weil es ihm dazu nicht gesichert genug erschien, zu-
nächst gibt Bergk an, der marsch nach Beroia sei eine Verletzung des
eben mit Perdikkas geschlossenen Vertrags gewesen, der zwar keinen
bestand hatte, aber nach Thuk. darstellung doch zuerst von Perdikkas
verletzt worden sei. ferner erhelle aus den Worten diravicravTai ^K Tf^c
Maxeöcvtac xal d9iK6)ui€voi ^c — , dasz der ort wohin sie kamen auszer-
halh des makedonischen gebietes gelegen habe; darum müsse er Classens
^c G^pjüiiiv abweisen, ^denn Therme gehörte damals bereits den Make-
doniern\ das ist unrichtig: der durchaus correcte ausdruck des Thuky-
dides diraviCTavTai ^k Tfjc Maxeöcviac passt sehr wohl zu dem marsch
nach Therme: denn so wie die Athener (zu lande, wie ich annehme)
von Pydna in nördlicher richtung aufbrachen, so verlieszen sie zugleich
Makedonien und betraten ihr eignes gebiet, nemlich das von Methone,
ihrer bundesstadt, und Therme, wohin sie dann kamen, gehörte nicht
den Makedoniern^ sondern den Athenern, die es erobert und besetzt
hatten und es erst viel später dem Perdikkas zurückgaben (II 29). hier-
mit ist also nichts widerlegt. Classen nahm nun an, sagt Bergk weiter,
Strepsa sei nördlich von Therme zu suchen, und frag^, worauf sich diese
ansiebt gründe; die Stellung des namens Strepsa in den tributlisten ge-
währe dafür keine stütze, auch wäre es wiederum höchst seltsam, wenn
die Athener, statt direct sich gegen Poteidaia zu wenden, erst nach
Therme marschierten und sogar noch mehr in nördlicher richtung diesen
marsch fortsetzten, um dann erst südwärts die strasze nach Pallene
einzuschlagen, darauf ist zu erwidern: nach Therme mästen sie unter
allen umständen kommen, wenn sie, wie ich voraussetze, zu laude mar-
schierten; die fortsetzung des marsches aber in nördlicher richtung hat
mit der lesart ^c O^p^iiv nichts zu thun, sondern nur mit dem von
Plnygers vorgeschlagenen irzl Crp^^iav und der von Classen, wie schon
gesagt, willkürlich vorgenommenen placierung dieses orts nördlich von
Therme, dasselbe gilt auch von dem weitern einwurf, es scheine ihm
604 HMüller-Strübing : das erste jähr des peloponnesischen krieges.
läszt, an Kallias für dessen zug nach Poteidaia geleistet worden ist;
und zwar sehr bald nach jener ersten Zahlung an Eukrates, dh. an
damit nicht recht vereinbar, dasz Thok. angebe, in drei kleinen tage-
raUrschen seien die Athener von Strepsa nach Gigonos, dh. nach der
grenze von Pallene gekommen: denn wenn wir Strepsa mit Glassen
nördlich von Therme ansetzen, dann dürften drei kleine tagemärsche
für diesen weg, d^ doch gewis der mecresküste folgte, nicht ans-
reichen. gewis nicht, aber das ist ja eine polemik gegen die conjeotar
^ttI Crp^i^av, nicht gegen die ^c 0^p)ir)vl schlieszlich rückt dann Bergk
mit seinem eignen Vorschlag heraus: statt ^c B^potav sei zu schreiben,
was auch paläographisch gröszere Wahrscheinlichkeit habe, dq|>iK6)i€voi
^c Bp^av KdK€l6€v ^irl Crp^viiav. ^bekanntlich war Brea' sagt er 'eine
attische colonie, die die Athener in jener gegend [?] vor dem pelo-
ponnesischen kriege gründeten*; man kenne zwar die zeit nicht genau,
aber ^jedenfalls war zur zeit der hier geschilderten ereignisse die
attische niederlassung schon fest begründet' [?]. genaueres über die
läge der stadt sei nicht überliefert [gerade wie bei Strepsa], aber
ßöhnecke (forschungen s. 363) habe gewis recht, wenn er die worte
Plut. Per. 11 clc bä 0pdKT]v xtXiouc BicdXTatc cuvoiKi^cavTac icXiipoOxouc
^CTCiXev (Perikles) auf Bp^a beziehe, ja wohl, aber wenn Böhnecke
darin recht hat (und ich glaube das auch), so hat Bergk ganz gewis
unrecht, wenn er die beiden von Tbuk. erwähnten orte, also nach ihm
Brea und Strepsa, an die küsten des thermaischen golfs zwischen Pydna
und Poteidaia ansetzt, denn wo wohnten die Bisalten, in deren gebiet
Perikles Brea besiedelt haben soll? Strabon sagt VII fr. 36 (s. 281 Did.):
ÖTT^p bi Tf\c *A|ui(pnröX€U)c BicdXTai Kai fx^XP^ iröXcuic 'HpaKXcCac, ^xo^^^cc
auXOjva eÖKapirov, 6v ötaipcl 6 Crpu^ubv, ganz im einklang mit Herodotos
VII 115 tue bä dirö toO Crpufiövoc ^irop60€TO 6 cxparöc, dvOaöra irpöc
i'iXiou 6uc|Li^ujv ^CTi aiTiaXöc ^v xip oUim^vT^v "ApfiAcv iröXiv *€XX<U>a
TiapelY]\€ ' aÖTTi bi xal i^ KarOircpOe Ta(rn]C KciX^erai BtcaXTli] (vgl. VUI
115 ae. und 116). dort also in der nähe des Strymon hätte Brea ge-
legen, wie auch Kirchhoff aiinimt (tributpflichtigkeit der klerucheu s. IS),
an der ostküste der chalkidischen halbinsel, nicht an der Westküste.
dasz dies aber mit der crzählnug bei Thuk. absolut unvereinbar ist,
das lehrt ein blick auf die karte.' so wäre denn, denke ich, Bergk
mit seinen eignen waffen geschlagen und seine conjectur ^c Bp^av
glücklich hüseitigt. überhaupt halte ich es, um das beiläufig zu sagen,
für sehr zweifelhaft, ob Brea damals noch existierte, wenigstens als
athenische apoikio. dasz klcruchen dorthin gesandt wurden, wissen
wir ja aus der bekannten Urkunde (CIA. I 32), die in ol. 84 gesetzt wird,
aber durchaus nicht, ob diese kleruchie bestand hatte, nur zweimal
wird sie erwähnt, bei Stephauos Byz.: Bp^a, iröXtc Qp^Kr\c, cic f^v
dTTOiKiav ^CT€(XavT0 'AÖTivaloi, und bei Hosjchios: Bp^a* Kpattvoc fid-
fiVTiTai Tf|c clc Bp^av diroiKlac* €cti bi ttöXic 0p<jiKT|C, clc flv 'AOiivalot
diToiKiav ^S^ncfuiTrov. wenn aber Böhneckes (ao. s. 337) Vermutung rich-
tig ist, dasz bei Hesychios die namen Kratinos und Krateros verwech-
selt seien, wie auch sonst oft, so würde sich auch jene stelle bei
St(>p}innoR iK'icliRt wahrscheinlich auf unsere Urkunde zurückführen lassen,
von der Kratoros in seiner samlung der psephismen eine abschrift ge-
geben hätte, doch dem sei wie ihm wolle — dasz von den Schicksalen
einer attischen eolonie in Thrakien, die von den ersten aufständen der
Chalkidikcr an sehr wcchselvoll gewesen sein müsten, während dei
ganzen peloponnesischen krieges sich nicht die geringste erwfthnnn^
iindet, macht es mir sehr zweifelhaft, ob diese colonisation überall be-
stand gehabt hat und ob sie nicht sehr bald als unausführbar wieder
aufgepreben worden ist. wenn nun Bergks conjectur ic Bptov sich alt
unhaltbar erwiesen hat, so wird wohl auch das allgemein gebilligte
HMüller-Strübing: das erste jähr des peloponnesischen krieges. 605
Archestratos; wahrscheinlich, wenn diese Zahlung in den ersten
tagen der zweiten prytanie erfolgt ist (und auch das ist wahrschein-
lich : gleich nach der groszen panathenäischen landesgemeinde , in
der der krieg und die expedition gegen Perdikkas vom Yolke be-
^Trl CTp^v|iav von demselben loose betroffen werden, ich habe vorhin
gesagt, die placiemng von Strepsa nördlich von Therme, wo sich die
thrakischen und die makedonischen straszen treffen, sei willkürlich ; sie
ist aber schlimmer als das, durchaus unverträglich mit den politischen
zuständen jener zeit: denn Strepsa gehörte zum attischen bunde, war
tributpflichtig (die Stadt zahlte von oI. 81, 3 bis 83, 3, bis wohin die
listen erhalten sind, jährlich ein talent), kann also nicht weit im innern
eines barbarischen, von Athen unabhängigen, ja ihm verfeindeten ge-
bietes gelegen haben, was Bergk gegen Böhnecke, der annimt, Brea
habe im innern des landcs gelegen, erwidert, es sei ganz undenkbar,
dasz Perikles eine colonie im innern des landes gegründet haben sollte,'
sie hätte notwendig eine hafenstadt sein müssen, denn nur dann wäre
die Verbindung jederzeit gesichert — das passt auch auf die zinspflich-
tigen Städte; sie waren entweder hafenstädte, oder sie lagen so nahe an
der See, dasz die Athener sie von ihren flotten aus beständig überwachen
und im zäume halten konnten, ein solcher isolierter posten mitten in
feindesland ist ein unding. in der nähe der see also musz Strepsa ge-
legen haben , und zwar nach unserer stelle am thermaischen golf zwi-
schen Therme und Poteidaia. hier ist aber kein platz für Strepsa, denn
die namen der dort gelegenen städte kennen wir aus Herodot YII 128
TrapairX^wv bt xai xaÖTTiv ti?|v x\hpr]V (nemlich 6 vauxiKÖc crparöc 6
i^pHcuj) £itX€€ ^c tö irpo€ipii|Li^vov, TtapaXajüißdvujv CTpaTif|v Kai 4k tüliv
irpocex^ujv iroXiujv rf) TTaXXfivij, öjuioupcouc^ujv bi rCj) Gep^aiqj KÖXirip,
T^ci cövö^aTd 4cTi Ta6€- AdraHoc, Ktdfuißpcia, Aicai, riYuivoc, Kd)ui\|ia,
CfiiXa, Atveia* . . dirö bä AlvcCr^c . . kc aöxöv t€ töv dep^alov köXitov
^TivcTO tCD vauTiKip cTpaT«Ji 6 ttXöoc kgI ff\v Tf|v Mut&ov(t]v, tiX^ujv bi
dTriK€TO Ic T€ Ti?|v TTpocipTmevriv O^pfiTiv xal Civbov usw. diejenige dieser
Städte nun, die in den Herodot- hss. Kd\x\\fa geschrieben ist, beiszt auf
den athenischen tributlisten CKd\|ia, und damit hätten wir, denke ich,
den namen gefunden, den wir hier brauchen, dann stellt sich die sache
so: die Athener verlassen Makedonien, diravicTavTai 4k xfjc MaKcboviac —
ganz richtig: denn so wie sie in nördlicher richtung von Pydna ab-
marschieren, betreten sie das gebiet ihrer bundesstadt Methone; sie
ziehen zu laude, denn sie marschierten zusammen mit vielen bundes-
genosscn und 600 makedonischen reitern (tCDv Su)üi|idxuiv iroXXotC, lir-
ireOci ö' 4SaKOc(oic MaKcbövujv], uüd die athenischen schiffe hatten
schwerlich platz, diese makedonische Fracht noch ausser den vielen
lügen des Perdikkas aufzunehmen (vgl. Hermippos Phormopboren fr. 1, 8
Kai irapd CiTdXKOu \|it{ipav AaKebaifiovioiciv koI irapd TTepölKKOu ijjeO&ti
vauclv irdvu iroXXaic); auch werden die Athener dazu schwerlich lust
gehabt haben, denn diese makedonischen reiter werden nicht gerade
auf einer höhern cultur- und reinlichkeitsstufe gestanden haben als
die unterthanen des Sitalkes, und wir wissen ja aus den eben ange-
führten Versen des Hermippos, welchen exportartikel diese letzteren an
bord der schnellen schiffe zu bringen pflegten, so also zogen sie zu
lande nach Therme — sie konnten ja gar nicht anders, wenn sie den
landweg wählten, und wollten sich auch wohl mit ihrer dortigen garnison
in Verbindung setzen, dann zogen sie weiter und stieszen auf Skapsa,
die wahrscheinlich vor kurzem zugleich mit Poteidaia abgefallene
tributpflichtige Stadt, sie suchten das kleine nest (es zahlte nur 1000
drachmen tribut) durch einen handstreich zu nehmen und kamen dann
in bequemem marsch am dritten tage nach Gigonos. ao glaube ich ist
die stelle ganz in Ordnung.
606 HMüller-StrQbing : das erste jähr des pcloponnesischen krieget.
schlössen sein wird), dann noch in den letzten tagen derselben zwei-
ten prytanie.
Dies alles scheint mir aus der damaligen läge der dinge, wie
wir sie aus der allerdings wenig genauen darstellung bei ThukydidoB
kennen, mit Wahrscheinlichkeit hervorzugehen, ja ich glaube, Kirch*
hoff selbst würde bei jenem Eukrates nicht an einen collegen des
KalliaS; vielmehr an einen mitfeldherm des Archestratos gedacht
haben , wenn er nicht durch den wahrscheinlich auch von ihm ge-
billigten Böckhschen ansatz des Überfalls von Plataia auf den 4n
april genötigt gewesen wäre auch die schlacht von Poteidaia zu früh
anzusetzen, nemlich schon in den october 432. dann lieszen sich
freilich die von Thukydides nach der abfahrt des Archestratos er-
zählten ereignisse schwer in den Zeitraum zwischen irgend einem
tage der zweiten prytanie , selbst wenn es der erste, in diesem jähr
also etwa der 21e august gewesen wäre, und dem monat october
zusammendrängen.
Dasz übrigens der von mir vermutete inhalt der zeilen 6 und 7
unserer inschrift nicht im Widerspruch steht mit den raumverhält-
nissen der zeilen, und dasz die zahl der auszufüllenden stellen einer
ergänzung in dem angegebenen sinne kein hindemis ent^gen-
stellt , das will ich an einem beispiel nachweisen , wobei ich die von
Kirchhofif herrührenden ergänzungen als feststehend ansehe und nur
die von mir, ich wiederhole es, beispielsweise hinzugefügten in
eckige klammem setze, also Ta|i(ai iepujv \pr\)i6jwv Tf)c *A8iivaiac
Trap^bocav CTlpaniTip ^c MaKcboviav EuKpAtei [M€-
Xiiei' Kai Huvdpxouciv pXXXXPHPPHIII im ri\c iboc, 7rpu|
Tttveiac beuT^pac TrpuTaveuoucTic [ipdri f)M^p(ji ttic irpuiaveiac. iiA
TTic . . . . (boc irpuTaveiac b€UT|^pac TTpuraveucuciic] Trap^bo^icv
CTpaiTiTÄ ic TToTeibaiav KoXXia Kai Huvdpxouciv t^
TcXeuTaiqi fjjLi^pqi ttic irpuTaveiac und dann die gezahlte summe, wie
in der zweiten Zahlung an die feldherm nach Korkyra n. 179. es
versteht sich von selbst, dasz die gezahlte summe eine rein imagi-
näre, willkürliche ist, die ich nur gesetzt habe, um die 14 stellen
auszufüllen (ich habe sie aus CIA. I 188 entnommen), wie ich über-
haupt ja nur die möglichkeit habe nachweisen wollen, dasz der von
mir vorausgesetzte inhalt auf dem stein habe stehen können.
Nach z. 7 bricht dann die groszc marmortafel ab. ob nun das
zweifellos zu derselben Urkunde gehörige fragment B sich unmittel-
bar an z. 8, auf der sich noch unleserliche reste von einigen buch-
Stäben zeigen, anschlieszt, oder ob dazwischen noch 6ine odbr gar
mehrere zeilen verloren gegangen sind, das l&szt sich mit Sicherheit
nicht entscheiden, mir scheint das erste das wahrscheinlichere : denn
^ ich halto den Eukrates der inschrift fUr den von AristophiineB in
(ien Kittern v. 264 verhöhnten werji^bändler und für identisch mit dem
im rf)pac prennnnteu Kukrates, dorn melitischeu eher der scholiasten.
was (*urt Wachsmuth dagegen cinf^e wendet hat, das scheint mir nicht
stichhaltig, was zu begründen hier nicht der ort ist.
HMüUer-Strübing : dad erste jähr des peloponnesischen krieges. 607
in den weggebrochenen Zeilen müsten doch ebenfalls wohl Zahlungen
angegeben worden sein, und mich dünkt, wir haben auf dem, was
von dem stein übrig geblieben ist, deren ohnehin schon genug, mehr
als wir mit hilfe dessen, was Thuk. über die ereignisse zwischen der
Schlacht von Poteidaia und dem einfall der Peloponnesier in Attika
erzählt , unterzubringen vermögen, gleich in J9 z. 1 lieszen sich die
erkennbaren bucbstaben EtA, wenn das letztere zeichen ein A ist,
vielleicht zu in\ T]f\c AiavTiboc oder 'AKajuavTiboc usw. ergänzen ; es
würde damit eine neue Zahlung eingeleitet, zu der dann die in z. 2
noch erhaltenen zi£fem gehört hätten, jedoch halte ich noch eine
andere ergänzung zu jenen drei buchstaben für möglich, von der ich
weiter unten reden werde.
Es folgt dann in z. 3 eine neue Zahlung in\ Tf)c iTTTToOujVTtboc
irpuTaveiac irpuTaveucucric, aber was das für eine heerfahrt
ist, für die diese bestimmt war (denn Kirchhoffs ergänzung raOra
iböQx] Ttji crpaTi^ ist unzweifelhaft richtig) , das läszt sich absolut
nicht ermitteln. Thuk. spricht nur noch von einem einzigen beere,
das die Athener in jener Zwischenzeit ausgeschickt haben , und zwar
nach Poteidaia unter Phormion. wann ist das geschehen ? genau an-
geben läszt sich das freilich nicht, die Schlacht von Poteidaia ward im
sechsten monat vor dem letzten munichion, als dem tage des Über-
falls von Plataia, dh. vor dem In juni geliefert, also im december
431'^; die belagerung, oder eigentlich die blockade fieng nun an,
aber nur auf der nördlichen Seite der landenge Pallene , auf der Po-
teidaia lag. es handelte sich nun darum, auch die Südseite durch
eine mauer abzusperren: KOi 7ruv0avö|i€VOl o\ dv Txji TTÖXei 'A6r]-
vatoi ('part. praes. von den öfters eintreffenden nachrichten' sagt
Classen zu c. 64, 2) Tr\v TTaXXriviiv dieixicTOV oöcav, XPÖvip öcte-
pov TT^inTrouciv dHaKOciouc xai xiXiouc ötiXitoc dauTiüV Kai Oop-
juiujva TÖv 'AcujTriou CTpairiTÖv. dies XP^vtu öciepov deutet doch
wohl an , dasz eine verhältnismäszig längere zeit seit der schlacht
von Poteidaia und dem anfang der belagerung bis zu diesem be-
schlusz der Athener, eine Verstärkung dorthin zu schicken, ver-
gangen sein musz. vielleicht ein paar monate? dann würde ich ver-
muten , dasz dieser beschlusz die Verstärkung zu schicken vom volk
in der groszen landesgemeinde vor den städtischen Dionysien ge-
faszt worden und die Zahlung dann sogleich nach dem fest erfolgt
sei, und würde, diesmal mit einiger Zuversicht, z. 5 und 6 so er-
gänzen : in\ Tfic Tiboc TTpuTttveiac [ÖTb6r]c irpuraveucijciic
elKOCT^ ^M^pa Tfjc irpuTOveiac 0op||üiiiuvi KubaGiivaiei öc] f\xe ifiv
. 10 freilich hält Unger (Philol. XL s. 64) es für zweifelhaft, ob bei
dieser angäbe ^Thukydides den schaltmonat übergangen (was wahr-
scheinlicher) oder mitgezählt hat.' ist das vielleicht ein druck- oder
Schreibfehler? sollte nicht das eingeklammerte '(was wahrscheinlicher)'
vielmehr nach 'oder' stehen? denn ich denke, wenn Thuk. 'im sechsten
monat' sagt, so meint er fünf volle mondumläufe und einen teil des
sechsten.
606 HMüller-Strübiug: das erste jähr des peloponnesischen kriege«.
ächlosscn sein wird), dann noch in den letzten tagen derselben zwei-
ten prytanie.
Dies alles scheint mir ans der damaligen läge der dinge, wie
wir sie aus der allerdings wenig genauen darstellung bei Thukydides
kennen, mit Wahrscheinlichkeit hervorzugehen, ja ich glaube, Kirch*
hoff selbst würde bei jenem Eukrates nicht an einen collegen des
KalliaS; vielmehr an einen mitfeldherm des Archestratos gedadit
haben , wenn er nicht durch den wahrscheinlich auch von ihm ge-
billigten Böckhschen ansatz des Überfalls von Plataia auf den 4n
april genötigt gewesen wäre auch die schlacht von Poteidaia zu früh
anzusetzen, nemlich schon in den october 432. dann Hessen 'sich
freilich die von Thukydides nach der abfahrt des Archestraios er-
zählten ereignisse schwer in den Zeitraum zwischen irgend einem
tage der zweiten prytanie , selbst wenn es der erste, in diesem jähr
also etwa der 21e august gewesen wäre, und dem monat october
zusammendrängen.
Dasz übrigens der von mir vermutete inhalt der zeilen 6 und 7
unserer inschrift nicht im Widerspruch steht mit den raumverhftli-
nissen der zeilen, und dasz die zahl der auszufüllenden stellen einer
ergänzung in dem angegebenen sinne kein hindemis entgegen-
stellt, das will ich an einem beispiel nachweisen, wobei ich die von
Kirchhofif herrührenden ergänzungen als feststehend ansehe und nnr
die von mir, ich wiederhole es, beispielsweise hinzugefügten in
eckige klammem setze, also rafiiai iepujv xpim<iTUJV Tf)c 'A8r|V0cCac
napÄocav CTlpaniTiiJ ic MaKebovtav EuKpdrci [Mc-
XiT€i' KQi Euvdpxouciv PXXXXPHPPHIII inX ific Iboc, TTpu|
Tttveiac beuT^pac TTpuraveucuaic [Tpirij fifi^pqi xfic TTpuravcioc. irA
Tf\c .... (boc TTpuTttvciac l)euT|^pac TTpuraveucücTic] nap^bo[fi€v
CTpaniTiö ^c TToTeibaiav KaXXia Kai Euvdpxouciv Tfl
TcXeuTaiqi fm^pqi Tf)c TTpirraveiac und dann die gezahlte summe, wie
in der zweiten Zahlung an die feldherm nach Eorkyra n. 179. es
versteht sich von selbst, dasz die gezahlte summe eine rein imagi-
näre, willkürliche ist, die ich nur gesetzt habe, um die 14 stellen
auszufüllen (ich habe sie aus CIA. I 188 entnommen), wie ich über-
haupt ja nur die möglichkeit habe nachweisen wollen, dasz der von
mir vorausgesetzte inhalt auf dem stein habe stehen können.
Nach z. 7 bricht dann die grosze marmortafel ab. ob nun das
zweifellos zu derselben Urkunde gehörige fragment B sich unmittel-
bar an z. 8, auf der sich noch unleserliche reste von einigen bnch-
Stäben zeigen, anschlieszt, oder ob dazwischen noch 6ine odbr gar
mehrere zeilen verloren gegangen sind, das läszt sich mit Sicherheit
nicht entscheiden, mir scheint das erste das wahrscheinlichere : denn
^ ich halte den Enkrates der inschrift für den von Aristophanea in
den Rittern v. 254 verhöhnten werghändler und für identiseb mit dem
im rf)pac genannten Eukrates, dem melitischen eher der schoUaBtdn.
was Curt Wachsmuth dageg^cn eingewendet hat, das scheint mir nicht
stichhaltig, was zu begründen hier nicht der ort ist.
HMüUer-Strübing : das erstQ jähr des peloponnesiscben krieges. 609
gewis an sich auch ist (sie steht ja schon in Böckhs staatshaashal-
tung zu lesen), so sehe ich doch nicht ab, was die Schatzmeister yer-»
anlassen konnte dieselbe in ihre Urkunde aufzunehmen, zumal da sich
bei Thukydides über die Verwendung von gerade 17 schiffen keine
andeutung findet, ich meinerseits halte nun diese zahlen nach der
analogie von dem f])Li^pai Xonroi fjcav öktw'* in z. 12 auch hier für
eine Zeitangabe, und schlage vor zu ergänzen : toO dviauToO f)jidpai
XoiTrol fjcav] ^TTTttKaibcKa : ^PTT. damit gewinne ich die angäbe,
dasz die Schatzmeister für die noch restierendeif 17 tage dieses Jahres,
oder, was ja dasselbe ist, der zehnten prytanie, 17 talente gezahlt
haben, dh. den monatssold für 30 schiffe, in denen ich dann nicht
anstehe die 30 schiffe zu erkennen, die nach Thuk. II 26 die Athener
in diesem kriegsjahr aussandten Trepi Tf)V AoKpiba Kai Eußoiac äjia
q)uXaKiiv. auch hier will ich die möglichkeit zeigen (ich wiederhole
es, weiter nichts), dasz der von mir vermutete inhalt sich mit den
überlieferten resten wohl vereinigen läszt auch der stellenzahl nach :
die in z. 6 für Poteidaia an Phormion gezahlte summe nehme ich als
vierstellig an (etwa Pfy/^P oder was es sonst sei) und fahre fort:
[im Tf\c iboc TTpuiaveiac b€KäT|Tic TTpuTaveucOaic] *6XXtivo-
Ta)Liiaic im [TTuGobiJüpou fipxovTOc tQ Trepi AoKpiba CTpatiqi* toO
dviauTOÖ f])Li^pai Xonroi fjcav] ^TiTaKaibeKa: A^TT. Tauta ib6dr\
KXeoTTÖjiTriu (vielleicht CKajißuüvibrj?).
Das wäre also die letzte Zahlung unter Pythodoros, wenigstens
für diese kategorie der nach Makedonien usw. gezahlten gelder, deren
gesamtbelauf ja dann in z. 9 zusammenfassend angegeben worden
ist, wo übrigens nach ic MaKcboviav gerade wie in ^ z. 2 noch platz
genug für andere Ortsnamen geblieben sein wird.
Es folgen nun die Zahlungen einer andern kategorie; auch hier
hat Kirchhoff in z. 10 durch seine ergänzung Trepi [TTeXoTr6vvr]COV
unzweifelhaft das richtige getroffen — das ist ganz sicher, ich glaube
aber ebenso sicher zu gehen, wenn ich mit ausfüllung der 14stelligen
lücke zu anfang der zeile so schreibe: TUi avTiJj ^viauT]uj CTpariqi
Trj Trepi TTeXoTTÖwricov . in z. 1 1 stoszen wir dann nach einer
lücke von zusammen 58 stellen unzweifelhaft auf das demotikon
eines der athenischen Strategen, die in diesem sommer zur Ver-
heerung der küsten des Peloponnes ausgesandt wurden. Thuk. nennt
c. 23 die Strategen der dazu verwendeten 100 schiffe: Earkinos
Xenotimos söhn, Proteas söhn des Epikles und Sokrates des Anti-
genes söhn, die namen der beiden ersten finden wir in unserer Ur-
kunde wieder, und so glaubt Eirchhoff auch in dem Strategen aus
Halai in z. 11 und 19 den dritten der von Thuk. genannten, den
*^ ich halte Kirchhoffs ergauzung in z. 12 i^^]^pai Xoiirol ficav öktU)
trotz des beigesetzten fragezeichens für ganz sicher, obgleich ich keine
stelle für den gebrauch von Xoiiröc als adjectiv zweier endungen bei-
zubringen weisz. es gibt ja viele dergleichen adjectiva, für die auch
bei guten Schriftstellern der gebrauch in dieser hinsieht schwankt, oder
rührt das Xciiroi statt Xciirai in z. 12 einfach von einem versehen des
Steinmetzen her?
Jnhrb&cher fßr clftss. philol. 1883 hfl. 9. 40
610 UMüUer-Strübing: das erste jähr des peloponnesischeD krieges.
SokrateS; wiederzuerkennen, aber meiner meinung nach mit unrecht,
man hat bisher allgemein geglaubt, wie in Proteas, so auch in So-
krates einen der mitfeldherrn des Porikles aus dem samischen kriege
erkennen zu müssen, und hat das nicht in der that die gröste Wahr-
scheinlichkeit für sich? dieser letztere war aber nicht 'AXaieuc*
sondern ^AvaTupdcioc. ist es nun wahrscheinlich , dasz damals un-
gefähr gleichzeitig zwei Strategen des namens Sokrates existiert
haben , und dasz Perikles nicht seinen frühem kriegsgeföhrten, son-
dern den andern uns sonst gänzlich unbekannten Sokrates gegen
den Peloponnes ausgeschickt hat? ich glaube das nicht, nehme viel-
mehr an , dasz an der spitze der flotte nicht drei sondern vier Stra-
tegen waren, und dasz Thukydides, oder vielleicht erst der librarins
des urtypus unserer hss., dem ich jede art von fahrlässigkeit zutraue,
den namen des vierten Strategen, des Halaiers , den wir aus der in-
schrift kennen lernen, weggelassen hat. und vier Strategen waren
doch sicher nicht zu viel für 100 athenische schiffe , zu denen noch
50 schiffe aus Korkyra und eine unbestimmte zahl anderer bnndes-
genossen (c. 25 KopKUpaToi . . Kai SXXoi Tiv^c tujv dKcT Eufi^dxuiv)
stoszen sollten, die doch wohl auch unter den befehl eines atheni-
schen Strategen gestellt wurden, für die Eorkjraier wenigstens mosz
das den Athenern nach den in der schlacht bei Sybota in bezug auf
ihre Seetüchtigkeit gemachten erfahrungen sehr wünschenswert er-
schienen sein, es wird also vor 'AXaiei nicht CujKpäTei einzusetzen
sein, sondern der name eines andern feldhemi; den wir freilich nicht
kennen, räch den namen der führer der crpaTid nepl n€XoTr6vvr]COV
wird dann die ihnen gezahlte summe gestanden haben und die pry-
tanie, mit der angäbe in z. 12 toO iviauToO] fifi^pai Xomol ficotv
6ktu). in z. 13 folgen dann verstümmelte namen pqi 'iKapiei,
<t>iXo£^viii oder ct>iXoHev(br) , von denen Kirchhoff sagt, sie lieszen
sich nicht identificieren ; ich dächte doch : wenigstens der erste mit
Sicherheit aus CIA. I 247, der tributliste des 23n Jahres, die die
Überschrift trägt: ^TTi rfic Tpitnc Ktti cIkocttic dpxfjc, fj [6u]^0X<ip^C
Muppivoiicioc ifpa^ixäif.ve, 'GXXTivoTajiiiac fjv [OijXlraipoc
[IJKapieuc. diese 23e äpxil ist aber die unseres Jahres ol. 87, 1,
und dieser Philetairos ist also der obmann der Hellcnotamien unter
dem archon Pythodoros, der hier am abschlusz der unter diesem
archontat geleisteten Zahlungen noch einmal, zum erstenmal nament-
lich, genannt wird, mit wenigstens einem seiner collcgen Philoxenos
oder Phiioxenides nach einer lücke von etwa 60 stellen
stoszen wir dann wieder auf den dativ eines namens mit seinem
demotikon, Xapia AaibaXibi); den Kirchhoff nicht zu idcntificioren
weisz und ich ebensowenig, sollte dies noch der name eines der
collcgen des Hellenotamias Philetairos 'kapieuc sein ? mit andern
Worten: sollte der Schreiber der Urkunde sich den luxus erlaubt
haben, jeden der noch übrigen acht Hellcnotamien unter Pythodoros
mit seinem namen und seinem demotikon aufzuführen? ich glaube
das nicht : er wird sich begnügt haben, wie wir das auch sonst in den
HMüUer-StrÜbing : das erste jähr des peloponnesiscben krieges. 609
gewis an sich auch ist (sie steht ja schon in Böckhs staatsbaashal-
tung zu lesen), so sehe ich doch nicht ab, was die Schatzmeister ver^
anlassen konnte dieselbe in ihre Urkunde aufzunehmen, zumal da sich
bei Thukjdides Über die Verwendung von gerade 17 schiffen keine
Andeutung findet, ich meinerseits halte nun diese zahlen nach der
analogie von dem fj^idpai XoiTrol i^cav öktu» *^ in z. 12 auch hier für
eine Zeitangabe, und schlage vor zu ergänzen : toO dviauToG fifidpat
XotTTol j^cav] ^TrTaKai&€Ka : ^PTT. damit gewinne ich die angäbe,
dasz die Schatzmeister für die noch restierenden 17 tage dieses Jahres,
oder, was ja dasselbe ist, der zehnten prytanie, 17 talente gezahlt
haben, dh. den monatssold für 30 schiffe, in denen ich dann nicht
anstehe die 30 schiffe zu erkennen, die nach Thuk. II 26 die Athener
in diesem kriegsjahr aussandten iT€pl Tf\\ AoKpiba Kai Eößoiac &\xa
(puXaKTiv. auch hier will ich die möglichkeit zeigen (ich wiederhole
es, weiter nichts), dasz der von mir vermutete inbaJt sich mit den
überlieferten resten wohl vereinigen Iftszt auch der stellenzahl nach :
die in z. 6 für Poteidaia an Phormion gezahlte summe nehme ich als
vierstellig an (etwa P^^P oder was es sonst sei) und fahre fort:
[im Tf|c (boc TipuTavciac b€K(iT|iic TrpuTaveuoöciic] '6XXiivo-
TQ^iaic iixX [TTuGobuipou fipxovTOc rfji rrepi AoKp(ba CTpaiiqi' toO
^viauToO f|)Li^pai Xomoi fjcav] diTTaKaibeKa : i^PTT. laOra ib6Qr\
KXeoiröjiirijj (vielleicht CKajißuüvibij?).
Das wäre also die letzte Zahlung unter Pjthodoros, wenigstens
für diese kalegorie der nach Makedonien usw. gezahlten gelder, deren
gesamtbelauf ja dann in z. 9 zusammenfassend angegeben worden
ist, wo übrigens nach ic MaKCboviav gerade wie in ^ z. 2 noch platz
genug für andere Ortsnamen geblieben sein wird.
Es folgen nun die Zahlungen einer andern kategorie; auch hier
hat Kirchhoff in z. 10 durch seine ergänzung rrepl [TTeXoTrövvilcov
unzweifelhaft das richtige getroffen — das ist ganz sicher, ich glaube
aber ebenso sicher zu gehen, wenn ich mit ausfüllung der Hstelligen
lücke zu anfang der zeile so schreibe: Ti^ auTUJ dviauTJip cxpaTiqi
ifji TTCpi TTeXoTTÖvvTiCGV . in z. 11 stoszen wir dann nach einer
lücke von zusammen 58 stellen unzweifelhaft auf das demotikon
eines der athenischen Strategen, die in diesem sommer zur Ver-
heerung der küsten des Peloponnes ausgesandt wurden. Thuk. nennt
c. 23 die Strategen der dazu verwendeten 100 schiffe: Earkinos
Xenotimos söhn, Proteas söhn des Epikles und Sokrates des Anti-
genes söhn, die namen der beiden ersten finden wir in unserer Ur-
kunde wieder, und so glaubt Earchhoff auch in dem Strategen aus
Halai in z. 11 und 19 den dritten der von Thuk. genannten, den
>* ich halte Kirchboffs ergäuzung in z. 12 i^^]^pai Xoiirol ficav öktU)
trotz des beigesetzten fragezeichens für ganz sicher, obgleich ich keine
stelle für den gebraach von Xoiiröc als adjectiv zweier endnngen bei-
BubriDgen weiss, es gibt ja viele dergleichen adjectiva, für die auch
bei guten Schriftstellern der eebraach in dieser hinsieht schwankt, oder
rührt das Xomoi statt Xoiiral in z. 12 einfach von einem versehen des
Steinmetzen her?
Jahrbflcher th'r cIass. philol. 1883 hfl. 9. 40
612 KSchwering: zu Horatius [epist, II 2, 44] .
stimmt): da Thukydides die Sonnenfinsternis erwähnt, nachdem er
schon berichtet hat, die Lakedaimonier hätten das land verheert and
dann, nachdem die Athener eine flotte unter Earkinos usw. rrepl
TTeXoTTÖwiicov ausgeschickt hatten, Attika verlassen, so musz der
abzug und natürlich auch die absendung der athenischen flotte vor
der Sonnenfinsternis erfolgt sein, dasz dies unrichtig ist , steht jetzt
urkundlich fest, da ja mehrere tage nach dem 3n august (denn z. 17
ist natürlich ebenfalls zu ergänzen im t^c *lTrTro6uJv]Tiboc itpu-
Tttveiac [Trpü&TTic -rrpuTaveucucTic]) geld für die ausrüstung der flotte
gezahlt ist. die Peloponnesier standen damals ganz sicher noch rahig
auf dem Isthmos.
(fortsetzung folgt im nächsten hefte.)
London. Hermann Müller- Strübino.
90.
ZU HORATIUS.
epist. II 2, 43 adiecere honae paulo plus artis Aihenae,
scüicet ut possem curvo dignoscere rectum
atqu^ inter Silvas Äcademi guaerere verum.
in seinen ebenso gründlichen wie geistreich geschriebenen 'Vorlesun-
gen über geschieh te der mathematik' (Leipzig 1880) erzählt Cantor
s. 184 von Piatons lehrmethode folgendes: Vie nun die Pythagoreer
mathematik als den ersten gegenständ eines wirklich Wissenschaft-
lieben Unterrichts betrachteten, wie die Ägypter ihre kinder zu-
gleich mit den buchstaben in den anfangsgrüuden der lehre von den
zahlen, von den auszumessenden räumen und von dem umlaufe der
gostirne unterrichteten, so wollte auch Piaton verfahren haben.
«kein unkundiger der geometrie trete unter mein dach» ^1]b€lc
dTeuj|i^TpriTOC eiciTUü )liou Ti\y CT^imv, war die ankündigung mit
welcher der angehende Akademiker empfangen wurde, und Xeno-
krates, der nächst Spcusippos als zweiter nachfolger Piatons die
Akademie leitete^ blieb ganz in den fuszätapfen seines lehrers,
wcrn er einen Jüngling, der die verlangten geometrischen vorkennt-
ni»de noch nicht besasz, mit den worten zurückwies: «geh, du hast
die handhaben noch nicht zur philosophie», TTopeOou* Xaßotc T^^P
OUK €X€ic (piXococpiac' der leser wolle nun noch die 4e definition
des Eukleides ins äuge fassen, sie lautet: euOeia TPOMMH ^CTiv, i^Ttc
eH icou ToTc ^cp' dauTfjc crifieioic Keirai. und nun erlaube ich mir
die ob'ge stelle des Horatius ihrem sinne nach folgendermassen
wiederzugeben, diese erklärung dem urteil der fachmänner hiermit
zu unterbreiten und um gütige belehrung zu bitten: 'das liebe Athen
vervollständigte meine bildung; ich machte den erforderlichen pro*
piidüutischen cursus in <k'r mathematik durch und beftibZ mich als-
dunu der Platonischen philosophie.'
Coesfeld. Karl Sohwerino.
FHultsch: zu Horatius [qtist. II 2, 44]. 613
Der vorstehende; von einem mathematischen coUegen einge-
sandte erklärungsversuch ist mir von freund Fleckeisen vorgelegt
worden, damit ich über die Wortbedeutung der in v. 44 von Horatius
gebrauchten ausdrücke mit rücksiebt auf den Sprachgebrauch der
griechischen mathematiker mich äuszere. ich komme dieser auffor-
derung gern nach, so weit es in kürze möglich ist; möchte aber
gleich von vom herein bemerken, dasz ich nur auf die formelle seite
der frage eingehe, die materielle entscheidung aber, auszer mit eini-
gen schluszworten , nicht berühre.
Wenn Hör. mit den worten ut possem curvo dignoscere rectum
einen propädeutischen lehrcursus in der {uathematik bezeichnet haben
soll, an welchen dann die eigentliche akademische lehre sich ange-
schlossen habe, so fragt es sich zunächst, ob die blosze gegenüber-
stellung der begriffe 'gekrümmt' und 'gerade' so bedeutungsvoll
ist, dasz damit die ganze geometrie der Akademiker bezeichnet wer-
den könne.
Dabei schiebt sich sogleich die andere frage ein, ob die geo-
metrie Piatons als des begründers der Akademie, oder diejenige der
jungem Akademie, wie sie zu Hör. zeiten bestand, gemeint sei.
nehmen wir an — was wohl nicht zu bezweifeln ist — dasz die
jüngere Akademie in ihren mathematischen cursus im wesentlichen
alle die fortschritte aufgenommen habe, welche diese disciplin seit
Piaton gemacht hatte, so wird es um so leichter sein darzustellen,
welches umfängliche gebiet mathematischer sätze Hör. möglicher-
weise durch das 6ine wort eurvu/m bezeichnet habe, aber auch wenn
die frage so gestellt würde, ob eine haupteinteilung aller geometrie
nach dem unterschiede der geraden und der krummen linie schon
im sinne Piatons gelegen haben könne, so würde ebenfalls eine be-
jahende antwort mit groszer Wahrscheinlichkeit sich ergeben, nur
dasz die theorie der curven zu Piatons zeit erst in ihren anfangen
stand.
Wir beschränken uns hier auf die zuerst angedeutete formu-
lierung der frage: können die werte des Hör. curvo dignoscere rectum
bezogen werden auf einen propädeutischen cursus in der griechischen
geometrie, so weit sie zu des dichters zeiten sich entwickelt hatte?
in den elementen des Eukleides würde man vergeblich nach einer
antwort suchen, dort wird , wie bereits vom verf. der obigen mis-
Celle bemerkt ist, zwar die euOeia definiert; nirgends aber erscheint
die KafiTTÜXr] Tpafi^rj, entsprechend dem curvum des Hör., als gegen-
satz der geraden linie. die einfachste cur\re, die kreislinie, wird
gleich zu anfang des ersten buches (def. 15) erklärt, aber ohne dasz
dabei ein gegensatz gegen die gerade angedeutet und etwa nach
einem solchen unterschied eine einteilung der lehrsätze durchgeführt
wäre, und ebenso finden wir in dem ganzen werke des Eukleides
von allen curven nur die kreislinie berücksichtigt, und zwar nach
bedarf überall zunächst den Sätzen , welche lediglich auf der theorie
der geraden linie beruhen; ja man könnte es als ein besonderes
614 FHultsch: zu Horatiue [episL II 2, 44].
merkmal und gewis auch als einen hauptvorzug der elemente be-
zeichnen, dasz zu nutzen und frommen der anf&nger die flächen und
körper, welche ganz oder teilweise auf der kreislinie beruhen,
Überall den sStzen über geradlinige flächen und körper möglichst
angenähert und nach leicht erkenntlichen analogien zusammengefaezt
worden sind.
Ein ganz anderes bild aber tritt uns entgegen , wenn wir die
griechische geometrie in ihrer vollen entwicklung beixachten. schon
Piatons Untersuchungen giengen weit über den gesichtkreis hitifMig^
auf welchen die elemente des Eukleides sich beschränken , und wei-
tere bedeutsame entdeckungen fügte jeder der folgenden groszen
mathematikcr hinzu, deren namen wir als bekannt voraussetzen dür-
fen, im sinne dieser hohem geometrie ist die Unterscheidung der
geraden und der curve von vom herein wesentlich , wie die über-
sichtliche darstellung in den Heronischen definitionen zeigt.' be-
merkenswert ist auch die darstellung der lehre der ^alten geometer*
bei Pappos. "*- hier werden drei classen von problemen unterschieden,
und zwar beschränkt sich die erste classe , die der dniTieba irpoßX/j-
fiQTa, etwa auf den umkreis der Eukleidischen elemente, während
die zweite und dritte classe, welche die CT€p€d und TP<XMM^Kä Tipo-
ßXrjjiaTa umfaszt, die kenntnis der kegelschnitto und anderer carven
voraussetzt, was also von Pappos hier und an andern stellen ' schlecht-
hin als die alte mathematische disciplin bezeichnet wird , das dürfen
wir wohl mit recht für Hör. Zeitalter als bestehend voraussetzen und
gelangen somit zu dem Schlüsse, dasz die worte des dichtcrs curvo
dignoscere rectum , wenn man sie auf den Unterricht in der mathe-
matik beziehen will , eine dem thatbestande nicht zuwiderlaufende
erklärung finden.
Doch ist ein bedenken nicht zu unterdrücken, welches uns zu-
nächst schon vom rein formalen Standpunkt aus entgegentritt, für
die mathematische Wissenschaft ist das rectum das allerelementarste,
(las ciirviim das höhere ; für den dichter hingegen idt das rectum das
hauptsächliche, welches ausgeschieden w^-den soll aus dem gebiete
des curvum und doch wohl auch dem letztem vorgezogen werden
soll, hat also Hör. mit jenen werten seine einstigen mathematischen
Studien angedeutet, so hat er es in einer ganz besondem weise gB-
than: denn das curvum ^ welches der mathematikcr sehr hoch stellt,
besteht bei dem dichter nicht gegenüber dem rectum, genug , wir
gelangen wohl auch auf diesem woge dazu , die worte des dichters
schlieszlich doch im ethischen sinne aufzufassen.
' Ileronis geom. et stereom. def. 4—8. * c\)y<rf. 3, 20 f. 6. 64—66
moiner Aus^nhe, wo die f^ewährsmKnner dieser lehr« als uaXaioC (8.64,7)
oder uaXaiol T^tu^^Tpai (s. 54, 23) bezeichnet werden. ' cuvOT* 4^
67-59. 7. 22; vgl. auch 5, 72.
Dkesden. Friedrich Hultbgb.
FSusemihl: die textüberlieferung der Nikomachischen ethik. 615
91.
DIE TEXTÜBERLIEFERUNG
DER NIKOMACHISCHEN ETHIK.
Die bemerkungen von A B a s s e ^zur textkritik der Nikomachi-
schen ethik' im Hermes XVIII s. 137 — 147 enthalten manches teils
gute teils wenigstens beachtenswerte; aber der einleitenden allge-
meinen erörterung^ welche er ihnen za gründe legt, läszt sich ein
gleiches nicht nachrühmen.
Busse meint, der von Rassow und mir eingeschlagene weg bald
M^ mit K^ und 0^ mit L^ bald 0^ mit K^ und M^ mit L^ zu
^iner familie zu verbinden habe zu keinem resultate geführt, was
soll das eigentlich heiszen? sollten wir etwa die thatsache, dasz im
In, 2n, 6n, 7n, 9n und lOn buch an 45, 31, 66, 86, 72 und 48 stellen
M ^ mit K ^ und 0 ^ mit L ** meistens ganz , seltener wenigstens an-
nähernd übereinstimmt und dagegen im 3n und 4n an 77 und 84
0^ mit K** und M^ mit L^, lieber ganz verschweigen? so etwas
aber nennt man eben eine familienzusammengehörigkeit. oder weisz
Busse ein anderes kennzeichen einer solchen?
'Busse fährt fort: Vir werden vielmehr, um diese Übereinstim-
mung zu erklären, annehmen müssen, dasz die vorlagen der jungem
hss. M ^ 0 ^ einen ähnlichen Charakter zeigten wie K ^ selbst, dh. von
zwei, ja drei bänden aus verschiedenen quellen corrigieri^^aren, und
dasz die Schreiber nach ihrem gutdünken die correcturen bald auf-
nahmen, bald verwarfen.' fast möchte man glauben, er habe Rassows
'forschungen über die Nik. ethik' gar nicht selbst in bänden gehabt,
wenn er hiermit etwas neues zu sagen glaubt: denn dort steht s. 7
schon genau dasselbe: ^von dieser allmählich fortschreitenden Ver-
mischung der hss.-familien gibt die hs. K^, in der sich vier bände
mit Sicherheit unterscheiden lassen, die klarste anschauung. fast
überall nemlich sind die correcturen späterer hand die lesarten der
andern uns erhaltenen Codices, so dasz aller Wahrscheinlichkeit nach
eine abschrift von K^ den eigentümlichen Charakter dieser hs. völlig
verwischt haben würde.' allein auf diese weise läszt sich, wie eben
Rassow eingesehen hat, doch nur erklären, was M ^ und 0 ^ mit den
übrigen Jüngern hss. gemeinsam ist, die Verwischung des ursprüng-
lichen familientjpus, nicht aber, was sie von diesen unterscheidet
und ihnen ihren eigentümlichen wert gibt, dasz kein anderer codex,
abgesehen von den beiden Zwillingen P ^ und C ^, auch nur annähernd
so oft mit K^ oder L** zusammentrifft, in allen andern also jene Ver-
wischung ungleich weiter gediehen ist. und daraus eben entspringt
denn der grosze vorteil, dasz wir durch die Unterstützung dieser bei-
den Jüngern hss. gröszere Sicherheit gewinnen, in K^ und L^ die
gemeinsame Überlieferung je der einen und der andern familie (TT^
und TT^ wie ich sie genannt habe) zu finden, während da, wo K^
oder L^ allein steht, wir in sehr vielen fällen nicht entscheiden
616 FSusemihl: die textüberlieferung der Nikomachischen ethik.
können, ob wir nicht eine blosze unberechtigte eigen tümlichkeit von
dieser oder jener der beiden haupt-hss. vor uns haben, gesteht doch
Busse selbst, dasz 'in folge der nachlässigkeit des Schreibers K**
stets mit groszer reserve behandelt werden musz'. und hoffentlich
wird er doch auch nicht bestreiten wollen , dasz auch schon die vor-
läge von K^ ihre eigentümlichen fehler hatte, von denen die origi-
nale der andern hss. frei geblieben sind, dasz ferner an einigen stellen
unter allen diesen vier hss. 0 ^ allein das richtige erhalten hat und
M ^ ungefähr ebenso oft wie L ^, freilich nicht selten, aber doch keines-
wegs immer durch blosze glückliche conjectur. dasz K** bei weitem
obenan steht unter den textquellen , dasz in verhältnismäszig sehr
zahlreichen föllen nach diesem codex allein die lesart zu gestalten
ist , leugnet ja heute niemand , und ich will gern glauben dasz es
noch etwas öfter geschehen musz, als es in meiner ausgäbe geschehen
ist. so verlangt Busse mit recht I 9, 1098 ^ 30 die herstellung von
cuvopöc, zumal da wir jetzt durch Stewart* eine neue Variante
cuvoböc kennen gelernt haben, welche sich in der Oxforder hs. Z
und der schon aus dem 13n jh. stammenden und entschieden zur
K^'-familie (TT') gehörenden Cambridger C^ (wahrscheinlich also
auch in deren zwillingsschwester P^) findet und genau zwischen
cuvopöc und der vulgate cuvifiböc in der mitte steht, aber überall
da, wo K ^ allein eine abweichende, an sich mögliche lesart hat, diese
in den text setzen zu wollen würde ein höchst verfehltes beginnen
sein, vor einer solchen Überschätzung sollte, wie Bassow s. 9 sehr
richtig sagt, die Cardwellsche ausgäbe warnen, die freilich nicht
hieran allein , sondern auch an der mangelhaften konntnis der les-
arten in K^ von erster band gescheitert ist, und bezeichnend er-
scheint es, dasz AThHFritzsche , welcher in seiner ausgäbe des 8n
und 9n bucbs dies verfahren eingeschlagen hatte, in der der Ende-
mischen ethik bei den drei gemeinsamen büchern es vollständig wie-
der aufgegeben hat. ich darf ferner wohl an den schmählichen Schiff-
bruch erinnern, welchen jüngst das gleiche verfahren in der physik
mit dem mindestens ebenso vortrefflichen codex E erlitten hat',
und selbst in bezug auf die rhetorik beginnt man einzusehen, dasz
LSpengcl in der ausschlieszlichkeit , mit welcher er den text mög-
lichst nur auf die erste band des noch viel vortrefflicheren A*
gründet, entschieden zu weit gegangen ist.^ nur in den wenigen
fällen, wo, wie in der poetik, die älteste hs. zugleich die quelle aller
übrigen ist, erscheint natürlich diese weise der textgestaltong als
* 'thü english manascripts of the Nicoinachean etliics' in anecdota
Oxoniensia, classical series I (Oxford 1882) 8. 19. ' a. Dielt ^sor
text^eschichto der Aristotelischen physik' in abh. der Berl. akad. 1882
8. 1 tV. Shutü 'on PrantPs recension of the Aristotelian physics' in
transactions of the Oxford philological society 1879/BO 8. 29 — 81.
'Aristotle's physics book VIIP in anecd. Oxou. class. ser. I 8. 1&6 ff.
^ 8. die treffliche dissertation von Dittmeyer 'qoae ratio inter vetus-
tam Aristotelis rhetoricorum translationem et graecos Codices intercedat*
(München 188d).
FSusemihl: die textüberlieferung der Nikomachischen ethik. 617
die richtige ; im übrigen Iftszt sich über einen vorsichtigen eklekti-
cismus nirgends hinauskommen und folglich wohl oder Übel zu einer
gesicherten Übereinstimmung vielfach nicht gelangen, vielmehr wird
eine Verschiedenheit der ansichten in nicht wenigen Tillen als be-
rechtigt anzuerkennen sein.
Wie behutsam man mit dem gebrauche von E ^ sein musz, zeigt
recht einleuchtend gerade eine von denjenigen stellen, welche Busse
zur besondem verherlichung dieses codex benutzt hat, Y 8, 1133^ 9.
hier h&tte billigerweise schon die unzweifelhafte Verstümmelung von
bibövrec in bövrec zu einigem mistrauen auch gegen die andern ab-
weichenden lesarten dieser hs., die weglassung von Tic und den
genitiv ^Sa^UiT^c , anhalten sollen , und da Busse aus meiner aus-
gäbe sah, dasz mir die textherstellungsversuche, welche er billigt,
wohl bekannt waren, und dasz vor mir schon Jackson den accusativ
ISaTUJTilv zurückgeführt hatte, so muste er sich sagen, dasz ich wohl
meine gründe gehabt haben werde nicht jenen versuchen, wohl aber
Jackson zu folgen, und dasz diese gründe wohl möchten in Jacksons
ausgäbe zu finden sein, und wenn er dann, was er nicht gethan hat,
die letztere zur band genommen hätte, so würde er nicht vergeblich
gesucht und , wenn er trotzdem bei seiner meinung geblieben/ wäre,
sich wenigstens etwas correcter und vorsichtiger ausgedrückt haben,
leider habe allerdings auch ich einen fehler begangen, indem ich
durch ein fiüchtigkeitsversehen das komma hinter oTvou zu tilgen
vergessen habe, sobald man nemlich unter vornähme dieser inter-
punctionsänderung zu uJCTrep öiav oö ix^i auTÖc b^ritai Tic aus
dem unmittelbar vorhergehenden nur nicht ouk dXXäTTOVTai , son-
dern (wofür sich Jackson mit recht einfach auf den 'index Aristo-
telicus' beruft) blosz dXXdTTOVTai ergänzt, fällt sofort die änderung
^0UK> fX^*» öS wird Tic unentbehrlich , und der ausdruck Öa^UiT^v
bibövai gewinnt seine richtige und von Jackson wie von Busse rich-
tig angegebene bedeutung. >höchstens könnte sich nur noch fragen,
ob man nicht mit Eoraes bibövTOC , wie auch Busse will , zu schrei-
ben habe, denn mit recht bemerkt Jackson : 'in the present instance
the construction is all the harsher because blböVTCC belongs gram-
matically to both the parties concerned, whereas in sense it refers
only to one of them.* indessen auch durch bibövTOC würde der voll
entsprechende ausdruck des gedankens noch immer nicht hergestellt
sein , sondern dieser würde verlangen : ÖTttv oö ixex aÖTÖc b^TiTai
Tic <(Kai b^TiTtti auTÖc oö f X€i oÖTOC>, oTov <ToO jifev> o!vou biböv-
TOC ciTOU, <T0Ö b€ ciTOU oivou> dHttTUJTilv , und gerade um dies
Wechselverhältnis anzudeuten , mag vielmehr der nach anderer rich-
tung hin nicht ganz correcte plural gebraucht sein, vielleicht hat
auch Aristoteles die störende häufung der drei verschiedenartigen
genitive absichtlich vermieden, denen man dann freilich um so weni-
ger noch dHaTUiTflc als vierten hinzufügen dürfte, oivou bibövTOC
ciTOu ^SaiTUüfilv könnte doch ungezwungen kaum anders als zu dem
Widersinn construiert werden : 'indem der wein das ausfuhrrecht des
618 FSusemihl: die textüberlieferung der Nikomachischen ethik.
getreides gibt', und so erscheint es ratsam auch hier einfach bei der
Überlieferung stehen zu bleiben, man könnt§>ogar auch das komma
hinter oTvou lassen, indem man aus dem so von b^i^Tai abhängenden
oivou zu blbövtec noch einmal wieder otvou oder ävx' oTvou er-
gänzte; aber dagegen würde sprechen, was Jackson überhaupt
gegen Bekkers text und die lesart dHcrfuJT^c bemerkt : ^Bekker reads
^EaTUJTflc with (pr.) K^, and places a comma after olvou. we must
tben construe : whereas when B wants what A has, wine for example,
they exchange; that is, A gives it to hijn in return for the privilege
of exporting corn. but 1) the Separation of the words olov oTvou
from blbövtec ktX., which this reading involved, is surely an nnne-
cessary complication of a sentence already harsh enough; and 2) I
conceive that the weight, as well as the bulk, of the MS. authoritj
is against dHaTUJTflc.' der sinn ist also : *wenn sie einander nicht
bedürfen , weder wechselseitig noch der eine teil des andern , dann
treten sie nicht in austausch, wie sie es thun, wenn der eine teil das
hat, was der andere bedarf, wie wenn zb. für weineinfuhr das recht
der getreideausfuhr gewährt wird/
Nicht besser st«ht es mit einer zweiten stelle IX 11, 1171 * 28 f.,
wo di« worte Kttl £v raic eÖTUxiatc nur in E** fehlen, hier hat Bosse
wiederum die begründung Rassows (s. 67 f.), weshalb sie nicht fehlen
dürfen, entweder nicht angesehen oder nicht erwogen, denn nur
dem ersten von Rassows gründen, Kai vor £v TaTc bucruxiottc
hönno hier nicht 'auch' heiszen, tritt seine interpunctions&nderung
(punctum vor diesem xai) entgegen; der zweite, dasz die art, wie
1171 ^ 12 auf die besprechung der Trapouda der freunde im glück
übergegangen wird , jene worte voraussetze , bleibt in voller kraft.
Ar. fragt; ob man der freunde mehr im glück oder im unglttck bedarf,
1171^ 21 — 24, und beantwortet dies dahin, dasz im Unglück die
freunde für die notdurft erforderlicher sind, im glück für dienoblesse,
24 — 26. dann folgt die begründung, die mit dem in rede stehenden
allgemeinen satze 26 — 28 f CTiv TÖip Kai f| TrapoucCa aÖTf| Tifiv 9iXuJV
f]beTa Kai dv taic euTuxCaic Kai iv rate bucTuxiaic anhebt, an den
sieb dann chiastisch die specielle ausftthrung zunächst in bezug auf
die gegen wart der freunde im unglück, 28 — ^ 12, dann im glück,
** 12 — 14, anschlieszt. folglich sind die worte Kai dv raic €UTUXlaiC
unentbehrlich, und Rassow hat ganz recht: ständen sie in keinem
einzigen codex, so müste man sie durch conjectur hinzufügen, leider
habe ich selbst diese gedankenreihe durch verkehrte interpnnction
verdunkelt, hinter buCTUXtaic ist ein punctum zu setzen und ^ 35 ff.
so zu gliedern : auTÖ jLifev TÖip • • XuneTcBai (irapajiuOiTnKdv Top • •
XuTieiTai) • TÖ bk XuTToOjicvov . . Xuirrjpöv, rräc fäp usw.
Hiernach nehme ich denn auch entschieden anstand Vlll 7,
1158* 29 die conjectur von Busse fiXXoi T«P auToTc elciv <§> XP'h
cijioi Kai ^repoi <[fj^ fibeic oder auch die unveränderte aufnähme der
lesart von pr. K ^ dXXoi TQp auToTc eiciv €i xp^cifioi Kai Irepoi f|b€Tc zu
billigen, an letztere glaubt offenbar Busse selber nicht recht, erster«
FSusemihl: die textüberlieferung der Nikomachischen ethik. 619
würde allerdings einen passenden gedanken passend ausdrücken, aber
warum Ar. nicht ebenso gut sagen konnte : ^die machthaber machen
von einem teil ihrer freunde einen andern gebrauch als von dem an-
dern : die einen sind ihnen nützlich und die andern angenehm' (oder
mit andern worten 'die einen dienen ihnen zum nutzen, die andern
zur Unterhaltung'); vermag ich nicht einzusehen, im gegenteil mir
scheint dieser gedankenzusammenhang sogar der correctere.
VI 7, 1141<^ 26 will Busse durch änderung der lesarten von
E^ (priciv und ^TTiTp^ipei in (padv und ^rriTp^ipai das ursprüngliche
herstellen, das kann richtig sein , aber auf der andern seite erregt
das fehlen von &v hinter q)aT6V in den übrigen hss. keinerlei be-
denken, denn kein irrtum ist h&uliger als dieser in den Codices des
Ar., und ImTpeipeiev statt dTriTp^ipeiav kann ebenso gut ein leichtes
abschreiberversehen sein wie diriTp^ipeiav , was Übrigens auszer M^
auch P* hat, eine correctur von ^iriTp^ipeiev , und mir wenigstens
liegt der gedanke näher, dasz ^TTirp^ipei eine der in K^ nicht so
ganz seltenen Verstümmelungen ist , als dasz ^TTlTpeipai erst in ^m-
Tp^ipei , dann ^TTiTp^ipei in ^TriTpdip€i€V verderbt und endlich dm-
xpdipeiev in imTp^ipeiav corrigiert worden wäre, man darf, wie
schon bemerkt, den wert von M^ auch nicht unterschätzen.
VI 13, 1144* 6 schreibt Busse Tüi fx^cGai ttoicT kqI dvepTciqi
cubaifioviav statt tuj . . Kai tiu dvepTeiv eäbaljiiova. denn er meint,
der sinn sei , die Weisheit mache glückselig durch ihren bloszen be-
sitz, das ist aber ein irrtum : dies gilt nach Ar. von keiner tugend
und folglich auch nicht von der Weisheit, denn die glückseligkeit ist
eben überhaupt dvdpT€ia KttT* dpetriv. es steht ja nicht der
Widersinn da, die Weisheit brauche überhaupt nicht thätig ausgeübt
zu werden, sondern sei schon als solche thätig, sondern es steht
nur da, sie sei nicht in d6r weise thätig, wie die die gesundheit her-
vorbringende heilkunst, sondern wie die gesundheit selbst, der ver-
gleich darf nur eben über dies tertium comparationis , dasz sowohl
die bethätigung der Weisheit als die der gesundheit lediglich selbst-
bethätigung und Selbstzweck und nicht mittel zu einem andern
zweck sei , nicht ausgedehnt werden, denn freilich bei der gesund-
heit läszt sich die thätigkeit vom besitz nicht scheiden, während der
weise zb. im schlafe, aber auch überhaupt, wenn er anders als meta-
physisch denkend thätig ist, die Weisheit nur besitzt, aber nicht aus-
übt, eben darum , damit dieser unterschied nicht übersehen werde,
ist Kai TÜJ £v€pY€iv hinzugefügt, correct ist eine solche redeweise
nicht, aber auch nicht auffallender als vieles andere bei Ar. ob man
Tijj mit K ^ und 0 ^, die hier nicht zu derselben familie gehören, weg-
lassen oder mit den andern quellen (auch Z C ^) setzen will, ist dabei
nur ein punkt von untergeordneter bedeutung, obwohl gerade nach
dem eben bemerkten sich letzteres ungleich mehr empfiehlt; aber
£v€pT€i in 0 ^ statt £v€pT€iv ist nur einer der Schreibfehler von der
allerhäufigsten art, und dv€pY€ia in E^ statt £vepT€iv ist nament-
lich beim zurückgehen auf die majuskel überaus begreiflich, umge-
620 FSusemihl: die textüberlieferung der Nikomachischen ethik.
kehrt bieten zwar TT* (L'^O*») eubaifioviav , aber da TM**?' Aid.
eubaiuova, Aret. eubaifiovac, 0^ töv eubaifiova und K^ €Öbal^ov(a
geben , so liegt die annähme am nächsten , dasz eöbaijLiova das ur-
sprüngliche, eubaijLiovia die erste und eubaijLioviav die zweite stufe
der Verderbnis ist, und so zeigt sich hier wiederum, dasz auch die
Jüngern bss. und die Aldina einen unverSchtlichen beitrag zur her-
stellung des textes liefern.*
Dagegen ist Busse völlig im recht, wenn er zur entwirrung der
arg verwirrten stelle IV 8, 1124^ 29 f. auf die lesart von pr. K**
KaTaqppovT]TiKoO T^p. TrappiiciacTiKOö Tcip. biö nappiiciacTiKÖc bk
bia TÖ KaiaqppoviiTiKÖc elvai Kai dXiiGeuTiKÖc, TrXf|v usw. zurück-
gebt, ob es aber nötig ist, wie er will, die ersten worte bis blö ein-
scblieszlich ganz zu tilgen und nun bk in xdp zu verwandeln, oder ob
es nicht genügt mit geringer gleichzeitiger hinzuziehung anderer hss.
blosz TTappr]ciacTiKoC Totp. biö zu streichen und KaTa9poviiTiKÖc
Ydp, 7TappT]ciacTiKÖc bi biet tö KatacppoviiTiKÖc elvai, kqI dXiiOeu-
TiKÖc , TrXf)V usw. zu schreiben , wie mein schüler PBusch ^de Posi-
donio Lucreti Cari auctore' (Greifswald 1882) s. 58 vorschlSgt, ist
eine andere frage.
Für durchaus gelungen halte ich femer die Umstellung von
V 10, 1135^ 27 €ti — 28 biKtticu hinter 29 dcnv, die aufforderung
II 8, 1108'' 27 den überlieferten Superlativ TiXetcTT] unangetastet za
lassen, und auch wohl V 3, 1129 ^ 31 f. die tilgung von ön . . TcXcia
b' dcTiv. nur möchte ich freilich daraus, dasz der paraphrast die
worte TeXeia b^ Ictiv nicht wiedergibt, noch nicht im mindesten
mit Busse den schlusz ziehen, dasz er sie auch in seinem codex nicht
gefunden habe.
Übrigens vermindert sich die zahl der stellen, an welchen E^
allein das richtige erhalten hat, etwa um ein dutzend, an welchen er
nach den neueren collationen bald an C '^ und P ^, bald an Z oder
0^ oder P' oder mehreren dieser hss. gesellschaft hat, und bei wei-
teren , genaueren vergleichungen möchte sich die zahl solcher fälle
leicht noch etwas vermehren, dabei sind billigerweise die Überein-
stimmungen mit Z von 1115^ — 1136^ ende nicht gerechnet, da
Stewart nachgewiesen hat, dasz Z hier eine abschrift von E^ za seiner
vorläge gehabt hat. dasz endlich allerdings auch die Übrigen jungem
bss. auszcr M'^O^P^C'^ immerhin nicht ohne allen wert für die be«
* ein bloszes curiosum ist Busses rechtfertigangsversucb des schwer
und vermutlich unheilbar verderbten iroioOca 1143^ 36. denn die lebens-
einsieht (qppövncic) hat es ja nicht mit dem iroietv zn thun, sondern mit
(lein TTpdTTeiv, und selbst irpdTTouca kann von ihr nicht gesagt werden,
denn bic schafft nicht allein nicht, sondern handelt auch nicht selbst,
sondern bewcf^t sich in dem das praktische handeln leitenden denken.
ich kann nach allem vorstehenden in der besten moinong nur den guten
rat wiederholen, welchen ich Busse schon einmal gegeben habe, seinem
eignen urteil etwas mehr eu mistrauen und das urteil und die gründe
anderer sorgfältiger zu beachten und sa erwägen, wenn anders er wirk-
lich das leisten will, wozo seine gaben und Studien ihn befähigen.
ItElussmann : anz. y. WEngelmann u. EPreussBibl. script. class. II. 621
Stimmung der familienüberlieferung sind , zeigt sich recht einleuch-
tend im lOn buch, wo ich leider P' nicht verglichen habe, auch
hier hätte ich allerdings, wie Stewart zeigt, die familie TT^ durch
L^O^ und nicht durch FL^ Aid. bezeichnen sollen, aber dennoch
beruhte auch diese meine letztere bezeichnung auf einer ganz rich-
tigen beobachtung, indem sich aus Stewarts mitteilungen eine sehr
häufige Übereinstimmung von L*» mit fZO* Aid. oder einem teil
dieser quellen ergibt, die L ^-Überlieferung hat sich also teils in 0 ^
teils in den letztem quellen, die man hiemach TT^ nennen könnte,
teils in beiden fortgepflanzt.
Greifswald. ^ Franz Susemihl.
92.
BIBLIOTHEOA SCRIPTORUM 0LA88ICORUM HERAUSGEGEBEN VON WIL-
HELM EnGELMANN. ACHTE AUFLAGE, UMFASSEND DIE LITTE-
RATUR VON 1700—1878, NEU BEARBEITET VON E.PrE USS. ZWEITE
ABTEILUNG: 80RIPT0RES LATINI. Leipzig, W. Engelmann. 1882.
IV u. 771 8. gr. 8.
Es liegt nicht in der absieht des ref. den schluszband der Engel-
mannschen Bibliotheca scriptorum classicorum in gleich ausführlicher
weise zu besprechen wie den ersten (jahrb. 1881 s. 641 ff.), um so
weniger als der bearbeiter derselben die dort gegebenen winke und
andeutungen sich nur wenig zu nutze gemacht hat. der vorliegende
die lateinischen autoren umfassende band gleicht seinem Vorgänger
leider nur zu sehr, obgleich gerade hier die zu benutzenden hilfs-
mittel reichlicher flössen, so hat denn Preuss die litteraturgeschichte
von Teuffei- Schwabe, den grundrisz von.Hübner in ausgibiger weise
benutzt ; aber sobald diese werke ihn ihrem plane gemäsz im stiche
lassen , so begebt er fehler auf fehler und documentiert recht deut-
lich, dasz seine befUhi^ung zum bibliographen eine äuszerst geringe
ist; er müste denn glauben dasz das anhäufen selbst ungeprüften
materials das einzige sei, was ein solcher zu leisten habe, und mehr
als dies hat er in der that vielfach nicht geleistet, es findet sich
nemlich bei seinen angaben eine ganze reihe von fragezeichen; mit
ihnen glaubt er sich seiner pflicht entledigt zu haben, während es
bei nur einigem guten willen ein leichtes war das richtige aufzufinden,
statt also den fachgenossen das auffinden von titeln möglichst zu er-
leichtem, gibt er ihnen wiederholt selbst nüsse zu knacken auf. ich
gebe nur einige beispiele. unter Horatius findet man : Eckhardt, J. E.,
Progr. ad Hör. Od. II 18 . . 1768. was soll das? konnte Pr. der
arbeit nicht habhaft werden, dann war dieser titel zu streichen, denn
mit dem gegebenen fragment läszt sich absolut nichts anfangen,
jedenfalls ist gemeint: Eckhard, J. Fr., de populo romano legitimo
Attali berede Horatio libr. II Od. XVIII non contra dicente. 4. X s.
Eisenach 1768. gymn. progr. femer gibt er an: Scholia in Q. Hora-
tii Flacci opera. gymn. progr. 4. Melk (oder Krems?) 1862. weshalb?
622 KKluBsmann : anz. v. WEngeimann u. EPreuss Bibl. script. class. IT.
es differieren die beiden Verzeichnisse der österreichischen programme
von Gutscher und Hübi: der eine läszt Melk, der andere Krems
drucken, war es da nicht pflicht des hg. der sache weiter nach-
zugeben? die arbeit hat als programm von Melk in Wien die presse
verlassen ; verfaszt ist sie von TbMayer. es muste möglich sein den
Verfasser mehrerer Über Cicero handelnden^ in den jähren 1830 — 43
in Bromberg erschienenen programme durch beifUgung von LNF
von anderen des namens Müller zu unterscheiden, statt dessen findet
sich das bequeme fragezeichen. ebenso wird bei Eckhai'd, Cicero
iurisprudentiae non ex animi sententia contemtor nach ort und Jahres-
zahl gefragt, obwohl beides (Eisenach 1769) deutlich genug auf dem
titel angegeben ist. s. 187 steht : Bayer^ «K D., Cicero theologus. 4.
Jenae 1700 (? vgl. Treuner) und s. 222 Treuner, Jo. Phil., Cicero
theologus. 4. Jenae 1700 (? vgl. Bayer), in der that existiert nur
ein titel : die schrift ist sub praesidio Treuneri von J. D. Baiems
verfaszt. auch bei einer arbeit über Tacitus von Hom kehrt das
zeichen wieder.
Namentlich aber zeigt sich die leichtfertigkeit des hg. darin,
dasz eine ganze reihe der von ihm beigebrachten titel entweder über-
haupt nicht existiert oder andere als die angegebenen zu Verfassern
hat oder endlich dasz eine und dieselbe schrift mehrmals unter ver-
schiedenen Verfassern wiederkehrt da soll nach s. 212 WMünsoher
Hersfeld 1856 ein programm zur kritik und exegese von Cicero de
oratore veröffentlicht haben, man wird danach vergeblich suchen,
wohl aber existiert ein solches von Piderit, das 1857 in Hanau zum
Jubiläum des erstgenannten gelehrten geschrieben wurde. CThBor-
meisters observationes Propertianae (Schwerin 1878) sind ebenfalls
nicht vorhanden, noch schlimmer steht es mit folgenden drei titeln:
Herbst, Joa., in selecta aliquot Hör. loca (sicl). Wetzlar 1826, ex-
plicatur Horatii locus ebd. 1827 (19 s.) und de Horat. epist. I 2,
27 — 31. ebd. 1827. die zuerst verzeichnete abhandlung existiert
überhaupt nicht, während die an zweiter und dritter stelle genannten
zusammenzufassen waren zu: explicatur Horatii locus Epist. I 2,
27 — 31 und statt 19 s. zu setzen war s. 19 — 25. höchst fraglich
ist auch Eichstädt, emendatio loci Cic. Tusc. I 30. Jenae 1811.
ein in Quintil. instit. orat. 111 3. Jenae 1803 betiteltes programm
hat ebenderselbe gelehrte nie geschrieben. Notes sur le de senec-
tute von ACHurdebise stehen weder im 19n jahrgange noch im
19n bände der revue de Tinstruction publique en Belgique, wie über-
haupt die angaben aus dieser Zeitschrift sehr unzuverlässig sind.
Pr. citiert bald nach bänden bald nach Jahrgängen, ohne dies an«
zudeuten , und gibt zum überflusz sehr oft eine falsche Jahreszahl,
der titel Becher, Fr. L. (so falsch für Chr. Pürchtegott B.), de Livii
XXII 35. Liegnitz 1830 existiert nicht, sondern die angezogene
stelle ist nur gelegentlich am schlusz einer über Hör. handelnden
abb. besprochen, auf eine ähnliche confusion stöszt man wiederholt
bei den schulschriften von Friedrich Jacob, s. 320 bietet Fr. : Fr.
EKluBsmann: anz. v. WEngelmann u. EPreass BibL Script, class. II. 623
Jacob, über Hör. ars poet. v. 261—258. Lübeck 1839 (s. 37—42),
allein ein programm mit diesem titel sucht man vergeblich: die be-
treffenden verse finden gelegentlich in den observ. ad Tac. bist,
crit. I 8. 9 eine besprecbung, wie ebd. s. 9 f. auch über Hör. sat. 11
2, 29 gehandelt wird, das programm umfaszt nur 22 s., so dasz die
angäbe s. 37—42 grundfalsch ist. s. 636 trifft man desselben ob-
servationes ad Tac. bist. crit. p. II (und kritische erörterungen zu
Tac. Ann. I 59. II 10) Lübeck 1842 , indessen finden sich die kriti-
schen erörterungen nicht hier, sondern erst im programme von 1 846
s. 16 f., wie die bemerkungen zu Tac. Agr. nicht 1852 s. 14 — 30,
sondern 1850 s. 22—27.
Ein artikel über die neuen arvalmonumente in Bom (grenzboten
1869) soll von RHElausen herrühren, der doch schon 1840 starb!
nach Pr. soll Cobet in der Mnem. IX (1860) p. 225—242 über Cic.
rede pro Mnrena geschrieben haben, der Verfasser des aufsatzes ist
JBake. ein Zweibrückener programm vom j. 1832, welches die
Varianten aus einem dortigen codex zu Cic. Tusculanen gibt, schreibt
Pr. JHHertel zu, doch heiszt der Verfasser JPErieger. das annähernd
richtige war schon in der frühem aufläge zu finden, zum schlimmen
gebessert ist auch die angäbe der 7n aufläge JChrBriegleb , dis&u in
Hör. od. I 34. Coburg 1770, indem Pr. in klammem JohEGruner
daneben setzt, man verbessere Daniel Gottlob Briegleb (praeside
JoChrBriegleb) dissertatio odam XXXIIII 1. 1 Horatii explicans atque
illustrans. beitrage zu Ciceros Miloniana in der zs. f. d. gw. 19 und
20 hat schwerlich K(lix) , sondern GE(iessling) veröffentlicht, ein
mit -k unterzeichneter aufsatz in der zs. f. d. aw. 1843 sp. 1126 f.
über Marcianus Capeila und M. Yarro wird CBöttger unterstellt,
indes liegt die Vermutung, ThBergk, der damalige mitherausgeber
der genannten Zeitschrift, sei der Verfasser, doch nahe genug, daran
reihen sich falsche angaben betreffs des ortes des erscheinens. Lössls
entwickelung der röm. dichtkunst bis auf Horaz (s. 11) ist progr.
der kath. Studienanstalt zu Augsburg, nicht von St. Anna. Theissings
abb. de Hannibalis itinere per Alpes facto gehört der realschule,
nicht dem gymnasium zu Neisse an.
Die Schrift FWHagens in Cic. orat. Milon. 8 (nicht 4). Erlangae
1792 kehrt unter GChrHarles namen wieder, zu tilgen ist auch der
titel Hannemann, J. L., ad Cic. de divin. lib. I de somnio Arcadis. 4.
Eiliae 1718, denn die dissertation ist identisch mit der s. 216 stehen-
den, etwas langatmigen GGRichters, die eben praeside JLHannemann
abgefaszt ist, nur lese man 31 s. und Beuther. de suspecto loco
ex I de off. c. 13 von EChrAOtto (socio Othone) (Lipsiae 1755)
deckt sich völlig mit der gleichbetitelten schrift von ThGuIrmisch.
auch s. 210 muste geschrieben werden Menken (Pr. hat Mencken),
A. L. , (praeside GBSchirach) de colore orationis Ciceronianae. 4.
20 s. Helmstadii 1770, die Bibliotheca führt statt dessen zwei titel
auf. unter dem altern Plinius ist aufgenommen Bayer, Jo. Gull.,
diss. de obelisco gnomone Aug. Caesaris ad Plin. bist. nat. lib. XXXVI
624 RKlussmann : anz. v. WEngelmann u. EPreuss Bibl. Script, class. II.
10. Altorfi 1 706 und weiterhin Müller, GChr. (praeside JoGuMuellero)
diss. math. de obelisco gnomone Aug. Caesar, ad Piin. hist. nat.
XXXVI 10. Altorfi 1706. niemand vermag aus diesen angaben auch
nur zu ahnen, dasz eine und dieselbe schrift vorliegt, um so weniger
als für praeside JG Müller vielmehr sub praesidio IGBaieri und für
Altdorfi vielmehr Norimb. zu setzen ist. derselbe Plinius ist auch
in folgendem falle zu reich bedacht worden, wir lesen : Bethmann, v.
(der vcrf. hat nie dem adelsstande angehört), über ein palimpsest
von Plinius hist. nat. (lib. 25) in den berichten der Berl. akademie
der wiss. 1853 s. 684 ff. und wenige Seiten später fast ebenso unter
Pertz , obwohl der letztere nur den bericht Bethmanns in der aka-
demie gelesen hat. mit dem titel Bassow, Optimum interpretandi
Taciti consilium. Gryphiae 1818 vergleiche man JLWortberg, Opti-
mum interpretandi praesertim Tac. consilium ac nonnulii AnnaL
loci tum emendati tum explanati. Gryphiae 1819, und man wird das
erstaunen nicht unterdrücken können , dasz dem bibliographen Fr.
nicht der verdacht aufstieg, beide Schriften seien trotz der verschie-
denen Jahreszahl identisch, zu tilgen sind auch CEirchners quae-
stiones Horatianae (Naumburg 1835), der unmittelbar folgende
ausführlichere titel vom j. 1834 ist der richtige, das s. 53 unter
Anonymorum glossae aufgenommene specimen lexicologiae argenteae
latinitatis von KEOpitz (Naumburg 1852) hat mit den glossae ab-
solut nichts zu schaffen.
Aus dieser blumeniese (denn nur eine solche, nichts erschöpfen-
des wollte ref. geben) von schlimmen fehlem, den schlimmsten die
ein bibliograph begehen kann, darf man wohl a priori folgern , dasz
das werk noch zahllose versehen anderer art aufweist, ich habe
schon oben ausgesprochen , dasz es nicht in meiner absieht liegt sie
zu verzeichnen: es würde den rahmen einer recension weit über-
schreiten, doch kann ich mir es nicht versagen sie wenigstens kate-
gorienweise vorzuführen: falsche vomamen, falsch geschriebene
namen, falsche zahlen in unerhörter menge, ungenaue titel ^ falsche
Verleger, falsche preise, Verwechselungen von gelehrten gleiches
namens und umgekehrt Spaltung eines gelehrten in eine doppel-
gestalt nebst mehrfach ungenügenden auszügen aus Zeitschriften und
Sammelwerken kennzeichnen den ersten wie den letzten band der
Bibliotbeca.
Mein gosamturteil über das werk musz wie früher lauten : auch
in der 8n aufläge von Engelmanns Bibl. script. class, besitzen wir
noch keine den forderungen der neuzeit entsprechende bibliographie
der clabsii^chen autoren. es ist daher im Interesse der sache nur zu
bediiuern, dasz sich in Zarnckes litt centralblatt 1883 nr. 12 ein
recensent des Werkes gefunden hat, der der neuen bearbeitung un«
bedingtes lob spendet, wodurch er freilich nur das geringe masz
seiner eignen Vertrautheit mit der classischen bibliographie be-
urkundet hat
Geka. Rudolf Klussmanm.
ThPlfisB: ein chorlied der Sophokleischen Elektra. 626
93.
EIN CHORLIED DER S0PH0KLEI8CHEN ELEKTRA.
Nach der ersten scene zwischen Elektra, chor und Chrysothe-
mis läszt Sophokles den chor ein lied anstimmen (v. 472 ff.), von
diesem liede urteilt Wilamowitz im Hermes XVIU 217 f., die erinne-
rung an den geschlechtsflach des Atreidenhauses sei nicht nur ohne
wesentliche bedeutung, sondern geradezu eine Störung der eignen
tendenz dieses dramas.
Es handelt sich um Ijrik, also empfindungsdarstellung, und
zwar um reigenlyrik, wo gesang, musikbegleitung und mimische
darstellung viel stärker und sinnlicher und insofern sicherer den
beabsichtigten empflndungseindruck hervorbrachten als das wort des
textes, welches mehr logisch bestimmt ist. will ich nun aber trotz-
dem aus dem bloszen texte eines chorliedes noch den empfind ungs-
gehalt und die Stimmung, also auch die bedeutung für das drama
erkennen , so musz ich weniger auf logische begriffe und gedanken-
Verbindungen achten als auf ausdrücke und formen, welche den
lyrikem zur darstellung des gefdhls dienen , auf die empfindungs-
farbe von anschauungsbildern, auf die reihenfolge und etwaige innere
Verknüpfung der verschiedenen empfindungsmotive, auf das metrum,
den rhythmus usw. einen anfang in derartiger methodischer Unter-
suchung von chorliedem hat August Beck im Baseler gymnasial-
Programm 1883 gemacht.
An unserer stelle regt sich im chor vorerst die ahnung, Dike
sei schon auf dem wege mit dem siege des rechts in ihren bänden
(v. 1 — ö der strophe nach Nauck): erst zweifelt er noch an der
weissagenden stimme seines innern (et }xf\ ^T^), dann, indem er
redet von dem was er fühlt , spürt er dasz Dike selber in ihm und
durch ihn weissagt (7Tp6^avTlc), und er sieht sie nun schon vor
äugen in leibhafter gestalt ((pepcfidva x^poTv Kpärr)) ; er sieht sie
mit emstfreudiger genugthuung: man beachte die adnomination
AiKa biKaia und die rhythmische bewegung des verses. und nun
ist die prophetische gewisheit schon so mächtig im chor geworden,
dasz er, bestätigend und zugleich verstärkend, im freudigen drang
der mitteilung Elektra es zuruft: 'ja, hinter den mördern ist sie
binnen kurzer frist' : die bestätigung liegt in der anaphora elciv —
|Li€T€iciv , die Verstärkung in der zufügung des ^€Td in fx^TCiciv und
des bestimmten Zeitraums; die lebhaftigkeit des gefühls drückt sich
in der anrede aus und in der metrischen synkope beftn anruf (b
T^KVOV. — Nicht blosz freudig gewis ist der chor, dasz Dike kommt,
sondern in der tiefe der brüst spürt er ein kühnes verlangen danach
(urrecTi ^0l Gpäcoc), da ihm die traumerzählung vom grünenden
und blühenden Atreidenscepter eben noch im obre klingt wie lieb-
liche flötenmusik (dbuTTVÖCüV . . öveipdrcüv v. 6—8). und er darf
auch die erfüllung des traumes zuversichtlich verlangen, er verlangt
Jahrbücher fttr elus. philol. 1888 hft. 9. 41
626 ThPlüss: ein chorlied der Sophokleischen Elektra.
sie jetzt sogar nicht blosz mit freude, weil sie liebliches bringen
würde, sondern auch mit feierlichem ernst, weil der edle, grosze
tote ('EXXävuJV äva£) und der furchtbare zeuge der schändlichen
mordtbat nun schon so lange (d naXaia . .) gerechte sühne heischen
(v. 9 — 11 der strophe).
Nun sieht der chor , wie und in welcher gestalt die erfdllong
kommen wird (v. 1 — 3 der antistrophe) ; er sieht auch die rächerin
schon zur stelle ijf\Hx Kai), schnell, als hätte sie tausend füsze, ge-
waltig, als hätte sie tausend arme, furchtbar in ihrer heimlichkeit
und ihrer jähen erscheinung; er hört schon den ehernen hall des
Erinyenschrittes (vgl. Beck ao. s. 19) oder, wie Schiller es nennt,
^eherner füsze rauschen', es ist ein gefühl der furcht, das hier den
chor ergreift, eine furcht vor der form der vorher verlangten räche ;
denn wenn ihm vorher das Verlangens werte des räche werkes vor der
seele stand , so jetzt das furchtbare desselben , wie es in der gestalt
der finstem rachegöttin erscheint, es ist freilich eine art ehrfürch-
tiger furcht vor etwas göttlich und notwendig furchtbarem, welches
so und nicht anders sein musz. ja, die räche musz in ihrer erschei-
nung übernatürlich gewaltsam sein, weil sie dem frevel entsprechen
musz (v. 4. 5) : widematürlich (SXcKTpa ävu)Li(pa) überfiel mit ge-
walt die wilde liebeslust (dTT^ßa d)LiiXXrj)LiaTa) einer gattenmOrderi-
schen ehe die, welche nicht gatten sein durften, der chor überwindet
also die furcht vor der form und erscheinung des räche werkes
durch die empfindung, wie furchtbar gerecht gerade diese form sei.
ja, indem er sich den frevel vergegenwärtigte, hat ihn absehen vor
demselben erfaszt, und daraus kommt ihm nun ein verwegenes ver-
langen den gefahren zu trotzen, welche die ausführung desrache-
werkes zur folge haben kann (v. 6 — 8. 9 — 11). dem widernatür-
lichen frevel und der furchtbaren notwendigkeit der sühne stellt er
abschätzend eine gefahr gegenüber (irpö TUivbe) ; er will die gefahr
lieber bestehen (irpö Tujvbd ^* Ix^i Gdpcoc), nemlich die gefahr
dasz ihnen, die das rachewerk vollbringen und mitvollbringen (flfiiv
. . ToTc bpOüCi Kai cuvbpuiciv), das Wahrzeichen des traumes nimmer-
mehr als untadellich entgegengekommen sein kann (|iiiiTOT€ . . di|i€T^c
TTeXdv T€pac); das heiszt: man wird die rächer, Elektra, Orestes,
Chrysothemis und den mitwissenden und ratenden chor, gewis trotz
dem Wahrzeichen tadeln , vielleicht die Wahrheit oder die gerechtig-
keit des Wahrzeichens selber anfechten ; aber damit will es der chor
kühnen mutes wagen im vergleich zu der verabscheuenswürdigkeit
einer Unterlassung der sühne. ' indem so der chor an die ausfüh-
^ in der lUcke des 7n verses musz nach dem scboliasten der begriff
vou 6dpcoc sich gefunden haben; geringere hss. ergänien denn mach
dieses wort, es steht auch in gleicher gegend der strophe. wenn der
vers der strophe &&UTrvöwv KXOoucav, wie manche ohnehin wollen, ge-
messen wird ^± — w-o, so wäre die einfachste ergUnsang nnsereB
antistrophischen verscs Odpcoc t6 fii^iioO' f)|i1v: vrI. OK. 47 oöö*
^ILioi Toi ToOEaviCTdvai . . ^ctI Gdpcoc* ähnlich steht tö |if) ßX^ireiv
ThPlüss: ein chorlied der Sophokleischen Elektra. 627
rung der räche und deren folgen denkt und dabei dem tadel der
menschen gegen die ausführenden und gegen das Wahrzeichen förm-
lich zu trotzen verlangt, überwindet er auch jede anwandlung von
furcht vor einem unglücklichen ausgang des Unternehmens: ^ja,
wahrlich, alle Weissagung auf erden , in träumen oder göttersprü-
chen , ist nichtig , wenn dieses heutige traumgesicht nicht zu glück-
lichem ziele führen soll' (v. 9 — 11). das kühne verlangen dem tadel
und der menschlichen Schwachheit zu trotzen steigert sich mit leb-
hafter bekräftigung {f{ toi) zu einer art glaubensstarker herausfor-
derung an die götter, entweder gerade dieses 6ine Wahrzeichen zu
erfüllen oder aber die nichtigkeit überhaupt aller göttlichen willens-
offenbarung als erwiesen anzuerkennen, man beachte die energische
form, in welcher die nichtigkeit erst in einem indicativsatze für alle
fälle überhaupt behauptet und dann nur eine einzige ausnahmemög-
lichkeit nachträglich hinzugefügt wird.
Also das nachtgesicht musz zu glücklichem ziele führen, das
gesiebt, dasz Agamemnon zum licht heraufsteige, mit Elytaimnestra
sich .vereinige und dann seinen ehemaligen königsstab, den jetzt
Aigisthos trägt, am herde aufpflanze, und dasz der stab grüne und
blühe und mit seinen zweigen das ganze land Mykene beschatte,
aber freilich, das glück kommt diesem lande und diesem herde nur
durch schweren, blutigen kämpf, seit anbeginn hat das grosze, edle
geschlecht schwere kämpfe mit dem Schicksal geführt ! also , indem
der chor nach dem hause blickt, wo das heutige nachtgesicht ge-
sehen worden ist und wo nun die glückliche erfüllung kommen soll,
da überkommt ihn mitleid. vor allem mitleid mit ihm, der dieses
haus und geschlecht gestiftet hat, und mit jenem wagensiege, wel-
cher dann der Stifter schwerer schicksalskämpfe geworden ist (v. 1. 2
der epodos) ; der anruf an Pelops' sieg und die scharf klingende allit-
teration zeigen stärke und schärfe der empflndung, die schärfe richtet
sich aber nicht gegen die schuld des Pelops , sondern gegen die bit-
tere tragik in seinem Schicksal, dann mitleid mit dem lande Mykene
(v. 3. 4), eine volle, aber weichere empflndung, wie man dies nach
den vocalen und consonanten, nach der rhythmischen bewegung und
nach der ausrufform schlieszen darf, logisch das vorige urteil begrün-
dend , lyrisch die vorige empflndung so zu sagen bestätigend und
steigernd sind die worte von Myrtilos, dem unglückseligen ersten
^Toifia El. 1079. da am ausgang der voranstehenden scene die Vor-
bereitung des rachewerkes unternommen und in der ganzen scene von
Elektras bisherigem racheheischen und jetzigem vorbereiten der räche
immer wieder das wort bpdv gebraucht wird (336. 350. 465. 467), und da
nun im cborliede gerade die ausführung der räche teils verlangt teils
gefürchtet wird, so ist es falsch zu sagen, das handeln und mitbandeln
könne sich nicbt auf Elektra und ibre genossen bezieben; und nach
dem dativ f||Litv ist diese beziehung auf chor und Elektra sogar die
allernäcbstliegende. auch das verzweifelte di|i€T^C und das künstlich
bezogene und erklärte irpö Tilivbe bekommen so eher eine natürliche
beziehung und erklärung.
41*
628 ThPlüss: ein chorlied der Sophokleischen Elektra.
Opfer fluchwürdiger that (v. 5 — 9); worte wie irovTicGeic und ^koi-
jiäOri haben nach form oder sinn wieder etwas herbes, scharfes; der
goldstrahlende wagen steht zu dem schmachvollen loose in schnei-
digem contrast; der klang der worte und laute 7Tp6ppi2Ioc £Kpiq>6€ic
l&szt die höchste schärfe der mitleidenden empflndung hören und
spüren, auch hier ist keine andeutung, dasz sich die schärfe des
gefühls verurteilend gegen die person des Pelops richte; auch nach
dem logischen Zusammenhang wird nur das leidenreiche, verhäng-
nisvolle der siegreichen, glänzenden wagenfahrt des Pelops empfan-
den, endlich folgt zu dem letzten grammatischen Vordersätze der
nachsatz: der Vordersatz war lang, der nachsatz ist kurz; declamiert
wurde der Vordersatz aufsteigend, der nachsatz sinkt eher ab ; lyrisch
war jener der ausdruck zunehmender schärfe des mitleidenden ge*
fühls , dieser klingt mit dem kurzen anfangsverse oCti ttu) , welcher
an den vers TÖbe f^ erinnert , weniger scharf, aber innig klagend ;
gerade das unbestimmte Ti ttuj hat etwas mildschmerzliches, viel-
leicht ironisch mildes ; doch scheint der letzte vers mit klang und
sinn den schmerz wieder sich verschärfen zu lassen: wenigstens
macht das an den anfang wieder anklingende ttoXuttovoc und das
letzte > ausklingende wort akia, das wieder an aUiaic im 8n verse
anklingt, einen solchen eindruck. also klänge die epodos aus in den
tönen teils innig klagenden, teils bitter schmerzlichen mitleidens
mit dem geschlecht und hause, das wohl niemals noch seit der stunde
des ersten Verhängnisses verlassen wollte (Aemev ^k ToCb' oIkouc
nach der ursprünglichen lesart des Laurentianus) die schmach
schwerer schicksalskämpfe. auch hier gilt aber die bitterkeit oder
schärfe dem thun derPelopiden nicht als schmachvollem handeln,
sondern als leiden und Verhängnis , wie gerade das beiwort noXv-
1T0V0C, das zu anfang und zu ende wie ein kehrreim steht, deutlich
fühlen läszt (vgl. 1275).
Es sind dies aber alles Stimmungen und empfindungen, die
schon während der vorausgehenden scene der handlung sich in den
Zuschauern regen musten und am Schlüsse der scene erst recht er-
regt sein müssen, so läszt sie nun der dichter durch den eher im
lyrischen gesange aufnehmen, weiter entwickeln und durchgestalten,
überwiegende empflndung am schlusz der scene vorher musz das ge-
fühl eines thatkräftigen Verlangens sein : denn Elektras leidenschaft-
liche energio hat die mykenischen frauen und die besonnene Schwester
zum mithandeln für recht und räche fortgerissen, und damit auch
in seiner art den Zuschauer, daher zunächst in der sti*ophe die em-
pfindung des Verlangens nach recht und räche in drei haupt*
abstufungen. der schlusz der strophe bereitet auf die furchtbare
anschauung der Erinys vor; die antistrophe läszt nun die empfin-
düng der furcht sich regen, aber vom verlangen überwunden wer-
den und gestaltet diesen kämpf der empfindungen wiederum in drei
hauptabstufungen. nachdem nun das verlangen sich geläutert hat
und die furcht gereinigt ist, ist das gemüt des chors und des xa«
ThPlüsB : ein chorlied der Sophokleischen Elektra. 629
Schauers frei und reingestimmt für das mitleiden in der schlusz-
strophe. nach den objecten des mitleids sind es vier kleine teile; da
den wechselnden anschauungsbildem dieser objeote auch wechselnde
formen der musikalischen und mimischen darstellung entsprochen
haben müssen^ so mögen wir auch eine vierfache abtOnung in der
oben vermuteten weise annehmen , unbekümmert darum , dasz wir
grammatisch nur zwei perioden und logisch, insofern die zweite
Periode an die erste als begründung angefügt ist, nur 6inen gedan-
ken haben, ich meine aber: wie zuerst das verlangen nach räche
im Zuschauer und seinem ideal empfindenden und künstlerisch ge-
staltenden Vertreter, dem chor', sich äuszem und klären muste, so
ist auch die furcht vor dem rachewerke, vor seiner erscheinung
wie vor seinen folgen, eine natürlich notwendige empfindung
des Zuschauers, und dasz sie sich nach dem ersten drang des Ver-
langens nun Suszert und rein gestaltet, ist ebenso poetisch not-
wendig, nicht weniger natürlich und poetisch ist es aber auch,
dasz im zuschauer durch das miterleben der vorangehenden hand-
lung auch das mitleiden angeregt sei; ist doch das handeln tra-
gischer Personen immer auch ein leiden , und wenn wir nur vorher
Elektras leidenschaftliches handeln lebhaft miterlebt haben, dann
musz auch, wenn erst die leidenschaftlicheren empfindungen des räche-
Verlangens und der furcht vorüber sind , das mitleid die herschende
Seelenstimmung werden und sich äuszem wollen, freilich nicht ein
reales mitleid mit der armen Elektra, die, wie Wilamowitz und an-
dere erklärer sagen , nicht einmal satt zu essen bekommt und die so
schreckliche gedanken hat, oder mit der unglücklichen Kl jtaimnestra,
die nun wohl ermordet werden wird ; vielmehr ein ideales, echt tra-
gisches mitleiden mit der idealen gesamtheit derjenigen weit, welche
der dichter uns darstellt und in welcher er uns das mitleidswerte
miterleben und miterleiden läszt, also mit der weit des Pelopiden-
schicksals, welche in den augenblicken voller hingebung an die dra-
matische illusion zugleich die weit unseres eignen Schicksals ist.
So der Zusammenhang mit der vorangegangenen handlung
unseres dramas. damit ist aber auch klar, sollte ich meinen, dasz
unser chorlied und insbesondere sein schlusz uns empfänglich macht
für eine wirklich tragische teilnähme an der nun folgenden scene
der handlung , an dem kämpfe zwischen Elektra und Eljtaimnestra.
die Stimmung schmerzlichen, leidenschaftlichen mitgefühls mit den
schweren kämpfen und Verhängnissen des Pelopidenhauses tOnt noch
in uns nach; Elektra, von der leidenschaftlichen aufregung ihrer
energie so eben in düsteres schweigen zurückgesunken , steht noch
vor unsem äugen dort als eine Vertreterin dieser kämpf- und leiden-
vollen weit, vom fluch ihres Stammes und vom schmerz wie von
einem düstem schein umgeben; und nun ist aus der pforte jener
^morderfüllten' Pelopidenhalle so eben die wahrhaft königliche ge-
' vgl. meine Hornzstudien s. 1 ff.
630 ThPlüBs: ein chorlied der Sophokleischen Elektra.
stalt Klytaimnestras (v. 664), die grosze, leidenschaftliche frevlerin
hervorgetreten, um in ihrer ge wissensangst zu den göttem zu beten,
und findet nun ihre eigne tochter als ihre anklägerin, wie sie sofort
erkennt vor den mykenischen frauen. sind wir da wirklich noch fähig
in Elektra blosz die * unehrerbietige, grobe' tochter zu hören, in Kly-
taimnestra blosz die rabenmutter, die der tochter *nicht einmal satt
zu essen gibt', jedoch durch selbstbeherschung ausnahmsweise die
würde zu wahren weisz? ist uns der kämpf ums recht, den die beiden,
frauen des Pelopidenhauses vor den edlen Vertreterinnen des volkes
fuhren , weiter nichts als ein ^fast anstösziger redekampP oder ein
Wortgefecht' ? wenn wir vielmehr in den beiden gestalten tragisch
handelnde und insofern leidende glieder jener idealen tragischen
weit des Pelopidenschicksals sehen und auch nur ein wenig mit-
handeln und mitleiden, als wäre es auch unser eigner schicksals-
kampf, so hat uns dazu eben das chorlied durch die klärung unserer
empfindungen vorbereitet.
Und doch wäre unser lied eine Störung der eignen tendenz unseres
dramas? allerdings, wenn diese tendenz darin bestünde, dasz der
hörer gegen die mutter Widerwillen und für die tochter Sympathie
empfinden sollte (Wilamowitz ao. s. 218 f. 222. 233 f.), und wenn
unser chorlied an den geschlechtsfluch erinnerte, um die tbaten des
Pelopshauses moralisch zu beurteilen und zu verurteilen und auf die
gleiche moralische qualität des bevorstehenden muttermordes hin-
zuweisen ^ dann allerdings würde die tendenz des dramas gestßrt.
gesetzt nun aber, die Hendenz' der Sophokleischen Elektra ent-
spräche den 'tendenzen' anderer antiker und modemer tragödien
und wäre etwa diese: den Zuschauer in schönen formen den kämpf
miterleben zu lassen, der von einem heroisch leidenschaftlichen
frauenwillen unter der last einer sittlich furchtbaren lebensaufgabe
durchgekämpft wird, und der um so tragischer ist, je mehr auch
die gegner der heldin entweder durch ihre persönlichkeit uns sym-
pathisch sind oder uns imponieren, oder aber in gestalt hoher, hoch-
berechtigter sittlicher Ordnungen uns entgegentreten, und je schmerz-
licher dadurch ihr Widerspruch oder widerstand für uns wird oder je
mehr wir uns im notwendigen kämpfe gegen sie in leidenschaftlich-
keit und irrtum verstricken, gesetzt, dies wäre die tendenz unserer
tragödie, und angenommen wiederum ^ unser chorlied und insbeson-
dere sein schlusz hätten den inhalt und die Stimmung, die ich oben
darzulegen versucht habe : wäre dann nicht die erinnerung an den ge-
schlechtsfluch des Pelopidenhauses nicht nur keine Störung, son-
dern geradezu von wesentlicher bedeutung für dieses drama?
Basel. Theodor Plöss.
GTreu: Pausanias und sein Verteidiger. 631
94.
PAUSANIAS UND SEIN VERTEIDIGER.
Der verehrte herausgeber des Pausanias, dem in den letzten
Jahren wohl wenige so viel dank schuldig geworden sein werden
als die mitglieder der olympischen expedition , welche seine ausgäbe
täglich in bänden hatten, möge es mir vergeben, wenn ich ihm gegen-
über das wort nehme, obgleich ich von seinem angriff auf die ^ankläger
des Pausanias' (oben s. 469 ff.) nur ganz nebenher getroffen bin.
vielleicht erleichtert gerade das eine Verständigung; vielleicht auch
der umstand dasz ich nur 6in , aber allerdings eines der hauptargu-
mente der ^anklage' mit zu vertreten habe ; vielleicht femer auch
dies, dasz ich nicht sowohl selbst zu plaidieren gedenke als vielmehr
den einfachen hinweis auf das von einem unparteiisch gestimmten
beigebrachte neue und wie mir scheint wichtige belastungsmaterial
zum zwecke dieser zeilen machen will.
Doch warum überhaupt den Staatsanwalt spielen ? ich will dem
Verteidiger lieber gleich von vorn herein gestehen, dasz auch mir die
reize processualischer formen mäszig erscheinen; um so mäsziger,
als das plaidieren oft so nervös macht, dasz man selbst bei der ge-
dämpften Sprechweise eines mitstreiters leicht wie bei dem ton einer
Tolemontrompete' zusammenfährt und sich zu allerlei liebenswürdig-
keiten gegen denselben hinreiszen läszt.^ da ich endlich auch die
beschuldigung nicht zu erheben gedenke, Pausanias sei überhaupt
gar nicht in Olympia gewesen^, so vermag ich meine sittliche ent-
rüstung einstweilen noch zu bemeistem und bin daher sehr damit ein-
verstanden, dasz die Verhandlungen aus dem tumultuarischen treiben
des gerichtssaales in die ruhige stille der Schreibstube verlegt werden.
Also vorläufig ganz ohne jeden moralischen ingrimm : hat Pau-
sanias das Verzeichnis der olympischen siegerstatuen vor diesen selbst
aus ihren inschriften neu gefertigt, oder hat er dasselbe aus einer
altern quelle excerpiert?
Ich hatte für die letztere annähme in der erinnerung an eine
beobachtung; die Wilamowitz (Hermes XII s. 347 anm. 31) an der
burgbeschreibung des Pausanias für Athen gemacht, ebenso wie
Hirschfeld die thatsache angeführt, dasz 'in dem ganzen über 230
Siegerbildnisse und andere ehrenstatuen umfassenden Verzeichnis
^ arch. Ztg. 1882 sp. 106 anm. 3. die Vorzüge der ^wesentlich rich-
tigeren' fassuDg Hirschfelds sind mir ein geheimnis geblieben, eine
lücke im material hat er mir nicht nachgewiesen. ' eins will ich
jedoch hervorheben: dasz man das fehlen der beiden niedergerissenen
Schatzhäuser (II und III auf Dörpfelds Olympiaplänen) in Pans. auf-
zählung nicht für dessen anwesenheit in Olympia geltend machen kann,
wie dies Curtius in der von Schubart s. 475 anm. 4 angeführten stelle
thut. dasz dieser abbruch erst durch den aufban der ezedra von Herodes
Atticus veranlaszt sei, ist lediglich Vermutung, er kann eben so gut
in eine viel frühere zeit fallen.
630 ThFlOaa: ein ohorlied der Sophobleiacheu Elektra.
stolt Kljtaimnestros (t. €64), die groBze, leidenscbaftliche frevleriii
herrorgetreteti, um in ihrer gewiBsensangat zu den göttom zu beten,
und findet nnn ihre eigne tochter als ihre ankl&gerin, nie sie sofort
erkennt vor den mykenischen franen. aind wir da wirklich noch fUhig
in Elektra blosz die 'unehrerbietige, grobe' tochter zu hOren, in Klj-
tainmestrs blosz die rabenmutter, die der tochter 'nicht einmal gatt
ZD eeaen gibt', jedoch durch selbBtbeherschung ausnahm b weise die
wttrde zu wahren weiaz? ist uns der kämpf uma recht, den die beiden
frauen des Pelopidenbauses Tor den edlen Vertreterinnen dea Volkes
führen, weiter nichts ab ein 'fast anstCaziger redekampf oder ein
'Wortgefecht' ? wenn wir vielmehr in den beiden geatalten tragisch
handelnde und insofern leidende glieder jener idealen tragischen
weit des PelopidenechickaalB sehen nnd auch nur ein wenig mit-
handeln and mitleiden, ob wSre es aach anBer eigner schicksals-
kampf, BO hat uns dazu eben das chorlied durch die klärang unserer
empfind ungen vorbereitet.
Und doch wäre unser lied eine atSrung der eignen tendenz unseres
dramas? aUerdinga, wenn diese tendenz darin bestünde, daaz der
hörer gegen die mutter Widerwillen und für die tochter Sympathie
empfinden sollte (Wilamowitz ao. b. 218 f. 222. 233 f.), und wenn
unser chorlied an den geachlechtBfluch erinnerte, um die thaten des
Pelopshanaes moralisch zu beurteilen und zn verurteilen und auf die
gleiche moralische qualitSt des bevoratobenden muttermordeB hin-
zuweisen, dann allerdings wUrde die tendenz des diamaB gest{ltt.
gesetzt nnn aber, die 'tendenz' der Sophokleischen Elektra ent-
spreche den 'tendenzen' anderer antiker und modemer tragfidien
nnd wttre etwa diese: den Zuschauer in achOnen formen den kämpf
miterleben zu lasaen, der von einem heroisch leidenschaftlichen
frauenwillen unter der last einer sittlich furchtbaren lebenaaufgabe
durchgekämpft wird, und der um so tragischer ist, je mehr auch
die gegner der heldin entweder durch ihre peraQnlicbkeit uns sym-
pathisch Bind oder uns imponieren, oder aber in gestalt hoher, hoch-
berechtigter sittlicher Ordnungen uns entgegentreten, nnd je schmerE-
licher dadurch ihr Widerspruch oder widerstand für uns wird oder je
mehr wir uns im notwendigen kämpfe gegen sie in leidenachaftlich-
keit nnd irrtum verstricken, gesetzt, dies wSre die tendenz unserer
tragOdie, und angenommen wiederum, unser chorlied und insbeBon-
dere sein schlusz hätten den Inhalt und die Stimmung , die ich oben
darzulegen versucht habe : wSre dann nicht die erinnerung an den ge-
Bchlechtsäuch des Pelopidenbauses nicht nur keine stSrang, son-
dern geradezu von wesentlicher bedeutnng fUr dieses drama?
Basel. Theodor Flüss.
GTreu: Pausanias und sein Verteidiger. 633
diesem mehr als dreihundert jähre umfassenden Zeitraum erwähnens-
wert gefunden?
Die annähme wird noch seltsamer durch die überraschenden
thatsachen, welche wir aus den kürzlich erschienenen vortrefiPlich
angelegten und überaus dankenswerten 'Untersuchungen zur griechi-
schen künstlergeschichte' von Emanuel Loewy (abhandlungen
des archäol. epigraph. seminars der univ. Wien, herausg. von OBenn-
dorf und OHirschfeld, IV, 1883) kennen lernen. Loewy hat nem-
lich gezeigt, dasz wir bei Pausanias nicht nur für Olympia, sondern
für das ganze gebiet seiner periegese, in sämtlichen zehn
bü ehern — mit einer einzigen ausnähme, welche den copisten
eines altem Werkes betrifft — bis jetzt überhaupt noch keinen
bildhauermit Sicherheit nachweisen können, der nach
der mitte des zweiten jh. vor Gh. gelebt.^ und aus den
vorangegangenen Jahrhunderten hatte er deren doch nicht weniger
als hundertundsiebenzig aufzuzählen gewust ! gesetzt nun auch dasz
aus der zahl von nicht voll zwanzig bildhauem , welche Loewy noch
als künstler aus unbestimmter zeit bezeichnen muste, etwa noch zwei
oder drei in die grosze klaft von drei Jahrhunderten hineinsprängen,
welche in der kunstgeschichtlichen Überlieferung bei Pausanias gähnt,
was würde dies an der Seltsamkeit der ganzen thatsache ändern?
Ja noch mehr. Loewy hat wahrscheinlich zu machen gewust^
dasz dieselben chronologischen und topographischen grenzen der
kunstgeschichtlichen Überlieferung schon hundert jähre früher, ehe
noch die sym- und antipathien des Pausanias in frage kamen, bereits
in dem material kenntlich hervortreten, das Plinius in den syste-
matischen teilen seiner Übersichten über die erz- und marmorbildner
verarbeitete.
Wenn Loewy (s. 75) die ergebnisse seiner arbeit im wesent-
lichen in die sätze zusammenfassen konnte:
dasz auch der erzgieszerbestand bei Plinius nur bis etwa in die
zweite hälfte des zweiten jh. vor Gh. reiche;
dasz die künstlerchronologie bei Plinius sich , von den perga-
menischen künstlem abgesehen, aus einem künstlermaterial wie das
bei Pausanias vorliegende gewinnen lasse ;
dasz das künstlermaterial im erzgieszerverzeichnis im wesent-
lichen einen einheitlichen bestand repräsentiere, der auf eine periegese
Griechenlands von ähnlichem örtlichen und zeitlichen bestände zurück-
gehe wie die des Pausanias;
dasz auch dem Verzeichnis der marmorbildhauer zum teil der-
selbe bestand zu gründe liege;
dasz das verfahren zur gewinnung der Chronologie der künstler
bei Plinius und Pausanias principiell dasselbe sei ; und endlich
* Loewy s. 99. die ausnähme macht Paus, bei Menodoros, einem
künstler Neronischer zeit, der nur wegen seiner copie des PrazitelischiBn
Eros für Parion angeführt wird, die epoche des Attalos, den Loewy
gleichfalls vermutungsweise in späte zeit setit, ist vorläufig ganz angewis.
634 GTreu: Pausanias und sein Verteidiger.
dasz auch die mitteilungen Über schulverbältnisse sich bei beiden
auf 6ine und dieselbe auswahl von griechischen künstlem beschränken
und wegen ihrer formalen Übereinstimmung auf dieselbe quelle
zurückgehen müsten — so sehe ich in der that nicht , wie man dem
Schlüsse entrinnen soll, dasz sie beide ihren stoff in allem wesent-
lichen aus derselben schriftstellerischen Überlieferung ge-
schöpft, und dasz dieselbe sich in ihren hauptbestandteilen bereits
um die mitte des zweiten jh. vor Ch. fixiert habe.
Schubart wird zugeben, dasz in Loewys arbeit nirgends eine
Voreingenommenheit gegen Pausanias durchblicke, im gegenteil er-
klärt er (s. 35) von der die glaub Würdigkeit des Paus, betreffenden
frage ganz absehen zu wollen ; er traut Paus. (s. 28) zu, dasz ihm bei
der reihe trefflicher Schriften Über Athen und die akropolis, wie jener
Diodors und Polemons, eine sorgfältige behandlung dieser partie von
seiner seite überflüssig erschienen sei, und sucht dadurch die mängel
des ersten buches teilweise zu entschuldigen, wo ihn seine Unter-
suchungen zu dem resultat bringen, dasz Paus, allerdings in bezugauf
auswahl , Chronologie und schulzusammenhang der künstler von der
frühern kunstforschung abhängig sei (s. 59 u. 65), da lehnt er es doch
ab eine quellenuntersuchung im eigentlichen sinne anzustellen, sie
hätte ihn sonst wohl zu der Wahrnehmung einer noch viel weiter
gehenden abhängigkeit des Paus, von seinen Vorgängern geführt.
sollte aber nicht gerade diese Zurückhaltung Loewys seine resultate
zu einem neutralen boden gestalten können , auf dem anklftger und
Verteidiger zusammentreten und sich die bände schütteln dürften?
Und nun noch ein wort über Wilamowitz' Polemonhjpothese,
welche Hirschfeld f(lr so voreilig hält, wenn Loewy mit recht aach
bei Pausanias die Plinianische Scheidung der künstler in zwei gmp-
pen nachzuweisen versucht hat, von denen die eine bis in den anfang
des dritten jh. vor Ch. (ol. 121) hineinreicht, die andere sich um
die mitte des zweiten jh. (ol. 156) sammelt, so ist damit einerseits
offenbar die Wahrscheinlichkeit gewachsen, dasz die fixierung dieser
ersten gruppe auf Polemon zurückgeht, die chronologischen Schwie-
rigkeiten, welche die zweite gruppe dieser annähme bisher bereitete,
scheinen sich aber anderseits dadurch zu erklären, dasz diese späteren
bildhauer in der that einem andern als Polemon ihren platz in der
kunstgeschichtlichen Überlieferung verdanken.
Dresden. Georg Treu.
95.
ZU ARISTOPHANES FRÖSCHEN.
Wie so viele stellen in den Fröschen des Aristophanes noch
der richtigen texte sgestaltung oder der richtigen interpretation
harren, so auch v. 1124, den ich im folgenden genauer besprechen
möchte , um dadurch entweder zu einer allseitig befriedigenden er-
klärung des hsl. überlieferten textes zu gelangen oder, falls dies
ADrescher: zu Aristophanes Fröschen [v. 1124]« 635
nicht möglich, durch cmendation der hsl. lesart die sachlichen
Schwierigkeiten der litteraturgeschichtlich sehr interessanten stelle
zu heben.
Bekanntlich enthält der zweite teil der Frösche den musischen
agon , der zwischen Aischylos und Euripides in der unterweit um
den tragischen thron schon vor der ankunft des Dionysos daselbst
ausgebrochen ist, da jeder der beiden sich für würdiger hält den
tragischen ehrensitz einzunehmen, in diesem wettkampf 'dec sich
über alle teile der tragischen kunst, über Inhalt und tragische Wir-
kung, ausführung und Charakter der rede, prologe, chorgesänge und
monodien erstreckt' (KOMüller GLG. 11 249), entwickeln beide*
dichter ihre ansichten über wesen und geist der poesie im allgemei-
nen, speciell aber unterziehen sie die einzelnen bestandteile der beider-
seitigen tragödien auf anraten des chors einer ästhetischen kritik,
die sie durch einen gewissermaszon anatomischen zergliederungs-
process pedantisch üben, mit v. 1119 geht Euripides zur prüfung
der Aischylischen prologe über mit den Worten Ktti |if|V dir' auTOiic
TOiic TrpoXÖTOuc cou Tpi\\fO}xax und antwortet dem Dionysos auf
die frage, welchen der Aischylischen prologe er einer vernichtenden
kritik unterwerfen wolle , selbstgeföllig : ttoXXouc Trdvu. | npuiTOV
hi ^0l TÖv d£ 'Op€CT€iac X^TC. dieser vers, der die aufforderung
des Euripides an Aischylos enthält, ihm den prolog aus der Orestie
zu recitieren, bietet, da der text in allen hss. gleichmäszig überliefert
ist, sprachliche Schwierigkeiten überhaupt nicht, er ist einfach
zu übersetzen: (zu Dionysos) 'sehr viele'; (zu Aischylos) ^zuerst aber
sage mir den aus der Orestie auf. diese auffassung, gestützt auf
die hsl. Überlieferung, wäre nur unter der dreifachen Voraussetzung
zulässig, dasz erstens — und darauf ist zunächst das hauptgewicht
zu legen — der nachweis geliefert werden könnte, dasz 'OpecTcm
die ursprüngliche bezeichnung des mittelstücks Cho^phoren gewesen
sei; oder dasz zweitens wie im modernen drama ein gesamtprolog
der trilogi sehen oder tetralogischen composition vorausgegangen
wäre; oder dasz drittens der prolog der Cho6phoren nach Über-
einstimmendem urteil der alten kunstkritiker durch seine geniale ^
anläge und ausgezeichnete formvoUendung den prolog des Agamem-
non und der Eumeniden ganz und gar in schatten gestellt habe,
so dasz TÖV an unserer stelle bedeutete 'praeclarissimum illum pro-
logum'.
ad 1) diese behauptung ist von GEzner 'de schola Aeschyli et
trilogiarum ratione' (Breslau 1840) s. 44 mit den werten aufgestellt
worden: 'ac primum quidem Oresteae nomine non trilogiam sed
Cbo&'phoros fabulam significat Aristophanes. etenim Euripides ille
Aristophanius Aeschyli prologos examinaturus dicit (Ban. 1124) . .
Aeschylus recitat prologum Cho^phororum : '€p|Lif] etc. quare nemo,
nisi qui illa opiniono de trilogia omnino est captus, illo loco nomine
Oresteae Cho^ph. tantum indicari negabit.' hierdurch veranlaszt
veröffentlichte FWieseler zs. f. d. aw. 1844 sp, 153 ff. einen auf-
636 ADrescher: zu Aristophanes Fröschen [v, 1124].
satz : ^hieszen die Cho^phoren des Aeschylos ursprünglich 'Op^CT€ia?'
(der den meisten , um nicht zu sagen allen Aristophaneserklttrem
völlig unbekannt geblieben zu sein scheint), in dem er nach gründ-
licher darlegung der in der sache selbst liegenden gegengründe:
hinweis 1) auf den von alters her durch Überlieferung beglaubigten
titel Cho^phoren, 2) auf die als name eines einzelnen stücks höchst
auffällige bezeichnung 'Op^CTCia, und 3) auf den ausschlusx der
Eumeniden von dieser bezeichnung, zu der unzweifelhaft richtigen
antwort ^nein' gelangt, damit zu vergleichen ist die auf grundlegen-
der Welckerscher forschung beruhende bemerkung ThKocks zdui.
*^die trilogien und (mit einschlusz der satyrdramen) tetralogien des
Aiscbylos biengen dem mythos und der zu gründe liegenden sittlichen
idee nach eng zusammen; dahpr werden die trilogien des Aischylos
oft mit einem gemeinsamen namen benannt: so erwähnt Aristo-
phanes selbst (Thesm. 134 f.) noch die AuK0upT6ia, andere die TTa-
TpÖKXeia, AoXujveio, TriXeTÖveio, 'HpdiKXeia usw.*
ad 2) jedes der drei zu einer trilogie vereinigten stücke hat
seinen besondern prolog, somit kann nicht von einem gesamtprolog
die rede sein, würde diese Voraussetzung gestellt, so müste der
prolog des Agamemnon angeführt, nicht aber dürfte der prolog der
Choöphoren citiert werden.
ad 3) weder die alte noch die neue kunstkritik hat dem prolog
der Cho^phoren eine Sonderstellung in der erwähnten trilogie an-
gewiesen, so dasz somit alle drei angenommenen voraossetcnng^
hinfällig erscheinen.
Es liegt also die Schwierigkeit der vorerwähnten stelle aae-
schlies^lich in der sachlichen interpretation , die lediglich durch die
hsl. falsch überlieferte lesart bedingt ist. in den mir zur Verfügung
stehenden kritisch-exegetischen hilfsmitteln ist wunderbarer weise
mit keinem wort auf die Schwierigkeiten der stelle hingewiesen, ge-
schweige eine befriedigende erklärung versucht oder gar der ein-
zigen von Wieseler geistreich vorgeschlagenen emendation: TrpujTOV
hi ^oi T\y' il 'OpecTciac X^t^ erwähnung geschehen, unzweifelhaft
gebührt also Wieseler das verdienst zuerst die Schwierigkeit der
stelle genauer ins äuge gefaszt und durch eine sehr leichte ttndemng
den richtigen weg zur unzweifelhaft richtigen lesart: irpdiTOV M
^01 Tiv' ii 'OpecTciac X^tcic; gezeigt zu haben.
Nachschrift. Aus einem mir durch die gute von A Weidner
in Darmstadt zur Verfügung gestellten collegienhefte über die FrOsche
des Aristophanes von EFNägelsbach aus 1856/67 ersehe ich, dass
dieser an unserer stelle 'Op^CT€ia im engem sinne nimt, insofern
Orestes eigentlich erst vom zweiten stück der trilogie eine rolle
spielt, im übrigen aber den trilogischen Zusammenhang in bexug auf
den durchgeführten grundgedanken gehörig betont.
Mainz. Al£zamder Drbsohbb.
HWenskj: za Valerius Maximus. 637
96.
ZU VALERIUS MAXIMUS.
I 6 ext. 1. als Xerxes vor der Zerstörung Athens mit dem plane
umgieng Lakedaimon zu überfallen, fiel einst beim mahle ein wunder-
zeichen vor: der in des königs schale gegossene wein verwandelte
sich in blut, und das geschah nicht Einmal sondern dreimal, wes-
wegen von den zu rate gezogenen magiern die Unterlassung der ge-
planten Unternehmung empfohlen wurde, dann heiszt es weiter : et
si guod uestigium in tiaecordi pedore sensus fuissety ante de Leonida
et a Caesar e spartanis ahtmde monitum. indem ich im interesse der
kürze wegen neuerer emendationsversnche auf Förtsch emend. Val.
III s. 5 f. verweise, beschränke ich mich auf die darlegung meiner
ansieht über die vorliegende stelle, die ich als lückenlos, wenn auch
als sehr entstellt ansehe, ist abunde monitum ^ woran zu zweifeln
kein grund vorliegt , zumal da die Verbindung aJmnde monere sich
auch I 6, 12 findet, richtig überliefert, so wird vorher ein wort ge-
standen haben, von welchem der acc. des part., der auch die deutung
als infinitiv zuläszt, abhängig sein kann, als solches nahm ich nach
den in a caesare s liegenden spuren den potentialen cpnjunctiv cre-
deres an, den Val. auch II 2, 1 gebraucht hat. betreffs der ursprüng-
lichen gestalt von partanis führte die erinnerung an III 2 ext, 3, wo
von des Leonidas pertinacia die rede ist, wii perti/nacia — zunächst
mag das a am schlusz vor abunde ausgefallen sein — daraus aber
folgte 1) dasz et von einem Schreiber herrührt, der den vermeint-
lichen eigennamen Caesare mit dem vorhergehenden Leonida ver-
binden wollte , und 2) dasz Leonida in den genitiv zu verwandeln
ist. so ergab sich mir als resultat die lesart ante de Leonida e
crederes pertinacia abunde monitum. wie sehr die pertinacia
des Leonidas zu der mehrmaligen Wiederholung desselben prodigium
stimmt, darf wohl kaum hervorgehoben werden.
II 10, 5 cui (P. Butüio exuHi) Asiam petenti omnes prouinciae
iUius ciuüates legatos secessum eius opperientes obuiam misenmt.
exulare quis loco hoc aut triumphare iustius dixerit? im letzten satze
bereiten loco und aui Schwierigkeiten , die man beseitigt zu haben
glaubt ^ wenn man mit Perizonius loco tilgt und mit den alten aus-
gaben für aut im zweiten gliede der vermeintlichen doppelfrage an
setzt, aber so lange nicht eine annehmbare erklärung dafür, wie
loco in den text gekommen , gefunden ist — und eine solche nicht
zu kennen gibt wenigstens Eempf zu — wird man das wort bei her-
Stellung der stelle in betracht ziehen müssen, freilich als ablativ
der trennung wird es nicht gelten können; aber was hindert es als
abl. limit. aufzufassen? dann besagen die worte exulare quis loco
hoc dixerit den thatsachen ganz angemessen, dasz man das, was dem
Butilius zustiesz, ein exil nur dem orte nach nennen könne, und
rufen in dieser fassung von selbst den gedanken wach , in der that
638 HWensky: zu Valerius Maximus.
sei es ein triumpbzug zu nennen, damit ist zugleich die Verbesse-
rung gegeben : denn die werte aut triumphare iustius entsprechen
dem geforderten gedanken, wenn aut in re verwandelt wird, re mag
vor folgendem t in ret übergegangen und dies in aiU verbessert wor-
den sein, ich schlage also vor zu schreiben exfdare quis loco hoc, re
triumphare iustius dixerit,
III 2, 2 inter ceteras enim uirgines (Cloelia) öbses Porsennae
data hosti nocturno tempore custodiam egressa equum conscendU usw.
hosti ist offenbar verderbt und wurde von Kempf nach Perizonius
Vorgang als überflüssig eingeschlossen, von Förtsch in hostiSy voa
Halm im text in hostium vervandelt und mit custodiam verbunden,
was Kempf novae quaest. s. 33 mit recht tadelt, weil das wort selbst
müszig und in bezug auf seine Stellung verdächtig sei. die Verderb-
nis ist somit bis jetzt nicht beseitigt; doch hege ich die hofibung
das wort durch geringe änderung retten zu können, es erhebt sich
nemlicb , liest man obigen satz , die frage : wie war es doch möglich
dasz Cloelia trotz scharfer bewachung entrinnen konnte? darauf
läszt sich nur die antwort denken, dasz sie es eben verstanden haben
musz, die Wachsamkeit der Wächter zu teuschen; die andeutung da-
von kann aber sehr wohl in dem worte fürt im enthalten gewesen
sein, welches ich an die stelle von hosti zu setzen vorschlage, die
änderung erscheint in der that unbedeutend, wenn man erwägt was
Halm s. 116 im kritischen comm. sagt: 'dnctus litterarum rt et st
in B simillimi sunt', und wird dringend empfohlen durch VI 8, 7
cuius furtiuum egressum seruus . . specukUus.
IV 1, 8. Ti. Gracchus lebte mit den Scipionen in offener feind*
Schaft, als nun einst Asiaticus auf befehl des consuls ins geföngnis
abgeführt werden sollte und die hilfe der tribunen vergeblich in an-
Spruch nahm , trennte sich Gracchus von seinen coUegen und faszte
ein Separatvotum ab. nee quisquam duhitauü quin in eo {decreto)
scrihendo irati noctis aduersus Äsiaticum uerhis usurus esset. Kempfs
bestechende conjectur ira tinctis hat Halm in den text gesetzt; Blaum
quaest. Val. spec. s. 38 tadelt das, weil die bedeutung von tingere
aliquid aliqua re ^einer sache einen anstrich geben' zu dem vom zu-
sammenhange geforderten sinne nicht passe, was Blaum selbst vor-
schlägt : irati 2>ectoriSy liegt von der Überlieferung zu weit ab. mir ist
irae tenacis eingefallen, was der hsl. lesart fast so nahe koMmt wie
Kempfs conjectur und einen durchaus entsprechenden sinn gibt, von
den Verbindungen ira tenax und irae uerha findet sich die eine Ov.
ex Ponto 1 9j 28 ne Sit ad extremum Caesaris ira tenax. der zweiten
dürfte an die Seite zu stellen sein Val. Max. lY 7 ext. 2 excusationis
uerha. übrigens will ich nicht verschweigen , dasz das adj. tenax in
der hier erforderlichen bedeutung bei Val. sonst nur im Superlativ
vorzukommen scheint, wie I 8 ext. 2. II 6, 1 usw.
IV 1, 14 tot famüiis in uno gcnere laudis enumeratis Porcium
fwmcn uelut expers huiusce gloriae silcntio praetereundum se negat fieri
dcherr posterior Caio. die Wörter /?eri dehere sind im Bern, durch punkte
HWenbky: zu Valerins Maximus. 639
als unecht bezeichnet, aber einerseits wird es schwer sein nachzu-
weisen, wie sie in den dem Schreiber des Bern, vorliegenden text
gekommen sind, anderseits scheinen sie durch II 8, 2 negauU id fieri
oportere Lutatius als zu dem von Val. für seinen gebrauch geschaffenen
phrasenschatz gehörig gesichert zu sein, musz daher durch emenda-
tion abhilfe geschaffen werden, so dürfte es sich empfehlen zu schrei-
ben praetereu/ndum, sed negat usw. schon § 12 desselben cap. hat
Val. sich darüber beklagt, dasz er so wichtige beispiele so kurz ab-
machen müsse , und durch den satz quapropter bona cum uenia duo
MeteUiy Macedonicus et Nuvnidicus . . strictim se narrari patiantur
den nahen abschlusz der aufzählung von beispielen wenn auch nicht
geradezu angekündigt so doch vermuten lassen, dadurch wäre Cato
von der erwähnung ausgeschlossen ; da ihn Val. aber doch durchaus
erwähnen wollte, so gab er dem den Übergang bildenden satze in
seiner weise die oben angeführte form, ähnlich verfährt er I 1, 9,
wo es heiszt : ohruitur tot et tarn inltistrilnis consukUibiis L. Furius
BibacuJ/us exemplique locwm uix post MarceUum intienü^ sed pii simul
ac religiosi animi laude fraudandtis non est. wenn Val. trotz der an-
kündigung in § 12 auch mit § 14 die reihe der einheimischen bei-
spiele noch nicht schlieszt, sondern in § 15 auf Cato noch M. Bibulus
folgen läszt, so macht er sich einer ähnlichen inconsequenz schuldig
wie III 2 pr. 1, 2. Kempf gibt nach Torrenius emendation . • se
negat. negat fieri debere usw. , Halm nach eigner conjectur . . enu-
meratiSy Porciumne . . praeteretmdumst? negat usw., Madvig adv.crit.
I 91 schlägt vor Porcium nomen . . praetereundum esse negat p. C.
VI 2, 7 cui (Pompeio) Candida fascia crus adligatum hdbenti
Fauonius ^non refert* inquit ^qtia in parte sit corporis diademä', exigui
panni cauiUatione regias ei uires exprohrans, at is netäram inpartem
mutato uuüu utrumque cauUj ne aut hilari fronte Ubenter adcognoscere
potentiam profiteri uideretur, die Wiederherstellung des letzten satzes
der vorliegenden stelle hängt von dem urteil ab, das man über das
für Val. unerhörte wortgebilde adcognoscere hat. wenn man es mit
Kempf von cognosere und einem als bessere lesart für co darüber ge-
schriebenen ad ableitet, wird man die stelle für lückenhaft halten
müssen, wie denn schon im Bern, am rande aid tristi iram bemerkt
und daraus in geringere hss. zwischen potentiam und profiteri über-
gegangen ist. Kempf tadelt diese ergänzung mit recht und verlangt
folgenden gedanken : ne aut hilari fronte Ubenter adgnoscere potentiam
aut tristi iam profiteri uideretur, Halm ergänzt im text nur aut tristi
und nimt unter demselben aut tristi eam als möglich in aussieht,
nach meiner ansieht eignen sich die wOrte libenler adgnoscere und
iam profiteri durchaus nicht zu der hier erforderlichen scharfen anti-
these. das bestimmte mich mir die Überlieferung darauf hin anzu-
sehen , ob nicht in adcognoscere nicht sowohl eine erweiter ung des
textes als vielmehr eine zusammenschweiszung ursprünglich getrenn-
ter Wörter zu suchen wäre, nun entbehrt aber das aut vor hüari der
correspondierenden partikel ; es liegt also wohl nahe genug die silbe
638 UWensky: zu Valerius Maxinras.
sei es ein triumpbzug zu nennen, damit ist zugleich die Verbesse-
rung gegeben : denn die worte auf iriumpikare iustius entsprechen
dem geforderten gedanken, wenn aut in re verwandelt wird, re mag
vor folgendem t in ret übergegangen nnd dies in aut verbessert wor-
den sein, ich schlage also vor zn schreiben exulare quis looo hoe^ re
triumphare iustius dixent.
m 2, 2 inier cäeras enim uirgines {Cloelid) obses Porsennae
data hosti noctumo tempore custodiam egressa equum eonseendii nsw.
?u>sti ist offenbar verderbt und wurde von Kempf nach Perlsonins
Vorgang als überflüssig eingeschlossen , von Förtsoh in hasiis , von
Halm im text in hastium vervandelt nnd mit custodiam verbunden,
was Kempf novae qnaest. s. 33 mit recht tadelt, weil das wort selbst
müszig und in bezug auf seine Stellung verdSchtig sei. die Verderb-
nis ist somit bis jetzt nicht beseitigt; doch hege ich die hofihong
das wort durch geringe Snderung retten zu können, es erhebt sich
nemlich, liest man obigen satz, die frage: wie war es doch mOglich
dasz Cloelia trotz scharfer bewachung entrinnen konnte? darauf
Iftszt sich nur die antwort denken, dasz sie es eben verstanden haben
musz , die Wachsamkeit der wSchter zu teuschen ; die andentnng da*
von kann aber sehr wohl in dem worte fürt im enthalten gewesen
sein , welches ich an die stelle von hosti zu setzen vorschlage, die
änderung erscheint in der that unbedeutend, wenn man erwSgt was
Halm s. 116 im kritischen comm. sagt: 'dnctus litterarum ff ets<
in B simillimi sunt', und wird dringend empfohlen durch VI B, 7
cuius furtiuum egressum seruus . . specuJatus.
IV 1, 8. Ti. Gracchus lebte mit den Scipionen in offener feind-
Schaft, als nun einst Asiaticus auf befehl des consuls ins gefingnis
abgeführt werden sollte und die hilfe der tribunen veigeblich in an-
spruch nahm , trennte sich Gracchus von seinen collegen und faszte
ein Separatvotum ab. nee quisquam dubitauU quin in eo {decreto)
scrihendo irati noctis aduersus Asiaticum uerhis usurus esset. Kemp&
bestechende conjectur ira tindis hat Halm in den text gesetzt; Blaum
quaest. Val. spec. s. 38 tadelt das, weil die bedeutung Yontinffere
aliquid aHiqua re ^einer sache einen anstrich geben' zu dem vom zu-
sammenhange geforderten sinne nicht passe, was Blaum selbst vor-
schlägt : iraii pectoris^ liegt von der Überlieferung zu weit ab. mir ist
irae tenacis eingefallen, was der hsl. lesart fast so nahe kommt wie
Kempfs conjectur und einen durchaus entsprechenden sinn gibt, von
den Verbindungen ira tenax und irae uerha findet sich die eine Ov.
ex Ponio l 9^ 2S ne sit ad extremum Caesaris ira tenax. der zweiten
dürfte an die Seite zu stellen sein Val. Max. IV 7 ext, 2 excusaüoms
uerha. übrigens will ich nicht verschweigen , dasz das adj. tenax in
der hier erforderlichen bedeutung bei Val. sonst nur im Superlativ
vorzukommen scheint, wie I 8 ext, 2. II 6, 1 usw.
rv 1, 14 tot famUiis in uno genere laudis enumeratis Porcmm
nomen udut expers huiusce ghriae süentio praetereundum se negat fieri
debere posterior Cato, die Wörter fieri debere sind im Bern, durch punkte
EBaehrens: zu Tacitus Agricola. 641
der hss. cupiditatem schreibt, wogegen ja die lesarfc des Bern, -täte
nichts zu besagen hat, das andere gewinnt man, wenn man fUr
a iuuenta setzt iuuentam. ich schlage also vor Pythagoras^ per-
feäissimum opus sapientiae, iuuentam pariter et o,h,p, cupiditatem
ingressus usw. nicht unähnlich ist V 4, 4 e^ ingenium et adulescentiam
praedaro opere auspicatus,
Breslau. Hugo Wensky.
97.
ZU T AGIT US AGßlCOLA.
In meinen ^miscellanea critica' (Groningen 1878) habe ich einen
ausführlichen kritischen commentar mitgeteilt zu dem durch den
traurigen zustand der Überlieferung schwierigsten werke des Tacitus,
dem Agricola. mit einem eigentümlichen gefQhl gehe ich dem Schick-
sal dieser publication nach, entweder ignoriert (weshalb denn einige
resultate derselben später als neue funde aufgetischt wurden, in die-
sen Jahrbüchern und den Leipziger Studien) oder von hyperconser-
vativen herausgebern einfach bei seile geschoben oder von sich klüger
dünkenden kritikern so obenhin eingesehen oder endlich vom albernen
schul witz verfolgt, hat sie die beacbtung, auf welche sie anspruch
machen darf, nicht gefunden, da ich schwerlich wieder auf diese
Sachen zurückkommen werde, so mögen hier wenigstens noch einige
kleinigkeiten nachgetragen werden.
c. 3 quid? si per quindecim annoSy grande mortalis aeui spatium^
multi fortuitis casihuSj promptissimus quisque saeuitia principis inter-
dderunt, pauci et uti dixerim non modo äliorum sed etiam nostri super-
stites sumuSy exemptis e media uita tot annis, quihus iuuenes ad senec-
tutem, senes prope ad ipsos eooaäae aetatis terminosper süentium ueni-
mus. dasz die worte pauci et uti dixerim durch die bisherigen ver-
suche von Bhenanus ua. nicht endgültig gebessert sind, habe ich
misc. crit. s. 129 dargethan und vorgeschlagen jpat^ci et utiq. miseri.
und diesen verschlag halte ich aufrecht, da ich weder in Comelissens
wahnwitzigem einfall pauci soluti discrimine noch in der allen ver-
band mit dem folgenden zerstörenden conjectur von OHirschfeld
(Wiener Studien V 122) pauci tuti uixerunt etwas besseres zu er-
blicken vermag, jenes miseri erhält seine nähere erklärung durch
die folgenden worte exemptis . . tienimuSj in welchen noch ein bis-
her unbemerkter fehler latitiert. dasz wer bei Domitianus regierungs-
antritt seneXy also älter als sechzig war, nach dieser fünfzehnjährigen
her Schaft bei den termini exadae aetatis angelangt war, ist eine
durchaus naturgemäsze thatsache, welche sich in das rhetorische
pathos dieser stelle nicht fügen will, die iuuenes, also männer von
30 bis 45 Jahren (vgl. Varro bei Censorinus c. 14) wurden nach
Tacitus meinung unnatürlich früh greise, weil jene schreckliche
regierung doppelt schwer auf ihnen lastete, passend wird sich an
Jahrbücher für class. philol. 1883 hft. 9. 42
642 EBaebrens: zu TacituB Agricola.
diese iuuenes die nächstfolgende altersstufe anreiben, also derer, die
im j. 81 das 45e lebensjahr passiert batten; sie können im j. 96 als
dem tode nabe greise bezeichnet werden in folge derselben doppelt
schweren last, ich vermute also dasz senes aus seniles = senior es
verdorben ist.
c. 35 et acUoquente adhuc Agricola müüum ardor eminebat^ et
finem orationis ingens alacrüas consecuta esty statirnque ad arma dis-
cursum, instindos ruentesque üa disposuit , ut pedüum auxüia usw.
dasz ein auf geregelten fortgang der gedanken bedachter schrift-
steiler den bereits zweimal {ardor — älacritas) ausgedrückten begriff
noch zum dritten male durch instindos wiederholt, ist zumal bei
Tacitus einfach unglaublich, voll von kampflust eilen die Soldaten
auseinander, um ihre waffen zu ergreifen ; die mit diesen ausgerüsteten
stellt Agricola in der weiter angegebenen Ordnung auf. ich vermutete
instrudos flir instindos und fand später, dasz so schon Lipsius ver-
besserte, die ausleger haben es natürlich leicht zu zeigen, dasz in-
stindos Taciteisch sei, hüten sich aber die abscheuliche tautologie
auch nur zu berühren ; und wenn Peerlkamp gegen jene conjector
instrudos einwendet, dies sei mit disposuit tautologisch , so will er
nicht sehen dasz jeder römische leser dazu natürlich nur armis er-
gänzte, unklar bleibt noch das nackte ruentesque. weder ein ad
Signa noch ein in hostem (vgl. c. 36 zu anfang) läszt sich dazu er-
gänzen; und auch dasjenige, was man zunächst erwartet, in campum
(vgl. c. 33 uix munimentis coercüum müitem) kann man dort nicht
ohne weiteres sich dabei denken, mögen andere entscheiden.
c. 38 ipse peditem atque equites lento itinere^ quo nouarum gen-
tium animi ipsa transitus mora terrerentur, in hibemis locauU, man
begreift nicht recht, wie ein langsamer durchmarsch durch neu unter-
worfene gebiete den be wohnern derselben schreck einjagen kann.
durchzog Agricola ihr land schnell, so mochten sie denken, er suche
geschlagen sich eiligst zu retten, und deshalb ihn anzugreifen ver-
suchen; diese gedanken verhütete der langsame durchmarsch. von
Tacitus wird stammen tenerentur^ das simplex statt des compo-
situm s continerentur oder auch rdinerentur.
c. 40 adco ut plerique^ quibus magnos uiros per ambUionem
acstimare mos est^ uiso aspedoque Agricola quaererent famam^pauci
intcrprctarcntur, wer Agricola sah und sich beschaute, der waste
eben dasz es Agricola war, kannte seinen rühm vollauf, nicht nach
diesem rühm also kann der beschaucr suchen (dh. ihn vermissen)^
wohl aber nach der ambitio^ die man ja in Rom für unzertrennlich
von einem feldherm oder Staatsmann hielt Veshalb' mochte man
sich fragen ^geht dieser grosze mann so wie der einfachste bUrger
einher?' den wahren grund für die abwesenheit dieser ambUio^
Agricolas politische klugheit, erkannten nur wenige, vielleicht ent-
stand famam aus eama^y das will sagen quaererent eam^ ab 8 entern
panci intcrpretarentur.
(i RONINGEN. Emil Baehrens.
WGilbert: zu MartiaUs. 643
98.
ZU MAßTIALIS.
In meiner programmabh. 'ad Martialem quaestiones criticae'
(Dresden 1883) habe ich den von LFriedländer mit allbekannter fein-
sinnigkeit und schärfe des Urteils namhaft gemachten epigrammen,
in denen von der textgestaltung in Schneidewins zweiter ausgäbe
abzuweichen ist, mehrere stellen beigeftlgt. ich gebe dazu hier einige
nachtrage , indem ich besonders noch mehrfach rückkehr zur guten
Überlieferung für erforderlich halte (V 33, 1. Xu 6, 8. XII 97, 8.
XIII 17, besonders aber XI 108, 4. XIII 89, 1. XIV 201, 2; vgl.
auch VI 88, 3 und XIV 183).
II 55, 2 vis te, Sexte, coli: völebam amare. \ parendum est tibi:
quod iuhesy coleris: \ sed si te colOy Sexte, non amäbo. in v. 2 ist
zwar coleris, wie Schneidewin II mit Scriverius schreibt, ebenso gut
bezeugt (durch P) wie das von Schneidewin I aus fam. C^ aufge-
nommene edlere, jedoch entscheidet für colere der so entstehende,
höchst angemessene gleichklang mit amare, den sich Martialis schwer-
lich entgehen liesz.
in 25, 3 Sdhi7M£um schreibt Schneidewin II mit zwei hss. der
fam. C ^ (CG) und mit iß (?). P hat Sabi^^eum. gerade die besten
der fam. C^ (XAB) und auszerdem Q bieten Sabineium. letzteres
ist wieder aufzunehmen: es ist ebenso aus SabimAS gebildet wie
Apuleius aus dem völkemamen Apuhis,
IV 58, 2 in tenebris luges amissum, QäUa, maritum, \ iamplo-
rarepudet te, puto, GaUa, virum. in v. 2 hat iam TC, nam P, non
XAB. iam läszt keine befriedigende erklttrung zu. wie schon
Schmieder erkannte (vgl. Guttmann observ. in Hart., 1866, s. 55 ff.),
ist nam aufzunehmen, aus dem sich auch die beiden andern lesarten
palftographisch leicht erklären, der Galla wird ironisch angedichtet,
dasz sie den verstorbenen gatten nur im stillen kämmerlein be-
trauere (in Wahrheit betrauert sie ihn wohl gar nicht): denn ihn
offen zu betrauern schäme sie sich wohl, natürlich weil sie dem
lebenden keine treue gattin gewesen.
V 21: das epigramm über den rhetor Apollodotus, der erst,
nachdem er die namen aufgeschrieben und memoriert hat, jeden mit
richtigem namen grüszt, schlieszt Schneidewin nach T mit den Wor-
ten scripserat et didicit. jedoch ist das plusquamperfect nicht recht
angemessen und deshalb die lesart der andern hss. scripsU et edidieU
vorzuziehen, das e vor didicit konnte nach 6^*leicht ausfallen, und dann
lag es nahe den vers durch Veränderung des tempus herzustellen.
V 33, 1 carpere catisidicus fertwr mea carmma: quis sit, nescio.
alle guten hss. haben qui sit, das also nicht ohne weiteres zu besei-
tigen ist. man könnte qui adjectivisch fassen und causidicus er-
gänzen, doch ist wohl auch substantivisches qm statt ^is statthaft«
vgl. Carmen de figuris 56 (s. 65 Halm) und auszerdem Sali. Cot*
42*
644 WGilbert: zu Martialis.
44, 5 {qui sim), wo ebenfalls substantivisches qui statt quis von den
besten hss. (den beiden Paris, und dem Vat.) bezeugt und von Ger-
lach (Heidelb. jahrb. 1868 s. 900), vLeutsch (Philol. XXI s. 30),
Eussner (jahrb. 1871 s. 409), Schmalz (jahrb. 1882 abt. II s.464),
Meusel (zs. f. d. gw. XXXIV s. 22) verteidigt wird.
Y 50, 3 meque velis stricto medium transfigere ferro j \ si nostrum
sine te scis cäluisse focum, velis T, potes XABG, putes Pgl. war
wirklich velis die echte lesart, so sieht man nicht ein wie das sinn-
lose putes und das zum mindesten nicht naheliegende po^es als ersatz
des ohne weiteres verständlichen velis in den text kam , während ur-
sprüngliches potes leicht in putes corrumpiert und durch die inter-
polation vdis ersetzt werden konnte, und in der that scheint |>o^e5
wohl erklärbar als ^du bist dazu im stände , du kannst es ttber dich
gewinnen'; vgl. Verg. georg. III 463. Aen. XI 325.
VI 88, 3 quanti lihertas constet mihi tanta, requiris: besser
bezeugt (durch TXB) und somit aufzunehmen ist constat.
VIII 34 archetypum Myos argentum te dicis habere, | guod sine
te factum est^ hoc magis archetypum est, so gibt das epigramm keinen
befriedigenden sinn, mir scheint der pentameter als frage zn fassen
zu sein, nur das kann zweifelhaft bleiben, ob man guod als pronomen
oder als causale conjunction, hoc als nominativ oder als ablativ an-
zusehen hat. in letzterm fall ist zu überzusetzen : ^ist es etwa des-
halb, weil du selbst nicht bei der fälschung gewesen bist, in höherem
masze original (als wenn dies der fall gewesen wäre)?'
IX 61, 17 hesternisque rubens deieäa est herba coronis *herab-
geworfen (auf den boden) ward von angewelkten rosenkränzen ge-
rötetes gras' ist sinnlos, der Zusammenhang verlangt ^angewelkte
rosenkränze wurden geworfen auf den dadurch sich rötenden gras-
boden'. deieda esf (so P$Q; ddecta est fam. C*) ist verderbt; den
richtigen sinn ergibt Heinsius' conjectur repleta est] ich vermute
distincta est, was mir minder gewaltsam und geschmackvoller er-
scheint und sich noch besser mit dem prädicativen rubens verbindet.
XI 108 quamvis tarn longo possis satur esse libeUo, \ ledory adhue
a me disticha pauca petis, \ sed Lupus usuram puerique diaria
posctmt. I Icctor, salve, taces dissimulasque? vcUe. hier ist saUve
von Scriverius und Schneidewin aus schlechten hss. statt solve auf-
genommen. Birt (buchwesen s. 155) kehrt zur Überlieferung zurück,
freilich indem er den gebrauch von dissimulare verkennend (vgl. IV
88, 10. V 16, 14. V 25, 11) das gedieht falsch erklärt, ist aber auch
die hergebrachte erklärung richtig, wonach Mart. durch die mit-
teilung, dasz sein gläubiger Lupus zinsen und seine sklaven kost-
geld von ihm fordern , nicht allein den wünsch weiterer distichen
ablehnt, sondern zugleich vom leser sich ein honorar durch die blume
erbettelt, so ist doch zweifellos zu der Überlieferung ^oZve zurück-
zukehren, denn abgesehen davon dasz salve ungereimt ist, da doch
Mart. den leser nicht erst begrüszen kann, nachdem sie schon zu-
sammen geredet haben, ist, was merkwürdigerweise auch Birt nicht
WGilbert: zu Martialis. 645
beachtet hat , die messung scdv^ unerhört und keineswegs durch das
bei Schneidewin gegebene citat gerechtfertigt, von imperativen der
zweiten conjugation gestatten die kürzung bekanntlich (vgl. LMüller
de re metrica s. 340) nur die iambischen mde^ cave und höchstens
noch väle.
XII 6, 7 made ammi^ quem rarvs hohes ^ morumque ttwrum^ \
quos Nnrnüy quos hüaris posset habere Cato. für passet , das Scri-
verius und Schneidewin aufgenommen haben, lautet die Überliefe-
rung der guten hss. possit. und dies ist nicht zu beanstanden, wenn
auch Numa und Cato der Vergangenheit angehören. Mart. rückt
nemlich auch sonst die historischen repräsentanten altvaterischer
strenge in die gegenwart, indem er sie gewissermaszen als generische
begriffe und als typen von dem banne der Vergangenheit löst. vgl.
XI 15, 1 f. stmt chartae mihi^ quos Catonis uxor et quos horri-
hiles legant Sahinae (natürlich die von den genossen des Bo-
mulus geraubten). IX 40, 5 quam castae quoque diligunt Sabinae.
XI 16, 9 f. erubuU posuitque meum Lucretia librum^ sed coram Bruto;
Brute^ recede: leget, hier aber ist dies um so berechtigter, da der Zu-
satz hüaris ausdrücklich bekundet, dasz Cato nicht die historische
persönlichkeit, sondern den typus bezeichnet (^ein Cato, aber nicht
der historische ernste , sondern ein heiterer').
XII 26 ist zu interpungieren :
Sexagena teras cum limina mane Senator ,
esse tibi videor desidiosus eques^
quod non a prima discurram luce per urbem
et referam lassus basia miüe domum,
5 sed tu , purpureis ut des novo nomina fastis
aut Nomadum gentes Cappadocumve regas:
at mihi , quem cogis medios abrumpere somnos
et matutinum ferre patique lutum ,
quid petitur? rupta cum pes vagus exü ohtta ,
10 et subitus crassae deddit imber aquae
nee venit ablatis clamatus verna lacernis ,
accedit gdidam servus ad auriculam
et Wogat ut secum cenes Laetorius* inquit,
V. 5 stand ein komma nicht hinter sed tu^ sondern hinter fastis. aber
von ut hängt nicht blosz des ab, sondern auch rega8\ und sedtu^
wozu man fads oder discurris et basia refers zu ergänzen hat, ist der
hauptsatz. sodann stand ein komma nicht am ende von v. 9, son-
dern am ende von v. 10; aber 6inen gedanken drücken nicht v. 9
und 10, sondern v. 10 und 11 aus.
Xn 94, 9 quid minus esse potest? epigrammata fingere coepi: \
hinc etiam petitur iam mea palma tibi, \ elige quid nolis: quis enim
pudoTj omnia veUe? \ et si quid non vis^ Tucca, relinque mihi. v. 10
hat palma nur T, die andern hss. haben fama, dies ist aufzunehmen,
da palma hier zu vornehm klingt (vgl. quid mvnus esse potest?).
646 WGilbert: zu Martialis.
übrigens empfiehlt es sich v. 11 die interpunction hinter nolis zu
streichen und quis enim pudor, omnia veUe? in parenthese zu setzen.
XII 97, 6 6^ ^ ad dominam reversa languet \ müUis mentrda
müihus redempta; quae nee vodbus exeüata hlandis^ \ moUipoUice
nee rogata surgU. hier ist quae nee (v. 8) nur conjectur (von Hein-
sius) und überdies meines erachtens recht matt, die Überlieferung
der fam. C^ vel ne ist sinnlos, aber trefflich ist die lesart von P
sed nee. an dieser üblichen form der Steigerung kann man unmög-
lich anstosz nehmen, hat man sich einmal von der vorgefaszten an-
nähme einer corresponsion der beiden nee (v. 8 und 9) freigemacht
und erkannt , dasz hier sed nee den sinn von sed ne — quidem hat.
XIII 6. Schneidewin schreibt im lemma und im text mit fam.
C ^ halieay obwohl aliea^ die wissenschaftlich begründete Schreibung
(vgl. Brambach neugestaltung der lat. Orthographie s. 284), hier
durch RTF bezeugt ist. dies ist um so auffallender, da er ä 37, 6
alica statt halica mit recht gegen die Überlieferung einsetzt, auch
XU 81, 2 f. ist aliculam und alicam, Xm 9, 2 alica zu schreiben,
obwohl an diesen stellen die guten hss. sämtlich (XIII 9, 2 auch T)
die mit h anlautenden formen bieten.
XIII 17 im lemma haben alle guten hss. nicht fasces coUcuUf
sondern faseis eöliculi,
Xlll Sdy 1 DauniusIkiganeilfiptAsexcipitofuTimavi^ \ aequo-
reo diUces cum sale pastus aquas, die lesart Daunius setzt Wande-
rungen dieser hechte voraus, die wohl schwerlich nachweisbar sind;
aber sie ist auch nur eine conjectur von Heinsius. laneus^ worauf
auch lau/nius in T weist und das in P und in fam. C * direct überliefert
ist, musz ohne zweifei wieder in den text aufgenommen werden,
denn mögen auch zunächst die ^wolligen hechte' befremden, so
ist doch der ausdruck gesichert und erklärt durch latuscuLum laneum
bei Catullus 25, 10, besonders aber durch Plinius n. h. IX 61 lupo-
rum laudatissimi qui appeUantur lanati a candore tnoUUieque camis,
XIV 5. das adjectiv eborei (oder eburnei) findet sich im lemma
von XIV 5. 12. 14. 91. an diesen vier stellen haben die familien B
und C* durchweg eborei, T, in welchem XIV 91 fehlt, hat an den
drei übrigen stellen eburei. B, in welchem XIV 14 und 91 fehlen,
hat XIV 5 und 12 eburnei. es ist wohl nur ein versehen von Schneide-
win, dasz er XIV 12 und 14 eburnei^ XIV 5 und 91 eborei schreibt;
er hatte wohl beabsichtigt vielmehr XIV 5 und 12 eburnei (aus B)
aufzunehmen, indessen wenn das geschieht, wie auch ich es für
richtig halte, so ist bei der consequenz der hss. in diesem punkte
das Zeugnis von B ohne zweifei auch für die zwei in B nicht ent*
haltenen lemmata geltend zu machen und an allen vier stellen
eburnei zu schreiben.
XIV 44 esse vides lignum: servas nisi lumina^ fiat \ de cande-
labro magna lucema tibi, der nur in T bezeugte potentiale con-
junctiv fiat ist matt gegenüber dem in allen andern hss. überliefer-
ten futurum fiet.
%
WGilbert: zu Martialis. 647
XIY 176. bei Schneidewin lautet das \emmsi persona] aber
diese bezeichnung ist ungenügend, da man so zunächst an eine
schauspielermaske denken würde, alle guten hss. auszer T fügen
den erforderlichen zusatz Germana (P Germanica) hinzu, sollte man
daran anstosz nehmen, dasz im text (v. 1) an die stelle des Ger-
manen ein Bataver tritt, so ist zu erinnern, dasz die Bataver zur
provinz Germania inferior gehörten , und dasz auch spuma Batava
und spuma Chattica (VIII 33, 20 und XIV 26, 1) ungefÄhr das
gleiche bezeichnen, auch sonst läszt T im lemma ein erforderliches
adjectivum aus: so XIV 180, wo Birt mit recht pida aus den übri-
gen hss. zugefügt hat, und XIV 222, wo niemand an der notwendig-
keit des Zusatzes dfddarius zweifelt.
XIV 183. man hat als lemma hisher Homeri Batrachomyomachia
angenommen, aber BT {hratacomachia) und auszerdem G {Jbatra
comacMa) lassen den die mause bezeichnenden teil des compositums
weg, und auch im text {perlege Maeonio cantatas carmine ranas)
werden nur die frösche genannt, daher ist Homeri Batracho-
machia zu schreiben, dasz diese form des titeis auch bei griechi-
schen Schriftstellern nachweisbar ist, ersehe ich aus Stephanus
Sprachschatz; und dasz sie sogar mehrfach in den hss. des gedichts
selbst steht, hat mir LFriedländer gütigst mitgeteilt, bei römischen
Schriftstellern wird der titel überhaupt nur noch Einmal genannt,
nemlich bei Statins süv, I praef.; da dort die ed. pr. ebenfalls batra-
chomachia hat, so könnte dies aus guten hss. entnommen sein ; doch
habe ich nicht die mittel zur band dies zu entscheiden.
XIV 197 ^15 tibi de mülis non est metuenda ruina: \ aUius in
terra saepe sedere söles, saepe, das Schneidewin aus T und Vind. 3
aufgenommen hat, ist witzlos: denn so enthielte der pentameter die
ernste angäbe, dasz man oft auf der erde höher säsze, nemlich wenn
bodenerhebungen einen natürlichen sitz bilden, die übrigen hss.
haben paene\ also sagt Mart. in witziger und anmutender Über-
treibung : 'da sitzt man ja beinahe auf ebenem boden höher.'
XIV 201 pälaestrita. \ non amo quod vincat^ sed quod stu^cumbere
novit I et dididt melius rrjv dvaKXivoTtaXriv, Schneide wins verdienst
um dieses epigramm ist kein geringes, denn Scriverlus las: non
amo qui vincity sed qui succumbere non vult et dicit melius r^v
ccvccKkivoTtdkrjv, und erst Schneidewin setzte die beiden quod, so-
dann novit und dididt sämtlich nach der bessern Überlieferung ein.
ob die aufnähme von vincat , das nur in T bezeugt ist, ebenso erfor-
derlich war, kann fraglich erscheinen; indes gefällt auch mir vincat
besser, wenngleich der sinn des causalsatzes durch die vertauschung
des indicativs mit dem conjunctiv nicht wesentlich geändert wird,
jedoch statt dvaKXivoTräXriv , das weder bezeugt noch sinngemäsz
ist, musz dTTiKXivoTrdXTiv geschrieben werden, direct überliefert
ist im (epi, epi) in XAG, auch die lesarten von T (tenet dinopalen)
und P (tenerestino palen) weisen darauf hin. und Schneidewin hatte
eigentlich keinen grund TfjV dTTiKXiVOTrdXiiv zu verschmähen, während
648 KZacher: zu Taciius annalen [iV 57],
freilieb Scriverius, der non vuU statt novit las, nichts damit an-
fangen konnte. dvaKXivoTrdXiiv , das griechisch im sinne von
xraYKpäTiov vorkommt, conjicierte man nemlich (so schon in der
Aldina 1501, in der Yeneta 1480, in den lemmata Domitii Calderini)^
weil man die obscönität des epigramms nicht verstand, aber diese
ist zweifellos: dTTiKXivondXTiv bedeutet nemlich dasselbe wie kXivo-
TidXnv (Suet. Domü, 22), mag man nun das wort als xfjv irA r^
kXivij TrdXriv oder als xfjv Tifi dTiiKXiveiv tiTVO|li^vtiv TrdXiiv (dm-
kXiv€IV ^nach vom neigen') erklären, während ein obscönes dva-
KXivoTrdXriv (dvaKXiveiv 'nach rückwärts sich neigen') allenfalls auf
eine frau, keinesfalls aber auf einen cinaedus passen würde, und zu
dieser auslegung passt trefflich melius (dh. «besser als die eigent*
liehe TrdXn») und ebenso das doppelsinnige succumherey das sehr
häufig obscön ist. endlich wird auch sonst der pcHaestrüa neben
dem concuhinus genannt: III 82, 20 f. partitur apri glanduHas pa-
laestritis et concuhino turturum nates donat
Dresden. Walthbr Gilbert.
99.
ZU TACITÜS ANNALEN.
Im 57n cap. des vierten buchs, in welchem die gründe, welche
Tiberius veranlaszt haben möchten sich nach Campanien zurück-
zuziehen , besprochen werden , sind die werte ä Bhodi secreto vUare
coetuSy recondere vduptates insueraJt an der stelle, an welcher sie über-
liefert sind, sinnlos, der gedankengang ist folgender: *ich habe als
Ursache des entschlusses Rom zu verlassen oben die einflüsterungen
Sejans bezeichnet, damit der verbrei totsten tradition folgend, da
Tiberius aber auch nach dem stürze Sejans noch sechs jähre in jener
einsamkeit blieb, so neige ich mich jetzt vielmehr dazu anzunehmen,
sein cntschlusz sei aus eignem antrieb hervorgegangen, indem er auf
diese weise sich seinen leidenschaften und begierden ungestört uno"
unbewacht hingeben konnte, manche glaubten, er habe sich seines
körperlichen aussehens geschämt, denn er hatte eine hagere gebückte
gestalt, einen kahlen scheitel und das gesiebt von geschwüren be-
deckt, auch in der einsamkeit von Rhodos hatte er
menschenverkehr gemieden, seine begierden im ge-
heimen befriedigt, andere erzählen, die herschsucht seiner
mutier hübe ihn hinausgetrieben.' was sollen jene werte in diesem
Zusammenhang? sie könnten doch nur etwas besagen sollen, was
jene manche als stütze für ihre annähme anführten, aber dasz er
in Rhodos sich zurückzog, um seinen lüsten zu fröhnen, kann
nicht wohl als stütze angeführt werden für die annähme, er habe
sich jetzt zurückgezogen, weil er sich seines aassehens
schämte, man versetze die fraglichen werte y o r die periode, hin-
ter der sie jetzt stehen, und es ist alles in Ordnung, da passen sie
SWidmann: dififerentiae sermonam. 649
hin als stütze des motivs, das Tacitus selbst dem Tiberius unter-
schiebt: ^er habe sich zurückgezogen, um in der einsamkeit sich
seinen leidenscAften hinzugeben — wie er das ja überhaupt so zu
machen pflegte (dies die bedeutung des part. praes. occuUantem von
der bleibenden Charaktereigenschaft), habe er es ja doch schon in
Bhodos gerade so gemacht.' dann ist auch das folgende, wo die ab-
weichenden ansichten anderer angeführt werden, klarer, und die
ganze disposition des capitels durchsichtiger.
Durch diese Umstellung würde also der betreffende passus fol-
genden Wortlaut erhalten: catisam ahscessus quam quam secutus
plurimos auctorum ad Seiani artes rettuli^ quia tamen caede
eius patrata sex postea annos pari secreto conhmxit^ plerumque
permoveor^ num ad ipsum referri verius sit^ saevUiam ac Ubidinem^
cum fadis promeret, locis occuUantem. et Bhodi secreto vitare
coetus, recondere voluptates insuerat. erant qui cre-
derent in senedute corporis quoque hahüum pudori fuisse: quippe
iUi praegracüis et incurva proceritaSy nudus capiUo Vertex ^ ulcerosa
fades ac plerumque medicaminibus interstinda. traditur etiam
matris inpotentia extrusum usw.
Breslau. Konbad Zaoher.
100.
DIFPERENTIAE SERMONÜM.
In einem kleinen, aber dicken bändchen aus dem fünfzehnten
Jh., welches mir zufällig von dem besitzer, hrn. geistl. rat pfarrer
Zaun zu Eiedrich im Bbeingau gezeigt wurde , fand ich am anfang
und am ende je ein pergamentblatt, welches ehemals die Innenseite
der holzdeckel bekleidet hatte , jetzt aber von diesen losgelöst ist.
da die schrift weit älterer zeit anzugehören schien als die des buches
selbst, bat ich mir die hs. aus und erhielt sie in zuvorkommender
weise vom besitzer geliehen.
Das büchlein enthält von einer band aus dem ende des 15n jh.
eine abhandlung über das hl. altarsacrament zum teil in versen. der
titel ist nur teilweise lesbar : Continentur in hoc liheUo mdrice seu
sub versibu^ \ Nomen (? rot geschrieben , kaum erkennbar) | Jßumi-
natorium (ein rot geschriebenes wort gänzlich verwischt)
sacramenti] darunter abermals spuren eines rot geschi*iebenen wortes.
Cum exercitio Scolari sacre communionis singulis \ feriis certa punda
singulorum graduum compre\hend€ns ante d post sacram communuh
nem, vor dem titelblatt sind noch zwei papierblätter eingeheftet,
welche von einer band des 16n jh. die bemerkung tragen: Ad usum
venerabüis Domini patris Qerhardi Lapidei Coloniensis Suppriorisque
monasterii WerdenensiSy anno 1535 und von derselben band mehrere
Sinnsprüche, der lederdeckel zeigt eingepresst zwei medaillons, eine
madonna mit dem kinde vom Strahlenkranz umgeben, eine anbetung
64S KZacher: zu Taciias annalen [lY 57].
freilich Scriverias, der non vtdt statt novit las, nichts damit an-
fangen konnte. dvaKXivoTrdXiiv , das griechisch im sinne von
iraTKpdTiov vorkommt, conjicierte man nemlich (so schon in der
Aldina 1501, in der Veneta 1480, in den lemmata Domitii Calderini)»
weil man die obscönität des epigramms nicht verstand, aber diese
ist zweifellos: ^TTiKXivondXTiv bedeutet nemlich dasselbe wie kXivo-
irdXnv (Suet. Domü. 22), mag man nun das wort als Tf|v dm t^
kXivij TrdXtiv oder als Tf|V ti|i ^TriicXiveiv tiTVO|li^vtiv irdXiiv (diri-
KXiveiv 'nach vom neigen') erklären, während ein obscönes dva-
KXtvoTrdXnv (dvaKXiveiv 'nach rückwärts sich neigen') allenfalls auf
eine frau, keinesfalls aber auf einen cinaedus passen würde, und zu
dieser auslegung passt trefflich melius (dh. «besser als die eigent-
liche TTdXii») und ebenso das doppelsinnige sitccumberey das sehr
häufig obscSn ist. endlich wird auch sonst der pcUaestrüa neben
dem concuhinus genannt: III 82, 20 f. partüur apri glandulas pa-
laestrüis et concuhino turturum nates donat.
Dresden. Walther Oilbbrt.
99.
ZU TACITÜS ANNALEN.
Im 57n cap. des vierten buchs, in welchem die gründe, welche
Tiberius veranlaszt haben möchten sich nach Campanien zurück-
zuziehen , besprochen werden , sind die werte ä Bhodi secreto vUare
coetus, recondere völuptates instierat an der stelle, an welcher sie über-
liefert sind , sinnlos, der gedankengang ist folgender : *ich habe als
Ursache des entschlusses Bom zu verlassen oben die einflüsterungen
Sejans bezeichnet, damit der verbreitetsten tradition folgend, da
Tiberius aber auch nach dem stürze Sejans noch sechs jähre in jener
einsamkeit blieb, so neige ich mich jetzt vielmehr dazu anzunehmen,
sein entschlusz sei aus eignem antrieb hervorgegangen, indem er auf
diese weise sich seinen leidenschaften und begierden ungestürt uno
unbewacht hingeben konnte, manche glaubten, er habe sich seines
körperlichen aussehens geschämt, denn er hatte eine hagere gebückte
gestalt, einen kahlen scheitel und das gesiebt von geschwüren be-
deckt, auch in der einsamkeit von Bhodos hatte er
menschenverkehr gemieden, seine begierden im ge-
heimen befriedigt, andere erzählen, die herschsucht seiner
mutter habe ihn hinausgetrieben.' was sollen jene werte in diesem
Zusammenhang? sie könnten doch nur etwas besagen sollen, was
jene manche als stütze für ihre annähme anführten, aber dasz er
in Rhodos sich zurückzog, um seinen lüsten zu fröhnen, kann
nicht wohl als stütze angeführt werden für die annähme, er habe
sich jetzt zurückgezogen, weil er sich seines aussehens
schämte, man versetze die fraglichen werte vor die periode, hin-
ter der sie jetzt stehen, und es ist alles in Ordnung, da passen sie
SWidmann: differentiae sermonum. 651
nMximü q;q; astra ac leuia . astra uero
es ornatos cell commonit dici posst
astra poBSxmt sine siderib; sidera sine
astris ee n possunt . astra fixa, sidera
10 mouentur . |>digium qd solidis corporib;
prospidtuT . Ut in celo motata -t-/P (in) facie gladii
Tnonstrü contra natura cognitam ut ser
pens cum 1 Is ü 1
fol. I s. 1 .^ , ^ __ ...
necessitas detur . Jn sj^ pnncipium
totius corporis . initiü qsi pmü initium rei;
in jq simulamus que nescimus scire desimu
lamus qtie scire negamus . Jn je[ |>mittimus
6 roga^i pollicimus ultro . Jn neminem
& (et) nnUü. 4* nullus ad uniuersa pot -r- refer
ri nemo ad homine intus et intro. Ji'Cf intro
a et intus sum . intus et foris intus uenio
/bris sum Jn lustra producte et lustra correpte
10 2ustra producte certa tempora lustra cor
Zo^bula ferat uel turpiü hominum
receptacula . Jn 4; seruitus necessitas ser
tiiendi seruitium dicimus 1
8. 2 uolumen a uoluendo
uoluntas animi uoluntas corporis
uorunculas moherth
urbanus sapiens t uir iucundi;
5 urbane sapi electe sapientie
urbane elegant i* iucunde
uua assa uua sicca et cocca ante in ligneo
uasse et in sole iterum siccata
ad pendendum aut in üasculo cum dili
10 gentia seruatum
uua passa jq patit abscidi ante plenam maturite
uulgo ubiq;
1 lama sar (?)
Fol. I s. 1 stimmt am meisten mit den differentiae sermonum
in HHagens 'anecdota Helvetica' (1870) s. 275—290. necessitas
detur bildet den schlusz von dem unterschied zwischen auxiUum
praesidium suhsidium: *suhsidium seruatur^ uty cum exegerU neces-
sitas y detur.* der dort folgende unterschied von consequi und inse-
qui ist in unserem codex ausgelassen, eigentümlich ist hier die ab-
kürzung in fy was offenbar inter quod heiszen soll; es fehlen dazwischen
die jedesmal zu unterscheidenden werte entweder infolge Unkenntnis
des Schreibers, der gar nicht verstand was er schrieb und einfach die,
wie er meinte, unnötigen Wiederholungen ausliesz, oder weil in
der vorläge dieselben bereits fehlten, dasz der Schreiber nicht ganz
652 SWidmann: differentiae sermonum.
wüste was er schrieb, zeigt, abgesehen von formen wie desimülamtis^
poUicirmiSy phüosophus^ die form feratur statt ferarum, famula usw.
Mit z. 1 und 2 stimmt besonders cod. B und Gothofredus s. 93.
z. 3 desgl. besonders mit BC : vgl. Gothofr. s. 93. Beifferscheid Suet.
rel. s. 290. — z. 4 ergänzen wir rogati, wie AG haben, doch könnte
ebensowohl roganti ergänzt werden müssen, auch A h&i poUicemus, —
z. 4. 5 fehlt die erklär ung von nemo, die sonst in den diff. zu stehen
pflegt (vgl. GLK. VII s. 630 u. 306. Roth Suet. s. 314). — z. 8
erwartet man, wie in den andern hss. steht, eo, aber das buchstaben-
fragment weist auf a. — z. 9 fif. IcUibula ferarum findet sich in BC.
Goth. s. 79. vgl. Reiflferscheid s. 277. — z. 12. 13 s. anecd. Helv«
s. 276, 20 uö.
Zu s. 2 z. 2 vgl. ebd. s. 289 , 7 , statt des zweiten uoluntas ist
uoluptas zu lesen. — z. 3 wie ist iwrunctäas moherth zu erklären?
sollte uoruncula gleich verrucula in dem sinne von kleinem boden-
höcker zu fassen sein ? dann liesze sich vielleicht moh-erth mit einem
angelsächsischen müh-eorde ^IfUgel-erde' zusammenbringen, oder
ist moherth mit ags. mücgvyrt = artemisia, beifuszkraut, ndd. mttg-
gert identisch? wie erklärt sich aber dann iiorunchdas? — zu dtti
folgenden zeilen wissen wir keine parallelstelle, uülgo tibigue findet
sich bei Papias.
Fol. 2 s. 1 z. 2: nur bei Papias finde ich etwas ähnliches:
scmicinctiumy minus lata zona dictum quod dimidium cingat, —
z. 3 beginnt offenbar ein neues capitel. — zu z. 4 vgl. Papias: fa-
muluSy unus ex famüia: seruus uero ex condidane semitutis \md
ebenso unter seruus ] dort und unter mancipium auch die erklärung:
ynancipium ex hosiibus quia manucaptum dicitur, — z. 7 — 12 vgl.
Papias u. muldatio und iadura : ^mulctatio et sine sanguine patest
esse in damno pecuniae. supplicium autem cum sanguine. poena uero
et dolor in sanguine,^ * iadura damnum: sed iamen hoc differuni^
quod iaduram scientes et uliro paJtimur : damnum uero insolüo et ex
improuiso.* — unter damnum findet sich auch das nöbis nescientihvks
und : detrimentum uero leue damnum fit in parte.
S. 2 : für den anfang finden wir uns ziemlich im stich gelassen.
z. 8 : vgl. anecd. Helv. s. 286 , 22 inter astra d sidera hoc interest^
quod astra sine sidcribus essepossunt^ sidera sine astris nonpossunt^
quia astra fixa sunt caelo^ sidera mouentur.* — zu z. 10 vgl. ebd.
s. 286, 9 ff. den unterschied von ostentum, prodigium undmonstrum:
^ostcntum sine corpore solide nohis se ostendit in ociUis d auribuSy
prodigium uero, quod solidis corporihus prospicUur^ ut in cado comeUs
Stella d in node lux, in die tenehrae; monstrum uero naturam oognir
tarn cgreditur, ut serpens cum pedibus aut cum quattuor älis.* vgl.
ferner Papias u. stellae, sidus bzw. sydera, astra.
Die weitere behandlung und beurteilung der fragmente mflssen
wir denen überlassen, deren fach die differentiae sermonum sind.
jedenfalls sind sie der beachtung wert.
Wiesbaden. Simon Widm ahn.
HRönsch: zum itinerarium Alexandri. 653
101-
ZUM ITINERARIUM ALEXANDRI.
In dieser vor der mitte des vierten jh. nach Ch. verfaszten schrift
bietet der text auch nach seiner roit hilfe des Ambrosianus bewirkten
bessern gestaltung durch DVolkmann (programm von Pforta 1871),
die wir hier zu gründe legen, noch immer mancherlei Schwierigkeiten
dar und veranlaszt uns behufs der beseitigung von einigen derselben
unsere ansieht kundzugeben.
In c. 6 s. 4, 5 lautet der jetzige text: pernix cursu quo veUet^
vehemens impetu quo minaretur^ nimius tormento iaculandi, con-
lineare quem destinasset peritus^t fervens irruere quo audendum usw.
von der hsl. lesung miraretur sagt der genannte hg. mit recht ^ sie
könne, wie er befürchte, nicht in schütz genommen werden; das-
selbe dürfte von den zwei besserungsvorschlägen quom irasceretur
und quo niteretur gelten, während dagegen das von AMai vermutete
minaretur nach unserm erachten nichts zu wünschen übrig läszt.
fürs erste schon deshalb, weil es gut in den Zusammenhang passt
und einen directen gegensatz zu dem vorausgehenden veUet bildet,
falls nemlich diese form nicht von minafi^ sondern von dem volks-
tümlichen minare = ^agere^ treiben, hintreiben' abgeleitet wird
(s. meine ^Itala und Vulgata' s. 236). dazu kommt dasz eben dieses
Zeitwort höchst wahrscheinlich von demselben schriftsteiler weiter
unten gebraucht worden ist in einer stelle, deren jetziger text frei-
lich dieses kaum mehr ahnen läszt, c. 28 s. 15, 13 f. Alexander con-
tendens cura et fade beUatoris terrihüis in ade agens müitem festina-
hundus [conj. von Kocb] Bahylomam accessü^ minax motu quantum
visi eminus qu^eat : denn liegt es nicht sehr nahe , auf grund des hsl.
astu minatus (wofür in der römischen ausgäbe acuminaium steht)
asta minatum (= hasta actum) zu schreiben und dadurch den sinn
des Satzes in volles licht zu stellen? demnach lesen wir auf s. 15,
13 f.: in ade agens müitem hasta minatum, ebenso unbedenklich
aber in der ersterwähnten stelle (s. 4, 6) anstatt des von Mai ver-
muteten conlineare oder conlimare quo mit der hs. continari*
quem, wobei uns nur wunder nimt dasz Yolkmann diese Schreibung
zwar belobt ('codicis scriptura ne ipsa quidem omni caret probabili-
tatis specie') , jedoch nicht in den text aufgenommen hat. warum
sollte es nicht ein von contus gebildetes , dem g^ech. KOVToßoXeTv
entsprechendes verbum ebenso gut gegeben haben wie das aus latro
entstandene latrodnari? diese bilduug aber vollzog sich in diesem
falle nicht so, dasz die verbalendung einfach an den substantiv-
stamm angehängt wurde, sondern durch die Zwischeneinschaltung
der bildungssilbe -m- zum zwecke der Unterscheidung von contari
= cunctari, hierüber vgl. man meinen aufsatz in Uilgenfelds zs. für
* [über dieses in den Wörterbüchern fehlende verbum continari vgl.
jetzt AKiessling vor dem Greifswalder index scholanim sommer 1883 s. 3 ff.]
654 HRönsch: zum itinerarium Alexandri.
wiss. theologie 1875 s. 427 — 431, in welchem darauf hingewiesen
ist, dasz die schaltsilbe -in- um des Wohllauts willen in manchen
y erben eine Steigerung zu -ein- erfahren hat, wie in ähtcinari^ Ion-
cinare (von laniare), latrocinari^ lenocinari, sermocinari^ tuhurcinäri^
und sodann als solche Zeitwörter, deren stamm durch die bildungs-
silbe -m- erweiteH worden , folgende aufgefdhrt und nachgewiesen
sind: scrutinare und coquinare (beide in der Itala vorkommend),
fardnare^ cartnarCj *lurcinari (aus dem adj. lurcinahundus zn er*
schlieszen), taminare^ natinari^ inquinare^ destinare [= dTrocr^X-
Xeiv] , ohstinare , praestinare. wir vervollständigen jene liste jetzt
noch durch folgende verba derselben kategorie: hovinare (von hoffre^
hov^re) und scarpinare (beide von Löwe coniect. Plaut, s. 209 er-
wähnt); minore (s. oben, von meare^ mithin eigentlich «»'gehen
machen'); ruspinare in den glossen des pseudo-Philoxenns s. 189, 30
Vulc. ruspinat^ x^ipoipißeT — femer *evagtnari (von evagari) wesen
des subst. cvagtnatio bei Amobius I 50; endlich das oben erwähnte
continari nebst dem ebenfalls in unserm itinerarium c. 49 hsl. be-
zeugten molinirij anstatt dessen imnötigerweise, wie uns dünkt, mcHiri
ire oder moliri iter zu lesen vorgeschlagen worden ist s. 27, 1 f . fe
uhi seit Akxandrum ad sese moliniri^ ahsit ohnuntiat,
c. 7 s. 5, 5 f. heiszt es: cHassi vehebantur heUi usibus divUe^ quae
AmpkipoU in Strymone in aneoris erat, die emendation Haases
in aneoris^ wo im Ambrosianus hicoris steht, hat der hg. nur zwei-
felnd adoptiert; noch gewalttbätiger war Mais änderong in S^-
monis lUore. unseres erachtens braucht man hicoris nur in bicorni
zu verwandeln, um in den Worten qtuie Ämphipoli in Strymone
bicorni erat einen der örtlichen beschafifenheit durchaus entspre-
chenden sinn zu erlangen : denn der Strymon war in der that ein
zweiarmiger ström, und seine beiden Amphipolis umflieszenden
münduDgsarme hatten dieser stadt sogar den namen gegeben.
c. 12 s. 8, 1 ipsis vitalibus vi frigoris eviratis. so nach Haase,
der vorher an evitatis gedacht hatte, im codex, welcher ebriatis dar-
bietet, war vermutlich ebUatis «« hebetatis gemeint.
c. 3 s. 2, 19 möchten wir signitior lesen und dieses parti-
cipium auf ein metaplastisches *signire flir signare zurückfuhren:
vgl. die von Löwe prodromus s. 344 anm. 2 aus glossen nachgewie-
senen formen navire «= navare^ navit = navat.
c. 19 s. 11, 9 verdient die hsl. Überlieferung obsidialibus
ohne zweifei den Vorzug vor dem conjicierten obsidionalibus , weil
jene adjectivform auch anderwärts bezeugt ist: Hegesippus de belle
lud. V 20 (s. 318, 26 Caesar) qiuim subieäis ignibus addlerent obsi-
dialium instrumenta machinarum (vgl. Paucker subrel. s. 13*).
c. 26 s. 14, 18 utiDarius ipse exemplo hostis et pudore ignitior
ctiam tunc agminis sui in medio naviter beUans usw. das hier er-
sichtliche ignitior stammt von Letronne, während Haase acrior lesen
wollte anstatt des hsl. agricior^ worin man allenfalls acritior dh. das
pari, eines vom adj. acer abgeleiteten verbums *acrire erblickoi
HKönach: zum itinerarium Alezandri. 655
könnte, näher jedoch scheint es uns zu liegen, agticwr als agroe-
clor aufzufassen und dieses für den comparativ von agroecus «s
dTpoiKOC zu halten, was man in ansehung des lautes und der be-
deutung gegen diese auffassung einwenden könnte, läszt sich nicht
allzu schwer entkräften, der griechische diphthong oi erscheint
ja oftmals als lateinisches i oder y: vgl. Deut. 14, 7 cirogryUum
= choerogryllum] vulg. codd. plur. ap. Vercellon. — Polemii Silvii
aterculus s. 267 (Mommsen) finix . . finicopter {^=phoenix . .phoe-
nicopterus), Cassius Felix de medicina c. 41 dispnia (= bOcTTVOia).
Victor Vitensis de persec. Vandal. 1 4 cymUeriis. gloss. in luvenalem
s. 12, 20 (Keil) yno [= oeno], vino Oraeco. Apicius 7, 270 inogaru
(«= oenogaro). in betreff des sinnes ist äxpoiKOC allerdings in erster
linie sva. agrestis^ rusticus; allein aus Hesjchios, der es folgender-
maszen erklärt: 6 dv dTpqj bittTUJV, xuipiKÖc f\ ip^aTr\c' Kai bpa-
CTrjpioc f{ 2[€UT€XdTiiC; ersieht man dasz es auch die bedeutung
von efficaXf gnavus, stremms haben kann, und diese passt in den Zu-
sammenhang unserer stelle vortrefflich.
c. 27 c. 15, 9 steht im codex für desiderati abgekürzt desirati^
was nicht auf eine zufällige verschreibung , sondern auf eine nach-
lässigkeit in der vulgären ausspräche, durch welche die silbe de vor
dem consonanten r ganz verloren gieng, zurückzuführen ist. ein
Zeugnis dafür haben wir nicht blosz in dem franz. disirer^ sondern
auch im lat. desirium (für desiderium) bei Caelius Aurelianus chron.,
I 6, 177 nymphae oh desirium Ämphitrites sese deditum maripro-
iecit, vgl. dazu im glossar desPapias: desirum, prosperum^ honmn,
c. 33 s. 18, 5 liest man: id omne corrumpens abolensque
(hierzu bemerkt Yolkmann : ^Maius , cuius vestigia quamvis invitus
insecutus sum, quoniam meliora non habui in promptu') incendio
geminaverat difficuUatem paria temptantihus , während die hs. bietet
corrupta amölUasve, wir meinen, dies lasse sich leicht abändern in
corrupit amolitusve,
c. 38 s. 20, 18 wird die Schreibung des codex pro viäoriam bei-
zubehalten sein: s. meine Itala u. Vulg. s. 412, wo mehrere belege
für pro m, acc. angeführt sind, insbesondere aus dem evangelien-
codex von Verona j?rö gratiam^ aus Orelli inscr. 2360 i?ro scdutem et
Victorias,
Die stelle c. 46 s. 25, 13 ff. lautet in der ausgäbe: ducenta denique
triginta houm milia iUic capta formae merito destinat vma captivis
Macedoniam cultum agros suorum et f suctsdtum. im kritischen appa-
rat ist dazu bemerkt : ^suorum ei suascitum A , suorum et suosce [?]
Maius, suos et suorum amicorum aut amicum Eochius; equidem in
vera lectione investiganda frustra desudavi.' nach unserm dafür-
halten wird alle Schwierigkeit dadurch gehoben, dasz man agros in
den genitiv und die beiden schluszwörter in das supinum verwandelt
und demnach liest: cultum agrorum suorum exsuscitatum.
Zu c. 50 s. 27, 9 sed enim hanc (denn so wird tlXr hie mit Mai
zu lesen sein) quoque opHnet fixu vedium, via scansüi t acsididas
656 JGolisch: zu den scriptores )ii&toriae Augustae.
petitam bat der hg, bemerkt: ^scansüi acsisidas pentüam A, scansüi
ac insidiis appetitam Malus parum probabiliter ; scansüi at ardua
petitam Kocbius; codicis scripturam intactam reliqui, dum quis
meliora protulerit.' es würde uns freuen , fUnde man dieses bessere
in unserm vorschlage dem text in folgender weise zu hilfe zu kom-
men: via scansili ac silice in eis a petüam.
In betreff der hsl. Schreibung avidentes c. 51 s. 27, 21 ftuszert
sich Volkmann im vorwort s. VII also : 'nescio an addi possit (voci-
bus priscam latinitatem redolentibus) auidentes pro audentes forma
27, 21 p rors US in audita, verum tamen ab analogiae legibus com-
mendata/ hierzu verstatten wir uns zu bemerken, dasz das aus aviäus
entstandene zeitwort avidere wenigstens auf glossographischem ge-
biete nicht ganz unerhört ist: denn in dem nach Cyrillus benannten
glossar lesen wir s. 386, 16 Vulc. : äTrXiiCT€i3o|biat, avideo^ und Lab-
baeus (glossaria lat.-graeca, Paris 1679, 1 s. 212) hat zu dieser glosse
hingewiesen auf den Wortlaut des cod. regius im glossarium gr.-lat.
Stephanianum : avideo (so lies für avido)^ aveo^ dTrXT]CTävo|üiai.
Lobenstein. Hermann Bönsoh.
102.
ZU DEN SCRIPTORES HISTORIAE AÜGÜSTAE.
Scverus imp, 2, 3, wo es nach den hss. heiszt: quaestwram dUi-
genter egit omnis sortihus natu militari^ ist als eine verzweifelte
stelle von den neuesten hgg. bezeichnet, nun sagt Eutropius 8, 18
von Severus: hie primum fisci advocataSy mox militaris trihunus^
per muUa deinde ac varia officia aique honores usqae ad adminiS"
trationem totius rei puhlicae pervenit, demgemäsz lese ich: qtune-
sintam diUgenter egit omisso trihunatu militari, nachdem der
abscbreiber omis mit abbrevlatur als amnis fälschlich gelesen , bil-
dete er das wort sortibuSy und es blieb natu militari übrig.
Alexander Severus 9, 4 lese ich: nuper certe^p. c, meministis^
cum nie omnium . . spurcissimus Antonini nomen praeferret . . qui
gemihis omnium fuerity cum per populi et honcstorum corontis una
vox esset y hune i n e Antoninum diei Y per hanc pestem sanctum violari
nomen i^ die hss. geben hune intey Jordan hat das unverständliche
slniie statt inte und Peter incptCy welches den schmerzlichen Unwillen
nicbt zum ausdruck bringt.
Prohus 4, 2 heiszt es: te quaesOy fili carissime, ut cum iuvenem^
quem imitaripueris omnibus volOy intanto haheas honore, quantum
virtutcs eius . . desiderant. dies ist wohl nicht ein fehler des Vopiscus,
sondern des abschreibers, und es musz heiszen intimari: vgl. Verus
imp. 1, 1 scio plerosque ita vitam Marci ac Verl litteris atque histo-
riae dedieassCy ut priorem Verum intimandum legentibus darent.
ScuwEiDNiTz. Julius Golisoh.
BESTE ABTEILUNG
FÜR CLASSISCHE PHILOLOGIE
HERAUSGEGEBEN TON ALFRED FlECKEISEN.
(89.)
DAS ERSTE JAHR DES PELOPONNESISCHEN KRIEGES.
EIN BEITRAG ZUR OHRONOLOOIB DES THUKYDIDES.
(fortsetznng^ und schlusz von 8. 577 — 612.)
Damit wäre denn, deijke ich, die chronologische Wichtigkeit der
notiz über die Sonnenfinsternis glücklich beseitigt, aber ich kann
nicht umhin mich darüber zu wundem, dasz man dieselbe jemals
so zu sagen als einen markstein für die Zeitbestimmung hat be-
nutzen können, man sehe sich doch nur den Zusammenhang an , in
dem sie gegeben ist: Thuk. erzählt, am 80n tage nach dem Über-
fall von Plataia hätten die Peloponnesier den einfall zur Verheerung
des attischen landes gemacht ; sie verwüsteten zuerst die eleusinische
und die thriasische ebene, setzten sich dann in Achamai fest, wo
sie lange zeit (ttgXuv xpovov) blieben und das land verwüsteten,
in der hofin ung, das athenische beer würde sich dadurch zum offe-
nen kämpf aus seinen befestigungen herauslocken lassen, da aber
Perikles, der Oberbefehlshaber der Athener, es nicht zuliesz dasz
ihnen dieser gefallen gethan werde, so brachen sie yon Acharnai
auf und verwüsteten die Ortschaften zwischen dem Pames und dem
Brilessos. als sie aber noch im lande waren, schickten die Athener
die hundert schiffe, die sie ausgerüstet hatten, aus 7T€pl TTeXoTTÖV-
V11C0V , unter dem befehl des Karkinos usw. diese nun traten die
fahrt an; die Peloponnesier aber blieben in Attika, so lange sie
lebensmittel hatten, zogen dann zuerst nach Boiotien und dann nach
hause, dann erzählt Thuk. in c. 24, was für maszregeln die Athener
weiter für die zukunft und für die fortsetzung des krieges trafen,
und kommt in c. 25 auf die flotte zurück, deren besatznng zuerst
einen erfolglosen angriff auf die lakonische stadt Methone machte,
dann die küsten von Elis verheerte, beim anmarsch eines bedeuten-
den eleischen heeres aber sich einschiffte zur Verwüstung anderer
landschaften. hier überläszt der geschichtschreiber vor der band die
flotte sich selbst, kehrt nach Athen zurück und gibt uns über die
dortigen ereignisse folgende nachrichten : 1) um diese selbige zeit
schickten die Athener 30 schiffe aus gegen Lokris und zur bewachung
von Euboia, unter dem befehl des Kleopompos, der das küstenland
verwüstete, Thronion einnahm und die zu hilfe eilenden Lokrer bei
Jahrbücher f Qr clast. philol. 188S hft. 10 n. 11. 48
658 HMüller-Strübing: das erste jähr des peloponnesischen krieges.
Alope in einer schlacht besiegte. 2) in diesem selben sommer
trieben die Athener auch die Aigineten aus ihrer insel, sie selbst und
ihre weiber und kinder; die Lakedaimonier wiesen den vertriebenen
die Thyreatis zum wohnsitz an. 3) in demselben sommer war eine
Sonnenfinsternis. 4) und in demselben sommer lieszen die Athe-
ner den Abderiten Njmphodoros, Schwager des thrakischen königs
Sitalkes, nach Athen kommen, durch dessen Vermittlung denn auch
ein bündnis der Athener nicht blosz mit dem thrakischen könig, son-
dern auch mit Perdikkas von Makedonien zu stände kam ; auch ver-
sprach Nymphodoros den Sitalkes zur sendung eines hilfsheeres von
thrakischen reitern und peltasten zu überreden ; Perdikkas aber machte
sogleich einen kriegszug mit den Athenern und Phormion gegen die
Chalkidier. dann, nach dieser aufzählung, führt uns der geschicht-
schreiber wieder zu den 100 schi£fen der Athener zurück, die wir noch
irepi TTeXoTTÖvviicov antre£fen, wo sie eben Sollion, eine stadt der
Korinther , einnehmen, nun frage ich : sollen wirklich alle diese
dinge in der kurzen zeit, während die athenischen schi£fe von der
eleischen küste nach Sollion fuhren, sich zugetragen haben? *^ die
Sonnenfinsternis nicht, das wissen wir jetzt sicher durch die inschrift.
aber dies sieht doch völlig so aus , als habe der geschichtschreiber
sich auf einem besondem blatte notizen über die dinge gemacht,
die sonst in diesem sommer noch vorgekommen seien, und habe dann
seinen zettel ohne rücksicht auf die Zeitbestimmung an beliebiger
stelle sehr ungeschickt eingefügt, in bezug auf die Sonnenfinsternis
ist dies ja sicher, und ich glaube, auch in bezug auf die austreibung
der Aigineten; aber dafür, die expedition des Kleopompos gegen
Lokris gerade hier anzugeben, hatte der geschichtschreiber, denke
ich, einen triftigen grund. ich habe oben bei besprechung der rech-
nungsurkunde die Zahlung für diese expedition auf den 8n tag vor
ablauf des Jahres, also auf den 22n skirophorion (23n juli) gesetzt«
sicher ist das freilich nicht, aber mich dünkt, so viel ist doch in
hohem grade wahrscheinlich, dasz die schi£fe gegen Lokris und zum
schütz von Euboia nicht erst ausgeschickt worden sind, als die Lake-
daimonier das land schon wieder ger&umt hatten , vielmehr damals«
als sie zwar noch nicht in Attika eingerückt waren, als ihr einfall
aber jeden tag erwartet werden konnte, da war es zeit Vorkehrungen
zu treffen , dasz die feindlichen Lokrer sich nicht mit dem ins land
gedrungenen feinde in Verbindung setzten , ihm wohl gar schiffe lie«
ferten, um ein peloponnesisches streifcorps zur Verheerung des reichen
fruchtbaren Euboia überzusetzen , wohin die athenischen bauem ihr
vieh geflüchtet hatten, und von wo sie sicher während der blockade
'^ Unger (att. kal. s. 14) Dimt das in der that an: 'die weiteren
Unternehmungen des Karkinos, die Vernichtung [sie, vielleicht durch
Schreibfehler?] der Aigineten, des Kleopompos ausfahrt nach Euboia
und die befestigung von Atalante, dies alles ist nach Thnkydides um
die zeit der sonnentinsternis ausgeführt worden.* das ist doch viel auf
einmal, und dabei hat Unger noch das btindnis mit Sitalkes und den
marsch des Perdikkas mit Phormion vergessen.
HMüller-Strübing: das erste jähr des peloponnesischen krieffes. 659
ihre lebensmittel gröstenteils bezogen« so denke ich denn dasz dia
Schlacht von Alope, mit der Thuk. seinen bericht ttber diese expedi«
tion schlieszt, in der that nach abzug der Lakedaimonier geliefert
worden ist, zu der zeit als die athenische flotte an den nordküsten
des Peloponnes operierte, etwa mitte September, nun konnte aber
der geschichtschreiber von der schlacht von Alope nichts melden,
ohne vorher die dinge anzugeben , die sie veranlaszt hatten — wir
haben also in c. 26 ein gedrängtes zusammenfassen des früher ge-
schehenen, das in der schlacht von Alope gipfelt und vorläufig seinen
abschlusz findet.
Und ganz so steht es mit den in c. 29 erzählten Verhandlungen
mit Njmphodoros und Sitalkes. auch hier greift der geschicht-
schreiber meiner ansieht nach auf früher geschehenes zurück : denn
^das von Njmphodoros gegebene versprechen, er wolle seinen Schwa-
ger den könig überreden den Athenern ein thrakisches hilfscorps
von reifcem und peltasten zu schicken, ist doch sicherlich mit hinblick
auf den bevorstehenden einfall der Peloponnesier gemacht, warum
dann diese reiter, die den Athenern natür^ch höchst willkommen
gewesen wären, nicht eingetroffen sind (auch bei dem zweiten einfall
im folgenden jähre nicht), das zu erfahren dürfen wir bei dem trüge-
rischen, nur durch schiefe Streiflichter matt erleuchteten halbdunkel,
mit dem Thuk. die thrakischen dinge überall zu umgeben liebt»
natürlich nicht erwarten, vielleicht hatte Perdikkas hier die band
im spiel , und sein rat sich nicht bloszzQstellen , bevor die entschei-
dung in Attika erfolgt sei, wird wohl auf guten boden gefallen sein,
denn dasz der kriegszug des Perdikkas *mit den Athenern und Phor-
mion' gegen seine alten freunde die Chalkidier, mit dem diese episode
über Sitalkes gipfelt und abschlieszt, von Thuk. hier ganz richtig
angesetzt ist in die zeit , da die Lakedaimonier unverrichteter sache
abgezogen waren und da die athenische fiotte an den peloponnesi-
schen küsten operierte, das scheint mir ganz unzweifelhaft, nur
durch diesen übereilten rückzug der Peloponnesier, der den Zeit-
genossen fast als schimpfliche flucht erscheinen muste , konnte Per-
dikkas bewogen werden , für den augenblick einmal ganz offen sich
den Athenern anzuschlieszen. der eindruck dieses hastigen rück-
zuges der Peloponnesier musz in ganz Hellas ein gewaltiger gewesen
sein, wie lange waren sie denn in Attika geblieben ? wir wissen
es nicht: denn mit der angäbe, sie seien so lange im lande geblieben,
wie sie lebensmittel hatten (xpövov djLi|bi€lvavT€C iv tQ *AttikQ
öcov eixov TOt ^TTiTfi&eia), hat Thuk. doch offenbar seine leser
zum narren, sie erfahren dadurch ja absolut nichts über die dauer
der zeit ihres aufenthaltes. man werfe mir nicht ein : die modernen
leser freilich nicht , die antiken leser aber kannten die zustände und
wüsten ungefähr, auf wie lange zeit ein ^solches beer lebensmittel
mit sich führen konnte, das wäre falsch : eine menschenmasse von
etwa 100000 mann, die Androtion angibt, die leichtbewaffneten,
heloten und sklaven mit eingerechnet, eine heeresmasse wie sie seit
48»
660 HMüller-Strübing : das erste jähr des peloponnesischen krieges.
der Schlacht von Platai'a nicht wieder beisammen gewesen war,
konnte überhaupt ihren bedarf an lebensmitteln für längere zeit
nicht mit sich führen (vom Peloponnes durch die halsbrechenden
wage des Tretos und dann gar durch den geranischen pass, die Kaki
Skala); die verproviantierung, die bei Plataia Schwierigkeiten genug
gemacht hatte, wie wir aus Herodot IX 39 wissen, muste auf anderm
wege erfolgen, wenn wir auch bei Thuk. über solche dinge nie etwas
lesen , wahrscheinlich von Boiotien aus ^^, vielleicht mit zufuhr von
Korinth, von Sikyon, von Pallene aus nach Pegai in der Megaris oder
nach Siphai in Boiotien : denn erst nach dem zweiten einfall schickten
die Athener schiffe nach Naupaktos , um den feinden die Schifahrt
im korinthischen meerbusen zu wehren (Thuk. II 70 und Diod. Xu 47).
brachte man es doch zwei jähre darauf zu wege, diesen ganzen trosz
während der TOtägigen umwallung von Plataia zu emähi'en und dann
noch einen teil des heeres bis zum aufgang des Arkturos im September
(s. meine Thukjd. forschungen s. 252). also kann, da die Verbindung
mit Boiotien über Oropos dem beere offen stand, der mangel an
lebensmitteln nicht der wahre grund gewesen sein, weshalb sie ab-
zogen , ohne die beabsichtigte Verwüstung des landes auch nur auf
die fruchtbare Mesogaia und die Paralia auszudehnen, der wahre
grund dieses hastigen abzugs, den wir übrigens bei einigem nach-
denken wohl selbst hätten ausfinden können, wird uns nun aber zum
überflusz noch von Diodor XII 42 bezeugt: TUiV b' 'AOnvaiujV iropo-
EuvofLi^vujv b\ä Tf)V Tf^c x'J^ffac KaTabpo|bif|v Kai ßouXojbidvujV iropa-
Td£ac0ai toTc 7ToX€|biloic, TTepiKXfic CTpairiTdc fiiv Kai ii\v 6\r\y
flT€Moviav ^xyjjyf TrapcKdXei touc v^ouc ficuxlav fx^iv, ^TraTT^XXö-
jLievoc fiveu kivWvujv ^KßaXeTv touc AaK€Öai|Lioviouc ^k Tf\c *Atti-
Kflc. TiXripiwcac oöv ^Katöv Tpufjpeic Kai buvajüiiv dEiöXoTOV clc
Tdc vaöc dv9^|bi€voc Kai CTpairiTÖv dTTicxricac KapKivov Kai dT^pouc
Tivdc, ^H^Tr€fiip€V elc Tfjv TTeXoTTÖvvncov. oötoi bk 7ioXXf|v iflc
napaOaXaTTlou xiwpac 7rop0r|cavT€C Kai Tiva tujv q)poupiu)v dXöv-
Tec KaT€TrXr|EavTo toöc AaK€&aijLiov(ouc • biö Kai Tf|V ^k xfic 'Am-
Kfic buvamv Tox^ujc |bi6Ta7T€|Liipdfi€voi TToXXfiv äcq)dX€iav toic ttoXc-
pioic TrapeixovTO. toutuj bk t(u xpÖTrqj xfic 'ArriKfic ^XcuOepuj-
Geicnc ö \xkv TTepiKXfJc aTToboxfic iruTXave Tiapd toTc iroXiToic,
ibc buvdfievoc cTpaTr|T€iv koI touc AaKebaijioviouc KaTairoXefüiciv.
darüber sagt Orote , Diodoros wolle uns glauben machen , dasz die
von Perikles zur Verheerung der küsten des Peloponnes ausgesandte
expedition die Lakedaimonier veranlaszt habe ihre truppen schleunig
^^ eine Innweisnng darauf erkenne ich in III 62. 5, wo die Thebaner
sich rühmen in diesem kriege besondern eifer ^zeigt zu haben tinrcuc
T€ Trap^xovTcc kqI irapacKCufiv öciiv oük dXXoi tOE^v Eufifidxuiv, dh. indem
sie lehensmittcl und die zum transport nötigen zug- und paekpferde
lieferten, dessen konnten sie sich rühmen: denn das war ein opas saper-
crogHtionis, während sie *zur Stellung von reiterei von bundeswegen
verptlichtet waren, so gut wie die Lokrer. ich mnws daher Cobets vor-
solilap: (MnemoH. VlII s. 140) ao. YiTircv oder iirii^ac tu schreiben statt
Vttttouc entschieden turückweisen.
UMüller-Strübing: das erste jähr des peloponnesischen krieges. 661
aus Attika wegzuführen. 'Thukydides gives no countenance to
this — nor is it at all credible.' das erste, aus dem schweigen des
Thuk. hergenomraene argument verwundert mich eigentlich nicht;
aber dasz die blinde Thukydidesorthodoxie, die Grote auch an vielen
andern stellen nicht verleugnen kann, einen mann von seinem prak-
tischen blick und seinem lebendigen vorstellungsvermögen verleiten
konnte die angäbe Diodors unglaubwürdig zu finden, das setzt mich
doch in erstaunen, das erscheinen von mehr als 150 athenischen
schiffen an der peloponnesischen küste, der angriff auf Methone, der
ja nach Thuk. bericht um ein haar geglückt wftre, musz bei den
Lakedaimoniern zu hause, die ja, wie wir wissen, ein sehr schlechtes
politisches gewissen hatten, schon um der hebten willen, den höch-
sten schrecken verbreitet haben, sie hatten doch gewis nicht ver-
gessen, wie Tolmides etwa 25 jähre vorher sich dafür, dasz er Methone
nicht hatte behaupten können, dadurch rftchte, dasz er ihnen ihr
arsenal und ihre schiffe in Oytheion in brand steckte, augenblick-
lich beim erscheinen der athenischen flotte müssen die ephoren an
Archidamos den befehl geschickt haben, schleunigst nach hause zu
kommen, und der könig wird ebensowenig gesäumt haben zu ge-
horchen, wie sechs jähre später sein söhn Agis , als er die künde er-
hielt, der athenische Stratege Demosthenes habe mit einer handvoll
leute den abgelegenen felsen von Pylos befestigt und besetzt, und
ebenso wird im j. 428 als einer der gründe, weshalb die Lakedai-
monier hastig und un verrieb teter sache vom Isthmos abzogen, an-
gegeben, es sei ihnen gemeldet worden, dasz 30 athenische schiffe
ihre küsten verheerten (III 16)."
Dieser hastige abzug war ein triumph für die Athener, vielleicht
weniger in ihren eignen äugen (denn persönlich hatten doch viele
von ihnen viel gelitten) als in den äugen der übrigen Hellenen, denn
was hatten die Lakedaimonier erreicht? sie hatten eine anzahl von
dörfern und weilern und einzelnen höfen zerstört, in einem groszen
teile des landes die bäume umgehauen , die Weinberge ausgerodet,
lauter beiden thaten mit denen die zahlreichen leichtbewaffneten und
heloten und sklaven , die das beer begleiteten , leicht fertig werden
konnten, aber wahrlich keine thaten die dem beere des Archidamos,
dem stärksten das seit den Perserkriegen beisammen gewesen war,
in den äugen der Hellenen zum rühm gereichen konnten, zuletzt
waren die Lakedaimonier sogar genötigt gewesen zum schütz ihres
eignen von der athenischen flotte bedrohten landes schleunigst nach
hause zu gehen ; kurz , das war das ergebnis des ersten kriegsjahres,
dasz Athen den höchsten kraftanstrengungen der peloponnesischen
symmachie gegenüber ungebrochen in alter machtfülle dastand:
*^ ifac i^iTT^XXcvTO Kai al ircpl Tf|v TT€XoirövvT|Cov TpidKovra vficc
Tdiv 'AOrivaiiüv ti^v ucpioiKiöa aöxdiv iropOoOcai, dLy€x\iipr\cay iti ' oTkou.
dasz das TpidKOvra nicht zu streichen ist, was von Classen nnd Stahl
auf 8teups Vorschlag geschehen ist, habe ich anderswo nachgewiesen
[Thukjd. forschungen s. 109).
662 HMüUer-Strübing: das erste jähr des peloponnesischen krieges.
nirgends in dem weiten gebiet seiner bundesstädte hatte sich auch
nur das geringste Symptom jener hinneigung zu den Lakedaimonienii
von der Tbuk. c« 8 , 4 spricht (vgl. was ich darüber gesagt habe in
der politie der Athener s. 184), kund gegeben — Perikles hatte sein
versprechen, das land Sv€U Kivbuvwv von den eindringlingen zu be-
freien , in vollem masze gehalten , und hatte bewiesen dasz er wohl
im stände sei den Oberbefehl zu fahren und den Lakedaimoniem die
spitze zu bieten. " so wird denn auch die Stimmung der Athener
nach dem abzug der Peloponnesier im ganzen und groszen eine
siegesfrohe gewesen sein; und wenn irgendwo, so höre ich aus den
oben citierten Worten Diodors eine fast zeitgenössische stimme her-
aus: die Jugenderinnerung des alten Isokrates, des lehrers des Epho-
ros, dem Diodor jene stelle sicher entnommen hat. überhaupt möchte
ich hier darauf aufmerksam machen, dasz bei Ephoros, der doch für
die geschiebte des peloponnesischen krieges kaum eine andere schrift-
liche quelle benutzen konnte als Thukydides, die von diesem ab-
weichenden angaben meiner ansieht nach fast immer auf die mittei-
lungen seines alten lehrers Isokrates zurückzuführen sind und daher
den wert von fast zeitgenössischen Zeugnissen besitzen.
Doch das musz anderswo und in anderm Zusammenhang weiter
ausgeführt werden: denn hier habe ich mich ja zunftchst nur mit
dem zu beschäftigen , was sich aus der geschichte des ersten kriegs-
jahres in bezug auf die Chronologie des Thukydides gewinnen läszi,
und kehre noch einmal zu dem notizenzettel c. 25 — 29 zurück mit
der frage, ob die austreibung der Aigineten hier so zu sagen zeitlos
eingefügt ist, wie die notiz über die Sonnenfinsternis, oder ob sie
wirklich in die zeit der Operationen der flotte an den küsten des Felo-
ponnes bald nach dem abzug der Peloponnesier zu setzen ist. mög-
lich wäre das ja, und es Iftszt sich wohl denken, dasz die Aigineten
den Athenern während der invasion anlasz gegeben hätten diese mass-
regel gerade damals zu Irefifen , wenn sie sich etwa mit dem feinde,
als er die eleusinische und thriasische ebene verheerte, in Verbindung
gesetzt, wohl gar auf der ihnen gerade gegenüber liegenden süd-
westlichen küste von Attika nächtlichen unfug getrieben hätten.
aber musten die Athener dergleichen nicht voraussehen , damals als
sie nach dem kriegsbeschlusz auf dem zweiten congress in Sparta
ihre Vorkehrungen gegen die bevorstehende invasion trafen? sie
kannten ja die gesinnung der Aigineten , die noch auf dem ersten
<^ auch Ungcr (att. kalender s. 13) sagt, in Wahrheit sei der abing
des Archidamos durch die kreiisfabrten des Karkinos herbeigeführt
worden, nach Curtius IP s. 387 ^verliesz Archidamos das attische ge-
biet um dieselbe zeit, als die flotte vom Peiraieus auslief, Dachdem sein
hccr vier bis fünf wochen lang den ganzen norden der landschaft bis
Kuboia hin verwüstet hatte; wie ein heaschreckenschwarm lOg es
wieder ab, nachdem die Auren abgeweidet waren, wahrscheinlich wirkt«
darauf auch der anblick der flotte, die man nach dem Peloponnes steuern
pah, weil die trappen ihrer schutzlosen dörfer und familien in der heimat
gedachten.' recht hübsch das.
UMüUer-Strübing: das erste jähr des peloponnesischen krieges. 663
congress in Sparta ^nicht am wenigsten zum kriege angetrieben
hatten' (c. 67) , was den gerade in Sparta anwesenden athenischen
gesandten sicher nicht verborgen bleiben konnte , und was dann in
Athen heftige erbitterung erregt haben musz. und konnten dann
die Athener nicht voraussehen, dasz die feindliche gesinnung der
Aigineten sich, wenn der feind einmal im lande war, auch durch
thätlichkeiten, durch allerlei unfug und Schabernack der schlimmsten
art luft machen werde? man erinnere sich, dasz der Peiraieus da-
mals noch unverschlossen und unbewacht war (c. 93. 94) , und dasz
die Athener eine, wie Aristophanes wenigstens es darstellt (Ach.
915 ff.)i ^08^ kindische angst vor attentaten auf ihre Schiffswerften
hatten, so ist es mir denn höchst wahrscheinlich , dasz die austrei-
bung der Aigineten zu den vorsieh tsmaszregeln gehörte, die die
Athener gegen die bevorstehende Invasion trafen, ja dasz sie eine
trotzige energische antwort war auf das von den Lakedaimoniem
nach dem congress gestellte Ultimatum , in dem ja die herstellung
der autonomie der Aigineten ausdrücklich gefordert ward, dazu
kommt noch eine erwägung: den Aigineten wurde die Thyreatis
von den Lakedaimoniem als künftiger wohnsitz angewiesen, wie
sind sie dorthin gekommen mit weib und kind? doch wohl auf
lakedaimonischen oder auf athenischen schiffen, das erstere ist wenig
wahrscheinlich — auf jeden fall aber musz diese Übersiedlung im
einverstftndnis der Athener und der Lakedaimonier vorgenommen
sein , beide müssen mindestens eine Verabredung darüber getroffen
haben, die doch gewis viel wahrscheinlicher in die zeit der Unter-
handlungen vor dem ausbruch des offenen krieges anzusetzen ist als
nach dem abzug der Peloponnesier aus Attika. ja ich fürchte, hätten
damals, nach der teilweisen Verheerung ihrer felder, die Athener Ver-
anlassung gehabt im ersten zom beschlüsse gegen die Aigineten zu
fassen (und eine solche müsten sie doch gehabt haben, wenn sie
gerade damals den moment nach dem abzug der Lakedaimonier zur
maszregelung der Aigineten wählten), so würden diese kaum mit
der bloszen austreibung davon gekommen sein.
Vielleicht, freilich sehr vielleicht, finden wir übrigens in der
oben besprochenen rechnungsurkunde noch einen schwachen anhält
für die festst^Uung der zeit der austreibung in den B z, 1 noch er-
kennbaren buchstaben E^A, die, wie ich oben s. 609 gesagt habe, etwa
zu iizX tJtic 'A[ Iboc Ttpuravelac ergänzt werden könnten,
die aber sich allenfalls auch anders ergänzen lieszen — ich meinte
damit ^c A[iTivav. wenn das richtig ist, so würde ich den beschlusz
der Vertreibung der Aigineten in die grosze landesgemeinde zur zeit
der Lenaien setzen, also in die sechste prytanie, eben als antwort auf
die von den Lakedaimoniem gestellte forderung den Aigineten die
autonomie zurückzugeben, recapitulieren wir hier einen augenblick,
ob auch alles stimmt, die schlacht von Sybota, ol. 86, 4, ist nach
Böckhs gewis richtigem ansatz (s. jahrb. 1882 s. 307 anm.) zu anfang
der zweiten prytanie unter dem archon Apseudes, September 433 ge-
664 HMüUer-StrUbing: das erste jähr des peloponnesischen
schlagen, ungefähr ein jähr darauf, ol. 87, 1, in der zweiten prjrtanie
des archon Pythodoros, ende September oder anfang october 432
erfolgt die aussendung des Archestratos gegen Perdikkas von Make-
donien, gleichzeitig der offene abfall von Poteidaia. etwa einen monat
darauf wird Kallias gegen Poteidaia ausgesandt, der sich mit Arche-
stratos vereinigt und Pydna belagern hilft, im december schlacht
von Poteidaia. gleich darauf der erste congress in Sparta, vielleicht
noch im december, und bald nachher, etwa Januar 431, der zweite
congress, indem mit der erklärung, die Athener hätten die vertrage
gebrochen, der krieg im princip erklärt wird , natürlich für den fall
dasz die Athener die ihnen vorzulegenden forderungen nicht erfüllen
würden, 'dennoch vergieng zwar kein jähr' wie Thukjdides drollig
genug sagt 'aber weniger, bis der einfall in Attika geschah und der
krieg offen ausbrach', dh. ohne circumlocution , es vergiengen un-
gefähr (jLidXiCTa, um Thukydideisch zu reden) acht monate. nun
fiengen die diplomatischen Verhandlungen erst recht an (^v TOUTtp bk
^TTpecßeuovTO Tifi xP<iviw Tipöc Touc 'AÖTivaiouc ^TKXrjibiaTa iroiou^e-
voi usw., c. 139), und darüber gieng der winter hin bis zum beginn der
guten Jahreszeit, denn dasz das Ultimatum der Lakedaimonier, das
die drei forderungen enthielt : 1) aufhebung der belagerung von Potei-
daia, 2) herstellung der autonomie der Aigineten, 3) zurücknähme
des megarischen psephisma, gerade in der groszen landesgemeinde
zur zeit der Lenaien dem volke vorgelegt und von diesem verworfen
worden ist, das ist für mich gar keine frage, damit waren denn die
diplomatischen Verhandlungen abgebrochen; die lakedaimonischen
gesandten giengen nach hause, und die Lakedaimonier schickten
weiter keine gesandtschaften mehr (kqI o\ \ii.\ dTT€XwpTicav in*
oiKOU Kai ouK^Ti {icTcpov £TTp€c߀uovTo). Und nun begannen die
Athener auch sofort ihre maszregeln für den ausbruch des krieges»
den sie jetzt als unvermeidlich erkennen musten: sie vertrieben die
Aigineten aus ihrer insel *** und schickten Verstärkung an das belage-
rungsheer vor Poteidaia unter Phormions befehl. diese letztere
maszregel setze ich bald nach den groszen Dionysien, die in diesem
Jahr auf den lln april fielen , also in den april oder mai. und nun
war denn auch die gerate bald reif, die ernte war vor der thür, der
die Athener in diesem jähre noch , zum letzten mal für längere zeit»
ruhig obliegen konnten, von den Peloponncsiern hatten sie keine
Störung zu fürchten: denn diese hatten jetzt auch zu hause zu thun
und waren ebensogut mit dem einheimsen und dreschen usw. ihres
getreides beschäftigt wie die Athener, ja, hätte auch die kriegseifrige
partei in Sparta, der ephoros Sthenelalfdas und seine anhänger, es
gegen den Widerspruch des friedfertigen kOnigs Archidamos durch*
i** die Verabredung über den transport derselben nach der TbyreaiU
könnte damals mit den lakedaimonisciien f^esandten getroffen worden sein;
übri|;en8 nennt Plutarch Per. 34 unter den mittein, durch die Perikles
während des ein falls der Lakedaimonier das volk beruhigt und bei guter
laune erhalten habe, auch die verloosong der ländereien auf Aigina.
\
\
HMüller-Strübing: das erste jähr des peloponnesischen krieges. 665
gesetzt, das peloponnesiscbe bundesheer schon jetzt zusammen-
zuberufen : sie hätte keinen gehorsam gefunden , sie hätten es schon
damals erleben müssen, was ihnen drei jähre darauf begegnete, dasz
die von ihnen nach dem Isthmos beorderten contingente einfach aus-
blieben, weil sie i\ KapTToC ^UTKO^ib^ fjcavJ* sie musten das ruhig
hinnehmen und — giengen nach hause: oi bk AaKeöaijiiövioi . . (bc
auToic KQi ol EüfiiLiaxoi äjna ou 7Tapf]cav • . dvexiwpiicav ^tt ' oTkou
(III 16). ich zweifle sogar, ob die Lakedaimonier selbst im stände
gewesen wären vor der ernte mit zwei dritteln ihres gesamten heer-
bannes ins feld zu rücken, sie musten doch auch leben, die herren
sowohl wie die heloten und perioiken. für die Athener war der verlust
der kornemte eines Jahres natürlich sehr unangenehm im ganzen so-
wohl wie für jeden einzelnen bauer; aber er liesz sich verschmerzen,
denn sie hatten geld und schiffe , sich ihren bedarf und noch etwas
drüber aus der ganzen weit zu holen, mit den Peloponnesiem stand
es anders, sie waren auTOupxoi, dh. sie musten ihre ernte selbst
einheimsen, und ihren lebensbedarf auswärts zu kaufen , dazu hatten
sie kein geld : auTOupTOi T€ T^p €ici TTeXoTTOwricioi Kai oöie Ibiqt
OÖT* dv KOivuj xPHMCiTd icTiv auToTc, sagt Perikles I 141 und be-
stätigt nur, was Archidamos schon früher gesagt hatte, c. 80 ae.
Kaum aber war die komernte notdürftig vorüber, da geschah
etwas , was den bisher stockenden gang der ereignisse in raschern
ffusz brachte: am letzten munichion. In juni, in einer regnerischen
nacht (auch zwei jähre darauf fiel in Plataia etwa um dieselbe Jahres-
eit ein gewaltiger regen, Thuk. II 77), unternahmen die Thebaner
en verhängnisvollen Überfall, ich zweifle gar nicht, dasz dies im
einverständnis mit den häuptern der kriegspartei in Sparta geschah,
der es sehr willkommen sein muste, wenn der friedfertige könig
Archidamos (boKU)V Km dv Trj ^uvttTiwTq ToO ttoX^^ou jiiaXaKÖc
elvai Ktti ToTc 'A6r|vaioic dTriiribeiGC, II 18) von auszen her einen
antrieb zu kräftigerem handeln erhielt.
Und hier setzt nun Thukydides den anfang des krieges 'der
Athener und Peloponnesier und ihrer beidertseitigen bundesgenossen' :
äpxeiai 6 TröXejLioc dvGdvbe fjbr] 'AGnvaiujv Km TleXoTTOvviiciuJv Kai
TUüV dKaT^poic EujLifiäxujV. ich will es nur gerade heraussagen: das
ist willkürlich, ist unhistorisch, warum gerade von hier ab ? warum
nicht schon von da ab , als bei der letzten gesandtscbaft der Lake-
daimonier Rampbias dem athenischen volk die fast brutale alternative
stellte: die Lakedaimonier wünschen die erhaltung des friedens; er
kann erbalten werden , wenn ihr die Hellenen als autonom entlaszt,
dh. wenn ihr das athenische reich auflöst (I 139). als dann die
Athener diese focderung ablehnten , da könnte man allenfalls sagen,
1^ ähnlich wird auch das ausbleiben der bandesgenossen vor der
schlttcht von Mantineia zu erklären sein: denn der grund bei Thuk. Y
64, 4, den Busolt (forsch, z. gr. gesch. I 8. 173) freilich gelten läszt, kann
nach meiner meinang nicht der richtige sein, wovon ich an einem andern
orte ausführlich handeln werde.
664 HMüller-Strttbing: das erste jähr des peloponnesischen kxie^es.
schlagen, nngeföhr ein jähr darauf, ol. 87, 1, in der zweiten prytanie
des archon Pythodoros, ende September oder anfimg october 432
erfolgt die aussendung des Archestratos gegen Perdikkas von Make-
donien, gleichzeitig der offene abfall von Poteidaia. etwa einen monat
darauf wird Kallias gegen Poteidaia ausgesandt, der sich mit Arche-
stratos vereinigt und Pjdna belagern hilft, im december schlacht
von Poteidaia. gleich darauf der erste congress in Sparta, vielleicht
noch im december, und bald nachher, etwa Januar 431, der zweite
congress, indem mit der erklärung, die Athener hätten die vertrage
gebrochen, der krieg im princip erklärt wird, natürlich für den fall
dasz die Athener die ihnen vorzulegenden forderungen nicht erftlllen
würden, 'dennoch vergieng zwar kein jahP wie Thukjdides drollig
genug sagt *aber weniger, bis der einfall in Attika geschah und der
krieg offen ausbrach', dh. ohne circumlocution , es vergiengen un-
gefähr (lüidXicTa, um Thukydideisch zu reden) acht monate. nun
fiengen die diplomatischen Verhandlungen erst recht an (^v TOUTip tk
dnp€c߀uovTO T(^ XPÖviAi TTpöc Touc 'AOiivaiouc dTKXrj^ara ttoiou/li€-
VOI usw., c. 139), und darüber gieng der winter hin bis zum beginn der
guten Jahreszeit, denn dasz das Ultimatum der Lakedaimonier, das
die drei forderungen enthielt: 1) aufhebung der belagerung von Potei-
daia, 2) herstellung der autonomie der Aigineten, 3) zurücknähme
des megarischen psephisma , gerade in der groszen landesgemeinde
zur zeit der Lenaien dem volke vorgelegt und von diesem verworfen
worden ist, das ist für mich gar keine frage, damit waren denn die
diplomatischen Verhandlungen abgebrochen; die lakedaimoniscben
gesandten giengen nach hause, und die Lakedaimonier schickten
weiter keine gesandtschaften mehr (Kai o\ ^iv dnexuipiicav in*
oiKOU Kai ouK^Ti äcTCpov £trp€c߀uovTo). und nun begannen die
Athener auch sofort ihre maszregeln für den ausbruch des krieges»
den sie jetzt als unvermeidlich erkennen musten: sie vertrieben die
Aigineten aus ihrer insel '^ und schickten Verstärkung an das belage-
rungsheer vor Poteidaia unter Phormions befehL diese letztere
maszregel Sjetze ich bald nach den groszen Dionjsien, die in diesem
jähr auf den lln april fielen, also in den april oder mai. und nun
war denn auch die gerste bald reif, die ernte war vor der thür, der
die Athener in diesem jähre noch , zum letzten mal für längere zeit»
ruhig obliegen konnten, von den Peloponnesiern hatten sie keine
Störung zu fürchten: denn diese hatten jetzt auch zu hause zu thun
und waren ebensogut mit dem einheimsen und dreschen usw. ihres
getreides beschäftigt wie die Athener, ja, hätte auch die kriegseifrige
partei in Sparta, der ephoros SthenelsStdas und seine anhänger, es
gegen den widersprach des friedfertigen kOnigs Archidamos durch*
18 d£Q Verabredung über den transport derselben nach der Thyreatis
könnte damals mit den lakedaimonischen gesandten getroffen worden sein;
Übrigens nennt Plutarch Per. 34 unter den mittein, durch die Perikles
während des einfalls der Lakedaimonier das volk beruhigt und bei guter
lanne erhalten habe, auch die verloosung der ländereien auf Aigina.
HMüUer-Strübing : das erste jähr des peloponnesischen krieges. 667
unterbrochene kämpf, fieng doch in der that erst mit dem einfall in
Attika an, und Thuk. sagt ja ausdrücklich , die Athener so gut wie
die Lakedaimonier hätten nach dem angri£f auf Plataia zu dem bevor-
stehenden kriege erst gerüstet (c. 7 T£T€vr)jLi^vou bk toC iv TTXa-
Taiaic ^pTou Kai XeXu^^vujv XajbiTrpaic tüüv cttovöoiv o\ 'AOiivaioi
7Tap€CK€ud2ovTO ibc TroXe|bir)covT€c. TrapecKCudZcvTC b^ kqI ol
AaK€batjLi6vioi Kai o\ ^umnaxci auTwv), was übrigens sicher nur die
energischere fortsetzung dessen war, was sie schon seit der kriegs-
erklfirung in Sparta gethan hatten, und weiter : wer sind die, die von
nun ab nicht mehr ohne geleit von herolden mit einander verkehrten?
die Athener einerseits und anderseits die sämtlichen angehörigen des
peloponnesischen bundes oder blosz die Boioter? ich glaube das
letztere, da Thuk. c. 6 ausdrücklich sagt, die Athener hätten auf die
nachricht des in Plataia vorgefallenen sämtliche in Attika anwesen-
den Boioter gefangen genommen, also nur diese, hätten die Athener
für diese rasche that der Thebaner den ganzen peloponnesischen bund
als verantwortlich angesehen, so hätte die behörde, die diesen Ver-
haftungsbefehl erliesz, in denselben sicherlich die sämtlichen in Attika
anwesenden angehörigen des peloponnesischen bundes, deren es doch
gewis auch gab, mit eingeschlossen, so aber haben die Athener diesen
handstreich gegen Plataia als auf eigne band von den Boiotem aus-
geführt angesehen, der in ihrem Verhältnis zu dem peloponnesischen
bunde vorläufig nichts änderte, und Thuk. hätte hier ganz richtig
sagen können wie I 66 : oi) ^^VTOi ö fe iröXe^öc ttiu £uv€ppu)T€i,
dXX' fii dvaKu^x^ fjv* ibic/. t6p laöia ol Bgiujtgi firpaHav (statt
o\ KopivOioi , wie es dort heiszt). ja , hätten die Athener sich ihrer
schwer gekränkten bundesstadt thäÜich angenommen und etwa durch
einen einfall in Boiotien repressalien gebraucht, so wäre auch das
nur ein krieg ibiuiv Ttvdiv Öiaq)op0üv £v€Ka gewesen (vgl. V 115, 3).
die Athener haben das nicht gethan, sie haben sich vielmehr völker-
rechtlich ganz correct mit ihren beschwerden an den vorstand der
peloponnesischen symmachie gewandt und genugthuung für den an
ihren bundesgenossen verübten frevel verlangt; und wenn dann die
Lakedaimonier diese genugthuung verweigerten, unter Zustimmung
ihrer bundesgenossen , auch sogar das erbieten der Athener, in der
platäischen angelegenheit den rechts weg zu betreten, mit dem an-
griff auf eine festung im attischen gebiet beantworteten , da fieng,
aber auch da erst, Mer krieg der Athener und der Peloponnesier und
ihrer beiderseitigen bundesgenossen' thatsächlich an. dasz dies aber
wirklich so geschehen ist, dasz also die diplomatischen Verhand-
lungen auch nach dem von Thuk. sogenannten anfang des krieges
noch fortgesetzt wurden, das erfahren wir ja durch Thuk. selbst, der
VII 18 sagt, später beim beginn des dekeleischen krieges hätten die
Lakedaimonier es selbst anerkannt, sie hätten im ersten kriege un-
recht gehabt, das anerbieten der Athener, nach dem widerrechtlichen
Überfall von Plataia durch die Thebaner eine friedliche ausgleicbung
auf dem wege rechtens zu suchen, zurückzuweisen (iy fäp Tifi Trpo-
666 HMüller-Strübing: das erste jähr des peloponnesischen krieges.
staatsrechtlich sei dadurch der kriegszastand eingetreten, der
habe also angefangen, wenn auch keine unmittelbaren thätlichkeiten
eintraten, wenn es aber auf thäüichkeiten ankam, dann darf man
wohl mit Ullrich (beitrage 1845 s. 36 f.) fragen: ^sehen wir nicht
schon im frühling des j. 432 [vielmehr im herbst 433] bei Sjbota
Peloponnesier und Athener einander kämpfend gegenüberstehen? und
dann aufs neue, etwa 6 monate [17 monate] später, in der schlacht
bei Poteidaia? und konnte somit, da die Thebaner hierauf nach einem
halben jähre doch nur in folge und fortsetzung dieser ersten feind-
lichen berührungen oder, wie sich eben so richtig sagen läszt, dieser
ersten kriegsuntemehmnngen Plataia überfielen und dann 80 tage
nachher die gesamte peloponnesische macht in Attika einfiel, der
anfang eines peloponnesischen krieges nicht auch schon yon dem
frühling des j. 432 [herbst 433] an gerechnet werden? oder besser
noch von dem beginn des Poteidaiatischen krieges, also vom herbst
432 an? . . von dem kriege gegen Poteidaia an hatten . . die Athener
unausgesetzte kriegsnot, und nicht die geringste durch die belage-
rung von Poteidaia gerade, welche sich bis in den eigentlichen pelo*
ponnesischen krieg hinein fortsetzte, da dieser platz nach grossen
opfern erst im zweiten jähre des krieges , zu ende des winters 429,
erobert wurde.' gewis konnte er das« und das war auch in Athen
die populäre auffassung, der Aristophanes ausdruck gibt, wenn er
in der im frühling 421 aufgeführten Friedenskomödie die athenischen
Winzer klagen läszt, dasz sie nun seit 13 jähren den anblick der
friedensg5ttin entbehren, aber diese händel mit den Korinihem
waren doch eigentlich nur ein verspiel zu dem kriege der Athener
mit der peloponnesischen sjmmachie, da diese letztere als solche sich
an diesen handeln noch nicht beteiligt und namentlich der leitende
Staat Lakedaimon noch nicht handelnd eingegri£fen hatte, als dann
auf dem zweiten congress in Sparta die peloponnesische symmachie
unter dem vorsitz des leitenden Staates die beschwerden der Eo-
rinther gegen Athen als berechtigt anerkannte und den beschlnsz
faszte, die Athener hätten die vertrage gebrochen und es solle krieg
geführt werden (Kai tö irXfiBoc £i|iYiq)(caTO itoXcmciv), da konnte der
geschichtschreiber dies mit vollem recht als eine kriegserklärung
ansehen und staatsrechtlich den anfang des krieges von hier aus da-
tieren, wie wir ja auch den anfimg des letzten krieges mit Frankreich
vom 18n juli 1870, dem tage der kriegserklärung in der französischen
kammeran datieren, nicht erst von dem ersten feindlichen zusammen-
tre£fen der beere, das hat er aber nicht gethan, er sagt vielmehr
ausdrücklich , der ausbruch des krieges verzögerte sich bis zu dem
einfall in Attika (irpiv dcßaXeiv ic Tf|v 'Amicfiv xal töv iröX€|üiov
fipacOai qKXvepoic). was hat sich nur in diesen zuständen durch den
Überfall von Plataia rechtlich und factisch verändert? Thukydides
gibt als merkmale des Unterschiedes an , dasz von da ab die beiden
Parteien nicht mehr ohne geleit von herolden mit einander verkehrten
und dasz sie sich ununterbrochen bekriegten, das letztere, der un-
HMüller-Strübing : das erste jähr des peloponnesiscben krieges. 669
sich schon eher hören läszt. für den 'ersten' krieg also, 'auf den er
sich ursprünglich hatte beschränken wollen', wie ünger sagt, und
auf den er sich in der that ursprünglich beschränkt hatte, wie ich
meine (s. Thukyd. forsch, s. 12 fif.), passt dieser ansatz ganz gut,
und nun traf es sich zufällig, dasz auch für den schlusz seines ganzen,
des 27jährigen krieges, dieser ansatz des anfangs des krieges sich
wohl verwenden liesz. denn setzen wir mit Plularch die einnähme
von Athen durch Lysandros auf den 16n munichion, so hätten bis
zum Jahrestage des angriffs auf Oino6 wieder mehrere monate an
den 10 Jahren gefehlt, während sich beim ansatz des anfangs auf
den Überfall von Plataia am letzten munichion die abweichung von
den 27 vollen jähren auf nur 14 tage reduciert.
Im vorstehenden habe ich zu zeigen versucht 1) dasz die da-
tierung des anfangs des krieges der Athener und der Peloponnesier
eine willkürliche, geschichtlich nicht berechtigte, auch in der an-
schauung des athenischen volkes nicht vorhandene war, und 2) dasz
der geschichtschreiber sich dieselbe trotzdem gestattet hat. die
gründe, weshalb er das gethan hat, müssen also rein subjectiver natur
gewesen sein und entziehen sich daher eigentlich unserer kenntnis,
wir sind aufs raten angewiesen , auf Vermutungen, und so vermute
ich denn dasz es ihm lunächst darum zu thun war, für die dauer seines
krieges eine runde, ich möchte sagen eine epische zahl zu erhalten,
und die zehn jähre waren ja durch den troischen krieg für die epopöe
gleichsam geheiligt, kürzere zeit als der troische krieg durfte aber
sein krieg doch nicht dauern! hat doch derselbe Thukydides, der
den historischen blick hatte, die verschiedenen kriege, die die Athe-
ner und Lakedaimonier seit ol. 87, 1 miteinander führten, den 'zehn-
jährigen', wie er ihn selbst nennt (V 25), den sikelischen, den ioni-
schen, als ein ganzes aufzufassen, und die kühnheit, auch die sieben
jähre des beschworenen und völkerrechtlich wenigstens nicht ge-
brochenen friedens in seinen krieg hineinzuziehen — zugleich zur
verherlichung seines krieges als des unvergleichlich bedeutendsten
aller früheren den medischen krieg als durch zwei see- und zwei land-
schlachten entschieden darstellen müssen, blosz um sagen zu können,
sein krieg habe viel länger gedauert (I 23 tOüv bk TTpoTCpov fpTUJV
ILieTiCTOv eTTpdxön tö MnbiKÖv , Kai toOto 8mu)c bueiv vauiuaxiaiv
Ktti TTeZoMaxiaiv raxeiav Tf|v Kpiciv €cx€' xotJTOu bk toö itoX^mou
^fiKOC jLiCYOt irpoößr)). und doch konnte es seinem historischen sinne
nicht entgehen, dasz die auf jene vier schlachten folgenden und durch
sie veranlaszten kämpfe bei Mykale, bei Sestos, bei Byzantion, bei
Eion, am Eurymedon, die durch keinen Waffenstillstand, keinen
wenn auch faulen frieden unterbrochen waren, mindestens ebenso-
gut als ein einziger krieg aufgefaszt werden konnten, ja musten, wie
sein 27jähnger krieg, freilich, als er die oben citierte stelle schrieb,
wüste er von der 27jährigen dauer des krieges noch nichts: denn,
wie Ullrich beitrage 1846 s. 47 ganz richtig sagt, 'hätte Thuky-
dides . . mit seinem kriege der Peloponnesier und Athener gleich
670 HMüUer-Strübing : das erste jähr des peloponnesischen krieges.
vom ersten anfang an den 27jfthrigen gemeint, so würde es über-
haupt vollkommen unnötig gewesen sein, die alles frühere ganz ohne
vergleich überbietende bedeutung dieses gegenständes [? auch , ich
möchte sagen, sub specie aetemi betrachtet? vom welthistorischen
Standpunkt? von dem aus offenbar Herodotos den kämpf der Orie-
chen und der barbaren, des occidents und des Orients, mit dem tiefen
ahnungsvollen äuge eines gottbegnadigten kindes als das leitmotiv
der Weltgeschichte erkannt und bis in seinen ersten anfang verfolgt
hat!] noch erst zu beweisen . . Thuk. hätte nur die 27 jähre zn
nennen gebraucht, um jeder weitem ausftthrung überhoben zu sein'
(vgl. auch A Schöne in Bursians jahresb. bd. III s. 828).
So wird denn also der gewinn einer IQjährigen dauer für seinen
krieg wohl 6in grund gewesen sein , weshalb der Schriftsteller den
Überfall von Plataia als anfang des krieges aufgestellt hat.*^ aber
schwerlich der einzige; er wird wohl noch einen künstlerischen, einen
ästhetischen grund gehabt haben, wenigstens hätte er unter den
begebenheiten , unter denen ihm allenfalls die wähl für die bezeich-
nung als anfang des krieges frei stand, sicherlich keinen glänzen«
dem, effectvollem anfang finden können als diesen nächtlichen
Überfall und straszenkampf, der keiner motivierenden einleitang
bedurfte , der den leser sofort packt und in medias res versetzt, und
bei dem der Verfasser seiner neigung zur epischen kleinmalerei recht
con amore nachgeben durfte , wie er das ja auch mit erfolg gethan
hat — kurz es war recht ein TTtXauT^c TTpöcuJirov für die epopüe,
die er damit beginnt, die geschichtschreibung gehörte ja, wie schon
oft gesagt ist, zb. von BNiese (hist. zs. 1880 s. 392), bei den alten
zur schönen litteratur, und so wird, denke ich, eine litterarische
oder, wenn man lieber will, eine künstlerische rücksicht der haupt-
grund gewesen sein, weshalb er seine darstellung des krieges mit
diesem lebendigen ereignis begann: denn die rücksicht auf die
Chronologie konnte ihn damals, als er dies niederschrieb (auf frischer
that: das beweist die frische und anschaulichkeit der darstellung),
noch nicht leiten, dasz dann ziemlich genau 10 jähre nach diesem
Überfall sein krieg durch den frieden des Nikias beendet ward , das
<«' (las erkennt übrigens auch LHerbst an, der (Philol. XXXVIU
8. 507 f.) zu Thuk. II 1 sagt: 'mit dem zweiten relativsatz und icaTQ-
CTdvTCC bezeichnet Thuk. den eigentlichen thatsächlichen beginn des
krieercfi, mit dem ersten ^v Cj) OÖT€ iTr€|ui(TVUVTO Iti diCTipuKTl itap'
dXXfiXouc die zeit, die diesem einfall noch vorausgegangen ist, jene
80 ta^M von dem Überfall von Plataia bis zu diesem einbrach in das
attische gebiet . . dieser punkt wird hier mit KQTacTdvTCC bezeichnet;
was ihm vorausliegt, vom Überfall von Plataia bis zu diesem KQTacTdvTCC,
ist zwar noch nicht der wirkliche krieg, aber auch nicht mehr der frühere
zustand von I 146; verkehr findet jetzt nur durch K/ipuK€C statt, so hftlt
sich Thuk. füi^ berechtigt diese Zwischenzeit der 80 tage schon in den
krieg selbst mit hineinzurechnen und die dpxri des krieges der runden
zahl wegen (V 20. 23) mehr formell schon mit dem Überfall von Plataia
anzusetzen.' gowis, und er hat sich zu noch ganz andern dingen für
berechtigt gehalten.
HMüUer-Strübing: das erste jähr des peloponnesischen krieges. 671
war ein zufall, der ihn später verleitet hat den nachtkampf von
Plataia, mit dem er ursprünglich aus rein künstlerischem instinci
um seiner ästhetischen lebendigkeit willen die darstellung des krieges
begonnen hatte, willkürlich auch historisch zum ausgangspunkt
des peloponnesischen krieges zu machen, ich sage später: denn ich
bin überzeugt dasz die worte, die wir jetzt V 24 ae. lesen: TaOTa
bi. TOI biKa Itt] ö Trp&TOC TröXcMOC Euvcx^c t€VÖjli€VOC T^TPCtTrrai,
ursprünglich in der ersten bearbeitung den schlusz gebildet (natür-
lich ohne TipaiTOc) und am schlusz von c. 19 gestanden haben, das
was dazwischen steht, also c. 20 bis 24, wird der schriftsteiler später,
gleich als er sich entschlosz die schon ziemlich weit vorgerückten
aufzeichnungen aus dem sikelischen und ionischen kriege mit der
für sich abgeschlossenen darstellung des ersten zehnjährigen krieges
zu einem groszen ganzen zu verbinden , vorläufig niedergeschrieben
haben, als eine art notbrücke, um die Verbindung wenigstens ver-
suchsweise herzustellen, und damals wird denn auch die ganze partie
c. 14 bis 18 eine ebenfalls vorläufige Überarbeitung und erweiterung
erfahren haben, denn die lebendigkeit der epopöe des ersten krieges
hatte mit dem gleichzeitigen tode des Brasidas und des Eleon ihren
abschlusz gefunden, das interesse des lesers und ich denke auch des
Schriftstellers war erschöpft, und der bericht Über den friedensschlusz
und die Vertragsurkunde selbst wird ursprünglich nur gleichsam als
anhang, als ein trockener prosaischer epilog ohne weitere motivie-
rung mitgeteilt sein, aber später, als dem geschichtschreiber der
gedanke aufgieng, die drei kriege als ein ganzes aufzufassen und
dann folgerichtig auch den faulen frieden mit in seine darstellung
hineinzuziehen, da hat er auch zugleich das bedürfnis gefühlt, die
eigentliche genesis des Vertrags etwas eingehender zu behandeln»
und er hat das auch sogleich ausgeführt, aber nur vorläufig, behufs
späterer Überarbeitung, so erkläre ich mir die unleugbaren incon-
gruenzen und Widersprüche in dieser partie, die JSteup im rhein.
mus. XXV 8. 273 ff. so scharfsinnig nachgewiesen hat, um sie für die
Verunstaltungen eines interpolators zu erklären und zu beseitigen,
so weit kann ich nicht mit ihm gehen, obgleich ich wohl erkenne dasz
der mir wohl bekannte interpolator auch hier sein freches spiel ge-
trieben hat: denn in den von Steup gestrichenen stellen sind mehrere,
in denen ich ganz entschieden die band des Thukydides zu erkennen
glaube, das zu entwickeln und zu begründen ist aber hier nicht der
ort, das musz ich mir für spätere zeit aufsparen, und so kehre ich
denn für jetzt nach dieser langen abschweifung zu dem s. 665 ab-
gebrochenen versuch , die uns bekannten ereignisse dieses sommers
chronologisch festzustellen, bei dem ich bis zum Überfall von Plataia
am letzten munichion (In juni) gekommen war, zurück.
Durch diesen gewaltstreich war die läge der dinge noch gespann-
ter, die Stimmung noch aufgeregter, noch fieberhafter geworden,
nicht blosz in Athen : f) fiXXn '6XXdc Träca jLiCT^wpoc fjv iuvioucujv
TiüV TTptjüTUiv TTÖXeuJv: denn an dem baldigen offenen ausbruch
672 HMüller-Stxübing: das erste jähr des peloponnesischen krieg^es.
des krieges zweifelte wohl kein mensch mehr, auch die Athener nicht,
wenn sie auch versuchten auf dem rechtswege genugthuung fttr den
an ihrer bundesstadt verübten frevel zu erhalten, in dieser zeit wird
es denn, denke ich, gewesen sein, wie schon oben gesagt, dasz die
Athener den Abderiten Nymphodoros nach Athen beriefen, am durch
seine Vermittlung mit dem thrakischen könig Sitalkes ein bündnis
zu scblieszen und durch diesen wieder einen druck auf den Make-
donier Perdikkas auszuüben , vor dem ruhe zu haben ihnen wegen
der noch fortdauernden belagerung von Poteidaia sehr wichtig sein
muste. dies ist ihnen denn auch gelungen, da ja bald darauf Per*
dikkas im verein mit Phormion einen kriegszug gegen die mit ihm
verbündeten, von ihm zum aufstand aufgehetzten Chalkidier unter-
nahm (wunderbar bleibt das freilich: der druck musz in der that
sehr stark gewesen sein), das andere versprechen des Nymphodoro«,
er wolle Sitalkes überreden , ihnen (doch sicherlich für den fall des
einbruchs der Lakedaimonier)reiter und plänkler zu hilfe zu schicken,
scheint nicht erfüllt worden zu sein, weshalb nicht, wer kann das
wissen? sonst waren die Athener jetzt vollauf beschäftigt: denn
das einwandern des landvolks in die stadt mit weih und kind, mit
ihren verraten und ihrem hausrat, ja mit dem holzwerk ihrer häuser
und stalle , der transport des viehs nach Euboia und £c Täc vt'jcouc
TQC dTTiKCiju^vac, Unter die ich jetzt auch Aigina rechne, war doch
keine kleinigkeit. das getreide hatten sie eingebracht und sicher
schon gedroschen, und nun 6engen auch die sommerfrüchte schon
au zu reifen , die feigen und die trauben ; auch diese einzuSringen
hatten sie zeit noch bis zum letzten moment , wenigstens warf man
im peloponnesischen beer dem könig Archidamos vor, durch sein
zögern und namentlich durch die berennung von Oino(^ den Athe-
nern zeit zum einbringen ihrer vorrftte gelassen zu haben (c. 18 ol
Tctp 'A9nvaioi dc€KO|LiiZovTO iv tiij XP^^viw toutuj usw.). das was
noch nicht reif war oder was sie aus andern gründen etwa nicht mit-
nehmen konnten, haben sie natürlich vernichtet, damit es den fein«
den nicht zu gute käme, hatte ihnen doch Perikles schon, freilich
verblümter weise, geraten ihr land selbst zu verwüsten, um den
Peloponnesiem zu zeigen, wie wenig sie sich daraus machten (1 143, 6).
jetzt werden sie diesen rat so viel als thunlich wohl befolgt haben,
denn nun sammelten sich schon die contingente der peloponnesibchen
bundesglieder auf dem Isthmos, ich denke mitte juli. als sie bei-
sammen bind, hält Archidamos seine obligate rede (das gehört ja
unter die beruf»pflichten eines Thukydideischen generals) und schickt
noch immer zögernd eine letzte botschaft nach Athen, der böte
wird gar nicht in die stadt gelassen {o\ bi. 0\) 7Tp0C€bäaVTO auTÖv
ec Tf)V TTÖXiv oub' inX TÖ KOlvöv: die thore müssen also schon mili-
tärisch beisetzt und bewacht gewesen sein — Mie Stadt war im be-
lagerungszustand', wie Curtius ganz richtig sagt), beim ttber-
scb reiten der grenze spricht der herold zu der escorte, die ihn dahin
geleitet hatte, das berühmte wort f\b€ f) i^i^pa TOic "EXXllCt pcräXuiV
HMüller-Strübing: das erste jähr des peloponnemBchett Jkrieges. 673
KOKuiv äp^et, und diesen tag hätte Thuk. etwa als anfang dea^rieges
bezeichnen können , wie man ja auch von der bertlhmten scene auf
der promenade in Erna am 18n Juli 1870 vormittags 10 uhr den an«
fang des deutsch- französischen krieges datieren könnte, die rückkunft
des boten auf dem Isthmos war das Signal zum anfbruch und zum
abmarsch nach der attischen grenze, wann ist das geiächehen? wahr-
scheinlich sehr bald nach dem In august (In hekatombaion), gewis
schon unter dem archon Euthjdemos , so dasz die Sonnenfinsternis
vielleicht doch eingetreten wäre, als das beer schon auf dem marsche
war? die entfemung vom südlichen teile des Isthmos, etwa vom
diolkos, bis an die attische grenze beträgt zwar nur sechs deutsche
meilen (bis Oino^ sieben) wie der vogel fliegt; aber ich glaube nicht
dasz ein so starkes beer bei der Schwierigkeit der pSsse durch die Gera-
neia sie in weniger als drei tagen zurücklegen konnte, und dann :
wie lange hat Archidamos mit dem beere vor Oinotf gelegen? Grote
sagt ^several days', mehrere tage; sehr unbestimmt, aber doch zu
wenig. Unger meint (s. 48), von den 79 tagen zwischen dem über-^
fall von Plataia und dem was Thukydides die dcßoXrj nennt dürfte
mindestens die hälfte auf die zeit vor der anknnft des heeres bei
Oinoä zu rechnen sein, ich denke viel mehr als die hälfte, denn ich
möchte die zeit der berennung von Oino6 trotz der Träca ib^a die
Archidamos versuchte (c. 19) doch höchstens auf 12 bis 14 tage
rechnen, eine zeit die den ungeduldigen heiszspomen im peloponne-
sischen beer, deren klagen Thuk. uns mitteilt, schon viel zu lang
vorgekommen sein wird, zumal da nichts ausgerichtet ward, wie dem
auch sei, um den 2 In oder 22n august, toO O^pouc dKjiidZoVTOC, am
30n tage nach dem letzten munichion, begann dann die Verheerung
der eleusinischen und thriasischen ebene, bei der menge der heloten
und Sklaven und plSnkler, die das beer begleiteten, kann das aus-
roden der Weinberge und das fällen der bäume (man wird bei be*
sonders starken Ölbäumen zb. auch wohl feuer zu hilfe genommen
haben) nicht viel zeit gekostet haben, und was den aufenthalt
in Acharnai betrifft, so ist der ausdruck ttoXuv XP^^vov bei Thuk.
so vieldeutig, so dehnbar, dasz man ihn geradezu als nichtssagend
bezeichnen darf, unser Thukjdidestext gibt, allerdings mit einem
vorsichtigen X^t^'^^^ ^^s grund, weshalb Archidamos in Acharnai
geblieben und diesmal nicht zur Verwüstung der sogenannten 'ebene'
weiter gezogen sei, an, er habe gehofft, die Acharner würden die
Verheerung ihrer Auren nicht ruhig mit ansehen und die übrigen
Athener mit fortreiszen ins feld zu ziehen und eine schlacht zu
wagen; aber darauf ist gar nichts zu geben, denn das ganze c. 20
ist eine fälschung , das mach werk eines unwissenden grammatikers,
was ich hier im text kurz behaupte, in der anmerkung aber be-
weisen werde, es kommt aber auch nicht viel darauf an: denn
durch Thuk. selbst erfahren wir ja in dem echten c. 21, dasz es in
der that in der stadt, namentlich unter den jüngeren leuten, hitz-
köpfe in menge gab, die es dem Strategen Perikles zum Vorwurf
Jahrbücher f&r clasK. philol. 188S hi\, lOu. 11. 44
674 HMüller-Strübing: das erste jähr des peloponnesischen krieges.
machten , dasz er den tollen schritt , dem numerisch so sehr über-
legenen feind in offener feldschlacht gegenüber zu treten, nicht unter-
nahm.'' indes viele tage lang wird Arcbidamos selbst diese hoff-
*^ dasz das ganze 20e capitel des zweiten btichs das machwerk des
mir längst bekannten ebenso albernen wie unwissenden grammatikers
ist, davon kann sich der leser sehr leicht überieagen, wenn er den
versuch machen will von den letzten worten des c. 19 xP^vov T€ noXOv
£)ui)ui€{vavT€C £t€)uivov gleich mit c. 21 'Adnvatoi bi weiter zu lesen mit
vorläufiger überspringung der worte TVWMQ ^^ TOi^jtöc X^T^TOi bis 6
'Apxi^ajuioc iT€pl T&c *Axcipv&c vfv. wenn er dann nachträglich das
20e cap. sich angesehen hat, so wird er gewahr werden, dasz er aus
demselben etwas wesentlich nenes nicht gelernt hat, da der falscher
alles was er vorbringt ans andern stellen des Thnk. entnommen und
nur einige abgeschmackte nebensachen hinzugefügt hat. denn ans den
Worten von c. 23 oi hi TT€XoTrovv/|Cioi , £iT€i6f| oOk £Tr€S4€cav aOrolc ol
'AOrivatoi ^c jidxTiv, dpavrcc ^k ti&v 'AxapvÄv £6/jouv Tdiv ö/ifiuiv Tivdc
&XXouc bat er mit recht geschlossen, dasz die Peloponnesier es wenig-
stens für möglich gehalten hatten, die Athener würden so unklug sein
zum offenen kämpf ins feld su ziehen, auch weisz er aus e. 21, dasz
es in Athen nicht an hitzköpfen fehlte, die den Perikles zu diesem
schritt zu drängen suchten, und dasz die Acharner aus zom über die
Verheerung ihrer felder, die sie fast mit aug«n sahen, dabei das grosse
wort führten: ot TC *Axapvf)c o16m€voi irapd c<p{civ aÖTotc oök £Xa-
xicTTiv ^otpav cTvai *Aer]va(u)v, die aOrdiv i\ yf\ ^t^m^cto, ivfltov t^jv
£Ho5ov lidXiCTa. dies alles bringt der falscher dann mit einem be-
scheidenen und vorsichtigen, aber hier höchst unthukjdideischen X^T^Tai
als die reflexion des Arcbidamos vor, der früher in seiner rede c. 12
erklärt hat, man glaube zwar, die Athener würden gegen eine so grosse
Übermacht ni^ht ins feld ziehen (cl Ttp xal boKoOficv irXif|6€i ^icUvou
Kai dcq)dX€ia iroXXfi cTvai fif| Av £X6€tv Todc ^vavriouc fj^tv biä fidxTic),
aber möglich sei es doch, dasz sie sich beim anblick der Verwüstung
ihrer felder zu der toUkühnheit verleiten lieszen (diCTC XP^ Kai irdvu
4Xit{2I€Iv h\ä juidxiic Uvai aÜToOc, ci fif| xal vOv dip^iivTai, iv (b oOnui
irdp€C|i€v, dXX' örav £v lij tQ öpdictv Vj^Ac 6i9oOvTdc t€ kqI tukcCvuiv
q>6€(povTac). hier hatte der falscher das material für die TVuCifiili die,
wie man sagt, den Arcbidamos bestimmt haben soll, vollständig bei-
sammen, dies ist daher, bis auf die einführung durch das hier und in
diesem Zusammenhang ganz unpassende X^Y^'^^^ noch nicht gerade ab-
geschmackt, wenn auch völlipr überflüssig und in seinem Ursprung leicht
nachweisbar, zur höchsten absurdität aber erhebt sich der falscher in
der scbluszreflexion des Arcbidamos: wenn nun auch die Athener bei
diesem cinfall nicht aus der Stadt herauskommen sollten, so werde es
um so gefahrloser sein, später die ebene su verwüsten und bis an die
Stadt selbst vorzurücken: denn die Acharner würden, da sie nichts mehr
zu verlieren hätten, nicht mehr ebenso bereit sein wie früher, ihre haut
für die ländereien der andern zu markte zu tragen, und es werde Zwie-
spalt in der öffentlichen meinung entstehen: cl TC xal fif| iircE^XOciCV
£k€{vi] tQ kßoXQ oi *A6r)va1oi, dbe^cTCpov i\br\ Ic t6 Ocrcpov t6 ncMov
T6fi€lv xal irpöc aÖTfjv Tf)v iröXiv xu)pViC€c6ar toOc t^P 'Axapv^ac ^ctc-
pllfl^VOUC TUüV C<p€T^pU)V OÖX Ö^oCuJC ITpoO^MOUC fCCcÖoi ÜTT^p Tf\C TlSlV
dXXu)v Kiv6uvcOciv, CTdciv b* £v^c€c6ai xfl yviiiMia. ToiaOrr) ^liv btavoiqi
ö *Apx{&a)uioc TTCpl Tdc 'Axapvdc vfv. und dann bricht er auf and ver-
wüstet die ländereien der andern, um die gleichheit derselben mit den
Acharnern herzustellen, das alles ist doch zu dnmml die Acharner
würden also bei den späteren einfallen nicht mehr so bereit sein das
zu tbun, was für Arcbidamos das wünschenswerteste war« nemlich ins
offene feld zu ziehen? ja, wenn er gesagt hätte, die athenischen und
HMüller-Strübing : das erste jähr des peloponnesischen krieges. 670
nung wohl nicht gen&hrt haben, und als dann das gefecht eines
athenischen reitergeschwaders und der verbündeten Thessaler gegen
die boiotische reiterei stattgefunden hatte , das nicht eben glänzend
für die letztere ausfiel, da wird er wohl jene erwartung aufgegeben
haben und wird von Achamai , wo er nichts mehr zu thun hatte,
thessalischen reiter würden nicht mehr so bereit sein ihn bei seinen
Verwüstungen zu barcelieren — dann hätte er allerdings das land
d6€^CT€pov verheeren können, aber was hat das mit den Acharnern za
thun? wer so entsetzlichen unsinn dem Thuk. zutrauen kann« der mag
dies capitel als eoht verteidigen, er musz es dann auch mit in den kauf
nehmen, dasz Thuk. nicht gewust hat, wo Acharnai lag, nemlich in
der ebene (es war 'der hauptort der ebene' sagt Curtius, und nach
Bursiun geogr. v. Griech. I s. 334 gehörte der beste teil der attischen
ebene zur f eidmark von Achamai): denn zu anfang des cap. bleibt
Archidamos in Acharnai und steigt bei diesem eiufall überhaupt nicht
in die ebene hinab (X^€Tai töv 'Apxi^omov ircpi T€ t&c *Axapv&c . .
fielvai Kai ^c tö irebiov ^Kcivi] tQ ^cßoX^ od KOToßf^vai), während er
nach c. 33 von Acharnai aufbricht und die demen zwischen den bergen
Parnes and Brilessos verheert, dh. die landschaft, die die Athener
und auch Thuk. (II 56. 56. VII 19) speciell t6 ir€6(ov nannten. — Ferner
erfahren wir aus diesem cap. noch, Acharnai sei ii^a (i^poc Tf)c iröXeuic
gewesen; mit diesem aus V 32 hergenommenen ausdruck (xal Kop{v6ioi
IpXovTai ic TcT^av dirocTficovrcc AaK€6ai)uioviujv, öpiXivT€C fi^a jui^poc
öv) sagt uns nun der interpolator auch nichts gerade neues, da Thuky-
dides eben Achamai x^pov ^^tictov xflc 'ArxiKflc TÜöv 6f|)uiujv koXou-
^^vujv genannt hat und weiter unten sagt et T€ *Axapvf|c oi6^€VOi
irapd cq){av aÖTOtc oOk 4XaxicTV)v (loipav €Tvat 'A8T)va(ujv. — Endlich
erfahren wir aus diesem cap. dann noch, dasz der demos Achamai 3000
hopliten gestellt habe, mit diesen 3000 hopliten von Acharnai habe ich
mich schon vor zehn jähren herumgeschlagen und habe sie auf 300,
höchstens 400 reduciert (Aristoph. u. d. bist kritik s. 689 ff.) , was den
meisten meiner leser wohl bekannt sein wird, da Classen in seiner weit
verbreiteten ausgäbe die Streichung der 3000 gebilligt und meine Ver-
mutung, es sei statt dessen 300 zu schreiben (T' statt ^f) als wahr-
scheinlich richtig anerkannt hat. anderseits hat man freilich die be-
seitigung der 3000 ebenfalls gebilligt, gegen meine 300 aber als eine
zu niedrige zahl das i^^Ct (i^poc Tf)c itöX€U)C aus diesem c. 20 ins gefecbt
geführt, so ECurtius in seiner gr. gesch. 11^ s. 822, ASchöne in Bnrsians
jahresber. III s. 861 anm., Volquardsen ebd. XIX s. 53, GOilbert beitr.
8. 110. nur das sjndicat der Oxforder gelehrten hat, ebenfalls mit hilte
des jUL^Ya M^poc, die 3000 hopliten selbstverständlich in schütz genom-
men; sie stehen ja in allen hss. und sind auch von Poppo (^who has the
great merit of beiog almost always right' I s. X) nicht angezweifelt
worden, in ihrer polemik gegen mich berechnen sie dann die gesamt-
starke des athenischen heeres auf 29000 hopliten, nach c. 13 § 6 u. 7,
ein misverständnis gegen das anzukämpfen ich kaum der mühe wert
halten würde, wenn sich nicht derselbe irrtum auch bei Grote fände,
wie er mir denn auch ganz kürzlich in der abh. ^de metoecis Attieis^
von HSchenkl (Wien 1880) s. 8 noch begegnet ist. doch ist hier nicht
der ort dies weiter auszuführen, hier will ich in bezug auf das auch
sonst vielfach verdorbene c. 13 noch hinzufügen, dasz mir AvVelsens,
wie es scheint, wenig beachtete Vermutung, in § 7 sei in den Worten
dirö T€ tCüv irpccßurdTuiv kqI tiöv vcujxdTUJV Kai |ui€to{kujv öcoi öirXlTai
fjcav, nach öcoi die negationspartikel ausgefallen (vgl. die 3000 metoiki-
sehen hopliten in II 3), zweifellos richtig scheint (s. seine reeension meines
buches im philol. anz. VIII s. 391). mich gehen natürlich die 8000 hopliten
44*
674 HMfiller-Strftbixig: das erste jähr des pelopönnesischen krie^es.
machten, dass er den tollen schritt, dem numerisch so sehr tLber*
legenen feind in offener feldschlacht gegenüber cu treten, nicht unter»
nahm.*' indes viele tage lang wird Archidamos selbst diese faofif*
*^ dasz das ganze 20e capitel des zweiten bUchs das maohwerk des
mir längst bekannten ebenso albernen wie unwissenden grammatikers
ist, davon kann sich der leser sehr leicht übersenden, wenn er den
▼ersuch machen will von den letzten werten des c. 19 xP^vov T€ iroXOv
ififActvavTCC £t€^vov gleich mit c. 21 'AOnvatoi bi weiter an lesen mit
▼orlftnfiger überspringnng der worte fyiu^iji bi TOti^c X^T^rai bia 6
*Apxtöa^oc iT€pl Täc *Axapv&c vfv. wenn er dann nachträglich das
20e cap. sich angesehen hat, so wird er gewahr werden, dasz er aas
demselben etwas wesentlich nenes nicht gelernt hat, da der falscher
alles was er vorbringt ans andern stellen des Thnk« entnommen und
nur einige abgeschmackte nebensachen hinzugefügt hat. denn ans den
Worten von c. 23 o( hi TTcXoiro w/|Cioi , £iT€i6f| oOk knelf^^cay aÜTolc ol
•AOTjvatoi ic Mdxnv, dpavrcc in täv 'AxapvÄv ^bifjouv Tdiv bfifiuiv nväc
dXXouc bat er mit recht geschlossen, dasz die Peloponnesier es wenig-
stens für möglich gehalten hatten, die Athener würden so unklug sein
zum offenen kämpf ins feld zu ziehen, auch weisz er aus c. 21, dasx
es in Athen nicht an hitzkÖpfen fehlte, die den Perikles zu diesem
schritt zu drängen suchten, und dasz die Acharner aus zorn über die
Verheerung ihrer f eider, die sie fast mit äugen sahen, dabei das grosse
wort führten: ol T€ 'Axapvf^c olÖMCVot irapd cqiCciv aOrotc oök IXo»
x(cTiiv fiotpav €lvai 'AOiivaiuiv, die aCiTiiiv i^ ffl ^t^mvcto, ivfltov Tf|v
£Eo6ov ^dXiCTa. dies alles bringt der falscher daun mit einem be-
scheidenen und vorsichtigen, aber hier höchst unthukjdideischen X^CTOt
als die reflexion des Archidamos vor, der früher in seiner rede e. 12
erklärt hat, man glaube zwar, die Athener würden gegen eine so grosse
Übermacht ni^ht ins feld ziehen (cT Ttp xal boKoOfi€v irXif|6ci 4mdvai
Kol dccpdXcia iroXXfi cTvat fif) Av iXQelv to6c ivavriouc i^ijuitv b\ä fidxT)c),
aber möglieh sei es doch, dasz sie sich beim anblick der Verwüstung
ihrer felder zu der toUkübnheit verleiten lieszen (d)CT€ XP^ Koi irdvu
^ir(2l€tv b\ä MdxT)C i^voi aOToOc, €i \xi\ xal vOv d>p|iiivTai, iv (b oOirui
irdpccM€v, dXX' ötqv £v t4 tQ öpiSlav i\näc bijoOvTdc t€ xal rdKcivuiv
q>6£(povTac). hier hatte der falscher das material für die Tvdifir|, die,
wie man sagt, den Archidamos bestimmt haben soll, vollständig bei-
sammen« dies ist daher, bis anf die einführung durch das hier und in
diesem Zusammenhang ganz unpassende X^f^Tai, noch nicht gerade ab-
geschmackt, wenn auch völlig überflüssig und in seinem Ursprung leicht
nachweisbar, zur höchsten absurdität aber erhebt sich der falscher in
der schluszreflexion des Archidamos: wenn nun auch die Athener bei
diesem einfall nicht aus der Stadt herauskommen sollten, so werde es
nm so gefahrloser sein, später die ebene zu verwüsten und bis an die
Stadt selbst vorzurücken: denn die Acharner würden, da sie nichts mehr
zu verlieren hätten, nicht mehr ebenso bereit sein wie früher, ihre haut
für die ländereien der andern zu markte zu tragen, und es werde Zwie-
spalt in der öffentlichen meinung entstehen: cf T€ xai fif| iircE^XOoicv
(Kcivi) TlJ £cßoX4 ol 'AOvivdloi, döckvcpov i\bY\ ic t6 dcrcpov t6 ncbiov
TciiClv Kol irpöc aÖT^iv tJ|v iröXiv xuJp/|C€c6at* toCic tdp 'Axapv^ac ^ctc»
pnM^vouc T(Xiv c<pcT^pujv oöx öfioiuüc irpoOOMOiic ^cccOai (iirip rf^c tu)v
aXXwv Ktv6uv€i3€iv, crdciv 6* ^v^cccOai xfl Tvdi|uii9. roiaönj fn^v biavoicji
6 'Apxi^a^oc ircpl t&c 'Axapvdc i^v, und dann bricht er auf und ver-
wüstet die ländereien der andern, nm die gleiehheit derselben mit den
Achamern hersustellen. das alles ist doch zu dumm! die Acharner
würden also bei den späteren einfallen nicht mehr so bereit sein das
SU thun, was für Archidamos das wünschenswerteste war« nemlich ins
offene feld zu ziehen? ja, wenn er gesagt hätte, die athenischen und
HMüUer-Strübing: das erste jähr des peloponnesischen krieges. 677
schleunigen rückkehr an ArchidamoB abgegangen sein, dem er denn
auch sofort nachgekommen ist, gerade wie unter Ähnlichen um-
ständen sein söhn Agis sechs jähre später, rechne ich nun auf die
Schädigung jener ungenannten anderen gegenden etwa 1 2 bis 14 tage,
so wird der anschlag auf Methone etwa ende august zu setzen sein,
und Archidamos kann den befehl zur rttckkehr sehr gut in den ersten
tagen des September erhalten haben, er zog nun nicht ab auf dem
wege auf dem er gekommen war, sondern darch Boiotien, und dazu
wird er gute gründe gehabt haben : erstens weil dadurch die emäh*
rung seines heeres sehr erleichtert ward (denn dasz den Peloponne-
siem die von hause etwa mitgebrachten lebensmittel ausgegangen
waren, will ich gern glauben), und zweitens mochte er fürchten
bei seinem rückzuge auf dem alten wege von den attischen und
thessalischen reitern , denen natürlich der kämm sehr geschwollen
sein muste, wenn nicht ernstlich bedrängt , so doch belästigt und in
der Schnelligkeit seines marsches behindert zu werden, zumal da die
boiotische reiterei ihn sicherlich auf seinem rückzuge nicht begleitet
hätte, sondern direct nach hause gezogen wäre, so kam denn das pelo-
ponnesische beer unbehelligt nach dem Peloponnes und löste sich auf:
(i9iK6jLi€Voi bfc k TTcXoirövvricov bicXöOticav Kaiä ttöXcic ^KacTOi.
Die athenische flotte hatte inzwischen die messenische küste
verlassen und operierte weiter nach norden zu an der küste von £lis.
sie legte in Pheia an, verwüstete das land zwei tage lang und be-
siegte in offener Schlacht die bewohner der umgegend (dies wird er»
klärt, die aus der Pisatis und aus Triphylia), denen 300 kemtruppen
aus der hohlen Elis zu hilfe gekommen waren, wegen heftigen
Sturmes umsegelte die flotte, nachdem sie den grösten teil der ge*
landeten an bord genommen hatte, das Vorgebirge Ichthys nach dem
hafen von Pheia; die Messenier aber (von denen wir hier zum ersten-
mal hören — es sind natürlich die aus Naupaktos , die zugleich mit
den korkyräischen schiffen gekommen sein werden, s. c. 25 aa.) und
andere [die sich nicht hatten einschiffen können] zogen zu lande und
nahmen Pheia, sie wurden aber 'später' (ucT€pov) von den zurück-
gekehrten schiffen an bord genommen, und diese verlieszen Pheia:
denn die hauptmacht oder das zahlreiche beer der Eleier war schon
zur hilfe herbeigezogen : o\ bi, Mccdfjvtoi iv toOti}i Kai dXXoi Tivk
[o\ ov buvdiLievoi iTrißflvai"] Kaiot fflv x^P^cavxcc Tf|v 0€idv
aipoOci. Kai ucTcpov aX t€ vfjec TTcpmXeucacai ävaXa^ßdvouciv
aÖTouc Kai ÖavdTOVTai dKXiTröviec Ocidv, Kai tüjv "HXeiujv i\
TToXXfi i\br] cTparid TTpoc€ß€ßor]9TiK€i. TrapaTrXcucavrec bi oi *AGii-
vaToi ^ttI dXXa xu)p{a db^ouv. was war nun diese hauptmacht, diese
TToXXf) CTpand der Eleier, und wo kam sie her? darauf antworte ich :
aus Attika. es war das contingent, das unter Archidamos die invasion
mitgemacht hatte und eben zurückgekommen war, dessen stärke ich
nach Tbuk. Y 75 auf etwa 3000 hopliten schätze, sie hatten sich
*' Herwerden bezeicboet die eingeklammerten worte als emblem,
nach meinem gefühl mit recht.
678 HMfiUer-Strübing: das erste jähr des peloponnesischen krieges.
nun mit ihren kürzlich geschlagenen landsleuten (dem zu hause
gebliebenen drittel der gesamtmacht des landes) vereinigt und rück-
ten zum kämpf heran; die Athener, die ja von ihren eignen lauten
nur 1600 hopliten und 300 bogenschützen an bord der flotte hatten,
wollten begreiflicher weise gegen eine solche Übermacht keine
Schlacht wagen und stachen in see.
Bechne ich nun auf den marsch des Archidamos von Boiotien
•
nach dem Süden des Peloponnes etwa 7 — 8 tage — und wenn man
sich erinnert, dasz das lakedaimonische hilfscorps nach der schlackt
von Marathon die entfemung von Sparta nach Athen in drei tagen
zurücklegte, so wird man das eher zu viel als zu wenig finden — so
würde dann die abfahrt der athenischen flotte von Pheia etwa auf
den lln oder 12n September zu setzen sein.
Hier schiebt nun Thukydides , wie wir gesehen haben (s. oben
s. 657), auszerdernotiz über die Sonnenfinsternis und die austreibung
der Aigineten auch den bericht über die expedition des Kleopompos
nach Lokris und über die Verhandlungen mit Nymphodoros, dem
Schwager des Sitalkes, ein : ich halte mich daher für berechtigt den
sieg der Athener bei Alope, mit der jene schlosz, so wie den feldsug
des Perdikkas gegen die Chalkidier in gemeinschaft mit Phormion,
der eine folge jener Unterhandlungen war^ in diese zeit, also etwa in
die mitte des September oder des metageitnion zu setzen, ich will
nicht wiederholen, was ich oben schon darüber gesagt habe; nur
darauf will ich noch einmal aufmerksam machen, dasz dieser schritt
des Perdikkas , der seiner sonstigen in der that durch die umstftnde
gebotenen politik schnurstracks zuwider lief, sich gar nicht anders
erklären läszt als durch die annähme, dasz er diesen feldzug der
Lakedaimonier, von dem man auch für Thrakien so viel gehofft
hatte, für gänzlich gescheitert hielt und die macht der Athener all
befestigter denn je ansah.
Die athenische flotte fuhr aber von Pheia aus noch nicht nach
hause, sondern blieb noch irepl TTcXottövviicov und führte noch
allerlei aus: die Athener nahmen Sollion, ein den Korinthem ge-
höriges Städtchen , und vertrieben den ebenfalls den Korinthem be-
freundeten tyrannen Euarchos aus Astakos; dann segelten sie nach
der viel nördlicher gelegenen insel Kephallenia, die ohne kämpf auf
die Seite der Athener trat und ihnen auch, beiläufig gesagt, während
des ganzen krieges treu geblieben ist. dann *nicht lange darauP
(ucTcpov QU 7ToXX(|i) Segelten die schiffe nach Athen, ehe sie aber
dort ankamen, erfuhren sie dasz die Athener mit ihrer gesamten
landmacht (Travbfijitei) in der Megaris versammelt waren , wohin sie
einen einfall zur Verheerung des kleinen ländchens gemacht hatten,
unter Perikles führung. an diesem lustigen militärischen Spaziergang
wollte die flottenmannschaft auch ihr teil haben : sie segelten hinüber
und schlössen sich ihren landsleuten an. das wird ein siegeijubel ge-
wesen sein! — dies war TTCpi TÖ q)6ivöirujpov , und wenn ich dann
die rückkehr der flotte etwa auf den lOn bis 16n ootober setze
HMüUer-Strübing: das erste jähr des peloponnesischen krieges. 679
(9n bis 14n bo^dromion) , so wird das eher zu früh als zu spät sein,
denn die regulierung der politischen Verhältnisse in Sollion, in Asta-
kos und namentlich in Eephallenia , wo die feldherm wie es scheint
mit vier selbständigen stadtgemeinden zu verhandeln hatten , musz
geraume zeit weggenommen haben. — Dann berichtet Thukydides
noch, dasz am ende dieses sommers , ToO B^pouc toutou tcXcutüjv-
TOC , die Insel Atalante an der lokrischen küste von den Athenern
befestigt ward. raOia jLifcv iv Tip 0^p€i TOUTtp jucid t^v TTeXoTrov-
VTiciuiv Ik Tf]C 'ATTiKflc dvaxwpiiciv dT^V€TO. in dem darauf fol-
genden Winter aber führton die Eorinther den vertriebenen tyrannen
Euarchos nach Astakos zurück ; ihr versuch sich in Akarnanien fest-
zusetzen mislang, und eben so ihr angriff auf Eephallenia, bei dem
sie mit verlust zurückgeschlagen wurden, dann folgt die Schilderung
der feierlichen bestattung der in diesem kriegsjahr gefallenen krieger
und die berühmte leichenrede des Perikles. damit endet der winter.
das wäre also die geschichte des ersten kriegsjahres.'^
** in bezng auf die Operationen der flotte au der küste von £Iis
will ich hier eine Vermutung aussprechen, in der friedensnrkunde
(Thuk. V 18, 7) heiszt es diroöövTWv bi kqI 'A6riv€n01 AaKcbaifiovioic <Kal
Toic Hu^fldxolC> Kopuqpdciov xal KOOr^pa xal M^Gava kqI TTTcXeöv koI
'ATaXdvTT)v. Mie läge von Pteleon ist nicht bekannt, und die thatsache
«einer einnähme und besetznng durch die Athener wird von Thukydides
sonst nirgends erwähnt.' so Kirchhoff in der abh. über die von Thuk.
benutzten Urkunden in den sitzungsber. der Berliner akad. 1882 nov., aus
der auch das eingeschaltete Kai toTc EupMdxoic genommen ist. Classen
meint, es sei vielleicht der von Plinius IV § 26 angeführte ort dieses
namens in Boiotien zu verstehen, höchst unwahrscheinlich, die weg-
nähme (bei welcher gelegenheit denn?) und behauptong einer boioti-
■sehen festung würde zu viel lärm und aufsehen gemacht haben, als dasz
Thukjdides sie hatte übergehen können, zumal die Athener den ort
nach dem friedensscblusz doch sicher nicht an die Boioter zurück-
gegeben haben, und Plinius wäre dann gewis nicht der einzige Schrift-
steller, der diese mir übrigens sehr problematische Stadt in Boiotien
erwähnt hätte, dann spricht Plinius IV § 29 noch von einem nemut
Pteleon in der Phthiotis am pagasäischen meerbusen, wo auch Strabon
IX s. 433 die schon bei Homer im schiffskatalog erwähnte Stadt Pteleon
kennt, sie wird auch sonst oft genannt, dasz diese thessalische Stadt
nicht während des lOjährigen krieges von den Athenern weggenommen
sein kann, liegt auf der band, nun wird aber bei Strabon VIII s. 849
noch eine gleichnamige colonie des thessalischen Pteleon erwähnt, an
der küste von £lis, in Triphylien (nach Plinius in Messenien), und dies
eleische Pteleon ist, glaube ich, das in dem friedensvertrag gemeinte,
ist es nicht sehr denkbar, dasz die zu lande marschierenden Messenier,
die auf ihre eigne band schon Pheia genommen hatten, sich auszerdem
noch durch Überrumpelung eines kleinen hafencastells bemächtigt und
sich in demselben dann mit Zustimmung der Athener auch behauptet
haben? für die Messenier, die von Naupaktos aus sicherlich viel kapere!
trieben, muste ein solcher unterschKipf iv dXifi^vip X^P^M' ^^^^ ^®'
gehrenswert sein, und ebenso den Athenern bei ihren häufigen expe-
ditionen irepl TTcXouöwricov. man wird nun sagen, das würde Thukj*
dides wohl erzählt haben, schon recht; aber irgendwo musz er die
Unterlassungssünde der nichterwähnung der einnähme von Pteleon doch
begangen haben, warum denn nicht hier so gut wie anderswo? ja besser
678 HMfiller-Strfibiiig: das erste jähr des peloponnesischen krieges.
nun mit ihren kürzlich geschlagenen landsleuten (dem zu hanse
gebliebenen drittel der gesamtmacht des landes) vereinigt nnd rOck-
ten zum kämpf heran; die Athener, die ja von ihren eignen lenteii
nnr 1600 hopliten nnd 800 bogenschützen an bord der flotte hatten,
wollten begreiflicher weise gegen eine solche flbermacht . keine
Schlacht wagen nnd stachen in see.
Bechne ich nun auf den marsch des Archidamos von Boiotien
nach dem Süden des Peloponnes etwa 7 — 8 tage — nnd wenn man
sich erinnert, dasz das lakedaimonische hilfiBCorps nach der schlackt
von Marathon die entfemnng von Sparta nach Athen in drei tagen
znrücklegte, so wird man das eher zn viel als zn wenig finden — sc
würde dann die abfahrt der athenischen flotte von Pheia etwa auf
den lln oder 12n September zu setzen sein.
Hier schiebt nun Thnkjdides, wie wir gesehen haben (s. oben
B. 657), anszerdernotiz über die Sonnenfinsternis nnd die anstreibnng
der Aigineten anch den bericht über die ezpedition des Kleopompos
nach Lokris nnd über die Verhandlungen mit Njmphodoros , dem
Schwager des Sitalkes, ein: ich halte mich daher für berechtigt den
sieg der Athener bei Alope, mit der jene schlosz, so wie den fddsng
des Perdikkas gegen die Chalkidier in gemeinschaft mit Phormion,
der eine folge jener nnterhandlnngen war^ in diese zeit, also etwa in
die mitte des September oder des metageitnion zu setzen, ich will
nicht wiederholen, was ich oben schon darüber gesagt habe; nur
darauf will ich noch einmal aufmerksam machen, dasz dieser schritt
des Perdikkas, der seiner sonstigen in der that durch die umstftnde
gebotenen politik schnurstracks zuwider lief, sich gar nicht anders
erkl&ren läszt als durch die annähme, dasz er diesen feldzug der
Lakedaimonier, von dem man auch für Thrakien so viel gehofft
hatte, für g&nzlich gescheitert hielt nnd die macht der Athener als
befestigter denn je ansah.
Die athenische flotte fuhr aber von Pheia aus noch nicht nach
hause, sondern blieb noch irepl TTeXonöwficov nnd führte noch
allerlei aus: die Athener nahmen Sollion, ein den Korinthem ge-
hönges Städtchen , and vertrieben den ebenfalls den Korinthem be-
freundeten tyrannen Enarchos aus Astakos; dann segelten sie nach
der viel nördlicher gelegenen insel Kephallenia, die ohne kämpf auf
die Seite der Athener trat nnd ihnen auch, beiläufig gesagt, wiüirend
des ganzen krieges treu geblieben ist. dann *nicht lange darauf
(öcTcpov oä iroXX(|i) segelten die schiffe nach Athen, ehe sie aber
dort ankamen, erfuhren sie dasz die Athener mit ihrer gesamten
landmacht (iravbiijLiei) in der Megaris versammelt waren , wohin sie
einen einfall zur Verheerung des kleinen ländchens gemacht hatten,
unter Perikles führung. an diesem lustigen militärischen Spaziergang
wollte die flottenmannschaft auch ihr teil haben: sie segelten hinüber
und schlössen sich ihren landsleuten an. das wird ein siegeejubel ge-
wesen sein! — dies war TTcpi TÖ q)6tvöiru)pov, und wenn ich dann
die rückkehr der flotte etwa auf den lOii bis 15n october setze
HMüller-Strübing: das erste jähr des peloponnesischen krieges. 681
des sechsten (bzw. bei Schaltjahren die mitte des siebenten) monats
gelegt werden könnte ? ' dadurch wäre freilich das von Unger so
hart verletzte ebenmasz hergestellt, auch die gleiche länge des som-
mers mit dem winter gewonnen, aber, gerade herausgesagt, auf kosten
des gesunden menschenverstandes. denn danach hätte zb. in ol. 91, 2
unter dem archon Chabrias, einem gemeixijahr, der sommer am letzten
anthesterion , 28n februar begonnen, und der winter ol. 91, 3 am
letzten metageitnion, dh. am 26n augustl wer jemals im august in
Athen gewesen ist, der wird dies mit einem gemischten gefühl lesen,
des Schauders bei dep erinnerung an die unerträgliche hitze , die er
dort im august ausgestanden hat, und des lächelns über die drollig-
keit des einfalls, auch nur einen teil dieses monats als winter zu be«
zeichnen. " darüber will ich kein wort mehr verlieren und ebenso-
wenig über den anfang des sommers am Jahrestag von Plataia , den
ich doch wohl glücklich beseitigt zu haben hoffen darf, darf ich nun
auch annehmen, dasz Ungers Winteranfang am 27n September durch
meine ausfübrungen über die data des ersten kriegsjahres dasselbe
Schicksal erfahren hat? wird Unger zb. zugeben, dasz die 100 schiffe
der Athener erst im october und doch noch im Thukydideischen som-
mer nach Athen zurückgekehrt sind? ich rechne kaum darauf: denn
ich weisz dasz Unger trotz aller gewissenhaftigkeit doch auch mit-
unter den thatsachen arge gewalt anthut, wenn sie sich seiner theorie
nicht gutwillig fügen, am auffallendsten tritt das hervor in der
wahrhaft unbarmherzigen, offenbar dem Prokrustes abgelernten
weise, mit der er (zeitr. s. 60) im 19n kriegsjahr die nach der mond-
finsternis bis zum schlusz des Thukydideischen sommers in Sikelien
und dann in Athen geschehenen dinge behandelt, um sie in die zeit
vom 28n august bis zum 27n September hineinzwängen zu können;
an der übrigens auch Yolquardsen ao. s. 1 14 schon anstosz genommen
hat. ^^ aber ich will mich hier mit der Widerlegung der gelehrten
'^ nach 12jäbrig^en beobachtungen auf der frei und luftig gelegenen
ffternwarte von Athen ist die miitelwärme (nach Celsius) des jali 28,12,
des august 27,86, des September 24,19; maximum des juli 29,40, des
august 30,06, des sept. 26,69; minimum des juli 26,57, des august 26,83,
des sept. 21,64. s. Matthiessen in AMommsens gr. Jahreszeiten s. 115.
^^ ebenso Holm in Bursians jahresber. IV s. 88, der nachgewiesen
hat, dasz der rückzug der Athener von Syrakus bis zur katastrophe
mehrere tage länger gedauert hat, als Unger annimt. aber gesetzt
auch Unger hätte recht, das eintreffen der nachricht von der niederlage
in Athen schon auf den 16n sept. zu setzen, wie kann er alles das, was
Thuk. als noch im sommer geschehen berichtet, in 10 tage zusammen-
pressen? anfangs wollten die Athener die hiobspost nicht glauben (ich
erinnere an die geschichte von dem barbier bei Plutarch), dann grosze
uiedergeschlagenheit, zorn usw. doch ermannten sie sich und beschlossen
eine neue flotte zu bauen, das nötige holz zu kaufen, geld zusammen-
zubringen, wofür dann eine neue finanzbehörde ernannt ward, 'und
wie sie beschlossen hatten, so thaten sie auch, und der sommer endete.'
und das alles soll iu 10 tagen geschehen sein? hier zeigt sich wieder
bei Unger der mangel an reeller anschauung, an lebendigem, schlag-
fertigem vorstellungsTermögen. die errichtung der neuen behörde der
682 HMüller-Strübing; das erste jähr des peloponneeisclieQ krieg^ea.
und scharfsinnigen gründe, mit denen ünger seine theotie vom an-
fang des winters am 27n September zu stützen sucht , nicht auf-
halten, da ich dieselbe auf einfachere, wenn man will auf eine bru-
tale weise durch zwei thatsachen, die ich den offioiellen Urkunden
entnehme, beseitigen zu können glaube.
Die erste dieser Urkunden ist das fragment der insohrift auf der
rttckseite des steins, auf dessen Vorderseite sich die oben s. 596 ab-
geschriebene rechnungsurkunde befindet; sie ist von Kirchhoff zu-
erst in den abhandlungen der Berliner akad. der wiss. 1876 und dann
CIA. IV s. 31 zugleich mit der letztem publiciert. er hat richtig
erkannt, dasz dies fragment zu einer rechnungsurkunde aus ol. 88, 2
gehört, und hat daher die folgenden ergftnzungen vorgenommen:
z. 1— 8 ["AOiivaioi dvrjXujcav in\ EukX^ouc oipxovTOC xal irA rfic
ßouXf)c i^ 6 betva irpwTOc] dTP[apuäT€U€. TOjLiiai iepoiv XPH-
jLidTUJV Tffc 'A6T]va(ac . . . jiiavT - - xai Suvdpxov]T€C 6[ic €dßou-
Xoc OiXoTetTOVoc *Axapv€uc dTpappäT€U€. irap^bocav irA Ti]C
- - iboc irpuTUveiac - - c iTpuTav€uoöc]T]c , [^]v5[€KäTi) fm^pqi
Tf)c irpuTttvclac]
z. 4 [K€(p]aXfi6€v vel '€KaXf)e€V, CcpevbaXf^eev
z. 5 - - i f|)i^pa[t]
z. 6 [irpuTaveucOcTilc, €iK0CT[4]
z. 7 [liji aiiiji ^^^p[9 '€XXiivoTajüi[iaci]
[z. 8 reste von buchstaben , aus denen nichts zu entnehmen ist]
z. 9 [im Tf^c - - (boc f k]tiic [Trp]uTav€uoücT]C
z. 10 raJOrai bk ic CiK€Xia[v]
z. 1 1 [t-nX Tf^c "EpIexOni^c ^ßböp[T)c irpuTavcuoücnc]
z. 12 - - v6i 'A(pi[ovaii|)].
in der akademischen abhandlung fügt Eirchhoff folgendes hinzu:
'die spuren auf z. 8 wage ich nicht mit Zuversicht zu deuten, z. 9
aber ist wieder deutlich [in\ Tffc - - iboc fKJTqc irpuTaveuouaic
zu erkennen, wenn man damit z. 11 [ivX Tf)c *€p]6x6Tiiboc dßbö[|üiTic
iTp\rrav€UO!iCT]C vergleicht z. 10 stand, wie es den anschein hat,
[a]ÖTai b€ ic CiK€X(av.' darauf hin hat man gefragt (HDroysen
probnlen hätte eigentlich nur durch ein gesetz geschehen können, aber
ich will gern annehmen dass die Athener damals auch die tiefgreifend-
sten ftndemngen schon durch cabinetsordres, dnrch psephiamata, er-
ledigten, aber meint denn Unger, das habe sich so übers knie brechen
lassen? ich will ihm nur eine stelle aus Demosthenes (v. d. ges. s. 899) ins
gedächtnis rufen: £v ixclvaic fi^v fäp tqIc iroXtT€(aic (in den olignrehien
und monarchien) irdvT * il iirirdTMOTOC 6E^ujc TiYV€Tai, 6|üiIv bk irpCbrov
Häy Tf|v ßovXfjv dKoOcai ircpl irdvruiv xal irpoßouXcOcat 6ct, kuI to06'
ÖTuv i} KfipuHt Kul irpccßciaic irpOTCTpofifi^vov , oök dei, €Tt ^kkXticUiv
irotf|cai, Kul toOttiv ötqv ^k tiDv vöfiuiv Kae/|Ki]. cTtu xporftcai kqI
ircpiTCv^cBai bei toOc t4 ß^ricra X^Tovrac tiöv fj 6i" drvoiav fi bid
M0X6ilP^<>v dvTiX€TÖVTUiv usw. so gieng es in Athen her, und da es an
Opposition, ehrlicher wie chicanöser, auch diesmal nicht gefehlt haben
wird, so sind die probnlen sicherlich erst lange nach dem 26n sept.
creiert worden, and dann: was sie beschlossen hatten, das thaten sie
auch — im sommerl
HMüller-Strflbing: das erste jähr des peloponnesischen krieges. 683
*Athen u. d. westen' s. 8), unter der sechsten prjtanie von ol. 88, 2,
dh. mitte winters stehe in dieser rechnungsurknnde aOrai bk ic
CiKeXtov - - * handelt es sich hier um eine nachsendung von schiffen,
von der Thukydides schweigt?' nein, erwidere ich, um eine nach-
sendung handelt es sich nicht, das läszt sich nachweisen , nicht aus
dem schweigen, sondern aus den positiven angaben des Thukydides«
Die erste expedition nach Sikelien, 20 schiffe unter Laches und
Chariades, gieng ab im 5n kriegsjahr toC O^pouc T€XeuTUJVTOC, also
sicher ol. 88, 2 unter Eukles. sie nahm ihr Standquartier in der be-
freundeten Stadt Bhegion. im winter brach die pest zum zweiten mal
in Athen aus, Kai ol iiifev iv CiKeXiqi 'AOrivaioi Kai PhT^voi toö auToO
X€i|iuJvoc xpidKovra vaucl cxpaTeuGuciv diri xdc AlöXou vrjcouc
KaXoujLi^vac. damals war also noch keine Verstärkung aus Athen ge-
schickt worden: denn dasz 10 von diesen schiffen das hilfsgeschwader
von Bhegion bildeten, wird sich später noch deutlicher ergeben, im
laufe des sommers lesen wir dann einige episoden aus diesem , wie
Holm (gesch. Sic. II s. 4) mit recht sagt, athenischer seits höchst
kläglich geführten kriege ; wir erfahren dasz Chariades von den ßyra-
kusern getötet ist und dasz Laches allein das commando führt; aber
über die zahl der schiffe eifahren wir nichts, erst im folgenden winter
unter Euthynos erscheint dann eine gesandtschaft der Sikelioten
in Athen und bittet ihnen mit mehr schiffen zu hilfe zu kommen,
denn mit den wenigen dort vorhandenen schiffen könnten sie gegen
die Syrakuscr nichts ausrichten, die Athener beschlieszen ihnen
später 40 schiffe zu schicken und senden einstweilen nur den Py^
thodoros ab mit Venigen' schiffen, der den Laches im commando
ablösen sollte, diese wenigen schiffe waren wahrscheinlich bestimmt
die athenische flotte, die in den zum teil unglücklichen gefechten des
sommers doch gewis Verluste erlitten hatte, wieder auf die ursprtLng-
liehe stärke von 20 schiffen zu bringen, denn nachdem Pythodoros
gleich nach seiner ankunft eine schlacht gegen die (epizephyrischen)
Lokrer verloren hat, finden wir im sommer 425 einer syrakusischen
flotte von mehr als 30 schiffen nur 16 athenische und 8 rheginische
schifte gegenüber stehen, so war also die athenische flotte trotz der
wenigen schiffe, die ihr Pythodoros zugeführt hatte, zusammen-
geschmolzen, während die Bheginer seit ankunft der Athener zwei
schiffe verloren hatten, aus dem allem folgt denn , wie ich meine,
mit Sicherheit, dasz die Athener im winter unter dem archon Eukles
keine Verstärkung nach Sikelien geschickt haben , dasz also in den
in der inschrift erwähnten nach Sikelien bestimmten schiffen die 30
im sommer unter Laches ausgesandten schiffe zu erkennen sind, und
dasz Eirchhoffs ergänzung im Tr\Q - - tboc £k]ttic TTpuTav€UOuciic
eine verfehlte ist. welch einen seltsamen grund gibt auch Kirchhoff
für seine ergänzung an! weil die nächste Zahlung in die siebente
prytanie föllt, darum die zunächst vorhergehende in die sechste I wir
haben also die lücke vor - tt^c durch eine andere Ordnungszahl aus-
zufüllen, aber durch welche? etwa [iTpii)]TTic TTpuTav€UOuaic? dann
684 HMüUer-StrQbing: das erste jähr des pelopoxmesiBchen kii
wäre also die zahlang an die 30 schiffe vor dem lOn metageitnion»
dem 28n angust geleistet steht das aber nicht im widersprach da-
mit, dasz Thnk. sagt, die schiffe seien ausgelaufen toO 0^oucT€X€i>-
TiSüvTOC? soll Thnk. die mitte, ja das ende des angoat schon als das
ende des sommers bezeichnet haben? ich meines teils kann das
nicht annehmen und schwerlich auch ünger; da sein Winteranfang*
unter Eukles auf den 26n boddromion fftUi dann bleibt uns aber,
da die zweite prytanie ausgeschlossen ist, als die früheste Ordnungs-
zahl die dritte prjtanie übrig, und wir hätten zu schreiben [iiA Tr)c
- - iboc Tpijnic irpuTaveuoucnc. die Zahlung wäre dann geleistet
zwischen dem 18n bo^dromion (das jähr des Eukles ist ein Schalt-
jahr) und dem 26n pyanepsion , dh. zwischen dem 4n oder 5n octo"
her und dem 7n oder 8n november — auf jeden fall nadi dem 37n
September^ dem Ungerschen Winteranfang.
Bei der groszen Wichtigkeit aber, die die ermitüung des Winter-
anfangs für die feststellung der gesamten Chronologie des Thuky-
dides hat (denn kennen wir das ende seines sommers genau, so haben
wir auch einen sichern anhält für die feststellung des anfangs des-
selben) , will ich hier noch eine stelle aus einer andem Urkunde an-
führen, die, denke ich^ dem ziele noch einen schritt näher führen
wird : aus der logistenrechnung für die finanzperiode von ol. 88, 3
bis 89, 2 (CIA. I 273). der posten, den ich im sinn habe, ist eine
Zahlung, und zwar die erste, aus ol. 88, 4 (426) und lautet nach
Eirchhoffs ergänzung: rdbe napäbocav ol Ta[fiiai OuiKidb^c &
Of|ou Kttl £uvdpxovTec ör\ C{Tpa]TOKX^ouc fipxovroc kqI feirl ti^c
ßouXf^c 5 "nX[eicTiac irpilrroc ijpaixj^&reue , crpaniToic ncpl TTc-
XoiTÖWTicov Aririoce^vei *AXkic0^vouc *Aq)ib[vatip im ifjc . • . .
[niboc] trpuTav€(ac TCTdpnic [irpuTaJveuoucTic, Tpixij fm^qi Tf)c
irpuraveiac d[c€XT]Xu6uac ^k toO 'Otric6]oböfuiou AÄA* tökoc tou-
TOtc IfiytTO PPHHHHA. die Zahlung ist also geleistet am dritten tage
der yierten prytanie, das ist, da das jähr des Btratokles ein gemein-
jahr war, am 19n oder 20n pyanepsion »* I2n oder 13n november
425, und zwar an Demosthenes als CTpaniTÖC nepl TTeXoirövviicov.
nun wissen wir aus der ezpedition der flotte des ersten kriegajahres
und der oben besprochenen Urkunde aus dem archontat des Pytho-
doros, wie auch aus vielen andem stellen (zb. Thuk. II 67. HI 7.
91 ua.), dasz der ausdruck Trepl TTeXoiTÖvvTicov auch die küsten*
striche nördlich vom Peloponnes umfaszte, Sollion, Astakos, Akar-
nanien, Naupaktos, wo das hauptquartier der achififo iT€pl TTeXo-
itövVTicov war, und so scheint es mir denn keinem zweifsl zu unter-
liegen, dasz diese Zahlung für das von Thuk. IV 49 im 7n kriegfijahr
unter Stratokies erwähnte unternehmen bestimmt war. denn da
heiszt es: xai o\ iv t^ Nauirdicrip 'AOnvaioi xal 'Axapvävec 6}ia
TcXeuTÖVTOc ToO G^ouc cTpaT€ucd|Li€vot 'AvaKTÖpiov Kopiv6(uiV
nöXiv , t\ KCirai liA T(b CTÖ|iaTi toO 'A^irpaKucoO köXttou , CXaßov
irpobociqi* xai £KiT^|LiMiavT€C KopivBiouc aurot'AKOpväyec oiK^iTopec
&ird irdvTuiv £cxov tö xu>piov. xai tö B^poc ireXcirra das stimmt
HMüUer-Strübing: das erste jähr des peloponnesisclien krieges. 685
doch, wie mich dünkt, ganz vortrefflich mit der Urkunde, wenn dann
Demosthenes gleich nach empfang des geldes, also am 20n oder 2 In
pyanepsion aus dem Peiraieus aasgelaufen ist, so konnte er bei leid-
lichem Wetter am vierten oder fünften tage nachher ganz gut an der
mündung des ambrakiotischen golfs sein , ja konnte, wenn die npo-
bocia, natürlich von Naupaktos aus, gut vorbereitet war, seinen
band streich — denn auf einen solchen , auf Überrumpelung war es
doch wohl abgesehen — sogleich ausführen, ende sommers, dh. noch
vor dem ersten maimakterion, ja noch vor den Apaturien. denn mit
den Apaturien, die ich wie AMommsen in die allerletzten tage des
pyanepsion setze , oder noch besser gesagt mit der apaturischen zeit
endete in Athen der sommer und zugleich der active teil des kriegs-
jahres , wie dem entsprechend der sommer und zugleich den active
teil des kriegsjahres mit den Dionysien, oder besser gesagt, mit der
dionysischen zeit anfieng.
Beweis: Thukydides sagt IV 52 (im achten kriegsjahr): toO b*
iiriTiTvoiui^vou Wpouc euGuc toö T€ f)Xiou dxXtTT^c xi dT^veio irepi
vou^Tiviav Kai toO auToO iiiiivdc Icraji^vou fceice. diese Sonnen-
finsternis ist von den astronomen auf den 2 In märz 424 berechnet,
und der 21 e märz fiel in diesem jähre auf den In elaphebolion ; an
diesem tage begann also der sommer oder das active kriegsjahr, be*
gann was ich nenne die dionysische zeit, dh. die grosze landes-
gemeinde trat zusammen , die dann bis zur festfeier am 8n elaphe-
bolion zur erledigung der geschäfte ununterbrochen tagte und nach
dem fest , am 14n elaphebolion , an den Pandien , die schluszsitzung
hielt , in der namentlich die vertrage mit auswärtigen Staaten udgl.
ratificiert zu werden pflegten, und womit begannen die geschäfte
am ersten tage? mit dem was in gewisser hinsieht für das be-
ginnende kriegsjahr das wichtigste war: das volk wählte seine führer,
seine Strategen.
Beweis : Aristophanes Wolken 575 ff. dies stück ward bekannt-
lich an den Lenaien 423 aufgeführt, etwa lOmonate nach der Sonnen-
finsternis vom In elaphebolion 424. nun spricht der chorfUhrer im
namen der wölken:
576 üj co9i&TaToi eeaial, beOpo idv voöv irpöccxeie.
T^biKiiiüi^vai Toip u|Liiv |Li€|Li9Ö|i€c6' dvavTiov*
nXcicia Top Ö€ujv dTrdvrwv dMpeXoucatc Tf|v tröXiv
bai^övujv fi^iv iLiövaic ov öu€T* oöbfe crr^vbcTe,
atiivec TT]poö|Liev ö/iiäc. r\y top 5 Tic ßoboc
280 iLiiibevi £uv viu, tot' f\ ßpovTUü|Liev f\ ipaKäZo^ev.
elia TÖv 9€okiv ^xöpöv ßupcob^i|ir)v TTacpXaTÖva
^vix* ijipeicGe CTpaxriTÖv, xäc öqppOc Huv/iTO|Li€V
KdiroioOjLiev beivd* ßpovifi b* dppdTn bi' dcipanflc*
i] ceXrJYTi b' dE^Xeme idc öboiic 6 b* f^Xioc
686 Tf)v GpuaXXib' elc dairrdv euWuic EuvcXKUcac
oö <pav€iv fqpacKcv Ö|liTv, el crpcmiTi'icei KX^uiv.
dXX' 6)Liu)c etX€cG€ toCtov. 9aci tdp bucßouXiav
686 HMfiller-Strübing: das erste jähr des peloponnesischen kriege«.
T^be T^ itöXei iTpoccivat , TaOra \iivTOi touc 0€ouc
&tt' Sv ö^eic d^a^dprirr' ird rö ß^Xnov Tp^irciv*
690 die bk Kai toOto Euvofcci ^bfuic btbä£o^cv.
i^v KX^uiva Töv Xdpov buipuiv ^Xövrec Kod icXonffc
elra q>i|ii(icnTe toOtou \ vS^ £üX((i töv aöx^va
adOtc de TdpxaTov ä|itv, eX n Kdb^x&fneT^j
inX TÖ ß^Tiov TÖ Ttp&xiia Ti) nöXei EuvoiccTau
ieh habe mich nicht enthalten können die ganze stelle auszuschrei-
ben, weil sie so gar anmutig ist, im besten Aristophanischen stil;
sonst hatte ich ja schon 587 abbrechen können, das will ich denn
dadurch wieder einbringen, dasz ich kein wort verliere über all die
mishandlungen , die die arme zierliche stelle Ton den heransgebem,
erläuterem und Übersetzern hat erleiden müssen, auch bedarf es
wohl keines weitem commentars. die combination der beiden stellen,
der bei Thukjdides und der bei Aristophanes, und die berecfanung
des von jenem für die Sonnenfinsternis gegebenen datums toO im*
TtTVOji^vou O^pouc cö6uc auf den ersten eli^hebolion, in der Böokh
und Unger übereinstimmen, genügt vollkommen.
Nur mnsz man die sache richtig verstehen, schon zwei m<maie
vorher, in der mitte des winters, zur zeit der Lenaien — ich will
auch hier sagen, in der lenftischen Volksgemeinde — waren Kleon
und seine smtsgenossen, wie selbstverständlich die Strategen all-
jährlich, von ihren respectiven phylen zu Strategen gewählt, jetzt
zu anfang des activen kriegijahres musten diese wählen von der
gesamtheit des athenischen volkes entweder bestätigt oder cassiert
werden (was mitunter, wenn auch wohl selten, vorgekommen ist),
durch die bestätigung wurden sie dann Strategen des athenischen
Volkes, und so kann Aristophanes zu dem volke mit gutem recht
sagen : ihr habt Eleon zum Strategen gewählt. **
Aber freilich — Masz die Strategen im munichion gewählt und
mit dem hekatombaion ins amt getreten sind , wird jetzt wohl für
die urteilsfähigen feststehen' (vWilamowitz ^aus Kjdathen' s. 58). in
der that? wo haben denn die urteilsfähigen diese Weisheit her? be-
*7 die Wichtigkeit der grossen Isndesgemeinden zur zeit der Dio-
njsien und überhanpt snr seit der hanptfeste, der Psnathensien, der
Apatnrien und der Lenaien, anf die ich schon in meinem ersten bnche
'Aristophanes u. d. hist. kritik' s. 189 aufmerksam gemacht habe, wird
noch immer nicht genug anerkannt, zuweilen auch arg misverstanden.
so sagt Busolt in seinen höchst anregenden 'forschnngen zor griechi-
schen geschichte* I s. 161 , indem er meinen ansatz der ostrakisiemng
des Hjperbolos in die 8e prytanie 418 billigt: 'es kam den verbündeten
parteibänptern sehr za statten, dasz am diese zeit die grossen Diony*
sien gefeiert wurden, und dasz in folge dessen die landbevölkemng
massenhaft nach der Stadt geströmt war.' das erinnert mich an jenen
guten landpfarrer, der seiner gemeinde auch daran die gute und Weis-
heit gottes nachwies, dasz er die grossen schiffbaren flttsse fast immer
an gproszen und volkreichen Städten vorbeiflieszen lasse, umgekehrt,
weil an den Lenaien und Dionjsien das landvolk massenhaft zur Stadt
strömte, darum war von anfang an die procheirotonie und die ostra-
kophorie auf diese beiden feste angesetst worden.
HMüller-Strübing: das erste jähr des peloponnesischen krieges. 687
rnht sie vielleicht auf der 'chronik' ? o nein I besser als das , sie be*
ruht auf einer officiellen Urkunde, einer inschrift.
Diese zuerst von ÜKöhler in den monatsberichten der Berliner
akademie 1866 herausgegebene und besprochene inschrift kenne ich
so gut wie die ^urteilsfäiigen', habe ihrer auch schon vor zehn jähren
in meinem buche über Aristophanes u. die bist, kritik s. 193 er-
wähnung gethan, aber nur ganz beiläufig, weil ich in der that
dachte, die blosze hinweisung darauf, sie sei aus der zeit der zwölf
phylen, würde genügen, die ihr von Köhler, wie ich annahm, in der
ersten hastigen freude über einen immerhin interessanten fund bei-
gelegte Wichtigkeit auf das richtige masz zurückzuführen.'^ denn
dasz Köhlers ansieht anklang finden würde, dasz also die 'urteils-
fähigen' aus einem document der zeit der zwölf phylen , das wahr-
scheinlich der mitte des dritten jh., also einer zeit angehörte, in
der Athen seine Selbständigkeit völlig verloren hatte und politisch
zu einer makedonischen provincialstadt herabgesunken war, deren
Strategen den commandanten der makedonischen garnisonen im Pei-
raieus , in Munichion gegenüber schwerlich gröszere bedeutung ge-
habt haben werden als etwa der Frankfurter bürgerci^itain vor 1866
neben den die preuszische und österreichische gamison comman-
dierenden officieren — dasz, sage ich, die urteilsfähigen aus einer sol-
chen Urkunde rückschlüsse ziehen würden auf die einrichtungen jener
groszen zeit, als der athenische demos von der Pnyx aus ein weites
reich im zäume hielt und durch seine kriegsschiffe alle meere be-
herschte ; dasz demnach diese urteilsfähigen den Athenern den haar-
sträubenden unsinn zutrauen würden, sie hätten in der mitte der für
die kriegführung und namentlich für den Seekrieg günstigsten Jahres-
zeit nicht blosz die anführer ihrer flotten und beere gewechselt —
das ist nicht neu, das hat man auch früher schon vielfach angenom-
men — nein sie hätten auch den nicht wiedergewählten , also mora*
lisch abgesetzten, als untüchtig beseitigten Strategen den befehl über
ihre schiffe und truppen dann noch mehr als zwei monate über-
lassen — das hatte ich allerdings nicht erwartet , und dasz es doch
geschehen ist, das gehört für mich zu der unbegreiflichsten aller
unbegreiflichkeiten, vielmehr es würde dazu gehören, wenn ich nicht
sonst schon über die politische einsieht dieser ^urteilsfähigen' erbau-
liche erfahrungen in menge gemacht hätte ; wie denn zb. einer ihrer
hauptstimmführer, auf den sie, zb. Geizer, Gilbert^ vWilamowitz selbst
sich zu berufen pflegen , JGDrojsen in seinen 'bemerkungen über
die attischen Strategen' es in harmloser naivetöt für möglich , ja für
wahrscheinlich hält, dasz die Athener im zweiten kriegsjahr den
^^ ich setze die inschrift hierher mit Köhlers ergftnznngen: 4irl
Cuiijidxoi) äpxov[Toc iirl Tf)c . . . .]öoc 66KdTT)C irpUTa[v€(ac, 5 *Ap . . . iic]
G€obi(}pou 6op{Kioc ^[pa)Li^dT€U€ MouJvtxiiXivoc 6€UT^p(;i ^€t' [elxdbac*
Mi^l Kai elKocTfj Tf^c irpuTav[6(ac, fl i^cav] dpxaip€c(ai Kaxd Tf|v fiav-
[tcuxv iTUKvi*] Tütiv irap^öpujv ^Tr€\(n^9i2^€v usw. das übrige ist nicht
von belang.
688 HMüUer-Strübing: das erste jähr des peloponneBiecben krieget.
Perikles als befehlshaber von 100 athenischen trieren mit 4000
hopliten und 300 reitem nebst 50 chiischen und lesbischen schiffen
gegen die Peloponnesier ausgesendet hätten ^ nachdem sie ihn so
eben nach, wie Plutarch Per. 16 wenigstens sagt, 15 jähriger an-
unterbrochener Strategie nicht wiedergewählt, das heiszt in diesem
falle geradezu schimpflich abgesetzt hatten, solches steht zu lesen
im Hermes IX s. 20.
Nur über 6inen punkt sind die 'urteilsfähigen' verschiedener mei»
nung. denn während Geizer (in Bursians jahresber. II s. 1046) die
angäbe KttTOi Tf|V {üiavTeiav in der Urkunde ftir hochwichtig erklärt
und hinzusetzt, Köhler betone mit vollem recht 'dasz die anordnong
eines wichtigen staatsactes durch einen götterspruch für die spätere
zeit unerhört sei und uns in die zeit vor die Perserkriege zurück-
führe' (wonach also die Athener eine für die späteren zustände
verrückt gewordene einrichtung aus pietät beibehalten hätten , was
sonst nicht gerade ihre art war, wie zb. ihre behandlung des Areio*
pagos beweist) — erklärt vWilamowitz es für ganz sicher 'dasz dies
erst eine neuerung ist , eingeführt zwischen den Perserkriegen und
dem Archidamischen [!] : denn Herodotos berichtet ausdrücklich den
eintritt des Strategen Xanthippos an stelle des Themistokles im früh*
ling 479.' wenn übrigens der letztgenannte gelehrte ao. s. 32 sagt,
es erhelle aus allerlei anzeichen 'dasz das etatsjahr des reiches ein
anderes ist als das des Staates Athen' und dasz es mit den Dionjsien
anfange, so hat er wohl das richtige getroffen, das etatsjahr des
reiches ist aber das athenische kriegsjahr, mit dessen an&ng die
Strategen, die als anführer der contingente der bundestmppen ja
auch reichsbeamte waren , ihr amt antraten, wenn er dann hinzu-
setzt, darüber, ob damit auch die amtsjahre der Hellenotamien
stimmten, habe er nichts gefunden, so glaube ich in meiner obigen
büsprechung der schatzurkunde die frage dahin erledigt zu haben,
dasz die Hellenotamien ihr amt zu anfang des bürgerlichen Jahres
antraten, doch alles dies wird in anderem Zusammenhang an einem
andern orte weiter besprochen werden, wo sich dann auch die *nicht
geringe Verlegenheit, in die man mit der Strategie des Demosthenes
in ol. 88, 2 kommen würde, wenn die wähl der Strategen im winter,
ihr amtsantritt im beginnenden frühjahr erfolgt' (Droysen ao. s. 16),
ald ziemlich harmlos erweisen und sich in heiteres Wohlgefallen auf-
lösen wird.
Um nun noch einmal auf Ungers Untersuchungen zurückzukom-
men , so ist anzuerkennen , dasz die ergebnisse seiner forschungen
über das Verhältnis des auf ein kalenderdatum fixierten anfangs des
sommers und zugleich des kriegsjahres zu dem naturdatum des früh-
lingsanfangs am 27n märz auch mit dem ansatz des kriegs- oder
Sommeranfangs am In elaphebolion, den ich übrigens nicht erfun-
den , dem ich vielmehr nur eine schärfere begründung als die bis-
herige gegeben habe, ganz leidlich übereinstimmen; was ja auch
wohl begreiflich ist, da die differenz zwischen seinem unrichtigen
BMüUer-StrQbing : da« ente jabr des peloponnMÜchen kriegM. 689
Icalenderdatam des vierÜetzten anthesterion und dem richtigen des
In elaphebolion ja nur 5 tage beträgt; hätte er Bfickha anaatz auf
den- letzten antheBterion beibehalten, so wUrde die differenz aogar
fast gänzlich verschninden. sein verdienst bleibt es daher, mit sicher*
beit festgestellt zu haben, dasz das kriegsjahr des Tbukydides nicht
mit der frühlingenachtgleiche beginnt, und, setze ich hinzu, wie-
wohl Unger diese unabweisliche consequenz nicht gezogen hat, dasz
der winter also nicht mit der herhstnachtgleiche begonnen haben
kann, natürlich kann ich hier seine Untersuchungen nicht von jähr
EU jähr verfolgen, es wDrde auch nichts ersprieszliches dabei herons-
kommen. nur in being auf die abweichungen der Schaltjahre in
dem von BOckh und dem von Duger aufgestellten kalender moaz ich
noch einige bemerkungen hinzufügen.
Die erste abweichang tritt ein in ol. 87, 3 (Äpollodoros) , das
bei BQckh ein gemeinjahr, bei ünger ein Schaltjahr ist, so dasz bei
jenem das ^riegsjahr (das dritte) mit dem 14n mSrz als dem ersten
elaphebolion, bei diesem mit dem 14n april beginnt, hier kann ich
Ungers zum teil aus dem in chronologischen dingen so confnsen
Biodoros hergenommene gründe nicht für darchacfalagend halten.
hei Diodors ihm freilich nicht eigentümlicher, sondern nor stärker
als bei andern 'geschichtgchreibem' (wohl zu unterscheiden von den
annalisten) ausgeprägter gleichgültigkeit in bezug auf Chronologie
wird ihn auch die benutzung einer annalistisch geordneten baupt-
quelle, die Unger meiner ansieht nach richtig nachweist, nicht
vor Verwirrung geschützt haben, znmal da mir gerade aus eeiner
erzählung der Unternehmungen der athenischen flotte ganz deut-
lich hervorzugehen scheint, dasz er diesmal neben seiner haupt-
quelle, doch wohl Ephoros, noch eine andere, doch wohl Thukydides
selbst benutzt hat. mit einem so späten angatz des Sommeranfangs
wie der 14e april stimmen die Vorgänge bei der belagerung von
Plataia, namentlich die 70 tfigige umwallung, entschieden nicht, und
dasz die angäbe toO citou äx^älovTOC in II 79, die Unger natür-
lich auch verwertet, ein fremdes einschiebsei ist, habe ich schon an-
derswo nachgewiesen (Tbukjd. forsch, s. 261). danach wäre denn
uitBöcbh nicht ol. 87, 3, sondern ol. 87, 4 als Schaltjahr anzusehen.
Von da ab bis ol. 89, 4 = 421 (Aristion) stimmen dann die
Bcbaltjahre bei Böckh und bei Unger flberein; aber ol. 90, 1 •= 420
(ÄBtjphilos) ist bei jenem ein gemeinjahr, bei Unger ein schal^ahr.
dieser begründet seine annähme hauptsächlich durch eine sehr scharf-
sinnige Interpretation der berühmten viel besprochenen stelle im
Frieden des Aristophanes v. 408 , die mir woblgelungen scheint;
doch enthalte ich mich des nrteila, da es mich viel zn weit führen
würde, diese frage hier eingehend zu erSrtem. auch darüber, ob ol.
91, 1 = 416 (Arimnestos) mit Unger als schalljahr anzusehen sei
(gegen Böckh), weisz Ich mich nicht zu entscheiden; einen histo-
rischen, aus den von Thukydides erzählten ereignissen geschfipf^
grund wüste ich weder für das eine noch für das andere anzugeben.
690 HMüUer-Strübing : das erste jähr des peloponnesischen krieges.
Anders steht es mit ol. 91, 3 «= 414 (Teisandros) , das hei
Böckh ein gemeinjahr, bei Unger ein Schaltjahr ist. bei jenem würde
also der anfang des 19n kriegsjahrea auf den 19n febmar fallen, bei
Unger auf den 20n mfirz. bei diesem kriegsjahr musz ich es mir
schon herausnehmen etwas Ittnger zu verweilen , einmal wegen der
historischen Wichtigkeit der in dasselbe fallenden ereignisse (es bil-
det den Wendepunkt der griechischen geschichte) , und dann auch,
weil die weise, in der Thukydides sie erzählt, mir für sein ganzes
werk in hohem grade charakteristisch erscheint, bei Thnk. Vn 19
heiszt es : ToO b ' ^TTiTiTVOji^vou O^pouc (denn so ist zu schreiben
statt des überlieferten fjpoc, s. üngers 'Zeitrechnung' s. 34) 6ij6uc
upXOM^vou irpdjTaTa bf) ol AaKebaijiiövioi koX ol Hu^^axot £c Tf)v
'AiTiKfiv kdßaXov iyxexro bi *Atic 6 'Apxiöd^ou, AaK€batfiov(uiv
ßaciXeuc. xai irpuiTov ju^v tt^c xti^poc toi irepl tö xrebiov dbquicav,
liT€iTa A€K^X€iav ireixi^Iov Kard nöXeic bteXöjiievoi tö eptov.
Böckhs ansatz des einfalls auf den 19n februar passt nuji gewis sehr
gut zu dem TrpdjTaTa, aber auch üngers ansatz auf den 20n märz
verträgt sich noch mit demselben, da, wie ich aus gutem gründe
glaube, die Lakedaimonier wohl nie früher im jähr in Attika einge-
fallen sind, weiter sagt dann Thuk. gleich darauf c. 20 : £v b^ TOUTip
(nemlich während korinthische schiffe nach Naupaktos segelten) Ka\
ol 'AGnvaToi äjiia Tf)c AcKcXetac tiXi T€ixic|üiip Kai toC fipoc evGuc
dpxoM^vou TT€pt T6 TT€XoiTÖvvr)cov vaOc TpidxovTa fcTciXav kqI
XapiKXca . . Kai töv AtdugcG^vtiv de Tfiv CiKcXiav, üjcncp f ^cXXov,
aTT^CTeXXov. hierzu sagt ünger: 'der erste Vorgang, die Verwüstung
der ebene ^ ist also mit dem frühlingseintritt am 26n m&rx bereits
beendigt gewesen; Böckhs rechnung zufolge würde also der v^-
wüstende zug durch diesen kleinen teil von Attika 40 tage, folglich
ebenso viel zeit weggenommen haben wie ol. 87, 2 die Verheerung
des ganzen landes.' dies sei unwahrscheinlich , und weit passender
die zeit von 10 tagen, die sich bei Üngers datierung [vom vicrtletz-
ten anthesterion bis zur nachtglciche] herausstelle, das ist gewis
richtig, und dagegen würde auch Böckh sicherlich nichts eingewendet
haben, aber Thukydides sagt ja nicht, dasz mit dem eintritt des
frühlings am 2Gn oder 27n märz die befestigung von Dekeleia erst
angefangen habe, 'interea verO; dum Dccelea munitur* übersetzt
Valla, und Thuk. hat ja selbst schon in c. 19 nach den oben an-
geführten Worten gesagt: Kai ol ^^v dv t^ 'Attik^ TTeXoTTOVVTicioi
. . dT€ixi2!ov. die befestigungsarbeitcn könnten also nicht zehn, wie
Unger meint, sondern 4 ja 3 tage nach dem überschreiten der grenze
ihren anfang genommen haben, die entfemung von der megarischen
grenze bis Dekeleia beträgt 5 deutsche meilen, also einen nicht ein-
mal sehr starken tagemarsch durch offenes, fast überall flaches land.
die Verwüstung der ebene war diesmal nebensache und konnte sehr
wohl durch die begleitenden plänkler und sklaven so zu sagen en
passant ausgeführt werden , und so denke ich wird Agis direct auf
sein ziel loi^gegangen sein und wird sofort band angelegt haben das
HMüller-Strübing: das erste jähr des peloponneBiBchen krieges. 691
auszuführen, um dessen willen er gekommen war. erinnern wir uns
nun , dasz Demosthenes früher mit einer hand yoU leuten ohne alle
Werkzeuge Pylos in 6 tagen in verteidigongsf&higen stand gesetzt
hatte, und vergegenwärtigen wir uns die für eine befestigung so
äuszerst günstige läge von Dekeleia, dem steilen berggipfel oberhalb
der Ortschaft Dekeleia (Curtius gr.gesch. 11^ 8.673; s. auch die dar-
stellung auf den ^sieben karten'), so dürfen wir, glaube ich, annehmen
dasz das so zahlreiche beer der Peloponnesier in sehr kurzer zeit mit
der befestigung fertig geworden ist. sie hatten sich ja ausdrücklich
darauf vorbereitet: Kttl £v Tiü x^^M^^^ TOUT(|i (vor dem einfall)
cibripöv T€ TtepirJTT^^^ (di^ Lakedaimonier) Kard TOiic Eujifidxouc
Kai T&XXa dpiaXeia iyioipialov de töv £inT6ixic|Liöv sagt Thuk. c. 18;
hatten sie diese Werkzeuge, so werden sie wohl auch leute mitgenom-
men haben, die in der handhabung derselben professionell geübt
waren -— kurz, wenn die Peloponnesier wirklich um den 19n februar
ins land eingefallen waren, dann muste 4 wochen darauf die befesti-
gung von Dekeleia sicher schon vollendet und das gros der armee
im begriff sein , mit zurücklassung der nötigen gamison den marsch
nach hause anzutreten, dann kann ich aber keinen vernünftigen
grund ausfindig machen, weshalb die Athener gerade damals, toO
f\poc euOuc dpxo|Li^YOU, also um den 26n märz, die 30 schiffe unter
Charikles gegen den Peloponnes ausgeschickt haben.
Die bedeutung dieser maszregel haben die geschichtschreiber; ich
meine Orote (denn die andern sprechen kaum davon), gründlich mis-
verstanden, 'we read with amazement, and the contemporarj world
saw with jet greater amazement, that while this important work (die
befestigung von Dekeleia) was actually going on at that very
moment the Athen ians sent out not only a fleet of 30 triremes —
to annoy the coast of Peloponnesos , but also the great armament
under Demosthenes to push offensive Operations against Syracus.'
diese zweite expedition soll hier für jetzt aus dem spiel bleiben, diese
mag wohl erstaunen erregt haben, schon bei den Zeitgenossen, und.
mit recht , namentlich wegen der art wie sie ausgeführt ward ; aber
die erste gewis nicht: im gegenteil, die Zeitgenossen, namentlich die
älteren , würden sich gewundert haben, wenn sie nicht erfolgt wäre,
hier straft sich Grotes unbedingtes vertrauen auf Thukydides und
seine dadurch bewirkte misachtung der angäbe Diodors , die Lake-
daimonier seien im ersten kriegsjahr durch die Operationen der athe-
nischen flotte an ihren küsten zum abzug gezwungen worden, die
Sendung des Charikles Ttepi TTeXoTTÖwiicov ist ja nichts anderes als
die wiederaufnähme der Perikleischen kriegspolitik beim ersten und
zweiten einfaUe der Peloponnesier. damals hatte diese politik den
erwarteten erfolg gehabt, warum nicht auch jetzt? ja freilich; das
recept hatten die Athener wohl , aber der leitende geist fehlte , der
es anzuwenden verstand — oder der das wollte, indes so thöricht
wird der demos doch nicht gewesen sein^ — und das ist der entschei-
dende grund , weshalb ich Ungers ansatz des einfalls um den 20n
46 ♦
692 HMüller-Strübing: das erste jähr des peloponnesischen krieget.
märz zustimme — mit der anwendang des mittels zu warten, bis der
feind seinen zweck erreicht hatte und im begrifif war ganz von selbst
abzuziehen, sie werden auch hier, nach dem beispiel des Periklea,
auf den angriff sofort die gegendemonstration haben folgen lassen,
dann stellt sich die sache so : die Lakedaimonier fallen ein um den
20n märz, der in üngers Schaltjahr der erste elaphebolion ist, also
gerade im beginn der dionysischen zeit, am ersten tage der landtB*
gemeinde beschäftigt das volk sich natürlich vor allen dingen mit
der invasion ; die probate gegenmaszregel, die aussendung Ton schiffen
nach dem Peloponnes , wird beschlossen und dann auch wohl bald
ausgeführt, ob diese maszregel den erfolg gehabt hat , das gros des
peloponnesischen heeres zum sofortigen abzng zu bewegen, das er-
fahren wir nicht, ich glaube kaum : denn dasz sie gerade von Gha-
rikles, dem oligarchischen Verschwörer (er war ja als zetet im Herme*
kopidenprocess College des Peisandros gewesen), keinen ernsthaften
angriff zu befUrchten hatten, das wüsten sie natürlich recht gut. be-
denklicher sah die sache schon aus, als darauf Demosthenes, der held
von Pylos und Sphakteria, der tüchtigste thatkräftigste feldherr
den die Athener aufzuweisen hatten , dabei ein entschiedener anti-
lakono und loyaler demokrat, an der spitze einer mächtigen flotte
und zahlreicher landtruppen an der südküste von Lakonien erschien
und von der insel Ky thera aus, die die Athener noch im besitz hatten,
auf der gegenüberliegenden küste des festlandes eine befestigung an-
legte, da wird die sache den lakedaimonischen Staatsmännern denn
doch sehr ernsthaft vorgekommen sein, freilich hatte die befesti-
gung — so sagt Thukydides — nur den zweck den hebten, die etwa
desertieren wollten, als Zuflucht zu dienen und zugleich als basis für
raub' und beutezüge in die umgegend, wie Pylos. in der that weiter
nichts? die streifereien von Pylos aus werden den Lakedaimoniem
gewis äuszerst unbequem gewesen sein, aber auch nur dies ; dasz sie
ihnen je ernstliche gefahr gebracht und sie in ihren militärischen
Operationen irgend wie behindert hätten, darüber finden wir bei
Tbuk. nirgend eine andeutung. und so würde es auch hier gewesen
sein, zur anlegung eines solchen räubemestes also soll Demosthenes,
der in Sikelien einen dringenden auftrag zu erfüllen hatte, seine zeit
verloren haben? er, der als guter soldat doch wissen muste, was im
kriege die zeit bedeutet! man vergegenwärtige sich doch nur die
läge der dinge und die chronologischen data, ende sommers 414
hatte Nikias jenen bekannten brief an das volk in Athen geschrie-
ben, in dem er seine läge als fast verzweifelt schildert und dem volk
die alternative stellt, ihn mit dem beer und der flotte sofort nach
Athen zurückzuberufen oder eine zweite flotte und ein zweites heer
zusenden, nicht geringer als die erste armada, und dazu viel geld.
'was ihr aber auch beschlieszt, thut es sogleich mit dem früfaling
und macht keinen aufschub' : ÖTt bi, |LlAX€T€, &|Lia Tip i\p\ euOuc Kai
MH ^c dvaßoXäc TTpäccere — man musz an den angstruf des Vertei-
digers von Wien vor 200 jähren denken: *nnr keine zeit verlieren.
HMüller-Strübing: das erste jähr des peloponnesiscben krieges. 693
um gottes willen keine zeit verlieren !' dieser brief kam zu anfang
des winters in Athen an, und das volk beschlosz sofort im frühling
die verlangte Verstärkung zu senden ; vorläufig schickte man ihm den
einen der schon jetzt als führer der im frühling auszusendenden Ver-
stärkung designierten Strategen, den Eurymedon, um ihm geld zu
überbringen und den gefaszten beschlusz mitzuteilen. Eurymedon
gieng von Athen ab irepl fjXiou Tpoiräc, also um den 26n december. ^'
der Winter geht dann mit den rüstungen zu der neuen expedition hin,
und richtig verläszt Demosthenes versprochener und beschlossener
maszen mit seiner armada den Peiraieus toO fjpoc €Ö6uc dpxoM^VOU,
am 26n märz, um — anfang august in Sjrakus anzukommen I mehr
als vier monate sind also verloren auf einer fahrt, die in der guten
Jahreszeit sonst sehr wohl in einer woche zurückgelegt werden konnte,
wer blosz diese chronologischen data hört, ein deutscher officier etwa,
dem man diese data in ihrer nacktheit vorlegte , der würde fragen :
Vie ist das möglich? hat denn Demosthenes fortwährend mit widri-
gen winden zu kämpfen gehabt ? oder mit überlegenen flotten, durch
die er sich durchschlagen muste?' durchaus nicht: nach Thuk. geht
die fahrt ohne alle Störung sehr ruhig und glatt von statten. *oder
ist Demosthenes etwa alt und stumpf, kurz schwachsinnig geworden ?'
nichts weniger als das. sein verfahren nach seiner ankunft in Sjra-
kus beweist das zur genüge, 'aber was denn ? die sache steht doch
so : ein general meldet von einem weit entlegenen kriegsschauplatze
seinem kriegsherrn , er sei in sehr bedrängter läge und sei verloren,
wenn er nicht im frühling verstärung erhalte: der kriegsherr läszt
ihm antworten, er solle sich nur halten, im frühling solle die Ver-
stärkung ankommen ; schickt auch zur angegebenen zeit einen an-
dern general aus mit dem befehl das gegebene versprechen zu er-
füllen, wenn nun dieser general erst vier monate nachher auf dem
kriegsschauplatze ankam, den er, wenn er wollte, sehr gut in 8 bis
10 tagen erreichen konnte (vgl. Unger zeitr. s.68), so wird er, wenn
er ein tüchtiger soldat war, doch wohl triftige gründe für seine
'^ der npch im sommer von Sjrakas abgesandte brief des Nikias
musz doch bald nach Winteranfang in Athen angekommen sein, also
nach Ungers ansatz bald nach dem 27n sept.; danach hätte also das
Volk bis zu dessen beantwortung und der Sendung Eurjmedons ii€pi
i\Xiov TpoTrdc etwa 90 tage hingehen lassen, was denn doch des guten
zu viel ist. nach meiner rechnung ist der brief, natürlich der absieht
des Nikias gemäsz, zur apaturischen zeit angekommen, so dasz in des
groszen landesgemeinde sofort die entscheidung getroffen werden konnte,
und auch wirklich getroffen ist. in Böckhs gemeinjahr fallen die Apa-
turien auf den 8n oct., also 80 tage vor die winterwende, in Ungers
Schaltjahr auf den 7n noiFt, also 60 tage, was sich schon eher hören
läszt, wenn es auch so noch stark genug ist. — Sollten die worte der
Ljsistrate in dem unter dem noch frischen eindruck der sikeliscben kata-
strophe geschriebenen stücke : dXX' di [xik* öi|;€i toi cqxSöp ' aÖTdc 'Atti-
xdc, diravTa öpiücac toO 6^ovtoc (icTcpov (v. 56) sich vielleicht auf diese
und ähnliche Verschleppungen beziehen, als nachhall der debatten und
recrirainatiouen in den damaligen volksversaminngen? und zugleich einen
commentar geben zu dem was wir bei Thuk. II 66, 11 lesen?
694 HMüUer-Strübing: das erste jähr des peloponneBiscfaen krieget.
zöger ung gehabt haben, und diese gründe muste doch der geschieht-
Schreiber, wenn er sein handwcrk verstand, seinen lesern mitteilen.'
ein moderner goschichtschreiber gewis ; aber es gab damals noch keine
gescbicbtschreiber in modernem sinne, und gerade Thukydides liebt
CS auch sonst eine masse von einzelheiten mit fast peinlicher genanig-
keit anzugeben , die den lesor nur verwirren , seine Verwunderung
fortwährend in atem halten , bis er zuletzt ganz stumpf wird und
selbst das verwundem als nutzlos aufgibt: denn das befreiende wort,
das die Verwirrung heben und ihn von der quäl des ratens erlösen
würde, das wird ihm nicht ausgesprochen, und die geisteskräfte der
officiellen leser, der gescbicbtschreiber und orläuterer, sind durch
die beständige bcrührung mit Thuk. ohnehin schon so paralysiert
(s. Aristophanes u. die bist, kritik s. 432), dasz sie es gar nicht
mehr zum verwundem bringen und es einfach als eine pietätlose ab-
geschmacktheit ansehen, wenn jemand sich anmaszt mehr wissen zu
wollen als ihm überliefert ist, und sich bemüht die von Thuk. nicht
gegebene antwort auf das warum ? selbständig aufzufinden, so geben
sie denn auch den Thukydideischen bericht über den viermonat-
lichen zug des Demosthenes ohne alle bemerkung wieder, als ob
das alles ganz einfach und selbstverständlich wäre, nur Thirlwall
vermiszt sich am schlusz des berichtes zu bemerken: die schein-
bare langsamkeit dieser Operationen könnte uns zu dem verdacht
verleiten , es sei den neuen feldherm mehr dämm zu thun gewesen,
ihre eigne ausrüstung so stark wie möglich za machen, als dasz sie sich
um die gefahren , denen Nikias in der Zwischenzeit ausgesetzt war,
bekümmert hätten (III s. 431 Hhc seeming slackness of these opera*
tions migbt lead us to suspect, that the new Commanders wäre more
anxious to render their armament as formidable as they could then
conceraed about the danger to which Nikias was in the mean while
exposed'). das ist doch einmal eine selbständige bemerkung, und
vielleicht steigert sich dieser verdacht noch , wenn wir uns den zug
des Demosthenes noch einmal in allen seinen einzelheiten recht
vergegcnwlirtigen. zu dem zwecke will ich hier der kürze wegen
(auch habe ich immer noch meinen militärischen interlocutor im
äuge, dessen ansieht ich gern erfahren möchte) die wiedergäbe des
Thukydideischen berichtes durch den neusten historiker AHolm an-
führen, dieser sagt (geschichte Siciliens II s. 44): ^Demosthenes er-
hielt 60 athenische und 5 chiische schiffe, 1200 ausgewählte athe-
nische hopliten und eine grosze anzahl schwerbewaffnete von den
bundeRgenossen. nachdem er sich mit Charikles vereinigt, ver-
wüsteten die beiden flotten zuerst das gelj^et von Epidauros Limera
und fuhren dann nach dem Kythera gegenüberliegenden teile von
Lakonien, wo sie eine landzunge, die ihnen wie Pylos in Messenieif
dienen sollte, befestigten, hierauf kehrte Charikles nach hause zurück,
Demosthenes aber gieng weiter, zunächst nach Korkyra.' er erzählt
dann, wie die Athener in Syrakus die festungen auf dem Plemmyrion
um diese zeit verloren, wodurch ihre läge noch viel verzweifelterward,
HMüUer-Strübing: das erste jaht des pel<^imeBbehen krid^. 685
als sie in dem briefe des Nikias geschildert war. dann ffthrt er fort
8. 47 ff. : Mie von den Athenern erwartete verstärknng \inter Demo-
sthenes war indessen noch ziemlioh weit entfernt, auf seiner fahrt
von der lakonischen küste nach Eorkyra hatte der feldherr in dem
€leischen hafen Pheia ein kauffahrteischiff getroffen, in welchem
gerade korinthische schwerbeWUffhete nadi Sicilien abfahren sollten»
er bemächtigte sich des Schiffes; die hopliten kamen aber ans luid
und gelangten später auf einem andern fahrzeuge nach Sjrakne.
weiter war er nach Zakjnthos und Eephallenia gefahren, wo eir
hopliten und truppen von den Messeniern in Naupaktos aufnahm,
und dann nach dem akarnanisc^en festlande ^ auf dem Alyziii und
Anaktorion den Athenern gehörten, hier traf ihn Eurymedon , der
bereits im anfang des winters [mitte, ttepl f)X(ou Tpondc] in Sicilien
gewesen war und nun wieder surückkehrte, um sich nach seinem
mitfeldherrn umsusehen."^ ei* hatte Sjrakus noch vor der seeschladit
verlassen, aber von dieser sowie von dem Verluste Plemmjrions nach-
rieht bekommen und teilte dies dem Demosthenes mit, dem er sich
nun wieder anschloss. es kam femer Eonon bei der flotte an , der
athenische befehlshaber des geschwaders in Naupaktos , der über die
Unzulänglichkeit seiner flottille klagte, deshalb gaben die atheni«
sehen feldherm von den nach Sicilien bestimmten schiffen 10 der
besten an Eonon und betrieben desto eifriger die Vervollständigung
ihrer eignen ausrüstung, indem Burymedon den Eorkjraiem die
lieferung von 15 kriegsschifiisn auferlegte und auf Eorkjra schww-
bewaffnete auswählte, Demosth^es dagegen aus Akamanien schleu-
derer und Speerwerfer zusammenbrachte, so rückte die athenische
flotte^ deren beistand dem bedrängten Nikias dtingend notwendig
war, nur sehr langsam vorwärts, und sie würde ihn wahrscheinlich
schon vernichtet gefunden haben , wenn nicht ein groszer sieg der
den Athenern ergebenen Sikeler über die bundesgenossen der Sjra-
kuser den eifer dieser letztern gedämpft hätte* . • die Syrakuser
schoben den angriff auf und gewährten so dem Demosthenes zeit bei
langsamer fahrt dennoch vor dem gänzlichen Untergang der Athener
auf Sicilien anzukommen« er fuhr mit Eurymedon über das ionische
meer nach der südspitze lapygiens und von da nach den Ghoiraden,
zwei kleinen dem hafen von Tarent gegenüberliegenden inseln, wo
er eine Zeitlang verweilte, er erneuerte mit Artas, eiiiem häuptling
^ dies wird nun wohl nicht der wahre gfmnd seiber riiekkehr ge*
weseii sein. Eurymedon wüste ja noeh gar nicht, dass er wirklich schon
mitfeldherr des Demosthenes sei, und stand von seiner rückkehr nach
Athen nur deshalb ab, weil er durch Demosthenes erfuhr, dasz er wäh-
rend seiner Abwesenheit in Sikelien vom Volke cum Strategen gewählt
sei: Huvf^pxe T^p ffit] ^imocO^vct dnoTpoir6fyi€Voc , iDcircp «al 4P^0t),
c. 81, 8 — selbstTerständlich an den f^roszen Dionysien kurz vor ab»
fahrt des Demosthenes. diese stelle, wie die glänze Wahlangelegenheit
des Eurjmedon ist von den ausleg^ern arg (am gründlichsten von Droysen
im Hermes IX s. 19} misverstaüden worden, was anderswo weiter er-
örtert werden wird.
696 HMüller-Strübing: das erste jähr des peloponnesischeii krieges^
der lapjgier, ein angeblich früher von ihm mit den Athenern ^e-^
schlossenes 1)ündni8 und empfieng von ihm einige 50 iapjgische
Speerwerfer sowie 100 vom volksstamme der Messapier. dann fahr
er weiter nach Metapontion, das sich bewegen liesz 300 Speerwerfer
und 2 trieren mitzuschicken, und gelangte endlich nach seiner letz*
ten hauptstation vor Syrakus^ nach Thurioi. hier waren vor kurzem
parteikämpfe zwischen den anhftngem und gegnem der Athener mit
der Vertreibung der letztem beendigt worden, und die athenischen
feldherm wurden aufs freundlichste aufgenommen, [es wurde aine
grosse parade abgehalten, und] Thurioi stellte sogar 700 hopiiten
und 300 bogenschützen, und durch sie verstärkt zog nun das land*
beer eine strecke weit, von der flotte begleitet, bis zum flusse fijlias
zu lande fort, am Hylias schiffte man, da die Erotoniaten den durch-
zug verweigerten, sich wieder ein, besuchte alle griechischen küsten-
städte mit ausnähme von Lokroi und fuhr schlieszlich vom vor-
gebirge Leukopetra nach Sicilien hinüber, hier war inzwischen
wichtiges geschehen' — die Athener hatten nemlich zwei Seeschlach-
ten im hafen von Sjrakus verloren, deren beschreibung ich über*
gehe — *für beide Seeschlachten errichteten die %rakuser Sieges-
zeichen, ihr zweck die Athener zu vernichten war freilich nicht er-
reicht, aber sie waren nun von ihrer Überlegenheit zur see voUkom*
men überzeugt und beabsichtigten ihre angriffe in der allernächsten
zeit zu wiederholen, da kam Demosthenes mit der neuen atheni-
schen flotte, und für einen augenblick war die ganze Sachlage voll-
kommen umgewandelt.' so weit Holm.
'Nun, ausgesprochen oder nicht, da ist nichts anderes zu sagen
als: der athenische commandierende general war entweder ein
schwachkopf — ganz gewis nicht! — 'oder ein — ' halt! nein! das
war er nicht, ein Verräter war er nicht, aber, verwegen wie immer,
spielte er auch hier ein tollkühnes spiel mit einem furchtbar hohen
einsatz — er wollte zu spät kommen, das ist das wort das das
rätsei löst.
Man wird zunächst diese 'hjpothese' mit einer art von bieder-
männischer entrüstnng aufnehmen , das weisz ich wohl, man wird
mir das freie, offene, heftige wesen entgegenhalten, das wir sonst
alle schon aus den Rittern des Aristophanes als eigentümlichen cha-
rakterzng des Demosthenes zu betrachten gewohnt sind ; man wird an
seine Waffenbrüderschaft mit dem armen kranken Nikias erinnern;
man wird bedenken anfahren, die auch mir wahrlich nicht fremd
sind und mit denen ich den stärker und stärker in mir aufsteigenden
verdacht bekämpft habe — aber 'zwingenden gründen musz man
weichen', wie Böckh sagt, und das habe ich denn auch gethan. und
wenn man sich dann ohne hintorgedanken und sentimentales be-
dauern voll und lebendig in die damaligen zustände hinein versetzt,
so wird der, der im peloponnesischen kriege mit voller Sympathie
auf der seite der Athener steht (wie ich zu thun bekenne), sich kaum
enthalten können auszurufen: o wie schade, dasz Demosthenes seine
HMüller-Strübing: das erste jähr des peloponnesischen krieges. 697
absieht nicht eiteicht bat! dasz er auf seinem bummelzuge nicht
noch ein paar tage mehr vertrödelt hat, zb. über den Verhandlungen
mit den Krotoniaten, bis ihm diese den durchzug durch ihr land ge-
statteten, so dasz er dann seine militärische fuszpromenade etwa bis
Bhegion hätte ausdehnen können :— dann kam er zu spät, dann war
die letzte Schlacht im hafen geschlagen, Nikias hatte capitnliert,
wahrscheinlich auf ganz leidliche bedingungen, die ihm die Syra-
kuser, um vor der ankunft der athenischen Verstärkung mit Nikias
wenigstens reinen tisch zu machen, gern bewilligt haben würden —
und Demosthenes hatte freie band, er konnte umkehren, nach hause
fahren — natürlich nicht sofort nach Athen, denn das wüste er wohl,
dasz man ihn dort sehr schlecht empfangen haben würde, aber er
wüste auch aus eigner erfahrung, dasz man durch glänzende erfolge
sich beim volke für jedes militärische vergehen vollständige amnestie
erkaufen konnte, fdso nicht nach Athen wäre er gegangen, sondern
nach der südküste von Lakonien , nach der von ihm vor kurzem auf
dem festlande Ey thera gegenüber angelegten festung, nachdem er
vielleicht einen teil seines heeres im vorbeifahren in Pjlos abgesetzt
hatte, namentlich die messenischen hopliten, die er wohlbedächtig
in Naupaktos an bord genommen hatte, er konnte es wagen seine
kräfte zu teilen: denn er hatte *73 kriegsschifife, athenische und
fremde, mit 5000 schwerbewafifneten und einer groszen, besonders
durch ihn selbst, der sich als führer leichter truppen auszeichnete,
herbeigezogenen anzahl von griechischen und fremden Speerwerfern,
schleuderen! und bogenschützen und mit Vorräten und material aller
art' (Holm ao. s. 51 f.). und nun vergegenwärtige man sich die
politische Sachlage im Peloponnes. das wieder demokratische Argos
in offenem grenzkriege mit Sparta und sicherlich mit freuden bereit
seine ganze macht mit der des Demosthenes zu vereinigen; Elis,
wie wir wissen, sejt der auflösung des sonderbundes in dumpfem
groll gegen Sparta verharrend — würden die 3000 hopliten von
dort, die im j. 418 nach der niederlage von Mantineia auf die blosze
nachricht hin , Demosthenes sei mit nur 1000 athenischen hopliten
in Argos gelandet, sich wieder bei dem geschlagenen beere des
sonderbundes eingefunden hatten '^ sich nicht auch jetzt beeilt
haben sich der gewaltigen athenischen armada anzuschlieszen , in
der hoffnung für alte und neue unbilden an Sparta räche nehmen
zu können? in den arkadischen gemeinden, in Mantineia zb., war
das demokratische dement für den augenblick wohl unterdrückt,
aber sicher nicht vernichtet — ebenso in Sikyon, in Achaia, die ja
erst ein paar jähre vorher von den Lakedaimoniem oligarchisiert
waren , und wenn die demokratische parte! in diesen Staaten nicht
stark genug war ihre oligarchischen herren zu stürzen und dann ihre
macht mit den Athenern zu vereinen, so war sie doch sicher stark genug
'^ 8. meinen aufsatz 'die Strategie des Demosthenes im vierzehnten
jähre des pelop. krieges' im rhein. mas. XXXIII (1878) s. 78 ff.
698 HMüller-Strübing: das erste jähr des peloponneuschen krie^efl.
die absendung militttrischer hilfe an die SpartanA zu verhiadem.
im Peloponnee wttre also 6parU gaftz ieoliort geweeen, höchstens
auf hilfe Ton Korinth aagewiesen — und wo sollte sonst hilfe her-
kommen? ein teil dei. lakedaimonischen heeres war in Bekeleia,
Tielleieht mit dem könig Agis , also yerhSltniamSszig weit entfernt,
dagegen gans nahe, im eignen lande, die heloten, auf deren phan*
tasie der blosze name Demosthenes seit Pjlos eine fast zauberhafte
Wirkung auettben muste. kurz ehe die gamison von Dekeleia und
etwa die Boioter zur hilfe eraoheinen konnten, htttte eine katastrophe
Aber Sparta hereinbrechen können , nicht geringer al« die ^ welche
etwa fünfzig jähre spttter durch Epameinondas herbeigeftthrt ward.
Niebuhr sagt einmal, «uch er in bezug auf ein ereignis des sikelischen
krieges, die ankunft des Oylippos in Sjrakus, es sei dies eins Yon den
ereignissen , wo ein moment über die Schicksale der ganzen weit fUr
lange Jahrhunderte entscheide. *seine ankunft in Bicilien war so ent-
scheidend, wie Napoleons rttckkehr von Aegjrpten nach Frankreioh:
wttre dieser von den Englftndem aufgefangen worden, so würde das
Schicksal von ganz Frankreioh und das Schicksal der weit überhaupt
durchaus anders entschieden worden sein' (vortrttge über alte geeoh.
JI s. 149 f.). ich glaube, diese werte lassen sich mit vollem recht auf
den von mir supponierten fall , dasz Demosthenes zu spftt für die
rettung des Nikias vor Sjrakus eingetroffsn wttre, anwenden, es ist
nicht so gekommen: er erschien zu früh, und so ward er und das
ganze heer, das die Athener mit, wie es damals schien, letzter ttuszer"
ster kraftuistrengung zusammengebracht hatten , in den Untergang
des Nikias, den Demosthenes mindestens seit seinem zusammen*
treffen mit Eurymedon in Korkjra als unabwendbar vorauserkannt
hatte, mit hineingezogen, aber — das will ich doch noch hinzusetzen
— wie man auch über das verfahren des Demosthenes, über seine
absieht zu spttt zu kommen urteilen mag: die v^antwortlichkeit da-
für trug er nicht allein, die trug sein ganzes heer mit ihm, wenige
stens moralisch; wenn auch nicht kriegsgerichtlich, denn es ist ganz
undenkbar, dasz Demosthenes seinen viermonaÜiohen trOdelmarsoh,
der, ich wiederhole es, vom blosz militttrischen gesichtspunkt aus
wahnsinnig zu nennen ist, htttte unternehmen und ausführen können,
wttre nicht die öffontliche meinung seines heeres mit ihm einver-
standen gewesen, zunttchst musz er mit seinem mitstrategen Eurj-
medon sich verstttndigt haben, der ja die läge der dinge in Sikelien
am besten kannte, und den ich, um es gerade herauszusagen, für den
eigentlichen Urheber des ganzen planes halte, für den Mephistopheles
der tragödie. und dann : die 60 trierarchen, die die schiffe comman-
dierten , .mttnner aus den angesehensten familien Athens, die 1200
hopliten Ik KaraXötou, recht dem kern der bttrgerschaft angehörig,
und dann die schiffsofficiere, die epibaten, die thraniten, lauter athe*
nische bürger, die den brief des Nikias in der volksversamlnng hatten
vorlesen hören, die bei dem volksbeschlusz, der dem Nikias zum früh-
ling die erbetene hilfe versprach, mitgestimmt hatten — die sollten
HMüller-Strübing: das erste jähr des peloponnesischen krieges. 699
sich 'auf diesen militärisch unsinnigen zügen durch lapygien und
nach den choiradischen inseln, nach Messapien und wer weisz wohin
haben mitschleppen lassen, ohne es gewahr zu werden, dasz dies
nicht die rechte weise sei, das ihren bedrängten landsleuten in Syra*
kus vom Volke, also auch von ihnen mit, gegebene versprechen zu
halten ? und wenn sie es gewahr wurden, dann sollten sie nicht auch
mittel gefunden haben ihren ftthrer darauf aufmerksam zu machen,
dasz er, wenn nicht dem Wortlaut, so doch gewis dem geist des ihm
übertragenen auftrags zuwider handle? ich habe eine hohe meinung
auch von der militärischen disciplin in dem athenischen bUrgerheere,
aber ich kenne doch einen fall, in dem sich die Öffentliche meinung der
Soldaten einem militärisch wohl nicht beliebten, aber sicherlich nicht
energielosen führer gegenüber geltend machte, man lese nur Thuk.
y 8, wie die Soldaten zusammentraten und Eleons militärische masz-
regeln besprachen und kritisierten, bis er, aic9avö|Li€V0C TÖv GpoCv,
widerwillig das that was sie verlangten, hier wären solche bespre-
chungen der Soldaten sicher nicht ausgeblieben, überall, wo die flotte
landete; würde sich eine volksversamlung im kleinen gebildet haben,
zu der ja alle elemente vorhanden waren, in der das verfahren des
feldherm, wenn sie nicht mit ihm einverstanden waren, die schärfste
kritik erfahren muste.'^ und Demosthenes hatte ja selbst bei Pylos
das beispiel gegeben , wie ein entschlossener officier die athenischen
soldaten-bürger dahin bringen konnte etwas auszuführen , was der
üble wille oder die mangelnde einsieht der Strategen ihm verweigert
hatte, damals konnte er sich freilich darauf berufen , das volk habe
ihm vollmacht gegeben , das beer zu gebrauchen wie er wolle, aber
auch hier hätte ein entschlossener ofOcier oder ein tüchtiger bürger-
lich angesehener trierarch, der den militärischen unsinn jenes bummel-
zuges (die Spazierfahrt nach den Choiraden, die fuszpromenade von
Thurioi nach Kroton udgl.) wohl erkannte — an solchen wird es
wahrlich nicht gefehlt haben — sich bei seinem protest dagegen auf
den befehl des Volkes schleunige hilfe zu bringen (äjiia t^pi) und
nicht erst im august, berufen, und Demosthenes hätte dem ausge-
sprochenen willen seiner ofQciere und seiner Soldaten, die athe-
nische bürger waren , schlechterdings nicht widerstehen können, so
viel steht mir also fest: der feldherr und das beer müssen im ei]>-
verständnis gewesen sein, wie sich dies Verständnis gebildet hat,
das ist dunkel, da liegt die grosze Schwierigkeit, ausgesprochen,
öfifentlich , officiell , hat Demosthenes seine absieht zu spät zu kom-
men gewis nicht, freunden und vertrauten gegenüber wohl : denn
auch der stärkste mann hätte die last eines solchen entschlusses, die
furchtbare Verantwortlichkeit allein und schweigend nicht tragen
können ; sie ward aber erleichtert und möglich zu tragen durch zu-
'* vgl. auch II 88 6 b^ Oopfidwv . . alc66fi€voc öti t6 irXflOoc xdjv
v€U)v Kardi cq>dc aöroOc Huvicrdficvoi £q)oßoOvTO usw., und dann
gibt er ihnen rechenscbaft über die gründe seines Verfahrens und seine
weiteren plane.
700 HMüller-Strübing: das erste jähr des peloponnesiaeben krie^es.
stiinmaDg — ausgesprochen Ton wenigen, unausgesprochen, 'aber
unverkennbar an den tag gelegt durch schweigen und gehorchen
seitens der masse. es war ein lautes und zugleich ein dumpfes,
drückendes , gewitterschwüles geheimnis.
Ich yerkenne nicht die ungemeinen Schwierigkeiten , die auch
bei meiner auffassung des ganzen hergangs immer noch bleiben, und
kann mir jemand das rfttsel in anderer weise lösen (nur darf ergeht
diesen yiermonatlichen marsch als militärisch harmlos und selbst-
▼erstftndlich darstellen), so werde ich ihm hOchst dankbar sein, nicht
nur wissenschaftlich, sondern auch menschlich, denn es hat mich
keine geringe Überwindung gekostet, gerade dem Demosthenes , für
den ich grosze Sympathie habe, einen solchen yerzweifelten ent-
schlusz, dessen sittliche berechtigung doch immer problemaüsoh
bleibt, zuzuschreiben — zumal da er nicht durch den erfolg ge-
rechtfertigt ist. ich bitte um entschuldigung für diese lange ab-
Schweifung, ich konnte es nicht übers herz bringen, sie zu unter-»
drücken.
Nun handelt es sich noch darum zu ermitteln, ob ol. 91, 1, dessen
anfang Böckh wie Unger übereinstimmend auf den 6n juli 412 an-
setzen, ein gemein jähr war, wie Böckh, oder ein schalijahr, wie
Unger annimt« ^die peloponnesische flotte' sagt Unger (att. kal.
s. 50) 'welche nach der Wintersonnenwende d. j. in Rhodos einge-
laufen war (Thnk. VIII 44. 39), verliesz diese insel nach einem auf-
enthalt von 80 tagen (VIII 60), also frühestens am 16n mftrz 411,
als das Winterhalbjahr noch nicht ganz zu ende gegangen war:
TcXeuToiVTOC fibii TOO x^iM^voc. hieraus ergibt sich dasz Böckh
mit unrecht die vor 87, 4 bestehende schaltordnung beibehalten hat,
bei welcher 92, 1 ein gemein jähr wurde: der- Wechsel des kriogs-
jahres wäre dann schon am 23n februar eingetreten [an Ungers
viertletztem anthesterion, anBöckhs letztem anthesterion, 26n febr.] ;
aber die letzten ereignisse des Wintersemesters fallen weit später,
schon in die nähe der nachtgleiche (VIII 44. 60) , und als diese ein-
trat, war bereits das neue kriegsjahr und der sommer angebrochen:
VIII 61 ToO b* imfifvo\ilvov O^pouc &|üia T(lj> fipi etjduc dpxojüi^vifi
AcpKuXXfbac Trap€7r^|üiq)0ri itp* '€XXifjciT0VT0V. wir müssen daher
92, 1 als Schaltjahr behandeln: in diesem entftlllt der viertletzte
anthesterion auf den 24n märz 41 1, zwei tage vor der nachtgleiche'
— der erste elaphebolion also auf den 28n märz. diese Widerlegung
ist nun ganz unumstüszlich richtig, das ist ja klar, denn hätte sich
der spartanische flottenführer Antisthenes am tage der Wintersonnen-
wende, also am 26n december, samt seiner flotte mit der schnellig«
keit einer telegraphischen depesche vom oap Malea aus nach Rhodos
befördern können, wäre er also noch an demselben tage oder am
27n december dort angekommen, so würde er nach 80tägigem auf-
enthalt daselbst doch erst am 15n märz von dort abgesegelt sein,
also nicht mehr TeXeuToiVTOC fibr) toC xciM^^VOC, sondern 17 tage
nach dem tage, den Böckh als den anfang des Thukjdideischen
HMüller-Strubing: das erste jähr des peloponnesischen kriegea. 701
sommers angenommen hat. nun ist aber Antisthenes nicht mit die-
ser übernatürlichen geschwindigkeit nach Bhodos gelangt, vielmehr
hat er eine wechseWoUe , abenteuerreiche fahrt dorthin gemacht,
und wenn wir ihn auf dieser fahrt begleiten und die dauer dersel-
ben annähernd berechnen , so wird sich , fürchte ich , herausstellen,
dasz die einwürfe, die Unger gegen Böckhs gemeinjahr richtet, sich
ebenso gut gegen sein Schaltjahr erheben lassen , und dasz die rech*
nung auch bei ihm nicht stimmt.
Thukydides erzählt c. 39, die Lakedaimonier hätten um die
Wintersonnenwende 27 schiffe unter dem befehl des Antisthenes
ausgesandt zur Verstärkung ihrer flotte in Milet und mit noch an-
dern auftragen , auf die es hier nicht ankommt, von cap Malea aus
fuhr die flotte nach Melos, etwa 15 deutsche meilen oder 60 knoten
entfernt ; da aber bei cap Malea weder hafen noch rhede ist, so wer-
den die schiffe von Gytheion, 28 knoten weiter gekommen sein,
trotz der kürze der tage und der gewis mangelhaften rüder tüchtig-
keit der matrosen (die Lakedaimonier hatten ja erst seit dem früh-
ling dieses Jahres angefangen sich wieder auf das Seewesen zu legen;
und dazu, wohlgeübte fremde matrosen und erfahrene Steuerleute in
dienst zu nehmen, fehlte es ihnen sicher an geld) will ich auf diese
fahrt nur 6inen tag rechnen, bei Melos stoszen sie auf 12 attische
schiffe und machen jagd auf sie ; es gelingt ihnen auch 3 davon ohne
die mannschaft zu nehmen, die übrigen entkommen, aus furcht nun,
die geretteten schiffe möchten den Athenern in Samos ihr heransegeln
melden, was auch geschah, nimt Antisthenes von hier einen groszen
umweg in der richtung nach Kreta zu, npöc Tf|V KprJTTiv irXeucavTCC
Ktti nXeiuj töv ttXoöv öiä qpuXaKfic iroiTicd^evoi ic Tf|v KaOvov ti}c
Kapiac (so vWilamowitz statt 'Aciac) KQTfipav. diese fahrt hat min-
destens 360 knoten betragen und kann nicht auf weniger als 4 tage
berechnet werden, wobei noch vorauszusetzen ist, dasz die schiffe
trotz des winters und trotz der notiz in c. 42, 1 immer gutes wetter
und nie gegenwind gehabt haben, da sie nun in Sicherheit sind (dic
£v äcqpaXei övtcc''), so schickt Antisthenes, mindestens am sechsten
tage nach der abfahrt von Gytheion, nachricht über seine ankunft
nach Milet an Astyochos. gieng der böte zu lande , so brauchte er
mindestens 3 tage : denn die entfernung von Eaunos nach Milet be-
trägt, wie der vogel fliegt, 20 deutsche meilen durch zum teil ge-
birgiges, im Winter gewis uüwegsames land (man sehe nur auf
Kieperts karte, in welchen krümmungen sich die dort verzeichnete
strasze hinschlängelt) ; gieng der böte zur see , so brauchte er sicher
noch längere zeit wegen der vielen Vorgebirge, landzungeo usw..
^3 dieser ganze zug des Antisthenes bildet ein seitenstück zu dem
III 29 in demselben grimmig sarkastischen geiste erzählten zuge des Alki*
das im j. 427. in diesem die iv dcqpaXet 6vt€C spricht der Schriftsteller
das unverblümt aus, was er dort in den werten irplv bi\ tQ Mf|Xqi
Ccxov mit dem ironischen &/) nur andeutet, s. meine Thukydideischen
forschungen s. 125.
702 HMüller-Strübing: das erste jähr des peloponnesischen krieget.
die er za doublieren hatte — im winter. kurz und gut, Astyochos
kann die meidung frühestens am neunten tage nach der abfahrt der
scbifife TT€p\ f)X(ou TpoTTdc erhalten haben. Astjochos war eben im
begrifif nach Chios zu segeln, um der bedrängten stadt hilfe za
bringen; auf die erhaltene nachricht hin ändert er seinen sinn; ich
will annehmen, dasz seine flotte schon segelfertig dalag, proviant,
Wasser udgl. schon eingenommen hatte, und will ihn daher schon
am nächsten tage von Milet abfahren, ja mehr noch, ich will ihn
noch an demselben tage abends nach Kos gelangen lassen, hier
schifft er seine leute aus (Kos gehörte zum athenischen bundc). er
findet keinen widerstand : denn die einwohner waren wegen eines
schrecklichen erdbebens in die berge geflohen, oder flohen jetzt
wegen der ankunft der feindlichen schiffe dahin, denn die stadt war
unbefestigt, dies macht sich Astyochos zu nutze, er plündert die
Stadt und macht beutezüge ins innere der insel. wie yiel zeit mag
nun diese kleine ergetzlichkeit weggenommen haben ? soll ich sagen
zwei tage ? so dasz er sich dann am morgen des 4n t-ages nach seiner
abfahrt von Milet, am 13n tage nach der abfahrt des Antisthenes
von Gytheion zur zeit der Sonnenwende, also am 8n Januar 411, in
Kos wieder eingeschifft hat? es sei so. am abend desselben tages
kommt er dann nach Knidos (etwa 20 knoten von Kos) , wo er lan-
den will, aber die Knidier, die eben von Athen abgefallen waren,
raten ihm sogleich weiter zu fahren, da ein athenisches gesch wader
von 20 schiffen unter dem Strategen Charminos bei der insel Syme
(20 knoten von Knidos) den schiffen des Antisthenes in Eaunos aof-
lauere. Astyochos befolgt den rat, und am frühen morgen des näch-
sten tages bei nebel , regen und rauhem wetter kommt es zu einem
gefecbt, in dem Charminos den kurzem zieht und mit verlust von
6 schiffen erbt nach der benachbarten kleinen insel TeuÜussa und
von da nach Halikarnasos sich zurückzieht. Astyochos mit seinen
schiffen geht nach Knidos zurück, wo er am lOn Januar angelangt
sein wird, hier stöszt denn Antisthenes mit seinen schiffen ans
Kaunos zu ihm^ der also die nachricht von dem siegreichen treffen
bei Syme schon erhalten haben musz (Kaunos ist von Syme min-
debtens 50, von Knidos etwa 75 knoten entfernt); vor dem 12n
Januar kann also die Vereinigung der beiden flotten nicht wohl statt-
gefunden haben, nun sind also die sämtlichen peloponnesischen
schiffe in Knidos beisammen, wo sie ihre schiffe ausbessern, und wo
nun plötzlich Unterhandlungen mit Tissaphemes beginnen , der sich
eingefunden hatte (TrapcT^vCTO yap, nicht TTOpf^v), über das was
schon geleistet war und was weiter zu thun sei. dabei kommen denn
die früher zwischen Tissaphemes und den Lakedaimoniem abge-
schlossenen vertrage zur spräche , mit denen sich Lichas , einer der
mit Antisthenes angekommenen lakedaimonischen commissäre, sehr
unzufrieden erklärt; dieser verlangt den abschlAsz eines nenen Ver-
trags, ja er erklärt trotzig, er mache sich aus dem solde, den
Tissaphemes bisher den lakedaimonischen schiffen gezahlt hatte,
BMüller-Strübing : das erste jähr des pelopoanesischen krieges. 703
gar nichts, sie könnten aach ohne ihn fertig werden, bis endlich
Tissaphernes die Verhandlungen abbricht und zürnend davon geht,
aber Lichas hatte gut reden : es war w&hrend dieser Verhandlungen
in Knidos von den bäuptem der oügarchischen partei in Bhodos die
aufforderung an die lakedaimonischen Rottenführer ergangen, nach
Bhodos zu kommen und die insel zum abfall von den Athenern zu
bringen, diese botschaft ist doch sicherlich erst dann von Bhodos
abgegangen, als man dort erfahren hatte, dasz die beiden abteilungen
jetzt , nach dem siege bei Sjme vereint, in Knidos lägen, wie hoch
soll ich nun diesen aufenthalt in Knidos und die Verhandlungen mit
dem Satrapen in rechnung stellen? nun, um dös lieben friedens willen
nur mit 8 bis 10 tagen ; gewis zu wenig, denn der schlaue und zähe
Orientale hat die Verhandlungen sicher nicht im handumdrehen ab-
gebrochen, und wird lange genug ausfluchte gesucht haben, ehe er
in diplomatischem zorn abgieng. und den eindruck, dasz der aufent*
halt in Knidos verhältnismäszig sehr lange gedauert hat, gewinnt
man auch aus der erzählung des Thukydides selbst, der nach der
angäbe, die Lakedaimonier hätten sich entschlossen nach Bhodos zu
fahren, so fortl&hrt: TrXeücavTCC oöv euGvc ^v Ttfi abiCj) xei}i6jy\
iK TTJc Kvibou usw. das euOuc bezieht sich natflrlich auf die aus-
führung des gefaszten beschlusses ; wozu aber die ausdrückliche her-
vorhebung, das sei noch in demselben winter geschehen, wenn nicht
das be wustsein, es sei zwar eine lange zeit in Knidos verbracht, aber
doch keine so lange, wie ein weit- und geschäftskundiger leser etwa
anzunehmen berechtigt sein könnte, dem schriftsteiler hier die feder
geführt hätte? so bin ich denn überzeugt dasz es nicht die richtige,
vielmehr eine verfrühte datierung ist, wenn ich die abfahrt der
lakedaimonischen flotte von Knidos auf den 24n und die ankunft
derselben in Kameiros auf den 25n Januar setze (die entfernung von
Knidos bis dahin beträgt 40 knoten) , etwa einen monat nach der
abfahrt von Gytheion. doch was thut das? auf ein paar tage kommt
es mir nicht an. den beweis, dasz auch durch Ungers einschiebung
eines schaltmonats in diese Olympiade der von ihm an Böckhs kalen-
der gerügte widerspinich mit den chronologischen angaben bei Thuk.
keineswegs gehoben, wenn auch etwas gemildert wird, glaube ich
geführt zu haben, denn selbst wenn Thuk. den 80tägigen aufent-
halt der schifiB in Bhodos schon von dem ersten erscheinen dersel-
ben in Kameiros datiert und nicht erst von dem doch erst mehrere
tage darauf geschehenen anslandziehen der schiffe, was wohl eher an-
zunehmen ist und auch aus seinen werten hervorzugehen scheint: rd
b ' (äXXa ficuxajov, dveXKUcavTCC idc vaOc (c. 44 ae.) — also wenn
auch die 80 tage schon vom 25n Januar an zu rechnen sind, so wäre
die flotte doch erst am 15n april von Bhodos aufgebrochen, 20 tage
nach der frühlingsnachtgleiche, die in diesem jähre nach Üngers an-
satz mit dem ersten elaphebolion , also dem beginn des kriegsjahres
zusammenfällt, und selbst da ist bei Thuk. der winter noch nicht
zu ende : denn nachdem Thuk. die abfahrt der flotte von Bhodos,
704 HMüller-Strübing: das erste jähr des peloponnesiBchen krieges.
ihre begegnung mit einer athenisohen flotte in der nähe von Ejiidos,
den dadurch bewirkten entschlusz nicht nach Knidos , wie anfangs
beabsichtigt war, sondern nach Milet zu segeln and endlich die an-
kunft der flotte in Milet erztthlt hat, erst dann kommt die soUenne
formel Kai ö x^i^üiv ^TcXeöra odTOC . . toC bk imxiTvofidvou
O^pouc &\xa Tip fjpi e\)Bi)c äpxoM^vqi usw, diese angäbe tlber den
schlusz des winters und das anfangen des frtthlings ist also ganz
sicher willkürlich, unrichtig, und an eine beseitigung der confusion
etwa durch änderung der zahl fm^pac 6T^ofJKOVTa, die Thuk. c. 44 ae.
für den aufenthalt in Rhodos angibt, ist ganz gewis nicht zu denken :
denn dasz die flotte erst geraume zeit nach dem anfang des neuen
kriegsjahres, sage ich es nur gerade heraus, nach dem In elaphebo-
Hon von Rhodos abgegangen ist , ergibt sich auch sonst aus der er-
Zählung des schriftste]lers unwidersprechlich. denn während die
flotte noch in Rhodos liegt, erscheinen dort abgesandte aus Eretria
und bringen die nachricht, die Boioter hätten mit hilfe einiger
männer aus Eretria die attische grenzfestung Oropos durch verrat
genommen , sie beabsichtigten nun Euboia zum abfall zu bringen,
und dazu erbitten sie sich den beistand der lakedaimonischen flotte,
nun war die wegnähme von Oropos geschehen TeXeuTüuvTOC f[br\
ToO x^iM^voc, also kurz vor dem In elaphebolion. dann sagt Thuk»,
nachdem er die plane der verschworenen berichtet hat, ^x^VTCC oöv
fjbri TÖv "QpujTTOV seien die gesandten angekommen — nun bedenke
man dasz die Eretrier keine kriegsschiffe hatten, dasz die gesandten
also sich auf holkaden und sonstigen fahrzeugen, die in dieser Jahres-
zeit und bei dem durch den krieg unterbrochenen handel aufzutrei-
ben ihnen schwer genug gewesen sein musz, sich von insel zu insel
durch den Archipelagus durchschleichen musten, und man wird zu-
geben, dasz sie schwerlich vor der mitte des elaphebolion in Rhodos
angekommen sein können, auszerdem hängt ja die gesandtschaft der
Eretrier aufs engste zusammen mit den Verfassungskämpfen in Athen,
die wegnähme von Oropos ist, wie Thuk. gewis richtig sagt, noch
vor dem ersten elaphebolion geschehen; aber erst nach dem stürz
der demokratie, erst nach der einsetzung der vierhundert — und
diese ist mit vollständiger beachtung der verfassungsmäszigen for*
men ganz unzweifelhaft in der groszen dionysischen yolksgemeinde
beschlossen worden, also nach dem In elaphebolion"^ — konnten
die oligarchen in Euboia die ersten praktischen schritte thun zur
'^ 80 sagt auch LHerbst (die schlacht bei den Argin. s. 8 anm. 4),
die Tierhnndert hätten mit anfang des elaphebolion ihr regiment an-
getreten, daher denn auch die Schauspiele dieses Jahres an dem fest
ausgefallen seien, das ist ganz richtig, und ebenso sein ansatz der
anfführung der Thesmophoriaznsen des Aristophanes an den Lenaien des
folgenden Jahres; doch will ich hinzusetzen, dasz dies stück, wie sich
aus vielen anzeichen ergibt, ursprünglich für die Dionjsien unter KalUas
bestimmt war und daher für die anfführung im folgenden jähre den
veränderten Zeitumständen gemäss im einzelnen vielfach umgearbeitet
worden sein musz. das werde ich anderswo weiter nachweisen.
HMüIler-Strübing : das erste jähr des peloponnesischen krieges. 705
ausführung ihrer längst im stillen gehegten abfallsgeltlste. und das
geschah durch diese gesandten.
So ist denn die unrichtige ansetzung des beginns des neuen
kriegsjahres nichts anderes als die folge einer gewissen unbehilf-
lichkeit der darstellung, die man meinetwegen mit der mangelhaften
Überarbeitung des 8n buches entschuldigen mag. es laufen hier in
diesem teile desselben zwei reihen von begebenheiten neben einander
her, die kriegerischen Operationen und die sich entwickelnden intri-
guen der oligarchen in Samos und in Athen bis zur katastrophe.
hier war es für den Schriftsteller sehr schwer, vielleicht unmöglich,
eine für die beiden reihen der begebenheiten passende stelle für seine
stehende formel Kai 6 x^^M^v ^TeXeuTa usw. zu tinden. für die mili-
tärischen Operationen bot sich durch die ankunft der flotte in Milet
und den Wiederbeginn der feindsei igk ei ten am schlusz von c. 60 eine
leidlich passende stelle für den einschnitt und für den anfang des
neuen kriegsjahres, nicht so. für die politischen ereignisse, und so
gehört denn alles was c. 63 erzählt wird von den werten uttö fctp
TOÖTOV TÖv XP^ivov Ktti fii TTpÖTCpov an noch dem winter, dh. der
zeit vor dem ersten elaphebolion an, und erst in c. 67, vor den
Worten i\ toutiu oijv Tijj KaipA o\ irepi töv TTeicavbpov dX06vT€C
euGuc Tüjv Xomd)v eixovTO * xai Trpd)TOV jiifev töv bfiinov EuXXßav-
T€C usw. hätte die formel Toö b* €7riTiTVO|Lidvou Gepouc äjna tiu fjpi
euOuc dpxo)Li€Viu für die politischen begebenheiten ihren richtigen
platz gefunden , da ja in der that in diesem jähre , das Unger also
mit recht als ein Schaltjahr behandelt hat, der le elaphebolion mit
«der frühlingsnachtgleiche zusammenflel. aber da war der einschnitt
und die formel nicht am platze und hätte den fortgang störend unter-
brochen, überhaupt herscht in diesem teile des 8n buches eine bei-
spiellose Verwirrung, und in der that d6n möchte ich sehen, der das
kunststück zu stände brächte, die von c. 31 bis 78 erzählten ereig-
nisse auch nur annähernd in chronologische Ordnung zu bringen,
an dieser allgemeinen confusion leidet denn auch die datierung des
Sommeranfangs und wird durch sie erklärt.
Vollkommen unerklärlich , wenigstens auf den ersten blick, ist
dagegen eine andere solche datierung, ich meine die des anfangs des
elften kriegsjahres Y 24, die ich hier als höchst charakteristisch für
das chronologische verfahren des Schriftstellers zum Schlüsse noch
besprechen musz. Unger sagt ganz richtig (Zeitrechnung s. 42),
dieser Widerspruch betrefife nicht die frage, ob das kriegsjahr nach
natur- oder nach kalenderzeit zu rechnen sei, denn er setze die an-
hänger beider Systeme in dieselbe Verlegenheit, er betreffe vielmehr
den geschichtlichen Vorgang, und Volquardsen in der schon erwähn-
ten besprechung von Ungers schrift erkennt dies an; beide meinen
dann , dieser Widerspruch lasse sich wohl durch religiöse bedenken,
nemlich die rücksicht auf die Prophezeiung der dreimalneunjäbrigen
dauer des krieges erklären, ich glaube nicht dasz das richtig ist,
und will versuchen es nachzuweisen.
Jahrbtteher für cUss. philol. 1883 hft. 10 o. 11. 46
706 HMüller-ßtrübing: das erste jähr des peloponnesislehe'n krieges.
Dieser ganz- ataomale aii8atz des Sommeranfangs bezieht sich-anf
die datierung des sog. Nikiasfriedens , der bekanntlicb'im fHibling
des j. 421 gescblosisen ward, and so will ich denn, nm eine analogie
zu gewinnen, die abgaben des Schriftstellers über den zwei jähre vor-
her ungefähr nm dieselbe Jahreszeit, in demselben m<mat des atti-
schen kalendera, dem elaphebolion, geschlossenen waffenstfUstand tn^
yergleichung heranziehen, in bezug auf diesen sagtThuk:lVll6 aei
Ktti Toö xe\}i(bvoc biiEXGövToc ÖTboov free dTcXcöfa t(B WpX^fiifi:
c. 117 AaKebaifjiövioi hk xai 'AGrivaToi äjua fjpi toO iitiTilVcfiLi^voii
G^pouc eöOiic dK€X€ipiav dTTOirjcavTC dviauciov, ganzcori-ect, denn
die ersten einleitenden schritte waren sicher schon vot'delnTnaprrif^
dem ersten elaphebolion gethan worden; dann folgt di^ Ürkiinded^s
Waffenstillstandes, der am 14n elaphebolion (20n april) abgeschlossexi
ward und in kraft trat, zwei jähre darauf erzfthlt dann Tfaiik. V 17^
den winter hindurch seien Verhandlungen in bezug auf eftfen abzu-^
schlieszenden frieden zwischen den Lakedaimoniem xmi deil. Aihenehl
gepflogen worden, und schon gegen, den frtihliil&, Kai npöc tö $af^
fjbr), also gegen den 27n märz hin, der in diesem jähre auf den
9n elaphebolion fiel, hätten die Lakedaimonier' den Athenern die an-*
läge eines befestigten platzes in Aitika angedroht,^ affe;ibar ufti sie
zum frieden geneigter zn machen; w^s de^n au di erfolg gehabt zd
haben scheint, denn bald darauf ward ^rkli^h der friede geschlossM^
der in kraft treten sollte , wie es in dcrr Urkunde ^eiszt , in LiakedäH
mon 'ApxcjLiiciou jlitivöc TCTdpxi] qpOiyovTOC und in 'Athen"6Xäq)Tli-
ßoXidivoc ?KTi] qpGivovTOC, also am '25h elaphebolion (lln april)-.
unmittelbar nach der mitteilung des Wortlauts der Urkunde sag); danlf
Thukydides: aörai a\ CTTOvbal dt^voVTQ 7€X€utujvtoc toö xcifuIrvoC
&\ia ^pi iK Atovuctwv cöGuc tujv &ctikOi)V. auf die verschiedenliett
dieser datierungen, deren letzte den'abschlus^ des frieden$ genau it^
die mitte des elaphebolion, die erste officielle dagegen 10 tage spSteir
setzt, und die trotz dieser aufföllig^n differenz nach E^^chhoff (*dii
Urkunde des Nikiasfriedens' in den ^tzungsVer. der Berliner aka-
demie 1881} doch dasselbe meinen sollen,, will ich hier nic^t ein-
gehen und blosz die chronologische frage aufwerfen , wi6 es kommt
dasz Thuk. im j. 423 den 14n elaphebolion znm sominct reoUnet^,
im j. 421 aber den 25n elaphebolion in das ende d^s Winters ^etztt
die frtihlingsnachtgleiche kann damit nichts, zu ihun haben; wa^
denn sonst? diese frage musz ich später zu beantworten' such eh^, denn
ich habe den thatbestand dem Icser noch nicht gans^ Vorgelegt. ' / '
Nach dem abschlusz des friedend traten gro$ze ' schwietigkeiteB
in bezug auf die ausführung desselben efn.' in 1^hi«akien /yeeTgerten
sich die dortigen bundesgenosseh ,der Peloponnesier u^ter Zustim-
mung des lakedaimonischen commandaWt<;n Von 'Amphipolis 'ä'as zü
thun, was ihnen in dem vertrag auferlegt war. auch die.Boioter
und einige der peloponnesischen bundesgenossen verweigerten den
beitritt zum frieden; kurz, nach mancherlei Verhandlungen ent-
schlossen sich die Lakedaimonier und Athener für sich allein ein
HMüller-Strübing : das erste jähr des peloponnesiscben krieges. 707
bündnis zu 8cblieszen, dessen Wortlaut Thukydides ebenfalls mit-
teilt, dann setzt er binzu: aüvr] f) Hu^^axia dT^V€TO p€Td Tdc
CTTOVÖdc ou iroXXuj öcTcpov , Ka\ toöc fivbpac touc Ik xfic vificou
dTTÖocav o\ 'AGrjvmoi toTc AaKeöaijiovloic , KalTÖG^pocfjpxc
ToO ^vbeKÄTOu ?Touc. TOÖTa hi TOI hiKa iir\ ö irpiüTOc nöXe-
fioc Huv€xOöc T€v6|Li€V0C T€TP«TrTai. Thukydides hat sich hier kürzer
ausgedrückt als sonst; hätte er auch hier seine gewöhnliche formel
gebraucht, so würden wir nach AaK€bai)Liovioic lesen : Kai ö X^^M^V
ireXeuTa . . kqi tö O^poc ?jpx€ usw. ; der sache nach kommt es aber
auf eins heraus, ob das dasteht oder nicht: denn bei einem Schrift-
steller, der das jähr in zwei freilich ungleiche hSlften teilt, endet
natürlich der winter, wo der sommer anfängt, und umgekehrt, dasz
hier nun ein Widerspruch vorliegt, gleich geheimnisvoll für kluge
wie für tfaoren , das liegt auf der band ; ebenso aber auch dasz hier
die religiöse rücksicht, von der ünger und Volquardsen reden, nicht
maszgcbend gewesen sein kann, denn für die erfüllung der Prophe-
zeiung, von der Thuk. V 26 spricht, kam es ja nur darauf an, dasz
der krieg wirklich dreimal neun jähre gedauert hatte, mit der diffe-
renz von wenigen tagen; ob das ende in den winter fiel oder in den
sommer, das war unwesentlich. Übrigens handelt es sich hier gar
nicht um den ganzen krieg, sondern nur um den ersten krieg, für
den er hier eine dauer von zehn jähren angibt (wohl gemerkt ohne
erwähnung der f|)Li€pujv öXiTUJV oder ou noXXdiv TrapeveTKOUCÜJv),
was auch nur möglich wird dadurch dasz er die zeit zwischen der
rechtskräftigkeit des friedensvertrags , 25n elaphebolion , und dem
abschlusz der symmachio, in der doch gewis friede war, wenigstens
zwischen Athen und Lakedaimon, willkürlich mit in die kriegszeit
hineinzieht, und nur von den beziehungen zwischen Athen und
Sparta kann hier die rede sein: denn mit den widerspenstigen
bundesgenossen der Lakedaimonier, den Korinthern usw. war ja
Athen auch nach der symmachie noch rechtlich im kriegszustand:
s. c. 25 ToTc ^kv beEajLi^voic idc cnovbdc clprivri fjv, oi bi Ko-
pivOioi usw.
Wie soll man nun alle diese Widersprüche lösen, wie alle diese
willkürlichkeiten erklären? aus objectiveU) sachlichen, geschicht-
lichen gründen gewis nicht, auch hier werden wir subjective , litte-
rarische , ästhetische , künstlerische rücksichten aufzusuchen haben,
die den Schriftsteller bestimmt haben, und erwägen wir dann, dasz
wir II 2 bei der angäbe, der anfang des krieges sei erfolgt, als Py-
thodoros noch zwei monate archon war, also am letzten munichion,
in unsern hss. lesen Kai äjua t^pi dpxojii^vuj , so wird uns das viel-
leicht auf die richtige spur des Verständnisses leiten.
Wie viel zeit kann denn etwa vergangen sein zwischen dem
25n elaphebolion (lln april), an dem der friede rechtskräftig ward,
und dem abschlusz der symmachie? in der symmachieurkunde, wie
sie Thukydides mitgeteilt hat, findet sich auffallender weise gar keine
datierung, und seine eigne angäbe, das bündnis sei geschlossen pCTd
46*
708 HMüller-Strübing: das erste jähr des peloponnesischen krieges.
Tdc CTTOvbdc ou TToXXtp iiCT€pov, ist völlig nichtssagend; wir sind
also wieder aufs raten und vermuten angewiesen. Unger sagt, die
ereignisse zwischen dem sechstletzten elaphebolion und dem ab-
schlusz der symmachie müsten mindestens 10 tage weggenommen
haben , und an einer andern stelle (zeitr. s. 49) dehnt er diese frist
auf 13 tage aus. auch das ist viel zu wenig, zwar bin ich nicht mit
Unger einverstanden, wenn er sagt, nach dem 26n elaphebolion
als dem tage des Vertragsabschlusses seien sogleich von den Spar-
tanern gesandte an die Griechenstädte der thrakischen küste ge-
schickt, das musz schon frtlher geschehen sein, gleich nach den
Pandien (14n elaphebolion), an denen, wie Thukydides sagt, der
vertrag geschlossen, dh. vorläufig vom athenischen volke genehmigt
war. denn wie hätte sonst Klearidas, der lakedaimonische comman*
dant von Amphipolis, dem man doch wohl eine abschiift des Ver-
trags mitgeteilt haben wird, darüber zweifelhaft sein können, ob
der vertrag schon rechtskräftig geworden sei , ja hoffen können , er
werde vielleicht durch rechtzeitige ankunft in Sparta die ratificie-
rung verhindern? denn das liegt doch in den werten c. 21 oibk 6
KXeapibac irap^öwKC Tf|v iröXiv . . iXGibv hi. auxöc Kaict Tdxoc ^eid
TTp^cßeujv <Tujv> auTÖGev d7roXoTncÖM€VÖc t€ . . Kai djia ßou-
XöjLievoc elb^vai, €l fii jueiaKiVTiTfi €iti i\ öjacXoTia. er kam zu
spät, denn er fand die Lakedaimonier schon gebunden (ineibf) eiSpe
KaTCiXriMM^vouc) , dh. die eide waren schon geleistet, er musz also
bald nach dem 26n elaphebolion in Sparta angekommen sein, aber
auch dann noch ist Ungers frist von 13 tagen viel zu kurz für die Ver-
handlungen, die nun erfolgten, erstlich haben die Spartaner, ehe sie
sich zu der symmachie mit Athen entschlossen, die ihre ganze bisherige
Politik änderte und thatsächlich den verzieht auf die hegemonie ttber
den peloponnesischen bund involvierte, sicherlich noch einen letzten
versuch gemacht, die alten bundesgenossen zum beitritt zu dem frie-
den zu bewegen, wir lesen bei Thuk. c. 22 : ol 5fe Hu^jnaxci iv T^
AaK€bai)iOVi auTol ^tuxov dvT€C. für das abgeschmackte aÖTOi hat
KrUger auTOU vorgeschlagen, aber man wird zugeben dasz das gelinde
gesagt höchst überflüssig ibt (die zur Verteidigung angeführten stellen
aus Thuk. passen nicht), ich würde daher die von Herwerden ge-
billigte emendation Rauchensteins f Ti fiuxov Tiapöviec willig an-
nehmen, wenn ich nur das dadurch in den text gebrachte factum für
richtig halten könnte, aber ich glaube nicht dasz die abgeordneten
der wider^penbtigen bundesgenossen noch da waren, db. die ganze
zeit über da geblieben waren, sie werden nach hause gegangen sein,
sobald sie inne geworden waren, dasz ihr protest gegen die unlieb-
samen clauseln des Vertrags zu nichts führte , also wahrscheinlich
schon nach der vorläufigen ratification an den Pandien, sicherlich
nach der eidesleistung. ich glaube daher dasz die Lakedaimonier,
ehe sie sich zu dem schritte des scparatbündnisses mit Athen ent-
schlossen, die bundesgenossen zu einem letzten ausgleich versuch
noch einmal berufen haben, und schlage daher vor zu schreiben:
fiMüUer-Strübing : das erste jähr des peloponnesischen krieges. 709
ol bi. EüjLijiaxoi ^v t^ AaKebduovi aöGic fxuxov öviec, mit um so
mehr Zuversicht, da auch Grote mit seinem politischen commonsens
schon das richtige so ziemlich gesehen hat: Hhe envoys from the
recusant minority (Corinthians and others) after going home for
instructions , had now come back to Sparta.'
Dagegen hat derselbe Grote sich unzweifelhaft geirrt, wenn er
gleich darauf sagt: Hhe Athenian envoys had remained at Sparta
ever since the swearing of the peace/ das kann nicht sein, denn
es ist ganz unmöglich, dasz die 17 männer, die den friedensvertrag
abgeschlossen und beschworen hatten, bei ihrem abgang von Athen
zugleich eine instruction mitgebracht hätten, was sie thun sollten
für den fall dasz die Lakedaimonier eine der wichtigsten bestim-
mungen des Vertrags^ die herausgäbe von Amphipolis, nicht erfUllen
wollten oder könnten, und dasz die mächtigsten der peloponnesischen
bundesglieder den frieden gar nicht annehmen würden, über eine
so durchaus veränderte Sachlage, die den erwartungen der Athener
so wenig entsprach, muste, ja muste ein ausführlicher bericht an
den souverän in Athen erstattet werden, und zwar mit aufklärungen,
mit begutachtungen , die sich schriftlich gar nicht abgeben lieszen.
und bei den debatten und Verhandlungen, die darauf in den volks-
versamlungen (denn mit 6iner war es sicherlich nicht abgethan) er-
folgt sein müssen, musten auch die abschlieszer und beschwörer des
friedens zugegen sein, wenn nicht alle 17, dann wenigstens die ein-
fluszreichsten und bedeutendsten unter ihnen, das erste ist freilich
bei weitem das wahrscheinlichste, und Thukydides hat das auch,
denke ich, verständlich genug angedeutet durch die worte am schlusz
von c. 22 TiapövTUJV oi3v irpecßeujv dirö tuüv 'AOrivaiujv, ^offenbar
dieselben die den friedensvertrag behandelt und beschworen hatten'
sagt Olassen, aber ich meine, Thuk. würde das deutlicher ausge-
drückt haben, etwa fxi irapövTUJV ouv tüjv TTp^cßewv.*
^^ waren diese gesandten denn wirklich die 17 mnnner, die kurz
vorher die friedensurkunde unterschrieben und beschworen hatten? in
unsern hss. steht das freilich, aber ich gestehe, das will mir nicht in
den sinn, es sind zwei darunter, von denen wir wohl mit Sicherheit
annehmen dürfen dasz sie, wenn nicht dem frieden überhaupt, so doch
einem solchen frieden unter den damaligen Verhältnissen abgeneigt
waren: Demosthenes und Lamachos (über den letztern s. Arist. Fri. 473).
dasz sie trotzdem unter den athenischen friedenscommissären, die die
Unterhandlungen in Sparta zu führen hatten, sich finden, das ist sehr
begreiflich, und sie sowie ihre politischen freunde musten das selbst
wünschen, schon um der friedenssüchtigen partei des Nikias bei den Ver-
handlungen über die bedingungen das gegengewicht zu halten, um wenig-
stens allzu weit gehende Zugeständnisse athenischerseits zu verhindern,
dann aber konnten sie sich schlieszlich der Unterzeichnung des doch immer
unter ihrer mitwirkung vereinbarten documents nicht entziehen, waren
aber die athenischen commissäre nach hause zurückgekehrt, um über
die unerwartete Wendung, die die dinge genommen hatten, zu berichten
und den souverän, den dcmos, zu neuen instructionen zu veranlassen,
dann werden jene beiden männer sicherlich dem monströsen verschlag
(natürlich des Nikias), mit Sparta ein sepnratbünduis auf 60 jähre zu
710 HMüller-Strübing : das erste jähr des peloponnesischen krieges.
Wie dem auch sei , es musz die friedensfreunde in Athen weit
längere zeit als Ungers 13 tage gekostet haben^ dem athenischen volk
die monströäe idee eines separatbündnisses mit Sparta mundrecht zu
machen, und selbst in Sparta wird der widerstand der einfluszreichen
mSnner, die dem frieden mit Athen, geschweige dem bündnis abge-
neigt waren (vgl. c. 36 aa.), nicht leicht u)id schnell überwunden
worden sein, war der entschlusz die symmachie zu schlieszen auf
beiden seiten einmal gefaszt, dann konnten die Verhandlungen tlber
die einzelnen bestimmungen freilich keine groszen Schwierigkeiten
machen, und so wird wohl diesmal Grote wieder recht haben, wenn
er sagt, die beratung über ein bündnis mit so wenigen und einfachen
Stipulationen könne nicht viel zeit weggenommen haben, es sei bald
nach der rückkehr der gesandten aus Amphipolis geschlossen, wahr-
scheinlich nicht mehr als 6inen monat oder zwei nach dem frühem
frieden, das läszt sich hören, wenn ich nun bei diesen 1 — 2 monaten
einen mittelweg einschlage und das bündnis etwa 5 wochen nach
der scblieszlichen ratificierung des friedens, also nach dem 15n ela-
phebolion ansetze, so würde das auf das ende des munichion führen,
vielleicht gerade auf den letzten dieses monats, das heiszt genau auf
den Jahrestag des Überfalls von Plataia.'* der Schriftsteller h&tte
schlieszen, sich aufs kräftigste widersetzt haben, und dann soll das
athenische volk sie wieder nach Sparta geschickt haben, blosz am —
denn nachdem das princip der allianz einmal angenommen war, gab
CS im einzelnen nichts mehr zu verhandeln — also blosz um das be-
treffende document zu unterschreiben und su beschwören? sicherlich
wäre Demosthenes in Sparta, mit dem man doch jetzt auf dem freund-
schaftlichsten fusze stehen wollte, keine persona grata gewesen, aas
diesen iunern gründen halte ich den § 1 von c. 24 für ein übrigens
kinderleichtes emblem des redigierenden grammatikers. Tbuk. wird sich
gar nicht die mühe gegeben haben, die Unterzeichner dieses so zu sagen
totgeborenen Vertrags noch erst zu nennen, wie er ja überhaupt das
document nicht vollständig mitgeteilt hat. es fehlt ja auch der ein-
sang mit der in einem nur für eine bestimmte zeit, wenn auch für 60
jähre, geRchlossenen vertrage ganz unentbehrlichen datierung. dieser
verdacht der unechtheit ist übrigens schon Julius Stcup aufgestiegen.
(>r sagt (Thiikyd. Studien, Freiburg 1881, s. 84): 'weun Thuk., was wir
oben (8. 70 f.) als höchst wahrscheinlich erkannt haben, sich die frei-
hcit genommen hat, am ende der friedensurkunde die uamen der Ver-
treter der bundesgenosscn Spartas wegzulassen [über diese Wahrschein-
lichkeit läszt sich freilich streiten], bo hätte er wohl auch veranlassung
{Tchabt, von der mitteilung des Protokolls über die beschwörang des
bündnisvertrags, welches für jeden aufmerksamen leser des geschichta-
Werkes ganz überflüssig ist, abzuseheu.' und ich glaube, er hat es ge-
than. denn die gründe, die Steup gleich darauf anführt, weshalb es
sehr gewagt sein würde 'entweder c. 19, 2 oder c. 24, 1 für das mach-
werk eines intorpolators zu erklären', können mich nicht übersengen,
was sich indessen hier nicht erörtern läszt.
^'^ freilich kann die datierung des Überfalls kaum eine genaue ge-
nannt werden: denn es ist ja nicht zu leugnen, dasz Ungers auslegong
i\en T€XeuTU)VTOC ToO nr\v6c auch ihre berechtigung hat. Thuk. will
offenbar abbichtlich keine genaue Zeitbestimmung geben, was ja auch
der Zusatz ^dXiCTQ bei der angäbe über den einfall der Lakedaimonier
HMüller-Strübing: das erste jähr des peloponnesischen krieges. 711
also die zehn jähre, um die es ihm so sehr zu thun ist, gewonnen,
ganz und voll, wenn er sich für berechtigt hielt, zu diesem behuf
die zeit zwischen der ratificierung des friedens und dem abschlusz
des bündnisses in den TrpuJTOC ttöXcjlioc Euvcxu'C f €VÖ|li€VOC hinein-
zuziehen , wie er ja am schlusz von c. 24 wirklich thut , und das TÖ
G^poc fipx€ TOÜ £vÖ€KdTOu ^Touc entspräche dem äfia fjpi dpxojii^vip
des ersten kriegsjahres. das ist der grund, weshalb ich nicht gewagt
habe diese letztere. Übrigens wie oben schon gesagt völlig über-
flüssige, höchst entbehrliche Zeitbestimmung in 11 2 zu streichen,
wenn sie auch nur einer — wie soll ich mich nur so respectvoU
wie möglich ausdrücken ? — nun , unser dichter sagt ja : 'ein jeder
mensch hat seinen wurm, Kopemicus den seinen' — und so will ich
denn sagen, einem wurm, einer grille, einer schrulle des Thukjdides
ihren Ursprung verdankt, so haben wir sie doch zu respectieren, um
so mehr, da sie doch wahrscheinlich durch ein ästhetisches motiv
veranlaszt ist — wenigstens gewis nicht, wie das Unger (zeitr.
s. 44) annimt, durch das religiöse motiv, mittels der willkürlichen
Verschiebung des Sommeranfangs eine bestätigung der prophezeiung
der 27 jährigen dauer des krieges zu gewinnen, was hat auch diese
deutlich beweist, denn kennen muste er die beiden data genau, da er ja von
sich sagt, er habe den krieg beschrieben dpHd|Uievoc eöOOc KaOicrafi^vou,
mag das nun heiszen, wie ich meine, er tieng gleich an eu schreiben,
oder wie andere, die also den schriftsteiler sein werk gleich mit einer
ungenauigkeit, wenigstens mit einer Unklarheit eröffnen lassen, die worte
auslegen, er fieng an sich notizen zu machen, ist aber die berechnung, dasz
der abschlusz des bündnisses wirklich ungefähr auf den Jahrestag jenes
Überfalls fiel, richtig, dann erhält auch der ausdruck aÖTÖ&€Ka ^TiXiv
uapeXOövTWV seine volle berechtigung — nicht so der zusatz Kai rj^€pdiv
ÖX{ywv iTap€V€YKOUCiIfV, der doch eigentlich mit aOröbcKa im Widerspruch
steht, den ich aber trotzdem nicht anzutasten wage, weil sich viel-
leicht auch in ihm das schwanken des Schriftstellers bei der vorläufigen
redaction dieses ganzen abschnittes verrät, möglich ist es aber auch,
dasz der überarbeitende grammatiker die r]yLipac oi) iroXXdc irapcveTKoOcac
aus c. 26, 3 auch hier anzubringen für nötig gehalten hat. ebenso geht
es mir mit dem was unmittelbar darauf folgt: f\ die t6 irpiJbTOV i\ £cßoXf|
f| ^c tV)v 'ATTiKf|v Kttl 1^ dpxi?) ToO iToX^imou ToOöe iT^veTO. auch hier bin
ich nicht sicher, ob der unleugbare durch keine interpretationskniffe zu
beschönigende Widerspruch, der in diesen Worten liegt, mit Emil Müller
durch die Streichung der worte TÖ irpuiTOV f| £cßoXf| i^ ic Tf\v 'ATTiKf|v xal
zu entfernen ist, oder ob wir nicht pietätsvoU in ihnen ein Zeugnis von
dem ringen des Schriftstellers mit seinem stoff zu erkennen haben, der,
als er sie vorläufig, versuchsweise, natürlich am rande, niederschrieb,
über die chronologische gestaltung desselben mit sich selbst noch nicht
im reinen war und noch mit sich darüber zu rate gieng, ob er den von
ihm aus ästhetischen gründen Ipstgesetzten anfang des krieges auch
für die historische datierung festhalten, oder ob er sich der allge-
meinen auffassung seiner Zeitgenossen, die erst den einfall der Lake-
daimouier in Attika als den wirklichen kriegsanfang betrachteten, an-
schlieszen sollte, in allen diesen dingen erkenne ich deutlich die spuren
der mangelnden Überarbeitung: denn nimmermehr kann ich glauben dsss
Thuk. diese Seltsamkeiten, diese schreienden Widersprüche so nackt, so
aller künstlerischen Verarbeitung und Verhüllung bar hätte stehen lassen
können.
712 HMiiller-Strübing: das erste jähr des peloponnesiBcben krieges.
Weissagung mit der datierung des Nikiasfriedens zu than? sie wird
ja auch erst später erwtthnt, c. 26, da wo Thuk. sich mit höchst selt-
samer logik entschuldigt (qui s^excuse, s'accuse), die jähre des faulen
friedens in den krieg hineingezogen zu haben, denn es heiszt dem
sinne nach so: das folgende hat derselbe Thuk. geschrieben
bis dahin , wo die Lakedaimonier die herschaft der Athener stürzten
und die mauern niederrissen, im ganzen hat dieser krieg 27 jähre
gedauert, und wenn jemand glaubt, die Zwischenzeit des Vergleichs
sei kein krieg, so irrt er: denn wer die dinge genau betrachtet, der
wird finden dasz diese zeit nicht friede zu nennen ist, da manche be-
dingungen nicht erftlllt wurden und in verschiedenen gegenden feind-
Seligkeiten stattfanden, so dasz also, wenn man den ersten zehn-
jährigen krieg und den unsichern stillstand und den darauf wieder
ausgebrochenen krieg zusammenrechnet, die angegebenen jähre
herauskommen, mit einer dififerenz von nicht vielen tagen, nun,
dasz vom anfang des krieges bis zum fall von Athen ungefähr 27
jähre vergangen waren , das wird auch damals niemand geleugnet
haben; es handelt sich ja nur darum, ob Thuk. berechtigt war die
Zwischenzeit des beschworenen und nach griechischem Staatsrecht
noch nicht durch jene einzelnen thätlichkeiten , vielmehr erst durch
den ein fall der Athener in Lakonien gebrochenen Vertrags (s. V 45.
115. VI 105) mit zur kriegszeit zu rechnen. Thuk. fUfalt denn auch
die schwäche seiner argumentation recht gut und sucht sie dadurch
zu stärken, dasz er sich darauf beruft, mit dieser auffassung nicht
allein zu stehen: 'und so haben auch diejenigen, welche auf Pro-
phezeiungen etwas geben, einzig und allein diese bewährt gefunden,
denn ich erinnere mich sehr wohl, dasz vom anfang bis zam ende
des krieges es vielfach ausgesprochen wurde, der krieg werde 3 mal
9 Jahre dauern* — wahrscheinlich von solchen bänkel Wahrsagern,
wie wir sie aus Aristophanes Vögeln und sonsther kennen, und auf
solches gewäsch soll Thuk. bei der chronologischen gCbtaltung seines
Stoffes rUckbicht genommen haben, weil er, wie Unger nach Classen
sagt, ^die müglichkeit übernatürlicher ein Wirkungen keineswegs in
abrede stellen will'? aber man bedenke doch, wie hchlecht die übri-
gen zahllosen orakel , von denen Thuk. II 8 spricht , dabei wegkom-
men, warum hatte denn dies orakel allein das Privilegium einzu-
treftcn? ich glaube vielmehr hier denselben sarkastischen ton zu
erkennen, in dem das pest- und hungerorakel in II 54 besprochen
wird. — Übrigens musz dem Schriftsteller die erinnerung an dies
Orakel behr spät gekommen sein, wenigstens findet sich im ersten
buche, da wo er von der dauer seines krieges spricht (s. o. s. 667),
keine hindeutung darauf, auch nicht in den reden der ersten bücher,
wenigstens für den gewöhnlichen menschen verstand, freilich hat
ein .sehr orthodoxer Thukydidesjtingtr, LHerbst (Philol. XXXVIII
s. r)H2), in einigen dieser reden allerlei mysteriöse hindeutungen auf
das ende des krieges gefunden (man wird unwillkürlich an die Scho-
lastiker und die mes&ianischen Weissagungen erinnert), zb. in der
RBüDger: zu Xenophons anabasis [III 4, 19—28]. 713
renommistiscben äoszerung der Korintber 1 121 lixß. viKt) vaufjiaxtac
Kard TÖ cIköc dXicKOVTai ('AOiivaToi) eine Prophezeiung der schlacht
Yon Aigospotamoi. doch meint auch Herbst, Thuk. habe diese Weis-
sagung den Eorinthern erst post eventum in den mund gelegt (offen-
bar in unbewuster befolgung der amerikanischen klugbeitsregel 'never
prophesy unless you know'). Über diese theorie wird anderswo zu
reden sein, hier will ich nur noch 6ine stelle anführen , VII 28, 3,
wo es beiszt, zu anfang des krieges habe kein mensch geglaubt, der-
selbe werde länger als 6in oder zwei , höchstens drei jähre dauern,
ich bin begierig, wie die Verteidiger der einheitlichen entstehung des
Werkes des Thuk. die concordanz dieser äuszerung mit der orakel-
stelle zu stände bringen werden, mich geht das nichts an , da ich
schon lange dies ganze capitel für interpoliert erklärt habe (s. Thukyd.
forsch, s. 29 ff.), ich werde das anderswo weiter begründen und
auch den einwurf, wo denn der interpolator alle seine Weisheit,
namentlich über die eiKOCTTJ herhabe, beantworten, denn ich glaube
das jetzt zu wissen, vorläufig mag man diese und andere von mir
aufgestellte behauptungen etwa als die thesen ansehen , die ja einer
rechtschaffenen doctordissertation nicht fehlen dürfen, und die später
verteidigt werden sollen.*
* im ersten artikel dieser abhandlung sind folgende versehen zu
berichtigen :
s. 592 z. 4 V. o. lies ^um den 20n april' statt ^um den 5n april'
s. 608 z. 19 V. o. lies ^namen' st. ^annehmen'
ebd. anm. z. 9 v. o. lies.EAA st. EUi^l
London. Hermann Müller- Strübinq.
103.
ZU XENOPHONS ANABASIS.
In der anabasis III 4, 19 — 23 berichtet Xenophon von den
einrichtungen, die getroffen wurden, um im carr6 weiter marschieren
zu können^ ohne dasz durch terrainschwierigkeiten Unordnung hervor-
gerufen würde, diesen bericht behandeln Büstow und Köchlj 'ge-
schichte des griechischen kriegswesens' s. 187 — 189; PVollbrecht in
diesen jahrb. 1856 abt. II (bd. 74) s. 76 ff. und in seiner ausgäbe der
anabasis einl. § 38 f.; E Wahner im programm des gjmn. zu Oppeln
1865; LReinhardt in der zs. f. d. gw. 1879 s. 9 — is. Eüstow und
Köcbly gehen gar nicht darauf aus alle einzelheiten zu erklären ; aber
auch von den andern erklärem läszt sich nicht sagen dasz sie die
Schwierigkeiten beseitigt hätten, hoffentlich dient die folgende ab-
handlung zur förderung der sache.
714 RBünger: zu Xenophons anabasis [III 4, 19—23].
Zunächst schildert Xen. in § 19 und 20 die beim marsch im
gleichseitigen viereck sich ergebenden Schwierigkeiten, dabei schei-
det er zwei föUe. die werte f|v fJifev cuTKUiTTq . . troXcfiiuiV ^tro-
jLi^vujv bandeln von dem falle, dasz bei Verengerung des weges oder
beim herantreten von bergen die flanken zusammengedrängt, da-
durch die einzelnen leute der töte eingepresst und aus dem gliede
gestoszen werden und die ganze töte in Unordnung gerät, während
hernach , wenn die flügel sich wieder seitwärts ausdehnen , lücken
entstehen, die bei etwaigem angriff ebenfalls die kämpf tUchtigkeit
des heeres beeinträchtigen, daran schlieszt sich am ende des § 20
mit den worten Kai ÖTTÖre bioi . . TOtc troXcjLiioic der zweite fall , in
dem beim passieren eines defilees an marschieren in breiter front
überhaupt nicht mehr zu denken ist und jeder dem andern zuvor-
zukommen sucht und dadurch Unordnung hervorgerufen wird, da
der übrige text sowohl wie die sache an sich diese Scheidung fordern,
musz das derselben widerstrebende f^ Teqpupac in § 19 gestrichen
werden, zumal sich im folgenden dieselbe Scheidung findet
Wie bei den misständen werden nemlich auch in der Schilde-
rung der maszregeln zur abhilfe (§ 21 — 23) beide fälle scharf unter-
schieden; vom ersten handeln § 21 und 22, vom zweiten § 23. genau
entspricht Ö7t6t€ [xiv cutkutttoi toi K^para in § 21 dem f^v fifcv
cuTKUTTTf) Td K^paTa ToC TiXatciou in § 19, und el bi Kai biaßiotivciv
Tivd Ö601 biäßactv fi T^9iJpav in § 23 dem Kai öttötc biox T^q>upav
biaßaiveiv fj ä\\r\v Tivd bidßaciv in § 20.
Zur abhilfe für den ersten fall werden nun 6 lochen zu je
100 mann bestimmt, wie § 43 zeigt, je 3 lochen für die töte and
für die queue. wo das carr6 in der gewöhnlichen breite marschieren
kann, marschieren die vier enomotien jedes lochos neben einander,
beim zusammenschieben der flanken aber brechen die enomotien je
nach bedürfnis ab , so dasz eventuell alle 4 enomotien jedes lochos-
hinter einander marschieren, vielleicht brachen unter umständen
sogar eine oder zwei ganze lochen ab. bei erweiterung des terrains
marschieren die einzelnen abteilungen nach möglichkeit wieder auf.
vom abbrechen handelt § 21, vom aufmarschieren § 22. obwohl
nun letzterer § auch bisher richtig verstanden ist, wird doch all-
gemein — Rüstow und Köchly handeln nicht ausdrücklich von dieser
stelle — das UTT^jLievov ucTCpoi in § 21 so aufgefaszt, dasz die
3 lochen der töte mit denen der queue vereinigt hinter dem ganzen
carre zurückgeblieben wären, abgesehen aber von der Verkehrtheit,
dasz durch eine solche maszregel die töte gerade von ihren besten
truppen entblöszt worden wäre und somit einem etwaigen angriff
der feinde nur schlecht hätte begegnen können , hätte man dal)ei ja
gar nicht die dem jedesmaligen terrain entsprechende breite her-
stellen können , sondern immer gleich die ganzen 3 lochen aus der
töte weggenommen, wie wäre dann auch umgekehrt der allmähliche
auf marsch, wie er in § 22 beschrieben wird, wieder möglich ge-
wesen? das uTT^jLievov ücrcpoi kann also nur vom abbrechen, db.
RBünger: zu Xenophons anabasis [111 4, 19— 23j. 715
dem binterschieben hinter die übrigen abteilungen der töte verstan-
den werden.
Aus dem eben gesagten ergibt sich dann weiter die unechtheit
der Worte tötc be trapfiTOV f£iü9ev toiv KcpdTiuv in § 21. diese
Worte werden nemlich auf grand der eben zurückgewiesenen auf-
fassung yon UTT^juievov ucTCpoi von Rehdantz und Reinhardt erklärt :
'sie rückten auszerhalb, dh. hinter den flügelcolonnen heran.' damit
stimmt im wesentlichen Vollbrecht überein : 'sie rücken auszerhalb
der flügelcolonnen heran und marschieren hinter denselben neben
einander auf.' von der sachlichen undenkbarkeit abgesehen kann
hier doch aber gar nicht von einem heranrücken die rede sein, da die
lochen ja zurückbleiben, also höchstens nachrücken könnten, und
der gebrauch von fEujOev für 'hinter' wäre mindestens ein sehr
schlecht gewählter ausdruck. die sprachgemäsze erklärung könnte
doch nur etwa sein : 'äie marschierten auszerhalb der flügelcolonnen
vorbei , oder (nach der töte) auf.' die worte erscheinen sonach als
zuthat eines interpolators, der utt^jülcvov öcTCpoi in dem erwähnten
falschen sinne verstanden hatte und nun erklären wollte, wie die
3 lochen der töte wieder auf ihren platz kamen, ohne das gros zu
belästigen, er bedachte nicht dasz bei dem hier behandelten falle
ein völliges ausscheiden der 3 lochen gar nicht notwendig war. ver-
mutlich ist dies also derselbe interpolator , von dem das f\ Yeqpüpac
in § 19 herrührt, da beide zusätze nur von jemand stammen können,
der die von Xenophon unterschiedenen fälle zusammenwarf.
Der § 23 gibt dann mit den worten ei bk Kai . . öUßaivov an,
wie beim passieren der engeren defileen^ durch die man nur in
schmälster front kommen konnte, die einzelnen abteilungen hinter
einander folgten, und dies bedarf weiter keiner erklärung.
Was die ganze formation des carr6s anlangt, so trefifen Rüstow
und Eöchlj aller Wahrscheinlichkeit nach das rechte, wenn sie die
töte und queue nur aus den je 3 elitelochen bestehen lassen, wunder-
bar ist eS; dasz Reinhardt jene sowohl wie Wahner mit der bemer-
kung corrigieren zu können glaubt, dasz neben den 3 lochen noch
die flankencolonnen marschiert seien, ein blick auf irgend eine der
8 Zeichnungen bei Wahner konnte ihm zeigen, dasz dieser es auch
nicht anders gemeint hatte, und so ist es sicher auch bei Rüstow
und Eöchly. recht dagegen hat Reinhardt wahrscheinlich, wenn er
als normalaufstellung der 3 lochen 8 mann tiefe und 36 rotten, dh.
bei einem räume von 2 schritt für den mann, 72 schritt breite an-
nimt. wenn Rüstow und Eöchly 4 mann tiefe und 6inen schritt
räum für den mann rechnen, so können sie das nur für die gefechts-
stellung gemeint haben, obwohl sie dies nicht andeuten, vielleicht
hatten überhaupt auf dem marsche alle 4 seiten 8 mann tiefe, wäh-
rend für das gefecht die leute der 4 inneren glieder neben die der
4 äuszeren traten, wodurch ohne Zeitverlust gleich der normale ge-
fechtsabstand gewonnen wurde.
Oben war gesagt dasz, wo die flanken sich zusammenschoben,
716 BBünger: zu Xenophons anabasis [III 4, 19 — 23].
vielleicht auch 6in oder zwei ganze lochen abgebrochen wttren. als
sicher kann dies nemlich nicht gelten, da man es bei so geringer
breite vorziehen konnte, analog dem fall des § 23 den 6inen oder
zwei lochen vorausmarschieren zu lassen, und wenn in § 22 erwähnt
wird , wie beim auseinandertreten der flUgel die 3 lochen zunächst
in enomotiencolonne eintreten, so konnte dies ebensowohl durch
zurücktreten in die front als durch aufmarschieren geschehen, auch
aus dem oviTOi . . uTT^jiievov öcrepoi in § 21 läszt sich nichts schlieszen
über das zurückbleiben ganzer lochen, streng richtig wären ja diese
Worte nur, wenn immer die ganzen 3 lochen zurückgeblieben wären.
dasz dies nicht der fall war, bedarf keines beweises mehr; es wird
vielmehr vom ganzen gesagt , was immer nur für diesen oder jenen,
gröszern oder kleinem teil galt, deshalb wäre es auch unberechtigt,
aus diesen worten etwa zu schlieszen, dasz die töte und queue noch
aus mehr truppen als den je 300 auserlesenen bestanden hätten,
hinter die dann die 3 lochen hätten abbrechen können.
Verdächtig erscheinen noch die werte des § 23 Kai et ttou bloi
Ti Tfic (päXaTTOC, ^Trmapricav outoi. sie besagen dasz, wenn es
irgendwo im carr6 nötig war, die 300 mann der töte oder queue zu
hilfe kamen, ein beispiel besonderer Verwendung finden wir auch
wirklich in § 43. eine solche Verwendung kann aber beim marsch
im carr6 kaum häufiger notwendig gewesen sein, und sie konnte die
Ordnung leicht stören, wenn sie trotzdem in § 43 angeordnet wird,
so geschieht das wohl nur, weil man dort schnell ganz besonders
rüstiger truppen bedurfte, der satz scheint also in seiner allgemein-
heit ansiöszig, während gßrade der später erzählte einzelne fall den
Zusatz veranlassen konnte, zu diesem sachlichen bedenken kommt
das formelle; dasz die bemerkung gar nicht hierher gehört, wo die
maszregcln geschildert werden , die man ergriff, um ohne Störung
der Ordnung den terrainschwierigkeiten gerecht zu werden, was soll
da die bemerkung, wie man den feinden entgegentrat, zumal un-
mittelbar darauf folgt TouTip toi TpÖTTiu iTrop€u9Ti.cav craGfiOuc
T^TTOpac V
Das resultat der vorstehenden abhandlung würde dahin zu-
sammenzufassen sein, dasz in § 19 f^ T^cpupac, in § 21 tÖT€ bk
TTapfiTOV ^EuüOev tuiv Kcpdrujv als unecht zu verwerfen ist und
OUTOI . . UTT^^evov öcrepoi nur das abbrechen bezeichnet, während
für die unechtheit der worte des § 23 Kai el ttou . . OUTOI nur die
höchste Wahrscheinlichkeit beansprucht werden kann.
GÖRLITZ. Richard Bünqer.
ESchirmer : anz. v. FWecke beitragen zur erkl. Hom. personennamen. 7 17
104.
BEITRÄGE ZUR ERKLÄRUNG HOMERISCHER PERSONENNAMEN VON FER-
DINAND WeOK. wissenschaftliche BEILAGE ZUM JAHRES-
BERICHT DES LYCEUMS ZU METZ 1883. Metz, buchdruckerei der
gebrüder Lang. 34 8. 4.
Wir sind dem vf. auf dem gebiete der Homerischen namen-
erklärung schon einmal begegnet in seiner abh. ^die Homerischen
Personennamen auf -euc' (Saargemünd 1880. 43 s. 4). dort war er
der erklärung von GCurtius entgegengetreten, welcher ein suffix
-eu statuiert, das dem slav. -ov (verba auf -ovati) gleichzustellen wäre.
Weck war nemlich durch die beobacbtung, dasz die ältesten namen
auf -cuc eine lange paenultima haben, zu der Vermutung gekommen,
dasz hierin die ein Wirkung eines folgenden vocals zu erkennen sei,
und da eine solche einwirkung nur von einem ursprünglichen t {j)
zu erwarten ist, so schlosz er sich der Pottschen hjpothese an, dasz
das gr. -euc dem skr. und lith. -jus entspreche: in dem ursprüng-
lichen i habe sich nemlich der consonantische und der vocalische
bestand teil getrennt und jener (das j) habe sich dem vorhergehenden
consonanten assimiliert und so positionslänge der vorhergehenden
silbe bewirkt, während dieser (das i) sich zu € getrübt habe und
mit 0 oder dem damit wechselnden u die contraction in eu ein-
gegangen sei. (im weitern hatte Weck dann die an der band der ety-
mologie und lautgesetze gefundene theorie auch sachlich zu begründen
versucht durch den nachweis, dasz sich so eine für die träger der
namen höchst angemessene bedeutung ergebe , wie denn 'Obucceuc
auf die wz. buK zurückgeführt entweder der ^leuchtende', also die
passendste bezeichnung für den alten gott des frühlings, oder —
nach der secundären bedeutung der wz. — der ^geziemend, rühm-
lich handelnde' sein würde.) eine besonders interessante beobach-
tung hatte auch schon damals den vf. belehrt, dasz die in der ältesten
zeit so beliebten namen auf -euc später neuen bildungen haben wei-
chen müssen, die dann die Ursache wurden zur annähme auch neuer
Personen, welche zu den trägem der altem namen in dem Verhältnis
einer Jüngern generation gedacht wurden: vgl. NiiXeuc und N^CTUjp
(wz. ned), 'AZeiic und *'Aktujp usw.
Einen kühnen vorstosz und zwar einen solchen von principieller
bedeutung macht auf demselben gebiete der vf. mit seiner neuesten
programmabbandlung, welche in jeder beziehung einen erheblichen
fortschritt bezeichnet, er wendet sich hier gegen diejenige erkltt-
rungsweise, welche — im ganzen den alten Griechen folgend und
neuerdings besonders durch AFick vertreten — bei den griech.
Personennamen die composition als die regel annimt und die kurzen
namen als kosenamen auffaszt, welche erst durch Verstümmelung
ursprünglicher componierter voll namen entstanden wären, er ver-
sucht dieser erklärungsweise gegenüber den nachweis zu führen,
dasz vielmehr kurze namen das ursprüngliche und die umfang-
718 ESchirmcr : anz. v. FWecks beitragen zur erkl. Hom. perBonennamen.
reicheren erst aus ihnen durch einen process natürlicher entwicklung
bzw. cntartung entstanden seien.
Urspiilnglich war — das ist der gedankengang des vf. — der
Personenname nichts als ein adjectiv. aber natargemftsz sucht als-
bald die spräche dies adjectiv als personennamen von dem in der
function des adjectivs verbleibenden zu scheiden, und diese Scheidung
kann entweder dadurch herbeigeführt werden, dasz das als personen-
name fungierende die Weiterbildung des adjectivs nicht mehr mit-
macht, ^erstarrt', oder dadurch dasz es selbst zu verändeningen
schreitet, die es von dem adj. deutlich unterscheiden; und ist dann
der letztere weg einmal beschritten, so thun das bedürfnis der indi-
vidualisierung, die gesteigerte nachfrage, die willkür des namen-
gebcrs das ihre, um die einmal recipiertcn personennamen immer
manigfaltiger zu gestalten, die art nun, wie dies geschah, ist ver-
schieden gewesen bei den verschiedenen Völkern, ganz anders zb. bei
den Hörnern als bei den Griechen : bei jenen bestand sie in der an-
einanderreihung einer ganzen anzahl von namen, bei diesen wird das
eigentliche nomen proprium nur noch höchstens durch den genitiy
des vaternamens begleitet, indem die patronjmika -ihre urtiprQog-
liche function selbst bei Homer schon einzubUszen beginnen durch
übergehen in die bedeutung eigentlicher namen. vielleicht aber
zeigte gerade die an ihnen deutlich erkennbare weiterwucherung der
ursprünglichen namen den weg für die weitere entwicklung der
13crsonennamcn , nemlich den weg der suffixalen erweiterung; viel-
leicht war auch nur die von haus aus dem adjectiv eigentümliche
fUhigkeit sich durch suffixc zu erweitem bei den als personennamen
fungierenden adjcctiven die Ursache ihrer ausgestaltung in dieser
rieht ung. hierbei aber gerieten die an sich ganz unschuldigen suffixe
bei dem phantasicvollen Gricchenvolk in gefahr xu fthnlich klingen-
den nomina umgedeutet zu werden, der Volksetymologie zu verfallen,
und das so fertig gestellte angebliche compositum rief dann auch
zahlreiche analogiebildungen ins loben.
So ist es nur eine ausgeburt der Volksetymologie, wenn der
ausgung -kXt^c in alten namen (der übrigens bei Homer gar nicht
vorkommt.) von kX^oc abgeleitet wird, vielmehr ist der bei Homer
vorwiegende ausgang -kXoc das ursprüngliche und nur aus -koXoc
(lat. culuSy vgl. Patcrctdus — TTdTpOKXoc Hercules Proculus) unter
dem einflusz des verses verkürzt, nicht anders ist es mit dem aus-
gang -iTTTTOc . er hat mit Yttttoc ursi)rUnglich nichts gemein , auch
Homer denkt daran trotz aller ncigung zu etymologischen Spielereien
ebensowenig, wie er bei -kXoc ( kXt^c) an kX^oc denkt, die ursprüng-
liche form ist vielmehr das suffix -tt€TO, welches eine ver«tftrkung
des begriffs bedeutet (vgl. uipote^ cffomet aus egomple, memei aus
nwmj^tCy ipsc aus isptey ja in doppelter anwendung ipsippc), nur so
ist es bei dem Wortspiel mit Kti^cittttoc (u 287 flF.) : KTcdTCCCi irc-
TTOiOuüC begreiflich, dasz Homer nicht von den Yttttoi redet; nur so
auch die lautspiegelung erkennbar, welche in KTcdrccci den ersten
KScbirmer : rtnss. v. FWecks beitragen zur erkl. Hom. personennamen. 719
und in 7r€TTOi6(JüC den zweiten teil des namens wiedergibt; so erklärt
sieb aucb das feblen der aspiration in naroen wie Acukittttoc; so
scbeint sieb eine möglicbkeit zu ergeben das unselige monoptoton
äXKi aus der weit zu scbaffen, wenn n^mlicb das äXKi TT6TTOt9üJC
nicbts als eine zeitgemäsze Umgestaltung eines nicbt mebr verstan-
denen dXKiTreT/icic (vgl. ötpmeTricic) = SXkijlioc wäre ; so wird aucb
der streit über die natur des c in Ktiicittttgc mit Einern male be-
graben (da nicbt KTdo|Liai, sondern Krf^coc grundstock ist); so
erklärt sich die nebenform MevdXiTnroc neben MeXdviTTTTOC un-
gezwungen als die ursprünglicbe form , welche zu der letztern form
erst umgescbmolzen wurde, nachdem man nud. einmal das suffix
-7T6TOC mit dem vorhergehenden i zu ^^ttttgc zusammengearbeitet
hatte ; nur so wurde auch 0 547 eine lautspiegelung mit ciXiTTobac
erzielt; die übrigens noch vollkommener sein würde, wollte man statt
des unglückseligen eiXiTTobac ein auXiir^rac lesen ; so findet endlich
auch 6Ö17TTTOC eine erklärung als - ableituhg von dem adj. diic. das
aus -TTeTO übrig gebliebene -ttto hat übrigens noch eine merk-
würdige erweiterung erfahren in dem ausgang -7Tt6X€|lioc (mittels
eines aus -aXiinoc umgemodelten Suffixes ^oXejLioc oder mittels einer
mittelstufe -tttoXoc, welche dann die gedanken auf nTÖXejLioc
brachte), und so ist denn NconTÖXcjLiOC nichts anderes als der *ganz
junge', Ar))LiOTTTÖX€|iOC von briinöc = crassissimus.
Eine neue deutung erföhrt jetzt auch der ausgang -jiiaxoc : er
hat mit jiidxr) nichts zu schaffen , wie denn die träger dieser namen
mehr mit der kinderstube als mit dem schlachtfelde zu schaffen
haben, sondern er ist in zwei bestandteile jua-xo-c zu zerlegen, von
denen der erste -jua- ein zur bildung dos adjectivs' odter Personen-
namens dienendes suffix, xo aber ein nachträglich angehängtes hypo-
koristisches oder deminutives element ist. so ist TTiX^]tiaxoc köseform
zu TrjXc^oc (k 509), eöpOjuiaxoczu GCpupoc (erhalten in GupuiLifbTic),
^Avbpojudxn aber zu dbpöc (alfio die 'kleinfe Überaus holde'), hypo-
koristische bildungen sind auch diie nänrnren auf -ÖXOC und -Xoxoc:
so ist At)(oxoc nicht hostes iemns\ was eine füi* seinen ti*öger (0 34 1 f.)
geradejiu iixmisch klingende benennung wäre, sondern hypokoristikon
zu br\x6c ^bit^ig', also eine sehr passende befeeichnung für den, der
sich unbedachtsam unter die Vorkämpfer gemengt hat. ebenso ist
'ApxAoxoc als köseform «= ''erstlirig* {princep$){ wie denn der
andere Antenoride *AKd|Liac (wzi dK ödef dK>= 5eg) der 'folgende'
(Secundus) ist.
Suffixal sind auch die ausgänge auf -juevoc (erweitert jLi(e)viOC
-)a€v€Öc -)Li€vr|C);'sie haben mit ji^voc nichts zu thun, sondern stelldn
das bekannte suffix -)Li€vb (das auch in Picumnits Vertumtiüs tititu-
mnus vorliegt) mit seinen Wandlungen dar. noch weiter angeschwol-
len, neralich durch das comparativsuffix -T€pO (wie "AvTiqpoc zu
*AvTi(pOT€poc — 'A|Li(poT€pöc wird), zeigt sich diese bildung in
KXuiaijuivricTpri (aus KXuTaijiievric — RXiiiacoc = KXÜTaToc — kXu-
TÖc), während der name ihres gatten 'AyoM^MVUJV dasselbe suffix
720 ESchirmer : anz. v. FWecks beiträgen zur erkl. Hom. personennamen.
durch anfügung des amplificativen -UJV (Curtius) erweitert zeigt
und somit auf "Ato^oc — AiYajiAOC zurückweist, also mit ATficGoc
zusammenfällt, mit dem suffix -jLievo hängt endlich vielleicht auch
der ausgang -r|vr] ('AXK|Lir)VTi) und weiterhin -rjvujp zusammen, das
mit ävrip nichts zu thun hat, so wenig wie der ausgang -avbpoc.
ebenso ist es ein unbegründeter aberglaube^ wenn man den ausgang
-Xaoc (-Xeiuc) mit Xaöc zusammenbringt, obwohl doch die neben-
formen -Xoc -XXoc vorliegen (CG^veXoc — CGev^Xaoc), und Weck
hatte diesen Zusammenhang auch schon bei den personennamen auf
-Xeuc (im oben besprochenen programm) sowie in einer besondem
abh. «BaciXeuc» (Philol. XLI s. 193 ff.) widerlegt, die rätselhaften
'Apxeci- und TTpujTeciXaoc entpuppen sich jetzt als erweiterungen
von "ApKecoc und TTpiwTecoc oder TTpiiiiacoc (= TrpdrraTOC vgl.
beuTaTOc).
Doch wir verzichten auf die anführung weiterer einzelheiten;
wer im dämmerlichte der tradition mit jenen deuteleien kopfschüttelnd
sich abzufinden bemühte, wie sie namen wie TiiX^juiaxoc usw. herbei-
geführt , der wird zunächst aufatmen bei der einfachheit dieser dea-
tungcn. und wer dann näher beobachtet, mit welch sicherer methode
der vf. arbeitet, wie er nicht im luftigen reiche der phantasie, son-
dern auf dem festen boden positiver thatsachen, welchen die Home-
rischen gcdichte darstellen, sich bewegt, wie er dort mit vollendeter
umsiebt die gesetze der spräche und metrik handhabt (ich mache
besonders darauf aufmerksam , wie der vf. durch die thatsache, dasz
die hauptsilben des vermeintlichen zweiten bestandteiles der angeb-
lichen composita, zb. des -ittttoc in KirjciTTTTOC , wenn eben möglich
vom ictus gemieden werden, zu dem seiner theorie so völlig an-
gemessenen Schlüsse gelangt, dasz jene silben durch synkope aus
zwei kurzen entstanden sein müssen), wie er mit umfassender be-
lesenbeit ausgerüstet die namen stets in lebendigem Verhältnis zn
ihren trägem betrachtet — der wird die Überzeugung gewinnen,
dasz wir hier nicht nur einen geistreichen versuch, sondern solide
rcsultatc vor uns haben, wenn auch nicht alles sich als stichhaltig
erweist — wir möchten dem vf. wenigstens nicht überall folgen —
so wird doch das verdienst die Homerische namenforschung in neue
und riehtigere bahnen gelenkt zu haben ihm nicht bestritten werden
dürfen, es kann ja auch dem vf. an der nichtanerkennung dieser
oder jener deutung um so weniger gelegen sein, als er selbst im
eingang anerkennt, dasz die mis verstandenen suffixalen bildungen
in den Jüngern partien selbst schon der Homerischen gedichte zn
analogiebildungen geführt haben, in denen in der that composition
anerkannt werden musz und gegebenen falls auch einmal eine der
überlieferten erkläru'ngen ihr recht behält: das princip des vf. wird
dadurch nicht alteriert. so sei denn die saubere abhandlung, die auch
durch die klarheit und frische der darstellung sich auszeichnet, der
beachtung dringend empfohlen.
Metz. Karl Schirmbr.
KFrey: Homenscbes.
HOMEBISCHES.
1. Die sage der Odyssee und des Nibelungenliedes, die sage
hat bekanntlich die historiache tbatsache, dasz ein teil der Burgnnder
von den Hunnen vernichtet wurde «htndicarium Bttrgundionum
regem inter GaUias häbüarUem Chunni cum populo suo ac sUrpe
dekverunt) so gedreht, dasz die Burgunder nicht in ihrer heimat,
BondBrn im saale der hofburg Etzels umkommen, wenn mau annimt ■
dasz dieses verfahreu der sage vom freiermord zu gründe liege, so
ergibt sich für diese das historische factum, dasz Odysseus, ein
machtiger mann der insel Ithake, dessen barg — auf der zur Ver-
teidigung und zum angriff geeignetsten stelle der ineel, nemlicb auf
dem isthmos, welcher beide hälften verbindet, prächtig gelegen —
erstaunliche trümmer hinterlassen hat, die Ä'eier nicht in seinem
Saale, Rondem in ihrer eignen heimat, also auf Dulichion, Same,
ZakyntboB und in Ithake umher besiegte,' dasz er Ithake unterwarf
und von hier aus Dulichion, Same und Zakyntbos. dem freiermord
liegt dann also die bildung oder entstehung eiues Eephallenerreiches
zu gründe, und daaz diese historische thatsache in der Odysseus-
sage wohl vermutet werden darf, daftlr möchte der umstand spre-
chen, dasz B 625 Odysseus wirklich als der fQrst eines Eephallener-
reiches erscheint, welches wenigstens aus Ithake, Rrokyleia, Aigi-
lips, Zakyntbos, Samos und Epeiros besteht.
2. Die nympbenbßble auf Ithake, BHercher bestreitet mit recht,
und die jungen aus Vathy, welche mich in die höhle begleiteten, be-
stritten es ebenfalb, dasz die nymphengrotte mehr als einen ein-
gang habe, einen gegen norden und einen gegen sQden. und wenn
wir auch geneigt wttren Homer als eine art Bädeker oder geographie-
buch aufzufassen, so würde uns diese ansieht doch hei der betraoh-
tuDg der vorhandenen höhle durchaus im stich lassen. Ja es ist über-
haupt unmöglich sich nach der Schilderung Homers eine wirkliche
höhle vorzustellen.
Was hat nun Homer mit seiner Schilderung gewollt, mit den
beiden eingingen, einem für die menschen und einem fUr die gStter?
am deutlichsten gibt uns darüber eine stelle des Quintus Smyrnaeus
aufschlusz. er beschreibt VI 469 eine höhle ganz in derselben weise
wie Homer: 'zwei eingSoge sind daran, der eine gegen den Boreaa,
der andere gegen den Notos : durch den einen gehen die sterblichen,
der andere ist der weg der seligen, und menschen betreten ihn nicht' ;
fUgt aber bei : 'denn ein weiter schwarzer räum geht bis zum Hades.'
offenbar ist mit dieser beschreibung eine endlose böble gemeint,
dergleichen der Volksglaube an vielen orten vermutet, und sie zeigt
uns, dasz auch mit der Schilderung der nympbengrotte eine solche
gfmeint ist. natürlich ist auch davon auf Ithake nichts zn finden.
Homer spricht noch einmal von einer endlosen höhle: nemlicb die
JjihrbUcIirr dir cliss. pliilol. 1881 hfL 10 u. 11. 47
722 KFrey: Homerisches.
der Skylle ist gegen das dunkel gewandt zum Erebos fi 81; er sagt
aber nicht dasz sie zwei eingänge habe, weil sie von menschen nicht
betreten wird.
3. unbedeutende persönlichkeiten in der Ilias. die anhttnger
der liedertbeorie pflegen allzu siegesgewis die Schediosstellen (P 306
und 0 515) und die stellen von Apisaon (A 578. N 411 und P 348)
als die stärksten, wenn auch neben allen andern eigentlich über-
flüssigen beweise der buntscheckigkeit der Ilias anzuführen (s. Lach-
manns betrachtungen s. 77): denn was macht Homer eigentlich?
nichts anderes als dasz er 1) einen namen mit variierter apposition
und 2) in den Apisaonstellen überdies eine Verwundung wiederholt,
können wir aber nachweisen , dasz beides hie und da bei Homer in
Ilias und Odyssee vorkommt, so dürfen jene stellen als beweise der
zusaromenflickung der Ilias nicht mehr gelten, wir wollen es ver-
suchen.
1) Homer erlaubt sich bisweilen denselben personen verschie-
dene namen zu geben, in der Odyssee haben wir einen Melanthios
und einen Melantheus, und ein ithakesischer greis heiszt zuerst vater
des Antiphos und zuletzt Antiphos selbst; in der Ilias kämpft zuerst
N 792 ein söhn Hippotions und dann E 514 fllllt Hippotion selbst,
was ist ihm Hippotion! gegen dergleichen unbedeutende Persön-
lichkeiten glaubte Homer gleichgültig sein zu dürfen, ich denke:
auch Alkimcdon, der freund Automedons P 500, und Alkimos, wel-
cher T 382 mit Automedon die pferde anspannt, bedeuten denselben
mann, sind nur verschiedene namen für eine und dieselbe person.
umgekehrt haben verschiedene personen denselben namen. der
herold Agamemnons heiszt £urybates und der des Odyssens Eury-
bates; der diener Agamemnons Eurymedon und der Nestors wieder
Eurymedon. oder sie haben eben einen nur wenig variierten namen.
A 145 fällt ein söhn des Antimachos namens Hippolochos, und
M 188 ein söhn des Antimachos namens Hippomachos (deutlich ist
die absichtliche kleine Variation des namens, damit nicht zweimal
derselbe falle). A 423 lautet: XepcibdjiiavTa b' fireiTa Ka0* Virtruiv
äiHavia und Y 401 *l7T7Tobä|LiavTa b * inexia usw. warum sollte also
Homer nicht zwei verschiedenen persönlichkeiten denselben namen
mit variierter apposition geben dürfen ? durch die Variation ist jeg-
lichem mis Verständnis vorgebeugt; kein mensch kann mehr sagen:
da fällt der gleiche zweimal! dasz beide Schedios auch führer der
Phoker sind, macht die gleichgültigkeit Homers allerdings straf-
barer; doch mag es nur ein höherer grad (nicht eine andere art)
von gleichgültigkeit sein als diejenige bei Hippolochos und -machos
und Cbersi- und Hippodamas.
2) das unaufhörliche wiederholen von versen ist eine der wunltler-
liebsten eigen tümlichkeiten Homers, wiederholt er aber verse Aber
essen und trinken, Sonnenaufgang und -Untergang, fahren zur see
und zu lande usw., so kann er auch verse von kämpf und tod, von
Verwundungen wiederholen, natürlich mit verftnderung der namen
KFrey: Homerisches. 723
der verwundeten persönlichkeiten, and das kommt in der Ilias wirk-
lich häufig vor, YgL N 61 f. mit £ 451 f. und A 143 mit 820. in
diesen beiden stellenpaaren werden zwar Terschiedene namen ein-
gefügt; nachdem wir aber gesehen haben, dasz Homer sich anch
mit bloszer variierung begnügt, kOnnen die drei Apisaonstellen
nicht mehr als beweise der nichteinheit der Hias gelten; sondern ab
übereinstimmend mit der poetik Homers müssen sie zusammen von
diesem dichter stammen und beweisen, dasz wenigstens A 577 —
P 347 eigne arbeit Homers ist.
4. Pylaimenes. mit der erscheinung, dasz £ 576 Men^laos den
Pylaimenes erlegt und dasz dieser dennoch N 658 der leiche seines
sohnes folgt, mOge man vergleichen, dasz im Bolandslied XXX Othon
tot und zwanzig yerse nachher lebend erscheint, es gilt dem dichter
zuerst die grösze der niederlage zu schildern; er bringt also alle
namen an, die ihm aus der sage bekannt sind (und zwar ohne sich
durchaus um X zu kümmern, wo er schon einmal zwOlf pairs ge-
nannt hat):
Charles s^^crie: 'oA, Roland, dtes-yous?
oÄ Tarchev^qae et le comte Olivier?
oÄ 8ont Q^rin et son ami G^rer?
le dnc Othon, le comte B^ranger?
Ives, Ivoire, eux que j*ai tant aim^s?
qa*eBt deyenn le Qascon Angelier?
Sanche le dnc et le brave Ans^is?
oA sont G^rard de Bossilon, le yieox,
les douse pairs qne j'y ayais laisstfs?
gleich darauf aber braucht er diener des kaisers ; er wfthlt sie unter
demselben berühmten personal ; der glänz des namens verführt ihn
Othon wieder zu nennen, und es entsteht ein schneidender logischer
Widerspruch :
le roi commande Othon et Gibonin,
Thibaat de Reims et le comte Milon:
mit einem glänzenden namen hier und dort effect zu machen war des
dicbters einziger zweck, und dann fragte er nicht nach der logischen
berechtigung. und diese manier scheint mir der art, wie Homer hie
und da verföhrt, ähnlich zu sein. ^
Ein herausgeber meint zwar zu der zweiten stelle: 'il y a lä
une erreur de oopiste.' indessen was hilft das, da Othon s(^on X
unter den zwölf pairs erscheint und am ende des gedichtes dennoch
einer derjenigen ist, welche die leichen Bolands, Oliviers undTurpins
begleiten :
le roi commande, et Thibant, Gibonin,
Milon le comte et le marqniB Othon
ont transport^ les corps sur trois voitnres.
Bern. Karl Fbbt«
47'
724 HStadtmüller: zur kritik des Aiscbylos.
106.
ZUR KRITIK DES AISCHYLOS.
Perser 114 fif. Ddf. TauTÖ juiou juieXaTxiTUJV qppf|V ä|Liucc6Tai
qpößuj, I öä, TTepciKOÖ CTpaTeiijuaTOC | loöbe, jLif) ttöXic TiuGriTai
K^vavbpov ji^T* ficTU Couciboc. wer in diesem satze ttöXic neben
acTD halten will , wird immer genötigt sein zu einer gekünstelten
Interpretation seine Zuflucht zu nehmen, sicherlich ist äcTU snbject
und das object zu TTuOr]Tai ist durch ttöXic verdrängt worden, darum
hat Oberdick in der sache recht, wenn er juiöpov aufnahm; das wort
aber, das Aisch. geschrieben, war wohl ein anderes, wie folgende
verse lehren: Perser *254 Ojnujc b* dvdiTKii Tiäv dvarrTÜEai TiäOoc,
291 UTiepßdXXei t^P n^^ cujiqpopd tö |üif|T€ XÖai jLirJT' £pujTf)cai
TTderi, 43G TOidb' ^tt* auTOuc fjXGe cujucpopd TidGcuc. danach
ist obige stelle so zu schreiben: ITepciKOÖ CTpaieufJiaTOC TOub€ fif|
7Td9oc 7Tu9T]Tai K^vavbpov iLiet' dcTU Couciboc.
In der tetrameterpartie , in welcher Atossa sich nach volk und
land der Hellenen erkundigt , ist v. 239 fehlerhaft überliefert in M:
TTÖTCpa Ydp toHouXköc alxixi] bidxcpöcaÖT* TTpeiret. weil x^pöc
iambisch sein musz, ist es nur zu halten bei consonantischem an-
laut des folgenden wortes; gewöhnlich aber ändert man (unter her-
zte! lung des pron. auToTc) den sing, in x^poiv mit filroslej oder in
den plur. mit Brunck. mir scheint es sicherer den überlieferten
numerus beizubehalten, dagegen bqioic für auT* oder auToTc zu
schreiben: aixjir) bid X^P^^ b(jiotc Trp^TTCt. Hellas heiszt eine
bda X^pot V. 279, zu yergleichen aber sind namentlich folgende
stellen: OK. 699 drX^^J^v (p6ßTi)ia batu)V, Prom. 424 bdioc
cipaTÖc, 6£uTTpLUpoici ßp^jLiujv iv aixiüiciTc, Pind. Nem. 8, 28
bdoiciv . . fe'XKea {)f\Eav 7ToXe)Lii2^6|Lievoi ütt' dXeHijLißpÖTUJ Xötx?»
In der botcnscene heiszt es obd. 391: qpößoc b^ TTdci ßap-
ßdpoic Tiapfiv I Tvu>)üiiic dTTOCcpaXeiciv. vor beginn des kampfes
waren zwar die Perser über den unverhofften widerstand der Grie-
chen überrascht, aber immer noch voller siegeshoffnung und in
dem glauben den feind zu vorderben; dasz sie alle schon damals in
furcht und angst gewesen seien, kann der böte nicht vor der
küni^nn behaupten; ebensowenig darf der dichter den feind vor den
sie^'orn in einer weise schildern, dasz dessen besiegung zu einer that
oline verdienst herabsinkt, in erinnerung an das Homerische rdqpoc
b* t\e irdviac Iböviac und idqpoc b' eXev dvbpa ?KacTOv hat wohl
Aisch. an obiger stelle den boten sagen lassen: Tdqpoc bk näci ßap-
ßdpoic TTai^nv.
ebd. f)32 musz statt des überlieferten ui ZcG ßaciXeC, vOv
TTepcÜJV ein vollständiger anapästischer dimeter stehen, es ist anf-
fiilli^^ dasz unter den verschiedenen ergänzungsversiuchen (dXX' (Ii
Turnebus, vöv tdp Hermann, ßaciXeö titttc cu Dindorf) derjenige
noch nicht gemacht worden ist, bei welchem sich das versehen des
HStadtmflller: lar kritik des Aitchjloa. 725
abschreibera am leichteaten erklKren ISszt and auf welchen andi die
diction des dichterB hinzufahren scheint : ea heiazt hier TTcpciItv
CTpaTiäv ÖX^cac, nun vgl. man Perser 926 nävu Tap<pi3cTiCftuptäc
ävbpitiv ££^<p9ivTai, Ag. 1456 tüc irävu noXXäc i|>ux&c ÖX^-
cac' {in6 Tpoii;, Cho. 661 nävu d^icEiv 'ATafiEfivoviutv otKiuv
dXEdpbv. ich fUge alao nävu nacb vuv ein and lese: ib ZeO
ßaciXeO, vöv nävu TTepciXiv ubw.*
Sieben vor Theben 365 f. ateht in M folgendea: in' dcni-
boc b' dcdj I xdXKi'tXaTOi xXdJIouci Kt&butvec: q>öftov. die hgg. be-
gnfigten sich zum teil mit der correctur b' ictu, teile Bohrieben sie
noch andern has. bk ti{j, Dindorf wollte bi toi, Weil bi nou. iah
meine daaz hier die metapher angewandt war, welche dam Aiscbjloa
eigentümlich ist zur bezeichnung des schitdea und scbildrandea. bei
Hesychios beiazt es: ä\ujc' i\ ToO f|X(ou f^ ccXr|Vr]C nEpup^peia.
AIcxüXoc TTEpi9^pcia Tf)c dcniboc kqI kOkXoc, und so lesen wir
auch bei Aisch. Sieben 489 äXui bi TtoXXi^, dcniboc kökXov Xiym.
wollte man aber aus der beifllgung des explicativen dcniboc KÜkXov
Xifiu scblieazen, der dichter habe das wort äXiuc hier znm ersten
mal in der tragCdie gebraucht, es kSnne nicht an einer frahern
Btelle ohne erlfiaternng vorg^ommen sein, wenn ea an einer
apStern mit einer solchen bedacht werde, so ist dieser achlnaz
falacb. denn erstlich ist t. 366 neben dcniboc jede interpretation
derart überflüssig, ja unmöglich, nnd zweitens ist ea gar nicht
gegen die weisb des Aiscbyloa, dasz ein und derselbe ausdruck das
erste mal ohne weitem zusatz gebraucht wird, während er spSter
wiederkehrend eine entsprechende, mit \if\u angeschlossene be-
Btimmnng erhält, oder sollte in dieser tragOdie v. 690 TOia06' 6
^ävTlc dcnib' cükukXov vcVu)V (ndrxoXicov rfiba) darum nicht
in Ordnung sein, weil nachher bei erwähnnng desselben Amphia-
raos {v. 609) oötujc Ö pävTic, ul6v OIkX^ouc X^fiu gesagt wird? ea
ist also meiner meinung nach v. 366 f. so zu sobreiben : isxt ' dcnibOC
b' äXuj I xo^Kii^O'i^oi KXdZIouci xiIibiuvEC (pößov. in v. 489 aber
bat man TioXXi'iv neben äXuj beanstandet, gewis mit recht, nur hat
Heimsoeth mit XEUKt^V schwerlich das richtige getroffen, nenerdings
hat Lugebil oben a. 453 pEfdXTiv vorgeschlagen (indem er fa^^£Tac
im vorhergehenden verse ^oxpöc empfiehlt), ea ist von dem Schilde
die rede: da ergibt sich, meine ich, die correcte bezeicbnung an«
* dasselbe wort ist nacb meiDem dafUrhaltea iu einem roru de*
ArUtophanes beriiutelleii. in den Bittem hat der Demos, welcher den
Papbln^onier za darchschauen anfangt, keinen sino mebr fflr dessen
liebesbeteuernngen, t. 821 ÖTiV] le <piX(&; f TtaO', ofrTocl koI (i^i cnip-
ßoXXe novtipti. dau ttdO ttuO' oötoc, worauf Blmslay kam nnd waa
VOD Bergk, Ueineke, Dindorf anfgenommoD wurde, nnmägliob ssi, baben
Kock and vTelsen erkannt, aber ich mQchte weder mit Jenem qnJUD;
ili naO' oOtoc nocb mit diesem (piXiIii vOv ttoO' oGtoc schreiben; anch
hier ist, was in der subrift sehr wenig verschieden ist von mO', ein-
ziuelien ndvu nnd Kleons warten belsngeben, a1«o> &nii CC 91X1D
itdvu; r noO" OÖTOC, Tgl. wdvu tnteu^iQ Lysias IS, 80.
726 HSiadtmüller : zur kritik des Aischylos.
folgenden stellen: Sieben 496 KOtXoT<icTopoc kukXou, Theokr.24,24
Ko{Xou UTT^p cäKeoc. Aischylos wird also nicht &Xu) bk iroXXtiv,
sondern &Xuj bk KoiXriv geschrieben haben.
ebd. 491 f. ist von dem Waffenschmied die rede, welcher das
zeichen auf dem Schilde des Hippomedon fertigte: ö omQTOUpTÖC
b* ou TIC €UTeXf|C dp* fjv, | öctic TÖb' fpTOv djTiacev irpöc dtcTribu
man hat über ujiracev bis jetzt hinweggelesen , und doch ist ÖTrdcai
mindestens kein präciser ausdruck da wo es sich um die befestigung
eines bildwerkes auf dem Schilde handelt; auszerdem ist die Verbin-
dung dieses verbums mit Tipöc meines Wissens nicht zu belegen, in der-
selben sceue finden sich in fthnlichem Zusammenhang, bei beschrei-
bung anderer schildwerke, die Wendungen 7rpocfJi€|Lir)X0(Vim^Vl|V
t6|üi901ci (541), kOtoc TipocribdqpiCTai (496); diesen entspricht
nicht ÖTtdcai, sondern dxii&cax: vgl. Prom. 4 f. Tip de ir^Tpaic . .
6xM^^<^i dbajuavTiviuv b€C|Liuiv ^v dppr|KTOic TT^baic. demnach ist
in V. 492 löxM^tcev irpöc dcTiibi für ujiracev tt. d. zu setzen.
ebd. 520 liest man cujTf|p T^voiT* Sv Zeuc ^tt' dctriboc
TUXUJV. es hat hier die glosse tuxuüV das wort des dichters ver-
drängt; dies ergibt sich aus 400 f. Ka\ vOiaa xaÜTTiv f\v \ij€\c Ire*
d c TT i b 0 c { dcTpoici jLiapMaipoucav oupavoO k u p € T v , und ans Hesy-
chios KUpuü* TUTXdvuj, Kupei* UTidpxet, Turxdvei. ich zweifle
nicht dasz Aischylos geschrieben hat: C(JüTf)p t^voit' fiv Zeöc in^
dcTTiboc KVjpÜüV.
ebd. 576 ist in M tiberliefert Ktti TÖv cöv aöOic trpdc fiöpav
dbeXqpcöv. eine sichere herstellung des verses wird wohl bei nn-
sern jetzigen hilfsmitteln nicht gelingen. Burgess und Blomfield
schrieben TrpocjLioXuiV ö|LiöcTropov , was Dindorf aufgenommen hat.
grosze Wahrscheinlichkeit hat ö|Liöc7ropov , wofür das dem trimeter
der tragödie fremde dbeXqpeöv als glosse in den tezt kam ; spnren
jenes Wortes sind sowohl in der lesart des Mediceus als auch in der
anderer hss. TrpöcTTopov erhalten, aber unmöglich ist TTpoc|LioXt[iv,
wie Weil gezeigt hat: denn Amphiaraos verläszt nicht das homo-
loische thor, sondern wendet sich nur nach der seite des andern
thores , um seine an den abwesenden Polyneikes gerichteten werte
auszurufen, da nun im folgenden von einer besondem, absichts-
vollen ausspräche des namens die rede ist, so meine ich dasz ans
TTpöc jüiöpav ein verbum zu entnehmen sei , das 'anreden' bedeutet,
und die Zusammengehörigkeit von TrpocGpoiüV und ToCvo^*
evbaTOUjuievoc läszt sich, meine ich, aus Aischylos selbst nachweisen:
wenigstens sind in der loscene des Prometheus 6vofia dTru€iv nnd
TTpocOpoeTv mit einander verbunden v. 593 ff. TröGev dfJioO cu
TTaipöc ßvojLi* dmicic; . . Tic uiv . . Jbb' Irv^xa TrpocGpocic;
ich setze also TrpocGpouiv ein, so dasz der vers folgendermasxen
lautet: Kai TÖv cöv aGGic irpocGpoujv öfiöcTropov.
Den Eteokles, der zum kämpf mit dem bruder auf leben nnd
tod entschlossen ist, bitten die Thebanerinnen abzulassen von seinem
beginnen ebd. 677 f. jiAri, (piXTax* dvbp&v, Olbinou t^koc , T^vq |
HStadtmüller : zur kritik des Aischylos. < 727
äpT^lv ö|Lioioc T(f) KÖiKiCT* aubujfji^vqj. man mag das letzte wort
medial oder passivisch fassen, also an die drobungen des Poljneikes
oder an die Schmähungen des £teokles denken : in beiden fallen ent-
halten gedanke und ausdruck etwas ungehöriges , lassen jedenfalls
die kunst des Aischylos vermissen, entschlusz und absieht des
Polyneikes erfüllen die Jungfrauen mit angst, und sie begehren dasz
Eteokles nicht nach gleichem trachte wie der bruder. man hat nur
zwei buchstaben zu verwandeln, üb in fji, und lese: öpT^v öjiioToc
Ttu KdKicra ixiuixivw, vgl. 686 ri jn^iiiovac, t^kvov; das part.
)Liu)^evoc aber findet sich Cho. 45 und 441.
In derselben scene heiszt es v. 716: viktiv fe jH^VTOi Kttl
KaKf)V TijLiqi Oeöc. sämtliche interpretationsversuche dieses verses
dürfen als mislungen bezeichnet werden. Eteokles hatte erklärt
(v. 715), den werten der frauen werde es nicht gelingen seine
Kampfeslust zu mindern, ihn umzustimmen, wenn darauf der chor
von einem siege spricht, so kann nur d^r gemeint sein, den die
bitten über des Eteokles trotz erringen sollen, diesen sieg be-
zeichnet er als einen gottgefälligen im gegensatz zu dem blutigen,
den Eteokles durch den brudermord erlangen will; auch erwächst
aus jenem dem besiegten keine schände , denn der herscher weicht
nicht der gewalt des starkem, sondern dem flehen der schwächern.
unmöglich aber kann ein solcher sieg eine vikt) KttKri genannt wer-
den: es ist ein ausdruck erforderlich ^ welcher besagt dasz jener
nicht gewaltsam, sondern durch Überredung gewonnen wird, nun
findet sich bei Euripides Or. 691 ff. folgende stelle, in welcher der
sieg mit waffen und der sieg durch die macht des wertes einander
gegenübergestellt werden : jüidxij M^v oöv fiv oux ÖTr€pßaXoi)Li€9a |
rieXacTÖv *'ApToc* el bk jLiaXGaKoTcXÖTOic | öuvaijueO*, ^v-
Tau6' ^XTriboc 7TpociiKO)Li6V. damit vergleiche man die worte des
Aischylos über den herscher der milde walten läszt statt der ge-
walt, Ag. 951 f. TÖv KpaToOvTa ^aXOaKoic Geöc TipöcwOev
eujLievuic irpocb^pKeTai. dieses jiiaXGaKÖc hat meiner meinung
nach auch im obigen verse gestanden, welcher demnach so her-
zustellen ist: viKTiv TC M€VTOi |LiaXGaK]?|V Tijiiqi Geöc: *du wider-
stehst meinen bitten' meint der chor *und doch ist den göttem der
sanfte sieg genehm , der durch wohlmeinende rede errungen wird.'
In den schluszanapästen der Sieben vergleicht der chor die ver-
schiedenartige bestattung, die den brüdern zu teil werden soll,
V. 1062 ff. cu T€ M^v TToXXdiv nevGriTi^pujv | Teurer kcTvoc b' 6
TÄXac äTooc | jiiGVÖKXauTOv ix\x)v Gpfivov dbeXqpfic | eTciv xic
&vo0vTd7TeiGoiTo; so ist der katalektische dimeter fehlerhaft
in M überliefert, den sinn der frage hat Hermann unter hinweis
auf V. 1060 f. im ganzen richtig angegeben, aber die herstelfnng
des verses ist ihm nicht gelungen , wenn er schrieb : elci ' Tic odv
öv TOt TriGoiTO ; ich meine dasz die lesart des M beizubehalten sei
bis auf die zwei letzten worte. im folgenden tritt der eine halbchor
der Antigone zur seite, entscheidet sich trotz des eben vernommenen
728 HStadtmüller: zur kritik des Aischflos.
Verbotes für diese und für die bestattung des Polyneikes; der andere
halbchor wagt es nicht dem gebeisz der bürgerschaft sich zu wider-
setzen, der chor hatte zu wählen zwischen den beiden möglich-
keiten und bat die wähl in verschiedenem sinne getroffen ; es wird
also Td TreiGoiTO inräb'SXoiTOzu ändern sein : ^wer könnte sich
dazu entschlieszen ?' sagt der chor, nemlich dasz er dem Polyneikes
der Stadt zum trotz die letzte ehre erweise, zu vergleichen sind
namentlich Cho. 933 T0Ö9' öjuujc aipou|Lie9a, Theokr. 11,49 Tic
Ktt Tujvbe GdXaccav fx^iv f\ KUjuaG' ?Xoito; Soph. Trach. 1236
TIC TttÖT* ÖV, ÖCTIC jLlfl 'H dXacTopuJV vocoi, SXoiTo;
In der parodos des Agamemnon werden die verschiedenarti-
gen gottheiten aufgezählt, deren altäre auf gebeisz der £[ljtaimnestra
mit opfergaben ausgestattet sind, v. 88 flf. TrdvTUiv bfe 0ۆjv tiDv
dcTuvöjLiuiV, UTrdTUJV, xöoviujv, tujv t* oupaviujv ti&v t' dTO-
paitüV usw. dasz die Wiederholung von UTidTUiV durch Tiöv t' oöpa-
viiuv unmöglich sei, wird jetzt wohl allgemein angenommen; mehr
als tuüv t' dYpovöjLiuJV oder toiv t' oäbaiu)V empfiehlt sich Engers
TU)V T€ Oupaiujv; da jedoch auch diese conjectur, welche sich im
wesentlichen auf den Apollo Thyraeus des Tertullian (de idol. 15)
stützt, keineswegs jedes bedenken ausschlieszt, so darf wohl noch
ein weiterer Vorschlag gewagt werden, bei Pausanias ist zu lesen
IX 10, 2: TTpüJTa jLifev br\ XiGou KOTd Tfjv fcoböv dcTiv 'AGiivd Kai
'€p|Lif]c, övo|Lia2^ö|Li€VOi Trpövaoi, es standen diese bilder zu Theben,
am eingang in den tempel des ismenischen Apollon; bekannt ist
die delphiscbe TTpoviiir|, vgl. Herod. 192 mit Aisch. Eum. 21 TToXXdc
Tipovaia. es gab also Geoi npövaci an verschiedenen orten, und
wenn sich dieser ausdruck bei Aisch. auch nicht findet, so werden
von demselben (Hik. 494) doch ßuüjLioi TTpövaoi erwähnt, in der
parodos des Agamemnon aber stehen nach den obigen versen fol-
gende Worte: ßuj|Lioi bu)poici qpXe'TOVTai (v. 91), wahrscheinlich
lautete demnach v, 90 tOüV t€ TTpovduJV TUiv t' dTopaiuiV.
In den anapästen, welche dem fesselhymnos der Eumeniden
vorausgehen, schreibt man v. 312 gewöhnlich nach Canters und
Hermanns herstellung euGubiKaiOi b' f)bö|LieG* elvai. an der rieh-
tigkeit von euGubiKaioi b* (überliefert ist euGubiKai G' o\b*) scheint
ein Zweifel kaum zulässig; dagegen halte ich f)bö|Li£G* nicht für das
ursprüngliche, in M steht oijLieG, dafür schreibe ich teVeG* (- ^ «)
und meine dasz dieser ausdruck bezeichnend ist für den leidenschaft-
lichen eifcr, mit welchem die Eumeniden an die Vollstreckung ihres
amtes gehen, die Verbindung dieses verbums mit dem infinitiv hat
Aisch. dem Homer und den epikern entnommen; anführen will ich
hier nur zwei stellen des Hcbiodos, an welchen dieser von wesen
ähnlicber art mit anwcndung desselben verbums spricht, von den
Keren Schild 251 Trdcai b' dp' levTO aijLia jH^Xav ni^civ, von den
Gorgoncn ebd. 230 fopTÖvec dTrXiiToi t€ kqI ou qpaTai ^ppiiiovTO
tejLievai juaTr^eiv.
Hkidelberu. Hugo StadtmCller.
UGlogl: zu Euripides. 729
(6.)
ZU EURIPIDES.
Elektra 545 f. dem greise, welcher die auf Agamemnon»
grab gefundene haarlocke für die des Orestes hält, pflichtet Elektra
nicht bei und sagt schlieszlich :
dX\' f{ TIC auTOu idqpov ^TTOiKTclpac Hevoc
^KCipai* f^ TTicbe CKOTTOuc Xaßujv xöovoc.
der zweite von diesen versen ist in seiner überlieferten gestalt cäsur-
los und ohne sinn, für das fehlerhafte ckottouc Xaßujv schlug Seidler
CKÖTOC XaßüüV, Weil wegen der cäsur ^v ckötuj jlioXüüv vor; das
richtige fand schon Victoriua: ckottouc XaGiiv. vgl. 93 XaGujv
Tupdvvouc, o'i Kpaioöci ificbe ff]C und 510 ^pruniac Tuxiiv. die
erwShnung der ckotto(, von denen schon in v. 97 die rede war, ist
hier trotz der einwendungen Fausts 'studien zu Euripides' (progr.
des realprogymn. in Altkirch 1881) s. 6 sehr am platze, mit der
Veränderung von Xaßu)V in XaGuüV sind aber die Schwierigkeiten noch
nicht gehoben. Mau 'zu Euripides Elektra' in den commentationes
Mommsenianae (Berlin 1881) s. 291 £f., der das Satzglied f^ Tfjcbe
CKOTTOUC XaOuJV x^ovöc für unvollständig hält, nimt zur ergänzung
desselben dahinter den ausfall eines verses an, der etwa fjiioXcv
'Op^CTTic eic qpiXuJV cuJTiipiav gelautet habe, legt die drei verse dem
greise in den mund und schlieszt sie nach ausscheidung von 518 — 544
unmittelbar an 517 an. dabei geht er jedoch von der irrigen Voraus-
setzung aus, dasz mit den werten f\ Tfjcbe ckottouc XqOujv X^ovöc
nur Orestes gemeint sein könne, und was die verse 518 — 544 betrifipt^
welche Mau wegen der kleinlichen polemik gegen Aischylos Choeph.
157 fif. für spätem zusatz hält, so ist zwar zuzugeben, dasz dieselben
manches seltsame enthalten, trotzdem sind sie jedoch nicht derartig,
dasz wir sie dem Euripides absprechen müsten , in dessen stücken
der kritiker bekanntlich manches was seinen beifall nicht findet
stehen lassen musz. auch in Dindorfs athetese der beiden verse
545 f. ist das richtige mittel der heilung nicht zu sehen, eine un-
befangene betrachtung der stelle lehrt, dasz hier durch fj . . ff (an
das fragende äXX' f\ ist hier ebensowenig zu denken wie Herakl.
147 f.) nicht^die participia ^TTOiKieipac und ckottouc XaGi&v ein-
ander gegenübergestellt werden, sondern dasz vielmehr die alter-
native gestellt werden musz: entweder sind die haare von irgend
einem fremdling oder von einem einheimischen auf das grab gelegt,
die letztere annähme ist durch v. 517, wo es als undenkbar bezeichnet
wird, dasz ein Argeier das grab Agamemnons besucht habe , keines-
wegs ausgeschlossen, denn ou fäp 'ApTeduv T^ Tic 517 sind worte
des alten, 545 f. aber spricht Elektra. Meklers conjectur ^KeipaT*
f\ 'ttic (firic) becTTÖiac XaGujv xöovöc (jahresb. des akad. gymn,
in Wien 1878 s. 36) enthält den richtigen gedanken, ist aber wenig
wahrscheinlich, um den notwendigen gegensatz zu S^voc zu er-
730 HGlogl: zu Euripides.
reichen, bat man einfach Triebe x^ovöc nicht mit ckottouc , sondern
mit TIC zu verbinden, diese beziebung wird um so deutlicher und
die hinzufügung von £k, die Pierson^ vornahm, um so unnötiger*,
wenn wir 646 schreiben, wie ich vermute, ^KeipaT* f| T^Jc 7f\cbi Tic
CKOTTOUC XaOüüV. so hat der vers angemessenen sinn und tadellose
cäsur. die corruptel ISszt sich durch den ausfall von THI vor THZAE
unschwer erklären; ein grammatiker, der ein Substantiv zu ty^cöC
vermiszte , ergänzte sodann x^ovöc und liesz Tic aus , um einen tri-
meter zu erreichen, den er wenigstens für correct hielt. — Wenn
Palej 545 f. nach 531 stellt, so ist zu entgegnen, dasz es durchaus
unnötig ist die stelle an die verse anzuschlieszen, in denen ebenfalls
von den auf dem grabe gefundenen haaren die rede ist. und wenn
Weil die Umstellung durch seine conjectur auTOUC, das er auf ßo-
CTpuxouc in 530 bezieht, bestätigt glaubt, so hat er auToO verkannt.
denn diese form ist hier keineswegs ein beziehungsloses pronomen,
wie er glaubt, sondern localadverbium 'dort', nemlich auf Agamem-
nons grabe, nach 544 sind die verse vielmehr sehr passend, nach-
dem Elektra die argumente und die zum teil allerdings recht un-
verständigen vorschlage des alten einzeln zurückgewiesen hat, bricht
sie das gespräch kurz ab, indem sie der Vermutung des alten mit
dXX' f{ TIC auTOÖ Tdqpov ^TTOiKTeipac H^voc
^KcipaT' f^ Y^c Tf\cbi Tic ckottgüc Xa6u)v
ihre eigne ansieht gegenüberstellt, so findet die scene durch 646 f.
kräftigen und um so wirkungsvollem abschlusz, da die zuschaner
wissen, dasz der greis doch recht hat und dasz die dvaTvdipicic bald
erfolgen wird, durch die frage des greises 547 ol bk Üvox noO ; die
sich zwanglos an iivoc in 545 anknüpft, wird dieselbe eingeleitet
Ion 483. nachdem der chor 472 £f. ausgeführt hat, dasz kinder
den sterblichen überschwengliches glück und groszer segen sind,
fügt er zur nähern begründung seiner werte 481 S, hinzu :
dXKÄ T€ fäp iv KttKOlC
CUV T* euTuxictic qplXov,
bopi T£ T^ TiaTpicji <p^p€i
cujTrjpiov dXKQV.
dasz der dichter dXKQ qp^pei cuJTrjpiov äXKdv gesagt habe, ist
undenkbar. Herwerden ersetzte daher dXKdv durch altXav. aber
in der Verbindung dXxf) qp^pei T^ naTpiqt cuJTnpiav t- denn mag es
cu)Tr)piov dXKdv oder alxXav heiszen , beides ist nur eine Umschrei-
bung von cu)Tr]piav — in jener Verbindung ist bopi unpassend.
eher könnte es böpu dXKi^ qp^pei T^ 7TaTpi(;i cu)Tiipiav heiszen. und
die hUu6ge Verbindung von böpu und dXKrj bei Euripides (vgl. Phoin.
1097 f. 1363. Herakl. 760 f. fr. 300, 3 N. Hei. 1152) läszt es über-
haupt nicht ratsam erscheinen dXxdv zu ändern, mit änderung 6inee
bucbstaben möchte ich vielmehr statt bopi schreiben böpu, das dann
^ ihm folgte Weil: ^Kcipax* f\ 'k Tf\cb* iv cköt^i noXdiv x^ovöc.
» zu TIC Tfjcfte 'xf\c vgl. Soph. Aias 425 oÖTiva crparoO und Mosgrave
zu Eur. Tro. 468.
HGlogi: zu Enripides. 731
wie öfter die Streitmacht oder wafPenstärke bedeutet und , da diese
auf der Jugend des landes beruht, zugleich die Verbindung mit dem
vorhergehenden (vgl. 477 vedvibec fjßai t^kviwv) vermittelt, die
stelle besagt somit? eine stark gesicherte Stellung ist ja in mislichen
und in glQcklichen lagen angenehm, und zwar ist es die wafPenstärke,
welche dem vaterlande sichernden schütz verleiht, auch fr. 362, 14 f.
wird mit den worten IneiTa T^Kva Toöb' ^kqti TiKTOiLiev, | die
OeOüV T€ ßwjüioiic TTQTpiba T€ ßuu)|üi€9a die beschützung des Vater-
landes als hauptaufgabe der Jugend hingestellt.
Ion 1288. als Ion die Ereusa, welche einen mord versuch auf
ihn gemacht hat, zur bestrafung ziehen will, flieht sie an den altar
Apollons und macht geltend, dasz sie daselbst unverletzlich sei. von
V. 1286 an lautet sodann die stichomythie :
löN. KäTreiT* ?Kaiv€c (so Heath, fKiavec hss.) qpapjüiäKOic töv
Tou Geou;
KP. dXX* ouK^T* fjcGa AoEiou, naxpöc bfe coO.
IßN. dXX' dT€VÖ|Li€c9a, Trarpöc b' oi)c(av X^t^w.
KP. ouKoOv tot' fjcGa- vOv b' ^t^, cu b* oök^t' €l.
während also Ion der Ereusa vorwirft, dasz sie den Pflegebefohlenen
desselben gottes, in dessen schütz sie sich jetzt stellt, zu vergiften
gesucht habe, entgegnet sie dasz ja Ion gar nicht mehr dem Apollon,
sondern vielmehr nur seinem neugefundenen vater Xuthos angehöre,
der folgende vers 1288 ist unverständlich und wird durch tilgung
von bi nicht geheilt. Seidler conjicierte zb. dXX* dT€v6|üi€c9a, naTpöc
dtrouciav \ifuj, Eirchhoff iraTpöc dTiouciqt XÖTqJ, Badham dXX*
dT€v6|U€c9a naTpöc, oö cu vOv X^y^i, Musgrave iraT^pa b' oöv c*
däv Xe'YU), Wecklein (ars Sophoclis emend. s. 194) Trax^p* ?u)C elbov
X^T^, FWSchmidt (analecta Soph. etEur. s. 111) dXX' ^XeTÖjLiecGa,
TTttT^pa b' ibc icov v^jiUJ, Eock (verisim. s. 240) dXX' oö T€v6|üi€9a
TiaTcpa AoEiav XifiX). keiner von diesen vorschlagen befriedigt,
gehen wir von s. 1089 aus. welches ist das gemeinsame prädicat zu
vOv b' dYUi, cu b* OUK^T* €? (Schmidt vermutet fälschlich cü b*
oiK^Tiic)? Ereusa kann mit diesen worten nur meinen: 'jetzt bin
ich dem Apollon geweiht, du aber bist es nicht mehr.' dieser
gedanke wird durch vOv b* zu dem unmittelbar vorangehenden in
ausdrücklichen gegensatz gestellt, daraus folgt dasz nicht OÜKOUV
tot' f)c9a 'du warst also damals nicht dem Apollon geweiht', wie
Schmidt wollte, zu lesen ist, sondern oökoOv tÖt* f)c9a 'du magst
also immerhin damals eigen tum Apollons gewesen sein.' da nun
dieser satz durch oukoCv als ergebnis aus den vorhergehenden worten
Ions hingestellt wird, so musz sich Ion in 1088 ausdrücklich als
eigentum des gottes bezeichnen, statt ouciav X^y^ ^^^^^ daher
oucia 9€0U zu schreiben sein. TTQTpöc aber ist daneben nicht am
platze, an seiner stelle wird vielmehr ein wort vermiszt, auf das
sich t6t€ beziehen k ann. Heath vermutete TÖ Trdpoc , wofür Her-
werden 'np6c9€V einsetzte, was nur zu billigen ist. somit lautet
V. 1088
732 HGlogl: zu Euripides.
dX\' iT€vö^€cea TTpöcGcv oucia Ocoö.
TroadesÖGlf. sagt Helene zu Menelaos:
na)c oöv 2t' fiv GvncKOi^i' Sv ^vöikiüc, tioci,
Tipöc coO biKaiu)c;
für sich ist sowohl dvbiKUiC als auch biKaiu)C passend, zusammen
sind sie indessen nicht zu ertragen : Matthiä hat sich vergeblich be-
müht ihnen verschiedene beziehung zu geben, von den conjectnren
sind zunächst diejenigen, welche beide werte ändern, zurückzuweisen,
nemlich Hermanns dvbiKOic biKQioic *iusto supplicio' und Bothes ^v
biKttic btKaiaic. Tjrrells npöc coO; biKaioTc (du bestrafst) ist durch-
aus nicht annehmbar und auch Herwerdens irpöc coO biKac6€ic*
gibt keinen passenden gedanken. an Seidlers biKatoc ist besonders
auszusetzen, dasz ein participium (ouca) fehlt, ich lasse vielmehr
biKaiUJC unbeanstandet und vermute oöc' fvbiKOC für&v dvbiKWC
nachdem fvbiKOC, vielleicht unter mitwirkung von ^vbiKUiC 970,
in ivbiKUJC übergegangen war^ wurde oOc', das nun keinen sinn mehr
hatte, in fiv verwandelt.
Troades 1167—72
iS qpiXTaG', üjc coi Gdvaroc fjXGe bucTuxnc.
el jLifev Top ?Gav€C npö TTÖXeu)c, i^ßnc tuxujv
TÖjiWJV T€ Kttl TTIC ICOG^OU TUpaWlbOC,
ILiaKdpioc fjcG' äv, €i ti rdivbe jLiaKdpiov*
vOv b' aÖT* Ibuiv jüifev Tvoüc xc Tf| Miuxq, tckvov,
oÖK oIcG', ixpr\c{X} b' oubfev iv böjmoic €x*J^v.
in diese worte bricht Hekabe beim anblick der leiche ihres von den
Griechen getöteten enkels Astyanax aus. die hsl. lesart der beiden
letzten verse bietet die grösten Schwierigkeiten, was soll xvouc
neben ibiby ? es als synonymen des letztem zu fassen, wie gewöhn-
lich geschieht, verbietet die Wortbedeutung, halten wir dagegen an
dieser fest, so passt es nicht auf Astyanax. denn da dieser als kleines
kind zu denken ist, wie 570 f. 744—46. 752—54. 757—60. 1165
zeigen, so kann von ihm nicht gesagt werden ^ dasz er die mit aärd
zusammengefaszten guter rißr], TdjLioi, Tupavvic erkannt habe
(TVOUC) oder zum Verständnis derselben gelangt sei. durch das
folgende ouk oTcGa, das überhaupt in der anrede an einen toten
seltsam ist, wird sodann der in yvouc liegende begriff wieder auf-
gehoben, auffallend ist ferner der zusatz ti^ ipt^xQ) zumal \\i\JXf\ den
verstand oder die erkenntnis, die es hier bezeichnen müste, gar nicht
bezeichnen kann, die gewöhnliche erklärung Widisti quidem ista,
sed nescis te vidisse , neque iis usus es , cum tamen domi haberes'
(GHermann) umgeht die Schwierigkeiten der stelle, neuerdings ver-
bindet Tyrrell in seiner ausgäbe der Troades (Dublin 1882) cQ
i|iux4 >^^t OÖK oTcGa und übersetzt: 'du hast gesehen und erkannt,
was es heiszt könig zu sein, hast es aber nicht an deiner per son
erfahren', wobei er an die durchaus nicht zu vergleichenden stellen
wie Hek. 87 denkt, wo i|iux^ *£X^vou Umschreibung für die person
des Helenes selbst ist. es bleibt dabei, die Überlieferung ist un-
HGloel: zu Euripides. 733.
baltbar (vgl. HCron in der zs. f. d. Ost. gymn. XXV [1874] s. 338).
für OUK oTcGa setzte Heatb daber oTxq T* ©in, Härtung cuvoicOa,
wofür Dindorf KOiTOicOa verlangte, Musgrave conjicierte ficGiic —
^Xpiicu) b' oubfev — dv bö|ioic ?xwv, Cron vöv b' aöx' ibuiv jn^v,
ou bk Tvouc ipux^, T6KV0V, OUK olcda. keine von diesen änderungen
beseitigt alle scbwierigkeiten. mir scbeint es zunächst nötig, das
anstöszige ^voiic T€ tQ H^ux^l durcb boüc t€ xfivipuxrjv zu er-
setzen, genaue beacbtung des zusAmraenbangs wird uns noch weiter
führen, nach 1167 — 70 würde Hekabe den Astyanax selig preisen,
wenn er als streitbarer beld im kämpfe für seine Vaterstadt gefallen
und nicht schon getötet wäre , bevor er herangewachsen war , ein
ehebündnis geschlossen und die herschaft angetreten hatte, danach
ist in 1171 f., in denen Hekabe jenem wünsche mit vCv bi die
traurige Wirklichkeit gegenüberstellt , der gedanke ibujv aurä o u k
olcOa nicht am platze, nicht dasz Astyanax überhaupt gestorben,
sondern dasz er schon als knabe gestorben ist, musz sie beklagen,
daher möchte ich vorschlagen :
vöv b* aöi' ibujv ixky bovc xe xf)v ipuxnv x€kvov
^x' fSc0\ ^XP^Ciw b* oubfev iv bö|Lioic fx^v.
^so aber warst du noch ein kind , als du das alles sähest und als du
dein leben dahingabst, und gelangtest nicht zum genusse dessen was
dich daheim erwartete.'
Phoinissai 983 ^tvujc. [T xi bfjx' ^pujüid |Lioi T^vricexai;
Valckenaers conjectur xi bfixa pO^d ^oi T^vricexai ; entfernt zwar
den metrischen fehler der Überlieferung, läszt jedoch ebenso wie
diese eine locale bestimmung vermissen. Musgrave vermutete xi bf)
xöb* fpuMci ^01 TCVrjcexai; 'quae autem tutela hoc mihi erit?' aber
statt xöbe, das sich auf C£)bivä AujbiüViic ßddpa bezieht, müste es
xdbe heiszen, und auch so ist die fragestellung noch unrichtig« denn
nicht welcher schütz, sondern ob ihm überhaupt schütz inDodone
gewährt werden wird, müste Menoikeus fragen, beachtet man aber
seine vorangehenden fragen ttoi |li€ XPH» ^rdxep ; sc. q)UT€iv 980 und
^K bk. xf]cb€ TT Ol TT€p(jü; 981, SO liegt die annähme nahe, dasz sich
auch die frage in 983 nicht auf den aufenthalt in Dodone , sondern
auf die Weiterreise bezieht, in dieser ansieht werden wir noch durch
die folgenden worte Kreons ttö^ttiilioc ö bai|üiu)V 984 bestärkt, denn
diese können nicht bedeuten Mer dodonäische gott wird dich gast-
lich aufnehmen', wie mehrfach angenommen ist, sondern nur
'er wird dich entsenden und geleiten.' daher wird zu schreiben
sein xi bf) xöx* fpujud |bioi TCvr|C€xai; 'welcher schütz wird mir so-
dann werden?' der scholiast hat also recht, indem er zu 983 be-
merkt: qpüXaYMd iiox T€vr|C€xai, ö icxi Tioia jue ttöXic beHajui^vTi
ciucei; und zu 984: auxöc, qpnciv, 6 ^vxaöGa 0€Öc Zeüc Trapan^impei
ce, XP^cjauj bnXtucac briXovöxi, öttou bei ce cxaX^vxa cujGfivai.
Berlin. Heinrich Gloel.
734 JLey : zu CiceroB Cato maior.
107.
ZU CICEROS CATO MAIOR.
4, 11 Tarentum vero qua vigilantiaj quo consüio recepU! cum
quidem me audienie Sälinatari, qui amissa oppido fugerat in aroem,
glorianti atque üa dicenti: mea opera, Q. Fabi, Tarentum recepisU^
certe, inquit ridens usw. dieses cum als das causale aufzufassen, waa
doch wenigstens einen sinn gäbe, gestattet der nachfolgende indieativ
nicht; das temporale cum aber oder gar das cum der identität gftbe
keinen sinn, da Cato unmöglich die einnähme Tarents als gleichzeitig
oder gleichbedeutend mit dem witzwort hätte bezeichnen können.
darum ist qui quidem zu lesen: dies ist bekanntlich eine bei Cicero
nicht seltene Verbindung, um eine gelegentliche bemerknng an eine
thatsache oder behauptung anzuknüpfen, hier also in dem sinne : *hat
er ja doch bei dieser gelegenheit den witz gemacht' ;. vgl. Xael. 4, 14
qui quidem . . triduum disseruit de re publica, wo Nauck es auch sehr
passend Welcher ja' übersetzt; ebd. 13, 48 quae quidem est tenera at-
que tradabüis Miese ist ja weich (mild) und nachgibig' (Nauck). das
quidem drückt in diesem falle weder eine begründung noch eine be-
schränkung aus, sondern nur eine beiläufige bestätigende mitteilung»
20, 75 quod igitur aduiescentes et ii quidem non sötum indoctij
sed eiiam rustici contemnunt, id docti senes extimescent? statt indocti
musz offenbar docti gelesen werden, denn erstens gibt indocti
keinen gegensatz zu rustici] ebensowenig wie im deutschen lente
ohne wissenschaftliche bildung in gegensatz zu landleuten gestellt
werden können, wollte man auch das wort rtAStiei im tadelnden
sinne für agrestes nehmen: 'bäuerisch, plump', wie es bei Ovidiua
öfter vorkommt (bei Cicero etwa nur de off l 35, 129: denn Phä. X
§22 ipsi rustici et agrestes beweist eher das gegen teil), so würde
urbani^j nicht indoctus als gegensatz erforderlich sein, abgesehen
davon dasz zu einem solchen tadelnden epitheton gar keine veran-
lassung vorliegt, zweitens: sieht man auf den Zusammenhang des
ganzen, in welchem von der aufopferungsföhigkeit für das Vaterland
die rede ist, so wäre eine solche gegenüberstell ung von manierlichen
und unmanierlichen leuten fast kindisch, liest man jedoch docti
(männer von wissenschaftlicher bildung), so passt dieses ebenso für
den Zusammenhang wie für den gegensatz. denn docti bezieht sich
dann auf die zuerst genannten männer: die Scipionen, L. Paulos,
M. Marcellus, rustici dagegen auf die zuletzt genannten legionen
(wie p, Ärchia p, 10, 24 nostri iüi fortes rtrt, sed rustici et mHUes);
aduiescentes im gegensatz zu senes umfaszt beide, docti und rustici^
da auch die genannten männer ebenso wie die legionen in ihrer
Jugendzeit die kriege führten, so dasz das nachfolgende docti senes
zu aduiescentes und rustici einen chiastischen gegensatz bildet.
Saarbrückkn. Jüliü» Lbt.
FRühl: vennischte bemerkuDgen. 735
108.
VERMISCHTE BEMERKUNGEN,
(fortsetzung yon Jahrgang 1878 s. 809—820.)
18. unter den papieren von Karl Lehre fand ich einen zettel
mit der Überschrift 'miscelle* und der bleistiftnotiz ^dies ist fertig'
am rande, den es mir der mühe wert scheint hier abdrucken zu
lassen.
£iT€OiK^vai und £tt€01KÖc wird im Thesaurus (und Pape oder
Passow-Rost haben nichts eignes) fast nur mit dichterstellen belegt,
nur drei stellen aus prosaikem werden angeführt: Arrian anab. IV 9, 1
uqp' ÖTUiv bf) . . ouK ^TT^oiKev fivbpa cuiqppovoOvTa ^riTTäcGai und
ebd. VII 15, 6 ovbk, Tip Tujjuaiujv TroXiTeüjuiaTi ^ttcoiköc fjv ^XeuO^ptii
bf) t6t€ ^c toi jidXiCTa övti napä ßaciX^a dXXöqpuXov . . Trp€cßeucai
und Plut. de anima in Timaeo 33, 5 (s. 1029 0 TÖ jiiv T^tp äpi9|Li(|i
ndvia ^TreoiK^vai Kaia Tf|v TTu9aT0piKf|v diröcpaciv Xcifou beitai.
es fehlt aber die wichtige stelle aus Arrians Indike 13, 1 TauTa Td
9Tipia (die elephanten) ouba^oiciv dXXoici 9iipioiciv ^tt^oik€v. unter
diesen umständen ist das ^tt^oikc ^ttcoikÖc zweimal in der anabasis,
6inmal in der Indike als eine eigenheit in der spräche des Arrian
bemerkenswert, und um so mehr, da die stelle aus Plutarch gewis
nicht zu den prosaischen stellen zählt, sondern deutlich genug, denke
ich, auf ein dichterisches äpi9|LiiD bi T€ TrdvT* ^TreoiKev zielt, welches
nachgebildet war dem Homerischen v^ip bi Te TrdvT' ^Ti^oiKev II. X
71. was es hiesz? ^es bedarf der erklärung* sagt Plutarch. ob so
geradezu und rein ^es ist ähnlich', wie in der stelle aus der Indike,
die um so bemerkenswerter bleibt, ist wohl fraglich.
19. In dem auszuge des Photios aus Etesias Persika c. 23^
heiszt es: ArmäpaToc be ö AaKebaijLiövioc iTap€T^V€TO fibr\ TTpOü«
Tov Ka\ cuvfiv auTip dv Tr| biaßdcei. f{br] irpOöTOV wird übersetzt
tunc demum, und Bfthr sieht darum in unserer stelle einen wider*
Spruch mit Herodotos, der Demaratos bereits zu lebzeiten des Dareios
nach Susa kommen lasse, das ist unhaltbar. Einmal kann f^br) TTpOjTOV
nicht wohl heiszen ^erst damals', und dann ist nicht anzunehmen dasz
Photios einen Widerspruch gegen Herodotos constatieren wollt« ; er
würde sich sonst seiner ganzen art nach weitläuftiger darüber aus-
gelassen haben, es wird daher zu schreiben sein f{br\ TrpÖTepov^
was in den Zusammenhang sehr gut passt und mit der erzählung
des Herodotos wohl übereinstimmt.
20. Bei Athen ai OS XIÜ s. 609^ ist überliefert und steht in
den ausgaben: AeivuiV b' dv T^ tt^jultttij tOüv TTepciKÄv iflc TTpiü-
-nic [Tplinc Karl Müller] cuvidäeiic qpriciv öti i\ BaTdZou T^vii,
T^Tic fjv 6|LioTTdTpioc EcpHou dbeXqprj, övojuia *AvoOtic, KaXXicni fjv
Tijüv dv T^ 'Acict T^vaiKuiv Kai dKoXacTOTdTTi. dasz BaTdZou ver-
dorben sei, glaube ich mit Casaubonus, Schweighäuser und Karl
736 FRühl: vermischte bemerkungen.
Müller (FHG. II s. 93) annehmen zu sollen, im gegensatz zu Hemster-
huys zu Lukians Timon c. 22 (I 8. 383 f. Bip.) und, wie es scheint,
Meineke. man wird jedoch mit einer sehr einfachen ändemng aus-
kommen können und hat nicht nötig zu gewaltsamkeiten zu greifen,
wie sie Casaubonus hier vorgeschlagen hat. Deinon ist bekanntlich
für die persische geschichte stark von Pompejus Trogus benutzt
worden, und bei diesem lautet der name, der bei Herodotos die form
M€YäßuZ!oc, bei Ktesias die form tAe'X&ßaZoQ hat, regelmftszig Ba-
gnhazus. man wird also auch in unserem fragment des Deinon
BaTOtßäZou herzustellen haben, die anderen ab weichungen, welche
die erzählung des Deinon von der des Ktesias darbietet, geben natür-
lich zu textesänderungen keine veranlassung. Deinon wich ja, wie
aus den fragmenten leicht zu ersehen ist, so zu sagen mit einer ge-
wissen verliebe von den angaben des Et-esias ab, und nicht blosz in
den Sachen , sondern auch in den namen , wie Plut. Artax. c. 1 znr
genüge zeigt.
21. Bei Plutarchos de exilio c. 14 heiszt es in einer oft
citierten stelle: 0ouKubibr|C *A0Tivaioc cuv^TpciM'C TÖv Tr6X€)Liöv Tdiv
TTeXoTTovvTiciwv Kai 'AGiivafwv dv öpdKi] nepl Tr|v CKa7TT#|v öXtiv
— evocpOüv dv CkiXXouvti ir\Q 'HXeiac ÖiXicTOc dv 'Hireipi})' Tifiiaioc
ö Taupo)bi€V€iTT]c iy 'Aerjvaic' 'AvbpOTiuiv 'Aenvaioc ^vMeTäpoiC
BttKXuXibric 6 7roniTf|C dv TleXoTTOvvricu). man wird in diesem zu-
biiinmenhange die worte TÖV 7röX€|iOV tüjv TTeXoTrovvTiciuiv Kai 'A0n-
vaiujv doch wohl kaum ertragen können und sie als glossem aus-
scheiden müssen.
22. Bei Zonaras YII 25 ao. (II s. 94 Bonn.) wird gelesen:
KaTTiXXdTncav o\ cTaciäcavT€c, vö|liu)v xeG^VTwv juif|T' fiKOVid nva
Tou KaiaXÖTOu dTiaXeiqpccGai, jir|T€ töv x*^^cipxr|cavTa ^Karovrap-
Xeiv, KOI Touc uTTÄTOuc Kai öjLiqpu) Ööv elvai Kai dK tou nXriGouc
Ka8icTac6ai. es liegt wohl auf der band, dasz das letzte Kai unsinnig
und daher zu streichen ist.
23. Arnold Schaefer hat in diesen Jahrbüchern 1870 s. 527 f.
darauf aufmi^-ksam gemacht, dasz Xenophons Hellenika im alter-
timi auch in neun bücher eingeteilt wurden; CWachsmuth hat damit
im rhoin. museum XXXIV s. 334 die Zählung des Lal'rtios Diogenes
11 57 cuv^TPavpe hk Zevocpiliv ßißXia irpöc xd TeTxapdKOVTa in
Verbindung gebracht, und neuerdings weist Birt Mas> antike buch-
wesen' s. 448 darauf hin, dasz Stephanos von Bjrzanz Hell. VII
4, 17 aus buch 16 citiere, so dasz man vielleicht mit den 7 büchem
der anabasis zu ztthlen anhub und mit den Hellenika fortfuhr, eine
oiLft ntUmliche art der zUhlung bietet nun der codex Musei Britannici
add. 5110 Chart, fol. saec. XV dar. er enthält fol. 1' Xenophons
Hellenika. die Überschrift lautet: t Eevoqpiövxoc *€XXTiviKaiv Trpdh
Tov, dann folgen die übrigen bücher mit den zugehörigen über-
fcchriften, endlich fol. 71^ : tH€NO0(ONTOC '6AAHNIKWN 'GBAOMON:.
dieses siebente buch ist verstümmelt; es schlieszt fol. 84^ am schlnsz
tltr Seite mit oubexepoi dKiuXuov veKpouc öfe djuiq>ö (Xen. Hell,
Ffiühl: vermisclite bemerkungen; 737
oc
Yü 5, 26). nun aber folgt fol. Sb^ von derselben band: gevoqpdiVT
oc
^rJTopoc iTTTrapxiKÖc. Xötoc d', ferner fol. 90^ t E€Voq)(liVT pryio*
oc
poc lepuüv f^ TupavviKÖc: — Xötoc ß', fol. 95^ t Hevoqpujvx ßrjTopoc
- . oc oc
irepi iTTTTiKfic. XÖTOC r , fol. 101 ^ t Hevoqpüjvx piiiop XaKcbai-
oc-, oc oc
jioviuüv 7ToXiT€ia XÖT b , fol. 106 ^ t Hevoqpaivx pTixop dTTO^ivii-
|Liov€U)biäxuJV irpüjxov/. Xötoc e'. die übrigen btieber werden dann
als Xötoc ^', t', ff' bezeicbnet. das 4e buch ist verstümmelt, es
schlieszt auf fol. ISe^" am ende derseite mit äei xoüc i^xdi cuvövxac
oc
(Xen. apomn. IV 8, 10). fol. 137 «^ beginnt: t Hevoqpuivx ßr\TOC (so)
> % / -^ oc
oiKOVO|iiKOC .-. — XÖTOC 0 V f. dann kommt fol. 152*^ t HevoqpOüVX
^, oc oc
^riTopoc, XÖTOC i'v t CujLiTTÖciov .*. t» fol. 160*^ tHevoqpujvx ßnxop
KUVTiT€XiKÖc V XÖTOC [ä' : f- ^ies stück schlieszt fol. 160"" mitten
auf der seite mit den worten xa öXXa Traibeüjnaxa (Xen. kyneg. c. 2).
sonst enthält der codex nichts Xenophontisches. es hat also danach
zu irgend einer zeit ein corpus der nichthistorischen Schriften Xeno-
phons gegeben, in dem die einzelnen XÖTOi durchgezählt wurden, und
damit gewinnt Birts Vermutung an halt, dasz man auch die XÖTOl
der historischen Schriften durchgezählt habe, dasz die Zählung
nicht von dem Schreiber unserer hs. herrührt, ist klar, da dieser ohne
zweifei auch die bücber der Hellenika in die Zählung mit einbegriffen
hätte, ob sie aber dem altertum oder dem mittelalter angehöre,
werden spätere forschungen zu entscheiden haben, auffallend ist es,
dasz diie 'AGnvaiujv TToXixeia in dem codex fehlt.
24. Der codex Laurentianus 55, 21 (L bei Dindorf, Wachs-
muth und Müller- Strübing) ist von Ludwig Dindorf sehr hochgestellt,
meines erachtens überschätzt worden, die hs. stammt, wie ich jetzt
nach erneuerter Untersuchung in Übereinstimmung mit kennem, mit
denen ich vor dem codex über die frage verhandelt habe, glaube
versichern zu können , aus dem fünfzehnten jh. und ist bekanntlich
nahe verwandt mit dem beträchtlich altern Marcianus 511 (M bei
Wachsmuth und Müller-Strübing). immerhin schien es mir wün-
schenswert , das stUck von XenophonsTTöpoi, welches sie ent-
hält, zu vergleichen, da Zurborg die hs. als unvollständig glaubte
übergehen zu können, das resultat der vergleichung war sehr merk-
würdig, dasz auch die TTöpoi aus einem codex der classe des Mar-
cianus abgeschrieben seien, ergab sich sofort; auszerdem aber fand
sich, auch abgesehen von orthographicis und kleinen fehlem oder
Verbesserungen , eine anzahl von interessanten lesarten , welche in
der von Zurborg veröffentlichten coUatipn des Marcianus fehlen,
mein erstaunen stieg, als ich bemerkte dasz der codex Laurentianus
55, 22 (saec. XV; B bei Kirchhoff), den man allgemein für eine ab-
sobrift aus dem Marcianus hält , an verschiedenen dieser stellen mit
Jalirbücher für class. philol. 1883 hft. 10 u. 11. 48
788 'FBühl: yermisohte bemerkungen.
L übereinstimme, ich ersuchte daher meinen freund MOller-Sirtlbing,
welcher sich ein paar tage in Venedig aufhielt, um einö neue ver-
gleichung des Maroianus für den auch in L ^ithaltenen abschnitt
und für die stücke welche ich aus B verglichen hatte, und er ent-
i^pifaoh mit gewohnter liebenswttrdigkeit meinem ansnchen, yerglich
sogar ein etwas gröszeres stück , als ich für meinen zweck brauchte,
da ergab sich denn freilich, dasz jenes sonderbare resultat blosz durch
die n»ngelhaftigkeit der Wilamowittschen oollation herbeigeführt
worden war. es mögen daher hier zun gemeinen nutzen die wich"-
tigeren fruchte unserer beiderseitigen collatioaen mitgeteilt werden*
L beginnt TTöpoi 5, 4 mit den werten Kai co<piCTai s. 16 z. 26 der
Zurborgschen ausgäbe, nach der ich citieren werde.
6, 4 8. 16) 29 f^ oö Toutttiv Sv ^äXXov Tuxouv *A9/ivT|civ L, B
Wie M 5, 5 8. 17, 3 ^vvoTicaiTWcav M, dvvoncdTuicav LB
5, 6 8. 17, 6 ^Ti b* ine\ ö^iuic ML'B, Itx b' inex diMOJC L« 6, 7
a* 17, 13 fittuic ßoüXoivTO M L B 5, 8 s. 17, 14 TrapaTieiTTOic^vai L
s. 17, 16 biaXdTT€iv LB s. 17, 18 cuvaXärreiv B 5, 9
8. 17, 20 €liiT6 imfieXoüfievoi MLB s. 17, 23 cuvoikouc kqI
CupM^XOuc L, B wie M 5, 11 8. 17 » 29 vofiUlei L, vomüIoi MB
5, 12 8. 18, 3 TQUTa irdvra MLB TvubccTai bi MLB
8. 18, 7 T^viiiai L d» 13 s. 18, 9 Tic |A€ dttcpWTijit) M (ex silentio),
L (ohne spiritus) B s. 18, 12 dbiKoOvTa MLB 6, 1 s. 18, 17
€tJKX€€CT^pu) L, B wie M s. 18 , 20 ^€TaXoTrp€TT^CT€pov L B und
M ex silentio äofüicv L, B wie M 6, 2 s. 18, 27 dicaipccdoi L,
iit^p€c6at B 6, 3 s. 19, 2 oOc b' äv iXoxev L, oOc b" äv^Xoiev B.
Viel Staat ist, wie man sieht, mit den beiden hss. L und B nicht
sn machen; was aus B hier nicht notiert iet und von M abweicht,
weicht nicht gut ab. dasselbe gilt von 1,1 — 3, 8 , die ich probe*
weise verglichen habe, die abweichungen von M sind in der regel
nicht der rede wert oder falsch (ab. 1, 4 s. 3, 21 dviautOjv oder 1, 6
B. 4, 12 dn^xouciv). beachtung verdienen höchstens zwei lesarten.
li 1 8. 3^ 8 steht nemlich in B VOfyiiZtti wie im VaAicanus , aber da-
hinter ist ein buchstab ausradiert, es stand also zuerst vo|üiiZu)v da,
wie in M. ebenso steht 1, 3 s. 3, 16 büvaiVT* äv, wie im Vatioanu8|
w&hrend M bövaiT* fiv hat. es wiLre also nicht unmöglich, dasz der
Schreiber einen codex der andern dasse zugezogen hfttte. im vorbei-
gehen möchte ich übrigens noch ein paar kleinigkeiten der von Zur-
borg mitgeteilten oollation von M berichtigen, selbatverstftndlich
nur an stellen, wo mir positive angaben vorliegen : 1, 6 s. 4, 6 steht
da öpucco)Li^v€i (öpucco^evTi B) 4, 46 s. 16, 3 biiXovÖTi 4, 46
8. 16, 7 dpTUpiuJV 4, 47 s. 16, 11 dpTupia 4, 49 s. 16, 24
idpTupia 4, 62 s. 16, 6 irpdccouv 6, 4 s. 16, 26 f. X€ipoT^xv<xi
T€ Kol (so auch B).
26. Im Philologus XXXIII 8. 97. 127 hat Ernst von Leutech
es wahrscheinlich zu machen gesucht, dasz Eratippos ein Pseudo-
nym für Xenophon sei, der unter diesem namen die vier ersten bücher
der Hellenika herausgegeben habe, wie die anabasis unter dem des
FEühl: yermischte bemerkimgea. 739
Themistogenes. diese ansieht würde in der that ein altes kreoa der
Philologen und historiker beseitigen und hat daher, obwohl .es aneh
nidit an Widerspruch gefehlt hat, mehrfach beifall gefanden, andi
Arnold Schaefer scheint sie für beachtenswert zu halten, denn er
verweist in seiner quellenkunde I' s. 31 darauf, während er sonst
eine uDgew()hnlich strenge auswahl unter der litteratur trifft, da
Schaefers gutes und nützliches buch bei der jungem generation in
dem was es gibt, wie in dem was es verschweigt eine art kanonischen
ansehens zu genieszen scheint, so ist es wohl nicht überflüssig darauf
hinzuweisen, dasz die ansieht von Leutsch im allerhöchsten grade
unwahrscheinlich ist. sie würde nemlich voraussetzen dasz weder
Dionysios noch Plutarch die identität der suhrift des Eratippos mit
den Hellenika des Xenophon bemerkt hätten, während doch Plutarch
im leben des Alkibiades c. 32 ausdrücklich den Xenophon für er-
eignisse die im ersten, und im leben des Marcellus c. 21 für ereig-
nisse die im dritten buche der Hellenika erzählt werden , citiert. es
kommt hinzu dasz es geradezu lächerlich wäre, wenn ein Schrift-
steller, der von den ^r]Top€iai des Thukydides behauptete, oii ^övov
TttTc TrpäHcciv d^iirobwv T€T€vficeai, dXXd Kai toic dKOUOuciv ixM"
pdc elvai (Dion. Hai. de Thuc. c. 16), selbst reden und gespräche
eingelegt hätte, bei den Xenophontischen reden läszt sich zudem
ganz bestimmt nachweisen dasz sie fingiert sind, wir werden also
fortgesetzt wohl thun, Eratippos für einen der zahlreichen griechi-
sehen historiker zu halten, von denen wir nichts wissen, was der
rede wert wäre, aber Dionysios bezeichnet ihn als dem Thukydides
cuvaKjLidcac, und da könnte man sich wirklich ernstlich wundem^
dasz wir von einem solchen autor nicht mehr fragmente haben.
Schaefer scheint aus diesem gründe ein kreuz zu den werten gesetzt
zu haben, ohne nötigung, wie ich meine, wenn ein litterarhistoriker
nicht wüste, wann Eratippos gelebt hatte, so war es am einfachsten,
seine dK/Lirj* in den anfang des peloponnesischen krieges zu setzen.
26. Bei Appianos Miihridatika c. 8 wird gelesen: qpaivCTai
Tdp (6 'AXÖavbpoc) Kai 'Ajuicöv, dv TTövTip iröXiv 'AttikoO t^vouc,
dni bTijLiOKpaTiav ibc Traipiöv cqpici iroXiTeiav dvaTaTt&v. Mepiwvu-
)üioc bk oub' dini|iaOcai tujv dOvuiv öXu)c, dXX' dvd Tf)v TrapdXiov
TTic TTafiqpuXiac Kai KiXiKiac ixipav 6bdv ttil töv Aapeiov Tpa-
TT^cGai. das läszt sich nicht wohl übersetzen, entweder ist in dem
letzten satze ein verbum des sagens ausgefallen, oder man hat das
punctum in ein komma zu verwandeln und 'l€puiVU)Liip zu schreiben«
die folgerungen, welche LOBröcker ^moderne quellenforscher und
antike geschichtschreiber' s. 26. 33 f. neuerdings aus dieser stelle ge-
zogen hat, scheinen mir übrigens unbegründet zu sein, es läszt sich
nicht wohl behaupten , dasz Diodoros und Hieronymos einer quelle
folgten , welche den marsch Alexanders über Eelainai und Gordion
nicht anerkannte, der bericht Diodors im 17n buche ist hier un-
gewöhnlich summarisch, was damit zusammenhängt, dasz bei Diodor
die Vorgänge auf persischer seite ebenso einseitig in den vorder-
48*
740 FRühl: vermischte bemerkungen.
grund treten , wie bei Arrian die auf makedonischer, wir erfahren
bei Diodor nicht einmal, in welcher stadt Alexander in seine ge-
fährliche krankheit verfiel, und ji^XPi KiXiKiac bei Diodor XVII
27, 7 heiszt ^bis an die grenze von Kilikien'. Appian aber scheint
den ausdruck des Hieronymos etwas zu eng verstanden zu haben,
wir haben eine betrachtung des Appian vor uns, in welcher die
fruchte verschiedenartiger lectüre vereint verwertet sind; es kann
sogar zweifelhaft erscheinen, ob die erwähnung des marsches Alexan-
ders durch Pamphylien sich bei Hieronymos überhaupt fand. Hiero-
nymos musz bei gelegenheit der satrapienverteilung von der sache
geredet haben, und er braucht nicht viel mehr gesagt zu haben als
wir jetzt bei Diodor XVHI 3, 1 lesen (€u|li€V€i bh. TTaqpXaifOvlav
Kai KttTTTiaboKiav Km rrdcac xäc cuvopiZoucac lauiaic x^P<^c, Sc
'AXeEavbpoc ouk dirfiXGev ^KKXeicGeic uttö tu)v Kaipujv, öt€ bietro-
XejLiei TTp6c Aapeiov) oder bei Plutarch Eumenes c. 3 (Cu^^vrjc Xa^i-
ßdvei KaTTTiaboKiav Kai TTaqpXaTOviav kqi ttjv uiroKCifA^viiv x^ TTov-
TiKfj GaXaTTij ji^XP* TpaTreZoOvToc oöttuj töt€ MaKcbövtuv oöcav,
"ApiapaGnc fäp amf\c ^ßaciXeuev). das gibt aber auch zu keinerlei
Schwierigkeiten anlasz: denn Alexander hat auch nach den andern
quellen Kappadokien nur berührt, und es geht aus allem deutlich
hervor, dasz es zu einer eigentlichen Unterwerfung des landes nicht
kam. die stelle Diodors XVHI 16, welche Bröcker gleichfalls an-
führt, hat mit der sache nichts zu thun.
27. Ulrich von Wilamowitz-MöUendorf macht ^aus Kydathen'
8. 99 einige bemerkungen über die sage von Kodros, welche kaum
zu verstehen sind , wenn man den von ihm nicht citierten aufsatz
von Frick im rhein. mus. XXX s. 278 £f. nicht kennt, und erklärt
dabei, er habe 'die vulgäre Eodrossage selbst auf eines Eteobutaden
Zeugnis nur schüchtern dem fünften jh. vindiciert.' wie Lykurgos —
denn den meint er — für das fünfte jh. zeugen soll, weisz ich nicht;
wer aber beine gewUhrsmänncr nicht nach ihrem Stammbaum fragt,
wird völlig beruhigt sein, wenn er die übliche fassung der Kodros-
sftge bereits bei Pherekydes fr. 11 (Müller) findet, zu wissen, dasz
sie wirklich mindestens so alt ist, ist freilich nicht ganz ohne wert
28. In seiner abhandlung über die abfassungszeit der schrift
vom staute der Athener s. 4 ff. hat Adolf Kirchhoff eine neue ansieht
über die beziehungen zwischen Athen und Boiotien in der zeit
zwischen den schlachten von Tanagra und Koroneia aufgestellt und
dafür auch, wie es scheint', bei seinem sonstigen antagonisten
Müller StrObing ('A0T]Vaiujv TToXlieia s. 173 f.) beifall gefunden.
er meint, Theben sei zu der zeit, als es den versuch unternahm sich
mit spartaiiiächer hilfe der in den Perserkriegen verlorenen hege-
monie in Boiotien wieder zu bemächtigen , demokratisch regiert ge*
' ich glaube uomlich nicht dasz Mülior-Strübiufir zb. seine aasfüh-
ruiin^cD 'Aristophanes und die historische kritik' s. 84 ernstlich zuriick-
iiohmeu will, und seine Zustimmung zu Kirchhoffs ansichtcn ist sehr
r'»8orviert.
FBühl: vermischte bemerkungen. 741
Wesen, infolge der schlacht von Oinopbjta und ihrer *aus der
niederlage ihrer Suszern politik resultierenden Ohnmacht' sei die
demokratie gestürzt worden. Mie autonomistische Opposition gegen
die hegemonie Thebens , auf welche die Athener sich zu stützen an-
gewiesen waren', sei 'durch die oligarchischen elemente in den
boiotischen städten vornehmlich vertreten' gewesen. *so lange die
boiotischen oligarchen sich dem athenischen interesse förderlich er-
wiesen', hätte ^Athen ihnen freie band lassen müssen, und so führte
die intervention in Boiotien, welche Athen zu seiner Sicherung nach
auszen zu unternehmen genötigt war, durch die Theben zugefügte
niederlage zur discreditierung und zu dem völligen stürze der dortigen
demokratie , durch die Unterstützung der oligarchen in den übrigen
boiotischen städten, deren hilfe man um jenen stosz zu führen in
anspruch genommen hatte, zur niederwerfung der demokratischen
partei auch in diesen, es hinderte das nicht, dasz oligarchen uud
demokraten später ihren Waffenstillstand oder frieden schlössen , als
es sich darum handelte den gemeinschaftlichen feind, die Athener,
aus dem lande zu werfen.'
Das ist nicht alles vollkommen scharf und klar ausgedrückt,
aber man sieht leicht, welch ein völlig neuer zug durch Eirchhoffs
auffassung dem bilde hinzugefügt wird , welches wir uns von dieser
zeit zu machen pflegen. Theben, um seine hegemonie wieder-
zugewinnen , pflanzt das demokratische banner auf und stützt sich
auf die demokratie in den andern boiotischen städten , und Sparta,
um Athen zu schädigen, verläszt seine sonst streng festgehaltene
politik und tritt auf die seite der demokratie. die Athener dagegen,
um Boiotien geteilt und schwach zu erhalten, verteidigen die Oligar-
chie, und zwar gerade in dem augenblicke, wo sie daheim den fdhrer
der aristokraten verbannt haben und an eine vollständige Umformung
des Staates in demokratischem sinne herangehen, das ist so neu wie
nur möglich, aber ist es auch richtig? das brauchen wir nicht so
ohne weiteres zuzugeben.
Rirchhofl bezeichnet die gegenteilige meinung, wie sie in den
übereinstimmenden darstellungen der neueren ihren ausdruck ge-
funden hat, als eine hypothese. das ist richtig, aber auch selbst-
verständlich: eine zusammenhängende Überlieferung über diese Vor-
gänge gibt es nicht, und was Kirchhoff vorbringt ist ebenfalls eine
hypothese. es fragt sich nur, welche hypothese die feststehenden
tbatsachen am besten erklärt, und da können denn unseres erachtens
die Vertreter der alten, die Wachsmuth, Thirlwall, Grote, Cartius
und wie sie alle heiszen, sich auf eine anzahl von überlieferten daten
berufen, welche Kirchhoff nicht zu erklären vermag, aber freilich
auch nicht zu erklären versucht.
Wir wollen kein besonderes gewicht darauf legen, dasz eine
partei in Athen vor der schlacht von Tanagra hoffte mit hilfe der
Spartaner, welche ja für eine demokratie gekämpft haben sollen,
den athenischen demos zu stürzen: athenischen oligarchen kann man
742 FEiihl: Termischte bemerkungen.
alles zutrauen und der spartanisohen politik , wenn sie so war wie
sie Eirchhoff erscheint, ebenfalls, bedenklicher nrasz es sohoü machen^
dsfiz im kämpfe selbst die thessalisohe reiterei zu den Lakedaimoniem
(Lbei^ieng. indessen anch das liesze sich erklären, wie steht es denn
aber mit dem, was Thakydides von den ereignissen erzählt, die zur
Schlacht von Koroneia führten? es sind die (puTdbec BoiuiTiiiV, die
Ton irgend woher, wahrscheinlich von Thessalien aus', einen einfall
in Boiotien machen, es müssen also gegner der damals in den boioti-
sehen städten herschenden partei gewesen sein, es vereinigen sich
aber mit ihnen Lokrer und cpurdbec ans Euboia Ka\ dcoi Tiic aurfic
TVifafiilc fjcav. diese Lokrer hat man allen grnnd für aristokratcdi
zu halten, insbesondere wenn man bedenkt dasz Myronides nach
Thuk. I lOB von dort ^kotöv ävbpac öjüirjpouc touc irKouciurrdTOUC
2Xa߀V : die Euboier aber waren ganz sicher ariatokraten. folglich
müssen auch die boiotisehen flüohtlinge aristokraten gewesen sem.
die übrigen öcoi tt^c auTf)c TVuiMilc ficav können aristokraten ans
den boiotisehen städten sein, welche nicht verbannt waren, jetzt aber
zu den barsten der aufständischen eilten, es können sich aristokraten
aus anderen griechischen städten darunter befunden haben, vielleicht
sogar, was Müller* Strübing ^Arisiophanes und die historische kritik'
s. 291 nicht für unmöglich hält, auch ausgetretene athenische aristo-
kraten — von einem bündnis zwischen boiotisehen demokraten und
aristokraten, um den gemeinsamen feind, die Athener, zum lande
hinauszuschlagen, weisz jedenfalls weder Thukjrdides noch sonst
irgend eine quelle ein wort, .waren aber die boiotisehen flüchÜinge
aristokraten, so müssen die mit Athen verbündeten boiotisehen siädte
demokratisch und nicht aristokratisch regiert gewesen sein.
Wenn das aber der fall ist , so kann Eirchhoff auch die lücken-
hafte stelle der 'AOrivaiuiv TtoXiTcia 3, 11, an welche er seine ganze
betrachtung anknüpft, nicht richtig erklärt haben, es heiszt dort:
b\ä Taura cOv 'AOrivaioi Td c(p(civ aöroic npocrJKOVTa alpouvraL
ÖTTOcdKic b* ^Tr€X€ipTicav atpekeai Toöc ßeXTicTouc, oö cuvr|V€TK€v
auToTc* «^otrdXX' dvröc öXiTOU xpövou 6 bf)jiOC dbouXeucev 6 iy
BoiuiTOtc. unter diesem bouXetjeiv des demos in Boiotien kann
unter den vorliegenden umständen nur derjenige zustand verstanden
sein, welcher nach der Schlacht von Eoroneia eintrat.
Die eigentliche grundlage von Eirchhoffs argumentation, durch
welche er sich zu seinen unhaltbaren aufstellungen hat verleiten
lassen, ist eine stelle des Aristoteles, politik VIII (V) 2, 6, wo es
heiszt: bid KaTa<ppövTictv bk kqI craciäZouci kqI dTTiriOcvTai, oTov
. . iv Ttttc bimcKpoTiaic ol eÖTTopot KaTaqppovrjcavrec Tf)c droEiac
' 68 ist nach der ganzen Sachlage undenkbar, dasz, wie Clatsen zu
Thuk. 1 113, 1 will, Mie den Athenern feindliche partei nach der schlacht
von Oinophjta sich in dem nördlichen teil von Boiotien behauptete',
es widerspricht das auszerdem den bestimmten angnben des Thukydides
I 108, 3 und des Diodor XI 88, 1, ebenso der erklärung, welche Classen
selbst zu I 103, 3 nach Curtius von ix<^vTUiv gegeben hat.
FBühl : TermiBchte bemerkoDgeiL 743
Kai ävapxiac, olov Ka\ iv difjßoac fui€T& Tf|v iv OtvcxpiiTOic MdxY|V
KOKuic KoXiT€uo^^voic (oder iroXiTCUo^^vuiv) f| brmoKpaTCa bi€«
<pOdpii. Eirohhofif drückt sioh, wie oft, so aas, dasz nun meinaii
könnte, er habe diese stelle zuerst hervorgezogen oder seine yorgänger
hätten sie absichtlich ignoriert oder ihre bedeutnng abgeschwäiäit.
das ist aber nicht der foll. die stelle wird bekanntlich oft citiert und
nur anders erklärt als von Eirchhofif. auch für seine erklär ung hat
dieser Vorgänger : Einmal an WWachsmuth, der, nach einem ftLr mich
nncontrolierbaren citat bei Thirlwall III s. 30 zu urteüen , die stelle
ilhnlich aufgefaszt haben musa , aber , den Zusammenhang der ereigi-
Bisse im äuge , an eine Verwechselung der schlachten von Tanagra
und Oinophjta dachte; dann aber namentlich auch an Eaton ; der
genau wie Eirchhoff vermutet haben musz; dasz nach der schlackt
von Oinophyta 'der hier durch xaKWC iToXiT€ii€c6at bezeichnete za«>
stand der Unordnung und anarchie eingetreten sei , welcher die oli*
garchische partei zu einer erhebung ermutigte, die von erfolggekrönt
war', indessen bei der mehr als laxen Stilistik, welche in der Aristo-
telischen Politik herscht, welche insbesondere auch in der ganzen
Periode hervortritt, der jener satz über Theben entnommen ist, liegt
kein zwingender grund vor die werte )ieT& Tf)V ^v Olvoq)äTOic ^dxi)V
anders denn als eine Zeitbestimmung zu fassen , welche diese theba»
nische demokratie von andern, welche zu anderer zeit bestanden,
unterscheiden soll, auf alle fälle liegt nach dem Sprachgebrauch des
Aristoteles kein grund, und wenn man an die hier erwähnte äxoHa
Kai dvapxia denkt, kaum die möglichkeit vor, das KttKUic TToXi«-
TeuecOat auf eine ^aus der niederlage der äuszem politik resul-
tierende Ohnmacht' zu beziehen, aber freilich meint Eirchhoff (s. ß\
es könne nicht athenischej^ einflusz gewesen sein, welcher der demo-
kratie in Theben nach^dl^ schlacht von Oinophjta 'in den sattel ge-
holfen' habe, da sich dieser einflusz der Überlieferung zufolge nicht
auf Theben erstreckt habe, diese behauptung aber geht 3U weit.
Diodor XI 83 sagt freilich , dasz Myronides nacujv TtJV Kard Tf|V
BoiuiTiav iTÖXeu)v ^TKpaTfic ^T^veTO iTXf)v6nßa>v, und dasselbelesen
die neuereu — mit ausnähme von Orote — aus den werten des Thu-
kjdides I 108 Tf)c x^P^c ^Kpdrricav Tf\Q BotuiTiac heraus, allein
wie weit sioh 'der einflusz' von Athen, wie weit sich die politische
Wirkung seiner siege erstreckt habe, davon wissen wir gar niohtSi
und nirgends sind Schlüsse aus dem schweigen unserer quellem
weniger angebracht als für diese Zeiten, es liegt nichts vor, wi^
der annähme widerstritte, dasz sich nach der schlacht von Oiapr-
pbjta auch in Theben die demokratische partei der regiemng be-
mächtigte, wenn nun diese demokratie, welche durch die Verhält-
nisse gezwungen war sich an Athen anzulehnen, sich ausschreitungen
zu schulden kommen liesz und nicht zu verwalten verstand, so liegt
es keineswegs auszer dem bereiche der möglichkeit, dasz die aristo-
kraten sich empörten und die Athener zu ihren gunsten vermittelten,
war aber die aristokratie — wenn auch in gemäszigter form — in
744 FRühl: vermiechte bemerkungen.
Theben hergestellt, so muste das allerdings die qpUT(ii>€C der Übrigen
Städte Boiotiens und ihre angehörigen ermutigen auch ihrerseits los-
zuschlagen, eine solche auffassung des Zusammenhangs wird da-
durch gestützt, dasz die in der oben angeführten stelle der *AOr)-
vaiujv TToXiTeia erwähnte begünstigung des milesischen adels durch
die Athener nach Kirchhoffs eignen ausführungen ungefähr in die-
selbe zeit fällt.
29. Die naturforscher pflegen mit einem gewissen höhn auf die
historiker uüd philologen zu blicken, wenn diese in irgend einer
naturwissenschaftlichen frage ^ die ihnen bei ihren Studien zufällig
aufstöszt, fehlen, schön ist solches fehlen freilich nicht, am wenigstem
heute, wo es verhältnismäszig so leicht ist sich über derartige dinge
zu orientieren, leider aber steht es nur zu oft mit den naturforschem
selbst nicht besser, wenn sie sich auf das historische gebiet wagen
ocler wagen müssen, ein merkwürdiges beispiel davon liefert die
geschieh te des wisant. Eichwald ^de pecorum et pachydermomm
reliquiis fossilibus in Lithuania, Volhynia et Podolia repertis' in den
Verhandlungen der Leopoldinisch-Carolinischen akademie der natur-
forscher IX 2 s. 686 sagt vom bos urus L.: ^pristino aevo in ipsa
Chersoneso Taurica obviam fuisse videtur , quod e Byzantino auetore
Niceta Choniate colligimus, qui ita narrat: anno MCLXXXU
imperatorem Andronicum Comnenum per multum temporis ibidem
vaeavissc venationi et perforando zumpro, bestiae ferae, in Tauro-
scythia praesertim indigenae moleque sua ursum et ieopardum
excedenti.' Eichwald erklärt -gleich darauf noch einmal ausdrück-
lich, dasz unter ^Tauroscythia' die Krim zu verstehen sei. Koppen
in seiner instructiven kleinen schrift über ^das fehlen des eichhöm-
chens und das Vorhandensein des rehs und des edelhirsches in der
Krim' (St. Petersburg 1882) s. 27 gibt das mit zwei unangenehmen
druckfehlern wieder und bemerkt, Eichwald habe in seiner II&ieOH-
TOJloriÄ PoccIh, einem mir unzugänglichen buche, 'Tauroscythia*
mit 'Moldau' übersetzt.' Koppen selbst hält die nachricht für un-
wahrscheinlich, da ihm die terrainverhältnisse der Krim für den bison
nicht geeignet zu sein scheinen, es war nicht gerade schwierig die
Sache in Ordnung zu bringen, die stelle des Niketas lautet in Wirk-
lichkeit (de Andronico Comneno II 6 s. 433 Bonn.) so: fif| fx^v h*
CUV (6 'AvbpÖVlKOC) iK T&V TTpOCCpttTUIV KOI vcapujv auToO Trp䣀U)V
KaiaTTaTTeiv toOc bö|Liouc tiu tüjv xpuJ^äiwv cirpccpafmiu f\ xaic
XcTTTaTc KaTaTTOiKiXXeiv t&v ipricpibujv dvG^ccciv, de id irpö Tf\c
ßaciXeiac fßX€i|i€v fpT^t, kqI fjv \TT7TriXdcia kqI KuviiT^cia ZuJTpot-
(pou^eva, kXu)t|li6c ttttivüüv, 6ujücm6c kuvoiv, dXaqpnßoXtai xal
XaTu^v 6Tip€Üc€tc Kai xot^^iöbouc cOc biaKOVTtZ;ÖM€VOC xat Zoum-
TTpoc poü^TTOC cod. Monaccusis 93 ; etwa ZouMTTpouc oder Zoö^irpov
zu schreiben?'] bieXauvÖM^voc böpart* Züjov bk oiStoc t6 ^^T^Ooc
^ in Feiner Lethaea Rossica III s. 379 geht Eichwald auf die sache
nicht näher ein. * ich sehe wenigstens keinen grund das wort als
FBühl: vermiBclite bemerkangen. 745
iinlp dpKTOV ^uOiKfiv xai iräpbaXtv CTiicnfiv, kotä toöc Taupo-
ckOOqc q)u6M€V0V ^dXicra Kai Tp^90M€V0v usw. diese Jagden
müssen sich also nicht im j. 1182, sondern vor dem regierungs-
antritt des Andronikos abgespielt haben, nnd es fr> sich nur, wer
die Taoroskjthen sind und ob Andronikos jemals bei ihnen ge-
wesen ist. beide fragen sind leicht zu beantworten, bei Johannes
Einnamos sind die TaupoCKuGai unzweifelhaft überall Bussen , und
dasselbe gilt von Niketas de Alexio III 5 s. 692 : denn die beiden
russischen fürsten Roman und Burik werden dort so bezeichnet,
schwankend könnte man freilich wieder durch die stelle de Andro-
nicol 10 8.405 werden, wo es von Andronikos heiszt: Tic Ka^ßOcric
Maivö^ievoc f\ dniivfic TapKuvioc f{ ''excTOc^Kal OdXapic ätpioi xal
8T]pia)b€ic TOiaÖTa cipTdcavTo; f\ Tivec TaupocKÜÖai EevoKTOvlav
V€VOMiKÖT€C, iLv Td ffix] 6 TToXuTrXavf|C oiStoc dvefidSaTO T^pujv
[dvbpöviKoc cod. Mon. 93], oötu)C dir^GevTC xai bi€X€ipicavTo; die
Bussen töteten ja damals die fremdlinge nicht gewohnheitsmftszig«
man darf aber nicht vergessen, wie oft die rhetorik und die classische
reminiscenz mit Niketas durchgiengen^ und wenn Andronikos bei
den Tauroskythen gewesen sein soll, so können darunter wieder
nur die Bussen verstanden sein, man vergleiche de Manuele IV 2
s. 168 ÖT€ Kai 'AvbpöviKOC irdXiv dTrobpdc Kai irapatcvö^cvoc eic
rdXixZav ^KCiGev dnavÄeuEev. Icn bk f| fdXixZa jila tOüv irapa
TOic *Pujc TOTTapxdiv oOc Kai CKuGac Tncpßop^ouc q)aciv. und
gerade die jagdabenteuer des Andronikos spielten sich dort ab (ebd.
s. 172): TÖT€ b' oöv ÖTTiaic dtKdXaic npöc toO tt^c TaXiTZric ^m-
TpoTTCuovTOC 'AvbpöviKoc TrpocÖ€XÖ€lc f^€iv€ TTCip* ^Kcivqi xpdvov
cuxvöv. oÖTUJ bk Trpöc xöv dauroO ttöögv öXov ^kcivov 'AvöpöviKOC
dvTipTrjcaTo, übe Kai cuv6r)p€U€iv Kai cuvOuiKCueiv £K€(v({i ö^^ctiöc
T€ eTvai Kai cuccitoc. damit stimmt Johannes Einnamos V 10
s. 232 Bonn, vortrefflich überein. in der Krim aber ist Andronikos
niemals gewesen , und die von Eichwald so verunstaltete stelle des
Niketas da(f lediglich für das vorkommen des wisant in der gegend
von Halicz verwertet werden, wenn Oibbon IX s. 96 cap. 48 (Lon-
doner ausgäbe von 1791) und Lebeau ^histoire du Bas Empire* (6d.
St. Martin) XVI s. 216 f. Andronikos nach Kiew kommen lassen, so
findet das, so viel ich sehe, in den quellen keine begründung, und
die ganze darstellung ist mit der russischen geschichte dieser zeit
nicht zu vereinbaren.^ beachtung schiene nun freilich noch der
codex Monacensis 450 des Niketas zu verdienen , welcher de Andro-
nico II 6 schreibt ZoO|LiTTpov Zujov Kai irdpbaXiv, fiiiva iy Tok
indeclinabel zn behandeln, zumal da es im codex Monacensis 460 wirk-
lich decliniert wird (s. unten).
^ ein höchst amüsantes beispiel bei Finlay 'hisVoiy of the Bysan-
tine and Greek empires' II 8. 268. ' vgl. zb. Karamsin II 8. 268 f. der
dentschen Übersetzung, direct oder indirect wird anch Schade im alt-
deutschen Wörterbuch 8.1182 auf Gibbon zurückgehen; für einen artikel
über den wisant war die notiz völlig gleichgültig.
746 FBühl: TermiBohte bemerkangen«
öpeci TU)V Ko^dvu)V £v^^ovTO und ebenso I 10 K6^avoi statt»
TaupoCKuOai. daraus ist vielleicht der wahn entstanden, es handle
eich um die Moldau, allein es genügt ein blick in den apparat, nia
sich zu überzeugen dasz der Schreiber dieser hs. , oder wahrsoheiB->
lieber der ihrer vorläge, gi%ulioh interpoliert, er hat den olassischen
ausdruck des Niketas misverstanden und dafür den des volkes ge«-
setzt, welches zu jener zeit in dem alten Skjthenlande lebte, wena
er den wisant *in den bergen der Rumänen', dh. in den Karpathen
leben läszt, so hat er recht, da das tier dort noch im achtzehntem
jh. nicht ausgestorben war; ob er aber aus eigner künde schöpft,
ist um so zweifelhafter, da er dort auch die irdpbaXic leben Ittast,
was jedenfalls nur einem misverstSudnis des echten textes des Niketaa
SU verdanken ist.
30. In der neuen aufläge seiner ^geschichte des altertums' YII
8. 256 hat Max Duncker ein ungewöhnlich hartes urteil über die^
jenigen ausgesprochen, welche den heldentod des Leo nid as mit
den seinen als 'nutzloses blutvergieszen' oder gar als ^Donquixotena'
bezeichnet haben, so weit die gesohichte der kriege der alten, mitt«*
leren und neueren zeit reiche, seien feldherren von entsohlusz und
einsieht selten davor zurückgetreten, die nachhut zu opfern, um das
beer zu retten, diese bemerkungen sind zum teil gegen mich ge*
richtet, denn ich bin es gewesen, der in einer eingehenden recensioa
von Weckleins 'tradition der Perserkriege' im litt, centralblatt 1877
sp. 1095 folgendes hat drucken lassen : ^den letzten kämpf an den
Thermopylen und den opfertod der Spartaner haben wir nie fOr
etwas anderes als für eine Donquixoterie halten können; selbst offi-
ciell wüste man diesen heroischen kttmpfem nichts besseres nacbzn*
sagen als dasz sie gestorben seien ^n^act it£i6Ö|li6voi.' es konnte
mir an sich nur im höchsten grade erfreulich sein, dasz der verehrte
mann meine recension sorgfältig gelesen und wiederholt mit Zustim-
mung benutzt hat, und über seine scharfen werte in bezug auf meine
ttuszerung über Leonidas könnte ich mich mit dem bewustaein trösten,
dasz Duncker eben meinen gedankengang nicht verstanden hat, viel-
leicht weil ich mich, durch die enge des raums gezwungen, zu kurz
ausgedrückt hatte, von der moralischen Wirkung, welche der todes'-
kämpf der Spartaner bei den Griechen hervorrufen muste, habe ich
nicht geredet, und ich hatte auch keine veranlassung dazu, da die
absieht einer derartigen Wirkung schwerlich vorgelegen hat. die
Sache hat indessen ein mehr als persönliches Interesse, und dieses
mag es rechtfertigen, wenn ich nochmals darauf zurückkomme, ich
constatiere zunäxsbst, dasz ich mich in guter gesellschaft befinde.
QroiQ musz so ziemlich derselben ansiebt gewesen sein wie ich. er
sagt in der history of Greece (1869) lY 436 : 'it was evident that
Thermopylae could be no longer defended. there was however ample
time for tbe defenders to retire, and tbe detachment of Leonidas
were divided in opinion on the subject. the greater number of them
were inclined to abandon a position now beoome untenable , and to
FBühl: rezmischie bemerkaagen. 747
reterve themaelYes for fatnre ooeasions on which thay migkt
yely cootribnte to repel the inyader« nor ig it to be doubted tbat
Bach was the natural impulse, both of brave soldiers and of pradent
offioers, ander the ciroomstances. bat to Leonidas the idea of retreat
was intolerable. bis own personal honoor, together with that of hii
Spartan companions and of Sparta herseif, forbade him to thiak of
jielding to the enemy the pass which he had been sent to defend.
tbe laws of bis country reqaired him to conqoer or die in the post
assigned to him, whateyer might be the saperiority of nnmber on the
part of the enemy: moreover we are told that the Delphian oracle
had declared that either Sparta itself, or a king of Sparta, must fall
victim to the Persian arms.' and kurz nachher sagt Grote von de«
Thespiem, dasz sie 'displajed eyen more than Spartan heroism, sinoe
thej were not ander that species ofmoral constraint, which arises from
the necessitj of acting ap to a preestablisbed fame and superioritj.'
solche gefühle, wie sie Grote hier beschreibt, kann ich nor für don«*
qaixotifich halten ; ehrenhaft war der ritter yon La Mancha doch ganz
gewis, and auch ein ganzes volk kann donquixotisch denken, doch
darüber mag man yerschiedener ansieht sein; der mann, an welchen
Dancker hier erinnert, welcher einen lebendigen haasknecht für
mehr wert erklärte als einen toten kaiser, würde anf meiner seite
sein, historisch gilt es zwei fragen aaseinanderzuhalten : 1) war es
geboten, am das beer za retten , die nachhat aafzaopfem? 2) ist
diese notwendigkeit für Leonidas aosscblaggebend gewesen? Grote
yemeint, wie wir gesehen haben, die erste frage, ja er meiitt sogar
(s. 437), Leonidas htttte yielleicht gewünscht seinem ganzen beere
den entscblusz za sterben einzuflöszen. bejaht ist sie, so yiel ich sehe,
zuerst von Büstow und Eöchlj *griecb. kriegswesen' s. 60 f. diese
lassen freilich aus ihren erwttgungen alle die 'romantischen' gründe
fort , welche Duncker bei Leonidas mit wirksam findet, sie wollen
die dinge praktisch und militärisch erklären, einen eigentlichen be-
weis für die richtigkeit der ansieht, dasz der rückzug mit dem ganzen
beere nicht mehr auszuführen war, haben sie indessen nicht geliefert,
der rückzug konnte entweder auf Tithronion oder über Skarpheia auf
Elateia gerichtet werden, wenn man die erstere strasze einsoblag,
so war man des gebirgigen terrains wegen yor der persischen reiterei
ziemlich sicher; aber es ist schwer zu sagen, ob man noch mit be-
stimmtheit darauf rechnen konnte, dasz der weg ganz frei war. ver-
folgte man die zweite strasze, so hatte man vierzehn kilometer bis
zum eingang des thales des Boagrios zu marschieren; von dort bis
£lateiasind einige zwanzig.^ ich wage es nicht in rein militärischen
dingen ein auch nur für mich maszgebendes urteil zu fällen; allein
bis auf weiteres möchte ich doch glauben , dasz es möglich gewesen
wäre, wenn man sofort aufgebrochen wäre, nachdem die sichere
^ welcher weg beim rückzog in Wirklichkeit eingeschlagen worden
ist, ist unbekannt.
748 FKübl: vermischte Ijemerkungen.
nachricht von der Überrumpelung der Phoker eingegangen war, die
schützenden defileen der Knemis zu erreichen, ehe die persische
reiterei herankam, denn wenn RUstow und Köchly meinen, es seien
bereits auf der strasze von Therm opylai persische colonnen im an-
zug gewesen , um die Griechen auch in der front zu beschäftigen , so
beruht das auf einem ofifenbaren misverständnis von üerodotos
VII 223, lindem ja Xerxes mit dem angriff absichtlich zögerte, nun
führt freilich Duncker s. 257 der analogie wegen den ausgang des
kampfes an derselben stelle zwischen Antiochos und M'. Acilius
Glabrio an. allein die dinge lagen damals ganz anders, die truppen
des Antiochos waren in der front in vollem kämpfe begriffen, als sie
plötzlich Cato in der flanke angnff. dies verursachte eine allgemeine
panik und eine vollständige auflösung des heeres ; die gänzliche Ver-
nichtung scheint dann erst dadurch herbeigeführt worden zu sein^
dasz in der nacht die einzelnen abteilungen den oberen führem
völlig aus der band gerieten und, des terrains unkundig, ganz ins
blaue hineinrannten; so dasz sie am folgenden tage von den Römern
mit leichter mühe abgefangen wurden (Livius XXXVI 19). die
Schlacht von Skarpheia aber hat Duncker doch wohl blosz der deco-
ration wegen mit angeführt; aus der haltung eines mannes, der die
gemeinsten militärischen maszregeln versäumt, darf man schwerlich
auf andere fälle einen schlusz ziehen, übrigens * wichen' nach Pau-
sanias (VII 15, 3) die Achaier nicht ^aus den Therm opylen', sondern
sie flohen durch die Thermopylen.
lüdessen sei dem wie ihm sei — für die beurteilung des Leoni-
das ist die zweite der oben aufgeworfenen fragen die wichtigste,
betrachten wir nun die Überlieferung, so weisz diese von strategi-
schen ideen des Leonidas nichts, nach der einen version ist ein teil
der Griechen für den aufbruch, ein anderer will stand halten, offen-
bar mit dem ganzen beer; von erwägungen über die gefahr des rück-
zugs kein wort (Her. VII 219). nach der andern Version schickt
zwar Leonidas einen teil des heeres fort, um es zu erhalten; er selbst
mit den seinigen aber bleibt da, nicht um den rückzug zu decken,
sondern weil es für die Spartaner oök €U7Tp€K^UJC sei, dxXlTreiv Tf|V
idHiv de Tf|V fjXeov (puXd£avT€C dpxi^v (Her. VII 220). Herodotos
selber stellt nun allerlei betrachtungen darüber an, was den Leoni-
das wohl zu seinem verhalten bewogen haben möge ; aber auf deti
gedanken einer aufopferung der nachhut kommt auch er nicht, es
ist aber auch sonst kein Grieche darauf gekommen, und nicht um-
sonst habe ich an das epigramm des Simonides erinnert, wenn irgend
jemand geglaubt hätte, die Spartaner hätten durch ihre aufopferung
den rest des heeres gerettet, so würde man nicht verfehlt haben in
dem epigramm auch darauf eine anspielung anbringen zu lassen.^
dasz dann die paar Spartaner, die sich retten konnten, lieber mit
—
« ähnlich denkt Thirlwall II 8. 289 f.: ^be himself (Leonidas) and
bis Spartans no doabt considered tbeir persevering stand in the post
entmsted to them, not as an act of high and heroic devotion, bat of simple
FRübl: yermischte bemerkangen. 749
ihren genossen sterben wollten, ist ein beispiel edler kameradscbaft-
licbkeit, und dasz die Tbespier, welche jetzt ihre stadt — wie sie
glauben mochten für immer — yerloren sahen , den Untergang des
Vaterlandes nicht überleben wollten, ist echtes und wahres beiden*
tum. vielleicht werden wir wohl thun ähnlich von den 400 Thebanem
zu urteilen. Leonidas aber hat sich und seine Spartaner, was immer
die militärische und politische Wirkung seiner handlungsweise ge-
wesen sein mag, einem falschen kriegerischen ehrgefühl aufgeopfert,
das ihm von Jugend auf eingeimpft war und das noch später seinen
landsleuten mehr als Einmal gefahr gebracht hat. sollte ihn noch
auszerdem die rücksicht auf das orakel bestimmt haben, so mag das
den subjectiven wert seiner that steigern ; anlasz zur bewunderung
kann es nicht geben : denn der aberglaube eines Griechen ist nicht
mehr wert als der eines Fidschiinsulaners, der rühm der kämpfer
an den Thermopjlen ist durch die Jahrtausende gegangen und wird
weiter durch die Jahrtausende gehen; unzählige hat er angespornt
und wird er anspornen , das leben für nichts zu achten gegenüber
einer groszen sache; was aber Ghriechenland gerettet hat und was
in ähnlicher läge andere Völker gerettet hat und retten wird, ist
nicht militärische disciplin und gefühl fdr kriegerische ehre, sondern
die freie that von männem, die sich nicht an althergebrachte gesetze
halten und binden, sondern die richtschnur ihres handelns aus dem
eignen heizen und dem eignen köpfe schöpfen. '
31. Bei Florus I 22 [IL 6] 49 f. steht: nihü actum erat tofUa
virtute, tanto favare etiam deorum^ si quidem ab Hispania Hasdrubäl
f rater AnnihäLis cum exercUu novo, novis viriJmSj nova heUi möle
veniebat, actum erat procut dubio ^ si vir üle se cum fratre iunxisset,
beide male wäre actum an sich wohl verständlich, aber eine derartige
gegenüberstellung wie hier ist doch wohl unerträglich, die Schwie-
rigkeit wird gehoben , wenn wir eine lücke annehmen und in § 50
schreiben actum erat procul dubio de Romano imperio, wobei
sich der ausfall durch die gleiche endung von dubio und imperio
leicht erklärt, bestätigt wird unsere Vermutung durch das buch
de viris illustribus c. 48 acttimque de Bomano imperio erat, si itmgere
se Hannibali potuisset {Hasdrubal).
32. Oleichfalls durch die annähme einer lücke wird sich eine
stelle des Pomponius Mela heilen lassen. I 12, 66 schreibt nem-
lich Frick nach dem Vaticanus: in ea est et Tyros äliquando insuh^
nimc adnexa terris deficit, quod ab inpugnante guondam Alexandra
iacta opera. vici tenent uUeriora et adhuc opuHenta Sidon, a/ntequam
a Persis caperetu/r maritimarum urbium maxima, die früheren hgg.
setzten das punctum nach tenent und scheinen auszerdem in ihrer
mehrzahl die werte für corrupt gehalten zu haben, mit Fricks
Schreibung ist nichts geholfen, denn sein erster satz ist vernünftiger
and indispensable dutj. their spirit spoke in the lines inscribed upon
their monament, which bad the passenger teil their countrymen, that
thej had fallen in obedience to their laws.'
750 FBühl: ytimischte bemerkungen.
weise nicht zu übersetzen, es wird doch hofifentlich nieznuid mehr
mit erklärungen kommen, wie die von Weichert zu deficU: Warie
explicatur. ex re ipsa et adiunctis esse videtnr: insula esse deeiit,
ut gr. ^KXmcIv.' der fehler der vorliegt gehOrt zu den nicht gerade
seltenen, denen ein gewisser humor innewohnt, dem Schreiber oder
einem leser des archetypus schien der satz lückenhaft zu sein , nnd
er schrieb deshalb deficit an den rand, was dann von dem Schreiber
des Yaticanus oder einem seiner Vorgänger unsinnigerweise in den
text aufgenommen wurde, lassen wir deficU fort, so ist der erste teil
der Periode in Ordnung, man vgl. Plinins n.h. V § 76 Turas, qu<m»
dam insula praeaUo mari DCCpassihus äivisay nunc vero AUaimäri
oppugnantis operihus continens. veranlasst ist die randbemerkung
ofiPenbar durch das folgende, und die annähme einer Ittcke ist in der
that nicht ganz ausgeschlossen, sind die worte intact, so hat sich
Mela jedenfalls nicht sehr deutlich ausgedrückt.
33. Bei Justinus XII 2, 3 heiszt es: huc accedehat guod^ sienti
Alexandra Magno Delphica oractüa insidias in Macedonia, Ha kme
responsum Bodonaei lotns urhem Pandosiam amnemque AniterusiMm
praedixerat, hierzu macht Dübner in seiner bei Lecoffre erschienenen
ausgäbe , die sonst manches gute enthält (mein exemplar führt die
Jahreszahl 1876), folgende bemerkung: ^oracle qui nous estinoonnu.
si Justin ne s'est pas tromp6 et si le texte est correct, il foat qne
quelque partie de la ville de Babylone ait port6 le nom de Mace-
donia.' ähnlich scheint er schon gedacht zu haben, als er die anmer-
kung zu seiner Leipziger ausgäbe von 1831 niederschrieb: ^margoeod..
Periz. «immo in Babylonia'^ ; quod huc vocari non potest. res nobia
ignota.' allein die sache ist doch sehr einfach, ob der orakelepmch
historisch ist, mögen die götter wissen; dasz aber Trogus glanbte»
Alexander sei durch insidiae in Macedonia zu gründe gegangen, unter*
liegt keinem zweifei. er läszt ihn ja (Just. XII 14) auf veranlassung
des Antipater, der sich in Makedonien befand, vergiftet werden.
34. Vor einigen jähren hat Julius VOlkel in diesen Jahrbüchern
1877 s. 852 wieder auf seine publication über den Moskauer codex
von Ciceros briefen ad familiäres hingewiesen, da ich seit langer
zeit durch die liebenswürdigkeit von Petersburger freunden im besitz
deräclben bin , so will ich nicht länger zögern eingehender darüber
zu berichten, der aufsatz steht in den MoCBOBCKiÄ yHBSepCHTeTCKUI
H3Bt»CTiÄ von 1865 nr. 4 s. 193 flf. und führt den titel HOBSä pyBOnHCb
^^^cpo^OBIIXl» nnceifb kl jipjBUDFb, ist aber in lateinischer spräche
abgofaszt. dasz er vielen Abendländern zu gesiebt gekommen sei, be-
zweifle ich. er zeugt leider von keiuem hohen Standpunkt der philo-
lof^ie an den ufern der Moskwa; er läszt vieles vermissen was man
wÜDtichcn möchte , und gibt dafür anderes das sich entbehren läszt»
die hs. ist der einzige lateinische pergamentcodex der Moskauer
Universitätsbibliothek, ^nuper' gekauft, grosz quart, aurata fronte
und enthält Ciceronis epistolas ad familiäres auf 292 Seiten zu je
32 Zeilen. Völkel setzt den codex aus paläographischen gründen in
FBühl: Tenaisclite bemerknDgen. 761
das ende des Idn oder den anfang des 14n jh* nnd nimt an, er
von einem unwissenden Italiftner geschrieben« dasz er ans lialiea
stammt, ist allerdings nach einer ansabl von sehreibübnngen n&d
namensinsobriften, die er enthftlt, unsweifelhaft; sein alter wird aber
gewis zu hoah gesohfttst. ein facsimile ist nicht beigegeben, aber die
bescbreibung iSszt einen der gewöhnlichen renaissancecodices ahnen :
'Charta pergamena, tenuis, mollis, alba, quum multis loois perforata
et reyulsa esset > frustis mirum in modum agglutinatis resarta et
artificiose restituta est. quum vocabula et versus, qui in Ulis frustis
leguntur, prima manu inseripti esse videantur: librarius, nisi fallor,
eam qua usus est materiam . . ipse ad oodioem exsoribendum operose
resarsit . . principia unius cuinsque libri epistolarum expressa sunt
litera grandi, penicillo bellissime picta, ouius et maximi ductus aurati
et omamenta rubro, albo, caemleo, viridi aliisque distincta coloribus
nitent. omnia haec librorum prineipia . • adhue integros, vivos
hilaresque ostendunt colores et sex versuum altitudinem explent.
at prima quaeque singularnm epistolarum litera semper est maius-
oula, rubra binosque versioulos alta.' zwischen d^i seilen und am
rand sind von anderer band zahlreiche correcturen und.andere les-
arten beigescbrieben , nach den mitgeteilten proben so wertlos für
die textkriük wie nur je solche scholien des 15n jh. gewesen sind,
das achte buch fehlt, und das erweckt kein gutes verurteil für den
tezt. diesen selbst zu beurteilen ist nicht leicht, da VOlkel, abge-
sehen von gelegentlichen bemerkungen , blosz aus dem ersten buche
Varianten mitteilt und zwar ^gravissimas modo priorum librorum
[soll wohl ^primi libri' heiszen] quas vocant varias lectiones in libro
nostro inventas tanquam exempli caussa.' irgend welche genauere
Untersuchungen lassen sich also mit dem vorgelegten material nicht
führen, das aber Ittszt sich ktthnlich behaupten, dasz keine einzige
der angefahrten lesarten dem codex ansprach auf beachtung ver-
leiht, sich dagegen eine unmasse von interpolationen und aus dem
Mediceus zu erklärenden flüchtigkeitsfehlern findet, dasz namentlich
die Wortstellung von den^ bekannten echten quellen der Überliefe-
rung in zahlreichen fällen unmotiviert abweicht, dasz sich auch eine
anzahl von wirklichen Verbesserungen der Überlieferung findet, wie
I 9, 15 gut cum Tüus quidam tribiinus plebis poenas a sedüioso ewe
usw., versteht sich von selbst, für die interpolationen mag das eine
beispiel I 9, 23 scripai etiam carmina quaedam genügen, dasz die
grundlage des textes der Mediceus bildet, mögen zwei stellen be-
weisen: XY 2, 5 hat der Mosquensis dieselbe lücke wie dieser, und
I 9, 20 schreibt er gar mit der zweiten band des Mediceus: quas spe
nutu significatumeque appeUo, aber er stammt nicht aus dem Medi-
ceus allein: es ist eine contaminierte hs., mit der wir es zu thun
haben, darauf führt 6inmal die abteilung der briefe.. der Mosquensis
teilt nemlich den brief I 9 in drei, indem er nach § 3 eine neue Über-
schrift gibt {Marcus T. Oic, Fullio Lentülo Procos. sät. dkä) und
ebenso nach § 22 (dieser § schlieszt laetere vaUj und dann folgt
752 FHühl: vermisclitc oenierkungen.
Marcus T, Ci. Pub. Lentulo Procos. sah die. Quod rogas usw.). da-
mit stimmt der Parisinus übercin, welcher zwar keine neuen Über-
schriften gibt, aber durch einen absatz und ein groszes buntes initial,
wie auch sonst, den anfang eines neuen briefes bezeichnet, dasselbe
thut der Turonensis wenigstens an der ersten stelle, im Harleianus
endlich fehlt I 9, 20 non solum praesenti credo iracundia bis II
1, 2 dignüate es conseciäuSy aber zwischen I 9, 3 und I 9, 4 hat er
die Überschrift MARC CIC .SALVf DIC LENT PCONSVLI. ebenso
teilt der Mosq. den brief I 5 in zwei , aber nicht wie die hgg. seit
Lallemand bei hie quae agantur^ sondern erst bei posteaguam Pom-
peius, das könnte auf Vermutung irgend eines gelehrten beraben,
aber es finden sich im Mosq. auch unsinnige lesarten, die vom Me-
diceus abweichen, dagegen mit den nordeuropäischen Codices wenig-
stens teilweise übereinstimmen, so schreibt der Med. I 8, 6 id gue-
cumgue sentiam seduliUäe mihi me ipsum satisfacere non possim^
Turonensis, Parisinus und Harleianus idque cumgue sentiam sed u/i-
lüatem mihi me ipsum satis facere non possim^ und endlich der Mosq.
id quodcunque sentiam^ sed fdüitate mihi ipsi satis facere non poS'
sum, es fttl^rt uns demnach der Mosq., wertlos wie er allem anschein
nach selbst ist, auf ein problem in der geschichte des textes, von
der wir freilich bis jetzt so gut wie nichts wissen und der nachzu-
gehen erst möglich und angezeigt wurde, nachdem der bann, den
Orelli auf die kritik gelegt hatte , gebrochen war.
35. Wilhelm Meyer macht im Hermes XV s. 614 darauf aufmerk«
sam, dasz Cassiodor vor. VI 5 bei Cicero de oratore I 8, 30 gelesen
habe tenere hominum mentes, adticere voluntateSj impeUere quo vdU,
tmde autem vdit deducere. ebenso läsen beide Erlanger hss., und
diese lesung sei die richtige ; die lesart unserer texte tenere hominum
eoäus^ mentes adlicerey völuntates impeUere usw. sei zu verwerfen.
das ist ohne zweifei richtig, und ich kann zur bestätigung anführen,
dasz auch der codex Harleianus 2736 saec. X coetus ausläszt. es ist
also nur noch fraglich, ob die interpolation sich schon im Laudensis
vorfand oder von einem Italiäner der r6n|iissance herrührt.
36. In Frontin US strategemata I 1, 10 heiszt es: Themistodes
exhortans suos ad suscitandos fesiinanter muros^ qtios iussu Lacedae-
moniorum deieceranty legatis Lacedaemone missis, qui interpeüarent^
respondU venturum se ad diluendam hanc existimationem, dasz das
historischer unsinn sei, wird ja wohl allgemein zugegeben werden;
beseitigt wird er, wenn man deicerent statt deiecerant schreibt,
ebd. I 3, 9 liest Oudendorp^ angeblich auf die autorität seiner hss.
hin , Athenienses ' . classemj qua Pdoponnesum infestarent, miserunt.
sehr schön ist dieser ausdruck, wonach die Athener das subject zu
infestarent wie zu miserunt sein würden, gewis nicht, und mit der
Überlieferung ist hier auch nicht zu prunken : der Harleianus bietet
quae . . infestarent. die alte vulgala quae . . infestarä wird daher
wohl das richtige treffen.
KöNiasBBRO. Franz Bühl.
KOhlert: zu Athenaios. 763
109.
ZU ATHENAIOS.
HL 123^^ ÖTi bk Kttl x\6vCkC fiTivov iv MavöpaTOpiZojLi^vij i(pr\
''AXeHic. bier ist xuSva zu schreiben, in den versen des Alexis selbst,
die hier gemeint sind, lesen wir 124^ kqI x^öva ixty iriveiv napa-
€Keud2[o]Liev. ebenso in den darauf folgenden versen des Dexikrates
124'^ ei bk ]Lie6uuj ica) xi<iva nivui Kai iiiupov | ^itictq^' ön Kpd-
Ticrov ATtütttoc noici. den genitir x*övoc gebraucht Myrtilos, einer
ans der tafeirunde, 12ö* ijwV SiV qpiXoTdpixoc, (b ^rmpoi, xiövoc
ineTv ßouXo|Liat, korrä Ci]LiUJvibT]v. kurz, überall wo wir lesen dasz
man den schnee zur ktthlung gebraachte,' finden wir den singularis
von x»u)V, zb. Ath. UI 124^««. ÖTO^. 124**. 126«. Plut symp. 3.
quaest. 6. Xen. apomn. 2, 1, 30. vgl A'sklepiades anth. Pal. 5, 169
i\b\) öepouc bi^i&VTi %\wv Twytdv.
XII 629* ol fi^ TioXXoi, d/v den kqI Aoöpic, kiopoOciv (mö
TOUTOu dTovaKTf^cavTOC el toioOtoc auTiIiv ßaciXeuei cutkcytti-
O^Ta diToOaVeiv. Meixieke hat hier ßaciXeOcei geschrieben, aber
diese Änderung würde einen argen fehler in die Überlieferung hinein-
tragen. Arbakeis, einer der feldberm des Sardanapallos, weisz sich
eingang in den palast de» königs zu Verschaffen , und als er hier
den kömg inmitten seines weibischen prunkee sieht , tötet er ihn in
seinem zome darüber, dasz ein solcher könig über sie hersche. nach
den Verben des affects , besonders auch dach dravaKTcTv , steht zu-
weilen ei statt ÖTi mit einem feinett unterschiede des gedankens:
€i wird nemlich gesetzt, wenn der gegenständ^ der den affect hervor-
ruft ^ nicht als wirklich bestehend, sondern ads blosz möglich oder
als noch in frage stehend dargestellt werdeki soll (Kühner gr. gramm.
II s. 887, 8): vgl. Piaton Laches 194* dTttVötKfirdi, el oötujcI S voui
lii\ olöc t' elfii eiTieiv. Phaidon 95* deaujuiaZcv, et xi ?£ei Tic XPH-
cacOai Tip XÖTU) airroO. Demosth. 21, 105 ovbk ^cxOvGri, €l . .
^äT€t. ßaciXeuei steht also an der oben angeführten stelle nicht
etwa für ßaciXeucei, sondern einer häufig in lebendiger erzählung
vorkommenden erscheinung gemSsz für dßctCiXeueV. \
ni 82 ^ öcöcppacroc ^v beuti^p«}i itepi 0uTütrv IcTopiac X^t^v
Ttepl iLv 6 KapiTÖc ou cpavepöc Tpdq>€i koI Tdbe* «^itei t&v T€
jLi€i2:övtüV (povepd ttqvtujv f] dpxVj, KaOdirep djLivrödXric Kapuou
ßaXdvou Tuüv dXXuiV öca TOiaöTa . . ». hier ist diri statt ^nel zu
schreiben, bei den verben und- ausdrücken, die ein zeigen, wahr-
nehmen, beurteilen bezeichnen, wird der gegenständ, worauf sich
die Wahrnehmung oder das urteil stützt oder an dem etwas offenbar
wird , regelmäszig durch im m. gen. gegeben, vgl. Theophrast de
caus. pl. 5, 5, 3 cxeböv be Kai trapö^ioiov toiitiü kqI inX täv |Liei-
Zövujv TiveTai xai jLidXicTa im tijüv dTpiu)V t^ (pucei. ebd. 5, 4, 1.
6, 17, 3. de ventis 49. de sensu et sensibil. 69. so ist auch bei
Ath. XI 488 <* richtig überliefert : TÖ bk in\ Tuiv buoiv TTue^i^VOlV
ZnTOUjLievov. Meineke hat hier mit unrecht irepl statt im gesohrie-
Jahrbücher für olass. philol. 1883 hfl. 10 a. 11. 49
754 EOhlerti zu Athenaios.
ben , die Überlieferung bietet das richtige : vgl. Piatons staat 597 ^
ßoiiXei ouv in* aÖTojv toutujv töv m^iiTfiv toOtov IryniCijj^eVj Tic
TTOT* dcTiv; Plut. Titus 2 briXoOTai im t&v irpoEcuiv. so findet sich
CKOTreTv mit im verbunden Isokr. 9, 34 nnd 16, 15. Demosth. 19, 92.
18, 233 und 210. 18, 294. T^TVwcKeiv mit ini bei Lsokr. 8, 99 :
8. OScbneider zu Isokn 1, 50. Behdantz zu Demosth. ind.^ u. dirf.
Kühner gr. gramm. 11 431.
in 109* diTCicdTOuci öiajpißfiv töv öidxpiiCTOV dcxapitnv
KaXou^evov, 8c outuj K^Kparai toic iieiXiTMOtci xal t^ fiaXaKÖniTi»
Kai ToiauTTiv dvGpuTTTÖjievGC ?x€i iTpdc TÖV tXukuv cuvauXiav»
ÄcTC öpoC 7rpocßiaZ;6M€VOC Oaufiacröv ti cuvtcXcT* KaOdirep Top
dvavriqKiv iroXXdKic T^veTai töv ^leOüovTa, töv aÖTÖv Tpöirov
UTTÖ TTic f|öovfic dvaiteivfiv t^vcTai töv dc6(ovTa. in diesen worten,
die Lynkeus aus Samos in einem briefe an Diagoras schreibt , sind
besonders die worte i&CT€ ö|LioO Trpocßia2Iö|ievoc Oau^acTÖv n cuv-
TcXei verschiedenartig erklärt und verbessert worden. djCT€ hat die
epitome und ö^oO cod. A überliefert. Schweighftuser wollte, um
die überlieferten worte verständlich zu machen, eine änderung vor-
nehmen, er sagt in den animadv. zdst.: 'sed fortasse in eandem
quam dixi sententiam rectius hoc loco legetur 1Tpocßla2[o^^vOlC (sc.
auToTc) Gau^acTÖv ti cuvtcXci, bis, si vim faciunt sibi (si, quamvis
fere non amplius possint, tarnen se ipsos ad hunc etiamnum panem
comedendum passo intinctum cogunt) admirabile aliquid efficit.'
Eorais wollte so lesen: npöc TÖv tXukuv cuvauXiav, öc^f|V irpoc-
ßaXXöjLievoc, Obc Oau^acrdv ti cuvtcXcTv. ich glaube, 7rpocßlo^6^€voc
ist richtig überliefert, doch 6)io0 aus ö^ujc verderbt, die Stellung
von öfiUJC vor dem part. ist auch in der prosa vielfach bezeugt , zb.
Xen. Kjrup. 5, 1, 26 oötuüc Ixo|li€V, ibc cuv col 6|liu)C kqI ^v tQ
iToX€^i()i dvT€c 6appoG|bi€V (Kühner gr. gr. II 644 f.). 6pu)c konnte
der epitomator fortlassen , ohne den sinn der worte wesentlich zu
stören, nicht aber ö^oO, dh. an dieser stelle cOv oder djna Tip tXuk6T
'zugleich mit dem rosinenwein'. der epitomator hat die worte des
Lynkeus in folgender weise wiedergegeben: AufKCUC b' 6 Cd^iöc
cpHCi TTCpl Toö *A9iiviiciv f\ iy Pöbip dcxopiTou, 6ti oötu) K^Kparat
TOic jüi€iXiY]Liaa koV t^ ^aXaKÖTriTi Kai TOiaÜTTiv evöpuTTTÖMevoc
TTpöc TÖV tXuköv lx€i cuvttuXiav . . i&CTC irpocßiaZöjLievoc boiTU-
fiöciv oubfev XciTrojuidvoic, dneipriKÖci bfe KalTrcTrXiipuJM^voic, f|bi-
CTriv ^Tr€icdT€i biaTpißnv. wenn wir von oub^v Xcmop^voic absehen,
müssen wir sagen dasz der epitomator die worte des Lynkeus rich-
tig aufgefaszt und in kürze wiedergegeben hat. 7Tpocßio£6|i€VOC
fasse ich in der bedeutung 'aufgezwungen', so wie der epitomator
das wort verstanden hat. die Übersetzung der worte des Lynkeus
würde ungefähr so lauten : 'wenn die gaste beim essen verzagen und
gesättigt sind , bringen sie die schönste erquickung herbei, nemlich
den köstlichen sogenannten escharites. dieser zeigt eine solche
mischung von süszigkeit und milde und hat eingebrockt eine solche
Übereinstimmung im geschmack mit dem wein , der aus gedörrten
EOhlert: zu Athenaios. * 755
trauben bereitet wird, dasz derselbe, selbst wenn er (den gasten)
aufgezwungen wird , dennoch eine wunderbare Wirkung hervorruft,
denn so wie es sich oft ereignet dasz der trunkene wieder nüchtern
wird, ebenso geschieht es dasz derjenige, der davon (von diesem
brote) iszt, in folge des Wohlgeschmackes wieder hunger empfindet.'
der vergleich ist in seiner kürze kühn genug, vollständig würde der-
selbe ungeföhr so lauten : Vie es ofb geschieht dasz ein trunkener,
wenn er von einem köstlichen weine trinkt , wieder nüchtern wird
und von neuem durst bekommt, ebenso geschieht es dasz derjenige,
der vom eschaiites iszt, selbst wenn er gesättigt war, wieder hunger
empfindet.' diese kürze des ausdrucks ist es die Meineke veranlaszte
zu sagen : ^sequentia KaGdtrep To^p dvavrjcpeiv TroXXdKic T^vcTai töv
jueGuGVia, töv auTÖv Tpöirov uttö tt^c f|bovfic dvaireivf^v Tweiai
TÖV £c9iovTa non videntur omnis erroris inmiunia esse.' trotzdem
haben wir keine berechtigung die überlieferten worte zu ändern.
I 25 <^ TTiKpdv CTpaTciav ö ' elbov, oKTivec nöXiv | jiiav Xaßöv-
T€C eupU7rpUJKTÖT€pOl TTcXu | TT^C TTÖXeOC dLTieX^9r]QaV fic elXoV TÖT6.
Meineke com. fr. III 262 will statt elbov lesen eTxov und hält auch
in seinen anmerkungen zu Ath. an dieser lesart fest, um die Verbin-
dung eTbov CTpareiav leichter verständlich zu machen, könnte man
CTpaTcia im sinne von ^kriegsdienst' auffassen; in dieser bedeutung
ist CTpaT€ia bezeugt zb. bei Plutarch probl. Rom. 274 * 6 CTpaTeiac
ä(p€i^^voc, bei Demosthenes s. 568, 9 dTTÖbpacic CTpaTeiac, bei
Polybios 6, 19, 1 f. tt^vtc ^viauciouc ixeiv f{br\ CTpaTeiac, ebd. 4
täv fxf| b^Ka CTpaTeiac ^viauciouc fj TeTeXeKU)C. wie man aber
CTpaTeiav auch immer übersetzen mag, eTbov ist sicherlich richtig,
in den werten TTiKpdv CTpaTeiav elbov ist TiiKpdv proleptisch auf-
zufassen : ^sie sahen eine heerfahrt , die für sie bitter war* oder 'sie
empfanden dasz ihre heerfahrt eine herbe war', ich möchte hiermit
Aiscbylos Sieben 881 vergleichen: iu) luj b(Jü|LidTU)V dpeii|iiTOiXOt Kai
TTiKpdc jiovapxiac IbövTec, Ti bi\ birjXXaxOe cüv cibdpip; und Aristo-
phanes Vö. 1468 TTiKpdv Tdx' öipei CTpei|ioöiK07ravoupTiav : so ruft
Peithetairos dem sykpphanten zu : 'bald sollst du erfahren dasz die
rechtsverdreherkünste für dich bittere folgen haben.' Thesm. 85ii
TTiKpdv *ex^viiv öi|iei Tdx', ei |Lif| KOC|Liiu)c ?Heic.
Auch Ath. III 124*» ist richtig überliefert TipoiTOC jifev elöev
ei x^^v dcT' ibvia. Meineke : «ex P rescripsi oTbev.» elöev heiszt
hier so viel wie *er erfuhr, er bekam zu erfahren', vgl. Ath. X 420*^
ifOj be KaGuXicai irpoc^TaHa dvGpuiTTijj iiiri^^v ^opaKÖTi dtaGöv.
in der bedeutung Vissen, erkennen' finden wir elbov zb. bei
Demosth. 4, 5 dXX' etbev , (b dvbpec 'AGnvaToi, toOto KaXuic ^Kei-
voc, wo Cobet und Spengel ohne grund ^beiv fordern. Ath. IX 378 *
6 |Li4v oöv KaTe'xuJv Td ToiauTa Tf|v ujpav ibwv | toütujv, ^Kdcroic
übe TTpocrJKei XPnceTai. Demosth. 23, 156. 24, 184. Behdantz ver-
weist Dem. ind.' u. 6pdv auf PBMüller zu Ljsias (progr. Merseburg
1862) s. 12. cuvibeTv findet sich oftmals in der bedeutung ^ein-
sehen, durchschauen, verstehen', zb. Ath. VI 257 <= cuvibiuv TÖV dv-
49*
756 EOhlert: zu Atbenäiotf.
OpujTtov biaßdXXovrd tiva tOuv Xatiti&v 9(X(dv. Meittcfk« hat InrUUa-
lieh Cuv€ibiüc geschrieben : tgl. Ath. IV 143 ^ cuvf^tv itpisffiaTa. JK
406 * cuvib€iv töttov, fSpav, xdv KaXoOvtft, töv ttdtXiy | bctTrYoOvTtt«
iröt€ bei Kai t(v' ixOäv dtöpdcai. Detflosth. 1, 28 trdvra M| t«Ot«
bei cuvibövtttt fittavtac ßor|Ö€lv. Pöiybios 1, 4, 6^ d, f^ 9. 6, 4, 12.
3, 66, 3. 1, 23, a. 1, 25^ 2. 12, 4, 4. Tbeophraet dcf meh&tk et BtKBiWl«
86 toOro hi o^^Ti cuV€t^DV. in fthnlicher b^deatttug findet b3A
tcanbeiv , zK Ath. m 104 *> elKÖtuic ftv £fraiWc€i€ tdv käXäv Xpt*-
CiirtföV, Katlbövtct dKpiß(2fc Tf|v *67r!ieo^pou qydciv. Memek«: 'pro
ttottbdvtoc scribendum yidetur KOtCiÖöta.' die abevliefernng igt
nichtig: Vgl. Platotts Staat 2, 372«' t&X* ßv Kcrrt5m|Li€V ttiv te &lMai»*-
cuvtiv Kai dÖiKiav. 4, 432« fipa oöv ic«t ltpo8ü|ioaK«Ti5dv, iAv
ituk: tfpörepöc ^moö tbijc Kai d|Liül <ppdcijc-
Ath. III 83 « Td bt tiöv ^CTfcpibwv X€Yc>p€va HflXa äti tc toöc
Aiöc Kai ''Hpac XcYom^yooc xdMOuc dvftK€V f| tf^ 'AcK^n^i^HfC
^YpTfc^V. i^h glaube nicht dasss AtheWAies oder gar Asklepiades,
den Ath. hief eitiett, Von einer sogetvannten Mochteit d<» Z^os tMi
der Hera gesprochen haben wird. Ton alter zeit her haben diebtir
vitid logographen diese hochzeitfeiei* besangen. Weil de ein qndll de«
Segens wurde 4n den seligen gegenden des OkcfanofSf WO sotobroiiA
flitfdzt und Wo die erde den bäum des lebens mit de» gdtom
hcisperidenltpfeln zur faöchzeit der Herd hat wachsen lüsstfn' (PNlkr
gr. myth. I' 127. Vgl. ä. 31). die hocbzeitfeier selbst war fOr 4m
Alterinm eine thatsaehe. wenn die" Oriecheu ibber, besonders in Pku
taia^ auf Euboia, in Athen, auf KtiUt und auf Samos, im (Hlhlflijg
ein fest feierten , bei dem man die Hers im brftntliohffn scbdraoti
timherfühtte und \ht öin brautbett stüs sarten weidenzweigen flocbti
dann konnte mün sagen , sie feierten 'die sogenannte bochteit' iiH
Kens und der Hera, in diesem sinne lesen wir bei HesycMoe: IcpdC
YdjiOC- ^oprrfl Aide Kai "Hpac, und im Etym. M. s. 468, 60: kpAir
Ydjaov 'AerjvaToi ioprfiv Ziiöc dYOVCi Kai 'Hpac oör«) KoXo^yvtiC
ich glaube, in den oben atigefClhrten worten ans Atbenaios ist Xcyo«
fi^vouc aus YCVOM^vouc verderbt; YCVOm^vguc steht für YiYVOfi^VOVC
im isinne der bandidng (dh. der hocbzeitfeier), die fQr den erifthler
der vergaugenheit angehört, 'wo das part. des aor. neben enettl
ind im aor. eine diesem gleichzeitige oder znkünftige handlong zu
bezeichnen scheint, ist ihre zeit vielmehr bemessen nach der gogen-
wart des redenden , dem sie als vergangene erscheint' (OSchneid«t
zu Isokr. 4, 98). Yh^^cOai in Verbindung mit Yd)yK)t finden wyt itt
Xbnlicbem sinne bei Diodor 6, 72, 4 X^YOUCi hk Kai TOiK jitiOWC
toO T€ Aide Kttl Tf|c *'Hpac ^v Tfl Kvwciujv xv*W YcWcdai mrcA
Tiva TÖTTOV TiXriciov toö GfipTivoc rroTaiüioö, koO' 8v vöv Updt
^CTiv, iv dl Guciac Kat* iviaxrröv dYiovc önd Ti&v iYX^wp^v cuv-
leXeiceai Kai touc yomouc dTTOfiiiLicTcOai, xaOdncp Ö dpxvK Y€V<c9ai
napeböGiicav. Meineke war in betreff der von Ath. 83* überlieferten
steile zu einem andern rebultat gekommen« er sagt: ^post "HpOC
supplevi quod omitti non potuit Upoöc'
HM* Tfiiiy aSv Xiirapäiv dcpofpciToi jö Aiic^c J| vupiUJac* fiof
fäp tioOso o^ipiCTOV. Jli^eke hat bixiter tqOtq den artikißl tö ein-
gasobfdtot, er sagt: *Ubri rd oioittant, #dieoit Pobraßus.' w«br^
Bobeinlicli woUten hmä» gelehrta toOto a}p prfldicat gafg^faszt
wissQi, wi9 wir «b. bei Piaton Menex* 248^ las^n: dTi)i dvbp\ €ic
lourdv övifiPTiiTai irdvia rd irpoc ^ObaiMoviay 9^pov'Da^ ToOrip
^€T« irap€CKß^T«i ZJ|v,^TÖc 4cTiv 6 CitKppujv Kol oOtm 6 dVT
itpefoc «Ol <qppövi)ioc, ee scheint ab^r k^in zwingender gmnd dazq
Tonraliegfln, in 4en worten dee Aäi. toOto ute ^dlcat aofzufassNin,
sondern toCto ist subject, vgl. Kühner gr* gr. II s. ^13 (g 461, i
anm. S mitte), ieb stdtzß meine j^woht dwrcb folgende beispiele:
!rheophn0t hiat. |d. 9, 20, 4 ipuerai b^ k<A ^dXtcia ^y Tok opeci '
Ka\ auTii ßeXTicTii. 3, 8, 4 tö bi £uXov kxvpdv m^v, dcOev^cTcpov
ft^ Tfjc (priToO • TOÖTo Tcip kxvpÖTaTOV Ka\ dtcair^cxaTov. Ath. Hl
113'' TÖv b^ ToiojDrov äprov o\ Cupoi XaxMdv iTpocaTOp€ÜouK4,
Kcd IcTiv oGtoc £v Cup{<)l XPYlCTi^WXOC T^V^MCVOC
II 65"^ t) ofiv äfopäu^', ^ppdZe tdp. Meineke bat dTopdcu)
geschrieben, ich halte die überlieferte form fttr richtig, wie der
Grieche häufig in zweifelnden fra^n statt des coigunotiys den ind.
fut. setzte (Kühner gr. gr. § 394, 5 anm. 5 und § 387, 4), so setzte
«r zuweilen fineh den indicativ eines andern tempus, zb* Piaton l^org»
480^ f| tidbc X^TO^v, dii€p rd irpörepov ^^vei f^iv öjLioXoT4M<XTa;
symp. 214^tr«Iic ouv noioO^ev; 211^ tI b^ra, ^(pKi, oi^M^o, €{
Tif) T^voiTO otxn6 tö xaXöv ibeiv; Ath. Tin 3$0^ KaroXiirniV tö
O^oTpov ^gf)XO€v eirroiv, 6itou tö dbdiravov oö noxÖTe, iriiK: ^rdj
(IXiriZlu) irap' täjiüjv ^payov XiiMiecOai; der conj. praes. findet sieb in
folgenden beispielen: Ath. XY 67T^ ri Q0V iroitu^ev; . . $buijyt<Ey ^c
TÖV becTTÖTiiv dtKui^iov. V 213 ^^ Ti odv cujLißouXeuui; Piaton Oprg.
480 ^^ Ti fdp b^ qujüiLiev, (b CüÜKpaTCc; Xen. apomn. 2, 1, 1. symp^
6, 3. Aisch. Sieben 1057. Eum. 789. £ur. Ion 758. Od. o 509.
XII 534^ .dq)ucö|Li€VOC b' 'AGrjviiciv Ü 'OXujiTiiac büo irivcucac
deW8r|Kev. Meineke: 'pro 'AOt'jviiciv fortasse ^Mi\VQle scribendum,
«usi id post ii 'OXtijbtiriac transponere malis.' die ortsadverbia wer*
•den zuweilen in prägnanter bedeutung gebraucht, indem das verbum
des Satzes 'neben dem begriffe der bewegung zugleich auch den be-
griff der ruhe inyolyiert und so beide begriffe zuaammenfaszt und
mit einander versehmelet' (KlUiner gr. gr. n 473 anm. 4), zb. Thnk.
3, 106 ibc ^cGovTO toik ^v "OXnaic *A^Trpaittif)Tac i^KOVTac. 2, 86
Trap^irXeucav eic TTdvopMov töv *AxciiKÖv, o6iT€p aÖToic 6 Kord
Tflv CTpaTÖc Tiüv TTeXoTTOvvTicluJV irpoceßeßoiid^Kei. Ath. XIII
575 ' ouK Iqpacav eib^vat önou irenöpeuTai (Meineke wollte öiroi
schreiben). XIII 585® 6aic irpöc TPdcwva TTopeuo^^vri dpacTiiv,
£TT€i TIC aärfiv i^puira iroO irop€i36Taty cTttcv (Meineke hat mit un-
recht statt iToO geschrieben ttoi). Xen. anab. 6, 3, 23 kqI touc "CK-
Xnvac bk ^qpacav oTxecGai, 6ttou bk oi)K cib^vai und Sehdantz zdst.
1 13 "^ oO iLiövov bk ix9uciv dXXd icai öcTpeiotc ^xP^J^vto, KaiTOt
if\Q TouTwv dbuibnc oii iToXO £xov»cr|c TÖ dKp^XtjLiov Kai f|bü, dXXd
758 EOhlert: zu Athenaios.
xdv Tijj ßuOip KttTOt ßdOoc K6i)idvu)v. Meineke bemerkt dazu: 'in
verbis dXkä KOtv T(ji ßu6i^ KttTa ßddoc K6i)i^vu)V pro dXX& fortasse
fi^a scribendum est.' ich halte die Überlieferung für richtig, oö
vor TioXü steht hier für oö fiövov oö. so steht oftmals oö . . &XXd
Kai in nachdrücklicher betonung für oö jiiövov oö . . äWä xai, zb.
Thuk. 1, 144, 4 oi ToOv Trai^pcc fmOöv ÖTTOCTavtec Mtibouc kolI
OÖK diTÖ Tocujvbe öpjLiu))i€voi &\\ä Kai Td ÖTidpxovTa dKXiirövTCC
. . TÖv ßdpßapov direubcavTO. Demosth. 20, 10 örr^p bk b6ir\c
oöb^va TTU)7T0T€ Kivbuvov dS^CTTicav, dXXd Ka\ Tdc ibiac oödac
7rpocavaX(cKOVT€c biei^Xouv.
X 435^ NucaToc ö Tupavvrjcac öcTcpov CupaKodujv, dicircp
lii\ 6avdT()i cuveiXimii^voc Kai Trpoeibdjc öti jLif]vac öXItouc fifieXXe
ßiüCicecGai, facxpiCö^evoc Kai ^eOöuiV bif^T^v. Meineke: ^aut in
post ÖTi excidit aut scribendum dirißiidcecGai.' die angeftihrten
Worte des Athenaios würden in der Übersetzung etwa so lauten:
'NysaioB , der später tjrann von Sjrakus wurde , asz und trank un-
ausgesetzt, wie jemand der festgenommen ist um den tod zu er-
leiden, oder wie jemand der vorher weisz dasz ef nur wenige monate
loben soll.' Kai steht hier im sinne des deutschen 'oder' (s. OSchnei-
der zu Isokr. 9, 32). statt fiimeXXe würden wir nach unserem Sprach-
gebrauch jLi^XXci erwarten (s. denselben zu Isokr. 4, 108). )if)vac
öXiTOuc ßiObcecOai heiszt hier 'nur wenige monate lei)en'; £ti, das
Meineke vermiszt, könnte allerdings dabei stehen , so wie wir es bei
Ath. X 452 *» finden : q)av€pöv oöv tfiveTO Träciv ön b^Ka fm^poc
in KapT€pf|cai buvavtai ot TioXiopKOÖjLievoi bid töv Xijliöv. not-
wendig aber ist dieser zusatz von Iti nicht, auch an dieser zuletzt
angeführten stelle heiszt b^Ka f|)i^pac KapT€pf)cai 'nur zehn tage
aushalten', es ist bekannt dasz jiiövov wie söhtm und tantum oft
nicht gesetzt wird, wo wir es nach unserer ausdrucksweise erwarten,
ßiöuj in Verbindung mit dem acc. der zeit findet sich auch sonst im
sinne unseres deutschen 'nur', zb. bei Aristoteles s. 552 ^ 23 (bist,
anim. 5, 19) &^a buofi^vou dnoGv^CKei ßiujcav fm^pav fiiav, biö
Kai KaXeiTai d9i^|ui€pov. Ath. Yin 352^ ttöGcv b' 6ti ö jli^v dppnv
Ittttoc Irji irr\ tt^vtc Kai xpidKOvra, f| bk Gi^Xeia irXeiu) täv tecca-
pdKOVTa ; ebenso steht Ath. X 437 ^ bbl nXeicTOV iriujv Kai viKi^-
cac ime. jii^v dKpdrou x<^gi<: T^ccapac Kai tö rdXavrov £Xa߀V,
ißiuice b^ f))i^pac T^ccapac. Meineke wollte auch an dieser stelle
£ßiu)C6 in drrcßiujcc geändert wissen, ich halte auch hier die Über-
lieferung für richtig, ßiöuj heiszt nicht nur 'leben', sondern auch
'leben bleiben', zb. bei Aristoteles s. 585^ 21 (bist. anim. 7, 3) TOÖ-
TU)v TÖ jLifev dteXcÖTTicc , Td bk dßiUJC€V.
miOö»
dXXd Tiapelc Xflpov ttoXuv dctüKÖv d)voO
TÖV Tdc X€ipac ^xovTa jiiaKpdc dXXujc t€ ßapeiac,
Touc bi TTÖbac fiiKpouc^ ßpabdujc b* inX Taiav öpou€i.
WJBibbeck 'Archestrati reliquiae' (Berlin 1877) n. 8 hat dXXcuc T6
ßapeiac in xr\k&c t€ ßapeiac geändert: 'mihi autem saepe cogitanti
EOhlert: zu AthenaioB. 759
videbatur esse scribendam xvl^^^ '^^ ßapefac. sunt enim toti asta-
corum pedes priores X^^P^^i <1^& ^^^ primo loco hominis braodua
significari constat; horum autem partes, qnae sunt hominis dicpai
X€ip6C, astocornm sunt X^^<^(>' ^^^ hslie diese änderung nicht für
nötig, auch in dem fragment des Epicharmos bei Ath. m 105^
werden nur iröbec und X^^P^c vom krebse genannt: Td iröbi^ ^x^i
)üiiKp&, Toic x^fpotc bk ^aKpdc• unter X^^P^^ ^üid die scheren des
krebses zu verstehen, die mitunter lang sind, ohne schwer und
wuchtig zu sein. Archestratos rät seinem freunde nur solche krebse
zu kaufen, deren scheren lang und auszerdem wuchtig sind. äXXuic
T€ in Verbindung zweier attribute in der bedeutung 'und voUendSi
und überdies, und dazu' ist bezeugt, zb. Arist. Thesm. 289 Ka\ Tf|V
OuTOT^pa xoipov dvbpöc ^0l Tuxciv itXodtoOvtoc äXXujc t* i^Xi-
Oiou KdßeXT^pou. Ath. YI 257* oi3 irpätMa Tpuq)€pöv bioupepöv-
TUJC fjv ibciv fiXXuJC t' fiTTiCTOV (so liest Meineke nach Dindorfis
Vorgang für fiXXujc fe). GKaibel will an der zuerst angeführten
• stelle in den werten des Archestratos ebenfalls fiXXuiC T€ nicht gelten
lassen und schlägt etwas anderes vor wie &(p&T\X)C T€ , doch ist eine
änderung aus dem oben angegebenen gründe ^icht statthaft
XTTT 667 ^ OlXnrTroc bfe 6 Maiccbdiv oök dTn^T^TO jiitv de toöc
iToX^jLiouc Tx^voiKac &CTT6P Aapeioc . . Sc mpl tujv 6Xu)v iroXefiiliv
TpiaKOciac äf^KOVTa irepirJTCTO TroXXaxdc. Meineke hat iiniTCTO
in 7TepirJT€T0 geändert; er sagt ohne einen grund für die änderung
anzugeben tcorrezi oö TtepirJTCTO». die Überlieferung ist durchaus
wieder herzustellen, iuccfec^ai heiszt *mit sich führen', vgl. zb.
Ath. XIII 556 <^ Kttl f) KXuTQijLivyjcTpa ik nepiiraOfic Tcvofidvr) Tf|v
Kacdvbpav • . dnoKT€(v€i, f)v eic Ti\v "EXXdba ö icpefuiv diriiTdtcTO
iv £061 T^vöjLievoc ßapßapiKuiv Tdjii^v. XTTT 592« Kairoi £0oc
^XÖvTujv TUJV KpivojLi^viuv Tdc T^vaiKac ^irdtccOau bei Poljbios
1, 84, 8 und 5, 17, 3 lesen wir beide male iirdtccOat nva eic iv-
^bpav. darum halte ich auch die werte für richtig, die wir bei Ath.
XIII 574 <* lesen: xai ^T^pac bk buo ^Totpac £TniT€TO del ö 'AXki-
ßidbr)C. Meineke hat auch hier mikunrecht irepirJTCTO geschrieben. —
Wenn es in den zuerst angeführten werten 557 ^ von Dareios heiszt
irepifiTCTO TiaXXaKdc, so sollen damit die kreuz* und querzüge be-
zeichnet werden, in denen sich Dareios dem Alexandres zu entziehen
suchte. irepidtccGai heiszt ebenso wie iirdtccOai 'mit sich führan',
aber bei irepidTCcOai ist oft noch der begriff der kreuz- und querzüge
eingeschlossen, während ^TidirecOai meist da gesagt wird, wo ein be-
griff mit eic oder ^rri steht oder sich ergänzen läszt. als beispiele
für den gebrauch von irepidtecOai führe ich aus Ath. an XII 532*
&c Te TrepirpreTo CTpaTeuö|uievoc aöXiirpibac Kai iiioXTpioc xal ireZdc
^Tatpac. XII 542 ^ btd jii^v tt^c x^pac TerpaicuKXouc dirfjvac irepi-
aTÖjLievoc Kai tTtTTOuc Kai OepdTiovTac. X 435 ^ XII 533*».
n 64 ^ "^ ai b^ ßoXßivai KaXoüfievai eöxuXdrepai ^ev eici tAv
ßoXßuüv, DU )if)v o{rru)c eöcTÖ^axol, bid tö TXuKdZov ^x^iv iraxtS
Ti * Kai T£ iKavutic elci bid Tf|v 7roXXf|V CKXrjpÖTTira Kai eö^KKprroi.
760 EOhlert: zu Athenaioft.
Schweighftuser sagt zdst.: 'istud Kai T^ iKavuJC eici refeiandam
putavi ad praeccfdens €ÖCTÖ^axol: quasi dixisaet Kai toi IkoviXic
cöcTÖfiaxoi eici, Ka\ eu^KKpiioi.' Meineke sagt: -^debebafe opiaor
bia Tf)V TTo\Xf)V T^icxpÖTHTO, praeterea ec^cidisse yidetor adiQcti¥iui|,
nisi Kai ante eueKKpiTOi delendam.' ich halte .die Hberlieferuiig fllir
richtig, glaube auch nicht daaz die ergfinBiuig eines a^J^o^'viuds
hinter acXripÖTTita nötig ist. Kai f€ in der bedeutu^g 'und docb,
und dennoch' ist bezeugt: so erklärt Hesjphios Kai T^ niit Kai TOi
(Kühner gr. gr. § 511, 9 b). xai und rfk waren in dieser Auaammen-
stellung so gefestigt, dasz selbst ein zweites Kai dai:aaf folgen
konnte: vgl. Galenos bd. lY s. 645 Kai t^ Kai lyteiSouc dvrec ismü
OepjLiÖTepoi, das zweite Kai hat hier intensiv^e bedeutung. in den
werten des Ath. gehört demnach Koi T^ iKOVitic eia iKai cuäocpiTOi
dem gedanken nach zusammen, dazu tritt die nähere bfistimmung biet
Tf)V TToX\f)v CKXnpÖTTiTa. die Stellung von kavOüCieriiBiei't an eine
andere stelle bei Ath. : 132^ iKavuic bl Kai ö Kt^oc n:€6aXdTTU>TOU
Tgl. Aristoteles s. 1449^ 8 (poetik c. 4) tö \ikv oOv diriCKoncSV .ei
dpa lx€i ffir] f) TpaTi^bia toTc cibeav kavdfC f{ ofi. solche Um-
stellungen kommen vielfach vor: Ath. 169^ i) bk CKXiipOT^pa xal
ipaGupd TJTTÖv den Kai 'eöcröiiaxoc Kai euKoiXioc öirvov xe itoi€i.
Xni 590^ f)V hk ÖVTUJC jiäXXov f) OpOvr) xoXJ) iv toic iii\ ßXe-
irofidvotc. vgl. OSchneider ;su Isokr. 9) 39.
U 64 <" ßoXßivac 8', a^i Znvöc 'OXu^1Tiou eiclv äotboi,
Sc dv x^pci^ Op^M^e Aiöc Traic äcwcQC ö^ßpoC;
XeuKOT^pac xiövoc \bieiv ä^uXolctv 6)ioiac'
Tdiüv q)uo^^vu»v t^pdcjQaTO irÖTvia xacrrip.
Meineke : *fortasse uofxdvujv scribendum, quanda imbiihua imganitir^
coli, versu tertio Sc dv x^pcqi 6p^i|i£ Aiöc naic äcireroc .d^ßpoc.
nisi quis praeferat Ouojiidviuv, quando madantwr^ ut Horatius dixit
parrum seu caepe tmcidas.* Schweighäuser übersetzt den letzten
vers : 'quibus nascentibus (sc. bulbinis) bene precatus est venerandus
venter,' ich glaube, 9U0jüidvu)V ist richtig überliefert: 9U€c6ai
heiszt nicht nur 'entstehen', sondern auch Sachsen, gedeihen
haben'; aber i^pdccaro ist von Sohweighäuser nicht richtig abge-
leitet: vctn dpdojLiai ist die form i^pdccaro überhaupt nicht bezeugt,
wohl aber i^prjcaTO und i^pdcaTO an vielen stellen , namentlich bei
epikem; i^pdccaro ist vielmehr von Ipo^ai abzuleiten: vgl. II.
Y 223 rduiv (sc. iiriruiv) Kai Bop^nc i^pdccaro ßocKO|i€vdu)v. diese
stelle hat der dichter Matron selbst nachgeahmt bei Ath. IV 134'
oO bf| KaXXicTOuc dprouc ibov i\bk jiieTicTOuc, | XeuKOTdpouc x^dvoc,
IcOeiv b* djLiuXoiciv ö^oiouc, | rduiv Kai ßopdiic ^pdccaro irecco^e-
vdu)V. vgl. hymnos an Hermes 130 £v6' öctiic Kpedwv i^pdccaro
Kubi^oc '€p^fic ^Hermes trug verlangen nach dem heiligen brauch
des Opferfleisches'. Archilochos bei Ath. XY 688^ und Hesjchios
u. dpafiai und dpdjievoc. der gedankengang des dichtere Matron
bei Ath. 64^ ist folgender: Mer regen, den Zeus herabsendet, gibt
den zwiebeln in der erde (dv xific\Ji>) gedeihen, so dasz sie weiszer
EOhbtft: zn AüioMios.* 361
«rsdhekieii «Is «ohnee iimd fihnli^di.dem feintieni gebttck aus geivten-
medil.' der diofarfcer illgt hman : ^tmd weam sie emporwaQhMn i(mm
.^er erde), dann irftgt der hehre magen heftigee Terlangen üaoh
.ihnen.' ilpdccoTO .halte ich für den gnomischen aoriat .
n öQ^ .€!t€ TTüOttiv £TroiT)€€V ö KarovaToc 1^ BuEävnoc 1^ Kdl
ainöc ö ßaciXeiJC ^AX^Sovbpoc. Meinte: 'de Pjthonie notiasimi
hominis patria cum nnlla omqnam dubitatio fnerit, i^ertum eit
-int^rposito articalo aeribendum esse f{ 6 Buülkvnoc, qoemadmodum
vest i^II 596'.' trotzdem wir an dieser stelle 6 KoravaToc f\ {^
Bvl^Ytxoc lesen, glanbe ich doch dasz die Hberlieferung der aoerat
angegebenen werte s. 50 nicht geändert werden darf, der artikel
dient oft, aumal bei Athenaios, zur einleitnng der ganzen apposition
und bezieht sich nicht auf einen teil derselben: vgl. II ö8^<^Xapxoc
ö ''AOiivaToc i\ NauKporriTiic. III ^8 <^ tö )if)Xov tö irepctK&v f\ vM*)bt-
iKÖv KaXou^evov. ^I 234^ TToX^^ujv toOv ö eheQi^xocti^CiKxy
u)vioc cIt" 'Adr)vaioc övo^aZ6^€yoc. 590^ töv tiXtv T^vaiKd^v
KaTdXoTOV NiKQiveTQu ToO CoMiou 1^ 'AßbiipiTou. YII 821 ^ rröy
AoKpöv f\ KoXo9(i(ivK>v Mvac^av. VI 241® Mdxwv ö KUipiiibto-
Tioidc ö )KQpivdioc M^v T^ CiKuüavioc ^oi6\xQfiOü. VII 297 * *H5üXoc
^ ' ö Cdjuiioc f\ 'A8r)vaioc. XV 682 * Ai^obä^ac Tdp i> 'AXiKopyac-
C6UC li MiXi^oc. VII 288^ 'AiroXXu>vioc bk ö 'Pöbioc f\ NauKpa-
tIttic. XIV 648 ^ 'AHiömcrov töv €!t€ AoKpöv T€VOc f{ CiKudiviov.
hierauf gestützt glaabe ioh, diksz auch XV 877^ -die werte KqX-
Ai^voc ö Töbioc jcal aimbc t^voc richtig ttberliefert sind. Meineke
-hat ö fortgelassen und sagt dazu: 'delent articnlum; sed fortasse
transponendum est ö Kai aÖTÖc 'Pöbioc t^voc' auch an dieser stelle
)leitet der artikel die gi^ze apposition ein und bezieht sieh nicht auf
Vöbioc allein, daher halte ich auch 11 69 * die überliefect^i wortß
für richtig: Y^vii b' aÖTf)c xpia, tö irXaxuKauXov koI crpoTfu-
XÖKOuXov Kai TptTOV TÖ XoxujViKÖv. der breitatenglige lattidi und
der lattich mit rundem stengel, die keine andere bezeichnung führen,
w.erden durch den artikel zu einer gesamtvorsteUung verbunden und
der dritten art des lattichs, dem lakonischen, gegenübergestellt.
Meineke hat vor crpOTY^XÖKauXov irrtümlich den ai*tikel tö hinzu-
gefügt, dasz meine auffassung richtig ist, dh. dasz TÖ fehlen muss,
beweisen di^ werte des Theophrast selbst: bist. pl. 7, 4, 5 fivr] blk
auinc icTiv äXXa tpia tö t€ irXaiiuxauXov Kai cTpatT^XÖKauXoy
Kai tp(tov tö XaKUJVUcöv.
I 6 * brm!]TopoövT£C dv Tok öxXoic KaTaTpißouciv öXiiv Tfjv
fm^pav iv Toic Oau^aci Kai irpöc Totjc ^k toO Odciboc f{ BopDcO^-
vouc KaiairX^ovTac, äv€TVU)KÖT6C oöbdv. Meineke: *in hisprimnm
Tf]C Odciboc scribendum e cod. B. Phasis enim et Borysthenes hoc
loco non flu viorum , sed urbium sunt nomina.' unter den £k toO 4>.
f| B. KaTairX^ovTec sind hier ganz allgemein leute aus fernen gegen-
den zu verstehen, mit denen die faulenzer (in Athen?) verkehren,
um ihre zeit zu verbringen, der Phasis hatte nach Plinius 6, 4, 4
viele volkreiche städte an seinen ufern, es liegt daher hier näher an
762 KOhlert: zu AthenaioB.
solche fremde zu denken, die von den ausgedehnten ufern des Fhasis
oder Borjsthenes her ihre fiahrten bis zu fernen grieohisohen hftfen
unternahmen, als an die bewohner der stKdte Phasis oder Borjethenes
allein. o\ dnö ToO Odciboc sind nach Suidas u. Oaci beim dichter
Menandros Söldlinge, die an den ufern des Phasis ihre heimat haben,
da kein zwingender grund zur aufnähme der lesart des cod. B vor-
liegt, so ist ToO durchaus beizubehalten.
1 6 <^ MeXdvOioc bk tujv äiroXauceuiv ipuiv r\ö€aro ific ^aKpau-
X€VOC 6pvi6oc TÖv xpdxi^ov ^x^iv, !v' öti tiXcictov toic f|b^ctv
ivbiarpißi]. Meineke: 'post nXeiCTOV fortasse excidit xpövov, nisi
malis fv' tili TiXetCTOV.' ich halte die Überlieferung für richtig, der
Grieche hatte in vielen föllen , namentlich bei verben die ein yer-
weilen bezeichnen, bei einer allgemeinen angäbe der zeit den zusatz
von xpövov nicht nötig, zb. Piaton staat 6j 497^^ 5coi &v im 91X0-
C09(av öp|uiVjcavT€c jLif) toO ireirmbcOcOai £v6Ka äi|i(iM€voi v^ot
ÖVT6C diraXXäTTUivrai, dXXa /laKpÖTepov ^vbiaTphpuict. Thuk. 1, 3
Kttl xaÜTTiv Tfjv cTparcCav OaXdcoj fjbii TtXeiu) xpw^€vol £uvfiX6ov.
Aristoteles s. 357 * 4 (meteor. 2, 3) irepi toOtuiv irXeiuj Tf\c diiac
ivbiaT^Tpi9€V ö Xötoc. Ath. XIV 654 ^ ^XKpbv ^Trijüicivac irpoc-
Tpix€U oft ist diese allgemeine Zeitbestimmung rein adverbial auf-
zufassen, und so ist auch ÖTi irXciCTOV in den oben angeführten
Worten des Ath. s. 6^ zu verstehen: vgl. Piatons 6org. 484' im
irepaiT^pui toO bdovroc dvbiarpiiiiir), biaq)9opd twv dvOpuinuiv.
Aristoteles s. 909 ^ 27 (metaph. 1, 8) jiiäXXov dv Tic dvbtaTpii|iei€
7r€pl auTiDv. so konnte der Grieche auch bei einer allgemeinen an-
gäbe des raumes ohne hinzufügung eines subst. 6ti nXeiCTOV adver-
bial gebrauchen: Aristoteles s. 681 ^ 27 (de part. anim. 4) iid bk ttic
fAUTiboc TÖ ^vrepov SiuGev Kai ö OoXöc irpöc rCji ^vT^pqi, ÖTtuic öti
irXciCTOV dn^xq Tflc eicöbou. vgl. s. 1289** 2 (pol. 4, 2) &ct€ ttjv
Tupavvlba X€ip(cTiiv oCcav ttXcictov dit^x^^v iroXiTeiac.
1 18 ^ vOv bi in\ TOcouTov iK7T€1m{)Ka^€v übe KaTOKcicOai öai-
vO^cvoi. Meineke : 'post tocoOtov desidero jnaXaKiac' ^KTTiTTreiv
heiszt hier schon 'sich ändern, entarten' und im tocoOtov ist ad-
verbial aufzufassen ^in solchem grade, so weit' ; bei iKTTiTTTCiV ist ein
ausdruck wie £k toO np^irovTOC oder ^k toC KaOi^KOVTOC zu ergänzen :
vgl. Ath. I ö« XpucnriTÖc (pr\civ ^ifth küt^x^ Tivd öi|i09dT0V iirl
tocoOtov ^KTTCiTTUJKÖTa toO ixi\ ^VTp^TiecOai touc TrXrjciov dirl toic
Tivofi^voic, (ijCT€ . .». die vorhin angeführten werte des Athenaios
18" bilden den gegensatz zu der 17^ genannten gewohnheit der
heroen: KaOeZovrai ö' iv toic cuvbeiirvoic ol fipu)€c, ou xaTa-
K^KXiyrai. iiciTiirreiv wird ähnlich gebraucht bei Poljbios 12,14,7.
Piaton Staat 6 s. 495*. vor allem ist zu vergleichen Ath. IV 159* ^
im tocoOtov tiv^c ^KTiiTrrouct npöc tö dpTupiov, &ct6 kTopfjcOai.
auch hier hat Meineke die werte nicht riditig aufgefaszt, wenn er
sagt : 'apertum est ad im tocoOtov aliquid desiderari, fortasse scri-
bendum diciriirrouci [irro^ccwc] npöc tö dpTupiov.' npöc tö dpTu-
piov £Kn(nT€iv heiszt 'nach der seite des geldes hin entarten' dh. *in
EOhlert: zu Athenaios. 763
der sucht nach dem gelde'. vgl. Aik. Xlil 582 ^^ Xdpnröc T€ vuiOpoO
TC övToc Kai ßpab^oc , Kairoi t€ Kai npöc Tpu(pf|V i\br\ Kbvroc.
I 18<^ OeöcppacTOc b' oOrui 9r)ci Tivac öxcuriKdc buvd)i€ic
tTvai, die Kai jüiexpi ^ßbojiiriKOVTa cuvouciiXrv ^mTcXeiv Kai tö tcXcu-
Taiov aÖTOtc alpa äiiOKp(v€c6ai. Meineke schlägt folgende £nde-
rung vor: 'malim oÖTUi 9r)ci beiväc tivujv öx€UTtK&c buvä^€lc elvot
pro edito q>r\d tivac öxcuriKäc buvdfieic eTvai.' M. ist offenbar zu
dieser ftndenmg gekommen, um aÖTOic vor al^a za erklären, öx^u-
TiKÖc finden wir bei Ath. noch mehrmals, aber wie es scheint stets
auf eine person bezogen, zb. IX 391*^ öx€UTiKii)TaTOi (ir^pbiK€c),
391 • öxcuTiKUJT^pouc €lvai (toOc ÄTpiouc töv fm^pujv), ebd. Kai
ol crpouOoi bi elciv öxcimKof. 391 ^ Kai t^P öxcutiköv tö IC^ov
Kai iToXuTOVOV. derselbe gebrauch von 'Öx^utiköc findet sich überall
bei Aristoteles, denn selbst in den werten s. 750* 1 f| 9OCIC TOiou-
TUiV öx€UTiKf) Kai TroXuYOVOC liegt eine bestätigung dieses gebrauchs.
so erwartet der leser auch in den werten bei Ath. 18^ nicht ÖX£U-
TiK&c buvä^€lc elvai, sondern öxcutikoüc elvai. doch läszt es sich
wohl denken dasz Theophrast geschrieben hat oöcui qpiici Tivac
öxeuTiKoäc Tdc buväfieic oder oötu) qpiici Tivac öxeimKoilc buvd-
jieic €lvai, dann liesze es sich leicht erklären, dasz die alten ab-
schreiber des Ath. im hinblick auf die vorhergehenden werte dnaKTi-
KÖv fäp clvai TÖ TOioijTOV irpöc dq)pobic(uiV irXf)Ooc und im hin-
blick auf die weiterhin folgenden werte dTTOCT€X€iv Tivdc buvd)i€ic
CTUTiKdc TOiauTac meinten, Theophrast nenne mittel (medicamenta,
buvdjLieic), die flir die d9pobicia ^pta ganz besonders geeignet
wären, und dasz sie demgemäsz öx€utikoijc in öxcuTiKdc änderten,
wie dem auch sei, die epiteme hat richtig öxcuTiKoOc und zwar ohne
l)uvd^€ic da die lesart der epiteme verständlich und klar ist, so
haben wir ebenfalls unter forüassung von öuvd)i€ic zu schreiben:
oÖTiü (pr\c\ Tivac öxcutikouc cTvai. so verlangte es schon Schweig-
häuser suppl. ad I 18<^ s. 494.
I 20* 1^apaT€v6^6voc €ic Grjßac Kai i&noZuivviijievoc olvou
Kucreic jLiccTdc koI TdXaKTOc Kai Taurac direOXißu/v dvi^äv i\e(€v
dK ToO CTÖjLiaTOC. Meineke: ^legendum videtur ^k toO cüEifiaTOc'
der sinn der überlieferten werte ist folgender : Diopeithes umgürtet
sich mit blasen, die mit milch oder wein gefüllt waren, und läszt
die flüssigkeit so geschickt unterhalb seines kinnes herausspritzen,
dasz es den anschein hat, als bringe er diese flüssigkeit aus dem
munde heraus, was den mann berühmt machte, das war die ge*
schicklichkeit, mit der er sein kunststück zu stände brachte und die
Zuschauer teuschte; diese sahen, während ihnen das kunststück vor-
geführt wurde, dem künstler nach dem munde, dh. demjenigen teile
des körpers, durch welchen für die Zuschauer die teuschung hervor-
gerufen w^d , daher lesen wir iK ToC CTÖfiaTOC und nicht iK ToO
cuiMaTOC. dasz wir übrigens eine kürzung des epitomätors vor uns
haben und nicht die ursprünglichen werte des Athenaios, ist selbst-
verständlich, dvifiäv heiszt nicht nur 'au&iehen, in die höhe ziehen',
764 £01iieii: sa Atiienak».
^OQdam anoh eu^faeh 'herauseieben, herausbringen, keraofibolen', -vgL
Tbeophrast fr. (Didot) 174, 8 ÖTi o\ fuüec IcxopoOyTai Jcal cibfiP^w
KaT€C0i€iv Kol xP^c^iov« öi6 KOI ävaT^|ivovT6C laäriAc 6\ iv toic
^'puccioic TÖv xpucöv dvi|AU)VTai. Saidcis u. >iBi\me : cuYKflnojuci bä
T(j!i dpTupiii füiöXtßboy, '{va cuTKaid^€Voc dvl^&l»ll loat livakxjiißayi)
Cic «UTÖV TÖ VÖ0OV.
n 37 ^ veavicKOUc Tivdc ^v airxi^ ^€0)(K}ico|tt6iOAic <ik tocoOtov
iX6i^v ^aviac ^ioG€p^av6^VTac dnö Tf|c fidOnc, Ü)C voMiZeiv fiäy ^l
^pit^pouc TrXeTV; x^iM^^c3<>i ^^ x^^^^^t^* Meineke bat an swei «von
diesen werten anstosz genommMi, er sagt: ^ynlgo male legitnr &wd
rfic fit^Giic et vo^filctv ]ul^v ittU itjsö iftc }iiQf^ beiszt bder 'in folge
4les etarken trinken8\ in äbnlicber ^rerbkidjung finden «^r im6 bei
Ath. n 46 * ßXdTrrecOai ditö Tf}c xiiiv o!vuiv dvato|iudc€u»c. t^
X 434 ^ (bc kqX dTTÖ ttic m^t]c cuv€X4£ic KOifjacOoi iböo fiM^poc.
Thuk. 1, 24 dnö noX^^ou >^q>6dpT)icav. Arrian £f»)kt. 4, 6, ^ ^ipub
^ X)i;T6 n€ivi& ofire btiiiui oCre ^tw y ^^ <i<P ' <&v oeöroi tc€tvä>av
f| biipiXtciv, olovrai icdjLi^. Dien Gbrys. er. 7 (bd. Ijb. S23) jäbkika
ädi\r\y Tivd dcQ^veiav toO cdifiaTOC liodcvciv ^otxac dnd xf)c kxvö-
Tr)TOC. die durch alle hss. überlieferte steUjong der woote übe yop^i^
l€\v ixkyf in\ Tpi/jpouc TrXciVy x^^l^^^^^^^ ^ ^st auffällig, dock
iEiiebt ohne beispiel. sehr oft beruht diese umsteUnng des fi^v und
hi auf einer ehiestisofaen anordnung der werte; auch ist dann dabei
niobt ^der gegensatz einzelner begriffe, sondern der ganzer gedanken
ins äuge g^aszt' (OSchneider zu Isokr. 5, 131), zb. Aük III 155 ^ öte
a O^Xoiev dvaXicKciv, TicpieXövrec t6v xp^cöv ä/ia xcic dXXotc
iE^ßaXXov, iva Tf^ \xkv iroXiJTeXeiac ol 91X01 Bcaral t^volvto, ol
h' olK^Ttti «oipioi ^Meineke bat mit unrecht geschrieben Sva t^
iroXiireXeioc ol ^^v 91X01). Xen. anab. 4, 6, 8 dfiol iiiy o&y boK^
ttapaTT^iXat j^v dpiCTOiTOieioOai Taic cTpanübratc , f))iäc bk ßou-
XeiiecQai. Xen. Hieron 3, S €Öprjc€ic ^y touc ibuiiTac vnd xoi^
TUiv lidXicTa 9tXoujLi^vouc^ touc bi rupdwouc iroXXouc \iky iratbcxc
^uTdiv d9reKT0vr)KÖTac. Ath. lO 91'' ürv oi fi^ rpdxn^^i cöctö-
fUXXOl, buCKaTdpTOCTOl b^.
II 64^ dirijüi^vei ydp iiQ Koxkxq, nXetovac xP<^vouc xal ^rrX&>
KÖjuieva irapaKaT^x^i '^^ irfQ&. Meineke wollte statt iTTifi^vei lesen
^^fi^vei. die Überlieferung ist richtig: Fgl. Xen. oik. 4, 7 ^irifudvouct
T(]D Mf| dbiKCiv. Tbeophrast de sensu et sensibil. 5, 29 ou «oXuv
Xpövov büvacBai toic aÖTOic (sc. toic Xajyiirpoic xp^iC^M^^ ^al toic
iiTT€pßdXXouci i|JÖ90ic) dTTifi^vciv. de igne 4, 35 oi fäp icakt
ii\ 9X6E), ei fif) im^iv€\ t(Sj aÖTdi XPÖvov. ebd. 8, 61 irXeiu) Tdp
Xpövov dTrijLi^vov ^aXXov cß^vvuciv. daher findet sich auch jui^vciv
mit diri und dem dativ; zb. Ath. IV 167 ^^ ci ^f) /levoOciv dirlTOÜ-
TOtc. Meineke: ^nonne iv toütoic?' die Überlieferung ist richtig,
vgl. Od. p 20 itii craO^oici jiidveiv. Isokr. 8, 7 oöb' ol kcktidli^voi
touc )ii6TdXouc ttXoutouc jiidveiv ^ttI toötoic ^O^Xouciv. ebenso
Isokr. 6, 69. 7, 52. Demosth. 4, 33 im rtS) iroXd^ip fi^vciv. Piaton
Staat 5, 466'. 6,496^
Kellert: sn.Atheiudos. 786
II 5A^ tfdrfm^ ipeßivOooc dMirvitn mqppuY^^vouc in dl«^
ses woiteiK <fa8 dicdKtevai Phetiekratet' ImU) ILeimtke ipayikv geaehrie«^
iMttf doioh isi der grundv den er fllr die^änderang angibt, nioh^ttb#»>>
tBBgemä* er sagt *sorapai- iipaipdiV ». nt est in seqaente Al^Lidie loci»
AW oöiD inemitq itcrraqwTAvv' idi kalt» tpiirfuiv für die richtige
5oarm<, demA es bekat'hier 'er eretiokte beim essen', niclit ^nachdemi
^. gege»inv YmtöB*^ ebenso Ibsen wir bei*, isth^ XIII 667 ^ : KdpivSoil^
f|X6iQtv ' i^b^G dvTOuSd TtuK f XdcXitvdi^ TiTpidtuiv i&Ki^aV'bieqpOdpriv.
toam ioAim idi aueb Ath.. IH. 80 ^ Tpi^Tuiv fftr richtig, dort heisst
e8>: i&v W y' ipdnr cCiofc TIC )i€cti)yi^(ac [ Tp((rru>v xadetftbq x^u)päy,
nqpperÖQ eöÄdtuc f f^iact tpilxuiv oöic d£iOG rpiuißöXou. Meineke hat
auch am dieser stelle tpdir^v im Tpoifiiiv geftndert aber TpiiiruiV
haiert aneh" hrer ^beins essen^i. denn KOOeiibciv heiazt nicht nur
'siehlaftn''y sondern aa weilen auch 'einsehlafen', zb. Atk* YIII M9*
«(Kl midOovc TTorhXotlic X)aßu)i>^ | t^i^ 0*' f|Xii}i Tf|v icöXiKa beiSoc, cuv-
TÖ|ucuc I irwir KaOeObc,. tSXX' iiiiTp^i|iac i^ tuxtI- Ariat Yö. 494 ic
beKdTTiv T^P ^0T€ Tiaibapiou KXii6ck t&w^nivov dv äcrei icSpTv
KOSBubov * Koi iiplv betitvetv touc äXXöuc, oiStoc fip * ^€.
Uh SQf^ ^u)^cdbeuJT€pa M vStY NOtX^Xtuiv ^iidv elvai ö Aio-
id^c listffxm, ifop<piipac Kvjpuicac Meinehei: ^scribendom ^uijMi^
XeuJTara vel äXXtuv addebdiun^' die ttberüeleraag ist richt^ : ior
griech. wivd aaweiien auch da der comparattv i^fhvaoehty wo 6inem
gegenstände mdnrera andere, ja* alle anderen derselbemclasse gegen-
überstehen, zb. Athr^ni 91^ ifpotr)WcT6poi b' aiki&v ol ipuOpol
Kai ol jinXtvdtf Kai oi naxiiTaTOtk vgl. Od. f^ 156 *(c%i)n\oc, Sc bf|
^QnrJNiuv dvbpukv npoif€Vi4Ar€p(K fjev (im vergleieh mit allen zu«
sennmen genommen), f 362 oloc T^p M€Tä TOki Tcpairepoc 60xÖM<>i
cTvaw Xen. Kyrupv. 5, 1 , & f|^vüv 6 TspoiTepoc eine ' Bdppet, Jy fiüvoi.
Thedkr. 15, 139 ^'EicTuip 'Gcdeßoc &T€pa(T€pO€ ekon tta(bu>v. selbst
Atb^ IV 1^1 <^ ist die ttberliefevnng vichcig: dXXä Kai t6 ndvTuiv
XaXeirsbrrepov XodXcitc tt€pV Oüv ouk ofbare, Meineke hat irrtümlich
]|SiX€irunraT0v geschrieben, wie er sagt wegen des ^usns loquendi^
v^ Atb. XI 505 ^ TÖ b^ TrdvTU^ cx€tXi((iTep0v. Meineke bemerkt
dam 3 'maüm com PVL cxeikwbiaxo^.* doch ist cxcTXnuraTOV
offenbar eine spätere emendatiom. IX 387^ lesen wir aas einem
Iwaohstück des Mnesimaehos: K«l TÖ X6ip6^vov ciraviuirepov, ndp««
€cnv äpVfdiüV T<StXa. Meineke hat mit nnrecht cimvidiTGrcov g^
sdicieben. XIV 661® iet uns ein brucbstüek des jungem Eratinos
ttberliefert: ^60^61 bi tf^ Tflc (bc f^um d2:a Kosrvöc X* Üif^tßX*
eöuebäctcpoc. Bergk und Meineke haben mit unrecht 6ÖU)bäcT0T0C
gesübrieben. m einem bruchetttek des Sotades lesen wir VII 293^
KoremnE' ^v äX|uii] toOtov euavdecT^qu Meineke add. et corr«:
^praestare yidetnr €ÖavO€CT(iTir).' Dikaiarchos sagt bei Ath. IV 141 <^
über die phiditien: eTr" ö£^u)C f[br\ bebcmvTiKÖciv öcrepa nepi-
q>^p6Tai raöra ra ^iraiKXa KaXou^eva. auch hier wollte Meineke
irrtümlich ucTaTa schreiben. VI 226^ sind einige yerse aus dem
Emporos des Diphilos erhalten, dort lesen wir richtig: TTöccibov, €i
766 KOhlert: zu Athenaios.
beKotTTiv dXdjißavec | auruiv dnö Tfjc Tl^ftc ^Kdcnic fijii^paCy | iroXu
TUJV OeOüV äv fjcGa TTXouct(()T€poc. Meineke hat irrtOmlich irXou-
ciu)TaTOC geschrieben und sagt add. et corr.: 'nescio quid facias
viro eximio in Diphili loco TT\ouciu)TaTOC conicienti, quamqaam sie
(ex mea emendatione) iam multos ante annos Dindorfius ediderat.'
auch XI 475^ ist richtig überliefert: &Tdp dp9(6€T0V KCX^ßetov
^XövTCc I ?|ui7tX€10v ^^XiTOC, tö ^d o\ npo9€p^cT€pov fjev, und
ebenso an einer andern stelle der Thebais des Antimachos XI 475 *
Kai äcKT]6^oc K€X^߀tov I ^^ttX€10V jLi^XiTOC, t6 ^d ol Trpoq)6pdcT€pov
€ir|. auch hier bemerkt Meineke irrtümlich: *iTp09€pdcTaT0V pro
Trpoq)€p^CT€pov in utroque Antimachi fragmento recte opinor scrip-
sit Stollius.' ebenso richtig ist überliefert XII 512^ Kai ''O^iipoc
bk Tfjv euq)pocuviiv Kai tö €uq)pa(v€c6ai t^Xoc 9Tidv elvai x^^P^^-
CT€pov , ÖTav baiTU)Li6v€C \xk\ doiboG dKOudZuiVTai , irapd ik ttXi)-
OiüCi TpdTTeZat. Meineke schrieb mit unrecht x^tpi^CTarov , er sagt:
«XOtpi^crepov ferri non potest, quamvis Homericos locus obiter in-
spectus id commendare videatur.»
Anderseits wird zuweilen im griech. der Superlativ gebraucht,.
wo wir nach unserer anschauungsweise den comparativ erwarten
würden. Ath. VII 284 * teilt uns einige verse aus der Berenike des
Theokritos mit, der anfang des bruchstückes lautet:
Kai TIC dvfjp akeiTai ^TiaTpocüvnv t€ Kai ÖXßov,
dH dXöc iL lwr\^ Td bk biKTua K€ivui dpoTpa,
C9d2Iu)V dKpövuxoc TauTi] Geuj Upöv ixOüv ,
öv XeuKOv KaX^ouciVy ö tdp 9iapdjTaT0c dXXujv.
Meineke add. et corr. wollte 9iapu)T6poc geschrieben wissen, die-
übcrlieferung ist durchaus richtig: denn am häufigsten ist dieser
gebrauch des Superlativs statt des comparativs da, wo derselbe in
Verbindung mit dem gen. plur. erscheint: vgl. II. B 673 f. Nipeuc,
8c KdXXicToc dvfjp iittö "IXiov fiX0€v | tiüv dXXujv Aavawv per*
d|Liu|Liova TTT]Xeiujva. A 505 ti|uit]cöv juioi uiöv, öc u)Ku^opiuTaToc
dXXiüV ^ttXct*. Xen. symp. 8, 40 iepoTrpeTidcTaToc boKeic eTvai tüöv
7TpOT€T€VTi)Lidvu)V. Thuk. 6, 31. Demosth. 8, 72 tOüv dXXu)V öcTatOl.
ütl. € 105. Herod. 3, 119. Tacitus Ägr. 34 ii ccterorum Jiritannorum
fttgacissimL vgl. Classen zu Thuk. 1, 1, 2. aber der Superlativ
findet sieb auch in Verbindung mit einem gen. sing. Od. X 463 ceTo
b\ 'AxiXXeö, oÖTic dvfjp TTporrdpoiOe imaKdpTaToc oöt' dp' ötticcui.
diese worto sind bekanntlich so zu verstehen, als ob dastände ccTo
ouTic )LiaKdpT€poc, dT€ ^aKapTdTOu ovroc , oder 'mit dir verglichen
{prac te) ist keiner der seligste*, ähnlich sind auch bei Ath. XIV
630 *' die worte zu verstehen : irptüTr) bfe evQtyvax f| iT€pi Touc iröbac
KiVTicic TTic bid tOüV x^^P^V! beim tanze wurde die bewegung mit
den füszen früher erfunden als die mit den bänden, und dies (dh. die
bewegung mit den fUszcn) war überhaupt die erste bewegung die
man beim tanze erfand. Meineke hat rrpoi^pa geschrieben, ähn-
lich fasse ich auch die worte auf, die uns Ath. XI 505' aus Aristo-
teles 7T€pi TTOiiiTiüv erhalten hat: oukoOv oiibk £|uijLi^Tpouc TOUC
AGemoll : zur erklärung und kritik der Homerischen gedichte. II. 767
KaXouii^vouc Cu)9povoc juii^ouc |Ltf| 9a)|ui€V eTvai Xötouc xal juiMti-
c€ic, f\ TOiic *AX€£a|Li€VOÖ TOö TT]iou Touc irpurrouc Tpa9^VTac tujv
CidlpaTiKuiv biaXÖTUJV. hier ist von den dialogen des Alezamenes
die rede, die früher waren als die Sokratischen dialoge und über-
haupt die ersten dialoge, die einem wissenschaftlich gebildeten
Griechen zur zeit des Aristoteles bekannt waren. Dobree hat hier
TipoT^pouc geschrieben und Meineke ist ihm gefolgt, auch in anderer
Verbindung findet sich der Superlativ statt des comparativs, zb. Ath.
17*» Kaplbac dcOiiüV TTcXuieXeTc, a*i fivovTai auxöOi urr^p T€ toic
^v C)aupvr| luteTittai xai toüc i\ 'AXeEavbpeiqt dctaKoOc.
Berlin. Eonrad Ohlert.
(40.)
ZUR ERKLÄRUNG UND KRITIK DER HOMERISCHEN
GEDICHTE.
II. M6C0AMH.
Im Hermes XVII s. 551 ff. bespricht EFabricius den jüngst zu
tage gekommenen baucontract über das zeughaus der attischen marine
in höchst lehrreicher weise, derselbe macht s. 584 darauf aufmerksam,
dasz wir in dem dort öfter vorkommenden worte jiiecöjLlvr) die bis-
her entbehrte attische form für das Homerische oder besser ionische
|LX€CÖ&|LXTi erhalten, da die bauvorschrift bis ins einzelnste hinein ge-
nau ist; so sollte man meinen dasz jetzt jeder streit über das viel
besprochene wort schwinden müste. es ist aber eine wunderliche
laune des geschicks, dasz gleich bei seinem ersten auftreten im atti-
schen dialekt das wort in doppelter anwendung erscheint, es be-
zeichnet 1) z. 46. 48. 53 den querbalken, der über das mittel-
schiff (bioboc) hinweg seule mit seule verbindet, die juecöjiivr] trägt
eine stütze (uTTÖÖTUua) für den firstbalken (KOpU9aTov) und wird mit
demselben durch eisenstangen (KCpKibec) verklammert: kurz, die
^ecöjuvai bilden die bindeglieder für den ganzen dachstuhl, bei
einem bau ohne seulen würden die |ui€CÖ|uivai unmittelbar auf den
wänden des hauses, parallel dem giebel, zu liegen kommen, wie es
Galenos in seinem commentar zu Hippokrates (bd. XVIII 1 s. 738
Kühn) deutlich genug' angibt: |Lxec6b|uiTi TÖ \xifa SuXov änö toO
^T^POU TOixOU 7Tp6c TOV ?T€pOV blflKOV fv T€ TOIC TTavbOXetUJV
oiKoic ToTc M€TaXoic iy olc IctSci xä KTf\yr\ (gastställe) Kai Kar*
dtpöv iv ToTc T^ujpTiKoTc oiKOic (scheunen, stalle), sodann aber be-
zeichnet juecöjuvri 2) z. 74. 78. 85 ein gerüst, das man in einer ge-
^ jetzt deutlich genug, aber vor Fabricius hat niemand diese ein-
fache lösung gefunden, s. diu gekünstelte deutung von Rumpf ^de
aedibus Homericis' II s. 38; noch schlimmer ist die von Protodicos 'de
aedibus Homericis' s. 37 ff. der Wahrheit am nächsten kam Döderlein
Hom. gloss. I s. 233.
768 AGemoU : zur erklärung und kritik dor Homerischen gedichte. H«
wissen höhe anbrachte, um gegenstände (hier äTroStbjiiOTa Kcd t&XXdf
CK€UTi) darauf zu placieren, dergleichen gerttste liefen in dem PhilcK
nischen zeughaus im zweiten stock sogar zwei übereinander an^mi>
wänden entlang in einer breite von vier fusz* man sieht leicbt, dasz
diese ^€CÖ|LXVai grosze ähnlichkeit haben mit denen , welche Bumpf *'
für da» haus des Odjsseus ansetzte (soupente).
Es gibt aber bekanntlich noch drei andere erklttmngen voif
^ccöbjLiTi- Aristarch (schol. OHQ it 37. Bustathios s. 1B55, 37.
Hesychios udw.) faszt die ^€cöb|uiat als |1€c6ctuXhi.' diese aaf--
fassung ist in ihren gründen nicht klar, da die scholien gänzlich da-
von schweigen, wie Aristarch zu dieser ansieht kam. jedenfalls kann
sie den beiden ersten gegenüber, die urkundlich beglaubigt sind, sich
nicht mehr behaupten, dasselbe trifft auch die vierte erklärung, wo-
nach die juiecöb^ai ni sehen sein sollen (bia9päT|iaTa f\ Ka\ bux*
cxriiLiaTa jueiaEu tujv kiövu)v, oH, q)aci, irepi Toiic xoixouc fjcav).*
die fünfte erklärung kommt wieder den beiden ersten näher, indem.
danach die |ui€CÖb^ai als Td ji€Ta£ij tujv öokOjv (deckbalken) bia-
CTrijLiaTa (schol. BHQ zu t 37. Eustathios ao. Hesychios udw.), also
die Zwischenräume zwischen den deckbalken wären.
Wir werden, glaube ich, gut thun alle diese wohl rein ans dem
namen heraus erklärten bedeutungen gegenüber unserer Urkunde
und dem Galenos bei seite zu legen und nur zu fragen, welche von
den dort befindlichen beiden bedeutungen auf die beiden Homer*
stellen, an denen das wort vorkommt (t 37. \) 364t) ^ zu übertragen*
ist, ob also die |ui€CÖb^ai bei Homer querbalken oder gerüste (schftfte).
sind. Fabricius hat sich (s. 586) für das erste entschieden, wohl mit'
recht, da diese bedeutung die ältere zu sein scheint dies nach-
zuweisen ist der zweck gegenwärtiger Zeilen.
Der etymologie (s. Lobeck paral. s. 466), wonach das wort
einen zwischenbau bezeichnet, würde gerade die zweite bedeutung
der Urkunde (gerüst) scheinbar nahe liegen, denn als ein zwischen-
bau zwischen dach und lagerboden geben sich ja jene gerüste. aber
sind nicht auch die querbalken der ersten bedeutung ein zwischenbau
zwischen dach und fuszboden, wie jene zwischen dach und oberboden?
niun denke sich die querbalken mit brettern benagelt und man hat
gerade so ein gerüst. dasz aber die bretter hier nebensache und die
bulken die Hauptsache sind, das könnte zum beispiel die analogie des
wortes) ^balcon' lehren, welches doch auch ursprünglich weiter nichts
als ^balken' bezeichnet, wenn also in der Urkunde wie bei Galenos
noch ein einzelner querbalken |Lt6CÖ^vr] genannt wird, so sehe ich
darin den altern gebrauch des wortes.
' HO. H. 39 ff., fi^ubilli^t von Winckler Mie wohiihftiiser der Hellenen'
s. 31 und neuurdinf^s zu lesen bei (Guhl and) Koner 'das leben der
Gri(*('hen und Römer' 8. 97. ' fcchilligt ua. von Krause Deinokratei
8. 41)6. * Eustathios ao., gebillif^t von Hentze zu T 37 nach dem Vor-
gänge von Gi'.rliiüh Philol. XXX s. 511; s. auch Autenrieth udvr.
Wohl AU. Albert Gemoll.
GHinchfeld: Pausanias und Olympia. 769
110.
PAUSANIAS UND OLYMPIA.
Dasz der ehrwürdige heransgeber des Pausanias meine bemer-
knngen über diesen Schriftsteller (arch. ztg. 1882 sp. 97 ff.) als eine
persönliche kränkong auffassen würde, habe ich nicht voraussehen
können; dasz er es gethan, musz ich zu meinem aufrichtigen be-
dauern aus der form seiner auslassungen (oben s. 469 ff.) schlieszen,
die mir nur dadurch überhaupt erst einigermaszen begreiflich wird,
die hochachtung vor hm. Schubart, welcher Treu (oben s. 631)
einen auch für mich zutreffenden ausdruck gegeben hat, yeranlaszt
mich meine starke abneigung gegen die so übliche form gedruckter
polemischer correspondenz einmal zu überwinden, ich möchte auch
nicht , dasz Schubart und die vielen , welchen sein urteil in Sachen
des Pausanias mit recht etwas gilt, lediglich unter dem eindrucke
der misverständnisse, der vielen ausrufungs- und fragezeichen bleiben,
zu welchen ihm meine bemerkungen anlasz gegeben — ohne dasz ich
denselben eine wesentliche schuld daran beimessen kann.
Gerade der bisherigen springenden , anklägerischen und leiden-
schaftlichen behandlungsweise gegenüber schien es mir pflicht, an
einem punkte, der es glücklicher weise verstattete einmal eine zu-
sammenhängende und unparteiische prüfungso sicherer zeugen,
wie inschriften es sind, anzustellen : d as sollte der sinn jenes zeugen-
verhöres sein, eine form an welcher Schubart so groszen anstosz ge-
nommen hat und die auch Treu zu einem wunderlichen aufwand
von werten veranlaszt hat.* wenn bei diesem ohne jede Vor-
eingenommenheit angestellten Werhör* das ^anklagemateriaP
scblieszlich zu überwiegen schien, um so schlimmer für den schrift-
steiler, dessen auszerordentliche nützlichkeit man nicht immer von
seiner qualität überhaupt zu trennen scheint, doch an der form
ist mir wirklich wenig gelegen , kann ich auch in dem heftigen an-
griff auf dieselbe eher eine unfreiwillige anerkennung als eine Schä-
digung der von mir verfochtenen Sache erblicken, auf diese
allein kommt es mir an, nicht darauf, ob schlieszlich der oder
jener recht behält, und dieses rein sachliche interesse setze ich auch,
so lange es angeht, bei anderen voraus, da ich femer die, wie es
scheint, nicht allgemeine ansieht habe, dasz ausdrücke, welche im
persönlichen verkehr ehrenrührig sind, es auch im wissenschaftlichen
bleiben, so spreche ich nicht von Verdunkelungen (s. 470), absicht-
lichen irrtümem (s. 475) oder fUlschungen (s. 478 anm. 7), sondern
ich spreche nur von mis Verständnissen Schubarts, und, was mehr
ist, ich glaube auch nur an solche, diese alle aufklären zu wollen
kommt mir nicht in den sinn; für diejenigen, welche meinen auf*
* die bemerkung von Trea b. 631 anm. 1 erledigt sich, wie ich
glaube, dnrch meinen anfsats selber.
Jahrbfieher für dass. philol 1888 hft. 10 n. 11. 50
770 GHirschfeld: Pausanias und Olympia.
satz kennen, ist das zum groszen teil unnötig, und für andere erst
recht, aber die aufklärung über eine bauptstelle ist mir wichtig und
interessiert wohl auch hm. Schubart selber: sie betrifft die etwaige
anwesenheit des Pausanias in Olympia (oben s. 473 — 477). dasz
ich dabei auf so billige ausdrücke wie dq)aiv€TO fmiv, oTba dvcupurv,
OUK olba usw. nicht ohne weiteres gewicht lege, versteht sich bei
dem von mir verfochtenen princip von selber, aber die stelle V 20,
6— -8 ist bedeutsamer: Paus, erwtthnt auf der Altis eine seule, einen
rest vom verbrannten hause des Oinomaos Ka8& XcTOUCiv; aber es
macht offenbar eindruck auf ihn, verstärkt ihm die glaub Würdigkeit
der Überlieferung , dasz gerade in seiner anwesenheit bei der funda-
mentierung der siogerstatue eines römischen Senators ganz nahe jener
stelle ÖTtXiüv Kai xciXivuJV Kai ipaXiujv Gpauc^aTü im boden gefunden
worden seien, ich betrachtete diese bemerkung deshalb als ein Zeug-
nis für eine, wenn auch vielleicht nur flüchtige anwesenheit des Paue«
in Olympia, weil 'da eine unzweifelhafte und in gr5stem umfang be-
stätigte thatsache — das Vorhandensein von bronzeresten aller art
im Altisboden — falsch erklärt wird.' ich gebe zu, ich habe mich
kurz ausgedrückt : ich liesz mir eben zeit bei der abfassung des anf-
satzes, setzte aber freilich voraus, dasz das auch der leser thun würde.
jene bcobachtung, die dem einheimischen geläufig sein muste, durfte
dem vorübergehenden besucher sehr auffallend und einer besondem
erklärung bedürftig oder einer auslegung f&hig erscheinen ; der ver-
such zu einer solchen liegt in den werten des Pausanias, und daher
meine auffassung, der ich — vielleicht zu vorsichtig — nur den
wert eines subjectiven eindrucks beimasz. 'erkennt man* so fuhr
ich fort 'diesen (subjectiven eindruck) an oder teilt ihn (setzt also
mit mir eine anwesenheit des Paus, in Olympia voraus) , so hätten
wir auch die bekannten irrtümer bei der Atlasmetope, bei den
«Pferdeknechten» des ostgiebels und doch wohl auch bei der mitte
des westgiebels dem Paus, oder seinen ciceroni zuzuschreiben, aber
wer bürgt uns denn dafür, dasz nicht auch schon ein oder ein paar
Jahrhunderte früher bei starker beteiligung mündlicher tradition
solche legenden — um milde zu sein — aufkommen konnten?' das
heiszt doch einfach, diese irrtümer fordern an sich nicht, dasz Paus.
in Olympia war, können auch sehr wohl früher entstanden sein.
Schubarts bemerkungen über diese sätze und die folgenden beruhen
darauf, dasz er sich, wie er selber sagt, aufs 'erraten' legte, wo es
doch nur aufs verstehen ankam.
Dasz ich , mich selbst beschränkend , nur getrachtet habe den
wesentlich compilatorischen Charakter der periegese des Pausanias
für diu beschreibung Olympias zu erweisen, mich aber auf die 'quellen*
nicht eingelassen, kann ich nicht mit Schubart für einen raangel oder
nachteil meiner arbeit halten, ich wollte nichts als den punkt be-
st itnnien, an welchem wir meiner meinung nach stehen. |Ltf| vefidca
ßaioici, xop*c ßaioTciv ÖTiTibeT.
Hr. Schubart hat seinen namen mit dem Pausanias auf die
ERoBsberg: zu Tiberianus [II 24]. 771
rühmlichste art verbunden, und er darf keinen Vorwurf für sich
darin erblicken, dasz für die sachliche kritik des schriffcstellers noch
viel zu thun übrig bleibt, und dasz andere mit ernst und eifer die-
selbe zu fördern suchen, wenn sich aber der verehrte mann auch
einmal wieder auf dieselbe einliesz , so würden ihm gewis viele mit
mir dank gewust haben, wenn er uns seine ansieht über gewisse
hauptpunkte nicht vorenüialten hätte (s. zb. s. 476 anm. 6 und s. 482
über die ihm so wichtige stelle X 9, 1 f.).
Das letzte argument Schubarts zur erklftrung der zeitlichen
grenzen der periegese ist wiederum die oft betonte abneigung des
Paus, gegen die cu^90pä &9Xf\c Tf\c Tuj|iaiujv. hiergegen hat schon
Treu (oben s. 632) einiges erinnert; zumal der herausgeber des Paus,
durfte sich dabei nicht auf V 20, 1 berufen und nicht aussprechen.
Paus, habe bei gelegenheit des Standbildes des römischen Senators
'die spöttische bemerkung' hinzugefügt, er habe sein bild aufrichten
lassen ^GeXujv ÖTroXiTT&Oai ifjc viicT]c ÖTrönvT]|Lia. ich bilde mir
noch lange nicht ein so 'genaue bekann tschafk' mit Paus, gemacht
zu haben wie Schubart; aber das weisz ich doch, dasz es dem Paus.
sehr wohl bekannt war, dasz eine siegerstatue recht eigentlich ein
xfjc viKT]C UTrÖMVT]|Lia ist und nichts anderes (s. VI 15, 2 vgl. V 21, 1
u. Furtwfingler in den mitt. des athen. Inst. Y s. 29 f.).
Und so wird man es mir nicht verargen können, wenn ich den
Pausanias zunächst auch fernerhin für einen compilator halte, eine
bezeichnung welche andere zu der eines plagiators verengem wollen.
Königsberg. Gustav Hirschpeld.
111.
ZU TIBERIANUS.
II 24 las Baehrens in den 'unedierten lat. gedichten' te celent
semper uada turhida^ te uada nigra ^ bezeigte jedoch schon damals
lust eins der beiden itada zu ändern und zwar in loca. später bei
der Wiederherausgabe dieses gedichtes in den PLM, III s. 265 f.
bietet er den schlusz des verses te luta nigra, offenbar hat er an
der Wiederholung von tuida anstosz genommen, und da das zweite
mal in der hs. nuda steht, so war ja die möglichkeit einer gröszem
Verderbnis nicht ausgeschlossen, dasz indessen das hsl. nuda sicher
aus dem nächstliegenden uada entstellt ist und Baehrens also in
seiner ersten recension das richtige getroffen, wird erwiesen durch
die nachahmung unseres verses in Prudentius ps^c^k>9n. 94, wo der
durch die Pudicitia besiegten Libido die Verwünschung nachgerufen
wird : te uoluant subter uada flammea^ te uada nigra,
Norden. Eonrad Bossberg.
60*
772 LMejer: zu Vergilius Aeneiß [I 398—400].
112.
ZU VERGILIUS AENEIS.
I 393—400 aspice bis senos Uietantis agmine cycnos^
aetheria quos lapsa plaga lovis cHes aperto
turbahat cado: nunc terras ordine longo
aiU capere aut captas iam despeäare videntur.
tU reduces Hdi ludunt stridentibus alis
et codu dnxere pokim cantusque dedere,
haud älüer puppesque tuae pubesqiie tuorum
aut portum tenet aut pleno suW ostia vdo.
dasz die schwttne in dem augenblick gerettet sind , in welchem sie
die erde erreicht haben , hebt der dichter ausdrücklich dadurch her-
vor, dasz er die rettung der vÖgel und der schiffe auf doppelte weise
in parallele stellt: wie die schwane teils schon auf der erde sitzen,
teils gerade im begriff sind sich zu setzen, so sind die schiffe teils
schon im hafen, teils laufen sie gerade in die einfahrt ein. die werte
despedare videntur enthalten einen feinen poetischen zug. dasz die
tiere die stelle, auf welche der zufall sie hingeführt hat, näher an-
sehen, zumal ob etwas zu fressen vorhanden sei, versteht sich ja von
selbst. Verg. schildert mit diesen werten das absolute sicher-
heitsgefühl der tiere, die es nicht einmal mehr der mühe für wert
halten nach ihrem feinde emporzuschauen, der doch noch drohend
über ihnen schwebt.
Bei der auslegung dieser stelle musz vor allem 6ins festgehalten
werden: Aeneas ist mit Venus im walde. mag immerhin ange-
nommen werden können, dasz sie im gespräch vorwärts gehen, bis
Venus ihren söhn an den fuszsteig gebracht hat, so vergiszt doch
der dichter keinen augenblick die Situation , dasz die baumkronen
dem Aeneas den blick auf den himmel entziehen ; hierdurch ist moti-
viert, dasz Venus das recht gewinnt ihrem söhn das zu erzählen und
zu schildern, was er nicht selbst sehen kann; das, was sie selbst
beobachten, wird durch das wort videntur in richtigen gegensatz
gegen das vorige gestellt. Aeneas hat den adler nicht gesehen, ist
derselbe nun aber so plötzlich und so völlig verschwunden, dasz die
schwane in völliger Sicherheit fortfliegen können? wäre dies die
meinung des dichters gewesen, so würde er, der genaue beobacfater
der natur, es um so mehr haben hervorheben müssen, weil gewöhn-
lich die raubvögel noch längere zeit lauernd die stelle umfliegen,
wo ihnen eine beute entgangen ist.
In V.397 kann also ludunt stridentibus aMs nicht bedeuten: die
schwane fliegen fort; sonst müßten wir Verg. die Ungeheuerlichkeit
zutrauen: wie die schwane sich aufs neue in die gefahr begeben, so
sind deine schiffe gerettet, was jene werte bedeuten, das kann man
jeden tag bei einer gänseherde beobachten, wenn die tiere einen
schrecken gehabt und nun gemerkt haben , dasz nichts ernstes zu
LMejer: za YergiliuB Aeneis [I 898—400]. 773
gnmde lag, dann besonders pflegen sie ihren körper emporzurecken
und mit sausenden flügeln, gewissermaszen triumphie-
rend, zu schlagen, ohne dasz sie darum daran denken empor-
zufliegen, indem der dichter danach strebte jedes misverständnis
auszuschlieszen, wandte er nicht allein das wort ludufU an, im gegen-
satz gegen den ernstlichen gebrauch der flOgel , sondern fügte auch
in richtiger einsieht, dasz Uidunt hier misverstanden werden könne,
strideniibtM oMs bei, um anzudeuten dasz Aeneas und Venus das
sausen der flügel so lange hörten, als die vögel die flfigel schlugen;
vgl. die redensarten strepüantibus advdat aUs oder drcumsonai aUs
udgl. hätte der dichter wirklich vom fortfliegen sprechen wollen,
so konnte er sagen dasz die schw&ne stridenttbus alis auf- oder über
die köpfe der drei personen hinwegflogen; von dem übrigen teile
dieses fluges durfte er so nicht sprechen.
Aber trotz aller Sorgfalt des dichters trat das misverständnis,
dem er vorbeugen wollte , schon recht früh ein ; er fiel in die bände
der grammatiker, die es für zu gering erachteten die natur zu beob-
achten ; und so ist schon sehr frühzeitig hinter ludunt stridentibus (üis
der vers et caetu cinxere polum cantusque dedere eingeschoben, mag
man immerhin glauben den gebrauch des perfectum erklären oder
entschuldigen zu können : man kann positiv behaupten dasz , wenn
auch im übrigen die gewöhnliche erklärung dieser stelle in völliger
Ordnung wäre, Verg. diesen vers hier nimmermehr geschrieben haben
kann, soll man etwa dem naturkenner und naturbeobachter Verg.
zutrauen, dasz er dieselben vögel, die die zeit, in welcher Venus vier
verse spricht, brauchen um von der höhe der baumkronen bis zur
erde zu gelangen , in der zeit höchstens , die Venus zu einem halben
verse braucht, nicht nur wieder auffliegen und aus den äugen
.verschwinden, sondern sogar den ganzen himmel umfliegen läszt?
oder soll man dem dichter Verg. den albernsten und geschmack-
losesten lückenbQszer cantmgue dedere zutrauen?
Alles ist in vollständigster Ordnung und klarheit, wenn wir
diesen vers wieder hinter v. 393 einsetzen, halten wir fest, Aeneas
sieht die schwane erst in dem augenblicke , wo sie unter den baum-
kronen in seinen gesichtskreis kommen, was sie vorher gethan
hatten, in wie groszer gefahr sie gewesen waren, das musz Venus
ihm klar machen, dazu genügen die werte aperto cado — im gegen-
satz gegen den schütz den schon die bäume den vögeln gewährten —
nicht, um Aeneas klar zu machen, dasz die rettung der schwane
ebenso wunderbar war wie die seiner schiffe , muste gesagt werden
dasz sie ^ohne eine ahnung der gefahr singend den himmel um-
flogen', und erst wenn dargelegt wird, was die seh wftne vorher
gethan haben , ist das wort nwic vollständig erklärbar.
Hannover. Ludwig Mbjer.
774 EBaehrena: die consonantengemination im lateinischen.
113.
DIE CONSONANTENGEMINATION IM LATEINISCHEN.
I.
Es ist eine feststehende thatsache, dasz die lateinische spräche
vor Ennius niemals dieselben consonanten verdoppelte. Festnss. 293*,
10 ff. sagt über söUtaurüia handelnd : per unum l enuntiari non est
mirum^ guia nuUa tunc geminabaJtur lUtera in soribendo. quam con-
suetudinem Ennius mutavisse fertur^ läpote Chraecus graeoo more tsst^^
quod iäi aeque scribewtes ac legentes dupUcabant mtäas , semwooaies
et liquidas'^ femer s. 218^, 11 'porigam* dixisse anti^i videnturpro
^porrigam^ propter morem non ingeminandarum UUerarutn', endlich
8. 355 *, 1 Harufn' ut significet torridumy aridtun^ per unum quiden^ r
(mtiqua cansuetudine scnbüwr; sed quasi per duo r scribcUurj pro-
nuntiari oportet, nam antiqui nee miUas nee semivocäks Utteras gemi-
nahanty ut ßin Ennio^ Arrio^ Ännio, vgl. auch Qaintiiianos I 7, 21
and Marius Victorinas s. 8, 1 ff. und 9, ä2ff. E. damit stimmen
die inschriften vollständig überein, indem sie ausnahmslos' in der
vorennianischen zeit die gemination nicht kennen: vgl. Bltschl
PLME. tab. LX A— H und Mommsen CIL. I s. 602. eine richtige
erklärung dieser thatsache sowie eine Würdigung der intentionen
des Ennius bei der einführung der gemination in die lat. spräche
scheint mir bis jetzt nicht gegeben worden zu sein, die gangbare
ansieht ist die, dasz die Verdoppelung allein zur graphischen be-
zeichnung des geschärften consbnantischen lautes diene: vgl. zb.
Corssen ausspr. I' s. 13. daraus erklären sich auffassungen wie die
von Bitschi opusc. 11 527 'bei einfachem consonanten so gut wie bei
verdoppeltem ist die silbe lang, weil der vorhergehende vocal eine
naturlänge ist' ; ebd. lY 771 'dasz es nicht SäUustius PoptlUus P^Oio
hiesz, wie man heutzutage ohne ausnähme hört, weil auch ohne
consonantengemination Sälustvus Foptlius PöUo . . also auch nicht
vtUa^ sondern vtUa genau wie vtlicuSy da hier die gemination oder
nichtgemination des l eine sache für sich ist.* die Unsicherheit auf
diesem gebiete wird auch charakterisiert durch eine stelle in LMüllers
'orthographiae et prosodiae latinae summarium', worin wir s. 28
lesen: 'ubi geminatur consona in vocabnlo, aliquante saepius videtur
fuisse vocalis brevis quam longa, mazime cum in verbo, unde descen-
deret illud , esset brevis , ut puiUa propter pu^ra. unde interdum
subtracta consona priore brevis manet vocalis, ut oportet Persona
pro opportet Porsenna. contra longa fuit in quereUa loqueUa lueUa,
in miüe propter milia^ in närro propter narus^i behauptungen welche
sich sämtlich als falsch erweisen, und nicht besser steht es mit dem
was noch unlängst FBücheler bemerkt hat auf s. VI f. von Anton
Marx 'hilfsbüchlein für die ausspräche der lat. vocale in positions-
1 ein singuläres beispiel Hinnad rechtfertigt Bltschl opusc. IV 166;
ebenso erledigt sich incurrere im Carmen fratrom Arvalium von selbst
durch die späte schriftliche fixierang dieses Stückes.
EBaebrenB: die consonantengemination im lateinischen. 775
lai)gen silben', in welchem übrigens nicht nnnlitzen schriftoheii eine
menge hierher gehöriger w5rter verbessert werden musz.
Die quelle des irrtoms liegt zum grossen teil in der lehre von
der angleichong der consonanten im inlaute. wir lassen hier wie im
folgenden natürlich jüngere bildungen {effMgio statt ecfugiOy appeto
statt adpeto usw.) bei seite; aber wenn man zb. sagt» seüa sei aus
südla — sidela^ entstanden, so vergiszt man zweierlei, erstlich
ist unbegreiflich, wie bei solcher adsimilation die kurze erste silbe
über die zweite lange den sieg davontrug, w&hrend doch stets das
schwerere, vielmehr das leichtere zu überwältigen pflegt, zweitens
wäre es in diesem falle nicht minder unbegreifli<äi , dasz die lat.
spräche nicht schon längst vor Ennius die durchaus natur*
gemäsze und von selbst sich darbietende angleichung «Atta
— sSüa nicht nur gefunden , sondern auch graphisch ausgedrückt
hätte, die richtige erklärung ist meines erachtens die , dasz aus «^-
dila entstand sela (vgl. sdiquasifum) ^ wie acda aus scandda^ mala
aus mandela^ nicht ohne einflusz der paroxjtonese, wodurch auch
zb. festra aus fenestra ward, überhaupt, wenn das latein Jahrhunderte
hindurch keine gemination kannte^ so ergibt sich daraus.als not-
wendige folgerung, dasz die theorie von der angleichung der
consonanten im inlaut für das älteste latein ganz zu
leugnen ist, und als feste regel musz aufgestellt werden dasz dies
älteste latein seine Wortbildungen betrieb allein durch
ausstoszung sei es einzelner consonanten sei es ganzer
Silben, nicht ohne bestimmte ein Wirkung des accentes, wobei denn
diese ausgestoszenen consonanten oder silben in der Verlängerung
des vorhergehenden vocals, wenn dieser von natur kurz ist, eine
spur zurücklassen. « so entsteht zb. aus vtculu zunächst t^2a, aus
ünülus ursprünglicfl ü2ii5; und wie aus vtäeo und födio durch das me-
dium von vid{8)i fod{8)i und vi(d)sum fo(d)stMn wurde vidi focU und
Visum fosum^ so auch presi presum durch premsi premsum aus prSmo ;
weiter ward pu^nÜus oder wohl besser puerulus durch ptAerlus zu -
püelus (vgl. supelex statt su^^lex)^ cSröniUa zu cSrola. diese wenigen
beispiele werden genügen, jene ausstoszung nun liegt ganz im
Charakter des lateinischen, aus der gemeinsamen Ursprache hatte
das italische noch viele längen bewahrt in stammen, welche seit
ihrem ersten auftreten bei den beweglicheren Griechen als kürzen
erscheinen; das starre und steife, das dumpfe und dunkle ist so in
der lat. spräche von haus aus der grundton, ganz in Übereinstimmung
mit dem Charakter und der lebensweise des volkes, welches in seinem
ersten beginnen diese so beschaffene spräche sich von selbst langsam
' natürlich ist es fade schul Weisheit, wenn Servlas sa bue, 1, 9 und
TerentiuB Scaoras s. 13, 14 K. behaupten, es habe ursprünglich §edäA
statt sella geheiszen: schon die gemination dd macht das unglaublich.
^ übrigens war dies wohl anch bei den andern italischen dialekten
der fall, wie es sich noch kürzlich für das oskische heransgestellt hat
(vgl. Bücheier im rhein. mus. XXXIII s. 74 f.).
776 EBaehrens: die conBonantengemination im lateiniBchen.
und ihrer natur eiiitsprecbend entwickeln liesz durch ausstoszen des
hinderlichen, nicht durch angleichung, welche stets in weicheren oder
mehr vorgeschrittenen sprachen ihre anwendung findet, so litt dexin
das älteste latein, wie es sich im wesentlichen lange vor der litte-
rarischen Periode heranbildete, an einem überflusz von schwerea
und dumpfen silben; das bestreben denselben mehr flusz und ^-
schmeidigkeit zu geben konnte erst allmfthlich aufkommen mit dem
Zeitpunkte , als gegenüber dem stillleben Iftndlicher zurückgezc^n-
heit sich ein öffentliches leben in Bom zu entfalten begann, als das
forum mit seinen kftmpfen gewandtheit im sprechen mehr und mehr
zur bedingung machte, in einem langsam aber sicher sich voll-
ziehenden process wurde nun das schwere leicht, das dunkle hell
gemacht, nicht allein durch die in jeder Umgangssprache übliche ab-
werfung der auslautenden consonanten und die Verkürzung der
langen endvocale, sondern auch indem man hier und da durchdrangr
in das innere der Wörter und an dem alten bestände der silben rat*
telnd denselben ins wanken brachte, diesen zustand der dinge zeigen
uns bekanntlich die ersten reprftsentanten der römischen litteratur,
welche vor allem bei ihren productionen für die bühne sich natur-
gemäsz an die vorhandene gewöhnliche spräche hielten, sie musten die
prosodie erst feststellen durch aufmerksames erforschen dessen was
als das gemeingültige in der ausspräche ihrer zeit angesehen werden
konnte; der zufällige umstand, wie weit jene auflösung des alten
im einzelnen schon vorgeschritten war, beeinfluszte auch die fixierung
des thatsftchlichen bestandes ; und wenn sich für alle zeiten solche *
unregelmftszigkeiten wie zb. rex rigis und r^go r^gis neben düx dücis
und düco düds oder ambäges und indägo neben extgo und den übrigen
composita von ägo^ alt ägo^ finden, so fällt die schuld davon allein
der inconsequenz des Zufalls zu, welcher das eine verschont und
auf das andere sich wirft. Livius Andronicus und Naevins haben
sich auf diese weise durch das aufstellen einer im groszen und ganzen
gültigen prosodie Verdienste erworben ; aber weiter zu gehen und
der auf abschüssiger bahn ihrem ruin entgegeneilenden spräche zu
hilfe zu kommen durch eigne gesetzgeberische thätigkeit, dazu be-
stand für sie keine äuszere veranlassung; vielmehr benutzton sie
wie auch die zunächst folgenden scaenici jenes schwanken ganz nach
bedür&is des verses und gebrauchten zb. üe und ese bald mit (ur-
sprünglich) langer bald mit (misbräuchlich) kurzer ersten, jene
veranlassung zu energischem vorgehen fand (zumal die sprach-
verderbnis unterdessen wiederum fortschritte gemacht hatte , zb. in
der Verkürzung von auslautendem a: vgl. Fleckeisen krit. miscellen
s. 15) erst Ennius, den die notwendigkeit, für die unwandelbare
thesis des hexameters auch unwandelbare quantitäten zur Verfügung
zu haben, von selbst zu einer Umgestaltung des bestehenden Schlen-
drians führte und dadurch zum reformator der lat. spräche machte;
Vgl. Bitschi opusc. II 583. das können wir hier nur mit rücksicht
auf unser thema weiter verfolgen.
H
EBaehrens: die conBonaniengemination im lateinischen. 777
Es ist ganz richtig, wenn Festns sagt, Ennina habe die geminae
eingeführt u^pcie Oraecus graeco mare ustis: in der that bestand in
dem in seiner Vaterstadt Budiae einheimischen, dem griechischen
nahe verwandten messapischen dialekte verdoppelang (vgl. WDeecke
im rhein. mus. XXXVI s. 577). aber die anwendimg derselben auf
das lateinische wird durch die gangbare auffassong einer verschftr-
fung der consonanten nicht erklärt, indem man weder die entstehung
dieser Verschärfung noch des Ennins absieht begreift, rückt man die
Sache als ein (and zwar recht wesentliches) glied in die kette der
auf die abwehr der corraption der wOrter bezüglichen reformen des
dichtere ein, so wird sie sich leichter erklären lassen, nicht allein
um die erlangung von kürzen, wie man gewöhnlich glaubt^ sondern
mehr noch um die erhaltung von längen war es ihm zu thun, um
die für die neue daktylische poesie geeigneten wortformen zu finden,
und so muste sich sein augenmerk in gleichem masze richten auf
die beseitigung der am ende wie auch der im innem der wOrter statt-
findenden entstellungen der Volkssprache : dem übermäszigen triebe
nach Verkürzung der silben im inlaute muste entgegengearbeitet
werden, dazu empfahl sich von selbst die Verdoppelung des folgen-
den consonanten: die positionslänge bildete für zu weit gehende
Verkürzungsgelüste und ihre folgen einen wirksamen dämm, aber
dies allein genügt noch nicht zur erklärung. konnte denn Ennius
nicht von seinem vorbilde eine wenn auch langsame verbesserang
erhofien? um bei dem vulgärsten beispiel zu bleiben, so liesz sich
doch, wenn er fortan stets nur ise und ile gebrauchte, die allmäh-
liche Verdrängung des volkstümlichen ifse und tle ebenso gut er-
warten, wie er dies in anderen fällen mit bestem erfolge hoffte,
ohne die anwendung weiterer mittel hat sich die fiiierung von inde
ipse iste nempe usw. als trochäischer wortformen vollzogen, hat die
abwerfung der schluszconsonanten (mit ausnähme der von m und 5,
welche als ganz allgemein auch Ennius anerkennen muste) aufgehört
allein durch das gegebene beispiel. die dichter waren damals Sprach-
lehrer , nicht blosz für ihre eigne person , sondern in höherem sinne
für die nation: ihr vorbild fand in den gebildeten und nach fort-
schritt strebenden kreisen allgemeine nachfolge, aber dieser einfiusz
ist ein wechselseitiger und beruht nicht auf einseitiger dictatur dea
grammatikers, welcher eigenmächtig seine Vorschriften macht, daa
aus dem ununterbrochen auf dem gebiete der spräche thätigen
schaflfensdrang des Volkes neu zu tage kommende, mit dem alten
ringende und entweder unterliegende oder mehr und mehr feld ge-
winnende material musz er prüfen und sondern , um dem was sich
als berechtigt erweist zum siege und zur alleinherschaft zu verhelfen,
die allgemeine aufnähme, welche mit der zeit Ennius' neuerung hin-
sichtlich der consonantenverdoppelung fand , würde nicht recht be-
greiflich sein, wäre dieselbe allein aus dem köpfe des dichtere und
nicht aus einem tieHnnerlichen bedürfhis der lat. spräche hervor-
gegangen, ohne zweifei hat Ennius, wie einst schon Livius und
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''■.;^;. d>fe •***tlitoiL4 bei FS^hrj^i, in iLieö:!» A«a VI ä. lüO— 126}
fcVrXA r/«:i gexLifiae bleu posi;l:iLsl2iuen :i&:&:eneii. andeim nock
;i^ ^ ithüfitni 2^^AsenisÄm deraek-rc werden wir ccien bege^gnea.
C^,':fi bWlhx CkT h^zte wsiKtii der folgende, jener Terk&muigstzieb
bi.»;b u;cb. lä^cti^Ahm Ennitu inm fesie K^hrönken gezogen h*Ue, im
r^rril*«hen roike lebendig, wenn aacc von jetzt an ohne nachteilige
fo.:/en« im formblarprocesB de& römischen pri?atrechies bildet für
d;«: iDt^fentio und ccndemnatlo das «i js<ire^ und si non paret eine
feV'hende formel. worin eben, weil sie äo viel gebraucht wurde, im
gev* ähnlichen leben />dr«/ TerkQrzang erlitt und von den cn wissenden
kcriba« prt^Ujrii geradezu parrd geschrieben werde, gegen dieM
d«'i gewohnbeit der gebildeten allzusehr ins geeicht schlagende
entst^ilung waren grammatiker aufgetreten, und io üeät man bei
fVrtu-s k, 233 \ 25 ^parret\ quod est in ßrmulis^ debuU ei producta
f/rtr/re »yllafja pronuntiari et ncm gemino r scrihi. ut fieret Sparet* ^
ffUfßd et inveniaiur in ^comparet^ apparet*: man musz lang sprechen
päret, nicht znit geminalion parrd korz. prüft man aber das alte
hprachmaUsrial Cinit aufasonderung der bp&ter erst aufgekommenen
und iM^HonderH mittelalterlichen falschen Schreibweisen), so gibt es,
dM fiudttWßT von selbst seine ursprOngliehe l&nge guätuar trotz grie-
chisch und Sanskrit bezeugt, nur 6in wort, welches der von mir an-
g«;nomrneneD naturlttnge des betreffenden vocales direct zn wider*
sprechen scheint, nemlich cSiidie, gewöhnlich coitidie geschrieben,
d«;r hcn kurze erste jedoch über allem zweifei feststeht (Corssen I'
s. 17«0j. aber dii; geschichte dieses Wortes gibt für diesen Wider-
spruch eine g<rnn^f-nde erklärung. schon früh hatte ein grammatiker
(etwa Knnius sellist?; wegen des c die etymologie aufgestellt, dasa
colidie aus contincnti die entstanden und also als cötidic aufzufassen
EBaehrens: die consonantengemination im lateinischen. 779
sei, und demgemäsz aus der Verkürzung der ersten in der ausspräche
den schlusz auf die notwendigkeit von tt gezogen, und ihm stimmten
viele bei. diejenigen, welche richtig an quöto die dachten, schrieben
und sprachen vielmehr guötidie oder cötidie (vgl. die stellen bei
Brambach neugest. d. lat. orth. s. 236). und so wechselt denn die
Schreibung dieses wortes, was gegen unsere ansieht natürlich nichts
beweist, andere scheinbare beweise dafür, als könne auch bei gemi-
nation die vorhergehende silbe entweder ursprünglich kurz gewesen
sein oder aber die länge derselben auch in der ausspräche bestehen
bleiben, werden unten ihre erledigung finden.
Ehe wir Ennius' theorie im einzelnen verfolgen, dürfte es sich
empfehlen einen augenblick stillzustehen bei einigen für etymo-
logische fragen wichtigen schluszfolgerungen. denn man musz jetzt
verlangen, dasz überall, wo geminae auftreten, die ursprüngliche
länge des vorhergehenden vocals angenommen wird, auch wenn wir
in folge unsere^ trümmerhaften materials das nicht mehr in jedem
falle nachweisen können. Sälhistius^ alt Sältistius^ zb. leite ich ab
von Salus : hier zeigt uns die ursprüngliche länge des a noch zufällig
der alte bauernspruch bei Varro terra pest6m tenäOy sdltis ]i4c manito
(denn an LHavets saliis hice glaube ich nicht), sodann aber musz
überhaupt die forderung aufgestellt werden, welche eigentlich schon
aus der einfachen thatsache der nichtgemination im alten latein als
unabweisbare folgerung sich ergibt, dasz fortan bei allen etymo-
logischen erklärungen lat. Wörter oder wortformen, wo immer wir
es nicht mit später entstandenem oder importiertem gute zu thun
haben, stets nur von den simplices ausgegangen wird, so bequem
es zb. auch ist, oppidum direct von ohpidum (ohpedum) abzuleiten^
80 nötigt uns CIL. I 1166. 1555 doch den um weg obpidum — öpi-
dum — öppidum einzuschlagen, es herscht in dieser beziehung
grosze Unsicherheit; der spuk der adsimilation treibt noch allent-
halben sein wesen. Corssen, der die etymologische Ungültigkeit der
geminae sonst auch bei gelegenheit hervorhebt , läszt doch in vielen
anderen fällen dieselben als ursprünglich zu. so entsteht zb. ausspr. P
s. 225 bei ihm ü durch adsimilation aus li in faUo (er vergiszt fäUa^
alt fäla, das gelegentlich noch von Novius fr. 12 R. falsch als fäla
gebraucht wurde) ; aus Iv in pöllen, dessen ursprüngliche form polen
noch polenta (vgl. unten) zeigt, hier ist consequenz nötig, welche
wir auch bei den linguisten häufig vermissen, man sieht jetzt dasz
zb. Chilis aus cölis^ sowie cöUum {-us) aus cöltim {-us) entstanden ist
und dasz auch cölumna nach dem unten zu besprechenden gesetze
damit zusammenhängt (anders GCurtius grundzüge^ s. 153); ifrrare
aus erare (Curtius ebd. s. 556 läszt error aus ersor entstehen);
moUis aus mölis^ verwandt mit griech. ^uüXuc; päUeo aus päleo (vgl.
skr. pal'i-ta-s *grau'); s^rra aus sera aus secera» vieles wird noch
auf diesem wege zu erklären sein, wie man denn zb. desjenigen
etymologien von CPauli (Kuhns zs. f. vergl. sprachf. XVIII 1 ff.),
welche von den simplices als dem urspiilnglichen ausgehen (zb. 2t]p-
780 EBaehrens: die consODantengeminatiozi im lateinischen.
pus — Itpus, stccus — sicus), meist seinen beifall schenken kann.
ich lasse hier einige wenige derartige bemerkungen folgen:
1) annus wird von Corssen als amnus 'umkreis' aufgefaszt
(beitr. s. 316), wie ähnlich schon von Pott und Mommsen (onterit.
dial. s. 248). aber wenn anuSy anuus usw. stets auf den vorenniani-
sehen (wie gelegentlich noch spätem plebejischen) inschriften steht
und man nicht begreift, wie dies antis aus amnus entstehen konnte,
da die Verbindung mn keineswegs zu den lästigen gehörte, so wird
man von diesem onus notwendigerweise bei der etymologischen er-
klärung ausgehen müssen : vgl. unten.
2) cällis^ aus cälis^ bringe ich zusammen mit skr. käl 'antreiben'
(Curtius grundz. s. 146) : es ist der weg wo das vieh getrieben wird«
3) ceUa. weder Curtius' (ao. s. 140) ansieht, dies sei deminutiv-
bildung für celula , noch die von Kuhn (zs. V s. 454) , es stehe für
celia^ tri£ft das richtige, aus celare wurde cela (bergungsplatz; ygK
ceUa penaria und Festus s. 66 M.) , gerade so wie zb. von volo sich
völus, vorus von vorare^ bildete, aus cela machte die volksaussprache
cella^ was Ennius recipierte ; späteres deminutivnm davon ist cSllük^
4) classis, über dies wort hätte wohl Jordan (Hermes XVI
s. 53 ff.) sich nicht so weitläuftig ausgelassen , hätte er den natür-
lichen entwicklungsgang sich klar gemacht, cläsis (CIL. I 195) ist
cäläsis^ von calare\ man hat es richtig durch ^aufgebet' erklärt,
woraus sich die späteren bedeutungen leicht ergeben; es bedarf jetst
nicht mehr des falschen hinweises auf das singulare, unregelmässige
und späte hassis (vgl. unten), um den process der Verkürzung däsaia
sich deutlich zu machen; wenn etwas, so hätte man zb. cäsis (aus
cad&is) — cässis 'netz' vergleichen können.
5) ^cce kann nur aus urspr. See entstanden sein, wie Corssen
ausspr. TP 635 f. richtig erkannte, die geschichte dieses ^, dessen
länge blieb in dem gedehnt gesprochenen eheii der trauer und ver-
schwand in dem rasch hingeworfenen ^ho und ^hem , hat Bibbeck
(lat. part. s. 43) in guter erörterung verfolgt, in welche sich jetzt
ece — ifcce als neues glied einreiht.
6) faciUumus, von den beiden formen des Superlativs -umus
{-imus) und -tsumus — -tssuinus {-tssimus) hat sich die er^tere be-
kanntlich nur noch in wenigen fällen erhalten; gewöhnlich nimt man
dafür -rumus (aus -tumus und dann -sumus) an, also veter rumus*
aber wenn Festus s. 252 bezeugt purime : purissime , so werden wir
vielmehr -ume {-itne) als die reine form erklären und in dem alten
adjectivum veter ursprüngliche länge der zweiten (wie auch pulch^^
iener u^vi.) erkennen müssen , so dasz wir folgende entwicklung er-
halten: x^ctdr-umus — vct^rrumus. danach werden wir auch für
facilis dif/icilis similis dissimilis humilis gracilis dieselbe endung
'Uyntis {'itnus) ohne angleichung durch t oder 8 erblicken müssen.
* fainch schreibt Löwe prodr. 8. 430 vorti : etfaces, helluones; mit den
plossau äiilomonis wnr vori zu lesen.
EBaehreDs: die consonaotengemination im lateimicheii. 781
auch hier ist, wie ich meine, die Verdoppelung so zu erklftren, dass
wir darin noch älteste formen durchschimmern sehen: adjectiva auf
'tlis, die schon früh zu -tlis wurden, wie in vetSrumuSj so hatte auch
in facthimus die alte länge sich noch stehend erhalten , während im
positiv längst jegliche spur davon verloren war, und erst zu schwan«
ken begonnen in Ennius' zeit, welcher durch vei'doppelung zu hilfe
kam und so der daktylischen poesie einige brauchbare bausteine
conservierte. mit diesem alten 'iUs hängen auch die verba auf 'tlare
zusammen: alt sarhtlis, wonach sarhtlare, in diesen verben hat sich
die länge erhalten, wenn sie auch meist als -tüare auftritt, aber nicht
stets: conscribtlo hat Catullus, sarhilo und cantilo noch Apulejus,
focilo, auch wohl stigtlo] vgl. noch JNOtt jahrb. 1874 s. 860, der
freilich nicht von einer ^aufhebung der gemination' sprechen und
überall -tlo annehmen durfte, wozu auch bei Terentius ad* 591 nichts
nötigt.
7) ßüis oder alt ßUs ist, wie ich glaube, contraction aus ßviUs;
vgl. ßmetUum^ fomes von demselben ßveo.
8) gaUus aus gäluSy was ich ebenfalls für contrahiert halte aus
gärükiSy der alten form von gärruHus^ auf dieselbe weise wie ich das
bisher nicht genügend erklärte (Mdum ableite von caendum: der
hahn wird xar' dEox^v der redende vogel genannt nach der ältesten
bedeutung von gärire — garrire (vgl. dorisch TOipöui); auch später
noch ist garrire und garmlus beliebtes epitbeton von tieren, und
der ales gaUus tritt uns stets in dieser bedeutung entgegen.
9) p^ccare anspecaref was ich als &ns pericare zusammengezogen
erkläre, gemäsz Cicero parad. 3, 1 peecare est tamquam iransüire
lineas: dasselbe |>er (vgl. skr. para-^n und gr. ir^pa «• üUra) haben
wir noch in oskisch peru-m 'gesondert' und in lat. peregre^ periurus
usw.: vgl. Corssen ausspr. I' 776, üsener jahrb. 1878 s. 75.
10) p^nna. wenn bei Festus s. 209 überliefert ist ^pennas*
antiquos ferunt appeUasse ^peenas* exgraeco^ quod iUi tuvtivu ea quae
sunt völucria dicunt. item easdem ^pesnas* ut ^caesnas'y so ist nach
meiner ansieht für peenas weder mit Fleckeisen (fünfzig art. s. 11)
petnas oder päenas noch mit Corssen (ausspr. 1*181) pesnas zu ver-
bessern wegen der so entstehenden tautologie mit dem folgenden ;
was sich jedem grammatiker zunächst darbieten muste, wslt penas'j
und das wird mit ausmerzung des dittographen e herzustellen sein,
wer dann sich fragte, wie dies pena entstanden sei, konnte mitver-
gleicbung von cena hinzufügen: item eosdem (so richtig Corssen)
^pesnas^^ tU ^cesnas* (so Fleckeisen), man mag nun pena direct aus
päena oder durch die mittelform petna oder pesna ableiten , jeden-
falls haben wir ausstoszung, keine adsimilation vor uns: ausjp^fia
erst ward p^nna,
11) pöUeo aus pöleo (wie auch p^üex aus noch später zuweilen
üblichem pölex: vgl. unten) : es ist derselbe stamm wie im gr. iriliXoc,
skr. pöias potaJcas püträs (auch lat. pomum 'gewächs' sowie die mit
pü gebildeten Wörter jpti^es püsuSj pülus später jptS^ usw. hängen
782 EBaehrens: die cODsonantengemination im lateinischen.
damit zusammen) : der begriff des heranwachscns und gedeihens liegt
darin, interessant ist die in den hermeneumata Dosithei (s. 335 ed.
Boucherie, notices et extraits des mss. XXIII) genannte, unseren
mythologen unbekannte Pda matery welche nach der luventa stehend
im griechischen lemma erklärt wird als TTavdK€ta 2^uii]TrotiiTic (?) ;
schon die Wortbildung zeigt uns eine uralte lateinische gottheit (vgl.
zb. dea Suhiga^ Perfica usw.) : es ist die göttin der kraft und stärke,
des Wachsens und gedeihens, die spätere PoUentia.^ — Und so wird
manches , wobei wir mit der vergleichung des griechischen und des
sanskrit nicht auskommen, auf diesem wege seine erledigung finden.
Zu Ennius zurückkehrend musz ich noch eine bemerkung vor-
ausschicken, er wäre kein rechter grammatiker gewesen ^ wenn er
von seiner neuerung nicht noch einen andern praktischen gebrauch
gemacht hätte, bei allen römischen grammatikem treibt das be-
streben der differenzierung reiche bluten : noch im mittelalter machte
man so einen unterschied zwischen tempiis 'zeit' und dem selbst-
geschaffenen timpus ^schlafe', in dem nicht allzu umfangreichen
lat. Sprachschatz hatten mit steigernder entwicklung des lebens und
der cultur nicht wenige Wörter mit erweiterung ihres ursprünglichen
begriffes neue bedeutungen erlangt; in anderen fallen waren von
verschiedenen stammen aus gleichlautende Wörter entstanden, onti^,
ursprünglich jeder kreis, erlangte allmählich auch die bedentnng
von 'kreis der monato* (Varro de l. L VI 8 und danach Suetoniua
rcl. s. 169 B.) mit derselben Vorstellung wie sie dem gr. ^vtauTÖC
zu gründe liegt: ein wort für den schon vorhandenen begriff hatte
die gemeinsame Ursprache nicht (fvüc oder ^voc ist grammatiker-
ßction). während nun das alte äntts sich nur in wenigen festen be-
deutungen erhielt (bei Plautus noch 'fuszring', allgemein stets
'after'), andere dagegen an das deminutivum äntUtts abgab, mag
bei änus als 'jähr' schon im volksmundo die Verkürzung ännus zur
Unterscheidung aufgekommen sein , und selbstverständlich hat das
Ennius herübergenommen und davon auch in anderen fällen wohl
selbständig gebrauch gemacht, man vgl. noch pänus (päniadus -la)
und das daraus erwachsene pdnnus {pänniculus), worüber vielleicht
auch Lucilius IX 17 handelte, der capuchon erhielt vom volkswitze
wegen der durch ihn entstehenden ähnlichkeit mit dem kukuk eben-
-' ioh benutze dicso gelcfii^cDheit, um den mytholog^en <lie iinter-
snchunp^ dofl orwühntcn, offenbar aus trefflichster quelle stAininendcn
nl>schiiitte8 jener hermeneumata zu empfehlen, dasz darin *A(ppo&iTT)
als renilia (wie ich schreibe: venaUa die ha.), die Nr]pilt&€C als Saiaciae
iTkliirt wcnlen, ist späterer röniisclier (auf Vnrro zurückgehender?) auf-
fns.sunp: griiiiisz; interessanter ist die Übersetzung des 'AttöXXujv NÖMIOC
als ritihis {rirhiuA Hngcn, etwa ^'Wimä?), der AcuKoO^a als ^Ibucina (etwa
Alhunen'i), mater Matuta^ und wichtiger dasz es auch bei den Kümem
i'iiic der TTpaEi&iKf] entsprechende gottbeit gab» deren name sich noch
vorbirgt unter den verdort)encn zUgcn iahtdena {iurnndi dea zu vermuten
wäre natürlich reine vcrwe;;i'nbcit); die *6voö{a wird durch Viiica inter-
pretiert, was Itoucbcrie wohl richtig in Vintira änderte.
EBaehrens: die consonantengemination im lateinisohen. 783
falls den namen cucülus und cucüUo (letzteres noch bei Cato de re
rast. 2, 3); doch differenzierte man anch hier durch gemination im
abgeleiteten Worte eucittlus und cucSUio. der volkswitz mag es auch
gewesen sein, der die weibliche schäm verglich mit dem bügel, worin
der helmbusch befestigt wird : Conus (und daraus schon früh cäwuSy
wie die wohl aus Atellanen stammenden wOrter cumre und ancwm^
lentae zeigen) ward so auch bezeichnnng für die muliebria; später
kam dafür distinguendi causa c^hmtts auf (vgl. meine bemerkungen
Jahrb. 1882 s. 478) und daneben cunmts^ was seit Augustus zur
alleinherschaft kam. — Um das zum adi^rbium gewordene tmo vom
reinen ablativ zu unterscheiden , schrieb und sprach man es tmfno ;
und um ager -ri von äger -eris (von adgero^ eigentlich adger) zu
trennen, wurde letzteres zu agger, mensis und mensor wurde so
ausgesprochen , dasz es von mSsis und mesor von metere schwer ge-
schieden werden konnte; letztere werter wurden also zu m^ssis und
m^ssor. das läszt sich gleichfalls noch durch viele beispiele ver-
folgen.
Ausgehend von dem grundsatz, dasz die Orthographie auf das
innigste zusammenhänge mit der Orthoepie, suchte Ennius die durch-
gängige ausspräche seiner zeit schriftlich zu fixieren, mit wie auf-
merksamem ohr er dabei zu werke gieng, zeigt gerade die unregel-
mäszigkeit, womit die gemination auftritt: ein reiner doctrinär
würde alles nach der Schablone gestaltet , also zb. nicht giUia und
(Slhis — lUe eingeführt und dagegen güJtus und öUm gelassen haben,
auf diesem gebiete herscht eben der zufall, und man darf sich keines-
wegs darüber wundem, dasz bei so manchen wOrtem, worin gemi-
nation hätte platz greifen können, dieselbe doch unterblieben ist
(vgl. Jordan im Hermes XVI s. 55) : die wege , welche in der aus-
spräche des Volks der zufall einschlägt, sind einmal in vieler hinsieht
unerfindlich , wenngleich sich einige allgemeine gesichtspunkte auf-
stellen lassen, wie zb. dasz bei selten gebrauchten Wörtern weniger
als bei viel gebrauchten , die wie Scheidemünze mehr abgeschlissen
wurden, Verkürzung eintrat, aber dies und ähnliches genügt bei
weitem nicht zur erklärung. aus diesem gründe läszt sich auch kein
festes System aufstellen ; und wenn ich trotzdem im folgenden einige
allgemeine regeln festzustellen suche, so ist mir der unsichere Charak-
ter derselben wohl bewust; auch kann ich nicht bei jedem einzelnen
Worte, das ich anführe, beweisen dasz gerade Ennius seine Schreibung
fixierte: ich ziehe blosz aas dem später allgemeinen und sichern
einen rückschlusz auf ihn als wahrscheinliche quelle, ohne zweifei
aber hat auch auf diesem gebiete die gröste rolle in der ausspräche
gespielt der wortaccent. das zeigt sich gleich bei der zunächst zu
behandelnden gruppe von zweisilbigen Wörtern, da hier der accent
mit voller wucht auf der ersten ruht, so war diese der verküi*zung
am meisten ausgesetzt (vgl. zb. nSgo aus nigo aus nS-ägo — nS'ägo)\
hier finden sich denn auch die meisten beispiele von geninationy
welche sich für alle zeiten behauptet hat (denn es ist natürlich
784 EBaehrens: die coDBonantengemination im lateiniBchen.
bloszer Schreibfehler, wenn zb. der palimpsest des Fronto s. 222 N.
von erster hand bietet de hdo parthico). aber wenn Ennius zb. neben
sella und rällus doch scäla und grälae (so besser), neben missum doch
mtsi^ ja neben hWnnus doch Ueno (Löwe prodr. s. 266) besteben
liesz, so zeigt sich wiederum seine rein empirische Wirksamkeit,
übrigens hat auch gerade hier das spätere altertum und mittelalter
vieles verdorben: die richtigkeit von häca^ hräca^ sücus ua. hat die
neueste pbilologie gezeigt. — Von nicht ganz so starkem einfiusz
ist der accent bei dreisilbigen Wörtern, wenn er auf der ersten ruht
(± ^ ^) : die beiden folgen^n brechen seine kraft ein wenig, und
so verstehen wir ohne mühe, was noch Lachmann (comm. Lucr. s. 33)
so unnatürlich erklärte, dasz trotz der neuerung viUa von dem alten
vTla blieb vtlicus vtlica vtlicari (-re): denn vtlMa und vtUatictis
sind nachennianische, an das recipierte vtüa sich anschlieszende bil-
dungen. ebenso zb. mtlia trotz mtüCy hüdna trotz hücca : es ist der-
selbe fall wie wenn in tegula die länge bleibt, die in tifgo verschwan-
den ist. in anderen Wörtern mit dem Schema ± ^ ^ ist auch da, wo
man zur Verdoppelung neigte, diese doch nie ausschlieszlich geworden ;
zb. bestanden nebeneinander Polio und PoUiOy stelio (von stela^ aus
stcrtday was allgemein zu st^üa ward) und st^lUo : das mag Ennius
selbst schon in dubio gelassen haben, in anderen fällen freilich
machte sich auch hier die Verkürzung so gebieterisch geltend, dasz
sie nicht abgewiesen werden konnte: p^ssumus von pesumuSy ItUera
{litcra) trotz des bleibenden bisyllabums litus usw. usw. — Noch weni-
ger veranlassung zur Verdoppelung in der ersten silbe lag vor bei
dem Schema ^ ± s^^^ hier bedurfte es aber auch des feinsten gehörs,
um zu entscheiden, wo die kürzung absolut war, wo sie noch schwan-
kend mit gemination des folgenden consonanten gepaart gieng. bei
solchen paroxytonierten trisyllaba herscht bekanntlich im lateinischen
die Vorliebe für Verkürzung der ersten rascher gesprochenen silbe:
ein sehr belangreicher punkt in der lehre von den quantiU&ten. das
ore corupto des Lucilius und natura coruptum des Lucretius, was
vergeblich Lachmann (comm. Lucr. s. 416) angegriffen und LMQller
(de re metr. s. 360) zu erklären gesucht haben, läszt sich nur so
verteidigen^; und stets ist accommodation an die lässige volksaus-
^' freilich ist die Verkürzung unter der angeführten bedingung wohl
blosz möglich gewesen durch die nebenform rörumpere zu conrumpert^
wie zh. im alten Utein rooentio und cnnventioy coseniire und con*eniire usw.
ziigl(;ich bestehen, das gibt Anleitung zu der frage, bei welchen mit prä-
Positionen zusammengesetzten verbcn schon früh dureb die Ennianische
nriicrnn^r, l^ü weichen erst spUter durch adsimilation Verdoppelung ein-
trat, bei rönwipo , neben rnnrumpo^ konnte durch einfache gemination
schon früh rbrruinpo\ aus cöntittoj neben ronmitto^ schon römmittOy viel-
lei< ht aueh aus cölcgo^ neben conlcgoj schon rbtiego entstehen, bei
anderen prüpositionen ist die adsimilation sehr spHt eingetreten : ad'
partiiiis, adnito usw. sind, wie man woisz, stets die besseren Schreibweisen
gewesen, aber f>s gab schon vor Knnius einige dem ohr unangenehme
consoiiaiitenvorl»indnngcn, vor allem zb. bc (vgl. oquine$cere)\ und hier
ist oben, weil das alte latein keine angleichung kannte, frühzeitig ans-
EBaebrene : die consonantengemination im lateimtchen« 785
spräche in diesem paukte den nicht an strenge sucht gewöhnten
dichtem eigen geblieben: sehr viele sttnden gegen die prosodie bei
den spfttem dichtem (namentlich den africanischen, vgl. auch Con-
sentius s. 392, 11 E.) erklären sich daraus, schon früh wurde zb.
cämena aus cä{ß)menay Smüto aus o{h)mittOy SporUt aus ö(h)pafiä^
dtsertus trotz disero — dtssero. so bestand hier durchaus kein grund
theoretischen klttgeleien zu liebe zb. ichdim in Mhdim zu ändern
wegen des recipierten iSüo (von tölOy womit auch te{l)lu$ zusammen-
hängt), oder wegen färris (von fär^ färis) ancfi farrina zu schreiben,
zumal hier der gebrauch die kürzung iSkiim und farina endgültig
festgesetzt hatte; daneben aber wird wiederum toüeno und farrago
der inconsequenz des Sprachgebrauchs verdankt, denn nicht durch-
weg konnte Ennius Verkürzung der erstezaconstatieren: gegenüber
fnämiUa von mäma — mämma^ SfeUa von öfa — Sffa^ pSlwta von
polen — pSüen blieb doch, um etwas unbekanntes mitzuteilen, scü-
rilis von scüra — sciirra.'' schwanken sehen wir väciüo — väcdUo:
nach Lachmanns richtiger auffassung (comm. Lucr. s. 37) zusammen-
hängend mit väcccky alt väcüj deren gange das wortbild entlehnt ist,
wurde es erst nach Lucretius zum gewöhnlichen väcülo. — Noch ist
bei dem Schema ^ j. o zu handeln über die zweite silbe, wobei gemi-
nation häufiger stattfand, wenn eine kürze vorhergieng, als wenn
durch vorausgehende länge die wucht des accentes etwas abgeschwächt
war; auch läszt sich sagen, dasz die nachbarschaft von hellen oder
dumpfen vocalen eingewirkt hat. also Mesaäla und MessaUa gleich
gut (die abkunft des namens ist bekannt; verwunderlich freilich,
dasz man noch in der neuesten ausgäbe von Seneca de brev. vüae
c. 18 liest Messana appeUatus est paulatmque vuUffo permutanie
MessaUa diättSj während doch n nur in 2, nicht in U verwandelt
wurde; richtig Macrobius 1 6, 26 MessaUa cognaminaius)\ aber lieber
qu^r^Ua mifdifUa lü^Ua sSqu^Ua fugSUa usw. und dagegen caütela
ttUela custödela usw.; obgleich auch für die erstere classe dieser auf
'da gebildeten substantiva (wovon die <}eminutiva auf »el/us aus
-erulus, wie castertUum — castilum — cast^ttumy worin U zur diffe-
renzierung allgemein aufgenommen wurde, zu sondern sind) Ennius
wohl noch keine festen Vorschriften angestellt hatte , der gebrauch
auch stets unsicher blieb und man, wie ich jetzt glaube, am besten
stoszuDg eingetreten : so CIL. I 577 ocludUo, 196 oguoliod («> oeuUo),
200 oqupatum; bei anderen wechselt es: lilb afleieta und 198 ad/*enitKr,
197 sufragium and 1492 subfragia\ weiter läszt sich das verfolgen, wenn
man aach die späteren plebejischen inschriften hinzonimt, zb. CIL. IV
2106 acepif X 826 oofpe, wodurch auch in acdpere Verdoppelung, nicht
angleichung sich ergibt.
^ gewöhnlich schreibt man scurrüis; aber scwrüia haben die hst. bei
Quintil. VI 3, 29; poet lat. min. V 61, 84 [s. 365]; glossae rhein. mus.
XXXI 8.61 anm.; scuriHter Plinius epiit, IV 25, 3 (Med.) und PorphTfio
8. 290, 28 {scuralüer ; sonst bei demselben §eurrulU in Verwechslung mit
dem allgemein üblichen currutis); §cwrüiUu Tacitus dUU, c. 22. weitere
nachforschung wird wohl die form mit Einern r als die richtige erweisen.
JalirbOcher für das«. philoL 1882 hft. 10 a. 11. 61
786 EBaehrcns: die consonantengemination im lateinischen.
thut der jedesmaligen besten Überlieferung zu folgen ; anders urteilt
darüber bekanntlich Lachmann comm. Lucr. s. 204. so liebte man
auch später zb. grahaitus {-tiulm) : Mart. VI 39 , 4 , stets bei Apu-
lejus, Dositbei Ihermen, s. 428 B. usw. vgl. auch noch zb. congero-
neben gerrae von gerae (dazu SBrandt jahrb. 1878 s. 378). — Aus
den Verhältnissen des accentes lassen sich auch bei den mehr als
dreisilbigen wertem die verschiedenen erscheinungen, wo die gemina
entweder recipiert oder doch zugelassen wurde , leicht erklären, in
SäUustius lehnen gravis und acutus sich hart aneinander, daher dies
allzeit lieber als das alte Sälustius] aber gleich gut suhs^lUum und
suhseUnm, welch letzteres wir noch haben bei Catullus 39, 3 und
Juvenalis 7, 45 in den «corruptelen suhsellnm und suhsellaj Orestis
trag, ins-, anth. lat. 487, 7 (PLM. IV s. 407), CIL. I 1341 sub-
scUarhim. in Messalintis dagegen klafft hinter der zweiten silbe das
wort und besteht somit durchaus kein grund für Verdoppelung^
während in mercenarius die contraction (nicht adsimilation) aus
mcrccdenarius der zweiten mehr gewicht verliehen und dadurch die
Schreibung mcrc^nnarius veranlaszt hat. das gleichgewicht der bei-
den teile in öportunus hat die erste silbe vor Veränderung bewahrt;
falsch schreibt man noch heute es meist mit pp , obwohl die besten
bss. (stets der Parisinus des Sallustius, der Florentinus des Apulejus,
die von Quintil. IX 4, 27 und von vielen anderen) nur die simplex
kennen und die gemina nach Hagens anecdota Helvetica s. 295, 14
niitt^lnltcrlich ist. in diesem teile werden sich noch manche beob-
acbtungen anstellen lassen.^
So überall mit pjetät lauschend, wo die Verkürzung endgültig
sich festgesetzt hatte, wo sie noch kämpfend im folgenden conso-
nanten eine spur zurückliesz, wo endlich die ursprüngliche länge
sieb noch behauptete, muste Ennius viele scheinbare unregelmäszig-
keiten, inconsequenzen und doppelte Schreibungen zulassen, die
Verbalendung -tmo war ursprünglich überall lang, aber in vielen
Wörtern (jtayiurio esurio usw,) zu -tfno geworden; noch schwankte
der gebrauch in scatürio und ligürio, welche, seitdem Ennius die
^ den acccnt sühcint Ennius auch berück sichtigst zu haben in den
mit re zusnmmonßesctzten Wörtern, aus dem alten red war durch die
lüKti^^e Verbindung von d mit einem cons^onanten re ^worden in recido
ipfluro refero und vielen anderen verbon nebst derivaten. hatten die
.-.cacnici in vielen fällen dies rt verkürzt, so stellte auch hier Ennins
(br iiusspracbc der prebildeten fol^rend feste normen auf: religio und
fPlif/uiae aU das mebr^ übliche blieben; daj^egfen bei j. ^ )^ wurden
ipfjpcri reccidi rippuli rPJtuli rütludi (und von den meistgpebrauchteD
• Ireisilbi-jtMi formen aus auch in den übrigen, reppulimtts usw.) für immer
durch ihn fixiert, in den vielen fällen mit ^ j. o hat er sich für Ver-
kürzung de» re entschieden (er selbst hat zb. r^.Hnguo)^ also r¥.cXdi,
le.prUo usw.; die dichter des Ubcrganpfcs schwanken darin noch, Lucilins
mit r?{(' ceptns und r^{l)lictwi, Lucretius mit re''d}ducit und re{l)latus; aber
in der folgezeit wird Knnius* theorie all|^emein. Übrigpens merkt man
'lubci des mannes bemühen, zugleich fUr den daktylischen vers ge-
fi^'ncte wortformen su gewinnen.
■ii
EBaehrens: die consonantengemination im lateinischen. 787
gemination dafür empfahl^ intact blieb (wenngleich man wechselte
zwischen -ürio nnd urrio). — Lang ist ebenfolls -uHo in hälbutio
caectäio frigutio^ aber in letzterm worte, worin eine kurze silbe
vorhergeht, ist die gemination frigüUio häufiger geworden als in den
beiden ersten Wörtern (vgl. Jordan im Hermes XVI s. 52). — Auch
in den schon früh aus dem griechischen herttbergenommenen Wörtern
zeigt sich eine feste, wohl gleichfalld Ennius verdankte regelung: in
culktis niifMnus ptüeus (vgl. Fleckeisen fünfzig art.) ist durch ihn
die gemination ganz allgemein geworden; er liesz sie schwankend
(wie das noch später der fall ist) in comtsari und camtssari] zweifel-
haft auch phasiJm — phasSTUis. aber üblich ward es in allen verben
auf -i2[ui, graecisso aUicisso usw., während zb. glösa glösema usw.
(wofür LMüller jahrb. 1868 s. 68 ua.) und glössa gUSssema usw.
(wofür GLöwe prodr. s. 1 f. sich entscheidet) stets gleich gut und
gebräuchlich waren, wenn bei Servius zu Aen> 11 675 die hss. geben
dilema für gr. biXi]^^a, so ist daran vom römischen Standpunkte
aus nichts zu tadeln, denn im allgemeinen scheint hier die länge
beliebter gewesen zu sein : Pamäsus findet sich häufiger als Far-
nässuSy ferner Larisa Crisa Oresius (aber wohl mehr Crifssa) JErinys
usw. usw. in den mit köX- zusammengesetzten eigennamen scheint
Ennius selbst die simplex bewahrt zu haben; die folgezeit hat bei
neu aufgenommenen die form mit koXX- vorgezogen, auszer den
von Bitschi (opusc. m s. 314 f. 336) gesammelten Plautinlschen
beispielen (wo stets die form mit 6inem l entweder mit den hss.
zu lesen oder gegen dieselben herzustellen ist) und dem von LMüller
über Lucilius* gebrauch (comm. s. 240 f.) bemerkten konunen hier
in betracht zwei seit alter zeit auf italischem boden bekannte namen
Cälisto und Cäliope, die überall beste Überlieferung (CatuUus 66, 66
cdliiäo\ Prop. II 28, 23; Ov. fast. II 156; Bjgmifah. ed. MSchmidt
s. 13, 10. 30, 9 und 16. 131, 14; Hjgini astron, ed. Bunte s. 30 f.;
scholia Bemensia ed. Hagen zu georg. 1 138; spuren bei Col. XI 2, 15
Sehn. ; unbekannt Probus comm. Yerg. s. 35 K.) erweist Cküisto als die
einzig richtige lat. namensform für alle zeiten. weniger durchgehends
findet sich Cäliope^ sei es in folge unserer auf grammatikerrecensionen
zurückgehenden textesbeschaffenheit bei Horatius Martialis Juvenalis
usw., sei es dasz die Schriftsteller selbst darin schwankten; doch
lassen sich nicht wenige beispiele für die simplex anführen : Yerg.
Äen. IX 525 Mediceus; Yerg. ed, 4, 57, wo Bibbeck CaUopea auf*
nahm; Prop. I 2, 28 (DY). U 1, 13 (DPY). lY 6, 12 (F) gegen U
in III 2, 14. III 3, 38 und 51; Ov. fast. Y 80 und Ibis 482 (Ellis);
PLM. lY c. 276, 9; ebd. III s. 244 usw. — • Mögen diese aus einer
groszen anzahl herausgegriffenen fälle zu genauerer beobachtung
auf einem gebiete veranlassen, welches noch vielfacher Observationen
bedarf.
61
788 EBaehrens: die conBonanteogemination im lateiniBchen.
IL
Wir verfolgen jetzt diegeschichte der Enniamscben neueran^.
ob der dichter selbst darüber systematisch in einer besondem schiift
gehandelt bat, wissen wir nicht bestimmt; aber die Vermutung liegt
nahe, dasz hierauf zu beziehen ist was Suetonius (degramm, 1) ans
berichtet: guod nonmiUi tradunt duos libros de liUeris syUäbisque^
item de metris ab eodem Ennio edUoSy itfijf arguU L. CoUa tum podae^
sed posterioris Enni esse, cuius etiam de augurandi disdpUna vchnfnina
ferantur, ich zweifle nicht dasz Gotta irrte; wenigstens ist das be-
streben von neueren gelehrten, diesen doppelgänger des dichto-s
aufzuspüren, vergeblich gewesen (bei'Festus s, 252^ M. ist die
längst gemachte Verbesserung Sinnius evident) ; und leicht erkllLr-
lieh ist es, dasz jene verschollene und nach ihrem inbalt unbekannte
Schrift des Ennius sich im ersten jh. nach Ch. gefallen lassen muste
für unecht gehalten zu werden, ebenso ist alles unbestimmt hin>
sichtlich des sicilicus, welchen nach den Zeugnissen von Marius Victo-
rinus und Isidorus die ^veteres' zur bezeichnung der gemination an-
wandten (einige inschriftliche beispiele gab EHübner im Hermes IV
s. 413 ff.), obwohl es für mich sehr viel Wahrscheinlichkeit hat, dasz
schon Ennius dieses zeichen in Übereinstimmung mit seinen übrigen
stenographischen noten eingeführt bat; für welche fälle und in wel-
cher ausdehnung, läszt sich freilich nicht einmal mutmaszen.
Ennius' reform fand zunächst zu Bom in den gebildeten kreisen
eingang; mit der zeit wurde sie, weil sie populär war, bis zu einem
gewissen grade gemeingut der lat. spräche, den process dieser re-
ception hat Bitschi näher verfolgt (vgl. opusc. IV s. 88. 156. 165 f.);
er kommt zu dem ergebnis, dasz kurz nach 640 d. st die gemination
fast allgemein war. das musz man cum grano salis verstehen: er
dachte dabei vor allem an die gewöhnlichen fälle; vieles blieb ja
stets schwankend, vieles wurde erst in der Ciceronischen zeit be-
sifindig (vgl. unten), ein groszes beförderungsmittel dieser reception
sind die folgenden grammatiker gewesen; mit recht hat schon Bitschi
dafür den einflusz des Lucilius geltend gemacht, freilich ist LMüUer
(comm. Lucil. s. 251 f.) davon so wenig überzeugt, dasz er vielmehr
den Lucilius zum anhänger der alten gewohnheit macht, und zwar
aus Opposition gegen Accius. das ist unglaublich, denn entweder
hatte Lucilius die neue Ennianische Schreibweise angenommen, und
dann richtete sich sein angriff allein gegen die Übertreibungen und
misgriffe des Accius (Übertragung der gemination auf die vocale) ;
oder er war von seinem Jugendunterricht in Gampanien her (um
170 vor Ch.) noch die alte manier gewohnt, wovon er auch später
sich nicht trennen konnte , und dann wandte er sich gegen Ennius
selbst, aber was LMüller überhaupt für seine meinung anführt, ist
doch zu geringfügig : was wollen gegenüber den vielen hunderten von
Wörtern mit geminae die wenigen' mit simplices (zb. cölum^ cacmus^
^ auch geradezu falsches läuft dabei unter, wie flHcitam XXVI 49,
wo freilich LMüller den ersten vocal für von natur knrz hält (de re
j
EBaehrens : die consonantengemination im lateinischen. 789
äger) besagen , welche teils noch später übliche Überreste der alten
Sitte sind teils auf fehlem der Noniuscodices beruhen; letzteres
wird nach dem vorliegen eines reichem hsl. apparates zu erörtern
sein, auch läszt sich Müllers ansieht durch eine andere stelle
direct widerlegen, nemlich IX 14 seiner ausgäbe, dort liest die Über-
lieferung von Terentius Scaurus (s. 18 f. E.) : Uemque (so schreibe
ich; item quod oder itemque quod hss.) iMciUus, übi i exile est^ per
se iuhet scrihi, at uhi plenum est, praeponendum esse e credit his
versilms:
miUe hominum, duo müia. item huce utroque opus: mitte
müitiam. tenues i pHam, in qua lusimus; püum
quo ipso tenues, si phira haec feceris, püa;
quae iadmus adesse pella tU pienius fiat.
schreibt man in v. 1 mit Scaliger meüe hominum, duo meiUaj so be-
greift man nicht, weshalb hier, wo gar keine Verwechselung zu be-
fürchten war, die Schreibung ei verwendet wurde : sie dient ja eben
nur zur diflferenzierung. um pila (plur. von pTlum 'mörserkeule')
zu unterscheiden von ptla Vurfspeere', will er letzteres peUa ge-
schrieben wissen : richtig verbesserte hier Scaliger addes 6, peUa ut
pienius fiat. aber sowohl in ptla 'ball*, als in piltMn (plur. pila) in
der erstem bedeutung ordnet Lucilius, wohlgemerkt für die Ortho-
graphie ohne rücksicht auf die ausspräche, das tenuare, also den
gebrauch von einfachem i an. die worte selbst harren noch auf
endgültige Verbesserung, für huce v. 1 schrieb Scaliger huic, LMüller
heice : ich kann nur hoce mit rücksicht auf utroque für richtig halten,
wiederum überflüssig ist Scaligers meiles, meüüiam^ obwohl er was
in miUe stecken musz richtig erkannte; aber auch der accusativ
müitiam ist nach Dziatzkos guter bemerkung (rhein. mus. XXXIII
s. 105) unstatthaft ; sein müitia. i nehme ich an , wenn ich auch im
folgenden ihm nicht beipflichte, wo natürlich schon Scaliger der
bezug auf ptla nicht entgieng , ohne dasz er und seine nachfolger
etwas überzeugendes beibrachten, mit benutzung von Scaligers
litdimtis in v. 2 und seinem trefflichen quo piso in v. 3 lese ich die
stelle so:
^mtUe hominum, duo mtlia^ ; item hoce uiroque opus ^miles,
mtlitia^. i tenuist ^pila* Uem^ qua ludimus, ^pUum*,
quo piso; tenuest, siplura haec feceris *piUi\'
quae iadmus, addes e, ^peila* ut pienius fiat,
dasz es sich (und zwar blosz für den letzten fall) um eine differen-
zierung handelt, zeigt deutlich Velius Longus (s. 56 K.), welcher
metr. s. 360). an sich schon ist dies flacitam ungeheaerlich (ein parti-
cipium von ßaccere ist unbekannt) und hervorgegangen ans schlechter
conjeetar. coniugem infidamque flaticam famViam inpuram domum geben
die hss , und BÖckh bei Lachmann (Lucil. 597) liest coniugem infidam at-
que pathicam famüiam, richtig mit bezug auf infidamque; aber in flaticam
erblicke ich ein dem Satiriker wohl anstehendes platicam (die auf den
plateae sich umhertreibende familie). also: coniugem infidam dtque pla-
ticam fdmiliam, inpuräm domum.
790 EBaehrens: die consonantengemination im lateinischen.
nach den worten idemqiie (Lucilius) pcila^ quihus miliies utuntury
per e et i scribenda existimat, at pihim , quo pinsitur, per i hinzufügt
hoc mihi vidäur supervacaneae esse ohservationis und weiter gegen
das nutzlose solcher Unterscheidungen zu felde zieht, übrigens habe
ich bei Yelius hergestellt püum quo pinsUur statt der an sich falschen
Überlieferung ^i2a in qua pinsatuf, LMüller wollte umgekehrt und
methodisch falsch in den ganz ebenen worten des Lucilius bei Teren-
tius Scaurus püam qua pisunt schreiben ; aber es leuchtet ein dasz
Scaurus das richtige erhalten hat, da sonst die ganze Unterscheidung
ins wasser fällt, mit recht aber stellt (um auf unsere frage zurück-
zukommen) Lucilius von seinem orthographischen Standpunkt aus
ptla 'bair und j>r2unt '^mörserkeule' auf 6ine linie mit mtlle und
mtlia; über diese eine bemerkung hinzuzuftigen mochte ihn wohl
das schwanken^ welches darin noch immer herschte, veranlassen
(^elleicht auch , dasz man hier wieder zur Verkürzung mtüia mtlles
mtllitia neigte); aber sein anschlusz an Ennius ergibt sich daraus
deutlich.
Trotz solch gewichtigen beistandes gieng die reception langsam
und zunächst nicht ohne misgriffe von statten, wenn wir auf
einer inschrift aus dieser zeit bei Bitschi opusc. IV s. 355 lesen
p. popIllivs , so dürfen wir uns durch die i longa nicht zu falschen
Schlüssen über die ausspräche verleiten lassen, sondern müssen so
zu sagen eine doppelte lesart erkennen: der Steinmetz sprach noch
Poptlius^ nicht PoptUius ; was er schrieb, ist eine contamination des
ihm vorliegenden conceptes mit seiner Sprechweise, es ist bekannt,
wie oft Steinmetzen gesündigt haben (vgl. zb. Bitschi opusc. II 643);
und insbesondere ist das richtige setzen der apices zu allen Zeiten
ihre schwache seite gewesen: iXUa statt uUd findet man CIL. II 1473,
Corona vdüdri müräli ebd. II 4509 statt väUäri (denn välus^ mit
gr. fjXoc zusammenhängend , ward zu väüus und vaüum) , MardUo
ebd. y 7678 mit offenbarer dittographie des apex oder statt MdrceUö
(natürlich Marcelus — Marc^Uus^ wie zum überflusz auch andere
Zeugnisse beweisen : vgl. Marx udw.) ; auch ndrrem bei Boissieu inscr.
de Lyon s. 136 und einiges andere gehGrt in diese kategorie reiner
fehler, welche gegenüber den vielen hunderten von geminae ohne
apex auf dem vorhergehenden vocal natürlich keinen besonnenen zu
verkehrten folgerungen verführen werden, am allerwenigsten ist auf
die transcriptionen späterer Graeculi etwas zu geben; ganz mit un-
recht nimt Marx zb. fössa an, weil griechische schriftsteiler, welche
den unterschied zwischen fösa und ßssa nicht begriffen , zwischen
omikron und omega schwanken. — Jenes PopiUius oben kann uns
anleitung geben, noch einen augenblick bei den namen, zunächst auf
'tliuSj zu verweilen, während sich dasselbe bei manchen endgültig zu
'tlius entwickelt hatte {AemtliuSy Vergtlius usw.), bleibt in anderen
Unsicherheit zwischen -tlius und tUius: so Äqutlius und Äqutllius^
Pettlius und PetiUius. das interessanteste beispiel für die allgemein-
heit dieses Schwankens liefert Suetonius {de gramm, c. 6), der von
EBaehrens: die consouantengemination im lateinischen. 791
Aurelius Opilius uns berichtet: huius cognomen inplerisque indicibus
et titulis per unam l Utieram scriptum animadverto^ verum ipse id per
duas effert in parastichide libelli^ qui inscribiturpinax, und die gleiche
erscheinung findet sich bei vielen anderen namen, wie ein durchblick
der indices des CIL. leicht ergibt; vgl. auch zb. das zu anderm
zwecke angelegte Verzeichnis bei Bitschi opusc. IV 262 f. ob der
dichter Gratius, wie ihn Ovidius nennt, nach der nicht über zweifei
erhabenen aufschrift der hss. (denn Gratti kann von späteren ab-
schreibern nach der in ihrer zeit üblichen namensform umgemodelt
sein) und gemäsz den auf etlichen Inschriften sich findenden Grattii
wirklich in Grattius umzutaufen ist, ist für mich nicht so sicher wie
für ßücheler, der diese umtaufung kürzlich verlangte, denn dasz
auch namen, vielleicht ebenfalls zur differenzierung verschiedener
familien, sich im laufe der Zeiten verändern, dafür haben wir nicht
wenige sichere beispiele : einen vorfahren des Messius bei Horatius
sai. I 5, 54 erblickte schon Mommsen (unterit. dial. s. 279) in dem
Mesius einer Inschrift; ebenso werden die von Livius XXI fl 7 und
XXVII 3 genannten Blösii später zu Blössii.
Ein beispiel dafür, wie langsam in entlegneren gegenden die
reception von statten gieng, liefert uns noch heutzutage der text
€ines dichters, der in einer kleinen provincialstadt aufgezogen da-
selbst noch gar manches wort ohne geminae hörte und las , welches
in der hauptstadt schon längst in dieser gestalt als antiquiert galt,
und die au^ dem Jugendunterricht empfangene gewohnheit auch
später nicht ablegte, des Catullus. die Überlieferung seiner ge-
dichte weist an sehr vielen stellen simplices auf: vgl. die praef.
meiner ausgäbe s.XLV f., wo allzu rasch die schuld davon auf einen
recensierenden grammatiker der archaisierenden Frontonischen zeit
geschoben wurde, selbst vorausgesetzt dasz dieser eigenmächtig
einiges derart eingesetzt hat, konnte er sich dazu nur berechtigt
fühlen, wenn er in den ihm vorliegenden e^cemplaren beispiele dafür
fand, wie ich jetzt die sache nach nochmaliger reiflicher Überlegung
ansehe , glaube ich dasz in der that Catullus selbst in nicht wenigen
Wörtern keine geminalion anwandte, schon seinen namen schrieb
er w ohl Catulus : so nennen ihn fast alle späteren grammatiker (vgl.
praef. s. LVIII) , und ob allein auf die autorität jenes herausgebers
in der Frontonischen zeit hin, bezweifle ich stark. CatuUus ist wohl
nicht , wie man gewöhnlich glaubt , aus Catönulus entstanden : das
würde Catölus — CaiöUus geben, wie persönüla wird zu persöla —
persoüa\ sondern wie cattnulus wird zu cattlus — cattüus (vgl.
Varro bei Charisius s. 79, 23), so wird catütmlus zu catulus —
catullus: an den stamm cat (wovon catus usw.) hängt sich als demi-
nutivum -unulus an. daraus entwickeln sich zwei namen : Catüli4S,
später gewöhnlich CatüUus, und mit definitiver Verkürzung Catiäus.
vgl. übrigens noch Cattlus ^ wovon das gewöhnliche Cattüus und
seltene Cattlus bei Hör. carm. I 18, 2. dasz die Veroneser Catüli
noch um 80 vor Ch. so sich schrieben, während anderweitig nur
792 EBaehrens: die consonantengemination im lateinischen.
Catulli oder Catuli bestanden, darf uns bei dem am alten festhalten-
den Charakter von Verona (vgl. Catullus 68 % 27 ff.) nicht wundem,
und so wird man auch wohl im texte des dichtere eine anzahl von
Wörtern ohne geminae anerkennen müssen; nicht alles was die hss.
geben, aber zb. 63, 66 und 64, 283 corölis, was sich aus den ztlgen der
hs. ergibt und auch bei Petronius c. 70 überliefert ist; dann 13, 8
säculus] 23, 11 canscribüefU', 31, 14 und 64, 273 cachini; 36, 15
Durachium-j 39, 3 rusam; 64, 294 sölerti; 64, 313 police\ 66, 24
solicitet'y 105, 2 furcilis (natürlich 61, 129 v^Uice, was blosz durch
irrtum keine aufnähme in meinen text fand), in allen diesen fällen,
wozu vielleicht weitere erkenntnis noch einige andere hinzufügen
wird , halte ich die aufnähme der simplices für durchaus berechtigt.
Wie wenig überhaupt in der ersten hälfte des ersten jh. vor
Ch. die gemination schon allgemein war (vom vulgärsten wie
bellum ferrum usw. natürlich abgesehen), zeigen auch die glosso-
graphen dieser zeit, welche stets bei ihren erklärungen mit sim-
plices operieren, die ihnen noch geläufiger waren, interessant dafür
ist die stelle des Charisius s. 198, 24, wo die lesart des Neapolitanua
nicht hätte verwischt werden sollen : ^examtASsim*. Plautus in Am-
phitryone: 'examusim est optima* uhi Sisenna: ^pro: examinato*
inquity ^amtisis auiem est tabtUa rtibricata* usw. man sieht, sowohl
Charisius im lemma als auch Sisenna an der von jenem benutzten
stelle seiner Plautinischen glossen schrieben nach ihrer gewohnheit,
letzterer auch den Plautusvers so wie er ihn in seinem exemplare
vorfand. '^ unrecht that Löwe , als er in den Plautinischen glossen
die simplices verdrängte: prodr. s. 261 persola: persona vilis\ 8. 265
hucones: sttUti, rustici; s. 268 graedsat (graeciscaths.): ^XXr)vi2[€t;
s. 271 patrisai: patri simüis fit\ s. 274 cicum: TpO, kökkoc, wo über-
all die besten quellen keine geminae kennen : ein schöner beweis
nicht allein dafür, dasz unsere Plautusüberlieferung, welche die dem
dichter fremde Verdoppelung meist aufweist, aus der kaiserzeit
stammt (das wüsten wir aus anderen anzeichen längst), sondern vor
allem dafür dasz in den mittelalterlichen glossarien gar manches
auf republicanische glossographen zurückgeht. — Durch eine ähn-
liche beobachtung bemerkte übrigens auch Jordan (krit. beitrage
3. 218), dasz die glossatoren in ihren citaten die nichtgemination
bewahrten ; dasz dies blosz von den republicanischen gelten kann,
wird das folgende zeigen.
'^ für die sclireibungr amusis tinden sich sparen bei Apulejus IV 18
(dapfcfreu ss II 30 und XI 27), bei Placidus 8. 37, 13, wo die hss. mussis
oder mirns (ebd. 8. 37 , 1 möchte man da8 selbst für Placidus unglaub-
liche examussim uno m in antepaenuUima verbessern iu uno i in paen-
ultimay i\\\ fehlerhaftes mm in diesem worte unbeg^reiflich ist), gut be-
grlaubip't ist ewnuitatuM sowohl bei Placidus s. 42, 6 als auch bei Plautus
mgl 63*2 in den hss. (amwis und emuMiä sind wohl blosz dialektisch ver-
schiedene formen desselben wortes). einfaches i hat sich endlich stets
erhalten in decuMi», deentalim usw., welches doch auch mit amutU zu-
sammenhängt.
*. ]
EBaebrens: die consonantengemination im lateinischen. 793
Mit der Ciceronischen zeit beginnt die eigentliche befestigung
der gemination , zeigt sich aber auch schon gelegentlich fehlerhafte
Verwendung derselben, cuppes^ cuppedia hatte ein grammatiker
falsch von cupere abgeleitet und deshalb auch cuppedo an stelle von
cupido vorgeschlagen, was allein Lucretius angenommen hat, ein
mann von viel geist, aber wenig spracbgefühl. deutlicher noch tritt
dies zu tage in einer erscheinung, über welche uns Quintilian I 7, 20
berichtet: quid quod Oceronis temporibus paülumqae infra^ fere
quotiens s littera media vocälium longarum vel subieda longis essef^
geminahatuTj iWcaussae\ ^cassus\ ^divissiones* ; quomodo et ipsum
et Yergilium quoque scripsisse manus eorum docent. vgl. auch Cor-
nutus bei Cassiodorius s. 149, 12 K., wo ich herstelle: * causa* per
unum s; nee quemquam moveat antiqua scriptura: nam et ^accusare'
per duo ss scripserunt , sicut Husisse* [fuisse hss.] , *divisisse\ ^esus'
[esse et hss.] , ^casus' saepe per [causasse per hss.] duo ss scriptum
invenio, in qua enuntiatione quo modo du^arum consonantium sonus
exaudiatur^ non invenio, man musz hier wohl unterscheiden, nichts
ungewöhnliches liegt an sich darin , dasz man zb. wie iiissi so auch
lüssi, wie mtssum so auch divtssum sprach und schrieb; der ver-
kürzungstrieb blieb stets bestehen ; aber solche von einzelnen aus-
gehende neuerungen fanden deshalb bei der mehrzahl keine dauernde
aufnähme (nach der Augustischen zeit hören die beispiele daftlr
auf), weil nun die gewohnheit ihre macht austlbte, welche die gemi-
nation am liebsten auf eine feste zahl von durch Ennius eingeftlbrten
fällen beschränkte i wie denn auch Comutus, weil von früh auf an
lüsi gewohnt, sich nicht finden kann in lOssi. ganz fehlerhaft aber
und gar nicht zu rechtfertigen war die Verdoppelung nach einem
diphthong, die sich nicht allein in caussa^ claussum (mon. Ancyr.
II 42) usw. zeigt, sondern auch in pauHum^ PauUus ua. einige leute
glaubten dasz darin durch rasche ausspräche au verkürzt werde,
glaubten dasz so auch eine art von doppelconsonanz entstehe ; aber
zu der richtigen einsieht, dasz ein diphthong eigentlich stets un-
verkürzt bleibt und nach langem vocal nur littera simplex folgen kann
(Velius Longus s. 80, 15 K.), zurückkehrend gab man jene Verkehrt-
heiten bald wieder auf. länger und mit besserem rechte hat sich, wenn
auch vorzugsweise im volke, eine andere sorte von Verdoppelung be-
hauptet, deren entstehung ich ebenfalls in diese zeit setze, nemlich
die in Wörtern wie zb. formonsus — formosuSj wofür viele beispiele
WSchmitz (beitrage z. lat. sprach- und litt, gesch. s. 28. 34 — 37)
gesammelt hat. freilich nehme ich auch hier keine directe adsimi-
lation an, sondern zuerst ausstoszung und dann Verkürzung, so dasz
ich den folgenden weg als den naturgemäszen ansehe: tönsiUae —
tösiUae — tossiUae; vensica — vesica — v^ssica; rürsus — riisus —
rüssus; Peloponensus — Peloponesus — Peloponifssus (über letzteres
und ähnliches vgl. Fleckeisen in diesen jahrb. 1872 s. 575 f.). dasz
diese neuerungen groszenteils , wie im volke aufgekommen, so von
grammatikern aufgenommen worden sind, ist deutlich, denn diese
794 EBaehrens: die coueonantengemination im lateinischezi.
waren es, welche die Verdoppelung weiter auszubilden und überall
einzuführen suchten; ihr ansehen war es, was dieselbe mehr and
mehr zur officiellen Schreibweise machte: bei ihnen wirkte die sacht
nach gleichmacherei, nach uniformer gestaltung der Orthographie,
ein schlagendes beispiel dafür liefert der von Seneca rhetor s. 18 K.
erwähnte grammatiker Porcellus , tlber den es in den 'differentiae
Suetonii' (s. 310, 28 Both) heiszt: Forceüus (so Roth: Proceüus
hs.) ait: quae l liäera finiuntur in dedinatione, geminant eandem
litteram; tamquam *mel' ^mellis^ et ^feV 'feüis' facU^ ita Uribuna2^
Urihuncillis^ et *animaV ^animaUis* (was dann dagegen angefahrt
wird, ist mittelalterliche ignoranz, welche wiederum zeigt, wie wenig
antikes gut in diesen differentiae, die mit Suetonius nichts zu than
haben, steckt), vor allem aber sind hier Varro und Verrius flaccos
zu nennen, bei diesen begegnen wir nicht wenigen Wörtern mit
geminae, wo wir bei anderen schriftsteilem nur simplices haben.
verfolgen wir zb« gütum , so treffen wir dies wort so geschrieben in
den besten hss. bei Hör. saU 16, 118; Plinius n. h, XVI 185; Juve-
nalis 3, 263 und 1 1, 158 ; Gellius XVII 8, 5 ; glossae Stephani s. 105 ;
Dosithei hermen, s. 440 B. ; allein Varro de 2. Z. V 24 hat a guttis
guttum appeUanmt ohne allen historischen sinn, derselbe sagt ebd.
VII 102 ab avertendo averruncare , ut deus qui in eis rebus praeesi
^Ävemmcus\ die contraction Äuruncus^ bei Gellius V 12, 14 über-
liefert und von CyriUus und Philoxenus bezeugt (vgl. Löwe prodr.
8. 365), weist auf ursprüngliches Äveruncus^ das ich in der that
noch bei Dositheus Hermen, s. 332 B. finde: wiederum, sehen wir,
hat Varro wegen averruncare (das früh allgemein ward; nur bei
Cato de re rust. 141, 3 scheint der Marcianus averuncare gehabt zu
haben) auch dem gott ein rr gegeben, es erweckt einen eigentüm-
lichen begriff von Varros wissen und methode, wenn wir ihn auf
der andern seite zwar das Ittngst recipierte närrare richtig von
gnarus ableiten, aber deshalb auch die Schreibung närare als die zu
befolgende aufstellen sehen (bei Wilmanns s. 179). ganz ebenso ist
es bei Festus : wo zb. alle andern zeugen carisa bieten, gibt er carissa
(Löwe prodr. s. 305). und man braucht ja auch blosz die citate aus
früheren dichtem, die keine gemination kannten, anzusehen (zb.
topper 8. 352 M. in fragmenten des Livius Andronicus), um die
richtigkeit davon zu begreifen, es wird gut sein, sich das stets vor
äugen zu halten bei der benutzung der durch sie erhaltenen bruch-
stücke, von Varro aber und Verrius Flaccus hängen nicht wenige
der späteren grammatiker ab , welche im allgemeinen keine beson-
dere neigung für die beibehaltung der simplices in ihren citaten
hatten; eine illhmliche ausnähme scheint, soweit man bis jetzt ur-
teilen kann, der sogenannte Philoxenus gewesen zu sein , vielleicht
auch er nur da wo er republicanische glossographen ausschrieb.
Dasz nach den forderungen eines Verrius Flaccus und anderer
auch die orthogi*aphie in officiellen monumenten geregelt wurde,
erklärt sich leicht aus dem ansehen welches diese männer genossen.
EBaehrens: die consonautengemination im lateinischen. 795
auch darauf musz man achten, um solchen inschriften nicht einen
ungebührlichen wert beizulegen, sie bieten ein bild der einstimmig-
keit dar in vielen fällen, welche andere zeugen nicht anerkennen : die
Schreibweise der grammatiker repräsentiert eben keineswegs aus-
schlieszlich die der gebildeten ihrer zeit : es blieb stets auf diesem
gebiete individueller freiheit Spielraum bis zu einem gewissen grade,
auch dies war der mode unterworfen und daher wechselnd ; provin-
ciale gewohnheiten kamen dazu ; persönliche neigung für dunkle oder
helle vocale mögen mitgewirkt haben; endlich ist es nicht unwahr-
scheinlich daszy wo doppelte formen mit simplices und geminae vor-
kamen ^ der für uns so schwer zu controlierende wohllaut bald diese
bald jene form bevorzugen liesz. also: hüten wir uns vor dem fehler
des uniformierens, in den die alten oft verfielen ; die dfficielle Ortho-
graphie gibt zb. häufig miUia , wogegen selbst die meisten gramma-
tiker opponierten, die aufgäbe unserer Wissenschaft kann nur sein,
auch mit rücksicht auf die verschiedenen perioden festzustellen, wo
entweder geminae oder simplices ausschlieszlich und wo beide neben-
einander vorkommen; und dazu genügen die inschriften allein nicht,
es musz die handschriftliche Überlieferung, wenngleich unter der
nötigen vorsieht, mit benutzt werden, freilich ist auch im mittelalter
die lust zur Verkürzung und Verdoppelung stets stark gewesen (vgl.
Affncüi occeanus usw. usw.) ; ungleich seltener ist der umgekehrte fall,
um auf die grammatiker zurückzukommen , so hat die ganze
frage behandelt, wie es scheint, in seiner ar$ (denn auf eine solche
schliesze ich aus dem attribut artigraphus bei Cassiodorius s. 155 K.)
der im ersten jh. nach Ch. lebende Nisus. er ist deshalb inter-
essant, weil er den einzigen fall berührt, in welchem trotz der ge-
mination der vorhergehende vocal seine länge in der ausspräche
entweder behalten hat oder doch hätte behalten müssen, aus ama-
vtsem -ses usw. wurde amavissem -ses usw., aus infinitiv amavise
wurde amavtsse : wie aber, wenn diese formen wiederum contrahiert
wurden, amasse amassem usw.? hier muste auf der einen seite die
contraction durch die länge amässem amässe angedeutet werden;
aber auf der andern seite mochte es durch die gewohnheit, bei ge-
minae zu verkürzen , schwer fallen dieser forderung gerecht zu wer-
den, man lernt jetzt erst die feinheit des Nisus würdigen, welcher
den in diesem falle einzig methodischen weg einschlug und simplices
verlangte nach Velius Longus s. 79, 20 K., wo ich schreibe: Nisus
auctor est ut *comese* et ^consuese' per unum s scribamus; et adidt
diät hs.] rationemy quia iuxta productam vocakm consona duplex
consonans hs.] progredi non söleat, gewis , auf langen vocal kann
nur ein einfacher consonant folgen: einen schönern nochmaligen
beweis für die richtigkeit meiner ganzen auffassung kann ich wohl
zum schlusz nicht beifügen, den andern von Nisus beigebrachten,
sehr schwachen grund bei seite lassend sehen wir uns noch des
Longus antwort an, welche ich so herstelle: geminari cansonantes
productis vocalil>us iunctas usus ostendU, e [in hs.] quo dicirm^ eiiani
796 EBaehrens: die conBonantengemination im lateinischen.
^€rrasse\ 'sältasse*, 'äbiss^^ ^cakasse*. quis aiUem nescit ^mälo*
Emälum bs.] una l lUtera scripta [scriptam hs.] distare a ^tmälle*
mälo hs.], eodem demento geminato? überall, wie man sieht, con-
trahierte formen. Schiedsrichter in diesem streite zu sein ist wob)
unmöglich, es scheint mir als ob die von Longus zur Widerlegung
des Nisus herangezogenen beispiele nicht ganz zutreffend sind : denn
auch an sie wird wohl Nisus gedacht haben, ob in -asse und -isse
in der that wiederum Verkürzung platz gegriffen hatte , dagegen in
-esse nicht, so dasz man hier das uralte consuese^ camese wirklich
noch hörte, zum mindesten in Nisus zeit? — Die folgenden gram-
matiker, und mit ihnen die mehrzahl der gebildeten, wandeln^ nach-
dem sich 80 eine feste theorie herangebildet hat, auf dem gebahnten
wege weiter; man findet kaum noch etwas bemerkenswertes im
zweiten und dritten jh. denn wenn zb. Oellius XX 3 sagt: quos ^sici-
nistas^ vvHgus dictt^ qui redius locuH sunt ^skinnistas* Uttera n ge-
mina dixerunt, so ist das eben der alte streit: die einen nahmen das
griech. ctKivvtc als sictnium, die andern als sktnmum an, und der
aus Schultradition mehr die gemination begünstigende grammatiker
sieht auf die ersteren als das vulgus herab.
Es bleibt uns endlich noch übrig, auf die untern Volksschichten
und ihr verhalten gegenüber der Verdoppelung einen blick zu wer-
fen, so wenig dieselben auch von der Ennianischen neuerang un-
berührt geblieben sind, so wird es uns doch unter vergleichang
derselben thatsache auf dem gebiete des Wortschatzes keineswegs
befremden y dasz hier auf der einen seite stets viele Überreste der
alten nichtgemination bewahrt geblieben sind , auf der andern aber
auch viele fölle von teils ungewöhnlicher teils fehlerhafter Verdoppe-
lung uns begegnen, schon ein blick auf die pompejanischen wand-
kritzeleien (CIL. IV ) belehrt uns darüber : berechtigt ist zb. schwanken
zwischen ßlare und ßUare (letzteres allein litterarisch) ; erklärlich
heia pupa 1234 (noch heutzutage hört man in italiänischen dialekten
heia mia statt des h^Ua mia der gebildeten); falsch zb. uxxoH^ asseh
Ims^ hassüica. in dem Wortspiel bei Petronius c. 62, wo ich schreibe :
ut imus [ü imus statt uenimus «» üimus der hs.] intra monment{i^
homo meus coepü ad Stellas facere^ sed egopergo cunäahundus [sed
ego cantäbundus hs.] et Stellas numero^ kann man zweifeln ob slelae
(aas monimenta) als stiUae oder die stSUae («» sidera) als stelae aus-
gesprochen wurden : beides ist gemäsz der volksaussprache möglich,
und diese doppelte Strömung ist unter stetem wachsen auf den ple-
bejischen inschriften bemerkbar; ihr überhandnehmen und eindringen
in die spräche der gebildeten im dritten und vierten jh. läszt die
grammatiker vor diesen ^barbarismen' warnen, nach alter weise
sprach man wieder ^vtla* pro ^vtUa*^ *inffe' pro *mtUe* (Consentius
s. 392, 8 K.), gärulus statt garrulus (Probus s. 199, 4), Ächtles
statt ÄchtUes (Servius in Don. s. 444, 23); neu ist auf der andern
Seite tiSttus für töius (Consentius s. 392, 1), caUigo statt caligo
(Probus s. 198, 21), BSmrna für Borna (Servius in Don. s. 444, 14);
EBaehrens : die consonantengemiiiation im lateinischen. 797
geradezu falsch hassüica für häsüicay dracco für dräco, cammara für
Camera (Probus ebd.); auch entstanden jetzt durch die weiter um
sich greifende adsimilation neue doppelungen, wie grunnio statt
grundio Probus s. 199, 13 tadelt, dies läszt sich an vielen Inschrift-
lieben beispielen weiter verfolgen; viele mittelalterliche verkehrt-
heilen (zb. Uattero statt hläteroy suppeUex^ Brütanni^ pedissequus
usw. usw.) gehen in diese zeiten zurück, natürlich fehlt es nicht an
fällen, worin man in den wiederum mit simplices gebrauchten Wör-
tern , gerade so wie dies die alten scaenici thaten , Verkürzung der
länge eintreten liesz: zb. wird säcuhiSy wie einst von Plautus, so
von dem Verfasser eines inschriftlichen gedichtes in Mommsens inscr.
Eelvet. 51 als säcidus gebraucht (vgl. jahrb. 1882 s. 477); proso-
dische fehler der spätem dichter (zb. päricida und anderes bei
LM aller de re metr. s. 360) gehören auch hierher, die provincialen
traten mit ihrem bastardlatein jetzt in den Vordergrund : die Griechen
sprachen tle statt tUe und iüsü statt iussü (Consentius s. 394, 25
und 395, 14) und dagegen vöwac und irX^vvtoc. vorzugsweise
waren es jedoch die Africaner, welche eine völlige umkehrung des
bestehenden auf diesem gebiete bewirkten (klagen über die Afri be-
gegnen uns bei den letzten grammatikem mehrfach) : man sehe CIL.
Till s. 1109 und den codex Salmasianus saec. VII der um 532 in
Karthago zusammengestellten lat. anthologie (in meinen PLM. IV).
nicht allein in dem schon von Pompejus (s. 286 , 34 ff.) gerügten
labdacismus (cölegium^ cölaitis und dagegen aUius statt älitAS^ con-
tuUimtts)^ sondern auch bei anderen consonanten tritt diese Verkehrt-
heit zu tage : comendare, comerda^ comiäere^ comune (wie noch heute
zb. im italiänischen) und dagegen timmens, ocadus, eweUere, iyr-
rannus und anderes bietet der Salmasianus an nicht wenigen stellen
(derselbe auch stets garulus), dieselben spuren teils von uralter
nichtgemination, teils von neuer und fehlerhafter Verdoppelung zeigt
denn auch das romanische , nicht constant und nach festen gesetzen
in allen seinen gliedern, sondern sporadisch und unregelmäszig. das
spanische hat so zb. chico (= äcam — ciccum) , flaco (= fläcus —
fläcciis) , pecar (= pecare — pSccare) ; auch hier fehlt es nicht an
unregelmäszigkeiten, wie fuesa = fosa statt fösa — ßssa^ flueco =
flöcus statt flöcus — floccus. " wenn also Marx zb. gthlyus statuiert
statt des richtigen gihlms^ sich berufend auf spanisch giba^ so über-
sieht er dasz dies auf die uralte und zugleich vulgärlateinische form
gtha (gihha bei Suetonius und Ammianus) zurückgeht ; gihattts liest
der Salmasianus AL. 383, 12. dies weiter durch die romanischen
sprachen zu verfolgen liegt auszcrhalb unserer aufgäbe, zum Schlüsse
sei nur noch darauf hingewiesen , wie zuletzt anfang und ende auch
in der differenzierung sich wieder nähern : diese , bei Ennius auf die
gemination zum teil sich stützend, wird von Isidorus auf die sim-
** flöces hat bei Caecilius v. 190 B., wo die allitteration flörem —
flöces dafür spricht, richtig Nonius überliefert, in dessen quelle Gellins
erst mittelalterliche abschreiber flocces eingesetzt haben.
798 EBaehrens: die consonantengemination im lateinischen.
plices gebaut: was bei Agroecius s. 124, 22 noch einigermaszen
vernünftig steht, lautet bei ihm in ganz unverntlnftiger weise also:
efferuntj qui exportant, per duo ff; eferunt autem^ qui luudandum
(lies laudando) extöUtmt, per unum f (Isidori differentiae n. 191),
Als resultat dieses aufsatzes ergibt sich die richtigkeit der ge»
wohnlichen ausspräche, welche ohne unterschied vor geminae ver-
ktlrzt. dazu, wird mancher meinen, bedurfte es nicht so vieler worte.
aber irre ich nicht, so haben wir doch auf dem wege zur wissenschaft-
lichen erkenn tnis dieser richtigkeit das eine und andere gelernt.
Nachschrift. Das oben s. 792 zu Catullus bemerkte erhielt
rasch einen erwtlnschten nachtrag durch ein kürzlich in Pompeji
aufgefundenes graf6to (rhein. mus. XXXVIII s. 474) , das ich nach
meinen ergänzungen (v. 4 nach Bttcheler) hersetze :
Aed iUui^ me, ocüleij posguam deducxstis in iffnem,
lump hae vim vestreis largificatis geneis,
vanum : nonpossunt lacrumae restinguere ftamam:
hae\c OS incendunt tahificantque animum,
zu anfang von v« 2 glaubte Mau NAD zu erkennen, und so ergänzte
Bücheier Nan ad vim: ein ganz geschraubter , aller poesie und
spräche 'gewalt' anthuender ausdruck. wie der des Aetna gluten
in sich tragende Catullus einen tbränenstrom vergieszt, so dasz der
augensteme glänz erlischt (68^, 16 neque tristi imhre madere genae)^
und doch keine ruhe finden kann, so meint auch dieser dichter, dasz
zu spät die äugen, die wachsam des herzens heiligtum hätten behüten
müssen, jetzt, wo durch sie einmal der brand ausgebrochen, reich-
liches nasz herabsenden auf die wangen. faszt man das sicher-
stehende mm in der bedeutung von copiam , muUitudinem (was vor-
trefflich zu largificatis passt) und erinnert sich an das Ciceronische
vim lacrimarum profundere , so bleibt für den anfang ein wort zu
suchen, das gegenüber dem ignem den begriff des nasz enthält, ich
glaube dasz nochmalige revision vielmehr als die ersten lesbaren
buchstaben HAE ergeben wird und dasz zu ergänzen ist lumphae.
es springt in die äugen, und ist auch schon von Bücheler ausgespro-
chen , dasz dies [stück zu den erzeugnissen römischer Ijrrik gehört,
wie sie zuerst die Sullanische zeit hervorbrachte (Gellius XIX 9) :
etwa um 70 vor Ch. mag es entstanden bzw. übersetzt sein, und
wenn wir in solchem sicherlich nicht von plebejischer band hin-
geworfenen epigramm die form flamam finden {flama für flagma^
wie luna für lucna; vgl. auch flamen)^ so werden wir dieselbe wohl
auch bei Catullus zulassen dürfen: flamea 64, 341 und flameus 66, 3
ist Überlieferung von V; flamati 64, 291 von 0; flama 61, 171 und
90, 6 und 100, 7 von G {flamina öl, 10 V; flammam 64, 92 V;
flamma 62, 27 TV); endlich flameum gibt V 61 , 8 {flamineum 61,
115). auch sonst erinnere ich mich der nicht geminierten form be-
gegnet zu sein ; die Verdoppelung mag auch bei diesem worte erst
am ende der republik begonnen haben stabil zu werden.
Groningen. , Emil Baehrems.
Philologische gelegenheitsschriften. 799
(50.)
PHILOLOGISCHE GELEGENHEITSSCHRIFTBN.
Baden (gymn.) Anton Müller: zu Piautas, hofbnchdruckerei von
A. V. Hagen. 1883. 25 s. gr. 4.
Bamberg (stndienanstalt) M. Zink: biscbof Viktors von Vita ge-
Bcbicbte der glaubensverfolgnng im lande Africa übersetzt. W.
Gärtnersche bnchdrnckerei. 1883. XI n. 90 s. gr. 8.
Bar-le-Duc (Ijc^e) Ferdinand Brnnot: un fragment des Histoires
de Tacite. ^tnde sur le de moribus Germanorum. druck von Comte-
Jacquet (verlag von A. Picard in Paris). 1883. 75 s. 8.
Berlin (univ., lectionskatalog w. 1883/84) loannis Vahleni disputa-
tiones Terentianae. druck von G. Voigt. 11 s. gr. 4. — (doctordiss.)
Paul Weise (aus Straupitz): de Bacchidum Plautinae retractatione
quae fertur. druck von A. W. Schade. 1883. 62 s. gr. 8. — Bei-
heft zum militär- Wochenblatt. 1883. siebentes heft. Inhalt: Cäsars
kommentarien und ihre litterarische und kriegswissenschaftliche
folge Wirkung, vom major Max Jahns, verlag von £. S. Mittler
u. söhn. s. 343—386. gr. 8.
Bonn (univ., lectionskatalog w. 1883/84 Eduard! Luebberti prolusio
in Piudari locum de ludis Pjthiis Sicyoniis. druck von C. Georgi.
22 s. gr. 4. — (doctordiss) Karl Schueth (aus Bonn}: de Poenulo
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D Illingen (Studienanstalt) Anton Bullinger: Aristoteles^ nus-lehre
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Donaueschingen (progjmn.) Adolf Ausfeld: über die quellen zu
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£ r 1 a n g e n (univ., zum prorectoratswechsel 3 nov. 1883) AugustiLuchs
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Güttingen (univ., lectionskatalog s. 1883) Hermann! Sauppii com-
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Dietrichsche univ.-buchdr. 13 s. gr. 4, —(desgl. w. 1883/84) Her-
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Verlag von Calvör. 1882. 68 s. gr. 8. — Hermann Dierks: de
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Greifswald (aniv., lectionskatalog w. 1883/84) Vdalric! de Wila-
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Groningen (univ., doctordiss.) Jan Wibert Beck (aus Amsterdam) r
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SOT' Philologische gelegenheitsschriften.
Halle ^uDiv., lectionskatalog w. 1883'84] HenriciKeilii emendationes
Varrooianae. druck von Hendel. X s. gr. 4.
Heidelberg (gymn.) Karl Pfaff: de diversis manibus qaibas Ciceronis
de re publica libri in codice Vaticano correcti sunt, accedit tabula
heliotypa. druck von 6. Mohr. 1883. 18 s. gr. 4.
Holm (univ., doctordiss.) F. G. Ljth: de asu praepositionis per apnd
Livium libri quattuor. libri secnndi prior pars: de per cum tem-
poralibus substantivis coniuncto. centraldnickerei. 1883. 38 s. gr. 8.
Jenafuniv., lectionskatalog w. 1883/84) Georgii Goetz de compositione
I'oenuli Plautinae commentariolum. druck von A. Neuenhahn. 8 s.
^r. 4. — doctordissertationen: die 'commentationes philologae le-
nenseSf ediderunt seminarii philologornm lenensis professores, vol. II,
Lipsiae in aedibua li. G. Teubneri, MDCCCLXXXIII' enthalten
deren fünf: Walt her Böhme: Dezippi fragmenta ex lulio Capi*
toliuo TrebulUo Pollione GeorgioSyncello collecta, s.l — 90; August
Hecker: de Khodiorum primordiis, s. 91 — 136; Richard Solbisky:
de codicibus Propertianis, 6. 137 — 196; Eduard Leidolph: deFesti
et Pauli locis Plautiuis, s. 197—252; Paul Feine: de Aristarcho
Pindari Interprete, s. 263 — 328.
Königsberg (univ., lectionskatalog w. 1883 84) Henrici lordani
obüervationes Komanae subsicivae. druck von Härtung. 14 s. gr. 4.
Leiden (univ., doctordiss.) Nicolaus Jacob Andriessen: de fide et
nuctoritate scriptorum ez quibus vita Tiberii cognoscitur dlsputatio.
Verlag von M. Nijhoff im Haag. 1883. 137 s. gr. 8.
Leipzig (univ., zur Verkündigung der preisaufgaben für 1884) Ludo-
vici Langii de sacrosnuctae potestatis tribuniciae natura einsqne
ori(cino commentatio. druck von A. Edelmann. 1883. 43 s. gr. 4. —
(doctordiss.) Friedrich Hill mann (aus Cammin): de arte eritica
in Orphei Argonauticis factitanda capita duo. druck von Sebuls in
Gräfcnhainichen (verlag von H. Matthes in Leipzig). 1888. 74 ••
gr. 8. — Johannes Ilberg (aus Magdeburg): studia Piendippo-
cratea. druck von B. G. Teubncr. 1&3. 63 s. gr. 8.
Mainz (gymn.) Moritz Municr: die paläographie als Wissenschaft
und die Inschriften des Mainzer museums. druck von H. Prlckarts.
1883. 30 s. gr. 4.
Malmcdj (progymn.) Deutschmann: de poesis Graecorum rhjthmicae
primürdiis. druck von witwe H. Seins. 1883. 24 s. gr. 4.
Man 11 heim (rcalgymu.) K. Seidner: das Schlachtfeld von Pharsalus. mit
kartenskizzen. «druck von ISchatt u. Kaisbcrger. 1883. 10 s. gr. 4.
Marliiirg (univ., Icctiouekatalog w. 188384) Theodor! Birt de par-
ticipÜH latinis quae dicuutur perfccti passivi disputatio. druck von
K. Fri(;drich. XXIV s. (?r. 4. — (prekrünte preisschrift) Mazimilian
K 1 (; 1 n H c Ii m i t : de Lucili saturarum scriptoris genere dicendi. verlag
vouN. G.Elwert. 1883. VIII u. 135 s. gr. 8. — Ludwie von Sybe :
kritik des ägyptischen Ornaments, archilologische Studie, ebd. 1883.
41 a. gr. 8 mit zwei lithographierten tafeln.
München (univ., doctordiss.) Ernst Appcl (aus Weil bürg): de genere
ncutro iutereuntü in liugua latina. druck von E. Junge u. söhn
(virrlug von A. Deichert) in Erlangen. 1883. 122 s. gr. 8.
Küätuck (univ., lectionskatalog w. 1883.84) Georg Kaibel: de Athe-
nuci cpitomc. druck von Adler. 9 s. gr. 4.
Wien (univ., doctordiss.) Johannes Andreas Washietl: de simi-
litudinibus imaginibusque Ovidianis. druck von C. Gerolds söhn.
1883. VI u. 193 H. gr. 8. — (zum 25j. profossorjubiläum von Karl
Sfhenkl) August Engelbrecht: studia Terentiana. 1883. 908.
gr. S. — (staatsgymn. im II bezirk) Edmund Eichler: Demosthenes
cr>t(> Philippica doch eine doppclrede? druck von J. B. Wallis-
huiiscr. 1883. 30 ». lix. 8.
ERSTE ABTEILÜNa
FUß CLASSISCHE PHILOLOGIE
HERAUSGEGEBEN VON ALFRED FlECKEISEN.
114.
ZU SOPHOKLES PHILOKTETES.
Wer ein bild von der Zerrüttung erhalten will, in der uns die
tragGdien des Sophokles überliefert sind, beschäftige sich mit dem
Philoktetes und namentlich seinem eingang. mit guten gründen
wurden schon von EAEichter die verse 75 — 78 und 83—85 an-
gefochten und als interpolationen verdächtigt, ebenso bemerkt der
Naucksche anhang s. 140 zu v. 50 ff. : sie seien durch interpolationen
entstellt; mindestens seien die werte bei c' . . ävuiifotc wenn nicht
unecht, so doch in ihrer jetzigen fassung bedenklich, weiter wird
V. 63 mit seinem unverständlichen KupiuiC als überflüssig bezeichnet,
V. 66 — 69 teils aus andern gründen teils wegen 112 f. verdächtigt,
und schlieszlich unzweifelhaft bewiesen, dasz von den versen 91. 92
mindestens der letzte ein spätes machwerk sei, aber auch am Schlüsse
von V. 91 die echten worte wohl durch fremde flickereien verdrängt
seien, man würde aber gewaltig irren, wenn man damit das register
auch nur der schlimmsten anstösze für geschlossen ansähe und durch
ausscheidung der beanstandeten verse einen lesbaren text zu erhalten
dächte, wo interpolationen in solchem umfange platz gegriffen haben,
fehlt es gewöhnlich nicht an dem weit lästigern Übelstande der vers-
versetzungen , sei es nun dasz jene durch diese, oder letztere durch
erstere hervorgerufen sind, so auch hier, beleuchten wir zuerst die
rede des Odysseus v. 54 — 85. Neoptolemos erhält den auftrag bei
seiner demnächst vorauszusehenden begegnung mit Philoktetes sich
offen als söhn des Achilleus vorzustellen, als grund seiner landung
auf Lemnos aber anzugeben, dasz er auf der rückfahrt von Troja
nach Skyros beginn sei , da er sich mit den Atreiden überworfen
habe, weil sie ihm die waffen seines vaters, als bereits in Odysseus
besitz übergegangen, auszuhändigen verweigert hätten, es werde
nichts schaden , wenn er dabei möglichst übel von ihm (Odysseus)
Jahrbaeher für class. philol. 1883 hft. 12. 52
802 Moriz Schmidt: zu Sophokles Philoktetes [v. 50— tOO].
rede, es folgen die von Richter entfernten verse 66 — 69. darauf
fuhrt Odjsseus fort: er selbst könne sich keiner begegnung mit
Philoktetes aassetzen , Neoptolemos kGnne es unbedenklich, weiter
folgen die von Richter beseitigten verse 75 — 78 , und schlieszlich
die Worte : Odysseus wisse wohl , wie sein auftrag der ganzen natur
des Neoptolemos zuwiderlaufe, aber um des hohen preises willen,
der durch seine pünktliche ausftlhrung in aussieht stehe, möge er ea
einmal wagen sich untreu zu werden; heute möge er dem Odysseus
folgen, spftter der hellste tugendspiegel sein, der auftrag des Odysseus
wird y. 343 — 390 von Neoptolemos ausgeführt, und zwar streng nach
den V. 54 — 65 gegebenen anweisungen. gegen diese versgruppe liegt
also kein verdachtsgrund vor. natürlich wäre es auch, wenn Odysseus
nunmehr anknüpfte, was gegenwärtig auf die zweite Eichtersche
athetese folgt: 79 fHoiba piv . . TOiaOxa 9UJV€Tv — denn bis v. 66
war ja Odysseus bemüht gewesen dem genossen eine lügnerische
rede einzustudieren, statt dessen unterbricht Odysseus diesen Zu-
sammenhang durch eine art von entschuldigung, weshalb er den
Neoptolemos vorschiebe, er habe zum ersten ctöXoc gehört, dh.
Philoktetes kenne und hasse ihn als teilnehmer jener ersten expe-
dition, und wenn er bei einer begegnung seinen bogen zur band
haben sollte, sei es um sie beide geschehen, diese störende stelle
selbst aber ist wieder in die noch restierenden versgruppen 65 — 69
und 77. 78 so eingeschoben, dasz auch ein zwischen ihnen ursprüng-
lich beabsichtigter Zusammenhang in auffälliger weise gelöst wird,
denn an einer Verbindung der zwei verspaare
ei T&P Td ToObe röHa [xi\ XT]90iiC€Tai,
69 OUK &Tl TT^pcai CGI TÖ AapbdvOU TT^bOV.
77 dXX' aÖTÖ toOto hex coqpicOnvai, KXoTreiic
ÖTTUiC T€vricij Tuiv dviKr|TUJV öttXujv
würde man an sich keinen anstosz nehmen, obgleich keines von beiden
mit den mit ihnen verbundenen versen in vernünftigem zusammen-
hange steht, welche bewandtnis es nun mit den versen 66 — 78 hat,
kann gegenwärtig auf sich beruhen, fürs erste genügt es zu wissen,
dasz ihr ursprünglicher platz hier nicht war. was aber v. 79 ff.
angeht , so wollen wir mit dem Zugeständnis , dasz sie im anschlusz
an 65 gedacht werden könnten, noch keineswegs eingeräumt haben,
dasz die ßi^cic des Odysseus wirklich mit ihnen abgeschlossen habe,
wir behaupten vielmehr, dasz die verse 79 — 82 an ihrem gegen-
wärtigen platze belassen die darauf folgende ßfjcic des Neoptolemos
zu einer baren absurdität machen würden. Neoptolemos erscheint
nicht gerade geneigt sich zum organ des ränkevollen Odysseus zu
machen : 'solche lügen , von denen ihm schon die obren weh thun,
mag er vollends nicht über die lippen bringen. Schleichwege sind
gegen seine natur, wie sie der seines vaters zuwider waren.' was
bedurfte es dieser bemerkung noch, wenn ihr schon Odysseus vorher
die spitze abgebrochen hatte, indem er sie selbst machte? die verse
83 — 85 aber erscheinen schon darum an ihrer stelle verdächtig.
Moriz Schmidt: zu Sophokles Philoktetes [▼. 60—100]. 803
weil 1) die {ii\c\c des Odysseus offenbar ebenso nachdmcksvoll mit
einer hinweisung auf das Kjf]\ia y\Kf\c geschlossen hatte, wie die des
Neoptolemos eine durch schlechte mittel errungene viio] verworfen
hatte, 2) Neoptolemos doch noch keine äuszerung gethan hatte,
welche seine mitwirkung aus rücksicht auf eöc^ßeia ablehnte, alle
diese erwttgungen nötigen zu dem Schlüsse, dasz mit den zwei
Bichterschen athetesen noch wenig gewonnen ist, dasz vielmehr der
ganze verscomplex 66 — 85 als ungehörig bezeichnet und die ^f)cic
des Odysseus mit v. 65 abgebrochen werden musz. geschieht dies
und erfolgt die antwort des Neoptolemos auf sie sofort v. 86 ff., so
gestaltet sich die fassung wesentlich anders, wenigstens in der haupt-
sache: denn im einzelnen fehlt es auch in dieser ^fjcic nicht an be-
fremdlichen äuszerungen. Neoptolemos trifft dann doch eine ganz
bestimmte entscheidung : *der auftrag des Odysseus bringe ihn in
einen conflict zwischen seiner angeborenen geradbeit und der pflicht
seinem ivyepfaTr\c den gelobten beistand zu leisten, er ziehe jedoch
eine Verletzung der letztem vor, da sie immerhin ehrenhafter sei als
ein durch schlechte mittel erwirkter erfolg ihres gemeinschaftlichen
Unternehmens.' das ist klar und deutlich gesprochen und zeigt dasz
es nicht genügt mit leichter Änderung von v. 91 den 92n auszustoszen,
sondern dasz v. 90 — 92 unserm obelos verfallen müssen, denn die
verse , in denen Neoptolemos seine bereitwilligkeit zu gewaltsamem
vorgehen gegen Philoktetes erklärt, treten in jeder fassung störend
zwischen die darlegung des dilemmas und berühren überdies einen
punkt, auf den erst später v. 103 näher eingegangen werden konnte,
wo sich die begriffe X€ip und yXuicca in die begriffe ßia und böXoc
verwandeln, doch wie gesagt : in der hauptsache enthalten die verse
86 — 95 eine runde antwort des Neoptolemos auf die ihm v. 54 — 65
von Odysseus gemachte Zumutung, und auf diese antwort hatte letz-
terer zu replicieren. that er dies nun in den versen 79 — 82, so ver-
leugnet er seine schlaue beredsainkeit nicht, er unterschreibt alles
(iSoiba) , was Neoptolemos über seine angeborene , vom vater er-
erbte geradbeit gesagt hatte (79 f.); dennoch möge er seinem herzen
ausnahmsweise einmal einen s^z geben (TÖX|Lia). einmal heilige der
zweck, das KTf]|Lia viKr)C, die zui^ erreichung des sieges verwendeten
mittel, und der tag ihrer rechtfertigung, der sie in ganz a^iderm
lichte darstellen müsse, könne nicht ausbleiben (81 f.). dasz Odysseus
ein guter psychologe ist , zeigt sich sofort : denn Neoptolemos wird
schwankend, er greift aus den werten seines partners das TÖXjia
auf, natürlich seiner natur gemäsz in seiner grundbedeutung. ^eine
antwort liegt in den oben von uns aus 86 — 95 entfernten versen
90 — 92, natürlich nicht allen, sondern dem ersten: dXX' €iji' Stoijlioc
TTpöc ßiav TÖv ävbp' äyeiv, zu welchem 91. 92 eine ungeschickte
erweiterung bilden — das ou yotp Ü ^jucC TpÖTTOU Naucks würde
dasselbe zum dritten male sagen, an diese werte des jungem schlieszt
sich vortrefflich die väterlich belehrende, klug berechnete antwort
des altern mannes v. 96 — 99: 'liebes kind, ich war auch einmal jung
62*
804 'Moriz Schmidt: zu Sophokles Philoktetes [v. 50—100].
und mehr zum zuschlagen als zum reden bereit aber erfahrong'
macht klüger und lehrt dasz man mit werten mehr als mit gewalt
erreicht.' nur fehlt augenblicklich dieser antwort noch der schlusz,
der Neoptolemos bewog sich weitere Instructionen von Odysseas
geben zu lassen, wie von v. 100 an geschieht, er ist uns aber auch
erhalten und bereits in den versen 83 — 85 begegnet: Manun über-
lasse dich einmal auf ein kleines Stündchen meiner führong und
werde dann wieder der gewissenhafteste mensch von der weit.*
gerade der ton väterlicher Überlegenheit, welchen Odysseus hier an-
schlägt , und die gemütliche ironie der letzten worte verfehlen ihre
Wirkung nicht, mit v. 100 erscheint Neoptolemos schon mehr bereit
dem Philoktetes das märchen von seiner heimfahrt und seinem zer*
wUrfnis mit den Atreiden und Odysseus aufzutischen ; er sieht nur
nicht recht ein, warum er ihn nicht lieber gütlich zur mitfahrt be-
wegen solle.
Als resultat springt also heraus folgende anordnung der verse :
—66. N. 86—89. 93—96. 0. 79—82. N. 90 [91. 92]. 0. 96—99,
83 — 85. N. 100, und es erübrigt nur über die verse 66 — 78 ins klare
zu kommen, von ihnen sind 66 — 69. 77. 78 als thörichte inter-
polationen preis zu geben : warum , bedarf nach Bichters eingehen-
den erörterungen keiner weitem ausführung. nur musz festgehalten
werden, was schon oben hervorgehoben wurde , dasz in der tbat die
interpolation durch v. 66 hervorgerufen auf ihre gegenwärtige stelle
berechnet war und die verse 77. 78 im engsten anschlusz an 69 von
demselben interpolator herrühren, die frage ist, wohin v. 70 — 76
gehören, durch welche jetzt die interpolation selbst auseinander-
gesprengt ist, und ob sie, wenn dieser platz gefunden ist, als Sopho-
kleisch in anspruch genommen werden können, oder ob sie ebenfalls
als emblem ausgeschieden werden müssen, inhaltlich kommen diese
verse der frage zuvor, warum in einem falle, wo es sich um berückung
des Philoktetes handelt, der redegewandte Odysseus sich dieser
aufgäbe nicht selbst unterziehe, sondern eine Vertretung durch
Neoptolemos vorziehe, der schickliche platz ist also für sie nach
V. 55 'du muszt versuchen dich schlau in das herz des Philoktetes
zu stehlen, ich selbst kann aus gewissen gründen nicht persönlich
mit ihm verhandeln, was du ihm zu diesem zwecke vorreden muszt
ist folgendes.' aber gesetzt, wir lesen:
TfjV OlXOKTfiTOU C€ bCl
56 ipUXf|V ÖTTUJC XÖTOICIV dKKX^ipClC X^T^IV.
70 ibc b* &T* ejLioi fitv oüxi, cd b' öjiiiXia
irpöc TÖvbe mcTf) kqi ß^ßaioc, ^KpaOe.
cu fitv TT^TTXeuKQc oöt' ^vopKOC oubevi
oöt' eE dvÄTKiic oöie toö irpiÜTou ctöXou,
d|ioi bt TouTUiv oub€V dcT* dpvrjciiiov.
75 üjct' €1 M€ t6Eu)V dTKpanic aic9r)C€Tai,
öXu)Xa KQi ce iTpocbiaq>G6piü Suviüv.
56 ÖTttV c' ipwrq., TIC T€ usw.,
Moriz Schmidt: zu Sophokles Philoktetes [▼. 50—100]. 805
könnten wir uns damit zufrieden geben ?. haben die oben angedeutb*
ten gedanken einen ausdruck gefunden, klar genug um unsers dich*
ters würdig zu erscheinen? das wird niemand behaupten mögen,
die zwei ersten der vorgebrachten gründe , weshalb Odjsseus nicht
ungefährdet selbst mit Philoktetes verhandeln könne, sind geradezu
abgeschmackt, dasz Odysseus durch den Tyndareos geleisteten eid
zur teilnähme am zuge gegen Troja genötigt war, konnte ihn doch
dem Philoktetes nicht verhaszt machen, wenn derselbe auch nicht
in derselben läge mitzog; nur der letzte grund, dasz er zu jenem
ersten zuge gehört hatte, der einst den leidenden schmählich ver-
liesz, war stichhaltig, lächerlich aber ist äpvrjctjLiov : denn wenn
Philoktetes sogleich auf Odysseus schosz, wenn er ihn gewahr wurde,
so kam es zu gar keiner weitern ausspräche (öjLiiXia) mit ihm , in
der er etwas hätte in abrede stellen können, die verse haben also
auch als Interpolation zu gelten, gieichwohl sind sie uns von nutzen,
um dem echten teile der ^f]Cic zu einer bessern fassung zu verhelfen,
in ihm hat v. 55 das nach XÖTOiciV auftretende X^T^V anstosz er-
regt, in V. 76 aber ist ebenfalls das schluszwort SuviJüv befremdlich,
man sollte doch mit beziehung auf c^ umgekehrt SuvoVTd fioi er-
warten : 'ich würde dich mit ins verderben reiszen , weil du dich in
meiner gesellschaft befindest.' da nun v. 56 zur zeit ganz unver-
bunden auf 55 folgt, auszer dasz cod. Harl. öiav t* für öiav c*
schreibt, hat man schon den Vorschlag gemacht ÖTav b* zu schreiben,
weit wahrscheinlicher aber ist, dasz der interpolator nicht EuvuüV
geschrieben hat, sondern das vorgefundene cu b* oöv hinter TTpoc-
biacpOepdi hier beibehielt, oben aber dafür das klägliche X^tu)V zur
stütze des verses einschaltete, auch in v. 64 ist X^y ^V , wofür Ge«
dicke X^t' oöv, Nauck \iiov ö' wollten, wohl nur ersatz für das
passende irpocGeic. hiemach werden die verse 50 — 78 künftig so
zu ordnen sein: 0. 50—53. N. 54. 0. 54. 55. [70—76] 56—62 [63]
64. 65 [66—69] [77. 78] N. 86 usw. wie oben.
Die hauptsache wäre damit erledigt, im einzelnen machen sich
noch kleine nachbesserungen nötig, vor allem in v. 50 — 53. hier
dürfte zuerst ^XrjXuOac in dXiiXuGjiiev zu ändern sein, da ja Odysseus
auf Lemnos die gleichen ziele verfolgt wie Neoptolemos und die
leitende seele der expedition war. dasz femer T€VVaTov tuj cuüjLiaTl
unsinnig ist, steht fest, die besserung aber von Tip cuijuaTi scheint
nicht allzu schwierig, bisher hatte sich Odysseus der äugen des
Neoptolemos bedient , um die identität der localität , wo sie sich be-
finden, mit der seinem gedächtnis vorschwebenden zu constatieren.
bei diesem dienste hatte sich Neoptolemos zuverlässig und brauch-
bar erwiesen; es konnte also von einem UTTOupteiv TOic djLijLiaci ge-
redet werden, auch das verletzende, was in (bc vnr]piv:]C Tidpet
liegt, ist leicht zu beseitigen, wenn die £uv€pTaTi;| (£uviip^TT]C Nauck)
7Tp^7T€i hergestellt wird, schwieriger ist die beseiidgung der übrigen
anstösze. für T^vvaTov zwar mag crroubaiov genügen, aber wie
wir ohne annähme einer lücke nach kXui]C in v. 52 f. durchkommen
806 Moriz Schmidt: zu Sophokles Phüoktetes [t. 60—100].
sollen, wüste ich nicht, da an eine kürzung hier absolat nicht ge-
dacht werden kann, wir bedürfen notwendig eines gegensatzes za
fif] fiövov Toic djipacL dasz Odjsseus dabei die TXuicca, die X6toi
im sinne hat, ist klar; nnr konnte er nicht gleich mit der thflr iiu
haus fallen , sondern muste mit einigen Umschweifen den genoaaen
auf seinen neuen, etwas befremdlichen aoftrag vorbereiten, er
äuszert ihm also zuerst seine Zufriedenheit mit dem eifer , womit er
ihm seine äugen bei entdeckung der höhle geliehen hat, wird aber
dann fortgefahren haben , der jetzt zu erteilende auftrag werde ihm
zwar etwas befremdlicher vorkommen, aber er mOge sich demselbeii,
eingedenk seiner pflichten eines EuvepVänic, eben so eifrig and
pünktlich unterziehen: also
dXX* fiv Ti KQivöv div iTpiv oÖK diciiKoac
kXutjc <iMOö X^TOVTOc, ^k navröc xpönou
Kai Tou9*> uiTOupT€iv, d)C Euvcpr^Tq irp^irei.
namentlich eine Wendung wie xal ToCO' halte ich für durchaus un-
entbehrlich, y. 87 verlange ich mit Bichter irXdccctv. v. 80 steht
die richtigkeit von TOiauTa in frage, v. 83 ist vCv b* eic wohl dnrch
V. 98 hervorgerufen und durch ToiTOtp \iiac T* ^c zu ersetzen; doch
schrieb, wer dvaib^c gab, mit bewustsein in bezug auf 120, wie
auch 117 öuiprj^aTa v. 81 KTf^Ma viktic erklftren soll. v. 84 istbodc
wohl nicht gerade nötig, es folge nun der berichtigte tezt der fünf-
zig verse.
^€v?
50 0. 'AxiXX^wc TiaT, b€i c' icp* olc iXifiXueac
CTToubaTov elvai jif) pövov toic djniiiaciv,
dXX' t\y Ti Kaivöv Äv irpiv oök dKrJKoac
kWijc ^dfioO X^TOVTOC, ^k TravTÖc xpöirou
Kai ToOö *> uTTOupTe IV, djc Euveptdnj irp^iret.
N. Ti bf]T* fivuiTac; 0. xriv OiXoktiitou t C€ bei
.05 ipuxriv , ÖTTUiC XÖTOiciv ^kkX^ip€IC [Xiymv,
70 cig d' iai* ifjLol fiiv ovxiy aol 6^ OfiiXla
TCQog xovÖB niaxii %ai ßißctiog , Ixfuxde.
ov fiiv ninXevuag ovt' ivo(fKog ovSivl
o{?t' i^ avayxrjg ovn xoif nQmxmt axokov
ifiol 6i xovxcDv ovöiv icx^ aginjamov.
(ufar* st fie x6^(0v iyn^xrig aia^i^asxat^
7C Skala Hai ah n(^a6ia(p^€QdSy cu br),
56 ßtav C * ipUlTÄ, TIC T€ Kai TTÖOev 7rdp€i ,
X^T€iv , *AxiXX^u)C naic (TÖb * ouxl kXcitt^ov) ,
ttXciv b* ibc rrpoc oIkov, dKXiTTubv tö vauTiKÖv
CTpÄTCUM* *AxaiiüV, fxöoc dxOnpac M^T«)
60 Ol c * i\ XiTaic 7T€icavT€C ii oIkwv MoXciv
MÖvnv fxovT€C Trjvb* äXwciv 1Xiou,
ouK T^Eiuicov TiüV 'AxiXXdwv öirXuiv
nidovxi doiJvai Tivglmg alxoviUvm] ,
dXX' oCt' 'Obuccci irap^bocav, VpocOek 6c' &v
Moriz Schmidt: zu Sophokles Philoktetes [v. 50—100]. 807
66 e^Xqc Ka9* fmiüv fcxox' icxdxuiv KttKd.
[rovrcov y&Q oiöiv fi älyvvsig ' tl d' iifyäoy
fiif xttvza , XvTCYiv nciciv ^Agyeloig ßceXsig,
ei yiiq xa ravSs rö^cc u^ Xrifp^cetcci ,
69 owc laxi nigCtti aol xo JaQddvav niöov,
11 crAA' avxo xdjxo det CfHptC&ijvat^ Kkojtivg
78 07to)g yevi^üiii x(Sv avM'qxmv SnltovJ]
86 N. if\h ixkv oOc öv T&v XÖTUJV dXTiü kXuuiv,
Aaepilou irai, Toucbe Kai nX6cc€iv ctutä.
?<puv Tdp oubfev ^K T^xvTic Tipdcceiv KUICf^C,
89 oöt' aÖTÖc oöö', übe qpaciv, oÖKqpucac tixL
93 TrejLiqpöelc fe jh^vtci cgi guvcpTÄTiic ÖKvdi
irpobÖTTic KaXeTcOar ßouXo)Liai b\ £va£, KaXuJc
95 öpiüv ^ajuapreiv poiXXov f\ viköv xaKUJC.
79 0. ^Eoiöa, irai, qpucei C6 pf) ireqpuKÖTa
ToiaOia qpujveiv pir]bk Tcxväcöai KttKd.
dXX*, f|bu Tdp TÖ KTTiiLia Tiic vIktic XttßeTv,
82 TÖXjLltt ' blKttlOl b ' ttSOic £K(pavoii|Li€6a.
90 N. dXX' elfi* ^TOijLioc npöc ßiav töv fivöp' äfexy
[xal (lij doloiaiv, ov yuQ i^ ivbg noöog
92 riiiäg xoaovads ngog ßUxv %eiQ€iasxai].
96 0. ^C0XoO TTttipÖC Tlttl, KttÖTÖC fl)V vfoc nOlfe
TXiüCcav )Lifev dpTÖv, x^ipct ö* etxov ipTdriv
vOv b * de ?X€TXOV Öiiüv 6ptD ßpoTOic
99 -rfiv TXuJCcav, oöxi Tfipipa, irdvO' f|Tou|Li^vT]V.
83 ToiTop M^dc t' ^c f|M^pttc MCpoc ßpttxu
ÖÖC MOl CCttUTÖV, K^Ttt TÖV XciTTÖV XPÖVOV
85 K&XnCO TTdVTlüV CUGeß^CTttTOC ßpOTUJV.
100 N. t( jLi* oöv dvuJTttc dXXo 7rXf|v ijieuöii X^t«v;
Wie nach v. 52 eine lUcke angenommen werden muste, so wer-
den meines erachtens auch die verse 533 — 535 unter dieser annähme
verständlich, in dem glauben dasz Neoptolemos nach Skyros segle
hat sich Philoktetes ein plätzchen auf seinem schiff erbeten und
drängt zur abreise, wünscht aber vorher noch von der statte seiner
leiden abschied zu nehmen und dieselbe auch dem Neoptolemos zu
zeigen, damit derselbe sehe was er ausgestanden habe.
lUijLieV, d) Tlttl, 7TpOCKUCttVT€ T^V &W
doiKOV elcofKiiciv , djc ^e Ktti jidOijc
635 dq)' O&v öiÄuiv die t* i(fw eÖKdpbioc.
was Schneidewin über diese stelle sagt; enthält so vortreffliche
winke, dasz dieselbe längst in Ordnung gebracht sein könnte. 1) steht
die notwondigkeit der trennung von elcoiKiiciv in €lc oTKr)Civ auszer
zweifei ; 2) ist keine frage, dasz ein vers ausgefallen ist und der ge-
danke der von Schneidewin angegebene war: *lasz uns aufbrechen,
nachdem wir hier abschied genommen, doch betritt vorher mit mir
die höhle!' natürlich masze ich mir nicht an den ausgefallenen vers
808 Moriz Schmidt: zu Sophokles Philoktetes [v. 533—535. 17].
genau nach seinem Wortlaute herstellen zu wollen, aber wenigstens
glaube ich den beweis führen zu können, dasz sowohl Wecklein ars
Soph. em. s. 45 im irrtum war, wenn er für ttjV fcuj vermutete yhc
iboc (El. 1374 passt nicht), als auch Naucks zweifei an der richtig-
keit des versausganges unbegründet sind, wenn uns in der regel
die schollen wenig kritische hilfe leisten , in diesem falle versagen
sie uns einmal ihren beistand nicht, sie umschreiben : dcnacdjLievoi
Tf)V dcTiav. Bergk praef. s. LXXV schlosz daraus auf irpocKUcav-
T€C '€cT(av, erwog aber nicht dasz ^CTiav nicht minder paraphrase
eines oder mehrerer anderer worte sein kann , wie dC7Tacä)i€voi für
irpocK\JcavT€C, und dasz in Itüjiev nicht sowohl eine einladung zum
betreten der höhle enthalten ist als vielmehr die aufforderung zu
schiffe zu geben, ich meine, der einzige zusatz Gedv reichte aus, um
in Tf)v ^cui Oedv die Hestia erkennen zu lassen , und supplieren wir
weiter Icu)c b* Ittoi* dv är]TOU)Lievi)) ; so ist auch für doiKOv eic
oTkiiciv ein passendes abhängigkeitsverhältnis gewonnen^ war übri-
gens, wie Bergk will, der name der gOttin ausdrücklich genannt, so
hindert nichts auch so fortzufahren : Oedv jueTicniv 'Ecriav * Sirou
b ' djLioi oder ähnlich, in keinem falle bedarf es bei dieser auffassung
der Überlieferung irgend welcher ttnderung an den erhaltenen teilen
des textes.*
Schlieszlich ein paar worte über die vielberufene stelle v. 17.
die grotte des Philoktetes war eine ir^rpa bicTOjLioc,
tv' iv Miux€i M^v f|Xiou öittXti
TidpccTiv dv9dKTicic,dv Ö^pei ö' öttvov
bi' dMq)tTpi)TOC auXiou Tr^^nei TTVorj.
ist dvOdKiicic ein richtiges wort, so kann es wenigstens in der vor-
liegenden Verbindung nicht einen sitz in der sonne bedeuten, ob-
schon wir es anderseits wegen irdpeCTtv so zu fassen genötigt wären,
sondern nur einen rastplatz der sonne, wo sie sich besonders lange
niederläszt. dagegen spricht aber dasselbe rrdpecTiv. dvGdiCTicic ist
also nicht zu halten. £v9a ist wohl ein aus einer erklärung zu bm\r\
(f\ ^vGa fj fvOa) stammendes einschiebsei. vermutlich lautete die
stelle :
IV ' tv ipux€i M^v f|Xiou <ßoXdiv>
bmXf^ TüdpccTi XPflcic (oder Tidpeci' öviicic).
auch btrrXf] in biTrXoC zu ändern scheint nicht nötig.
* auch hinter v. 29 vermntet KSohenkl wohl richtig den ansfall
eines verses. die änderüDg xal crißou *CT * oOx elc tOitoc halte ich nach
wie vor für richtig; war dann fortgefahren: 'von dem manne selbst
aber ist nichts zn hören noch zn sehen', so wird niemand etwas ver-
missen; vielleicht wird auch v. 425 unnützer weise an den werten
ÖCTrep fjv T<^voc hernmcorrigiert. es ist doch kaum glaublich, dasz der
schöne tod, den Antilochos für den greisen vater starb, in keiner weise
angedeutet worden sein sollte: und so hat wohl hier der Schreiber zwei
Verse in ^inen zusammengeschmolzen.
Jbna. Moriz Sohhidt.
HKothe: zur Ökonomie der historien des TimaioB. 809
115.
ZUR ÖKONOMIE DER HISTORIEN DES TIMAIOS.
Vor einiger zeit hat JBeloch (jahrb. 1881 s. 697—706) eine
anordnung der fragmente des Timaios versucht, welche AHolm in
Bursians Jahresbericht (bd. XXVIH s. 159) einer beurteilung unter-
zieht, wenn der unterz. der anfforderung, die Holm am Schlüsse
seiner recension an ihn als den Verfasser einer abhandlung über den-
selben gegenständ (de Timaei Tauromenitani vita et scriptis, Breslau
1874) richtet, sich über Belochs versuch zu äuszem, hierdurch nach-
kommt, möchte er nicht den anlasz zu einer unfruchtbaren polemik,
sondern zu einer anregenden discussion gegeben haben.
Zunächst musz ich es in abrede stellen, dasz ein schlusz aus
dem verfahren eines Schriftstellers , der den Timaios benutzt haben
kann, für die constituierung der historien desselben in formeller
hinsieht gültigkeit habe, erstens nemlich ist es sehr schwer den nach-
weis zu erbringen, dasz dem betreffenden Schriftsteller, zb. Diodoros,
an der bezüglichen stelle Timaios und nur Timaios vorgelegen habe :
ein blick auf die bisherigen resultate der quellenuntersuchungen be-
weist dies, zweitens aber angenommen, dieser nachweis wäre er-
bracht, so bliebe noch zu beweisen, dasz die Unselbständigkeit Dio-
dors grosz genug gewesen sei, um ihn auch zum formellen anschlusz
an Timaios zu zwingen, ebensowenig sind aprioristische annahmen
anderer art über^ugend. die ansieht, dasz es eine geschmacklosig-
keit sei, welche ein hellenisches publicum nicht ertragen hätte, wenn
ein historiker seinem werke eine geographische einleitung voraus-
schicke , ist von Holm treffend beurteilt worden, etwas ähnliches
ist es, wenn die möglichkeit , dasz das werk des Timaios 68 bücher
gehabt habe , mit der behauptung zurückgewiesen wird , dasz unser
Schriftsteller niemals der Weitschweifigkeit geziehen worden sei. aus
der bloszen angäbe der bücheranzahl liesze sich allenfalls ein schlusz
auf ausführlichkeit ziehen; wir kennen aber den umfang der ein-
zelnen bücher gar nicht, in wie viel büchem hat wohl Theopompos
seine OiXmniKä geschrieben? — Man wende nicht ein, dasz Timaios
die geschichte des Agathokles, seines Zeitgenossen (317 — 289), in
nur fünf büchem behandelt habe, diese angäbe gestattet uns durch-
aus nicht den maximalumfang der Timäischen Werkes approximativ
zu berechnen, diesmal liegt es nemlich in der natur der sache, dasz
gerade die ereignisse der eignen zeit dürftiger behandelt wurden als
die des vorausgehenden Jahrhunderts. Timaios lebte während der
regierung des Agathokles als verbannter fem von Sikelien in Athen.
Thukydides, auf den man hinweisen könnte, hat zwar auch seine
geschichte in der Verbannung geschrieben, aber hier war es der ein-
zelne, der von Athen fern bleiben muste: seine verwandten und
freunde blieben daselbst ^ und eine Verbindung mit ihnen war leicht
möglich, mit Timaios aber waren alle seine Parteigenossen von
810 HKothe: zur Ökonomie der historien des
Agathokles, soweit sie diesem erreichbar waren, durch tod und ver-
bannimg beseitigt worden, es ist klar, dasz somit eine regelmftszige
Verbindung mit Sikelien sehr erschwert, jedenfalls für den in Sike'
lien wohnenden teil während der regiemng des tyreauien niit grosser
gefahr verbanden war. die auf Agatholdes tod fol^fenden partei-
kftmpfe änderten wenig an dieser Sachlage: ein tyrann löste den an-
dem ab. als aber Timaios unter Hieron nach funfzigjtthriger Ver-
bannung heimkehrte, stand er im höchsten alter und v^ar im eignen
vaterlande fremd geworden, endlich konnte dem Tünaioa bei dem
tödlichen hasse (fr. 144), welchen er gegen Agathokles als den ver-
nichter seines lebensglücks heg^, unmöglich die an^g^he Interesse
einflössen, die unleugbar mit ktlhnheit und glttck ausgreführten thaten
jenes tyrannen ausführlich zu behandeln und somit indirec^ densel-
ben zu verherlichen. sein Interesse coneentrierte sich vielmehr auf
die zeit der Dionjse und des Timoleon. unter Dionjsios I hatte
seine familie gelitten , aber das recht hatte gesiegt, sein vater An-
dromaohos hatte an der spitze der vertriebenen Naxier Tauromem^ii
gegründet, sich daselbst behauptet und nachher an Timoieons thaten
ruhmvollen anteil genommen, hier flössen ihm die quellen am reich-
lichsten, nicht nur lagen die werke des Philistos und 'ßphoroa ror^
sondern es stand ihm auch die tradition seiner famüie zu geböte, und
so schöpfte Timaios aus dem lebendigen bom der zeitgeechichto.
Haltlos ist femer der aus den Worten des Poljbios XII
(irepl IraXiac jliövgv koI CiKcXtac TrpafjüiaTCuöjievoc) gezogene i
sohlusz, dasz Timaios nur die geschichte des westens — genau I
genommen folgt auch dies nicht einmal aus den Worten des P0I7- /
bios — geschrieben habe, wenn Timaios über den brand des tem-
pels zu Ephesos und die in derselben nacht erfolgte geburt Alexan-
ders des grossen (fr. 137), über die herkunft der geldxnittel fttr ä^
Wiederaufbau des tempels (fr. 136), über das entgegengesetzte ver-
halten des EaUisthenes und Demosthenes dem Alexander gegen*
über (fr. 142), über die rasche eroberung Asiens durch Alexander
(fr. 138), über die eroberung von Tyros durch denselben (fr. 130)
geschrieben hat, wenn er die Wanderung der Herakliden 820 j^^
(fr. 153) und die Zerstörung Trojas gerade 1000 jähre vor dem fiber-
gange Alexanders nach Asien vor sich gehen Iftszt: so ergibt sio^
dasz Poljbios sich ungenau ausgedrückt, dasz Timaios, wenn auch
weniger ausführlich, doch auch die geschichte des Ostens behandelt
hat. und so werden wir es so unglaublich nicht finden, dasz in dem
ersten teile der historien auch einige geographisch-historische notizen
über Assyrien (fr. 55 mit der conjectur von Hultsch) sich fand^Hi
welche zur geschichte von Italien und Sikelien sich genau so ver
hielten, wie die erörterungen über die bemsteingewinnung auf der
ostseeinsel Baltia (fr. 34) und über die zinninsel bei Britannien
(fr. 32).
Den anlasz zu dem ganzen Wirrwarr hat übrigens nicht die be-
kannte Suidasstelle gegeben, es wäre ein leichtes, über die angaben
UEothe: zur Ökonomie der historien des Timaios. 811
des Saidas zur tagesordntmg überzugehen, wenn nicht in den über-
lieferten bücherzahlen das läge, was den angaben des Saidas wert
verleiht, mit willkürlichen emendationen der zahlen wird nichts er-
reicht, wenn Beloch, um das lle und 12e buch dem Empedokles
zuzuweisen, in fr. 88 die überlieferte lesart £v T^ A' Kai B' in ^v T^
JA' KQi IB' ändert, wogegen palttographisch nichts zu erinnern wäre,
dann aber auch die erwähnung des Empedokles im 18n buche
{fr. 94) durch einsetzung der zahl 12 beseitigt, nachdem er kurz
vorher den in das jähr 424 fallenden frieden des Hermokrates auf
gleiche weise aus dem 2 In etwa in das 13e buch verlegt hat, so
läszt dieses verfloJiren in bezug auf subjectivität nichts zu wünschen
übrig, und doch stützen sich die zahlen gegenseitig, wenn im 18n
buche von des Empedokles Wirksamkeit die rede ist, welche wir um
die mitte des fünften jh. setzen dürfen, so passt das 21e buch sehr
gut für die erzählung der ereignisse des j. 424. dazu kommt dasz
im 15n buche (fr. 93) von dem groszvater des Empedokles die rede
war. es ist daher nicht unwahrscheinlich , dasz dort von der geburt
und gleichzeitig von der herkunft des Empedokles gehandelt wurde,
damit stimmt die angäbe, dasz im 14n buche die nachricht von dem
frieden Gelons mit den Karthagern (479) enthalten gewesen sei
(fr. 89). im lOn buche war die Schlacht am Heloros (492) erzählt
(fr. 85), in welcher Gelon gegen die Syrakuser kämpft, dasz die
zwölf jähre von 492 bis 480, welche für die innere geschichte von
Syrakus so wichtig und zugleich für Sikelien so ruhmvoll sind, nicht
vier bücher gefüllt haben könnten, ist eine unbegründete behaup-
tung, zumal hier Timaios von Polybios wirklich der Weitschweifig-
keit geziehen wird (fr. 87 tocoutouc dvidvei Xötouc usw.). im
9n und lOn buche war die Wirksamkeit des Pythagoras behandelt,
wie man sieht, ergibt sich hier eine vollkommen geordnete Zahlen-
reihe , welche der Chronologie durchaus gerecht wird.
Nun stehen aber mehrere bücherzahlen in schroffem gegensatze
zu den obigen, ich meine damit nicht fr. 105 und 107 (dv tQ Tpic-
KaibcKdri) TiüV IcTopiiLv) , in welche beide die Zeitbestimmung erst
hineingetragen werden musz. denn wenn auch in einem derselben
von der Lais gesprochen wird, so ist doch nicht von deren gefangen-
nähme durch die Athener im peloponnesischen kriege die rede, zu-
nächst kommt fr. 1 11 in anschlag, welches den bericht über die grösze
und pracbt von Akragas vor seiner Zerstörung durch die Karthager
(406) in das 15e buch setzt, während doch im 14n buche Gelon nach
dem' siege bei Himera mit den Karthagern frieden schlieszt, im 18n
buche Empedokles auf dem höhepunkte seiner Wirksamkeit steht, im
2 In die expedition der Athener im j. 424 erzählt wird, da das ändern
der zahlen durch emendation jedem freisteht, könnte man auch hier
irgend eine gefügige zahl herstellen, aber die Schwierigkeit wäre
damit noch nicht gehoben, abgesehen von der durch CMüllers con-
jeetur hergestellten angäbe, dasz im 16n buche die grausamkeit des
Dionysios durch den träum einer frau im voraus angedeutet wird,
812 HKothe: zur Ökonomie der historien des Timaios.
war im 7n buche (fr. 57) der zug des Xerxes gegen Griechenland
erzählt, während im 9n und lOn buche über Pythagoras, im 14n
erst von dem mit dem zuge des Xerxes gleichzeitigen kämpfe des
Gelon mit den Karthagern gesprochen wird, wenn schon dem Ti-
maios als einem Sikelioton der in Sikelien geführte entscheidungs-
kampf zwischen barbaren und Hellenen dem im mutterlande aus-
gefochtenen vorgieng , so verlangte doch die rücksicht auf die Chro-
nologie , dasz der zug des Xerxes , der mit demselben rechte wie der
zug Alexanders gegen Persien auf einen platz in dem werke des
Timaios anspruch erheben darf, unmittelbar angeschlossen, also im
15n buche erzählt war. wenn femer im 21n buche das jähr 424 be-
handelt war, so muste das jähr 406, in welches die Zerstörung Von
Akragas durch die Karthager fällt, in einem der nächsten bücher
dargestellt sein, unter diesen umständen erhält die notiz des Suidas
Wichtigkeit, dasz Timaios IraXiKd xai CiKeXtKot dv ßißXioic r\' ge-
schrieben habe: fügt man die zahl 8 jenen beiden zahlen hinzu, so
erhält man der Chronologie entsprechend das 15e und das 23e buch,
es müste also der erste teil der historien des Timaios 8 bücher ent-
halten haben, in dem zweiten fand sich dann eine doppelte nume-
rierung der bücher, indem sowohl die zahlen des gesamt Werkes als
auch die um 8 niedrigeren des zweiten teiles angegeben waren, dies
setzt eine gesonderte herausgäbe beider teile voraus und eine darauf
erfolgte Zusammenfassung zi^ 6inem werke, dasz, eine derartige
beschaffenheit der bücherzahlen erst einmal vorausgesetzt, eine in-
consequenz beim eitleren leicht möglich war, wird einleuchten, es
ist also nicht wunderbar, wenn bei einem und demselben Schrift-
steller hie und da die zahlen um 8 differieren.
Der erste teil behandelte nach dem zeugnis des Polybios die
Wanderungen und städtegründungen , und zwar, wie es scheint, auf
geographischer grnndlage. denn im ersten buch erzählte Timaios
über die Tyrrhener (fr. 18) ÖTi al Oepärraivai yu^val toic dvbpdci
biaKOVoOvxai. im zweiten buche (fr. 26) war Korsika geschildert
als voll von allerlei jagdbaren tieren, deren erlegung die haupt-
thätigkeit der einwohner bilde, im dritten buch erfahren wir von
Korinth, dasz es daselbst 460000 sklaven gab (fr. 48). im vierten
buche behauptet Timaios, dasz das grab des Empedokles im Pelo-
ponnes zu suchen sei (fr. 98).
Bis hierher reicht das gebiet des wahrscheinlichen; jetzt aber
stellen sich dem weitem vordringen Schwierigkeiten entgegen, deren
beseitigung in bloszo möglichkeiten verläuft, wie schwer es ist, bei
dem jetzigen zustande der Überlieferung zu sichern resultaten zu ge-
langen, soll ein beispiel lehren. Suidas berichtet, Timaios habe über
Syrien, dessen könige und stüdte drei bUcher geschrieben, ich ver^
mutete dasz in Syrien Syrakus stecke ; die corruptel konnte durch
eine falsch aufgelöste abkürzung entstanden sein, das Vorhanden-
sein einer tradition im altertum, wonach es einstmals könige in Sy-
rakus gegeben haben soll, ist unbestreitbar, die städte endlich sind
HEothe: zur Ökonomie der historien des Timaios. 813
die bekannten Stadtteile von Sjxakus. diese deutung empfiehlt sieb
sehr, wenn Cicero in Verrem IV § 117 sagt: urhem Syracusas
maximam esse Graecarum^ pulcherrimam omnium saepe
audistis. ea tanta est urhSj ut ex quattuoi^ urhibus maximis constare
dicatur — und von derselben stadt de rep. III 31: urhs tUa prae-
dara^ quam ait Timaeus' Graecarum maximam^ omnium
autem esse pulcherrimam. unter der Voraussetzung, dasz sich
jene notiz des Suidas wirklich auf Timaios bezieht, wäre die Verbesse-
rung evident, doch ist dies deshalb noch nicht sicher, weil Suidas
unter vielen andern angaben über Timaios auch diese bringt, es
bleibt daher auch ungewis, ob unser Schriftsteller in den bUchern
6 — 8 eine beschreibung der stadt Syrakus gegeben habe, wie ich
unter berufung auf das aus dem 6n buch« überlieferte fragment über
die Kallikyrier (fr. 56) vermutet habe.
Schlieszlich noch ein wort zur Verständigung über den wert der
geschichte des Timaios. ich halte von ihm als geschichtschreiber
sehr wenig und befinde mich in dieser beziehung in principieller
Übereinstimmung mit seinem 'nachahmer' Polybios, welcher die Un-
fähigkeit seines Vorbildes in immer neuen Variationen darzuthun be-
strebt ist. die nähere begründung meiner ansieht gehört nicht hier-
her, doch möchte ich fragen, wie eigentlich fr. 125 aufzufassen sei.
Timaios verspottet dort den Ephoros , weil er dem altern Dionysios
nur 63 lebensjahre gebe und ihn doch 42 jähre regieren lasse, nach-
dem er als dreiundzwanzigjähriger die tyrannis erlangt, die angäbe,
dasz Dionysios I 42 jähre regiert habe, steht meines wissens ganz
isoliert da; nur das marmor Parium setzt den regierungsantritt des
altem Dionysios in das jähr 408. da das marmor Parium und das
werk des Timaios beide mit dem j. 264 abschlieszen , so hat man
eine innere beziehung beider zu einander angenommen und zwar
mit recht, indem das zusammentreffen in der zahl 264, welches auf
dem gebiete der römischen geschichte, wo der beginn der punischen
kriege epoche macht , ganz und gar nichts beweisen würde, hier auf
dem gebiete der griechischen geschichte sehr auffallend ist. dazu
kommt dasz die gewöhnlichen angaben über das leben des Dionysios,
wonach er 25 jähre alt tyrann wurde und 38 jähre regierte, die ge-
samtzahl des Ephoros (63) ergeben.
Breslau. Hebmann Kothe.
814 GBusolt: zu den quellen der Messeniaka des Pausanias.
116.
. ZU DEN QUELLEN DER MESSENIAKA DES PAUSANIAS.
Nach erwähnung der sohlacht im fünften jähre des ersten messeni-
sehen krieges heiszt es bei Pausanias IV 9; 1 : TOic bk Mecoiviotc )ui€T&
Tf|v jiäx^v 1T0V11P& invecOai tä irpdTlnaTa fjpxexo • baTrdvq t€ t^p
XpilJi<iTU)v äTr€iprJK€cav, & tuiv iröXeiuv dviiXicKov ic läc qppoupdc,
kqI o\ boOXot napd touc AaKeöaifiOviouc t]ÖtomöXouv. das erinnert
an die bedr&ngnis Athens wfthrend des peloponnesischen krieges. und
richtig heiszt es dann weiter: TOic bk xal vöcoc ivinece. xqil
rapaxdc fxiv napecxcv uic oSca Xoiiniübiic , ou |Lif)v ^c äiravrdc tc
txdipT\C€,v. wir haben also auch die pest. diese beobachtang legt die
yermatung nahe, dasz der auctor der kriegsgeschichte, vielleicht Fan»
sanias selbst, auch sonst züge aus dem peloponnesischen kriege oder
der spfttem griechischen geschichte überhaupt entlehnt hat. nach
mehrjährigen gegenseitigen plttndemngszügen, wobei die Messenier
Td liriOoXdccia ific AaKUiViicf^c verwüsten, kommt es im vierten
jähre zu einem ersten treffen, das unentschieden bleibt: icöppoiroc
f) ^dxil cqpiciv £t^V€TO. die Lakedaimonier ziehen nach hause
ab, ^viauTtf» bk öcTcpov KaKi2[övTuiv cq)äc tujv tcipIP^i^^^^v kqI
• beiXiav *ie öjioC irpoqpepövruiv usw. (7, 7) rücken sie wieder aus.
hier haben die kämpfe zwischen den Athenern und Korinthem zum
vorbilde gedient, es fehlt sogar nicht an wörtlichen Übereinstim-
mungen mit Thukydides. man vergleiche Thuk.1105,5 Kai jidxT)C
T€VO|Li^viic Icoppöirou . . ol bi KopivOtoi KaKi2[ö|Li6VOi \mö
TUJV dv TiJ ^<iX€i Trp€cßuT^pu)V USW. ein teil des geschlagenen korin-
thischen heeres kommt von der strasze ab und dc^TTCcev £c tou
XUJpiov IbiiÜTOU, ijj f Tuxev öpuTMa M^T« irepicipTOV usw. über den
graben können die hopliten nicht hinüber, indessen die Athener
lassen die eingeschlossenen durch leichtbewaffnete beschieszen. diese
geschichte wird gleichfalls benutzt und abenteuerlich umgestaltet,
aus dem öpxrfixa wird eine x<xpdbpa. die h o p 1 i t e n können nicht mit
einander kämpfen, denn ou irap^cxcv dXOeiv ic X^^9^^ ^ x<xp<^^P<x
buipTOUca. vgl. Thuk. I 106, 2 elpTOV toTc ÖTiXiraic. aber
die leichtbewaffiieten cu|li|li(ctouci Kard tö ÜTiip -rfiv xotpdbpav. nun
kommt die abenteuerliche Umgestaltung, der messenische könig läszt
das ganze lager rings qppoEacOai toTc craupoTc, so dasz die Lake-
daimonier, die keinen angriffspunkt finden, abziehen müssen.
Es folgt die grosze schlacht im fünften jähre, dazu hat die be-
schreibung der schlacht bei Mantineia im j. 418 bei Thukydides den
rahmen hergegeben, ehe der kämpf beginnt, halten die beiderseitigen
heerführer ansprachen. Paus. IV 7, 9 npöc m^v bf) touc AaKCbai-
jioviouc ßpaxeiav KaTd tö dmxiöpiov Tf|v irapdKXiiciv dTioiciTO ö
SeÖTTOjLinoc . . übe KaXöv cq>tci tö qptXoTijLiiiiLia, tujv iraT^puiv . .
qpavfivat XainnpÖTepa eipTacjH^vouc usw. der messenische könig
jiaKpÖT€pa ji^v eTirev fj ö CirapTidTiic usw. bei Thuk. Y 69, 2 heis^
OBuBolt: zu den quellen der Messeniaka des Paueanias. 815
es, nachdem er über die ansprachen der fUhrer des feindlichen heeres
berichtet hat: AaK6bat)Liövioi bk KaO' ^KdcTOuc t€ Kai juerä Tuh;
iToXejLitKujv vöjLiuJV dv cqpCciv aÖTOic div i^TricTavTo Tfiv TiapaKÄcu-
civ TTJc juvriimic dTaOoic oöciv dTioioOvTO, clböicc f pTwv ^k noXXoO
|Li€X^Tr]v irXeiuj cu)2[oucav f\ XÖTUiV hx* öXixou xaXujc ßiiOeicov
napaiveciv. bei Paus, liest man IV 8, 3: fxeX^Ti] noXu ol AaK€-
bai^övioi TTpo^cxov, TTpöc bi KOI Tip nXyjOci. und auch Thukydides
V 68 sagt: tö bi cipaTÖirebov Tuiv AaKebaijuoviuiv jiiettov iqpdvTi.
die beere gehen nun vor. Thuk. sagt von den sonderbttndnem , sie
wären dvTÖviüC Kai öptQ losgegangen, die Lakedaimonier wftren da-
gegen langsam und im takt marschiert, )Lif)biacTracOeiiiaÖTOiC
fi Tä£ IC. Paus. IV 8, 1 sagt: Meccrivioi jiifev bpdjiiui le ic touc AaK€-
baijLioviouc dxpÄVTO . . üttö toö 9umoö, Kai auröc ?KacToc updiTOC
Icireubev dpHai ^axiic, die Lakedaimonier dagegen irpövoiav diroi-
oOvTO pf) ^laXuOfivai cqpici Tf)V Td£tv. die schlacht verläuft
so , dasz der rechte flügel der Lakedaimonier siegt , der linke aber
von dem rechten feindlichen fiUgel, wo die XoTdbec tiüv Meccr]-
viuiv kämpfen, geschlagen wird, ebenso siegen die sonderbündner
mit ihrem rechten flügel , wo die XoTdbec der Argeier fechten, über
den linken der Lakedaimonier. die schlacht bei Mantineia war im
wesentlichen eine hoplitenschlacht, reiterei war wohl zur stelle, aber
sie schützte doch nur die Athener, als die niederlage des linken
flügels der sonderbündner bereits entschieden war, vor den schwer-
sten Verlusten. Paus. IV 8, 12 lauTTiv t^iv judxnv irap' djnqpoT^puiV
f| MÖva f\ jLidXicia d^ax^cavTC rd ÖTiXiiiKd. ol bi itii tüjv ItTriruiV
öXiTOi Te fjcav , Koi oubtv i&cxe Kai MVTiM0V€u8fivai bi€TTpd£avTO.
über die Verfolgung sagt Thukydides V 73, 4 : oi ydp AaK€baijiövtoi
ji^XP* l^^v TOÖ Tp^ipai xpoviouc Tdc jiidxac Kai ßeßaiouc tijj jn^veiv
TTOioOvTai, Tp^i|iavT€C bk ßpaxeiac Kai ouk inX noXu x'dc
biiiüHeic. Pausanias IV 8, 11: fjv bfe auToTc Kai fiXXuiC irdTpiov
cxoXaiOT^pac Tdc bituHcic TTOieicOai. vor Ithome kommt es
dann zu einem dritten treffen, dabei sind die leichtbewaffneten der
Messenier mit den lakonischen hopliten engagiert und bringen ihnen
wider erwarten eine niederlage bei: Paus. IV 11, 5 — 8. ein blick
in Xen. Hell. IV 5, 13 ff. genügt, um sofort zu erkennen dasz die
niederlage, welche die pel tasten des Iphikrates einer lakonischen
mora bei Lechaion beibringen, als Vorbild gedient hat. es fehlt
auch wiederum nicht an wörtlichen Übereinstimmungen. Paus.
7T€picTdvT€c ^kövhZov ic Td TiXdTia. Xen. i^kövtiIov Kai dXXoi
^K TiXoTiou TTopae^cvTec €k Td T^jLivd. Paus. GpactiTepov iv t^
TOioibc ToTc KaTd CTÖMa auTiüv dTr^KeiVTO. Xen. d)C bk toOto
dt^veTO, TToXii f\br] GpacÜTcpov ^TT^KeiVTC usw. amüsant ist es, wie
dann nach Thuk. V 68 und 74 hinzugefügt wird: TOÜc bk TWV
AaKebaijLioviuJv biaqpGap^VTac iv Tr| jiidxij cuXXaßeiv jifev oux old
T€ f\v dpi0|iiu, TT€i0O)Liai bk etvai Kai'auTÖc ttoXXouc.
unter diesen umständen kann es keinem zweifei unterliegen, dasz
auch die einnähme von Ampheia (an deren geschichtlichkeit selbst
814 GBasolt: zu den quellen der MeBseniaka des Pansanias.
116.
ZU DEN QUELLEN DER MESSENIAKA DES PAUSANIAS.
Nach erwähnung der sohlacht im fflnften jähre des ersten mesfieoi-
schen krieges heiszt es bei Pansanias IV 9; 1 : TOtc bk Meccrfvioic perd
Tf|v fxdxT)V TrovT)pd nivecOat xd irpaTMora fipX€TO • öaTrdvq t€ ToP
Xprifidruiv direipriKecav, & twv iröXcuiv dvrjXtacov ic rdc q>povpac,
Kai oi boOXoi napd toOc AaKeöaifiOVtouc t)ÖtomöXouv» das ennneit
an die bedrängnis Athens wfthrend des peloponneai sehen kri^ea. vad
richtig heiszt es dann weiter: TOic bk Kai vöcoc £v^tt€C€. koI
Tapaxdc jiiv irapecxcv die oOca Xot^uibnc , oö )üif|v ic änconäc n
dX^pilC€V. wir haben also auch die pest. diese beobacfatang legt die
Vermutung nahe, dasz der auctor der kriegsgeschichte, vielleicht Fan*
sanias selbst, auch sonst züge aus dem peloponnesiacdien krie^ oder
der spfttem griechischen geschichte überhaupt entlehnt hat. nach
mehrjittirigen gegenseitigen plttnderungszügen, wobei die Messesier
Td liriOaXdccta Tf\c AaKU)VtKf)c verwüsten, kommt es im vierten
jähre zu einem ersten treffen, das unentschieden bleibt: icöppoiroc
f| MdxT) cqpiciv £t^V€TO. die Lakedaimonier ziehen nacii hause
ab, dviauTijj hk öcTcpov KaKtZövTuiv cqpac xaiv T€T11Päk^**'^ *^
beiXiav Te 6jiOÖ npoqpepövTuiv usw. (7, 7) rücken sie wieder am*
hier haben die kämpfe zwischen den Athenern und Korinthem znm
vorbilde gedient, es fehlt sogar nicht an wörtlichen übereinstzm-
mungen mit Thukydides. man vergleiche Thuk.1 105,5 xal fidx^^
T€V0|Li^VTic Icoppöirou . . ol bi Kopiv8iot KaKtZöiLievoi ö7t6
TUJV Im t^ iTÖXei irpecßuT^puiv usw. ein teil des geschlagenen korin-
thischen heeres kommt von der strasze ab und dc^rrccev £c TOU
XUJpiov ibiibrou, ^ f xuxcv öpuTMa \ktxti irepteipTOV usw. über den
graben können die hopliten nicht hinüber, indessen die Athener
lassen die eingeschlossenen durch leichtbewaffnete beschieszen. diafi^
geschichte wird gleichfalls benutzt und abenteuerlich umgestaltet
aus dem 6p\r^)jsx wird eine xapdbpa. die h o p li ten können nicht mit
einander kämpfen, denn od irap^qcev ^XOeiv de X^^P^c f| xap&^9^
bieipTOuca. vgl. Thuk. I 106, 2 elpTOV to ic ÖTiXiraic. aber
die leichtbewa&eten cuji|Li(cTOuci Kaxd xö vn^p xf|v xotpdbpav. nun
kommt die abenteuerliche Umgestaltung, der messenische könig l&s^^
das ganze lager rings (ppdEacOat xoic cxaupoTc, so dasz die Lake-
daimonier, die keinen angriffspunkt finden, abziehen müssen.
Es folgt die grosze schlächt im fünften jähre, dazu hat die be-
schreibung der schlächt bei Mantineia im j. 418 bei Thukjdides den
rahmen hergegeben, ehe der kämpf beginnt, halten die beiderseitigen
heerführer ansprachen. Paus. IV 7, 9 irpöc )ik\ bf) xoOc Ni%Aoi'
jioviouc ßpaxeiav Kaxd xö diriXiApiov xf|v TTopdKXriciv dTTOicito 6
SeÖTTOiiTroc . . ibc KaXöv cq)tci xö (piXcrijiTijia, xdiv irax^pivv • •
qpavfjvai XajUTipöxepa eipTacindvouc usw. der messenische könig
jiaKpöxcpa lifev clTrev f\ 6 CTrapxidxnc usw. bei Thuk. V 69, 2 heißÄ
FReuss: zu Xenophons anabasis.
817
(103.)
ZU XENOPHONS ANABASIS.
1. 1 10, 9 f. inü b* fjcov Kaxd xö eötüvujLiov vSjv 'QXifivuiv
Kepac, fbeicav o\ ''EXXiivec, jLif) irpocdTOiev npöc tö K^pac ical
7T€ptTTTuSaVT€C ä|Liq)0T^piü6€V ttUTOUC KaTaKÖl|l€iaV ' Kttl dbÖKCl
aÖToTc dvaTTTÖccciv tö K^pac kqI noirjcacOai dTiicdev töv TioTajiöv.
dv dl bi TaCra dßouXeuovTO, xal bf| ßaciXcuc 7Tapa)Li6ii|id|üi€VOc eic
TÖ aÖTÖ cxfljLia KttT^CTTicev dvTiav Tf|v qpdXaTT«» djcirep tö Tipilrrov
^axoufi€VOC cuv^ei. diese stelle bietet der interpretation eine reihe
taktischer Schwierigkeiten, die trotz manigfacher erklämngsversuche
ihrer beseitigung noch harren, zun&chst ist es erforderlich die Stel-
lung beider beere , des hellenischen wie des persischen, sich zu ver-
gegenwärtigen, nach § 6 ßaciXeuc öf)Xoc fjv TTpociujv TrdXiv, dic
lbÖK6i , ÖTTicOev steht der könig im rücken der Hellenen :
Perser
Hellenen
. ;
da diese einen angriff desselben erwarten, machen sie kehrt und
rüsten sich demselben zu begegnen: § 6 oi jLifev ^'GXXiivcc CTpa-
9^vt€c irapecKCudZcvTC djc toütiti npociövTOC xal öcHöjiievoi. der
könig aber unterliesz den angriff und suchte den weg zu gewinnen,
auf dem er bei dem ersten zusammentreffen mit den Hellenen am
linken flügel des feindlichen beeres vorbei marschiert war: ifj bk
TTapfJXeev ßui ToO cuujvumou K^paroc , Tatirij Kai diriiTCV. indem
er die front gegen die Hellenen beibehielt, kam er dem rechten
(früher linken) flügel derselben gegenüber und parallel zu stehen:
^7T€l b' fjcav KttTot TÖ €inJuvu|Liov Tujv 'EXXrjvujV K^pac. die Stellung
beider beere zu einander war mithin etwa folgende :
Perser
T
\
I
Hellenen
Behdantz s. XIX anm. 33 meint freilich, die Hellenen hätten zu den
Persem rechtwinklig, also in colonne, gestanden:
±
Hellenen
Jahrbücher für class. philol. 1883 hfU IS.
s
63
818 FHeuBs: zu XenopbonB anabasis.
indessen dann haben die worte ßaciXeuc 7rapaji€ii|idfi€V0C ek tö
a\)TÖ cxfiiia keinen sinn, mit recht verwirft nemlich Yollbrecht
Krügers erklftrung, irapafieiipdfievoc bedeute so viel wie irapcXGiuv,
und verbindet die worte eic tö auTÖ cxf^^a mit demselben, ebenso
wenig kann ich aber auch diesem hg. beistimmen, wenn er das
persische beer vollständig an dem hellenischen vorbeimarschieren
und auf gleicher höhe mit demselben halt machen Iftszt :
t Perser
Hellenen ^
dieser annähme stehen die worte xarä (gegenflber) to eihbwjJiOV Tu)v
*€XXt^vu)v K^pac entgegen, die worte |Lrf| irpocdTOiev irpöc rd Kipac
Kai TrcpiirruSavTCC dficpoT^piuOev scheinen allerdings darauf hinzo-
deuten, dasz die Perser in der rechten flanke anzugreifen drohen, vgl
Xen. Kyrup. VIT 1, 26 Xaßdn^ nXctriouc und ol bi ircZoi . . lq>ei'novto
Kttl ircpiciTTOccovTO fvOcv Kai iv0€V, ficT€ TTOXU ^TTXCOV^ICTei '
(pdXaTT* TÄp Kaid K€pac npoc^ßaXXcv. Arrian anab. I 6, 10. ID
14, 6. Polybios 1 40, 14 cufnT€cu)V ^k TrXaTiou Kard K^pac. II 30, 9.
II 34, 8 Kard viftiou xal Kaid x^pac. V 85, 3 xard TTpöcuiirov wid
Kaid K^pac. XI 1, 7. Plut. Pelop. 23 Trpocnccujv dOpöwc Kaxd K^pac
indessen notwendig ist diese annähme nicht: der angriff Kard K^pcic
kann ebensowohl von der frontseite aus wie von der flanke erfolgen,
dies geht mit notwendigkeit aus Thuk. III 78 hervor: qK)ßou^€VO(
Tfiv TtcpiKtiKXuiciv dOpöaic (dh. qwiXaTYO M^v oö Trpoc^ttiirrov
avbfe Kard ^ccov (oentrum) xaTc icp' dauroüc TcraT^^vaic, irpoc-
ßoXövTCC bk Kard x^pac usw. die Athener werfen sich auf den
flttgel (Ckssen adst.); dem angriff auf die gesamte linie sowie dem
angriff auf das centrum wird also der angriff xaxd x^pac gegenüber-
gestellt, das gleiche dürfte man auch an unserer stelle gelten lassen
und TipocdTCiv npöc t6 K^pac von dem angriff auf den rechten flflg^
verstehen, bei diesem angriff sucht der überschieszende teil durch
eine Schwenkung den flügel des gegners zu umfassen (Xen. Kyrup*
VII 1, 26 7T€pi€7mJccovTO fvOcv xal ?v0€V. anab. 1 10, 8 TTcpiTrru-
EavT€C d>Aq)OT^pu)0€V). um dieser gefahr zu entgehen, trafen die
Hellenen die von Xen. angegebenen Vorkehrungen: £böx€t aÖTOiC
dvaTTHJCceiv tö x^pac Kai iioiricacOai ötticGcv töv noiafiöv. Krüger
bemerkt zu diesen werten : 'den flügel sich hinter den andern ziehen
lassen, hierauf sollte der eine flügel rechtsum, der andere linksam
mit dem flusz parallel fortmarschieren, bis beide an einander schlosseSy
dann alle gegen den feind front machen und dadurch den flusz in
den rücken bringen.' er ist offenbar beeinfluszt durch Eyrup. VII
5, 5 ; indessen *das hier beschriebene manöver bietet zu unserer stelle
keine analogie' (Yollbrecht); dort handelt es sich nur um eine Ver-
kürzung der frontlinie und unl ausdehnung nach der tiefe hin. xni^
dvairnicceiv tö x€pac würde blosz die bildung der colonne aus der
linie bezeichnet; iJle weiteren Operationen wftren von Xen. über-
FReass: zu Xenopbons anabaBis. 819
gangen , sie sind Krügers eigne zatbaten. handelte es sich nur um
eine frontveränderung, dann war diese durch weniger nmstftndliche
evolutionen einfacher zu bewerkstelligen. YoUbrecht und Rehdantz
stützen sich zur erklftrung unserer stelle auf Arrian anab. 11 8, 2
?u)c fifev irdvni CTCVÖnopa fjv rd xw^pia, ^tti K^pu)c fJTCv d)C bi.
biexifipci ^c irXdToc, dv^nTuccev dci rö K^pac ^c (pdXorrrai SKK^y
mx &\\r]\ TUüV önXiTÜJV rdSiv irapdirujv und nehmen darauf hin an,
dasz die Hellenen , einen flankenangriff von seiten der Perser be- .
fürchtend , durch einen rechtsauf marsch nach der rechten flanke in
die phalanxstellung übergegangen seien. *zu diesem zwecke' meint
Vollbrecht 'rückt der am flügel stehende lochos durch eine links-
schwenkung, wodurch die f|TOUfi€VOi in der vordersten linie bleiben,
in die frontstellung gegen die Perser, die folgenden lochen machen
zuerst rechtsum, rücken dann durch rechtsaufhiarsch in die schlacht-
linie, indem sie während des marsches, wobei die folgenden sich immer
weiter rechts ziehen müssen, durch eine nochmalige Yg wendung
nach rechts dahin streben, dasz auch ihre f)XOU|Li€VOi in die vorderste
linie zu stehen kommen.' bei einem rechtsaufmarsch nach der rech-
ten flanke ist es indessen unmöglich, dasz das vorderste glied (ol
f)TOÜ|Li€VOi) seine Stellung behalten könnte; nur bei einem linksauf-
marsch kommen die f)tOu^evoi wieder in die vorderste linie zu
stehen, um letzteres herbeizuführen, ist auch die von Vollbrecht
vorgeschlagene linksschwenkung des ersten lochos gänzlich irrele-
vant, ein blick auf Vollbrechts eigne Zeichnung genügt, um dies zu
erkennen, anders steht es mit Vollbrechts zweitem verschlag : die
Hellenen machten linksum, marschierten links auf und nahmen dann
die front gegen den feind. bei dieser erklärung fällt der eben ge-
rügte mangel weg , aber damit zugleich auch die analogie mit der
angeführten stelle Arrians. bei Xen. soll eine frontveränderung
durch aufmarsch aus der reihencolonne bewerkstelligt werden; bei
Arrian dagegen handelt es sich um das deployement und den auf-
marsch der marschcolonne zur linie. auf die herstellung der linie
aus der marschcolonne haben auch die von Rehdantz angeführten
stellen bezug: Kyrup. II 3, 21. VIII 5, 15 Ik K^poTOC elc cpdXaTTa
KttTacTTicai. anab. IV 3, 26 irap* dcnibac TraparaTÖVTCC Tf|V ivu)-
jLiOTiav im q)dXaTTOC. IV 6, 6 X€ip{coq)oc diraticaTO Tiopcuö^evoc
. . ha |Lif| KttTd K^pac dy^v nXricidcij toTc TToXcjLiioic • itapiiTTCiXe
bk Kai Toic dXXoic itapdTCiv touc Xöxouc, öttu)c iiA cpdXarfoc
T^voiTO TÖ CTpdT€U|Lia. Kyrup. II 3, 21 töv öcTcpov Xöxov irapdreiv
Kai TÖV TpiTOV Kai TÖV T^xapTOV €lc fi^TU)TTOv. Hell. Vn ö, 22.*
Am zutreffendsten hat über die bedeutung des ausdruckes
dvaTTTUCCeiv meines erachtens E Wahner jahrb. 1861 s. 855 ff. ge-
^ LReinhardts (z8. f. d. gw. XIII s. 13) erklärung: 'das beer so auf-
stellen, dasz es eine mit der front dem feinde zugekehrte phalanx
bildet' läuft auf Vollbrechts 'übergehen in die phalanxstellung' hinaus;
gerade hier war es für ihn am wenigsten am platze, von 'Krügersohef
und Vollbrechtsoher Unkenntnis' zu reden.
W*
820 FReuBs: zu Xenopfaoas anabasis.
urteilt, indem er darunter unser deplojement verstanden, wissen will
und alle weiteren nebenoperationen abweist, mit recht hebt er aoch
hervor, dasz bei Xenophon sowohl wie bei Plutarch Pelop. 23 die mit
dvaiTTUCCCiv bezeichnete bewegung nur von dem rechten fltigel gilt.
die Hellenen fürchten eine Umgehung ihres rechten flügels (Diod.
XIY 24, 2 eöXaßciTO fif| . . kukXwOwci), ein manöver dessen Arriaa
takCik 29 gedenkt: Ka\ öircpcpaXdTTTI^^v }xbf övofidZouci Tf|V koS'
. dKdT€pov TÖ ir^pad Tflc cpäXaTTOc töircpox^v \mkp toöc iroXe^iouc,
äircpKdpaciv bk Ti\y Ka8* ?v öirÖTcpov oi5v K^pac. dieser gefahr vor-
zubeugen, wird es nach Arrians Vorschrift notwendig die linie auszn-
dehnen und zu verlängern, ebd. 25 fiyerax bk TÖ bmXaciäZeiv dvcrr-
Katov, F| öiTcpcpaXaTT^cai fijiiujv OeXncdvruüv äir^p lö tujv iroX€|üiiuiv
K^pac f| KUjXOcai uirepcpaXairr^cai ^Keivouc, vgl. Xen. anab. IV 8, 11.
das bmXacidCciv kann nun nach der tiefe hin (so Xen. Ejrup. VII 5, 5)
oder in der front stattfinden (Arrian ao. 25). in der front können
entweder die hinteren glieder in die vorderen eindubliert werden
(iTUKVOUTai TÖ fi^TUJiTOV TTic (pdXayTOc), oder die linie wird nach
rechts oder links oder nach beiden selten hin verlftngert. das aus-
dehnen der linie kommt für uns hier in betracht: Arrian ao. 25 ^
bi Kai Tifi TÖiTip bmXacidcai iOdXoipev tö mhkoc, die dvTl crabiuiv
TT^vie ic biKa iKxeivai Tfjv idjiv , touc ^k toO ßdOouc irapejiißXn-
Odvrac ic tö xard jut^KOC fi^cov tujv öitXituIv bidcnma ini rä
beiiä KcXeucofiev ££€Xiccec0ai, touc bk Xdittouc kqI fmic^ac aöxi&v
^Tii xd eu(x»vu>Aa, dirö tu»v irpöc loTc K^paci beuT^puiv Xöxuiv
dpxö^evoi , Kai oötu) bmXdctov i(p4iex xujpiov f) iraca rdEic. das
dKTciveiv soll also dazu dienen, entweder selbst den feind zu flan-
kieren, oder eine flankierung durch den feind zu verhüten, vgl. Plut.
Anton. 66 *ATp(itTTOu bk Odrepov K^pac elc kukXujciv iKTcivovToc
dvTavdyciv IToTiXiKÖXac dvaTKaZö>A€VOC. Diod. XIV 24, 1 Tflc
(pdXaTTOC iv:\ iroXu TrapCKTCivoüciic KUKXouficvoc. in diesem sinne
finden wir auch häufig dvaT€(v€iv gebraucht: Ejrup. VII 1, 5 f.
KaTavouüV bk d)c irpöcu) töv Kafiirriipa diroirjcavTo, irepl 8v Kd^ir-
T0VT6C dv^T€ivov Ttt K^paTO. VII 1, 16 Ttt TÜLiv TToXe^iuiv K^paxa
öpw icxupd dvareivöfieva. VII 1, 23. Polybios 1 27. die verlange-
rung der linie wird durch ein deplojement der hinteren glieder,
durch das dvairrOcceiv bewerkstelligt, deshalb wird dvaiTTiiccetv
geradezu dem dvarefvctv gleicbgeset<zt: Plut. Pelop. 23 dveirruccov
iö be^iöv und irplv dvaxciveiv t6v KXcÖMßpoTOV xd K^pac f| cuv-
ayaTcTv irdXiv de tö amö Kai cutKXcTcai "rfiv idEiv , wo dem dva-
T€ivai das cuvoTateiv und cujKXeicat gegenübersteht, zweifellos
wird dies durch folgende, bisher unbeachtet gebliebene stellen
Arrians: taktik 9 oihoc ydp toi ö dpiO^öc M^XP^ M^vdboc bfxa
T^fiveiai, »SicTe bmXacidZciv aöxöv ic rö ßdOoc EuvdrovTa,
Kai aö iKTe(v€iv dvaiTTÖccovra tiytapkc Ka6(cTOc6at. anab. III
12, 2 ic i7tiKa|Li7rf|v bi, el irou dvdinai KaTaXa^ßdvoi l^dvanTugai
fi cuTKXeicai Tf)V (pdXatTOt. auch hier bezeichnet dvaTrrucceiv
die dem cuvdteiv elc tö ßdOoc und dem cuTxXeicai entgegen-
FReass: zu Xenophons anabaBis. 821
gesetzte evolution und kann nur von einer Verlängerung der front
durch deployement verstanden werden; das gleiche gilt von Arrian
anab. II 7, 3 £ü|Li|Li€Tpov TÖ x^^piov dvaTTTuHai Tfjv (pdXoTTGt. es
erhellt von selbst, wie eng diese erklärung an die ursprüngliche
bedeutung von dvairTUCCCiv (entfalten) sich anschlieszt, vgl. Plut
Demetrios 42 dvairruHac t^v x^<X)Liuba. Brutus 20 Ti\v dcdf)Ta
Xaßujv Tf)v Kaicapoc ai|LiaT|iA^VT]v dv^irruScv. ganz entsprechend
wird im lateinischen explicare gebraucht : Caesar h. civ, II 26 expH-
care legiones. ni 93 equites se turmatim explicare aciemque nostratn
a latere aperto circumire coepenmt. h. Alex. 14. 15. h. Afr. 59. ec^-
care = in frontem derigere Livius XXXVII 23, 9 u. 10.
Will man nun selbst den flügel des feindes umgehen, so läszt
man seinen verlängerten flügel zur bildnng eines Offensivflügels vor-
schwenken : Plut. Pelop. 23 TÖ beSiöv dv^TTTUccov xai ircpi^TOV djc
KUKXujcöjLievoi. Xen. Kyrup. VII 1, 5 djcnep Td|iA|iAa ^KOT^pujOev Tf|V
^auTuiv Td£iv 7roiricavT€C. anab. 1 8, 24. Hell. IV 2, 20 tö inepixov
^TTiKd)Lii|iavT6C clc kukXwciv. Arrian anab. II 9, 2 uö. zur defensive
dagegen ist die entgegengesetzte maszregel, die zurücknähme des
verlängerten flügels, die bildung einer defensivflanke notwendig:
Arrian III 12, 2 u. 4. II 9, 2 Kol tujv Itttt^ujv tivöc xai xdiv toEo-
Tdrv ic dmKafiTTfiv Tipöc TÖ öpoc TÖ KttTd vurrou liaiev. Diod.
XVII 57, 5 itp* ^KttT^pou bk Toö K^paToc ^TriKdjLnnov iiroiTice Tf|V
TdEiv, ÖTTUJC jLif) buvujVTai kukXoOv o\ iToX^fiioi T(J) irXrjOei twv
CTpaTiurrdiv Tf|v öXitötiito tOüv Maxebövujv. die ausführung dieser
maszregel wird bei Xen. durch die werte iTOirjcacOai ÖTiicOev töv
TToraMÖv angedeutet, die Hellenen verlängerten also zum schütz
ihrer rechten flanke den rechten flügel und nahmen ihn zurück , so
dasz er zur front in einem winkel zu stehen kam und den flusz
im rücken hatte, der Perserkönig liesz dagegen seinen linken flügel
vorschwenken , um die Hellenen zu umfassen :
Perser
die Worte TTapa)Li€ii|idfi€VOC €ic tö auTÖ cxHlna sind bei dieser auf-
fassung recht an ihrem platze : es handelt sich in der that um ein
taktisches cxf^jüia , um die dniKdiLiTTioc Td£ic.
2.DieX6xoidp6ioi. auch nach den erörterungen von Eöchl j-
Büstow und Vollbrecht (Xen. anab. s. 21 anm. 2) scheint es nicht
überflüssig der frage über die bedeutung der Xöxoi öpOioi noch ein-
822 FBeoH: m Xenopbou nnaViiii
mal Dlhet zn treten, die frilhere erklinmg *&pdioic Xöxoic nit
gereiheten lochen, aiao 100 mun hinter einander* (Krflger ta anab.
fv 3, 11) haben KOchlj und Bflstow (geadi. des griech. kriegsw.
a. 165) mit recht Terworfen; sie haben nch fltr eine sectiottaodlonBa
von 6 mann front nnd 16 mann tiefe entichieden. ToUbredit mdit
xwiscben beiden annchten m vermitteln nnd folgt an vier steUea
der enabsais EDchlj-BOstow, «Ibrend er an ri*ei andern fBr den aog.
ginsemancb sidi aniapridit. wir dtirfen indesaen bei der nnter-
tocbnng aber die bedeotong der Vöxoi äpOioi uns nicht anf dl«
Interpretation Xenophona beachitnken, sondern mflssen Ton den «r-
klSrongen der alten selbst ansehen.
Vor allem aind hier Arrians werte taktik 26(danuu anch Snidas)
in betracfat zn ziehen: öpftia («pdJurrf), Atov im vipac ■nofxöprnu.
oCtw bt ad TÖ ßddoc toö ^^kouc noXXanXiliciov nop^xETot- 6Xuic
TE TiopäfuiKcc ^v j&j}ia övofiöZETOi , S Ti Tnp fiv t6 fii[mc ^XQ
^TilnlielovToüßädouc-flpBiovb^ 5-nnEp&VTÖßä(k>CT0Ü)diia>uc.
die phalanx ist also 6p6ia, wenn sie liA ulfKK maischiert, der
marscb im K^puic ist ein reibenmarscb. die rdbencolonne wird «na
der linie dnrch die halbe Wendung nach rechte oder links, bei rinor
marschierenden abteilung auf das commando 'in reihen gesetzt rechts
(links) um' gebildet KOchlj-Bfistow meinen dasz der reibenmarscb,
wie bei uns , nnr anf korze strecken angewendet worden sei. dies
gilt indessen nur von dem marsch nach der seile, bei deßl&n nah-
men anch wir diese marschformation häufiger an, behalten sie aber
nicht bei, weil bei der geringen tiefe unserer anfstellnng die marach-
colonne zn lang würde, bei der grSszem tiefe der griechischen anf-
stellnng flUt dieser gmnd w^. bei angriffen Korä X^poc handelt
es sich um eine attackiemng in der flanke: TgL oben s< 818. Ton
einem reibenmarscb dh. in\ Kiptuc haben wir ein beispiel bei Xen.
T. Staat d. Lak. 11, 8 ff. hier wird nicht in der sectionscolonne
(enomotie) marschiert, wie KOcbly-Btlstow s. 122 den aaadruck ver*
stehen, dieser annähme widersprechen gleich die ersten worte örav
Hiv Täp in\ x^pujc TTOpeütuvTSi , kot' oOpäv biinou ^vwfiOTÜt
IneTai. Xenophon bespricht im folgenden die bewegnngen, welche
beim herannahen des feindes fllr die ^ttI K^puic mai'schierenden ab*
teilungen notwendig werden, znerst wird ein angriff von vom (££
^VOVTiOu) TOraasgesetit. in diesem falle muez die rechts abmar-
schierte reibencolonne zur phalanx links au&narachieren (eIc ^^tui-
irov Tiap" dcTiilw KaflicrocÖoi) :
I II m IT 6 b 4 s 9 1
1 . . . . I
FRea88: zu Xenophons anabasie. 828
Erscheint dagegen der feind im rücken, dann mosz dieser auf-
marsch erfolgen (§ 8 oÖTU)C dx<^VTU)v), daran aber der lakonische
contremarsch sich anschlieszen. der dpxwv odefr fffCfiUiv kommt da-
bei auf den linken flflgel zu stehen, soll er seinen platz am rechten
flttgel zurfickerhalten, so mosz die abteilung noch einmal durch eine
halbe Wendung die reihenformation einnehmen und den contremarsch
Karä Ixrxöv ausführen: § 9 CTp^t|iavT€C tö äyr^xa tni K^pac
^EeXiTTOuci Tf|V cpdXcrrrai fcr* Sv 6 jutv f|T€fiu)v bcEiöc 5, f| bk, oöpä
€Ui{ivu)Lioc T^VHTai. auch hier kann ird K^pac crp^cpeiv nur von
der bildung der reihencolonne verstanden werden, die oöpä sind
die bei der phalanx (IrA ixetibnov) auf dem linken flügel stehenden
rotten, welche bei der rechts abmarschierten reihencolonne (in\
Kdpu)c) die queue bilden.
t
6 5 4 3 2 1
^ I R AI AI
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99t8SI TS€f«9
Wenn drittens ein angriff in der rechten flanke droht {in\
K^pujc iTop€UOfA^vu)V) , macht jeder lochos rechtsum ; der lochos an
der queue erhält dann seinen platz auf dem rechten flttgel der pha-
lanx (§ 10 TÖv Xöxov ?KacTOv, iScrrcp TpiripTii övriirpifipov TOic
^vaVTioic crp^cpouciv). auch hierbei musz in den einzelnen lochen
der lakonische contremarsch ausgeführt werden, ist endlich die linke
flanke gefährdet, dann wenden die dnl K^puüC marschierenden ab-
teilungen sich links um, und der kot* oupdv marschierende lochos
bildet den linken flügel: dvavTiouc ävTmäXoic touc Xöxouc ctpi-
90UC1, Kai ouTUJC avi 6 kqt* oöpdv Xöxoc irap' dciriba KaOlcTarai.
Bei allen diesen bewegungen ist die enomotiencolonne durch
die aus § 8 und 9 hervorgehobenen stellen ausgeschlossen, wir haben
es mit einem reihenmarsche zu thun. auch der ausdruck CTp^q)€iv
darf nicht befremden: er bezeichnet ebensowohl die Wendung des
einzelnen mannes wie die Schwenkung ganzer glieder. nur von der
einzel Wendung kann § 9 CTp^i|iaVT€C inX K^pac verstanden werden
(vgl. Classen zu Thuk. II 90). die reihenformation finden wir auch
Xen. Hell. VI 2, 28 iTxay/ryfafev Sv tö K^pac dird iflc Tflc Kard raOra
Td xvjpia, ^TieiT* dTricTp^ipac Sv Kai dvmrpibpouc KaTacnfjcac tdc
TpiVjpeic dnö ciiMciou dcpiei dvOajuiXXdcOai €tc Tf)v T^v. hier kann
^TncTp^ipac gleichfalls nur von der wendung des einzelnen schiffes ge-
sagt sein : die flotte segelt in reihe, oder vielmehr in 6iner reihe, die
küste entlang , macht dann rechts oder linksum ; darauf beginnt der
Wettstreit der einzelnen schiffe, in reihen führt Alexandres sein beer
über den Granikos : Arrian anab. I 14, 7 auTÖC bt dt^iV TÖ b€{töv
824
FReuBs: zu Xenophons anabasie.
K^pac . . ^jLißaivci cic töv iröpov, Xo£f)V &e\ irapaTcivuiv Tfjv rdEiv ^
TtapeTXKe tö ßeCfia^ tva bf) jiift ^Kßaivovn aÖTijj olü^pcai Kord K^pcKC
TTpocTTiTTTOiev, äXXot kqI auTÖc d)C dvucTÖv T^ (pdXoTTi irpoqiiEg
auToTc, vgl. 1 13, 5 dräKTUüC oOv xai Kard xepac, i^irep dcGhEV^cra-
Tov , ^Kßaivouciv dTTiKcicovrai ^c 9dXorrroi cuvT€TorrM^voi. ebenso
steht es mit Herod. VI 12 dvdTiuv iiA K^pac rdc vtec. VI 14 dvrch
vt^TOV Tdc v^ac in\ K^pac. Thuk. II 90 Kord fi(av ird K^pu)C irapa-
TrX^ovTttc (kurz vorher ^m T€ccdpu)V ToEdMevoirdc vflac). VI 32, 50.
Xen. anab. IV 6, 6 Kard K^pac &tu)V. VI 5, ö Tf)v oöpdv ToC K^puic
Hell. VII 4, 23 KttTd Kepac &t€ KaO' öböv iropcuöjiievoi. Kyrap. II
4, 29. VIII 5, 15 ^K K^poTOC eic 9dXaTT0i KOTacrficai. Arrian anab.
II 8, 2 Sujc jLi^v TTdvTTi CT€VÖiTopa fjv Td xujpia , inx K^piuc fit^v.
Kehren wir nun zu Arrian taktik 26 zurück, so erhellt dasx
öpOta q)dXaT£ durch den zusatz ÖTav im K^pac iropeuriTai als ein
in reihen marschierendes beer bestimmt wird, durch den marsch
^TTi K^pac wird die phalanx öpOia und bekommt eine grOszere tiefe
als breite, eigentümlich ist der 6pOia q)dXaT£ also das nopeiiecOai
im K^pac, daher ist in Arrians erklärung auf dieses hauptsächlich
zu achten, die richtigkeit dieser definition läszt sich aus Poljbios
XI 12, 4 darthun: ö bi. Maxavibac tö jli^v TtpOüTOV än^beiSev dbc
dpeiqi Ti5 <pdXaTTi TrpocfiiHujv Tipöc tö bcEiöv tujv iroXcfiiuiv. inA
b' dirXiiciace, Xaßibv cu|li|li6tpov dTTÖCTiniia ncpt^icXa ifjv buva^iv
^ttI böpu KQi irapcKTcivac Icov ^Ttoince tö irap* auroG b€£töv Ti|^
Toiv 'Axaiuiv €uujvu)Li({j. Machanidas stOszt mit seinem in reihen
rechts abmarschierten beere auf den rechten flügel der Achaier,
Iftszt dann die töte rechts schwenken und geradausgehen, bei der
nun erfolgenden frontwendung kommt der rechte flügel dem feind-
lichen linken gegenüber zu stehen :
Aehaier
3 •
4 •
6 •
6 •
I II m IV
vgl. Plut. Lys. 28 .öp0
T€lXOC.
Hl T^ (pdXcTTT» itapd Tf|V öböv i\j€ npöc tö
FBeasa: zu Xenophons anabasis. 8S5
Was Yon der phalanx gilt, hat man aach von den rdEeic aaxa-
nehmen : 6p0iai rdSeic sind toEcic in reihenformation. auch hierfOr
finden wir einen beleg bei Poljbios XI 22 und 23. Scipio hat sein
heer juCTiUTniböv den Karthagern gegenüber aufgestellt, dem oentrum
befiehlt er in dieser Stellung zu bleiben und den anmarsch gegen den
feind — weiter besagt hier diraTUJinf) nichts — zu beginnen, die
beiden flügel dagegen Iftszt er sich rechts bzw. linksum wenden
(XI 22, 11 ^iTiCTp^cpetv ^TTi böpu). diese werden erst seitwftrts,
dann nach erfolgter hakenschwenkung dpOioi gegen den feind ge-
ftthrt: XI 23, 2 ol fi€v in* dciriba irepiKXdcavTCC toutouc, ol b*
inl böpu irpof^TOV öpOiouc inX touc ttoXc^aiouc und § 3 TrpocdßaX-
Xov TOic K^paciv d^cpoT^poic SjLia toic tOüv uirevavxiwv öpOiaic
tqTc Tujfia'tKaic buvdjiieci xaTd Tf)v Ü dpxf)c TipöOeciv. die einzelnen
TdSeic haben dabei natürlich verschiedene Schwenkungspunkte ; jeder
mann di*eht sich da, wo dies von seinem Vordermann geschehen ist:
§ 4 TOUC ^TTOfi^vouc ^TrntapCjLißdXXovTac im xiiv aurfiv €Ö9€Tav
TOIC flTOUfl^VOlC.
Die reihenaufstellung wird genommen, wenn ein defil6 zu
passieren ist. Poljainos V 16 ^xovTa 6bouc buo crevdc • • 6 TTa)Li-
M^viic öpOiac Tdc rdEeic ßaOüvac Kai iroirjcac tö crpaTÖTicbov
eöoTKOv Kttl TTopeuTiKÖv icxTlfidTicev inX tö bcEiöv übe fvOcv dEujv.
Pammenes trifft anstalten in reihen rechts abzumarschieren, teuscht
aber den gegner und rückt in reihen links ab. dasz ihm dies manöver
bei der reihencolonne leichter gelingt als bei der enomotiencolonne,
liegt auf der band, beim passieren eines engweges bildet öpOiac
ciT€{pac T. Quinctius Flamininus: Plut. Flam. 4 rpixQ vci^ac Tf|V
buvajLiiv auTÖc jiifev elc tö cievuiTaTOV Tiapd tö (SeiOpov öpOiac
dvf\T€ Tdc CTT€(pac. mit öpOiai cneTpai wird hier dieselbe Stellung
bezeichnet wie mit xaTd K^pac Hell. VII 4t, 23 und Arrian II 8, 2.
ebenso wie bei Arrian I 13,. 5 und 14, 5 fluszübergftnge Kard K^pac
ausgeführt werden, überschreiten die Griechen den Eentrites öp9ioic
Xöxotc: Xen. anab. IV 3, 17 Xetpicocpoc touc XoxaTOUc ^K^Xcuev
dt^iv TOUC Xöxouc öpOlouc, TO\ic fifev iv dpiCT€pql, TOUC b* iw beix^
fauToO. Vollbrecht hält dafür dasz hier locale rücksichten, die
geringe breite der fürt, den gänsemarsch notwendig gemacht hätten,
über die breite der fürt sowie über die art des Übergangs , zb. wie
viel lochen gleichzeitig den fiusz überschritten, erfahren wir nichts,
dasz die lochen mann hinter mann marschiert seien , halte ich für
unmöglich, da feinde in der front und im rücken drohten, hätte ein
solcher marsch zu viel zeit in anspruch genommen und die truppen
in einer unmöglichen Stellung dem feinde entgegengeführt, einen
solchen rottenmarsch beim Übergang eines flusses erwähnt Plut.
Lucullus 27 Kai TdSiv ai cncTpai Xafißdvoucai xard Xöxouc irpöc
*Tf)v btdßactv: hier bezeichnet Xöxoc die einzelne rotte, vom zusatze
ÖpOiouc findet sich nichts, ob bei Xenophon die Xöxoi öpOtoi die
volle breite von 8 mann besitzen, lasse ich unentschieden; möglich
wäre ja, dasz vor der reihenbildung eine eindoppelung nach der
826
FReosB: zn XenbphoiiB anabasis.
front nnd eine verringenmg der tiefe stattfand, ab Xenophon mit
der nachhot über den flaaz setssen wollte, griffen ihn die Eardaehen
an. ich nehme an dasz er, um in steter gefeohtsbereitsehaft za sein,
mit seiner abteilung in kehrt marschierte (wie § 29 f|T£tcOon touc
oöpOTOVic). als der angriff erfolgte, hatte er schon die lochen ^ch
in reihen setzen lassen; die naehhut stand also in reihen links gegen
den flusz* dadurch dasz sie gegen den feind front machte (§ 26
crp^qiac npöc roiK. Kapboiixouc) kam sie in reihen rechts sn stehen.
Xenophon gab alsdann den befehl in enomotien links anf^nrnnr-
schieren nnd die zeihenoolonne in eine enomotienoolonne zu Ter-
wandeln: iraprJTTCiXe toic Xoxcrrok Kar' £vu))yiOTiac iroi^acOoi
iKacTov TÖv ^auToO Xöxov, irop* &cn(ba Traporrarövrac tf^v
^vul^OTiav ini q>&XaTTOC. die worte ^irl cpdXoTTOC sollen den
gegensats zu irA K^puic oder dpOioc ansdrOdken und beziehen sic^
nur auf die einzelne enomotie. in der enomotien-, nicht lochen-
colonne (fiCTuiTniböv) trat Xenophon den feinden entgegen; darum
werden neben den lochagen auch besonders die enomotarohen ge-
nannt: Kai ToOc fi^v XoxciToi^c Ka\ to{»c £vu)^OTäpxouc irpöc tuiv
Kapbouxujv Wvou , oöpaToöc bk KaTacnf)cac6at itpdc toO iroTo^oO.
fQr diese Interpretation spricht unzweifelhaft Arrians bemerkung lu
dieser stelle : taktik 6 Hcvoqxliv bk iröcTOV fi^v fi^poc Tou Xöxou f|
ivw\ioria 4cTiv, oö biacaqpet' &n bi fidov TrdvruK: T€ ti^ flM^^^
bnXoi iv ib Xiyex Sri o\ Xoxorrol kot* ^vuifioTiac ^Kacroc diroi^covro
t6v aÖToO Xöxov. auch fOr Xen. anab. in 4, 22 kann ich daher
Köchly-Bttstow und Vollbrecht nicht beipflichten, wenn sie kot'
ivuJfAOTioc auf die Stellung der enomotien neben einander beziehen,
nachdem Xenophon die feinde vertrieben hatte , machte er mit der
naehhut rasch kehrt und überschritt in ^rechts abmarschierter sectLons-
colonne in kehrt' den Eentrites.
EentritoB
12 3 4 6 6
IV III n I
■- e in kehrt
!• • •
ISS
aei{onpj«]||
FReass: zu XeDophons anabasis. 827
Besonders hervorgehoben zu werden verdient diö anwendnng
der Xöxoi 6p6ioi bei erstürmung von anhöben, so vertreibt Xeno-
phon die Earduchen von den bügeln Xöxotc öpOiotc: anab. lY 2, 11
TTpocßdXXouci irpöc töv Xöcpov öpOtoic toTc Xöxoic, cd kukX((i,
dXkä KaTaXmövTCC ficpobov toTc iroXcjLiiotc, ci ßouXotvTO (pcOyeiv.
genau dasselbe manöver führt Ptolemaios bei Arrian anab. IV 25, 2
aus: öpGiouc Troiricac toüc Xöxouc riToXcfiaToc 7rpocflT€V Qircp im-
liaxiWTaTov toO X6<pou dq>aiv€TO, oö irdvni TÖvXöcpovKUKXwcdfic-
voc, äXX' dTToXmiiiv, ei (peuT^iv dO^Xoi€V o\ ßdpßapoi, x^P<xv auTOic
^c Tf)V (pirpiv. ein drittes beispiel findet sich Xen. Eyrup. III 2, 6 ö
KGpoc fJTCiTo öpdiouc Troiiicd|Lievoc touc Xöxouc, vgl. § 5 mit anab.
IV 3, 17. zur erstürmung der feste der Mossynoiken werden Xöxot
dpOioi gebildet: Xen. anab. V 4, 22 6p6iouc touc Xöxouc TroiT]cd-
ficvoi Kai TOUC ßapßdpouc in\ tö cäiuvufiov xaTd TaÖTd Ta£dfi€VOi
^TTopeiiovTO, TOUC ToEÖTttC )Li€Ta£u TÄv Xöxujv ?xovT€c. die lochen
gehen in gleicher höhe mit einander vor und sind gewissermaszen
auseinandergezogen; in die intervalle sind die schützen getreten,
hier kann man die allgemein beliebte Übertragung des modernen
ausdrucks * compagniecolonnen ' gelten lassen, musz aber daran
festhalten, dasz er an vielen andern stellen unrichtig ist und zu
gänzlich irrigen au^assungen verleiten musz. die formation der
compagniecolonnen ist grundsätzlich unsere gefechtsstellung , das
bataillon entwickelt sich nach irgend einer seite hin durch ausein-
anderziehen der vier compagnien zu 6inem oder zwei trefifen. letz-
teres manöver gehört aber durchaus nicht, wie wir gesehen haben,
zum wesen und begriff der Xöxot dpOtoi.
Von compagniecolonnen darf man auch Xen. anab. IV 8, 10 — 19
reden, da auch hier die Xöxoi dpGtot auseinandergezogen werden,
um zur Umgehung der feinde eine breitere front einzunehmen:
§ 12 boKcT öpOiouc TOUC Xöxouc TTOiiicaiLi^vouc tocoOtov xwpiov
KttTttcxcTv biaXiTTÖvTac toTc Xöxoic öcov ßuj toöc dcxdTOuc Xöxouc
T€V^c6ai Toiv TToXcfiiuJV KCpdTUJV (vgl. Polybios XI 23). die Hel-
lenen rücken erst in phalanxstellung an (§9); Xenophon schlägt
darauf die bildung von Xöxoi 6p0iot vor und begründet in verstän-
diger und einsichtsvoller weise seinen verschlag in § 10 — 13 , vgl.
darüber Eöchly-Rüstow s. 165 und Vollbrecht s. 19. ich hebe daraus
die den vorteil der Xöxoi dpOioi besonders betonenden worte her-
vor: § 13 xal €ic T€ TÖ biaXeiTTOV oö ^dibiov fcTai Toic TroXe^ioic
eiceXOeiv fvOcv xai f vOev Xöxujv 6vtujv , biaKÖt|iai t€ oö ß<jibiov
fCTai Xöxov dpOiov TrpociövTa. daneben kommt noch, wie bei
unsern compagniecolonnen, die gröszere beweglichkeit der nicht zur
linie zusammengezogenen, sondern durch intervalle von einander
getrennten Xöxoi 6p0ioi in betracht (§ 12). eine auf Stellung des
XÖXOC zu 8 mann frontbreite und 12 mann tiefe musz hier durchaus
zweckentsprechend erscheinen, hiergegen könnte allerdings § 12
ÖpOiouc dTOVTCC o\ KpdTiCTOi fifiÄv TrpdiTOV irpoclaciv geltend ge-
macht werden, indessen, will man darunter mit Köchlj-Rüstow die
828 FR«aH: zu XenophoDB anabaBiB.
lente des ersten Ivföw der ersten durch eindoppelung der numment
5, 6, 7, 8 uacfa der front verstärkten fviu^oiia verstehen, dann be-
greift m&n nicht, weshalb gerade die nummem 5 als die KpdmCTOl
bezeichnet werden, wBhrend die nommem 1 ja anch bei der an&
stellnng in der phdanx zunächst auf den feind stoszen warden.
die flankenrotte hatte eine exponierte Stellung, auch bei ihr wird
man daher auf die tflcbtigkeit der leate geachtet haben, dies gilt iu
erhehtem masze von der rechten Sänke, deren glieder dem feinde die
vom Schilde nicht gedeckte seite boten, daber beiszt es Xen. v. staat
d. Lak. II, 9 dasz man es fOr keinen schaden halte, wenn nach aos^
fahrung des contremarscbes der f]TCfiiIiv auf dem linken fitlgel stBnde,
da man bei etwaiger überflUgelang in dieser Stellung gegen den feind
gedeckt sei: et T<!ip Tivec KUKXbücSai ^TTixeipoiEV, oük öv Kaiä t&
Tu^vd, dXXd KOTÜTä ibnXicp^va ncpißdXXoiev dv, vgl.Thuk.III23.
V 10 u. 71. Xen. Bell. IV 2, 22. der rechte flOgel der ph&lanx war
der gefShrdetste und gebührte den tepfersten, den Lskedaimosiem.
eetit man dos gleiche ftlr den einzelnen locbos voraus, so finden
obige werte ihre genügende erklfirung.
Auch in anab. T 2, 11 haben KSchly-RDstow formation dar
Xöxoi dp6ioi angenommen; Xenopbons worte bieten indessen für
diese annabme keinen anhält: ^KäeuCE töv Xöxov ^koctov TTOtf^coi
TLbv XoxaTii>v ibc Öv xpÖTiCTa oIiiTai ÖTUJviEk6ai. noch weniger
berechtigung hat dieselbe in anab. III i, 22, wo nach VoUbrecht das
einrücken in die queue des Vierecks X^x^"^ öpdioic erfolgt.
Wie die lochen , werden auch die reiterilen zuweilen in reihen
zam angriff geführt. Alezandros sprengt äp6iaic raic tXaic des
Skythen am Tanais in die flanken : Arrian IV 4, 7 aÜTÖC Tfjv Xo(-
Trf|V titnov fr(wv cnouti^ ^v^ßaXXev öpölaic toTc iXtiic. in der
scblacbt bei ßaza umfassen Ptolemaios und Seleukos auf diese weiae
den flügel des Demetrios: Diod. XIX 63, 3 f. tö M^V TipürTOV in*
äKpuiv TÜJV Kepdtwv iTcno^axia cuv^ctt] tiüv TtpoTeTOTM^vujv
inn^ujv, iv otc no\ii inpoxipovv o\ nepi töv Ärmtitpiov. ^CT'
öXItov bt Tiüv nepl TTToXenatov «al ÖXeuKOV ntpimireucdvTujv
TÖ K^pac KOl ß)ai<5TEpov ^nevexö^VTiuv 6p0aic xoic iXaic usw. viel-
leicht gehflren hierher auch Arrian V 15, 2 t6 inn^wv ciTqKiC oOk
^ni nexiIiTtou, dXXd kot' iXac ^fjßcßXTiKÖc (anders KOcbly-Itnetaw
s. 301 anm. 39) und III 14, 6 o\ bi in\ toC K^pujc Tuiv TTepciIiv
TiepiiTTireücavTSC tö 'AXeSdvbpou eöiüvunov KOiä K^poc loic djiqpl
TTap^viujva ^v^ßaXXov. meine auffassung der Xöxoi dpdioi als
'reihencolonnen' wird auch bestätigt durch Polyainos III 4, 2 il>op-
^iuiv TpidKOVTa vaOc ixuiv . . ^toSe töc Ihiac ^nl niviE xal Tiapä
■rtiv xdEiv Tiüv ivavTiujv aürdc ^Kefvac iipociJTev dp31oic tät-
^aclv und welter iitKjpi^fat t^v dauToü nEVTavatav ^v^ßaXXe.
Ich scbliesze hiermit die aufz&hlung der mir bekannten an-
wendungen der fipOiai Td£Eic. in allen fBllen entscheide ich mich
fUr eine unseren reihencolonnen entsprechende formation. zum be*
griffe der Xdxoi JpSioi gebärt daher keineswegs, dasz sie aneh taa-
FBeuss: zu Xenophons anabaais. 829
«inandergezogen sind und auf gleicher höhe operieren; sie können
ebenso gnt als dpOioi einander auf dem marsche folgen, die dea-
tong derselben als ^compagniecolonnen' trifft znflillig nur anab. IV
2, 11 u. 13. 8, 10—19. V 4, 22 und Arrian IV 25, 2 zu.
3« anab. III 4, 19 — 23. über diese für die erklärung ftuszerst
schwierige stelle handeln EöchlyBüstow ao. s. 187--;89, Vollbrecht
Jahrb. 1856 abt. 11 s. 76 ff., Wahner im programm von Oppeln 1865
und neuerdings BBünger oben s. 713 — 716. obwohl ich die von
Eöchly-Rüstow ausgesprochenen ansichten im wesentlichen als rich-
tig anerkennen musz, glaube ich doch von einer besprechung dieser
stelle nicht absehen zu dürfen, da Bünger zu vielfach abweichen-
den resultaten gekommen ist^ denen ich nicht beistimmen kann,
letzterer will zunächst in § 19 die worte f{ yecpüpac als unecht
beseitigen; dazu liegt meines erachtens kein zwingender grund
vor. die beiden von Xen. angeführten misst&nde sind nicht zwei
scharf gesonderte fälle, die einander ausschlieszen, sondern sie
können recht gut neben einander bestehen und beim passieren einer
brücke zugleich eintreten, die ersten Schwierigkeiten, die durch die
natur des weges bedingt sind (vgl. Bünger s. 713), verschlimmem
sich in dem besondem falle, dasz eine brücke i^ dXXr) Tic bidßacic
(vgl. II 3, 10 diroioCvTO biaßdceic dx q)oiviKU)v) zu überschreiten
ist; dann eilt jeder als erster hinüberzukommen, die Verwirrung
und Unordnung wird in diesem falle noch gröszer. der aufzählung
dieser misstände entsprechen folgerichtig die in § 21 — 23 erwähnten
maszregeln zur Verhütung derselben, was diese betrifft, so stimme
ich Bünger bei, wenn er der — freilich nicht von Köchlj-Rüstow
geteilten — ansieht derjenigen entgegentritt, die in § 21 ött^)li€VOV
ijCT€pot von der Vereinigung der drei elitelochen der töte mit denen
der queue verstehen, aber derselbe einwand, den er gegen diese er-
hebt, läszt sich auch gegen ihn erheben : auch nach seiner erklärung
bleiben die drei elitelochen nicht an der tdte, sondern schieben
sich hinter die übrigen abteilungen derselben, auf s. 715 will
Bünger freilich diese worte vom abbrechen der lochen in sich , vom
auflösen in kleinere teile verstanden wissen ; allein gegen diese auf-
fassung bemerkt er selbst mit vollem recht: 'streng richtig wären
ja diese worte nur, wenn immer die ganzen drei lochen zurück-
geblieben wären.' Köchly-Büstow nehmen an dasz an die stelle des
irXaictov icöirXeupov das TiXatctov iTep6}ir\K€C getreten sei. bei
dem durchmarsch durch ein defil6, besonders bei dem Übergang
über eine brücke musten sich die flanken zu einer mehr oder weniger
breiten marschcolonne zusammenziehen, es galt daher dieselbe wäh-
rend der auflösung des TTXaiciov durch eine stets schlagfertige avant-
nnd arridregarde gegen feindliche angriffe zu sichern, also etwa die-
selben Vorkehrungen zu treffen, welche Xen. anab. VI 5, 9 — 11 vor-
schlägt (Xöxouc cpuXaKac). die 300 mann bleiben immer an der tdte
(KOchlj-Büstow s. 188 figur 80^), 300 immer an der queue (figur
830 PKeuss : zu XeoophonB imabaaia.
SC), weiter besagen auch Xenophons wort« sichte: oGtoi (dh.
Xöxoi, nicbt Xoxa-rof) hi TTopeuÖMEVOt, 6iTäTE ^v cupclinTOt
TÖ K^paTU, ÜT^^^cvav ücTcpoi, ilücTe fxf) ^voxXcTv toTc x^paciv. ar
bat damit nicht ein haltmachen gemeint — denn dann wKre iropEt^
d^EVoi unversttlndlich — sondern will vielmehr sagen: 'diese, weiter
marschierend, machten erst später halt', nemlich als di« K^pOtni}
ücTCpoi ist zeitlich, nicht local zu fassen, daaz auch von der Uttt
das haltmachen gilt, wird keinem befremdlich erscheinen, der selbst
einmal den durchgang einer gröszem truppenabteilung dnrch «m
defile mitgemacht hat und die Zeitdauer kennt, welche derselbe in
ansprucb nimt. selbstverständlicb bezieht sich dieser aoadraok nur
auf die 300 mann der t£te; Xenophon unterlSszt es in erwähnen,
daez die 300 mann der qneue hinter der marschcolonne als arriire-
garde zurOckblieben. damit ßllt aber auch jeder grund die worta
Kai naptitov ££iuÖev tU>v KEpäriuv zu TerdScbtigen fort die 300
mann traten aus der tSte und der queue heraus und marschierten
(napn-fov, vgl. Arrian taktik 30 TiopäTEiv bk önoT^pqi oSv, £iTEit>dv
xä TtXäTict qioßiüfiESo, c. 28 napaTUiTl^) also ^EluBev tüiv KEpÖTuiv,
was nicht blosz den marsch auf den beiden flanken zu beieiohnen
braucht (Polyainos UI 10, 7 von den vier selten gebraucht), niobt
einverstanden bin ich mit der auch von KOckly-BUstow yorgescUi^
geuen erklärang von § 22 kotö Xöxouc, Korä hevttikoctOc und kot'
^VutMOTiac. mit kut' ^vwpoTiac wird nicht die aufstellung der vier
cnomotien neben einander, sondern hinter einander bezeichnet (vgl.
oben 3.826). Xenophons aasdmcksweise gemSsz mnsz KOiä Xäxouc
von der aufstellung der Xdxoi mit voller frontbreite hinter einander
verstanden werden (I 2, 16 kqt' IXac Kai Kaxct Tä£eic, vgl. Arriju
anab. III 15, 2 ic ßä6oc te tdp oto bi] iXoböv tetoth^voi); eben»
wenig kann an eine aufstellung des Xöxoc mann hinter mann bei
Xenophon gedacht werden. KttTÖ X<3xouc beiszt hier also; dw
3 lochen folgten einander, Kaxä nEvtriKOcrOc ■=■ 6 halboompagnien
hinter einander, xar' Ivui^iiac •= 12 secüonen (enomotien) fainter
einander, ich schlage daher eine amstellung der werte KOtd XÖXOUC
und kqt' £vlu^OTiac bei Xen. vor; die veraetinng derselben kann
von einem Abschreiber herrühren, dem die anßasBung der Xöxoi >U
rotten (vgl. Arrian taktik 4) gelttufig war. in § 33 wird dann der
specielle fall eines brückenUbergangs wieder besprochen: er ist
durchaus nicht aaf die ßOO mann zu beziehen, diese nehmen ihre
Stellung vor und hinter den truppen, nnte; ihrem schütze vottiiehea '
dieselben den überg&ng. die aiuselnen abtulungen brechen ab und
marschieren in einer bestimmten ordnnng, fUr deren au frech terbtd-
tung die lochagen zu sorgen haben: OÖK £TapäTTOVto , äX\' iv ttp
^^pEl ol XoxoTol bi^ßaivov ' ud el nou iitn xi xfjc (pdXdTfoc {f^
irgend einem punkte der phi x), jmitapfloav ouroi. diu lochüen
waren sofort zur stelle, i i irffendwo ibre anwesenheit erfoTaiar>
lieh war und die Ordnung i Brt in i ndan drohte.
Auch im gleichMiti i ' am vMlaulit. dÜi^-i
FRensB: zq Xenophons anabasis.
8S1
Seiten Kard Xöxouc , dh. je drei lochen in drei staffeln von je acht
gliedern aufgestellt, das TrXaiciov IcönXeupov ist ein cxfifio rerpd*
Tujvov , dessen CTÖ^a , oäpd und irXeupai gleiche iSnge haben und
bei hopliten von der gleichen anzahl Soldaten gebildet werden:
vgl. Arrian taktik 10 Ka\ TÖ iräv cuvTaTjua tc T€TpdTU)VOV cxf)MO
TaxB^v ic dKKa(b€Ka lx^\ tö jutikoc Kai tö ßdOoc, von der reiterei
dagegen c. 16 al rdp TCiaGrai TdEeic tijj jiiv dpiOfiCj!! iT€pofAif)K€i€
cici, Tifi be cxifjfiaTi ic T6TpäTU)V0v KaOicravTm. Vollbrecht rechnet
daher auf töte und queue je 2464, auf jede flanke 2336 mann, bei
einer aufstellung von acht mann tiefe kommen auf die tdte- und
queueseite 308 mann , auf jede flankenseite 292 -}~ ^ der tdte- -f* ^
der queuetiefe = 308 mann, mit recht fragt hier Wahner (ao. s. 2
anm. 6): *zu was brauchten die Qriechen ein so grosses viereck?'
ich lege dieselbe zahl der hopliten meiner berechnung zu gründe
wie YoUbrecht, also 9600 mann <=> 96 lochen, 12 mann breit und
8 mann tief aufgestellt; ich schliesze mich aber darin Wahner an,
dasz er in figur I seiner abhandlung die flankenseiten als hauptrahmen
der aufstellung annimt. auf die flanken rechne ich daher je 30 lochen,
auf die t^te und queue je 18 , so dasz immer je 3 lochen hinter ein-
ander zu stehen kommen, auf den flankenseiten stehen daher:
10 X 12 >» 120 mann, auf der tdte- bzw. queueseite: 6 X 12
+ 2X3X8 (tiefe der 3 lochen auf den beiden flanken) — 120
mann.
3X8 + 6X12 + 3X8 = 120
o
II
X
o
Auf den mann 3 griechische fusz gerechnet betrug also jede
Seite des Vierecks 360 fusz (110,96 m.), der flächeninhalt desselben
129600 D fusz. die seite des hohlen raumes hatte daher eine länge
von 3 X 72 = 216 fusz, und als flächeninhalt desselben ergeben
sich 46656 D fusz. dieser räum genügte vollkommen zur aufnähme
der leichtbewa&eten und des trosses (vgl. Wahner ao. s. 2 anm. 6).
Wetzlab. Friedrich Beuss.
832 HFlacb: zum fßnfteD boche der Ariitoteliicben politik.
117.
ZUM FÜNFTEN BUCHE DER ABISTOTELISCHBN POLITIK.
DasE uns die Aristotelische politik in einem anß'allend unvoU-
kommenen zustand Überliefert ist, bei welchem Dicht nor gtjae
bUcher fehlen , andere an eine faleche stelle geraten sind , sondern
auch einzelne sStze in sonst gut Überlieferten partien aus dem in-
samiDctibatig gerissen dastehen*, daran kann heute nach den kriti-
schen bemübungen Susemibls und seiner vorgSnger kein verstBiitligier
mehr zweifeln, nur das eine wird noch vielleicht einer künftigen
kritik Überlassen bleiben, nachzaweiBen, auf velcbe weise bisweilen
in den scheinbar vollkommenen und abgerundeten stellen einerseits
das episodenbafte und excursierende , anderseits das misachten einer
schon angedeuteten disposition und abspringen von einer bereife
begonnenen reihenfolge der argumente (man vgl, zb. V 1337* ff.
V 1339'' 13 mit 15 und 1340* 6 ua., oder die Zurückweisung der
naibiä als unterrichtszweck V 1339* 27, der bicrruilll z. 29, und
dai» fehlen der Zurückweisung des naibefa z. 41) oder der fragen eo
stOrend zu tage tritt, wenn ich in den folgenden Zeilen, in denm
ich einige schwierigere stellen des fUnften bncbes bebandeln will,
bin und wieder mit der auffassung Susemibls in widersprach trete,
Bo Koll dies nur zeugnis von meinem bestreben ablegen, deraelben
in jeder beziebung möglichst gerecht zu werden.
1337 '• 1 1 ßcai . . öxPItTOV direpTCtCovTai xö cCüjin tiüv Acu-
O^ptuv f| T^v ifuxfiv f| Tfiv biävoiav. hier bat 3. f\ -rtiv M'wx'iv in
beiden ausgaben eingeklammert und vermutet iasz HiUX^V vielleiobt
eine andere leeart zu biävoiav sei. ich balte die Uberlieferong fBr
ricbtig, da eine scfaHdigung des körpers oder der seele oder des 7dr-
standcK durch die bandwerksmäszigen bescbäftigungen in aussieht
gestellt ist, wobei man vielleicht an die thStigkeit des schneiden
oder scbuätcrs, des fleii>cberB oder feldarbeiters zu denken hat. die
Kidi auf das gemütalebcn beziehende beduutung von ipuxn scheint
durcb 13 10" 5 f. ölW öpfiv et nij (sc. f] (louciKii) Kai Tipöc t6 i\8oc
CuvTElvei KUl Tipöc Tf]V ijiuxtiv gesichert zu sein.
133K» 9 üjcie tpavEp6v öti btl koI trpöc ifiv ^v Tfl bia-
TU)t4 (^XoXiiv )iav6äv£iv ärra xal naibtuecdai. dasz dieser aua-
driiik sebr auffallend ist, unterliegt keinem Zweifel, wenn man einig«
;!L'ilun weiter unten liest Tf|V iv tQ cxo^^ biOTUifriv, und noch
weitt-r TaÜTJiv dp(cTr|V tivoi biOfiUTi^V, oder IV 15 aa. npdc
Tf]v cxoXf|V Kai biafuiTi^v und ähnlichee vergleicht atidermts
ist nicht einzusehen, warum man nicht ebenso gut von einer 'wflr-
digen geistesbefriedigung wKhrend der motu* wie von einer 'mnue
bei würdiger geiateabefnedigtmg' (Bu"miblr 'in hSehatar geiatae-
HFlach : zum fünften buche der Aristoteliachen politik. 833
befriedigung hinzubringende mnsze') sprechen kann, was wohl der
entscheidende grond war, warum S. mit Postgate die stelle uiiTer-
ändert gelassen hat. danach sind die vorgeschlagenen ftndeningen
von Korans, der umgekehrt Tf|V iv tQ cxoXlJ biatuiipiv ('fttr die
höchste geistesbefnedigung innerhalb der musze'), und von Spengel,
der ^v tQ biaTUJT^ streichen will, so einfach, dasz sie doch vielleicht
vor der seltsamen Überlieferung den vorzug verdienen, möglicher
weise ist aber mit der der angeführten unmittelbar folgenden stelle
Tipöc Tf)V dpicTiiv (oder KaXXicTiiv) biaTUJTriv zu lesen, was
gerade hier, wo die notwendigkeit des Unterrichts für diesen zweck
betont wird, am passendsten zu sein scheint, vgl. unmittelbar vorher
6 b' SpicTOc Tf|v dpicTr]v Kalifiv dird tujv KaXXicTUiv.
1338* 15 oub' ibc xp^ci^ov, i&cTiep xä Tp6|Ll^0Ta irpdc XPI-
^QTicjiöv Km irpöc oiKOVOMiav KalirpöcjidOiiciVKai irpöc iroXi-
TiKdc TTpd£€ic TToXXdc. Susemihl übersetzt ^zur erlangung wissen-
schaftlicher bildung', ohne anzugeben, wo sonst fid9r]ac ein solche
bedeutung hat, und ohne zu berücksichtigen, dasz an allen vorher«
gehenden und folgenden stellen ^d8T1ClC nur das relative ^erlernen'
bedeutet (vgl. bes. 1337^ 9. 1338«^ 39 u. 40. 1339«^ 29. 36 u. 38),
oder ^Unterrichtsmethode' oder ^erziehungsgegenstand' (1337^ 22),
hier aber im Zusammenhang nun an etwas concretes gedacht werden
kann. MSchmidts versuch [kqi] irpöc ^Tdc^ )Lia6r)C€ic zu lesen und
nach dem folgenden irapdtoVTCC zu stellen (vgl. auch Susemihl add.
s. LXV) ist zu gekünstelt und deshalb undenkbar, Susemihls ein-
klammerung der Worte in der zweiten ausgäbe überflüssig, es wird
vielmehr irpöc if)V jiaOimoiTiKrjv zu lesen sein: 'für geometrie
und astronomie' (vgl. Nik. ethik II 18), welches wort auch mis-
verstandenes compendium zu ^dOiiciv wurde; wobei man zb. auch
an die gleich darauf bei gelegenheit der zeichenkunst erwähnte thtttig-
keit des baumeisters denken kann, ^schreiben, lesen, rechnen ist
nützlich für gelderwerb, Verwaltung, geometrie und für viele Staats-
geschäfte.'
1338» 37 muszmitrP* geschrieben werden fxi b^ Ktti ÖTi bei
TtüvxpnciMWJV Tivd iraibeOecOai.
1338^ 5 musz Kai irepi Tiu cuj/üia irpöiepov i^ <ir€pl> Tf|v
bidvoiav geschrieben werden. Moerbeka: *et circa corpus prius aut
circa intellectum'.
1338^ 28 dXXd Tiu jiövov |if| irpöc dcKOuviac dcKCiv. wenn
man schon die Stellung von jiiövov ertragen will, musz doch wenig-
stens irpöc jLif) dcKoOvTac geändert werden.
1339* 18 Kai d^a ju^pijivav irauci, ibc <pr/t\y Eupiiribiic ' biö
Kai TaxTGuciv oörfiv Kai xp^^vxai iräci toütoic 6|io(u)c, öirvqi
Kai fi^Or) Kai jugucik^. hier liest Bekker' mit F^W dfia irau€i jji^pi-
jivav und Bekker' mit Göttling Kai dvairaOei ju^piMvav. dann sollte
man aber eher nach der citierten stelle Eur. Bakebai 381 (diroiraCcai
T€ jiepijLivac) erwarten diroirau€i, trotzdem an allen sonstigen stellen
dieser partie der Aristotelische terminus ist dvairaueiv und dvdirau-
Jahrbücher für class. philol. 1883 hft. 12. 54
834 HFlach: zum fünften buche der AriBtoteÜBcben politik.
cic (1339^ lö. 16. 27. 28. 42) oder biavairaueiv (1339^ 30). aber
es scheint bei der Verdorbenheit des folgenden satzes geraten von
einem äjLia (welches auch Moerbeka gelesen hat) dTTofoder &va]-
TTaÜ€i auszugehen, aber &ixa mit Schmidt als verstellt und ursprüng-
lich nach biö xal gehörig zu betrachten (so dasz erst nach der
verätellung die prttp. zu iraOei fortgefallen ist), nur dasz die von
Schmidt restituierten worte biö Kol &^a TdiTOUCiv aM\y allein
noch keinen sinn geben, deshalb mOchte ich aus dem folgenden ent-
weder die Worte iraci toutoic versetzen und schreiben biö Kai 5^a
iräci ToÜTOic TdiTouciv auTf|V xal xp^vrai 6|üioiuic ÖTTVip xal
jLieGij Ktti juouciKq, oder &\xa toutoic TäTTOuci Kai xpu^vrai irficiv
öjioiujc. die vorschlage von Lambin <€lc TÄEiv TaOra T^v> aörfjv,
von Reiz auTf|v <dv iraibi^^ , und Eora6s <dv]> auT^ (vgl. c. 3 m.
f{V Tctp oiovToi biattwT^v clvai tujv dXeuOdpujv, iy xauTij rdr-
Touciv) scheinen mir teils zu umständlich teils weniger verständ-
lich zu sein.
1339* 21 j^ MdXXov olr]T^ov Trpöc dpcTtiv Ti TcCveiv t^v mou-
ciKriv, Obc buvaM^vr]V, KaGdncp f| TW|ivacnKf| tö cdifia irotöv n
TrapacK€\jdZ€i, KalTf|VMouciKf|VTd fjGoc ttoiöv ti Ttoieiv, £9{Zou-
cav buvacOai xo^ipciv öpOd^c. ich würde mit rücksicht auf c. 3 aa.
ixf] jLiövov dcxoXeiv öpOoic dXXd Kai cxoXdZIeiv buvacdat koXiLc
(wo buvacOai zu beiden infinitiven gehört) und auf 1339^ 1 dXX*
oux ^T^pujv dKOuovTac öpOuJc T€ xot(p€iv Kai buvacOai xpivctv
(wo entweder mit Spengel x^ip^iv buvacOai Kai oder vielleicht ein-
facher xotip^iv Kai Kpiveiv buvacOai zu lesen ist) an dem buvacOai
keinen anstosz nehmen, da das buvaM^vr^v viel zu entfernt steht,
um von Aristoteles als Ungeschicklichkeit des ausdrucks empfanden
zu sein, auszerdem aber jeder leser doch zunächst an die Zusammen-
gehörigkeit mit TTOIÖV Ti iroicTv und nicht mit buva|üi^vr)V denkte
durchaus unwahrscheinlich dagegen ist mir die von Susemihl (add.
s. LXV) gebilligte Vermutung Schmidts, dasz dieses buvacOai mit
rticksicbt auf die folgende stelle buvacOai Kpivciv entstanden sei.
wenn man hier überhaupt Moerbeka und der bessern Überlieferang
folgen darf, was mir nicht ausgemacht scheint, so wird es eher eine
Variante oder interlinearerklärung von buvafi^vr]V sein, übrigens
ist mir unbegreiflich , dasz weder Susemihl noch einer der frühem
hgg, an dem zweiten Trjv jLiouciKf)V anstosz genommen hat. dies
scheint mir zweifellos getilgt werden zu müssen.
1339» 25 f\ Trpöc biaTUJirtv ti cujußdXXcTai Kai Trpöc 9pö-
viiciv. Susemihl: 'oder endlich trägt sie etwas bei zur höchsten
geistesbcfriedigung und intellectuellen bildung?' aber abgesehen
davon dasz q)pöviicic so wenig identisch ist mit *intellectaoller bil-
dung' wie oben pdOricic mit 'erlangung wissenschaftlicher bildang',
so wird durch diese unsinnige zuthat der ganze gedankengang zer-
stört, es handelt sich darum, ob die musik nur als scherz oder spiel
zu behandeln sei , oder ob sie eine ethische tendenz habe und aaf
den Charakter der musicierenden eine günstige einwirkung aasfiben
HFlach: zum ixliiften buche der AristoteliBchen politik. 835
könne, oder endlich ob sie *die beste und würdigste ausftülung der
musze' bezwecke, wie passt hier eine *intellectuelle bildung' hinein,
wie kann diese zweck der musik sein, und wo ist in der folge jemals
von dieser 9pövT)cic die rede? denn die natbcia 1339^ 12 bezieht
sich, wie der Zusammenhang verlangt, allein auf die ethische er-
ziehung. damit erledigt sich auch Schneiders Vorschlag irpöc ^T^
biaTUüTlJ. das einfachste scheint nun die letzten worte zu streichen,
wie Döring im Philol. XXVII 704 und Heidenhain wollen (der ganz
unnützer weise an ein glossarisches einschiebsei nach dp€Trjv 1339'
22 denkt, wo es doch auch sinnlos ist), wenn wir jedoch stellen
wie 1339*» 4 ei npöc €ÖriM€plav kqI biaTWTnv und 1339*» 23
cuXÖTUic TTapaXajLxßävouciv auTf)V ibc buva/üi^viiv eiiqppaivetv
ins äuge fassen , so scheint das zweite wort ein ausdruck für glück
oder Seligkeit gewesen zu sein, womit ich nur sagen will, dasz
Spengels conjectur €uq)pocOviiv mir evident zu sein scheint.
1339* 29 dXXä fifjv oubfe biatojirriv t€ naiciv dp^öxTCi Kai
xatc fiXiKiaic ÖTTobibövai xaTc xciauTaic. fttr x€ hat P ' oflfenbar
nach einer conjectur des Chalkondjlas T€. X€, welches Bekker^ ein-
geklammert hat, zu verteidigen wird keinem einfallen, aber ebenso
wenig zu billigen ist Göttlings mit rücksicht auf einen vorausgehen-
den fehler vorgeschlagene ftnderung X€ <^Kal 9pöviiciv^ oder Beiz'
xoic Tiaiciv oder gar Schmidts conjectur dxeXeciv (wegen des fol-
genden oubevi Tdp dxeXet), die Susemihl* seltsamer weise aufgenom-
men hat. es wird zu schreiben sein Ttaici x€ dp|üiöxx€i Kai xaTc . .,
wobei ich bemerke dasz der satz auch sonst eine geschraubte und
schwerlich richtige Stellung der einzelnen Wörter aufweist.
1339* 36 bi' dXXujv auxö TroioOvxuiV fiexaXa/ißdveiv xf^c
f|bovfic Kai <fiv€\j> xfjc |üia6r)C€UiC schreibt Susemihl*. ich
glaube dasz Madvigs KOu xf)c |ia6i^C€U)C aus paläographischen grün-
den den Vorzug verdient. Spengels [xal] ist frostig.
1339*» 5 xi bei MavOdveiv aöxouc, dXX' oiix ^xdpuiv XP*J^-
ji^viüv dTioXaOeiv; Susemihl: ^indem andere sie ausführen.' und
so verlangt man. aber wo steht dies? ich schreibe TTOiOUji^VlüV
nachz. 36 bi' dXXuiV at&xö ttoioüvxujv undz. 37 xoüc auxöxoOxo
Tr€7roiri|i€Vouc fpTOV Kai x^xviiv. XPWiM^viwv scheint aus dem
vorausgehenden xp^icx^ov auxQ entstellt zu sein, und kann allerdings
ertragen werden.
1339*» 12 Kai xi büvaxai xtuv biaTropriO^vxiJüv xpiurv, Tröxepov
Tiaibeiav fj Traibidv fj biatcüTriv. unmittelbar darauf beginnt
Ar. die beantwortung mit f\ X€ fäp iraibid. demnach scheint mit
Victorius erster ausgäbe iraibidv fj Traibeiav geschrieben wer-
den zu müssen, welche reihenfolge auch genau entsprechen würde
der c. 5 aa. vorgetragenen, wobei iraibeia mit dem dortigen irpdc
dpexfjv xe{v€iv und fjOoc ttoiöv xi ttoicTv identisch wäre, nun
könnte man einwenden, dasz auch an jener stelle bei der Widerlegung
der isolierten zwecke des musikalischen Unterrichts die reihenfolge
der fragen nicht eingehalten ist, da auch dort Ar. z. 29 auf die
64*
836 HFlach: zum fünften buche der Ariitoteliaehen politik.
raibiä sofort die biOTurpfj folgen Iftszt, dh. aaf die erste fnge die
dritte, aber die& geschieht doch nar wegen der verwandtsdiaft dieaar
beiden — leicht und oft von den menschen verwechselten and idot-
tlficierten (133^J^ 31) — zwecke, wie sie deshalb anch an nnserer
»teile neben einander behandelt werden, während der ganz heterogow
zweck der ethischen erziehnng erst mit 1340 ^ 6 in der argumentation
an die reihe kommt, der sich doch schlieszlich in der Aristoteliacha
darb teil ung als der wichtigste entpuppt, wfthrend also diese reihoB-
folge in der behan dlung der einzelzwecke naturgemfisz geboten war,
wäre die.'ie an der mitgeteilten stelle absolut unverstftndlich. will
man aUo nicht iraibiäv f) biorfiuirfiv fj naibctov (nach der ordnimg
hei der unmittelbar folgenden behandlung) Terbessem, so mnss maa
w enigbtens die lesart des Victorius aufnehmen.
1339 ^' 29 KQi xpufvrai tqic irmbiaic oux öcov im likioy, äkkä
K ai b lä TT) V fibovr)V. Spengels bi' airrfiv ttjv f)bovriv ist dem ainaa
nach treffend , palftographisch sehr einfach , aber es ist nicht absolat
notwendig, dagegen mu&z Kai mit Spengel gestrichen werden, daa
zweite glied enthält keine Steigerung im vergleich zum ersten, sob-
dem schlieszt es aus.
1339 ^ 38 bi' fiv M^v ouv alriav liy^ovcx t^v eubai^oviav tivc-
cOai bia ToÜTwv tuiv f)bovu)V| rauniv dv Tic eUÖTUJC öiroXdßoi
Tf]v aiTiav* TT€pi bi Tou KOivwveTv TTJc ^ouciicf]c, QU bia Tau-
TrjVMÖvriv, dXXa Kai bid tö xpiicipov elvat irpöc toc dvanaä-
C€ic, uic £oiK€V. Susemihl: ^hierin dürfte man denn also mit recht
die Ursache finden, weshalb die menschen (so oft) in diesen gewöhn-
lichen genUssen ihre glUckseligkeit suchen; was aber den gennai
der musik anlangt, so fühlen sie sich zu ihm nicht nur in folge dieser
teuäcbung hingezogen, bondem anch weil (wie gesagt) dendbe
allem anfecliein nach von wirklichem nutzen für die erholung ist.'
die kritiker haben nur anstosz an der unvollbtändigkeit des zweiten
kaiztü genommen und ihn mit grüszerer oder geringerer unwahr-
bchcinlichkeit ergänzt. Schmidt wollte <q>ai€V &v b€iv^ vor bid tÖ
einlüf/en, Subcmihl <9iXoüav auTrjv) nach ^övriv, oder <9aUv fiv
üTi cpiXouciv a\jir\)// (b. add. s. LXV), während Lambin eine Ittcka
nach dvanaOceic , Korans eine solche nach £oiK€V annahm, neuer»
ding» glaubt aber ßubcmihl, dabz wohl aus dem vorhergehenden satza
2[iiToOciv (aiJTriv) zu ergänzen bei. zunächbt btimme ich darin bei,
dabz in dem satze nichts fehlt, möchte aber bezweifeln, dasz aus dem
voraiiblchcnden relativsatzü das prädicat £t]T0uciv mit dem dabei*
hlehrnden oliject zu ergänzen möglich sei, und dasz irgend ein leser
t'inu hü unerhörte ellipse richtig aufgefaszt haben würde, weit ein-
fuchor ibt dub prädicat des hauptbatzes zu suppliei*en UTToXdßOl dv
TIC sc. ZiireicGai oder fiYCcOai, wobei ich die Vermutung nicht unter-
drücken kann, dasz die dort nach dem vorausgehenden absolut über»
ÜUbHigen Worte Tf)V aiTiav ursprünglich hier nach pövriv gestanden
haben, übrigens bekenne ich offen dasz mir der gedankenfortschritt
im letzten mitgeteilten satze nicht klar iat, und dast ich in diesen
HFlach: zum ffinften buche der AristoieliBchen politiki 837
eine Verderbnis anzunehmen geneigt bin. denn von allen nnscbid-
liehen Vergnügungen, welche die menschen leicht mit dem eiidxwe^
verwechseln , hatte Ar. vorher gesagt oö fiövov dpfidTTCt irpöc xft
T^Xoc dXXd Kai irpöc Tf|V dvdnauctv. was hat also die mnsik
vor diesen voraus? und worin besteht die Steigerung 6t& t6 Jpi^
cifiov cTvm irpöc tqc dvairauceic im gegensatz zu den andern
genüssen? dazu kommt dasz das, was oben mit gewisheit behauptet,
hier mit einschränkung (Obc €otK€) mitgeteilt wird, wobei fireilidi
möglich ist dasz diese worte sich nicht auf den Inhalt des letzten
Satzes beziehen, sondern das elliptisehe btd Ttturrpf iiövnv sc Zitrei*
cOai. ich glaube daher dasz vor xpi^^MOV eine Ificke zu statoierem
ist, in welcher ursprünglich gestanden hat, dasz die musik vorzogs-
weise oder vor den andern genüssen am meisten zur erholung nach
den anstrengungen der arbeit geeignet ist, dh. dasz 6in wori oder
zwei ausgefallen sind, etwa irdvTUiv iidXtCTa, oder dasz XP^^^M^*
TttTOV zu schreiben ist (vgl. Nik. ethik X 1, 4 oö ^övov irpöc TÖ
€ib^vai xpnc^M^TaTOv).
1340» 30 dXX' iv ToTc öpaToic Ap^ixol (qcTjMaTa Top ^cn toi-
aOra, dXX' iji\ ^tKpöv, kqI irdvTCc tt^c toioutiic cdcOrjceuic
KoivuivoOciv* ^Tt bk oäK^CTiTaura 6^old)|LlaTa twv i^Ouiv, dXXd
CTifieia MäXXov rd Twöineva cxr\ViOLTa xal xp^M<^<x Tuhf i)8uiv
usw. EdMüller corrigierte xal <^oö^ Trdvrec, Spengel versetzt dXX*
^ttI fiixpöv nach KOivuiVOOciv, Susemihl* billigt Müllers coigector,
zieht aber Spengels vor, Susemihl* schreibt mit Spengel, corrigiert
aber auszerdem ^TT€ibf| für ^Tt bk (Heidenhain hatte ineX vorge*
schlagen), zunächst verstehe ich nicht, wie Müllers coigectur beiftdl
finden konnte, es kann doch unmöglich von Ar. gesagt sein , dasi
nicht alle menschen an den sichtbaren naohahmungen der Charak-
tere und gefühlsstimmungen teil nehmen können : denn davon dürften
doch nur die blinden auszuschlieszen sein, ebenso wenig verstehe
ich , wenn man allen die teilnähme sichert, warum diese nur in be*
schrttnktem masze dem einzelnen zugestanden wird, da ja die in rede
stehende beschränkung gar nicht auf die art der teilnähme zurück*
fällt , sondern auf den schwachem grad der nachahmung. ich ver-
mute daher dasz xal ^irl fiixpöv zu schreiben und nach l^^a za
stellen sei (^in geringem grade und in geringer zahl'), nachher aber
das dXX' für ^ti bi einzusetzen: ^bei den sichtbaren jedoch gibt es
solche nachahmungen in geringerer art und zahl (denn hierzu ge-
hören die gesten, und alle sind für diesen gefühlsausdruck loging«
lieh), jedoch sind dies keine ^eigentlichen^ nachahmungen (oder
ähnlichkeiten) , sondern vielmehr symbolische zeichen und ftarben
der Charaktere.' wobei ich , wie man sieht, sowohl das überflüssige
erste tujv i^GiXiv (vgl. zu 1339* 21) wie das glossarische Td iivö^€va
cxrijuaTa streiche.
1341» ö 9av€pöv toCvuv öti bei Tf|V ^d01lctv ainf^ fiiVrc
djLiTTobiZeiv TTpöc Tdc öcTcpov TrpdSeic, ixiyit tö cOa^a irotetv
ßdvaucov xai dxP^CTOv irpöc Tdc TroXefiixdc xal TroXiTixdc dcxi^etc,
838 HFlftchi zum fOnften bucbe der ArietoteliBchen politik.
npdc nkv TÄc [xpliceic] flbn. npöc bt idc [Moßi'icctcl
ücTepOV. so Bchreibt Susemihl' nach OSttling, ffShrend Sneemihi*
mit Bojesen ^aÖi^CEic und XPi^CEic umetellt. dagegen glaubte Beü,
daez die IIoXE^lKai dcKticeic die xpf\cac seien, die TToXmKal dagegen
die ^aöf|CEtc , mit ttbnlicher Terkennung des urBprünglichen inhslti
wie Schneider, der äxpncTOV npöc töc Xpil^EtC, npöc TtoXe^lxäc
Kai noXiTiKÜc äcK^ceic i\br\, np6c bk täc ^aÖi^CEic ücTEpov leaan,
und Spengel, der i\bj] und iicTEpov verteuschen wollte, alle erkllrar
haben weder anf die einzige stelle geachtet, nach welcher die unsiigs
verbessert werden musz, noch auf das was in unserm satse gestgt
werden soll, ich schicke voraus, dasz nach Ar. die beschlftignng
mit der musik die kinderklapper ablösen soll (vgl. ISIO*" 29 aCTT|
(jfev oOv icTW dpfiÖTTouca Toic vT]Trioic Tiiv nai&iujv, fi bk natbcCa
nXataTfi tote ^eiZIoci tüjv v^iuv) , Aasz also in jener zeit des nuter-
ricbts von kriegerischen und politischen Übungen gar nicht die rede
sein kann , und dasz demgemSsz gleich der anfong unseres satni
Keigt, dasz es sicfa nur um zukünftige thBtigkeiten haadelt,
welche durch die musik eine schfidigung erleiden kSnnton. eine
trennung von i\br\ und ficTEpov ist demgetnäsz sinnwidrig und kann
nur dem köpfe von glossatoren entsprungen sein, oben aber 1337'' 8
hiesz es ßävaucov b' fpTOV «tvai bfl toOto vo^i^ElV xal T^XV^
TaÜTTiv Kai ^ädriciv, ficai npöc Täc xP^cEic Kai TCtc npdEEic
TÖc ific dpEtf^c äxpncTov diTEpTäZovTai tö cüif^a . . ft Tf^v tifu>
Xr]V f| ti\v biävoiav. mit rUcksicbt darauf sind an unserer steUe im
ersten gliede.TTpä£Eic xpc dpETfic zn verstehen, nicht mit Susemihl*
die spätere (geistige) thtitigkeit, die ja wohl unter den noXiiiKal
TTpö£EiC enthalten sein musz, und es wird wohl XPl'lCElC kqI iipd-
Eeic gelesen werden mOssen ('thStigo ausObung und anwendong
der tugend'), dh. es ist von dem möglichen schaden der t^UXi^ dM
rede, dann folgt der schade fUr tö ciÜMa, womit eigenüioh nor
kriegerische thtitigkeit gemeint sein kann, und fUr Tf|v btdvoiav, der
sich auf staatsmSnnische thtitigkeit bezieht, die aber hier summarisob
unter den körperlichen sch&den vereinigt werden, da ja schlieszlicb
eine geringe entwicklung der verstände sthBtigkeit auch ein körper-
liches leiden genannt werden kann , dCKrjcEiC kann aber nur auf die
kriegerische thtitigkeit und fiaSncEic auf die politische sich
belieben, leb lese demnach: pi^xE ^MirobiZEiv irpäc TÖc ucTepov
XpiicEic Kol npä£Eic, miVte t6 cilifi'^ notciv ßdvaucov Kai fixpih
CTov npöc Tdc noXE^iKäc äcKi^ccic Kai läc noXiTiKdc pa-
Ot^CELC. zu diesen sind zuerst die beiden glossarischen erklirungan
TÖC nk\ fibr], räc bi. ucTEpov getreten durch ein misventBndnii
der ganzen stelle (vermutlich nach c. 4 ae. fifia fifi tQ tc bwvolf
Kat Tip ciüfiari bujnoveiv oö bei), da hier im veigincb in der iwt
des musikalischen onterrichts ittr Ar, beides in der inknnft K
wenn auch nicht gleichzeitig (vgl. u. Srov b' dtt* ^
npöc ToU dXXotc ^aSt^Mact T^vunrnn, ton <
ToTc ndvoic xoi rate dvaTKOVBTfvic l
AGemolli zur erklärung und kritik der Homeriachen g^edichte. IIL 839
^XOfi^viiv f|XiK(av}. erst später ist der schlaszsatz vielleicht durch
ein am rande nachgetragenes wort zu der heutigen gestalt um-
gewandelt worden.
1341 ^ 16 (&CT6 Kai Touc tcxvCtoc toöc npöc oiiTÖv fieXenllfV-
Tac aÖTouc t€ iroioiic Tivac iroiei Kai rd abiiaxa 6t& t&c ki-
vi^C€ic. dasz hier ein fehler verborgen liegt, ist zwisifellos. schon
Aretinus übersetzte ^illius modi', wollte also toioOtouc für troioOc
Tivac. sehr unwahrscheinlich vermutete Lindau tttoiouc (Vogel-
scheuchen) Tivac, welches wort nur Hesjehios kennt. Snsemihl* er^
wartet 90PTIKOUC. ich schreibe ToOc . • ^eXcTiIkVTac £auT(!p£oiKÖ-
xac Tretet.
1341 ^ 30 dKptßoXoTtav dTyobuico|üi€v 21iit€iv toTc ßouXojüi^votc
irap' ^Keivujv, vöv b^ vofiiKuic btdXui/üiev. was soll das heiszen?
'legaliter', wie Moerbeka übersetzt? man könnte sagen, dasz eigent-
lich das gegenteil davon geschieht, da die folgende Untersuchung
nur summarisch ist. auch XoTtKODc, was Korans vermutete, passt
nicht (ebenso wenig tcvtKi£tc, was am rande einer Baseler ausgäbe
steht), nach meiner ansieht ist vOv b^cuvTÖjüiuic biAujjüicv nahe-
liegend.
Tübingen. Hans Flach.
(40.)
ZUR ERKLÄRUNG UND KRITIK DER HOMERISCHEN
GEDICHTE.
HI. ZUR NEUNZAHL.
Oben. 8. 252 anm. 3 hätte wohl noch ein zweites beispiel der
Zahlenspielerei erwtthnt werden können: X 311 heiszt es von Otos
und Ephialtes, sie seien neunjährig^ neun eilen breit und neun
klafter lang gewesen. '
Ferner findet sich eine parallelstelle zu w 60, wo die neun
Musen singen, im hymnos auf den pythischen Apollon v. 1 1 ff. dort
singen die Musen &ixa iräcat d)Li€iß6fi€vai öirl koXQ; es tanzen aber
dazu die Chariten, die Hören, Harmonie, Hebe, Aphrodite dXXi/jXuiV
inX KapTTip X€ipac fxoucat (= C 694). nach KOMttller GLG. I' 37
wären dies zehn götter. er rechnet offenbar vier Hören , was un-
begründet ist : denn bei Homer finden sich weder ihre namen noch
ihre zahlen, diese hat zuerst Hesiodos theog. 902 ff., wo ihrer drei
und gleich darauf (909) auch die drei Chariten erwähnt werden.
es sind also neun tttnzerinnen.
Hieran will ich — ich thue es zögernd — noch einige beispiele
anschlieszen , in welchen die neunzahl nicht ausdrücklich erwähnt
^ auch bei der rinderherde C 578 Bind vier hirten und neun
hnnde.
840 AGemoU: zur erkl&rung und kritik der Homerischen gedieht«. III.
wird, wie yiel kopfbrechens hat doch die anordnong der bilder auf
dem Schilde des Achillens schon gemacht! am meisten beifall
hat bisher die Welckersche anordnung gefunden , obwohl man sich
sagen moste, dasz der dichter mit 6iner ausnähme nicht ein wort über
die läge der bilder zu einander ttuszert. er beginnt 481 oöräp bf
aiyvS^ troiei batbaXa iroXXä ibuigct irpanibecctv. und non zlüüt er
die bilder hinter einander immer mit demselben anfang auf: 482 dv
\iiy faxay i-zevV — 490 dv bk buui iroiiice iröXeic — 641 dv b'
£ti9€i V61&V fiaXaicf|v — 550 £v b* driOet rdfiievoc ßaOuXrjiov —
561 dv b* dxteci CTOcpuXqci — 573 dv b* dr^Xriv Troince — 687 dv
hk vojiöv TTolnce — 590 ivbi xopöv ttoikiXXc — 607 iy b* dTi0€i
uoTOjüiOio — . es sind also im ganzen nenn bilder. die zahl erklärt
sich daraus dasz die rhapsoden doch einen anhält haben musten für
das gedttchtnis, damit nicht etwa ein bild vergessen wnrde. nur von
dem letzten bilde heiszt es dasz der Okeanos &VTUTOt iräp 7rufiäTi)V
cdxeoc irima itoir|TOio gebildet war. also irdp iTU|yidTr)V dvTUTOt,
nicht iv nujütdri;) ävruifi- von diesem rande aber lesen wir v. 480
dasz er dreifach gewesen sei. bei den übrigen bildem Ittszt uns der
dichter volle freiheit ihre läge uns zu denken wie wir wollen, nach
allen älteren kunstwerken, die bis jetzt zu tage gekommen sind;
werden wir uns wohl die bilder in streifen unter einander vor-
zustellen haben, so dasz der dichter zu oberst himmel und erde, za
Unterst den tanzplatz sich denkt doch davon ein ander mal. *
Dasz bei städtebünden gern eine runde zahl genommen
wurde, weisz jeder der mit der alten geschichte vertraut ist. was
wunder daher, wenn im schifiiBkatalog die städte der Phoker, Argeier,
Lakedaimonier, Arkader gerade neun ausmachen?
Schlieszlich will ich noch erwähnen, dasz nach (FaesiO^i*^®
zu r 365 im dritten buche dreimal hintereinander reden von neun
Versen vorkommen (162. 172. 182). indessen ob man daraus auf
ehemalige strophische gliederung der betrefienden partie schlieszeo
darf, bleibe für jetzt unerörtert.
' nur anhangsweise will ich hier erwähnen dasz die ftbentener des
Odysseus gerade zwölf an der zahl sind: 1) Kikonen, 2} Lotopbagen,
8) Kyklop, 4) Aiolos, 6) Laistrygonen, 6) Kirke, 7) Hades, 8) Seireoeo,
9) Flankten, Skylle, Charybdie, 10) rinder dea Helios, 11) Ogyg'i^
12) Phaieken. man kann sich leicht dnrch nachlesen von ^ SXO ff*
überzeugen, dasz der dichter wirklich so gezählt hat.
WoHLAu. Albebt Qkuolu
CJacoby: zu Dionysios von HalikamasOB. 841
(60.)
ZU DIONYSIOS VON HALIKARNA80S.
Die grosze belesenheit des Dionysios von Halikarnasos macht
es erklftrlich , dasz wir in seiner 'Pu)|üiaiKfi äpxoeioXotiot eine grosze
zahl von stellen finden, diu offenbar anklänge an Herodotos, Thnky-
dides, Demosthenes , Sophokles , Euripides und viele andere schrift-
steiler enthalten, derartige nachahmungen und ttbereinstimmangen
sind natürlich schon früher beobachtet worden , und namentlich hat
Cobet in seinen ^observationes criticae et palaeographicae' (Leiden
1877) eine reihe von einschlägigen stellen behandelt: vgl. s. 25 und
267. im allgemeinen bemerke ich dasz ganz besonders die in der
äpxoitoXoTioc enthaltenen reden, auf die ich ein andermal eingehen-
der zu sprechen kommen werde, gelegenheit boten reminiscenzen
aus rednern und dichtem der classischen zeit anzubringen, und selbst-
verständlich hat Dionysios diese gute gelegenheit nicht unbenutzt
vorübergehen lassen, ich denke übrigens nicht irre zu gehen, wenn
ich behaupte dasz er in erster linie diejenigen schriftsteiler im köpfe
hatte und verwertete, die er in den rhetorischen Schriften behandelt
und zum teil in der toiv dpxaiujv xpicic aufzählt, um misverständ-
nisse zu vermeiden , sei gleich hier bemerkt dasz ich , wenn ich von
nachahmung spreche, natürlich nicht meine dasz Dionysios jedesmal
beim niederschreiben diesen oder jenen Schriftsteller vor äugen ge-
habt habe, sondern es so verstehe, dasz er ausdrücke, Wendungen,
bilder und vergleiche, die ihm im gedächtnis geblieben waren, an
passender stelle verwendete, so ist es gekommen dasz wir manche
Wendung zwei; drei und mehrere male antreffen.
V 27 (II 144, 25 E.) und Isokrates Archid. s. 138 \ wie häufig
Dion. lieblingswendungen, die nicht einmal original sind, zu ge*
brauchen pflegt , ersieht man recht deutlich aus folgendem. Mucius
Scaevola gibt V 27 dem senat von seinem unternehmen den könig
Persona zu ermorden kenntnis, indem er unter anderm folgende
Worte spricht: elc tocoOtov bf| Kivbuvov dfiauTÖv KaGidvai fiAXwv
ouK dSiuj XaOeTv äiravTac aiuipnOek iitip ^€T<iXuiV, iäv äpa cujLißQ
MOi bia|üiapT€iv ttjc rreipac, dXX* ^tt\ KaXoic fpxoic |i€T6Xu)v diral-
vu)v TUTX<iv€iv, i£ dbv dvxl toö GvtitoO cuü^axoc dSdvaTOV
iiirdpSei jici kX^oc. dieselben werte läszt ihn Dion. V 29 spre-
chen , als er von den Soldaten des Porsena ergriffen vor diesen ge-
führt wird: ifth 'Pui/üiaioc \xiy eljiii . . ouk dTVOÄv ^ikv ön Kai
KaTopGuücavTi Kai biaMapiövii Tfjc dXTtiboc dTToGaveiv öndpx^i
^01, xapicacGai bfe tt| TCivain^vrj Tf|v d|üiauToO ipux^v irpcaipcij-
H6V0C Kai dvxl TOÖ Gvr]Toö ciüfiaTOC dGdvaTOV böSav
KaTaXiTTcTv. dieselben worte finden wir in der rede des C. Clau-
dius, die er im senat hält; seinem oheim zurufend fordert er ihn
XI 13 (IV 107, 21) auf: dTtöboc Tf|v dpicTCKpariav ifji irorplöi Kai
Tijüidc Xdfißav€ TTapd tujv icuiv Kai V\kov Tutxove irapd tiDv im-
842 GJacoby: zu Dionysios yon HalikarnaBOB.
TiTVO)Li^vujv Kai kX^oc dGAvarov dvxi xoö 6vt|toö ciAfyia-
Toc KaTdXi7T€ ToTc ifföyoxc. endlich kehren dieselben worte
auch in der rede des CamiJlas wieder, mit der er die Soldaten vor
dem kämpfe mit den Galliern anfeuert; dort XIY 9 (IV 204, 28)
lesen wir: ^aicdpiGV m^v S£ovt€C töv dirö TOÖbc xpövov, otc ftv
duT^viiTai TÖV diripav^CTaTOV tQ Traxpibi cT^9avov KCtroTttTciv,
KaXfjv bk Kai dOdvaTov e&KXeiav KaTaX€ii|iovT€C dvrl
ToC 6vT)ToG ciAjüiaToc viiTTioic iraici KaitnP^^io^ TOveOav.
ich füge hier zum vergleiche noch die worte an, welche Maroioi
Coriolanus YIII 40 (lU 151, 23) zu seiner mutter spricht: kqXÖC 6
Kivbuvoc , H) Ou€Toup(a . . kX^oc dp€Tf)c dOdvaTOV ^övotc Tolt
£co|Li^voic KaTaXmeiv. dasz aber die oben angeführten worte sob
Isokrates Archid. s. 138^ stammen, zeigt schlagend folgender ver-
gleich; hier heiszt es: ixr\bk, Tiepi irXeiovoc 9aviJLifi€V irotcujüicvoi t6
lf]y Tou irapd irdciv dvOpiJbiTOic €ÖbOKi|Li€iv £v8u^1l6^VT€C, ön icdX*
Xiöv dcTiv dvxi 9vT]T0ö ciIifiaTOC dOdvaTov böEav dvrir
KaTttXXd^acOai, Kai Miux^c, f^v oux ^Sojiev öXituiv £tuiv, nplaicBm
ToiauTr]v eÖKXeiav, f\ ndvxa töv aitl^va toic ii f|möv T€vo^^-
voic Tiapafievei. zugleich aber bitte ich noch Isokrates Paneg.
s. 56 ^ zu vergleichen : outoc dbÖKCi ttXgCtov dcqMxX^CTaTOV K€icTf)-
c9ai Kai KdXXtcTov, öctic ToiaOTa Tirrxdvoi irparruiv, Ü div aöröc
T€ jLiAXoi jidXicT ' €uboKi^r)c€iv KaiTOtc iraicl |ieTicTT)V 66£av
KaTaXeii|i€iv. dasz jedoch auch bei Isokrates selbst der obig«
gedanke wiederkehrt, zeigen die worte welche er an Philippoi
(Phil. [5] s. 109<^) richtet: dXXd fäp ou irpöc Tdc toijtujv ich^mc
dTToßX^ipac TTOioO|üiai touc Xötouc, dXX' oiöfievoc £k toütujv ^6-
TiCTiiv CGI Kai KaXXicTT|v TCv/jcecOai böEav. IvOufüioO
b' ÖTi TÖ M^v Cfjiixa OviiTÖv &TTavT€C f xo^ev usw. wenn ioh
nun zum schlusz noch erwähne dasz Dion. in seiner schrift trcpi Tuiv
dpxaiujv ^YiTÖpujv UTTOjLiviiMOiTic^Gi (V 8. 546 und 562 Bsk.) die ana
Isokrates zuletzt angeführten worte ausdrücklich hervorhebt, 80
wird an der vorläge nicht zu zweifeln sein.
V 27 (II 144, 23) und Herodotos VUI 100. die von Muciua
Scaüvola gebrauchten und oben angeführten worte UTT^p ^etdXuiv
alujpriOeic haben ihre vorläge offenbar im Herodotos : denn VIII 100
hci&zt es daselbst vonXerxes: Mapbövioc . . ppovTicac npöc £uiutAv
(bc . . oi Kp^ccov etil dvaKivbuveOcai f\ KaTcpTdcacOai Tf|v *€XXdba
f| aifTÖv KaXuiC TcXeuTf^cai töv ßiov ünip ^cydXujv aluipriO^vTa.
übrigens gebraucht Dion. das verbnm aluipeicOai noch an zwei
anderen stellen und zwar in Verbindung mit iiii fiiKpdc ^oirf^c, nem-
lich VIII 52 (III 166, 30) in der an poetischen und redneriachea
reminiscenzen reichen rede der Veturia, welche Dion. dort sagen
läszt: ^v olc Tdp dvOciv ibÖKCic TToXiT€UMaci Kai noXuc £irv€ic
^vavTiou|Li€voc \mi.p rf\c dpicTOKpaTtac toTc bii|üiOTiKOtc, laöt'
^jLioi cpößou MCCTd f)v ^vOuMOUM^vq töv dvOpuiirivov ßiov die dirl
MtKpdc alujpeiTai ^oirfic , und in der rede des Camillns XII 14 (IV
187, 15) Ineij' £v6u^ii6€ic, djc inX piKpfic aluipeiTQi ^OTrf)c f| n&v
CJacoby: zu Diony&ios von Halikarnasos. 843
iivOpuiTTuiv €ubou^ovia xal ß^ßaiov oöb^v biafi^vei tuüv dradt&v.
dasz Dion. diese werte einer vorläge entnahm, glaube ich bestimmt,
wenngleich ich sie nicht nachweisen kann. iiA jiiKpac poitf\c ist ein
häufiger ausdruck, der sich zb. bei Euripides Hipp. 1163 ^IttttÖ-
AuTOC . . b^bopK€ in^VTOi q)üjc dni CMixpäc {ioiif\c und bei Plutarch
Artax. 30 f)v irc\ ^OTrf)c fiiKpäc findet.
V 4 (II 116, 20) und Euripides fr. 796 Ddf. als Tarquinius
aus Rom vertrieben war, schickt er gesandte an den senat, welche
diesen ersuchen sollen dem könige zu verstatten sich zu verteidigen.
€l bi. ^KcivifJ TauTTiv oi) ßouXovrai boCvai Tf|v x<^piv, heiszt es
weiter, ttJc beo/jidviic xmkp auioö nöXeuJc ?V€Ka juerpidcai . . dv-
6pumouc bk övrac \xr\bkv öirfep Tf|v 9ÜCIV Tf|v dvGpwTtiviiv 9po-
V€iv }xr\bi dOavdTouc ^x^^v tqc öpxdc £v Bviitoic cib/üiaciv. zu
diesen werten bemerkt Gebet observ. s. 93 : ^flosculum ex Euripide :
dOdvQTOV öpT^v jifi 9uXacc€ Oviitöc üjv.' leider gibt Cobet nicht
an, aus welchem stücke des Euripides der vers stammt, vergiszt
auch zu erwähnen, dasz Dion. dieselben werte die Veturia zu ihrem
sehne sprechen Iftszt ; Ym 50 (III 164, 32 ß.) nemlich lesen wir : auTOl
Top bf| Trpdrrov ol raOra KaxacTiicd^evoi Kai napaböviec fmiv Geoi
cuTTVii)MOV€C ToTc dvOpuiTTivoic ciciv dfiapTTJfiaci xal eubidXXaKTOi,
Kai iroXXol i\br\ jucTdXa eic auTOUc ^SaMaprövrec euxaic Kai Ouciaic
TÖv xöXov iSiXdcavTO* ei iii]cv, H) MdpKie, d£ioic Tdc fi^v tiXiv
Gcujv dpTdc GvTiTOC elvai , xdc bk tujv dvGpu)TTU)V dOavdTOuc. es
ist Cobet entgangen, dasz Euripides im Philoktetes fr. 796 folgende
verse bietet, die wohl als vorläge für Dion. gelten können :
i&CTiep bk GvTiTÖv Ktti id cd»^ ' f\^wv ((p\) ,
oÖTU) TTpocriKei ixr]bk -rfiv öpfi\y (x^w
dGdvaTov Serie cuiq)pov€Tv dTtCcxaTai.
Dindorf fügt hinzu : Thalaridis epist 24 GviiToOc tdp 6vTac dOd-
VOTOV öpT^v f X^iv, ujc 9aci xivec, oö irpociiKei.* was nun den obigen
vers anbelangt, so findet sich derselbe aus einem ungenannten alten
dichter bei Aristoteles rhet. II 27, 2 angeführt; für öpTnv heiszt es
bei Menandros monost. 4 £x^P<xv. genaueres in Stephani Thesau-
rus I s. 809 u. dGdvaToc.
IX 31 (m 272, 2) und Demosthenes Olynth. I s. 13 (§ 16).
in der Verteidigungsrede, die der consul Servius Servilius von den
tribunen angeklagt h<, gebraucht er IX 31 folgende werte: npo*
XeipöxaTOV ixkv toOt* fx^iv dneiv, 8ti xd iikv ^Triii^äv xoic
T€VojLi^voic irdvu ^(jibiov Kai navxöc dvGpiuTrou, TÖbk, Tiapa*
ßdXXecGai TTpdTjiaci KaXoic x^Xenöv Kai öXiTUiV. ich glaube nicht
irre zu geben , wenn ich behaupte dasz die vorläge hierfür die aus
Demostbenes oben angeführte stelle ist, woselbst dieser sagt: xö
ixkv ouv dnixijLiäv Icujc 9iicai xic öv ^(jibiov Kai iravxdc
€lv a i, xd b' vTikp xujv napövxujv 8 xi bei Ttpdxxciv d7ro9aiv€cGai,
xoOx' elvai cujLißouXou.
III 9 (I 222 , 30). in der rede , welche könig Tullus Hostilius
an Mettius Fufetius hält, um ihm zu beweisen dasz es nicht genüge
844 OJacoby : zu Dionyeios von Halikarnasot.
die gegenwärtigen zwistigkeiten bloez beizulegen , sondern dass ein
dauernder friede zwischen ihnen geschlossen werden müsse, finden
sich III 9 folgende worte. Tic oOv f| ßcßaia toO iroX^füiou KardXucic
^CTai; fragt Tullus, und antwortet darauf im verlauf seiner rede;
€l naOcaiVTC fifev 'AXßavoi cp8ovo0vT€C TwfiaCoic . . Traücaivxo
bi TujMaToi bi' örroiiiiac fxovTCC 'AXßavoöc die imßouXeOovTOC
dei ccpici Ka\ (puXaTTÖjLievot KaGdirep ix0i}ovc * ou f&p dv t^voito
ßeßaiujc 9iXoc tijj micoCvti oubcic. was zuerst die Überlieferung
betrifft, so bietet der Urbinas ߀ßaiu)c, was Sintenis spec. emend.
Dion. 111 und Kiessling auch aufgenommen haben ; man vgl. ttbrigeni
darüber Cobet ao. s. 99. 214 und Garrer ^observationes ad DIonjsii
Hai. antiq. rom.' (Leiden 1877) s. 28. für jLiicoOvTt will Bücheier
dTTiCToCvTi geschrieben wissen , worin ihm Kayser in diesen jahrb.
1863 s. 9 beistimmt, da der Zusammenhang lehre , dasz nicht mit
dem hassenden, Ttjj ^icoCvTi, sondern mit dem mistrauendeni T^^
dTTiCToCvTi, niemand feste freundschaft schlieszen kOnne ; jenes Yor-
stehe sich auch von selbst , sei also als gnome unbrauchbar, ich bin
völlig anderer ansieht. 6inmal heiszt es kurz vorher OÖb^v ToOv
7r€7Tov6ÖT€C öq) ' i\ix6jv oöxe [xe\lo\ oöre fXaTTOv kqköv bid toOto
|üiiC€iT€ fi)Liäc, ÖTi boKoOM€V ä)Li€ivov ÖMuiv TTpdTTetv, ond zweitens
hat Bücheler und mit ihm Kayser wohl vergessen , dasz der gegen*
satz von q)iXoc und ^iccTv echt griechisch ist. ich erinnere an die
bekannteste stelle in Soph. Aias 1134 /üiicoOvt' £)Li(c€t* xal cO toOt*
i^TTicraco und verweise dazu auf die bemerkungen Lobecks, welcher
auf cpiXoOvT' ^(piXouv bei Aristeides I s. 89, auf ^tceiv fiicoOvTac
bei Dion. VIII 32 und auf Piatons gesetze III 697 (nicht 677) <> hin-
weist; beim letzten heiszt es: dvacTdrouc fi^v iröXcic, dvdcrara bi
^Ovr] q)iXia irupl KaTaqpOeipavrec dxOpuic re xal dvTiXeÜLic ^tcoOvrcc
jUiccOvrai. und was lesen wir an der mit recht von Lobeck aog
Dion. angeführten stelle ? Marcius Coriolanus antwortet dem Spre-
cher der römischen gesandtschaft Minucins und fragt : oÖKoCv irpoc*
flK^ ixox TijiäcGai filv öttö toiv €u TTeirovGÖTUiv, /üiicetcGai bi ihrd
TU)V T)biKr]]Li^vujv ; und weiter am Schlüsse von c. 32 KaXrjv T€ böEov
oic€i jioi TTQpd TTdciv dvOptüTroic TvuicGeTca f| iraXifiTTpobocia. Tic
b' [oukJ dv iiiaivic^ii |li€ dKoOcac, 8ti toöc jutv (piXouc Ö9* Oüv
€u Tidcxeiv inoi TtpocflKe TToXeMCouc cöpijüv, toüc b'ixöpoücÖ9'
(Lv ixpnv M€ dTToXuiX^vai (piXouc, dvxl toö hkcTv ixky xd m-
couvia, cpiXeTv bi xd (piXoGvxa, xf|v dvavxiav tviIimt|v
fcxov; ich kehre zu III 9 zurück: dasz die oben angeführten worte
eine gnome sind, hat Kayser erkannt, aber nicht, dasz sie folgenden
vers bilden:
QU Tdp ßcßaiujc dv t^voir ' oubcic «piXoc
jüllCOUVTt.
III 11 (I 227, 23). in demselben gesprSche zwischen kOnig
Tullus und Mettius Fofetins weist der erstere aaf die (ptXavOpumia
hin, die Bom gross gemacht habe, und sehliesit mit den allgemein-
gültigen werten iv kxöt T^p AirXuiv K^hrn tö ti&v iröXcuiv Kpdroc,
CJacoby: zu Dionysios von Halikamasos. 845
ouTTi b' £k TToXXüiv cuijidTiJüV Tiv€Tai. dasz dieae zum teil einem
dichter entnommen sind, ist klar; der vers lautete:
ÖTiXuiv dv kxüi top TÖ Toiv nöXeuiv Kpdroc
KClTat.
Zu I 58 (I 72, 1), woselbst wir in der rede des Aeneas, die er
an Latinus richtet, lesen : U^rai bi ü/üiwv tivö/jicOa Mf| npöc öpirf|v
Ta TTCTTpaTfi^va Xafißäveiv, £v6uMii0^VTac ibc ou cuv ößpei, dXX*
vtt' dvdTKTicTaOTaßiac0^VT€cl7roioO^€v STtavbfccÜTTVuj^ov
TÖ &KoOciov, findet man schon bei Eiessling in der adn. crit. an-
gemerkt : c cirnviiifiTi libri quod correzi ; imitatus enim est Thucj-
didem, cf. Thuc. III 40 Suttvuj^ov b' icri tö dKOuciov.» beiläufig
sei erwähnt dasz in den ausgaben von Sjlburg und Beiske statt
cuTTVUJ|Liov vielmehr cuTTVUüfiilC d^iov steht und dasz mit den
gleichen werten der scholiast des Thukydides das daselbst über-
lieferte SuTTVU^MOV erklärt; des Thuk. worte aber lauten genauer
also: ouK oöv bei irpoOeivai dXTTiba oöt€ XÖTip iricrfiv oöt€ xpn-
paciv dbvTiTriv, Jjc HuTTViIJ^nv djuapTeTv dvGpujTrCvujc Xi^MJOVTai.
ÖKoviec ^fev Tdp ouk fßXaipav, elböiec hk dTreßouXeucav Mtrviw-
pov b* icTX TÖ dKoOciov. Thuk. legt diese worte Kleon in den mund,
der die Athener in längerer rede auffordert sich durch keine rück-
sieht zu einer Umänderung ihres ersten beschlusses in Sachen der
Mytilenaier bewegen zu lassen , da dieselben nicht unfreiwillig die
schuld begangen hätten, da ich nun in den reden beider Schrift-
steller , von den schluszworten abgesehen , eine weitere ähnlichkeit
nicht entdecken kann, so glaube ich auch nicht an eine nachahmung
des Thukydides durch Dionysios , sondern bin vielmehr der ansieht,
dasz die bewusten worte einem dichter entnommen sind und fol-
genden vers gebildet haben : Huttvu)|üiöv ^ct' w _ änav TdKOUCiov.
was femer Thukydides anbelangt, so will es mir scheinen, als ob
auch die vorhergehenden worte aus einem, natürlich demselben,
dichter herstammen und einen zweiten vers: dKOVTec oök ^ßXaipav,
€lbÖT€C b* w - ausmachen, als parallelstellen zu dem in diesen beiden
Versen ausgesprochenen gedanken führen die hgg. mit recht an
Thuk. IV 98, 6 ttSv b' cIköc elvai Ttu TroX^/üiip Kai beivifi Tivi kqt-
€ipTÖM€Vov HiJTTVuJMÖv Ti TWv6c0ai Ktti Trpöc ToO GeoO. Kai tdp
Ttüv dKOuciujv djLiapTiiMdTUJV KaTaq)uif|v elvai touc ßujjüiouc usw.
und Dem. kranzrede s. 274 dbiKcT Tic £ku)V, öpKf|V xal Ti^uipiav
KaTd toOtou. ^HriiLiapT^ Tic äkojv, c\jtTvu»M1V dvTl ttJc Ti/üiiwplac
TOUTiu* ich füge noch Piatons Phaidros 233"^ tuüv ixiv dKOuctuiV
cuTTViüjLHiv f xwiv, TU ht ^Koucia Tr€ipu)|üi€VOC diroTp^TTCiv hinzu.
Ich schliesze hier gleich Dion. VIII 60 (III 165, 1 ff.) an. Ve-
turia führt ihrem söhne Marcius zu gemüte , dasz alle diejenigen,
welche in ihrem übermute das flehen der hilfesuchenden verachten,
durch den zorn der götter ein unglückliches ende nehmen, und fährt
also fort: aviToi ydp bf| TrpüüTOv ol TauTa KaTacTr]cd|üi€VOi Kai napa-
böVTCc fjjLiTv 0€ol c\JTYVU)juov€c ToTc dv6pu)Trivoic clclv d|üiapTri|Liaci
Ka\ eöbidXXaKTOi, Kai ttoXXoI fjbii /üiCTaXa cic aOrouc ^ajiapTÖv-
846 CJacoby: zu DionysioB von HaHkamasoB.
T€C €uxaTc Kai Guciatc töv x^^ov ^SiXdcavTO. za den hier von
Yeturia geäuszerten ansicbten verweise ich auf Piatons gesetse X
c. 13 (905^ ff.), woselbst die frage erörtert wird: fpipe bf| itpöc
0€div auTiIiv, xCva irpÖTrov TrapaiTTjTol t'tvoivt* fiv fmiv, d
TiTVoiVTC aö; vgl. ferner ebd. 906 ^^ toOtov .bf| töv Xötov ävcrr*
KttTov X^T€iv TÖV X^TOVxa, d)c elcl cuTTViÖMOvec del Geol toic tiöv
dvOptüTTUJV äbiKOic xai dbiKoGciv und weiter unten 909* 5coi b"
Sv Gripidibeic T^vwvxai irpöc tiu Geoöc [ixi\] vo|li{2€iv f| djucXcic fi
TrapaiTTiTOuc eTvai , KaTaq)povoOvT€c bfe ti&v dvGp(()7TUJV ^luxcrrui-
TlÖCl }XtV TTOXXOUC TÄV CÜJVTUJV , TOÜC bk TcGvcüJTac q>äCKOVT€C
ipuxoiTUJTcTv Kai Geouc utticxvoOjlicvoi irciGeiv d)C Oudaic t€ kA
euxotic Kai ^iruibaTc YoriTCucvTCC. hierher gehören endlich die verM
des Euripides bei Stobaios ekl. I 3, 40:
c\JTTVif)|iovdc TOI Touc G60UC elvai boKeic,
öiav TIC öpKUi Gdvarov ^Kq)UT€iv G^Xij
fj bccjüiöv f{ ßiaia iroXcfiiujv KaKd,
f\ TTOiclv auG^VTaici Koivujvq böjiiwv;
f^Tfipa GvTiTUJV elciv dcuveTiÜTepoi ,
f\ Td7Ti€iKfl TTpöcGev f|ToOvTai blKIlC.
Bei filtern griechischen dichtem und bei Herodotos finden wir
dun sprichwörtlichen ausdruck KÖpoc TiKT€i fißplV ^überdrusz macht
Übermut', ziemlich gleichlautend heiszt es bei Selon fr. 8 t{kT€1 T^
KÖpoc lißpiv, ÖTav TToXiic 6Xßoc inryiaxj und bei Theognis 168
TiKTei TOI KÖpoc ößpiv, ötov KOKdi 6Xßoc SiTiiTai dvGptbitifi, wo-
gegen bei Pindaros Ol. 13, 10 in den Worten ößptv KÖpou ^ai^pa
GpacÖMuGov und in dem orakel bei Herodotos VIII 77 bia bim)
c߀CC€i KpaT€pdv KÖpov ößpioc ulöv dio umgekehrte Vorstellung,
dasz nemlich der überdrusz (KÖpoc) ein söhn des Übermuts (Ößpic)
sei , zu finden ist. dasz auch Dionysios diese sprichwörtliche aus*
drucksweise, bzw. die genannten stellen gekannt hat, ersieht mui
aus VII 20 (III 27 , 5) c\JV€icf)XG€V &ixa vjb KÖpcp twv diaGuiv f|
Tujv XPn^op^vuJV auToTc ußpic und VI 36 (II 255, 18) biipKic|Lie6a
Tcip ibc 6päT€ Ktti buG nöXeic f x^M^v , t^v ^iv |iiav örrd nevlac tc
Ktti dvdTKTic dpxop^vr]V, Tf|v b* uttö KÖpou kqI ößpcujc. beilftafig
sei übrigens bemerkt, dasz jiiiav meiner ansieht nach als unecht ans
dem texte des Dion. zu entfernen ist, da es dem vorangehenden ^tv
seine entstehung verdankt: denn sonst würde Dion. dem Tf|V fyiiv
piav entsprechend Tf)V b ' ^T^pav gesagt haben wie VII 3 (III 6, 6)
liiqi P^v . . T^ b* ^T^pcji und VII 8 (III 11, 16) pia pfev . . iripa bL
XIX 15 (IV 214, 27) und Horatius carm. II 15, 13. obgleich
ich mir sehr wohl bewust bin dasz die nachfolgende zusammenatelliuig
manchem kühn erscheinen dürfte^ will ich doch nicht damit Eorflck-
halten. dasz Dion. fleiszig die werke der römischen Schriftsteller
gelesen hat, ist bekannt; wftre es also an und fttr sich unnatttrlioh,
wenn sich anklänge an den dichter in seinen Schriften Anden , der
damals hochberühmt und sein Zeitgenosse war, nemlich an Horatiu?
CJacoby : zu Dionysios von Halikamasos. 847
einen solchen anklang glaube ich in der rede des Fabricins gefunden
zu haben, die ihn Dion. bei gelegenheit der bekannten gesandtsohall
an Pyrrhos halten Iftszt. Pyrrhos hat versprochen Fabricins mit
reichtümem zu Überhäufen , wenn er ihm ein günstiges bündnis mit
den Römern auswirken würde; hierauf antwortet Fabricins und
widerlegt die falsche ansieht , die Pyrrhos in bezug auf die armut
des Fabricius und seine Stellung in Born zu haben scheint, dort
finden sich nun folgende worte : ^TraivoOjLiai t€ kqI 2!iiXoC)Liai . . Kai
TTapdbeiTjLia toTc äXXotc eTvai boxA KaXoKaTaOiac, oihiy iK Tf\c
i\xi\c ouciac ek ToOra bairavujv, wcnep oitbk tu)v äXXujv oöbcic.
QU Top ^voxXei Toic ^KdcTou 'ßioic f] ttöXic f| *Pu)|üiaiujv, &C7r€p
Tivk?T€pai, dv alc 6 koivöc jh^v tiXcOtoc öXItoc dcrlv, 6
bi. TUiv ibiuJTUüV TTcXuc. wem fielen beim lesen dieser worte
nicht sofort die bekannten verse des Horatius ein : privattts Ulis (den
Bömem der alten zeit) censtis erat hrevis^ commune magnum — ?
auch im nächstfolgenden finden sich gedanken, die vielleicht anklänge
an stellen des Horatius enthalten : ich denke zb. an ^pist. I 10, 32 f.
fuge magna: licet suh paupere tecto reges et regum vita praecurrere
amicos] femer an epist. I 12, ^K pauper enim non est^ cui rerum
suppetit usus, si ventri hene, si UUeri est pedibusque tuiSy nü divüiae
poterunt regales aädere malus,
YIII 23 (III 128, 1). als die römische gesandtschaft zu Marcius
Coriolanus gekommen ist, hält der Sprecher derselben Minucius eine
rede, in welcher er eingesteht dasz Marcius eine unverdiente be-
handlung vom volk erfahren habe, und fährt also fort: Kai oi)hky
oiöjLiced C€ TTOieTv GaujuacTÖv , el xo^€Tra(v€ic Kai dTCtvaKTcTc ^ttI
TaTc TÜxaic* koivöc fäp bf| ttjc dTTdvTuuv q)üc€iüc oötoc ö vöjioc,
^X^pöv elvai Tui bpdcavTi tö ttcttovOöc KaKdic. der bereits bei den
alten dichtem unendlich oft wiederkehrende gegensatz von bpäv
und TTdcx€iv ist auch hier zum ausdruck gebracht; schon bei Aischy-
los Cho. 313 heiszt es: bpdcavTi naGeiv TpiT^puiV |üi09oc rdbe qpw-
veT, Perser 813 KaKuöc bpdcavT€C oök dXdccova Trdcxouci, fr. 282
bpdcavTi Tdp ti Kai TiaOeiv d9eiX€Tai. vgl. Soph. OT. 1272 oöG'
er fTiacxev oöG' öttoi* fbpa KaKd, OK. 266 dnel id t' ^PT« MOU
7T€ttovG6t ' dcTi jüiäXXov f\ bebpaKÖTa. ganz besonders gehört hierher
die bekannte stelle aus Soph. Aiac AoKpöc fr. 11 ei beiv' ^bpacac^
bcivd Kai TraGeTv C€ bei.
VIII 25 (III 130, 27 ff.), im weitern verlauf der rede läszt
Dion. den Minucius folgenden rat dem Marcius geben: iv ijj lö
büvacGai coi jiidXicTa ündpxei Kai tö GeTov in cuXXajißdvei fiexpi-
dcai Kai TajiiieOecGai Tf|v Tuxnv dvGujüiiiG^VTa, 6ti jueTaßoXdc ix^i
TTdvxa rd TTpdTMaia Kai oubfev in\ tüüv auxoiv 9iX€T biaM^veiv^
V€jLi€colTai T€ Tidvia UTTÖ Getüv id uTrep^xovia, öiav eic dKpov diri-
(paveiac dq)iKTiTai , Kai Tp^Treiai TrdXiv eic tö jurib^v. fidXicra 5%
toGto Trdcxei xd CKXripd kcI jueTdXauxa 9pov/j|iaxa Kai xouc 5pouc
dKßaivovxa xf^c dvGpujTriviic q)0ceujc. indem ich für diesmal davon
absehe eingehender die anschauungen des Dionysios von dem neide
848 CJacoby: zu Dionysios von Tlalikamasos.
(cpOövoc) und der rächenden Vergeltung (v^fiecic) der götter zu be-
handeln, bemerke ich nur im allgemeinen, dasz diese anschanimgeii
sich den bekannten Herodotischen eng anschlieszen. wer die oben
angeführten worte liest, wird sich ohne zweifei sogleich der worte
des Herodotos YII 10 öpqic rd ärrep^xovTa If^a übe K€pauvot 6 Ocöc
o\)bk iq. cpavTdZecOai, Ta bi cjuiKpä ovhiv fiiv Kviltv öp^c bk die
^c oiKriiLiaTa Td fi^Ticra alel Kai b^vbpea rd ToiauTa diiocicifiirr€i
Td ß^Xea ' cpiX^ei Y^p ö 6€Öc Td UTiep^x^VTa TidvTa KoXoOeiv er-
innern, der schlusz des gedankens enthält anklänge an die werte
Kreons Soph. Ant. 473 fif. dXX* Ic6i toi Td ocXrjp' dtciv (ppovifi|yicna
TTITTTCIV jLldXlCTa USW.
VIII 61 (III 177, 27). nachdem Dionjsios das traurige ende
des Marcius Coriolanus geschildert hat, verweilt er noch einige zeit
bei dieser hervorragenden persönlichkeit, um seinen Charakter ge-
nauer zu schildern ; c. 60 zählt er kurz seine tugenden auf, um dann
c. 61 seine fehler und mängel zu besprechen, die ihm zum nnheil
gereichten : es habe seinem Charakter an Sanftmut und frenndlioli-'
keit, an gefäUigkeit, Versöhnlichkeit und mäszigung gefehlt, am
meisten aber habe ihm seine übermäszige und unerbittliche strenge
in allem, was das recht fordert, geschadet; dann heiszt es weiter:
ioxKi T€ dXriOk elvai tö öttö toiv dpxaiu)V X€tÖ|li€vov q)iXocöq)uiv,
öix |li6c6ttit^c üqw, dXX' ouk dKpÖTiiTec a\ tujv t^Gujv dpefal, fid-
XicTQ bk f) biKaiocuvri* ou ydp fiövov dXXeiirouca toO ^erpfou
TT^q)UK€v, dXXd Kai uTrepßdXXouca; auToic t€ ou XucixeXii^c, dXX*
€cTiv ÖT€ aiTia |K€TdXu)v cufiqpopiXiv Kai elc OavdTouc oiKTpouc xal
Xu|Liac dvTiK^CTOuc KaTacTp^qpouca. dasz unter den alten Philo-
sophen, die Dion. im äuge hat, Aristoteles gemeint ist, zeigt ein
blick in die Nikomachische ethik , in welcher er II c. 5 ff. über die
)üi€CÖTnc der tugenden, die UTT€pßoXn und fXXeiipic derselben han«
dclt. ich kann hier selbstverständlich nur auf den Inhalt dieser
capitel im allgemeinen verweisen, nicht einzelne stellen anführen;
was aber die biKaiocuvr] betrifft, die Dion. ganz besonders hervor»
hebt, so verweise ich auf c. 7 ae. TT€pi bk blKaiOCuvilC , ^iTCl oOx
dTiXuic X^T^Tai, |K€Td TaGTa bieXöjKCvoi Tiepi ^KaT^pac £poOfi€V,
ttOüc |U6c6Tr)T^c eiciv und auf das 5e buch, das eingehend iTCp\ bl-
KQiocuviic handelt, dasz Aristoteles fUr Dion. die vorläge war, wird
indirect auch dadurch, wie mir scheint, bestätigt, dasz Dion. ffCpl
cuvOeceujc övojKdTUJV c. 24 sagt: fiecÖTiic bk f) dpcTf) Kai ßiuiv xal
^PYUJV Kai T6XVUIV, u)C "ApiCTOT^Xci boK€i Kai ToTc dXXoic, öcoi kot*
€K6ivTiv Tf)V aVpeciv (piXococpoöciv. freilich darf nicht unerwlhnt
bleiben, dasz uns Stobaios im flor. I 9, 27 (nr. 67 Meineke) folgendea
aus dem Pythagoreer Theages aufbewahrt: d b' dp€Td £SlC tIc Iyxi
TU) b^ovTOc* biöirep xaiäKpÖTac KülfiecÖTac eöB^uic ^vri* äKpöroc
M^v, biÖTi TOI b^ovTOc ^X^iai, pccÖTac b^, öti M€Ta£u xfic äirepßoXfic
Kai Tdc iXXehiiiöc dvriv. ofiruic y&P Kai ^ccötotcc tutx&vovti mA
dKpÖTaTcc * ^ecÖTOTCC ', An ^vtöc tSc äirepßoXfic xal Tdc älXcf-
Miioc niirrovn • ' — .^n^^.-^ q(j^ » dqKnp^aoc
CJacoby: zu DionysioB von HalikarnasoB. 849
b^ovrar oötol xäp ^vtI raOra £t bet aöra fijiiev. endlich sei auch
noch auf Plutarch mor. 444^ hingewiesen.
Ich breche für heute mit diesen nachweisen ab, um noch einige
stellen nach eigner Vermutung zu yerbessem. V 29 (U 147^ 20 ff.)
l&szt Dion. den Mucius Scaevola zu könig Forsena £agen : irpocibUiC
odv ÖTi iToXXoi Kai dyaOol Tf|v ai)vr\v fiioi TÖXfiav ££ouciv iiriGujKia
böEiic , d)v €i Kai Tic }if\ d^eivovi tOxi) XP^^crai Tf\c i^f\c , CKÖirei
TIC fcTai CGI TTpöc fiiiavTac dpKoCca (puXaKti. so lauten die worte
bei Kiessling, welcher nach dem verschlag von Sintenis emend.
Dion. I 21 :^r das hsl. ttberlieferte böSav vielmehr TÖXjiiav und mit
Schnelle Jiv ci Kai Tic }ii\ schreibt, während ABa div ei Kai Tic, Bb
div €i9€ Kai Tic bieten, die stelle ist viel behandelt, die alten aus-
gaben haben nach den schlechtem hss. nur Tf)V auTf|V SSouciv ^tri-
6u^iav h6h\c' für eI Kai wollte Sjlburg cIk^, Beiske schrieb «Lv
fcuic Kai €lc TIC usw. und fügt in den anmerkungen hinzu: «poterat
quoque sie reformari : d)V €i Kai €k Tic ä^€{vovl vixt] xP^ccTai rf\c
i^f\Cf dtröXuiXac» , Sintenis ao. schlug vor d)V elc t^ Tic, Bücheier
div ctc TIC Kai. Cobet (ao. s. 99) , ohne sich um die Überlieferung
zu kümmern und den Sachverhalt genau zu kennen, glaubt dasz
Sintenis die stelle vortrefflich geheilt haben würde , wenn er noch
fif| gestrichen hfitte. aber yir\ steht ja gar nicht in den hss., sondern
ist erst auf Schnelles verschlag von Kiessling in den text gesetzt,
obwohl die änderung von bö£av in TÖX^av durch Sintenis sich
auch den beifall von Eajser (jahrb. 1866 s. 41) erworben hat, kann
ich mich doch mit der vorgeschlagenen heilung nicht einverstanden
erklären, dasz Dion. nicht sagen konnte Tf|V aöriiv jKOi böSav
SSouciv dTriGujLiia böSnc, ist klar; wenn wir nun aberfragen, was
denn die anderen mitverschworenen Jünglinge in ihrer ruhmbegierde
mit Mucius gemeinsam haben, so liegt, wie mir scheint, die antwort
auf der band: die absieht den könig zu ermorden; also musz ein
wort wie 'absieht, plan, vorsatz' das object zu S£ouciv bilden, und
ganz von selbst ergibt sich dasz Dion. Tf|V aÖT/jv jiioi bidvoiav
SSouav geschrieben haben musz. für die richtigkeit meiner Ver-
mutung spricht noch der umstand dasz auch bidvoiav mii b anlautet,
wodurch die verschreibung um so leichter herbeigeführt werden
konnte, femer sei noch erwähnt, dasz derselbe Schreibfehler sich
I 57 (I 70, 19) findet, wo B f\v fcx€ bö?av, A KaG* ^v icxe Xoav
bietet und Beiske unzweifelhaft richtig das böSav oder Xoav in
bidvoiav verbessert hat. was nun den fehler an der zweiten stelle
anbelangt, so halte ich auch hier trotz der vielen vorschlage keinen
für gelimgen, sondern bin der ansieht dasz Dion. «Lv ^KacTOC oder
div €lc ^KacTOC geschrieben hat, so dasz meiner verbessemng nach die
ursprünglichen worte lauteten : Trpo€ibd)C ofiv ÖTi ttoXXoI xal dtaOol
Tf|V auTrjv ^ol bidvoiav Kouciv iTrleu^i<jl b6ir]C, Jiv ?KacT0c djuci*
VOVl TUXq XP^C€Tai TflC dflflC, CKÖTTCl USW.
Bom f heiszt es XV 3 , geriet unter den consuln Quintus Ser-
vilius und C. Marcius Butilus in schlimme gefahr. ein jähr zuvor
Jahrbücher f&r class. philol. 1883 hfU 18. &&
850 CJacoby: zu Dionysios von Halikamasos.
*
hatten die Römer wSbrend des Samniterkrieged , nachdem de die
feinde in drei schlachten besiegt, die tmppen nach Born larfiek-
führen wollen, auf bitten der Campaner dann aber besümmt, dasz
der consul M. Yalerius mit einem t«ile des heeres in Campanien sum
schütze zurückbleiben sollte, da die Campaner, die reich waren und
üppig lebten, sie gut yerpfiegten, so gefiel es ihnen dort so gut, dan
sie den verruchten plan faszten die Campaner aus ihrem besitz zu ver-
treiben und sich des landes zu bemächtigen, sie sprachen aber also zn
einander (IV 211, 4 ff.): Ti bf| Kai öpdcofLiev Ö€iv6v^ ddv Kapirovodc
dKßaXövT€C Tdc dKcivuiv iröXeic KaTacxu^fiev ; outoi tdp oötoI irpö-
T€pOV OUK Ik TOO ßcXTtCTOU KTTlC(i|i€VOl TfjV T^V KaT^q(OV, &XV&
^TnE€VUü0^VT€C TuppnvoTc ToTc KaTOiKoOciv auTTiv usw. überliefert
ist diese erz&hlung in den excerpta trepl dmßouXuJV , die aus dem
codex Escorialensis von CMüller FHO. II s. XXXI ff. veröffentlicht
und von Kiessling ins 15e buch gesetzt worden sind, nngeheilt sind
die Worte ^k toG ßeXTicTOU , wie Kiessling nach eigner vermatqng
für das überlieferte dK toC TT€b(ou schrieb, wofür Feder Ik toO im-
Xaiou, Müller fragend Ik toO Ibiou schrieb, keine der vorgeschlagenen
änderungen befriedigt', weder dem sinne nach noch palftographiach,
wenn auch Eayser jahrb. 1870 s. 727 Ik toO ßeXTicTOU für eine
wesentliche Verbesserung erklttrt ; auch bringen Livius , der Vll 38,
und Appianos, der dK rfic CauviTiKnc c. 1 dieselben Vorgänge kurz
erwähnt, keine hilfe. ich bin der ansieht dasz Dion. OÖK dx ToO
biKaiou KTT^cäiLievoi Tf|V TTIV KOTdcxov geschrieben hat, was dem
sinne nach gut passt und von irebiou nicht weit abliegt, so erhftlt man
auch einen schönen gegensatz zu dem nachfolgenden djCTC cöv biicq
ireicovTai irdv ÖTi &v TräOiüciv auToi. ich verweise femer auf X 32
(IV 50, 7) dK biKaiou KTTicdfievoi , wo Kiessling mit recht dx ToO
b. KT. lesen will; auf X 4 (IV 6, 29) f^v ouK dK ToO biKaiou . . dXd-
ß6T€, X 6 (IV 8 , 29) KQi f| THC KaXoKaTa9(ac böEa ouk dK toö bi-
Kaiou CGI uepiTdTOVCV , XI 17 (IV 113, 4) fitravTa dK toO biKaiou
biaXucare, VII 36 (in 45, 28) dK toö biKaioidrou, XIX 16 (IV
240, 19) Töv dK TOÖ biKaiou ttXoötov, IV 31 (II 46, 31) Tf|V bi
ßaciXeiav . , ouk dK toö biKOiou XaßiJüV; IV 34 (II 51, 4) judpruc hk
Tf\c iK Tou biKaiou . . d£ouciac. dem sinne nach gehört V 31 (11
149, 12) ebenfalls hierher, wo es heiszt: STravTtt öca TapKUVtÖC T€
6 TrpecßuTQToc KaTdXmc koi auTol cuv Tip biKaiuj KTTicd|Li€voi kot-
6CX0V. endlich verweise ich auf Ljsias 19, 9 KivbuvcuOjKCV ircpl
u)V Ol irpÖTOVOi fijLiTv KQTdXmov KTT)cdfi€V0i dK TOÖ biKatou. wie
liiiufig der ausdruck dK TOu biKaiou Wom Standpunkte des rechts
aus' namentlich in Verbindung mit KTdcGai und icrf^cic ist, lehrt die
reihe der von Frohberger zu dieser stelle beigebrachten citate.
XII 1 (IV 172, 7) liest Kiessling wie auch die anderen hgg.
dieser excerpte ol bk narpfKiot raOra itpairovra öpiIiVTCC aM^
UTTOipiac T€ dXdMßavov, wfthrend Dion. stets bi ' äiroMiiac Xa^ß^itvciv
sagt: man vgl. I 24 (I S9, 20). 1 81 (1 108, 20). YDI 69 (HI 190, 9),
ebenso bi' OpTf)c ] Till I (HI 170, 4), bi' cdcxdviK
L-
OTerwelp: zu Hieronymus de virifi illuBtribus [c. 59]. 851
XaMßdvciv vn 46 (III 56, 17). VII 62 (III 79, 32). VII 68 (III 88,
18), bi' €uXa߀iac XaMßdvciv IX 3 (III 228, 10). ganz fthnlich ist
die hftnfige yerbindang von ^x^W mit öid, zb. VIII 57 (III 173, 28)
bi* eövoiac ixeiv.
1 14 (1 17, 28 ff.) ist überliefert bciKVurai bi Tic xal vflcoc, ''Icca
ainiji dvo^a, X(|uivir| nepippuTOC, f^v x^P^c ^pu^aTOc ttoiiitoO kotoi-
Kficai X^TOVTm toic T^X^aci Tf)c \l^vr\c öiröca t€(x€Ci xP^M^voi,
während Eiessling an stelle von öiröca in den text aufgenommen
hat öcaiT€p; fthnlich wollte für das I 58 fl 71, 28) überlieferte
öiröca ßoOXecOe Bücheier vielmehr öiriuc ßouXccGe schreiben, schon
Eajser Jahrb. 1863 s« 4 erklärt i>eide ftnderungen mit recht für un-
nötig; trotzdem sucht BTFBeudler Hirocinia critica in Dion. Hai.
antiq. rom.' (Leiden 1878) s. 14 nachzuweisen, dasz hier wie an
anderen stellen ÖTi &v ßoöXiicOc zu schreiben sei. aus der beob-
achtung jedoch von anderen stellen ergibt sich dasz öiröca faszt
ganz im sinne von öiriuc von Dion. gebraucht wird , so dasz also an
den obigen stellen nichts zu Sndem ist; vgl. I 81 (I 104, 26) Tf)V
b* tv eipKT^ bebcjui^vnv q)uXdTTUJV t& t€ äXXa öiröca becirörric
XPi(l^€VOC bOÖXip.
Danzio. Carl Jaoobt.
(78.)
ZU HIERONYMUS DE VIEIS ILLUBTRIBUS.
c. 59 s. 41 (Herding) Gavus . . in eodem volumine ^stülas quo-
gue PatUi tredeckn ttmtum enumerans quartam decimam, quae fertur
ad Bebraeos^ dicit nan eius esse; sed apud Bomanos usque hodie quasi
Pauli apostoli non habetur, diese der Verbesserung allerdings be-
dürftige stelle will WGemoll oben s. Ö14 dadurch emendieren, dasz
er in dem mit sed beginnenden satze non streicht und Hieronjmus
sagen Iftszt: Gaius erklärt den Hebräerbrief für unecht, dagegen
hält die römische gemeinde ihn bis heute noch für ecbtpaulinisch.
unsers erachtens ist dieser emendationsversuch verfehlt, dasz wie
in der africanischen so auch in der rOmischen kirche der Hebräer-
brief in den ersten Jahrhunderten gar nicht dem.Faulus zugeschrie-
ben wurde , war dem mit den griechischen kirchenschriftstellem so
vertrauten Hieronjmus ohne frage genau bekannt, nun vergleiche
man mit unserer stelle die worte des Eusebios in seiner kirchen-
geschichte VI 20. dort berichtet dieser dasz Gaius in einem dialoge
gegen Proclus nur dreizehn briefe von Paulus erwähne und den
Hebräerbrief nicht mit zu den übrigen zähle, und dann fügt der-
selbe Schriftsteller bei, dieser brief gelte auch noch bis zu seiner zeit
bei manchen Römern (elc beCpo irapd 'Puijuiaiujv Tici) nicht für ein
werk des apostels. nehmen wir noch hinzu die stelle des Hieronj-
mus in seinem cat. script. c. 5 s. 12 e^pistula autem quae fertur ad
66^
852 HGilbert: zu OvidiuB Fasti fUI 497—600].
Uehracos non eins (Pauli) creditur, so werden wir das von GemoU
gestrichene non wohl nicht yermissen wollen, uns scheint obige
stelle dadurch verdorben zu sein, dasz hinter sed das wörtchen ei
ausgefallen ist. fügen wir es ein, so ist der sinn: Gaius hftit den
Hebräerbrief für unecht, aber auch bei den Bömem wird er bis heate
nicht für Paulinisch angesehen, ganz ähnlich ist sed et von Hierony-
mus im caL Script, eccl. c. 15 gebraucht, wo er schreibt: Clemems
scripsit ex persona romanae ecdesiae ad ecdesiam Corinthiorum valde
uiilem e2)istülamy quae mihi videtur diaracteri ^isttUae^ qu4ie sub Pauli
nomine ad Ilehraeos fertur^ convenire; sed et tnültis de eadem epislula
non sölum sensihus sed iuxta verborum quoque ardinem ahditar.
Andeknagu. Gerhard Terwelp.
(45.)
ZU OVIDIUS FASTI.
III 497 ff. wird gelesen:
Bacche, fidem praesta^ nee praefer amoribus \iUam
coniugis. adsuevi semper amare virum.
ceperunt matrem formosi cornua tauri^
r>oo me tua, at hie laudi estj ille pudefidus amor,
so schreiben den letzten vers die neuesten hgg. Biese und Peter, der
lesart von Heinsius folgend, ich glaube die überlieferten worte in
6in distichon zusammenziehen und schreiben zu sollen:
liacche, fidem praesta ^ ncc praefer amoribus uUam
coniugis: hie laudi est^ ille pudendus amor,
natürlich bezieht sich iUe amor nun spcciell auf die liebe des Baccbua
zu der tochter des von ihm besiegten Inderkönigs, und im gegen-
salz zu dieser konnte die liebe zur rechtmäszigen gattin (vorher
(onorihus coniugis) nunmehr nur durch hie (amor) bezeichnet werden.
es sind somit zwei sinnstürende gedanken auszuscheiden, deren erster
mir nur in der von Heinsius gegebenen form coniugis assuctae semper
amarc virum allenfalls erträglich erscheinen könnte, während der
zweite einen durch den Zusammenhang in keiner weise veranlassten,
liöclibt geschmacklosen vergleich enthält, mir wenigstens erscheint
die Zusammenstellung der hörner des Bacchus mit denen des stieres,
der rasii)hae berückte, im munde der Ariadne und an Bacchus ge-
richtet, mindestens unpa^«scnd. aus der spätem hinzuHlgung der
von mir ^a'tilgten worte und dem bestreben das hie laudi est mit
dem nie tua zu verbinden mögen sich nun wohl auch die manigfachen
lesarten der hss. in v. 500 erklären.
Meiszbn. Hans Gilbert«
ThPlüss: Horazische allegori« [carm. I 14]. 863
118.
HORAZISCHE ALLEGORIE.
Ist das Horazische gedieht 0 navis^ referent eine allegorie ? von
den beurteilen! ist eine kleine minderheit gegen allegorie, die grosze
mehrheit für solche/ da die frage für Horazische wie für andere
römische , für griechische und für moderne dichtung bedeutsam ist,
so möchte ich ein paar gründe in die wagschale nichtallegorischer
deutung legen.
Man sagt , unter dem bilde des Schiffes sei der römische staat
dargestellt, nun aber erscheinen wieder die einzelnen teile des
Schiffes unter dem bilde der teile eines menschlichen wesens: der
mastbaum ist verwundet wie ein menschliches körperglied, mast
und rahen ächzen, lassen einen klagenden laut vernehmen, wie er
aus der gepressten brüst eines menschen kommt, und der vordere
teil des schiffes ist nackt und blosz oder wehrlos und schutzlos
wie die brüst eines kämpfenden menschen, das sind einzelne aus-
drücke; durch das ganze gedieht aber geht die Vorstellung einer
geistigen persönlichkeit: das schiff wird angeredet wie ein hören-
des und vernünftig verstehendes wesen , es sieht und es erkennt , es
hat den freien willen zu suchen oder zu meiden und freie thatkraft,
es zeigt stolz, es hat vielleicht eine schuld gegenüber dem Schicksal,
es ruft zu den göttern. also erstens wird der staat unter dem bilde
eines schiffes dargestellt, eine moralische menschengemeinschaft
wird ein nichtmoralisches ding; aber zweitens wird das schiff wieder
unter dem bilde ;piner einzelnen person dargestellt, das nichtmora-
lische ding wird eine sittliche persönlichkeit, es gibt ja genug alle-
gorische personificationen : da wird ein nichtpersönliches wirk-
liches ding eben durch die allegorie zur persönlichkeit erhoben,
hier dagegen wird etwas allegorisch nichtpersönliches durch
allegorie in der allegorie persönlich gemacht. Uhland zb. stellt die
genossenschaft der schwäbischen naturdichter unter dem bilde eines
apfelbaums dar , den apfelbaum aber wieder unter dem bilde eines
guten Wirtes — das wäre eine allegorie zweiten grades wie die Hora-
zische, wenn sie überhaupt möglich wäre.
Das schiff ist der römische staat. gut, was sind dann mast,
Segelstangen und taue des schiffes? denn vorausgesetzt, der hörer
habe in den ersten Zeilen des gedichtes die allegorie verstanden, also
im bilde des schiffes den staat, im bilde der fluten bürgerliche un-
* für allegorie sind Qulntilianus VIII 6, 44 und die scholiasten des
Horatios; von den neuem, soweit ich sie vergleichen konnte, Peerl-
kamp, Fürstenau, Franke, Lübker, Dillenburger, Düntzer, Schtits, Keller,
Kayser, I^auck, Orelii-Hirschfelder, LMüller; Kraffert verwirft jahrb.
1888 II abt. 8. 15 f. das Staatsschiff, erklärt aber aach allegorisch,
gegen allegorie ist nach Muretus und Fabers Vorgang Bentlej; nicht
ganz entschieden Rosenberg 'die lyrik des Horaz* s. 169 vgl. s. 98.
854 ThPlüBB: Horaziscfae allegorie [carm, I 14].
ruhen, im bilde des hafens frieden und eintracht erkannt, dann sieht
er eben notwendig den bord des staatsschififes ohne rüder, also
so zu sagen ohne staatsruder, ohne die mittel sich auf dem meere
der politik selber zu bewegen und zu lenken ; er sieht den mast des
Staats Schiffes halbgebrochen, also — ja, was ist der mast des
staatsschiffes ? was sieht der hörer also am staatsschiff? vorhin, bei
schiff, flut, hafen gieng die deutung noch leidlich von statten: die
mctaphem waren der phantasie sonst schon geläufig oder doch eine
aus der andern für die einbildungskraft leicht zu bilden und für den
verstand leicht zu deuten, bei bord und rudern konnte der verstand
noch nachkommen, wenn die einbildungskraft nicht zu lebhaft
tbäiig war; ähnlich würde es nachher etwa noch beim kielboden und
bei den segeln gehen, aber mast, segelstangen , taue — welche be*
standteile des Staatswesens pflegt etwa die phantasie in der gestalt
dieser dinge zu sehen ? und was soll da der ratende , rfttsellösende
verstand in der eile — und etwas eile ist bei der auffassung dichteri-
schen Vortrags nötig — raten und rätseln? man vergleiche doch
einmal die nahverwandte darstellung des Theognis v. 667 ff.: da
kann man jeden bildlichen ausdruck in den unbildlichen augenblick-
lich zurückübertragen, wie bei jeder guten metapher, und dabei
sagt der dichter doch noch , er habe in rätseln geredet I Horatioa
redet aber wirklich in unlösbaren rätseln, wenn er allegorisch redet
Man müsse in unserm gedieht die allegorie nicht bis in die
einzclheiten verfolgen wollen, sagt man. damit sagt man, es sei eine
schlechte allegorie oder gar keine, verwechseln etwa unsere ansleger
allegorie und gleichnis? allerdings, bei dem herlichen gleichnis vom
müdegearbeiteten und hungrigen pflüger, das bei Homer durch die
mächtige Vorstellung hervorgerufen wird, welche der dichter von
dem unruhvollen drang des Odysseus nach der heimfahrt hat — da
hat kein hörer das bcdürfnis alle einzelnen züge des gleichnisses
etwa als Sinnbilder einzelner dinge und Vorgänge in der erzShlung
von Odysseus zu verstehen, warum nicht? weil dem hörer auch
nicht zugemutet ist, dabz der ackersmann im groszen und ganzen
Odyssscus sei und die heimkehr des pflügers zur abendmahlzeit eigent-
lich die heimkehr des holden nach Ithake. dagegen denke man sich,
es hieszc bei Uomer: 'Odysseus sasz beim abscbieds mahle in der
halle des Alkinoos, und der sänger Demodokos spielte und sang ihm
zu ehren, aber der pflüger wandte oft das haupt zur sonne:
denn er sehnte sich nach der abendmahlzeit. den ganzen tag
haften ihm durchs ncubruchland die zwei rotbraunen
r i n (1 ü r den pflüg gezogen.' hier würde der pflüger eben niemand
anders als Odysseus sein, und die heimkehr zur abendmahlzeit nichts
anderes als die heimfahrt nach Ithake; also es wäre eine allegorie.
dann freilich würde unweigerlich auch alles folgende allegorisch sein,
und der hörer müste sich anstrengen zu erraten, was das neubrueb-
land bedeute, was die zwei rotbraunen rinder seien usw. mit der-
selben notwendigkeit musz ein richtiger hörer bei Horatius verstehen
ThPlOBs: Horazische allegorie [oarm. I 14]. 855
wollen, was der mast und was dessen Verwendung bedeute, was
beim staatsschifif die taue seien, mit denen dasselbe auf ofifener see
den geboten des wellendrangs trotzen könne usw., vorausgesetzt,
der hörer habe die eingangszeilen des gedichtes auf das staatsschiff
bezogen und sei somit allegorisch angeregt.
Dies vorausgesetzt — aber mit welchem rechte können wir das
voraussetzen? in dem vorhin gebildeten beispiel könnte allerdings
der pflüger gleich von vom herein eben nur Odysseus sein, weil eben
nur von Odysseus erzählt werden sollte und müste. ebenso weisz
bei Theognis ao. jeder beim ersten wort von der Seefahrt, dasz diese
allegorisch sei und den lauf der bürgerlichen bewegungen darstelle :
denn in den versen vorher und noch im hauptsatze der allegorischen
periode ist von den politischen dingen die rede, bei Horatius lautet
das erste wort eines selbständigen gedichtes: ^o schifif! ' woher weisz
da der hörer, meinetwegen des Horatius allernächster freund, dasz
das schiff der staat sei? blosz zehn nummern weiter zurück steht bei
Hör. ein gedieht das anfängt: ^so wahr dich die himmlische herrin
von Eypros lenken soll, mein schifif — '. dort sollen leser oder
hörer unter schifif eben ein schifif verstehen: ebenso gut können sie
das auch hier, aber auch angenommen, es habe zur zeit, wo unser
gedieht gedichtet und vorgetragen wurde, gerade in der luft ge-
legen, solche Worte wie schifif und Seefahrt allegorisch, also meta-
phorisch zu verstehen — um so geföhrlicher! denn da gerade Hora-
tius die metaphem schifif und Seefahrt öfter von ganz andern dingen
als vom staatsieben gebraucht (Krafifert ao. s. 15), so könnte der eine
hörer dies, der andere das, ja ein und derselbe hörer nach einander
verschiedenes verstehen, das würde aber die allegorie zum rätsei
und zwar zum gemeinen vexierrätsel machen; ein gutes rätsei kann
doch schlieszlich immer nur einen einzigen sinn haben, zur ein-
heit der allegorischen form gehört es , dasz durch einen Zusammen-
hang mit vorausgehenden nichtbildlichen gedanken oder aber durch
ausdrückliche nennung des nichtbildlichen dinges gleich zu anfang
die bezüge der allegorie gegeben seien, wie sie in der ersten art bei
Theognis in der schon erwähnten allegorie vom staatsschifif, in der
andern weise etwa in Geibels ^der schnellste reiter ist der tod' ge-
geben sind ; sonst bekommen wir eine wüste mischung mit rätsel-
formen.
Man könnte einwerfen : das Horazische gedieht habe in der that
•ein allegorisch - lyrisches rätsei sein sollen und sei durch die um-
stände bei seiner entstehung und veröfifentlichung ursprünglich wohl
lösbar und zu lyrischer Wirkung geeignet gewesen, ein rätsei in dem
sinne, in welchem zb. Körner das Scbillersche ^mädchen aus der
fremde' ein liebliches rätsei nenne, aber solche rätsei lyrischer art
pflegen auf die erkenntnis ihres sinnes schon dadurch vorzubereiten,
dasz sie gleich anfangs durch andeutung des rätselhaften oder ge-
heimnisvollen eine sinnende Stimmung anregen oder geradezu zum
sinnen und zum deuten auffordern : von jener art ist Schillers 'ein
856 ThPlüBs: Horazische allegorie [carm. I U].
mädchen schön und wunderbar', wenn das ganze gedieht überhaupt
als allegorisches rStsel zu nehmen ist; von der zweiten art ist zb.
Schwabs ^nenne mir die stille stadt'. sodann bringen wie andere
allegorien , so auch allegorische rätsei nur solche züge des bildea,
welche sich schlieszlich alle einzebi ins nichtbildliche übertragen
lassen: man mache nur die probe an den beiden eben genannten
gedieh ten. und endlich bringen allegorische rätsei wie die genannten
die zUge ihres bildes in einer ruhigen, anschaulich geordneten, ver-
ständig betrachtenden, beschreibenden oder erzählenden darstellung:
so kann beim hörer die phantasie zug um zug das bild ausgestalten
und zugleich der sinnende verstand ohne unruhe und Verwirrung zu
immer deutlicherer erkenntnis fortschreiten, alle diese drei merk»
male eines allegorischen rätseis fehlen dem Horazischen gedieht: es
fehlt eräteuB jede andeutung eines andern sinnes als des wörtlicheni
jede anregung zum sinnen und deuten; sodann wollen mast, Btangen«
taue , verzierter hinterbord sich nicht raten und enträtseln lassen ;
und endlich ist die darstellung so lebhaft lyrisch und dramatisch,
dasz der hörer keine zeit hat zu sinnen und, statt schrittweise vom ge-
heimnisvollen dunkel zur ahnungsvollen dämmerung und von dieser
zum vollen tage der erkenntnis weiter zu wandeln, vielmehr
immer mächtiger zu lebhaft lyrischer teilnähme, zur empfind ung
angeregt und in die dramatische Situation des kämpfenden Schiffes
als in eine wirkliche, das heiszt nichtallegorische hineingezogen wird.
Können denn aber überhaupt die zwecke einer allegorie, von
denen man bei unserem gedieht redet, erreicht werden, wenn auf
die bisher besprochene weise alle formen der allegorie fehlen? es
sei, sagt man, der zweck der allegorie auch in unserm falle, das
weniger anschauliche zu veranschaulichen, wenn nun, wie zuletzt
erörtert worden ist, die lebhaft dramatische darstellung mich au der
Situation des Schiffes, ganz als wäre dies die poetisch wirkliche
Situation, stark und immer stärker teil nehmen läszt, kann mir da-
durch die Situation des Staates anschaulich werden? wenn meine
e m p f i n d u n g für das s c h i f f immer stärker erregt wird, kann meine
anschauung des Staates lebendiger werden? und wenn ich mir
immer wieder zum bewustsein bringen soll, dasz dieses schiff kein
schiti' sei, und ich plötzlich die teilnähme, die ich für das kämpfende
scbiif fühle, wieder dem gefährdeten staat zuwenden soll, kann die
Wirkung auf mich eine einheitliche, ernsthafte sein? nein,
im besten fall eine durch Widerspruch erheiternde, gerade wie bei
jenen allegorischen darstellungen der bildenden kunst, in welchen
die dramatische bewegung stärker ist, als sich mit dem ästhetischen
wesen und wirken allegorischer Vorgänge verträgt (vgl. BlUmner
Laokoonstudien I 47 ff.).
Vielleicht dient unsere allegorie der charakteristischen deutlich-
keit V metaphem sollen uns ja besser und rascher eine bestimmte
Vorstellung von der besondem art des eigentlichen dinges geben,
als es irgend ein direct darstellender eigentlicher ausdruck kann.
\
ThPlüBs: Horazische allegorie [carm. I 14]. 857
80 könnte zb. die ganze ausführung von bord, rudern, mast, Btangeu
usw. uns die allgemeine Vorstellung von dem elenden zustande und
der augenblicklichen gefahr des Staatsschiffes charakteristisch deut-
lich machen, ganz recht ! wenn wir yon vom herein wüsten , dasz
überhaupt das staatsschiff gemeint sei, so könnten wir auch von der
besondern beschaffenheit oder läge des staatsschiffes irgendwie
eine deutliche Vorstellung uns geben lassen , und wenn vorher ge*
sagt wftre, der staat befinde sich in einem elenden zustande der
wehrlosigkeit und drohender geföhrdung, so wie ein schiff, das
nach einem ersten stürme gefahr laufe einem zweiten anheimzufallen :
dann könnte gerade die einzeldarstellung der wehrlosigkeit des
scbiäes uns eine charakteristisch deutliche Vorstellung von der läge
des Staates geben, dann hätten wir eine zweckmftszige allegorie oder
aber ein zweckmftsziges gleichnis; so aber haben wir eine zweck-
widrigkeit in schönen versen.
Oder unsere allegorie dient durch anschaulichkeit (und anschau-
lich ist ja an sich das schiff und seine läge) mehr dem zweck des
Bchönheitsgefühls als dem der charakteristischen deutlichkeit? als
schön erscheint die darstellung des Horatius: denn sie scheint in
jeder beziehung rhythmisch bewegt und zieht uns unwillkürlich in
ihre ebenmäszig gegliederte bewegung hinein, aber wie können wir
uns dieser rhythmischen bewegung, dem schönheitsgefühl hingeben, .
wenn wir bei allegorischer deutung unsem ratenden verstand
hier so stark anstrengen müssen und zwischen unmittelbarem gefühl
und verstandesm&szigem urteil so elend unregelmSszig hin und her
geschleudert werden?
Aber.von formen und zwecken der allegorie abgesehen — das
gedieht des Alkaios dcuv^Timt t&v &yi}iwv CTdciV- nötigt uns die
allegorie bei Horatius anzunehmen. Hör. ^at den Alkaios nach-
geahmt oder übersetzt; des Alkaios gedieht ist allegorie; folglich — 1
nun, dasz unser gedieht nachahmung oder Übersetzung sei, ist ebenso
ungenau beobachtet und voreilig behauptet wie beim Horazischen
Vides ut äUa (s. Horazstudien s. 44 ff.), die Situation des sprechen-
den und sein empfindungsverhftltnis zum schiffe, die form und der
ton der darstellung, die augenblickliche läge des Schiffes — also
alles worauf es am ende ankommt, ist völlig verschieden bei den
zwei dichtem, dasz femer das All^ische gedieht allegorie sei , ist
zwar die meinung des sogenannten Herakleides Pontikos in den
Homerischen allegorien, hat aber dadurch eben so viel oder so wenig
gewfthr wie die umdeutung eines Homerischen mythos von dem nem-
lichen gewfthrsmann ; nur unsere zeitgemäsze liebhaberei für histo-
risierende auslegung hegt und pflegt heutzutage noch solche irrtümer
jener alten allegorisierenden ausleger. demnach ist unser gedieht
keine nachahmung des Alkaios; das gedieht des Alkaios ist schwer»
lieh allegorie; folglich braucht um Alkaios willen Horatius nicht
allegorisch zu sein.
Aber Quintilianus sagt, das Horazische gedieht sei allegorisch«
858 ThPlüss: Horazische allegorie [camu I 14].
ich bezweifle nicht dasz es ihm und vielen Zeitgenossen allegorisch
war. gewis bestand eine Überlieferung, dasz der dichter durch zu-
stände oder ereignisse im römischen Staate, durch drohende bttrger-
kriege zu diesem gedichte den anstosz bekommen habe , und diese
Überlieferung bestand gewis zu recht, wenn nun Quintilianus aoa
derselben nichts anderes zu machen wüste als dasz das 8chi£F den
Staat, die wogen den bürgerkrieg und der hafen die eintracht be-
deute, so war ihm eben das gedieht nichts als eine allegorie« ao
werden ja viele schöne dichtungen der deutschen litteratur von hoch-
gelehrten auslegem allegorisch erklärt, weil sie diesen nichts
besseres sind und weil irgendwo die 'historische' nachricht yon
Wirklichen' Verhältnissen, die der dichtung zu gründe liegen, aaf*
gestöbert worden ist.
Gut ! formen und zwecke sind nicht die üblichen der allegorie,
Alkaios und Quintilianus nötigen uns nicht zu allegorischer auf-
fassung; aber, sagt man, die lyrische art des Horatius selber zwingt
uns hinter dem wortsinn einen andern sinn zu suchen: denn ein
schiff mit geknickten rudern, zerfetzten segeln usw. ist für sich kein
gegenständ Horazischer lyrik. — Ist etwa eine quelle mit reinem,
kaltem wasser, das dem pflugvieh gut den durst löscht, ein fels-
abhang über den das wasser hinunterläuft, nebst einem grünen bäum
der schatten gibt — ist das etwa für sich Horazischer lyrik würdig?
und doch scheint uns das gedieht auf die Bandusiaquelle gut Hora-
ziscb, und noch heutzutage ist die Horazische Bandusia tauaenden
von menschen, denen die historische, wirkliche Bandusia Yoll-
stäudig gleichgültig ist, einer empiindung wohl wert warum? weil
Hör. nicht eine historische einzelne quelle mit zufölligen eigen-
Schäften für sich dargestellt hat. er hat vielmehr in seiner Ban-
dusia das schöne allgemein- oder idealbild einer art idyllischer, länd-
lich-friedlicher quellenscenerie gezeichnet ; diese Zeichnung wiederum
ist ihm nicht zweck, sondern mittel gewesen: zweck ist dem lyriker
die schöne darstellung eines gemüts Verhältnisses, eines Stückes ans
dem cmpfindungsleben, wie es vom dichter und vom gleichgestimm-
ten hörer gelebt wird; da nun aber dichter und hörer nicht zu
einem realen, einzelnen ding, etwa einer quellenscenerie als solcher,
in einem poetischen gemütsverhältnis stehen, sondern wieder zu dem
allgemeinen , idealen empfindungsgehalt des dinges oder Vorgangs,
so bat Hör. denjenigen allgemeinen, idealen empfindungsgehalt zum
ausdruck und zur Wirkung gebracht, welchen eine idyllische soenerie
für ihn und seine zeit hatte und ähnlich noch für uns hat. den dich-
ter verlangt immer wieder nach äuszerer und innerer ruhe , die Un-
ruhe und aufregung des Stadt- und hoflebens ist er immer wieder
müde ; das ländliche leben hat für ihn und seine genossen einen reiz
und ist ihnen durch sitte und erfahrung interessant; besonders wohl-
tliuend wirkt auf ihn immer der anblick der Bandusiaquelle, nnd sie
wird fUr seine cinbildung^kraft und sein gemüt ein Inbegriff der
ruhe, des äuszern und des innern friedens, und sein gefUhl des ver-
ThPlflsa: HoraziBche allegorie [corm. I 14]. 859
langens nach diesem frieden drttckt sich ihm in der form aus ^ dasz
«r insbesondere sein gemütsverh<nis zu dieser einzehien l&ndliohen
scenerie darstellt, also der Ijriker stellt überhaupt nicht dinge, Vor-
gänge für sich dar, und Horatius hat auch nicht das schifif oder den
Vorgang mit dem schifife für sich dargestellt, der dichter zeichnet
vielmehr hier ein bild, welches Idealbild einer ganzen menge von ein-
zelnen, wirklichen, unter sich verschiedenen vorgingen ist, die der
dichter beobachtet hat und die seine hOrer und leser immer wieder
beobachten kOnnen, das bild, wie ein schönes, stolzes schifif, das auf
stürmischer fahrt fast schon zum elenden wrack zerschlagen ist, an-
gesichts des bergenden hafens wieder der rollenden see imheimfallen
will, diese Zeichnung ist nur mittel und form ; zweck ist die dar-
stellung der gefühle, welche dichter und hörer für das kämpfende
schifif empfinden, diese gefühle wiederum gelten nicht einem ein-
zelnen, bestimmten schifife; auch nicht der menge von schififen, welche
solche sckicksale erleiden , sondern der empfilndungs würdigen idae,
wie ein kSmpfer voll mut und kraft, aber schon wund und hcJb wehr-
los, gegen einen Übermächtigen gegner etwa noch einmal zum kämpfe
sich wendet, obwohl ihm der Untergang im neuen kämpfe sicher ist.
gerade jene ausdrücke, welche das schifif zu einem verwundeten
kämpfer personificieren, verraten deutlich, dasz der dichter das
kämpfende schifif mit demjenigen mitleid und derjenigen mitfurcht
anschaut, mit welchen er das bild eines menschlichen kampfes gegen
überlegene schicksalsmächte sehen würde, also auch mit einer ästhe-
tisch idealen art derjenigen furcht und desjenigen leidens , mit wel-
chen er eigne kämpfe gegen solche mächte im wirklichen l«ben be-
steht, ist es nun des Hör. unwürdig, wenn sich ihm seine furcht vor
schweren lebenskämpfen in der form ausdrückt, dasz er insbesondere
sein gemütsverhältnis zu dem besondem Vorgang des seelebens dar-
stellt? wie lebhaft gerade die see und ihr ge^JurvoUes leben die
teilnähme der Horazischen zeit in anspruch nahm , zeigen zahllose
bezüge auf meer und Schiffahrt in der zeitgenössischen litteratur,
bezüge teils stofinich-poetischer teils formal-poetischer art wie die
zahlreichen metaphern.'
Also auch die unwürdigkeit des stofifes zwingt uns nicht zu
allegorischer deutung. oder ist etwa Ooethes schöne ^seefahrt' eine
allegorie, weil einerseits erlebnisse in Weimar, welche durchaus
nichts mit meer und schifif in Wirklichkeit zu thun hatten, dem dich-
ter Stimmung und grund zu dem gedichte gaben' und anderseits
eine seefahrt für sich allerdings noch kein gegenständ lyrischer
kunst ist?
Ich vermute dasz ereignisse des politischen lebens den dich-
* vgl. unter den ersten fünfzehn öden des Horatius, unter denen
unser gedieht steht: I 1. 3. 5. 6. 7. 9. 11. 18. 15. über das zeitgemäsze
Interesse am seeleben vgl. mein proeramm ^der reis erzählender dich-
tung und die Aenelde Vergils' (Basd 1882). * Hempelsche ausgäbe
I 159 mit der anm. von Strehlke.
860 EBaehrens : zu Tiballns.
ter föhig gemacht haben, das allgemeine Interesse seiner zeit für
schifif und meer im besondem augenblicke lebhafter und tiefer zu
empfinden und sein gefdhl für ein kämpfendes schiff zum zeit*
gemäszen dichterischen ausdruck seiner furcht vor neuen Schicksals-
kämpfen zu machen, und vermuten darf ich das , weil so jene alte
Überlieferung sich erklärt, nach welcher das gedieht sich auf die ge-
fahren des bttrgerkrieges und den römischen staat beziehen soll, die
furcht vor neuem bürgerkriege , zb. nach schlusz des sicilischen
krieges, könnte sehr wohl ihr ideales oder, richtig verstanden, sym-
bolisches abbild in unserm gedichte gefunden haben. ^ den ttuBzem
anstosz dazu, dasz gerade die idee des kämpfenden schiffes dem dichter
auftauchte, mochte der zufällige anblick eines schiffes geben, welches
an irgend einer küste in ähnlicher gefahr schwebte; es konnte auch
eine zufällige anregung durch das lied des Alkaios sein ; der gedanke
an Seekriege, wie der sicilische krieg gewesen und der actische wer-
den sollte, konnte die erinnerung an früher erlebte seevorgänge wach-
rufen.
Eine grosze zahl schöner gedichte von römischen , griechischen
und deutschen dichtem wird leider allegorisch statt symbolisch aus-
gelegt, möge dieser versuch über Horazische allegorie ein beitrag
zu einer psychologisch richtigeren und ästhetisch fruchtbareren auf-
fassung dichterischen Schaffens sein !
* über 'symboliBch' im unterschied von ^allegorisch' vgl. Horaz-
studien s. 65. 92 ff. 225 f. 243 f. 850. jahrb. 1882 s. 408 f.
Basbl. Thsodob PlOss.
119.
zu TIBULLUS.
Da man in neuester zeit für das erste der beiden TibuUischen
Friapea ViUicus aerari quondam (s. 85 m. ausg.) mehrfach auf CIL.
Vis. 274 verwiesen, danach zuletzt auf JScaliger den Vorwurf der
leichtfertigkeit geworfen hat (EHiller im Hermes XVIII s. 349) , so
soll in einer sache, welche ich als selbstverständlich nicht einmal
der erwähnung für wert hielt, der thatbestand kurz dargelegt wer-
den, aus den schedae italiänischer humanisten des Cinquecento,
welche das gedieht in der nähe von Padua gefunden sein lassen,
hat es Mommsen ao« als unzweifelhaft echte inschrift gegeben , in-
dem er lieber seinen Italiänern als Scaliger glaubt, welcher es in
dem bekannten alten und vortrefflichen fragmentum Cuiacianum
fand, mir war und ist es noch heute unglaublich, dasz in einer in-
schrift der Augusteischen zeit (denn in diese gehört das in jeder hin-
sieht tadellose gedieht) in v. 1 mdice statt vüice zu lesen stand; und
abgesehen von v. 5, wo der 'stein' violabü^ die membrane besser
EBaehrens: xu libollu«. 861
vkiarü liest, ist es unmöglich dasx in y. 6 wirklich auf einer in»
achrift stand : hunc tu^ sed tenio. sds puto quod sequäur. denn te9Uo
ist völlig sinnlos, dagegen vortrefflich die lesart des fr. Guiae. taoeoi
wer die Friapea kennt, weisz sie zn wttrdigen. Mommsen freilich
hält taceo fOr 'interpoliert' ; wie das iento des 'steines' zu erklären
sei, verrät er nicht, ohne leugnen zn wollen dasz taceo ooi\jectur
sein kann, scheint es mir doch zu fein und gewählt fUr eine
solche : das obschon absurde ienio würde man , weil es orass sinn«
lieh scheint, zn verstehen g^laubt haben, in jedem faU ist es
unerhört, dasz eine inschrift eine ganz unverständliche Verderbnis
und eine der zeit nicht entsprechende Schreibweise bietet; und da-
nach habe ich die sache so angesehen: das fr. Cuiao. ist im fünf-
zehnten jh. in Italien aufgefunden (diese dem TibuUforscher be-
kannte thatsache hat Hiller oben s. 274 ausführlich bewiesen) { dort
war vor allem das erste Priapeum als unbekannt abgeschrieben wor*
den. in 6iner abschrift las man fehlerhaft v. 6 tento] und diese
copie benutzte derjenige, welcher das gedieht als ^in agro Patavino*
(mit noch näherer angäbe zu besserer empfehlung) gefunden den
inschriftensamlem jener zeit aufschwatzte ; aus anderer, besserer ab-
schrift war das richtige taceo auch schon in Italien bekannt, und so
steht es in der ed. Plantiniana, mit welcher Scaliger das fr. Cuiao.
collationierte : natürlich hat er zu taceo nichts angemerkt, weil seine
hs. mit dem druck übereinstimmte. — Dasz solchermaszen hsl. über-
lieferte gedieh te als auf inschriften gefunden ausgegeben wurden, lehrt
ein anderes beispiel, womit es Mommsen ebenfalls unglücklich ge-
gangen ist. das wohl mit recht dem Hadrianus zugeschriebene ge-
dieht lue ego Pannoniis (PLM. IV s. 113) steht in guten hss. vom
neunten jh. an; nichtsdestoweniger hat es Mommsen aus ungarischen
inschriftensamlungen (deren unzuverlässigkeit auch das folgende ge*
dicht des Hadrianus Borysthenes Älanus beweist ; vgl. die anm. meiner
ausg.) in ziemlich corrupter gestalt als 'inschrift' CIL. III 1 s. 40S
aufgenommen.
Ich will diese gelegenheit benutzen, nicht um über so manohon
rückschritt, welchen die Tibullforschungen neuesten daiumi auf*
weisen, zu sprechen, sondern um bei einer stelle, welche iob einst
als 'locus conclamatus' bezeichnete und unterdeiNsn geheilt zu haben
glaube, kürzlich vorgebrachte thorheiten zurückzu weiten. II 1, 66
— 58 heiszt es in den hss. :
agricola et mimo aufpuaus, Bacche^ rubenii
primus inexpetia duxit ab arte choroa:
huic datus a pleno ^ memorahüe munus^ ovili
dux pecoris hircus hauserat hircus oves,
higr haben die conjecturen früherer kritiker so wenig licht gebracht;
dasz ich (wie ähnlich Heyne und Dissen) die letzten vier werte für
fremde ergänzung hielt, im letzten hefte des Hermes (XYIII s. 339 ff.)
hat EMaass den bock als verwüster des Weinberges einzuführen ge-
sucht und beispielsweise vorgeschlagen vite$ hauserat hircus olens,
862 EBaebrens: zu Tibnllna.
was dann freunde von ihm (ebd. s. 480) etwas duftender umgestal*
teten in vites roserat tue navas. hierbei musz man protestieren gegen
die vermengung zweier ganz verschiedener motive der sage, wenn
ein bock dem gotte zur sühne geschlachtet wird und nun mit lusti-
gem gesang der chor um den altar tanzt (Hjginus (istron. 11 4) , so
hat das offenbar einen andern inbalt als wenn denen , die des gottes
lob verkünden , ein bock als kampfpreis ausgesetzt wird, wenn za*
gleich mit dem ersten auch das zweite verbunden wird (Verg. gearg.
II 376 ff.) , so sehen wir darin die älteste gestalt des festes: an die
Suszerung ausgelassener freude und tanz um das opfertier (ans den
dabei gesungenen liedern gieng das satyrspiel hervor) knüpfen sioli
ernstere gesSnge um den preis wohl ursprünglich des feiles des ge-
schlachteten bockes (ihnen verdankt die tragödie ihr dasein), ein
dichter kann nun wohl (und in diesem falle mit gutem rechte) das
untergeordnete moment zum hauptmoment erheben , aber nicht du
diesem zu gründe liegende motiv auch jenem unterschieben; unmög-
lich kann also Tibullus verbinden: der landmann bekam als preis
seines gesanges einen bock, denn derselbe hatte die jungen zeben
zerstört, für das letztere wird dieser geschlachtet; dafür dasz er als
praemium dient, ist das kein grund. tritt zu diesem logischen fehler
noch der andere poetische hinzu , dasz jene alezandrinische gelehr-
samkeit dieser stelle und diesem ganzen gedichte fremd ist, und
hierzu femer, dasz wir damit gar keinen richtigen fortschritt des
gedankens erhalten , so ist es wohl um jenen neuesten einfail ge-
schehen, der fortschritt des gedankens ist deutlich: die zuerst kunst-
losen chori zu ehren des gottes erhob der spätere wettkampf auf eine
höhere stufe, machte sie zu dem, woraus mit der zeit die tragOdie
erwuchs, diesen begriff nun des veranlassens glaube ich zunftchst
sicher gefunden zu haben, indem ich hauserat ändere in causfrat
= causa erat, betrachten wir dann femer die stelle, so ist augen-
scheinlich das erste hircus glossem zu dux pecoris: wir erhalten da-
mit die freiheit zu stärkerer änderung. wenig wahrscheinlich da-
gegen ist es, dasz auch das zweite hirctts sollte verdorben sein; dux
pecoris hircus ist bei keinem lateinischen dichter anstöszig. es bleibt
somit noch oves übrig, das ohne sinn und, wie ich glaube, aus dem
ovdi des vorhergehenden yerses entstanden ist. die Verderbnis wird
erklärlich, wenn die zUge der ursprünglichen lesart ganz ähnlich
aussehen, auf dieszen Voraussetzungen fuszend und mich erinnernd
nn Vergilius' werte in derselben sache (ao.) et veteres ineunt prO"
scaenia ludi habe ich hergestellt, was hoffentlich als von allen selten
unanstöszig befunden werden wird :
dux pecoris scaenae causa erat hircus avis^
Groningen. Emil Baberens«
OEScbmidt : die zeit der lex Antonia Cornelia de perm. proy. 863
120.
DIE ZEIT DER LEX ANTONIA CORNELIA
DE PERMUTATIONE PROVINCIARUM (44 VOR CH.).
In meiner eben erschienenen abfaandlung 'die letzten kämpfe
der römischen republik, Ir teil' (jahrb. suppl. bd. XIII) s. 713 habe
ich mein bedauern darüber ausgesprochen, dasz die quellen zur vollen
erkenntnis des wichtigen gesetzes, durch welches M. Antonius statt
Macedoniens die gallischen provinzen erhielt, insonderheit zur Chro-
nologie desselben so spärlich flieszen. ich habe dann s. 718 die an-
nähme des gesetzes nach einigen andeutungen in Ciceros briefen in
die zeit zwischen den iden des juni und juli yerlegt. bald nach der
drucklegung meiner arbeit kam mir die Untersuchung von Edmund
Ruete *die correspondenz Ciceros in den jähren 44 und 43' (Mar-
burg 1 883) in die bände ; dort fand ich , was ich früher vergeblich
gesucht hatte , eine handhabe zu genauerer datierung des genannten
gesetzes. Ruete findet nemlich einen hin weis auf dasselbe in einer
stelle des briefes Ciceros an Matius ad fam. XI 27, 7, welche den
früheren bearbeitem der epoche und auch mir entgangen ist, und
nimt an dasz das gesetz im laufe des august 44 vor Ch. durchgesetzt
worden sei. da jedoch dieser ansatz Ruetes wie die dazu gehörige be-
weisführung (ao. s. 29 f.) nicht ganz zutreffend ist, so erlaube ich
mir in dieser sache noch einmal das wort zu nehmen.
Mit recht bekämpft Ruete das datum der hgg. für ad fam. XI 27 :
'den 28n mai 44.' denn die in § 1 des briefes erwähnte ankunft
Ciceros auf dem Tusculanum kann nicht mit der am 27n mai er-
folgten (vgl. ad Att. XV 3, 1. 4, 2) identisch sein, da nach § 6 des
antwortschreibens des Matius ad fam. XI 28 at ludos^ quos Caesaris
victoriae Caesar adulescens fecit, curavi die ludi victoriae Caesaris,
welche am 20n juli begannen, bereits vorüber sind, folglich müssen
wir an d6n aufenthalt Ciceros auf dem Tusculanum denken, den er
im Spätsommer des Jahres auf der rückreise von Leucopetra auf
seiner lieblingsvilla nahm, ehe er Rom selbst betrat. Cicero kam am
19n august auf sein Pompejanum, folglich war er frühestens vom
22n august an auf dem Tusculanum; am 31n august kommt er
nach Rom. demnach müssen Ciceros worte ad fam. XI 27, 7 ego te
suffragium tiUisse in iUa lege primum non credidi allerdings mit
Ruete auf die lex de permutatione provinciarum bezogen werden,
leider vermögen wir aus Ciceros brief nicht zu erkennen, was früher
fiel, die ludi victoriae Caesaris oder das gesetz de permutatione pro-
vinciarum; auch durfte Ruete nicht den Nicolaus Damascenus ala
gewährsmann dafür anführen , dasz das gesetz erst nach den spielen
gegeben sei. denn die worte des Nie. c. 30 dXXaHä)i€VOC faXaiiav
iTrapxictv irpöc MaKCbovlav usw. enthalten, wie ich in meiner oben
citierten abb. s. 717 nachgewiesen, nicht den eigentlichen bericht
des Nie. über das gesetz , sondern greifen nur auf diesen yerlorenen
864 OESchmidt: die zeit der lex Antonia Cornelia de perm. prov.
bericht zurück, wo derselbe im original gestanden babe, ist nicht
zu ermitteln, dagegen bat Appian III 28 — 30 unzweifelhaft die Indi
victoriae Caesaris zeitiger als die annabme der lex de perm. prov.
angesetzt, so wenig ich sonst diesem autor traue (vgl. ao. s. 667
— 669), so wenig ist doch in diesem fall ein zwingender grund Yor-
handen seinen detaillierten bericht zu verwerfen, danach hat Bnete
das fragliche gesetz in den monat august verlegt, da die ludi victoriae
Caesaris nach CIL. I 392 (soll wohl heiszen 397) vom 2(>n— 30n jnli
dauerten, anderseits nach Phü. II 6 das gesetz vor dem 2n Septem-
ber durchgesetzt worden sei.
Dieser ansatz der ludi victoriae Caesaris '20 — 30 joli' beruht
auf kalendarieu, deren älteste (fasti Pinciani und Allifani) nach der
Schlacht bei Actium abgefaszt sind ; eine einfache hertlbemahme die-
ser angäbe aus späterer zeit auf das j. 44 ist unzulässig, elf Spiel-
tage , darunter vier tage ludi in circo — das ist wohl für die casae
des ohnehin durch auszahlung der legate Caesars stark in ansprueh
genommenen Octavian zu viel, zudem bedenke man die stürmische
zeit, in der sogar die altehrwürdigen Cerealien sich eine Verschie-
bung bis mitte mai gefallen lassen musten (vgl. odÄU, XV 3, 2).
Danach werden wir wohl nicht irre gehen , wenn wir eine ge-
ringere ausdehnung der ludi victoriae Caesaris im j. 44 annehmen,
als später von Octavian dafür festgesetzt worden ist. vielleicht be-
gnügte sich Octavian damals auszer mehrtägigen ludi mit eintägigen
ludi in circo nach analogie der ludi victoriae SuUae (ende october
bis anfang november). demnach blieben im j. 44 die letzten tage
des juli als dies comitiales zur annähme des gesetzes geeignet, aber
auch durch eine andere erwägung werden wir veranlaszt die lex de
permutatione provinciarum eher anzusetzen, als sie von Ruete datiert
wird, aus der combination von ad AiL XVI 7, 1 VIII idus sexiües
. . Lcucopetram . . Begini quidam co venerunt^ Borna sane recentes . •
mit Phil. I § 8 postridie . . Ikgini coniplures ad me venerufU^ ex eis
quidam Roma recentes: a quibus primum accipio M. Äfttonii con-
iionem . . lalendis senatum frequentem fore; Antonium rcpudia^
malis'^ttasorihus^ retnissis provinciis GälUis, ad audoritatem senaiMS
esse rcditurum folgt, dasz am 7n august Keginer, die eben von Rom
gekommen waren , mit Cicero bei Leucopetra zusammentrafen und
ihm berichteten, in Rom stehe ein Umschwung der politik des An-
toniud bevor, die worte remissis provinciis Oaüiis lassen nur die
deutung zu, dasz Antonius Gallien durch das gesetz de permutatione
])rovinciarum bereits erhalten hatte, als die Keginer Rom verlieszen
(vf^'l. m. abb. s. 714). die Reginer aber brauchten zur reise von Rom
in die heimat mindestens neun tage, sind also etwa am 30n juli
aui't^rebrochen ; die erwähnte contio des Antonius fand also wohl am
2*.hi. die annähme des gesetzes am 28n oder 27n statt.* der zn-
* •l.iraiis folgt dasz die scnatssitziing, in welcher die republicaner
einen umscliwung erwarteten, nicht am In scpt. stattfand, wie LLange
rüni. ult. III 8. 606 meint, sondern an den kaienden des august.
FVogel: zu Ammianm Maroellinas. 866
sammenhang der thatsachen war also vielleicht folgender, am ersten
comitialtage nach den spielen beriefen Antonias und Dolabella das
Yolk und setzten unter militärischer bewachung des forums das ge*
setz de permutatione provinciarum durch , welches dem Antonius die
gallischen provinzen verlieh und zugleich die macedonischen legionen
unter sein commando stellte (vgl. m. abh. s. 713 f.). die ungeheure
aufregung in Born jedoch und die angst der bewohner vor einem
bevorstehenden blutbad in Italien durch die macedonischen legionen
veranlaszten den Antonius wenigstens scheinbar einzulenken, er be-
ruhigte das volk in einer contio und gab auch den Senatoren, nach-
dem die hauptsache (Gallien und die legionen) erreicht war, be-
ruhigende Versicherungen, deshalb kam am In august eine senats-
sitzung zu stände, und L. Calpumius Piso wagte es bis zu einem
gewissen grade dem oonsul entgegenzutreten, trotz des jubeis der
republicaner hierüber, der aus dem erwähnten briefe Ciceros ad Att.
XVI 7, 5 noch herausklingt, musz doch die haltung des Antonius
der art gewesen sein , dasz die kaum ins leben gerufene Opposition
alsbald wieder verstummte^ denn am 2q august fehlte Piso bereits
in der senatssitzung.
Dresden-Neustadt. Otto Eduard Schmidt.
121.
ZU AMMIANUS MARCELLINÜS.
Die doppelformen densare und densere (und dem entspre-
chend auch condensare und condensere^ aber nur addensere)^ welche
bereits die alten grammatiker wie Servius Priscianus Eutjches be-
sprechen, haben auch verschiedenen hgg. anlasz zd bemerkungen ge-
geben, so handelt darüber Bentley zu Hör. carm, ^28, 19 (und
Keller epileg. s. 100), Heinsius zu Ov. fast. III 820, Lachmann zu
Lucr. V 491, Wagner zu Verg. georg. I 419 ua. von besonderem
interesse wäre die frage für die hgg. des Ammianus gewesen, wel-
cher, wie er das adjectivum densus etwa 40 mal und das substanti-
vum densitas 1 2 mal verwendete, so auch das verbum dieses Stammes
nicht selten gebrauchte, während nun die altem hgg. gemäsz der
richtigen beobachtung, dasz densere mehr der dichterischen spräche
angehöre (Kühner lat. gramm. I s. 501), diese form überall tilgten,
hat Gardthausen dieselbe aus den hss. an folgenden stellen auf-
genommen: XIV 2, 10 denseta scutorum compage^ XXIV 2, 14 den-
setisque dipeiSj XXV 1, 17 denseti Eomani pedUeSy XXVI 8, 9
densetis cohaerentes supra capüa scutis^ XXXI 15, 2 EadrianopoUm
agminibus petivere densetis. sonst hat auch Gardthausen die form
densare bevorzugt; und wo, wie XVI 2, 9 densatis agminibus tm-
debat iUuc^ die hsl. angaben schweigen, vermag man dagegen kaum
J^hrbtteher f&r dass. philol. 1888 hfl. 18. 66
866 F Vogel: EU AmmianaB MaroellinaB.
anzukämpfen, obwohl die angeführten stellen und besonders die
letzte (XXXI 15, 2) mit viel mehr recht dagegen als etwa das pari.
praes. densantes^ das sich XVI 12, 20 findet, dafür in aasohlag
gebracht werden können, jedenfalls aber war die form deiMeUu her-
zustellen XXII 8, 46 aar ex umorum spiramine saepe densaiua,
denn der beste der erhaltenen Codices, der Vaticanns, samt dem
Petrinus bietet tenseius (wie dieselben hss. XIX 5, 5 tefw»e statt
densae schreiben), ebenso sicher ist die gleiche correctar XXVU
5, 48 densatis {desetis Vat.) lateribus scutisque in testudmis fMmam
cohaerenter* aptatis. etwas weiter hat die Verderbnis an fblgendeA
zwei stellen um sich gegriffen : XXVII 4, 5 haben die aasgaben : m
summitatc occidentaU montibus praeruptis densitate {densUaH V)
Suocorum patescunt cmgustiae, hier hat gewis schon der verdiente
Gelenius, sei es durch conjectur sei es mit hilfe seines vetostum
exemplar Hersfeldense, das richtige getroffen, wenn er statt detmtate
schrieb densatae] nur wird man aus der lesart des Vat densUa et
vielmehr die form densetae herzustellen haben, und dem gleiohea
Gelenius gelang die Verbesserung der stelle XIX 7, 3, wo die
gaben nach dem Petrinus haben densüataeque acies ; im Vat. dagegi
steht tensitate quae acies: Gelenius schrieb densataeque. die vorher
besprochenen fälle erklären uns schrittweise die Verderbnis: de§^
setae — tensetae — tensitae. das verbum densüare ist sonst nirgends
nachgewiesen und somit aus den Wörterbüchern auszuweisen, densaii
schrieb Gelenius auch XXII 6, 2 ; aber die erhaltenen hss. haben dort
nur densL
^ hieraus ergibt sich ungesacht eine emendation für die oben ans*
geschriebene stelle XXVI 8, 9 densetis cohaerentes supra capüa »cmHm, —
Nebenbei bemerkt: XVil 7, 14 wird die hsl. lesart conHdentUnu ierri»
fliegen Gardthausens conjectar eoncidentibus geschützt durch stelleQ wie
Heges. II 9, 122 consedigse monieSj ebd. V 46, 36 consedentni moutet (PUn.
paneg. 16, 6. Sali. hist. II 43. Tac. anu. II 47). — XIV 7, 18 inter dilan-
cinaniium (Lindenbrog, dilatinantium V) manus spiritum efflaiurus, die
conjectar Lifldenbrogs verdiente keine aufnähme; za lesen ist diim-
niantium^ wie Augfustinus de civ. dei III 28 laniantiwn manuM und Flons
II 9, 26 inter manus lamaium (vgl. Amm. XXII 11, 10. XXVI 10, 18).
diese wendung mag aus Kallustius {hUt, 1 30) stammen, dagegen war
meine Vermutung betreffs XIV 2, 13 maiora viribut aggressuri (acta Erlang.
II 434) falsch: jene phrane geht anf Verg. Aen. X 810 zurück und findet
sich auch Hymm. s. 286, 18 S. und Ambroe. iiex. VI 16.
ZWEIBKÜCKKN. FRIEDRICH VOOKL.
122.
Zu GENNADIUS DE VIRIS ILLÜSTBIBüS.
c. 15 8. 77 (Uerding) Commodianus . . faäns Uagm CS^mU-
anns et volens aliquid studiorum suorum muneris Offerte Chrith^
sniutis audori, scripsü mediocri eertnonc quasi versu ^adversus
nos\ et quia parum nostrarum aUigerat UUerarum, 9na§m ülensm
«1
WGemoll: zu Geimadios de viris iUiutribas. 867
destrtiere potuU dogmaia qwxm nosbta, hinter qucsm nodra ist ein
wort ansgefallen (etwa firmare). das verlangt der sinn dieses satzes
und die Wortstellung des letzten teils magis iüorum destruerep, d, q.
nastra, das verlangt femer der Zusammenhang. Commodian ist, so
zu sagen, ein enfant terrible der Christen: s. ebd. s. 78 iUis stuporem,
nohis desperationem incuiiens] er will sich Christus durch eine frucht
seiner Studien dankbar zeigen und sdbreibt adverstts paganas. aber
er erreicht nur den negativen zweck die heidnischen glaubenssätze
zu erschüttern , für den christlichen glauben bleibt sein guter wille
ohne resultat. daher musz hinter nostra ein wort wie firmare er-
gänzt werden.
c. 34 8. 86 Theophüus . . adversum anthropomorphäas . . osten-
dü Deum ineorporeum üixta patrum fidem credendum neque ülUs
omnino membrorum Ivnheamentis cwnposkumy et ob id nihü ei in crea-
ttms simüe per suhstantiam^ ^ec cuiquam incofYuptibüüatem vd
immobüüatem aut incorpcralüatem stMe dediase naturae; sed esse
omnes inteUecttudes naturas carporeas, omnes corrupiibäeSy omnes
mutabüeSy ut iUe solus eorrupiibüüati nan subiaceat die gesperrt ge-
druckten Worte stehen im denkbar schärfsten gegensatz zu einander,
sie sind der negative und der positive ausdruck desselben gedankens.
da musz es befremden , dasz zweimal werte von demselben stamm
als gegensätze gewählt sind: incarrupUbüUatem — carruptibües, in-
carporalUatem — earporeaSy das dritte mal aber sich zwei werte
gegenüberstehen, die etymologisch nichts mit einander gemein haben :
immobüUatem — mtUäbües, dazu kommt dasz immobüitas doch nur
durch eine gezwungene erklärung der inmiuiabüäas gleichgesetzt
wird, femer fQgen zwei hss. (Bamb. und Norimb.) am schlnsz der
ausgehobenen stelle hinter carruptibüUati non stMaceat hinzu et
fMUabüitati , ein zusatz der offenbar nach der stelle nee cuiquam in-
corruptibüitatem vet usw. gemacht ist, so dasz wir für letztere stelle
aus dem falschen zusatz der beiden hss. ein imnmtabüiUis ersohlieszen
dürfen, aus diesen gründen schreibe ich immutabilitatem statt
immobilitatem. das wort findet sich schon bei Cicero de fcUo 9, 17
sed in fadis immtäabüUatem apparere.
c. 40 s. 89 schreibt Herding: sane in pritno Ubro descripsU
(Orosius Presbyter) posüionem orbis interfusione et Tanais Umitibus
interdsamy situm locerum, nomina ei numerum moresque gentium^
qualitates regionum, initia bellorum et tyrannidis exordia finitimorum
sanguine dedicata. unverständlich sind hier die werte interfusione
et Tanais litnüibus intercisam, die ausgäbe des Orosius von FFabri-
cius (Köln 1561) enthält in der praefatio auch c. 40 des Gennadius,
und dort lauten die fraglichen werte so: posüionem orbis y oceani
interfusione et Tanai Umitibus interdsum (sie), situm locorum^ nomina
urbium moresque gentium usw. wenn nun die Variantenangabe bei
Herding ganz zuverlässig ist, so beruht im text des Fabticius Tanai
auf der autorität des Vat. saec. VII und des Bamb«, urbium aber statt
et numerum und das eingeschobene oceani ist conjectur. und zwar
66*
868 WGomoll: zu Gennadins de viris illuBtribas.
ist oceani eine falsche conjectur, obwohl sie dem richtigen gefBU
entsprang, dasz hier das mittellttndische meer gemeint seL aber aof
dies roeer dehnt Orosins nie den namen oceanus ans, er nennt et
mare nostrum oder mare magnum (vgl. I 2, 1 mcMres nostri crhem
totius terrae oceani linibo circamsaeptum usw., 12,3 sub Aegppio
vero et Syria mare nostrum^ quod magnum generalUer dicimus, häbeif
und besonders I 2, 84 mare hocsiquidem magnum^ quod ab oceasu
ex oceano oritur, in meridiem magis vergens angusiiarem int^r
se et oceanum coartatae Äfricae limUem fecU. man darf demnach
nur mar IS magni (oder nostri) interfusione ergftnzen. nun ist ferner
das durch alle hss. verbürgte Tanais (Yat. and Bamb. Tanai) limi*
tihus unmöglich richtig: ein einzelner flosz bildet keine Umite$] aber
man erkennt durch die namentliche anfühmng des Tanais, dass hier
die gliederung der alten weit in erdteile angegeben werden sollte:
denn der Tanais bildet nach Orosius die grenze zwischen Eoroptf
und Asien: s. I 2, 4 Europa incipit • . a flumine Tanai nnd I 2, 61
nunc Europam . . stilo pervagabor. ^incipüy a montibus Biphaeis
ac flumine Tanai usw. wie viel erdteile nimt aber Gennadias in
unserer stelle an ? wie wir aus Orosius erkennen , erklärte sich die
eine annähme für zwei, die andere für drei erdteile: s. 1 2, 1 und 88«
Gennadius aber hält es mit denen welche drei erdteile annehmen :
1) er nimt als grenzen an das mittellfindische meer nnd den Tanaia.
dann mUsto Africa zu Asien gerechnet sein, factisch wurde es aber*
bei der annähme von zwei erdteilen zu Europa gerechnet: TgL
Orosius I 2, 1 quamvis aliqui duas, hoc est Asiam ac deinde Afirksom
in Europam accipiendam putarint und I 2 , 85 unde etiam aUqui • .
inverccundum arhiirati tertiam vocare partem, sed potius in Europam
Africam deputantcs^ hoc est secundae portionem appdtare maHuerumi.
2) Gennadius wird sich bei der summarischen inhaltsangabe des
ersten buchs des Orosius doch nach Orosius gerichtet haben, nnd
der unterscheidet drei erdteile: 12,1 maiores nostri orbemtoiius
terrae . . triquetrum statucre eiusque tres partes Asiam Europam et
Africam vocavcrunt und 1 2, 12 d quia breviter gcncrales MpertiH orhis
divisioiics dcdi und I 2, 83 Africam ut dixi cum tertiam orbispartem
maiores nostri accipiendam descripserint usw. aus diesen beiden
gründen scheint mir bei Gennadius eine dreiteilung des erdkreisee
vorzuliegen, es fehlt aber die angäbe des dritten limes^ nnd diese
lUcke nimt man am besten hinter Tanai (Tanais) an, worauf Umi-
tibus hindeutet, aber wie ist die lücke auszufüllen? natürlich musx
die bczei ebnung der grenze zwischen Asien und Africa fehlen, sehr
verlockend könnte scheinen : Tanais et Nüi limitibus intercisam] aber
nach Orosius I 2, 28 und 31 gehört der Nil noch zu Asien, vgl. aooh
§ H Africae p7inci2>iu7n est a finibus Aegypti urbisque Alexandriae^
uhi Pareihonio civitas sita est, da nun nach Orosins I 2, 87 {lAh^ßa
Ctfrcnaica vt PentapoUs post Aegyptum in parte Afrieae prima esi)
der cr.^^te teil Africas Libyen ist, so schreibe ich an unserer stelle
des (iennndiu^>: positionem orbiSy maris magni inierfuskme et
WGemoU: zu Gennadius de yiris illaatribas. 869
Tanai et Lihyae finihus intercisam, wobei Tanai als ablativ zu
fassen ist. ^
c. 46 s. 92 hie luUanits deemosynis tempore famis et angustiae
indigentibus prarogatis muUis miserationum specie nohüium prae-
dpueque rdigiosarum ifdidens haeresi stuie sociavit, es ist multo 8
zu schreiben , wenn nicht mtiUis überhaupt nur ein druckfehler ist.
c. 55 s. 94 Caelestinus^ urbis Bomcte ^nscopus^ decretum synodi
adversum supra didum Nestarium habitum volumen describens ad
Orientis et Ocddentis ecdesias dedü, statt volumen setze ich volu-
mine.
c. 66 s. 98 Syagrms scripsü 'de fide* adversum praesumptuosa
haeräicarum vocabtUa . . dicerUium Fairem non debere Fairem did^
ne in Fatris nomine Füius consonet^ sed Ingenüum et Infedum ac
SoHtarium nuncupandum^ ut^ quicquid extra iUum sit persona^ extra
ütum sit d natura^ ostendens et Fatrem^ qui eiusdem est natu-
rae, posse dici Ingenitum d scripturam dixisse, ex se genuisse
in persona Füiumy non fectsse^ d exse protutisse in persona Spiriium
sandum, non genuisse neque fecisse. die gesperrt gedruckten worte
sind sicher falsch : denn 1) e^ («= diam) Fatrem ist als er widerung
des Syagrius sinnlos , das behaupten ja gerade die häretiker. 2) qui
dusdem ed naturae hat keine beziehung. ich schlage statt d Fatrem
vor et Spiritum s an et um. Syagrius schreibt doch gegen die
welche gott den vater nicht Fater, sondern Ingenüus nennen wollen,
und widerlegt sie so, dasz er zeigt, die bezeichnung IngenUus passe
nicht blosz auf gott den vater; da bleibt aber nut gott der heilige
geist übrig, wie es ja gleich hinterher heiszt ex seprotuUsse in per-
sona Spiritum sandum, non genuisse neque fedsse. nun hat auch
eiusdem naiwrae seine beziehung, da im vorhergehenden immerfort
von gott dem vater die rede war. Fatrem müssen wir aber nach
scriptu/ram dixisse einfügen; Spiriium sandum hiaier ostendens d
war wahrscheinlich abgekürzt SF. S.^ und der abschreiber fand die
richtige auflOsung nicht, so dasz pairem von seiner stelle gerückt
wurde, damit nur ein erträglicher sinn herauskäme.
c. 83 s. 105 iia Verbum carnem fadum, ui manente Verbo in
sua substantia d homine in sua natura societate^ non mixtione unam
Filii Bei reddidisse personam, statt reddidisse ist zu schreiben red-
didisset: denn von zwei hauptsätzen, die durch Ua — at verbunden
wären, kann hier gar keine rede sein; beide sätze handeln von 6inem
gegenstände, der fleisch werdung des Wortes: der aatz iia Verbum usw.
behauptet , der satz u^ manente usw. sucht die behauptung zu er-
klären, demnach ist ut die consecutive coiyunction und reddidissd
zu schreiben, oder liegt hier wieder nur ein von Herding nicht an-
gegebener druckfehler vor, wie zb. noch c 93 s. 110 simul d impugnai
aliquos (statt aliqu^is) OyriUi^ Akxandrini episcopi^ sententias^
Stbieqau. Wilhelm Gemoll.
REGISTER
DER IM JAHRGANG 1SS8 BEURTEILTEN SCHRIFTEN UND
ABHANDLUNGEN.
Mlto
K. Baedeker: Griechenland, handbach für reisende (Laipiig 1888) 481
Th. liergk: poetae lyrici graeci. editionis quartae vol. II (ebd.
1882) 1
A. Boetticher: Olympia, das fest und seine statte (Berlin 1888) . 81
h^\ Engelmann: bibliotheca soriptomm classicorom. 8e aufläge nen
bearbeitet von E. PreuM. 2e abteilung (Leipzig 1882) • . . 821
W. H artet: Ennodii opera omnia (Wien 1882) 975
0. Hente: s. F, W, Schneide%Bin
C. Jacohy: anthologie ans den elegikem der Römer. I. 11 (Leipiig
1882)
B» Kluge: die consecutio tempomm, deren gnuidgeseti und erschei-
nuDgen im lateinischen (Cöthen 1888) 185
E, Pais: la Sardegna prima del dominio Romano (Rom 1881) . • 48
T, L. Papiilon: Yirgil with an introdactlon and notes. I. II (Oxford
1882) 485
E. Preuns: s. W, Engelmann
F. fV, Schneidewin: Aischylos Agamemnon. 2e aaflage besorgt Ton
0. Hense (Berlin 1883) 441
K. Sittl: die looalen Verschiedenheiten der lateinischen epmehe
(Erlangen 1888) ITT
H. Utener: philoIogie and geschichtswiseenschaft (Bonn 1882) . . 408
F. Weck: beitrüge zur erklämng Homerischer personennamea (Meti
1883) 717
^V. Wecklein: über die teehnik nnd den vertrag der chorgesftnge
des ÄschyluB (Leipzig 1882) 11
(.'. Weaely: proiegomena ad papyrorum graecorum novam coUec-
tionem edendam (Wien 1888) 605
BERICHTIGUNG.
H. 185 z. 19 ▼. u. lies I 125 statt II 311.
SACHREGISTER.
ä 467 flf.
aebüischer bund 33 ff.
afiicamscheB l&tein 177 ff.
Aischylos 724 ff. (Agam.) 441 ff. 816
(Sieben) 453. 455 f. (Hik.) 463 ff.
(tecbnik der cborf^esänge) 21 fL
Aisopeia 225 ff.
Alexaoderzug 535 ff.
Alezandri itinerariuni 663 ff. -
AmmiaDiis Marcellinas 865 f.
dvaTTiüccetv 619 f.
dvaT€iv€iv 820
animum inducere 487 ff.
annus 782
anthologie (lat.) 568
Antiphon 105 ff. 379 ff.
diraftUTTi in mordproceisen 106 ff.
Appianoc 739 f.
Archimedes 382
Ariadne (kröne) 115 ff.
Aricia (Dianahain) 169 ff.
Aristophanes (Frösche) 634 ff. (Lysi-
strate) 693 (Ritter) 725 (Wolken)
685 f. (Wespen, hypothesis) 466 ff.
Aristoteles (Nikom. ethik) 615 ff.
(Politik) 742 f. 832 ff.
Athenaios 736 f. 763 ff.
athenischer seeband, zweiter 615 ff.
Attika, klimatische Verhältnisse
589 ff.
Angustae bist, scriptores 284. 656
Aurelius Victor 217 ff.
Babrios 225 ff.
bibliographie 621 ff.
Boethius 193 ff. 285 ff.
Boiotien und Athen 740 ff.
Brutus , M. 559 ff.
Caliope Calisto 787
Cassiodorius 793
Cassius Dion 550
catomum 211 ff.
Catnllus 262 ff. 791 f.
chollambea (griech.) 244
chronologisches (griech.) 383 ff. 689,f.
Cicero(<^e ortUore)lB2 {Brutus) 208 ff.
{in Verrem) 132. 434 {p. Müone)
483 ff. {epUU) 468. 750 ff. {ad Bru-
tum) 559 ff. {Tusc.) 421 f. {de not.
deorum) 422 ff. {de dimn.)S^9, 425 ff.
{Cato m.) 734
consecutio tempomm im lat. 135 ff.
coQsoaantengemioatioD im lat. 774 ff*
Constantinusroman 503 f.
continari 653
Cornelius Nepos 623
coiidie 778 f.
curvus 613 f.
Demosthenes , attischer Stratege
693 ff.
Demosthenes (gegen Aristokrates)
105 ff. (gegen MakarUtos) 361 ff.
(kranzrede) 16 ff.
densare densere 865 f.
differentiae sermonum 649 ff.
Dionysios v. Halikarnaflos 418 ff,
841 ff.
Dodona 306 ff. 345 ff.
Dosithei hermeneamata 782
elegiker, griech. 1 ff.
elutrmre 214 f.
Empedokles 19 f.
Ennius 427 f. 774 ff.
Ennodins 275 ff.
iir€otK^vai 736
Epikuros 406 ff.
imppileiv 242
Euripides 29 ff. 729 ff.
^Hui und cxif)cui 163 ff.
fabel, griech. 226 ff.
flama 798
Florus 48. 486. 749
Frontinas {strai,) 762
Oellius 211 ff.
Gennadius {de v. ilL) 866 ff.
geographisches 627 ff.
glossographen 792
grammatisches (griech.) 163 ff. (lat.)
135 ff. 177 ff. 774 ff.
Griechenland (reisebandbach) 482 i.
griechische geschichte ofid alter-
tOmer 33 ff. 105 ff. 266 ff. 346 ff.
361 ff. 383 ff. 616 ff. 677 ff. 667 M,
740 ff. 746 ff.
Harmonia (kalsband) 116 ff.
Herodotos 265 f. 884 f.
Hesychios Mileeies 622
Hieronymus {de v. ilL) 613 f. 861 f.
Homoros 250 ff. 717 ff. 721 ff. 767 f.
839 f. (II.) 526
Horatius {carm.) 493 ff. 863 ff. (episL)
612 ff.
inducere animum 487 ff.
Sachregister.
(erriech.) 46 f. 144.
682 ff. (lat.) 798
539 ff.
xandri 653 ff.
750
Sardinien 53 ff.
knndc a. geschichte)
40
mposita 308 f.
les 40"> ff.
nelia de perm. prov.
1 ff.
icht 386 ff. 522 ff.
415 ff. 612 ff.
c 452 f.
IS 749 f.
in Griechenland
cpe 814 ff.
3 ff. 817 ff.
551
t 561 ff.
115 ir. 243 f.
IS 523
ikor) 795 f.
iVj ff. 769 ff.
61 ff.
305 ff. 345 ff.
;i 569 ff.
1 ff.
S I'it. 774 ff.
120 {fasti) 272. 852
192
I (trriech.) 310 f.
papyri 505 ff.
parömiographen 230 ff.
Paasanias (perieget) 39 ff. 469 ff»
631 ff. 769 ff. 814 ff.
Peisiätratos 388 ff.
peloponnesischer krieg 677 ff. 657 ff»
Petronius 796
Philologie 40S f.
Philopoimen 33 ff.
Piaton (apol.) 267 ff.
Plautus 133 f. 487 ff. (irue.) 61 ff.
Platarchos (mor.) 736
Polemon 631 ff.
noXOc und ^^y^c 452 f.
Proklos 735
Propertius 65 ff. 271 f.
Quintilianus (inst, or.) 412
guod 458 f. 464 f.
römische geschichte 169 ff. 649 ff.
863 ff.
Sallustias 217 ff. {hisi,) 440
Sardinien 49 ff.
cxf|CUi und ^Eui 163 ff.
scurra seurilis 786
Seneca, L.. 141 ff. (de hrev. viiae) 786
CKavödXr] =- CKdvboXov 229 f.
Solon 6 f.
Sophokles 145 ff. (Ant.) 108 f. 898 ff.
(Kl.) 625 ff. (Phil.) 801 ff. (Trach.)
351 (elegien) 14 f.
Sparta (thronfolgerecht) 266 f.
stierhlut, Vergiftung damit 168 ff.
Suidas 552
Sjnkellos 890
Tacitns (ann.) 645 f. (jigr.) 641 f.
Tereutins 487 ff.
Theognis 7 ff. 263 ff.
Thnkjdides 577 ff. 657 ff. (biogr.) 82
Tiberianun 771
TibuUus 269 ff. 273 f. 860 ff.
Timaios (historien) 809 ff.
Timon von Phlius 113 f.
Tjdeus 455 f.
Tyrtaios 4
Valerins Maximus 637 ff.
Vergilius (//?«.) 436 ff. 772 f.
wisant 744 ff.
IViHtbada SOI f. 492
Xenophancs 6 f.
Xenophon (anab.) 359. 718 ff. 817 ff.
(Hell.) 79 f. 736 f. (iröpoi) 787 f.
['AOnv. iroX.] 18. 742 f.
zahlen bei Homeros 260 ff. 889 ff.
Zenon von Kition 223 f.
Zonaras 736
I»
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*