Skip to main content

Full text of "Neue Jahrbücher für Philologie und Paedogogik"

See other formats


Google 


This  is  a  digital  copy  of  a  book  that  was  prcscrvod  for  gcncrations  on  library  shclvcs  bcforc  it  was  carcfully  scannod  by  Google  as  pari  of  a  projcct 

to  make  the  world's  books  discoverablc  online. 

It  has  survived  long  enough  for  the  Copyright  to  expire  and  the  book  to  enter  the  public  domain.  A  public  domain  book  is  one  that  was  never  subject 

to  Copyright  or  whose  legal  Copyright  term  has  expired.  Whether  a  book  is  in  the  public  domain  may  vary  country  to  country.  Public  domain  books 

are  our  gateways  to  the  past,  representing  a  wealth  of  history,  cultuie  and  knowledge  that's  often  difficult  to  discover. 

Marks,  notations  and  other  maiginalia  present  in  the  original  volume  will  appear  in  this  flle  -  a  reminder  of  this  book's  long  journcy  from  the 

publisher  to  a  library  and  finally  to  you. 

Usage  guidelines 

Google  is  proud  to  partner  with  libraries  to  digitize  public  domain  materials  and  make  them  widely  accessible.  Public  domain  books  belong  to  the 
public  and  we  are  merely  their  custodians.  Nevertheless,  this  work  is  expensive,  so  in  order  to  keep  providing  this  resource,  we  have  taken  Steps  to 
prcvcnt  abuse  by  commcrcial  parties,  including  placing  technical  restrictions  on  automatcd  qucrying. 
We  also  ask  that  you: 

+  Make  non-commercial  use  ofthefiles  We  designed  Google  Book  Search  for  use  by  individuals,  and  we  request  that  you  use  these  files  for 
personal,  non-commercial  purposes. 

+  Refrain  from  automated  querying  Do  not  send  aulomated  queries  of  any  sort  to  Google's  System:  If  you  are  conducting  research  on  machinc 
translation,  optical  character  recognition  or  other  areas  where  access  to  a  laige  amount  of  text  is  helpful,  please  contact  us.  We  encouragc  the 
use  of  public  domain  materials  for  these  purposes  and  may  be  able  to  help. 

+  Maintain  attributionTht  GoogX'S  "watermark" you  see  on  each  flle  is essential  for  informingpcoplcabout  this  projcct  andhclping  them  lind 
additional  materials  through  Google  Book  Search.  Please  do  not  remove  it. 

+  Keep  it  legal  Whatever  your  use,  remember  that  you  are  lesponsible  for  ensuring  that  what  you  are  doing  is  legal.  Do  not  assume  that  just 
because  we  believe  a  book  is  in  the  public  domain  for  users  in  the  United  States,  that  the  work  is  also  in  the  public  domain  for  users  in  other 
countries.  Whether  a  book  is  still  in  Copyright  varies  from  country  to  country,  and  we  can'l  offer  guidance  on  whether  any  speciflc  use  of 
any  speciflc  book  is  allowed.  Please  do  not  assume  that  a  book's  appearance  in  Google  Book  Search  mcans  it  can  bc  used  in  any  manner 
anywhere  in  the  world.  Copyright  infringement  liabili^  can  be  quite  severe. 

Äbout  Google  Book  Search 

Google's  mission  is  to  organizc  the  world's  Information  and  to  make  it  univcrsally  accessible  and  uscful.   Google  Book  Search  hclps  rcadcrs 
discover  the  world's  books  while  hclping  authors  and  publishers  reach  new  audiences.  You  can  search  through  the  füll  icxi  of  ihis  book  on  the  web 

at|http  :  //books  .  google  .  com/| 


Google 


IJber  dieses  Buch 

Dies  ist  ein  digitales  Exemplar  eines  Buches,  das  seit  Generationen  in  den  Realen  der  Bibliotheken  aufbewahrt  wurde,  bevor  es  von  Google  im 
Rahmen  eines  Projekts,  mit  dem  die  Bücher  dieser  Welt  online  verfugbar  gemacht  werden  sollen,  sorgfältig  gescannt  wurde. 
Das  Buch  hat  das  Urheberrecht  überdauert  und  kann  nun  öffentlich  zugänglich  gemacht  werden.  Ein  öffentlich  zugängliches  Buch  ist  ein  Buch, 
das  niemals  Urheberrechten  unterlag  oder  bei  dem  die  Schutzfrist  des  Urheberrechts  abgelaufen  ist.  Ob  ein  Buch  öffentlich  zugänglich  ist,  kann 
von  Land  zu  Land  unterschiedlich  sein.  Öffentlich  zugängliche  Bücher  sind  unser  Tor  zur  Vergangenheit  und  stellen  ein  geschichtliches,  kulturelles 
und  wissenschaftliches  Vermögen  dar,  das  häufig  nur  schwierig  zu  entdecken  ist. 

Gebrauchsspuren,  Anmerkungen  und  andere  Randbemerkungen,  die  im  Originalband  enthalten  sind,  finden  sich  auch  in  dieser  Datei  -  eine  Erin- 
nerung an  die  lange  Reise,  die  das  Buch  vom  Verleger  zu  einer  Bibliothek  und  weiter  zu  Ihnen  hinter  sich  gebracht  hat. 

Nu  tzungsrichtlinien 

Google  ist  stolz,  mit  Bibliotheken  in  partnerschaftlicher  Zusammenarbeit  öffentlich  zugängliches  Material  zu  digitalisieren  und  einer  breiten  Masse 
zugänglich  zu  machen.     Öffentlich  zugängliche  Bücher  gehören  der  Öffentlichkeit,  und  wir  sind  nur  ihre  Hüter.     Nie htsdesto trotz  ist  diese 
Arbeit  kostspielig.  Um  diese  Ressource  weiterhin  zur  Verfügung  stellen  zu  können,  haben  wir  Schritte  unternommen,  um  den  Missbrauch  durch 
kommerzielle  Parteien  zu  veihindem.  Dazu  gehören  technische  Einschränkungen  für  automatisierte  Abfragen. 
Wir  bitten  Sie  um  Einhaltung  folgender  Richtlinien: 

+  Nutzung  der  Dateien  zu  nichtkommerziellen  Zwecken  Wir  haben  Google  Buchsuche  für  Endanwender  konzipiert  und  möchten,  dass  Sie  diese 
Dateien  nur  für  persönliche,  nichtkommerzielle  Zwecke  verwenden. 

+  Keine  automatisierten  Abfragen  Senden  Sie  keine  automatisierten  Abfragen  irgendwelcher  Art  an  das  Google-System.  Wenn  Sie  Recherchen 
über  maschinelle  Übersetzung,  optische  Zeichenerkennung  oder  andere  Bereiche  durchführen,  in  denen  der  Zugang  zu  Text  in  großen  Mengen 
nützlich  ist,  wenden  Sie  sich  bitte  an  uns.  Wir  fördern  die  Nutzung  des  öffentlich  zugänglichen  Materials  für  diese  Zwecke  und  können  Ihnen 
unter  Umständen  helfen. 

+  Beibehaltung  von  Google-MarkenelementenDas  "Wasserzeichen"  von  Google,  das  Sie  in  jeder  Datei  finden,  ist  wichtig  zur  Information  über 
dieses  Projekt  und  hilft  den  Anwendern  weiteres  Material  über  Google  Buchsuche  zu  finden.  Bitte  entfernen  Sie  das  Wasserzeichen  nicht. 

+  Bewegen  Sie  sich  innerhalb  der  Legalität  Unabhängig  von  Ihrem  Verwendungszweck  müssen  Sie  sich  Ihrer  Verantwortung  bewusst  sein, 
sicherzustellen,  dass  Ihre  Nutzung  legal  ist.  Gehen  Sie  nicht  davon  aus,  dass  ein  Buch,  das  nach  unserem  Dafürhalten  für  Nutzer  in  den  USA 
öffentlich  zugänglich  ist,  auch  fiir  Nutzer  in  anderen  Ländern  öffentlich  zugänglich  ist.  Ob  ein  Buch  noch  dem  Urheberrecht  unterliegt,  ist 
von  Land  zu  Land  verschieden.  Wir  können  keine  Beratung  leisten,  ob  eine  bestimmte  Nutzung  eines  bestimmten  Buches  gesetzlich  zulässig 
ist.  Gehen  Sie  nicht  davon  aus,  dass  das  Erscheinen  eines  Buchs  in  Google  Buchsuche  bedeutet,  dass  es  in  jeder  Form  und  überall  auf  der 
Welt  verwendet  werden  kann.  Eine  Urheberrechtsverletzung  kann  schwerwiegende  Folgen  haben. 

Über  Google  Buchsuche 

Das  Ziel  von  Google  besteht  darin,  die  weltweiten  Informationen  zu  organisieren  und  allgemein  nutzbar  und  zugänglich  zu  machen.  Google 
Buchsuche  hilft  Lesern  dabei,  die  Bücher  dieser  Welt  zu  entdecken,  und  unterstützt  Autoren  und  Verleger  dabei,  neue  Zielgruppcn  zu  erreichen. 
Den  gesamten  Buchtext  können  Sie  im  Internet  unter|http:  //books  .  google  .corül  durchsuchen. 


pm^^^^j 


ö 


M 


I 


i4 


i 


y.2  7 


1 


ML 


1 


I 


NEUE  JAHRBÜCHER 


FÜR 


PHILOLOGIE  TIOT)  PAEDAGOGIK. 


GEGENWÄRTIG  HERAUSGEGEBEN 


VON 


ALFRED  FLEGEEISEN  und  HERMANN  HASIUS 

PROFESSOR  nr  DRSCDKR  PROITftSOR  DT  UnpnO. 


DBEIUNDFÜNFZIGSTEB  JAHBGAKG. 


KINHUNDERTUNDSIEBENUNDZWANZIQSTER   BAND. 


LEIPZIG 

DRUCK  UND  VERLAG  VON  B.  0.  TEUBNER. 

1883. 


^5  2-/-^ 


JAHRBÜCHER 


FÜB 


CLASSISCHE  PHILOLOGIE 


HERAUSOEOEBE>: 


VON 


ALFRED  FLECKEISEN. 


NEUNÜNDZWANZIGSTER  JAHRGANe  1883 


ODER 


DER    JAHN8CHEN    JAHRBÜCHER   FÜR    PHILOLOGIE    UND  PAEDAGOGIK 
BIKHUNDERTUNDSIEBENUNDZWANZIGSTER   BAND. 


LEIPZIG 

DBUCK  UND  VERLAG  VON  B.  G.  TEUBNEB. 


VERZEICHNIS  DER  MITARBEITER 

AN  DEN  JAHHGÄNGEN  1875  BIS  1888. 

(die  in  parenthese  beigesetzten  zahlen  beziehen  sich  auf  das  aaehstehende  Inhal tST^rseichnis. 
die  namen  der  mitarbeiter  zu  den  ersten  zwanzig-  Jahrg-äng-en  sind  zu  anfang-  der  Jahrgänge 

1860,  1864  und  1874  abg:edrackt.) 


1.  Emil  Albbecht  in  Berlin  (29,  5ä) 

2.  Otto  Amdohb  in  Frankfurt  an  der  Oder 

3.  Julius  Abnoldt  in  Qumbiiuien 

4.  RicHABD  Abnoldt  in  Prenzlau 

5.  Ebnst  Bachof  in  Bremen 

6.  Fbanz  Badbb  in  Eutin 

7.  Emil  Babhbens  in  Groningen  (97.  113.  119) 

8.  Albbbt  von  Bambebg  in  Gotlia 

9.  Julius  Babtsch  in  Stade 

10.  Hebmann  Baumoabt  in  Königsberg  (Ostpreuszen) 

11.  Malwin  Bechebt  in  Leipzig 

12.  Theodob  Beckeb  in  Scblawe  (Pommern) 

13.  Julius  Beloch  in  Rom  (30) 

14.  Hans  Kabl  Bbnickbn  in  Bastenburg 
16.  Gustav  Bbnseleb  in  Chemnitz 

16.  Hugo  Beboeb  in  Leipzig 

17.  Theodob  Bebok  in  Bonn  (f  1881) 

18.  Gbeoobius  Bebnabdakis  in  Leipzig 

19.  Rudolf  Bitschofsky  in  Wien 

20.  Fbiedrich  Blass  in  Kiel  (3.  64) 

21.  Hebmann  Blass  in  Berlin  (j  1881) 

22.  Hugo  Blümneb  in  Zürich 

23.  Rudolf  Bobbik  in  Beigard  (Pommern) 

24.  Fbubdrich  Bockemülleb  in  Stade  (68) 
26.  Wilhelm  Böhme  in  Stolp 

26.  Ebnst  Bösseb  in  Plön 

27.  Max  Bonnet  in  Montpellier 

28.  Heinbich  Bbandes  in  Leipzig 

29.  Wilhelm  Bbandes  in  Braunschweig 

30.  Samuel  Bbandt  in  Heidelberg  (13) 

31.  Ludwig  Bbbitbnbach  in  Naumburg 

32.  Adolf  Briegeb  in  Halle  (86) 

33.  Julius  Bbix  in  Liegnitz 

34.  Kabl  Bbugman  in  Leipzig 
36.  OsKAB  Bbugman  in  Leipzig 

36.  Hebmann  Bbuncke  in  Wolfenbüttel 

37.  Fbabz  Bücrblbb  in  Bonn 

38.  Cabl  Büngeb  in  Straszburg  (Elsass) 

39.  RiCHABD  Büngeb  in  Görlitz  (103) 

40.  Heinbich  Bubbmann  in  Berlin 

41.  Theodob  Büttneb -Wobst  in  Dresden 

42.  Jacob  Bubkhabd  in  Zürich 


U     Vi    i.v  i:  ■  17  -1  •!.*.    ::( 

t:  r     '. "?     5      ".  A.Ä.?i   LI    jrr  "f  ■  L'-^'i:     pLn.n^yiii". 

4r(  >  X."  1    '.  j. :  I  i  -1  .1 T : . .:.     * 

i, '  "'■'  ■-  ij  L  A-    ".  E  t :  fc  7   _i  M  i JL  ■.  1  T :. 

*r».  .":  i   ?!:■:=     .  m  •  •  ?  i  » f  i  >   .i  ?T  l:i  "■  uri: 

*  1.     ">' :.-»  ±- 1  »■     '.  1  i  KK    IL    0 1  i: r  Z. t  L      7    1  SöÖ;    '.  1 ) 

1,1.  '.  i  1 :  ?T:.tJ  ''.  L :  s  iL  A-  £  »• :  i.r;: 

[■t     •'.•7  7-.      .L-.H-.r     -L    Ltl.ia      3^ 

^'    •'■£.*«    'l-- PTiT   Ctf".    ;:j  Gruii'ltnz  '49! 

y...  i-ii.A-  r.  i".  2   iL  i'jtlii'LUc    .lireispaiii  ^t    l*^*- 

iT.  üiiii..*   I'iiii::  i   iL  liiniDerich 

ü*    Jii:i'i.::r  li  7ii  iL  Eiu'.'ien 

l'V    £s.i'-ij^t.k  li:ii.i:>o  iii  MüncLiiii 

O"  .  Lv;ti:5.  !•:*;.:  i.»  ii  Lt-ipzip    j  1871. 

ti.  "«VriäLn  I':7-7iM:ti '..LL  iu  Halle 

<j-j.  Iri-.i.-.L  :.»:f5ll   -l  ln-esdon  (f  1880' 

6ö.  AI  vir  7  l»:i:>-.-  Il  Dortmuud 

C4    h"-Lt>Ej-t:   I''.itiA.i;7   iL  Erlnnj^eu  M7" 

C5.  A>7.j.  i.7:-'s7  I.'LALOKB  in  Anrieh 

W..  Kts-r  I'iAET.-K  :l  Berlin 

CT.  Allix.mil  LiLLsr.HLH  iii  Mainz  i .. 

Kth.  Hl:>^:.l:>  DiiEssleb  in  Bautzen 

0&.  L:lw:>  DiiEwL«  in  Helmstedt 

7'>.  HE;*t:cE  Dul:  in  Buru 

71.  Hliskich  I'lntzkr  in  Köln 

7:f.  FtiEi'Eicu  vos  Duux  iu  He.iilelh 

7'i.  HiCHAhi'  DuNCKEB  in  üreiffen«.'- 

74.  HEkiiA>'.N  DuNfiER  in  Dresden 

75.  Kabl  liziATZKO  in  Breslau  . 
7C.  PETEi:  Ege.nolff  in  Manuiiei 
77.  HrtEET  KicULKR  in  Kraiikri'f' 
7*.  Kdiakd  KiäEN  in  Liirr.'i'-h  (:h>' 

76.  Ot7j  Kkumann  iu  Ötni«.'.  J 
^■.^  Aj'AM  KLa^NKK  iu  \Vür..u.. 

*1.    FfcANZ    KVSÜENHAKIJI     ifl    'l. 

%-j.  Johann  I'all  von  F.v!"iiN.' 
»3    Hans  Flach  in  Tübii.-^- .. 
•*4.  Ai'AM  Flasch  in  F.rUii., 
«5.  Alfred  Fi.f.ckkiskv  i.-.   .■ 

86.  CiRT  Fleisciiku  ii. 

87.  JxiiAN.v  Karl  Fi. K!-  ...     . 
8fc.  KiciiARü  Füiiifir.J^   i'     .' 
&9.    PtTKR    WlLnLl.M    *■"'{.    .. 

90.  f'oHNELis  .Marin r-    '. 

91.  AUTIILU   Frkdkkk" 

92.  Jmiia.nnes   VllV.l  !'=•' 

93.  Karl  Fiifv  in  I' 

94.  Carl  Fru  k  in   I' 

95.  Ottü  Fitii.  k  in  ü,. 

96.  WlLUEI.Sf   Fi;iv..  •  '•  . 

97.  Adulf  Fujt.-«'  .• 

98.  TiiKonnis  Fitif. 

99.  FuiEnnicii  V'r-  ,.    k 

lUM.    A.VTU-V    Fl.Nt  K 

IUI.  Adolf  Fli.-« 


Verzeichnis  der  mitarbeiter.  ix 


'  T^iEBHOLD  in  Hudolstadt 
'":.'  hiPSiUR  in  Leipzig 
.^-1!   in  Mainz  (f  1881) 
■   i.K  in  Dorpat 
.11  Güttill  gen  «y  1883) 
:  k  in   Wiesbaden  (80) 
-M  in  DfUtoch-Krone  {.67) 
■  i<  :!  in  Kijnigäberg    Ostprenszen) 
.'.   in  Hrenien 
L'  :•(.(  KE  ia  Ürcmen 
i.;  n (..'{: j:r  in  Linien 
.r...i    in  St.  Petersburg  (67; 
L:  i:  s  in  ^traszbnrg  -Elsasz) 
'.:  :)!;>:.%'  fiFK  iu  liurgdorf  (Schweiz; 
*1  ■■  \\i.\    II!   Hasel  ,67/ 
'■I.m.n;-.  in  Berlin 
-   M  Vi:  „•[  AijiiT  in  Güstrow 
I    M.-.vM-Kr-  in  Dresden 

■  ;  Mk'i:::  in  Hannover   ,112 
Ml>:-.!:  in  München 
-A.N   Mk:i<«nkb  iu  Breslau 
:::•  :iAi;i<  Meister  in  Leipzig 
"*iK(.iKKiKr»  Merleb  in  Wien 
•>iTi  Mkltzer  in  Dresden     10 
L;  iiwiG  Mendelssohn  in  Dorjiat 
Heinrich  Menge  in  Mainz 
Ab'jLF  nr  Mesnil  in  Frankfurt  an  der  Oder 
-jlT.  irOTTROLD  Mel'tzneb  iu  Plaueu  'Vogtland,. 
'Jl^.  Krnst  Meyer  in  Herford 
'J4'.*.  GrsTAV  Meter  in  Graz 
-J.'i't.  Theodor  Mommsbk  in  Berlin 
'JM.  i.1  ERHARD  Heinrich  Ml'lleb  in  Wongrowitz 
'2bi.  Hermann  Johannes  Müller  in  Berlin 
'2bS.   Friedrich  Max  Müller  in  Oxford 

254.  Hermann  Mi  llkh-Strübing  iu  London    b^ 

255.  Moritz  Müller  in  Stendal 

256.  Christian  Mcff  in  Stettin   :4i 

257.  Cabx.  Nauck  in  Künigsberg  (Xeumark^    81; 
S6&  KjlSL  Johannes  Xbümann  in  Halle    82] 
S59.  Fhaxi  HiUtixoBR  in  Scbneidexnühl 

260.  KoiBAD  HuamK  ia  Kiel 
Ml.  Max  Mip**.—  in  Berlin 
im  MasJ^  ■    ^Snigsberg  'Ostprenszen 

'i^^taH  n  Straszburg  ..Elsasz, 

^1^^^  Posen 

^  in  Breslau 


_  I 


1 


VIU  Yereeichnis  der  mitarbeiter. 

161.  Fbahz  Hbtbb  in  Bartenstein 

162.  Alfred  Hillbbrandt  in  Breslau  (67) 

163.  Edüabd  Hillbb  in  Halle  (25.  46) 

164.  Gustav  Hibschfbld  in  Königsbergs  (Ostpreuszei 
166.  Bbüno  Hibschwäldeb  in  Breslau  (6.  70) 

166.  Hbbmann  Hitzig  in  Bern 

167.  Adblbbbt  Högk  in  Husum  (79) 

168.  £manubl  Hofpmann  in  Wien 

169.  Gustav  Hoffmann  in  Neunkirchen 

170.  Fbitz  Hommel  in  München 

171.  Fbbdinahd  Hoppe  in  Gnmbinnen  (f  1881) 

172.  Abhold  Hug  in  Zürich 

178.  Fbiedbich  Hültsch  in  Dresden  (61.  9o) 
174.  Cabl  Jacobt  in  Danzig  (60) 
176.  OsKAB  Jäger  in  Köln 

176.  Karl  von  Jan  in  Straszburg  (Elsasz) 

177.  Justus  Jebp  in  Wolfenbüttel 

178.  Albbecht  Jobdan  in  Dortmund 

179.  Wilhelm  Jobdan  in  Frankfurt  am  Main 

180.  Leopold  Julius  in  München 

181.  Emil  August  Junghahn  in  Berlin 

182.  Emil  Jungmann  in  Leipzig 

183.  Adolf  Kaegi  in  Zürich 

184.  Eduabd  Kammer  in  Lyck 

186.  Adolf  Kannengiesser  in  Lüneburg 

186.  Karl  Heinbich  Keck  in  Husum 

187.  Philipp  Keipeb  in  Zweibrücken 

188.  Otto  Kelleb  in  Prag 

189.  Albebt  Kellerbaubb  in  Kempten 

190.  Fbanz  Kebn  in  Berlin  (18.  66) 

191.  Fbiedbich  Kiel  in  Hannover 

192.  Adolf  Kiene  in  Hannover 

193.  Otto  Kienitz  in  Karlsruhe 

194.  Johannes  Klein  in  Eberswalde 
196.  Ebnst  Klussmann  in  Rudolstadt 

196.  Rudolf  Klussmann  in  Gera  (92) 

197.  Paul  Knapp  in  Tübingen 

198.  Hebmann  Adolf  Koch  in  Pforta  (f  1876) 

199.  Reinuold  Köbleb  in  Weimar 

200.  Emil  König  in  Patschkau 

201.  Wilhelm  Heinrich  Kolster  in  Eutin  (64) 

202.  Hebmann  Kothe  in  Breslau  (115) 

203.  Hebmann  Kraffert  in  Aurich 

204.  Heinrich  Kratz  in  Stuttgart 
206.  Karl  Kraut  in  Blaubeuren  (65) 

206.  Johannes  Samuel  Kroschel  in  Arnstadt 

207.  Gustav  Krüger  in  Dessau 

208.  Emil  Kuhn  in  Dresden  (f  1880) 

209.  Johann  Kvicala  in  Prag 

210.  Gustav  Landgraf  in  Schweinfurt 

211.  Hugo  Landwehr  in  Berlin  (77) 

212.  Carl  Lang  in  Offenburg 

213.  Adolf  Lange  in  Kassel 

214.  Gustav  Lange  in  Berlin 
216.  Ludwig  Lange  in  Leipzig 

216.  Peter  Langen  in  Münster  (Westfalen) 

217.  Friedrich  Latendorf  in  Schwerin 

218.  Fbiedbich  Leonhard  Lentz  in  Königsberg  (Oi 

219.  Julius  Lbv  in  Saarbrücken  (107) 


Yeneiobnis  der  mitarbeitet'.  IX 


820.  ItARL  Julius  Liibholo  in  RudoUtadt 

221.  JuBTUB  Hbbmanr  Lipsiub  in  Leipsig 

222.  Rudolf  Löbbaob  in  Mains  (f  1881} 
228.  GsoBG  LoBBOBOKB  in  Dorpat 

224.  Gustav  Löwb  in  Oöttingen  (f  1888) 
226.  Fbibdbxcr  Lorb  in  Wiesbaden  (80) 

226.  Anton  I^owinski  in  Dotttsoh*Krone  (67) 

227.  Abthub  Ludwxoh  in  Königsberg  (Ostpreussen) 

228.  Ebbst  Ludwig  in  Bremen 

229.  Fbxbdbioh  Lüdbokb  in  Bremen 

280.  Oottlibb  Lüttobbt  in  Lingen 

281.  Kabl  Luobbjl  in  Öt.  Petersburg  (67) 

282.  Bbbnhabd  Lupus  in  Strasasbnrg  (Elsass) 
288.  Fbanz  Lutbbbaohrb  in  Burgdorf  (Sohweis) 
284.  Jacob  MIhly  in  Basel  (67) 

286.  Hugo  Magnus  in  Berlin 

286.  Habs  Mabquabdt  in  Güstrow 

287.  Kabl  Matroff  in  Dresden 

288.  Ludwig  Mbjeb  in  Hannover  (112) 

289.  Cabl  Meisbb  in  München 

240.  Roman  Mbissneb  in  Breslau 

241.  Richabd  Mbxstbb  in  Leipzig 

242.  SiBOFBiBD  Mbklbb  in  Wien 
248.  Otto  Mbltzbb  in  Dresden  (10) 
244.  Ludwig  Mbndblssohb  in  Dorpat 
246.  Hbinbioh  Mbnob  in  Maine 

246.  Adolf  du  Mbsnil  in  Frankfurt  an  der  Oder 

247.  Gotthold  Mbutzbbb  in  Planen  (Vogtland) 

248.  Ebbst  Mbybb  in  Herford 

249.  Gustav  Mbtbb  in  Gh'az 

260.  Thbodob  Mommsbb  in  Berlin 

261.  Gbbhabd  Hbimbich  Müllbb  in  Wongrowitz 

262.  Hbbmanb  Johabnbs  Müllbb  in  BerUn 

263.  Fbibdbicb  Max  Müllbb  in  Oxford 

264.  Hbbmanb  Müllbb-Stbübing  in  London  (89) 
266.  Mobitz  Müllbb  in  Stendal 

266.  Chbistiab  Muff  in  Stettin  (4) 

267.  Cabl  Nauck  in  Königsberg  (Nenmark)  (81) 

268.  Kabl  Johabnbs  Nbumabb  in  Halle  (82) 

269.  Fbanz  NiblIndbb  in  ScbneidemÜbl 

260.  Konbad  Nibmbybb  in  Kiel 

261.  Max  Nibmbtxb  in  Berlin 

262.  Max  Nibtzki  in  Königsberg  (Ostpreoszen) 

263.  Hbinbich  Nissbn  in  Straszbnrg  (Elaasz) 

264.  Richabd  Noetbl  in  Posen 
266.  Johabnbs  Obbbdick  in  Breslau 

266.  Ko^BAD  Ohlbbt  in  Berlin  (109) 

267.  Thbodob  Opitz  in  Dresden  (36; 

268.  Johann  Nbpomuk  Ott  in  Rottweil 

269.  Fbibdbich  Otto  in  Wiesbaden 

270.  Paul  Pabst  in  Gentbin 

271.  Kabl  Pansch  in  Soest 

272.  Edwin  Patzig  in  Leipzig 

273.  Ludwig  Paul  in  Kiel 

274.  Hbbmann  Pbtxb  in  Meiszen 
276.  EcGEB  Pbtbbsbb  io  Prag 

276.  Hbbmabn  Pbtbi  in  Höxter  (16) 

277.  MicHABL  Pbtschbbio  io  QrtLZ 
VIS,  Fbanz  Pflügl  in  Straubing 


X  VerzeichniB  der  mitarbeiter. 

• 

279.  Otto  Pfündther  in  Königsberg  (Ostpreuszen) 

280.  Adolf  Philippi  in  Gieszen 

281.  RoBEBT  Philippson  in  Leipzig 

282.  EuGBH  Plbw  in  Danzig  (f  1878) 

283.  Thbodob  Plüss  in  Basel  (75.  93.  118) 

284.  Fbiedbich  Polle  in  Dresden 

285.  Hahs  Rudolf  Pomtow  in  Hamburg  (51) 

286.  Paul  Preibisch  in  Tilsit 

287.  Rudolf  Prinz  in  Münster 

288.  Albebt  Pbocksch  in  Eisenberg 

289.  Hugo  Purmann  in  Cottbus 

290.  Rudolf  Rauchbnstbin  in  Aarau  (f  1879) 

291.  OsKAB  Rebling  in  Wesel 

292.  Paul  Regbll  in  Hirschberg  (Schlesien) 

293.  Emil  Rbichenhabt  in  Frankenthal 

294.  Leopold  Reinhardt  in  Oels 

295.  Johannes  Renner  in  Zittau  (26) 

296.  Qeorg  Fribdrich  Rbttig  in  Bern 

297.  Ernst  Rbuss  in  Frankfurt  am  Main 

298.  Fribdbioh  Rbuss  in  Wetzlar  (103) 

299.  Fbodob  Rhode  in  Reichenbach  (Schlesien)  (73) 

300.  Ernst  Albert  Richter  in  Altenburg  (f  1881) 

801.  JoHANNBs  Richter  in  Nakel 

802.  Karl  Ribck  in  Neustrelitz 

303.  Albxandbb  Ribsb  in  Frankfurt  am  Main 

304.  Hbbmann  Röhl  in  Königsberg  (Keumark) 

305.  Adolf  Römeb  in  München 

306.  Hermann  Rönsch  in  Lobenstein  (35.  101) 

307.  Christian  RÖse  in  Qieszen 

308.  Erwin  Rohdb  in  Tübingen 

309.  Wilhelm  Heinbich  Röscher  in  Würzen  (27) 

310.  Emil  Rosenbbrg  in  Hirschberg  (Schlesien) 

311.  Konrad  Rossbbrg  in  Norden  (12.  88.  111) 

312.  Franz  Rühl  in  Königsberg  (Ostpreuszen)  (7.  108) 

313.  Heinrich  Rumpf  in  Frankfurt  am  Main 

314.  Leonard  SadjSb  in  Freiburg  (Breisgau)  (60) 

315.  BCax  Sandbb  in  Waren 

316.  Abnold  Schaefer  in  Bonn  (f  1883) 

317.  Carl  Schäfer  in  Athen 

318.  Otfribd  Schambach  in  Altenburg 

319.  Mabtin  Schanz  in  Würzburg 

320.  Cabl  Schapbb  in  Berlin 

321.  Adolf  Scuaube  in  Brieg 

322.  Carl  Schirlitz  in  Neustettin 

323.  Karl  Schirmer  in  Metz  (104) 

324.  JacoB  ScHLENGER  in  Mainz  (21) 

325.  Joseph  Hermann  Schmalz  in  Tauberbischofshcim 

326.  Georg  Schmid  in  St  Petersburg 

327.  Friedrich  Wilhelm  Schmidt  in  Neustrelitz 

328.  Hbbmann  Schmidt  in  Wittenberg 

329.  Max  C.  P.  Schmidt  in  Berlin 

330.  MoRiz  Schmidt  in  Jena  (114) 

331.  Otto  Schmidt  in  Eisenach 

332.  Otto  Eduard  Schmidt  in  Dresden  (86.  120) 

333.  Otto  Schneideb  in  Gotha  (f  1880) 
834.  RiCHABD  ScHNEiDEB  iu  Duisburg  (68) 
335.  Rudolf  Schneider  in  Berlin 

836.  Karl  Schnelle  in  Zittau 
337.  FsiTK  Scholl  in  Heidelberg 


Verzeichnis  der  mitarbeiter.  XI 

338.  Geobo  Fbiedrich  Schömann  in  Greifswald  (f  1879) 

339.  Cabl  Schrader  in  Düren 

340.  Theodor  Schreiber  in  Leipzig 

341.  Otto  Schroedbr  in  Berlin  (2) 

342.  Paul  Schröder  in  London 

343.  Franz  Martin  Schröter  in  Leipzig 

344.  JoH.  Heinrich  Ch.  Schubart  in  Kassel  (71) 
346.  Rudolf  Schubert  in  Königsberg  (Ostprenszen) 

346.  Hermann  Schütz  in  Potsdam 

347.  August  Schultz  in  Hirschberg  (Schlesien) 

348.  Ferdinand  Schultz  in  Charlottenburg 

349.  Ernst  Richard  Schulze  in  Bautzen  (28) 

350.  Karl  Paul  Schulze  in  Berlin 

351.  LuDwia  Schwabe  in  Tübingen  (72) 

352.  Wilhelm  Schwartz  in  Berlin  (19) 

353.  Paul  Schwartzkopff  in  Wernigerode 

354.  Heinrich  Schweizer-Sidler  in  Zürich 

355.  Paul  Schwenke  in  Kiel 

356.  Kabl  Schwerino  in  Coesfeld  (90) 

357.  Konrad  Seeliger  in  Meiszen 

358.  Christian  Friedrich  Sehrwald  in  Eisenach 

359.  Hebmann  Siebeck  in  Qieszen 

360.  Otto  Sieroka  in  Gumbinnen 

361.  Jacob  Sitzleb  in  Tauberbischofsheim 

362.  Johann  Söegrl  in  Hof 

363.  Julius  Sommebbbodt  in  Breslau  (20) 

364.  Mabtin  Sobof  in  Cöslin  (17) 

365.  RoBEBT  Spbengeb  in  Northeim  (31) 

366.  Albebt  Stachelscheid  in  London 

367.  Hugo  Staotmülleb  in  Heidelberg  (106) 

368.  Thomas  Stanol  in  München  (38) 

369.  August  Steitz  in  Frankfurt  am  Main 

370.  Paul  Stengel  in  Berlin  (52) 

371.  Fedoe  yon  Stojentin  in  Breslau 

372.  Heinbich  Wilhelm  Stoll  in  Weilburg 

373.  Abeaham  Strelitz  in  Rostock 

374.  Wilhelm  Studemund  in  Straszburg  (Elsasz) 

375.  Fbanz  Susemihl  in  Greifswald  (37.  91) 

376.  Gebhabd  Tebwelp  in  Andernach  (78) 

377.  August  Teuber  in  Eberswalde  (9) 

378.  Sigmund  Teuffel  in  Tübingen 

379.  Wilhelm  Teuffel  in  Tübingen  (f  1878) 

380.  Theodob  Thalheim  in  Brieg 

381.  Philipp  Thielmann  in  Speier 

382.  Rudolf  Thimm  in  Bartenstein 

383.  Theodob  Tohte  in  Leer 

384.  RicHABO  Teeitschke  in  Dresden  (f  1883) 

385.  Geobg  Tbeu  in  Dresden  (94) 

386.  WoLDEMAB  Tböbst  in  Hameln 

387.  Heinbich  Uhle  in  Dresden 

388.  Gustav  Uhlio  in  Heidelberg 

889.  Geobg  Frieobich  Ungee  in  Würzburg  (55  > 

390.  Robbet  Unoeb  in  Halle  ^  ' 

391.  Gustav  Un gebmann  in  Münstereifel 

892.  August  Uppenkamp  in  Düren  (73) 

893.  Heemann  Useneb  in  Bonn 

394.  Cabl  Venedigeb  in  Spandau 

395.  Anton  Viertel  in  Gumbinnen 
896.  Julius  Völkel  in  Moskau  (f  1882) 


xn  Verzeichnis  der  mitarbeiter. 

397.  August  Vogsl  in  Colmar 

398.  Fbibdrich  Vogel  in  Zweibrücken  (121) 

399.  Theodor  Vogel  in  Leipzig  (32) 

400.  Richard  Volkmann  in  Janer 

401.  Ferdinand  Vollbecht  in  Otterndorf 

402.  Wilhelm  Vorlaender  in  Saargemtind 

403.  CuRT  Wachsmuth  in  Heidelberg 

404.  August  Waokner  in  Gent 
406.  Carl  Wagener  in  Bremen 

406.  Ernst  Waoner  in  Königsberg  (Ostprenszen) 

407.  K.  Walter  in  Arnstadt 

408.  Nicolaus  Wecklein  in  Passaa  (66) 

409.  Andreas  Weidner  in  Dortmund 

410.  Oskar  Weise  in  Eisenberg 

411.  Fritz  Weiss  in  Dresden 

412.  Edmund  Weissenborn  in  Mühlhansen  (Thüringen) 

413.  Paul  Weizsäcker  in  Heidenheim 

414.  Eduard  Wellmann  in  Berlin 

415.  Heinrich  Welzhofer  in  München 

416.  Karl  Welzhofer  in  München 

417.  Hugo  Wbnsky  in  Breslau  (96) 

418.  Martin  Wetzel  in  Paderborn  (23) 

419.  Georg  Peter  Wetgoldt  in  Lörrach 

420.  Oskar  Wichmann  in  Eberswalde 

421.  Simon  Widmanh  in  Wiesbaden  (49.  100) 

422.  Karl  Wibseler  in  Greifswald  (f  1883) 

423.  Erich  Wilisch  in  Zittau 

424.  Hans  Wirz  in  Zürich 

426.  Albert  Wodrio  in  Schwedt  an  der  Oder 
,  426.  Eduard  Wölfflin  in  Manchen 

427.  Emil  Wörner  in  Leipzig 

428.  Martin  Wohlrab  in  Chemnitz 

429.  Jan  Woltjer  in  Amsterdam 

430.  Konrad  Zacher  in  Breslau  (69.  99) 

431.  Eduard  Zarncke  in  Leipzig 

432.  Ernst  Zieoeler  in  Bremen 

433.  Christoph  Zieoler  in  Stuttgart  (41) 

434.  Leo  Zieglbr  in  München 

435.  Gerhard  Zillobnz  in  Wittstock 

436.  Michael  Zink  in  Zweibrücken 
487.  Hermann  Zurboro  in  Zerbst  (14). 


INHALTSVERZEICHNIS. 

(die  in  parenthese  beigesetzlen    zahlen  beziehen  sich  auf  das  voranstehende  Terzelehnis 

der  milarbeiter.) 


Seite 

1.  ZU  den  griechischen  elegikern  (51) 1 

2.  zu  der  schrift  vom  Staat  der  Athener  (841) 18 

3.  zu  Empedokles  (20) 19 

4.  anz.  V.  NWeckleins  technik  der  chorgesänge  des  Äsehjlus  (256)    21 
6.    zu  Euripides  (218.  115) 29.  729 

6.  zur  biographie  des  Thukydides  (165) 32 

7.  der  letzte  kämpf  der  Achäer  gegfen  Nabis  (312) 33 

8.  epigraphisches  (46) 46 

9.  zu  Florus  (377.  80) 48.  486 

10.  anz.  y.  EPais*  la  Sardegna  prima  de!  dominio  Romano  (243)    .    49 

11.  zum  Truculentus  des  Plautns  (75) 61 

12.  zur  Kritik  des  Propertius  (311) 65 

13.  ein  druckfehler  bei  Ovidius  [trist,  IV  10,  107]  (30.  118)    .     78.  192 

14.  zu  Xenophons  Hellenika  (437) 79 

15.  anz.  V.  ABoettichers  Olympia  (49) 81 

16.  zu  Sophokles  Antigene  (276) 103 

17.  die  dnaTiüTn  ^^  mordprocessen  (364) .  105 

18.  zu  Timon  von  Phlius  (190) 113 

19.  das  halsband  der  Harmonia  und  die  kröne  der  Ariadne  (352)  .  115 

20.  zu  Lukianos  (363) 128 

21.  zu  Ciceros  reden  gegen  Verres  (129.  324) 132.  484 

22.  quisquiliae  Plautinae  (142) 133 

28.  anz.  v.  HKluges  consecutio  temporum  im  lat.  (418) .....  135 

24.  zu  L.  Seneca  (160) 141 

25.  Inschrift  von  Metapontion  (163) 144 

26.  zu  Sophokles  (295) 145 

27.  die  Vergiftung  mit  stierblut  im  classischen*  altertum  (309)     .     .  159 

28.  utra  futuri  forma  oratores  Attici  uti  maluerint,  ä^iU  an  cx/|CtD 
(349) 163 

29.  die  gegner  in  der  ersten  rede  des  Isaios  (1) 167 

30.  die  weihinschrift  des  Dianahaines  von  Aricia  (13) 169 

31.  zu  Justinus  (365.  80) 175 


XIV  Inhaltsverzeiclinis. 

Seite 

32.  anz.  y.  KSittls  locale  yersohiedeuheiten  der  lat.  spräche  (399)  177 

33.  Pseudoboethiana  (368) 193.  285 

34.  zu  Ciceros  Brutus  (86) 208 

36.    zu  Gellius  (306) 211 

36.  Sallustius  und  Aurelius  Victor  (267) 217 

37.  Zenon  von  Kition  (376) 223 

38.  zu  Livius  (78) • 224 

39.  Studien  zu  Babrios  und  den  Aisopeia  (54) 225 

40.  zur   erklärung   und    kritik    der   Homerischen    gedickte.     I — III 
(106) 260.  767.  839 

41.  zu  Theognis  (433) 268 

42.  das  thronfolgerecht  der  spartanischen  kronprinzensöhne  (148)  .  265 

43.  zu  Piatons  apologie  des  Sokrates  (118) 267 

44.  anz.  y.  CJacobjs  anthologie  aus  den  elegikern  der  Römer  (140)  261 
46.   zu  Ovidius  Fasti  (112.  111) 272.  862 

46.  das  fragmentnm  Cuiaciauum  des  Tibullus  (163) 273 

47.  anz.  yon  Ennodii  opera  omnia  ed.  GHartel  (64) 275 

48.  zu  Livius  und  Aelius  Spartianus  (123) 284 

49.  Wisibada  (66.  421) 301.  49? 

60.  philologische  gelegenheitsschriften  (86) 303.  676.  7f 

51.  die  Orakelinschriften  von  Dodona  (286) ? 

62.  die   einführung  der  in  Homerischer   zeit  noch  nicht  bekannten 

Opfer  in  Qriechenland  (370) 

53.  zu  Antiphon  (1) 

54.  zu  Archimedes  (20) 

55.  die  regierungen  des  Peisistratos  (389) 

56.  über  den  schlusz  des  zweiten  epeisodion  in  Sophokles  Antige 
(190)  

57.  anz.  v.  HUseners  philolo^ie  und  geschichtswissenschaft  (14 

58.  zu  Epikuros  brief  an  Herodotos  (24) 

59.  zu  Quintilianus  (80) 

60.  zu  Dionysios  von  Halikarnasos  (314.  174) 

61.  Xf)|Li)üiaTa  cic  Td  cq>aipiKd.    reste  einer  verloren  geglaubten  s 
(173)    

62.  zu  Ovidius  metamorphosen  (129) 

63.  zu  Ciceros  philosophischen  Schriften  (96) 

64.  anz.  v.  Virgil  with  notes  of  TLPapillon  (201)  .     .     . 

65.  zu  Sallustius  (205)  • 

66.  anz.  v.  Aischylos  Agamemnon  von  FWSchneidewin  i 
(408)   

67.  zu  Aischylos  (231.  234.  162.  226) 

08.   ö  ÖTTcp  ÖL  in  der  bedeutung  ^weshalb  obgleich  wäh 
69.    zur  hypothesis  von  Aristophanes  Wespen  (130)     . 


Inhaltsverzeichnis.  XV 

Seite 

70.  zn  Ciceros  briefen  (165) 468 

71.  Pausanias  und  seine  ankläger  (344) 469 

72.  anz  v.  KBaedekers  Griechenland  (351) 482 

73.  zu  Ciceros  rede  pro  Milone  (392.  299) 483 

74.  animum  inducere  im  archaischen  latein  (100) 487 

75.  Horazischer  realismus  (283) 493 

76.  zum  libellus  de  Constantino  Magno  (160) 503 

77.  anz.  y.  CWesseljs   proleg.   ad   papyrorum  graec.  collectionem 
edendam  (211) 605 

78.  zu  Hieronymus  de  viris  illustribus  (107.  376) 513.  851 

79.  zur  geschichte  des  zweiten  athenischen  bundes  (1G7) ....  515 

80.  zur  Schlacht  bei  Marathon  (225) 523 

81.  Homerisches  (257) 526 

82.  zur  landeskunde  und  geschichte  Kilikiens  (258) 527 

88.   zu  Minucius  Felix  (80) 551 

84.  zu  Hesychios  Milesios  (159) 552 

85.  ein  vermeintlicher  archetypus  des  Lucretius  (32) 553 

86.  zu  Ciceros  briefwechsel  mit  M.  Brutus  (332) 559 

87.  zur  lateinischen  anthologie  (80) .  568 

88.  zur  Orestis  tragoedia  (311) 569 

89.  das  erste  jähr  des  peloponnesischen  krieges  (254)  .     .     .    577.  657 

90.  zu  Horatius  (356.  173) 612 

91.  die  textüberliefe rung  der  Nikomachischen  ethik  (375)      .     .     .  615 

92.  anz.  y.  WEngelmann  u.   EPreuss   bibl.   Script,    class.     2e  abt. 
(196) 621 

93.  ein  chorlied  der  Sophokleischen  Elektra  (293) 625 

94.  Pausanias  und  sein  Verteidiger  (385) 631 

95.  zu  Aristophanes  Fröschen  (67) 634 

96.  zu  Valerius  Maximus  (417) 637 

97.  zu  Tacitus  Agricola  (7) 641 

98.  zu  Martialis  (112) 643 

99.  zu  Tacitus  annalen  (430) 648 

100.  differentiae  sermonum  (421) 649 

101.  zum  itinerarium  Alexandri  (306) 653 

102.  zu  den  scriptores  historiae  Augnstae  (123) 656 

103.  zu  Xenophons  anabasis  (39.  298) 713.  817 

104.  anz.  v.  FWecks  beitragen  zur  erklärung  Hom.  personennamen 
(323) 717 

105.  Homerisches  (93) 721 

106.  zur  kritik  des  Aischylos  (367) 724 

107.  zu  Ciceros  Cato  maior  (219) 734 

108.  vermischte  bemerkungen  (312) 735 

109.  zu  Athenaios  (266) 753 


XVI  InhaltsverzeichniB. 

Seite 

110.  Pausanias  und  Olympia  (164} 7*69 

111.  zu  Tiberianu»  (811) 771 

112.  zu  VergiUus  Aeneis  (238) 772 

113.  die  oonsonantengemination  im  lateinischen  (7) 774 

114.  zu  Sophokles  Philoktetes  (330) 801 

115.  zur  Ökonomie  der  historien  des  Timaios  (202) 809 

116.  zu  den  quellen  der  Messeniaka  des  Pausanias  (43)     ....  814 

117.  zum  fünften  buche  der  Aristotelischen  politik  (83)      ....  832 

1 18.  Horazische  allegorie  (283) 858 

119.  zu  Tibullus  (7) 860 

120.  die  zeit  der  lex  Antonia  Cornelia  de  permutatione  provineiarum 

(44  vor  Ch.)  (832) 863 

121.  zu  Ammianus  Marcellinus  (398) 865 

122.  zu  Qennadius  de  yiris  illustribus  (107) 866 


ERSTE  ABTEILUNG 

FUß  CLASSISCHE  PHILOLOGIE 

HBBAUSGEGEBEN  VON  ALFRED  FlECKBISEN. 


1. 

ZU  DEN  GEIECHISCHEN  ELEGIKEEN. 


Es  ist  Theodor  Bergk  leider  nicht  vergönnt  gewesen,  die  vierte 
aufläge  seiner  poetae  lyrici  graeci  noch  selbst  bis  zu  ende  heraus- 
zugeben :  ein  halbes  jähr  vor  dem  erscheinen  des  zweiten  bandes^hat 
der  tod  den  ausgezeichneten  gelehrten  und  »unermüdlichen  forscher 
der  Wissenschaft  entrissen,  zum  glück  hat  er  aber  seine  arbeit  noch 
80  weit  fördern  können,  dasz  das  wichtige  werk,  welches  nicht  lange 
fehlen  darf,  nun  bald  wieder  vollständig  und  in  neuer  ausrüstung 
vorliegen  wird,  auch  in  dem  was  bis  jetzt  erschienen  ist  zeigt  sich 
überall  das  bestreben  der  seit  1866  mächtig  angewachsenen  litteratur 
gerecht  zu  werden.  Bergk  geht  oftmals  auf  einwürfe,  die  ihm  ge- 
macht worden  sind,  ein  und  hat  nicht  wenige  partien  des  kritischen 
commentars  durch  die  aufnähme  von  neuem  material  erweitert,  einige 
bemerkungen,  clie  sich  dem  unterz.  bei  der  durchsieht  des  ersten  ab- 
schnitts  des  zweiten  bandes,  welcher  bekanntlich  die  elegiker  uqi- 
faszt,  ergeben  haben,  mögen  hier  ihren  platz  finden,  es  wird  sich 
dabei  im  wesentlichen  um  eine  hervorhebung  dessen  handeln,  was 
in  der  neuen  bearbeitung  gebessert  oder  übersehen  worden  ist.  wir 
nehmen  aber  auch  die  gelegenheit  wahr,  auf  weitergreifende  contro- 
Versen  einzugehen,  welche  sich  an  einige  der  hier  zusammengestellten 
dichter  anknüpfen,  vieles  kann  wegen  der  knappheit  des  diesem 
aufsatze  zugemessenen  raumes  nur  berührt  werden. 

Im  texte  des  Kall  in  os  hat  B.  nichts  geändert,  sondern  nur  im 
commentar  einiges  hinzugefügt,  wie  gleich  zu  anfang  die  Verweisung 
auf  JBenners  verdienstliche  Untersuchungen  über  den  dialekt  der  ele- 

*  poetae  lyrici  graeci.  recensuit  Theodorus  Bergk.  editionis 
qnartae  vol.  II  poetas  elegiacos  et  iambographos  continens.  Lipsiae 
in  aedibus  B.  G.  Teubneri.    MDCCCLXXXII.     IV  u.  622  s.  gr.  8. 

Jahrbücher  mr  clats.  philol.  18S3  hfl.  1.  1 


2  WClemm :  zu  den  griechischen  elegikem. 

giker  (in  Curtius  Studien  I)*,  die  er  zwar  lobt,  denen  er  jedoch  allzu 
groszes  streben  nach  gleichheit  der  formen  vorwirft,   dies  letztere- 
thut  B.  seinem  eignen  eklektischen  verfahren  gegenüber  gewis  mit 
unrecht ,  wiewohl  er  allerdings  bei  Eallinos  keinen  grund  hatte  daa 
ÖTTTTÖTe  I  8  wegen  köt'  v.  1  xmd  ku)C  v.  12  mit  Bach  in  ökkötc  zu 
Undern.  denn  Renner  selbst  ao.  1 1  s.  157  hat  jene  form  als  Homerische- 
reminiscenz  geschützt  und  nachträglich  die  bedeutung  dieses  gesichts- 
Punktes  in  seiner  schrift  'über  das  formelwesen  im  griech.  epos  und 
epische  reminiscenzen  in  der  filtern  griech.  elegie'  (Leipzig  1872)^ 
weiter  ausgeführt,    aber  bei  andern  dichtem  wird  sich  die  sach& 
anders  stellen,    in  der  polemik  gegen  Bernhard  j ,  der  ja  in  der  be- 
urteilung  der  griech.  elegiker  so  wenig  glücklich  war ,  hat  B.  die 
beispiele  von  GvrjcKClv  =  Gaveiv  durch  hinweis  auf  anth.  Pal.  VH 
245  vervollständigt,     der  Sprachgebrauch  ist  bekannt  genug  und 
hätte  aus  den  tragikem,  Herodotos,  Isaios,  Demosthenes  ua.  noch. 
besser  belegt  werden  können  als  aus  jenem  epigramm,  von  welchem 
am  schlusz  dieses  aufsatzes  noch  die  rede  sein  wird,    bemerkens- 
werte emendationen  zu  Kallinos  sind  seit  1866  nicht  gemacht  wor- 
den; doch  erwähnt  Bergk  zu  v.  15  Meinekes  conjectur  euX€Tai  mit 
dem  Zusatz  'quod  non  magis  commodum  quam  quod  facile  aliquia 
commendaverit  CTT^pxCTOl.*    mit  unrecht:  denn  letzteres  gibt  gar 
keinen  sinn,  fpT6Tai  aber,  das  mit  B.  auch  StoU  und  Thudichum 
aufgenommen  haben,  ist  weder  an  sich  so  verständlich  wie  in  Dem. 
kranzrede  97  iv  oiKiCKip  Tic  auTÖv  KaOeipEac  rrip^,  noch  so  passend 
wie  das  überlieferte  ^pX€Tai  ^kehrt  zurück',  wie  bereits  Schneidewin 
Philol.  X  359  f.  überzeugend  dargethan  hat.  zu  €UX€Tai  aber,  welches 
Meineke  im  Hermes  UI 161  mit  'gloriatur  se  mortem  efiugisse'  wieder 
gibt,  passt  sowohl  der  xmmittelbar  vorhergehende  als  der  unmittelbs 
folgende  vers  am  besten:  der  welcher  sich  rühmen  kann  dem  tod 
entgangen  zu  sein  und  dann  doch  zu  hause  stirbt,  ist  nicht  durchar 
(ouK  f iLiTTac ,  lies  f ^tttic)  dem  volke  angenehm ,  nach  dem  tapfe 
aber,  der  auf  dem  felde  der  ehre  gefallen  ist,  hat  es  immer  sehnsur 
dasz  der  feigling,  welcher  'sich  zu  hause  einschlieszt',  dem  v 
nicht  qpiXoc  und  TToOeivöc  sein  kann,  braucht  wohl  nicht  gesa 
werden ,  wie  bereits  StoU  Philol.  VI  744  richtig  gefühlt  hat. 
brauchen  auch  bei  dieser  erklärung  weder  mit  Bach  in  diesen  j 
XXVIII  (1840)  s.  37  die  ungenauigkeit  der  pronomina  mit  der] 
digen   darstellung   zu  entschuldigen  noch   mit  Schneidewin 
s.  56  f.  nach  v.  16  eine  lücke  anzunehmen. 

Die  fragmente  2 — 5  gehören  nach  B.  derselben  elegie 
man  ebenso  gut  behaupten  wie  bestreiten  kann,  merk 
könnte  man  es  finden,  dasz  B.  bei  der  fassung  des  kritisc 
mentars  zu  fr.  3  gar  keine  rücksicht  auf  die  untersuchu 
nommen  hat ,  welche  in  den  letzten  jähren  im  anschlusz 

*  [die  bemerkangen  zu  diesen  Untersuchungen  Kenners 
in  diesen  jahrb.  1882  s.  504—518  konnten  in  dem  obigen  a' 
mehr  berücksichtigt  werden.     A.  F.| 


WClemm :  anz.  v.  poetae  lyrici  graeci  reo.  ThBergk.  ed.  IV  vol.  II.     3 

gebnisse  der  assyriologie  von  Geizer,  Cäsar,  Geiger  und  Duncker 
über  das  Zeitalter  des  Eallinos  und  die  damit  zusammenhängenden 
politischen  Verhältnisse  angestellt  worden  sind.  B.  hält  mit  den 
meisten  litterarhistorlkem  Kallinos  für  älter  als  Archilochos  und 
geht  deshalb  von  Strabon  XIV  647  aus,  obgleich  dessen  angaben 
nur  schluszfolgerungen  (T€K^aip€c6ai  irdpecTi)  sind,  die  aus  dem 
scheinbaren  (qpaiverai)  sinn  einer  stelle  des  Archilochos  gezogen 
werden  und  in  der  frühesten  geschichte  von  Magnesia  (vgl.  Geizer 
rh.  mus.  XXX  259)  gar  nicht  begründet  sind,  nun  ist  nach  unan- 
fechtbaren Zeugnissen  (Geizer  ao.  s.  249  ff.  Bohde  ebd.  XXXIIT 
194  f.)  Archilochos  der  Zeitgenosse  des  Lyderkönigs  Gyges,  dessen 
regierung  von  687 — 653  währte,  und  die  einnähme  von  Sardeis, 
welche  Kallinos  erwähnt  haben  soll,  müste  vor  dessen  regierung 
fallen,  dies  nimt  aber  unter  den  neuesten  forschem  nur  Duncker 
gesch.  des  alt.  P  466  an,  der  jenes  ereignis  vor  das  j.  689  setzt 
(nach  Herodots  ansätzcn  müste  es  sogar  vor  719  fallen),  allerdings 
haben  die  Kimmerier  während  des  ganzen  siebenten  jh.  einfalle  in 
Kleinasien  mit  wechselndem  glück  unternommen;  aber  die  einnähme 
von  Sardeis  gelang  ihnen  höchst  wahrscheinlich  erst  kurz  nach  dem 
tode  des  Gyges  im  j.  652,  der  sie  etwa  acht  jähre  vorher  zurück- 
geschlagen hatte  (Nik.  Dam.  fr.  62  Müller),  auf  diese  einnähme 
von  Sardeis  glauben  nun  Geizer  ao.  s.  259  und  Geiger  de  Callini 
aetate  s.  14  die  elegie  des  Kallinos  beziehen  zu  müssen ,  während 
Cäsar  quaest.  de  Callini  aetate  suppl.  s.  11  an  die  von  Herod.  I  15 
bezeugte  einnähme  von  Sardeis  denkt,  welche  unter  könig  Ardys 
um  632  stattfand  und  insofern  unvollständig  gelang,  als  die  bürg 
verschont  blieb,  da  nun  das  zeugnis  des  Herodotos  nicht  weggeräumt 
werden  kann,  so  kommen  wir  um  die  zweimalige  einnähme  von 
Sardeis  nicht  herum  und  brauchen  jedenfalls  nicht  mit  Geizer  dem 
Kallisthenes  schluszfolgerungen  zuzuschreiben,  welche  seine  auf- 
stellungen  als  ein  'mühsames  gebäude'  erscheinen  lassen,  hat  er 
doch  auch  die  dritte  einnähme  von  Sardeis  durch  Kyros  im  j.  546 
mit  recht  in  diesem  Zusammenhang  genannt:  nur  ist  in  bezug  auf 
die  zweite  die  angäbe  öttö  Tpiipaiv  Ktti  AuKiuJV  etwas  ungenau,  wenn 
auch  die  möglichkeit  nicht  ausgeschlossen  ist,  dasz  den  verbündeten 
Kimmeriern  und  Trerem  die  Lykier  heeresfolge  leisteten,  bei  einem 
dieser  einfalle  (wohl  um  632)  zerstörten  die  barbaren  auch  Magnesia 
am  Maiandros ,  und  die  Ephesier  bemächtigten  sich  nachher  des  ge- 
biets,  was  Ath.  XII  525^  mit  einer  eroberung  der  stadt  durch  die 
Ephesier  (^äXuJCav  T^ip  ^^ro  '€q)€ciu)v)  verwechselte,  diese  annähme 
hat  nichts  unwahrscheinliches,  wenn  man  bedenkt  dasz  die  Magneten 
sich  gegen  einen  dreifachen  feind  zu  wehren  hatten :  gegen  die  mäch- 
tigen nachbarstädte,  insbesondere  Ephesos  (Strabon  XIV  647.  Aili- 
anos  IT.  \,  46),  gegen  Gyges  mit  seinen  Lydern,  als  dieser  die  ioni- 
schen Städte  angriff,  und  gegen  die  kimmerischen  horden,  denen  sie 
schlieszlich  erlagen,  als  resultat  dieser  erwägungen  ergibt  sich  dasz 
Archilochos  in  der  ersten  hälfte  des  siebenten  jh.  blühte,  Kallinos 

1» 


4  WCiemm:  zu  den  griechischen  elegikem. 

in  der  mitte  oder  in  der  zweiten  hälfte,  sowie  dasz  Bergks  anmer- 
knng  zu  fr.  3  aus  mehr  als  einem  gmnde  nicht  richtig  ist. 

Bei  Tyrtaios  machen  gleich  fr.  3  und  4  Schwierigkeiten, 
welche  bei  Diodor  exe.  Vat.  I  s.  118  Ddf.  und  Plutarch  Ljk.  6  mit 
anderer  Verteilung  der  verse  Überliefert  sind,  dasz  beide  dem  Tyrtaios 
angehören,  ist  wahrscheinlich,  dasz  nach  3, 1  6in  oder  mehrere  verse 
ausgefallen  sind,  sicher,  wenn  auch  der  erste  vers,  der  die  werte  des 
Orakels  im  dorischen  dialekt  wiedergibt,  mit  in  die  elegie  aufgenom- 
men war.    dies  aber  ist  minder  ausgemacht,  und  vollends  unwahr- 
scheinlich die  jetzt  von  B.  ausgesprochene  Vermutung,  Tyrtaios  habe 
einen  pentameter  hinzugefügt  und  die  Verbindung  durch  fiXXo  T^ 
ovbiv  hergestellt,    denn  6inmal  würde  er  den  Wortlaut  des  Orakels, 
wenn  er  in  authentischer  fassung  angeführt  werden  sollte,  nicht  ge- 
ändert haben,  anderseits  hätte  er  dann  auch  im  dialekt  des  Originals 
fortfahren  müssen,    ich  halte  daher  an  meinem  restitutionsversnch 
rh.  mus.  XÄVll  478  fest,    beide  fragmente  sind  übrigens,  was  B. 
vielleicht  nicht  absichtlich  unerwähnt  gelassen  hat ,  ausführlich  be- 
sprochen worden  von  PWeissenfels  'ad  poetas  lyr.  gr.  analecta' 
(Berlin  1869)  s.  1 — 16,  nach  dessen  auffassung  die  Stellung  des  Poly- 
doros  und  Theopompos  zu  dem  orakel  eine  etwas  andere  sein  würde  als 
wie  sie  in  der  langen  anm.  zu  fr.  4  erscheint,   in  fr.  5  hat  B.  drei 
stücke  mit  einander  verbunden,  deren  Zusammengehörigkeit  keines- 
wegs auszer  zweifei  steht,   ohne  weiter  auf  das  einzelne  einzugehen, 
sei  nur  bemerkt  dasz  bereits  Osann  comm.  sem.  phil.  Giss.  IV  s.  13 
dagegen  einspruch  erhoben  hat  und  namentlich  v.  3  nach  den  ein- 
leitenden werten  des  schol.  zu  Piaton  s.  488  eher  den  öiTo9f(Kai  als 
der  €UVO^(a  zuweisen  will,    es  fruchtet  nichts  versprengte  trümmer 
verlorener  gedichte  so  zurechtstutzen  zu  wollen,  dasz  sie  sich  zu 
einem  bau  aneinander  fügen,  der  doch  nicht  vollständig  ist  und 
keinen  Zusammenhang  hat.    das  grosze  fragment  oder  nach  B.  die 
vollständige  elegie  aus  der  Leocratea  hat  durch  die  neuern  arbeiten 
über  Lykurgos  nicht  viel  gewonnen,    die  Holländer  gefallen  sich 
darin  digammierte  formen  einzusetzen,  und  B.  verzeichnet  mehrere 
derartige  conjecturen  von  Herwerden;  aber  er  hätte  schon  in  der 
vorigen  aufläge  die  digammierten  formen  nach  van  den  Es  'redevoe- 
ring  tegen  Leocrates'  (Groningen  1862)  verzeichnen  können,    die 
collation  dos  Oxon.  zur  Leocratea,  welche  Blass  in  diesen  jahrb.  187f 
8.  597  ff.  gibt  (vgl.  Thalheim  ebd.  1877  s.  673  ff.,  Rosenberg  s.  683 ff.^ 
f>cheint  Bergk  übersehen  zu  haben ;  sie  ist  aber  doch  für  manche  stell« 
nicht  unwillkommen,  besonders  zu  v.  10,  wo  0  die  ionische  for 
äTifiif],   welche  Bekker  und  Hermann  gegen  die  andern  hss.  vo 
geschlagen  hatten,  bestätigt,    die  schwierige  stelle  v.  11  ff.  ble' 
und  wird  auch  nicht  durch  die  neusten  versuche  Sitzlers  rh.  n 
XXXni  301  ff.  gehoben ,  welcher  das  7e  distichon  an  die  spitze 
gedichts  stellen  will,     der  Übergang  zu  v.  15  bleibt  unvermit 
und  läszt  die  annähme  einer  lücke  oder  eines  andern  gedichts  r 
immer  als  möglich  erscheinen,    ein  fortschritt  in  der  kritik  is 


WClemm :  anz.  v.  poetae  lyrici  graeci  rec.  ThBergk.  ed.  IV  vol.  II.     5 

wenn  B.  jetzt  11,  27  seine  frühere  conjectnr  Hpbeiv  .  .  TreXefüiiZiüV  in 
den  text  aufgenommen  und  sich  in  fr.  12  von  der  Unvereinbarkeit  von 
V.  37  mit  41  f.  überzeugt  hat,  freilich  ohne  im  text  durch  klammem 
anzudeuten,  welches  distichon  er  ausgeschieden  wissen  will. 

unerheblich  sind  die  Veränderungen  welche  Mi  mn  er  mos  er- 
fahren hat.  B.  schreibt  jetzt  1,  12.  Ti6€i  und  2,  16.  5,  8  biboT 
statt  TiOei  und  biboi.  denn  diese  formen  sind  bei  Homer  so  zu  be- 
tonen, wie  Rumpf  quaest.  Hom.  1 19,  Benner  ao.  12  8.  36,  Hinrichs 
de  Homericae  elocutionis  vers.  aeol.  s.  136  erkannten;  sie  sind  nicht 
äolisch,  sondern  episch- ionisch  und  werden  richtig  beurteilt  von 
Meister  griech.  dial.  I  178  vgl.  mit  177  anm«  dagegen  ist  es  nicht 
zu  billigen ,  dasz  B.  trotz  Benner  I  1  s.  156  fortfthrt  12^2  oub^ 
ttot',  14,  5  oünore  neben  11,1  ovbi  kot'  stehen  zu  lassen,  zu  9,  5 
hat  der  hg.  in  jeder  auflJage  eine  neue  conjectur  vorgebi*acht,  aber 
die  neueste  ist  nicht  die  beste,  wir  erwarten  hier  durchaus  einen 
eigennamen,  und  welcher  könnte  passender  sein  als  ''AXtlc  (denn 
diese  Schreibung,  nicht  ''AXeic,  ist  bei  Pausanias  imd  Lykophron  be- 
zeugt)? wer  die  länge  des  a  für  unerklärlich  hält,  der  schreibe  mit 
Schneidewin  KciOev  b'  aö  Tic  "AXevTOC.  diEisz  Gomperz  bei  Philo- 
demos  it.  eiiceßeiac  29,  4  aus  den  buchstaben  MNEP  den  namen 
Mimnermos  herausliest,  durfte  derjenige  nicht  befremdlich  finden, 
der  (rh.  mus.  XXXIV  317)  mit  hilfe  von  anderthalb  buchstaben 
dem  attischen  komödiendichter  Chionides  neueren  zweifeln  gegen- 
über zur  existenz  verhelfen  hat. 

Bei  Selon  hatte  B.  wie  auch  bei  Mimnermos  (zb.  1,  4.  12,  1) 
verschiedene  neuere  conjecturen  abzuweisen ,  wie  9 1  ^  cUe  metrisch 
fidsohe  von  Cobet;  dankbarer  müssen  wir  ihm  aber  dafür  sein,  dasz  er 
die  neuere  responsions'  und  symmetriegelüste  abgewehrt  hat,  welche 
kaum  für  mehr  als  ein  müsziges  spiel  der  phantasie  gelten  können, 
nach  dieser  seite  hin  bin  ich  selbst  einst  (Philol.  XXX  170  ff.)  zu  weit 
gegangen,  hier  kann  ich  B.s  ablehnendem  urteil  selbst  Weil  gegen- 
über nur  beistimmen,  auch  die  Verteidigung  der  Weilschen  hypo- 
these  durch  OHense  (riv.  di  filol.  U  305  ff.) ,  welche  B.  übersehen 
hat,  vermag  mich  nicht  von  deren  richtigkeit  zu  überzeugen,  wenn 
auch  das  distichon  39  f.  durch  Veränderung  von  boxei  in  7ro8€i  ge- 
wonnen haben  mag.  die  elegie  wird  den  versuchen  responsion  her- 
zustellen immer  ein  dankbares  &ld  bieten,  weil  vielfach  in  dem. 
rahmen  eines  distichons  ein  gedanke  abgeschlossen  wird,  im  vor- 
liegenden falle  hält  aber  die  auch  nach  Hense  so  klar  vorliegende 
£(ymmetrie  bei  näherer  betrachtung  nicht  stich,  gleich  das  einleitende 
gebet  ist  keineswegs  mit  v.  8  abgeschlossen,  sondern,  wie  Leutsch 
richtig  bemerkt,  mit  v.  6,  und  die  distiohen  v.  37 — 62,  worin  beispiele 
für  die  eiteln.  bestrebungen  der  menschen  aufgeführt  werden,  lassen 
sich  ebenso  leicht  in  beliebige  andere  gruppen  einteilen  als  die  von 
Weil  und  Hense  angenommenen,  das  gedieht  zer^Ült  dem  inhalt 
nach  in  drei  abschnitte :  1—33,  34—63  (nicht  66),  64— schlusz  und 
damit  punctum,   die  unglückliche  h3rpothese  von  Leutsch  aber,  wo* 


6  WClemm:  zu  den  griechischen  elegikern. 

nach  hier  ein  Terpandrischer  nomos  mit  ö^q)aXöc  an  fünfter  stelle 
vorliegen  soll,  hat  B.  mit  vollem  recht  zurückgewiesen,  dagegen 
emendationsversuche  zu  einzelnen  schwierigen  stellen  von  Weissen- 
fels  und  Herwerden  übersehen ;  er  selbst  setzt  34  br]V€Ü€iv  in  den 
text,  worin  ein  fortschritt  zu  erkennen  ist. 

Wir  übergehen  einige  kleinere  fragmente  sowie  das  pseudo- 
Phokylideische  lehrgedicht,  für  welches  auch  durch  Vermehrung  des 
hsl.  apparats  manches  geschehen  ist,  und  wenden  uns  zu  Xeno- 
phanes,  um  im  vorbeigehen  zu  constatieren  dasz  1,  1  die  form 
2[äiT€bov  zwar  nicht  durch  die  wunderbare  etymologie  (cäirebov, 
2[diTebov,  bäireboV;  direbov !),  wohl  aber  durch  das  parische  epigramm 
Eaibel  750*  »»  Bohl  n.  501  eine  stütze  erhalten  hat.  damit  er- 
ledigen sich  manche  zweifei  (vgl.  Hinrichs  ao.  s.  43  f.) ,  aber  das 
singulare  öcbö^€VOC  v.  6  ist  deshalb  noch  nicht  geschützt:  denn 
die  dem  asiatischen  äolismus  eigentümliche  bezeichnung  der  inter- 
dentalen tönenden  spirans  durch  cb  (vgl.  GMejer  gr.  gr.  §  284  und 
Meister  gr.  dial.  I  136  f.)  ist  für  den  text  der  Homerischen  gedichte 
sonst  nicht  angewandt  worden  (fitoc  'zweig'  zb.  findet  sich  20mal 
ohne  entsprechende  Variante),  und  doch  müste  sich  auf  diesem  wege 
der  äolismus  bei  Xenophanes  erklären,  möglich  dasz  ein  abschreiber 
des  Athenaios,  der  sich  der  form  aus  Theokrit  (Morsbach  in  Curtius 
Studien  X  34)  erinnerte,  dieselbe  in  unsem  text  hineintrug,  bei 
anlautendem  ^  «»  b  steht  die  sache  anders,  in  derselben  elegie  be- 
merkt B.  zu  V.  18  «TTipaX^oc  nulli  calumniae  obnoxium:  poeta  unis 
senibus  aetate  provectis  comitem  largitur».  er  weist  damit  eine 
conjectur  Heimsoeths  zurück  und  hätte  noch  zwei  andere  neuerdings 
hinzugekommene  hinzufügen  können,  von  denen  die  eine  (TupoX^oc 
Wilamowitz  im  Hermes  XTV  163)  sogar  etwas  bestechendes  hat, 
wenn  man  an  das  gehen  im  bogen  bei  betrunkenen  denkt,  das  epi- 
theton,  welches  freilich  bei  Oppian  kyn.  I  57  etwas  anders  ge- 
braucht wird,  wäre  dann  äuszerst  bezeichnend,  aber  plP^^^C )  ^^ 
altes  poetisches  wort,  welches,  durch  Aischylos  und  Pindaros  be- 
zeugt ist,  braucht  nicht  geändert  zu  werden,  da  nkht  schlechthin 
der  gang  eines  betrunkenen  mit  dem  eines  greises  verglichen  werden 
soll,  sondern  der  zusatz  nur  zur  weitem  ausführung  von  fiveu  irpo- 
TTÖXou  dient,  das  adj.  steht  an  stelle  des  adv.  und  bedarf  durch- 
aus keiner  ergänzung  von  ujv.  Herwerden ,  Stoll ,  Buchholz  haben 
die  stelle  nicht  richtig  aufgefaszt.  —  £ine  neue  erklärung  erfährt 
fr.  7,  welches  B.  auf  eine  Umarbeitung  des  lehrgedichts  irepi  q>uC€UJC 
beziehen  will,  die  Xenophanes  noch  im  92n  lebensjahr  vorgenommen 
haben  soll,  zugegeben  dasz  q)poVTtc  ^sorge'  auch  den  gegenständ 
der  sorge,  des  nachdenkens,  hier  das  gedieht  bezeichnen  könne,  was 
wohl  möglich  ist ,  so  weisz  man  nicht  was  bei  dieser  interpretation 
der  zusatz  eiTrep  if\b  ircpi  Tuivb '  olba  X^T€iv  dxu^ujc  bedeuten  soll 
auszerdem  enthalten  die  verse  absolut  nichts  was  auf  curae  secundr 
hinweisen  könnte,  und  wenn  auch  dies  alles  richtig  wäre,  so  ist  d 
ansieht  nicht  richtig,  Xenophanes  habe  ol.  47,  1  als  ^admodu 


WClemm :  anz.  v.  poetae  lyrici  graeci  rec.  ThBergk.  ed.  IV  vol.  II.     7 

iuvenis'  zum  erstenmal  jenes  geclicht  herausgegeben ,  da  er  höchst 
wahrscheinlich  nicht  ol.  40,  wie  B.  wohl  nach  der  vermeintlichen 
angäbe  ApoUodors  bei  Riemens  AL  ström.  I  s.  353  glaubt,  sondern, 
wie  Diels  rh.  mus.  XXX  22  zeigt,  ol.  50  geboren  ist.  hierzu  kommt 
die  un Wahrscheinlichkeit  der  annähme,  dasz  X.  sich  noch  als  greis 
von  92  Jahren  entschlossen  haben  soll  das  gedieht  umzuarbeiten, 
dem  er  seinen  grösten  rühm  verdankte,  wenn  überhaupt  ein  bedtlrf- 
nis  der  art  vorlag,  vielmehr  wird  das  gedieht  Trepl  qpuccuic ,  worauf 
auch  der  inhalt  der  fragmente  hinweist,  erst  entstanden  sein,  nach- 
dem der  Verfasser  Sicilien  und  ünteritalien  besucht  hatte,  möglicher- 
weise sogar  erst  nach  seiner  niederlassung  in  Elea.  in  unserm  frag- 
ment  aber  ist  qppovTic  nichts  anderes  als  qppovTic  qpiXöcoqpoc  —  audi 
in  diesem  sinne  steht  der  sing.  —  dh.  das  philosophische  nachdenken, 
die  Philosophie,  seit  67  jähren,  sagt  der  dichter,  sei  seine  Philo- 
sophie in  ganz  Griechenland  bekannt;  damals,  bei  seinem  ersten 
auftreten,  sei  er  25  jähre  alt  gewesen,  wenn  anders,  fügt  er  mit  be- 
wuster  Übertreibung  hinzu ,  er  von  einer  so  weit  zurückliegenden 
zeit  der  Wirklichkeit  gemäsz  (^TUfiUiC)  reden  könne.  X.  will  damit 
nur*  sein  hohes  alter  hervorheben,  und  anders  haben  auch  die  ge- 
währsmänner  für  dieses  fragment  den  inhalt  nicht  verstanden:  vgl. 
La.  Diog.  X  19  fiaKpoßiiJüTaTÖc  t€  t^tov€v  (6  Zevoqpdvnc),  äc 
TTOU  Kai  auTÖc  q>iiciv*  f{br\  usw.  —  In  der  dritten  aufläge  hatte  B. 
dem  Xenophanes  auch  ein  iambisches  fragment  zugewiesen,  er  hat 
sich  aber  inzwischen  durch  Meineke  überzeugen  lassen,  dasz  es  sich 
hier  nur  um  ein  prosaisches  fragment  vielleicht  aus  einem  briefe 
handelt. 

Über  keinen  der  von  B.  zusammengestellten  dichter  ist  seit 
1866  mehr  geschrieben  worden  als  über  Theognis^  und  doch  ist 
das  resultat  vieler  eindringender  und  fleisziger  Untersuchungen  nur 
«in  negatives,  die  entstehung  der  vorliegenden  Theognideisohen 
spruchsamlung  ist  mit  den  uns  zu  geböte  stehenden  hilfsmitteln  nun 
einmal  nicht  mehr  zu  ergründen.  Nietzsches  stichworttheorie  ist 
auch  mit  den  moditicationen  Fritzsches  nicht  zu  beweisen,  und  die 
scheinbar  beweisenden  partien  erklären  sich  aus  dem  vei-such  sinn- 
verwandte stellen  an  einander  zu  reihen,  in  denen  dann  natürlich 
auch  oft  dasselbe  wort  zur  Verwendung  kommt,  ich  halte  mit  Hiller 
in  diesen  jahrb.  1881  s.  470  Bergks  auch  in  der  neuen  aufläge 
wiederholte  ansieht  für  die  wahrscheinlichste,  wonach  vielleicht  schon 
bald  nach  Isokratos  eine  sjlloge  entstand  und  die  echten  Theogni- 
deisohen gedichte  verdrängte,  dasz  mit  wenigen  ausnahmen  nichts 
von  Theognis  citiert  wird,  was  nicht  in  unserer  samlung  stünde, 
spricht  dafür  dasz  alles  oder  vielleicht  der  gröste  teil  der  Theogni- 
deisohen gedichte  in  dieselbe  verarbeitet  war,  beweist  aber  nicht 
dasz  unsere  samlung  schon  so  frühzeitig  abgeschlossen  war.  er- 
weiterungen  durch  einschiebung  von  fragmenten  oder  ganzen  ge- 
dichten  anderer  Verfasser  haben  jedenfalls  wiederholt  und  wohl  noch 
in  nachalexandrinischer  zeit  stattgefunden,    die  namen  der  dichter 


22     ChMuff:  ans.  y.  NWecklein  über  die  chorgesftnge  des  Äschylos. 

hier  der  fall,  so  ernst  nimt  es  der  Sprecher  mit  seinem  wünsche, 
dasz  er  dem  böses  gönnt,  der  anders  denke  als  er.  eine  derartige, 
durch  die  abwehr  der  entgegengesetzten  meinung  wzielte  bekräfti- 
gung  eines  gethanen  ausspruchs  ist  etwas  ganz  natürliches  und  be- 
gegnet uns  im  leben  wie  in  der  litteratur  sehr  häufig,  ich  erinnere 
nur  an  stellen  wie  Soph.  OT.  269  xal  TaOra  toTc  iii\  bpüticiv  eöxojiai 
Oeoüc  usw.  aber  die  mangelhafte  Suszere  Verbindung?  auch  die  ist 
nichts  seltenes  und  findet  sich  gerade  dann,  wenn  wie  hier  die  gegen- 
sätze  scharf  hervorgehoben  werden  sollen,  charakteristiseh  ist  das 
beispiel  OT.  401  xXaiuiv  boxetc  moi  Kai  cu  x^  cuvOek  T&be  ämi- 
XaTr)ceiv.  es  verlangrai  also,  so  viel  ich  sehe,  jene  zwei  verse  durch- 
aus keinen  gesonderten  spredier,  und  damit  wird  W.s  einwurf  gegen 
Arnoidts  Verteilung  hinfKllig.  es  wfire  auch  schade  gewesen,  wenn 
wir  einen  tausch  hätten  vornehmen  müssen:  denn  so  harmonisch 
die  eine  Verteilung  ist,  so  unharmonisch  die  andere,  bei  Amoldt 
steht  die  sache  so : 

483        475         489  479  485 

(2v.)     (4v.)      (14  V.)  (4v.)  (3v.) 

f          a             €  ß'        b' 

(Kop.) 


hier  entsprechen  sich  die  parastaten*  und  tritostaten,  und  der  kory- 
phaios  überragt  sie  dann,  wie  sich  das  für  ihn  ziemt,  mit  seiner 

*  in  einer  anmerkung  sagt  W.,  fcapacrdTTjc  sei  gar  keine  technische 
bezeiobnang,  nad  wir  hätten  kein  r^ebt  den  parastaten  eine  bevorzugte 
stelle  zu  geben,  diese  bemerkang  ist  nicht  nen,  so  wenig  wie  ihre 
begründang,  scbon  Christ  batte  in  bezog  anf  meine  ansfübrangen 
(cbor.  tecbntk  d.  Sopb.  s.  11  ff.)  bemerkt,  als  verittatnng  wolle  er  sich 
die  rolle  der  parastaten  wobl  gefallen  lassen,  sie  werde  aber  nicht 
durcb  Ar.  metaph.  IV  11  erwiesen,  da  dort  lediglich  davon  gesprochen 
werde,  dasz  der  iropacrdTTfC  dem  KOpu<pd!oc  näber  stehe  als  der  Tpi- 
T0CTdTr]C.  W.  urteilt  ebenso;  es  verlohnt  sich  also  wohl  der  mühe  noch 
einmal  anf  die  stelle  zarückzakommen.  Aristoteles  führt  aus:  es  gibt 
ein  früheres  nnd  ein  späteres,  ein  erstes  and  zweites  in  manigfacher 
beziebung:  rä  liiv  icatd  rdirov  .  .  t&  64  xard  xP<^vov  .  .  Td  bä  xard 
K(vr]Civ  ,  .  rä  bi  xard  bOvapiv  .  .  Td  6^  xaid  t&iv.  wenn  nun  xard 
TdSiv  bloss  aaf  die  äaszere  stellang  gehen  sollte,  so  würde  der  philo' 
soph  nur  dasselbe  sagen,  was  er  schon  anter  der  rabrik  xard  TÖirov 
gesagt  hat;  xdEtc  bedeutet  also  hier  die  stellang  dem  ränge  nach,  die 
einfluszreiche  stellang,  'es  zeigt  das  auch  der  zusatz  &Uctt)xc  xard 
TÖv  XÖYov,  proporiionalUer  distant^  wie  es  in  der  lat.  Übersetzung  heinst, 
und  wofür  wir  sagen  müssen  'in  innerem,  logischem  abstände' ;  es  zeigt 
das  ferner  das  zweite  beispiel  das  Ar.  anführt,  irapavi^rr)  vf|Tr)C,  wie 
die  nebensaite  von  der  grundsaite  absteht:  die  grundsaite  nemlich  ist 
die  äuszerste,  die  höchste  saite;  es  zeigt  das  endlich  der  umstand  dasz 
Ar.  rein  räumliche  und  zeitliebe  unterschiede  nur  bei  den  beiden  ersten 
kategorien  statuiert,  dasz  er  aber  von  der  dritten  an  (rd  xard  xivv|av) 
die  innere  qualitüt  der  verglichenen  dinge  ins  äuge  faszt.  nimt  man 
hinzu,  worauf  Sommerbrodt  'scaenica'  s.  11  hingewiesen  hat  und  wo- 
für  in    8tephanaa*  Thesaorus   u.  irapOCTdri^c  viele  belegstellen  ange- 


ChMuff:  anz.  v.  NWecklein  über  die  chorgeaftnge  dea  Äachylos.     39 

viel  umfjBngreicheni  tttnazerung.  bei  W.  aber  ei:geben  sich  folgende 
zahlen : 

/Kop.  4  Y.  /KOp.  2  V.  /KOp.   13  ▼. 

\TTap.  4  Y.        \Trap.  3  y.        \irap.    2  y. 

ob  man  da  noch  Yon  3x2  teilen  sprechen  darf,  wenn  das  in  den 
beiden  ersten  gewahrte  gleiohmäszige  Yerfohr^  im  dritten  YÖllig 
aufgegeben  wird? 

Enm.  244^-^275  hatte  W.  noch  vor  einigen  jahven  unter  zw^U 
choi-euten  vertat,  jetzt  unterscheidet  er  acht  absätze  in  der  partie 
und  verfügt  über  dieselben  also:  die  trimeter  244—253  spricht  der 
koryphaios  als  führer  des  ersten  halbchors.  darauf  ruft  der  halb- 
chor  seinem  führer  zu  dpa  .  .  dTirac  nun  kommt  der  zweite  halb- 
chor,  6in  mitglied  nach  dem  andern,  diese  aufstellung  trifiPt  schwer- 
lieh das  richtige:  sie  ist  in  einer  weise  unsymmetrisch,  dasz  man 
sich  wundiert,  wie  ein  mann  von  dem  geschmacke  Weckleins  sie  auch 
nur  einen  augenblick  hat  festhalten  kennen,  man  denke :  in  halb- 
chören  soll  der  chor  einziehen,  was  bei  der  erregung  der  Erinyen 
wenig  wahrscheinlich  ist,  und  von  dem  6inen  spricht  erst  der  führer, 
dann  die  gesamtheit  der  sechs  glieder ,  während  Yon  dem  zweiten 
jeder  einzelne  zu  worte  kommt,  was  ist  das  für  eine  responsion  zweier 
gleichen  hälften  I  und  W.  findet  noch ,  es  liege  der  gleiche  fall  vor 
wie  in  der  epiparodos  des  Aias ,  während  hier  die  teilung  klar  be- 
zeugt und  prächtig  gegliedert  ist:  4  von  hüben,  4  von  drüben,  der 
5e  und  5e,  der  6e  und  6e  (s.  chor.  technik  d.  Soph.  s.  72  ff.). 

Man  sollte  meinen,  nachdem  W.  die  annähme  von  zwölf  dia* 
reuten  an  dieser  stelle  habe  fahren  lassen,  sei  er  nicht  mehr  ver« 
sucht  gewesen  die  zwölf  zahl,  an  der  er  unbeirrt  festhält,  gerade  aus 
ihr  zu  beweisen,  und  doch  thut  er  es.  die  6  im  halbchor  leisten 
ihm  dieselben  dienste  wie  12  im  gesamtchor.  ja  wohl,  wenn  sie  er« 
wiesen  wären !  weil  W.  von  15  choreuten  bei  Aischylos  durchaus 
nichts  wissen  will ,  was  allmählich  befremden  musz ,  leugnet  er  sie 
auch  Agam.  1344  ff.  y  aber  er  vermag  gegen  Amoldts  darstellang 
nichts  stichhaltiges  vorzubringen. 

Eine  dritte  nichtantistrophische  partie  musz  nach  W.  entschie- 
den in  dem  ersten  teile  der  parodos  der  Sieben  78 — 108  anerkannt 
werden,  alle  liebesmüh  Strophen  und  antistrophen  au  bilden  sei  um«» 
sonst  gewesen,  nun  wohl ,  ich  will  die  mühe  mit  vielen  Vorgängern 
gern  aufgewendet  haben,  wenn  ich  nur  eines  bessern  belehrt  werde, 
doch  W.  kommt  erst  später  auf  diese  grosze  parodos  zurück. 

Eine  vierte  der  responsion  ermangelnde  partie  findet  er  in  den 
Sieben  v.  848—860.  es  sei  ein  sehr  unglücklicher  gedanke  gewesen 
daraus  eine  zweite  strophe  und  antistrophe,  eine  fortsetzung  des 
vorausgehenden  gedankens  zu  machen,  das  eine  ist  richtig,  eine  fort- 
fährt sind,  dasz  7rapacTdTT]C  häufig  den  genossen,  den  helfer  bezeichnet, 
so  glaabe  ich  bei  meiner  ansieht  verharren  zu  dürfen,  dasz  der  irapa- 
CT&TY\c  tiefer  steht  als  der  Kopuipaloc,  aber  höher  als  der  rpiToCTdri^c, 
dasz  er  den  halbchorfiihrer  bedeutet. 


24     ChMnff:  anz.  v.  NWecklein  über  die  chorgesänge  des  Äschylus. 

Setzung  des  stasimons  liegt  nicht  vor;  ich  habe  das  selber  schon 
ao.  s.  23  nachgewiesen,  nur  für  so  unglücklich  kann  ich  den  yersuch 
responsion  herzustellen  nicht  halten:  die  vielfache  metrische  Über- 
einstimmung des  zweiten  teiles  mit  dem  ersten  Iftszt  ganz  natürlich 
an  Strophenbildung  denken,  immerhin  kann  W.  sehr  wohl  recht 
haben,  dasz  hier  eine  astrophische  partie  vorliege;  deshalb  ist  aber 
seine  weitere  behauptung,  dasz  auf  die  frage  xi  q>ui;  mit  Ti  b'  äXXo  f  * 
t\  1TÖV0I ITÖVUJV  böfiuiv  dqp^CTioi ;  von  einem  andern  sprechenden  die 
antwort  gegeben  werde ,  und  dasz  deutlich  drei  teile  hervortreten^ 
noch  gar  nicht  richtig,  dieses  Ti  qpuü ;  ist  keine  wirkliche  frage,  auf 
die  eine  antwort  erwartet  wird ,  sondern  nur  eine  rhetorische  Wen- 
dung, der  Chorführer  oder  wer  sonst  die  partie  hat  sucht  nach 
einem  passenden  ausdruck  und  steigert  dadurch  die  erwartung. 
man  vergleiche  die  aufregung  der  Antigene  beim  nahen  ihrer 
Schwester  OK.  316  ff.  t(  qpdi;*  äp'  &tiv;  äp'  ouk  icuv;  f\  Tvuijin 
TrXavql;  koX  qpiipi  KäiTÖq>ruAi  kouk^x^  '^  9^).  TdXaiva,  ouk  Ictiv 
äXXr).  so  sicher  sich  hier  Antigene  selber  antwortet,  so  gut  kann 
es  dort  der  koryphaios  auch. 

Darin  dasz  Hik.  825 — 835  nicht  zum  vorhergehenden  dritten 
stasimon  zu  ziehen  ist ;  musz  man  W.  unbedingt  beipflichten ,  wie 
denn  die  meisten  gelehrten  das  schon  früher  gesehen  haben,  auch 
das  wird  man  ohne  weiteres  zugeben,  dasz  eine  herst^llung  der 
responsion  an  dieser  corrupten  stelle  sehr  schwierig  ist.  dasz  aber 
keine  spur  davon  vorhanden  sein  soll,  ist  wieder  zu  viel  behauptet. 
Oberdick  hat  bereits  darauf  aufmerksam  gemacht,  dasz  d^q)aivu} 
und  TrpoTdccou  die  schluszworte  der  Strophen  gewesen  zu  sein 
scheinen;  dasz  nach  äfiqpaivui  etwas  ausgefallen  sein  musz,  worauf 
sich  der  anfang  der  antistrophe  des  chors  (rdbe  qppoijüiia)  bezieht, 
dasz  dies  die  TiXfioi  und  CTiTfioi  in  der  rede  des  herolds  gewesen 
sein  mögen,  dasz  also  auch  diese  in  den  antistrophisch  gegliederten 
kommos  hineinzuziehen  ist  er  hätte  auch  noch  darauf  hinweisen 
können,  dasz  das  refrainartig  wiederholte  coOcOe  coucO'  am  schlusz 
der  kurzen  rede  auffHUt,  dagegen  am  anfang  einer  neuen  strophe 
wiederholt  sich  trefflich  ausnimt.  man  wird  also  kaum  fehl  gehen, 
wenn  man  mit  Oberdick  die  strophe  des  herolds  zwischen  die  beiden 
chorstrophen  stellt  und  mit  dem  coCcOe  coOcO'  eine  neue  der  zwei- 
ten chorstrophe  sich  anschlieszende  strophe  des  herolds  beginnen 
läszt,  von  der  freilich  nichts  als  die  erste  zeile  erhalten  ist.  wie  dem 
aber  auch  sein  mag,  so  viel  ist  leicht  zu  ersehen,  dasz  diese  partie 
denselben  kommatischen  Charakter  trägt  wie  die  folgende ,  und  dasz 
hier  wie  dort  dieselbe  Vortragsweise  geherscht  hat.  da  nun  aber, 
was  ich  hier  nicht  weiter  ausführen  kann,  der  übrige  kommos  wahr- 
scheinlich von  dem  keryz  auf  der  einen  und  den  beiden  halbchor- 
führem  auf  der  andern  seite  aufgeführt  worden  ist,  so  werden  wir 


*  vielleicht  ist  mit  Meineke  <pu)vOEi;  £a  lesen,  was  an  der  sache 
nichts  ändert.  ' 


ChMuff:  anz.  v.  NWecklein  über  die  chorgeefinge  des  Äscliylas.     25 

auch  in  der  anfangspartie  den  korjphaios  und  den  parastates  zu  be- 
schäftigen haben,  eine  annähme  die  noch  dadurch  gestützt  wird,  dasz 
auf  die  alarmierenden  bemerkungen  der  6inen  person  in  der  strophe 
das  öpuü  einer  zweiten  in  der  antistrophe  passend  folgt. 

Hiernach  kann  es  für  mich  nicht  zweifelhaft  sein,  dasz  die 
schluszfolgerungen  W.s  unhaltbar  sind,  er  schreibt  (s.  219):  'wenn 
man  diese  fünf  partien  mit  einander  vergleicht,  so  erkennt  man  dasz 
der  dichter  in  Situationen,  in  welchen  sich  der  chor  an  der  handlung 
auf  das  lebhafteste  beteiligt  und  sich  seiner  eine  besondere  erregung 
bemächtigt,  chorika  ohne  responsion  anbringt.'  es  ist  das  schon  für 
die  besprochenen  fälle  nicht  richtig,  und  dann  sprechen  viele  andere 
dagegen,  in  der  kommatischen  partie  Perser  256  ff.  ist  doch  wohl 
bei  der  nacbricht  vom  untergange  des  ganzen  heeres  der  chor  in  der 
denkbar  höchsten  aufregung,  und  doch  haben  wir  die  schönste  anti- 
strophische entsprechung.  und  jetzt  noch  ein  xopiKÖv  cuvim^^voVi 
wie  es  Westphal  nennt.  Hik.  418 — 437  richtet  der  chor  in  zwei 
Strophenpaaren  die  bitte  an  den  sinnend  dastehenden  könig,  ihn 
gegen  die  feinde  zu  schützen,  nun  ist  es  ja  möglich,  was  die  hgg. 
angemerkt  haben,  dasz  die  mädchen,  um  das  nachdenken  des  königs 
nicht  zu  stören ,  iltren  ton  etwas  gedämpft,  dem  päonischen  metrum 
mit  seinem  stürmischen  Charakter  ein  etwas  langsameres  tempo  ge- 
geben haben ;  aber  befinden  sie  sich  trotzdem  nicht  in  der  höchsten 
aufregung?  ihre  worte  bezeugen  es  deutlich  genug. 

2.  Was  W.  s.  219 — 224  über  die  ephjmnien  und  ihre  bedeutung 
für  die  kritik  sagt,  ist  sehr  hübsch ;  es  ist  dies  das  gebiet  auf  dem  er 
zu  hause  ist.  freilich  haben  ihm  andere,  namentlich  Kirchhoff,  tüch- 
tig vorgearbeitet ;  aber  er  hat  doch  das  bisher  geleistete  gut  zu  be- 
nutzen gewust.  welch  erfreuliches  resultat  kann  er  am  Schlüsse  ver- 
kündigen :  'alle  künstlichen  Systeme,  alle  prooden  und  mesoden  fallen 
weg  .  .  an  die  stelle  wunderlicher  gliederungen  ist  die  gröste  ein- 
fachheit  getreten.' 

Feinsinnige  beobachtungen  finden  wir  weiter  über  eine  andere 
art  von  ephjmnien  gemacht,  die  W.  'rhythmische  ephymnien'  nennen 
möchte.  KKruse  hatte  es  schon  in  seinem  commentar  zu  Hik.  677 
für  bemerkenswert  erklärt,  dasz  alle  Strophen  des  gesanges  630  ff. 
in  der  mitte  gleichmäszig  durch  eine  starke  interpunction  geteilt 
sind  und  überall  der  vorhergehende  vers  auch  einen  metrischen  ab- 
schlusz  gibt.  W.  geht  weiter  und  deckt  die  eigentümliche  erschei- 
nung  auf,  dasz  in  dem  zweiten  teil  der  drei  Strophen  und  anti- 
strophen  sich  sechsmal  derselbe  logaödische  rhythmus  wiederholt: 

.  ^^  .  ^.^  ^  ^ 

-  ^  -  v^  .  o 

^  b^  _  \^\^  •»  ^i#  .. 

—    ^    .    v/w    —    ^ 

das  gleiche  verfahren  constatiert  er  Agam.  367  ff.  so  weit  ist  alles 
schön  und  gut.    aber  nun  die  Verwertung  des  fundes.    das  rhyth- 


26     GhMaff:  anz.  v.  NWeckleio  über  die  chorgesftnge  des  Äsohylcui. 

mische  ephymnion  soll  wie  das  wirkliche  ein  kennzeicheii  daftür  aeim 
dasz  die  betreffenden  partien  nicht  von  dem  gesamten  cbor  yor* 
getragen  worden,  und  weil  mit  ausnähme  eines  einzigen  chor« 
gesanges  alle  chöre,  welche  ephjmnien  haben,  aus  drei  Strophen  be* 
stehen,  so  soll  daraus  mit  notwendigkeit  folgen,  dasz  je  ein  stoichos 
allemal  strophe  und  antistrophe  und  der  gesamichor  das  ephymnton 
singe,  unzweifelhaft  verlangt,  wie  sich  Amoldt  'chor  des  Agam.' 
s.  17  vorsichtig  ausdrückt,  der  refrain  in  derselben  partie  eine  nach- 
rufende mehrheit  gegenüber  einem  einzelnen;  aber  das  gilt  doch 
nur  von  dem  wirklichen  refrain,  nicht  von  der  analogie  desselben., 
zwischen  dem  rhythmischen  ephjmnion  und  dem  logischen,  um  eei 
80  zu  nennen,  ist  ein  himmelweiter  unterschied,  das  logische  ist  die 
reine  Wiederholung,  das  rhythmische  nur  eine  gleichheit  in  der 
metrischen  form,  bei  jenem  w&re  die  Zuteilung  an  den  Sprecher  der 
vorhergehenden  partie  absurd,  bei  diesem  kann  sie  von  selten  d^ 
inhalts  geboten  sein,  man  sehe  sich  darauf  hin  das  erste  stasimon 
im  Agamemnon  an ,  und  man  wird  finden  dasz  eine  sonderung  der 
beti^effenden  nachgesftnge  nichts  anderes  wäre  als  ein  gewaltsames 
zerreiszen  eines  innerlich  eng  verbundenen  ganzen.  beeehrilnkeA 
wir  uns  also,  wie  es  nötig  ist,  auf  die  wirklichen  ephymnien,  so 
bleibt  blosz  6in  fall  übrig,  wo  drei  Strophenpaare  den  nachgesang 
haben,  und  das  vierte  nicht,  £um.  321  ff.  ob  dann  die  dreizahl 
noch  urgiert  werden  darf?  mir  scheint  dasz  in  diesem  falle,  wie  in 
den  übrigen  allen,  mit  halbchOren  und  gesamtchor  recht  wohl  aus- 
zukommen ist.  indes  verdient  jener  Vorschlag  immerhin  beachtung, 

S.  226  ff.  kommt  W.  zu  der  in  aussieht  gestellten  besprechung 
von  Sieben  108—- 150.  seine  strophische  gliedm^ng  stimmt  mit 
der  meinigen  (v.  105 — 135)  überein;  aber  während  ich  sechs  oho« 
reuten  beschäfdge,  meint  er,  es  könne  kein  zweifei  mehr  sein,  dasz 
die  drei  CTOiXOi  nach  einander  in  strophe  und  antistrophe  die  glei- 
chen partien  sängen ,  und  ß'  ß'  bei  mir,  die  ich  an  die  übrigen  sechs 
verteile,  weist  er  halbchören  zu.  aber  seine  stoichostheorie  stützt 
sich  wieder  auf  den  rhythmischen  refrain ,  und  seine  hemichorien- 
annähme  auf  das  viermal  hergestellte  £  £  1 1.  mir  will  scheinen, 
als  ob  meine  gründe  für  die  teiluog  in  6  bzw.  12  glieder  (ao.  s.  6) 
schwerwiegender  wären. 

Zu  W.s  eigner  gröster  Überraschung  stellt  sich  eine  ganz  an-* 
dere  norm  heraus ,  als  sie  gewöhnlich  angenommen  wird.  Ver  die 
strophe  singt,  singt  in  der  regel  auch  die  antistrophe.'  aber  wir 
wissen  nach  dem  obigen,  was  wir  von  diesem  satze  zu  halten  haben : 
er  ist  nicht  bewiesen,  ein  argument  wie  das,  es  singe  ja  auch  Prom. 
574 — 608  lo  sowohl  die  strophe  wie  die  antistrophe,  hätte  W.  nicht 
bringen  sollen,  aus  dieser  thatsache  läszt  sich  doch  nur  folgern^ 
dasz  6in  und  derselbe  beide  Strophen  singen  kann  (s.  chor.  technik 
d.  Soph.  s.  23).  und  nun  führt  W.  gar  noch  selber  einen  beleg  da- 
für an ,  dasz  die  strophischen  und  antistrophischen  teile  nicht  der- 
selben person  zu  gehören  brauchen,    er  billigt  Eirchhoffs  scharf- 


ChMuff:  ans.  v.  NWecklein  Über  die  chorgesänge  des  Aschylus.     27 


• 


sinnige  diathese  der  seidoszpartie  in  den  Hiketiden,  deren  drittes 
strophenpaar  also  unter  die  frauen  and  dienerinnen  verteilt  wird : 

str.  ant. 

Dan.  2  V.  —  anc.  2  v. 
anc.  2  V.  —  Dan.  2  v. 
Dan.  1  V.  —  anc.   1  v. 

aber  W.  weisz  auch  dieser  schwieiigkeit  herr  zu  werden,  es  hersche 
zwar,  meint  er,  nicht  gleiche  reihenfolge  in  strophe-und  antistrophe; 
da  aber  alle  das  ionische  versmasz  hätten  |  so  könne  man  sagen  dasz 
auch  im  dritten  wie  in  allen  anderen  teilen  strophe  und  antistrophe 
an  die  gleichen  personen  verteilt  seien,  und  es  kommt  noch  besser, 
im  3n  abschnitt  versetzt  W.  seiner  strophentheorie  den  gnadenstosz. 
oben  führt  er  den  umstand,  dasz  eine  btthnenperson  strophe  und 
antistrophe  singt,  als  beweis  dafür  an,  dasz  es  in  der  orohestra 
ebenso  gewesen  sei,  und  s.  236  verteilt  er  ein  strophenpaar  an  zwei 
bühnenpersonen,  an  Orestes  und  Elektra.  diese  beobachtung  erlaubt 
es  uns  doch  wohl,  um  nicht  mehr  zu  sagen,  strophe  und  antistrophe 
auch  halbchören  zuzuteilen.  W.  denkt  wieder  anders;  die  vorgefaszte 
meinung  hindert  ihn  die  einfachste  oonsequenz  zu  ziehen,  er  schreibt : 
'die  beiden  geschwister  vertreten  gleichsam  nur  6ine  person.  zudem 
sind  es  bühnenpersonen.'  ich  sage:  in  viel  höherm  sinn  als  die  zwei 
geschwister  bilden  die  halbchöre  ein  einheitliches  ganzes ,  und  viel 
häufiger  als  auf  der  bühne  ist  die  responsion  in  Stellung  und  Strophen- 
bau  in  der  orchestra  zu  finden. 

Von  den  drei  teilen  in  der  parodos  der  Hiketiden  weist  W.  den 
ersten,  die  anapästischen  hypermetra,  dem  koryphaios  zu:  natür- 
lich ;  den  zweiten  soll  jedenfalls  der  gesamte  chor  gehabt  haben :  das 
ist  möglich^  aber  nicht  bewiesen;  vom  dritten,  in  dem  er  die  CTOixoi 
beschäftigt,  ist  oben  die  rede  gewesen.  —  In  ähnlichem  weise  ver- 
fügt er  über  die  parodos  der  Perser,  aber  6inmal  hätte  er,  wenn  er 
bei  V.  114  einen  neuen  teil  anheben  läszt,  vier  und  nicht  drei  teile 
unterscheiden  müssen  (1—64.  65 — 113. 114—139. 140—158),  und 
dann  glaube  ich  'de  choro  Persarum'  s.  17  f.  gezeigt  zu  haben,  dasz 
man,  wie  das  jetzt  auch  Kirchhoff  gethan  hat,  nur  die  sog.  mesodos 
zur  epodos  zu  machen  und  die  respondierenden  Strophen  den  halb- 
chören, die  epodos  dem  gesamtchor  zu  geben  hat,  um  die  durch  den 
inhalt  geforderte  Verteilung  zu  gewinnen,  und  dasz  auch  die  folgen- 
den Strophen  hemichorienvortrag  erheischen.  W.  übersieht  auch 
hier  wie  in  den  analogen  fällen  den  parallelismus  oder  die  an  tauto- 
logie  streifende  gleichartigkeit  des  inhalts  in  so  vielen  Strophen  und 
antistrophen.  nur  so  erklärt  es  sich,  dasz  er  als  gesetz  aufstellt,  dasz 
strophe  und  antistrophe  nicht  einen  wechselgesang ,  sondern  ein 
symmetrisches  ganzes  bilden. 

3.  über  den  dritten  teil  der  abhandlung  kann  ich  mich  kurz 
fassen.  W.  behandelt  den  unbestreitbar  richtigen  salz,  dasz  manche 
chorlieder  vielfach  gegliedert  sind  und  einen  verschiedenartigen  vor- 


28     ChMuff:  anz.  v.  NWecklein  über  die  chorgesftnge  des  Äschylus. 

trag  erfordern;  im  einzelnen  gehen  unsere  ansicbien  wieder  vielfach 
auseinander,  ich  verweile  nur  noch  einen  augenblick  bei  der  stelle 
Sieben  865  ff.  W.  urteilt  über  den  gebrauch  von  bfiia  ähnlich  wie 
ich  ao.  8.  26,  dasz  es  in  Verbindung  mit  einem  wiederholten  worte  ge- 
wöhnlich so  gebraucht  wird,  dasz  der  6ine  das  wort  des  andern  nach- 
spricht, das  kann  so  sein,  habe  ich  in  der  anm.  gesagt,  musz  aber 
nicht  so  sein,  allerdings  liegt  Personenwechsel  an  allen  stellen  des 
Aischjlos  vor,  wo  mit  bryia  ein  vorhergehendes  wort  wieder  auf- 
genommen wird ;  aber  an  allen  diesen  stellen  ist  die  vorhergehende 
rede  abgeschlossen,  und  der  satz  mit  bf\Ta  hat  volle  Selbständig- 
keit; anders  liegt  die  Sache  hier:  die  worte  bi'  €ÖuivufiU)V  T€TUfi- 
)i^voi  sind  an  sich  ganz  unverständlich,  es  musz  also  in  6inem  atem 
mit  ihnen  der  zusatz  ö^ocirXdTXVUDV  T€  TiXeupuifidTwv  gesprochen 
werden ;  da  ist  es  auf  keinen  fall  erlaubt  die  störende  Unterbrechung 
T€TUjLi)i^voi  bryz'  eintreten  zu  lassen,  die  worte  bis  äpai  gehören 
ein  und  demselben  Sprecher,  so  kommen  also  wirklich  nur  12,  nicht 
14  teile  heraus,  und  es  empfiehlt  sich  nach  wie  vor  die  12  choreuten 
heranzuziehen. 

Nach  dem  allem  habe  ich  nicht  nötig  noch  besonders  auszuspre- 
chen ,  dasz  nach  meiner  Überzeugung  mit  den  s&tzen ,  in  denen  W. 
am  schlusz  (s.  238)  das  ergebnis  seiner  Untersuchung  zusammen- 
faszt,  nichts  rechtes  anzufangen  ist.  sie  enthalten  unzweifelhafte, 
auch  sonst  schon  gekannte  Wahrheiten  und  daneben  manigfache  irr- 
tümer.  wenn  mir  6iner  die  Offenheit,  mit  der  ich  dies  ausspreche, 
nicht  übel  nimt,  so  ist  es  Wecklein,  wie  ich  weisz  dasz  er  alles,  was 
über  die  dramatische  dichtung  der  Oriechen  geschrieben  wird ,  und 
namentlich  auch  die  chorischen  Schriften,  kennen  zu  lernen  be- 
müht ist  und  an  alles  den  höchsten  maszstab,  den  der  Wahrheit,  an- 
legt, so  darf  ich  hoffen  dasz  er  auch  meine  gegenbemerkungen  als  aus 
dem  streben  der  sache  zu  dienen  hervorgegangen  betrachtet,  an 
gutem  willen,  mich  von  ihm  überzeugen  zu  lassen,  hat  es  mir  nicht 
gefehlt,  aber  es  ist  mir  nicht  möglich  gewesen,  das  lebhafte  inter- 
esse,  das  ich  seiner  abhandlung  entgegenbrachte,  in  Zustimmung  zu 
verwandeln,  und  wenn  ich  mich  frage,  woran  das  liegt,  so  dürfte 
dies  der  hauptgrund  sein ,  dasz  W.  nicht  jeden  chorgesang  für  sich 
unter  eingehender  Würdigung  des  Zusammenhangs ,  des  inhalts ,  der 
gliederung  und  ent Wickelung  betrachtet ,  sondern  dasz  er  generali- 
sierend verfährt  und,  statt  die  gesichtspunkte  aus  den  liedem  zu  ent- 
nehmen, sie  mehr  äuszerlich  an  dieselben  heranträgt,  wenn  er 
künftig  anders  verfahren  sollte ,  wie  ich  hoffe ,  so  bin  ich  überzeugt 
dasz  wir  uns  noch  einmal  über  die  hauptpunkte  der  chorischen  frage 
verständigen  werden. 

Stettin.  Christian  Muff. 


FLLentz:  zu  Euripides.  29 

5. 

ZU  EURIPIDES. 


Jahrb.  1882  s.  95  habe  ich  über  die  stelle  des  Euripides  Iph. 
Taur.  836  gehandelt  und  vermutet  dasz  ri  cpuj;  auszerhalb  des  verses 
wie  eine  art  von  inteijection  zu  behandeln  sei.  in  dieser  meinung 
bin  ich  durch  eine  dem  gedanken  nach  sehr  ähnliche  stelle  desselben 
dichters  bestärkt  worden.  Hei.  656  sagt  Helene  im  hochgeftthl  der 
freude  den  gemahl  wiedergefunden  zu  haben:  Ti  qpui;  Tic  &v  rdb' 
fiXiTicev  ßpoTWV  TTOTC;  dbÖKTiTOv  ixix)  ce  Trpöc  cx^pvoic,  nur  dasz 
Ti  q>di;  innerhalb  des  verses  steht,  was  nicht  auffallen  kann,  da 
alle  interjectionen  wie  la,  qpeO,  elev  bald  intra,  bald  extra  versum 
ihre  Stellung  haben,  was  aber  ri  q)i^c;  betrifft,  wovon  ich  damals 
ein  beispiel  auszerhalb  des  verses  aus  Aristophanes  (Ritter  1346) 
gegeben  habe,  so  kann  ich  auch  aus  Euripides  eine  ähnliche  stelle  bei- 
bringen. Hei.  706  Ti  q>^c;  vecp^Tic  äp'  äXXuic  elxoM^v  ttövouc  ir^pi; 
so  spricht  der  alte  kriegsgef&hrte  des  Menelaos,  nachdem  dieser  ihm 
erzählt  hat  dasz  alle  leiden  und  kttmmemisse  vor  Troja  um  eines 
nebelbildes  willen  erduldet  worden  seien,  wenn  auch  unter  etwa 
23  stellen ,  in  denen  diese  inteijection  Überraschung ,  schreck ,  be- 
stürzung,  erstaunen,  ekel  (Rjklops  127),  Einmal  freudige  bewegung 
(Hipp.  1450)  ausdrückt,  dies  die  einzige  ist,  in  der  sie  extra  versum 
gefunden  wird,  so  haben  dfch  Härtung,  Eirchhoff  ua.  mit  unrecht 
die  Worte  gestrichen  *weil  sie  die  stichomythie  störten',  es  ist  aber 
an  dieser  stelle  k^ine  stichomythie:  denn  v.  700  f.,  ebenso  704  f. 
enthalten  notwendig  zusammenhängende  werte  des  boten  und  des 
Menelaos.  auch  GHermann  hat  hier  nicht  das  richtige:  in  seiner 
ausgäbe  von  1837  ordnet  er  die  werte  so  dasz  tI  q>qc;  einen  vers 
für  sich  ausmacht  (^recte  ti  q)i(jc ;  pro  integre  versu  est  stupente  ali- 
quamdiu  nuntio  nee  statim  respondente  Menelao'),  also :  Trpöc  Oeuiv 
fijiev  T^TTttTim^voi ,  IT  t(  q^i\c ;  f  vecp^Xric  fit^^X^a  —  f  ve^^Xtic  äp  * 
äXXuic  — .  Hermann  meint  dasz  der  alte  kriegsmann  schon  nach  den 
werten  'wir  sind  von  den  göttem  betrogen'  aufbrausen  musz;  ich 
denke  dasz  das  erst  geschehen  kann,  wenn  Menelaos  gesagt  hat, 
worin  die  teuschung  bestanden  habe:  wenigstens  ist  diese  ansieht 
mehr  berechtigt  als  die  Hermanns,  nie  bildet  Ti  (p^c;  einen  vers 
für  sich:  entweder  folgt  unmittelbar  der  grund  der  erregung,  oder 
wenn  es,  was  sehr  selten  ist,  allein  steht,  so  ist  es  ein  teil  eines 
verses,  wie  v.  685  der  schlusz  eines  dochmius.  bei  Nauck  findet 
man  das  richtige,  dasz  ti  (prmi;  'quid  dico?'  etwas  anderes  ist  als 
Ti  qpuj ;  'quid  dicam  ?'  ist  selbstverständlich :  ich  würde  dies  auch 
nicht  erwähnen,  wenn  ich  nicht  an  der  stelle  ras.  Her.  518  anderer 
meinung  wäre  als  die  hgg.  nemlich  des  Herakles  gattin  Megara,  die 
durch  den  tyrannen  Lykos  gezwungen  nebst  ihren  kindern  und 
Amphitryon  dem  unvermeidlichen  tode  entgegensieht,  glaubt  in  der 
Entfernung  plötzlich  ihren  aus  der  unterweit  zurückkehrenden  gemahl 


30  FLLentz:  zu  Eonpides. 

zu  sehen,  dessen  ankunft  sie  alle  vom  tode  erretten  würde,  in  höch- 
ster Spannung  verfolgt  sie  die  allmtthliche  annäherung  des  Herakles, 
und  die  verse  514 — 519,  natürlich  mit  ausnähme  von  515,  welcher 
dem  Amphitryon  gehört,  spricht  sie  allein,  während  517  von  den 
hgg.  ebenfalls  dem  greisen  vater  zugeteilt  wird;  also:  Meg.  ^o  greis, 
sehe  ich  mein  liebstes?  oder  was  soll  ich  sagen?'  Amph.  'ich  weisz 
nicht,  tochter,  ich  bin  sprachlos.'  Meg.  'er  ist  es,  von  dem  wir  ge- 
hört haben,  dasz  er  tot  in  dir  Unterwelt  sei,  wenn  ich  nicht  bei 
hellem  tage  ein  traumbild  sehe,  was  sage  ich?  ist  das  ein 
traumbild,  was  ich  in  meiner  herzensangst  sehe?  nein,  er  ist  es 
wirklich;  kinder^  eilt  ihm  entgegen.'  schöner  kann,  glaube  ich,  die 
marternde  ungewisheit  und  die  freudige  erkenntnis  einer  gattin 
nicht  ausgedrückt  werden,  natürlich  ist  das  fragezeichen  hinter  516 
zu  tilgen. 

Ich  habe  eine  stelle  besprochen ,  in  welcher  ich  mit  OHermann 
nicht  übereinstimmen  konnte;  anderseits  ist  es  sehr  befremdend^ 
^asz  die  hgg.  des  finripides  die  vdelen  goldkömer,  die  sich  in  Her- 
manns  werken  finden,  aufzulesen  and  zu  verwerten  nicht  einmal  der 
mühe  für  wert  gehalten  haben,  wenn  der  leser  sich  an  der  lectüre 
erfreuen  soll,  so  musz  er  doch  wenigstens  dasjenige,  was  sicher  und 
evident  verbessert  ist,  im  texte  finden;  statt  dessen  liest  man  noch 
immer  den  hsl.  unsinn  und  ärgert  sich  dasz  man  eben  keinen  sinn 
herausfinden  kann,  an  stellen  wo  längst  schon  die  helfende  band 
Hermanns  geschickt  und  offenbar  die  Runden  geheilt  hat.  was  Her- 
mann von  einer  brauchbaren  ausgäbe  verlangt,  hat  er  in  sehr  be- 
herzigenswerten Worten  in  der  vorrede  zur  Andfomache  s.  YIE  aus- 
gesprochen: 'cum  propositnm  haberem,  ut  eam  tragoediae  formam 
repraesentarem,  quae  nee  barbare  aut  soloeoe  dictis  neque  ineptis  sen- 
tentiis  neque  inconditis  numeris  lectorem  moraretur  (ich  füge  hinzu 
'et  taedio  enecaret') ,  hoc  est  talem ,  qualem  ab  Euripide  profectam 
esse  non  esset  incredibile,  iis  quae  quoque  in  loco  optimae  viderentur 
scripturae  esse  usus  sum,  iudicata  potissima  diversitate  lectionis, 
quo  lector  ipse  iudicare  et,  si  aliter  sentiret,  praeferre  aliam  scriptu- 
ram  posset.'  in  diesem  sinne  scheint  mir  unter  den  neueren  muster- 
haft die  ausgäbe  der  Hiketides  in  den  'analecta  Euripidea'  von 
Wilamowitz-MöUendorf  (Berlin  1875).  die  loci  desperati  und  die 
verdorbenen  stellen  sind  mit  einem  kreuz  bezeichnet ,  und  leider  ist 
die  zahl  dieser  cruciferen  nicht  gering,  aber  man  weisz  doch  wenig- 
stens sofort;  wo  der  weg  noch  nicht  gangbar  ist,  und  wird  darauf 
sinnen  ihn  gangbar  zu  machen :  nirgends  steht  im  texte  unsinn,  und 
mit  dankbarer  gewissenhaftigkeit  sind  überall  die  männer  genannt, 
deren  divinationsgabe  den  richtigen  weg  gezeigt  hat.  die  inter- 
polierten stellen  sind  ebenfalls  unter  dem  strich  verzeichnet,  und 
bei  lücken  hat  der  hg.  angegeben,  was  dem  gedanken  nach  an  der 
verloren  gegangenen  stelle  gestanden  haben  mag.  ich  wenigstens 
habe  diese  analecta  mit  groszer  befriedigung  gelesen,  wenn  ich  auch, 
wie  es  nicht  anders  sein  kann;  zuweilen  anderer  meinung  bin,  zb. 


FLLentz :  SU  Earipides.  31 

Hik.  702,  in  welchem  verse  das  ermuntemde  kriegsgesohrei  der 
kämpfenden  Athener  und  Tfaebaner  enthalten  ist :  Oeiv ',  ävT^p€ib€ 
Toic  '€p€x6€ibaic  bäpu.  dazu  bemerkt  Wilamowlts:  'interciderunt 
clamores  Atheniensium.'  hier  hat ,  glaube  ich ,  Bothe  das  riditige 
gesehen,  wenn  er  bemerkt:  «0€Tv€  vox  Atheniensium»  iferi  bei  den 
Römern) ;  das  übrige  gehört  natürlich  den  Thebanern.  zu  verwerfen 
dcheint  femer  die  conjectur  zu  ras.  Her.  164,  wo  Lykos  sagt:  wer 
von  weitem  mit  einem  pfeil  einen  maifn  tötet,  der  ist  noch  kein  held, 
&XX'  6c  ^^vu)v  ßX^Trei  t€  KdvTib^pKetai bopöc  Taxe la v  äXoKa räSiv 
£p߀ßu)C.  statt  des  unsinnigen  Tax€iav  will  W.  Tpaxeiav  'horrentem 
hastis  segetem',  musz  aber,  da  rpaxuc  ein  makroparalekton  ist,  d&s 
wort  bopöc  ans  ende  des  verses  stellen,  so  schön  diese  Vermutung 
dem  sinne  nach  ist,  so  musz  doch  ßaOetav  äXoKa  gelesen  werden, 
^amplam  segetem' ;  dieselbe  Verbindung  findet  sich  im  Bhesos  796 
und  bei  Aischylos  Sieben  578 ;  auch  ist  damit  aus  der  Ilias  zu  ver- 
gleichen K  353  ^XK^fi€vm  veioTo  ßaGciiic  tttiktöv  äpoTpov. 

Es  bleibt  noch  übrig  dasz  ich  mich  wegen  des  harten  Urteils 
-über  die  ausgaben  des  Euripides ,  die  wir  gewöhnlich  zur  band  neh- 
men ,  von  Eirchhoff ,  Nauck ,  Dindorf  verantworte,  man  vergleiche 
die  wundervolle  behMidlung  des  stasimon  aus  der  Helene  v.  1301 
— 18  6p€ia  noxfe  bis  iXXav  jnoTpav  ^Kpaivev  bei  G^Hermann  mit 
dem  was  wir  sonst  lesen,  die  construction  ist  ÖT€  ZcuSdca  Oeqi 
(Ejbele  ist  gemeint)  ^€Tä  rdv  dpiracOeicav  (Proserpinam)  KoOpai 
f'ApTejiic  —  ropTCüTTic)  iTpoöEuipMiSjVTO :  *cum  deae  iunctis  leoni- 
bus  vehenti  virgines  ad  quaerendam  raptam  Proserpinam  se  in  viam 
dederunt':  mit  dem  letzten  werte  hat  Hermann  die  lücke  gefüllt: 
so  ist  alles  schön  und  klar,  wie  herlich  hat  femer  Hermann  die 
chorstelle  229—32  geordnet:  Tic  f|v  0puTuiv,  xdv  bttKpuöeccav 
*IXiiw  T€  TreuKOV  öc  freiie  toTc  G'  '6XXav(ac  ditö  xöovöc;  'quis  erat 
Phrygum,  qui  lacrimabilem  et  Troianis  et  Graecis  scapham  struzit?' 
nach  dem  gewöhnlichen  texte  sollen  wir  glauben  dasz  ein  Phryger 
oder  wohl  ein  Grieche  das  fahrzeug  für  Paris  gebaut  habe,  ebenso 
wird  uns  936  zugemutet  zu  glauben,  dasz  jemand  auf  dem  Scheiter- 
haufen —  verbrannt?  o  nein  —  getötet  worden  sei:  dv  TTupoi  Kax- 
€cq)dTili  während  Heimanns  wLpq,  dfa.  Mm  jenseitigen  fremden 
lande'  offenbar  richtig  ist,  so  dasz  k^^  Trepqt  sowohl  mit  OavüJV  als 
auch  mit  KaT€cq)dTT|  zusammengehört,  worauf  sich  im  folgenden 
verse  dTTÖVTOC  bezieht,  diese  Verbesserung  hat  Kirchhoff  angeführt, 
es  muste  aber  ir^pcji  statt  des  unsinnigen  Trup^  in  den  teitt  gesetzt 
werden,  wie  wahr  ist  femer  in  v.  122  auTÖc  tdp  öccoic  elböjiiiv 
Kai  vOv  c'  öp(|!i  die  emendation  afiTUic  ^aeque  iÜam  vidi  olim  ac 
nunc  te  Video' !  endlich  v.  1512,  wo  der  böte  zum  könig  spricht: 
fivaS,  xd  KdKiCT*  dv  böfioic  eöpVJKajLiev  ibc  KaCv*  dKOÖcei  irrmaT* 
dE  £^oO  Tdxoe.  Eirchhoff  sagt:  Macunae  resarciendae  causa  additum 
esse  ab  interpolatore  recte  statuisse  videtur  GDindorfius.'  Nauck 
sagt:  ^spuria  videntur.'  aber  nicht  doch:  der  erste  vers  musz  mit 
Hermann  gelesen  werden  dva£,  Td  jidKiCT*  £v  bö^oic  c'  €Öp/JKajui€V 


32  BHirschwälder:  zur  biographie  des  Thukydides  [§  26]. 

dh.  'o  rex,  postremo  tandem  domi  te  nacti  sumus:  scito  te  novas 
aerumnas  ex  me  auditurum  esse.'  von  einer  Interpolation  ist  da 
nicht  die  rede :  ein  auch  noch  so  schlechter  in^erpolator  würde  doch 
wohl  einen  richtigen  trimeter  gebildet  haben ;  die  rechtfertigung  von 
fidKiCTa  durch  Homer  (jifJKiCTa)  und  Aischylos  ist  wohl  genügend, 
und  das  alles  aus  einer  einzigen  tragödie :  habe  ich  da  unrecht,  wenn 
ich  die  hgg.  der  nachlässigkeit  beschuldige,  wenn  sie  das  so  schön 
gebotene  gar  nicht  einmal  benutzen  ?  beiläufig :  ich  wundere  mich 
darüber,  dasz  Orestes  um  seine  mntter  zu  töten  'Ap^öOev  gereist 
sein  soll,  was  man  Androm.  1032  liest  und  merkwürdigerweise  auch 
Hermann  hat  passieren  lassen:  vielleicht  ist  er  d TP Ö 66 v  'peregre' 
gekommen,  erwähnen  möchte  ich  noch,  dasz  auch  Madvigs  emen- 
dationen  in  seinen  'adversaria  critica',  so  mislungen ,  ja  haarsträu- 
bend, manche  sind,  doch  teilweise  auch  wert  sind  in  den  text  auf- 
genommen zu  werden,  hierzu  rechne  ich  Hik.  322  öpqic,  TOic  xep- 
TOjLioOci  TopTÖv  d)c  dvaßX^Trei  cf|  Traxpic;  vor  dvaßX^Tiei  hat 
sich  Wilamowitz  mit  recht  bekreuzt,  dafür  ist  mit  Madvig  dvTi- 
ßX^TT€i  zu  schreiben.  Wilamowitz  entwickelt  den  gedanken  sehr 
gut:  ^vides  Athenas  cavillationes  truci  oculo  contemnere',  vielmehr 
aspemari  cum  indignatione ,  uTTÖbpa  iboOcac.  in  der  bedeutung 
*mit  mut  dem  feinde  ins  äuge  sehen'  findet  sich  dvTißX^iT€iv  bei 
Aischines  g.  Etes.  s.  539  Bsk.  ö  TOic  TToXejiioic  oubdnoT'  dvTi- 
ßX^ipac,  und  bei  JBuripides  selbst  dvTib^pK€c6ai  ras.  Her.  163. 
auch  Hik.  530  hat  Madvig  aicxpuJC  bk  V€Kpouc  emendiert  für 
^Keivoic,  da  der  parallelismus  durchaus  einen  accusativ  erfordert. 

Alkestis  bereitet  sich  feierlich  zu  dem  bevorstehenden  tode  und 
legt  trauerkleider  und  schmuck  an ,  den  sie  aus  dem  von  cedem  ge- 
bauten hause  nimt:  dgeXoOca  K€bp(vujv  bö)iuiv  Alk.  160,  was 
Graevius  erklärt:  ^ex  cedrinis  arcis.'  ja  wenn  nur  böjioc  diese  be- 
deutung haben  könnte!  es  musz  aber  statt  bö)iUJV  heiszen  boxujv. 
das  adj.  boxöc  ^recipiens'  hat  Theophrast;  von  dem  subst.  box<^C 
liest  man  bei  Hesjchios :  boxouc  *  boxcTa  dh.  ^receptacula',  was  an 
dieser  stelle  gefordert  wird. 

Königsberg.  Friedrich  Leonhard  Lentz. 


6. 

ZUR  BIOGRAPHIE  DES  THUKYDIDES. 

Bei  gelegenheit  der  besprechung  des  Dorpater  programms  von 
EPetersen  *de  vita  Thucydidis  disputatio'  (1873)  bemerkt  ASchöne 
in  Bursians  Jahresbericht  III  (1875)  s.  816  :  ^mir  ist  nur  ^ine  stelle 
erinnerlich,  bei  der  die  quelle  bis  jetzt  nicht  anzugeben  sein  dürfte : 
Marcellin  §  25  bWTpißuiV  dv  CKttTTiq  öXq  UTTÖTrXaTdvu)  £TPOtq>€. 
woher  mag  das  uttö  TtXaTdvip  stammen?'  sollte  etwa  das  sonder- 
bare TTAATANQI  eine  corruptel  sein  aus  TTArrAlQI?  Skapte  Hyle 
war  ja  am  fusze  des  goldreichen  Pangaion  gelegen. 

Breslau.  Bruno  Hirschwälder. 


FRühl:  der  letzte  kämpf  der  Achäer  gegen  Nabis.  33 

7. 

DER  LETZTE  KAMPF  DER  ACHÄER  GEGEN  NABIS. 


unsere  gesamte  Überlieferung  über  den  letzten  feldzug  der 
Achfter  gegen  Nabis  geht  bekanntlich ,  wie  allgemein  zugestanden 
wird,  ausschlieszlich  auf  Poljbios  zurück,  absieht  und  verfahren 
der  schriftsteiler  jedoch ,  aus  denen  wir  unsere  künde  zu  schöpfen 
haben  I  sind  so  yerschiedener  art;  dasz  es  nicht  ganz  leicht  ist  den 
ursprünglichen  bericht  zu  reconstruieren  und  die  modernen  dar- 
Stellungen  in  manchen  punkten  sehr  weit  von  einander  abweichen, 
eine  neue  Untersuchung  über  diese  Vorgänge  ist  daher  nicht  Unzweck- 
mftszig ,  um  so  weniger  als  dabei  einige  fragen  von  allgemeinerem 
Interesse  verhandelt  werden  müssen. 

Nabis  war  durch  den  vertrag  mit  Flamininus  auf  das  binnen* 
land  von  Lakonien  beschränkt  worden ;  die  städte  der  küste  hatte 
man  dem  achäischen  bunde  angeschlossen,  neben  einer  anzahl  von 
anderen  Schwierigkeiten ,  welche  für  die  vorliegende  aufgäbe  nicht 
in  betracht  kommen,  fällt  hier  eine  lüoke  in  unserer  kenntnis  auf, 
welche  meines  wissens  noch  nirgends  hervorgehoben  worden  ist,  die 
aber  ein  vollkommenes  Verständnis  der  folgenden  ereignisse  er- 
schwert, obwohl  nemlich  Nabis  sämtlicher  Seestädte  und  aller  seiner 
besitzungen  in  Kreta  beraubt  worden  war ,  so  hatte  man  ihm  doch 
gestattet  zwei  schiffe  zu  behalten,  wenn  er  sich  nachher  wieder  eine 
gröszere  flotte  verschafFt,  so  ist  das  leicht  zu  erklären;  aber  wo  in 
aller  weit  sollte  er  jene  beiden  vertragsmäszig  erlaubten  schiffe 
unterbringen,  und  zu  welchem  zweck  sollten  sie  ihm  nach  der  ansieht 
des  Flamininus  dienen?  wir  werden  notwendig  annehmen  müssen, 
dasz  wenigstens  6in  hafenplatz  in  seinem  besitze  geblieben  war. 

Aufgestachelt  von  den  Ätolem  begann  Nabis  im  j.  192  die 
feindseligkeiten  aufs  neue,  der  bericht  des  Livius  (XXXY  13)  ist 
ziemlich  unklar,  wir  müssen  annehmen  dasz  Nabis  zunächst  ver- 
suchte sich  eine  partei  in  den  Seestädten  zu  gewinnen  und  seine 
dortigen  gegner  zu  beseitigen.  ^  die  Achäer,  seine  plane  erkennend, 
mahnten  ihn  von  einem  frledensbruch  ab,  allein  ohne  erfolg.  Nabis 
begann  vielmehr  den  krieg  und  zwar  mit  einem  angriff  auf  Gjtheion, 
die  wichtigste  unter  den  küstenstädten.  die  Achäer  warfen  darauf 
(wir  wissen  nicht  auf  welchem  wege)  eine  besatzung  in  die  st^dt 
und  sandten  zugleich  eine  gesandtschaft  mit  der  nachricht  von  dem 
vorgefallenen  nach  Rom.  Nabis  seinerseits  setzt  die  belagerung  von 
Gjtheion  zu  lande  und  zu  wasser  fort  und  macht  zugleich  raubeinfälle 
in  das  achäische  gebiet  ^  also  nach  Arkadien  oder  nach  Argolis.    die 


*  wenn  Kortüm  griech.  gesch.  III  s.  254  sagt,  Nabis  habe  die  meisten 
Seestädte  zum  anschlusz  genötigt,  so  findet  das  in  den  quellen  keine  be- 
gründang, und  es  ist  auszerdem  durchaas'  nnwahrscheinlich. 

Jahrbacher  f&r  class.  philol.  1883  hft.  1.  3 


34  FRühl:  der  letzte  kämpf  der  Achäer  gegen  Nabis. 

Achäer  warten  die  rückkebr  ibrer  gesandten  ab  und  berufen  dann 
eine  versamlung  nacb  Sikyon.  wir  müssen  annehmen  dasz  der  senat 
sie  aufgefordert  hat  gewalt  mit  gewalt  zu  vertreiben  und  sie  zugleich 
an  Flamininns  und  die  anderen  legaten  verwies,  welche  er  nach 
Griechenland  abgeordnet  hatte  (Livius  c  23 ^  5).  der  senat  kann 
den  Achäern  nicht  wohl  geraten  haben  zu  warten,  bis  ein  römisehee 
beer  eingetro£fen  sei :  denn  die  versamlung  erkl&rte  sich  für  den  so* 
fortigen  krieg,  während  man  doch  von  vom  herein  entschlossen  war 
die  eignen  masznahmen  von  der  antwort  abhftngig  zu  machen,  welche 
die  gesandten  mitbringen  würden  (L.  c.  25,  3).  die  regierung  hatte 
indessen  gleichzeitig  mit  der  berufung  der  versamlung  den  rat  des 
Flamininus  erbeten,  offenbar  nicht  sowohl  über  das  ob  als  über  das 
wie  des  vergebens.  Flamininus  aber,  der  über  Eorinth  nach  Athen 
gegangen  zu  sein  scheint  (L.  c.  31,  1),  riet  bis  zur  ankunft  der  rö- 
mischen flotte  zu  warten,  durch  die  Verlesung  seines  briefes  wurde 
zwar  ein  teil  der  versamlung  umgestimmt,  die  majorität  beschlosz 
aber  dochj  namentlich  unter  dem  einflusz  einer  freilich  diplomatisch 
zurückhaltenden  rede  des  Philopoimen,  ein  sofortiges  vorgehen,  der 
beschlusz  war  verständig,  so  wünschenswert  es  gewesen  wäre  auf 
die  mithilfe  einer  römischen  flotte  rechnen  zu  können ,  so  war  doch 
keine  zeit  zu  verlieren,  vielmehr  gefahr  im  Verzug,  es  stand  zu  be- 
fürchten —  und  der  erfolg  hat  das  als  nur  zu  begründet  erwiesen  — 
dasz  Gytheion  ge&Uen  sein  und  das  gesamte  beer  des  Nabis  in 
Arkadien  stehen  konnte,  ehe  die  Römer  herankamen,  ob  der  ver- 
schlag des  Flamininus  zu  jener  gattung  weiser  ratschlage  gehörte, 
wie  sie  kühlsinnige  mächtige  leidenden  zu  geben  pflegen ,  oder  ob 
er  aus  dem  bestreben  hervorgieng,  die  band  in  den  dingen  zu  be- 
halten und  das  frühere  spiel  zu  wiederholen,  kann  dahin  gestellt 
bleiben. 

Das  erste  unternehmen  der  Achäer ,  der  versuch  Oytheion  von 
der  seeseite  zu  entsetzen ,  scheiterte  freilich  auf  das  kläglichste  und 
rief  ein  allgemeines  gelächter  hervor  (Livius  XXXV  26.  Plut.  Philop. 
14.  Paus.  VIU  50).  am  ausführlichsten  ist  der  bericht  des  Livius. 
aber  gerade  bei  diesem  treffen  wir  auf  eine  angäbe ,  die  nicht  wahr 
sein  kann,  es  heiszt  nemlich  c.  26,  9 :  ipse  Fküopoemen  in  levi  spe- 
culatoria  nave  fugüy  nee  ante  fugae  finem^  quam  Fatras  ventum  est, 
fecit.  das  ist  ein  geschichtchen,  wie  es  zum  höhne  der  Achäer  wohl 
erdacht  sein  kann,  wie  es  sich  in  einem  spottliede  sehr  gut  aus- 
genoiumen  haben  würde,  das  aber  auf  nicht  mehr  glaubwürdigkeit 
anspruch  machen  kann  als  etwa  die  bekannte  erzählung,  französische 
flüchtlinge  von  Rossbach  hätten  nicht  eher  zu  laufen  aufgehört,  als 
bis  sie  den  Rhein  erreicht  hätten,  man  wird  zugeben,  dasz  jener 
satz  in  der  vorliegenden  form  nicht  bei  Polybios  gestanden  haben 
kann,  wenn  man  bedenkt,  welche  Stellung  dieser  sonst  zu  Philopoimen 
einnimt.  aber  es  könnte  allerdings  der  schroffe  ausdruck  von  Livius 
selbst  herrühren,  die  angäbe,  dasz  die  achäische  flotte  nach  Patrai 
zurückgekehrt  sei,  aber  trotzdem  richtig  sein,    das  letztere  nehmen 


FRühl :  der  letzte  kämpf  der  Achäer  gegen  Nabis.  35 

auch  Thirlwall  history  of  Greece  VIII  s.  334^,  Schom  gesch.  Griech. 
von  der  entstehung  des  achäischen  und  ätolischen  bundes  8.  271  und 
Weissenbom  an. 

Allein  was  weiter  berichtet  wird  steht  damit  in  entschiedenem 
Widerspruch.  Nabis  legt  nemlich  in  der  absieht  auch  entsatzversuche 
zu  lande  abzuschneiden  den  dritten  teil  seiner  truppen  in  «in  lager 
bei  Pleiai,  weil  er  von  Leukai  und  Akriai  her  einen  angriff  der 
AchSer  vermutet.  Akriai  war  eine  Eleutherolakonenstadt,  aber  un- 
bedeutend ;  jedenfalls  war  die  besatzung  nicht  stark  genug,  um  einen 
angnff  auf  das  beer  des  Nabis  wagen  zu  können,  das  verhalten  des 
letztern  erklärt  sich  nur,  wenn  er  einen  angriff  von  osten,  also  von 
den  Elentherolakonenstttdten  jenseits  des  Parnon  her  erwartete, 
dasz  er  an  eine  landung  bei  Akriai  nicht  dachte ,  geht  aus  Livius 
c.  27,  1  und  Flut.  Philop.  14  deutlich  hervor,  mit  recht  wundert 
sich  Weissenbom  über  das  verfahren  des  tjrannen,  da  doch  Philo- 
poimen  nach  einer  ganz  andern  gegend  entflohen  sei.  Philopoimen 
zieht  aber  in  der  that  eine  flotte  von  kleinen  schiffen  in  ocadtam 
stationem  agri  Argivi  zusammen  und  besetzt  sie  mit  peltasten  und 
leichten  truppen.  er  befindet  sich  also  auch  im  osten,  und  seine  Vor- 
bereitungen können  nach  dem  ganzen  zusammenhange  nicht  sehr 
lange  gedauert  haben,  auch  wenn  man  auf  die  worte  des  Pausanias 
VIII 50,  8  fijLi^paic  hi  öctepov  ine  vaupaxioic  ou  TroXXaic  kein  ge- 
wicht legen  will.  Weissenbom  nimt  nun  an,  unter  den  navigia 
parva  sei  die  eben  bei  Gjtheion  geschlagene  flotte  zu  verstehen, 
welche  man  von  Patrai  nach  dem  Argivischen  geschafft  hätte,  das 
ist  ein  geradezu  unglaublicher  gedanke,  und  es  wäre  mehr  als  auf- 
fallend, wenn  ein  für  damalige  Verhältnisse  so  unerhörtes  unter- 
nehmen von  unsem  quellen  mit  schweigen  übergangen  wäre,  ins- 
besondere müsten  wir  erwarten,  dasz  Plutarch  seiner  gedächte,  die 
worte  des  Livius  zwingen  aber  an  sich  gar  nicht  zu  jener  annähme ; 
warum  sollten  sich  nicht  kleine  zum  truppentransport  geeignete 
fahrzeuge  an  der  ostküste  des  Peloponnes  gefunden  haben?  was 
Weissenbom  bestimmt  hat,  dürfte  die  stelle  des  Plutarch  sem 
(Philop.  14):  Tipöc  laöra  TivibcKU)v  KOTaqppovoOvTac  auroO  touc 
TToX€^iouc  die  TtavTciTTaci  TTcqpcuTÖTOC  Ik.  Tfjc  GaXdmic,  xal  ttoXi- 
opKOövTac  uTiepTiqxivuJc  tö  füBiov,  eöOCic  dTT^irXcuccv  aöioic 
DU  TipocboKiüCiv,  dXX*  dKXeXuji^votc  bm  Tf|V  viKriv.  das  setzt  aller- 
dings  voraus ,  dasz  der  zweite  angriff  mit  denselben  Streitkräften 
unternommen  wurde  wie  der  erste,  es  schlieszt  aber  auch  den  land- 
transport  der  schiffe  geradezu  aus.  wir  werden  daher  nach  alledem 
anzunehmen  haben,  dasz  sich  Philopoimen  in  Wirklichkeit  nicht  nach 
Achaja,  sondern  nach  dem  osten  zurückzog  und  dasz  bei  Livius  eine 
corruptel  vorliegt,  statt  Patrai  musz  Poljbios  irgend  einen  hafen 
an  der  ostküste  des  Peloponnes  genannt  haben,   am  ehesten  würde 


'  ich  eitlere  nach  einer  Londoner  ausgäbe  ohne  Jahreszahl,  welche 
von  der  von  Freeman  benutzten  verschieden  sein  musz. 

3* 


36  FRühl:  der  letzte  kämpf  der  Achäer  gegen  Nabis. 

es  sich  empfehlen  statt  ^atros  bei  Livius  ^rasias  zu  schreiben,  die 
corruptel  erklärte  sich  dann  so,  dasz  irgend  ein  abschreiber  dem  un- 
bekannten namen  dem  c.  26 ,  7  genannten  ^dtr&nsis  Tiso  zu  liebe 
den  bekanntem  untergeschoben  hätte,  es  ist  indessen  auch  nicht 
unmöglich,  dasz  Livius,  wie  anderwärts,  so  auch  hier  die  corruptel 
bereits  in  seinem  Polybiosezemplar  vorfand  und,  als  er  dann  kurz 
darauf  an  der  zweiten  stelle  Prasiai  erwähnt  fand,  diesen  ort,  der 
ihm  sonst  noch  nicht  vorgekommen  war,  einfach  als  eine  stcUio 
occuUa  agri  Argivi  bezeichnete.' 

Philopoimen  föhrt  dann  mit  seinen  schiffen  und  truppen  um 
das  cap  Malea  herum ,  landet  an  einem  Vorgebirge ,  wohl  der  halb- 
insel  Eyparissia,  und  überi^llt  das  lager  von  Pleiai.  dann  folgt  bei 
Livius  c.  27,  9  wieder  etwas  unmögliches:  üa  percidsis  hostibtis 
Phüopoemen  protinus  ad  depoptüandam  Tripolim  Laooniei  agri ,  qm 
proximus  finem  MegalopoUtarum  est^  duxU  et  magna  vi  pecorum  homi- 
numque  inde  ahrepta^  priusguam  a  Gytheo  ttfrannus  praesidium  agris 
mitterety  discessü,  das  steht  geographisch  auf  derselben  höhe  wie 
der  bericht  des  Zenon,  welchen  Polybios  XYI  17  so  bitter  durch- 
zieht, bereits  Manso  (Sparta  m  1  s.  401)  hat  das  richtige  gesehen, 
dasz  nemlich  Philopoimen,  nachdem  der  Überfall  geglückt  war, 
wieder  abzog  und  von  Megalopolis  aus  seinen  einfall  unternahm. 

Unterdessen  war  ein  regelmäsziges 'achäisches  landheer  auf- 
geboten worden,  und  auf  einer  versamlung  in  Tegea,  an  der  auch 
epeirotische  und  akamanische  gesandte  teil  nahmen ;  wurde  be- 
schlossen den  entsatz  von  Gytheion  durch  eine  diversion  gegen  Sparta 
zu  versuchen,  auch  daraus  ergibt  sich  dasz  der  Überfall  von  Pleiai 
keineswegs  als  ein  groszes  kriegsuntemehmen  mit  strategischen  ab- 
siebten gedacht  war ,  zu  dem  man  eigens  eine  neue  ezpedition  aus- 
gerüstet hätte,  sondern  weiter  nichts  war  als  ein  kecker  handstreich 
mit  dem  eben  geschlagenen  beer,  der  den  gesunkenen  mut  wieder  auf- 
richten sollte.  Philopoimen  rückte  dann  wirklich  nach  Earyai  vor^, 
allein  es  war  zu  spät :  an  demselben  tage  fiel  Gytheion.  der  tyrann, 
von  dem  einfall  benachrichtigt,  eilt  den  Achäem  mit  seiner  gesamten 
macht  entgegen ,  erleidet  jedoch  eine  grosze  niederlage.  es  gelingt 
dann  Philopoimen  durch  eine  reihe  geschickter  manöver ,  die  feind- 
lichen truppen  noch  mehr  zu  schwächen  und  Nabis  in  Sparta  ein- 
zuschlieszen.  diese  Vorgänge  im  einzelnen  zu  besprechen  ist  zwecklos, 
da  die  antike  topographie  dieser  gegenden  nicht  genügend  aufgeklärt 
ist.  Philopoimen  hält  darauf  Nabis  dreiszig  tage  lang  in  Sparta 
eingeschlossen ,  verwüstet  das  lakonische  gebiet  und  —  kehrt  dann 

^  die  politischen  Verhältnisse  von  Prasiai  in  dieser  epoche  sind  un- 
klar, nach  Polybios  IV  36  gehörte  die  Stadt  zu  Argos,  Pansanias  III 
24,  3  bezeichnet  sie  als  die  äoszerste  Stadt  der  Eleutherolakonen. 
*  Manso  ao.  zieht  Polybios  XYI  36  f.  hierher,  dasz  das  irrtümlich  sei, 
hat  bereits  Thirlwall  ao.  VIII  s.  335  bemerkt,  die  Chronologie  schlieszt 
jene  annähme  ans,  und  die  hergänge,  von  denen  Polybios  dort  berichtet, 
sind  mit  dem  was  hier  unsere  quellen  melden  unverträglich. 


FRühl :  der  letzte  kämpf  der  Achäer  gegen  Nabis.  37 

debüUatis  ac  prope  fradis  iyranni  virilms  nach  hause  zurück,  gefeiert 
von  den  AchSern,  von  diesen  mit  Flamininus  zusammengestellt  und 
sogar  um  seiner  thaten  im  lakonischen  kriege  willen  höher  gepriesen. 
So  steht  bei  Livius  XXXY  30,  12.  ich  möchte  fragen:  kann 
das  so  gewesen  sein  ?  und  ich  antworte  keck :  nein ,  so  können  die 
dinge  nicht  verlaufen  sein.  Philopoimen  war  kein  narr,  er  war  zu 
sehr  Staatsmann,  um  sich  wie  ein  irrender  ritter  des  mittelalters 
damit  zu  begnügen ,  dem  gegner  seine  kraft  gezeigt  zu  haben ,  es  zu 
versäumen  seinen  erfolg  auszubeuten  und  den  politischen  gewinn 
seines  sieges  einzuheimsen,  man  kann  auch  nicht  sagen,  wie  Thirlwall 
ao.  YIII  s.  335 ,  dasz  Philopoimen  vor  der  belagerung  von  Sparta 
zurückgeschreckt  sei,  welche  Flamininus  an  der  spitze  von  50000  mann 
für  zu  schwierig  erklärt  hatte.  6inmal  hatten  die  Achäer  seiner  zeit 
die  behauptungen  des  Flamininus  für  leere  ausreden  gehalten,  zweitens 
war  die  Verteidigungsfähigkeit  des  Nabis  jetzt  viel  geringer  als  im 
j.  195 ,  und  drittens  hätten  die  Achäer  doch  wenigstens  Sparta  ein- 
geschlossen halten  müssen ,  bis  die  Römer  endlich  mit  ihrer  flotte 
herankamen,  sobald  Philopoimen  abzog,  war  Nabis  wieder  frei, 
und  das  alte  spiel  konnte  von  neuem  beginnen,  es  war  dann  nicht 
einmal  der  nächste  zweck  des  feldzugs  erreicht:  Gjtheion  blieb  in 
den  bänden  des  feindes.  es  müssen  schwer  wiegende  gründe  gewesen 
sein,  welche  Philopoimen  zum  rückzug  bestimmten.  Livius  läszt  uns 
hier  vollkommen  im  stich,  und  das  spricht,  wenn  wir  seine  sonstigen 
gewohnheiten  beachten,  dafür  dasz  er  etwas  für  die  Römer  wenig 
rühmliches  zu  verschweigen  hatte,  so  ist  es  in  der  that.  Plutarch 
Philop.  15  erzählt,  dasz  Flamininus  aus  ärger  darüber,  dasz  Philo- 
poimen von  den  Hellenen  so  gefeiert  worden  sei  und  zwar  gerade 
auch  im  gegen satz  zu  ihm  selbst,  dem  kriege  ein  ende  gemacht  habe 
(KaiaXuexai  ö  Tixoc  xij)  Ndßibi  töv  TtöXcjiiGv),  und  Pausanias  VIII 
50;  10  belehrt  uns  des  weitem,  dasz  wir  es  nicht  mit  einem  friedens- 
schlusz,  sondern  mit  einem  wafifenstillstande  zu  thun  haben  (Näßic 
jLifev  de  elpriM^VGV  xp6vov  CTiovödc  Tiapä  'Puijuaiuiv  eüpdjLievoc 
TeXeuTcl,  Trpiv  fj  oi  toö  ttoX^iliou  xdc  dvoxdc  ÖriKeiv).*  das  ist  der 
ganzen  natur  der  Verhältnisse  nach  durchaus  glaublich ;  es  entspricht 
der  bisherigen  wie  der  spätem  politik  der  Römer*  und  speciell  der 
Stellung,  welche  Flamininus  von  vom  herein  zu  diesem  kriege  ein- 
genommen hatte,  dasz  die  Achäer  sich  ohne  weiteres  fügten,  lag 
gleichfalls  in  den  bahnen  der  politik,  welche  sie  vernünftigerweise 
allein  befolgen  konnten  und  die  insbesondere  Philopoimen  sein  ganzes 
leben  lang  innegehalten  hat.  über  die  bedingungen  des  Waffenstill- 
standes wissen  wir  nichts,  es  scheint  als  sei  der  Status  quo  ante 
hergestellt  worden,    hätten  die  Achäer  das  lakedämonische  gebiet 


^  das  schweigen  des  Jnstinns  kommt  nicht  in  betracht,  da  er  auch 
über  das  ende  des  Nabis  nichts  sagt.  ^  Ihne  röm.  gesch.  III  s.  83 

zieht  mit  recht  an  Livius  XXXY  31,  2  minimum  operae  (legati  Romanorum) 
in  Achaeis  adeundis  consumpseruntj  quos,  quia  Nabidi  infesii  erant,  ad  cetera 
quoque  aatU  fidos  censehant  esse. 


38  FRüfal:  der  letzte  kämpf  der  Achäer  gegen  Nable. 

besetzt  gehalten  oder  auch  nur  betreten  dürfen,  wäre  der  krieg,  wie 
Tbirlwall  will,  lediglich  infolge  der  schwäche  des  Nabis  unterbrochen 
worden ,  so  hätten  nachher  die  ätolischen  hilfstruppen ,  die  offenbar 
durch  Messene  marschiert  sind,  den  tyrannen  nicht  erreichen  können ; 
anderseits  aber  scheint  es  als  sei  Gytheion  den  Achäem  zurück- 
gegeben worden;  wenigstens  wird  bei  Livius  c.  35, 1  wieder  hervor* 
gehoben,  dasz  Nabis  vom  meere  abgeschnitten  war. 

Die  neueren  haben  die  angaben  über  den  Waffenstillstand  bald 
angenommen  (Kortüm  ao.  III  s.  255.  ^chorn  ao.  s.  273.  Hertzberg 
Griechenland  unter  den  Römern  I  s.  114.  Ihne  ao.  III  s.  82),  bald 
verworfen  (Thirlwall  VIII  s.  335  f,  Nissen  Untersuchungen  s.  172 
und  Weissenbom,  der  ihm  in  der  regel  ziemlich  kritiklos  folgt),  bald 
endlich  schweigen  sie  über  die  frage  ganz  (Manso  Sparta  lU  1  s.  404. 
Mommsen  röm.  gesch.  I^  s.  726.  727.  Freeman  history  of  federal 
govemment  I  s.  628).  eingehend  begründet  hat  seine  ansieht ,  ab- 
gesehen von  Thirlwall,  dessen  einzelne  argumente  bereits  oben  ge- 
würdigt worden  sind,  blosz  Nissen,  auf  ihn  allein  haben  wir  daher 
rücksicht  zu  nehmen,  er  stellt  weiter  keine  betxachtungen  über  den 
Zusammenhang  der  ereignisse  an,  sondern  behauptet  einfach,  Livius 
c.  35  ff.  zeige  dasz  sich  Plutarch  geirrt  habe,  diese  behauptung  ist 
jedoch  vollkommen  unbegründet,  jene  capitel  behandeln  die  ankunft 
der  Ätoler  in  Sparta,  den  tod  des  Nabis,  die  Überrumpelung  der 
Stadt  durch  die  Ätoler  und  den  einmarsch  des  Philopoimen.  aus 
der  gesamtheit  dieser  ereignisse  ist  weder  für  noch  gegen  einen 
Waffenstillstand  etwas  zu  schlieszen,  einige  einzelheiten  aber  machen 
eine  fortdauer  des  kriegs  im  höchsten  grade  unwahrscheinlich,  wenn 
nicht  unmöglich,  wenn  c.  35,  3  gesagt  wird,  Nabis  habe  die  Ätoler 
gebeten,  tU  auxtUa  sibi^  cum  Ulis  auctorihus  rebeUüsset ^  mUterentury 
so  ist  das  mit  dem  abschlusz  eines  Waffenstillstandes  durchaus  verträg- 
lich, und  die  ankunft  der  hilfsvölker  war,  wie  bereits  oben  bemerkt, 
wohl  nur  während  eines  Waffenstillstandes  möglich,  wenn  aber 
weiter  (c.  35,  9)  Alexamenos  dem  Nabis  rät  seine  Soldaten  nicht 
unter  dach  und  fach  verweichlichen  zu  lassen,  sondern  sie  ordentlich 
zu  üben,  und  wenn  in  folge  dessen  allerlei  friedliche  manöver  in  der 
Eurotasebene  vollzogen  werden,  so  sind  das  dinge  welche  mit  einem 
augenblicklichen  kriegszustande  unvereinbar  sind.  Nissen  redet 
freilich,  seiner  gleich  zu  besprechenden  meinung  über  die  quelle  des 
Pausanias  wegen,  von  einem  frieden  den  Flamininus  nach  Plutarch 
gewährt  haben  solle,  allein  er  faszt  die  werte  KaTaXu€Tai  TÖv  iröXe- 
^ov  zu  eng :  sie  besagen  weiter  nichts  als  dasz  Flamininus  eine  ein- 
stell ung  der  feindseligkeiten  veranlaszte ,  und  es  hätte  Nissen  wohl 
stutzig  machen  können ,  dasz  seiner  eignen  auffassung  zufolge  Pau- 
sanias, der  doch  auch  griechisch  verstand,  nur  einen  Waffenstillstand 
aus  den  worten  des  Plutarch  herauslas. 

Auch  die  art,  wie  Nissen  den  Irrtum  des  Plutarch  erklärt,  ist 
nicht  überzeugend,  'bei  dem  kriege  nemlich',  so  sagt  er  ao.  Velchen 
Flamininus  569  [lies  559]  gegen  den  tyrannen  führte,  bemerkt  er 


FBühl:  der  letzte  kämpf  der  Achäer  gegen  Nable.  39 

[Plutarch]  Flam.  13 ,  derselbe  habe  frieden  geschlossen,  entweder 
aus  furcbt  vor  einem  nachfolger  (ebenso  [Liv.]  XJCXIV  33)  oder 
aus  neid  gegen  Philopoimen,  der  aber  seit  555  noch  immer  in  Kreta 
verweilte,  und  braucht  nun  ganz  dieselben  worte  wie  Philop.  15. 
so  bringt  er  an  dieser  stelle  fälschlich  den  frieden,  an  jener  fälsch- 
lich den  neid  hinein  und  macht  aus  den  beiden  feldzttgen  von  559 
und  562  einen  einzigen.'  die  confusion  in  der  stelle  des  Titos  ist 
nicht  wohl  zu  bestreiten,  einem  buche  g^enüber ,  das  so  stolz  auf 
seine  methode  ist,  darf  man  indessen  wohl  hervorheben,  dasz  es  wenig 
methodisch  ist  von  einer  verwirrten  stelle  eines  Schriftstellers  aus- 
zugehen, um  eine  andere  zu  erläutern,  welche  an  sich  klar  ist.  man 
darf  femer  nicht  vergessen ,  dasz  Plutarch  die  ganze  angelegenheit 
im  Philopoimen  als  einen  integrierenden  teil  seiner  aufgäbe  behan- 
delt und  im  Titos  blosz  beiläufig,  es  wird  ja  auch  nicht  bestritten, 
sondern  ausdrücklich  von  Nissen  zugegeben ,  dasz  die  angaben  über 
die  eifersucht  des  Flamininus  auf  Philopoimen  aus  Poljbios  stam- 
men, und  da  sollen  wir  wirklich  annehmen  dasz  Plutarch,  der  hier 
den  Poljbios  vor  sich  hatte ,  einen  grund  eigner  erfindung  für  den 
rückzug  des  Philopoimen  vorgebracht  habe ,  womöglich  mit  Unter- 
drückung der  von  Polybios  angegebenen  ?  denn  wer  Poljbios  kennt, 
wird  sich  auch  überzeugt  halten ,  dasz  dieser  das  so  auffallende  ver- 
halten seines  beiden  auch  motiviert  haben  werde,  wenn  man  Plutarch 
nicht  für  einen  Schwindler  erklären  will ,  so  kann  man  die  stelle  des 
Titos  wohl  aus  einer  undeutlichen  reminiscenz  aus  dem  früher  ge* 
schriebenen  Philopoimen  erklären,  aber  nicht  umgekehrt.^ 

Einen  von  vom  herein  durchschlagenden  grund  für  den  wirk- 
lichen abschlusz  des  Waffenstillstandes,  dasz  nemlich  Pausanias  das- 
selbe berichte,  hat  sich  Nissen  freilich  entgehen  lassen  müssen,  weil 
er  der  ansieht  ist ,  dasz  Pausanias  nicht  den  Polybios ,  sondern  im 
wesentlichen  nur  den  Plutarch  benutzt  habe. 

Für  die  geschichte  des  Philopoimen  ist  das  allerdings  von  unter- 
geordneter be(^eutung.  für  die  schriftstellerei  des  Pausanias  aber 
ist  die  frage  sehr  wichtig,  und  wenn  vollends  Pausanias,  wie  Nissen 
weiter  behauptet  (s.  287),  nur  eine  ganz  undeutliche  Vorstellung 
von  den  werken  des  Polybios  gehabt  haben  sollte,  so  wäre  dies  eine 
thatsache  von  sehr  weiü'eichenden  consequenzen.  es  verlohnt  sich 
also,  wenigstens  die  Nissensche  demonstration  für  den  vorliegenden 
fall  etwas  näher  anzusehen,  eine  zwingende  beweisführung  ist  für 
beide  teile  nicht  leicht,  denn  da  Pausanias  bedeutend  kürzer  ist 
als  Plutarch ,  so  wird  nur  an  wenigen  stellen  bei  ihm  etwas  zu  er- 
warten sein,  was  bei  diesem  fehlt,  und  an  noch  wenigeren  etwas  das 
er  nur  aus  Plutarch  geschöpft  haben  könnte,  die  art  aber,  wie  Nissen 
hier  —  und  auch  sonst  oft  —  argumentiert,  erschwert  eine  polemik 

^  ziemlich  unklar  ist  die  anBicht  von  Schorn  ao.  8.  273.  was  dieser 
aus  Livius  XXX IV  41  hierher  zieht,  geht  natürlich  auf  einen  römischen 
Annalisten,  wahrscheinlich  Valerius  Antias,  zurück  und  ist  historisch 
ebenso  wertlos  wie  für  die  vorliegende  frage  ohne  bedeutung. 


40  FBühl:  der  letzte  kämpf  der  Achäer  gegen  Nable. 

iingemein.  er  stellt  nemlich  seinen  satz  an  die  spitze  und  erklärt 
dann  alle  vorliegenden  erscheinungen  aus  diesem,  ein  entgegen- 
stehender satz  wird  nun  —  wenn  er  nicht  ganz  unvernünftig  ist  — 
in  der  regel  für  die  meisten  erscheinungen  dasselbe  leisten  können, 
und  es  werden  schlieszlich  einige  wenige  punkte  sein ,  über  welche 
der  kämpf  ernstlich  entbrennen  kann,  so  ist  es  zb.  gleich  von  vom 
herein  klar ,  dasz  alle  diejenigen  abweichungen  zwischen  Pausanias 
und  Plutarch ,  welche  blosz  auf  der  klugschwätzerei  des  erstem  be- 
ruhen, absolut  nichts  beweisen:  denn  Pausanias  kann  den  Polybios 
ebenso  gut  mit  Verbesserungen  haben  bedenken  wollen  wie  den 
Plutarch.  wenn  Pausanias  ferner  die  Schilde  der  Achäer  mit  denen 
der  Perser  und  Kelten  vergleicht,  so  kann  das  aus  seinem  anti- 
quarischen interesse  erkl&rt  werden,  er  kann  aber  auch  etwas  der  art 
in  seinem  Polybios  gelesen  haben,  weiter  wird ,  wer  Plutarch  für 
die  quelle  des  Pausanias  hält ,  die  notizen  über  Pylades ,  Arkesilaos 
und  Timotheos  für  zusätze  ^aus  dem  gedächtnis'  nehmen;  wer 
anderer  meinung  ist,  wird  das  um  so  mehr  bestreiten,  als  diese 
Personen  sonst  bei  Pausanias  nicht  vorkommen,  und  darauf  hin- 
weisen, dasz  Pylades  ein  landsmann  des  Polybios  war.  ebenso  ist  es 
möglich,  sowohl  dasz  Pausanias  über  das  aussehen  ^  des  Philopoimen 
und  über  seine  Verwundung  bei  Sellasia  dem  Polybios  gefolgt  ist, 
als  dasz  er  Plutarch  corrigiert  hat. 

Immerhin  findet  sich  jedoch  bereits  unter  diesen  kleinen  ab- 
weichungen 6ine,  die  Nissen  übersehen  hat,  wo  die  Veränderung 
nicht  gut  auf  Pausanias  zurückgeführt  und  auch  nicht  wohl  aus  den 
nebenquellen  abgeleitet  werden  kann,  welche  ihm  Nissen  zuschreibt, 
das  ist  Vm  49,  7  'AxaiÄv  bk  Kai  öcoi  cuvTeiaTM^voi  toic 
'Axotioic^cav  Tiepi  Adpicov  jiaxoM^vuiV  iTOTaMÖv.  die  gesperrt 
gedruckten  worte  finden  sich  nicht  bei  Plutarch  und  können  auch 
nicht  aus  ihm  herausgedeutet  sein,  denn  dieser  hat  blosz  (c.  7)  cu- 
cidcTic  bk  TTJc  TTcpi  Tov  Adpiccov  auToTc  TTOTaiiöv.  der  bericht 
des  Pausanias  ist  aber  auch  richtig ;  es  ist  nicht  w^hr ,  wie  Nissen 
(s.  283)  annimt,  dasz  über  das  gefecht  am  flusz  Larissos  nichts  weiter 
bekannt  sei:  es  ist  vielmehr  mit  demjenigen  identisch,  welches  Livius 
XXVII  32  beschreibt* 

Mit  den  angeblichen  nebenquellen  des  Pausanias  femer  steht 
es  ziemlich  mislich.  nach  Nissen  hätte  er  nemlich  an  verschiedenen 
stellen  die  Plutarchische  darstellung  aus  excerpten  vervollständigt, 
welche  er  früher  benutzt  hatte  und  welche  weder  auf  Plutarch  noch 
auf  Polybios  zurückgiengen.  es  kommen  folgende  früher  geschriebene 
abschnitte  des  Pausanias  in  betracht:  1)  IV  29,  8  und  VUI  27,  15 
über  das  verhalten  des  Philopoimen  bei  dem  Überfall  von  Megalo* 
polis  durch  Eleomenes  III;  2)  IV  29,  10  über  den  zug  des  Nabis 
gegen  Messene;  3)  VH  8,  4  f.  über  die  beseitigung  der  Lykurgischen 

"  darüber  ist  übrigeDS  Schnbart  im  anhang  zu  seiner  Übersetzung 
8.  18  f.  zu  vergleichen.  *  vgl.  Freeman  history  of  federal  govemment  I 
8.  589. 


FBühl :  der  letzte  kämpf  der  Achäer  gegen  Nabis.  41 

Verfassung  durch  Philopoimen ;  4)  IV  29,  11  f.  über  das  ende  des 
Philopoimen.  einem  aufmerksamen  leser  des  Pausanias  wird  es  nicht 
entgehen,  dasz  alle  diese  stücke  aus  6iner  und  derselben  quelle 
stammen  können  und  zwar  aus  einer  leidlich  vernünftigen,  die  ein- 
zige Verkehrtheit,  welche  darin  vorkommt,  ist,  w^n  der  text  in 
Ordnung  ist,  die  erwähnung  des  todes  des  Lydiades  VIII  27,  15. 
dafür  können  wir  aber  getrost  Pausanias  selbst  verantwortlich 
machen  oder  die  sonderbare  quelle,  derer  die  Schlacht  von  Mantineia 
verdankt,  in  der  Agis  in  fiel,  erwägt  man  nun  den  engen  Zusammen- 
hang von  Vn  8,  4  mit  allem  was  dort  folgt,  so  wird  man  nicht 
zweifeln  dasz  wenigstens  dieses  stück  und  vielleicht  auch  alle  oder 
die  mehrzahl  der  andern  aus  demjenigen  geschieh ts werke  geflossen 
sind ,  aus  dem  Pausanias  den  abrisz  der  achäischen  geschichte  im 
7n  buche  geschöpft  hat.  es  liegt  die  Vermutung  nahe  —  und  sie 
ist  auch  wiederholt  ausgesprochen  worden  —  dasz  dieser  ganze  be- 
richt  auf  Polybios  zurückgehe,  abgesehen  natürlich  von  zahlreichen 
verballhomungeU;  an  denen  insbesondere  die  erzählungderereignisse 
reich  ist,  welche  den  Untergang  des  achäischen  bundes  herbeiführten, 
ein  beweis  für  diesen  sa^z  ist  freilich  noch  nicht  geführt  worden, 
'aber  der  beweis  für  das  gegenteil  steht  auch  noch  aus.  wie  es  sich 
indessen  damit  immer  verhalten  möge ,  in  den  angeblich  aus  jenen 
ezcerpten  entnommenen  stücken  der  biographie  des  Philopoimen 
findet  sich  nichts,  was  nicht  aus  Polybios  entlehnt  sein  könnte. 
YIII49,4  erzählt  Pausanias,  Philopoimen  habe  aus  Megalopolis 
zwei  drittel  tüüV  iv  f]XtKia  und  auszerdem  weiber  und  kinder  ge- 
rettet, ebenso  hat  er  IV  29,  8  und  VIII  27,  15  berichtet.  Plutarch 
Philop.  5  sagt  blosz  toiic  bk  TToXirac  TpÖTTOv  Tivot  ix]C  iröXeuiC  ili- 
kX€1(I€.  die  quelle  des  Pausanias  wird  dasselbe  gehabt  haben  wie 
die  des  Plutarch  im  leben  des  Kleomenes  c.  24,  dh.  Aratos,  für 
Philopoimen  ohne  zweifei  eine  hauptquelle  des  Polybios,  wo  wenig- 
stens steht  dasz  blosz  1000  bürger  im  kämpfe  fielen  und  die  übrigen 
mit  weib  und  kind  nach  Messene  flohen,  femer  sagt  Pausanias  VIII 
50,  3,  Kleomenes  habe  den  flüchtlingen  einen  vertrag  angeboten, 
von  ö^oXoTia  und  CTTOvbrj  steht  kein  wort  bei  Plutarch.  bei  Poly- 
bios aber  stand  es  wie  bei  Pausanias;  vgl.  Pol.  II  62  und  Plut. 
Eleom.  24.^°  auch  die  groszartige  phrase  des  Philopoimen,  welche 
dem  römerhaften  letzten  Griechen'  sehr  wohl  ansteht,  kann  recht 
gut  aus  Polybios  sein,  etwas  weniger  gut  scheint  es  mit  VIII  50,  Ö 
bzw.  IV  29,  10  zu  stehen,  der  bericht  an  der  letztern  stelle  ist 
kürzer,  beide  aber  weichen  dadurch  von  Plut.  c.  12  ab,  dasz  Nabis 
UTTÖciTOvboc  abzieht ,  während  Plutarch  blosz  seiner  flucht  gedenkt, 
aus  den  früher  benutzten  excerpten  kann  nun  Pausanias  im  8n  buche 
kaum  geschöpft  haben,  da  er  dort  sagt,  Philopoimen  sei  de  Tf)V 

*^  Thirlwall  VIII  s.  191  will  einen  gegensatz  zwischen  Plutarch  und 
Polybios  statuieren,  dem  letztern  kommt  es  aber  II  61  gar  nicht  auf 
die  einzelnen  thatsachen  an;  er  polemisiert  gegen  Pbjlarchos  auf  grund 
der  von  diesem  selbst  erzählten  dinge. 


42  FBühl:  der  letzte  kämpf  der  Achäer  gegen  Nabis. 

ucrepaiav  gekommen,  w&hrend  er  ihn  im  4n  buohe  in  der  nacht 
eintreffen  läszt.  bei  Plutarch  wird  der  Zeitpunkt  gar  nicht  bestinunt, 
und  auszerdem  hat  Pausanias  mehr,  dasz  Nabis  die  Stadt  mit  aus- 
nähme der  akropolis  genommen  hatte,  dieses  letztera  ist  nun  mit 
dem  bericht  des  Plutarch  wohl  verträglich ,  obwohl  es  nicht  ohne 
weiteres  daraus  folgt;  was  aber  den  abzug  des  Nabis  betrifPt,  so  er- 
gibt sich  zunächst  aus  der  polemik  des  Polybios  gegen  Zenon  (XVI 
17),  dasz  dieser  dasselbe  erzählt  haben  musz  wie  Plutarch  (tJirCKbüc 
b\ä  TTuXiüV  ^T^puiv).  aber  mit  dem  abzug  des  Nabis  aus  der  stadt 
kann  der  krieg  doch  noch  nicht  zu  ende  gewesen  sein,  und  es  liegt 
kein  grund  vor  den  abschlusz  eines  waffenstillstfmdes  oder  sonstigen 
Vertrags  für  unhistorisch  zu  erklären,  die  Achäer  konnten  dazu 
ebenso  viel* grund  haben  wie  Nabis,  Plutarch  aber  legt  in  seinen 
biogi'aphien  bekanntlich  auf  den  zusammenbang  und  die  einzelheiten 
der  historischen  ereignisse  gar  kein  gewicht ,  begnügt  sich  vielmehr 
mit  den  zügen,  welche  für  die  Charakteristik  seines  jedesmaligen 
beiden  von  bedeutung  sind. 

Die  übrigen  von  Nissen  hierher  gezogenen  stellen  müssen  wir 
indessen  in  einer  andern  Verbindung  behai^deln.  ein  durchschlagen- 
der beweis  für  die  benutzung  des  Polybios  durch  Pausanias  läszt 
sich  nemlich  nur  aus  der  betrachtung  solcher  erzählungen  schöpfen, 
für  welche  eine  anderweite  Polybische  Überlieferung  im  zusanunen- 
hange  vorliegt,  dahin  gehört  nun  zunächst  der  bericht  Über  den 
letzten  feldzug  gegen  Nabis.  von  den  ab  weichungen  des  Pausanias 
von  Plutarch  beweist  freilich  die  angäbe,  dasz  der  Überfall  von  Akriai 
in  einer  mondlosen  nacht  erfolgte,  nichts,  und  ebensowenig  die  ein- 
führung  des  Homer  statt  des  Epameinondas  bei  dem  mislungenen 
versuche  6y  theion  zur  see  zu  entsetzen,  ein  paar  andere  angaben  in- 
dessen —  kleinigkeiten  freilich,  aber  wir  dürfen  auch  nur  mit 
kleinigkeiten  operieren  zu  können  erwarten  —  sind  wohl  aus  dem 
berichte  dos  Livius,  aber  nicht  aus  dem  des  Plutarch  zu  erklären. 

Zunächst  beruht  es  nemlich  nicht  auf  einem  misverständnis  der 
'etwas  unklaren  erzählung  Plutarchs',  wenn  Pausanias  c.  50,  7  sagt 
7Tap€CK€uac|Li€VUJV  bk  iTiX  Tov  Ndßiv  vouTiKÖv  Tiliv  *Pu)^aiu)v,  6 
0iXo7TOi|LiTiv  UTTÖ  7rpo0u|iiiac  |ii€0ä€iv  fjucWc  Toö  diYüJVOC.  davon 
steht  bei  Plutarch  absolut  nichts,  Pausanias  aber  hat  aus  dem  be- 
richte geschöpft,  den  Livius  XXXV  25  wiedergibt,  wo  ja  ausdrück- 
lich angegeben  wird,  dasz  eine  römische  flotte  zum  kämpf  gegen 
Nabis  im  anznge  war.  wenn  femer  Pausanias  c.  50,  9  in  der  schlacht 
am  Barbosthenes  von  den  truppen  des  Philopoimen  sagt,  sie  seien 
dpiOjLiöv  QU  TToXXoi  gewesen,  so  wäre  es  sehr  verkehrt  das  für  einen 
willkürlichen  oder  aus  fremder  quelle  geschöpften  zusatz  zu  halten, 
während  es  bequem  als  misverständnis  der  Polybischen  werte  ge- 
deutet werden  kann,  welche  Livius  XXXV  29,  3  so  wiedergibt: 
pi'ocedente  cetiamine  et  numero  vicere  tyranni  auxüiares.  liegen  die 
dinge  aber  so,  so  werden  wir  auch  das  fm^paic  bk  ucTcpov  rfic 
vaujiaxiac  ou  TToXXaTc  §  8,  eine  angäbe  welche  ohnedies  sicherlich 


FBühl:  der  letzte  kämpf  der  Achäer  gegen  Nabis.  43 

richtig  ist,  auf  Poljbios  zurückführen  dürfen,  in  §  10  dann  die 
bezeichnung  des  Alexamenos  als  eines  Ealydoniers  und  die  bei 
Plutarch  fehlenden  angaben  über  die  Ätoler  überhaupt,  welche  doch 
unzweifelhaft  bei  Poljbios  gestanden  haben  (vgl.  Livius  XXXV  35), 
der  früher  benutzten  quelle  zuzuweisen  und  die  verhältnismäszig 
eingehenden  angaben  über  den  Waffenstillstand  für  eine  erfindung 
des  Pausanias  zu  erklären  liegt  wenigstens  kein  zwingender  grund 
vor.  die  notizen  über  den  wafifenstillstand  aber  musz  Nissen  ftlr 
freie  erfindung  erklären;  stammten  sie  aus  einer  nebenquelle,  so 
hätten  wir  eine  von  Plutarch  unabhängige  quelle  dafür,  und  die 
ganze  argumeütation  über  die  von  diesem  angerichtete  confusion 
fiele  über  den  häufen. 

Was  die  beseitigung  der  Lykurgischen  Verfassung  und  die  da* 
mit  zusammenhängenden  Vorgänge  und  maszregeln  betrifft,  so  treffen 
wir  hier  bei  Pausanias  neben  manigfaltigen  auslassungen  zwar  auf 
kleine  zusätze  zu  Plutarch,  aber  nicht  auf  abweichungen.  wenn 
Plutarch  sagt  (c.  11),  Philopoimen  sei  gegen  Sparta  gezogen  ^TKa- 
X^cac  Ti  Toic  AaK€bai|Liovioic,  Pausanias  dagegen  AaKebaijioviuiV  . . 
^c  £|Liq)uXov  irpoiiTM^vuiv  crdciv ,  so  stammt  diese  notiz  nicht  aus 
Plutarch,  stimmt  aber  mit  Polybios  (Livius  XXXVIII  31,  ö);  wenn 
wir  bei  Pausanias  lesen  toiv  £IXujtu)V  dn^boTO  öcov  TpicxiXiouc, 
so  ist  die  bezeichnung  der  betreffenden  personen  gleichfalls  richtig, 
war  aber  nicht  aus  Plutarch  zu  erfahren,  es  bleibt  die  angäbe  bei 
Pausanias,  Philopoimen  habe  die  300  hauptführer  der  CTdcic  aus  dem 
Peloponnes  vertrieben,  bei  Plutarch  steht  das  nicht;  es  müste  nach 
Nissen  aus  der  nebenquelle  stammen,  es  wäre  auffallend,  wenn 
Pausanias  zur  erweiterung  des  ihm  vorliegenden  berichts  ein  ander- 
weitiges excerpt  zugezogen  und  sich  daneben  doch  einige  von  Plutarch 
berichtete  thatsachen  hätte  entgehen  lassen,  von  denen  ihn  manche, 
wie  die  erbauung  der  halle  von  Megalopolis,  doch  besonders  hätten 
interessieren  müssen,  aber  sei  es  —  die  nachricht,  dasz  damals  300 
Spartaner  aus  dem  Peloponnes  vertrieben  wurden,  musz  auch  bei 
Polybios  gestanden  haben,  unter  den  Te6avaTU))i^voi  bei  Polybios 
XXIII  4  kann  nichts  anderes  verstanden  werden ;  sie  werden  von 
den  dK7T€TTTU)K6T€C,  dh.  den  aus  Lakonien  vertriebenen  neubürgern, 
die  sich  in  Achaja  umhertrieben,  zweimal  deutlich  unterschieden, 
diese  männer  werden  eben  von  den  Achäern  zum  tode  verurteilt 
worden  sein;  sie  musten  den  Peloponnes  verlassen,  wenn  sie  nicht 
wollten  dasz  das  urteil  an  ihnen  vollzogen  würde.  Nissen  s.  285 
scheint  übrigens  diesen  bericht  bei  Plutarch  im  wesentlichen  auf 
Aristokrates  zurückfuhren  zu  wollen,  ich  sehe  dafür  in  den  vor- 
liegenden thatsachen,  mit  ausnähme  der  einzigen  stelle  wo  Aristo- 
krates ausdrücklich  citiert  wird,  keinen  grund.  Nissen  irrt  überdies, 
wenn  er  die  worte  Tf|V  jifev  'AxctiK#|V  fq)utov  TroXiTeiav  am  schlusz 
des  capitels  auf  den  abfall  vom  achäischen  bunde  bezieht;  es  sind 
lediglich  die  achäischen  gesetze  im  gegensatz  zu  den  Lykurgischen 
gemeint. 


44  FRühl:  der  letzte  kämpf  der  Achäer  gegen  Nabis. 

Endlich  der  letzte  feldzug  und  der  tod  des  Philopoimen  (Paus. 
VIII  51,  5£f.  Flut.  Philop.  18  ff.),  abweicbungen  zwischen  Pausanias 
und  Plutarch  finden  sich  nicht,  wohl  aber  steht  bei  jedem  von  beiden 
manches  was  sich  bei  dem  andern  nicht  findet,  zunächst  steht  bei 
Plutarch  nichts  von  dem  feldzuge  des  Ljkcrtas,  welcher  den  des 
Philopoimen  veranlaszte.  dasz  er  stattgefimden  hat  und  bei  Polybios 
erzählt  war,  ersehen  wir  aus  den  letzten  Worten  des  Philopoimen  bei 
Plut.  c.  20  und  bei  Livius  XXXIX  50.  weiter  läszt  Pausanias  den 
Philopoimen  reiter  und  peltasten  mitnehmen,  Plutarch  blosz  reiter. 
aber  Polybios  stimmte  mit  Pausanias ,  vgl.  Liv.  XXXiX  49,  2  ipsfitn 
potuisse  effugere  Thracum  Cretensiumque  auxüio  tradunt.  wenn 
Pausanias  den  ganzen  harst  des  Philopoimen  auf  60  mann  angibt, 
wovon  Plutarch  auch  nichts  weisz,  so  ist  das  natürlich  ihm  selbst 
zuzuschreiben;  Polybios  wird  von  60  reitem  gesprochen  haben, 
ferner  ist  es  bemerkenswert,  dasz  Plutarch  über  die  sich  damals  in 
Messene  bekämpfenden  parteien  gar  nichts  sagt,  während  Pausanias 
die  regierenden  als  buvaTol  toTc  xP^IM^^^V  bezeichnet  und  ihnen  den 
bfijiioc  entgegenstellt,  das  stimmt  gut  sowohl  zu  dem  ausdruck 
magistratus  et  principes  bei  Livius  c.  49, 11  als  zu  der  Schilderung 
bei  Polybios  XXIII 16^  wo  et  TroXXoi  im  gegensatz  zu  der  regierung 
gesetzt  werden,  ebenso  ist  das  ö  bf)|üioc  aurfKa  des  Pausanias  (§  8) 
offenbar  weiter  nichts  als  die  durch  die  kürze  des  auszugs  unver- 
ständlich gewordene  Wendung  des  Polybios  (XXIII  16,  4)  et  hk 
TToXXoi  irapaxXiiO^vTec  . .  Tax^wc  dTraKoXou0rjcavT€C. 

Es  erübrigt  noch  diejenigen  mit  Pausanias  übereinstimmenden 
stellen  des  Plutarch  zu  betrachten ,  wo  dieser  nicht  dem  Polybios, 
sondern  dem  Aristokrates  gefolgt  sein  soll.''  es  handelt  sich  um  die 
capitel  13.  15.  16  und  17  des  Plutarch.  cap.  15  erledigt  sich  ein- 
fach, was  hier  von  der  uneigennützigkeit  des  Philopoimen  berichtet 
wird,  hat  Pausanias  an  einer  andern  stelle.  Nissen  erklärt  das  aus 
kritischen  bedenken  des  Pausanias;  wir  werden  eher  geneigt  sein 
bei  Plutarch  eine  vertauschung  anzunehmen,  welche  dadurch  hervor- 
gerufen wurde,  dasz  der  autor  auch  noch  eine  zweite  quelle  zuziehen 
wollte,  was  das  13e  cap.  anbetrifft,  so  meint  Nissen,  hier  gehe 
Plutarch  zu  einer  seinem  beiden  feindlichen  quelle  über ,  kehre  erst 
wieder  mit  den  werten  fjcav  bi  Tivec  ol  X^tovtcc  zu  Polybios 
zurück  und  erzähle  dann  von  der  verfeindung  des  Philopoimen  mit 
den  Megalopoliten  wieder  nach  jener  ersten  quelle,  diese  ansieht 
ist  unbegründet,  der  erste  satz  des  13n  cap.  nemlich  enthält  nichts 
was  auf  eine  dem  Philopoimen  feindliche  quelle  hindeutete,  sondern 
lediglich  die  thatsache,  dasz  ihm  aus  seiner  reisläuferei  ein  Vorwurf 
gemacht  wurde,  auf  welchen  dann  der  dritte  satz  (fjcav  bi  Ttvec  usw.) 
die  antwort  enthält,    wir  werden  also  blosz  den  zweiten  satz  auf 


'^  darauf,  dass  der  eine  lehrer  des  Philopoimen  bei  Polybios  Demo- 
phanes,  bei  Plutarch  nnd  Pausanias  Megalophanes  beisst,  gibt  Nissen 
offenbar  selbst  nichts;  er  hätte  sich  sonst  auch  mit  dem  namen  des 
andern,  Ekdelos  oder  Ekdemos,  auseinandersetzen  müssen. 


FBühl:  der  letzte  kämpf  der  Achäer  gegen  Nable.  45 

Aristokrates  zurückzuführen  haben  und  von  dem  folgenden  viel- 
leicht die  angäbe,  dasz  Philopoimen  aus  übelwollen  gegen  sekie 
mitbürger  die  komen  von  Megalopolis  ablöste,  da  diese  letztere 
thatsache  an  sich  richtig  ist,  wie  die  münzen  beweisen,  so  musz  auch 
bei  Polybios  ihrer  gedacht  worden  sein :  liegen  aber  die  dinge  so, 
80  haben  wir  keinen  grund  zu  bezweifeln ,  dasz  auch  die  werte  des 
Pausanias  (c.  50,  6)  TTOioujüi^vuiV  hk  dv  öpT^  bia  Tf)V  diTobiiiiiav 
Twv  *ApK(ibiüV  auTÖv  dirdveict  T€  ^k  KprJTT^c  usw.  auf  Polybios 
zurückgehen. 

Auch  was  das  16e  cap.  angeht,  hat  Nissen  eine  zu  starke  be- 
nutzung  des  Aristokrates  angenommen,  ich  kann  nicht  finden  dasz 
dieser  für  die  thatsachen  dem  Plutarch  wesentlich  von  Polybios  ab- 
weichendes geliefert  habe;  nur  auf  die  fUrbung  des  ganzen  ist  er 
von  einflusz  gewesen.  Nissen  meint  s.  284  f.,  dasz  der  anfang  des 
cap.  aus  Aristokrates,  nicht  aus  Polybios  stamme,  ergebe  sich  schon 
daraus  Masz  hier  von  dem  verhalten  Philopoimens  in  bezug  auf  den 
krieg  mit  Ajitiochos  und  zum  zweiten  mal  c.  17  nach  letzterem  [soll 
heiszen  'nach  Polybios']  die  rede  ist,  und  dasz  auch  die  vereitelte 
Intervention  der  Bömer  und  die  restitution  der  verbannten  im  fol- 
genden cap.  wiederkehrt.'  was  Nissen  von  der  Vereitelten  Inter- 
vention der  Römer'  sagt  ist  falsch ,  aber  auch  nebensächlich,  die 
Ursache,  warum  die  Chronologie  in  cap.  16  und  17  so  schlecht  ein- 
gehalten wird,  ist  indessen  nicht  in  einem  quellenwechsel,  sondern 
in  der  Ökonomie  von  Polybios'  biographie  zu  suchen,  es  erklärt  sich 
alles  aufs  beste,  wenn  wir  annehmen  dasz  Polybios  zuerst  eine  Über- 
sicht des  Verhaltens  von  Philopoimen  Sparta  gegenüber  gab  und 
dann  seine  Stellung  in  bezug  auf  die  Römer  auseinandersetzte,  was 
aber  machen  wir  mit  dem  zuge  des  Diophanes  und  Flamininus  gegen 
Sparta?  formell  constatieren  wir  zunächst,  dasz  Pausanias  den 
Mamininus  nicht  wie  Plutarch  zum  consul  macht ,  sondern  ihn  un- 
bestimmt als  'PujjiaiuiV  tuüv  Tiepi  t^v  '€XXdba  f|T€MU)V  bezeichnet, 
das  war  er  aber  auch  in  Wirklichkeit ;  der  ausdruck  ist  keineswegs 
zu  übersetzen  'commandeur  der  trnppen  in  Qriechenland'  (Nissen 
s.  289),  sondern  'leiter  der  dinge  in  Griechenland',  das  ereignis 
selbst  wird  so'  zusammenhängen  dasz,  als  nach  der  abreise  des  Philo- 
poimen von  Sparta  und  dem  ende  seiner  Strategie  sich  römer-  oder 
achäerfeindliche  ^'  bewegungen  in  Sparta  bemerklich  machten,  Flami- 
ninus, um  die  angelegenheiten  in  die  band  zu  bekommen,  mit  den 
trappen  von  der  inzwischen  herbeigekommenen  flotte  intervenieren 
wollte  und  auch  Diophanes  für  seinen  plan  gewann,  der  sich  ja  rein 
als  militär  fühlte  und  dem  es  groszes  vergnügen  machte ,  mit  den 
Römern  darauf  loszuschlagen ,  ohne  sich  über  die  politischen  folgen 
der  ereignisse  graue  haare  wachsen  zu  lassen.   Philopoimen  wüste 

''  die  waren  von  vorn  herein  zu  erwarten,  wenn  bei  Plutarch  c.  15 
richtig  überliefert  ist  Tuiv  fui^v  dKÖVTUiv,  Toiic  bi  cujuiiTcicac.  nach  der 
sonstigen  färbung  des  Plntarchischen  berichts  sollte  man  freilich  eher 
vermuten,  er  hätte  dKÖVTUiv  geschrieben. 


46  FCauer:  epigraphiscfaes. 

dann  das  ganze  untemebmen  durch  keckes  eingreifen  zu  vereiteln. '' 
ich  setze  diese  Vorgänge  in  den  Spätherbst  192,  kurz  nach  dem  be- 
ginn der  Strategie  des  Diophanes,  als  Antioohos  eben  in  Griechenland 
gelandet  war.  vielleicht  ist  es  nicht  zu  kühn  damit  die  angäbe  des 
Livius  XXXV  37,  2  f.  in  Verbindung  zu  bringen:  Phüopoemen  •  . 
sodetati  Ächaeorum  Lacedaemonios  adiunxü ,  eo  eHam  facüius^  qiMd 
ad  idem  forte  tempus  A.  Atüius  cum  quaUuor  et  viginti  qmnquere^ 
mibus  ad  Gytheum  accessit,  ein  genaues  chronologisches  zusammen- 
treffen liegt  ja  nicht  vor,  die  flotte  war  auch  noch  nicht  da,  als 
Philopoimen  die  Lakedämonier  zum  eintritt  in  den  bund  veran- 
laszte  —  sonst  hätte  Livius  accesserat  schreiben  müssen  —  und  es 
ist  sehr  wohl  möglich  dasz  sie  erst  im  Spätherbst  eintraf,  da  Livius 
die  innergriechischen  angelegenheiten  principiell  so  kurz  als  mög- 
lich abmacht,  so  ist  es  gar  nicht  so  unwahrscheinlich,  dasz  er  hier 
zwei  verschiedene  Vorgänge  zusammengezogen  hat. 

^3  im  wefientlicben  richtige  anfgefaszt  von  Thirlwall  ao.  VIII  8.  351. 
wenn  dieser  aber  sagt  'at  a  juncture  when  the  contest  beiween  Antiochus 
and  the  Romans  was  still  pending  in  Greece,',  so  fehlt  für  das  'stilP 
jeder  quellenmässige  anhält. 

KöNiGSBERQ.  Franz  Rühl. 


8. 
EPIGRAPHISCHES. 


1.  Im  vierten  bände  der  ^Leipziger  Studien'  s.  319  macht  OCur- 
tius  auf  das  verbale  curiosum  Trapat^vuiVTi  aufmerksam,  das  auf 
einer  durch  Newton  veröffentlichten  inschrift  von  Kamiros  zu  lesen 
sei  (transact.  roy.  soc.  lit.  sec.  ser.  XI  [1878]  s.  436).  doch  hält  er 
auch  für  möglich,  dasz  a  in  der  endung  nur  durch  zufall  weggefallen 
sei.  auf  eine  dritte  auffassung  der  form ,  welche  wohl  den  vorzug 
verdient,  führt  zunächst  eine  er  wägung  des  Zusammenhangs.  toOtoi 
bk  cuvXeT^cGujv  iv  KaMipuj  etc  tö  lepöv  läc  'AGavaiac,  ökkq  toi 
IcpOTTOioi  7TapaT^[v]u)VTi,  Kai  dOpeövru)  id  lepd  id  Kajiiip^uuv: 
^diese  (dh.  die  KTOtväTm)  sollen  sich  im  tempel  versammeln,  wenn 
die  kpOTTOiol  ankommen'  usw.  die  kpoTroioi  sind  tempelbeamte. 
wo  halten  sie  sich  für  gewöhnlich  auf;  wenn  sie  zum  zweck  jener 
versamlung  erst  ankommen  müssen?  und  wie  sollen  die  KTOtvärai 
ihre  ankunft  erfahren?  —  In  der  inschrift  steht  gar  nicht  napa- 
T^vuJVTi.  das  wort  ist  über  zwei  zeilen  verteilt;  am  anfang  der 
zweiten  ist  eine  lücke,  dann  folgt  QNTI.  am  ende  der  vorhergehen- 
den zeile  steht  PAPAr^.  das  macht  zusammen  TrapaTT[^X^]w)VTl: 
damit  ist  der  richtige  sinn  hergestellt  und  die  falsche  verbalform 
entfernt. 

2.  Es  ist  wohl  gestattet  bei  dieser  gelegenheit  noch  einem  an- 
dern verbalen  curiosum  zu  seinem  rechte  zu  verhelfen,  das  in  einer 


PCauer:  epigraphisches.  47 

französischen  Zeitschrift  bisher,  wie  es  scheint,  versteckt  gelegen 
hat.  in  der  'revue  arch^ologique'  VIII  (1863)  s.  469  fiF.  hat  Wescher 
ein  decret  der  Brjkuntier  auf  Karpathos  zu  ehren  eines  samischen 
arztes  veröfifentlicht,  in  dem  ua.  angeordnet  wird  (z.  33  ff.) :  äva6^|- 
p€iv  elc  TÖ  Icpöv  Toö  T7oT€ibävoc  ToO  TTopGjiiou  |  ciaXav  XiGivav 
Kttl  dvatpäipai  cic  aurdv  tö  |  ipdqpicpa,  Ka9ÖT[i]  Tx\xaf\e\  6  bä|iioc 
6  BpuKOuvTiujv  I  [M]T]vÖKpiTOv  MTiTpobiJüpou  CdjLiiGV  USW.:  *den 
beschlusz  aufzuschreiben,  dasz  (nemlich)  das  volk  der  Brykuntier 
ehrt'  usw.  die  form  Tijiariei  ist  gewis  curios  und  wird  durch 
Weschers  gelehrte  erörterung  darüber  nicht  gerettet,  auf  dem  steine 
steht  KAGOTETIMAHEi :  daraus  ist  mit  einer  ganz  geringfügigen 
Änderung  zu  machen  xaG'  5  T€Ti)Lid[K]6i,  also  *den  beschlusz  in  wel- 
chem das  volk  geehrt  hat',  der  sinn  ist  nicht  schlechter  als  vorher, 
und  T€Ti|udK€i  ist  die  regelrechte  form  des  perfects ,  wie  es  auf  Kar- 
pathos und  in  benachbarten  dorischen  niederlassungen  gebräuchlich 
war.  in  derselben  inschrift  haben  wir  biaT€T€X^K€i  4. 17,  Y€t6v€1  11, 
und  auf  einer  inschrift  von  Knidos  (La  Bas  voy.  arch^ol.  III  n.  1572 
bis  =  explic.  s.  369)  4cTdK€i  11  und  eben  jenes  [T6T]i|LidK€i  19. 
diese  formen  dienen  zur  weitem  erläuterung  dessen  was  GCurtius 
griech.  verbum  II'  s.  200  f.  über  das  eindringen  präsentischer  aus- 
gänge  in  die  conjugation  des  perfectums  gesagt  hat. 

3.  In  der  Urkunde  der  Aitoler  CIG.  3046  =  Le  Bas  voy.  arch. 
III  n.  85  (in  meinem  Delectus  n.  96)  heiszt  es  z.  12  ff.:  €i  bi  t(c  Ka 
ä-xx]  f\  auToOc  (touc  Tiitouc)  f\  tu  ^k  tSc  nöXioc  f|  x^J^^Pöc,  td  jifev 
^jilqpavfi  dvttTTpdcceiv  töv  c[Tp]aTa[töv]  kqi  touc  cuv^bpouc  dei 
Toiic  evdpxouc ,  tujv  bfe  |  dqpav^ujv  UTTobiKOUc  eljuev  touc  [dbiKjt]- 
KÖTttC,  Tivoji^vac  TOic  Tritoic  töc  dTbiKdcioc  usw.  überliefert  ist  in 
der  letzten  zeile  dxviiKÖiac.  Böckh  hat  dies  geändert,  Wad- 
dington aber  (in  den  ^explications  des  inscriptions'  zu  Le  Bas'  werk 
s.  41  f.)  sucht  die  form  zu  erklären,  indem  er  ein  verbum  dxv^u) 
annimt  in  der  bedeutung  ^causer  de  la  douleur*.  die  etymologie 
wäre  klar;  aber  eine  andere  spur  dieses  verbums  findet  sich,  so  viel 
ich  weisz,  nirgends.  —  BHaussouUier  hat  im  Bull.  corr.  Hell.  V 
(1881)  s.  372  ff.  n.  3  ein  ebenfalls  aitolisches  decret  veröffentlicht, 
in  dem  z.  5  zu  lesen  ist:  dTraugriKubc  Tdji  ßactXefav  Kai  dv  Tdv  kqX- 
XiCTav  bidO€Civ  dTVTiKUüC.  es  gab  also  in  diesem  dialekt  ein  verbum 
dtvduj,  gleichbedeutend  mit  äfw.  dasselbe  passt  nun  auch  an  jener 
ersten  stelle  aufs  beste  in  den  Zusammenhang,  indem  es  sich  auf  das 
vorhergehende  ei  bd  Tic  Ka  äfv^  zurückbezieht,  die  aspiration  in 
dxvT]KÖTac  hat  nichts  auffallendes,  wenn  man  sich  des  einflusses 
erinnert,  den  v  auch  sonst  in  ähnlicher  weise  auf  benachbarte  gut- 
turallaute  ausübt,  wovon  trdxVTi  neben  Tidtoc  ein  beispiel  ist  und 
mit  anderen  von  GCurtius  grundzüge^  s.  510  besprochen  wird. 

Berlin.  Paul  Caüer. 


48  ATeuber:  zu  Florue  [I  87], 

9. 

ZU  FLORÜS. 


Von  den  Cimbern,  welche  sich  in  Norditalien  festgesetzt  hatten, 
heiszt  es  bei  Florus  1 37  (s.Gl,  16  ff.  Jahn) :  $i  statim  infesto  agmine 
urbem  petissent,  grande  discrimen;  sed  in  VenäiUy  quo  fere  tradu 
Italia  moüissima  est ,  ipsa  soU  caelique  dementia  rohur  danguU.  ad 
hoc  panis  usu  carnisque  codae  d  dtdcedvne  vini  mitigatos  Marius  in 
tempore  aggrtssus  est.  venere  HU  quam  d  in  harharis  muUa  vestigia 
diem  pugnae  a  nostro  imperatore  pdierunt,  d  sie  proximum  dedit. 
in  patentissimo  y  quem  Baudium  vocant,  campo  concurrere.  die  voll- 
ständig sinnlosen  worte  quam  d  in  harharis  muUa  vestigia ,  welche 
nebst  den  vorhergehenden  ed  venere  iUi  im  Bambergensis  weg- 
gelassen sind ,  bedürfen  noch  einer  bessern  emendation ,  als  sie  bis 
jetzt  in  den  texten  zu  lesen  ist.  OJahn  schlug  vor:  venere  üico,  nam 
mdus  in  harharis  nuUa  vedigia;  diem  pugnae  usw.,  was  von  Halm 
im  ganzen  gebilligt  worden  ist,  der  mit  kleinen  ab  weichungen  den 
text  folgendermaszen  gestaltet  hat:  venere  ipsi  —  nam  mdus  in  har- 
haris nuUa  vedigia  —  d  diem  pugnae  usw.  doch  widerstrebt  die 
nüchterne  bemerkung  mit  nam  dem  emphatischen  venere  an  der  spitze 
des  Satzes,  auch  hat  HSauppe  *de  arte  critica  in  Flori  bellis  recte 
facienda'  s.  19  mit  recht  daraufhingewiesen,  dasz  bei  dieser  emen- 
dation sich  eine  art  von  Widerspruch  zum  vorhergehenden  ergebe: 
denn  wenn  jetzt  den  barbaren  furchtlosigkeit  beigelegt  werde,  so 
könne  der  sieg  über  sie  nicht  als  leichter  gelten ,  wie  er  doch  den 
verweichlichten  gegenüber  erscheinen  soll,  infolge  dessen  schlägt 
er  statt  venere  iUi  quam  usw.  vor:  atque  rei  iUius  (sc.  der  Verweich- 
lichung) tamdsi  in  harharis  muUa  vedigia  y  diem  .  .  pdienmt  — 
wenig  glücklich ,  wie  es  mir  scheint,  aus  dem  gedankenzusammen- 
hang  geht  vielmehr  folgendes  hervor:  dasz  die  Cimbern  den  tag 
zum  kämpfe  dem  Marius  zu  bestimmen  anheimgeben,  imponiert  dem 
Florus  ganz  besonders;  man  erwartet  daher  einen  ausruf  der  bewun- 
der ung  darüber,  dasz  barbaren  einer  solchen  handlung  fUhig  seien, 
von  vedigia  musz  daher  ein  genitiv  abhängig  sein,  durch  welchen 
den  barbaren  noch  etwas  mehr  als  blosze  furchtlosigkeit  beigelegt 
wird,  so  scheint  denn  in  muUa  ein  fehler  zu  stecken;  sieht  man 
dies  wort  als  corruptel  näher  an,  so  verfällt  man  leicht  darauf,  dasz 
darin  aUus  enthalten  ist,  was  für  den  ganzen  gedankenzusammen- 
hang  sehr  gut  passt.  das  m  in  mtUta  scheint  rest  einer  abbreviatur 
für  animi  zu  sein,  statt  quam  ergibt  sich  leicht  quanta.  die  ganze 
stelle  möchte  ich  daher  folgendermaszen  verbessert  wissen:  venere 
Uli;  q Hanta  d  in  harharis  animi  alti  vestigia:  diem  pugnae  a 
nostro  imperatore  pdierunt  usw.  'da  rückten  jene  heran;  wie  deut- 
liche spuren  vornehmer  gesinnung,  trotzdem  sie  barbaren  waren!  sie 
baten  unsem  feldherm  den  tag  zur  schlacht  zu  bestimmen.' 

Eberswalde.  August  Teubeb. 


OMeltzer:  anz.  y.  EPais  la  Sardegaa  prima  del  dominio  Bomaao.     49 

10. 

LA  SARDE6NA  PRIMA  DEL  DOMINIO  ROMANO.    STUDI  STORICI  ED  ARCHEO- 

LOOioi  DI  Ettore  Pais.  con  sette  tavole.  Roma,  coi  tipi 
del  Salviucci,  1881.  [reale  accademia  dei  Lincei,  anno  CCLXXVIII 
(1880—81)].    126  8.  gr.  4. 

Durch  die  vorsiebend  genannte  arbeit  wird  für  Sardinien  im 
wesentlicben  dasselbe  erstrebt  und  erreicht,  was  für  Sicilien  in  dem- 
selben Zeitraum  AHolm  unter  allgemeiner  und  verdienter  anerkennung 
geleistet  hat:  eine  möglichst  umfassende  Zusammenstellung  und  kri- 
tische Sichtung  unsers  geschichtlichen  Wissens,  die  doch  dabei  auch, 
weit  entfernt  nur  die  ziele  einer  blossen  oompilation  zu  verfolgen, 
die  forschung  selbständig  weiterzuführen  strebt,  die  verhältnis- 
mftszig  weit  geringere  Wichtigkeit  des  gegenständes  seiner  darstel- 
lung  für  die  allgemeine  geschichte  verhehlt  sich  Pais  selbst  durchaus 
nicht,  wie  sie  denn  auch  in  dem  äuszem  umftog  seiner  arbeit  gegen- 
über den  zwei  bisher  erschienenen  b&nden  Holms  zum  ausdruck 
kommt;  das  unternehmen  selbst  bleibt,  zumal  da  es  in  so  anerkennens- 
werter weise  ausgeführt  worden  ist,  darum  nicht  minder  dankenswert, 
zugleich  wird  uns  die  fortsetzung  desselben  über  die  zeit  der  römi- 
schen hersohaft  in  einem  zweiten  bände  versprochen. 

Der  vf.,  ein  schüler  Domenico  Comparettis ,  dem  er  auch  seine 
arbeit  gewidmet  hat,  seit  einigen  jähren  gymnasialprofessor  und 
vorstand  des  archftologischen  museums  der  Universität  zu  Sassari 
auf  Sardinien,  hat  sich  bereits  durch  mehrere  historisch-antiquarische 
arbeiten  auf  verwandten  gebieten  bekannt  gemacht,  kürzlich  weilte 
er,  von  der  italiänischen  regierung  gesandt,  längere  zeit  in  Deutsch- 
land, um  sich  besonders  unter  Mommsens  leitung  für  eine  künftige 
beteiligung  an  wichtigen  epigraphischen  arbeiten  noch  weiter  zu  ver- 
vollkomnen.  er  legt  bei  seiner  Untersuchung  umfassende  Sachkennt- 
nis, klaren  blick  und  ein  vorsichtiges  urteil  an  den  tag  —  Vorzüge 
welche  hinreichend  zu  schätzen  wissen  wird,  wer  nur  irgend  gelegen- 
heit  gehabt  hat  von  der  vielfach  überaus  bedenklichen  beschaffenheit 
des  zu  verwertenden  materials  eine  anschauung  zu  gewinnen,  durch 
einen  falsch  verstandenen  localpatriotismus  sich  irre  führen  zu  lassen 
hatte  er,  der  nicht  von  geburt  Sarde  ist,  nicht  einmal  äuszem  an«- 
lasz.  geradezu  staunenswert  ist  es ,  in  welchem  umfang  er  die  litte- 
ratur  über  seinen  gegenständ  zur  benutzung  heranzuziehen  verstanden 
hat.  hier  finden  wir  nicht  nur,  womit  wir  gewis  schon  ganz  zufrieden 
hätten  sein  können,  diejenige  Italiens,  sondern  auch  diejenige  des 
ausländes  und  namentlich  Deutschlands  bis  auf  dissertationen  und 
aufsätze  von  geringer  ausdehnung  und  bis  auf  die  neueste  zeit  herab 
in  ihren  ergebnissen  verwertet. 

Im  ersten  capitel  (s.  7 — 23  '1  Shardana  deir  Egitto  ed  i  Sardi; 
le  colonie  libiche  e  le  iberiche')  nimt  er  seinen  ausgang  von  den 
bekannten  altägyptischen  darstellungen  und  inschriften,  in  welchen 
kämpfe  der  könige  Eamses  11,  Menephtah  I  und  Bamses  III  mit 

JahibQcher  fUr  das«. philol.  1883  hfU  1.  4 


50     OMeltzer :  asz.  v.  EPais  la  Sardegna  prima  del  dominio  Romano. 

libyschen  stSmmen  und  überseeischen  verbündeten  derselben  behan- 
delt werden,  bzw.  auch  söldner  ans  einer  der  letztem  Völkerschaften^ 
die  mit  dem  namen  Shardana  bezeichnet  wird,  als  in  ägyptischen 
diensten  befindlich  erscheinen,  die  füglichkeit  den  namen  Shardana 
(um  von  den  Sakalsha,  Tuirsha  usw.  hier  zu  schweigen)  auf  Sar- 
dinien zu  beziehen,  wie  sie  zuerst  de  Boug6  im  j.  1867  aussprach, 
würde  von  dort  her  den  ersten  lichtstrahl  auf  die  geschichte  der  insel 
fallen  lassen,  eine  weitere  frage  nun ,  welche  sich  alsbald  hieran 
schlosz,  nemlich  ob  nicht  Sardinien  sogar  direct  von  Ägypten  irgend- 
welche bevölkerungs-  und  culturelemente  empfangen  habe,  ist  ja 
seitdem  allerdings  auch  schon  wieder  zur  Verneinung  reif  geworden, 
das  als  hauptsächlichstes  argument  dafür  benutzte  vorkommen  zahl- 
reicher und  zum  teil  anscheinend  auf  eine  sehr  frühe  zeit  zurück- 
weisender ägyptischer  oder  ägyptisierender  altertflmer  auf  der  insel 
i&.t  durch  die  forschungen  ERenans  und  WHelbigs  über  den  Charakter 
der  phönikischen  kunstübung  auszer  kraft  gesetzt,  und  der  vf.  schlieszt 
sich  den  ergebnissen  derselben  überall  mit  wohlberechtigter  ent- 
schiedenbeit  an,  obwohl  er  übersieht  dasz  die  sache  im  lichte  von 
OEbers'  Eaphthor-theorie  denn  doch  noch  einigermaszen  anders  ge- 
artet erscheinen  würde  als  unter  der  ihr  von  Chabas  und  seinen 
anhängern  gegebenen  beleuchtung,  gegen  welche  er  seinerseits  sich 
hauptsächlich  wendet,  übrigens  wird  durch  die  dieser  angelegenheit 
zu  teil  gewordene  entscheidung  die  an  erster  stelle  bezeichnete 
frage  schlieszlich  nicht  unmittelbar  berührt,  was  auszerdem  gegen 
de  Roug6s  anschauung,  wonach  die  zu  jener  zeit  schon  in  diesen 
ihren  Wohnsitzen  befindlichen  bevölkerungen  Sardiniens,  Siciliens 
usw.  raubzüge  nach  Africa  und  in  gemeinschaft  mit  libyschen  stam- 
men einfalle  in  Ägypten  unternommen  hätten,  zur  zeit  sich  vor- 
bringen läszt  und  auch  von  Pais  vorgebracht  wird ,  kommt  am  ende 
doch  nur  auf  allgemeine  Wahrscheinlichkeitsgründe  hinaus,  wir 
werden  den  Vertretern  jener  ansieht,  auch  wenn  wir  uns  ihnen  nicht 
unbedingt  anschlieszen  wollen ,  doch  das  recht  zugestehen  müssen, 
derartigen  einwendungen  entgegenzuhalten ,  es  sei  eben  nicht  das 
erste  mal,  dasz  durch  neue  Urkunden  ein  völlig  neues  licht  über  dinge 
verbreitet  werde ,  von  denen  die  bis  dahin  vorhandene  Überlieferung 
nichts  habe  ahnen  lassen ;  speciell  im  vorliegenden  fall  aber  seien  im 
wesentlichen  dieselben  bedenken ,  wie  gegen  de  Roug^s  theorie «  so 
auch  gegen  die  im  anschlusz  an  ünger,  Hal^vy,  Duncker  ua.  von 
Pais  adoptierte  anschauung  zu  erheben,  nach  welcher  die  Shardana  usw. 
ihrer  herkunft  nach  libysche  Völker  und  nach  der  zeit  jener  angriffe 
auf  Ägypten  aus  Libyen  in  ihre  spätem  Wohnsitze  übergesiedelt 
seien,  bis  auf  weiteres  werden  wir  uns  doch  mit  dem  bewustsein 
bescheiden  müssen ,  dasz  ohne  neues  material  ein  gültiger  Spruch  in 
der  frage  nicht  zu  fällen  ist. 

Seinerseits  sucht  nun  allerdings  der  vf.  die  zuletzt  bezeichnete 
theorie  weiter  zu  begründen,  indem  er  die  zuerst  durch  WvHumboldt 
wissenschaftlich  vertretene  annähme  von  der  Zugehörigkeit  der  ur- 


OMeltzer:  anz.  v.  EPais  la  Sardegna  prima  del  dominio  Romano.     51 

bevölkerüDg  Sardiniens  zum  iberischen  stamm  wenn  nicht  in  abrede 
zu  stellen,  so  doch  nach  möglichkeit  zu  beschränken,  dagegen  Zeug- 
nisse für  einen  Zusammenhang  derselben  mit  der  libyschen  rasse  aus 
der  Oberlieferung,  aus  der  läge,  den  Ortsnamen  und  altertümem  der 
insel  zu  gewinnen  sucht,  ref.  gesteht  dasz  ihm  in  dieser  Untersuchung 
wohl  alles  eingehend  erwogen  erscheint,  bis  hinaus  auf  den  einflusz, 
welchen  die  entscheidung  der  Vorfrage  über  die  herkunft  der  Balearier 
und  Iberer ,  sowie  über  den  weg  auf  dem  diese  in  ihre  historischen 
Wohnsitze  gekommen  seien ,  auf  die  beurteilung  der  sache  ausüben 
musz.  doch  wollen  ihm  weder  die  Schlüsse  aus  namensanklängen 
noch  aus  der  kläglich  verworrenen,  in  sich  selbst  widerspruchsvollen 
tradition  recht  zwingend  vorkommen,  als  haltbarste  stütze  für  die 
annähme  einer  altlibjschen  einwanderung  spontaner  art  will  ihm 
immer  noch  der  hinweis  auf  die  geographische  läge  der  insel  er- 
scheinen ,  und  noch  immer  vermag  er  sich  nicht  so  leicht  von  der 
Vorstellung  zu  trennen,  dasz,  was  etwa  von  libyschen  dementen  auf 
Sardinien  in  historisch  erkennbarer  zeit  vorhanden  gewesen  ist,  unter 
der  karthagischen  herschaft  und  durch  dieselbe  dort  eingang  ge- 
funden habe. 

Der  Urbevölkerung  der  insel ,  wie  wir  sie  im  gegensatz  zu  den 
unter  historisch  erkennbaren  Verhältnissen  eingewanderten  Phöni- 
kern;  Karthagern  und  Böniern  mit  ihrem  anhang  nennen  wollen, 
werden  bekanntlich  allgemein  die  Nuraghen,  jene  merkwürdigen 
turmartigen  bauwerke,  zugeschrieben,  deren  über  3000  in  mehr  oder 
weniger  wohl  erhaltenen  resten,  einzeln  und  in  sehr  einfachen  formen 
wie  in  ganz  eigentümlichen  gruppenbildungen  und  complicierten 
Zusammenstellungen,  auf  der  insel  nachweisbar  sind,  sie  behandelt, 
neben  anderen  altertümem  verwandter  art  ('tombe  dei  giganti'), 
das  zweite  capitel  (s.  23—47  'i  Nuraghi').  der  vf.  hat  selbst  eine 
an  zahl  derselben  untersucht  und  dabei  interessante  beobachtungen 
gemacht,  in  der  hauptsache  muste  er  sich  freilich  an  dem  von  andern, 
besonders  von  A.  della  Marmora,  zusammengebrachten  und  bei  aller 
reichhaltigkeit  doch  noch  keineswegs  recht  ausreichenden  material 
genügen  lassen,  hier  wäre  vor  allem  eine  erneute  Untersuchung 
des  thatbestandes ,  zugleich  umfassend  und  gründlich,  wenn  auch 
möglichst  schonend,  mit  beobachtung  aller  der  anforderungen,  welche 
die  heutige  Wissenschaft  an  eine  solche  stellen  musz,  am  platze ;  auch 
eine  vollständige  kartographische  darstellung  über  die  räumliche 
Verteilung  der  betre£fenden  untersuchungsobjecte  müste  natürlich 
damit  verbunden  sein  und  würde  schon  für  sich  allein  die  erkenntnis 
zweifellos  erheblich  fördern,  über  die  kräfte  ein«s  einzelnen  würde 
derartiges  allerdings  hinausgehen,  die  frage  nach  dem  zweck  der 
Nuraghen  sucht  der  vf.  mit  recht  nicht,  wie  fast  durchaus  seine 
Vorgänger,  unter  nur  Einern  gesichtspunkte  zur  lösung  zu  führen, 
sondern  läszt  dieselben  eine  entwicklung  durchlaufen,  innerhalb 
deren  von  den  mit  einander  streitenden  meinungen  über  die  erfolgte 
benutzung  der  baulichkeiten  als  gräber  oder  cultusstätten  oder  ver- 

4* 


52     OMeltzer :  auz.  y.  EPais  la  Sardegna  prima  del  dominio  Romano. 

teidigungswerke  oder  endlich  —  was  freilich  nur  in  beschrftnktestem 
masze  in  betracht  kommen  kann  —  als  Wohnungen  eine  jede  ihren 
angemessenen  platz  findet,  die  ausführungen  des  yf. ,  durch  welche 
hinsichtlich  des  Ursprungs  der  Nuraghen  jeder  gedanke  an  ein  zurück- 
gehen auf  phönikische  oder  etruskische  anregung  au8ge8ohlos869 
wird ,  sind  nur  zu  billigen ;  dabei  wird  aber  doch  auch  zugegeben, 
dasz  in  einer  gewissen  veryollkomnung  ihrer  bauart,  gleichwie  in 
der  fabrication  von  waffen,  Schmucksachen  udgl.,  die  häufig  in  und 
bei  Nuraghen  gefunden  werden,  ein  phönikischer  einflusz  zu  erkennen 
sei.  Yor  einer  naheliegenden  misdeutung  des  begriffes  'prähisto- 
rischer' altertümer,  den  man  ja  leicht  auf  die  Nuraghen  anwenden 
kann,  hütet  sich  der  vf.  wohl,,  denkt  sich  vielmehr  im  gegenteil  und 
mit  recht  den  culturkreis,  welchem  dieselben  angehören ,  bis  in  die 
historische  zeit  der  insel  herab  lebendig  fortdauernd,  der  versuch 
auch  aus  dem  hier  behandelten  material  einen  beweisgrund  für  den 
libyschen  Ursprung  der  betreffenden  bevölkerung  zu  gewinnen  scheint 
allerdings  denselben  bedenken  zu  unterliegen  wie  die  früher  er- 
wähnten, die  etymologischen  anklänge  sind  doch  eingestandener- 
maszen  sehr  wenig  stichhaltiger  natur ,  die  übrigen  momente  aber 
weisen  ebensogut,  wie  nach  Libyen,  über  die  Balearen  nach  Spanien 
(wozu  vgl.  den  nachtrag  s.  121).  schlieszlich  möchte  dem  nach  weis 
von  ähnlichkeiten  in  solchen,  wir  möchten  sagen,  allgemeinen  lebens- 
äuszerungen  des  menschlichen  geistes  überhaupt  nur  eine  bedingte 
beweiskraft  zugestanden  werden. 

Hinsichtlich  der  in  den  capiteln  lU  (s.  47 — 61  'le  fattorie  fe- 
nicie;  tentativi  per  parte  dei  Qreci  di  colonizzare  la  Sardegna;  gli 
Etruschi  ed  i  Liguri ;  Cartagine  esclude  gli  altri  popoli  e  disegna  la 
conquista  deir  isola')  und  IV  (s.  62 — 77  4a  dominazione  cartaginese 
neir  isola')  behandelten  fragen  steht  der  vf.  durchgängig  im  wesent- 
lichen auf  demselben  Standpunkt,  welchen  ich  zuletzt  in  meiner  dar- 
stellung  der  altem  k^'thagischen  geschichte  vertreten  habe,  eine 
ergänzung  gibt  der  hinweis  auf  die  Stadt  Olbia  im  nordosten  der 
insel,  deren  griechischen  Ursprung  ihr  name  bezeugt,  deren  Schick- 
sale freilich  nur  vermutungsweise,  aber  sicherlich  in  der  vom  vf. 
angedeuteten  richtung,  zu  bestimmen  sind,  dafür  wird  der  versuch 
die  traditionen  über  lolaos  zu  griechischen  ansiedelungsversuchen 
auf  der  insel  und  ihrer  Vereitelung  durch  die  Karthager  in  beziehung 
zu  setzen  als  nicht  völlig  geglückt  bezeichnet  werden  dürfen,  den 
anschauungen,  welche  sich  der  vf.  auf  grund  der  allerdings  nur  sehr 
spärlichen  und  vielfach  getrübten  Überlieferung;  der  Verbreitung 
von  namen  und  altertümem  phönikischen  Charakters ,  späterer  ana- 
logien  und  geographisch-ethnographischer  Wahrscheinlichkeitsgründe 
über  die  beziehungen  der  Phöniker  zu  den  Ureinwohnern  und  ihre' 
einflüsse  auf  dieselben ,  über  die  ausdehnung  und  den  Charakter  der 
karthagischen  herschaft  auf  der  insel  gebildet  hat,  wird  man  gern 
beipflichten ,  auch  wenn  man  sich  mit  ihm  nicht  verhehlt ,  dasz  hier 
mehrfach  die  gewinnung  einer  gewissen  Wahrscheinlichkeit  schon 


OMeltzer:  anz.  v.  EPais  la  Sardegna  prima  del  domiino  Romano.     53 

das  äuszerste  mit  unsem  mittein  wreichbare  darstellt,  der  versuch 
einen  stamm  der  Sardi,  nach  welchem  die  insel  bei  den  aasw&rtigen 
Völkern  benannt  worden  wäre,  von  den  unabhängig  gebliebenen 
bergstämmen  abzusondern  ist  interessant ,  führt  uns  nur  aber  auch 
in  letzter  instanz  immer  wieder  auf  die  vorher  zu  entscheidende 
frage  wegen  einer  altlibyschen  einwanderung  zurück,  denn  der  ge- 
danke  an  eine  solche,  dem  auch  der  vf.  sich  zuneigt,  nicht  an  eine 
durch  Karthago  vorgenommene  Verpflanzung  von  Libyern,  würde 
uns  durch  das  frühe  vorkommen  des  namens  Capbui  bei  den  Griechen 
doch  geradezu  aufgenötigt  werden,  wenn  noch  in  neuerer  zeit  im 
norden  der  insel  die  bezeichnung  der  bewohner  ihrer  südlicheren 
teile  als  Sarden  mit  einer  gewissen  geringsohfttzigen  nebenbedeutung 
verbunden  ward,  so  würde  das,  selbst  alle  anderweitigen  Voraus- 
setzungen zugegeben,  doch  kaum  in  dem  vom  vf.  behaupteten  sinne 
als  beweiskräftig  gelten  können,  da  ja  dort,  in  der  auch  äuszerlich 
so  eigentümlich  von  dem  gesamtkörper  der  insel  abgesonderten 
Oallura,  eine  von  Corsica  herübergekommene  bevölkerung  als  grund» 
läge  der  spätem  nachgewiesen  ist. 

Im  übrigen  sehen  wir ,  um  das  wesen  der  karthagischen  her- 
schaft auf  der  insel  verständlicher  zu  machen ,  wiederholt  hinweise 
auf  die  Verhältnisse  späterer,  lichterer  zeiten  mit  geschick  und  zu- 
gleich mit  masz  benutzt. 

Die  durchgängige  billignng,  welche  ref.  abgesehen  von  wenigen 
einzelheiten  gegenüber  den  vom  vf.  vertretenen  anschauungen  über 
die  begründung,  art  und  ausdehnung  der  karthagischen  herschaft 
auf  Sardinien  hier  auszusprechen  gesonnen  ist,  darf  allerdings  jetzt 
nicht  mehr  ohne  eingehendere  Verteidigung  bleiben,  hat  doch  in 
einer  fast  gleichzeitig  mit  Pais'  buche  erschienenen  Untersuchung  kein 
geringerer  als  GFÜnger  der  zuletzt  vom  ref.  ausgeführten  ansieht 
über  die  zuerst  im  sechsten  jh.  vor  Ch.  stattgefnndene  karthagische 
besitzergreifung  überhaupt  jede  berechtignng  abgesprochen,  diesen 
act  vielmehr  nur  auf  die  zeit  zwischen  383  und  379  vor  Ch.  ver- 
legen zu  können  erklärt  (rhein.  mus.  XXXYII  s.  153 — 205:  römisch- 
punische  vertrage;  speciell  über  Sardinien  s.  s.  165—172).  indem 
derselbe  die  bisher  vorgebrachten  gründe  für  und  wider  die  zulässig- 
keit  der  Polybischen  datierang  des  ersten  römisch-karthagischen 
Vertrags  gegen  einander  abwägt,  findet  er  dasz  gerade  d6r  factor, 
welcher  besser  als  viele  andere  unter  jenen  argumenten  über  die 
zeit  der  von  dem  vertrag  vorausgesetzten  Verhältnisse  aufzuklären 
vermöge,  am  wenigsten  zu  diesem  zwecke  verwendet  worden  sei : 
die  betraehtung  der  punischen  geschidite  nemlich  lehre ,  dasz  Kar- 
thago zur  zeit  des  Brutus  die  in  der  Urkunde  angegebene  herschaft 
über  Sardinien  und  Sicilien  noch  nicht  besessen  habe,  die  eingehende 
begründung  dieses  einspruches  wird  nun  unternommen  und  durch 
weitere,  aus  den  Urkunden  als  solchen  und  aus  den  römisch- italischen 
Verhältnissen  abgeleitete  einwände  gegen  die  bei*echtigung  der  Poly- 
bisdran  datierung  zu  verstärken  versucht 


54     OMeltzer:  anz.  v.  EPais  la  Sardegna  prima  del  dominio  Romano. 

Indem  ich  mich  anschicke  den  auf  Sardinien  bezüglichen  teil 
dieser  darlegung,  wie  es  in  der  vorliegenden  Verbindung  allein  mög- 
lich ist,  zum  gegenständ  einiger  erwiderungsversuche  zu  machen, 
darf  ich  vielleicht  zunächst  eine  so  zu  sagen  zu  meinen  gunsten  auf- 
gestellte Voraussetzung  (ao.  s.  154)  ablehnen,  die  annähme,  dasz 
mir  der  wahre  Sachverhalt  —  in  Ungers  sinne  gesprochen  —  zwar 
nicht  habe  verborgen  bleiben  können,  ich  aber  nur  das  von  andern  an 
der  römischen  geschichte  geübte  verfahren,  sie  aus  den  im  sinne  des 
Pol  jbios  datierten  angaben  der  Urkunde  zu  corrigieren,  auf  die  kartha- 
gische übertragen  habe ,  kann  ich  auch  nicht  einmal  in  ihrem  ersten 
teile  für  mich  als  gültig  anerkennen,  gewis  habe  ich  den  betreffenden 
vertrag,  wie  ich  das  nach  meiner  aus  andern  gründen  abgeleiteten  an- 
sieht über  das  alter  desselben  nicht  anders  konnte ,  zur  beleuchtung 
der  damaligen  Verhältnisse  Sardiniens  benutzt:  auf  die  bilduhg  der  an- 
sieht von  der  zeit  seiner  hereinziehung  in  den  karthagischen  macht- 
bereich  hat  jene  datierung,  soviel  ich  weisZ;  einen  bestimmenden  ein- 
flusz  nicht  ausgeübt,  auch  ohne  rücksicht  darauf  würde  die  darstellung 
der  Schicksale  Sardiniens  im  wesentlichen  dieselbe  geworden  sein. 

Die  darlegungen  über  die  seit  dem  achten  jh.  vor  Ch.  drohende 
Verdrängung  der  Phöniker  auch  aus  dem  westlichen  Mittelmeer- 
becken und  ihren  unter  Karthagos  führung  organisierten  widerstand 
dagegen  sind  hier  nicht  zu  wiederholen,  soweit  Sardinien  dabei  in 
frage  kommt,  ist  das  material'zwar  sehr  dürftig,  aber  doch  aus- 
reichend um  einen  allgemeinen  überblick  über  die  Schicksale  der 
insel  zu  gewinnen. 

Dasz  die  anerkannte  thatsache  des  Vorhandenseins  altphöni- 
kischer  colonien  auf  derselben  schon  an  sich  eine  gewisse  Voraus- 
setzung dafür  erweckt,  dasz  Karthago  diese  im  gleichen  Zusammen- 
hang mit  andern  in  sein  System  hineingezogen  habe,  wird  nicht  leicht 
in  abrede  gestellt  werden  können,  sicherlich  hat  eine  derartige  an- 
nähme schon  an  innerer  Wahrscheinlichkeit,  wenn  ich  so  sagen  darf, 
einiges  vor  der  andern  voraus,  welche  nicht  ohne  eine  gewisse  künst- 
lichkeit der  beweisführung  würde  erklären  können,  wie  jene  alt- 
phönikischen  orte  noch  mehr  als  anderthalb  Jahrhundert  sich  ohne 
jenen  schützenden  rückhalt  zu  halten  im  stände  waren,  wie  es  kam 
dasz  Sardinien  von  jeder  ernstlichen  griechischen  invasion  verschont 
blieb,  wie  endlich  die  ezistenz  jener  Phönikergemeinden  sich  in  den 
rahmen  des  angenommenen  karthagisch- etruskischen  neutralisations- 
Vertrags  über  Sardinien  einfügte. 

Nun  sind  zwar  derartige  eindrücke,  wie  ich  gern  zugestehe, 
weit  davon  entfernt  eine  ausreichende  beweiskraft  zu  besitzen ;  masz- 
gebend  waren  aber  auch  sie  für  mich  ebensowenig  wie  die  Poljbische 
datierung  des  ersten  römisch-punischen  Vertrags ,  sondern  der  um- 
stand  dasz  wir  um  die  mitte  des  sechsten  jh.*  ein  karthagisches 

*  wiederholt  sei  jedoch  der  Hinweis  darauf  gestattet  (vgl.  jahrb.  1873 
8.  229),  dasz  der  bei  Orosins  lY  6  an  die  erzählung  über  Malchns  an- 
geknüpften Zeitbestimmung  ein  qnellenmäsziger  wert  nicht  zukommt. 


OMelUer:  anz.  y.  EPais  la  Sardegna  prima  del  dominio  Romano.     55 

lieer  unter  Malchos  aaf  der  insel  krieg  führen  sehen  und  dasz 
Karthago  im  j.  537;  6  mit  den  Etruskem  gemeinschaftlich  gegen 
die  aof  Corsica  angesiedelten  PhokSer  einschreitet,  eine  thateache 
welche  andernfalls  gar  nicht  recht  verständlich  wird,  freilich  ist 
Malehns  mit  groszem  yerlust  geschlagen  worden,  aber  indem  neben 
dieser  bloszen  angäbe  gänzlich  unerwähnt  bleibt,  ob  durch  die  be- 
treffende niederlage  eine  erstrebte  karthagische  festsetzung  auf  der 
insel  flberhaupt  vereitelt  oder  nur  eine  bereits  vollzogene  in  irgend- 
welchem umfang  wieder  rückgängig  gemacht,  bzw.  eine  beabsichtigte 
besitierweiterung  verhindert  wurde,  verliert  dieselbe  in  bezug  auf 
die  hier  zn  erörternde  frage  alle  ausschlaggebende  bedeutung.  ich 
glaube  eben,  mit  rücksicht  auf  die  anderweit  obwaltenden  verhält- 
niase,  sie  in  dem  letztgenannten  sinn  auslegen  zu  sollen :  die  kartha- 
gische festsetzung  war  erfolgt  und  wurde  durch  die  niederlage  nicht 
«ofgehoben.  gerichtet  war  jene  der  absieht  und,  wie  ich  glaube,  auch 
dem  bereits  damals  erzielten  erfolge  nach  auf  die  beherschung  der 
kfisienzone',  welche  übrigens  keineswegs  eine  herschaft  über  die 
letitere  im  buchstäblichen  sinne  um  den  ganzen  umfang  der  insel 
xa  sein  brauchte,  und  sie  verdiente  einen  solchen  namen  ebensogut, 
wie  sie  den  beabsichtigten  zweck  erfüllte,  wenn  sie  ausreichte  fremde 
ansiedier  fernzuhalten,  in  diesem  sinne  würde  sich  auch  kein  Wider- 
spruch zwischen  der  auf  Sidlien  und  der  auf  Sardinien  bezüglichen 
bestimmung  im  ersten  römisch-punischen  vertrag  ergeben,  falls  man 
diesen  mit  Zugrundelegung  der  Polybischen  datierung  betrachtet, 
auf  Sicilien  gab  es  neben  dem  karthagischen  herschaftsbereich, 
mochte  derselbe  nun  mehr  oder  weniger  ausgedehnt  sein',  jederzeit 
dvilisierte  Staaten,  gab  es  gebiete  welche  für  römisch- latinische 
handelsbeziehnngen  in  betracht  kamen,  auf  Sardinien  nicht 

Ganz  derselben  beirachtnng,  wie  die  kriegerische  thätigkeit  des 
Malchus  auf  Sardinien,  ist  weiterhin  diejenige  des  Hasdrubal  (Justi- 
nus  XIX  1)  zu  unterziehen,  was  über  ihren  ausgang  verlautet^  be- 
zieht sich  auf  das  mislingen  eines  Versuchs  zur  erweiterung ,  nicht 
eines  solchen  zur  begründung  einer  karthagischen  herschaft  auf  der 
insel.  nebenher  sei  die  bemerkung  gestattet,  dasz,  wenn  wir  die 
letztere  mit  Unger  als  durch  das  karthagisch-etruskische  bündnis^ 

'  ihre  bedentnng  wird  von  Unger  ao.  s.  165  aum.  völlig  zutreffend 
dargestellt,  dagegen  ist  meine  aoffassung  von  der  Sachlage  kurz  vor 
der  entspreebeiiden  stelle  im  tezt  nicht  ganx  vollständig  wiedergegeben. 

'  dasz  der  in  den  beiden  ersten  vertragen  gebrauchte  aosdmck 
CiKcXia  f\c  KoipxT)^<Wiot  ^irdpxouav  einen  schlusz  aof  die  aosdehnung 
des  betreffenden  gebiets^gestatte,  wie  Unger  ao.  s.  172  will,  kann  nicht 
zagestanden  werden.  —  Ü'ber  den  gebrancb  von  ^irtKpdTCta  und  ^iropxia 
ist  jabrb.  1878  s.  234  f.  gehandelt  forden  (wo  es  übrigens  s.  235  z.  11 
heiszen  moss  'sich  so  gebraucht  findet'  statt  'sich  so  sebr  gebraucht 
findet'}.  *  den  abscblusz  desselben  verlegt,  besonders  nach  maszgabe 
der  aoBfuhrnng  auf  s.  168  a.  e.,  auch  er  anscheinend  in  das  sechste  jb.,  in 
die  zeit  des  gemeinsamen  einschreitens  gegen  die  Phokäer  in  Alalia,  wäh- 
rend er  anderseits  den  tod  des  Hasdrubal  gegenüber  meiner  ansetzung 
sogar  noch  um  etwa  20  Jahre,  bis  gegen  490  vor  Ch.,  herabrückt. 


56     OMelUer:  anz.  v.  EPais  la  Sardegna  prima  del  dominio  Romano. 

neutralisiert  betrachten  wollten,  das  unternehmen  doch  im  wider* 
Spruch  zu  diesem  vertrag  und  seinen  Verpflichtungen  gestanden 
haben  und  eine  besondere  erklftrung  erfordern  würde,  nun  gesteht 
Unger  für  die  nach  seiner  ansieht  zwischen  383  und  379  erfolgte 
kai-thagische  besitzergreifnng  in  der  that  solches  zu  und  sucht  es  zn 
erklären ,  aber  dies  gerade  mit  berufung  auf  eine  eben  damals  zom 
abscblusz  gekommene  fundamentale  Veränderung  der  Verhältnisse 
gegen  frtther.  wie  sollten,  so  dürfen  wir  wohl  fragen,  die  Etrusker, 
deren  macht  zu  Hasdrubals  zeit  in  ihrer  höchsten  blute  stand ,  einen 
karthagischen  versuch  zur  Verschiebung  der  sei  es  durch  vertrag  sei 
es  auch  nur  durch  die  umstände  geregelten  besitzverhältnisse  der 
insel  geduldet  haben?  lassen  wir  femer  die  darüber  zweifellos  zum 
ausbruch  gekommene  differenz  wieder  ausgeglichen  gewesen  sein: 
würde  es  auch  dann  gerade  sehr  wahrscheinlich  sein,  dasz  die  fitrusker 
wenig  mehr  als  zehn  jähre  später  einen  so  unzuverlässigen  bundes- 
genossen  so  thatkräftig  unterstützt  hätten ,  wie  es  Unger  s.  168  — 
wenn  auch  mit  unrecht  —  annimt?  zugegeben  endlich,  die  beiden 
letztgenannten  einwände  lieszen  sich  beseitigen,  so  würde  doch  immer 
noch  eine  inconsequenz  übrig  bleiben :  wenn  Karthago  durch  Has* 
drubal  trotz  der  bestehenden  vertrage  einen  solchen  versuch  untere 
nehmen  konnte,  wie  läszt  sich  dann  (vgl.  s.  172)  die  thatsache  eines 
römischen  eingreifens  in  die  sardinischen  Verhältnisse  im  j.  368  der 
Stadt  als  beweisgrund  gegen  die  existenz  eines  karthagisch-römischen 
Vertrags  zu  dieser  zeit  benutzen? 

Weitere  gründe  gegen  das  bestehen  einer  karthagischen  her- 
schaft auf  Sardinien  vor  dem  von  ihm  angenommenen  Zeitpunkte 
leitet  Unger  aus  dem  wiederholten  auftauchen  griechischer  plane 
auf  oceupation  der  insel  in  der  zeit  von  etwa  545  bis  490  vor  Gh. 
ab:  zwei  thatsachen  wie  die  genannten  seien  absolut  unvereinbar 
mit  einander,  also  komme  gegenüber  der  unbestreitbaren  existenz 
der  letztern  die  glaubwürdigkeit  der  erstem  in  Wegfall,  indem  ich 
mich  gegen  die  gültigkeit  dieser  schluszfolgerang  wende ,  lege  ich 
noch  nicht  einmal  gewicht  darauf,  dasz  der  erste  und  bedeutsamste 
jener  Vorgänge  (Blas'  verschlag  an  die  lonier,  um  545  vor  Ch.; 
Herod.  I  170)  in  eine  zeit  gehört,  zu  welcher  wir  die  karthagische 
festsetzung  auf  Sardinien  etwa  gerade  sich  vollziehen  oder  soeben 
erst  vollzogen  sein  lassen,  also  den  Griechen  des  Ostens  noch  keines- 
wegs eine  deutliche  Vorstellung  von  diesem  Vorgang  und  seiner  be- 
deutung  aufgegangen  zu  sein  brauchte,  denn  ich  bin  Überzeugt  dasz, 
wenn  an  jene  erscheinnngen  überhaupt  sehluszfolgemngen  anzu^ 
knüpfen  sind,  dieselben  sich  doch  in  einer  ganz  andern  richtung  zu 
bewegen  haben,  dasz  bei  den  Griechen  im  andenken  an  jene  schöne 
zeit,  da  ihnen  anscheinend  der  ganze  westen  zu  mühelosem  erwerb 
offen  gestanden  hatte ,  der  gedanke  an  erwerbungen  daselbst  fort- 
lebte, wenn  auch  jetzt  schon  weniger  gewinnsucht  und  frohe  wage- 
lust  als  not  und  bedrängnis  daheim  der  eigentlich  treibende  factor 
war,  ist  wahrlich  nicht  zu  verwundem;  auch  dasz  dabei  Sardinien 


OMeltzer:  anz.  v.  EPais  la  Sardegna  prima  del  dominio  Romano.     57 

besonders  —  und  wir  möchten  wobl  sagen,  streng  genommen  über 
sein  verdienst  hinaus  —  hervortrat,  erklfirt  sich  leicht,  fttr  die  be- 
nrteilung  der  frage  aber,  ob  in  der  beirefifenden  zeit  bereits  jemand 
ein  interesse  daran  und  die  macht  dazu  hatte,  griechischen  gelüsten 
auf  eine  festsetzung  daselbst  entgegenzutreten ,  kommt  doch  wohl 
vor  allem  der  umstand  in  betracht,  dasz  es  in  keinem  dar  genannten 
fälle  auch  nur  zu  einem  veirsuch  der  ausführnng  jener  plane  ge- 
kommen ist. 

Allerdings  wird  an  einen  derselben  auch  noch  eine  weitere  er- 
wägung  geknüpft:  wie  könnte,  wenn  Karthago  die  insel  beherschte, 
Histiaios  dem  groszkönig  Dareios  gegenüber  sich  erboten  haben  ihm 
dieselbe  zu  unterwerfen  (Herod.  V  106) ,  da  dieser  sich  im  genann- 
ten falle  doch  schon  als  ihren  legitimen  oberherm  betrachten  muste  ? 
indes  selbst  wenn  die  frage,  ob  der  groszkönig  denn  wirklich  so  ge- 
nau über  die  Verhältnisse  Sardiniens  unterrichtet  zu  sein  brauchte, 
zu  bejahen  wäre ,  wenn  femer  anzunehmen  wäre  dasz  damals  Kar- 
thago schon  ausdrücklich  seine  Oberhoheit  anerkannt  habe,  was 
würde  uns  hindern  zu  glauben,  dasz  er  den  ihm  vorgespiegelten 
plan  dennoch  acceptiert  habe,  um  an  die  stelle  der  nur  ideellen  ab- 
hängigkeit  der  insel  eine  reellere  zu  setzen?  würde  doch  obendrein 
ein  solches  unternehmen,  ganz  nach  dem  recept  des  Bias  zugeschnit- 
ten, wie  es  war,  für  jeden  fall  die  unruhigen  lonier  nach  auswärts 
abgeleitet  haben,  unter  diesem  gesichtspunkt  war  es  für  das  per- 
sische reichsinteresse  sogar  ziemlich  gleichgültig,  ob  dasselbe  logisch 
berechtigt,  ob  es  aussichtsvoll  war  oder  nicht,  schlieszlich  musz 
freilich  im  hinblick  auf  den  durchaus  schwindelhaften  charakter  des 
betreffenden  anerbietens  und  auf  den  in  Wahrheit  damit  verfolgten 
zweck  die  berechtigung  einer  benutzung  desselben  zu  ernsthaften 
schluszfolgerungen  auf  die  Verhältnisse  der  insel  überhaupt  frag- 
lich bleiben. 

An  letzter  stelle  leitet  Unger  einwendungen  gegen  den  bestand 
einer  karthagischen  herschaft  auf  Sardinien  vor  der  von  ihm  ange- 
nommenen zeit  aus  dem  mangel  an  nachrichten  über  dort  statt- 
gefundene aushebungen  für  das  karthagische  beer  ab ,  während  bis 
zu  dem  betreffenden  Zeitpunkte  von  sardischen  söldnem ,  aber  auch 
nur  von  solchen,  ausdrücklich  die  rede  sei.  dieselben  dürften  jedoch 
insgesamt  und  ohne  weiteres  dadurch  hinföllig  werden,  dasz  —  wenn 
mich  meine  samlungen  auf  diesem  gebiete  nicht  trügen  —  nach  dem 
betreffenden  Zeitpunkte  sardische  truppen  in  karthagischen  diensten 
überhaupt  nicht  erwähnt  werden,  somit  zu  folgerungen  der  gedachten 
art  aus  einer  lücke  der  Überlieferung  für  die  vorangegangene  periode 
uns  die  berechtigung  abgeht. 

und  wie  wenn  eine  solche  lücke  obendrein  nicht  einmal  mit 
hinreichender  gewisheit  zu  statuieren  wäre?  denn  wenn  Unger 
meint,  die  sardischen  truppen,  die  für  das  j.  392  vor  Ch.  bei  Diodor 
XIY  95  zwischen  libjrschen  und  italischen  erwähnt  werden,  möchten 
gleich  den  letztem  Söldner  gewesen  sein ,  so  werden  wir  nicht  blosz 


58     OMeltzer:  anz.  v.  EPais  la  Sardegna  prima  del  dominio  Romano. 

rein  an  sich  mit  ebendemselben  recht  die  gegenteilige  Vermutung 
aussprechen  dürfen,  dasz  sie  gleich  den  ersteren  ausgehobene  ge- 
wesen sein  könnten ,  sondern  es  spricht  auch  dafür  die  fassung  der 
Worte  selbst  in  weit  höherem  grade,  wenn  ich  dieses  arguments 
mich  bediene,  so  geschieht  es  allerdings  ohne  dasz  ich  selbst  erheb- 
lichen wert  darauf  legte,  kann  ich  doch  im  gegenteil  für  meine 
person  den  eindruck  nicht  verhehlen,  dasz  neuerdings  namentlich 
in  quellenuntersuchungen  eine  richtung  überhand  zu  nehmen  droht, 
welche  auf  äuszerlichkeiten  im  Wortlaut  der  abgeleiteten  darstel- 
lungen  meist  viel  zu  viel  baut,  ohne  ausreichend  zu  berücksichtigen, 
wie  viel  von  dem  gehalt  der  Urquellen,  ganz  abgesehen  noch  von 
jeder  be wüsten  absieht  der  aus  ihne^  schöpfenden  darsteller,  ab- 
gesehen von  allen  durch  sie  hineingetragenen  motivierenden  erklä- 
rungen  und  ausmalenden  erweiternngen ,  selbst  ganz  unwillkürlich 
bei  dem  bloszen  durchgang  durch  köpf  und  band  derselben  wegfUllti 
sich  verschiebt,  eine  andere  fftrbung  annimt.  es  gilt  das  noch  jeden 
tag  und  für  jeden  Verfasser  einer  historischen  darstellung,  mag  er 
—  was  obendrein  bei  den  antiken  geschichtschreibem  in  der  regel 
beiderseits  nicht  der  fall  war  —  die  strengste  wissenschaftliche 
Schulung  genossen  haben  und  ausschlieszlich  wissenschaftliche  ziele 
verfolgen,  wie  die  Selbstbeobachtung  eines  jeden  unter  ihnen  be- 
stätigen wird,  und  eben  der  mangel  solcher  erfahrungen  an  sich 
selbst  trttgt  unter  anderm  gewis  vieles  mit  dazu  bei ,  dasz  uns  so 
häufig  die  Verfasser  der  beliebten  'quellendissertationen'  den  zu- 
weilen höchst  fragwürdigen  Wortlaut  einer  abgeleiteten  darstellung 
glattweg  für  denjenigen  der  —  übrigens  immerhin  oft  richtig  eru- 
ierten —  Urquelle  ausgeben,  dasz  sie  einerseits  bei  unwesentlich 
variiertem  ausdruck  sofort  auf  eine  andere  quelle  schlieszen,  ander- 
seits bei  dingen,  zu  deren  bezeichnung  jemand,  wenn  er  sie  überhaupt 
erwähnen  will,  selbst  mit  dem  besten  willen  keine  anderen  ausdrücke 
in  der  spräche  findet,  auf  eine  abhängigkeit  desselben  von  einer  be- 
stimmten quelle ,  die  sich  einigermaszen  entsprechender  ausdrücke 
bedient,  schlieszen  möchten,  und  was  dergleichen  mehr  ist.  kehren 
wir  von  dieser  allgemeinen  bemerkung ,  der  ich  vor  allem  nur  noch 
den  wünsch  hinzufügen  möchte ,  sie  nicht  misdeutet  und  in  falscher 
richtung  bezogen  zu  sehen ,  zu  unserm  gegenständ  zurück ,  so  kann 
ich  auch  einer  weitern  betrachtung  üngers  nicht  beistimmen,  ich 
kann  die  berechtigung  nicht  anerkennen ,  der  nichterwähnung  sar- 
discher  truppen  für  den  feldzug  des  j.  480  vor  Ch.  bei  Diodor  XI  1 
neben  der  erwähnung  solcher  bei  Herodot  YII 165  eine  selbständige 
bedeutung  einzuräumen  und  beide  neben  einander  zu  selbständigen 
Schlüssen  zu  benutzen.^  dasz  übrigens  Herodot  dabei  in  der  that 
nur  sardische  Söldner  im  äuge  gehabt  haben  könnte ,  stelle  ich  nicht 

^  die  beziehang  aaf  die  Etrusker  in  dem  scbol.  zu  Piod.  Pjrth.  2,  8  — 
in  anderer  hinsieht  s.  darüber  gesch.  d.  Karth.  I  s.  500  und  vgl.  das 
gegenstUck  dazu  8.  603  —  enthält  nichts  als  eine,  für  die  betreffende 
stelle  natürlich  irrtümliche,  reminiacenz  an  die  Seeschlacht  vor  Cumae. 


OMeltzer:  anz.  y.  EPais  la  Sardegna  prima  del  dominio  Romano.     59 

einmal  in  abrede,  an  der  berechtigung  meiner  allgemeinen  auffassung 
würde,  80  glaube  ich,  dadurch  ebensowenig  etwas  geändert  werden, 
wie  wenn  obendrein  auch  noch  für  die  oben  behandelte  stelle  Diodors 
(]£rV  95)  dasselbe  gälte  und  somit  jede  erwähnung  ausgehobener 
uardischer  truppen  in  wegfall  käme,  wir  wissen  viel  zu  wenig  von 
der  form  der  karthagischen  herschaft  auf  der  insel  und  von  der 
Organisation  des  karthagischen  reichs  im  allgemeinen,  um  schlieszen 
zu  dttrfen  dasz  dasjenige ,  was  in  dem  unterworfenen  Libyen  statt- 
fiemd,  auch  auf  Sardinien  stattfinden  muste,  bzw.  dasz  umgekehrt, 
wenn  wü^^^<^^  aushebungen  auf  Sardinien  nicht  erwähnt  werden, 
dasselbe  nicht  in  irgendwelchem  umfang  Karthago  unterthänig  ge- 
wesen sein  könnte,  dasz  anderseits  —  mag  es  nun  fttr  die  zeit  und 
den  bereich  dieser  herschaft  mit  den  aushebungen  gestanden  haben 
wie  es  will  —  gegen  die  daneben  erfolgte  anwerbung  von  söldnem 
ans  dem  unabhängig  gebliebenen  teile  der  insel  keinerlei  stichhaltiger 
einwand  erhoben  werden  kann ,  liegt  auf  der  band,  derselbe  würde 
sonst  ebenfalls  erhoben  werden  müssen  mit  bezug  auf  die  Balearen, 
wo  doch  Karthago  im  siebenten  jh.  zuerst  fusz  faszte,  auf  Spanien, 
wo  es  mindestens  seit  dem  sechsten  jh.  eine  wenngleich  beschränkte 
herschaft  ausübte,  wo  aber  auch  nach  begründung  des  groszen  reiches 
durch  HamilkarBarkas  noch  söldner  angeworben  wurden,  auf  Libyen, 
wo  man  in  dem  unterworfenen  gebiet  aushob  und  daneben  freie  Li- 
byer (Numider)  mietete,  mit  denen  man  doch  ein  andermal  wieder, 
gerade  so  wie  mit  den  bewohnem  des  unabhängigen  Sardiniens,  im 
kriege  lag.  dasz  schlieszlich  auf  Sardinien  auch  ausgehoben  worden 
ist,  hat  allerdings  schon  an  sich  die  Wahrscheinlichkeit  für  sich,  und 
Pais  s.  73  f.  verweist  zur  Unterstützung  der  annähme  auf  die  ver« 
breitung  einer  interessanten  art  von  altertümem,  die  mit  recht  als 
weihgeschenke  heimgekehrter -Soldaten  aufgefaszt  werden  dürften, 
über  die  ganze  insel.  dasz  sardische  truppen  überhaupt  so  selten 
erwähnt  werden,  liesze  sich,  wie  er  dabei  gelegentlich  erwähnt,  unter 
anderm  wohl  auch  aus  ihrer  verhältnismäszig  geringen  zahl  oder  aus 
ihrer  ähnlichkeit  mit  andern  truppengattungen  (Libyern)  erklären. 

Zum  schlusz  spricht  auch  noch  der  umstand,  dasz  im  j.  480  der 
vor  Himera  angelangte  Hamilkar  seine  transportschifife  alsbald  zur 
herbeiholung  von  zufuhr  nach  Libyen  und  Sardinien  schickt,  dasz 
Himilko  im  j.  396  nach  seiner  ankunft  vor  Syrakus  ebenso  verföhrt 
und  dasz  während  des  bald  darauf  ausgebrochenen  libyschen  auf- 
standes  Elarthago  wesentlich  durch  die  ihm  von  Sardinien  zugeführ- 
ten lebensmittel  sich  erhält,  sicherlich  mehr  für  das  bestehen  einer 
karthagischen  herschaft  auf  der  insel  zu  den  bezeichneten  Zeitpunkten, 
als  für  das  bestehen  eines  zustandes  daselbst,  wie  ihn  Unger  vor- 
aussetzt. 

Mit  rücksicht  auf  die  ausdehnung,  welche  die  vorstehende  aus- 
führung  gewonnen  hat,  sei  über  die  letzten  abschnitte  von  Pais'  buch, 
unter  dem  ausdruck  der  Übereinstimmung  in  allen  wesentlichen 
punkten,  nur  noch  in  gedrängtester  form  referiert. 


60     OMeltzer:  anz.  v.  £Pai6  la  Sardegna  prima  del  dominio  Romano. 

Im  fllnften  ci^itel  (s.  78 — 97  *la  geografia  della  Sardegna  prima 
dei  Romani ;  sgnardo  ai  moiramenti  fenid  e  cartaginesi  dell^  isola') 
finden  wir  das  material  über  die  läge  und  das  etwaige  alter  der  alt- 
phönikischen  und  karthagischen  niederlassnngen ,  die  ausdehnung 
der  karthagischen  herschaft ,  die  Terteilang  und  den  Charakter  der 
punischen  altertümer  auf  der  ineel  zusammengestellt  und  damit  die 
früher  in  dieser  richtnng  ausgesprochenen  ansiohten  ausführlicher 
begründet,  woran  sich  ein  blick  auf  den  culturzustand  und  die  reli- 
giösen anschauungen  der  unabhftngig  gebliebenen  st&mme  und  den 
von  der  punischen  cultur  etwa  auch  auf  sie  ausgeübten  einflusz 
schlieszt.  vielleicht  hfttte  hierbei  in  der  begründung  von  Schlüssen 
auf  etjmologien  eine  noch  etwas  gröszere  Zurückhaltung  bewahrt 
werden  können,  als  dies  schon  geschehen  ist. 

Von  den  beiden  anhängen  versucht  der  erste  (s.  98 — 112  'alcune 
OBservazioni  sulle  fonti  della  storia  Sarda  prima  del  dominio  Romano') 
nach  einer  allerdings  ziemlich  überflüssigen  aufzfihlung  der  Schrift- 
steller, welche  fdr  die  geschichte  des  behandelten  Zeitraumes  in  be- 
tracht  kommen  oder  kommen  könnten,  wenn  sie  erhalten  wSren, 
das  dürftige  und  verworrene  material  der  vorhandenen  Überlieferung 
nach  möglichkeit  auf  seine  Urquellen  zurückzuführen,  gröszere  be- 
deutung  möchte  ich  dem  zweiten  anhang  (s.  112 — 120  'alcune  oseer- 
vazioni  sulla  genuinitä  di  una  gran  parte  degli  idoli  di  bronzo  pub- 
blicati  dal  La  Marmora')  zusprechen,  in  welchem  im  anschlusz  an 
vereinzelte  äuszerungen  früherer  gelehrter  über  die  verdächtigkeit 
zahlreicher  unter  den  so  vielbesprochenen  ^sardischen  idolen'  der^ 
wie  es  mir  scheint ,  wohlgelungene  nachweis  ihrer  unechtheit  und 
der  einflüsse ,  auf  welche  die  fftlschung  zurückzuführen  sein  dürfte, 
erbracht  wird,  gern  wird  man  jene  fratzenhaften  ungeheuer  nun- 
mehr in  dieselbe  kategorie  mit  den  Urkunden  von  Arborea  verwiesen 
sehen. 

Die  sieben  tafeln*  bieten  auszer  zwei  Übersichtskarten  (tf.  1  u.4) 
sowie  darstellungen  von  Nuraghen  (tf.  2  u.  3),  die  von  della  Marmora 
entlehnt  sind ,  eine  reihe  von  abbildungen  sardinischer  altertümer, 
worunter  einige  inedita,  und  zum  schlusz  umrisse  der  hervorragend- 
sten typen  unter  den  unechten  idolen. 

Mit  bedauern  musz  auf  die  starke  incorrectheit  des  drucks  hin- 
gewiesen werden,  wenn  auch  äuszere  umstftnde,  die  der  vf.  nicht 
ändern  konnte ,  ihm  ein  erhebliches  masz  von  nachsieht  in  dieser 
beziehung  sichern  möchten,  sein  Verzeichnis  von  berichtigungen  auf 
der  rUckseite  eines  lose  beigegebenen  blattes ,  dessen  Vorderseite  er 
zugleich  noch  benutzt,  um  zu  einem  inzwischen  erschienenen  werke 
über  eine  gimppe  sardinischer  altertümer  Stellung  zu  nehmen,  ist 
auch  innerhalb  der  daselbst  bezeichneten  beschränkung  noch  recht 
unvollständig  (zb.  s.  10  z.  10  1.  *Lidia'  stott  'Libia',  s.  62  z.  17 

*'  die  auf  s.  124  fehlende  erklärnng  zu  tf.  6  nr.  8  ergänze  man  ans 
8.  91.  in  derjenigen  zn  tf.  4  nr.  3  z.  3  (s.  122)  ist  wohl  zu  lesen  *tav.  Y 
£g.  10^  (anstatt  9). 


KDziatsko:  zum  Truculentus  des  Plautos.  61 

l.  650  st  260,  ebd.  z.  27  1.-664/3  st.  664/3,  s.  98  z.  8  1.  'AristÄgora' 
fit.  'Anassagora'  usw.). 

Dem  erscheinen  der  fortsetzung  der  Terdienstiichen  arbeit  sehen 
wir  mit  interesse  entgegen,  in  bezug  auf  den  Übergang  Sardiniens 
unter  die  römische  herschaft  wird  sich  der  vf.  hoffentlich  nicht  be- 
wegen lassen  von  der  darstellong  und  datierung  des  Polybios  ab- 
zuweichen; ref.  wenigstens  hat  sich  bei  eingehendster  Untersuchung 
von  der  Stichhaltigkeit  der  neuerdings  gegen  dieselbe  erhobenen 
einwände  nicht  überzeugen  können. 

Dresdbn.  Otto  Mbltzer. 

11. 

ZUM  TRUCULENTUS  DES  PLAUTUS. 


Im  anfang  von  act  11  sc.  1  des  Plautinischen  Truculentus  findet 
sich  im  unmittelbaren  anschlusz  an  y.  209  (=  I  2, 106)  von  der  band 

des  rubricator  im  Vetus  die  scenenüberschrift  ZASTBAPHIVC  •  ^L 
(s.  SchöUs  ausgäbe  zdst).  sie  enthält  den  namen  der  in  jener  scene 
allein  auf  der  bühne  befindlichen  Astaphium,  einen  zur  bezeichnung 
dieser  person  bestimmten  griechischen  buchstaben  (Z),  das  bekannte 
die  scene  als  canttcum  charakterisierende  C-  und  endlich  einen  wei- 
tem rest  antiker  adnotatio^  von  dem  in  den  folgenden  Zeilen  die 
rede  sein  soll.  Scholl  praef.  s.  XXXY  erinnert  wegen  desselben 
mit  recht  an  das  zeichen  LX^  welches  derselbe  Vetus  am  Schlüsse 
von  act  II  sc.  1  des  Trinummus  (s.  Bitschi*  zdsi  und  praef.  s.  LXY) 
bietet.'  Kitschi  vermutete  darin^  wenn  auch  mit  vorsichtiger  Zurück- 
haltung, eine  alte  stichometrische  angäbe;  Scholl  glaubt  ao.  eben 
wegen  der  neu  zugekommenen  parallelstelle,  an  welcher  L  wegen 
seiner  Stellung  nicht  als  Zahlzeichen  aufgefaszt  werden  könne, 
zu  einer  andern  erklärung  greifen  zu  müssen,  er  identificiert  das 
fragliche  L  mit  der  diple  ohelismene^  von  welcher  es  in  dem  bei 
Beiffersoheid  Suetoni  reliq.  s.  137  ff.  abgedruckten  tractat  von  den 
notae  XXI  quae  ttersibus  apponi  consuenmt  heiszt:  y  —  diple  obelis- 
mene  ad  separandas  in  comoediis  et  tragoediis periodos,  und  weiter: 
—  ^atiersa  ohelismene^  quotiens  Strophe  {et)  antistrophas  infertur. 
die  in  den  beiden  Plautusscenen  dabeistehenden  zahlen  (V  bzw.  X) 
sollen  die  musikalischen  abschnitte  des  canticums  bezeichnen.'  die 
bedenken,  welche  dieser  auffassung  entgegenstehen,  werden  von 
Scholl  nicht  einmal  angedeutet,  dasz  der  obelus  im  laufe  der  zeit 
ganz  geschwunden  sein,  die  diple  aber  eine  volle  frontveränderung 
erfahren  haben  müste  —  und  zwar  beides  übereinstimmend 

^  gesichert  ist  die  lesung  LX  darch  GLöwes  mitteiluog  in  diesen  jahrb. 
1875  8.  526  f.  >  praef.  s.  XXXVI  anm.  2  stellt  ScböU  deren  'exempli 
gratia'  für  die  scene  des  Trinnmnias  9  (statt  10),  für  die  des  Trucu- 
lenttiB  aber  die  nötigen  6  auf.  man  sieht  indes  nicht  ein,  warum  nicht 
ebenso  gut  wie  nach  v.  212,  223,  236  und  245  auch  hinter  v.  240  und 
250  ein  abschnitt  anzusetzen  wäre. 


62  RDziatzko:  zum  Tracnlentus  des  Plantus. 

an  beiden  stellen!  —  ist  das  erste  bedenken,  vor  allem  aber 
musz  auffallen  und  steht  im  Widerspruch  mit  dem  Wortlaut  des 
Suetonischen  tractats  nicht  nur  für  unser  zeichen  (s.  oben) ,  sondern 
ebenso  für  die  übrigen  notae^  dasz  die  diple  nicht  zur  trennung  der 
einzelnen  abschnitte,  dh.  jedesmal  da  wo  ein  neuer  solcher  abschnitt 
beginnt,  gesetzt  sein,  sondern  summarisch  mit  der  zahl  der  teile  sich 
verbinden  soll. '  ist  es  denn  aber  so  undenkbar,  wie  Scholl  kurzweg 
annimt,  VL  als  zahl  zu  erklären?  schon  die  analogie  von  X,  das  vor 
C  und  L  gleich  den  einem  (vor  V,  X,  L  und  C)  sehr  häufig  als  sub- 
trahendus  erscheint,  dürfte  für  das  gegenteil  sprechen,  es, findet 
sieb  aber  sogar  dieselbe  zahl  V  •  L  •  (=  45)  auf  einem  africanischen 
cippus  (Renier  1103  =  CIL.  VIII  3998)*,  so  dasz  von  dieser  seite 
her  kein  einspruch  berechtigt  ist.  steht  dies  aber  fest,  so  müssen 
meines  erachtens  alle  zweifei  an  der  stichometrischen  bestimmung 
der  zahl  angesichts  der  thatsache  schwinden,  dasz  die  scene  II  1, 
um  welche  es  sich  handelt,  im  Vetus  genau  45  verse,  nicht  einen 
mehr  noch  einen  weniger,  zählt. ^  codex  C  hat  nur  41  verse;  dasz 
seine  versabteilung  aber  gleich  der  des  codex  D  ohne  wert  ist,  heben 
Spengel  praef.  s.  IV  und  SchöU  praef.  s.  XXXYI  hervor  und  lehrt 
ein  blick  in  den  von  CEChSchneider  aus  codex  C  besorgten  abdruck 
dieses  Stückes  (Breslau  1834).  codex  A  hat  nach  Scholl  ao.  im  wesent- 
lichen die  gleiche  Zeilenabteilung  wie  6,  jedoch  in  folge  einiger  zu- 
sammenziehungen nur  43  verse. 

Die  dargelegte  Übereinstimmung  in  der  gesamtzahl  der  verse, 
welche  der  text  unserer  scene  im  codex  6  hat,  mit  der  darauf  bezüg- 
lichen stichometrischen  angäbe  musz  meines  erachtens ,  wenn  diese 
Zählung  auch  nur  von  relativ  hohem  alter  sein  mag^,  ebenso  für  die 
versabteilung  des  codex  B  im  einzelnen  ein  günstiges  Vorurteil  er- 


^  für  die  griechischen  dramatiker  findet  man  in  Otto  Henses 
Heliodoreischen  Untersuchungen  zahlreiche  stellen,  wonach  zwar  in  den 
scholien  die  in  einem  bestimmten  abschnitt  des  drama  gesetzten 
gleichartigen   zeichen   gezählt  wurden,  nie  aber  in  der  adnotatio  selbst. 

*  leider  hat  nur  ein  teil  der  bände  des  CIL.  in  ihren  indices  eine 
rubrik  für  bemerkenswerte  Zahlzeichen,  übrigens  steht  bei  lienier  kein 
piinkt  zwischen  V  und  L.  ^  von  den  56  versen  der  Schöllschen  aus- 
gäbe ist  einer  (v.  250)  in  B  mit  dem  vorhergehenden  vereinigt  (s.  praef. 
s.  XXXVII).  der  ausruf  HeJtahe  im  anfang  des  canticoms  ist  in  A 
mit  V.  209,  in  den  andern  hss.  mit  v.  210  verbunden,  von  Scholl  nach 
Bothes  Vorgang  vorausgeschickt,  ohne  gezählt  zu  werden.  ^  aus  der 
vielcitierten  stelle  des  Donatischen  arg^m.  in  Hecjram  (a.  e.;  Reiff.  s.  13) 
docet  autem  Varro  neque  in  hoc  fahula  neque  in  alUs  esse  mirandum,  quod  actus 
impares  scaenarum  paginarumque  sint  numerOj  cum  haee  distributio  in  rerum 
riiscriptione,  non  in  numero  uersuum  constituta  sit,  non  apud  Latinos  modo, 
uerum  etiam  apud  Graecos  ipsos  ist  wohl  zu  schlieszen,  dasz  zu  Varros 
zeit  die  verszählung  noch  nicht  üblich  gewesen  ist,  da  sonst  jene 
mHnner,  gegen  welche  Varro  polemisiert,  eben  auf  die  zahl  der  verse 
und  nicht  der  scenen  und  Seiten  (in  den  ausgaben  der  lustspiele)  ihr 
augenmerk  gerichtet  hätten  bei  vergleichnng  der  actlangen  (vgl.  OKaibel 
Deutsche  LZ.  1880  s.  336).  von  paginarum  dinumeraiio  ist  auch  im  argum. 
in  Adelphos  a.  e.  die  rede. 


KDziatzko:  zum  Trucalentns  des  Plautns.  63 

wecken  und  in  folge  dessen  unserer  scene  für  die  aufstellung  von 
theorien  über  die  oomposition  der  cantica  eine  nicht  zu  unter- 
schätzende bedeutung  verleihen,  im  Trinummus  ao.  findet  übrigens 
zwischen  der  gegenwärtigen  verszahl  in  II  sc.  1  des  codex  B  (58)  und 
der  Zahlangabe  (60)  eine  kleine  differenz  statt  (s.  Ritschi  ao.). 

Ich  knüpfe  hieran  die  besprechung  einiger  textesstellen  aus  dem 
Truculentus,  au  welchen  mir  Scholl,  durch  dessen  ausgäbe  die  kritik 
des  in  so  verzweifeltem  zustande  überlieferten  Stückes  eine  hervor- 
ragende förderung  erfahren  hat,  ohne  grund  von  der  hsl.  Überlie- 
ferung abgegangen  oder  bei  ihrer  Verbesserung  noch  nicht  das  rich- 
tige getroffen  zu  haben  scheint,  gleich  in  v.  2  lautete  die  vulgata 
richtig: 

perparuam  partem  posttUat  Plauttis  hei 
de  uostris  (bzw.  uestris)  magnis  atque  amoenis  moenibus^ 
Äthenas  quo  sine  archiiedis  conferat, 
quid  nunc?  daturin  estis  an  non?  —  adnuont. 
uestris  steht  bei  Priscian  und  Apulejus  (s.  Scholl  zdst.)  und  ergibt 
sich  zunächst  aus  der  lesai-t  von  B  JDeü  eris  (CD  deum  eris) ,  dh.  De 

uns  (für  u^streis),  wobei  die  erklärung  des  buchstaben  e  freilich 
etwas  fraglich  bleiben  musz.  wenn  Scholl  schreibt  de  moeris  magnis 
usw.,  so  werden  wir  auf  eine  schwer  verständliche  Unterscheidung 
von  muri  und  moenia  hingewiesen  und  vermissen  durchaus  eine  an- 
gäbe darüber,  welche  mauern  gemeint  seien ,  an  wen  Plautus  seine 
förderung  richte,  dasz  er  die  Zuschauer  anredet,  beweist  v.  4,  und 
es  ist  nicht  etwa  aus  v.  6  das  gegenteil  zu  folgern. 

V.  248  ist  von  dem  jungen  Athener  Strabax  die  rede ,  welcher 
gleich  Diniarchus  und  dem  söldner  Stratophanes  in  die  netze  der 
Phronesium  geraten  ist.  die  vorausgehenden  zwei  verse  (uehd  hie 
agrestis  est  adulescenSj  qui  hie  habet  j  \  nimis  pol  mortalis  lepidus 
nimisque  prohus  dator)  enthalten  seine  erste  erwähnung  im  stück, 
die  folgenden  verse  sind  nach  Scholl  zwei  anapästische  dimeter  mit 
einer  iambischen  clausel  und  lauten  so : 

is  dam  UUerem  diam  hac  node  iUac^ 
porro  hortum  transiluü  ad  nos: 
eum  uoh  conuenire. 
hier  ist  laterem  mit  unrecht  für  patrem  (so  A,  die  Palat.  pater)  von 
Scholl  conjiciert  worden.    Einmal  kann  unmöglich  bei  den  komikem 
der  Singular  later  collectivisch  für  eine  aus  Ziegelsteinen  gebaute 
mauer  stehen,  so  wenig  wie  das  dach  je  mit  tegüla  (statt  tegulae)  be- 
zeichnet wird.^   anderseits  ist  die  erwähnung  des  vaters  hier  nicht 
zu  entbehren,    wenn  Strabax  selbst  des  nachts  heimlich  durch  den 
garten  zu  Phronesium  schleicht  und  sie  nicht  gleich  Diniarchus  und 
wie  andere  junge  mann  er  der  palliatcomödie  in  ähnlicher  läge  thun, 
offen  aufsucht,  so  kann  das  nur  d^n  grund  gehabt  haben,  dasz  sein 


^  anderer  art   ist  der  Singular  in  y.  304  maceria  .  .  quae  in  noctes 
singttlas  latere  fit  minor. 


64  KDziatzko:  zum  Truoulentus  des  Plantus. 

vater  noch  lebte  und  jener  sich  noch  unter  dessen  zucht  befand  (vgl* 
y.  297.  308  ff.),  dies  muste  aber  zur  motivierung  des  in  y.  248  ff. 
gesagten  angegeben  werden,  und  daran  wird  bei  constituierang  des 
textes  festzuhalten  sein. 

V.  882.  als  Diniarchus  unmittelbar  nach  seiner  yerlobung  mit 
der  tochter  des  Callicles  nochmals  mit  Phronesium  zusammentrifft, 
um  von  ihr  den  untergeschobenen  knaben  zu  yerlangen,  der  in- 
zwischen als  sein  eignes  kind  erkannt  worden  ist,  da  legt  er  sich  in 
seinem  verhalten  gegen  die  frühere  geliebte  ersichtlich  eine  durch 
die  umstände  durchaus  gebotene  Zurückhaltung  auf.  ohne  liebkosung 
erfolgt  von  seiner  Seite  die  begrüszung  {tniUier^  ad  te  sum  profectus 
V.  860),  und  als  jene  ihn  schmeichelnd  anredet  quid  agüury  uokiptas 
mea?  weist  er  entschieden  diesen  ton  zurück  mit  den  Worten :  non 
uoluptas:  aufer  nugas;  nü  ego  nunc  de  istac  re  ago.  vgl.  v.  863  f. 
867.  und  selbst  auf  den  rat  der  frühem  geliebten  (868  ff.),  sich  bei 
ihr  für  die  zukimft  und  für  den  fall  der  not  ein  plätzchen  zu  sichern, 
antwortet  er,  der  Verpflichtungen  welche  die  yerlobung  ihm  auf- 
erlegt sich  ganz  bewust ,  nur  ausweichend :  otium  ubi  erU ,  de  istis 
rebus  tum  amplius  tecum  hquar.  nunc  puerum  redde.  aus  dieser 
rolle  würde  er  offenbar  fallen,  wenn  er  v.  882  beim  abschied  das 
sagte,  was  in  den  hss.  steht  oder  was  die  hgg.  durch  conjectur  daraus 
gemacht  haben : 

Di.  bene  uale^  Phronesium*    Pu.  iam  me  tuom  ocukim  non  uocas? 

Di.  id  quoque  interim  futatim  nomen  conmemorabüur, 
numquid  uis?  usw. 
Scholl  hält  die  werte  interim  futatim  für  verdächtig;  was  er  selbst 
aber  etwa  an  deren  stelle  setzen  möchte  {inter  rem  nouam  furtim) 
und  was  andere  vermutet  haben  (futatumj  furatim^  interdum  furtim^ 
etiam  interduatim  usw.,  s.  Scholl  zdst.) ,  trägt  eben  dem  dargelegten 
verbalten  des  Diniarchus  keine  rechnung :  er  musz  den  gebrauch  des 
kosenden  oculus  als  zur  zeit  (interim)  unpassend  zurückweisen  gleich 
den  andern  an  ihn  herangetretenen  lockungen  {id  quoque  .  ,),  da- 
bei läszt  er  freilich  wie  y.  871  mit  interim  durchblicken,  dasz  es 
später  einmal  anders  kommen  könne,  den  gewünschten  sinn  erhalten 
wir  durch  eine  kleine  änderung,  wenn  wir  für  futatim  vielmehr  fut- 
titim  schreiben,  dieses  wort  ist  zwar  sonst  nicht  nachweisbar,  aber 
von  dem  bei  Priscian  (IV  s.  131  H.)  erwähnten  futtire^  dem  Stamm- 
wort von  efftUiire^  ganz  der  regel  gemäsz  gebildet  im  sinne  von 
'nichtig,  vergeblich*  {^  temer e),^  noch  entschiedener  erhält  unser 
vers  den  gewünschten  sinn,  wenn  wir  das  part.  futtitum  in  prädi- 
cativem  sinne  einsetzen  und  für  conmemorabitur  schreiben  conmori- 
hitur.  über  die  form  dieses  futurum  vgl.  Neue  formenlehre  II'  448. 

''  die  richti{^e  erklämng  des  verssioDes  finde  ich  nur  in  Corradinis 
bearbeitung  von  Forcellinis  lexicon,  wo  das  wort  futatim  unter  berufang^ 
auf  unsere  Truculentnsstelle  mit  'futiliter,  vane'  erklärt  ist.  wie  es  zu 
dieser  bedeiitung  kommen  soll,  ist  allerdings  nicht  nachgewiesen. 

Breslau.  Kabl  Dziatzko. 


KBossborg:  zur  kritik  des  Propertias.  65 

12. 

ZUR  KRITIK  DES  PROPERTIUS. 


Die  vor  zwei  jähren  erschienene  ausgäbe  des  Propertias  von 
£Baebrens  hat  einen  wahren  stoim  der  entrttstung  hervorgerufen 
dadurch ,  dasz  B.  den  bisher  so  hoch  gehaltenen  codex  N  degradiert 
und  ihm  eine  ziemlich  untergeordnete  Stellung  unter  den  kritischen 
hil&mitteln  fflr  Prop.  anweist,  die  kritische  grundlage  bilden  in  der 
Baehrensschen  ausgäbe  vier  bisher  teils  wenig;  teils  gar  nicht  be- 
nutzte Codices  AFDY,  welche  sich  deutlich  in  zwei  familien,  AF 
und  D  y ,  scheiden,  cod.  A  besitzt  geringen  umfang  (er  hört  schon 
11  1,  63  auf),  und  deshalb  ist  die  erste  familie  für  den  grösten  teil 
der  gedichte  des  Prop.  nur  durch  den  von  Schreibfehlern  strotzenden 
F  vertreten,  da  jedoch  nach  6.  der  codex  N  derselben  quelle  ent- 
stammt wie  AF,  so  behält  derselbe  für  ihn  noch  den  wert  einer 
€ontrol-hs.  für  F.  damit  scheint  B.  nun  auch  mir  in  der  unter- 
schStzung  von  N  viel  zu  weit  gegangen  zu  sein ,  während  anderseits 
die  gegnerische  behauptung,  N  bleibe  wie  bisher  die  einzige  grund- 
lage für  die  Prop. -kritik  und  die  andern  hss.  seien  von  der  gewöhn- 
lichsten Sorte ,  weit  über  das  ziel  hinausschieszt.  mir  hat  sich  aus 
langer,  sorgfältiger  vergleichung  der  lesarten  in  den  fünf  hss.  fol- 
gendes ergeben:  1)  dasz  es  mit  unseren  kritischen  hilfsmitteln  für 
Prop.  nach  wie  vor  kittglich  aussieht;  2)  dasz  N  nicht  mehr  für  frei 
von  interpolationen  gelten  kann;  3)  dasz  aber  die  übrigen  hss.  eben- 
falls interpoliert  sind ,  nur  meist  viel  ungeschickter  als  N ;  4)  dasz, 
wenn  die  lesart  von  N  der  aller  übrigen  hss.  gegenübersteht,  in 
ersterm  oft  eine  correctur  oder  interpolation  vorliegt  (über  einen 
andern  möglichen  grund  sieh  unten) ;  5)  dasz  die  zweiten  httnde  in 
F  und  Y  deutlich  unter  dem  einflusse  von  N  stehen,  also  keinen 
selbständigen  wert  beanspruchen  dürfen  (Baehrens  vertritt  die  an- 
sieht dasz  N  auf  den  zweiten  httnden  von  F  und  Y  ruhe);  6)  dasz 
N  in  der  zahl  guter  lesarten  Jedem  einzelnen  der  übrigen  sehr  über- 
legen ist  und  daher  auch  jetzt  noch  für  den  besten  codex  gelten 
musz;  7)  dasz  aber  die  übrigen  hss.  AFD  Y  bei  der  kritik  des  Prop. 
nicht  ohne  schaden  unberücksichtigt  bleiben,  weil  es  eben  (und  damit 
kehre  ich  zum  anfang  zurück)  mit  unsem  hilfsmitteln  viel  zu  dürftig 
bestellt  ist,  als  dasz  wir  solche  von  geringerem  werte  bei  seite 
schieben  dürften. 

Über  das  abstammungsverhältnis  der  fünf  Baehrensschen  hss. 
wage  ich  folgende  Vermutung,  dieselben  gehören  nicht  zwei,  sondern 
drei  familien  an.  es  iSszt  sich  nemlich  nicht  erweisen  j  dasz  N  mit 
zur  familie  AF  gehört,  wie  B.  behauptet,  sondern  derselbe  vertritt 
einen  selbständigen  zweig  der  Überlieferung.  *    die  differenz  in  den 


'   in   sehr    engem   verwandtschaftsverhältnis    zu   N    steht   der   von 
Hertzberg^  benutzte  codex  Hb.  (Hamburgensis) ,  ohne  jedoch  aus  jenem 

Jahrbücher  f&r  olass.  philol.  1883  hft.  1.  5 


66  KBoBsberg:  zur  kritik  des  Propertius. 

lesarten  der  drei  familien  erklärt  sich  zwar  zum  teil  aus  den  ge- 
wöhnlichen Ursachen,  irrtum,  nachlässigkeit  und  willkür  der  ab- 
Schreiber;  für  eine  grosze  anzahl  von  fällen  reichen  diese  aber  als 
erklärungsgrund  nicht  aus.  es  scheint  vielmehr  angenommen  werden 
zu  müssen,  dasz  die  gemeinsame  quellschrift  0  mit  Varianten  ver- 
sehen war.  diese  entsprangen  indessen  sicher  nicht  der  vergleichung 
mit  einer  andern  hs.  (denn  eine  solche  ^war  nicht  vorhanden),  sondern 
sie  sind  als  Verbesserungsversuche  eines  oder  mehrerer  leser  anzu- 
sehen, die  richtigkeit  dieser  annähme  vorausgesetzt  ist  es  klar  dasz 
wir  bei  der  Prop.kritik  auf  ein  eklektisches  verfahren  angewiesen 
sind ,  noch  öfter  freilich  auf  die  conjectur :  denn  die  zahl  der  Mle» 
in  welchen  entweder  die  gesamtheit  der  hss.  den  gleichen  verdorbenen 
text  gibt  oder  bei  obwaltender  Verschiedenheit  keine  hs.  eine  brauch- 
bare lesart  bietet,  ist  bei  Prop.  legion. 

Auf  eine  nähere  ausführung  der  so  eben  vorgetragenen  Sätze 
musz  ich  verzichten ,  da  eine  solche  sehr  viel  mehr  zeit  und  räum 
erfordern  würde,  als  mir  zur  Verfügung  steht,  für  diesmal  habe  ich 
mir  nur  zur  aufgäbe  gestellt  durch  besprechung  einer  anzahl  einzelner 
stellen  unter  besonderer  rücksichtnahme  auf  die  Baehrenssche  aus- 
gäbe, welche  die  anregung  dazu  geboten,  auch  meinerseits  ein  neues 
scherflein  zur  kritik  und  erklärung  des  Propertius  beizutragen. 

I  1,  7  e^  mihi  iam  toto  furor  hie  non  deficit  anno,  unleugbar 
hat  der  dativ  etwas  anstösziges.  mögen  sich  immerhin «beispiele 
für  diese  construction  finden  (wie  Statins  Ach.  I  445  ip$um  iam 
puppibus  aequar  deficit) ,  für  Prop.  lag  nicht  einmal  eine  nötigung 
vor  um  des  metrums  willen  von  der  gewöhnlichen  construction  ab^ 
zuweichen.  Heinsius  verlangte  deshalb  auch  einfach  restitution  von 
me.  ich  glaube  jedoch  dasz  wir  der  Überlieferung  treuer  bleiben, 
wenn  wir  schreiben :  ei  mihi,  iam  toto  furor  hie  non  deficit  anno,  für 
den  absoluten  gebrauch  von  deficere  in  der  bedeutung  'nachlassen, 
aufhören'  bedarf  es  keiner  belege,  hier  aber  macht  auszerdem  der 
ganze  Zusammenhang  die  hinzufügung  der  person  völlig  entbehr- 
lich. ~  In  demselben  gedieh te  v.  13  bietet  die  familie  AF  percusstts 
arhore  rami^  während  der  hier  noch  allein  stehende  Vertreter  der 
andern  V  und  mit  ihm  N  ufünere  für  arhore  schreibt,  diese  lesart, 
obwohl  sprachlich  vollständig  zu  rechtfertigen,  macht  doch  den  ein- 
druck  eines  heilungsversuches ,  während  arbqre  in  seiner  offenbaren 
fehlerhaftigkeit  den  schein  ursprünglicherer  Überlieferung  für  sich 
hat.  das  fühlt  auch  Baehrens,  wenn  er  in  der  ann.  crit.  fragt  'an 
uerl)ere?\  obgleich  sich  gegen  dieses  uerhere  an  sich  nichts  erheb- 
liches einwenden  läszt  (denn  Ovidius  met.  XIV  300  ua.  gebraucht 
uerhere  uirgae\  so  scheint  mir  doch  der  ausdruck  markiger  zu  werden 


geflossen  zu  sein,  sollte  derselbe  für  die  kritik  noch  wieder  heran- 
gezogen werden,  so  würde  sich  eine  neue  collation  durchaus  notwendig 
erweisen f  da  ich  aas  aatopsie  versichern  kann  dasz  die  Hertzbergsche 
höchst  ungenau  ist.  allein  für  I  1  habe  ich  mir  neun  Unrichtigkeiten 
oder  ungenauigkeiten  notiert. 


KBoBsberg:  zur  kritik  des  Propertius.  67 

durch  herstellnng  von  rohore,  das  heiszt  wörtlich  ^getroffen  vom 
eichenholz  des  Hjläiscben  astes'  dh.  Wom  eichenast  des  Hjlaeas'. 
die  ausdrucksweise  ist  ganz  dieselbe  wie  Verg.  gearg,  I  162  (und  in 
der  nachahmung  dieser  stelle  Yal.  Flaccus  VII  555)  grave  röbur 
aratri  ^der  schwere  eichene  pflüg',  für  unsere  stelle  ist  noch  von 
bedeutung,  dasz  sich  röbur  öfters  als  bezeichnung  für  die  keule  findet, 
so  Verg.  Am,  VULl  220  nodis  grauatum  röbur,  Val.  Fl.  II  534  no- 
doswm  röbur  und  ebd.  I  634.  Mart.  IX  43,  4  röbur  schlechthin. 

I  3,  37  namque  ubi  longa  meae  conswmpsti  tempara  noctiSy 
languiäus  exactis  (ei  mihi)  sideribus? 
so  alle  hss.  und  neueren  ausgaben,   über  frühere  änderungsversuche 
dieser  verse  sehe  man  Burman.    mir  widerstrebt  zunächst  das  nam- 
que^  sodann  auch  in  v.  38  der  mangel  eines  verbums,   ich  möchte 
daher  vorschlagen  zu  lesen : 

iarnquCi  ubi  longa  meae  consumpsti  tempora  noäis, 
languiäus  exactis  eis  mihi  sideribus? 
der  fehler  im  pentameter  mag  darin  seinen  grund  haben ,  dasz  man 
die  ältere  Schreibung  eis  für  ts  nicht  verstand,     der  dativ  wie  so 
häufig  bei  venire  oder  als  dativ  des  Interesses. 

I  4,  7  schlage  ich  für  das  schwerzuverdauende  formosi  iemporis 
aäas  vor  formosi  corporis  aetas  'das  Zeitalter  der  körperlichen 
Schönheit',  worunter  natürlich  die  heroenzeit  zu  verstehen  ist.  eine 
möglichkeit  wäre  auch  zu  verbinden  quascumque  formosi  corporis 
und  adas  ganz  allgemein  zu  fassen  'die  zeit',  natürlich  die  bisher 
verflossene  (vgl.  Hör.  carm.  IV  9,  9  non  si  quid  ölim  lusit  Änacreon 
delewit  aetas),  doch  entscheide  ich  mich  für  die  erste  auffassung.  — 
Bei  V.  13  f.  desselben  gedichts  kann  ich  Baehrens  na.  nicht  zugeben 
dasz  von  geistigen  Vorzügen  die  rede  sei.  es  werden  vielmehr  ganz 
allgemein  Vorzüge  genannt,  durch  welche  der  wert  der  forma y  der 
schönen  körperbildung,  noch  erhöht  wird,  derartige  sind  ingenuus 
color  =  natürlicher  schöner  teint,  muUis  decus  artibtis  =  der  durch 
viele  künste  gehobene  körperliche  reiz,  hierauf  fährt  der  dichter 
nach  meiner  Vermutung  fort:  et  quae  \  gaudia  subtacita  dicere 
uoce  Übet  'und  freuden  die  man  nur  mit  flüsternder,  gedämpfter 
stimme  zu  erzählen  pflegt',  zum  gedanken  vgl.  I  13,  18  et  quae 
deinde  meus  celat^  amice^  pudor.  der  umstand  dasz  subtacitus  zufällig 
nur  noch  bei  Prudentius  Hamartig.  174  vorkommt,  gestattet  keinen 
rückschlusz  auf  die  mangelnde  bekanntschaft  früherer  sprachperioden 
mit  diesem  werte,  da  unzählige  analoge  bildungen  {subcrispus^  sub- 
ridicutus^  subagrestis)  existieren.  tacUa  uoce  sagt  0 vidius  met,  IX  300. 

I  6,  24  ist  omnia  allgemein  beanstandet,  ohne  dasz  bisher  eine 
wahrscheinliche  heilung  gefunden  wäre,  der  gegensatz  von  nostros 
labores  in  v.  23  scheint  aber  deutlich  auf  otia  hinzuweisen,  wie 
nahe  es  lag  öta  für  oda  zu  verlesen ,  bedarf  kaum  der  andeutung. 
otia  vom  müszigen  leben  des  liebenden  gebraucht  zb.  Tib.  11  6,  5 
urepuer^  quaeso^  tua  qui  ferus  otia  Uqmt,  Cat.  68,  103  f.  ne  Paris 
äbducta  gauisus  libera  moecha  otia  pacato  degerä  in  thdtamo, 

6* 


68  EBosBberg:  zur  kritik  des  Propertias. 

I  7,  16.  die  heilnngsversuche  der  cormpten  worte  quod  noUm 
nostros  euiolasse  deos  s.  bei  Baehrens  in  der  ann.  crit.  v.  16  muaz 
eine  nähere  bestimmung  zu  puer  hio  enthalten  haben  (die  Umstel- 
lung von  V.  23 — 26  vor  v.  15,  wie  sie  B.  in  den  text  setzt,  kann  ioh 
nicht  billigen),  ich  vermute  deshalb  dasz  Prop.  schrieb:  qui  ua- 
luit  nostros  et  uioHasse  deos.  die  compendien  fflr  gui  und  quod  sind 
bekanntlich  einander  sehr  ähnlich,  der  satzton  liegt  natürlich  nicht 
auf  nostros y  sondern  auf  deos,  zu  welchem  auch  das  d  eigentlich 
gehört,  für  die  trennung  des  et  (<»  *auch ,  sogar')  von  dem  hervor- 
zuhebenden Worte  vgl.  die  ganz  analogen  stellen  Ov.  met.  VIII  279 
tangit  et  ira  deos.  III  291  titnar  et  detis  tue  deorum.  zum  gedanken 
vgl.  Ov.  cp.  4,  12. 

I  8,  40  schlägt  Baehrens  für  carminis  ohsequio  in  der  ann.  crit. 
carminis  aUoquio  vor.  die  überlieferte  lesart  wird  indessen  gestützt 
durch  eine  stelle  des  Ausonins,  welche  sich  wie  eine  reminiscenz  an 
die  unsrige  ausnimt.  es  heiszt  nemlich  parent.  21,  6  sMngamus 
maesti  carminis  ohsequio,  hier  wie  dort  ist  zu  übersetzen 
^durch  die  höfliche  (dienstbeflissene ,  ergebene)  widmung  eines  ge- 
dichts'.  —  I  8,  45  zeigen  die  hss.  ein  eigentümliches  schwanken: 
für  das  gewöhnliche  certoSj  welches  durch  NY  und  die  2e  band  von 
F  vertreten  ist,  bietet  A  und  F 1  summos  und  D,  der  bruder  von  Y, 
somnus.  möglich  dasz  hier  der  archetjpus  eine  Variante  hatte,  aus- 
zugehen scheint  von  stMnmos,  wofür  B.  zweifelnd  sandos,  ich  firmos 
vermute. 

I  9,  6  verwirft  B.  das  überlieferte  qtws  iutienes  quaequepudla 
dornet  und  conjiciert  quamque.  ich  weisz  nicht,  ob  er  jenes  quaeque 
als  fem.  von  quisque  faszt;  nach  s.  76  seiner  ^miscellanea  critica' 
will  es  mir  fast  so  scheinen,  allein  wir  haben  es  hier  jedenfalls  mit 
quaeque  =  et  quae  zu  thun.  der  dichter  behauptet  sagen  zu  können, 
welche  Jünglinge  ein  mädchen  behersche  und  welches  sie  behersche. 
es  gilt  also  auch  für  diese  auffassung  der  stelle  dasselbe  beispiel  aus 
Nepos  Timol.  2  oculis  cerneretur ,  quem  et  ex  quanto  regno  ad  quam 
fortunam  dettUisset^  welches  B.  für  seine  lesart  anführt,  ich  kann 
aber  aus  demselben  Nepos  noch  ein  anderes  schlagenderes  beispiel 
beibringen,  nemlich  Att.  18,  3  notans^  qui  a  quoque  ortus  quos  hono- 
res  quibu^que  temporibtis  cepisset.  —  Auch  I  9, 13  musz  ich  die  Über- 
lieferung gegen  B.  und  anderer  änderungsvorschläge  in  schütz 
nehmen,  die  hss.  bieten  i  quaeso  et  tristis  istos  compone  libeUos,  das 
erklärte  man  so ,  dasz  man  unter  tristes  libdli  die  Thebais  des  Pon- 
ticus  verstand  und  componere  im  sinne  von  'bei  seite  legen'  faszte, 
vgl.  componere  heUum  usw.  andere,  welche  die  unzulässigkeit  dieser 
bedeutung  von  componere  an  unserer  stelle  einsahen,  wollten  depone 
oder  sepone  lesen ,  während  B.  compesce  einsetzt,  es  ist  nichts  za 
ändern ;  nur  musz  man  sich  die  worte  tristis  istos . .  libeüos  gleichsam 
in  anführungszeichen  stehend  denken,  t  quaeso  hat  dieselbe  ironische 
färbung  der  auf forderung  wie  das  häufigere  t  nunc  oder  das  blosze  «. 
der  dichter  fordert  also  den  Ponticus  auf:  'nun  geh  doch,  bitte,  und 


EBossberg:  zur  kritdk  des  Propertius.  69 

Terfasse  einmal  solche  trübselige  bücheichen  (wie  ich)  und 
singe,  was  jedes  mädchen  zu  hören  wünscht.'  Ponticus  hatte  offen* 
bar  die  elegien  des  Prop.  wegwerfend  mit  tristes  isti  Ubetti  bezeichnet ; 
das  rückt  ihm  Prop.  jetzt  vor.  vgl.  Hör.  cann.  I  23,  2  misera- 
hües  degi, 

I  11,  6  ist  mit  der  Überlieferung  ecquis  in  extremo  restat  amare 
locus?  entschieden  nichts  anzufangen,  die  conjectur  Heimreichs 
pedare  restat  amor^  welche  B.  biUigt,  scheint  mir  zu  gewaltsam, 
sollte  vielleicht  zu  lesen  sein :  ec quid  in  extremo  restat  amare  loco? 
subject  ist  amare ,  das  ecquid  correspondiert  mit  dem  in  v.  1.  wem 
extremo  loco  als  bezeichnung  für  Bajae  zu  stark  erscheinen  sollte,  der 
müste  freilich  auch  noch  externo  für  extremo  lesen. 

I  19;  10  haben  AN  uenerat  umhra  domum,  dagegen  DY 
uerherat.  letzteres  als  des  sinnes  entbehrend  scheint  der  lesart  von 
AN  gegenüber  mehr  anspruch  auf  glaub  Würdigkeit  zu  besitzen, 
sollte  nicht  ursprünglich  uerterat  von  Prop.  geschrieben  sein  in 
derselben  reflexiven  anwendung  wie  I  16,  28  mea  uocuta  rima per- 
cussas  dominae  uertat  in  auricuias?  —  I  19,  25  hat  an  dem  inter 
nos  schon  Schneide win  anstosz  genommen  und  dafür  interea  ver- 
mutet, wie  jetzt  auch  wieder  Baehrens ;  doch  dürfte  das  interea  neben 
licet  einen  pleonasmus  enthalten,  mir  scheint  näher  zu  liegen :  quarCy 
dum  licet  interris,  laetemur  amantes.  bemerkt  sei  hier  dasz  Prop. 
gerade  den  plural  von  terra  auszerordentlich  häufig  gebraucht. 

I  20,  25  ff.  hunc  duo  sectati  fratres,  Äquüonia  proles, 

hunc  super  et  Zetes^  hunc  super  et  Calais, 
oscula  suspensis  instahant  carpere  pälmis. 
der  V.  26  ist  mindestens  unbeholfen,  die  beiden  Boreaden  verfolgen 
den  Hylas,  sowohl  Zetes  ist  über  ihm  als  auch  Calais,  bei  einer  so 
einfachen  angäbe  wirkt  die  anaphorä  geradezu  lächerlich,  dagegen 
dürfte  sie  berechtigt  sein,  wenn  wir  lesen  (wofür  auch  v.  28  spricht) : 
nunc  superat  Zetes y  nunc  super at  Calais  'bald  überholt  ihn 
Zetes,  bald  Calais.'  selbstverständlich  haben  wir  uns  die  werte  in 
Parenthese  zu  denken. 

n  1 ,  6  hoc  totum  e  Coa  ueste  uolumen  erit,  nachdem  schon 
Schrader  und  Lachmann  an  dieser  fassung  des  ansdrucks  anstosz 
genommen  (ihre  vorschlage  s.  bei  Baehrens),  versucht  B.  hac  tottmt, 
nicht  eben  sehr  gefällig ,  da  von  den  beiden  Wörtern  hac  und  Coa 
eins  überflüssig  ist.  vielleicht  ist  zu  schreiben  mox  totum  oder  ac- 
tutum.  die  Lachmannsche  Stellung  der  verse  9.  10.  7.  8.  5.  6  ziehe 
ich  der  von  B.  aufgenommenen  Fonteines  7.  8.  5.  6.  9.  10  vor.  Leos 
versuch  die  reihenfolge  der  hss.  zu  halten  durch  folgende  änderung 
von  V.  5:  sive  iUam  uideo  fulgentem  incedere  Cois  ist  ein  gewalt- 
streich. 

n  3,  22  gebe  ich  meinen  früheren  versuch  die  verzweifelte 
stelle  carmina  qu(a)e  quiuiis  zu  heilen  {carmina  quae  quinis)  auf, 
ohne  mich  jedoch  dem  vorschlage  von  B.  carminaque  a  uiuis,  welchen 
ich  für  grammatisch  unrichtig  halte  (aequus  a  ist  unerhört),  an- 


70  ERossberg :  zur  kritik  des  Propertius. 

schlieBzen  zu  können,  ich  yermute  jetzt  einfach  carminaque  ullius 
und  denke  mir  die  Verderbnis  so  entstanden,  dasz  in  einem  m^jaskel- 
codex  das  q,  welches  ja  auch  als  abkürzung  für  que  gilt,  doppelt 
geschrieben  war;  also:  CARCniMAqquUlüS.  wegen  der  stellang 
uUius  non  vgl.  Ov.  trist.  V  1,  67  sed  neque  ohesse  potest:  üHU  nee 
scripta  fuertmt  nostra  nisi  auctori  perniciosa  suo  und  Tib.  IV  6,  9 
sie  hene  compones:  uUae  non  Ute  puedae  seruire  aut  cuiquam  digniar 
üla  uiro.  —  Die  verse  II  3,  39.  40  scheinen  mir  nicht  an  richtiger 
stelle  zu  stehen,  wenigstens  ist  qtMdem  in  diesem  zusammenhange 
nicht  zu  verstehen,  anderseits  dürfte  an  der  lesaiii  nichts  zu  ändern 
sein,  da  sich  Ov.  met,  VI  458  derselbe  versanfang  findet :  diffna  gtii- 
dem  fades,  ein  sehr  passender  sinn  ergibt  sich,  wenn  man  v.  39.  40 
auf  V.  34  folgen  iSszt: 

hac  ego  nunc  mirer  si  flagrat  nostra  iuuentus? 

ptderifis  hac  fueratj  Troia^  perire  tibi: 
digna  quidem  facies,  pro  qua  ud  obiret  AchiRes 

ud  Priamus:  heiu  causa  prohanda  fuU. 

n  5,  10  wird  die  Vermutung  von  B.  für  ahfuerU  zu  schreiben 
aufugiet  dadurch  zurückgewiesen,  dasz  das  ganze  distichon  sich  faat 
gleichlautend  mit  den  hss.  in  einer  Pompejanischen  wandinschrift 
findet,  die  abweichungen  bestehen  nur  darin,  dasz  die  Inschrift  den 
anfang  des  pentameters  folgendermaszen  bietet:  si  dolos  afuerü^  also 
letzteres  wort  mit  besserer  Orthographie  als  die  hss.  (vgl.  CWinter- 
berg  Mie  neusten  ausgrabungen  in  Pompeji'  in  ^unsere  zeit'  1881 
s.  857). 

II  6,  32  dürfte  für  das  unpassende  iurgia  nicht  sowohl  mit 
Ruhnken  orgia  als  vielmehr  turpia  zu  schreiben  sein.  ebd.  v.  34 
erklärt  sich  die  Variante  tectus  in  F  gegen  pictus  der  übrigen  hss., 
wenn  wir  annehmen  dasz  in  einem  frühern  exemplare  tictus  d.  i« 
Und  US  stand. 

II 7, 1 1  haben  die  hss.  a  mea  tum  quaUs  caneret  tibi  tibia  somnos 
im  wesentlichen  gleichlautend ,  nur  F  läszt  tibi  aus.  dasz  der  vers 
so  nicht  richtig  sein  könne,  hat  man  schon  sehr  früh  gefühlt,  denn 
einige  der  ältesten  ausgaben  bieten  canlus  für  somnos.  aber  canerd 
—  cantus  spricht  wenig  an.  ich  möchte  annehmen  dasz  der  vers 
ursprünglich  mit  rhythmos  schlosz.  war  diesem  vielleicht  zur  er- 
klärung  hymnos  übergeschrieben,  so  würde  sich  auch  die  entstehung 
der  lesart  somnos  mit  leichtigkeit  erklären,  die  einsetzung  eines 
synonymen  von  carmina  für  somnos  scheint  mir  mit  notwendigkeit 
gefordert  zu  werden ,  wenn  man  die  offenbare  nachahmung  unserer 
stelle  Ov.  ep.  Med.  139  vergleicht:  Ubiaque  effundü  sociaUa  carmina 
uohiSy  at  mihi  funerea  flebüiora  tüba. 

II  9,  11.  12  hat  Vahlen  nach  v.  14  gestellt,  was  ich  völlig  bil- 
lige; ebenso  billige  ich  in  v.  15  die  beseitigung  der  apostrophe  quam 
tibi  durch  die  conjectur  der  Itali  quando  ibi  bei  Baehrens.  ob  jedooh 
V.  16  die  allgemein  in  den  ausgaben  stehende  lesart  der  Itali  uiduo 


ERosBberg:  zur  kritik  des  Propertius.  71 

Deidamia  t  or o  ftir  uiduo  D.  u/iro  das  richtige  trifft ^  ist  mir  doch 
zweifelhaft;,  man  durfte  doch  das  tUro  nicht  so  ohne  weiteres  auf- 
geben, dazu  kommt  dasz  Deidamia  uiduo  toro  gerade  in  diesem  zu^ 
sammenhange  wenig  passend  erscheint,  ich  vermute  dasz  uidiW  zu 
ftndem  ist  und  zwar  in  dubio  (=»  duuid),  dubio  uiro  ist  dativ, 
abhSngig  von  aderat.  die  bezeichnung  dubius  uir  für  Achilles  in 
seinem  Verhältnis  zu  Deidamia  passt  in  mehr  als  6iner  beziehung.  — 
Die  zahl  der  versuche  den  folgenden  vers  zu  heilen  ist  sehr  grosz 
(vgl.  B.).  die  Überlieferung  lautet  in  FN:  tunc  igiiur  uiris  gaudebai 
Oraecia  natis,  während  D  V  castis  statt  uiris  geben,  eine  rationelle 
kritik  verlangt  von  der  lesart  in  FN  auszugehen,  hier  liegt  auch 
die  heilung  nahe,  man  lese  miris  natis,  jetzt  dürfte  auch  keine 
Veranlassung  mehr  vorliegen  natis  zu  beanstanden  und  nuptis  zu 
vermuten,  für  den  gebrauch  von  mirus  vgl.  Prop.  11  12,  2  nonne 
putas  miras  hunc  habuisse  manus? 

II  13,  28  schlägt  B.  unter  dem  texte  für  das  eigentümliche  nee 
fueris  vor  nee  fies,  sollte  aber  nicht  vielleicht  das  fueris  einer  aus- 
lassung  von  tu  (entsprechend  dem  tu  in  v.  27)  seine  entstehung  ver- 
danken?  die  werte  lauteten  wohl  ursprünglich  tu  nee  eris'^  war 

tu 

nun  geschrieben  nee  eris,   so  konnte  dies  überaus  leicht  beim  ab- 
schreiben in  nee  fueris  umgestaltet  werden. 

n  15, 16  dieitur  et  nudae  concubuisse  deae.  nudae  ist  allerdings, 
wie  B.  bemerkt,  verdächtig;  aber  weder  sein  verschlag  cupidae  noch 
der  von  APalmer  nitidae  scheinen  das  richtige  zu  treffen,  dagegen 
dürfte  eine  Wiederholung  des  nudus  aus  v.  15  am  platze  sein. 

Das  distichon  II  16,  41.  42  ist  an  seiner  stelle  wenig  motiviert; 
besonders  passt  der  pentameter  nicht  in  den  Zusammenhang.  Fonteine 
meinte  daher  dasz  die  verse  am  falschen  orte  ständen,  das  glaube 
ich  nicht  gerade,  wohl  aber  mögen  sie  von  Prop.  erst  später  ein- 
geschaltet sein ,  als  er  durch  Maecenas  mit  Augustus  näher  bekannt 
geworden  war.  ungeschickt  angebracht  ist  das  compliment  freilich 
auch  so. 

II  18  ist  kein  einheitliches  gedieht,  v.  1 — 4  sind  ein  irgend 
woher  stammender  fetzen ,  der  rest  das  bruchstück  eines  andern  ge- 
dichtes. 

II  28,  40  ändert  B.  das  überlieferte  infernos  .  .  locus  in  infer- 
nos . .  locos,  mit  unrecht,  wie  ich  behaupte,  zunächst  erregt  bedenken 
dasz  wir  mit  der  Überlieferung  an  unserer  stelle  gleichlautend  Tib. 
n  6,  40  lesen:  venit  ad  infernos  sanguinolenta  lacus.  gegen  den 
«inwand  von  B.  gegen  lacus  ^at  in  lacu  ratis  fatalis  uehitur'  ist  zn 
bemerken,  dasz  doch  in  der  bekannten  stelle  Verg.  Äen.  VI  369 
flumina  tanta  paras  Stygiamque  innare  pat/udem  deutlich  ein  unter- 
schied zwischen  den  Aussen  der  unterweit  und  dem  stygischen  sumpfe 
zu  erkennen  ist.  demnach  würde  an  unserer  stelle  die  ratis  fati  nicht 
in  lacu  sondern  in  fluminibus  infemis  ad  lacus  fähren,  über  allen 
zweifei  aber  wird  diese  auffassung  erhoben  durch  die  beschreibung 


72  EBoBsberg:  zur  kritik  des  Propertius. 

in  Piatons  Phaidon  s.  113,  besonders  113^  xai  0*1  ^^v  &v  böEiuct 
jidcujc  ßeßiuüK^vai,  iiopeuO^VTec  dm  töv  'Ax^povra,  dvaßdvTcc  St  bi\ 
auTOic  dx^Mord  dcxiv,  ini  toütiwv  dqpiKVOÖVTai  €icTf|vXi^VT)v 
(vgl.  113')  xal  £k€T  oIkoCci  usw.  so  meine  ich  denn  dasz  wir  auch 
künftig  dem  Prop.  sein  infemos  Uzcus  werden  belassen  müssen. 

n  29,  7  schreibe  ich  für  das  unsinnige  sed nuäifuenmt:  semi- 
dei  fuerunt^  vgl.  y.  12.  —  v.  21  wird  gewöhnlich  mit  Heinsios  ge- 
lesen :  atque  Ua  mi  iniedo  dixerunt  rursus  amictUj  ohne  dasz  berück» 
sichtigt  wird  dasz  nirgends  etwas  von  einer  entkleidung  des  dichter» 
zu  finden  ist.  B.  schreibt  jetzt:  atque  Ua  me  iniedo  solueruni 
rursus  amictu  und  will  ixmidu  von  dem  nodus  y.  10  verstanden 
wissen :  eine  etwas  starke  Zumutung,  wie  lautet  aber  die  Überliefe- 
rung? atque  itame  in  lecto  duxerunt  rursus  amidu.  wenn  wir  nun 
in  V.  20  lesen :  et  iam  ad  mandatam  u>enimus  ecce  domum  und  femer 
Y.  22  die  auff orderung  i  nunc  et  nodes  disce  manere  dornig  so  wird 
es  nahe  liegen  vor  allem  duocerunt  zu  halten  und  herzustellen :  atque 
Ua  me  in  tectum  duxerunt  rursus  amicae.  meine  frühere  auffas- 
sung  des  gedichts ,  als  sei  es  aus  zwei  selbständigen  gedieh ten  zu- 
sammengeflossen,  gebe  ich  hiermit  auf.  mane  erat  v.  23  heiszt: 
'nun  war's  morgen*:  vgl.  Ov.  fast,  I  647.  episf.  Hyperm.  79. 

n  34,  7  setzt  B.  für  das  offenbar  verdorbene  hospes  in  den  text 
hunc  per ,  was  dem  sinne  nach  sehr  wohl  passt  und  nur  wegen  der 
anastrophe  der  präp.  per  bedenklich  ist.  auch  billige  ich  vollkom- 
men dasz  er  im  folgenden  verse  die  frage  beseitigt,  nur  würde  ich 
statt  node^  welches  er  für  nonne  einsetzt,  lieber  naue  vorschlagen. 
—  Wenn  man  11  34,  22  uerha  halten  will,  so  kann  man  dies  nicht 
anders  auffassen  als  so  dasz  Ljnceus  in  der  ijrunkenheit  mit  seinen  er- 
folgen bei  Cjuthia  renommiert  habe,  darauf  deutet  jedoch  nichts  im 
gedieht  hin.  darum  möchte  ich  unter  vergleichung  von  v.  9. 10. 14.  17 
für  uerba  schreiben  memhra.  —  Für  das  verderbte  distichon  11  34, 
91.  92  finde  auch  ich  kein  heilmittel;  nur  so  viel  glaube  ich  zu  sehen^ 
dasz  im  anfang  von  v.  91  für  et  analog  den  drei  vorausgehenden  hexa- 
metem  haec  zu  schreiben  ist.  in  v.  93  dürfte  für  quin  etiam  viel- 
mehr herzustellen  sein  quin  et  er  it. 

III  1^  35  ist  durch  alle  hss.  überliefert:  meque  inter  serös  lau^ 
dahit  Borna  nepotes,  man  darf  sich  füglich  wundem  dasz  alle  com- 
mentatoren ,  soweit  sie  mir  bekannt  sind ,  sich  der  mühe  entzogen 
haben  diesen  vers  zu  erklären,  die  Schwierigkeit  liegt  in  der  präp. 
irUer.  zur  angäbe  einer  zeit  verbindet  sich  dieselbe  ja  bekanntlich 
mit  wörtem  wie  tempus ,  annus  usw. ,  auch  mit  cena ,  bellum ,  nox^ 
gaudia  usw. ,  immer  aber  doch  nur  mit  sachlichen  begriffen,  das^ 
man  auch  sagen  könne  ifUer  proavos  oder  wie  hier  inter  nepotes ,  um 
die  zeit  derselben  zu  bezeichnen ,  bedarf  jedenfalls  noch  des  nach- 
weises.   aus  diesem  gründe*,  wie  ich  vermute,  änderte  wohl  B.  di& 

'  oder  wegfen  des  tiDgewohnlicheD  gebranchs  yod  que  «■  quoquef 
vgl.  jedoch  Cat  102,  3  und  die  bemerkuDg  von  Ellis  za  dieser  stelle 
in  der  ann.  crit.  seiner  ausgäbe. 


EHoBsberg:  zur  kritik  des  Propertius.  73 

Worte  in  me  quoque  per  serös  usw.  diese  conjectur  hat  wenig  an- 
sprechendes. Einmal  ist  die  änderung  ziemlich  stark,  anderseits  aber 
müste  man  per  in  einer  bedeutung  nehmen  ('durch  .  .  hin'),  in  wel- 
cher es  zur  bezeichnung  der  zeit  schwerlich  mit  personen  verbunden 
vorkommt,  denn  per  «=  Vermittelst'  nehmen  zu  wollen  w^re  zu 
abgeschmackt,  obwohl  nun  Ov.  ex  Ponto  Hl  2,  35  vos  etiam  seri 
laudalnmt  saepe  nepotes  dafür  sprechen  könnte,  dasz  dieser  dichter 
die  Worte  des  Prop.  serös  laudahü  Borna  nepotes  vor  äugen  gehabt 
habe ,  so  weisz  ich  doch  nicht ,  ob  nicht  an  unserer  stelle  vielmehr 
eine  beeinflussung  des  vorliegenden  Prop.textes  durch  jene  Ov.stelle 
anzunehmen  ist.  nach  meiner  ansieht  schrieb  Prop.  meque  inter 
8  a  er  OS  laudahü  Borna  poetas.  war  nun  in  einem  frühem  exemplare 
sacros  mit  abkürzung  geschrieben,  so  las  der  abschreiber  serös ^  was 
zur  weitem  folge  die  änderung  von  poetas  in  n^des  hatte,  viel- 
leicht eben  weil  dem  Schreiber  die  Ovidischen  worte  vorschwebten. 
inter  sacros  poetas  laudare  würde  ebenso  gesagt  sein  wie  zb.  inter 
sicarios  accusare. 

m  12,  14  musz  ich  misbilligen  dasz  B.  die  vulgate  sie  redeunt 

(N  si  creäunty  die  übrigen  hss.  si  credent^  welche  dilferenz  sich  ein- 

e 
fach  aus  der  correctur  sicredunt  erklärt)  in  si  redient  (oder  si  redeunt) 

ändert,  auch  bei  der  vulgatlesart  ist  natürlich  stillschweigende  Vor- 
aussetzung: *wenn  sie  eben  überhaupt  zurückkehren';  dies  aber  be- 
sonders zu  betonen  ist  unpoetisch,  übrigens  vgl.  man  die  klage  der 
Alcjone  Ov.  met.  XI  727  sie  o  carissime  coniunx^  sie  ad  me,  mise- 
rande^  redis?  (nemlich  als  leiche)  und  ähnlich  Verg.  Äen,  IX  491 , 
wo  die  mutter  des  Euryalus  beim  anblick  des  aufgespieszten  kopfes 
ihres  sohnes  wehklagt:  hoc  mihi  de  tCy  nate^  refers? 

m  13,  8  cinnamon  et  muUi  pastor  odoris  Ärabs,  hier  hsit  pastor 
mit  recht  allgemein  anstosz  erregt,  was  hat  der  hirt  mit  der  zimt- 
cultur  zu  thun?  wenn  LPolster  'quaestiones  Propertianae'  (OstTowo 
1881)  pastor  zu  verteidigen  sucht  und  als  parallelsteUe  Statins  ^«^t;. 
I  4, 105  f.  anführt:  odoriferis  Arahum  quod  doctus  in  aruis  aut  Am- 
phrysiaco  pastor  de  gramine  carpsit,  so  scheint  er  nicht  zu  wissen 
dasz  dort  schon  Domitius  Calderinus  carpsi  corrigiert  hat,  was  auch 
in  den  beiden  neusten  ausgaben  der  silven  von  Queck  und  Baehrens 
steht,  offenbar  ist  nemlich  jener  hirt  Apollo  (Verg.  georg,  III  2 
pastor  ab  Ämphryso)^  der  am  thessalischen  flusse  Amphrysus  zauber- 
kräuter  pflückt  jene  Verteidigung  von  pastor  ist  also  durchaus  hin- 
fällig, auch  an  der  Verbindung  der  worte  mtdti  odoris  mit  (pastor) 
Arabs  hat  sich  wohl  mancher  gestoszen;  doch  steht  Prop.  lY  3,  64 
odorato  duci  von  einem  morgenländischen  feldherrn.  B.  setzt  für 
pastor  die  conjectur  Gujets  coston  in  den  text.  in  erwägung  jedoch^ 
dasz  jeder  der  drei  vorausgehenden  verse  sein  eignes  verbum  hat 
(5  miUity  6  u>enü^  7  praebet),  suche  ich  auch  hinter  |7a5^  ein  sol- 
ches, und  zwa.r  prae st at.  jetzt  steht  nichts  im  wege  zu  verbinden 
cinnamon  muUi  odoris* 


74  ERossberg:  zur  kritik  des  Propertius. 

III 17, 12  bieten  alle  hss.  ^^que  tiimorque  ammo  uersat  utroque 
modoy  nur  Y  hat  von  erster  band  animum.  B.  nimt  die  lesart  der  g 
animum  .  .  länmque  meum  auf,  wie  sie  zb.  schon  Broekhujzen  billigte, 
der  Überlieferung  nSher  dürfte  kommen  animo  cursat  utroque  meo 

(oder  auch  mihi^  wofür  das  compendium  m  gilt,  während  m  das  für 
modo  ist),  zur  vergleichung  für  den  gedanken  eignet  sich  die  von 
Broekhujzen  und  Burman  zur  stütze  von  utroque  angezogene  stelle 
Ov.  rem.  am.  443  secta  Upariüo  cum  mens  discurrit  utroque. 

in  19,  4  möchte  ich  für  captae  lesen  cupidae^  HL  21,  18 
undicolas  für  undisonos]  HL  22,  30  halte  ich  Äusonias  .  .  dapes 
für  eine  schon  frühzeitig  eingedrungene  interpolation  und  schreibe, 
indem  ich  hie  gleichzeitig  auf  y.  29  und  30  beziehe,  Ärgolicas. 
III  24,  30  vermutet  B.  iamiam  für  das  verderbte  tamen^  ohne  in- 
dessen jenes  in  den  text  zu  setzen,  mir  scheint  passender  nee  semd 
e»  et  non  semd  *so  manchmal',  für  diesen  gebrauch  des  nee  vgL  bei 
Prop.  selbst  11  3,  6  nee  solüus  »»  et  insölüus  und  viele  stellen  bei 
Ovidius. 

IV  2,  52  f&llt  die  Wiederholung  von  arma  auf;  vielleicht  ist 
ausa  zu  lesen ,  welches  wort  ja  bereits  durch  Vergilius  in  aufnähme 
gebracht  war. 

IV  3,  60  hat  B.  unter  beibehaltung  der  lesart  aller  hss.  ge* 
schrieben:  seu  uoluU  tangi  parea  lueerna  mero.  allein  tangere  ist 
im  munde  des  dichters  doch  ein  gar  zu  allgemeiner  und  trivialer 
ausdruck  für  die  in  rede  stehende  sache.  die  Itali  corrigierten  daher 
tingij  welches  ich  jenem  vorziehen  würde,  wenn  mir  nicht  eine  stelle 
des  Petronius,  welcher  möglicherweise  die  unsnge  zum  vorbilde 
diente,  spargi  zu  schreiben  riete,  es  heiszt  nemlich  bei  Petr.  74: 
lucernamque  etiam  mero  spargi.  man  vgl.  auch  die  ausdmcks- 
weise  Ov.  epist,  Herus  153  ecce  merum  nutrix  faustos  instillat  in 
ignes  und  epist.  Laod,  113  iura  damus  lacrimamque  super,  quae 
sparsa  relucet,  ut  solet  affuso  surgere  flamma  mero. 

IV  4,  47  craSy  ut  rumor  ait^  tota  pt^nabitur  urhe,  dasz  pugna- 
bitur  nicht  am  platze  ist ,  lehren  die  verse  75  und  78.  darum  hat 
APalmer  dem  ungefähren  sinne  nach  gewis  richtig  geschrieben 
cessabitur  (aufgenommen  von  Baehrens),  welches  jedoch  etwas  matt 
ist  und  den  überlieferten  buchstaben  gar  nicht  entspricht,  diese 
sowie  conuiuia  in  v.  75  und  ebria  turba  v.  78  führen  vielmehr  auf 
potabitur,  vgl.  Ov.  fast.  III  526.  im  folgenden  verse  ist  für  tu 
vielleicht  besser  tum  zu  lesen,  auch  die  nSchsten  verse  49.  50 
scheinen  fehler  zu  enthalten,  unter  vergleichung  von  Ov.  met.  JUY 
785  f.  und  fast.  I  269 — 272  möchte  ich  vorschlagen:  quippe  laten- 
tes I  fdUad  celat  limite  supter  aquas.  —  IV  4,  85  iai praebebant 
ein  stein  des  anstoszes.  die  verbessemngsvorschlSge  s.  bei  Baehrens. 
ich  glaube  nicht  d&sz  praebebant  entstellt  ist,  sondern  vielmehr  die 
folgenden  werte  somnos,  sed.  der  ganze  vers  dürfte  gelautet  haben: 
omn ia  praebebant  somno  se:  luppüer  unus. 


KBossberg:  znr  kritik  des  Propertias.  75 

IV  5,  69  halte  ich  tegetes  .  .  patemas  trotz  der  Interpretation 
Bnrmans  für  verderbt,  anter  vergleichnng  von  v.  2  und  75  schreibe 
ich  tahernae. 

lY  6,  28,  wo  B.  die  lesart  der  hss.  beibehält,  indem  er  den  vers 
in  klammem  setzt,  lese  ich:  quam  tidit  irato  mobüis  u/nda  Noto, 
der  ablatiy  ist  von  mohiUs  abhängig.  —  IV  6,  33  scheint  mir  durch- 
aus nötig  zu  schreiben  uultum ^  some  y.  35  quali.  wie  Prop. 
sagen  konnte  attulerat  crines^  so  natürlich  auch  uuUum.  —  IV  6,  64 
ist  hoc  unum,  wie  B.  bemerkt,  sicher  verderbt,  doch  enthält  sein 
€^utum  (in  der  ann.  crit.)  schwerlich  die  heilung.  ich  lese:  iUapetU 
Nüum  (^tnha  male  nixa  fugad  \  hoc  animo:  itisso  non  marüura  die. 
auch  habe  ich  wohl  daran  gedacht,  es  könne  unter  hoc  untim  ein 
epitheton  zu  Nüum  sich  verbergen,  sollte  dies  der  fall  sein,  so  läge 
am  nächsten  occuUum  (wegen  seiner  verborgenen  quellen?). 

IV  7,  2  hmdaque  euinctos  effugU  umbra  rogos.  dies  die  les- 
art von  F  D  V ;  N  bietet  eiimäoSy  also  dasselbe,  in  schlechteren  hss. 
findet  sich  dafür  euktos^  welches  in  viele  ausgaben  eingang  gefun- 
den. Baehrens  hat  die  Passeratsche  conjectur  extindos  aufgenom- 
men, wenn  man  aber  die  nachahmung  Ov.  trist.  IV  10,  85  ver- 
gleicht: si  tamen  extinctis  aliquid  nisi  nomina  restat,  et  gracüis 
structos  effugit  umbra  rogos^  so  wird  man  geneigt  sein 
meinem  vorschlage  folgend  an  unserer  stelle  extructos  zxi  schrei- 
ben ,  welches  von  der  Überlieferung  auch  kaum  weiter  absteht  als 
jenes  extindos.  vgl.  noch  Ov.  ex  Ponto  III  2,  31  effugiunt  structos 
nomen  honorque  rogos  und  für  extrudus  Ov.  am.  HL  9  {TibuUus) 
ardet  in  extructo,  corpus  inane^  rogo.  fast.  III 546  (Dido)  arserat 
extructis  in  stM  jfata  rogis.  —  IV  7, 19  f.  sa^pe  Venus  triuio  com- 
missa  est  pedore  mia^o^  \  fecerunt  tepidas  pectora  nostra  uias.  so 
lesen  FDV.  das  pedora  ist  in  den  pentameter  offenbar  aus  dem 
vorhergehenden  verse  eingedrungen.  N  und  mit  ihm  die  2e  band 
in  V  bieten  päRia ,  die  2e  band  von  F  palia.  ich  halte  diese  lesart 
für  eine  verunglückte  conjectur,  da  der  entstehende  sinn  nicht  ge- 
nügt, wann  haben  mäntel  einen  weg  warm  gemacht?  um  dies 
paUia  zu  heilen ,  ist  proeUa  vorgeschlagen  worden ,  und  B.  versucht 
jetzt  furtaque.  ich  glaube ,  es  entspricht  der  Sachlage  wie  der  Über- 
lieferung mehr  corpora  herzustellen,  welches  ja,  wie  bekannt,  in 
den  hss.  nicht  selten  mit  pedora  vertauscht  wird.  —  IV  7,  36  sensi 
ego,  cum  insidns  päRida  uina  hihi,  wenn  die  stelle  richtig  überliefert 
ist,  läszt  sich  nur  verbinden  uina  insidüs  paUida  'wein  durch  hinter- 
list  todbringend',  diese  ausdrucksweise  wäre  überaus  geschraubt, 
vielleicht  empfiehlt  sich  in  cyathis  einzusetzen,  welches  geschrie- 
ben sein  konnte  inciatis,  vgl.  die  lesart  von  cod.  F  zu  IV  8,  37.  — 
rV  7,  37  genügt  das  überlieferte  aut  Nomas  in  keiner  weise ,  aber 
auch  der  verschlag  von  Baehrens  haut  Nomas  arcanas  toUat  uersuta 
säliuaSy  zu  welchem  er  die  erklärung  gibt  haut  toUat  <»  'non  potest 
negare',  leidet  an  Unklarheit  und  Sonderbarkeit  des  ausdrucks.  ein 
besserer  sinn  wird  sich  ergeben,  wenn  wir  für  atä  das  concessive 


76  ERoBsberg :  zar  kritik  des  Propertias. 

ut  herstellen,  dann  ist  der  gedanke:  'gesetzt  auch  dasz  die  ver- 
schlagene Nomas  den  geheimnisvollen  schleim  (das  zanbergift)  bei 
Seite  schafft,  so  wird  doch  die  feuerprobe  die  thäterin  ans  licht 
bringen.'  —  IV  7,  63  Ändramedeqtse  et  Hypermestre  sine  fraude 
maritae.  die  werte  sim  fraude  marüae  lassen  zwei  aaffassnngen 
zu:  entweder  als  dativ,  dann  würde  man  jedoch  eher  den  ploral  er- 
warten; oder  als  nom.  plur.,  dann  läszt  sich  nicht  einsehen  wie  diese 
bezeichnung  auch  fQr  Andromeda  passen  soll,  die  ein&chste  hilfe 
scheint  mir  zu  sein  statt  maHt€ie  den  Singular  mar ita  zu.  setzen. 

IV  8,  37  las  man  bisher  mit  Scaliger  uürique  aesHua  supeOex 
unter  vergleichung  von  Copa  29.  dabei  wurde  ausgegangen  von  der 
lesart  utriquCy  welche  sich  in  N  von  erster,  in  V  und  F  von  zweiter 
band  findet  dagegen  haben  V  und  F  von  erster  band  und  mit  ihnen  D 
uterque.  dieser  lesart  gegenüber  macht  die  von  N  usw.  den  eindruck 
einer  correctur.  der  corrector  dachte  wohl  an  den  daüv  von  iderque 
und  meinte  die  Phyllis  und  Teia.  B.  hat  nun  nach  uterque  geschrie- 
ben craterque.  ich  glaube,  es  ist  gar  nicht  nOtig  an  der  überliefe* 
rung  von  D  V  F  zu  ändern ;  man  verstehe  nur  üter  'der  weinschlauch', 
ein  solcher  scheint  gerade  bei  dem  improvisierten  sommerlichen 
gartengelage  (im  inpluvium)  wohl  angebracht  zu  sein. 

IV  9,  28  hat  B.  unter  benutzung  der  Heinsiusschen  conjeotur 
iuris  für  putris  in  den  text  gesetzt :  iuris  odoraio  lux  erat  igne  casa. 
die  trennung  des  überlieferten  luxerat  in  lux  erat  ist  freilich  einfach 
genug;  aber  gibt  jener  text  auch  einen  passenden  sinn?  'in  der 
hütte  war  licht  durch  das  duftige  feuer  des  Weihrauchs'?  ich  habe  von 
brennendem  Weihrauch  zwar  schon  qualm  genug,  aber  noch  kein  licht- 
spendendes feuer  gesehen,  damit  f^llt  für  mich  iuris,  unter  odoraio 
igne  denke  ich  mir  vielmehr  ein  solches  feuer,  wie  es  Verg.  Am, 
VII 13  beschrieben  wird :  (Circe)  urü  odoratam  nocturna  in  lumma 
cedrum,  also  von  duftigem  cedemholz  oder  ähnlichem,  luxerat  aber 
leite  ich  nicht  von  lucere  her,  sondern  von  lucescere,  so  dasz  also 
unser  ganzer  vers  mit  dem  wunderhübsch  malenden  putris  hiesze : 
'die  baufällige  hütte  hatte  zu  leuchten  angefangen  (dh.  war  eben 
erleuchtet  worden)  durch  feuer  von  wohlriechendem  holz.'  ich  wüste 
nicht  was  daran  auszusetzen  wäre. 

IV  10,  5.  weder  durch  imbuis  (N  und  V  m.  2)  noch  durch 
inicis  (Baehrens)  wird  das  induis  der  übrigen  hss.  berichtigt,  die 
stelle  bleibt  holprig,  ich  mag  nicht  empfehlen  indutus  Bomuley  ob- 
wohl sich  auch  solche  Verbindungen  finden  (man  denke  an  des 
Ausonius:  lat^  uent,  nouus  anne  uem)\  schreibt  doch  auch 
Baehrens  Prep.  IV  11,  24  nach  den  g  und  meinem  verschlag  Tan- 
taleus  corripiare  liquor.  die  Verderbnis  scheint  tiefer  zu  liegen: 
denn  auch  primae  paHmae  huiiAS  ist  sonderbar  gesagt,  ohne  zu  glauben 
den  ursprunglichen  worÜaut  getroffen  zu  haben,  scheint  mir  doch 
folgender  herstellungsversuch  der  stelle  der  erwägung  wert  zu  sein : 
indiges  exempUtm primus  tu  Bomute paimae 
huvus  es:  exuuiopienus  ab  hoste  redis. 


EBoBsberg:  zar  kritik  des  Propertias.  77 

rV  11,  37  testor  maiorum  cineres  tibi^  Bomay  cölendoSy 

suh  Quorum  iüulis^  Africa,  ttmsa  iaces^ 
et  Persem  proaui  stimulanlem  pectus  ÄchtUi 
quique  tuasproauo  (regit  Ächüle  dotnos, 
in  diesen  überaus  schwierigen  versen  ist  zunächst  sicher  richtig  für 
stifmlafUetn  von  den  Itali  simülantem  hergestellt,   zur  heilung  der 
übrigen  worte  von  v.  39.  40  sind  allerlei  versuche  angestellt  wor- 
den, worüber  am  ausführlichsten  bei  Burman.    Baehrens  hat  die 
coiyectur  von  Heyne  qui  Persem  .  .  et  tumidas  .  .  aufgenommen, 
die  sich  auf  Sil.  Ital.  XY  291  stützt,  aber  einerseits  sehr  stark  von 
der  Überlieferung  abweicht,   anderseits  das  im  anfange  von  v.  39 
unentbehrliche  et  beseitigt,   ich  schlage  vor  mit  änderung  von  zwei 
buchstaben  zu  schreiben : 

et ,  Persem  proaui  simülantem  pectus  ÄchiUi 
quique  reas  proauo  fregit  ÄchiUe  domos, 
zn  construieren  ist  natürlich:  et  eum^  qui  Persem  Äc^iUis  proaui 
pectus  simülantem  et  domos  ÄchiUe  proauo  reas  fregit.  die  worte 
ÄchiUe  proauo  sind  als  freierer  ablativ  (eine  art  abl.  abs.)  zu  fassen. 
*die  wegen  ihres  urahnen  Achilles  schuldbeladene  familie'  wird 
das  geschlecht  der  makedonischen  könige  genannt,  weil  Achilles 
die  Trojaner^  von  denen  die  Römer  ihren  stamm  ableiteten,  bekriegt 
und  zum  Untergang  ihrer  stadt  beigetragen  hatte,  zu  diesem  ge- 
danken  vergleiche  man  Verg.  Äen.  VI  838  eruet  iUe  Ärgos  Äga^ 
memnoniasque  Mycenas  ipsumque  Äeadden^  genus  armipotentis 
ÄchiUis^  ultus  auos  Troiae.  —  IV  11,  86  wird  von  Heinsius  für 
cauta  nouerca  vorgeschlagen  torua^  von  einem  andern  gelehrten 
ducta^  letzteres  entschieden  matt,  ersteres  mit  rücksicht  auf  v.  88 
auf  den  ersten  blick  nicht  unpassend,  indessen  möchte  ich  nicht 
glauben  dasz  der  Cornelia  hier  ein  tadelndes  epitheton  der  nouerca 
in  den  mund  gelegt  werden  darf,  sind  doch  die  verse  85 — 90  eben 
darauf  berechnet  die  Stiefmutter  gegen  die  söhne  günstig  zu  stim- 
men, das  hätte  aber  durch  eine  bezeichnung  wie  cauta  oder  torua 
schwerlich  geschehen  können,  torua  hat  auch  in  ansehung  seiner 
buchstabengestalt  wenig  Wahrscheinlichkeit  für  sich,  der  Überliefe- 
rung würde  nun  sehr  nahe  kommen  culta  oder  comta  Mie  geputzte', 
weil  neuvermählte,  allein  auch  hierin  könnte  noch  ein  anfing  von 
tadel  gefunden  werden,  nach  meiner  Überzeugung  schrieb  Prop. 
casta  nouerca.  nur  eine  solche  kann  sich  Cornelia  als  ihre  nach- 
folgerin  denken,  nur  einer  solchen  gegenüber  dürfen  die  söhne  er- 
mahnt werden :  coniugium  paternum  laudate  et  ferte.  dasz  dennoch 
V.  88  davon  die  rede  ist,  dasz  die  Stiefmutter  durch  die  Hebens  Wür- 
digkeit der  knaben  gewonnen  werden  soll,  darf  doch  gewis  nicht 
auffallen:  denn  wenn  dieselbe  auch  casta  ist,  so  bleibt  sie  doch 
eben  —  nouerca, 

Norden.  Eonrai>  Bossberg. 


78        SBrandt:  ein  drnckfehler  bei  Ovidius  [trist.  IV  10,  107]. 

13. 

EIN  DRUCKFEHLER  BEI  OVIDIUS. 


Ein  stehen  gebliebener  drnckfehler ,  gewis  nichts  sonst  ist  es, 
wenn  es  in  der  Merkeischen  textausgabe.  von  Ov.  trist,  IV  10,  107 
heiszt : 

totque  tuU  castus  pelagoque  terriique  y  quot  ifUer 
occuUum  steUae  conspicuutnque  pc^um. 
es  wäre  kaum  ein  wort  über  eine  solche  kleinigkeit  zu  Tcrlieren, 
wenn  es^nur  bei  diesem  erratum  im  Merkeischen  texte  geblieben 
wäre,  aber  aus  Merkel  gieng  der  fehler  in  die  ausgäbe  Ton  Biese 
über  bd.  III  s.  181,  zum  dritten  male  erscheint  der  vers  mit  tHrra 
in  der  auswahl  von  Volz  ^die  römische  elegie'  2e  aufl.  1876  s.  11^ 
und  damit  noch  nicht  genug,  auch  noch  ein  viertes  mal  findet  er 
sich  bei  Jacoby  'anthologie  aus  den  elegikem  der  Römer'  (1882) 
I  8.  58.  da  scheint  es  denn  doch  nötig  diesem  zählebigen  vers- 
monstrum  eine  etwaige  weitere  existenz  unmöglich  zu  machen. 

Was  nun  die  richtige  lesung  des  verses  betri£ft,  so  ist  sie  nicht 
ohne  eine  kleine  Untersuchung  den  hss.  zu  entnehmen,  in  dem  wert- 
vollen teile  des  Laurentianus,  den  FTank  'de  Tristibus  Ovidii  recen- 
sendis'  (Stettin  1879)  ermittelt  hat,  fehlt  der  letzte  teil  des  4n  buches 
der  Tristien.  der  Palatinus  I,  den  Merkel  in  der  ausgäbe  von  1837 
zu  gründe  legte,  jetzt  aber  Tank  als  den  unzuverlässigsten  aller 
zeugen  erweist,  gibt  mit  anderen  schlechten  hss.:  totque  tuU  casus 
terra  pelagoque  quot  inter^  willkürlich  in  dem  sonst  bessern  Pa- 
latinus n  geändert  in:  totqtie  tüli  poenas  terra  pelagoque  quot 
inter.  der  bisweilen  subsidiär  zu  verwendende  Gothanus  hat :  totque 
tuli  casus  pelago  terraque  q.  i. ,  und  in  dem  für  die  im  bessern 
teile  des  Laur.  fehlenden  partien  zunächst  maszgebenden ,  freilich 
ihm  weit  nachstehenden  Guelferbjtanus  findet  sich,  wie  wir  aus 
gelegentlicher  freundlicher  mitteilung  von  hm.  dr.  Tank  wissen, 
totque  tüli  terra  casus  pelagoque  q,  i. 

In  unterm  falle  werden  wir  von  vom  herein  nicht  geneigt  sein 
dem  Guelf.  mit  seiner  nicht  natürlichen  trennung  von  terra  und 
pelagoque  recht  zu  geben,  der  Pal.  I  aber  verdient  keine  beachtung« 
doch  gibt  der  Pal.  II ,  der  freilich  in  poenas  gefälscht  ist ,  ebenfalls 
terra  pelagoque  ^  so  dasz  nun  zwischen  ihm  und  dem  Gothanus  mit 
pelago  terraque  entschieden  werden  musz.  wir  werden  nicht  zweifeln, 
welcher  von  beiden  lesarten  der  vorzug  gebührt,  wenn  wir  die  ganz 
ähnliche  sichere  stelle  ^ri^. III  2,  7  vergleichen:  plurima  sed  pelago 
terraque  pericula  passum  ustus  ab  assiduo  frigore  Pontus  habet. 
dieselbe  Stellung  findet  sich  wiederum  trist.  IV  1,  51  et  partim 
pelago  partim  vestigia  terra  vd  rate  dignatas  (sa  deas)  vet  pede 
nostra  sequi  ^  und  mit  geringer  änderung  trist.  V  3,  12  nuncprocul 
a  patria  Geticis  circumsonor  armis^  multa  prius  pelago  muUaque 
passus  humo.  demnach  hat  allem  anschein  nach  hier,  wie  auch  sonst 


HZurborg:  za  Xenophons  Hellenika.  79 

bisweilen,  im  Gothanus  sich  die  richtige  lesart  pdago  terraque  er- 
halten^  und  so  wollte  gewis  auch  Merkel  schreiben,  allerdings  wendet 
Ovidius,  wo  er  von  seiner  reise  in  das  exil  spricht,  auch  die  um- 
gekehrte Stellung  an:  trist,  III 11, 59  tot  mala sum  fugiens  tellurCy 
tot  aequorepassuSf  und  IV  8,  15  non  ita  di$  visum,  qui  me  terra- 
que marique  actum  Sarmaticis  exposuere  lociSy  und  ex  Ponto  TL 
7,  30  quos  (sc.  lahores)  ego  sum  terra,  quos  ego  passus  aqua.  vgl. 
auch  trist,  IV  1,  21  f.  allein  hier  wird  man  annehmen  dürfen  dasz 
der  dichter,  zumal  da  er  in  den  gedichten  aus  der  Verbannung  von 
peinlicher  Sorgfalt  weit  entfernt  ist,  dem  zwange  des  verses  nach- 
gab, an  der  zweiten  stelle  auch  um  der  gewöhnlichen  redeweise  terra 
marique  willen ,  abgesehen  davon  dasz  an  keiner  dieser  stellen  das 
wort  pelagus  angewandt  wird,  denn  für  das  naturgemäsze,  dem 
wirklichen  gange  der  reise  wie  der  schwere  der  mühen  und  gefahren 
entsprechende  wird  man  jedenfalls  die  Stellung  pelago  terraque 
halten  müssen :  zuerst  kamen  die  groszen  leiden  zur  see  (Jurist,  I  2. 
4.  11),  dann  die  viel  geringeren,  kaum  erwähnten  {frist.  IV  1,  21  f.) 
auf  dem  landwege  durch  das  bistoniscbe  Thrakien  von  Tempyra  aus 
{trist.  1 10,  21  £P.).  Ovidius  hat  also  die  Stellung  peZa^o  terraque  hier 
ebenso  mit  be wustsein  und  absieht  gewählt,  wie  her,  4,  5  die  um- 
gekehrte terra  petagoque,  wo  für  Phaedra,  wenn  sie  an  Hippel jtus 
schreibt,  briefe  überbrächten  geheimnisse  überallhin,  die  erwähnung 
des  landes  näher  liegt  als  die  des  meeres. 

Heidelberg.  Samuel  Brandt. 

14. 

ZU  XENOPHONS  HELLENIKA. 


1 1,  36  Ktti  auToO  Toiv  vediv  ipcic  diröWiiVTCci  dv  Tifi  *6XXtic- 
TTÖvTq)  ÖTTÖ  TOIV  'AxTiKoiv  ^vvctt  vciliv,  ttt  dci  ^viaOGa  xd  iiXoTa 
bi€q)uXaTTOV,  al  h '  fiXXai  f cpirrov  elc  Ct]ctöv,  dKcTGev  bk  elc  BuCdv- 
Ttov  £ciu6r]cav.  zu  der  zeit,  von  der  hier  die  rede  ist,  war  Sestos 
athenische  flottenstation ;  es  ist  also  auffällig ,  dasz  die  peloponne- 
sischen  schiffe ,  welche  auf  der  fahrt  nach  Byzantion  und  Ealchedon 
begriffen  sind,  sich  vor  den  Athenern  gerade  dorthin  geflüchtet 
haben  sollen,  denn  wenn  ihnen  etwa  jene  thatsache  unbekannt  war, 
so  werden  doch  die  dort  stationierten  attischen  schiffe  sie  jedenfalls 
am  einlaufen  gehindert  haben,  ich  vermute  deshalb  dasz  Xenophon 
£q)€UTOV  schrieb;  so  dasz  sich  der  sinn  ergibt:  'sie  beabsichtigten 
(waren  drauf  und  dran)  ihre  flucht  nach  Sestos  zu  nehmen ,  retteten 
sich  aber  (ohne  wirklich  einzulaufen ,  da  sie  im  letzten  augenblick 
die  drohende  gefabr  erkannten)  von  dort  nach  Bjzantion.'  genau 
so  gebraucht  wird  das  imperfectum  17,7  TOiauTa  X^yovtcc  I  tt  €  1 6  o  v 
TÖv  bf^^ov  'sie  waren  drauf  und  dran  das  volk  zu  überzeugen',  wo 
das  thatsächliche  nachher  ebenfalls  mit  dem  aorist  IboSe  bk  dva- 
ßaX^cOai  entgegengestellt  wird. 


80  HZurborg:  zü  Xenophone  Hellenika. 

n  1,  15  Ka\  TrpocßaXdiV  (6  Aucavbpoc)  ttöXci  Td»v  *A6iiva(u)V 
cumidxtu  övo^a  Kebpeiatc  tQ  äcrepaia  TrpocßoX^  xard  Kpdroc  atpei. 
die  ausleger  streiten,  ob  die  worte  tQ  öcrepaiqi  TipocßoX^  zu  ver- 
binden sind  =  impäu  postero^  oder  ob  rfji  ucrepafa  so  viel  wie 
postridie  ist  und  TTpocßoX^  als  instrumentaler  dativ  za  KOrd  KpdTOC 
a\p€T  gehört,  im  erstem  falle  wäre  der  artikel  sehr  auffällig;  auch 
steht  einem  'zweiten  angriff*  gar  kein  eigentlicher  ^erster'  gegen- 
über, da  das  an  der  spitze  des  satzes  stehende  TrpocßaXüLiv  nur  all- 
gemein den  beginn  der  feindseligkeiten  gegen  die  stadt  andeutet, 
in  dem  zweiten  falle  aber  ist  irpocßoX^  ein  völlig  überflüssiger,  ja 
störender  zusatz  (vgl.  §  19  TrpocßaXövTCC  hk  TlJ  iiöXei  atpoCci  Kard 
KpdTOc);  und  so  dürfte  denn  in  diesem  worte  nur  ein  zur  erklärung 
von  T^  ucTcpaicji  aus  TrpocßaXövT€C  fälschlich  hinzugefügtes  emblem 
zu  sehen  sein. 

II  3,  19  6b*  aö  Qr\Qaiiiyn\c  xai  irpöc  laOra  ?X€T€V  ,  ön  firo- 
7T0V  boKoiii  iaxniSji  T€  clvai  xö  ttpätov  jitv  ßouXofi^vouc  toöc  ßcX- 
TiCTOuc  Tdiv  TToXiTiBv  KOivuivoöc  iioii^cacOai  xpicxiXCouc  <TTOir|ca- 
c6ai  add.  Sauppe^  .  •  ^TTCiTa  h\  £q)T)>  ^P^  Itü>T€  usw.  unbegreiflioh 
erscheint  dem  redner  zweierlei:  erstens  dasz  die  dreiszig,  in  der 
absieht  die  besten  unter  den  bürgern  mit  zu  ihrer  neuen  Staats- 
ordnung heranzuziehen,  gerade  auf  die  zahl  3000  verfallen  sind; 
zweitens  (^TieiTa  b*  —  dieser  gedanke  ist  als  hauptsatz  gegeben) 
dasz  sie  inconsequenter weise  eine  gewaltherschaft  erstreben  und  doch 
sich  in  abhängigkeit  von  jenen  3000  bürgern  bringen  wollen,  nun 
heiszt  aber  tö  TiptÜTOV  'anfänglich,  früher'  oder  'zum  ersten  male'; 
was  man  erwartet,  ist  vielmehr  TTponrov.  der  artikel  tö  ist  also  hinter 
TTpuJTOV  fiiv  zu  stellen  und  mit  dem  (zweiten)  infinitiv  TTOirjcacGai 
zu  verbinden. 

II  3,  40  €ÖbT]Xov  tdp  fjv,  ÖTi  TOUTUiV  dTroXo|Li^vuiv  (dh.  nach 
der  von  Kritias  vorgeschlagenen  hinrichtung  von  dreiszig  metöken) 
Kttl  ol  fLi^TOiKOi  dnavTCC  ttoX^iuioi  tQ  TToXiT€i(x  &01VT0.  der  redner 
will  offenbar  nicht  die  befürchtung  aussprechen,  dasz  die  metöken 
durch  die  von  Kritias  veranlaszte  grausam keit  in  eine  feindselige 
Stellung  gegen  den  athenischen  staat  gedrängt  werden  würden, 
sondern  dasz  sie  von  der  gegenwärtigen  oligarchischen  Ver- 
fassung und  ihren  häuptem  sich  abwenden  würden,  so  heiszt  es 
auch  vorher  ähnlich  von  den  gesinnungsgenossen  des  hingerichteten 
Leon  fjbciv  .  .  ÖTi . .  ivavrioi  xfjbe  t^  TroXiTeicji  fcoivro  und  von 
denen  des  ebenfalls  getöteten  Nikeratos  ^TiTVWCKGV  .  .  ÖTt  .  .  buc- 
lueveTc  flfiiv  t^v/jcdivtc.  der  sinn  verlangt  also  dasz  auch  in 
obigem  satze  vor  t^  TroXiT€(qi  ein  T^be  eingeschoben  wird,  das  ja 
infolge  des  gleichklangs  leicht  ausfallen  konnte,  ähnlich  heiszt  es 
auch  unten  §  42  dird  yc  |Lif|V  ttoXXouc  diwpujv  iv  Tf|  iröXci  -rij  dpx^ 
Tribe  bucjLieveic. 

Z  ERBST.  Hermann  Zürboro. 


BESTE  ABTEILUNG 

FÜR  CLASSISCHE  PHILOLOGIE 

HERAUSGEGEBEN  VON  ALFRED  FlECKEISEN. 


15. 

OLTMPIA.  DAS  FEST  UND  SBIME  STÄTTE.  NACH  DEN  BERICHTEN  DER 
ALTEN  UND  DEN  ERGEBNISSEN  DER  DEUTSCHEN  AUSGRABUNGEN. 

VON  Adolf  Boettioheb.  mit  vielen  Holzschnitten  und 
15  tafeln  in  KUPFERRADI rbung,  LITHOGRAPHIE  ETC.  Berlin,  Ver- 
lag von  Julius  Springer.    1883.    XII  u.  407  8.  lex.  8. 

Möge  es  mir  vergönnt  sein  die  nachfolgende  besprechung  von 
Adolf  Boettichers  'Olympia'  anzuknüpfen  an  die  recension  von  Ernst 
Cnrtius'  Teloponnesos',  welche  ich  bald  nach  der  Veröffentlichung 
dieses  werkes  vor  dreiszig  jähren  (1853)  in  diesen  selben  Jahrbüchern 
bd.  67  s.  288 — 315  erscheinen  liesz.  zunächst  will  ich  an  die  worte 
erinnern ,  welche  ich  Curtius'  damaliger  Schilderung  der  ebene  von 
Olympia  (II  49  —  71)  s.  308  hinzufügte:  'möchten  die  wünsche, 
welche  er  am  schlusz  ausspricht,  dasz  mit  kraft  angegriffene  und 
mit  ausdauer  fortgesetzte  nachgrabungen  an  dieser  stelle  noch  viele 
denkmäler  des  altertums  ans  licht  bringen  werden  —  er  selbst 
nennt  sie  in  der  Überschrift  fromme  wünsche,  doch  nur  im  wahren 
nnd  besten  sinne  des  wertes  —  bald  in  erfüUung  gehen!'  und  ihnen 
lasse  ich  den  znruf  folgen,  den  Curtius  in  seiner  königsrede  (22  märz 
1880)  mit  freudigem  dankgefühl  an  seine  Universitätsgenossen  rich- 
ten durfte  (altertum  und  gegen  wart  11  195) :  'in  Olympia  ist  durch 
ruhig  fortschreitende  aufräumung  innerhalb  der  gezogenen  grenzen 
einer  der  merkwürdigsten  platze  des  altertums  mit  der  dichten  gruppe 
geschichtlicher  denkmäler  jeder  art  vollständig  an  das  licht  gezogen, 
und  mit  hilfe  der  zuletzt  gewährten  mittel  werden  wir  am  ende  des 
fünften  jahres  sagen  dürfen:  hier  ist  die  Altis  von  Olympia,  hier 
liegt  sie  mit  allen  ihren  gründnngen  und  dem  ganzen  bestände  dessen 
was  der  Zerstörungswut  der  barbaren  und  der  demente  entgangen 
ist,  übersichtlich  vor  euch!'  vier  wochen  später  ist  mir  das  glück 
xa  teil  geworden  in  Curtius'  und  seiner  freunde  geleite  vier  tage 

Jahrbücher  für  clau.  philol.  1888  hft.  8.  6 


82  JClassen:  anz.  v.  ABoettichera  Olympia. 

(20  bis  24  april  1880)  diese  ebene  in  anscbanung  ihrer  wiederauf- 
gedeckten schätze  zu  durchwandern. 

Ich  schicke  diese  persönlichen  erinnerungen  der  ausfUhrung 
meiner  aufgäbe  voraus,  um  es  meinen  lesem  begreiflich  zu  machen, 
dasz  die  von  befreundeter  seite  an  mich  gerichtete  aufforderung  mein 
urteil  über  Boettichers  'Olympia'  auszusprechen  mir  freude  gemacht 
hat.  denn  so  wenig  ich  den  anspruch  erheben  kann,  die  Verdienste 
des  buches  nach  allen  Seiten  würdig  abzuschätzen,  so  darf  ich  doch 
hoffen  den  eindruck,  den  das  inhaltreiche  werk  auf  einen  an  seinem 
groszen  gegenstände  mit  liebe  teilnehmenden  gelehrten  auch  noch 
in  höherem  alter  macht,  nicht  ohne  innere  erfahrung  aussprechen  zu 
können. 

Ich  folge  aber  jener  aufforderung  um  so  lieber,  weil  derselbe 
grundgedanke ,  welcher  mich  bei  der  abfassung  der  recension  über 
Curtius'  Teloponnesos'  erfüllte,  mir  auch  bei  der  lectüre  der 
^Olympia'  lebendig  vor  die  seele  getreten  ist.  wie  damals  möchte 
ich  auch  jetzt  die  teilnähme  recht  vieler  jüngerer  beruf^genossen 
auf  ein  werk  hinlenken,  aus  welchem  uns  die  quelle  frischer  erkennt- 
nis  des  lebens  des  altertums  aus  umfassender  anschauung  und  gründ- 
lichem wissen  anregend  entgegenspradelt. 

Boettichers  'Olympia'  kommt  zunächst  einem  allgemein  empfun- 
denen bedürfnis  zu  günstiger  zeit  entgegen,  wir  haben  zwar  wäh- 
rend der  sechs  jähre ,  in  welchen  das  ruhmvolle  erste  friedenswerk 
des  neuerstandenen  deutschen  reiches  seinen  rüstigen  fortgang  nahm, 
durch  die  regelmäszigen  mitteilungen  des  'deutschen  reichsanzeigers' 
von  den  fortschreitenden  erfolgen  der  arbeit  officielle  künde  erhal- 
ten, und  die  von  1876  bis  1881  alljährlich  erschienenen  abbildungen 
der  ausgrabungen  mit  den  sorgfältigen  erläuterungen  der  heraus* 
geber,  denen  noch  vor  kurzem  'die  funde  von  Olympia ,  ausgäbe  in 
6inem  bände ,  herausgegeben  von  den  directoren  der  ausgrabungen 
in  Olympia  in  40  tafeln'  gefolgt  sind,  haben  uns  über  alle  einzelnen 
ergebnisse  des  groszen  Werkes  aufs  dankenswerteste  belehrt  und 
Zeugnis  gegeben  von  den  unablässigen  bemühungen  der  herausgeber 
'die  reiche  ernte  der  sechsjährigen  ausgrabungen  im  Alpheiosthale 
zu  verwerten  und  die  wissenschaftliche  darstellung  der  gesamtresul- 
tate  vorzubereiten.' 

Die  Vollendung  einer  so  umfassenden  arbeit  wie  diese  ist  aber 
nicht  in  kurzer  zeit  zu  erwarten ,  und  doch  war  es  in  hohem  grade 
wünschenswert  dasz  ein  gesamtüberblick  über  alles  durch  deutsche 
einsieht  und  ausdauer  in  Olympia  geleistete  den  zahlreichen  freunden 
des  altertums,  welche  das  werden  und  fortschreiten  des  erfreulichen 
Werkes  mit  lebhafter  teilnähme  begleitet  hatten,  so  bald  wie  mög- 
lich geboten  werden  möchte.  ABoetticher,  der  mit  frischem  mute 
an  diese  aufgäbe  herangetreten  ist,  hat  die  erwünschteste  begabung 
und  Vorbereitung  zu  derselben  mitgebracht,  sein  entschlusz  war 
von  anfang  an  dahin  gerichtet,  seine  zusammenfassende  darstellung 
nicht  für  den  engem  kreis  der  fachgelehrten  zu  bestimmen,  sondern 


JClasaen:  anz.  y.  ABoettichers  Olympia.  83 

den  versuch  zu  machen  ^die  kenntnis  von  dem  in  Olympia  positiv 
gewonnenen  und  eine  Vorstellung  von  den  hoffnungen ,  welche  sich 
daran  knüpfen,  in  die  weiteren  kreise  derer  zu  tragen,  denen  die  he- 
Bchftftigung  mit  dem  leben  und  der  kunst  der  classischen  zeit  eine 
liebgewohnte  ist'.  B.  ist  nicht  gelehrter  im  gewöhnlichen  sinne  des 
wertes ,  sondern  ein  classisch  gebildeter  architekt  von  umfassenden 
Studien  und  gründlicher  kenntnis  alter  und  neuer  geschichte  und 
kunst.  als  solcher  ist  er,  wie  er  uns  s.  72  berichtet,  im  verein  mit 
dr.  Oustav  Hirschfeld  (jetzt  professor  in  Königsberg)  zur  leitung 
der  archäologischen  und  technischen  arbeiten  bei  den  Ausgrabungen 
in  Olympia  im  auftrag  des  directoriums  zu  anfang  September  1875 
ausgesandt  worden  und  hat  während  der  ersten  campagnen  diese 
arbeit,  so  weit  es  seine  gesundheit  gestattete,  freudig  und  eifrig 
durchgeführt,  auf  späteren  reisen  ist  ihm  der  gröste  teil  des  übri- 
gen Griechenlands  bekannt  geworden ,  und  er  hat  sich  somit  nach 
allen  Seiten  eine  so  lebendige  anschauung  von  dem  gegenstände 
seiner  aufgäbe  gewonnen,  wie  sie  einem  werke  wie  dem  seinigen 
den  dauerndsten  eindruck  auf  den  empfänglichen  leser  verbürgt, 
dazu  lesen  wir  gern  in  seinem  verwerte,  dasz  er  sich  der  teilnehmen- 
den aufmunterung  von  ECurtius  zu  seinem  unternehmen  erfreut  hat 
und  unter  seinen  freunden  und  mitarbeitern  besonders  dem  prof. 
Hirschfeld  und  dr.  BWeil  kräftige  förderung  seiner  arbeit  verdankt, 
durch  den  ganzen  verlauf  des  buches  ist  bei  den  verschiedensten 
gelegenheiten  dankbar  der  belehrung  gedacht  worden ,  welche  ihm 
die  Untersuchungen  von  Dörpfeld,  Treu,  Borrmann,  Gräber,  Bohn 
ua.  über  bestimmte  fragen  der  gesamtaufgabe  gewährt  haben. 

Von  diesen  erfreulichen  einfiüssen  ist  der  Charakter  des  Werkes 
in  inhalt  und  form  durchgehends  erfüllt,  gern  lassen  wir  uns  von 
der  gehobenen  Stimmung,  welche  dem  vf.  in  seiner  angestrengten 
arbeit  ununterbrochen  treu  bleibt,  durch  die  lebendige  Schilderung 
sowohl  der  landschaft  wie  der  Überreste  der  architektur  und  sculptur 
hindurchführen,  und  folgen  mit  nicht  minderer  teilnähme  den  fein- 
sinnigen und  eindringenden  betrachtungen ,  die  sich  seinem  offenen 
blick  und  klaren  urteil  über  die  entwicklung  der  geschichtlichen 
zustände  und  die  wechselnden  gestaltungen  der  kunst  jener  zeiten 
aufdrängen,  der  ausdruck  ist  in  allen  teilen  des  buches,  von  der 
wohlüberlegten  einleitung  bis  zu  dem  hoffnungsvollen  schluszworte, 
frisch  und  lebendig ,  edel  und  ungekünstelt ,  so  dasz  wir  nirgends 
störend  berührt  oder  ermüdet  werden,  auch  das  zähle  ich  zu  den 
gewinnenden  Vorzügen  der  schönen  arbeit,  dasz  überall  da,  wo  in 
frskgen  der  richtigen  erklärung  älterer  kunstwerke  oder  der  recon- 
struction  trümmerhaft  erhaltener  fragmente  eine  entscheidung  zu 
treffen  war,  B.  seine  ansichten  mit  klarer  begründung  vorträgt,  den 
abweichenden  meinungen  anderer  aber  besonnen  ihr  recht  wider- 
fahren läszt  und  in  der  polemik  niemals  verletzt. 

Wir  versuchen  diesen  Charakter  der  ^Olympia*  in  einem  über- 
blick ihrer  einzelnen  teile  näher  darzulegen,   es  ist  nicht  meine  ab- 

6* 


84  JClassen:  anz.  v.  ABoettichers  Olympia. 

sieht ,  Id  das  detail  der  besonderen  Untersuchungen  ausführlich  ein- 
zugehen: ich  überlasse  die  anziehende  lectüre  und  lehrreiche  prtt- 
fung  derselben  dem  leser  selbst  und  beschränke  mich  darauf,  neben 
der  allgemeinen  Übersicht  des  inhalts  einzelne  punkte,  die  aus  einem 
oder  dem  andern  gründe  von  gröszerem  interesse  sind,  hervorzu- 
heben, ich  habe  mir  auch  gern  gestattet  B.s  eigne  werte,  wo  sie 
den  gegenständ  mit  besonderer  schärfe  treffen,  öfters  zu  diesem 
zwecke  anzuführen. 

Die  einleitung  (s.  3 — 11)  führt  den  Standpunkt,  den  der  vf.  für 
sein  werk  eingenommen  hat,  bestimmter  aus:  in  dem  oben  ange- 
deuteten entschlusz,  Verständnis  und  anschauung  für  die  in  den  aus- 
grab ungen  zu  Olympia  gewonnenen  resultate  einem  gröszem  leser- 
kreise  zu  eröffnen,  fühlt  er  sich,  unbeirrt  durch  die  trüben  ahnungen 
eines  pessimistischen  beobachters,  von  der  ho&ung  durchdrungen: 
'dasz,  so  sehr  auch  die  moderne  zeit  nach  einer  auf  den  realen 
Wissenschaften  basierenden  erziehung  hindrängt,  sie  niemals  im 
stände  sein  werde ,  einen  völligen  bruch  mit  der  geistesbildung  un- 
serer Väter  herbeizufahren,  die  an  dem  lebendigen  bom  alter  dich- 
tung  und  kunst  ihre  lebensnahrung  getrunken  haben',  gerade  das 
wiederaufgedeckte  Olympia,  davon  ist  er  überzeugt,  werde  noch 
lange  'als  ein  neugewonnener  waffenplatz  gelten  flU*  die  Verfechter 
der  classischen  erziehung  und  eine  bedeutsame  etappe  auf  dem 
marsche  der  kämpfer,  die  sich  um  das  banner  des  Ideals  scharen'. 
B.  ist  weit  entfernt  die  aufgrabungen  von  Olympia  für  abgeschlossen 
zu  halten:  'so  viele  an  den  boden  Olympias  gestellte  fragen  auch 
beantwortet  wurden,  so  viele  bleiben  ungelöst  zurück.'  dasz  das  so 
ist,  dasz  so  viele  probleme  sich  bieten,  an  deren  lösung  alle  zweige 
der  Wissenschaft  beteiligt  sind,  das  ist  ein  nicht  hoch  genug  anzu- 
schlagender gewinn,  beides,  sowohl  das  aufgefundene  und  neu- 
gewonnene in  seinem  wert  und  umfang  dem  leser  vorzuführen^ 
wie  auch  die  immer  noch  schmerzlich  empfundenen  lücken  zu  be- 
zeichnen, die  unserer  erkenntnis  geblieben  sind,  ist  die  absieht  des 
vf.  der  hinbliek  auf  die  sonst  so  spärlichen  naehrichten,  die  uns 
aus  dem  altertum  über  Olympia  aufbehalten  sind,  führte  ihn  zu  dem 
ausdruck  der  gerechten  anerkennung  der  alles  andere  bei  weitem 
überwiegenden  bedeutung,  welche  das  fünfte  und  sechste  buch  des 
Pausanias  bei  allen  seinen  schwächen  und  irrtümem  für  unsere 
kenntnis  von  Olympia,  auch  nachdem  wir  die  alten  fundstätten  wie- 
der aufgedeckt  haben ,  für  immer  behalten  werden. 

Der  nächste  abschnitt  (s.  15 — 25)  Mie  geographische  und  land- 
schaftliche läge  Olympias'  vergegenwärtigt  uns  mit  einer  klarheit 
und  bestimm theit,  die  nur  eine  lange  und  eindringende  anschauung 
zu  gewähren  vermag ,  den  Schauplatz  der  grösten  nationalfeste  des 
hellenischen  Volkes  durch  einen  Zeitraum  von  mehr  als  tausend 
Jahren,  den  die  durch  läge  und  gestaltung  von  natur  neutrale  küste 
von  Elis  wie  keine  andere  griechische  landschaft  darbot:  *£lis  ist 
ein  offenoA  üachland,  dessen  sanfte  hänge  zu  nur  mäsziger  höhe  gegen 


JCluMsen:  anz.  t.  ABoetÜckers  OlyiupiA.  S5 


das  srkadiscbe  hochlajid  ansteigen,  wellige  waldhftgrl  umschlie$7eii 
flache  wofalbewässerte  tbalmulden,  in  denen  öl  und  wein,  geireide 
und  gartenfrficbte  in  reicher  ftdle  gediehen  und  trotf.  niAngelhafter 
cnltar  noch  heute. gedeihen.'  die  spuren  früherer  Verbindungen  mit 
entfernten  kfisten  und  wiederholter  einwanderungen  aus  dem  Orient 
werden  in  aufgefundenen  geraten  aus  terracott^  und  bronte,  in 
alten  Ortsnamen  von  phönikischer  herkunft  nachgewiesen.  Rtoliscbe 
and  dorische  demente  gesellen  sieb  den  phönikischon  einwanderun* 
gen  zu  nnd  vermischen  sich  mit  ihnen :  so  l&set  sich  dio  bevtUkerung 
von  Elis  auf  keinen  einheitlichen  stamm  zurUckHihron.  so  gewis 
auch  Sparta  nach  der  Unterwerfung  von  Messene  auch  nach  dem  l^e- 
aitz  des  fruchtbaren  nachbarlandes  getrachtet  hat,  so  sind  doch 
seinem  gewaltsamen  vordringen  früh  grenzen  gesogen :  dor  bozeuKt«' 
vertrag  zwischen  dem  spartanischen  gesetzgebor  Lykurgos  und  doin 
elischen  fürsten  Iphitos  (884),  dessen  Urkunde  Pausanias  i^V  4,  5. 
20,  4)  noch  auf  einer  ehernen  scheibo  im  Horatonipel  zu  Olympia 
gesehen  hat,  begründete  ein  friedensverhttltnis ,  das  die  einloiinng 
zu  dem  nationalen  bundesfeste  war.  dio  landiichuft  KÜh  erlunK<o 
dadurch  den  gottesfrieden,  die  dauernde  ekechoirin,  wolcho  h\v  h\A\ 
lange  durch  enthaltung  von  den  griechischen  cantonnifuhdvn  Hirbi*rto. 
in  anerkennung  dieser  groszen  wohlthat  weihte  EHh  an  d«*r  biwor- 
zugt^sten  stelle  des  ganzen  festplatzes,  in  der  huUu  vor  dniii  «Ein- 
gang ins  innere  des  Zeustempels,  ein  grupponbild:  IphiioH,  woh*)Hiti 
die  als  gottbeit  personificierte  Ekecheiria  mit  dem  krtinzo  HclimlU^ki. 
insbesondere  gibt  B.  von  der  Alpheiosubeno  bei  Olympiu  im  bpiznit 
des  durch  läge  und  natur  zum  frieden  prildeBtiniurUm  IhikIoh  in  (•in- 
fachen Zügen  ein  ungemein  naturwahros,  ansprechundcH  bild  (h.  lU). 
die  geographischen  schildenmgon  dieses  nbHcbnittH  Hind  diinili  y.wi>i 
anschauliche  kärtchcn  dem  Icscr  vor  augon  goftÜirt. 

In  dem  folgenden  abschnitt  (H)lympinH  nntiirgatig  und  npAtnr» 
Schicksale  der  ebene'  s.  29 — 46)  sind  die  KpArlichon  nnc.hricbton  /n 
sammengetragen ,  welche  wir  aus  dor  zeit  nach  OonHinniin  Uhnr  di«t 
geschichte   von  Griechenland  und  besonders  (hm  lUAnpotuwnt*»  \m 
sitzen,    mit  der  grausamen  Verfolgung  des  hoidentunis  diirrli  Thiui 
dosius  I  werden  auch  die  gewaltsamen  zorstt^rungon   ht*\i\n\tnht*r 
tempel  begonnen  haben,    der  let^^ten  feier  der  ulympmhi'n  fipi«ilo 
(393)  folgte  wahrscheinlich   bald  die   wegfflhrnn^  t\*ir  iih]tUÄf$*u 
beinernen  Zensstatue  nach  iSyzantion«    sind  aiiüh  <\m  nlibf<rMn  um 
stAnde  derselben  bei  KedrenoH  wenig  glaubwOrdif^  bft/«tti^f,  nn  'mt 
die  thatsache  doch  schwerlich  zu  U;zwe)f^Jn:  K';b/;n  da^  f'dikri  if«d«tr 
spur  der  herlichen  bildseule  ^lei  d«m  n^i'm  auf^rabtinf^^n,  wHhtt^w) 
von  den  fibrigen  bild  werken  fU:n  U^mjftslH  no  vi<fl«m  (^^fundfri  worden 
ist,  spricht  für  eine  frühe  hinwegv;baffrjn(f« 

Auch  glaube  ich  dasz  H.  m'i%rf.f-M  das /ArfiWtrrini(nwt^rk  *U^t  VV/'^f 
gothen  unter  Aiarich  fßr  Kli-t  rmd  n^km^rntli^/h  in  OlyrripiM  rii'.bt  n\^  nh 
umfangreich  nnd7em;^,btAnd;innirr»t,,  wi^H*^rt./bftrj(^((^^'.b.Of»''/b.  IM 
398)  es  schildert,   es  i.<t  rieimehr  keinem  zw«if#jl  nhf^rw^rf^n ,  da*/ 


86  JClassen:  anz.  y.  ABoettichers  Olympia. 

furchtbare  erdbeben,  wie  sie  oft  die  nordwestküste  des  Peloponneses 
beimgesuclit ,  im  sechsten  jh.  auch  über  Olympia  die  entsetzliche 
katastropbe  herbeigefflhrt  haben,  deren  Wirkung  wir  noch  vor  äugen 
sehen.  B.  hält  es  auf  grund  der  sorgfältigen  nachforschungen  des 
neugriechischen  gelehrten  Sathas  über  die  von  byzantinischen  Schrift- 
stellern erwähnten  erdbeben  bis  zum  ende  des  sechsten  jh.  und  des 
groszen  münzfundes  in  Olympia  vom  19  febr.  1876,  welcher  in  einer 
aus  bruchstücken  des  Zeustempels  zusammengebauten  mauer  einzelne 
münzen  bis  zu  Justinians  zeit  zu  tage  gebracht  hat,  für  das  wahr- 
scheinlichste, dasz  eins  der  groszen  erdbeben  der  jähre  522  und  551 
das  Zerstörungswerk  vollbracht  oder  dasz  beide  ihren  anteil  daran 
gehabt  haben,  ^nach  dieser  gewaltigen  katastropbe  scheint  die  olym- 
pische ebene  eine  feste  ansiedelung  nicht  mehr  sehr  lange  besessen 
zu  haben.'  slavische  bevölkerung  ist  wahrscheinlich  erst  im  siebenten 
jh.  in  diesen  gegenden  ansässig  geworden;  doch  läszt  sich  jetzt  über 
die  Schicksale  Olympias  im  mittelalter  wenig  bestimmtes  sagen: 
'über  alle  diese  trümmer  olympischer  herlichkeit  und  byzantinischer 
armseligkeit  hat  sich  im  laufe  der  Jahrhunderte  jene  durchschnittlich 
vier  bis  sechs  meter  hohe  sandlage  gebreitet,  deren  beseitigung  das 
werk  der  deutschen  expedition  galt.' 

Über  die  entstehung  der  tiefen  Versandung  war  lange  die  an- 
sieht vorhersehend ,  dasz  dieselbe  durch  eine  periodische  entle^mng 
des  Pheneossees  im  nördlichen  Arkadien  bewirkt  worden  sei,  welcher 
von  zeit  zu  zeit  durch  katabothren  sich  von  der  von  vielen  selten 
eingeströmten  wassermasse  befreie  und  sie  dem  Alpheios  zuführe, 
prof.  Bücking  bat  1880  durch  gründliche  geologische  untecsuchungen, 
die  der  Berliner  akademie  vorgelegt  worden  sind,  die  Unmöglichkeit 
jener  entstehung  nachgewiesen:  auf  sie  gestützt  und  unter  mitteilung 
des  bauptinhaltes  eines  'vorläufigen  berichtes'  derselben  und  einer 
geologischen  karte  hat  Boetticher  die  richtige  erklärung  gegeben 
(s.  43) :  'es  ist  kein  vom  Alpheios  auf  die  ebene  heraufgetragenes 
erdreich,  welches  dieselbe  bedeckt,  sondern  lediglich  der  von  den 
umliegenden  höhen  herabgeflossene  und  teils  direct  teils  durch  Ver- 
mittlung des  Kladeos  über  die  fläche  hin  ausgebreitete  sand.'  er 
fügt  noch  am  schlusz  dieser  erörterungen  hinzu :  'die  ablösung  von 
den  lockeren  sandmassen  der  uferhügel  ist  so  stark,  dasz  schon  wäh- 
rend der  ausgrabungsarbeiten  kleine  schuttkegel  an  diejenigen  stellen 
hinzuwandern  begannen,  welche  erst  kurz  zuvor  vom  spaten  der 
arbeiter  bloszgelegt  waren,  aus  diesem  gründe  wird  es  nötig  sein, 
wenn  anders  der  jetzige  zustand  der  aufgedeckten  feststätte  erhalten 
bleiben  soll,  energische  Vorkehrungen  gegen  die  abrutschungen  vom 
Kronosbügcl  und  den  angrenzenden  höhen  zu  tre£fen.' 

Von  groszem  interesse  ist  der  folgende  abschnitt:  'geschichte 
der  Wiederentdeckung  Olympias'  (s.  49 — 72),  welcher  die  von  Mont- 
faucon  und  Winckelmann  vor  mehr  als  hundert  jähren  gefaszten  ge- 
danken  und  plane  zu  nachgrabungen  in  Olympia  verzeichnet  und 
die  reihe  der  bald  nachher  unternommenen  reisen  und  aufdeckungs- 


JClassen:  anz.  y.  ABoettichers  Olympia.  87 

versuche  von  Chandler  (1766),  Fauvel  (1787),  Pouqueville  (1805), 
Leake,  Dodwell  und  Gell  (1801 — 1808),  Lord  Stanhope  und  seinem 
jungen  architekten  Allason  (1813)  historisch  aufführt  und  beurteilt. 
doch  blieben  alle  diese  bemühungen,  da  gröszere  ausgrabungen  nicht 
unternommen  wurden,  ohne  bedeutenden  erfolg,  die  trümmer  des 
Zeostempels  wurden  zuerst  von  dem  Franzosen  Fauvel  richtig  er- 
kannt, da  bei  seiner  anwesenheit  die  umwohner  ihn  als  Steinbruch 
ausbeuteten,  der  Engländer  Allason,  der  begleiter  Stanhopes,  ent- 
warf bei  einem  14tägigen  aufenthalt  in  der  ebene  von  Olympia  die 
erste  kartierung  derselben ,  welche  bis  zu  den  tagen  der  deutschen 
expedition  die  einzige  geblieben  und  allen  Untersuchungen  über 
Olympia  zu  gründe  gelegt  ist.  'die  karte  erschien  1824  als  der 
wertvollste  bestandteil  des  Stanhopeschen  Werkes,  dessen  in  hoher 
künstlerischer  Vollendung  gestochene  landschaftsbilder  leider  der 
treue  ermangeln  und  selbst  im  allgemeinen  dem  Charakter  der  land- 
schaftlichen Physiognomie  Griechenlands  keineswegs  gerecht  werden.' 
Die  Unruhen  des  Unabhängigkeitskrieges  haben  dann  längere 
zeit  die  umfassenden  plane,  die  in  England  wie  in  Deutschland  zu 
ausgrabungen  in  Griechenland  gemacht  waren,  gestört,  dagegen 
hatte  die  aussendung  des  französischen  armeecorps  nach  Morea 
(1828  und  1829),  welches  das  land  von  den  grausamen  Verheerungen 
der  ägyptischen  horden  unter  Ibrahim  Pascha  befreite,  den  wich- 
tigen erfolg,  dasz  die  französischen  ingenieure  während  ihres  kurzen 
aufenthalts  im  Peloponnes  den  grund  zu  der  kartenaufnahme  der 
halbinsel  legten,  welche  bis  jetzt  die  vorzüglichste  geblieben  ist, 
und  dasz  von  den  französischen  gelehrten,  welche  das  hauptquartier 
begleiteten,  die  teilweise  freilegung  und  aufgrabung  des  Zeustempels 
im  mai  und  juni  1829  ausgeführt  wurde,  in  sechs  wochen  gelang 
es  ihnen,  durch  abgrabungen  an  dem  durchschnittlich  zwei  bis  vier 
meter  hoch  mit  sand  bedeckten  tempel  die  wesentlichen  masze  seines 
seulenumgangs  und  die  hauptein teilung  des  eigentlichen  tempel- 
hauses  festzustellen,  eine  anzahl  wohlerhaltener  bildwerke,  nament- 
lich gröszere  stücke  von  mehreren  metopen,  wurden  aufgefimden  und 
bilden  eine  zierde  der  samlungen  des  Louvre.  aber  mitten  im  besten 
finden  stellte  man  die  arbeit  ein;  wichtige  messungen  blieben  un- 
ausgeführt; das  glänzende  prachtwerk  der  'expedition  scientifique 
de  la-Mor^e'  gibt  keinen  grund  dafür  an,  weshalb  das  begonnene  werk 
nicht  weiter  geführt  ist ;  aber  in  zahlreichen  mangeln  und  Übereilun- 
gen, die  es  enthält,  liegt  der  beweis  zu  tage,  dasz  die  beendigung 
hat  in  eile  geschehen  müssep.  wir  lesen  jetzt  mit  interesse  bei  B.  — 
mir  ist  nicht  bekannt  dasz  man  von  diesem  Zusammenhang  früher 
gewust  hat  —  dasz  den  leitem  unserer  ausgrabungen,  50  jähre  nach 
diesen  vergangen,  eine  aufklärung  darüber  zugekommen  ist.  'ein 
ehemaliger  hauptmann  im  griechischen  beere'  erzählt  B.  s.  58  'An- 
donios  Pappandonopulos,  der  jetzt  in  dem  dörfchen  Phioka  nahe  bei 
Olympia  als  hochbetagter  greis  eine  kleine  hütto  bewohnt  und  oft 
in  unserem  (dem  deutschen)  hause  ein  gern  gesehener  gast  war. 


88  JClauen:  anz.  v.  ABoettichera  Olympia. 

machte  sieb ,  weil  es  ihn  schmerzt« ,  dasz  die  fremden  Franken  die 
schOnen  denkmäler  seiner  vorfahren  ans  dem  lande  fUbren  wollten, 
auf  die  beschwerliclie  nnd  geiUlirliohe  reise  nach  Nauplia,  wohin 
Kapodistrias  den  sitz  der  regentscbaft  gelegt  hatte,  und  es  gelang 
ihm  durch  die  vermittelung  des  arztee  Sisainis,  des  derzeitigen 
prot'dros  im  Staatsrate,  zutritt  zum  regenten  zu  erlangen.  Espo- 
üistriaa  ala  eifriger  Buasophile  und  feind  der  Franzosen  beraumte 
lUBgehend  eine  staatsrat^aitzung  an,  und  man  beschlaaz  den  Fran- 
zosen zwar  das  bis  dahin  gefundene  zu  Uberlasaen,  die  fortsetzung  der 
arbeiten  indessen  zu  untersagen,  frohen  berzens  zog  Pappandonopulos 
mit  diesem  befehl  in  seine  olympische  beimat.  noch  am  tage  seiner 
rllckkebr,  zwischen  zwei  und  drei  uhr  nachmittags,  wurde  die  arbeit 
der  Franzosen  Histiert.'  es  ist  kein  einspruch  erhoben,  und  die  ge- 
wonnenen bildwerke  wurden,  nachdem  die  nationalversamlung  in 
Ärgoa  ihre  Zustimmung  gegeben  hatte,  auf  äßszen  den  Alpbeioa  ab- 
wärts ans  meer  geschalTt  und  von  da  nach  Paris  geführt. 

In  dem  langen  Zeitraum  zwischen  der  französischen  eipedition 
und  dem  beginn  der  deutschen  ausgrabungen  sind  zwar  wiederholt 
ansiitze  zu  der  wiederaufnähme  des  Werkes  gemacht  worden,  von 
Ludwig  Boss  durch  lebhafte  anregungen  nach  verschiedenen  selten, 
von  dem  fUrsten  PUckler  durch  bestimmte  plane  uod  vorschlage  za 
landschaftlichen  und  parksnlagen,  vor  allem  von  Ernst  Curtiua  durch 
seinen  beredten  vertrag  im  wissenschaftlichen  verein  in  Berlin  am 
10  Januar  IS  j2 ,  der  den  kGnig  Friedrich  Wilhelm  IV  mfichtig  er- 
griff und  in  dem  damaligen  prinzen  von  Preuszeu ,  unserem  ehrwür- 
digen kaiser,  und  seinem  aobne  wUnscbe  und  hofinuugen  fttr  der- 
einstige  ausfUhrung  erregte,  die  nie  aufgegeben  worden  sind,  aber 
erst  nachdem  die  kräfte  unserer  naÜon  durch  jene  Weisheit,  welche 
das  mit  klarheit  erfaszte  ziel  nicht  wieder  aus  den  augea  verliert, 
und  durch  jene  heldenmütige  ausdauer,  welche  das  fQr  heilsam  nnd 
erreichbar  erkannte  durch  die  kräftigsten  mittel  auazufübren  weisz, 
zum  einheitlichen  reiche  zuaammengefaszt  waren ,  ist  durch  das  zu- 
sammenwirken glücklicher  umstände  und  weit  blickender  und  ener- 
gisch handelnder  männer  das  edle  werk  zu  stände  gekommen,  auf 
welches  die  blicke  kundiger  männer  lange  hingewandt  waren.  B.  be- 
richtet uns  von  dem  gange  der  Verhandlungen  mit  der  griechischen 
regierung  und  teilt  die  am  13/35  april  1874  in  Athen  zwischen  den 
deutlichen  und  griechischen  commiasarcn  abgescbloasene  Verein- 
barung mit.  im  deutschen  reicbstag  fand  der  vertrag  unter  dem 
einflusz  der  vortrefflichen  denkscbrift,  welche  den  lediglich  der 
Wissenschaft  gewidmeten  gesichtapunktSes  Unternehmens  hervorhob, 
einstimmige  annähme,  die  bedenken  und  achwierigkeiten ,  welche 
griechischerseits  dem  abschlusz  noch  lange  im  wege  standen,  sind 
erst  durch  das  ausgezeichnete  referat,  durch  welches  Diamandopulos 
den  antrag  empfahl,  in  der  sitzung  der  kammer  vom  11  november 
1875  aberwunden  worden,  als  in  Olympia  deutscherseits  schon  band 
an  die  ausgrabungen  gelegt  var. 


JCIassen:  anz.  v.  ABoettichers  Olympia.  89 

B.  beschlieszt  seinen  bericht  über  diese  langwierigen  Verhand- 
lungen mit  einer  sehr  begründeten  Zurückweisung  der  auch  in 
Deutschland  sich  regenden  Unzufriedenheit,  als  ob  die  uneigen- 
ntttzigkeit  unserer  regierung  zu  weit  gegangen  wäre ,  und  führt  uns 
mit  freudiger  anerkennung  des  erreichten  in  den  beginn  der  arbeiten 
in  Olympia  ein:  'nicht  ohne  hohe  freude  und  tiefempfundenen  dank 
kann  man  auf  diesen  glücklichen  ausgang  der  sache  zurückblicken, 
wenn  man  sich  der  mehr  als  ein  Jahrhundert  umfassenden ,  immer 
vergeblich  versuchten  anlaufe  erinnert,  welche  von  männem  aus- 
giengen,  die  gewis  mit  nicht  geringerer  Sehnsucht  und  mit  nicht 
minder  ernstem  streben  auf  eine  aufgäbe  blickten,  die  nun  erfüllt 
ist;  die  jene  saat  ausgestreut  haben,  deren  fruchtsegen  wir  nun  mit 
vollen  hSnden  einheimsen  durften.' 

Das- nun  folgende  capitel  (s.  75 — 154)  'die  festfeier  in  Olympia' 
steht  zwar  in  entfernterer  beziehung  zu  der  hauptaufgabe  des  buches, 
unsere  einsieht  in  die  ergebnisse  der  deutschen  aufgrab ungen  in 
Olympia  zu  vermitteln,  doch  hat  B.  es  mit  recht  für  angemessen 
gehalten,  uns  auch  die  eigentümliche  bedeutung  der  hellenischen 
agonen  von  ihrem  mythischen  Ursprung  an  durch  ihre  stufen- 
weise cntwicklung  bis  zu  ihrer  höchsten  blute  in  derselben  zeit ,  in 
welcher  die  nation  in  politischer  grösze  und  geistiger  ausbildung 
am  höchsten  stand ,  in  historischem  Überblick  vorzuführen ,  um  ein 
klares  Verständnis  der  wieder  zu  tage  getretenen  örtlichen  Verhält- 
nisse des  hervorragendsten  festplatzes  und  der  aufgefundenen  Über- 
reste der  architektonischen  und  plastischen  kunstwerke  aus  der  an- 
schaulichen betrachtung  der  spiele  und  kämpfe  selbst  zu  erreichen, 
dieser  abschnitt  ist  daher  seiner  natur  nach  allgemeiner  art,  aber  er 
gewährt  uns  sowohl  durch  die  sorgfältige  behandlung  der  frühsten 
uns  erhaltenen  sagen  über  die  entstehung  der  hellenischen  national- 
spiele,  wie  durch  die  eingehende  erörterung  der  wichtigsten  stellen 
der  alten  autoren ,  namentlich  Pindaros  und  Pausanias ,  und  durch 
mitteilung  trefflicher  abbildungen,  welche  anschauliche  darstellungen 
der  verschiedenen  kampfesarten  bieten  (s.  90 — 120),  reiche  beleh- 
rung  über  diesen  bedeutungsvollen  gegenständ,  ich  enthalte  mich 
hier  der  besprechung  einzelner  punkte  und  fragen,  darf  aber  das  ge- 
nauere Studium  dieses  wichtigen  teiles  der  'Olympia'  von  B.  jüngeren 
berufsgenossen  warm  empfehlen,  wir  besitzen  schon  seit  1838  in 
JHKrauses  'Olympia'  die  gelehrte  'darstellung  der  groszen  olympi- 
schen spiele  und  der  damit  verbundenen  festlichkeiten'.  sie  beruht 
auf  fleisziger  erforschung  der  betreffenden  litteratur  und  gibt  uns 
die  mittel  an  die  band ,  um  uns  aus  den  quellen  kenntnis  und  urteil 
über  den  gegenständ  zu  gewinnen,  aber  ein  vergleich  beider  arbeiten 
gibt  den  beweis ,  dasz  B.  seine  leser  seinem  plane  gemäsz  (vorwort 
8.  VII)  zwar  nicht  in  die  erneuten  Studien  selbst  einführen  will, 
aber  ihnen  durch  seine  selbständige  benutzung  der  Überlieferung 
und  durch  die  mit  freiem  und  offenem  blick  erlangte  anschauung  der 
Altisebene,  ihres  Inhaltes  und  ihrer  Umgebung,  in  edler  form  ein  um- 


90  JClassen:  anz.  v.  ABoettichers  Olympia. 

fassendes  bild  von  der  festfeier  in  Olympia  darbietet,  wie  es  nicht  leben- 
diger gewünscht  werden  kann,  als  einzelheiten  von  besonderem  inter- 
esse  bebe  ich  hervor :  die  verschiedenen  stiftungssagen  bei  Pindaros 
und  Pausanias  (s.  80  fif.),  die  Übersicht  der  völkerverschiebongen  in 
Elis  und  ihre  folgen  (s.  82  f.),  die  begründung  des  gottesfriedens  für 
Elis  und  später  für  ganz  Griechenland  (s.  84),  den  vergleichenden 
hin  weis  auf  die  gigantischen  gestalten  auf  dem  pergamenischen  altar- 
fries  (s.  102),  den  wurfstein  des  Bybon  mit  der  facsimilierten  In- 
schrift (s.  107  f.),  die  schSne  Verwendung  der  stellen  der  Dias 
Y  358  £f.  und  Soph.  El.  663  für  die  anschauung  des  wagenrennena 
(s.  122  f.),  die  hohe  bedeutung  der  Pindarischen  Siegeslieder  (s.  134ff.), 
die  benutzung  Olympias  zum  hellenischen  Staatsarchiv  (s.  140  f.). 

Von  dieser  inhaltreichen  betrachtung  der  festfeier  zu  Olympia 
wendet  der  vf.  sich  zu  dem  wichtigsten  teile  seiner  aufgäbe,  der 
historischen  darstellung  der  Schicksale  Olympias  von  der  ältesten 
bis  zu  der  zeit  der  römischen  herschaft,  welche  er  durch  die  epochen 
der  Perserkriege,  des  auftretens  der  makedonischen  und  der  römi- 
schen herschaft  in  vier  perioden  zerlegt,  wir  begleiten  diese  um- 
fassende arbeit  mit  ununterbrochener  teilnähme:  sie  ist  von  den 
ersten  anfangen  bis  zu  dem  gedankenreichen  schluszworte  hin  mit 
demselben  innem  leben  und  demselben  offenen  blicke  nach  allen  in 
betracht  kommenden  selten  abgefaszt,  welche  uns  in  den  voranf- 
gehenden  capiteln  erfreut  haben,  auf  der  grundlage  des  situations- 
plans ,  der  nach  der  Dörpfeldschen  schluszaufhahme  nach  beendi- 
gung  der  aufgrabungen  (20  märz  1881)  sorgfältig  wiedergegeben 
ist  (tf.  XlII.  XIY),  ist  der  vollständige  bericht  über  die  allmäh- 
lich vorschreitenden  aufdeckungen  hindurch  bis  zu  den  mächtigen 
bauten  und  den  herlichen  sculpturwerken  ausgeführt,  gleich  an- 
fangs erregt  die  Schilderung  der  unzähligen  bronzenen  und  thö- 
nemen  figürchen  und  gerätstücke,  die  groszenteils  in  noch  gröszerer 
tiefe  als  die  untersten  fundamentlagen  der  tempel  gefunden  wor- 
den sind,  unser  höchstes  interesse.  B.  macht  darauf  aufmerksam 
(s.  183  ff.),  dasz  die  bronzefnnde  in  Olympia  in  hohem  grade  ge- 
eignet sind  uns  eine  anschauung  von  den  kunstwerken  zu  gewähren, 
welche  die  Homerischen  gedichte  der  zeit  ihrer  beiden  zuschreiben, 
überhaupt  aber  sind  jene  kleinen  bronzen  und  terracotten ,  die  in 
gröster  zahl  zu  den  frühesten  funden  in  Olympia  gehören,  als  votiv- 
gaben  anzusehen,  welche  den  früh  am  höchsten  verehrten  gott- 
heiten,  vor  allen  dem  Zeus  dargebracht  wurden,  sie  weisen  da- 
durch auf  einen  uralten  Zusammenhang  mit  dem  Orient  hin,  wo  der 
gleiche  ritus  gebräuchlich  war.  die  nähere  vergleichung  der  stilisti- 
schen und  ornamentformen  auf  diesen  bronze-  und  terracottafunden 
in  Olympia  mit  den  neueren  ausgrabungen  in  Athen  und  Dodona, 
mit  den  Schliemannschen  funden  in  Bios  und  Mykenai,  mit  dem 
was  durch  die  nachforschungen  auf  Eypros  zu  tage  gekommen  ist, 
wird  auch  nach  Conzes,  GHirschfelds,  Furtwänglers  ua.  vorarbeiten 
noch  lange  den  stoff  zu  gelehrten  Untersuchungen  bieten. 


JClassen:  anz.  v.  ABoettichers  Olympia.  91 

Mit  der  fortschreitenden  bedentung  der  olympischen  festfeier 
traten  allmählich  vor  jenen  kleineren  weihgeschenken  des  ältesten 
cnltus  die  gröszeren  bauwerke ,  welche  die  bedürfnisse  des  festes 
verlangten,  in  den  Vordergrund,  unter  den  bauten  dieser  frühesten 
periode^  von  denen  Pausanias  noch  einige  andere  namhaft  macht, 
ist  unzweifelhaft  das  Heraion  am  fusze  des  Kronoshügels  das  älteste 
in  der  Altis ,  und  überhaupt  der  älteste  vorhandene  tempel  in  helle* 
nischer  bauform  auf  dem  griechischen  festlande,  seine  erbauungs- 
zeit  ist  ins  achte  jh.  zu  setzen,  obgleich  mehrere  umbauten,  die 
wiederholt  vorgenommen  sind,  sich  bis  ins  sechste  jh.  erstrecken. 
B.  hat  der  genauen  erforschung  des  Heratempels  einen  gröszem  ab- 
schnitt gewidmet  (s.  190 — 198);  ein  wichtiges  ergebnis  derselben 
ist  der  gesicherte  beweis  dafür,  dasz  das  Heraion  in  ältester  zeit 
zum  groszen  teil  aus  holz  bestanden  hat,  wie  überhaupt  die  ursprüng- 
liche architektur  der  Griechen  im  holzbtfu  beruhte  (s.  192).  zum 
«chlusz  gibt  B.  uns  eine  vollständige  aufzählung  der  weihgeschenke, 
die  in  der  cella  des  Heratempels  aufgestellt  waren  (s.  199 — 202). 
'das  innere  der  cella  war  in  seiner  ursprünglichen  wandnischenbil- 
dnng  ganz  besonders  für  seine  bestimmung  geeignet,  neben  einem 
weihgeschenk  für  Hera  zugleich  ein  schatzhaus  für  den  olympischen 
Zeus  zu  bilden,  auch  das  hinterhaus  war  für  diesen  zweck  herAn- 
gezogen  und  durch  ein  festes  ehernes  gitter  nach  auszen  abge- 
schlossen worden,  dessen  standspuren  noch  vorhanden  sind.'  unter 
der  groszen  zahl  von  weihgeschenken,  die  uns  Pausanias  nennt,  ge- 
denke ich  zweier,  die  für  uns  besonders  merkwürdig  sind:  der  lade 
des  Eypselos ,  eines  kastens  aus  cedernholz  mit  einer  auszerordent- 
lich  reichen  fülle  von  plastischen  darstellungen  mythologischen  in- 
halts ,  in  aufgelegter  arbeit  von  gold  und  elfenbein  auf  holz ,  wel- 
chen Pausanias  gesehen  und  beschrieben  hat  und  welcher  lange  zeit 
einen  lieblingsgegenstand  für  archäologische  Studien  gebildet  hat, 
und  des  Hermes  mit  dem  Dionysosknaben  von  Praxiteles:  dies  ist 
das  werk,  welches  allein  von  allen  aufgezählten  weihgeschenken  im 
Heraion  auf  uns  gekommen  ist,  ^der  kostbarste  fund  der  ganzen  aus- 
grabungszeit'. 

Längs  dem  südlichen  abhänge  des  Kronoshügels  gehört  femer 
zu  den  älteren  bauwerken  die  reihe  der  schatzhäuser,  welche  schon 
früh  in  Olympia  angelegt  waren,  als  es  galt  für  einzelne  angesehene 
Städte ,  namentlich  für  hervorragende  colonien  während  der  kurzen* 
zeit  der  festspiele  durch  die  entfaltung  möglichsten  glanzes  das  ansehen 
ihrer  heimat  zu  erhöhen,  das  erste  derselben,  von  dem  sikelischen 
Gela  gestiftet,  stand  da  wo  es  am  weitesten  nach  osten  nahe  dem 
eingange  zum  stadion  in  weitem  umkreise  geschaut  werden  konnte, 
seine  anläge  fällt  in  die  zeit,  wo  Oelas  mauern  für  seine  bevölkerung 
nicht  mehr  ausreichten  und  es  einen  teil  seiner  einwohner  in  das 
bald  mächtige  Akragas  aussandte  (582).  verschiedene  in  der  byzan- 
tinischen mauer  aufgefundene  bemalte  terracottastücke,  welche  ofifen- 
bar  teile  von  traufrinnen  waren,  wurden  als  zu  dem  geloischen 


92  JClassen:  anz.  v.  ABoettichers  Olympia. 

schatzhause  gehörig  erkannt,  und  gaben  unseren  in  Olympia  bis 
zum  schlusz  arbeitenden  architekten  Dörpfeld,  Gräber,  Borrmann 
und  Siebold  anlasz,  schon  im  frühjahr  1881  auf  Sicilien  und  in 
Unteritalien  nachforschungen  nach  dieser  eigentümlichen  in  Olympia 
vorgefundenen  technik  anzustellen,  und  ^es  gelang  ihnen,  die  gleiche 
tecbnik  nicht  nur  in  Gela,  Selinus,  Akrai  und  Syrakus,  sondern  auch 
in  den  unteritalischen  Städten  Kroton,  Metapontum  und  Paestum 
nachzuweisen'  (s.  204).  Boetticher  verweilt  länger  bei  dem  geloischen 
schatzhause ,  weil  die  nähere  kenntnis  seiner  construction  einen  be- 
deutenden wert  für  eine  seite  der  ältesten  griechischen  architektur 
besitzt  (s.  207).  auch  das  me garische  schatzhaus  gehört  in  die 
zweite  hälfte  des  sechsten  jh.  sein  übrigens  einfacher  bau  war, 
wie  Pausanias  berichtet,  durch  ein  giebelfeld  merkwürdig,  das  mit 
einem  Gigantenkampfe  geschmückt  war ;  und  dieses  bescheidene  bild- 
werk  ist ,  freilich  in  sehr  mangelhaftem  zustande  seiner  fragmente, 
ebenfalls  in  dem  südlichen  teile  der  byzantinischen  mauer  wied^ 
aufgefunden  (fast  zur  selben  zeit  mit  der  friescomposition  des  ge- 
waltigen pergamenischen  altars  über  das  gleiche  thema)  und  von 
Treu  in  der  arch.  zeitung  sorgfältig  behandelt  worden,  denn  als 
^die  älteste  zur  zeit  bekannte  giebelfeldcomposition  Griechenlands 
hat  diese  gruppe  vollen  anspruch  auf  die  teilnähme  der  forscher  und 
kun^freunde'  (s.  209).  B.  schlieszt  seine  lehrreiche  betracbtung 
(s.  211)  mit  den  werten:  'es  ist  ein  weiter  weg  von  den  rohen  ver- 
suchen am  Megarer- schatzhause  bis  zu  den  köstlichen  Schöpfungen 
am  Parthenon,  die  oljrmpischen  ausgrabungen  haben  uns  zwei  feste 
marksteine  für  die  erkenntnis  seiner  bahn  geliefert:  ein  mittelglied 
in  den  compositionen  des  Zeustempels  und  den  bis  jetzt  frühesten 
ausgangspunkt  im  giebel  des  thesauros  von  Megara.' 

Von  den  übrigen  schatzhäusern  —  ihre  gesamtzahl  war  zwölf 
—  ist  das  baumaterial  nur  in  so  geringen  bruchstücken  aufgefunden 
worden,  dasz  die  reconstruction  derselben  bis  jetzt  nicht  möglich 
gewesen  ist.  Vermutungen  über  die  einzelnen ,  so  weit  sie  einiger- 
maszen  zu  begründen  sind,  und  andeutungen  über  interessante  einzel- 
heiten  sind  s.  214  fif.  zusammengestellt. 

Ein  wichtiger  bau,  der  noch  dem  sechsten  jh.  angehört,  ist  das 
buleuterion,  dessen  umfassende  fundamente  an  der  Südseite  der 
Altis  aufgefunden  worden  sind:  wir  erhalten  dadurch  zum  ersten 
mal  eine  anschauung  von  der  anläge  eines  solchen  gebäudes,  wie  es 
in  Olympia  durch  die  zunehmende  bedeutung  des  festes  für  die  be- 
hörden  von  Elis  bedürfhis  geworden  war.  'die  planbildung:  ein 
langgestreckter,  durch  eine  seulenstellung  in  zwei  schifife  geteilter 
saal  mit  darangehängter  halbrunder  apsis,  in  römischer  zeit  häufig, 
im  mittelalter  beliebt,  findet  sich  hier  zum  ersten  male  bei  einem 
hellenischen  bau  der  frühzeit'  (s.  219).  auch  ist  erkennbar,  dasz 
sich  im  fünften  jh.  an  den  ersten  bau  ein  neubau  angeschlossen  hat, 
der  sich  mit  dem  ersten  in  gleicher  form  und  richtung  parallel  ver- 
bindet,   der  architekt  Borrmann,  dem  wir  die  genaue  Untersuchung 


JClassen:  anz.  v.  ABoettichera  Olympia.  93 

des  gebftndes  verdanken ,  hat  die  bestimmung  der  einzelnen  durch 
den  nenban  zusammengefügten  teile  mit  groszer  Wahrscheinlichkeit 
erkannt  und  nachgewiesen;  den  wesentlichen  inhalt  seiner  erlfiute- 
ningen  teilt  B.  s.  221  ff.  mit. 

Die  beiden  rennbahnen  von  Olympia,  das  stadion  und  der  hippo- 
drom,  sind  natürlich  von  ältester  zeit  an  vorhanden  und  im  gebrauch 
gewesen ;  doch  hat  sich  bis  jetzt  nur  die  läge  des  stadion  bestimmt 
•nachweisen  lassen,  der  hippodrom  hat  sich  unzweifelhaft  an  der  öst- 
lichen Seite  der  Altis  hinab  erstreckt;  allein  Überreste  seiner  anläge 
sind  nicht  entdeckt  worden,  das  stadion  dagegen  ist  von  dem  süd- 
dstlichen  abhang  des  Eronoshügels  nach  osten  in  seiner  richtung 
und  aasdehnung  (211  m.  länge  und  32  m.  breite)  aufs  genaueste  zu 
unserer  künde  gekommen,  zwar  ist  seine  sohle  durch  die  Jahrhun- 
derte langen  abrutschungen  von  den  umgebenden  höhen  hoch  mit 
erde  bedeckt,  die  man  um  der  mühsamen  arbeit  willen  nicht  hat 
fortschaffen  wollen;  nur  die  beiden  enden  des  Stadions  sind  durch 
unsere  ausgrabungen  freigelegt  worden,  und  es  sind  dadurch  an 
beiden  enden  die  ablaufsmarken  zu  tage  gekommen:  eine  reihe 
aufeinandergelegter  48  centimeter  breiter  Steinplatten  bildet  das 
gemeinsame  bathron  für  die  aufstellung  der  läufer,  deren  einzelne 
Standplätze  durch  pfosten  getrennt  waren,  ihre  anläge  ist  auf  bei- 
den Seiten  dieselbe,  aus  dem  masze  zwischen  beiden  pfosten  ergibt 
sich  die  länge  des  olympischen  Stadions ,  und  somit  als  ihr  sechs- 
hundertster teil  diejenige  des  olympischen  fuszes.  durch  die  auf- 
deckung  dieser  schranken  war  nun  das  mittel  der  directen  ahm  es- 
sung des  olympischen  fuszes  gefunden,  nach  Dörpfelds  sorgfältigen 
messungen  betrug  die  entfernung  zwischen  den  mitten  der  ablauf- 
schranken 192,27  meter,  und  demnach  die  länge  des  fuszes  0,3204 
meter,  welches  masz  von  der  durch  rechnung  gefundenen  länge  nur 
um  ein  fünftel  millimeter  abweicht,  der  anblick  dieser  sehr  ein- 
fachen Vorrichtung  in  ihrer  seit  Jahrtausenden  unveränderten  er- 
scheinung  macht  einen  ergreifenden  eindruck,  der  die  längst  ver- 
klungenen  zeiten  in  lebendigster  vergegenwärtigung  uns  vor  äugen 
führt. 

Endlich  wird  uns  noch  aus  den  aufzeichnungen  des  Pausanias 
eine  gröszere  zahl  von  sculpturen  namhaft  gemacht,  welche  mit  Wahr- 
scheinlichkeit in  diese  früheste  zeit  der  Olympien  zu  setzen  sind,  in 
welcher  sich  die  kunst  allmählich  aus  den  banden  des  handwerks  zu 
einer  hohem  stufe  erhob,  zur  erläuterung  dient  eine  reihe  vorzüg- 
licher illustrationen,  in  welchen  wir  den  altertümlichen  Charakter  in 
den  individuellen  zÜgen  mancher  figuren  erkennen,  gern  füge  ich 
auch  B.s  treffende  bemerkung  hinzu,  mit  welcher  er  diesen  abschnitt 
beschlieszt:  'noch  einmal  vollzieht  sich  dieser  process  im  übergange 
von  der  kunst  des  mittelalters  zu  der  der  renaissance,  in  Italien  so 
gut  wie  in  Deutschland,  die  meisterschafb  eines  Michelangelo  in 
der  darstellung  des  muskelspiels  wäre  undenkbar  ohne  die  arbeit, 
welche  seine  Vorläufer,  ein  Verocchio  und  Donatello,  auf  die  fest- 


94  JClassen:  anz.  y.  ABoettichers  Olympia. 

Stellung  des  knochenbaus  verwendet  und  womit  sie  den  unverrück- 
baren kanon  des  menscbliche'n  gerüstes  gegeben  batten.  und  was 
uns  die  oft  barten  und  unerfreulicb  erscbeinenden  kunstgebilde  der 
frübzeit  so  lieb  und  teuer  macbt,  das  ist  ja  gerade  der  tiefe  sitt- 
licbe  ernst,  mit  dem  wir  den  künstler  nacb  der  Vollendung  ringen 
seben,  die  liebevolle  Sorgfalt,  mit  der  er  das  kleinste  treu  und  ge- 
wissenbaft  wiederzugeben  trachtet.'  möge  B.  aucb  recht  behalten 
in  der  hofifnung,  die  er  von  unserer  gegenwart  ausspricht :  'zu  weni- 
gen Zeiten  bat  man  so  mühsam  gestrebt  die  dinge  so  darzustellen^ 
wie  sie  wirklich  scheinen ,  hat  man  so  fleiszig  die  natur  belauscht, 
nacb  dem  modell  bossiert  und  gemalt,  wie  in  der  gegenwart.  eine 
zukünftige  generation  wird  es  den  biedern  handwerkem  unserer 
tage,  die  sich  für  künstler  halten,  dank  wissen,  dasz  sie  wieder 
sehen  und  darstellen  gelehrt  haben,  auf  ihren  schultern  wird  eine 
künstlerscbaft  stehen,  der  nun  wieder  zeit  bleibt,  ihre  gebilde  mit 
geistigem  gebalt  zu  erfüllen'  (s.  235). 

Die  Schilderung  der  glänzendsten  periode  von  Oljmpias  ge- 
schichte  'die  blute  Oljmpias  von  den  Perserkriegen  bis  zur  zeit  der 
makedonischen  herschaft'  (s.  243 — 337)  erö&et  B.  mit  der  einfachen, 
aber  inbaltreicben  betrachtung  des  tiefgreifenden  einflusses,  welchen 
die  zurückwerfung  des  erbfeindes,  wie  auf  alle  Verhältnisse  von 
Hellas,  so  auf  die  alle  hellenischen  stamme  vereinigende  festfeier  zu 
Olympia  geübt  hat:  'während  an  den  Tbermopylen  die  dreihundert 
spartanischen  männer  den  passweg  des  landes  mit  ihren  leibem 
decken,  wogt  in  Olympia  eine  freudig  erregte  menge  in  stadion 
und  bippodrom.'  das  kraftbewustsein,  das  den  sieg  verbürgte,  ward 
mit  6inem  schlage  so  mächtig ,  dasz  der  kämpf  an  den  grenzen  des 
landes  keinen  grund  abgab,  die  olympischen  spiele  auch  nur  ein 
einziges  mal  auszusetzen,  es  war  das  fest  der  fünfundsiebzigsten 
Olympiade,  von  welchem  Mardonios  mit  staunen  vernahm,  dasz  es 
ein  reis  vom  Ölbaum  sei ,  welches  den  preis  der  kämpfe  hellenischer 
männer  bildete.  *in  ihrem  zweiten  jähre  brach  sich  die  woge  des 
persischen  beeres  an  dem  walle  der  vereinten  Griechen  bei  Plataiai' 
(s.  243  f.). 

B.  gibt  uns  in  ausführlicher  darstellung  ein  lebendiges  bild  von 
dem  Wetteifer,  mit  welchem  in  den  nächsten  zeiten  nacb  der  schlacht 
bei  Plataiai  die  Stiftung  zahlreicher  weibgeschenke  aus  allen  teilen 
Griechenlands  und  den  colonien  zum  dank  für  die  götter  ausgeführt 
wurde,  in  gleichem  geiste  kamen  bald  nachher  die  Eleier  zu  dem 
entscblusz,  an  stelle  des  alten  Zeustempels  zu  Olympia  einen  gröszem 
und  dcbönem  zu  erbauen  und  in  demselben,  ein  bild  des  gottes  von 
der  band  desselben  meisters  errichten  zu  lassen,  welcher'damals  auf 
der  burghöbe  von  Athen  das  herliche  bild  der  jungfräulichen  göttin 
Attikas  erschuf,  die  ausführung  des  tempelbaus  durch  den  ein- 
beimischen architekten  Libon  mit  der  feststellung  der  chronologi- 
schen daien  nach  ürlichs*  sorgfältigen  Untersuchungen  ist  bei  B. 
8.  246  ff.  nachzulesen,    ich  unterlasse  es  in  diesem  anziehenden  ab- 


JClassen:  anz.  v.  ABoettichers  Olympia.  95 

schnitt  der  geschieh te  in  einzelheiten  einzugehen :  es  möge  nur  noch 
die  betrachtung  folgen ,  welche  B.  dem  gesamtvergleiche  zwischen 
den  groszen  tempeln  auf  der  akropolis  und  zu  Olympia  widmet: 
*bei  einem  vergleiche  des  olympischen  tempels  mit  dem  Parthenon 
ist  der  erstere  in  erheblichem  nach  teile  durch  die  Verschiedenheit  der 
erhaltung  ihrer  ruinen.  von  diesem  ragen  die  herlichen  fronten  mit 
der  goldigen  patina  ihrer  seulen  noch  hoch  hinauf  in  die  blaue  luft; 
dort  bezeichnen  nur  noch  armselige  stumpfe  die  stelle ,  wo  sich  die 
stolzen  hallen  und  mauern  erhoben  (tf.  II).  wer  mithin  bei  einem 
vergleiche  der  beiden  Schöpfungen  nicht  ungerecht  gegen  meister 
Libon  verfahren  will,  der  musz  bei  beiden  nur  die  in  gleicher  manier 
hergestellten  Zeichnungen  mit  einander  concurrieren  lassen,  wer  so 
eine  der  zahlreichen  abbildungen  des  Parthenon  mit  der  darstellung 
des  Zeustempels  vergleicht,  dem  wird  nicht  verborgen  bleiben,  dasz 
die  gröszere  anmut ,  Zartheit  und  eleganz  freilich  auf  selten  des  atti- 
schen Werkes  zu  finden  ist,  dasz  aber  aus  der  erscheinung  des  olym- 
pischen heiligtums  ein  weit  tieferer  ernst,  eine  königlichere  würde 
und  göttlichere  heiligkeit  spricht  als  aus  jenem,  nach  dieser  seite 
hin  steht  der  olympische  Zeustempel  unübertrofifen  da,  der  könig 
unter  den  tempeln,  wie  sein  bewohner  der  könig  war  unter  den 
göttem'  (s.  252). 

Ebenso  wird  der  teilnehmende  leser  am  liebsten  selbst  den 
gründlichen  und  sachkundigen  erörterungen  folgen,  welche  B.  auf 
die  fragen  über  die  reconstruction  der  beiden  giebelfelder  verwendet, 
sowohl  über  die  mythischen  stofife  beider  —  die  Vorbereitung  zu 
dem  Wettrennen  des  Oinomaos  und  Pelops  am  östlichen,  den  kämpf 
der  Lapithen  und  Kentauren  am  westlichen  giebel  —  wie  über 
die  Zusammenstellung  der  aufgefundenen,  viel  zertrümmerten  bild- 
werke,  bei  welcher  B.  sich  für  den  ostgiebel  vorwiegend  Treus  an- 
sichten  angeschlossen  hat  (s.  258.  263),  während  des  Pausanias  über- 
lieferung  grosze  irrtümer  aufweist,  sind  die  ausführungen  des  vf. 
in  hohem  grade  belehrend,  zumal  da  die  sorgfältigen  nachbildungen 
auf  tf.  VII.  VIII  die  anschauung  ungemein  erleichtern. 

An  die  giebelfelder  schlieszt  sich  die  eingehende  besprechung 
der  metopen  (s.  274 — 286)  an,  welche  die  beiden  Vorhallen  des 
tempels  über  deren  seulenstellung  schmückten,  es  ist  sehr  erfreu- 
lich, dasz  zu  den  von  den  französischen  archäologen  1829  aufgefun- 
denen und  im  Louvre  bewahrten  teilen  der  metopen  durch  die  deut- 
schen ausgrabungen  grosze  ergänzungen  hinzugekommen  sind,  frei- 
lich ist  ein  teil  dieser  bildwerke,  welche  die  zwölf  arbeiten*  des 
Herakles  darstellten,  in  hohem  grade  beschädigt;  andere  aber  sind 
in  guter  erhaltung  zu  tage  gekommen  und  gehören  zu  den  vorzüg- 
lichsten funden  aus  Olympia,  alle  Überreste  sind  bei  B.  möglichst 
getreu  im  holzschnitt  wiedergegeben ;  doch  verweist  er  diejenigen, 
die  sich  von  den  stilistischen  eigentUmlichkeiten  eine  richtige  Vor- 
stellung machen  wollen ,  auf  die  in  gröszeren  bibliotheken  zugäng- 
lichen Photographien  nach  den  onginalen.    auch  die  metopen  ver- 


96  JClassen:  anz.  v.  ABoettichers  Olympia. 

danken  ihre  reconstruction ,  so  weit  sie  möglich  war,  besonders 
Treus  eifrigen  bemühungen  (s.  275). 

B.  hat  an  den  historischen  Überblick  der  den  Zenstempel  zu 
Olympia  schmückenden  sculptnrwerke  eine  lehrreiche  betrachtung 
des  hohen  wertes  angeschlossen ,  welchen  sie  für  unsere  einsieht  in 
den  entwicklungsgang  der  hellenischen  plastik  in  der  zeit  ihrer  höch- 
sten blute  besitzen  (s.  292  ff.),  wir  unterbrechen  nicht  diese  zu- 
sammenhängenden ausftlhrungen,  heben  aber  als  ein  gesichertes  er- 
gebnis  derselben  hervor,  dasz  die  angäbe  des  Pausanias,  der  meister 
des  östlichen  giebelfeldes  sei  Paionios,  der  des  westlichen  Alkamenes, 
begründeten  zweifeln  unterliegt,  nachdem  wir  in  der  zu  anfang  der 
ausgrabungen  gefundenen  Nike  ein  inschriftlich  bezeugtes  werk  des 
Paionios  erhalten  haben ,  bleibt  es  auffallend  dasz  jene  sculpturen 
des  östlichen  giebels  mit  dem  künstlerischen  Charakter  dieser  statue 
in  keiner  verwandtschaftlichen  beziehung  stehen,  auch  dasz  zwischen 
dieser  und  jenen  sculpturen  ein  Zeitraum  von  40  jähren  in  der  mitte 
lag;  indes  kann  es  immerhin  auf  Wahrheit  beruhen,  dasz  Paionios 
schon  früh  das  östliche  giebelfeld  geschaffen  habe,  dagegen  ist  für 
Alkamenes  die  möglichkeit  ausgeschlossen,  dasz  er  der  urheber  des 
westlichen  giebelfeldes  sei.  die  uns  bekannte  lebenszeit  des  Alka- 
menes als  jungem  Zeitgenossen  des  Pheidias  läszt  es  nicht  zu ,  dasz 
er  an  dem  um  460  von  Liben  vollendeten  Zeustempel  eine  so  grosze 
arbeit  schon  viel  früher  ausgeführt  haben  sollte,  ehe  der  grosze 
attische  meister  die  Zeusstatue  begonnen ,  zu  deren  anfertigung  er 
erst  zwanzig  jähre  nach  Vollendung  seiner  werke  auf  der  akropolis 
von  Athen  nach  Olympia  übersiedelte,  das  nähere  über  diese  Unter- 
suchungen s.  288 — 295.  B.  schlieszt  dieselben  mit  der  bemerkung: 
^nun  wir  wissen ,  dasz  die  olympischen  tempelsculpturen  lange  vor 
Pheidias  blütezeit  entstanden  sind ,  kann  es  uns  nicht  mehr  befrem- 
den, wenn  sie  nicht  den  Stempel  der  Vollkommenheit  tragen,  welcher 
den  parthenonischen  Schöpfungen  aufgedrückt  ist.  die  hoffhung,  in 
ihnen  eine  reihe  von  kunstwerken  absolut  ersten  ranges  zu  finden, 
ist  durch  ihre  hebung  thatsftchlich  vereitelt  worden,  dagegen  ist 
ein  in  kunstgeschichtlicher  beziehung  sehr  hervorragendes  ergebnis 
gewonnen:  eine  lücke  in  der  entwicklungsgeschichte  der  griechischen 
plastik  ist  reich  und  glücklich  ausgefüllt,  ein  zeitliches  mittelglied 
gefunden  zwischen  den  erscheinungen  der  noch  gänzlich  befangenen 
altertümlichen  kunst,  der  die  giebelgruppen  von  Aigina  angehören, 
und  denen  der  hellenischen  kunst  auf  ihrem  höhepunkt  in  den  bild- 
werken  des  Parthenon.'  die  nähere  begründung  dieser  ansieht  und 
die  bestimmtere  darlegung  der  eigentümlichen  Vorzüge  der  olympi- 
schen tempelsculpturen,  sowohl  an  den  giebelfeldem  wie  an  den 
metopen ,  folgt  bis  s.  300  in  lebendigster  ausführung. 

B.  hat  den  fernem  verlauf  seiner  aufgäbe  mit  derselben  gründ- 
lichkeit  der  beobachtung,  derselben  schärfe  und  klarheit  des  urteile 
durchgeführt,  die  wir  bisher  mit  freude  anerkannt  haben,  doch  wir 
begnügen  uns  im  folgenden  den  gang  seiner  darstellung  sowohl  bis 


JClassen:  anz.  v.  ABoettichers  Olympia.  97 

mm  abschlüSE  der  bltttezeit  wie  durch  die  perioden  der  makedoni- 
schen und  römischen  herschaffc  in  ihren  besonders  charakteristischen 
sllgen  EU  bezeichnen,  zunächst  folgt  ein  einblick  in  die  innere  archi- 
tektur  des  Zeustempels,  durch  welchen  der  lange  streit  über  die 
tempeldachOffhung ,  das  hypaithron,  für  die  unzweifelhafte  ezistenz 
desselben  entschieden  ist:  'wer  heute  das  hypaithron  des  griechi- 
schen tempels  leugnet,  ist  ein  fremdling  in  der  hellenischen  archi- 
tektnr  .  •  Dörpfelds  Untersuchungen  am  Parthenon  haben  den  be- 
weis ToUendet'  (s.  303). 

'Unmittelbar  hinter  dem  hypaithron,  im  glänzenden  zenith- 
lichte,  stand  das  colossale  goldelfenbeinbild  des  olympischen  Zeus 
Panhellenios ,  die  höchste  Schöpfung  des  höchsten  griechischen 
meisters.'  näheres  darüber  bis  s.  307 ,  mit  hinweis  auf  die  schöne 
stelle  in  der  olympischen  rede  des  Dion  Chrysostomos  (12  s.  400  Rsk.). 

l^ach  der  besprechung  verschiedener  baureste ,  die  sich  an  der 
Westseite  der  Altis  gefunden  haben,  deren  ursprüngliche  bestimmung 
und  spätere  Verwendung  nicht  immer  ganz  gesichert  ist  (der  byzan* 
ünischen  kirche,  des  römischen  hauses,  des  theokoleon,  des  Leoni- 
daion, des  prytaneion  usw.),  wendet  sich  B.  zu  den  vorzüglichsten 
werken  der  plastischen  kunst,  mit  welchen  die  Altis  in  dieser  zeit 
der  blute  geschmückt  worden  ist,  und  hebt  unter  diesen  vor  allen 
noch  einmal  die  beiden  hervor,  die  .uns  durch  eine  besondere  gunst 
des  geschickes  erhalten  worden  sind :  die  Nike  des  Paionios  und  den 
Hermes  des  Praxiteles:  die  lehrreiche  besprechung  derselben  ist 
s.  320 — 332  nachzulesen,  'so  spiegelt  sich  in  dem  mikrokosmos  der 
olympischen  weit'  schlieszt  s.  337  'das  ganze  geistige  und  sociale 
leben ,  das  thun  und  denken  der  groszen  hellenischen  weit  auf  fest- 
land  und  inseln ,  im  mutterlande  und  in  den  colonien ,  auf  das  deut- 
lichste wieder,  und  so  viel  auch  von  diesem  bilde  unwiederbring- 
lich verloren  gegangen  ist,  so  wenige  scherben  wir  auch  von  diesem 
Spiegel  aus  der  tiefe  wieder  zusammentragen  konnten,  sie  reichen 
iloch  aus,  um  uns  leuchtende  strahlen  jener  glanzepoche  heraufzu- 
senden, die  wir  im  vorstehenden  in  ihrem  geschichtlichen  Zusammen- 
hang zu  schildern  unternahmen.' 

Mit  dem  untergange  der  freiheit  Griechenlands  bei  Chaironeia 
war  nicht  der  geist  des  hellenischen  volkes  weder  für  kunst  noch 
für  Wissenschaft  zu  gründe  gegangen;  aber  seine  richtung  wurde 
eine  andere ,  und  seine  Schöpfungen  nahmen  einen  andern  Charakter 
an.  im  allgemeinen  trat  an  die  stelle  des  nationalen  das  persönliche. 
für  die  geschichte  von  Olympia  ist  es  charakteristisch ,  dasz  in  den 
hundertundfünfzig  jähren  von  den  Perserkriegen  bis  zur  herschaft 
Alezanders  ehrenstatuen  und  ehreninschriften  für  einzelne  so  gut 
wie  gar  nicht  vorkamen,  wo  wir  —  abgesehen  von  den  siegersta- 
tuen,  die  ein  selbstgesetztes  erinnerungszeichen  bilden  —  statuen 
von  menschen  aufgestellt  finden,  sind  sie  nicht  diesen  zum  rühme, 
sondern  zum  gedächtnis  an  ein  bemerkenswertes  ereignis  errichtet, 
die  zeit  der  Schmeichelei  gegen  mächtige  und  Würdenträger  ist  in 

JahrbQcher  TAr  closs.  philol.  18S3  hfl.  2.  7 


98  JClassen:  anz.  y.  ABoettichers  Olympia. 

dem  freien  Griechenland  noch  nicht  angebrochen ;  aber  sie  trat  bald 
genug  in  der  makedonischen  herschaft  hervor  und  nahm  unter  dem 
römischen  kaisertum  immer  gprOszere  dimensionen  an.  ^Alexander 
hat  in  seiner  einwirkung  auf  Olympia  seinen  groszartigen  sinn  nicht 
verleugnet,  er  ist  es  ohne  frage  gewesen,  der  seinem  yater  Philippos 
und  seiner  familie  in  dem  glänzenden  rundbau  des  Philippeion^ 
dessen  fundamente  noch  Tor  uns  liegen ,  ein  glänzendes  denkmal  er- 
richtete, welches  fünf  aus  6iner  band  hervorgegangene,  lebensgrosze 
goldelfenbeinfiguren  schmückten :  die  nähere  beschreibung  lese  man 
8.  351—354  nach,  über  die  manigfachen  baulichen  anlagen,  welche 
er  an  der  westlichen  grenze  der  Altis  zur  yerschonerung.  ihres  ge- 
samteindruckes  vornahm,  berichtet  B.  s.  343  ff.:  er  vermutet  dass 
sie  nach  dem  plane  seines  groszen  baumeisters  Deinokrates,  den  er 
zu  allen  seinen  gewaltigen  bauten,  ua.  für  die  neue  hauptstadt  der 
weit,  Alexandreia,  zu  rate  zog,  entworfen  worden  seien.  Über  den 
um-  und  ausbau  des  Leonidaion,  das  mit  den  makedonischen  bauten 
in  Zusammenhang  stand  und  im  vierten  jh.  zu  dem  um&ngreichsten 
gebäude  in  Olympia  ausgebildet  wurde ,  ist  s.  345 — 350  zu  yerglei- 
chen.  aus  Pausanias  V  15,  2  wissen  wir,  dasz  zu  seiner  zeit  in  die- 
sem gebäude  hochgestellte  fremde,  die  römischen  Statthalter,  ihr  ab- 
steigequailier  nahmen,  in  den  ausgang  des  vierten  oder  den  beginn 
des  dritten  jh.  fällt  auch  die  er]^auung  derjenigen  für  die  gymnasti* 
sehen  Übungen  bestimmten  anlagen,  welche  die  ausgrabungen  zu 
tage  gefördert  haben,  sie  liegen  im  westen  der  Altis  in  der  nähe  des 
Eladeos,  dessen  lebendig  flieszendes  wasser  zum  erquickenden  bade 
nach  den  anstrengungen  der  gymnastischen  spiele  sehr  willkonmien 
war.  palaistra  und  gynmasion  sind  in  ihrer  groszen  ausdehnung 
wieder  erkannt  worden,  obgleich  ihre  genaue  bestimmung  nicht  mit 
Sicherheit  zu  unterscheiden  ist.  B.  hat  mit  Zugrundelegung  von 
Vitnivs  beschreibung  eine  möglichst  klare  Schilderung  derselben 
auszuführen  versucht  s.  360 — 371.  er  bedauert  dasz  die  aufdeckung 
des  gymnasions  durch  unsere  arbeiter  nicht  hat  zu  ende  gebracht 
werden  können,  und  hofft  dasz  durch  eine  spätere  fortsetzung  des 
wrerkes  auch  die  dort  bewahrten  inschrifttafeln  mit  den  namen  der 
olympischen  sieger  zu  tage  kommen  werden  (s.  372). 

Noch  verdient  ein  bau  erwähnung,  der  aus  der  diadochenzeit  in 
seinen  trümmem  auf  uns  gekommen  ist,  das  Metroon,  der  dritte 
und  letzte  tempel  innerhalb  der  Altis,  der,  wie  der  name  sagt,  der 
göttermutter,  der  Bhea-Eybele  geweiht  war:  seine  dürftigen  Über- 
reste sind  teils  auf  der  plattform  vor  den  schatzhäusem,  teils  in  dem 
baumaterial  der  byzantinischen  ostmauer  gefunden  und  nach  Pausanias 
beriebt  seiner  Wanderung  (V  21,  2)  unzweifelhaft  an  ihrer  stelle  er- 
kannt, der  cultus  der  Bhea  war  in  Olympia  sicher  uralt;  doch  fällt 
seine  emeuerung  gerade  in  diese  spätere  zeit.  B.  äuszert  (s.  374  f.) 
die  ansprechende  Vermutung,  dasz  der  olympische  tempel  der  groszen 
göttin  eine  Schenkung  des  Ptolemaios  Philadelphos  und  seiner  ge- 
rn ahlin  und  Schwester  Arsinoö  gewesen  sein  möge,  welche  nach 


msBaerÖBXL  är^  OiZt^^  baJzi^jic  :z.  r*'T7i.Ti2&  ernst "ii^  jjissM^r. 

tLsL  "■■-r  "^m  fiLi^fis:  rt<Ä>:.rÄrr5;:".nj? 

kppf  €!£€<  »itkict.  itT.  wie  üe  rr:::r>:cllfr  ä=i  bil^e  «ictr. .  jtt- 
wihsixs  TOE  rznzii  kzz^'z^t:  wcrcfn  ;:xi  iwiss'nen  sw^:  i>«Äi:^n 
so  scrgftlü  Terwfciri  wcritn  w&r.  i&sc  s^icc  ;>i--:pf  frhjLli;:iur  e:r.^ 
imgewGiiiilici  nfckell:-f*  i^L  cie  irrild-r^  *f.  XI  lissi  uc?  d;i  ivhe 
phTsiognozziie  dr^  «rifsniSäiiwJi  i&csik&iEpf^rs  wohl  erkt?iiner.. 
B.  aber  Tersict^r:  nacr  der  ans-cisucnc  des  oricinals  'oIam  o*:^  über- 
zeugende  watih^it  des  p*:r:rST5,  die  aus  diesen  glriohsazn  Qbor  n«tur 
abgefc^B^eI2  züren  sprlchi.  den  kcpf  Überaus  an ciehend  maolU:  e$ 
ist  der  nackte,  aller  :de&Iii£l  bare  rea]:>mus.  mit  welchem  oin  über 
die  Yollendet&le  Technik  gebietender  künstler  seinen  ^\cvnst;md  bo- 
bandelt  bat'  <  s.  379  .  'kimst^schiobiliob  ist  dieses  dem  au^^sr^ii^ 
des  dritten  jh.  zuzuteilende  werk  doppelt  wichtig  in  einer  feit,  wo 
die  gro&zartigen  funde  auf  der  bürg  von  Pergamon  ein  nur  etwa  ein 
balbes  jabrhunden  spSter  entstandenes  werk  bedeutendsten  mas2- 
Stabes  kennen  gelehrt  haben.'  und  so  beschlies^t  R  diesen  inter> 
essanten  abschnitt  seiner  darstellung  mit  der  dankbaren  anerken- 
nnng  des  groszen  gewinns,  welcher  uns  durch  eine  reihe  neuer  eut- 
deckungen  zu  Samothrake,  zu  Pergamon  und  nun  auch  zu  Olympia 
für  die  wahrhafte  erkenntnis  der  groszen  venlienste  der  an^hitektur 
und  plastik  der  diadochenzeit  zu  teil  geworden  ist. 

Olympia  imd  seine  feste  haben  auch  unter  der  römischen  her- 
schaft noch  über  500  jähre  fortbestanden;  aber  ihr  glan/  und  ihre 
nationale  bedeutung,  die  schon  vorher  mehr  und  melir  g<'s«unkeu 
waren,  sind  allmählich  völlig  entschwunden,  die  Körner  haben  nm'h 
lange  nach  der  eroberung  von  Ach<\ja  eine  wahrhaft  innen^  teilnahino 
Olympia  nicht  zugewandt,  wir  wissen  nichts  von  olympischen  siegeru 
römischer  nationalitttt,  so  lange  die  republik  dauert.  wahrHchoinlioh 
gehören  auch  die  um-  und  neubauton,  diu  wir  mit  Hiohorheit  auf 
römischen  Ursprung  zurückführen  können,  der  kaiHorzoit  an.  I).  hat 
mehrere  derselben  genauer  untersucht  und  bettohriobou  h.  l\Hi\  iT.  von 


100  JClassen :.  anz.  v.  ABoettichers  Olympia. 

allen  bauanlagen  aber  aus  römischer  zeit,  von  denen  noch  Überreste 
aufgefunden  worden  sind,  ist  bei  weitem  das  hervorragendste  die 
mächtige  und  künstlerisch  glänzend  ausgestattete  sogenannte  exedra 
des  Herodes  Atticus.  wie  dieser  fürstlich  begüterte  rhetor  Athen 
und  Korinth  mit  ansehnlichen  bauten  geschmückt  hat,  so  ist  er  für 
Olympia  dadurch  ein  ausgezeichneter  wohlthäter  geworden,  dasz  er 
dem  mangel  an  ausreichendem  wasser,  welcher  trotz  zahlreicher  Ver- 
anstaltungen immer  in  Olympia  schwer  empfunden  worden  ist,  ohne 
zweifei  wirksam  abgeholfen  hat.  B.  benutzt  zunächst  diese  gelegen- 
heit,  nach  den  sorgfältigen  Untersuchungen  des  fachkundigen  Bau- 
führers Gräber  uns  einen  Überblick  über  die  gesamten  wasserleitungs- 
anlagen  in  der  ebene  von  Olympia  aus  der  alten  hellenischen  zeit  zu 
geben  (s.  391  ff.),  deren  125  teils  Zuleitungen,  teils  entwässerungs- 
stränge  gezählt  werden,  da  das  wasser  des  Alpheios  nicht  trinkbar  ist 
wegen  der  groszen  menge  kalkiger  sinkstoffe  und  das  des  EHadeos 
leicht  getrübt  wird,  so  leitete  man  die  von  der  höhe  dieses  flusses  zu- 
strömenden bäche  und  unscheinbaren  quellen  in  ein  bassin  am  ab- 
hänge des  Eronoshügels  oberhalb  des  Heraions,  von  wo  aus  die  öst- 
liche Altishälfte  mit  wasser  gespeist  wurde;  ein  zweites  reservoir 
war  für  die  andere  Seite  angelegt,  dadurch  dasz  man  in  den  Ejronos* 
hügel  in  beträchtlicher  höhe  einen  stoUen  hineintrieb,  auszerdem 
sind  schon  in  verhältnismäszig  früher  zeit  in  Olympia  auch  brunnen 
angelegt,  aus  denen  man  zu  jeder  zeit  klares  wasser  schöpfen  konnte. 
die  ausgrabungen  haben  neun  derselben  freigelegt,  welche  auf  der 
Situationskarte  bezeichnet  sind. 

Bei  dem  in  den  ersten  Jahrhunderten  der  römischen  kaiserzeit 
wieder  auflebenden  künstlichen  glänze  der  olympischen  feste  und 
spiele  und  dem  in  folge  davon  wachsenden  bedürfnis  war  es  in  der 
that  eine  auszerordentliche  wohlthat,  welche  Herodes  Atticus  für 
Olympia  durch  die  groszartige  anläge  schuf,  die  an  stelle  des  mangels 
an  wasser  überflusz  treten  liesz.  die  reichliche  Wasserversorgung 
wurde  aus  einem  östlichen  seitenthale  des  Alpheios  etwa  3  kilo- 
meter  weit  teils  auf  pfeilern,  teils  in  gemauerten  stollen  am  berg- 
hang bin  in  ein  groszes  hochreservoir  oberhalb  der  nachher  ge- 
bauten exedra  geleitet  und  von  doii;  nach  allen  teilen  der  Altis  ver- 
sendet. 

Mit  der  groszartigen  wasseranlage  verband  Herodes  Atticus 
auch  einen  prachtbau,  für  welchen  er  den  platz  auf  der  terrasse  zwi- 
schen dem  Heraion  und  den  schatzhäusem  wählte,  dieser  sollte  zu- 
gleich dem  kaiserhause  der  Antonine  und  ihm  selbst  und  seiner 
familie  zum  ehrendenkmal  dienen,  die  eingehende  beschreibung 
desselben  gibt  B.  s.  398  f.  hier  sei  nur  erwähnt,  dasz  in  den  sieben 
nischen  der  innem  wandfläche  einundzwanzig  marmorne  bildseulen 
ihren  platz  fanden,  porträtstatuen  der  kaiserfamilien  des  Antoninus 
Pius  und  Marcus  Aurelius  und  der  familie  des  Urhebers  des  mäch- 
tigen Werkes,  eine  anzahl  dieser  statuen  ist  noch  wohl  erhalten  und 
gibt  Zeugnis  von  dem  aufschwung,  den  die  römische  plastik  zur  zeit 


JClasscn:  anz.  y.  ABoetticliers  Olympia.  101 

des  Marcus  Aurelias  genommen  hatte,  ebenso  ist  der  marmorne  stier 
völlig  erhalten ,  den  Herodes  als  Sinnbild  der  naturkraft  nahe  dem 
zum  bequemen  schöpfen  angelegten  platze  hat  setzen  lassen,  mit 
einer  inschrift,  in  welcher  seine  gattin  Begilla  als  priesterin  der 
Demeter  'das  wasser  und  was  mit  dem  wasser  zusammenhängt'  dem 
Zeus  weiht. 

'Die  ezedra  des  Herodes  Atticus  ist  das  späteste  bauwerk  inner- 
halb der  Altis,  nächst  dem  Zeustempel  aber  durch  ihren  höhenmasz- 
stab  das  bedeutendste,  sie  hat  offenbar  die  einheitliche  erscheinung 
des  festortes  und  das  rechtmäszige  übergewicht,  welches  dem  Zeus- 
tempel in  derselben  zukam,  beeinträchtigt,  ja  schwer  geschädigt, 
eine  deutlichere  illustration  für  den  gänzlichen  Umschwung  der  an- 
schauungen ,  für  das  verändert«  gefühl  der  bevölkerung ,  läszt  sich 
kaum  finden  als  dieser  bau  mit  seinen  porträtbildnissen ,  die  freilich 
laut  inschrift  als  «das  was  mit  dem  wasser  zusammenhängt»  dem 
Zeus  geweiht  sind,  im  gründe  aber  doch  nichts  anderes  bedeuten  als 
menschenverherlichung'  (s.  398). 

So  beschlieszt  B.  die  beschreibung  dieser  merkwürdigen  anläge, 
deren  Überreste  noch  jetzt  den  blick  des  beschauers  in  hohem  grade 
auf  sich  ziehen,  aus  den  folgenden  Zeiten  bis  zum  völligen  unter- 
gange der  alten  festesherlicbkeit  ist  nichts  mehr  von  bedeutung  zu 
berichten,  die  letzte  aufgefundene  siegerinschrift  datiert  von  ol.  257 
(252  nach  Ch.),  die  letzte  inschrift  Überhaupt  von  ol.  261  (nach  Ch. 
268).  so  wenig  ist  aus  den  beiden  letzten  Jahrhunderten  erhalten, 
dagegen  bemüht  sich  der  vf.  in  seinem  'schluswort'  das  chrono- 
logische System ,  welches  er  bei  seiner  Schilderung  von  Olympia  zu 
groszem  gewinn  der  deutlichkeit  und  klarheit  beobachtet  hat,  durch 
zwei  bildliche  Übersichten  zu  ergänzen,  denen  er  kurze  erläuterungen 
hinzufügt :  der  situationsplan  nach Dörpfelds  aufnähme  gibt  eine 
anschauliche  Vorstellung  von  der  grundteilung  der  ganzen  ebene  in 
die  Altis  und  die  auszenanlagen,  jene  mit  den  drei  tempeln  des  Zeus, 
der  Hera  und  der  göitermutter  und  den  sich  daran  schlieszenden 
kleinen  heiligtümern  und  geweihten  statten,  diese  mit  den  beiden 
rennbahnen  im  Osten ,  den  anlagen  für  gymnastik ,  den  priesterwoh- 
nungen  und  dem  Leonidaion,  dem  vornehmen  absteigequartier  im 
Westen,  und  dem  buleuterion  und  andern  Verwaltungsgebäuden,  die 
zum  teil  noch  nicht  aufgedeckt  sind,  im  Süden,  die  ansieht  von 
Olympia  in  der  reconstruction  ist  von  dem  architekten  Bohn, 
dem  amtsnachf olger  B.s  in  Olyifipia ,  mit  gröster  Sorgfalt  und  treue 
von  dem  Standpunkt  zwischen  dem  Leonidaion  und  der  byzantini- 
schen kirche  aus  gegen  die  westliche  seite  der  Altis  aufgenommen, 
er  hat  sich  bemüht  die  ergebnisse  der  architektonischen  forschungen 
zu  einem  künstlerischen  bilde  zu  gestalten,  auf  welchem  nichts  zu 
gunsten  der  Wirkung  verschoben ,  in  seinen  maszen  geändert  oder 
durch  unerwiesene  zuthaten  bereichert  ist.  so  urteilt  B.  aus  sicher- 
ster kenntnis,  und  der  leser  erfreut  sich  der  belebenden  anschauung 
des  schönen  bildes. 


102  JClaeseQ:  anz.  t.  ABoettichers  Olympia. 

Auf  diese  weise  hat  B.  seine  absieht  *die  kenntnis  von  dem  in 
Olympia  positiv  gewonnenen  und  eine  Vorstellung  von  den  hoffiiun- 
gen,  welche  sich  daran  knüpfen,  in  die  weiteren  kreise  der  freunde  des 
classischen  altertums  zu  tragen'  (s.  4),  in  seiner  'Olympia'  in  jeder 
weise  aufs  würdigste  zum  ziele  geführt,  die  ho&ungen  und  wünsche, 
mit  denen  er  sein  schönes  werk  abschlieszt,  und  denen  viele  gleich- 
gesinnte  aus  vollem  herzen  zustimmen  werden,  mögen  auch  hier 
zum  schlusz  nachfolgen:  ^noch  ist  die  znkunft  aller  jener  funde  nicht 
entschieden ;  noch  schwebt  die  frage,  ob  sie  den  museen  der  griechi- 
schen hauptstadt  einverleibt  werden  sollen,  oder  ob  man  in  Olympia 
selbst  ein  würdiges  museum  errichtet,  für  das  letztere  spricht 
das  gefühl;  für  das  erstere  tritt  der  verstand  ein.  Oriechenland, 
welches  sich  durch  seine  commissare  —  unsere  zu  lieben  freunden 
gewordenen  collegen  —  in  der  verständnisvollsten  weise  an  den 
arbeiten  beteiligt  hat,  wird  hier  hoffentlich  das  rechte  treffen.  — 
Die  volle  erkenntnis ,  welche  man  jetzt  in  Athen  für  den  wert  der 
landeseignen  altertümer  besitzt,  wie  sie  sich  in  der  einrichtung  weit- 
räumiger museen,  in  der  mustei^ltigen  aufstellung  einzelner  bereits 
definitiv  geordneter  samlungen  ausspricht,  bürgt  dafür,  dasz  auch 
die  olympischen  schätze  eine  ihrer  würdige  statte  und  eine  ange- 
messene aufstellung  erhalten  werden,  dabei  wird  dann  die  thätig- 
keit  unserer  griechischen  collegen ;  von  deren  treuer  und  fleisziger 
mitarbeit  nur  diejenigen  wissen,  welche  die  mühen  und  Yreuden  des 
lebens  in  Olympia  mit  ihnen  teilten,  auch  nach  auszen  hin  zur  vollen 
geltung  kommen,  denn  niemand  ist  im  stände  diese  samlung  zu 
sichten  und  zu  ordnen,  als  wer  bei  ihrer  gewinnung  beteiligt  gewesen 
und  mit  den  localen  Verhältnissen  und  der  topographie  Olympias 
vollständig  vertraut  ist.  .  .  Wir  Deutsche  werden  aller  voraussieht 
nach  wohl  noch  nahezu  ein  Jahrzehnt  zu  warten  haben ,  bis  die  ab- 
güsse  der  olympischen  funde  in  der  hauptstadt  eine  definitive  statte 
finden ,  bis  die  dringend  erforderliche  und  auch  längst  beschlossene 
umfangreiche  erweiterung  der  museen  eine  vollendete  thatsache  ge- 
worden  ist.  —  Möchten  die  plane  für  diesen  bau  nicht  zu  knapp  be- 
messen werden !  noch  ruhen  überall  im  classischen  boden  die  her- 
liebsten  und  wertvollsten  schätze  und  warten  nur  der  band,  die  sie 
ans  licht  fördert,  allerorten  haben  in  den  letzten  jähren  die  schür- 
fungsversuche  die  thatsache  ergeben,  dasz  man  nur  die  schaufei  ein- 
zusetzen braucht,  um  zu  finden.  —  Freilich  bedarf  es ,  um  so  grosze 
und  so  allseitig  befriedigende  resultäte  wie  bei  den  olympischen  aus- 
grabungen  zu  erreichen,  auch  erheblicher  mittel,  aber  wir  möchten 
auch  hoffen  und  vertrauen,  dasz  unserm  vaterlande  noch  lange  zeit 
der  friede  nach  innen  und  auszen  gewahrt  bleibt,  dasz  seine  mate- 
rielle macht  sich  mehrt  und  dasz  es,  nach  den  glänzenden  ergeb- 
nissen,  welche  seine  uneigennützige  freigebigkeit  einmal  erzielt 
hat ,  bei  gelegener  stunde  nicht  anstehen  wird ,  wiederum  für  grosze 
ideale  zwecke  der  Wissenschaft  einzutreten.' 

Ich  aber  will  meine  feder,  die  ich  vielleicht  schon  zu  sehr  nach 


HPetri:  sa  Sophokles  Antigone  [t.  160  f.].  103 

neigong  sich*  habe  ergehen  lassen,  nicht  niederlegen,  ohne  dem  vf. 
nodi  einmal  meine  gr5ste  hochachtong  f&r  seine  yerdienstvolle  arbeit 
und  meinen  wärmsten  dank  für  die  fireude  aaszosprechen,  welche 
seine  lebensvolle  darstellong  mir  durch  die  krSftige  Wiederbelebung 
nnd  Verstärkung  der  erhebenden  eindrücke  gemacht  hat,  die  ich  von 
meinem  knnen  aber  unvergeszlichen  aufenthalt  in  Olympia  mit  mir 
genommen  habe. 

Hamburg.  Johannes  Classen. 

ZU  SOPHOKLES  ANTIGONE. 


Y.  150  f.  haben  sämtliche  hss. 

Ik  liiv  bf)  iToXd^ujv 

Tuiv  vöv  0€c6€  Xiic^ocuvriv. 
dasz  die  stelle  verderbt  ist,  beweisen  die  vergeblichen  bemühungen 
der  erklärer,  einen  treffenden  sinn  in  den  Worten  zu  finden,  und  die 
mancherlei  heilungsversuche.  wir  wollen  zuerst  die  erklärungen, 
dann  die  emendationen  betrachten.  OHermann  übersetzt:  ^ex  hisce 
proeliis  iam  capite  oblivionem'  nemlich  auT&v,  was  aus  iroXd^uiv 
Tfiiv  vGv  zu  O^cOe  Xiic^ocuvriv  zu  ergänzen  sei.  so  scheint  auch 
Böckh  zu  verstehen,  der  übersetzt:  'deshalb  denket  des  kampfes  jetzt 
nicht  nehr'y  eine  erklärung  aber  nicht  gibt.  Wunder  ebenso:  ^post 
bella  haec  obliviscamini  eorum.  nam  OicOai  Xiic^oaJvr]v  idem  fere 
est  atque  Xa6dc8ai.'  und  in  der  that  ist  eine  andere  erklärung  auch 
unzulässig,  da  tuiv  vOv  von  itoX^)liu}V  zu  trennen  teils  wegen  der 
nahen  Stellung,  teils  wegen  des  bei  iroXdfiiuJV  fehlenden  artikels 
nicht  angeht;  nemlich  Erfurdt  construierte  ^k  ttoX^^uiv  OdcOe  Xric* 
fiocOviiv  tOüv  vOv  'post  bellum  obliviscamini  praesentia,  i.  e.  funera 
fratrum',  was  Hermann  mit  recht  zurückweist,  auch  der  sinn  er- 
laubt dies  nicht,  'nach  dem  kriege  vergesset  die  gegenwart'  ?  die 
kriege  will  der  chor  vergessen,  aber  nicht  die  gegenwart:  denn 
diese  ist  nicht  mit  Erfurdt  «s  'ftmera  fratrum'  —  diese  sind  viel- 
mehr identisch  mit  dem  kriege  —  sondern  die  befreiung  von  der 
gefahr ,  freude  über  den  sieg ;  dazu  fordert  der  chor  auf.  der  sinn 
musz  also  offenbar  sein :  vergesset  den  krieg  und  das  leid  das  er  uns 
gebracht  hat,  und  nahet  euch,  wie  es  weiter  heiszt,  den  tempeln  der 
götter  mit  nächtlichen  reigen ,  und  Bakchos  sei  führer.  also  zu  aus- 
gelassener Siegesfreude  ermuntert  er,  nicht  zum  vergessen  der  gegen- 
wart,  können  aber  die  eben  beendeten  kriege  TTÖXe^oi  oi  vOv  ge- 
nannt werden?  gewis  nicht:  denn  mit  der  flucht  der  feinde  gehören 
sie  der  traurigen  Vergangenheit  an ,  nicht  mehr  der  gegenwart.  — 
Donner  übersetzt:  'deshalb  denkt  nach  dem  kämpf  ihr  auch  nicht 
des  jetzigen  mehr',  was  ich  nicht  zu  verstehen  bekenne,  sehr  gut 
dagegen  der  scholiast :  ttävu  m9avd»c  xä  t^c  euxflc  •dTTijLiviicO^v- 
Tec  Tcip  bucx€pu»v  TTÄXiv  dirl  tä  Kai'  äpx^c  €Öq)Tma  Tp^- 
'irovTai.    wir  sehen  dasz  weder  der  sinn  erlaubt  tuiv  vCv  für  sich 


104  JBPetri:  zu  Sophokles  Antigene  [y.  150  f.]. 

zu  nehmen  als  genitiv  von  lä  vGv,  noch  es  mit  ttoX^^ujv  zq  ver- 
binden ;  was  sollte  dann  auch  das  sonderbare  Ik  ?  warum  sagte  der 
dichter  nicht  einfach  tuiv  ttoX^)liu)V  (nicht  tuiv  vCv  itoX^^uiv)  O^cOc 

Xt]C^OCÜVT]V? 

Die  neueren  hgg.  haben  deshalb  auch  meist  zu  änderungen  ihre 
Zuflucht  genommen;  nur  Dindorf  von  den  mir  zug&nglichen  hgg.  be- 
hält die  bsl.  lesart  bei  (nur  dasz  er  mit  Brunck  XiiCfLiocOvav  schreibt),, 
eine  erklärung  gibt  er  weder  in  der  praefatio  zu  den  poetae  scenici 
noch  in  der  fünften  Sophoklesausgabe  der  bibliotheca  Teubneriana.  — 
Gustav  Wolflf  schreibt  mit  Wecklein  XP^UJV  für  tOjv  und  O^cOai  für 
6^c6€,  dem  sinne  ganz  entsprechend,  wenn  in  dem  worte  xp^iiCfV  eine- 
aufforderung  läge,  was  nicht  der  fall  ist;  auszerdem  ist  die  ände- 
rung  zu  gewaltsam ,  der  grund  der  Verderbnis  zu  wenig  ersichtlich^ 
als  dasz  man  dieser  conjectur  grosze  Wahrscheinlichkeit  beilegen 
könnte.  —  MSejffert  ändert  Ik  }iiy  in  dK^V),  desgleichen  liest  er 
6^c0ai  für  O^cOe  (ob  die  correctur  im  La.  O^cOe  aus  O^cOai  oder 
0^c6u)  entstanden  ist,  bleibt  unentschieden;  Dindorf:  'alterum  €  ex 
uj  factum');  er  sagt  mit  recht:  Wulgo  scriptum  Ik  fi^v  itoX^^u>v 
TUJV  vCv  post  memoratum  iam  Victoriae  adventum  ineptissimum 
est.'  aber  ist  es  nicht,  wie  oben  erwähnt,  ebenso  ineptum,  ver- 
gangene kriege  ttöXc^oi  o\  vCv  zu  nennen?  die  von  ihm  zur  ver> 
gleichung  angeführte  stelle  Hör.  cartn.  1 37  nunc  SaUaribus  omare 
ptdvinar  deorum  tempus  erat  dapibus^  sodales  hätte  ihn  belehren 
sollen ,  dasz  das  vOv  mit  dem  eben  beendeten  kriege  nicht  in  be** 
Ziehung  gesetzt  werden  darf,  sondern  als  ausdruck  der  gegenwart 
im  gegensatz  zu  dem  kriege  stehen  musz. 

Den  Schlüssel  zur  heilung  der  worte  gibt  die  schon  von  Seidler 
angezogene  stelle  Hom.  Od.  u)  484  f.,  wo  Zeus  zu  Athene  sagt:  fl^eic 
b'  au  Traibwv  t€  KaciTvrJTU)V  t€  q)övoio  ^kXticiv  O^ui^ev,  von 
Ameis  richtig  erklärt  durch  'eine  amnestie  machen',  diese  stelle 
scheint  Sophokles  vor  äugen  gehabt  zu  haben,  wobei  er  das  sonst 
auch  nicht  weiter  vorkommende  ficXficic  in  Xric^ocOvi]  änderte  und 
statt  des  activs  OeTvai  das  kräftigere  medium  setzte,  mir  scheint 
nemlich  die  stelle  durch  eine  kleine  Umstellung  geheilt  werden  za 
können ,  indem  man  liest 

i  K  vOv  O^cOe  XiicfiocO vav , 
und  übersetzt:  'bellorum  quidem  nunc  proponatis  oblivionem.'  masi 
wäre  versucht  i,K  zu  Xr]cpocuvav  zu  ziehen  und  eine  tmesis  anzu- 
nehmen ,  dKXr)C^ocOvii  »>  £kXticic,  O^cOai  «» iroieicOai.  allein  diese 
art  tmesis  bei  einem  substantivum  scheint  doch  (s.  Krüger  di.  68, 46  f.) 
kaum  zulässig  zu  sein,  dagegen  hindert  nichts  Ik  mit  O^cOe  zu  ver» 
binden,  und  wenn  auch  ^KTiOecOai  in  dieser  bedeutung  sich  nicht 
weiter  belegen  läszt,  so  ist  doch  der  gebrauch  dieses  verbums  ein 
so  ausgedehnter  und  manigfaltiger,  dasz  ein  bedenken  dagegen  nicht 
gerechtfertigt  scheint. 

HöxT£R.  Hermann  Pbtri.  • 


ÜSanR    Ott  tiim  * um^  xl  moranrneenet  li'tf^ 

17. 


skCiröer  beünzer  'vir  mir  T-srirt  reiirniss«  acs  öeiL  blr^rrciri.  die 
SBff&be  iiL  rheiDn-sber  itrihor  §..  i'f»"..  T.  w:  vor  äet  <•ifmfeTiiif.ni 
gcsftTi  inrc :  Kc;  t:»ii:  cr»":iii€VDy:  €t:;  icaicoiirTTjuac:  raptXauäin'Ov 
icXemac  öt:  cvbxicrnbirra:  cc:  cnrvfk .  btjehn  lIli^  ucr  rtÄrtibpr 
dasz  fi»  in  äer  iht*  ni!»r:jiii  revescr  ist  :  &ljf  nlLberez  beiinrnTicim 
und  nisBLLziat.  rrier  irfjjäiär  fit  tiL  liiai?*  war.  siua  vir  cen5iici 
uu  der  bz,  reot  ":»el  Axiiijiir'r  rezi  toi  'Hou»boi  c»C'Vi>v.  uns  äer 
ISb  Qt§  LTBiÄi  kbt'  ArcipsTC^L  HDC  öer  ae?  DemosTiiraeii  vor' 
'ApiCTDKpäro'jc  $  !**j  ri  eraie'r.:iipr  wkLrend  wir  &ber  in  oen  boi- 
des  zusTBi  KUpeftLirüGL  reDer  virk^tbt  fk'iie  tc-h.  arcrfurfr  vor  i:iis 
laibec.  emiilLJi  dbs  Iteizj rtKibsL^&he  rpcrcis  nur  eise  he$i3nQTnr.n^ 
Aber  die  inBziiELkei  derselbcE  i:uc  i«i  ron  Seaen  cesoniert  zu  be- 
tncLteiL.  ein  EBÖffr«-  fbL.  der  ldc-i:  icfi  &ncvzoeen  2c  veräeii  pflept^ 
der  des  Prmutb:«  tcI.  Lxriirzo«  c.  Leckr.  §  112.  Thuk.  VIll  <i2\ 
g^!iii  nickt  rierber.  c&  die  tce  den  Tierkundert  getrofFenen  ina$z- 
regeln  keinen  »cbiuFz  hz:  ge&eT^Tr.Rsrlge  zGst£nde  erlftnben  und  «u$7or- 
dem  die  &nBral*en  nicki  busreicben.  -dm  ein  kl&re«  bild  von  dem  Vor- 
fall zu  erballen. 

Wenn  wir  nun  zrir  beiracktcng  der  processfillle  übergeben,  aus 
denen  die  vcn  Antipkcn  zjiä,  Lvj^i&s  verfaszten  reden  erbalton  «no,  so 
ist  Tor  der  band  die  annabme  als  unbegründet  zurückzuweisen,  dasz 
jede  znordklage  okne  unterscbied  von  den  clfm&nnem  angenommen 
werden  konnte,  dagegen  streitet  scbon  der  umstand,  dasz  die  kläger, 
fSr  deren  einen  Lysias  die  rede  g.  Agoratos  gesobrieben,  von  den 
elfm&nnem  gezwungen  wurden  den  zusati  in'  auTOipiupifi  in  ihre 
klagescbrift  aufzunehmen,  und  dasz  auch  die  Antiphon! ischc  rode 
nicht  zu  solcher  meinung  berechtigt,  wird  im  folgenden  nachzu- 
weisen sein. 

■ 

Der  redner  bei  Antiphon  beklagt  sich,  dasz  er  als  mörder  durch 
änocfurff]  und  nicht  vor  dem  Areiopagos  belangt  sei;  er  sa^t  §  8, 
dasz  er  KOKOÜpToc  dvbebeiTM^voc  *  q)övou  biKiiv  q>€Üt€i,  wnd  vor- 
wahrt sich  im  folgenden  auf  das  entschiedenste  gogon  eine  solche 
falsche  anwendung  der  gesetxe.  nach  dem  vöjütoc  KaKOiipT^uv  wür- 
den xX^TTTai  und  XuiTrobuTai,  keine  mQrdor  l^langt.  ungosotx- 
mKszig  sei  dasz  er  dv  T^  dTOpa  (§  10)^  ungosetr.mIisy.ig  dasz  or 
nicht  tv  uTraiGpuj  gerichtet  werde  (§  11).  os  sind  oben  dies  dio 
bestimmungen ,  die  sonst  für  mordprocesso  galten,  und  allo  dioso 
ansführungen  des  Sprechers  haben  nur  den  rhotorischcn  zwork ,  auf 
das  gesetzwidrige  des  Verfahrens  gegen  einen  des  mordos  nngoklag- 

*  die  bezeichnung  ^vb€^€lT^^voc  hnt  nllgomoinon  hiiiu  und  koiiiint 
nur  an  dieser  stelle  der  rcdo  vor;  der  fall  int  eine  dTTayiUYi^.  wIn  «us 
allem  übrigen  hervorgeht. 


lOG  MSorof:  die  diraxurf/i  in  mordprooessen. 

ten  hinzuweisen,  ist  es  aber  denkbar,  dasz  die  elfmänner  die  klage 
angenommen  hätten ,  wenn  sie  nicht  vor  ihr  forum  gehörte  ?  sicher- 
lich nicht,  was  sollten  sie  denn  für  einen  grund  gehabt  haben ,  sich 
unnötigerweise  mit  der  aburteilung  eiites  processes  zu  befassen^  der 
zwar  im  interesse  der  betr.  klftger  lag ,  von  dem  sie  selbst  aber  nur 
mühe  haben  konnten?  was  war  es  nun  für  ein  moment  welches  die 
klage  annehmbar  machte?  in  der  rede  gegen  Agoratos  lesen  wir 
§  86,  dasz  die  elfmänner  sich  mit  der  klageschrift  nur  einverstanden 
erklären  wollten,  wenn  die  kläger  das  dir*  auTOq)ii)pi{i  hinzufügten, 
der  Zusatz  dieser  formel  kann  in  dem  process  gegen  den  angeb- 
lichen mörder  des  Herodes  unmöglich  die  annähme  der  klage  von 
Seiten  der  richter  bewirkt  haben,  da  der  angeklagte  nicht  in '  auTO- 
<ptüpuj  ertappt  war,  im  gegenteil  Herodes  verschwunden  und  nicht 
einmal  der  mord  selbst  constatiert  war.  ja  wir  müssen  sogar  an- 
nehmen dasz  diese  bestimmung^  nach  welcher  dem  mörder  das  ttt ' 
auTO(pu)pif}  nachgewiesen  werden  muste,  um  seine  belangung  durch 
ätraTCüTvi  zu  ermöglichen ,  zur  zeit  des  Herodes-processes  noch  gar 
nicht  existiert  habe  (denn  es  läszt  sich  nicht  einsehen,  weshalb  jener 
Zusatz,  den  zu  Lysias  zeit  die  elfmänner  ausdrücklich  verlangten,  zur 
zeit  der  Antiphontischen  rede  den  richtern  nicht  nötig  erschienen 
sein  sollte),  und  wäre  selbst  dies  der  fall  gewesen,  hätte  sich  der 
angeklagte  sicher  auf  jenes  gesetz  berufen  und  auf  leichte  weise  die 
anklage  dadurch  als  unzulässig  erweisen  können ,  dasz  er  sagte :  'ihr 
dürft  mich  als  mörder  nicht  durch  i'naf\jjfi\  belangen,  weil  ich  nicht 
in  *  auTOcpuipui  ertappt  bin.' 

Angenommen  nun,  dasz  der  redner  bei  Antiphon  recht  hat  sich 
darüber  zu  beschweren,  dasz  er  als  angeblicher  mörder  nicht  vor 
dem  Areiopagos  gerichtet  werde ,  so  bleibt  noch  immer  die  frage  zu 
entscheiden,  ob  der  Standpunkt,  auf  den  er  sich  stellt,  ein  richtiger 
sei,  und  ob  nicht  vielmehr  die  anklage schrift  wirklich  solche  be- 
hauptungen  enthalten  habe,  welche  seine  belangung  durch  diraxuitTJ 
ermöglichten  oder  notwendig  machten,  dasz  vor  dem  Areiopagos 
nur  reiner  mord  gerichtet  wur^e,  geht  aus  der  rede  Antiphons  §  1 1 
selbst  hervor,  die  kläger  musten  einen  feierlichen  eid  ablegen 
fj  jmr]v  iii\  fiXXa  KOTTiTopriceiv  f|  elc  auröv  töv  q)övov,  djc  ^ktcivcv. 
wenn  nun  der  angeklagte  als  xaKoOpTOC  vor  den  elfmännem  be- 
langt worden  ist,  so  musz  er  in  der  klageschrift  eines  vergebens 
beschuldigt  worden  sein«  welches  ihn  dem  vö^oc  xaKOupTuiv  ver- 
fallen liesz ;  und  da  unter  den  KaKoOpTOi  sonst  gemeinhin  diebe  und 
räuber  verstanden  werden,  so  bleibt  keine  andere  annähme  übrig 
als  die,  welche  auch  Meier  att.  proc.  s.  232  vertritt,  dasz  die  an- 
klage auf  raubmord  gelautet  habe,  und  dafür  finden  sich  allerdings 
beweise  in  der  rede  selbst,  in  §  9  heiszt  es :  Kai  ibc  fi^v  ou  KaKoCp- 
TÖc  elfii  oub'  fvoxoc  tuj  tiDv  KaKoOpTuuv  vö^ip,  aurol  oöroi  tou- 
Tou  T€|LidpTup€C  T€T^VT]VTai.  Tiepl  Top  TOJV  kXctttüjv  Kol  Xu)7ro- 
buTOüV  ö  vöfioc  KeiTai,  i&v  oub^v  iyiox  npocöv  dn^beiSav. 
oÖTUJC  eTc  T€  TttÜTiiv  Tf|v  diraTWTnv  vo^i^uiTdiriv  Kai  biKaio- 


MSorof:  die  dvorurrn  in  moidproceMen.  107 

idniv  irETroif)Kaav  umiv  ttiv  änoi|nfiq)idv  ^ou.  die  zengen  haben 
niebiB  nachraweiseii  yermocht,  was  den  angeklagten  zum  KQKoCp- 
YOC  machte,  so  dasz  in  hinsieht  auf  diese  klageschrif  t  die  riehter 
ilm  mit  gutem  gewissen  freisprechen  kGnnen.  wenn  aber  die 
sengen  darflber  haben  nachweise  bringen  sollen,  ob  der  ange- 
klagte etwas  gethan,  was  ihn  zam  KCncoöpTOC  stempelt,  so  müssen 
doch  gewis  in  der  anklageschrift  solche  behanptungen  aufgestellt 
worden  sein. 

Zu  diesen  andeatongen ,  welche  auf  eine  anklage  wegen  raub- 
mordes  hinweisen ,  kommt  noch  der  umstand  dasz  die  klage  schfitz- 
bar  gemacht  ist  (Tgl.  §  10).  wäre  nun  der  angeklagte  des  reinen 
mordes  beschuldigt  worden ,  so  liesze  sich  schwer  einsehen,  weshalb 
dasselbe  yerbrechen  vor  dem  einen  forum,  dem  Areiopagos,  mit  tod, 
Tor  dem  andern  durch  eine  geldbusze  gesühnt  werden  sollte,  viel- 
mahr  scheint  Meier  ao.  s.  239  dies  mit  recht  so  zu  erklären,  dasz  die 
dirarurni  wegen  mordes  schätzbar  war,  wenn  mit  dem  morde  zu- 
gieidi  verübter  raub  durch  diese  klageart  yerfolgt  werden  sollte, 
indem  hier  die  anverwandten  den  durch  den  mörder  an  hab  und  gut 
erlittenen  schaden  schätzen  musten,  dasz  sie  dagegen  dann  unschätz- 
bar war,  wenn  durch  sie  nur  der  mord  geahndet  werden  sollte. 
•  letzteres  konnte  natürlich  erst  dann  der  fall  sein,  nachdem  es  ge- 
stattet worden  war  einen  mörder  durch  diroTuiTT)  zu  belangen ,  wie 
xnr  zeit  des  processes  gegen  Agoratos.  so  lange  aber  diese  bestim- 
mung  noch  nicht  galt  und  der  mörder  zugleich  KaxoCpTOC  sein 
muste,  um  vor  den  elfmännem  gerichtet  werden  zu  können,  muste 
jeder  solche  process  schätzbar  sein. 

Wie  kommt  aber  der  redner  dazu ,  sich  so  vollständig  über  die 
anklageschrift  hinwegzusetzen  und ,  nachdem  er  die  bescbuldigung, 
er  sei  KcncoOpTOC,  einfach  durch  die  berufung  darauf  zurückgewiesen, 
dasz  die  zeugen  ihn  eines  solchen  Verbrechens  nicht  haben  über- 
führen können,  sich  ganz  auf  den  Standpunkt  zu  stellen ^  als  werde 
er  des  reinen  mordes  angeklagt?  konnte  er  daä  thun,  wenn  nicht 
in  der  tbat ,  schon  nachdem  der  process  eingeleitet  war,  die  anklage 
eine  änderung  erfahren  hatte  ?  war  im  laufe  der  Verhandlungen  an 
stelle  der  raubmordklage  die  reine  mordklage  getreten,  so  durfte  er 
allerdings  mit  vollem  rechte  freisprechung  vor  dem  gerichtsbof  der 
elfinänner  und  ladung  vor  den  Areiopagos  verlangen,  falls  die  klägor 
die  bescbuldigung  des  mordes  aufrecht  halten  wollten,  und  dasz 
diese  annähme  nicht  des  rückhaltes  entbehrt,  wird  die  darlegung 
der  Voruntersuchungen  lehren,  wie  sie  in  der  rede  berichtet  werden. 

Was  die  aussagen  der  beiden  von  den  klägem  gefolterten  be- 
trifft, so  ist  zwar  der  redner  selbst  in  der  angäbe  derselben  nicht 
ganz  consequent,  doch  sind  wir  im  stände  dieselben  aus  seinen  an- 
deutungen  richtig  zu  stellen.  §  49  heiszt  es,  derjenige,  welcher  da- 
mals sofort  gefoltert  wurde ,  ein  freier,  habe  nie  dazu  gebracht  wer- 
den können ,  etwas  nachteiliges  gegen  den  angeklagten  auszusagen, 
der  Sklave  dagegen  habe  viele  tage  später  (vgl.  §  30),  nachdem  er 


108  M8orof :  die  diratuJT^  ^  mordprocessen. 

also  genügend  bearbeitet  worden  war,  gestanden,  er  habe  den  vom 
angeklagten  gemordeten  mit  aufgehoben ,  in  das  fahrzeug  gebracht 
und  dann  in  das  meer  gestürzt,  dies  geht  aus  §  39  hervor,  dort 
greift  der  redner  eine  etwas  ungenaue ,  kurz  gefaszte  angäbe  des 
klfigers,  der  sklave  habe  auf  der  folter  gestanden  cuvaiTOKT€tvai 
TÖv  dvbpa ,  auf,  um  sie  in  obiger  weise  richtig  zu  stellen  und  den 
für  die  kläger  nachteiligen  schein  zu  erwecken ,  als  hätten  sie  sich 
in  ihren  behauptungen  widersprochen,  während  aber  hier  der  redner 
diesen  kurzen  ausdruck  (cuvanoKTeTvai)  als  falsch  zurückweist,  nimt 
er  §  54  eben  dieselbe  version  der  aussage  des  Sklaven  an,  um  sie  zu 
verdrehen  und  dadurch  einen  widersprach  nachzuweisen,  in  den  sich 
die  kläger  in  ihren  bemühungen  ihn,  den  angeklagten,  zu  verderben 
verwickelt  hätten,  die  betreffende  stelle  lautet:  lirciTa  dv6u^€tc6€ 
ÖTi  bidcpopov  fjv  TÖ  TP^XM^ciTeibiov  tiD  ßacavicOdvTt,  biäq>opoc  b' 
ö  SvOpuiTroc  Tijj  TpaMMaT€ib{ifi  *  6  fiiv  T^P  ßacaviZö^cvoc  ainöc 
f (pri  dTTOKTeivai ,  tö  bt  jpaii^iaieibxov  dvoixOiv  i^ii  töv  dnoicrd- 
vavra  djütrjvue.  in  dem  angeblich  im  schiff  gefundenen  briefe  meldet 
der  angeklagte  dem  Ljkinos,  er  habe  den  Herodes  ermordet,  dazu 
stimmt  allerdings  nicht  ganz  die  aussage  des  sklaven  cuvaTtOKTCtvai 
t6v  Svbpa,  welche  der  redner  hier  geradezu  verdreht,  als  habe  der 
sklave  gesagt,  er  habe  den  mord  selbst  begangen,  diese  aussage 
widerspricht  aber  der  obigen  §  39  vom  redner  selbst  als  allein  rich- 
tig angegebenen,  von  welcher  das  schreiben  durchaus  nicht  abweicht. 
Nachdem  wir  nun  nachgewiesen ,  dasz  kein  widersprach  iwi* 
sehen  der  erpressten  aussage  des  sklaven  und  dem  an  Lykinos  ge* 
richteten  briefe  besteht,  lesen  wir  weiter  §  55:  TÖ  )li^v  jap  irpü&TOV 
oöx  nöpov  iv  TfJ»  TrXoiqj  JiitoOvt€C  tö  Tpctfi^aTclbiov,  öcTCpov  b^. 
TÖT€  fi^v  f&p  ofiTtu)  ouTU)  d^€MiixdvTiTo  aÖTOic  £iT€ibf|  bi,  ö  fivOpui«* 
TToc  ö  irpÖTepoc  ßacavicOcic  oibiv  iX^je  kqt"  d^oC,  t6t€  elcßdX- 
Xouciv  €lc  TÖ  irXoiov  tö  Tpa^paTefbiov,  tva  TaiiTn  ye  (richtig  für 
TttÖTTiv  von  Jerastedt  verbessert)  f x^^^^  ^Moi  t^v  aiTiav  ^iri(pdp€iv* 
aus  diesen  werten  des  redners  wird  es  vollkommen  klar,  wie  die 
kläger  beweise  gegen  den  angeklagten  aufzubringen  suchten,  zu* 
erst  foltern  sie  den  freien,  ohne  von  ihm  eine  für  den  angeklagten 
ungünstige  aussage  erpressen  zu  können,  dann  bearbeiten  sie  den 
Sklaven,  und  zwar  zuerst  auch  ohne  erfolg,  was  für  aussagen  sie  von 
diesem  haben  erzwingen  wollen,  steht  in  der  rede  nicht  und  konnte 
niemand  sicher  wissen,  jedenfalls  aber  solche,  welche  mit  der  an- 
klageschrift,  durch  die  der  redner  als  KQKoOpTOC  belangt  war,  über- 
einstimmten, wir  werden  also  nicht  irren,  wenn  wir  annehmen, 
jene  beiden  sollten  den  angeklagten  des  raubmordes  überführen, 
aber  die  Überredungskunst  der  kläger  schien  an  der  festigkeit  beider 
gefolterten  scheitern  zu  sollen,  da  beschlieszen  sie,  besorgt  sie 
möchten  auf  diesem  wege  nichts  erreichen,  den  angeklagten  aaf  eine 
andere  weise  zu  verderben  und  setzen  das  einverständnis  mit  Ljkinos 
in  scene,  indem  sie  den  brief  an  diesen  unterschieben,  dadurch 
waren  sie  natürlich  gezwungen  die  ursprüngliche  anklage  auf  raub* 


MSorof :  die  dirarurrfi  in  mordprocessen.  109 

snord  fallen  za  lassen,  da  angestifteter  mord  unmöglich  mit  raub- 
mord  identificiert  werden  konnte,  wenn  nun,  nachdem  diese  neue 
üitrigue  ins  werk  gesetzt  war,  der  sklave  sich  zu  aussagen  bereit 
erUbrte,  musten  dieselben  begreiflicherweise  mit  der  veränderten 
«nklageform  in  Übereinstimmung  gebracht  werden,  und  dasz  dem  so 
ist,  haben  wir  vorhin  gesehen. 

Jetzt  ist  es  auch  erklärlich,  wie  der  redner  sich  nur  als  des 
mordes  angeklagt  bezeichnen  durfte,  und  seine  forderung  (§  9  a.  e.) 
ihn  mit  rücksicht  auf  die  klageschrift  frei  zu  sprechen  ist  vollkommen 
berechtigt ,  da  der  charakteristische  punkt  in  der  anklage ,  der  eine 
belangung  durch  dTrayuiTil  notwendig  gemacht  hatte  (raub) ,  weg- 
gefallen war.  darauf  kommt  er  auch  immer  wieder  zurück ,  so  §  85 
tfdi  bt  KttO'  oöc  iikv  dirrixOiiv,  oök  ivoxöc  ei^i  Toic  vöfiioic,  Jiv  b' 
IXUD  TTiv  ahiav,  diTuiv  iioi  vö^i^oc  uiroXeiircTai.  er  unterscheidet 
hier  scharf  zwischen  der  dTraTUiTrj  durch  welche  er  belangt  ist,  und 
der  beschuldiguDg  die  ihn  eigentlich  trifft;  und  derselbe  gegensatz 
findet  sich  in  §  96  vöv  ^ikv  oöv  äTroi{iiiq)icac8€  jliou-  dv  bfe  tQ  toO 
q>övou  bixri  ouToi  t€  töv  vofii21ö^€Vov  fipKov  biofiiocdfievoi  dfnoO 
xaTTfropiicouci,  Kai  vyiüc  Trepi  dfnoC  xarä  touc  kci^^vouc  vöfiouc 
ftiQTVwcecOe,  kqi  i^iox  oubeic  Xötoc  fcTai  fji,  ddv  ti  irdcxu),  djc 
n(zpavö^(uc  diruiXöfiiiiv- 

Fragen  wir  nun  danach,  was  die  kläger  bewogen  hat  die  an- 
klage in  der  weise  zu  formulieren,  dasz  diraTUüTn  notwendig  war, 
so  finden  wir  in  der  rede  selbst  mehrfach  andeutungen,  welche  ihre 
beweggründe  in  helles  licht  setzen,  der  unterschied  zwischen  drra- 
TU)Tri  nnd  einer  TP<x<P^  (pövou  besteht  äuszerlich  darin,  dasz  bei  der 
dnaturf  rj  dem  angeklagten  alle  die  vorteile  entzogen  wurden,  welche 
er  bei  einem  process  vor  dem  Areiopagos  genosz.  war  er  vor  diesen 
gerichtshof  geladen ,  so  konnte  er  immer  noch  frei  umhergehen  und 
sich  sogar  noch  nach  der  ersten  Verteidigungsrede  der  strafe  dadurch 
entziehen ,  dasz  er  ins  ausländ  gieng.  der  durch  diraTUiTil  belangte 
dagegen  wurde  sofort  in  fesseln  gelegt  oder  muste  doch  bürgen 
stellen ,  was  in  unserm  falle  dem  angeklagten  gar  nicht  einmal  ge- 
stattet worden  war  (vgl.  §  13).  mochte  schon  diese  erschwerung 
des  processes  fUr  den  angeklagten  die  kläger  veranlaszt  haben  diese 
form  der  klage  zu  wählen  (vgl.  §  13),  so  weist  der  redner  selbst 
noch  auf  einen  andern  grund  hin.  wurde  die  anklage  auf  raubmord 
erhoben,  so  war  sie,  wie  wir  gesehen  haben,  schätzbar,  und  der 
redner  macht  vielleicht  mit  recht  seinen  anklägern  den  Vorwurf,  sie 
hätten  bei  dem  process  noch  profitieren  wollen,  er  sagt  §  10: 
liTCiTa  Tifiiiciv  jLioi  dTioiTicav,  dvTaTToeaveiv  toO  vö^ou  Keiju^vou 
TÖV  diTOKTeivavTa,  ou  toO  iiioi  cujiKp^povTGC  ^vexa,  dXXd  toO 
ccpiciv  auTOic  XuciTeXoOvTOC,  Kai  dviaOea  fXaccov  fveijuav  tiu 
T€0viik6ti  TiiJv  iv  TIU  vö)Liui  K€i|i^vujv ,  und  als  er  in  §  58  bei  er- 
wägnng  der  gründe,  welche  ihn  zum  morde  hätten  treiben  können, 
auch  den  einwand  zurückweist,  es  sei  auf  eine  beraubung  des  Ilero- 
des  abgesehen  gewesen,  nimt  er  gelegenheit  den  Vorwurf  der  geld- 


110  MSorof:  die  dirorurf^  in  mordproceasen. 

gier  mit  kräftigen  werten  auf  den  ankläger  zurttckzuscfaleadem,  der 
ihn  des  geldes  wegen  zn  verderbeii  suche :  dXX&  XP^M^'^<^  ^MeXXov 
Xrii|i€c8ai  diroKTcivac  auröv;  dXX'  oök  fjv  aurc^.  dXXd  col  ^fiXXov 
iyOj  Tf) V  7rpö(paciv  TauTiiv  ^xo»M  *  öv  €Ik6tu)c  ^erd  ific  dXiiOctac 
dvaOeivai,  ort  xpvij^'fuüv  ivena  lr\Te\c  t\ii  dnoKreivai,  fiiäXXov  i^ 
cu  l^oX  dxcivov.  wir  haben  keinen  grund,  an  der  richtigkeit  der 
annähme  des  redners  zu  zweifeln ,  dasz  dies  das  motiv  zur  klage  ge- 
wesen sei ,  da  dasselbe  vollständig  das  verfahren  der  kläger  erklärt. 
die  anklage  des  raubmordes  wählen  sie,  da  der  process  dann  schätz- 
bar ist.  bewiesen  kann  die  stattgefnndene  beraubung  in  diesem 
falle,  da  Herodes  verschwunden  ist,  nur  werden  durch  auf  der  folter 
erpresste  geständnisse.  die  ankläger  glaubten  leichtes  spiel  zu  haben, 
sahen  aber  an  der  standhaftigkeit  des  freien  und  anfangs  auch  des 
Sklaven  ihre  plane  scheitern,  um  nun  überhaupt  die  klage  aufrecht 
erhalten  zu  können ,  schoben  sie  den  brief  an  Ljkinos  unter ,  womit 
sie  allerdings  zugleich  ihre  ursprüngliche  klage  auf  raubmord  fallen 
lassen  und  gewärtig  sein  musten ,  dasz  der  angeklagte  auf  die  an- 
klage Schrift  hin  freigesprochen  wurde. 

Halten  wir  also  die  drei  momente  zusammen ,  dasz  der  process 
über  Herodes  mord  von  haus  aus  ein  raubmordprocess  ist,  ferner 
dasz  wir  in  der  Antiphontischen  rede  keine  spur  finden  von  der 
existenz  der  formel  hl'  aÖToq>uipif),  die  bei  Lysias  als  unerläszliche 
bedingung  der  belangung  eines  mörders  durch  dirotuiTil  erscheint, 
und  endlich  dasz  der  redner  bei  Antiphon  von  dem  Standpunkt  aus- 
gehend, dasz  er  in  Wirklichkeit  nur  des  mordes  angeklagt  werde, 
sich  auf  alle  weise  dagegen  sträsbt  vor  den  elfmännem  gerichtet  zu 
werden,  und  als  allein  zuständigen  gerichtshof  den  Areiopagos  ver- 
langt :  so  ist  klar  dasz  es  zur  zeit  des  Herodes-processes  in  der  that 
nicht  gestattet  gewesen  ist  einen  mörder  durch  diraTurni  zu  be- 
langen, diese  form  der  anklage  dagegen  gewählt  werden  muste, 
wenn  zum  morde  ein  anderes  verbrechen  hinzutrat,  welches  nach 
dem  vöjLioc  KaKOUpyuiv  gerichtet  werden  muste.  die  bestimmung 
aber,  dasz  ein  mörder,  der  in*  auTOq)(I)pip  ertappt  war,  vor  die  elf- 
männer  gebracht  werden  durfte,  musz  in  der  zeit  zwischen  beiden 
Processen,  dem  gegen  den  angeblichen  mörder  des  Herodes  und  dem 
gegen  Agoratos ,  getroffen  worden  sein,  dasz  dies  nicht  lange  vor 
letzterm  fall  geschehen  sei,  kann  man  vielleicht  daraus  schlieszen, 
dasz  hier  die  elfmänner,  trotzdem  sie  vollständig  auf  seiten  der 
kläger  stehen  und  die  berechtigung  der  klage  an  sich  völlig  aner- 
kennen ,  dennoch ,  um  nicht  ungesetzlich  zu  handeln ,  den  zusatz  der 
formel  in*  auroquiipcp  verlangen,  die  der  redner  bei  Lysias  nur 
schwer  als  auf  den  angeklagten  zutreffend  erweisen  kann,  der  pro- 
cess über  Herodes  mord  fällt  wahrscheinlich  in  die  zeit  zwischen 
dem  frieden  des  Nikias  und  der  sikelischen  expedition,  der  andere 
um  400.  wir  werden  daher  nicht  irren,  wenn  wir  dieses  gesetz  nut 
der  revision  der  Verfassung  nach  Wiederherstellung  der  demokratie  in 
Verbindung  bringen,  den  anlasz  zu  dieser  im  Verhältnis  zu  früher  zwar 


MSorof:  die  diratuJTi^  in  mordprocessen.  Hl 

weitem,  aber  doch  präcisen  fassung  der  mordgesetze  mögen  fUlle 
gegeben  haben ,  auf  welche  in  der  rede  gegen  Agoratos  §  44  hin- 
gedeatet  wird,  in  welchen  unter  den  dreiszig  die  diraxuiTil  niis- 
branöht  worden,  um  sich  private  feinde  vom  halse  zu  schaffen,  dasz 
aber  gerade  diese  fassang  gewählt  und  das  zutreffen  der  formel  in  * 
aÖT(Kpt(ipi{i  verlangt  wurde ,  ist  erklärlich,  man  gieng  eben  auf  die 
ursprüngliche  anwendung  der  diraTUüTri  überhaupt  zurück  und  zog 
die  alte  formel ,  welche  bei  den  übrigen  dnatwirai  nicht  mehr  als 
notwendig  betrachtet  wurde,  wieder  hervor,  war  der  mörder  auf  der 
that  ertappt ,  so  bedurfte  es  in  der  regel  keiner  umständlichen  ge- 
richtsverhandlungen;  sondern  es  war  einfach  das  urteil  zu  sprechen. 
dasz  aber  auch  dieses  gesetz  bald  laxer  gehandhabt  wurde,  ersehen 
wir  aus  dem  Agoratos-process ^  wo  der  begriff  in*  auToq)iüpif)  die 
denkbar  weiteste  ausdehnung  erhalten  hat. 

Zuletzt  ist  noch  die  frage  zu  entscheiden,  wie  die  bei  Demo- 
sthenes  g.  Aristokrates  §  80  erwähnte  bestimmung  über  dTrayurpfi 
gegen  mOrder  mit  dem  eben  erläuterten  in  einklang  zu  bringen  ist. 
nachdem  dort  der  redner  die  fünf  blutgerichtsstätten  und  ihre  com- 
petenzen  erörtert  hat,  um  nachzuweisen  dasz  der  antrag  des  Aristo- 
krates gegen  alle  darauf  bezüglichen  gesetze  verstosze,  fährt  er  fort : 
2ti  Toivuv  ^CTiv  ?KTii  Ti^ujpia  TTpöc  dirdcaic  Tauiaic ,  f^v  6|Lioiu)c 
iTOpaßdc  T^TpcKpe  tö  niriq)ic|i'  oütoci'  ei  travTa  Taörd  Tic  t^tvö- 
11K€V,  f|  Kai  TTapeXfiXuGaciv  o\  xpövoi,  dv  ok  ftei  toutojv  ^Kacxa 
noieiv,  f|  br  fiXXo  ti  oöxi  ßouXeTai  toOtouc  touc  Tpöirouc  in- 
cEUvai,  TÖv  dvbpocpövov  b'  öp^  irepiiövr'  dv  loic  UpoTc  xal  Kaid 
Tf|V  dTopdv '  dirdTCiv  f EecTiv  eic  tö  bccjiuJTrjpiov  usw.  betrachten 
wir  die  bedingungen  dieser  diraTUitil)  so  müssen  wir  zu  dem  resultat 
kommen,  dasz  die  ersten  condicionalsätze  Venu  jemand  dieses  alles 
(das  verfahren  bei  den  fünf  blutgerichtsstätten)  nicht  gekannt  hat 
oder  auch  die  termine  vorüber  sind  oder  er  überhaupt  den  mörder 
nicht  auf  diese  weise  belangen  will'  unmöglich  im  gesetz  selbst  ge- 
standen haben  können ,  da  sie  viel  zu  ungenau  und  weit  abgefaszt 
wären,  die  erste  bedingung  Venn  jemand  dieses  alles  nicht  gekannt 
hat'  ist  für  sich  allein  genommen  zu  unbestimmt  und  läszt  sich  erst 
mit  der  zweiten  vereint  verstehen:  ^wenn  jemand  dies  verfahren 
nicht  gekannt  hat  und ,  ehe  er  sich  darüber  hat  orientieren  können, 
die  zeit  verstrichen  ist,  in  der  während  des  Jahres  eine  mordklage 
anhängig  gemacht  werden  konnte  (die  ersten  neun  monate)';  die 
zweite  bedingung  kann  für  sich  bestehen :  Venn  (jemand  von  haus 
aus  wohl  mit  dem  einzuschlagenden  verfahren  bescheid  wüste,  aber) 
die  frist  abgelaufen  war,  innerhalb  deren  die  klage  beim  archon 
könig  angebracht  werden  muste' ;  die  dritte  bedingung  ist  ganz  all- 
gemein gehalten:  Venu  jemand  überhaupt  diese  klagarten  ver- 
schmähte.' nehmen  yrir  den  ausdruck  iix  TOtvuv  dcTiv  Sktt)  Ti^uipia 
*es  gibt  noch  eine  sechste  möglichkeit  den  mord  zu  sühnen'  hinzu, 
so  erkennen  wir  dasz  jene  erstgenannten  Bedingungen  nur  äuszer- 
licher  natur  und  von  Demosthenes  selbst  als  der  praxis  entnommen 


112  MSorof:  die  dtratuiT/i  in  mordprocessen. 

hinzugefügt  sind,  das  eigentliche  gesetz  ist:  'wenn  jemand  den 
m Order  in  den  heiiigtümern  oder  auf  dem  markte  umhergehen  sieht, 
kann  er  ihn  ins  gefiLngnis  abführen.'  doch  ist  auch  dies  kein  wört- 
liches citat,  da  in  dem  gesetze  selbst  gewis  das  tn^  auToqH{>pi)i 
XajLißdveiv ,  welches  auf  alle  diese  flQle  zutraf,  ausdrücklich  hervor- 
gehoben war,  während  es  hier  von  Demosthenes  frei  durch  6päv 
wiedergegeben  wird,  es  entspricht  also  diese  bestimmung  voll* 
ständig  der  ursprünglichen  anwendung  der  dTTOtUjyrj ,  bei  der  das 
in*  auTOcpiüpqj  eine  notwendige  bedingung  war.  sie  ist  dagegen 
keineswegs  auf  gleiche  stufe  zu  stellen  mit  den  übrigen  gesetzen 
über  dTTatuJTil  >  sondern  gehOrt  zum  sacralen  recht  und  enthält  das 
verbot  für  den  mörder  geweihte  statten  zu  betreten,  mit  hinzu- 
fügung der  eventuellen  Strafmöglichkeit,  deshalb  konnte  diese 
Satzung  aber  auch  unter  gewissen  zutreffenden  Voraussetzungen 
dem ,  welchem  die  rächung  eines  mordes  zukam ,  die  handhabe  wer- 
den, den  mörder  unverzüglich  zu  belangen,  nemlich  wenn  die  ersten 
neun  monate  des  Jahres  verstrichen  waren,  oder  wenn  dem,  welchem 
die  klage  obl&gy  überhaupt  das  verfahren  vor  den  fünf  blutgerichts- 
stätten  wegen  seiner  Umständlichkeit  und  langwierigkeit  nicht  be- 
hagte,  in  welchem  falle  er  sich  darauf  legen  muste,  den  mörder  bei 
Übertretung  jener  sacralrechtlichen  bestimmung  zu  ertappen,  also 
nicht  eigentlich  der  mord ,  sondern  die  nichtachtung  dieser  Satzung 
wurde  durch  die  diraTUUTil  g^^x^det,  wobei  jedoch  selbstverständ- 
lich ist,  dasz  der  mordprocess  sich  unmittelbar  daran  anschlosz,  da 
der  angebliche  mörder  des  ihm  zur  last  gelegten  Verbrechens  erst 
überführt  werden  muste.  die  berechtigung  zu  dieser  art  der  dira- 
TU)Tn  8^8^^  den  des  mordes  noch  nicht  angeklagten  wurde  noch  be- 
sonders gegeben  und  ausgesprochen  in  der  Tipöppiicic,  durch  welche 
dem  mörder  schon  am  grabe  des  ermordeten  der  zutritt  zu  markt 
und  heiiigtümern  untersagt  wurde,  wiederholt  wurde  dies  verbot 
dann  auf  dem  markte  und  scblieszlich  vom  archon  basileus,  wenn 
er  die  klage  angenommen  hatte,  es  läszt  sich  daher  noch  eine  an- 
dere möglicbkeit  denken,  von  dieser  dnaTWfTJ  gebrauch  zu  machen, 
wenn  nemlich  der  process  vom  archon  könig  schon  instruiert  war 
und  dann  der  angeklagte  jene  statten  besuchte,  konnte  immer  noch 
eine  änderung  im  verfahren  eintreten ,  indem  dann  der  mörder  ins 
gefUngnis  geworfen  und  die  Verhandlungen  vor  den  elfmännem 
weiter  geführt  wurden,  doch  ist  dieser  fall  gewis  sehr  selten  oder 
gar  nicht  vorgekommen ,  da  ein  des  mordes  beschuldigter  sich  wohl 
gehütet  haben  wird  seinen  klägem  eine  solche  waffe  gegen  sich  in 
die  bände  zu  geben. 

Weil  aber  diese  bei  Demosthenes  g.  Aristokrates  erwähnte 
Satzung  dem  sacralrecht  entnommen  ist  und  durch  sie  nicht  der 
mörder  als  solcher,  sondern  nur  insofern  er  die  helligkeit  der  tempel 
oder  des  marktes  verletzt,  betroffen  wird,  schlieszt  sie  die  oben  er- 
örterten bestimmungen  hber  diTOrfuiirj  nicht  aus,  sondern  ist  gewis 
so  alt  wie  das  verfahren  vor  den  elfmännem  überhaupt. 


FKern:  zn  Timon  von  Pliliu8  [fr.  49].  113 

Fassen  wir  das  resultat  der  vorhergehenden  Untersuchungen 
noch  einmal  kurz  zusammen,  so  ergibt  sich :  die  Antiphontische  rede 
Aber  Herodes  mord  ist  kein  beweis  dafür,  dasz  in  jener  zeit  reiner 
mord  vor  den  elfmännem  gerichtet  werden  konnte,  sollte  ein  mör- 
der  ins  geföngnis  abgeführt  werden  können,  so  muste  ein  anderes 
verbrechen  (raub)  hinzutreten ,  das  ihn  dem  vöjlioc  xaKOUpTtüV  ver- 
fallen liesz.  dagegen  wurde  in  der  folgezeit,  während  das  oben  er- 
wähnte gesetz  natürlich  fortbestand,  wahrscheinlich  bei  revision  der 
ver&ssung  (403),  die  competenz  der  elfmänner  auch  auf  solche  fälle 
ausgedehnt,  wenn  zwar  nur  reiner  mord  vorlag,  aber  der  mörder 
^it'  auToq)UüpiiJ  ertappt  war.  neben  diesen  gesetzen  konnte  die 
eacralrechtliche  bestimmung,  welche  wir  bei  Demosthenes  g.  Aristo- 
krates  §  80  lesen,  wohl  bestehen,  die  notiz  im  rhetorischen  lexikon 
endlich  stimmt  mit  dem  sonst  überlieferten  wohl  überein,  da  der 
Verfasser  jener  bemerkung  sich  sowohl  auf  die  stelle  bei  Demosthenes 
als  auf  die  späte  anwcndung  der  äTTaTU)Til  gegen  mörder,  die  dir' 
aärcxpuipiu  ertappt  waren,  beziehen  konnte. 

CösLiN.  Martin  Sorof. 

18. 

ZU  TIMON  VON  PHLIUS. 


Sextos  Empeirikos  nennt  adv.  math.  IX  51  als  entschiedene 
athelsten  EuemeroS;  Diagoras,  Prodikos.  diesen  schlieszt  er  Kritias 
an,  von  dem  er  (54)  nur  sagt  boKcT  ^k  toO  TaTMCtTOC  tujv  dGdujV 
undpXClV;  obwohl  die  mitgeteilten  verse  an  seinem  atheismus  nicht 
zweifeln  lassen,  dann  föhrt  er  fort  cujucp^pcTat  bk  toutoic  toTc  dv- 
bpdct  Kai  6€Öbujpoc  ö  dGeoc  Kai  Kard  Tivac  TTpujTaTÖpac  ö 
'AßbiipiTiic  und  berichtet  dann  weiter  die  bekannte  äuszerung  des 
Protagoras  über  seine  Unfähigkeit  zu  einer  entscheidung  über  die 
existenz  der  götter  zu  gelangen ,  indem  er  diese  worte  einführt  mit 
jiriTtuc  TTOu  Tpdviiac. 

Es  kann  kein  zweifei  sein,  dasz  das  part.  Ypdtpac  in  concessivem 
sinne  zu  verstehen  ist.  obwohl  nemlich  Protagoras  ausdrücklich  die 
entscheidung  über  die  frage  abgelehnt  hatte ,  wurde  er  von  einigen 
doch  ohne  weiteres  für  einen  atheisten  erklärt,  wenn  nun  Sextos 
in  unmittelbarem  anschlusz  daran  die  geschieh te  von  dem  deshalb 
über  ihn  ausgesprochenen  todesurteil  erzählt,  so  geschieht  das,  um 
zu  beweisen  dasz  er  trotz  der  vorsichtigen  ausdrucksweise  bei  den 
athenischen  bürgern  als  gottesleugner  galt,  und  so  sein  Kard  Tivac 
zu  rechtfertigen. 

Zu  demselben  zwecke  citiert  er  folgende  verse  aus  Timons  sillen 
[fr.  49  Wachsmuth]: 

d)C  Kai  fl€T^7T€lTa  CO9ICTUIV 

göt'  dXiTUTXiücciu  göt'  dcKÖTTifj  göt*  dKuXicTiu 
TTpwTaTÖpq  •  f OeXov  bk  T^cppiiv  cuTTpdMjLiaTa  Öeivai, 

Jahrbhcher  für  das»,  philo!.  1883  hft.  9.  B 


114  FKern:  zu  Timon  von  Phlios  [fr.  49]. 

ÖTTi  6€ouc  KOT^TPöV'  oöt'  cib^vai  oÖT€  buvac6ai, 
ÖTTTTOioi  Tiv^c  clci  Kol  c!  Tiv€C,  ä6pr|cac6ai, 
iräcav  fx^^v  qpuXaxfiv  iiruiKciric*  xd  jiifev  oö  ol 
XPoicjiTic',  dXXd  qpuKTlc  iTrejLiaCcTO,  öqppa  |if|  oötiüc 

CuJKpaTtKÖV  TTlViWV  ^UXPÖV  TIOTÖV  fiiba  bUTl- 

im  vorletzten  verse  hat  Bekker  statt  des  unverständlichen  outujc 
zweifelnd  aÖTiuc  vorgeschlagen,  was  wohl  eine  zweifellose  Wieder- 
herstellung des  richtigen  ist.  mir  scheint  aber  auszerdem  auch  daa 
äXiyuTXüüCCiiJ  im  zweiten  verse  verdorben  zu  sein,  das  sonst  nicht 
vorkommende  wort  müste  nach  seinen  bestandteilen  den  sinn  haben 
^nicht  laut  sprechend'  oder,  wie  Mullach  tibersetzt  'fusca  voce  prae- 
dito',  mit  den  drei  (sSmtlich  negierten)  adjectiven  würde  dann 
Protagoras  charakterisiert  als  einer,  der  weder  von  leiser  stimme  ist 
noch  unvorsichtig  noch  unbeweglich  und  starr,  also  ohne  die  nega« 
tionen  als  ein  laut  sprechender  (Pape  im  lexikon  'mit  tönender 
stimme'),  vorsichtiger  und  gewandter  (sich  schmiegender)  mann, 
ich  musz  gestehen,  diese  Verbindung  der  körperlichen  eigenschaft 
der  lauten  stimme  mit  den  beiden  (fast  synonymen)  moralischen  hat 
etwas  sehr  seltsames,  will  man  aber  auch  die  erste  eigenschaft  auf 
geistiges  beziehen,  so  dasz  o&r*  äXtTuyXuJCCOC  ein  mann  wSre,  der 
mit  zweifelloser  deutlichkeit  oder  mit  entschiedener  rücksichtslosig- 
keit  sich  ausdrückt,  so  wird  die  sache  noch  viel  bedenklicher,  denn 
in  diesem  sinne  aufgefaszt  wäre  das  oCt*  äXiTurXwccoc  nicht  mehr 
blosz  müszig  für  den  Zusammenhang ,  sondern  geradezu  damit  con- 
trastierend, denn  was  ist  der  sinn  des  ganzen?  alle  vorsieht  (irfica 
q)uXaKf)  £m€iK€iiic)  half  dem  Protagoras  nichts ,  er  muste  fliehen, 
weil  er  jene  worte  geschrieben  hatte,  die  zwar  die  existenz  der  götter 
nicht  leugneten,  aus  denen  man  aber  auf  seinen  atheismus,  und  wohl 
nicht  mit  unrecht,  schlosz.  obwohl  er  also  kein  laut,  unverhtlUt,. 
offen  sprechender  war,  sondern  es  an  vorsieht  und  gewandtheit  nicht 
fehlen  liesz,  entgieng  er  doch  nicht  dem  verdacht  des  atheismus  und 
den  folgen  des  verdachtes. 

Danach  scheint  mir  der  Zusammenhang  mit  notwendigkeit  oCtc 
XiyuTXuüCCtfjzu  fordern.  XitutXujccoc  wäre  freilich  auch,  so  viel 
ich  weisz,  ein  &tco£  €lpii|Li^vov  (wie  es  dXiTUTXiuccoc  ist),  aber  ein 
solches,  dem  ähnlich  gebildeter  adjectiva  viele  zur  seite  stehen,  wäh- 
rend für  eine  bildung  wie  dXiTUTXwccoc  (ein  diroE  €lpii|Li^vov  noch 
mit  dem  a  privativum  componiert)  sich  wohl  wenig  analogien  finden 
würden,  doch  das  ist  nebensächlich ;  die  hauptsache  ist ,  dasz  dXi- 
yOtXiuccgc  in  dem  zusammenhange  unerklärlich  ist.  der  Schreiber 
aber,  dem  weder  dXiTUTXuJCCOC  noch  XitutXwccoc  ein  geläufiges 
wort  war,  wählte  bei  undeutlicher  vorläge  lieber  das  erstere,  weil 
so  die  drei  adjectiva  mit  dem  a  priv.  anfiengen,  wie  in  dem  Homeri- 
schen verse  (Q  167)  oÖT€  Tdp  ^ct'  dqppiuv  oöt*  dcKoiroc  oör*  dXi- 
Tri^iüv. 

Berlin.  Franz  Kern. 


WBchwariz :  das  halsband  der  Harmonia  u.  die  kröne  der  Ariadne.    1 15 

19. 

DAS  HALSBAND  DER  HABMONIA  UND  DIE  KRONE  DEB 

ABIADNE. 


Der  mytbographus  II  bei  Westermann  nr.  78  bringt  bei  gelegen- 
beit  einer  geschichte  des  zauberhaften  halsbandes  der  Harlnonia, 
welches  allen  seinen  besitzerinnen  Unglück  gebracht  habe  (fnonüe 
fuUiherrimum  infausti  ominis,  ita  ut  necesse  esset  hoc  monile gestan- 
fem  <ierumnarum  mole  opprimt)^  am  schlusz  eine  notiz ,  welche  teils 
in  überraschender  weise  früher  von  mir  im  ^Ursprung  der  myth.' 
ausgesprochene  ansichten  bestätigt,  teils  neue  höchst  interessante 
perspectiven  für  griechische  wie  analoge  germanische  mythen  er- 
Offiiet.  nachdem  der  eben  citierte  erzähler  nemlich  ausgeführt,  dasz 
unter  dem  bösen  Verhängnis  des  halsbandes  Harmonia  —  multa 
aäversa  patiens  —  selbst  schlieszlich  mit  Eadmos  in  drachen  ver- 
wandelt sei  {in  draconem  conver'sa) ,  dann  Semele ,  ihre  tochter ,  das 
halsband  getragen,  welche  durch  des  Zeus  blitz  umgekommen,  und 
weiter  sich  dann  mit  dem  betr.  schmuck  das  unheil  auf  ihre  schwestem 
Ino,  Agaue  und  Autonom  und  endlich  auf  lokaste,  Argeia  und  Eriphyle 
erstreckt  habe,  an  welche  es  nach  einander  als  geschenk  gekommen : 
berichtet  er  über  das  betr.  monüe  zum  schlusz-:  quod  in  fontem 
praiedum  hodie  cerni  dicitur.  quod  si  quis  attrectaverit^  dicunt 
solem  offendi  et  tempestatem  oriri.  das  halsband,  welches  der 
himmlische  schmied  Hephaistos  so  wunderbar  gefertigt,  und  in 
welches  er  allerhand  zauber  gebannt  haben  sollte,  galt  also  als  in 
eine  quelle  versenkt,  und  es  hiesz,  wenn  es  jemand  zu  heben  ver- 
suche, so  verfinstere  sich  die  sonne  und  es  entstehe  un  wetter.^ 

In  dieser  abgerissenen  notiz  haben  wir  nicht  blosz  einen  merk- 
würdigen anklang  an  den  in  das  wasser  (den  Bhein)  versenkten 
Nibelungenhort,  sondern  noch  direct  trotz  der  irdischen  locali- 
sierung  der  sage  einen  speciellen  hinweis  auf  die  ursprüngliche  form 
des  betr.  mythischen  sagenelements  überhaupt  in  seinem  natürlichen 
hintergrund  am  himmel,  wo  eben  jenes  schöne,  goldige  hals- 
band oder,  wie  ich  schon  früher  behauptet  habe  und  nachher  noch 
des  weitem  ausführen  werde,  der  regenbogen  (als  gürtel  oder  ge- 
schmeide)  in  den  himmlischen  wassern  (den  regenwassem)  plötzlich 
au&utauchen  schien  und  ua.,  wenn  er  sichtbar  wurde,  so  wie  es  noch 
von  ihm  bei  Homer  nachklingt,  als  ein  teil  des  Unwetters  (des  oupd- 
vtov  &XOC  <^®8  Sophokles)  dh.  als  ein  böses  verhängnisvolles  Wahr- 
zeichen gefaszt  wurde,  ein  T^pac  f\  TToX^)iOto  f\  Kai  x^^M^voc  buc- 
6aXTT^oc  II.  P  548.   spricht  dies  unsere  stelle  als  eine  reminiscenz 


^  der  vorangehende  satz  in  der  betr.  stelle  ist  offenbar  corrampiert 
und  wahrscheinlich  so  zu  lesen:  quam  (sc.  Eriphylen)  postea  filius  Ale- 
maeon  in  vindictam  patris  occidit  et  ut  Orestes  (statt  Orestesque)  furore 
oceisa  matre  correptus  idem  monile  Apollini  consecravit.  vgl.  mytb.  I  152, 
namentlich  aber  Servias  znr  Aen,  VI  445  und  sachlich  Athen.  VI  282. 

8* 


116    WSchwartz:  das  haUbaod  der  Harmonia  u.  die  kröne  der  Ariadne. 

gleichsam  in  abstracter  form  noch  einfach  aus,  indem  es  nemlich 
kurzweg  heiszt:  tempeskUes  oriri  —  ähnlich  wie  andere  sagen  daß 
eintreten  eines  Unwetters  mit  regengttssen  und  stürm  an  die  mo- 
mente  von  blitz  und  donner  und  einer  nachahmung  eben  dieser  er- 
scheinungen  im  gebrauch,  wie  wir  gleich  sehen  werden,  verknüpft 
erscheinen  lassen  —  so  ergibt  sich  dabei  sofort  von  selbst  für  die 
mjthehbildende  urzeit,  dasz  in  ihr  dies  und  analoges  je  nach  der 
weitem  deutung  des  gewitters  und  der  in  ihm  angeblich  auftretenden 
Personen  (sonnenfrau,  sturmesheld  usw.)  auch  weitere  leb^isvollere 
bedeutung  und  dem  entsprechende  Verwendung  unter  der  verschie- 
densten form  der  motivierung  in  der  sich  manigfach  entwickelnden 
tradition  empfangen  konnte. 

Was  nun  aber  zunächst  das  erwähnte  charakteristische  moment, 
das  auftreten  von  Unwetter  beim  rühren  bzw.  auftauchen  des  wunder- 
baren, im  Wasser  ruhenden  halsbandes,  also  des  regenbogen- 
halsbandes  anbetrifft,  so  stellt  sich  dies  in  diesem  sinne  als  eine 
neue  art  von  Variante  zu  analogen  primitiven  Vorstellungen  bei 
Griechen,  Bömem  und  Deutschen  über  den  modus,  bzw.  die  mög- 
lichkeit,  direct  regen  oder  unwetterzu  erzeugen,  falls  man  wasser 
peitsche  oder  steine  in  solches  hineinwerfe  (oder  solche,  zb.  im  rö- 
mischen regenzauber,  dem  bekannten  aquaeliciumj  rolle),  was,  wie 
ich  nachgewiesen,  ursprünglich  eine  mimesis  des  angeblichen  peit- 
Sehens  der  himmlischen  wasser  mit  der  blitzes-  bzw.  sturmesgeiszel 
oder  des  werfens  (bzw.  rollens)  von  steinen  im  donner  sein  sollte, 
womit  man  meinte,  dasz  dort  oben  regen  bzw.  unwetter  erzielt 
werde,  indem  man  ein  accidens  für  die  causa  efQoiens  nahm  und 
nun  durch  nachahmung  desselben  Vorgangs  dasselbe  resultat  zu  er- 
zielen hoffte,  an  die  verschiedensten  momente  aber,  die  beim  ge- 
witter  in  die  erscheinung  treten,  knüpfte  der  glaube  die  Vorstellung 
von  dem  wunderbaren  entstehen  des  in  der  Ökonomie  der  natur  auch 
für  den  naturmenschen  so  bedeutsamen  regens,  und  sagenhafte  tra- 
dition wie  gebrauch  hielt  *in  irdischer  localisierung'  die  sache  viel- 
fach fest,  kann  ich  mich  gleich  im  allgemeinen  auf  die  von  mir  an 
verschiedenen  andern  stellen  beigebrachten  ausführungen  beziehen, 
zb.  von  dem  regenzauber,  welchen  hexen  durch  ^schlagen  mit  gerten  in 
wasserbächen'  in  ähnlicher  weise  betreiben  sollten ,  wie  der  priester 
des  Zeus  Lykaios  an  der  (heiligen)  quelle  Hagno  verfuhr,  wozu  sidi 
als  eine  zweite  mythische  kategorie  dann  der  aberglaube  stellt,  dasz 
angeblich  unwetter  entstehe,  Venn  man  steine  in  gewisse  zauberhafte 
Seen  werfe'  udgl.  mehr*:  so  will  ich  doch  ein  paar  beispiele  der  letztui 
art  hier  anführen,  zumal  sie,  abgesehen  von  dem  nuancierten  modus, 
dasz  in  unserer  sage  der  regenbogen  statt  des  blitzes  oder  donnere 
herangezogen  wird,  in  der  form  sich  fast  ganz  an  das  oben  erwähnte 
quod  si  gtiis  (monüe)  aJttreäaverü^  dicunt  solem  offendi  et  tempestaUs 


'  urspr.  d.  myth.  8.  260  ff.  (vgl.  86).    poetische  nataranseb.  II  s.  197. 
Berliner  zs.  f.  ethnologie  1875  s.  401  ff. 


WSehwarts:  das  halsband  der  Harmonia  u.  die  kröne  der  Ariadne.    117 

crki  anschlieszen.  ^wirft  man  steine  in  die  tiefe  des  wUdsees'  heiszt  es 
zb.  *80  föngt  er  an  zu  brausen  und  zu  tosen ;  der  heitere  Himmel  trttbt 
sich,  und  es  entsteht  ein  ungewitter  mit  stürm  und  hagel.'  ebenso 
schlieszt  eine  ähnliche  sage,  welche  JGrimm  hierbei  myth.'  s.  564  von 
einem  see  auf  dem  berge  Cavagum  in  Catalonien  aus  Gervasius  von 
Tilbnrj  anführt,  mit  den  worten :  in  lacum  si  quis  aliquam  lapideam 
atU  äliam  sölidam  proiecerü  materiamj  statim  tamquam  offensis  daemo* 
mbus  tempestas  erumpU.  vgl.  poet.  naturansch.  II  s.  110.  120.  197. 

Wenn  dies,  wie  erwähnt,  ganz  rohe,  primitive  Vorstellungen 
sind,  in  deren  kreis  der  regenbogen  nach  der  oben  beigebrachten 
sage  nun  auch  zum  teil  einrückt,  so  werden,  wie  gleichfalls  schon 
angedeutet,  die  beziehungen  manigfacher  und  reicher,  je  nachdem 
die  betr.  himmelserscheinung  in  entwickelteren  mythologischen  bil- 
dem  mit  himmlischen  wesen  in  relation  tritt,  dasz  aber  auch  hier 
überall  als  hintergrund  und  ausgangspunkt  bestimmter  oder  unbe- 
stimmter das  gewitter  erscheint,  wird  die  folgende  Zusammenstellung 
weiter  ausführen,  hierbei  musz  ich  aber  doch  noch  einige  bemer- 
kungen  vorausschicken ,  die  klar  legen ,  wie  so  ich  seiner  zeit  über- 
haupt dazu  kam,  die  betr.  sagenhaften  halsbänder  usw.  auf  den 
regenbogen  als  schmuck  der  verschiedenen  in  localsagen  auftreten- 
den sonnengöttinnen  bzw.  deren  Substitute  zu  beziehen. 

JGrimm  hatte  schon  myth.  s.  284  das  goldgeschmeide  der  nor- 
dischen göttinnen  Freyja  und  Frigg  so  wie  der  Menglöd,  namentlich 
das  wunderbare  halsband  Brlsingamen  der  erstem,  welches  auch  Thor 
anlegt,  als  er,  in  die  gewandung  jener  gekleidet,  dem  Thrymr  behufs 
Wiedererlangung  seines  hammers  gegenübertritt,  mit  der  Aphrodite 
6p|Lioc  im  hy.  a.  Aphr.  88  und  dem  kcctöc  l)idc  TroiKiXoc  bei  Homer 
H  214 — 218  Men  sie  am  busen  trägt  und  dessen  zauber  alle  götter 
und  sterbliche  bewältigt',  und  mit  dem  auch  Hera  sich  dann  schmückt 
um  den  Zeus  zu  teuschen,  in  bezieh  ung  gebracht,  indem  er  weiter 
noch  auf  ein  anderes  mythisches,  bei  Freyja  wie  Hera  wiederkehren- 
des moment,  nemlich  die  sage  von  einem  ^unnahbaren  gemach'  hin- 
wies, hatte  er  die  parallele  zwischen  Hera  und  Aphrodite  einerseits 
so  wie  Frigg  und  Freyja  anderseits  in  dieser  hinsieht  mit  recht  als 
^erwiesen'  hingestellt,  weiter  ist  er  freilich  nicht  gegangen,  trotzdem 
er  in  dem  capifcel  vom  'regenbogen'  schon  die  finnische  bezeichnung 
und  anschauung  desselben  als  gürtel  der  Lauma  beibrachte,  wie 
auch  unsere  dichter  von  demselben  als  'gürtel  der  Iris'  reden,  ich 
habe  dann  'urspr.  d.  myth.'  s.  116  ff.  diese  Vorstellung  jenen  himm- 
lischen halsbändem  wie  goldbinden,  gürtein  usw.  im  anschlusz 
an  eine  mir  gemachte  mitteilung  des  grafen  Lunzi  aus  Zante  sup- 
peditiert,  nach  welcher  noch  heute  griechischer  Volksglaube  den 
regenbogen  als  ^gürtel  der  mutter  gottes'  bezeichnet  (Ziiuvdpiov  Tf)c 
TTavorf(ac).  die  christliche  himmelsfrau  ist  nemlich  auch  bei  den 
Griechen  selbst  noch  mit  diesem  schmuck  den  alten  himmelsgöttinnen, 
welche  so  oder  in  ähnlicher  weise  ausgestattet  erschienen ,  substi- 
stuiert  worden,  namentlich  der  Aphrodite  und  Harmonia,  dann  ancb 


118    WSchwartz:  das  halsband  der  Harmonia  u.  die  kröne  der  Ariadne. 

der  Hera,  Athena  und  Leto  so  wie  endlich  der  Eileithjia,  deren 
neun  eilen  langer  goldiger  schmuck  in  seinen  riesenhaften  maszen 
ähnlich  wie  der  der  Hera  mit  seinen  hundert  troddeln  (H  181)  fast 
noch  direct  an  die  gewaltige  himmlische  scenerie  erinnert,  nehmen 
wir  doch  auch  im  deutschen  Volksglauben  eine  ähnliche  entwicklung 
wahr,  indem  fast  überall ,  wo  die  Jungfrau  Maria  im  aberglauben  in 
beziehung  zur  natur  tritt,  sie  sich  an  die  gestaltungen  der  heidnischen 
sonnenfrau  anlehnt,  indem  ich  weiter  noch  das  betr.  mythische  de- 
ment des  himmlischen  r'egenbogengürtels  bzw.  geschmeides  in  seinen 
sagenhaften  niederschlagen  verfolgte,  erschlosz  sich  noch  eine  fülle 
anderer  hierher  einschlagender  Vorstellungen,  welche  sich  von  dem 
rohesten  aberglauben  durch  die  heldensagen  bis  zu  entwickeltsten 
göttergestaltungen  nicht  blosz  weiblichen,  sondern  auch  männlichen 
geschlechts  hinziehen  und  wie  sie  gelegentlich  immer  wieder  an  den 
naturkreis,  aus  dem  sie  entstanden,  nemlich  an  die  sonnen-  —  oder 

wie  ich  jetzt  noch  mehr  betone  gewitter wesen  anklingen,  doch 

in  ihrer  individuellen  gestaltung  die  gröste  manigfaltigkeit  nicht  blosz 
bei  den  verschiedenen  indogermanischen  Völkern  überhaupt,  sondern 
auch  in  localer  differenzierung  innerhalb  desselben  Volkes  zeigen. 

Entwickelte  sich  nemlich  die  Vorstellung  eines  den  himmlischen 
wesen  beiwohnenden  Vermögens  zu  zaubern  vor  allem  an  den  wunder- 
baren Wandlungen,  die  im  gewitter  am  himmel  vorzugehen  schienen, 
so  konnte,  wie  der  blitz  als  zauberstab  dabei  galt,  auch  der  regen- 
bogen  vom  Standpunkt  eines  gürteis  aus  als  das  medium  gelten,  an 
welches  sich  die  eine  oder  andere  zauberhafte  Wandlung  oder  Wir- 
kung angeblich  knüpfte,  so  gehört  hierher,  wie  ich  schon  'urspn  d. 
myth.'  ao.  ausgeführt,  der  primitive  aberglaube  von  dem  zauber- 
gürtel  der  werwölfe,  dh.  ursprünglich  der  heulenden  sturmeswesen, 
welche  die  wölken  zerreiszen ,  ebenso  wie  die  zauberkette  oder  der 
zauberring  der  Schwanjungfrauen,  der  streitbaren  Valkyrien. '  und 
wenn  den  letzteren  die  reisigen  Amazonen  entsprechen ^  so  zeigen 

^  Qrimm  (myth.  s.  1049)  und  Manohardt  (germ.  myth.  s.  690  ff.)  haben 
die  betr.  sagen  von  dem  wunderbaren  giirtel,  riemen,  halsband,  hals- 
kettc,  zaaberring,  der  angelegt  wird,  dem  dann  auch  ein  einfacher  hals- 
oder  armring  zur  seite  tritt  (wie  ja  auch  der  regenbogen  noch  den 
namen  'himmelsring'  führt),  ohne  freilich  ihrerseits  an  den  regenbogen 
zu  denken,  so  ausführlich  behandelt,  dasz  es  sachlich  auf  sie  zu  ver- 
weisen hier  f^cnügt.  *  auf  die  identität  der  Amazonen  mit  den  Yal- 
kyrion  im  naturelement  habe  ich  gleichfalls  schon  im  'urspr.  d.  myth.' 
hingewiesen,  ich  trage  zu  dem  verschiedenen  dort  beigebrachten  für 
ihren  mythischen  und  speciell  himmlischen  Charakter  noch  nach,  dasz, 
wie  sie  fast  an  allen  weltenden  mit  den  verschiedensten  mythischen 
beiden  in  berUhrung  kommen,  sie  ebenso  auch  auf  dem  festlande 
Griechenlands  in  der  tradition  auftreten  und  in  einzelheiten  auch  bei 
ihnen  wie  bei  den  Valkyri^n  eine  beziehung  zum  wasser-  und  feaer- 
element  des  gewitters  hindurchbricht,  wenn  von  den  mahnen  der  rosse 
der  Valkyrien  der  tau  trieft,  so  reiten  die  Amazonen  auch  über  das 
meer,  das  freilich  ein  Hellanikos  dann  in  der  auffassung  der  spätem 
zeit  zu  dem  zweck  gefrieren  läszt;  ihre  rosse  schnauben  feaer 
(schol.  z.  Hom.  II.  f  189)  usw. 


WSchwartz:  das  halsband  det  Harmonia  u.  die  kröne  der  Ariadne.     119 

diese  zwar  nicht  den  märchenhaften  zug  einer  Wandlung  in  schwttne 
und  damit  den  bedeutsamen  ring;  dafür  weisz  aber  die  sage  fast 
noch  charakteristischer  von  einem  wunderbaren  goldgürtel  ihrer 
königin  zu  erzählen,  der  das  ziel  eines  zuges  des  Herakles  war  (ähn- 
lich wie  das  goldene  widderfeil  von  Seiten  Jasons)  und  um  dessen 
gewinnung  dann  (im  gewitter)  die  (sturmes-)  schlachten  mit  den 
Wolkenjungfrauen  geschlagen  sein  sollten,  die  mit  Herakles  zügen 
am  weltrande  localisiert  wurden,  ebenso  wie,  wenn  Theseus  den 
gürtel  erkämpft  haben  sollte,  dies  in  Attika  selbst  in  den  dort  mit 
den  Amazonen  angeblich  stattgehabten  kämpfen  geschehen  war.  hat 
der  regenbogen  in  letzterer  sage  den  Charakter  eines  zaubergürtels 
verloren,  und  gilt  er  blosz  als  ein  kostbares,  des  kampfes  wertes  ge- 
«chmeide,  wie  auch  nach  nordischer  sage  um  den  der  Freyja  geraubten 
Brlsingamen  Heimdallr  mit  dem  räuber  Loki  kämpft '\  so  tritt  die 
wunderbare  kraft  des  betr.  gürtels  auch  auf  griechischem  boden 
nicht  blosz  bei  dem  erwähnten  schmuck  der  Aphrodite,  sondern  auch 
bei  einem  anthropomorphischen  gegenbilde  zu  den  sturmeswölfen, 
nemlich  bei  den  gewitterkämpfern  Ares  wie  Thor  auch  wieder  in 
zauberhafter  weise  als  der  eigentliche  sitz  'ihrer  kraft'  hervor,  indem 
diese  sich  an  ihn  als  einen  sogenannten  stärkegürtel  knüpfte,  den 
sie  bei  ihren  ^himmlischen  kämpfen'  zur  mehrung  ihrer  kraft  an- 
geblich anlegen  sollten. 

In  besonderer  weise  und  am  reichsten  hat  sich  die  Wirkung 
jenes  schmuckes  —  und  damit  gelangen  wir  wieder  mehr  zum  aus- 
gangspunkt  unserer  Untersuchung  zurück  —  zunächst  entwickelt  in 
dem  Charakter  desselben  als  eines  verhängnisvollen  horts,  wel- 
cher sich  von  geschlecht  zu  geschlecht  streit  und  tod  bringend  im 
geschlecht  der  Harmonia  forterbt,  dem  stamme  der  sonnenwesen, 
welcher  seinen  Ursprung  der  buhlschaft  der  sonnenfrau  Aphrodite* 
mit  dem  sturmesgott  Ares  verdankt,  w ie  nach  der  oben  citierten  stelle, 
wenn  der  schmuck  aus  den  wassern  gleichsam  auftaucht,  unheil  am 
himmel  entsteht,  die  sonne  sich  verfinstert  und  unwetter  hereinbricht, 
fio  schien,  mythisch  gedacht,  verderben  sich  an  seine  trägerinnen 
immer  wieder  zu  heften,  sobald  man  ihn  als  einen  sich  forterbenden 
schätz  der  himmlischen  dort  oben  ansah. 

Hahn  hat  in  seinen  'sagwissen schaftlichen  Studien'  (Jena  1876) 
diesen  Charakter  eines  verhängnisvollen  hortes,  insofern  er  durch  ein 
goldenes  halsband  oder  eben  solche  kette  in  griechischer  wie  deut- 
scher sage  repräsentiert  erscheint,  schon  genugsam  herausgestellt, 
ohne,  freilich  dabei  an  den  regenbogen  zu  denken,     wenn  er  sich 

'  wenn  Loki  übrigens  in  Frejjas  sonst  unzagängliches  gemach  durch 
-ein  loch  in  gestalt  einer  fliege  hineinkriecht,  so  tritt  dies  in  analoge 
beziehung  zu  dem  von  mir  auch  schon  in  dieser  Zeitschrift  1874  s.  177  ff. 
behandelten  mjthos  von  Odin,  der  in  gestalt  einer  schlänge  zur  Gunnlöd" 
hineinschlüpft.  ^  dh.  vielleicht  genauer  gesprochen  dem  prototyp  der 
in  der  gestalt  der  Eos  dann  gegenüber  dem  männlichen  Helios  schon  frei- 
lich abstracter  und  verblaszter  gefaszten  morgenröte:  vgl.  poet.  natur- 
ansch.  I  s.  207.    Ursprung  dwr  stamm-  und  gründungssage  Roms  s.  36  ff. 


120    WSchwartz:  das  halsband  da:  Hannonia  n.  die  kröne  der  Ariadne. 

wundert  dasz  in  der  sage  selbst  das  verhängnisvolle  halsband  und 
der  tt^ttXoc  ^  von  Harmonia  bis  zum  Untergang  Thebens  gleichsam 
latitiert  und  dann  erst  charakteristischer  wieder  auftritt,  so  findet 
dieser  umstand  seine  erklärung  darin,  dasz  das  Verhängnis  der  Semele, 
Ino,  Agaue,  Autonom  usw.  in  den  Dionysosculten  sich  entfaltet  und 
dadurch  andere  momente  in  den  Vordergrund  getreten  sind.^  zuletzt 


^  der  tt^itXoc  geht  ursprünglich  auf  die  wölken  als  gew&nd.  io  den 
vorliegenden  mythen  ist  er  nur  von  secandärer  bedeatnng  und  tritt  erst 
in  der  Fortsetzung  der  sage  bei  Alkmaion  statt  oder  neben  dem  hals- 
band selbständiger  ein.  dasz  er  aber  nominell  vorhanden  war,  bestätigt 
unsere  auffassnng  des  halsbandes  und  ringes  usw.:  denn  zum  schwanen- 
ring  stellt  sich  das  schwanenhemd,  zum  halsband  der  Freyja  ihr  falken- 
hemd,  und  auch  bei  Zeus,  Hera  und  Athena  tritt  in  sage  wie  bei  letzterer 
namentlich  im  gebrauch  ihr  x^'^^v  oder  ir^irXoc  charakteristisch,  wenn 
gleich  in  anderer  ästhetisch  entwickelterer  weise,  hervor:  vgl.  übrigens 
weiter   unten    den    bösen   feurigen  peplos  in    der  Medeia-Glaukesage. 

'^  hierher  gehört  das  ganze  an  das  gewitter  sich  anschliessende 
bakchantisch-rasende  treiben,  das  zerrissenwerden,  herabstürzen  ein- 
zelner wesen  udgl.,  s.  uh.  über  Pentheus  Mer  heutige  Volksglaube  und 
das  alte  heidentnm'*  s.  49.  'urspr.  d.  mjth.',  vor  allem  aber  CDiltheys 
eingehende  behandlung  der  betr.  mythenmassen  in  der  arch.  ztg.  XXXI 
(1873)  8.  78  ff.  die  beziehung  speciell  des  todes  der  Semele  zum  gewitter 
habe  ich  schon  verschiedentlich  berührt,  namentlich  bin  ich,  je  nachdem 
mir  unerwartete  funde  dahin  einschlagender  ähnlicher  naturanschauongen 
zum  teil  selbst  bei  deutschen  dichtem  Veranlassung  gaben,  in  einzelnen 
miscellen  darauf  zurückgekommen.  JCäsar  hat  in  dieser  Zeitschrift 
1881  s.  93  einige  notate  gegen  die  letzten  beiden  miscellen  gemacht, 
wenn  ein  beleg  für  das  von  mir  in  betreff  des  todes  der  Semele  ge- 
brauchte i^qpavicOr)  verlangt  wird,  so  steht  dieses  im  anonymus  bei  Wester- 
mann mythogr.  s.  325,  und  über  die  bedeutung  des  /|q>av(c6T)  dürfte  in 
dieser  hinsieht  noch  einen  besondern  fingerzeig  geben  Apollodor  I  7,  wo 
es  von  Salmoneus  heiszt:  Zedc  bi  aCrröv  Kcpauvdicac  Tf|v  KTicOcIcav  i)n* 
aCiToO  TTÖXiv  Kai  rode  oUci^Topac  f^qpdvice  TrdvTac.  musz  ich  gleich  im 
übrigen  Cäsar  recht  geben,  dasz  das  in  klammer  zu  dem  prägnant  von 
mir  gebrauchten  'dounerbraut'  gestellte  '(Pindar)'  auf  einem  versehen  be- 
ruht (das  sich  leider  auch  in  die  nächste  miscelle  wie  in  den  aufsatz  in 
der  ethnol.  zs.  1880  über  denselben  mythos  eingeschlichen  hat)  und  dafür 
'(Nonnos)'  zu  setzen  ist,  auch  besser  in  den  letzten  beiden  miscellen  die 
knappe  zusammenziehung  in  der  darstellung  unterblieben  oder  wenigstens 
zb.  hinter  'verschlungen'  noch  geeignet  eingeschaltet  wäre  ^bzw.  ver- 
zehrt', so  ändert  dies  in  der  Sache  selbst  nichts,  zu  den  die  'wölken' 
haschenden,  schlürfenden  und  verschlackenden  siebenbürgischen  dämo* 
neu  (vgl.  Herschels  'mond  als  wolkenfresser')  stellt  sich  das  Tiivciv 
der  himmlischen  geburten  von  selten  des  Kronos,  bzw.  der  dicken  wölke 
als  gravida  mater^  nemlich  der  Metis,  von  selten  des  Zeus,  zu  den 
Goetheschen  göttern,  die  'mit  flammender  gewalt  schwere  wölken  auf- 
zehren', tritt  speciell  die  Semelesage  in  parallele,  zu  der,  wie  ich  jetzt 
hinzufüge,  in  secundärer  weise  sich  gesellt,  wenn  in  bezug  auf  die  art 
des  crscheinens  des  gottes  Zeus  der  Aigina  als  'feuerflamme'  naht,  oder 
in  betreff  der  gehurt  des  kindes  wieder,  unter  eigentümlich  anders  aus- 
geführter und  motivierter  scenerie,  Apollon  den  Asklepios  aus  der 
'brennenden'  mutter  reiszt  (xaio^^c  hi  a(iTf)c  &pirdcac  t6  ßp^qpoc  £k 
Tf)c  irupdc  usw.  Apollodor  III  10,  8).  in  betreff  meiner  obigen  deutnng 
des  TTivciv  sehe  ich  übrigens  nachträglich,  dasz  mein  alter  freund 
JF Lauer,  wie  er  gelegentlich  in  nnsern  debatten  seiner  zeit  im  einzel- 
nen schon   einer  ursprünglichen  deat«ng  auf  die  natar  allmählich 


WSohwartz:  das  hahband  der  Harmonia  n.  die  kröne  der  Ariadne.     121 

aber  bricht  der  uralte  fluch  mit  dem  halsband  und  gewande  wieder 
desto  bedeutsamer  als  schluszact  des  geschlechts  bei  Polyueikes  her- 
vor, worauf  es  dann  durch  diesen  auf  Eriphyle  und  die  Melampiden 
übergeht,  um  endlich,  wie  der  Nibelungenhort,  versenkt  zu  werden, 
dasz  er  nicht  mehr  unheil  in  der  weit  anstifte,  eine  version  der 
sage,  welche  charakteristisch  für  die  bedeutung  des  halsbandes  und 
des  gewandes  als  eines  besondem  familienschatzes  hierbei  spricht, 
ist  fast  immer  übersehen  worden,  da  die  behandlung  des  Stoffes  bei 
den  tragikem  in  betreff  des  Polyneikes  und  Eteokles  sich  meist  mehr 
nur  als  ein  streit  um  die  herschaft  entfaltet.  Hellanikos  berichtet 
aber  zunächst  von  einer  ^teilung  der  schätze',  ein  zug  der  auch  in  der 
deutschen  sage  oft  t3rpisch  bei  dem  betreffenden  mythischen  schätze 
wiederkehrt,  und  läszt  dabei  Polyneikes,  als  er  das  halsband  und 
gewand  erhält,  aus  Theben  ruhig  weichen,  um  zunächst  befriedigt 
eine  andere  stadt  zu  gründen ,  ein  moment  das  höchst  eigentümlich 
die  bedeutung  der  betreffenden  objecto  hervorhebt.'  wie  diese  stücke 
aber  dann  in  der  sich  fortspinnenden  sage  weiter  die  veranlassung 
wurden,  dasz  des  Oidipus  entsetzlicher  fluch  sich  an  den  söhnen 
erftiUte,  dasz  sie  nemlich  nach  Euripides  (Phoin.  68)  Ot]ktijj  ci- 
brjpui  buj)ia  biAaxov ,  ist  bekannt,  ebenso  dasz  dann  weiter  auch 
Amphiaraos  und  Alkmaion  dem  gefährlichen  schmuck  zum  opfer 
fielen.  ^^ 


sich  näherte  and  noch  mehr  es  gethan  hätte,  wenn  er  länger  gelebt, 
zwar  nicht  bei  unseren  mythen,  aber  doch  beim  Zeas  XaqpOcTioc  and 
CTiXaTxvoTÖ^oc  auch  schon  auf  eine  ähnliche  Vorstellung  hindeutet,  nur 
sie  in  seiner  weise  abstract  ausspricht  (und  nicht  weiter  verfolgt},  wenn 
er  sagt:  'er  ist  der  die  wölken  aufsaugende  himmel.' 

*  '€XXdviKOC  icTopcl,  KttTä  cuvefixac  aÖTÖv  (Polyneikes)  cvfx^P^' 
cai  Tf|v  ßaciXciav  'EicokXcI,  X^fiwv  aYpcciv  aöxCp  irporclvai  xöv 
'€T€OKXf^,  €l  ßouXoiTo  Tf|v  ßaciXciav  ^x^iv  fj  TÖ  ji^poc  Tuiv  xpr\- 
jidTUJV  Xaßelv  xal  ^x^pav  iröXiv  olK€tv.  töv  bi  Xaßövra  xöv  öp^ov 
Kttl  xöv  x*Tiöva  *Apfioviac  dvaxtüpflcai  clc  "Aproc  xpCvavxa  dvxi  xoO 
ji^pouc  xf)v  ßaciXc{av  Oiö{TToboc  cirrxu)pf)cai.  (sind  die  letzten  worte 
von  xpivavxa  an  freilich  nur  nach  einer  conjectur  von  Matthiae  zu- 
rechtgeschnitten,  so  lag  jedenfalls  dieser  oder  ein  ähnlicher  sinn  ihnen 
zu  gründe.)  ^°  bei  Alkmaion  treten  verschiedene  Varianten  auf.  nach 
der  einen  oben  erwähnten  sage  legt  er  das  verhängnisvolle  halsband 
in  Delphoi  nieder,  nach  der  andern  gibt  er  es  seiner  ersten  gattin  Alphe- 
siboia  zugleich  mit  dem  it^ttXoc,  und  als  er  es  ihr  wieder  abnehmen* 
will,  um  es  seiner  zweiten  frau  Kalliroe  zu  schenken,  wird  dies  die 
veranlassung  zu  seinem  tode,  worauf  der  Alphesiboia  brüdcr  oder  die 
söhne  Alkmaions  von  der  Kalliroe  den  schmuck  in  Delphoi  niederlegen, 
aber  auch  in  historischer  zeit  spann  die  sage  noch  weiter  im  sinne  des 
alten  fluchs.  indem  man  nemlich  in  Delphoi  wirklich  ein  angebliches 
halsband  der  Eriphyle  wie  der  Helene,  das  Menelaos  geweiht,  zeigte, 
sollten  die  weiber  der  phokischen  tyrannen  sich  bei  der  plünderung  des 
tempels  darüber  gestritten  haben,  wer  das  eine  oder  das  andere  erhalte, 
und  das  verderben  sei  nicht  ausgeblieben,  so  berichtet  Athenaios  VI 
232.  Parthenios  erzählt  noch  mehr  im  sinne  der  alten  tragischen  schold, 
Phayllos  habe  es  des  Ariston  weibe  geschenkt,  das  er  geliebt;  da  sei 
bald  ihr  söhn  von  Wahnsinn  befallen  worden  und  habe  das  haus  an- 
gezündet, dasz  die  mutter  und  die  meisten   schätze  verbrannt  seien. 


122     WSchwartz :  das  halsband  der  Harmooia  u.  die  kröne  der  Ariadne. 

In  germanischer  sage  vibriert  speciell  dieser  zug  von  der  yer- 
hängnisYollen  bedeutang  eines  mythischen  halsbandes  «a.  in  der 
form  einer  goldenen  kette  in  der  Ynglingasage  nach,  wenn  auf 
sie  im  geschlecht  Auds  des  reichen  der  fluch  gelegt  wurde ,  sie  solle 
dem  besten  manne  in  dem  geschlechte  den  tod  bringen ;  sonst  ist 
dort  der  zug  eines  mit  einem  (himmlischen)  hört  verbundenen  tod- 
bringenden Verhängnisses,  eines  steten  Streites  um  denselben,  seiner 
teilung  udgl.  mehr  haften  geblieben  an  dem  groszen  goldhortder 
Nibelungen  und  seinen  Varianten,  obgleich  auch  bei  diesem, 
worüber  ich  gelegentlich  ausführlicher  zu  handeln  gedenke ,  in  be- 
sonderer weise  der  dazu  nach  nordischer  tradition  gehörende  And- 
varanaut  wieder  speciell  an  den  regenbogen  in  der  form  eines 
ringes,  als  welcher  der  regenbogen  noch  in  deutscher  localsage 
gilt,  erinnert.  Grimm,  Simrock  und  Hahn  haben  die  auf  jenen  mythi- 
schen goldhort  gehenden  manigfachen  bezüge  in  deutscher  wie  grie- 
chischer mythologie  schon  vollständig  aufgedeckt,  freilich  ohne  zu 
ahnen  bzw.  anzuerkennen,  dasz  die  wurzel  der  betreffenden  volleren 
mythischen  Vorstellungen,  wie  ich  im  ^urspr.  d.  myth.'  ausgeführt, 
vor  allem  in  dem  im  gewitter  angeblich  heraufkommenden  leuch- 
tenden schätz  —  dem  golde  was  brennt,  wie  es  in  der  bäurischen 
tradition  heiszt  —  zu  suchen  sei ,  zu  dem  erst  secundär  der  goldige 
regenbogen  als  halsband,  gürtel  oder  ring  sich  stellt,  in  dieser  hin- 
sieht wird  nun  das  an  die  spitze  gestellte  citat  aus  dem  mythographns 
wieder  höchst  bedeutsam,  wie  der  deutsche  Nibelungenhort  im 
wasser  ruht  (historisch  localisiert  im  Rhein),  der  des  Andvari  aus 
dem  wasser  mittelbar  gewonnen  wird,  so  ruht  auch  nach  der  ange- 
führten stelle  das  halsband  der  Harmonia im  wasser  versenkt,  wie 
wir  gleich  auch  den  Theseus  die  kröne  der  Ariadne  aus  dem  wasser 
werden  hervorholen  sehen,  dh.  alle  diese  schätze  zeigten  sich  ursprüng- 
lich im  gewitter  in  den  wolkenwassem.  damit  wird  eine  ganz  neue 
perspective  für  griechische  und  deutsche  mythen  eröffnet  in  betreff 
der  bisher  rätselhaften  wasserschmiede,  um  sie  so  zu  nennen, 
wie  nach  den  gewonnenen  anschauungen  die  goldenen  himmelsschätze 
aus  dem  wölken- wasserreich  stammen,  so  fand  man  in  den  wolken- 
grotten  weiter  dann  auch  die  kunstfertigen  schmiede,  die  im  ge- 
witter Mn  den  wölken'  schmiedeten  (urspr.  s.  15.  poet.  naturansch.  11 
*s.  182),  und  daher  stammt  ihre  beziehung  zum  wasser.  so  sollte 
nach  Homer  Hephaistos  bei  den  wassergöttinnen  Thetis  und 
Eurynome,  als  er  aus  dem  obem  himmel,  der  über  den  wölken  war, 
vertrieben  worden,  in  geglätteter  grotte  verborgen  schönes  geschmeide 
geschmiedet  haben,  so  werden  auch  die  Teich  inen,  die  kunst- 
fertigen schmiede,  geradezu  als  Wassergeister  geschildert  und  nicht 
blobz  in  die  manigfachste  beziehung  zu  Poseidon  gebracht,  dem 
sie  den  dreizack  fertigen,  dh.  den  blitz,  wie  dem  Kronos  die  hippe 
(db.  den  regenbogen  als  sichel  gefaszt),  sondern  sie  nehmen  sogar 
die  gestalt  von  Wassergeistern  an :  so  berichtet  von  ihnen  Eustathios, 
wie  schon  Lauer  bemerkt,  'sie  seien  amphibien  und  in  wechselnder 


WSchwartz:  das  halsband  der  Harmonia  u.  die  kröne  der  Ariadne.     123 

^eetalt,  dämonen,  menschen,  fische,  schlangen  usw.'  dazu  stimmt  es, 
wenn  die  deutschen  zauberschmiede,  der  schmied  in  Darmssen,  der 
Orinkensohmied  usw.  auch  im  wasser  sitzen",  Völundr  sowie  And- 
yari  (auch  Loki)  aus  dem  wasser  mit  einem  netz  gefischt  werden; 
und  wenn  Andvari  dabei  in  hechtsgestalt  auftntt,  so  führt  das  be- 
treffende bild  ein  finnischer  mjthus  noch  mehr  aus,  den  ich  urspr. 
8«  235  ff.  ausführlicher  behandelt  habe,  und  dem  zufolge  man  im  hin 
und  herschieszenden  blitze  die  jagd  auf  einen  himmlischen  fisch, 
der  den  feuerfunken  birgt,  zu  sehen  glaubte,  diese  bezüge  lieszen 
eieb  noch  bedeutend  mehren :  ich  will  hier  nur  darauf  hinweisen,  dasz 
diese  yorstellung  eines  eigenen  wolkenwasserreichs  dort  oben, 
welches  so  gleichsam  eine  individuelle  mjthologie  für  sich 
entwickelt,  auch  bei  den  Indern  sich  zeigt,  was  zb.  schon  die  beiden 
lacta  bewähren,  dasz  auch  der  indische  feuergott  Agni  von  den  wölken- 
wasserfrauen  grosz  gezogen  wird  und,  was  wieder  an  unsern  im  wasser 
versenkten  regenbogengürtel  erinnert,  dasz  auch,  wie  Mannhardt 
germ.  mjth.  s.  107  anführt,  des  Indra  bogen  Gändiva,  der  auch  der 
regenbogen  ist,  von  den  meergöttern  dh.  ursprünglich  wieder  den 
himmlischen  wassergöttern  bewahrt  wird. 

Aber  auszer  dem  verhängnisvollen  gürtel  und  tt^ttXoc  im  ge- 
achlecht  des  sonnenkindes  Harmonia  treten  auch  ähnliche  kleinodien 
höchst  charakteristisch  in  anderen  sonnengeächlechtem  der  griechi- 
achen  sage  auf,  und  wenn  gleich  die  Verwendung  des  betreffenden 
mythischen  Clements  je  nach  der  verschiedentlich  entwickelten  tra- 
dition  variiert,  so  erinnern  doch  immer  einzelne  momente  wieder  an 
die  von  uns  gezeichnete  scenerie  des  bimmels,  aus  der  die  betreffen- 
den anschauungen  stammen,  gemeinsam  ist  zunächst  der  zug,  dasz 
das  betreffende  kleinod  mit  der  sonnentochterin Zusammenhang 
tritt,  ihr  als  preis  entweder  der  buhlschaft  (wie  der  Fre^'a)  oder 
eines  von  ihr  an  ihrem  geschlecht  zu  verübenden  verrats  geboten  oder 
von  ihr  dämonisch  zu  solchem  zwecke  verwendet  wird,  die  mythen, 
welche  hierher  gehören ,  sind  die  der  sonnentöchter  Skjlla,  Ariadne 
und  Medeia ;  bei  der  ersten  ist  es  wieder  ein  goldener  gürtel,  bei  den 
letzteren  ein  goldener  kränz,  bei  der  Medeia  kommt,  wenn  gleich  se- 
cundär,  auch  das  gewand  wieder  zur  geltung.  man  könnte  bei  dem 
ausdruck  kröne  an  die  sonne  denken,  weil  diese  auch  mythisch  so 
^efaszt  wird'*;  da  aber  die  ursprüngliche  bezeichnung  mehr  ein 
'goldener  kränz'  und  volkstümlich  der  regenbogen  auch  als  ein 
solcher  prächtiger    kopfschmuck  erscheint'',  femer  auch  die  be- 

^^  Kuhn  westph.  sagen  (s.  index)  und  in  seiner  Zeitschrift  IV  81  ff. 

**  poet.  natnransch.  I  s.  143.  urspr.  d.  myth.  s.  27.  ^'  als  'courroie' 
de  S.  Li^nard,  'couronne'  de  S.  Bernard  in  Lotbringen:  Grimm  mytb. 
s.  696.  bei  den  Karaiben  als  prüchtige  binde  des  gottes  Juluka,  mit  der 
er  plötzlich  aus  dem  meer  auftaucht:  s.  poet.  naturanscb.  I  s.  189.  wenn 
sie  aus  den  in  allen  färben  spielenden  federn  des  koiibri  bestehen  sollte, 
so  stellt  sich  dazu,  wenn  der  Ariadne  kränz  ans  sagenhaften  blumen 
geflochten  sein  sollte,  der  psalakantha  oder  dem  thescion:  vgl.  Staveren 
zu  Hjginns  astron.  5. 


124    WSchwartz:  das  halsband  der  Harmonia  u.  die  kröne  der  Ariadne. 

tretenden  mytben  sich  stellenweise  genau  den  oben  behandelten 
anschlieszen,  so  dürfte  auch  ursprünglich  in  den  letzteren  der  regen- 
bogen  der  ausgangspunkt  gewesen  sein,  wenngleich  Übergänge  nicht 
ausgeschlossen  sein  mögen. 

Wie  Homer  X  326  von  der  Eriphyle  sagt:  CT\rf€pr\v  T*  '€pi<pu- 
^iiv,  ^  XP^cöv  cpiXou  ävbpöc  ih&otjo  Ti|iri€VTa,  so  stellt  Aisohylos 
(Cho.  613  ff.)  die  Skylla  ob  dem  verrat  ihres  vaters  um  ein  goldenes 
halsband  an  den  pranger,  wenn  er  sagt:  äXXav  hf\  nv'  iv  Xöyotc 
CTUTeTv  (poiviav  CkuXXov,  St*  ix^piuv  örrai  qpujr'  äiribXecev  <pi- 
Xov  KpriTiKoTc  xp^ceobjLir)Totciv  öpjaoic  iriOrjcaca  boipoici  Mivuiy 
NTcov  deavdrac  rpixöc  voccpCcac*  äTrpoßoüXuic  nvdovO*  ä  kuvö- 
q)p(jüv  UTTViiJ.  wenn  aber  das  *haar  der  Unsterblichkeit'  oder  das 
goldene,  purpurne  (dv  fj  fjv  aörCp  tö  ttov  Tflc  buväjiicuic ,  KaOäirep 
Kai  Tip  CajLnpuiv *0,  welches  dem  äKepceKÖjLiTic  tok€uc  (Nonnos 
XXV  161)  die  tochter  abschnitt,  jenen  gleich  dem  Pterelaos,  von  dem 
eine  ähnliche  sage  erzählt  wurde ,  als  altes  sonnenwesen  männlicher 
art  charakterisiert,  so  reiht  sich  die  jii  tEö6T)p  CxuXXa  als  halb  schöne 
Jungfrau  und  halb  drachenungeheuer  in  dieser  Wandlung  (die  sie 
als  strafe  für  ihre  unthat  empfangen  haben  sollte*^)  den  misch- 
gestalten  wie  Melusine  ua.  an,  welche  man  plötzlich  in  den  gewitter- 
wassern  wahrzunehmen  wähnte,  indem  unerwartet  die  schöne  weib- 
liche sonne  (dh.  ursprünglich  die  den  Helios  den  ganzen  tag  be- 
gleitende Eos)  dann  in  den  sich  schlängelnden  blitzen  in  scheuszliohen 
schlangenleibem  zu  enden  schien,  wie  das  nach  der  sonstigen  ein- 
fädelung  der  sage  sich  weiter  entfaltete,  dasz  zb.  das  betr.  wesen^ 
als  es  in  dieser  doppelgestalt  sichtbar,  dh.,  wie  es  in  der  Melusine- 
sageheiszt,  überrascht  wurde,  unerwartet  wieder  entschwunden, 
zu  sein  schien,  indem  das  bild  plötzlich  dem  äuge  wieder  entrückt 
war,  so  ist  es  natürlich,  dasz  die  Wandlung  bei  der  Skylla,  wenn  sie 
als  eine  zweite  Delila  die  schuld  getragen  zu  haben  schien,  dasz  der 
goldhaarige  Sonnengott  im  gewitterkampfe  erlegen,  als  eine  strafe  für 
den  verrat  gefaszt  wurde.  *' 

Verrät  aber  Skylla  durch  ihren  vater  sich  als  eine  sonnentochteFi 
so  documentiert  dies  bei  Ariadne  auszer  ihrem  groszvater  Helios 
auch  noch  ihre  mutter  Pasipha^  dh.  die  morgenröte:  denn  nur 
das  bis  jetzt  noch  meist  überall  herschende  misverständnis  des  Mino- 
tauros,  indem  man  nicht  den  griechischen  donnerstier  in  ihm  erkannte*', 


**  Tzetzes  zu  Ljkophroo  660.  vgl.  den  goldhaarigen  Apollon  Axcp- 
ceK6|Lir)C,  Simson  usw.  im  ^urspr.  d.  myth.'  der  kämpf  entfaltet  sich 
übrigens  auch  in  der  Nisossage  im  gewitter,  und  die  sonnenhaare  gehen 
dann  in  die  blitzstrehnen  über,  ein  Übergang  wie  er  in  ähnlicher  weise 
vielfach  vorkommt;  brachten  doch  aach  selbst  noch  philosophen  die 
blitze  in  beziehnng  zu  den  Sonnenstrahlen.  **  in  den  bekannter  ge- 
wordenen formen  der  Nisossage  wird  Skylla  in  einen  vogel  oder  fisch 
verwandelt,  doch  sind  dies  nur  Varianten,  wie  schon  Voss  zu  Verg. 
ecl.  6,  74  des  eingehendem  ausführt.  *®  nrspr.  d.  myth.  index  u.  Skylla. 
poet.  natnransch.  I  s.  148.  stamm-  a.  g^ndnngssage  Roms  s.  8.  ^  die 
citate  hierfür  s.  weiter  unten. 


WSchwortz:  das  halsband  der  Harmonia  u.  die  kröne  der  Anadne.    125 

sondern  von  nichtgriechischen  culten,  zb.  vom  Baal  udgl.  auf  Kreta 
träumte ,  hat  bewirkt  dasz  man  bei  Pasipha^  den  mond  hineinzog. 
nun  werden  besonders  zwei  Versionen  der  Ariadnesage  für  uns  inter- 
essant, die  eine  findet  sich  bei  Hjginus  astr.  5,  wo  es  heiszt:  sed 
{id  aü  qui  Cretica  conscripsü)  quo  tempore  Liher  ad  Minoa  venüy 
cogUansÄriadnencomprimerey  hanc  coronam  ei  muneri  dedit^ 
qua  delectata  non  recusavü  condicionem  stupri.  erinnert  dies,  wie 
schon  oben  erwähnt,  daran  dasz  auch  Frejja  ihr  goldenes  halsband 
um  denselben  preis  erhielt,  so  ist  eine  andere  sage,  die  Hyginus  ebd. 
erzählt,  nach  welcher  sie  den  goldenen  ciifpawoc  von  Theseus  er- 
balten hat,  noch  interessanter,  die  form ,  in  welcher  sie  uns  da  ent- 
gegentritt, hat  eine  besondere  motivierung  und  ausschmückung  durch 
die  scenerie  erhalten,  in  der  die  sage  dort  eingereiht  ist;  der  volks- 
tümliche kern  ist  aber  kurz  folgender :  Minos  und  Theseus  streiten 
sich  um  ihre  abkunft  in  ähnlicher  weise  wie  Epaphos  und  Pha^'thon 
bei  Ovidius.  Minos  als  Zeussohn  will  die  abstammung  des  Theseus 
von  Poseidon  nicht  anerkennen,  auf  sein  gebet  donnert  und  blitzt 
es  —  da  haben  wir  die  gewitterscenerie  —  Theseus  taucht  unter 
ins  Wasser  und  bringt  die  goldene  kröne  der  Ariadne  herauf,  dh.  der 
regenbogen  erscheint  in  den  himmelswassem  als  eine  gäbe  der 
Amphitrite:  wahrlich,  wenn  man  sich  alles  ausmalt,  eine  plastisch 
drastische  scene,  die  zu  den  schönsten  mythischen  genrebildern  ge- 
hört ,  von  denen  ich  eine  grosze  fülle  im  'urspr.  d.  myth.'  dargelegt 
habe  und  die  da  zeigen,  wie  bei  den  analogsten  grundanschauungen 
der  Volksglaube  doch  überall  die  manigfachsten  bilder  und  mythi- 
schen ausätze  im  einzelnen  produciert  hat.  '^ 

In  Übereinstimmung  mit  dem  eben  entwickelten  weist  auch  noch 
ein  anderer  zug  im  kämpfe  des  Theseus  mit  dem  donnerstier  dem  be- 
treffenden kränze  dieselbe  scenerie  an.    bei  Eratosthenes  katast.  5 


^^  vgl.  als  parallele  die  prächtige  binde,  mit  welcher  der  karaibische 
regenbogengott  Juluna  aus  dem  meere  auftaucht  (s.  oben  s.  123).  die 
erwähnte  erzählung  des  Hyginus  lautet  vollständig  folgcndermaszen: 
alii  dicunt  hanc  coronam  Thesei  esse  et  hac  re  propier  cum  conlocatam  .  . 
dicitur  enim,  cum  Theseus  Cretam  ad  Minoa  cum  seplem  virginihus  et  sex 
pueris  venisset,  Minoa  de  virginihus  Eriboeam  quandam  nomine  .  .  comprimere 
vobtisse:  quod  cum  Theseus  se  passurum  negarei^  ut  qui  Neptuni  fiUus  esset 
et  valeret  contra  tyrannum  pro  virginis  incolumitate  decertare:  itaque  cum 
tarn  non  de  puella,  sed  de  gener e  Thesei  controversia  facta  esset,  utrum  is 
Neptuni  ftlius  esset  necne ,  dicitur  Minos  aureum  anulum  de  digito  sibi  de- 
traxisse  et  in  mare  proiecisse:  quem  referre  iubet  Theseum,  si  vellet  se 
credi  Neptuni  filium  esse :  se  enim  ex  love  procreatum  facile  posse  declarare, 
itaque  comprecatus  patrem  petiit  aliquid  signi^  ut  satisfaceret  se  ex  eo  natum: 
statimque  tonitru  et  fulgure  caeli  indicium  significationis  fecisse,  simili  de 
causa  Theseus  sine  ulla  precatione  aut  religione  parentis  in  mare  se  proiecit: 
quem  confestim  delphinum  magna  multitudo  mari  provoluta  lenissitnis  fluctibus 
ad  Nereidas  perduxit:  a  quibus  anulum  Minois  et  a  Thetide  coronam,  quam 
nuptüs  a  Venere  muneri  acceperat,  rettulit . .  alii  autem  a  Neptuni  uxore  ac- 
cepisse  dicunt,  coronam  Ariadnae  Theseus  dono  dicitur  dedisse 
usw.  Pausanias  I  17,  3  hat  dieselbe  erzählung,  aber  kürzer  und  ohne 
den  schlusz. 


126    WSchwartz:  das  halsband  der  Harmonia  u.  die  kröne  der  Ariadne. 

heiszt  es  nemlich :  iCTopcirai  bi  Kai  biä  toutou  töv  Qr\cia  ccciB- 
c6ai  ^K  Tou  Aaßupiv6ou  qp^TTOC  ttoioOvtoc.  wie  der  regenbogen  als 
glänzender  goldener  bogen  des  Apollon  in  dunkler  wettemacht  den 
Argonauten  leuchtet,  dasz  sie  dem  Apollon  alxXifJTiic  einen  tempel 
weihen  (urspr.  d.  myth.  s.  102),  so  leuchtete  derselbe  hier  als  der 
goldene  kränz  der  Ariadne  dem  Theseus,  als  er  in  dem  dunkel  des 
Wolkenlabyrinths  (aus  dem  er  nur  an  dem  [zauberhaften]  blitzfaden 
sich  zurecht  fand),  mit  dem  brüllenden  donnerstier  den  kämpf  bestand, 
der  wie  sonst  der  gewitterdrache  sein  opfer  verlangte :  denn  Theseus 
fahrt  nach  Kreta  ist  nur  ein  an  andere  anschauungen  sich  anknüpfen- 
des ge Witterabenteuer,  wie  Herakles,  Perseus  und  lason  den  kämpf 
mit  dem  drachen  um  Hesione ,  Andromeda  und  Medeia ,  ja  Theseus 
selbst  ein  solches  wieder  mit  dem  marathonischen  stier  bestand.  ^* 

Zu  diesem  leuchtenden  Charakter  des  kranzes  der  Ariadne  bringt 
noch  der  goldene  kränz  und  der  ndiiXoc  der  dritten  sonnen- 
tochter  Medeia  feurige  glut  hinzu ;  die  dämonisch- yerhängnisvoUe 
kraft ,  die  an  ihm  haftet ,  läszt  ihn  fressendes  feuer  aushauchen ,  das 
den  tötet,  der  diese  kleinodien  anlegt,  bei  Herakles  tode  tritt  etwas 
ähnliches  hervor,  der  hintergrund  des  bildes  ist  das  in  den  gewitter- 
wolkengluten  verendende  sonnenwesen,  mag  es  bei  Herakles  als 
apotheose  erscheinen  oder  bei  Olauke  als  strafe  dafür  dasz  sie  sich 
in  den  kreis  der  lichtwesen  eindrängen  will,  die  scenerie  schildert 
höchst  anschaulich  Euripides  Med.  1186  ff.^  wenn  er  den  boten  der 
Medeia  den  tod  der  Glauke  folgendermaszen  berichten  läszt :  XP^ 
coOc  jLiiv  äix(p\  Kpari  Kcijuevoc  ttXökoc  GaujuacTÖv  i€t  vö^a  irafi- 
cpaTOUTTupöc,  tt^ttXoi  bi  Xctttoi,  cujv  t^kvujv  buiprjjLAaTO,  Xeuicfiv 
fbaiTTOv  cdpKtt  Tf|c  bucbaijLiovoc.  q)€UT€i  b'  dvacräc*  ix  Gpövuiv 
7Tupou|Li^vri,  cetouca  xo^ttiv  Kpäid  t*  äXXot'  fiXXoce,  ßii|iai  6^- 
Xouca  CTdq)avov  dXX*  dpapÖTuic  EuvbccjLia  xP^cöc  clxc,  nOp 

b'  ^TT€l  KÖjUTlV  fC€lC€,  fldXXoV  blC  TOCUJC  t'  iXd|LlTT€TO. *^ 

Die  römische  mythologie  oder ,  was  sie  doch  eigentlich  nur  ist, 
die  römische  stamm-  und  localsage  hat  auch  eine  vielleicht  hierher 
einschlagende  und  zum  Skyllaraythos  sich  stellende  geschichte,  wie 
schon  Marg.  Aug.  Erepella  (Ausland  1882  nr.  27)  ausgeführt  hat, 
nemlich  den  verrat  des  Capitols  durch  die  Vestalin  Tarpeja  um 
goldene  ringe,  die  ihr  den  tod  brachten,  dh.  in  historischer  ge- 
wandung  die  goldenen  armringe  der  Sabiner,  mit  denen  sie  über- 
schüttet wurde,  reicher  flieszt  aber  in  dieser  hinsieht,  wie  wir  schon 
zum  teil  oben  gesehen,  die  germanische  nationalsage,  aber  auch 
in  einzelnen  localsagen  klingt  es  noch  verschiedentlich  in  dieser 

^*  über  den  Minotauros  vgl.  arspr.  s.  60^83.  188.  188.  äholich 
faszte  ihn  zum  teil,  wie  die  elemente  der  ganzen  sage,  auch  Kahn 
westph.  saften  I  8.  292  ff.  n.  in  seiner  Zeitschrift  IV  s.  91,  nur  bleibt  er 
nicht  bei  den  betr.  elementen  stehen  nnd  dentet  dann  das  ganze  hIb 
einen  mythos  in  einer  weise,  der  ich  nicht  beistimmen  kann.  ^  in  dieser 
9A^e  wäre  noch  am  ehesten  (s.  oben)  an  die  sonnenkrone  wegen  des 
feurigen  zu  denken,  wie  Helios  auch  in  Orph.  Argon.  813  einen  solchen 
feurigen  Strahlenkranz  trägt. 


WSehwartz:  das  halsband  der  Harmonia  u.  die  kröne  der  Ariadne.    127 

hinsiebt  an.  so  berichtet  zb.  Bochholz  von  goldenen  ringen  udgl., 
die  magisch  das  wasser  bannen,  ^anf  dem  berge  hinter  der  Heiden- 
bnrg  liegt  um  die  wurzeln  einer  eiche  unterirdisch  gespannt  ein  ring 
aas  purem  golde,  zum  glück  unerreichbar  tief,  denn  wird  ihn  je  eine 
menschliche  band  berühren  {si  quis  attredaverit ,  wie  beim  halsband 
der  Harmonia  oben),  so  verschwindet  er  samt  der  eiche  in  den  boden 
hinein ,  und  aus  dieser  höblung  hervor  drängt  sich  ein  ungeheurer 
ström,  der  das  ganze  thal  unter  wasser  setzen  würde'  usw.  die  eicbe, 
nm  deren  wurzel  der  ring  gespannt,  war  natürlich  ursprünglich  der 
himmlische  lichtbaum  (die  nordische  Yggdrasil);  und  wie  die 
tradition  noch  lehrt ,  fürchtete  man  dasz ,  bräche  der  goldene  ring, 
der  die  wasser  da  oben  bannt,  sich  alle  schleusen  des  bimmels  Offnen 
und  alles  überschwemmen  würden,  gerade  so  wie  das  ende  der 
weit  bevorstehen  sollte,  wenn  der  schwan  auf  dem  geheimnisvollen 
see  im  innem  des  Frauenberges  den  goldenen  prächtigen  ring  aus 
seinem  schnabel  fallen  liesze ,  den  ihm  gott  der  herr  selbst  einge- 
hängt, damit  er  die  weit  im  gleichge wicht  hielte,  so  erzählt  man  in 
Mittel-  und  Süddeutschland,  und  als  ich  mit  Kuhn  am  Harz  die 
sagen  sammelte ,  hörten  wir  fast  gleichzeitig  mit  der  bis  dahin  un- 
bekannten, aber  die  angeblichen  feste  auf  dem  Brocken  recht  eigent- 
lich als  frühlingsfeste  charakterisierenden  tradition  *die  hexen  kämen 
zu  Walburg  zusammen,  um  den  schnee  wegzutanzen',  die  sage  'im 
Bodekessel  liege  die  kröne  der  prinzessin  versunken,  die  käme  dann 
in  der  Walpurgisnacht  hervor  an  die  Oberfläche  des  wassers  und 
schwimme  bis  zum  morgen  oben,  und  jeder  könne  ihr  gewaltiges 
blinken  sehen.' 

'  Der  in  den  wassern  aufbewahrte  bogen  des  Indra,  das  in  den 
wassern  ruhende  halsband  der  Harmonia  sowie  die  ebendaher  stam» 
mende  kröne  der  Ariadne,  der  ring  Andvarauaut  so  wie  der  goldene 
wasseiTing  in  der  Schweiz  und  die  goldene  im  Bodekessel  versunkene 
kröne  der  frühlingssonnengöttin ,  der  Nibelungen-  und  Amelungen- 
hort  sowie  die  brennenden  schätze  der  volkssage  sind  von  analogen 
anschauungen  in  der  urzeit  ausgegangen,  und  in  welcher  Verschieden- 
heit der  fassung  und  Umgebung  treten  sie  in  den  Wanderungen  und 
Wandlungen  der  Völker  und  zeiten  uns  entgegen !  ein  altes  erbe  aller, 
zunächst  aber  jedes  unter  so  fremder  hülle ,  dasz  man  für  jedes  wo 
möglich  einen  besondem  Ursprung  zu  suchen  geneigt  war  und  erst 
die  Wissenschaft  mühsam  den  gemeinsamen  Ursprung  auf- 
decken musz. 

Posen.  Wilhelm  Schwartz. 


128  JSommerbrodt:  zu  Lukianos« 

20. 

ZU  LUKIANOS. 

(fortsetEnng  von  Jahrgang  1878  8.  561 — 664.) 


TTpojiTiOeuc  £l  ^v  Xötoic  c.  1.  jemand  hatte  zu  Lokianos 
gesagt:  'du  bist  ein  Prometheus.'  in  bescheidener  weise  lehnt  L. 
dieses  lob  ab :  ^ich  bin  zufrieden-,  wenn  meine  Schriften  nicht  ganz 
und  gar  dei'  erde  anzugehören  scheinen,  nicht  ganz  unwürdig 
sind  desKaukasos.'  das  ist  doch  wohl  der  sinn,  den  dec  Zusam- 
menhang erfordert,  ihm  ist  ja  Prometheus  verehrungs-,  nicht  straf- 
würdig, deshalb  ist  gewis  zu  lesen:  Tic  b'  f)  nepirrfi  coqpia  Kai 
TTpo^/jOeiadv  Toic  TP<iiMM<xciv;  die £)üioiTe  ixavöv,  ei  |if|  nävu  cot 
fniva  ibole  jiiib^  KOjiibQ  dväEia  toO  KauKdcou  statt  der  gewöhn- 
lichen lesart  äixa  toO  KauKdcou. 

TTepiOucidüvc.  5{^  Totp  oi  TaGra  C€)üivoXotoCciv  ol  noinTai 
TT€pi  Ttüv  66WV  Kai  iioXu  TOiJTuiv  J€p({iT£pa  TTCpi  T€  'Hq>aicTou  Kai 
TTpojLiiiO^wc  Kai  Kpövou  Kai  T^ac  Kai  cxeböv  öXiic  rfic  toO  Aiöc 
oiKiac;  der  Zusammenhang  verlangt  |iiapu»T€pa  statt  UpiArepa. 

öediv  bidXoTOi  IV  c.  2  2€YC.  iroO  t^P  ^Keivoc öi|i€Tai  ce; 
Ganymedes  hatte  gesagt:  der  vater  wird  mich  suchen  und  zürnen, 
wenn  er  mich  nicht  findet,  und  dann  wird  er  mich  schlagen,  weil 
ich  die  herde  im  stich  gelassen  habe,  darauf  soll  nach  der  oben 
stehenden  lesart  Zeus  antworten:  'wo  wird  er  dich  denn  sehen?' 
das  passt  nicht  in  den  Zusammenhang,  ich  lese  oö  y&p  £k€ivoc 
diperai  ce  mit  tilgung  des  fragezeichens :  'er  wird  dich  ja  nicht  sehen.' 
worauf  Oanjmedes:  jinibajidic*  itoOiij  t^p  fjbii  aäröv  'das  möge 
nimmermehr  geschehen  (dasz  er  mich  nicht  sieht) !  denn  schon  jetzt 
sehne  ich  mich  nach  ihm.' 

ivdXioi  bidXoTOi  XIII  c.  2  ENIHEYC  Ti  oöv;  bid  toOto 
^XP^v  c€TTpoopiTdcaiTÖvlpujTaKaiKa6uiTOKpivac6ar£viTr^a 
dvTi  TToceibÄvoc  elvai  Kai  KaTacoq)icac6ai  ifjv  Tupuj  dcpeXfl 
KÖpT]V  oucav ;  Enipeus  beklagt  sich  Poseidon  gegenüber,  dasz  dieser 
seine  gestalt  angenommen  und  so  die  gunst  der  Tjro  erschlichen 
habe,  dazu  passen  die  werte  KaOuTTCKpivacOai  .  .  dvri  nicht,  öiro- 
KpivecOai  mit  acc.  heiszt  'eine  rolle  spielen',  KaOuTTOKpivecOai  'eine 
rolle  verderben',  auf  personen  bezogen  in  übertragener  bedeutung 
'jemand  durch  sein  spiel  besiegen,  überwftltigen,  zu  gründe  richten', 
wie  Demosthenes  irepl  Tf)c  irapaTrpecßcioc  s.  449  von  Aischinessagt: 
KaiTOi  Kai  TTcpl  ific  (pujvfic  icwc  eiireiv  dvdxKiT  irdvu  ydp  ^iya 
Kai  ^Tii  TauTij  cppoveTv  aöxdv  dKOuui,  die  Ka6uTTOKpivoü|i€VOV 
x)\xäc.  ich  glaube  dasz  KaOimoKpivacOai  in  TrapuircKpivacOai 
zu  verwandeln  und  cTvai  zu  streichen  ist.  irapuTrcKpivecOai 
heiszt  'eine  rolle  anders  spielen  als  sie  vorgeschrieben  ist,  eine  andere 
rolle  spielen  als  die  vorgeschriebene',  hier  also  die  rolle  des  Enipeus 
statt  der  ihm  zukommenden  des  Poseidon  (dvri  TToceibOüVOc) ,  dh. 
statt  seiner  eignen  spielen,     dasselbe  sonst  nicht  vorkommende 


JSommerbrodt:  zu  Lukianos.  129 

wort,  zu  dessen  erklärung  die  yerba  irapuiropxcicGai ,  TrapifibeTv 
dienen,  habe  ich  auch  bei  Plutarcbos  im  leben  der  zehn  redner 
8.  841  ^  in  das  gesetz  eingetragen ,  durch  welches  bestimmt  wurde 
dasz  die  Schauspieler  die  tragödien  des  Aischylos,  Sophokles,  Euri- 
pides  nicht  abweichend  von  dem  staatsexemplar  aufführen  sollten : 
oOk  äeivai  T&p  aördc  (die  genannten  tragödien)  irapuTTCKpive- 
cdai  (s.  meine  abh.  *das  staatsexemplar  der  tragödien  des  Aischylos, 
Sophokles,  Euripides  und  die  Schauspieler'  in  ^Scaenica',  Berlin  1876, 
8.  253  f.)y  eine  änderung  der  Otto  Jahn  in  seiner  einleitung  zu 
Sophokles  Elektra  beigetreten  ist.  unsere  stelle  würde  also  so 
lanten:  bid  toOto  ^XP^v  C€  TTpottpirdcai  töv  fpWTQ  Kai  TrapuTro- 
KpivacOai  'GviTtea  dvil  TToceibwvoc  Kai  KaracoqiicacGai  Tf|v 
Jvpü)  äqteXf]  KÖpiiv  oöcav; 

0€cüvbi(iXoToiVIc.  1  HPA.  TÖV  NEiova  toötov,  (b  Zcö, 
itoTövTivaTÖv  TpÖTTOvfiT^;  ich  lese  ttoiöv  nva  töv  ävöpiwTtov 
flXQ;  worauf  Zeus  antwortet:  dvOpujTrov  elvai  XP^ctöv,  Ji  "Hpa, 
Kai  cu^TTOTiKÖv.  auch  in  c.  2  nennt  Hera  Ixion  verftohtlich  töv 
ävdpwTTOV. 

ebd.  YIII  c.  1.  Hephaistos  beschreibt  die  Schönheit  und  anmut 
der  aus  dem  haupte  des  Zeus  entsprungenen  Athena:  f)  bk  nr\b^  Kai 
injppixi2[€i  Kai  Tf)v  dcTriba  Tivdcc€i  Kai  tö  böpu  TrdXXei  Kai  ivGouci^ 
Kol  TÖ  ^i^T^CTOv  KaXfj  ndvu  Kai  dK^iaia  tct^vtitoi  [f{br\]  i\  ßpaxci, 
TXauKWTTic  ^^v,  dXXd  K0C|i€i  Kai  toOto  f)  KÖpuc.  es  fftllt  auf, 
dasz  niemand,  so  viel  ich  weisz,  an  dieser  stelle  anstosz  genommen 
hat:  *8ie  ist  zwar  YXauKoiTric,  aber  auch  dies  schmttckt  der  heim.' 
was  soll  das  heiszen  ^auch  dies'  ?  was  sonst  wird  durch  den  heim 
geschmückt?  das  toOto  kann  sich  doch  nur  auf  die  unmittelbar 
vorher  angegebene  eigenschaft  TXauKiIiTric  beziehen,  ich  möchte 
statt  f|  KÖpuc  vorschlagen  Tf|  v  KÖpii  v :  'sie  ist  zwar  yXauKiIimc,  aber 
auch  das  steht  der  göttin  gut.'  vgl.  d€u)v  bidX.  XX  10  b^biac  \if\  coi 
^X^TX^Tai  TÖ  fXauKÖv  twv  öjijidTwv  fiv€u  toO  cpoßepoO  ßXcTTÖjucvov ; 
woraus  sich  ergibt  dasz  diese  färbe  der  äugen  von  den  Griechen  nicht 
allgemein  für  schön  gehalten  wurde. 

'ATTOKTipuTTÖjLievoc  c.  7  Kol  Tidcxci  jitv  cuviiGec  TOIC  Xu- 
TioujLi^voic.  es  ist  zu  lesen  tö  cOvtiGcc.  vgl.  OiXoip.  6  dTtoXoTTi- 
cd^€Voc  rd  cuvrjGTi  TaOra.  iT€pl  toO  ^vuirviou  3  u.  o. 

OiXonieub/icc.  17tö  ixkv  irpiÖTOV  dTapaTTÖjLiiiv  irpöc  aörd 
(die  geistererscheinungen),  vöv  bfe  önö  toO  £6ouc  oöb^v  Ti  Ttapd- 
XoTOV  6päv  jLioi  bOKU)  Kai  vöv  jnaXicTo,  ii  ou  ^oi  töv  baKTuXiov 
ö  "Apaip  f bwKe  cibrjpou  toö  ^k  tuüv  CTaupuiv  ttcttoitijli^vov  . .  ^ktöc 
€1  ^f|  KdjLiol  diriCTriccic,  li  Tuxidbt].  Kai  ttuic  öv,  fjv  b*  ^t^,  im- 
CTVicaiMi  €äKpdT€i  .  .  co(pCu  dvbpl  Kai  jiidXiCTa  dXeuGepiuüc  Td 
bOKoOvTd  ol  X^TovTi  o!koi  irap'  airip  dir*  dgouciac.  in  den 
Worten  Kai  vO  v  jiidXiCTa  tilgt  Fritzsche  mit  recht  das  vOv,  auch  Marc. 
434  hat  es  nicht,  die  weiterhin  folgenden  worte  KaljidXiCTa  .  .  dtr* 
dSouciac  möchte  ich  mit  weglassung  der  worte  dXeuGepiuJC 
olKOiTrap'  aÖTtfi  lesen:  Kai  ^idXicr'  dir'  dEouciac  rd  bo- 

Jahrbacher  fOrclaB!«.  philol.  1883  hn.8.  9 


130  JSommerbrodt:  zu  Lukianos. 

KoOvTdolX^TOVTtdh.  'der  am  unabhängigsten,  am  selbständig- 
sten seine  meinung  ansspricht.'  den  satz  in  der  vorliegenden  gestalt 
zu  erhalten  verbietet  schon  die  rücksicht  auf  den  rhythmus:  so 
schwerfällig  nachschleppende  Wörter  wie  oiKOi  |  nap'  ourifi  |  in* 
dgouciac  verträgt  die  Lukianos  eigentümliche  abrundung  des  stils 
nicht,  die  worte  oTkoi  Trap'  auTip  sind  an  dieser  stelle  ttberflttssig 
und  greifen  in  die  folgende  erzählung  über,  bisher  hatte  Eukrates 
von  seinem  eignen  hause  nicht  gesprochen ,  erst  in  c.  18  ist  davon 
die  rede ;  jene  worte  sind  daher  mit  Marc.  434  (Q)  und  Laur.  ((]>), 
die  sie  nicht  haben,  zu  beseitigen.  dXeuOepiujc  aber  scheint  als 
glosse  zu  tu*  £gouciac  in  den  text  gekommen  zu  sein,  über  gebrauch 
und  bedeutung  von  in*  dgouciac  s.  Fritzsche  quaest.  Luc.  s.  137  ff. 

Zeuc  TpaTipböc  c.  30  dvSecOe  €l  jiifi  ^KjLieTpa  X^YOijiu 
Marc.  434  bestätigt  meine  conjectur  €i)üif|£|Li)üi€Tpa  X^TOtfii. 

'€TaipiKo\  bidXoToi  Vin  c.  3  f|  T^vfi  bk  aüroO  tcpöc 
&7TavTac  fX€T€V  ibc  und  cpapjiKiKwv  £KMr)vai^i  auröv.  tö  bfc  ?iv 
fipa  2IiiXoTU7Tia  tö  cpdpiüiaKOV ,  ijjct€,  d»  Xpuci,  Kai  cu  xpu)  irA  töv 
ropTioiv  Tijj  auTijj  (papjLidKU).  ich  zweifle  nicht  dasz  tö  bi^  was 
leicht  aus  dem  vorhergehenden  töv  entstehen  konnte ,  zu  streichen 
und  mit  fjv  dpa  2[TiXoTUTTia  fortzufahren  ist. 

ebd.  IX  c.  2  irpoeiTrov  €Ö6uc  iv  dpxQ  ärravTa,  Trpöc  bk  ck  ouk 
Sv  cTirov,  dXX*  S  fJKÖuca  dßouXöjüiTiv  elirciv,  ineX  irpöc  T€  TTap- 
^^vovTa  OUTUJC  i^pEd^iiv.  hier  ist  wohl  dir  ei  aus  dem  vorhergehen- 
den elneiv  entstanden  und  mit  auslassung  dieses  wortes  zu  lesen: 
TTpöc  Tdp  TTapji^vovTa  oötuic  i^pgdjiTiv.  'warum  hast  du  nicht^ 
sagt  die  herrin  zu  ihrer  magd  'zu  allererst  von  meiner  Sehnsucht 
nach  ihm  gesprochen  ? '  'ich  habe  das  gleich  anfangs  gethan'  ant- 
wortet diese  'aber  ich  sprach  dir  nicht  davon ,  sondern  wollte  dir 
zuvor  mitteilen,  was  ich  von  ihm  gehört  habe,  so  nemlich  begann 
ich  meine  Unterhaltung  mit  Parmenon/  auch  an  dv  vor  cTttov  nimt 
Dindorf  mit  recht  anstosz  und  ändert  es  in  d. 

Apa7T^Taic.l9d  \ikv  ydp  dv  toic  cujUTTOciotc  bpOüci  xai  & 
fieOOcKOVTai  fiaxpöv  dv  eXr\  X^yeiv.  das  zweite  d  möchte  ich  in  ib  c 
ändern;  die  schriftzüge  von  d)C  und  d  können  leicht  verwechselt 
werden. 

ebd.  c.  28  u)  Tf)c  TÖX^iic,  ö  KdvGapoc  qpiXococpci,  cpiiciv^ 
fifiufv  bk  oubeic  XÖYOC.  mit  recht  hat  Fritzsche  (pT]civ  gestrichen, 
ich  glaube  aber  dasz  dafür  TTCpi  zu  lesen  ist:  Tre  pi  f)^u)v  bk  oubeic 
XÖTOC.  der  fehler  beruht  auf  vertauschung  der  ähnlichen  abkttrzungen 
in  den  bss. 

CufiTTÖciov  c.  16  iru6öjLi€VOV  ^Tic  f|  TOjiOUjLidvii  Tiaic  dxa- 
XeiTO.  hier  ist  {^Tic  in  ÖTi  zu  verbessern,  vgl.  c.  19  oÖTUic  bf|  6 
KaKobaifiuiv  CaTupiujv  —  toöto  ydp  ö  YeXurroTTOiöc  ^KaXeiTO 
—  cucTdc  diraYKpaT(aZ€V.  dX.  Ict.  I  36  xttXeTraivovTec  tiu  Ckiv- 
Gdpiu  —  toCto  Tdp  ^KaXeiTO  und  die  in  meinen  'Ludanea'  (Leipzig 
1872)  s.  110  angeführten  beispiele.  danach  sind  auch  cIkövcc  c  2 
und  eivdX.  bidX.  VI  1  zu  ändern. 


JSommerbrodt:  zu  LakianoB.  131 

AtimocO^vouc  ^TKtliMtov  o.  2  itiixribecf&p  toi  toutI  tö 
Tpo^ijLiaTCiov  TrcpiTiTÖMfiv,  el  dpa  Tiii  cxoXf|v  ÖTovri  tiöv  ^rdpuiv 
irepiTuxoijLit.   statt  T(]p  ist  rqi  zu  lesen. 

KpoviäKdc.  2£v  adratc  hk  raic  ^7it&  cnoubaiov  \xk\  oöb' 
dTOpaiov  bioiKVjcacGai  \xox  cutKexibpilTai,  iriveiv  bk  xai  McGiieiv 
KCd  ßoäv  Ka\  TraiZeiv  nsw.  Wichmanns  conjectnr,  der  statt  oi)b* 
dYopaiov  vorschlägt  oöb'  dKQpiaiov  'auch  nicht  das  geringste^ 
ein  wort  das  bei  Lukianos  nicht  selten  vorkommt,  ist  ein  glücklicher 
griff,  ich  möchte  sie  nnr  noch  vervollständigen  durch  ein  vor  oi)bk 
einzuschaltendes  oöb^v,  was  auch  einige  hss.  (die  Görlitzer  A  und 
Marc.  434  Q)  bieten ,  also :  iy  aöraic  bk  raic  iura  cnoubaTov  ji^v 
oöbivoub'dKapiatov  bioiKrjcacQai  jiioi  cuTKCXwpiiTai:  ^in  den 
sieben  tagen'  (den  Satumalien)  sagt  Satnmus  Marf  ich  nichts,  auch 
nicht  das  geringste  ernsthafte  geschäft  vornehmen.'  im  Kpovocö- 
Xuiv  c.  13  steht  freilich  jLir)b^va  jiTib^v  jiirJTe  dTOpaiov  \xf\r*  Tbiov 
Trpdrreiv,  und  das  hat  vielleicht  die  Verderbnis  der  obigen  stelle  ver- 
anlaszt,  allein  während  hier  dYopaiov  seinen  richtigen  gegensatz  in 
Ibiov  hat  Veder  Staats-  noch  Privatgeschäfte',  faszt  CTTOubaTov  oben 
das  dtopaiov  und  Tbiov  zusammen ,  und  von  diesen  beiden  gilt  nun 
dasz  auch  nicht  das  geringste  vorgenommen  werden  dürfe,  anders 
sucht  Hartmann  der  stelle  aufzuhelfen,  indem  er  zur  herstellung  der 
Übereinstimmung  mit  der  zweiten  stelle  schreibt:  iy  aörak  b^  rate 
^TTid  cTToubaiov  ^€v  oubtv  oöt'  dTopaiov  oöt'  Tbiov  bioncrjca- 
cOai  jLioi  arpccxwpTiTai. 

ebd.  c.  6  CKÖTTCi  bfe  oötujc.  £c9*  öctic  dvGpwnoc  uTTOjiieiveiev 
Sv  ^KU)v  aÖTÖc  KaTaq)aT€iv  xd  t^kvo,  el  ^irj  Tic  öu^cttic  fjv  kuI 
dceßei  db€Xq)i]p  irepiTrecuiv  f^cGiev;  Ka\  fehlt  in  der  Görlitzer, 
Wiener  und  Yenetianer  (Marc.  434  Q)  hs.,  im  Marc,  steht  auszerdem 
f|  statt  f|V.  statt  dceßei  dbeX(p(]jj  hat  Marc.  434  und  die  Görlitzer  A 
dc^ßeia  dbeXcpiXiv.  der  Schreibart  Lukians  und  namentlich  dem 
ihm  eigentümlichen  rhythmus  entsprechend  möchte  ich  lesen:  ei 
jiV)  TIC  6u^CTiic  dceßeicji  dbeXcpoO  irepiTreciIiv;  'wie  möchte 
ein  mensch  es  über  sich  gewinnen  von  freien  stücken  selbst  seine 
kinder  zu  verzehren,  wenn  nicht  einer  wie  (das  bedeutet  Tic)  Thjestes, 
dem  die  ruchlosigkeit  seines  bruders  zum  fallstrick  wurde?'  meine 
änderungen  beruhen ,  wie  oben  angegeben ,  meistenteils  auf  hsl.  be- 
glaubigung;  f|v  und  fjcOie,  die  ich  als  lästiges  beiwerk  beseitigt  habe, 
verdanken  ihren  Ursprung  dem  von  fremder  band  eingeschobenen  Kai. 

TTpoMTiöeöc  f\  KauKacoc  c.  2  TTPOM.  dXXd köv  läjueic  toOv, 
di  "HcpaiCTe  xai  *€pjLifi,  xaTeXe/jcaT^  jiie  napd  Tfjv  döav  bucru- 
XoOvTa.  EPM.  TOÖTO  cp^c,  (b  TTpojiiTiOeO,  Td  xaTeXeficaTe 
dvTl  coO  dvacKoXoTTicöfivai  aÖTixa  jiidXa  TiapOKOucavTac  toO 
^iTiTdTiLiaTOc;  f{  oöx  txovöc  eTvat  coi  boxet  6  Kauxacoc  xai  dXXouc 
dv  xw'P^cai  biio  irpocTrarraXeuO^VTac;  Madvig  schreibt:  toOto 
q>^c  .  .  TÖ  xoTeXefjcoi ,  tö  dvTl  coO  dvacxoXoTCicOflvai.  Fritzsche 
beseitigt  mit  Dindorf  und  andern  das  zweite  xaTeXet^caTe.  aber  da- 
mit ist  der  stelle,  wie  ich  glaube,  noch  nicht  völlig  aufgeholfen,  um 

9* 


130  JSommerbrodt:  su  Lnkianos. 

KoOvTaoiX^TOVTidh.  'der  am  unabhängigsten,  am  selbständig- 
sten seine  meinting  ansspricht.'  den  satz  in  der  vorliegenden  gestalt 
zu  erhalten  verbietet  schon  die  rücksiebt  auf  den  rhythmus:  so 
schwerfällig  nachschleppende  Wörter  wie  oTkoi  |  nap'  auTijj  |  in* 
dSouciac  verträgt  dieLukianos  eigentümliche  abrundung  des  stils 
nicht,  die  worte  oTkoi  nap'  auTijj  sind  an  dieser  stelle  überflüssig 
imd  greifen  in  die  folgende  erzählung  über,  bisher  hatte  Eukrates 
von  seinem  eignen  hause  nicht  gesprochen,  erst  in  c.  18  ist  davon 
die  rede ;  jene  worte  sind  daher  mit  Marc.  434  (Q)  und  Laur.  (0), 
die  sie  nicht  haben,  zu  beseitigen.  £X€u6€piujc  aber  scheint  als 
glosse  zu  in*  HoxkUxc  in  den  tezt  gekommen  zu  sein,  über  gebrauch 
und  bedeutung  von  in*  dSouciac  s.  Fritzsche  quaest.  Luc.  s.  137  ffl 

Zeuc  TpaTH^böc  c.  30  dvä€cd€  ci  ^fj  £K|i€Tpa  X^yoimu 
Marc.  434  bestätigt  meine  conjectur  €i^f|£|iM€Tpa  X^TOtfii. 

'eTOipiKo\  bidXoTOi  Vin  c.  3  f|  Twf|  hk  aöroO  irpöc 
&TTavTac  £X£Tev  ibc  (mö  (papfüidKuiv  dx^Vivaiiüii  auröv.  tö  b^  ?iv 
fipa  2IiiXoTuiTia  tö  (pdp^KOV ,  i&ctc,  di  Xpuci,  xai  cu  xpuf  ifA  töv 
foptiav  Tifi  aÖT(!jj  cpap^dKii;.  ich  zweifle  nicht  dasz  tö  bi^  was 
leicht  aus  dem  vorhergehenden  töv  entstehen  konnte ,  zu  streichen 
und  mit  fjv  dpa  ZriXoTimia  fortzufahren  ist. 

ebd.  IX  c.  2  irpoeiTTOV  cöOuc  i\  dpxQ  diravTa,  Trpöc  bk  ck  ouk 
Sv  cTnov,  dXX*  S  j^KÖuca  dßouXö^iiv  elirciv,  ^irel  irpöc  t€  TTap- 
jLi^vovTa  oxriiuc  i^pSdfüiiiv.  hier  ist  wohl  dir  ei  aus  dem  vorhergehen- 
den €iir€iv  entstanden  und  mit  auslassung  dieses  wortes  zu  lesen: 
TTpöc  tdp  TTop^dvovTa  oCtuk  i^pSd|ii]V.  'warum  hast  du  nicht^ 
sagt  die  henin  zu  ihrer  magd  'zu  allererst  von  meiner  Sehnsucht 
nach  ihm  gesprochen  ?  *  'ich  habe  das  gleich  anfangs  gethan'  ant- 
wortet diese  *aber  ich  sprach  dir  nicht  davon ,  sondern  wollte  dir 
zuvor  mitteilen,  was  ich  von  ihm  gehört  habe,  so  nemlich  begann 
ich  meine  unteriialtung  mit  Parmenon/  auch  an  dv  vor  clirov  nimt 
Dindorf  mit  recht  anstosz  und  ändert  es  in  d. 

ApairdTaic.l9d  ^iv  ydp  dv  toTc  cujütocioic  bpdici  Ka\  & 
ficGucKOVTai  jnaxpöv  dv  ett)  X^yeiv.  das  zweite  d  möchte  ich  in  d)  c 
ändern;  die  schriftzüge  von  die  und  d  können  leicht  verwechselt 
werden.  I 

ebd.  c.  28  d)  Tf)c  TÖXfüiiic,  ö  KdvOapoC  q)iXocoq>€T,  (pnciv» 
f)MWV  bk  oöbclc  Xötoc.  mit  recht  hat  Fritzsche  q>r\cxy  gestrichen, 
ich  glaube  aber  dass  dafür  Trepl  zu  lesen  ist:  irepi  fmüüV  bk  oöbelc 
XÖTOC.  der  fehler  beruht  auf  vertauschung  der  ähnlichen  abkürzungen 
in  den  bss. 

CujiiTÖciov  c.  16  Tru6ö|i€V0V  ^Tic  f|  TOMOu^^VTi  Tiaic  dKa- 
XeiTO.  hier  ist  {\tic  in  ÖTi  zu  verbessern,  vgl.  c.  19  oÖTuic  bf|  6 
KaKobaiMuiv  Carupiujv  —  toCto  jdp  6  ycXurroiTOiöc  dicaXeiTo 
—  cucTQC  iitacfKfHXTialey.  dX.  icr.  I  86  xöXcTraivovTCC  Tiji  Gciv- 
Gdpcp  —  toOto  idp  ^KaXciTO  nnd  die  in  meinen  'Lucianea'  (Leipzig 
1872)  8.  110  angeführten  beispiele.  danach  sind  auch  cbcövec  c.  2 
und  €ivdX.  bidX.  VI  1  zu  ändern. 


^« 


I 


JSommerbrodt:  zu  LakianoB.  131 


AriiiOcO^vouc  dTKtdjiiov  c.  2  diriTTibcc  T<ip  toi  touti  tö 
TpojLl^aT€lOv  TTCpiTiTÖMTiv,  €l  fipo  Tijj  cxoXf|V  ÄTovTi  TÄv  drafpuiv 
ir€piTUXOt)üit.   statt  Tdi  ist  tiij  zu  lesen. 

Kpoviäxd  c.  2  dv  aöiatc  bi  taic  ^Tird  CTioubaTov  \ikv  oöb* 
ätopaiov  bioiKTJcacOai  ^oi  cuTK€X(iüpTiTai,  irivciv  bk  Kai  jueOtkiv 
KCd  ßoäv  Ka\  irai&iv  usw.    Wichmanns  conjectur,  der  statt  oöb' 

TdTopaiov  vorschlägt  oöb'  dKapiaiov  ^auch  nicht  das  geringste^ 
ein  wort  das  bei  Lukianos  nicht  selten  vorkommt,  ist  ein  glücklicher 
j  griff,  ich  mOchte  sie  nnr  noch  vervollständigen  durch  ein  vor  oibk 

«  einzuschaltendes  o  ö  b  ^  V ,  was  auch  einige  hss.  (die  Görlitzer  A  und 
Marc.  434  Q)  bieten,  also:  dv  aöraic  bk  raic  lirrd  CTroubatov  ji^v 
oubiv  oub'  dKapiatov  bioiKrjcacQai  jiioi  cuTK€XU)pTiTai:  'in  den 
sieben  tagen'  (den  Satumalien)  sagt  Satnmus  'darf  ich  nichts,  auch 
nicht  das  geringste  ernsthafte  geschäft  vornehmen/  im  Kpovocö- 
Xuiv  c.  13  steht  freilich  jniib^va  jiiiibiv  juriTe  dTOpaiov  jlii^t*  Tbiov 
Trpdrreiv,  und  das  hat  vielleicht  die  Verderbnis  der  obigen  stelle  ver- 
anlaszt,  idlein  während  hier  äxopaiov  seinen  richtigen  gegensatz  in 
Tbiov  hat  'weder  Staats-  noch  Privatgeschäfte',  faszt  ciroubaTov  oben 
das  dtopaiov  und  Tbiov  zusammen ,  und  von  diesen  beiden  gilt  nun 
dasz  auch  nicht  das  geringste  vorgenommen  werden  dürfe,  anders 
sucht  Hartmann  der  stelle  aufzuhelfen,  indem  er  zur  herstellung  der 
Übereinstimmung  mit  der  zweiten  stelle  schreibt:  iy  ainaxc  bk  toTc 
^TTid  CiroubaTov  juev  oubtv  oöt'  dtopaiov  oöt'  Tbiov  bioiKi^ca- 
cGai  jLioi  cuTK€X»it»pi1Tai. 

ebd.  c.  6  CKÖTici  bk  oötuic.  fcö'  öcTic  ävGpumoc  uTto^ieiveiev 
Sv  ^KUiv  auTÖc  KaToq)aT€iv  id  t^kvo,  el  jurj  Tic  öu^cttic  fjv  xal 
dc€ß€i  äb6Xq)i]p  7T€pi7r€CUJV  flc9i€v;  kcI  fehlt  in  der  Görlitzer, 
Wiener  und  Yenetianer  (Marc.  434  Q)  hs.,  im  Marc,  steht  auszerdem 
f\  statt  f|V.  statt  dceßei  dbeXqpiD  hat  Marc.  434  und  die  Görlitzer  A 
äcd߀ia  dbeXcpüüv.  der  Schreibart  Lukians  und  namentlich  dem 
ihm  eigentümlichen  rhythmus  entsprechend  möchte  ich  lesen:  ei 
jiV)  TIC  6udcTiic  dc€ß€i()i  dbeXcpoO  irepiTreciiuv;  'wie  möchte 
ein  mensch  es  über  sich  gewinnen  von  freien  stücken  selbst  seine 
kinder  zu  verzehren,  wenn  nicht  einer  wie  (das  bedeutet  Tic)  Thjestes, 
dem  die  ruchlosigkeit  seines  bruders  zum  fallstrick  wurde?'  meine 
änderungen  beruhen ,  wie  oben  angegeben ,  meistenteils  auf  hsl.  be- 
glaubigung ;  fjv  und  JjcOic,  die  ich  als  lästiges  beiwerk  beseitigt  habe, 
verdanken  ihren  Ursprung  dem  von  fremder  band  eingeschobenen  Ka\. 

TTpo^iriöeöc  f\  KaÜKacoc  c.  2  TTPOM.  dXXÄKÖv  ujli€ictoOv, 
li  "H^oiCTC  Kai  '€p^ifi,  KaTcXe/jcaT^  ji€  napä  Tfjv  dHlav  bucru- 
^9  XoOvTa.    EPM.  TOÖTO  cp/|c,  ib  TTpojiiTiOcO,   tö  KaT€X€r|caT€ 

ävTl  coO  dvacKoXomcOfjvai  aÖTixa  jiidXa  TrapaKOucavTac  toO 
^THTÄTiLiaTOc;  f[  oöx  txavöc  cTvai  coi  bOKei  6  Kauxacoc  Ka\  dXXouc 
Äv  x^P^cai  biio  7rpoc7raTTaX€u9^VTac;  Madvig  schreibt:  toOto 
<p4c  . .  TÖ  KOTeXeficai ,  tö  dvd  coO  dvacKoXoTricOfJvai.  Fritzsche 
beseitigt  mit  Dindorf  und  andern  das  zweite  KaT€X€f^caT€.  aber  da- 
mit ist  der  stelle,  wie  ich  glaube,  noch  nicht  völlig  aufgeholfen,  um 

9* 


132       EGrunauer:  zu  Ciceros  reden  gegen  Verres  [TV  §  41]. 

den  text  festzustellen  ist  zun&chst  nötig  den  eiforderlichen  gedanken 
aufzufinden,  ^erbarmet  euch  meiner.'  'um  erbarmen  bittest  du? 
davon  kann  nicht  die  rede  sein ,  denn  folgten  wir  dir,  so  würde  uns 
beide  sofort  dieselbe  strafe  treffen,  oder  meinst  du  dasz  der  Eaukasos 
nicht  für  zwei  andere  noch  platz  hfttte ?'  einestellvertretung, 
die  in  dvTi  coC  liegen  würde,  ist  durch  die  folgenden  worte  Kai 
dXXouc.  .  buo  und  irpociraTTqXeuO^VTac  ausgeschlossen,  daher 
gewis  statt  coG  die  lesart  guter  hss.  ^(87  Vat.),  434  Marc.  Q,  <t>Laur. 
dv  tI  ToO  aufzunehmen.  toOto  (pqc,  u&  TTpo^iiGeC,  [t6  KOTeXei^caTe] 
dvTi  ToC . .  heiszt  also  'das  sagst  du'  (nemlich  erbarmet  euch  meiner), 
'anstatt  (zu  sagen)  .  .'  oder,  was  dasselbe  ist:  'das  bedeutet  ebenso 
yiel  als  wenn  du  sagtest .  .'  was?  doch  wohl  'laszt  euch  sofort  für 
euren  ungehorsam  mit  kreuzigen !  oder  ist  etwa  der  Eaukasos  nicht 
grosz  genug,  dasz  nicht  auf  ihm  noch  zwei  andere  dieselbe  strafe 
mit  erleiden  kOnnten?'  ist  so  der  gedanke  der  stelle  richtig  auf- 
gefaszt,  so  möchte  ich  lesen:  TTP.  KaTeXeVjcaT^  )üi€  .  .  bucTuxoOvra« 
EPM.  TOÖTO  9qc,  (b  TTpo|iTiÖ€0,  dvTi  toO  ävacKoXoTric6iiT£  &|i* 
auTixa  TTapaKOucavTCc  toC  dTrirdTMOToc.  f{  oux  tKavöc  elvai  coi 
boKcT  ö  KauKttCoc  Kai  dXXouc  dv  xuipf)cai  buoirpocnaTTaXeu- 
O^VTac;  aji  konnte  vor  au  leicht  ausfallen,  jiidXa  fehlt  im  Marc. 
434  Q,  besonders  kühn  ist  also  die  ftndernng  nicht,  ob  aber  damit 
die  ursprüngliche  fassung  Lukians  hergestellt  wird,  möchte  ich  nicht 
mit  Sicherheit  behaupten. 

Breslau/  Julius  Sommbrbrodt. 


21. 

ZU  CICEROS  REDEN  GEGEN  VERRES. 


lY  §  41  wird  auch  in  den  neuesten  ausgaben  mit  beharrlich- 
keit  folg^de  gestalt  des  textes  festgehalten :  res  dara  Sicilia  tata^ 
propter  caelati  argenti  oupiditatem  reos  fieri  rerum  capittüium^  neque 
solum  reos  fieri ^  sed  etiam  absentes,  Diodorus,  aus  Melite  gebür* 
tig,  in  Lilybaeum  ansässig,  hatte,  um  seiner  kuüstvoll  gearbeiteten 
becher  nicht  verlustig  zu  gehen ,  Sicilien  verlassen ,  und  es  war  ein 
criminalprocess  gegen  ihn  anhängig  gemacht  worden,  nun  war  es 
aber  nach  den  bestehenden  gesetzen  nicht  gestattet  in  der  weise 
gegen  einen  abwesenden  vorzugehen,  und  dagegen  wendet  sich  auch 
Cicero,  muste  es  nemlich  schon  als  ein  arger  gewaltact  erscheinen, 
einen  anwesenden  in  anklagezustand  zu  versetzen,  blosz  um  sich 
dessen  kunstwerke  anzueignen,  so  verliesz  der  Statthalter  den  boden 
des  gesetzes  gänzlich ,  sobald  er  eine  anklage  gegen  einen  abwesen« 
den  gestattete,  es  stehen  sich  also  die  begriffe  praesens  und  absens 
gegenüber,  und  es  musz  an  unserer,  stelle  gelesen  werden :  nee  soUtm 
praesentes^  sed  etiam  absentes.  reos  fieri  ist  offenbar  durch  ein 
versehen  des  abschreibers  wiederholt. 

WiNTERTHUR.  EmIL  GrUNAUER. 


ThHasper:  quisqtiiliae  Plautinae.  133 

22. 

QVISQVILIAE  PLAVTINAE. 


Ad  emendandum  versum  misere  hiantem  Meiiaochmon519, 
ubi  libri  habest  uxori  rem  amnem  iam  ui  sU  gesta  doquar^  sat  multae 
adbibitae  sunt  medicinae  ab  hominibus  dootis.  Pjlades  enim  scri- 
bendam  coniecit  gesta  ut  sU^  Camerarius  tUi  sit  gesta,  Bitschelius 
ego  eloquar^  Brixius  ut  siet  gesta.  nnperrime  AWeidnerus  in  adyer- 
sariis  Plantinis  (Darmstadiae  1882)  p.  15  proposuit  uxdri  remomnem 
iam  üt  sU  gesta  ita  iloquar,  mihi  vix  dubitandum  videtur,  quin 
versus  e  Plauti  mann  profectns  sit  bunc  in  modum 

numquam  idepol  quisquam  me  ixarabU^  quin  tuae 
uxöri  rem  omnem  idmiam^  ut  sU  gesta,  Hoquar, 

Idem  WeidneruB  ad  Amphitruonis  versum  316  p.  22  hanc  sibi 
visns  est  emendandi  viam  invenisse  dlia  forma  esse  öre  oportet,  quhn 
tu  pugno  pigeris.  in  libris  mann  scriptis  est  älia  forma  esse  oportet 
quem  tupugno  legeris.  patet  non  andiendum  esse  Ussingium,  cui  talis 
debetnr  versiculns  alia  forma  esse  oportet.,  quem  tu,  pugne,  teti- 
geris.  Fleckeisenus  transpositis  verbis  oportet  esse  in  extreme  versa 
posuerat  pugnis  iceris,  qua  coniectura  adscita  Bitschelius  älia  formad 
esse  oportet,  Luchsius  denique  alia  forma  os  esse  oportet  scripserat. 
atque  pegeris  Weidnerianum  vel  propter  constructionis  insolentiam 
non  potest  non  veri  esse  dissimillimnm.  ego  in  verborum  elegantia 
pugno  legeris  adeo  non  offendo,  eam  ut  Mercurio  iocanti  mirum  quan- 
tum  accommodatam  esse  existimem.  verum  est  dictionem  poetioam 
longo  diversam  esse  a  dictione  comica,  non  minus  verum  istam  locu- 
tionem  quae  est  pugno  legere  fere  änoi  cipim^viiv  esse,  sed  quan- 
tum  ego  auguror  coniectura,  in  delendis  omnibus  loquendi  for- 
mulis  aliqua  ex  parte  poeticae  dictioni  proximis  nimii  fuerunt  multi 
et  docti  homines.  nam  quemadmodum  nos  in  coUoquendo  supra 
modum  sermonis  haud  raro  attollimur,  ita  etiam  poetas  comicos 
Bomanos  credibile  est  interdum  sane  aliquantulum  recessisse  ab  usu 
cottidiano,  ubi  aut  res  suaderent  aut  personae.  noli  credere  propterea 
comicorum  usum  non  esse  expressam  imaginem  sermonis  vere  Bo- 
mani,  qui  hac  in  re  prorsus  eandem  sine  dubio  prae  se  tulit  speciem. 
cavendum  igitur  est  ne  unam  quaroque  locutionem  exquisitiorem 
comicorum  obelo  ifotandam  esse  iudicemus.  accedit  quod  ipse  quo- 
que  Turpilius  apud  Nonium  p.  332,  19  legendi  verbo  eadem  eligendi 
significatione  usus  est  qtwm  Ugere  te  optumum  4sset  atque  aequissu- 
mum,  I  quaoum  aäas  degenda  it  vivendum  essä  tun,  quo  ipso  loco 
lectius  elegantiusque  diccndi  genus  facile  cognoscas.  sed  ut  ad 
Amphitruonis  versum  316  revertamur^  in  priore  parte  re  vera  ali- 
quid  exoidisse  credendum  est,  quod  tarnen  cave  putes  fuisse  os  voca- 
bulum ,  ut  ex  proxima  pronominis  forma  quem  apparet  certissime, 
sed  potius  id  quod,  si  quid  video,  hoc  loco  requiritur  unice  quodque 
ante  esse  verbnm  facillime  po^rat  omitti  cum,  ut  totus  locus  cum 


134  ThHaaper:  qaiaquiüae  Plaatiiiae. 

eis  quae  et  antecedunt  et  subsecnntur  sie  mihi  formandos  esse 
videatur 

ndm  cofiHntMS  häs  tris  noctis  p^rvigäavi,  f  p^ssumumst 
fddnus  nequit6r  ferire  mdlam:  nuüe  discU  manus. 
äUa  forma  eum  iase  oportet^  quAt^  tuo  pugno  Ugeris. 
r  {üio  homo  me  intSrpoiabü  meumque  os  finget  d6nuo. 
^  4xo88aium  os  fyse  oportet,  quAn probe percüsseris. 
T  wirum  nei  hie  me  qudsi  nmrcienulam  4xossare  cögitat. 
V.  314  Codices  pneheni  pessum  est.   in  prozimo  versa  homines  cri- 
tici  iniuria  mihi  videntur  offendisse:  ne  disoU  quidem  yocabolom 
mutanduzn  est  in  disds,  quamvis  posteriore  versa  manam  alloqaatar 
Mercurius.   v.  316  scripsi  tuOy  qaamqaam  tu  qaod  habent  Codices 
fortasse  potest  teneri.    v.  319  mirum  ne  et  nmraenam  habetar  in 
codicibus. 

Aalulariae  v.  198  in  scripta»  codicam  BD^ut^i  velJFL 
quin  ibi  nescio  an  lateat  antiqoior  adverbii  forma  cubiy  qaae  tamen 
ab  hoc  loco  aliena  est. 

In  venustissimo  illo  nopoKXauciOupqi  qaod  habetar  Ca  reu - 
lionis  y.  147  sqq.  nescio  an  v.  152  legendam  sit  misere  pro  misero. 
versus  est 

qtui^  mihi  nUsere  amanti  ^bibU  sänguinem. 

Eiusdem  fabulae  v.  219  ubi  in  codicibus  est  vaktudo  dearescU^ 
accrescU  lahor^  nisi  quod  J  habet  ac  crescU^  hanc  acripturam  praeter 
Brugmanum,  qui  scribit  väletudo  iam^  etiam  Baehrensiua  improbavit^ 
cuius  haec  coniectora  est  in  his  ipsis  annalibus  1880  p.  121  «ole- 
tüdo  dum  decrücUi  accresoU  labor  ad  sententiam  prorsus  apposita, 
ad  numeros  non  item,  unde  enim  conduseris  alteram  sjllabam 
väletudo  vocis  brevem  fuisse  apud  comicos,  quae  apud  posteriores 
poetas  semper  longa  est?  ex  Afranii  enim  versa  quod  hört  väletudo 
ohstäit  nihil  effioitur.  immo  veri  simUe  est  comicos  quoqae  poetas 
banc  syllabam  produxisse,  non  corripuisse.  quod  si  verum  est,  scri- 
bendum  videtur  vdUtiudo  ut  decr^sdt,  ita  crescU  lahor. 

Ibd.  V.  306  dubito  an  coniecturis  ab  aliis  tentatis  haec  lectio 
praestet  me  haud  magis  tu  cupis  quam  4go  te  cupio. 

Ibd.  V.  323  ubi  in  libris  invenitur  pernam  äbdomen  sumen  suis 
glandium  Goetsius  mea  quidem  opinione  non  debebat  Pyladis  con- 
iecturam  redpere,  qui  deleto  suis  vocabulo  cäOum  po^t  pernam  in» 
serit:  immo  reoipienda  erat  Scaligeri  ooniectura  sueris.  cf.  frag* 
mentum  Plautinum  apud  Festum  p.  330  M.,  ubi  etiam  pema^  sumen 
sueriSf  spectüe^  caUuimy  glandia  enumerantur,  et  Yarronem  de  1.  lat«  V 
§  110  pema  a  pede  sueris.  qua  forma  adscita  habes  integrum  sep- 
tenarium 
p&nam^  abdomen^  siimen  sueris,  gldndium.  t  oin  tu  haec  dmnia? 

Dbbsdai.  Thsodorvs  Hasper. 


MWetzel:  anz.  ▼.  HElages  oonsecutio  temporum  im  latein.     135 

28. 

DIE  COKSBCUTIO  TEMPORUM,  DEREK  GRUNDGESETZ  UND  ERSCHEINUN- 
GEN IM  LATEINISCHEN.  VON  HeRMANN  ElUGE,  OBERLEHRER 
AH  HERZOGLICHEN  LUDWIGS-G7MNA8IUM  ZU  CÖTHEN.    COthen,  TCr- 

lag  von  Otto  Schulze.    1883.   YIII  u.  124  8.  gr.  8. 

Eine  eingehende  Untersuchung  über  das  wesen  der  tempusfolge 
ist  ein  dringendes  bedUrfhis  in  dreifacher  Beziehung,  erstens  ist  füx 
die  wissenschaftliche  grammatik  diese  sprachliche  erscheinung  noch 
nicht  genügend  ergründet,  zweitens  ist  es  nOtig,  endlich  eine  feste 
grundlage  für  die  tezteskritik  zu  gewinnen ,  insofern  dieselbe  sich 
mit  auffallenden  fällen  des  tempus-  und  modusgebrauches  beschäftigt, 
drittens  endlich  liegt  auch  ein  praktisches  bedürfhis  für  die  lehrer 
des  lateinischen  vor,  die  von  den  regeln,  welche  die  schulgramma- 
tiken  bieten,  offc  im  stich  gelassen ,  wenn  nicht  gar  irregeführt  wer- 
den, die  letzte  Wahrnehmung  hat  denn  auch  den  vf.  zu  der  vor- 
liegenden Untersuchung  veranlaszt.  da  er  jedoch  der  ansieht  ist, 
dasz  für  die  empirische  beobachtung  der  einschlägigen  fälle  Wie! 
geschehen',  *gut  gesorgt'  sei  —  eine  behauptung  der  wir  wider- 
sprechen müssen,  wenn  sie  besagen  soll  dasz  hier  nicht  noch  manche 
wichtige  frage  zu  lösen  wäre  —  so  beschränkt  er  sich  darauf,  das 
grundprincip  der  lehre  von*  der  tempusfolge  mit  ihren  regeln  und 
ausnahmen  zu  ermitteln,  wenn  er  aber  meint,  *für  die  aufsuchung 
der  inneren  gründe'  sei  ^so  gut  wie  nichts  geschehen'  (s.  3),  so  irrt 
er.  von  anderen  beachtenswerten  versuchen  abgesehen  hat  die 
Schrift  von  Behaghel  ^die  Zeitfolge  der  abhängigen  rede  im  deutschen' 
(Paderborn  1878)  doch  wahrlich  einen  bedeutenden  beitrag  zur 
lösung  dieser  fragen  geliefert. 

Kluge  geht  nun  von  der  ansieht  aus,  dasz  das  tempus  des  neben- 
satzes  nicht  mechanisch  von  dem  des  regierenden  satzes  abhänge, 
sondern  dem  princip  nach  durch  den  inhalt  des  nebensatzes  selbst 
bestimmt  werde  (s.  19).  darin  hat  er  unzweifelhaft  recht,  nur 
durfte  er  nicht  behaupten  dasz  'bis  jetzt  die  klare  erkenntnis  dieser 
thatsache  gefehlt'  habe,  deutlicher  kann  man  diese  'klare  erkennt- 
pis'  doch  wohl  kaum  aussprechen,  als  ref.  dies  in  seiner  1877  bei 
Teubner  erschienenen  diss.  'de  consecutione  temporum  Ciceroniana 
capita  duo'  s.  6  gethan  hat. 

Die  auf  Fassung  des  vf.  ist  in  der  kürze  folgende,  während  man 
bisher  fälschlich  alle  tempora  nach  6iner  anschauung  beurteilte, 
sind  dieselben  zwei  anschauungskreisen  zuzuteilen,  von  denen  ein 
^  jeder  seine  besondecen  formen  für  die  Vergangenheit,  gegenwart 

und  Zukunft  hat.  der  erste  anschauungskreis ,  der  der  gegenwart, 
drückt  die  Vergangenheit  durch  das  (logische)  perfectum,  die  gegen- 
wart durch  das  präsens,  die  zukunft  durch  die  beiden  futura  aus. 
in  dem  andern  anschauungskreise ,  dem  der  erzählung,  haben  wir 
als  tempus  der  Vergangenheit  das  plusquamperfectum ,  als  tempora 
•     der  gegenwart  das  historische  perfect,  das  historische  präsens  und 


136     MWetzel:  anz.  v.  HEloget  conseoutio  tempomm  im  latein. 

das  imperfectum ;  das  futurum  der  erzählung  musz  ersetzt  oder  um- 
schrieben werden,  von  den  tempora  des  conjunctivs  gehören  präsen& 
und  perfect  dem  ersten,  imperfect  und  plusquamperfect  dem  zweiten 
anschauungskreise  an.  in  den  fällen  nun,  wo  die  regeln  der  conse- 
outio temporum  zur  an  Wendung  kommen ,  ist  der  Lateiner  in  dem 
nebensatze  in  dem  anschauungskreise  geblieben,  in  welchem  der 
regierende  satz  sich  bewegt;  und  alle  abweichungen  von  der  regel- 
rechten tempusfolge  beruhen  darauf,  dasz  der  sprechende  in  dem 
nebensatze  in  den  andern  ansohauungskreis  Überspringt,  'der  grund 
eines  solchen  wechseis  ist  in  den  meisten  fKllen  in  der  natur  der 
dargestellten  handlung  zu  suchen ;  bisweilen  aber  ist  er  individueU 
und  liegt  in  seelischen  vorgftngen,  die  den  sprechenden  momentaa 
beeinflussen'  (s.  112).  in  dem  ersten  falle  kommt  es  auf  den  grsd 
der  Zusammengehörigkeit  der  haupt-  und  nebenhandlung  an.  e» 
gibt  nebensatze,  die  so  eng  mit  dem  regierenden  satze  zusammen- 
hängen,  dasz  ein  Wechsel  der  anschanung  unmöglich  ist.  das  sind 
die  finalsätze  und  die  substanÜYSätze.  eine  zweite  gruppe  bilden  die 
causalsätze,  in  denen  der  Zusammenhang  zwischen  haupt-  nnd  neben- 
handlung teils  enger  teils  lockerer  ist.  die  dritte  gruppe  endlich 
bilden  die  übrigen  nebensatze,  yon  denen  wiederum  die  temporal- 
sätze  'einen  ziemlich  hohen  grad  von  Selbständigkeit'  bewahrt  haben 
(s.  65).  —  Der  nnterschied  zwischen  eonj.  praes.  und  coi\j.  impf» 
(und  ebenso  zwischen  oonj.  perf.  und  conj.  plusq.)  ist  nach  Kluge 
kein  temporaler ,  sondern  nur  ein  modaler,  der  gebrauch  des  conj. 
impf,  in  irrealen  wünsch-  nnd  bedingungssätzen  besonders,  meint  er, 
zeige  hinlänglich  dasz  demselben  eine  präteritale  bedeutung  nicht 
beizulegen  sei  es  drOcke  vielmehr  der  conj.  praes.  die  nähere ,  der 
conj.  impf,  dagegen  die  entferntere  oder  geringere  mögliohkeit  aus. 
Zunächst  erwidern  wir,  dasz  die  conjunctive  der  nebentempora 
nicht  blosz  nach  den  tempora  der  erzählung,  sondern  auch  nach  dem 
rein  logischen  ind.  oder  conj.  perf.  folgen  können,  von  dem  ind* 
perf.  leugnet  dies  Kl.  nicht,  er  meint  aber :  'sobald  von  dingen  der 
Vergangenheit  die  rede  war,  selbst  wenn  sie  zunächst  mit  beziehung 
auf  die  gegenwart  des  sprechenden  vorgetragen  wurden,  glitt  der 
Römer  unbewust  in  die  erzählung  hinüber,  wie  das  erwähnte  ge* 
schab'  (s.  66  f.).  das  liesze  sich  hören,  wenn  nicht  —  entgegen  der 
lehre  Madvigs  (spr.  §  383  anm.  3)  —  auch  nach  solchen  perfecta, 
die  in  nebensätzen  stehen ,  um  eine  vor  einer  andern  wiederholten 
handlung  jedesmal  vollendete  handlung  (der  gegenwart)  auszu- 
drücken, nebentempora  folgen  könnten:  vgl.  Tusc  IV  24  und  Y  3^ 
und  dazu  die  bemerkungen  von  HLieven  (die  cons.  temp.  des  Cicero^ 
Riga  1872,  s.  17);  femer  Tuae.  HI  64.  de  off.  III  107.  dear.  Ul 
196  ua.  st.  auch  nach  perfecta,  welche  die  vollendete  handlung  naol 
ante  —  quam  bezeichnen,  können  nebentempora  folgen;  zb.  adQ.fi 
I  1 ,  38  ante  oocupatur  animua  ab  tracundia,  quam  providere  raii 
potuü  ne  occuparetur^  vgl.  de  off.  I  117.  acad.  II 8.  dasz  der  Lat^ 
ner  in  solchen  läUen  an  vergangene  bandlungen  denkt,  läsit  f 


MWetzel:  anz.  ▼.  HEluges  coniecatio  tempomm  im  lateiiL     137 

allenfalls  begreifen,  nicht  aber  dasz  er  nnbewust  in  die  erzählung 
hinübergleitet.  —  Nebentempora  nach  dem  conj.  perf.,  der  niemals 
erzählendes  tempus  ist ,  mnsz  Kl.  folgerichtig  für  unzulässig  halten, 
in  der  that  findet  er  solche  sehr  befremdlich  (s.  67).  er  glaubt  nun 
die  Sache  damit  abzuthun,  dasz  er  in  den  drei  von  Draeger  (übrigens 
nach  Beusch)  citierten  fallen  präteritaler  tempusfolge  nach  dem 
conj.  perf.  in  indirecten  fragen  relativ-consecutive  sätze  annimt ,  in 
denen  ein  Wechsel  des  anschauungskreises  dh.  eine  abweichung  von 
der  regelrechten  tempusfolge  häufig  sei.  oberflächlicher  kann  man 
gewis  nicht  zu  werke  gehen,  vor  allem  hätte  sich  El.  vergewissern 
sollen,  ob  die  von  Draeger  angeführten  beispiele  die  einzigen  ihrer 
art  sind,  er  vergleiche  noch  p.  Mü.  44  (citiert  in  m.  diss.  s.  23), 
ferner  Tusc.  I  107.  p.  Cadio  52.  auch  in  finalsätzen  und  finalen 
objectssätzen ,  in  denen  EL  ja  ebenfalls  einen  Wechsel  des  anschau- 
ungskreises für  unmöglich  hält ,  kommt  der  conj.  impf,  nach  regie- 
rendem conj.  perf.  vor:  vgl.  de  inv.  II  128.  in  Verrem  III  160. 
p.  Flandc  26.  i?.  Sestio  78.  in  Vat.  33.  epist.  Vm  10,  5.  XHI  7,  6. 
ad  Q.  ^r.  I  1,  2.  I  1,  26.  ad  AU.  I  3,  1.  I  6,  2.  HI  12,  3.  V  6,  1. 
Y  21,  13.  Tu8C.  Y  2  uö.  übrigens  wird  wohl  niemand  recht  ver- 
stehen, wie  die  indirecte  frage  de  domo  sim  11  zugleich  consecutiven 
sinn  haben  könne,  und  was  ist  damit  gewonnen ,  dasz  wir  conse- 
cutiven sinn  annehmen?  El.  meint,  weil  in  consecutiven  Sätzen  die 
tempusfolge  freier  sei,  so  könne  in  solchen  ein  nebentempus  nach 
einem  haupttempus  nicht  auffallen,  dem  gegenüber  musz  ich  darauf 
aufmerksam  machen,  dasz  die  freiheit  in  der  cons.  temp.,  welche 
mehreren  Satzarten,  besonders  den  folgesätzen,  eigen  ist,  doch  nur 
darin  besteht  dasz  in  ihnen  häufiger  haupttempora  nach  präterita 
eintreten,  nicht  umgekehrt,  ich  bin  überzeugt  dasz  auch  El. 
seinen  schülem  sätze  wie  nemo  nostrum  tarn  stuUus  est^ut  hoc  cre- 
der  et  (in  der  bedeutung  'geglaubt  hätte')  nicht  als  mustersätze  für 
die  tempusfolge  empfehlen,  sie  vielleicht  sogar  als  fehlerhafk  be- 
zeichnen würde,  obwohl  man  doch  sagen  kann  nemo  nostrum  hoc 
credehat. 

Mit  der  somit  erwiesenen  thatsache ,  dasz  auch  nach  dem  nicht 
erzählenden  ind.  und  co^j.  perf.  nebentempora  folgen,  ofine  dasz 
ein  Wechsel  des  ^schauungskreises  angenommen  werden  darf,  ist 
nun  der  ganze  bau  der  Eingesehen  tempuslehre  untergraben,  seine 
theorie  von  den  zwei  concentrischen  anschauungskreisen  ist  aber 
auch  an  sich  durchaus  unhaltbar,  sie  musz  schon  deshalb  verworfen 
werden,  weil  sie  rein  philosophisch ,  ohne  alle  berücksichtigung  der 
formenbildung,  wie  sie  spradi wissenschaftlich  feststeht,  die  grund- 
bedeutung  der  einzelnen  tempora  bestimmt,  davon  abgesehen  ist 
die  gruppierung  der  tempora  der  erzählung  doch  allzu  compliciert. 
das  futurum  musz  in  diesem  anschauungskreise  ersetzt  oder  um- 
schrieben werden,  für  die  gegenwart  aber  treten  uns  sogar  drei 
tempora  (perf.  bist. ,  präs.  bist,  und  impf.)  entgegen ,  die  von  bans 
aus  sich  gar  nicht  unterscheiden  sollen!    El.  sagt:  Hhatsächlioh 


138     MWetzel:  anz.  ▼.  HKloges  coiiBeciitio  temporom  im  latein. 

finden  sich  fftlle ,  in  denen  das  impf,  wie  jene  tempora  (bist,  perf . 
und  präs.)  rein  als  mittelpunkt  der  enählong  dient'  (s.  15).  es 
wäre  aber  erst  zu  beweisen ,  dasz  man  in  solchen  fftllen  ohne  jede 
nüancierung  des  gedankens  auch  das  perf.  oder  pr&s.  bist,  setzen 
könnte,  er  meint  femer,  dasz  nicht  die  dauer  allein  in  der  bedeu- 
tung  des  impf,  liege,  beweise  das  deutsche  impf.,  welches  eben- 
sowohl die  dauer  wie  den  mittelpunkt  der  erzählung  bezeichne,  aber 
das  deutsche  impf,  entspricht  ja  in  bezug  auf  die  formenbildnng  dem 
lat.  perfectum.  Kl.  wagt  denn  auch  nicht  mehr  zu  behaupten  als : 
^es  scheint  ursprünglich  gleiche  functionen  gehabt  zu  haben  wie 
die  erzähltempora'  (s.  15)  und :  deshalb  es  die  nebenbedeutung  der 
dauer  den  übrigen  erzählformen  gegenüber  erhalten  hat,  läszt  sich 
bei  dem  jetzigen  stände  der  Wissenschaft  nicht  mit  einiger  Sicherheit 
sagen'  (s.  16).  da  hOrt  freilich  alle  Untersuchung  auf.  er  versucht 
zwar  eine  erklärung  dieser  bedeutungsentwicklung ,  aber  lediglich 
auf  grund  vager  Vermutungen. 

Dasz  die  grOszere  oder  geringere  freiheit  in  der  tempusfolge 
durch  den  innem  Zusammenhang  der  handlungen  des  haupt-  und 
nebensatzes  bedingt  wird ,  hat  El.  richtig  erkannt,  aber  entgangen 
ist  ihm  vor  allem  dasz  in  innerlich  abbtogigen  nebensfttzen,  dh.  in 
solchen  sfttzen  die  aus  dem  sinne  des  subjects  im  regierenden  satze 
gesprochen  sind,  im  allgemeinen  eine  viel  strengere  tempusfolge 
herscht  als  in  ftuszerlich  abhängigen  nebensätzen :  vgl.  Lieven  ao. 
8.  13  und  33,  m.  diss.  s.  7.  wenn  Kl.  in  den  temporalsätzen  die 
lockerste  Zusammengehörigkeit  zwischen  haupt-  und  nebenhandlung 
erkennt  und  demgemftsz  annimt  dasz  in  solchen  Sätzen  eine  abwei- 
chung  von  der  cons.  temp.  am  ehesten  möglich  sei,  so  behauptet  er 
hiermit  das  gerade  gegenteil  von  dem  was  Schweikert  (zs.  f.  d.  gw. 
1882  sept.)  mit  recht  lehrt,  dasz  nemlich  gerade  die  temporalsätze 
die  strengste  cons.  temp.  haben,  umgekehrt  hat  er  übersehen  dasz 
in  finalsätzen,  die  nach  ihm  doch  *die  einzigen  gehorsamen  kinder 
der  alten  grammatik'  sind  (s.  82),  ein  Wechsel  des  anschauungs- 
kreises  oft  nötig  ist:  vgl.  in  Verrem  IV  67  ne  guis  forte  .  .  arbUre- 
ttn-^  in  faro  . .  damare  coepit.  ad  Q.  fr.  III  1,  19  htiec  inter  cenam 
Tironi  didavi^  ne  nUrere  alia  nutnu  esse  uä.  st. 

Die  behauptung  dasz  der  coig.  impf,  sich  vom  conj.  praes.  nicht 
temporal,  sondern  nur  modal  unterscheide,  hat  vor  Kl.  schon  Gossrau 
in  seiner  lat.  Sprachlehre  aufgestellt,  derselbe  nennt  letztem  coi\junc- 
tivus,  erstem  subjunctivus  actionis  infectae.  diese  ansieht  ist  ja  auf 
den  ersten  blick  sehr  bestechend  (vgl.  Lieven  ao.  s.  7).  sie  ist  aber 
grundverkehrt,  auch  hier  sollte  man  vor  allem  die  bildung  der  for- 
men zu  rate  ziehen,  nun  hat  ja  zwar  Westphal  (die  verbalflexion 
der  lat.  spräche,  Jena  1873,  s.  105  ff.)  den  lat.  conj.  imp£  für  einen 
opt  aor.  I  erklärt,  wie  schon  Bopp  (vergl.  gr.  III'  35)  auf  die  ähn- 
lichkeit  zwischen  staremusuud  cnf|cai^€V  aufmerksam  gemacht  hatte, 
und  Klage,  der  sich  darauf  beruft,  dasz  ja  auch  zwischen  dem  griech. 
opt.  praes.  und  opt»  aor.  kein  temporaler  unterschied  hersche,  scheint 


MWetzel:  anz.  ▼.  Hfilluges  conBecutio  tempomm  im  latein.     139 

dem  zuzustimmen,  allein  abgesehen  davon  dasz  syntaktisch  der  lat 
coig'.  praes.  zum  conj.  impf,  sich  nicht  verhttlt  wie  der  griech.  opt. 
praes.  zum  opt.  aor. ,  sondern  eher  wie  der  coiy  •  (praes.  oder  aor.) 
zum  opt.  (praes.  oder  aor.) ,  hat  Cnrtius  (Studien  YIII  s.  464)  die 
ansieht  Westphals  überzeugend  widerlegt,  vielmehr  ist  mit  Bopp 
und  Schleicher  (comp,  der  vergl.  gr.  s.  830)  anzunehmen,  dasz  der 
conj.  impf,  ein  optatiy  des  imperfectums  ist,  da  er  sich  von  dem  ind. 
impf,  ursprünglich  nur  durch  den  modusvocal  des  Optativs  (t)  unter- 
scheidet (ind.  esamtM  [eramus]^  opt.  esaimus  »"  esemus,  woraus  esse» 
mus  entweder  durch  Verdoppelung  des  s  oder  durch  Zusammensetzung 
der  form  mit  dem  verbalstamm  es  entstanden  ist),  der  neuerdings  von 
Stolz  gemachte  versuch  den  lat.  conj.  impf,  als  einen  ursprünglichen 
ind.  aor.  zu  erweisen  darf  wohl  als  mislungen  bezeichnet  werden. 
Wenn  man  bedenkt  dasz  in  so  manchen  föUen  der  lat.  conj. 
impf,  nun  auch  wirklich  dieselbe  prftteritale  bedeutung  hat  wie  der 
ind.  impf,  (tum  cemeres  —  quid  tum  faoerem?  —  nemo  fuit  quin 
fleret  •—  cum  una  essemus^  Cicero  venit),  so  leuchtet  ein  dasz  man 
nie  auf  den  gedanken  gekommen  wäre,  die  präteritale  bedeutung 
des  coig.  impf,  zu  leugnen,  wenn  man  nicht  geglaubt  hätte  dasz  sich 
der  gebrauch  dieser  form  in  irrealen  bedingungs-  und  Wunschsätzen 
sowie  in  gewissen  fUUen  der  abhängigen  rede  mit  der  annähme  einer 
solchen  bedeutung  durchaus  nicht  vereinigen  lasse,  man  hätte  aber 
erst  ermitteln  sollen,  ob  nicht  auch  in  diesen  Sätzen  ursprünglich 
ein  sich  auf  die  Vergangenheit  beziehender  gedanke  ausgesprochen 
liegt,  der  dann  in  ähnlicher  weise  verwischt  worden  wäre ,  wie  dies 
mit  der  ursprünglichen  bedeutung  des  perfects  (voUendung)  in  der 
erzählung  geschehen  ist.  und  wirklich  beruht  die  tempusverschiebung 
in  der  abhängigen  rede  einfach  darauf,  dasz  uns  die  rede  des  subjects 
im  regierenden  satze  als  bericht  des  Schriftstellers  entgegentritt,  wie 
wir  sehr  deutlich'  erkennen  aus  stellen  wie  Hs  n'avaient  (^sie  hätten', 
eig.  'sie  hatten'  a]s  bericht  Napoleons),  disaienl-ils^  que  ce  chemin 
jpour  sortir  de  leur  pays  (Napolton  bist,  de  Jules  Cösar  II  48).  und 
wenn  der  conj.  impf,  der  abhängigen  rede  auch  von  handlungen  ge- 
braucht wird,  die  in  der  zeit,  wo  der  Schriftsteller  schreibt,  noch 
fortdauern,  so  ist  das  nicht  auffallender  als  der  meines  wissens  zu- 
erst von  Peters  (progr.  Deutsch-Crone  1861  s.  6)  beobachtete,  von 
Lattmann  und  Gossrau  berührte  gebrauch  des  ind.  impf,  in  stellen 
wie  Tu3C  lY  54  quod  nuXtum  erat  ('ist')  iracundia  foedius  oder  de 
off.  I  143  iktque  quae  er  an  t  prudentiae  proprio^  auo  loco  diäa  sunt, 
man  setze  an  der  letzten  stelle  eine indirecte  frage  ein:  quae  essent 
prudentiae  prqpria^  suo  loco  dictum  est,  und  man  wird  das  impf,  ver- 
stehen. —  Dasz  die  durch  den  irrealen  conj.  impf,  ausgedrückte 
gegenwärtige  nichtwirklichkeit  ursprünglich  als  eine  in  der  Ver- 
gangenheit vorhandene  mOglichkeit  aufgefaszt  wurde,  beweist  nicht 
nur  der  griech.  ind.  impf,  und  das  beim  Übergang  zur  darstellung 
der  Wirklichkeit  verwendete  vCv  b^,  lat.  nwnc  aiutem,  sondern  vor 
allem  auch  der  mit  präsensbedeutung  gebrauchte  ind.  impf,  von 


140     MWetzel:  anz.  v.  HKlages  consecutio  temporum  im  latein. 

modalitätsverben  im  griechischen  (£b€i,  ^XP^IV«  biKaiov  fjv  nft.)  and 
imlateiniBohen  {dehebam  ich  müste;  poieram  ich  kOnnte),  worüher 
man  Tobler  ('Übergang  zwischen  tempus  nnd  modus'  zs.  für  Völker- 
psych,  und  sprachwiss.  11  44  ff.)  und  Lattmann-Müller  (lat.  schulgr. 
§125  anm.  1)  vergleichen  wolle  (Draeger  gibt  die  prftsen tische  be- 
deutuDg  nur  bei  p^^am  zu ;  die  meisten  kennen  sie  gar  nicht),  die 
fälle  des  präsentischen  gebrauchs  des  eonj.  impf,  in  entrüsteter  frage 
im  altern  latein ,  auf  welche  Kluge  s.  22  so  viel  gewicht  legt ,  er- 
klären sich  nach  Tobler  (ao.  s.  42)  einfach  daraus,  dasz  hier  eine 
Verstärkung  und  Verschiebung  der  modalität  (der  Irrealität)  vor- 
liegt, irreal  sind  auch  die  noch  häufig  —  und  so  auch  bei  Kluge  — 
als  Potential  geltenden  coi^unctive  veäem ,  noUem,  fnaUem.  man  er- 
gänze si  fieri passet^  das  auch  zuweilen  dabei  steht:  vgl.  Tusc  I  98. 
I  23.  uns  will  es  freilich  nicht  in  den  sinn,  dasz  damit  das  wünschen 
negiert  wird,  aber  der  Lateiner  ist  vernünftiger  als  wir :  er  wünscht 
nichts  was  nicht  erfüllt  werden  kann. 

Kl.  hatte  also  keine  veranlassung  dem  conj.  impf,  die  präte- 
ritale  bedeutung  abzusprechen ,  um  so  weniger  als  er  seine  ansieht 
nur  durch  eine  sehr  unsichere  und  zu  neuen,  noch  schwierigeren 
rätseln  führende  Vermutung  zu  stützen  vermochte,  sagt  er  doch 
selbst:  'wie  die  conjunctive  der  nebentempora  den  begnjff  der  ent- 
ferntem möglichkeit  erhalten  haben,  das  ist  nicht  mit  einiger  wahr» 
scheinlichkeit  zu  vermuten'  (s.  27).  und  zur  erklärung  des  grundes, 
dasz  die  conjunctive  der  entferntem  mögliehkeit  in  der  erzfthlung 
verwendet  werden,  stallt  er  eine  ansieht  auf,  die  von  ihm  selbst  nur 
als  'wahrscheinlich'  bezeichnet  wird,  in  Wirklichkeit  aber  sehr  un- 
wahrscheinlich ist  (s.  27). 

Was  nun  die  ausführungen  Kl.s  im  einzelnen  betrifft,  so  sind  ja 
mehrere  punkte  recht  ansprechend  beleuchtet  dahin  rechnen  wir 
besonders  die  erklärung  der  haupttempora  nach  präterita  an  ver- 
schiedenen stellen  lat.  autoren  (s.  88 — 97).  aber  sehr  vieles  ist  auch 
hier  verkehrt,  so  nimt  Kl.  s.  67  von  der  regel,  dasz  selbst  das  offen- 
bar nicht  erzählende  perf.  (ind.)  sich  mit  dem  conj.  der  nebentempora 
verbinde ,  die  indirecten  fragen  aus.  demnach  wäre  in  stellen  wie 
Tusc,  V  106  quam  sU  ea  ooniemnepuUi^  paulo  ante  dictum  est ,  logi- 
sches, aber  de  off,  II  43  ea  quae  essent,  didum  est  in  libro  superiore. 
episi.  IV  10,  2  quoniamj  quid  mihi piaceret ,  ostendi  (die  aufzählung 
ähnlicher  stellen  nur  aus  Cicero  könnte  ganze  Seiten  füllen)  histo- 
risches perfect  anzunehmen,  offenbar  aber  ist  hier  wie  dort  die  natur 
des  perf.  dieselbe;  immer  ist  es  ein  rein  logisches,  das  auch  in  in- 
directen fragesätcen  an  sich  nur  dann  mit  haupttempora  sidi  ver- 
bindet, wenn  es  sich  geradezu  mit  einem  präsens  vertauschen  läszt« 
wenn  trotzdem  in  sehr  vielen  fällen ,  wie  in  der  stelle  Tuse.  V  106, 
auch  ohne  diese  präsentiscbe  bedeuking  haupttempora  stehen,  so  ist 
dies  mit  Sohweikert  (zs.  f.  d.  gw.  1876  s.  1  ff.)  daraus  zu  erklären, 
dasz  der  Schriftsteller  den  Inhalt  der  indirecten  frage  von  seinem 
Standpunkte  aus  betrachtet  (oder,  um  mit  Kl.  zu  reden,  im  neben- 


MWetzel:  anz.  y.  HEluges  consecutio  temporum  im  latein.      141 

Satze  sich  im  anschauungskreise  der  gegenwart  bewegt),  quam  sit 
ea  cantemnenda,  patdo  anie  dictum  est  unterscheidet  sich  also  von 
quam  esset  ea  contemnendat  paulo  ante  dictum  est  etwa  so  wie  im 
deutschen:  'wie  sehr  derselbe  zu  verachten  ist,  davon  haben  wir 
früher  gesprochen'  von  dem  satze :  'wie  sehr  derselbe  zu  verachten 
sei,  haben  wir  oben  gesagt.',  denn  der  deutsche  conj.  drückt  aus 
dasz  wir  es  mit  einem  gedanken  des  subjects  im  regierenden  satze, 
nicht  mit  einer  bemerkung  des  Schriftstellers  zu  thun  haben:  vgl. 
m.  diss.  s.  17  anm.  2.  Schweikert  gegenüber  behaupte  ich  nun  frei- 
lich, dasz  diese  loslösung  der  indirecten  frage  aus  dem  anschauungs- 
kreise des  subjects  des  reg.  satzes  (welche  übrigens  auch  bei  regie- 
rendem impf,  vorkommt,  zb.  p.  Balbo  2.  p.  Sestio  122.  in  Verrem 

I  75.  Quintil.  VI  3,  41.  Plaut.  atiZ.  542)  und  der  daraus  sich  er- 
gebende gebrauch  der  haupttempora  nicht  immer  möglich ,  dasz  er 
vielmehr  im  allgemeinen  nur  bei  vorangestelltem  indirecten 
fragesatze  zulässig  ist,  was  auch  schon  Haase  (zu  Reisigs  vorles. 
s.  594  anm.  500)  und  Draeger  (bist,  sjntax  V  219)  gefühlt  haben.  — 
S.  69  sind  fälle  übersehen  wie  cum  gaUus  cecinü  (krttht),  surgimus 
und  cum  gaUus  cecinerat  (krähte),  surgehamus  uä.  —  S.  71,  wo  über 
postquam  gehandelt  wird,  hätten  die  resultate  der  schrift  von  EHoff- 
mann  'die  construction  der  lat.  zeitpartikeln'  (Wien  1873)  verwertet 
werden  müssen.  —  Wie  stimmen  zu  der  behauptung  'er  konnte 
nicht  sagen  fieri  non  potest^  denn  das  geschehen  der  sache  gehört 
nicht  mehr  seiner  gegenwart  an'  (s.  84)  sätze  wie  de  or»  IL  285 
patest  fieri ^  ut  iratus  dixeriti  vgl.  de  div,  I  10.  I  124.  in  Verrem 

II  190.  ad  Ätt.  Vm  3,  6.  —  In  der  s.  103  citierten  stelle  {p.  Mü. 
95  f.)  beginnt  das  'schwanken  der  anschauung'  erst  bei  den  Worten 
si  esset  häbenda  ratio,  die  früheren  imperfecta  esset  y  fleäeret,  dek- 
niret  waren  notwendig  wegen  feoisse:  vgl.  Beusch  'zur  lehre  von 
der  tempusfolge'  (Elbing  1861)  s.  9. 

So  fürchte  ich  denn  dasz  die  ergebnisse  der  vorliegenden  schrift 
die  frage  nach  dem  wesen  und  dem  grundgesetz  der  lat.  tempusfolge 
wenig  fördern  werden,  vielleicht  hätte  der  vf.  ein  annehmbareres 
resultat  erzielt,  wenn  er  sich  um  die  einschlägige  litteratur,  um  die 
lehren  der  Sprachwissenschaft  über  die  bildung  der  lat.  verbalformen 
und  um  den  factischen  gebrauch  der  tempora  bei  den  lat.  Schrift- 
stellern mehr  gekümmert  hätte. 

Padbbborn.  Martin  Wbtzbl. 

24. 

ZU  SENECA. 


Einen  beitrag  zu  der  schrift  de  remediis  fortuitorum  liefert  eine 
bis  jetzt  unbekannt  gebliebene,  papierne,  sehr  schlecht  und  mit 
starken  abktlrzungen  geschriebene  Seneca-hs.  in  folio  etwa  des  fünf- 
zehnten jh. ,  die  ich  unter  incunabeln  und  alten  theologischen  hss« 
der  hiesigen  gymnasialbibliothek  vergraben  fand. 


142  EHeydenreioh:  zu  Seneca. 

Osann  hat  in  dem  miiTersitfttsprogramm  'de  L.  Annaei  Senecae 
scriptis  qnibusdam  deperditis  specimen  11'  (Gieszen  1847)  s.  6  für 
die  nnechtbeit  genannter  schrifk  nnter  anderm  auch  geltend  ge- 
macht, dasz  na<ä  der  Dresdener  hs.,  welche  er  seiner  ausgäbe  za 
gründe  legt,  in  derselben  die  mittelalterlichen  wOrter  inlmmaüo  und 
invcisura  vorkommen,  allein  mit  recht  hebt  Haase  III  praef.  s.  XIX 
hervor,  dasz  diese  Wörter  nur  von  der  willkflr  eines  mittelalterlichen 
rubricators  herrOhren.  und  in  der  that  fehlen  beide  Wörter  in  den 
rubricaten  der  Freiberger  hs.,  in  der  für  it^humatio  vielmehr  de 
.  morte  siue  sepuUurck^  für  de  inuaeuira  latronum  aber  de  inimids  steht. 

Misglückt  ist  Osanns  weiterer  versuch  den  namen  des  Verfassers 
aus  den  dem  kurzen  inhaltsverzeichnis  vorausgehenden  werten  Ind- 
piunt .  .  Ubri  de  remediis  fartuUorum  der  Dresdener  hs.  durch  ent- 
ziffernng  der  zwischen  inc^fmmi  und  Ubri  stehenden  abbreviatur  zu 
erschlieszen.  dieselbe  ist  vielmehr  mit  Haase  jRcf  zu  lesen  und  in 
nibricae  aufzulösen,  dasz  dies  der  sinn  jener  abbreviatur  ist,  wird 
durch  die  Freiberger  hs.  bestfttigt,  welche  vor  einem  dem  Dresdener 
fthnlichen  inhaltsverzeichnis  folgende  Überschrift  bringt:  IncipU  re- 
gistrum  in  librum  Senece  de  remediis  fortuitorum. 

Dies  Freiberger  registrum  ist  auch  an  sich  beachtenswert,  wfth- 
rend  es  im  ersten  teile  der  Dresdener  hs. ,  ist  es  im  zweiten  (vgl. 
Osann  s.  15)  einer  Wiener  hs.  vergleichbar,  es  lautet  unmittelbar 
nach  jener  Überschrift:  secimdum  istitm  prooeseunt  Contra  mortem^ 
contra  poenam^  contra  mortem  in  peregrinatione,  contra  mortem  in 
iuuentutey  contra  iacturam  corporis  ins^^i,  contra  aegritudinemf 
contra  malHoqmim,  contra  exiUum^  contra  dolorem ,  contra panper- 
tat&my  contra  impotentiam  et  memoriam,  contra  inuidiam peeimiae^ 
contra  caecUatem^  contra  orUkUem^  contra  naufiragiumj  contra  m- 
troitum  latronum,  contra  .  .  (unleserlich),  contra  iacturam  amissi 
cunctij  contra  iacturam  amissae  uxoris.  prologus  istius,  Hunc 
Ubrum  composuU  Seneca  nobHissimus  oratorum  ad  QaXUonem  quen- 
dam  amicum  suum  contra  omnes  impetus  et  machinamenta  fortunae; 
fecü  autem  tüum  suh  dyätogOy  ut  sU  sensus  conquerens  et  ratio  respon* 
dens,  liber  autem  iste  et  sensuum  maiestate  et  eloquii  darüate  ti  sen- 
tentiarum  hreuüate  refülget.  Incipit  liher  manuscri  Senece  de 
remediis  fortuitorum. 

Dieselbe  hs.  bietet  auch  einen  beachtenswerten  text  des  Über  de 
morihus.  trotz  ihres  anscheinend  jungen  alters  enthftlt  sie  mehrere 
spruchteile  uud  lesarten,  welche  sonst  in  keiner  der  jüngeren  hss. 
und  in  keinem  gedruckten  text  vor  Schenkl  und  Wölfflin  vorkom- 
men, dies  buch  beginnt  in  der  zweiten  colunme  von  fol.  14*  mit 
der  Überschrift  Incipit  Über  Annei  LucU  Senece  de  moribus  und  nimt 
673  colnmne  ein.  Spruch  143  Haasescher  zfthlung,  mit  dem  Wölff- 
lins  ausgäbe  schlieszt,  fehlt;  die  beiden  letzten  Sprüche  aber  nr.  144 
und  145  tragen  die  besondere  Überschrift  de  uirtutU>us.  der  b^nn 
jedes  neuen  Spruches  ist  durch  durchstreichen  des  anfangsbuchstabs 
mittels  roter  tinte  markiert,    wir  gewinnen  durch  diese  hs.  einen 


fiHeydenreich:  zu  Seneca.  143 

lesbaren  text  des  80n  doppelspruches.  bei  Haase  erscheint  er  s.  465 
in  folgender  gestalt:  Excusationem  quaerere  mtium.  {*8ed  omnia 
ddingue  ad  dominum.*]  an  die  fassung  des  cod.  Paris,  lat.  4841 
saec.  IX  anknüpfend  erblickt  Wölfflin.  folgenden  sinn  in  diesen  wer- 
ten: 'qai  se  fato  ad  prava  facinora  coactnm  esse  dicit,  omnia  dea 
impntat,  i.  e.  omnem  culpam  in  deum  confert'  und  schreibt  dem- 
nach :  Excusationem  viiiis  suis  quaerere  est  omnia  deo  ddegare,  doch 
gibt  er  selbst  in  der  anmerkung  der  lesart  der  übrigen  hss.  Eoccusa- 
tionem  quaerere  vüium  est,  set  omnia  ad  deum  rdinque  den  vorzug. 
er  fügt  dann  im  text  unter  der  bezeichnung  80^  folgenden  zweiten 
teil  hinzu :  Batam  viiam  quotienscunque  dubitaveris,  an  sü  eripienday 
*  *y  quoniam  data  eripi  potest^  erepta  reddi  non  potest.  in  den  bei- 
den St.  Galler  hss.  nr.  238  und  141  fehlt  nach  Schenkl  (Wiener 
sitzungsber.  1863  8.49)  das  tm  nach  dubüaveris.  der  sinn  des  ersten 
teils  ist  gewis  der  von  Sexti  sent.  374  omnem  causam  refer  ad  deum» 
das  in  allen  hss.  wiederkehrende  sei  nach  est  ist  schon  von  Wölfilin 
als  dittographie  beseitigt;  jetzt  ist  das  fehlen  desselben  auch  durch 
F  belegt,  aber  auch  den  zweiten  teil  enthält  dieselbe  ohne  den  fehler 
am  anfang  und  ohne  lücke.  der  ganze  spruch  ist  mit  änderung  von 
delinque  in  relinque  und  mit  hinzufügung  des  in  der  Freiberger  hs. 
fehlenden  erepta  reddi  non  potest  buchstäblich  nach  dieser  also  zu 
schreiben:  Excusationem  quaerere  vütum  est.  BeUnque  omnia  ad 
deum.  De  data  vüa  quotienscunque  duhitaveris  an  sii  eripienda  a  te^ 
desipis,  quia  data  eripi  potesi,  erepta  reddi  non  potest.  den  51n  spruch 
bietet  F  so:  Amicos  secundae  res  optime parant ^  adversae  certissime 
prohant,  das  optime  nach  res  fehlt  bei  Haase,  dagegen  bleibt  das 
autem  Wölfflins  und  Schenkls  hinter  adversae  besser  weg.  der  von 
Wölfflin  durch  copjectur  hergestellte  anfang  adolescens  si  te  femmis 
adornaveris  von  spnich  119^  kehrt  buchstäblich  in  F  wieder,  da- 
gegen hat  die  an  sich  nicht  wahrscheinliche  Streichung  von  ex  der 
bisherigen  Überlieferung  durch  F  an  glaubhaftigkeit  noch  mehr  ver- 
loren, durch  dessen  Variante  expetet  vielmehr  Haases  conjectur  expdas 
eine  stütze  erhält;  ebenso  Haases  fassung  l>ene  docet  loqui  qui  hene 
docet  facere  am  schlusz  des  2n  Spruches  durch  die  im  cod.  Paris. 
6379  wiederkehrende  lesung  von  F  hene  decet  loqui,  hene  decet  facere. 
die  lesart  contempnere  contempni  von  spruch  24,  die  sich  in  den  besten 
hss.  findet ,  steht  auch  in  der  Freiberger ,  die  somit  Wölfflins  Ver- 
mutung contemne  te  contemni  empfiehlt,  auch  sonst  bietet  F  eine 
reihe  beachtenswerter  lesarten.  so  12  cunctos  in  secreto  admonCy 
pälam  autem  lauda ;  66  Ubidims  initia  timehis,  si  exitium  cogüaveris] 
74  magna  res  est  vocis  et  silentii  temper amentum\  113  stuUtmi  est 
sompno  deledari  d  mortem  horrere  cum  sompnus  assiduus  mortis 
ymago  est,  wobei  das  letzte  est  falsch  für  sit  steht;  126^  vis  videri 
ah  hominihus  an  non?  132  *"  longa  vita  honis  optahüis  est-,  138 ^  acuit 
animum  intentio,  frangit  remissio. 

Bemerkenswert  ist  femer,  dasz  F  folgende  stücke  enthält,  die 
in  den  jüngeren  hss.  und  in  den  drucken  vor  Schenkl  und  Wölfflin 


144  EHiller:  inBchrift  Yon  Metapontion. 

sonst  fehlen:  52  schlnsz,  78%  80%  119%  119^  teilweise,  132%  132% 
sohlieszlich  steht  noch  am  ende  des  ganzen  Über  de  maribus  Yor  der 
der  Freiberger  hs.  eigentümlichen  ttberschrifb  de  virtutibtis  von 
nr.  144  und  145  folgender  in  den  bisherigen  ausgaben  fehlende 
Spruch:  Cum  iudkaveriHs  amate,  non  cum  amaverüis  iudicate. 
Freibero.  Eduard  Heydenrbich. 


25. 

INSCHRIFT  VON  METAPONTION. 


Eine  interessante  alte  inschrift  von  Metapontion ,  die  vor  zwei 
Jahren  aufgefunden  worden  ist,  bespricht  Comparetti  in  der  ^rivista 
di  filologia'  XI  s.  1  ff.  vier  Seiten  einer  stele  von  terracotta  tragen 
die  folgenden  worte: 

I  Xatp€  Fdva£  'HpdKXctc. 

NiKÖ^axöc  |ui'  iiröet. 
n  6  TOt  KcpojLicuc  ^'  dv^OiiKC. 

III  bö£av  ix€xv  draOdv 

IV  böc  b^  Fiv  ävOpuiiroic. 

so  lautet  die  herstellung  Comparettis ,  dessen  erörternngen  hier  zu 
wiederholen  nicht  in  meiner  absieht  liegt,  nur  auf  wenige  punkte 
möchte  ich  vorlSufig  aufmerksam  machen,  einmal  scheint  es  mir 
im  letzten  verse  geratener,  mit  Vermeidung  der  jedenfalls  höchst 
problematischen  pronominalform  Fiv  zu  schreiben  böc  b^  F'  Iv  dv- 
GpidiroiG  die  hinznfügung  der  prftposition  ist  sicherlich  das  ange* 
messenere,  und  dasz  die  arkadische  und  kjrprische  form  iv  (vgl. 
GMeyer  griech.  gramm.  s.  34)  in  der  uns  nicht  nfther  bekannten 
mundart,  mit  der  wir  es  hier  zu  thun  haben^  undenkbar  sei,  wird 
sich  nicht  behaupten  lassen,  sodann  scheint  es  mir,  dasz  die  an- 
ordnung  von  lU  und  IV  schwerlich  in  der  absieht  des  Urhebers  der 
verse  gelegen  hat;  derselbe  wollte  wohl,  mit  natürlicher  Wortstellung, 
sagen:  böc  b^  F'  iv  ävOpibTrotc  böSav  ^x^^v  draOäv.  vermutlich 
sollte  das  auf  die  formel  xaipe  FdvoE  "HpöiKXcic  folgende  ein  —  frei- 
lich in  6inem  versfusze  mangelhaft  ausgefallenes  —  distichon  sein 
(vgl.  Solon  13, 4).  der  metrische  fehler  liesze  sich  durch  die  annähme 
erklftren,  dasz  bi  vor  TOt  irrtümlich  ausgelassen  ist,  also: 

Xatpc  Fdva{  'HpäicXcic. 
NiKÖfiaxöc  ^'  iiröci,  ö  <b^>  toi  K€pa^euc  |i'  äv^9iiK€* 
böc  b^  FMv  dvOpibiroic  böiav  ix^w  dtaOdv. 
Halle.  Eduard  Hiller. 


ERSTE  ABTEILUNG 

FUß  CLASSISCHE  PHILOLOGIE 

HERAUSGEGEBEN  VON  ALFRED  FlECKEISEN. 


26. 

ZU  SOPHOKLES. 


l)PhiIoktetes490 

KdK€iGev  oö  fioi  fiaKpöc  elc  GIttiv  ctöXoc 

Tpaxiviav  t£  bcipdba  Kai  töv  €Öpoov 

Ctt€px€iöv  IcTai. 
zur  herstellung  der  in  unmetrischer  form  überlieferten  werte  sind 
verschiedene  versuche  gemacht  worden,  so  vonHeath,  der  rhythmisch 
unschön  ändert  Tpaxiviav  beipdba  T€  (s.  auch  unten),  und  von  Blay- 
des,  der  einen  unpassenden  plural  hereinbringt  durch  die  ttnderung 
Tpaxiviac  T£  beipdbac  töv  t'  eöpoov.  schon  früher  hatte  Toup 
unter  GHermanns  beifall  bcpdba  vermutet,  doch  scheint  es  mir  be- 
denklich auszer  im  äuszersten  notfall  zur  reconstruction  einer  wenn- 
gleich nicht  der  analogien  entbehrenden,  so  doch  nirgends  vorkom- 
menden wortform  seine  Zuflucht  zu  nehmen,  an  ein  glossem  dachte 
Wunder,  indem  er  schrieb  Tpaxiviov  T€  irpujva,  ebenso  Wecklein, 
der  in  der  4n  aufläge  der  Wunderschen  ausgäbe  nach  Meinekes  Vor- 
gang Tpaxiviav  T£  CTTiXdba  herstellte,  so  sehr  diese  Vermutungen 
auf  den  ersten  blick  ansprechen,  so  schwindet  doch  ihre  probabilität, 
wenn  man  ihre  bedeutung  ins  äuge  faszt.  denn  beipdc  'bergrücken, 
gebirgszug'  deckt  sich  nicht  recht  mit  TTpuiV  ^gipfel,  anhöhe'  und 
cmXdc  ^fäsen  im,  am  meere'.  lange  zeit  hielt  ich  es  für  das  ein- 
fachste an  ein  stammverwandtes  glossem  zu  denken  und  herzustellen : 
Tpaxiviav  b^piiv  tc  Kai  töv  eöpoov.  zu  b^piiv  konnte  sehr  wohl 
die  bei  dichtem  unter  den  Wörtern  desselben  Stammes  gewöhnlichere 
bezeichnung  für  'bergrücken',  beipdba  (bei  Soph.  noch  Aias  697  eh., 
Ant.  832),  übergeschrieben  werden;  sein  späteres  eindringen  in  den 
text  aber  hatte  die  Umstellung  des  t£  zur  notwendigen  folge,  dasz 
aber  bipr\  im  sinne  von  beipdc  seltener  ist,  beweist  dasz  es  nur 
Hesychios  anführt  —  b^pa*  uTrepßoXfi  öpouc*  ol  bk  Td  cijud  Tiüv 
öpwv  — ;  ist  doch  auch  bipr\  'hals'  nicht  häufig:  es  findet  sich  Aisch. 

JahrbQcher  fQr  cUsa.  philol.  188S  hft.  3.  10 


146  JRenner:  zu  Sophokles. 

Ag.  319  nnd  Eur.  Or.  41  im  dialog  und  in  der  form  bipa  in  einigen 
melischen  stellen,  weshalb  ich  oben  auch  b^pr]V  gesetzt  habe,  allein 
abgesehen  davon  dasz  es  mir  nicht  gelungen  ist  ein  ähnliches  hyper- 
baton  von  T€  ausfindig  zu  machen  (denn  OT.  541.  OK.  452.  Phil. 
1412  sowie  die  citate  bei  Kühner  gr.  gr.  IE'  s.  789  anm.  5  sind  an- 
derer art),  entstünde  hier  eine  Zweideutigkeit,  da  TpaxivCav  auch 
auf  OiTT]V  bezogen  werden  könnte,  daher  ziehe  ich  vor  zu  schrei- 
ben: Tpaxiviov  T€  ßaxCav  töv  t'  eCpoov.  infolge  der  fthnlichkeit 
der  Silbengruppen  TPAX^vlAN  und  TePAXIAN  konnte  die  letztere 
leicht  übergangen  werden  und  dann  die  glosse  bcipdba  mit  ver- 
tauschung  des  t€  durch  Kai  in  den  text  geraten,  ^axia  ^steiler  berg- 
rücken'  findet  sich  Soph.  fr.  934  Ddf.  (EM.  s.  702,  54  vgl.  Gud. 
s.  491,  3  napä  Tip  Coq)OKX€t  ßaxta  X^T^xai  f)  toC  öpouc),  auch 
Agathias  bist.  s.  124  D.  KpOToGci  Tf)c  fixpac  ^X^o^i  Leon  Diak. 
8.  166,  17  Aißdvou  ßaxia. 

2)  Phil.  639  £f.  nachdem  Neoptolemos  Philoktets  aufforderung 
jetzt  mit  ihm  zu  schiffe  zu  gehen  das  bedenken  entgegengestellt,  dasz 
gerade  conträrer  wind  wehe ,  und  dieser  dasselbe  zu  widerlegen  ge- 
sucht mit  den  Worten  &e\  xaXöc  nXcCc  lcQ\  ötov  q>€Üin]C  Kaxd,  er- 
widert ersterer  642: 

oÖK  dXXd  KdK€ivoici  TaCr"  ^vavria. 
dasz  weder  mit  Schneidewin  o(hc  dXXd  im  sinne  von  'gewis  doch, 
sicherlich',  noch  mit  GHermann,  dem  Wunder  folgte,  der  satz  als 
frage  und  dXXd  in  sinne  von  'doch'  ('sind  denn  nicht  doch  auch 
jenen  diese  winde  hinderlich?')  genommen  werden  darf,  hat  Bonitz 
'beitrttge  zur  erklftrung  des  Sophokles'  (sitzungsber.  der  phil.-hist. 
cl.  der  Wiener  akad.  der  wiss.  bd.  XVU)  s.  420  ff.  nnwiderleglidi 
nachgewiesen,  und  anch  der  jüngste  versuch  die  vulgata  zu  schützen 
kann  nicht  als  geglückt  angesehen  werden.  Wecklein  setzt  nemlich 
in  der  neuen  aufläge  der  Wunderschen  ausgäbe  ein  komma  nach 
ouK  und  erklSrt:  ou  bidiKOuci  C€,  dXXd  Kai  ^KCivoic  rd  7rv€U|uiaTa 
^vavTta  icii.  dem  ist  entgegenzuhalten,  dasz  logischerweise  oÖK 
sich  nicht  auf  den  nebensatz ,  sondern  nur  auf  die  ganze  periode  zu- 
rückbeziehen kann,  was  natürlich  dem  sinne  nicht  entspricht;  so- 
dann erwartet  man  statt  dXXd  ein  tdp.  hieraus  folgt  dasz  die  stelle 
corrupt  ist  und  einer  heilung  bedarf,  eine  solche  fand  Döderlein, 
der  olb'*  dXXd,  Meineke,  der  ouk  dpa  — ;  und  MSejffert,  der,  unter 
vergleichung  von  Trach.  600  dXX'  aurd  br)  coi  TaCra  Kai  irpdccui, 
OUK  auTd  — ;  conjicierte.  am  einÜEhchsten  und  passendsten  scheint 
die  conjectur  Döderleins,  am  wenigsten  gelungen  die  Sejfferts,  bei 
der  man  eine  Zustimmung  vermiszt.  wohl  aber  nehme  ich  bei  allen 
änderungsvorschlägen  noch  an  dem  unangetastet  gebliebenen  TOOra 
anstosz:  denn  dessen  bedehung  ist  unklar,  da  641  Koxd  vorausgeht, 
und  nicht  concinn,  da  es  doch  639  heiszt  vGv  fäp  dvnocTaTei 
(TTveCfia)  und  im  folgenden  wieder  643  oök  Icn  XijCTaTc  irv€0|ui' 
IvaVTioufiCVOV.  ich  halte  daher  für  die  ursprüngliche  lesart: 
olb*'  dXXd  KdKcivoici  toCt"  ivavriov. 


JRenner:  zu  Sophokles.  147 

das  Kai  dient  gewissermaszen  der  engem  corresponsion  mit  dem  vor- 
schwebenden correlativen  gliede  Acircp  kqi  f)fitv :  vgl.  Xen.  Hell.  I 
7,  13  Kai  dnl  toutoic  cIttövtoc  Aukickou  Kai  toutouc  T^aÖT^ 
i|iil<puj  Kpiv€c8at  ^Ttep  Kai  touc  crpaiiiTOtic.  ^vavria  kam  in  die 
hss.  entweder  durch  einflusz  des  voraufgehenden  KaKd  oder  durch 
misverstttndnis  des  abschreibers,  der  Tairr^  als  raCra  faszte  und 
demgemttsz  dvavriov  Kndem  zu  mttssen  glaubte,  so  brauchen  wir 
nicht  mit  Bergk  eine  lücke  vor  642  zu  constatieren. 

3)  Phil.  660  f.  Kai  |Lif|V  dpiö  t€,  töv  b'  fpiüO*  oötwc  ixw 

cl  fiot  B^fiic,  9dXoi|i'  äv*  €i  bk.  }if\^  näpec. 
die  überlieferten  worte  behalten  Wunder- Wecklein  bei  und  erklären 
näpec  mit  'praetermitte,  neglege  (desiderium  meum)'  unter  ver- 
gleichung  von  OK.  363  rd  fi^v  TraGi^^od'  äTraOov  . .  Trapetc'  ^dcui. 
dies  würde  man  billigen  müssen,  wenn  auch  bei  dem  ersten  der 
parallelen  glieder,  B^Xoiji '  fiv,  ^purra  oder  vielmehr  töv  i^öv  ^purra 
zu  ergänzen  wäre,  doch  dies  ist  absolut  unmöglich ,  hier  musz  man 
vielmehr,  wie  Nauck  richtig  bemerkt,  hinzudenken  ßacrdcai  rd 
TÖSa.  Trdp€C  aber  in  der  bedeutung  'gestatten,  erlauben'  wie  zb. 
El.  1482  zu  nehmen  und  dazu  ßacrdcai  rd  TÖSa  zu  ergänzen  ver- 
bietet der  daraus  entstehende  unsinn.  sonach  können  die  worte 
nicht  für  intact  gelten.  Nauck  im  anhang  vermutet  ei  b^  jüiV),  od 
Qi\w  und  vorher ,  wie  es  scheint,  mit  Beiske  cl  ji^v  G^fiic.  natür- 
licher scheint  es  mir  jedoch ,  wenn  man  einen  emendationsweg  ein- 
schlägt, der  sich  an  irdpcc  anschlieszt,  da  diqses  als  glossem  nicht 
verständlich  ist.  ich  vermute  daher  €T  )iOt  B^fiic,  B^XuiV  dv*  ci  b^ 
|iif|,  irapeic,  letzteres  im  sinne  von praetermüüns,  neglegens^  so  dasz 
in  beiden  gliedern  zu  ergänzen  ist  ßacrdcai  tö  töSov.  die  corruptel 
würde  hiemach  von  napelc  ausgegangen  sein,  nach  dessen  Über- 
gang in  irdpcc  aber  das  nicht  mehr  haltbare  particip  O^Xuuv  er- 
griffen haben,    was  die  construction  betrifft,  so  vgl.  Plat.  Phaidon 

59*  TTdVTCC    Ol   7TapdVT€C    CX€bÖV   Tl    OÖTUI    bt€K€i|i€6ay   ÖTfe  jifev 

T€XuJVT€C,  £vioT€  bk  baKp\}ovT€C  USW.  Und  Nauck  zu  Soph.  El.  82. 
Phil.  164  und  Kühner  gr.  gr.  11'  s.  624.  der  aorist  an  zweiter  stelle 
hatte  mich  anfangs  auf  die  conjectur  Qvxiirv  geführt,  wobei  das  ge- 
meinschaftliche object  der  blosze  seit  654  immer  in  rede  stehende 
bogen  sein  würde;  allein  die  qualität  der  beiden  handlungen  läszt 
sich  ungezwungen  als  verschieden  auffassen,  O^Xujv  mehr  durativ, 
irapcCc  factisch  oder  ingressiv. 

4)  Phil.  667  8dpc€i,  irap^crai  raOrd  coi  Kai  eiTT<iv€iv 

Kai  bdvTi  boCvai  KdgcirciiEacOat  ßpoTi&v 
dp€Tf)c  iKaTi  Tujvb'  ^mipaOcai  jiövov. 
in  diesen  werten  stört  1)  das  präsens  GiTT<iv€iv,  wofür  man  'parallel 
dem  boCvai  und  iierceviacBax  den  aorist  erwarten  sollte'  (Nauck) ; 
2)  das  überflüssige  TaGra,  das  man  mit  Nauck  als  nominativ  zu 
irap^crai  ziehen  musz,  während  wir  den  genitiv  dieses. oder  des 
Pronomens  auTÖc  bei  6iTT<iv€iv  erwarten  würden;  3)  das  zurück- 
geben des  bogens,  'das  nicht  als  ein  Vorrecht,  sondern  lediglich  als 

10* 


148  JRenner:  zu  Sophokles. 

eine  pflicht  des  Neoptolemos  bezeiehnet  werden  kann'  (Nauck): 
denn  die  hjpotaktisdie  geltung  des  Kai  in  der  mitte  von  zwei  an- 
deren, die  Wunder- Wecklein  mit  SchSfer  hineinlegen,  wenn  sie  über- 
setzen 'licet  tibi  haec  arma  oontrectare,  sie  tarnen  ut  ea  mihi  redda8% 
kann  niemand  erraten.  4)  boövai,  das  hier  nach  dem  schol.  die  be- 
deutung  von  äTCoboCvai  haben  solL  Wunder- Wecklein  vergleichen 
774  f.  8dpc£i  TTpovoloc  e!v€K'*  oä  boOrjcerai  irXfjv  coi  tc  xdfiot, 
nicht  mit  recht,  denn  diese  werte  können t  wie  es  bei  Nauck  heiszt, 
nur  bedeuten:  'so  viel  an  mir  ist,  soll  der  bogen  nur  uns  beiden  in 
die  bände  gegeben  werden.'  auch  ein  ausdruck  wie  etwa  Aias  1134 
jiicoGvT'  d^ic€l  dürfte  kein  tadelloses  analogen  bieten,  da  ja  hier 
von  einer  pflicht  den  hasz  zu  vergelten  nicht  die  rede  ist.  5)  die 
zwischen  Kai  GtTT<iveiv  Kai  bdvTi  boOvai  und  Kd£€TTeu£acOai  ßpo- 
TUüV  dp€Tf]C  ^Kan  rdlvb'  iirtiiiaöcai  ^övov  bestehende  tautologie. 
zwar  bemerkt  Buttmann  wohl  richtig:  Werbum  8iTT<iv€iv  non  solum 
contredare,  sed  comprehenderef  inmanum  sumere  significat;  quod 
patet  vel  ex  eo  quod  sequitur  Kai  bövTi  boCvai  et  ex  cdiis  exemplis' ; 
doch  würde  der  unterschied,  hier  zur  geltung  gebracht ,  nicht  am 
rechten  platze  sein,  da  dann,  wenn  der  umfassendere  ausdruck 
8iTT<Siveiv  vorausgeht,  ^inqiaOcai  gerade  in  Verbindung  mit  dScireO- 
^acQat  zu  matt  erscheint  und  schief.  6)  schlieszlich  sei  bemerkt 
dasz,  nachdem  Neoptolemos  bereits  kurz  zuvor  656  f.  mit  ausführ- 
lichen ,  durch  das  überwallende  gefühl  der  bewunderung  ihm  ein- 
gegebenen Worten  das  berühren  des  bogens  besprochen:  dp'  £cTtv 
äcT£  Kdrnj6€v  O^ov  Xaßciv ,  Kai  ßacTikai  ^e  irpocKiJcai  6 '  i&circp 
8€Öv;  und  ihm  Philokietes  darauf  geantwortet:  coit'«  ^  t^kvov, 
Kai  TOUTO  KäXXo  T&v  £^£rv  öiroiov  av  coi  £u|iq)^g  T€vr)C€Tai,  eine 
Wiederholung  derselben  sache  vom  übel  ist,  dagegen  ganz  passend 
ein  ausdruck  wie  irap^CTai  coi  ^citeuSacGai  •  .  TUivb'  ^Triipaöcou. 
dasz  aber  dmi|iaöcai  ein  hinreichend  starker  ausdruck  ist,  das  kann 
man  ersehen  aus  OK.  328  TTpöcipaucov ,  (L  troi.  IT  Gitravui  buoiv 
6^oC.  würde  man  auch  vielleicht  durch  eine  ttnderung  von  bövn 
boCvai  den  sinn  der  stelle  etwas  heben  können,  alle  bedenken  lassen 
sich  gewis  nicht  in  überzeugender  weise  dadurch  beseitigen,  und 
so  bleibt  als  ultima  ratio  nur  die  annähme  einer  Interpolation  übrig : 
Kai  GiTT<iv€iv  Kai  bövrt  boCvat  wird  nach  dem  gesagten  als  glossem 
zu  diTii|iaöcai  zu  fassen  sein,  beigescbrieben  von  einem,  der  sich  ge- 
mUszigt  fand  genauer  zu  erklären,  worin  das  dTTiipaueiv  nur  bestehen 
könne,  raura  und  Kai  dienten  später  als  flickwörter,  um  die  werte 
einzureihen,   gewis  vermiszt  man  in  dieser  fassung  der  stelle 

8^c€i ,  irap^crai  coi  äcircuEacGoi  ßpOTuiv 

dp€Tf)c  ^Kari  Tuivb'  £mi|Kxöcai  fiövov 
nichts^  was  die  Situation  erforderte.^ 

'  hr.  rector  Erler  teilte  mir  mit,  dasz  er  geneigt  sei  vor  Odpcei  den 
ausfall  ^ines  oder  mehrerer  verse  des  Neoptolemos  anzanehmen  (vgl.  zb. 
El.  322.  14S6.  Phil.  774.  810.  OT.  1062.  OK.  726  asw.).  selbst  unter  auf- 
recbterhaltoog  meines  Vorschlags  gebe  ich  die  mögUchkeit  zu. 


JRenner:  zu  Sophokles.  149 

5)  Phil.  691  W  aÖTÖc  fjv  irpöcoupoc,  oök  ^x^v  ßdciv, 
oöb^  Tiv'  dTX^pujv  KoncoTciTova, 
nap'  tp  CTÖvov  dvTi-njuTOV  ßapußpurr'  äirOKXau- 
C€l€V  al|iaTT]pöv  • 
hierin  ist  irpöcoupoc  eine  wahre  cruz  interpretum.  der  scholiast 
bemerkt  daza:  önou  aCrröc  jiövoc  imö  dve'jiwv  ßaXXöjiCVOC,  npöc 
fiv€)Liov  TCTpQfifi^voc  fjv,  und  GHermann,  doch  wohl  von  dieser 
ziemlich  verworrenen  glosse  beeinfluszt :  4n  quem  locum  ipse  quasi 
secundo  vento  venerat.  quod  sie  est  intellegendum,  miserrimam  illum 
vitam  sustinuisse  eo  in  loco^  ad  quem  ipse  fortuna  &vente  enisus 
esset',  so  dasz  man  es  also  als  mit  6  oOpoc  zusammengesetzt  anzu- 
sehen hStte  (vgl.  Inoupoc  Trach.  954  dh.  ofipuj  ^TreiTOUca),  da  ihn 
es  nach  Bruncks  vorgange  mit  6  oOpoc,  für  6  öpoc,  zusammen- 
zubringen der  ionismus  abhielt,  doch  einesteils  könnte  man  sich 
den  ausdruck  nur  gefallen  lassen,  wenn  Phil,  an  eine  statte  des 
glflckes  gelangt  wäre,  während  doch  im  folgenden  nur  von  unglück 
die  rede  ist  und  an  die  schlieszliche  glückliche  Wendung  seines  ge- 
schickes  schon  hier  zu  denken  der  ganze  Zusammenhang  verbietet; 
sodann  ist  bei  dieser  erklärnng  das  nackte  (ouk  ^X^v)  ßdciv  zu 
stark ,  da  Phil,  ja  nach  schmerzstillenden  kräutem  und  auf  die  jagd 
nach  wildpret  wenn  auch  nur  schleichend  geht,  was  Bruncks  er- 
klärnng betrifPt; ,  so  ist  allerdings  der  sprachliche  einwand ,  den 
Hermann  dagegen  erhob,  hinfällig,  da  uns  bei  Aischylos  Ag.  478 
guvoupoc  entgegentritt,  anfuhren  läszt  sich  noch  dTXOpoc  ^TX^i^- 
poc  bei  Hesjchios :  denn  öfioupoc  kommt  nur  bei  Herodot  vor.  was 
aber  nun  die  bedeutung  ^angrenzend,  benachbart'  anlangt  (vgl. 
Herod.  III 97  AlGiOKCC  o\  Tipocoupoi  AItötttui.  Xen.  Kyr.  VI  1, 17), 
so  würde  man  den  sonderbaren  sinn  erhalten:  'wo  er  selbst,  in 
eigner  person  ein  nachbar  war.'  denn  wenn  man  es  mit  Wunder 
für  möglich  hält,  axnöc  f\v  npöcoupoc  könne  hier  bedeuten:  'ubi 
ipse  ('sibi'  in  parenthese  dazu)  erat  vicinus',  stehe  also  gleichsam 
für  auTOirpöcoupoc,  da  iaxn(^  dem  sinne  nach  in  auTÖc  enthalten 
sei,  auTÖc  ^aurqj  trpöcoupoc  fjv,  so  überträgt  man  fälschlich  die 
eigentümlichkeit  von  aÖTÖc  neben  dem  reflexiv  in  den  nominativ 
anstatt  in  den  casus  obl.  zu  treten,  aus  dem  vollen  satze  auf  das 
compositum  —  das  nicht  determinativ  wie  zb.  aÖTCndTT^XTCC  ^selbst- 
gemeldet,  sich  von  selbst  anbietend',  sondern  attributiv  zu  fassen 
wäre,  wie  aÖTÖX€ip,  auidTT^Xoc,  worin  das  pron.  die  reflexive  be- 
ziehung  durch  das  nomen  erhält,  an  das  sich  das  adjectiv  schlieszt, 
=*  Tfjv  auToO  X€^P<x  f Xüiv ,  aÖTÖv  äTTcXov  fx^^v  —  um  von  dort 
aus  einen  noch  ungerechtfertigteren  schlusz  für  die  weglassung  des 
reflexivbegriffes  auf  den  hauptsatz  einer  singulären  stelle  machen 
zu  können,  auch  bliebe  so  das  bedenken  wegen  oö  ßdciv  Ixvjv 
bestehen.       * 

So  sind  wir,  da  npöcoupoc  sich  auf  keine  weise  dem  sinne 
fügen  will,  auf  eine  textesänderung  hingewiesen,  conjecturen  aber 
wie  die  von  Meineke  \v*  aÖTÖc  o\  rrpöcoupoc,  oder  die  eigentüm- 


150  JRenner:  zu  Sophokles. 

liehe  Yon  Blaydes  oiKOupöc,  oder  die  von  Oberdick  ouk  ^x^v  Kaciv 
können  f(ir  uns  nach  obiger  erörterung  als  abgethan  gelten;  zu  der 
letzten  ist  auszerdem  zu  bemerken,  dasz  ein  auf  ein  eiland  aus- 
gesetzter doch  nicht  erwarten  kann  daselbst  einen  bruder  zu  finden, 
zumal  wenn  von  einem  solchen  sonst  nichts  bekannt  ist.  wir  müssen 
uns  also  an  irpöcoupoc  selbst  machen  und  dem  ßdciv  ein  attribut 
verschaffen,  die  kleine  ttnderung  des  c  in  v  aber  (die  wohl  schon 
Bothe  vorgenommen)  könnte  nur  den  sinn  entstehen  lassen  *er  hatte 
keinen  benachbarten  tritt,  dh.  er  hatte  keinen  nachbar',  vgl.  174 
ixr\bk  g\3vTpoq)OV  6|i|ui'  ^X^v,  Aias  977  (b  £üvai)iOV  ö^x^^  iiioi  — , 
was  ja  wieder  mit  dem  folgenden  tautologisch  wäre,  denn  dasz  darin 
nicht  liegen  kann  *er  hatte  nicht  die  möglichkeit  indienachbar- 
schaft  zu  gehen'  ist  mir  unzweifelhaft  dasz  ßdciv  aber  nur  *die 
möglichkeit  zu  gehen'  bedeuten  kann,  ist  nach  dem  gesagten  klar, 
das  adjectiv  musz  demnach  eine  ränmliche  bestimmung  dazu  gefügt 
haben,  wie  'weit,  fem,  in  die  ferne',  darauf  weist  offenbar  das  fol- 
gende hin :  denn  als  nShere  erklttnmg  oder  begründung  der  völligen 
Vereinsamung  tv'  auTÖc  (dh.  fiövoc)  f\y  müssen  die  beiden  durch 
^X^iV  angereihten  glieder  unter  einander  in  Wechselbeziehung  ge- 
standen haben :  er  konnte  nicht  weit  gehen,  anderseits  (würde  ihm 
dies  auch  nichts  genützt  haben:)  würde  er  auf  der  wüsten  insel 
keinen  Unglücksgefährten  getroffen  haben,  man  könnte  an  ttiX^- 
TTOpov  Veit  gehend,  sich  erstreckend'  (vgl.  Ant.  970  fivTpov)  den- 
ken; doch  noch  näher  liegt  TriXoupöv  'fem,  entfernt'  (tt)Xou- 
pöc  bei  Aisch.,  Eur.,  Apoll.  Bh.,  vgl.  fiTTOupoc  OT.  193,  beide  von 
WZ.  op):  dies  wollte  ein  glossator  erklären  durch  Trpdc  oOpov,  in- 
dem er  es  mit  ionischem  ofipoc  für  öpoc  zusammenbrachte,  die 
glosse  zum  compositum  zusammengeschmolzen  verdrängte  sodann 
das  echte  wort;  sobald  endlich  einer  auTÖc  im  sinne  von  ipse  nahm, 
muste  das  endungs-v  dem  c  weichen,  noch  einfacher  ist  indes  viel- 
leicht die  annähme  einer  glosse  irpöc  oOpoc  (für  tö  öpoc). 

In  den  folgenden  Worten  erregt  noch  KaKOT€iTU)V  anstosz.  denn 
dies  kann  man  schwerlich  als  'unglücksgefährte',  sondern  nach  ana- 
logie  ähnlicher  substantivischer  composita  nur  lüs  'schlechter  nach- 
bar'  fassen ;  anderseits  läszt  es  sich  ebensowenig  gerade  in  diesem 
zusammenhange  zu  CTÖvov  passend  beziehen,  zumal  dieser  der  eignen 
'brüst'  entströmt,  daher  kann  icaKO  nicht  ursprüngliche  lesart  sein, 
als  solche  vermute  ich  AAB€  oder  K1X€,  von  denen  jedoch  das  zweite 
den  Vorzug  verdient,  wie  häufig  ist  aus  dem  participium,  hier  £x^V, 
in  das  verbum  finitum  übergegangen! 

6)  Phil.  762  ßouXci  Xc^ujfiai  b^ta  Kai  GiTU)  Tt  cou; 
musz  es  schon  an  und  für  sich  verdacht  einflöszen,  wenn  ein  wort,,  zu- 
mal eine  für  den  Zusammenhang  nicht  unbedingt  notwendige  partikel, 
in  kurzen  Zwischenräumen  wiederkehrt,  so  erhält  dieser  verdacht  ge- 
wis  eine  bedeutende  stütze,  wenn  eine  massgebende  hs.  gerade  hier 
das  eine  mal  eine  lücke  zeigt,  diesen  fall  haben  wir  vor  uns.  bf\Ta 
(erst  757  dagewesen:  ri  bf\xa  bpäcuj;)  kehrt  761 — 63  dreimal  wie- 


JRenner:  zu  Sophokles.  151 

der:  (Neopt.)  bucTiiV€  bf)Ta  b\ä  itövujv  irdvTUJV  (paveic.  ßouXct 
Xdßuiiiai  öfita  Kttl  Oitui  ti  cou;  (Phil.)  |Lif|  öf|Ta  toOtö  t'.  762  ist 
aber  das  wort  im  La.  erst  von  zweiter  hand  hinzugeschrieben,  parallel- 
stellen zur  Stützung  desselben  anzuführen  ist  verlorene  mtüie,  wie 
evident  zeigt  Eur.  Or.  217  ßouXei  OiTU)  cou  KdvaKOuq)icui  b€)Liac; 
zwei  versuche  sind  gemacht  worden  das  bf\Ta  zu  beseitigen,  der  eine 
von  Nauck  im  anhang:  dieser  zieht  die  vier  verse  762 — 65  in  drei 
zusammen ;  indes  die  kflhnheit  dieses  Verfahrens  drängt  uns  zunächst 
die  frage  nach  einer  einfachem  remedur  auf.  letztere  bietet  sich  uns 
dar  in  BMoUweides  conjectur:  ßouXei  Xdßui  Td  TÖSa  Kai  OiTui  ti 
cou;  wie  wenig  glauben  dieselbe  aber  verdient,  lehren  uns  gleich 
die  folgenden  werte  des  Philoktetes:  |if|  bf)Ta  toCtö  t'*  dXXd  jioi 
xd  TÖH*  iXdjv  Tdb',  d&CTTCp  tfJTOu  ji'  dpriujc,  ?u)C  dv§  tö  nf\iia  . . 
cvjiV  aurd  Kai  q)uXacc€,  welche  unwiderleglich  darthun  dasz  Neopto- 
lemos  nur  vom  anrühren  oder  anfassen  des  von  seinem  leiden  be- 
fallenen Philoktetes ,  nicht  aber  auch  von  dem  ^bogen'  gesprochen 
hat:  denn  erstens  bedingt  toCtö  t'  nur  die  erwähnung  6iner  sache; 
zweitens  passt  fJTOu  nicht  zu  einem  ^anerbieten'  den  bogen  zu  er- 
greifen :  dieses  kann  nur  gehen  auf  Neoptolemos  werte  656  f.  dp ' 
IcTiv  AcT€  KdTTuOev  6^av  XaßeTv,  Kai  ßacTdcai  iie  rrpocKucai  9' 
ficncp  Ocöv;  und  660  f.  Kai  |if|v  dpö  T€,  töv  b*  fpwG'  oötujc  fxw 
€1  fioi  G^fiic,  GAoifi'  dv*  €i  bk  )Lir),  irdpec.  ich  meinesteils  mOchte 
vermuten  dasz  ursprünglich  im  texte  standx  ßouXei  Xdßujfiai  T^be 
Kai  GiTUi  Ti  cou;  zum  ausdruck  *soll  ich  oier  anfassen  — ?'  vgl. 
Trach.  1025  T^bi  )li€  T^bi  jie  irpöcXaße  KOuq){cac.  durch  die  Schrei- 
bung T$b€  für  TTJibe  mochte  zunächst  der  ausfall  von  TAI  herbei- 
geführt werden ,  der  bei  der  dreimaligen  Wiederkehr  desselben 
diphthqpgen  MAlTAIbeKAI  leicht  begreiflich  ist;  die  entstandene 
lUcke  dann  mit  bfyta  auszufüllen  legte  757  ti  bfyta  bpdcui;  nahe. 

7)  Phil.  1106  dvOdb'  öXoCjbUXi,  aiai,  aiai,  ou  q)opßdv  Iti  npoc- 
q)^pujv,  ou  nTavujv  dir'  £)liuiv  öttXujv  Kporraiatc  |ui€Td  x^pclv  icxu)v. 
als  object  zu  ou  KTavujv  . .  Icxtuv  ergänzen  Wunder- Wecklein  (pop- 
ßdv  aus  den  vorhergehenden  Worten  und  nehmen  zwei  parallele  glie- 
der  an.  doch  bei  dieser  erklärung  ist  das  erste  dem  zweiten  gliede 
gegenüber  zu  unbestimmt,  dem  gegensatze  zufolge  könnten  dort 
nur  fruchte  der  erde  gemeint  sein,  dies  stünde  aber  in  directem 
widersprach  mit  Philoktetes  eignen  werten,  der  287  sagt:  tciCTpl 
}ikv  Td  cu|Li<popa  TÖEov  TÖb'  dgiiüpiCK€,  Tdc  uTioTiT^pouc  ßdXXov 
ireXcidc,  sonst  aber  keine  weitere  nahrung  erwähnt,  ebenso  954  dXX' 
aöavoCfiat  Tt^b*  iv  auXiip  fiövoc,  ou  tttiivöv  6pvtv  oub^  6fip' 
dpeißdTiiv  TÖSoic  dvaipuiV  T0icib\  708  ff.  aber,  die  man  citiert, 
können  für  unsere  stelle  nichts  beweisen:  oö  q)Opßdv  Updctdc 
CTTÖpov,  gOk  dXXiüV  aipuiv,  Tqj  V€)liÖ)li€c9'  dv^pec  dX(pr)CTai,  nXfiv 
ii  d)KußöXu)v  cT  TTOTe  TÖSujV  TTTavoic  lote  dvuccie  TOccTpl  (popßdv, 
da  ja  dort  anfangs  der  chor  nennt  was  Phil,  überhaupt  nicht 
hat,  hier  dagegen  Phil,  davon  spricht,  was  er  nicht  mehr  hat  nach 
Verlust  des  bogens.    die  erde  gewährt  ihm  nur  schmerzstillende 


152  JRenner:  va.  Sophokles. 

kräuter  697  ff.  sodann  aber  bilden  irpocqp^piuv  nnd  Icxuiv  keinen 
richtigen  gegensatz,  insofern  das  herzutragen  dem  Phil,  doch  anch 
bei  der  Jagdbeute  nicht  erspart  bleibt,  da  Nauck  nur  letztem  an- 
stosz  beseitigt  dadurch  dasz  er  Kpataiaic  |i.  X-  tcxuiv  sc.  t&  i\idi 
önXa  als  nlübere  bestimmung  zu  &n*  ^jidiv  öirXuiv  und  Trpocq)^pu)V 
zu  beiden  gliedern  zieht,  so  können  wir  auch  hierbei  keine  beruhi' 
gung  fassen,  ebensowenig  darf  an  eine  Subordination  des  zweiten 
gliedes  gedacht  werden,  da  die  anaphorische  Stellung  des  oO  auf 
coordination  hinweist  (dann  mttste  es  wenigstens  heiszen  <popßäv 
oÖK^Ti  TTpocq)^puiv).  aus  diesen  gründen  wohl  schlug  Bergk  vor 
€uiTTdvu)V.  dasz  das  compos.  mit  cd  sich  sonst  nicht  findet,  will 
nicht  viel  besagen;  eher  möchte  das  durch  cd  verstärkte  epithetoft 
für  den  bogen  zu  sinnlich  erscheinen:  denn  erst  bei  späteren  findet 
sich  eÖTTTCpoc  iöc  (Opp.  anth.),  qmp^rpa  (Bion),  dagegen  Phil.  711 
iTTavoic  loic.  dies  veranlaszt  mich  auf  Bergks  conjectur  weiter- 
bauend vorzuschlagen  irravuibuiv.  das  wort  findet  sich  bei  Niketa» 
Choniates  s.  396^  metonymisch  (iTTav(()b€Ci  Kai  KoOcpoic  &vbpäciv)» 

8)  Trachiniai  196  f.   als  DeYaneira  den  äTfcXoc  fragt^  wes- 
halb Lichas  mit  der  botschaft  säume,  antwortet  er  ihr,  dasz  derselbe 
auf  seinem  wege  durch  das  neugierige  volk  der  Melier  aufgehalten 
werde,  was  er  mit  dem  allgemeinen  gedanken  begründet: 
TÖ  T^p  iro^Ov  SKacTOc  ^K^aOcTv  G^Xujv 

OUK  fiv  |Ul€0€iTO,  TTplv  KttO*  f|bOVf|V  kXu€IV. 

'denn  jeder,  der  ersehntes  erfahren  will,  ruht  nicht  eher,  als  bis  er 
es  nach  wünsch  vernommen.'  so  glaubte  man  früher,  zb.  Wunder^ 
mit  dem  scholiasten,  der  tö  itoOoCv  für  tö  ito6ou)li€VOV  gesagt  sein 
läszt,  übersetzen  zu  können,  dasz  jetzt  freilich  niemand  mehr  die- 
sem grammatischen  kunststück  glauben  beimessen  wird,  darf  ala 
selbstverständlich  gelten,  auch  Hermanns  erklärung  von  tö  ttgOoCv 
mit  6  TToGdfV  X€(()C,  *nam  quod  plenum  est  desiderii,  unoquoque 
rem  cognoscere  cupiente,  non  facile  prius  desistat  quam  ex  animi 
sententia  audierit',  wonach  SKacTOC  .  .  O^Xuiv  zu  tö  ttoBgCv  par- 
titive  apposition  wäre,  wird  man  schwerlich  beizupflichten  sich  ent- 
schlieszen :  denn  beide  ausdrücke  sind  generell  und  somit  tautologisch. 
Nauck,  der  im  anfang  (schon  früher  Eur.  Studien  11  s.  156)  TOt 
T^p  TrapövB'  und  iroOuiv  schreiben  will,  hat  übersehen  dasz  das, 
was  Lichas  verkündet  oder  verkünden  will,  unmöglich  mit 
Td  napöVTa  bezeichnet  werden  kann,  dies  hätte  nur  sinn,  wenn 
der  gegenständ  der  wiszbegier  des  Volkes  selbst  zugegen  wäre» 
Wecklein  'ars  Soph.  emend.'  s.  26  schlug  vor,  indem  er  Ikqctoc  als 
comimpiert  aus  r\  irac  Tic  annahm:  8  top  ito6(£)V  fjv  irdc  Tic^ 
^KfiaOeiv  O^XuJV  usw.  unter  vergleichung  von  Aias  28  ixeCvifJ  itöc  Tic 
alTiav  v^^€l ,  El.  984  irfic  Tic  äcpei  ßpoTÜJV  *  doch  iroBuiv  fiv  ist 
hier  nicht  zu  rechtfertigen,  da  mit  oOk  &v  ficOciTO  sich  nur  ein  prä- 
sens  vertragen  will,  aber  dasz  der  fehler  nicht  allein  in  iroOouv  liege, 
dies  erkannt  zu  haben  ist  Weckleins  verdienst,    indem  ich  dieses 


JBenner:  za  Sophokles.  153 

€Öpr)iLia  dankbar  benutze,  Sndere  ich,  um  jenen  anstoez  zu  beseitigen 
und  wieder  eine  allgemeine  sentenz  zu  gewinnen:  tö  t^P  ttoBcivöv 
TT.fi c  TIC  ^KfiaBetv  usw.  und  nehme  an  dasz  noGoCv  aus  iroOeivöv 
yerschrieben  ward  und  sodann  die  änderung  von  rrfic  Tic  in  IxacTOC 
dem  unmetrisch  gewordenen  verse  wieder  aufhelfen  sollte,  die  obige 
glosse  begleitete  ursprünglich  vielleicht  den  richtigen  text. 

9)  Trach.  901  Ka\  iraib*  i\  aöXaic  clbe  KOiXa  b^^ivia 

CTopvuvG '. 
als  alte  Variante  ist  KOivä  Überliefert  für  KOtXa.  dieses  erklärte  Her- 
mann: *lecti  cavi,  culcita  funibus  laxioribus  imposita,  quo  moUius 
reoubet  aegrotus',  also  gleichbedeutend  mit  fiaXaKd,  andere  nehmen 
die  bedeutung  'geräumig'  an  —  beide  ohne  die  möglichkeit  eines  so 
singulftren  bedeutungswandels  des  grundbegrifies  'hohl'  erhärtet  zu 
haben,  die  Variante  KOivd  aber  und  ihre  geistreiche  erklärung  durch 
den  scholiasten:  KOivd'  1^  Tä  ToC  OavdTOu,  1^  t&  auifjc  kqi  toö 
'HpaxX^ouc  ('sie  BBr;  ex  aliis  toG  qutoG  Elmsl.')  kann  ernstlich 
kaum  in  frage  kommen,  da  nicht  nur  diejenigen  genannt  sein  mttsten, 
denen  die  b^jivta  gemeinsam  sein  sollen,  sondern  auch  das  epitheton 
zur  Situation  —  dem  todwunden  und  seine  gattin  verwünschenden 
Herakles  wird  ein  lager  bereitet ,  damit  er  da  ende  —  wie  die  faust 
aufs  äuge  passt.  das  richtige  schwebte  schon  Nauck  vor,  wenn  er 
erwartete  b€|iviuiv  X^XH*  ^^  genauerer  betrachtung  der  buchstaben- 
form scheint  mir  KOtXa  aus  dem  subst.  koitiic  corrumpiert.  der 
flüchtige  abschreiber  hatte  bereits  b^jiVia  vor  äugen  und  schrieb 
KOiTa,  woraus  dann  später  KOiXa  und  koivöi  restauriert  ward,  ersteres 
mit  etwas  mehr  glück  und  verstand,  zum  ausdruck  KoiTT]C  ^^^via 
vergleiche  man  Phil.  159  oTkov  7T€Tp(viic  ko(tt]C. 

10)  Aias  1310ff, 

inei  KttXÖV  JLIOI  TOOb'  UTTCpTrOVOUILl^VUi 

6av€iv  TTpdb/jXuic  jiifiXXov  i^  Tflc  cfjc  mkp 
TuvaiKÖc  f\  ToO  coO  8'  6|ia{|Liovoc  \4rf[X). 
so  die  Überlieferung,  nur  dasz  La.  noch  bietet  TP*  (iiTr€p)TTOVOU- 
fi^vouc  (und  in  Lb.  ouc  übergeschrieben  ist).  önepTTOVOUfidvifi 
OaveTv  npobrjXuiC  wird  auszerdem  von  Suidas  u.  Trpobr)Xu)C  citiert. 
wenn  man  die  worte  liest,  bleibt  man  zunächst  hängen  bei  rrpo- 
bfjXujc.  dessen  erklärung  in  den  schollen  durch  XafiTTpAc,  ävbpciwc 
kann  höchstens  darauf  anspruch  machen ,  den  sinn  im  allgemeinen 
wiederzugeben,  auch  die  neueren  interpreten  befriedigen  nicht,  von 
ihnen  übersetzt  Wolff  'vor  äugen  des  ganzen  heeres'  und  MSeyffert 
«in  acie  mori,  vel  quod  dicunt,  ^k  napaTdEcuJC»,  unter  vergleichung 
von  Dem.  Phil.  HI  s.  123.  verträgt  sich  doch  diese  bedeutung  nicht 
mit  dem  zusammenhange,  wollen  die  Atreiden  des  Aias  begräbnis 
hindern  und  Teukros,  Tekmessa,  Eurysakes  von  dem  leichnam,  bei 
dem  sie  jetzt  idlein  weilen,  wegtreiben,  so  werden  sie  nicht  das 
ganze  beer,  sondern  höchstens  einige  krieger  aufbieten.-  dasz  der 
verwandte  ausdruck  irpö^Xoc  GdvaTOC  sich  bei  Dionysios  anth. 


154  JRenner:  zu  Sophokleiß. 

X  552  und  Zosimos  III  716  ed.  pr.  findet,  kann  uns  nicht  zu  einer 
sinnwidrigen  erklärung  bestimmen.  Nauok  hat  meines  Wissens  zu- 
erst zweifei  an  der  Überlieferung  erhoben,  von  seinen  beiden  Ter- 
mutungen,  dasz  TtpobifjXujc  verschrieben  oder  an  eine  unrichtige 
stelle  geraten  sei,  verdient  die  letztere,  wenn  sie  sich  leicht  bewerk- 
stelligen läszt,  in  höherm  masze  unsere  Zustimmung,  prüfen  wir 
freilich  die  von  ihm  im  anhang  vorgeschlagene  Umstellung:  ^irci 
TTpobrjXuiC  ToCb'  iJTT€pTrovou)Li^vif)  6av€tv  KaXöv  fiot  luifiXXov 
usw.,  so  will  die  Stellung  des  8av€iv  zwischen  den  getrennten  werten 
U7T€pTT0V0U^^Vi()  uud  fioi  nicht  passend  erscheinen,  eher  liesze  ich 
mir  die  entgegengesetzte  Stellung  der  zwei  dative  gefallen;  und  ist 
mit  einem  TrpobrjXuiC  ÖTT€piT0V€Tc9ai  viel  gewonnen?  daher  ver- 
mute ich  Nauck  auf  dem  von  ihm  gezeigten  wege  folgend: 
inA  8av€iv  ^ol  toöö*  unepTTOVOuii^viii 
KaXöv  TTpobf)Xu)C  fiäXXov  f\  usw. 
^denn  offenbar  ruhmvoller  ist  es'  usw.  zu  TTpob^iXuic  in  diesem  sinne 
vgl.  auch  Pollux  VI  207. 

Richten  wir  unsere  aufmerksamkeit  auf  die  folgenden  werte, 
dasz  diese  vOllig  intact  seien,  kann  niemandem  mehr  beikommen  zu 
behaupten :  alle  hgg.  haben  zum  mindesten  die  Stellung  der  copula 
6'  in  den  Worten  i)  TOO  coG  9'  6|iai|uiOVOC  XifiX)  als  fehlerhaft  be- 
zeichnen müssen,  seit  Erfurdt  unter  Hermanns  Zustimmung  Bruncks 
Übersetzung  'aut  tui  etiam  fratris'  als  ungrammatisch  zurückgewie- 
sen hat.  die  ersten  änderungen  des  textes  haben  alle  nur  diesen 
übelstand  im  äuge  und  schlieszen  sich  möglichst  eng  an  die  Über- 
lieferung an.  ob  dabei  beruhigung  zu  fassen  sei,  wird  eine  prüfung 
der  gewonnenen  textoonstituierung  zeigen,  je  nach  der  art  der  letz- 
tem erwähnt  Teukros  in  seinen  werten  zwei  oder  drei  personen. 

So  zwei  personen,  Elytaimnestra  und  Helene,  nach  Hermanns 
(und  Bothes  in  ed.  pr.,  während  er  später  coO  b'  vermutete)  erster 
änderung  f|  ToC  coO  t'  •  •  X^TU)»  der  auch  Lobeck  im  commentar 
folgte  und  sie  mit  Bruncks  werten  erläuterte:  'haesitatio  illa  et 
simulata  ignorantia  utrius  uxor  causa  sit  belli,  irati  et  contemnentis 
est.'  etwas  ähnliches  scheint  auch  Eustathios  s.  754,  21  gelesen  zu 
haben,  wenn  er  sagt:  dvieuOev  (I  327)  6  Coq)OKXf)C  ficOobcuBclc 
TTOieT  TÖv  TeÖKpov  X^cvta  tuj  *Ato^a€|livovi,  öti  6  A!ac  bid  Tf|v 
aiiToO  TwvaiKa  iv  Tpoiqi  d^äx€TO ,  laöröv  ti  XoTlcd^€VOC  tö  öia 
Tf)v  auToC  Kai  tö  bid  Tf|V  toO  MeveXdou  toC  dbeXq)0ö.  fragen  wir 
uns  aber ,  was  für  ein  höherer  grad  von  zem  und  Verachtung  darin 
liegen  kann,  wenn  Teukros  an  erster  stelle  Agamemnens  gattin  und 
erst  an  zweiter  in  zögernder  frage  die  Helene  nennt,  so  wird  man 
schwerlich  darauf  eine  genügende  antwort  erhalten,  doch  nur  wenn 
beide  Tyndaridinnen  gleichmäszig  als  Ursache  des  troischen  krieges 
in  betracht  kämen ,  würde  ein  höhn  darin  liegen ,  dasz  Teukros  nur 
Klytaimnestra  nennte,  dagegen  bedenken  trüge  die  anrüchige  Helene 
in  den  mund  zu  nehmen,  in  Wahrheit  aber  kann  ja  überhaupt  Elyt. 
gar  nicht  in  frage  kommen ,  und  was  Itit  eine  sonderbare  prttderie 


JEenner:  zu  Sophokles.  155 

wäre  jene  haesitatio ,  nachdem  Aias  offenkundig  so  viele  jähre  hin- 
durch vor  Troja  um  das  geraubte  weib  gekämpft!  auch  wäre  ein 
solcher  höhn  viel  bosser  an  Menelaos  adresse  gerichtet  worden,  den 
Agamemnon  kann  er  wenig  rühren,  ja  zu  ihm  gesprochen  kommen 
die  Worte  fast  einer  schmeichele!  gleich,  wenn  vollends  Hermann 
recht  gehabt  hätte  damit  dasz  er  sagte:  'nam  pariter  ut  Achilles 
otiam  Teucer  ira  commotos  ambo  Atridas  comprehendit  indecorum 
sibi  esse  dicens  pro  eorum  uxoribus  pugnare,  magis  autem  pro  uzore 
Menelai ,  qui  ne  summus  quidem  dux  sit  exercitus',  so  würde  Teu- 
kros  seinen  höhn  auf  etwas  rein  äuszerliches  richten,  wofür  der  ge- 
troffene nichts  kann,  während  er  gerade  dessen  besonders  stoff  zum 
angriff  bietende  blösze,  sein  ehebrecherisches  weib,  übergienge. 

Wenn  MSejffert  im  anschlusz  an  Hermanns  conjectur  X^t^  so- 
dann in  X^x^^c  änderte,  so  kann  dies  unsere  bedenken  gegen  den 
sinn  nicht  heben,  noch  weniger  wenn  Bothe  an  Klyt.  und  Menelaos 
dachte,  ebenso  Dindorf,  der  emendiert  f{  ToO  coO  Suvai^ovoc. 

Drei  personen  dagegen,  Elytainmestra,  Agamemnon,  Menelaos, 
kommen  in  den  text  durch  Hermanns  spätere  änderung  i)  c  oO  coO  0  ^ 
(Bergk  in  der  folge  dafür  toö  6')  'an  pro  te  et  fratre  tuo  dicam?', 
welcher  auch  Wolff  in  seiner  dritten  ausgäbe  folgte,  nur  dasz  dieser, 
offenbar  überzeugt  von  der  thatsächlichen  unthunlichkeit  Tf]C  cf)C 
YUVaiKÖc  auf  Elyt.  zu  beziehen,  sie  als  'geringschätzige'  bezeichnung 
der  Helene  auffaszte ,  indem  er  erklärte :  'um  das  weib ,  um  das  du 
kämpfst  und  ganz  Griechenland  zum  kriege  gerufen  hast'  dies  halte 
ich  aber  aus  doppeltem  gründe  für  unmöglich :  erstens  weil  Ag.  selbst 
ein  weib  hat,  an  das  jeder  sprachgemäsz  denken  musz,  mithin,  sollte 
das  pron.  cöc  hier  nicht  sowohl  das  eigentum  bezeichnen  als  das 
womit  Ag.  nur  in  beziehung  steht,  das  nomen  pr.  '€X^vr)C  zu  setzen 
gewesen  wäre,  wie  in  der  von  Wolff  citierten  stelle  Enr.  fr.  721  wo 
Telephos  zu  Ag.  (oder  Menelaos?)  sagt  oök  diroXoöjiai  Tf]C  cfic 
*€X£vr]C  o\JV€Ka;  oder  der  generelle  plural  war  zu  setzen  wie  in 
den  citaten  I  327  ävbpdci  fiapväjicvoc  ödpwv  Sv€Ka  cq)€T€päuiv, 
340  f\  jioCvoi  (piX^ouc'  äXöxouc  fiepÖTTUJV  ävOpuiTTUJV  'ATpetbai; 
und  wie,  was  noch  passender  angeführt  worden  wäre,  Ant.  572 
wo  Kreon  von  Antigene  sagt:  KQKdc  tfü)  TwaiKac  uWciv  cnrru); 
oder  endlich  es  hätte  ein  misverständnis  durch  die  vorhergehenden 
Worte  ausgeschlossen  sein  müssen,  wie  Aias  791  wo  Tekmessa  sagt: 
otfioi,  Ti  q)^c,  dvOpujTTC;  jüiOjv  öXi6Xa)Li€v;  worauf  der  böte  erwidert: 
OÖK  olba  Tr|V  cf)V  irpoEiv.  offenbar  hat  sich  Wolff,  wie  auch  andere, 
zu  dieser  auffassung  durch  des  Eustathios  bemerkung  zur  ersten  der 
zwei  niasstellen  verleiten  lassen,  sehen  wir  uns  aber  diese  stellen 
genauer  an,  so  finden  wir  dasz  sie  nicht  im  entferntesten  zur  grund- 
läge  der  Interpretation  unserer  stelle  genommen  werden  dürfen,  denn 
I  327  erfordert  der  Zusammenhang  (vgl.  Faesi-Franke  und  Ameis- 
Hentze):  so  war  auch  ich  begriffen  *in  stetem  kämpfe  mit  männem, 
mit  den  feinden  um  ihrer  weiber  willen',  des  hauptteils  der  er- 
strebten beute,  und  auch  I  340  ist  anders  zu  verstehen,   nach  jenem 


156  JBenner:  zu  Sophokles. 

ersten  verse  fährt  der  sänger  folgendermaszen  fort:  'in  jenem  kämpfe 
zerstörte  AchiUeus  viele  städte  und  machte  reiche  beate;  diese  über- 
gab er  aber  stets  dem  Agamemnon,  der  mfiszig  im  schütze  des  schiffs- 
lagers  weilend  sie  in  empfang  nab;n,  einen  groszen  teil  für  sich  be- 
hielt und  den  rest  verteilte,  wfthrend  nun  aber  die  übrigen  fürsten 
die  erhaltenen  ehrengeschenke  nngeschmftlert  besitzen  können ,  hat 
er  dem  Achillens  das  seinige  genommen,  (336)  ^x^t  b*  fiXoxov 
Ou^ap^a*  tfji  irapiaöuiv  t€PTT^c9ui.  wozu  kftmpfen  dso  überhaupt 
noch  die  Argeier  mit  den  Troern?  war  es  etwa  nicht  Helene  (339) 
(also  eine  geraubte  fiXoxoc),  um  deretwillen  Agam.  das  kriegsheer 
vor  Troja  führte?  (und  doch  raubt  der  saubere  Atreide  selbst  dXoxotl 
oder)  haben  die  Atreiden  etwa  allein  ein  Privilegium  auf  gattenliebe 
erhalten?  (doch  wohl  schwerlich!)  (341)  tneX  6c  nc  dW|p  dTOtOöc 
xal  lxi(ppwy^  Tf|V  aöroG  ('die  ihm  gehörende,  eigene'  Franke) 
q>iX^€i  Kol  Kif)b€Tat,  in  welchem  falle  auch  ich  bin,  (342)  die  xal 
^T^  Tf|v  Ik  8u^o0  q>(X€OV  boupiicnrnf)V  tt€P  doOcav.'  man  sieht 
aus  meiner  interpretation,  die  Verallgemeinerung ,  dh.  ersetzung  der 
Helene  durch  den  plural  dXoxot  (340)  geschieht  nur  im  hinblick  auf 
die  geraubte  fiXoxoc  B  r  i  s  e  i  s ,  von  El jtainmestra  ist  mit  keinem 
Worte  die  rede,  und  kann  es  auch  füglich  nicht  sein,  da  Agamemnons 
liebe  zu  seiner  rechtmässigen  gattin  durch  die  neigung  zur  Briseis 
hier  verdrängt  sein  musz.  was  vollends ,  um  nach  dieser  digression 
zur  Sophoklesstelle  zurückzukehren,  den  höhn  betrifft,  der,  soll  an- 
ders uns  der  sinn  befriedigen,  offenbar  in  der  frage  f[  coO  .  .  X^rui 
liegen  müste,  sollen  etwa  die  beiden  Atreiden  als  dem  werte  nach 
unter  Helene  stehend  bezeichnet  werden?  eine  solche  durch  nichts 
zu  rechtfertigende  behauptung  des  Teukros  könnte  nicht  sinnreich» 
nur  plump  genannt  werden. 

Wenn  Wunder  mit  Döderlein  unter  benutzung  von  Hermanns 
conjectur  Xifiu  als  indicativ  auffaszte  und  construierte  inA  X^T^i 
xaXöv  ^01  eivm  .  .  f^  coO  coO  b'  ö^ai^ovoc,  so  war  der  text  nur 
um  eine  construction  bereichert,  die  wegen  des  nachschleppenden 
X^T tu  den  werten  ihre  kraft  nimt.  —  Eine  radicalere  cur  hält  Nauck 
für  nötig,  ohne  jedoch  selbst  verbesserung^vorschläge  vorzubringen. 
—  Wecklein  *ar8  Sopb.  emend.'  s.  77  schlägt  vor:  t^giiköc,  ti  ToO 
coC  1T0T*  fjv  ö^af^ovoc,  indem  er  bemerkt:  'nunc  enim  Tf)c  cf)c 
\)nip  TwatKÖc  eodem  modo  quo  ö&puiv  Svcxa  cq)€T€pduiv  (?)  accipi 
potest,  quia  sequitur  f{  ttot*  f)v  kt^.'  vortrefflich,  wenn  man  die 
werte  allein  auf  Helene  'beziehen  kann,  aber,  frage  ich,  können  die* 
selben  einen  andern  sinn  geben  als  'deine  firan,  die  früher  deinem 
bruder  gehörte'?  und  wollte  man  die  möglichkeit  des  gewünschten 
Sinnes  einräumen,  würde  dann  nicht  mindestens  der  relativsatz  lästig 
nachschleppen?  auch  ist  nicht  leicht  zu  glauben,  dasz  nach  ausfaU 
von  itot'  nv  auszer  der  hinzusetzung  von  Xifw  ein  ganz  Unverstand* 
liches  8'  nach  coO  eingefügt  wurde.  —  Wolff,  der  auch  seine  be* 
denken  wegen  cf)c  nicht  unterdrücken  konnte,  dachte  (im  anfang) 
daran  für  Tf^c  cf)c  zu  schreiben  ßi^ccatc  (dat.  loci),  hindeutend  *wd 


JBenner:  zu  Sophokles.  157 

Züge,  wie  der  ist,  von  welchem  Teukros  heimkommt  (720)'.  allein 
80  zulässig  die  erwähnung  der  streifzüge  neben  dem  hauptkampfe 
in  der  troischen  ebene  wftre,  so  unpassend  sind  sie  ohne  letztem, 
zumal  doch  bei  jenen  das  ÖTrepTTOveicOai  inkp  'EX^vt^c  nur  wenig 
in  betracht  kommen  kann.  —  Was  endlich  Lissners  versuch  (s.  Weck- 
lein ara  s.  118)  betrifft,  der  eine  gröszere  interpolation  annimt  und 
nur  übrig  läszt :  fAoXXov  Oaveiv  ^  coC  £uvai^ovoc  Xi'xw »  so  wird, 
abgesehen  von  ihrer  geringen  textkritischen  Wahrscheinlichkeit ,  die 
rede  dadurch  nur  verwässert  und  matt. 

Sonach,  glaube  ich,  ist  klar  l)'dasz  die  werte  i^  . .  X^T^  durch 
das  ungehörige  9'  nicht  nur,  sondern  auch  durch  das  fj  wie  durch 
die  ganze  wendung,  die  man  nur  als  frage  auffassen  könnte,  sich 
als  corrupt  erweisen:  denn  eine  höhnische  in  frageform  gehaltene  an- 
führung  der  zwei  Atreiden,  nicht  minder  Helenes  oder  gar  des  Mene- 
laos  ist  nach  vorausgehender  erwähnung  Elytaimnestras  unzulässig; 
2)  dasz  aber  auch  ttic  cf^c  corrupt  ist,  weil  es  auf  die  person,  auf 
die  es  passen  würde,  Helene,  grammatisch  nicht  bezogen  werden 
darf,  und  anderseits  die  person,  auf  die  es  grammatisch  nur  gehen 
kann,  Klytaimnestra,  durch  den  sinn  ausgeschlossen  ist;  3)  dasz, 
nachdem  Teukros  zuvor  auf  die  cjnische  forderung  der  Atreiden  den 
toten  nicht  zu  bestatten  1308  f.  erwidert:  eG  vCv  TÖb'  kOi,  toCtov 
ei  ßaXeiT^  tiou,  ßaXeiTe  x^M^^  '^P^^^  ^V^^^  cuTKeiji^vouc,  die  dies 
begründenden  werte,  in  denen  dem  tode  im  kämpfe  für  das  gegen- 
wärtig den  Teukros  allein  noch  leitende  ziel,  der  leiche  des  bruders 
ein  ehrliches  begräbnis  zu  sichern ,  gegenübergestellt  wird  der  tod 
im  kämpfe  für  den  ursprünglichen,  beim  auszuge  nach  Troja 
für  alle  maszgebenden  zweck ,  einen  derben  höhn  auf  letztem  ent- 
halten müssen,  dies  verlangt  der  gegensatz:  denn  da  der  kämpf 
um  den  bruder  als  weit  ehrenvoller  bezeichnet  ist,  folgt  mit  zwin- 
gender consequenz,  dasz  der  wahre  zweck  des  gesamten  kampfes 
vor  Troja  in  Teukros  äugen  wenigstens  ein  unrühmlicher  sein 
musz.  der  höhn  musz  aber  speciell  Helene  treffen,  da  ja  weder 
Agamemnon  noch  Menelaos  [noch  Klytaimnestra]  von  vom  herein 
mit  recht,  zumal  als  unedle  motive  des  kampfes,  hätten  bezeichnet 
werden  können,  darauf  weist  auch  ijtt^,  das  auf  die  Atreiden  be- 
zogen wenig  passen  will,  wohl  aber  zu  einem  in  frage  gestellten  be- 
sitze wie  dem  Helenes,  dies  ist  nicht  minder  geboten  durch  die 
Stellung  der  werte  kurz  vor  dem  schlusz  der  rede,  denn  auch 
Agam.  hat  am  ende  der  seinigen  1259  ff.  dem  Aias  einen  gewaltigen 
schimpf  angethan,  indem  er-  ihn  unter  hin  weis  auf  seine  abstam- 
mung  von  einer  alx^otXuiTic  als  unfreien  hinstellte,  der,  wenn  er 
überhaupt  noch  mit  Agam.  rechten  wolle,  eines  TTpocTdTr|C  bedürfe, 
desgleichen,  insofern  die  beschimpfung  in  Agamemnons  mimde  basiert 
auf  einem  dem  gegner  nahestehenden  w  e  i  b  e ,  passt  in  Teukros  munde 
als  entgelt  dafür  am  besten  die  erwähnung  von  Helenes  Verhältnis 
zu  dem  feinde. 

Daher  vermute  ich  als  ursprünglichen  text: 


158      WHRoscber :  die  Vergiftung  mit  stierblut  im  classiscben  altertum» 

f^biccfjcönfep 
T^aiKÖc,  dxOpoO  coO  8'  ö^aifAOVOc  Xex^iiv.' 
die  Worte  dxOpoö  .  .  X€XI&V  bilden  zu  bicdf)c  f^vaiKÖC  eine  epexe- 
getiscbe  apposition,  Xexwv  stebt  concret  im  sinne  von  uaor.  zur 
bezeicbnung  Helenes  als  btccf|  yvvf\  vgl.  Stesicboros  fr.  35  (Bergk) 
oövcKa  Tuvbäp€U)c  t>ilwv  irorfe  ttöci  Gcoic  fAOuvac  XdOcr*  i^mo- 
bilipou  Kunptboc  K€(va  b'  fipa  Tuvbdpeui  Koöpatct  xoXuica^^va 
bttciMOuc  T€  Ka\  TptT<iM0uc  riOiici  Kai  XiTrecdvopac. 

Damit  niemand  auf  den  gedanken  komme,  dasz  t€  das  erste 
wort  näber  bestimmen  müsse,  so  verweise  icb  auf  Kttbner  gr.  gr.  11* 
s.  788  anm.  1,  der  anfObrt  Eur.  El.  613  KTavdiv  Ou^CTOU  Tratba  crjv 
T€  jiiiT^pa  (Aigisthos  und  Ely taimnestra).  das  Verderbnis  wird  wobl 
so  entstanden  sein,  dasz  ein  interpret  f{  Tf)c  cf)c  und  f{  toO  coO  dem 
texte  ttberscbrieb,  indem  er  unpassenderweise  bei  biccf)c  an  Elyt. 
mit  dacbte  und  bei  dxOpoO  aucb  das  feindliche  Verhältnis  des  Paris 
zu  Agam.  andeuten  wollte. 

<  erst  vermatete  ich  wohl  iii  drastisch  MdpifHC  nach  Eur.  £1.  1027 
vOv  b*  O0VCX*  *€XivT|  ^dptoc  flv,  dann  K0ivf)c  [hrit^c),  so  dass  man  Xcxuliv 
im  eigentlichen  sinne  zu  nehmen  hätte,  hr.  rector  Erler  weist  zur 
Unterstützung  von  5iccf)c  passend  noch  darauf  hin,  dasz  ii\c  cf{c  nach 
neugriechischer  ausspräche  einem  biccf)c  fast  gleich  lautet. 

Zittau.  Johannes  Bbnneb« 


27. 

DIE  VEBGIFTÜNG  MIT  STIERBLUT  IM  CLA88I8CHEN      * 

ALTEBTUM/ 


Es  ist  eine  merkwürdige,  meines  wissens  noch  nichtgehörig 
beachtete  und  erklärte  thataache,  dasz  im  gesamten  classiscben  alter- 
tum  frisches  stierblut  als  ein  tödlich  wirkendes  gift  galt,  fttr  diesen 
glauben  spricht  zunächst  eine  anzahl  von  Zeugnissen,  welche  teils 
der  mythischen  teils  der  historischen  zeit  angeboren. 

1)  von  lason  [und  Midas]  berichtet  uns  Apollonios  lex.  Hom. 
156,  18  Bk.  rauptov  al^a  OavdctfAov,  inö  Miba  xai  1dco- 
V  0  c  *  iT€pl  fäp  OcfAtCTOKX^ouc  oö  Trfict  cu^q>uiV€iTm.  dies  zeugnis 
bildet  also  eine  willkommene  ergänzung  zu  dem  berichte  Diodors 
IV  55,  nach  welchem  lason  sich  selbst  tötete,  es  ist  demnach  wahr- 
scheinlich, dasz  lason  sich  mit  stierblut  vergiftet  haben  sollte. 

2)  besonders  stark  bezeugt  ist  die  sage,  dasz  Midas  sich  selbst 
mittels  Stierblutes  getötet  habe,   auszer  der  eben  citierten  stelle  des 

*  ich  benutze  diese  gelegenheit  dazu  ein  falsches  citat  aus  Galenot 
zu  berichtigen,  welches  sich  m  meinem  letzten  aufsatze  in  diesen  jahrb. 
1881  s.  840  befindet,  es  musz  daselbst  z.  22  vo.  heiszen  Galenos  VII 
109  (Kühn). 


WHBoBcher:  die  Vergiftung  mit  stierblut  im  classischen  altertnm.      159 

ApoUonios  sind  hier  anzuführen :  Strabon  s.  6 1  Mibov  al^araupou 
TTiövra  q>adv  dTreXGcTv  eic  tö  xp^^v.  Flui,  de  superst.  8  Mibac 
6  TraXaiöc,  ujc  foixev,  ?k  tiviüv  ^vurrviiuv  dGu^iiöv  Koi  Toparrö- 
fA€voc  oÖTU)  KttKiöc  fcx€  Tf|v  ^lux^v,  ficTC  ^Kouduüc  dnoGaveiv, 
aljiaTaupouTniliv.  vgl.  auch  Flut.  Flam.  20,  6  und  den  wahr- 
scheinlich aus  Strabon  schöpfenden  Eustathios  z.  Od.  s.  1671, 13  xal 
Mibac  X^T€Tai  aljua  xaupou  ttiiüv,  iLc  de^icroKXfic  öcT€pov> 
€lc  TÖ  xpeüjv  dneXöeiv. 

i)  in  einem  beim  scholiasten  zu  Arist.  Bi.  84  erhaltenen  frag- 
mente  (660  Nauck)  läszt  Sophokles  Helene  sagen:  l}io\  hk  XipCTOV 
al^a  Toupeiov  ttuiv  Ka\  ^ri  ti  tiXciouc  xi&vb*  ixexv  bucq>iifA(ac. 

4)  bereits  der  historischen  zeit  gehört  die  erzählung  vom  tode 
des  Fsammenitos  an,  von  dem  Herodot  III  15  berichtet:  yajüi- 
fAifjviTOc . .  i7i€iT€  ^itdicTOC  dt^vcTO ÖTiö  Ka^ßOc€U),  aljüiaTavIpou 
Trtujv  dn^Oave  Trapaxp%a.  zweifelhaft  erscheint,  ob  Fsammenitos 
von  Kambyses  zum  trinken  des  giftes  gezwungen  wurde  oder  ob  er 
sich  aus  Verzweiflung  selbst  tötete,  mir  ist  das  letztere  wahrschein- 
licher, weil,  von  einer  einzigen  ausnähme  abgesehen,  stierblut  nur 
von  Selbstmördern  getrunken  worden  sein  soll. 

5)  genau  in  dieselbe  zeit  f&llt  die  geschichte  von  Smerdis, 
dem  bruder  des  Kambyses ,  von  dem  uns  Ktesias  bei  Fhotios  bibl. 
37*»  erzählt:  affAari .  .  ToOpou,  S  iiitxieVj  dvaipeTrat  Tavuo- 
SdpKiic  (dh.  Smerdis).  das  ist,  wie  oben  bemerkt,  das  einzige  sichere 
mir  bekannte  beispiel  für  eine  nicht  auf  selbstmörderische  absieht 
zurückgeführte  Vergiftung  durch  stierblut. 

6)  der  bei  weitem  bekannteste  fall  einer  derartigen  Vergiftung 
ist  die  geschichte  vom  tode  des^Themistokles,  welcher  ungef&hr 
in  die  zeit  von  464 — 461  vor  Ch.  fällt,  der  erste  Schriftsteller,  wel- 
cher uns  erzählt  dasz  Th.  sich  mit  stierblut  vergiftet  habe ,  ist  be- 
kanntlich Aristophanes  in  seinen  424  aufgeführten  Rittern  v.  83 

ß^XxiCTOV  fmiV    aljiO    Taup€lOV    TTICIV*    6  6€|ilCT0KX^0UC 

Tdp  OdvaTOc  aip€TU)T€poc.  vgl.  dazu  folgende  erklärung  des  scho- 
liasten: Trpoqpdcei  xp^icd^evoc  ibc  Ouciav  dniTeX^cai  ßoOXoiTo  xal 
lepoupTficai  rfl  AeuKÖcppui  'Api^mbi  koXou^^vij,  tijj  raOpip  ÖTroGdc 
Tf|v  q>idXTiv  m\  ÖTrobeSd^evoc  tö  aljua  koI  xcxvböv  ttiüiv  dreXeirnicev 
eäO^uic.  ungefähr  dasselbe  berichten  Diodor  XI  58  (der  sich  auf 
ivxox  cirpfpot^eic  beruft),  Stratokies  und  Kleitarchos;  zwei  Zeit- 
genossen Alexanders  d.  gr.  nach  Cicero  BnU,  §  42 ,  Valerius  Max. 
V  6  e^f.  3,  Flutarch  Them.  31,  5  (vgl.  auch  Flam.  20,  6.  Ath.  122* 
und  Eust.  z.  Od.  s.  1671,  13).  freilich  steht  diese  Überlieferung, 
wie  schon  die  alten  erkannten ,  insofern  auf  schwachen  füszen ,  als 
Thukydides  I  138  ausdrücklich  sagt:  voci^cac  bk  teXeuT^  töv 
ßiov,  X^YOuci  bi  Tivec  Kai  ^kouciov  cpap^dKiw  dnoGaveiv  aöröv, 
welcher  autorität  gegenüber  allerdings  jene  oben  angeführten  zeug- 


'  wahrBcbeinlich   enthält  dieser  vers  eine  anspielnng  auf  das  oben 
angeführte  fragment  des  Sophokles. 


160      WHBoBcher:  die  Vergiftung  mit  stierblat  im  classifichen  altertam. 

nisse,  das  des  Aristophanes  eingeschlossen,  kaum  ins  gewicht  fallen 
können  (vgl.  Cic.  BnU.  ao.  Apollonios  ao.  Symmaohos  bei  dem  schol. 
zu  Aristophanes  ao.)- 

7)  nach  einer  von  Plutarch  Flam.  20,  6  berichteten  Version 
sollte  sich  auch  Hannibal  mit  stierblut  vergiftet  haben  (€vioi  bk 
[X^TOi^ct]  ^i^Ticd^evov  defAicTOKX^a  koI  Mibav  alfia  raOpeiov 

711€IV). 

8)  sind  an  dieser  stelle  noch  die  Zeugnisse  der  antiken  ttrzte 
und  naturforscher  zu  erwähnen ,  welche  von  der  stierblat  Vergiftung 
als  von  einer  ganz  bekannten  thatsache  reden  und  sogar  eine  menge 
von  heilmitteln  dagegen  aufzählen,  am  ausführlichsten  handelt  da- 
von Nikandros  in  seinen  Alexipharmaka  v.  312  ff.  derselbe  sagt, 
frisches  stierblut  gerinne  sofort  nach  dem  genusse  im  magen  und 
in  der  Speiseröhre',  bewirke  furchtbare  quälen  und  krämpfe  und  ver- 
stopfe auch  die  luftwege.  der  vergiftete  falle  dann  unter  krämpfen 
zu  boden,  und  schäum  stehe  ihm  vor  dem  munde,  die  von  ihm  em- 
pfohlenen heilmittel  haben  nach  seiner  ausdrücklichen  angäbe  den 
zweck,  das  im  innem  festgewordene,  gewissermaszen  einen  pfropfen 
bildende  blut  wieder  flüssig  zu  machen  und  zu  zerteilen,  gleiches 
oder  doch  ähnliches  behaupten  auch  Oalenos  antid.  XIV  s.  143 
(Kühn),  der  scholiast  zu  NikaÄdros  ao.,  der  auch  ausdrücklich  hervor- 
hebt dasz  vorzugsweise  Selbstmörder  stierblut  anwenden,  Dioskorides 
II  34,  Plinius  n.  k.  XL  222.  XXH  90.  XXIII  122.  XXVm  122. 
147.  195.  XXXI  120. 

Sehr  auffallend  ist  es  nun  zu  sehen,  dasz  diesen  Zeugnissen  andere 
entgegenstehen,  wonach  das  trinken  von  stierblut  bisweilen  ganz 
ungefährlich  war.  so  erzählt  P/iusanias  VII  25,  13  von  einem 
eigentümlichen  gottesurteil ,  das  bei  der  wähl  der  priesterin  der  Ge 
zu  Aigeira  angewendet  wurde :  fvvi\  bk  f|  del  Tf)V  Upujcuviiv  XafA- 
ßdvouca  'dTicreüei  ^fev  tö  dnö  toutou,  oö  |if|v  ovbk  lä  irpöiepa 
icTai  ttX^ov  t\  ivöc  dvbpöc  ic  neipav  dqpiTM^vri*  Trivoucai  hl 
aljLiaTaupou  boKi^dZovTar  1^  b'  &v  auruiv  tuxi)  m^  dXiiOcuouca, 
auTiKa  ^K  TOÜTOU  Tf|V  öCkiiv  fcx€V.  vgl.  auch  Plinius  XXVIII  147 
taurinus  sanguis  recens*  inter  venena  esty  excepta  Äegira.  ibienim 
sacerdos  Terrae  vatidnatura  tauri  sanguinem  bibit.priuequam 
in  specum  descendat,  nach  Ailianos  nat.  an.  XI  35  soll  ein  gewisser 
Cbrjsermos,  welcher  an  Schwindsucht  und  blutspeien  litt,  durch 
trinken  von  stierblut  gerettet  worden  sein.  vgl.  auch  Plinius  XXVm 
195  si  sanguis  reiciatur,  efßcacem  trad/unt  bubulum  sanguinem 
niodice  et  cum  aceto^  sun^um,  nam  de  taurino  credere  temerarium  est. 

Bei  diesem  eigentümlichen  Widerspruch,  in  welchem  die  antiken 
Zeugnisse  mit  einander  stehen,  ist  es  selbstverständlich  von  grOster 

'  vgl.  auch  Aristot.  bist.  an.  III 19  u.  partes  an.  II  4.  *  trockenes 
stierblut  gerieben  {taurinta  sanguis  aridus  tritus)  gilt  bei  verscbiedenen 
leiden  als  wirksames  heilmittel:  Plinius  XXVIII  177.  217.  ^  acetum 
(ÖEoc)  ist  nach  Nikandros  und  Oalenos  ao.  ein  hauptmittel  gegen  stier* 
blutyergiftung. 


WHBoscher:  die  vergpiftung  mit  BÜerblat  im  clasBischen  altertum.      161 

Wichtigkeit  die  ansieht  modemer  physiologen  über  die  in  rede 
stehende  frage  der  stierblutvergiftung  zu  vernehmen,  ich  habe  mich 
daher  brieflich  an  einen  der  berühmtesten  Vertreter  der  phjsiologie, 
hm.  prof.  Karl  Ludwig  in  Leipzig,  gewandt  und  von  demselben 
mit  freundlichster  bereitwilligkeit  folgende  antwort  erhalten : 

^Eine  vorwurfsfreie  antwort  auf  Ihre  frage  setzt  die  anstellung 
eines  Versuchs  voraus,  der  meines  Wissens  in  Deutschland  von  wissen- 
schaftlicher band  niemals  ausgefährt  ist.  allerdings  kann  man  mit 
voller  Sicherheit  sagen,  dasz  geschlagenes  ochsenblut,  dh.  solches 
welches  die  gerinnung  erhalten  hat,  eine  durchaus  unschädliche 
«peise  sei ;  Ihre  frage  bezieht  sich  aber  nicht  auf  dieses  sondern  auf 
noch  nicht  geronnenes  ochsenblut.  nun  gerinnt  aber  das  aus  den 
adem  abgelassene  blut  schon  nach  wenigen  minuten;  um  also  auf 
einen  versuch  gestützt  die  behauptung  aussprechen  zu  können,  dasz 
«das  der  gerinnung  noch  nicht  verfallene  blut  unschädlich  sei,  müste 
man  im  schlachthause  selbst  die  beobachtung  vornehmen,  hierzu 
bietet  sich  bei  uns  keine  günstige  gelegenheit. 

Amerikanische  ärzte  wenden  frisches  blut  öfters  als  genusz- 
und  arzneimittel  an  .  .  bedenkt  man  dasz  geronnenes  blut  durch- 
aus unschädlich  istS  und  femer  dasz  raubtiere,  hunde  mit  ein- 
geschlossen, frisches  ungeronnenes  blut  mit  begierde  verzehren  ohne 
irgend  welchen  nachteil  zu  verspüren,  so  ist  es  mit  einer  der 
^ewisheit  gleichen  Wahrscheinlichkeit  auszusprechen, 
4asz  der  genusz  frischen  ochsenblutes  dem  menschen 
eher  nützen  als  schaden  werde,  die  theorien  der  alten  ärzte 
und  ihre  ansichten  über  die  art  der  Wirkungen  der  gerinnung  des 
«tierblutes  entbehren  der  begründung.  bei  der  gerinnung  ent- 
steht im  ochsenblut  nicht  mehr  faserstoff  —  fibrina  —  als  bei  der 
gerinnung  anderer  säugetierblutarten,  und  der  vom  ochsenblut  aus- 
geschiedene faserstoff  besitzt  in  jeder  beziehung  dieselben  eigen- 
schaften  wie  der  faserstoff  anderer  Säugetiere. 

Wie  die  fabel  entstanden,  läszt  sich  nur  vermutungsweise  sagen, 
das  blut  kann  sehr  giftig  werden,  zb.  wenn  es  einem  an 
milzbrand  leidenden  tiere  entnommen  ist.  vielleicht  haben 
krankheiten ,  an  denen  menschen  zu  gründe  giengen ,  die  mit  dem 
blute  milzbrandiger  ochsen  und  kühe  in  berührung  kamen,  den 
ersten  anlasz  zu  der  fabel  gegeben.^  ähnlich  wie  in  diesem  falle  hat 


^  Aretaios  8.  312  K.  berichtet,  dasz  er  selbst  gesehen,  wie  ein 
epileptischer,  am  geheilt  za  werden,  frisches  menschenblat  getranken 
habe,  wahrscheinlich  handelte  es  sich  in  diesem  falle  um  das  blat  von 
gladiatoren,  v^l.  Plinias  XXVIII  4  sanguinem  quoque  gladiatorum  bibunt, 
ut  viventibtis  poculd,  condtiaUs  morbu  die  sitte  in  solchen  fällen  das 
frische  blut  hingerichteter  za  trinken  hat  sich  bis  in  unsere  zeit  er- 
halten: vgl.  Wuttke  der  deutsche  Volksaberglaube'  s.  129.  Galenos  XII 
260  K.  empfiehlt  statt  dessen  lämmerblut.  [Boscher.]  ^  dasz  es  sich 
bei  stierblutvergiftuDgen  in  der  that  wohl  um  milzbrandige  tiere  han- 
deln konnte,  dafür  spricht  der  umstand  dasz  Aristoteles  sagt,  das  blut 
des  stieres   sei  überaus   reich  an  fasern   (Tvcc,  fibrae),  sehr  dicl^ 

J«hrbacher  fUr  class.  philol.  1883  hft.  8.  11 


162     WHBoscher :  die  Vergiftung  mit  stietblnt  im  claBsiscben  altertum. 

man  bis  zur  kenntnis  der  tricbinen  von  einem  Schinken-  und  wnrst- 
gifte  geüäbelt;  noch  zn  der  zeit,  als  ich  professor  in  Zürich  war, 
wurde  ein  nach  den  gegenwärtigen  erfahrungen  vollkommen  un- 
schuldiger gastwirt  zu  schwerer  kerkerstrafe  verurteilt,  weil  eine 
anzahl  seiner  gftste  nach  dem  genosz  des  vorgesetzten  Schinkens 
schwer  erkrankte,  wäre  das  mikroskop  nicht  in  das  mittel  getreten, 
80  würde  man  heute  noch  von  wurst-  und  schinkengift  reden.'  ® 

Dies  das  urteil  des  ausgezeichneten  Leipziger  physiologen, 
welches  sich,  wie  man  leicht  erkennt,  sehr  wohl  mit  dem  resultat 
einer  kritik  der  sämtlichen  antikeh  Zeugnisse  über  Stierblutvergiftung 
vereinbaren  läszt.  die  einzelnen  flQle,  die  aus  historischer  zeit  dafür 
angefahrt  werden ,  sind  —  man  vergleiche  namentlich  das  oben  in 
betreff  des  Themistokles'  und  Hannibal  gesagte  —  samt  und  sonders 
nicht  wohl  beglaubigt:  denn  auch  die  Zeugnisse  des  Herodotos  und 
Ktesias  verlieren  viel  an  gewicht,  wenn  man  bedenkt  dasz  sie  sich 
auf  lange  vor  ihrer  zeit  liegende  ereignisse  beziehen,  und  die  antiken 
ärzte  dürften  kaum  einen  fall  von  stierblutvergifbung  wirklich  con- 
statiert  haben,  da  es  sich  nach  ihrer  ausdrücklichen  angäbe  meist 
um  Selbstmorde*^  handelt,  die  in  der  regel  nicht  in  anwesenheit 
von  ärzten  vollzogen  werden,  nichtsdestoweniger  musz  eine  so  all- 
gemeine annähme  des  ganzen  altertums  irgend  einen  realen  grund 
gehabt  haben,  und  als  solchen  können  wir  wohl  mit  Wahrscheinlich- 
keit vereinzelte  fälle  von  Vergiftung  durch  milzbrandiges  stierblut 
annehmen ,  welche  verkehrter  weise  den  anlasz  gaben  zu  glauben, 
dasz  stierblut  überhaupt  giftig  sei. 

und  schwarz,  und  gerinne  deshalb  ausserordentlich  schnell  (Ar.  bist, 
an.  III  19  u.  p.  an.  II  4),  was  nicht  auf  gesunde,  wohl  aber  auf  milz- 
brandige tiere  passt,  da  diese  bei  der  section  vor  allem  theerartiges, 
pilshaltiges  blat  aufweisen,  von  der  acutesten  form  des  milzbrandes, 
dem  sog.  milzbrandblutschlag,  der  den  tod  schon  nach  wenigen  minnten 
unter  convalsionen  herbeiführt,  sollen  vorzugsweise  die  kräftigsten  indi- 
vidnen  —  also  stiere . —  befallen  werden,  nach  Wagners  handbnch  der 
allg.  pathol.^  8.  117  reicht  zur  überimpfang  der  krankheit  schon  der 
kleinste  blatstropfen  hin.     [Röscher.] 

^  ziemlich  dieselbe  auskunft  erteilte  mir  auch  ein  hervorragender 
veterinärarit  hr.  dr.  Max  Sussdorf,  professor  an  der  tierarzneischule 
in  Stattgart,  dem  ich  unter  freundlicher  Vermittlung  meines  1.  colleffen 
dr.  Steuding  dieselbe  frage  vorgelegt  hatte,  auch  dieser  meint,  die  be- 
hauptung,  dasi  frisches  stierblut  giftig  sei,  könne  natürlich  nur  für 
besondere  fälle  gelten  —  auch  er  denkt  an  milzbrand,  der  nach  all- 
gemeiner annähme  schon  im  altertum  vorgekommen  sei  —  ein  unter- 
schied zwischen  stier-,  ochsen-  und  kuhblnt  sei  bis  jetzt  weder  in  phy- 
siologischer noch  chemischer  noch  histologischer  beziehung  nachgewiesen 
worden.  '  es  braucht  kaum  hervorgehoben  zu  werden,  wie  glaubwürdig 
sich  auch  von  physiologischem  stanapunkt  aus  die  erzählung  des  Thuky- 
dides  vom  tode  des  Themistokles  darstellt.  '*  vgl.  schol.  zu  Nikandros 
alex.  312  bi6  Kai  dqppövwc  €Tir€v*  Ttvk  diroxapTCpoOvTCC  irivouav 
gOtö  kqI  TcXeirrCticiv. 

Würzen.  Wilhelm  Hbinrioh  Bosoheb. 


EBScbulze:  ßiu  et  ctfyciu  apud  oratorei  Atticos.  163 

28. 

UTRA  FUTURI  FORMA  ORATORES  ATTICI  UTI 
MALUERINT,  6=Q  AN  CXHCQ? 


Oratorum  Atticorum  scripta  cum  nuper  perlostrarexn ,  quam 
maxima  poteram  diligentia  omnes  collegi  locos,  quibus  futurum 
yerbi  ^X^iv  legebatur,  eo  consilio  ut  cognoscerem*,  utram  formam 
usurpare  maluissent  oratores  illi,  quos,  quoniam  quidem  apud 
bomines  Atbenienses  orationes  babuerunt,  sincera  lingua  Attica 
locutos  esse  censendum  est.  repperi  autem  ££ui  formam  multo 
usitatiorem  fuisse  et  tritiorem,  cx^cui  formam  nisi  in  verbo  kqt- 
^X^iv  fere  repudiatam  videri ,  ut  ex  bac  quam  subieci  tabula  perspi- 
cuum  erit: 

iiw  Simplex  usurpatum  est: 


ab  Antiphonte 
ab  Andocide 

2  locis 

3  - 

a  Gorgia 
ab  Alcidamante 
a  Lysia ' 
ab  Isocrate 

1  loco  (Pal.  36) 

3  locis  (de  sopb.  8.  13.  23) 
22     - 
70    - 

ab  Isaeo' 

17     . 

a  Demostbene 

83     - 

ab  Aescbine 

4     - 

ab  Hyperide 
a  Lycurgo 
a  Dinarcbo 

1  loco  (4,  XI,  7) 

2  locis 

3  - 

omnino  211  locis, 

item  est  SSojim  apud  Dem.  16,  28. 

cx^cui  Simplex  non  est  nisi  in  veris  Demostbenis  orationibus  in 
iisque  7  locis  (1,  9.  14.  6,  18.  18,  46.  19, 

272.  23,  128). 

yerborum'compositorum  formae  sunt  usurpatae  bae: 


'  orationes  veras  ab  orationibus  sporiis  seiungere  noloi:  nee  enim 
In  hac  qnaestione  magni  id  interest,  cum  omnes  orationes  Attioom  ser- 
monem  prae  se  ferant,  nee  de  singnlis  scriptis  inter  yiros  doctos  satis 
conyenit.  leges  et  testimonia  orationibas  interposita  non  onravi,  qnando- 
qoidem  plemmqne  ficta  et  supposita  sunt.  ^  Isaei  8,  74  ficiv  Beiskii 
coniectora  natom  est,  libri  ex€iv  praebent  freqnenti  errore,  cf.  Dem. 
14,  4  £x€iv  codd.  AS  Ddf.,  Dem.  28,  21  ^x^tv  pr.  S,  Lys.  6,  6  ^x^iv 
cod.  G  Bekk.,  Lys.  10,  10  irpoc^cic  volgo,  Isoer.  ep.  1,  3  irpoc^eiv 
volgo,  iTpoc^etv  r  Blass.,  Dem.  18,  147  irpoc^ctv  Aks  Ddf.,  Aesch. 
1,  126  irap^EovTOi  cod.  abghlmopq  Vat  Lanr.  Schultz.  i(ap^0VTai 
ceit.,  Aesch.  2,  166  irap^o^ot  cod.  i  Seh.,  Isaei  9,  26  1rap^o^al  opti- 
mus  cod.  A  Bk. 

11» 


164 


EBSchulse:  CEiu  et  cxi^cui  apud  oratores  Atticos. 


dv^Eo^ai 


ab  Isocrate       1  loco  (12,  140) 
a  Dexnosthene  3  locis 


dqp&o^ai 


omnino  4  locie, 

ab  Antipbonte  1  loco  (6,  4) 
ab  Isocrate        1     -     (12,  245) 
a  Demostbene  4  locis 
ab  Aescbine      1  loco  (1,  133) 
a  Dinarcho        1     ■     (2,  3) 

omnino  8  locis, 

dTTOCXilcui      a  Demostbene  1  loco  (14,  24) 
dTrocxncojiat  a  Demostbene  2  locis  (6,  26.  [33],  28) 


iv&0}ia\ 
imcxf\cw 


Karacxiicui 


^eO&ui 


irap&ui 


a  Demostbene  1  loco  ^[51],  11) 

ab  Isaeo  1  loco  (fr.  15  Scbeib.) 

ab  Isocrate       1  loco  (ep.  2,  18) 
a  Demostbenq  1     -     (2,  9) 

omnino  2  locis, 

ab  Isocrate       4  locis' 

a  Demostbene  1  loco  (23,  12) 

omnino  5  locis, 

ab  Andocide     2  locis 
a  Ljsia  2     - 

ab  Isocrate       7     - 
a  Demostbene  3     - 
ab  Aescbine      2 
a  Lycurgo        2     - 

omnino  18  locis, 

ab  Andocide  1  loco  (1,  136) 

a  Lysia  3  locis 

ab  Isocrate  2     -     (12,  134.  15,  165) 

a  Demostbene  2     -     (47,  28.  60,  44) 


omnino  8  locis , 

item  dvTiirap^Sui  a  Demostbene  1  loco  (21,  123), 

irapacxrjcui    ab  Isocrate       2  locis  (6,  71 ,   ubi  Trapdcxui^ev 

praebent  cod.  E  et  corr. 
e,  et  15,  248) 
a  Demostbene  1  loco  ([49],  64,  ubi  irapocrrjcciv 

TPQ) 

omnino  3  locis. 


'  6,  bA,  1,  8  (abi  cod.  F  Blass.  praebet  tcaTacTficeiv  rolrato  errore, 
cf.  Ant.  6,  S8  napocTfico^ai  oodd.,  Dem.  [49],  64  irapacT^C€iv  TpQ)« 
12,  107  (ubi  Karocx^v  Tolg.).   12,  188. 


ERSchnlze:  ^lu  et  qii\c\u  apud  oratore^  Atticos.  166 

Trap^So^ai       ab  Antiphonte^    4  locis 


a  Lysia 

23     . 

ab  Isocrate 

6     - 

a  Oorgia 

1  loco  (Pal.  15) 

ab  Isaeo^ 

24  locis 

a  Demosthene' 

39     - 

ab  Aeschine'' 

12     - 

ab  Dinarcbo 

2     - 

omnino  111  locis, 

Trapacxi^co^at  ab  Antiphonte^    2  locis  (5,  24.  28) 

a  Lysia  1  loco  (9,  8) 

a  Demosthene       3  locis  (20,  126.  [33],  22.  [58],  42) 

omnino  6  locis, 

Trpo^ui  ab  Isocrate  2  locis  (10,  35.  ep.  5,  5) 

TTpoc^Su)  a  Lysia'  2  locis 

ab  Isocrate  6     - 

a  Demosthene       3     - 

omnin<2  11  locis,  I 

cuv^So^m        a  Demosthene      1  loco  (ep.  3,  36), 
i&q>^Siu  ^^  a  Demosthene      5  locis. 

lam  vero  quaerendum  est,  num  aliam  vim  ££ui  habuisse  videatur, 
aliam  cxi^cui.  Dem.  1, 9  rd  b^  ^  AXovTa'oiöjievot  cxilceiVKaXtüC, 
Dem.  5,  18  "ApTcToi  .  .  Ka\  Mecctiviot  .  .  ^x^P^c  cxrjcouci . . 
6Tißaioi  bk  fxouci  ^^v  .  .  ätrexBa^c,  iii  b*  ^x^POT^puic  cxrj- 
couciv,  Dem.  18,45  t&  auTujv  dccpaXuic  cxiiceiv:  cxt^cu)  cum 
adverbiis  coninnctum  est.  item  ii\jj  saepissime  cum  adverbio  copu- 
latum  est:  [Dem.]  13>  36  TrdvO' SSei  KaX(J&c,  19,152  outuic 
£H€iv,  20,  43  ^vb€üüc  ££ei,  [61],  41  ^TKparuic  So^ev,  prooem.  54, 1 
€{;C€ßaic  g£ei,  ep.  1^  12  =  ep.  3,  10  ^Heiv  xaXd^c,  ep.  3,  14  »» 
ep.  5,  4  ouTUiC  lEeiv,  Aleid,  de  soph.  13  eöiröpuic  SSo^ev:  Isocrates 
quidem  ££ui  cum  adverbiis  maximeque  cum  voce  koXuCic  coniungere 
consuevit:  3,  48.  4,  78.  8,  137.  9,  41.  55.  13, 18.  15,  94.  133.  323. 
17,  18.  19,  47.  fr.  III  5  Blass.  —  cum  Dem.  5,  18  cf.  Isoer.  2,  28 
ouTui  cu  Tipöc  ^Kcivouc  EScic,  cum  Dem.  18,  45  cf.  pem.]  33,  8 
TTpoiSat  ÖTTuic  auTip  djc  dcq>aX^CTaTa  ££ei  et  Isoer.  5, 102  cufAqpöpuic 
Ö€iv.  —  Dem.  1, 14  f|cuxio(v  cxncei:  ficuxiav  Seiv  est  [Dem.]  47, 29 
et  Lys.  28,  7 ,  item  TTpdTMaia  Öeiv  Lys.  3,  32.  —  Dem.  19,  272 
€l  ^f|  Tfiv  &xav  TttÜTTiv  äouciav  cxrjceTC  vOv  ujieic :  fere  idem  valet 
quod  est  Isoer.  15,  277  Tf|V  auTfiv  ISo^ev  lauinv  btJvofAiv.  — 
Dem.  23,  128  ^Tib^TTOTC  dXXiiv  fVt&^Tiv  fi  tauxTiv  cxirjceiv:  fere 


*  fr.  71  Blass.  irpdHoiuiat  cod.,  irap^Eoiiat  ci.  Bernhardy.  ^  Isaei 

9,  25  napixopiax  optimus  cod.  A  Scheib.,  cf.  adn.  2.  *  Dem.  19.  235 

irapdSct  pro  iTap^E€Tai  praebent  codd.  Yk  Ddf.,  irpdEci  codd.  As,  irpdHci 
cod.  r.  '  cf.  adn.  2.  »  cf.  adn.  3.  »  10,  10  volgo  irpoc^cic,  cf. 
adn.  2.        ^^  qnod  est  Dem.  19,  324  dirocxi^coMOt,  hoc  nihil  ad  rem. 


166  EBScholze:  fSu>  et  qc^cui  apud  oratores  Attico8. 

idem  est  Dem.  28,  21  riva  ol6c8€  a\ni\v  i|iuxf|V  ££€iv,  örav  .  . 
ibr)  .  .  apud  ceteros  oratores  tvuim^^  '^^^  ££eiv  saepissime  legi- 
tur:  And.  1,  104.  Lys.  2,  45.  6,  6.  12,  36.  22,  21.  26,  14.  27,  7. 
Isoer.  5,  45.  118.  120.  6,  77.  12, 109.  143.  14, 15.  15, 143.  16,  49. 
18,  43.  Aesch.  1,  176.  Din.  1,  3.  99.  ex  quibus  apparet  nihil  fere 
discriminis  intercedere  inter  notionem  formae  äui  et  notionem 
formae  CXH^^*  ne^^e  verbis  compositis  has  dnas  forxnas  diversam 
vim  addidisse  paucis  demonstrare  licet.  ÖTrocxirjcui  et  dmcxif)cui 
singularia  sunt.  Dem.  6,  26  oibkv  ^äXXov  dTTOCX^ccvTai  Tf)c 
OiXiTTTrou  (piXiac  oöb'  i&v  dTraifTtXXeTai  (abstinebunt  Philippi 
amicitia  et  eis  quae  pollicetur),  [33],  28  Tiva  'fäp  ^Xtriba  ^CXOV 
toOtov  dTTOCXilcecOai  \xov  (istum  mihi  temperatoram  esse): 
eodem  modo  dv^EecOai  cum  genetivo  coniunctom  est  Ant  6,  4. 
I&ocr.  12,  245.  Dem.  8,  23.  19,  151.  22,  42  *»  24,  190.  Aesch. 
1,  133.  Din.  2,  3.  —  Karacxi^ceiv  (fore  ut  teneant,  possessnros 
esse)  quinque  est  locis :  Isoer.  5,  64  (töv  töttov  äTravra),  7,  3  (Tf|V 
•eXXdba,  cf.  adn.  3),  12,  107  (Tfjv  'Aciov  äTrocav),  12,  188  (ibc 
TiXeTcTQ  Tujv  äXXoTp(uiv),  Dem.  23,  12  (Tf|V  dpxrjv):  eandem  in 
sententiam  KttO^Seiv  dictum  est  Isoer.  ep.  2,  18  (Tf|V  ÖTidpxoucav 
dpxnv) ,  Dem.  2,  9  (ß(<ji  id  xpr^ait).  —  Trapacxncui  plerumque 
significat  ^se  praebere':  Isoer.  6,  71  toioOtouc  f||iäc  auTOUc  irapa- 
cxr)C0|i€V,  ibd.  15,  248  xp^icifiouc  aÖTOuc  Trapacx^couci.  sed  idem 
Isocrates  15,  165  fjjüieXXov  xp^ici^ouc  onh'ouc  Trap^Setv  (se  utiles 
praebituri  erant).  [Dem.]  49,  64  xd  voOXov  Torv  HuXuiv  itapacxi^- 
C€iv  interpretandum  est  ^allaturum ,  dissoluturum  esse',  quo  ciun 
loco  cf.  Lys.  14,  37  ÖTTocxö^evoc  bi'  ^auTÖv  Trap^Eeiv  ßactX^a 
XpriMora.  —  Trapaqc/jco^at  obiectum  habet  aut  vöjüiouc  koA  dXXoec 
biKaiuiceic  Lys.  9,  8,  aut  ciuiieiov  [Dem.]  58,  42,  aut  fAdpTupa(c) 
Ant.  5,  24.  28  (cf.  adn.  3).  Dem.  20, 126.  [33],  22.  cum  primo  loco 
cf.  Isaei  6,  8  Trap&o^ai  töv  vö^ov  et  Aesch.  3, 14  vö^ov  djüi^Tcpov 
TTap^Eo^ai,  3, 36  Trap^ovrat  vö^ov,  cum  secundo  loco  T€K)Liiipiov(a) 
Trap^EecOat,  quod  est  Isaei  5,  26  et  31  [ubi  TrpoeSö^eOa  cod.  Z 
falso],  9,  16,  denique  |idpTupa(c)  Trotp^SecOai  dictum  esse  non  est 
quod  locis  allatis  probem :  tanta  est  exemplorum  copia. 

Quae  cum  ita  sint,  non  sine  aliqua  probabilitate  conicere  licet 
cxn^^^v  formam  iam  oratorum  Atticorum  aetate  fere  obsoletam  fuisse 
et  ab  usitato  hominum  eruditorum  sermone  remotam.  ex  quo  fäcüe 
intellegitur ,  cur  Isocrates  potissimum  et  Demosthenes  q(rjceiv  for- 
mam amplexi  sint:  alter  enim  in  foro  non  versabatur,  ut  a  con- 
suetudine  aetatis  suae  recedere  facile  posset,  alter,  quem  vim  et 
maiestatem  orationibus  suis  addere  studuisse  constat,  libenter  reti- 
nuit  formam  antiquiorem  eoque  grayiorem. 

ßuDissAE.  Ernestus  Ricardus  Sohxtlzb. 


E Albrecht:  die  gegner  in  der  ersten  rede  des  Isaios.  167 

29. 

DIE  GEGNER  IN  DER  ERSTEN  REDE  DES  ISAIOS. 


Von  entscheidender  bedeutung  filr  die  frage,  welche  von  den  in 
der  ersten  rede  des  Isaios  namhaft  gemachten  personen  dem  spre« 
eher  die  erbschaft  streitig  machten  und  in  welchem  Verhältnis  sie 
zn  einander  standen,  ist,  wie  schon  Blass  (att.  ber.  II  s.  494)  ange- 
deutet hat,  §  44  f.  diejenige  partei,  so  wird  hier  argumentiert,  hat 
mehr  ansprüche,  deren  erbschaft  Eleonymos  angetreten  hätte,  wenn 
einer  aus  derselben  ihm  im  tode  vorangegangen  wäre,  unzweifel- 
haft stellt  der  Sprecher  hier  seiner  partei  alle  gegner  gegenüber, 
ganz  wie  er  sonst  gegen  alle  zusammen  operiert,  wenn  er  dann 
zeigt  dasz,  falls  Pherenikos  oder  einer  seiner  brttder  gestorben  wäre, 
keineswegs  Kleonjmos  sie  beerbt  hätte,  so  kann  die  gegenpartei  nur 
aus  den  eben  genannten  personen  bestanden  haben:  denn  sonst  wäre 
das  argoment,  das  die  ansprüche  aller  gegner  zurfickweisen  soll, 
nichtig,  oder  es  hätte  noch  dargethan  werden  müssen,  dasz  dem 
Eleonymos  auch  der  tod  der  übrigen  kein  recht  auf  ihre  erbschaft 
gegeben  hätte,  sind  die  gegner  nun  brüder,  so  ist  auch  verständ- 
lich ,  dasz  der  Sprecher  in  dem  verwandtschaftlichen  Verhältnis  der- 
selben zu  jenem  gar  keinen  imterschied  macht,  weder  da  wo  er  ihren 
Verwandtschaftsgrad  zu  dem  toten  dem  seinigen  gegenüberstellt 
<§  36  T^V€i  TToOlv  TTpocriKOuctv)  noch  sonst  wo  (vgl.  §  6  £f.  47.  49), 
was  im  andern  falle  mindestens  auffällig  wäre. 

Danach  ist  die  ansieht  Röders  (beitrage  zur  erklärung  und 
kritik  des  Isaios,  Jena  1880),  dasz  auch  Simon  (§31  f.)  und  Kephi- 
«andros  (§  16.  28)  unmittelbar  au  dem  erbstreit  beteiligt  waren, 
eine  ansieht  der  auch  Hitzig  (jahrb.  1881  s.  106)  zuneigt,  zu  ver- 
werfen, für  Eephisandros  zeigt  dies  obenein  §  2 ,  wo  die  eigent- 
lichen gegner  (toutwv  . .  ouTOi)  scharf  von  den  oiKeiot  und  Trpoc* 
fJKOVT€C  geschieden  werden,  die  auf  friedlichem  wege  die  Streitig- 
keiten zu  schlichten  vorgeschlagen  hatten  und  zu  denen  jener  eben 
gehörte  (§  28  6  toutuiv  oiiccToc  vgl.  §  16  oi  TOikwv  q>iXoi  Kai 
Kriqpicavbpoc).  gleichzeitig  erhellt  aus  dieser  stelle  aber  auch,  dasz 
die  gegner  selbst  an  einen  gütlichen  vergleich  nicht  dachten,  man 
konnte  einwenden  dasz  Kephisandros  selbst  nach  §  35  (oihoi  b* 
IpTCfi  Xuouciv  ^6^XovT€C  fifAiv  ico^otpf)cai  Tf)c  ouciac)  zu  den  mit 
oCtoi  bezeichneten  und  nach  §  29  sowie  51  (liZiv  dvTibiKUiv  TiTVUi- 
CKÖVTuiv  fifAäc  biKaiov  elvat  tö  ^^poc  aurd^v  Xaßeiv)  zu  den  dvri- 
biKOX  gehört  (s.  Schömann  s.  173) ;  indes  mUste  man  dann  mit  dem- 
selben recht  alle  übrigen  vermittler  zu  denselben  zählen,  was  nieman- 
dem einfallen  wird,  es  folgt  hieraus  nur  dasz  Kephisandros  sich  in 
dem  process  auf  die  seite  der  gegner  schlug  und  wohl  auch  einer  der 
q)iXoi  war,  die  sie  herbeigerufen  hatten;  in  ähnlicher  weise  wird 
dvTibiKOt  4,  1  und  24  gebraucht,  wenn  die  aussagen  jenes  als  die 
der  processierenden  selbst  hingestellt  werden ,  so  ist  dies  nichts  als 


168  £  Albrecht:  die  gegner  in  der  ersten  rede  des  Isaios. 

ein  sophistischer  knifif,  der  in  unserer  rede  nicht  vereinzelt  dasteht: 
man  beachte  besonders  §  34  (olc  jüi^v  liSjy  ovbk  bieX^T^TO  fiiracav 
boOvai  Tf)V  ouc(av),  wo  redner  so  thut,  als  wäre  Eleonymos  mit  der 
ganzen  gegenpartei  gegen  ende  seines  lebens  zerfallen  gewesen^ 
während  er  es  factisch  nnr  mit  einigen  war  (§  31);  vgl.  auch  Schö- 
mann  zu  3,  66.  dasz  Kephisandros  §  16  selbst  nicht  als  zeuge  für 
den  versuchten  ausgleich  aufgerufen  wird,  was  an  sich  auffällt,  er- 
klärt sich  gleichfalU  bei  der  annähme ,  dasz  er  die  gegenpartei  vor 
gericht  unterstützte,  dasz  der  Sprecher  ihn  trotzdem  auffordern 
konnte,  ist  nicht  zu  bezweifeln  (vgl.  einen  ähnlichen  fall  2,  33); 
wenn  er  es  nicht  gethan  hat,  so  wird  er  dazu  seine  grttnde  gehabt 
haben,  über  die  wir  nichts  sicheres  ermitteln  kennen,  ebenso  wenig 
läszt  sich  mit  bestimmtheit  sagen,  weshalb  er  das  zeugnis  des  Simon 
§  32  nicht  benutzte ;  möglich  dasz  auch  er  zu  jenen  g)iXoi  gehörte. 

Als  solche ,  die  dem  Sprecher  gegenüber  die  erbschaft  für  sich 
in  anspruch  nahmen,  bleiben  also  Pherenikos,  Poseidippos  und 
Diokles  (§  3.  14.  15.  23)  übrig,  dasz  auszer  ihnen  noch  mindestens 
ein  bruder  bei  der  sache  beteiligt  war,  lehrt  §  30  toutuiv  )li€v  Tict 
bidqpopoc  tfiyexo  (vgl.  §  31  irpöc  toutouc  ^t^vcto  f|  btaq>opa. 
34  TOuc  a(nf^  biaq>€po^^vouc).  gewis  konnte  der  Sprecher,  um  die 
Sache  schlimmer  darzustellen  als  sie  war,  so  reden,  auch  wenn  Eleo- 
nymos nur  mit  dem  ^inen  Pherenikos  sich  verfeindete  (vgl.  5,  14 
o\  jLidpTupec  ^dXuicov,  wo  thatsftchlich  nur  6in  zeuge  i|i€ubo|üiapTU- 
piOüv  verurteilt  war);  ohne  jeden  schein  von  richtigkeit  aber  that  er 
es,  wenn  auszer  Poseidippos  und  Diokles,  die  nach  seiner  eignen 
darstellung  als  noch  beim  tode  des  erblassers  mit  demselben  ganz 
gut  befreundet  erscheinen  musten,  kein  weiterer  bruder  da  war. 
dasz  das  haus  der  gegner  (§  44)  aus  mehr  als  vier  brttdem  bestan- 
den habe,  erscheint  mir  sehr  zweifelhaft:  sonst  würden  sich  wohl 
spuren  davon  in  der  rede  finden,  und  aus  demselben  gründe  dürfte 
die  hypothesis  recht  haben,  nach  der  auf  der  andern  seite  sich  nur 
zwei  bruder  befanden,  ich  erkläre  mir  daher  —  ohne  indes  anspruch 
auf  allgemeingültigkeit  meiner  ansieht  zu  machen  —  die  von  den 
vermittlem  vorgeschlagene  teilung  (§  2.  35  ico^oipf^cai.  28  jüi^poc 
^KacTov  ix^w  Tf)c  ouciac.  51  fmfic  tö  jüi^poc  auruiy  Xaßctv)  so, 
dasz  jede  der  beteüigten  personen  ein  sechstel  der  erbschaft  bekom- 
men sollte,  bei  einer  teilung  nach  stammen ,  bei  der  jede  partei  die 
hälfte  erhalten  hätte,  wären  die  gegner  zu  schlecht  weggekommen, 
und  daher  wird  sie  wohl  auch  von  ihren  freunden  nicht  vorgeschla- 
gen worden  sein. 

Berlin.  Emil  Albrecht. 


JBeloch:  die  weihinscbrift  des  Dianahaines  von  Aricia.         169 

30. 

DIE  WEIHINSCHRIFT  DES  DIANAHAINES  VON  ARICIA. 


Ans  Catos  Origines  ist  uns  durch  Priscian  ein  fragment  auf- 
bewahrt, das  allgemein,  und  mit  vollem  recht,  als  eine  der  wichtig- 
sten erhaltenen  Urkunden  zur  altlatinischen  geschichte  betrachtet 
wird :  Zueum  Dianium  in  nemore  Aridno  Egeriua  Laevius  Tusculantts 
dedicavü  dictator  Latinus.  Mpqpuli  communüer:  TiASculanus^  Äri- 
cinuSy  LanuvinuSy  Laurens^  Coranus^  Tiburtis,  PometintiSy  Ardeatis 
B\duiu3  (fr.  58  Peter),  es  ist  kaum  eine  andere  annähme  möglich 
als  dasz  Cato  diese  angaben  einer  inschrift  entnommen  hat;  ja  die 
fassung  der  stelle  ist  der  art,  dasz  man  sich  dem  gefllhl  nicht  ent- 
ziehen kann,  Cato  habe  selbst  den  Wortlaut  des  Originals  zum  grösten 
teil  mit  herttbergenommen.  doch  sei  dem  wie  ihm  wolle ,  jedenfalls 
gestattet  Catos  autoritftt  keinen  zweifei  an  der  richtigkeit  der  hier 
überlieferten  thatsache. 

Für  die  historische  Verwertung  dieser  Urkunde  kommt  natür- 
lich alles  darauf  an,  die  zeit  zu  bestimmen,  in  der  sie  aufgezeichnet 
worden  ist.  freilich  trägt  sie  ein  datum;  für  uns  aber,  denen  die 
latinischen  dictatorenfasten  verloren  sind ,  ist  diese  angäbe  chrono- 
logisch ohne  wert,  und  wir  müssen  suchen  auf  indirectem  wege  zum 
ziele  zu  kommen. 

Da  nun  in  dem  Verzeichnis  der  bundesstädte  Pometia  genannt 
ist,  Norba  und  Signia  fehlen,  Ardea  noch  als  den  Rutulem  gehörig 
bezeichnet  wird ,  habe  ich  die  Urkunde  an  den  anfang  des  fünften 
oder  das  ende  des  sechsten  jh.  vor  unserer  Zeitrechnung  setzen  zu 
müssen  geglaubt  (ital.  bund  s.  179  f.).  dieser  ansatz  ist  kürzlich 
bestritten  worden:  OSeeck  (rh.  mus.  XXXVH  s.  15 — 25)  glaubt  im 
stände  zu  sein  nicht  nur  im  allgemeinen  die  zeit  der  inschrift  be- 
stimmen zu  können,  sondern  sogar  das  genaue  jähr,  in  dem  sie  ge- 
setzt worden  ist:  381  vor  Ch. 

Den  beweis  fttr  diese  behauptung  findet  er  in  dem  bekannten 
Verzeichnis  der  Latinerstädte,  deren  truppen  an  der  schlacht  am  see 
Regillus  teil  nahmen,  bei  Dionysios  V  6 1.  dieses  Verzeichnis  nemlicb 
erklärt  Seeck  für  eine  'schwesterurkunde'  der  inschrift  von  Aricia. 
nun  ist  die  liste  bei  Dionysios  alphabetisch  geordnet,  dre  bei  Cato 
nach  einem  ganz  andern  princip ;  dort  stehen  29,  und  standen  höchst 
wahrscheinlich  30  namen,  hier  nur  8;  dort  fehlt  Pometia,  hier  ist 
es  aufgeführt;  endlich  werden  bei  Dionysios  zwei  crporiiTOl  aÖTO- 
KpdtTopec  genannt,  bei  Cato  6in  didator.  man  sollte  also  glauben 
dasz  es  kaum  zwei  unähnlichere  Urkunden  geben  könne,  indes  welche 
Schwierigkeit  vermöchte  nicht  eine  geschickte  Interpretation  zu  be- 
seitigen? wenn  bei  Dionysios  zwei  Strategen  erwähnt  werden,  so 
ist  der  eine ,  Sex.  Tarquinius  *wohl  auf  grund  des  historischen  Zu- 
sammenhangs, in  welchen  man  die  Urkunde  einzuordnen  versuchte, 
hinzu  erfunden'  (Seeck  ao.  s.  16  anm.  2);  wenn  Pometia  bei  Dio- 


168  £  Albrecht;  die  gegner  in  der  ersten  rede  des  Isaios. 

ein  sophistischer  knifif,  der  in  unserer  rede  nicht  vereinzelt  dasteht; 
man  beachte  besonders  §  34  (olc  jüi^v  £aiv  oübk  bieX^T^TO  fiTiacav 
boCvai  Tf)V  ouc(av),  wo  redner  so  thut,  als  wftre  Eleonymos  mit  der 
ganzen  gegenpartei  gegen  ende  seines  lebens  zerfallen  gewesen^ 
während  er  es  factisch  nnr  mit  einigen  war  (§  31);  vgl.  auch  Schö- 
mann  zu  3,  66.  dasz  Kephisandros  §  16  selbst  nicht  als  zeuge  für 
den  versuchten  ausgleich  aufgerufen  wird,  was  an  sich  auffällt,  er- 
klärt sich  gleichfalte  bei  der  annähme,  dasz  er  die  gegenpartei  vor 
gericht  unterstützte,  dasz  der  Sprecher  ihn  trotzdem  auffordern 
konnte,  ist  nicht  zu  bezweifeln  (vgl.  einen  ähnlichen  fall  2,  33); 
wenn  er  es  nicht  getban  hat,  so  wird  er  dazu  seine  gründe  gehabt 
haben,  über  die  wir  nichts  sicheres  ermitteln  kOnnen.  ebenso  wenig 
läszt  sich  mit  bestimmtheit  sagen,  weshalb  er  das  zeugnis  des  Simon 
§  32  nicht  benutzte ;  möglich  dasz  auch  er  zu  jenen  g){Xoi  gehörte. 

Als  solche ,  die  dem  Sprecher  gegenüber  die  erbschaft  für  sich 
in  anspruch  nahmen,  bleiben  also  Fherenikos,  Foseidippos  und 
Diokles  (§  3.  14.  15.  23)  übrig,  dasz  auszer  ihnen  noch  mindestens 
ein  bruder  bei  der  sache  beteiligt  war,  lehrt  §  30  toutuiv  iiiy  Tict 
bid(popoc  ^T^V€TO  (vgl.  §  31  irpdc  toutouc  ^t^vcto  f|  btaq>opa. 
34  TOuc  a{n(p  biaq>€po^^vouc).  gewis  konnte  der  Sprecher,  um  die 
Sache  schlimmer  darzustellen  als  sie  war,  so  reden,  auch  wenn  Eleo- 
nymos nur  mit  dem  ^inen  Pherenikos  sich  verfeindete  (vgl.  5,  14 
o\  jndprupec  ^dXuicov,  wo  thatsftchlich  nur  6in  zeuge  ipcubo^apTU- 
piu»v  verurteilt  war);  ohne  jeden  schein  von  richtigkeit  aber  that  er 
es,  wenn  auszer  Foseidippos  und  Diokles,  die  nach  seiner  eignen 
darstellung  als  noch  beim  tode  des  erblassers  mit  demselben  ganz 
gut  befreundet  erscheinen  musten,  kein  weiterer  bruder  da  war. 
dasz  das  haus  der  gegner  (§  44)  aus  mehr  als  vier  brttdem  bestan- 
den habe,  erscheint  mir  sehr  zweifelhaft:  sonst  würden  sich  wohl 
spuren  davon  in  der  rede  finden,  und  aus  demselben  gründe  dürfte 
die  hypothesis  recht  haben,  nach  der  auf  der  andern  seite  sich  nur 
zwei  bruder  befanden,  ich  erkläre  mir  daher  —  ohne  indes  anspruch 
auf  allgemeingültigkeit  meiner  ansieht  zu  machen  —  die  von  den 
Vermittlern  vorgeschlagene  teilung  (§  2.  35  ico^oipf^cai.  28  ^^poc 
^KacTov  ixexy  rfic  ouciac.  51  fmfic  tö  jüi^poc  auriüy  Xaßciv)  so, 
dasz  jede  der  beteiligten  personen  ein  sechstel  der  erbschaft  bekom- 
men sollte,  bei  einer  teilung  nach  stammen ,  bei  der  jede  partei  die 
hälfte  erhalten  hätte,  wären  die  gegner  zu  schlecht  weggekommen, 
und  daher  wird  sie  wohl  auch  von  ihren  freunden  nicht  vorgeschla- 
gen worden  sein. 

Berlin.  Emil  Albrecht. 


JBeloch:  die  weihinschrift  des  Dianabaines  von  Aricia.         169 

30. 

DDE  WEIHINSCHRIFT  DES  DIANAHAINES  VON  ARICIA. 


Aus  Catos  Origines  ist  uns  durch  Priscian  ein  fragment  auf- 
bewahrt, das  allgemein ,  und  mit  vollem  recht,  als  eine  der  wichtig* 
sten  erhaltenen  Urkunden  zur  altlatinischen  geschichte  betrachtet 
wird :  Ittcum  Dianmm  in  nemore  Aricino  Egerius  Laevms  TuscuUmus 
dedkavU  didator  Latinas.  MpoptUi  communüer:  TiMCulanuSy  An- 
cinuSy  Lanuvinus^  Laurens^  Coranus^  Tihurtis^  PometintM,  Ardeatis 
Rfdülus  (fr.  58  Peter),  es  ist  kaum  eine  andere  annähme  möglich 
als  dasz  Cato  diese  angaben  einer  inschrift  entnommen  hat;  ja  die 
fassung  der  stelle  ist  der  art,  dasz  man  sich  dem  geflihl  nicht  ent- 
ziehen kann,  Cato  habe  selbst  den  Wortlaut  des  Originals  zum  grösten 
teil  mit  herübergenommen,  doch  sei  dem  wie  ihm  wolle ,  jedenfalls 
gestattet  Catos  autorität  keinen  zweifei  an  der  richtigkeit  der  hier 
überlieferten  thatsache. 

Für  die  historische  Verwertung  dieser  Urkunde  kommt  natür- 
lich alles  darauf  an,  die  zeit  zu  bestimmen,  in  der  sie  aufgezeichnet 
worden  ist.  freilich  trägt  sie  ein  datum;  für  uns  aber,  denen  die 
latinischen  dictatorenfasten  verloren  sind ,  ist  diese  angäbe  chrono- 
logisch ohne  wert,  und  wir  müssen  suchen  auf  indirectem  wege  zum 
ziele  zu  kommen. 

Da  nun  in  dem  Verzeichnis  der  bundesstädte  Pometia  genannt 
ist,  Norba  und  Signia  fehlen,  Ardea  noch  als  den  Rutulem  gehörig 
bezeichnet  wird ,  habe  ich  die  Urkunde  an  den  anfang  des  fünften 
oder  das  ende  des  sechsten  jh.  vor  unserer  Zeitrechnung  setzen  zu 
müssen  geglaubt  (ital.  bund  s.  179  f.).  dieser  ansatz  ist  kürzlich 
bestritten  worden:  OSeeck  (rh.  mus.  XXXVII  s.  15 — 25)  glaubt  im 
Stande  zu  sein  nicht  nur  im  allgemeinen  die  zeit  der  inschrift  be- 
stimmen zu  können,  sondern  sogar  das  genaue  jähr,  in  dem  sie  ge- 
setzt worden  ist:  381  vor  Ch. 

Den  beweis  für  diese  behauptung  findet  er  in  dem  bekannten 
Verzeichnis  der  Latinerstttdte,  deren  trnppen  an  der  Schlacht  am  see 
Regillus  teil  nahmen,  bei  Dionysios  V61.  dieses  Verzeichnis  nemlich 
erklärt  Seeck  für  eine  'schwesterurkunde'  der  inschrift  von  Aricia. 
nun  ist  die  liste  bei  Dionysios  alphabetisch  geordnet,  die  bei  Cato 
nach  einem  ganz  andern  princip;  dort  stehen  29,  und  standen  höchst 
wahrscheinlich  30  namen,  hier  nur  8;  dort  fehlt  Pometia,  hier  ist 
es  aufgeführt;  endlich  werden  bei  Dionysios  zwei  CTpaTT^Tol  aÖTO- 
KpäTOpec  genannt,  bei  Cato  6in  dktator.  man  sollte  also  glauben 
dasz  es  kaum  zwei  unähnlichere  Urkunden  geben  könne,  indes  welche 
Schwierigkeit  vermöchte  nicht  eine  geschickte  Interpretation  zu  be- 
seitigen ?  wenn  bei  Dionysios  zwei  Strategen  erwähnt  werden ,  so 
ist  der  eine.  Sex.  Tarquinius  *wohl  aufgrund  des  historischen  Zu- 
sammenhangs, i^  welchen  man  die  Urkunde  einzuordnen  versuchte, 
hinzu  erfunden'  (Seeck  ao.  s.  16  anm.  2) ;  wenn  Pometia  bei  Dio- 


170        JBeloch:  die  weihinschrift  des  Dianahaines  von  Aricia. 

nysios  fehlt,  so  musz  der  name  eben  ausgefallen  sein,  wodurch  die 
zahl  von  30  bundesstttdten  glücklich  voll  wird;  wenn  bei  Dionysios 
mehr  namen  stehen  als  bei  Cato,  so  ist  diese  letztere  liste  nicht  voll* 
ständig;  die  alphabetische  anordnung  bei  Dionysios  endlich  kann 
nicht  die  ursprüngliche  sein,  so  ist  denn  alles  in  schönster  Ordnung, 
und  die  beiden  'schwesterurkunden'  sind  fertig. 

Da  nun  in  der  liste  bei  Dionysios  einerseits  Tnscolum  vor- 
kommt, das  381  vor  Ch.  als  municipium  in  den  römischen  staat 
aufgenommen  worden  ist,  anderseits  das  382  als  latinische  colonie 
gegründete  Setia,  so  müssen  die  beiden  'schwesterurkunden'  der 
Zwischenzeit  angehören ,  und  da  sie  aus  verschiedenen  jähren  sind, 
wie  die  verschiedenen  dictatorennamen  beweisen ,  so  musz  die  eine 
im  j.  382,  die  andere  im  j.  381  abgefaszt  sein,  welch  eigentümlicher 
Zufall ,  dasz  wir  gerade  nur  aus  diesen  beiden  jähren  Urkunden  des 
Latinerbundes  besitzen,  und  dasz  der  dictator  in  beiden  jähren  aus 
Tusculum  war! 

Bei  dieser  ganzen  ausführung  ist  nur  der  kleine  umstand  ver- 
gessen ,  dasz  weder  das  jähr  der  aufnähme  Tusculums  in  den  römi- 
schen bürgerverband  nodi  das  jähr  der  colonisierung  von  Setia  hin- 
reichend feststehen,  von  Tusculum  erzählt  Livius  VI  26  unter  dem 
kriegstribunat  des  M.  Furius  Camillus,  A.  und  L.  Postumius,  L.  Furios, 
L.  Lucretius,  M.  Fabius,  dh.  nach  der  gewöhnlichen  gleichung  381 
vor  Gh.,  dasz  die  bürger  der  stadt  pacem  nee  Ua  muUo  past  civUatem 
etiam  impetraverufU.  dasz  sie  die  civitftt  noch  in  demselben  jähre 
erhalten  haben ,  folgt  daraus,  wie  man  sieht,  keineswegs,  immerhin 
liesze  sich  erwidern,  dasz  Tusculum  in  folge  der  ereignisse  dieses 
Jahres  aus  dem  latinischen  bunde  habe  austreten  müssen.  —  Viel 
problematischer  steht  es  mit  dem  ansatz  der  gründung  von  Setia. 
wir  haben  darüber  zunächst  die  angäbe  des  Vellejus  1 14, 2  post  Septem 
annoSy  quam  GhMi  urhem  ceperant,  Sutrium  deducta  cdania  estetposi 
annum  Setia.  Livius  dagegen  VI  30  berichtet  unter  dem  tribunat 
des  P.  und  C.  Manlius,  L.  Julius,  C.  Seztilius,  M.  Albinius,  L.  An- 
tistius,  also  379:  eodem  anno  Säiam  ipsis  querentibus  penuriam 
hominum  novi  odUmi  adscripti.  es  wird  niemand  glauben,  Livius 
spreche  hier  von  einer  verst-ärkung  der  vor  drei  jähren  deducierten 
colonie  —  er  hatte  diese  deduction  ja  gar  nicht  berichtet;  vielmehr 
steht  novi-colom  hier  im  gegensatz  entweder  zu  der  alteinheimischen 
büvölkerung  der  stadt,  oder  aber  es  gab  von  Setia  wie  von  Ciroei 
eine  tradition,  die  die  erste  gründung  der  römischen  colonie  in  sehr 
frühe  Zeiten  hinaufrückte,  es  ist  klar  dasz  Livius  und  Vellejus  die* 
selbe  thatsache  berichten ,  wenn  auch  mit  einer  kleinen  chronologi- 
schen differenz,  wie  sie  auch  sonst  zwischen  den  angaben  beider 
Schriftsteller  vorkommt:  setzt  doch  Vellejus  zb.  die  gründung  der 
colonie  Nepete  ganze  zehn  jähre  später  als  Livius.  die  von  Livius 
benutzten  annalen  setzten  also  die  deduction  von  Setia  drei  jähre 
später  als  die  eroberung  von  Tusculum  durch  die  Römer. 

Dem  gegenüber  verliert  der  chronologische  ansatz  der  beiden 


JBeloch:  die  weihinschrift  des  Dianahainea  von  Aricia.        171 

'schwesierurkunden'  auf  die  j.  382  und  381  allen  halt,  aber  auch 
ganz  abgesehen  davon  ist  es  bei  der  beschaffenheit  unserer  Über- 
lieferung über  die  römische  geschichte  dieser  zeit  ein  sehr  misliches 
ding ,  irgend  ein  ereignis ,  das  ohne  consular-  oder  kriegstribunen- 
datum  überliefert  ist,  chronologisch  genau  fixieren  zu  wollen. 

Dasz  aber  unsere  inschrift  überhaupt  nicht  in  das  vierte  jh.  ge- 
hören kann,  zeigt  folgende  betrachtung,  zu  der  es  mir  gestattet  sein 
möge  etwas  weiter  auszuholen. 

Der  alte  Latinerbund ,  der  in  dem  tempel  des  Juppiter  Latiaris 
auf  dem  Albanerberge  seinen  sacralen  mittelpunkt  hatte,  dessen 
politisches  haupt  erst  Alba,  dann  Bom  gewesen  ist,  war  eine  orga- 
nische bildung^  deren  Ursprung  sich  im  dunkel  der  vorzeit  verliert, 
alle  glieder  der  nation  waren  anteilberechtigt';  und  da  die  zahl 
30  in  den  politischen  bildungen  Latiums  wie  in  der  sage  eine  so 
grosze  rolle  spielt,  so  ist  es  sehr  wahrscheinlich,  dasz  der  bund  ur- 
sprünglich in  der  that  gerade  30  gemeinden  umfaszt  hat.  da  femer 
die  politische  seite  des  bundes  hinter  der  sacralen  zurücktrat,  so 
konnten  auch  städte ,  die  ihre  Selbständigkeit  verloren  hatten ,  an- 
teilberechtigt bleiben ,  dann  wenigstens ,  wenn  ihr  gebiet  mit  dem 
einer  andern  latinischen  gemeinde  —  Bom  zb.  —  vereinigt  war,  die 
für  die  untergegangene  stadt  das  Stimmrecht  ausüben  konnte,  ob 
freilich  gemeinden ,  die  durch  eroberung  von  auszen  vom  bunde  ab- 
gerissen waren,  für  die  also  niemand  mehr  da  war,  der  das  Stimm- 
recht hätte  ausüben  können ,  in  der  liste  der  bundesglieder  weiter- 
geführt wurden,  ist  eine  andere  frage,  da  aber  die  neugegründeten 
latinisch-römischen  colonien  ohne  zweifei  in  die  festgenossenschaft 
aufgenommen  wurden,  so  liesz  sich  die  alte  normalzahl  auch  ohne 
künstliche  eingriffe  annähernd  festhalten. 

Der  Latinerbund  dagegen,  mit  dem  Bom  493  das  Cassische 
bündnis  schlosz  und  anderthalb  Jahrhunderte  später  den  Latiner- 
krieg  führte,  war  eine  künstliche  Schöpfung  zu  politischen  zwecken. 
Bom  war  ausgeschlossen,  und  demgemäsz  präsidierten  auf  den  bundes- 
tagen  nicht,  wie  bei  dem  feste  des  Latiar,  die  römischen  magistrate, 
sondern  die  dictatoren  von  Latium.  wir  müssen  also  beide  bünde 
viel  schärfer  auseinanderhalten  als  es  gewöhnlich  geschieht 

Über  die  ereignisse,  die  zur  bildung  dieses  neuen  Latinerbundes 
geführt  haben,  läszt  uns  unsere  Überlieferung  freilich  im  dunkeln, 
wie  sollten  wir  auch  davon  künde  haben,  da  die  latinischen  annalen 
verschollen  sind?  da  aber  schon  das  foedus  Cassianum  das  bestehen 

^  dasz  je  ein  albanisober  bund  in  dem  engern,  dnreh  Plinius  nat, 
hist,  III  68  f.  angegebenen  umfang  bestanden  habe,  wie  Seeck  behauptet 
(ao.  B.  3 — 16),  ist  schon  aus  geographischen  gründen  höchst  unwahr- 
scheinlich; dasz  Seecks  hjpothese  auch  historisch  keine  begründung 
hat,  ist  von  Mommsen  (Hermes  XVII  s.  42  ff.)  gezeigt  worden,  freilich 
kann  ich  auch  Mommsens  ergebnissen  nicht  zustimmen,  meine  viel- 
mehr dasz  die  erklftrung  der  Pliniusstelle  auf  ganz  anderm  wege  zu 
suchen  ist;  doch  würde  es  zu  weit  führen  hier  näher  auf  diese  frage 
einzugehen. 


170        JBelooh:  die  weihinschrift  des  Dianahaines  von  Aricia. 

nysios  fehlt,  so  musz  der  name  eben  ausgefallen  sein,  wodurch  die 
zahl  von  30  bundesstädten  glttcklich  voll  wird;  wenn  bei  Dionysios 
mehr  namen  stehen  als  bei  Cato,  so  ist  diese  letztere  liste  nicht  voll- 
ständig; die  alphabetische  anordnung  bei  Dionysios  endlich  kann 
nicht  die  ursprüngliche  sein,  so  ist  denn  alles  in  schönster  Ordnung, 
und  die  beiden  'schwesterorkunden'  sind  fertig. 

Da  nun  in  der  liste  bei  Dionysios  einerseits  Tascolüm  vor- 
kommt, das  381  vor  Ch.  als  municipium  in  den  römischen  staat 
aufgenommen  worden  ist,  anderseits  das  382  als  latinische  colonie 
gegründete  Setia,  so  müssen  die  beiden  'schwesterurkunden'  der 
Zwischenzeit  angehören,  und  da  sie  aus  verschiedenen  jähren  sind, 
wie  die  verschiedenen  dictatorennamen  beweisen ,  so  musz  die  eine 
im  j.  382,  die  andere  im  j.  381  abgefaszt  sein,  welch  eigentümlicher 
Zufall ,  dasz  wir  gerade  nur  aus  diesen  beiden  jähren  Urkunden  des 
Latinerbundes  besitzen,  und  dasz  der  dictator  in  beiden  jähren  aus 
Tusculum  war! 

Bei  dieser  ganzen  ausflihrung  ist  nur  der  kleine  umstand  ver- 
gessen ,  dasz  weder  das  jähr  der  aufnähme  Tuscalums  in  den  römi- 
schen bürgerverband  noch  das  jähr  der  colonisierung  von  Setia  hin- 
reichend feststehen,  von  Tusculum  erzählt  Livius  VI  26  unter  dem 
kriegstribunat  des  M.  Furius  Camillus,  A.  und  L.  Postumius,  L.  Furius, 
L.  Lucretius,  M.  Fabins,  dh.  nach  der  gewöhnlichen  gleichung  381 
vor  Ch.,  dasz  die  bürger  der  stadt  pacem  nee  Ua  müUo  past  cwitatem 
etiam  impetraveru/fU.  dasz  sie  die  civitftt  noch  in  demselben  jähre 
erhalten  haben ,  folgt  daraus,  wie  man  sieht,  keineswegs,  immerhin 
liesze  sich  erwidern,  dasz  Tusculum  in  folge  der  ereignisse  dieses 
Jahres  aus  dem  latinischen  bunde  habe  austreten  müssen.  —  Viel 
problematischer  steht  es  mit  dem  ansatz  der  gründung  von  Setia. 
wir  haben  darüber  zunächst  die  angäbe  des  Yellejus  1 14, 2  post  Septem 
annos^  quam  CMU  urhem  ceperant,  Sutrium  deducta  cdania  est  et  post 
annum  Setia.  Livius  dagegen  VI  30  berichtet  unter  dem  tribunat 
des  P.  und  C.  Manlius,  L.  Julius,  C.  Seztiüus,  M.  Albinius,  L.  An- 
tistius,  also  379:  eadem  anno  Setiam  ^ms  querentibus  penuriam 
hotninum  novi  odUmi  adscripti.  es  wird  niemand  glauben,  Livius 
spreche  hier  von  einer  verstlürkung  der  vor  drei  jähren  deducierten 
colonie  —  er  hatte  dieee  deduction  ja  gar  nicht  berichtet;  vielmehr 
steht  novi'Colom  hier  im  gegensatz  entweder  zu  der  alteinheimischen 
bevölkerung  der  stadt,  oder  aber  es  gab  von  Setia  wie  von  Ciroei 
eine  tradition,  die  die  erste  gründung  der  römischen  colonie  in  sehr 
frühe  Zeiten  hinaufrückte,  es  ist  klar  dasz  Livius  und  Vellejus  die* 
selbe  thatsache  berichten,  wenn  auch  mit  einer  kleinen  chronologi* 
sehen  differenz,  wie  sie  auch  sonst  zwischen  den  angaben  beider 
schriftsteiler  vorkommt:  setzt  doch  Vellejus  zb.  die  gründung  der 
colonie  Nepete  ganze  zehn  jähre  später  als  Livius.  die  von  Lavins 
benutzten  annalen  setzten  also  die  deduction  von  Setia  drei  jähre 
später  als  die  eroberung  von  Tusculum  durch  die  Römer. 

Dem  gegenüber  verliert  der  chronologische  ansatz  der  beiden 


JBeloch:  die  weihiuschrift  des  Dianahainea  von  Aricia.        171 

'schwesterurkunden'  auf  die  j.  382  und  381  allen  halt,  aber  auch 
ganz  abgesehen  davon  ist  es  bei  der  beaohaffenheit  unserer  Über- 
lieferung über  die  römische  geschichte  dieser  zeit  ein  sehr  misliches 
ding ,  irgend  ein  ereignis ,  das  ohne  consular-  oder  kriegstribunen- 
datum  überliefert  ist,  chronologisch  genau  fixieren  zu  wollen. 

Dasz  aber  unsere  Inschrift  überhaupt  nicht  in  das  vierte  jh.  ge- 
hören kann,  zeigt  folgende  betrachtung,  zu  der  es  mir  gestattet  sein 
möge  etwas  weiter  auszuholen. 

Der  alte  Latinerbund ,  der  in  dem  tempel  des  Juppiter  Latiaris 
auf  dem  Albanerberge  seinen  sacralen  mittelpunkt  hatte,  dessen 
politisches  haupt  erst  Alba,  dann  Bom  gewesen  ist,  war  eine  orga- 
nische bildungy  deren  Ursprung  sich  im  dunkel  der  vorzeit  verliert 
alle  glieder  der  nation  waren  anteilberechtigt*;  und  da  die  zahl 
30  in  den  politischen  bildungen  Latiums  wie  in  der  sage  eine  so 
grosze  rolle  spielt,  so  ist  es  sehr  wahrscheinlich,  dasz  der  bund  ur- 
sprünglich in  der  that  gerade  30  gemeinden  umfaszt  hat.  da  femer 
die  politische  seite  des  bundes  hinter  der  sacralen  zurücktrat,  so 
konnten  auch  städte,  die  ihre  Selbständigkeit  verloren  hatten,  an- 
teilberechtigt bleiben ,  dann  wenigstens ,  wenn  ihr  gebiet  mit  dem 
einer  andern  latinischen  gemeinde  —  Bom  zb.  —  vereinigt  war,  die 
für  die  untergegangene  Stadt  das  Stimmrecht  ausüben  konnte,  ob 
freilich  gemeinden,  die  durch  eroberung  von  auszen  vom  bunde  ab- 
gerissen waren,  für  die  also  niemand  mehr  da  war,  der  das  Stimm- 
recht hätte  ausüben  können ,  in  der  liste  der  bundesglieder  weiter- 
geführt wurden,  ist  eine  andere  frage,  da  aber  die  neugegründeten 
latinisch-römischen  colonien  ohne  zweifei  in  die  festgenossenschaft 
aufgenommen  wurden,  so  liesz  sich  die  alte  normalzahl  auch  ohne 
künstliche  eingriffe  annähernd  festhalten. 

Der  Latinerbund  dagegen,  mit  dem  Bom  493  das  Cassische 
bündnis  schlosz  und  anderthalb  Jahrhunderte  später  den  Latiner- 
krieg  führte,  war  eine  künstliche  Schöpfung  zu  politischen  zwecken. 
Bom  war  ausgeschlossen,  und  demgemäsz  präsidierten  auf  den  bundes- 
tagen  nicht,  wie  bei  dem  feste  des  Latiar,  die  römischen  magistrate, 
sondern  die  dictatoren  von  Latium.  wir  müssen  also  beide  bünde 
viel  schärfer  auseinanderhalten  als  es  gewöhnlich  geschieht 

Über  die  ereignisse,  die  zur  bildung  dieses  neuen  Latinerbundes 
geführt  haben,  läszt  uns  unsere  Überlieferung  freilich  im  dunkeln, 
wie  sollten  wir  auch  davon  künde  haben,  da  die  latinischen  annalen 
verschollen  sind?  da  aber  schon  das  foedus  Cassianum  das  bestehen 

^  dasz  je  ein  albanisober  bnnd  in  dem  engern,  dnrch  Plinius  nat, 
htst,  III  68  t,  angegebenen  umfang  bestanden  habe,  wie  Seeck  behauptet 
(ao.  s.  3 — 16),  ist  schon  aus  geographischen  gründen  höchst  unwahr- 
scheinlich; dasz  Seecks  hjpothese  auch  historisch  keine  begründung 
hat,  ist  von  Mommsen  (Hermes  XVII  s.  42  ff.)  gezeigt  worden,  freilich 
kann  ich  auch  Mommsens  ergebnissen  nicht  zustimmen,  meine  viel- 
mehr dasz  die  erklftrung  der  Pliniusstelle  auf  ganz  anderm  wege  zu 
suchen  ist;  doch  würde  es  zu  weit  führen  hier  näher  auf  diese  frage 
einzugehen. 


172        JBeloch:  die  weihinschrift  des  Dianahaines  von  Aricia. 

dieses  bundes  voraussetzt,  wird  die  annähme  gerechtfertigt  sein,  dasz 
Latium  die  inneren  wirren  in  Born  beim  stürze  der  königsherschaft 
benutzte,  sich  staatlich  zu  consolidieren  und  von  der  römischen  hege- 
monie  zu  befreien. 

Seeck  meint  nun,  die  neue  latinisohe  bundesverfassung  sei  nichts 
gewesen  als  eine  copie  der  Verfassung  der  albanischen  festgenossen- 
Schaft,  wobei  denn  der  bekannte  gemeinplatz  von  der  Unfähigkeit  der 
italischen  Völker  zur  hervorbringung  originaler  politischer  Schöpfun- 
gen natürlich  nicht  fehlen  darf,  diese  auffassung  aber  ist  auf  grund 
des  vorhandenen  quellenmaterials  in  keiner  weise  berechtigt,  wir 
sehen  im  gegenteil,  wie  der  neue  latinische  bund  in  bewustem  gegen- 
satz  zur  albanischen  festgenossenschaft  sich  entwickelt  hat:  hier  die 
hegemonie  erst  Albas,  dann  Boms,  dort  ein  verein  gleichberechtigter 
stftdte^;  hier  eine  lose  gemeinschaft  hauptsächlich  sacralen  charak« 
ters ,  dort  eine  enge  Verbindung  zur  erreichung  politischer  zwecke. 
wir  haben  nicht  den  geringsten  anhält  zu  der  annahmre,  dasz  der 
neue  bund  die  albanische  festgenossenschaft  gerade  in  dem  Suszer- 
lichen  punkte  der  zahl  der  mitglieder  copiert  haben  sollte,  um  so 
weniger  als  beide  bflndnisse  gleichzeitig  neben  einander  bestanden 
haben.  Schweglers  behauptung  (röm.  gesch.  11  297) ,  es  sei  'gewis, 
dasz  es  der  bundesstftdte,  die  im  j.  261  d.  st.  das  Cassische  bOndnis 
mit  Bom  geschlossen  haben ,  eben  dreiszig  gewesen  sind',  schwebt 
vollständig  in  der  luft;  er  weisz  kein  einziges  zeugnis  dafür  anzu- 
führen als  den  formelhaften  ausdruck  trigifUa  papuU  ^  mit  dem  die 
annalisten  in  der  erzählung  der  ereignisse  der  königszeit  und  der 
ersten  jähre  der  republik  vor  dem  Cassischen  bttndnis  hin  und  wie- 
der die  gesamtheit  der  Latinerstädte  bezeichnen,  dasz  ein  solcher 
ausdruck  in  keiner  hinsieht  für  die  entscheidung  unserer  frage  be* 
weisend  ist,  bedarf  keiner  bemerkung,  und  in  der  that  hat  Seh  wegler 
selbst  darauf  kein  gewicht  gelegt,  was  ihn  zu  seiner  behauptung 
bestimmt  hat,  ist  einzig  die  hjpothese  Niebuhrs,  wonach  das  städte* 
Verzeichnis  bei  Dionysios  V  61  der  Urkunde  des  Cassischen  Vertrags 
entnommen  sein  soll  —  eine  hjpothese  die  heute  wohl  von  nieman- 
dem mehr  vertreten  wird,  wenn  irgend  etwas  aus  dieser  zeit  gewis 
ist ,  80  ist  es  höchstens  die  thatsache  dasz  es  im  j.  493  überhaupt  in 
Latium  keine  dreiszig  selbständige  gemeinden  mehr  gegeben  hat.* 
und  es  wäre  gegen  alle  geschichtliche  analogie,  dasz  ein  neubegrün* 
deter  bundesstaat  nicht  mehr  unabhängige  gemeinden  oder  gar  solche 
die  nie  upabhängig  gewesen  sind  in  die  liste  seiner  mitglieder  anf- 
nimt,  blosz  um  eine  ideale  normalzahl  zu  erreichen. 

Nun  ist  ohne  weiteres  klar,  dasz  wir  es  bei  der  weihinschrift 
von  Aricia  mit  einer  Urkunde  nicht  der  albanischen  festgenossen- 
schaft, sondern  des  engem  Latinerbundes  zu  thun  haben;  trägt  doch 

*  wenn  Seeck  an  eine  toscnlanisehe  hegemonie  im  nenen  Latiner- 
band  denkt,  so  ist  das  eine  völlig  haltlose  hjpothese.  *  vgl.  itaL 

band  s.  179—86,  eine  nntersnchnng  deren  ergebnissen  aach  Seeck  im 
wesentlichen  zustimmt. 


JBeloch:  die  weihinBchrift  des  Dianahaines  von  Aricia.        173 

das  document  an  der  spitze  den  namen  des  dictators  von  Latium. 
nach  dem  gesagten  müssen  also  sämtliche  darin  aufgeführte  popuU 
zur  zeit  der  abfassung  der  Urkunde  selbständige  Staaten  gebildet 
haben,  damit  ist  denn  zugleich  erwiesen  dasz*  die  inschrift  in  die 
zeit  vor  der  zerstärung  von  Pometia  gehört. 

Aber  wann  ist  denn  Pometia  zerstört  worden  ?  fest  steht  zunächst 
dasz  der  ager  Pam^inua  gleich  nach  dem  gallischen  brande  durch 
Camillus  den  Volskem  entrissen  worden  ist  (Livius  VI  5) ;  in  den 
nächsten  jähren  erhalten  römische  bUrger  hier  land  angewiesen  (ebd. 
VI  16.  21),  aus  dem  später  die  tribtts  Pomptina  und  vielleicht  auch 
die  Puiblüia  gebildet  worden  sind,  da  eine  stadt  Pometia  weder  jetzt 
noch  später  erwähnt  wird ,  sondern  immer  nur  der  ager  Pomptinius^ 
so  ist  der  schlusz  unabweisbar  dasz  Pometia  —  wenn  Seeck  lieber 
will,  Suessa  Pometia  —  schon  um  den  anfang  des  vierten  jh.  nicht 
mehr  bestanden  hat.  ebenso  wenig  aber  wird  Pometia  während  der 
siebzigjährigen  Yolskerkriege  erwämt,  die  jenem  siege  des  Camillus 
vorangehen ;  und  doch  hätte  die  stadt  in  diesen  kriegen  eine  bedeu- 
tende rolle  spielen  müssen,  wenn  sie  überhaupt  noch  vorhanden  war. 
damit  stimmt  nun  aufs  beste,  dasz  Livius  U  17.  25  die  Zerstörung 
von  Pometia  schon  während  der  ersten  jähre  der  republik  berichtet, 
und  zwar  zweimal  nach  verschiedenen  quellen  mit  geringer  chrono- 
logischer differenz  (502  und  495).  so  wenig  auch  eines  dieser  data 
absoluten  wert  beanspruchen  kann,  so  ist  doch  so  viel  gewis,  dasz 
die  Zerstörung  von  Pometia  schon  in  sehr  früher  zeit  erfolgt  sein 
musz.  wenn  eine  Vermutung  gestattet  ist,  würde  ich  den  Untergang 
der  Stadt  in  den  an&ing  der  Yolskerkriege  setzen,  etwas  vor  die 
initte  des  fünften  jh.  denn  das  ist  doch  wohl  sicher,  dasz  die  lati- 
nische bundesstadt  Pometia  durch  die  Yolsker,  nicht  durch  die  Bömer 
zerstört  worden  ist. 

Es  gibt  aber  noch  einen  andern  grund,  der  uns  veranlaszt  un- 
sere Urkunde  an  das  ende  des  sechsten  oder  den  anfang  des  fünften 
jh.  zu  setzen,  der  neubegründete  Latinerbund  muste  naturgemäsz 
bestrebt  sein  durch  einrichtung  von  bundesfesten  an  geweihten 
iftätten  auch  ein  religiöses  band  um  seine  mitglieder  zu  knüpfen, 
als  solche  bundesheiligttüner  kennen  wir  auszer  unserm  aricinischen 
Dianahain  den  hain  der  Yenus  am  Numicius  zwischen  Ardea 
und  Lavinium^   und   den  Dianahain   auf   dem    hügel    Corne  bei 


*  Strabon  V  s.  232  dvÄ  yiicov  hk  toOtujv  tuiv  tcöXeujv  (Ostia  und 
Antinm]  kcz\  t6  Aaouivtov,  Ixcv  KOtvöv  tuiv  AaTivujv  icpöv  *A(ppo5(Tiic  * 
4iTt|ji€XoOvTat  6*  aÖToO  6i&  irpoiröXujv  'Apbcäxar  cTxa  Aaupcvröv.  öir^p- 
Kctrai  hi  ToCrruJV  i^  'Apö^a,  KaroiKia  ToutoOXwv  iv  lßöo|Ji/)KovTa  cra- 
biotc  dir6  Tf)c  6aXdTTT)C.  Scrt  hk  Kai  Taöxric  nXiiclov  *A9po&(ctov,  öirou 
TCavr)tDp(Zouci  Aartvoi.  dasz  hier  Strabon  seine  quelle  misverstanden 
oder  sich  angeschickt  aasgedrückt  hat  und  in  Wahrheit  nur  ^in  heilig- 
tum  der  Venus  Ewischen  Lavinium  und  Ardea  bestand,  bedarf  keines 
beweises.  den  ort  hat  Nibbj  (Diutorni  I'  208  —  8)  nachgewiesen  in 
der  Tenuta  Campi  Jemini  an  der  mtindung  des  Rio  Torto  (Numicius), 
die  in  mittelalterlichen  Urkunden  als  camptts  Veneria  bezeichnet  wird. 


174        JBeloch:  die  weihinschrift  dee  Dianahames  von  Aricia. 

Tusculum.^  es  ist  selbstverstSndlich ,  dasz  diese  heiligen  stfttten 
schon  seit  nnvordenklichen  Zeiten  bestanden ;  die  dedication  durch 
den  latinischen  dictator  bezweckte  nichts  anderes  als  dasz  sie  hin- 
fort als  bundesheiligtüiner  zn  gelten  hStten.  offenbar  mnste  diese 
dedication  gleich  nach  der  begrttndung  des  bundes  vorgenommen 
werden;  und  da  der  band;  wie  das  foeäias  (Jassiamim  beweist,  schon 
im  j.  493  bestand ,  so  föllt  die  weihung  des  Dianahaines  bei  Aricia 
durch  den  dictator  Egerius  Laevius  notwendig  vor  dieses  jähr. 

Es  bleibt  noch  die  frage ,  ob  das  Verzeichnis  der  an  der  dedica- 
tion teilnehmenden  stftdte,  so  wie  es  uns  Priscian  überliefert  hat> 
vollständig  ist.  denn  da  Priscian  die  Urkunde  nur  wegen  der  un- 
gewöhnlichen form  Ardeatis  überhaupt  anführt,  so  liegt  die  Ver- 
mutung nahe ,  dasz  er  alle  bei  Cato  noch  folgenden  namen  einfach 
fortgelassen  hat  (Schwegler  ao.  II  s.  298  anm.  1).  trotzdem  hat 
Mommsen  (röm.  gesch.  I^  352)  kein  bedenken  getragen  das  ver* 
zeicbnis  als  vollständig  anzuerkennen ,  und  ich  selbst  habe  an  an- 
derer stelle  (ital.  bund  s.  179  f.)  aus  der  feige,  in  der  die  bundes* 
Städte  aufgeführt  werden,  den  beweis  dafür  zu  führen  versucht,  auch 
liegt  es  in  der  natur  der  sache ,  dasz  der  bund  in  den  ersten  jähren 
seines  bestehens  nur  einen  teil  der  von  Bom  noch  unabhängigen 
latinischen  gemeinden  umfassen  konnte,  man  denke  nur  an  die  art, 
wie  der  ätolische  und  achftische  bund  oder  die  schweizer  eidgenossen- 
Schaft  sich  entwickelt  haben.  Praeneste,  Pedum,  Nomentum,  die 
wir  zur  zeit  des  Latinerkrieges  als  bundesglieder  finden,  können 


da  die  Ardeaten  die  vorstandschaft  des  tempels  hatten,  so  lag  dieser 
offenbar  auf  dem  gebiete  von  Ardea  (vgl.  Sitins  VIII  869,  ein  aengnis 
das  freilich  sehr  wenig  beweist),  aber  äher  an  Laviniom  als  an  jener 
Stadt,  woraus  sich  die  dittographie  bei  Strabon  erklärt.  Plinins  III  57 
und  Mela  II  71  setsen  das  Aphroduium  Ewischen  Antium  und  Ardea; 
der  gemeinsame  Irrtum  zeigt,  dasz  sie  dieselbe  quelle  benutzt  haben, 
der  griechische  name,  dasz  diese  quelle  ein  g^ecbisches  werk  war  (vgl. 
meine  abh.  über  die  quellen  Strabons  in  der  beschreibung  Campaniens 
in  den  Atti  della  R.  Aocademia  dei  Lincei  1882).  das  jäirliche  opfer, 
das  die  römischen  magistrate  später  der  Vesta  und  den  Penaten  in 
Lavinium  darbrachten  (Servius  Aen.  11  296.  III  12.  Val.  Max.  I  6,  7. 
Macrobius  III  4,  11),  hat  mit  diesem  latinischen  bundesfest  zu  ehren 
der  Venus  natürlich  nicht  das  geringste  zu  thun. 

^  Plinius  XVI  242  est  in  suburbano  Tusculani  agri  colle,  qui  Come 
appeUaiur^  lucus  antiqua  religione  Dianae  iacratu*  a  Lotio,  dieser  hain  ist 
offenbar  identisch  mit  dem  berühmten  Dianaheiligtum  auf  dem  Alridus, 
dessen  Horatius  erwähnt  (carm.  I  21,  6.  carm»  saec.  69).  der  Algidus 
ist  den  Römern  der  ersten  kaiserseit  die  nördliche  bergkette  des  Albaner- 
gebirges von  Frascati  bis  zur  Cava  dell*  Aglio  jenseits  Rooca  Priora, 
auf  deren  höhe  die  ruinen  von  Tusculum  liegen,  es  wäre  nun  sehr  auf- 
fallend, wenn  in  der  unmittelbaren  Umgebung  dieser  Stadt  zwei  be- 
rühmte cultstätten  der  Diana  bestanden  hätten:  denn  es  ist  doch  von 
selbst  klar,  dasz  nur  den  bedeutendsten  heiligtümem  im  latinisoben 
bundesgebiet  die  ehre  widerfuhr,  zu  bundesheiligtümem  erklärt  zu 
werden,  danach  würde  der  hügel  Come  im  osten  von  Tusculum  in 
suchen  sein,  zwischen  hier  und  Rocca  Priora,  und  entweder  der  Mon- 
tagnola  di  Monte  Porzio  oder  dem  Monte  Salomone  entsprechen. 


JBeloch:  die  weihinschrifb  des  Dianahaines  von  Aricia.        175 

später  beigetreten  sein,  wie  das  von  den  latinischen  colonien  Signia, 
Norba,  Circei,  Setia  unzweifelhaft  ist,  wenigstens  von  den  beiden 
letzteren.  Gabii,  durch  sein  foedus  aufs  engste  mit  Born  vereinigt, 
hat  dem  bunde  wohl  niemals  angehört',  Labicum  und  Bola  sind  so 
früh  von  den  Aequem  erobert  worden ,  dasz  ihre  ganze  ältere  ge* 
schichte  verschollen  ist.  , 

Jedenfalls  wird  die  'schwesterurkunde'bei  Dionjsios  nicht  gegen 
die  hier  vertretene  auffassung  ins  feldgeführt  werden  können,  ein  ver* 
zeichnis,  worin  Setia  und  Circei  als  latinische  gemeinden  vorkom- 
men,  kann  unmöglich  bis  ins  fünfte  oder  gar  ans  ende  des  sechsten 
jh.  hinaufgerückt  werden,  und  überhaupt  haben ,  wie  auch  Seeck 
ausdrücklich  anerkennt,  die  darin  aufgeführten  gemeinden  niemals 
zu  gleicher  zeit  als  selbständige  latinische  Staaten  bestanden,  im 
besten  falle  also  kann  das  Verzeichnis  bei  Dionysios  auf  die  albanische 
festgenossenschaft  sich  beziehen,  und  das  ist  bekanntlich  die  ansieht 
Mommsens.  ich  kann  mich  aber  jetzt  so  wenig  wie  früher  über- 
zeugen, wie  eine  liste  dieser  art,  bei  der,  selbst  ihre  echtheit  zuge- 
geben, die  ursprüngliche  anordnung  mit  der  alphabetischen  ver- 
tauscht worden  ist,  überhaupt  auf  den  namen  einer  Urkunde  an- 
sprach erheben  kann,  mit  der  weihinschrift  des  Dianahaines  in 
Aricia  hat  sie  jedenfalls  so  wenig  zu  thun  wie  etwa  mit  dem  Pli- 
nianischen  Verzeichnis  der  gemeinden  Italiens  nach  der  einteilung 
des  Angustus. 

^  dasz  Gabii  'schon  durch  den  Tarqninischen  vertrag  tnunidpium 
foHieratum  geworden  sei'  (Seeck  ao.  b.  19  anm.  6)  habe  ich  niemals  be- 
hauptet, vielmehr  die  anwendnng  der  staatsrechtlichen  kategorien  spä- 
terer zeit  auf  diese  epoche  ausdrücklich  abgelehnt  (ital.  hund  s.  47). 
ebenso  wenig  ist  es  mir  natürlich  in  den  sinn  gekommen  an  behaupten, 
G&bii  wäre  freiwillig  in  den  römischen  Staatsverband  eingetreten. 
Seeck  hätte  sich  also  die  betreffende  tirade  ersparen  können,  in  eine 
polemik  wegen  der  municipia  foederata  einzutreten  ist  hier  nicht  der 
ort;  nur  das  will  ich  bemerken,  dasz  gleich  Seecks  erste  behauptung, 
der  ausdruck  munidpium  foederaium  komme  nie  als  technische  beceich- 
nung  vor,  ein  irrtum  ist:  vgl.  die  capenatische  inschrift  bei  Wilmanns 
2084  (»  Or.  3688)  T.  Flavio  T.  f.  Qtär.  Flaviano  |  aedili  guestori  desi- 
gnato  \  municipio  Capenae  foederato  |  usw.  übrigens  läszt  sich  der 
ausdruck  munidphan  foederaium  auch  aus  der  stelle  Cic.  Pfäl,  III 15  nur 
durch  ein  interpretationskunststück  hinwegdeuten. 

BoM.  Julius  Belooh. 


31. 

ZU  JUSTINUS. 


VI  6,  5  kic  annus  non  eo  tantum  insignis  fuU^  quod  repmte  pax 
tota  Oraecia  facta  est,  sed  etiam  eo  quod  eodem  tempore  f/trhs  Bomana 
a  QäUis  capta  est.  sed  Lacedaemonii  securi  insidiantes^  ahsentiam 
Arc€tdum  specülati  casteHum  eorum  expugnant  occupatoquepraesidium 


176  BSprenger  u.  AEassner:  za  Justinns. 

inpanurU.  securi  mit  insidianies  zu  verbinden  geht  nicht  an,-  es  ist 
auch  überhaupt  ftlr  den  Zusammenhang  mindestens  unnütz,  wenn 
man  auch  annehmen  wollte  dasz  insidiari  für  die  Überrumpelung 
einer  feste  in  firiedenszeiten  der  richtige  ansdruok  wäre,  aus  dem  Zu- 
sammenhang ergibt  sich  dasz  zu  lesen  ist:  sed  LacedaemonU  securi 
indutiis  agentes  ahsentiam  Arcadum  specukUi  castdhum  eorum 
expugnant  usw.  'die  Lakedämonier  durch  den  Waffenstillstand  {in- 
dutiae  was  oben  pax)  in  Sicherheit  (vor  einem  anderweitigen  angriffe) 
lebend'  usw.  secwrus  ^sicher  vor  geüahr*  mit  dem  abl.  fuga  XULL  8,  5; 
agere  «=  Heben'  auch  bei  Justin  öfter. 

XTX  2,  5  cietn,  cum  famüia  tanta  imipcratcrum  gravis  liherae 
civüati  esset  omniaque  ipsi  agererU  sitnul  et  iudicarent,  centum  ex 
numero  senatorum  iudices  deUguntur,  qui  reversis  a  hello  dudbus 
rationem  rerum  gestarum  exigerent,  ut  hoc  metu  Ua  in  hello  vmperia 
cogüa/refd ,  ut  domi  iudicia  legesgue  respkerent.  imperia  cogitare  'die 
befehle  Überlegen'  bildet  keinen  oder  nur  einen  matten  gegensatz 
zu  iudicia  legesque  respicere.  es  ist  zu  lesen:  ut  hoc  n^etu  ita  in  hdlo 
imperia  agitarent^  ut  domi  iudicia  legesque  respiccrent:  'dasz  sie 
im  kriege  mit  eben  der  furcht  ihre  befehlshaberstellen  verwal- 
teten, wie  sie  im  frieden  recht  und  gesetz  respectierten.'  imperium 
agitare  auch  Sali.  Cat.  9,  5. 

XXXTX  3,  11  tunc  Cleopatra  execratione  parricidarum  mandata 
violatis  numinihttö  uUione  sui  decedU.  execratione  parricidarum  mar^ 
data  könnte  nur  heiszen:  'nachdem  sie  die  Verfluchung  der  ver- 
wandtenmörder  befohlen.'  das  passt  aber  nicht  in  den  zusamn^n- 
hang.  zu  lesen  ist:  execrationi parricidarum  mandata  'dem  fluche 
der  die  Verwandtenmörder  trifft  preisgegeben'. 

NoRTHBiM.  Robert  Sprbnoeb. 


XIY  4,  1 — 3  (Eumenes)  iussus  ab  universis  dicere  facto  sHeniio 
laocatisque  tnnculis  prdatam^  sicut  erat  catenatus,  manum  ostendit: 
*cernitiSy  müites'  inquit,  *häbitum  atque  omamenta  ducis  vestri^  quae 
mihi  non  hostium  quisquam  inposuü:  nam  hoc  etiam  in  sotado  foret: 
vos  me  ex  Victore  victum^  vos  me  ex  imperatore  captivum  fedsHs',  die 
werte  ex  Victore  viäum  enthalten  einen  natürlichen  gegensatz;  aber 
aus  dem  Zusammenhang  erhellt,  dasz  der  Schriftsteller  den  gegen- 
satz künstlich  gesteigert  hat.  wie  Justinus  nicht  ex  imperatore 
mäiiem  sondern  captivum  schrieb ,  so  wird  er  nicht  ex  Victore  viäum 
sondern  v  in  et  um  geschrieben  haben,  derselbe  potenzierte  gegen- 
satz findet  sich  auch  VIT  2, 11  captivum  de  rege  faäuri,  vgl.  Curtius 
VI  9,  26  ducem  equitaius  pridie  viderant  .  .  repente  .  .  vinäum  in- 
tuehantur. 

WüRZBUBO.  Adam  Eüssneb. 


Th Vogel:  anz.  v.  KSittla  localen  Verschiedenheiten  der  lat  spr.      177 

32. 

DIE  LOCALEN   VERSCHIEDENHEITEN   DER  LATEINISCHEN  SPRACHE  MIT 
BESONDERER    BERÜCKSICHTIGUNG    DES    AFRICANISCHEN    LATEINS 

VON  DR.  Karl  Sittl.   Erlangen,  verlag  von  Andreas  Deichert. 
1882.    IV  u.  163  8.  gr.  8. 

Situs  Umfang-  und  inhaltreiche  abhandlung  durfte  von  vom 
herein  dessen  sicher  sein,  im  kreise  der  fachgenossen  besondere  be- 
achtung  zu  finden ,  da  ein  meister  historischer  Sprachforschung  wie 
EWölfiflin  hinter  ihr  steht,  dasz  dies  dar  fall  ist,  spricht  das  Vorwort 
klar  aus.  aber  auch  ohne  dieses  zeugnis  würde  niemand  daran 
zweifeln  können,  der  Wölfiflins  letzte  arbeiten  einigermaszen  ver- 
folgt hat.  wiederholt,  insbes.  s.  101 — 103,  bezieht  sich  S.  auf  den 
nach  so  vielen  Seiten  hin  belehrenden  und  bedeutenden  aufsatz  Wölff- 
lins  über  ^die  latein.  und  roman.  comparation'  (1879);  ganz  vor- 
nehmlich ist  aber  augenscheinlich  für  ihn  desselben  abhandlung  über 
^die  latinität  des  AfHcaners  Cassius  Felix'  (sitzungsber.  d.  k.  bajr. 
akad.  1880  I  4)  anregend  und  vorbildlich  gewesen,  so  dasz  man 
geradezu  sagen  kann,  dasz  S.  die  Untersuchung  auszuführen  versucht 
hat,  zu  welcher  dort  s.  385  aufgefordert  wird. 

In  dem  umfangreichen  ersten  teil  seiner  abhandlung  (s.  1 — 76) 
bemüht  sich  S.,  vornehmlich  auf  die  inschriften  gestützt,  die  dialekte 
Italiens,  der  Balkanhalbinsel,  Britanniens,  der  beiden  Gallien  und 
Spaniens  zu  charakterisieren;  die  zweite  hälfte  (s.  77 — 143)  ist  aus- 
schlieszlich der besprechung des  africanischen  lateins  gewidmet, 
den  schlusz  bilden  excurse  und  ein  register. 

Bef.  gedenkt  sich  nahezu  ausschlieszlich  mit  der  zweiten  hälfte 
zu  beschäftigen,  hält  es  aber  doch  für  angezeigt,  über  den  vorauf- 
gehenden teil  in  kürze  zu  berichten  und  dabei  gelegentlich  anzudeuten, 
welche  Stellung  er  zu  dieser  oder  jener  allgemeinen  aufstellung  des 
vf.  einnimt. 

Dasz  wie  alle  anderen  sprachen,  so  auch  die  lateinische  ihre 
verschiedenen  dialekte  hatte,  ist  von  vorn  herein  selbstverständlich, 
zudem  genugsam  bezeugt. '  aber  diese  Zeugnisse  aus  dem  altertum 
sind  ebenso  spärlich  der  zahl  wie  kärglich  dem  inhalte  nach,  dazu 
zumeist  durchaus  vereinzelt  und  ohne  Zusammenhang  unter  einander, 
so  dasz  mit  ihnen  herzlich  wenig  anzufangen  ist. 

Was  ausspräche,  Orthographie  und  formenlehre  betrifft,  so  hat 
man  in  neuerer  zeit  mit  erfolg  angefangen  die  inschriften  als 
eine  fundgrube  für  dialektologie  zu  verwerten,  man  hat  sich  klar 
gemacht,  dasz  es  unstatthaft  sei  graphische  und  sprachliche  eigen- 
tümlichkeiten,  welche  in  inschriften  6ines  und  desselben  landesteils 
in  groszer  anzahl  auftreten,  bzw.  längere  zeit  hindurch  sich  daselbst 

1  beispielshalber  seien  nur  erwähnt  die  einigermaszen  allgemein 
gehaltenen  zengnisse  des  Hieronymus  ad  Galat.  2,  3  cum  .  .  Latiniias  et 
regionibus  cotidie  mutaiur  ei  tempore  nnd  des  Consentius  GLK.  V  s.  395 
alia  generalia  quarundam  nationum  vitia, 

Jahrbücher  fQr  clasf.  philol.  1883  hfl.  3.  12 


178     Th Vogel:  anz.  y.  ESittls  localen  yerschiedenheiten  der  lat.  spr. 


verfolgen  lassen,  ebne  weiteres  als  lapsus  scalpri  bei  seite  zu  seb» 
da  ja  docb  nicbt  angenommen  werden  könne,  dasz  ein  einzelner  mann 
weite  districte  mit  seinen  epigraphiscben  künsien  versorgt  babe, 
nocb  weniger  dasz  ein  gröszerer  kreis  von  aoftraggebem  andauernd 
orthograpbiscbe  oder  grammatische  scbnitzer  desselben  ungerügt 
gelassen  haben  würde,  mit  groszem  fleisz  hat  S.  alles  auf  dialekte 
bezügliche  von  inschriften  und  monumenten  zusammengetragen, 
aber  die  ausbeute,  welche  auf  diesem  wege  zu  gewinnen  war,  ist 
doch  eine  unerhebliche ,  jedenfalls  beschränkt  sie  sich  in  der  haupt- 
Sache  auf  das  gebiet  der  laut**and  formenlehre. 

Allein  der  vf.  hat  sich  damit  nicht  begnügt,  er  ist  auch  der 
frage  näher  getreten  und  ernstlich  nachgegangen,  welche  bis  dahin 
noch  niemand  zu  beantworten  versucht  hatte,  ob  sich  nicht  aus  der 
vergleichung  des  Sprachgebrauches  von  Schriftstellern,  welche 
demselben  lande  oder  landesteile  entstammt  seien ,  irgend  ein  ge- 
winn für  die  dialektologie  ziehen  lasse. 

Er  beantwortet  diese  frage  nicht  in  irgend  6inem  bestimmten 
Satze,  aber  insofern  doch  deutlich  genug,  dasz  er  sich  bezüglich  der 
gallischen,  britannischen,  spanischen  usw.  autoren  mit  einzelnen  inter- 
essanten andeutungen  begnügt,  sehr  gründlich  und  eingehend  da- 
gegen die  Af ricaner  behandelt,  hätte  seine  ^recognoscierung'  auf 
den  gebieten  der  übrigen  provinzen  ihm  reichem  ertrag  eingebracht, 
so  würde  er  sicher  seine  aufmerksamkeit  nicht  so  ausschlieszlich  den 
Afri  zugewendet  und  diese  so  unverhältnismäszig  ausführlich  be- 
handelt haben. 

Ref.  billigt  in  vollem  masze,  dasz  der  vf.  dies  gethan  hat :  denn 
wie  er  die  sache  ansieht,  ist  wenig  aussieht  vorhanden,  dasz  wir  be- 
züglich des  dialekts  irgend  einer  andern  provinz  je  annähernd  so 
befriedigende  auskunft  erhalten,  wie  S.  sie  uns  bezüglich  der  Africüas 
gegeben  hat.  höchstens  würde  ref.  es  für  möglich  halten,  dasz  aus 
einer  umsichtigen  vergleichung  der  spätem  gallischen  autoren  unter- 
einander und  mit  anderen  Zeitgenossen  sich  ein  einigermaszen  lohnen- 
des resultat  ergeben  könne,  er  begründet  diese  seine  ansieht  durch 
folgende  kurze  betrachtung. 

Kein  dialekt  der  lat.  spräche  ist  als  solcher  litterarisch  aus- 
geb^det  worden,  jeder  schi'iftsteller  bemühte  sich  vielmehr,  soweit 
es  der  grad  seiner  bildung  zuliesz ,  der  provincialismen  sich  zu  ent- 
schlagen und  so  urban  zu  schreiben ,  wie  es  ihm  eben  möglich  war. 
dies  gilt  von  dem  verf.  des  heUum  Hispaniense  so  gut  wie  von  Vitm- 
vius  und  Petronius,  soweit  der  letztere  es  nicht  geflissentlich  darauf 
anlegt,  den  plebejerjargon  dem  leser  vorzuführen,  zudem  war  ja 
auch  der,  dem  seine  mittel  nicht  gestattet  hatten  einen  regelmäszigen 
cursus  durchzumachen,  keineswegs  dem  einflusz  der  rhetorenschule 
völlig  entrückt,  auch  konnte  es  ja  nicht  anders  sein  als  dasz  pro- 
vincialen,  welche  als  Schriftsteller  eine  hervorragende  bedeutung  er- 
langt hatten  —  wie  Livius,  Seneca,  Fronte  —  manchem  ihrer  lands- 
leute  lehrmeister  und  Vorbilder  wurden,  gesetzt  somit,  es  i&ade  sich 


ThVogel:  anz.  v.  KSittls  localen  verBchiedenheiten  der  lat.  spr.     179 

eine  reihe  eigenartiger  Wendungen  nur  bei  den  Seneca,  Mela  und 
Lucanus,  so  dürften  dieselben  doch  nicht  ohne  weiteres  in  ein  hispa- 
nisches idiotikon  verwiesen  werden,  erst  müste  dargethan  sein,  dasz 
sich  dieselben  weder  auf  eine  gemeinsame  rhetorenschule  noch  auf 
beeinflussung  durch  irgend  einen  nicht  hispanischen  musterschrift- 
steiler  oder  des  einen  der  genannten  durch  den  andern  noch  end- 
lich —  auf  die  vulgärsprache  zurückfCihren  lassen,  was  diesen 
letzten  punkt  betrifft,  so  erlaube  ich  mir  ein  wort  zur  Verständigung 
einzuschalten,  sehr  mit  recht,  meine  ich,  tritt  S.  der  wenigstens  sehr 
Ulisdeutbaren  äuszerung  von  Schuchardt  entgegen  (s.  44)  ^dasz  das 
rustike  latein  auf  den  denkmälem  aller  gegenden  eigentlich  immer 
als  ein  und  dasselbe  erscheine' ;  seine  fieiszigen  samlungen  liefern  ja 
den  schlagendsten  gegenbeweis.  aber  wenn  man  auch  eine  besondere 
^bauemsprache'  ebenso  wie  ein  besonderes  ^municipales  latein'  (s.  2) 
mit  vollem  rechte  leugnet,  so  ist  damit  doch  nicht  ausgeschlossen, 
dasz  in  den  verschiedensten  teilen  des  römischen  reiches  alle  gebil- 
deten gewisse  Wörter  und  Wendungen  sich  wohl  im  täglichen  ver- 
kehr, nicht  aber  in  der  Schriftsprache  verstatteten,  indem  sie  die- 
selben als  vulgär  ansahen,  wie  wir  Deutsche  ja  auch  neben  den 
verschiedenen  provinciellen  eigentümlichkeiten  einzelner  landesteile 
ein  vulgärdeutsch  haben,  eine  weitere  Verwicklung  entsteht  daraus, 
dasz  viele  provincialen,  welche  als  Schriftsteller  aufgetreten  sind, 
nachweislich  oder  wahrscheinlich  lange  zeit  in  Italien  bzw.  in  Born 
gelebt  haben,  wir  wissen  zb.  dasz  das  gallische  latein  mancherlei- 
absonderlichkeiten  bezüglich  des  wortgebrauchs  hatte  (CicJBru^.  171), 
dasz  man  einem  Livius  noch  spät  den  Lombarden  anmerkte,  ist  uns 
bezeugt,  in  diesem  einen  falle  ist  also  wenigstens  das  dasz  fest- 
gestellt, wenn  wir  auch  bezüglich  des  inwiefern?  nach  wie  vor 
im  dunkeln  tappen,  wie  stand  es  aber  mit  Catullus,  Nepos,  Ver- 
gilius,  den  beiden  Plinius?  haben  auch  sie  sich  in  spätem  jähren 
gelegentlich  als  provincialen  verraten  und  wodurch?  wer  kann  sich 
unterfangen  solche  fragen  beantworten  zu  wollen-,  zumal  wenn  die 
betreffenden  (wie  wir  dies  zb.  von  Horatius ,  Ovidius ,  dem  jungem 
Seneca  wissen)  gar  als  knaben  bereits  ihre  heimat  verlassen  hatten, 
um  sie  später  nur  gelegentlich  und  vorübergehend  als  gaste  wieder 
zu  betreten? 

Ehrheblich  anders  steht  die  sache  bezüglich  desafricaniscben 
lateins.  während  ja  Spanien  und  Gallien  in  der  litteratur  doch  nur 
verhältnismäszig  kurze  zeit  tonangebend  gewesen  und  die  meisten 
der  aus  jenen  ländera  entstammten  autoren,  was  die  Untersuchung 
erheblich  erschwert,  in  hohem  grade  von  der  rhetorenschule  beein- 
fluszt  gewesen  sind,  haben  die  Africaner  zweimal  eine  art  von  prin- 
cipat  in  der  litteratur  geführt ,  einmal  in  ^er  zeit  von  Fronte  bis 
Cjprianus  und  dann  wieder  von  Augustinus  bis  auf  Priscianus  und 
den  mythographen  Fulgentius;  auszerdem  befinden  sich  in  der  statt- 
lichen reihe  von  autoren  aus  jener  provinz ,  von  denen  uns  werk-e 
erhalten  sind,  neben  hochgebildeten  männem  auch  solche,  die  aller 

12* 


180     ThVogel:  anz.  y.  ESittU  localen  Verschiedenheiten  der  lat.  spr. 

Schulung  entbehrten  oder  wenigstens  die  Verpflichtung  fühlten  — 
als  Verfasser  von  predigten  oder  bibelübersetzungen  —  ihre  aus- 
drucksweise durchaus  dem  Verständnis  des  gemeinen  mannes  an- 
zupassen, bei  solcher  läge  der  dinge  und  da  es  sich  bei  den  Afri 
nicht  um  einige  wenige,  sondern  um  30  —  40  Schriftsteller  handelt, 
musz  die  hofiEnung  als  eine  von  vom  herein  wohlbegründete  erschei- 
nen, dasz  bei  sorgföltiger  vergleichung  der  Africaner  unter  einander 
sich  manches  als  gemeinsames  ergeben  werde. 

Zunächst  stellt  S.  die  autoren  übersichtlich  zusammen  (s.  81—90), 
welche  nachweislich  Africaner  waren  oder  seiner  ansieht  nach  als 
solche  zu  bezeichnen  sind,  als  beachtliche  einzelheiten  seien  aus 
dieser  liste  ^  folgende  hervorgehoben,  nicht  als  ^africanisch'  läszt 
S.  im  Widerspruch  mit  anderen  gelehrten  gelten:  Apicius,  Macrobiu8^ 
Julius  Valerius^,  die  Itala  (s.  exe.  II  s.  146 — 152)  und  den  historiker 
Florus.^  dagegen  reclamiert  er  für  die  provinz  Africa  auszer  der 
tragoedia  Orestis  und  der  1877  von  EBaehrens  herausgegebenen  no- 
velle  aegritudo  Perdicae  den  Minucius  Felix  und  —  A.  Gellius  (exe.  I 
s.  144 — 146),  wie  er  auch  den  verf.  des  &.  Hispan.  und  den  scholiasten 
Porphyrie  (mit  OKeller)  für  Africaner  hält  (s.  132).  endlich  bezeich- 
net er  Lactantius,  Commodianus  und  Jordanis  unter  berufung  auf 
ihren  langem  aufenthalt  in  dem  betreifenden  lande  als  ^zugewandte' 
der  Africaner,  zu  welcher  kategorie  er  auch  (s.  94)  geneigt  ist  unter 
berufung  auf  die  thatsache,  dasz  Sicilien  und  Sardinien  zu  dem  afri- 
canischen  Vandalen reiche  gehört  haben,  die  von  den  genannten  inseln 
stammenden  Schriftsteller  (zb.  den  Siculer  Firmicus  Maternus)  bis 
zu  einem  gewissen  grade  zu  rechnen. 

Die  lexicalischen,  grammatischen  und  stilistischen  absonder- 
lichkeiten^,  welche  der  v£  an  den  Africanem  wahrgenommen  hat, 
bzw.  zu  haben  vermeint,  bezeichnet  er  als  a)  punismen,  h)  grä- 
cismen,  c)  archaismen,  d)  vulgäre  gebrauchsweisen. 
unter  diese  rubriken  ordnet  er  sein  reiches  material  (s.  92 — 110; 
110—120;  120—125;  125—143),  nachdem  er  zuvor  (s.  91)  in 
kürze  die  grundsätze  angedeutet,  nach  denen  er  dasselbe  gesanmielt 


'  dieselbe  gehört  unstreitig  za  den  interessantesten  teilen  der  ganzen 
Schrift,  man  geht  wohl  nicht  fehl,  wenn  man  manches  von  dem  dort 
erörterten  auf  die  von  Wölfflin  ausgegangenen  anregungen  zurückführt, 
wenigstens  gemahnt  diese  und  jene  feine  bemerkung  sehr  an  verwandte 
auslassun^^en  W.s  in  seinen  jüngsten  sprachgeschichtlicben  arbeiten. 
^  ref.  macht  ganz  nebenbei  darauf  aufmerksam,  dasz  sich  bei  Macro- 
bias  ua.  das  snbst.  valentia,  die  Verbindung  si  (et  si)  —  sed  und  das 
sonst  wohl  nur  bei  Africanem  vorkommende  commanere  findet.  ^  GLand- 
graf  (zs.  f.  d.  öst.  gymn.  1882  heft  4)  bat  nach  der  ansieht  des  ref.  die 
Africitas  des  Valerius  in  hohem  grade  wahrscheinlich  gemacht. 
^  s.  s.  81  anm.  6.  Wölfflin  (Cassius  Felix  s.  413  anm.)  bezeichnet  den- 
selben ganz  zuversichtlich  als  Africaner;  als  solcher  gilt  ihm  nach  dem 
Zusammenhang  ao.  anscheinend  auch  Gellius,  obschon  es  nicht  bestimmt 
ausgesprochen  wird.  *  über   die  ausspräche  und  lautlehre  der  Afri 

ist   einiges,  dh.   das   wenige   was  sich   ermitteln  liesz,  im  ersten  teile 
8.  67—69  zusammengestellt. 


Th Vogel:  anz.  v.  KSittls  localen  verBchiedenheiten  der  lat.  spr.     ]  81 

und  gesichtet  hat.  als  africanisch  meint  er  nicht  nnr  das  bezeichnen 
zu  dürfen ,  was  sich  allein  bei  Africanern  findet ,  sondern  auch  das, 
was  a)  am  häufigsten  oder  V)  am  frühesten,  bzw.  c)  am  frühe- 
sten in  einem  in  prosa  verfaszten  originalwerke  bei  schrift- 
steilem dieses  landes  vorkommt. 

Gegen  die  eben  erwähnten  'leitmotive'  (s.  91)' hat  ref.  keinerlei 
einspräche  zu  erheben  —  es  kann  von  vom  herein  höchstens  der 
zweifei  entstehen,  ob  wir  nach  dem  derzeitigen  stand  unserer  kennt- 
nisse  die  betr.  höchst  schwierigen  fragen  mit  der  wünschenswerten 
verlässigkeit  zu  beantworten  im  stände  sind  —  dagegen  bedauert 
er  dasz  S.  der  ersten  seiner  vier  rubriken  die  verfängliche  Über- 
schrift ^punisches'  gegeben  hat. 

So  lange  das  was?  erst  noch  klar  zu  stellen  ist,  hat  die  frage 
nach  dem  woher?  etwas  bedenkliches,  da  durch  sie  nur  zu  leicht  die 
forschung  nach  dem  thatsächlichen  bestände  beeinfluszt  wird,  dasz 
noch  zur  zeit  Augustins  in  Africa,  besonders  auf  dem  lande,  sehr 
viel  punisch  gesprochen  wurde,  ist  uns  ausdrücklich  bezeugt  (s.  die 
belegstellen  bei  Marquardt  röm.  staatsverw.  I '  s.  314) ,  somit  von 
vorn  herein  in  hohem  grade  wahrscheinlich,  dasz  jene  semitische 
spräche  auf  die  färbung  des  latein  in  jener  provinz  einflusz  geübt 
habe,  was  aber  S.  s.  92 — 110  als  punisch  bezeichnet,  haben  die 
autoritäten,  welche  ref.  zugezogen  hat,  zum  teil  gar  nicht  als  semi- 
tisch ,  geschweige  denn  specifisch  semitisch  anerkannt,  am  meisten 
von  allem  was  angeführt  wird  gemahnt  der  sog.  ^identische  genitiv' 
(nugae  mtgarum^  vanüatum  vanUas,  vüa  vUae  meae  usw.)  an  alt- 
testamentlichen  Sprachgebrauch,  aber  Khsayathiya  Khsayathiydnäm 
=  ßaciXeuc  ßaciX^u)V^  findet  sich  nach  Keiper  (acta  Erlang.  I  s.  195) 
bereits  auf  persischen  keilinschriften,  dwum  deus  als  ehrenname  des 
Janus  nach  Varro  de  l.  lat.  VII  27;  Macrob.  Bat.  I  9,  14  u.  16  be- 
reits in  einem  alten  liede  der  salischen  priester ,  deum  deus  bei  dem 
frühen  dichter  Q.  Valerius  Soranus  nach  August,  de  civ.  dei  VII  9, 
avaE  dvdKTiwv  Aisch.  Hik.  508;  rex  regum  Plaut,  capt.  825^;  Cic. 
ep.  IX  14,  2;  Liv.  XLV  27,  9;  Hör.  ep.  1 1, 107;  Vell.  I  1,  2;  Sen. 
Agam,  39;  Suet.  Cälig,  5  uaw.;  princeps  prindpum  Hart.  VI  4; 
nummorum  mtmmi  Petronius  37;  urhs  urbium  Florus  11  6,  35; 
{ipsorum  etiam)  barbarorum  barbari  ebd.  IV  12,  13  usw.,  und  con- 
structionen  dieser  art  lassen  sich  aus  der  Edda  sowohl  wie  aus  dem 
altdeutschen  und  littauischen  beibringen.'  auch  die  entsprechende 
adjectivconstruction  {sanctvts  sandorwm  uä.)  hat  ja  im  persischen 


^  ebenso  in  bezng  auf  Priamos  Strabon  XUI  32,  anf  Kyros  ebd. 
XV  7,  auf  ägyptische  könige  Diod.  I  47;  I  55,  welcher  letztere  an 
beiden  stellen  nach  auBdrücklicher  Versicherung  den  Wortlaut  von  in- 
Schriften  wiedergibt.    Diod.  I  55  steht  noch  dabei  6€ciTÖTr)c  öecicoTOtiv. 

^  bei  Plautns  auszerdem  noch:  reliqtäarum  reliquiae^  servolorum  ser- 
voluSj  summa  atunmarum,  victor  victorum  ua.  '  s.  Landgraf  in  den  acta 
Erlang.  II  s.  64  anm.,  in  dessen  fleisziger  und  musterhaft  geordneter 
samlung  sich  noch  weitere  beispiele  verzeichnet  finden. 


182     Th Vogel:  anz.  y.  ESittls  localen  yerschiedenheiten  der  lat.  spr. 

ntki  nikän  =  hontis  honarum^^  wie  in  kokoi  kokuiv,  äpp^T*  äppyJTuuv, 
^XOpoi  exepÄv  (Soph.  OK.  1238.  OT.  465.  Eur.  Andr.  20)  ihrgegen- 
stück.  dasz  die  kirchenschriftsteller  (sozb.  aach  der  Gallier 
Sidonius  Apollinaris  ep.  VI  1)  ganz  besonders  hSufig  diese  genitiy- 
construction  anwenden ,  sei  bereitwilligst  zugestanden,  wie  nicht 
minder  dasz  für  diese  in  der  mehrzahl  der  fölle  einfach  der  alttesta- 
mentliche  Sprachgebrauch  vorbildlich  gewesen  sei.  aber  als  einQ 
specifisch  semitische  gebrauchsweise  wird  die  bezeichnete  yerbindung 
nach  dem  eben  erörterten  schwerlich  bezeichnet  werden  dürfen.  — 
So  ungeheuerlich  femer  auch  pleonasmen  wie  aevitas  temporiSy  sermo 
coUoquii,  lutum  limi,  contemplatianis  ohtuttM  uns  erscheinen  mögen, 
so  kann  ich  sie  doch  nicht  toto  genere  verschieden  finden  von  prodU 
dimicaiio  Cic.  ad  Q.  fr.  I  1,  5;  omnis  sermanis  disptäoHo  Cic.  de  or. 
I  10;  Habitus  vestis  Curtius  III  3,  3  (auch  bei  Livius  vorkommend); 
foedus  pacis  Vell.  11  77;  culminis  fastigia  Just.  XXTV  8,4;  ad- 
sentationum  adiuUxtiones  ebd.  XXXI  6;  8  uä.,  so  dasz  ich  mich  ge- 
nötigt sähe  mich  auszerhalb  des  bereichs  der  indoeuropäischen  spra- 
chen nach  einer  erklärung  fOr  dieselben  umzusehen. "  das  nemliche 
gilt  noch  von  dem  und  jenem  was  S.  unter  der  rubrik  'punisches' 
anführt,  darum  hätte  ich  gewünscht  dasz  S.  für  diese  lieber  das 
harmlose  Stichwort  'überschwänglichkeiten  des  ausdrucks'  oder 
'schwulst*  {f,wnor  Afiricus)  gewählt  hätte. 

Die  übrigen  drei  kategorien  ergeben  sich  aus  der  sache  selbst, 
in  hohem  grade  interessant  ist  die  art,  wie  der  vf.  die  beiden  letzten 
(archaistisches  und  vulgäres)  auseinander  zu  halten  gesucht  hat. 
wenn  er  s.  120  gebrauchsweisen ,  die  den  eindruck  einer  gewissen 
altertümlichkeit  machen,  bei  den  schulmäszig  gebildeten,  durch 
grammatiker-  und  rhetorenschule  beeinfluszten  Afrioanem,  zumal 
des  zweiten  und  dritten  jh.,  als  archaismen,  bei  den  minder  ge- 
bildeten Schriftstellern  jenes  kreises  als  vulgär  bezeichnet,  so  hat 
er  sieber  durchaus  richtig  und  so  gut  unterschieden,  wie  es  bei  der 
Schwierigkeit  der  frage  nur  möglich  ist.  dasz  er  zur  erstem  classe 
Fronte ,  Gellius  (der  für  ihn  ja  auch  Africaner  ist)  und  den  altem 
Arnobius  rechnet,  kann  nur  gutgeheiszen  werden,  nicht  so  klar  liegt 
die  Sache  bezüglich  des  Apulejus.  dasz  dieser,  wenn  auch  einiger- 
maszen  in  den  veteres  belesen,  als  Schriftsteller  doch  nur  sehr  selten 
bewuste  reminiscenzen  aus  jenen,  dagegen  altertümliches  aus  der 
täglichen  Umgangssprache  in  reichem  masze  bietet,  hat  neuer- 
dings Job.  Piechotta  (curae  Apuleianae ,  Breslau  1882)  nach  meiner 
ansieht  in  völlig  überzeugender  weise  dargethan,  indem  er  dessen 

^^  auch  für  den  gen.  sing,  (vüa  vÜae  meae  uä.,  s.  94)  findet  sich  ja 
wenigstens  ein  analogon  bei  den  Griechen:  'EXXdboc  cXXdc  *A6f)vou, 
was  Landgraf  ans  der  anth.  Pal.  VII  46  anführt.  "  wie  viel  behnt- 
samer  auch  hierin  der  meister  Wölfflin!  indem  er  in  seiner  sehrift 
über  Cassius  Felix  s.  430  besüglich  eines  einzelnen  aprachgebraachs 
ganz  beiläufig  anmerkt,  dasz  derselbe  nach  dem  arteil  eines  faehmanns 
semitisch  sei ,  hütet  er  sich  wohl  daraus  irgendwelche  weitergehende 
folge  rangen  zu  ziehen. 


ThVogel;  anz.  v.  ESittls  localen  Verschiedenheiten  der  lat.  spr.      183 

Wortschatz  der  genauesten  Untersuchung  unterwirft,  insbesondere 
mit  dem  der  entschieden  vulgSr  schreibenden  Africaner  vergleicht. 

Da  S.  unter  den  angefahrten  rubriken  zwar  der  Sache  nach  ver- 
wandtes, insofern  aber  verschiedenartiges  behandelt,  als  er  das  eine 
mit  ziemlicher  bestimmtheit  als  africanisch  zu  bezeichnen  vermag,  das 
^andere  nur  als  häufig,  bzw.  besonders  häufig  in  Africa  vorkommend 
usw.,  so  wird  sicher  denen ,  welchen  es  um  vorläufige  Orientierung 
zu  thun  ist,  am  meisten  damit  gedient  sein,  wenn  sie  in  einer  ge- 
drängten Übersicht  erfahren,  was  S.  mit  gröszerer  oder  geringerer 
Zuversicht  als  africanische  provincialismen  bezeichnet  hat. 
um  räum  zu  sparen  und  einen  bequemen  überblick  zu  ermöglichen, 
werde  ich  gelegentlich  für  ganze  gruppen  gleichartiger  spracherschei- 
nungen  einzelne  ausgewählte  beispiele  eintreten  lassen. 

a)  ausschlieszlich  oder  nahezu  ausschlieszlich  aus  afri- 
«anisohen  (original-)  prosaikern^'  belegt  S.  1)  das  suffiz  -itta 
s.  141;  2)  poterint  s.  126;  3)  autumnum  (sc.  tempus)  s.  123;  den 
infinitiv  auf  -ier  ebd. ;  4)  constructionen  wie  vanüatum  vaniUis^  vüa 
vitae  s.  95;  5)  filitis  perdüionis^*  ■=  ßius  perdUus  u8.  s.  105;  6)  le- 
nUate  =  leniter  uä.  s.  107;  7)  incoram  m.  gen.  s.  114;  8)  Verbin- 
dungen wie  aegre  atque  aegerrime  s.  102 ;  9)  hnge  beim  positiv,  den 
positiv  ohne  magis  in  proportionalsätzen  und  die  Verbindung  eines 
positivs  mit  einem  regelmäszigen  Superlativ  s.  102.  117.  131; 
10)  egregk  und  eooimie  bei  tadelnden  adjectiven  s.  131;  11)  quisque 
beim  positiv  (vereinzelt  schon  bei  Tacitus)  s.  131 ;  12)  habere  m.  inf. 
für  das  futurum  s.  127;  13)  den  ablativ  des  ortes  bei  convenire  und 
canoedere  s.  130;  14)  eiusmodi^  huiusmodi  gleich  Substantiven  von 
Präpositionen  abhängig  s.  132;  15)  suh  «=  coram  s.  135;  16)  pro  zur 
bezeichnung  des  zwecks  s.  136;  17)  haden\AS  «=  ^nicht  mehr'  ebd.; 
18)  capü  =  dvb^x^Tai  s.  119;  19)  «c  .  .  sie  und  quam  .  .  quam 
8.  117;  20)  quardwm  {äiam)  und  quare  =  quod  s.  138;  21)  quo  = 
quoad  ebd.;  22)  das  lose  (=  be)  verbindende  etiam  und  namque 
6.  139;  23)  verschiedene  späte  barbarismen  s.  140. 

&)  zuerst  bei  africanischen  prosaikem  kommen  nach  S.  vor: 
1)  formen  wie  gestibcU^^^  Uiner  s.  123;  2)  transitiva  auf  -esco  s.  141 ; 
3) "von  Superlativen  abgeleitete  verba  s.  103;  4)  popuU  =  'leute' 
8. 108  (schon  bei  Claudian?) ;  5)  ipse  «=»  idem  s.  115 ;  6)  aliquanti »: 
äUquot  s.  119;  7)  Verbindungen  wie  plus  levioTy  tam  maximus  (?), 
pUmmum  bonus  s.  101.  103.  127;  8)  sui  melior  =  se  mdior  uä. 
(vereinzelt  schon  bei  Vitra v);  9)  dominariy  foras^  intus  m.  gen. 
8.  113.  114;  10)  opus  est  m.  acc.  s.  124;  11)  eis  «=  'in  betreff* 
8.  135;  12)  maior  ab  iüo  =  maior  quam  iUe  uä.  s.  105;  13)  de  für 

>'  m&nehes  hier  aufgeführte  kommt  ja  bekanntlich  bei  dichtem 
der  versohiedensten  landschaften  nicht  selten,  bzw.  früher  vor,  ala 
africanische  prosaiker  es  anwandten.  <'  fast  nar  aas  kirchenschrift- 
stellern  belegt,  diese  ansdrucksweise  ist  ja  unzweifelhaft  dem  alttestam. 
hebräisch    entlehnt.  ^^  von  S.  nachgewiesen    aus  Fronto,   Gellius, 

Apulejus,  Macrobios  und  Fulgentius.    * 


184     ThVogel:  anz.  y.  ESittls  localen  verBchiedenheiten  der  lat.  spr. 

abl.  instr.  s.  127;  14)  conßeri  ad  deum  s.  126;  Ib) prae  manu  esse 
s.  124;  16)  penes  local  (?)  s.  136;  17)  reUnquere  in  medium^  tradere 
m  manihus,  eo  quo  für  ihi  uhi  uä.  s.  129  f.;  18)  guod  {quia^  quo- 
mam)  =  ÖTi  nach  verba  sent.  und  decl.  s.  110;  19)  merüo  m.  gen. «» 
oh  s.  135;  20)  fors  =  fortasse  s.  124;  21)  primitus  s.  137;  22)  H 
viique^  si  quando  «=  quandoque^  adeo  <»  ideo^  denique  «»  'im  spe- 
ciellen'  ebd.;  23)  nam^  etenim  mit  blosz  copulativer  kraft  s.  138  fT 

c)  besonders  häufig  finden  sich  bei  africanischen  prosa- 
schriftsteilem  nach  S.  folgende  gebrauchsweisen^^:  1)  neubildungen 
auf  -nten,  -mentum,  -osus,  -hüis,  letztere  zum  teil  auch  mit  activer 
bedeutung,  s.  140 — 142;  2)  nicht  von  adjectiven  hergeleitete  sub- 
stantiva  mit  dem  negierenden  prftfix  in  s.  118;  3)  Verbindungen  wie 
magis  aptior,  plus  levior^  perqttam  {nimiSy  satis)  graHssimus^  ingentia 
et  maiora  s.  103;  4)  tautologien  wie  sermo  coUoquii^  mortis  occasus^ 
prisca  vetustas^  duo  ambo^  plerique  omnes,  adeo  sie,  quippe  etenim  s.  93. 
95.  97 — 99 ;  5)  -Verbindungen  wie  carnifex  libido^  virgines  hubuUie  (?) 
8. 110;  6)  conj.  plqpf.  für  conj.  imperf.  s.  132;  7)  licet  m.  Ind.  s.  134; 
8)  ut  quid?  =  !va  Ti  s.  116;  9)  de  für  den  gen.  subj.  s.  126; 
10)  audire  und  censeri  =  appeUari  s.  119.  143.  auch  soll  11)  der 
indicativ  in  indirecten  fragesätzen  besonders  häufig  bei  den  africa- 
nischen prosaikem  vorkommen. 

Obgleich  es  dem  vf.  an  einer  gewissen  zuversichtlichkeit  nicht 
fühlt '°,  so  hat  er  doch  darüber  sich  und  andere  nicht  geteuscht,  dasz 
ein  groszer  teil  seiner  aufstellungen  nicht  auf  ganz  festem  gründe 
ruht.  S.  hat  augenscheinlich  selbst  viel  gesanmielt,  die  vorhandenen 
monographien  über  einzelne  autoren  sorgfältig  und  umsichtig  be- 
nutzt, dazu  noch  —  wie  das  vor  wort  bezeugt  —  an  Wölfflins  reich- 
haltigen samlungen  einen  dankenswerten  hinterhalt  gehabt,  aber 
dazu,  um  mit  einiger  bestimmtheit  versichern  zu  können,  dasz  diese 
oder  jene  spätlateinische  gebrauchs weise  nur  oder  am  frühesten 

'^  ob  der  yf.  einen  gebraach  unter  die  kategorien  a,  b  oder  c  rechnet, 
darüber  spricht  er  sich  mitunter  —  wie  begreiflich  —  nicht  ganz  be- 
stimmt aus;  viele  einzelne  fragen  sind  ja  auch  so  weittragend,  dasz 
es  höchst  bedenklich  erscheinen  musz,  schon  jetzt  eine  bestimmte  ant- 
wort  geben  zu  wollen,  ref.  musz  sich  daher  auch  bescheiden  nicht  in 
allen  fällen  ganz  im  sinne  des  vf.  olassificiert  zu  haben.  ^*  die  art, 
wie  gelegentlich  der  leistungen  und  auslebten  bewährter  forscher,  zb. 
Rönschs,  Jordans,  Beckers,  erwähnung  gethan  wird,  dürfte  manchen  der 
altern  fachgenossen  nicht  eben  angenehm  berühren,  was  insbesondere 
die  scharfen  auslassungen  gegen  die  beiden  letztgenannten  (s.  79)  be- 
trifft, so  liegt  es  recht  nahe  zur  abwehr  derselben  die  autorität  — 
Wülfflins  anzurufen,  wenn  dieser  im  j.  1880  (über  Cassius  Felix  s.  383) 
schreibt:  'dasz  die  eigentümlichkeiten  der  africanischen  latinität,  von 
der  man  zu  sprechen  und  zu  schreiben  wage,  noch  heute  weit  davon 
entfernt  seien  erkannt  zu  sein',  so  hat  dessen  schüler  wahrlich  keinen 
anlasz  mit  den  gelehrten  so  streng  ins  gericht  zu  gehen,  welche  bisher 
von  dem  unklaren  Schlagwort  Africitai^  'von  dem  nebelbild  einer  be- 
sondern  africanischen  latinität'  (Jordan  krit.  beitrage  s.  265;  vgl.  auch 
dessen  'vindiciae  sermonis  latini  antiquissimi'  1882  s.  18)  nichts  haben 
wissen  mögen.  • 


ThVogel:  anz.  y.  ESittls  localen  verBchiedenheiten  der  lat.  spr.     185 

oder  am  häufigsten  in  einem  bestimmten  kreise  vorkomme,  ge- 
hört eine  behersphung  der  gesamten  spätem  litteratur,  wie  sie  wohl 
kein  lebender  sich  wird  zuschreiben  können. 

Immerhin  ist  es  in  hohem  grade  verdienstlich ,  dasz  S.  sich  an 
eine  vorläufige  beantwortung  der  interessanten  frage  gewagt  hat, 
und  so  viel  ist  nach  des  ref.  meinung  jedenfalls  durch  dessen  arbeit 
erreicht  worden,  Masz  das  nebelbild,  genannt  AfricUas\  wenigstens 
bis  zu  einem  gewissen  grade  'greifbare  gestalt  angenommen  hat' 
(s.  143).  denn  wenn  auch  die  hälfte  von  dem,  was  S.  den  Africanem 
vindicieren  möchte,  durch  die  fortschreitende  forschung  denselben 
sollte  streitig  gemacht  werden ,  so  bleibt  doch  immer  noch  genug 
übrig,  dasz  die  thatsache,  dasz  es  wirklich  gewisse  charakteristische 
africanische  provincialismen  gegeben  hat,  als  ausreichend 
erwiesen  angesehen  werden  kann. 

Nachdem  ref.  hiermit  seine  volle  Zustimmung  zu  S.s  unternehmen 
und  den  hauptresultaten  desselben  ausgesprochen  hat,  gestattet  er 
sich  einige  kleine  nachtrage  und  berichtigungen,  überwiegend  aus 
Gellius,  beizubringen^  von  denen  hoffentlich  die  eine  oder  die  andere 
als  nicht  ganz  unerheblich  angesehen  werden  wird. 

Wenn  S.  s.  92  behauptet,  Gellius  habe  sich  von  pleonasmen 
wie  avidUas  desiderii  freigehalten,  so  ist  das  sicher  nicht  richtig: 
vgl.  Gell.  XI  1,  2  poenitio  muUae^  II  3,  1  voces  verborum,  X  6,  2 
classis  navium,  XV  28,  5  Studium  amoris,  X  12,  10  aura  Spiritus^ 
XII  1,  7  ubera  mammarum^  II  6,  4  squaloris  inluvies,  I  3,  22  docu- 
menta  exemplorum,  III  10,  14  discrimina  pericülorumy  I  3,  27  in- 
dulgentia  graiiaCy  XV  3,  6  significatio  sententiae  «=  *  Wortbedeutung', 
XVI  3,  3  voluntcis  desiderandi."  verwandt  hiermit:  hieme  (aestUj 
aestate)  anni  I  2,  2.  II  21,  2.  m  10,  4.  XVÜ  10,  l.-XVIH  10,  1. 
vgl.  Suet.  d,  lul.  35;  Servius  z.  Aen.  II  311,  wo  die  construction  als 
altertümlich  bezeichnet  wird. 

ora  lUoris  (s.  93)  findet  sich  bereits  bei  Val.  Flaccus  IV  613. 

Ähnliches  wie  vetustas  prisca,  arcana  mysteria  (s.  95)  haben 
bereits  die  classischen  dichter,  zb.  laeta  gaudia  Catullus  64,  236; 
tardae  morae  TibuUus  I  3, 16;  anocius  timor  Verg.  Aen.  IX  89,  ganz 
abgesehen  von  suavis  suavitas,  pretium  präiosum^  amoena  amoenUas 
bei  Plautus  ua.  vereinzelt  findet  sich  dergleichen  aber  auch  bei 
Prosaikern  der  frühern  zeit:  vgl.  zb.  bona  benivöUntia  Cic.  ep.  XHL 
60,  1. 

Für  eadem  ista  haec  (s.  97)  liest  Hertz  bei  Gellius  XV  3  lemma: 
eaäem  istaec.  neben  uUa  re  aUqua  (XIII  25,  4,  nicht  XIII  24,  4) 
findet  sich  bei  demselben  autor  auch  nuü/us  .  .  uXius  I  2,  4.  Vi  6,  2 ; 
nemo  quisquam  XQ  7,  4  (mit  älius  U  6,  9.  IX  10, 4);  nihil  quicquam 
I  3,  3.  IX  9;  12  uö.,  letzteres  in  prosa  ja  schon  bei  Cicero,  weitere 
abundanzen  der  pronomina  bei  Gellius  sind :  et  quaedam  item  älia 

"  ans  Julias  Valeriaa  führt  Landgraf  (zs.  f.  öst.  gymn.  1882  heft  4) 
an:  tempus  horae  1,  41 ;  interpreiatio  interpreiis  1,8;  maiestatis  magnificentia 
1,  31. 


186     ThVogel:  anz.  y.  KSittls  localen  Verschiedenheiten  der  lat.  spr. 

X  9,  2 ,  item  hoc  quoque  in  eodem  Ubro^^  X  16 ,  11 ,  eodem  eo  dieYI 
1,  11,  tmum  atque  id  ipsum  VI  21,  2,  item  idem  YI  9,  4 ,  cowi^ßki/res 
ceteri  V  14,  10,  semet  ipse  sese  volvens  VII  2,  1,  propnus  .  .  suua 
XVII  6,  10. 

Zu  statim  protinus  (s.  98)  füge  aus  Qellias:  statim  tempore 
praef.  18;  tarn  statim  11  29,  8.  XII  4,  3.  XVI  19,  11;  dazu  iisque 
ahhinc,  adhuc  usque  (ahnlich  Cic.  de  rep,  II  36)  XIV  1,  20.  II  4,  6. 
für  soVummodo  «=  tantummodo  (s.  99)  führt  bereits  Georges  an: 
Quintil.  ded,  247;  Servius  z.  Aen.  I  159. '* 

et  .  .  eiiam  (s.  100)  auch  Varro  r.  rust.  11  4,  10.  Cic.  ep.  XII 
18,  1;  Plinius  n.  h.  XXXV  36  uö.  dagegen  ist  wohl  spätlateinisch 
etiam  et,  s.  Wölfflin  über  Cassius  Felix  s.  427.  da  vero  nur  beteuert, 
80  finde  ich  at  vero  .  .  contra  (ebd.)  nicht  weiter  bemerkenswert;  at 
contra^  at  vero^  at  ex  contrario  {p.  Roscio  com.  47)  hat  ja  auch  Cicero. 

Das  allerorten  Torkommende  iniuria  ist  jedenfalls  s.  107  zu 
streichen ,  ebenso  vohmtate.  im  übrigen  vgl.  Eühnast  Liv.  sjntaz 
s.  175  ff. 

opifices  manu^,  regnator  populus  (s.  110)  kann  nicht  wohl  als 
etwas  absonderliches  angeführt  werden ,  da  Wörter  wie  artifex ,  ^a- 
diator,  iirOy  vidrix  schon  Cicero,  solche  wie  advena^  domitor^  trans* 
fuga  auch  Liviua  und  advena^  anus,  domitor^  victor^  virgo  ua.  auch 
Curtius  adjeetivisch  gebraucht  hat. 

Was  den  gebrauch  von  quod  (guia^  qtumiam)  nach  den  verba 
sentiendi  und  declarandi  betrifft,  so  bleibt  zu  bedauern  dasz  S.,  wie 
er  sich  s.  110  ausdrückt,  keine  lust  verspürt  hat  ^hunderte  von 
stellen  aufzutürmen'  (dieselbe  Wendung  auch  s.  129).  da  es  sich  im 
vorliegenden  falle  gerade  um  die  häufigkeit  oder  spftrlichkeit  des 
Vorkommens  handelt,  würden  genauere  angaben  —  zumal  über  guia 
und  quoniam  ss  Sti,  dasz  —  sehr  erwünscht  gewesen  sein,  was 
quod  in  dieser  bedeutung  betrifft,  so  hat  sich  ref.  die  ansieht  ge- 
bildet, dasz  dieser  schon  in  Ciceros  briefen  (?)  nachweisbare  gebrauch 
sich  in  der  vulgärsprache  erhalten,  aber  lange  auf  die  fälle  beschränkt 
habe,  in  denen  der  Grieche  &i\  oder  das  participium,  nicht  den 
infinitiv,  gesetzt  haben  würde,  dh.  wenn  es  sich  um  mitteilung  oder 
erörterung  einer  constatierten  thatsache  handelte,  so  bei  renuntiare 
im  6.  Hisp.  36,  bei  testis  Verg.  Aen.  IX  289,  bei  taceo  Val.  Max.  IV 
49,  bei  adnotatum  Plin.  ep.  II  11,  6  (neben  dem  inf.  ebd.  III  16,  1, 
pan,  56),  bei  recordor  Suet.  Tit.  8,  bei  cognitum,  memor  uä.  Just.  11 
5,  13.  VIII  2,  11.  XXXVI  1,  9  uaw.    was  Gellius  betrifft,  so 


<"  vgl.  ibidem  in  III  16,  3.  XII  8,  6;  iiidem  in  XIII  21,  12;  indidem 
mit  ablativ  eines  Ortsnamens  (auch  bei  Cicero  und  Livias)  VII  10,  4; 
tum  ex  eo  proelio,  tum  in  eo  sermane  XII  13»  2.  XVIII  10,  4  uö.;  simul 
nobiscum  ibidem  1 2,  3;  ibidem  statim  1 19,  7.  ^*  mit  ideo  ergo  (propterea) 
bei  Fulgentius  und  Tertullian  (s.  99)  vgl.  itaque  ergo  Liv.  I  26,  2.  III 
31,  6,  wie  denn  überhaupt  Livias  mehrere  derartige  pleonatmen  hat. 
guippe  etenim  aber  bat  schon  Lacretias  etwa  16mal,  es  ist  somit  sicher 
nicht  als  africauiache  Singularität  aufzuführen. 


ThVogeh  anz.  v.  ESittls  localen  verBohiedenheiten  der  lat.  spr.     187 

liegt  die  sache  etwa  so:  abgesehen  von  den  stellen,  wo  qiu>d  ein 
demonstratives  correlat  hat*^  (I  9, 12.  III  10,  6.  IV  11,  11.  VI  1,  6. 
XVI 8, 16)  kommt  es  in  der  in  betracht  kommenden  bedeutung  im 
texte  nur  vor  bei  notare  XI  1,  6 ;  (scriptum  et)  animadvertendum  est 
XV  28,  6.  Xni  23,  15.  X  11,  9;  memoria  est  {extat\  in  memoria  est 
II  10,  2.  II  18,  10.  X  27,  1  und  zwar  stets  mit  ind.  dagegen  findet 
sich  in  den  (abgesehen  von  buch  XIX)  doch  wohl  von  Gellius  selbst  her- 
rührenden lemmata  sehr  häufig  in  abhängigkeit  von  einem  dabei- 
stehenden oder  zu  ergänzenden  verbum  declarandi  —  abwechselnd 
mit  dem  infinitiv  —  die  conjunction  quod  und  zwar,  wenn  ich  recht 
gezählt  habe,  50mal  m.  ind.,  22mal  m.  conj.  ohne  ersichtlichen  unter- 
schied des  Sinnes,  offenbar  ist  bei  der  Zusammenstellung  der  lemmata 
wie  in  andern ,  so  auch  in  diesem  punkte  Gellius  darauf  bedacht  ge- 
wesen ,  möglichst  viel  abwechselung  im  ausdruck  walten  zu  lassen, 
instructiv  ist,  dasz  ohservaium  est  XV  7, 1  m.  inf.  verbunden  ist,  im 
vorhergehenden  lemma  mit  quod.  —  Bei  Apulejus  findet  sich  quod  »■ 
^dasz'  nur  bei  scire^  nuntiare  und  coUoqui, 

longe  m.  gen.  (s.  114)  steht  auch  Apul.  met.  V  9.  aus  Gellius 
gehört  hierher  frustrari  V  10,  16  und  dignus  XX  1,  8,  wenn  dort 
nicht  nach  dem  sonstigen  usus  des  Gellius  poena  für  poenae  zu  lesen 
ist.  desinere  m.  gen.  hat,  beiläufig  gesagt,  auch  Silius  (X  84).  se 
tenere  mit  demselben  casus  findet  sich  Petr.  49 ,  wenn  dort  nicht 
crudeUssimae  severitatis  als  gen.  quäl,  zu  fassen  ist.  vgl.  übrigens 
Eühners  ausf.  lat.  gramm.  11  s.  347. 

Die  Verbindung  idem  ipse  (s.  115)  steht  auch  bei  Gellius  XI 
13,  5.  XVII  1,  11. 

Die  Partikel  at  im  nachsatz  zu  concessiven  und  hypothetischen 
Vordersätzen  (s.  117)  haben  ja  schon  die  classiker,  zb.  et{iam)  si  .  . 
at  Cic.  de  or.m  13,  p.  CaeUo  8;  quodsi  . .  at  Livius  IX  1,  8;  ^' .  . 
at  ebd.  III  17,  3;  vgl.  quoniam  .  .  at  ebd.  I  28,  9. 

Mit  dem  negierenden  in  zusammengesetzte  substantiva  (s.  119) 
zähle  ich  bei  Gellius  17.  von  diesen  sind  13  von  gangbaren  adjec- 
tiven  abgeleitet;  die  verbleibenden  4  sind  infortuniiaSy  innotitia,  in- 
quies  und  intemperiae.   S.  führt  nur  die  beiden  ersten  an. 

viderier  gestibat  (s.  123)  bei  Gellius  XV  2,  1  möchte  ich  nicht 
einfach  als  Gellianisch  bezeichnen;  offenbar  soll  dort  das  anspruchs- 
volle pathos  des  besprochenen  kretischen  philosophen  verspottet 
werden,  sonst  findet  sich  die  form  viderier  bei  G.  nur  in  dem  ex- 
cerpt  aus  Cato  UI  7,  8. 

prae  manu  esse  (s.  124)  auch  bei  Julius  Valerius  1 ,  21.  eben- 
derselbe hat  auch  2,  22  das  s.  135  erwähnte  merito  m.  gen.;  1,  42 
(epit.  1,  23)  die  präp.  pro  zur  bezeichnung  des  Zweckes  (s.  136)  und 

^  nicht  80  zu  verstehen,  als  ob  diesem  punkte  eine  erhebliche 
bedeutung  beigemessen  würde,  das  entscheidende  war  jedenfalls  die 
art  des  regierenden  verbums.  nur  so  viel  ist  wohl  zuzugeben,  dasz 
die  anwenduog  von  quod  näher  lag,  wenn  der  hauptsatz  ein  correlat 
enthielt,  als  wenn  dies  nicht  der  fall  war. 


188     Th Vogel:  anz.  v.  ESittls  localen  yerschiedenheiten  der  lat.  spr. 

öfters,  zb.  I  10,  11.  17,  22,  das  specificierende  denique  (s.  137). 
s.  Landgraf  ao. 

Mit  der  s.  136  angeführten  stelle  veneru>fUpro  reädenda  ratume 
vgl.  Cic.  de  off.  III  25  lahores  susciperepro  amnilms  tuendis,  Gellius 
II  5, 10  scribere  pro  ävaXoyia  tmnda,  ebd.  XVI 13,  5  trihuere  .  .  pro 
ferenda  gratia.  *'  an  dieser  stelle  hat  S.  der  construction  ex  summis 
viribus  {studiis\  ex  summa  ope  ndgl.,  welche  Wölfflin  (Cassias  Felix 
s.  413)  als  eine  ^alte  eigentümlicbkeit  der  africanischen  latinitftt' 
bezeichnet^  nicht  erwähnung  gethan,  ob  zuföllig  oder  absichtlich, 
musz  dahingestellt  bleiben. 

Möge  S.  aus  diesen  anspruchslosen  bemerkungen  ersehen,  dasz 
seine  erörterungen  vom  ref.  mit  aufmerksamem  interesse  verfolgt 
worden  sind ;  ein  teil  derselben  dient  ja  auch  sogar  zur  weitem  be- 
kräftigung  dessen  was  S.  zu  beweisen  versucht  hat. 

Zum  schlusz  verstattet  sich  ref.  noch  die  frage,  welche  S.  (exe.  I) 
bezüglich  der  herkunft  des  Gellius  angeregt  hat,  von  seinem 
Standpunkte  aus  zu  beleuchten,  es  gilt  doch  vorsichtig  zu  sein ,  ehe 
man  die  römische  litteratnrgeschichte  mit  einem  neuen  dogma  be- 
lastet ,  welches  bedenkliche  consequenzen  haben  kann,  für  die  von 
S.  geführte  Untersuchung  ist  es  nach  des  ref.  meinung  von  keiner 
bedeutung,  ob  man  Oellius  als  geborenen  Africaner  anerkennen  will 
oder  nicht,  da  O.  Jahrzehnte  hindurch  bekanntermaszen  viel  mit 
angesehenen  Africanem  verkehrt  und  zu  zweien  derselben,  Fronto 
und  Sulpicius  ApoUinaris ,  in  dem  Verhältnis  eines  bewundernden 
Jüngers  gestanden  hat,  so  wird  er  jedenfalls  als  ein  ^zugewandter' 
der  Afri  gelten  müssen,  wenn  man  ihn  auch  nicht  als  Africaner 
anerkennen  will ,  und  das  läuft  für  die  Untersuchungen  S.s  ziemlich 
auf  dasselbe  hinaus. 

Die  abstracto  möglichkeit,  dasz  G.  als  söhn  eines  vermögenden 
römischen  bürgers  in  Africa  geboren  worden  sei  und  daselbst  seine 
kinderjahre  verlebt  habe ,  läszt  sich  wohl  kaum  in  abrede  stellen, 
aber  keine  spur  weist  darauf  hin.  dasz  G.  im  gegensatze  zu  den 
Griechen  die  Römer  mit  nos,  nostri  bezeichnet  (V  20,  5.  XIII  9,  5. 
XIX  9,  9;  II  7,  2.  V  20,  6.  XVUI  9, 11)  darf  man  wohl  noch  nicht 
ohne  weiteres  als  eine  instanz  für  seine  italische  herkunft  in  ansprach 
nehmen  wollen,  da  ja  auch  Fronto  (II  26,  7)  in  gleichem  gegensatze 
daä  latein  lingua  nostra  nennt,  auch  aus  dem  umstände,  dasz  er  in 
Rom  die  praetexta  ablegte  (XVIII 4, 1),  unmittelbar  nach  beendigung 
seiner  Studienzeit  (s.  Pauly  realenc.  IV  359)  in  das  älbum  iudicum 
eingetragen  (XIII  13,  1.  XIV  2,  1),  bald  darauf  mit  der  function 
eines  iudex  extraordinarius  betraut  wurde  (XII  13,  1),  endlich  dasz 
dem  geistig  nicht  hervorragenden  jungen  manne  sich  so  früh  die 
häuser  eines  Fronto  und  Herodes  Atticus  gastlich  geöffnet  hatten, 
darf  wohl  nicht  mehr  geschlossen  werden  als  dasz  er  aus  einer  bürger- 

"  ähnlich   Gellius  XV  2,  6  adversum  propulsandam  violenäam\  XIV 
5,  2  propter  sonum  declarandum,     vgl.  auch  VII  14,  6    9. 


ThVogel:  anz.  v.  ESittls  localen  yerBchiedenheiten  der  lat.  spr.     189 

familie  und  zwar  aus  einem  guten  hause  **  stammte,  mehr  fällt  sicher 
ins  gewicht,  dasz  sich  nirgends  bei  6.  eine  andeutung  von  besonderen 
beziehungen  zu  Africa ,  land  und  leuten ,  findet,  er  berichtet  ja  mit 
groszem  behagen  allerlei  persönliches;  wir  erfahren  von  seinen 
Sommerfrischen  in  Bajae,  Puteoli  und  Neapel  wie  von  gelegentlichen 
ausflügen  nach  Tibur  und  Praeneste^  hören  von  ihm  mancherlei  über 
die  in  Griechenland  verlebten  IV2 — 2  jähre,  aber  kein  wort  bezeugt 
irgendwelches  besondere  Interesse  fUr  Africa ,  obschon  er  gelegent- 
lich von  Puniern  und  punischen  kriegen,  Hannibal,  Hasdrubal,  ütica, 
den  Syrten  udgl.  spricht  und  IX  4,  7  dem  Plinius  eine  wunder- 
geschichte  e  terra  Africa  nacherzählt. 

Wenn  Sittl  s.  145  sagt,  G.  habe  sich  überwiegend  unter  pro- 
vincialen  bewegt  'die  damals  noch  in  einem  gewissen  gegensatz  zu 
den  privilegierten  Italikem  gestanden  hätten',  so  erinnere  ich  zu- 
nächst, was  diesen  beisatz  betrifft ,  an  die  thatsache  dasz  Trajan  und 
Hadrian  Spanier  gewesen  waren,  Antoninus  Pius,  ^Qxprinc^s  des  G., 
von  geburt  Gallier,  Septimius  Severus*'  Africaner,  Fronte  der  er- 
zieher  zweier  Caesaren  war  und  der  spätere  kaiser  Pertinax  so  gut 
wie  Gellius  den  Unterricht  des  africanischen  grammatikers  Sulpicius 
ApoUinaris  genossen  hat.  man  ersieht  daraus ,  dasz  damals  in  Born 
gewisse  provincielle  kreise  nicht  nur  in  hohem  grade  angesehen,  son- 
dern in  der  gesellschaft  zu  zeiten  geradezu  masz-  und  tonangebend 
waren. 

Dasz  G.,  indem  er  bei  zwei  so  angesehenen  Africanem  wie 
Fronte  und  Sulpicius  aus-  und  eingieng,  zu  manchem  landsmanne 
derselben  in  beziehung  trat,  war  ja  nur  natürlich,  dahingestellt  musz 
bleiben,  ob  Celsinus  Numida  (XIX  7. 10)  aus  dem  lande  stammte,  auf 
welches  sein  cognomen  deutet;  aber  was  Postumius  Festus  betrifft, 
mit  dem  G.  viel  verkehrte,  so  wissen  wir,  was  Sittl  geltend  zu  machen 
unterläszt,  aus  Fronte  s.  200  (Naber)  bestimmt,  dasz  er  Africaner 
war.  allein  der  nemliche  Gellius  hatte  als  junger  mann  neben  dem 
Africaner  Apollinaris  noch  mtmchen  andern  lehrer,  ua.  den  Spanier 
Antonius  Julianus,  mit  eifer  gehört,  und  in  männlichen  jähren  ver- 
kehrte er  am  allervertrautesten  (XVI  3,  1)  mit  dem  philosophen 
Favorinus,  einem  Gallier,  somit  hat  G.  zwar  sehr  viel,  aber  keines- 
wegs ausschlieszlich ,  vielleicht  nicht  einmal  überwiegend  viel  mit 
Africanem  verkehrt,  wenn  aber  seine  lehrer  zum  grösten  teil  Nicht- 
römer  waren,  so  war  das  ja  nur  natürlich;  dasselbe  ist  ja  auch  von 
denen  eines  Cicero,  Seneca  und  Plinius  zu  sagen,  ohne  dasz  deshalb 

''  auf  eine  gewisse  Wohlhabenheit  deutet  alles  was  G.  von  seinem 
lebensgang  und  Umgang  berichtet;  nach  der  praef.  hatte  er  zuletzt  ua. 
auch  viel  mit  der  Verwaltung  seines  Vermögens  zu  thun.  bekanntlich 
war  er  Ja  auch  nie  grammatiker  von  profession,  sondern  trieb  als 
vielbeschäftigter  Sachwalter  nur  ganz  nebenbei  seine  gelehrten  Studien 
{praef,  12.  XI  8,  1.  XVI  10,  1).  *«  mit  welchem  recht  8.  behauptet, 
dasz  dem  in  Leptis  Magna  geborenen  Septknius  Severus  'die  punische 
spräche  fremd  gewesen  sei'  (s.  77),  sehe  ich  nicht  ab;  die  stelle  bei 
Spartianus  (c.  19)  scheint  für  das  gegen  teil  zu  sprechen. 


190     ThVogel:  anz.  v.  ESitÜs  localen  Verschiedenheiten  der  lai  spr. 

jemand  sich  zu  der  behauptong  berechtigt  halten  wird ,  dasz  die  ge- 
nannten sich  überwiegend  in  ausländischen  kreisen  bewegt  hätten. 

Wie  steht  es  nun  aber  mit  spräche  und  stil  des  Gellius?  in 
lexicalischer  beziehung  erkenne  ich  eine  weitgehende  ähnlichkeit'* 
mit  Fronto,  Apulejns,  Tertullian  ua.  Africanem  an.  insbesondere 
geht  er  im  gebrauche  von  deminutivbildungen,  der  verbalia  auf -or,  -io 
und  -ii5,  der  adjectiva  auf  -alis  (a2e),  -iUs^  -osus,  'irndfAS  ebenso  weit 
wie  jene  über  den  usus  des  silbernen  lateins  hinaus,  und  mit  glei- 
cher beflissenheit  hat  er  altertümliche  Wörter  und  Wendungen  in  seine 
rede  eingestreut  (s.  mein  programm  ^de  A.  Gellii  sermone'  Zwiokaa 
1862).  ebenso  hat  er  mit  jenen  viele  der  von  S.  aufgeführten  abun- 
danzen  des  ausdrucks  gemein,  ja  man  kann  wohl  sagen  dasz  G., 
so  sehr  er  auch  als  theoretiker  gegen  das  strepere  vocdbuHs^  verborum 
turhas  fundere  (I  2,  4.  IX  15,  9)  eifert,  in  dieser  beziehung  mehr  als 
mancher  Africaner  leistet ,  wenn  auch  die  eine  oder  andere  art  des 
Pleonasmus  bei  ihm  nicht  vertreten  ist.  verschiedenes  hierher  ge- 
hörige ist  schon  im  vorstehenden  erwähnt  worden,  aus  dem  capitel 
der  adverbia  und  coijunctionen  fUhre  ich  noch  an :  inde  iam  deincepa^ 
post  haec  deinceps,,  prorsum  demceps  XIV  1,  20.  VII  8.  V  9,  3  (ähn- 
liches bei  Livius);  das  häufige  deinde post(ea)  und  umgekehrt,  tvm 
deinde  {postea^  porro,  deinceps),  ibi  Urne  und  umgekehrt,  aigue  t&t 
posiea  XIII  24 ,  1 ,  alles  dies  zum  teil  selten ,  zum  teil  noch  nicht 
bei  classikem;  hnge  iamdiu  UI 1,  4;  nequaqtmmprorsusXlV  1,  29; 
proinde  igUur  IV  1, 12.  XIV  3, 11 ;  praenimis  XIX  10,  8;  quin  tnagis 
XI 15,  5 ;  quin  .  .  quoque  XI  9,  2;  sa^us  numero  Ul  16,  1  (vgl.  toi 
numero  XIV  3,  2;  non  admodum  numero  i«  non  saepe  (?)  XX 1, 54, 
vgl.  Nonius  s.  352),  drcumundique  IV  5,  3.  Xm  25,  1  uö.  (ctrcmn 
circa  Sulp,  bei  Cic.  ap.  IV  5,  4),  endlich  das  an  surstm^^  undique  und 
utroque  angehängte  versus  {-um)  IX  1,  2.  VI  16,  6.  XII  13,  20.  V 
12,  10.  IX  2,  13  uö.  doch  wozu  mehr  belege?  man  braucht  nur 
ein  paar  Seiten  von  G.  zu  lesen,  um  den  eindruck  zu  erhalten,  dasz 
sein  stil  ganz  absonderlich  pleonastisch  ist.  in  dem  bestreben  es 
recht  schön  und  den  trockenen  stoff  recht  annehmlich  zu  machen 
tunkt  er  eben  unablässig  in  den  farbentopf ,  um  ja  eine  recht  ge- 
sättigte ,  wirkungsvolle  färbe  zu  bekommen,  aber  ist  das  bei  einem 
begeisterten  jünger  Fron  tos ,  auch  wenn  kein  africanisches  blutin 
seinen  ädern  flosz,  verwunderlich? 

Anderseits  herscht  bei  G.  nicht  die  Verwirrung  bezüglich  der 
Steigerungsgrade,  welche  S.  als  recht  eigentlich  africanisch  bezeich- 
net.'^ fast  alles  sodann,  was  S.  s.  100 — 104  anführt,  ist  dem  sprach- 

'^  es  läszt  sioh  noch  viel  mehr  beibringen  als  S.  s.  145  anfführt. 

*^  er  verstärkt  den  positiv  durch  per  (s.  unten),  admodum  {mire^ 
saney  per-,  oppido  nimis)  quam  XIX  9,  9.  XVII  2,  1.  I  4,  1.  V  11,  12. 
XVI  7,  1.  XV  30,  1.  XIV  1,  4,  nimiwn  quantum  XV  1,  1.  XVI  6,  9, 
egregie  (in  verbinduni^  mit  einem  tadelnden  adjectiv,  s.  Sittl  s.  181) 
XX  1,  13,  cumprimU  XI  3,  4,  praenmU  XIX  10,  S,  inpetue  X  24,  10. 
XIII  10,  4  uö.,  den  comparativ  durch  inpendio^  nimio  12,4.  XI  18,4. 
I  3,  25.  X  26,  9,  multo  tanlo  XII  2,  14  (so  Plautus;  vgl.  auch  aliquantwn 


HiVogel:  anz.  v.  ESittls  localen  Verschiedenheiten  der  lat.  spr.     191 

gebrauche  des  6.  fremd,  dasselbe  gilt  von  der  mehrzahl  der  s.  110 
— 117  angeftthrten  grfteisiiieiK  was  di»  aBwendssg  usd  naehahmnug 

archaistischer  Wörter  und  construetionen  betrifft,  so  hat  sich  O.  red- 
lich bestrebt  hinter  seinen  gefeierten  lehrem  nicht  zurückzubleiben, 
dergleichen  einstreuen  zu  können  war  ja  sein  stolz  und  entzücken, 
aber  darf  das  als  beweis  für  seine  africanische  herkunft  gelten?  bis 
zu  den  kaiserlichen  prinzen  hinauf  machte  damals  alles,  was  zur 
neuen  schule  der  beredsamkeit  gehören  wollte,  die  mode  mit.  vul- 
gäres dagegen  hat  sich  G.  jedenfalls  nur  in  ganz  unbewachten 
augenblicken  und  sehr  wider  willen  entschlüpfen  lassen,  als  echte 
Wagnerseele,  die  ein  feind  von  allem  rohen  ist,  sieht  er  ja  mit  un- 
endlicher geringschätzung,  wie  auf  das  leben  und  treiben,  so  auf  die 
spräche  des  groszen  haufens  hinab.'®  auf  Irrtümer  und  Unrichtig- 
keiten der  volkstümlichen  spräche  weist  er  wiederholt  mit  dem  Selbst- 
gefühl eines  homo  a  volgo  lange  longeque  remotus  hin  (II  20,  8.  XII 

9,  1.  Xni  17,  1.  XVIII  4,  10),  indem  er  sich  zu  den  mcorrupte 
loquentes  rechnet  gegenüber  dem  indodum,  inperUum  völgus  (XIX 

10,  9).  vgl.  auch  suhrustke  praef.  10.  dasz  er  sich  darüber  nicht 
klar  wird ,  dasz  die  hochbelobten  veteres  das  beste  und  frischeste  in 
ihrer  ausdrucksweise  auf  der  strasze  aufgelesen  hatten ,  das  ist  das 
hochkomische  dabei,  in  den  nachlässig  hingeworfenen  partien  des 
Werkes  mag  trotzdem  dies  und  jenes  vulgäre  mit  untergelaufen  sein, 
wie  etwa  et .  .  autem  I  3,  8. 1  7, 19.  Y  6, 18  uö.,  neqm  autem  1 11, 1 
(beides  schon  beim  altern  Plinius),  femer  das  zumal  in  den  lemmata 
wider wäii;ig  häufige  inihi^  oppido  (Quint.  VIII  3,  26),  inpendio^ 
sanequam^'j  aber  viel  dergleichen  ist  ihm  sicher  nicht  entschlüpft, 
je  genauer  man  zusieht,  um  so  mehr  wird  sich  in  der  mehrzahl  der 
fälle  als  wohlberechneter  archaismus  erweisen ,  was  anfönglich  wohl 
den  eindruck  volkstümlicher  ausdrucks weise  machen  konnte ;  jedes 
rohe  bauemwort  war  ja  für  ihn  sofort  geadelt,  wenn  es  ihm  bei 
seinem  Ennius  oder  Pacuvius  oder  Cato  entgegengetreten  war. 

Somit  scheint  durch  eine  genauere  Untersuchung  seines  sprach- 


multum  Apnl.  met.  I  74)  aud  omnium  verum  II  15,  2,  den  Superlativ 
darch  muUo  {omnium),  omnino,  prorsus  (-um),  unice,  omnium  {aliarum)  verum 
lU  11,  6.  XVn  19,  6.  XIV  1,  13.  II  26,  23.  XIX  6.  2.  I  8,  12.  II  15,  2, 
durch  ein  vom  adjectiv  getrenntes  per  XVIII  4,  3  (ebenso  beim  positiv 
n  18,  1.  III  6,  1.  XII  6,  1.  XIV  1,  10),  endlich  vereinzelt  durch  vel 
maxime  XIII  17,  i,  wie  maxime  pessima  sich  schon  Colum.  IX  3,  3  findet. 
aber  für  omnium  vevum  longe  saluhria  (XVII  19  lemma)  ist  doch  wohl 
0.  r.  /.  salubewima  zu.  lesen;  pvaequam  =  quam  beim  comparativ  (I  3,  5. 
XVI  1,  3)  ist  ja  bekanntlich  Flautinisch.  egvegiissimus  braucht  G.  dem 
Pacuvins,  penitissimus  dem  Plautus  und  Varro,  illustvissimus  dem  Nepos 
nach,  die  form  Plautinissimus  aber  (III  3,  4)  ist  Plauii  move  gebildet, 
^ie  G.  ausdrücklich  ao.  bezeugt. 

'*  8.  ua.  XVI  7,  4  obaoleta  et  maculantia  ex  sovdidiove  volgi  usu,  XVII 
2,  21  sovdida  verba.  "  s.  Rebling  ^die   röm.  Umgangssprache'  (Kiel 

1873).  vortrefiflich  ist  auch  bei  S.  s.  120  ff.  die  kurze  erörterung  über 
das  Verhältnis  der  archaisierenden  richtung  zum  Vulgärlatein  und  des 
letztern  zu  dem  'treibhausgewächs'  des  classischen  lateins. 


192      EGoebel:  ein  druckfehler  bei  Ovidius  [trist.  IV  10,  107]. 

gebrauchs  die  Wahrscheinlichkeit  der  bisherigen  annähme,  dasz  Gel* 
lius  ein  von  der  rhetorisch-grammatischen  richtung  der  Frontonianer 
stark  beeinfluszter  Italiker  war,  nicht  verringert,  sondern  erhöht 
zu  werden,  wenn  man  die  von  S.  gegebene  Charakteristik  der  Afrio 
citas  als  im  wesentlichen  zutreffend  ansieht. 

Zum  schlusz  kann  ref.  sich  nur  von  herzen  dem  s.  143  aus* 
gesprochenen  wünsche  anschlieszen ,  dasz  die  von  S.  angeregten 
fragen  von  recht  vielen  weiter  verfolgt  werden  mögen,  nachdem 
durch  ihn  ein  so  schöner  anfang  gemacht,  eine  so  schätzbare  grund- 
lage  geschaffen  worden  ist. 

Leipzig.  Theodor  VoasL. 


(13.) 

EIN  DRUCKFEHLER  BEI  OVIDIUS. 


In  der  interessanten  Untersuchung  über  die  stelle  Ov.  trist.  IV 
10,  107  oben  s.  78  gelangt  SBrandt  zu  dem  resultate,  dasz  zu  lesen 
sei:  totqiie  tuLi  casus pelago  terraque^  quot  itUer  occtdtum  steUae 
conspicuumque  pölum,  wie  in  dem  geringem  cod.  Gothanus  steht, 
während  der  ^fttr  die  im  bessern  teile  des  Laur.  fehlenden  partien 
zunächst  maszgebende'  Guelferbytanus  folgende  gestalt  des  hexa- 
meters  bietet:  totque  tuli  terra  casus pelagoque,  quot  inter.  und 
diese  lesart  scheint  mir  nicht  blosz  darum ,  weil  sie  die  bessere  hsl. 
autorität  für  sich  hat,  sondern  auch  noch  aus  folgenden  gründen  den 
Vorzug  zu  verdienen:  1)  die  trennung  von  terra  und pdagoque ,  wo- 
durch beide  begriffe  stärker  hervorgehoben  werden  (=  cum  terra 
tum  pelago),  ist  nicht  nur  nicht  zu  beanstanden,  sondern  eine  Schön- 
heit, die  Verteilung  der  beiden  Wörter  in  die  beiden  vershälften  hat 
hier  ungefähr  denselben  effect  wie  IV  1,  61  und  V  3,  13  et  partim 
pclago  partim  vestigia  terra  —  muUa  prius  pelago  muUaque 
passus  humo.  2)  maszgebend  aber  war  meines  erachtens  für  die  Stel- 
lung ein  anderer  technischer  grund,  der,  wie  mir  scheint,  nicht 
zu  übersehen  ist,  nemlich  die  allitteration,  welche  bei  der  lesart 
des  Guelf.  ungleich  mehr  hör  fäll  ig  wird,  aus  gleichem  gründe 
steht,  glaube  ich,  wie  IV  1,  51  und  V  3,  13  so  auch  HI  2,  7  plurima 
sed  pelago  terraque pericula passum  umgekehrt pe^o^o  an  der  haupt- 
tonstelle.  die  beabsichtigte  starke  hervorhebung  des  allitterierenden 
Wortes  wird  unterstützt  durch  den  widerstreit  des  wortaccents  mit 
dem  verston  {p^lagö  —  tSrrä).  bei  der  Stellung  pelago  terrdque  ist 
dieser  nicht  vorhanden,  da  hier  der  wortaccent  mit  der  arsis  zu- 
sammenfiele, so  würde  die  erste  silbe  und  damit  die  allitteratio]\ 
ganz  zurücktreten,  aus  diesen  gründen  also  dürfte  an  der  durch 
die  bessere  hsl.  autorität  geschützten  lesart  festzuhalten  sein. 

Fulda.  Eduard  Goebel. 


ThStangl :  Pseudoboethiana.  193 

33. 

PSEUDOBOETHIANA. 


Die  dickleibigen  aber  dttnnhaltigen  commentare ,  die ,  nach  all- 
gemeiner Überlieferung  in  sieben  bttchem,  Anicius  Manlius  Severinos 
Boethius  zu  Ciceros  Topica  zusammenschrieb,  sind  in  keiner  der  bis 
jetzt  bekannt  gewordenen  handschriften '  vollständig  und  unverkürzt 
auf  uns  gekommen,  denn  während  Cicero,  mit  benutzung  griechi- 
scher vorarbeiten,  die  er  möglichst  zu  entwissenschaftlichen  und  in 
leeren  Schematismus  zu  übersetzen  bestrebt  ist,  doch  unter  Währung 
des  nationalen  Charakters  in  der  specifisch  juristischen  exemplification, 
in  den  100  paragraphen  der  Topica  eine  knappe  Übersicht  über  die 
gäng  und  gäbe  gewordenen  bethätigungsformen  der  ars  inveniendi 
gab ,  sind  von  des  letzten  römischen  philosophen  erklärung  zu  der 
Schrift  des  redners,  die  besonders  seit  der  mangelnden  kenntnis  des 
griechischen  und  dem  noch  altem  und  ärgern  Widerwillen  gegen 
strengwissenschaftliche  arbeiten  viel  gelesen  ward ,  blosz  die  ersten 
fünf  bücher  und  ein  kleiner  teil  des  sechsten,  welche  zusammen  den 
ersten  76  §§  von  Ciceros  Topica  entsprechen,  in  sämtlichen  Codices 
überliefert  worden  (Cic.  schol.  edd.  Orelli  et  Baiter  I  s.  270—388). 
der  einzige  Parisinus  regius  n.  7711  saec.  Xu  fol.  47** — 49* 
enthält  eine  an  das  verstümmelte  sechste  buch  anschlieszende  und 
die  zweite  hälfte  von  §  76  wie  den  §  77  bei  Cicero  beleuchtende 
oder,  wenn  man  will,  verdunkelnde  erklärung,  die  von  EBHase  in 
der  genannten  hs.  aufgefunden  und  bei  Orelli-Baiter  s.  390 — 395 
zum  ersten  mal  abgedruckt  wurde. 

Auffinder  und  herausgeber,  die  auf  manigfache  leichte  text* 
Verderbnisse  und  gedankenähnlichkeit  mit  Ciceros  Tusculanen  und 
Augustinus  sechstem  buch  vom  Staate  gottes  hinwiesen,  sprechen  in 
den  vorreden  s.  389  u.  269  ihre  feste  Überzeugung  von  der  echtheit 
des  tractates,  der  ja  in  jener  Pariser  hs.  unmittelbar  das  allgemein 
als  echt  anerkannte  fragment  von  Boethius  sechstem  buche  fortsetzt, 
ohne  allen  rückhalt  aus.  *  seit  dem  halben  Jahrhundert,  das  uns  von 
OreUis  verdienstvoller  ausgäbe  der  Ciceroscholiasten  trennt,  hat  nie- 
mand mit  wort  oder  gehalt  des  schriftchens  de  dis  et  praesensionihuSy 
wie  es  Hase  zweckmäszig  betitelt,  sich  öffentlich  irgendwie  befaszt. 

^  za  den  von  mir  in  den  ^Boethiana'  (Gotha  1882)  zuerst  verwer- 
teten acht  hss.  aas  München,  Bamberg  und  Einsiedeln  kommt  anszer 
andern  eine  bei  Jaff^  u.  Wattenbach  bibl.  metropol.  Colon.  1.  mscr.  s.  84 
beschriebene  saec.  X,  welche  das  in  den  Boeth.  s.  12  aus  Bamberg,  n.  336 
saec.  X  ausgeschriebene  prooemium  in  vollerer  und  reinerer  gestalt  ent- 
hält und  sicher  gleiches  Ursprungs  mit  ihm  ist.  *  erst  bei  ausarbei- 
tnng  des  dritten  teiles  bemerkte  ich,  dasz  Baiter  nach  30  Jahren  in  der 
zweiten  Züricher  ausgäbe  IV  s.  227  z.  10  von  einem  pseudo-Boethius 
spricht :  ^nam  a  Boethii  dicendi  genere  longe  abhorret.'  natürlich,  weil 
ps.-Bo.  selbst  kaum  je  zu  worte  kommt. 

Jahrbücher  ffir  cIms.  philol.  1883  hft.  3.  13 


194  ThStangl:  Pseudoboethiana. 

denn  wenn  JPMigne  1861  in  seinem  cursus  patrol.  compl.  bd.  63 
und  64  die  gesamtwerke  des  Boethius,  echte  und  unechte  ^bei  und 
durch  einander',  nach  der  tradition  des  16n  jh.  zumeist,  wieder  ab- 
druckt und  darunter  bd.  64  s.  1040 — 1173  die  commentare  zn  den 
Topica  ohne  das  Hasesche  fragment  und  ohne  nur  ein  wort  von  dem- 
sellsen  irgendwo  zu  sagen ,  so  folgt  daraus  weder  etwas  für  echtheit 
noch  für  unechtheit.  Migne  kannte  jenen  Züricher  druck  von  1833 
entweder  gar  nicht,  oder,  was  wahrscheinlicher,  er  ignorierte  ihn, 
wie  fast  alle  arbeit  unseres  Jahrhunderts  in  fast  allen  seinen  neu- 
drucken,  consequent  und  vollstttndig.  in  der  textgestaltung  der 
rhetorischen  und  logischen  Schriften  steht  er  auf  dem  Standpunkt 
des  Glareanus  (<=»  Heinrich  Loriti  ans  Mollis  im  canton  Glarus 
1488 — 1563)  in  der  Henricopetrina  yon  1570  —  wenn  es  nur  wahr 
wäre  — ,  hinsichtlich  der  unechtheitsfrage  einzelner  Schriften  auf 
den  weit  mehr  als  ein  halbes  Jahrtausend  veralteten  anschauungen 
des  Boethius-commentators  Gilbertus  Porretanus,  sein  schweigen 
ist  also  nicht  als  ein  bewustes  und  wissenschaftlich  überzeugtes  fest- 
halten an  einer  aus  guten  gründen  bessern  tradition  zn  verstehen, 
sondern  als  bare  akrisie.  so  haben  wir  es  denn  —  heutzutage  wirk- 
lich ein  seltener  fall  —  von  Hase-Baiters  wenigen  neuerungen  ab- 
gesehen, mit  der  Überlieferung  selbst,  nicht  etwa  mit  einer  zehnfach 
umfangreichem  litteratur  über  sie  zu  thun.  unsere  besch&ftigung 
mit  dem  schriftchen  wird  sich  nach  drei  richtungen  hin  bewegen, 
nemlich : 

I.  möglichste  Wiederherstellung  des  ursprünglichen  textes  und 
darlegung  der  sprachlichen  eigentümlichkeiten. 

IL  nachweis  der  bewusten  flüschnng  und  unbeholfenen  zu- 
sammentragung der  Schrift  aus  manigfachen  antiken  und  mittel- 
alterlichen autoren. 

III.  bestimmung  von  zeit,  land  und  stand  des  pseudo-Boethius. 

I.' 

Der  tractat  beginnt  s.  390, 1  nach  P:  Vel  ex  fama  vulgi  vel 
ex  testimonio  multitudinis  rem  dübiam prob are  contendity 
uty  quod  vel  ah  Omnibus  vel  a  pluribiis  diciiur^  id  omnino  vel  plurmum 
credibile  videatur,  non  enim  muUum  a  fide  dissentü^  quod  unus  Uem- 
que  alius  ac  deinceps  diäis  concurrentibus  credendum  introducU.  zum 
Verständnis  d.  st.  vergleichen  wir  die  worte  Ciceros  Top.  §  76,  worauf 
sich  des  Bo.  schlusz  des  gröszem  fragments  (s.  388,  19)  und  unser 
eingang  der  fortsetzung  bezieht.  Cic.  sagt  hier,  indem  er  die  ver- 
schiedenen Wege  verfolgt  und  an  einzelfällen  klarlegt,  auf  denen  der 
redner  beweisführend  und  das  vertrauen  und  die  Überzeugung  der 
börer  erringend  auftreten  kann^  nach  aufzählung  anderer :  concursio 
aiäem  fortuitorum  talis  est^ut^si  interventum  est  casu,  cum  aut  age- 


3  p  ..  cod.  Paria,  reg.  n.  7711  saec.XII;  T  •«  Haae-Baiter  in  der 
editio  Turicensis  von  1833. 


4 


ThStangl:  Pseudoboethiana.  195 

retur  oLiquid  quod  proferendum  non  esset  aut  diceretur,  in  hoc  genere 
etiam  iUa  est  in  Palamedem  conieda  sttspicionum  prodUionis  muUi" 
tudo ;  quod  gemis  refutare  interdum  veritas  vix  potest.  huius  etiam 
est  generis  fama  vtdgi,  qttoddam  tnuUüudinis  testitnoniuin.  betrachtet 
man  die  Vortragsweise  der  erklärung,  die  Bo.  auf  der  letzten  seite 
des  gröszem  Fragmentes  zu  mehreren  der  unsrigen  gleichgeordneten 
beweisarten  gibt :  388,  3  quin  etiam  ignorantia  puerorum^  vi/ndlentia^ 
somnus  quaedam  saepe  produxit  in  medium  .  .  saepe  etiam  homines 
praeter  uUam  animi  perturbaiionem  imprudentes  propria  confessione 
ohligati  su^nt  usw. ;  erwSgt  man  dasz  innerlich  wie  ätAcerlich  die  person 
des  beweisführenden  völlig  in  den  hintergrund  tritt  zu  gunsten  eines 
klarem  hervortretens  der  zu  beweisenden  sache  und  dasz  dieses  gram- 
matische Verhältnis  sowohl  die  vorhergehende  darstellung  s.  387, 
30.  33.  38.  39.  45  beherscht  aJs  auch  gewahrt  ist  bis  zu  dem  letzten 
satze  des  ersten  fragmentes  s.  388,  1 4  concursio  etiam  rertim  fortuüa- 
rum  facit  fidem:  so  ist  es  handgreiflich,  dasz  unser  fortsetzer  erstens 
unrichtig  mit  vel  anknüpft  stdtt  mit  einem  ausdruck  wie  huius  etiam 
generis  est  quod  oder  pertinet  eodem  quod  oder  ähnlich^  zweitens  dasz 
er  weder  im  ersten  noch  im  zweiten  satze  das  neue  subject  orator, 
das  auf  Seiten  hin  nicht  zu  sehen  ist  und  das  er  im  Widerspruch  mit 
der  ganzen  vorhergehenden  darstellungsweise  schuf,  vorstellt  und 
hinstellt,  sondern  einfach  erraten  läszt.  so  übel  nun  der  Übergang 
selbst  geraten  sein  mag:  wir  haben  nicht  das  recht  eine  bessere 
fügung  als  der  falscher  selbst  vermochte  herzustellen ,  etwa  mit  be- 
seitigung  des  vel.  wohl  aber  hat  die  kritik  die  pflicht  die  worte 
Ciceros  fama  vulgi ,  quoddam  muItUudmis  testimonium  nicht  durch 
vd  ex  fama  vulgi  vd  ex^  testimonio  muUitudinis  rem  duhiam  prohare 
contendit  erklären  zu  lassen,  sondern  herzustellen  vd  ex  fama  vulgi 
velut  ex  testimonio  muUitudinis  rem  duhiam  prohare  contendit 
(sc.  orator).  denn  einerseits  ist  in  solchem  Zusammenhang  der  aus- 
druck fama  vulgi  vd  testimonium  muUitudinis  jedes  verständigen 
gedankens  bar,  anderseits  decken  sich  Ciceros  qiwddam  m.  t.  und 
des  compilators  vdut  t.  m.  sachlich  und  sprachlich  vollständig,  vgl. 
394,  16  quxbus  vduti  vivae  atque  expertissimae  deorum  voci  pro  fidei 
testimonio  iwnitehatur  antiquitas]  395,  9  in  cuius  vdut  darissimo 
senatum  395, 3  dafür  qtuisi  quodam  cadi  testimonio,  auszerdem  Quin- 
tilian  V  3 ,  1  =  Victor  in  den  Rhet.  lat.  min.  404 ,  30  H.  famam 
atque  rumores  pars  äUera  consensum  (<»  unserm  concwrrentia  dicta) 
civitatis  d  vdut  pühlicum  testimonium  vocaty  altera  sermonem  sine  uUo 
certo  auäore  dispersum.  dasz  unser  sinnloses  zweites  vd  von  pseudo- 
Boethius  selbst  herrühre,  ist  unwahrscheinlich;  es  wurde  vielmehr 
vef  unter  dem  einflusz  des  vorhergehenden  vd  wie  auch  des  in  der 
nächsten  zeile  folgenden  vd  —  vd  diesen  assimiliert  dasz  der  com- 
pilator  an  eine  gleichsam-zeugnisablegung  des  ganzen  Volkes  dachte 
und  wie  er  sich  dieselbe  dachte,  sagen  klar  die  worte  quod  unius 
Uemque  älius  ac  deinceps  (■«  toO  dvreOeev)  diäis  concurrenübus 
credendum  introdudt  (sc.  orator).    indem  ich  Baiters  schüchternen 

18* 


196  ThStangl:  Pseudoboethiana« 

Vorschlag  unius  aus  unus  der  hs.  herzustellen  rückhaltlos  beipflichte, 
lehne  ich  dagegen,  da  nun  einmal  im  ersten  und  zweiten  satz  oraiar 
allein  als  subject  zu  denken  ist,  die  ftnderung  des  von  P  gebotenen 
probare  in  prohari  ab.  nemlich  die  phrase  caniendo  prohare  ^  mon* 
strare,  efficere  ist  einer  von  jenen  ausdrücken,  die  ps.-Bo.  seinem 
original  nachschrieb,  so  heiszt  es  349 ,  25  prapasUo  temnmo  quem 
prohare  contendimus  saepe  ex  adkmäis  argumenta  deßciurU.  350,  8 
cum  ab  antecedenlibus  et  consequeniibus  (Mquid  probare  contendmus. 
376,  21  quüibet  totius  artis  alienus  ei  intendere  in  aUerum  crimen  et 
sese  purgare  scMf  et  argumenta  aiiquid  probare  contendü]  ähnlich 
276,  36.  371,  27.  397,  43.  ebenso  ist  auctor  estphiUmphia  393,  7 
eine  reminiäcenz  an  349,  22  ambuUUio  auctor  est  oder  317,  1  di/*- 
ferentia  dissimüüudinis  auctor  est  und ,  von  anderm  abgesehen ,  die 
Vortragsweise  395,  4  (mit  inguam)  und  391,  24 — 31  unverkennbar 
335,  35—36  nachgebildet 

390, 13  gibt  P :  omnia  autem  quae  virtute  auctorüatem  fidei  com- 
parant^  in  gemina  consideratione  deorum  hominumgue  distribuens  dooet. 
Baiter  vermutet  in  geminä  consideratione  ^  wohl  da  es  auch  393,  25 
heisze  quae  sunt  deorum  testimonia  suibsequitur:  dinumerans  prind- 
palUer  in  orationem  resque  distribuit  und  391, 27  virtutem  in  naturam 
industriamque  dispertiat,  ein  anderer  erkennt  in  als  dittographie 
der  zwei  letzten  buchstaben  des  vorhergehenden  wertes,  wem  stim- 
men wir  bei?  keinem,  wer  wird  auch  von  einem  compilator,  der, 
wie  wir  sehen  werden,  auf  der  niedrigsten  stufe  sprachlicher  kennt- 
nis  steht,  das  bewustsein  von  der  kraft  eines  casus,  der  natur  einer 
Präposition  verlangen,  da  schon  der  Cicerokenner  Boethius  bei  Meiser 
Bo.  c.  in  Ar.  irepl  dpjbiiiveiac  U  123,  28  schreibt:  divisa  sunt  tem- 
pora  in  tribus,  feiner  Top.  378,  28  inter  constantes  causas  haibOus 
quoque  debuit  aditmgi.  371,  8  casus  {est)  exterior  causa  nee  inter 
prifidpäles  adnumeratur^  bei  Meiser  11  319,  19  omnis  determinatio 
in  terminorum  numero  non  adscribüur,  die  letztgenannte  stelle  ist 
auszerdem  auch  ein  beleg,  dasz  bei  Meiser  II 123,  12  tn  tdrarumque 
definitione  enuntiationis  nomen  adscripsit  mit  der  ältesten  hs.  zu 
lesen  ist,  nicht  definitionem  mit  den  weniger  guten  und  hier  falsch 
verbesserten,  übrigens  ist  lange,  lange  vor  der  bibel  des  Ambrosius 
selbst  eine  derartige  degeneration  besonders  bei  africanischen  Schrift- 
stellern reichlich  constatiert. 

390,  16  deos  dicit  qttasdam  incorporeas  potestates,  quas  et  uni- 
versiiati  praesidere  eisque  rebus  quibus  praesunt  suorumque 
responsorum  indiciis  humanam  caUginem  temperare  opinabatur  cmti- 
quitas :  P.  wenn  Baiter  nach  praesunt  den  ausfall  eines  verbums  ver- 
mutet, so  kann  man  dieser  forderung,  dem  in  der  luft  schwebenden 
eisque  rebus  quibus  praesunt  durch  Schaffung  eines  dem  praesidere 
und  temperare  parallelen  begriffes  auf  die  beine  zu  helfen ,  nur  zu- 
stimmen, ob  nun  der  leichtsinn  des  abschreibers  der  originalcompi- 
lation  consulere  (393,  41  deum  inteüegibüem ,  pro  naturae  suae  boni- 
täte  Omnibus  consulentem)  oder  prospicere^  providere  oder  ein  ähnliches 


ThStangl:  Pseudoboethiana.  197 

ausgelassen,  läszt  sich  nicht  entscheiden,  vgl.  Chalcidius  s.  122,  26 
Wr.  detis  est  humanis  rebus  consulens.   ebd.  286,  26  u.  289,  6. 

390,  19  cur  M.  TuUius  virtutem  in  divinis  naturae  ascHbcUj  in 
hutn€mis auttm  manentihus  studio  et  industriae^  Piatonis  ceterorufn- 
que  phHosophiae  sequacium  dedarat  assensus:  P.  das  vielleicht  unter 
der  einwirkung  des  unmittelbar  vorhergehenden  hwmanis  zu  manen- 
tibus  erweiterte  und  sicher  ursprüngliche  mentihus^  das  ja  auch 
zum  gegensatzglied  in  divinis  in  gedanken  zu  ergänzen  ist,  hätte  t 
ohne  bedenken  in  den  text  aufnehmen  sollen,  vgl.  390,  27  hutnana 
virtuSy  quam  interdum  intentio  porrigit,  remissio  angustat^  siuie  muta- 
hiUtatis  sedem  sortUa^  ah  iUa  incommuiäbiU  divinorum  nobüitate 
degener at  hominumque  mentihuSy  in  quihusper  accessus  et  recessus 
variatur^  studio  industriaque  comparatur. 

391, 1  anima  necdum  in  contagionis corporeae  indumento  evo- 
luta  in  Uta  äbsolutissimae  puriiatis  suae  specula  omnium  rerumpe- 
riiiatn  perfectissime  considerat,  postquam  atUem  in  hoc  luteum  corpus 
obruitury  acies  eius  terrenae  admixtionis  tenebris  caligosa  ab  Ula 
suae  ingenitaeque  visionis  claritudine  caecaiur:  P.  natürlich  ist  hier 
e  mit  f  verwechselt  und  involuta  in  den  text  anzunehmen,  vgl. 
391,  13  postquam  quodam  crasso  corporis  tegimine  irretita  anima  et 
circumfusa  quandam  sui  oblivionem  subierü^  cum  deinde  studio  ac 
disciplina  detergeri  coepit  atque  nudariy  tunc  in  naturae  suae  modum 
animus  revertitur  atque  revocatur.  ähnlich  heiszt  es  bei  Meiser  ao.  II 
232,  2  anima  velut  inligata  corporibus,  Chalcidius  s.  45,  23  Wr.  ani- 
mae  corporibus  inserentur.  der  gegenüberstellung  halber  ist  anziehend 
Bo.  Top.  287 ,  48  quod  involute  nomine  significabaUur  evölvit  atque 
aperU,  290 ,  28.  dasz  der  ausdruck ,  von  der  bildung  i/ndumentum 
abgesehen,  geradezu  classisch  ist,  zeigt  Cic.  in  Pis.  12  istius  insignis 
nequitia  frontis  invohda  tegumentis.  —  cäHgosus,  wofür  t  caUginosus 
vermutet,  ist  eine  regelrechte  bildung  wenigstens  der  spätem  lati- 
nität  vom  verbalstamm  calig-are^  welche  an  die  stelle  der  substantiv- 
stammbildung  caliginosus  der  classischen  zeit  tritt  und,  nach  Rönsch 
Itala  s.  125,  sich  noch  an  fünf  stellen  späterer  autoren  findet.  — 
Als  Vulgarismus  musz  femer  an  unserer  stelle  necdum  «»  nondum 
(s.  Sittl  über  die  loc.  verschiedenh.  d.  lat.  spr.  s.  99)  bezeichnet 
werden ,  eine  Stellvertretung  die  freilich  schon  vor  Bo.  nachweisbar 
ist.  eben  dahin  gehört  sive  =  et^  que  395,  12  m  huiusiiMdi  tractatu 
Posidonii  atque  luUi  Firmici  sive  rdiquorum  mathematicorum  regnat 
oratio;  aruspices  etiam,  variorum  aucupatores  eventuum,  ab  aerio 
avium  volatu  sive  cantu  quandam  futurorum  nqoyvmaiv  manare  dixe- 
runt  [393,  20  lautet  das  Cicerocitat  aärius  avium  cantus  et  volatus] ; 

390,  33  essentiaUter  sive  naiwraliterr,  femer  tum . .  immo  statt  non  .  . 
sed  393,  6;  nee  etiam  ,  .  nisi  st.  nee  .  .  sed  393,  8;  oo  »i  «»  quasi 

391,  28  und  393,  5 ;  an  =»  num  392, 1 ;  der  gräcisierende  pleonas- 
mus  ipsa  quoque,  sicut  et  quoque.  auch  der  gebrauch  der  präpo- 
sition  in  den  Worten  ab  iUa  visionis  claritudine  caecatur:  ferner 
393,  28  aninik  a  terrena  contagione  defaecatis  zeugt  von  einem 


198  ThStangl:  Pseudoboethiana. 

Sprachgefühl,  das  sich  der  ursprünglicbeii  kraft  des  casus  nicht  mehr 
bewust  ist;  oder,  wie  391 ,  28  virtus  de  (»»  ex)  qua  audoritas  com- 
paratur^  die  eine  präp.  an  die  stelle  der  andern  setzt;  oder,  wie  391, 
1 1  tarn  inscHUum  domicüium  inmigravU  [bei  Cicero  heiszt  es  in  tarn 
ins.  d,  inm.] ,  die  präp.  nicht  blosz  bei  stftdtenamen ,  sondern  aach 
bei  allgemeinen  Ortsbezeichnungen  wegläszt. 

391,  7  aiunt  nuüo  modo  fieri  posse^  ut  a  puerUia  tot  rerum  atgue 
tantarum  insitas  atqtie  consignatctö notiones . .  habemuSj  nisi animus 
ante  quam  incorporaretur  in  rerum  cognitione  viguisset :Pt.  habere- 
mus,  das  an  der  ausgeschriebenen  stelle  von  Ciceros  Tusculanen* I 
§  57  treu  in  allen  hss.  überliefert  ist,  können  wir  mit  gutem  grund 
als  vom  abschreiber,  nicht  vom  compilator  selbst  verderbt  betrachten, 
das  gleiche  gilt  von  391,  30  cur;  390,  24  fit]  392,  1  pede,  die  zu 
cum,  Sit,  pedem  gedankenlos  geändert  wurden,  femer  kommen  dazu 
kleinigkeiten  wie  cdehranta  st.  cdebrata  392,  41;  ac  scribat  st, 
ascribai  393,  4;  ^piouum  st.  specuum  394,  14;  hylementis  st.  de- 
meniis  und  speriüi  st.  8ph<ierali  394 ,  23  bzw.  32.  man  sieht:  auf 
5^2  groszoctavseiten  eine  ganz  unverächtliche  zahl  leichter, 
aber  auch  schwerer  Schreibfehler,  die  auf  keinen  fall  dem  com- 
pilator selbst  zugetraut  werden  dürfen,  sondern  dem  abschreiber 
des  bisher  nicht  bekannt  gewordenen  originalfalsifi- 
cates  zuzuweisen  sind,  wohl  zu  unterscheiden  hiervon  sind  39 1, 
20  u.  22  wo  respondet  und  quo  si  auch  in  einigen  hss.  des  quellen- 
Schriftstellers  zu  respondU  und  qtuui  verderbt  sind :  diese  vom  com- 
pilator selbst  aus  seinem  Ciceroexemplar  entnommenen  fehlerhaften 
lesarten  dind  hier  beizubehalten  und  nicht  auf  kosten  der  eigenart 
der  compilation  auszumerzen.  392 ,  25  gibt  adtribuunt  ebensowohl 
einen  sinn  wie  das  Augustinische  adiribuuntur,  übrigens  s.  hierüber 
unten  III. 

391,  IS  in  iüo  libro  gui  Menon  inscribüur  heiszt  es  in  P  und 
in  den  Codices  saec.  IX  u.  XII  der  Tusculanen ,  aus  denen  unsere 
werte  ausgeschrieben  sind.  Neue  formenlehre  I *  s.  169  citiert  für 
die  griechihch-lateinische  form  Menon  des  griechischen  eigennamens 
MevuiV  eben  diese  Tusc ulanensteile  I  24,  57,  für  die  echtlateinische 
form  Meno  dagegen  s.  157  Livius  XLII  58,  7  wo  es  heiszt:  huic 
armaiurae  Midon  BeroeaeuSy  equüibus  et  summae  partis  eius  Meno 
Äntigonensis  praeerat.  also  in  demselben  satze  des  Augusteischen 
historiker.s  zwei  gleich  gut  griechische  personennamen  auf  -UJV  in  ver- 
bcbiedener  weise,  das  eine  mal  mit  der  griechischen  endung  -Of»,  das 
andere  mal  ohne  die  auslautende  liquida,  dem  lateinischen  angepasst. 
und  wie  schreibt  Cicero  sonst  den  lat.  nominativ  von  M^VU)V?  dafür 
i&t  uns  kein  beleg  mehr  erhalten  auszer  das  bei  Neue  ao.  s.  156  bei- 
gebrachte Zeugnis  Priscians ,  der  VI  6 ,  29  aus  der  verlorenen  rede 
pi'O  Fundanio  die  werte  citiert:  essetne  id  quod  Meno  nuntiasset 
{pro  Menon),  [Orelli  IV*  s.  931  wird  Farmeno  aus  fr.  8  vermutet] 
wichtiger  als  diese  einzelstellen  sind  die  von  Neue  zusammen- 
getragenen lehren  der  alteii  grammatiker  undrhetoren,  am  wichtig- 


ThStangl :  Paeudoboethiana.  199 

fiten  seine  die  ganze  erhaltene  litteratur  umfassende  stellensamlung 
über  die'  lateinische  nominativform  der  griechischen  personennamen 
auf  -U)V.  die  bedeutendste  grammatikerregel  ist  bei  Priscian  VI  6,  29 
in  on  guoque  genetivi  graeci  supra  didam  servant  regtdam,  paenuUima 
seoundum  Oraecos  manente  producta  vel  correpta:  Miiivmv  Mifivovog 
JUc  Memnon  huius  Memnonis^  Zivtav  JSlvcavog  hie  Sinon  huius  Sinö- 
nis  .  .  haec  tarnen  antiqui  solent  ahlata  n  proferre  et  secun- 
dum  Laiinarum  regulam  in  o  terminantium  (quod  ubique  Terentius* 
fadt)  dedinare,  unter  den  beispielen  aus  Cicero,  die  alsdann  an- 
geführt werden,  nennen  wir  auszer  dem  oben  erwähnten  Meno  statt 
Mßnan  noch  die  ganz  entsprechenden  aus  den  Verrinen  Dexo^  Zeno, 
Xeno  statt  Dexon,  Zenan,  Xenon,  knapper  und  gehaltvoller  äuszert 
sich  hierüber  Quintilian,  der  in  seiner  bekannten  auseinandersetzung 
über  die  fremd  Wörter  I  5,  55  — 64  im  lateinischen  von  den  gram- 
matici  veterum  amatores  sagt:  id  Palaemo  ac  Telamo  et  PUßo 
(nam  sie  eum  Cicero  quoque  appedat)  dicerentur  retinueruntj  quia 
latmum,  quod  o  et  n  lUteris  finiretur^  non  reperiebant,  nichts  neues 
fügt  dazu  Charisius. 

Prüfen  wir  dies  gesetz  an  Ciceros  erhaltenen  werken ,  so  tritt 
das  entschiedenste  bestreben  der  reinhaltung  des  nationalen  idioms 
hervor  und  eine  so  consequente  Parteinahme  für  die  lateinische  en- 
dung,  dasz  von  einem  wirklichen  schwanken  oder  gar  einer  neigung 
zu  'On  hin  keine  rede  sein  kann,  eine  ausnähme  bildet  'AtotM^MVUiV, 
das  in  den  Tusc.  2mal  als  -o ,  in  de  div.  de  ofif.  u.  p.  Flacco  3mal 
als  -on  vorkommt;  'Ajucpiuiv,  je  einmal  als  -o  und  -on;  'Gvbujbiiujv 
Gupopiujv  MiXiuv  je  einmal  als  -on-^  femer  ^Apjiiöbioc  und  'ApiCTO- 
t€(TUiV,  KX^oßic  und  BiTUJV,  die  je  einmal  als  H.  und  Aristogiton^ 
Cl.  und  BUon  sich  finden,  und  deren  namensform  in  allen  sprachen 
ebenso  fest  scheint  wie  die  reihenfolge  ihrer  nennung  und  die  haupt- 
Züge  d'es  von  der  geschichte  über  sie  bericbteten;  weiter  steht  Te- 
lamo an  je  6iner  stelle  von  de  nat.  d.,  de  orat.  (II  46,  193;  Neue 
berichtet  falsch  Tetamon)^  Tusc;  Tdamon  Tusc.  III  §  39  in  einem 
verse.  Zeno  kommt  43  mal  in  Ciceronischen  stellen  vor,  von  denen 
keine  dem  briefstil,  fast  alle  den  philosophischen  Schriften  angehören, 
und  zwar  5  den  Tusculanen ,  7  de  nat.  deor.  diesen  5  bzw.  7  Zeno 
steht  je  6in  Zenon  gegenüber,  nemlich  Tusc.  V  §  27  «i  Aristo  Chius 
aut  si  stdcus  Zenon  diceret  und  de  nat.  d.  I  §  70  Zenon  j  wo  in  der 
nächstvorhergehenden  zeile  urgu>ehat  ArcesHas  Zenonem  steht:  ich 
trage  bei  solchem  Verhältnis  der  Überlieferung  kein  bedenken  beide- 
mal Zeno  zu  lesen,  selbst  wenn  dort  das  moment  der  Symmetrie, 

^  et  Plautus  könnte  man  nach  facii  rein  sachlich  hinzufügen,  indem 
nach  einer  znaammenstellnng  Neues  ao.  s.  160  nicht  weniger  aU  31 
grieclusche  personennamen  in  Piautinischen  und  Terenzischen  stücken  mit 
der  rein  lateinischen  nominativendnng  auftreten,  dasz  übrigens  unter 
antiqui  nicht  blosz  die  archaischen  £chter  zu  verstehen  sind,  sondern 
auch  Cicero  und  manche  der  Augusteischen  zeit,  beweisen  die  folgenden 
belege  aus  den  dichtem  Horatius  und  Statins,  an  deren  stelle  er  freilich 
besser  oder  vielmehr  allein  passend  prosaiker  hätte  eitleren  sollen. 


200  ThStangl:  Pseadoboethiana. 

hier  die  das  Verderbnis  leicht  erklSrende  Umgebung  nicht  hinzukäme. 
endlich  findet  sich  Serapion  in  einem  briefe,  Triton  in  einem  verse 
des  Accius  und  in  einer  rede  des  Atticus ,  und  Acad.  11  §  106  me- 
minit  Sciron  Epku/ri  dognuUa, 

Verfolgen  wir  an  der  band  Neues  die  bei  Cicero  fast  ausnahms- 
los in  römischem  gewand  auftretenden  griechischen  eigennamen  in 
die  späteren  zeiten,  so  tritt  unter  den  dichtem  vor  allem  bei  Ovidius, 
unter  den  prosaikem  bei  Seneca  eine  unverkennbare  hinneigung 
zum  griechischen  dement  wie  in  manchen  andern  beziehungen  so 
auch  hier  hervor :  von  allgemeineren  erwttgungen  abgesehen  dürften 
benutzung  griechischer  quellen  und  metrische  gründe  in  vielen  fällen 
ausschlaggebende  gründe  sein.  Curtius  und  Justinus  schwanken,  so 
dasz  sie  beispielsweise  bald  Fartnenio  bald  Parmenian  schreiben, 
wie  schon  die  indices  ihrer  guten  kritischen  ausgaben  anmerken. 
uftter  den  späteren  Schriftstellern  steht  Boethius  wohl  als  ausnähme 
da,  wenn  er  mit  Cicero  FUxto  (llmal  unter  den  von  Meiser  gesam- 
melten stellen) ,  Phüo  usw.  consequent  schreibt ;  im  grossen  ganzen 
herschte  die  griechische  Schreibweise,  und  die  lateinische  endung 
lebte  fast  nur  in  gelehrten  notizen  der  grammatiker. 

Also  schreiben  wir  mit  Orellis  erster  ausgäbe  an  der  original- 
stelle unseres  citates,  um  nicht  gegen  den  TuUianischen  Sprach- 
gebrauch zu  verstoszen ,  und  unter  aufbürdung  des  verderbnisses  an 
die  Schreiber  der  beiderseitigen  Überlieferung,  Meno  ?  nein :  es  gibt 
einen  dritten,  weder  von  den  alten  noch  von  den  neuem  grammatikem 
erwähnten  weg  mit  griechischen  werten  überhaupt  umzugehen: 
man  nehme  sie  ohne  änderang  von  endung  und  schrift  in  die  um- 
gebende lateinische  redeweise  herüber,  indem  man  sie  einzig  mit 
einem  die  Originalausdrucks  weise  rechtfertigenden  zusatz  stützt: 
eoruvn  poetarum  qui  Xvqi%ol  a  Oraecis  nominantur  heiszt  es  §  183 
im  Orator,  der  mindestens  15  solcher  beispiele  bietet;  eam  quam 
(ptXoaotflav  Qraeci  vocant  und  ei  quos  q>vaiiiovg  Qraeci  nominant  de 
orat.  I  §  9  bzw.  217,  und  zwar  in  der  guten  alten  Erlanger  hs* 
saec.  X  mit  lateinischen  buchstaben  geschrieben,  und  ist  das  nicht 
der  Schlüssel  auch  für  unsere  stelle  ?  wir  halten  die  Überlieferung  auf- 
recht und  den  Sprachgebrauch  Cicerosein,  wenn  wir  die  Überlieferung 
scheinbar  ändern  in  iüo  Ubro  qui  Mivcav  inscribitur.  bei  unserm 
eigennamen  ist  das  um  so  unbedenklicher  zu  statuieren ,  da  in  der 
majuskelschrift  für  ihn  eigentlich  blosz  beim  o-laut  die  Schreibweise 
des  griechischen  und  lateinischen  differiert,  so  ist  auch  392,  18 
MITHICON,  395,  15  nPOrNOCHX  geschrieben,  und  Dombart  merkt 
zu  August,  de  civ.  dei  YIII  7  s.  331,  27  an:  'prope  usquequaque 
codd.  nostri  vocabula  graeca  latinis  litteris  scripta  exhibent',  und 
ediert  demgemäsz  VI  5  s.  252,  19  mythicon  —  physicon,  wä)irend 
Baiter  392,  18  f.  auf  grund  einer  fünf  Jahrhunderte  jungem  ha. 
die  aus  Augustinus  ausgeschriebenen  werte  mit  griechischen  buch- 
staben wiedergibt. 

392,  2  videtur  quihusdam  haec  senientiOj  qua  ait  Cicero:  deorum 


ThStangl:  PBeudoboethiana.  201 

virtus  natura  exceUü^  hominum  autem  indiistria,  ex  libris  M.  Varronis^ 
hominis  acuHssimi,  de  humanis  et  divinis  rebus,  uhi  de  theologiae  divi^ 
sione  agitur,  succmcte  per  transvtutn  tnutata:  Pt.  die  richtigkeit 
der  behauptung  vorausgesetzt,  Cicero  habe  hierin  wirklich  Yarro 
benutzt,  so  zeigt  die  folgende  nebeneinanderstellung  der  breiten 
Varronischen  erörterung  upd  des  knappstgefaszten  satzes  Ciceros, 
der  seines  freundes  eingehende  besprechung  des  gegenständes  in 
aller  kürze  {succincte,  ebenso  bei  Friedlein  Bo.  s.  389,  19.  413,  14) 
zusammendrängt  und  nur  im  vorübergehen  {per  transüum ,  so  auch 
ServiuB  Yerg.  georg.  III  526)  berührt,  dasz  von  Cicero  die  anschau- 
ung  Yarros  nicht  wörtlich  abgeschrieben,  wohl  aber  in  ihrem  grund- 
gedanken  erfaszt,  dasz  sie  in  nichts  wesentlichem  geändert  (fnutata)f 
wohl  aber  in  ihrem  kerne  entlehnt  (mutuata)  wurde,  und  ftlrwahrr 
was  soll,  rein  sprachlich,  sagen  senientia  ex  libris  M.  V,  mutata 
videtur*^  tnutuare  statt  muiuari  —  um  auch  dieses  bedenken  zu 
heben  —  steht  bei  Yitruvius  XYIII  7  (12),  4.  Tertull.  apol.  45.  ad 
nat.  2,  4.  Boeth.  de  ar.  12,  17  Fr.  hinc  quattuor  elementorum  mul- 
titudo  mutuata  est,  und  in  dem  von  unserm  compilator  an  mehreren 
stellen  ausgeschriebenen  Chalcidius  s.  287 ,  5  Wr.  probationem  ad- 
fert  de  exempUs  inlustribus  mutuatum. 

392 ,  33  hoc  genus  .  .  nulta  infamia  denotavü.  tertium  genus 
est,  inquit,  dvüe,  quod  in  urbe  cives,  maxime  sacerdotes,  nosse  atque 
sacrificando  administrare  sölent:  in  quo  etiam  gener e  cum  multae 
infamiae  fiunt  simütimaj  quamvis  tacente  Varrone,  a  nobis  iUi  priori 
iudicantur  cognata:  Pt.  was  will  'vieler  schände  aufs  haar  ähnliches 
geschieht'?  stellen  wir  her  multa  infamiae  fiunt  simiUima:  Wiel 
kommt  vor  was  der  Schlechtigkeit  aufs  haar  gleicht',  da  unmittelbar 
vorher  das  pronominaladjectiv  nuUa ,  vor  infamia  stehend ,  auch  zu 
ihm  construiert  wurde,  so  ist  es  bei  unserm  abschreiber,  von  dem 
bis  jetzt  schon  mehr  als  ein  halbes  dutzend  Schreibfehler  constatiert 
sind,  die  ein  nichtverständnis  der  spräche  und  eine  oberflächliche 
wiedergäbe  der  Originalvorlage  unwiderleglich  bekunden,  nicht  auf- 
fällig, dasz  er  auch  hier  denselben  gleichklang  bei  adjectiv  und  sub* 
stantiv ,  die  ja  in  derselben  reihenfolge  sich  zeigen ,  unwillkürlich 
annahm. 

392,  40  maiestati  divinae  indigna:  P  und  die  hss.  des  Augustin» 
der  hier  ausgeschrieben  ist.  die  classische  latinität  sagt  blosz  indig- 
nus  re,  die  silberne  und  gräcisierende  auch  indignus  gloriae  suae 
(Yal.  Max.  IX  2.  ext.  8.  Yergilius  und  sein  nachahmer  Silius  indignus 
avorum  an  derselben  versstelle);  dagegen  Aug.  de  civ.  dei  YIII  13 
s.  340,  13  D.'  indigna  deorum  maiesiate. 

393,  16  divina  haec  fere  sunt  testimonia:  primum  orationis  — 
oracula  enim  ex  eo  ipso  appeUata  sunt,  quod  inest  his  deorum  oratio  — ; 
demde  rerum  in  quibus  insunt  quasi  quaedam  opera  divina:  primum 
ipse  mundus  eiusque  omnis  ordo  et  ornatus;  deinceps  aärei  volatus 
avium  e  t  cantus :  P.  t  ändert  inest  in  his,  wie  seiner  zeit  auch  an  der 
entsprechenden  stelle  der  Ciceronischen  Topica  §  77,  beidemal  gegen 


202  ^]  ThStangl:  Pseudoboethiana. 

die  Überlieferung,  hier  der  uniformen  adjustierung,  wie  es  scheint, 
mit  in  quibtts  instmt  zu  liebe,  die  hsl.  lesart,  die  zu  den  Topica  in 
meinen  ^textkritischen  bemerkungen  zuCiceros  rhetorischen  Schriften' 
(bl.  f.  d.  bayr.  GSW.  bd.  XVIII  hft.  6  und  7)  hergestellt  wurde,  findet 
eine  hübsche  bestätigung  durch  394, 18  wo  ps.-Bo.  inesteis  dearum 
oratio  in  der  erklärung  wiederholt,  richtig  ist  auch  391,  26  naiurae 
audoritas  in  vitiute  est  (so)  maxima ,  citiert  aus  Ciceros  Top.  §  73, 
wo  freilich  gewöhnlich  mcmme^  falsch  ediert  wird,  nicht  beistimmen 
können  wir  ferner,  wenn  T  voUUus  avium  atque  cantus  ändert,  denn 
wie  395,  14  avium  volatu  sive  cantu  und  die  ausschreibung  der  stelle 
aus  Ciceros  Tusculanen  (s.  unten  II)  klar  zeigt,  hält  sich  ps.-Bo.  in 
solchen  quisquilien,  ja  in  viel  wichtigeren  dingen,  keineswegs  an 
seine  vorläge. 

393,  22  a  darmiefUibus  quogue  muUa  significata  visis:  P  t.  wie 
alle  hss.  zu  Cic.  Top.  §  77,  so  hat  leider  auch  unsere  Pariser  die  von 
GH  Moser  zuerst  als  interpoliert  erkannte  präposition.  denn  der 
sinn  ist:  ^schlafenden  auch  wurde  manches  angezeigt  durch  träum- 
gesiebte',  nemlich  von  den  göttem,  wie  die  ganze  vorhergehende 
periode  handgreiflich  beweist,  auch  darf  ich  nicht  verschweigen  dasz 
392,  3  und  393,  4  in  dem  satze  dearum  virtus  natura  exceQ/U  nicht 
die  von  sämtlichen  älteren  Cic.-hss.  verbürgte  präsensform  der  zwei- 
ten conjugation  excdlet  erhalten  ist,  sondern  eben  die  gewöhnlichere 
form  der  dritten. 

393,  34  vox  tUa  quam  Socrates  in  animo  sentiehat  nan  erai  opinar 
talis  quae  aere  ido  sonaret^  sed  quae  oh  egregias  virhUes  purgatae 
proptereaque  vntdUgentiori  animae  praesentiam  solitae  dwimUdis 
rcvelaret.  die  orlginalstelle  bei  Chalcidius  in  Plat.  Tim.  s.  288, 
7 — 10  Wr.  lautet:  vox . .  oh  egregiam  castimoniam  tersae proptereaque 
inteUegentiori  animae  praesentiam  coetumque  soUtae^  divinitätis  rcve- 
laret ,  si  quidem  pura  puris  contigua  fore  misceri  fas  sit.  in  diesem 
Zusammenhang  freilich  begreift  man  noch  einigermaszen,  was  soUtus 
'gewöhnlich'  bei  divinitas  sagen  soll,  es  ist  ein  das  coetum  ver- 
stärkender und,  durch  eine  in  der  späteren  latinität  sehr  häufige 
in  Version  ^  zum  abhängigen  genitiv  statt  zum  regierenden  nominativ 
gezogener  begriff,  in  der  fassung  des  copisten  aber,  wo  das  sehr 
bezeichnende  coetumque  und  der  erklärungssatz  si  quidem  .  .  sit  mit 
dem  ausdrucksvollen  misceri  abgestreift  wurde,  ist  es  erschrecklich 
hurt,  und  blosz  die  fassung  des  Originals  und  die  rücksicht  auf  die 


''  naiurae  a.  in  v,  vtest  maximae.  tempore  autem  muiia  sunt  quae  äf- 
fet ani  fidem  der  besten  dortigen  hss.  ist  aufzulösen  als  n,  a.  in  o.  inett 
maxima:  e  tempore  autem  multa  sunt  usw.  *  eine  Wiener  lis.  saec.  XII 
lull  bei  Wrobel  praesentiam,  ceterumque  soHtum  divinitätis  revelaret,  was 
auf  praesentiam  coetumque  solitum  dtvinitatia  revelaret  führen  würde;  aber 
derselbe  codex  hat  im  selben  sats  intellegentioris  animae  als  von  casti- 
moniam  abhängig  falsch  constmiert.     Mullach  edierte  sotUate  divinUatis. 

7  Meiscr  Bo.  II  239,  9  liberi  arbitrii  iudinum.  II  139,  27  liben  oHn- 
triim  iudidi,  II  229,  19  liberi  arbitrii  voluntas.  II  195,  12  liberum  volun- 
taiis  arbitrium. 


ThStangl :  Fseudoboethiana.  203 

erstaunliche  borniertheit  des  copisten,  der  nicht  das  wesentlich  not- 
wendige vom  überflüssigen  zu  scheiden  weisz,  hält  uns  ab  einen  in 
falscher  ausspräche  seitens  eines  dictierenden  genossen  und  dem 
entsprechender  wiedergäbe  des  wertes  durch  den  librarius  liegenden 
fehler  anzunehmen  und  solid ae  statt  söUtae  zu  schreiben,  es  würde 
das  um  so  näher  liegen,  da  ^wirklich,  leibhaftig'  in  aller  latinität, 
prosaischer  und  poetischer,  auszer  anderm  auch  durch  solidus  (soldus) 
wiedergegeben  wird  und  von  einem  enthüllen  der  anwesenheit  der 
leibhaftigen  gottheit  gegenüber  einer  reinen  menschenseele  durch 
das  mittel  einer  sog.  innem  stimme  recht  wohl  gesprochen  werden 
kann,  auch  geht  bei  Chalcidius  s.  287,  20  Wr.  söUtum  unmittelbar 
voraus,  und  eine  Verwechslung  der  beiden  blosz  durch  einen  ^-laut 
verschiedenen  werte  wäre  in  anbetracht  der  ausspräche  ebenso  leicht 
möglich  wie  etwa  Cic.  Brut.  §  219,  wo  Piderit  hiäc  minime  tnirum 
est  ex  tempore  dicenti  solid  am  effluere  mentem  treffend  herstellte  aus 
dem  sölitam  aller  hss. 

394,  18  ah  hac  deorum  oratione  verbi  gratia  ita  ducUur  testi- 
fnonium,  ut^  si  de  Socraiis  exceUentia  dübitetur,  iUo  Pythii  oraculi 
vaticinio  omnis  duhietas  abstergatur:  AINOC .  ANIP  .  TA  .  KAKA .  KAE. 
ENANTIA  .  ETTOI  ZOI .:  ^sic  P,  adraso  capite  literae  extremae  in  TTOI, 
non  secus  ac  si  prius  TTOP  fuisset'  bemerkt  Hase.  Baiter  edierte : 
Keivoc  dvf)p  Td  Kaxd  Ka\  dvavTia  ^cti  irop(£u)V  nach  Hases  ver- 
schlag, der  dazu  anmerkt:  ^syllaba  altera  in  KAKA  producitur  mire; 
in  promptu  fuisset  scribere  TÖ  KaKÖv  Kai  dvavTiov.  aliis  opinor 
placeat  aivöc  dvrjp,  cum  Infinitive  in  clausula;  malui  Homericum 
Keivoc  dvrjp.'  einverstanden,  desto  weniger  aber  können  wir,  dem 
gott  und  Sokrates  zu  liebe,  uns  gefallen  lassen  KOKd . .  icti  nopiZuJV : 
einem  derartigen  spruch  selbst  des  pythischen  dreifuszes  gegenüber 
verharren  wir  de  Socratis  exceUentia  in  ehrerbietiger  dubietas.  leider 
wird  diese  nicht  gehoben,  wenn  wir  uns  des  Ibannes  Opsopaeus 
'oracula  metrica  levis'  (Paris  1599)  verschreiben,  dieweilen  auch 
dieser  gottesmann  nur  kennt  die  Pythiasprüche  dvbp&V  dTidvTUJV 
CuJKpdTiic  co(pu)TaTOc  s.  50,  und  s.  90:  fjiiiaTi  k^v  TpiTdrip  06itiv 
ipißujXov  tKOio  =  II.  I  363.  dagegen  bin  ich  überzeugt  dasz  der 
platonfeste  leser  oder  vielmehr  jeder,  der  über  das  eigentümliche 
der  Sokratischen  denkthätigkeit  sich  jemals  näher  unterrichtet,  be- 
reits vorweggenommen  hat  die  Wiederherstellung  Keivoc  dvf)p  rd 
KOKOL  Km  dvoVTia  ^ctIv  öpiZuiV.  in  solcher  gestalt  erweist  sich 
der  in  der  erhaltenen  litteratur  blosz  durch  diese  stelle  bekannte, 
sicher  aber  aus  guter,  alter  quelle  geschöpfte  götterspruch  nicht 
blosz  als  jenen  beiden  oOc  iCjiiev  dTravrec  ebenbürtig ;  nein,  er  über- 
ragt sie  um  turmeshöhe ,  indem  er  die  philosophische  bethätigungs- 
weise  des  Sokratischen  geistes  in  ihrem  innersten  wesen  erfaszt  und 
aufs  bestimmteste  hinstellt,  oder  gibt  es  irgend  eine  geistesarbeit, 
die  in  gleichem  masze  wie  die  des  öp(2Ieiv  (öpUlecOai  «=»  definire)  von 
Sokrates  bei  Piaton  genannt,  gefordert,  vollführt  wird?  hier  seien 
aus  vielen  stellen  blosz  angeführt  Gesetze  I  632  ^  öpiCT^ov  t6  re 


204  ThStangl:  Peeudoboethiana. 

xaXöv  xai  tö  mt).  Gorgias  475  •  fibovfl  T€  Kai  drciöiji  öpiZöpcvoc 
TÖ  KttXöv.  Euthyd.  9^  äp*  oötdü  ßoiiXci  f||Liiv  übpicOm  vOv  ircpl 
ToO  öc(ou  Kai  ToC  dvociou;  vor  allem  aber  Phaidros  266^,  wo  nach 
dem  an  Eros  geübten  öpicpöc  ausführlich  der  gennsz  dargethaa 
wird ,  den  der  wahre  dialektiker  schOpfe  aus  eic  p(av  ib^av  cuvo* 
puüvra  fitciv  td  TToXXaxfl  biccirapp^va ,  tv'  ^xacTov  öpiZöpcvoc 
bnXov  TTOi^,  TTcpl  oö  Sv  dcl  blbdCK€lV  iO^Xij. 

Dasz  der  inhaltlich  so  herliche  götterspruch  blosz  auf  fünf 
füszen  gebt,  während  ein  sechster  (rd  Kaxd)  hinkt,  wird  den,  der 
die  von  Opsopaens  gesammelten  versificierten  Orakel  nur  oberflfioh- 
lich  durchblättert,  der  die  metrischen  aufschriften  von  kunstwerken 
und  Weihgeschenken ,  wie  sie  teils  noch  in  stein  erhalten  sind  teils 
von  alten  Schriftstellern,  besonders  Pausanias,  mit  allen  mangeln  des 
Originals  gewissenhaft  abgeschrieben  wurden,  übersieht,  viel  weniger 
wundern,  als  ihn  ein  völlig  tadelloses  metrisches  gebilde  überraschen 
würde,  dazu  kommt  noch  die  erwägung,  dasz  die  dehnung  in  der 
pentbemimeres  stattfindet,  hinsichtlich  des  kcTvoc  dWjp  gilt  das 
wort ,  dasz  alles  was  im  versmasz  Homers  geschrieben  ist  mit  der 
gesetzmäszigkeit  und  freiheit  des  hexameters  zugleich  die  eigentüm- 
lichkeiten  der  epischen  spräche  verbindet. 

395,  1  in  hac  cadesti  vertigine  si  quando  aliquid  insuetum  r€h 
rumque  et  extraoräinarium  su^picitur ,  eventus  imminens  mortälibus 
in  ntramlihet  partem  quasi  quodam  codi  testimonio  a  maUhematida 
praedicatur:  Pt.  credat  ludaeus  Apella,  non  ego  — ;  oder  ist, 
selbst  für  einen  jeder  moduslehre  ledigen  compilator,  auch  nur  irgend 
ein  grund  denkbar ,  die  aussage  über  ein  schlechthin  thatsächliches 
Verhältnis  im  conjunctiv  zu  geben?  denn  dasz  ps.-Bo.  eventum  im» 
minentem  mortdUhus  von  den  mathematikern  nicht  praedicari  läszt, 
sondern  praedici,  zeigen  die  aus  Chalcidius  entnommenen  werte 
395,  6  inteUegi  datur^  sidera  infrequenter  orta  non  facere  quaepro- 
veniunt ,  sed  futura  praenuntiare.  also  geben  wir  dem  compilator, 
dessen  ursprüngliche  lesung  vom  abschreiber  durch  das  freilich  in 
den  von  ihm  vorher  abgeschriebenen  commentaren  des  Bo.  mehr  als 
dreiszigmal  vorkommende ^aedico^ur  verdrängt  wurde,  ^in  prae» 
dicitur  wieder,  vgl.  eben  diesen  Chalcidius  s.  231,  23  Wr.  out 
alitum  volatu  aut  extis  aut  oraculis  homines  praemaneniur  praedkente 
aliquo  propitio  daemonCy  qui  sit  eorum  omnium  quae  deinceps  sequuv^ 
tut  scius,  pcrinde  ui  si  medicus  iuxta  disciplinam  medendi  praedicat 
cd  cxithim  vel  sanitatetny  aut  etiam  guhemator  cadi  condicumum  non 
ignarus  ex  nuhecula  praenuniid  iempestatem  futuram  .  .  aeque^  cum 
ex  motu  siderum  praediäio  hahduTy  Signa  ohservari  solent  u»w. 

395,  8  qui  hos  Stellas  putani  habere  hanc  potestatem^  ut  volenies 
nociva  decernanty  magnam  caelo  faciant  iniuriam,  in  cuius  vdut  da- 
rissimo  senatu  .  .  opinantur  scelera  facienda  decemiy  qualia  si  äliqua 
civitas  terrena  decrevissdy  genere  humano  decemente  fuerant  ever^ 
tenda:  P  .  .  fuerit  evertenda  t.  gewis.  subject  ist  zu  etfertenda 
nicht  qualia y  wie  der  abschreiber  meinte,  sondern  civitas i  der  staat 


ThStangl:  Pseudoboethiana.  205 

beschlieszt  die  aasführung  von  frevelthaten,  also  wird  der  staat  aus- 
gerottet von  dem  andern  nicht  frevelhaften  menschengeschlecht.  so 
sicher  das  richtig ,  formal  richtig ,  gefolgert  ist,  so  sicher  ist  Baiters 
Vorschlag  fuerU  ein  grammatischer  Schnitzer,  den  wir  unserm  ohne- 
hin Übel  zagerichteten  librarins  nicht  aufbürden  wollen,  vielmehr 
nehmen  wir  an ,  dasz  der  abschreiber ,  da  er  im  satze  mit  genere  .  . 
evertenda  kein  subject  ausdrücklich  genannt  sah ,  das  an  der  spitze 
des  Vordersatzes  stehende  qucdia  als  solches  supponierte  und  dem- 
gemftsz  fuerat  in  fuerant  änderte. 

396,  14  artMpiceSj  variorum  aucupatores  eventuum,  ab  aerio 
avium  völatu  aive  catUu  quandam  futurorum  nqoyvoaöiv  manare  dixe- 
runt :  P.  es  ist  handschriftenschreibem  nicht  blosz  italiänischer  zunge 
kaum  etwas  häufiger  begegnet  als  dasz  sie,  besonders  am  anfang 
eines  wertes,  den  hauchlaut  weglassen,  wo  er  zur  wurzel  gehört, 
oder,  in  der  weise  jenes  von  Catullus  und  Lessing  verspotteten 
spiritusasper-manisten,  überall  wo  es  unpassend  ist  ein  h  hinsetzen, 
unser  6ine  mann  ist  zeuge  für  beides  auf  engstem  räume :  394,  23 
schreibt  er  hylementis  statt  elementiSj  dagegen  394 ,  32  sperali  statt 
sphaercUi,  ob  auch  395,*  14  aruspiceSy  wie  anderwärts  oft,  statt 
haruspices  (s.  Yanicek  etym.  Wörterbuch  d.  lat.  spr.'  s.  96)  geschrie- 
ben ist?  aber  die  ^darmseher'  haben  doch,  wenigstens  in  des  wertes 
eigentlicher  bedeutung ,  mit  dem  vogelluftflug  nichts  zu  thun.  also 
ist,  da  für  cvruspex  «s  ^seher  überhaupt,  Weissager  im  weitesten  sinne 
des  Wortes'  in  derartigem  zusammenhange  ein  beleg  nicht  bekannt 
ist,  wohl  mit  Baiter  auspices  aufzunehmen,  übrigens  zeigt  unser 
prognosin  — -  denn  so  kann  man  nach  391 ,  1  und  394,  14  {adytis) 
geradezu  schreiben  -—  dasz  bei  Isidorus  XII  7,  19  die  hsl.  lesung 
von  mehreren  ohne  grund  zu  prognosium  umgestaltet  wurde. 

391, 13  postquam  quodam  crasso  corporis  iegimine  irretita  anima 
et  drcumfusa  quandam  sui  ohlivionem  suhierit^  cum  deinde  studio  ac 
disciplina  detergeri  coepü  atque  nudari^  tunc  in  naturae  suae  modum 
ommus  revertUur  atque  revocatur:  P  t  richtig;  Bhet.  lat.  155,  31  H. 
acies  quamvis  perfectae  cmimae  quodam  corporis  crasso  tegmine  in- 
retitur  et  circumfundiiur  ^  et  üa  fit  ut  quandam  ohlivionem  sui  capiat. 
cum  vero  studio  ac  disciplina  vduti  detegi  (so  Halm  mit  den  frühem 
ausgaben)  coeperU  atque  nudariy  tunc  in  naturae  suae  modum  animi 
habUus  revertUur  atque  revocatur,  der  cod.  Darmst.  saec.  YII,  der  die 
sonstige  Überlieferung  um  drei  Jahrhunderte  überragt,  weist  de- 
tegeri  auf,  was  nicht  noch  mehr  zum  trivialen  detegi  abzuschwächen, 
sondern  zu  dem  seltneren  detergeri  zu  ergänzen  ist.  detegi  änderte 
man  wegen  des  folgenden  nudari,  und  ps.-Bo.  war  die  übertragene 
ausdrucks weise  von  detergere  schon  so  geläufig,  dasz  er  das  vehUi 
des  Victorinus,  das  nur  vor  detergeri^  nicht  vor  detegi  am  platz  ist, 
fallen  liesz.  übrigens  kommt  dieses  verbum  sowohl  als  detergeo  wie 
als  detergo  in  eigentlichem  und  bildlichem  sinne  nicht  selten  vor: 
Chalcidius  s.  46,  13  Wr.  {cmimarum)  omnem  inluviem  deterserU. 
gleiche  bedeutung  und  gebrauch  hat  abstergo  bzw.  ahstergeo :  394,  20 


206  ThStangl:  PBeudoboethiana. 

omnis  duhietas  äbstergatwr.  378,  4  ad  suspicionem  mavendam  deter» 
gendumve.  Bo.  de  mus.  185,  22  Fr.  modis  fertur  cunctas  abstersisse 
molestias. 

Im  verlaufe  der  kritischen  erörternngen  ward  Veranlassung 
gegeben  einige  sprachliche  bemerk ungen  einzuflechten;  diese 
werden  hier  fortgesetzt  und  erweitert,  doch  weder  mit  dem  bestreben 
die  Sache  zu  erschöpfen ,  noch  im  glauben  als  wflrde  damit  etwas 
besonderes  geboten. 

a)  substantiva:  392,  2  coauditor  (so  P,  nicht  con-)  et  con^ 
discipulus:  ersteres  kennen  die  lexika  nicht,  letzteres  schon 
aus  Cic.  Tusc.  I  §  41  Dicaearchum  cum  Aristoxeno  aequaU  et  con- 
discipulo  suo  omittatn'us^  wo  discipiUo  wohl  der  Zweideutigkeit  halber 
(neben  aequäli?)  vermieden  wurde.  390,  31  in  suis  opusculis  Gioero^ 
womit  de  inventione  gemeint  ist,  das  der  echte  Bo.  blosz  als  rhetorica 
{rhetorici  sc.  libri)  citiert ,  zb.  Top.  365 ,  10.  Bo.  gebraucht  seltnere 
griechische  Wörter  nie  ohne  mildernden  zusatz  (ut  Ua  dicam,  quasi^ 
quidam  usw.);  ps.-Bo.  391,  1  und  394,  14  in  adytis  phüasophiae 
und  ex  adytis  specuum ;  394,  30  tropus*,  395, 15  prognosis-  das  Sub- 
stantiv statt  der  verbalform  steht  390,  12  ad  virtiUis  enodationem 
sese  convertet.  statt  des  ablativs  tritt  per  mit  acc.  ein:  390,  10.  15. 
391,  35.  393,  9.  394,  12  per  naturam.  femer  ist  der  blosze  ablativ 
ersetzt  durch  ein  subst.  des  mittels  mit  genitiv:  391,  17  dochrinae 
exterioris  heneficio]  393,  28  linguae  officio^  durch  beides  zugleich 

391,  38  ab  instrumenta  exercüH  und  394, 7  per  Unguae  ministerium. 

b)  bei  den  adjectiven  und  adverbien  ist  anzumerken:  die 
hSufung  395,  1  insuetum  rarumque  et  exiraordinarium;  394,  3  sin^ 
gülaris  et  arcanus  atque  ab  opinione  vulgi  remotuSj  die  beim  AMcaner 
Victorinus  im  Über  de  definitionibus  meist  asyndetisch  vorkommt 
die  Verbindung  von  positiv  und  comparativ  390 ,  22  incammtUabüis 
pvriorifique  essentiae^  von  positiv  und  Superlativ  394,  16  vivae  atque 
expertissimae  voci\  die  degradierung  von  superius  390,  9.  391,  25 
und  cxterius  391 ,  33.  36  zum  positivwert,  in  Übereinstimmung  mit 
Boethius,  im  gegensatz  zu  Victorinus.  subseguenter  394,  34  und 
verbi  gratia  394, 19  sind  etwas  ganz  gewöhnliches  in  der  spätem  lati- 
nität.  auch  reihenpartikeln  wie  inprtmis  .  .  deinde  .  •  adpostremum 
394,  26  und  394,  10  natior  (oratio)  ah  ea  quae  =  ^bekannter  von 
dem  Standpunkt  derjenigen  aus  welche'. 

c)  pronomina:  391,  33  ad  affectum  sui  (st  suum),  391,  39 
iUe  als  artikelvertreter. 

d)  V  e  rba:  391,  6  ventHare  und  391,  9  incarporare  sind  im  sinne 
von  'erörtern'  bzw.  'verkörpern'  seit  Chalcidius  und  Fronte  bekannt. 

392,  2  ist  valeat  admittere^  wie  auch  bei  Bo.  öfter,  »«  admittat^ 
392,  8  das  ganz  geläufige  supradiäus,  noch  später  praefatus  ua. 
die  das  spätlatein  beherschende  präp.  de ,  die  dann  von  allen  roma* 
nischen  sprachen  aufgenommen  wurde,  thut  sich  bei  den  verben 
hervor:  392,  33  denotare]  393,  28  defaecare^  392,  28  deputare  er- 
setzen  die  simplicia.    die  decomposita  391,  12  se  recoUigere  und 


ThStangl:  Pseudoboethiana.  207 

391,  38  reauscüare  sind  jenes  seit  den  Augusteischen  dichtern,  dieses 
seit  den  archaischen  in  aufnähme  gekommen,  sübsequitur  393,  25  »» 
391,  11  exsequitur  oder  persequüur  'er  verfolgt  des  weitem'  ist  den 
lexikographen  fremd,  anlangend  die  moduslehre,  so  steht 
der  indirecte  fragesatz  393,  25  und  der  relativsatz  393,  32  un- 
puristisch im  indicatiy;  dagegen  390,  19.  391,  1.  25.  392,  1  die 
indirecte  frage  im  conjunctiv.  sive  —  sive  390,  24  und  quamquam 
391,  39  werden,  wie  nicht  selten  bei  Bo.,  mit  conjunctiv  verbunden. 

6)  der  satzbau  des  compilators  zeigt  sich  in  seiner  ganzen 
roheit  und  ineinanderschachtelung  391 ,  13  und  besonders  39t, 
32—40. 

f)  Horatiana:  BPeiper  hat  in  seinen  trefiflichen  indices  zu 
de  cansolatione  phüosophiae  nicht  blosz  eine  weitgehende  benutzung 
von  Senecas  tragödien  durch  Boethius  für  die  zwecke  seiner  carmina 
nachgewiesen,  sondern  auch  auf  einige  Horaz-reminiscenzen  hin- 
gewiesen, der  letztere  punkt  soll  hier  aufgegriffen  und  auf  ps. -Bo- 
ethius ,  besonders  aber  auf  einige  andere  echte  Schriften  des  echten 
Boethius  ausgedehnt  werden. 

390,  22  divinitas  .  .  incorporalitate  heatur.  Spengel  zu  Ter. 
And.  106  und  Ussing  zu  Plautus  Asin.  330  haben  nachgewiesen, 
dasz  das  Stammwort  zu  ho-nus^  he-atas  usw.  bei  den  scenischen  dich- 
tem zumeist  und  fast  allein  in  Verbindungen  wie  i(2,  hoc,  quod^  nimis 
beat  mit  dem  object  iwc,  te  usw.  oder  heas  =  'du  beglückst  mich, 
das  ireut  mich'  ohne  ein  solches  vorkommt,  doch  sagte  schon  Titi- 
nius  heare  agrum  Setinum^  eine  kühnere  weise,  die  bekanntlich 
Horatius  zu  allgemeiner  beliebtheit  brachte,  er  variiert  sehr  hübsch 
hea/re  mtmere  (ep.  I  18,  75),  Laiium  dwüe  lingua  (ebd.  II  2,  121), 
caelo  (carm.  IV  8,  29),  nota  FaUmi  (ebd.  III  3,  7).  von  den  spä- 
teren geschicken  des  wertes  schweigt  selbst  der  treffliche  Georges; 
und  doch  hat  es  auszer  unserer  stelle  auch  Bo.  de  arithm.  124, 1  Fr. 
incorporalitate  heatur.  —  393,  14  ne  hunc  locum  .  .  corrugata 
nare  fastidiant.  in  ursprünglicher  bedeutung  kommt  das  wort  bei 
Columella  vor;  das  vorbild  unseres  bildes  ist  Hör.  ep.  I  5,  23  ne 
sordida  mappa  corruget  nares.  —  390,  27  humana  vvrtus  suae  miUch 
hüitcUis  sedem  sortita,  391,  34  naturae  nomen  sortitur,  Bo.  de 
arithm.  7,  27  inmutabilem  suhstantiam  sortitmtur,  ebd.  8, 12  nattira 
inmutdbüem  vitn  suhstantiamque  sortita  sunt.  ebd.  37,  5  vocahul/um 
sortiuntur  brauchen  beileibe  nicht  als  abklatsch  des  Horazischen 
terrestria  quando  mortäles  animas  vivunt  sortita  betrachtet  zu  werden, 
da  neben  und  vor  Horatius  (bei  Curtius,  Livius,  Cicero)  das  wort  in 
allen  freieren  Varianten  seiner  ersten  bedeutung  begegnet.  —  381,34 
artem  praeferas  inert iae  erinnert  nicht  blosz  an  des  Hör.  tineae 
inertes  j  sondern  mehr  noch  an  Cic.  or.  part.  §  35  qitem  ad  modum 
adfecti  »int,  virttUihus  vitiis ,  artibtts  vnertiis.  übrigens  scheint  das 
Wortspiel,  das  auch  beim  Verfasser  des  bellum  Alexandrinum  und 
bei  Petronius  gelesen  wird ,  ein  blosz  als  rhetorische  figur  auch  für 
die  reinere  Schriftsprache  sanctionierter  Vulgarismus,  den  jeder  für 


208  AFleckeisen:  zu  Ciceros  Bratus. 

fiich  aus  der  alltagssprache  entnahm,  anders  dürfte  die  sache  stehen 
mit  den  kühnen  decomposita  incastigatus  und  disconvenire^ 
von  denen  jenes  zuerst  bei  Horatius  (ep.  I  10,  45  nee  me  äimUtes 
incastigatum  ubi  pkira  cogere^  quam  satis  est  ae  non  cessare  videbor) 
und  dann  erst  wieder  bei  Boethius  Top.  333,  28  vorkommt:  tä 
quaeque  in  mentem  venerint,  iniudicata  atque  incastigata  promunt%ir; 
dieses  auszer  bei  den  gromatikem  und  dem  Africaner  Lactantius, 
Bo.  de  mus.  381,  5  und  389,  11  in  der  litotes  non  äisconvenü^ 
welche  stellen  in  den  lexica  nachzutragen  sind  zu  den  aus  Hör.  ep.  I 
1,  99  u.  14,  18  angeführten.  —  In  solchem  zusammenhange  begreift 
man  sehr  wohl ,  dasz  Meiser  ao.  im  nachtrag  zu  II  4,  11  gut  thnt, 
die  hsl.  Überlieferung  mtdta  aint  Aristotdis,  quae  sübtüissima  jMh- 
sophiae  arte  cdata  sint  als  eaelata  zu  interpretieren  —  denn  eine 
änderung  der  Überlieferung  ist  das  ja  gar  nicht  — ,  nach  jenem  ¥U>vem 
caelatum  Musis  opus  des  Venusiners.  —  Über  läbor  paret  Bo.  Top. 
270,  20,  das  an  lamentamur  non  adparere  läbores  erinnert,  und  über 
pigrescere  ac  delassari  animos  372,  5,  das  vor  ddassare  välent 
Fabium  schon  bei  Plautus  begegnet,  ist  in  den  ^Boethiana'  gehandelt. 

"  durch   diese  stelle  wird   die  von  HUsener  bezweifelte  lesung  bei 
Ennodins  erklärt  ep.  7,  13  .  .  per  düigentiam  imples  omne  quod  cogitur  tuw. 

(der  schlasz  folgt  im  nächsten  hefte.) 

München.  Thomas  Stanol. 

34. 

ZU  CICEROS  BRUTUS. 


3,  10  cum  inambularem  in  xysto  .  .  M.  ad  me  Bruius^  ut  con- 
sueveratj  cum  T.  Fomponio  venerat,  homines  usw.  über  venerat 
bemerkt  Eberhard :  'statt  des  einfach  erzählenden  venu  bezeichnet  es 
nicht  die  dem  inambulare  sondern  die  dem  gespräche  vorausgehende 
zeit.'  ich  habe  sämtliche  einleitungen  zu  den  dialogisch  abgefaszten 
Schriften  Ciceros .  durchgelesen  und  in  keiner  ein  plusquamperf.  ge- 
funden, das  in  ähnlichem  sinne  gesagt  wäre  wie  dieses  venerat.  so 
ist  denn  auch  hier  sicherlich  venit  herzustellen,  das  nur  von  dem 
Schreiber  des  archetypus  in  venerat  verwandelt  worden  ist,  weil  ihm 
die  endimg  des  eben  geschriebenen  consueverat  noch  in  der  feder 
steckte. 

4,  17.  je  öfter  ich  diese  stelle  überlese,  desto  mehr  befestigt 
sich  mir  die  Überzeugung  dasz  hier  eine  lücke  anzunehmen  sei,  die 
ich  Jahrb.  1873  s.  847  so  auszufüllen  vorgeschlagen  habe:  mihi  quo- 
que,  inquit  Brutus ,  et  exspectanda  sunt  ea  quae  Attico  poUiceris,  et 
si  fortasse  ego  a  te  huius  voluntarius  procuraior  petam,  quod  ipse,  cui 
dcbesy  (^se  tuo^  incommodo  exadurum  negat ,  <^fie  tu  mihi  susoenseas 
oro),   at  vero,  inquam  usw. 

6,  23  ist  doch  sehr  zu  überlegen,  ob  nicht  statt  quod  mihi  niUOa 
res  eripiet  mit  CFWMüller  jahrb.  1864  s.  621  zu  schreiben  ist 
nuUa  vis. 


.L 


AFleckeisen:  zu  CiceroB  Brutus.  209 

8,  30.  dasz  Prodictis  Cius  auf  grond  der  hsl.  Überlieferung 
SU  schreiben  sei,  habe  ich  in  Bitschis  opusc.  I  s.  555  nachgewiesen ; 
hier  füge  ich  hinzu  dasz  dieselbe  Überlieferung  auch  auf  Hippias 
Elius  führt  hat  doch  4,  15  niemand  Hesiodium  angetastet 

8|  31  Socrates  gui  sübtüUcUe  quadam  disputandi  refeüere  earum 
(sophistarum)  instUtUa  sölehat,  hinter  solehat  steht  in  den  hss.  noch 
iierfitf,  ohne  sinn,  daher  es  Schütz  (nicht  erst  Haupt,  wie  Jahn- 
Eberhard  im  krit.  anhang  sagt)  gestrichen  hat.  ungleich  wahrschein- 
licher ist  inerhis  eine  corruptel,  und  zwar  aus  acerhius^  wodurch 
der  kämpf  des  Sokrates  gegen  die  Sophisten  der  Wahrheit  gemäsz 
charakterisiert  wird,  so  haben  Feldhügel  im  programm  des  Magde- 
burger klosters  von  1871  und  Madvig  'textrettelser  til  Ciceros 
Brutus'  in  'det  philologisk-historiske  samfunds  mindeskrift'  (Kopen- 
hagen 1879)  8.  166 — 173  unabhängig  von  einander  emendiert. 

8,  33  verharum  qtiasi  ^mätira  et  quaedam  ad  numerum  con- 
dusio  .  .  natura  magis  tum  {ante  Isocratem)  casuque  non  numquam 
quam  aut  ratione  aHigua  atU  ohservatione  fiehat.  bei  Buünus,  der 
diese  stelle  citiert  6LE.  VI  s.  572,  steht  aut  ulla  Observation^  eine 
knük,  die  eine  solche  aus  dem  fünften  jh.  stammende  variaüte  gegen- 
über unsem  gerade  um  ein  Jahrtausend  jungem  hss.  verschmäht,  ver- 
stehe ich  nicht,  der  Wechsel  zwischen  aliquis  und  uUus  hat  seinen 
guten  grund :  'in  folge  irgend  einer  (bestimmten)  berechnung  oder 
überhaupt  irgend  welcher  achtsamkeit.'  ähnlich  epist.  X  1,  1  quae 
potest  spes  esse  in  ea  re  publica,  in  qua  . .  nee  leges  ullae  sunt  nee 
Uidicia  nee  omnino  sitnulacrufn  aliquod  ac  vestigium  civitatis?  — 
Dasselbe  tdla  scheint  mir  auch  an  einer  andern  stelle  des  Brutus 
wieder  eingesetzt  werden  zu  müssen:  63,  227  sine  iure  fuit  et  sine 
ulladignüate,  hier  ist  uMa  in  Jahns  dritter  aufläge,  ohne  zweifei 
durch  einen  druckfehler,  ausgefallen  (denn  in  der  ersten  und  zweiten 
steht  es).  Eberhard  aber  hat  das  für  beabsichtigt  gehalten  und 
streicht  uUa  gleichfalls  —  ohne  jeden  Innern  grund. 

10,  40  neque  ipse  poeta  JUc  {Homerus)  tarn  idem  ornatus  in 
dicendo  ac  plane  orator  fuisset,  hier  hat  sich  Eberhard  irre  führen 
lassen  durch  eine  irrtümliche  angäbe  Piderits ,  der  im  kritischen  an- 
hang seiner  ausgäbe  bemerkt:  Harn  \idem]  ornatus  Koch  rh.  mus. 
XYI  s.*485^  und  am  schlusz  hinzufügt:  ^oder  man  müste  das  wort 
als  aus  valde  verderbt  betrachten.'  gerade  das  umgekehrte  ist  der 
fall :  Koch  ao.  will  tarn  valde  ornatus  schreiben,  offenbar  hat  Piderit 
hier  frühere  aufzeichnungen  confundiert;  Eberhard  aber  hat  idem 
im  texte  gestrichen  und  citiert  als  den  auctor  dieser  änderung 
HAEoch.  mir  scheint  Kochs  wirkliche  conjectur  tarn  valde  ornatus 
sehr  plausibel,  zumal  nach  den  höchst  überraschenden  aufklärungen 
die  wir  Wölfflin  'lateinische  und  romanische  comparation'  (Erlangen 
1879)  s.  9  f.  über  die  verliebe  Ciceros  für  dieses  steigerungsadverbium 
verdanken,  dasz  auch  die  Verbindung  tarn  valde  keineswegs  unerhört 
ist,  zeigt  de  fin.  V  §  31  tam  valde  perhorrescere.  Phü,  I  §  5  tam 
valde  .  .  dissensisse.  —  Vorstehendes  war  längst  niedergeschrieben, 

Jahrbüchor  für  clats.  philol.  1888  hft.  3.  14 


210  AFleckeisen:  zu  Ciceros  Brntus. 

als  mir  ein  neuer  verbesserangsvorschlag  des  idem  von  ThStangl 
Hextkri tische  bemerkungen  zu  Ciceros  rbet.  scbriften'  (aus  den  blät- 
tern für  das  bayr.  GSW.  bd.  XVlll)  s.  22  des  Separatabdrucks  zu 
gesiebt  kam :  tarn  int  er  dum  omatus  —  und  dieser  scheint  mir  aller- 
dings dem  zusammenbang  noch  besser  zu  entsprechen  als  Kochs  väide. 

ebd.  cuius  (Homeri)  etsi  incerta  sunt  tempora^  tarnen  annis 
muUis  fuit  ante  Ramulum,  si  quidem  non  infira  superiorem  Lycurgum 
fuity  a  quo  est  discipUna  Lacedaemoniorum  astricta  legibus,  das  bei- 
wort  superior  zu  dem  namen  Lycwrgus  ist  bisher  (nach  Wetzeis  Vor- 
gang) so  erklärt  worden  wie  noch  von  OJahn  in  seiner  zweiten  aus- 
gäbe: 'um  ihn  von  dem  §  36  erwähnten  attischen  Lycurgus  zu 
unterscheiden.'  das  wäre  doch  aber  eine  thOrichte  vorsieht  Ciceros 
gewesen,  um  einem  möglichen  misverständnis  vorzubeugen,  da  er 
durch  den  angeschlossenen  relativsatz  diesen  Lycurgus  als  den  Lace- 
dämonier  kennzeichnete.  Jahn  hat  denn  auch  in  der  dritten  ausgäbe 
diese  anmerkung  und  im  texte  (nach  Ellendts  Vorgang  in  seiner 
ersten  ausgäbe)  das  superiorem  gestrichen,  und  Eberhard  ist  ihm  ge- 
folgt, dennoch  ist  superiorem  entschieden  echt,  schon  Bemhardy  be- 
merkt in  einer  seiner  aureae  notulae  zu  HMeyers  commentar :  ^Cor- 
radus  opinabatur  duos  Lycurgos  ab  Cicerone  concessos  fuisse.* 
dasz  dem  wirklich  so  sei,  hätte  sogar  eine  schärfere  betrachtung  der 
von  Jahn  selbst  teilweise  citierten  stelle  de  re  p.  Vi  %  1%  lehren 
können :  centum  et  oäo  annis  post  quam  Lycurgus  leges  scribere  insti- 
tuit^  prima  posüa  est  Olympias:  quam  quidam  nominis  errore 
ab  eodem  Lycargo  constitutam  puiant.  nominis  errore  kann  doch 
in  diesem  Zusammenhang  nichts  anderes  bedeuten  als  Verführt  durch 
die  namensgleichheit' ;  mithin  sagt  Cicero,  manche  (alte  Chronologen) 
hätten  den  gesetzgeber  Lycurgus  und  den  Stifter  der  ersten  Olym- 
piade gleiches  namens  für  identisch  gehalten,  beide  lägen  aber 
108  jähre  auseinander  (884 — 776  vor  Ch.).  dasz  Cicero  mit  dieser 
ansieht  nicht  etwa  allein  stand,  beweist  Plutarch  im  leben  des  Lykur- 
gos  c.  1  Ti^aioc  be  örrovoet  bueiv  dv  Cirdpiij  Y€Tov6tu)v  AuKOup- 
tujv  QU  KttTd  TÖv  aÖTÖv  XPÖvov  usw.  vgl.  über  alles  dies  HGelzer 
im  rh.  mus.  XXVIII  s.  23  und  ERohde  ebd.  XXXVI  s.  527  f.  hier- 
nach  dürfte  das  superiorem  vor  Lycurgum  wohl  nicht  mehr  bean- 
standet werden,  ich  füge  noch  einen  sprachlichen  grund  hinzu,  sehr 
richtig  bemerkt  Eberhard:  ^infra  Lycurgum  in  dieser  bedeutung 
höchst  selten',  und  in  der  that  wissen  die  lexikographen  für  die 
zeitliche  bedeutung  von  infra  kein  zweites  beispiel  anzuführen,  auch 
Hand  Turs.  III  377  nur  eines  aus  Quintilian  I  7,  20,  wo  es  aber 
adverbial  steht,  dieses  wagnis  Ciceros  läszt  sich  nur  erklären,  wenn 
superiorem  echt  ist:  um  nemlich  die  kakophonie  inferior  superiore 
zu  vermeiden ;  ein  nacktes  infra  Lycurgum  hätte  Cic.  sicherlich  nicht 
geschrieben,  sondern  inferior  Lycurgo. 

(fortsetzang  folgt.) 

Dresden.  Alfred  Fleckeisen. 


.■■4 


HRönsch:  zu  Gellius  [XVI  7,  4],  211 

35. 

ZU  GELLIÜS. 


Das  7e  capitel  des  16n  buches  seiner  attischen  nachte  beginnt 
Oellius  mit  den  worten :  Läberiu^  in  mimis ,  quos  scriptitavU,  oppido 
quam  verha  finccü  pradicenter,  und  führt  als  beweise  für  diese  allzu 
groBze  kühnheit  die  Wörter  menäicimoniumj  moechimonium^  aduUerio^ 
adMerUas^  depudicare^  ahluviumy  manuarius  an.  sodann  fährt  er  in 
§4  fort:  neque  non  obsoUta  quoqueet  maculantia  ex  sordidiore 
vulgi  U8U  ponUy  quäle  est  in  Staminariis:  töUä  bona  fidi  vos  orcus 
nAdas  in  catönium.  so  steht  der  vers  in  der  ausgäbe  von  Mllertz 
(Leipzig  1853),  ohne  angäbe  einer  Variante  auf  s.  VII.  allein  wir 
mochten  die  richtigkeit  dieser  fassung  bezweifeln,  schon  in  formaler 
hinsieht  fällt  das  klein  gedruckte  arcus  auf,  während  es  in  allen 
übrigen  ausgaben  wegen  der  darin  liegenden  personification  mit 
groszem  anlaut  geschrieben  ist.  und  dann  was  soll  catönium  be- 
deuten? in  den  Wörterbüchern  wird  es  von  Kdruj,  deorsum,  abge- 
leitet und  durch  ^Unterwelt'  erklärt;  auch  soll  ein  Wortspiel  mit 
Cato  darin  liegen,  was  man  in  den  früheren  ausgaben  (zb.  in  der  von 
Oronovius  1706  ua.)  durch  die  Schreibung  Catönium  angedeutet  hat. 
aber  das  gezwungene  dieser  herleitung  und  dolmetschung  springt 
allzu  sehr  in  die  äugen,  als  dasz  man  sich  damit  begnügen  könnte, 
dasz  man  dies  schon  frühzeitig  erkannt  hat,  beweisen  die  älteren 
ausgaben,  zb.  die  Juntina  von  1513,  die  Aldina  von  1515,  die  Gry- 
phiana  von  1534,  die  Longoliana  von  1741,  in  welchen  sich  nicht 
Catönium^  sondern  Catomium  findet;  so  auch  in  der  Baseler  Hen- 
ricopetrina  von  1565,  der  Petrus  Mosellanus  folgende  adnotatio  bei- 
gefügt hat:  ^videtur  CcUomium-  dixisse  pro  loco,  quo  apud  Graecos 
veteres  supplicium  sumebatur  de  adulteris :  id  in  hunc  modum  fiebat, 
ut  tradit  interpres  Aristophanis ,  pariter  et  Suidas :  deprehensus  in 
adulterio  tantisper  vellicabatur  pudenda,  dum  multam  constitutam 
persolveret,  id  quod  vocabulum  graeca  origine  detortum  quoque 
significat.'  der  alte  Peter  Schade  von  Trier  scheint  demnach  an  die 
strafe  des  ßaq)avic^öc  od^r  der  diTopa(pav(bujcic  gedacht  zu  haben, 
jedenfalls  mit  unrecht,  da  eine  solche  auffassung  in  den  Zusammen- 
hang unserer  stelle  keineswegs  passt ;  was  jedoch  die  zu  gründe  ge- 
legte lesart  catomimn  betrifft  (näheres  über  die  dortigen  lesarten  über- 
haupt s.  bei  Bibbeck  com.  lat.  rel.  s.  293),  so  glauben  wir  annehmen 
zu  dürfen ,  dasz  man  damals  mit  ihr  der  Wahrheit  um  einen  schritt 
näher  gewesen  sei  als  mit  der  jetzt  beliebten  catönium.  denn  die 
einzig  richtige  nach  unserm  bedünken  ist  catomum.  wie  Lion  zdst. 
bemerkt,  ist  sie  von  Turnebus  vorgeschlagen  worden:  'Tumebus 
adv.  I  28  leg.  Catomumj  qua  voce  vinculum  et  catenam  significai-i 
ex  schol.  luven,  testatur',  wenn  auch  die  beigefügte  erklärung  des 
vorgeblichen  Substantivs  catomus  durch  ^fesseP  oder  'kette'  ebenso 
wenig  auf  gutheiszung  anspruch  erheben  kann  wie  die  in  einem 

14* 


212  HBönsch:  zu  Gellias  [XVI  7,  4]. 

alten  Slraszburger  glossar  durcb  flageHum  oder  als  die  im  sog.  Bre- 
viloquus  und  bei  Papias  ersichtlichen,  wo  catomi  durch  flageUa  bzw. 
durch  virgae  ferreae  erläutert  ist. 

Verlangt  man  aber  zu  gunsten  der  lesung  in  catamum^  die  bei 
Gellius,  so  viel  wir  wissen,  blosz  auf  einer  emendation  des  Tumebus 
beruht,  auch  ein  hsl.  zeugnis,  so  liegt  ein  solches  sogar  in  Ciceros 
Schriften  vor,  obschon  dasselbe  trotz  der  ihm  zukommenden  gewich- 
tigkeit  und  hohen  glaubwttrdigkeit  bis  jetzt  unter  den  gelehrten, 
wie  es  scheint,  nur  wenige  gläubige  gefunden  hat.  wir  meinen  nater 
den  briefen  ad  familiäres  den  an  Faidius  Oallus  gerichteten  VII  25, 
dessen  erster  abschnitt  lautet:  quod  qnstülam  oonsdssaim  doies^  noU 
lahorare,  salva  est:  damopetes^  cumlihebU.  quod  autem  me  numes^ 
vdLde  gratum  est,  idque  ut  semper  fadas  rogo:  videris  enim  mihi 
vereri  ne,  ^  [?]  istttm  habuerimus,  rideamus  yilana  caqiavMv.  aed 
hetis  tu,  manum  de  taMa;  magister  adest  cUius  quam  putaramuß. 
vereor  ne  in  catonium  (so  auch  Wesenberg  in  seiner  ausgäbe  der 
briefe,  Leipzig  1872;  Catonium  Emesti  1737)  Catomnos.  als  vor- 
letztes  wort  steht  in  der  Orelli-Baiterschen  ausgäbe  (Zflrich  1846) 
keineswegs  die  vulgäre  lesart,  sondern  erfreulicher  weise  in  catomumj 
und  zwar  auf  grund  des  vorzüglichen  cod.  Mediceus.  um  wie  viel 
drastischer  aber  und  sarkastischer  durch  dieses  dem  volksmund  ab- 
gelauschte wort  die  ganze  darstellung  Ciceros  in  diesem  vertraulichen 
briefe  aus  dem  j.  709  d.  st.  sich  gestaltet,  wird  uns  deutlich  werden, 
wenn  wir  auf  dessen  bedeutung  etwas  näher  eingehen. 

In  ihrer  durchsichtigsten  gestalt  zeigt  sich  die  hier  zu  bespre- 
chende ausdrucksweise  in  einigen  belegen  aus  ^terer  zeit,  so 
namentlich  in  der  um  486  nach  Ch.  geschriebenen  hi^oria  peraecnh' 
tionis  Africanae provinciae  des  bischof^  Victor  von  Vita,  wo  es  1 28 
heiszt :  ordinaior  quondam  memorati  sacerdotis  nomine  Thoma  dum 
variis  ah  eis  insidiis  saepius  artaräur,  quodam  tempore  venerdbüem 
senem  in  publica  fade  catomos  ceciderunt.  die  wortform  catomos 
haben  drei  hss.  bei  Halm  (Berlin  1879)  nebst  der  ed.  pr.  Par.,  nem- 
lich  BBV,  von  denen  die  erstgenannte  (Bambergensis  saecIX)  unter 
allen  zeugen  für  diese  schrift  obenan  steht,  während  ebenda  oatomis 
von  WMsLb,  catamis  von  C  bei  Petscbenig  (Wien  1881)  bezeugt 
ist.  in  Africa  werden  beide  formen  neben  einander  gebräuchlich  ge- 
wesen sein:  jene  erstere  als  buchstäbliche  wiedergäbe  des  griech. 
kqt'  ujjiouci  diese  als  solche  des  adverbialen  icaTui^ic  den  sinn 
derselben  findet  man  im  Halmschen  index  s.  83  ganz  zutreffend  mit 
den  Worten  erläutert:  Venerabilem  senem  catomos  ceciderunt,  i.  e.  in 
umeros  sublati  nates  ceciderunt'  (vgl.  auch  Georges  im  handwörterb. 
1^8. 967);  dagegen  in  dem  daselbst  citierten  artikel  des  glossarinms 
von  Duoange  Henschel  11  s.  245  f.,  dem  auch  wir  weiter  unten  einige 
anführungen  entnehmen  werden,  sind  blosz  die  letzteren  von  wert, 
die  erklärnngen  aber  in  der  hauptsache  verfehlt  und  irreführend. 
es  bestand  nemlich  die  von  Victor  erwähnte,  damals  in  publica  fade 
(dh.  2^(^*^  an/e  oculos  ofmituiii;  vgl.  ebd.  lU  21  muüerea  et  prae- 


HRönsch:  zu  GelUne  [XVI  7,  4].  213 

e^pme  twhües  contra  ius  naturae  nudas  omnino  in  facie  publica 
entdäbant)  vorgenommene  züehtigung  darin,  dasz  der  zu  beetrafende 
von  einer  andern  person  (oder  auch  von  zwei)  emporgehoben ,  über 
die  Bchnltem  gelegt  and  sodann  dessen  entblöszter  körperteil  von 
dem  execntor  durchgepeitscht  wurde  —  eine  strafweise  die  man 
catomoa  (catomis)  caedere  {tcUerCy  levarCy  suspendere)  zu  nennen 
pflegte,  bisweilen  aber  auch  durch  das  6ine  wort  catomidiarc  (dh. 
eatamieare  >«  KaTUJ^iZciv)  oder  catomare  bezeichnete. 

Hierzu  vgl.  Passio  S.  Afrae  ap.  Velser.:  porro  sacrifica^  ne  .  . 
eaihomia  (so)  te  caedi  iubeam,  Ado  Viennensis  [a.  859—874], 
Beda  in  Martyrolog.  15  Tun.:  deinde  a  Vakriano  iudice  catomis 
caesus  in  confessione  permansü.  Acta  88.  Viti  et  Modesti :  cum  cum 
ad  deorum  cukum  vocare  non possei ^  cathomis  caedi  iussU.  Acta 
8.  Babylae  martyr.  2,  6  rex  iussit  tres  infantes  levari  in  catomo 
(also  auch  so  drückte'  man  sich  aus)  et  primo  dari  duodedm  plagaSj 
secundo  autem  novem,  tertio  vero  Septem.  Ado  et  Beda  18  Nov.: 
catomo  (oder  ist  mit  hinzufttgung  des  nSchstfolgenden  anlautes 
eatomos  zu  lesen?)  suspendi  cum  ac  verberari  et  postremo  etiam 
deooUari  iusaU.  Quiricus  archiepisc.  Tolet.  in  hymno  8.  Eulaliae  (in 
Breviario  Mozarab.):  haec  enim  catomata  sistüwr  equuleo,  caeditur^ 
emmgulatur  («»  ungulis  raditur)  atque  flammis  uritur.  vita  S.  Eula- 
liae €x  Breviario  Palentino :  tunc  Calpumianus  turbido  furore  suc- 
eensus^  putans  pudicam  virginem  more  infantum  a  tergo  corporis 
emendari  (=  castigari) ,  iubet  per  officium  (»>  officialem)  curatoris 
eam  catomari .  .  cu/mque  catomaretur  corpus  eius  ddicatum  et 
sanäum^  ükUae  caedis  verbera  aeqm  atitmo  sus^neboi,  aus  noch 
früherer  zeit  ist  das  verbum  caiomidiare  nachzuweisen:  Petronius 
132,  3  tandem  {matrona)  ad  uUionem  decurrit  voccUgue  cubieularios 
et  me  iubet  catomidiari*^  nee  contenta  mulier  tam  gravi  iniuria 
mea  convocat  omnes  quasülarias  usw.  8partianus  Hadr.  18,  9  de- 
coctores  bonorum  stiorum,  si  suae  auctoritaUs  essenty  catomidiari 
{catamidiari  vulg.)  in  amphitheatro  et  dimitti  iussit.  der  sachlichen 
veranschaulichung  dienen  zwei  bei  Henschel  angeführte  stellen: 
Prudent.  hymn.  de  S.  Romano :  vix  haec  profatus  pusionem  praedpit 
SübUme  toUant  et  manu  pulsent  nates  Tenerumgue  diris  iäibus  ter- 
gum  secent.  vita  S.  Nicolai  Studitae  s.  911  dvbpcc  bk  toOtov  kot" 
ä^9UJ  Tuj  x^^pc  änai(jüpi^cavT€C  dviiXcuüC  toTc  ßouveupoic  xaTrJKi- 

loy  ^T€pOl. 

Auszer  denjenigen  Strafbezeichnungen  aber,  die  wir  erwähnt, 

*  so  lesen  wir  nach  einer  von  Bücheier  in  den  tezt  aufgenommenen 
coDJectnr  des  Salmasins.  die  hss.  bieten  die  offenbare  comiptel  cato- 
rogare  dar;  sollte  vielleicht  eatomtzarf  gemeint  sein ?*  im  cod.  LeiaensIsCl, 
einstmals  im  besitze  JScaligers,  stehen  auf  dem  rande  (vgl.  Büchelers 
grössere  ausgäbe  s.  183)  folgende  bemerkungen  über  einander:  'cato- 
rygare.  natis  mjip^.  percidere.  catalogare.  cato  rigare.  xdTUi.'  Pithoens 
erklärte  jene  conjectur  darch  catomis  caedi\  die  hsl.  lesart  aber  emen- 
dierte  Heinsios  in  eoKmU  obhtrgari^  Tnrnebns  in  catomo  ligare^  Scioppius 
in  catomo  dare,  Reiske  in  eaSapygare. 


214  HItönsch:  m  Gellias  [XVI  7,  4.  6]. 

gab  es  noch  die  bei  Cicero  ep.  VII  25, 1  hsl.  gutverbürgte  in  cato- 
tnutn  (toüere  oder  levare)  —  clc  tö  KdTU)|iOV  (a!p€iv),  von  welcher 
sich  in  catomo  in  den  Acta  S.  Babylae  (s.  oben)  nur  wenig  unter- 
scheidet ,  und  wir  lernen  aus  jener  stelle  zugleich ,  dasz  diese^  phrase 
auch  im  römischen  schulleben  eingebürgert  war.  Caesar  stand  bei 
der  abfassung  des  briefes  auf  dem  gipfel  seiner  macht,  schon  hatte 
er  (ungeföhr  7  monate  vorher)  gegen  Ciceros  lobschrift  auf  Cato 
seine  Änticatones  geschrieben,  Fadius  Gallus  aber,  der  adressat  des 
briefes,  war  —  kaum  3  monate  vor  dessen  empfang  —  ebenfalls  fUr 
Cato  in  einer  flugschrift  eingetreten  (ep.  VII  24,  2).  durch  diese 
misliche  constellation  wurde  in  Ciceros  seele  ein  gefühl  der  unbe- 
haglichkeit  und  besorgnis  hervorgerufen ,  das  in  jeder  zeile  des  oben 
citierten  anfangspassus  des  25n  briefes  sich  deutlich  kundgibt,  ob- 
schon  er  es  unter  dem  deckmantel  witziger  scherzreden  zu  verbergen 
sucht,  indem  er  den  gewaltigen  dictator  als  einen  Schulmeister 
{magister)  darstellt,  von  dem  man  befürchten  müsse,  ne  in  catomum 
Catoninos  (sc.  toUat) ,  er  werde  den  unartigen  schulknaben,  die  über 
ihn  sich  selbst  zum  unheil  gelacht  hätten,  mit  6inem  male  über  den 
hals  kommen  und  ihnen  —  nemlich  den  Catofreunden  —  eine  ge- 
hörige tracht  prügel  applicieren.  dATum  manum  de  täbtUal  hübsch 
artig  und  vorsichtig,  damit  ein  solches  Strafgericht  nicht  herein- 
breche! —  Hiemach  dürfte  es  gerechtfertigt  sein,  wenn  wir  die 
phrase  in  catomum  auch  bei  Qellius  XVI  7,  4  einsetzen  und  das 
bruchstück  des  Laberius  also  lesen: 

toUet  band  fide 
vos  Orcus  nudas  in  catomum  -^  ^  - 
(über  die  zulässigkeit  der  beiden  iambischen  wortformen  bona  fide 
im  ausgang  eines  senars  s.  ALuchs  in  Studemunds  Studien  I  s.  21.) 
erst  durch  diese  lesung  wird  man  in  den  stand  gesetzt  klar  und  deut- 
lich zu  erkennen ,  wie  Qellius  dazu  kam ,  das  fragment  des  mimen- 
dichters  als  einen  beweis  dafür  beizubringen,  dasz  Laberius  mit- 
unter von  flecken  des  gemeinen  Volksgebrauches  schillernde  Wörter 
angewendet  habe. 

Zu  diesen  ausdrücken  rechnet  Gellius  auch  clutriarCy  indem  er 
XVI  7,  5  fortfährt:  et  elutriare  lUUea  .  .  dicU.  wie  aber  hätte  ihm 
dies  bei  fallen  können,  wenn  diesem  verbum  wirklich  das  wäre,  wofür 
man  es  auszugeben  pflegt,  nemlich  ein  derivatum  von  dem  durchaus 
schriftmäszigen  und  urbanen  duere?  man  könnte  an  ein  griechisches 
etymon  denken,  sei  es  nun  XouTpiov  oder  Xourrjp,  so  dasz  im  letz- 
tern falle  elutriare  aus  eluteriare  synkopiert  wäre,  wahrscheinlicher 
jedoch  ist  die  entstehung  aus  lutum  oder  vielmehr  aus  dessen  a^j. 
lüteuSj  dessen  t  man  durch  r  verstärkte;  aus  dem  so  entstandenen 
ehitreare  (gleichsam  ^entschmutzigen')  wurde  dann  um  der  leichtem 
ausspräche  willen  elutriare.  eine  derartige  epenthesis,  nemlich 
einfUgung  eines  r  nach  ^,  läszt  sich  in  vielen  Wörtern  nachweisen, 
schon  in  manchen  schriftlateinischen,  zb.  in  cuicitra  (s.  Georges  band- 


HR^uBch:  zu  GeUius  [XVI  7,  4.  6].  215 

Wörterbuch^),  weit  öfter  aber  auf  dem  gebiete  der  vulgärsprache : 
YgLgloss.  ps.-Philox.  s.  28, 5  haüistra,  cqpevbövT).  28, 10  hälUstrari(i)y 
cq)£vbovfiTai.  Lucilius  und  Cato  bei  Nonius  s.  143  mediastrinus. 
gloss.  Placidi  s.  75,  14  (Deuerling)  pdLpitans  est  qui  animam  trähit. 
nam  palpitrans  non  est  latinum  (war  sonach  eine  plebejische 
wortform),  potest  tarnen  a palpehris  venire. 

Wir  wenden  uns  wieder  zu  cato  mos  zurück,  um  noch  einen 
beleg  anzuführen,  dessen  besprechung  wir  absichtlich  bis  zuletzt 
aufgeschoben  haben,  weil  sein  wortbestand  sehr  corrumpiert  ist.  zu 
dem  yerse  Juvenals  2, 142  nee  prodest  agüi  pahnas  praebere  Luperco 
lautet  das  scholion  in  der  Cramerschen  ausgäbe:  sterües  midieres 
febnuintibus  Luperds  se  offerehant  et  fenda  verberäbantur.  hoc 
homine^  qui  infra  tectum  mtdti  seminis  credit  contracttis  ab  foecundi- 
totem  dandam.  pätmas  ideo  dicity  quia  aut  catomus  laetabantur,  aut 
quia  manibiiis  vaptUant  ctmei  per  civitcttem,  tunc  et  in  solio  si  quapost 
ipsum  descenderü  statim  concipit.  eine  längere  reihe  von  Verbesse- 
rungsvorschlägen aus  älterer  und  neuerer  zeit  steht  am  fusze  dieses 
scholions,  von  denen  aber  keiner  dem  durch  lässige  abschreiberhände 
arg  gemishandelten  texte  eine  durchgreifende  und  vollständige  auf- 
hilfe  darbietet,  so  eben  kommt  mir  noch  zu  rechter  zeit  eine  freund- 
liche mitteilung  des  hrn.  Cph.  Stephan,  cand.  phil.  in  Köln,  zur 
hand,  aus  der  ich  ua.  ersehe  dasz  der  wirkliche  text  des  cod.  San- 
gallensis  87^  folgende  abweichungen  von  dem  obigen  erkennen 
läszt:  vor  steriles  steht  noch  Natura  indidget .  .  verberantur  .  .  ob 
fecunditcUem  . .  a  (?)  manibus  .  .  per  ipsam  .  .  und  dasz  OJahn  in 
seiner  ausgäbe  der  scholien  hat  drucken  lassen:  [nee prodest]  nach 
vndfüget .  .  verberabardur,  hoc  nomine  .  .  ad  fecunditatem  .  .  catomis 
caedebantur  .  .  manibus  vapulabant .  .  post  lupercum  .  . 

Unter  berücksichtigimg  alles  dessen  was  vorliegt,  sowie  durch 
hinzunahme  einiger  conjecturen  von  mir  versuche  ich  das  scholion 
in  folgender  weise  zu  emendieren:  Natura  indulgente  sterües 
mulieres  februantibus  Luperds  se  offerebant  et  feruta  verberabaniur, 
hoc  nomine  quia  infra  tactum  mtdti  seminis  creditur  contractus 
ad  {ob?)  fecunditatem  dandam.  pahnas  ideo  dicU,  quia  aut  catomis 
levabantur  aut  quia  manibus  vapulabant  cunice  per  cmtatem : 
tunc  et  in  solio  si  qua  post  ictum  descenderü^  statim  concipit.  die 
präp.  infra  kann  füglich  belassen  werden :  sie  findet  sich  in  späteren 
Zeiten  nicht  selten  für  intra  gebraucht,  vgl.  Deuteron.  17,  2  cum 
reperti  fuerint  apud  te  infra  unam  (Septuag.  dv  ^tqi)  urbium 
tuarumy  Vulg.  cod.  Toletani.  ludic.  14,  12  intra  Septem  dies  con- 
vivii]  'idiqui  habent  infra*  Hugo  ap.  Vercellon.  Iren,  interpr.  1 2, 4 
ipsam  quidem  infra  (^VTÖc)  pleroma  perseverasse.  II  3,  1  infra 
se  omnia  continente  eo  .  .  infra  spirüdte  pleroma.  ps.-Cjprianus 
de  singul.  der.  18  nee  infra  [cod.  C  ==  Sangerm.  839  saec.  IX] 
uvham  caveam  habitans  cum  lupo  tutus  et  agnus  . .  quantum  välebit 
si  infra  [C]  muros  acceperit  häbitacuhim?  hist.  Apollon.  Tjr.  c.  12 


216  HRGnsch:  zu  Gellius  [XVI  7,  4]. 

s.  16, 3  (Riese)  dtucü  infra  teäum.  c.  42  s.  54, 5  spongia  .  .  visceri" 
htts  tota  turnet  aqua  gravata  patuUs  diffusa  cavemis,  infra  qua» 
lympha  latet.  comment.  Einsidl.  (aneed.  Helv.  ed.  Hagen)  s.  215,  2 
infra  tectum  sederunt  .i.  inius.  —  Was  catomis  levdbaniur  betriff^ 
so  liesze  sich  fragen,  ob  nicht  die  hsl.  dem  griech.  KOtr*  dti^ouc  anch 
in  der  endang  des  acc.  plar.  nachgebildete  form  eatomus  hätte  bei- 
behalten werden  können ;  leväbantu/r  aber  schien  der  Überlieferung 
des  Sangall.  graphisch  näher  zu  kommen  als  caedebantur.  —  Das& 
cynice  im  volksmunde  cunice  lautete,  ist  aus  Plautus  Stichus  699  be- 
kannt, die  phra^e  endlich  in  solio  descendere  ist  mit  der  nicht  bloss 
bei  Celsus  1,  3  dreimal,  sondern  auch  bei  demselben  scholiasten  (zu 
Juv.  8,  86  sölium  in  quod  [oder  ist  mit  Henninius  in  quo  zu  lesen?} 
descendebat)  vorkommenden  in  solium  descendere  völlig  identisch. 

Die  appendix  zu  dem  glossarium  novum  Latinitatis  im  9n  bände 
des  Spicil.  Rom.  von  Angelo  Majo  bietet  s.  80  folgende  notiz  dar: 
CeUomuSy  i.  schol.  ms.  ad  luven.  IV  151  cutile  consilium  ceperunt^ 
ut  tamdiu  eum  (Neronem)  caederent  catomis^  id  est  virgis  ferreis, 
donec  animam  exhalare^;  quod  ille  agnoscens  cum  uno  servo  aufiigit 
et  periit».  über  diesen  scholiasten  hat  der  hg.  bemerkt:  'scholiastes 
luvenalis  di versus  multoque  copiosior  edito,  in  codice  pervetusto^ 
ubi  sunt  insuper  interlineares  glossae.  auctor  dicitur  Probus,  sed 
tamen  homo  christianus  est,  vel  oerte  interpolatum  opus  nsque  ad 
saec.  ferme  IX  .  .  abrupto  hoc  commentario  circa  operis  medium, 
usi  deinde  sumus  scholiis  aliis  eiusdem  generis  atque  aetatis,  priscis 
videlicet  sed  identidem  a  sequiore  aliquo  scholiasta  interpolatis.^ 
in  dem  obigen  scholion  sind  die  werte  id  est  virgis  ferreis,  da  sie  den 
ausdruck  catomis  falsch  erklSren,  ohne  zweifei  ein  späteres  ein- 
schiebsei, daraus  hervorgegangen,  dasz  man  ihn  nicht  für  ein  griech» 
adverbium,  sondern  für  den  lat.  ablativ  hielt. 

Vorstehende  studio  über  in  catomum  und  gleichartiges  kann  ich 
nicht  abschlieszen ,  ohne  dem  oben  genannten  herm  in  Köln  für  ge- 
föUige  auskunftserteilung  über  das  im  Sangall.  enthaltene  und  nicht 
minder  hm.  dr.  Martin  in  Jena,  secretSr  an  der  dortigen  univ.biblio- 
thek,  für  die  freundlichkeit,  mit  der  er  auch  zu  gunsten  dieser  arbeit 
mir  so  manche  willkommene  Schriften  zukommen  liesz,  verbindlich 
zu  danken ;  zugleich  aber  spreche  ich  den  wünsch  aus,  es  möge  dem 
cod.  Pithoeanus  der  JuvenalschoHen  baldigst  eine  ganz  zuverlftssige 
und  vollständige  collation  zu  teil  werden. 

Lobenstein.  Hermann  Rönsch. 


ThOpitz:  SaUüsüns  und  Anrelius  Victor. 


217 


36. 

SALLÜSTIÜS  UND  AURELIÜS  VICTOR. 


Dasz  Aurelius  Victor  unter  den  nachahmern  des  Sallustius  einen 
ziemlich  hervorragenden  platz  einnimt,  hat  besonders  WölfiOin  im 
rhein.  museum  XXIX  285  ff.  nachgewiesen,  zu  den  dort  gegebenen 
Zusammenstellungen  teile  ich  im  folgenden  etliche  ergftnzungen  mit, 
ans  denen  sich  zugleich  ergeben  wird ,  dasz  diese  stilistischen  remi- 
niscenzen  sich  nidit  nur  in  den  ersten  elf  capiteln  der  Caesares  be- 
sonders bemerklich  machen ,  wie  WölfiFlin  anzunehmen  geneigt  war. 


satis  ccmpertum  Caes.  5, 3. 1 9, 3. 
mihiplane  compertum  11,13.  quare 
compertum  est  40,  13.  guis  rebus 
compertum  habeo  39,  5  (sämtlich 
als  einleitung  allgemeiner  behaup- 
tungen  und  Sentenzen) 

luxus  lasciuiaque  Caes.  14,  6. 
31,2 


annUevUe  Tito  Caes.  9, 11.  ntiZi- 
tibus  annUentibus  24,  1.  cunäis 
annüentibus  40,  4 

Bomanum  stcUum  quasi  abrupto 
praedpüauere  Caes.  24,  9 

aquae  penuria  fatigabat  Caes. 
28,  1 

adukscentis  fiuxo  ingenio  Caes. 
32,4 

Ingebum  .  .  imperandi  cupido 
incessit  Caes.  33,  2 


par  simüisque  semper  ipsi  habe- 
bitur  Caes.  33,  29 


nobis  satis  cognvtum  est  lug. 
82, 3.  periculo  atque  negotiis  com- 
pertum Cat.  2,  2.  compertum  ego 
habeo  Cat.  58,  1  (desgleichen) 


lubido  atque  hußuria  Cat.  28, 4. 
lug.  89,  6.  laetüia  atque  tasduia 
Cat.  31,  1.  licentia  atque  laciuia^ 
lug.  39,  5.  ludus  et  lasciuia  lug. 
66,  2.  Utxi^  atque  licentia  Bist* 
148,  HD. 

adnüewte  Crasso  Cat.  19,  1. 
nuüo  drcum  adnitente  Bist.  IV 
61,  14  D. 

mores  non  paülatim  .  .  sed  for- 
rentis  modo  praedpüati  Bist.  I 
12  D. 

fames  fatigabat  Bist.  lU  34  D. 
(vgl.  Tac.  Bist  V  3  inopia  aquae 
fatigabat) 

eorum  (sc.  adukscentiim)  animi 
moUes  et  fluxi  Cat  14,  5 

tanta  cupido  gloriae  incesserat 
Cat.  7,  3.  lubido . .  incesserat  13, 3 
und  wegen  des  acc.  Bist.  IV  61, 
15  D.  inopia  rursiis  ambos  in- 
cessü* 

par  simüisque  ceteris  efficiebatur 
Cat.  14,  4 


'  diese  Verbindung  ist  bei  Wölfflin  'die  allitterierenden  verbindangen 
der  lateinischen  spräche'  s.  65  nachzutragen.  *  mehr  über  dieses  bei 
SalL  ziemlich  oft  vorkommende  verburo  bietet  besonders  Lebmann  'de 
verborum  compositorum  quae  apud  Sallustinm  Caesarem  Tacitum  legun* 
tur  cum  dativo  structura'  (Breslau  1863)  s,  85  f. 


218 


ThOpitz:  SallustiuB  und  Aurelius  Victor. 


bonis  Salus  ciuium  ac  longa  sui 
memoria  cariora  sunt  Caes.  34,  6 

milites  frustra  fore  Caes.  37,  3 

diuitiarum  usum  affiuentiam- 
que  Caes.  37,  7 

quo  officio  adulescentiam  mer- 
cede  exercuerat  Caes.  39,  20 

incredibile  qucmtum  laetüia  gau- 
dioque  senatus  ac  plehes  exuHaue- 
rint  Caes.  40,  24 

rei  publicae  permixtionem  Caes. 

41,  14 

cibi  omnis,  libidinis  atque  om- 

mumcupidinumuiäorC9^%A2^  23 

ut  uerutn  ahsöluam  breui  Caes. 

42,  24 


müii  reäius  uidäur . .  memoriam 
nostri  quam  maxume  hngam  effi- 
cere  Cat.  1,  3 

Uli  (sc.  nohües)  frustra  sint '  lug. 
85,6 

otium  atque  diuüiae  .  .  ad/fu€- 
rent  Cat.  36,  4 

ihigue  iuuentutem  suam  exercuü 
Cat.  5,  2  vgl.  lug.  63,  3 

plebs . .  gaudium  atque  laäitiam 
agitahat  Cat.  48,  1 

quasipermixHoterraelvLgAl^M 


hMdinis  et  diuitiarum  uictar 
lug.  63,  2 

uti  pauds  uerum  dbsohwm  Cat. 
38,  3  vgl.  lug.  17, 2  cetera  quam 
paucissumis  äbscHiuam. 

» 

Nicht  minder  zeigt  sich  diese  ahhttngigkeit  im  gebrauch  ein- 
zelner lieblingswörter  und  lieblingsformeln.  ich  erwähne  das  häu- 
fige vorkommen  des  unpersönlichen  uti  seilet  Caes.  14,  5.  17,  6.  20, 11 
und  28.  28,  2.  31,  3.  33,  15  und  21.  35,  5  unter  vergleichung  von 
lug.  25,  3.  66,  2  (s.  Constans  'de  sermone  Sallustiano',  Paris  1880, 
8.  52) ,  oder  den  gebrauch  von  mortales  in  dem  sinne  von  homnes 
Caes.  3,  20.  12,  3.  16,  14.  24,  11.  28,  7.  33,  30  unter  Verweisung 
auf  Brünnert  'de  Sallustio  imitatore  Catonis'  usw.  (Jena  1873)  s.  25, 
oder  die  bevorzugung  der  formen  von  queo  (quew^t  Caes.  16,  8. 
queas  12,  3.  queat  8,  8.  queant  33,  19.  quihai  4,  5.  quiuere  41,  2. 
nequeunt  24, 10.  nequeat  13,  7  und  35, 13.  nequiensMj  2.  nequirent 
10,  3.  nequvuü  20,  1)  gegenüber  denen  "vompossum^  von  denen  ich 
nur  acht  beispiele  gezählt  habe. 

Femer  gebraucht  Victor  auszer  an  zwei  stellen  (Caes.  11,  9 
coeperunt  und  25,  2  *  appröhauerunt)  für  die  dritte  pluralperson  perf. 
stets  die  formen  auf  -ere,  man  sehe:  accepere^  accessere  cuxidere 
apparuere^  cecidere  cecinere  cessere  comperere  concessere  confecere  con- 
iurauere  conuenere  creauere  curauere  decreuere  dedere  dempsere  denun- 


^  weiteres  s.  bei  Badstübner  Me  Sallnstii  dicendi  g^enere'  (Berlin 
1863)  8.  11  und  Kraut  'das  vulgäre  element  in  der  spräche  des  Sali.' 
(Blaubeuren  1881)  s.  9.  *  Caes.  39,  5  ist  mit  der  hs.  accesietini  zu 

lesen.  ^  in  der  hs.  sind  die  formen  meistenteils  ausgeschrieben,  nur 
hier  und  da  (zb.  Caes.  11,  10.  16,  15.  80,  1  uö.)  durch  einen  über- 
geschriebenen strich  {conuenery  decreuer,  comperef)  abgekürzt,  dasi 
dieser  jedoch  die  endung  e  bezeichnet,  geht  aus  zahlreichen  andern 
beispielen  hervor,  wie  24,  10  reger  neqveunt.  83,  11  re/icef  cantenderet. 
83,  28  uulner  tarn  gram.  39,  9  proper  petil.  *  das  Caes.  17,  10  in  den 
texten  stehende  appeUauere  ist  hier  nicht  aufgeführt,  weil  es  in  der 
hs.  fehlt. 


ThOpitz:  SalluBtius  und  Aurelius  Victor.  219 

Uauere  dixere  duxere  egere  fecere  foedauere  fuere  hdbuere  interfecere 
iugulauere  mumuere  ohtruncatierepatrattereperpidereperspexerepeti' 
aere  portendere  potuere  praecipüauere  praefecere  prohauere  prodidere 
prodiere  quiuere  retuiere  rexere  sacrauere  sanocere  secessere  subnexere 
ta/rdauere  trmndcmere  uenere  uocauere.  dasz  bei  Sali,  die  volleren 
endungen  ebenfalls  nur  in  verschwindender  minorität  vorkommen, 
kt  bekannt:  der  kürze  halber  verweise  ich  auf  Laws  Me  dicendi 
genere  Sallustiano'  (Rössel  1864)  s.  10  f.  und  Brünnert  ao.  s.  8. 

Gerade  wie  Sali,  eine  besondere  verliebe  für  die  vollere  form  uii 
hat,  neben  der  er  jedoch  auch,  freilich  ohne  jeden  erkennbaren  unter- 
schied, td  gebraucht,  so  verhält  sich  bei  Victor  der  gebrauch  von  lUi 
zn  dem  von  td  wie  5  :  3,  jedoch  mit  dem  streng  eingehaltenen  unter- 
schiede, dasz  vor  i  stets  ui  erscheint:  Caes.  1,  7  u^  Indi,  8,  3 1^ inter. 
11,  12  und  39,  25  ut  in.  12,  3  und  16,  9  ut  is.  16,  10  und  37,  3 
ut  tue.  42,  24  u^  imperator.  anderseits  erscheint  in  bestimmten  for- 
mein stets  tUi^  wie  in  dem  oben  angefahrten  uti  solet  (auch  31,  3 
bietet  die  hs.  die  vollere  form)  oder  dem  damit  synonymen  uti  mos 
est  5,  14.  13,  9.  16,  7.  20,  33.  29,  2.  32,  2.  33,  17.  34,  8. 

In  demselben  Verhältnis  von  5  :  3  stehen  hinsichtlich  ihres  Vor- 
kommens die  formen  quis  und  quih%i$y  worin  wiederum  anlehnüng 
an  Sali.  (s.  Constans  ao.  s.  9)  zu  erkennen  ist.  quis  findet  sich  als 
dativ:  Caes.  3,  12.  18,  2.  33,  26.  38,  7,  daneben  quihus  3, 14.  4,  5. 
11,  9.  22,  2;  quis  als  ablativ:  5,  14.  10,  4.  26,  1.  28,  11.  35,  2. 
39,  7.  40,  15.  42,  21,  daneben  quihus  14,  11.  15,  4.  20,  25.  26,  6. 
28,  7.  35,  8.  35,  10.  41,  19.  dagegen  in  Verbindung  mit  Präpo- 
sitionen und  dem  subst.  res  steht  nur  quisi  ex  quis  28,  3;  a  quis 
39,  34.  41,  16.  42,  16.  auch  hierin  hat  sich  also  der  nachahmer 
strengere  normen  gesetzt  als  der  als  vorläge  dienende  autor,  denn 
Sali,  sagt  sowohl  quihus  rehus  (Cat.  31, 2)  als  quis  rehus  (lug.  105, 1). 

Schon  Jordan  im  Hermes  I  234  und  Wölfiflin  ao.  haben  darauf 
aufmerksam  gemacht,  wie  auch  die  kritik  aus  solchen  vergleichungen 
nutzen  ziehen  kann,  ich  füge  einige  beispiele,  zunächst  für  Sallustius, 
hinzu. 

Cat.  3,  2  schreiben  die  meisten  neueren  hgg. ,  denen  sich  auch 
Gründel  Me  aliquot  locis  Sallustianis'  (Thorn  1869)  s.  3  und  Anhalt 
^quae  ratio  in  libris  recensendis  Sallustianis  recte  adhiberi  videatur' 
(Jena  1876)  s.  30  anschlieszen ,  tametsi  haudquaquam  par  ghria* 
ßequUur  scriptorem  et  auctorem  rerum^  während  Dietsch  unter  Zu- 
stimmung von  Gerlach  Heidelb.  jahrb.  1868  s.891  stets  an  actorem 
festgehalten  hat.  auctorem  ist  überliefert  in  PC,  actorem  in  C,  wo- 
runter sich  freilich  nach  Dietsch  praef.  ed.  IV  s.  3  der  wichtige 
P  ^  befindet,  die  erstgenannte  lesart  wird  auszerdem  bestätigt  durch 
Gellius  IV  15  und  Charisius  s.  215.^  doch  wollen  diesS  citate  nicht 
zu  viel  bedeuten,  da  jene  grammatiker  unsere  Salluststelle  nicht 
etwa  wegen  des  ausdrucks  auctor,  sondern  aus  ganz  anderen  gründen 

7  SacerdoB  s.  23  [GLK.  VI  445]  (s.  Wölfilin  im  Philologrus  XVII  628) 
citiert  nur  tametsi  haudquaquam  par  gloria  sequitur. 


220  ThOpitz:  SallustiuB  nnd  Aurelius  Vietor. 

eitleren,  was  nnn  den  Zusammenhang  der  stelle  betrifft,  so  bildei 
ador  zu  scriptor  entschieden  einen  scharfem  gegensatz  als  mietort 
denn  ersteres  bezeichnet  Men  thtttigen  ausführer  und  vollbringer 
von  tbaten'.  dazu  kommt  nun  als  sehr  gewichtiges  neues  moment,. 
dasz  actor  geschützt  wird  durch  die  in  die  äugen  springende  nach» 
ahmung  bei  Victor  Caes.  20,  3.  dort  ist  davon  die  rede,  dasz  Septi- 
mius  Severus  die  scripta  seines  vorgSngers  Julianus  zu  vernichten 
befohlen  habe,  dies  ihm  aber  nicht  g<flungen  sei.  dann  geht  es  weiter: 
tantum  gratia  dodarum  artium  uakt^  ut  scriptorihus  ne  soeiit 
mores  quidem  ad  memoriam  ofjfieiani.  quin  etiam  mors  huiuseemodi 
ipsis  (sc.  scriptoribtts)  gloriaCj  execrationi  actoribua  (so  diehs.)  esi. 

Zum  schütze  der  vielbesprochenen  werte  Cat.  52,  35  älH  intra 
moenia  atque  in  sinu  urbis  stmt  hostes  hat  bereits  Vogel  in  den 
acta  Erlang.  II  411  (vgl.  auch  I  360)  auszer  stellen  anderer  nach- 
abmer  auch*Victor  Caes.  27,  2  inter  in^oHana  urbis  atque  ipso 
sinu  beigebracht,  durch  den  umstand,  dasz  wir  an  dieser  stelle 
ebenfalls  zwei  durch  atque  verbundene  glieder  haben,  erledigen  sieh 
zugleich  die  bedenken  von  Ungermann  in  diesen  jahrb.  1879  s.  557, 
welcher  atque,  und  von  Hertz  im  Philologus  XII  378,  welcher  gar 
intra  moenia  atque  streichen  will. 

lug.  70,  2:  während  an  dieser  stelle  alle  neueren  hgg.  unter 
vergleichung  von  lug.  7, 1.  12,  3.  71, 3  nnd  108, 1  hominem  nohOemp 
magnis  qpibus,  carum  acceptumque  popularibus  suis  auf- 
genommen haben,  hat  Vogel  ao.  I  347  die  hsL  lesart  darum  ae* 
ceptumque  zu  halten  versucht,  gestützt  auf  die  nachahmung  ep.  ad 
Caes.  de  re  publ.  11  7,  6  (s.  138,  30  Jordan)  magis  darum  magisque 
acceptum.  aber  an  dieser  stelle  fehlt  erstens  der  dativ,  der  auch  an 
drei  der  oben  dtierten  dabei  steht  und  71,  3  leicht  aus  dem  su* 
sammenhange  zu  erg&nzen  ist,  anderseits  ist  die  Verbindung  infolge 
der  elnschiebung  von  magis  eine  weniger  enge,  ebensowenig  darf 
man  die  Überlieferung  bei  Tac.  ann.  XII  29  {darus  acoeptusque  popu» 
laribus)^  wo  sicherlich  mit  recht  WOlfflin  im  Philologus  XXVII  128 
carus  corrlgiert  hat,  zum  schütz  unserer  stelle  anfahren,  sondern  es 
ist  vielmehr  anzunehmen,  dasz  an  beiden  stellen  zuftllig  dieselbe 
corruptel  eingetreten  ist,  gerade  wie  dies  der  fall  ist  bei  einer  weiter 
unten  zu  besprechenden  stelle  (Vict.  Caes.  39,  15).  als  neuen  be- 
weis für  die  richtigkeit  der  lesart  carus  füge  ich  hinzu  die  nach« 
ahmung  bei  Victor  Caes.  3,  4  legiontbus  carus  aoceptusque  habebatur. 

Hist.  I  48  D.  (-i>  or.  Phil.)  11  lesen  die  meisten  neueren  aus- 
gaben mit  dem  Vatlcanus  agitur  enim  ae  laceratur  animi  cupidine 
d  noxarum  mdu ,  nur  Eritz  und  Gerlach  (vgl.  auch  Heidelb.  jahrb. 
1869  8.  25S\  schreiben  mit  schlechteren  hss.  angitur,  woftlr  sich 
neuerdings  auch  Anhalt  ao.  s.  21  ausgesprochen  hat  dagegen  ver- 
treten Weinhold  in  Ritschis  acta  I  s.  220  und  Pratje  'quaestionee 
Sallustlanae'  (Göttingen  1874)  s.  42  die  lesart  des  Vat.,  freilich  mit 
belspielen  die  wenig  schlagend  sind ,  wie  Curtius  IV  9,  6  wmUitudo 
aui  studio  agitur  aut  ira  oder  Septimius  III 8  animi  iadatione.  dasi 


ThOpitz:  Sallustias  und  Aurelius  Victor.  221 

<x§UMr  jedoch  in  der  that  die  richtige  lesart  ist,  erhebt  über  allen 
zweifei  die  nachahmung  bei  Victor  Caes.  39,  46  Uhidine  tania  age- 
takur^  wo  Ubidine  völlig  dem  animi  cupidine  unserer  stelle  entspricht, 
vergleichen  Ifiszt  sich  auch  noch  40,  2  ardore  imperitandi  agUabatur. 

Ebenso  kann  umgekehrt  die  yergleichung  des  Sallustius  für  die 
kritik  der  Caesares  nutzbar  gemacht  werden. 

Einen  besonders  ausgedehnten  gebrauch  macht  Victor  von  den 
verba  frequentativa,  wie  nachstehendes  Verzeichnis  zeigt,  die  mit  * 
versehenen  verba  kommen  auch  bei  Sali,  vor  (s.  Brünnert  ao.  s.  40 
und  Kraut  ao.  s.  5) :  *  aduentare  *  affectare  *  afjßtäare  *  agüare  (5  mal ; 
auch  bei  Sali,  ganz  besonders  beliebt)  atteniare  *consuUare  cantrectare 
deoeriare  *despecltare  *dictüare  *exercUare  *exuUare  grassari  ^impe-^ 
rUare  *incüare  madare  ohleäare  *occuUare  *ostentare  perseäari^ 
*prciaiare  *propulsare  ^praspectare  *reduäare  (bei  Sali,  nur  im 
Simplex)  räetUare  *räractare  suspedare  *st/istentare  *tentare  uenti- 
taire  *uexare,  daher  trage  ich  kein  bedenken  Caes.  3,  16  die  in  der 
bs.  überlieferte  form  protr ad ato  (in  den  texten  steht pratraäo) 
aufzunehmen ,  wenngleich  dieses  compositum  sonst  nicht  vorzukom- 
men scheint,  ebenso  wird  41, 12  die  sinnlose  Überlieferung  condenda 
urbe  formidandisquereligionibus  ingentem  animum  auocauü  nicht 
mit  Schott  in  formandis  sondern  in  formitandis^  zu  ändern  sein, 
ein  verbum  für  welches  ein  zweites  beispiel  ich  ebenfalls  nicht  habe 
au^nden  können. 

Caes.  34,  1  lautet  die  Überlieferung:  müüeSj  quos  fere  contra 
ingenium  perdUae  res  suhiungunt  recta  constdere.  statt  des  ver- 
derbten Bubiunguwt  hat  bereits  Schott  subigunt  geschrieben,  eine 
Verbesserung  deren  richtigkeit  dadui'ch  erwiesen  wird  (vgl.  auch 
Grüner  zur  stelle) ,  dasz  subigere  mit  dem  ixifinitiv  eine  speciell  Sal- 
lustianische  und  zwar  nicht  weniger  als  fünfmal  vorkommende  con- 
strnction  ist  (s.  Constans  ao.  s.  169). 

In  diesen  jahrb.  1878  s.  655  habe  ich  die  Vermutung  ausgespro- 
chen, dasz  Caes.  39,  15  die  corrupte  Überlieferung  i>o^  fMmariam 
humani  nicht  in  post  memoriam  humanam  sondern  iapost  memoriam 
generis  humani  zu  corrigieren  sei.  die  richtigkeit  dieser  änderung 
wird  bewiesen  durch  das  original  Sali.  Hist.  I  41 D.  (=  or.  Lep.)  6 
{post  memoriam  humani  generis) ,  nur  dasz  an  dieser  stelle  im  Vat. 
generis  ebenfalls  ausgefallen  und  erst  durch  Orelli  eingesetzt  worden 
ist,  während  bis  dahin  hominum  gelesen  wurde,  an  der  richtigkeit  von 


^  80  ist  Caes.  36,  7  za  schreibeD.  die  gewöhnliche  lesart  insecta- 
baiur  beruht  aaf  einier  conjectnr  von  Schott,  während  die  hs.  ^pectabaiur 
bietet,  das  simplex  sectabatur  ist  durch  den  susammenhang  {contra 
miHtarium  morem  prouinciarum  praedaiores)  ausgeschlossen,  demnach  ist 
jedenfalls  mit  Umstellung  ^ines  buchstabens  persectabatur  eu  schrei- 
ben, wofür  besonders  der  gleiche  ausdruck  in  dem  aus  derselben  quelle 
geschöpften  bericht  des  Vopiscus  (Aurel.  39,  5)  spricht:  fures  prouin- 
dales  .   .  ultra  tnüitarem   modum    est   persecutus.  *  dieselbe    cor- 

ruptel  liegt  Caes.  20,  1  vor,   wo  die  hs.  (ira)  commodior  statt  commotior 
bietet. 


222  ThOpitz:  SalluBÜns  und  Aarelius  Victor. 

Orellis  ergänznng  ^^  hat  noch  niemand  gezweifelt ,  wohl  aber  kann 
man  darüber  zweifelhaft  sein,  ob  die  Übereinstimmung  beider  stellen 
hinsichtlich  der  art  der  Verderbnis  auf  znfall  beruht  (vgl.  oben  zu 
lug.  70,  2),  oder  ob  man  etwa  zu  der  annähme  berechtigt  ist,  das^ 
Victor  in  seinem  Historienexemplar  die  corruptel  bereits  vorgefun- 
den ,  aber  nicht  bemerkt  und  somit  sinnloses  nachgeahmt  hat. 

Ebd.  s.  656  habe  ich  femer  vorgeschlagen,  Caes.  41,  24  nach 
dem  stehenden  Sprachgebrauch  des  autors  huiusmadi  in  InUusceinodi 
zu  ändern,  eine  erwünschte  bestätigung  erhält  diese  Vermutung 
durch  die  thatsache ,  dasz  auch  Sali,  sich  stets  der  letztem  form  be- 
dient ,  worüber  ich  der  kürze  halber  auf  Dietschs  index  verweise. 

Caes.  42,  7  cuitis  (sc.  Potentiani)  stolidum  ingenium  adeopMfi 
Romanae  patribfisque  eaMio  fuit,  uti  passim  domus  fora  uiae 
templa  cruore  aut  (so  die  hs.)  cadauerihus  opplerentur. 
als  das  original  dieser  stelle  ist  entschieden  anzusehen  Sali.  Cat.  51,  9 
fana  atque  domos  spoliari^  caedem  incendia  fieri^  postremo  armis 
cadauerihus  cruore  atque  luctu  omnia  compleri.*^  aus  dieser 
vergleichung  ergibt  sich  zugleich  dasz,  was  schon  durch  den  sinn 
gefordert  wird ,  atU  zu  beseitigen  xmd  dafür  eine  copulative  partikel 
einzusetzen  ist,  aber  freilich  nicht  ac,  wie  in  allen  ausgaben  steht, 
denn  im  gebrauch  der  formen  ac  und  atque  ist  Victor  sehr  streng : 
vor  vocalen  verwendet  er  stets  a^$t«€,  vor  consonanten  im  allge- 
meinen stets  ac^*,  auszer  vor  c.  vor  diesem  consonanten  steht  ent- 
weder et  (in  der  hs.  meist  dt  geschrieben),  wie  Caes.  2,  2  et  con- 
uentus]  3,  5  und  39,  45  et  ceteros]  9,  8  e^  cauati;  10,  4  et  oonstan- 
tiatn-y  20,  10  et  cognomento]  20,  25  et  cohortes^^;  42,  18  et  consiUo^ 
oder  atque ,  wie  33,  30  atque  compositis.  daher  ist  auch  an  unserer 
stelle  nicht  ac  cadaueribus^  sondern  entweder  et  oder  atque  cada- 
uerihus in  den  text  zu  setzen,  ich  würde  das  letztere  vorziehen ,  da 
atque  leichter  in  aut  corrumpiert  werden  konnte  als  et. 


^^  ob  freilich  generis  vor  oder  hinter  kumani  einzuschieben  sei,  ist 
schwer  zu  entscheiden.  Sali,  hat  beide  Stellungen:  lug.  2,  3  rector  humani 
generis;  Hist.  I  19  D.  inceria  humani  generis ,  dagegen  lug.  1,  1  genus 
humanuni,        *^  diese  entlehnung  ist  Wölfflin  allitt.  verb.  s.  62  entgangen. 

<'  von  dieser  regel,  die  sich  auf  mehr  als  sechsig  stellen  gründet, 
finden  sich  nur  wenige  ausnahmen,  wie  Caes.  8,  1  und  42,  20  aigue 
uiginti;  17,  7  atque  deeimo;  37,  3  atque  dudoribus;  40,  26  atque  basiiieam; 
41,  23  atque  praeceps.  in  diesem  punkte  also  ist  Victor  wiederum 
genauer  als  Sali.,  während  beide  in  dem  streben  ac  vor  vocalen  und  c 
zu  vermeiden  übereinstimmen:  s.  Dietsch  'observationes  criticae  in 
lugurthae  partem  eztremam^  s.  17.  "  an  den  beiden  stellen  aus  dem 
20n  capitel  steht  in  den  ausgaben  ac,  die  hs.  hat  aber  ^.  ebenso  liest 
diese  Caes.  37.  7  nicht  ar  paene^  sondern  tf*  paene, 

Dresden.  Theodor  Opitz. 


FSusemihl:  Zenon  von  KitioD.  223 

37. 

ZENON  VON  KITION. 


Meine  vt)llig  harmlosen  äuszemngen  in  dem  kleinen  aufsatz 
'Zenon  von  Kition*  (jahrb.  1882  s.  773  ff.)  haben  Rohde  (ebd. 
s.  831  f.)  zu  einer  hochgradig  gereizten  erwiderung  veranlaszt.  meine 
antwort  soll  und  darf  um  so  ruhiger  sein,  denn  Rohde  selbst  weisz 
recht  gut,  dasz  der  Widerspruch  zwischen  den  nicht  aus  Persaios 
stammenden  chronologischen  angaben  über  Zenon  bei  Laertios 
Diogenes  nur  den  ausgangspunkt  meiner  Untersuchung  bildete,  und 
dasz  es  folglich  für  die  sache  gleichgültig  ist,  ob  ich  diesen  Wider- 
spruch entdeckt  habe  oder  er.  ich  bedaure  dasz  mir  letzteres  nicht 
ohne  mein  verschulden  entgangen  ist;  sonst  würde  ich  selbstverständ- 
lich vielmehr  von  der  bemerkung,  dasz  er  schon  das  richtige  gesehen 
habe,  ausgegangen  sein  und  darüber  keinen  kummer  empfunden 
haben,  denn  ich  bin  nicht  so  thöricht  auf  eine  an  sich  so  gering- 
fügige beobachtung  mir  etwas  einzubilden. 

Femer  spottet  Rohde  darüber,  dasz  ich  geschrieben  habe,  ich 
träfe  mit  ihm  darin  zusammen,  dasz  die  notiz  aus  Persaios  nicht  von 
Apollonios  stamme,  statt  ich  schliesze  mich  darin  an  ihn  an.  dieser 
pfeil  fliegt  auf  den  schützen  zurück ,  sobald  nur  das  von  mir  ge- 
schriebene vollständig  beachtet  wird,  denn  ich  stimme  zwar  in 
jener  negation  mit  Rohde  überein ,  habe  aber  zugleich  gezeigt  dasz 
die  nachricht  nicht  aus  Apollodoros,  wie  Rohde  annimt,  sondern 
wahrscheinlich  aus  Antigonos  von  Karystos  in  den  Diogenes  ge- 
kommen ist,  und  gerade  das  ist  der  wichtigste  punkt  in  der  ganzen 
frage,  statt  eines  mich  nicht  treffenden  spottes  wäre  also  gewis  eine 
Widerlegung  besser  am  orte  gewesen. 

Noch  mehr  bringt  es  Rohde  in  hämisch ,  dasz  ich  gesagt  habe, 
er  habe  jene  behauptung  nicht  bewiesen,  er  verweist  mich  auf  rhein« 
mus.  XXXIII  s.  178  anm.  2 ,  um  hier  den  anlasz  seiner  Vermutung 
kennen  zu  lernen,  dort  schreibt  er  nemlich:  ^so  viel  aber  scheint 
deutlich,  dasz  bei  Laert.  VII  28  die  durch  den  bericht  des  Persans 
getrennten  angaben,  wonach  Z.  98  jähre  alt  geworden  wäre  (dies 
musz  die  geläufigste  tradition  geworden  sein:  auch  Luc.  Macrob.  19 
folgt  ihr)  und  58  jähre  seiner  schule  vorgestanden  hätte,  zusammen 
gehören ,  dasz  also  nicht  nur  die  zweite  sondern  auch  die  erste  auf 
ApoUonius  .  .  zurückgeht.'  nun,  ein  beweis  ist  dies  doch  nicht,  das 
sagt  Rohde  selbst,  indem  er  behauptet,  ein  solcher  lasse  sich  im 
eigentlichen  sinne  nicht  führen  und  sei  auch  von  mir  nicht  geführt 
worden,  wäre  dem  so,  dann  könnten  wir  ja  aber  im  eigentlichen 
sinne  auch  nicht  wissen ,  ob  sich  die  sache  wirklich  so  verhält  oder 
anders,  und  was  kann  es  uns  dann  helfen,  ob  Rohde  etwas  ^deutlich 
scheint'  ?  die  Wissenschaft  hat  es  doch  eben  nicht  mit  einfallen,  auch 
nicht  mit  guten  einfallen ,  sondern  mit  beweisen  zu  thun.  es  ist  ja 
sehr  möglich ,  dasz  Rohde  den  von  mir  geführten  widerlegen  kann, 


224     FSusemibl:  Zenon  Ton  Eition.  —  EEiaea:  zu  Liyias  [XXII  3,  6]. 

das  musz  er  aber  auch  erst  gethan  haben,  ehe  er  ein  recht  hat  so  zu 
sprechen. 

Für  die  sache  selbst  ist  nnr  ^ines,  was  Bohde  vorbringt,  von 
erheblichkeit  und  allerdings  von  groszer.  auch  sogar  ohne  seine 
spätere  abhandlung  hfttte  ich  billigerweise  wissen  sollen,  dasz  aus 
Philodemos  eine  dritte  angäbe  über  das  von  Zenon  erreichte  lebens- 
alter  hinzugekommen  ist.  und  damit  fSllt  der  von  mir  versuchte 
beweis  dafür^  dasz  die  98  jähre  bei  Diogenes  auf  Apollonios  zurück- 
gehen, so  dasz  sich  nunmehr  nur  noch  im  allgemeinen  sagen  ISszt, 
was  Bohde  ao.  in  der  that  schon  zu  verstehen  gegeben  hf^:  da  die 
nachricht  aus  Persaios  anderweitig  eingeschoben  ist,  liegt  die  Wahr- 
scheinlichkeit vor,  dasz  sie  zusammengehöriges  auseinandergerissen 
und  dadurch  die  stelle  sich  so  wunderlich  gestaltet  hat.  audi  ist  es 
bei  der  abhftngigkeit  der  Diogenesbiographie  von  Apollonios  nicht 
wohl  denkbar,  dasz  gerade  über  diesen  punkt  gerade  dessen  angäbe 
verschwiegen  sei  oder  derselbe  überhaupt  gar  keine  angäbe  gemacht 
habe,  freilich  wenn ,  wie  ich  mit  Bohde  glaube ,  das  3Qj&hrige  alter 
des  Zenon  bei  seiner  ankunft  in  Athen  nicht  von  Apollonios  berichtet 
ist,  so  fehlt  hierüber  dessen  bericht  ganz  bei  Diogenes  und  folgt  erst 
aus  den  übrigen  daten. 

Etwaige  fernere  sachliche  Widerlegungen  Bohdes  werden  mir 
stets  willkommen  sein ,  etwaige  fernere  persönlichkeiten  aber  werde 
ich  unbeachtet  und  unbeantwortet  lassen. 

Greifswald.  Franz  Susbmihl. 


38. 
ZU  LIVIUS. 


Hannibal  war  aus  Gallien  über  den  Appenninus  in  das  Amothal 
eingedrungen  und  war  offenbar  schon  bis  Faesulae  gelangt,  als  er 
die  sichere  nachricht  erhielt,  dasz  das  römische  beer  bei  Arretium 
stehe,  die  entfemung  von  Faesulae  nach  dem  südöstlich  goldenen 
Arretium  beträgt  etwa  70  kilom.,  so  dasz  nicht  anzunehmen  ist,  er 
sei  weiter  westlich  von  Faesulae  stehen  geblieben,  von  Faesulae 
aus  machte  er  nach  süden  und  Südosten  streifzüge  um  zu  requirieren 
und  den  hitzigen  consul  Flaminius  noch  mehr  zu  reizen,  so  sagt 
auch  Polybios  III  82, 1  noiTicd^cvoc  dvaZupVvdTrd  xdiv  Kaid  ifiv 
OatcöXav  töttujv  usw.  die  stelle  des  Livius  XXII  3,  6  laeva  reUäo 
hoste  Faestdas  petens  ist  demnach  in  dieser  fassung  unhaltbar, 
ebenso  wenig  kann  angenommen  werden,  Livius  habe  das  terrain 
nicht  gekannt  und  darum  falsch  geschrieben,  lesen  wir  aber,  und 
diese  conjectur  dürfte  wohl  nicht  zu  gewagt  erscheinen,  Faesulis 
cedens  statt  FaestHiiS  petens^  so  wäre  alle  Schwierigkeit  gehoben. 

Lörrach.      '  Eduard  Eissn. 


ERSTE  ABTEILUNG 

FÜB  CLASSISCHE  PHILOLOGIE 

HERAUSGEGEBEN  VON  ALFRED  FlECKEISEN. 


39. 

STUDIEN  ZU  BABRIOS  UND  DEN  AISOPEIA. 


I. 

In  der  textgestaltung  des  Babrios  konnte  man  mit  den  alten 
mittein,  die  von  den  virtuosesten  kritikem  seit  etlichen  Jahrzehnten 
gehandhabt  sind,  nichts  erhebliches  mehr  auszurichten  hoffen,  um 
so  erwünschter  war  daher  die  ergänzung  und  bereicherung  des  appa- 
rates  durch  zwei  schnell  aufeinander  folgende  publicationen  von 
PKnöll,  der  die  von  Tyrwhitt  nur  bruchstückweise  mitgeteilte 
Bodleianische  fabelparaphrase  vollständig  veröffentlichte ,  vor  allem 
aber  den  bisher  nur  aus  Furias  excerpten  bekannten  Yaticanus  einer 
erneuten  prüfung  unterwarf  und  für  Babrios  einen  beträchtlichen  ge- 
winn an  lehrreichen  Varianten  und  neuen  stücken  zu  tage  förderte. ' 

Man  hatte  sich  schon  daran  gewöhnt  den  Yaticanus  —  neben 
dem  Athous  die  wichtigste  textquelle  des  Babrios  —  als  verloren 
zu  betrachten,  man  pflegte  nemlich  vorauszusetzen,  dasz  die  hs.  von 
Rom  nach  Florenz  geschickt  und  dort  von  Furia  verglichen  worden 
sei;  auf  dem  rücktransport,  so  glaubte  man,  sei  sie  alsdann  'inter 
bellorum  turbas'  verschollen  (Halm  Aesop.  s.  FV.  Eberhard  anal. 
8.  3).  zu  dieser  annähme,  die  einem  energischen  nachforschen  gewis 
nicht  förderlich  gewesen  ist,  war  freilich  nicht  der  leiseste  grund  vor- 
handen: denn  die  hs.  hat  die  Vaticana  nie  verlassen,  es  geht 
das  hervor  aus  Furias  eignen  werten  praef.  s.  XL  (Leipz.  ausg.): 
^uberrimam  autem  et  nunquam  editam  fabularum  seriem  bibliothecae 
Yaticanae  codd.  suppeditarunt,  quarum  exemplar  virdoctiss.  Caie- 
tanus  Marinius,  illius  bibliothecae  custos  primus,  et  Hieronymus 
Amatus  amicissime  transmiserunt.  dolendum  tamen,  horum  codd. 
scriptorem  adeo  imperitum  .  .  fuisse ,  ut  fere  nulla  .  .  verba  mendis 


'  Fubularam  Babrianarnm  paraphrasis  Bodleiana.  ed.  PiusKnoell. 
Wien,  Holder.  1877  (XII  u.  77  s.  gr.  8).  —  'Neue  fabeln  des  Babrius» 
in  den  sitznngsber.  der  kais.  akademie,  jnli  1878,  bd.  XCI  s.  659--690. 

Jahrbücher  f &r  eUsi.  phUol.  1888  hft  4.  15 


226  OCniBias:  Stadien  su  BabrioB  nnd  den  Aiaopeia. 

« 
careant,  nt  ex  fidelissimo  Ainaü  apographo  apparet.'  Fori«  be- 
nutzte demnach  nur  eine  abechrift  des  Yaticanas',  und  so  erkUrir 
es  sich  denn  auch,  dasz  er  gegen  seine  sonstige  gewohnheit  (ygL 
s.  XXX  f.  den  bericht  über  den  Casinensis  mit  sdbriftprobe)  keinerlei 
angaben  über  die  beschaffenheit  der  ha.  macht,  die  schweren  vor- 
würfe wegen  planloser  answahl,  flüchtig«!!  imd  fehlerhaften  lesens 
usw.  sind  also  von  Knöll  (s.  6  f.)  an  die  falsche  adresse  gerichtet. 
sie  fallen  nicht  Furia  zur  last,  sondern  seinen  römischen  freunden. 
wenn  Furia  übrigens  ao.  und  s.XXVI  von  Codices  Yaticani  spricht^ 
so  wird  man  jetzt  kaum  mehr  mit  KnOll  (s.  7  anm.  1)  glauben,  dass 
er  tbatsächlich  mehrere  derartige  hss.  der  Yaticana  benutzt  hlttCi 
die  also  zum  teil  noch  aufzufinden  wären.'  Furia  scheint  hier  nur 
einen  ungenauen  allgemeinem  ausdruck  gew&hlt  zu  haben,  zu  dem 
ihn  vielleicht  die  beschaffenheit  der  alrachrift  ocRT  die  disparate 
natur  der  mitgeteilten  &beln  veranlaszt  hat. 

Die  vaticanisehe  fiabelsamlung,  mit  242  nummem  die  umfimg* 
reichste  aller  bis  jetzt  bekannt  gewordenen,  vertritt  nemlioh  nicht 
eine  bestimmte  recension,  sondern  'bietet  vielmehr  eine  auswahl  von 
fabeln  der  verschiedensten  redactionen,  so  dasz  in  dieselbe  sowohl 
prosafabeln  . .  als  auch  fabeln  im  sogenannten  politischen  ven  nnd 
choliambische  &beln  des  Babrios  angenommen  sind*  (KnSll  s.  668). 
in  der  hauptsache  ist  die  Ordnung  eine  alphabetische;  nur  am  schlnst 
hat  der  Schreiber  zehn  stücke  ohne  bestimmte  reihenfolge  hinzugefllgt 
(ebd.  8. 662).  wir  haben  hier  offenbar  eine  compilation  des  spMeaten 
mittelalters  vor  uns.  Babrios  ist  dabei  leider  keineswegs  so  stuk 
ausgenutzt  als  man  hoffen  zu  dürfen  glaubte,  allein  abgesehen  von 
einer  stattlichen  anzahl  bemerkenswerter  lesarten,  durch  die  manchei 
rStsel  gelöst,  aber  auch  manches  neue  aufgegeben  ist,  hat  KnSUs 
sorgfältige  collation  das  Babrianische  fabelbudi  um  sechs  in  dieser 
form  unbekannte,  zum  teil  ziemlich  umfangreiche  stücke  bereichert, 
allerdings  hat  hier  ein  byzantinischer  diaskeuast  bh  manchen  stellen 
noch  weit  schlimmer  gehaust  als  in  der  recension  des  Athens;  im 
ganzen  aber  ist  doch  sül  und  verstechnik  des  dichtere  treu  bewahrt, 
so  dasz  über  seine  Urheberschaft  kein  zweifei  aufkommen  kann,  so 
ist  echt  Babrianisch*  der  gebrauch  des  genitivs  V.  9, 5  (Gitlb.  160, 6) 

*  Amati  scheint  der  absehreiber,  Harini  nur  der  TennitUer  gewesen 
zu  sein;  das  'et'  würde  dann  in  der  notia  Furias  eine  ähnliche  bedea- 
tong  haben  ipde  so  oft  das  Kai  bei  den  griechischen  grammatikem, 
wenn  sie  swei  antoren  eitleren,  demselben  Amati  verdankte  Creoser 
eine  abschrift  des  dialogs  ircpl  MfifXf^c  von  Nikephoros:  Plotin  I  s.  1488, 
SQ  Cicero  de  nai.  (L  s.  808.  '  Kndll  hätte  bei  seiner  ansieht  die  mftg* 
lichkeit  erwägen  müssen,  dass  die  abweichongen  in  der  collation  Forias 
aas  der  benutsnng  einer  andern  hg.  henrorgegaagen  seien.  ^  eine 
anstfchliessliche  eigentfimlichkeit  des  dichtere  —  etwa  einen  'aramais* 
mus'  (OKeller  jabn>.  snppl.  IV  896)  —  darf  man  nicht  darin  erkennen: 
denn  ähnlicheg  findet  «ich  gerade  in  der  spätem  gräcität  oft  geang. 
Tgl.  Athen.  IX  888«  Tdc  öndvbpouc  Td^  inivmicd»v,  Ailianos  IX  8  CoOpov 
Tibv  vcapdiv,  Zenoblos  II  80  (■-  Zenon  Myndios)  oi  *AcirMioi  Tibv 
KiOaptcrtfkv,  Philogelos  s.  47  Sbh.  6  Töwoc  vinß  «aipiuiv. 


OCruBius:  Studien  zu  BabrioB  und  den  Aisopeia.  227 

q>iXoc  .  .  Tujv  d^av  dvQTKdiüV ,  vgl.  6,  4  ix^uv  .  .  ou  tujv  ibpaiwv 
oder  46,  2  ävTpov  .  .  tiüv  doiKrJTUJV  (wo  Gitibauer  grundlos  und 
sinnwidrig  ibc  ^votioicuüV  ändert);  ferner  die  gesuchte  litotes  OUK 
äTTiüGev  V.  9,  1,  vgl.  51,  3  ou  TTÖppiu  und  ähnliches  69,  2.  74,  17; 
die  Wendung  ßouXdc  ^Kivei  V.  9,  2  vom  fuchs  wie  KivoCca . .  TViöjiilV 
96,  49 ;  tniic  TtpoceXGtJüV  V.  9,  4  wie  62,  4 ;  iKTiecoöca  xnc  uipiic 
V.  130,  6  vgl.  12,  4 '^;  ßiü)idv  a!)iaTOC  TrXfipii  als  versschlusz  V. 
135,  6  vgl.  37,  8  ßuüjLiöv  affiaroc  TrXr)CUüV ,  und  ähnlich  zum  folgen- 
den verse  27,  1 ;  Xukou  Goivii  V.  135,  10  wie  23,  7 ;  iv  fi^pei  V. 
164,  3  wie  32,  4  uam.  auch  die  ionische  färbung  der  spräche  ist 
wohlerhalten;  bemeFkenswert  sind  formen  wie  ö'ic  V.  135,  1  (wo- 
durch die  überlieferte  lesart  136,  1  «=  131,  1  Ebb.  gesichert  wird) 
und  cjLiiKpd  V.  130,  11  (nunmehr  wohl  auch  an  anderen  stellen  ein- 
zuftthren).  ebenso  sind  alle  hauptgesetze  der  Babrianischen  metrik 
streng  eingehalten,  auch  die  neuerdings  wieder  angezweifelte  längung 
des  versausgangs ,  da  sich  in  den  circa  70  gut  überlieferten  versen 
nur  zwei  auch  aus  andern  gründen  verdächtige  ausnahmen  vorfin- 
den (9,  1  dcTiöca,  Ebb.  elcTiiKei;  192,  2  Jqjov,  Ebb.  Zdjou).  da- 
gegen lassen  die  rhjthmen  der  vaticanischen  fabeln  an  vielen  stellen 
die  manigfaltigkeit  und  graziöse  lebhaftigkeit  vermissen ,  die  man 
den  meisten  athoischen  nicht  wird  absprechen  können,  dieser  mangel 
ist  aber  wohl  auf  die  rechnung  des  silben  zählenden  diaskeuasten  zu 
setzen,  der  für  die  dreisilbigen  Stellvertreter  des  iambus  kein  Ver- 
ständnis mehr  hatte  und  sie  daher,  wo  es  bequem  angieng,  zu  besei- 
tigen suchte:  vgl.  zb.  Y.  130,  2.  5  und  die  Varianten  zu  fabel  27,  2 
(V.  30).  55,  3  (V.  173).  68, 8  (V.  64).  100,  3  (V.  90).  101, 7  (V.  97). 
117^  8  (V.  122).  für  die  Wiederherstellung  des  textes  sind  besonders 
durch  Enöll  und  Eberhard®  schätzenswerte  beitrage  geliefert;  doch 
bleibt  hier  immer  noch  viel  zu  thun.  möchten  die  nachfolgenden  be- 
merkungen  zu  einer  erneuten  behandlung  dieser  arg  verwahrlosten 
und  bisher  wenig  beachteten  fundstücke  anlasz  geben ! 

Durchaus  neu ,  nicht  einmal  durch  eine  paraphrase  bekannt  ist 
fabel  9.  sie  stehe  hier  zunächst  in  der  überlieferten  fassung,  abge- 
sehen von  den  sichern  correcturen  der  abschreiberfehler: 

'AXuiTTTiE  *Trdimc  ouk  dTriuGev  icTuica 

ßouXdc  ^Kiv€t  notKiXac  ri  TToificei. 

XuKoc  bi  TauTTiv  *TrXTiciov  G€Uipr)cac 

^TTÖc  npoceXGiwv  tö  Kptec  Xaßeiv  ^t€i. 
6  «q>iXoc  Tdp  eifii  tujv  drav  dvaTKaiiüv.» 

f)  b '  elTiev  •  «^K€  T^bc  Kttl  bixox)  xoipuiv.» 

ö  b'  dGpöuüC  ^Tn)XG€V'  ibc  bt  npocKUipac 

*  Tf|v  CKubaXiv  £c€ic€  Ktti  xotXacGeicTic 

^dßbou  ji^TiüTra  cuv  t€  ^ivac  ^TTXrjim , 


^  V.  130  erweist  sich  auch  durch  ein  citat  bei  Saidas  als  Babria- 
niseh.  die  angeführte  phrase  ist  mir  an  dieser  stelle  nicht  recht  ver- 
ständlich.       *  analecta  Babriana  scr.  AEberhard,  Bonn  1879. 

16* 


228  OCnuias:  itadien  zn  Babrios  und  den  Aisopeia. 

10  «dXX*  ei  TOioOra»  qpnd  «roTc  qpiXotc  bdrcctc 
T&  bi&pa^  ttAc  co(  TIC  q>{Xoc  cuvovri^cct;» 
den  Inhalt  bildet  eine  list  Beinekes,  der  den  wolf  in  eine  falle  zu 
locken  sucht,  um  sich  nngesohftdigt  das  als  köder  dienende  fleisch 
zu  verschaffen,  das  motiv  ist  alt  und  volkstümlich,  vgl.  das  Sprich- 
wort €ic  ndtotc  ö  XiSkoc,  welches  von  Zenobios  m  52  (■«  Diogen. 
Vindob.  11  55)  erkUrt  wird  inX  vSiV  cic  Kivbuvov  irpoOirrov  f|KÖV- 
TUJV^,  weniger  gut  app.  prov.  11  30  hA  TiDrv  äpiroZövTUiv  puiv^ 
KaTacx€6^VTuiv  hi.  ^  es  läszt  sich  bis  auf  Archilochos  zurttckvörfol- 
gen ,  der  nur  die  rolle  des  wolfes  dem  äffen  zuteilte,  vgl.  fr.  90.  91 
mit  Bergks  bemerkungen  (s.  709)  und  Aes.  Hahn  44  £v  CUVÖlKfi 
Tijav  dXÖTUiV  Zifiuiv  irlOiiKOc  6pXTlcd|yi€Voc  . .  ßoctXcdc  . .  ^€ipo- 
ToviiOii*  6i\\bnr\i  hk  aind^  <p8ovificaca  die  iOedcaTO  £v  Ttvt 
iraTiöi  Kp^ac  Kcijicvov,  droToOca  oötöv  £vTo06a£XcTev,*i{ic 
€i&poOca  6r)caupdv  .  .  T^poc  • .  a6vü^  Tf)c  ßactXeioc  TcnfipriKC,  koI 
iraprjvei  aÖTif)  Xaßciv.  toO  hk  dTinmeXfiTuicIircXOövTOC 
Kai  ÖTTÖ  Tf)c  TraT(boc  cuXXiiqpO^VTOc  cdnuijuidvou  t€  tf^v 
dXi&neKa  die  dvebpeOcacov  cn&nij),  ^Kcfvii  l^'  «ifi  niOriKC,  cö  it 
TOtauniv  (|iux^v  ^uiv  (Archil.  91  TOiifivbc  b\  tb  ni9r|KCt  if^v 
iTUT^v  [?]  (x\})y)  Tiliv  äXi^fuiv  Zifiuiv  ßaciXeikctc ;»  wenn  sieh  nach 
dieser  einleuchtenden  parallele  die  anläge  und  bedeutnng  der  vati-  ' 
canischen  fabel  nicht  verkennen  läszt,  so  erscheint  im  einzelnen  doch 
vieles  dunkel  und  Ittokenhaft.  den  häszlichen  zwQlfsUbler  v.  1  hat 
man  zwar  durch  Umstellung  von  äXcIiirnS  und  irdipic  in  einen  evw 
trftglichen  vers  umgewandelt.*  aber  damit  ist  nicht  viel  gewomm^ 
da  der  ganze  eingang  verkürzt  zu  sein  scheint,  wie  in  f.  65.  73.  88; 
insbesondere  ist  die  erwähnung  der  loekspeise,  auf  die  es  der  fiiehs 
mit  seinen  ßouXal  iroticiXat  abgesehen  hat,  kaum  entbehrlich,  eine 
restitution  ist  mit  unsem  mittein  unmöglich;  sehr  ansprechend  ist 
jedoch  Eberhards  Vermutung,  dasz  für  die  form  dcrd^ca,  die  nie  im 
versausgang  steht,  elcnfJKei  zu  schreiben  ist,  wie  1,  12.  72,  6,  77, 1. 
122,  1.  —  V.  3  ist  irXiidov  neben  ixfiic  irpoceXOibv  ("»  52, 4)  un- 
denkbar; man  könnte  dafür  —  wenn  der  gegensatz  nicht  zwecklos 
und  pedantisch  wftre  —  geradezu  TiiXöOev  erwarten,  wie  105,  8 
XuKOC  craOetc  iröppui  (vgl.  auch  103,  11).  eine  sichere  emendation 
wird  an  dieser  wohl  gleichfalls  vom  diaskeuasten  mishandelten  stelle 


^  Zenobios  III 62  ek  irdroc  6  Xi&KOc:  dvrl  toO  elc  ViKovfmdvoc  pMxoA- 
pac  rj  als.  £irl  tAv  cic  k.  irp.  f|.  die  werte  dvrl  roO  geben  keinen 
Binn;  man  könnte  sie  entweder  streichen  mit  Apottolios  VI  70f  oder 
die  gewöhnliche  formel  6^o(a  xal  (ö^oia  tQ)  an  me  stelle  setien.  aber 
die  ganze  bemerknng  dvrl  .  .  alE  ist  vom  rande  her  in  den  tezt  ge- 
dningen :  ähnlich  Diogen.  II  8.  IV  30.  V  66.  VI  80  nsw.  *  Plantns  Föem. 
III  3,  35  canei  compdhmi  in  pUtgas  lepide  Lucwm  ist  dagegen  von  PfiOgl 
'das  lat.  Sprichwort  bei  Plantns'  s.  88  sehr  mit  nnreebt  hierher  ge» 
zogen.  *  die  nmsteUmig  im  Vat.  ist  vemrsaeht  durch  das  bestreben 
des  redactors,  den  namen  des  protagonisten  als  stiehwort  andenaa- 
fang  zu  bringen:  vgl.  die  vaücanischen  Varianten  sn  Ath.  88.  65.  88. 
28.  12.  88  (bei  Knöll  s.  674—681:  vgL  s.  666). 


OCrusins :  Studien  zu  BabrioB  und  den  Aisopeia.  229 

• 

kaum  zu  geben  sein;  möglich  wäre  ixavuüV  (vgl.  72,  2)  oder  wohl 
noch  ansprechender  KViiKiric,  vgl.  113,  2  kviiköv  jLieT'  auTÜJV 
XÜKOV  IfieXXe  cuTKXeieiv  und  122,  12  töv  kvt]kiiiv  (nemlich  Xukov) 
XcicKOvra  XaKTicac  q)€\JT€i.  —  Mit  v.  5  motiviert  der  wolf  nach  der 
gewöhnlichen  anffassung  seine  mit  den  Worten  tö  Kp^ac  XaßeTv  ijfiei 
ausgesprochene  bitte,  es  gibt  aber  kaum  einen  analogen  fall  bei 
Babrios,  wo  sich  ein  kurzer  brocken  directer  rede  ohne  weiteres 
an  eine  andeutung  in  indirecter  rede  anschlösse;  f.  47^  6  oder  die 
Wechsel  reden  in  der  stichomythie  f.  89  sind  ganz  anderer  art.  durch- 
aus zu  billigen  ist  daher  hier  das  verfahren  Gitlbauers,  der  v.  6  mit 
den  einleitenden  worten  f)  b'  elnev  vor  v.  5  stellt,  so  dasz  auch  v.  5 
dem  fuchse  zufällt;  ganz  ähnlich  beteuert  die  inproha  volpecula  ihre 
freundschaft  zb.  der  terraneola  bei  Phaedrus  app.  30,  8  M.  ego  te 
muMum  diUgo  usw.  nur  ist  die  stelle  damit  noch  nicht  geheilt,  da 
man  qptXoc  nicht  auf  dXu)TTr)g  beziehen  kann,  vgl.  95,  3  q>iXiiv  b' 
dXiLneK'  €lx€V,  ebenso  106,  4  uö.  vor  der  wohlfeilen  correctur 
q>iXii  scheint  die  Schreibung  €?  jbioi,  die  in  der  durch  itacistische 
fehler  jeder  art  entstellten  hs.  kaum  eine  änderung  genannt  werden 
kann,  auch  dem  gedanken  nach  den  vorzug  zu  verdienen.  —  v.  7  ist 
das  im  spätem  griechisch  in  der  bedeutung  'schnell'  (Suidas  u.  Hes» 
udw.)  ganz  gebräuchliche  äOpöujC  (EnöU  dTpöfiuüC,  Hartel  dpa  Ooiuc) 
mit  Eberhard  beizubehalten. '°  —  Für  Ti\v  CKubaXiv  v.  8  corrigiert 
Enöll  Tf)V  T€  CKUTaXib',  indem  er  das  eingeschobene  t€  selbst  als 
lückenbüszer  bezeichnet.  Eberhard  schrieb  daher  dKpiiv  CK.,  Gitlbauer 
auTf)V  CK.  I.  diesen  vorschlagen  steht  aber  die  feine,  bisher  durch 
kein  sicheres  beispiel  entkräftete  Observation  Lachmanns  entgegen, 
dasz  Babrios  'qui  asperiora  omnia  curiose  vitaverit'  nach  zwei  kurzen 
Silben  die  dritte  nicht  zu  elidieren  pflegt.  *'  ich  habe  daher  Leipz. 
Studien  II  s.  168,  2  das  barbarische  CKubaXtv  für  ein  glossem  er- 
klärt und  rd  ocavbdXriOp'  vorgeschlagen:  vgl.  Aristoph.  Ach.  687 
mit  den  scholien.  jedoch  scheint  der  plural  nicht  hinreichend  ge- 
rechtfertigt, und  so  wird  man  denn  —  da  die  form  CKdvbo(Xov  (mög- 
lich TÖ  CKdvboXöv  t'  &€tc€)  nur  in  der  Septuaginta  und  meist  in 
übertragener  bedeutung  gebräuchlich  ist  —  aus  Babrios  Zeitgenossen 
Alkiphron  ep.  III  22  irdtriv  ^cnica  ^tti  idc  jiiapdc  dXiwTreKac 
KpcdbtovTficcKavbdXiic  d7TapTf)cac  die  paläographisch  auszer- 
ordentlich  nahe  liegende  form  Tf)V  CKavbdXiiv  einsetzen  müssen. 
Hercher  hat  allerdings  an  der  angeführten  stelle  toC  CKavbdXou 


*^  den  in  den  Wörterbüchern  nachgewiesenen  stellen  fäge  ich  hinzu 
Antipatros  anth.  Pal.  VII  210  d9pöoc  i^XOc,  Sextos  Emp.  Pjrrb.  hyp. 
I  227  Tip  depöwc  ^iT€iC€XeövTi,  ähnlich  ebd.  III  78.  79.  80,  schol.  Arist. 
Ri.  361,  Suidas  u.  XdßpaE,  dOpöwc  .  .  KaTairivci  (vgl.  Pbotios  and  Suidas 
u.  d&Tiq>aY{a:  dOpöiüC  ke(u)v),  Greg.  Cypr.  I  74  dOpöiüC  ^YXCipoOvTWv. 
verwandt  Zenobios  III  53  KaKOU^^vuJV  dOpöiüC,  Luk.  Macrob.  25  dOpöip 
t^Xurri.  '*  Lacbmann^praef.  s.  XV.     das  einzige  in  A  überlieferte 

beispiel  8,  2  verstöszt  gegen  zwei  andere  metrische  gesetze  (£berhard 
praef.  s.  IV,  Leipz.  Stadien  II  s.  167)  und  stammt  aus  einer  jener  fabeln, 
die  der  diaskeuast  in  tetrasticha  umgeformt  hat. 


230  OCrasias:  Stadien  zu  Babrios  und  den  Aisopeia. 

corrigiert;  das  ttberlieferte  t{)c  QCOvbäXac  ftihrt  aber  mit  notwen- 
digkeit  auf  die  von  den  ftlteren  hgg.  hergestellte  form^  die  auch  Ton 
Meineke  zu  Alk.  s.  133  und  Lobeok  pathol.  prol.  s.  6  anm.  2  (freilich 
mit  dem  vorsichtigen  zusatz  'nisi  scriptnra  fallit')  anerkaimt  ond 
durch  eine  stattlich  reihe  analoger  fUle  gesichert  ist:  vgl.  ä^ni" 
Xovov  djumexövT),  bp^iravov  bp€7rdvii>  rptiiravGV  Tpimävfi,  cie6- 
TaX 0 V  CKurdXfi uam.  nadi EnQU  ist nnn  durch  (idßbou  t.9 derselbe 
gegenständ  bezeichnet  wie  durch  jenes  erste  substaEOitiT;  dann  18g« 
hier  aber  ein  arger  stilistischer  schnitzer  vor,  den  man  selbst  einem 
Spätling  wie  Babrios  nicht  wird  zutrauen  dttrfen.'*  sollte  durdi 
^dßboc  nicht  vielmehr  ein  dem  bttgel  des  heutigen  fnchseisens  ana- 
loger teil  bezeichnet  sein?  denn  dasz  die  ircrfic  neben  dem  steUholz 
(CKavbdXfiOpov)  eine  derartige  elastische  und  zu  spannende  Vorrich- 
tung enthielt,  geht  auch  aus  den  spftrlichen  Zeugnissen"  unverkenn* 
bar  hervor.  —  Fttr  den  schlusz  vgl.  £.  99,  5.  die  bei  den  attischen 
dichtem  ganz  gewöhnliche  Verkürzung  der  ersten  silbe  in  TOUlOTa 
(Eberhard  zweifelnd  cö  ToOra)  erscheint  auch  bei  Babrios  nicht  na* 
möglich,  da  er  97,  2.  103,  5.  106,  17  das  et  von  irot^ui  gekOnt 
hat.^*  V.  10  fl  gibt  Eberhard  dem  fochse*,  indem  er  nach  9  den  liti 
schlieszt  und  mit  xal  v.  8  den  nachsatz  beginnen  Ifiszt.  der  nadi« 
gewiesene  sinn  der  fabel  Iftszt  keinen  zweifei  daran,  dasz  die  beiden 
letzten  verse  dem  wolfe  gehören,  so  dasz  man  mit  GKtlbauer  qnf)cf 
V.  10.  als  nachsatz  wird  auffassen  müssen. 

Ziemlich  wertlos  ist  das  folgende  stück  (V.  138),  das  ich  schon 
früher  (Leipz.  Studien  11  s.  222)  neben  manchem  fthnlichen  einer 
jungem,  dem  Zeitalter  der  römischen  sophistik  angehörigen  schidit 
Babrianischer  fabeln  zugewiesen  habe,  die  in  ihrer  dürMgkeit  und 
bei  dem  mangel  jeglicher  pointe  wenig  erbauliche  erzfthlung,  die 
wohl  aus  einer  schulmftszigen  exemplification  des  Sprichwortes  jiia 
X€Xtbd)v  fap  od  ttgui  (Zenobios  V  12)  hervorgegangen  ist**,  mag 
hier  mit  rücksicht  auf  die  zu  behandelnden  stellen  im  auszug  mit* 
geteilt  werden. 

N^oc  Iv  Kußoic<iv>  oöcbiv  dvaXuicac 

cToX#|v  ^ournp  Kor^Xmev  y\rjy  <|i0iiviiv> 

xetjLiulvGC  dvToc  |if|  irdSoi  ti  pvi\bcac. 

**  man  würde  sich  sn  einer  st&rkem  andemng  —  etwa  tö  t€  bc* 
X^acfi'  für  Ti^v  CKÖbaXtv  -^  entschlietsen  müssen.  **  Antipatros  8id.  17 
=  anth.  Pal.  VI  109,  2  Tdc  v€upoT€V€tc  ircrrCbac.  Pbotips  n.  itdTf|: 
OripaTtKÖv  öpYOVov  Kai  Ccn  Tcrpdtuivov.  Pollax  X  156  (vgl.  Vn  114) 
t6  .  .  4vtcTd^€vov  Tcüc  fiudrpoic  iraTTdXiov  cKav5dXT|6pov  KoXdTai 
,  .  TÖ  bk  cirapTiov  (p  cuWxcrat  mAP^v6oc  Shnlich  sebol.  Arist  Aeb. 
e87  1»  Suidss  and  EM.  n.  cicav6dXf)6pov.  bei  Alkiphron  ao.  wird  dordh 
die  wucht  der  fachsfalle  ein  Kuvibtov  erseblageD.  **  sweifelhaft  ist 
Xifivatouc  24,  8  und  toIoOtov  27,  7.  Gitlbaaer  stünt  wieder,  am  einen 
kleinen  schaden  aussabessem,  das  ganse  gebftade  nm,  wenn  er  sehreibt: 
fdXX'  €l  5i6otc  <p(Xotav»  cTirc  ctoioOt^  |  rd  bd^po»  usw.,  and  veriegt  dabei 
den    fehler   doch   nor  an  eine  andere  stelle.  **  die  beliebten  her- 

leitangen  der  Sprichwörter  dq>'  Icropiac  bei  den  par5miographea  bieten 
oft  ganz  ähnliene  albemheiten.  • 


.  * 

1? 
-ii 


i. 


OCrusius:  Stadien  zu  Babrios  und  den  Aisopeia.  231 

dXX'  aÜTÖv  *  f|  xelp  dE^buce  kqi  lauTric' 
5  TTpö  Tctp  eiapoc  XiTroöca  xac  kqltuj  drjßac 

dqpdvT]  x^Xibibv  usw. 
bei  dem  erscheinen  der  'frühlingsbotin'  glaubt  er  die  gerettete  CToXrj 
nicht  mehr  nötig  zu  haben  und  verspielt  sie.  ^®  da  kommt  ein  Schnee- 
sturm und  hagelwetter, 

KpOKUbOC  bk  Kaivfic  TläciV  fjV  TÖT€  XP^ii]» 
TUflVÖC  b'  ^KCTVOC  iflC  6ÜpT]C  UTr€KK\JV|iaC 

16  KQI  *  KaTOTrreücac  Tf|v  XdXov  xcXiböva 

und  ToO  Kpijouc  TT€coOcav  *  ibc  CTpou9iov 

«TdXaiva»  <pT]civ  (Ebh.,  elnev  V.)  «etOe  juci  t6t'  ouk  uj(p0T]C' 

&C  Totp  C€auTf)v  KdjLi^  vCv  biav|i€ucuj.» 
besonders  zwei  stellen  sind  es ,  an  denen  noch  nichts  befriedigendes 
geboten  ist:  v.  4  und  v.  15  f.  zu  y.  4  bemerkt  Eberhard:  'neque 
auTÖV  licebit  interpretari  «sua  ipse  manu  spoliatus  est»  .  .  neque 
Xeip  dE^buce  nnUa  addita  significatione  de  ludo  talario  potest  in> 
tellegi»  und  schlägt  beispielsweise  vor  7TXf|V  CKcipoupoc  TÖv  (?)  oder 
Sv  CK€tpdq>eiov  i.K.i,,  womit  Oitlbauers  dXX'  auTÖv  f)8)Liöc  L  k.  t. 
sachlich  auf  eins  herauskommt,  ich  würde  in  dem  überlieferten  X  ^  ^  P 
lieber  einen  latinismus  sehen,  wenn  die  Suet.  Aug,  71  nam  si  qtMS 
manus  remisi  cuique  exegissem  .  .  vicissem  vel  qumguaginta  müia 
angenommene  technische  bedeutung  von  manus  (<=»  wurf  oder  satz 
im  Würfelspiele)  nur  hinreichend  gesichert  wäre.  *^  nicht  viel  besser 
steht  es  mit  dem  politischen  zwölfsilbler  v.  15.  hier  hat  Eberhard 
mit  gar  zu  kühner  änderung  in  den  text  aufgenommen  veKpfjv  bk 
TipÖKViiv  Tf)v  XdXov  KaTOTTTeucac :  überdies  vermiszt  man  belege 
für  den  singulären  ausdruck  TTpÖKVT]  (=  schwalbe),  denn  die  that- 
sache  dasz  Babrios  auf  den  Tereus-Philomele-mjthos  rücksicht  nimt 
(f.  12  und  Bodl.45)  genügt  keineswegs,  sicher  scheint  nur  die  schon 
von  Enöll  vorgeschlagene  Umstellung  von  KaTOTTTeucac  an  den  vers- 
schlusz ;  aus  den  übrigen  werten  ist  mit  der  leichten  änderung  x^Xi- 
bdv*  <ciö]>  von  Sauppe  und  Gitlbauer  ein  erträglicher  vers  herge- 
stellt, schwerlich  aber  die  ursprüngliche  fassung,  da  man,  wie  auch 

1^  es  heiszt  hier  im  Vat.  tV)v  ctoXi^v  ^vtKr)9Ti.  wohl  mit  recht  hat 
Eberhard  die  zulässigkeit  dieser  constrnction  in  frag^  gezogen;  seiner 
coujectur  ^HiiXiüOri  steht  aber,  abgesehen  von  sprachlichen  bedenken, 
die  verstechnik  des  dichters  entgegen ,  der  den  spondeus  im  fünften 
fusz  nur  äuszerst  selten  (in  fünfsilbigen  Wörtern)  zugelassen  und  vor  x\i 
den  vocal  nie  verkürzt  hat.  ganz  anderer  art  ist  die  Verkürzung  vor  Z 
(Dübner  s.  21,  Eberhard  obs.  s.  6,  praef.  s.  IV),  die  sich  in  gewissen 
eigennamen  schon  bei  Homer  und  Theokrit,  sonst  erst  in  spätem 
Anakreonteia  (Stark  quaest.  Anacr.  s.  91)  und  epigrammen  (IX  742. 
VII 152),  den  Orphika  (Hermann  Orph.  s.  761)  und  bei  pseudo-Manethon 
vorfindet,  also  etwa  vom  zweiten  bis  dritten  jh.  an  (Stark  ao.):  ein 
weiteres  arg^ment  für  meine  ansieht  vom  Zeitalter  des  dichters,  das 
ich  mir  ao.  s.  193  nicht  hätte  entgehen  lassen  sollen.  ^^  den  von  mir 
ao.  s.  177  ff.  gegebenen  nachweisen  latinisierenden  ausdrucks  kann  zb. 
auch  noch  das  unicum  clc  ^Ooc  ßaivciv  106,  27  {=*  in  conmeiudinem  venire^ 
abire)  hinzugefügt  werden. 


/ 


232  OCniBiiis:  Studien  zu  Babrios  und  den  AiBopeia. 

Eberhard  gefühlt  hat,  für  oder  neben  X&Xov  ^  den  entgegengesetzten 
begriff  erwartet :  vgL  Archias  anth.  PaL  YII  191  d  irdpoc  dvrt- 
qpeoTTOv  dTTOKXdTEoca  vofieOct  (icicca)  • .  |  vOv  de  tfiv  ftr^^uiccoc 
ävaObfiTÖc  T€  iT€CoOca  |  ic€ijMXt  usw.  —  In  v*  16  haben  EnQll,  Eber- 
hard und  Oitlbaner  an  dem  yergleiehe  die  crpouMov  anstosz  ge- 
nommen ;  Oiübauer  schreibt  dafür  dicirepel  CTpÖMßov  (^Telat  auoa- 
mentum').  dies  durch  coigector  geschaflbne  gleidüus  ist  aber  noch 
viel  geschmackloser  als  das  überlieferte ,  und  sudem  in  der  baupt* 
Sache  völlig  incongruent:  denn  die  mieammta  fallen  nicht  öit6  TOO 
Kpuouc:  consequent  und  yemünftig  gebraucht  das  bekannte  bild  sb. 
Klemens  Alex,  paedag.  m  1  (tö  k^Xoc)  diroiriirret  ToO  TrerdXou 
XOjuiai,  ÖTav  aöroO  Kommvcöcuiav  ai  ipumical .  •  Xa(XaTr€C  usw. 
die  Überlieferung  ist  auch  sehr  wohl  zu  erklftren'*:  gerade  von  dsA 
CTpouOoi  oder  crpouOte  glaubte  man  dasz  sie  nur  ein  jähr  lang  lebten 
und  der  winterkftlte  zum  opfer  fielen :  vgl.  Ath.  IX  391  VAptCTorfili|C 
bi  qpTici  Touc  dppevoc  (crpoudoöc)  tCp  x€tM<&vi  dqnxviZecOai.  buiU 
M^veiv  bk  Täc  On^e(oc  usw.;  Aristot  bist  an. IX 7  (613,29)  XCTOua 
bi  TIV6C  Kai  Tt&v  crpoueiiuv  ^aurdv  fidvov  Zf)v  rotte  dppevoc .  * 
rdc  bk  OnXeiac  juuxxpoßiuiT^poc  elvoi  tiBv  crpouOfuiv  (Rose  Aristot 
pseudepigr.  s.  291).  übrigens  ist  der  vers  in  der  fusung  des  Yati* 
canus  ein  zwölftUbler  und  gehört  dem  diaskeuasten;  kühn«  aber  sdir 
ansprechend  ist  EnüUs  restitutionsversuch  irecoOcotv  dkircp  crpou* 
eiov  Tt  7iG^  i|fOx€i  (vgl.  16, 10.  74,  1). 

Erfreulicher  ist  das  folgende  stück  (135),  das  bereits  durch  eine 
stark  verkürzte  paraphrase  (Aes.  Halm  273  «»  Furia  107)  und 
Avians  wenig  gelungene  Übersetzung  (n.  42)  bekannt  war.  der 
wolf  sucht  hier  vergebens  das  in  einen  tempc^of  geflüditete  schaf 
ins  freie  zu  locken,  indem  er  es  auf  die  gefthrlidien  opfergerftt« 
aufmerksam  macht*  für  das  schaf  hat  die  paraphrase  ein  dpvioVt 
Avian  den  aedus^  dieser  letztem  form  stehen  am  nftchsten  die  Sprich- 
wörter dXX'  fi  Xtkoc  Tdc  atfac  ^locaXeic  jioXidv  Bodl.  169  —  app. 
prov.  1 16  (nach  Schneidewins  herstellung;  erklftrt  tni  n&v  iv  imo* 
Kpicet  ^anardv  Treipuiji^vuiv)  und  XOkoc  altoc  äocoXuiv  ebd.  III 73 
(erklärt  inX  tu)V  KaOinTOKptvoji^vuiv  q>tX(av  ^x^Pd^v).  die  Über- 
lieferung ist  ertriglich  bis  auf  v.  3  6ucfa|  tdp  fiv  Tic  £opTf)c  Kcrrd 
TUX11V.  allem  ansdiein  nach  ist  der  eingang  hier  wieder  durch  den 
diaskeuasten  verkürzt,  dessen  thätigkeit  sich  öfters  durch  parenthe- 
tische sätzchen  verrät:  vgl.  19,6.  22,2.  emendationsvorscfaUge sind 

*^  für  dieses  epitheton  der  schwalbe  vgL  die  beispielMmlong  bei 
Leatsch  in  Makarios  V  49  XaXfcrepoc  x^Xtbövoc  (paroemiogr.  II  s.  163). 

1»  vieUeicht  lässt  sieb  aneb  v.  18  bk  Katvf)c  (icmvfK  V.)  halten, 
vgl.  Soidas  adw.  ■■  i»t>v.  Coisl.  119  (app.  prov.  Gfott.  II  8)  lopoc  XP4^ 
iittX  iraXatöv  xiTübvo  £xct  —  ans  naheUegenden  nfinden.  frcHidi  Ist 
die  vennatnng  Eberhards  anal.  s.  6  sehr  ansprechend,  der  hier  eine 
(arrythmisohe)  coijectar  des  diaskeuasten  Ik  Mnvf)c  0^  denuo)  erkennt 
and  xXafvtic  oder  iruKyf)c  vorsehlägt,  unertrilglicb  ist  Gitlbaners  lKcCvf|Ct 
verbanden  mit  irüctv  nnd  In  der  naehbarsohaft  von  liUlvoc  (Im  felgsn» 
den  vers  an  derselben  stelle). 


OCruBiuB:  Studien  zu  Babrios  und  den  Aisopeia.  233 

also  kaum  angebracht;  ganz  unmöglich  ist  Gitlbauers  völlig  will- 
kürliche umdichtung  ^opTk  Itux€  f&p  Tic  oSca  KalOotvr),  schon 
wegen  der  unform  ^opTtc. 

Fabel  142  V.  (fuchs  und  esel)  =s  Bodl.  108  ist  in  ein  tetra- 
stichon  zusammengedrängt,  wie  f.  8.  28.  39.  41  uam.  es  verlohnt 
sich  kaum  der  mühe  an  dieser  Byzantinerarbeit  herumzucorrigieren; 
EnöU  und  Eberhard  haben  sich  denn  auch  damit  begnügt  den  bei- 
den schadhaftesten  versen  (1  und  3)  den  asteriscus  vorzusetzen,  wäh- 
rend Gitlbauer  auch  hier  einen  trügerisch  glatten  text  gibt,  in  den 
von  dem  fuchs  an  den  esel  gerichteten  werten  nuüc  ouTwc  äiraX^ 
Ka\  dveiji^vij  t^wccij  (Gitlbauer  oötuj  tvx^v  cu  ttujc  dveiju^viic 
tXüücoic)  könnte  unter  dem  metrisch  unmöglichen  oÖTUiC  das  ojStoc 
der  anrede  (heus  tu)  zu  suchen  sein. 

Interessant  ist  die  trefflich  ausgeführte  fabel  vom  schwänz  der 
schlänge ,  der  sich  an  stelle  des  kopfes  zum  führer  zu  machen  weisz 
Vat.  164  (=  Bodl.  116,  Babr.  Ebh.  17'6;  eine  eng  verwandte  in- 
dische fassung  bei  St.  Julien  Ues  Avadänas'  40,  vgl.  Liebrecht  'zur 
Volkskunde'  s.  113  f.).  sie  gehört,  wie  Aes.  H.  197  (KOtXta  Kttl 
nöbec)  und  die  anspielungen  des  Maximos  Tyrios  diss.  XXI*^,  unter 
die  griechischen  prototjpa  der  fabel  des  Menenius  Agrippa.  der 
ziemlich  vollständig  erhaltene  text  scheint  mehr  durch  abschreiber 
als  durch  den  diaskeuasten  gelitten  zu  haben,  v.  4  ist  überliefert: 
TOI  Xomä  bk  fi^pTi  elTiev  oux  flT^Icei  (ein  zwölfsilbler).  für  ji^pt] 
schreibt  Enöll  jLiAii'*  und  läszt  den  fehlerhaften  hiatus  bestehen, 
Eberhard  setzt  fi^Xe'  und  verstöszt  damit  wieder  gegen  die  oben  er* 
wähnte  Observation  Lachmanns,  man  wird  sich  zu  einer  starkem 
änderung  verstehen  müssen,  etwa  rd  Xomä  fma  (46,  1.  95^  2)  b* 
€Itt€V  fj  cu  t'  ^T^ci;|C  (letzteres  mit  Eberhard);  bi  an  dieser  stelle 
auch  102,  7  xd  It^a  ndvia  b*  ibc  öit^cxev  cuGüvac,  vgl.  Eberhard 
obs.  8.  6.   schwieriger  ist  v.  8  ff. 

•rtjv  (sc.  oupdv)  b*  ouK  fireiOe,  tö  q)povoOv  b'  ^viKtiOt)' 
TÖ  ^f|  q)povoOv  bi,  Xomöv  fjpxe  tOöv  ttpüütwv, 

10  Td  b '  ÖTTlcGeV  OUplic  f|T€|LllüV  Ka6€lCTr)K€t. 

cüpouca  Tvq>\rji  näv  tö  ciüfia  Kivfjcei 

KOtXöv  bk  TT^TpT]C  elc  ßdpaGpov  r^vexOn 

Ka\  Tf|v  fiKQvOav  TaTc  n^Tpijci  cuvTpißei. 
der  fehler  in  den  werten  Td  b'  otticGcv  oöpfic  v.  10  ist  zuerst  er^ 
kannt  von  Eberhard,  der  öcpeuiC  für  oäpfjc  vorschlug;  Gitlbauer 
setzt  dafür  wenig  glücklich  das  (in  diesem  casus  ungebräuchliche) 
dvwTrf)c.^   ein  zweiter  übelstand  blieb  dann  noch  in  dem  bk  v.  12 


*o  s.  84  (Dübner)  ei  bi  OcXricci  XoTOiroiöc  OpOE  fiOOov  irXdTXCiv  öri 
dpa  öucxcpdvac  6  iroOc  T(p  dXXip  ciOjyiaTt  xal  diraTop€\!»cac  irp6c  töv 
KdjüiaTGV  .  .  cxoXf|v  dT€iv  .  .  iirav€iX€TO'  f\  aO  tüj  toficpiui  idc  dXoOvT€ 
xal  ^pToUlofi^vu)  Tpoq)^v  .  .  dirciirafi^vu)  t6  ?pYOV  t6  oötiöv  cKOirctv 
.  .  dXXo  Ti  f^  (p6apif)C€Tat  6  dvOpujTroc  ^v  j£)  jüiOOip.  *'  unzweifelhaft 
ist  dies  zunächst  gemeint:  vgl.  ZenobioyYI  8,  wo  die  hss.  zwischen 
fi^Xcciv   und   p^p€Civ  schwanken.  *•  es  wird  bei  Homer  nur  in  dati- 


234  OCroBius:  Stadien  su  Babrios  ond  den  Aiiopeia. 

zu  heben,  wofllr  Enöll  Tt  schrieb,  wfthrend  Qitiibaiier  recht  aaspre- 
chend  v.  12  vor  11  setzte,  aber  auch  so  macht  die  stelle  noch  kehMa 
befriedigenden  eindmck;  insbesondere  legen  die  in  yerschiedene  Satz- 
glieder verteilten  gegensätze  TÖ  q>povoOv  :  TÖ  |yif|  <ppovoOv,  t(&v 
TTpiUTUiv  :  TQ  b*  diricOev  eine  paarweise-  znsanunenfassong  nahe. 
vollziehen  wir  diese,  so  werden  dadurch  die  bertthrten  übelstinde 
gehoben,  und  zugleidi  wird  durch  das  ttbergreifen  der  syntaktiacheM 
einholten  von  einem  vers  in  den  andern  der  einfSrmige  rhythmische 
bau  der  stelle  ertrftglicher: 

TÖ  <ppovoOv  b'  ivucifiOn 
Tip  fif)  qppovoOv  Tt*  Xotirdv  fjpxe  tiBv  TrfM&Tuiv 
ToGnicOev  (vgl.  99,4  TdiKOrrrepov) '  oöfrfk  <&*>  f|T€|idiv  KoOctcr/pcei. 
bezieht  man  nun  cupouca  auf  odpi^  und  interpungiert  nach  t.  11,  so 
kann  man  hier  vielleicht  jeder  weitem  ftndemng  entraten.  das  zu- 
sammentreffen der  werte  ir^Tpr|C  und  ir^Tpqci  v.  11«  12,  das  bei 
Oitlbauers  Umstellung  freilich  weniger  aufiUlig  ist,  steht  bei  Bft- 
brios  keineswegs  vereinzelt  da,  vgl.  Eberhard  zu  77, 1  und  Leips. 
Studien  II  s.  201.  die  schluszverse  17  if.  sind,  auch  in  Giflbaners 
Umformung,  noch  nicht  recht  verstfindlich.  wenn  sie  Oitlbauer  der 
KcqpaX/j  zuteilt,  wfthrend  EnQll  und  Eberhard  sie  als  fortsetnmg  der 
iKCieia  der  verunglttckten  oöpVj  auffassen,  so  ist  wenigstens  QitT- 
bauers  hauptgrund,  dasz  v.  18  <fit\öv  eingeschoben  wird,  nicht  duroli- 
schlagend ;  qpr^ci  wird  in  ganz  tthnlicher  weise  am  ende  einer  iBogeni 
rede  verwendet  Vat.  192,  12  und  Ath.  10,  12.  75,  4  f.  (mit  A\ 
ebenso  cIttcv  33, 13.. 

Vat.  192  (—  Aes.  H.  428,  F.  197)  erzfthlt  von  dem  hanswieeel, 
welches  sich  über  die  keckheit  des  neugekauflen  rebhuhns**  ftigart 
eine  hübsche  Illustration  dazu  liefern  etliche  ^igramme  dar  anUio- 
logie,  zb.  Vn  203 — 206,  in  denen  der  tod  eines  zahmen  rebhuhaa 
durch  die  katze  (aiXoupoc),  die  verwandte  und  spfttere  Vertreterin 
des  wieseis,  behandelt  wird,  vgL  bes.  205  (von  Agathias) 

oiKOT€vf)c  alXoupoc  (vgl.  v.  6  f.)  i^f|v  n^pbtica  qMiToOca 
Zi\)e\v  fmcT^pöic  £Xir€Tat  iv  \ief6poic  usw. 
die  vaticanische  fabel  macht  am  schlusz  einen  entschieden  fragmen- 
tarischen eindmck,  da  man  erwartet  dasz  die  katze  ihrem  groll  gegen 
das  rebhuhn  denselben  thatsftchlichen  ausdmck  gibt  wie  in  den  epi- 
grammen  der  anthologie.  die  annähme  einer  ftltem  fkbel  mit  einem 
derartigen  abschlnsz  ist  wohl  auch  nicht  unwahrscheinlich,  ohne  dasz 
man  deshalb  in  dem  gedichte  des  Babrios  hier  eine  lücke  vermuten 
dürfte ;  hat  doch  der  dichter  oft  genug  junge  und  cormmpierte  for- 
men der  fabeln  seinen  darstellungen  zu  gründe  gelegt  (vgl.  Leipz. 

▼ischer  form,  dorohaos  adverbiell,  angewandt;  der  bei  Nikaadroa  (ther. 
227)  Torkommende  «enitiv  iat  gana  singuUür  und  nicht  hinreichend  ga* 
sichert  (vgl  OBohscIier  sdst). 

**  der  parapbrast  setzt  fÖr  das  im  spätem  mittelalter  wohl  nicht 
mehr  als  hanstier  gehaltene  rebhahn  den  beliebten  i|irrroK6c  ein«  doch 
wird  aach  Aes.  H.  92  vom  ir^^  nOoccöc  ersihlt. 


OCrusius :  etudien  zu  Babrios  und  den  Aisopeia.  235 

Studien  II  s.  203.  225).   die  Überlieferung  ist  im  ganzen  erträglich; 
am  meisten  Schwierigkeiten  macht  v.  3  f. 

KdKCivoc  (6  nipb\£)  euGuc  KXafTÖv  Ü  f9ouc  öb\x)V 

näcav  Kai'  auXfiv  *  dKpißimdTwv  fjei. 
aus  dem  überlieferten  dKptßii)LiäTU)V  macht  KnöU,  dem  Eberhard  und 
Oitlbauer  gefolgt  sind,  mit  sehr  leichter  Änderung  dxP^  ßimdTU)V. 
aber  was  bedeutet  das?  EnöU  denkt  an  ^die  stufen,  die  zu  den 
inneren  räumen  aus  der  ai)\i\  führen',  Eberhard  meint:  'tantum 
constat;  locum  excelsiorem  atque  ut  ita  dicam  sacrosanotiorem  dici.' 
doch  schon  EnöU  äuszerte  zweifei  darüber ,  ob  die  stelle  damit  ge- 
heilt sei.  viel  angebrachter  wäre  in  der  that  eine  beziehung  auf  die 
in  der  fabel  auch  sonst  verwertete  stolzierende  gangart  des  zum 
hahnengeschlecht  (Ar.  Vö.  276  dpvic  dßpoßdTTic)  gehörigen  rebhuhns 
(Gerland  Terdixsage'  s.  16),  welches  zb.  Aes.  H.  392  einem  land- 
manne verspricht  CKdirreiv  xdc  djiTTdXouc :  vgl.  Plut.  de  curios.  3  «» 
Eallim.  fr.  an.  374  (Phaedrus  app.  8)  dpvic  .  .  CKoXeuei,  dasselbe 
vom  gäHus  gäUinaceus  bei  Plautus  aul,  465  ff.  man  könnte  d  k  p  o  - 
ßajiovuiv  vorschlagen,  wenn  sich  das  Hippokratische  wort  in 
dieser  bedeutung  und  in  diesem  Zeitalter  nachweisen  liesze ;  dKpo- 
ßdjLiUJV  (»»  auf  den  fuszspitzen  gehend)  ist  der  spätem  gräcil^t  wohl 
bekannt,  vielleicht  gelingt  einem  andern  eine  emendation  in  der  be- 
zeichneten richtung.  bedenklich  erscheint  femer  das  unvermittelte 
einsetzen  des  neuen  satzes  v.  10;  die  annähme  einer  lücke  wird  durch 
die  entsteh ungs weise  der  vaticanisclien  samlung  erleichtert. 

Die  vom  Yaticanus  zu  den  schon  bekannten  fabeln  gebotenen 
lesarten  sind  von  Enöll  und  Eberhard  im  ganzen  trefflich  verwertet, 
und  Gitlbauer  hätte  auch  hier  meist  besser  gethan  das  von  ihnen 
gebotene  anzunehmen,  statt  mit  der  ihm  eignen  aäOdbeia  seine 
eignen  wege  zu  gehen. '^  nicht  ganz  überzeugend  ist  Enölls  und 
Eberhards  ansieht,  -dasz  33,  5  ipäp^c  TVöXeOpoc  cnep^dTWV  dpou- 
paiujv  die  lesart  des  Vat.  vpäp^c  t'  öpuicrat  den  vorzug  verdiene. 
Eiiöll  meint,  die  lesart  dXeOpoc  sei  sachlich  nicht  ganz  zutreffend, 
da  die  stare  die  saaten  nicht  vernichteten,  sondern  dem  landmann 
*  durch  das  aufwühlen  der  erde'  unangenehm  seien,  vielleicht  haben 
sich  die  stare  inzwischen  zum  bessern  entwickelt;  auf  die  altgrie- 
chischen passt  jener  ausdruck  völlig,  vgL  anth.  Pal.  VII  172  und 
IX  373,  6  vpäpac  dpoupaiTic  äpTratac  eunopiric.  wenn  Enöll  femer 
geltend  macht,  öpuKTiic  werde  als  der  seltnere  ausdruck  der  echte 
sein  und  öXeOpoc  das  glossem  dazu :  so  ist  darauf  zu  erwidern  dasz 
das  wort  öpuKTiic  viel  zu  durchsichtig  gebildet  ist,  um  eine  erklä- 
rung  nötig  zu  haben ,  und  dasz  ein  auf  die  stare  bezogenes  dXeOpoc 
durchaus  nicht  wie  ein  abschreibereinfall  aussieht.  —  In  der  an  an- 


^  din  beispiel  für  viele.  83,  2  hat  A  frptßev  ^KTdvi2^€V  i]^iprji  irdci], 
für  ^rptßcv  hat  Y.  Ii|iux€v:  sehr  hübsch  and  völlig  evident  erschlieszt 
Enöll  daraus  &|it)X€v:  Gitlbauer  aber  schreibt  von  einer  wertlosen  para- 
pbrase  beeinflnszt  töv  Yirirov  £icT^vi2^€v  i'm^priv  irdcdv,  und  bringt  so 
glücklich  wieder  einen  kurzen  versansgang  za  stände. 


236  OGnudos:  atudien  za  Babrios  und  den  Aisopeia. 

derer  stelle  im  zoeammenhang  su  behandelnden  f.  12  liegt  dn  immer 
noch  ungelöstes  problem  in  den  Worten,  welche  die  schwalbe  an  die 
nacbtigidl  richtet,  um  sie  zur  Übersiedelung  in  die  Stadt  su  yeran- 
lassen  9  v.  16  ff.  (nach  A): 

16  Ti  c€  bpodZei  *vuicTÖc  £vvuxoc  CT€{ßi|  (-»  crißn) 

Kai  KaOfia  ddXnei  *irdvTa  b*  icfpdmjy  tif|K€i 

dre  bi\  ceairrfiv  co<pd  XoXoOca  *fit^vucov 
hier  bietet  V.: 

Ti  COl  bpOcKei  VUJTOV  fvbpOCOC  KOiTT) 

Kai  KaOjüia  OdXirei  irdvra  Kai  KaroKolei 

äT€  jifivucov  cairrfiv  co<pifi  irep  o3ca 
y.  16  hat  Ebisrhard  anal.  s.  10  im  gegensats  zu  EnOU  s.  681  der 
fassung  des  Athous  mit  recht  den  Vorzug  gegeben,  yielleicht  ist  die 
Umbildung  des  athoischen  verses  ausgegangen  Ton  der  correeior  des 
verderbten  VUKTÖC  (Meineke  und  hgg«  ict)ktöc),  wenn  hier  nicht  etwa 
beiden  lesarten  (vuktöc  und  vi&TOV)  das  a^jectivvÖTioc  (-»  feaeht) 
zu  gründe  liegt  "^  —  v*  17  scheint  das  teüs  alsoormpi  bebaohtetei 
teils  (wenig  wahrscheinlich)  als  glossem  zu  6dXiT€i  aufgeftnte  wort 
TTiKCt  auch  in  dem  einer  ganz  andern  hs8.-£unilie  zugehörigen  Vati- 
canus  am  versende  gestanden  zu  haben,  an  der  breiten  aoadmoka- 
weise  (vgl.  93,  4.  10,  8.  83,  2)  wird  man  um  so  weniger  anstoez 
nehmen  dttrfen,  als  in  Tf\Kei  eine  Steigerung  des  begriffes  liegt,  und 
so  könnte  man  unter  beibehaltung  des  von  beiden  queUen  ftbeiw 
lieferten  Kai  KaOjia  OäXirei,  irovräXaiva,  xal  ifpisix  vermuten"; 
jedoch  bleibt  dabei  das  eindringen  des  Wortes  äTPi&Ti)V  in  A  uner- 
klärt. —  V.  18  hat  auch  der  Va^canus  das  verderbte  fufpfucov.  Uk 
habe  dafür  ao.  s.  164,  1  }xi\  civou  vorgesehlagen,  und  freue  mich 
in  der  reconstruction  des  gedankenganges  mit  Ebcarhard  anaL  s.  11 
zusammengetroffen  zu  sein,  der  aber  |ij|  rptixou  vermutet,  dasz  diA 
änderung  |if|  civou  viel  leichter  ist,  liegt  auf  der  band;  es  fragt  sieh 
nur,  ob  der  allerdings  sehr  kräftige  ausdruck  (bei  Homer  und  den 
altem  von  rftubem,  raubtieren,  kriegsheeren)  hier  zulässig  seL  das 
wird  man  aber  kaum  bestreiten  können,  da  schon  bei  Hesiodos  £Ki). 
316  vorkommt  albÜK:  dvbpac  \iifa  c(v€Tai  (interpoliert  U.  Q  45)  und 
bei  Sappho  EM.  449, 34  ->  fr.  12  Bgk.  Smvac  yäp  |  eO  Mui,  Kfjvof 
|Li€  lidXiCTa  civovrai.  Babrios  wird  das  wort  schon  aus  Homer  ge» 
kannt  haben.  "^  —  Nach  v.  18  habe  ich  ao.  die  bisher  als  dittograph^e 
zu  11  ff.  betrachteten  verse  14  f.  ihratOpov  öXt|V  Xcittc  Kai  irop' 


*^  sweigeschleohüg  ist  es  sehen  bei  Aisehylos  Prom.  401.  daraaf 
dasz  im  pseado-Babrios  des  Minas  68, 10  crOpac  vot(t|c  ▼orkommt,  wird 
man  kein  gewicht  legen  dfibrfen;  la  den  TenirteUenden  stimmen  (Oobet 
und  Naber,  Eberhard  obs.  Babr.,  Wachsmnth  rhein.  mos.  XXIIi  $16) 
ist  neuerdings  die  gewichtiffe  Nancks  hinziirekommen  Ball.  XIII  3M. 

M  Tgl.  Vat  180;  17  TdXatva,  qnf)civ,  ciOc  |iot  tot*  oök  (&9611C 
(von  der  schwalbe),  Ihnlich  87,  8.  104,  6;  62,  6  di  «aTKdncrov  kti|- 
^dTUiv.  **  in  der  spfttern  grüdUit  wird  es  besonders  in  der  neben- 
form  avöu),  wovon  civou  hergeleitet  werden  kSnnte,  wiederholt 
wendet. 


■-■i 
I, 


OCrueius:  Studien  zu  Babrios  und  den  Aisopeia.  237 

dv6pu»Troic  (49,  4)  |  ö|iibpoq>öv  jioi  bujjia  kqI  ct^tyiv  oIkci  einzu- 
setzen versucht.  Umstellungen  von  textpartien  haben  gewis  dann 
die  gröste  probabilität ,  wenn  dadurch  an  der  einen  stelle  etwas  stö- 
rendes oder  überflüssiges  beseitigt,  an  der  andern  etwas  fehlendes 
ergänzt  wird,  das  ist  aber  hier  der  fall,  gerade  bei  der  von  Eber- 
hard und  mir  selbständig  gefundenen  herstellung  des  gedankens: 
denn  nach  dem  negativen  argumente  ^steh  dir  nicht  selbst  im  lichte' 
ist  die  Wiederholung  der  positiven  aufforderung,  wie  sie  durch  v.  14  f. 
gegeben  wird,  durchaus  notwendig,  so  schwindet  auch  das  letzte 
Überbleibsel  der  angeblichen  doppelrecension  dieser  fabel,  aus  der 
neuerdings  Gitlbauer  mit  unglaublicher  Willkür  und  ohne  die  bin- 
dende bedeutung  des  zu  gründe  liegenden  Tereus-m3rtho8  zu  erkennen, 
zwei  selbständige  stücke  geformt  hat. 

Die  schon  1877  von  Enöll  veröffentlichte  Bodleianische  fabel- 
paraphrase  steht  an  wert  erheblich  hinter  der  vaticanischen  samlung 
zurück,  da  hier  die  ursprüngliche  form  nur  bruckstückweise  erhalten 
ist;  dafür  bietet  sie  etliche  ganz  treffliche  neue  fabeln,  wie  100  (der 
hase  beim  fuchs  zu  gast)  und  69  (der  hund  aus  der  gladiatoren- 
schule).  für  den  nachweis  der  versspuren  ist  von  Enöll  und  Eber- 
hard die  hauptsache  gethan.  Oitlbauers  versuche  überall  quovis 
pacto  ein  ganzes  herzustellen  waren  ohne  die  freieste  um-  und  nach- 
dichtung  nicht  möglich,  und  für  seine  verse  würde  Gitlbauer  wohl 
wenig  liebhaber  gefunden  haben,  auch  wenn  sie  minder  incorrect 
wären. ^  hier  ist  das  scharfe  wort  Lagardes  ganz  am  platze,  man 
möge ,  wenn  so  etwas  gelten  solle ,  die  Urkunden  doch  lieber  gleich 
von  anfang  an  selbst  verfassen ,  welche  man  zu  benutzen  gedenke, 
zur  Charakteristik  von  Gitlbauers  verfahren  diene  folgende  stelle. 
Bodl.  69  ist  überliefert:  kuiüv  Tp€q>ö|Lievoc  ^v  otKip  Oripdv  eibuüC 

'^  die  verstösze  gegen  des  dichters  verstecbnik,  mit  denen  G.  schon 
in  den  athoischen  fabeln  nicht  sparsam  ist  (vgl.  litt,  centralbatt  1882 
sp.  744  f.),  hänfen  sich  naturgemäsz,  wo  er  selbständig  zu  gestalten  ver- 
sucht, so  wird  beständig  der  unbabrianische  kurzsilbige  versschlusz 
zugelassen,  in  circa  110  fabeln  mehr  als  neunzigmal,  in  ^inem  falle 
(f.  161)  viermal  hintereinander,  was  völlig  unerhört  ist.  die  beste 
Widerlegung  ist  wohl,  dasz  in  den  120  fabeln  des  Athous  selbst  bei 
Gitlbauer  nur  etwa  30  derartige  fälle  zu  finden  sind,  obgleich  er  sie 
mit  einer  gewissen  Vorliebe  conserviert,  wohl  auch  coniectura  oder  aus 
secundärer  quelle  einsetzt,  sehr  oft  findet  sich  die  falsche  elision  der 
endsilbe  tribrachischer  und  proceleusmatischer  Wörter  (141,  5.  143,  2. 
152,  3.  167,  2.  176,  3.  177,  8.  209,  1.  210,  7);  ebenso  wird  häufig  gefehlt 
gegen  die  für  die  auflösungen  geltenden  Lachmannschen  gesetze  (171,  4. 
1Q2,  9.  155,  3  uö.];  auszerdem  kommen  falsche  anapäste  vor  (146,  12. 
150,  11),  der  bei  Babrios  unerhörte  proceleusmaticus  (129,  2.  201,  7. 
208,  1),  proceleusmatische  Wörter  im  versanfang  (151,  9.  185,  3.  199,  13); 
cäsurlos  sind  129,  19.  142,  4.  197,  1.  228,  1,  mit  zweifelhaftem  hiatus 
behaftet  196,  3,  mit  prosodischen  gebrechen  159,  3.  164,  1.  175,  3.  die 
spräche  der  G.schen  dichtungen  hat  sehr  fragwürdige  besonderheiten 
(149,  5.  150,  2.  170,  7.  8.  182,  9.  194,  6);  ein  hanptcharacteristicum  ist 
der  massenhafte  verbrauch  des  flickwortes  T^t  das  bei  Babrios  sehr 
selten  (23,  8.  50,  16.  93,  8)  und  nie  ohne  bestimmten  zweck  verwendet 
wird. 


240  OCnuias:  Stadien  tu  Babrios  und  den  Aiiopeia. 

schlusz  werden  die  todeszackungen  der  fische  als  tanz  aufge&szt: 
ganz  ähnlich  Snidas  n.  al6*  iipcXec  6av^€iv  ij  iravOcTaTov  6p- 
XrjcacOai  .  .  firav  irXfiT^  (f|  y\ai£)  TcXeunlkca  crp^fprrai  dkircp 
öpxouji^vii  *  KoXXtjuiaxoc  ^  ^6cdXq  (fr.  43  Sehn.),  anderer  art  ist 
Lukianos  Lukios  19  ö  bk  (dvoc)  äin^t  icdrui  t6v  ddvorov  öpxoO- 

|Ll€VOC. 

F.  15  gehört  zu  den  anekdotenhaften  elementen,  die  auch  nach 
Phaedros  zeugnis  sehr  frtth  eingang  in  die  üabelsamlnngen  gefandea 
haben,  ein  Athener  und  Thebaner  streiten  sich  auf  der  waadenmg 
über  den  wert  ihrer  nationalheroen  Theseos  und  Herakles;  scUieai- 
lich  sagt  der  Boioter  oäx  ixwr^  Xct\y  Xötoic  fi^iXXov:  ^rtiwxoco' 
vtKqic.  TOiTopoOv  xoXuiGciii  |  Oricedc  jiiv  fj^iv,  'HpoicXf)c  b*  *A6v|- 
vaioic.»  es  ist  meines  Wissens  noch  nicht  bemerkt^  dasz  das  bessere 
Urbild  dieses  schwankes  erhalten  ist  bei  Cicäro  de  noL  deorum  111%  60 
Aläbandenses  guidem  sandius  Akibcmdum  cakmt^  a  quo  eri  uris  üla 
condita^  quam  quemguam  nabümrn  deontm;  apud  quos  fum  imufimie 
StratonicuSy  tä  muMa^  cum  qmdam  ei  moleshM  Aläbanäum  demm  esse 
confirmaret^  Heradem  negaret:  ^ergo^  tngii^  *fiitM  Aktbamäm^  fXki 
Herctdes  sU  WabusP  bei  Babrios  sind  auch  hier  die  individueUen  sflge 
verwischt  und  durch  allgemeine  ersetzt. 

F.  19,  1  f.  hat  A:  BÖTpuc  jLicXaiviic  djiirAou  iropuipdii  dir- 
€Kp^|uiavTO.  fttr  das  unverständliche  ncxpuipciii  coigicierte  Boisscmadei 
dem  die  mehrzahl  der  hgg.  gefolgt  ist»  irop*  aiclipq.  Oitlbauer  bleibt 
mit  seiner  correctur  iropuipciou  dem  flberlieferten  näher,  und  wie 
ich  glaube  mit  recht,  jedenfalls  hat  Suidas  im  beginn  der  fabel  das 
wort  aiidpo  (Boissonade)  nicht  gelesen,  sonst  wlbrde  er  dafltr  nidit 
nur  aus  der  mitte  die  in  A  verkürzten  verse  citiert  haben ;  den  Wein- 
berg (vgl.  Bahr.  2, 1)  hat  Phaedrus  IV  3  äUa  m  vmea^  und  das  lemma 
7rap((ip€ta  findet  sich  auch  bei  Suidas.  dasz  mit  Gitlbauers  ändemng 
die  band  des  dichters  hergestellt  sei,  glaube  ich  nicht;  der  anfang 
ist  verkürzt,  wie  v.  6,  wo  sich  der  diaskeuast  durch  die  häszliche 
parentbese  sowie  das  falsch  verkürzte  u  von  icx^  verrät. 

F.  23,  3  ff.  lauten  in  A:  £er)K€  (6  ßonXdnic)  b'  eöxfjv  TOk 
öp€tv6jiotc  vi}|ui<P<xic,  I  *€p|ii3  vojiaitp  TTavi  *toic  ir^piE  dpva  |  Xoißfry 
napacxctv ,  ei  XdßoiTO  töv  icX^inT|V  (seines  verlorenen  zugstieres). 
in  V.  4  treffen  mehrere  Verdachtsgründe  zusammen :  so  die  unmög- 
liche beziehung  von  Xotßf|v  auf  dpva*,  der  sonderbare  und  unver- 
mittelte ausdruck  TOic  ir<!pt£  (vgl.  jedoch  anth«  Pal.  XI 107)  und 
der  immerhin  bedenkliche  trochäus  apva  im  versausgange.  bereits 
vor  Jahren  ist  zu  dieser  schwierigen  und  viel  behandelten  stelle  ** 


3^  zwar  heitat  es  bei  Suidas  Adpfj*  cirov6f|,  6uda,  und  darauf -be- 
rufen sich  Boissonade  und  Schneidewin  (praef.  s.  X),  welche  die  stelle 
für  intact  halten,  aber  wenn  Suidas  mit  der  erklärtuff  Oudo  auf  die 
vorliegende  stelle  besag  genommen  hat,  so  benntste  er  emea  verderbten 
tezt,  wie  86,  7.  iS,  6.  66.  108,  8;  wahrschelnlieh  ist  aber  nur  cirovMi 
nraschreibung  von  Xoipi^,  und  6uda  ist  als  der  allgemeinere  begriff  der 
erklärung  wegen   binsngefQgt.         **  Lachmann  vermutet  Xomv  Ar 


>* 


OCrusiuB:  studien  zu  BabrioB  und  den  Aisopeia.  241 

durch  Eberhard  (in  Bursians  Jahresbericht)  eine  Vermutung  von  mir 
mitgeteilt  worden ;  und  so  will  ich  denn  nachträglich  das  patrocinium 
dafilr  übernehmen,  um  eine  sichere  basis  zu  gewinnen ,  haben  wir 
auszugehen  von  den  prosafabeln,  die  Bodleianische  paraphrase  bietet 
f.  16  ßoTiXaTTic  Taöpov  dirijüXecev  eöEaro  be  tCu  Oeijj  €i  töv  kX^tttiiv 
cupoi  TaOpov  ^TTiOuceiv,  ahnlich  die  Parisina,  die  auf  den  archetypus 
der  Bodleianischen  zurückgeht,  Aes.  Cor.  s.  333  raOpov  ouv  diri- 
6uC€iv  Tiöx^TO  Tiu  Geiu,  el  tiD  rXcttti;]  ^vtöxi].  dasz  hier  ein  alter  irr- 
tum  des  paraphrasten  vorliegt  (laCpov  stammt  wohl  aus  dem  vorher- 
gehenden satze) ,  beweist  der  schlusz  der  fabel ,  wo  in  A  gut  über- 
liefert ist  bucTUxf|C  b'  dTTapäxai  |  Kai  ßoOc  (ex  corr.)  TrpocäEetv, 
d  9UT01  T€  TÖV  kX^ttttiv,  während  es  in  B  heiszt:  Ktti  ?T6pov  ßoOv 
coi  ^niOucuj  usw. ,  in  P  noch  ungeschickter  ßoCv  cot  Kai  Taöpov, 
öcfe  (sie),  TTpocev^TKUü  (für  Trpocoiciu),  el  Täc  x^ipac  (vom  löwenl) 
TOÖ  kX^tttou  ßdiOrjceic  )iOi  dKq)UT€iv.  wir  haben  hier  in  den  para- 
phrasen ,  deren  wert  von  Gitlbauer  wie  gewöhnlich  überschätzt  ist, 
eine  willkürliche  Umbildung  vor  uns  und  können  aus  ihnen  nur 
Bchlieszen,  dasz  auch  in  dem  ihnen  zu  gründe  liegenden  texte  ein 
tier  und  nicht  eine  blosze  libation  (Hertzberg,  Härtung,  Grumme) 
als  opfer  gelobt  wurde,  dasz  dies  die  ursprüngliche  fassung  ist ,  die 
der  dichter  vermutlich  schon  in  seiner  vorläge  vorfand ,  scheint  sich 
zu  ergeben  aus  den  übrigen  prosafabeln  selbständiger  fassung^  wie 
Aes.  Für.  41  (=  Cor.  s.  332)  riögaTO  tiu  Ali  oötu)C,  öti  iäv  töv 
kX^tttt^v  töv  XaßövTa  töv  h<5cxov  ÖTTobeiEric  jligi  fpicpöv  coi  eic 
euciav  ^Trd£uj,  ähnlich  Aes.  Sehn.  49  (=  Halm  83),  Cor.  s.  73.  131, 
weniger  gut  Cor.  s.  333.  man  zerlege  also  TTavi  TOic  in  TTavi  T* 
oTv^  und  tilge  äpva  als  glossem  oder  diaskeuastenconjectur.^^  über 
die  elision  von  t€  in  der  cäsur  vgl.  95, 13.  (74,  13),  Eberhard  praef. 
8.  V;  eine  nähere  bezeichnung  für  Pan,  der  in  der  dichtermjtho- 

XoißiP)v,  wenig  ansprechend;  Hertzberg  s.  204  dvTpoic  für  dpva,  was 
sachlich  Schwierigkeiten  macht;  Härtung  Ipoic  mit  falschem  accent; 
Bergk  allzu  kühn  ircpuciav  für  rote  irlpiS  und  für  Xotnöv  vielmehr 
6o(vr)v,  was  aber  v.  7  überliefert  ist.  auch  die  neueren  vorschlage  — 
iroivi^v  Halm,  XcuKfjv  Nauck  und  Eberhard,  Ocolc  Schenkl  (zs.  f.  d.  öst. 

fymn.  1876  s.  352)  für  XoißiP)v,  Grumme  dXXoic,  Gitlbauer  unverständlich 
pbi\y  für  dpva  ^-  heben  die  bedenken  nicht  völlig. 

^'  Knöll  hat  sie,  so  viel  ich  sehe,  bei  seiner  recension  nicht  be- 
nutzt, der  künftige  herausgeber  der  Aisopeia  wird  sie  durchsehen 
und  verwerten   müssen.  ^"^  oder  6tv,  vgl.   oben  s.  227.    näher  läge 

noch  der  plural  oTc:  das  wäre  aber  doch  ein  gar  zu  splendides  opfer; 
auch  spricht  das  glossem  dpva  für  den  Singular,  dieselbe  Verderbnis 
V.  8  (ßoOc  A,  ßoOv  Bodl.  Lachmann),  die  paraphrasten  werden  die  dem 
artikel  entsprechenden  buchstaben  TOiv  nicht  verstanden  und  daher 
TaOpov  aus  dem  vorhergehenden  ergänzt  haben;  den  schlusz  von  v.  4 
lasen  sie   wohl  in  der  echten  fassung.  '^  vgl.  10,  12.  43,  6.  82,  5. 

88,  2.  95,  16.  39,  4  öjiTipcOot,  in  mg.  clpriveOoi  A  m.  pr.;  13,  6  6€tKV\}€t, 
in  mg.  cima(v€i  A  m.  pr.;  115,  1  (vgl.  24,  3)  Xijüivdciv  hot'  alöuiaic,  in 
mg.  XiiLivaiaic  A  m.  pr.;  über  82,  7  später,  der  paraphrast  hat  dpva 
nicht  gelesen,  sonst  hätte  er  nicht  auf  die  ergänzung  TaOpov  kommen 
können. 

Jahibacher  f&r  cIms.  phUol.  1883  hft.  4.  16 


242  OCrnnus:  etadien  su  Babrios  und  den  Aieopeia. 

logie  nur  wfdd*  und  berggeist  ist,  darf  man  nicht  fordern,  ygL  die 
ganz  ähnliche  stelle  Aristoph.  Thenn.  977  '€p|if)v  T€  vö^iov  dvTOfiai 
KQt  TTäva  Ka\  vOjiqKXC  9{Xac.  ans  den  buchstaben  irepiE  ergibt  sich 
(vgl.  prooem.  11 12  |i€Tivc£»QC€tv  A,  TCTuivicKetv  Buigess,  Naock)  das 
verbum  ^iripp^Seiv*  im  archetypns  von  A  wird  die  endong  ooreh 
ein  compendinm  bezeichnet  gewesen  sein.^  dmpp&eiv  in  der  be» 
deutong  6u€tv  findet  sich  Theokr.  24,  97  (19,  99  Ahrens)  Zi|vl  b* 
^Trtpp^Sat  KaOuTT€pT^p((i  dpccva  xoipov,  epigr.  4  (17  Ahr.)  €fix€* 
. .  ^iTtpp^Eeiv  xi^<xpov  KoXöv^S  anth.  Pal.  VI  157,  3  "'ApTCMic 
. .  Kai'coi  dmppäei  TöpTOC  x^M^^^o  voMaiiic  |  alfjia  xal  dipcdouc 
Spvac  iiii  TrpoÖOpotc.  solche  oomposita,  in  denen  die  prftpoaition 
(bes.  tni)  keine  wesentliche  beziehnng  ausdrückt,  sondern  lediglieh 
als  schmuck  dient,  gehQren  zu  den  eigentttmlichkeiten  des  Babriani- 
sehen  stils  (vgl.  8,  1.  28,  3.  50,  7.  95,  53.  97.  103, 12;  5,  6.  27, 5. 
75,  20.  95,  43;  43,  14.  85,  4.  118,  5);  allgemeinere  gesjehtspmikte 
über  diesen  sprachlnxns  bei  GTeiohmtUler  rhein.  mus.  XXXVI  310. 
vollends  gesichert  wird  unsere  coi^jector  durch  das  von  den  para- 
phrasen  gebotene  IniOuceiV:  denn  dieses  in  der  bedeutung  des 
Simplex  sehr  seltene  compositum  hätte  der  paraphrast  schwerlich 
angewandt;  wenn  er  in  seinem  texte  nicht  etwas  ähnliches  vorgefun- 
den hätte.  —  V.  5  nimt  Nauck  mit  recht  anstosz  an  iropocxctv:  ein 
solcher  gebrauch  des  aoristinfinitivs  in  prägnant  futurisdier  bedea» 
tung  wird  durch  fälle  wie  die  von  Krüger  spr.  §  53,  6,  9  angeführ- 
ten nicht  entschuldigt.  Naucks  coigectur  irpocdEciv  liegt  von  der 
Überlieferung  schon  etwas  weit  ab^;  bei  der  oben  gegebenen  her» 
Stellung  von  v.  4  kann  mit  ganz  leiser  änderung  irapacx^bv  (vgL 
18,  5  vo|ui(Z€tv  A,  vojiQIuiv  ausgaben;  68, 1  ToSeuciv  A,  toEcöuiv  F, 
ausgaben)  geschrieben  werden,  worin  man  wohl  eine  weitere  be* 
stätigung  ^  die  richtigkeit  uns^Bres  verfahrene  erblicken  dar£  das 
überlieferte  XdßoiTO,  wofür  Dübner  Xdßoi  T€  vorgeschlagen  hat 
(vgl.  Krüger  spr.  §  47, 12.  52, 8,  3),  kann  man  dem  Babrios,  der  die 
Vorschriften  der  attikisten  und  grammatiker  oft  genug  verletzt  hat 
(Zacbariae  de  dict.  Bahr.  s.  21  f.),  vielleicht  zutrauen*^  jedenfalls  ist 
die  Symmetrie,  welche  nach  Dübner  s.  36  zwischen  v.  5  und  v.  8  be- 
steht, mehr  als  zweifelhaft:  denn  v.  8  hebt  tc  das  vorhergehende 
q)\JTOt  hervor  und  steht  etwa  im  sinne  von  Ka(  (*wenn  er  dem  diebe 

^^  auf  die  Verwendung  von  abkürsungen  im  archetjpos  von  A  lassen 
die  anscerordentlich  zahlreichen  fehler  In  den  endongen  sehliesien  (1, 4. 
5.  8  Qsw.;  Infinitiv  18,  6.  68.  1;  «oXTdc  für  iröXcic  T&C  70,  6,  T^  f^v 
für  Y^v  21,  6,  ähnlich  8,  8.  19,  18):  Eberhard  obs.  s.  6.  aach  die 
gemination  könnte  vernachlässigt  gewesen  sein  (46,  11.  86,  1.  18S,  7* 
26, 8),  wie  ja  gerade  die  liqnidae  in  manchen  hss.  überhaupt  nicht  ver* 
doppelt  werden  (Merkel  praef.  ApoU.  Rh.  s.  IV  ed.  min.).  **  Babrios 
wird  Theokritot  nachgeahmt  haben,  wie  8,  4  (ca  Theokr.  5,  1S8): 
Zacbariae  ao.  t.  6. .  ^*  man  darf  znr  bestätigong  nicht  anfShrea,  das* 
Aes.  Cor.  s.  888  «pocdSui,  s.  888  iipocäSci,  s.  78,  181  irpocdSciv  aber*  , 
liefert  ist,  da  diese  fabeln  von  Babrioe  unabhängig  sind.  ^  Hartong 
schreibt  v.  6  Xdßot  Cti,  v.  8  «pOroi  In  mit  nnbabrianiseher  syniiese 
und  zwiefacher  ändemng.  -' 


■i 


OCrusiuB :  Studien  zu  Babrios  und  den  Aisopeia.  243 

auch  nur  entrönne') ,  während  v.  5  ('wenn  er  den  dieb  faszte')  eine 
derartige  erklSning  unzulässig  ist.  die  ganze  stelle  wird  also  fol- 
gendermaszen  herzustellen  sein: 

fOriKC  b*  €Öxf|V  Tttic  öpeivöjioic  v\i|iq)aic 
'6p|iQ  vojiaiiu  TTavi  t',  oIv  iuxppiiexv 
Xoißfjv  TTapacxiwv,  el  XdßoiTO  töv  kX^ttttiv. 
dasz  mehrere  götter  an  Einern  opfertiere  teilnehmen,  ist  durchaus 
gebräuchlich:  vgl.  Hermann-Stark  gr.  alt.  II  26,  22;  Aristoph.  Vö. 
848.  890.  1059.  wenn  dabei  das  geschlecht  des  opfers  gegen  die 
bekannte  regel  TiD  ö|Lioi(Ai  X'^^9^^  '^^  öjLiotov  (Eusebios  praep.  ev.  IV  9) 
dem  der  gottheiten  nicht  durchweg  entspricht,  so  greife  ich  aus  einer 
fülle  von  beispielen  einer  solchen  licenz  nur  die  heraus,  welche  sich 
auf  die  bei  Babrios  genannte  trias  beziehen :  inschr.  bei  Conze  Lesbos 
tf.  IV  3  s.  11  ÖK€  e^Xri  euiiv  ^711  TiD  ßtü<MUJ>  •  •  tiü  *6pjia  . .  xai 
Ipcev  Kai  Of^Xu.  inschr.  des  thasischen  nymphenreliefs  (Fröhner 
notice  de  la  sculpture  usw.  s.  36)  vii)iq>ijctv  .  .  OfiXu  Spc€V  Sji  ßöXij 
Tipoc^pbev.^  Theokr.  1,  5  qIkq  b'  alto  Xdßq  (Pan)  usw.  Hör.  carm. 
I  4,  11  Faimo  decet  immölare  .  .  seu  poscat  agna  sive  maUt  haedo. 
überdies  wird  man  Babrios  eine  genauere  bekanntschaft  mit  dem 
antiken  sacralwesen  nicht  mehr  zutrauen  dürfen:  Leipz.  Studien 
n  s.  232  f. 

Fabel  24  («=  Phaedrus  I  6)  heiszt  es  echt  märchenhaft^:  f&iioi 
jifev  fjcav  *HXiou  G^pouc  (Sipr),  |  xä  Jqja  b'  IXapouc  fJTC  n?»  Oci?» 
Kiu|iO\JC.  die  Vorstellung  von  der  hochzeit  des  Helios  im  sommer^ 
ist  für  den  mythologen  von  interesse  als  völlig  unzweideutige  ana- 
logie  zum  iepöc  T<i)iOC  von  Zeus  und  Hera  im  frühling,  die  sonnen- 
hochzeit  spielt  besonders  in  rumänischen  und  littauischen  liedem  eine 
grosze  roUe:  Boscher  'Juno  u.  Hera'  s.  71.  84.  Mannhardt  'Elytia' 
s.  22  und  sonst;  als  partnerin  tritt  meist  Selene  auf,  und  dasselbe 
wird  man  hier  voraussetzen  müssen,  zumal  in  der  folge  (v.  6  f.)  Helios 
deutlich  als  der  himmelskörper^  fast  ohne  anthropomorphische  Um- 
hüllung aufgefaszt  wird,  der  gedanke  einer  ehe  zwischen  sonne 
und  mond  läszt  sich  übrigens  bei  den  alten  auch  sonst  nachweisen, 
er  ist  mythisch  ausgedrückt  in  der  Verbindung  von  Helios  und  Perse 
(Usener  rh.  mus.  XXili  s.  345.  Mannhardt  ao.)  und  wird  ganz  unzwei- 
deutig ausgesprochen  bei  Aätios  II  29  Diels  dozogr.  s.  360  Tac  ji^v 


^  es  folgt  ötv  o(>  Qi\ixc  oi)bi  x^'ipov.  man  könnte  dies  als  gegen- 
instanz  gegen  die  vorgetragene  emendation  betrachten,  vgl.  aber  Her- 
mann ao.  II  25,  20.  26,  3.  Fröhner  ao.  s.  38  'on  aurait  tort  d'en  con- 
clure  que  tel  ^tait  Tnsage  dans  toute  Tancienne  Gr^ce*  usw.  und  die 
von  ihm  beigebrachten  ausnabmefälle.  vgl.  auch  PStengel  in  diesen 
Jahrb.  1882  s.  736.  ^»  märchenhaft  ist  auch  fab.  Bodl.  136  (=  Babrios 
Ebb.  138,  Gitlb.  142),  deren  hanptmotiv  und  einzelne  elemente  sich  in  einer 
reihe  griechischer  und  deutscher  mythen  nachweisen  lassen,  so  beson- 
ders in  der  Atys-Adras tos- sage  bei  Herodotos  (vgl.  Baumeister  de  Atye 
et  Adrasto,  Leipzig  1860).  ^  so  nur  die  griechische  fassong;  hübsch 
ist  auch  die  paraphrase  in  politischen  versen  F.  350  (.  .  ol  bä  ßdrpaxot 
fjtdXXovTO  fietdXuic  ini  t^  Xajyiirp^  ipartilr)  toO  i\Kio\)  usw.). 

16* 


244  OCrasiiu:  Stadien  zu  Babrios  und  den  Ai 


fiT]viaiouc  dTroKp!}\|i€ic  cuvobedoucav  aÖTf^v  fiX(t|i  xal  irept- 
XafiTTOfi^VT]V  iroi€ic8ai  usw.  (fthnlich  Areios  Did.  ebd.  33  8. 367) ;  Firai. 
Mat.  in  pr.  n.  cap.  6  synocUca  luna  qmndo  est  eankmcki  own  9ole^ 
coüu  scüicet;  schoL  Hes.  £icf|.784  . .  efvat  irpdiTOV  oiöfyicvot  f&iiov 
<'rf|V>  Tfjc  ceXVjviic  oScric  (lotjoic  Boscher,  üsener)  irpoc  f|Xiou  cOvo- 
bov.  vgl.  auch  üsener  rh.  mus.  XXXIV  s.  428,  Beiflfersclieid  Saei. 
8.  214. 

Von  der  in  ein  tetrastic&on  verkürzten  fabel  29  findet  sich  eine 
treffliche  fassnng  bei  Phaedms  app.  19  M.  (ygL  LMflller  de  Phaedro 
8.  27).  zur  erklftning  hat  Dttbner  ApnL  met.  IX  11  (s.  l61  Eyss.) 
herangezogen ;  jetzt  kann  aof  Blflmner  technol.  I  s.  35  f.  Yerwiesen 
werden,  wo  ich  nnr  Plaatns  asm.  709  und  das  Sprichwort  Imtou 
Tfipac  app.  proY.  m  29.  Makarios  IV  80  (Zenobios  IV  41)  nachzu- 
tragen finde. 

Fabel  32  behandelt  die  schon  von  Strattis  (fr.  71  s.  731  E.) 
erwähnte  geschichte  von  der  verwandelten  foXti  (Aüiaacflft  nat.  an« 
XV  11) ,  auf  die  in  einer  ganzen  reihe  von  Sprichwörtern  bezog  ge- 
nommen wird:  fok^  KpOKurröv,  fdk^  x^'^^ov,  oö  Tcp^ei  T^4 
KpoKUiTÖv  (Zenob.  n  93.  Mak.  VI  65) ,  dir^bu  töv  KpOKiuTÖv  fi  jqkfi 
(biegen.  IQ  82  n.  crit.).  merkwürdig  ist  der  nnr  bei  Apostolioa- 
Arsenios  XI  89  a  und  anon.  Gram,  anecd.  DI  223  erhaltene  spridi* 
wörtliche  vers  6  jiOc  TOiXftv  dX^T^t  Tf|v  T^uic  vtjjuupnv.  wenn  man 
hier  das  durch  die  besonderen  zwecke  des  Schriftstellers  bedingte 
futurum  dem  technischen  Sprachgebrauch  entsprechend  in  den  acxrist 
fjXcTSc  verwandelt,  hat  man  einen  correot  gebauten  choliambus 
Babrianischer  art^r  woraus  man  vielleicht  auf  benutzung  dieser 
fabel,  von  der  schon  Julian  den  ersten  vers  anführt,  schlieszen  darf. 
eine  gute  Variante  Aes.  Für.  273  >»  Halm  149  ZeiK  Kfid  äXdnrt)E. 

F.  42:  ein  hund  wird  von  einem  freunde,  dessen  herr  ein  opfer> 
mahl  hftlt ,  eingeladen  (vgl.  Makarios  IV  43  f|  kOuiv  iv  v^  "(6^^ 
usw.);  als  er  aber  erscheint,  wirft  ihn  der  koch  ToO  CK^OUC  dpac 
auf  die  strasze  — 

Tiilv  icuv<Bv  b*  dpumdvTuiv 
&n\jjc  lbe[nvr\c\  etire  «iruk  t^P  äv  kp€ittov, 
8c  obbk  iroiav  dvoXOctv  jic  Twdicxui;» 
zu   dieser  auf  den  ersten  blick  nicht  recht  verstftndlichen  stelle 
sind  seit  Lachmann  die  verschiedensten  verbessemngsvorschlAge  ge- 
macht^; nur  Boissonadci  der  eine  sachlich  und  grammatisch  unmög- 

*''  er  würde  in  der  dankenswerten  samlimg  Ifeinekes  (hinter  Lach- 
manns  Babrios)  naobzatragea  sein,  wie  manches  uidere  ans  den  par- 
ömiographen  und  Suidas!  ansserdem  kommen  swei  eholiamben  ans  La. 
Diog.  VII  184  (Nauek  Philol.  VI  140)  hinca,  sowie  etUehe  inschrifttiehe 
rKaibel  epigr.  876  und  rh.  mos.  XXXYI 468)  und  handsohrifttiehe  sttteke 
(besoDders  aus  Millers  m^langes),  vor  allem  aber  das  epische  fragmenl  bei 
pseado-Kallisthenes  146,  welches  ganz  Babrianisehe  technik  seift. 
^^  Lachmann  8c  oM4  iroCov  ViXdaiv  fi*  ^vuiocov  (fi€  T^viiiCKUi  Sduieide- 
win)  gegen  des  diehters  versieehnik  nnd  mit  gesuchter  nnd  nnbeseogter 
wendang  des  gedankens;   ebenso  vericehrt  Hartnng  wokrr  dvaAttetg' 


OCrusius:  Studien  zu  Babrios  und  den  Aisopeia.  245 

liehe  Übersetzung  gibt^^,  und  Fix  revue  de  philol.  I  71  halten  an  der 
Überlieferung  fest,  auch  Fix  fördert  die  erklärung  nicht,  verweist 
aber  für  den  anfälligen  Infinitiv  gut  auf  Matthias  gramm.  §  538; 
vgl.  auszerdem  die  reiche  beispielsamlung  bei  Lobeck  Phryn.  s.  772, 
bes.  Dion.  Hai.  VI  26  Tivac  elvai  buväjLieic  .  .  ckottoüctic  und  Pro- 
kopios  Vandal.  II  4,  243  *  dv  dTTÖpiw  eixov  §  TÖ  Tiapöv  GdcGai.  der 
Infinitiv  wird  beizubehalten  sein,  dagegen  scheint  der  accusativ  )i€  mit 
beziehung  auf  das  subject  von  yivujckuü  unmöglich  (vgl.  das  beispiel 
aus  Prokopios) :  man  wird  dafür  fe  (23,  8)  schreiben  müssen ,  was 
hier  in  gewohnter  weise  zur  Verstärkung  von  oubd  dient :  vgl.  II. 
P  363.  Xen.  Kyr.  I  5, 11.  PI.  Phaidon  97  *  ^  der  sinn  ergibt  sich,  da 
dvaXueiv  nach  bekannter  volkstümlicher  metapher  für  ^zurückkehren' 
gesetzt  werden  kann,  mit  voller  evidenz  aus  Plautus  Budens  811 
ni  istunc  isti$  invüassüiSj  usque  adeo,  donec  qua  domum  aheat 
nesciat;  vgl.  auch  Theokr.  2,  84  (xübc  ibov)  .  .  oub'  ibc  TidXiv 
oiKttb  ÖTTTivGov  ^TVUüV.*"  der  hund  konnte  das  sehr  wohl  von 
,  sich  sagen ,  da  ihm  nach  dem  stürze  das  laufen  nicht  eben  leichter 
geworden  sein  wird  als  wenn  er  pransus  potus  gewesen  wäre,  in 
diesem  doppelsinne  sehe  ich  die  bisher  nicht  klargelegte  pointe. 

F.  48  sagt  Hermes  zu  dem  hunde  der  seine  bildseule  salben  zn 
wollen  vorgibt:  fiv  jiioi  toöto  |Lif|  'TiiXiXjLiricijc  |  TOÖXaiov  dXGiiv, 
jLiTibe  jLioi  Tipocoupricijc,  |  x&pxv  eicofiai  cor  xai  tiX^ov  ^le  fifi  Tifia. 
hierzu  bietet  Makarios  IV  10  (paroemiogr.  11  s.  167  Gott.)  unter 
dem  (wie  so  manches  andere  von  ihm  überlieferte)  sonst  ganz  un- 
bekannten Sprichworte  '€p|Lifiv  jniiT'  äX€ii|ii]C  ixryz*  dTiaXein/ijc  eine 
merkwürdige  parallele  mit  der  erklärung  ini  tOuv  bid  TTpocTTOiTiTfic 
XdpiToc  d9aipou^^viJüV  ti  ^dXXov  f\  bibövTuuv.   iv  ßaXaveitfj  tdp 

TlVl  '€p^flC   fjV  IbpUjLl^VOC ,  ÖV  0\  TTOXXOI  TÜüV  XOUO^^VUÜV /iX€l90V 

7T^vr|c  bi  TIC  TTpo9dc€i  Tou  dX6i9€iv  dK€ivov  Trepiaipoü- 
jLievoc  TÖ  fXaiov  ^auTÖv  fjX€i96V.  doch  scheint  diese  (indirect  aus 
einer  fabelsamlung  stammende)  fassung,  in  welcher  an  stelle  des 
trefflich  gezeichneten  hundes  der  ir^viic  getreten  ist ,  jünger  zu  sein 
als  die  Babrianische :  wie  überhaupt  in  den  meisten  fällen  die  er- 
setzung  der  tiermasken  durch  menschliche  seeundär  sein  wird. 

Die  echtheit  von  f.  52  ist  von  Eberhard  und  Hoch  (de  Babr. 
fab.  8.  31)  bezweifelt  worden,  ziemlich  allgemein  hat  man  anstosz 
genommen  an  v.  3  f.  Ka\  töv  ßotüTTiv  GujLiöc  eIXe  (als  der  wagen 
knarrt),  t§  (djudEi])  b '  oötuüc  (  irt^c  TipoceXeibv  (=  Vat.  9,  4)  elTiev 
übe  dKOUcGfivai.  v.  4  ^tT^c  usw.  halten  Eberhard  und  Gitlbauer  für 
interpoliert  und  schreiben  daher  v.3  i(pr\  b'  oÖTUüC  (Ebb.)  oder  fj  b' 

^Y^viucKOv.  besser  sind  die  vorschlage  Bergks  und  Eberhards  (vgl.  Ebb. 
zdst.),  zu  denen  jetzt  noch  Schenkls  £b£i  |Li*  £tvu)V  und  Gitlbauers  iTo{r)V 

•öböv  dvflo  Y«  hinzukommt. 

*^  '.  .  qua  egressns  inde  sim  via'  —  dvaXueiv  ist  aber  kein  histo- 
risches tempus.  ^^  vielleicht  darf  man  hier  in  dem  von  dem  treff- 
lichen Ambrosianus  222  gebotenen  dirflXOctv  eine  spur  desselben  in- 
finitivs  (dTTCvOctv)  erkennen,   wodurch  freilich  der  gedanke  eine  etwas 

,  andere  färbung  erhält. 


246  OCrusius:  Studien  zu  Babrios  und  den  Aisopeia. 

OUTUJC  (Gitlb.,  unbabrianisch  und  ungriechisch);  auch  Zachariae  ao. 
s.  29  spricht  von  der  ^rnira  verborum  copia'.  aber  die  bei  der  er- 
findung  dieser  fabel  vorausgesetzte  personificierung  des  wagens  ein- 
mal zugegeben ,  ist  der  vers  hübsch  und  zeugt  von  dichterisch  leb- 
hafter Vorstellung:  der  wagen  macht  einen  so  heillosen  lärm  (v.  2.  5), 
dasz  der  f uhrmann  nahe  herantreten  musz,  um  vernommen  werden 
zu  können,  was  sonst  an  kleinen  sprachlichen  Unebenheiten  übrig 
bleibt  ^^  genügt  nicht  um  ein  Verdammungsurteil  zu  rechtfertigen. 

Über  die  aus  zwei  ganz  disparaten  stücken  zusammengesetzte 
fabel  53  vgl.  Leipz.  Studien  II  s.  208.  für  das  erste  stück  (der  wolf 
verspricht  dem  gefangenen  fuchs  gegen  mitteilung  von  drei  XÖTOi 
dXr|6ivoi  das  leben  zu  schenken)  ist  eine  weitere  parallele  die  er- 
zählung  vonMidas  und  Seilenos  beiPlut.  consol.  ad  Apoll.  27:  Lobeck 
Aglaoph.  s.  803,  Böse  Aristot.  pseudepigr.  s.  62,  Bohde  gr.  roman 
s.  204  anm.  3.  wenn  der  fuchs  dann  im  zweiten  stücke  dem  wolf  drei 
boshafte  Verwünschungen  ins  gesiebt  sagt ,  so  dient  zur  erläutening 
eine  bei  Zenobios  III  100  unter  dem  lemma  eiTTOic  TÖt  Tp(a  ^Ta^ 
TTapct  Tf|  auXr|  erwähnte  sitte :  TOic  inx  Gdvaiov  dTraTOji^voic  Tf|V 
TTappnclav  TttuTTiv  dbibouv,  ÖCT€  Tpocpfic  Kttl  oTvou  TiXiipiüOeTci 
(auch  auf  derartige  wünsche  der  todescandidaten  läszt  sich  der  wolf 
ein:  Aes.  Halm  134. Babr.  122)  Tpia  X^T^iv  S  ßouXovTai. .  kqI 
Touc  iv  avTxji  (auX^)  biaiTU)|Li^vouc  ömip^Tac  aöXiKOuc  dbvöjiiaZov, 
ujc  ^K  TOUTou  (pavepoOvTac  (-t€C?)  t^iv  Xoibopiav  (aus  VB). 
unbegreiflich  ist,  wie  man  bis  auf  Eberhard  (obs.  s.  11)  die  fabel 
ohne  anstosz  hat  lesen  und  übersetzen  können. 

Von  der  stark  verkürzten,  jetzt  vierzeiligen  fabel  73  findet  sich 
eine  breit  ausgeführte,  in  den  Aisopeia  nicht  mitgeteilte  fassung  bei 
Nikephoios  Chumnos  irepi  M^uxfic  (hinter  Creuzers  Biotin  s.  1441, 
vgl.  zu  Cicero  de  nat,  d.  III  22  s.  603):  .  .  ^ipnic  xi  (cod.  toi)  7T€1- 
cö^eGa,  6  qpaciv  ot  ^uGoi  toüc  Iktivouc  7T€7TovWvai*  outoi  top  •  • 
TÖv  jifev  fiXXov  xpövov  Upol  ToTc  0€oTc  fjcav  .  .  ^KrjXouv  t€  t^  djöQ 
TTdvTa  Kai  oubfev  fjv  auroic  TTpäTjua  TxapaßXriGfivai,  oöt€  kükvoi" 
oÖTC  T^TTiTec  oÖT€  Ti  fiXXo  oubfev  öpviGuüV  ^leXtuböv  T^voc  .  . 
XcTexai  bk  tuj  ^AttöXXujvi  toutouc  ^KicxaTficai  Tfjc  ^ttI  tö  KiGa- 
pileiv  lexvric  .  .  ineibi\  bfe  dTTCipoKciXwc  Tiepl  Tfjv  TuiV  Moucujv 
böciv  f cxov  Kttl  KaTexpoiVTC  ouk  ^v  b^ovTi  T^  X^P^Ti  Tujv  cuvriGujv 

^*  biogehen  lassen  kann  man  wohl  ßctiinic  für  ßor)XdTiic  v.  3.  äpp€V€C 
TaOpoi  V.  1  ist  verdächtig;  Gitibaaer  conjiciert  i^p€^^c,  die  form  /|p€^f|C 
ist  aber  unbeseugt;  möglich  wäre  i^p^fiac,  worauf  ich  schon  früher  darch 
V.  6  gekommen  war,  oder  mit  leichterer  änderung  dTpcjactc  (dTp€|Lidc?  als 
adv.,  8.  Keller  ao.  s.  394):  vgl.  d.  sprw.  dTpdfUXC  ßoOc.  v.  6  dXXwv  irt* 
üj^oic  qpcpo^^VT)  bat  Eberhard  ao.  s.  16  (Hoch  s.  31,  dagegen  Zachariae 
s.  33)  mit  recht  verdächtigt,  da  die  stiere  den  wagen  nicht  auf  den  schal«^ 
tern  tragen;  Qitlbaaers  £t*  für  itt*  ist  mir  unversändlich :  ob  man  Babrios 
das  nachgestellte  tit*  (für  in  )  catrauen  darf?    vgl.  Härtung  za  96,  2. 

^  sollte  es  mehr  als  ein  zafälliges  cosammentreffen  sein,  wenn  es 
in  den  dem  Aphthonios  zugeschriebenen  fabeln  Faria  201  >»  Halm  170 
heiszt:  öciiv  Totc  kOkvoic  i^  q)Ocic  ihbf|v,  TocoOniv  IktCvoic  irap^cx€ 

TÖ    1TpÖT€p0V? 


OCrusiue:  Studien  zu  Babrios  und  den  Aisopeia.  247 

djLi€Xr|cavTec,  Kai  bf|  xai  djCTiep  ittttoi  xP^MeTiCeiv  ^irexeipouv'* 
(vgl.  V.  2  iTTTTOu  b'  dKOÜcac  xpCMeTicavTOC  usw.)*  dviaöGa  .  . 
dTavaKTrjcac  kqt'  auTuiv  6  Zeuc  xai  öpticGeic  <tQ>  tfic  TvwMnc 
dnXTiCTia  inc  le  ini^rjceujc  euGuc  direipTe  xai  f^v  eixov  TiciXai  irepl 
TÖ  äbeiv  eÖKXciav  i\  öXiTtu  TravTctTraciv  dcpijpeiio.  xai  vOv  fijLiiv 
elci  qpaivö^evoi  oubfev  ^^v  fibü  .  .  cpGeTTÖMevoi,  toepöv  bi  ti  olov 
Kai  Tpaxu  Kai  dirriv^,  ujCTiep  ittttujv  diro^i^TiiLia  9ujvfic,  TeKjiiripia 
In  ciü2IovT€C  Tou  dpxciiou  TrdGouc.  in  demselben  dialog ,  der  wohl 
^u  den  besseren  denkmälern  byzantinischer  prosa  zählt,  findet  sich 
mancherlei  sprichwörtliches ,  sowie  s.  1434  die  aus  Dion  Chrjsosto- 
mos  Xn  7.  LXXII  14  (=  Aes.  Halm  105.  106)  bekannte  fabel  von 
der  eule  und  der  mistel,  welche  auch  Babrios  (Bodl.  114,  bei  Gitl- 
bauer  157 :  von  der  schwalbe)  erzählt  zu  haben  scheint. 

Zu  den  werten  des  zum  arbeitsdienst  gezwungenen  schlacht- 
rosses  f.  76,  18  c\)  Tdp  jn'  d<p'  ittttwv  elc  övouc  jueTacTricac  |  ttüüc 
ai59ic  Yttttgv  iE  3vou  jue  TTOiticeic ;  vgl.  die  sprichwörtliche  redensart 
d9 '  XnTHJJV  in '  övouc  Zenob.  II 33  (Diogen.  Vind.  1 56),  erklärt :  ini 
Tüüv  dTTÖ  TU)V  ceiLiVüüV  im  id  fic€)Liva  fiKÖVTtüV,  und  dirö  övuüv  ^<p ' 
iTTTTOuc  Diogen.  Vind.  I  56  oder  ujpouc'  ic  ittttguc  dirö  ßpabucKC- 
Xdiv  ÖVUÜV  ebd.  UI 100  (nach  Naucks  herstellung),  erklärt:  im  tujv 
diTÖ  ^iKpujv  €ic  ^eiZuj  x^^pouvTUJV. 

Fabel  79  erwartete  ich  nach  Lagarde  s.  31  in  den  pseudocle- 
mentinischen  homilien  UI  24  citiert  zu  finden,  die  worte  um  die  es 
sich  handelt  lauten:  iknibi  ToO  t^vecGai  8  ^f)  ^x^i  (puciv  Kai  8 
ixei  TTpocaTToXXuouca  *  es  kommt  also  dabei  auf  eine  ganz  flüchtige 
ähnlichkeit  mit  dem  bekannten  gemeinplatz  des  interpolierten  epi- 
mythions  heraus :  vgl.  auch  Babr.  6;  17.  Eur.  Bakchai  399.  fr.  273. 
Menandros  monost.  18.  Lukianos  Tragodopod.  9.  Plautus  Psetid.  685. 

F.  82:  der  fuchs  verspottet  den  löwen,  dasz  er  sich  durch  eine 
maus,  die  über  seine  mahne  gelaufen  war,  aus  seiner  ruhe  habe  auf- 
schrecken lassen,   der  lö we  antwortet : 

ouxl  TÖv  mOv  .  .  H)  naXaiLivairi, 
b^boiKa,  jurj  ^ou  Tf|v  bopfjv  kvicij  cpeuTUiV 

KaKfjV  bk  jLieX^TTlV  ^TT'  djLlfe  Tf]C  6boö  Tpi߀l." 

für  den  letzten  vers  bietet  Suidas:  xc^^T^lv  b'  ^jiieXXe  TfjV  d|ir|V 
KaraicxOveiv.  Boissonade  und  Hertzberg  sehen  hier  wieder  eine 
spur  der  ^doppelten  recension';  Hertzberg  meint  s.  208:  Wiederum 
kann  man  v.  8  in  der  lesart  des  A  gegenüber  Suidas  .  .  die  verstän- 
dig bessernde  band  des  dichters  .  .  nicht  verkennen  .  .  in  der  that 
ist  kein  recht  erheblicher  gegensatz  in  dem  bopdv  bdKveiv  (KviZeiv) 
und  dem  xctiTT]V  aicxuveiv ,  noch  ist  die  beschimpfiing  des  löwen- 
haares  durch  die  maus  recht  motiviert  (?).   vielmehr  kommt  alles 

^^  68  ist  wohl  dmxcipoOvrec  zu  schreiben.  ^^  die  verderbte  lesart 
des  Athous  lag  bereits  den  von  Eberhard  citierten  paraphrasten  vor, 
wie  Aes.  Cor.  218  =»  H.  267'»  oö  töv  imOv  ^q)oßifieiiv ,  dXXd  Tf|v  kok^jv 
Ö6ÖV  Kai  cuvr|6€iav  dvoTp^Triu  (diroTpdiiu)  Lessing),  was  selbst  Lessing 
XI  102  L.  nicht  befriedigend  zu  erklären  vermocht  hat. 


248  OCrusius:  studien  zu  Babrios  und  den  Aisopeia. 

darauf  an,  dasz  der  löwe  die  Unverschämtheit  des  tierchens  straft . .% 
und  demgemSsz  übersetzt  er  s.  39  'doch  soll  sie  frech  nicht  über 
mich  den  weg  wagen.'  wie  man  das  aber  heraus-  oder  vielmehr 
hineininterpretieren  kann,  hat  Hertzberg  nicht  gezeigt,  ebensowenig 
wie  er  für  die  geschraubte  redensart  KaKf)V  jueX^TTiv  ttjc  6boö  Tp(- 
ßeiv  oder  die  ungriechische  Wortstellung  £tt'  iiii,  rfic  6bo0  beispiele 
beigebracht  hat.  der  athoische  vers  ist  ganz  wertlos,  sein  erster  teil 
scheint  durch  einfache  buchstabenverderbnis ,  der  zweite  durch  ein- 
gedrungene glosseme  aus  der  tadellosen  fassung  des  Suidas  ent- 
standen zu  sein,  welcher  daher  auch  die  mehrzahl  der  kritiker  — 
die  neueren  hgg.  und  Bemhardj  gr.  litt.  11^  748  —  den  vorzug  ge- 
geben hat.^  den  sinn  des  verses  hat  aber  nicht  nur  Hertzberg,  son- 
dern auch  Härtung  (der  über  die  lesart  s.  171  richtig  urteilt)  gänz- 
lich verkannt,  wenn  er  übersetzt:  ^nicht  ihren  bisz  ins  feil  und 
ihre  flucht  (!)  furcht'  ich:  allein  sie  soll  mir  meine  mahne  nicht 
höhnen.'  KttTaicx^veiv  ist  wohl  kot'  €Ö9T]M^cMÖv  gesetzt  für  das 
kakemphaton  Karax^civ,  und  da  dies  ein  vielberufenes  zeichen  der 
furcht  ist^,  so  ist  die  pointe:  'ich  fürchtete  die  maus  nicht,  sondern 
wüste  dasz  sie  selbst  vor  angst'  usw.  die  tiefsinnigen ,  schon  von 
Lachmann  athetierten  verse  des  epimythions  dpxö^€VOV  dpTi  TÖ 
Gpacu  tOuv  ußpiCövTuüV,  |  kSv  ^iiKpöv  fj,  KU)Xue  jniibfe  cuTX^P^i  | 
€UKaTa9pövTiT0V  cauTÖv  elvai  toic  9ai3Xoic  beruhen  also  auf 
einem  gröblichen  misverständnis ;  die  fabel  ist  ein  echtes  Aicum€tOV 
TcXoTov,  wie  15.  34.  42.  48  uam. 

Ob  fabel  87  zu  den  verkürzten  stücken  gehört  (Eberhard),  er- 
scheint mir  sehr  zweifelhaft;  auch  die  von  Babrios  unabhängige 
fassung  bei  Tzetzes  chil.  VIII  842  ff.  ist  nicht  breiter  angelegt, 
verdächtig  könnte  allenfalls  der  anfang  erscheinen:  kuu)V  Xatuidv 
iE  öpouc  dvacTrjcac  |  dWwKC,  bäKVU)v  aÖTÖv  ei  KaTeiXri9ei,  |  etr* 
aö  CTpa9eic  Icaive  Kd9(X€i"  ipaüujv  —  wo  man  sich  von  dem  ver- 
halten des  hundes  freilich  keine  rechte  Vorstellung  wird  machen 
können;  für  v.  1  vgl.  69,  1  Gd^vou  Xatwöv  bacu7T6br|v  dvacTTjcac 
Kuujv  ^TiecTTev  (Eberhard,  ^biu^Kev  A).  einfach  und  klar  wird  das 
motiv  der  fabel  wiedergegeben  in  dem  alten,  schon  von  Sophokles 
(fr.  902)  gebrauchten  sprichworte  caivcic  bdicvouca  Kai  küwv  Xal- 
OapTOC  ei  schol.  Ar.  Ri.  1031  =  Eust.  s.  1493,  32;  ähnlich  Zeno- 
bios  IV  90  Xi^GapTOC  küujv  ö  Trpoccaivwv  )li^v,  XdGpot  bk  bdKVU)v. 


'^  die  entstehuog  von  KaKiivb€^€X€Tr)V€ii€fi€  aas  xo^'^^^McXAeniv- 
€|Lir)v  ist  evident;  in  öboO  könnte  der  rest  von  fiuoxöbiu,  einem  passen- 
den marf^inalglossem  (vgl.  oben  zu  23,  3)  zu  KaTaicxuv€iv ,  zu  suchen 
sein  (Ribbeck),  in  Tpißci  eine  falsche  erklärang  desselben  Wortes  oder 
Tpißou  —  ÖboO.  *«  Aristoph.  Vö.  68.    Ri.  224.    Wo.  296.   Pro.  479. 

We.  627.  941.  Fri.  176.  1176  (=-  Apostolios  IV  73).  Plut.  693.  Phaedms 
fab.  IV  18,  wo  es  den  hunden  bei  Jnpiters  anblick  ebenso  geht  wie  hier 
der  maus.  ^^  so   Eberhard;    A  ibc  q>iX\^,    für  Eberhards  ändening 

spricht  ancb  Tzetzes  ao.  bdxvQvra  .  .  ^v  cpiXrmdTwv  Tpöiroic.  vorher 
conjiciert  Gitlbauer  aV^ari  Tpaq>€ic:  was  ans  metrischen  und  sachlichen 
gründen  (vgl.  die  mitgeteilten  Sprichwörter)  wieder  Yöllig  unmöglich  ist. 


OCrusiuB:  Studien  zu  Babrios  und  den  Aieopeia.  249 

Apostolios-Arsenios  X  66  a  XrjöapYOC  el"  ^ni  tOüv  TrpaüvojLidvuüV, 

KpU9lUiC  bi.  baKVÖVTUiV. 

Zum  schlusz  noch  einige  worte  über  die  vielbehandelte  stelle 
95,  76  ff. ,  zu  der  bereits  Leipz.  Studien  11  s.  216  eine  Vermutung 
mitgeteilt  {wurde,  der  fuchs  sagt  dem  hirsch :  xai  vCv  ^Keivoc  (der 
löwe)  TtXeiov  fj  cu  Gu^oOiai  |  Xiriv  fiTiiCTOv  Tieipdcac  C€  xai  kou9T]v,  | 
ßaciXea  be  <pr|ci  töv  Xukov  Karacxiiceiv.  v.  78  ist  der  überlieferte 
proceleusmaticus  (mit  kürzung  des  a)  völlig  unzulässig,  die  mehr- 
zahl  der  vorgebrachten  emendationen  hat  ihre  bedenken  ^ ;  am  anspre« 
chendsten  vermutete  Hecker  (Philol.  V  s.  492)  und  später  MSchmidt 
XiJKOV  bi  (pr\Q\  ßaciX^a  KaTacTrjceiv.  man  wird  aber  mit  noch  leich- 
terer Änderung  auskommen  können,  wenn  man  nach  v.  76  ein  kolon 
setzt  und  v.  77  und  78  nach  Streichung  von  bfe  (vgl.  112,  ö)  ver- 
bindet: Xir|v  fimcTOV  Tieipdcac  C€  .  .  ßaciXfiä  (pr\c\  usw.*®:  denn 
ßaciX^jäkann  nicht' beibehalten  werden,  da  der  dichter  den  vers  nie 
mit  tribrachischen  oder  proceleusmatischen  Wörtern  beginnt,  son- 
dern die  erste  silbe  des  tribrachjs  stets  von. den  übrigen  trennt 
(Eberhard  praef.  s.  IV.  VII).  die  ionische  form  der  bei  Babrios  sehr 
seltenen  nomina  auf  -€ijc'°  ist  überliefert  132  (131)  =  Vat.  137,  24 
ouprjeciv  (corr.  o0pr)€cciv:  .EnöU  ao.  s.  684)  und  musz  131  (130) 
=  Vat.  136, 1  vojLina  (vO|Li^a  V.)  des  verses  wegen  hergestellt  wer- 
den; analog  ist  in  A  überliefert  vfia  71,  1.^*  Babrios  scheint  dem- 
nach, wie  die  gleichzeitigen  epiker  und  epigrammatiker^*,  diesen 
formen  den  vorzug  gegeben  zu  haben.* 


^^  ßaciXf)  Fix,  Lachmann;  aber  diese  von  den  alten  dramatikem 
und  lyrikern  angewandte  form  ist  bei  den  Alexandrinern  nur  ganz  ver- 
einzelt, im  Zeitalter  des  Babrios  gar  nicht  nachweisbar  (Eberhard  obs. 
s.  12).  Eberhard  gibt  drei  vorschlage:  q>r)cl  bi  6uvdcTr)V,  qprjciv  6' 
dvoKTa  (obs.  s.  11),  <pr\c\  bi  ßaciXda:  der  erste  und  dritte  verstöszt 
aber  gegen  das  Lachmannsche  gesetz  über  die  form  der  auflösungen, 
und  auszerdem  hat  der  dichter  <pr\cl  nie  an  den  versanfang  gestellt 
(während  es  sich  an  der  überlieferten  stelle  auch  13,  10.  60,  3.  103,  17. 
106,  25.  110,  4  findet),  die  synizese,  wozu  Bachholz  seine  Zuflucht  nimt, 
ist  unbabrianisch.  ^^  das  asyndeton  bei  einem  erklärungssatze  wie 

91,  5 — 8:    vgl.    Krüger  spr.  §  59,  1,  5.  ^®  in  A  findet   sich   auszer 

ßaciXeOc  (67,  6  uö.]  nur  ßaciX^uic  (prooem.  II  1),  und  an  kritisch  ganz 
unsichern  stellen  dXqpiTcOci  (29,  4)  und  ßaciXctc  (95,  65).  ^^  die  ver- 
wandte form  iTÖXr^ac  schlug  Nauck  Philol.  VI  407  in  f.  70,  6  vor  für  das 
überlieferte  iToXTäc  (mit  übersehenem  compendiam  s=  tröXcic  Täc);  die 
verse  6 — 9  gehören  aber  dem  epimythiendichter:  Eberhard  obs.  s.  7 
mitte,  Hoche  de  B.  fab.  s.  17.  19.  23.  auf  ßaciXf)a  Babr.  syll.  II  40,  3 
darf  man  sich  nicht  berufen.  «  anth.  ?al.  VII  66.  IX  125,  10.  624. 
655.  656  usw.  die  form  ßaciXf^a  zb.  bei  Oppian  kyneg.  I  68.  anth.  Pal. 
IX  461,  4.  524,  1.  Lukianos  iT€pi  if\c  Cupinc  6€o0  20.  23.  [*  Ruther- 
fords ausgäbe  konnte  bei  dem  vorliegenden,  schon  im  herbste  v.  j.  ab- 
geschlossenen aufsatze  leider  noch  nicht  benutzt  werden,  in  der  auf- 
fassung  von  Vat.  164,  8  ff.  (wie  von  11,  3:  vgl.  Leipz.  Studien  11  s.  184 
anm.  1)  bin  ich,  wie  ich  jetzt  zu  meiner  freude  sehe,  im  wesentlichen 
mit  Sauppe  Gott.  gel.  anz.  1879  s.  1578  zusammengetroffen,  der  jedoch 
V.  8  f.  keinerlei  änderung  vomimt.] 

Leipzig.  Otto  Crusiüs. 


250     AGemoU:  zur  erklärung  und  kritik  der  Homerischen  gedichte.  I. 

40. 

ZUR  ERKLÄRUNG  UND  KRITIK  DER  HOMERISCHEN 

GEDICHTE. 


I.   EINIGES  VON  HOMERISCHEN  ZAHLEN. 

1.  RHercher  sagt  in  seinem  trefflichen  aufisatze  ^Homer  und  das 
Ithaka  der  Wirklichkeit'  im  Hermes  I  &•  274  anm.  1  folgendes:  *za 
wünschen  wäre,  dasz  man  endlich  .  .  gewissen  zahlen  bei  Homer  nur 
poetische  bedeutung  beilegte.'  zu  diesen  'gewissen'  zahlen,  'die  mit 
der  Wirklichkeit  nichts  zu  schaffen  haben',  und  die  er  deshalb  auch 
'imaginäre'  zahlen  nennt,  rechnet  Horcher  in  erster  linie  die  z  w  an  z  i  g. 
er  opponiert  nachdrücklich  gegen  die  bemerkung  eines  neuem  er- 
klärers (Ameis)  zu  ß  212,  dasz  zwanzig  die  gewöhnliche  zahl  der 
rüderer  auf  Homerischen  fahrzeugen  sei ,  die  nicht  zum  kriege ,  son- 
dern für  die  reise  bestimmt  seien,  dasz  dieser  neuere  erklärer  auch 
nur  von  einer  poetischen  zahl  spricht,  hat  Horcher  in  der  eile 
übersehen,  doch  meine  ich  dasz  in  der  that  weder  die  schiffe  mit 
zwanzig,  noch  die  gröszem  mit  fünfzig  rudern  erfunden  sind,  wenn 
unsere  dichter  jemanden  zu  schiffe  fortschicken,  so  föllt  es  ihnen  gar 
nicht  ein  zu  dem  zwecke  schiffe  anzuwenden,  die  in  Wirklichkeit 
nicht  existieren ;  im  gegenteil^  sie  lehnen  sich  sorgfältig  an  die  Wirk- 
lichkeit an.  und  Homer  sollte  anders  verfEÜiren  sein?  doch  ich  habe 
auch  einen  stricten  beweis  für  meine  behauptung.  i  322  sagt  Odjs- 
seus  von  dem  knüttel  des  Kyklopen:  'wir  schätzten  ihn  so  grosz 
wie  den  mast  eines  zwanzigruderers'  usw.  hier  setzt  der  dich- 
ter, indem  er  seinen  beiden  so  sprechen  läszt,  eine  ganz  bestimmte 
gröszenvorstellung  bei  seinen  zuhörem  voraus,  es  wäre  lächerlich 
eine  maszbestimmung  von  einem  fingierten  gegenstände  zu  nehmen. 
also  zwanzigruderer  sind  nicht  fingiert ,  es  gab  deren  wirklich,  jeder 
zuhörer  kannte  sie.  und  was  den  zwanzigruderem  recht  ist,  das 
ist  den  fünfzigruderem  billig,  auch  sie  müssen  notwendigerweise 
existiert  haben. 

Die  zwanzigruderer  nun  begegnen  auszer  i  322  noch  A  309. 
ß  212.  b  669;  die  fünfzigruderer  finden  wir  namentlich  vor  Troja. 
so  sind  fünfzigruderer  die  schiffe  des  Philoktetes  nach  B  719,  die  des 
Achilleus  nach  IT  170.  doch  auch  für  Nestors  schiffe  (B  602)  läszt 
sich  dasselbe  annehmen  nach  f  7,  wie  schon  Nitzsch  (anm.  I  s.  137) 
gesehen  hat.  in  der  Odyssee  nemlich  feiert  Nestor  ein  opfer  mit 
9  X  500  Pyliem.  dieselbe  anzahl  ergeben  die  90  schiffe  Nestors  in 
der  llias;  wenn  wir  auf  jedes  schiff  50  rüderer  rechnen,  dasz  diese 
Übereinstimmung  zwischen  Ilias  und  Odyssee  keine  zufällige,  son- 
dern eine  beabsichtigte  ist,  liegt  auf  der  band,  dasz  aber  hier  der 
Verfasser  von  Y  7  es  war«  der  sich  mit  der  Dias  in  Übereinstimmung 
setzen  wollte,  habe  ich  im  Hermes  XViÜ  s.  44  f.  wahrscheinlich  zu 
machen  gesucht. 


AGemoll:  zur  erklärung  und  kritik  der  Homerischen  gedichte.  I.     251 

Hat  aber  hier  der  Verfasser  von  f  7  schon  den  schiffskatalog 
benutzt,  so  ist  es  doch  kaum  glaublich,  dasz  er  B  510  gelesen  hat, 
wo  den  50  schiffen  der  Boioter  je  120  mann  gegeben  werden,  da  die 
schiffe  der  Boioter  zuerst  genannt  werden,  so  überträgt  der  leser 
oder  hörer  die  zahl  120  unwillkürlich  auch  atif  die  übrigen  schiffe, 
bis  B  719  bei  Philoktetes  schiffen  eine  andere  angäbe  gemacht  wird, 
so  hat  denn  auch  Thukjdides  in  folge  dessen  (I  10)  den  durch- 
schnitt von  120  und  50  als  das  normale  angenommen,  das  kann  un- 
möglich richtig  sein,  nirgends  werden  bei  Homer  gröszere  schiffe 
als  von  50  rüderem  erwähnt ,  auszer  hier  bei  den  Boiotem.  wenn 
Achilleus,  wenn  Philoktetes,  wenn,  wie  wir  eben  sahen,  auch  Nestors 
schiffe  nur  fünfzig  mann  enthalten,  so  musz  diese  zahl  als  die  nor- 
male betrachtet  werden;  und  das  um  so  mehr,  da,  wie  ich  schon 
sagte ,  der  Verfasser  von  T  7 ,  der  doch  der  zeit  des  schiffskatalogs 
noch  viel  näher  stand  als  Thukydides,  Nestors  schiffe  nur  zu  50 
mann  berechnete,  das  hätte  er  aber  nicht  gekonnt,  wenn  er  B  510 
schon  an  seiner  stelle  gefunden  hätte,  wo  Thukydides  den  vers  fand 
und  wo  wir  ihn  linden,  es  folgt  daher  für  mich  ganz  unzweifelhaft 
aus  der  berechnung  der  Pjlier  in  f  7,  dasz  B  510  und  somit 
auch  die  vorhergehenden  verse  von  494  an  erst  nach  der 
entstehung  von  f  7,  also  sagen  wir  kurz,  des  dritten  buchs  der 
Odyssee  in  die  Ilias  eingefügt  worden  sind. 

Diese  Vermutung  wird  noch  gewisser,  wenn  wir  finden  dasz 
auch  des  Odysseus  schiffe  zu  rund  50  mann  angesetzt  werden.  Odys- 
seus,  der  ursprünglich  12  schiffe  nach  Troja  gefELhrt  hatte  (B  637. 
i  159),  verlor  bekanntlich  bei  den  Laistrygonen  alle  bis  auf  ein  ein- 
ziges, in  diesem  befinden  sich  nach  k  208  noch  44  geehrten,  nun 
hat  Odysseus  gerade  mit  seinem  schiffe  (i  173)  das  Eyklopenaben- 
teuer  bestanden  und  dabei  6  geehrten  eingebttszt.  das  macht  also 
ebenfalls  50  mann,  rechnet  man  noch  Odysseus  und  Eurylochos 
hinzu,  so  erhält  man  k  208  dieselben  52  mann  wie  auf  dem  Phaiaken- 
schiffe  (8  35),  welches  den  Odysseus  heimfährt.^ 

2.  Wie  eine  zahl  in  6inem  falle  der  Wirklichkeit  entsprechen, 
in  dem  andern  aufs  geratewohl  genommen  sein  kann,  werde  ich  jetzt 
an  der  neun  zahl  ausführen. 

Wenn  die  pfeile  des  gottes  (A  53)  gerade  neun  tage  fliegen, 
9  herolde  die  Achaier  (B  96),  9  kampfrichter  die  Phaiaken  (9  258) 
ordnen,  Bellerophontes  9  ta^e  (Z  174)  bewirtet,  Phoinix  9  nachte 
bewacht  (I  474)  wird ,  wenn  die  götter  9  tage  an  der  schiffsmauer 
(M  25)  zerstören,  so  sind  das  natürlich  gerade  so  ^imaginäre'  zahlen, 
als  wenn  die  zahl  der  Musen  (uj  60)  oder  die  zahl  der  jähre  des 
troischen  krieges  (B  134.  295  uö.)  auf  neun  angegeben  wird. 

^  man  hüte  sich  hierher  noch  i  60  zu  ziehen,  denn  wenn  es  dort 
heiszt:  §H  b'  dq)*  iK&CTY\c  vy\öc  £uKVir)juii6€C  ^ralpoi  JjXgvO',  so  zeigt 
schon  das  ^ralpoi  deutlich  an,  dasz  das  schiff  des  Odysseus  ausge- 
schlossen ist.  wie  konnte  es  auch  anders  sein,  wo  er  selbst  (i  43) 
immer  von  dem  thörichten  beginnen  abgemahnt  bat? 


252     AGemoll:  zur  erklftnmg  und  kritik  der  HomGrischen  gedichie.  L 

Wenn  dagegen  Priamos  (Q  664)  9  tage  frhi  tOat  die  totenUage 
fordert,  die  himmlischen  selbst  9  tage  die  Niobiden  liegen  lassen 
und  am  zehnten  begraben  (Q  610) ,  Achilleus  die  laiche  Hektors 
9  tage  (vgl.  Q  107  mit  413)  um  des  PatroUos  grabmal  schleift,  so 
sehe  ich  darin  keine  imaginftre  zahl,  sondern  eine  spur  uralten 
brauchs  im  griechischen  volke.  wer  möchte  auch  dem  soholiasttfi 
zu  Q  664  beistimmen,  wenn  er  zu  der  Zeitangabe  bemerkt:  <piXo- 
TrevB^c  fäp  tö  ßdpßopov?  dasz  auch  in, historischer  zeit  die  schan- 
stellung  des  toten  Iftnger  als  bis  zum  dritten  tage  ausgedehnt  wurde, 
darüber  vgl.  EZFHermann  privataltertttmer'  s.  366.  ganx  mit  recht 
erklärt  da^ber  (Faesi-)Ea7ser  zu  u)  63  in  diesem  £Edle  die  nennzahl 
der  tage  für  ^e  gebräuchliche,  welche  auch  in  den  fvctrai  saarum 
novemdiäle  erscheine. 

Wenn  nun  an  der  letzl^fenannten  stelle  (ui  63)  Agamemnon  be- 
richtet, man  habe  den  Peleiden  17  tage  beklagt  und  ihn  am  acht- 
zehnten verbrannt,  so  ist  das  eine  offenbare  er&idung,  deren  Yeraa- 
lassung  auf  der  band  liegt,  der  dichter  will  mit  dieser  verdoppeliiiig 
der  klagefrist  andeuten,  wie  sehr  man  den  yerlust  des  gOttersohnes 
zu  würdigen  gewust  habe. 

Eine  ähnliche  Steigerung  von  9  zu  17  bietet  C  279.  der  gött- 
liche dulder  Odysseus  hat  vieles  erduldet  auf  dem  meere,  er  hat 
zweimal  9  tage  auf  dem  feuchten  dement  als  schiffbrüchiger  luge« 
bracht  (r\  253.  |i  447)';  aber  welch  eine  übermenschliche  kraft  der 
göttliche  Odysseus  besasz,  dessen  werden  wir  doch  erst  recht  imie, 
wenn  wir  ei^ahren  dass  er  17  tage  ohne  zu  schlafen  das  Steuer  seinaB 
floszes  lenkte,  so  weisz  der  diditer  durch  Steigerung  des  gewöhn- 
lichen maszes  in  uns  staunen  und  bewunderung  zu  erregen. 

Ganz  gleiche  bewandtnis  hat  es  mit  6  110  ffl  gewöhnlich  heiatt 
es  (H  161.  6  266)  dasz  sich  neun  fürsten  zum  kämpfe  melden,  bei 
dem  wunderbaren  volke  der  Phaiaken  dagegen  reicht  diese  zahl 
nicht  aus.  dort  melden  sich  17  Jünglinge  zu  kampfspielen  auf  die 
auff orderung  des  Alkinoos ,  und  Odysseus  ist  der  achtzehnte. 

Nicht  anders  steht  es  mit  TT  783.  dort  heiszt  es,  dasz  Patroklos 
dreimal  anstürmte  und  jedesmal  9  männer  tötete,  das  will  weiter 
nichts  besagen,  als  dasz  Patroklos  vor  seinem  tode  eine  wunder- 
gleiche tapferkeit  entwickelte,  eine  tapferkeit  die  dreimal  gröszer 
als  die  der  beiden  sonst  war.  man  vergleiche  TT  692.  dort  beginnt 
der  dichter:  £v6a  Tiva  irpiürrov,  Tiva  b*  öcrarov  iSevdpiSoc» 
TTaTpÖKXeic  usw.  und  führt  dann  9  namen  gefallener  auf.  ganz 
ebenso  geschieht  es  A  299  bei  Hektor.' 


*  anch  die  Seereise  k  27  dauert  9  toge;  femer  treibt  er  aneh  in  der 
erdichteten  erzftblung  E  314  9  tt^gt  auf  dem  meere  als  schiffbrüchiger 
umher.  '  welche  dimensionen  diese  cablenspielerei  in  den  Homeii- 

schen  gediehten  bat,  ersieht  man  ans  folgendem  beispiel:  der  psendo- 
Kastoride  führt  vor  dem  troischen  kriege  nennranbiüge  (E230)»  kämpft 
dann  nenn  jähre  vor  Troia  (240),  fährt  wieder  mit  nenn  schiffen  (248) 
aus  nnd  treibt  schliesslich  nenn  tage  (814)  anf  dem  meere. 


.-w 


CbZiegler:  zu  Theognis.  253 

3«  Hieran  schliesze  ich  noch  eine  stelle,  aus  welcher  hervorgebt, 
wie  fest  ursprünglich  vielleicht  willkürlich  gewählte  zahlen  im*geiste 
der  Sänger  hafteten,  auf  der  ziegeninsel  finden  Odysseus  und  die 
seinen  reiche  beute  (i  159):  vfiec  jii^v  jiioi  ^ttovto  buiJübCKa,  de  bk 
^KdcTTiv  ivvla  Xdtxctvov  altec  •  djuci  bk  biK '  d£eXov  oTip.  das  sind 
im  ganzen  118  ziegen.  gerade  so  viel  beträgt  tt  247  die  zahl  der 
freier  mit  ihren  dienern,  es  kann  nach  meiner  meinung  gar  keinem 
zweifei  unterliegen,  dasz  diese  Übereinstimmung  in  der  zahl  eine 
beabsichtigte  ist.  die  ziegenjagd  erscheint  durch  diese  zahlengleich- 
heit  als  eine  symbolische  Vorbedeutung  des  freiermordes.  dasz  diese 
beziehung  von  6inem  und  demselben  dichter  geschaffen  sei,  erscheint 
mir  deshalb  als  zweifelhaft,  weil  der  Verfasser  der  stelle  in  tt  sichtlich 
grosze  mühe  gehabt  hat  die  zahl  118  herauszubekommen,  die  sich 
dem  Verfasser  von  i  159  f.  ganz  von  selbst  ergab,  man  erwäge: 
in  1 159  hat  Odysseus  wie  B  637  zwölf  schiffe,  jedes  erhält  9  ziegen^ 
er  selbst  10.  in  tt  dagegen  stammen  aus  Dulichion  52  freier,  die 
merkwürdig  genug  gerade  6  diener  haben,  ein  vorzug  der  den  an- 
dern freiem  nicht  zu  teil  wird ;  aus  Same  sind  24  mann,  aus  Zakyn- 
thos  20  Jünglinge,  aus  Ithake  12  der  allerbesten;  und  bei  ihnen  sind 
Medon,  Phemios  und,  um  die  zahl  voll  zu  machen,  zwei  zerleger, 
ich  bin  daher  der  ansieht,  dasz  der  Verfasser  der  stelle  in  TT 
die  ziegenjagd  vorfand  und  auf  seine  weise  symbolisch 
deutete. 

WoHLAu.  Albert  Gemoll. 


41. 

ZU  THEOGNIS. 


Im  folgenden  gebe  ich  die  nachvergleichung,  die  ich  von  dem 
Vaticanus  63  (N)  angestellt  und  in  diesen  jahrb.  1882  s.  447  ver- 
sprochen habe,  der  codex,  einer  der  relativ  besten  der  dritten  classe, 
gehört  zu  denen  die  in  Paris  waren,  ist,  wie  Bekker  richtig  bemerkt, 
^scriptum  minuta  et  eleganti'  und  sehr  leicht  zu  vergleichen,  wie 
alle  Codices  hat  er  seine  fehler  in  accenten  (cräcic,  (pOvTa,  dbuüv, 
Keivoc  t'>  bfijLiov  T^),  in  spiritus  (dvbdvu),  dXixpöv,  äpjiieva,  fjjioc), 
in  der  elision  (Kupve  ^Eeic,  KXaiouciv  oöb').  constant  accentuiert 
wird  wie  im  Vat.  915  out^  K€V,  uicT^  c€,  ördv  toi,  oöt^  Tiva.  das 
V  dcpeXK.  steht  gleichfalls  wie  im  Vat.  915  in  der  regel  nur  vor 
vocalen  und  wo  es  position  bildet,  encliticae  sind  nicht  selten  jiiev 
und  be, 

V.  53  kolon  nach  dXXoi,  ebenso  56  nach  ttöXiv  124  rrdv- 
TU)V  —  TTdv*        139  ^e^Xijciv  —  ie^Xriciv        162  TifveTai  — 

Tiveiai        228  vöov  —  ßiov        236  dXiwcofi^vn ^vij        257 

KaXXn      269—70  Trdviq  —  Trdvxn      329  ?Xev  —  8  a  sec.      358 

*  wo  durch  —  geschieden  ist,  geht  Bekkers  collation  voran,    das 
eine  nnd  andere  hat  B.  vielleicht  absichtlich  übergangen. 


254  ChZiegler:  m  Theognis* 

dKÖOvai  —  ö  corr.  in  0  376  b*  €Ö  —  €Ö  379  cuHppooivy|V  — 
-VT)  396  iOeia  —  iOefa  443  unten  xaKOictv  —  Kaxoia  446 
keine  interpanotion  463  OÜTC  TOt  —  oOri  Ti  483  Spbuiv  — 
fpbu)v  (508  £p£ui.  955  £pbovn.  982.  991  ^pbuiv)  487  cö  Vk 
£X€  sine  intervallo  —  com  interrallo  post  tii  be  552  b^uiv  — 
br\l\x)V  572  unten  dircipTiTOi  604  rä  vOv  —  tovOv  609 
TifvcTai  —  T  Ä  sec  658  direi  der*  —  dirci  fcr*  687  fcrtv  — 
fcTi  689—90  8  Ti  —  8t€  711  flXueev  —  fiXäev  732  nach 
q)(Xov  kolon ,  ebenso  nach  iprfa  735  Ticat  —  xkat  749  foUt 
dvfip  760  dpOpd^cm  —  iS  corr.  in  di  809  k*  iti  —  k^  n  869 
fjv  b^  Tt  jLioi  TToO^v  894  die  bf|  KuqicXiZuiv  —  die  icui|i€XX{Zuiv 
899  nach  £pT|iaTa  kolon  901  dcnv  6  jilv  x^ipov,  6  b'  j^vöv 
T*  —  iciiy  8  ^lky  x«i  ^öb*  djüictvov  t*      ^18  odirtTuxdrv  —  Mm- 

935—36  ICOL  elicouctv  955  töv  T€  —  TÖv  t€  967  Trdv- 
Tuic  —  irdvTuiv  988  nach  XdßpuK  kolon  999  dvi&rct  — 
dvii&TOi  1087  dvbpd  TOt  ict*  1058  i^o\  fif^v  dfupl  TrepticrCoa 
—  iyio\  fif|V  lac.  djuupl  irepticnioct  1095  ^oi  T€  —  fjubite 
1096  nach  £pb€iv  kolon.  unten  ToOe'  1211  b^wcdlc  —  b' fwoZc 
a  sec.  142.  193.  657  wftre  die  genauere  fasBung:  in  maig.TP* 
6€oi  b'  ^Kdc  —  IbdrVy  sup.  eibdic  —  firouv  XuiroO  sup.  mbro  a 
sec.  in  meinen  add.  habe  ich  zu  in  nachzutragen:  131 — 142. 
213—218.  895—900.  945-948.  1081—1086.  1103—1106. 1199 
—1132.  1155—1160.  1183—1186. 

.  Die  falschen  litterarischen  angaben,  die  sich  noch  in  der  tertia 
der  Bergkschen  poetae  lyrici  im  Theognis  ÜEUiden,  sind  jetzt  zu  einmn 
guten  teil  berichtigt,  alle  nicht,  ungefthr  30  stellen  eaford^m  noch 
eine  berichtigung.  ich  erlaube  mir  dieselben  der  reihe  nach  hier  aa- 
zuführen,  damit  nicht  dinge,  die  man  bereits  bei  Yinetus  und  Came^ 
rarius  liest,  fortwfthrend  Tumebus  und  Neander  oder  gar  Brunek, 
Bekker,  Hermann,  Härtung  zugeschrieben  werden. 

V.  44  boicQ  Gam.        101  ija\beic  c'  ut  A  Gam.        119  i  sec. 
Bekkerum  dvcxCTÖc,  dvcxCTOC  primus  Cam.         127  iror'  iobpiw 
Cam.  in  textu,  in  notis  itot'  ic  i&piov  et  ttot'  ic  diviov  ut  Brunek 

219  \ir\bky  ut  A  Gam.  256  Bekker  in  I  dpifnro,  in  H  ipSxo 
304  ßdXijc  Crispinus  340  i^v  . .  idxot  Gam.  365  Bekker  vöov, 
non  vöip  537 — 38  oöb'  —  oibi  Cam.  553  iceXeiieou  Gam. 
589  KaKi&c  Cam.  608  ut  Härtung  interpunzit  iam  Cam.  628 
Härtung  fi^vg  cum  Tumebo  666  Gam.  Ti|yif)c  ut  A  667  oki 
TrdpoiGev,  quod  Stell  in  anthologiam  suam  reoepit,  proposuit  etiam 
HSchneidewin  703  dibeui  ut  A  Tumebus  716  Ta  Yinetus,  in 
textu  iam  Hertel  770  interpunzit  post  eibciii  iam  Gam.  796 
dXXoc  To(  C€  iam  OrellL  fiXXoc  xk  C€  Oun.  891  dvaXic€iT|C  Bekker 
in  I ,  dvaXxinc  in  n  1006  ^^vq  Cam.  1038  dv  i^ox  TVidfvg 
Cam.  1058  Cam.  in  textu  ^jiol  lac  dfuptirepiicnioct,  in  noiis 
Tijiriv.  Brunek  Kai  ^v  äfiipmcpticrioct ,  Bekker  xal  ^  dfiqp-av 

1093  TwdiCKUiv  ut  0  Gam.      1129—32  primus  diremit  Bekker 

1136  OSXujiirövb*  Cam.        1157—58  primus  huc  inaeraiidos 


GBeidtmann :  das  thronfolgerecht  der  spartan«  kronprinzensölme.     255 

censuit  Yinetus,  quem  secutus  est  Cam.  1194  Yiverai,  1226  tivou 
iam  Cam.  1287  Bekker  in  11  96UT0VTä  ^€,  in  I  in  notis:  «fortasse 
nep»  1323  KuTipoTCV^c  Bekker  in  I,  KuTipOT^vn  in  11  1327 
Orelli  coni.  olim  c'  aivujv,  postea  id  improbans  c'  aiToiv  1333 
— 34  coniunxerat  cum  praegressis  iam  Welcker  1350  ££€|LidvT]V 
Orelli  postea  reiecit ,  Baiteri  emendationem  ££6(pdvT]V  praeferens. 
Stuttgart.  Christoph  Ziegler. 


42. 

DAS  THRONFOLGERECHT 
DER  SPARTANISCHEN  KRONPRINZENSÖHNE. 

zu  HBRODOTOS  VII  3. 


Nach  der  gewöhnlichen  ansieht  gieng  in  Sparta  das  königtum 
durch  erbf olge  nicht  unbedingt  auf  den  erstgeborenen ,  sondern  auf 
deiyenigen  söhn  über,  der  zuerst  während  der  regierung  des 
Vaters  geboren  war  (Schömann  gr.  alt.  I'  s.  233).  wäre  diese  an- 
sieht richtig,  so  müste  man  sich  wundern  dasz  ein  verständiges  volk 
ein  so  unverständiges  gesetz  haben  und  Jahrhunderte  lang  festhalten 
konnte :  denn  eine  solche  einrichtung  hätte  nicht  selten  zu  Unsicher- 
heit in  der  thronfolge,  zu  Zerwürfnissen  in  den  königlichen  familien 
und  zu  bürgerzwisten  führen  müssen,  es  kann  aber  nicht  schwer 
halten  nachzuweisen ,  dasz  eine  solche  bevorzugung  jüngerer ,  viel- 
leicht minorenner  söhne  vor  älteren,  vielleicht  majorennen  derselben 
eitern  in  Sparta  niemals  bestanden  hat.  Schömann  beruft  sich  allein 
auf  Herodotos  VH  3,  und  auch  andere  gelehrte  haben  kein  zweites 
citat  beizubringen  vermocht;  HStein  bemerkt  zu  jener  stelle  aus- 
drücklich ^von  dem  spartanischen  brauche  ist  sonst  nichts  bekannt.' 
es  kommt  also  alles  darauf  an  ob  die  in  rede  stehenden  worte  Hero- 
dots  {inei  fe  kqI  ^v  Cirdpii]  i(pr]  6  AiifidpriTOC  uTroxiG^iiievoc  oötu) 
vo^iCecGai,  f\v  o\  jnfev  irpoTeTOVÖTec  fuici  irpiv  f[  töv  naiepcf  C9^u)v 
ßaciXeOcai,  6  bi.  ßaciXeuovn  öh/itovoc  ^7TiT^VT]Tai ,  toO  diriTevo- 
jLi^vou  Tf)v  ^KbeEiv  ific  ßaciXniiic  livecOai)  als  echt  angesehen  wer- 
den dürfen,  und  diese  frage  ist  unbedenklich  zu  verneinen. 

Der  Zusammenhang  ist  folgender,  könig  Dareios,  Hystaspes 
söhn,  will  einen  feldzug  gegen  Aegjpten  unternehmen  und  musz 
deshalb  für  die  zeit  seiner  abwesenheit  einen  regenten  ernennen, 
das  nächste  anrecht  auf  die  regentschaft  hat  derjenige  prinz,  der 
dem  throne  am  nächsten  steht,  der  kronprinz;  mithin  entscheidet 
die  emennung  zum  regenten  zugleich  über  die  thronfolge.  dasz  die 
kröne  wie  unter  Kjros  so  auch  jetzt  erblich  sei  nach  dem  rechte  der 
männlichen  erstgeburt,  galt  als  selbstverständliche  Voraussetzung; 
dennoch  aber  war  unter  den  söhnen  des  Dareios  streit  über  die  nach- 
folge,   der  könig  lebte  in  zweiter  ehe;  in  der  ersten,  mit  einer  toch- 


256    GHeidtmann:  das  thronfolgeiecht  der  spartan. 

ter  des  Gobryas,  hatte  er  vor  seiner  thronbesteigimg  drei  sOhne  ge* 
zeugt,  Yon  weldien  Artabaianes  der  filteste  war;  aus  der  EweitaB, 
mit  Atossa,  der  tochter  des  Eyros,  die  er  nach  seiner  thronbesteigimg 
geheiratet,  stammten  vier  söhne,  Yon  denen  Xerxes  der  lüteste  war« 
Artabazanes  und  Xerxes  stritten  um  die  regentsohaft  und  nachfolge. 
ersterer  stützte  sich  auf  das ,  wie  er  sagte,  überall  anerkannte  vedit 
der  erstgeburt,  Xerxes  beanspruchte  ein  Vorrecht  als  söhn  der  Atossa 
und  enkel  des  Eyros.  für  Xerxes  war  seine  mutter,  und  da  sie  den 
könig  beherschte  (elxe  TÖ  irfiv  Kpdroc),  war  auch  Il^ios  nicht  ab- 
geneigt ihr  zu  willen  zu  sein;  aber  er  zögerte  mit  der  entsoheidung^ 
offenbar  weil  ihm  ein  dem  Yolke  einleuchtenderreehts- 
grund  für  die  boYorzugung  des  Xerxes  fehlte,  in  dieser 
Verlegenheit  erschien  Demaratos,  und  was  bisher  eine  intrigue  ge* 
wesen  war,  erhob  er  zu  einer  rechtsfirage«  seine  deduction  hatte, 
wenn  wir  die  bei  Herodotos  fehlenden  mittelglieder  ergänzen,  ohne 
zweifei  folgenden  inhalt:  in  einer  erbmonardiie  geht  die  fiOdgkeit 
und  ev.  das  recht  den  thron  zu  besteigen  ipsa  procreatione  vom  vater* 
auf  den  söhn  über  als  ausflusz  seiner  sonverftnen  person;  wer  aber 
weder  einen  thron  inne  hat  noch  ein  recht  auf  denselben  bentrt, 
kann  solches  auch  nicht  procreando  vererben,  soll  also  Artabaiaiiea 
kronprinz  sein,  so  gehört  dazu  eine  eigne  staatsrechtliche  stipnlatioA: 
denn  durch  seine  geburt  hat  er  nur  die  qualitftt  die  sein  vater  da- 
mals hatte,  dh.  die  eines  ibu(rrr|C  Xerxes  dagegen  ist  geboren  ab 
söhn  eines  königs  und  eo  ipso  thronffthig,  dazu  als  fitester  andi 
thronberechtigt,  g^fen  diese  deduction  liesz  sich  nach  meiner  an- 
sieht nichts  stichhaltiges  einwenden,  und  Dareios  war  ganz  im  reebtei 
wenn  er  sie  acceptierte  und  Xerxes  zum  steUvertreter  und  naehfölger 
ernannte,  die  bemfiing  auf  Sparta  war  hier  ganz  überflüssig,  imd 
sie  hätte  überdies  zwei  ganz  verschiedene  dinge  vermischt,  nemtieh 
das  angeborene  recht  der  prinzen  in  einer  erbmonarchie  und  die  be- 
föhigung  der  söhne  eines  ibi((mic 

Die  entscheidung  des  Dareios,  des  Stifters  einer  neuen  dynastie, 
muste  ohne  zweifei  für  sein  haus  staatsrechtliche  geltung  haben, 
und  hätte  er  die  angeblich  spartanische  erbfolgeordnung  als  riditig 
anerkannt,  so  hätte  auch  in  Persien  später  danach  verfahren  werden 
müssen,   das  geschah  aber  keineswegs. 

Achtzig  jähre  später  bewarben  sich  zwei  söhne  des  königs 
Dareios  Notiios  um  die  nachfolge,  Artaxerxee  Mnemon  und  Eyros; 
die  mutter  beider,  Parysatis,  war  für  Eyros  und  glaubte  üsk  auf 
Demaratos  berufen  zu  können,  weil  der  ältere,  Artaxerxee,  ein  kum^ 
prinzenkind,  Eyros  ein  königskind  sei  ^lut.  Artax.  2).  Darsiot 
Nothos  entschied  aber  für  Axtaxerxes  und  mit  vollem  rechte:  denn 
dieser  war  nicht  als  söhn  eines  ibubrric,  sondern  als  der  eines  legi* 
timen  kronprinzen  geboren  und  hatte  deshalb  ein  angeborenes  (ge* 
nauer  ein  angezeugtes)  erbrecht. 

WsesL.  OusTAY  HiiDTiiAnr. 


JBQoebel:  zu  Piatons  apologie  des  Sokratet.  257 

43. 

ZU  PLATONS  APOLOGIE  DES  SOKRATES. 

(fortsetzung  von  Jahrgang  1882  s.  747—750.) 


35*»  laOra  t&Pi  t5  fivbpec  'AGrivaToi,  oöt€  ufiäc  XP^  iroiciv 
Touc  boKoOvTac  Kttl  ÖTioöv  eTvai,  oöt',  öv  fiineic  1rolüü^€v,  u^äc 
^TTiTp^Treiv  usw.  die  richtige  auffassung^des  f&p  an  dieser  stelle 
hängt  mit  der  entscheidung  darüber,  ob  man  mit  Cron  und  Hermann 
die  urkundliche  lesart  oöt€  U)Liäc  beibehalten  oder  mit  Bekker, 
Stallbaum;  Ludwig,  Wohlrab,  Schanz  ua.  in  oijT€  fljLiäc  ändern 
solle,  meines  erachtens  aufs  engste  zusammen,  wer  f&Q  oder ,  si  dis 
placet,  t'  äp'  hier  als  'wenigstens  nun'  erklärt  (so  FWMUnscher  in 
Jahrb.  1865  s.  477)  oder  gar  mit  *also'  übersetzt  (Schleiermaoher), 
der  wird  begreiflicher  weise  auf  oike  ^jiäc  geführt,  aber  ist  denn 
jene  deutung  des  fcip  richtig?  ich  glaube  es  nicht  und  stimme  auch 
nicht  mit  der  auffassung  von  Cron  (jahrb.  1866  s.  125)  überein, 
sondern  finde  in  dem  satze  mit  f&p  (»»  'nemlich')  den  grund  oder 
richtiger  die  erklärung  fQr  den  voraufj^ehenden  gedanken  et 
4jLioi  bOKoOciv  alcxuvT]v  Tr|  rröXei  TrepidtTiTeiv ,  üjct'  fiv  xiva  usw. 
Sokrates  findet  es  natürlich  und  begreiflich,  dasz  fremde,  wenn  sie 
in  Athen  sogar  männer  von  ansehen  (boKOÖVTdc  Ti  eTvai)  sich  so 
kläglich  gebärden  sehen,  geringschätzig  über  den  staat  urteilen, 
statt  nun  begründend  fortzufahren:  Menn  so  etwas  ist  ja  auch 
in  der  that  höchst  schmählich  und  schimpflich,  sowohl  für  die  welche 
die  scenen  aufführen,  als  für  die  welche  sie  dulden',  sagt  Sokrates 
erklärend:  'derlei  (laÖTtt  =  TOiauTa)  dürft  ihr  nemlich  weder 
thun,  die  ihr  irgendwie  in  ansehen  steht  (toOc  bOKoOvTac  Kai 
6tioCv  etvai),  noch  dürft  ihres  dulden,  sondern  vielmehr  den,  der 
durch  solche  jammerscenen  den  staat  lächerlich  macht,  weit  eher 
verurteilen  als  den  der  sich  ruhig  verhält.'  es  ist  also  kein  gi*und 
die  besser  beglaubigte  lesart  out6  Ujuac  zu  verlassen,  die  haupt- 
antithese  ruht,  während  das  erste  upäc  tonlos  ist,  auf  den  beiden 
Verben  TTOieiv  und  dTTirp^iTCiv,  und  dazu  kommt  eine  zweite,  secun- 
däre  der  pronomina  i\yie\c  —  Ujiiäc  im  zweiten  gliede.  auch  hätte 
doch  wohl,  wenn  von  vorn  herein  der  hauptgegensatz  auf  f))iäc 
und  UjLiäc  liegen  sollte,  Piaton  (wie  35^)  geschrieben  oöO'  Ujuäc, 
Sv  fmeic  TTOiuj|Li€V,  ^TTiTp^Treiv,  anstatt  GOT ',  Sv  f|M€ic  tt.,  u^i&c 
^TTiTp^neiv.  endlich  ist  nicht  zu  übersehen ;  dasz  die  anrede  db  äv- 
bpec  'AOr)vaToi  keineswegs  lediglich  auf  die  richter  geht  (vgl.  28  ^ 
32  ^  uaw.) ,  wenn  auch  im  zweiten  satzgliede  vorzugsweise  auf  die 
heliasteneigenschaft  bezug  genommen  wird. 

So«  TÖ  jLifev  |Lif|  dTavttKTeiv,  ui  fivbpec  'AGrivaioi,  ^m  toutiji 
tCl)  TCTOVÖTi  usw.  man  vermiszt  ungern  (umgekehrt  wie  38*^.  54  <* 
(prjcouci  TÖiP  ö^  [M€]  cocpdv  ctvai)  das  subject  zu  dem  inf.  dtctvaK- 
T€Tv,  während  anderseits  das  dem  fi^v  entsprechende  l>4.  fehlt,  denn 
das  36^  folgende  TijiäTai  b'  ouv  fioi  6  dvf|p  OavdTOu  wird  doch 

Jahrbacher  f&r  das«,  philol.  1883  hft.  4.  17 


258  EGoebel:  zu  Piatons  apologie  des  Sokrates. 

wohl  dem  voraufgehenden  MeXiiTöv  jiifev  oöv  .  .  diroTrecpeuta  cor- 
respondieren.  sollte  also  vielleicht  ixe  ftlr  jii^v  zu  setzen  sein?  den 
umgekehrten  fall  nimt  Hermann  39^  an:  oiö|i€VOi  ^^v  diraXXd^e- 
c6ai  (wo  freilich  andere  das  in  den  besten  hss.  überlieferte  |Li€  ganz 
tilgen  oder  mit  Winckelmann  vor  oiö)Li€VOi  setzen). 

36*  QU  T^p  ipM^v  fTW)T€  oÖTU)  irap*  öXiTOV  ?cec9ai,  dXXd 
TTapd  TTcXu.  über  den  sinn  dieser  stelle  kann  kein  zweifei  ob- 
walten ,  wohl  aber  über  die  construction  und  den  sprachlichen  aas- 
druck, während  Cron  mit  Viger  s.  646  meint:  ^das  subj.  zu  £c€- 
c8ai  ist  aus  TÖv  T^TOVÖra  dpiOjiiöv  zu  entnehmen',  nimt  Ludwig 
mit  recht  tö  t^tovöc  toOto  als  subject  an.  eine  befriedigende  er- 
klärung  des  ausdrucks  napd  ttoXu  kann  man  es  aber  sicher  nicht 
nennen,  wenn  Viger  ao.  sagt:  ^irapd  ircXu  ^cnv  idem  est  qnöd 
müUum  ahes^  und  übersetzt:  'nee  enim  sane  putaveram  tantn- 
lum,  sed  longe  plurimum  discriminis  futurum'  (nempe  in 
sententiarum  numero).  auch  Ludwig  erklärt  den  sprachlichen  aas- 
druck nicht,  das  ziemlich  häufige  irap"  öXitov  oder  Trapd  fiixpöv 
helszt  eigentlich  'an  wenigem  vorbei,  hart  vorbei'  dh.  knapp,  wenig 
fehlt,  kaum  und  beinahe,  zb.  Tiap'  öXiYOV  bi^q)€UTOV  Thuk.  VII 71, 
Tiap'  öXiYOV  dTT^9irr6C  dXeOpov  Eur.  Iph.  T.  871.  so  also  auch 
hier:  dasz  es,  TÖ  t^TOVÖC  toOto  dh.  meine  Verurteilung,  (nur)  so 
knapp,  mit  genauer  not,  erfolgen  werde.'  als  gegensatz  dazu 
steht  nun  hier  irapd  ncXu,  dh.,  da  von  dem  Stimmenverhältnis  die 
rede  ist,  'mit  überwiegender  majorität'.  bei  Demosth.  24 ^  138  da- 
gegen, worauf  Cron  verweist,  heiszt  Tiap'  öXiTCtc  i|irJ90uc  einfach 
'gegen  wenige  stimmen'  dh.  'fast  einstimmig',  nicht  aber  'mit 
einer  mehrheit  von  wenigen  stimmen',  eine  andere  Vorstellung, 
nemlich  die  der  vergleichenden  nebeneinanderstellung,  liegt  der 
adverbialen  redewendung  nap'  oub^v  <»  'soviel  wie  nichts'  (zb. 
Aisch.  Ag.  229.  Eum.  213.  846.  Soph.  OT.  983.  El.  1327.  Ant.  36. 
466)  zu  gründe:  irap'  ouWv  icix  juci,  Tiap*  oubfev  KrjbojLiai  toO 
ßiou  usw. 

36'*  dyuj  bt  bf|  rivoc  öjiiTv  dvTmjLir^cofiai;  mit  rücksicht  auf 
den  ethischen  dativ  ujiiv ,  der  fast  einem  eingeschobenen  ßouXecOe 
gleichkommt,  sowie  auf  die  wenn  auch  nur  scheinbare  unentschlossen- 
heit  des  Sokrates  empfiehlt  sich  auch  hier  der  conjunctiv  der  zwei- 
felnden frage,  welcher  37*^  in  der  besten  hs.  steht,  jedenfalls 
scheint  es  richtiger,  wenn  einmal  beide  stellen  in  Übereinstimmung 
gebracht  werden  sollen,  an  unserer  stelle  den  conj.  (mit  Hirschig 
und  Cobet)  als  an  der  andern  das  futurum  (mit  Stallbaum)  zu  ver- 
langen, übrigens  zeigen  beispiele  wie  Eur.  Ion  788  €iTru)fi€V  f[ 
QVi^)xe\  fj  Ti  bpd  c  0  )Li  €V ;  zur  genüge  die  nahe  Verwandtschaft  beider 
ausdrucksweisen. 

37«  QU  Tdp  IcTX  jLioi  xp^MOTtt,  ÖTTÖGev  ^KTicu).    das  wort 
XprmoiTa  hat  Hirschig  als  ein  glossem  bezeichnet    und  da  in  dem 
nebensatze  notwendig  yj^iwiaia  ('eine  hohe  geldstrafe')  zu  er-' 
ganzen  ist;  so  ist  allerdings  das  XP^M^^^a  im  hauptsatze  nicht  nur 


EGoebel:  za  Platons  apologie  des  Sokrates.  259 

überflüssig,  sondern  geradezu  störend  und  anstöszig.  diesem  anstosz 
läszt  sich  aber  auf  leichteste  weise  dadurch  abhelfen,  dasz  man  das 
wort  als  object  in  den  nebensatz  zieht,  ganz  anderer  art  ist  die 
stelle  38»  el  ji^v  fäp  fjv  jioi  xP^M^tTO,  dTi|iTicd|iTiv  övxpTi|i6- 
T  uj  V  öca  f  jicXXov  dKT(c€lV. 

37  ^  ^.  auch  wenige  zeilen  darauf  scheint  mir  eine  Snderung  der 
interpunction  erforderlich  und  nur  dann  alles  in  schönster  Ordnung, 
wenn  man  annimt  dasz  ÖTi  hier  wie  anderswo  (zb.  notwendig  50^) 
nur  die  directe  rede  einführt,  die  stelle  würde  dann  lauten  ujct€ 
jifl  bövacGai  XoTiZecOai  öxr  «öjicTc  jifev  övt€C  TroXTiai  jliou  oux 
oloi  xe  dx^vecOe  dvcTKcTv  xdc  dfidc  biaxpißdc  xai  xouc  Xötouc  . ., 
dXXoi  b^  dpa  aöxdc  olcouci  ^(jibiujc;»  gerade  so  steht  das  iro- 
nisch folgernde  dpa  in  der  frage  auch  47^  und  50%  und  an 
letzterer  stelle  findet  sich  auch  die  nemliche  parataxis  anstatt  der 
hypotazis.  ob  das  neben  xdc  d^dc  biaxpißdc  grammatisch  so  ganz 
und  gar  in  den  hintergrund  tretende  Kai  xouc  Xöyouc  wirklich 
ein  epexegetischer  zusatz  des  redenden  ist  oder  vielleicht  aus  einer 
randerklärung  des  wertes  biaxpißrj,  welches  hier  (anders  als  41») 
in  dem  sinne  von  'Unterhaltung,  gespräch'  verstanden  werden  musz, 
in  den  text  geraten  sei,  liesze  sich  zweifeln,  und  es  nimt  wunder, 
dasz  nicht  Hirschig  oder  Cobet  bereits  den  zusatz  in  die  acht  erklärt 
haben. 

38»  xaOxa  b*  in  fjxxov  ircCcccO^  jioi  X^tovxi.  xd  bfe  ixei  jifev 
oöxuüc,  übe  i'xyi)  qprilii,  ä  dvbpcc,  nciOeiv  bfe  ou  ^db lov  (^dbia 
Wohlrab).  ob  hier  xd  hk  adverbialisch  zu  nehmen  ist  («=  at  vero)^ 
wie  xö  hi  23  ».  37  \  39  <=  uaw.,  oder  als  subject  (=  xaOxa  bi)  zu  ?X€i» 
kann  allerdings  zweifelhaft  erscheinen,  aber  auch  im  letztem  falle 
ist  es  nicht  nötig  mit  Wohlrab  das  im  Bodleianus  altera  manu  (an- 
tiqua)  überlieferte  ^<^bia,  wie  freilich  auch  im  cod.  r  (so  nach  Wohl- 
rab, nach  Schanz  aber  vielmehr  im  Yenetus  184  «=»  Bekkers  S) 
geschrieben  steht,  aufzunehmen,  zumal  der  sinn  weniger  für  die 
persönliche  construction  des  adj.  spricht  als  für  die  neutrale  Wen- 
dung oä  ^dbiöv  icTi  7T€i9€iv  öjidc  sc.  aäxdofixuüC^X^^V.  (anders 
liegt  die  sache  in  der  stelle  zu  anfang  des  c.  28  xouxi  bl^  icTi  ndv- 
xiüv  xctX€Tru)xaxov  ireTcai  xivac  tJjLiuiv.)  aber  auch  abgesehen  hier- 
von steht  ja  nichts  im  wege  xd  b(,  einmal  als  nominitfy  und  sodann 
als  accusativ  aufzufassen  wie  40»  S  T€  bf|  oliiOeiri  öv  xic  xal  vo- 

40«  el  oöv  xoioOxov  6  Odvaxöc  dcxi,  K^pboc  fTW)T€  X^fw  Kai 
Tdp  oöbfev  TiXciujv  6  näc  xpövoc  9aivexai  oöxu)  bi\  elvai  f\  jnia 
vu^.  wenn  Fischer  aus  Eusebios  TrXeiov  aufnahm ,  was  auch  der 
gute  cod.  Yindob.  O  bewahrt,  so  hätte  Stallbaum  dem  gegenüber 
nicht  sagen  sollen :  'sed  rectius  rrXeiuJV  retinetur,  ut  significet  longior.^ 
Ficinus  übersetzt,  wie  offenbar  der  gedanke  an  unserer  stelle  ver- 
langt ^nihil  plus  (i.  e.  TrXeTov)  quam  una  nox'.  auch  Cicero  hat  die 
stelle  richtig  verstanden,  wenn  er  sie  also  wiedergibt:  ^perpetuUas 
consequentis  temporis  (6  rräc  xpövoc  sc.  6  jucxd  xöv  Odvaxov)  similis 

17* 


260  EGoebel:  zu  Platons  apologie  des  Sokrates. 

futura  est  uni  nocti.'  oöbfev  ttXciov  ist  ein  durch  6  nac  xpövoc 
nur  wenig  modificiertes  ouö^v  fiXXo.  es  kommt  für  die  beweis- 
führung  ja  lediglich  auf  die  beschaffen  he  it  der  |i(a  vuE,  den 
tiefen,  traumlosen  schlaf,  nicht  aber  auf  die  länge  derselben  an. 
auch  die  lesart  TrXcfuj  der  hss.  PDSF  war  mehr  geeignet  bedenken 
zu  erregen  als  für  die  vulgata  verwertet  zu  werden. 

41^''.  abweichend  von  den  bisherigen  hgg.  möchte  ich  diese 
stelle  in  folgender  weise  interpungieren :  Ifüj  ixkv  t&Q  TToXXdKic 
^6Au)  TeOvdvai,  ei  tqöt*  ictxv  dXriÖfj  •  iirei  ipioi-xe  xal  aÖTcJi  8au- 
fiacTf)  Sv  ein  i\  biaipißf]  aiiiöOr  öttötc  dviiixoiMi  TTaXctfiribci  Kai 
ATavTi  Tifj  TeXafiuJvoc  Kai  el  Tic  fiXXoc  tujv  TraXaiijjv  öid  Kpiciv 
dbiKov  T€0vTiK€v,  dvTiTTapaßdXXovTi  rd  d|uiauToO  irdOii  irpöc 
Td  dKcivujv,  übe  if^h  oTjLiat,  ovik  dv  driö^c  elr).  Bekker,  Stallbaum, 
Cron,  Wohlrab  haben  ein  kolon  vor  dvTiirapaßdXXovTi,  während 
Ludwig  mit  Hermann  und  den  Zürchern  weder  vor  diesem  werte 
noch  vor  ÖTiÖTe  ein  kolon  setzt,  sondern  mit  Matthiä  gr.  gr.  §  636  ^n 
ÖTTÖTe  dvTiJXOijLii  sowohl  einen  voraufgehenden  als  auch  einen  nach- 
folgenden hauptsatz  annimt.  Madvig  und  Schanz  endlieh  setzen 
das  kolon  erst  vor  übe  i^ih  oIjLiai.  vor  inei  (worauf  jedoch  weniger 
ankommt)  wird  von  allen  auszer  Bekker  nicht  ein  komma,  sondern 
mit  recht  ein  kolon  gesetzt,  weil  ja  der  vorige  satz  schon  in  sich  ab- 
geschlossen ist  und  der  grund  mehr  als  ein  selbständiger  gedanke  hin- 
gestellt wird,  setzt  man  mit  Madvig  und  Schanz  das  kolon  erst  yor 
(bc  ifuj,  so  hinkt  der  participialsatz  dvTmapaßdXXovTi  unerträglich 
nach ;  wenn  aber  vor  diesem  part.  die  stärkere  interpunotion  ein- 
treten soll,  so  scheint,  wie  Wohlrab  richtig  gefühlt  hat,  dribfjC  €lt) 
(sc.  jLioi  i\  biaTpißrj)  nötig ,  während  doch  die  autorität  der-hss.  ent- 
schieden für  dr^ö^c  spricht,  wird  aber,  wie  oben  geschehen,  das 
kolon  vor  öttötc  gesetzt,  so  ist  logisch  wie  grammatisch  alles  klar. 
das  asyndeton  kann  bei  dem  exegetischen  satze  nicht  auffallen,  und 
wenn  ÖTTÖTe  dvTTJXOtjii  als  Vordersatz  vorangeht,  so  erscheint  einer- 
seits die  ergänzung  des  |uioi  bei  dem  part.  dvTiirapaßdXXoYTi  leichter 
und  anderseits  die  lesart  drib^c  eXr\  ganz  am  platze,  auch  setzt 
d V T i TTapaßdXXetv  die  gegenseitige  mittcilung  voraus  und 
schlieszt  sich  auch  darum  besser  an  Ö7TÖT6  dvTUXOijLii  an.  das  wort 
biaTpißrj  abmr.  obwohl  es  den  begrifif  conversatio  involviert,  ist  doch 
zunächst  in  oer  ersten  bedeutung  commoraiio  zu  nehmen  (anders 
als  37^).  ich  übersetze:  ^denn  für  mich  zumal  würde  der  aufentbalt 
daselbst  wunderbar  schön  sein :  wenn  ich  da  mit  Palamedes  und  mit 
Aias,  Telamons  söhn,  und  wer  sonst  in  alter  zeit  durch  ungerechtes 
gcricht  den  tod  gefunden,  zusammenträfe  und  was  mir  widerfahren 
ist ,  mit  ihrem  scbicksal  vergliche ,  so  müste  das ,  wie  ich  glaube, 
höchst  interessant  (äuszerst  angenehm)  sein.' 

Fulda.  Eduard  Goebel. 


OHarnecker :  anz.  y.  CJacobys  anth.  aus  den  elegikem  der  Römer.  I.  II.  26 1 

44. 

ANTHOLOGIE  AUS  DEN  ELEOIKERN  DER  RÖMER.  FÜR  DEN  SCHUL- 
GEBRAUCH  ERKLÄRT  VON  DR.  CarlJaCOBY,  OBERLEHRER  AH 
K.    GYMN.   ZU    DANZIG.      ERSTES    BÄNDCHEN:     OYID    UND   CATULL. 

ZWEITES  bändchen:  tibull  und  properz.    Leipzig,  druck  und 
Verlag  von  B.  G.  Teubner.    1882.    VllI  u.  132.  IV  u.  122  s.  gr.  8. 

Wieder  eine  neue  antbologie  ans  den  römischen  elegikem.  sie 
sei  wiUkommen ,  wie  jeder  Yersuch  die  blttte  der  römischen  poesie 
für  die  schule  nutzbar  und  genieszbar  zu  machen,  der  letzte  der- 
artige versuch,  das  vielfacher  Verbesserung  fähige  und  benötigte  buch 
von  EPScbulze,  ist  ausführlich  besprochen  worden  von  HMagnus  in 
den  Jahresberichten  des  philol.  Vereins  zn  Berlin  1881  (VII)  s.  354 
— 362  und  vom  unterz.  in-  der  zs.  f.  d.  gw.  1881  s.  600 — 615.  vf. 
des  vorliegenden  buches  war  also  in  der  glücklichen  läge  mancherlei 
winke  benutzen  und  fehler  vermeiden  zu  können,  es  ist  anzuerkennen 
dasz  er  dies  mit  fleisz  zu  thun  bemüht  war;  wir  werden  zu  unter- 
suchen haben,  ob  er  in  der  that  für  die  schule  das  beste,  das  für  sie 
bekanntlich  gerade  gut  genug  ist,  geboten  hat.  wir  können  dies  im 
allgemeinen  für  das  zweite  bändchen  bejahen;  nicht  in  gleichem 
masze  ist  das  erste  gelungen. 

Zunächst  fällt  recht  unangenehm  auf ,  dasz  vf.  es  nirgends  für 
nötig  hält  über  seinen  tezt  in  fragen  der  hohem  wie  niedern  kritik 
rechenschaft  abzulegen,  wir  müssen  auch  an  dieser  stelle  die  forde- 
mng  wiederholen,  allerlei  fragen,  über  die  der  lehrer  orientiert  sein 
musz,  in  einem  kritischen  anhange  zu  besprechen,  mag  man  solchen 
anhang  von  Schülerexemplaren  fern  halten  und  besondere  exemplare 
mit  anhang  herausgeben  —  nötig  bleibt  er  ganz  gewis.  die  prak- 
tische brauchbarkeit  des  buches  würde  es  femer  ungemein  erhöhen, 
wenn  vf.  in  den  Überschriften  der  selten  statt  der  bloszen  namefi 
Ovidius  Propertins  auch  die  nummer  seiner  samlung  und  die  vulgär- 
zfihlung  zum  abdruck  gebracht  hätte ;  so  wie  es  ist ,  erschwert  das 
buch  ein  rasches  aufschlagen  und  zurechtfinden  ganz  auszerordentlich. 

Das  erste  heft  bietet  uns  stücke  aus  Ovidius  und  Catullus.  es 
gibt  von  Ov!  20  nummern;  fast  alle  finden  sich  bereits  in  Sey£ferts 
^lesestücken' ;  selbständig  bietet  vf.  amor.  III  15.  ea;  P.  IV  5;  von 
andern  stücken  gibt  vf.  hie  und  da  einige  verse  mehr,  auch  weniger 
als  Seyffert,  so  zb.  trist.  III  10, 1—40;  «c  P.  EI  2  gibt  vf.  ganz,  S. 
nur  V.  45 — 96.  aus  Catullus  bietet  uns  vf.  23  nnmmem;  selbständig 
gegen  Schulze  c.  68.  70.  11.  51.  62. 

Die  einleitungen  dieses  ersten  bändchens  erheben  sich  nir- 
gends zu  einer  wirklichen  herausarbeitung  der  litterarischen  persön- 
lichkeit, sie  lesen  sich  hie  und  da  geradezu  ungeschickt ;  es  ist  an- 
zuerkennen, dasz  sich  eigentliche  Unrichtigkeiten  nicht  finden,  wir 
heben  einiges  heraus,  das  am  übelsten  auffällt,  s.  3 :  Mer  charakter 
seiner  (des  Eallinos)  elegien  ist  ein  politischer  und  kriegerischer, 
wie  auch  der  seiner  Zeitgenossen'  usw.   was  heiszt  das?   und 


262  OHarnecker :  anz.  y .  CJacobys  anth.  aus  den  elegikern  der  Römer.  I.  II. 

meint  vf.  damit  den  Archilochos  oder  den  Tjrtaios,  der  gleich  nach 
dem  Semikolon  folgendermaszen  eingeführt  wird :  ^wie  er  seine  lands- 
leute  zum  kämpfe  gegen  Magnesia,  so  feuerte  Tyrtaios  die  Spartaner 
zum  kämpfe  gegen  die  Messenier  an'  ?  oder  soll  mit  obigen  worten 
der  kriegerische  stürm  der  zeit  angedeutet  sein  ?  der  kämpf  gegen 
Magnesia  ist  übrigens  ein  alter  irrtum,  der  endlich  nach  den  neueren 
forscbungen  (Geiger,  Cttsar,  Deuticke)  beseitigt  sein  sollte ;  Eallinos 
zielt  auf  die  Kimmerier.  —  s.  5  muste  in  einem  schulbuche  durchaus 
eine  erklärung  des  wertes  und  begriffes  Ama  beigefügt  sein.  — 
ebd.:  'Gallus,  der  frühe  in  politische  und  kriegerische  Stellungen 
kam'.  —  s.  8:  ^sie  (die  Amores)  knüpfen  sich  an  den  namen  der 
Eorinna,  erhalten'  (wohl  nur  druckfehler)  . .  ^einzelne  scenen  sind 
mit  witz  und  mutwillen,  weniger  mit  gemüt  und  wahrem 
gefühl  gezeichnet,  hierauf  folgte  ein  lehrgedicht' usw.  usw. 
Auch  die  einleitung  zu  Catullus  müste  gttnzlich  umgearbeitet 
werden,  wenn  ein  klares  bild  jenes  eigenartigen  menschen  und  dich- 
ters  gegeben  werden  sollte ,  jenes  dichters  den  nicht  minder  talent 
und  begabung  als  ein  emsiger  fleisz  auszeichneten,  auf  alles 
kann  hier  nicht  eingegangen  werden;  es  sei  nur  der  schreckliche 
ßatz  verzeichnet  s.  78:  'Calvus  huldigte  in  der  beredsamkeit  der 
neuen  attischen  schule ,  die  durch  den  einflusz  der  gelehrten  alezan* 
drinischen  poesie  und  grammatik  hervorgerufen  auch  auf  dem 
oratorischen  gebiete  vorzugsweise  an  dem  verstandesmftszigen,  über- 
all mit  bewuster  reflexion  wohl  künstlich,  aber  völlig  schmucklos 
zubereiteten,  an  einem  wohl  glatten,  aber  dabei  gedrängten  aas- 
druck gefallen  hatte.'  ein  falsches  bild  gibt  der  satz  s.  81 :  *in  diese 
zeit  wird  auch  die  aussöhnung  mit  Caesar  fallen ,  den  er  durch  seine 
beiszenden  epigramme,  mit  denen  er  seine  anhftnger  wie 
Vatinius  und  Mamurra  verfolgte,  erzürnt  hatte.'  ich  denke, 
dem  Caesar  selber  hat  Cat.  doch  auch  einigermaszen  mitgespielt, 
dasz  vf.  über  das  Verhältnis  Catulls  zu  Cicero  noch  Vorstellungen 
hat,  die  auf  einer  kritiklosen  aufnähme  Schulzescher  ausführungen 
beruhen,  zu  denen  sich  dann  freilich  recht  eigentümlich  und  unver- 
mittelt ein  satz  aus  meiner  darstellung  der  Sachlage  gesellt  (s.  81 : 
Won  beziehungen  gleichviel  welcher  art  zwischen  Cicero  und  Catoll 
wissen  wir  nichts')  —  das  alles  ist  ihm  nicht  sehr  zu  verübeln,  da 
er  von  meinen  neueren  arbeiten  darüber  noch  keine  kenntnis  besasz. 
in  seinen  anmerkungen  zu  c.  49  schwankt  er  hin  und  her;  die  stelle 
für  den  omnium patronus  Cic.  q>,  VI  7,  4  muste  er  auslassen,  da  er 
meine  bemerkungen  darüber  in  der  recension  der  Schulzeschen  ele- 
giker  ao.  s.  607  f.  sicher  kannte,  für  die  Stellung  Ciceros  zu  Cat. 
und  die  m.  e.  richtige  auffassung  des  c  49*  verweise  ich  nur  auf 

^  über  die  schlaszworte  des  c.  49  ianto  pessimus  omnium  poeia^  quamio 
tu  optimus  omnium  patronus  will  ich  anch  hier  nochmals  bemerkeD,  dasx 
Cat.  mit  ihnen  der  römischen  valgftryorstellang  vom  werte  der  dich- 
terischen geg^enUber  der  anwaltlichen  bzw.  staatsmännischen  th&tigkeit 
eine  art  concession  macht:  vgl.  progr.  1882  8.  7.   es  ist  dem  Cat.  nicht 


OHarnecker :  anz.  y .  C  Jacobys  anth.  aus  den  elegikem  der  Römer.  I.  II.  263 

mein  programm  1882  'qua  necessitudine  coniunctns  fuerit  cum 
Cicerone  Catullus'  und  den  aufsatz  im  Philologus  XLI  s.  465 — 81 
und  begnüge  mich  hier  hinsichtlich  der  berühmten  cantores  Eupho- 
rionis  {Tusa  III  §  45)  nochmals  zu  betonen;  was  man  aus  Meinekes 
^analecta  Alexandnna'  s.  25  seit  40  jähren  wissen  konnte  und  seit 
Haupt  opusc.  in  206  wissen  muste,  dasz  Cicero  an  jener  stelle  ganz 
vorzugsweise,  wenn  nicht  einzig  den  Cornelius  Grallus  im  äuge  hatte.  — 
Dasz  man  über  M.  Caelius  Bufus  nichts  vom  vf.  hört,  mag  mit  dem 
umstände  entschuldigt  werden,  dasz  keins  der  an  ihn  gerichteten 
gedichte  aufgenommen  ist.  wir  meinen  allerdings  zum  schaden 
des  dichters  und  der  schule,  ein  schmerzensschrei  wie  c.  77  und  73 
(das  doch  wohl  auch  auf  Bufus  zielt,  vgl.  meine  ausführungen  progr. 
1881  s.  13)  mag  wohl  dem  schüler  auf  den  lebensweg  mitgegeben 
werden. 

Bücksichtlich  der  erklärung  hatte  vf.  für  Ovidius  die  vor- 
trefflichsten vorarbeiten,  den  commentar  HPeters  zu  den  Fasten 
wesentlich  für  die  schule  umzuarbeiten  dürfte  nicht  ohne  gefahr 
sein;  neben  ihm  lagen  auch  für  die  übrigen  Ovidischen  stücke 
Seyfferts  noten  vor,  dessen  pädagogischer  takt ebenfalls  nicht  leicht 
übertroffen  werden  dürfte,  wir  finden  denn  nun  auch ,  dasz  sich  vf. 
an  diese  Vorgänger  sehr  genau  anschlieszt.  es  gibt  eben  dinge,  die 
sich  nicht  leicht  einfacher  und  zweckmäsziger  werden  fassen  lassen, 
und  da  ist  es  denn  wahrlich  besser,  das  wesentliche  einfach  von  den 
Vorgängern  zu  übernehmen  als  sich  der  gefahr  des  verwässerns  aus- 
zusetzen, nur,  scheint  uns ,  dient  der  autor  seinem  eignen  interesse 
weit  mehr,  wenn  er  darüber  irgendwo  auch  dem  schüler  ein  wort  sagt. 

Vf.  selbst  legt  s.  VI  auf  seine  Studien  für  CatuUus  gewicht; 
es  wird  daher  angemessen  sein,  auf  diesen  teil  seiner  leistung  etwas 
einzugehen,  wir  verzeichnen  zunächst  die  ab  weichungen  seines  textes 
von  Haupt- Vahlens  ausgäbe,  nr.  IV  (31)  13  gaudete  vos  quoque  hoc 
diCy  V.  vosque  o  Lihuae  V  (9)  4  anumqtte^  V.  senemque  VI 
(50)  2  tuis  statt  meiSy  eigne  conj.  oder  woher?  ebd.  v.  3  u.  4 
stellt  vf.  um,  gibt  aber  in  der  anm.  keine  erklärung  VHI  (65)  8 
läszt  er  die  bruderverse  aus ,  statt  v.  9  eine  lücke  IX  (101)  8 
tristi  munere,  V.  tristis  munera  X  (68)  28  quisquis,  V.  quivis 
39  päiti  praesto  est^  V.  päenti  factast  60  gibt  vf.  Haupts  con- 
jectur  sensim^  Vahlen  densi  nach  den  hss.  66  AlUuSy  V.  Manius 
68  dominaey  V.  dominam  85  scirant^  V.  seibat  102  Graia^ 
V.  Graeca  118  ^e  tmum  comUem,  eigne  conj.  über  die  vf.  in  diesen 
Jahrb.  berichtet  hat        141  Atquei^  V.  at  qma        142  tremtUi  toüCj 

ernst  mit  dem  pessimus  poeta  and  opHnau  patronus;  er  scherzt  auch  nicht 
blosz  leichthin,  sondern  entsprechend  der  vorstellnng  des  durch  und 
dnrch  so  zu  sagen  jniristificierten  Römers  schraubt  er  das  oratorisch- 
patronale  piedestal  zu  angemessener  höhe,  das  des  'simplen  poeten' 
läszt  er  sinken,  damit  gibt  Cat.  nun  nicht  etwa  seine  eigne  yorstellang, 
sondern  man  merkt  ihm  noch  sehr  wohl  an,  dasz  der  schalk  ihm  im 
nacken  sitzt,  vgl.  Philol.  XLI  8.477.  mehr  kann  freilich' über  das  ge- 
dieht durchaus  nicht  behauptet  werden. 


264  OHarnecker :  anz,  y .  CJacobys  anth.  auB  den  elegikem  der  Römer.  I.  IL 

Y.  iremulist  üla  145  muta^  V.  rara  147  notat^  V.  nokt  (Haupt 
früher  notat)  offenbar  wegen  des  bezeichnenderen  sinnes  15f>  ipsi^ 
Y.  ipsa  158  mi  omnia  nota  bona^  Y.  ohne  mi  und  bona  157  gibt 
er  Hejses  Änser  XI  (2)  8  {credo)  et  tum  gravis  acquiescet  ardor^ 
Y.  credo  uti . .  adqmescat  XV  (87  +  75)  2  est^  Y.es  3  in  foedere 
tanta,  Y.  ohne  in  XYII  (76)  11  offirmas  atque  istmc  teque^  Y. 
affirmas  itaque  isti/nc  teqiie  IS  in  morte^  Y.  ohne  in  23  me  ut^ 
y.utme  XX  (44)  19  gravidinem,  Y. gravedinem  XXII  (62)  14 
laborentj  Y.  laharant  hinter  31  lücke  35  Eous^  Y.  eosdem 
nach  41  lücke  XXIII  (64)  61  cÄew,  Y.  euhoe  68  sä,  Y.  sie 
100  Quam  ttim,  Y.  qucmto  104  stio^ndt/,  Y.  stuxepü  108  rodi- 
C27t(^,  Y.  radia&ti«  109  lateque  et  eominus^  Y.  {a^  ^ua  est  impeius 
122  ^u^  ti^  eam  moUi^  Y.  venerU  aut  ut  eam  139  ^  und  blanda^ 
Y.  at  und  «o&is  143  lam^  Y.  «tiwc  179  poti^t,  Y.  pontum 
196  mtscra,  Y.  miserae  217  stellt  vf.  vor  216  249  quae 
tum  prospeäansy  Y.  quae  tarnen  adspectans.  sehr  viele  dieser  ab- 
weichungen  gehen  auf  den  Oxoniensis  zurück,  dessen  einflusz  auf 
die  Catullkritik  sicher  nützlich,  doch  aber  oft  überschätzt  ist,  da  di^ 
besten  seiner  lesarten  meist  längst  eruiert  waren ,  zum  teil  freilich 
aus  conjectur:  vgl.  bes.  Sydow  de  recensendis  CatuUi  carminibns 
s.  50  f.  hie  und  da  beruht  des  vf.  text  auch  freilich  auf  willkdr  *— 
rechenschaft  ist  gewis  das  mindeste,  was  verlangt  werden  mosz. 

Zur  erklärung:  nr.  I  (1)  9  o  pairona  virgo  wird  stets  eine  cmx 
interpretum  bleiben ;  der  gedankengang  scheint  mir  auf  Bergks  oder 
Hands  Vermutungen  hinzuweisen;  eine  eigne',  bisher  unterdrückte 
conjectur  mag  noch  platz  finden:  qtuüecunque;  tua  patrone  voce. 
freilich  ist  die  möglichkeit  der  erklärung  «»  Muse ,  oder  wie  vf.  «Ba 
Minerva  zuzugeben ;  was  Munro  dagegen  einwendet,  Cat.  tadle  eigent- 
lich ja  die  Muse,  sein  büchlein  mit  nugae  bezeichnend,  ist  nicht 
stichhaltig,  der  rec.  von  Munros  'criticisms'  im  philolog.  anz.  1881 
s.  366  f.  hält  an  der  vulgata  fest  und  meint,  nach  römischem  dichter- 
brauch habe  Cat.  dreierlei  zu  thun:  die  gedichte  einem  gOnner  zu 
widmen,  kurz  den  inhalt  anzugeben,  dann  die  Muse  um  beistand 
anzurufen,  gewis  kann  er  das  thun,  aber  der  nachweis,  die  römi- 
schen dichter  hätten  es  gethan  oder  ^zu  thun',  steht  noch  aus.  und 
wie  ruft  denn  Cat.  hier  die  Muse  um  beistand  an?  wo  sagt  er: 
'durch  deinehilfe,  o  Muse,  möge  mein  buch  dauern'  ?  — 11  (76)  7 
praetrepidans  'zitternd  vor  Ungeduld'.  &epidare  bedeutet  *un- 
ruhig  hin  und  her  laufen';  hier  einfach  <»  unrnhvoll,  was  jeder 
an  sich  wird  erfahren  haben,  der  auf  einige  zeit  dem  gewohnten  heim 
den  rücken  kehren  und  auf  reisen  gehen  will.  —  zu  III  (4)  muste 
vf.  auf  die  parallele  Ov.  trist.  1  10  deutlicher  hinweisen  als  v.  5  ge- 
schieht, vf.  ist  der  allgemein  geteilten  ansieht,  dasz  Cat.  mit  diesem 
anathematikon  das  ganze  schiff  geweiht  und  im  tempel  der  Dioskoren 
aufgestellt  habe,  aber  man  denke  sich  den  tempel  mit  diesem  doch 
nicht  so  ganz  unbedeutenden  boote  geschmückt,  noch  dazu  nach  der 
langen  reise  in  eeiner  ganzen  Seetüchtigkeit  oder  •untüchtigkeiti 


OHaroecker :  anz.  y.  CJacobys  anth.  aus  den  elegikem  der  Römer.  I.  IL  265 

mir  scheint  nnzweifelhaft; :  war  das  gedieht  in  einem  tempel  zu  lesen, 
80  war  gewis  nicht  das  ganze,  geteerte  nnd  geflickte  schiff,  anch 
nicht  das  blosze  Vorderteil,  sondern  etwa  ein  zierliches  m  od  eil  ge* 
weiht,  anders  liegt  es,  wenn  wir  an  einen  tempelbezirk  denken, 
aber  es  zwingt  nns  eben  ganz  und  gar  nichts  an  einen  tempel  zu 
denken,  im  gegenteil  —  wie  stimmt  zu  einem  doch  stets  mehrfach 
besuchten  tempel  das  nunc  recondita  send  quiäe  in  v.  25  f., 
dh.  genieszt  jetzt  der  wohlverdienten  ruhe  im  verborgenen? 
dann  weist  das  hospiies  in  v.  1  doch  zunächst  auf  freunde  hin, 
nicht  auf  besucher  eines  tempels,  von  dem  noch  dazu  nirgends  die 
rede  ist,  der  wahre  Sachverhalt  wird  der  sein :  Cat.  hatte  in  seinem 
Sirmianum  an  einem  passenden  platze  am  see  das  boot  unter  einem 
schütze  aufgestellt,  daneben  einen  altar  oder  eine  capelle  für  die 
Dioskuren  mit  c.  4  als  weihinschrift.  so  erst  wird  alles  recht  ver- 
ständlich ;  kospUes  sind  freunde  des  dichters ;  besucher  des  dichter- 
haims.  wie  passend,  ja  wie  nur  so  recht  verständlich  der  vers  hunc 
ad  f4sque  Umpidum  lacwin  «»  'bis  zu  dem  klaren  see  den  ihr  hier 
seht*!  —  V.  6  volare  vgl.  11  (46)  6.  —  v.  20  vocaret  konnte  Lach- 
mann zu  Lucr.  ni  628  nicht  verstehen  und  setzte  vagaret\  Yahlen 
ind.  lect.  aest.  1882  s.  6—8  stützt  vocaret.  —  IV  (31)  Mer  sinn  ist 
also :  von  allen  halbinseln  und  inseln  bist  du  Sirmio  amschönstenl' 
nein,  sondern  ^mir  die  liebste,  mein  augapfel'.  11  pro  laborihm 
taniis  ^findet  seine  erklärung  durch  c.  10  und  28;  Cat.  sah  die  hof  f- 
nung  sich  zu  bereichern  durch  die  Sparsamkeit  des  prätors  ver- 
eitelt.' aber  hoc  est^  guod  unum  est  pro  laboribus  tantis  heiszt:  'das 
ist  doch  etwas  wahrhaft  wertvolles  gegenüber  soviel  mühsal.' 
Cicero  würde  vielleicht  gesagt  haben  hoc  est  tarnen  aliquid,  im 
übrigen  habe  ich  die  absieht  des  dichters  ^sioh  zu  bereichem'  nie 
anders  als  im  übermütigen  scherze  geäuszert  auffassen  können,  das 
c.  10  sprudelt  von  Übermut,  ebenso  28.  sieh  in  eine  cohors  praetoria 
au&ehmen  lassen  war  wohl  damals  für  junge  leute  von  stände  eine 
art  billig  eine  anständige  bildungsreise  zu  machen,  nun  war  dem 
Cat.  des  Memmius  benehmen  gegen  seine  cohors  nicht  nobel  genug, 
vielleicht  die  tagegelder  zu  knapp,  und  er  muste  zu  viel  aus  eigner 
tasche  brauchen,  dergleichen  ward  dann  in  dichterkreisen  so  ver- 
arbeitet, wie  wir  es  finden  (28,  8).  näheres  wissen  wir  nicht;  mag 
in  anderen  fällen  wirkliche  'gewinnsucht'  vorgelegen  haben,  Cat. 
hat  gewis  seine  besondem  absiebten  gehabt,  gerade  Bithynien  auf- 
zusuchen :  das  beweist  sein  besuch  am  grabe  des  bruders  deutlich 
genug,  selbst  aber  gesetzt  den  fall,  Cat.  habe  sich  in  Asien  wirklich 
bereichem  wollen  —  in  d ies  e  m  gedieht  denkt  er  sicher  nicht  daran, 
d^  dichters  seele  ist  matt  und  müde,  ruhe  ersehnt  sein  gemüt.  'wie 
ists  doch  so  erquicklich  und  süsz ,  am  eignen  herd ,  im  eignen ,  oft 
ersehnten  bette  zu  mhen  nach  all  der  mühsal.'  Ellis'  anm.  trifft 
den  gedanken  weit  besser:  'this  is  the  one  compensation  for  all  that 
loid  of  toü.'  —  VI  (50)  17  dolorem  «  sehnsu«ht.  —  VII  (30)  'über 
Alfenus  wissen  wir  nichts.'  ich  halte  den  Vams  in  c.  10  und  22  für 


266  OHamecker :  anz.  y .  CJacobys  anth.  aas  den  elegikern  der  Römer.  I.  ü. 

identisch  mit  diesem  Alfenus  Yarus,  nicht  für  Quintilios  Yarus. 
nehmen  wir,  was  ja  möglich  ist,  den  Quintilius  als  Catulls  freund, 
so  fehlt  unter  den  gedichten  Catulls  eins,  das  ihn  mit  dem  gentil- 
namen  Quintilius  anredet;  gegen  Alfenus  Yarus  spricht  absolut 
nichts,  f  ü  r  Quintilius  durchaus  nicht,  dasz  er  ein  freund  des  Horatius 
war.  inhaltlich  betrachtet  gebietet  nichts  die  drei  gedichte  zu  tren* 
nen  —  warum  also  zwei  verschiedene  personen  annehmen?  Eiessling 
über  Helvius  Cinna  in  der  festschrift  für  Mommsen  hält  ihn  auch 
für  Alfenus  Yarus  und  einen  för derer  der  liebe  Catulls  zu  Lesbia.  — 
von  YIII  (65)  weisz  vf.  genau,  dasz  es  *im  j.  60  verfaszt  sein  musz' ; 
er  folgt  Jungclaussen,  Schwabe,  Westphal.  diese  form  der  behaup- 
tung  aber  verlangt ,  da  in  der  einleitung  nicht  davon  die  rede  ist, 
eine  anführang  der  gründe,  ist  nun  aber  c.  65  im  j.  60  gedichtet, 
so  ist  es  c.  68  auch,  denn  65  ist  der  bruder  (v.  5)  kürzlich  ge- 
storben, 68  ist  er  der  frischen  und  lebhaften  ü'auer  wegen  noch 
nicht  lange  tot.  aber  bei  68  behauptet  vf.  durchaus  nicht  dass  es 
im  j.  60  gedichtet  sei.  deutet  nun  der  passus  zu  68,  41  *in  der  fabel 
von  Protesilaos  und  Laudamia  ist  eine  beziehung  zu  Cat.  und  Lesbia 
zu  sehen'  (vgl.  zu  XYI  [70] :  'das  gedieht  ist  nach  dem  tode  des 
Q.  Metellus  Celer  verfaszt,  als  Lesbia  witwe  war')  darauf  hin,  dass 
vf.  meine  Vermutung  annimt  (progr.  1881  s.  13),  c  68  sei  nach  dem 
tode  des  Metellus  gedichtet:  so  fällt  die  zahl  60  auch  für  c.  65. 
sicher  ist  jedenfalls,  dasz  65  (und  66)  vor  68  geschrieben  sind,  das 
erklärt  mancherlei,  worauf  noch  nicht  geachtet  ist«  zunächst  ist 
die  enge  Zusammengehörigkeit  der  gedichte  wie  der  zeit,  so  auch 
dem  Stile,  der  Schreibweise  nach  erwiesen,  es  ist  also  a  priori  nichts 
dagegen  zu  sagen,  wenn  in  c.  65  und  68  sich  das  motiv  von  des 
brudcrs  tod  öfter  wiederholt  ja  es  erklärt  ohne  Schwierigkeit, 
wenn  geradezu  gedanken  und  Wendungen  sich  wiederholen,  wie  ja 
in  der  that  65,  15  sed  tarnen  in  tantis  maeraribus  miäo  carmina  zu 
68,  13  f.  32.  37  deutlich  genug  reden,  also  ist  es  gar  nicht  so  selt- 
sam, wenn  dieselben  bruderverse  im  c.  68  sich  wiederholen  und  in  65 
sich  finden,  nun  kündet  auszerdem  in  65  der  dichter  direct  an  (12) 
semper  maesta  tua  carmina  morte  canam  {tegam  ist  trotz  des  Oxon. 
einfach  unsinn);  es  müssen  also  in  65  geradezu  bruderverse  stehen 
oder  es  musz  doch  so  vom  bruder  gehandelt  sein,  dasz  man  deutlich 
sieht,  der  dichter  reiszt  sich  von  einem  eben  behandelten  motiv  los, 
da  er  ja  eben^doch  verspricht  es  wieder  vorzunehmen,  ohne  Lach- 
manns einschiebung  ist  diese  ganz  ausdrückliche  Versicherung  'immer 
werde  ich  dich  im  herzen  tragen  und  im  lie de  besingen'  so  un- 
vermittelt, dasz  sie  fast  unerträglich  wird,  handschriftlich  ist  nun 
allermindestens  das  erwiesen,  dasz  hinter  y.  8  nicht  alles  in  Ordnung 
ist;  etwas  fehlt  sicher,  auch  anderwärts  erwächst  uns  gewinn  für 
68  aus  der  betrachtung  von  65.  wir  haben  nemlich  ganz  deutlich 
vor  äugen,  warum  c.  68  der  dichter  die  bitte  des  Allius  um  gelehrte 
gedichte  gar  nicht  abschlagen  kann,  denn  wenn  er,  wie  absolut 
sicher  ist,  kurz  vorher  c.  65  und  66  dichtete  oder  doch  an  Hortensius 


OHamecker :  anz.  y .  CJacobys  anth.  aas  den  elegikern  der  Römer.  I.  II.   267 

sandte  —  und  dies  doch  wohl  wahrscheinlich  auch  von  Verona  aus  — 
dann  kann  er  des  Allius  bitte  nicht  rundweg  abschlagen,  wie  er  wohl 
anfangs  wollte :  denn  der  hinweis  auf  das  dem  Hortensius  gesandte 
würde  ihn  bloszstellen.  mag  er  nun  c.  66  vielleicht  bereits  in  frü- 
herer zeit  begonnen ,  jetzt  erst  endgültig  durchgefeilt  haben  und  so 
im  stände  gewesen  sein  dem  Hortensius  gerecht  zu  werden  —  darauf 
weist  hin  dasz  c.  66  eine  Übersetzung  aus  Eallimachos  ist  und  für 
68  ihm  nur  eine  ganz  geringe  bibliothek  zur  Verfügung  steht  — 
sicher  ist  dasz  zu  der  zeit  des  dichters  poetischer  flug  etwas  gelähmt 
ist;  der  stil  von  65  deutet  das  genugsam  an,  die  ^imitatio  Alexan- 
drina' oder  die  neuheit  der  dichtungsform  (Gruppe  röm.  elegie  s.  349) 
erklärt  doch  wohl  noch  nicht  alles,  auch  in  c.  68  musz  er  sich  gleich- 
sam erst  in  flusz  dichteii.  manche  härte  im  stil,  manches  springende 
im  gedankengang  erscheint  hiemach  so  naturgemäsz  wie  nur  möglich. 

Für  die  erklärung  von  nr.  X  (68)  ist  man  dem  vf.  dank  schul- 
dig, er  gibt  den  gedankengang  dieses  äuszerst  schwierigen  gedichtes 
im  engsten,  öfter  wörtlichen  anschlusz  an  Haupts  darstellung  und 
meine  abh.  über  dies  gedieht  im  progr.  1881.*  ref.  würde  über 
diese  benutzung  kein  wort  verlieren,  wenn  nicht  vf.  s.  VI  ausdrück- 
lich erklärte  schwierige  stellen  ^auch  dem  lehrer'  erklären  zu  wollen, 
alle  eventuellen  interpreten  des  c.  68  zu  überzeugen  ist  ref.  nicht 
zuversichtlich  genqg,  daher  musz  doch  der  lehrer  erfahren ,  wo  er 
nachprüfen  kann,  so  etwas  kann  und  mag  im  anhange  mitgeteilt 
werden. 

Zu  nr.  XI  (2)  7  ist  meine  Vermutung  (progr.  1879)  es  noch 
nirgends  zurückgewiesen  worden,  ich  halte  passer  in  v.  1  für  den 
vocativ ;  es  ist  doch  ein  ganz  anderes  bild ,  wenn  sich  der  dichter 
gleichsam  direct  an  den  passer  wendet,  als  wenn  man  nach  Scholl 
und  dem  vf.  mit  est  eine  einfache  prosaische  behauptung  passßr  est 
söladolum  zu  tage  fördert.  —  XII  (3)  Veneres  Cupidinesque,  der  plural 
Veneres  ist  ofifenbar  nur  aus  dem  princip  der  angleichung  zu  erklären ; 
wer  wird  in  solchem  liedchen  gleich  an  die  culte  von  Oolgoi,  Idalion 
oder  dgl.  denken?  zu  5  ocülis  vgl.  nr.  IV  2  oceUe.  —  XIU  (8),  meint 
vf.,  sei  nur  äuszerlich  ein  abschied  von  der  geliebten ,  innerlich  ein 
versuch  sie  wieder  zu  gewinnen,  ganz  und  gar  nicht,  es  ist  der 
unmittelbare  ausdruck  einer  die  seele  beherschenden  Stimmung;  das 

'  bei  dieser  Gelegenheit  mag  noch  ein  wort  an  die  adresse  meines 
recensenten  in  der  Bremer  ^philologischen  rundschau'  gerichtet  sein, 
wenn  er  meint,  meine  erklärung  der  munera  Musarum  und  Veneria  sei 
^im  allgemeinen  zwar  richtig,  aber  nicht  gerade  neu%  so  beweist  er 
einmal  dasz  er  meine  arbeit  nicht  genügend  gelesen  hat,  und  dann  dasz 
er  zum  urteilen  eben  nicht  competent  war.  ich  spreche  s.  8  ausdrück- 
lich von  der  'alten  erklärung,  an  der  man  festhalten  müsse',  neu  ist 
in  meiner  erklärung  etwas  ganz  anderes:  nemlich  ich  zeige,  wie  der 
dichter  die  beiden  begriffe  trennen  und  doch  wieder  unter  einem  höhern 
begriff  gleichsam  einigen,  wie  er  also  die  ausdrücke  so  gebrauchen 
konnte,  dasz  das  wieder  ein  neuer  beweis  ist  für  die  ganz  eigne  art, 
mit  der  der  rec.  die  ars  nesciendi  handhabt  —  was  ich  leider  schon 
viel  früher  habe  nachweisen  müssen  —  dafür  kann  ich  nicht. 


268   OHarnecker :  anz.  y.  CJacobys  anth.  ans  den  elegikem  der  Römer.  I.  IL 

gedieht  atmet  die  schmerzlichste  resignation.  'es  ist  vorbei,  o  wie 
wars  doch  so  schön  I '  fülsere  quondam  einst,  ja  einst  —  jetzt  nicht 
mehr.  —  XV  (87  u.  76).  wo  in  aller  weit  steht  nur  etwas  davon 
da,  dasz  'ihre  untreue  ihn  zwingt  sie  zu  verlassen'  ?  ähnlich  orakelte 
Schulze ,  mein  Widerspruch  scheint  dem  vf.  nicht  gewichtig  genug 
gewesen  zu  sein,  'nie  war  ein  bund  so  treu,  wie  ich  den  unsem  hielt, 
jetzt  ist  mein  sinn  zerrissen  (nicht  «  zwiespältiger »  Stimmung) ;  sein 
eignes  thun  hat  ihn  zerrüttet;  er  kann  dir  nimmer  wohlwollen, 
würdest  du  ein  engel ,  und  doch  auch  nicht  ablassen  dich  zu  lieben, 
bist  du  auch  ein  scheusal.'  —  zu  XVI  (70)  4  in  vento  et  rapida  scri- 
here  oportet  aqua  vgl.  Goethe  (weissagung  des  Bakis):  'aber  der 
reiszende  ström  nimt  auch  die  lieder  hinweg.*  —  XVII  (76)  zu  der 
anm.  über  quisquam  in  positiven  Sätzen  war  rücksicht  zu  nehmen 
auf  CFWMüller  zu  Seyfferts  Laelius  §  9.  —  XVIII  (11)  der  zweck 
der  anm.  zu  v.  1  ist  unfaszbar.  —  v.  21  respedet  gewis  nicht  ss 
'rücksicht  nehmen',  vielmehr  'sich  berufen  auP  —  meine  auffassung 
des  ganzen  gedichtes  in  pbilol.  rundschau  1882  sp.  299.  —  XTX 
(51)  8  ff.  vgl.  Theokritos  2,  106  ff.  die  ansieht  'öl*»,  die  schlusz- 
Strophe,  hat,  wie  man  leicht  sieht,  mit  dem  vorhergehenden  gedieht 
nichts  zu  schaffen'  ist  doch  sehr  anfechtbar.  —  v.  2  si  fas  est  «b 
'wenn  es  möglieh  ist',  gewis  nicht;  es  steht  in  stillschweigendem 
gegensatz  zu  si  nefas  esty  also :  wenn  es  erlaubt,  «renn  es  nicht  frevel 
ist.  der  Römer  ist  eben  pedantischer,  religiöser  als  die  Griechen; 
Cicero  Tttsc,  V  13,  38,  Ovidius  ex  P.  IV  8,  65  reden  doch  zu  deut- 
lich, zu  V.  10  vgl.  Ov.  am.  IE  14,  38.  —  zu  XX  (44)  'wahr- 
scheinlich  ist  der  Sestius  Ciceros  elient'.  sicher;  das 'wahrschein- 
lich' erinnert  an  dfa  ewige  'it  seems'  bei  Ellis.  —  zu  XXIII  (64) 
243  gibt  vf.  richtig  infecti  vdi;  ref.  würde  dies  nicht  erwähnen, 
wenn  nicht  KPSchulze  mit  seltener  hartnäckigkeit  trotz  Magnus' 
notiz  im  letzten  Jahresberichte  s.  355  (wo  v.  225  statt  265  zu  lesen 
ist)  an  dem  hsl.  inflati  festhielte.  Schulze  meint  in  diesen  jahrb. 
1882  s.  208:  *nur  wenn  die  segel  aufgehiszt  und  vom  winde  ge- 
sehwellt waren,  konnte  man  deren  färbe  erkennen.'  ich  meine,  wenn 
kein  wind  ist,  zieht  man  die  segel  nicht  auf  und  sieht  sie  auch  nicht, 
wenn  aber  wind  ist,  musz  dann  ein  dichter  auch  erst  fein  säuberlich 
versichern,  dasz  er  die  segel  bläht  und  dasz  sie  der  bange  vater  sieht? 
'dasz  die  segel  aber  infecta  dh.  schwarz  gefärbt  waren,  ergibt  sich 
aus  dem  Zusammenhang  von  selbst.'  nun  was  lesen  wir?  241  ff.: 
'sobald  der  vater  bange  ausschau  haltend  dos  segeis  gebauschtes 
1  innen  erblickt,  stürzt  er  sich  vom  starren  felsen  ins  meer,  wähnend, 
sein  Theseus  sei  tot.'  also  verlangt  Schulze  vom  leser,  dasz  er  daran 
denkt,  wie  ja  Theseus  die  trauersegel,  mit  denen  er  von  Athen  ab- 
fuhr, noch  nicht  mit  andern  vertauscht  habe,  das  ist  aber  viel  za 
viel  verlangt,  hüte  man  sich  doch  ja  die  logik  bei  der  dichterischen 
behandlung  der  alten  sagenstoffe  mehr  zu  incommodieren  als  un- 
bedingt nötig  ist.  denn  ist  unser  nachdenken  erst  einmal  so  weit 
geweckt,  fragen  wir  uns  natürlich,  warum  Theseus  denn  überhaupt 


OHamecker :  anz.  y .  CJacoby b  anth.  aus  den  elegikem  der  Römer.  I.  IL   269 

mit  dem  ändern  der  segel  angesichts  der  heimischen  küste  beginnen 
sollte ,  wie  ihm  der  vater  v.  233  aufgegeben  hatte,  warum  soll  er 
nicht  gleich  nach  vollbrachter  that  von  Kreta  so  absegeln?  mitten 
auf  der  fahrt  die  segel  herablassen  und  andere  aufhissen  ist  zu  Zeiten 
gefährlich  oder  auch  unmöglich,  solch  einen  unter  allen  umständen 
unpraktischen  rat  gibt  der  alte  erfahrene  Aigeus  ?  solche  logik  gibt 
es  doch  eben  für  die  sagenbildung  nicht,  und  auch  für  die  poesie 
gilt  nur  eine  ganz  eigne  art  von  logik,  nemlich  die  der  unmittel- 
baren intuition  und  empfindung.  wer  die  nicht  hat,  thut  am 
besten  etwas  anderes  zu  erklären  als  gerade  dichter. 

Das  zweite  heft,  Tibullus  und  Propertius  enthaltend,  bietet 
ein  vorteilhafteres  bild.    meist  zeigt  sich  verständige  Auswahl  und 
Selbständigkeit  in  der  erklärung,  so  dasz  dies  buch  einen  wesent- ^ 
liehen  fortschritt  gegen  Schulze  bezeichnet. 

Die  au 8 wähl  des  Stoffes  bietet  wenig  selbständiges,  nur  Tib. 
IV  6  nr.  IX  suchen  wir  bei  Schulze  vergebens,  alles  andere  bietet 
auch  er,  nur  in  anderer  gruppierung.  dagegen  finden  sich  bei  Schulze 
3  nummern  aus  Tib.  und  20  nummem  aus  Prop.  mehr,  auch  die 
Einleitungen  sind  in  spräche  und  inhalt  weit  freier  und  reifer  ge- 
halten ,  sei  es  dasz  dem  vf.  seine  Studien  hier  mehr  aus  dem  vollen 
zu  schöpfen  erlaubten,  sei  es  dasz  er  sich  so  zu  sagen  mehr  ein- 
geschrieben hatte,  nur  einzelheiten  fallen  noch  auf,  so  zb.  s.  1: 
*dazu  stimmt  dasz  seine  (Tibulls)  haltung  Hör.  gegenüber'  .  . 
vf.  meint  verhalten,  benehmen,  logische  uncorrectheit  zeigt  der  satz : 
^T.  starb  frühe,  so  ist  es  gekommen,  dasz  manche  gedichte  die  sicht- 
baren spuren  davon  tragen,  dasz  der  dichter  durch  den  tod  ge- 
hindert nicht  die  letzte  feile  an  sie  hat  legen  können.'  also  weil  er 
jung  starb,  deshalb  sieht  man  dies?  s.  4  übemimt  er  einen  satz  von 
Teuffel  (studien  und  char.)  über  die  ^briefartige  form  der  elegien  des 
2n  buches',  <lie  vielleicht  durch  den  'einflusz  der  episteln  des  Horaz' 
veranlaszt  sei.  beides  ist  doch  recht  anfechtbar,  im  allgemeinen 
suchen  wir  eine  höhere  auffassung  der  Tibullischen  poesie,  wie  sie  nach 
Yahlens  Vorgang  durch  die  sonst  vom  vf.  benutzten  darstellungen  von 
ELeo  in  den  'philologischen  Untersuchungen'  heft  II  gegeben  ist, 
leider  vergebens.  —  Die  einleitung  zu  Propertius  ist  befriedigend, 
nicht  gerade  ansprechend  freilich,  ihn  als  den  ^vierten  elegischen 
dichter'  angeführt  zu  sehen,  ist  er  ja  doch  selbst  in  des  vf.  antho- 
logie  nur  ganz  zufällig  der  vierte,  entschieden  berücksichtigung 
verdient,  was  s.  50  f.  über  Prop.  Verhältnis  zu  Horatius  (wohl  im 
wesentlichen  nach  Postgate  ^select  elegies')  mitgeteilt  ist. 

Ebensowenig  wie  im  ersten  hefte  läszt  vf.  sich  in  diesem  über 
die  grundsätze  aus,  nach  denen  er  seinen  text  constituiert  hat.  ref. 
hat  nur  für  Tib.  die  ab  weichungen  von  dem  texte  Haupi-Vahlens 
verglichen ;  sie  sind :  nr.  I  (1 1)  25  iam  modo  iam  nach  den  exe.  Fris., 
Yahlen  iners  46  continuisse  nach  Baehrens  besten  hss.  AYG,  V. 
detmuisse        71  Ikebü,  was  zwar  der  bessern  Überlieferung,  dafür 


270   OHarnecker :  anz.  y.  CJacobys  anth.  aus  den  elegikern  der  Römer.  I.  IL 

aber  dem  sinn  und  gedankengang  nicht  widerspricht,  wie  ich  früher 
(zs.  f.  d.  gw.  1881  8.  612)  nachgewiesen,  übrigens  ist  die  autorität 
der  Freisinger  ezcerpte  für  decebü  gewis  äuszerst  gering  anzuschlagen ; 
klosterbrüder  kamen  wahrlich  leicht  genug  dazu ,  nee  amare  lieehit 
in  decebü  umzuändern,  nr.  II  (I  3)  4  Mors  modo  nigra  ^  V.  Mors 
precor  atra  ebd.  14  respueretqtte^  V.  despneretque^  ebd.  60  m«Äe 
patentque  viae  teilweise  nach  Leos  conj. ;  mir  scheint  kein  zwingen- 
der grund  vorhanden  von  der  Überlieferung  repente  abzuweichen, 
trotz  LMüller  praef.  s.  XVII  und  Leo  III  (I  7)  3  frangere,  V. 
fundere  IV  (I  10)  5  ^,  V.  an^  auch  dem  gedankengang  weit 
mehr  entsprechend        ebd.  11  dtdcis  nach  Heinsius  conj.;  V.  vtdgo 

ebd.  25  folgt  vf.  Müller  ua.  in  der  annähme  einer  lücke ;  unnötig 

VI  (n  ö)  4  verba  t  w»^>  V.  novas  ebd.  21  Troiam  nach 
Leos  conj.,  V.  Bomam  ebd.  82  eo^,  V.  erü  ebd.  122  8%  statt 
sie  (wohl  nur  druckfehler)  VU  (IV  2)  23  ganz  nach  LMüller  haec 
sumat  (Baehrens  sumet)  in  annos ,  V.  hoc  sumUe  VIII  (IV  4)  23 
laäuSy  V.  lautiAS  IX  (IV  6)  19  sü  iuveni  gratum^  V.  si^  iuveni 
gratae.  man  sieht,  vf.  verfährt  in  der  auswahl  seiner  lesarten  ziem- 
lich eklektisch;  über  seinen  Standpunkt  in  der  hohem  kritik  findet 
sich  nirgends  eine  andeutung. 

Was  nun  die  hauptsache,  die  erklärung,  betrifft,  so  ist  sie 
im  allgemeinen  befriedigend,  so  verdient  auch  die  entwicklung  des 
gedankenganges ,  die  ref.  gern  etwas  mehr  durch  den  druck  hervor- 
gehoben sähe,  meist  uneingeschränktes  lob;  die  abschnitte,  die  vf. 
gibt ,  sind  sehr  oft  an  verszahl  einander  gleich ;  es  mag  wohl  auch 
ein  einflusz  der  inhaltsentwickelungen  von  CPrien  (im  Lübecker 
progr.  1876)  vorhanden  sein;  in  d6r  weise  gehandhabt  kann  man 
sich  die  'responsion'  schon  gefallen  lassen,  dasz  vf.  die  verse,  die 
Schulze  in  überängstlicher  Sorgfalt  (zb.  V  11  f.  u.  73  ff.)  unterdrückt, 
unbedenklich  abdruckt,  vermögen  wir  nicht  zu  bedauern,  ref.  gibt 
zur  förderung  der  sache,  nicht  um  tadeln  zu  wollen,  einige  nachtrage 
und  berichtigungen. 

Zu  Tib.  nr.  I  (I  1)  ist  der  gedankengang  15—36  offenbar  an 
eine  falsche  stelle  gekommen ;  er  steht  zwischen  den  noten  zu  v.  6 
und  7;  vielleicht  durch  Schulze  veranlaszt,  der  den  gedanken  bei 
V.  6  angibt.  —  v.  46  tenero  sinu  'jugendlich*,  wie  geschmacklos, 
das  von  sich  selber  zu  sagen  I  es  ist  stehendes  beiwort  und  helszt 
einfach  'zart',  auch  'zärtlich'  ist  anzunehmen  nicht  nötig.  —  zu 
dem  Inhalt  von  v.  71  vgl.  Goethes  epigramm  (sommer  nr.  37) :  'leben 
musz  man  und  lieben,  es  endet  leben  und  liebe;  schnittst  du,  o  Parze, 
doch  nur  beiden  den  faden  zugleich.'  zu  nr.  II  (I  3)  wie  auch  zu 
VII  und  zu  Prop.  nr.  IV  war  auf  Geibels  vortreffliche  Übersetzungen 
im  'classischen  liederbuch'  hinzuweisen.  —  v.  13  rediius  'möglich- 
keiten  der  rückkehr' ;  vielmehr  prägnant  »'glückliche  rückkehr'; 
der  plural,  weil  von  mehreren  föllen  die  rede  ist,  wo  das  loos  gezogen 
wird.  —  zu  V.  29  übemimt  vf.  Seyfferts  irrtum  von  den  ägyptischen 
priester  innen  beim  Isisdienst,  die  priester  waren  wohl  wichtiger.  — 


OHamecker :  anz.  y.  CJacobys  anth.  aus  den  elegikem  der  Römer.  I.  IL  27 1 

zu  IV  (I  10)  31  f.  der  sitte  mit  wein  auf  dem  tische  skizzen  za  ent- 
werfen hätte  vf.  neben  den  von  mir  aus  der  reo.  von  Schuhes  elegikem 
(ao.  s.  612)  übernommenen  stellen  noch  geben  können:  Ov.  am,  1 4^ 
20.  ars  am.  I  571.  U  131  ff.  trist.  H  454.  —  zu  V  (11 1)  15  vgl.  Lygd. 
m  6,  2.  —  V.  56  inexperta  ab  arte]  ah  'einfach  zur  bezeichnung  de& 
mittels  oder  Werkzeugs',  die  stellen,  die  vf.  hier  und  Heyne- Wunder- 
lich zdst.  über  den  gebrauch  von  ab  anführen,  sind  ganz  verschieden 
zu  erklären ;  hier  ist  ab  offenbar  bezeichnung  der  richtung,  gleichsam 
profectus  a:  der  landmann  zuerst  führte  reigentänze  auf,  von  nie 
geübter  kunst  ausgehend,  vgl.  Prop.  IV  1  (nr.  XVIII)  24  maius  ab 
exequiis  nomen  in  ora  vemt.  —  v.  101  ingerere  vom  wieder- 
vergelten der  Schimpfwörter  ?   vielmehr  'ausstoszen'. 

Prop.  nr.  11  (I  1).  in  der  inhaltsangabe  versichert  vf.  ebenso 
wie  Schulze,  v.  29  erkläre  Prop.  in  ferne  länder  gehen  zu  wollen, 
aber  damit  ist  es  ihm  wohl  nicht  ernst.  —  das  citat  zu  v.  19  Hör. 
c.  VI  85  ist  druckfehler  für  (Ov.)  Her.  —  zu  21  ^agedum  =  nunc- 
dum.'  schwerlich.  —  zu  27  vgl.  Prop.  IV  24  (nr.  XV)  11.  —  nr.  HI 
(1 6)  2  Äegaeo  säU>:  'dativ  der  richtung.'  vielmehr  gewöhnlicher  abL 
loci  B=  ^auf  dem  ägäischen  meere  fahren'.  —  V  (1 17)  3  Cassope.  auch 
Cicero  ept^.  XVI  9,  1  nennt  einen  hafen  des  namens  {Cassiope)  auf 
Corcyra.  —  nr.  XI  (1 15)  6  fadem  quaerere  'das  gesiebt  schmücken', 
einfacher:  'ein  schönes  antlitz  zu  schaffen  suchen';  fades  enthält 
bei  Prop.  meist  den  begriff  der  Schönheit  noch  in  sich.  —  XII  (1 18)  8 
zu  nota  vergleicht  vf.  recht  unpassend  das  nota  Cat.  68,  28.  —  XV 
(IV  24).  ist  V.  1  tfia  statt  tuae  eigne  (natürlich  verfehlte)  conjectur 
oder  druckfehler?  —  v.  2  ocuUs  meis  war  zu  erklären,  ich  erkläre: 
'du,  allzu  stolz  gemacht  durch  die  von  mir  besungenen  äugen' 
mit  deutlicher  beziehung  auf  1 1, 1  (u.  3),  der  gewis  der  bekannteste 
vers  des  dichters  war.  —  zu  nr.  XVIII  findet  sich  die  nebenbezeich- 
nung  IV  1  und  2.  man  sieht  aber  nirgends ,  wo  dieses  zweite  ge- 
dieht hätte  anfangen  sollen.  —  XIX  (IV  3).  des  Eallimachos  AiTia 
schlankweg  ein  'mythologisches  werk'  zu  nennen  ist  doch  wohl 
nicht  zutreffend;  es  enthielt  auch  noch  anderes.  —  nr.  XX  (IV  9)  37. 
statt  des  geschraubten  und  schwer  verständlichen  sedisse  (jsidisse 
Lachmann)  möchte  ich  vorschlagen  ceddisse:  non  flebo  in  dneres 
arcem  ceddisse  paternos  Cadmi  'nicht  will  ich  über  ^heben  klagen, 
das  in  asche  zerfiel';  vgl.  II  8,  10  das  entgegengesetzte  et  Thebae 
stetertmt.  Broukhuis'  stellen  helfen  nicht  über  die  Schwierigkeit.  — 
was  hier  paternus  ^=3  'vaterländisch'  soll ,  ist  nicht  ersichtlich ;  es 
ist  wohl  dichterisch  etwas  frei  gebraucht  mit  bezug  auf  den  epigonen- 
krieg.  —  zu  53  utroque  ab  litore  vgl.  Cat.  31  (nr.  IV)  3  uterque 
Neptunus.  —  nr.  XXI  (III 10)  2  ist,  wie  ich  schon  früher  ausführte 
(zs.  f.  d.  gw.  1881  s.  614),  an  Heinsias'  Äanio  festzuhalten,  die  hsl. 
Überlieferung  Eemonis  ist  offenbar  durch  abirren  des  auges  auf  das 
Helicona  in  v.  1  veranlaszt.  für  die  vortreffliche  'thessalische  reiterei' 
ist  hier  durchaus  kein  platz ;  Prop.,  selbst  wenn  wir  ihm  den  kühnen 
(und  unantiken)  tropus  zutrauen  wollten,  will  ja  seine  dichterkraft 


272  WGübert:  zu  Oyidiiu  Fasti  [VI  808—806]. 

gerade  durchaus  nicht  stolz  und  unternehmend  schildern,  wie  y.  5. 
6.  11  u.  12  beweisen;  der  schlusz  des  gedichtes  25  und  26  mit  den 
Ascraei  fontes  und  dem  Permessus  leitet  augenscheinlich  auf  den 
anfang  zurück :  das  alles  stützt  Äonio.  LMüllers  Emathio  ist  un- 
richtig: denn  die  Ovidstelle,  die  er  praef.  s.  XXVI  heranzieht,  erzfthlt 
nur  dasz  die  Pieriden  von  den  Musen  besiegt  aus  den  emathischen 
gefilden  (Makedonien)  weichen  und  zu  den  nivosi  Pcieones  ziehen 
wollen,  schlieszlich  aber  in  elstem  verwandelt  werden,  wo  ist  da 
auf  einen  equus  Emathius  zu  schlieszen  erlaubt ? — vf.  hätte  übrigens 
Birts  darstellung  über  dies  gedieht  (buchwesen  s.  415  ff.)  berttek- 
sichtigen  sollen,  die  dem  ref.  höchst  gelungen  erscheint;  y.  7  u.  8 
stehen  entschieden  an  falscher  stelle.  —  zu  nr.  XXFV  (V  11)  8  *die 
begriffe  grab  usw.  werden  oft  mit  einander  verwechselt'  —  wohl 
Vertauscht,  für  einander  gesetzt'.  —  zu  23  Sisfff^hm  vgl.  Hom. 
X  593.  —  31  'Scribonia  gehörte',  deutlicher:  Cornelias  mutter  Scri- 
bonia.  —  v.  67.  die  erklärung  ^anrede  an  die  während  der  censur 
des  vaters  geborene  tochter'  erklärt  nicht  genug  das  specimen  censurae 
paternae.  es  ist  mit  Broukhuis*  erklärung  (v.  93)  zu  oombinieren : 
Hu  0  filia  quae  ita  sancte  nata  es ,  ut  censuram  patris  tui  tuis  ex- 
primas  moribus',  o  tochter,  die  du  schon  mit  deii^er  geburt  ein 
Probestück  der  censur  des  vaters  bist,  schlachte  nach  mir !  Schulzes 
erklärung  *die  tochter  war  so  sittenrein ,  dasz  sie  von  einem  oemsor 
als  ein  muster  guter  sitte  hingestellt  werden  konnte'  ist  mehr  als 
unbedacht,   das  kind  war  noch  nicht  sechs  jähre  alt! 

Das  buch  ist  recht  brauchbar;  hoffen  wir,  dasz  dem  vf.  in  er- 
neuten auflagen  bald  gelegenheit  gegeben  ?Lird  es  zu  einem  guten 
umzugestalten. 

Fbiedbbbbo  in  der  Nbumark.  Otto  Habnbokeb. 


45. 

ZU  OVIDIÜS  FASTI. 

In  meiner  behandlung  von  Ov.  fast.  VI  803—806  (jahrb.  1878 
s.  783  f.)  ist,  wie  ich  erst  jetzt  sehe,  ein  Schreibfehler  untergelaufen: 
8.  784  z.  15  'v.  803  und  804'  statt  W.  804  und  805'.    derselbe  hat 
veranlaszt  dasz  die  herren,  die  meine  erörterung  citieren  (Peter  in 
seiner  zweiten  ausgäbe  und  Magnus  in  der  zs.  f.  d.  gw.  1879  s.  305) 
als  die  von  mir  für  unecht  erklärten  verse  803  und  804  ansehen. 
für  unecht  hielt  ich  und  halte  ich  noch  v.  804  u.  805: 
Marciaj  sacrifico  dedtuium  nomen  ah  Anco 
[in  qua  par  fades  nobüitate  sua. 
805  par  animo  guoque  forma  s%u>  respandet.  in  üla] 
et  genus  ä  fades  ingeniumque  simul. 
zu  begründen  brauche  ich  diese  athetese  hier  nicht,  da  die  ausführ- 
liche ao.  gegebene  begründung  nur  für  sie,  nicht  aber  für  Streichung 
von  803  und  804  passend  ist. 

Dresden.  Waltheb  Oilbbbt. 


EHiller:  das  fragmentum  Cuiacianum  des  Tibullus.  273 

46. 

DAS  FBAGMENTÜM  CUIACIANUM,  DES  TIBULLUS. 

Es  ist  eine  bemerkenswerte  thatsache,  die  ich  in  den  mir  be- 
kannten Tibullausgaben  und  auf  den  text  des  Tib.  bezüglichen  ab- 
handlungen  nicht  hervorgehoben  finde,  dasz  jenes  fragment  einer 
alten  handschrift  (F),  über  welches  wir  durch  auf  Zeichnungen  und 
mitteilungen  Scaligers  unterrichtet  sind ,  bereits  von  den  Italiänern 
des  fünfzehnten  jh.  benutzt  worden  ist.  weitaus  die  meisten  lesarten 
von  F,  welche  von  unseren  ältesten  vollständigen  hss.  (0),  insbeson- 
dere vom  Ambrosianus  abweichen,  werden  auch  aus  interpolierten 
hss.,  aus  alten  ausgaben  und  aus  alten  coUationen  angeführt,  den 
beweis  hierfür  liefert  die  folgende  Übersicht. 

III  4,  65  scievus  amor  docuU  vaMdos  tentare  lahores  F,  der  vers 
fehlt  in  0,  wird  aber  angeführt  aus  cod.  Corvin.,  Voss.  1^  exe.  Puccii, 
exe.  Perrei*  66  saeva  stAÜ passe:  Voss.  1,  2,  3  80  hoc  st.  ac: 
cod.  Mureti'  89  succmcta  st.  submixtai  cod.  unus  Statu,  cod. 
unus  Broukhusii ,  Vatic. ,  Vindob. ,  Ooth. ,  Bern.  6 ,  23  qucdis 

quantusque  st.  deus  hie  quantumque\  Vindob.,  Voss.  1  44  cavere 
(so  auch  exe.  Paris,  und  exe.  Fris.)  st.  carerei  cod.  Falcenburgil, 
Palat.  62  »  st.  6^:  Vindob.,  Monac,  Voss,  ö  IV  1,  2  nc- 

queant  st.  valeant:  Colbert.  3  at  st.  a:  codd.  Heinsii,  Vindob«,  exe. 
Perrei  30  qacique  index  st.  gua  iudex:  Voss.  3,  ed.  Ven.  1475, 

exe.  Perrei,  exe.  Colotii  39  nam  quis  te  st.  nam  quique  tibi:  cod. 
ürsini,  exe.  Perrei  ^i^hic  F,  om.  0:  G,  V  m.  2,  C  usw. 

55  lotos  st.  Cydops:  exe.  ^lotii,  exe.  in  ed.  Gryph.  70  inter 

gemvnae  st.  ierminae:  vier  von  JHVoss  benutzte  hss.,  cod.  Laudi, 
Guelf.  3,  ed.  Ven.  1475  {tergeminae  steht  auch  in  anderen  hss.) 

11  ore  st  orhe:  vier  hss.  bei  JHVoss,  exe.  Puccii,  Colotii, 
Lipsii  78  erroris  st.  errorum:  Voss.  1  und  3  96  veniat gravis 
(so  auch  exe.  Par.)  st.  grandis  vemt:  Voss.  1  102  lU  (so  auch 
exe.  Par.)  st.  in:  Monac,  Bern.,  exe.  Colotii  104  dexter  uti  (so 
auch  exe.  Par.)  st.  dexteraque  ut:  Voss.  3,  exe.  Colotii  110 

Arupinis  st.  et  arpinis :  Ambr.  m.  2,  g  (Arupinus  Guelf.  1  und  4, 
sowie  mehrere  alte  ausgaben)  175  ierint  st.  poscent:  Voss.  1 

(poserint  cod.  Lips.)  185  fecundas  st.  fecundis:  Voss.  1  ad 
st.  in:  exe.  Perrei  messis  (=  messes)  st.  mensis:  Goth.,  Voss.  1, 
exe.  Perrei  189  anteaäos  st.  accüus  {accitos) :  Vindob.  198  sint 
st.  sü:  d,  e,  cod.  unus  Heinsii,  Lips.,  exe.  in  ed.  Reg.,  mehrere 
alte  ausgaben       200  vincere  st.  nwttere:  Voss.  1  und  3       205  cde- 

^  andere  hss.  haben  saevia  amor  docuit  dominae  fera  verba  minantis, 
der  erste  teil  des  hezameters  liesz  sich  leicht  ans  dem  pentameter  ent- 
nehmen; die  Übereinstimmung  in  dieser  beziehnng  kann  also  zufällig 
sein,  ein  eigentümlicher  zufall  ist  auch  der  umstand  dasz  F  gerade  mit 
diesem  im  archetypus  der  übrigen  hss.  fehlenden  verse  begann,  (für 
diese  stelle  nimt,  wie  ich  nachträglich  sehe,  benutzung  des  fr.  Cui. 
durch  die  Italiäner  auch  Leonhard  an,  de  codd.  Tib.  s.  24.)  '  vgl. 

übrigens  rhein.  mus.  XXIX  s.  104. 

Jahrbücher  für  elass.  philol.  1883  hft.  4.  •  18 


274  EHiller:  das  fragmeutum  Cuiaciannm  des  Tibullus. 

rem  st.  fato :  Voss.  2  2 10  quandocunque  st.  in  quemctmque :  code 
Heinsii  2,  23  haec  st.  hoc:  hss.  bei  JHVoss,  cod.  unus  Gebhardi 

5,  1  Qui  mihi  st.  Est  qui :  exe.  Perrei.  6,  7  neu  quis  st.  we 

f205 :  g  7,  6  sua  st.  ^uain:  g  9,  2  iam  licet  st.  non  sinet:  exe. 
Perrei,  exe.  Wallii  11,  5  o^  st.  ah:  cod.  Bodl.  unus  6  lento 

st.  ^o:  zwei  Beroll,  bei  Bach  13,  17  cedo  st.  credo:  C,  codd. 
Eboracenses  duo,  cod.  unus  Statu,  cod.  Heinsii,  Cuiac.  rec,  Vat., 
Goth.,  Lips.,  Voss.  3  und  4,  exe.  Colotii  IS  proderat  st.prodeati 
Dresd.,  exe.  Wallii,  alte  ausgaben. 

Übrig  bleibt  hauptsächlich  eine  anzahl  von  versehen,  deren 
aufzeichnung  in  der  that  keinen  zweck  gehabt  hfttte*:  III  6,  44  tttos- 
st.  tiw       IV  1,  55  captos  st.  tempus  (coeptos  mit  recht  interpol.  hss.) 

60  erigit  st.  irrigat         97  ut  st.  atU         168  äUeram  st.  aUer 

193  atm  st.  atmm         202  das  fehlen  von  vel  (?)^  3,  21 

at  st.  et  5,  10  volet  statt  des  für  calet  verschriebenen  välet  {vdü 
Puccius)  6,  19  sis  st.  si.  leicht  begreiflich  ist  es  femer,  dass 
den  Italiänem  igUur  st.  ergo  IV  1, 161  nicht  beachtenswert  erschien 
und  dasz  sie  mit  den  corrupten  Worten  ardet  aredais  und  perhospüa 
(statt  Creieis  ardet  und  caristia)  IV  1, 142  nichts  anzufangen  wüsten* 
sonst  sind  es  nur  noch  die  lesarten  trita  st  certa  Hl  5, 10^  und  prae- 
lia  st.  pedore  IV  3,  3  {peäora  die  interpolierten  hss.),  welche  blosz 
durch  Scaligers  mitteilungen  aus  dem  fr.  Cniacianum  bekannt  sind. 

Dasz  nun  an  den  sämtlichen  oben  von  mir  verzeichneten 
stellen  die  Italiäner  durch  conjectur  auf  dieselbe  lesart  verfallen 
seien ,  welche  in  dem  alten  fr.  Cuiac.  überliefert  war,  wird  schon 
an  sich  niemandem  glaublich  erscheint,  völlig  entscheidend  aber 
ist  der  umstand,  dasz  auch  die  durch  F  aufbewahrte  autorbezeichnong 
Bomitii  Marsi  für  das  epigramm  auf  Tibulls  tod  den  Italiänem  nicht 
unbekannt  war:  sie  wird,  ohne  bestimmte  angäbe  der  hsl.  quelle^ 
in  den  1528  aufgezeichneten  excerpten  des  Perreius  angeführt:  vgl» 
Huschke  s.  XVU  und  676. 

Da  von  den  zahlreichen  interpolierten  hss.  des  Tib.  nur  ein 
verhältnismäszig  geringer  teil  verglichen  ist,  so  läszt  sich  mit  ziem- 
lieber  Sicherheit  annehmen ,  dasz  sich  jene  lesarten  von  ¥  auch  noch 
sonst  in  derartigen  hss.  vorfinden,  hie  und  da  mögen  auch  lesarten 
von  F,  welche  Scaliger  aufzuzeichnen  unterlassen  hat,  von  den 
Italiänern  beachtet  und  verwertet  worden  sein,  für  die  kritik  des 
Tib.  ist  indessen  mit  dieser  und  mit  weiteren  hierauf  bezüglichen 
annahmen  nichts  gewonnen:  denn  niemand  wird  sich  die  fühigkeit 
zutrauen ,  unter  der  masse  von  änderungen  der  Italiäner,  die  teils 
willkürlich  teils  gerechtfertigt ,  teils  verunglückt  teils  ansprechend 
sind,  etwaige  sonstige  lesarten  von  F  herauszufinden,  zumal  da  diese 
lesarten,  wie  die  obige  Zusammenstellung  zeigt,  nicht  auf  bestimmte 
hss.  beschränkt  sind,  sondern  da  und  dort  vereinzelt  auftauchen. 

^  vgl.  rh.  mns.  XXIX  8.  105.        ^  vgl.  iodetsen  rh.  mos.  XXIX  8.  lOS. 

Halle.  Eduard  Hilleb. 


BDombart:  anz.  v.  Ennodii  opera  omnia  ed.  GHartel.  275 

47. 

CORPVS  SCRIPTORVM  ECCLESIASTICORVM  EDITVM  CONSILIO  ET  IMPEN- 
SIS  ACADEMIAE  LITTERARVM  CAESAREAE  VINDOBONENSIS.  VOL.  VI. 
MAONI   FELICIS   ENNODII   OPERA    OMNIA.     RECENSVIT   ET  COMMEN- 

TARiO  CRiTico  INSTRVXIT  GüiLELMVS  Hartel.  Vindobonae 
apud  C.  Geroldi  filium  bibliopolam  academiae.  MDCCCLXXXII. 
LXXXX  u.  722  8.  gr.  8. 

Das  hohe  verdienst,  welches  sich  die  kais.  akademie  der  Wissen- 
schaften in  Wien  dadurch  erwarb,  dasz  sie  zu  der  herausgäbe  des 
corpus  scriptorum  ecclesiasticorum  den  anstosz  gab  und  dafür  die 
kosten  übernahm^  wurde  neuerdings  in  erinnerung  gebracht,  als 
nach  längerer  pause  die  samlung  in  rascher  folge  durch  mehrere 
bftnde  vermehrt  wurde,  die  wichtigste  der  jüngsten  publicationen 
ist  unstreitig  diejenige,  deren  besprechung  uns  obliegt. 

Die  schriftstellerische  thätigkeit  des  Ennodius  reicht  in  die 
für  Europas  neugestaltung  so  wichtige  und  doch  so  dunkle  zeit  des 
sechsten  jh.  hinein,  wer  nun  den  dicken  band  zum  ersten  male  zur 
band  nimt,  mag  sich  eine  grosze  historische  ausbeute  versprechen, 
zumal  wenn  er  weisz  dasz  der  Verfasser  dem  hofe  Theoderichs  d.  gr. 
und  den  pSpsten  Symmachus  und  Hormisda  nicht  fem  stand,  sicher 
ist  auch  der  gewinn,  den  die  geschicbtschreibong  aus  dem  studinm 
des  Ennodius  ziehen  kann,  nicht  gering  anzuschlagen,  und  die  neue 
ausgäbe  bietet  nach  dieser  seite  ein  treffliches  hilfsmittel  in  dem 
sorgfältig  gearbeiteten  4ndez  nominum  et  rerum'.  und  doch  werden 
die  erwartungen  in  dieser  beziehung  einigermaszen  entteuscht:  denn 
einmal  zeigt  der  Schriftsteller  für  kleine  und  kleinliche  dinge  persön- 
licher art  mehr  sinn  als  für  die  groszen  geschichtlichen  erscheinungen 
seiner  zeit,  und  auch  da,  wo  die  letzteren  von  ihm  leise  berührt  oder 
eingehender  behandelt  werden,  sieht  sich  der  leser  vielfach  statt  vor 
enthüllte  thatsachen  vor  eine  unendliche  reihe  von  rätseln  gestellt, 
deren  entwirrung  mühsamer  als  lohnend  ist.  Ennodius  verschmäht 
es  in  der  regel  ^  das  kind  beim  namen  zu  nennen  und  sucht  etwas 
darin,  die  einfachsten  dinge  und  gedanken  durch  einen  wüst  ge- 
zierter und  gespreizter  floskeln  zu  verhüllen  und  künstlich  zu  ver- 
wirren, man  musz  bei  ihm  oft  seitenlang  durch  die  irrgänge  seiner 
verschnörkelten  redefiguren  sich  hindurchwinden,  bis  man  auf  einen 
gedanken  stöszt,  der  wert  war  ausgesprochen  zu  werden,  freilich 
ist  gerade  diese  wenig  empfehlende  eigenart  dem  geschichtskundigen 
ein  beachtenswertes  zeichen  der  zeit. 

Wenn  nun  also  Ennodius  durch  den  thatsächlichen  gehalt  seiner 
Schriften  die  erwartungen  nicht  völlig  befriedigt,  so  ist  um  so  reicher 


>  nnr  bisweilen,  wenn  er  sich  in  innerer  anfregnng  befindet,  spricht 
er  mehr  sachgemäsz  nnd  von  der  leber  weg;  so  in  einigen  briefen  an 
seinen  neffen  Parthenins,  an  Enprepia  und  an  Beatus  {ep.  8,  29;  vgl. 
8,  30  8.  219,  18).  solche  kräftige  ergüsse  wirken  nnter  dem  übrigen 
affectierten  gerede  wahrhaft  wohlthnend. 

18  ♦ 


276         BDombart:  ans.  y.  Ennodii  opera  omnia  edu  GHarieL 

die  sprachliche  aosbeute,  die  wir  bei  seiner  lectüre  gewinnen,  man 
musz  zwar  manche  absonderliche  Wendung  auf  rechnong  seiner  per- 
sönlichen Verschrobenheit  schreiben;  aber  es  bleibt  doch  noch  sehr 
viel  übrig,  was  zum  gemeinsamen  sprachgute  der  damaUgen  römi- 
schen weit,  besonders  aber  von  Norditalien  und  Südfrankreich  zu 
zählen  ist.*  wenn  man  nur  mit  der  kenntnis  der  goldenen  und  sil- 
bemen  latinität  oder  des  kirohenlateins  aas  dem  vierten  und  der 
ersten  bftlfte  des  fOnften  jh.  an  Ennodius  herantritt,  so  steht  man 
verwundert  vor  dieser  spräche,  die  zwar  äuszerlich  noch  das  römische 
gepräge  tr&gt,  aber  docli  der  classischen  latinitftt  innerlich  sehr  ent- 
fremdet ist.  in  bezug  auf  stttmme  und  Wortbildung  hat  sich  nicht 
eben  viel  verändert;  um  so  tiefgreifender  aber  ist  die  Wandlung  auf 
dem  gebiete  der  syntaz  und  besonders  der  bedeutungslehre*  grosm 
gewinn  wird  deshalb  aus  dem  Studium  des  Ennodius  vomdmilieh  die 
lexikographie  schöpfen,  zumal  da  die  beiden  lateinischen  thesanren 
von  Forcellini  und  Ducange,  deren  centra  fem  abliegen  von  iat 
zeit  des  Ennodius,  hierher  nur  mit  ihren  Peripherien  reichen  und 
daher  die  schriftsteiler  dieser  periode  etwas  stiefindtterlich  behandeln. 

Um  so  wertvoller  ist  nun  der  um&ssende  und  inhaltreiche  Hniax 
verborum  et  locutionum'  der  neuen  ausgäbe,  derselbe  bildat  eine 
erwünschte  grundlage  fttr  sprachliche  Studien ,  welche  sich  in  der 
vemachl&ssigten  Übergangszeit  von  der  classischen  latinitftt  sa  der 
des  frühem  mittelalters  bewogen« 

So  wichtig  fttr  geechidite  und  Sprachforschung  die  erwihniMi 
beiden  indioes  sind,  denen  überdies  ein  ^indez  scriptonun'  rieh  an- 
reiht, so  liegt  doch  das  Schwergewicht  der  neuen  ausgäbe  voinehm- 
lich  im  tezt  und  in  dem  beig^gebenen  kritischen  apparat.  eine 
neue  recension  war  Iftngst  ein  bedfirfiiis  bei  der  mangelhaftigfceit 
der  bisherigen  ausgaben,  deren  bearbeiter  teils  nicht  das  nOtigi 
masz  von  Sorgfalt  und  kritischem  geschick  besaszen,  teils  keine 
guten  handschriften  zur  Verfügung  hatten. 

Die  editio  princeps  («»  b)  erschien  zu  Basel  im  j.  1669.  an 
gründe  lag  ihr,  wie  Hartel  nachweist^  der  stark  verderbte  cod.  Vindo« 
bonensis  (-»  P;  n.  745  saec  XV)  oder  eine  abschrift  davoiL  neben- 
bei wurde  auch  der  ausgezeichnete  Bruxellenais  («»  B;  iL  9845 — 
9847  saec.  IX)  benutzt,  aber  so  nachlftssig,  dass  darwis  auch  die 
gröszeren  lücken  des  Vind.  nicht  völlig  ergtast  und  audi  sonst  niur 
eine  geringe  anzahl  von  stellen  verbeteert  wurde,  eine  neue  aus- 
gäbe erschien  zu  Toumaj  im  j.  1611,  besorgt  von  dem  Jesuiten 
Andreas  Schott,  derselbe  rühmt  sich  in  der  widmungeepistdi  mit 
hilfe  wertvoller  manuscripte,  die  er  in  Belgien  au%efonden  {Hjk 
Morinis  Belgarum  ultimis*),  den  leiditfertigen  Baseler  drack  vöUig 

*  Ennodius  ist  sieh  des  Unterschiedes  swischea  seiner  mehr  pro- 
▼inciellen  latinitit  und  degenigen,  welche  die  gtbildeUn  der  haaptnadt 
sprachen  und  schrieben,  wohl  bewust.  vgL  im  index  verborum  die  au 
^Latiaris  stilus'  gesammelten  stellen  mit  den  aosdr&eken  mtüemu  efo- 
guium  (s.  ebd.  unter  'rustioaas')  und  limäea  tlmpHeSUt». 


i 


BDombart:  anz.  v.  Ennodii  opera  omnia  ed.  GHartel.         277 

in  schatten  za  stellen,  unter  jenen  'manuscripten'  versteht  er  den 
Bruxellensis.  wie  eine  von  Schotts  hand  in  diesem  codex  eingetragene 
bemerkung  bezeugt,  wurde  derselbe  von  ihm  im  j.  1607  verglichen, 
aber  weder  der  besitz  dieses  vorzüglichen  hilfsmittels  noch  die 
geringschätzige  meinung  von  der  thätigkeit  der  Baseler  herausgeber 
hinderte  ihn  den  text  der  letztern  fast  wörtlich  wiederzugeben,  wäh- 
rend die  trefiflichen  lesarten  der  Brüsseler  hs.  in  unvollständiger 
auswahl  zugleich  mit  den  ziemlich  wertlosen  eignen  conjecturen 
Schotts  an  den  rand  verwiesen  wurden. 

In  demselben  jähre  wie  Schott  liesz  sein  berühmter  ordens- 
genosse  Jacques  Sirmond  zu  Paria  eine  ausgäbe  des  Ennodius  er- 
scheinen, welche  der  gelehrsamkeit  und  Sorgfalt  des  hg.  alle  ehre 
macht ,  aber  leider  sich  nicht  auf  den  Bruxellensis ,  sondern  neben 
der  ed.  pn  auf  einige  hss.  der  interpolierten  classe  stützt,  die 
späteren  ausgaben  des  Ennodius  sind  fast  nur  Wiederholungen  der 
Sirmondschen.  so  ist  denn  Harteis  ausgäbe  die  erste,  in  welcher 
ein  reiches  und  treffliches  handschriftenmaterial  sorgfältig  und 
wissenschaftlich  gesichtet  und  ausgebeutet  wird. 

Die  hauptgrundlage  bildet  der  von  Schott  und  den  Baselern 
unvollständig,  von  Sirmond  gar  nicht  benutzte  Bruxellensis.  er  ist 
der  einzige  zeuge  eines  alten ,  noch  unverfälschten  textes  und  fast 
durchweg  ein  sicherer  führer.  von  der  interpolierten  classe  sind  die 
ältesten  und  besten  ein  Vaticanus  (=  V;  n.  3803  saec.  IX — X),  ein 
Lambethanus  (<»  L;  n.  325  saec.  IX — X),  und  drei  zusammen- 
gehörige Trecenses  {=  T;  n.  658.  461.  469  saec.  XII— XIII).  unter 
ihnen  nehmen  eine  hervorragende  Stellung  die  Trecenses  ein,  welche 
von  erster  und  zweiter  hand  oft  allein  oder  übereinstimmend  mit  B, 
aber  abweichend  von  den  übrigen  hss.  der  interpolierten  classe  die 
richtigen  lesarten  bieten,  die  letzteren  scheinen  zum  grösten  teil 
auf  glückliche  conjecturen  zurückzugehen ,  teilweise  aber  vielleicht 
doch  auch  auf  marginal-  oder  interlinearvarianten ,  die  aus  der  un- 
verfölschten  classe  in  ein  älteres  exemplar  der  verfälschten  über- 
gegangen waren. 

Ist  durch  die  sorgfältige  benutzung  des  Brux.  seitens  des  hg., 
der  ihn  selbst  zweimal  verglich ,  die  kritische  thätigkeit  desselben 
erheblich  erleichtert  worden ,  so  gab  es  für  ihn  bei  der  ungemeinen 
Schwierigkeit  des  Schriftstellers  trotzdem  noch  eine  arbeitslast  zu 
bewältigen,  welcher  nur  eine  so  rüstige  und  wohlgeschulte  kraft  wie 
die  Bartels  gewachsen  war.  sein  verdienst  ist  es,  dasz  wir  nun 
nicht  nur  einen  durch  aufnähme  der  besten  hsl.  lesarten  und  treff- 
licher eigner  conjecturen^  vielfach  gereinigten  text  besitzen,  sondern 

'  gleich  im  ersten  briefe  s.  2,  18  nod  s.  3,  1  schlägt  Hartel  im 
krit.  commentar  zwei  evidente  bessemngen  vor:  fastigari  statt  fatigaA 
(vgl.  8.  85,  11  ad  quantum  me  faHigium  perduxerit  donum  spiriialis  allo- 
quii)  nnd  adurges  für  adiunges^  wozu  H.  praef.  b.  LXI  vergleicht  Sym- 
machuB  epUt,  4,  20  eloqueniissimus  iuvenis  proximis  facundiae  calcibus 
urget  parentem,  die  beiden  conjecturen  hätten  wohl  unbedenklich  in 
den  text  aufgenommen  werden  können. 


278         BDombart:  anz.  v.  Ennodii  opera  omnia  ed.  GHartel. 

auch  zum  erstenmal  einen  gröszem  krit.  apparat  zur  Verfügung 
haben,  durch  den  es  uns  ermöglicht  ist  an  jeder  stelle  über  die  text- 
gestaltung  uns  ein  eignes  urteil  zu  bilden,  zudem  liefern  die  reichen 
indicesy  abgesehen  von  ihrem  groszen  wert  für  geschichte,  historische 
grammatik  und  lexikographie ,  einen  unschätzbaren  commentar,  der 
in  unzähligen  fällen  die  uns  entgegentretenden  rätsei  lösen  hilft. 

Wenn  man  nun  im  besitz  solcher  hilfsmittel  bisweilen  noch 
nachzubessern  vermag,  so  darf  man  sich  darauf  nicht  viel  zugute 
thun.  Hartel  selbst  hat,  nachdem  ihm  die  fruchte  seiner  bemühungen 
in  übersichtlicher  weise  vorlagen,  über  viele  einzelheiten  anders 
geurteilt  als  zu  der  zeit,  wo  der  text  gedruckt  wurde,  in  der  prae- 
fatio  findet  sich  neben  einer  reichen  fülle  von  kritischen  und  exe- 
getischen erläuterungen,  welche  seine  abhandlungen  in  den  'Wiener 
Studien'  ergänzen,  auch  eine  nicht  unbedeutende  zahl  von  retrac- 
tationen,  welche  ebenso  sehr  von  dem  nie  rastenden  fleisz  des  h^. 
wie  von  seinem  unbefangenen  urteil  auch  seinen  eignen  aufstellungen 
gegenüber  rühmliches  Zeugnis  ablegen,  wir  bedauern  dabei  nur,  dasz 
die  stellen,  welche  nachträgliche  textbesserungen  enthalten  oder  die 
früheren  verwerfen,  nicht  übersichtlicher  geordnet  sind,  es  würde 
dieser  übelstand  minder  fühlbar  sein,  wenn  unter  den  'corrigenda  et 
addenda'  alle  stellen,  an  denen  der  hg.  die  im  text  oder  Inder  adn. 
crit.  vertretenen  lesarten  später  aufgegeben  hat,  unter  hinweisung 
auf  die  be  treffenden  selten  der  praef.  aufgeführt  wären,  denn  den 
wenigsten  lesem  wird  man  zumuten  dürfen,  diese  stellen  selbst  aus 
der  praef.  mühsam  herauszusuchen« 

Es  ist  aus  mehr  als  6inem  umstand  ersichtlich,  dasz  die  achtung 
des  hg.  vor  dem  Bruxellensis  im  verlauf  der  arbeit  sich  gemehrt 
hat.  so  werden  praef.  s.  XXXV  mehrere  lesarten  desselben ,  welche 
in  den  ersten  bogen  der  aufnähme  in  den  text  nicht  gewürdigt  wor- 
den waren,  nachträglich  gebilligt,  es  hätten  deren  aber  noch  mehr 
berUcksichtigung  verdient,  ich  will  versuchen  diese  ansieht  durch 
beispicle  zu  begründen ,  in  denen  ich  solche  föUe ,  wo  B  mit  andern 
bss.  übereinstimmt,  nicht  ausschliesze. 

E})»  1, 16.  gegen  schlusz  dieses  anElorianus  gerichteten  briefes 
finden  sich  folgende  werte  (s.  28,  5  ff.) :  si  fida  sunt  quae  scribis  et 
peniculo  decorata  menäaciiy  muta  propasituMy  vd  posteaquam  vides 
mcntetn  innoiuisse  quae  feceris.  B  hat  qua  statt  quae\  Uartel  ver- 
mutet im  krit.  commentar  qua  ea\  praef.  s.  LI  erklärt  er,  er  würde 
das  bloszo  qua  vorgezogen  haben,  wenn  facere  im  sinne  von  agere 
(also  wohl  der  absolute  gebrauch  von  facere)  bei  Ennodius  nach- 
weisbar wäre,  ich  glaube  auch  nicht  an  einen  absoluten  gebrauch 
an  dieser  stelle;  aber  es  ist  doch  hier  recht  leicht  ein  id  oder  ea  zu 
ergänzen,  das  zurückweist  auf  fiäa  und  peniculo  decorata  mendacU 
scrihere,  das  vel  vor  posteaquam  <»  saltem  ist  im  index  verborom 
nachzutragen,  es  fehlen  dort  auch  noch  folgende  stellen:  231,  12. 
232,  4.  246,  14.  501,  8- 

Ep,  7,  15  gratuliert  Ennodius  dem  Agnellus  zu  einer  neuen 


BDombart:  anz.  v.  Ennodii  opera  omnia  ed.  GHartel.         279 

hohen  am ts würde,  nach  den  einleitenden  Worten,  welche  die  neue 
ehre  ak  eine  längst  verdiente  bezeichnen,  fährt  er  (s.  184,  16)  also 
fort:  et  vos  quidem  honores  meruissey  non  optasse  manifestum  est; 
sed  praecedens  concinnatio  eloquitar  vota  düigentum,  vor  sed  setzte 
ich  statt  eines  punctum  ein  Semikolon,  da  mir  die  beiden  sätze  enger 
zusakmmenzugehören  scheinen,  es  wird  darin  bezeugt,  dasz  in  den 
vorangeschickten  werten  {praecedens  concinnatio ;  vgl.  praefata  con- 
cinnatio 8.  83,  3)  mehr  die  wünsche  der  freunde  als  die  des  be- 
scheidenen adressaten  ausgesprochen  würden,  unter  den  diligentes 
ist  natürlich  vornehmlich  der  Verfasser  des  briefes.  daran  schlieszt 
eich  nun  folgendes :  novit  omnipotens  et  generis  vestri  luce  permotus 
et  gratiae  quam  poUiciti  estis  invitatuis  fiducia:  praecessit  in  pro- 
speris  vestris  quicquid  vos  discipUna  aut  ratione  cohibetis.  die  parti- 
cipialen  attribute  generis  vestfi  luce  permotus  und  gratiae  .  .  invitatus 
fiducia,  die  hier  auf  omnipotens  bezogen  sind ,  geben  von  den  gött- 
lichen entschlüssen  und  ihren  beweggründen  eine  zu  menschliche 
Vorstellung,  zudem  ist  der  begriff  von  gratia  und  dessen  beziehung 
nicht  recht  klar,  endlich  macht  die  deutung  von  praecessit  Schwierig- 
keit, für  welches  man  eher  processit  erwarten  sollte,  nun  hat  aber 
B  nicht  praecessit^  sondern  praecessi;  auch  im  Y  ist  der  letzte 
buchstab  von  praecessit  getilgt,  durch  die  aufnähme  dieser  lesart 
gewinnen  wir  eine  wesentlich  andere  und ,  wie  mir  scheint ,  bessere 
form  der  periode.  das  subject  zu  permotus  und  invitatus  ist  nun  das 
in  praecessi  liegende  ego ,  und  die  werte  sind  so  zu  interpungieren : 
novit  omnipotens:  et  generis  vestri  luce  permotus  et  gratiae  y  quam 
pollidti  estis  y  invitatus  fiducia  praecessi  inprosperis  vestris  quicquid 
vos  discipUna  aut  ratione  cohibetis.  wie  hier  (novü  omnipotens) ,  so 
ruft  Ennodius  öfter  gott  zum  zeugen  für  die  Wahrheit  seiner  aus- 
sagen auch  in  unbedeutenden  dingen  an,  zb.  s.  208,  15  non  me  de 
epistola  mea  aestimes,  quam,  deus  t estis  est,  dum  de  basüica  re- 
mearemy  transcursione  diäavi\  vgl.  s.  201,  2  deo  teste,  zu  praecessi 
wird  in  gedanken  aus  dem  vorhergegangenen  votis  ergänzt,  wegen 
des  vor  quicquid  ausgefallenen  demonstrativs  vgl.  im  index  verborum 
den  artikel  ^relativa  enuntiata'  usw.  die  gratia  quam  poUiciti  estis 
ist  das  wohlwollen  gegen  den  freund ,  zu  dem  man  sich  bei  der  an- 
knüpfung  einer  freundschaft  gleichsam  verpflichtet,  es  ist  dasselbe 
gemeint,  was  s.  35,  5  dX^promissa  fides,  s.  59,  20  alapromissa  con- 
cordia^  s.  117,  5  als  promissus  amor  bezeichnet  wird. 

Ep.  7,  21  (s.  189,  7)  numquid  aequum  fuU  amantis  paginis 
tantum  mandata  restitui,  aut  par  fides  est  liberae  scriptioni  et 
f  am  Uli?  numquid  dignum  proboitis  moribus  censuistis  provocantem 
ad  officia  religiosa  non  subsequi,  vd  nefas  putastis  epistolas  reddere, 
quas  vobis  inter  excessus  contigit  non  cepisse?  die  lesart  scriptioni 
setzte  H.  in  den  text  für  die  hsl.  Überlieferung  scriptionis,  auszerdem 
schlägt  er  in  der  adn.  crit.  famulae  für  famvM  vor.  praef.  s.  XXXXV 
nimt  er  den  letzten  verschlag  allerdings  zurück;  doch  beharrt  er 
auf  scriptioni^  weil  der  dativ  hier  weniger  hart  erscheine  als  der 


280         BDombart:  anz.  y.  Ennodii  opera  omnia  ed.  GHartel. 

genitiv.  richtig  aufgefaszt  scheint  mir  aber  der  gen.  hier  besser  als 
der  dativ.  offenbar  hatte  der  adressat  Mazimus  auf  einen  brief  des 
Ennodius  {atnantis paginis)  die  antwort  nnr  mündlich  durch  einen 
diener  erteilt  (tantum  mandaia  restitm).  das  findet  Ennodius  un* 
genügend ,  weil  die  zuverl&ssigkeit  (fides)  eines  Schreibens  von 
freier  band  {liher(ie  scriptiams)  und  die  eines  dieners  nicht  die 
gleiche  sei.  im  folgenden  hat  H.  mit  den  geringeren  hss.  cepisse  ge- 
schrieben, während  B  coepisse  bietet ;  überdies  setzt  er  praef.  s.  LXU 
excurstis  anstatt  des  hsl.  excessus.  dazu  bemerkt  er :  'saepissime  ex- 
cesstis  idem  quod  error  significat,  quae  verbi  yis  sententiae  non  (?) 
convenit ;  contra  itineribus  quae  Maximus  suscepit  (?)  optime  ex* 
plicatur,  quod  epistulas  accipere  non  potuerit.'  als  beispiel  wird 
angeführt  aus  dictio  28  (s.  506,  11  ff.)  sciUcet  cadesHbus  cnidelüas 
ista  procuratwr  auäorihus  et  interpres  superorum  ad  hos  iwmmem 
conpeUit  excursus^  ut  düigentis  Utora  quasi  scHum  hostüe  diffugiatf 
ut  usw.  statt  excursiis  steht  im  text  allerdings  auch  hier  das  hsl. 
excesstis ;  aber  in  der  praef.  wird  excurstis  gedruckt  und  die  ftnderung 
so  begründet:  'nova  Dido  itinera  significat,  quae  Aeneas  deorum 
iussu  ingreditur.'  ich  glaube  aber  dasz  an  keiner  der  beiden  stellen 
die  hsl.  lesart  zu  ändern  ist.  das  wort  excessus  ist  wie  öfter  bei 
Ennodius  in  dem  sinne  von  delictum  zu  nehmen,  ironisch  ruft  an  der 
letzten  stelle  Dido  dem  Aeneas  zu:  'natürlich:  auf  göttlichen 
antrieb  wird  solche  grausamkeit  ins  werk  gesetzt  und  der  dolmetsch 
der  g  Ott  er  {^^  i^ates)  veranlaszt  den  menschen  zu  solchen  ver* 
gehungen,  dasz  er  das  gestade  der  liebenden  wie  ein  feindesland 
flieht,  dasz  er*  usw.  auch  an  der  stelle,  von  welcher  wir  ausgegangen 
sind,  ist  excessus  im  gleichen  sinne  zu  nehmen;  ehe  wir  aber  darauf 
näher  eingehen,  müssen  wir  einen  andern  punkt  in  Ordnung  bringen, 
aus  praef.  s.  L23I  sieht  man  dasz  Hartel  cepisse  im  sinne  von  accepissB 
nimt  und  dadurch  auf  den  gedanken  kommt ,  der  adressat  habe  den 
vorhergehenden  brief  nicht  erhalten,  dies  führt  ihn  offenbar 
darauf,  die  Ursache  dieses  umstandes  in  einer  reise  {excursus)  des 
Maximus  zu  suchen,  was  wäre  aber  dann  für  ein  anlasz  gegeben, 
dem  Maximus  vorwürfe  zu  machen?  ich  glaube  dasz  wir  mit  B 
coepisse  setzen  müssen,  die  ungewöhnliche  Zusammenstellung  eptstoZo^ 
coepisse  erklärt  und  entschuldigt  sich  aus  der  beabsichtigten  antithese 
zu  epistolas  reddere.  das  Sachverhältnis  wird  wohl  am  besten  eine  Über- 
setzung der  stelle  klar  machen;  sie  möchte  etwa  so  lauten:  'hast  du 
es  für  vereinbar  mit  guter  sitte  gehalten ,  dem  beispiel  dessen  nicht 
zu  folgen;  der  zur  erfüllung  heiliger  freundespflichten  heraus- 
forderte, oder  sahst  da  ein  unrecht  darin,  briefe  zu  er- 
widern, während  dir  schon  damit  ein  f  e  h  1  er  begegnet  ist,  dasz  du 
im  briefschreiben  nicht  den  anfang  gemacht  hast?'  das 
ist  nun  freilich  weder  besonders  klar  noch  sehr  geschmackvoll,  aber 
die  gewählte  form  des  ausdrucks  gab  dem  Ennodius  einen  erwünschten 
anlasz  eine  von  seinen  antithesenspielereien  (provocare  —  subsequi; 
nefas  —  excessus;  reddere  —  coepisse)  zur  anwendung  zu  bringen. 


BDombart:  anz.  v.  Ennodii  opera  omnia  ed.  GHartel.         281 

Ep,  9,  1.  der  Verfasser  ermutigt  seinen  jungen  freund  Arator, 
das  cölibat  und  die  gelehrten  Studien ,  die  sich  in  ihrer  zeit  doch 
nicht  mehr  lohnten,  aufzugeben  und  in  den  stand  der  ehe  zu  treten. 
ergOy  sagt  er  gegen  den  schlusz  (s.  228,  17),  post  Mtisarum  castra 
et  inanes  aetate  nostra  cantüenas  ad  curam  te  serendae  sübolis  mtUa: 
vUa  quod  vüuU,  quia  inter  imperüorutn  (nach  dem  gebrauch  des 
Ennodius  =  indoäorum)  exercUus  furor  est  noUe  rusticari:  iuvat 
sapientem  hoc  esse  quod  pl/urimos,  facessat  phüosophiae  in  nostrorum 
nota  conventibus:  ego  curis  deesse  cupio,  quotiens  felkem  inscitiam 
sequüur  qui  praecedit.  für  Harteis  conjectur  curis  deesse  haben  die 
hss.  LPTV  donasse  curis;  B  aber  coris  donesse,  ich  glaube  dasz  da- 
hinter nicht  das  zu  farblose  curis  deesse,  sondern  Corydon  esse 
steckt,  die  letzten  worte  sind  dann  wohl  so  zu  fassen :  'ich  möchte  ein 
Corydon  sein,  so  oft  ein  mir  vorangehender  (ein  besserer,  höherer  als 
ich?)  den  weg  glücklicher  thorheit  einschlägt.'  ein  solcher  gedanke 
entspricht  wohl  dem  launigen  tone  des  briefes.  der  name  Corydon 
und  das  vorhergehende  rusticari  erscheinen  als  eine  von  den  vielen 
reminiscenzen  des  Ennodius  aus  Vergilius.  hier  schwebt  ihm  offen- 
bar ed.  2,  56  vor:  rusticus  es  Corydon. 

Ep.  9,  10.  Celsus,  an  den  der  brief  gerichtet  ist,  scheint  schon 
früher  eine  neigung  zur  absonderung  von  seinen  freunden  gezeigt 
zu  haben,  und  nun,  da  er  in  weite  ferne  gezogen,  läszt  er  nichts  von 
sich  hören,  darauf  beziehen  sich  folgende  worte  (s.  235,  6) :  semper 
et  hie  quidem  Icdentia  inter  l^pores  cubüia  düigebas  (nach  praef.  LXXV 
deUgehas),  sed  saepe  UUebram  ttuim  qui  presso  ore  vestigia  rimatus 
est  invenit.  nunc  aUiori  consüio,  credo,  ut  maerores  accenderes,  te 
hominem  coetibus  sübmovisti.  Hartel  selbst  sagt  bezüglich  seiner 
conjectur  maerores,  welche  sich  zunächst  an  die  lesart  der  geringeren 
hss.  maiores  anschlieszt,  praef.  s.  LXXXI:  'voz  maerores  ad  signi- 
ficandum  desiderinm  parnm  placet/  die  lesart  des  B  wird  auch  hier 
zu  dem  richtigen  führen,  er  bietet  matores.  das  ist  wohl  verdorben 
AUS  venatores,  das  obige  jagdbild,  das  von  hasen  sprach  und 
einen  vergleich  mit  nachspürenden  hu n den  zog,  wird  hier  durch 
die  hereinziehung  der  jftger  vervollständigt,  auch  sonst  liebt  es 
Ennodius  ein  einmal  begonnenes  bild  breitzutreten« 

Ep.  9,  23  beginnt  so :  datum  est  mihi  cadestis  infusione  mysterii 
libera  habere  iudicia,  etiam  cum  sim  beneficiis  obligatus.  est  enim 
superni  muneris,  ut  ingenuam  sententiam  ferat  öbnoxius  nee  delec- 
tetur  inmanitate  gratiae  vigor  examinis.  der  erste  teil  des  letzten 
Satzes  enthält  den  gedanken,  dasz  die  freimütige  meinungsäuszerung 
eines  menschen,  der  sich  einem  hohem  gegenüber  verpflichtet  fühlt, 
als  eine  besondere  gäbe  von  oben  zu  betrachten  sei.  wie  stimmt 
aber  dazu  der  letzte  teil  des  satzes?  ich  vermag  ihm  keinen  erträg- 
lichen sinn  zu  entlocken,  auch  wenn  ich  mit  H.  (adn.  crit.)  rigor  statt 
vigor  lese,  der  fehler  scheint  mir  nicht  hier,  sondern  in  deleäetur 
zu  stecken,  dafür  bietet  B  allein  delUetur.  statt  dessen  lese  ich  mit 
geringer  änderung  debilitetur^  welches  zu  vigor  und  zum  ganzen 


282         B Dombart:  anz.  v.  Ennodii  opera  omnia  ed.  GHartel. 

gedanken  gut  passt.  gelegentlich  sei  bemerkt  dasz  inmanitas  = 
magnitudo  ist,  wie  inmanis  =*  magnus,   vgl.  darüber  den  index. 

Ep.  9,  30.  in  diesem  in  Christi  signo  überschriebenen  brief 
wendet  sieb  Ennodius  an  einen  nicht  genannten  hochgestellten  mann. 
die  einleitung  bilden  entschuldigungen  dafür,  dasz  es  «ich  erlaubt 
einem  höherstehenden  gegenüber  die  correspondenz  zu  eröflnen.  er 
beruhigt  sich  jedoch  selbst  mit  folgenden  werten  (s.  252,  9) :  non 
habet  superhi  conscientiam  qui  se  tantum  in  affectionis  muniia  non 
metitur  (der  ist  frei  vom  bewustsein  des  hochmuts ,  der  nur  in  den 
gaben  der  liebe  [dh.  den  briefen]  seine  Stellung  verkennt).  pra&' 
sumo  dicerCy  directus  subdüorum  fervor  est  qui  inhac re praecedentes 
antevenit,  es  ist  kein  wunder,  wenn  man  hier  wieder  einmal  vor 
lauter  rhetorischen  Zieraten  den  sinn  nicht  gleich  erkennt,  durch 
aufnähme  von  H.s  conjectur  fervor  aber  wird  die  sache  schwerlich 
besser,  die  hss.  haben  error  und  das  ist  ganz  richtig,  wie  in  prae- 
cedenies  antevenire  (den  vorangehenden,  dh.  vornehmem,  zu* 
vorkommen),  so  liegt  auch  in  directus  error  ein  Wortspiel,  es  soll 
damit  ein  'löblicher  irrtum'  bezeichnet  werden  (carm.  1, 1,  33  heiszt 
es  dafür  laudandus  error,  freilich  in  etwas  anderm  sinne),  über  di- 
reäus  (franz.  droit)  «»  reäus  vgl.  463 ,  14.  der  letzte  satz  ist  dem- 
gemäsz  zu  übersetzen:  'ich  wage  es  zu  behaupten:  es  ist  ein  rich- 
tiger irrtum  der  tief  erstehenden ,  der  in  dieser  beziehung  den 
vorangehenden  zuvorkommt.'  zu  der  ozjmoronartigen  Zusammen- 
stellung von  directus  error  vgl.  noch:  datnat  tadtumitas  110,  13; 
ganz  ähnlich  120,  25.  157,  3.  232,  18.  otii  labor  181,  11;  fecunda 
sterüitas  204,  4;  nohüis  hurnüitas  210,  13;  loqueräur  muta  dissi- 
mulatio  248,  16.  es  gehört  hierher  auch  eine  stelle  aus  der  dictio  25 
(s.  502,  4):  Video  Troiae  fumaniis  excidia  et  statu  eam  manente 
suhversam,  wo  statu  manente  einen  rhetorischen  contrast  zu  suh* 
t'ci'safn  bildet,  wenn  hier  Schott  fato  für  statu  und  H.  (adn.  crit.) 
de  statu  manente  vorschlägt,  so  scheinen  sie  beide  den  zusammen- 
bang nicht  richtig  aufgefaszt  zu  haben,  die  ganze  rede  ist  der  Thetis 
in  den  mund  gelegt,  welche  zeit  aber  hat  der  Verfasser  im  äuge? 
nach  der  Überschrift  verha  Thetidis  cumAc^iillem  videret  extinäum 
bollte  man  allerdings  meinen,  Thetis  spreche  nach  dem  tode  des 
Achilles,  dasz  aber  der  Verlust  ihres  sohnes  erst  als  zukünftig  ge- 
dacht ist,  geht  unter  anderm  hervor  aus  den  worten  (502 ,  9  ff.)  sed 
quid  Jiis  laudihus pascor  orhanda?  rdigua  süentio  tegam,  ne  ante 
dolor is  tempus  narratione  conficiar.  wir  erkennen  daraus  dasz 
unter  videret  nicht  ein  sinnliches,  sondern  ein  geistiges  schauen, 
ein  voraussehen  gemeint  ist  so  ist  nun  auch  das  video  502, 4  (und  5) 
zu  nehmen.  Thetis  meint:  'ich  schaue  im  geiste  das  rauchende 
Troja  in  trümmern  und  während  seines  noch  fortdauernden  be« 
Standes  seinen  stürz.'  trotz  der  rhetorischen  zusammengehörig* 
keit  des  statu  manente  mit  subversam  gehört  es  grammatisch  zu  video* 

Vita  Epiphanii  s.  378,  12  ff.  der  Vorgänger  des  Epiphanius 
ar.f  dem  bischöflichen  stuhl  zu  Ticinum  wai*  von  Theoderich  d.  gr. 


BDombart:  anz.  y.  Ennodii  opera  omnia  ed.  GHartel.         283 

an  den  Burgunderkönig  Gundobad  geschickt  worden ,  um  die  aus- 
lösung  von  Ligurem,  die  Gundobad  bei  einem  einfall  als  gefangene 
mit  fortgeschleppt  hatte ,  zu  erwirken,  das  gelang  ihm ,  und  nun 
begann  das  entvölkerte  land  sich  wieder  zu  erholen,  aber  die  schwer 
heimgesuchte  bevölkerung  wurde  jetzt  von  den  zu  zahlenden  steuern 
hart  bedrückt«  da  wandten  sie  sich  an  den  bischof  mit  der  bitte  um 
dessen  fürsprache.  mit  bezug  darauf  heiszt  es:  infirmis  Ligumm 
et  labantibiis  umeris  viz  ferenda  trihtUorum  sardna  manddbatur. 
rursus  ad  te^  adflidorum  consolator^  adcurrüur.  doceres  frustra 
reddidisse  patriae  dves^  si  iUis  in  sdo  avito  peridUantibus  non  ad- 
esses.  das  verbum  doceres  ist  völlig  unverständlich;  nicht  besser 
aber  verstehe  ich  H.s  conjectur  dicereris*  warum  aber  soll  man  sich 
nicht  bei  der  lesart  des  B  doceris  beruhigen?  die  letzten  werte  sind 
so  zu  übersetzen :  Vieder  eilt  man  zu  dir,  du  helfer  der  bedrängten : 
man  stellt  dir  vor,  du  habest  vergeblich  dem  vaterlande  die 
bürger  zurückgegeben,  wenn  du  ihnen  bei  ihrer  geföhrdung  auf 
väterlichem  grund  und  boden  nicht  zur  seite  stündest.' 

EucMristicum  s.  399, 22iF.  Ennodius  hat  erzählt,  wie  er  aus  der 
not  seiner  jungen  jähre  durch  eine  glückliche  heirat  befreit  worden 
sei.  infolge  dessen  sei  er  übermütig  geworden ;  gottes  langmut  aber 
habe  ihn  eine  geraume  zeit  gewähren  lassen  ohne  ihn  zu  strafen, 
daran  schlieszt  sich  folgender  satz :  sed  quia  homo  non  corrigitur  ex 
iniusto  nee  facüe  ad  candidum  post  mactüas  redigitur,  steti  in 
sententia  mea  iUa  qua  caderem^  vici  patientiam  tuam  continuatione 
peccati.  die  lesart  redigitur  ist  eine  ansprechende  Vermutung  H.s  für 
seditur  in  B,  während  LTVb  sedäur  bieten,  noch  näher  aber  liegt 
wohl  der  besten  Überlieferung  reditur,  das  subject  ist  dann  natür- 
lich nicht  Iwmo ,  sondern  es  werden  durch  den  neutralen  ausdruck 
allgemeine  Verhältnisse  ins  äuge  gefaszt. 

Ich  fürchte  bereits  die  mir  gesteckten  grenzen  überschritten 
zu  haben,  ich  will  deshalb  nur  kurz  noch  einige  änderungen  vor* 
schlagen. 

S.  68,  6  würde  ich  vor  hene  lieber  Semikolon  statt  punctum, 
vor  digruitione  punctum  setzen  und  nach  potior  die  interpunction 
streichen.  —  s.  104,  9  glaube  ich  statt  conprehensi  superius  here- 
dihus  lesen  zu  müssen  conprehensis  superius  her.  der  gleiche 
ausdruck  in  der  gleichen  angelegenheit  findet  sich  noch  s.  114;  16. 
überhaupt  scheint  superius  conprehensus  (»»  quem  supra  memora- 
vimus)  vorwiegend  auf  personen  zu  gehen :  s.  darüber  die  im  index 
aufgeführten  stellen,  denen  ich  noch  229,  17  beifüge.  —  s.  139,  1 
statt  natus  ist  wohl  datus  zu  schreiben;  gegensatz  reddü\is.  — 
8.  188,  8  dum  preHorum  famüli  autumni  dotem  conpHerent  usw.  das 
richtige  ist  wohl:  dum  prelum  famuli  aiUumni  dote  (B)  conpU- 
rent.  —  s.  200, 13  ff.  nach  conferre  scheint  mir  besser  ein  punctum, 
nach  de  curuli  besser  ein  semikolon  gesetzt  zu  werden.  —  s.  203,  21 
musz  \or  procul  wohl  eine  stärkere  interpunction  stehen:  vgl.  23, 24 
procul  a  moribt4S  vestris  malitiae  facessat  obscenitas.    Min.  Felix 


284     JGolisch:  zu  Livius  [VII  40,  9]  and  Aelias  Spartianus  [Sev.  22,  4]. 

16,  2  sed  in  NatdLi  meo  verstUiam  nolo^  non  credo:  procul  est  ab 
eins  simplicUate  sübtüis  urhanitas.  —  im  vorhergehenden  z.  16  wäre 
zu  den  werten  in  quihus  fnancipiis  iuxta  adnuniiationem  heatissimi 
Laurentii  martpis  opes  esse  maximas  qms  negabit  wohl  eine  Ver- 
weisung auf  Prudentins  perist.  2,  293  ff.  am  platz,  eine  stelle  auf 
welche  ich  durch  meinen  freund  dr.  MZucker  aufinerksam  gemacht 
wurde.  —  s.  214, 13  ist  die  nach  atMlias  Rtehende  klammer  erst  nach 
dictavi  zu  setzen* 

Die  neue  ausgäbe  bOte  noch  manchen  interessanten  stoff  der 
besprechung.  wir  erwähnen  nur  den  umstand  dasz  einzelne  stttcke 
des  Ennodius  von  dem  falsarius  der  pseudo-Isidorischen  decretalen 
zurechtgestutzt  wurden,  auch  zu  dem  sehr  dankenswerten  Wort- 
register liesze  sich  noch  manche  bemerkung  machen,  doch  wir 
müssen  uns  das  versagen,  wir  scheiden  von  dem  buche  mit  auf- 
richtigem dank  für  den  groszen  dienst,  den  Harteis  rühmlich  be- 
währte und  unermüdliche  arbeitskraft  aufs  neue  der  Wissenschaft 
geleistet  hat. 

Erlakobn.  Bernhard  Doiibart. 

48. 
ZU  LIVIUS  UND  AELIUS  SPARTIANUS. 


Livius  VII  40,  9  qtiod  meum  factum  dictumve  constdis  gravius 
quam  trihtmi  audistis?  eodem  tenore  duo  insequentes  consuUdus  gessi^ 
eodem  haec  imperiosa  dictatura  geretur^  non  utique  in  hos  meos  ei 
patriae  meaemüüesmitior  quam  in  vos  —  horreodicere  —  hostis.  darin 
liegt  der  sinn  den  Weissenbom  mit  recht  voraussetzt  'ich  werde  als 
dictator  eben  so  mild  mit  euch  verfahren,  obgleich  ihr  feinde  seid^ 
als  mit  meinem  beere',  das  non  utique  (*nicht  jedenfalls ,  nicht  ge- 
rade') findet  sich  bei  einem  ähnlichen  gegensatze  VIII  10,  11  ülud 
adiciendum  vidäur,  licere  consuli  diäatorique  äpraetori,  cumlegiones 
hostium  devoveaty  non  utique  se^  sed  quem  veUt  ex  legione  Bomana 
scripta  dvem  devovere  und  wohl  noch  öfter,  das  ut  neque  der  hss. 
ist  offenbar  fehlerhaft,  das  von  Weissenbom  in  die  textausgabe  auf- 
genommene neque  .  .  erit  mitior  wohl  nur  als  notbehelf  anzusehen. 

Im  leben  des  Severus  c.  22, 4  bei  aufzählung  der.omina  für  den 
tod  des  S.  schrieb  Spartianus:  post  macer iem  apud  vaUum  missum 
in  Britanniaf  cum  ad  proximam  mansionem  reäket . .  volvens  animo^ 
quid  ominis  sibi  occurreret,  Aethiaps  quidam  e  numero  müiiari  darae 
inter  scurras  famae  et  cdebraJtorum  semper  iocarum  cum  Corona  e 
cupressu  faäa  eidem  occurrü.  für  das  von  mir  geaeiztepost  maceriem 
('hinter  einer  hecke,  einem  gehege')  geben  die  hss.  das  daraus  ver- 
derbte post  maurum.  wenn  Peter  statt  dessen  post  murum  aufge- 
nommen hat,  so  scheint  dieses  deshalb  nicht  passend  zu  sein,  weil 
in  c.  18,  2  das  vaUum  selbst  murus  genannt  wird  {muro  per  tranS" 
versam  insulam  ducto). 

SoHWEiDNiTz.  Julius  Oolisob. 


TbStangl:  Pseudoboethiana.  285 

(33.) 

PSEUDOBOETHIANA. 

(echlusz  von  s.  193—208.) 


U. 

^  Der  erste  teil  dieser  Untersuchung  beschäftigte  sich  mit  text 
und  spräche  der  schrift  de  dis  et  praesensionilms ,  der  zweite  wird  es 
mit  dem  inhalt  zu  thun  haben,  dort  ist ,  wie  wir  glauben ,  der  ab- 
Schreiber  des  tractates  als  ein  unverständiger  arbeiter  aufgedeckt 
worden;  hier  werden  die  gedanken  und  worte  des  weitaus  grösten 
teiles  der  schrift  als  fremdes  eigentum  reclamiert  und  der  Verfasser 
selbst  als  versteckter  und  zugleich  unbeholfener  compilator  enthüllt, 
das  vulgäre  element  der  eignen  forixigebung  des  flllschers  ist  aus 
dem  bisherigen  hinreichend  bekannt;  hier  tritt  noch  das  bestreben 
hinzu ,  diese  gewöhnlichkeit  des  ausdrucks  auch  der  reinem  gestalt 
des  Originals  aufzudrücken. 

Unbeholfenheit  im  wort  und  zurschaustellen  fremder  gedanken 
als  eigner  producte  sind  eigenschaften ,  die  niemand  fremder  sind 
als  dem  redner  und  Schriftsteller  Boethius.  für  ersteres  darf  ich  mich 
auf  meine  'Boethiana'  berufen,  in  denen  die  spräche  des  Cicero- 
erklärers  im  steten  hinblick  auf  seine  wichtigsten  werke,  und  mit 
benutzung  trefflicher  vorarbeiten,  iix  den  grundzügen  angedeutet  ist; 
dasz  aber  Boethius  ein  ehrlicher  arbeiter  ist,  dasz  er  nicht  sein  nennt 
was  nicht  sein  ist,  dasz  er  nicht  fremde  gedanken  grundsätzlich  als 
eigne  waare  verkauft  —  dafür  dient  die  gesamtarbeitsweise  in  allen 
werken;  besonders  den  commentarien  zu  Ciceros  Topica,  zum  zeugnis. 
Niemand  dürfte  behaupten ,  der  letzte  römische  philosoph  oder 
überhaupt  ein  Schriftsteller  jener  Jahrhunderte,  deren  Signatur  ency- 
clopädische  compilation  im  weitesten  sinne  ist,  sei  ein  origineller, 
productiver,  die  von  ihm  behandelten  disciplinen  mit  neuen  ideen 
fruchtbringend  bereichernder  köpf  gewesen,  niemand  aber  wird  auch 
sagen,  Boethius  habe  den  klar  erkannten  und  mit  ausdauer  verfolgten 
beruf,  seinen  und  den  folgenden  zeiten  in  den  verschiedensten  Wissens- 
zweigen das  beste ,  was  die  besten  Griechen  und  Römer  der  vorzeit 
gedacht  hatten,  in  klarer  spräche  und  leicht  faszlicher  gliederung  zu 
vermitteln,  in  d6r  weise  geübt,  dasz  er  diese  gesamte  denkarbeit 
früherer  Jahrhunderte  seinen  Zeitgenossen  als  eigne  und  zuerst  er- 
sonnene  Weisheit  hinstellte.  ^  in  den  Topicacommentarien  sind  hieriür 

^  die  von  BPeiper  bis  ins  einzelnste  nachgewiesene  benutzung  von 
Seneoas  tragödien  nnd  die  entlehnung  zahlreicher  gedanken  aus  ijisto- 
teles  jetzt  verlorenem  Protreptikos,  wie  sie  JBemajs  dargethan,  und  ans 
andern  griechischen  und  römischen  philosophen  in  de  cotuoUUione  kann 
unser  urteil  über  die  arbeitsweise  des  Bo.  nicht  modificieren,  geschweige 
umstoszen.  denn  wenn  auch  die  schrift  vom  tröste  der  philosophie,  in 
der  man  insgemein  den  original-Boethias  sucht,  bei  weitem  nicht  die 
prodnctivste  genannt  werden  darf,  so  ist  doch  die  rege^aäazige  nicht- 
nennnng  der  qnellenschriftsteller  durch  die  kunstform  des^kizen,  welche 


286  ThStangl:  PseudoboethiaDa. 

besonders  bezeichnend :  342 ,  37  uti  rerum  ordo  clarius  coUiquescai^ 
pauca  mihi  ex  Äristotele  sumenda  sunt.  372,  43  si  cui  comnientarios 
nostros  inspicere  vacuum  fuerit ,  sciai  haec  nos  ex  Aristotelis  secundo 
PJtysicorum  volumine  invertisse;  327,  3  wird  die  kritische  aufzählung 
der  von  Marias  Yictorinus  aufgestellten  fünfzehn  definitionsarten, 
nach  wiederholter  (324,  45.  326,  2.  28.  32)  nennung  des  Urhebers, 
abgeschlossen  mit  den  worten,  die,  auszer  andern  citaten,  von 
HUsener  treffend  zur  yindicierung  der  bisher  dem  Boethius  zu- 
gewiesenen Schrift  de  definitionibus  an  Yictorinus  benutzt  wurden : 
hae  sunt  definitianum  differentiae  ^  quas  in  eo  Itbro  quem  de  defim- 
tionihus  Yictorinus  edidit  annumeravH^  quas  M.  TuUius  praetermittü 
eo  nomine  quod  eas  minime  necessarias  aestimarit.  nos  vero^  ne  quid 
perfeäo  deesset  operi^  etiam  quae  sunt  a  Cicerone  praetermissa  sub' 
iecimus,  299,  18  wird  die  da^legung  der  coemptio  mit  in  suis  Insti* 
tutis  Ulpianus  exponit  eingeleitet;  303,  20  die  der  mitgift  mit  Paukts 
Institutorum  libri  secundi  tüuto  de  dotibus  ita  dissertnt'^  322,  3.  16 
über  nexus  und  cessio  ähnlich  Gaius  als  gewährsmann  angefClhrt. 
und  so  lassen  sich  auch  in  den  andern  werken  Boethianische  und 
nichtboethianische  gedanken  an  der  band  seiner  eignen  angaben 
streng  von  einander  scheiden,  wobei  die  Selbständigkeit  der  arbeite- 
weise  des  Bo.  in  einem  ganz  achtungswerten  lichte  erscheint. 

Und  der  Verfasser  unserer  schrift?  er  verwechselt  so  con- 
stant  das  mein  und  dein ,  dasz  er  mit  dem  Vortrag  eigner  gedanken 
geradezu  aus  der  rolle  fällt  und  beispielsweise  von  der  darlegung 
391,  24  sed  —  AO proffrediatur^  deren  form,  wie  erwähnt,  Boethius 
Top.  335,  35  f.  nachgebildet  ist,  während  der  gedanke  391 ,  24  L 
aus  einer  andern  quelle  kurz  und  gut  vorgetragen  wird,  mit  der 
poetisch  erhebenden  selbstanstaunung  scheidet:  his  Ha  nostrae 
opinionis  pede  peragratis. 

Die  den  Aristotelesübersetzer  vor  allen  seinen  Zeitgenossen  aus- 
zeichnende kenntnis  des  griechischen  fehlte  dem  pseudo-Boethius  aus 
gründen  die  unten  sich  von  selbst  ergeben. 

Ein  weiterer  hauptunterschied  der  Vortragsmethode  unseres 
Verfassers  von  der  des  Boethius  liegt  darin,  dasz  er  eine  stelle,  statt 
sie  mit  eignen  gedanken  Einmal  und  bestimmt  zu  erklären,  zwiefach 
und  mit  einander  ausschlieszenden  exoerpten  anderer  autoren  oom- 
mentiert :  vgl.  392 ,  1  videamus  an  supra  dictus  locus  aUam  atque 


abwechselnd  die  des  dialogs  und  des  lyrischen  gediebts  ist,  hinreichend 
erklärt,  oder  würden  wir  es  dem  Bo.  dank  wissen,  wenn  er  jeden  schon 
gedachten  nnd  aasgesprochenen  gedanken  in  Zwiegespräch  nnd  vers 
mit  einem  ut  ait  Plato,  ut  TuÜÜ  verbig  utar  usw.  schmücRte?  sein  ver- 
dienst ist  der  schöne  vertrag,  die  plastische  gestaltvng,  die  harmonisehe 
dnrchdring^ng  des  vielheitlichen  zu  einer  gewissen  einheit,  die  Ver- 
klärung des  Wortes  durch  die  eigne  tiberzeugnngstreue  und  tbatkräftige 
persönlichkeit,  wo  Bo.  die  kunstform  des  verses  und  dialogs  abstreift, 
steht  auch  die  ihm  eigenartige  ehrlichkeit  der  quell enbenutsung  rein 
vor  uns;  a|^ reinsten  vielleicht  in  seinem  hauptwerk,  dem  grl^Eem 
coramentarlt  Aristoteles  ircpi  ^pMr|V€iac. 


ThStangl:  Pseudoboethiana.  287 

diversam  admittere  valeat  explanationern.  393, 13  hunc  locum  quem 
dupliciter  commentati  sumus.  393,  26  orationem  hoc  in  loco 
duohus  modis  possumus  intellegere.  394,  3  sed  quia  iste  modus  ora- 
tionis  nimis  singularis . .  esse  perpendiiur . .  iam  in  hoc  loco  intellegere 
debemus  deorum  orationem  quae  usw. 

Zu  der  bestimmten  erkenntnis  nun  dessen,  was  von  pseudo- 
Boethius  selbst  an  gedanken  herrührt ,  was  von  andern  offen  und 
heimlich  entnommen  ist,  dürften  wir  am  sichersten  gelangen,  wenn 
wir  die  ganze  schrift,  die  bei  der  verschiedenartigkeit  ihrer  bestand- 
teile  natürlich  einer  einheitlich  geschlossenen  gedankenfügung  ent- 
behrt, in  folgendem  Schematismus  ihres  gehalts  bloszlegen: 
l)derverfassergibt  die  benutzten  quellen  scheinbar  klar  an. 
2^    „         „       deutet  „  „  „       unbestimmt  an. 

3)    ,,         „       gibt      „  „  „       gar  nicht  an. 

Es  bedarf  keines  besondem  hinweises,  dasz  in  punkt  3  das 
hauptkriterium  der  ganzen  unechtheitserklärung  gegeben  ist;  auch 
dürfte  auszer  zweifei  stehen  dasz,  wenn  wir  mit  kriterium  3  den 
nach  weis  be  wuster  fftlschung  für  drei  selten  des  ganzen  572  S^^sz- 
octavseiten  einnehmenden  schriftchens  geliefert,  auch  für  den  rest 
ein  ungünstiges  präJudicium  geschaffen  ist,  selbst  wenn  der  einzel- 
nachweis,  dasz  jeder  fuszbreit  des  restierenden  besitzstandes  eben- 
falls fremdes  eigentum  sei  und  für  den  compilator  blosz  die  qualität 
der  compilation  —  und  was  für  einer  1  —  bleibe,  unmittelbar  nicht 
angetreten  wird. 

1. 
Der  name  der  unmittelbar  benutzten  quelle  ist  falsch : 


Piatons  Staat  II 38 1*»  TTÖTCpov  in\ 
TÖ  ß^Xriov  T€  Kai  KdXXiov  )i€Ta- 
ßaXX€t  teuTÖv  f|  irix  tö  x^ipov 
Ktti  TÖ  akxio V  touTOÖ ;  'Avdricn 
dm  TÖ  X€ipov,  €TTr€p  dXXoiouTai ' 
QU  T^p  irou  dvbeä  T€  qprjcofiev 
TÖv  0€Öv  kqXXouc  f^  dperfic  eTvau 
und  380"^  dpa  töv  Oeöv  oi€i 
eTvai .  .  dXXdTTovTa  tö  auroO 
€Tboc  clc  TToXXdc  ^opqpdc  .  .  i\ 
dTrXoOv  T€  cTvai  kqI  irdviiüv  t^ki- 
CTQ  Tf]c  dauToO  ib^ac  dKßaiveiv; 
hinsichtlich  der  i/ncorporcäMas  vgl.  Plat.  Tim.  36^.  41*. 

395,  4  ut  ait  Plato,  quae  longo  intervaUo  rursus  apparent^  metm 
et  quaedam  portenta  significant  vel  mox  futura  vel  serius.  gehen  wir 
zum  original*  Tim.  40"  zurück:  fj^iv  Kttid  xpövouc  oöcTivac  ?KacTOi 
(sc.  Oeoi)  KaTaKaXOrrTOVTai  kqI  irdXtv  dva(patvö^€voi  qxSßovjc  kqi 


390,  19  cur  M.  TuUius  virtulem 
vn  divims  naturae  ascribat^  in  hu- 
manis  autem  mentibus  studio  et 
industriae,  Piatonis  ceterorum- 
que  phüosophiae  sequadum  decta- 
rat  assensus.  asseruni  enim  quod 
divinüaSy  quae  incommutabiUs  pu- 
riorisque  essentiae  incorporaUtute 
beatur^  suis  se  finibus  continens 
nee  in  minus  efßuit  nee  in  maius 
exuberat. 


^  die   stellen  Tim.  40«  und  Phaidros  246 ^  verdanke   ich   der   gute 
meiDOS  platoDkundigen  collegen  JNusser  in  Kaiserslautern. 


288  ThStangl:  Pseudoboethiana. 

crmeTct  tuüv  fi€Tä  Taflia  T^vricofi^vujv  toic  oö  buvaji^voic  XoTiC€- 
c9ai  TT^jiTTOUCt,  so  ist  in  der  copie  weder  das  ganze  original  wieder- 
gegeben noch  das  wiedergegebene  treu  übersetzt  und  aufgefaszt. 
auch  kann  die  quelle  nicht  sein  Cicero  in  seiner  Übersetzung  des 
Timaios  c.  10  (IV  1006,  10  Or.*):  quibus  {dei)  temporibus  a  nostro 
aspeäu  ohlüescant  rursusque  emersi  terrorem')  incutiant  rationis  ex- 
pertihus ;  eherChalcidiusin  seiner  interpretation  des  Platonischen 
dialogs  s.  41,  17  Wr.  cum,  quod  äliquanto  ifUervaUo  temporis  fieri 
seilet^  certae  steUae  mersae  ac  latentes  operitmtur^  quae  significent  et 
mox  aut  aliquante  post  fiUura  portendant  vet  cum  insölüis  horis  ctir- 
riculisque  temporum  rursus  emergunt  et  apparenty  quantos  denuntient 
metus  iis  qui  rationem  motus  earum  intdlegere  posstMU^;  ganz  be- 
stimmt aber  derselbe  Chalcidius  in  seinem  commentar  zum  Timaeus 
s.  189,  20  {Plato)  inquü:  quae  longo  intervaUo  rursus  apparetü 
metus  et  quaedam  portenta  significavd  vd  mox  futura  vd  serius;  signi- 
ficationem  vero  pertinere  ad  eos  qui  de  his  rebus  ratiocinari  possunt. 
ja  sogar  die  erklftrung  395, 6  ex  quo  inidlegi  datur  sidera  infrequenter 
orta  non  facere  quae  proveniunty  sed  futura  praenuntiare  ist  genommen 
aus  den  nächsten  Worten  im  commentar  des  Chalcidius  8.  189,  24 
ex  quo  inteUegi  datur  non  Stellas  facere  quae  provenitmt,  sed  fiäura 
praenuntiare. 

Für  die  compilationsweise  des  ps.-Boethius  dürfte  es  kaum  eine 
bezeichnendere  stelle  als  die  eben  behandelte  geben,  man  wirft  mit 
dem  namen  Plato  um  sich  und  kümmert  sich  dabei  nicht  um  das 
griechische  original,  weil  man  es  nicht  versteht  oder  gar  nicht  hat; 
kümmert  sich  auch  nicht  um  Ciceros  tüchtige  Übersetzung,  die,  zum 
mindesten  in  ihrem  jetzigen  bestände,  in  allen  nachboeüiianischen 
Zeiten  ohne  Schwierigkeit  erreichbar  war:  man  geht  in  das  vierte  jh. 
nach  Ch.  hinab  und  pltlndert  einen  erklSrer  des  griechischen  beiden 
aus,  der  Christ  ist,  volkstümliches  latein  schreibt  und  für  gewisse 
leute,  ja  Jahrhunderte,  AUplato  in  nuce  ist 

Die  consequenz,  dasz  auch  die  stelle  aus  der  Politeia,  die  dem 
original  als  copie  in  kaum  noch  faszbarer  allgemeinheit  gegenüber- 
steht, nicht  der  ersten  oder  überhaupt  einer  griechischen  quelle  ent- 
nommen sei,  sondern  einem  lateinischen  bericht  (des  Augustinus?) 
über  die  Platonische  lehre,  ergibt  sich  von  selbst  und  wird  durch  die 
ganze  folgende  Untersuchung  erhärtet. 

£in  weiterer  misbraucb  mit  citaten  aus  quellenschriftstellem 
wird  getrieben  390,  31  virtuiem  in  suis  opusculis  Cicero  definiens 
ait:  virtus  est  animi  häbitus  in  naturae  modum  rationi  consentaneus. 


^  Klotz  8. 276  schreibt  noch  errorem^  während  zotammenhang,  Platons 
(pößouc,  Chalcidius  metus ,  auch  die  bsl.  überliefemng  emersit  errcrem 
blosz  emersi  terrorem  zulasseD.  ^  Wrobel  hätte  durch  Platons  Totc 

oO  6uva|Li^voic  und  Ciceros  Übersetzung  rationis  experiihus  doch  zu 
der  sachlich  notwendigen  emendation  non  possunt  sich  angeregt  fähleo 
sollen,  falsch  ist  bei  ihm  auch  s.  231,  15  existimatio  st.  aestimaiio  der 
hss.  (s.  Boethiana  s.  63)  und  s.  233,  14  inspeetatores  (st.  inspeciores) 
speculatoresque,    s.  Bo.  geom.  s.  403,  1  Fr. 


ThStangl:  Pseudoboethiana.  289 

tU  enim  a  divina  virtute^  quae  omnino  essentialüer  sive  naturaliter 
inest  y  humanam  virtutem  secerneret^  idcirco  Hn  naturae  modum*  ad- 
iecit.  dtwbus  emm  constamuSy  anima  et  corpore*  anima  inmortäUs 
est.  si  inmortälis  est ,  a  divinis  descendU.  si  ergo  a  divinis  descendit, 
cur  omnium  virtutum  häbitu  perfeäa  non  est?  bei  Cicero  de  inv.  II 
§  169,  hier  absonderlicher  weise  opascula  genannt,  heiszt  die  ein- 
stimmige Überlieferung  nach  inhalt  und  umfang  blosz:  virttis  est 
<jinimi  hahUus  natwrae  modo  atque^  rationi  consentaneus.  dagegen 
faeiszt  es  im  commentar  des  Marius  Victorinus  (aus  dem  vierten  jh. 
wie  Chalcidius)  zur  rhetorik  Ciceros,  Bhet.  lat.  min.  s.  155,  28  £f.  H. : 
virtus  esMinimi  hahUt/is,  in  naturae  modum  rationi  consentaneus  ^  et 
ideo  in  naturae  modum:  du^ohus  enim  constamuSy  anima  et  corpore, 
anima  inmortälis  est.  si  inmortälis  est,  a  divinis  descendit;  si  a  di- 
vinis descendity  perfecta  est.  sed  acies  quamvis  perfedae  animae  quo- 
dam  corporis  crasso  tegmine  inretitur  et  circtwifunditury  et  ita  fit  ut 
quandam  ohlivionem  sui  capiat.  cum  vero  studio  ac  discipUna  vduti 
däergeri  (s.  oben  s.  205)  coeperit  atqtie  mtdariy  tunc  in  naturae  suae 
modum  animi  Habitus  revertitur  atque  revocatur,  der  zweite  teil  dieses 
Yictorinischen  berichtes  wird  von  unserm  compilator,  ohne  irgend 
welche  Quellenangabe,  391, 13—16,  also  15  zeilen  später,  mitten  in 
eine  aus  Cicero  entnommene  stelle  hineingekeilt  in  folgender  muster- 
Periode:  postquam  quodam  crasso  corporis  tegimine  in/i'etita  anima 
et  drcumfusa  quandam  sui  ohlivionem  suhierity  cum  deinde  studio  ac 
disciplina  däergeri  coepit  atque  nudariy  tunc  in  natwrae  suae  modum 
animus  revertitur  atque  revocatur.  diese  stelle  gehOrt  also  eigentlich 
zu  jenen  unter  nr.  3  angeführten,  bei  denen  die  benutzte  quelle  völLg 
verschwiegen  wird ;  doch  haben  wir  es  vorgezogen,  um  des  Zusammen- 
hanges mit  der  vorhergehenden  willen,  der  freilich  unserm  com- 
pilator keine  trennungsscrupel  bereitete,  sie  hierherzusetzen. 

2. 

Eine  unbestimmte  quellenangabe  und  damit  eine  gewisse 
rechtfertigung  des  plagiats  findet  sich  390,  37  —  391,  6  quod  (dasz 
die  seele  nicht  omnium  virtutum  hahitu  perfecta  ist)  qucde  sity  ah 
eiusdem  philosophiae  (der  Platonischen,  dh.  neuplatonisch  ver- 
rohten) adytis  eliciatur.  anima  enimy  necdum  in  contagionis 
corporeae  indmnento  invölutay  in  iUa  ähsohUissimae  purüatis  suae 
specula  omnium  rerum  peritiam  perfectissime  considerat.  postquam 
autem  in  hoc  luteum  corpus  ohruituTy  acies  eius  terrenae  admixtionis 
tenehris  caligosa  ah  iUa  suae  ingetntaeque  visionis  clarUudine  caecatur, 
die  Platonische  originalstelle,  in  diesem  zerrbilde  späterer  auf- 
fassung  freilich  kaum  mehr  erkennbar ,  lautet  im  Phaidros  246  ^'i 
TTcica  f|  i|iux^  TTavTÖc  dmimeXeiTai  toO  dipOxou ,  irdvia  bk  oöpavöv 
TrepmoXei,  öXXot'  dv  dXXoic  eiöeci  TUfvoim^vri*  reX^a  ixiv  oöv 


*  Marius  Victorinas  de  definitionibus  bd.  64  s.  897,  34  Migne  citiert 
ans  dem  gedächtnis  ebenso. 

J«hrbficher  für  cUis.  phUol.  1883  hfU  4.  19 


290 


ThStangl:  Pseudoboethiaiia. 


OÖca  Kai  ^7TT€piü|Ll€Vr|  )UieT€U)p07rop€l  T€  Kttl  ndVTa  TÖV  KÖCjLlOV  ÖIOI- 

K€i.  f]  b€  7TT€poppurjcaca(|LieT€U)prjcaca?)  qp^peiai,  Ivjc  Sv  CTcpeoO 
Tivöc  dvTiXdßriTai,  oö  KaioiKicOeTca  c&iia  Trjivov  XaßoOca  . .  Cqjov 
TÖ  SOjLiTrav  dKXtiGr].  der  genusz  der  die  ideen  der  dinge  schauenden 
Seele  ist  geschildert  ebd.  247  ^  ®. 

Während  die  lateinische  mittelquelle  mir  hier  nicht  bekannt 
ist,  liegt  über  Piatons  lehren  von  wissen  und  rückerinnerung, 
wie  sie  im  dialog  Menon  82^  ff.  von  Sokrates  entwickelt  werden, 
ein  allbekannter  zusammenfassender  bericht  in  Ciceros  Tusculanen 
vor,  der  wegen  seines  lateinischen  gewandes,  kürze  und  gemein- 
verständlicher auffassung  den  späteren  Zeiten ,  selbst  so  lange  das 
original  vorhanden  und  zur  not  verstanden  war,  dieses  ersetzte. 
originalUbersetzung  und  copie  lauten : 


Cic.  Tusc.  I  §  57  f. 
docet  (Socrates)  .  .  nee  fieri  uUo 
modo  posse  lU  a  pueris  tot  rerum 
atque  tantarum  insüas  et  qutisi 
consignatas  in  animis  notiones, 
quds  ivvoiag  vocant,  haheremuSy 
nisi  animus, antequam  in  eorpus 
intraviss et ,  in  rerum  eognUione 
viguisset .  .  neque  ea  plane  videt 
animus^  cum  repente  in  tarn  in^ 
solitum  tamque  perturhatum 
domictlium  inmigrat^it,  $ed  cum 
s^collegit  atque  recreavity  tum  ad' 
gnoscit  iUa  reminiscendo. 


ps.-Bo.  391,  7—13 
aiunt  (Platonici)  nuUo  modo  fieri 
posse  ut  a  pueritia  tot  rerum 
atque  tantarum  insitas  atque 
quasi  consignatas  in  animis  na- 
tioneSy  quas  iwoUng  vocant^  habere- 
mus,  nisi  animus^  antequam  in- 
corporaretur^  in  rerum  cogni' 
tione  viguisset,  neque  ea  piane 
videt  animuSy  cum  repente  tam  tn- 
solitum  tamque  turbulentum 
damicilium  inmigravü^  sed  cum 
se  recoUegü  atque  recreavU  per 
aetatis  momenta,  tum  agno- 
seit  iüa  reminiscendo. 


Nach  jenem  zweiten  teile  des  excerptes  aus  Viotorinus,  den  hier 
unser  compilator  einfügt,  folgt  ein  weiteres  stück  aus  derselben 
quelle ,  mit  ähnlicher  vulgarisierung  des  ausdrucks : 


Cic.  Tusc.  I  §  57 
in  illo  lihro  qui  inscrihitur  Mivmv 
pt^sioncm  quendam  Socrates  inter- 
rogat  quaedam  geometrica  de  di- 
mension^  qtiadrati,  ad  ea  siciUe 
rcspondet  ut  puer,  et  tamen  ita 
faciles  interrogationes  sunt^  ut 
gradatim  respondens  eodem  per- 
vcniat  quo  si  geometrica  dididsset, 
ex  quo  cffici  voU  Socrates  ut  discere 
nihil  aliud  Sit  nisi  recordari.  quem 
locum  mulio  etiam  accuratius  ex- 
plicat  in  eo  sermone  quem  habuit 
€0  ipso  die  quo  cxcessvt  e  vita. 


ps.-Bo.  391,  18—24 
.  .  quod  totum  evidentius  dedarat 
Socrates  in  iUo  lihro  qui  Mivmv 
inscribitur  pusionem  quendam 
interrogans  de  dimensione  qua- 
drati.  ad  quae  sie  iUe  respondü 
ui  puerj  et  tamen  ita  faciles  inter- 
rogationes sunt^  tU  gradatim  re- 
spondens eodem  perveniatj  quasi 
geometrica  dididsset.  ex  quo  effid 
vuU  Socrates  ut  discere  nihü  aliud 
Sit  nisi  recordari.  quam  rem 
muUo  accuratius  ille  expiicat  in 
sermone  quem  habuit  eo  die  quo 
excessit  e  vita. 


ThStangl:  Pseudoboethiana. 


291 


der  leser  wird  bemerkt  haben,  dasz  unser  compilator,  obwohl  er  den 
Cicerobericht  nicht  blosz  durch  einen  andern  nicht  homogenen  unter- 
bricht, sondern  auch  in  der  umgekehrten  abfolge  der  gedanken  vor- 
fahrt ,  dennoch  zum  gleichen  resultate  wie  Cicero  und  zu  einem  ihn 
sogar  zu  selbsteignem  philosophieren  (391,  24 — 40)  anregenden 
abschlusz  kommt. 

3. 

Dasz  uns  der  Plato  des  mittelalters,  Chalcidius,  auch  in  jenem 
geheimcabinet  als  beschädigter  klSger  begegnet,  wo  man  ungerochen 
ein  litterarisches  plagiat  verüben  zu  dürfen  glaubt ,  ist  nach  solchen 
antecedentien  nicht  mehr  überraschend,  es  handelt  sich  um  das 
Sokratische  bat|Li6viov,  über  das  man  bei  den  Griechen  der  alten  zeit 
(Piaton  und  Xenophon)  und  der  renaissance  (Plutarch) ,  wie  bei  den 
Lateinern  Cicero ,  Apulejus  und  Augustinift  wenig  verbürgtes  und 
viel  fabelhaftes  erfahren  koimte.  der  compilator  zieht  den  theoso- 
phisch  angehauchten  bericht  des  ihm  auch  sonst  befreundeten  Plato- 
Interpreten  vor. 


Chalcidius  s.  287,  24—288, 19'*» 
^est  ah  ineunte  aetcUe  numen  m'Uii 
comes  quoddam^  idque  vox  est  guae^ 
cum  ad  animum  sensumque  meum 
commeaty  significat  ab  eo  quod 
agere  propomi  temperandumj  hör- 
iatur  vero  ad  nMum  actum'  .  . 
eget  emm  ifibeciUa  hominum  na- 
tura praesidio  meUoris  praestan- 
tiorisque  .  .  vox  porro  tUa^  quam 
Socrates  sentiebat^  non  erat  opmor 
talis  quae  aere  icto  sonor  et,  sed 
quae  ob  egregiam  castimoniam 
tersae  proptereaque  inteUegentiori 
animaepraesentiam  coetumque  so^ 
litae  divinitatis  revdaret .  .  atque 
ut  in  somnis  audire  nobis  videmur 
voces  sermonum^^  et  expressa  verba^ 
nee  tamen  iUa  vox  esty  sed  vocis 
officium  imitans  significatiOy  sie 
vigüantis  SocraJtis  mens  praesen- 


ps.-Bo.  393,  30—394,  3 
perhibet  {Socrates)  se  usum  quadam 
famüiari  numinis  amicitia . .  cuius 
voce  ad  animum  suum  commeante 
inteUegebat,  a  quarum  rerum  ac- 
tione sibi  esset  temperandum.  nee 
vero  hortabatur  cum  ad  aiiquem 
actum,  sedprohibebcU  quae  fieri  non 
expediret.  vox  porro  tUa^  quam 
Socrates  m  animo  sentiebat,  non 
erat  opinor  talis  ^  quae  aere  icto 
sonaretj  sed  quae  ob  egregias  vir- 
tutes  purgatae  proptereaque  intel- 
legentiori  animae  praesentiam  so- 
Utae  divinitatis  revelaret.  atque  ut 
in,  somnis  audire  nobis  videmur 
voces  sermonum  et  expressa  verba, 
nee  tamen  iUa  vox  est^  sed  vocis 
officium  imitans  iUa^^  significatiOy 
sie  vigilantis  Socratis  mens  per 
praesentiam  numinis  de  rebus  non 


'^  an  die  ersten  Sätze  des  Chalcidius  klingt  leise  an  Ang^stinas 
de  civ.  dei  VIII  14  s.  342,  1  D.'  ex  genere  numinum  Socrates  habebat 
adiunctum  et  amicitia  quadam  comunctum^  a  quo  perMbetur  solitus  admoneri, 
ut  desisteret  ab  agendo,  quando  id  quod  agere  volebat  non  prospere  fuerat 
eventurum\  und  ebd.  VIII  3  s.  323,  26 — 31.  **  Wrobel  liest  gegen  die 
bss.  mit  den  frühern  hgg.  voce$  sermonumque  expressa  verba.  ^*  eigen- 
tümliche Wiederholung  des  vorigen  artikelvertretenden  demonstrativ- 
pronomens. 

19* 


292 


ThStangl:  Paendoboethiaiia. 


tiam  divinüatis  signi  perspkm 
notatione  auguräbatur.  nee  vero 
dubitari  fas  est  intdlegibüem  deum 
pro  hoffkate  naturae  s%u»e  rebus 
Omnibus  consukntem  {oonstdeniem 
tälem?)  qpem  generi  hominuim  .  . 
ferre  voJuisse. 


gerendis  augfiräbatur{opimo  enim 
jpkttosopharum  erat)  dmm  i/nMU" 
gibüein^  pro  naturae  suae  hanUaie 
ommbus**  consulentem^  kiriuemoM 
opem  generi  hammum  ferre  voht' 
isse^  qtm  imbecOla  hamimim  na- 
tura praesidio  praestantims  na- 
turae  indigeret. 

Zum  wunderlicBsten  jedoch,  was  von  oompilatioiuigeiiies  je  ge* 
leistet  worden,  gehört  392, 2—13  und  392, 13— {393,  4:  ein  berioht 
über  Ciceros  beziehiingen  zu  Yarro  nnd  des  Beatmen  teünng  der 
theologie,  der  ans  etwa  zwansig  oft  weit  yon  einander  abliegenden 
stellendefiAagustinischen  Werkes  vom  Staate  gottes(nind 
hundert  jähre  yor  Boethjps  tod  yollendet)  in  der  notdürftigsten  nnd 
oft  gewaltsamsten  weise  zosammengesetst  ist.  er  beginnt:  videtmr 
quibusdam^*  haec  sententia  qua  aü  Oieero  ^dearum  vkius  nahmt  ec- 
ceUU,  hominum  autem  indusMa'  ex  Ubris  M.  Varronis^  hammis  oom- 
tissimi,  de  humams  et  dMnis  rebus^  uUdefhedogiaedmsione  agitur^ 
succincte  per  transUum  mutuata.  ygL  Angostinus  de  dy.  dei  VI  2 
8.  247,  7  cum  JEU  Varrone^  hamine  . .  ocii^ismio;  ebd.TI8s.S48,S4 
quadraginta  unum  Ubros  scripsU  anUguttahum;  hos  in  res  kumanoB 
divinasque  dwisü]  YI5  titel:  deiribusgenerOmsfheologiaeseGunäum 
Varronem. 

Es  folgt  ps.-Bo.  392,  6  fuU  enm  TuOms  eidem  M.  Varromi 
coaudüor  ei  condiscipulus  sub  äodore  iln^tacAo,  partknjMeo  partim 
academico.  der  gedenke  ist  entlehnt  ans  Ang.  ao.  JLUL  8  s.  866, 
24—28  haec  sensisse  atque  docuisse  academicos  veteres  Varro  adserU 
auctore  Äntiocho^  magistro  (Xceronis  et  suo^  quem  sane  Oieero  inphir 
ribt4s  fuisse  stoicum  quam  veterem  academieum  vuU  videri.  ygL  (Sc. 
Acad.  1 3, 12.  de  fin.  V  1, 1  und  Acad.  11 43, 132  {AnHoOms)  appA- 
labatur  academious;  erat  jUMfem,  si  perpaiuoa  nvutc^Asselt^  germanissi' 
mus  stoicus^  woraus  der  kirchenyater  schöpfte.  —  ps.-Bo.  392, 8 — ^^18 
in  supradictis  autem  Ubris  idem  IL  Varro  adeo  (Xceroms  favorem 
meruü^  tU  in  primo  Academicorum  suarum  Ubro  Oieero  eiusdem  UUe- 
raria  opera  praedieä  et  adm^retur  dieens  ^nas  in  nasira  urbe  peregri- 
nantes  errantesque  tamquam  hospites  fui  Ubri  quasi  donrnm  reduxerunt^ 
ut  possemus  aliquando  qtriäuibi  essemus  agnoscere*.  ygL  Aug.  VI  2 
8. 247, 5  und  17—21  ipseTulUuskuie(JIIL  Varrom)  täte  tesümanimn 
perhibd^  ut  in  Ubris  Academids  dicai  eam  quae  %bi  versatur  dispultar 
tionem  se  häbuisse  cum  M,  Varrone^  hamine^  inquit,  omnium  fadk 
acutissimo  et  sine  uOa  dubitaHone  doetissimo  . .  in  primo  autem  Kbro 
cum  eiusdem  Varronis  Utteraria  opera  praedicaret:  *noa^  inquU  ^in 
nostra  urbe  peregrinanies  usw.  buohstftblich  bis  agnasoere.* 


<*  hominibus^  nein;   es  kann  nicht  unsere  aufgebe  sein  gewollte 
mängel  sn  paralysieren.       *^  nemli^  dem  compilatorl 


ThStangl:  Pseudoboethiana. 


293 


Augnstinus 

VI  3  8.  248,  28  intendü  qui 
agantj  uhi  agant^  quando  agant^ 
quid  agant. 

VI  5  s.  252,  17—29  deinde 
äl/ud  quäle  estj  quod  tria  gener a 
theologiae  dicU  esse  .  .  eorumque 
unum  mythicon  appeUari^  äUerum 
physicon^  tertium  civüe?  latine  si 
usus  admvtteretygenus  quodprimum 
posuxt  fahulare  appeUaremus;  sed 
fäbulosum  dicamus;  a  fäbulis  enim 
mythicon  dictum  est,  quoniam  fiiJ- 
^og  graece  fäbuHa  dicitur,  secun- 
dum  autem  ut  naturale  dicatur, 
tarn  et  consuetudo  locutionis  ad- 
mittit.  tertium  etiam  ipse  latine 
enuntiavüy  quod  civüe  appeUalwr. 
deinde  ait:  mythicon  appellant  quo 
maxime  uiuntur  poetae;  physicon^ 
quo  phüosophi;  civüe  j  quo  populi, 
primum,  inquity  quod  dixiy  in  eo 
simt  muUa  contra  dignitatem  et 
naturam  inmortälium  fiäa. 

VI  5  8.252,  29  —  253,  4  in 
hoc  enim  est,  ut  deus  aUus  ex  ca- 
pitey  aUus  ex  femore  sü,  aHms  ex 
guttis  sanguinis  natus;  in  hoc^  ut 
di  furati  sint,  ut  aduUerari/nty  ut 
servierint  homi/ni;  denique  in  hoc 
omnia  dis  adtrihuuntur  quae  non 
modo  in  hominem^  sed  etiam  quae 
in  contemptissimum  hominem  ca- 
dere  posstmt, 

VI  5  8.  253,  4—9  ist  der  ge- 
danke  gegeben;  die  schlag-  und 
schmähworte  dagegen  s.  255, 10. 
256, 3.  257,  27,  wo  man  sie  nach- 
sehen mag. 

VI  5  s.  253, 10—15  secundum 
genus  est,  inquüy  quod  demonstraviy 
de  quo  muUos  Uhrosphüosophi  rdir 
guerunt;  in  quibus  esty  di  qui  sinty 
ubiy  quod  genuSy  quäle  est:  a  quo- 
dam  tempore  an  a  sempiterno  fu- 
erint  di;  ex  igne  svnt,  ut  credä 
JSeracUtus,  an  ex  numeriSy  ut  Py- 


ps.-Boethius 

392,  13  tradans  enim  ihidem 
de  humanis  relus  partim  ifüendity 
qui  usw.  buchstäblich. 

392,  14 — 23  disputans  prae- 
terea  de  divinis  rebus  tria  genera 
theologiae  introdudt  eorumque 
unum  mythicon  appeUari  dicity 
quod  quidemy  nisi  latini  insolentia 
prohiheret  doquiiy  fabulare  appelr 
laremus;  sed  fäbulosum  interprete- 
mur.  a  fabiüa  enim  mythicon  dic- 
tum esty  quoniam  (iv&og  graeco 
sermonefabulamsignificat.  secun- 
dam  physicony  quod  ut  naturale 
dicatur  iam  diu  tritus  nostrae  locu- 
tionis usus  admütit.  tertium  civüe 
appeUavit.  deinde  adiedt  mythicon 
appeUari  quo  maxime  utuntwr 
poetae  y  in  eoque  esse  muUa  contra 
dignit^em  naturamque  inmortä- 
lium fiäa. 


392,23-26  buchstäblich  gleich, 
wenn  man  süy  nach  sanguinis  statt 
nach  femore  gestellt,  ausnimt. 


392,  27  f.  quod  totum  quia 
poäids  est  mendaciis  adornatum 
et  scaenicis  ac  theatrids  nugis  de- 
putatumy  omnmo  putat  esse  sacri- 
legum. 

392,  29—32  gleich',  wenn  man 
quod  demonstravi  und  di  nach 
fuerint  weglttszt,  et  quäle  statt 
qtuile  est  liest. 


294 


ThStangl:  Pseudoboethiana. 


thagoraSy  an  ex  atomiSy  ut  ait  Epi- 
curus» 

VI  5  s.  254,  22  hanc  (theoUh 
giam)  pertinere  testatur  ad  mtm' 
dutn^  quo  isti  nihil  esse  exceUentius 
opinantur  in  rebus]  auch  s.  253, 
17  f. 

VI  5  8.  254,  14—16  tertium 
genus  estj  inquit^  quod  in  urhibus 
civesy  maxime  sacerdotesj  nosse  at- 
que  administrare  debent. 

VI  7  ß.  257,  26—29  revocatur 
ad  theologiam  cimlem  theologia  fa- 
bulosa  theatrica  scaenica^  indigni- 
tatis  et  turpitudinis  pleno ,  et  haec 
tota  quae  merito  culpanda  et  re- 
spuenda  iudicatur  pars  huius  est 
quae  colenda  et  observanda  cense- 
tur-,  auch  257,  1  und  266,  28. 

VI  7  s.  258,  5—8  numquid 
barbatum  lovem^  inberbem  Mer- 
curium  poäae  Tiabent^  pantifkes 
non  habent?  numquid  Priapo  im- 
miy  non  etiam  sacerdotes  enormia 
pudenda  feceruni?  an  (Mer  stat 
adorandus  in  locis  sacris  quam 
procedit  ridendus  in  theatris? 

VI  6  8.  256,  26—31  haec  cum 
dicimus,  videri  fortasse  cuipiam 
nimis  harum  rerum  ignaro  potest 
ca  sola  de  dis  tälibus  maiestati 
indigna  divinae  et  ridicula  detesta- 
biliaque  celebrari^  quaepoeticis  can- 
tantur  carminibus  et  ludis  scaenicis 
actüantur;  sacra  vero  iHa^  quae 
non  histrionessed  sacerdotes  agunt^ 
ab  omni  esse  dedeoore  purgata  et 
aliena.  zu  distinguere  vgl.  254, 25 
und  257,  4;  znpalmam  254,  20. 

VII  praef.  8.  272,  21—24  in- 
genia  celeriora  atque  meHiora,  qui- 
bus  ad  hanc  rem  superiores  libri 
satis  superque  suffiäunt^  patienter 
et  aequanimiter  ferre  debebunt  et 
propter  alios  non  putare  super- 
fluum,  quod  iam  sibi  sentiunt  non 
neccssarium. 


392,  32  f.  hoc  totum  genus  per- 
tinere  dixvt  ad  mundum  nUUaque 
infamia  denotavU. 


392^  33^—35  tertium  genus  est^ 
inqmtj  civüe,  quod  in  urbe  dves^ 
maxime  sacerdotes^  nosse  atque 
sacrificando  administrare  sclent^ 

392, 35 — 37  in  quo  äiamgenere 
cum  muUa  infamiae  fkmt  simü- 
Uma^  quamvis  tacente  Vairrone^  a 
noUs  mi  priori  iudicantur  cognata. 


392,  37—39  numquid  enm 
Priapo  mimi  ac  poetaCj  non  etiam 
usw.  wOrÜich. 


392,  40—393,  4  videns  ergo 
Cicero  in  iUo  priori  genere  prorsus 
ridicula  et  maiestati  divinae  in- 
digna ceHehratOj  quaepoeticis  can- 
tantur  carminibus  et  ludis  scaenicis 
actüantur y  tn  tertio  quoque  genere 
Sacra  iUay  quae  non  histriones  sed 
sacerdotes  aguntj  a  consimüi  nequa- 
quam  dedecore  purgata  et  aiiena 
castigata  quodam  modo  brevitate 
distinxity  cui  horum  trium  paHmam 
et  decorem  virtutum  ascribat, 

393, 12—15  quaeso  ergo  ne  in- 
genia  dariora  et  ad  obscurUates 
subtüius  indagandas  cderiora  hunc 
locMin,  quem  dupiiciter  commentaH 
sumus,  corrugata  nare  fastidiant 
et  ne  forte  putent  minus  doctis 
superfluum^  quod  sibi  sentmnt  non 
neccssarium. 


ThStangl:  Pseudoboethiana.  295 

Unter  dem  wenigen^  was  nach  diesem  nachweis  fremden  eigen- 
tums  dem  ps.-Boethins  als  eignes  product  verbliebe,  nimt  der  orakel- 
spnich  KeTvoc  dvf|p  rd  KttKd  Kd  dvavTia  dcTiv  öpKiuv  die  erste 
stelle  ein.  der  mann  hat  das  Orakel ,  das  ja  in  der  erhaltenen  litte- 
ratur  nicht  weiter  vorkommt,  selbst  gegeben?  dazu  ist  uns  der 
Spruch  wirklich  zu  trefflich,  der  mann  aber  zu  wenig  trefflich,  aber 
er  verstand  doch  jedenfalls  griechisch?  wenn  der  gebrauch  von 
Wörtern  wie  tropus^  adyton  y  prognosis ,  denen  schon  die  vorboethi- 
anische  zeit  das  lateinische  bürgerrecht  verlieh ,  wenn  die  kenntnis 
Piatons  aus  Cicero  und  Chalcidius,  nicht  aber  aus  Platonischen  oder 
neuplatonischen  quellen,  eine  kenntnis  des  griechischen  auch  nur 
oberflächlichster  art  nahelegen,  nun  so  verstand  er  griechisch,  auszer- 
dem  ist  im  geiste  der  gesamten  compilation  blosz  die  hypothese,  dasz 
der  Verfasser,  wie  die  kenntnis  griechischer  philosophielehren,  so 
auch  die  des  griechischen  Orakelspruches  aus  lateinischer 
quelle  schöpfte,  solche  orakelsamlungen  denken  wir  uns  von  der 
art  der  oben  genannten  des  Opsopaeus,  dasz  sie  nemlich,  gleich  mittel- 
alterlichen griechisch-lateinischen  Wörterbüchern ,  den  griechischen 
Originaltext  und  die  lateinische  Übertragung  zugleich  enthielten, 
künstlerische  und  persönliche  rücksichten  lieszen  es  dabei  angezeigt 
erscheinen ,  die  griechische  fassung  vorzuziehen  und  die  spräche  des 
gottes  selbst  zu  reden. 

Eine  besondere  besprechung  fordern  ferner  die  werte  394^ 
12 — 17  per  orcdionem  significasse  videtur  M.  TuUitis  quaedam  con- 
suUorum  (=  um  rat  gefragter?)  numinum  responsa^  quae  quandoque 
vario  inteUedu  perplexa  quandoque  perspicua  quihusdam  ex  adytis 
specuum  spumantihus  hucds  rapidoque  discursu  oris  furiatorum  ruC" 
tdbat  insania^  quihus  veluti  vivae  atque  expertissimae  de- 
orum  voci  pro  fidei  testimonio  innitehatur  antiquitas, 
gegenüber  dem  löblichen  localpatriotismus  der  ein  wohner  von  Pavia 
und  dem  frommen  glauben  des  ganzen  mittelalters ,  Boethius  sei  in 
wort  und  that  ein  begeisterter  Verfechter  speciell  christlicher  an- 
schauungen  und  ein  martyrer  seines  katholischen  glaubens  gewesen, 
hält  die  moderne  kritik,  auch  der  unbefangenen  protestantischen 
und  römischkatholischen  theologen,  seit  Arnolds  'unparteiischer 
kirchen-  und  ketzerhistorie'  (Frankfurt  1700)  an  der  aus  den  schrif* 
ten  des  mannes  geschöpften  erkenntnis  fest,  dasz  er,  als  Schrift- 
steller wenigstens,  dem  Christentum  gegenüber  eine  völlig 
zurückhaltende  Stellung  einnimt,  dagegen  mit  jenem  geisti- 
gen leben  griechischer  und  römischer  vorzeit,  wie  es 
ihm  bei  Piaton  und  Aristoteles,  Cicero  und  Seneca  entgegentritt, 
aufs  innigste  sich  verbunden  zeigt,  allem  edlen  und  eigen- 
artigen, was  von  alter  cultur  ihm  entgegentritt,  bringt  er  achtung, 
Vorurteilslosigkeit,  Verständnis  entgegen:  so  findet  man  bei  ihm 
kein  belächeln  oder  bespötteln  irgendwelcher  religiöser,  socialer, 
politischer  oder  sonstiger  anschauungen  des  heidnischen  altertums. 
eine  so  rohe  auffassung  des  alten  orakelwesens  und  Volksglaubens 


296  ThStangl:  Pseudoboethiana. 

wie  die  oben  angefahrte  des  pseudo-Boethins  ist  im  munde  des 
wahren  Boethius  gar  nicht  denkbar,  die  fanatische  polemik ,  die 
ps.-Boethius  mit  den  Worten  des  dialektischen  kirchenvaters  Augu- 
stinus an  Varros  bericht  über  die  verschiedenen  arten  der  theologie 
übt,  ist  in  einem  Boethianischen  werke  ein  unding:  so  denkt,  spricht, 
kritisiert  Boethius  über  das  altertum  nicht,  es  ist  die  schärfste  waffe 
gegen  die  echtheit  der  schrift  die  es  gibt :  der  Verfasser  ist  in  die 
geistesweit  des  bekenntnislos  wissenschaftlichen  philosophen  auch 
halbwegs  nicht  eingedrungen  und  trägt  die  bekämpfung  des  heiden- 
tums,  auf  der  anschauung  späterer  Jahrhunderte  fuszend,  in  den 
Boethius  hinein ,  dem  nichts  femer  liegt  als  religiöser  fanatismus. 
und  nicht  blosz  6inmal  war  ps.-Boethius  unwitzig  genug  durchblicken, 
zu  lassen,  wes  geistes  kind  er  selbst  sei.  heiszt  es  ja  auch  390,  16: 
deos  dicit  quasdam  incorporeas  potestatesy  qtias  et  universUcUi  praesidere 
eisque  rebus  quilms  praesunt  consulere  suorumque  responsomm  indiciis 
humanam  cäliginem  temperare  opinahatur  antiquitas,  und  393, 
41  werden  des  Chalcidius  werte  deum  inteUegihüemy  pro  ncUurae  stioe 
honitate  omnibfM  constüentem^  huiustnodi  opem  (sc.  der  divination) 
generi  hominvm  ferre  voluisse  mit  einem  opinio  philosophorum 
erat  eingeleitet,  so  spricht  der  mann,  dem  das  mittelalter  einen 
groszen  teil  des  altertums  dankt,  über  dieses  altertum  nie.  also  hat 
ps.-Boethius  keine  irgendwie  tiefere  kenntnis  von  spräche,  arbeits« 
weise  und  Weltanschauung  des  autors ,  dessen  verstümmeltes  werk 
er  in  congenialer  weise  fortzusetzen  sich  vorgenommen. 

Dasz  ps.-Boethius,  der  fortsetzer  des  fragmentierten  Boethius, 
auch  seinerseits  der  nachweit  ein  bis  zum  rülimlichen  ende  durch- 
geführtes werk  vorenthielt,  lag  in  der  trockenheit  des  nun  folgenden 
stofifes  und  in  der  impotenz  des  compilators.  was  konnte  verlockender 
sein  und  des  dankes  zahlreicher  gesinnungsgenossen  sicherer  als  de 
dis  et  praesensionibus  je  einen  alten  popularphilosophen,  mystiker 
und  theoiogen  sich  zanken  zu  lassen  und  in  dieses  gebräu  dann  sein 
eignes  christlich-kritisches  säftchen  zu  mengen?  mit  dem  pikanten 
Stoff  von  §  76  und  77  der  Ciceronischen  Topica,  vor  dem  Boethius 
eigentümlicher  weise  stehen  geblieben  war,  während  er  doch  später 
manches  alte  werk  noch  fortsetzte,  ja  dies  und  jenes  neue  unternahm, 
und  mit  der  möglichkeit  eine  reiche  und  verschiedenartige  litteratur 
über  denselben  gegenständ  zu  benutzen  und  einander  entgegen- 
zustellen war  auch  die  lust  und  fähigkeit  zur  weiterführung  der 
arbeit  verschwunden:  Cic.  Top.  §  77  beginnt:  in  homine  virtutis 
opinio  2^lurimufn  vcUet :  ein  heikler  satz,  über  den  ganz  unselbständige 
köpfe  schwer  etwas  einigermaszen  erträgliches  aussinnen  imd  über 
den  auch  bei  beiden  und  kirchenvätem  sich  nicht  leicht  und  rasch  so 
von  der  Oberfläche  etwas  abschöpfen  läszt ;  endlich  ein  argument,  das 
Boethius  in  einem  teil  seines  schluszcapitels  (387,  28 — 39)  grösten- 
teils  vorweggenommen,  so  dasz  schon  die  anknüpfung  der  folgenden 
erörterung  erneute  Schwierigkeiten  bot. 

Anderseits  glauben  wir  sogar  den  äuszern  anlasz  zur  be- 


ThStangl:  Pseadoboethiana.  297 

schränkten  Unternehmung  der  fortsetzung  zu  kennen,  nem- 
lich  Cic.  Top.  §  73  heiszt  es:  persona  non  quaUscumque  est  testimomi 
pondus  habet;  ad  fidem  enim  faciendam  audorüas  qttaerUury  sed 
auäoritatem  aut  natura  aut  tempus  adfert.  naturae  auäarüas  in 
virtute  inest  maxime;  in  tempore  aiUem  mtdta  sunt  quae  adferant  auc- 
toritatem:  diese  letzteren  punkte  werden  alsdann  bis  §  76  in  hoc 
genere  etiam  iUa  est  in  Pälamedem  coniecta  suspicionum  proditionis 
fnuUitudo;  quod  genus  refutare  interdum  veritas  vix  potest  erläutert, 
und  sie  sind  es  auch,  die,  mit  einschlusz  von  Cic.  Top.  §  78  der  als 
gleichartig  vom  erklSrer  vorweggenommen  wird  (387,  30 — 41), 
Boetbius  in  seinem  schluszcapitel  allein  erklärt  hat.  und  wieBoethius 
387, 28  von  dieser  stofi^liederung  sprechend  in  betreff  Ciceros  sagt: 
de  virtute  distulit  (bis  §  76  a.  e.)  dicere^  so  kann  man  auch 
von  seinem  commentar  sagen :  de  virtute  distulit  dicere.  diese  Wahr- 
nehmung, dasz  nicht  blosz  das  ganze  werk  des  commentators  ein 
torso  sei ,  sondern  auch  dieses  einzelne  capitel  genau  nur  zur  hälfte 
ausgearbeitet,  war  für  einen  Verehrer  des  'christlichen  martyrers'  — 
und  in  welchem  abendländischen  culturlande  gab  es  deren  in  den 
mehr  als  sechs  Jahrhunderten  nach  Boethius  tod  nicht  die  fülle?  — 
anlasz  und  ausgan'gspunkt,  die  durch  eine  art  von  hinweis  geforderte 
interessante  andere  hälfte  des  dem  letzten  abschnitt  des  commentars 
zu  gründe  liegenden  originaltractats  über  götter  und  orakelwesen 
mit  hilfe  der  einschlägig  erscheinenden  christlichen  und  heidnischen 
litteratur  zu  bearbeiten  und  so  wenigstens  diesem  capitel  einen  be- 
stimmten abschlusz  zu  geben,  so  begreift  sich  erst  jener  naive  ver- 
such des  compilators,  den  wir  zu  390,  1  oben  s.  194  f.  besprachen, 
mit  einem  schlichten  vel  den  satz  ex  fama  vulgi  velut  ex  testimonio 
muUUudinis  rem  dubiam  probare  contendit ,  als  eine  weitere  Variante 
desselben  im  vorhergehenden  behandelten  grundgedankens  von  den 
ex  tempore  entnommenen  argumenta ,  auch  formal  möglichst  in  der 
art  der  noch  von  Boethius  selbst  erläuterten  parallelglieder  hin- 
zustellen; so  begreift  sich  besox^ders  der  satz  des  compilators  am 
eingang  des  commentars  390,  11  haäenus  quae  in  tempore  sunt  düi- 
genter  eocsecuius  nuncad  virtutis  enodationem^sicut paullu- 
lum  omissus  ordo  propositionis  admonebat^  sese  con- 
vertit:  was  ist  es  anders  als  eine  glatte  Wiederholung  von  387,  28 
de  virtute  quidem  (TuUius)  distulit  dicere.  posteriorem  vero  partem,  id 
est  in  tempore  positae  auäoritatiSy  divisit  et  evidentissimispatefecit  exem* 
plis?  diesem  bestreben  ein  zurück-  und  eingreifen  des  beginnenden 
neuen  teiles  in  den  schlieszenden  alten  zu  schaffen  dient  auch  390,  9 : 
superifAS,  sagt  ps.-Bo.  dort,  auctoritatem^  quae  ad  faciendam  fidem  per- 
sonae  attribuitur,  aut  virtuti  per  naturam  aut  tempori  per  mutäbüitatem 
subiacere  proposuit.  dieser  satz  ist  eine  unerträgliche  Wiederholung 
der  genau  ^ine  seite  ^^  vorhergehenden  worte  des  Boethius  387,  21 


<^  denn  s.  388  ist  nicht  zur  hälfte  ausgefüllt  mit  dem  scblusz  des 
Boethianischen  commentars,  389  nimt  Baiters  titel  und  Hases  vorwort  ein. 


298  ThStangl:  Pseadoboethiana. 

maximas  exceUeniesque  res  in  natura  constüuü  .  .  at  vero  quae  poste- 
rior a  sunt  sub  tempore  posuit  ^  idcirco  quod  omnia  tempori  suhiecta 
principalis  honi  non  retinent  statum ,  und  diese  selbst  sind  das  resul- 
tat  einer  387,  7 — 21  dieselbe  teilweise  mit  fast  denselben  werten 
breit  erörternden  kritik  des  Boethius.  auch  ist  es  kein  zufall ,  dasz 
unter  dem  überaus  wenigen,  was  ps.-Bo.  an  werten  als  eigentom 
bleiben  soll,  noch  vier  ausdrücke  ^'  unmittelbar  an  den  schlieszenden 
echten  commentar  erinnern,  endlich  die  Übergänge  393,  25  und 
394,  22  mahnen  an  zahlreiche  parallelen  im  gröszem  fragment. 

Musz  man  alle  diese  eigentümlichkeiten  und  mängel  der  fort* 
Setzung  kennzeichnen  und  rügen,  so  ist  doch  anderseits  nicht  zu 
leugnen,  dasz  mit  der  fortfdhrung  der  commentarien  bis  zu  Cic. 
Top.  §  79  ein  fester  abschlusz,  der  ja  offenbar  allein  erstrebt  wurde, 
gewonnen  ist.  denn  exposUis  omnihus  arffumentandi  locis,  wie  Cicero 
ebd.  sagt,  wird  zu  einem  neuen  hauptteil  der  schrift,  den  genera  quae^ 
stionum,  übergegangen,  zu  dessen  interpretation  unserm  manne  mut 
und  mittel  fehlten. 

III. 

Blicken  wir  kurz  auf  die  hauptergebnisse  des  zweiten  teiles  der 
Untersuchung  zurück,  so  haben  wir  folgendes  gesamtbild:  ein  leser 
der  verstümmelten  commentare  des  Boethius  zu  Ciceros  Topica  faszt, 
durch  eine  stelle  der  endenden  schrift  angeregt,  den  plan  das  frag* 
ment  durch  erklärung  der  letzten  loci  argumentorum  oraHonis  zu 
einem  bestimmten  abschlusz  wenigstens  dieses  hauptteiles  zu  führen. 
selbst  ohne  besondere  befähigung  und  griechischer  spräche  und  cultur 
fremd  entlehnt  er  über  die  einschlägigen  fragen  verschiedene  lehren 
des  Piaton  und  Varro  durchgehends  secundären  und  lateinischen 
quellen,  besonders  Cicero,  Chalcidius  und  Augustinus,  und  sucht 
durch  diesen  und  jenen  eignen  zusatz  ein  gewisses  ganze  herzustellen, 
dessen  innere  Unwahrheit  er  durch  entlehnungBoethianischer  phrasen 
und  constructionen  zu  verdecken  sich  bemüht,  das  Signalement,  das 
die  vereinten  forschungen  der  Franzosen  und  Deutschen  in  Scholastik, 
logik  und  geschichte  des  mittelalters  für  gesiebt  und  gesichtskreis 
schwachsinniger  köpfe  dieser  Zeiten  festgestellt  haben,  trifft  aufs 
haar  zu:  pseudo-Boethius  ist  ein  recht  mittelmäsziger  mittelalter- 
licher Boethiusleser  und  -fortsetzer.  da  aber  die  kenntnis  des  Piaton 
durch  die  Vermittlung  jener  lateinischen  berichte  und  die  nicht- 
kenntnis  des  griechischen*^  dem  ganzen  mittelalter,  soweit  es  hier 
überhaupt  in  frage  kommt,  gemein  ist,  so  gilt  es  für  die  lebenszeit 
des  compilators  bezeichnendere  kriterien  zu  schaffen. 


*^  387,  33  und  393,  8  dfgnos  fide  iudUare;  388,  9  und  393,  27  vulgare; 
auBzerdem  halte  man  an  einander  388,  13  n.  394,  16;  388,  18  a.  890,  8; 

*^  bloss  einzelne  irische  mönche,  wie  Scotus  Erig^na,  verstanden 
auch  (rriechisch,  zunächst  aus  der  bibel  und  den  griechischen  kirchen- 
Vätern,  besonders  Eusebios,  wo  der  zusammenhält  mit  Ambrosia«  Über- 
setzungen das  stndinm  des  fremden  idioms  förderte. 


ThStangl:  Pseudoboethiana.  299 

TJm  nun  die  entstehungszeit  der  compilation,  für  die 
als  Suszerste  enden  die  erste  hälfte  des  sechsten  und  die  zweite  des 
zwölften  jh.  gegeben  sind,  enger  zu  begrenzen  und  bestimmter 
festzustellen,  dürften  vor  allem  folgende  fragen  zu  beantworten  sein : 

1)  wie  verhttlt  sich  der  pseudo-Boethianische  text  des  Cicero, 
Chalcidius  und  Augustinus  zu  dem  sonst  erhaltenen  dieser  Schrift- 
steller? 

2)  welches  war  die  buchstabenform  der  ganzen  Originalfälschung  ? 

3)  welche  Stellung  nimt  bei  unserer  Pariser  hs.  der  text  des 
grOszem  echten  fragmentes  zu  dem  bisher  kritisch  gesichteten  übrigen 
material  eben  dieses  Werkes  ein? 

Zu  den  Ciceronischen  Tusculanen  sind  in  der  zweiten 
Züricher  ausgäbe  der  codex  Oudianus  294  saec.  IX  (=  G),  Parisinus 
regius  6332  saec.  IX  (<»  B)  und  ein  Bruxellensis  saec.  XD.  (>=  B) 
benutzt ,  von  denen  die  beiden  ersteren,  nach  Halm  derselben  quelle 
entstammend,  auch  jetzt  noch  die  grundlage  für  jede  textesfest- 
stellung  abgeben,  halten  wir  an  diese  unsem  Parisinus  regius  7711 
saec.  Xn  (=  P),  so  findet  sich  391,  20  respandit  in  OBP,  das  richtige 
respondet,  offenbar  durch  conjectur  aus  dem  folgenden  et  tarnen  ita 
facües  sunt  interrogationesy  in  B;  391 ,  22  quasi  in  BP ,  das  richtige 
quo  si  in  den  um  zwei  jhh.  altern  OB;  391,  12  se  coUigU  atque  re- 
creavU  in  GBB ,  das  richtige  se  (re)cöliegit  atque  recreavU  in  P,  der 
den  gewis  auch  in  seinem  Ciceroexemplar  enthaltenen  Schreibfehler 
coUiffit  nach  dem  parallelen  perfectum  recreavU  corrigierte;  endlich 
391,  9  Tiaheremus  in  ORB,  das  falsche  liabemms  in  P,  dh.  in  der  fahr- 
lässigen abschrift,  während  der  compilator  ut .  .  habemus  weder  in 
seinem  Tusculanenexemplar  vorfand  noch  selbst  jemals  so  oonstruiert. 
das  textverhältnis  bei  391,  22,  das  allein  beweiskräftig  ist,  führt 
auf  ein  zwischen  saec.  X  und  XII  entstandenes  compilationsoriginal. 

Dasselbe  resultat  ergibt  sich  an  den  aus  Augustinus  aus- 
geschriebenen stellen:  392,  25  steht  in  hoc  vor  omnia  und  dis  nach 
omnia]  femer  391,  21  appeUari  nach  mythicon  nicht  im  cod.  Cor- 
beiensis  saec.  VII,  wohl  aber  in  allen  hss.  saec.  X  und  XI  (auch  dem 
interp.  Coloniensis  saec.  VIII).  392,  30  et  quäle  blosz  in  hss.  die 
nicht  bis  saec.  X  hinaufreichen.  392,  35  statt  adtribuunt  von  P^  das 
freilich  nicht  sinnlos  ist  und  von  P  *  herrührt,  in  allen  Augustin-hss. 
adtriJmuntwr.  und  bei  Chalcidius?  die  lesart  393,  38  voces  ser- 
monum  et  expressa  verha  steht  blosz  im  Vindobonensis  1  u.  2  saec. 
XI/XII,  während  die  jüngeren  noch  mehr  verderbt  sind. 

Nicht  minder  führen  die  Schreibfehler  von  P*  dazu,  P^  in  die 
zeit  der  minuskelzu  setzen,  dh.  wenigstens  hinter  saec.  Vm,  da 
nur  messbücher  (zb.  das  Tegemseer  saec.  X)  auch  später  noch  in 
majuskeln  geschrieben  wurden,  es  wird  nemlich  390,  24  u.  394^  15 
/*  statt  /*;  391,  2  e  und  t;  395,  4  t  und  a  für  einander  gesetzt ,  Ver- 
wechslungen die  bei  annähme  eines  majuskelarchetypus,  für  den  auch 
sonst  jeder  anhaltspunkt  fehlt,  schwer  zu  erklären  sind. 

Doch  es  gibt  einen  noch  vidi  handgreiflichem  beweis ,  dasz  die 


300  ThStangl:  Pseadoboetkiiaiia. 

verlorene  originalflllschTUig  sicher  nicht  mehr  als  ein  jahrhnnderi 
vor  die  erhaltene  copie  zu  setsen  seL  nemlieh  unter  den  von  mir 
in  den  'Boethiana'  b«iatzten  acht  hes.,  welche,  wie  die  Pariaer  ans 
dem  12n  Jh.,  Boethius  commentarien  zu  Ciceroe  Topica  enthalten,  hat 
keine  ein  wort  unserer  fortsetzong  oder  irgend  welchen  vmiierk 
oder  zeichen,  das  aaf  eine  solche  hinwiese,  nnd  doch  sind  vier  dieser 
hss.  saec.  Xn,  zwei  saec.  XI,  zwei  sogar  saec.  X,  nnd  stammen  warn 
verschiedener  herren  iSndem«  anch  die  Kölner  hs.  nr*  84  saec  X, 
von  Jaff6  genau  beschrieben,  kennt  keine  weiterfthrung  des  all-^ 
bekannten  grOszem  fragmentes,  und  die  bessern  kataloge  der  übrigen 
bibliotheken ,  die  zu  diesem  zweck  durchmustert  worden,  haben 
nichts  anderes  ergeben,  so  verengert  sich  denn  fttr  P  *  nicht  bloai 
der  umkreis  der  zeit  der  entstehung,  sondern  auch  der  des  ortee. 

Aber  die  Pariser  hs.  entstammt  eben  einer  andern  quelle  als 
die  bisher  bekannten  übrigen !  dem  gegenüber  ist  in  den  'Boethiaaa^ 
s.  4  aus  gemeinsamen  verschreibungen,  zusfttzen  und  lücken  dar* 
gethan,  dasz  die  verglichenen  acht  Ym.  aus  drei  verschiedenen  jahp-» 
hunderten  alle  auf  6ine  quelle  zurückgehen,  und  dasz  dies,  nadb  der 
mehrfach  erhaltenen  subscription  Condüar  operis  emet^davi^  dar  rom 
Boethius  selbst  revidierte  archetypus  ist.  die  gemeinsamen  fiiUer 
dieser  acht  hss.  aber  sind,  nach  einer  gütigen  mitteilnng  des  hau 
prof.  dr.  Alfred  Schoene",  auch  im  Paris,  reg.  7711,  und  es  iit 
damit  unwiderl^lich  dargethan,  dasz  P  den  aUen  abschriften  im 
archetypus  gemeinsamen  grundstock  der  echten  Überlieferung  ms 
die  fragliche  fortsetzuqg  von  seinem  eignen  bereicherte,  dabei  koBBto 
es  dem  compilator  nicht  darum  zu  thun  sein,  dasz  zu  seinen  lebieitai 
noch  die  fortsetzung,  vielfach  abgeschrieben  und  weit  verbreitet» 

'^  der  erste  und  iweite  teil  dieses  aufsatses  und  der  dritte  Ms  nun 
letzten  absats  lagen  schon  mehrere  wochen  im  polte  der  redaetiott 
dieser  zeitechrift,  als  unser  liebenswürdiger  landimann  in  Paris,  durch 
die  vermittlang  von  dr.  KKMüller  in  Wfinbnrg,  mir  über  Paris.  7711^ 
alte  Signatar  cod.  Colb.  1823  Regina  6618,  diese  nnd  ausserdem  noch 
folgende  höchst  erwünschte  anfschlfisse  erteilte:  'der  codex  scheint  mir 
von  ^iner  band,  wenn  aooh  in  verschiedenen  absEtsen  nnd  selten,  ge* 
schrieben.'  'über  die  proveniens  des  codex  finde  ich  keinerlei  aadeu- 
tuDg.'  'von  den  erwarteten  subseriptionen  entdecke  ich  nichts.'  'fol.  84 
extr.  heiszt  es  einfach:  ExpUcÜ  uSer  qtiürtu».  indpU  über  ^ulalMt.  De 
Omnibus  guidem.  jmoiheiieti  tyUogUmlM  usw.  nnd  foL  4S^  extr.;  BmplieU 
liber  quintu»,  inäpü  9emtk»,  lire  quotdam  nsw.  fol.  7*  med.  lautet  düie 
subscriptio  der  Cioeronisehen  Topica  und  die  inseriptio  der  Boethiani- 
schen  commentarien:  (Mi  toviea.  In  corpore  eonÜnentHr  UM  ««or.  coei- 
mentarius  anieli  tmmUfHi  boem  vM  daristM  et  übu^rie  de  eontubm  orM^ 

nibus  ad  patrMum  in  topica  jk  tuiU  dceronie.  Über  prbmii  indpiL*  898,  86 
hat  die  hs.  gm  nmlta  infamiae /hmt  HwriiUma  dh.  gnonUm  tmUia  usw.;  ferner 
wird  bestätigt  meine  vermntaiig,  89t,  6  sei  SMteflf«  statt  wmUBtm  su  lesoai 
indem  P  von  erster  band  ein  e  über  dem  ersten  a  hat;  891,  8  die  coa» 
jectnr  iwnotuta^  da  P  ineuobäa  bietet,  wenn  anch  tn  von  erster  band  ge* 
tilgt;  390,  1  vehd  (oder  wt)  ex  teetimoniöf  indem  P  tiel  mit  übergeeehm» 
benem  ut  von  erster  band  gibt.  898, 4  und  898, 8  sind  die  sohnihfeliler 
unue  und  praedicatur  nicht  verbessert,  diese  genauen  angaben  ASehoenea 
erweisen  Hases  eollation  leider  als  nicht  soreiehend. 


302  JOCono:  Wiiibada. 

an  wohner' ;  Wisüxida  sei  begrifflich  yerwandt  nicht  nar  mit  Nassau^ 
sondern  auch  mit  Maüiaci^  das  er  zu  maUe  ags.  mädo  engL  meadow 
stellt,  allein  Maüiaci  ist ,  wie  schon  die  adjecÜTische  endnng  -ad 
lehrt  (Zeuss  gramm.  celt.*  s.  806),  sicher  ein  keltisches  wert,  du 
wohl  mit  den  gall.  nnd  brit.  personennamen  MaUo^  MatUmiiui  uul 
ähnlichen  zusammenhftngt  (Z.*  s.  151 ;  Olüok  kelt  namen  bei  Caesar 
s.  56).  auch  der  dentang  von  Usipetea  wird  man  nicht  zuzostiminiii 
vermögen:  denn  der  name  lautet  eigentlich  UsipU  (so  bei  Tadtna 
Ann.  Xm  55.  56.  Bist  lY  37.  Genn.  32.  Agr.  28. 32 ;  nur  Ana.  1 61 
Usipetes).  die  Iftngere  form  ist  durch  Caesar  aufgekommen,  der  den 
namen  aus  dem  munde  von  Oallien^Temommen  hatte,  die  ihm  djit 
gall.  endung  -etes  gaben  (vgl.  Z«  praef.  s.  VII).  doch  verdankm  wir 
der  Medemschen  schrift  die  anftUirung  der  iJten  inschrifib  mit  etoet 
Wslnohates^  und  dies  führt  xu  dem  wahrscheinlidi  richtigen» 

Dem  Stadtnamen  Wkibada  liegt  der  volksname  WUmSMiB  sa 
gründe:  dies  bezeugt  noch  die  pluralform  TFiestade»,  welche  sich  vttw 
steinert  erhalten  hat,  nachdem  das  bewustsein  der  ursprUngliehen  ba^ 
deutnng,  daau  die  hUfte  des  wortstammes  verloren  gegangen  iit;. 
Wisibada  ist  eine,  wenigstens  in  der  form,  leichte  latinisterung.  dieaer 
volksname  setzt  sich  zusammen  aus  Nova  oder  Näba,  dem  galL  ana^ 
druck  für  den  Nahefluss,  und  der  altir.  prttposition  ds  *flupra',  so  data 

jener  name  stSnde  ittr  ^Of-fnobo-to  'supra  Navam  hafaitanteB' :  doeh 
wohl  eine  passende  bezeichnung  eines  den  Tanmu  bewofaBendea' 
Volksstammes,  gegenttber  dem  breiten  und  tiefen  thale  der  Naht,  daa 
gall.  lange  o  ist  bereits  in  unseren  Utesten  irischen  dankmalen  (ana 
dem  achten  jh.)  übergegangen  in  «a,  welcher  laut  leicht  aich  sa 
einem  consonanten  verhirten  konnte;  und  war  dies  geschehen,  ao 
muste  sich  die  form  Wietbadm  im  deutschen  munde  von  selbst  finden. 

Volks-  und  personennamen  die  mit  -a<  abgeleitet  sind  konunen 
im  gallischen  hftu^  vor:  bo  AJhrebates^  foXäTat,  raicäTOt(Z.*Sw796). 
möglich  jedoch  daisz  jenes  WsmobaUs  verstümmelt  ist  aus  ^(kmuh 
tantes^i  da  n  vor  t  im  irischen  immer  ausfUlt,  und  dieser  procete 
doch  wohl  schon  im  gallischen  vorbereitet  sein  muste :  iilft<i|iww  wSre 
mit  jenem  namen  zu  vergleichen  der  name  der  TrimbanüeSf  einer  im 
norden  der  Themse  wohnenden  väkerschafL  in  der  Woigesch.  Boms' 
s.  490  ist  vermutet  worden  dasz  dieser  name  zusammengesetrt  sei 
mit  der  gall.  prftp.  M  (ir.  M  oder  tri^  ebenso  in  den  brit.  dialekten, 
wo  auch  troSy  irus^  tra^  tro  uft.  formen  erscheinen),  und  dasz  der  für 
Themse  gebrauchte  ausdruck  hier  appellative  bedeutung  habe,  das 
häufige  vorkommen  des  Stammes  noft,  nav^  nav  für  flusznamen  auf 
gallisch-britannischem  boden  scheint  geeignet  diese  Vermutung  sa 
unterstützen:  ausser  Niwa  vergleiche  man  Ncvaria  in  Oberitalian» 
Notnos  (h.  Nith,  der  in  den  Bolwaybusen  sich  ergieszt,  Ptol.  11 82), 
Ndßaioc  —  wohl  einer  der  nordschottischen  flords  gegenüber  den  j 
Hebriden ;  femer  den  namen  NooudvTOt  für  eine  caledoniache  TÜlker»  -^'^ 
Schaft  im  norden  des  busens  von  Cardigan  (P^L  11 3, 1  und  7. 6, 4).     vj 

QnAUDBNa.  J  oui»  OutTAT  Cmrow 


PiiiloIogLsclie  gelegenk^itsschrifteiu  §03 

50. 

PHILOLOGISCHE  GELEGENHEITSSCHBIFTEN. 


Arnran  (kantoBschiile)  K.  Fisch:  la  Horax  canniita  II  S*  drtiek  von 
H.  R.  S«iieriänder.     18SS.     15  a.  gr.  4. 

Amgsbarg.  Bl2lter  der  erumerang  an  das  drelhuiider^ihrig«  jabüäam 
des  collegioms  bei  St.  Anna  in  Angsbarg  am  3  und  4  december 
Igfö.  Terlag  der  M.  Riegerscben  bnehb.  18S3.  XII  n.  36  s.  gr.  8. 
[entb.  festpredigt  des  obereonsistorialrates  dr.  St  ab  Ha  and  rede 
des  directors  dr.  Schreiber.] 

Bautsen  (gyma.)  Ernst  Mucke:  de  eonsonanim  in  graeea  lingaa 
praeter  Asiaticonun  dialectom  Aeolicam  geminatione.  druck  you 
E.  M.  Monse.     1883.    36  s.  gr.  4. 

Berlin  (akademie  der  wiss.)  J.  Vahlen:  über  die  Paetas-elegie  des 
Propertios.  ans  den  sitzongsbericbten  1883  s.  69 — 90.  reichsdruckerei. 
hoch  4.  —  (nnir.)  Ernst  Cnrtins:  die  Griechen  als  meister  der 
eolonisation.  rede  xom  gebnrtsfeste  sr.  mij.  des  kaisers  und  k$nigs 
.  .  am  22  man  1883  gehalten,  druck  Ton  G.  Vogt.  16  a.  gr.  4.  — 
(lectionskatalog  8.  1^3)  loannis  Vahleni  vindiciae  Electrae 
Sophocliae.  14  s.  gr.  4.  —  (Friedrich  Wilbelms-gjmn.)  Gustav 
Braumann:  die  principes  der  Gallier  und  fiermaneu  bei  Cäsar 
und  Taeitus.  druck  yon  A.  W.  Hayns  erben.  1883.  44  s,  gr.  4.  — 
(Luisen- gjmn.)  W.  Schwarts:  bericht  über  eri>ffnuiig  und  eiu* 
weihung  der  anstalt.  druck  Yon  W.  Pormetter.  1883.  17  s.  gr.  4«  — 
(progymn.}  M.  Klatt:  chronologische  beitriige  lur  geschichte  des 
achaischen  bundes.   verlag  von  £  G&rtners  buchh.   1883,   42  s«  irr.  4, 

Bonn  (uniy.,  lectionskatalog  s.  1883)  Eduardi  Luebberti  prolego* 
mena  in  Pindui  Carmen  Pythium  nonum.  druok  von  C.  Georgi. 
22  8.  gr.  4. 

Breslau  (univ.,  lectionskatalog  s.  1883)  Auli  Gellii  noctium  attioarum 
libri  in  Caput  HI  ex  recensione  et  cum  apparatu  critico  Martini 
Hertz,    dnick  von  W.  Friedrich.    7  s.  gr.  4. 

Darmstadt  (gymn.)  A.  Weidner:  kritische  beitrage  zur  erklKrnng  der 
griechischen  tragiker.    druck  von  C.  F.  Winter.    1883.    68  s.  gr.  8. 

Deutsch-Krone  (gyinn.)  Bernhard  Lehmann:  das  volk  der  Sueben 
von  Caesar  bis  Tadtus.  ein  beitrag  zur  ethnographie  der  germa- 
nischen Urzeit,    druck  von  F.  Gar  ms.     1883.    22  s«  gr.  4. 

Dresden  (Vitzthumsches  gymn.)  Briefe  von  Ernestine  Voss  an  Rudolf 
Abeken  mit  erläuternden  anmerknngen  heransgeg.  von  Friedrich 
Polle.  zweite  hälfte.  druck  von  B.  G.  Teubner.  1883.  34  s.  gr.  4.  — 
(kön.  gymn.  in  Dr.-Neustadt)  Walther  Gilbert:  ad  Martialem 
quaestiones  criticae.     1883.    26  s.  ffr.  4. 

Frankfurt  am  Main  (gymn.)  Tycho  Mommsen:  griechische  formen- 
lehre.    druck  von  Mahlau  und  Waldschmidt.     1S83.    48  s.  gr.  4. 

Gera  (gymn.)  Rudolf  Klussmann:  curae  Africanae  [verbesserungs- 
vorschlage  zu  Fronto,  Apulejus,  Tertullianus,  Aruobius,  Draoontius^ 
anth.  latina].    druck  von  R.  Kindermann.     1883.     14  8.  gr.  4. 

Gieszen  (gymn.)  Peter  Dettweiler:  über  den  freiem  gebrauch  der 
zusammengesetzten  adjectiva  bei  Aeschylus.  2r  teil.  1888.  8.  19 
— 40  [fortsetzung  des  programms  von  1882].    gr.  4. 

Greifswald  (univ.,  lectionskatalog  8.  1883)  Adolfi  Kiessling  oon- 
iectaneorum  spicilegium  I  [zu  Hygiuus,  Asconius,  Suetonius  v.  Bor,, 
Lucilius].  druck  von  F.  W.  Kunike.  8  8.  gr.  4.  —  (doctordisB.) 
Karl  Schüler  (aus  Loitz  in  Pommern):  quaestiones  Vergilianae. 
1883.    59  8.  gr.  8. 

Güstrow  (domsobule)  G.  C.  H.  Raspe:  katalog  der  domsohulbibliothek. 
druck  von  C.  Waltenberg.     1883.    39  s.  gr.  4. 


304  Fhflologisohe  gelegenhdtisohxlfteiu 

Halle  (aniy.,  lectionskaUlog  s.  1888)  Henricl  Keilii  obienrationet 
criticae  in  Varronis  rerum  matioanim  libros*  dnick  to&  Hendel. 
XII  8.  gT,  4. 

Heidelberg  (onir.,  doctordiss.)  Anton  Aiekinger:  de  limnuie  Utinae 
apnd  Plntarchom  et  reliqniis  et  yestigüa.  drack  von  Cn.  Lehnuum 
in  Frelbnrg.    1888.    67  8.  gr.  8. 

Helmstedt  (gjmn.)  L.  Drewe8:  die  einweüinng  des  neuen  gjrmnaaial- 
gebäades  m  den  tagen  11 — 18  oetober  1888.  drack  von  J.  C.  Schmidt. 
1883.    18  8.  4. 

Jena  (nniv.,  lectionskatalog  s.  1888)  Georg ii  Ooets  obserrationes 
criticae  [zu  Serenus  Sammonicns,  Cicero,  TibnlloB,  PUntns,  Apol- 
linaris  Sidoninsl.    druck  von  A.  Keuenhalin.    VIU  s.  gr.  4. 

Jülich  (progjmn.}  Joseph  Kühl:  Homerische  Untersuchungen,  fr  talli 
die  bedentung  des  accentes  im  Homer,  druck  von  J.  Fischer.  1888. 
18  8.  4. 

Königsberg  (unir.,  lectionskatalog  s.  1888)  Henrici  lordani  fjmi- 
bolae  ad  historiam  religionum  Italiourom.  druck  Ton  Härtung. 
27  8.  gr.  4  [I  de  nomine  Panthei.  II  de  titulo  osco  aedis  ApoUiniB 
Pompeianae]. 

Kreuzberg  0.-8.  (gymn.)  Th.  Heine:  methodische  behaadlnaf 
des  lateinischen  genitivs  mit  einer  einleitong  über  die  etiiiMiM 
erziehung  der  Jugend,  druck  Ton  £.  Thielmann.  1888.  48  •• 
gr.  4.  ♦ 

Kristiania  (uniyersitXtsprogramm  für  das  erste  Semester  1882)  Bastiaa 
Dahl:  die  lateinische  Partikel  ui.  gekrönte  preissehiift.  druck 
von  Qrondahl  u.  söhn.    Yl  u.  804  s.  gr.  8.  • 

Leipzie  (ges.  der  iriss.)  Theodor  Schreiber:  die  Athena  Partiieaot 
des  Phldia»  und  ihre  nachbÜdungen.  ein  beitrag  aur  kunstgesehlditt. 
mit  vier  tafeln,  (aus  den  abhandlungen  der  philoI.-mst.  nimm 
bd.  VIII.)  Terlag  Ton  B.  HineL  1888.  100  a.  hoch  4.  —  (uair«, 
habilitationsdiss.)  Otto  Crusius:  analeeta  critica  ad  parotmla- 
graphos  graecos.  druck  Ton  B.  G.  Tsubner.  1888.  44  ••  gr.  S.  — 
(doctordiss.)  Johannes  Gilbert  (aus  Bautien):  meletemata  8o- 
phoclea.  druck  von  B.  G.  Teubner  in  Dresden.  1888.  89  a.  gr.  8.  -~ 
(Thomasschule]  Heinrich  Stürenburg:  de  Bomanorum  «adlbvt 
Trasumenna  et  Cannensi.  mit  karte,  druck  Ton  A.  Bdeimaaik 
1883.  20  8.  gr.  4.  —  (Nicolaigymn.)  Bichard  Meister:  aur  grie- 
chischen dialektologie.  I.  bemerkungen  aur  dorischen  aecentuatioii. 
n.  die  excerpte  ir€pl  bioX^icTUiv,  namentlich  in  besug  auf  die  ab* 
schnitte  ircpl  AuipCboc.  druck  von  0.  Dürr.  1888.  16  s.  gr.  4.  — 
(kön.  gymn.)  K.  Gebiert:  de  Cleomene HI Lacedaemoniorum  rega. 
druck  von  A.  Edehnann.    1888.    26  s.  gr.  4. 

Lyck  (gymn.)  Ed.  Kammer:  lur  Homerischen  fvkge  UL  druck  tob 
R.  Siebert.    1888.    SO  s.  ar.  4. 

Marburg  (univ.,  lectionskatalog  s.  1888)  Eugenii  Bormanni  Tarlae 
obserrationes  de  antiauitate  Bomana.  druck  tob  B.  Friedrich. 
XIV  8.  gr.  4.  [Inhalt;  I  de  nominibus  MaeceBalis.  II  de  Tieis  Ali* 
minensibus.  III  de  inscriptione  arous  triumphaUs  Arimineaais.  IV  de 
yiae  Flamlnlae  cursu  medio.  T  de  Tiris  per  cruoa  TraiaBUs  rem 
alimentariam  in  Italia  instituit.  VI  de  anagljphis  a.  1872  in  fwro 
Romano  repertis.]  —  Gerhard  Hennen  (ana  Trier):  deHsonoBia 
in  Poennlo  Piautina  precatlonla  qua«  fertnr  recenaloBe  alter« 
Punica.  druck  tob  C.  L.  Pfeil  (Terlag  Ton  O.  Elirhardt).  IMt 
48  8.  8.  —  (gymn.)  Friedrieh  Mfinscher:  ehronik  dea  gjnonft- 
siums  zu  Marburg  Ton  1888  bis  1888.  druck  Ton  B.  FnaoileL 
1888.    89  8.  gr.  4. 


•  < 


ERSTE  ABTEILOiT 

FÜR  CLASSISCHE  PHILOLOOIK 

HEEACSGEQKBEK  VON  ALFRED  FlSCXSUEX. 


51. 

DIE  OBAK£L£NSCHBIFT£N  VON  DODONA. 


Vor  mehreren  jähren  schon  hat  Const.  Carapanos  die  reisulteU 
seiner  nugrmbnngen  an  der  stStte  des  alten  Dodona  Teröffentlieht 
('Dodone  et  ses  mines' Paris,  Hachette  et  co.  1878.  ^  bde«)«  und  noch 
immer  bklen  eingehende  ontersnchongen  sowie  weitere  bekannt* 
machongen  ans  dem  anscheinend  wenig  verbreiteten  werke,  einen 
ToHftofigen  bericht  hatte  Carapanos  schon  1877  an  die  MQnchener 
akademie  gesandt,  in  deren  Sitzungsberichten  Bursian  ihn  TerSffent- 
lichte  (1877  s.  163  C).  später  sind  mir  —  abgesehen  Ton  erlftu* 
tenmgen  nnd  nachtrSgen  durch  Eggers  im  bull,  de  corr.  hell.  bd.  I, 
Bangab6  im  Parnasses  11  5  s.  399  und  arch.  ttg.  1878  s.  116  f., 
Carapanos  ebd.  1878  s.  114  f.,  Gompen  in  arch.  u.  opigr.  boitrttge 
aus  Ost  IV  (1880)  s.  59,  Ourlitt  ebd.  s.  61,  Schneider  ebd.  s.  64, 
FBlass  im  rhein.  mus.  XXXIV  s.  160,  sowie  von  abdrücken  und 
gelegentlichen  citaten  in  Röhls  lOA.  —  nur  drei  gr(Sstere  biorhor 
gehörige  pnblicationen  bekannt  geworden:  von  FWieseler  in  den 
OOtt.  nachrichten  1879  s.  1 — 79,  Bursian  in  den  sitiungäber.  d. 
Mfinchener  akad.  1878  phil.-hist.  cl.  11  s.  1—29,  nacbtrag  s.  324 
und  ÜKOhler  *im  neuen  reich'  1879  s.  407  ff.,  von  denen  diu  lotste, 
eine  populär  gehaltene  kurze  darstellung  der  *ruinen  und  goschiohto 
Dodonas'  hier  unberücksichtigt  bleiben  kann. 

Wieseler  und  Bursian  *  beschäftigen  sich  zunächst  mit  der  topo« 
graphischen  frage,  geben  dann  eine  ziemlich  genaue  Übersicht  über 
den  inhalt  des  buchs  und  besprechen  hierbei  mehr  oder  minder  ein« 
gehend  einige  wichtigere  punkte,  zusammenhängende  specialunier- 
suchungen  aber  über  ganze  classen  der  zu  tage  geförderten  schätze 

^  dieser  bespricht  s.  10 — 14  gans  karc  die  bleiplättchen,  «Iso  »iiid 
stets  diese  selten  gemeint,  wo  ein  genaueres  citat  fehlt. 

Jahrbfieher  fftr  class.  philol.  1883  hft.  6  o.  6.  SO 


306  HRPomtow:  die  orakelinscbriften  von  Dodona. 

sind  bisher  noch  nicht  geführt,  und  dies  ist  um  so  mehr  zu  bedauern, 
als  der  dem  werke  selbst  beigefügte  commentar  vielfach  unvoll- 
ständiges bietet  und  in  seinen  resultaten  noch  nirgends  einer  ein- 
gehenden prüfung'  unterzogen  worden  ist.  wenn  ich  nun  im  folgenden 
versuche  eine  dieser  classen  eingehend  und  ausführlich  zu  unter- 
suchen, so  geschieht  dies  hauptsächlich  in  der  absieht  die  aufmerk- 
samkeit  und  teilnähme  weiterer  kreise  diesen  nicht  unbeträchtlichen 
resten  des  ältesten  griechischen  Orakels  zuzuwenden,  sowie  berich- 
tig ungen  und  ergänzungen  von  berufenerer  seite  zu  veranlassen,  wa 
es  mir  nicht  gelungen  ist  das  richtige  zu  finden. 

Den  nach  vielen  beziehungen  interessantesten  teil  des  Werkes 
bildet  die  'sixiämc  cat^gorie'  des  katalogs:  ^inscriptions  sur  plagues 
de  plomb'  (I  s.  68-83;  II  pl.  XXXIV-XL).  diese  bleiplättchen 
sind  einzig  in  ihrer  art.  sie  enthalten  in  45  nummem  die  von  den 
theoren  an  das  Orakel  gerichteten  fragen,  und  es  bedarf  wohl  keines 
hinweises  darauf,  von  welcher  bedeutung  eine  genauere  Untersuchung 
und  ein  weiteres  bekanntwerden  dieser  plättchen  für  unsere  kenntnis 
des  Orakel  Wesens  ist,  abgesehen  von  dem  hohen  interesse,  das  ein 
solcher  einblick  in  das  griechische  privatleben  uns  gewährt,  wie  er 
in  gleicher  unmittelbarkeit  uns  selten  zu  teil  wird,  und  abgesehen 
von  der  —  hier  geringern  —  epigraphischen  ausbeute. 

Über  die  allgemeine  einleitung,  betreffend  die  geschichte  der 
ausgrabungen ,  über  die  topographie  und  Vergangenheit  Dodonas^ 
sowie  über  die  übrigen  dortigen  funde  darf  ich  hier  um  so  kürzer 
hinweggehen ,  als  Bursian  und  Wieseler  in  diesen  partien  sehr  aus- 
führlich sind;  nur  dasjenige  was  zur  beurteilung  unserer  plättchen 
wichtig  ist  führe  ich  kurz  an ,  bespreche  dann  sie  selbst  und  werde 
am  schlusz  versuchen  das  facit  aus  dieser  willkommenen  ergänzung 
unserer  dürftigen  orakellitteratur  zu  ziehen  und  kurz  auf  die  con- 
sequenzen  hinzuweisen,  zu  denen  die  aufBndung  dieser  plättchen 
hinsichtlich  unserer  kenntnis  des  innem  Orakelmechanismus  ver- 
anlassung gibt. 

In  betreff  des  materials  ist  zu  bemerken,  dasz  bleiplättchen 
sonst  verhtiltnismäszig  selten  sind ;  nur  zwei  grosze  Serien  äuszerlich 
ähnlicher  plättchen  sind  bekannt:  die  von  Newton'  publicierten 
reihen  der  Verfluchungsinschriften ,  die  man  den  toten  in  das  grab 
mitgab,  und  die  schmalen  mit  namen  beschriebenen  täfeichen  aus 


*  mich  Hnngabc  (arch.  ztg.  1878  8.  116)  erkennt  die  notwendigkeit 
einer    solchen    ausdrücklich    an.  '   CWachsmuth    'insebriften    aus 

Korkyra'  (im  rhein.  rous.  XVIII  8.  537— 683),  die  zunächst  einen  auszng 
AUS  Mustoxydis  nn vollendetem  werke  'delle  cose  Corciresi'  (Corfä  1848) 
cntlmlten,  gibt  s.  560  ff.  eine  zusammenstellonf^  der  bis  dahin  bekannten 
blei)»latten  dieser  gattung;  von  8.  568  an  druckt  er  dann  alle  von 
Newton  in  II  2  der  'hist.  of  discovericR  at  Ilalic,  Cnidns  etc.'  (London 
1863)  s.  719  ff.  edierten,  im  temenos' des  Demeterheiligtnms  eq  Knidos 
Ausgofifrahenen  blcitnfeln,  im  anschlusz  an  seine  eigne  Zusammenstellung 
nb  j  80  dattz  dort  nun  sämtliche  dieser  kategorie  angehörige  plKttcben 
gesammelt  sind. 


HRPomtow:  die  orakelinscbriften  von  Dodona.  .  307 

Stjra,  zuerst  in  39  exemplaren  von  WViscber^  herausgegeben;  über 
deren  zweck  und  Verwendung  nocb  nichts  sicheres  ermittelt  ist. 

Die  dicke  unserer  plftttchen  schwankt  zwischen  1  und  3  mm; 
die  grösten  mögen  0,12  Q  m  betragen  haben;  die  mehrzahl  hat 
heute  nur  eine  breite  von  c.  0,06  m  und  eine  hObe  von  0,04  m.  sie 
enthalten  die  an  das  Orakel  gerichteten  fragen  und ,  wie  Carapanos 
behauptet,  auch  einige  antworten  des  Orakels,  einige  sind  auf  beiden 
selten  beschrieben ,  andere  enthalten  vier  oder  fünf  inschriften  ver- 
schiedener Perioden,  bei  noch  anderen  sind  die  inschriften  ganz  in 
einander  geschoben ,  so  dasz  wegen  der  färbe  des  bleis ,  seiner  ab- 
nutzung  und  vieler  brüche  und  risse  die  lesung  ungemein  erschwert 
ist.  beim  entziffern  der  inschriften,  wobei  nachträglich  jede  tafel 
unter  der  lupe  revidiert  ist,  hat  sich  Car.  der  bewährten  hilfe  PFou- 
carts  bedient;  trotzdem  sind  drei  tafeln  nicht  zu  entziffern  gewesen, 
es  sind  nach  des  vf.  andeutungen  im  ganzen  45  (?)  tafeln  gefunden 
worden,  drei  davon  unentzifferbar,  42  im  facsimile  auf  pl.  XXXIV — 
XXXIX  wiedergegeben,  und  27  von  diesen  in  minuskelumschrift  und 
mit  commentar  im  katalog  (I  s.  69 — 83)  mitgeteilt,  das  alter  der 
inschriften  hatte  ich  früher  auf  c.  425 — 218  vor  Ch.  bestimmt;  mit 
geringen  ausnahmen  wohl  richtig,  doch  komme  ich  unten  genauer 
hierauf  zurück. 

Das  princip  von  Carapanos  anordnung  des  katalogs  und  der 
facsimili  habe  ich  vergeblich  aufzufinden  gesucht,  ich  ordne  daher 
die  platten  ihrem  inhalt  nach  und  dann  gemftsz  des  ungefähren  alters 
der  schriftzüge,  und  unterscheide  zunächst  die  beiden  groszen  classen 
der  öffentlichen  und  der  privatanfragen,  numeriert  sind  sie  nach 
dieser  reihenfolge  (doch  füge  ich  das  erstemal  stets  Car.  nummem 
hinzu),  und  danach  wird  citiert.  ich  erhalte  sicher  nur  44  nummem, 
davon  drei  dopjpelnummern  (8.  14.  26),  also  eigentlich  nur  41;  und 
41  täfeichen  sind  nur  gefunden  worden,  da  sich  von  den  45  vier  als 
zu  anderen  plättchen  gehörig  ausweisen  werden,  im  übrigen  vgl.  zu 
nr.  45.  eine  tabellarische  Übersicht  meiner  Zählung  und  der  doppelten 
von  Car.  füge  ich  am  schlusz  bei.  die  angäbe  der  gröszenverhältnisse 
stammt  von  mir,  ist  also  von  der  genau igk ei t  der  facsimili  abhängig; 
da  die  ränder  oft  vielfach  geschweift  oder  gebrochen  sind,  so  gebe 
ich  stets  die  gröste  ausdehnung  in  horizontaler  (bzw.  verticaler) 
gerader  linie. 


*  kleine  Schriften  II  s.  116;  vermehrt  darch  Rasopnlos,  (Waddin^on) 
und  Lenormant  sind  sie  jetzt  sämtlich,  dh.  432  stück,  in  die  IGA.  872 
aufgenommen,  wo  man  freilich  bei  den  Lenormantiana  auf  der  hui 
sein  mnsz;  eine  anzahl  derselben  wird  jedoch  durch  abschriften  von 
Lampros  (ehemals  in  Vlschers  besitz)  als  echt  bezeugt,  über  diese 
abschriften,  die  in  die  bände  von  Vlschers  erben  übergegan^^en  sind, 
vgl.  nenerdin^s  Röhl  im  Hermes  XVII  s.  465  ff. 


20' 


308  UBPomtow:  die  orakelinschriften  von  Dodona. 

ERSTER  TEIL. 

Erste  classe: 
Anfragen  seitens  irrieeklsdier  Staaten. 

*  Nr.  1.  2:  anfragen  Eorkyras  über  innere  verhäUnisse. 

1.  Carapanos  pl.  XXXTV  5  >»  kat.  nr.  5;  breite  0,035  m,  höhe 
0,02  m.  auf  allen  Seiten  bmob ;  doch  scheint  die  inschrift  nur  ans 
vier  Zeilen  bestanden  zu  haben,  ist  also  oben  und  unten  vollständig. 
links  sind  12 — 14,  rechts  16 — 18  buchstaben  weggebrochen;  zu  d^ 
ergänzungen  vgl.  nr.  2,  weshalb  ich  diese  unmittelbar  folgen  lasse. 

6eöc.    ^TiiKOivwvTjai  KopK[upaioi  Tifi  AI  Tifi  Ndip 
KQi  T$  Aidiva,  Ti]vi  Ka  Oeuiiv  [f^  fipuiuiv  9uovt€c  xal 
euxÖMevoi  KaX]XicTa  koi  fi[picTa  Kai  vCv  xal  elc  t 
öv  ineua  xpövov]  Foik^oi€[v. 
die  ersten  erhaltenen  buchstaben ^z.  1)  ai  sind  auf  dem  facsimile 
nur  punctiert.  die  rttckseite  zeigt  ein  groszes,  tief  eingegrabenes  A. 

2.  pl.  XXXIY  4  —  kat.  4;  dazu  gehört  rechts  pl.  XXXIX  7 
(fehlt  im  kat.).  breite  mit  dem  ergSnzungsfragment  0,107  m,  h0he 
0,04  m ;  breite  des  fragments  0,025  m ,  höhe  0,035  m.  die  platte 
zeigt  fünf  parallele  brüche  von  oben  nach  unten;  mit  dem  ange- 
fügten fragment  ist  sie  vollständig,  nur  rechts  oben  ist  die  ecke 
weggebrochen. 

Geöv.  T[ü]xav  [d]Taö[i]v. 
£iT[i]KOivd)VTai  Toi  K[o]pKupa|[(oi  T(|i  AI 
Ndi(i  Kai  T$  AMüüvqi,  Tivi  xa  [e]|6div  f^ 

flpiüWV       6uOV[t]€C      Kai       €Üx[Ö]||i€VOl 

öjiovooiev  d[Ti]l  xditaGöv. 

Da  die  lesungen  und  ergänzungen  von  Carapanos-Foucart  nach 
meiner  meinung  sehr  häufig  das  richtige  verfehlen ,  so  bemerke  ich 
gleich  hier,  dasz  ich  selbst  für  die  meisten  der  hier  gegebenen  ver- 
antwortlich zu  machen  bin;  gebe  ich  den  text  ganz  unverändert 
wieder,  so  habe  ich  stets  ein  C-F.  (Carapanos-Foucart)  davor  gesetzt, 
nicht  selten  freilich  weiche  ich  nur  in  kleinigkeiten  ab.  den  ganzen« 
oft  sehr  breiten  französischen  commentar  mit  abzudrucken  schien 
unnötig,  nur  das  wichtigste  habe  ich  wiederholt. 

C-F.  bemerken  (zu  pl.  XXXIY  3  s.  71;  vgl.  unten  nr.  8):  'les 
mots  in\  KOiWJTqi  et  inX  KOivüüvrqi  qui  se  trouvent  aussi  dans  trois 
autres  inscriptions  de  la  presente  cat^gorie,  paraissent  ötre  un  terme 
consacre  pour  les  demandes  adress6es  ä  Toracle  par  plusieurs 
personnes  en  commun.'  wie  sich  die  hgg.  das  gedacht  haben ,  ver- 
mag ich  nicht  einzusehen;  es  ist  natürlich  ^iriKOivf^Tai  und  dmxoi- 
vuivrai  zu  losen.  *  KOtvöu)  und  sein  comp.  dvaKOtvöu)  finden  wir  als 
termini  technici  der  orakelsprache ,  um  das  befragen  eines  gottes 
auszudrücken,  vielfach  in  der  litteratur  überliefert,  und  es  ist  inter- 
essant dasz  sie  nun  auch  inschriftlich  genau  in  dieser  bedeutnng 

^  Buraian  ao.   s.  11,  Garlitt  ao.  und  Rölil  IGA.  822  lesen  ebenso; 
auch  Kangab^  ao.  erkennt  darin  eine  form  des  yerboms  (irtKOivdui. 


BBPomtow:  die  orakeliiischrift«n  yon  Dodona.  309 

bezeugt  werden,  für  dTiiKOivoCctei  in  der  bedentung  'jem.  über 
etwas  um  rat  fragen'  (nvi  Tiepi  nvoc)  existiert  nur  6in  noch  dazu 
imsieheres  beispiel  in  der  litteratnr :  Piatons  Prot.  313  ^Z  KOivoCcOai 
*8ich  mit  jem.  über  etwas  in  gemeinschaft  setzen'  kam  bald  za  der 
bedentong  *jem.  um  rat  fragen';  so  finden  wir  es  bei  Xenopbon^ 
und  zwar  gleich  als  orakelterminus  anab.  VI  2,  Id  KOivou|i€V(|i  ttÖtc- 
pov  Xffkov  Kai  fijieivov  eTii  crpareuecOai.  häufiger  ist  dvaKOivoOv 
und  ävOKOivoöcÖai,  das  wir  als  'den  gott  um  rat  fragen'  viermal' 
bei  Xenophon  treffen;  ja  sogar  das  subst.  ävaKoivuicic  irpdc  töv 
Ocöv  habe  idi  aus  schol.  Ar.  Plutos  39  notiert  die  dorische  neben- 
form  KOiväu)  für  koivÖU)  ist  aus  Pindaros*  hinlänglich  bekannt, 
meist  finden  wir  das  dor.  regelmSszige  diriKOivf^Tai  (nr.  8.  9.  34) 
und  dTriKOivoivrai,  Einmal  auch  dTTiKOivärai  (nr.  4). 

Das  A  der  rückseite  Iftszt  sich  wohl  auf  den  öffentlichen  Charak- 
ter der  anfr^e  beziehen,  so  dasz  wir  bäjucu,  bajiöctov  oder  dgl.  zu 
ergänzen  haben«  früher  dachte  ich  an  das  episemon  für  4  —  an 
sich  nicht  unmöglich  —  aber  da  dieses  A  als  Stempel  auf  korky- 
rftischen  ziegeln  wiederkehrt,  entweder  allein  'oder  innerhalb  seiner 
fläche  das  monogramm  von  Korkyra'  (Wachsmuth  ao.  s.  547)  —  was 
wir  doch  wohl  zu  b[äjüioc]  K[opicupaiu)v]  ergänzen  dürfen '°  —  so 
ist  mir  die  obige  deutung  wahrscheinlicher,  nr.  35  (rückseite)  steht 
wieder  solch  ein  A,  und  zwar  scheint  mir  dieser  vermerk  beidemal 


'  ircpl  bi  ToÜTou  oÖT€  T(|)  irarpl  oötc  tCS)  d&eX9fi  ^ircKOtvuücui 
oOt€  if\ivS)y  Tdiv  ^Toipujv  oOöcvi,  ctx'  ^irtTpeirrkov  e(Te  kqI  oö  Tiji  d9i- 
KOii^vip  ToOrip  E^i|i  Tfjv  c^v  MAJxnVi  dXX*  .  .  ircpl  jiiv  toOtou  oOö^va 
XÖTOV  006^  cu^ßouXf|v  irotel  usw.  Sohleiermacber  'hierüber  hast  da 
dich  weder  deinem  broder  mitgeteilt  .  .';  doch  hat  Barsian  wohl  recht 
die  obige  bedentong  anzonebmen,  wie  auch  das  folgende  cu^ßouXf|v  zu 
beweisen  scheint.  ^  bei  Polybios  VII 16,  3  KOivujcaMCvov  iT€pl  irdvTUJv 
^auTolc  und  Herod.  I  8,  20  kqI  toIc  (pikoxc  ircpl  toO  npoKT^ou  KOtvoO- 
|i€voc  steht  es  gleichfalls  in  der  bedentung  'um  rat  fragen'.  ^  activ 
anab.  III  1,  6  cu^ßouXcOet  C\UKp&Tr]C  E€V09d)VTi  ^XOövra  cic  A€Xq>oCic 
dvaKoivCOcat  ti}»  6€i{i  ircpl  Tf)c  nopciac.  VI  1,  22  toic  Ocotc  dva- 
KOtvdicau  medium  Hell.  VII  1,  27  iKtX  (sc.  ^v  AcXcpoTc)  bi  ^Bövrcc 
T<Jp  niy  Oci}»  oöb^v  dvcKotviOcavTO,  öwwc  .  .  VII  1,  81  dvoKoi- 
viucat  Tolc  Ocolc.  in  der  bedentung  'um  rat  fragen',  wenn  auch 
nicht  das  orakel,  finden  wir  es  noch  apomn.  III  1,  8  xal  yäp  ÖTav  Ti 
dvaKOivCtrvTai  cot,  öpOi  cc  kqXCOc  cu^ßouXeOovTa,  und  Fiat.  ges. 
IX  918^  |iT)b'  aO  Totc  XcTo^i^otc  MdvTcctv  dvaKOiviOcatfii; 
*  Pyth.  4,  115  vdktI  KOivdcavrcc  Ö6öv.  133  irapcKoivdTO.  Nem.  3,  19 
XOp<]i  KOivdco|iat.  vgl.  das  äol.  dHidcci  von  ähöw  im  tit.  Lamps.  CIQ. 
3640  8.  88.    Ahrens  dial.  dor.  s.  811.  ^^  ich   bemerke  jedoch  dasz 

sich  auf  einigen  ziegeln  auch  ein  anderer  bnchstab,  nemlich  A  findet; 
häufiger  jedoch  ist  A;  bald  ist  es  einfach,  bald  von  einem  kreise  om- 
geben,  einmal  finden  wir  auch  genau  in  der  mitte  unter  der  seile  ßui- 
|i6c  ToO  'AirdiXovoc  (sie),  dh.  der  ziegel  gehörte  zu  einem  Apollonaltar, 
ein  A  mit  einem  verkehrten  E  in  der  mitte,  innerhalb  eines  kreises, 
was  man  nicht  zu  ö/)^ou  oder  dgl.  ergänzen  darf,  vielmehr  wird  es  der 
anfang  eines  prjtanennamens  sein  sollen,  wie  wir  deren  mehrere  auch 
ausgeschrieben  finden,  man  vgl.  die  von  Viscber  publicierten  ziegel- 
Stempel:  kl.  sehr.  II  s.  164  ff.  -«  rhein.  mos.  XII  (1867)  s.  619  ff.,  und 
Wachsmoth  ao. 


310  HRPomtow:  die  orakelinschriften  von  Dodona. 

von  priesterhand  herzurühren :  denn  es  ist  kein  gewöhnliches  schrift- 
delta ,  die  alle  mehr  oder  minder  unregelmäszig  sind  und  geneigt 
stehen ,  sondern  ein  genaues  gleichschenkliges  dreieck ,  dessen  basis 
dem  untern  rande  parallel  läufL 

Zu  z.  3—4  bemerke  ich  noch,  dasz  C-F.  d[c(paX^CTaTa  xai  vGv  | 
KQi  ^TieiTa  ergänzen;  da  jedoch  die  buchstabenzahl  nicht  stimmt,  so 
habe  ich  obige  ergänzung  versucht  mit  bezug  auf  nr.  8  Ka\  vOv  Kai 
Ic  TÖv  fiTTavra  xpövov  und  nr.  16  Kai  vOv]  Kai  elc  töv  fireixa  [xpö- 
vov  und  vor  allem  auf  Xen.  anab.  III  1,  6  wo  es  in  einer  anfrage 
an  den  delphischen  Apollon  heiszt:  Tivi  &V  86WV  8uu)V  KOl  6ÖXÖ|i€V0C 
KdXXicT*  &v  Kai  Spicra  i\6o\. 

Dasz  das  kleine  fragment,  welches  Carapanos  als  letztes  der 
ganzen  samlung  pl.  XXXIX  7  facsimiliert,  als  rechtes  eckstttck  zu 
pl.  XXXIV  4  gehört,  scheint  mir  evident  zu  sein:  denn  abgesehen 
davon  dasz  parallele  bruchflächen,  untere  ränder  usw.  genau  stimmen, 
wäre  es  doch  ein  sonderbarer  zufall ,  wenn  gerade  die  hier  am  ende 
zweier  zeilen  fehlenden  Wörter  als  fortsetzung  zweier  andern  noch 
einmal  wiederkehren  sollten,  es  sind  in  der  lücke  die  buchstaben 
6-€iüV  und  €ux-0-|Li6V0i;  sowie  das  halbe  linke  M  verloren;  femer 
liest  man  auf  dem  facs.  €tJx[o]|i€VOV  (darüber  ist  die  untere  hSlfte 
des  f\  noch  erhalten,  sieht  aber  freilich  heute  wie  ein  risz  im  blei  aus), 
doch  das  ist  bei  dem  entsetzlichen  zustande ,  in  dem  die  plättchen 
sein  müssen,  begreiflicherweise  verlesen,  damit  die  leser  eine  ahnung 
der  Schwierigkeiten  der  entzifferüng  bekommen,  sind  von  Car.  einige 
platten  auf  pl.  XL  photographiert :  diesen  Photographien  steht  man 
zunächst  rat-  und  hoffnungslos  gegenüber;  es  sind  die  leistungen 
der  herren  C-F.  beim  lesen  derselben  in  vollstem  masze  anzuerkennen, 
und  es  ist  leicht  erklärlich  dasz  sie  auf  ihre  hauptaufgabe,  das  ent« 
zitfern,  bedacht  mehrmals  die  Zusammengehörigkeit  einzelner  platten- 
fragmente  nicht  erkannt  haben:  auszer  im  vorliegenden  falle  noch 
bei  nr.  3.  9  und  vielleicht  auch  22."  in  gleicher  weise  wird  aach 
die  reproduction  und  facsimilierung  ihre  groszen  Schwierigkeiten 
gehabt  haben ,  woher  manigfache  ungenauigkeiten  stammen  mögen, 
^o  hier  das  scheinbar  nicht  ganz  genaue  übereinstimmen  der  schrift- 
zUge  in  beiden  fragmonten  ua. 

Das  vorkommen  des  F  auf  nr.  1  gibt  uns  die  möglichkeit  diesem 
täfeichen  eine  annähernd  richtige  stelle  unter  den  bisher  bekannten 
korkyräischen  inschriften  anzuweisen,  die  älteste  reihe  derselben  hat 
das  zeichen  F  für  vau;  jungem  datums  ist  C.  dann  folgen  die  im  CIO. 
1841  tf.  gesammelten  inschriften  im  ionischen  aiphabet  mit  keiner 
spur  eines  noch  existierenden  vau;  ßöckh  setzt  die  ältesten  derselben 
um  Ol.  140  (220  vor  Ch. ;  vgl.  CIG.  1841).  Vischers  gröszeres  korkj- 
räisches  decret  stammt,  wie  er  glaubt,  aus  dem  vierten  jh.  (kl.  sehr. 
II  s.  13  nr.  22,  abgebildet  tf.  I  4  =■  epigr.-arch.  beitr.  aus  Or.  s.  7); 

*'  auch  von  deo  Lrooze-iDscbriften  gehört  pl.  XXXI  3  n.  4  so  einer 
und  derselben  inschrift:  vgl.  Rangabe'  ao.  s.  117  f. 


HRPomtow:  die  orakelinsciirütec  toq  DodoDa.  311 

es  leigt  ebenfftlk  kein  Tan  mehr,  das  in  später  zeit  auch  in  Korkyra 
durch  ß  wiedergegeben  wurde:  CIG.  1909  5pßoc  iapoü  Koi  öciou, 
▼gl.  Wachsmath  ao.  s.  577.  da  nun  IGA.  346,  das  einzige  bisher  be- 
kannte beispiel  för  das  jüngere  C.  den  ranhen  hauch  durch  H  aus- 
drfiekt,  also  vor  der  reception  des  ionischen  alphabets  liegt,  so  fällt 
unsere  nr.  1  notwendig  zwischen  die  letzten  inschriflen  der  IGA.  und 
die  bisher  Sltesten  mit  ion.  aiphabet  in  die  mitte,  da  sie  noch  F  (und 
xwar  wunderbarer  weise  dessen  ältere  form'')  beibehält,  aber  im 
übrigen  ganz  mit  ionischen  buchstaben  geschrieben  ist.  es  wird  also 
eine  Itt^e  in  unserer  kenntnis  des  ent wicklungsganges  des  korkj- 
rtischen  alphabets  hierdurch  ausgefüllt;  dasz  man  aber  auch  nach 
der  reception  des  ion.  alphabets  das  vau  bewahrte  (ja  sogar,  wie  auf 
nr.  3,  den  rauhen  hauch  noch  durch  ein  besonderes  zeichen  aus- 
drflckte),  ist  aus  Tarent  und  Herakleia  bekannt  (Kirchhoff  ao.  s.  146) 
und  darum  auch  hier  nicht  befremdlich. 

Fragen  wir  nun  genauer  nach  der  abfassungszeit  unserer  In- 
schrift, so  können  wir,  da  die  älteste  classe  (F  und  nichtion.  aiphabet), 
nemlich  die  gruppe  der  Amiades-,  Menekrates>  und  Xenvares- 
inschrifben,  in  die  erste  hälfte  des  sechsten  jh.  gehört  (Kirchhoff  ao. 
s.  97)  und  wir  für  die  zweite  clause  (C  und  nichtion.  alph.)  die  erste 
hftlfie  oder  mitte  des  fünften  jh.  annehmen  können,  unsere  tafel  nur 
in  der  zeit  von  c.  450 — 350  vor  Ch.  placieren,  die  reception  des 
ion«  alphabets  vollzieht  sich  in  den  meisten  griechischen  Staaten  am 
ende  des  fQnften  jh. ;  wir  haben  bisher  für  Eorkjra  keinen  beweis 
des  gegenteils ;  freilich  würde  ich  die  Inschrift  des  alten  F  wegen 


"  ich  kann  our  schwer  glaaben,  da«x  wirklich  die  form  C  aaf  dem 
ateine  gestanden  habe;  derselbe  ist  stark  verletzt  und  die  lesnng  nn- 
aicher:  vgl.  darüber  ausser  Kirchhoff  griecb.  aiphabet'  8.  93  und  der  von 
Röhl  IGA.  322  citierten  litteratur  besonders  Wachsmutb  ao.  s.  575.  — 
Die  aufachrift  der  silbernen  lampe  (bei  Wachsmath  s.  549}  stammt 
nidit  direct  aas  Korkjra,  weshalb  ihr  sonderbares  vau  ^  ^in  TpaxaFuöui) 
hier  anberücksichtige  bleibt;  es  ist  aus  ^  »s  y  normal  gebildet,  und 
dies  T  K)  freilich  lindet  sich  in  Korkyra  (Wachsmuth  s.  556},  aber 
doch  aach  als  sigma  in  CIG.  1917  ebendaher,  der  form  C  begegnen 
wir  später  auf  Korkjra  noch  einmal  wieder:  sie  ist  das  zeichen  für 
fligma  znr  zeit  des  Septimius  Severus  (Wachsmuth  p.  557).  —  Bei  einem 
nochmaligen  durchsehen  der  tabulae  Herad.  (CIG.  5774)  behufs  unserer 
nr.  3  fällt  mir  eine  eigentümlichkeit  auf,  die  vielleicht  geeignet  ist 
das  schwanken  zwischen  F  und  C  im  korkjräiachen  aiphabet  zu  erklären, 
während  nemlich  sonst  durchgängig  auf  beiden  platten,  dh.  etwa  60mal, 
C  als  form  für  vau  erscheint,  finde  ich  Einmal  (CIG.  III  s.  696)  z.  171  »> 
segra.  III  z.  123  die  alte  form  F;  möglicherweise  ein  error  typotheticus; 
andernfalls  wurde  es  den  klaren  beweis  liefern,  nicht  nur  dasz  F  und 
C  eine  Zeitlang  promiscne  gebraucht  wurden,  was  ja  in  einer  Über- 
gangsperiode selbstverständlich  ist,  sondern  dasz  wir  an  der  gestalt  des 
vau,  wo  nicht  vollständigere  inschriftenreihen  deren  anwendung  klar 
le?en,  keinen  festen  anhält  zur  datierung  besitzen,  dh.  dasz  wir  (und 
ich  habe  die  Überzeugung,  dasz  dies  überhaupt  bei  der  heutigen  epi- 
graphischen methode  der  fall  ist)  der  Individualität  des  einzelnen 
Schreibers,  bzw.  seinen  launen  nicht  genug  Spielraum  gönnen  und  den- 
selben zu  viel  wert  beilegen. 


312  HRPomtow :  die  orakelinschriflen  von  Dodona. 

Dicht  unter  das  ende  des  peloponnesischen  krieges  herabdatieren,  die 
zweite  platte  ist  nach  dem  schriftcharakter  vielleicht  ein  oder  mehr 
Jahrzehnte  jünger;  znr  Verwendung  des  vau  war  keine  gelegenheit, 
doch  weisen  die  formen  des  u),  deren  einige  schon  spitz  .A.  werden, 
^auf  gröszere  gettbtheit  und  längere  Vertrautheit  der  Schreiber  mit 
den  ionischen  buchstaben  hin. 

Da  wir  so  aus  rein  pal&ographischen  gründen  eine  ungefähre 
Zeitbestimmung  gefunden  haben,  so  wird  es  vielleicht  nicht  zu  kühn 
erscheinen,  wenn  ich  unsere  beiden  plSttchen  nun  auch  historisch 
für  eine  zeit  zu  verwerten  suche,  der  sie  aus  andern  gründen  bereits 
zugewiesen  sind,  ist  es  schon  an  und  für  sich  sonderbar,  dasz  unter 
den  fünf  erhaltenen  bleiplatten  mit  Staatsanfragen  sich  zwei  aus 
Eorkyra  befinden,  so  werden  diese  noch  beachtenswerter  durch  ihren 
inhalt,  der  beidemal  auf  unruhige  innere  zust&nde  der  insel  hinweist. 
und  zwar,  wenn  nr.  1  nur  im  allgemeinen  darauf  schlieszen  Iftszt 
dasz  'etwas  faul  war  im  Staate  Korkyra',  so  deutet  der  Verfasser  von 
nr.  2  geradezu  auf  eine  vergangene  crdcic  der  bürger  hin  und  fragt 
an,  wodurch  der  staat  wieder  zur  ein tr acht  gelangen  könne,  dass 
nun  diese  beiden  anfragen  in  directer  oder  indirecter  Verbindung 
stehen  mit  den  vergangen  auf  Eorkjray  die  Thukydides  (III  70 — 85. 
IV  46—48)  schildert,  oder  sich  doch  in  deren  gefolge  befanden  und 
in  Zusammenhang  mit  ihnen  zu  setzen  sind ,  ist  ein  schlusz  der  zu- 
nächst in  dieser  allgemeinheit  gewis  nicht  unberechtigt  erscheinen 
wird. 

Die  von  Thukydides  ao.  berichteten  schreckensscenen  erstreckten 
sich  bekanntlich  über  die  jähre  427 — 425  vor  Ch.;  doch  waren  sie 
hiermit  noch  nicht  zu  ende,  es  wird  uns  ausdrücklich  von  einer 
nochmaligen  CTdcic  der  korkyräischen  bürger  berichtet  (Diod.  Xili 
48),  die  ins  j.  410  vor  Ch.  (ol.  92,  3)  fällt,  und  sie  ist  das  einzige 
was  uns  von  der  geschichte  der  insel  in  den  50  Jahren  von  425 — 
375,  dem  wiedergewinn  Eorkyras  für  den  zweiten  seebund  durch 
Timotbeos,  bekannt  ist.  zwar  hat  man  den  bericht  des  Diodor  nicht 
gelten  lassen  wollen,  einmal  weil  Thuk.  IV  48,  5  *'  dagegen  spräche, 
und  dann  wegen  der  groszen  ähnlichkeit  dieses  spätem  bürgerzwistes 
mit  der  Schilderung  der  greuel  der  jähre  427 — 425,  und  hat  gemeint, 
es  läge  eine  der  gewöhnlichen  confusionen  oder  doppelerzäilungen 
vor.'^    allein  Thuk.  IV  48,  5  ist  von  Ullrich  richtig  dahin  inter- 


*'  Thuk.  IV  48,  6  lotoOTip  ^iv  Tp6iTi|i  ol  ^k  toO  öpouc  Kcpioipaloi 
()it6  toO  bi\\xov  &t€q>6dpv)cav,  xal  i\  ctucic  noXXf)  T^vo^iw)  ^TcXcOrncev 
(c  toOto,  öca  T€  xarä  t6v  iröXcfAOv  tövöc*  oö  fäp  in  nv  (möXotirov 
TUJv  ^T^pujv  ö  Tt  Kai  dEiöXoyov.  ^*  Wachimath  hell,  altert  I  S  8.  144 
und  nach  ihm  ausführlich  Sievers  comm.  de  Xen.  Hell.  (1888)  8.  18  and 
66  bestreiten  die  historische  Wahrheit  des  Diodorischen  berichts.  allein 
nachdem  schon  QCAMüiler  in  der  Göttinger  preisschrift  'de  Corcyrae- 
omm  repnblica'  (1886)  s.  88  wenigstens  dem  kerne  nach  ihn  als  wahr 
in  ansprach  genommen,  hat  Ullrich,  wie  ich  glaube,  abschliessend  dnrch 
klare  und  genaue  interpretation  der  fraglichen  ThukydideMtelle,  sowie 
dnrch  den  nachweis,  aass  in  der  that  in  späterer  seit,  dh«  vom  ende 


HRPomtow:  die  orakelinBchriflen  tod  Dodona.  313 

preiiert  worden,  dasz  wir  Kara  Tdv  TiöXeiiov  TÖvbc  als  Archidamischen 
krieg,  nicht  aü  sog.  Mreiszigjfthrigen'  aufzufassen  haben,  ja  dass 
Thuk.  gerade  darch  diesen  zusatz  auf  einen  spfttem  korky- 
rüachen  bOrgerkrieg  indirect  anspiele,  und  was  Diodors  bericht  be- 
triSt,  80  ist  zwar  die  möglichkeit  zuzugeben,  dasz  ihm  bei  ausmalung 
des  ganzen  ereignisses  Thukydideische  färben  aus  dem  frühem  auf- 
rohr  vorgeschwebt  haben  und  er  bewust  oder  unbewust  mehrere 
illge  ihm  entlehnt  hat  (wie  denn  die  Naupaktier  unter  athenischem 
fUhrer  Thuk.  III  75,  die  flucht  der  optimaten  nach  dem  festland 
nnd  ihre  rückkehr  III  85,  endlich  der  kämpf  bis  zur  nacht  und  be- 
aetinng  der  dTopd  durch  optimaten  III  72.  74  hier  wie  dort  sich 
finden) ;  aber  die  ausdrückliche  nennung  Konons  als  athenischen  an- 
ffihrers  und  andere  einzelheiten,  die  bei  Thuk.  fehlen,  wie  herbei- 
rnfung  der  optimaten,  freilassung  von  sklaven,  bürgerrechts- 
Verleihung  an  metöken,  sowie  der  ganze  tenor  der  erzfthlung,  der 
ftOBdrücklich  auf  die  erste  CTactc  zurückweist,  endlich  auch  die  er- 
wigong,  dasz  dergleichen  zwiste,  aus  gleichen  Ursachen  entstanden, 
im  wesentlichen  auch  ähnlichen  verlauf  haben  werden  (wenigstens 
in  einer  solchen  inselstadt),  werden  uns  nicht  daran  zweifeln  lasseu, 
dasz  Diodor  Wahrheit  überliefert  hat.  ja  wSre  uns  auch  nichts  von 
solch  erneuerter  erdete  bekannt,  so  würden  wir  doch  der  natur  der 
dinge  nach  schlieszen  müssen,  dasz  so  gewaltsame  Umwälzungen 
nnd  erschütterungen  des  ganzen  gemein wesens,  wie  die  aus  dem 
an^EUig  des  pelop.  krieges ,  langdauemde  spuren  hinterlieszen ,  dasz 
dem  Staate  noch  auf  Jahrzehnte  hinaus  nicht  die  völlige  innere  ruhe 
zn  teil  wurde  und  öfter  noch  krisen  eintraten ,  die  eine  wiederholte 
befragung  des  mit  Eorkyra  besonders  eng  verbundenen"^  dodo- 
uBischen  Orakels  notwendig  machten. 

Dasz  wir  also  auf  die  ereignisse  der  jähre  427 — 425  und  410 
den  Inhalt  unserer  bleiplättchen  beziehen  dürfen,  scheint  mir  nach 
dem  gesagten  gerechtfertigt;  ob  wir  nun  aber  nr.  1  wegen  des  all- 
gemeinen inhalts  der  anfrage,  die  für  ein  rein  demokratisches  KOivöv 
sehr  wohl  passt,  mit  der  zeit  nach  425  vor  Ch.,  nr.  2  wegen  des 
gewis  nicht  zufälligen  ausdrucks  öjiOVOoTev  in\  tüjtoiOöv  mit  dem 
compromiss  zwischen  demos  und  oligarchen  im  j.  410,  wie  es  Diodor'* 

des  fünften  jh.  bis  875  vor  Ch.  auf  der  Insel  die  von  Diodor  ersählte 
compromissregierung,  ein  KOtvöv  aus  demokraten  und  optimaten  ge- 
wählt bestand,  die  volle  glaub  Würdigkeit  des  Diodor  dargethan.  auch 
Grote  IV  s.  400  anm.  34  (deutsche  übers.)  stimmt  ihm  bei.  dasz  aber 
bei  der  constituierung  eines  solchen  regierungskörpers  eine  anfrage 
wie  öfiovootev  iitl  TditaGöv  ihre  richtige  stelle  fände,  ist  evident,  vgl. 
Ulb-ich  beitrage  zur  erkl.  des  Thuk.  (Hamburg  1846)  s.  96—101. 

'^  diese  enge  Verbindung  ist  nicht  nur  durch  Korkyras  nähe  wahr- 
scheinlich, sondern  geht  auch  aus  den  mehrfachen  weihgeschenken 
korkjräischer  bUrger  hervor,  die  Carapanos  in  Dodona  aufgefunden  hat. 

"  Diod.  XIII  48  a.  e.  nctä  hi  Tivac  i^^^pac  tiöv  tv  xfl  itöXci  xivic 
(ppovoOvTCC  xd  Toiv  9irrdöujv  KarcXdßovro  ti?|v  dTOpdv  xal  jicto- 
ii€|ii|id|üievot  Toöc  9irrdbac  7r€pl  toiv  ÖXwv  öii^twiviZovTO  *  t^oc  bi  vükt6c 
KaToXaßoOciic   cic  öfioXoTiac   fiXOov  npdc   dXX/|Xouc,   xal  Tf)c  qnXo- 


314  HRPomtow:  die  orakelinBchriften  von  Dodona. 

ausdrücklich  hervorhebt,  in  Verbindung  bringen  dürfen,  ist  mir  zwar 
nicht  unwahrscheinlich,  aber  direct  zu  beweisen  ist  es  nicht. 

nr.  3:  anfrage  Tarents  über  Wohlergehen.  Gar.  pl.  XXXIV 
1  =  kat.  1 ;  dazu  gehört  links  pl.  XXXV  4  (fehlt  im  kat.).  breite 
mit  dem  ergänzungsfr.  0,085  m,  höhe  0,067  m ;  breite  des  fr.  0,025  m, 
höbe  0^048  m.  die  platte  ist  oben,  unten  und  links  vollständig; 
rechts  fehlen  5 — 8  buchstaben.    die  obere  hftlfte  ist  unbeschrieben. 


e€oi[c] 

ha    TTÖ 


Tuxqi    draOql.      [incpuiiQ 
Xic    ha   Tuiv    Tapav[Tivu)V 


TÖv  A|ia  TÖv  Ndov  Kai  T[äv  Aiuivav 
Tiepl    TiavTuxiac   koI  7r[ep\ . . .  dv? 

Tox^  >pu)i     Kai     Tiepl    Tiöv 

dasz  pl.  XXXV  4  das  links  fehlende  bruchstück  unserer  platte  sei, 
hat  zuerst  FBlass  ao.  erkannt;  buchstaben  sind  in  der  bmchlücke 
nur  bei  z.  1  und  5  verloren;  auf  dem  facs.  steht  6E0l.  .  Tuxat  usw., 
was  unmöglich  richtig  isf ;  t.  läszt  sich  nicht  zu  C  ergftnzen,  denn 
das  sigma  ist  noch  vierstrichig;  da  noch  eine  (von  Blass  übersehene) 
buchstabenlücke  dahinter  ist,  bleibt  nur  66oT[c]  übrig. 

Es  ist  nur  natürlich  dasz  uns  auch  hier  das  aus  den  Heraklei- 
«chen  tafeln  (CIO.  5774  ff.)  hinlänglich  bekannte  zeichen  H  für  den 
rauhen  hauch  begegnet,  den  also  auch  die  Tarentiner,  wie  ihre 
tochterstadt  Herakleia,  noch  länger  als  ein  Jahrhundert  nach  der 
reception  des  ionischen  alphabets  nebst  dem  vau  beibehielten,  für 
Tarent  ist  es  hier  zum  erstenmal  sicher  bezeugt  (vermutungsweise 
auch  schon  in  dem  von  Eirchhoff  und  Röhl  für  tarentinisch  erklärten 
aiphabet  lOA.  546,  sowie  auf  den  ebenfalls  wohl  'aus  tarentinischen 
fabriken  stammenden  vasen  apulischen  fundorts'  Robert  im  bull. 
deir  Inst.  arch.  1857  s.  56  f.  vgl.  Kirchhoff  ao.  s.  146);  das  zweite 
h  ist  durch  ausgleiten  des  griffeis  einem  kreuz  ähnlich  geworden, 
weshalb  es  Bursian  anfangs  als  tau  ansah,  zur  Verwendung  des  vau 
war  keine  gelegenheit.  das  sonst  unbekannte  wort  TiavTUxia  ist, 
wie  Bursian  bemerkt,  dem  TravwXeOpia  analog  gebildet. 

Dasz  das  letzte  pi  in  z.  4  wegen  des  vorhergehenden  und  fol- 
genden 7r€pl  ebenso  zu  vervollständigen  ist,  ist  mir  wahrschein- 

v€iK{ac  iraucdficvoi  KOivdic  iIikouv  Tf)v  Trarpiöa.  i\  niy  oOv  iy 
KepKvpq,  ccpa-^i]  toioOtov  €qc€  irö  t^Xoc. 

'^  es  ist  dies  ein  neuer  beweis  für  meine  behanptung,  dasz  die 
reproductionen  in  vielen  fällen  nicht  correct  sein  können;  dies  gilt  auch 
immentlich  von  der  Zeichnung  der  umrisse,  die  bisweilen  total  falsch 
sind  und  deshalb  eine  ergänsung  erschweren,  da  man  nicht  weiss  wie 
man  vor-  und  rückseite  übereinander  zu  legen  hat,  um  daraus  die  nr- 
sprüngliche  grösze  der  platte  zu  bestimmen;  dies  gilt  namentlich  von 
nr.  22  (s.  u.).  aber  auch  hier  bei  nr.  3  sind  die  umrisse  des  fragments 
nur  annähernd  ähnlich  wiedergegeben;  sie  passen  nur  der  gestalt, 
nicht  der  grösze  nach  in  die  ränder  der  platte  selbst  (sind  viel  zu  klein 
sowohl  unten  wie  rechts  oben),  und  wäre  hier  nicht  der  znsammen- 
hang  und  die  gleichheit  der  buchstabengrösze  zwingend,  so  würde  man 
ans  der  gestalt  der  bntchflächen  niemals  auf  die  wirkliche  Zusammen- 
gehörigkeit der  platten  haben  schlieszen  können. 


HEPomtov    ait.  orajLtJiuscnniieL  voi.  Iiodana.  SI5 

lieb :  doch  kaam  auct  ein.  mi;  t  iM^gumäxiäes  suDsianrT  ir  pieicbeiL 
casus  wie  irtnnvxic  ^eioi{n  xil.  iiBÄ  cuk-  zni;  £\  imd  den:  Q&iiv  -pu- 
wUifiBZfmät'  nähert  besiimmiinr  De.  sid.  narti:.  dit  ersten  imcb- 
«tabm  von  z.  o  Bind  beim:  nnvexsibndiicL :  tcx  soüein:  sicher,  doci: 
kam  zwifichfiii  a  und  x  Tielieicni  ildcl  eiL  imcbsiai-  pesxandf^  iiabec : 
die  beiden  nficiiBien  sine  ir  der  lUckfc  verscc wunder .  doct  scbeim 
Ton  ersten  ein  ecwu  scicücrer  cincL  oiten.  und  vom  zweiT«£  eiL 
etvas  Bchr&firerer  nicn-z;£  ernahei..  JkhSi  sdükri  vor :  ttFüic  ica  Ti  tv 
TBX^EO  ^'^  -  ^^^  kann  icl  dae  mir  dem  inhii:!  der  ranzen  fra^ 
■ielit  in  fibereinsiinununf  urinirexi.  icL  würdt .  iul  ein  nngefbbras 
beiqiiel  zu  nehnusn.  Temiizien  T'^ßi  ccurnu:\  €\  oupcrvü>  vci.  r»ein. 
g.  Makaru  6C  imd  weiier  iinien  oder  r  oK€iiOL<  €v  odi^r  cv\  mit 
folgendem  eigennamen :  scnloEi  eine£  mannesnunens  ist  w^  K)i€av  '- 
bpui.  sicbereE  irird  nur  dnrcL  eine  nocjimaiige  cenaae  prfifunc  der 
plat»  Eich  ermiuteln  iassei:.  'ljl  bi.  eiier  wei.  .ieizi  der  £0samnie&bang 
iiBgefi&br  t»ekanni  isi.  wKcrenc  vorher.  r>e:  d&r  kJeinbeit  des  t:*a^- 
ments,  äit  leBuns  cieBe£  hllisiL^irut'ii  enibehne. 

Überhaupi  ist  itei  rielen  plaTXen  eine  nochmalige  Untersuchung 
Tcm  kizndii?er  seiu:  in  hohem  irrade  wlmschenswert  "  —  ich  bin  ülvr- 
sengt  dasz  sie  in  Tielen.  ja  den  meisten  flLüen  ron  gntem  erfolg  sein 
wird  —  und  namenilich  bei  dieser  ersten  clas^c-  doppelt  notwendig. 
da  wir  die  öffentÜLlien  foifragen  möglicherweise  auch  hist-orisc^h  xev- 
werten  kComen  -wie  nr.  1  und  2  .  ganz  abgesehen  von  ihren  sonstigen 
eigenscfaafien. 

C-F.  haben  das  fehlende  '.ohne  das  fragment'^  nur  nach  links 
ergänzt,  haben  demnach  rechts  zeilenschinsz  angenommen;  das?.  \ias 
iznm5glich  ist.  lehrt  die  hinznfOgung  des  linken  bruchstücks.  das 
sämtliche  zeilenanf finge  enthält,  z.  1  ist  überschrif\s  die  aber  auch 
links,  genau  lotrecht  über  den  andern  beginnt  \^nr.  2o  steht  sie  da* 
gegen  in  der  mitte  von  z.  1  .  daher  ist  der  freie  räum  recht«  crklKr- 
lieb.  z.  3 — 5  hören  aber  1  —  2  buchsuben  weit  vor  dem  rechten 
nmde  auf,  was  die  hgg.  eben  zu  ihrer  falschen  zeilensohlusKannahnic 
Teranlaszte;  das  ist  entweder  wieder  aus  Verzeichnung  der  bo'> 
grenznngslinie  zu  erklären,  oder  die  buchst aben  sind  ohne  jodo  spur 
vom  blei  verschwunden,  dasz  in  der  that  dergleichen  völliges  ver- 
schwinden von  ganzen  Zeilen  sogar  auf  den  plättchen  vorkommt, 
werden  wir  später  (anm,  20)  sehen ,  ich  weise  nur  auch  hier  schon 
aosdracklich  darauf  hin.  dasz  die  platte  nur  auf  der  uutorn  hälfte  be- 
schrieben wurde,  wüste  ich  nur  durch  die  annähme  zu  erklären,  da«2 
ihr  oberer  teil  sich  schon  damals  in  dem  verstümmelten  ziistando 
befand,  wie  wir  ihn  heute  sehen ;  dieser  schlusz  wird  durch  niehrero 
beispiele  weiter  unten  als  richtig  erwiesen. 

Der  inhalt  ist  nur  fragmentarisch  überliefert,  und  wir  erfuhren 

1^  denselben  wonach  äuszerte,  wie  ich  toho,  schon  UnniriiUit  no, 
8.  116,  der  zu  pl.  XXIII  1  bemerkt:  M>edUrfto  oinor  gouanon  prUhuiK 
des  Originals,  <l>iXoKX^&ao  für  <I>iXokX^^c  ist  fehler  «utwedor  den  ifrii- 
venrs  oder  der  abschrift.* 


316  HRPomtow :  die  orakelinBchriften  von  Dodooa. 

weiter  nichts  als  dasz  Tarent  über  irovTUXici  and  andere  dinge  an- 
fragte ;  da  es  nun  sehr  wenige  tarentinische  Inschriften  ausser  den 
münzlegenden  gibt  und  auch  die  geschichte  der  stadt  nur  unvoll- 
kommen bekannt  ist,  so  ist  selbstverständlich  nur  eine  ganz  un- 
gefähre Vermutung  über  die  zeit  der  abfassung  dieser  anfrage  mög- 
lich, im  j.  433  vor  Ch.  (oL  86,  4)  schrieb  man  in  Tarent  nodi 
nicht  ionisch  (10 A.  548);  im  j.  212  wurde  die  stadt  durch  die 
Römer  zerstört  und  verödet  (trst  seit  123  vor  Ch.  ist  dort  eine 
römische  colonie);  fast  in  die  mitte  dieses  Zeitraumes,  dh.  320 — 
280,  also  rund  um  300  vor  Ch.,  fällt  die  abfassung  der  tabulae 
Heracl. ,  und  diese  zeigen  im  groszen  und  ganzen  den  dialekt  und 
die  buchstabenformen  unseres  plättchens;  da  letztere  eine  zu  weite 
herabrücl^pig  der  inschrift  nicht  gestatten,  so  möchte  ich  für  die- 
selbe den  ausgang  des  vierten  oder  anfang  des  dritten  jh.  in  anspruch 
nehmen,  und  von  der  anwesenheit  des  Molossers  Alexandres  (t  326 
bei  Pandosia)  bis  zu  den  zeiten  des  Pyrrhos  mochten  die  Tarentiner 
oft  genug  das  bedttrfnis  fühlen,  die  götter  irepi  iravTiixiac  um  rat 
zu  fragen. '• 

nr.  4  (=>rttckseite  vonnr.  8):  anfrage  der  Mon. .  .diäten* 
Car.  pl.  XXXIV  3  bis  (fehlt  im  katalog);  breite  0,107  m,  höhe 
0,025  m;  oben  und  unten  vollständig;  links  bruch,  doch  ohne  die 
inschrift  zu  verletzen ;  rechts  anscheinend  vollständig  (?). 

AI  Nd(|i  Kai  Ati6v<ji  c 
dTriKOivärai    Mov .  .  öiaiäv    tö    koivöv    Trcp    tov 
TTuppot  Ta  OejiiCTptai  al  £k  t  . .  v  icti  rd  Ocjit .... 
VTi  Kai  ß^Xnov  et  KixpCjLiev  .... 
was  zunächst  die  zeilenlänge  angeht,  so  ist  es  sehr  mislich,  dasz  wir 
nicht  wissen  können,  ob  der  sdir  nachlässige  Schreiber  die  Wörter 
AI  Ndqj  Kai  Atdivqi  c  vergessen  und  erst  später  rechts  oben  nach- 
getragen hat,  wie  Bursian  will,  oder  ob  etwa  vor  diesen  werten  links 
oben  die  eingangsformel  Oeöc.   Tuxa  dxaGd  spurlos  vom  blei  ver- 
schwunden ist.*®  an  der  Stellung  ist  nicht  anstosz  zu  nehmen:  vgL 
TU)  AI  Nd]qi  Kai  rql  Aidivqi  CuiKpdTiic  £TriKOi[vfiTai  nr.  10;  die  in- 
schrift musz  in  einem  fast  unleserlichen  zustande  sein,  oder  der 


^^  endlich  verdient  auch  noch  die  fassong  der  anfrage  beachtang. 
während  wir  sonst  meist  finden  dau  nnr  nm  angäbe  der  gottheiten 
gebeten  wird,  denen  man  opfer  oder  gebete  darbringen  müsse,  man  also 
nicht  directe  hilfe  von  den  priestem  begehrt,  scheint  hier  keine  der- 
artige sacrale  frage  vorsnliegen  (wo  im  fall  des  nn glückliehen  ansgangs 
nicht  die  priester,  sondern  die  angeflehten  gottheiten  die  schnld  traf)» 
sondern  directer  rat  begehrt  an  sein,  wie  man  snr  iravTUxia  gelangen 
könne,  sicher  läsat  sich  das  jedoch  wegen  des  fehlenden  nicht  be- 
stimmen. *<^  so  sind  gleichfalls  anf  nr.  23  von  den  bocbstaben  dya(0f| 
tOxt]  die  leisten  sechs  bente  von  dem  blei  verschwunden,  obwohl  die 
Stellung  dieser  worte  als  Überschrift  in  der  mitte  der  obersten  zeile, 
sowie  die  sonst  sorgfältig  geschriebene  und  in  ihrem  obem  teil  gut 
erhaltene  inschrift  dies  unbegreiflich  erseheinen  läsat;  ja  aogar  nac*li 
unten  hin  reiset  dieselbe  inschrift,  ohne  dasz -auch  nnr  ^in  fernerer 
buchstabenrest  erkennbar  wäre,  mitten  im  tatse  plötslich  ab. 


HBPomtow:  die  orakeliDSchriften  von  Dodono.  317 

graTeur  war  von  unglaublicher  leichtfertigkeit :  denn  auszer  dem  u) 
in  z«  1  findet  sich  constant  o  geschrieben"  (iruppoi,  irep  tov);  ein 
eta  kennt  er  überhaupt  nicht ,  denn  es  kommt  auf  der  ganzen  in- 
achrift  keins  vor,  obwohl  wir  es  sicher  wenigstens  in  ß^XTiov  iji 
I.  4  erwarten;  das  sigma  hat  schon  halbkreisförmige  gestalt.  es 
steht  so  am  schlusz  von  z.  1  deutlich  da ,  wohl  wieder  ein  versehen, 
da  es  weder  in  den  Zusammenhang  gehört  noch  von  früheren  in* 
seluriften  auf  dem  blei  irgend  eine  spur  sich  findet.  -^  Dasz  die 
eingangsformel  etwa  links  am  anfang  von  z.  2  stand ,  wie  denn  an- 
scheinend die  zusammenhangslosigkeit  der  construction  derartige 
grosse  Ittcken  voraussetzt,  ist  unmöglich«  weil  die  inschrift  der  andern 
Seite  (sB  nr.  8)  zeitlich  vor  unserer  abgefaszt  (da  sie  stets  vier- 
strichiges  sigma  zeigt)  und  zwar  nach  derselben  seite  hin  etwas  be- 
atoszen,  aber  doch  vollst&ndig  ist.  dasz  der  Schreiber  von  nr.  8  aber 
das  erste  drittel  unbeschrieben  gelassen  und  erst  beim  anfang  des 
sweiten  dritteis  der  platte  begonnen  habe ,  ist  nicht  gut  möglich. 
bei  besprechung  von  nr.  8  komme  ich  auf  diese  inschrift  zurück. 

Welche  volksgemeinde  sich  hinter  den  buchstaben  Mov . .  biaräv 
verbirgt  (wobei  die  lesung  des  ersten  und  wohl  auch  des  zweiten 
bnchstaben  nach  der  lücke  unsicher  ist) ,  habe  ich  vergeblich  zu  er- 
mitteln gesucht,  z.  2  ist  wohl  irep  tiüv  zu  lesen ;  die  Solische  apokope 
des  irepi  scheint  also  von  den  sonst  dem  dorismus  mehr  zuneigenden 
be wohnem  von  Epeiros  und  den  nördlichen  districten  angenommen : 
denn  auch  die  dodonäischen  priester  apokopieren  ebenso :  s.  nr.  15 
rückseite.  in  z.  4  ist  wohl  TTiippi|i  Tai  8eMtCT[6]iai  zu  restituieren; 
der  buchstab  hinter  dem  Ik  kann  auch  f  sein;  am  ende  wohl  rd 
6€|Lit[cT6uO^VTa?  z.  5  Ktxpejiev:  Bursian  liest  KixpfjjLiev.  ich  ver- 
mute vielmehr  eine  form  von  xq&hj:  Keyßr\^i[ya?  über  das  per- 
fectum  K^XP^M^^  ^0^  XP<i^  ^S}-  Lobeck  zu  Aias  319  und  bei  Hero- 
dotos  TÖv  KexpriM^vov  ©dvarov  IV  164,  toO  KaKoO  toO  K6XPilM^vou 
YII  141  usw.  der  zustand  der  inschrift  ist  also  nach  dem  facsimile 
ein  trostloser;  der  inhalt  bezieht  sich  wohl  auf  die  einem  Pjrrhos 
bereits  gegebenen  Weissagungen  (ral  8€|iiCT6iat,  96|Lii[cT6uO^VTa) 
und  enthielt  vielleicht  die  anfrage  Über  erneuerte  consultation  des 
Orakels  (?)  (ß^Xiiov  ^,  Rixpe^ev  -  . .). 

nr.  6:  anfrage  eines  nachbarstaats  der  Molosser  über 
Politik.  Car.  pl.  XXXIV  2  =  kat.  2;  breite  0,072  m,  höhe  0,045- m. 
rechts  bruch,  sonst  vollständig;  doch  fehlen  an  z.  1  und  2  etwa 
B — 4  buchstaben: 

'CTrepuJTaivTi  tö  koivöv  t&v  .... 
u)v  Äia  Ndov  Kai  Auiüvav  jua  . . 

Tl      aÜTOlC      CU|iTloX€lT€OoUCl[v  ? 

|Li6Td     MoXoccüüV     äcq)aXf]     ^. 

'^  ist  etwa  im  doriichen  äholich  die  dativendnng  -ip  darch  ot  wieder- 
gegeben wordeu  wie  im  attischen  die  aaf  -19  durch  €i?  auch  in  nr.  16 
finden  wir  ainol  a«  aOTi{i,  und  auf  einer  bronseplatte  (pl.  XXV  1)  rot 
A(,  während  man  sonst  r\  wenigstens  kennt. 


318  HRPomtow:  die  orakelinschriften  von  Dodona, 

wieder  ist  das  fttr  uns  wichtigste,  der  name  des  Staates,  bis  auf  die 
endung  ausgefallen ;  es  wird  ein  nachbarstaat  der  Molosser  gewesen 
sein  mit  so  wenig  wie  möglich  buchstaben  im  ethnikon.  der  plural 
dTTepuJTUiVTi  wlBgen  des  collectiven  KOtvöv.  obwohl  z.  2 — 3  nur 
wenig  buchstaben  fehlen,  ist  mir  eine  befriedigende  herstellung  doch 
nicht  gelungen.  C-F.  schreiben  Ka[Tä]  t{,  was  mir  sprachlich  nicht 
angemessen  scheint,  auch  ist  der  vorletzte  buchstab  der  z.  2  dem 
facsimile  zufolge  ein  deutliches  my  (genau  so  wie  das  des  gleich 
folgenden  cu)LiTroX.);  und  auch  am  anfang  von  r.  3  scheint  kein  tau 
zu  stehen;  sicheres  ist  auf  dem  facs.  nicht  zu  erkennen.** 

Es  ist  dies  die  entschieden  jüngste  Inschrift  von  sämtlichen 
durch  Carapanos  herausgegebenen,  die  sicher  weit  nach  Dorimachos 
an  Wesenheit  218  vor  Ch.  gehört,  wir  finden  nemlich  den  Übergang 
zur  cursive  fast  abgeschlossen,  ich  wage  keine  auch  nur  annähernde 
Zeitbestimmung;  nur  so  viel  scheint  klar,  dasz  die  inschrift  durch 
ein  bis  zwei  Jahrhunderte  von  der  schriftperiode  der  meisten  anderen 
plättchen  getrennt  ist,  und  man  begreift  nicht,  wie  sie  sich  unter 
diese  anderen  verirrt  hat.  freilich  verbietet  der  noch  völlig  fest- 
gehaltene dorismus  anderseits  ein  zu  weites  herabdatieren. 

Für  die  kenntnis  der  priesterpolitik  aber  ist  es  interessant,  dass 
ein  Staat  das  Orakel,  das  im  gebiete  der  Molosser  liegt,  doch  wegen 
politischer  Verbindung  mit  denselben  um  rat  fragt;  man*  traute  alao 
noch  in  später  zeit  der  Unparteilichkeit  des  orakeis,  und  wir  können 
schlieszen  dasz  die  priester  ihre  Unabhängigkeit  von  den  sie  um- 
gebenden Staaten  sich  zu  sichern  wüsten. 

Zweite  classe: 
Anfragen  Ton  priTatleaten. 

A.  Die  antiquissimae. 
nr.  6  (die  rttckseite  folgt  unter  nr.  14) :  Car.  pl.  XXXVI  l^i» 
=  kat.  12;  breite  0,064  m,  höhe  0,02  m;  bruch  auf  allen  seiten, 
doch  scheint  die  inschrift  oben  und  unten  vollständig  zu  sein : 
TOxav  dtTjctOdv.  Tiöiepa  TuvxCavoipi 

T€  Toiv  €  dXXav  o!k€c[iv  l\ix)yf; 
ich  stelle  nr.  6  und  7  den  übrigen  voran,  weil  die  noch  nicht  differen- 
zierte form  des  e-lauts  (E),  die  zur  bezeichnung  des  langen  e  auf 
nr.  6  dreimal,  auf  nr.  7  zweimal  wiederkehrt,  auf  eine  frühere  periode 
hinweist,  dh.  noch  auf  das  ende  des  fünften  jh.  auch  Bursian  (s.  10 
anm.)  erkannte  in  dem  den  ersten  hgg.  unverständlichen  eaXXov** 
natürlich  f|  äXXav.  die  anfangsworte  von  z.  2  sind  freilich  schwie- 
riger,   will  man  i^  räv  i^  fiXXav  lesen,  so  wäre  dieser  gebrauch  des 

**  möglich  ist  auch  dasz  statt  des  my  ein  eta  zu  lesen  ist,  so  dasz 
viclleiclit  T^  d[v]  aOrotc  dastand;  dies  dv  kehrt  ähnlich  in  nr.  12  wieder. 

'3  'il  est  curieux  de  trouver  dans  cette  demande  le  mot  ^dXXav 
qiii  ßgiire  dans  one  rtSponse  de  Toracle  [s.  n.  nr.  7]  et  dont  le  seos  est 
difficile  ^  determiner.' 


HRPomtow:  die  orakelinschriften  von  Dodona.  319 

arükelfl  erst  mit  beispielen  zu  belegen,  in  Verbindung  mit  Tnvoc 
steht  er  ähnlich  Theokr.  1,  36  ÖKa  |ilv  tyivov  . .  fiXXoKQ  b*  au  ttotI 
TÖV.  vgl.  Ahrens  dial.  dor.  8.  268  fiP.  der  erste  erhaltene  buchstab 
scheint  ein  tau  zu  sein ;  dann  wäre  vielleicht  mit  correctur  des  dritten 
buchstaben  zu  lesen:  Tr)vav  i^  dXXav.  ich  habe  oTia)c[iv  ergänzt^ 
denn  das  wort  findet  sich  häufiger  auf  unsern  plättchen  (nr.  8.  20). 
Borsian  will  oiKrjcac  oder  olKrjcavTCC,  was  dann  aber  eine  neue  er- 
gSnzung  f&y  oder  oiKiav  oder  dgl.  nach  sich  ziehen  würde. 

Es  war  eine  namenlose  anfrage,  dh.  der  fragesteller  verschwieg 
aus  irgend  einem  gründe  seinen  namen,  wie  wir  es  von  nun  an, 
häufiger  finden  werden  (so  noch  nr.  17.  18.  19.  20  usw.) 

Die  inschrift  kann  nicht  umfangreicher  gewesen  sein  als  zwei 
Zeilen;  der  rest  der  anfangsformel  ist  erhalten,  und  da  der  sinn  und 
Inhalt  der  frage  beendet  ist,  so  kann  das  ende  nicht  weit  hinter 
oiK€c[  folgen,   ungefähr  stand  also  auf  der  tafel: 
Tüxav  dT]a9äv.  jrÖTcpa  Tuvx[avoi^i  äjiicivov 
7rpdccu)]v  i^  toiv  (oder  Trjvav)  i^  fiXXav  oTKnc[iv  fx^v; 
ttber  andere  inschriftenreste  unserer  seite  s.  unten  die  rückseite 
nr.  14. 

nr.  7.  Car.  pl,  XXXVIII  6  «  kat.  26;  breite  0,066  m,  höhe 
0,015  m.  der  streifen  scheint  oben  und  unten  vollständig,  an  den 
Seiten  gebrochen,   auf  der  tafel  steht: 

€aXXavjLiacT€i€i 
Carapanos  hält  dies  für  eine  orakelantwort'^;  das  halbe   dutzend 
Orakel,  das  er  gefunden  zu  haben  glaubt,  werde  ich  unten  im  Zu- 
sammenhang behandeln,   hier  haben  wir  zu  lesen : 

f|  dXXav  |iacT€lei;*' 
ob  ^acT€i€i  für  juacieuei  verschrieben  oder  dialektische  nebenform 
ist,  läszt  sich  nicht  entscheiden ;  vielleicht  haben  wir  sogar  |iaCT€UQ 
zu  lesen,  dasz  hier  an  kein  orakel  zu  denken  ist,  sondern  wir  den 
schlusz  einer  anfrage  vor  uns  haben,  leuchtet  ein;  beispielsweise 
lieszen  diese  worte  sich  einer  dor  vorhergehenden  ähnlichen  frage 
einfügen: 

[Tüxav  dtaGdv.  ^rrepujTa  ö  beiva  töv  Aia  Ndov  koi  idv  Aiuüvav,] 
7rÖT€pa  Sv  fx^i  oiKHCiv  djiieivov  updccei]  f\  dXXav  juacieuei; 
Carapanos  sagt  zwar,  die  inschrift  sei  vollständig,  aber  es  ist  nach 
läge  der  buchstaben  unmittelbar  unter  dem  obem  rande  doch  mög- 
lich ,  dasz  die  obere  zeile  weggebrochen  ist ;  und  dasz  links  von  i^ 
dXXav  bis  zum  rand  ein  bis  zwei  buchstaben  ganz  verschwunden 
seien,  wird  uns  nicht  mehr  wundern  (s.  anm.  20). 

B,  Dorier  und  Äoler. 

nr.  [8]  =  rückseite  von  nr.  4:  Euandros  und  sein  weib 
fragen  über  Wohlergehen.    Car.  pl.  XXXIV  3  «=  kat.  3;  breite 

^*  'antre  re'poose;  rinscription  est  compUte  et  tris  lisible;  mais 
eBt  iocomprdbensible,  ce  qni  da  reste  convient  assez  bien  h  une  r^ponse 
d*oracle.'        *^  auch  Bnrsiao,  wie  ich  sehe,  gibt  die  obige  lesung. 


322  HRPomtow :  die  orakelinscbriften  von  Dodona« 

12.  13.  24  (in  directer  frage  17.  18.  19.  20.  22.  40)  und  seine  er* 
klärucg  darin,  dasz  der  Schreiber  alles  vorhergehende  als  formelle 
Überschrift  faszte  und  die  eigentliche  frage  erst  mit  f|  beginnend 
ansah ;  so  wird  nr.  17  sogleich  nach  dTCtOct  Tuxot  mit  f|  fortgefahren 
(C-F.  schreiben  stets  i^). 

Beispiele  der  assimilation  (Xub'ioT,  äfiM^ivofi  [sie]),  die  immerhin 
auf  ein  relatives  alter  deuten ,  finden  sich  auf  den  platten  nicht  so 
selten. 

nr.  10.  Sokrates  fragt  über  Wohlergehen.  Car.  pl.  XXXV 
2  =s  kat  7 ;  breite  0,057  m,  höhe  0,02  m.  die  platte  ist  auf  beiden 
Seiten  beschrieben;  links  ist  ein  räum  von  9 — 11  buchstaben  weg- 
gebrochen, sonst  vollständig. 

Tiu  A\  T(|)  Nd]i|j  Kai  Toi  Aiu)va  CwKpänic  diriKOt- 
vf^iar  tI  kqJ  dpToZöjLievoc  Xiwiov  Ka\  fijiieivov 
Tipdccoi  auT]öc  Ka\  aurt^  kqI  T^ved; 
so  lesen  C-F.  (auszer  ^ttI  KOivrJTqi);  doch  standen  wohl  noch  prae- 
Scripte:  Geöc.  v!)\a  dxaOd  vom  links;  das  Ti  kq]  dpToZöfiCVOC klingt 
nicht  sehr  probabel  und  auch  Tipdccoi  auT]öc  KalaÖTipKalTCve^t 
ist  wenig  wahrscheinlich;  ich  vermute  daher  dasz  die  Zeilen  nach 
links  hin  noch  um  die  praescripte  länger  waren ,  so  dasz  zwischen 
dTTiKOivfiTai  und  dpTOtZöjLievoc  noch  genaueres  über  die  art  der 
arbeit  angegeben  war  (worin,  in  welchem  gewerbe  oder  w i e  ar- 
beitend .  .)  und  auch  zwischen  irpdccoi  und  .  .  oc  noch  mehreres 
verloren  ist;  auch  die  rückseite  scheint  grössere  ausdehnung  nach 
links  zu  verlangen. 

rückseite: 

vüxq.  dTaö^.   i7nK0ivtüv]Tqi  All  Kai  Ai- 

djvq.  ....  .]ioi .  Kai  fijiia  ti  X^TOfiCC 

.  .  .j^€C  Tvujjiev  TÖ  dXaG^c; 
die  ersten  erhaltenen  buchstaben  lAI  sind  von  C-F.  zu  im  koivu)Vt]()1 
ergänzt,  doch  kann  es  auch  tu)  gewesen  sein,  da  das  lu  häufig  die 
spitze  gestalt  zeigt:  _A_- 

C-F.  ergänzen  z.  3  djjLi^c  tvuüM^v,  was  ich  nicht  verstehe,  da 
fViuiLiev  doch  nur  als  inf.  aor.  gefaszt  werden  kann;  wie  dann  aber 
der  satz  gelautet,  wissen  nur  die  Schreiber:  der  construction  und 
grammatik  spricht  er  höhn. 

Wiederum  ist  die  erste  halbe  zeile  spurlos  auf  dem  blei  ver- 
bchwunden,  denn  lAi  beginnt  erst  in  der  mitte  derselben  über  dem 
schluszalpha  von  d^a  Ti  X^TOfiCC  usw. 

nr.  11:  Lysanias  fragt  über  das  kind  der  Annyla.  Gar. 
pl.  XXXVI  2  =  kat.  11 ;  breite  0,043  m,  höhe  0,042  m.  auf  allen 
bciton  bruch,  doch  ist  die  inschrift  vollständig,  da  der  Schreiber  am 
t  nde  von  z.  1  und  2  dem  heutigen  schrägen  bruch  folgend  eher  auf- 


meini'S  schiffäherrntums  glücklicher  sein  werde?'  vielleicht  ist  auch 
von  einem  häuserpachtgeschäft  die  rede,  was  wenigstens  in  Athen  vau- 
KXr)p€iv  auch  bedeuten 'konnte  (Isaios  6,  19). 


HRPomtow :  die  orakelinscbriften  von  Dodona.  323 

hörte  als  in  den  folgenden  Zeilen,  so  folgt  dasz  die  tafel  schon  in  d^m 
zustande  beschrieben  wurde,  wie  wir  sie  heute  haben. 

dpu)Tf\     Auca- 

v(ac  Äia  Nqiov 

Kttl  Ancövav*  fj  oö- 

K    fcTi    il    auToO 

■e*    TÖ    Trmbdpiov 

8  *AvvuXa  KÜei; 
die  frage  ist  insofern  eine  der  interessantesten,  da  sie  uns  zeigt,  bis 
zu  welchem  grade  man  den  gott  zum  vertrauten  über  familiengeheim- 
nisse  machte,  und  was  man  alles  von  den  priestem  zu  erfahren  be- 
gehrte, ^ob  das  kind  das  Annyla  unter  dem  herzen  trägt,  nicht  von 
Lysanias  sei'  —  was  mögen  die  priester  da  wohl  geantwortet  haben  ? 
ip\jjTf\  (und  dnepiUTf)  nr.  36)  verhält  sich  zu  dTTcpuirä  (sie, 
nr.  33)  wie  ^TTiKOivf^Tai  zu  dTTiKOiväTai.  '^  beidemal  fehlt  das  iota 
subscr.  auch  das  mundartliche  Arju)vav  ist  auffallend ;  da  es  aber 
auch  nr.  16  wiederkehrt,  wo  der  Schreiber  ein  Ambrakiote  ist,  so 
dürfen  wir  es  wohl  als  specifisch  ambrakische  eigentümlichkeit  be- 
trachten, so  lange  es  nicht  auch  anderswo  nachgewiesen  ist,  und 
auch  den  graveur  unserer  platte  nach  Ambrakia  oder  in  dessen  um- 
gegend  versetzen." 

Für  das  zweite  ny  in  Ai^u)vav  zeigt  das  facs.  <;  z.  5  hatte 
Lysanias  schon  Ol,  die  hasta  als  anfang  des  n(aibdpiov)  geschrieben, 
als  er  bemerkte  dasz  noch  das  tau  des  artikels  fehle;  er  strich  daher 
durch  zwei  parallelstriche  die  ersten  zwei  buchstaben  aus  und  schrieb 
TÖ  TT  noch  einmal."  die  behauptung  der  grammatiker  (Aristophanes 
bei  Eust.  s.  1788,  53.  Ammonios  s.  35  usw.),  dasz  Traibdpiov  nur 
ein  gröszeres  kind  bedeute,  das  schon  ^gehen  könne  und  anfange  zu 
sprechen',  dh.  dasz  es  eine  Verstärkung  von  Traibiov  sei,  ist  demnach 
hinfällig. 

C-F.  haben  8  dv  NüXa  Kuei  gelesen.  Bursian  corrigierte  auf 
das  vorkommen  des  namens  "Ava'^  hin  das  ungehörige  fiv  und  schrieb 


si  Rangab^  ao.  (wie  auch  ähnlich  Röbl  IGA.  332  betreffs  ^ni- 
KOtvf^Tat  von  ^irtKOtvelcOai)  nimt  hier  eine  flexion  des  verbnms  nach 
der  conjagation  -iiu  an,  wozu  mir  kein  hinreichender  grand  vorzu- 
liegen scheint.  ^piUT^  wäre  die  richtige  dorisch  gebildete  form,  und 
das  fehlende  iota  weist  nur  darauf  hin,  dasz  dasselbe  in  der  ausspräche 
schon  im  schwinden  war,  wie  wir  ja  genau  so  incpuJTd  ohne  dasselbe 
auf  nr.  33  finden,  es  kommt  zwar  ^iT€pu)Tet  zweimal  vor  (s.  die  fol- 
gende nr.),  doch  musz  deshalb  noch  nicht  ^pu)Tf^  derselben  flexions- 
methode  angehören,  vgl.  Abrens  dial.  dor.  s.  309.  das  beispiel  eines 
vernachlässigten  iota  auch  auf  pl.  XXIV  3  Ndu).  '<  ähnlich  steht 

auf  einer  bronzeplatte  (Car.  pl.  XXVII  2  s.  50.  2  s.  202)  Aeuüvac.  Ran- 
gab^  glaubt  in  den  obigen  beiden  beispielen  den  beweis  einer  zum 
t-laut  neigenden  ausspräche  des  eta  zu  erkennen,  gemäsz  der  neu- 
griechischen Sprechweise.  ^^  Carapanos:  'au  commencement  de  la 
cinqui^me  ligne,  il  j  a  une  signe  qui  pourrait  4tre  pris  pour  un  symbol 
ithjphallique  (?I)  .  .  il  se  peut  aussi'  usw.  '*  'Ava  ist  der  name 
einer  illyrischen  sklavin  bei  Wescher-Foucart  inscr.  recueillies  k  Delphes 

21* 


324  HRPomtow :  die  orakelinschriften  von  Dodona. 

'AvvuXa,  worin  ihm  Bücheier  stillschweigend  beistimmt  (index  schoL 
Bonn.  hib.  1878/9  s.  3). 

Die  rückseite  zeigt  wieder  einige  buchstaben  in  gröszerm  format, 
meist  ligaturen ,  nnter  denen  sich  anch  A  nnd  Y  erkennen  lassen, 
vielleicht  Au[caviac  (?). 

nr.  12:  Agis  fragt  über  verlorene  matratzen  und  kissen. 
Car.  pl.  XXXVI  1  ^  kat.  10;  breite  0,058  m,  hOhe  0,029  m.  die 
platte  ist  nur  rechts  unvollstfindig  und  gebrochen,  es  fehlen  etwa 
8 — 9  buchstaben: 

'ETr€pu)T€i  ^Atic  Aia  Näov  [kqI  Aiuivav 
lüiTT^  Td»v  CTpu)MaTU)V  K[ai  Td»v   irpoc 
K€q>aXaiu)V,  tq   ätiu)XoX[€v  auTÖc  (?)* 
i^  Toiv  ßu)8^v  TIC  &v  ^K[X€qj€V ; 
z.  1  diT€piUT€i,  das  nr.  13  nochmals  sich  findet,  zeigt  dass  auch  dpui- 
Tdu)  im  dorisGÜiien  nach  den  verba  auf  -^w  flectiert  werden  konnte, 
wie  öp^u)  öpfi^ui  cuX^uj  imiuj  ua.  —  öir^p  scheint  erst  nach  Demo- 
sthenes  gleichwertig. mit  ir€p(  gebraucht  worden  au  sein,  wie  wir  es 
hier  und  nr.  18  treffen,  während  es  umgekehrt  im  äolischen  dnrcfa 
7T€pi  vertreten  wurde  (Ahrens  dial.  aeoL  s.  151),  und  auch  unsere 
inschrift  gehört  einer  spätem  periode  an,  da  das  sigma  durchgängig 
die  runde  gestalt  C  zeigt.  —  dTriuXoX[€V  ist  wohl  nur  Schreib- 
fehler. —  das  von  C-F.  in  z.  3  ergänzte  aÖTÖc  befriedigt  nicht  gans, 
auch  zeigt  es  zwei  buchstaben  zu  wenig:  es  stand  wohl  ein  anderer 
eigenname  in  der  lücke. 

Bückseite:  auf  der  rechten  hälfte  finden  sich  wieder  von  natea 
nach  oben  (wie  bei  £öav[bpoc)  in  doppelt  so  groszen  buchstab^i  ak 
die  Vorderseite  zeigt:  ^At[ic,  und  darunter  (bzw.  daneben)  ein  ebenso 
groszes  B.  es  ist  wieder  vermerk  von  priesterhand  und  zeigt  oiia 
den  kleinen,  immerhin  beachtenswerten  nebenumstand,  dass  man 
die  platten  später  der  länge  nach,  nicht  nach  der  breite,  in  bänden 
hielt,  was  man  wohl  von  den  loos täfeichen  her  gewohnt  war. 

nr.  13:  Amyntas  fragt  in  betreff  seines  sohnes.  Gar. 
pl.  XXXYII  8  =  kat.  20;  breite  0,052  m,  höhe  0,035  m.  oben 
und  unten  vielleicht  vollständig,  desgleichen  links  oben;  links  unten 
und  rechts  bruch,  doch  ist  rechts  wohl  nur  in  z.  1  ^in  buchstab 
verloren. 

^TtepuiTCi  'AjLiuvTal 

A[(a  Näjiov  KQi  Aiidyav  * 

f)      Xuiiov      xal      iSfiCi 

vov    xüikQ   To]ö    Traiböc 

Jorräcactei; 

C-F.  ^le  demier  mot  est  d'une  lecture  douteuse.'  zwar  ist  am  schloss 
der  ersten  zeile  nur  eine  hasta  erhalten ,  doch  können  wir  wohl  mir 
zweifelhaft  'Afiuvrac  herstellen,   was  C-F.  vielleicht  mit  absiolit 


nr.  439,   und    aaeh   hier  haben  wir   es   wohl  nur  mit  dem  verhiltnit 
zwischen  dem  berrn  and  einer  skUvin  in  thon. 


HRPomtow:  die  Orakelinschriften  von  Dodona.  325 

unterlaBBen  (?  thesprotische  Völkerschaft  'Afiuvrat  bei  Steph.  Byz. 
udw.).  —  z.  2 :  fttr  das  erste  ny  in  Atiiivav  steht  in  dem  facs.  ein  r\. 
beachtenswert  ist ,  dasz  die  buchstaben  [la  Na]  mitten  in  der  zeile 
spurlos  yom  blei  verschwanden  sind,  die  lücke  kann  ich  der  un- 
sichern  lesung  von  z.  5  wegen  nicht  ansfüUen.  ^  das  sigma  ist  rund  C ; 
u)  B=  Q;  Einmal  auch  schon  €  »»  €. 

Nun  steht  noch  zwischen  z.  1  und  2,  unterhalb  |iuvTa,  in  ganz 
kleinen,  nicht  halb  so  groszen  buchstaben  als  die  übrigen  sind,  €rX10, 
was  nur  als  if  Xiou  gelesen  werden  kann.  C-F.  beziehen  es  zwei- 
felnd  auf  das  Vaterland  des  Amyntas;  allein  dieser  ist  Dorier  (Aiu)- 
vav  dneptuTei,  nicht  ^eipuirei),  und  diese  buchstaben  von  solcher 
Winzigkeit  an  der  stelle  hinzuzufügen  hatte  keinen  sinn:  so  kann 
es  nur  von  einer  frühem  inschrift  herrühren,  und  wir  finden  hier 
zum  erstenmal ,  dasz  auch  die  bewohner  der  Westküste  EQeinasiens 
mit  dem  alten  Stammheiligtum  in  Verbindung  geblieben  waren,  o  für 
ou  (dt  Xio)  deutet  noch  auf  das  fünfte  jh.  vor  Ch. 

nr.  [14]  («»  rückseite  von  nr.  6):  anfrage  des  Lysias  und 
Pasias.  Car.  pl.  XXXVI  4  »«  kat.  12;  ausdehnung  wie  nr.  6; 
über  die  bruchflächen  s.  ebd. : 

Auciac  AafiöXa 

TTaciac  'Ajna .... 
ai  TTOjLiTraTia  (?) . . 
dasz  links  noch  buchstaben  gestanden,  geht  aus  nr.  6  hervor,  und 
zwar  müssen  vor  Auciac  noch  mindestens  sieben  buchstaben  (Tuxav 
dy]  nr.  6)  gestanden  haben,   auch  existierte  vielleicht  noch  oben 
darüber  eine  zeile.   dem  schluszalpha  z.  1  fehlt  der  querstrich. 

Es  sind  nur  namen  zu  erkennen :  Lysias  des  Damolas  und  Pasias 
des  Ama(nitos?)  söhn,  und  wohl  noch  6in  oder  mehrere  namen 
standen  zwischen  z.  1  und  2 ,  denn  die  lücke  kann  wohl  nur  so  aus- 
geMlt  werden. 

Ob  wir  die  öffentliche  anfrage  mehrerer  etwa  zusammen  ab- 
geschickter theoren  anzunehmen  haben,  ist  zweifelhaft  und  mir  wenig 
wahrscheinlich,  da  die  übrigen  öffentlichen  anfragen  überhaupt  keinen 
schreibemamen  kennen,  wir  haben  dann  an  die  anfrage  über  eine 
gemeinsame  Unternehmung  mehrerer  zu  denken. 

Die  unter  nr.  6  besprochene  Vorderseite  zeigt  nun  auszer  der 
dort  behandelten  noch  reste  von  zwei  anderen  inschriften :  h)  zwischen 
z.  1  und  2  steht  mit  kleineren  buchstaben  OPION.  c)  es  lief  in  dem 
untern  freien  räume  eine  mindestens  aus  zwei  teilen  bestehende 
inschrift  entlang,   deren  lettem  auf  dem  köpf  stehen:  in  z.  1  ist 

Till  (?) T  .  .  vo  .  .  .  p  ,  in  z.'2  Tii  XcTijLiaT  . .  .  .  jioi  Xirica  . .  i 

zu  erkennen,  auf  dessen  deutung  ich  verzichte,  zu  bemerken  isjb 
jedenfalls,  dasz  auf  derselben  fl&che  drei  verschiedene  inschriften, 
auf  der  ganzen  tafel  also  vier  sich  erkennen  lassen. 


*B  vielleicht  ist  mit  einer  änderang  von  ir  in  v  und  6  in  k  (z.  4) 
zu  lesen:  dfA€t[vov,  Ik  t&c  T]^aiK^c  [irai&öiT]oii^coc6ai. 


326  HRPomtow :  die  Orakelinschriften  von  Dodona. 

nr.  15:  anfrage  über  Schafzucht.  Car.  pl.  XXXVIII  1  ^ 
kat.  21;  höbe  0,017  m,  breite  0,079  m.  die  platte  ist  scheinbar 
vollständig,  nur  links  unten  ist  die  ecke  weggebrochen,  wodurch 
der  anfangsbuchstab  yon  z.  3  verstümmelt  ist: 

'EpouTqi  KXeouTac  töv  Aia  xai  toiv 
Aiuivav,  ai  icii  aÖTOi  TrpoßaTCuovTi 
dvaiov  Kai  u)q)^Xi|iov. 
grosze  Schwierigkeiten  bereiteten  die  beiden  anfangsworte,  die  von 
Carapanos  (und  auch  Bursian  wiederholt  sie  so)  dpoCTai  KXeoCrai 
gelesen  und  als  'promesse  de  reconnaissance  faite  k  Toracle  par  un 
berger,  s'il  röussit  dans  une  op6ration  sur  des  troupeaux'  erklftrt 
wurden-,  KXeouTai  also  als  von  kX^u)  herkommend  gefaszt  und  al 
hypothetisch  verstanden ;  aber  man  denke  einen  hirten,  der  dem  Zeus 
verspricht  ihn  besingen  (?)  zu  wollen ,  falls  er  ihm  seine  scha&ucht 
segne!    allerdings  steht  xXeouTal  auf  dem  face.;  allein  man  vgL 
ähnliches  auf  nr.  13  z.  1 ;  hier  scheint  mir  die  Verbesserung  in  £  und 
die  obige  lesung  evident:  denn  wir  haben  einen  Thessaler  vor  uns, 
dessen  mundart  den  langen  o-laut  zu  ou  verdumpft  (vgl.  BMeister 
griech.  dialekte  I  s.  297). 

z.  3  schreiben  C-F.  düvaioc ;  nur  ein  oberer  halbkreis  des  ersten 
buchstaben  ist  erhalten,  der  viel  mehr  den  übrigen  omikron  ähnlich 
sieht  als  den  omega;  auch  sprachlich  ist  6vaioc  (vom  st.  öva-)  das 
einzig  mögliche,  in  der  litteratur  nicht  überliefert  war  das  wort 
bisher  nur  aus  Hesychios:  6vaioc,  fipeiov  bekannt,  so  dasz  es  nidit 
etwa  als  positiv  'nützlich'  aufzufassen  sein  wird ,  sondern  auch  hier 
als  comparativ:  'ob  es  besser  und  nützlich  sei."*  zu  auTOi  fttraÖTi|k 
vgl.  oben  anm.  21. 

Die  rückseite  trägt  nun  in  doppelt  so  groszen,  festen  zttgen  die 
Worte : 

irep  Trpoßa 
TcCac 
die  Schriftzüge  sind  durchaus  andere  als  die  der  Vorderseite,  ich 
habe  die  worte  für  priestervermerk  erklärt,  bezüglich  auf  die  an- 
frage der  andern  seite;  vgl.  nr.  8.  rechts  davon  befinden  sich 
noch  ein  k,  ein  verkehrtes  t,  darunter  ein  € :  wohl  reste  früherer  in- 
schriften  oder  Zahlzeichen ,  oder  auf  die  Vorderseite  bezüglich ,  denn 
es  sind  die  anfangsbuchstaben  der  ersten  drei  worte  der  anfrage. 

nr.  16:  ein  Ambrakiote  fragt  über  seine  und  seiner 
nachkommen  gesundheit.  Car. pl. XXXVI  5  »-kat  13;  breite 
0,036  m,  höhe  0,032  m.  die  platte  ist  unten  vollständig;  oben  links 
und  rechts  bruch ;  der  bruch  links  war  schon  zur  zeit  der  benutzung : 
denn  im  anfang  der  letzten  zeile  (zwischen  ihr  und  der  vorletzten 
fehlt  kein  wort)  ist  das  erste  wort  wegen  des  bruches  ganz  weit  nach 
rechts  gerückt. 

^  den  positiv  vertrat  wohl  övcioc,  övtoc,  ionisch  öv/|'ioc:  vgl.  Hesr- 
chios:  öv€ia,  ÜKp^Xi^a  usw.;  Nikandros  alez.  648  f\  irXcIov*  irXdov  Y&p 
övr]iov.     Tzetzes  su  Lyk.  621  iiToi^y  öv(av. 


HBPomtow:  die  Orakelinschriften  von  Dodona.  327 

* 

'ETTlKOlVflTai] 

TIC  'A|ißpaKid[Tac 

All    Ndifi     Käl    Ati[u)V(ji 

TTcpl  uficiac  aÖT[o]0  [kqI 
ö  TÄv  ütrapxövTUüv  [kq!  vOv 

Kai    elc   TÖv   lireiTa  [xp 

övov     Tivac     GcOüv     [1 

XacKÖjLievoc  Xuiiov 

Kai  fijLieivov  Trpd[ccoi ; 
warum  C-F.  z.  2  im  anfang  r^c  und  am  ende  *AjLißpaKid[Tr)C  schreiben 
in  der  anfrage  eines  Doriers,  weisz  ich  nicht;  auf  dem  facs.  stehen 
£u  anfang  von  z.  2  zwei  senkrechte  hastae,  aber  viel  zu  weit  von 
einander  entfernt,  um  teile  eines  H  sein  zu  können,  wenn  man  will, 
kann  man  auch  noch  darüber  eine  zeile  mit  Geöc.  Tuxav  dtaOdv 
ergänzen,  über  Ar)[uüV(ji  s.  nr.  11.  Trepl  UTicCac  auToC  Kai  tuüv 
U7TapxövTU)V :  Bursian  übersetzt  ^in  hinsieht  auf  seine  gesundheit 
und  sein  vermögen',  nimt  es  also  als  gen.  von  xd  öirdpxoVTa.  aber 
abgesehen  von  der  sprachlichen  härte  (denn  man  erwartete  dann 
irepi  UT*  Kai  tuiv  utt.  auToO)  ist  es  wohl  klar,  dasz  wir  hier  an  o\ 
£i7TdpxoVT€C  BS  'nachkommen'  zu  denken  haben :  denn  so  findet  es 
sich  seit  Polybios ,  der  diesem  ändpxovTec  als  gegensatz  ol  Trpo- 
Tevöjuevoi  gegenüberstellt  (X  17,  12);  die  Stellung  des  ailToC  gibt 
noch  mehr  deutlichkeit:  ^über  seine  eigne  gesundheit  und  die  seiner 
nachkommen'. 

Dasz  wir  hier  nicht  an  die  allgemeine  phrase  'über  Wohlergehen' 
zu  denken  haben,  sondern  der  Ambrakiote  wirklich  krank  war, 
scheint  in  IXaCKÖjLievoc  zu  liegen,  nach  dem  glauben  der  alten,  die 
krankheiten  seien  von  den  erzürnten  göttem  gesendet. 

Eückseite  stark  verwischt,  nur  wenig  erkennbar,  ich  lese : 

ui .  .  i  A[i1a  Nä[ov  Kai  A 

l[U)Va]v,  €1  f CTl 

c.  oviavb 

€IU) 

aÖT 

V 

<las  erste  sigma  hat  runde  gestalt,  das  zweite  vierstrichige.   links 
unten  ein  verkehrtes  ny.   z.  3  vielleicht:  dvi[o]v,  vgl.  anm.  36. 

nr.  17:  anfrage  über  den  ausfall  von  handelsgeschäften. 
Car.  pl.  XXXVII  4  —  kat.  18;  breite  0,102  m ,  höhe  0,03  m.  platte 
anscheinend  überall  vollständig. 

Tuxa    dtaGd*    fj  TUTX<ivoifil   Ka    ijuTropcuöjucvoc 
ÖTTuc  Ka  boK^  cujLiqpopov  fjueiv  Kai  dt^JV  tQ  Ka  boK^ 
dfia  Td  T^xv?  XPCWji€voc ; 
wir  haben  eine  vollständige  anfrage  vor  uns,  die  erste  die  uns  sicher 
lehrt,    dasz  sowohl  die  namenangabe   des  Schreibers  als  auch  das 
frageverbum  samt  göttemamen  fortgelassen  werden  konnten ;  dieser 
ungenannte  nun  fragt:  'ob  die  handelsgeschäfte,  die  er  neben 


328  HBPomtow :  die  orakelinBchriften  von  Dodona. 

seinem  handwerk"  zu  treiben  beabsichtigt,  erfolgreich  sein 
werden'  (Bursian).   zn  ötiuc  vgl.  Blass  im  Hermes  Xlll  s.  381. 

^ji€iv  fehlt  noch  nnter  den  von  Ahrens  dial.  dor.  s.  322  zu- 
sammengestellten dialektischen  Varianten  des  infinitivs  von  üyL 
S^UiV  T^ :  &f[X)  in  dieser  intransitiven  bedeutung  findet  sich  selten, 
doch  kann  wohl  vaOv  äTU)V  oder  dgl.  nicht  ergänzt  werden  bei  je- 
mand der  daneben  sein  handwerk  treiben  will;  t^  ist  vielleicht  ver- 
lesen oder  verschrieben  für  tt^.  zwischen  und  über  diesen  Zeilen 
läuft  nun  eine  viel  leichter  und  flüchtiger  eingeritzte  inschrift,  die 
jedenfalls  zeitlich  die  erste  war,  da  die  zeilen  der  eben  besprochenen 
sich  mit  ihrem  Zwischenraum  nach  jener  richten,  zusammenhängen- 
des ist  nur  noch  in  der* ersten  zeile  lesbar,  zeigt  uns  aber  dasz  die 
Wendungen  etwas  abweichend  von  den  gewöhnlichen  sind: 

z.  1  (beginnend  über  dem  G  in  äxaGd) :  TÖv  Aia  TÖv  AuibuJ» 
vaiov 

z.  2  (zwischen  1  und  2  von  a) :  wi . .  A  . . . .  SiiUJ V 

z.  3  (       „       2  und  3   „   „) :  ttOt V 

4  (unter  z.  3  )>   n)    X^^ 

femer  finden  sich  noch  auf  dem  freien  untern  räume  gröszere  buoh- 
staben  zerstreut ,  die  einen  davon  in  ziemlich  gerader  riebtong  am 
untern  rande  der  platte  verkehrt  stehend,  wo  man  sicher  nur  oXa  • » 
lesen  kann  (vgl.  nr.  26);  die  andern  unterhalb  von  a  und  6,  links  N^ 
rechts  nur  p  k  v  fi  erkennen  lassend. 

Rückseite:  anfrage  über  das  Verhältnis  zu  einer  fraa 
(photographisch  reproduciert  auf  pl.  XL  2).  auch  die  rfickseiie  ent- 
hielt eine  gröszere,  leider  sehr  lückenhaft  erhaltene  inschrift,  deren 
lesung  noch  erschwert  wird  durch  eine,  wie  sich  gleich  zeigen  wird,. 
absichtliche  entstellung  der  buchstaben: 

6€Ö[c].  TÖx?  äfaQ^  [ ipuir]^  tioipc  . .  pXoiTx[i 

Xi  .  .  .  .  uiOTTtpXv  .  .  €0Bi  .  .  .  Ti  draOöv  läc  t^v 
vaiKÖc  Taürac   TiapajLio  .  .  .  fiovev  .  ^x^^  ^al   xpK 
vu)V  V  KriT€vi®ai.   ISE  P  N  .  .  .  iX  . . 
dann  findet  sich  noch  ein  doppelt  so  groszes  AP  von  unten  in  die 
vierte  zeile  hineinragend ,  und  rechts  unterhalb  der  dritten  zeile  be- 
ginnend von  oben  nach  unten  geschrieben:  IBE». 

Statt  des  sigma  in  Oedc  lesen  wir  heute  ^,  das  folgende  chi 

ist  durch  darüber  gesetztes  lambda  unkenntlich  gemacht:  X.  das  qi 
in  dYOiOql  ist  durch  ganz  besonders  absichtliche  entstellung  (oder 
haben  wir  nur  kindisches  spielen  mit  dem  griffel  vor  uns?)  ver- 
unziert; aus  dem  a  ist  ein  nj  und  nach  unten  ein  tau  gemacht:  was 
augenfällig  ist;  endlich  ist  auch  das  folgende  iota  durch  angesetztes 
v  zum  ny  gemacht ;  auch  über  dem  letzten  pi  findet  sich  lambda  usw. 
hinter  dpu)Tjqi  ist  wohl  TrÖT[€]pa  zu  corrigieren ;  das  erste  theta  in 
z.  2  zeigt  ein  kleines  kreuz  in  der  mitte;  das  doppelte  ny  in  fw\ 

'^  denn   anders   werden    wir  wohl  ä\i(k  t^  ^ix^q,  xP^Oficvoc  nicht 
deuten  können. 


HBPomtow:  die  orakelinBcbriften  von  Oodona.  329 

vaiKÖc  steht  auf  dem  blei.  Bursian  schreibt  z.  3  Trapafi6[vi])üi0Vy 
unmöglich,  weil  [vi]  den  leeren  räum  bei  weitem  nicht  ausfallt. 
Wiederherstellungsversuche  sind  fruchtlos,  nur  reyision  des  täfelchens 
kann  helfen,  wenn  hilfe  überhaupt  möglich  ist. 

nr.  18:  Car.  pl.  XXXVI  3  =  kat.  14;  breite  0,037  m,  höhe 
(bruch  in  der  mitte)  0,019  m  +  0,023  m. 

Die  sehr  verstümmelte  platte  scheint  nach  oben,  links  und  unten 
schon  im  heutigen  zustand  dem  Schreiber  vorgelegen  zu  haben,  rechts 
fehlen  1 — 2  buchstaben ;  mitten  durch  die  ganze  platte  (z.  5)  geht 
ein  der  oberkante  paralleler  bruch,  der  es  mir  nicht  unwahrscheinlich 
macht,  dasz  zwei  ursprünglich  gar  nicht  zusammengehörige  frag- 
mente  durch  äuszern  druck  aneinander  gepresst  sind : 

fj  CUfl7r€C0Ov[Tl 

aurqj     utrfep     t[o 

ö  TTpdTMttTOC,  ö[v 
Tivd    KQ     Tp6tl[0V 

5  .  .  .  tv  .  araia   . 

KljÜlOV         ß^XTio[v 

KQl  fijiClVOV 

TrUCTQKfwV    (?)      IC 

cc€TTai  (?) 
'la  cinquidme  ligne  est  incompldte;  les  deux  demiers  mots  sont  d'une 
lecture  incertaine'  Carapanos.  der  sinn  wäre  etwa:  der  und  der 
fragt  ob  es  ihm  besser  und  vorteilhafter  sei,  wenn  er  für  die  sache 
mit  überredete,  vielleicht  ist  aber  cujUTTciOcvTi  plural  des  ind.,  dann 
handelte  es  sich  um  die  teilnähme  mehrerer  an  der  Überredung  eines 
einzelnen. 

nr.  19:  anfrage  über  den  besitz  eines  Stadthauses  und 
landgute s.  Car.  pl.  XXXVII  1  =  kat.  15;  breite  0,09  m,  höhe 
0,01  m.  ein  schmaler,  doppelt  gebogener  bleistreifen;  die  inschrift 
vollständig. 

fj  auTÖc  TieTrajLi^voc  idv  ^ttöXi  oiKiav  kuI  tö  x^P^ 
ov  ß^Xiiöfi  jLioi  K*  €!ti  Ktti  tioXuu)(p€X^[c]T€[p]ov; 

der  Schreiber  scheint  geschwankt  zu  haben,  ob  er  sein  haus  in  der 
Stadt  und  sein  landguf^  verkaufen  solle  oder  nicht,  bzw.  es  seinen 
erben  übergeben,  corrigiert  ist  die  inschrift  von  Blass;  es  steht 
nemlich  auf  dem  blei  ttoXu  dicpeXcT^ov  (C-F.),  augenscheinlich  ver- 
schrieben für  TToXuUi(p€X^CT€pov:  'die  Zeichnung  hat  für  die  fehlen- 
den buchstaben  nicht  den  nötigen  räum;  also  mag  der  Schreiber 
selbst  die  schuld  haben,  unter  diesen  umständen  ist  aber  auch  au^ 
die  Schreibung  ^ttöXi  statt  ^fiTTÖXi  (s.  Bursian  s.  13)  nichts  zu 
geben  .  .   die  syntax  ist,  wie  man  sieht,  entsprechend  nachlässig^ 


^  XU)piov  kann  sonst  auch  bedeuten  'das  zum  hause  gehörige  Grund- 
stück'; da  aber  das  ausdrücklich  hervorgehobene  t&v  ^iröXt  olKiav  in 
gegensatz  gestellt  wird  zu  x^P^ov,  so  scheint  mir  die  obige  deutung 
die  richtige. 


330  HRPonitow :  die  orakelinecbriften  von  Dodona. 

(Blass).  unser  diröXi  vergleicht  Bohl  IGA.  95  mit  dem  böotisdien 
^Tiacic  (=  f  jLiTracic),  femer  mit  'A(ji)(piTpiTa,  vu(fi)q)n,  'OXuffi)moc. 
Die  rttckseite,  die  nach  Carapanos  meinoiig  ein  Orakel  enthalten 
soll,  werde  ich  mit  den  andern  vermeintlichen  orakeln  im  Zusammen- 
hang besprechen. 

nr.  20:  anfrage  über  bttrgerrechtsverleihung.  Car. 
j)l.  XXXV  3  c=  kat.  8,  8*»^;  breite  0,065,  höhe  0,055  m.  die  platte 
musz  ziemlich  grosz  gewesen  sein,  wenigstens  nach  unten  hin:  denn 
die  nach  verticaler  richtung  hin  beschriebene  rückseite  mnaz,  von 
der  Vorderseite  aus  gerechnet,  nach  unten  hin  bedeutend  länger  ge- 
wesen sein,  auch  unserer  inschrift  fehlt  rechts  etwas,  an  den  andern 
seilen  scheint  sie  vollständig. 

fj    alTÄwjuai    Tttvl    [? . . 
TToXiTciav      iiA      toutI 
i^  ToO  eiciövTOc  \iii\v6c  . . 
ist  TQVi  richtig,  und  hat  nicht  etwa  TOiv  i[v  .  .  dagestanden  mit 
folgendem  stadtnamen ,  so  ist  es  eine  bitte  um  aufniäme  unter  die 
dodonäischen  bürger.  itiX  rauri  «=  'jetzt  gleich,  unmittelbar'  scheint 
dann  ergänzung  von  jiiTivöc  oder  dviauToC  zu  verlangen,  viel  scheint 
also  rechts  nicht  zu  fehlen,    zwischen  ravi  und  ^ttI  Tauri  steht  noch 
iTiu,  vielleicht  oben  oder  unten  ausgelassenes  enthaltend  und  ver- 
bessernd, von  einer  andern  inschrift  scheinen  diese  buchstaben  nicht 
herzurühren. 

Bückseite  rechts,  oben  und  unten  scheinbar  vollständig,  links 
fehlt  sehr  viel : 

.1  Aide  ToO  Nd 

ou ]  rjcacGai,  ei  fif| 

?  t(\)  XüJpi]^^  Kai  T$  oiKfjcei 

TTa]T^pa  OiXÖTttv  Kai 
5  jLiaT^pa  . . .  ?  1q)i]T^v€iav  xal  Gu 

fai^pa ]  6  Traifip  dv  irav 

t\ ]v  T€v^c0ai  TU)  . 

]|üi6v ,  ön  ceX  . . 

die  abweichende  construction  der  anfrage  (Aiöc  ToC  Nd[ou)  ge- 
stattet die  ergänzung  eben  so  wenig  wie  auf  der  Vorderseite;  nur 
ist  deutlich  von  hausbesitz  (und  erbschaftsangelegenheiten  ?)  die  rede. 
So  wie  ich  für  C-F.s  Trö]T€pa  richtiger  Trajr^pa  (vgl.  z.  6)  zu 
ergänzen  glaube,  möchte  ich  auch  sein  T^vcidv  für  den  rest  eines 
weiblichen  eigennamens  (*Aq)po-  KaXXi-  'Iqpi-T^veia  usw.)  halten, 
dann  folgt  ^OT^pa  von  selbst;  den  söhn  oder  die  tochter  erwartet 
jnan  nach  den  eitern,  und  so  habe  ich  6u[TaT^pa  ergänzt,  obwohl 
auf  dem  facs.  Gr)  .  .  .  zu  stehen  scheint,  zwischen  den  inschriften 
der  beiden  selten  liegt  zeitlich  ein  weiter  Zwischenraum;  letztere 
zeigt  das  regelmäszige  ionische  aiphabet  des  vierten  bis  zum  anfang 

des  zweiten  jh.  vor  Gh.;  erstere  hat  zum  teil  cursivformen.         

nr.  21:  anfrage  über  eine  schreibtafel.  Car.pl.XXXVm 
2  =  kat.  22 ;  photographisch  reproduciert  auf  pl.  XL  1 ;  breite 


HKPomtow:  die  orakelinschrifteii  von  Dodona.  331 

0,072  m,  höhe  0,022  m.  die  platte  ist  rechts  und  unten  sicher  voU- 
st&ndig :  denn  unter  das  ende  der  letzten  zeile  ist  der  rest  von  ca- 
^avGfi-|Li€V  geschrieben;  links  fehlt  sehr  viel,  auch  oben  wohl  6ine 
oder  mehrere  zeilen : 

[6€Öc.  Tuxa  &faQ&.  ^TTiKOivf]Tai  ö  beiva  tijjj  Aü  Nduj  Kai] 
rqi  Aiu)V(!i  nepi  töc  . .  .]cioc  xal  tüüv  cafi^iwv,  rdv  Apüc 

Tac £]cafiävaTO  oub'  ^Trav^OeTO,  ai  c 

€l]c  Au)bu)vav  TTCpl  TOO  TiivaKiou 

5 ?  Au)pi]Xaov    iKeXrjcaTO   oub '  ^lexvd 

CttTO ]^[T]Tpa<pöf]ji€v    Kai    cajiiavöf) 

)ül€V. 

die  ergänzungen  C-F.s  in  z.  3 — 4  al  cujuqpopov  ^XOeiv  und  z.  5  die 
lesung  Xa  öv  £k€X.  scheinen  mir  nicht  richtig,  letzteres  vielmehr  die 
endung  eines  eigennamens  im  acc.,  auch  z.  5  halte  ich  ihr  oub^  T^xvot 
ftir  falsch;  endlich  habe  ich  z.  6  ein  T  ergänzt  (C-F. . .  €  TpoiqpOfijLiev), 
das  wohl  nach  der  bekannten  nachlässigkeit  in  Schreibung  von  doppel- 
consonanten  ausgefallen  ist. 

Der  dorische  name  'Apüc[Tac  findet  sich  bei  Xenophon  anab. 
YU  3,  23  f.,  einen  passendem  habe  ich  nicht  gefunden;  vielleicht 
stand  zwischen  diesem  wort  und  ^co^idvaTO  sein  vaters&cime,  oder 
*auf  meinen  befehl'  oder  dgl.,  oder  es  mag  noch  eine  negation  (oök) 
davor  ausgefallen  sein;  das  rdv  von  z.  2  geht  auf  das  fem.^  dessen 
endung  noch  in  -cioc  erhalten  ist ,  und  wohl  auch  eine  schreibtafel 
oder  dgl.  bedeutete,  da  die  Siegel  (rd  cafii]a)  dabei  die  nebensache 
waren,  denn  das  relativ  bezieht  sich  nur  auf  das  femininum. 

Wir  erkennen  dasz  von  einer  zu  beschreibenden  und  zu  ver- 
siegelnden schreibtafel  die  rede  war,  sowie  von  den  siegeln  selbst; 
alles  übrige  bleibt  dunkel. 

nr.  22:  anfrage  einer  frau  über  heilung  von  der  krank- 
heit.  Car.  pl.  XXXV  1  =  kat.  6  und  6*>»»;  breite  0,064  m,  höhe 
0;043  m.  die  platte  ist  nach  links  vielleicht  doppelt  so  lang  ge- 
wesen, doch  ist  das  nicht  genau  auszumachen,  denn  die  umrisse  sind 
verzeichnet,  vorder-  und  rückseite  haben  dieselbe  form,  so  dasz  man 
nicht  erkennt,  wie  sie  sich  decken  sollen  (vgl.  anm.  17);  oben,  unten 
und  rechts  scheint  nichts  zu  fehlen : 

a  Gcöc.  irrepu)!^ ]q  Tivi  Gediv  Güouca 

Kai  €{;xojLi^va  djiietvov]  Tipdccoi  Kai  Tdc  vöcou 
dTraXXaxGeiTi ;  ?] 
das  letzte  wort  ist  von  C-F.  ergänzt,  immerhin  bemerkenswert  ist 
es  für  das  griechische  privatleben,  dasz  auch  frauen  ganz  allein  (mit 
dem  manne  nr.  8)  zum  Orakel  giengen,  um  sich  rats  zu  erholen ;  auch 
dasz  die  fragestellerin  die  tafel  selbst  beschrieben  habe,  ist  nach 
der  handschrift  nicht  unwahrscheinlich;  für  priesterhand  sind  die 
Züge  zu  unregelmäszig. 

Die  rückseite  zeigt  in  ihrer  mitte  verkehrt  mit  groszen  buch- 
staben  das  wort 

löXac 


332  HRPomtow:  die  orakelinBchriften  von  Dodona. 

fraglos  ein  priestervermerk,  und  zwar  diesmal  im  genitiy,  denn  man 
darf  hierin  wohl  den  namen  der  frau  erkennen:  *l6Xa;  damit  wftre 
auch  die  zeilenbreite  nach  links  gegeben,  von  dem  a  vor  xivi,  das 
C-F.  lesen;  ist  nur  noch  der  rechte  seitenstrich  erkennbar,  und  so  hat 
denn  die  erste  zeile  wohl  gelautet:  Geöc  inepiur^  16X]a,  rivi  Oediv 
Oüouca  usw. 

Auf  dem  untern  teile  und  am  untern  rande  von  a  läuft  nun 
verkehrt  eine  andere  inschrifb: 
h       fj  elc  *eX(vav  TrepieXtPljiev 
f\  clc  'AvaicTÖpiov 

f|  7ru)Xo0vT€C  TÖv  [X^jißov  0.  dgl.  nelfji  TTopeucöjLieOo; 
aus  Stephanos  Byz.  kennen  wir  das  thesprotische  volk  der  "'CXivot 
gegenüber  von  Anaktorion;  ihr  land  hiesz  'EXivia'  entweder  ist  also 
so  zu  verbessern,  oder  'EXiva  für  die  gleichnamige  hauptstadt  zu 
halten;  letzteres  will  auch  Bursian  s.  21.  es  ist  eine  directe  frage 
ohne  praescripte,  wenn  diese  nicht  in  einer  oben  weggebrochenen 
zeile  standen;  statt  des  ui  z.  1  steht  o  im  face.,  doch  ist  ohne  diese 
con*ectur  mit  TrepieXo  .  .  nichts  anzufangen. 

Vielleicht  der  deutlichkeit  halber  sind  die  drei  fragen  gerade 
untereinander  gestellt,  so  dasz  wir  dann  in  z.  2  nach  'AvcucTÖptOV 
nichts  mehr  zu  ergänzen  haben  würden. 

Auch  hier  fragen  mehrere  zusammen;  wie  es  scheint,  wollen  sie 
eine  reise  in  handelsgeschäften  (?)  unternehmen  und  fragen  ob  die 
küstenfahrt  nach  Elina  oder  Anaktorion  einer  ev.  fuszreise  und  dem 
vorkauf  des  nachens  vorzuziehen  sei  —  wenigstens  scheint  der  sinn 
der  erhaltenen  werte  eine  derartige  ergänzung  zu  verlangen,  viel- 
leicht ist  auch  Tr€pi€Xu)VT€C  und  nachher  Trop€ucovTai  zu  schreiben, 
die  rückseite  enthält  eine  inschrift ,  die  schon  zur  folgenden  classe 
gehört. 

C.  Athener  und  lonier. 

[nr.  22  rückseite:]  anfrage  über  kindel*. 
c  C-F.  TÖv]  Aia  Ktti  Tf|v  Aiuivnv 

?  Tjöv  Gcöv  dncpurr^ 
Ik  Tflc  T^atKÖc 
die  platte  musz,  wie  schon  die  Vorderseite  zeigte,  nach  links  ziem- 
lich weit  gegangen  sein,  da  sehr  viel  fehlt,  ob  das  ov  in  z.  2  richtig 
zu  TÖV  ergänzt  ist,  weisz  ich  nicht;  vielleicht  war  es  endung  eines 
eigennamens  oder  dgl.  (AuibuivaTov  ?  vgl.  nr.  23).  die  oonstruction 
ist  schwer  verständlich,  es  folgte  wohl:  £TT€puiT(|l  [f{  Xcbiov  xod 
äjicivov  e\r\\  iK  Tflc  TwvaiKÖc  [TraibOTroiificacOai. 

Nun  findet  sich  am  untern  rande  der  rechten  bälfte  nicht  viel 
über,  bzw.  unter  'löXac,  verkehrt  der  rest  eines  zweiten  namens  in 
ebenso  groszen  buchstaben  wie  der  erste: 

NlK  c  .  .  . . 
der  räum  zwischen  k  und  c  ist  grosz  genug,  um  die  annähme  des 
ausfalls  eines  iota  zu  rechtfertigen;  wir  erhielten  dann  den  auch 


HBPomtow:  die  orakelinschriften  von  Dodona.  333 

sonst  bekannten  namen  Nik[i]c;  für  andere  zu  ergänzende  lettern  ist 
genug  auswahl:  NiK[a]ciac  nsw.,  aber  wohl  kaum  platz,  die  liand- 
flchrift  ist  dieselbe  wie  in  'löXac,  also  auch  priestervermerk;  nur 
kann  man  zweifeln ,  ob  Nik[i]c  sich  auf  einen  der  Dorier  von  h  oder 
auf  unsem  Schreiber  (c)  bezieht;  mir  ist  ersteres  wahrscheinlich; 
dann  wäre  aber  auch  die  möglichkeit  vorhanden ,  das  unter  jenem 
stehende  löXac  als  dor.  form  to  'löXaoc  anzusehen  und  hierin  den 
zweiten  anfrager  von  h  zu  erkennen. 

Links  unten  in  der  ecke  findet  sich  noch  ein  in  ein  u  corrigier- 
tes  tau,  vielleicht  ein  Zahlzeichen. 

nr.23:  bitte  des  Atheners  Diognetos.  Car.  pl.XXXVUI 
3  «B  kat.  23 ;  breite  0,082  m,  höhe  0,048  m.  die  einzige  platte,  deren 
umrisse  ganz  vollständig  und  mit  ziemlich  regelmäszigen  kanten  er- 
halten sind ;  und  doch  hört  die  Inschrift  mitten  im  satz  und  mitten 
auf  der  tafel  plötzlich  auf,  und  zwar  so  spurlos,  dasz  entweder  über- 
haupt nie  weiter  geschrieben  war,  oder  eine  absichtlich  sorgfältige 
tilgung  der  buchstaben  angenommen  werden  musz. 

Die  Zeilen  sind ,  mit  ausnähme  der  ersten ,  nie  rechts  bis  zum 
rande  geschrieben,  sondern  hören  bald  früher  bald. später  auf: 
s.  anm.  20. 

dTa[ef|  Tuxn] 
A^CTTora  &vc£  Zeü  Ndie  kqI  Aiü&vti 
Kai  AtubovaToi,  aiTcT  ujnäc 

KCd  Ik€T€U€1  AlÖYVTlTOC  'ApiCTCjurj 

6  bou  *A0T]vaToc ,  boOvai  aÖTijj 
Kttl  ToTc  iaxnov  eövoic  fitiaciv 
Kai  T€T  jiT)Tpi  KXeap^TCi  Kai 

z.  3 :  das  tu  von  Au)bovaioi  (sie)  war  ursprünglich  ausgelassen  und 
ist  unter  der  zeile  nachgetragen,  z.  4:  die  beiden  letzten  buchstaben 
sind  auf  dem  facs.  nur  punctiert.  z.  6 :  das  v  in  eCvoic  ist  undeut* 
lieh;  mir  scheint  fraglos  ein  Schreibfehler  für  £[ktö]voic  vorzu- 
liegen: denn  ^allen  seinigen  wohlwollenden'  ist  unsinn,  und  wir 
müssen  an  dieser  stelle  kinder  oder  nachkommen  erwarten;  da 
es  aber  möglicherweise  manchem  leichter  und  probabler  erscheint 
€Cvoic  in  eCvouc  zu  corrigieren,  bezogen  auf  djnäc,  so  habe  ich 
£[ktö]vöic  nicht  in  den  text  gesetzt. 

Leider  ist  jedes  characteristicum  und  die  hauptsache  verloren ; 
so  können  wir  auch  nicht  entscheiden,  ob  wir  unter  Atubovaioi 
etwa  andere  dodonäische  gottheiten  (sc.  Geoi)  zu  verstehen  haben  **, 


"'  dagegen  Wieseler  s.  37:  ^CarapanoB  denkt  sich  die  priöre  adressde 
k  Zeus,  Dione  et  aiuc  dieuz  de  Dodone  (soll  doch  wohl  heiszen:  anx 
aatres  dienx  de  D.).  das  hat  aber  keine  Wahrscheinlichkeit,  in  den  letzten 
Worten  wird  man  geneigt  sein  einen  fehler  voranszasetzen ,  zanächst 
etwa  in  dem  kqC.  sollte  etwa  KY  oder  KTP,  KÖpxoi  gemeint  sein?  nur 
dann  brauchte  man  die  stelle  nicht  für  verderbt  zu  halten,  wenn  man 
unter  den  Au»&uiva1oi  nach  Steph.  Byz.  u.  CeXXoi  die  Seilen  verstehen  zu 


334  EBPomtow:  die  orakelinBchriften  von  Dodona. 

ob  auf  die  bitte  etwa  später  eine  frage  folgte,  wie  wir  beide  vereint 
in  nr.  24  treffen  werden,  nnd  ob  deshalb  diese  tafel  mit  den  übrigen 
zusammengeworfen  ward,  oder  ob  endlich  die  bitte  selbst  eine 
directe  antwort  verlangte,  denn  an  das  zufällig  schrifüicb  fixierte 
gebet  irgend  eines  Dodona  besuchenden  Atheners  ist  nicht  zu  den- 
ken; es  liesze  sich  nicht  absehen,  wozu  er  solches  aufgeschrieben 
und  wie  es  mit  unsem  frageplttttchen  hStte  zusammengeworfen  wer- 
den können,  ich  denke  mir  den  weitem  verlauf  etwa  folgender- 
maszen :  ^ihm  und  seinen  nachkommen  und  seiner  mutter  Klearete 
und  seinem  weihe  ....  gesundheit  zu  geben  und  ihm  anzuzeigen» 
welchen  göttem  oder  heroen  er  zu  diesem  zweck  opfer  imd  gebete 
darbringen  solle.  ^^ 

iin24:  Herakleidas  fragt  TTCpl  T€iV€f)c.  Car. pl. XXXYIII 
4  B=  kat.  34;  breite  0,072  m,  höhe  0,044  m.  von  der  platte  ist  an 
der  linken  seite  oben  ein  oblonges  stück  herausgebrochen;  rechts 
fehlt  ein  räum  von  20 — 21  buchstaben,  dh.  der  rechte  bruch  erfolgte 
ungefähr  in  der  mitte  der  platte,  im  übrigen,  dh.  oben,  unten,  links, 
ist  die  platte  vollständig : 

a  Oeöc]  'HpaKX[€]ibac  akei  töv  [A(a  Ka\  Tf|v  Aiilivriv  boCvai  au 
Tifj]  TÖXTiv  ÄTaGfiv  Kttl  t[oic  feuToO  Kai  fijua  ^Treipiu 
TeiJ  TTcpi  T€iv€flc  fj  fcTo[i  ouTiji  TTaibCov  iK  TT^c  Tv^vai 
KÖ]c  AP]tXtic  Tflc  vOv  ?X€i; 

die  form  Y^iveffc  zeigt  den  lonier,  und  doch  steht  'HpaicX[€](bac 
auf  dem  blei?  ich  halte  das  für  verlesen,  erklären  kann  ich  es  nicht» 
Die  ergttnzung  beansprucht  nicht  volle  Sicherheit;  jedoch  war 
die  von  C-F.  gegebene  unmöglich,  sie  halten  Aigle  für  des  Hera- 
kleides tochter:  ich  glaube,  natürlicher  denkt  man  in  einer  anfrage 
ircpi  T€tV€i)c  an  die  frau.  an  stelle  des  c  in  TVJvaiKÖ]c  ist  vor  dem 
A  nur  eine  senkrechte  hasta  erhalten,  und  da  auch  das  iota  von 
A[T]tXt]C  durch  bruch  verloren  ist,  wäre  es  möglich  dasz  der  frauen- 
name  anders  lautete  und  vom  noch  mehr  buchstaben  zu  ihm  ge- 
hören, das  TT^c  in  z.  4  ist  befremdend,  steht  aber  deutlich  da :  vieU 
leicht  ein  syntaktisches  versehen  des  Schreibers  oder  der  ergänzung,. 
ich  habe  aber  nichts  besseres  finden  können. 

• 

Bückseite: 
h  IcTopei   NiKOKpäT[Tic   TÖV   Aia   Ka\  Aiidvriv,    ei 

Xuiiov  Kai  ä|Li€ivov  f|cTai  aurij),  öti?  toO £- 

iraOcaro; 

das  verbum  IcTopeTv  (in  guter  attischer  prosa  erst  naoharistotelisch) 
findet  hier  das  einzige  mal  auf  unsem  platten  Verwendung,  hinter 
fifiCivov  ist  nur  noch  eine  senkrechte  hasta  sichtbar,  die  man  auch 


können  glaubte,  jedenfalls  ist  nicht  von  andern  göttern  za  Dodona  die 
rede.'  eine  correctnr  des  vollkommen  deutlich  erhaltenen  Ka(  ist  keines- 
falls gestattet. 

^  der  genitiv  anf  -ou  bei  den  eigennamen  auf  -fAfiöi^c,  -q)dviic  usw.. 
findet  sich  in  späterer  zeit  auf  inschriften  sehr  häufig. 


HBPomtow:  die  orakelinscbriften  von  Dodona.  33& 

zu  r[pdccoi  oder  dgl.  ergänzen  kann;  die  Unterbringung  des  ind, 
djiroucaro  innerhalb  einer  indirecten  frage  macht  Schwierigkeit. 

Diese  inschrift  ist  wohl  am  ungeschicktesten  von  aJlen,  ii^ 
wahren  lapidarbuchstaben  —  wogegen  die  kleinen  omikron  merk- 
würdig abstechen  —  schief  nach  allen  richtungen  hin  geschrieben  ^ 
Nikokrates  war  in  der  schreibkunst  sehr  wenig  geübt. 

D,  Die  angeblichen  Orakel. 

nr.  25:  Car.  pl.  XXXVIII  7  =  kat.  27;  breite  von  a  0,031m,. 
höhe  0,049  m;  breite  von  5  0,022  m,  höhe  0,014  m.  die  platte  scheint 
links  und  oben,  wahrscheinlich  auch  unten  vollstftndig.  rechts  fehlte^ 
wohl  nur  ein  räum  von  etwa  9  (z.  1) — 6  (z.  4)  buchstaben. 

a  ZeC  Nd'ie  [xai  Aiuivri  airei  ö^äc  Kai 

\k€T€U€i   r[aXagibu)poc k 

al  boOvai  i[|iauTiu  tuxtiv  dtaGfiv  kqI 


T 

60 


[ai]|i  \iO\}  uki  K[al 
[ufarpl  KailJTTäci  b 

aio  Vw  b 


•  • 


C-F. :  ^fragment  d'une  pridre  analogue  k  celle  de  1' Athönien  Diognetos» 
k  partir  de  la  quatridme  ligne  Tinscription  est  cach6e  par  un  autre- 
fragment  de  plomb  qui  y  est  adh6rent ;  ce  fragm.  6taitenvelopp6^ 
dans  la  plaque  qui  contient  Tinscription  transcrite.  on  7  lit  deuz. 
foix  le  mot  auTiD  et  toTc  auToG  'f[ov6Gci].  —  trois  autres  lamea 
pr^sentent  le  möme  fait  d'une  plaque  plus  petite  enveloppöe  dans 
une  autre  plus  grande  et  toutes  les  deux  portant  des  inscriptions^ 
Texplication  la  plus  probable  de  ce  fait  serait,  que  la  granda 
lame  contient  la  demande  adress6e  äToracle  et  la  petite 
rinterpr^tation  de  la  r^ponse  des  dieux.  ces  trois  plaques. 
n'ont  pas  6t6  d6chiffr6es.  le  no.  3  de  la  planche  XL  en  reproduit 
une.'  wie  man  sich  dies  '^tait  envelopp6'  zu  denken  habe,  wird  aus 
dem  facs.  nicht  klar ;  das  andere  fragment  (&)  scheint  durch  ftuszere 
gewalt  auf-  und  in  die  gröszere  platte  hineingepresst ,  es  zeigt  fol- 
gende verkehrt  stehende  buchstaben : 
l  IC  auTtjj  K 

auTi|>  'iET[ . .  .  Ktti 

ToTc  auToO  t[ov€Oci 

IC  u  .  .  . 

•  •      • 

auf  a  erkennen  wir  unschwer  ähnliche  bitten  an  die  gottheiten  Do- 
dönas  wie  auf  nr.  23.  24:  nach  ihnen  ist  unsere  ergänzt,  der  name 
r(aXaHibu>poc)  in  z.  2  nur  beispielsweise :  ich  glaube  dasz  nach  die- 
sem gamma  der  name,  vielleicht  mit  dem  Vatersnamen  folgte;  ob 
am  schlusz  noch  eine  frage  vorkam,  können  wir  aus  den  resten 
nicht  schlieszen,  müssen  es  aber  so  gut  wie  bei  nr.  23  vermuten, 
auch  in  den  paar  werten  von  h  wird  jeder  unbefangene  das  ganz 
ähnliche  bruchstück  einer  solchen  bitte  bzw.  frage  erkennen,  das 


336  HRPomtow:  die  orakelinschriften  von  Dodona. 

sieb  auch  ohne  mühe  dazu  yeryollstttndigeii  läszt.  Schwierigkeit 
macht  nur  das  doppelte  auTUJ.  vielleicht  ist  die  regellose  syntax 
schuld,  und  der  Schreiber  wiederholte  zu  grösserer  deutlichkeit  noch- 
mals Kai  aÖTiu  '6T[eoKX€i  oder  dgL  namen.  Carapanos  nimt  aber 
diese  worte  für  ein  orakel  in  ansprach  und  glaubt  in  den  nr.  7.  25. 
26.  27.  28.  29.  (42)  wirkliche  orakel  des  Zeus  Naios  aufgefunden 
zu  haben,  nr.  7  und  25  sind  schon  betrachtet  und  haben  sich  als 
ganz  harmlose  fragen  entpuppt. 

nr.  [26]  (<=»rückseiteyonnr.  19) :  schmaler  bleistreifen;  grOszen- 
Verhältnisse  usw.  s.  zu  nr.  19. 

iirl .  AA  TIC 
C-F.  schreiben  ixA  8Xa  Tic  *qu'on  pourrait  prendre  poar  la  r^ponse 
de  r Oracle',   doch  ist  von  dem  omikron  keine  spur  auf  dem  facs.  zu 
erkennen. 

Die  buchstaben  sind  doppelt  so  grosz  wie  die  der  Vorderseite, 
ungemein  gleich  und  regelmässig  geschrieben;  aber  warum  diese 
lückenhaften  worte  ein  orakel  sein  sollen,  vermag  man  mit  dem 
besten  willen  nicht  einzusehen,  auch  fügt  Car.  keinen  grand  hinzu, 
wenn  eine  deutung  erlaubt  ist,  so  möchte  ich  bezugnehmend  auf  das 
fehlen  des  namens  auf  der  Vorderseite  annehmen,  dasz  auch  dies  ein 
vermerk  der  priester  ist,  so  dasz  wir  nach  inX  den  inhalt  der  frage 
im  genitiv  oder  besser  im  dativ  (Herod.  I  66  ^XP^I^'^lPi^OVro  tv 
AeXqpoTc  irA  irdai  tQ  'ApKdbuiv  X^PQ)  zu  ergänzen  hätten  und  sich 
das  TIC  auf  den  ungenannt  sein  wollenden  fragesteller  bezöge,  oder 
es  ist  wirklich  in  diesen  buchstaben  des  fragenden  name  verborgen. 

nr.  27 :  Car.  pl.  XXXV  6  «>  kat  9 ;  breite  0,085  m ,  höhe  0,01  m 
schmaler  bleistreifen;  links  und  rechts  brach,  doch  ist  nodi  für  6inen 
rechts  für  etwa  8  buchstaben  platz  bis  zum  rande.   C-F. : 

Tilü  Tri]cT€uovTi  Ti  &[X]a6^[c 
auch  hier  fügt  Car.  keinen  grand  hinzu,  weshalb  das  ein  orakel  sein 
soll ;  der  sinn  ist  unklar :  'dem  der  vertraut  was  wahr  (ist)'  ?  meiner 
meinung  nach  läszt  sich  das ,  wenn  denn  ergänzt  werden  soll ,  viel 
leichter  einer  frage  einpassen :  iTTiKOivÜJVTai  Ol  t>€iV€C .  •  i{  Tri]cT€iJOVT( 
Ti  ä[X]a6^[c  TOUTuiv  tüjv  Xötuiv  .  .  ffieiv;  *ob  sie  glauben  soUen, 
dasz  etwas  von  diesen  reden  (oder  dgl.)  wahr  sei/ 

nr.  28 :  Car.  pl.  XXXYII 6  —  kat.  19 ;  höhe  und  breite  0,042  m. 
die  platte,  lings  unregelmäszig  gebrochen,  zeigt  einige  verwischte 
wortreste  über  einem  schlangenhals  mit  köpf,  ganz  roh  mit  dem 
griffel  eingeritzt: 

i . .  aiv  M  b 


HRPomtow:  die  orakelinschriften  von  Dodona.  337 

Carspanos:  'quelques  lettres  d'une  inscription  effac^e  et  une  t^te 
de  serpent.  c'est  la  seule  lame  de  plomb,  qui  poite  une  sorte  de 
dessin.  aurait-il  quelque  signification  comme  demande  ou  comme 
r^ponse  de  Toracle?'  das  my  ist  höchst  absichtlich  gerade  in  die 
mitte  der  obem  rundung  des  Schlangenhalses  gesetzt;  was  diese 
Zeichnung  zu  bedeuten  hatte  (wenn  sie  etwas  bedeuten  soll  und  nicht 
blosze  Spielerei  mit  dem  griffel  ist,  vgl.  nr.  17),  ahne  ich  nicht, 
würde  es  aber  vielleicht  auf  den  ev.  Inhalt  einer  frage  (der  Vorder- 
seite?) beziehen:  über  heilung  von  einem  schlangenbisz  oder  dgl. ; 
wie  dies  aber  ein  orakel  sein  soll ,  ist  Carapanos  vermutlich  ebenso 
unklar  wie  uns. 

Es  ist  ein  wohl  begreifliches,  aber  um  nichts  minder  falsches 
streben y  wenn  der,  der  die  älteste  orakelstfitte  Griechenlands  zu 
tage  förderte ,  nun  dort  auch  mit  gewalt  orakel  finden  wollte ;  bis- 
her können  wir  keins  der  angeführten  für  ein  solches  halten ,  und 
auch  Wieseler  (s.  70  anm.  2)  und  Bursian  sind  meiner  meinung.  eine 
besondere  bewandtnis  hat  es  freilich  mit  dem  letzten,  und  zu  einem 
klaren  resultat  über  dieses  wird  man  kaum  gelangen  können. 

nr.  29:  Car.  pl.  XXXVÜI  5  =  kat.  25;  breite  0,078  m,  höhe 
0,02m.  links  bruch,  vielleicht  auch  oben;  rechts  und  unten  voll- 
ständig,   auf  dem  blei  steht  buchstäblich : 

\€T0|LiaVTTlKl0VeTUJXpTlUJ 

KcaXaec 

C-F.  lesen:  TÖ]b€  TÖ  jnavT/jiGV  tfuj  XPil^J 

K^  dXdec 

die  beiden  querstriche  des  deutlichen  kappa  auf  dem  blei  sind  wohl 
nur  risse,  von  dem  quer  durch  die  tafel  laufenden  bruch  herrührend. 
*r6ponse  de  Toracle.  formes  ioniennes  XP^ui  (xpdw)^  fxavTfjiGV. 
äXdec  peut  dtre  une  forme  dialectique  du  verbe  dXdo|iai  (je 
m'^gare).'  Car.  zunächst  —  und  das  ist  für  die  auffassung  der  In- 
schrift von  entscheidender  Wichtigkeit  —  ist  ausdrücklich  zu  con- 
statieren,  dasz  z.  2  sicher  von  anderer  band  geschrieben  ist  als  z.  1 ; 
während  letztere  stark  und  tief  eingegraben  ist,  sind  die  buchstaben 
der  zweiten  ganz  oberflächlich  und  flüchtig  geritzt;  die  der  ersten 
sind  eilig  geschrieben  und  neigen  rechts  über,  die  d^r  zweiten  stehen 
senkrecht,  und  das  K€  liegt  sogar  völlig  links  über,  kurz  die  Iden- 
tität der  Schreiber  beider  Zeilen  ist  unmöglich. 

Nun  hätten  wir  aber,  wenn  das  ein  orakel  sein  soll,  ionisch 
schreibende  dodonäische  priester?  auch  Bursian  erkennt  den  ionis- 
mus  an;  aber  pavTiiiov  ist  die  ursprünglich  allen  Griechen  gemein- 
same form ,  von  den  loniem  am  längsten  bewahrt ,  aus  der  erst  die 
Attiker  jnavTcTov  ableiteten:  es  ist  also  keine  speciflsch  ionische 
bildung,  und  XP<iw  lautet  ionisch  XP^ui,  nicht  XPH^-  oder  haben  wir 
anzunehmen,  dasz  der  fragende  lonier,  während  die  priester  ihm 
dictierten,  hinschrieb  TÖbe  tö  fi.  L  %*  und  dasz  das  orakel  selbst, 
dessen  schlusz  k^  dXdec  lautete,  dann  von  priesterhand  hinzugefügt 

Jahrbacher  fQr  class.  philol.  1883  hft  5  a.  6.  22 


338  HBPomiow :  die  orakelinBchriften  von  Dodona. 

war?  oder  endlich  heiszt  XP^^  ^^^^  so  ^^^^  ^®  XP^^^  (obgleich 
die  erste  person  ind.  praes.  act.  von  diesem  XP<^uj  ■»  XP4^w  bisher 
nicht  durch  beispiele  belegt  ist)  and  haben  wir  zn  übersetzen :  'fol- 
gendes Orakel  verlange,  heische  ich  .  .'  und  nun  kam  die  anfrage? 
zu  meiner  ttberraschung  finde  ich  dasz  auch  Wieseler  genau  dieselbe 
Vermutung  gehabt  hat  (s.  70  anm.),  und  so  wird  mir  diese  letzte  an- 
nähme die  wahrscheinlichste. 

Eine  kleine  erwägung  hfttte  Carapanos  davon  abhalten  können, 
hier  unter  44  anfrageplättchen  nach  orakelantworten  zu  suchen; 
vorausgesetzt  dasz  die  antworten  schriftlich  erteilt  wurden ,  so  wur- 
den sie  entweder  schriftlich  deli  fragenden  durch  die  priester  Über- 
geben, oder  jene  schrieben  sie  nach  dictat  nieder  (das  genauere  s. 
unten  im  zweiten  teil) :  in  beiden  fällen  geschah  es  doch  nur,  um  ihr 
wohlbezahltes  Orakel  mit  nach  hause  zu  nehmen ,  und  es  wftre  un- 
begreiflich, wie  wir  unter  einer  solchen  fragensamlung  im  archiv 
des  dodonäischen  Orakels  einigen  wenigen  orakeln  begegnen 
sollten. 

E,  Die  übrigen  meist  sehr  verstümmelten  und  unleserlichen 

inschriften. 

nr.  30:  Car.  pl.  XXXVI  3  (fehlt  im  kat);  breite  0,058  m,  höhe 
0,029  m.  oben  und  rechts  vollständig,  links  fehlt  ziemlich  viel;  ob 
unten  noch  etwas  folgte,  ist  ungewis. 

a  d7T€pujTqi  TUJV TÖ]  Kuvdv   irepl  t[ui]v   k 

....  Xapioc  Kai  inX  iräci 
. . . .  öc  xe  fiiä  TUJV  cuvTu 
....  X  fTiv  Ka  biKa  ÖVTiv[a 
....  Tiov  EevoT^  0 

z.  1 :  ist  Kuvöv  für  KOivöv  dialektische  nebenform?  statt  ui  ist  nur 
A  sichtbar,  z.  2:  .  .  Xapiac  ist  vielleicht  eigenname,  verwandt  mit 
oder  verschrieben  für  Aapivr) ,  einen  flecken  in  Epeiros  (Athen.  IX 
376  **).  das  letzte  wort  ist  wohl  zu  E€VOT^[X]o[uc  zu  vervollstftn- 
digen.  die  platte  gieng  so  weit  nach  links,  dasz  eine  ergSnzung  bei 
der  höchst  mangelhaften  lesung  unmöglich  scheint. 

Es  läuft  nun  über  imd  zwischen  den  beiden  ersten  zeilen  eine 
nur  leichthin  mit  halb  so  groszen  bucbstaben  eingeritzte  Inschrift; 
folgendes  ist  erkennbar : 

h  6€Öc.   dyaOä  tuJx«.   NiKÖCTpaT[oc 

f\  ffiev  bei  Kttl  TÖc  Tr^v[iiTac?  .  * 
dem  b,  wenn  es  eins  war,  fehlt  heute  die  basis;  TÖc  wohl  für  toOc 
verschrieben. 

Rückseite,    erhalten  ist  noch : 

c  Geöc 

'AXcEijiaxoc  dibc  Xi  .  .  .  . 

€0c  toi  0 

denselben  namen  finden  wir  noch  einmal  auf 


HRPomtow:  die  orftkelinschriften  von  Dodona.  389 

nr.  81:  C«r.  pl.  XXXIX  4  (fehlt  im   kat.);  breite  0,042  m, 
höhe  0,028m;  auf  allen  Seiten  brach,  cloch  scheint  oben  und  rechts 
nichts  weiter  gestanden  zu  haben : 
a  'AlXeJCfiaxoc 

T  .  .  V../.  .U 
fl . .  .  \  . . .  Ol  iVK 

beidemal  ist  das  A  nicht  vollständig  erhalten,  so  dasz  auch  AeEijua- 

XOC  dagestanden  haben  kann. 

h  rückseite:  xal  Ai((iv[av  oder  q, 

ib  oEaco 
das  hier  rund  erscheinende  sigma  war  vielleicht  ursprünglich  ein  o 
od«r  6;  praesoripte  lassen  sich  beliebig  aber  nutzlos  ergänzen. 

nr.  32:  Car.  pl.  XXXVII  5  (fehlt  im  kat.) ;  breite  0,052  m,  höhe 
0,031  m.  der  platte,  die  auf  allen  selten  gebrochen  scheint^  und  der 
Inschrift  ist  entsetzlich  mitgespielt  worden ;  die  erste  zeile  ist  noch 
vollständig  sichtbar,  die  folgenden  nicht  mehr;  die  inschrift  wim- 
melt von  schreib-  und  lesefehlem,  so  dasz  an  irgend  welche  er- 
gänzung  kaum  zu  denken  ist.  auf  dem  blei  steht: 
a  Kai  Tiav  oaiav  ti  xa  Oucac 

.  vOiicai  Oepa 

.  .  VOITO  c  . . . 

Geöc  TÖ  T^[voc  oder  vöjicvov 

6  VT  ߀X[T]lOV  7Tp(4c[c]€l 

KttTap^ei  Tä  M€V 

a  Trepi  t  .  viac  ....  cuv 

KOrä  TT €1  iTpäaccoifi[i  (sie);  das  fi  ist  ttber  das  oi  ge- 
schrieben, 
z.  1  ist  wohl  zu  schreiben : 

direpujTqi  ö  beiva  töv  Aia  Naov]  xai  rdv  [Aiuijvav*  ti  kq  Oucac 
z.  2  entweder  KX€d[v6ric  al  Oepa  . .  oder  .  .  v6f)[v]ai .  .  wenn  man 
nicht  vorzieht  es  als  inf.  aor.  eines  auf  -Odui  endigenden  verbums 
unverändert  zu  lassen,  z.  5 :  das  VT  steht  deutlich  auf  dem  blei ;  ein 
platz  für  das  tau  ist  freigelassen,  es  selbst  ist  völlig  geschwunden. 

Auszerdem  laufen  nun  noch  in  der  mitte  von  unten  nach  oben 
doppelt  so  grosze ,  sicher  und  geradlinig  aber  ganz  leicht  eingeritzte 
buchstaben : 

h  Aiovuci[oc  oder  öbuipoc  oder  dgl. 

die  sich  zum  teil  wiederholen ,  von  derselben  band  über  z.  6  und  7 
von  rechts  nach  links  verkehrt  geschrieben  und  h  kreuzend : 
c  Aiov  C  0UT1V 

Dasz  wir  wenigstens  in  h  wieder  einen  vermerk  von  priester- 
hand  vor  uns  haben,  der  quer  über  die  damals  noch  nicht  auf  dieser 
Seite  beschriebene  platte  lief,  zeigt  die  ganze  art  und  anordnung  der 
buchstaben.  ursprünglich  nach  priesterart  tief  eingegraben  blieben 
bei  einer  neuen  glättung  des  bleis  jene  züge  nur  verschwindend  er- 
kennbar stehen,  in  c  ist  wohl  zu  lesen:  Aiuüvij  Ouiiv,  was  man 
allerdings  als  Orakelantwort  fassen  kann;  aber  dies  war  nicht  die 

22  • 


340  HRPomtow :  die  orakelinschriften  Ton  Dodona. 

antwort  auf  a:  denn  dort  ist  nur  gefragt  ri  Ka  ducac,  und  nicht 
Tivi  .  .;  Yielleicht  ist  auch  h  so  zu  Aiovuci[({j  Ourfv]  zu  ergftnzen; 
ich  komme  unten  hierauf  zurück. 

nr.  33 :  Car.  pl.  XXXVII  9  (fehlt  im  kat.);  breite  0,045  m,  höhe 
0,04  m. 

direpujTä  KpaT[uXoc  töv  Aia 
Naov  Kai  Aiu)v[av 

TQfX  TOI  Ol  fx  p   fj  &q>i 
Kai  düq>€[Xi]|iav  t 

5  viov b 

dir  .  .  A   .   .  AI 
die  platte  scheint  rechts,  obgleich  die  seite  schief  Iftufti  vollstän- 
dig, wohl  auch  oben  und  unten;  rechts  brach«  die  schrift  zeigt  spä- 
tere formen:  a  in  iitepwrä  (sie)  schon  A,  sonst  A;  €  stets  6;  ir  i*«  ft; 
UJ  =  Q. 

Punctiert  sind  auf  dem  facs.  z.  3  fi  p;  z.  4  q)€  fi;  z.  5  b.  dann 
finden  sich  noch  links  oben  zwischen  z.  1  und  2  einige  kleine  buch- 
staben ;  zweimal  ist  6  erkennbar. 

Die  rücksei te  zeigt  zeilenweise  unregelmftsziges  gekritzel: 
h  .  .  iX  .  V  .  V  cOiav 

.  .  i .  Aia  Ndov 

.  .  IVO  KU€6  T 

.  .  iX  .  .  uT  • .  Kai 

beuTi 

genau  über  dem  ersten  iota  schwebt  ein  wagerecht  liegendes  € :  ui ; 
da  nun  das  erste  i  gerade  unter  dem  mittelsten  querstrich  steht,  so 
hält  Carapanos  das  ganze  für  einen  dreizack :  T.  am  untern  rande 
der  rückseite  läuft  verkehrt  in  starken  groszen  buchstaben  diezeile: 
c  KXeanöc  . . 

die  basis  des  b  fehlt. 

nr.34:  Car.  pl.  XXXVII  7  (fehlt  im  kat.);  breite 0,043 m,  höhe 
0,057m.    links  oben  ist  ein  oblonges  stück  herausgebrochen;  der 
linke  rand  verstümmelt,  doch  fehlt  da  sonst  nichts ;  oben  und  unten 
vollständig;  rechts  brach. 
a  6€Öc.  £m]KOivf)[Tai  6  beiva  . . 

Tifi  Ai]i  Ndui  K[ai  T^  Aiuiv()i . . 

Kav  al  Oejiiea 

TÖ  dviüT€OV  T 

5  av  Tijj  diruib 

.  ^CT€pOV  b 

von  z.  3  an  beginnen  die  zeilen  weiter  auseinanderzutreten ,  da  zwi- 
schen ihnen  eine  frühere,  nur  noch  in  feinen,  kleinen  lettern  sicht- 
bare inschrift  hinläuft ;  sie  füllt  den  räum  zwischen  z.  3.  4.  5.  6  aas. 
6  Q_4juio 

Itivi  Ka  ecujv  [eucaviec  f\ 

4—5  fijpiliuiv  Xid'iov  [Kai  d^€ivov  Tipdc- 

5—6  C0I6V  Kai  b€  . . . 


HBPomtow:  die  orakölinschriften  von  Dodona.  341 

dies  war  wieder  eine  anfrage  mehrerer  personen  (Trpdc]cot€v).  das 
uio  stammt  wohl  (zum  teil  yerlesen)  aus  Nd]iu. 

nr.36:  Car.  pl.  XXXIX  2  (fehlt  im  kat.);  breite  0,032  m,  höhe 
0,037  m;  rechts  bruch,  sonst  wohl  Tollstftndig. 

Oeöc.  •ni[xa  dfaGd 
Geöc.  TUYil  [dfaGri .  .  . 
*ATd6ujv  lirLepujTqi 

die  erste  zeile  ist  Yon  anderer  band  als  die  beiden  folgenden,  das 
sigma  derselben  ist  yierstrichig;  Agathon  schreibt  ^  (als  Yorstufe 
zu  C). 

Die  platte  ist  dadurch  interessant,  dasz  sie  uns  einen  neuen 
blick  in  das  schreib  verfahren  thun  iSszt.  meiner  ansieht  nach  kann 
man  den  von  verschiedener  band  herrührenden  doppelten  anfang  nur 
80  erklären,  dasz,  als  Agathon  die  platte  benutzen  sollte,  die  alte  in- 
Schrift  auf  derselben  getilgt  wurde;  um  aber  sich  und  Agathon  mühe 
zu  ersparen ,  lieszen  die  priester  die  doch  stets  wiederkehrende  ein- 
gangsformel  in  der  ersten  zeile  stehen;  Agathon  aber,  weil  jene 
Worte,  wie  meist  auf  unsern  platten,  von  Doriern  herrührten  und  er 
ein  Athener  bzw.  ein  lonier  war  (tuxii  . .)  oder  aus  sonst  einem  an- 
dern gründe ,  begann  seine  anfrage  undankbarer  weise  doch  wieder 
mit  der  gewöhnlichen  formel ,  und  so  entstanden  die  beiden  gleich- 
lautenden Zeilen. 

Die  rückseite  zeigt  verschiedene  reste : 

u  afiCT  ganz  oben  am  rand  in  kleinen ,  verwischten  zügen. 
ß  diro  .  .  V  K  darunter,  etwas  gröszer; 

Ol  .  .  dcK     sehr  weit  unter  jenen;  acK  in  ziemlich  groszen  buch- 

staben,   wohl  zu  einer  Überschrift  'AcK[Xr]Tiiöbu)poc 

oder  dgl.  gehörig; 
y  ein  verkehrtes  Z  links  unten. 

endlich  steht  gerade  in  der  mitte  ein  groszes,  regelmäsziges  A  mit 
breiter  basis,  ganz  ähnlich  im  ductus  dem  auf  nr.  1  besprochenen, 
vielleicht  begann  mit  jener  noch  erhaltenen  ersten  zeile  der  Vorder- 
seite die  anfrage  eines  Staates  und  dies  A  bedeutet  bdjiiou  oder 
bofiöctov. 

nr.  36:  Car.  pl.  XXXIX  1  (fehlt  im  kat.);  breite  0,04m,  höhe 
0,04  m;  platte  auf  allen  Seiten  unregelmäszig ,  meist  im  bogen  ge- 
brochen ;  oben  ist  die  Inschrift  voUst^dig. 
a  £]7T€puiTf)  B  [ .  .  . .  Aia  Näov 

Kai  Aiuüv[av  *  f\  Xidiov  xal 

dfieivov  fcT[ai 

TTfi  .  .  .  l  .  .  VTl 

5  .  .  avtc  f|  KaXr) .  . 
zwischen  z.  1 — 2  und  3 — 4  andere  inschriftenreste : 
6  1—2  KCl  a  uj  X  .  V 

3 — 4  TUJ  .  . 
Die  rückseite  zeigt: 


342  HRPomiow:  die  orakelinBchriften  von  Dodona. 

c  iba  eoc  'nj[xa  dxaOd? 

£[TnKOivf)Tat 


Aidivqi  Ka  .  . . 
u  . .  a  Trepp] . . .  oc 
das  omega  ist  schon  CO  geschrieben. 

d  am  untern  brache  der  rückseite  miir  Yerkehrten  buchstaben: 

6]€0ic  Ka[l .  .  . 

otc  Kai  f^pUJCl  [6U0VT€C  . .  . 
die  ganze  platte  musz  sehr  breit  gewesen  sein,  denn  von  den  In- 
schriften fehlt  viel. 

nr.  37:  Car.  pl.  XXXIX  3  (fehlt  im  kat.);  breite  0,042m,  bOhe 
0,027  m.  nach  oben  hin  scheinbar  vollständige  inschrift,  wenigstens 
ist  da  ein  breiter  unbeschriebener  rand;  platte  auf  allen  selten  ge- 
brochen ;  sie  ist  zum  teil  wegen  willkürlichee  entstellung  nicht  zu 
lesen ,  obgleich  die  buchstaben  grosz  und  tief  sind. 
a  TTCTbu  €be 

TÖv  Kcivou  c  .  .  . 
c  .  .  TT .  .  Xarov 
das  alpha  hat  gebrochenen  querstrich  A. 

Rückseite :  mitten  über  die  tafel  läuft  in  doppelter  buchstaben- 
gröse : 

5  r  UK€  .  . . 

vor  dem  f  hat  nichts  gestanden,  denn  es  wäre  hinreichend  weiter 
räum  bis  zum  rand;  die  buchstaben  tragen  den  Charakter  der  priest«> 
vermerke,  doch  musz  der  ausfall  eines  lambda  angenommen  wer^ 
den  (ein  mit  f  UK  beginnendes  griechisches  wort  gibt  es  nicht). 

r[X]uK€[poc?  .  . 
darüber  in  kleiner  schrift  zwei  sinnlose  Zeilen : 

C  VTTOTrO  .  fi€0  .  €V 

Xir .  Toc  coiv  .  . 
d  am  imtem  rande  verkehrt :  vi^f ev ;  zwar  erscheint  das  erste  €  ab 
f  (F) ,  doch  ist  der  untere  strich  verloren  gegangen,  denn  es  gleicht 
bis  ins  kleinste  dem  daneben  stehenden  €. 

nr.  38 :  Car.  pl.  XXXVUI  8  (fehlt  im  kat.) ;  breite  0,042  m, 
höhe  0,044  m.  eine  leere  rings  gebrochene  platte  mit  den  buch- 
staben : 

APO  i—  dpo  oder  ä<po. 

nr.  39:  Car.  pl.  XXXIX  8  (fehlt  im  kat);  breite  0,024m,  höhe 
0,011m.  ein  schmales  streifenstück ,  das  nach  rechts  vollständig, 
links  gebrochen  zu  sein  scheint. 

.  .  epia.   die  geschwänzte  form  des  p  (R)  bt  auffallend. 

Rückseite:  Tiar  .... 

nr.  40 :  Car.  pl.  XXXIX  6  (fehlt  im  kat);  breite  0,087m,  Wk» 
0,013  m.  schmaler  dreimal  und  an  den  Seiten  gebrochener  blei* 
streifen : 

?i  £  . .  • .  X  Ka  vaviai 


üRPomtow :  die  orakelinschriften  von  Dodona.  343 

Bückseite:  afi  .  .  .  alles  übrige  spurlos  verschwunden, 
nr.  41 :  Car.  pl.  XXXIX  6  (fehlt  im  kat.) ;  breite  0,025  m,  höhe 
0,026  m.   oben  und  links  vollst&idig,  rechts  und  unten  bruch: 
6€Öc.   [£iT€pu)Td  6  beiva  töv  Aia  Kai  rdv  At- 
ujvav  .  . . 
Tückseite:  ipTTaval;  das  geschwänzte  rho  (R)  ist  mit  f  eng  verbun- 
den, wahrscheinlich  verlesen  für  &Ya9dv  ai  •  . 

nr.  42:  Car.  pl.  XXXV  5  (fehlt  im  kat.);  breite  0,0dm,  höhe 
0,029  m.   oben  und  links  vollständig ,  sonst  bruch : 
Vorderseite:  a  6€Öc  Vüxa 

Kai  Aidiv[a  .  .  . 
fxctvov  .  . 
rückseite:  h  a  Goifiav 

oIkciv  f{ 
oben  am  rande  der  rückseite  sind  buchstabenreste  erhalten,  dann 
läuft  über  und  zwischen  den  Zeilen  noch  ganz  fein  geritzt : 

Aia  t[öv  Näov 

IVOV  €  .  U|Ll€V  .  .  . 

a  läszt  sich  mit  den  geläufigen  phrasen  ergänzen. 

J^.  Die  noch  unentzifferten  plättchen. 

nr.  43  —  nr.  45 :  auf  Car.  pl.  XL  3  ist  nr.  43  photographiert, 
aber  noch  nicht  facsimiliert  und  entziffert,  es  ist  ein  weiteres  bei- 
apiel  der  zusammenpressung  einer  kleinen  und  groszen  platte;  wo- 
von noch  zwei  weitere  bisher  nicht  publicierte  ezemplare  (nr.  44.  45) 
im  besitze  des  hm.  Carapanos  sich  befinden  (s.  oben  nr.  25). 

nr.  46  f.  (?).  nun  befindet  sich  noch  auf  pl.  XL  4  der  photo- 
graphische abdruck  einer  platte,  über  die  keine  auskunft  erteilt  wird, 
und  die  nicht  zu  den  obigen  eingepressten  zu  gehören  scheint  (Ue 
HO.  3  de  la  planche  XL  en  reproduit  une',  nemlich  von  den  einge- 
pressten; also  nr.  4  nicht?),  ich  vermute  dasz  sie  eine  von  denen 
ist,  über  die  Car.  zu  nr.  11  (s.  o.)  bemerkt:  'des  questions  du  möme 
genre  (das  kind  der  Annyla)  paraissaient  avoir  6t6  adress6es  ä  Toracle 
quelques  autres  fragments',  die  aber  noch  nicht  publiciert  sind;  oder 
bezieht  sich  diese  bemerkung  auf  nr.  43 — 45  ?  eine  genaue  angäbe, 
wie  viel  platten  bis  jetzt  gefunden,  wie  viele  davon  facsimiliert 
oder  photographiert  sind ,  und  welche  noch  weder  ediert  noch  ent- 
ziffert sind ,  wäre  recht  bald  zu  wünschen,  inzwischen  ist  von  an- 
derer Seite  noch  ein  unerwarteter  und  wertvoller  Zuwachs  zu  die- 
sen plättchen  hinzugekommen. 

G.  Nachtrag,  zwei  später  ausgegrabene  bleiplättchen. 

^Im  sommer  1879  kam  ein  grieohispher,  zu  Corfu  wohnhafter 
Ingenieur  nach  Wien,  der  ausgrabungen  in  Dodona  veranstaltet  zu 
haben  behauptete,  als  deren  ergebnis  er  eine  anzahl  von  antiquitäten 
vorwies,    welche  zum  teil  von  hm.  FTrau  hieselbst  erworben 


344  HRPomtow:  die  orakelinBchriften  von  Dodona. 

wurden,  darunter  befinden  sich  die  folgenden  inschriffcen,  welche 
hr.  Trau  zum  behuf  der  publication  freundlichst  zur  verfttgnng 
stellte'  WGurlitt  in  arch.-epigr.  mitteilungen  aus  Österreich  IV  8.59« 
es  folgen  drei  weihinschriften  auf  grüner  bronze  und  dann  inschriften 
auf  zwei  bleiplättchen. 

Ich  vermute  dasz  hm.  Carapanos  diese  thatsache  unbekannt 
geblieben  ist.  dasz  mehrere  Veruntreuungen  durch  arbeiter  vor- 
gekommen sind,  sagt  er  selbst  (arch.  ztg.  ao.) ;  einige  der  gestohlenen 
Sachen  haben  ihren  weg  nach  Berlin  gefunden,  wo  er  derselben  wie- 
der habhaft  werden  konnte,  es  ist  nicht  unwahrscheinlich,  dass 
auch  die  vorliegenden  plättchen  auf  diese  weise  in  die  bände  des 
ingenieurs  und  durch  ihn  nach  Wien  gelangt  sind,  und  es  wäre  ge- 
wis  eine  genaue  feststellung  des  Sachverhaltes  wünschenswert,  nicht 
nur  dasz  ermittelt  würde,  wo  denn  die  übrigen  nicht  von  Trau  ge- 
kauften antiquitäten  geblieben  sind ,  ob  sich  unter  ihnen  etwa  noch 
andere  bleiplatten  befanden,  und  vor  allem  w  o  dh.  an  welcher  stelle 
des  TT€pißoXoc  der  Corfiot  sie  ausgegraben  zu  haben  behauptet,  be- 
ruht sein  bericht  aber  auf  Wahrheit,  so  würde  die  Vermutung,  der 
schon  Bursian  ao.  s.  28  ausdruck  gab,  zur  thatsache  erhoben  sein  *das& 
nemlich  der  boden  der  alten  orakelstätte  offenbar  noch  lange  nicht 
erschöpft  ist ,  sondern  noch  manche  für  unsere  erkenntnis  griechi- 
schen lebens  und  griechischer  kunst  wertvolle  fundstücke  liefern 
kann'. 

Die  erste  der  beiden  platten  ist  deshalb  merkwürdig,  weil  sie 
alle  andern  an  alter  übertrifft :  der  Verfasser  schreibt  nemlich  noch  in 
nichtionischen  buchstaben ,  und  zwar  im  aiphabet  von  Korinth  und 
seinen  colonien;  die  zeichen  sind  zum  teil  so  unbeholfen,  dasz  Oor- 
litts  annähme  vollkommen  gerechtfertigt  ist,  der  sie  nicht  weit  unter 
den  anfang  des  fünften  jh.  vor  Gh.- hinabsetzen  will;  die  inschrifl 
wäre  also  zeitlich  durch  50 — 100  jähre  von  unsem  übrigen  getrennt. 

(nr.  47) :  anfrage  über  gesundheit.  Ourlitt  ao. ;  auszerdem 
abgedruckt  IGA.  332,  wo  man  das  facsimile  sehen  mag,  beidemal 
'in  Verkleinerung  um  ein  viertel  der  wirklichen  grOsze  reproduciert'. 
also  breite  0,04m,  höhe  0,025m.  links  fehlt  viel,  unten  und  zum 
teil  rechts  ist  die  platte  vollständig ;  auch  in  der  mitte  oben  noch 
ein  stück  des  randes  erhalten ,  während  die  linke  und  rechte  ecke 
oben  fehlen: 

^TTiKOivfiTai  *Av]Accx[€ 

Toc  AI  Kai  AiuüV()i  *  rijvi  xä  6eui 

V  t\  baifiövujv  f^  f)p]ujuiv  eux[ö 

fievoc    KQi   Ouujv]    \)fii\c    eTii; 

Den  namen  'Av]dccx[€TOC  habe  ich  ergänzt  und  glaube  damit 
ziemlich  das  richtige  getroffen  zu  haben;  er  findet  sich  auf  einem 
der  Styratäfelchen  bei  Vischer  kl.  sehr,  n  s.  119  f.  die  Unterbrin- 
gung der  göttemamen  in  z.  2  ist  wegen  raummangels  schwierig, 


HRPomtow:  die  orakelinschrifben  von  Dodona.  345 

vielleicht  war  in  so  alter  zeit  nur  der  erste  name  Ad  Ndip  ge- 
bräucblich. 

Dasz  Anaschetos  ein  Korkyräer  war,  da  wir  doch  an  eine  korin- 
thische colonie  des  alphabets  wegen  denken  müssen ,  ist  nicht  un- 
wahrscheinlich, läszt  sich  aber  natürlich  nicht  beweisen,  da  zu  wenig 
korkjräische  inschriften  erhalten  sind,  freilich  scheint  die  (oben 
citierte)  nr.  346  der  IGA.  dieser  ansieht  nicht  günstig :  denn  sie  ver- 
wendet noch  H  als  zeichen  für  den  rauhen  hauch,  während  hier  schon 
das  lange  e  dadurch  bezeichnet  wird ;  indes  uj  und  o  sind  noch  nicht 
differenziert,  auch  an  Anaktorion  kann  man  denken  (nr.  22) ,  das 
ebenfalls  Dodona  nahe  genug  lag. 

Die  rückseite  enthält  unzusammenhängende  reste  verschiedener^ 
der  zeit  nach  späterer  inschriften  (Gurlitt) ;  erkennen  läszt  sich: 

laiiov 

IKOC 

darüber  von  anderer  band:  v  .  .  a  .  .  XH^^ 

(nr.  48):  Ourlitt  ao.;  breite  oder  länge  0,133  m,  höhe  0,01m» 
es  war  der  längste  erhaltene  bleistreifen;  heute  freilich  in  vier  frag- 
mente  zerbrochen,  deren  Zusammengehörigkeit  von  Gurlitt  behauptet 
und  von  Benndorf  bestätigt  wird. 

Zwar  sind  die  beiden  ersten  stücke  auf  beiden  selten  mit  schrift- 
zügen  bedeckt,  aber  enträtseln  läszt  sich  fast  nichts,  selbst  die  am 
meisten  verstümmelten  inschriften  der  übrigen  plättchen  sind  noch 
leserlich  zu  nennen  gegen  das  gekritzel  das  sich  auf  diesem  streifen 
vorfindet,  es  laufen  (mit  6iner  ausnähme)  in  eiiier  und  derselben 
zeile  drei,  manchmal  vier  verschiedene  handschriften  über  einander 
entlang;  zu  erkennen  ist  etwa: 

uia  iT€p  apuvaiii  auT  .  api  KX^apxov  ic  tö  t 

rückseite  fragment  a:  OTr€p  T^vea,  darüber,  dh.  auf  diese  buchstaben 
von  späterer  band:  Kara;  darunter  am  rande :  Ttoi .  6€ioc. 

fragment  h:  TT€p,  darauf  ca  ,  .  ocf,  dito  Tp,  endlich  6€V. 

Alles  genauere  sehe  man  bei  Gurlitt;  eine  lesung  ist  unmög- 
lich, aber  doch  ist  dieser  streifen  dadurch  merkwürdig,  dasz  —  vor- 
behaltlich seiner  echtheit  (?)  —  hier  das  blei  niemals  ausgeglättet 
wurde,  sondern  jeder  folgende  Schreiber  so  deutlich  und  gut  wie 
möglich  über  die  buchstaben  seines  Vorgängers  hinweg  schrieb. 


ZWEITEE   TEIL. 

Nachdem  wir  so  sämtliche  bleiplatten  der  reihe  nach  durch- 
gegangen, möchte  ich  hier  kurz  zusammenstellen,  von  welcher  be- 
deutung  sie  für  unsere  kenntnis  von  den  einrichtungen  eines  Orakels 
sind ,  und  welche  stelle  sie  innerhalb  derselben  einnehmen. 

Um  den  fundort  der  plättchen  wird  es  sich  dabei  zunächst  han- 
deln ,,  und  ich  musz  mich  deshalb  genauer  auf  die  topographie  Do- 


346  URPomtow :  die  orakelinBchriften  Yon  Dodona. 

donas  selbst  einlassen :  so  viel  wie  möglich  geschieht  das  mit  Cara- 
panos  eignen  Worten. 

Ziemlich  in  der  mitte  des  thales  von  Tscharakovista  finden  sich 
auf  einer  art  von  Vorgebirge,  das  durch  einen  vorsprang  der  dieses 
thal  von  dem  von  Janina  trennenden  hügel  gebildet  wird,  die 
hellenischen  minen  einer  kleinen  stadt  oder  akropolis,  eines  theaters 
und  eines  heiligen  bezirks.  auf  dem  gipfel  dieses  Vorgebirges  liegt 
die  Stadt,  fast  30m  über  der  ebene;  sie  hat  die  form  eines  unregel- 
mftszigen  Vierecks;  mauern  und  türme  sind  von  verschiedenen  dimen- 
sionen  und  constructionen ;  auf  der  nordostseite  liegt  das  einsige 
thor.  im  Südosten  dieser  citadelle  lehnt  sich  das  theater,  das  zu  den 
grösten  und  besterhaltenen  zfihlt,  nach  gewöhnlicher  weise  an  den 
bergabhang,  östlich  und  südöstlich  daran  grenzend,  also  mit  der 
nordostseite  an  den  südostabhang  der  akropolis  gelehnt  liegt  der 
heilige  peribolos.  von  diesen  drei,  nach  C.  scharf  geschiedenen 
abteilungen  geht  uns  nur  die  letzte  etwas  an,  die  sog.  'enceinte 
sacr^e'.  sie  zerflUlt  in  zwei  abteilungen:  die  erste,  der  tempel- 
bezirk  (^enceinte  du  temple'),  wird  im  Südwesten  durch  das  theater, 
im  nordwesten  durch  die  Stadtmauer  und  im  nordosten  durch  eine 
andere  hellenische  mauer  begrenzt,  und  zwar  schlieszt  diese  östliche, 
aus  behauenen  steinen  bestehende  begrenzungsmauer  sich  unmittel- 
bar an  die  südostecke  der  citadellenmaucr  an.  er  ist  ein  unregel- 
mäsziges  oblongum  von  225  m  länge  und  130  m  durchschnittlidier 
breite,  die  ruinen  dreier  gebäude  sind  in  ihm  zu  erkennen,  ihre 
mauern  erreichen  jedoch  jetzt  nur  das  niveau  des  erdbodens.  dieser 
tempelbezirk  liegt  etwa  6  m  tiefer  als  der  dahinter  liegende  burg- 
hügel  und  4m  höher  als  die  zweite  abteilung  des  peribolos,  welche 
C.  das  temenos  nennt,  der  obere  teil  des  tempelbezirks,  unmittel- 
bar unterhalb  der  südlichen  citadellenmaucr,  ist  unbearbeiteter  und 
unbehauener  fels;  der  untere  ist  ein  hochplateau,  das  den  tempel 
und  zwei  andere  gebäude  trägt. 

Der  tempel  selbst  ist  nach  seiner  ersten  Zerstörung  wieder 
aufgebaut  und  dann  in  eine  christliche  kirche  umgewandelt  wor- 
den: Dodona  war  später  bischofssitz.  er  hat  eine  länge  von  40  m, 
eine  breite  von  20,50m,  und  C.  glaubt  noch  die  abteilungen  zu  er* 
kennen,  die  ehemals  pronaos,  neos  und  opisthodomos  bildeten;  der 
eingang  liegt  wie  gewöhnlich  im  osten.  im  norden  findet  sich ,  an 
die  äuszere  ecke  der  mauer  des  naos  angelehnt,  eine  ^chambre 
rectangulaire',  deren  wände  aus  kleinen  steinen  und  kalk  bestehen, 
jedenfalls  ein  späteres  machwerk.  0,50  m  unter  den  steinflieszen 
ihres  bodens  haben  sich  ziemlich  viel  bronzefragmente  gefunden, 
und  'überhaupt  ist  in  diesen  tempelruinen,  in  einer  tiefe  von  3  m 
zerstreut,  eine  grosze  menge  von  weihgeschenken  aus  bronze,  kupfer 
und  eisen,  eine  grosze  Inschrift  auf  kalkstein  und  fast  alle  in- 
scbriftplatten  aus  bronze  und  blei  ausgegraben  worden'. 

Über  die  bestimmung  der  beiden  andern  gebäude,  die  sich  in 
einer  cntfernung  von  20m  und  30m  vom  tempel  befanden,. läszt 


HBPomtow:  die  Orakelinschriften  von  Dodona.  347 

sich  sicheres  nicht  ermitteln;  da  sich  aber  in  dem  einen  die  meisten 
mflnzen  yorfianden ,  so  glaube  ich  mit  Bursian  und  Wieseler  gegen 
Carapanos,  dasz  wohl  das  eine  von  ihnen  der  Or^caupöc  gewesen 
sei.**'  'die  ganze  oberflttche  des  tempelbezirks ,  die  niemals  vom 
pflüge  berührt  ist,  ist  mit  erde  bedeckt,  die  zum  grösten  teil  aus 
kleinen  steinen  besteht,  die. aus  den  trUmmem  der  alten  gebäude 
herrühren,  die  yerhältnismäszig  geringe  menge  von  ziegelbruoh- 
stücken,  denen  man  begegnet,  und  die  ab  Wesenheit  jeder  spur  von 
brand  lassen  mich  voraussetzen ,  dasz  die  drei  oben  erwähnten  ge- 
bäude ganz  aus  stein  bestanden ,  und  dasz  holz ,  wenn  es  überhaupt 
Torkam ,  nur  in  sehr  schwachem  Verhältnis  zu  ihrem  bau  verwendet 
wurde'  (Carapanos  s.  21). 

Die  zweite  abteilung  des  peribolos,  das  nach  Südosten  gelegene 
temenos,  hat  eine  mittlere  länge  von  100m,  breite  von  108m, 
und  ist  im  norden  nur  durch  den  hügelabhang  von  dem  oberhalb 
liegenden  tempelbezirk  geschieden,  ganz  von  mauern  oder  von  ge- 
henden umgeben,  deren  bestimmung  sich  nicht  ermitteln  läszt,  zeigt 
es  an  der  südwestecke  einen  thorbam,  eine  art  propyläen  wie  C.  will, 
von  zwei  türmen  flankiert,  augenscheinlich  den  haupteingang.  an  den 
östlichen  und  westlichen  mauern  laufen  im  Innern  hallen  und  corri- 
4ore  entlang;  vor  und  auszerhalb  von  ihnen  ist  eine  menge  posta- 
mente  oder  piedestale  von  weihgeschenken  und  statuen  gefunden 
worden.  *8ehr  zahlreiche  bruchstücke  von  gefäszen,  Statuetten  und 
andern  gegenständen  aus  bronze,  kupfer  und  eisen,  mehrere  frag- 
mente  von  inschriften  auf  bronze-  und  kupferplatten  und  einige 
Inschriften  auf  bleiplatten  fanden  sich  um  diese  steine  herum 
vor'  —  ^das  ganze  temenos  ist  augenblicklich  ackerland.  es  ist  von 
«iner  obem  schiebt  alluvialerde  bedeckt,  die  in  der  nähe  der  mauern 
eine  grosze  menge  kleiner  steine  enthält:  eben  die  Überreste  dieser 
mauern,  ungefähr  einen  meter  tief  beginnt  eine  zweite  schiebt,  zum 
groszen  teil  aus  ziegeltrümmern  und  teilweise  aus  einer  schwarzen 
erde  zusammengesetzt,  und  enthält  viele  spuren  verbrannten  holzes 
und  kohlenstaub.  diese  erde  herscht  fast  ganz  vor  vor  den  andern 
elementen,  welche  die  untere  erdschicht  um  die  votivmonumente 
bilden,  alle  diese  anzeichen  eines  brandes  lassen  mich  voraussetzen, 
dasz  das  temenos  gebäude  enthielt,  aus  holz  gebaut  und  durch  feuer 
zerstört,  einige  menschliche  knochen  mit  tierknochen  gemischt,  die 
man  fand,  würden  selbst  voraussetzen  linsen  können,  dasz  ein  ge- 
wisser widerstand  den  angreifem  entgegengesetzt  sein  musz  durch 
die  leute,  die  sich  in  den  tempeln  befanden  und  die  unter  den  trüm-* 
mem  der  verbrannten  gebäude  begraben  worden  sind'  (Carap.  s.  27). 

^1  Carap.  hat  662  münzen  gefunden;  er  hält  die  gebäude  für  ^affeot^es 
TBknx  diff^rents  moyens  de  divinations  employ^s  par  Torade  de  Dodone', 
nnd  denkt  daran  dasz  die  eiche,  die  tauben  und  die  wunderbare  quelle 
in  ihnen  befindlich  gewesen  seien I  über  das  innere  des  tempels,  die 
seulenstellnng^B  nsw.  vgl.  Bursian  s.  4  ff.;  Wleseler  s.  18  ff  ;  der  6iicaup6c 
bei  Wieseler  s.  23. 


348  HBPomtow :  die  Orakelinschriften  von  Dodona. 

Vergleichen  wir  nun  hiermit  kurz  die  berichte  der  historiker. 
aus  Polybios  IV  67  steht  fest,  dasz  in  dem  bundesgenossenkriege 
(cu|i)LiaxiKÖc  TröXejiOC  ebd.  IV  18)  zwischen  Philippos  V,  dem  achfti- 
sehen  bund,  Boiotem,  Phokem,  Epeiroten  und  Akamanen  einer- 
seits ,  und  dem  tttolischen  bund ,  Spartanern  und  Eleiem  anderseits, 
der  Stratege  des  ätolischen  bundes  Dorimachosimj.  218  vor  Ch. 
nach  Dodona  vordrang  und  dort  die  hallen^  verbrannte;  KOT^CKa^ie 
bk  Kai  Tf)V  l€pdv  oiKiav.  ähnlidies  berichtet  Diodoros  XXVI  7.  ob 
unter  den  von  Aemilius  Paulus  im  j.  197  vor  Ch.  zerstörten  170 
epeirotischen  städten  auch  Dodona  war,  ist  fraglich  (Strabon  VII  7,  3 
und  Plut.  Aem.  Paulus  29).  die  Thraker  unter  Mithridates  ver- 
wüsten im  j.  88  vor  Ch.  Epeiros  (C.  Dion  fr.  106  Sturz),  und  end- 
lich erwähnt  Servius  zu  Verg.  Aen.  III 466  das  abhauen  der  heiligen 
eiche  durch  den  illyrischen  rftuber  Arkes.  ^' 

Lange  war  ich  geneigt  die  spuren  des  von  C.  erwähnten  brandes 
auf  des  Dorimachos  Verwüstung  zurückzuführen  und  das  alter  der 
bleiplatten  auf  die  zeit  vor  218  vor  Ch.  festzustellen,  aber  sowohl 
mehrere  inschriften,  die  ihrem  epigpraphischen  Charakter  nach  jünger 
sein  müssen  (nr.  5.  13.  20.  33),  als  auch  die  spätere  erwähnung  des 
Orakels  von  Dodona  machen  es  zur  gewisheit,  dasz  nicht  nur  der 
tempel  wieder  aufgebaut  worden  ist,  sondern  dasz  audi  das  ^avTctov 
nach  wie  vor  bestand,  worauf  aber  haben  wir  dann  jene  ^sparen 
verkohlten  holzes'  zu  beziehen?  wo  befand  sich  das  orakel,  dh.  der 
ort  der  heiligen  eiche,  der  tauben  und  der  quelle  ?  alle  diese  fragen 
sind  von  Wieseler  einer  eingehenden  erörterung  unterzogen  und 
meines  erachtens  in  überzeugender  weise  gelöst  worden,  das  ge- 
nauere beizubringen  liegt  unserm  zweck  zu  fem;  seine  resultsEtei 
deren  wir  hier  bedürfen,  sind  folgende  (ao.  s.  23 — 27). 

Der  dodonäische  wald  oder  hain^,  innerhalb  dessen  die  heilige 

^*  unter  denen  wir  wohl  jene  aufgegrabenen  corridore  zu  versteheo 
haben.  *^  Polybios  IV  67  CTfKnt\föc  ijipiQf]  Au)p(fAaxoc  öc  .  .  ^v^PoXcv 
elc  Touc  dvuj  TÖTTOUC  Tf)c  'Hircipou  Kai  Tf|v  x^pov  iö^^u,  OufAiKiOrcpov 
Xpo()|Lievoc  Tf)  KaTaq)6op^.  tö  fäp  irXdov  oü  Tf)c  cq>CT^pac  dicpcXcCoc 
dXXd  Tf)c  Tuiv  'Hircipuirdiv  ßXdßric  xdpiv  iKacra  cuvct^Xci.  iraporcvö- 
^€voc  bi  Trpöc  TÖ  ircpi  Awöidvriv  Icpöv  Tdc  t€  CTodc  ^v^irpHce  xal  iroXXd 
TUIV  dva6ii)idTU)v  öUq>6€ipc,  xaT^cxanic  bi  xal  Tf|v  Icpdv  oiidav,  djcre 
}ii\T*  €ipfivt]c  öpov  usw.  Diodor  XXVI  7  &n  Auipifiaxoc  6  tu»v  AItui- 
XiXiv  cxpaTTiTÖc  dccßf)  cuvctcX^coto  irpäEiv*  tö  fäp  ncpl  A(ub(6vt]v  ^av- 
Tclov  cuXif|cac  ^v^irpHCC  tö  Upöv  TrXfjv  toO  ciikoO.  Servius  Aen.  III  466 
ab  Arce  iatrone  HÜlirio  {lltyrio)  exckU  quereu»  praecepia  e$t,  schol.  la 
^Luc.  Phars,  III  180  quereus  illae  /uerant  coiuecraiae  lavi,  quae  dabant 
responsa  mortalibus;  postea  Lacedaemones  (sie)  obruerwU,  Wieseler  corri- 
giert  mit  recht  Iatrone»  (aus  Laeones,  wofür  der  schol.  Lacedaemones 
setzte,  verlesen),  und  wir  haben  unter  ihrem  führer  eben  jenen  Arkes 
zu  denken;  dasz  aber  dessen  that  sich  aaf  S18  vor  Ch.  besiehe,  wie 
manche  behaupten,  halte  ich  mit  Wieseler  und  Hermann  (gott.  alt.  f  40 
anm.  23)  für  undenkbar.  Carapanos  sucht  in  ihm  einen  christlichen 
räuber  und  setst  ihn  ins  vierte  jh.,  vielleicht  richtiger.  ^  dXcoc  bei 
Supb.  Trach.  1167;  nemu»  und  siloa  bei  Servius  ao.,  schol.  Lac  Pkart, 
III  ISO  tu   Chaonio  nemore  und  VI  427  Dodona  est  süva.    hmoptquellen 


HBPomtow:  die  orakelinschriften  Ton  Dodona.  349 

eiche  stand ,  wird  häufig  von  den  autoren  erwähnt ,  aber  über  seine 
läge  sagen  sie  nichts,  folgendes  haben  wir  aus  einer  combination 
der  ausgrabungen  mit  den  schriftstellerangaben  zu  entnehmen :  der 
faain  befand  sich  nicht  auf  dem  plateau  beim  tempel,  sondern  in  der 
niederung  des  temenos,  und  jene  holzkohlen  sind  seine  reste;  also 
zwischen  den  beiden  corridoren  und  dem  sQdabhang  des  hügels  bis 
zum  ausgangsthor  breitete  sich  das  äXcoc  aus.  in  ihm  standen  in 
mächtigem  umkreis  jene  berühmten  ehernen  dreifuszkessel ,  deren 
herumrollendes  tönen  zu  dem  Sprichwort  Au)bu)vaTov  xoi^K€iov  ver- 
anlassung gab,  und  diese  wieder  umschlossen  die  eigentliche  orakel- 
stätte,  das  fxavTcTov:  die  heilige  eiche  (oder  mehrere),  auf  ihr  die 
tauben ,  an  ihrer  wurzel  die  quelle ,  daneben  ein  altar  und  der  tisch 
mit  den  softes. 

Nur  so  können  wir  alle  berichte  in  Übereinstimmung  bringen ; 
nun  wird  verständlich:  dasz  Dorimachos  (bei  Polybios)  den  tempel 
zerstört  und  doch  (bei  Diodoros)  TÖ  MavTcTov  cuXrjcac  iv^Tipiice  tö 
lepöv  7rXf|V  ToO  ciikgO  (unter  dem  ciiKÖc,  dem  fxavT€iov  wird 
eben  jener  von  dreifuszkesseln  umstellte  räum  verstanden)  —  dasz 
Demon  (bei  Steph.  Byz.  u.  AuibuüVr))  berichtet;  der  tempel  des 
dodonäischen  Zeus  habe  keine  wände  gehabt  (!) ,  sondern  statt  dessen 
aneinanderstehende  dreifüsze,  und  derselbe  bei  Suidas  udw.  aus- 
drücklich angibt:  ÖTi  TÖ  .  .  fiavTCiov  X^ßr^civ  £v  kükXuj  Tiept- 
eiXiiTTTai^  —  dasz  der  scholiast  zu  Lucanus  {Phars.  III  180)  ganz 
recht  hat,  wenn  er  sagt:  in  Chaonio  nemore  supra  qtuisdafn  quercus 
in  aereis  ollis  (deutlicher  wäre  intra  gewesen)  cölumhae  quae 
ddbant  responsa  usw.  —  und  endlich  dasz  auch  Servius  angäbe  ao. 
circa  hoc  templum  quercus  inmanis  fuisse  dicüur  hierzu  vollkom- 
men passt. 

Auch  der  kleine  auffallende  umstand  in  jener  bekannten  Cicero- 
steile^  findet  nach  meiner  meinung  hierdurch  seine  erklärung:  wie 
nemlich  in  aller  weit  der  äffe  des  Molosserkönigs  in  das  orakel- 
heiligtum  kommen  konnte:  er  hielt  sich  auf  den  die  Xeßiirec  um- 
gebenden bäumen  des  haines  auf  und  konnte  von  dort  herabsprin- 
gend leicht  genug  die  sortes  in  Verwirrung  bringen. 


für  Dodona  und  seine  geschichte  waren  und  sind :  Demon;  des  Prozenos 
'HiTCipiüTiKd;  Poleroon  na.  Proxenos  iy  Tolc  Tf)c  Au)&U»viic  €X€Ci  (Müller 
FHG.  U  fr.  2  s.  462)  stimmt  aufs  genaueste  mit  Carapanos:  ^im  Süd- 
westen wird  das  thal  von  Tscharakovista  durch  den  Tomaros  abge- 
schlossen .  .  an  seinem  fusze  sprudeln  zahlreiche  quellen  hervor,  deren 
Wasser  einen  teil  der  ebene  in  einen  sumpf  verwandelt.' 

*^  dem  Steph.  Byz.  verdankt  man  das  wort  vaöc,  während  Demon 
^avTclov  geschrieben  (so  bei  Suidas)  und  damit  jenen  ofifenen  platz  ge- 
meint hatte.  *^  Cic.  de  div.  I  76  maximum  vero  illud  porterUum  itdem 
SpartiatU  fuU,  quod^  cum  oraculum  ad  love  Dodonaeo  petivissent  de  victoria 
sciscitarUes  legaiique  illud  in  quo  inerant  sortes  coliocavissenty  simiaj  quam  rex 
Molossorum  in  deliciis  habebai,  et  sortes  ipsas  et  cetera  quae  erant  ad  sortem 
parata  disturbavit  et  aliud  alio  dissipavit,  tum  ea  quae  praeposita  erat  ora- 
culo  sacerdos  dixisse  dicitury  de  salute  Lacedaemoniis  esse,  non  de  victoria 
cogitandum. 


350  HBFomtow:  die  Orakelinschriften  von  Dodona. 

Doch  zurück  zu  unsem  bleiplftttchen.  daraus  dasz  sie  bei  dem 
brande  nicht  geschmolzen  sind  läszt  sich  auf  einen  nicht  yerbrannten, 
feuerfesten  aufbewahrungsort,  dh.  ein  steinernes  gebäude  schlieszen. 
es  gab  also  in  Dodona  ein  orakelarchiv ,  wo  die  priester  dasjenige 
was  zur  innem  Verwaltung  des  Orakels  gehörte  deponiert  hatten. 

Die  grosze  Verschiedenheit  der  dialekte^  und  handschriften  be- 
zeugt zur  genüge,  dasz  jeder  theore^^  selbst  mit  eigner  band  das 
täfelcben  beschrieb,  die  völlige  äuszere  gleiohartigkeit  der  täfeichen 
beweist,  dasz  sie  nicht  etwa  den  theoren  gehörten,  sondern  dasz  sie 
ihnen  leihweise  von  den  priestem  zur  benutzung  zugestellt  und  nach 
derselben  in  das  archiv  zurückgegeben  wurden. 

Wir  haben  also  in  Dodona  die  feste  einrichtung  schriftlicher 
anfragen,  von  welcher  regel  niemand,  weder  Staaten  (nr.  1 — 5)  noch 
Privatleute,  weder  hirten  (nr.  15)  noch  kaufleute  (nr.  17.  22c),  ja 
nicht  einmal  frauen  (22a)  ausgeschlossen  werden  konnten;  doch  war 
es  gestattet  dasz  mehrere,  die  in  handeis-,  familien-  oder  sonstiger 
Verbindung  standen  und  die  eine  gemeinsame  angelegenheit  zur  be* 
fragung  des  Orakels  nötigte,  einen  aus  ihrer  mitte  mit  abfassung  der 
anfrage  betrauten  (nr.  22  cd.  17),  wie  denn  auch  der  mann  zugleich 
für  seine  frau  fragen  durfte  (nr.  8).  bei  anfragen  von  Staaten  fragt 
der  Schreiber  im  namen  seines  KOivöv,  ohne  nennung  des  eignen 
namens :  wir  haben  uns  unter  ihm  wohl  den  &pxi6^Uipoc  selbst  vor- 
zustellen, falls  die  theorie  aus  mehreren  mitgliedem  bestand,  den 
Privatleuten  war  es  gestattet  ihren  namen  zu  verschweigen,  wenn 
sie  dazu  stichhaltigen  gruad  hatten,  und  nur  die  frage  hinzusehrei- 
ben, das  regelmäszige  jedoch  ist,  dasz  der  Schreiber  nach  voranstel* 
lung  der  religiösen  eingangsformel  dem  namen  der  götter  dann  seinen 
eignen  anfügt,  dasz  jeder  theore  ein  besonderes  plättchen  zur  an- 
frage  erhielt,  nicht  etwa  verschiedene  ein  und  dasselbe  benutzten, 
so  dasz  der  erste  die  vorder-,  der  zweite  die  rücksei te  beschrieb, 
folgt  nicht  nur  aus  den  priestervermerken,  die  auf  die  damals  also 
noch  freie  rückseite  geschrieben  wurden ,  sondern  auch  aus  dem  be- 
kannten umstand,  dasz  die  fragenden  oft  auf  das  ängstlichste  be- 
dacht waren ,  weder  den  Inhalt'  der  anfrage  noch  die  antwort  pro- 
fanen obren  bekannt  werden  zu  lassen,  ja  sogar  ihre  namen  ver- 
schwiegen sie  aus  demselben  gründe,  die  so  von  ihnen  beschriebenen 
platten  wurden  den  priestern  zurückgegeben,  häufig  von  diesen 
eigenhändig  mit  einem  kurzen,  in  groszen  buchstaben  deutlich  sicht- 
baren vermerk  auf  der  rückseite  versehen,  der  bei  öfifentlichen  an- 
fragen wohl  nur  in  dem  kurzen  A(afiöciov)  bestand  (nr.  1.  35),  bei 

^^  wie  man  angesichts  dieser  thatsache  doch  sagen  kann:  'iis  ^ori- 
vaient  leurs  demandes,  on  les  faisaient  ^crire  par  les  pr^tres  snr 
des  plnques  de  plomb*  (Carapanos  s.  169),  verstehe  ich  nicht.  ^^  der 
kürze  halber  bezeichne  ich  die  anfragenden  mit  dem  gesamtnamen 
Ocuüpoi;  dasz  dieser  name  aber  eigentlich  nur  den  von  Staats  wegen 
fra^^enden  zukam,  stellt  sich  für  jeden  heraus,  der  beim  durchlesen  der 
Htteratur  darauf  achtet. 


HBPomtow:  die  orakelinschriften  von  Dodona.  351 

Privatleuten  jedoch  den  anfang  des  schreibemamens  (€öav[bpoc 
nr.  8;  ^Air[ic  12;  vielleicht  22 cd.  11.  32 e)  oder  bei  namenlosen  an- 
fragen eine  inhaltsüberschrift  (irep  irpoßaTeiac  nr.  21)  enthielt^  und 
dann  —  ja  was  dann  zunächst  mit  ihnen  geschah ,  lehren  sie  selbst 
uns  nicht  mehr,  und  wenn  wir  wie  bisher  nur  positiv  sichere  Schlüsse 
ziehen  wollen ,  müssen  wir  sie  zunächst  ihrem  Schicksal  Überlassen : 
denn  erst  über  eine  spätere  phase  ihres  daseins  geben  sie  selbst  uns 
wieder  aufschlusz. 

Wirkliche  orakelantworten  haben  sich  freilich  nicht  unter  ihnen 
gefunden ,  und  der  grund  ist  ja  leicht  genug  einzusehen ,  da ,  wie 
schon  bemerkt  (nr.  29),  die  theoren  ihre  orakel  mit  nach  hause  nah- 
men, dasz  dem  in  der  that  so  war,  dasz  wir  wie  schriftliche  fragen, 
so  auch  schriftliche  antworten  als  gesetz  ansehen  können  —  das 
zu  bezeugen  treten  nun  in  erwünschter  weise  die  litterarischen  be- 
weismittel  da  ein,  wo  uns  die  unmittelbaren  zeugen,  dh.  die  auf- 
gefundenen Orakelreste ,  im  stich  zu  lassen  beginnen,  ich  beabsich- 
tige hier  keine  auch  nur  irgendwie  vollständige  Übersicht  dieser 
stellen ,  die  ich  mir  für  eine  andere  gelegenheit  vorbehalte  und  die 
ich  auch  in  erschöpfender  Vollständigkeit  bei  dem  noch  nicht  abge- 
schlossenen zustand  meiner  samlungen  nicht  zu  geben  vermöchte, 
sondern  weise  nur  kurz  auf  die  beiden  hauptstellen  hin :  Soph.  Trach. 
1165  ff.  und  Dem.  g.  Makart.  66. 

In  der  ersten  stelle  erzählt  uns  nemlich  Herakles ,  wie  er  sich 
ein  Orakel  aus  Dodona  geholt:  jiavTeTa  Kaivd,  toTc  irdXai  guvrJTopa,  | 
&  Tuiv  öpeiuiv  Kai  xctjiiaiKoiTuiv  t(^  \  CeXXuiv  ^ceXOibv  SXcoc  eice- 
Tpotipä^riv  I  irpöc  ttjc  Traxpiuac  kqI  ttoXutXuiccou  bpuöc ,  |  f^  jioi 
Xpöviij  TiD  Z^uivTi  Kttl  TrapövTi  vöv  |  IqpacKe  jiöxOuJv  tOuv  iqpecxifi- 
TUiv  djuioi  Xüciv  TeXeicGar  KäbÖKOuv  Tipd^eiv  KaXuuc  usw.  mit  der 
gerade  bei  den  tragikem  so  häufigen  art  anachronismus  überträgt 
Sophokles  die  zustände  seiner  zeit  auf  das  mythische  altertum;  be- 
handelt man  diese  anachronismen  der  tragiker  vorsichtig  und  gründ- 
lich, so  werden  sie  uns  noch  viele  bisher  ungehobene  schätze  für  die 
culturgeschichte  des  fünften  jh.  mitteilen ;  eine  erschöpfende  Unter- 
suchung hierüber  wäre  wohl  zu  wünschen:  ist  doch  allein  die  aus- 
beute für  unsere  kenntnis  des  Orakelwesens  im  fünften  jh.  über- 
raschend genug,  man  denke  nur  an  den  anfang  der  Eumeniden;  und 
so  haben  wir  auch  hier  den  beweis,  wie  man  selbst  die  fragen  (und 
zum  teil  nach  priesterdictat,  davon  später)  niederschrieb,  so  auch 
jeder  theore  die  Orakelantwort,  wie  sie  der  priester  ihm  vorsagte, 
ekeirpäMiOtTO.  auch  bei  Herodotos^^  findet  sich  von  Delphoi  ähn- 
liches bezeugt;  dort  will  aber  Stein  das  medium  (cufTpdvpacGai)  er- 
klären 'für  sich  aufschreiben  lassen',  um  diese  auffassung  zu  wider- 
legen und  um  die  frage  nun  endlich  abschlieszend  zu  erörtern,  musz 

**  I  48  TaOra  oi  Auöol  eccmcdcric  Tfjc  TTuGiac  cuTTP<iM'<iM£voi  otxovro 
dmövrec  ^c  rdc  Cdpöic.  dazu  Stein:  «cvTYPdMiacOai  für  sich  aufschrei- 
ben lassen,  nenoJich  vom  iTpoq>f|Tric  (I  48,  1.  VII  142,  2)  .  .  aber  VIII 
185,  17  steht  das  wort  vom  Schreiber  selbst»  (!). 


352  HRPomtow :  die  orakeliDschriften  Yon  Dodona. 

ich  etwas  weiter  ausholen  und  mich  zu  der  oben  citierten  Demosthenes- 
stelle  wenden. 

Alle  in  des  Demosthenes  reden  eingelegten  actenstücke  haben 
ihre  bearbeiter  gefunden,  nur  die  orakel^  noch  nicht;  ich  hoffe 
dieselben  später  einmal  eingehend  behandeln  zu  können ,  hier  musz 
ich  mich  auf  wenige,  unumgänglich  nötige  notizen  Über  das  vor- 
liegende Orakel  beschränken,  es  besteht  deutlich  aus  zwei  teilen; 
der  erste  enthält  noch  die  vollständige  anfrage,  der  zweite  die  ant- 
wort  darauf,  und  es  ist  ungemein  interessant  zu  sehen ,  dasz  diese 
form  der  anfrage  auf  das  genaueste  mit  der  unserer  dodonäischen 
bleiplättchen  übereinstimmt;  sie  lautet:  dT0i6^  'Tuxi)«  ^TrepuiT^  6 
bnjioc  6  'AGiivaiuJv  Trepl  toö  aijueicu  toO  iv  Tip  oupovip  T€vo|li^vou' 
ö  Ti  &\  bpuiciv  'AOrivaicic  f\  ötiu  Oeijj  Otiouciv  f\  eöxoM^voic  eXr\  tnl 
TÖ  Sfieivov  diTÖ  TOÖ  crmeicu;  wir  würden  nicht  einen  augenblick 
verwundert  sein,  wenn  sich  wort  für  wort  solche  anfrage  auf  einem 
der  obigen  plättchen  erhalten  hätte,  es  folgt  die  antwort :  cu^q>^p€t 
'AGiivaioic  Trepl  toO  ameiou  toO  iv  Tip  oupavip  tcvo^i^vou  Otiov- 
Tac  KaXXiepciv  All  ÖTrdTi^,  'AGiiv^  uirdTij,  'HponcXei,  'AttöXXuivi 
cujTTipi  Kai  dTTOTT^^ireiv 'A|üiq)i<KTi>öv€ccr  nepVxvxac  dTctOfic 
*A7TÖXXuivi  diruiei,  AaToT,  *ApT^^ibi,  Kai  toc  dtuidc  KVicffv, 
Kai  KpaTf^pac  IcTd^ev  Kai  xopouc,  Kai  cT€q>aviiqK)p€Tv  Korrd 
TT&Tpia  Geoic  'OXu^irCoic  koI  'OXujLuriaic  ndvTCcci  koI  ndcaic, 
behäc  Kai  dpicrepdc  dvicxovTac,  juvacibuipeiv  Korrd  irdTpia* 
T^puj  dpxHT^TCji»  oö  iTrilivu^oi  icT€,  Giiciv  kqI  buipoTcXeiv  KOTTd 
irdTpia*  ToTc  diToq)6i^^voic  iv  iKVOu^^vqi  djn^pqi  TcXeiv  toOc 
TToGiKOVTac  Karrd  dtrm^va.  das  orakel  gehört,  mit  ausnähme 
der  letzten  werte  (toic  diToq)Gi^^voic  .  .  dTTlM^va),  die  aus  den 
gleich  folgenden  des  redners  (6  Oeöc  KeXeuuiv  TOic  kotgixojli^voic 
TTOieiv  Touc  irpoci^KOvrac  iv  Taic  xaGiiKOucaic  f^^paic)  später 
hinzugefügt  sind,  gar  nicht  an  diese  stelle,  der  redner  läszt  es  vor- 
lesen :  Kv  *  aicGricGc  öti  TaiiTd  X^yei  (f|  ^avTcia)  Trepl  tiuv  irpooiKÖv- 
TUiV  toTc  vöjioic  TOic  ToO  CöXuJVOC.  diese  kurz  vorher  vorgelesenen 
vö^oi  enthalten  aber  etwas  ganz  anderes  als  unser  orakel  I  wie  es 
hierher  gekommen,  wissen  die  götter;  dasz  es  aber  seinen  weg 
ziemlich  direct  aus  dem  attischen  Staatsarchiv  des  Metroon  genom- 
men, ist  mir  nicht  unwahrscheinlich.^*    dort  wurden  die  erteilten 


-^  es  handelt  sich,  abgesehen  von  Dem.  8.311.  1466  (epist.  1)  1487 
und  1488  (epist.  4),  wo  nur  orakel  erwähnt  werden,  um  s.  436  (ir.  irapairp.) 
und  8.  bSO  f.  (g.  Meidxas),  ausserdem  unsere  stelle  s.  1072.  der  tezt  des 
ersten  ist  ausgefallen,  läszt  sich  aber  aus  dem  zusammenbang  restituieren; 
dann  folgen  die  vier  orakel  der  Midiana,  die  ich  zwar  für  sämtlich  un- 
echt, aber  doch  in  alter  zeit  entstanden  und  darum  fOr  wertToll  halte 
(Borgk  GLO.  I  s.  335  anm.  69  ■-  s.  339  anm.80  b&lt  sie  fOr  echt),  anoh 
die  sämtlichen  übrigen  redner  sind  heranzuziehen;  eingelegt  sind  oder 
waren  orakel  bei  Aischines  g.  Kies.  118.  Deinarcbos  §  78  f.  98  f.;  sonst 
kommen  natürlich  nicht  selten  innerhalb  der  reden  orakelerwihnangea 
vor,  die  hier  aufzuzählen  zu  weit  abliegt.  ^^  oder  falls  es  noch  ein  ds» 
sonderes    archiv   des    ezegetencoUeg^    in  Athen  gegeben  haben  soUlSy 


HBPomtow:  die  orakeliuschriften  von  Dodona.  353 

Orakel,  nachdem  sie  vor  ßouXfj  und  dKKXT]cia  von  den  zurückkommen- 
den tbeoren  vorgelesen ,  über  sie  ein  psephisma  (und  meist  ein  zu- 
stimmendes) gefaszt  und  sie  dadurch  sanctioniert  und  zum  gesetz  er- 
hoben waren,  bzw.  ihre  ausführung  beschlossen  war^',  deponiert, 
und  zwar  in  der  form ,  wie  sie  uns  heute  hier  vorliegt :  dasz  nemlich 
zuerst  noch  einmal  die  frage  des  theoren  wörtlich  vorangestellt  und 
dann  das  orakel  darunter  geschrieben  wurde,  wie  sie  es  aus  priester- 
mund  empfangen,  oben  oder  unten  wohl  mit  ftuszeren  daten,  wie 
archon,  prjtanie,  tag  der  absendung  und  ankunft,  name  der  Pythia 
und  des  amtierenden  prophetes  udgl.  versehen. 

Die  frage  ist  attisch  geschrieben,  auch  der  anfang  der  antwort; 
im  weitem  verlauf  aber  kommen  erst  wenige,  dann  immer  mehr 
dorische  formen  vor:  und  dies  ist  hinreichender  beweis,  dasz  nicht 
die  priester  selbst  den  theoren  die  antworten  aufschrieben  (denn  dann 
wäre  alles  dorisch),  sondern  dasz  sie  ihnen  dieselben  dictierten 
(vgl.  die  directe  rede  ou  dirdivu^oi  £ct€);  natürlich  dictierten  sie 
dorisch ,  die  Athener  aber  schrieben  anfangs  attisch  nieder ,  lieszen 
dann  aber  einzelne,  endlich  mehrere  dorische  formen  mit  unterlaufen. 

Also  in  Delphoi  schrieben  die  theoren  selbst  die  antworten  nie- 
der; wenn  aber  bei  Herodotos  I  47  demnach  cuV€irp(iipotVTO  diese 
bedeutung  hat,  so  müssen  wir  auch  bei  Sophokles  eiceTpotMidMilv 
ebenso  übersetzen  ('schrieb  ich  auP),  und  damit  ist  auch  für  Dodona 
die  thatsache  als  sicher  gefunden:  die  priester  dictierten  den 
wartenden  theoren  die  antwort  des  gottes,  die  sie  wohl  auch  auf 
bleitftfelchen  schrieben  und  dann  natürlich  mit  nach  hause  nahmen. 

Nun  zeigen  uns  aber  viele  bleiplatten  nicht  nur  die  rückseite 
beschrieben  (nr.  4.  6.  10.  16—19.  20.  22  [22h],  24.  30.  31.  33. 
35 — 37.  39 — 41),  sondern  auch  auf  dem  freien  räum  der  vorder- 
und  rückseiten  nicht  selten  eine  zweite  anfrage  (nr.  6.  (17)  22. 
33.  37).  auszerdem  finden  sich  oft  verstümmelte  worte,  buchstaben- 


auch  daher;  vermittler  war  wohl  Krateros,  von  dem  es  ja  feststeht 
dasz  er  in  seiner  ^ir)q>tC)LidTUJV  cvvaTUiip^  alle  möglichen  Urkunden  auch 
auszer  den  psephismen  gesammelt  hat,  und  es  wäre  nur  consequent,  wenn 
er  dergleichen  öffentliche  orakel  auch  im  Metroon  abgeschrieben.  4in 
Orakel  (freilich  eins  das  noch  in  halb  mythische  seit  gehört)  läszt  sich 
wenigstens  sicher  unter  den  18  fragmenten  seines  Werkes  als  in  dieser 
samlung  vorbanden  und  ausführlich  besprochen  nachweisen:  das  orakel 
und  das  sich  daran  knüpfende  psephisma  wegen  der  Brauronischen  bärin : 
Krateros  fr.  17;  aus  ihm  schöpften  ausführlich  ohne  quellenangabe, 
aber  beide  übereinstimmend,  schol.  (11)  Ar.  Lys.  645  und  Suidas  u.  dpKTOc 
fj  BpaupiOvtoc.  vorher  hatte  Lysias  davon  gehandelt  fr.  244  (or.  att.  II 
8.  297).  da  eben  alle  öffentlichen  orakel  ^ut  legis  vigorem  habeant'  erst 
zu  psephismen  erhoben  werden  musten,  so  ist  diese  hypothese  der  existenz 
von  orakeln  in  Krateros  samlung  höchst  wahrscheinlich,  übrigens  sieht 
jeder  dasz  die  obig^  orakelantwort  aus  mehreren  teilen  bestand;  der  erste 
beginnt  mit  irepl  xOxac  draOdc  usw.,  aber  das  alles  auszuführen  ist  hier 
nicht  der  ort.  ^  die  ausführliche  begpründung  der  obigen  darstellung 

folgt  aus  der  neuerdings  in  Eleusis  gefundenen  inhaltreichen  Inschrift 
über  die  dirapxotl  tuiv  KapiT(£)v  (bull,  de  corr.  hell.  1880  april),  deren 
hauptinhalt  die  Verhandlung  über  die  fiavTeia  f\  if  A€Xq>u)v  bildet. 

Jahrbficher  für  cIms.  philol.  1883  hft  5  u.  6.  23 


354  HRPomtow :  die  orakelinschriften  von  Dodona. 

resie  usw.,  über  deren  wahre  beschaffenheit  ich  erst  aufgeklärt 
wurde,  als  ich  Yischers  bemerkungen  zu  den  bleiplättchen  von  Stjra 
las  (kl.  sehr.  II  s.  118):  ^dagegen  ist  noch  eine  eigentUmlichkeit  zu 
bemerken ,  welche  das  entziffern  nicht  wenig  erschwert,  auszer  den 
buchstaben  des  hauptnamens  [auf  unsern  plättchen  der  hauptfrage] 
sind  nemlich  noch  sehr  oft  schwächere  dazwischen  und 
darunter  erhalten;  bisweilen  nur  ganz  feines  gekritzel,  bald 
in  gleicher  Stellung  wie  der  hauptname  [bzw.  die  hauptfrage]  bald 
in  verkehrter,  auch  wohl  linksläufig,  wo  jener  rechtsläufig,  und  um- 
gekehrt, ohne  zweifei  sind,  wie  schon  Busopulos  bemerkt,  frühere 
auf  das  blei  geschriebene  namen  [bzw.  fragen]  ausgestrichen, 
dh.  das  blei  ist  möglichst  ausgeglättet  worden,  auf  einzelnen 
platt  eben  unterscheidet  man  so  drei  bis  vier  verschiedene 
Schriften,  in  den  seltneren  fällen  läszt  sich  noch  ein  unterer 
name  [bzw.  frage]  mit  Sicherheit  erkennen.'  es  ist  das  wort  für 
wort  auf  unsere  inschriften  passend,  auch  hier  sind  oft  ganze  Zeilen 
vom  blei  verschwunden  (vgl.  anm.  20),  was  wir  ohne  die  annähme 
einer  absichtlichen  tilgung  nicht  erklären  können;  oder  es  finden 
sich  verstümmelte  inschriften  genau  in  den  zeilenzwischenräamen 
der  erhaltenen  (nr.  6..  13.  17.  225.  30.  32.  34.  36);  jedoch  keine 
von  diesen  in  gröszeren,  tieferen  zügen,  was  beweist  dasz  diese  in- 
schriften die  ersten  waren,  dasz  dann  bei  glättung  der  platte  die 
heute  noch  sichtbaren  reste  stehen  blieben  und  der  neue  Schreiber 
natürlich  nicht  über  sie  hinwegschrieb  (um  seine  eignen  buchstabeu 
nicht  undeutlich  zu  machen),  sondern  die  breite  seiner  zeilenz wischen- 
räume nach  dem  Vorhandensein  dieser  reste  richtete  (nr.  IIb.  24  5. 
34  ua.). 

Sind  mehrere  inschriften  auf  6iner  platte  erhalten,  so  scheint 
die  zweite  doch  dem  Charakter  der  schrift  nach  bisweilen  aus  der- 
selben epoche  zu  stammen  wie  die  erste  (nr.  10.  22.  30);  bisweilen 
freilich  gehören  sie  einer  jungem  zeit  an,  oft  liegen  60 — 80  jähre 
dazwischen  (nr.  4  [—8].  6  [—  14].  16.  20.  33). 

Nachdem  also  von  den  theoren  die  anfrageplättchen  benutzt 
waren,  erhielten  sie  die  priester  zurück  und  bewahrten  sie,  wie  ihre 
erhaltung  beweist,  im  archiv  auf.  warum  dies  geschah,  ist  nicht  so- 
fort klar;  wäre  es  nur  der  praktische  zweck  der  spätem  benutzung 
gewesen,  so  würden  alle  platten  und  die  ältesten  gerade  die  meisten 
spuren  doppelten  gebrauchs  zeigen  müssen;  aber  über  die  hälfte 
(und  unter  ihnen  die  älteren  nr.  1  und  2)  sind  völlig  frei  davon. 
es  bleibt  nur  die  annähme  übrig,  dasz  einer  eventuellen  controle 
wegen  es  für  nötig  erachtet  wurde,  auszer  der  samlung  aller  ge- 
gebunen  Orakel'*  auch   eine    fragensamlung   anzulegen,    auf  eine 

^  für  Dodona  steht  mir  im  Augenblick  der  nach  weis  einer  orakel- 
SAmlung  nicht  zu  fi^ebote;  da  aber  alle  griechischen  orakel  ähnliche 
einrichtnngen  besaszen  und  in  Delphox  eine  orakelsamlung  bestand,  so 
lasEt  sich  auch  für  Dodona  unbedenklich  eine  solche  voraussetzen, 
weuigstcns    die  innern  gründe  sind  hier  wie   dort  dieselben,    auch  in 


HBPomtow:  die  orakelinscluriften  von  Dodona.  355 

doppelte  Befragung  in  derselben  angelegenheit ,  ja  auf  ein  contro- 
lieren  der  theoren  und  der  von  ihnen  überbrachten  antworten  durch 
die  absender  führen  spuren  in  der  litteratur  ^  hin,  und  es  ist  eelbst- 
yerstttndlich ,  dasz  in  solchen  fällen  die  priester  endgültige  beweis- 
mittel  in  bänden  behalten  musten,  um  sich  rechtfertigen  zu  können, 
dh.  um  nachzuweisen ;  welche  frage  an  sie  gerichtet  und  welche  ant- 
wort  von  ihnen  erteilt  war.  zum  beweis  des  erstem  diente  die  von 
der  theoren  eigner  band  geschriebene  anfrage ,  und  d&rum  wurden 
diese  plättchen  aufbewahrt. 

Diese  aufbewahrung  muste  natürlich  in  irgend  einer  Ordnung 
geschehen;  wir  haben  diese  nicht  etwa  aus  einzelnen  föchern  (irep 
npoßaTeiac  usw.)  bestehend  zu  denken ,  wie  mir  früher  wahrschein- 
lich war  —  denn  dann  wäre  bei  den  wechselfällen  des  bürger- 
lichen und  staatlichen  lebens  eine  unbegrenzte  anzahl  derselben  nötig 
gewesen  —  sondern  wir  können  uns  dieselbe  nur  als  eine  chrono- 
logische vorstellen,  wenigstens  lösen  sich  nur  dann  alle  Schwierig- 
keiten, die  uns  die  doppelt  benutzten  plättchen  bereiten.  ^^ 

Natürlich  dürfen  wir  uns  diese  chronologische  aufbewahrung 
im  archiv  nic)it  als  unumstöszliche  regel  und  für  alle  ewigkeit  be- 
stehend denken,  wenn  Hinz  oder  Kunz  über  köpf  weh  fragte,  lag  es 
wahrlich  nicht  im  interesse  der  priester,  diese  wichtige  thatsache 
ängstlich  mehrere  Jahrhunderte  aufzubewahren ;  und  welcher  ballast 
von  archivalischen  verraten  hätte  sich  da  aufhäufen  müssen!  wenn 
dagegen  Staaten  wie  Korkjra  oder  Tarent  über  politische  dinge  sich 
rats  erholten,  so  konnten  derlei  thatsachen  auch  später  noch  wichtig 
genug  für  das  orakel  werden ,  und  man  liesz  sie  nicht  vernichten, 
aus  alle  dem  folgt  dasz,  wenn  einmal  bei  besonders  starker  frequenz 

Delphoi  sind  schriftliche  fragen  direct  bezeugt  durch  ein  bisher 
nicht  beachtetes  nnd  leider  verstümmeltes  scholion  zu  Ar.  Plutos  39, 
ans  dem  die  oben  angeführte  dvaKoivuJCtc  irpöc  t6v  Oeöv  stammt;  dies 
ist,  so  weit  mir  bekannt,  die  einzige  nachricht  hierüber,  über  die  be- 
schaffenheit  des  archivs  und  der  orakelsamlung  in  Delphoi  hier  eine 
ausführliche  Übersicht  zu  geben  würde  zu  weit  führen;  sie  werden  be- 
zeugt durch  £nr.  Pleisth.  fr.  629;  Aischines  g.  Ktes.  cap.  35  anf.;  Po- 
lemon  bei  Ath.  s.  606;  Flut.  Lys.  26;  vgl.  Lukianos  Alex.  27  und  vor 
vor  allen  Photios  u.  JÖTOCTpov. 

^  nicht  nur  folgt  aus  der  nutur  der  sache  dasz,  wenn  theoren  auf 
dem  rückweg  starben  oder  beraubt  wurden  oder  —  wie  es  gar  nicht 
selten  vorkam  —  wenn  sie  vorher  bestochen  waren  ein  falsches  orakel 
unterzuschieben  (solche  bestechnngsgeschichte  vgl.  bei  Menekrates  fr.  6 
in  CMüllers  FHG.  II  und  öfter),  die  möglichkeit  vorhanden  sein  muste, 
das  verlorene  oder  ursprüngliche,  echte  orakel  wiederzuerhalten,  son- 
dern es  folgt  auch  deutlich  aus  der  erzählung  im  Oedipns  Tyr.  603, 
wo  Kreon  vom  könig  fordert,  man  solle  boten  nach  Delphoi  senden  und 
anfragen  lassen,  ob  er  das  orakel  unverfälscht  überbracht  habe  (iru 6 oO 
T&  xpY\cQiyT  *  €i  caq)(Z)C  fJTTCtXd  coi) ;  über  den  anachronismns  s.  o. ;  auch 
Kroisos  setzt  voraus,  dasz  man  alle  ihm  früher  erteilte  orakel  in  Delphoi 
noch   sehr  wohl  kenne  (Herod.  I  90]  ua.  ^^  vielleicht  wurden  auch 

erst  bei  dieser  einregistrierung  in  das  archiv  die  priestervermerke  und 
Überschriften  hinzugefügt,  dienten  dann  also  der  Übersichtlichkeit  und 
leichtern  auffindung. 

2a» 


356  HRPomtow :  die  orakelinBchriften  yon  Dodona. 

oder  aus  anderen  gründen  die  vorhandenen  frageplatten  nicht  aus- 
reichten ,  man  auf  filtere  Serien  zurückgriff ,  deren  Schreiber  längst 
im  Hades  ruhten,  dasz  man  entweder  das  blei  von  neuem  glättete 
und  so  die  alte  inschrift  vernichtete,  falls  nicht  mehr  räum  genug  zu 
einer  neuen  anfrage  da  war  —  und  daher  stammen  dann  jene  alten 
inschriften-  und  fragereste,  wenn  die  glttttung,  wie  meist,  nur  ober- 
flächlich geschah  —  oder  man  liesz  bei  geringerer  ausdehnung  die 
alte  frage  stehen ,  da  auf  ihr  bekanntwerden  nun  nach  jähren  nichts 
mehr  ankam ,  oder  endlich  man  verschonte  zur  bequemlichkeit  des 
neuen  benutzers  die  praescripte  und  vernichtete  nur  das  übrige 
(nr.  35).  dasz  aber  auch  bei  diesem  benutzen  der  frühem  Serien 
mit  vorsieht  und  auswahl  verfahren  wurde,  ist  natürlich,  und  die- 
sem umstände  haben  wir  es  zu  danken,  dasz  einige  verhältnis- 
mäszig  recht  alte  platten  (nr.  1.  2.  6.  7.  47)  auf  uns  gekommen 
sind,  die  grosze  mehrzahl  stammt  auch  noch  aus  classischer  zeit,  dh. 
aus  dem  vierten  und  dritten  jh.  vor  Ch. ,  nur  wenige  sind  jungem 
datums. 

Combinieren  wir  aber  diese  altersverhftltnisse  sowohl  mit  dem 
was  uns  von  der  geschichte  Dodonas  bekannt  ist,  al^auch  mit  den 
deshalb  ausführlich  oben  klargelegten  topographischen  Verhältnissen, 
so  erhalten  wir  folgende  ergebnisse ,  die  mir  nicht  zu  weit  ab  von 
der  Wahrheit  zu  liegen  scheinen. 

Ein  groszer  teil  der  plättchen  stammt  in  der  that  aus  dem  alten 
von  Dorimachos  zerstörten  archiv,  wobei  sehr  viele  der  dort  von 
alters  her  aufbewahrten  täfeichen  zu  gründe  giengen.  als  local  dieses 
archivs  nehme  ich  eins  der  beiden  auf  dem  plateau  des  tempelbezirks 
gelegenen,  später  nicht  wieder  aufgebauten  steinernen  gebäude  in 
anspruch ;  wir  müssen  unweigerlich  solche  localität  als  aufbewahrongs* 
ort  voraussetzen,  und  war  das  dem  tempel  näher  gelegene  der  Oricotu- 
pöc,  so  ist  das  entferntere  das  archiv  gewesen,  bzw.  umgekehrt,  als 
dann  das  orakel  restauriert  wurde,  ward  eben  nur  der  tempel  wieder 
aufgebaut;  man  fand  aber  noch  Überreste  der  alten  registrierten 
platten  in  den  andern  ruinen  vor,  brachte  sie  in  den  von  nun  an 
als  archiv  benutzten  tempel  (in  dessen  trümmem  Carapanos  sie 
fand,  s.  0.  s.  346)  und  fuhr  fort  dort  die  gebrauchten  frageplatten 
aufzustapeln,  bzw.  auf  frühere  Serien  (dh.  die  aus  der  zeit  vor  Dori- 
machos) zurückzugreifen,  und  von  jener  ersten  zerstörang  rühren 
auf  diesen  jene  Verstümmelungen  her,  die  die  Schreiber  zwangen  ihre 
zeilcnuusgänge  und  -anfange  den  unregelmäszigkeiten  der  ränder  an- 
zubequemen (vgl.  nr.  3.  9.  11.  16.  18). 

Es  ist  aufs  höchste  zu  bedauern  dasz  Carapanos  unterlassen  hat 
ganz  genau  den  fundort  der  plättchen,  und  zwar  den  jedes  ein- 
zelnen besonders  anzugeben:  uns  ist  damit  der  boden  unter  den 
füszen  weggezogen  für  den  directen  beweis  der  obigen  hjpothesen. 
OS  wäre  dringend  zu  wünschen  dasz  Carap.  diesen  nachweis  (falls  er 
überhaupt  noch  möglich  ist)  bald  veröffentlichte,  damit  wir  er- 
führen ,  welche  platten  oben  aus  den  tempelruinen,  und  ans  welcher 


HBPomtow :  die  orakelinschriften  von  Dodona.  357 

fiteile  ^  derselben,  und  welche  ans  dem  temenos  (s.  o.  s.  347)  stammen : 
■derm  erst  dann  kann  man  unterscheiden,  ob  die  wenigen  bleiplatten, 
die  man  unten  im  temenos  in  der  gegend  der  corridore,  also  an  der 
eigentlichen  stelle  des  alten  jnavTCiov  oder  ct]köc  im  £Xcoc  fand,  die 
ikllerjüngsten  unserer  samlung^^  sind,  wie  ich  vermute,  dh.  ob  sie  bei 
der  spätem  Zerstörung  gerade  noch  im  ^avT€iov  zurückgeblieben  und 
noch  nicht  in  das  archiv  hinaufgebracht  waren ,  oder  ob  die  obigen 
folgerungen  einer  wesentlichen  Umgestaltung  bedürfen  werden. 

Absichtlich  habe  ich  mich  mit  keinem  werte  auf  den  orakel- 
modus  selbst  eingelassen,  einerseits  hätte  es  mich  zu  weit  abgeführt, 
anderseits  bietet  derselbe  so  viele  noch  ungelöste  Schwierigkeiten, 
das  was  wir  sicher  wissen  ist  solch  ein  minimum  von  thatsachen,  die 
noch  dazu  meist  sich  widersprechen,  dasz  ich  mich  zum  groszen  teil 
in  hypothesen  hätte  bewegen  müssen,  und  deren  haben  wir  auf  dem 
orakelgebiet  leider  schon  zu  viel,  nur  kurz  will  ich  bemerken ,  dasz 
man  die  frageplättchen  wohl  zu  den  peleiaden  hineinbrachte;  aus 
dem  zeitgenössischen  stillschweigen  über  diese  folgt  wohl,  dasz  die 
theoren  drauszen  blieben  und  nur  durch  den  mund  der  uTroqpnTai 
(oder  Selloi)  die  orakel  empfiengen.  verschiedene  Schriftsteller  be- 
zeugen ausdrücklich  dasz  nicht  wörtlich,  sondern  bid  cujißöXuiv 
in  Dodona  orakel  erteilt  wurden:  dem  widersprechen  die  nicht 
so  seltenen  dodonäischen  metrischen  orakel ^^;  die  fassung  der 
prosaorakel  rührte  dagegen  von  den  priestem  her.  wenn  aber  ßur- 
sian,  der  an  loosorakel  denkt,  unsere  bleifrageplättchen  unter  den 
sortes  der  oben  ausgehobenen  Cicerostelle  versteht,  so  ist  mir  unbe-* 
greiflich,  wie  er  sich  ein  loosen  mit  plättchen  denkt,  welche  ganz 

^  dh.  ob  aus  dem  opisthodomos  oder  aus  der  ^chainbre  rectangulaire'. 
ich  will  nicht  leugnen  dasz  auch  vor  Dorimachos  das  archiv  vielleicht 
im  tempel  selbst  hätte  sein  können;  aber  für  die  blütezeit  Griechen- 
lands schien  mir  eine  derartige  profanation,  dh.  gebrauch  des  tempels 
zu  alltäglichen  zwecken,  anzunehmen  unstatthaft,  da  dieser  tempel  mit 
dem  {LUXVTdov  und  seinen  annexen  gar  nichts  zu  thun  gehabt  zu  haben 
scheint  (vgl.  Bursian  ao.  s.  4  f.  Wieseler  ao.  s.  18).  ich  will  noch  be- 
merken, dasz  es  ein  eigentümliches  zusammentreffen  ist,  dasz  die 
'chambre  rectangulaire'  genau  an  d^r  stelle  des  Zeustempels  in  Dodona 
angebaut  erscheint,  wo  sich  am  Apollontempel  in  Delphoi  das  dburov 
befand,   dh.  in  der  hintern  tempelecke  rechts.  ^^  dasz  unsere  45 

(bzw.  47)  nummern  nur  ein  ganz  kleiner  teil  der  aufbewahrten  platten 
sind,  ist  ja  selbstverständlich,  die  grosze  mehrzahl,  die  sich  auf  tau- 
sende belaufen  mochte,  gieng  bei  den  verschiedenen  Zerstörungen  zu 
gründe;  und  auch  Carapanos  betont  stets,  dasz  diese  platten  ^ne  sont 
certainement  qu'une  tres-faible  partie  de  la  collection  qui  doit 
avoir  4t4  formte  k  Dodone  pendant  les  siöcles'  (s.  169).  ^^  vor  allem 
vgl.  Strabon  VII  fr.  1  ^xPn^M^^^ci  (sc.  ZeOc  Aujbwvatoc)  bk  oö  bt& 
Xöywv,  dXXÄ  bid  tivujv  cu^ßöXwv,  üjcircp  t6  iv  Aißöi]  *A|üi^ujviaKÖv. 
über  letzteres  und  seinen  orakelmodus  vergleiche  man  Kallisthenes  bei 
Diod.  XVII  60,  Strabon  XVII  1,  43  (8..814  Gas.)  und  Curtius  Rufus  IV 
7,  24.  metrische  dodonäische  orakel  findet  man  bei  Macrobius  Sat.  I 
7,  28  (=-  Steph.  Byz.  u.  'AßopiTiv^c  =  Dionys.  Hai.  röm.  alt.  I  19). 
Paus.  VII  26,  1.  X  12,  6.  Suidas  u.  Tövov  —  Steph.  Byz.  u.  TTavbodo  — 
Strabon  VI  266.  Dem.  g.  Meidias  60. 


358  HRPomtow:  die  orakelinBcbriften  von  Dodona. 

bestimmte  anfragen  enthalten  (rivi  Ka  OeuJV  usw.),  die  nicht  blo8& 
mit  ja ,  nein  oder  dgl.  beantwortet  werden  konnten ;  auch  Wieseler^ 
der  ao.  s.  69  die  stelle  emendiert,  erklärt  sich  dagegen,  ob  in  Do* 
dona  bestimmte  orakeltage  anzunehmen  sind,  ist  fraglich;  wahr» 
scheinlich  gab  es,  wie  es  sich  auch  für  Delphois  zweite  epoche  heraus- 
stellt, nur  bestimmte  (ziemlich  zahlreiche)  dies  nefasti  (f^^pai  äTTO- 
cppdbcc),  an  denen  orakel  nicht  erteilt  wurden;  sonst  bekam  also 
jeder  theore  gleich  am  ankunftstage  sein  orakel;  dann  sind  immer 
nur  wenige  theoren  gleichzeitig  anwesend  zu  denken ,  und  es  ist  be- 
greiflich ,  dasz  die  priester  die  namenlos  anfragenden  kannten ,  ohne 
deren  frage  zu  verraten;  war  einmal  besonderer  zudrang,  so  yer- 
sahen  sie  einzelne  platten  mit  Überschriften  (teils  namen,  teils  in- 
halt san gäbe),  und  das  wäre  die  erklftrung,  warum  nur  einige  platten,, 
nicht  alle,  dergleichen  vermerke  tragen. 

Noch  auf  eine  thatsache  möchte  ich  zum  schlusz  aufmerksam 
machen,  die  ein  neues  licht  wirft  auf  die  gewandtheit  und  berechnnng^ 
mit  der  bis  ins  kleinste  die  Orakelverwaltung  gehandhabt  wurde. 

Dasz  man  heute  bei  fragen  über  echtheit  der  orakel  meist  nur 
an  die  verschwindende  anzahl  der  wirklichen  jnaVTCia  KißbiiXa  (aracuia 
ancipüia)  denkt,  und  übersieht  dasz  der  dritte  teil  sämtlicher  erhal* 
tenen  orakel  sog.  cultusorakel  sind,  die  sich  auf  die  res  saorae  und 
den  religiösen  cult  im  weitesten  umfang  beziehen,  dasz  ihre  echtheit 
meist  nie  anzuzweifeln  ist,  habe  ich  an  anderm  orte  ausführlich  dar- 
gelegt. ^^  sie  sind  die  allerunverfänglichsten :  hierbei  gilt  die  priester- 
•liche  autorittft  unbegrenzt,  man  kann  den  wenigsten  betrug  nach* 
weisen ,  und  doch  bleibt  bei  wirklicher  oder  angeblicher  nichterfttl- 
lung  irgend  einer  minutiösen,  mit  dem  Orakelspruch  zusammen- 
hängenden religiösen  Vorschrift  den  priestem  die  sicherste  ausflucht. 
darum  ist  es  höchst  interessant,  dasz  wir  nachweisen  können,  wie 
die  priester  es  sich  bisweilen  angelegen  sein  lieszen,  anfragen  an- 
derer gattung  in  cultusorakel  zu  verwandeln. 

Die  obigen  anfragen  auf  den  plättchen  sind  in  ihrem  ersten 
teile  meist  gleichlautend ;  die  aus  verschiedenen  ländern  herkommen- 
den theoren  konnten  nicht  alle  so  genau  den  anfrageritus  in  Dodona 
kennen ,  also  wurde  jedem  frager  die  äuszere  form  der  anfrage  von 
den  priestem  vorgeschrieben  oder  dictiert*^;  diese  schoben  aber,  so 


^'•)  schon  vor  Jahren  in  meiner  dissertation,  von  der  ich  freilich  nor 
einen  kleinen  teil,  das  caput  selectnm  über  die  iambenorakel ,  drucken 
liesz;  ich  hoffe  dasz  endlich  in  nicht  zu  langer  Mit  das  übrige  mit 
in  den  'proleg^omena  ad  oracnlorum  graecornm  editionem'  und  in  der 
'editio  oraculonim'  selbst  erscheinen  wird;  bis  dahin  muss  man  schon 
den  obif^en  behauptungcn  (glauben  schenken;  sie  sind  ans  langjährigen 
litteratnr*  und  orakelstudien  hervorgegangen,  übrigens  ist  das  oben 
angegebene  Verhältnis  nicht  überall  gleich:  zb.  bei  unserer  haapt- 
Orakelfundgrube  Herodotos  ist  nur  der  vierte  teil,  bei  Pausanias  oa- 
(regen  weit  über  die  hälfte  cultusorakel.  *®  darauf  deutet  das  doppelte 
Tuxa  dtoiOd  in  nr.  S6,  ferner  die  stets  gleich  lautende  fassnng  des  ein* 
gangs,    endlich   auch   dasz  die  theoren  ihre  frage,    db.  ihre  eignen 


-  HRPomtow:  die  Orakelinschriften  von  Dodona.  359 

oft  sie  wollten ,  vor  die  directe  anfrage  ein  unschuldig  aussehendes 
Tivi  Ktt  06UIV  f|  f)pu)U)V  Ouu)v  Ktti  €Ux6m€V0C  (vgl.  anm.  19),  so  dasz 
also  nr.  1  nicht  lautete:  Vie  kann  Korkyra  in  zukunft  zu  einem 
|ruten  staatlichen  zustand  kommen?',  was  zu  fragen  doch  sicher  den 
theoren  aufgetragen  war,  sondern  Welchem  gott  oder  heros  opfer 
nnd  gebete  weihend  werden  die  Korkjrfier  usw.?',  nr.  2  nicht  Vie 
kann  Korkyra  seine  einigkeit  erlangen?',  sondern  'durchweiche  opfer 
und  gebete  .  .?';  vgl.  nr.  1.  2.  8.  16.  22.  32.  346.  36  d.  Demosth. 
ao.  durch  diese  eingeschobene  phrase  ward  jedes  orakel  zum  cultus- 
orakel ,  und  die  priester  hatten  freie  band ,  wenn  es  nicht  eintraf, 
dem  erzürnten  gott  oder  heros  oder  falscher  darbringung  der  opfer 
die  schuld  in  die  schuhe  zu  schieben. 

Ja  das  sehr  interessante  beispiel  eines  derartigen  falles  aus  Del- 
phoi  wird  uns  in  der  litteratur  überliefert.*'  den  ratlosen  Xenophon 
schickt  Sokrates  nach  Delphoi,  um  zu  fragen  ^  ob  er  sich  der  expe- 
dition  des  Ejros  anschlieszen  solle  oder  nicht,  er  bringt  die  ant- 
wort  zurück:  er  solle  dem  Zeus  Basileus  (anab.  Y  9,  22)  und  an- 
dern gittern  opfernd  die  reise  machen ;  Sokrates  ist  sehr  ungehalten, 
dasz  er  seine  frage  in  dieser  form  gestellt  habe,  dasz  er  selbst 
eigenmftchtig  sich  für  die  reise  entschieden  und  nicht  gefragt  habe^ 
ob  überhaupt  er  reisen  solle,  der  arme  Xenophon  war  daran  ge- 
wis  unschuldig,  er  hatte  gewis  so  fragen  wollen,  den  priestem  aber 
schien  die  sache  mit  Kjros  nicht  geheuer,  durch  jenen  kniff  wälzten 
sie  sich  jede  Verantwortlichkeit  vom  halse  und  dictierten  ihm ,  wie 
«r  selbst  schreibt:  tivi  Sv  Ocuiv  GuuiV  Kai  €ux6^€V0C  KdXXicra  Kai 
dpicTa  IKQoi  Ti\v  öböv  f^v  dirivoei,  Ka\  KaXuic  irpäHac  cuiOeiri ;  was 
hätten  sie  auch  sagen  sollen,  wenn  sie  ihm  die  reise  direct  angeraten 
hätten ,  und  er  wäre  dann  nach  dem  entsetzlichen  rückzug  vor  sie 
getreten  und  hätte  von  Apollon  rechenschaft  verlangt  ?  die  blamage 
war  so  schon  grosz  genug  und  leuchtet  deutlich  aus  dem  ganz  ob- 
jectiv  gehaltenen  bericht  hervor :  denn  der  sonst  so  fromme  Xeno- 
phon wagt  kein  wort  zur  rechtfertigung  der  priester. 

Nachträglich  bemerke  ich  noch  dasz  die  zu  anfaug  v.  j.  von 
LoUing  herausgegebene  orakelinschrift ,  betreffend  das  orakel  des 
Apollon  Eoropaios  auf  der  halbinsel  Magnesia  (mitt.  des  deutschen 

Worte  erst  mit  der  eigentlichen  frage  anfangend  ansahen  und  deshalb 
die  Partikel  der  directen  frage  i^  brauchten,  während  das  vorangehende 
eben  den  priestem  gehörte  (vgl.  zu  nr.  9). 

ß*  Xen.  anab.  III  1,  5  f.  (■=  V  9,  22)  ö  ^^vTOt  HcvoqpiJÖv  dvoTVoOc 
Ti?|v  iincToXf)v  dvaKoivoOTOi  Cu)KpdT€i  T^  'AenvaCip  ircpl  Tf)c  iropetac. 
Kai  ö  CuiKpärr^c  ÖTroiTTeOcac,  ixr\  xi  irp6c  xflc  iröX€d;c  ol  öiTa(Tiov 
€\r\,  KOpip  qpiXov  fevkGai  .  .  cuMßouXcOei  Tip  HcvoqpÄvxi  ^Xeövra  €lc 
AeXcpoCfc  dvaKOiviXicai  tOi  eetip  irepl  Tffc  iropctac.  dXediv  b"  ö  Ecvoqxliv 
iiii\p€To  TÖv  *AiTÖXXu)*  t(vi  öv  (usw.  sieh  oben)  cujOcCt].  Kai  dvetXcv 
oÖT<|i  ö  'AiröXXujv  ecotc  olc  26€i  eOeiv.  iircl  bi  irdXiv  fjXOc,  X^t^i  tf|v 
^avTctav  tC}i  CinKpdTCi.  ö  b*  dKoOcac  tjTiÖTO  aöxöv  öti  oö  toöto  irpiöTov 
^piÜTo,  irÖTcpov  Xipov  €Xy\  a(jT^  iropcOecGai  f^  ^^vciv,  dXX*  ainöc  Kpivac 
It^ov  clvai  toOt*  ^iruvedveTO,  öirujc  dv  KdXXtcra  iropcuOeiri.  iircl  im^vroi 
oÖTUJc  f\poVf  toOt',  €q)ni  XP^  iroi€lv,  öco  ö  Beöc  ^K^Xcucev. 


360 


HRPomtow:  die  orakelinschriften  von  Dodona. 


arch.  Inst.  VII  s.  72  ff.),  absichtlich  von  mir  bei  der  besprechnng  de» 
dodonäischen  orakelmodus  unberücksichtigt  gelassen  ist.  sie  ist  un- 
gemein wertvoll  für  unsere  kenntnis  des  orakelwesens  der  ersten 
nachchristlichen  Jahrhunderte  und  stimmt  hierin  in  erwünschtester 
weise  mit  dem,  was  Lukianos  im  Alexandres  erz&hlt,  überein;  aber 
man  musz  sich  sorgfältig  hüten  diese  art  der  orakelerteilung  auch 
schon  für  die  classische  zeit  als  geltend  zu  betrachten,  hierzu  kommt 
dasz  gerade  an  der  entscheidenden  stelle  die  inschrifb  abbricht,  und 
wir  nicht  erfahren,  wie  denn  nun  eigentlich  die  XPn^Moi  (das  letzte 
erhaltene  wort)  zu  stände  kamen,  und  so  wird  die  obige  ansieht  Yon 
der  orakelerteilung  in  classischer  zeit  zu  Dodona  in  nichts  durch 
diese  inschrift  tangiert. 


Tabellarische  Übersicht. 


Carapanos 


laufende 
nr. 
1 


4 
5 
6 

7 
[8]=4& 


bd.  n  planche  nr. 

34,5 
34,  4 ;  dazu  gehört 

39,7 
||34, 1;  dazugehört 
I!  36,4 

;  34,  3  »>'• 

I  34, 2 

36, 4  »>« 

38,6 

34,3 


(37,2;  dazugehört 
1,  37,3 


10 
11 
12 
13 
[14]=6fe 
15 
16 


17 

18 
19 
20 
21 
22 


35,2 

36,2 

36,1 

37,8 

36,4 

38,1 

36,5 

37,4 
37,  4  »'»•  (=  40, 2) 

36,3 

37,1 
1  35,3 

'  38,  2  (=40,1) 
!  35,1 

Hamburg. 


bd.I 
kat.nr. 
5 
4 
fehlt 
1 
fehlt 
fehlt 
2 
12 
26 
3 

16 
17 
7 
11 
10 
20 
12 
21 
13 
18 

fehlt 

14 

15 

8 

22 

6 


Carapanos 


laufende 

biLI 

nr. 

bd.  II  planche  nr. 

kat.iir. 

23 

38,3 

23 

24 

38,4 

24 

25 

38,7 

27 

[26]=19& 

37, 1  ^^ 

15 

27 

35,6 

9 

28 

37,6 

19 

29 

38,5 

26 

30 

36,3 

foUt 

31 

39,4 

19 

32 

37,5 

9> 

33 

37,9 

1» 

34 

37,7 

»» 

35 

39,2 

•t 

36 

39,1 

1t 

37 

39,3 

II 

38 

38,8 

9t 

39 

39,8 

99 

40 

39,5 

99 

41 

39,6 

99 

42 

35,5 

19 

43 

40,3 

44.45 

? 

46 

40, 4  (?) 

47 

(Ourlitt)IOA.332 

48 

99 

Hams  Rudolf  Pomtow. 


i.>i 


PStengel :  einführang  der  in  Hom.  zeit  noch  nicht  bekannten  opfer.     361 

52. 

DIE   EINFÜHRUNG   DEB   IN    HOMERISCHEB  ZEIT  NOCH 
NICHT  BEKANNTEN  OPFER  IN  GRIECHENLAND. 


Homeros  kennt  noch  keine  sühnopfer  und  keine  toten- 
opfer.  wohl  kann  ein  gott  beleidigt  werden  und  musz  dann  durch 
opfer  Yersöhnt  werden ,  aber  diese  unterscheiden  sich  in  nichts  von 
andern  festlichen  opfern:  man  schmaust  von  dem  fleisch  der  ge- 
schlachteten tiere,  trinkt  wein  und  feiert  den  gott  durch  gesang  und 
spiel  (A  468  ff.  f  144  ff.  usw.).  es  ist  ein  solches  opfer  also  in  keiner 
beziehung  mit  den  spätem  sühnopfern  zu  vergleichen,  dasz  diese 
noch  unbekannt  waren ,  darf  uns  nicht  wundern ;  der  mensch  steht 
in  Homerischer  zeit  dem  gotte  anders  gegenüber  als  später ,  oder 
vielleicht  richtiger  der  gott  dem  menschen,  die  dämonen  des  Orients, 
denen  man  dort  'mit  angst,  quäl  und  asketischer  Selbstverleugnung 
diente' ^  waren  dem  harmlosen  volke  noch  unbekannt,  und  wenn 
sich  vielleicht  auch  nicht  nachweisen  lassen  wird,  dasz  alle  helle- 
nischen götter  durch  anthropomorphismus  entstanden  seien,  so  hafbet 
ihnen  doch  noch  ein  gut  stück  davon  an.  Zeus  beruft  die  götter, 
welche  *auf  den  höhen  des  vielgewundenen  Olympos  in  besonderen 
palftsten  wohnen",  zu  schmaus  und  rat  wie  der  ßotciXeuc  diegeronten ; 
Apollon  ist  das  ideal  des  götterjünglings ,  leuchtend  von  Schönheit 
und  mit  dem  spiele  der  laute  sich  und  die  andern  ergötzend  wie 
unter  den  menschen  Achilleus,  das  ideal  des  heldenjünglings  (B  674. 
I  186);  Artemis,  des  bruders  gegenbild,  kann  doch  auch  der  spindel 
nicht  entbehren  (b  122  usw.),  und  die  göttin  der  Schönheit  und  an- 
mut  wird  dem  Schöpfer  der  vielbewunderten  metallarbeiten  vermählt, 
und  von  leidenschaften  und  schwächen  ist  kein  einziger  dieser  götter 
frei,  'diesen  idealen  typen,  in  denen  er  sein  abbild  erkennen  muste", 
brauchte  der  Hellene  noch  nicht  sühnopfer  zu  bringen,  von  denen 
weder  der  gott  noch  er  selbst  etwas  genieszen  durfte,  selbst  der 
mörder  bedurfte  noch  keiner  puriflcation  (B  665.  N  574  und  697. 
V  89.  o  224.  i  380),  und  die  einzige  mordsühne  bestand  in  geld- 
entschädigung  an  die  verwandten  des  erschlagenen,  der  beste  beweis 
wie  völlig  fremd  die  später  im  cultus  fortwährend  begegnende  Vor- 
stellung voll  der  notwendigkeit  einer  reinigung  des  menschen  und 
eines  sühnopfers  fdr  den  gott  diesem  Zeitalter  noch  war.  ^  die  opfer 
sind  heitere  mahlzeiten ,  und  die  götter  denkt  man  sich  mit  an  dem 
genusse  derselben  teilnehmend  (A  423.  Y  206  f.  t  435.  r\  201  ff.)*; 


^   1  Duncker  gesch.  des  alt.  III*  s.  332.  '  Voss  mytbol.  briefe  I 

8.  136.  '  Duncker  ao.  ^  vgl.  Lobeck  Aglaopb.  s.  303  f.  ^  dies 
ist  viel  bestritten,  von  Schömann  (gr,  alt.  II'  8.  222 f.  251)  and  von 
anderen,  aber  mit  unrecht,  man  yerge88e  doch  nicht,  wie  menBchlich 
und  wie  lebendiff  nahe  dem  Griechen  8tet8  seine  götter  waren,  auch 
als  Athene  mit  keinem  OdysBeus  mehr  unter  dem  Ölbaum  ratschlagt 
und  ihm  die  geschenke  in  der  höhle  verstecken  hilft  und  zu  keinem 

Jfthrbacher  fUr  clats.  philol.  1883  hft.  5  u.  8.  S4 


362  FStengel :  einführung  der  in  Homeriecber  zeit 

von  sühnopfem  genieszen  die  menseben  nichts  und  also  die  göt- 
ter  auch  nicht*:  sie  sind  kein  mahl  wie  die  andern  opfer,  sondern 
eine  freiwillige  entäuszerung  eines  werten  gutes,  durch  dessen  hin- 
gäbe und  Vernichtung  man  ein  vergeben  gegen  einen  gott  wieder 
gut  zu  machen  meinte  und  denselben  zu  bewegen  suchte  ^  mit  einer 
strafe  einzuhalten  oder  dieselbe  gar  nicht  zu  verhängen,  hftufig 
werden  sie  auch  so  zu  sagen  als  präservativ  gebracht,  wenn  augen- 
scheinlich eine  grosze  gefahr  oder  ein  unheil  droht,  um  den  gott  zu 
bewegen  dasselbe  abzuwenden,  eine  gäbe  zum  genusz  für  die  gOtter 
sind  diese  opfer  ebenso  wenig  wie  jener  ring,  den  Poljkrates  — 
nicht  einem  gotte  in  sein  heiligtum  stiftete,  sondern  ins  meer  warf.. 

Zu  diesen  sühnopfem  gehören  erstens  die  menschenopfer. 
da  lesen  wir  nun  gleich  bei  KFHermann  gottesd.  alt.'  §  27:  'dasz. 
der  älteste  griechische  cultus  auch  menschenopfer  gekannt  habe,. 
läszt  sich  um  so  weniger  bezweifeln'  usw.  und  anm.  9:  ^anachro- 
nistisch  ist  freilich  Vossens  ansieht  antisjmb.  II  s.  452:  «naoh- 
hesiodischer  handelsgeist  brachte  den  einfachen  sitten  der  Hellenen 
von  den  ostbarbaren  noch  eine  ansteckende  rohheit  mit,  das  gräsz- 
liche  menschenopfer » '  usw.  Vossens  worte  haben  wenig  glaubea 
gefunden,  und  Hermanns  ansieht  ist  die  herschende.  es  fragt  sich 
zunächst :  haben  die  Hellenen  wirklich  die  menschenopfer  von  den 
Phoinikem  und  asiatischen  barbaren  angenommen?  nnd  zweitens: 
in  welcher  zeit  hat  dann  diese  entlehnung  stattgefunden?  die  erste 
frage  wird  fast  allgemein  bejaht,  auch  von  Hermann  ao.,  doch  ist 
die  art  der  Übertragung  und  der  anwendung  noch  nie  genauer  erörtert 
worden,  eine  Untersuchung  aus  der  wie  ich  hoffe  sich  gesichtspunkte 
und  gründe  für  die  entscheidung  der  zweiten  frage  ergeben  sollen.  ^ 

Sehen  wir  also  zunächst,  welchen  göttem  die  Hellenen  menschen- 

Diomedes  mehr  auf  den  Streitwagen  tritt:  noch  jahrhanderte  später 
jauchzt  das  Tolk,  als  die  göttin  auf  dem  wagen  des  Peisistratos  mit 
ihm  in  die  Stadt  einfährt  (Herod.  I  60),  und  baut  dem  Fan  einen  altar, 
als  er  dem  Philippides  begegnet  und  ihm  Terspricht,  er  würde  den 
Athenern  helfen,  wenn  sie  ihn  mehr  verehrten  (ebd.  VI  105),  und  wieder 
Jahrhunderte  später,  als  schon  eine  andere  religion  die  weit  cn  erobern 
begann,  werden  ihre  boten  Paulus  und  Barnabas  für  Hermes  und  Zeus 
gehalten,  und  man  bringt  kränce  und  rinder  um  ihnen  zu  opfern  (acta 
apost.  14,  11  ff.},  nnd  wenn  in  der  tragödie  die  götter  leibhaftig  er* 
schienen,  ob  da  nicht  manchen  heilige  andachtsschauer  dnrchbebt  haben 
mögen? 

^  das  hat  Schömann  bei  seinen  ausein andersetznngen  ao.  eben 
übersehen,  gerade  der  umstand,  dasz  zn  sühnopfern  mit  Vorliebe 
menschen  oder  nicht  eszbare  tiere  gewählt  wurden,  beweist  dasz  bei 
den  andern  opfern,  von  denen  die  menschen  selbst  aszen,  auch  die 
götter  als  mitschmausende  gaste  gedacht  worden,  ich  citiere  zu  jenen 
frühesten  stellen  ans  Ilomeros  hier  nur  noch  eine  aus  dem  ansgang 
des  heidcntums:  lulianos  rede  V  IIQ^  Ouciidv  d»v  K0ivuiV€tv  d£iov  Kai 
TpaTieZioOv  Ocotc,  und  erinnere   an  die   sitte  der  theoxeiiien.  '  das 

meiste  material  finden  wir  bei  Lasanlz  'sUbnopfer  der  Griechen  nnd 
Kömor'  in  den  akad.  abhandlungen  (Würzburg  1844)  s.  236  ff.  gesammelt, 
doch  ist  dasselbe  hier  noch  weniger  historisch-kritisch  gesichtet  als  bei 
Hermann. 


noch  nicht  bekannten  opfer  in  Griechenland.  363 

Opfer  darbringen,  es  sind  dies  so  gut  wie  ausschliesslieh  Zeus 
(Ljkaios,  Laphjstios),  Dionysos,  Artemis,  die  winde,  ApoUon.  die 
Phoiniker  und  Karthager  brachten  vor  allen  ihrem  Moloch  menschen- 
opfer.  die  Griechen  identificierten  diesen  mit  ihrem  Eronos  (Plut. 
tt€p\  b€icibai^.  13  s.  171  ^  vgl.  Porphyrios  de  abstin.  II  56),  wohl 
blosz  deswegen ,  weil  auch  dieser  die  kinder  verschlungen ,  wie  der 
phoinikische  gott  die  kinderopfer.  ^  Kronos  aber  ist  in  alter  zeit 
nicht  verehrt  worden :  er  muste  geschaffen  werden ,  weil  Zeus  einen 
vater  haben  muste,  wie  die  menschen  ihn  hatten,  und  weil  Zeus  sich 
durch  einen  heldenhaften  sieg  die  herschaft  errungen  haben  sollte*, 
blieb  aber  zu  wesenlos,  als  dasz  ihm  die  opfer  hätten  gebracht  wer- 
den, von  ihm  hätte  hilfe  erfleht  werden  sollen,  so  trat  Zeus  an  seine 
stelle,  und  obwohl  Moloch  Kronos  genannt  wurde,  empfleng  Zeus 
die  Molochopfer.  ^®  unheimliche  beinamen  wurden  ihm  gegeben,  und 
dem  Laphystios  und  Lykaios  bluteten  menschenopfer  wie  Mem 
karthagischen  Kronos'  (Piatons  Minos  s.  315  ^.  Herod.  YII 197.  Paus. 
Yin  38,  7  usw.).  es  bedarf  kaum  der  erwShnung,  dasz  dieser  Zeus, 
den  die  Griechen  nur  in  ermangelung  eines  gegenstückes  für  den 
höchsten  phoinikischen  gott  substituierten,  ja  dessen  namen  sie  sich 
dabei  offenbar  zu  nennen  scheuten ,  von  dem  Homerischen  vater  der 
götter  und  menschen  auch  nicht  6ine  ader  hat.  Dionysos  hat  bei 
Homer  noch  gar  keine  bedeutung;  sein  späterer  cultus  ist  rein  orien- 
talisch ;  das  ekstatische  und  orgiastische  dement,  welches  wir  heute 
noch  in  den  orientalischen  gottesdiensten,  bei  Homer  aber  noch  gar 
nicht  finden,  ist  in  demselben  hauptsache.  er  ist  ein  gott  der  üppig 
zeugenden  naturkraft,  wie  solche  dem  Orient  eigentümlich  waren, 
nnd  so  erhält  denn  auch  der  Aiövucoc  übfiiiCTrjc  oder  übjidbioc  der 
Hellenen  die  opfer  welche  jenen  asiatischen  göttern  genehm  waren 
(Paus.  IX  8,  2.  Porph.  ao.  11  55  usw.).  ganz  ähnlich  hat  sich  die 
griechische  Artemis  entwickelt,  sie  ist  bei  Homer  nur  das  gegen- 
bild  ihres  bruders  ApoUon  ohne  eigne  individualität.  als  nun  die 
Griechen  bei  ihren  ansiedlungen  an  der  asiatischen  küste  die  göttin 
von  Ephesos  kennen  lernten,  da  war  es  sehr  natürlich,  dasz  sie  diese 
nährende  und  zerstörende  naturgöttin,  deren  gürtel,  gewand  und 
kopfschmuck  mit  tierbildem ,  deren  tempel  mit  hirschgeweihen  ge- 
schmückt war,  mit  ihrer  irÖTVia  GnpuJV  identificierten. "  dann  wurde 
sie  auch  mit  Hekate  gleichgestellt,  und  die  TaupoiröXoc,  die  auf  dem 
rennenden  stier  sitzende  mondgöttin  '^,  wird  zur  taurischen  Artemis, 
der  menschen  geopfert  werden ,  wie  jener  von  der  asiatischen  küste 
herübergenommenen  (Paus.  VII  19,  2.  Eur.  Iph.  T.  1470  ff.  usw.). 


^  das  hat  schon  Diodoros   (XX  14  s.  416}  erkannt.  ^  so  meint 

auch  Orote  gesch.  Griech.  I  s.  4  (Meissner).  ^^  in  Kreta,   das  sehr 

früh  phoinikischem  einflusz  ausgesetzt  war,  wird  der  stierhHuptige  Moloch 
zum  Minotanros,  einem  ungeheuer:  denn  einen  gott  mit  stierhanpt  kann 
sich  der  Hellene  noch  nicht  denken,  und  der  Minotanros  verschlingt 
die  menschenopfer  wie  sein  phoinikisches  urbild.  ' '  vgl.  Duncker  ao. 
I*  s.  414.        «  vgl.  Preller-Plew  gr.  myth.  I  s.  252. 

24» 


364  FStengel:  einführung  der  in  Uomeritcher  zeit 

auch  der  cultus  der  winde,  welchen  gleichfalls  menschen  geopfert 
werden,  ist  nicht  ursprünglich  hellenisch,  sondern  asiatisch-phoini- 
kischen  seefahrem  nachgeaiimt.  *'  etwas  anders  liegt  die  sache  mit 
ApoUon.  er  gehört  zu  den  ältesten  griechischen  göttem,  und  sein 
cultus  scheint  niemals  wesentlich  von  fremden  beeinfloszt  worden 
zu  sein,  aber  er  erhielt  im  laufe  der  zeiten  noch  eine  eigensohaft 
und  eine  function,  die  er  bei  Homer  noch  nicht  hat:  er  wird  KoOdp- 
cioc,  der  gott  dem  sühnnng  und  reinigung  der  schuldbefleckten  ob- 
liegt, und  nur  als  solcher  empfieng  er  menschenopfer  (Strabon  X 
694  usw.);  als  sühnopfer  fielen  ihm  ja  auch  die  qMxp^oucoi  oder 
KaGdpjLiaTa  an  den  Thargelien  in  Athen  (schol.  Aristoph.  Bi.  1136. 
Harpokr.  s.  291  usw.).  wo  wir  sonst  noch  in  sage  und  geschichte 
menschenopfer  erwähnt  finden ,  da  werden  diese  gebracht  in  angen- 
blicken,  wo  der  tod  bereits  reiche  ernte  hält ,  oder  wo  er  sie  Yorana- 
sichtlich  sogleich  halten  wird.  ^*  als  die  seuche  Athen  entvSlkearte, 
soll  Epimenides  einen  jüngling,  der  sich  freiwillig  darbot,  zur  atUme 
geschlachtet  haben  (Athen.  Xm  78  s.  602,  vgl.  La.  Diog.  I  110); 
in  Sparta  und  in  Sjrrakus  wird  bei  ähnlicher  Veranlassung  eine  jnxig- 
frau  zum  opfer  gefordert  (Flut,  parall.  35  s.  314  <^.  19  s.  310^«  lo. 
Ljdos  de  mens.  s.  113).  als  in  den  Herakleiden  des  Enripides 
Demophon  sich  gegen  die  Argeier  rüstet  und  vorher  die  Xdrux  ira- 
Xaiä  lijibe  fxji  cuiTrjpia  erkundet,  lauten  sie  verschieden,  aber  &v  M 
n&ci  Yvuüjia  TauTÖv  ^juTrp^irer  cq>d£ai  KeXeüouci  •  •  nap6(§vov 
(405  ff.)  '^;  als  Theben  von  den  sieben  belagert  wird,  erklärt  Teire- 


^3  8.  meine  abh.  über  Mie  opfer  der  Hellenen  an  die  winde*  im 
Hermes  XVI  8.  846  ff^  wo  noch  hinzozoftigen  ist,  dan  nach  Herod.  I  ISi 
die  Perser  den  winden  dpxf)6€V  opfer  gebracht  haben.  ^^  ioh  Über- 
gehe siof^uläre  beispiele  wie  das  menschenopfer  der  Aglaoros  in  Salamis 
(Porph.  ao.  II  56)  und  einige  andere,  welche  alle  solchen  gottheiten  ge* 
bracht  werden,  die  Homer  noch  nicht  kennt,  oder  die  man  später  fSlMh- 
lich  mit  ^griechischen  identifioiert  hat.  ^^  aach  v.  882  ist  das  ßpOTCÜllv 
zweifellos  richtig  und  besieht  sich  auf  die  opferang  der  Herakleatochter. 
wenn  diese  verse  (819—822)  wirklich  einem  spätem  Überarbeiter  an- 
gehören, wie  Wilamowitz  durch  seine  scharfsinnigen  nntersoohongen 
(Hermes  XYII  s.  339  ff.)  wahrscheinlich  macht,  so  stehen  sie  doch  mehr 
mit  einzelnen  angaben  des  Stückes  (namentlich  v.  666  ff.)  im  widei^ 
Spruch  als  mit  der  ganzen  Idee  dieser  opfemng,  wie  wir  sie  doch  auch 
bei  Enripides  finden,  und  nur  insofern  ist  darauf  gewicht  zu  legen, 
dasz  es  vorher  heiszt,  Makaria  solle  der  Persephone  geopfert  werden, 
w&hrend  sie  nun  hinter  der  schlachtreihe  getötet  wird,  als  die  heere 
sich  zum  kämpfe  anschicken,  es  konmit  nicht  darauf  an,  wem  die 
Jungfrau  geopfert  wird,  sondern  nur  dasz  sie  geopfert  wird ;  ffeaohieht 
dieses,  so  wollen  die  götter  den  ihrigen  den  sieg  verleihen.  Wilamowiti 
nenut  s.  343  Iphigeneia  und  Poljxene  sehr  richtig  parallelfignren  lu 
Maksri« :  warum  wird  Iphigeneia  der  Artemis  und  Polyzene  dem  Achilleoi 
geopfert?  so  kann  hier  also  auch  von  einer  «probe  auf  das  KoXXicpf)- 
cai>  nicht  die  rede  sein,  das  opfer  allein  genügt,  die  ^dvrcic  haben 
dasselbe  nur  auszuführen,  die  prophezeiung  ist  schon  dnrch  die 
O^cqpaxa  gegeben  (406).  auch  Iphigeneia  wird  ja  von  einem  fidvnc 
preopfert.  aber  alles  dieses  spricht  gerade,  wie  mir  scheint,  für  die 
richtigkeit  der  W.schen  hypothese.    wenn  dem  Überarbeiter  auch  der 


noch  nicht  bekannten  opfer  in  Griechenland.  365 

sias,  es  gebe  nur  6in  mittel  die  stadt  zu  retten :  Kreon  müsse  seinen 
söhn  opfern,  und  der  stürm  wird  abgeschlagen,  als  der  knabe  sich 
wirklich  das  schwert  in  den  hals  gestoszen  (Eur.  Phoin.  890  ff.).  '* 
nnd  nicht  weniger  reich  an  beispielen  als  die  sage  ist  die  geschichte. 
als  die  schlacht  bei  Salamis  beginnen  soll ,  zwingt  man  den  Themi- 
stokles  drei  gefangene  Perser  zu  opfern  (Plut.  Them.  13.  Arist.  9)^^; 
vor  der  schlacht  bei  Leuktra  wird  ein  menschenopfer  von  Pelopidas 
verlangt  (Plut.  Pelop.  20),  und  das  schreckliche  Jungfrauenopfer 
des  verzweifelten  Messenierhelden  wird  wohl  auch  stattgefunden 
haben  (Paus.  lY  9,  8,  s.  auch  Plut.  paralL  20  s.  310^).  besonders 
aber  —  und  dies  sind  die  ersten  uns  überlieferten  l^ispiele  — 
werden  menschenopfer  vor  dem  beginn  gröszerer  und  gefährlicherer 
Seefahrten  für  nOtig  gehalten.'^  bei  dieser  gelegenheit  wird  man 
sie  auch  von  den  Phoinikem  zuerst  vollziehen  gesehen  haben,  wie 
die  kjkliker  bereits  eine  mordsühne  kennen '^  so  lassen  sie  auch 
schon  den  königlichen  führer,  ehe  die  schiffe  in  see  stechen,  sein 
erstgeborenes  kind  opfern  —  ganz  nach  phoinikischer  sitte,  denn 
bei  diesen  ist  kein  opfer  kräftiger  als  die  erstgeburt  des  königs 
(vgl.  Movere  ao.  I  s.  300.  303).*°  als  Menelaos,  nach  Ägypten  ver- 
widersprach mit  y.  566  ff.  entgieng,  so  konnte  er  doch  nicht  übersehen  — 
was  an  nickt  weniger  als  drei  stellen  (407.  490.  601)  gesagt  war  — 
dasz  Makaria  der  tochter  der  Demeter  geopfert  werden  sollte,  dasz 
er  hierin  gleichwohl  der  Intention  des  dichters  nicht  folgte,  ist  nicht 
ans  flüchtigkeit,  sondern  eben  dar  aas  za  erklären,  dasz  er  die  nennanf? 
der  göttin  als  nebensache  ansah  and  ignorieren  za  dürfen  glaubte,  und 
in  der  that  entspricht  seine  Schilderung  von  dem  tode  der  jüngfraa  dem, 
was  wir  sonst  von  derartigen  opfern  wissen,  weit  mehr  als  eine  von 
.  fraaen  am  altar  einer  göttin  vollzogene  opferang,  wie  sie  Euripides  in 
aassicht  stellte  (665  ff.),  wie  dem  aber  auch  sei,  auf  jeden  fall  finden 
wir  aochin  dieser  sage,  mögen  die  dramatiker  sie  so  oder  so  aasgeführt 
haben,  den  glauben,  dasz  ein  vor  der  schlacht  gebrachtes  menschen* 
opfer  zum  siege  verhelfe. 

^"  überall  wird  hervorgehoben,  dasz  die  betreffenden  sich  frei- 
willig zum  tode  entschlossen,  ein  solches  opfer  ist  dem  gotte  am 
liebsten  und  deshalb  am  wirksamsten  (wie  bei  den  Phoinikern,  vgl. 
Movers  Phönizier  I  s.  302  usw.).  die  sage  vom  tode  des  Athenerkönigs 
Kodros  wird  auch  hierher  gehören.  "  wohl  in  nachahmung  eines  auf 
den  phoinikischen  schiffen  gebrachten  opfers  (Herod.  VII  180). 
'*  80  sollen  auch  d^m  gotte,  den  sich  die  Seefahrer  so  recht  eigentlich 
als  ihren  schutzdämon  geschaffen  haben  —  schon  Pindaros  kennt  ihn 
Ar.  1  Böckh  —  dem  Melikertes,  menschenopfer  gebracht  worden  sein 
(Tzetzes  za  Ljk.  229,  vgl.  Porph.  ao.  II  55  und  Piatons  Minos  s.  315*). 
er  ist  aber  sicher  doch  nur  eine  gräcisierung  des  phoinikischen  Melkart 
(vgl.  Duncker  ao.  I^  s.  270.  Preller-Plew   ao.  I  s.  494).  *'  in  der 

Aithiopis  des  Arktinos  (Welcker  ep.  cyclns  II  s.  251)  musz  Achilleus 
nach  dem  morde  des  Thersites  gereinigt  werden,  in  der  Ilias  würde 
dieser  totschlag  ohne  jede  folge  vorübergegangen  sein.  *®  überhaupt 
verrät  kaam  ein  einziges  opfer  seinen  phoinikischen  Ursprung  so  dent- 
lieh  wie  dieses,  die  sage  erzählte  bekanntlich,  dasz  die  göttin  selbst 
für  Iphigeneia  eine  hindin  unterschob;  wildopfer  kennen  die  Homerischen 
Griechen  nicht,  weil  sie  wild  ebenso  wie  nsche  nur  in  notfällen.aszen 
und  es  also  auch  den  göttem  nicht  als  speise  anbieten  durften;  von 
den  Phoinikern  berichten  der  Tyrier  Porphjrios   (de  abstin.  II  56)  und 


866  PStengel:  einführung  der  in  Homerischer  zeit 

schlagen,  durch  widrige  winde  oder  windstille  fesi^ehalten  wird, 
opfert  er  ägyptische  kinder  (Herod.  II  119);  als  Agesilaos  sich  in 
Aalis  zum  feldzage  gegen  die  Perser  einschiffen  will,  verlangt  ein 
traumgesicht  dasz  er  ein  menschenopfer  bringe,  doch  schlachtet  er 
in  erinnerang  an  Iphigeneias  Opferung  nur  eine  hindin(Plut.  Ages.  6). 
alle  solche  opfer  werden  gebracht  mit  dem  wünsche  und  in  der  hoff- 
nung ,  dasz  die  götter  es  sich  genug  sein  lassen  möchten  an  diesem 
^inen  ihnen  freiwillig  dargebrachten  leben  und  die  andern  schonen 
möchten,  wie  dies  auch  aus  Eur.  El.  1024  ff.  zu  entnehmen  ist  und 
wie  es  Philon  (bei  Eusebios  praep.  ev.  IV  16  s.  156^)  ausdrücklich 
bezeugt  (vgl.  auch  Plut.  TT.  ixXeX.  XPH^^T.  14  s.  417^). 

Sehen  wir  nun ,  bei  welchen  gelegenheiten  die  Phoiniker  ihre 
menschenopfer  brachten.  *beim  beginn  eines  wichtigen 
Unternehmens,  bei  eröffnung  eines  feldzuges  wurde  die 
gunst  des  Moloch  durch  ein  menschenopfer  gesucht,  nnerlädzlich 
waren  diese,  seinen  zom  zu  sühnen,  das  verderben  von  allen  auf  das 
haupt  einiger  abzulenken.'  'als  Himilko  im  j.  406  vor  Ch.  Agrigent 
belagerte  und  eine  pest  das  lager  ergriff,  opferte  er  zur  abwendung 
der  Seuche  dem  Eronos  einen  knaben."*  mehr  zusammenfassend 
zählt  Movers^  die  'veranlassungen  zu  menschenopfern  bei  den  Phoi- 
nikem*  auf:  '1)  alljährlich  bei  den  groszen  sühn-  und  reinigungs- 
festen, 2)  bei  wichtigen  Unternehmungen ,  wie  der  eröffnung  eines 
feldzuges,  3)  bei  groszen  Unglücksfällen'  —  'auch  bei  gründung 
einer  stadt'  (Phon.  I  s.  302).^'  also  genau  alle  die  fälle,  in  denen 
die  Hellenen  menschenopfer  zu  bringen  pflegten,  ja  sogar  der  letzte 
fall  'bei  gründung  einer  stadt'  findet  sein  gegenstück  in  Griechen- 
land: Athenaios  (XI  15  s.  466^)  erzählt  dasz  bei  der  gründung  von  . 
Methymna  eine  Jungfrau  ins  meer  versenkt  worden  sei. 

Es  kommt  nun  darauf  an ,  die  zeit ,  in  welcher  die  entlehnung 
und  die  einfQhrung  der  menschenopfer  in  Griechenland  stattgefunden 
hat^  zu  bestimmen,  ich  will  nicht  mit  Voss  behaupten  dasz  'nach- 
hesiodischer  handelsgeist'  den  Griechen  die  menschenopfer  gebracht; 
Hesiodos  erwähnt  zwar  kein  menschenopfer,  aber  das  mag  zufall 
sein,  ja  man  könnte  aus  einer  mitteilung  des  Pausanias  (I  43,  1, 
Hes.  fr.  39  Göttling)  vielleicht  schlieszeui  dasz  Hesiodos  von  dem 
opfer  und  der  errettung  Iphigeneias  bereits  gewust  habe.*^  das  mag 

EasebioB  (praep.  ev.  lY  16),  dass  sie  der  Artemis  statt  früherer 
menschenopfer  hirsche  darbrachteo.  mehr  über  diese  birschopfer 
bei  Movers  'opferwesen  der  Karthaeer'  (Breslau  1847)  s.  63,  Phon.  I 
«.  406  f. 

*^  Duncker  ao.  I^  s.  267,  wo  auch  die  belegstellen.  "  in  Ersch 
und  Grabers  encyclopädie  unter  'Phönizier*  III  24  s.   420.  '*  bei 

dieser  gelegenbeit  sei  die  bemerkung  gestattet,  dass  die  Phoiniker  die 
menschen  nie  lebendig  verbrannten,  wie  es  auch  nach  Movers  PhÖn.  I 
8.  328  und  Duncker  I^  s.  268  scheinen  müste,  sondern  sie  stets  vorher 
schlachteten  und  nur  die  leicbname  verbrannten  .(s.  Schlottmann  in 
Biehms  handwörterbuch  des  bibl.  alt  u.  Moloch  s.  1012  f.).  die  phoini- 
kischen  opfer  sind  also  auch  hierin  ein  treues  vorbild  der  griechischen. 

*^  Paus,  sagt:  oT5o  bi  'Hc(o6ov  Yroif|cavTO  iv  KaraXÖTtp  T^vaiKdiv 


noch  nicht  bekannten  opfer  in  Griechenland.  367 

also  unentschieden  bleiben;  für  ganz  unmöglich  aber  musz  ich  es 
Jm  gegensatz  zu  Hermann  und  vielen  andern  (s.  Hermann  ao.  §  27 
«nm.  9)  halten,  dasz  die  Griechen  Hn  vorhomerischer  zeit  menschen- 
opfer  von  Phoinikern  und  anderen  vorderasiatischen  Völkern  an- 
genommen haben.'  dies  würde  eine  häufige  bertlhrung  und  einen 
regen  verkehr  der  Griechen  und  Phoiniker  in  vorhomerischer  zeit 
'voraussetzen,  und  dasz  dieser  mit  einem  volke,  das  noch  Homeros 
nur  als  abenteuernde  kaufleute  für  kurze  zeit  an  griechischen  küsten 
landend  kennt,  nicht  angenommen  werden  darf,  ist  meiner  ansieht 
nach  längst  überzeugend  nachgewiesen '^  und  ich  beabsichtige  nicht 
hier  nochmals  auf  diese  frage  einzugehen,  behaupte  aber  dasz  es 
völlig  undenkbar  ist  dasz,  wenn  die  Homerischen  Griechen  menschen- 
Opfer  gekannt  hätten,  sie,  denen  meuchelmord  keine  schände,  ver- 
Btümmelung  der  leichen'^*  und  beraubung  der  waisen  nichts  schlimmes, 
seeraul)  kein  gerade  unrühmliches  gewerbe  ist,  denen  die  bewunderte 
kunst  andere  durch  diebstahl  und  meineid  zu  betrügen  der  gott 
Hermes  selbst  verleiht  (t  395  f.),  dasz  diese  Homerischen  Griechen 
dann  nicht  auch  menschenopfer  gebracht  hätten,  wenn  zeit  und  um- 
stände sie  zu  fordern  schienen,  und  dazu  fehlte  die  gelegenheit  nicht, 
erstens  bei  der  abfahrt  von  Aulis  (B  303  ff.) :  eine  gefährliche  See- 
reise, ein  gefährlicherer  feldzug  steht  bevor,  herliche  hekatomben 
werden  den  göttem  verbrannt,  aber  kein  menschenopfer.  schon  die 
kjkliker  brauchen  dasselbe.  Stasinos  (Kjpria  bei  Welcker  ep.  cyclus 
il  s.  101)  läszt  den  Agamemnon  seine  älteste  tochter  opfern.'^  vor 
der  abfahrt  nach  der  heimat,  die  T  130  ff.  ausführlich  genug  geschil- 
dert wird,  musz  bei  Arktinos  (Iliupersis  bei  Welcker  ao.  II  s.  185. 
229.  523)  Polyxene  als  sühnopfer  bluten^,  eine  pest  wird  geschildert, 

'lq)iT^€iav  oÖK  duoOavetv,  Vf^y^Vi  ^^  'ApT^möoc  'GKdxriv  cTvai.  doch 
wird  man  vorsichtig  sein  müssen  daraus  Schlüsse  zu  ziehen;  der  Kard- 
XoTOC  YUvaiKuiv  wird  sicherlich  schon  Jahrhunderte  vor  Pausanias  stark 
mit  Zusätzen  anderer  poeten  versetzt  gewesen  sein,  wozu  wohl  kein 
einziges  gedieht  leichter  anlasz  und  gelegenheit  gab,  und  sonst  — 
i\cf\,  652  hätte  zb.  anlasz  geboten  —  findet  sich  bei  Hesiodos  nirgend 
eine  erwähnung  oder  nur  andeutung  dieser  sage,  auch  die  Verbindung 
der  Hekate  mit  Artemis  wäre  für  diese  frühe  zeit  zum  mindesten  sehr 
auffallend. 

'^  vgl.  auszer  Grote  ao.  I  s.  601  f.  und  anderen  namentlich  auch 
die  trefflichen  ausfnhrungen  Schömanns  ao.  I'  s.  74  f.  baumeister,  viel- 
leicht auch  noch  andere  künstler,  mögen  früh  aus  Asien  herübergekom- 
men sein,  aber  das  beweist  nie  und  nimmer,  dasz  auch  'eine  solche 
geistige  anoäheruog,  wie  sie  die  Übernahme  fremder  religionsvorstel- 
lungen  und  gottesdienste  voraussetzen  würde'  (EPlew  'die  Griechen  in 
ihrem  Verhältnis  zu  den  gottheiten  fremder  Tölker',  Daozig  1876,  s.  4), 
zwischen  Orientalen  und  Griechen  schon  in  vorhomerischer  zeit  statt- 
gefunden habe.  *^  man  lese  und  vergleiche  nur,  wie  darüber  bereits 
Herodotos  (IX  79)  denkt!  ^  die  in  der  llias  bekanntlich  noch  lebt: 
denn  schon  die  alten  erklärten  richtig,  dasz  Iphianassa  (I  146)  keine 
andere  als  Iphigeneia  sei  (Lehrs  Arist.^  s.  176).  ^  spätere  dioh 

haben  diesem  opfer  eine  andere  bedentung  erfunden.    Polyxene  ie< 
mit  Achilleus  in  Verbindung  gebracht  worden,   vielleicht  haben 
die  kjkliker  erzählt   dasz   sie  anf  seinem  grabe   geschlachtet  ify. 


368  PStengel:  einführung  der  in  Homerischer  zeit 

die  das  beer  decimiert;  alltäglich  beginnt  man  einen  gefftfarlicben 
kämpf  oder  eine  unsichere  meerfabrt  —  kein  menschenopfer  (vgl* 
2b.  i  250  ff.).  Menelaos  wird  nach  Ägypten  verschlagen,  kein 
günstiger  wind  will  wehen,  bis  alle  dem  Untergang  nahe  sind  (b  360  ff» 
582) ,  aber  er  bringt  kein  menschenopfer.  man  konnte  dies  später 
nicht  begreifen,  und  Herodotos  II 119  kennt  bereits  die  sage,  dasz 
der  held  zwei  ägyptische  kinder  geopfert  habe,  worauf  dann  günstige 
winde  eingetreten,   soll  dies  alles  zufall  sein? 

In  den  sog.  Homerischen  hymnen  findet  sich  keine  erwähnnng 
Yon  menschenopfem,  vielleicht  —  auch  hier  will  ich  es  gern  zu- 


sei; aber  die  liebe  beider  und  das  ppfer  der  braut  auf  dem  grabe  dea 
geliebten,  das  ganz  einsig  dastehen  würde,  ist  späte  erfindang.  Welcker 
griech.  trag.  s.  1146  and  neaerdiogs  BFörster  im  Hermes  XVII  s.  199  f. 
schreiben  dieselbe  wohl  mit  recht  erst  den  Alexandrinern  zn.  Ursprung' 
lieh  aber  hat  das  opfer  einen  ganz  andern  sinn,  das«  bei  den  Phoiiükem 
und  andern  Orientalen  nach  glücklicher  beendignng  des  krieges  oder 
einem  glücklichen  erfolge  gefangene  feinde,  namentlich  Jungfrauen, 
geopfert  wurden,  wird  mehrfach  überliefert  (Diod.  XX  66.  Prokopios 
de  hello  Fers.  II  28,  vgl.  Herod.  U  86.  VII  180);  aber  mögen  die 
Griechen  diesen  brauch  zur  zeit  des  Arktinos  aueh  noch  nicht  gekannt 
oder  nicht  angenommen  haben:  hier  steht  die  gefährliche  Seefahrt  nach 
hause  bevor.  Vergilius  (Aen,  II  116)  läszt  den  gefangenen  Sinon  den 
Troern  sagen,  ein  orakel  habe  den  Griechen  verkündigt,  sie  müsten 
wie  damals  beim  anfbruch,  so  auch  jetzt  vor  der  abfahrt  durch  ein 
menschenopfer  ventos  placare;  Iphigeneia  wird  schon  von  Aisohylos 
(Ag.  214)  eine  iraucdvejLioc  Oucia  und  eine  ^inpböc  Gpi^Kiuiv  dr^druiv 
(Ag.  1418)  genannt:  etwas  anderes  ist  Polyzene  auch  nicht  gewesen, 
es  ist  dies  mehr  als  eine  blosze  Vermutung:  Euripides  selbst  Ittszt  es 
den  Neoptolemos  sagen  (Hek.  636  ff.):  ^X6^  6'  die  itir^c  lUXav  \  Köpr|C 
dKpaicpv^c  a\n\  6  cot  6u>po0fi€6a  |  cTpUTÖc  T€  KdTtd*  irpeufieWic  6'  i\yXv 
T€voO  I  XOcai  t€  irpijfivac  kuI  x^^ivuiT/ipia  |  vetifv  6öc  i^iüitv 
irp€UM€voOcT"dir'  *IXiou  |  vöctoü  Tuxövrac  irdvTUC  elc  irdrpav 
^oXciv.  und  das  opfer  ist  erfolgreich  wie  das  Iphigeneias:  während 
vorher  widrige  winde  geweht  (Hek.  900  f.  Ov.  met.  XIII  439  f.),  treten 
günstige*  ein,  sobald  die  Jungfrau  geschlachtet  ist  (Hek.  1289  f.).  wir 
wissen  nicht,  ob  die  sage  von  anfang  an  erzKhlt  hat,  dass 
dal  opfer  auf  dem  grabe  des  Achilleus  dargebracht  wurde; 
aber  aach  wenn  dies  der  fall  gewesen  ist,  spräche  es  nicht  gegen  unsere 
auffassung  desselben,  wenn  die  Weiterbildung  der  sage  von  dem  opiler 
und  der  errettung  Iphigeneias  es  notwendig  machte ,  dasz  die  Jungfrau 
am  altar  der  Artemis  geopfert  wurde  —  eine  erdiehtung  die  auch  aus 
andern  gründen  schon  nahe  lag,  vgl.  anm.  20  —  so  fehlte  hier  schlechter- 
dings jeder  ort,  an  dem  die  opferang  der  Polyzene  vollzogen  werden 
konnte:  denn  ein  heiligtam  der  Griechen  existierte  an  der  küste  nicht, 
es  hatte  ja  nun  zwar  ein  altar  eigens  dazu  erbaut  werden  künnen,  aber 
bot  nicht  der  am  meer  gelegene  weitbin  sichtbare  grabhttgel  des  tapfersten 
der  Hellenen  von  selbst  eine  passende  statte?  was  Förster  (ao.  s.  199) 
zu  der  annähme  bestimmt,  die  alezandrinischen  dichter  hatten  mit  der 
erzählung  von  dem  opfer  der  Polyzene  ein  gegenstück  zu  Penthesileia 
schaffen  wollen,  vermag  ich  nicht  einfasehen.  ich  finde  dasselbe  wie 
f^sagt  in  jener  Opferung  der  griechischen  königstochter  in  Aulis,  die 
ja  dort  auch  dem  Achillens  verlobt  werden  sollte  -^  eine  erzählung 
welche  die  alexandrinischen  dichter  bereits  vorfanden,  und  welche 
immerhin  noch  eine  weitere  äbnlichkeit  mit  der  spätem  ausführung  der 
Polyzenesage  zeigt. 


DOch  nicht  bekannten  opfer  in  Griechenland.  369 

geben  —  weil  sich  keine  Veranlassung  dazu  bot.  Pindaros  kennt 
die  opfenmg  der  Iphigeneia  (Py.  11,  22),  Aischylos  nennt  sie  ein 
'windstillendes  opfer'  (Ag.  214),  ja  er  scheint,  wie  auch  sein  Zeit- 
genosse Herodotos ,  menschenopfer  für  die  winde  bereits  als  üblich 
zn  kennen:  denn  solches  ist  doch  wohl  aus  den  werten  des  chors 
Ag.  146  ff.  zu  entnehmen :  furj  Ttvac  ävTtTTVÖouc  Aavaotc  xpovtac 
^Xcviiibac  aöpac  TeüHq,  cneuboiuieva  Guciav  Ix^pav  ävo^öv  nv*, 
dbaiTOV  usw.  Herodotos  erwähnt  menschenopfer  häufiger:  VII  180 
ein  von  den  flottensoldaten  des  Xerxes  gebrachtes  (vgl.  auch  II 86), 
Vn  197  und  IX  119  von  Hellenen  gebrachte. '^  seitdem  finden  sich 
gelegentliche  angaben  bei  den  Schriftstellern  zerstreut,  immer  aber, 
auch  in  späterer  zeit,  sind  den  Hellenen  diese  opfer,  wenn  sie  leider 
bisweilen  auch  für  notwendig  gehalten  werden,  gräszlich.  wie 
Aischylos  (Ag.  149)  das  menschenopfer  ävO)üioc  nennt,  so  erscheint 
es  dem  Pelopidas  und  seinem  beer  TTapdvo)üioc  und  ßdpßopoc  (Plut. 
Pelop.  21),  und  Pausanias  (VII  19,  3)  nennt  es  eine  livx]  Ouda 
(vgl.  Eur.  Iph.  T.  465). 

Wer  möchte  nun  aber  annehmen  dasz  die  Griechen  zur  zeit 
Homers  y  in  der  die  moral  und  alle  sittlichen  anschauungen,  wie  sie 
bald  selbst  empfanden,  noch  auf  einer  äuszerst  niedrigen  stufe  stan- 
den, menschenopfer  bereits  abgeschafft,  einige  Jahrhunderte  später 
dann  aber  von  neuem  eingeführt  hätten?'^ 

In  derselben  zeit  wie  die  menschenopfer  werden  auch  die  andern 
Sühnopfer  eingeführt. "'  die  Untersuchung  derselben  ist  schwierig, 
da  Opfer,  denen  offenbar  der  gedanke  und  die  absieht  einer  sühnung 
zu  gründe  liegt,  häufig  nicht  mehr  als  solche  bezeichnet  oder  auch 
nur  verstanden  werden,    charakteristisch  für  dieselben  ist  dasz  das 


*'  aasxer  dem  des  Menelaos  (II  119)  nnd  auszer  einem  hellenischer 
Söldner,  die  in  ägyptischen  diensten  stehen,  vor  der  schlacbt  bei  Pelti- 
sion  (III  11);  doch  mögen  hier  die  söhne  des  Phanes  aach  nur  aas 
räche  und  nicht  als  eigentliche  opfer  geschlachtet  sein,  über  das  opfer 
des  Menelaos  ist  Herodotos  augenscheinlich  deshalb  am  meisten  ent- 
rüstet, weil  die  getöteten  d^m  volke,  bei  dem  der  held  so  gastliche 
aufnähme  gefunden,  angehörten.  ^  was  die  Griechen  selbst  hierüber 
dachten  und  erzählen,  ist  natürlich  völlig  gleichgültig,  die  einfübrung 
aller  culte  und  opfer,  namentlich  der  nicht  ganz  gewöhnlichen,  wird 
von  ihnen  in  die  sagenhafte  vorzeit  zurück  verlegt:  Prometheus  und 
Herakles,  Eriohthonios  und  Orestes  lehren  gebrauche,  die  zum  grossen 
teil  nachweisbar  erst  in  historischer  zeit  üblich  geworden  sind,  es 
sind  dies  fabeln,  gleichwertig  mit  den  erzählungen  von  der  einwanderung 
des  Pboinikers  Kadmos  und  des  Ägypters  Danaos,  dem  'ergebnis  der 
ältesten  speculation  über  Völkerkunde  und  culturgeschichte'  (EPlew  ao. 
s.  9).  '^  A  814  ff.  ist  von  keinem  solchen  die  rede,  und  das  dircXu- 

^a(vovTO  und  €lc  dXa  XOfiaT*  fßaXXov  scheint  auch  mehr  eine  sanitäre 
maszregel  als  eine  religiöse  oeremonie  zu  sein,  mag  man  darüber  aber 
denken  wie  man  will,  das  darauf  folgende  opfer  wird  genau  so  ge- 
schildert wie  alle  übrigen  Homerischen,  und  es  ist  ein  dankesopfer  an 
Apollon,  der  jetzt  nicht  mehr  tod  unter  die  Achaier  senden  will,  und 
kein  sühnopfer;  man  iszt  von  den  geschlachteten  tieren  ebenso  wie  von 
der  hekatombe,  welche  Odysseus  gleichzeitig  nach  Chryse  geführt  hat, 
damit  auch  dort  dem  gotte  geopfert  werde  (A  467  ff.). 


370  FStengel:  einführung  der  in  Homerischer  zeit 

fleisch  der  geschlachteten  tiere  nicht  gegessen,  sondern  ganz  ver- 
nichtet wird ,  und  dasz  mit  Vorliebe  nicht  eszbare  tiere ,  namentlich 
hunde,  zu  ihnen  gewählt  werden,  ist  ein  mensch  verunreinigt,  so 
genügt  oft  nur  die  anwendung  bestimmter  religiöser  ceremonien, 
ihn  zu  reinigen;  uns  gehen  hier  aber  nur  die  stthnopfer  an,  die 
zwar  ebenso  wie  jene  einfachem  reinigungen  oft  geschildert  sind, 
deren  Ursprung  und  einführung  aber  nie  untersucht  worden  ist. 

Das  erste  opfer,  das  wir  dahin  rechnen  dürfen,  ist  das  in  der 
Aithiopis  erwähnte  (Welcker  ep.  cyclus  II  s.  521),  welches  Achilleos 
nach  der  ermordung  des  Thersites  in  Lesbos  darbringt,  worauf  er 
von  Odysseus  gereinigt  wird,  genaueres  über  sühnopfer  erfahren 
wir  dann  aus  Aischjlos  (s.  besonders  Eum.  282.  449.  Cho.  1059) 
und  unter  den  späteren  Schriftstellern  namentlich  aus  Pausanias«  wie 
Zeus  der  sage  nach  der  erste  war,  der  einen  menschen  vom  morde 
reinigte  (Pherekydes  fr.  103.  Aisch.  Eum.  440  f.  und  717  f.  fr.  197 
Herrn.) ,  so  empfängt  er  auch  schon  früh  sühnopfer.  bereits  Hero- 
dotos  I  44  kennt  seinen  beinamen  KaGdpcioc.  weil  bei  den  sühn- 
opfern die  feige  eine  rolle  spielt^*,  soll  er  statt  dessen  auch  cuKdcioc 
genannt  worden  sein  (Eust.  zu  Od.  r]  116  s.  1572).  sodann  werden 
dem  Zeus  ^eiXixioc  sühnopfer  gebracht,  der  beiname  ist  offenbar 
euphemistisch'^  wie  Eumeniden  für  Erinyen:  denn  der  gott  hat 
einen  chthonischen ,  unheimlichen  Charakter.'^    auch  wird  der  bei- 


^'  so  auch  bei  den  dem  Apollon  gefeierten  Tbargelien  («.  Preller- 
Plew  ao.  I  8.  210.  vgl.  auszerdem  Athen.  XIII  14  8.  78«).  bei  Homerof 
wird  nun  aber  die  feige  nar  t]  116.  121.  X  689.  uj  246  erwähnt,  also 
in  den  gärten  des  Alkinoos,  bei  der  8childernng  der  bestraften  Ter- 
brecher  im  Hades  nnd  im  letzten  bnch  der  Odyesee,  lauter  später  ein- 
geschobenen und  angefügten  stellen.  Hebn  caltnrpflanzen  und  haos- 
tiere  asw.  2e  aufl.  s.  84  sagt  daher  mit  Yollem  recht,  dass  die  feige 
den  Griechen  in  Homerischer  zeit  noch  unbekannt  gewesen  sei,  er  be- 
hauptet sogar:  'Hesiodos  kennt  die  feige  und  deren  cultur  noch  gar 
nicht' ;  dagegen  (s.  83)  'hat  der  feigenbaam  im  semitischen  Vorderasien 
sein  eigentliches  Vaterland.'  ebenso  wird  der  lorbeer,  den  später 
^Apollon  Ka6äpcioc  sich  als  zeichen  und  magisches  mittel  der  von  ihm 
ausgehenden  reinigungen  erwählte',  zwar  einmal  in  der  Odyssee  (i  188) 
erwähnt,  hat  aber  natürlich  noch  gar  nicht  die  ihm  später  gegebene 
bedeutung  (vgl.  Hehn  s.  194).  "  sollte  imeiXixioc  vielleicht  nur  eine 
gräcisierung  des  phoinikiscben  Moloch,  Melecb  sein,  dnrch  Volks- 
etymologie entstanden?  der  "Aiör^c  d^€(Xixoc  bei  Homeros  (I  158  uaw.) 
würde  nicht  dagegen  zeugen,  könnte  im  gegenteil  zn  jener  angleichong 
geführt  haben.  Melkart  —  McXiK^pTi^c  böte  schon  ein  analogon. 
^  über  das  ihm  gefeierte  Diasienfest  und  die  ihm  gebrachten  opfer  ist 
viel  geschrieben  worden.  Schömann  ao.  IP  s.  604  f.  glaubt  dass  ihm 
blutige  Opfer  nicht  gebracht  werden  durften.  KFHermanu  (Philo!.  II 
8.  1  f[.)  meint  dasz  zuerst  nnblntige  opfer  ^CTd  nvoc  ctutvött)T0C  (Luk. 
Ikarom.  24)  gebracht  seien,  woran  sich  eine  heitere  nachfeier  mit  blu- 
tigen opfern  geschlossen  habe.  AMommsen  heortologie  s.  382  ff.  hat 
mit  recht  gegen  beider  ansführungen  manche  einwände  gemacht,  irrt 
aber  selbst  auch,  wenn  er  sagt  (8.  383):  'die  götter  werden  an  den 
Diasien  mit  ganzen  tieropfern  bewirtet,  also  reichlicher  nnd  gläniender 
als  sonst  je.'  ich  bin  nach  prüfung  aller  bezüglichen  stellen  (Thuk.  I 
126.  Xen.  anab.  VII  8,  6.  Aristoph.  Wo.  407  mit  scbol.  Luk.  Timon  7, 


noch  nicht  bekannten  opfer  in  Griechenland.  371 

aame  auf  Dionysos  übertragen ,  von  dessen  Zugehörigkeit  zu  diesen 
^ttem  (vgl.  Soph.  Ant.  1143)  wir  schon  oben  gesprochen  haben, 
und  mehr  appellativ  auf  6eoi  überhaupt,  denen  dann  ebenso  die 
den  chthonischen  gottheiten  eigentümlichen  nächtlichen  opfer,  von 
denen  nichts  gegessen  wird ,  gebracht  werden  (Paus.  X  38 ,  4 :  vgl. 
auch  Kaibel  epigr.  gr.  n.  153).  sodann  empfängt  ApoUon,  welcher 
ja  früh  schon  zum  KaOdpcioc  kqt'  iloxf\yf  geworden  ist  '^,  sübnopfer : 
in  Athen  werden  ihm  die  Thargelien  gefeiert,  in  Argos  soll  man  ihm 
Wölfe  geopfert  haben  (schol.  Soph.  £1.  6,  vgl.  Hesychios  u.  Xuko- 
KTÖVOC),  und  es  gab  wohl  keinen  ort  in  Oriechenland  wo  ihm  nicht 
Sühnopfer  gebracht  wurden  (vgl.  Paus.  II  24,  1.  VIII  38,  6.  CIG. 
1688  usw.) .  ganz  besonders  zeigt  auch  der  in  die  mysterien  ver- 
flochtene Apollon  Kameios  diesen  Charakter,  und  von  den  ihm  ge^ 
brachten  reinigungsopfern  erfahren  wir  auch  aus  der  andanischen 
inschrift.  auch  opfer  für  Hermes ,  der  bereits  im  letzten  buche  der 
Odyssee  zum  totengeleiter  geworden,  fUr  Demeter  und  Persephone, 
die  beide  bei  Homeros  eine  ganz  untergeordnete  rolle  spielen ,  dann 
aber  durch  die  wohl  aus  Ägypten  stammenden  mysterien  zu  groszem 
ansehen  gelangen,  scheinen  oft  hierher  gehörig,  eigentümlicher  und 
sicher  als  solche  erkennbar  sind  dann  wieder  die  sühnopfer,  welche 
Hekate  empfängt  (vgl.  auch  Movers  Phon.  I  s.  22).  ihr  werden 
namentlich  hunde  geopfert'*,  ein  tier  von  dem  Plutarchos  (qu.  rom. 
68)  sagt:  Tjfi  bi  kuvI  noviec  u)C  firoc  elireiv  *'6XXtiv€c  dxpÄVTO  Kai 
XpuiVTai  Y€  M^XP*  vOv  fvioi  cqpaYiiiJ  npöc  touc  Ka6ap|uiouc.  ebenso 
musz  das  hundeopfer  der  Eileithyia  in  Argos  (Plut.  qu.  rom.  52. 
Hesychios  u.  TevCTuWic)  und  das  von  den  spartanischen  epheben 
dem  Enyalios  oder  Ares  gebrachte  (Paus.  III  14,  9.  Plut.  qu.  rom. 
111)  mit  Schömann  (ao.  II'  s.  250)  für  ein  sühnopfer  angesehen 
werden '^,  um  so  mehr  da  Plutarchos  in  dem  betr.  cap.  ausdrücklich 


Ikarom.  24.  Paus.  X  38,  4.  Plut.  Theseus  12.  Mor.  s.  417  <>)  zu  dem  resultat 
gekommen,  dasz  ihm  sowohl  blutige  als  unblutige  opfer  gebracht  wur- 
den, dasz  dieselben  aber  ganz  verbrannt  wurden,  dh.  also  sühnopfer 
waren,  dies  wird  bestätigt  durch  Polemon  (s.  139  Preller),  Suidas  und 
Hesychios  u.  Aiöc  Kdiöiov,  Eustatbios  s.  1936.  da  wird  dem  Zeus 
ffleiJichioB  ein  widder  als  sühnopfer  geschlachtet,  von  dessen  fleisch 
nichts  gegessen  wird,  vielleicht  haben  die  unblutigen  opfer  ausschliesz- 
lieh  in  Tilixixaia  €lc  Ziijjujv  fiopqpdc  TCTUirwfidva  (schol.  zu  Thuk.  1  126) 
bestanden,    vgl.  meine  bemerkungen  in  diesen  jahrb.  1881  s.  399  f. 

^  dasz  Achillens  bei  Arktinos  vor  seiner  reinigung  auszer  Artemis 
und  Leto  auch  dem  Apollon  opfert,  berechtigt  zwar  nicht  zu  der  an- 
nähme, dasz  dieser  bereits  bei  den  kyklikern  gott  der  sühne  und  der 
reinigungen  sei,  wohl  aber  finden  wir  ihn  als  solchen  ganz  ausgesprochen 
bei  Aischylos.  ^  Paus.  III  14,  9.  Plut.  qu.  rom.  52.  68.  111.  Aristo- 
phanes  nach  dem  schol.  zu  Theokr.  eid.  2,  12.  schol.  Aristoph.  Frl.  277. 
Lykophron  Kass.  77  mit  schol.  Suidas  u.  KOpiKÖv  60^a.  firasmus  adag. 
a,  221   u.   Carica  mctima.  '^  so    mag    denn    auch   die   nachricht  des 

Porphyrios  (de  abstin.  11  68),  dasz  die  Lakedaimonier  dem  Ares  menschen 
geopfert  hätten,  glauben  verdienen,  wenn  nicht  vielleicht  doch  eher 
anzunehmen  ist,  dasz  diese  notiz  einem  vor  beginn  einer  sohlacht  von 
den  Spartanern  gebrachten  menschenopfer  ihren  Ursprung  verdankt. 


372  PStengel:  einführang  der  in  Homerischer  zeit 

sagt:  'OXufüiTTiuiV  fui^v  Totp  o\)bev\  Oeoiv  kuuiv  KaGt^puirai.  auch  die 
groszen  wild-  und  geflügelopfer,  welche  der  Artemis  bisweilen  ge- 
bracht werden  (Paus.  VII  18,  7.  IV  31,  7.  Bekkers  anecd.  b.  249, 
vgl.  schol.  Aristoph.  Lys.  645)  sind  hierher  zu  rechnen,  die  tiere 
werden  ganz  verbrannt  und  zwar  lebendig  auf  den  flammenden  altar 
getrieben,  kurz  das  opfer  verrät  in  mehrfacher  hinsieht  und  auf  den 
ersten  blick  den  fremdländischen  einflusz.*^  wie  gesagt,  es  ist  in 
vielen  fällen  schwierig  und  unsicher  zu  bestimmen ,  ob  ein  Opfer  für 
ein  sübnopfer  zu  erklären  sei ;  so  viel  aber  geht  auch  aus  den  sichern 
beispielen  hervor,  dasz  weder  die  gottheiten,  denen  sie  gebracht 
werden ,  althellenisch  sind ,  noch  dasz  der  so  oft  genannte  hnnd  ein 
ursprünglich  griechisches  opfertier  gewesen  sein  kann,  anter  den 
eszbaren  opfertieren  wird  am  häufigsten  und  als  das  zu  reinigunga- 
opfern  besonders  geeignete  tier  das  schwein  erwähnt  (Aisoh.  Enm.  430 
und  282.  Paus.  V  16,  5.  schol.  Apoll.  Argon.  IV  704  usw.),  seltener 
der  Widder  (La.  Diog.  1 110.  Paus.  I  34,  3  usw^  beide  in  der  an- 
daniscben  inschrift),  niemals  aber  das  sonst  gewöhnlichste  opfer* 
tier:  eine  kuh.  sehen  wir  uns  nun  die  opfertiere  der  Phoiniker 
an :  'menschen-,  hunde-  oder  schweineopfer  brachten  die  Phoiniker 
nach  den  berichten  der  alten  ihren  göttem  dar."*  'ktthe  wurden 
von  den  Phoinikem  nicht  geopfert.'  ^  aus  dem  Charakter  der  opfer 
wie  aus  der  art  der  tiere  erhellt,  dasz  die  opfer  der  Phoiniker 
zum  grösten  teil  holokausta  waren ^^  also  wieder  opfer  die  Home- 

^"^  vgl.  Movere  opferwesen  der  Karth.  s.  68:  'hirtche  gehörten  bei 
den  Phöniziern  zu  den  gewöhnlichaten  opfertieren.  so  weit  wir  aje 
kennen,  waren  diese  opfer  sühnopfer.'  Lnkianos  ircpl  Tf\c  Cupir^c  OcAc  4B 
schildert  ein  opfer,  das  die  Tjrier  alljährlich  ihrer  von  den  Griechen 
für  Artemis  gehaltenen  göttln  bringen,  und  es  entspricht  dies  gana 
genau  dem  von  Pausanias  VII  18,  7  beBohriebenen  griechischen  opfer. 
geflügel  aber  wurde  von  den  Phoinikem  auch  viel  häufiger  geopfert  ala 
von  den  Griechen  (s.  auszer  Lukianos  ao.  die  magsilische  Opferinschrift 
bei  Movere  ao.  s.  56.  Diod.  V  20  und  vgl.  besonders  auch  Luk.  Zena 
trag.  16).  das  älteste  mir  bekannte  griechische  vogelopfer  ist  der  hahs^ 
den  Sokrates  nach  Piaton  (Phaidon  118')  dem  Asklepios  geopfert  wissen 
will,  auch  GWolff  ('gefitigelopfer'  Philol.  XXVIII  s.  188  ff.)  erwähnt  kein 
früheres,  wie  die  wildopfer  werden  auch  die  geflügelopfer  den  Phoinikem 
entlehnt  sein,  letztere  werden  von  den  Griechen  fast  aussdiliesslieh 
dem  Asklepios  und  Herakles  (Plnt.  qn.  sjmp.  VI  10,  1.  CIG.  683)  dar- 
gebracht, die  Homeros  beide  als  götter  noch  nicht  kennt  (C  117  und 
Lchrs  Arist.'  s.    188.   B  732).  **  Movere  opferw.  der  Karth.  s.  41. 

vgl.  Jiistinus  XIX  1 ,  wo  erzählt  wird  dasz  Dareios  den  Karthagern 
verboten  habe  hunde  und  menschen  zu  opfern.  ^  Movers  ao.  s.  48. 
Duncker  I^  s.  280,   wo   auch   die  belegstellen.  ^'  Movers  ao.   s.  71 

bezweifelt  dies  ohne  hinreichenden  grnnd.  dasz  die  Phoiniker  nicht 
ausschlieszlich  holokausta  geopfert  haben ,  gebt  allerdings  ans  zwei 
inschriften  hervor  (der  massiliensiscben  und  einer  karthagischen:  vgl. 
Duncker  I^  s.  280);  aus  den  beiden  andern  von  Movers  beigebrachten 
stellen  (Porph.  II  26.  IV  16),  in  deren  einer  nur  von  holokausta  der 
Juden  gesprochen  wird,  nicht  aber  der  Phoiniker,  und  in  deren  iweiter 
es  von  den  Phoinikem  heiszt:  'dasz  sie  zuerst  unblutig  geopfert»  dann 
die  tiere  ganz  verbrannt,  dann  auch  opferfleisch  gegessen  hatten',  Ist 
gar   nichts   zu   schlieszen.     auch  die  Griechen  haben  ähnliche  sagen 


noch  nicht  bekannten  opfer  in  Griechenland.  373 

X08^  und  Hesiodos  noch  nicht  kennen;  kurz  sühnopfer,  insbesondere 
menschenopfer  sind  den  Phoinikern  entlehnt  und  haben  erst  lange 
nadh  Homeros,  als  der  verkehr  zwischen  beiden  Völkern  ein  regerer 
wurde,  in  Griechenland  eingang  gefunden.^' 

Wir  kommen  zu  den  totenopfern.  Lehrs  popul.  aufsätze* 
8*  304  sagt:  Mer  religion  der  Homerischen  Griechen  darf  man  nicht 
den  glauben  an  Unsterblichkeit^  an  bewustes  fortleben  mit  lohn  und 
strafe  aufdringen.'  an  dieser  thatsache  ändert,  wie  er  ebd.  s.  305  ff. 
Ilberzeugend  nachgewiesen  hat,  nichts  die  besixafung  einiger  frevler 
gegen  die  götter  (Od.  X),  deren  strafe  in  stets  vereitelten  fruchtlosen 
mflhen  besteht,  so  ist  ein  cultus  der  toten  in  dieser  zeit  denn  auch 
nnmöglich ,  und  die  spftter  so  regelmäszig  dargebrachten  opfer  und 
spenden  fUr  die  verstorbenen  sind  Homeros  noch  fremd,  es  liegt 
nahe  dagegen  einwendungen  zu  machen ,  und  es  ist  dies  in  der  that 
auch  von  männem  geschehen ,  welche  sonst  die  ansieht  von  Lehrs 
teilen,  in  Leopold  Schmidts  'ethik  der  Griechen'  (Berlin  1882) 
lesen  wir  11  s.  ^6  f. :  'obwohl  sonst  den  anschauungen  der  Homeri- 
schen gedichte  der  gedanke  eines  Zusammenhangs  zwischen  den 
lebenden  und  den  seelen  der  abgeschiedenen  fernliegt  [vgl.  I  s.  97 
und  99]  9  so  findet  sich  doch  auch  an  6iner  stelle  bereits  eine  er- 
wähnung  eines  eigentlichen  totenopfers,  das  früher  bestatteten  zur 
labung  bestinunt  ist:  k  518  ff.  X  26  ff.  . .  will  man  daher  diese  partie 
nicht .  .  für  eine  sehr  viel  jüngere  einschiebung  halten,  so  läszt  sich 

(zb.  Paus.  I  24,  4.  I  28,  11),  auf  die  ebenso  wenig  zu  geben  ist.  es 
ist  daraus  nur  zu  entnehmen,  dasz  alle  drei  arten  von  opfern  gebracht 
worden,  dies  ist  ja  aach  zu  natürlich  und  nicht  blosz  bei  Phoinikern 
und  Griechen  so  gewesen  (vgl.  sb.  Herod.  U  40),  aber  bei  den  Phoinikern 
müssen  die  bolokansta  viel  häufiger  gewesen  sein  als  bei  den  Qriechen. 
dasz  sie  menschen-  and  hnndefleisch  nicht  gegessen  haben  werden,  be- 
darf keines  beweises,  und  geflügel  werden  sie  wahrscheinlich  auch 
nicht  zwischen  den  göttem  und  sich  geteilt  haben,  übrigens  haben 
wir  auch  bei  Bchriftstellem  berichte  über  phoinikische  opfer,  wo  die 
tiere  ganz  verbrannt  wurden,  so  erzählt  Herodotos  VII  167  von  dem 
Karthager  Amilkas:  iQ()€TO  kqI  ^KaXXip4§€T0  kiii  m)pf\c  \JLef&\r]C  CibyLara 
öXa  KUTatÜIwv  (vgl.  das  persische  opfer  Xen.  Kyrup.  VIII  3,  24  und 
das  Indische  Herod.  I  60).  wenn  wir  den  opferritas  der  Qriechen  nur 
aus  ihren  doch  so  viel  zahlreicheren  inschriften  kennten,  so  würden 
wir  auch  von  den  holokausta  derselben  so  gut  wie  gar  nichts  wissen, 
wo  alles  verbrannt  wurde,  war  eben  über  die  Verwendung  des  fleisches 
udgl.  nichts  mehr  zu  bestimmen,  mir  ist  nur  ^ine  griechische  Inschrift 
bekannt,  die  von  einem  ganz  zu  verbrennenden  opfer  handelt:  es  ist 
dies  ein  sühnopfer  zur  abwendnng  einer  pest  (Kaibel  epigr.  gr.  n.  1034). 
4*  V  166  und  UJ  66  werden  keine  opfer  gebracht;  ebenso  wenig 
X  45  f.,  worüber  unten  mehr.  ^'  eine  auffallende  bestätigung  findet 

dies  durch  Herodotos  I  35,  welcher  bei  der  Schilderung  der  reinigung, 
die  Kroisos  an  dem  mörder  Adrastos  vollzieht,  gelegentlich  bemerkt: 
€cTi  6^  7TapaiTXT)c(ii  i\  KdOapcic  Totci  Au6o1a  kuI  toIci  ^'EXXtici.  Orote 
ao.  I  s.  21  schlieszt  sicher  mit  recht  daraus,  dasz  die  Hellenen  die 
mordsühne  von  den  Lydern  kennen  gelernt  haben,  von  den  vorder- 
asiatischen Völkern  stammt  der  gedanke,  dasz  der  mensch,  welcher  den 
gott  erzürnt,  einer  sühne  bedarf:  kein  wunder  also  dasz  auch  die  be-. 
treffenden  opfer  denen  jener  Völker  so  ähnlich  sind. 


374  PSteogel:  einführuDg  der  in  Homerischer  seit 

nur  annehmen  dasz  .  •  derartige  opfer  etwa  als  gebrauch  eines  ein- 
zelnen ortes  oder  einer  einzelnen  gegend  bekannt  waren.'  das  letztere 
halte  ich  nicht  für  wahrscheinlich ;  von  dem  erstem  bin  ich  meiner- 
seits fest  überzeugt ,  und  an  eine  spätere  einschiebnng  dieser  nnd 
anderer  stellen  des  elften  buches  glaubt  man  ja  wohl  auch  allgemein, 
wenn  dieselbe  vielleicht  auch  noch  immer  nicht  spät  genug  angesetzt 
wird;  aber  ich  kann  trotzdem  Schmidt  nicht  zugeben,  dasz  es  sieb 
hier  um  'ein  eigentliches  totenopfer',  wie  es  später  üblich  war, 
handle,  die  spende  mag  immerhin  *zur  labung  früher  bestatteter 
bestimmt'  gewesen  sein,  das  opfer  ist  es  jedenfalls  nicht,  bei  den. 
spätem  totenopfem  wird  das  blut  des  geschlachteten  tieres  den  ver- 
storbenen zum  genusz  in  die  tiefe  des  grabes  gegossen,  der  leib  des- 
selben ihnen  zu  ehren  und  vielleicht  auch  zur  speise  verbrannt;  hier 
kommt  es  darauf  an,  dasz  die  schatten  heraufgelockt  werden:  sie 
sollen  das  blut,  das  lebenselement  welches  ihnen  fehlt ,  trinken,  nur 
um  dadurch  für  kurze  zeit  das  ihnen  mangelnde  bewustsein  (vgl. 
Schmidt  ao.  I  s.  99)  zu  erhalten,  und  die  leiber  der  tiere  werden 
nicht  ihnen  zu  ehren  verbrannt,  sondern,  wenn  überhaupt  jemandem, 
den  göttem  Hades  nnd  Persephone  (X  45  ff.) ;  ein  opfer  wird  ihnen 
also  nicht  gebracht.  ^^  die  unfruchtbare  kuh  aber,  die  Odyssens  nach 
glücklicher  heimkehr  auf  Ithake  zu  opfern  verspricht  (X  30  f.),  ist 
schon  deswegen  mit  den  später  üblichen  totenopfem  gar  nicht  zu 
vergleichen,  weil  sie  an  einem  ganz  andern  orte  fem  von  den  grftbem 
der  verstorbenen ,  ja  hier  selbst  fem  von  orten  wo  diese  sonst  etwa 
zum  genusse  heraufkommen  könnten,  (iv  )üi€Tdpoici)  geopfert  wer- 
den soll,  noch  viel  weniger  aber  dürfen  wir  (vgl.  Schmidt  ao.  11 
s.  98)  die  aus  räche  und  dem  gefallenen  freunde  zur  genugthuung 
geschlachteten  Troer  und  die  pferde  und  hunde,  welche  mit  dem 
leichnam  des  Patroklos  (V 166  ff.),  oder  die  schafe  und  rinder,  welche 
mit  dem  des  Achilleus  (ui  66  ff.)  auf  dem  Scheiterhaufen  zugleich 
verbrannt  werden,  opfer  nennen,  werden  ja  doch  selbst  waffen  mit 
dem  toten  zusammen  verbrannt  (X  74). 

In  den  Hesiodischen  gedichten  zeigt  sich  noch  keine  Verände- 
rung, nichts  von  heroen-  und  totencultus.  ganz  anders  bereits  bei 
Pindaros.  in  der  zweiten  olympischen  ode  finden  wir  fortleben,  lohn 
und  strafe  nach  dem  tode  (s.  auch  fr.  96  und  97  Böckh)  nnd,  wie  es 
nicht  anders  sein  kann,  totencultus.  dem  Pelops  werden  in  Olympia 
blutige  totenopfer  gebracht  (Ol.  1,  90  f.),  dem  Tlepolemos  dampfen 
schafopfer  ujcirep  Geoi  (Ol.  7,  77  ff.),  ebenso  erhalten  Herakles  und 
seine  söhne  (Isthm.  4,  61  [3,  74])  totenopfer,  und  nicht  anders  alle 
andern  toten  (vgl.  Ol.  8,  77).  jetzt  leben  die  toten  fort,  können 
segnend  oder  verderbend  auf  die  oberweit  hin  wirken,  sie  empfangen 
den  verwandten  und  freund,  wenn  derselbe  stirbt,  und  dasz  sie  ihm 

**  Upr^iov  (X  23)  heisst  bei  Homeros  niemals  ^opfertier*  soDdem 
'Schlachtvieh',  icpeOciv  nar  ^schlachten',  cqK&TTCiv  'durch  einen  schnitt 
oder  stich  dem  (E  426  bereits  getöteten)  tiere  das  blnt  entiieben'; 
'opfern'  beiszt  piluVj  80€iv  'verbrennen'. 


noch  nicht  bekannten  opfer  in  Griechenland.  375- 

freundlich  entgegenkommen,  dafür  hat  dieser,  so  lange  er  auf  der 
oberweit  weilt,  durch  opfer  und  spenden  für  die  verstorbenen  sorge 
zu  tragen,  das  sprechen  die  folgenden  dichter  häufig  aus,  besonders 
Aischylos  (zb.  Ag.  1522  ff.  fr.  281  H.)  und  Sophokles  (OT.  13.  66  ff* 
Ant.  71.  888  ff.  vgl.  auch  Eur.  Or.  674  ff.  usw.).  von  heroen- 
zu  totenopfem  ist  nur  6in  schritt,  die  heroen  sind  ja  nichts  anderes 
als  erhabene  tote;  dem  Lykurgos  wird  ein  heiligtum  gegründet 
(Herod.  I  66),  dem  Brasidas  werden  'heroische  ehren'  erwiesen 
(Thuk.  y  11),  die  bei  Marathon  gefallenen  werden  beim  totenopfer 
ausdrücklich  als  heroen  angerufen  (Paus.  I  32,  4).  zur  zeit  üerodots 
ist  der  heroen-  und  totencultus  ganz  allgemein.  *^  einen  unterschied 
zwischen  den  opfern  der  heroen  und  der  toten  gibt  es  nur  insofern, 
als  den  erstem  häufig  ibc  6€<]u  geopfert  wird.^'  am  interessantesten 
sind  die  fftlle,  wo  demselben  heros  zugleich  ibc  6€(£i  und  ibc  f^pcutt 
geopfert  wird,  so  dasz  demgem&sz  von  dem  einen  teil  des  opfers 
gegessen  werden  darf,  der  zweite  aber  verbrannt  oder  sonstwie  ver* 
nichtet  werden  musz:  Paus.  II  10,  1  xal  vOv  €Tt  äpva  ol  CiKUuivtov 
cq)dHavT€C  xal  touc  ^npo^c  im  toö  ßui^oO  xaucavTec  td  [xiv  4c6i- 
ouciv  uic  dirö  Icpeiou,  xd  bi  ibc  f^pwi  tüüv  xpetüv  dvatKouciv. 
ebenso  wird  dem  Herakles  in  Thasos  geopfert  (Herod.  II  44) ,  dem 
Achilleus  an  seinem  grabe  von  den  Thessalem  (Philostr.  her.  19 
8.  741).^' 


*^  Herodotos  erwähnt  totenopfer  I  167.  168.  H  44.  V  47.  114.  VI  38. 
69.  Vn  43.  117.  VIII  39  —  nicht  hellenischer  Völker  III  24.  IV  26  — 
ein  totenorakel  V  92.  **  wo  dann  in  der  regel  statt  des  für  toten- 

opfer technischen  ^va^iJ^civ  oder  ivT^vciv  gesagt  wird  OOeiv  (vgl.  Herod. 
II  44.  Diod.  IV  39.  Paus.  VI  9,  2  usw.).  *''  es  gibt  einige  beispiele, 
nach  denen  es  scheinen  könnte  dasz  auch  von  eigentlichen  heroen- 
opfern  gegessen  worden  sei.  sie  sind  noch  nicht  besprochen  worden 
und  könnten  vielleicht  einmal  zu  falschen  Schlüssen  verleiten,  in  einer 
inschrift  von  Thera  GIQ.  2448  heiszt  es:  xal  OOciv  Totc  fjpwci  xal  ^m- 
X€U6ai  irdvTac  dirö  6€(irvou  iiii  tö  irpÖTov  iroT€ipiov  täv  T€  Moucöv  usw. 
das  opfer  ist  vier  heroen  und  den  Musen  gemeinschaftlich  gebracht 
worden;  es  bleibt  fleisch  übrig,  über  dessen  Verwendung  bestimmungen 
getroffen  werden,  und  da  nicht  wohl  anzunehmen  ist  dasz  dieses  allein 
von  den  den  Musen  geopferten  tieren  sei,  so  müssen  wir  glauben  dasz 
hier  den  heroen  (Jüc  6€0lc  geopfert  worden  ist,  ohne  dasz  dies  besonders 
bemerkt  wird;  auf  keinen  fall  aber  hat  die  mahlzeit  nach  dem  opfer 
mit  diesem  selbst  noch  etwas  zu  thnn:  es  ist  kein  opfermahl,  sondern 
ein  gewöhnlicher  schmaus  mit  gelage.  das  erkennen  wir  daraus  dasz 
den  Musen  wein  gespendet  wird,  was  wohl  beim  gastmahl  (Athen.  XI  15« 
8.  604),  nicht  aber  beim  opfer  geschehen  durfte  (Polemon  im  schol.  zu 
Soph.  OK.  100  und  Plut.  sept.  sap.  conv.  13).  ebenso  berichtet  Athenaios 
IV  8.  149^  von  den  Arkadern:  ÖTQv  bi  TOlc  f\p\uc\  60u)Ci,  BouOucia  fic- 
TdXri  Y(v€Tai  Kai  ^cthIivtoi  irävTCC  H€t4  Tübv  boOXwv*  ol  6£  uolöec  cuv- 
beitivoOciv  usw.  hier  werden  die  rinder,  von  denen  nachher  gegessen 
wird,  gar  nicht  den  heroen  geopfert  sein;  schon  aus  dem  ausdruok 
scheint  geschlossen  werden  zu  müssen,  dasz  dieses  grosso  rinderopfer 
noch  auszer  dem  heroenopfer  stattfand,  es  wäre  auch  ganz  anerhört, 
dasz  ein  solches  heroen  dargebracht  würde :  denn  diese  empfangen,  wie 
alle  toten,  schafe  zum  opfer,  und  ein  gesetz  des  äolon  verbot  sogar 
geradezu  den  toten  rinder  zu  opfern  (s.  ausführlicheres  darüber  in  metner 


376  PStengel:  einführuDg  der  in  Homerischer  zeit 

Woher  denn  nun  diese  verttnderang  gegenüber  der  ansieht  und 
den  gebrauchen  der  Homerischen  zeit?  ich  glaube  mit  Lehrs  ao. 
8.  311  f.,  dasz  die  Vorstellung  von  der  fortdauer  der  seelen  sich  ohne 
fremden  einflusz  im  Hellenentum  selbst  wird  entwickelt  haben ,  und 
von  dem  c u Itus  der  toten  darf  dies  mit  Sicherheit  behauptet  werden* 
dürften  wir  an  ein  fremdes  volk  denken,  woher  jener  gekommen,  so 
könnten  dies  nur  die  Ägypter  sein,  von  denen  der  glaube  an  seelen- 
wanderung,  Mer  aber  nie  in  die  griechische  volksreligion  eingedrungen 
ist'  (Lehrs  ao.  s.  338),  zu  stammen  scheint  (vgl.  auch  Duncker  ao.  I^ 
s.  59  ff.),  aber  es  liegt  kein  grund  zu  dieser  annähme  vor.  was  den 
totencultus  betrifft,  so  bemerkt  Herodotos  11  50  ausdrücklich,  dasz 
die  Ägypter  den  heroen  keine  totenopfer  bringen,  und  unter  den 
griechischen  totenopfem  ist  mir  auch  nicht  ein  einziges  beispiel  be- 
kannt, das  irgend  welchen  fremdländischen  einflusz  zeigte,  auszer 
einem  von  Lukianos  (Skythes  2)  erw&hnten,  wo  die  Athener  dem 
Skythen  Toxaris  an  seinem  grabe  ein  weiszes  rosz  opfern,  das  ist 
ungriechisch,  wie  alle  opfer  wo  nicht  eszbare  tiere  geschlachtet 
werden*^;  aber  dies  opfer  wird  auch  keinem  Hellenen  gebracht, 
sondern  einem  Skythen,  bei  denen  roszopfer  gewöhnlich  waren 
(Herod.  IV  61. 1  216.  Paus.  I  20,  8,  vgl.  auch  Eur.  Hei.  1258). 

Es  bleibt  noch  eine  dritte  art  von  opfern  übrig,  die  zwar 
Homeros  schon  kennt,  so  dasz  sie  genau  genommen  nicht  mehr  in 
den  rahmen  unserer  abhandlung  gehören,  die  aber  dennoch  einer- 
seits wegen  ihrer  nahen  Verwandtschaft  mit  sühn-  und  totenopfem 
(vgl.  Hesychios  u.  fvTOfxa),  anderseits  weil  sie  im  laufe  der  Zeiten, 
zimi  teil  auch  durch  ausländische  einflüsse,  manigfachen  verftnde- 
rungen  unterworfen  gewesen  sind,  hier  nicht  gut  ausgesohloBsen 
werden  dürfen:  die  ei  dop f er. 

Es  werden  uns  in  der  Ilias  zweimal  eidopfer  geschildert  T  258  ff. 
schlachtet  Agamemnon  einen  eher,  den  er  nachher  ins  meer  werfen 
läszt.  beim  beginn  des  Opfers  hat  er  dem  tiere  einige  haare  ab- 
geschnitten, die  er  den  schwur  sprechend  offenbar  in  der  erhobenen 
band  behält,  f  103  bringen  Griechen  und  Troer  lämmer  zum  opfer: 
dem  obersten  der  götter  Zeus  und  dem  allsehenden  Helios  wird  je 


abh.  über  4vt^|liv€IV  I8.  f.  d.  gw.  1880  8.  743  ff.),  es  ist  aber  keine 
Seltenheit,  dass  eiDem  heros  und  daneben  einem  gotte  geopfert  wird: 
s.  zb.  Paas.  IX  29,  3  Tip  Aivip  Konä  Itoc  IxacTOV  irpö  i^c  Oudoc  Tifirv 
Moucdiv  ^vayiSIouctv  (?gl.  auch  schol.  Apoll.  Arg.  I  1126  und  Lehre  ao. 
8.  824).  so  wird  auch  oberen  and  chthonischen  göttem  zugleich  ge- 
opfert, wo  sicherlich  doch  auch  nur  von  dem  fleisch  der  den  erstem 
geopferten  tiere  gegessen  sein  wird:  inschrift  im  *AOf)vau>v  II  s.  S37 
&uui&€KdT€i  AiovOctp  Av^vct  ir/iaov  ()nip  KuMiruiv,  All  x^vitp,  TQ 
x6ov(r)  öepTd  fi^Xava  ^Tfjcia.  6aivuc6uiv  aOroO.  von  eigentlichen  heroen- 
opfern  wird  niemals  etwas  gegessen,  und  wo  da  eine  haic  erwähnt  wird 
(Find.  Isthm.  4,  61  [3,  79]),  da  ist  es  ein  mahl  für  die  toten,  die  in\ 
t6  6€ltrvov  Kai  alfiaKoupiav  (Plut.  Arist.  21  —  vgl.  Pind.  Ol.  1,  90) 
heraufkommen,  woran  die  lebenden  aber  nicht  teilnehmen. 

^'^  vgl.  meine  abh.  über  'die  pferdeopfer  der  Griechen'  im  PhiloL 
XXXIX  8.  183  ff. 


noch  nicht  bekannten  opfer  in  Griechenland.  377 

ein  männliches  geschlachtet,  der  Gaia  ein  weibliches,  auch  ihnen 
wird  (271  ff.)  haar  oder  wolle  abgeschnitten,  dieses  den  yomehmsteft 
Oriecheh  und  Troern  in  die  band  gegeben,  um  sie  zu  verantwort- 
lichen teilnehmern  des  eides  zu  machen;  die  gesohlachteten  tier« 
nimt  Priamos  mit  zur  stadt,  nicht  etwa  zur  speise,  wie  die  scholiett 
zu  r  310  richtig  bemerken,  sondern  um  sie  dort  zu  vergraben  oder 
sonstwie  zu  beseitigen :  denn  Td  dirö  tOüv  6pKUJV  iepeia  oök  ficOiov 
dXX '  IpptTTTOV  t\  ^Kaiov  (schol.  zu  T  268).  die  spenden  beim  Opfer 
bestehen  aus  ungemischtem  wein,  vielleicht  der  besondern  heiligkeit 
des  Opfers  wegen ,  wahrscheinlicher  weil  der  wein  ja  ebenso  wenig 
zam  trinken  bestimmt  war  wie  das  fleisch  der  tiere  zum  essen.  ^' 
zweck  und  sinn  des  Opfers  sind  schon  hier  völlig  klar :  'wie  es  diesem 
tier  hier  ergehen  wird,  dessen  haar  ich  bertthre ,  so  möge  es  mir  er- 
gehen, wenn  ich  falsch  schwöre.'^  die  strafe  ist  der  tod,  und  nichts 
anderes  bedeutet  es  auch,  wenn  die  götter  bei  der  Styz  oder  bei  den 
Titanen  dort  unten  im  Tartaros  (E  279  vgl.  0  225)  schwören,  die 
strafe,  welche  man  später  (Hes.  theog.  792  ff.)  für  einen  meineidigen 
doch  unsterblichen  gott  erfindet,  kommt  dem  tode  am  nächsten. 

Die  gebrauche  erleiden  nach  Homeros  einige  Veränderungen, 
man  nimt  nicht  mehr  das  abgeschnittene  haar  des  opfertiers  in  die 
band,  sondern  schlachtet  das  tier  vor  dem  schwur,  zerlegt  es  und 
faszt  die  fleischstücke  an^'  oder  tritt  auf  dieselben '^j  krieger  tauchen 
auch  wohl  band  oder  waffen  in  das  in  einem  Schilde  aufgefangene 
blut",  und  man  opfert  nur  ausgewachsene  (r^Xeioi)^^  und  nur  männ- 
liche" tiere.  hauptsächlich  werden  eher,  widder,  stier  zu  opfertieren 
gewählt,  wie  die  scholien  zu  T  197  richtig  angeben  (iTp6c  bk  T& 
Spiaa  Tptciv  ^xp^vto  'AttikoI,  Kdirpif)  Kpiifi  Toupcfi).  die  ganze 
trittys  finden  wir  bei  besonders  feierlichen  opfern  (Demosth.  g. 
Aristokr.  §  68  s.  642,  vgl.  auch  Xen.  anab.  11  2,  9),  häufiger  den 
eher  allein  (Paus.  IV  15,  4.  V  24,  2)  oder  den  stier  (Herod.  VI  68. 
Aisch.  Sieben  44).  der  widder  allein  wird  nie  erwähnt,  was  nur 
Zufall  sein  kann;  in  den  allermeisten  fällen  steht  eben  blosz  lepd 
T^Xcta,  worunter  gewis  auch  öfter  jene  ganze  trittys  zu  verstehen 

^'  8.  meine  abh.  über  ^weinspenden  bei  brandopfern'  im  Hermes  XVII 
8.  330.  bei  totenopfem  wird  gemischter  wein  gespendet  (s.  meine  abh. 
über  ^totenspeuden'  im  Phiiol.  XXXIX  s.  878  ff.);  er  soll  den  toten  zam 
trank  dienen  (Flut.  Arist.  21),  hier  niemandem.  ^  vgl.  Andokides  myst. 
§  126.  Lysias  g.  Eratosth.  §  10.  Aischines  g.  Tim.  §  114,  Enst.  rar  II. 
r  878  usw.  ^<  Herod.  VI  68.  Lykorgos  g.  Leokr.  §  20,  Isaios  VII 16. 
Aristoph.  Lys.  192  und  202.  Aischines  trugges.  §  87  s.  264.  vgl.  auch 
CIG.  add.  2661».  Röhl  inscr.  gr.  antiq.  491.  ^  Demosth.  g.  Aristokr. 
§  68  8.  642.  Paus.  Ul  20,  9.        »'  Aisch.  Sieben  44.  Xen.  anab.  II  2,  9. 

M  Andok.  myst.  §  98.  Demosth.  g.  Neaira  §  60  s.  1866.  Tbok.  V  47. 
Inschrift  ans  Erythrai:  s.  Hermes  XVI  s.  197.  *^  es  wird  sich  dies 

aus  dem  folgenden  ergeben.  Suidas  n.  ßoOc  6  MoXomlfv:  iv  rote 
^pKUifiodoic  KOTaKÖirTcvTCC  €lc  luuKpd  T&c  ßoOc  kann  den  zahlreichen 
andern  Zeugnissen  gegenüber  nicht  ins  gewicht  fallen.  Suidas  legt 
auf  solche  details  kein  gewicht  mehr,  kennt  sie  wohl  auch  gar  nicht« 
es  bedeutet  da  t&c  ßoOc  einfach  die  rinder. 

Jahrbücher  f&r  cIms.  philoI.  1883  hfl.  611.6.  86 


378  PStengel:  einfühnmg  der  in  Homerischer  zeit 

sein  wird,  zweimal  finden  wir  pferde  erwähnt:  Paus,  m  20,  &• 
Aristopb.  Lys.  192.  an  der  letztem  stelle  bringen  heldenmütige 
weiber  das  opfer,  und  schon  der  scholiast  bemerkt  richtig ,  dasz  da- 
mit auf  die  Amazonen  angespielt  werden  soll;  und  dasz  die  Griechen 
in  der  that  von  pferdeopfem  der  kdhnen  reiterinnen  gefabelt  haben, 
ersehen  wir  aus  pseudo-Ejülisthenes  IQ  25.  das  von  Pausanias  er* 
wähnte  Opfer  bringt  Tyndareos,  als  er  die  freier  der  Helene  schwOren 
läszt.  warum  hier  das  rosz  genannt  ist,  darüber  wage  ich  keine  Ver- 
mutung. ^ 

Bei  internationalen  eidopfem  musz  sich,  wie  das  in  der  natur 
der  Sache  liegt,  ein  volk  dem  andern  in  seinen  gebrauchen  accom- 
modieren.  das  opfer  musz  stets  ein  gemeinschaftliches  sein,  wie  die 
Völker  vereint  werden  sollen ;  deshalb  mischen  schon  Griechen  und 
Troer  ihren  wein  in  6inen  krug  (f  269).^^  so  opfert  Xenophon  bei 
einem  vertrag  mit  den  Persem  (anab.  11  2,  9)  auszer  stier,  eher  und 
Widder  einen  wolf  ^,  was  bei  einem  vertragsopfer  zwischen  Hellenen 
natürlich  nie  geschehen  sein  würde. 

Das  fleisch  der  geopferten  tiere  wird  vernichtet,  sie  waren  ja 
den  mächten  des  todes  geweiht  worden.  Talthybios  schleudert  den 
eher,  welchen  Agamemnon  geschlachtet,  ins  meer  (T  267  f.),  Tyn- 
dareos vergräbt  die  stücke  des  geopferten  pferdes  (Paus,  m  20, 9), 
öfter  sind  die  tiere  wohl  auch  verbrannt  (schol.  zu  D.  T  268  vgl. 
CIG.  add.  2561  ^);  niemals  wurde  von  ihnen  gegessen,  wie  mehrfach 
bezeugt  wird  (schol.  zu  H.  T  310.  T  268,  vgl.  Paus.  V  24,  2,  wo 
das  xpn^^tt^  ^etwas  damit  anfangen'  sich  nur  auf  die  art  des  besei- 
tigens  beziehen  kann),  es  wird  das  eidopfer  auch  keinem  gott  dar- 
gebracht, wenn  es  II.  f  103  f.  heiszt,  dasz  die  lämmer  Zeus,  Helios 
und  der  Gaia  geschlachtet  werden  sollen ,  T  197  der  eber  dem  Zeus 
und  dem  Helios,  Herod.  VI  68  der  stier  dem  Zeus,  so  bedeutet  das 
nichts  anderes  als  dasz  diese  götter  besonders  angerufen  werden 
zeugen  des  eides  und  rächer  des  meineides  zu  sein  (vgl.  T  258  ff., 
die  Inschrift  im  "AGiivaiov  1876  V  s.  101);  von  dem  fluchbeladenen 
tier  zu  genieszen  wird  ihnen  so  wenig  zugemutet  wie  den  menschen 
(schol.  zu  r  310). 

^*'  die  sage  wird  oiebt  alter  sein  aU  etwa^ias  der  zeit  der  Perserkriege: 
denn  früher  haben  die  Griechen  pferde  wohl  nicht  geopfert:  s:  Philo!. 
XXXIX  8.   182  ff.  ^^  HerodotoB   erwähnt   mehrfach    die   gebrauche 

fremder  vülker  bei  eidopfern  und  bemerkt  ausdrücklich,  dass  dieselben 
auch  bei  vertragen  mit  fremden  beobachtet  würden  (III  8.  IV  70.  I  74). 

^"^  es  ist  dies  darcbaus  nicht  so  auffallend,  anch  wenn  'dies  bundet- 
opfer  einzig  in  seiner  art*  gewesen  sein  sollte,  und  Bothes  conjector 
trdXXcuKov  für  Kai  XOkov  (rbein.  mus.  III  [1846]  s.  633)  ist  entschieden 
zu  verwerfen;  die  motiviening  derselben:  'nirgend  wo  bündnisse,  feier- 
liche eidschwüre,  lustrationen  beschrieben  werden,  erscheint  das  raubtier 
neben  jenen  haastieren,  deren  fleisch,  nachdem  die  götter  ihren  teil 
empfangen,  zum  opferschmanse  verwendet  wird'  ist,  wie  wir  gesehen 
haben,  wort  für  wort  falsch,  übrigens  berichtet  auch  Plutarchos  (de 
Is.  et  Osir.  46),  dasz  die  Perser  bei  gewissen  sübnopfern  einen  wolf 
schlachteten. 


noch  nicht  bekannten  opfer  in  Griechenland.  379 

Man  wird  den  zweck  meiner  arbeit  nicht  verkennen,  die  onter- 
sncbnng  über  die  einführong  der  betreffenden  opfer  war  mir  ein 
mittel  zu  demselben,  wenn  es  mir  gelangen  sein  sollte  an  einigen 
beispielen  auf  thatsachen  gestützt  nachzuweisen,  dasz  die  anffassong 
und  der  durch  diese  bedingte  cultus  der  hellenischen  götter  erst  in 
nachhomerischer  zeit  durch  orientalische  einflüsse  modificiert 
und  weiter  entwickelt  worden  ist,  so  dürfte  ich  auch  hoffen  dem 
glauben  an  'eine  in  die  älteste  vorzeit  zurückgehende  Übertragung 
orientalischer  culte  nach  Griechenland,  wie  sie  zu  yerschiedenen 
Zeiten  von  verschiedenen  gelehrten  angenommen  worden  ist  und 
gegenwärtig  namentlich  von  ECurtius  vertreten  wird'  durch  meine 
ausführungen  wieder  ein  stück  boden  entzogen  zu  haben. 

Die  oitierten  werte  gehören  Eugen  Plew  (programm  von  Danzig 
1876  s.  3),  der,  zu  £rüh  dahingeschieden,  den  wünsch  und  die  hoff- 
nung  seiner  lehrer  Karl  Lehrs  (popul.  aufs.'  s.  274  f.)  und  Ludwig 
Friedländer  (jahrb.  1873  s.  313)  ^eine  griechische  mjthologie  im 
geist  der  historischen  kritik  zu  schreiben'  nicht  mehr  erfüUen  konnte, 
zu  diesem  werke,  das  in  nicht  allzu  femer  zukunft  ein  berufener,  im 
sinne  von  Lehrs  und  Grote  weiter  arbeitender  vollenden  möge,  wollte 
ich  einen  bescheidenen  baustein  beitragen. 

Berlin.  Paul  Stengel. 


53. 

ZU  ANTIPHON. 


2  a  5.  nachdem  die  verschiedenen  Vermutungen ,  die  man  hin- 
sichtlich der  Ursache  des  mordes  haben  kann ,  zurückgewiesen  sind, 
heiszt  es :  dTToXuo)üi^VTic  bk  rf^c  uiroqiiac  dirdcfic  ainöc  ö  Gdvaroc 
ii  imfio\)\f\c  diroOavöVTa  ^fivuet  auTÖv.  dasz  der  mord  Ü  irci- 
ßouXfic  geschehen  sei,  ist  aber  neben  den  in  §  4  erwähnten  möglich- 
keiten  ebenfalls  eine  U1T0^lia;  und  in  diesem  sinne  spricht  der  an- 
geklagte auch  ß  3  von  der  uiroipia,  die  jetzt  auf  ihn  komme;  vgl. 
noch  ß  6.  T  2.  7. 10.  b  2  (uirepaiToXoYOu^evot  rf^c  dXfiGoOc  iJiTOipiac 
dTrdcric).  3.  5.  es  ist  daher  zwischen  Tfjc  und  äiroipiac  einzuschieben 
dXXric  (vgl.  4  b  3  tujv  dXXuiv  dTidviuiv  KarnTopnM^Vüüv).  übrigens 
ist  auszer  dieser  stelle  diroXueiv  immer  mit  persönlichem  object 
verbunden  (mit  oder  ohne  den  genitiv  der  schuld):  2  a  9.  ß  4. 
10.  11.  T  10.  11.  b  3.  4.  10.  12.  3  ß  8.  9.  10.  11.  12.  y  11.  b  9. 
10.  4  ß  6.  T  6.  b  3.  9.  10.  11.  5,  40.  42.  70.  6,  31.  32;  nur  5,  89 
findet  sich  das  medium  mit  dfüiapTiav,  6,  6  mit  alriav. 

T  5.  aÖTutiv  hat  seine  beziehung  weder  in  dem  zunächst  vorher- 
gehenden noch  in  der  entsprechenden  stelle  der  rede  des  angeklagten 
(ß  8),  da  auch  hier  nicht  ausdrücklich  von  solchen  gesprochen  wird, 
die  an  stelle  des  angeklagten  an  dem  morde  sich  beteiligt  hätten,  so 
wenig  hier  eine  deutliche  bezeichnung  derselben  zn  entbehren  ist| 

26* 


380  EAIbrecht:  zm  Antiphon. 

80  wenig  ist  die  nachtrttgliche  durch  tuiv  irapövnuv  (hinter  oöbcic 
TÖip  Scnc)  am  platze;  aneh  fiült  die  atellnag  dieser  werte,  die  doch 
schon  zn  oäbdc  gehören  müssen,  auf  (vgl.  dagegen  b  4).  ich  setse 
also  TUIV  napövTUJV  hinter  airruiv :  wftre  er  abwesend  gewesen,  so 
hfitte  er  ebenso,  als  wenn  er  zugegen  war,  riskiert  als  eigentlicher 
nrheber  des  moordes  erkannt  zu  werden  —  denn  gerade  von  dea  an- 
wesenden (auf  deren  handeln  er  sich  doch  yerliesz)  hfttte  ihn  jeder 
als  solchen  überführt  — ;  und  dabei  stand  die  ausführung  selbst  in 
gefahr  —  da  jeder  zaghafter  als  er  dazu  gewesen  wftre. 

b  10.  dasz  fiXXa  nach  rd  bk  elKÖTa  ungehörig  ist,  hat  man 
längst  erkannt;  man  hat  auf  verschiedene  weise  zu  heilen  gesacht, 
doch  ist  kein  Vorschlag  probabel,  sollte  AAAA  nicht  blosz  eine  irr- 
tümliche Wiederholung  des  in  der  zeile  vorher  hinter  fast  demselben 
werte  (ebcdruic)  begegnenden  AAA  sein? 

3  T  10.  verbindet  man  elc  toOc  oö  irpocnKOvroc  mit  Tf^c  dfiop- 
riac,  was  das  natürlichste  ist,  und  erkl&i;  'gegen  die  die  mit  dem 
fehler  nichts  zu  thun  hatten',  so  widersprechen  die  werte  dem  was 
kurz  zuvor  gesagt  wird,  da  hier  gerade  der  fall  angenommen  wird, 
dasz  der  getötete  gefehlt  hat;  und  sie  erregen  sprachlich  bedenken, 
da  sonst  durchaus  TrpocrJKei  ^oi  nvoc,  nidit  das  persönliche  «poc/pcui 
Tivöc  gebraucht  wird:  so  bei  Antiphon  6,  33.  46.  vgl.  6,  66.  sieht 
man  von  der  Stellung  der  werte  ab ,  so  wftre  an  sich  noch  die  er- 
kl&rung  möglich  'gegen  die  die  ihn  nichts  angiengen'  (vgl.  5,  18. 
48.  59);  dann  sind  die  werte  aber  ebenso  nichtssagend,  wie  sie 
schlecht  zu  cuXXrjimup  und  KOivuivöc  (nemlich  mit  dem  getöteten 
selbst)  passen,  nur  Jemstedt  hat  bisher  an  der  stelle  anstosz  ge- 
nommen; er  bemerkt  zu  jenen  Worten:  'corrupta  an  spuria?'  ich 
glaube  das  letztere  und  halte  sie  für  einen  zusatz,  der  deon  clc  ai^dv 
im  ersten  gliede  des  gegensatses  entsprechen  sollte,  herrührend  von 
einem  der  die  stelle  in  Übereinstimmung  mit  §  9  zu  bringen  suchte, 
wo  &n  fehler  von  Seiten  des  iraic  geleugnet  wird. 

b  4  Tf)c  bt  btabpofif)c  airiac  taunic  T€VO|yi^vr|c  kann  nur  heiszen 
'nachdem  dies  als  Ursache  des  durchlanfens  geschehen  war*,  allein 
es  kommt  hier  gar  nicht  auf  die  Ursache  des  durchlaufene  an,  sondern 
▼orher  war  davon  die  rede,  dasz  die  biobpo^i/i  oder  das  oök  drpe- 
fiiZuiv  &Tdvat  die  airia  des  todes  wurde.  Jemstedts  Vorschlag 
cdTUurdnic  statt  airiac  Tathiic  zu  schreiben  empfiddt  sich  wenig: 
denn  der  Sprecher  schiebt  allein  dem  durchlaufen  die  Ursache  des 
todes  zu  (vgl.  ß  5).  biabpo^fic  wird  glossem  zu  aMac  sein. 

b  5  oöbiv  &v  fifiapre  ist  corrupt,  da  der  Sprecher  ausdrücklich 
jede  äjLiapria  von  seiten  seines  sohnes  in  abrede  stellt,  vgl.  ß  7.  b  7, 
und  ein  lapsus  hier,  wo  die  begriffe  so  scharf  getrennt  werden,  nicht 
denkbar  ist.  sehreibt  man  oi^b^'  6v  £ßoX€,  welcher  begriff  gefor- 
dert wird  (vgL  ß  5  oöb^va  top  fßaXe  und  oä  fäp  &v  $Xn^),  so 
tritt  dffir  satz  nicht  nur  in  den  sehftr&ten  gegensatz  zu  dem  folgenden, 
auch  das  oÖTÖc  wird  weniger  anfiallend.  die  verftnderung  dürfte 
nicht  zu  gewaltsam  erscheinen,  wenn  man  bedenkt  dasz  verwechse* 


EAlbrecht:  zu  Antiphon.  381 

langen  von  Wörtern  in  den  tetralogien  anch  sonst  vorkommen  und 
hier  der  begriff  der  dfiiapTia  kurz  vorher  wiederholt  begegnet. 

5,  15  eil  bk  jiövoc  bf|  T€TÖXjiiiKac  T^v^cöai  vojlioO^ttic  itiX  toi 
TTOVTipÖTaTa,  Kai  laOia  irapcXGujv  ZiiTeic  |li€  öbiKuic  dTroX^cai.  ToOia 
läszt  sich  nicht  anf  die  eben  berührten  vöjbioi  beziehen  —  denn  dann 
müste  es  toutouc  heiszen;  anch  kann  man  dabei  nicht  mehr  an  die 
§  11  f.  angeführten  bestimmungen  der  gesetze  denken,  da  der 
Zwischenraum  ein  zu  groszer  ist.  Beiske  hielt  das  wort  daher  für 
verdorben,  der  fehler  steckt  jedoch  vielmehr  in  TrapeXGuJV,  wofür 
irap^X^v  zu  schreiben  ist ;  dann  bezieht  sich  das  pronomen  auf  ItA 
rä  TTOVTipÖTaTa;  was  überhaupt  auch  am  nächsten  liegt:  'du  wagtest 
die  schlechtesten  gesetze  zu  geben  (vgl.  §  12  aÖTÖc  ceauTiD  vöfLiouc 
££€upi()v),  und  diese  darbietend  (auf  grund  deren)  suchst  du  mich  zu 
verderben.*  zu  irap^x^iv  vgl.  §  36.  6,  26.  veranlaszt  wurde  die 
corruptel  durch  das  mehrere  male  vorangegangene  irapeXOuJV  (§11 
cü  bk  toOto  jifcv  TT.  §  12  8  cu  tt.  und  tt.  toöc  Keifi^vouc  vöjüiouc), 
das  dem  Schreiber  noch  im  gedächtnis  war. 

§  19.  nach  den  langen  auseinandersetzungen  über  die  ungesetz- 
mSszigkeit  der  klageform  geht  der  redner  zur  erzfthlung  über ;  es 
ist  natürlicher  dasz  er  jetzt  am  beginn  der  eigentlichen  ausführung, 
wenn  er  auf  den  process  zu  sprechen  kommt,  ihn  als  den  gegen- 
wartigen bezeichnet,  dasz  er  also  KaG^CTTiKa  elc  <TÖvb€>  töv  dt^va 
sagt,  so  wie  §  8.  das  pronomen  steht  in  derselben  oder  in  ganz 
ähnlicher  formel  auch  And.  1,  121.   Isokr.  15,  25.  97.  Lyk.  2. 

§  94.  eure  sache  ist  es  )Lif|  TTciOecOai  Td  fif)  biKaia,  sondern  mir 
zu  folgen :  1)  weil  ihr  überhaupt  im  letztem  falle  die  sache  wieder 
gut  machen  könnt,  im  erstem  nicht;  2)  weil  ihr  bald  in  gesetzlicher 
form  gegen  mich  beschlieszen  könnt,  was  ihr  jetzt  TrapavöjiUJC  be- 
schlieszen  würdet,  es  fällt  auf,  dasz  auf  das  toOto  ji^v  kein  ent- 
sprechendes toCto  bi  folgt;  da  wohl  letzteres  allein  gebraucht  wird 
(5,  13.  69.  76.  82),  aber  nicht  ersteres:  vgl.  1,  1.  11.  5,  5.  11.  2f. 
31.  50.  52.  53.  67.  81.  83  auszer  allein  1,  9.  falls  daher  nicht  toCto 
bk  vor  oibk  xpövoc  TToXuc  ausgefallen  ist;  was  ja  sehr  leicht  geschehen 
konnte,  findet  hier  eine  ähnliche  freiheit  statt  wie  4  b  3  f.  (et  T6  jap 
6  TtaTdiac  .  .  ^tI  bk  oibk  6  iTTißouXctJcac).  doch  weit  anstösziger 
sind  die  nächsten  hinter  toOto  |li^v  ydp  folgenden  werte:  ^fiol  ttciOc- 
fi^votc  i&jLiiv  fieraiLieXficat  fcTtv.  sie  stehen  in  gar  keinem  gegensatz 
zu  dem  was  geschieht,  wenn  die  richter  den  gegnem  folgen  —  denn 
reue  konnten  jene  offenbar  in  dem  letztem  falle  ebensogut  empfinden, 
als  wenn  sie  sich  durch  die  werte  des  Sprechers  bestimmen  lieszen  — ; 
und  doch  soll  ein  gegensatz  vorhanden  sein,  ich  schreibe  daher: 
toOto  jüifev  T^p ,  €  l  ^jLiol  TT€i0Oji^voic  öjiTv  ^CTajicXyicai  ('falls  ihr 
bereuen  solltet'),  ?ctiv  toütou  q)dp|üiaKOV  tö  aöGic  KoXdcai.  so 
kommt  der  schönste  gegensatz  zu  stände,  und  auch  die  einzelnen 
teile  desselben  entsprechen  einander  genau,  die  einschiebung  des 
xal  war  die  natürliche  folge  der  ersten  corruptel. 

§  95.   wenn  die  falschen  zeugen  TÖ  Trapaxpflfia  fiövov  die 


382  FBlass:  zn  Archimedes. 

lichter  überzeugen,  so  dasz  die  Verurteilung  des  angeklagten  er- 
folgt, so  ist  mit  seinem  leben  auch  die  räche  für  ihn  dahin,  danach 
schiene  es,  als  ob  letzteres  nicht  der  fall  wäre,  wenn  die  richter 
für  immer  überzeugt  würden ,  während  die  räche  doch  dann  gerade 
noch  schwieriger  wurde,  dem  Übelstande  wird  leicht  abgeholfen 
durch  einsetzung  eines  Kai  vor  tö  irapaxpfJlLia  füiövcv. 

Berlin.  Emil  Albreoht. 


54. 

ZU  AECHIMEDES. 


Im  yajbijLiiTTic  I  §  9  (n  248  Heiberg)  gibt  Archimedes  seine  hypo- 
these  über  das  Verhältnis  von  sonnen-  und  monddurchmesser:  er 
setzt  das  Verhältnis  30 : 1,  obwohl,  wie  er  sagt,  die  früheren  astro- 
nomen  einen  weit  geringem  unterschied  der  grösze  angenommen 
hätten,  diese  worte  lauten:  xaiTTCp  Tuiv  rrpoT^piAiv  dcTpoXÖTUiv 
EuböHou  jLi^v  ibc  dvveaTrXaciova  dTroq)aivoji^vou ,  <t>€ibla  bi  toO 
*AKOu7raTpoc  ibc  bf\  bwbcKaTrXadav  (die  buwbeKairXaciav?),  *Api- 
cräpxou  bk  Tre7T€ipa|Li^vou  beiKvOeiv  usw.  wer  ist  dieser  Pheidias, 
und  was  heiszt  ToO  ^AKOUTraTpoc  ?  Hatet  nomen  patriam  Phidiae 
significans'  sagt  Madvig  bei  Heiberg,  es  dürfte  aber  schwer  sein, 
auszer  durch  sehr  gewaltsame  emendation ,  'AKoOirotTpoc  entweder 
zu  einem  gentilnamen  oder  zu  dem  genitiv  eines  gebräuchlichen 
eigennamens  (damit  es  den  vater  des  Pheidias  bezeichne)  umzu- 
formen, unglücklicherweise  kommt  auch  nur  an  dieser  stelle  der 
astronom  Pheidias  vor.  indes  ich  glaube,  es  läszt  sich  in  anderer 
art  sehr  leicht  helfen:  man  belasse  ToC  .  .  iraTpöc,  und  ändere  von 
AKOY  das  K  in  M,  was  nach  der  Schreibart  in  den  handschriften  nur 
ddr  Verlegung  eines  verlängerten  zuges  bedarf,  so  entsteht  ToO 
djLioO  TTQTpöc,  dh.  ToC  f)jLi6T^pou,  und  es  ist  nun  auch  alsbald  klar, 
weshalb  nur  Archimedes  diesen  astronomen  erwähnt:  eben  weil  ^ 
Pheidias  Archimedes'  vater  war,  hierin  aber  wohl  seine  hauptsäch- 
lichste bedeutung  hatte,  wegen  des  pluralischen  djiiöc  vergleiche 
man,  wenn  das  erforderlich,  zb.  §  3  in  derselben  schrift:  tujv  1&9* 
djLiOüv  KaTUJVOjLiac^^vuJV  dpiOjLiOüV.  niemand  sonst  meldet  den  namen 
von  Archimedes'  vater,  und  nun  erfahren  wir  anszerdem  auch,  dasz 
derselbe  mathematiker  und  astronom  war ,  also  der  söhn  im  berufe 
des  Vaters  blieb,  ich  weise  noch  kurz  daraufhin,  dasz  auch  nach 
den  altersverhältnissen  Pheidias  als  vater  des  Archimedes  richtig 
die  mittlere  stelle  zwischen  Eudoxos  und  Aristarchos  einnimt;  letz- 
terer nemlich  war  zwar  erheblich  älter  als  Archimedes ,  aber  doch 
jedenfalls  jünger  als  der  vater  desselben. 

Kiel.  Frieorioh  Blass. 


GFÜDger:  die  regierangen  des  Peisistratos.  383 

55. 

DIE  REGIERUNGEN  DES  PEISISTRATOS. 


Als  Kroisos  drei  jähre  vor  seinem  stürz  (also  549)  sich  behufs 
einer  bundesgenossenschaft  nach  den  Verhältnissen  in  Hellas  erkun- 
digte, erfuhr  er  dasz  Athen,  nachdem  es  zweimal  die  herschaft  des 
Peisistratos  abgeschüttelt  hatte ,  bereits  zum  drittenmal  von  jenem 
regiert  wurde,  so  berichtet  Herodotos  I  65  (vgl.  93),  aber  diese  an- 
gäbe wird  von  allen  forschem  verworfen  und  zu  den  groben  ana- 
chronismen  gezählt,  deren  dem  vater  der  geschichtschreibung  mehrere 
schuldgegeben  werden :  denn  nach  Aristoteles  pol.  V  9,  23  hat  Pei- 
sistratos 16  jähre  im  exil  zugebracht,  während  von  560  (eigentlich 
561,  s.  u.)  bis  549  im  ganzen  nur  11  (12)  jähre  verflossen  sind,  die 
zeit  seiner  regierungen  und  ihrer  pausen  wird  von  Larcher  Ciavier 
du  Eresnoy  Clinton  Duncker  ua.  sehr  verschieden  bestimmt ;  darin 
jedoch  kommen  alle  überein,  dasz  die  dritte  regierung  erst  nach  dem 
Sturz  des  Kroisos  anhebt,  ein  versuch  die  ehre  Herodots  in  dieser 
beziehung  zu  retten  darf  dessen  ungeachtet  für  nicht  aussichtslos  an- 
gesehen werden:  weder  er  selbst,  der  die  geschieh te  des  tyrannen 
blosz  bis  zu  dem  genannten  Zeitpunkt  im  Zusammenhang  erzählt  und 
aus  der  spätem  zeit  nur  gelegentlich  einige  notizen  mitteilt ,  noch 
irgend  ein  anderer  Schriftsteller  bezeugt,  dasz  jene  dritte  regierung 
auch  die  letzte  gewesen  sei;  Peisistratos  könnte  sehr  wohl,  zumal 
da  nach  dem  brande  des  delphischen  tempels  548  seine  hauptgegner, 
die.Alkmeoniden,  durch  die  Übernahme  und  ausführung  des  Wieder- 
aufbaus die  gunst  der  einfluszreichen  priesterschaft  von  Delphoi  ge- 
wannen, noch  einmal  verjagt  worden  sein  und  so  von  jenen  16  exil- 
jahren  ein  teil  in  die  zeit  nach  549  fallen;  dieser  an  sich  denkbare 
fall  aber  ist,  wie  sogar  von  mehreren  Seiten  her  bezeugt  wird,  in  der 
that  eingetreten. 

Das  in  Bekkers  anecd.  766  und  von  Tzetzes  in  der  vita  Homeri 
angeführte  epigramm ,  welches  Homeros  für  einen  Athener  erklärt, 
schreibt :  ipic  |Li€  TupavvrjcavTa  TOcaurdKic  £S€biuü£e  bfJjLicc  'AOf]- 
vaiiüv  Kai  rplc  Imyfa^ejo  töv  iii^ay  i\  ßouX^  rTeidcTpaTOV  * :  es 
bezeugt  hiermit  ausdrücklich ,  dasz  der  tyrann  nicht  drei-  sondern 
viermal  die  herschaft  an  sich  gerissen  hat.  die  abfassung  dieses  ge- 
dichtes  möchten  wir  zwar  nicht  in  so  frühe  zeit  setzen  wie  Bergk 
OLG.  I  s.  449 :  so  lange  die  Athener  wert  darauf  legten  einem  frei* 
Staat  anzugehören,  und  es  für  eine  hohe  auszeichnung  galt,  ein  Stand- 
bild neben  den  statuen  des  Harmodios  und  Ahstogeiton  zu  erhalten, 
wurde  Peisistratos  schwerlich  in  solcher  weise  wie  hier  von  einem 
Athener  gepriesen,  und  die  Übereinstimmung  mit  Aristarch  in  be- 
treff der  heimat  Homers  läszt  eher  vermuten ,  dasz  es  nach  der  zeit 
dieses  grammatikers  geschrieben  sei;  dem  werte  des  Zeugnisses  an 

^  Bergks  meinang,  die  dritte  Vertreibung  beziehe  sich  auf  Hippias, 
ivideretreitet  dem  text  (rpic  |Ji€  ^cbCuiEc  .  .  rpic  £TTT)TdT€T0)  und  den 
thatsachen:  Hippias  ist  nicht  wieder  eingesetst  worden. 


384  GFUnger:  die  regieningen  dei  PeisiBtratos. 

sich  thut  dies  indes  wenig  eintrag,  und  es  tritt  ihm  das  einer  rede  zur 
Seite,  welche  nur  drei  Jahrzehnte  jünger  ist  als  Herodots  geschichts- 
werk:  Isokrates  TT.  ToO  ZctJTOuc  c  10  schreibt:  TCTrapdKOvra  ivi) 
Tfic  cidceujc  T€vo|Li^vfic  inxö  jifcv  täv  Tupdvvujv  Tocouxif)  ^fiXXov 
Tüüv  dXXuüv  djuicrjOTicav  (ol  'AXK)Li€iuvibai),  ujc6'  6itöt£  TdKcivuiv 
KpaTTJcaiev  ou  jiövov  Tdc  oiKiac  aörOüv  KOT^CKairrov  dXXa  kxA  touc 
Tdq)0uc  dvibpuTTOV.  der  40jährige  parteihader,  von  welchem  hier 
die  rede  ist,  endigt  ol.  67,  2  «s  511/10  mit  dem  stnrz  der  Peisistra- 
tiden,  beginnt  also  zehn  jähre  nach  der  ersten  erhebung  des  tyrannen, 
und  da  die  zweite  unter  beihilfe  der  Alkmeoniden  zu  stände  ge- 
kommen, die  hSuserzerstörung  und  gräberschändung  aber,  welche 
Peisistratos  über  jene  als  die  träger  der  Eylonischen  blutschnld  ver- 
hängte, sie  laut  öiTÖTC  KpaTi^cai€v  KaT^cxairrov  xai  dvidpurrov  mehr- 
mals getroffen  hat ,  so  musz  der  tyrann  nach  der  dritten  regierung» 
unter  welcher  es  zum  ersten  mal  geschehen  ist,  noch  ein  drittes  exil 
und  eine  vierte  regierung  erlebt  haben;  man  mttste  denn  annehmen 
wollen,  wofür  keinerlei  anhält  gegeben  ist,  dasz  Hippias  zweimal 
tyrann  geworden  sei.  bei  seiner  ersten  erhebung  war  Peisistratos, 
wie  Herodot  1 59  z.  e.  angibt,  überhaupt  sehr  schonend  aufgetreten, 
die  Alkmeoniden  hatten  die  stadt  gleich  verlassen  (Plut.  Solen  dO) 
und  würden  sicher  mit  ihm  sich  nicht  wieder  ausgesöhnt  und  ver- 
bündet haben,  wenn  er  schon  bei  jener  sie  als  blutschnldige  behan- 
delt hätte;  deswegen  datiert  der  redner  den  tödlichen  hass  und  hader 
zwischen  beiden  familien  von  dem  anfang  der  dritten  regierung. 
dieser  föllt  ihm  also  in  ol.  57,  2  «s  551/50,  und  damit  bestätigt  er 
den  vermeintlichen  anachronismus  Herodots,  nach  welchem  Pei- 
sistratos 549  schon  zum  dritten  mal  über  Athen  herscht. 

Zu  der  Verdammung  dieser  angäbe  hat  freilich  noch  eine  andere 
stelle  Herodots  beigetragen,  deren  inhalt  in  der  that  mit  ihr  nicht 
vereinbar  ist:  I  62  schreibt  er,  Peisistratos  sei  nach  seiner  vertrei* 
bung  bid  ^vbeKdrou  ^tccc  wieder  zur  herschaft  gelangt,  die  dauer 
zweier  regieningen  des  tyrannen  und  seines  ersten  exils  neben  dem 
zweiten,  wenn  dieses  10  bis  11  jähre  gedunert  hat,  zwischen  561 
und  550  unterzubringen  ist  ein  ding  der  Unmöglichkeit,  ein  fehler 
also  jedenfalls  vorhanden ;  diesen  suchen  wir  aber  nicht  mehr  in  der 
zuerst  behandelten ,  nunmehr  gesicherten  angäbe ,  sondern  in  ivhe^ 
KdTOU,  und  dürfen  dies  um  so  unbedenklicher  thun,  als  aus  der  Schil- 
derung, welche  Herodot  von  dem  zweiten  ezil  gibt,  mit  völliger 
klarheit  hervorgeht,  dasz  dasselbe  weit  weniger  als  10  jähre  ge- 
dauert hat.  um  das  zu  erweisen ,  geben  wir  seine  darstellnng ,  an 
den  entscheidenden  punkten  in  Übersetzung ,  wieder. 

Als  der  Alkmeonide  Megakles,  von  Peisistratos  gekränkt,  sich 
mit  der  dritten,  bisher  beiden  feindlich  gesinnten  partei  gegen  jenen 
verband ,  da  räumte  der  tyrann  das  land ,  begab  sich  nach  Eretria 
und  hielt,  dort  angelangt,  mit  seinen  söhnen  beratung,  was  jetzt  zu 
thun  sei;  die  entscheidung  fiel  zu  gunsten  der  ansieht,  man  müsse 
die  herschaft  zurückerobern,    sofort  (dvOaOra)  begannen  sie  bei- 


GFUnger:  die  regierangen  des  PeisiBtratOB.  385 

trttge  in  den  Staaten  zu  sammeln ,  welche  ihnen  irgendwie  zu  dank 
verpflichtet  waren;  von  allen  Seiten,  ganz  besonders  aus  Theben 
flössen  ihnen  die  gelder  in  reichem  masze  zu;  nach  verlauf  einer  zeit 
war  alles  für  die  Unternehmung  wohl  vorbereitet  (füierä  b^,  oö 
7ToXX«?i  XÖTif  cliTCiv ,  xp<Woc  bxifpv  Kttl  TTdvra  C91  ÖViptuto  de  Tffv 
Kärobov) :  denn  aus  der  Peloponnesos  waren  argivische  söldner  ein- 
getroffen (diriKOvro),  und  hervorragenden  eifer  im  herbeischaffen 
von  geld  und  mannschaft  hatte  ein  freiwilliger  teilnehmer,  Lygdamis 
aus  Nazos ,  entwickelt  (Trapeix^Tc).  von  Eretria  aufbrechend  biet 
ivbCKdrcu  £t€OC  dTriKOvro  örricuj.  dies  der  bericht  Herodots  1 63  f., 
aus  welchem  deutlich  erhellt,  dasz  von  der  flucht  des  Peisistratos 
aus  Attika  bis  zu  seiner  rückkehr  nur  so  viel  zeit  vergangen  ist ,  als 
die  gleich  nach  der  flucht  begonnenen  Vorbereitungen  und  rttstungen 
in  ansprach  genommen  haben,  dasz  zu  diesen  10 — 11  jähre  nötig  ge- 
wesen seien,  wird  niemand  behaupten,  um  so  weniger  als  Peisistratos 
nirgends  ein  hindemis,  vielmehr  bereitwilliges  entgegenkommen, 
zum  teil  eifrigste  Unterstützung  und  selbst  unverhoffte  mitwirkung 
gefunden  hat.  die  reisen  in  die  Städte  konnten  teilweise  wenigstens 
gleichzeitig  von  den  mitgliedern,  dienern  und  anhängern  der  familie 
gemacht  werden,  die  anwerbung  der  Söldner,  beschaffang  von  kriegs- 
bedarf  und  fahrzeugen  kostete,  da  es  an  geld  nicht  fehlte,  kein  halbes 
jähr ,  die  gesamte  Vorbereitung  kaum  ein  ganzes ;  stftnde  ^vbCKdrou 
nicht  im  texte ,  so  würde  sicher  niemand  die  dauer  dieses  ezils  auf 
mehr  als  6in  jähr  veranschlagt  haben,  jenes  zahlwort  läszt  sich  aber  in 
gefälliger  weise,  durch  einfachen  abstrich  beseitigen :  aus  bid  £t€OC, 
wie  Herodot  nach  unserer  ansieht  geschrieben  hat,  ist  durch  Ver- 
doppelung zweier  buchstaben  bid  la'  £t€OC  entstanden. 

Für  diese  textänderung  spricht  auszer  der  Chronologie  und  dem 
sinn  auch  die  grammatik.  dem  ausdrack  bid  ^vbCKdrou  £t€OC  hier 
die  bedeutung  'nach'  oder  *in  dem  elften  jähre'  beizulegen  ist  man 
blosz  durch  die  Verbindung  desselben  mit  dTriKOVTC  veranlaszt  wor- 
den, welche  es  unmöglich  macht  ihn  in  d6m  sinne  zu  nehmen,  wel- 
chen bid  bei  einer  Ordnungszahl  sonst  überall  hat,  nemlich  undecimo 
quoque  anno^  wie  zb.  bei  Herod.  11  4  ^'QXiivec  bid  TpiTOU  £t€OC 
d)Liß6Xi|üiov  (lifiva)  dTr€)LißdXXouci  Ti&v  dbpduiv  etvcKCV,  n  37  ol  Ipdec 
EupeOvrai  iräv  tö  ctüfia  bid  TpiTtic  fm^pric.  die  an  unserer  stelle 
erforderliche  bedeutung  *nach'  hat  bid  sonst  nur  in  Verbindung  mit 
cardinalzahlwörtem  wie  VI  118  TÖv  dvbpidvra  bi'  drdujv  cIkoci 
dKOfiicavTC  oder  mit  ausdrücken  welche  diesen  gleichkommen,  zb. 
IV 1  dirobimyicavTac  öktw  kqI  elKOci  ^Tca  xal  bid  xpdvoif  tocoijtou 
KOnövrac,  und  wenn  sich  in  der  andern,  distributiven  bedeutung 
hie  und  da  bid  auch  mit  der  grundzahl  anstatt  mit  dem  ordinale 
verbunden  findet,  so  folgt  daraus  doch  nicht,  dasz  auch  die  umge- 
kehrte vertauschung  da  platz  gegriffen  hätte,  wo  die  präposition 
einem  fLieid ,  post  gleichkommt,  den  distributionsbegriff,  welcher  in 
andern  sprachen  durch  besondere  zahlausdrücke  (guinto  quo^^  anno 
*alle  vier  jähre')  ausgedrückt  wird,  trägt  im  griechischen  die  blosze 


386  GFUnger:  die  regierungen  des  Peisistratos. 

präp.  bid  vermöge  ihrer  bedeutang  vollständigen  durchdringens  und 
allseitiger  Verbreitung ;  das  ordinale  sollte  daher  eigentlich  im  plural 
dabei  stehen ,  b\ä  ir^jiTmuv  dTiüv  *in  allen  fünften  jähren',  und  so 
heiszt  es,  begünstigt  durch  die  beistehenden  plurale,  in  Piatons  ge- 
setzen  834«  öcai  iy  fopTmc  fijbiiXXm  xopofv  dvaTxaiai  ifiTVCctoi, 
K0C)üiTi9r|C0VTai  cTtc  ipiCTTipibec  eixe  Kai  bid  Tr^/LiTTTuiv  diuiv.  weil 
aber  die  Ordnungszahl  als  ausdruck  der  letzten,  eine  reihe  abschlieszen- 
den  einheit  von  haus  aus  ein  singularbegriff  und  die  pluralform  ihr 
ebenso  zuwider  ist  wie  dem  zahl  wort  eins,  so  hat  sich  der  sprach? 
gebrauch  dabin  entschieden,  von  den  zwei  einander  widerstrebenden 
formen  die  eine  abzustreifen  und  entweder  den  plural  durch  die  ein- 
zahl  (bid  TrejiTTTOu  ^touc)  oder  die  Ordnungszahl  durch  das  cardinale 
(bid  TT^VTC  ^TÜüv)  zu  ersetzen,  dieses  motiv  kommt  bei  bid  in  der 
bedeutung  post  nicht  in  betracht,  weil  hier  nicht  das  ordinale  son- 
dern die  grundzahl  von  vom  herein  gegeben  ist:  statt  5id  Svb€Ka 
dTÜJV  dh.  biaTCVOjLi^vujv  ^vbexa  ivSjv ,  interiecHs  ttndecim  annis  ist 
bid  ^vbeKdrou  £touc  ebensowenig  gesagt  worden  wie  biaT€VO)üi^vou 
^vbeKdrou  ^touc  oder  interiecto  undedmo  anno. 

Nicht  in  oder  nach  dem  elften  jähre  also,  sondern  nach  Jahres- 
frist ist  Peisistratos  aus  dem  zweiten  exil  zurückgekehrt,  und  es 
läszt  sich  nunmehr  die  zeit  der  Wandlungen,  welche  seine  herschaft 
durchgemacht  hat ,  mit  ausnähme  nur  der  letzten  mit  annfthemder 
Wahrscheinlichkeit  bestimmen;  jedoch  ist  es  nötig  vorher  das  ende 
der  gesamten  Peisistratidenherschaft  und,  weil  es  bei  diesem  auf  das 
datum  der  Marathonischen  schlacht  ankommt,  auch  letiteres  fest- 
zustellen. Hippias  wurde  gestürzt  im  20n  jähre  vor  der  Marathon- 
schlacht (Thuk.  VI  59)  und  im  vierten  nach  Hipparchos  ermordung 
(Thuk.  ebd.  Tupavveücac  Izt]  xpia  liririac  in  'AGiivuiv  Kai  irouOelc 
^v  Tip  T6TäpTip).  da  Hipparchos  an  den  groszen  Panathenaien  (Herod. 
Y  56.  Thuk.  VI  56),  welche  im  dritten  jähr  jeder  Olympiade  gegen 
ende  des  ersten  monats  hekatombaion  gefeiert  wurden,  also  im  an- 
fang  ol.  66,  3,  mitte  juli  oder  mitte  august  514  ermordet  worden 
ist,  so  fällt  die  Vertreibung  des  Hippias  spätestens  ende  67,  2  dh. 
vor  den  9n  juli  510.  dasz  sie  diesem  archontenjahr,  nicht  dem  näch- 
sten ol.  67,  3  "■  510/9  zuzuweisen  ist,  erhellt  auch  aus  [Plat.] 
Hipparchos  229  *»  ipCa  lvf\  drupawciiOiicav  und  schol.  Ar.  Ljsistr. 
619  ^TTi  irr]  f\  o\  bk  b':  die  grammatiker  rechnen  nach  attischen 
jähren ;  bei  einzählung  beider  grenzjahre  ol.  66,  3  und  67,  2  erhielt 
man  vier.  Herodotos  V  55  dTupavvۆ0VT0  dir*  liea  T^cccpa  oub^v 
fjccov  dXXd  Kai  ^dXXcv  f^  TrpoToO  setzt,  da  er  naturjahre  zu  gründe 
zu  legen  pflegt,  wahrscheinlich  den  anfang  in  das  mit  frtthling  514, 
das  ende  in  das  mit  frühling  510  beginnende  jähr,  so  dasz  wir  die 
Vertreibung  in  den  frühling  oder  vorsommer  510  zu  setzen  hätten; 
eine  noch  engere  begrenzung,  auf  die  zwei  letzten  monate  von  67,  2 
«=  511/10,  wird  sich  unten  ergeben.* 

*  um  das  (zn  späte,  8.  u.)  datum  der  MArathonischeD  schlacht.  den 
6n  boödromion   mit   den    oben  citierten  angaben  sn  vereinigen,    nimt 


GFÜnger:  die  regierungen  des  Peisistratos.  387 

Die  erste  erhebung  des  Peisistratos  fällt  ol.  54,  4  «=»  561.  dies 
«rgibt  sich  zunächst  aus  scbol.  Ar.  We.  500  bOKcT  f)  Tupavvic  KttTa- 
CTTivai,  (jjc  (priciv  '€paToc0dvric,  lux  ?tii  v':  von  67,  2  =  511/10 
fahren  50  jähre  in  54,  4  «»  561/60;  dasz  aber  Eratosthenes  nach 
vollen  Jahren  rechnet,  lehren  die  fragmente  seines  kanons.  wenn 
Clinton  ua.  dem  archonten  Eomias ,  unter  dem  Peisistratos  tjrann 
wurde  (Plut.  Solon  32 ;  marmor  Par.),  das  j.  55,  1  *»  560/59  geben, 
weil  Eratosthenes  50  jähre  auf  die  ganze  Peisistratidenherschaft 
rechnet  und  Thukjdides  VI  59  iTTiriac  ^c  MapaGujva  öcTcpov  frei 
elKCCTiu  M6Td  Mrjbujv  dcTpareuccv  schreibt,  so  begehen  sie  erstens 
mit  dieser  summierung  von  50  +  20  =  70  jähren  vor  490  vor 
Ch.  eine  vermengung  ungleichartiger  begriffe:  Eratosthenes  legt 
archontenjahre  zu  gründe,  während  Thukydides  absolute  zeit  im 
äuge  hat;  zweitens  ist  das  datum  der  Marathonschlacht  der  6e  bo&- 
dromion  (september),  welches  dabei  aufgrund  von  Plutarch  Cam.  19. 
de  Herod.  malign.  26.  glor.  Athen.  7  vorausgesetzt  wird,  anerkannt 
unrichtig  und,  wie  Böckh  mondcyclen  §  15  gezeigt  hat,  durch  Ver- 
wechslung mit  dem  gedächtnistag  der  einige  zeit  nach  der  schlacht 
gehaltenen  Siegesfeier  entstanden,  die  Spartaner  rückten  am  tage 
nach  Vollmond  aus,  um  den  Athenern  hilfe  zu  bringen;  am  dritten 
tage  in  Athen  angelangt  fanden  sie  die  schlacht  schon  geschlagen 
(Her.  VI  106.  120);  diese  hatte  also  am  tage  ihres  ausmarsches  oder 
am  nächstfolgenden.stattgefunden,  jedenfalls  in  der  mitte  des  monats, 
weil  dieser  mit  dem  neumond  anfieng.  der  beschlusz,  dasz  Miltiades 
das  beer  hinausftlhren  solle,  war  in  der  prytanie  der  Aiantis  gefaszt 
worden  (Plut.  quaest.  sjmp.  I  10,  3),  dieselbe  phyle  hatte  in  der 
schlacht  den  ehrenplatz  auf  dem  äuszersten  rechten  flttgel  (Plut. 
ebd.);  hieraus  zieht  Böckh  den  schlusz,  dasz  isie  für  jenes  jähr  die 
erste  prytanie  erloost  hatte,  und  setzt,  um  sich  von  dem  datum  der 
Siegesfeier  nicht  allzu  weit  zu  entfernen,  den  beschlusz  in  die  letzten 
tage  dieser  prytanie ,  anfang  metageitnion ,  die  schlacht  aber  in  die 
nächste  prytanie,  auf  den  1 7n  metageitnion,  normal  =  I2n  september. 
mit  besserm  recht  folgert  KFHermann  gr.  monatsk.  s.  27  aus  jener 
Stellung  der  Aiantis,  dasz  sie  zur  zeit  der  schlacht  im  besitz  der  pry- 
tanie war,  und  dafür  spricht  auch  Her.  I  111  d£eb^KOVTO  (in  der 
Schlachtaufstellung)  (bc  i^piOfüi^cvTO  al  q)uXai  £x<^)Lievai  dXXiiX^uJV : 
denn  wenn  die  Aiantis  zu  dieser  zeit  nicht  als  erste  zählte,  so  würde 
sie  auch  nicht  am  ehrenplatz  gestanden  haben,   aus  diesen  angaben 


Clinton  an,  Hippias  habe  vor  hekatombaion  67,  3  «»  610  die  herschaft 
verloren,  aber  erst  nach  dem  6u  boedromion  Attika  verlassen,  zwi- 
schen diesen  zwei  ereignissen  vergiengen  aber  höchstens  10 — 14  tage, 
den  Lakedaimoniern ,  schreibt  Herodot  V  66 ,  würde  es  nicht  gelangen 
sein  die  Übergabe  der  akropolis  zn  erzwingen:  denn  eine  belagernng 
(£ir^6pT)v)  anzustellen  hatten  sie  nicht  vor,  nnd  Hippias  war  mit  speise 
und  trank  wohl  versorgt;  nach  einer  belagerang  weniger  tage  würden 
sie  Attika  wieder  verlassen  haben,  so  aber  spielte  ihnen  ein  zafall  die 
kinder  der  Peisistratiden  in  die  bände,  worauf  diese  sich  dazu  ver* 
standen  binnen  fünf  tagen  das  land  zu  räumen. 


388  GFUnger:  die  regierungen  des  PeisiBtratoB. 

ist  also  kein  schlnsz  auf  den  monat  der  schlacht  zu  ziehen;  wie  auch 
der  tag  von  Böckh  nicht  richtig  auf  den  17n  und  auf  drei  tage  nach 
Vollmond  bestimmt  ist :  stimmte  der  kalender  zum  mond,  so  war  es 
der  14e,  15e  oder  16e  monatstag. 

Die  Schlacht  bei  Marathon  hat  im  zweiten  viertel  von  490 ^  im 
letzten  von  ol.  72,  2  stattgefunden,  dahin  führt  des  Thukydides 
eiKOCTiu  fiel:  denn  der  stürz  des  Hippias  gehört  dem  zweiten  viertel 
von  510  an,  von  da  bis  zur  schlacht  waren  keine  volle  zwanzig  jähre. 
dasselbe  bezeugt Dionysios  v.  Hai.  ant.  VIT  ikrcpct  rd  MopoOtüvta 
Tflc  BpoÜTOU  Tacpfjc  &Kaib€Ka  f reciv :  Brutus  wurde  68, 1  —  608/7 
consul  und  zwar  am  In  Januar  (ebd.  V  1.  Philol.  suppl.  IV  288);  er 
starb  im  hochsommer  nach  der  ernte  (Dion.  V  13) ,  also  im  anfang 
von  68,  2  =  507/6,  von  wo  16  jähre  in  72,  2  =  491/90  führen. 
femer  Gellius  XVII  21  ducentesimo  et  sexagesimo  annopost  Bomam 
condUam  aut  non  longe  ampltus  vidos  esse  Persas  tradiium  est  pugnam 
Maratkoniam.  von  den  zwei  quellen,  welche  Oellius  in  diesem  oapitel 
benutzt  (rhein.  mus.  XXXV  13),  ist  die  eine,  Varro,  für  non  longe 
ampliiis  anzunehmen:  490  vor  Ch.  vom  2 In  april  ab  würde  bei  ihm 
in  das  264e ,  die  voraufgehende  zeit  in  das  263e  stadIjahr  gefiülen 
sein,  der  andere  gewfthrsmann,  Nepos,  setzte  Roms  gründung  drei 
jähre  später  als  Varro,  das  jähr  490  vor  Ch.  muste  er  also  bis  mm 
2 In  april  mit  dem  260n,  von  da  ab  mit  dem  26 In  stadijahr  verglei- 
chen, vorausgesetzt  nemlich  dasz  er  die  Jahreszeit  oder  den  monat 
genau  treffen  wollte ;  in  der  regel  hat  sowohl  er  als  Vairo  sich  ohne 
zweifei  damit  begnügt  die  stadtjahre  mit  den  archontei^ahren  im 
allgemeinen  zu  vergleichen,  so  dasz  stadtj.  260  für  Nepos,  263  für 
Varro  mit  ol.  72,  2  —  491/90  identisch  war.  Nepos  folgte  dem 
Eratosthenes  und  ApoUodoros  (Solinus  1,  27);  Dionysios  von  Hali- 
kamasos  erklärt  1 74  den  kanon  des  Eratosthenes  für  den  besten  und 
hat  selber  die  Eratosthenisch-Apollodorische  chronik  neu  bearbeitet 
und  fortgesetzt:  in  dieser  war  also  die  schlacht  unter  72,  2  0^491/90 
verzeichnet,  die  Vorbereitungen  zu  dem  unternehmen  hatte  der 
Perserkönig  vor  mehr  als  Jahresfrist  getroffen :  nach  dem  miserfolg 
des  Mardonios  im  herbst  492  war  der  Oberbefehl  dem  Datis  und 
Artaphemes  übertragen  worden  (Her.  VI  94)  und  491  an  die  west- 
lichen küstenstädte  der  befehl  ergangen,  neue  kriegs-  und  lastschifTe 
auszurüsten  (VI  48.  95);  als  die  neuen  fiihrer  mit  dem  beer,  welches 
sie  Trapd  ßaciX^oc  empfangen,  die  kilikische  küste  erreicht  und  dort 
ein  lager  bezogen  hatten,  stiesz  die  flotte  zu  ihnen  (VI  95).  ohne 
zweifei  waren  sie  von  Babylon,  wo  die  könige  vom  September  bis  zum 
frühlingsanfang  residierten  (Xen.  anab.  m  4, 15.  Kjrup.  Ylll  6,22)« 
nicht  später  aufgebrochen  als  seinerzeit  Mardonios,  nemlich  mit  früh* 
lingsanfang  (Her.  VI  43),  möglicherweise  noch  früher;  nach  50 — 60 
tagen,  spätestens  vor  ende  mai  konnten  sie  sich  einschiffen,  anfangs 
juni  bei  Eretria  landen,  diese  stadt  ergab  sich  am  7n  tage,  wenige 
tage  danach  landeten  sie  in  Marathon  (VI  101.  102);  am  13n  juni 
früh  war  vollmond;  an  diesem  oder  dem  folgenden  tage  fand  die 


GFUnger:  die  regierongen  des  Peisistratos.  389 

Schlacht  statt,  dh.  am  15n  oder  16n  tage  entweder  des  thargelion 
oder  des  skirophorion,  je  nachdem  der  nfichste  hekatombaion  mit 
dem  28n  joli  oder  28n  juni  490  anfieng. 

Mit  dieser  Zeitbestimmung  verträgt  sich  auch  Thuk.  I  18 ,  wo 
der  zug  des  Xerzes  (in  Eappadokien  herbst  481  begonnen,  in  Sar- 
deis  frühlingsanfang  *  480  fortgesetzt)  und  die  Übernahme  der  helle- 
nischen heerftthrung  durch  die  Spartaner  (april  480,  Herod.  YII 
173 — 174.  37)  in  das  zehnte  jähr  nach  der  ßchlacht  gesetzt  werden; 
ebenso  die  runde  angäbe  Piatons  in  den  gesetzen  698  ^  cx^böv  b^Ka 
£t€ci  npö  Tfjc  ^v  CaXajüiivi  vaufiiaxiac  dqpiK€TO  Aärtc:  es  waren  10 
jähre  und  3 — 4  monate.  dasz  Plutarch  ao.  und  die  parische  chronik  die 
Schlacht  unter  Phainippos,  den  archonten  von  72, 3  »»  490/89  setzen, 
ist  eine  folge  der  Verwechslung  des  schlachttages  mit  dem  datum  der 
Siegesfeier ,  6n  boödromion ;  diese  wurde  so  spftt,  3 — 4  monate  nach 
dem  sieg  abgehalten,  weil  auf  den  6n  bo6dromion  das  fest  der  beute- 
göttin  Artemis  Agrotera  fiel  und  an  ihm  das  vor  der  schlacht  dar- 
gebrachte gelttbde  fdr  jeden  erlegten  Perser  eine  ziege  zu  opfern  ge- 
löst worden  ist.'  Ailianos  var.  n  25  nennt  als  eines  der  wichtigen 
ereignisse,  welche  an  der  ÜKtt]  Oapun^^^üvoc  vorgekommen  sind,  die 
Marathonschlacht;  da  die  monatsdekade  nicht  angegeben  ist,  so 
kann,  was  öfters  vorkommt^,  der  ausdruck  auch  den  16n  und  25n 
(£ktt)  q>6ivovTOC)  monatstag  mit  bezeichnen,  um  so  mehr  als  nachher 
bei  derPlataiaschlacht  ausdrücklich  kiafüi^vcu  hinzugefügt  wird,  ohne 
zweifei  um  zu  verhüten,  dasz  bei  ihr  die  Sktti  nicht  auf  den  16n  oder 
26n  tag  bezogen  werde,  der  unbestimmte  ausdruck  Sktt)  bei  der  Mara- 
thonschlacht wäre  dann  deswegen  gewählt,  weil  diese  einer  andern 
dekade  angehört  als  der  mit  ihr  verbundene  geburtstag  des  Sokrates, 
welcher  auf  die  Sktii  IcTafi^vou  fiel  (La.  Diog.  n  44.  Plut.  qu.  symp. 
VIII 1),  und  es  könnte  daher  wohl  der  16e  thargelion  gemeint  sein, 
obgleich  freilich  wegen  der  manigfachen  irrtttmer,  welche  das  capitel 
enthält,  nicht  sonderlich  viel  auf  die  stelle  zu  geben  ist. 

Bestätigt  und  enger  begrenzt  wird  das  bis  jetzt  für  den  anfang 
des  Peisistratos  gewonnene  ergebnis  durch  Aristoteles  poLY  9, 23  £v 
ireci  TpiäKOVTa  Kai  xpidv  ^nraKaibcKa  toötujv  dxupdwficev,  öktui- 
KaibcKa  bi  o\  naibec ,  iSjctc  rä  irävra  iflyero  (rt]  rpiäKOVTa  Ka\ 

'  die  herabsetzong  der  ziegenzahl  von  6400  (so  viele  Perser  waren 
gefallen,  Her.  VI  117)  auf  600  oder  300  gehört  sicher  einer  spätem  zeit 
an,  als  man  nicht  mehr  blosz  den  Marathonsieg  so  feiern  hatte:  ,bei 
dem  gelübde  hatte  man  auf  eine  noch  grössere  zahl  von  opfertieren 
rechnen  müssen,  wenn  man  anf  einen  sieg  über  mindestens  110000 
feinde  hoffte,  und  damals  war  das  dankgefühl  jedenfalls  so  grosz  wie 
die  dankespflicht;  dasz  die  Schwierigkeit  640O  ziegen  aafznbringen 
schuld  an  der  Verzögerung  der  Siegesfeier  gewesen,  läszt  sich  nicht 
annehmen.  ^  so  belegt  Isigonos  de  rebus  admirab.  44  die  bedent- 

samkeit  der  TCTpdc  mit  beispielen  ans  allen  drei  monatsdekaden;  die 
TpfTT)  als  heiliger  tag  der  Pallas  bezieht  sich  auf  die  Tpini  q>6(vovTOC, 
aber  auch  auf  die  Tpini  lcTa|Ji^vou  (Petersen  in  diesen  jahrb.  suppl.  II 308) ; 
die  öcuT^pa  ßoii6pofiiiS)voc  Plutarch  qn.  sjmp.  IX  6  ist  die  beuT^pa  (p6(- 
vovTOC  (Böckh  CIG.  I  s.  226). 


390  GFÜngert  die  regidrongen  dei  Peitiitratos. 

TT^VTC.  dieser  rechnet,  wie  die  vorhergehenden  zahlen  (KjpseloB  30» 
Periandros  8V2}  Psammetichoe  3  jähre)  und  die  nachfolgenden  (Oelon 
über  7,  Hieron  10  jähre,  Thraeybnlos  ttber  10  monate,  znsammen  18 
jähre)  lehren,  nach  absoluter  zeit,  und  die  83  -f-  13^  ~  61  jftlire  be- 
deuten nAhr  als  60 V2»  weniger  als  51 7,,  so  dasz  der  anfang  des 
Peisistratos  in  661  vor  Ch.  entfttUt.  Henzens  oapitolinische  tafel  CIO. 
6866  schreibt  d<p'  ofi  TTcidcTpOTOC  £Tup6w€u(c€V  £v  *AOf^)vaic  Kai 
ATciUTTOC  iy  Zi€X<poic  K0T€KpTi)üiv{c6ii  ivf]  <poO',  was  auf  ol  68,  4  — 
666/64  fuhren  wttrde,  weil  als  schlusztermin  198,  2  —  14/16  nach 
Cb.  vorausgesetzt  ist*;  die  leichteste  ttndernng  <pO€'  ergibt  64,  4  ■« 
661/60.    die  parische  chronik  zählt  297  jähre  von  Peisistratos  er- 
hebung  und  dem  archon  Komias  bis  zum  archon  Diognetos  129, 1  ■« 
264/68 ;  da  sie  das  letzte  jähr  bald  einzahlt  bald  ausschlieszt,  so  kann 
ol.  ^4,  4  ebenso  gut  gemeint  sein  wie  66,  1/  endlich  die  notizen 
des  Eusebischen  kanons  lassen  uns,  wie  überall  wo  es  sich  um  ein 
bestimmtes  datum  handelt,  so  auch  hier  im  stich:  die  hss.  variieren 
zwischen  64,  8  und  64,  4. 

Die  zwei  ersten  regierungen  des  Peisistratos  können  nur  von 
sehr  kurzer  dauer  gewesen  sein,  weil  nicht  blosz  Isokrates  sondern 
auch  Aristophanes  von  Bjzantion  sie  ganz  ignoriert,  in  der  that 
schreibt  Herodot  von  der  ersten,  sie  habe  ou  iroXXÖv  XP<^VOV  ge- 
dauert^, und  von  der  zweiten  ergibt  sich  dasselbe  aus  ihrer  ge- 
schichte:  nachdem  Peisistratos  mit  Megakles  hilfe  die  herschaft  ge- 
wonnen hatte,  heiratete  er  der  Verabredung  gemäsz  dessen  tochter, 
und  als  diese  ihren  eitern  verriet  dasz  er  keine  kinder  mit  ihr  er- 
zielen wolle,  schlosz  Megakles  mit  den  bisherigen  feinden  ein  btlnd- 
nis,  was  den  tyrannen  veranlaszte  sofort  das  land  zu  verlassen,  seine 
dritte  regierung  wüste  er  fester  zu  gründen  (Her.  I  64  ippiZiuce), 
und  erst  von  ihr  ab  rechneten  manche  die  zeit  der  gesamten  Pei* 
sistratidenherschaft:  Isokr.  ir.  t.  ZcOtouc  c.  10  TCTrapäKOvra  £tt|  Tfjc 
CTdccwc  T€VO)üi^vr)C,  schol.  Ar.  We.  600  'AptCTO<pdvouc  \ikv  T€C* 
capdKOvra  koI  Iv  <pf)cavTOC.  Aristophanes  legte  jedenfalls,  wie  idle 

*  'Kyazares  und  Astjages'  0.76.  *  vWilamowits  'Antigonoi  von 
Karystof'  f.  262  fetzt  den  Diognetos  ein  Jahr  später:  der  chronlft  habe 
addierend  von  dem  jedeimaligen  archonten  die  namen  gezählt  vnd  je 
nachdem  er  Diognetoi  ein-  oder  anMchloss,  ein  jähr  mehr  oder  weniger 
erhalten,  dleeei  verfahren  wird  eben  bei  der  von  W.  mit  grosser  Zu- 
versicht getadelten  ansieht  Böckhs  na.  vorausgesetzt  und  264/68  vor  Ch. 
als  jähr  des  Diognetos  dabei  gewonnen,  zb.  wenn  von  Sokrates  tod 
(400/899)  inclusive  287  oder  von  der  Leuktrischen  Schlacht  (871/70) 
ezclusive  107  Jahre  bis  Diognetos  gezählt  werden,  an  den  fall,  wie 
bei  dem  Vorgänger  des  Diognetos  sn  verfahren  sein  würde,  soll  der 
Chronist  nach  w.  gar  nicht  gedacht  haben;  dieser  hat  Jedoch  laut  seiner 
eignen  erklämng  (Avifpat^  dpgd^cvoc  dir6  K^Kpoiroc  cfuic  dpxovroc 
AtOTV^TOu)  auch  an  den  Vorsänger  Diognets  gedacht.  ^  Synkellos 
und  der  Eusebische  kanon:  mtckTpatoc  'AOnvaiuiv  iTupdvvr)C£  Kai  cic 
'ItaXlav  irapf)X6€v  (armen,  flbers.  ndgravlt^  Hieron.  tramgreditur).  er  ist 
also  noch  in  demselben  Jahre  verjagt  worden,  statt  'iToXiav  schreiben 
wir  9€TTaX(av:  einer  von  den  söhnen  des  Peisistratos  hiess  Thettalos, 
und  610  boten  die  Aleuaden  den  vertriebenen  Peisistratiden  lolkos  an. 


GFUnger:  die  regierangen  des  PeisiBtratos.  39  t 

• 

Alexandriner,  arcbontenjahre  zu  gründe;  die  dritte  regierung  be- 
gann demnach,  vorausgesetzt  dasz  die  41  jähre  inclusiv  gezählt  sind,, 
ol.  57,  2  «=  551/50.  das  zweite  exil  hat,  wenn  wir  bei  Herodot 
^vbCKCtTOU  streichen,  1  jähr  gedauert,  also  57,  1  »>  552/51  be- 
gonnen ;  der  vorausgegangenen  zweiten  regierung  geben  wir  unge- 
fähr Vj  j^^'  s^  ^^32  s^®  ^^)  ^  °^  ^^^  anfieng.  auf  ebenso  viel 
schätzen  wir  die  dauer  der  ersten  regierung;  dann  entfallen  auf  das 
erste  exil  die  8  jähre  560 — 553. 

Sein  letztes  exil  hatte  Peisistratos  wahrscheinlich  536 ,  jeden- 
falls aber  532  schon  hinter  sich,  nach  Herodot  VI  103  siegte  Kimon 
der  vater  des  berühmten  Miltiades,  nachdem  ihn  Peisistratos  vers- 
trichen hatte,  zu  Olympia  mit  einem  Viergespann  und  liesz  beim  ver- 
kündigen des  Sieges  mit  seinem  namen  den  seines  Stiefbruders  Mil- 
tiades, des  tjrannen  von  Chersonesos,  verbinden;  als  bei  der  nftch- 
sten  feier  dieselben  pferde  siegten,  gab  er  die  ehre  dem  Peisistratos 
und  erhielt  dafür  von  diesem  die  erlaubnis  nach  Athen  zurückzu- 
kehren, als  sie  ihm  noch  einen  dritten  sieg  erworben  hatten,  räum- 
ten ihn  die  söhne  des  bereits  verstorbenen  Peisistratos  meuchlings 
aus  dem  wege.  dasz  der  dritte  sieg  bei  der  nächstfolgenden  feier 
gewonnen  worden  war,  nimt  Duncker  IV  324  mit  rücksicht  auf  die 
für  rosse  wahrscheinliche  dauer  der  leistungsföhigkeit  gewis  mit 
recht  an;  wenn  er  aber  die  drei  siege  532  528  524  setzt,  'so  geht 
er  von  dem  jetzt  nicht  mehr  haltbaren  todesdatum  des  Peisistratos 

527  aus.  nach  Aristoteles  regierte  Hippias  18  jähre;  dasz  diese 
reichlich  bemessen  und  eher  über  als  unter  18  volle  sind,  ist  daraus 
zu  schlieszen ,  dasz  Herodot  VI  65  auf  die  wirkliche  regierung  des 
Peisistratos  und  seines  nachfolgers  nicht  wie  Aristoteles  35  sondern 
36  jähre  zählt.  Peisistratos  ist  also  528 ,  möglicherweise  schon  vor 
ende  529  gestorben,  vielleicht  um  die  zeit  der  olympischen  spiele 

528  und  Eimon  gleich  nach  seinem  tode,  noch  vor  der  Verkündigung 
der  Sieger  zu  Olympia  getötet  worden,  hieraus  erklärt  sich  das  auf- 
fällige schweigen  Herodots  über  das  verfahren  Eimons  bei  dersel- 
ben, ebenso  aber  auch  seine  ermordung:  der  vertrag,  den  er  um  die 
heimkehr  zu  erwirken  unterzeichnet  hatte,  war  mit  dem  tode  des 
tyrannen  erloschen,  und  sowohl  er  wie  Hippias  brauchten  sich  nicht 
mehr  an  denselben  zu  binden,  sein  älterer  söhn  Stesagoras  hatte 
damals  das  mannesalter ,  dh.  das  20e  jähr  noch  nicht  erreicht  (Her. 
VI  103  fjv  xriviKauTa  Trapd  tuj  TKÜxpiu  MiXndbr)  Tpeq)öjLi€VOC  iy 
Txji  Xeppovriciu) ;  dagegen  524  finden  wir  den  jungem  söhn  Miltiades 
schon  als  archon  eponymos.  diese  würde  hatten  ihm  die  Peisistra- 
tiden,  welche  durch  besondere  gnade  gegen  ihn  den  verdacht  des 
mordes  von  sich  abzulenken  suchten  (Her.  VI  40),  vermutlich  ver- 
schafft, sobald  er  das  gesetzliche  alter  von  20  jähren  erreicht  hatte; 
bei  der  Marathonschlacht  zählte  er,  wenn  diese  Vermutung  zutrifft, 
53 — 54  jähre,  die  drei  siege  Eimons  fallen  demnach  536  532  528, 
und  spätestens  vor  mitte  536  hat  die  dritte  regierung  des  Peisistratos 
begonnen. 


392  GFUnger:  die  regierungen  des  PeiBistratos. 

• 

Die  7  für  das  letzte  exil^  ttbrigbleibenden  jähre  falleii  also  zwi- 
schen 549  und  536.  in  dieser  zeit  hat,  wie  aus  Diodor  zu  schliessen 
ist,  wirklich  eine  Veränderung  in  seinen  Verhältnissen  stattgefunden, 
die  vaticanischen  excerpte  erwähnen  nach  einander  IX  35  und  36,  1 
den  krieg  des  Harpagos  gegen  die  lonier  (begonnen  zu  anfang  5M), 
c.  36,  2 — 4  den  der  Spartaner  gegen  Tegea  (549,  von  Diodor  aber 
wohl  episodisch  bei  der  mehr  anspruchsvollen  als  kräftigen  Inter- 
vention Spartas  zu  gunsten  der  bedrängten  lonier  angebracht) ;  folgt 
c.  36,  5  ein  gedanke,  der  zu  einer  Verschwörung  passt  (Kpcirrov 
elvai  TeXeuTov  f\  Zwvrac  iaurouc  fiCTa  ti&v  cuttcviIiv  ^90pfiv 
&E\a  Oavärou  TrpdTTOVTac) ,  dann  c.  37  zwei  anekdoten  von  der 
launigen  groszmut  des  Peisistratos  beleidigem  gegenüber;  XI 1  die 
ermordung  des  Servius  Tullius  (um  533).  die  auffallende  thatsadhe, 
dasz  die  lonier  545  von  ihrer  mutterstadt  Athen  keinerlei  Unter- 
stützung erhalten,  ja  nicht  einmal  um  eine  solche  dort  nachgesucht 
hatten,  obgleich  Peisistratos  damals  schon  auf  der  hOhe  seiner  macht 
stand,  die  Kjkladen  und  Sigeion  beherschte^  auch  am  Strymon  be- 
sitzungen  hatte,  diese  thatsache  läszt  schlieszen,  dasz  er  üdi  mit  den 
Persem  verständigt  hatte  und  nicht  helfen  wollte:  vielleicht  um 
Sigeion  zu  retten,  wohl  auch  weil  jene  die  herschaft  der  ^yranneiL 
begünstigten,  während  Eroisos  wenigstens  in  Epheeos  die  arisio- 
kratie  wiederhergestellt  hatte  (Polyainos  VI  50).  solche  gefttU- 
losigkeit  gegen  das  Schicksal  der  tochterstädte  mag  in  Athen  er- 
bitterung  hervorgerufen  und  den  anhang  seiner  gegner  so  verstärkt 
haben,  dasz  der  tyrann  um  544  gestürzt  werden  konnte,  wir  geben 
demgemäsz  seinen  regierungen  folgende  Zeitbestimmung: 

54,  4  —  561  die  erste,    V2  H  54,  4  —  560  ezil  8  j. 

56,  4  —  552  die  zweite,  Vs  j- ;  57,  1  —  562  ezfl  1  j. 

57,  2  —  551  die  dritte ,     7  j.;  58,  4  —  544  ezil  7  j. 
60,  3  —  537  die  vierte,     9  j. ;  62,  4  —  528  tod. 

^  EoBebios  kennt  blosi  ^ines:  die  notii  TTcicicTpaToc  'AOiivaiuiv  t6 
beOrepov  ^ßaciXcuce  (Sjnkellos  451)  bringt  die  armenisohe  übersetxonf 
unter  ol.  59,  2,  die  hsB.  des  Hieronymas  geben  sie  anter  68,  4;  59,  4; 
58,  2  na.  wenn  er  die  16  exiljahre  lusammenschob,  so  entfiel  ihm  das 
ende  der  verbannang  in  68,  4. 

WÜRZBUBQ.  ObORO  FrIEDRIOH  ÜNQBR. 


FKem:  schluBz  des  zweiten  epeisodion  in  Sophokles  Antigene.     393 

56. 

ÜBER  DEN  SCHLUSZ  DES  ZWEITEN  EPEISODION 
IN  SOPHOKLES  ANTIGONE. 


Ob  in  der  letzten  hälfte  des  zweiten  epeisodion  der  Antigone 
der  vers  572  iS  91X108'  AijiUJV,  UJC  c'  dTijidZiei  Trairip  der  Antigone 
oder  der  Ismene  angehöre,  darüber  scheint  seit  Böckh  bei  den  neueren 
hgg.  kaum  mehr  ein  zweifei  zu  sein,  die  für  Antigone  gegen  die 
autorität  der  hss.  vorgebrachten  gründe  haben  sich  so  siegreich  ge- 
zeigt, dasz  man  jetzt  meistens  den  vers  mit  ihrem  namen  bezeichnet, 
mir  aber  scheint  ein  zweifei  an  der  Stichhaltigkeit  dieser  conjectur 
noch  immer  durchaus  berechtigt,  ja  ich  glaube  dasz  man  ohne  zu- 
reichende gründe  das  überlieferte  verschmäht  hat. 

Der  vers  soll  in  Antigones  munde  fast  unentbehrlich  sein,  es 
soll  unnatürlich  sein,  dasz  die  braut  in  dem  ganzen  drama  nicht  ein 
einziges  mal  ausdrücklich  des  verlobten  gedenke,  darauf  ist  zu  ent- 
gegnen ,  dasz  nach  unsem  begriffen  es  nicht  minder  auffallend  ist, 
dasz  sie  vor  ihrer  verhängnisvollen  that  dem  Haimon ,  den  wir  als 
einen  entschlossenen,  den  zom  seines  vaters  und  den  tod  nicht 
scheuenden  Jüngling  kennen  lernen,  zudem  als  einen  jüngling,  der 
ihre  that  durchaus  billigt,  gar  keine  mitteilung  macht,  gar  nicht 
seinen  rat,  seine  vermitÜung,  seine  hilfe  beansprucht,  weder  bei  der 
ersten  bestattung  noch  bei  dem  zweiten  versuch,  sondern  sich  frucht- 
los an  die  schüchterne  Schwester  wendet,  befremden  musz  es  uns 
auch ,  dasz  die  braut  von  dem  abwesenden  vater  des  verlobten  nicht 
schmerzbewegt  über  sein  verfahren  gegen  Polyneikes,  sondern  voll 
von  höhn  redet  (v. 31)  und  nachher  ihm  gegenüber  gestellt,  gleich 
von  anfang  an,  ohne  durch  harte  worte  von  ihm  gereizt  zu  sein,  den 
rücksichtslosesten  trotz  zeigt,  davon  dasz  sie  mit  seinem  söhne  ver- 
lobt ist ,  also  in  einem  pietätsverhältnis  zu  ihm  stehen  müste ,  hat 
der  leser  durch  die  tragödie  selbst  nicht  die  geringste  ahnung,  bis 
Ismene  es  v.  568  ausspricht. '  alles  was  Antigone  vorher  thut  und 
sagt  spricht  gegen  solche  annähme ,  gar  nichts  dafür,  auch  in  dem 
prolog  hatte  Ismene  ihrer  Schwester  keine  Vorstellung  gemacht  mit 
rücksicht  auf  Haimon,  was  notwendig  hätte  geschehen  müssen,  min- 
destens sehr  zweckmäszig  gewesen  wäre^  wenn  sie  von  einer  innigen 
Zuneigung  Antigones  zu  ihm  überzeugt  gewesen  wäre,  mit  dem  ein- 
zigen verse,  in  welchem  sie  nachher  (570)  von  einer  gegenseitigen 
liebe  der  verlobten  redet  (o^x  tSc  T*  ^Kcivqj  rrj^bi  t*  fjv  f)p|üiocjLi^va), 

'  keiner  spielt  auch  nar  mit  einem  worte  vorher  anf  dies  Verhält- 
nis an,  selbst  Kreon  nicht  y.  486,  wo  solche  anspielung  auf  dieses 
thatsächliche  so  nahe  gelegen  hätte,  statt  dessen  spricht  er  nur 
von  der  blutsyerwandtschaft ,  dnrch  die  Antigone  mit  ihm  verbunden 
ist,  und  von  der  möglichkeit  einer  noch  engem  blutsverwandtschaft, 
die  zwischen  ihnen  bestehen  könnte. 

Jahrbflcher  ffir  cIms.  philol.  1888  hft.  5  u.  8.  26 


394      FKern:  schlusz  des  zweiten  epeisodion  in  Sophokles  Antigene. 

hat  sie  dem  zweck  ihrer  rede  entsprechend  viel  mehr  Haimon  als 
Antigene  im  sinne.' 

Wenn  man  nun  aber  auch  wirklich  den  vers  572  gegen  die  hss. 
und  gegen  Antigenes  sonstiges  thun  und  reden  ihr  in  den  mund 
legt ,  so  musz  es  doch  unserer  auffassung  eines  innigen  brSutlichen 
Verhältnisses  aufs  ttuszerste  widerstreben,  dasz  ihre  empfindung  sich 
eben  nur  in  diesem  einzigen  verse  zeigen  soll,  und  nur  heryorgerafen 
dadurch ,  dasz  Kreon  sie  als  ein  schlechtes  weib  für  seinen  söhn  be- 
zeichnet, wahnwitzig  von  kindesbeinen  an  hatte  Kreon  sie  schon 
V.  562  genannt,  zu  den  schlechten  sie  schon  v.  565  gerechnet,  und 
viel  wegwerfender  als  in  y.  571  über  ihr  Verhältnis  zu  Haimon  in 
den  verletzenden  werten  569  gesprochen :  dpcüCifioi  foip  X<^^PUiV 
eiciv  T^ai.  zu  alle  dem  hat  Antigene  von  tiefer  Verachtung  gegen 
den  schmähenden  erfüllt  geschwiegen ;  ich  sehe  keinen  zwingenden 
grund,  dasz  sie  gerade  jetzt  den  in  ihr  zum  vierten  male  beleidigten 
Haimon  in  schütz  nehmen  müsse,  da  sie  es  doch  vorher  unterlassen 
hat,  um  so  weniger  da  sie  auch  nachher,  wo  sie  so  viel  veranlassung 
hat  des  verlobten  zu  gedenken,  seiner  mit  keiner  silbe  erwfthnt. 

Wohl  klagt  sie  rührend  und  beweglich  darüber,  dasz  sie  un ver- 
mählt in  den  Hades  gehen  solle;  dasz  sie  aber  von  lebhaftem  schmen 
erfüllt  wäre,  weil  sie  von  Haimon  scheiden  soll,  dasz  sie  Sehnsucht 
hätte  ihn  nur  noch  einmal  vor  ihrem  tode  zu  sehen,  das  hat  der 
dichter  in  ihren  klagen  und  reden  auch  nicht  mit  einem  worte  an- 
gedeutet.' sie  redet  die  stadtan,  die  bürger,  den  Dirkebach,  den 
hain  bei  der  stadt;  was  aber  nach  unsem  begriffen  ihr  das  liebste 
sein  sollte,  kommt  gar  nicht  in  ihre  Vorstellung;  sonst  kOnnte  sie 
sich  doch  nicht  9iXujv  äKXairroc  (847),  £91X00  (876)  nennen,  ja 
ausdrücklich  versichern,  dasz  ihr  thränenloses  geschick  keiner  ihrer 
lieben  beklage  (882).  so  wenig  sie  bei  dieser  Übertreibung  an  Ismene 
denkt ,  so  wenig  an  Haimon.  der  verlobte  steht  ihr  nicht  näher  als 
die  Schwester. 

Und  in  der  folgenden  iambischen  rede  denkt  sie  wohl  an  die 
lieben,  die  sie  im  Hades  zu  begrüszen  hofft,  von  dem  bräutigam  aber, 
den  sie  hier  auf  erden  zurücklassen  soll,  redet  sie  kein  wort ;  ja  noch 
einmal  nennt  sie  sich  ausdrücklich  (919)  lpr\^oc  npöc  q)iXuiv,  redet 
nachher  noch  wieder  die  bÜrger  an  und  scblieszt  nach  einer  Ver- 
wünschung des  Vaters  ihres  verlobten  mit  dem  ausdruck  des  tiefsten 
hassos  gegen  ihn/ 


'  auch  in  ihrem  zweiten  gespräch  mit  Antigone  536 — 560  kann  sie 
mit  den  worten  562  t(  bf\T*  &v  dXXd  vOv  c'  Ct'  ü[iq>€Xolfi*  ^T^;  nicht 
etwa  an  einen  auftrag,  ein  letztes  lebewohl  denken,  das  sie  dem  ver* 
lobtun  der  Schwester  überbringen  wolle,  dagegen  spricht  Antigenes 
antwort  und  Ismencs  weitere  rede.  '  Klektra  (Soph.  EI.  166)  klagt 

ohne  verlobt  zu  sein  auch  über  die  learheit  ihres  lebcns.  *  ja,  sind 
die  versc  904 — 915  echt  (was  ich  bezweifle:  vgl.  meine  abbandloofr  'die 
abschiedsrede  der  Sophokleischen  Antigone'  in  der  zs.  f.  d.  gw.  1880 
8.  1  ff),  so  würde  sie,  während  sie  au  die  möglicbkeit  ihrer  vermähloo^ 
denkt,  zugleich  den  tod  des  gatten  in  sonderbar  kühler  weise  erw&gen. 


FEem:  BcbluBz  des  zweiten  epei»odion  in  Sophokles  Antigone.     395 

Den  reden  einer  so  gezeichneten  dramatischen  persönlichkeit 
einen  vers  hinzuzufügen,  der  einen  neuen  zug  in  ihren  charakter 
bringt^,  und  das  zu  thun,  wo  nicht  etwa  die  Überlieferung  schwan- 
kend ist,  sondern  alle  hss.  dagegen  sind,  scheint  mir  kritisch  in 
hohem  grade  bedenklich  zu  sein  und  könnte  nur  durch  die  aller- 
stärksten  argumente  gerechtfertigt  werden. 

Ich  weisz  wohl  dasz  man  in  der  nur  einmaligen  erwähnung 
Haimons  von  seiten  der  Antigone  eine  besondere  Zartheit  des  mftd- 
chens  und  eine  besonderes  treffliche  kunst  dichterischer  Charakteri- 
sierung finden  will/  ich  würde  mich  auch  dieser  meinung  unbe- 
denklich anschlieszen,  würde  es  thun  müssen,  wenn  es  sich  um  die 
erklärung  einer  Überlieferung  handelte ,  halte  es  aber  ftlr  ungemein 
gewagt  durch  eine  conjectur  die  dichterische  gestaltungskraft  des 
Sophokles  in  einer  so  eigentümlichen  art  erhöhen  zu  wollen. 

Einer  andern  Einmaligen  erwähnung  gegenüber  (die  wenigstens 
nach  der  Überlieferung  so  aufgefaszt  werden  kann,  nicht  erst  durch 
Vermutung  in  den  text  gebracht  wird)  verfahren  dieselben  hgg. 
gerade  umgekehrt,  ein  beweis  wie  wenig  dergleichen  argumen- 
tationen  an  sich  Überzeugungskraft  haben,  in  Antigones  abschieds- 
rede  v.  899  ist  bekanntlich  streit  darüber,  wer  unter  KaciTViiTOV 
Kdpa  zu  denken  sei,  Eteokles  oder  Poljneikes.  nun  wird  unter  an- 
dern argumenten  für  die  beziehung  auf  Poljneikes  das  geltend  ge- 
macht, dasz  Eteokles  auch  darum  nicht  gemeint  sein  könne,  weil 
dieser  stets  durchaus  im  hintergrunde  des  interesses  stehe,  so  steht 
aber  auch  Haimon  in  Antigones  reden,  so  weit  die  Überlieferung 
sicher  ist,  ohne  alle  frage,  scheut  man  sich  also  aus  solchem  gründe 
das  hsl.  sichere  Kac(TViiTOV  Kdpa  auf  Eteokles  zu  beziehen,  so  müste 
man  sich  noch  viel  mehr  scheuen  durch  ttnderung  des  gegebenen 
eine  beziehung  auf  Haimon  in  Antigones  reden  hineinzubringen, 
oder  warum  erklärt  man  nicht  auch  den  halbvers  899  für  eine  be- 
sondere feinheit  der  Charakteristik ,  da  durch  diesen  fast  unentbehr- 
lichen zug  dargestellt  werde ,  dasz  von  der  Vertreterin  der  familien- 
pietät  über  Poljneikes  keineswegs  der  andere  bruder  ganz  ver- 
gessen sei ,  wenn  sie  sonst  auch  in  folge  der  dramatischen  handlung 
fast  nur  von  Poljneikes  zu  reden  habe? 

Mindestens  also  gleichwertig  scheinen  mir  die  beiden  begrün- 
düngen,  die  eine:    'Antigone  musz  hier  wenigstens  von  Haimon 


was   auch  sehr  wenig  mit  dem   gefühl   einer  Jungfrau,  die  von  ihrem 
verlobten  durch  den  tod  scheiden  soll,  zusammenstimmen  würde. 

^  genau  ebenso  bedenklich  wäre  es,  wenn  durch  eine  conjectur  in 
der  exodos  in  Kreons  reden  irgend  eine  berücksichtigung  der  Antigone 
hineinkäme,  auch  hier  könnte  es  sehr  auffallend  erscheinen,  dasz 
Kreon  weder  ein  wort  der  reue  noch  der  bittern  anklage  in  bezug  auf 
Antigone  hat.    und  doch  ist  dramatisch  dieses  schweigen  gewis  motiviert. 

^  MSeyffert  ist  ganz  aufgebracht  gegen  die  welche  den  vers  der 
Ismene  zuschreiben  wollen  und  sich  von  Böckh  (^divinitus  de  hoc  loco 
commentato']  nicht  fiberzeugen  lassen  wollen,  dieser  vers  gehört  nach 
ihm  bis  in  alltf  ewigkeit  zu  den  «dTdXfiara  artis  Sophocleae». 

26* 


396      FKern:  schlusz  des  zweiten  epeisodion  in  Sophokles  Antigone. 

sprechen,  da  sie  es  sonst  nirgends  thut',  und  die  andere :  ^Ismene  ist 
es ,  die  hier  den  abwesenden  Haimon  anredet :  denn  Antigone ,  die 
so  viel  Veranlassung  hat  seiner  zu  gedenken,  spricht  sonst  von  ihrem 
Verhältnis  zu  ihm  nirgends.'  es  ist  und  bleibt  für  unsere  auffassung 
sonderbar ,  dasz  eine  liebende ,  in  den  tod  gehende  braut  ihres  ver- 
lobten nie  erwähnen  soll;  es  ist. aber  nicht  weniger  auffallend,  dasz 
sie  gerade  nur  hier,  dem  von  ihr  tödlich  gehaszten  Kreon  gegenfiber, 
seiner  erwähnt,  während  sie  in  ihrem  gnspräch  mit  Ismene  und 
nachher  in  ihren  klagen  so  redet,  als  ob  Haimon  gar  nicht  vorhan- 
den wäre. 

Wir  müssen  uns  also  darein  finden,  dasz  der  dichter  zwar  Hai- 
mon als  glühenden  liebhaber  Antigenes ,  diese  aber  keineswegs  als 
zärtliche  braut  hat  zeichnen  wollen  ^,  weil  es  ihm  nur  auf  die  moti- 
vierung  von  Haimons  Selbstmord ,  der  den  der  Eurydike  nach  sich 
zieht^  ankam,  um  Kreon  nachher  in  völliger  Vereinsamung  zu  zeigen. 
durch  die  Voraussetzung  einer  auch  in  Antigone  herschenden  innigen 
Zuneigung  wäre  ihre  Charakteristik  sehr  viel  complicierter  geworden. 
wie  sie  jetzt  vom  dichter  gezeichnet  vor  unserer  seele  steht,  ist  sie 
von  zwei  mächtigen  (einander  nahestehenden)  gefühlen  völlig  be- 
berscbt,  von  aufopferungsvollem  Pflichtgefühl  und  pietftt  für  ihre 
familie  und  von  glühendem  hasz  gegen  Kreon,  hasz  gegen  den  vater 
aber  und  zugleich  leidenschaftliche  liebe  zum  söhne  hätten  eonflicte 
in  ihrer  seele  hervorrufen  müssen ,  die  vom  dichter  auch  nicht  von 
fern  angedeutet  sind,  wir  mögen  das  nun  bedauern  and  mit  der 
Schlichtheit  der  Charakterzeichnung  nicht  zufrieden  sein,  aber  ich 
meine,  die  dichtung  behält  auch  so,  wie  wir  sie  haben,  ihre  staunens- 
werte ,  ihre  unsterbliche  grösze.  ein  modemer  dichter  freilich  hfttte 
diesen  stoff  nicht  behandelt,  ohne  eine  bewegte  scene  zwischen  Hai- 
mon und  Antigone  zu  erfinden,  in  der  diese  auch  ihrer  liebe  und 
ihrem  schmerz  um  den  verlobten  ergreifenden  ausdruck  geben  würde. 
solchen  liebesscbmerz  aber  hat  ihr  unser  dichter  nicht  gegeben: 
denn  dasz  jene  allgemeinen  klagen  etwas  derartiges  nicht  ent- 
halten, ist  einleuchtend ;  natürlich  ist  aber  ebensowenig  an  abneigung 
gegen  Haimon  zu  denken,  dazu  gibt  keine  stelle  der  tragödie  anlasz. 
und  ihrem  höhnischen  trotzigen  verhalten  gegen  Kreon,  das  für  sich 
allein  betrachtet  freilich  eher  auf  abneigung  gegen  seinen  söhn 
schlieszen  liesze,  steht  Ismenes  urleil  (v.  570)  über  ihr  Verhältnis 
zu  ihm  gegenüber,  ein  urteil  das,  wenn  man  auch  den  zweck  dieser 
Worte  gebührend  mit  berücksichtigt,  doch  so  viel  erkennen  läszi, 
dasz  Antigone  sich  gegen  eine  Vermählung  mit  Haimon  nicht  ge- 
sträubt hat. ' 

^  so  urteilt  nuch  Viehoff  in  der  eioleituiig  (s.  SO)  su  seiner  fiber- 
setzunp:  (1B70\  in  welcher  er  mit  recht  v.  572  nnd  674  der  Ismene  l&Ht, 
V.  576    aber   mit  unrecht  dem  Chorführer  gibt.  "^  Hermann  nrteiit 

pracf.  s.  XXXIV  über  das  verhültnii  der  Antigone  zu  Haimon  gewis 
richtig',  wenn  er  sagt:  'amoris  tcneros  sensas  poeta  neqae  in  Hatmonit 
dictis*  (hier  hat  H.  wohl  v.  699,  der  nicht  ein  blosier  bcricht  über  die 


FKem:  schlusz  des  zweiten  epeieodion  in  Sophokles  Antigone.     397 

EiAe  innige  (unausgesprochene)  liebe  in  ihrer  seele  zu  ihm  dür- 
fen wir  aber  schon  darum  nicht  annehmen,  weil  solch  ein  starkes 
gefühl  nirgends  als  motiv  erscheint;  wenigstens  hätte  sein  Vorhanden- 
sein doch  ihren  beleidigenden  höhn  gegen  den  vater  hindern ,  ihren 
trotz  mildem  müssen,  die  einzigen  motive,  die  sie  zu  ihrem  thun 
und  reden  hat^  liebe  zum  bruder  und  hasz  gegen  Kreon,  verstärken 
sich  gegenseitig,  daher  ihre  grosze  entschiedenheit,  ihr  festhalten  an 
ihrer  Überzeugung  bis  zum  letzten  augenblick.  in  Kreons  seele  da- 
gegen wirken  zwei  entgegengesetzte  motive,  eifrigste  sorge  für  das 
wohl  des  Staates  und  innigste  liebe  zu  den  seinen;  darum  seine  all- 
mählich sich  immer  mehr  geltend  -machende  Unsicherheit,  darum 
seine  innere  Zerstörung  im  ausgang  der  tragödie. 

So  scheint  es  mir  ganz  unbedenklich  an  der  Überlieferung  fest- 
zuhalten, um  so  mehr  da  gegen  die  änderung  manche  nicht  unerheb- 
liche gründe,  wie  mir  scheinen  will,  vorgebracht  werden  können. 

Das  plötzliche  wiedereingreifen  der  nach  Kreons  harten  worten 
(v.  561  f.)  verstummten  Antigone  in  den  dialog  ist  gewis  nicht  un- 
dramatisch ,  wohl  aber  die  art  wie  Kreon  auf  ihre  worte  antworten 
würde. 

Böckh  übersetzt  Kreons  erwiderung  ätov  T€  XuireTc  xal  cu  Ktti 
TÖ  cöv  X^x^c  durch  die  worte  'du  bist  verhaszt  mir,  du  sowie  dein 
ehebett.'  das  ist  eine  ungenaue,  die  bedeutung  von  XuTteTv  über- 
treibende jlbersetzung.  was  das  fit^^v  T^  XuTieic  zu  bedeuten  habe, 
sieht  man  aus  der  stelle  im  Adas  v.  589 ,  wo  der  held  der  tragödie 
dieselben  worte  zu  Tekmessa  spricht,  da  ist  doch  an  hasz  nicht 
zu  denken;  es  heiszt  nur:  quäle  mich  nicht  länger  mit  deinen  Vor- 
stellungen ,  ich  habe  es  nun  satt.  *  der  ausdruck  dient  dazu  fracht- 
loses verhandeln  mit  scharf  abweisendem  wort  abzubrechen,  so 
wird  auch  XuTTiipöc  gebraucht  Ar.  Ach.  456  Xutnipöc  !c9*  ö)V  xdiro- 
XU>pTicov  böjiUJV,  und  dXxuveiv  OT.  446,  wo  das  letzte  wort  des 
Oidipus  zu  Teiresias  lautet:  cuOeic  t*  Sv  oök  öv  dXxuvaic  TiXfov. 
noch  ähnlicher  unserer  stelle  ist  OT.  1067,  wo  auf  lokastes  worte 
KQi  |Lif|V  q)povoCcd  T*  €Ö  xd  XijjCTd  coi  X^t^^  Oidipus  antwortet  la 


stimmnng  der  bürgerschaft  ist,  und  v.  761  nicht  genügend  beachtet) 
'conspiciendos  exhibuit,  neque  in  Antigona  .  .  Antigona  autem,  cnius 
ferox  et  generosus  animus  totus  in  iram  ob  indignnm  Creontis  edictnm 
effasus  est,  eo  ipso,  quod  tali  in  caussa  amoris  sni  prorsns  obli- 
viscitur,  maxime  facit  quod  eius  ingenio  est  consentaneum.'  Haimon 
musz  Antigone  leidenschaftlich  lieben,  sonst  wäre  sein  Selbstmord  nicht 
begründet,  und  sein  Selbstmord  ist  für  die  zwecke  des  dichters  nötig, 
wäre  aber  auch  Antigone  als  zärtlich  liebende  braut  dargestellt,  so 
könnte  man  darauf  Schillers  wort  über  Achilleus  in  den  anmerknngen 
zu  seiner  Übersetzung  der  Iphigenie  in  Aulis  anwenden:  'diese  kleine 
eigennützige  leidenschaft  würde  sich  mit  dem  hohen  ernst  und  dem 
wichtigen  Interesse  des  griechischen  Stückes  nicht  vertragen.'  GFrey- 
tag  (technik  des  dramas  s.  196)  sagt  mit  gutem  griind,  dasz  wir  die 
beziehung  der  liebenden  vor  der  Vermählung  mit  einer  würde  und  einem 
*adel  zu  umgeben  pflegen,  von  welchem  die  antike  weit  nichts  wüste. 
*  ähnlich  ist  auch  das  ]^uir€tc  f6p  des  Teiresias  Ant.  1084. 


398      FKern:  schlusz  des  zweiten  epeiäodion  in  Sophokles  Antigone. 

Xtucia  Toivuv  TaOxd  |li*  dXTuvei  iräXai.  dort  wird  durch  X^cra  wie 
in  unserer  stelle  durch  X^x^c  das  bezeichnet ,  was  aus  der  rede  des 
andern  dem  das  gesprftch  abschneidenden  das  lästige  ist;  nur  wird 
in  der  Antigonestelle  durch  TÖ  CÖY  X^x^c  blosz  der  wesentliche  In- 
halt von  Ismenes  rede  wiedergegeben,  während  Oidipuis  das  XijiCTa 
der  lokaste  geradezu  wiederholt,  andere  ausdrücke  um  eine  ähnliche 
Stimmung  zu  bezeichnen  sind  bei  den  tragikem  öxXeiv,  öxXiipöc» 
dtviapüüc  X^T€iv.  *^  ähnliches  drücken  sie  auch  mit  andern  Wendungen 
aus  wie  El.  1501  TTÖXV  dvTiqpuJveTc.  OT.  676  oökoOv  |li*  idccic 
KÄKTÖc  €?;  Aisch.  Sieben  1037  jLif)  ^aKpiiTÖpeu  Eur.  Alk.  72  iröXX* 
&v  cu  X^Hac  oöb^v  fiv  ttX^ov  Xäßoic.  demnach  scheint  es  durchaus 
geraten  in  dem  verse  mit  fix^v  T^  XuTTeTc  die  Stimmung  eines  sol- 
chen ausgedrückt  zu  sehen,  der  seine  unlust  zur  fortsetzung  eines 
gesprächs  ausdrückt,  nicht  eines  solchen  der  einer  person ,  die  bis 
dahin  geschwiegen  hat,  entgegentritt,  das  heiszt  den  voraufgehen- 
den vers  mit  den  hss.  der  Ismene  zu  lassen. 

Thudichum  hat  also  den  sinn  des  verses  richtig  getroffen,  wenn 
er  übersetzt  *ge  n  u  g!  verhaszt  bist  du  mir  und  dein  ehebund'  wenig- 
stens durch  das  erste  wort  der  Übersetzung,  ebenso  ist  in  der  Wolff- 
Bellermannschen  ausgäbe  Kreons  Stimmung,  wie  sie  sich  in  diesen 
werten  ausprägt,  richtig  wiedergegeben,  wenn  zu  y.  673  die  erklä- 
rung  gegeben  wird:  'ungeduldig  wendet  sich  Kreon  von  den 
Schwestern  ab,  als  wollte  er  ins  haus  gehen.'  und  Weoklein  hat  in 
seiner  erklärung  des  äxav  ye  XuTteTc  in  der  Aiasstelle  gewis  rechti 
wenn  er  dort  das  wort  durch  ^lästig  sein'  erklärt  und  hinzufügt: 
^mit  Y€  weist  Aias  darauf  hin,  dasz  er  nachgerade  das  aller- 
lästigste  vernommen  habe  (nemlich  TTpdc  Ocuiv).'  Wecklein  citiert 
auch  ausdrücklich  dazu  unsere  stelle,  aber  ohne  für  dieselbe  die 
consequenz  aus  der  richtigen  erklärung  zu  ziehen. 

Ein  ähnliches  misverständnis  der  Wortbedeutung  herscht  viel- 
leicht auch  in  bezug  auf  das  von  Ismene  gebrauchte  drijudZeiV. 
gewis  kann  das  wort  und  die  damit  zusammenhängenden  'be- 
schimpfen ,  entehren'  bedeuten ;  aber  diese  kräftige  bedeutung  hat 
es  durchaus  nicht  immer,  und  gerade  in  manchen  Sophokleidchen 
stellen  entschieden  nicht,  es  drückt  sehr  häufig  nur  ein  vorent- 
halten dessen  aus,  worauf  man  anspruch  zu  haben  glaubt,  beschimpft 
ist  zb.  Oidipus  von  dem  delphischen  gott  dadurch  gewis  nicht,  dasz 
er  keine  auskunft  darüber  erhält,  wer  seine  eitern  sind;  dennoch 
sagt  er  (OT.  788)  Kai  jii'  6  Ooißoc  iLv  m^v  IkÖ|lit]V  ötijliov  ^E^ircjn- 
\\te\. "  so  kann  auch  Ismene  in  unserm  epeisodion  v.  544  mit  ihrem 

10  OT.  446  \bc  Trapdjv  cO  t  *  ^MYroöibv  öxXdc.  Enr.  Hei.  462  6xXT|pöc 
IcB'  Ojv  Kai  Tax*  ubce/)C€i  ßi<;i.  Aisch.  Prom.  1006  6xXctc  ^drnv  fi€ 
kO^i*  öitujc  TTapiiTopiXrv.  Ant.  816  oOk  olcOa  icai  vOv  die  dviapuic  X€tcic; 
(auf  dio8e  leiste  Htelle  hat  schon  Wez  aufmerksam  gemacht.) 
1*  Ro  heiszt  es  auch  in  der  hypothesis  su  den  Phoinissai  (bei  Nanok 
s.  394)  von  Oidipus  miserfolg  in  Delphoi  nach  dem  herielit  über  die 
vorhersaf^unf^  einfach:  tqutI  ^öva  (^avOdvci) '  Tiv€C  bi  elcv  a6t1p  ol 
Tov€tc,  caqpdic  oO  ^avOdvci.    iiraviUiv  bi  £kcT6cv  usw. 


FKem:  schlusz  des  zweiten  epeisodion  in  Sophokles  Antigene.     399 

an  die  Schwester  gerichteten  jurj  jii*  dri^äcijc  von  einem  schimpf,  der 
ihr  durch  die  versagung  der  bitte  angethan  wäre,  nicht  reden  wollen, 
nur  von  einem  vorenthalten  eines  ihr  teuren,  wertvollen  rechtes^ 
worauf  sie  anspruch  macht.  **  das  dri^dZeiv  Tf)V  ttöXiv,  das  Oidipus 
(OT.  340)  dem  Teiresias  zum  Vorwurf  macht,  besteht  lediglich  darin 
dasz  dieser  über  die  Ursache  der  pest  keine  auskunft  geben  will, 
ganz  ähnlich  der  gebrauch  OK.  49 ,  womit  fiTi|Lioc  v.  51  zu  verglei- 
chen, in  derselben  tragödie  v.  286  ist  es  ein  versagen  des  Schutzes, 
der  dem  lK^Tr]C  zukommt,  in  OK.  1409,  woPoljneikes  die  Schwestern 
mit  den  werten  jurj  ii*  dn^dciiT^  T^  anfleht,  befürchtet  er  nicht  von 
ihnen  eine  beschimpfung,  sondern  bittet  sie  einen  von  andern  ihm 
angethanen  schimpf"  au&uheben,  auch  ihm  das  recht  der  ehren- 
vollen bestattimg  zu  gewähren,  auf  das  alle  toten  anspruch  haben, 
im  Aias  v.  1339  ist  dri^äZieiv  ein  vorenthalten  der  gebührenden  an- 
erkennung,  ein  jiif)  X^T^tv.  im  allgemeinen  passt  für  dri^ä^Ieiv  viel 
besser  die  Übersetzung  'geringschätzen'  als  'beschimpfen ,  verun- 
ehren'."  vgl.  auch  Ant.  77.  OT.  1081.  Eur.  Herakl.  227.  Aisch. 
Prom.  784. 

Demnach  glaube  ich  nicht  dasz  Ismene ,  indem  sie  dieses  wort 
ausspricht,  von  Kreons  voraufgehenden,  werten  KQKdc  if^  T^CXiKac 
\}\ic\  CTirrui  gerade  nur  das  Kaxdc  im  sinne  haben  müsse,  die  be- 
leidigung  Haimons  in  der  ehrenrührigen  bezeichnung  der  braut  (dazu 
hatte  sie,  wie  nachgewiesen,  schon  562.  565.  569  anlasz),  sondern 
gewis  auch  das  uUci  CTUtOa  '^  die  mit  schärfstem  ausdruck  ausge- 
sprochene Weigerung  Kreons,  dem  Haimon  Antigene  zur  frau  zu 
geben,  darauf  kann  Ismene,  Kreons  zärtliche  liebe  zu  seinem 
sehne  wohl  kennend,  sehr  zweckmäszig  antworten:  'ach  liebster 
Haimon,  wie  wenig  achtet  der  vater  auf  deine  so  berechtigten 
wünsche,  indem  er  dir  das  vorenthalten  will,  worin  du  dein  lebens- 
glück  finden  würdest!'   auch  das  q)iXTaT€,  das  in  Ismenes  munde 


**  also  das  dixi^dtexy  geht,  wie  die  davon  abhängigen  worte  zeigen, 
keineswegs  auf  das  beleidigende  in  Antigones  rede  XÖYOic  q)iXoOcav, 
sondern  anf  das,  worauf  Antigone  nachher  mit  den  Worten  }ii\  iroioO 
C€auTf)c    hinweist.  *'  allerdings   kann   natürlich   auch  dieser  selbst 

durch  dTt)idZ€tv  bezeichnet  werden,  wie  Aias  1842.  ^*  wenn  lokaste 
OT.  769  zu  Oidipus  sagt  ätia  bi  irou  ^aOetv,  so  ist  das  dem  sinne  nach 
gleich  einem  ^V)  ^'  dxijidcijc,  und  wenn  Oidipus  darauf  antwortet  koö 
|Lif)  CTCpr^B^C  ye,  so  wird  mit  dem  verbum  CTCpclv  hier  wie  Ant.  674  ein 
vorenthalten  des  gebührenden  bezeichnet;  dasz  das  mittel  der  Verweige- 
rung hier  ein  schweigen,  dort  das  allein  sterben  wollen  ist,  ist  für  die 
dramatische  Wirksamkeit  der  stellen  von  der  g^Östen ,  für  den  verbal- 
begriff von  gar  keiner  bedeutnng.  *^  dasz  man  uUci  mit  YUvalKac 
verbinden  solle,  wie  im  lex.  Soph.  von  Ellendt-Genthe  als  nötig  be- 
zeichnet wird,  will  mir  nicht  einleuchten.  crxrfiS)  ist  wohl  ein  sehr 
starkes,  mit  höchstem  affect  gesprochenes  nicht  wollen,  es  heiszt  also 
nicht  'schlechte  weiber,  die  mit  meinen  söhnen  verbunden  sind,  hasse 
ich',  sondern  'schlechte  weiber  will  ich  um  keinen  preis  meinen  söhnen 
geben;  der  gedanke  widersteht  mir  aufs  äuszerste,  ich  verabscheue 
sie  für  meine  söhne',  die  dative  bei  Matthiä  gr.  gramm.  §  389,  3 
(worauf  Wez  hinweist)  sind  anderer  art. 


400     FEern :  schlusz  des  zweiten  epeisodioD  in  Sophokles  Antigone. 

bei  dem  nahen  Verhältnis  allerdings  an  sich  ohne  allen  anstosz  ist 
und  oft  vorkommt,  wo  es  viel  weniger  berechtigt  ist  als  hier,  ge- 
winnt ebenso  wie  das  TiaTfip  noch  eine  besondere  bedeutong  und 
gibt  den  Worten  eine  fiLrbung ,  die  den  Inhalt  derselben  für  Kreon 
noch  um  so  peinlicher  machen  muste,  so  dasz  er  mit  fit<^v  f€  XuirciC 
nichts  anderes  thon  kann  als  dem  gespräoh  ein  ende  machen. 

Als  nemlich  Ismene  v.  568  ihn  zuerst  auf  das  verhftltiiis  auf- 
merksam gemacht  hat,  in  welchem  ihre  Schwester  zu  seinem  söhne 
steht,  glaubt  er  das  bedenken,  das  dadurch  in  seinem  vaterherzen 
entstehen  musz,  leicht  durch  die  erwägung  beschwichtigen  zu  können, 
dasz  es  viele  Jungfrauen  gebe,  die  Haimon  heiraten  könne,  da  spricht 
Ismene  von  der  besondem  Zuneigung,  die  Haimon  gerade  zu  Anti- 
gone habe,  und  als  nun  Kreon  so  in  die  enge  getrieben  nach  tyrannen* 
art,  ohne  auf  den  einwand  einzugehen,  mit  stärkstem  wort  seinen 
entschlusz  ausspricht  nie  in  diese  heirat  zu  willigen ,  das  recht  des 
herzens  seines  sohnes  also  rücksichtslos  verletzt,  da  nennt  Ismene 
ihn,  der  seines  vaters  liebe  verloren  zu  haben  scheint,  liebster 
HaimoU;  da  sagt  sie  zu  Kreon,  dasz  der  eigne  vater  ihm  verweigere, 
was  ihm  das  schönste  glück  verbürgen  würde. 

Mit  rücksicht  auf  das  vorhergehende  ist  also  y.  572  im 
munde  der  Ismene  dramatisch  nicht  nur  ohne  anstosz,  sondern  vor* 
trefiflich.  ebenso  sehr  spricht  für  die  Überlieferung  der  anmittelbar 
folgende  vers,  Kreons  antwort.  ganz  abgesehen  von  dem  oben 
über  den  sinn  von  äfav  fe  XuTreic  entwickelten  ist  dieser  6ine  vers 
mit  seinem  inhalt  limge  nicht  effectvoU  genug  für  eine  antwort  auf 
eine  rede  der  plötzlich  wieder  ins  gespräch  eingreifenden  Antigone. 
dramatisch  berechtigt  wäre  es  entweder,  wenn  Kreon  durch  völliges 
schweigen  im  sinne  seines  oö  yäp  £ct'  £ti  (v.  567)  seine  tiefe  Ver- 
achtung ,  seinen  innersten  absehen  gezeigt  hätte ,  oder  wenn  er  nun 
zum  letzten  male  noch  seiner  erbitterung  in  viel  härteren  werten 
ausdruck  gegeben  hätte. "  in  dem  äfav  T^  XuTreic,  das  ja  auch  Aias 
zu  Tekmessa  sagt,  finde  ich  solche  Stimmung  auch  nicht  von  fern 
ausgedrückt. " 

In  den  folgenden  versen  findet  in  bezug  auf  die  personenver- 
teilung  keine  so  volle  Übereinstimmung  in  den  hss.  statt  wie  in  be- 
zug auf  572;  aber  bei  weitem  am  besten  beglaubigt  ist  es  auch 
hier,  dasz  v.  574  und  576  Ismene  spricht,  und  ich  halte  es  auch 
hier  für  richtig,  treu  der  besten  Überlieferung  zu  folgen. 

An  sich  freilich  hätte  es  kein  bedenken  anzunehmen ,  dasz  nun 
Ismene  durch  Kreons  werte  zur  ruhe  verwiesen  schweigt  und  der 


*'  so  urteilt  auch  Wez  proleg.  IV  29:  'accedit  quod,  si  illo  loco 
Antigona  vere  amoris  sui  mentionem  fectsset,  Creon  profecto  plane 
aliud   quid   responsurus   fuiBset.'  "  wegen  des  TÖ  cöv  X^oc  vgL 

£ur.  Hipp.  113  Ty|v  d\y  bi  KOirpiv.  dort  steht  vorher  der  nanoe  Ki>irpic 
V.  101,  also  weit  eDtfemt  für  die  besiehuDg,  die  durch  ri^v  o^v  ausge- 
drückt wird,  aber  Ton  der  sache  ist  bestündig  die  rede  gewesen,  wie 
hier  auch  vom  X^x^* 


FEem:  schlusz  des  zweiten  epeisodion  in  Sophokles  Antigone.     401 

Chorführer  zu  einer  letzten  mahnung  das  wort  ergreift;  dasz  aber 
Ismene  noch  die  beiden  verse  spricht,  ist  ebensowenig  bedenklich 
oder  auffallend,  so  dasz  die  conjectur  zun&ohst  unnnötig  zu  sein 
scheint. 

Denn  dasz  sie  mit  dem  ersten  dieser  beiden  verse  fj  yoip  CT€- 
pfjceic  Tficbe  TÖv  cauroO  tövov;  im  wesentlichen  dasselbe  sagt 
wie  V.  668  dXXd  ktcvcic  vunq)€ia  toö  cairroö  t^kvou;  ist  zwar 
richtig,  aber  wie  kann  das  auffallen,  dasz  Ismene  diesen  ihr  so  am 
herzen  liegenden  gedanken  mehr  als  6inmal  ausspricht,  wenn  es  nur 
mit  andern  worten  geschieht?  wie  oft  kommt  dergleichen  in  dra- 
matischen scenen  vor !  man  denke  nur  an  die  stichomy thie  zwischen 
Haimon  und  Kreon. 

Und  so  ganz  denselben  inhalt  haben  die  beide  verse  keineswegs, 
der  sinn  des  ersten  verses  (568)  ist  *  Antigone  soll  sterben^  obwohl 
sie  die  braut  deines  sohnes  ist?'  des  zweiten  *Haimons  herzens- 
wunsch  soll  nicht  erfllllt  werden?'  freilich  wird  er  ihm  versagt 
gerade  durch  Antigones  tod,  und  darum  sind  die  verse  ähnlich ;  dasz 
aber  Haimon  dadurch  tiefen  schmerz  empfinden  werde,  da  er  dann 
des  liebsten  beraubt  sein  wird,  das  sagt  Ismene  hier  zum  ersten 
mal ,  und  darum  ist  der  inhalt  der  verse  eben  nicht  identisch,  und 
was  V.576  beboTM^v*,  übe  £oiK€,  Trjvbe  KorOaveiv  angeht,  so  scheint 
er  ja  zu  der  tiefen,  schmerzlichen  empfindung,  von  der  wir  uns 
Ismene  erftlllt  zu  denken  haben,  wenig  zu  passen  '^ ;  aber  vergleichen 
wir  ähnliche  Situationen  bei  den  tragikem,  so  erscheint  diese  aus- 
drucksweise als  eine  sehr  gewöhnliche ,  deren  sich  dramatische  per- 
Bonen  bedienen,  um  mit  einem  letzten  wort  die  unwiderruflichkeit 
ihres  entschlusses  oder  den  schmerz  über  die  erfolglosigkeit  ihrer 
Vorstellungen  auszudrücken.  '* 

Lassen  wir  die  beiden  verse  mit  der  besten  Überlieferung  der 
Ismene ,  so  steht  der  erste  in  engster  beziehung  zu  ihrem  dn^äZei 
und  dem  zu  ihr  von  Kreon  gesagten  CTUTUi,  und  der  zweite  ist  ein 
auch  sonst  Üblicher  abschlusz  von  längeren  Vorstellungen,  der  ja 
auch  mit  tiefster  bewegung  vom  Schauspieler  gesprochen  werden 
kann,  geben  wir  sie  aber  dem  Chorführer,  so  haben  sie  in  seinem 
munde  zwar  nichts  befremdendes ,  aber  etwas  dramatisch  wirksames 
kommt  dadurch  gewis  nicht  in  die  Situation. 

Besonders  bestimmt  mich  der  anfang  von  Kreons  letzter  rede, 
das  Kai  CGI  T^  Kd^o(  dazu,  den  unmittelbar  voraufgehenden  (also 
auch  V.  574)  der  Ismene  zu  lassen;  und  während  ich  bisher  ent- 

'^  80  meint  wenigstens  Böckh,  der  die  gleichgültige  kälte,  die  nach 
ihm  in  den  worten  liegen  soll,  nur  dem  chor  angemessen  findet. 
^*  vgl.  £ur.  Bakch.  1350  atat,  5d6oicTat,  irp^cßu,  rXrmovcc  9UTa{.  Iph. 
Anl.  1423  £iT€{  cot  täbt  boK^  (vgl.  1376  b^boKTat).  Soph.  £1.  1049  TrdXcu 
Ö^ÖOKTat  TaOra.  OK.  1431  oütujc  dp',  (b  iral,  raOrd  cot  bcboTM^a; 
Phil.  1277  oOtui  bdboKTai;  anch  das  ioiK€  erscheint  in  solcher  Situation 
der  dramatischen  personen  Aisch.  Cho.  910  KT€V€lv  SoiKOC,  (b  t^kvov, 
Tf|v  ^iiT^pa.  914  SoiKa  epi^velv  IfSica  irpöc  TiÜMßov  ^dniv.  Enr.  Hei.  1639 
Koreavetv  Ipdv  SoiKac. 


402     FEern:  schlusz  des  zweiten  epeiaodion  in  Sophokles  Antigone. 

schieden  für  die  Überlieferung  eingetreten  bin,  glaube  ich  dasz 
diese  werte  eine  corruptel  enthalten. 

Die  erste  erklftrang  in  den  scholien  lautet:  oö  jiiövq  rairng 
ujpiCTtti  TÖ  diroGaveTv ,  dXXd  kqi  coi.  wer  diese  erklKrung  gibt, 
kann  die  werte  nicht  gelesen  haben,  die  jetzt  im  texte  stehen  ,  aon- 
dem  hat  vermutlich  gelesen  Kai  coi  fe  KOivQ."  and  ich  mosz  be- 
kennen dasz  mir  diese  aus  dem  scholion  erschlossene  lesung  (in  der 
natürlich  coi  T^  von  KOivq  abhängig  wäre)  vor  der  in  den  hss.  über- 
lieferten bei  weitem  den  vorzug  zu  verdienen  scheint,  weil  sie  Tei^ 
ständlicber  ist. 

Zunächst  ist  in  der  Überlieferung  die  Stellung  des  t^  sehr  auf- 
fallend, wie  man  auch  mit  rücksicht  auf  den  voraufgehenden  vers 
die  Worte  erklären  mag,  immer  musz  es  sonderbar  erscheinen ^  dasz 
Kreon  das  i\xol  nicht  mehr  als  das  coi  hervorheben  sollte.**  man 
würde  also  eher  das  freilich  metrisch  unmögliche  Kai  col  Kdjiioi  fe 
erwarten. 

Aber  die  beiden  dative  lassen  sich  überhaupt  nicht  ohne  grossen 
zwang  von  einem  vorhergehenden  verbum  abhängig  denken,  su  dem 
voraufgehenden  £oiK€  lassen  sie  sich  wohl  überhaupt  nicht  oon- 
stmieren:  deni^  in  dem  sinne,  wie  man  bOK€i  jlioibi^b^,  wird  sieh 
^oiK^  )Lioi  schwerlich  nachweisen  lassen.*'  so  bleibt  nur  übrig  es 
mit  beboTM^va  zu  verbinden. 

Was  soll  nun  der  sinn  sein,  wenn  Kreon  auf  die  ftuszerung  *be- 
schlossen  ist  es,  dasz  diese  sterben  soll'  sagt:  ^sowohl  von  dir  als 
auch  von  mir'  ?  beschlossen  hat  es  keiner  ausser  Kreon,  und  diesem 
beschlusz  eben  ausdruck  gegeben  durch  seine  werte  *'Aibr|C  6  iraO- 
cujv  ToOcbe  Touc  Td^iouc  Iqpu.  in  den  werten,  wenn  sie  vom  Chor- 
führer gesprochen  die  thatsache  der  Verurteilung  feststellen,  kann 
Kreon  aber  auch  unmöglich  eine  Zustimmung  zu  diesem  beschlusz 
(an  einen  beschlusz  selber,  was  eigentlich  in  den  werten  liegt,  ist 
natürlich  überhaupt  nicht  zu  denken)  erkennen:  denn  durch  sein 
bisheriges  verhalten  hat  der  eher  dem  könige  zu  dieser  Vermutung 
oder  gar  Überzeugung  wahrlich  keinen  anlasz  gegeben,  und  auf  eine 
etwaige  rede  der  Ismene  kann  Kreon  noch  viel  weniger  so  antworten. 

So  bliebe  nichts  übrig  als  trotz  des  dabei  stehenden  £oiK€  an- 
zunehmen,  dasz  Kreon   mit  dem  begriff  beboTfi^va  ein  Wortspiel 

^0   darauf   wird    auch    in  dem  kritischen  anhang  der  Wolff-Beller* 
maniiBchen    au8(^abe   hingewiesen.  *'   vgl.  OT.  606  xCj)  TCpacKÖirqi 

Xdßrjc  KOivfl  Ti  ßouXcöcavra.  Ant.  546  ^r)  pLoi  B6vt}c  cd  KOivd.  von  dem 
Hprachlich  und  metrisch  hier  p^leich  zulkssifren  KOivQ  und  KOlvd  wähle 
ich  das  crstere  wegen  des  ähnlichen  ausgangs  mit  KÖfioi.  **  wie  Hai- 
nion V.  749  seinem  sweck  entsprechend  umgekehrt  den  angeredeten 
dadurch  hervorhebt  xal  coO  yc  KdjLioO  Kai  6€<Ziv  Titiv  vcpr^puiv.  **  in 
£oiK€  liegt  wohl  der  begriff  'es  hat  den  anschein,  es  zeigt  sich',  et  hat 
also  objectiven  Charakter  wie  apparet.  könnt«  in  dem  sinne,  wie  hier 
nöti^  wäre,  ein  dativ  dabei  stehen,  so  stünde  er  gewis,  zb.  El.  1116. 
aus  Homer,  Sophokles,  Aischjlos,  Aristoteles  läsit  sich  wenigstens,  ao 
viel  ich  weiss,  ein  toK^  ^01  im  sinne  von  boKcT  ^ot  nicht  naehweiieai 
schwerlich  auch  aus  Piaton,  Xenophon,  Thukydides. 


FHeerdegen :  anz.  v.  HUseners  philologie  u.  geschichts-wisBenschaft.  403 

macht  und  zwar  dasselbe  wie  der  Wächter  v.  323,  dem  er  selber 
dieses  witzeln  mit  boKcTv  verwiesen  hatte,  indem  auch  hier  b€boT- 
^^va  in  seiner  Verbindung  mit  co(  im  sinne  des  scheinens ,  und  in 
der  Verbindung  mit  dfioi  in  dem  des  beschlieszens  genommen  wäre, 
nun  ist  aber  diese  doppelte  anwendung  des  Wortes  erstens  bei 
bcboTM^va  sprachlich  bedenklicher  als  bei  boKcTv,  und  zweitens 
sollen  wir  in  diesem  augenblicke  Kreon  uns  witzelnd  vorstellen  und 
zwar  in  derselben  weise ,  wie  es  schon  einmal  in  der  tragödie  vor- 
gekommen und  gerade  von  ihm  selber  gerügt  worden  ist?^* 

So  scheint  mir  wegen  der  Stellung  des  Y€  in  v.  577  und  wegen 
der  mangelnden  klaren  beziehung  der  dative  auf  ein  voraufgehen- 
des verbum  die  Überlieferung  unverständlich,  um  so  willkommener 
ist  es ,  dasz  sich  in  dem  einen  scholion  noch  eine  spur  des  richtigen 
findet. 

Den  klagenden  ausruf  der  Ismene  ^so  soll  Antigene  denn  in  der 
that  sterben'  überbietet  der  gereizte  könig  mit  dem  aussprach  des 
todesurteils  auch  über  Ismene:  ^und  zwar  mit  dir  zusammen.'  dem 
entsprechend  läszt  er  denn  auch  Ismene  mit  abführen  und  kommt 
von  seiner  absieht  auch  sie  hinrichten  zu  lassen  erst  v.  770  durch 
die  Vorstellungen  des  Chorführers  zurück. 

**  die  anmöglichkeit  die  dative  aaf  öcöOYM^va  zu  beziehen  hat  Bonitz 
(beitrage  II  s.  53)  gegen  Schneidewin  schon  dnroh  hinweisung  anf  v.  674 
einleuchtend  dargethan;  aber  die  beziehung  auf  £oiK€,  die  er  mit  Wunder 
annimt  (also  £oiK€  mit  der  construction  von  boKet)  wäre  sachlich  wohl 
ohne  anstosz,.  aber  nach  meinem  dafürhalten  sprachlich  bedenklich, 
(in  der  fünften  von  Wecklein  besorgten  ausgäbe  der  Wunderschön  er- 
klärung  werden  die  dative  übrigens  nicht  auf  foiKC  bezogen:  'variat 
vim  yerbi  öok^v  ut  supra  v.  323  atque  dicit  acerbe  ut  iratus  et  moram 
inique  ferens.') 

Berlin.  Franz  Kern. 


57. 

PHILOLOGIE  UND  GESCHICHTSWISSENSCHAFT.     VON  HeRMANNUsE- 

NER.    Bonn,  Verlag  von  Max  Cohen  u.  söhn.    1882.    39  s.  gr.  8. 

^Eein  volk  der  geschichte,  auch  das  begabteste  nicht,  Iftszt  sich 
isoliert  betrachten'  (s.  13).  ^philologie  in  dieser  auffassung  ist  nicht 
eine  Wissenschaft,  sondern  ein  studienkreis'  (s.  18).  *die  grundlage 
aller  philologischen  thätigkeit  ist  die  grammatik:  nicht  die  buch- 
mftszige,  sondern  die  lebendige,  nicht  Wissenschaft,  sondern  kunst' 
(s.  25).  ^Philologie  ist  eine  methode  der  geschichts Wissenschaft,  und 
zwar  die  grundlegende,  maszgebende.  denn  nur  sie  besitzt  in  ihrer 
kenntnis  der  sprachlichen  form  die  letzte  gewährleistung  für  das 
richtige  Verständnis  des  überlieferten'  (s.  30).  'alle  geschichtlichen 
disciplinen  bedürfen  eines  philologisch  gelegten  fondaments  und  der 
einführung  philologischer  methode'  (s.  35).  'der  philologe  ist  der 
pionier  der  geschichtswissenschaft'  (s.  39). 


404    FHeerdegen :  anz.  y.  Hüseners  pbilologie  u.  geschieht swissenBchaft. 

Dies  die  leitenden  grundgedanken  der  vorliegenden  schrift  der 
verehrte  Verfasser  gestatte  uns  folgende  einwendnngen. 

1)  Philologie  im  nationalen  sinne  ist  doch  wohl  mehr  als  ein 
bloszer  studienkreis.  ein  studienkreis  bestimmt  sich  durch  zeit,  kraft, 
neigung  usw.  des  studierenden;  eine  Wissenschaft  durch  einschnei- 
dende im  gegenstände  des  Studiums  selbst  liegende  thatsachen.  die 
unterschiede  der  nationalität  sind  solche  thatsachen.  wenn  s.  17 
gesagt  wird :  *es  ist  als  ob  man  aus  einem  buche  alle  stellen,  die  von 
einem  volke  handeln,  unbekümmert  um  den  jedesmaligen  Zusammen- 
hang ,  ausschneiden  und  an  einander  reihen  wollte^  so  können  wir 
diesen  vergleich  nicht  für  glücklich  halten,  denn  nicht  von  einem 
buche,  sondern  vom  leben  müssen  wir  ausgehen;  im  leben  der 
menschheit  aber  sind  nationale  unterschiede  gegeben,  und  einer 
samlung  von  excerpten  aus  einem  anderweitigen  Zusammenhang  be- 
darf es  nicht. 

2)  dasz  lebendige  grammatik,  sprachbewustsein  (s.  24)  die 
grundlage  aller  philologischen  thfttigkeit  zu  bilden  habe,  unterliegt 
keinem  zweifei.  aber  was  ist  so  national  wie  die  spräche?  und  was 
ist  es,  das  uns  zwingt  gerade  sie  zur  grundlage  aller  philologischen 
thätigkeit  zu  nehmen?  doch  wohl  der  umstand  dasz  sie  nicht  nur 
der  ausdruck,  sondern  geradezu  der  inbegriff  nationalen  denkens  ist. 
daraus  erklärt  sich,  warum  es  für  den  einzelnen  so  schwierig,  ja  un- 
möglich ist  eine  spräche  völlig  auszulernen  (s.  24):  ein  auslernen 
einer  spräche  hiesze  eben  nichts  anderes  als  ein  auslernen  des  natio- 
nalen denken  selbst. 

3)  gewis  darf  der  philologe  der  pionier  der  geschichtswissen- 
schaft  heiszen.  aber  damit  ist  nicht  gesagt ,  dasz  das  wesen  und  die 
eigenart  seiner  aufgäbe  darin  aufzugehen  habe,  die  isolierte  betrach- 
tung  einzelner  Völker,  selbst  der  begabtesten,  soll  nicht  gestattet 
sein ;  wenn  aber  s.  1 7  gesagt  wird :  **jede  wesentliche  seite  des  ge> 
schicbtlichen  daseins  ist  berufen  den  inhalt  einer  disciplin  zu  bilden, 
welche  einheit  und  letzten  grund  in  einer  anläge  oder  einem  be- 
dürfnis  der  menschlichen  natur  findet:  spräche,  glaube,  sitte  and 
recht,  Organisation  der  gesellschaft  und  des  Staats,  poesie  und  Wissen- 
schaft usw.' :  was  heiszt  dies  anders  als  eine  isolierte  betrachtung 
einzelner  seiten  geschichtlichen  geisteslebens?  jede  isolierung  wird 
in  der  Wissenschaft  eben  immer  nur  eine  relative  sein;  ist  eine  solche 
aber  überhaupt  gestattet ,  so  ist  sie  es  gewis  in  jenem  falle  so  gat 
wie  in  diesem. 

Doch  genug  der  einwendungen.  sie  hindern  uns  keineswegs, 
die  ächrift  als  eine  ungemein  anregende,  inhaltreiche  und  glänzend 
geschriebene  zu  empfehlen,  sie  ist  ausgezeichnet  durch  viele  geist- 
volle einzelheiten ;  auch  zur  geschichte  der  philolog^e  liefert  sie  neue 
beitrage:  so  zb.  s.  22  f.  über  den  ersten  verbuch  im  altertum  die 
Philologie  zu  systematisieren. 

Erlangen.  Ferdinand  JBbbbdeoen. 


FBockemüIler:  zu  Epikuros  brief  an  Herodotos.  405 

58. 
ZU  EPIKUROS  BRIEF  AN  HERODOTOS. 


Für  die  richtige  Wertschätzung  des  Epikurischen  briefs  an  Hero- 
dotos ,  dem  in  jüngster  zeit  zu  groszer  freude  aller  Verehrer  Lucre- 
zischer  dichtung  hervorragende  gelehrte  ihre  aufmerksamkeit  zuge- 
wandt haben  —  ich  denke  zunächst  an  die  Verfasser  des  osterpro- 
gramms  vom  Haller  stadtgjmnasium  1882  und  des  zweiten  index 
scholarum  der  univ.  Bonn  1880  —  bleibt  zu  beachten,  dasz  neben 
diesem  briefe ,  welcher  auch  wohl  fiiKpd  dTTiTO^fi  Tipöc  'HpöbOTOV 
genannt  wird  LD.  X  31  s.  262,  2  (Cobet)  in  der  fassung  Briegers 
ao.  s.  8  anm.;  85  s.  273,  31,  noch  zwei  für  andere  lebenskreise  und 
andere  lebensziele  von  Epikuros  eigenhändig  abgefaszte  auszüge 
aus  seinen  37  büchem  TTCpl  q)UC€U)C  existierten:  1)  f|  ^€T(iXii  ^Tri- 
TO|Lif)  TiüV  Tipöc  Toijc  q)uciK0uc  LD.  X  27  s.  261, 12;  in  der  fassung 
üseners  38  s.  263,  46;  40  s.  264,  6;  73  s.  270,  48  =  bu)b€Ka  CTOi- 
X€i(JüC6ic  44  s.  264,  49 ;  2)  TT€pl  TiüV  6vtujv  böSai.  der  nachweis, 
dasz  letztere  existiert  haben ,  und  ihr  Verhältnis  zu  der  ^iKpd  ^tti- 
TO^f)  Tipöc  'H.  (bzw.  TTuOoKXfi,  welche  als  ergänzung  des  ersten  briefs 
anzusehen  ist  und  die  bereits  §72  —  82  s.  270,  48  —  272,  49  be- 
rührten  |Li€T^Ujpa  ausführlicher  behandelt)  soll  den  gegenständ  vor- 
liegender erörterung  ausmachen. 

Zunächst  musz  ich  in  rücksicht  darauf,  dasz  nicht  allein  die 
Inauguraldissertationen  des  letzten  Jahrzehnts,  sondern  selbst  Conti- 
Rossi  (Esame  1879)  s.  97  und  Wallace  'Epicureanism»  (1880)  s.  79 
sich  möglichst  unbestimmt  und  vorsichtig  über  diesen  punkt  äuszem, 
ausdrücklich  betonen,  dasz  die  KÜpiai  böEai  von  Epikuros  eigenhändig 
abgefaszt  und  (soweit  anzahl  und  reihenfolge  in  frage  stehen)  auch 
vollständig  auf  uns  gekommen  sind.  Diogenes  nennt  unter  t&  cut- 
Tpä|Li|LiaTa  "Ettikoupou  als  sechstes  werk  Kupiai  bögai  27  s.  261,  13, 
fügt  29  s.  261,  29  hinzu  Orjcojiiai  bk  Kai  Tdc  Kupiac  aÖToO  böEac  . . 
UJCT6  ck  TiavTaxöGev  KaiainaGeTv  töv  ävbpa  Kd|Life  Kp(v€iv  elb^vai 
(was  285,  12—288,  26  geschieht)  und  zeichnet  das  werk  ganz  im 
sinne  der  schule  285,  16  als  f)  Tf]C  eubaijucviac  äpxf\:  denn  €ubai- 
jucvia  ist  für  Epik,  tö  t^Xoc,  oö  ?v€K€V  dKXoTi2ö|Li€0a  TaOxa,  dh. 
ifiv  TUJV  dpxiöv  Kttl  dTreipidc  Gewpiav  (=  Physiologie),  in  bk.  Kpi- 
TTipiu)V  Kai  TraGuJV  (38  s.  263,  35  =  kanonik  bzw.  logik)  ad  Pyth. 
fin.  280,  19.  die  43  kemsprüche  sind  von  dem  meister  der  schule, 
welcher  den  wert  einer  dem  gedächtnis  fest  eingeprägten  regelreihe 
zu  schätzen  wüste  36  s.  263,  8  (Brieger  ao.  s.  25,  40),  selbst  gefaszt 
xind  in  die  vorliegende  reihe  gefügt,  damit  sie  als  leitfaden  oder 
*abrisz  der  ethik'  (Zeller  III  1  s.  367  anm.  6)  benutzt  würden,  ich 
übersetze  also  ad  Men.  fin.  284,  25  raOi*  oöv  Kai  id  Toutoic  cuf 
T€vn  durch  «diesen  dialogismus  und  den  mit  ihm  ebenbürtigen,  weil 
von  derselben  band  aus  denselben  ethischen  Schriften  zusammen- 
gefaszten  leitfaden  der  Kupiai  böSai».   Cicero  irrt  offenbar,  wenn  er 


406  FBockemüller:  zu  Epiknros  brief  an  Herodotos. 

de  fin,  II  7, 20  sagt :  oivgCag  do^ag  id  est  qtmsi  maxime  ratas,  quia  gra- 
vissimae  ^int  ad  beate  vivendum  breviter  enuntiatae  sententiae :  denn 
unsere  43  böEai,  mit  denen  er  sich  de  finibus  eingehend  beschäftigt 
(Hirzel  Untersuchungen  II  s.  633  a.  1.  Madvig  index  u.  Epictui^s), 
erhielten  nur  deshalb  das  attribut  Kijpiai,  weil  sie  sich  auf  die  ethik 
beschränken ,  deren  Stellung  im  System  bereits  oben  angedeutet  ist. 
Diogenes  nennt  denn  auch  unter  den  werken  Epikurs  noch  Trepl 
TTaGüüV  böEai  irpöc  TijLioKpdTiiv  28  s.  261,  19  und  irepi  vöcuiv  bölax 
Trpoc  MiOpav  261,  24.  erstgenannter  titel  ist  von  Gassendi  'de 
passionibus  seu  affectibus  animi . .  sententiae  ad  Tim.',  von  Ambro- 
sius-Hübner  'de  perturbationibus  opiniones  .  .  ad  T.',  von  Cobet  'de 
perturbationibus  ad  T/  übersetzt  und  von  Menagius  und  Wallaee  ganz 
übergangen ;  die  oben  aus  dem  schlusz  des  Pjthoklesbriefs  angeführ- 
ten werte  ^Ti  bk  KpiTiipiu)V  kqi  TraOuiv  gestatten  keinen  zweifei,  dasz 
TiäOri  hier  terminologisch  und  im  weitesten  sinne  des  wertes  als  die 
für  erkenntnis  des  jeweilig  wirksamen  motivs  bedeutungsvollen  afifec- 
tionen  bzw.  zustände  des  subjects  gefaszt  sein  wollen,  also  in  dem 
sinne  'sprücbe  über  die  kriterien',  ohne  dasz  daraus  gefolgert  werden 
darf,  Epik,  habe  seine  ansichten  öfter  geändert  und  eine  zeit  lang  nur 
die  TTäGr)  im  engem  sinne  für  kriterien  der  Wahrheit  gehalten  (Hirzel 
unters.  I  s.  133,  26).  vgl.  Diels  doxographie  u.  näOoc  s.  795,  20. 
414,28  '€7TiKOupoc  Kai  xd  irdGri  i^ctl  xäc  alcGriceic  ^v  xcic  ircTrovOöa 
xÖTToic,  403  ^,  2  *€Tr.  Kaxd  eibu)Xu)v  eiCKpiciv  xö  öpaxiKÖv  ai)ißa(v€iv 
Tüdeoc,  LD.  X  52  s.  266,  26  dKOUcriKÖv  7Td0oc,  266,  39  xd  ndOoc 
xö  dKOucxiKÖv,  266,  41  xf|V  dc|Lif|v  vonicx^ov  irdeoc  ^pTdcac6at, 
75  s.  271,  21  Ibia  rrdOr)  iracxoucac.  damit  erkennen  wir  in  den 
überlieferten  Worten  den  titel  einer  zweiten  doxographischen  arbeit 
Epikurs ,  welche  sich  bei  dreiteilung  seiner  philosophie  in  phjsik, 
kanonik,  ethik  auf  die  hier  an  zweiter  stelle  namhaft  gemachte  dis- 
ciplin  bezog  und  eine  samlung  sorgsam  gefaszter  und  planmftszig 
geordneter  kernsprücbe  bildete ,  wie  sie  der  gründer  der  schule  und 
dieser  stilgattung  selbst  zu  nutz  und  frommen  seiner  clientel  auf 
grundlage  der  eignen  erkenntnistheoretischen  Schriften  zusammen- 
gestellt hatte,  und  es  fällt  nicht  schwer,  aus  der  von  Diogenes  ge- 
botenen iKXofi]  X  29  s.  261,  30.  261,  52^262,  45  einzelne  dieser 
collection  entlehnte  ööSai  auszulösen:  Kpixrjpia  xf)c  dXiiOeiac  xdc 
aic9r|C€ic  kqI  irpoXriipeic  kqI  xd  iiaQr]  (lose  blätter  1877  I»),  ircpl 
xujv  dbnXujv  diTÖ  xujv  qKXivojLi^vwv  xpt)  CT]M€ioöc9ai  (studien  1 106), 
xd  x€  xuiv  )Liaivo)Li^vwv  q)avxdcnaxa  xal  xd  kqx*  övap  dXiiBf^-  Kivct 
fdp,  xö  bfe  m  öv  QU  KiV€i  (1.  bl.  V^):  vgl.  LD.  X  52  s.  266,  20  KCd 
xauxTiv  oöv  cqpöbpa  T€  bei  xf|V  böEav  Kax^x^^v.  es  restieren  ncpl 
vöcu)V  böEai  Ttpöc  M.  so  lesen  nach  Gassendis  Vorgang  Meibom^ 
Cobet,  Woltjer  phil.  Lucr.  s.  160  a.  3,  Wallaee  s.  79,  während  Hübner 
das  allein  urkundliche  TT€pl  vöxuiV  festhält,  beides  bleibt  in  glei- 
cher weise  unverständlich ,  nimt  sich  unter  den  andern  bücbertiteln 
wie  ein  fremdling  aus,  steht  ohne  beziehung  zu  den  nachricbten  über 
die  lehren  der  schule  und  findet  keine  erklärungin  den  authentischen 


FBockemüller:  zu  Epiknros  brief  an  Herodotos.  407 

Schriften  Epikurs.  wohl  schlieszt  Lncretius  sein  gedieht  mit  einer 
Schilderung  seuchenartiger  krankheiten  VI  1088 — 1284,  aber  weder 
Munro  noch  Woltjer  haben  für  diesen  abschnitt  eine  einzige  parallele 
aus  Epik,  namhaft  machen  können,  diese  Sachlage  fordert  eine  ab- 
hilfe  durch  conjectur,  und  ich  schlage  vor :  Tiepi  <TUJ>v  ö<^v>TlüV 
bögai:  vgl.  Plut.  adv.  Col.  1360,  51  Did.  *€TnKOÜpou  X^tovtoc  f| 
Tuiv  ÖVTUJV  qpucic,  1362,  26  dv  dpx^  hk  rfic  TTpaT|LiaT€iac  uiremuiv 
Tf|v  Tujv  övTUJV  q)üciv  etvai  ciufiara  xai  xevöv. 

Versuchen  wir  diese  änderung  auch  sachlich  zu  rechtfertigen, 
von  27  bei  Diogenes  namhaft  gemachten  und  ihrem  inhalte  nach 
kenntlich  gezeichneten  Schriften  des  pbilosophen  fallen  7  mit  43 
büchern  in  die  phjsiologie,  13  mit  ebenso  viel  büchern  in  die  ethik, 
7  mit  7  in  die  kanonik :  da  will  es  doch  nicht  glaublich  erscheinen^ 
Epik,  habe  für  die  43  bücher  der  6inen  disciplin  seinen  anhängem 
ein  hilfsmittel  vorenthalten,  welches  er  zur  aneignung  des  inhalts 
der  andern  7  bzw.  13  bücher  für  unerläszlich  erachtet  hat.  ferner 
ist,  wie  eine  vergleichung  der  KÜpiai  boiai  mit  den  bezüglichen 
stellen  des  briefs  an  Menoikeus  ergibt,  die  böia  resumö  des  zuge- 
hörigen langem  oder  kürzern  abschnitts  und  steht  in  parallele  zu 
der  schluszclausel  einer  Lucrezischen  gruppe  (studien  I  27  f.) ,  aber 
Epik,  liebt  es  nicht  seine  fortlaufende  inductive  entwicklung  zb.  des 
Tidv  ad  Her.  39  f.  durch  derartige  sachliche  clausein  zu  unterbrechen, 
da  er  der  clausel  zur  einschärfung  seiner  leitenden  gesichtspunkte 
bedarf  (68  8.269,  42—46  parallel  63  s.  268,  41.  42) :  jedes  gröszere 
und  schwerer  verständliche  werk  seiner  band  wird  also  erst  dadurch 
in  unserm  sinne  vollständig,  dasz  es  so  zu  sagen  als  accurat  gefaszte 
inhaltsangabe  noch  eine  zusammenhängende  spruchsamlung  in  bei- 
lage  empfängt,  das  verlangen  nach  einer  derartigen  completierung 
muste  früher  oder  später  laut  werden  und  endlich  auch  den  autor 
veranlassen,  dasz  er  die  Übersicht  über  seine  gröszem  werke  bzw. 
über  sein  ganzes  System  nach  der  von  ihm  beliebten  methode  durch 
abfassung  von  drei,  die  kanonik^  phjsik  und  ethik  umfassenden 
spruchsamlungen  zu  erleichtem  suchte;  wodurch  natürlich  nicht 
ausgeschlossen  ist,  dasz  ein  dringlich  praktisches  bedürfnis  nötigen 
koimte  mit  einer  spruchsamlung  allein  (den  böSai  Tiepl  tujv  6vtu)v) 
den  anfang  zu  machen.'  doch  ich  greife  mir  vor  und  musz  zunächst 
die  Voraussetzung  meiner  argumentation  ^Epikurs  physik  enthält 
beachtenswertes  und  durfte  den  anspruch  erheben  mit  aufmerksam- 
keit  studiert  zu  werden'  gegen  berechtigten  Widerspruch  sicherstellen. 
Pachnicke  sagt  nemlich  de  phil.  Epicuri  (Halle  1882)  s.  7  'Epicurus 
ipse  intellectu  erat  facilis',  fügt  jedoch  hinzu  ^Cicero  enim'  und  be- 
zeugt damit,  dasz  die  von  Epik,  scharf  betonte  ^vfliiir)  auch  in  der 
philosophengeschichte  ihre  rechte  geltend  zu  machen  weisz.  für  vor- 
liegenden fall  ohne  die  ausreichende  legitimation.  denn  Cicero  schrieb 
die  herangezogenen  worte  im  stände  der  notwehr  gegen  den  immer 
wiederkehrenden  tadel  der  öffentlichen  kritik  ^er  verstehe  von  Epi- 
kurs lehre  nichts'  und  berief  sich  in  demselben  atem  als  angehender 


408  FBockemüller :  zu  Epikuros  brief  an  Herodotot. 

sechziger  auf  sein  in  Athen  bei  Phaidros-Zenon  gehörtes  colleg  sowie 
auf  seine  damaligen  discussionen  mit  dem  confrater  Titus  Pom- 
ponius ,  der  aber  erst  40  jähre  später  in  Born  als  sachverständiger 
honoriert  wurde,  weil  er  sich  nach  art  der  Epikureer  —  vom  OflSeuat- 
lichen  leben  fem  hielt  (vgl.  Cic.  definA%  16.  27.  II 12.  21.  76.  de 
nat.  d.  I  74.  Tusc.  I  77.  II  8.  III  37).  und  Ciceros  Schriften  bewei- 
sen nur  dasz  ihm  von  den  43  icOpiai  böSai  32  durch  die  feder  ge- 
laufen sind,  aber  doch  so  dasz  durch  sein  zuthun  unser  Verständnis  der 
e  t  h  i  k  nicht  gefördert  wird,  während  er  in  beziehung  auf  die  p  h  j  s  i  k 
uns  gar  mit  rätseln  neckt  acad,  post,  I  §  6  tarn  vero  physica^  ai  Epi' 
curum  .  .  probarem,  possem  scrtbere  üa  plane  ut  Amafinius.  quid  est 
cnim  magnttm  .  .  de  corpusculorum  concursione  fartuüa  loqiU?  Tusc. 
II  7  quippe  quem  numguam  legerim.  es  ist  ein  alter  sproch,  dasz  an 
groszen  männem  auch  die  Irrtümer  grosz  sind ,  und  dieser  sprach 
erhält  in  Ciceros  urteil  über  Epikurs  phjsik  seine  bestfttignng :  mir 
hat  eine  umschau  auf  dem  gebiete  Lucrezisch-Epikurischer  sacherklft- 
rung  ergeben,  dasz  ein  correctes  Verständnis  der  bezüglichen  uns 
vollständig  überlieferten  Schriftstücke  noch  in  keiner  der  zahlreich 
vorhandenen  darstellungen  erschlossen  wird,  dasz  aber  zn  hoffen 
steht;  es  werde  bei  dem  zur  zeit  dafür  vorhandenen  interesse  durch 
vereinte  anstrengung  der  hieran  arbeitenden  gelehrten  in  nicht  gar 
langer  zeit  ein  solches  erzielt  werden,  da  sind  denn  noch  jetzt  die 
kurzen  citate  aus  Epikurs  munde,  wie  wir  sie  wohl  bei  Plutarch  und 
Sextos  Empeirikos  verzeichnet  finden,  vortrefflich  geeignet  dem 
längern  grübeln  darüber,  weshalb  zb.  Epik,  die  'vierte'  in  cap.  4  des 
Herodotbriefs  §  63  s.  268,40—269,  46  (Schneider  s.  84  f.  Conti- 
Eossi  s.  87)  nicht  ausdrücklich  als  das  dKaTOVÖjLiacTOV  namhaft  ge- 
macht, oder  warum  die  Trop^TKXicic  des  primären  kOrpers,  welche 
Epik,  ebenfalls  nicht  nennt,  weil  sie  nur  folgerang  aus  der  disposi- 
tion  des  individuell  durch  ^Xdxicra  gezeichneten  atoms  ohne  Schwer- 
punkt ist ,  bei  Luci'etius  dahin  gestellt  wird ,  wo  sie  steht  usw.,  mit 
6incm  schlage  ein  erwünschtes  ende  zu  machen  und  licht  Über  die 
beziehungcn  des  durchforschten  details  zu  den  leitenden  gesichts* 
punkten  des  Systems  zu  verbreiten,  ich  nenne  als  solche  dicta  oder 
ausschnitte  aus  dicta  vor  der  band  nur  Seztos  Emp.  8.456,33  Bk. 
TÖ  TTäv  kqt'  d)Liq)ÖT€pa  fiireipov  .  .  dvTiTTapiiKOucdiv  äXXrjXaic  tujv 
Ka0*  ^KttTepov  dTTCipiAv  (lose  blätter  1882  II  3)  —  457,  7  *€7r. 
^Tcpov  T^Eiou  TUTXdvciv  tö  |Li^poc  Toö  6Xou  KaOdTrep  Tf|V  dTOjLiov 
Toö  cuTKpi^aTOC  (ebd.  nr.  6  ff.)  —  506,  1  ol  bk  Tidvia  (xd  xe 
cüüjLiaxa  Kai  xoiic  xöttouc  koI  xouc  xpövouc)  cic  dMcpf]  KOxoXifJTCiv 
elXriqpöxec  übe  o\  ncpl  xöv  '€tt.  (ebd.  nr.  21  anm.).  gesetzt  aber 
auch ,  Cicero  behielte  recht  und  die  in  den  37  büchern  irepl  9UC€UIC 
entwickelte  lehre  bedürfte  zu  ihrem  Verständnis  weder  der  Vorkennt- 
nisse noch  der  hilfsmittel,  wie  ich  sie  für  mich  in  einzelnen  kurz  ge- 
faszten  Sentenzen  gefunden  zu  haben  glaube ,  so  wäre  damit  die  von 
mir  angeregte  frage  noch  nicht  zu  meinen  Ungunsten  entschieden. 
die  intelligenz  des  lesers  zu  fesseln  und  von  ihr  eine  anerkennong 


F Bockemüller:  zu  Epikuros  brief  an  Herodotos.  409 

der  entwickelten  regeln  des  naturlebens  zu  erzwingen  war  ja  für 
Epik,  wohl  notwendiges  requisit,  aber  dieses  requisit  blieb  ihm, 
dessen  System  mit  dem  ansprach  auftritt  aus  6inem  gusse  geformt 
zu  sein,  immer  mittel, zum  zweck:  denn  die  gewonnene  einsieht  in 
die  Vorgänge  des  weltlau fs  sollte  nur  das  fundament  bilden,  auf 
dem  der  anhänger  der  schule  sein  leben  neu  zu  gestalten  hatte,  um 
der  dqpOapcia  und  juaKapiÖTiic ,  wie  sie  den  göttern  von  vorn  herein 
eignet,  durch  kunstgerechte  neubildung  der  lebensgewohnheiten 
teilhaftig  zu  werden,  hierzu  bedurfte  es  für  den  schlichten  jünger 
der  lehre  nicht  weiterer  anstrengungen  der  einmal  zufrieden  ge- 
stellten intelligenz,  wohl  aber  der  andachtsvollen  Übung,  welche 
die  bereits  gesicherten  Wahrheiten  als  unverlierbares  eigentum  in 
das  bewustsein  einbürgerte,  so  dasz  aus  diesem  kern  von  prolepsen 
ein  neues  homogenes  vorstellungsspiel  gezeitigt  wurde,  welches  nun 
nach  maszgabe  der  correcten  ethik  die  an  sich  gleichgültigen  vor- 
komnisse  des  laufenden  tages  läuterte  und  sie  damit  zu  ebenso  vielen 
f5rdernissen  eines  dauernd  glückseligen  lebens  umgestaltete,  man 
beachte  die  durchaus  vornehme  und  passende  anspräche  bei  der  re- 
ception  des  Eolotes  Plut.  IV 1366, 38  Did.  äq)OapTÖc  ^loi  TT€piTTdT€i 
Kai  fi^äc  dq)6äpT0uc  biavooO.  und  dieser  andachtsvollen  Übung 
diente  ebensowohl  die  samlung  der  KiJpiai  böEai  wie  das  sprach- 
buch mit  den  aus  der  gesamten  phjsik  verarbeiteten  und  in  eine 
passende  reihenfolge  gefügten  kerasprüchen :  TT€pl  Toiv  6vTU)V  böSai. 
Trügt  mich  nicht  alles ;  so  haben  sich  aus  dieser  samlung  bei 
andern  Schriftstellern  noch  einzelne  kernsprüche  im  citat  erhalten, 
von  denen  ich  zunächst  zwei  aus  Plutarch  gegen  Kolotes  namhaft 
mache,  weil  der  Verfasser  dieser  wertvollsten  von  allen  Streit- 
schriften gegen  den  Epikureismus  sich  wohl  als  erbitterten  aber 
zugleich  auch  als  intelligenten  und  mit  ehrlichen  citaten  kämpfen- 
den gegner  ausweist:  1360,  52  ('GTriKOupou  bk  X^tovtoc)  f|  tüüv 
6vTUJV  q)ucic  cdijLiaTd  icTX  Kai  töttoc.  diese  böEa  kann  dem  hanpt- 
werk  TT€pl  q)üc€UJC  nicht  entnommen  sein:  denn  hier  stand  1362, 
25  (iv  dpxQ  bfe  Tflc  TTpaTnaxelac  ÖTrcnruiv)  Tf|v  xiöv  övtujv  9\3civ 
ctü^ara  Kai  K€VÖv.  auch  nicht  der  )Li€TdXii  ^iriTOiiit^,  weil  dieser 
die  von  Sextos  Emp.  456,37  angeführte  form  zu  vindicieren  ist: 
*€TTiKOupöc  q)riciv ,  8ti  f|  tujv  öXujv  (pvcic  ctü^ard  icvi  Kai  k€v6v. 
und  in  der  ^TriTO^fi  Tipöc  *Hp.  39  s.  263,  47. schreibe  ich  xd  ttSv 
icxi  ciü^a*  xö  iLifev  Tdp  (nach  BGP^Q  mit  änderang  von  xd  ixiv 
in  xö  ji^v,  entsprechend  der  schon  berührten  form  entwickeln- 
der darstellung  *lose  blätter'  II  nr.  3 ,  Woltjer  phil.  Lucr.  s.  18  a., 
Gneisse  Jahrb.  1880  s.  844  lesen  cdü|Lia  <Kal  K€vöv>'  xd  ixkv  fäp, 
üsener  ao.  s.  VI  24  ^cuü^axa  Kai  xÖTroc> '  cuüfuaxa  ixkv  tdp),  worin 
ctü^a  =  körperstoif:  Lucr.  I  147—482  vgl.  ad  Pyth.  86  s.  273,  39 
xö  Tidv  cCjixa  Kai  dvaq)f)C  q)ücic  ^cxiv,  Plut.  ström.  8,  4  (Diels  dox. 
s.  581,  20)  öxi  Tidv  icA  ciö|Lia  Kai  oö  jiiövov  djiiexdßXiixov  (ad  Her. 
263,  42)  dXXd  Kai  dircipov  (ad  Her.  264,  12),  adv.  Col.  1365,36 
xö  dvacp^c  K6VÖV  . .  xö  dvxepeiöov  cuj^a  xdc  dpxdc  xd  cuTKpifuaxa« 

Jahrbücher  für  cUss.  philol.  1883  hft.  5  u.  6.  27 


410  FBockexnüUer:  zu  Epiknros  brief  an  Herodotos. 

diese  kleine  böia  könnte  die  erste  ihrer  reihe  gewesen  sein;  als 
zweite  bietet  sich  Plut.  adv.  Col.  1362,  23  'EiriKOupoc  öxav  \£xQ 
«TÖ  Träv  ÄTTCipov  elvai  Kai  dx^viiTOV  Kai  öq)6apTov  Kai  pif^T* 
auE6|Lievov  MrJT€  jiieiou^evov» ,  wo  die  correcte  form  bis  auf  kleine 
redactionelle  Änderungen  erhalten  ist.  hierher  gehört  auch ,  um  aus 
den  placita  des  A^tios  wenigstens  6in  beispiel  zu  nennen,  A6t.  plac» 
1 3, 18  (s.  285  ^  Diels)  in  der  fassung  des  Stobaios  'EiriKOupoc  &pxac 
elvai  Tujv  övTU)v  cu))LiaTa  Xötiu  dewpryrä^  äp^roxa  k€VoC,  dLf4.yr\TüLr 
dbiäqpGapTa,  oüie  6pauc6f]vai  buväjLieva  gCtc  dXXoiuiOfivai.  aber 
von  besonderm  interesse  war  es  mir,  auch  in  dem  oben  umschriebenen 
4n  cap.  des  Herodotosbriefia  einige  in  diese  spruchsamlung  zu  ver- 
weisende böEai  ausfindig  zu  machen,  welche  von  einem  fleiszigen,  nach 
Epikurs  Vorschrift  arbeitenden  schlüer  notiert  zu  sein  scheinen,  in  un- 
serm  texte  jedoch  nicht  an  ihrem  platze  sind :  269, 14  TÖ  bi  Xomöv 
fiGpoicjna  btaji^vov  [Kai]  öXov  Kai  Kard  \iipoc  ouk  ^x^^  "^v  atcOiiciv 
^Keivou  (sc.  quartae)  dTTiiXXaTM^vou  (Lucr.  111  398).  femer  in  269, 
24—42  [dXXd  fifiv  Kai . .  id  cunirruinaTa.] :  «önvov  [le]  xivecOai 
TUJV  .  .»  —  «TÖ  T€  CTT^piLia  dq)'  öXuüV  TiÄv  cu)jLidTU)V  q)^p€cOai»  — 
«TÖ  bk  K6VÖV  oÖT€  TTOieTv  oöt€  TiaöeTv  bövarai,  dXXd  kIviiciv  jluSvov 
ToTc  ci{j|Liaci  Tiap^x^Tai.»  so  ist  65  s.  269,  10—46  nach  Änderung 
von  dvuTtdpxouca  f|  ipux^-  ^v  UTrapxouciji  tQ  U^^Xtii  ^ti>,  [tö  .  . 
dTrTiXXafM^VGu] ,  oCca:  oOci  269,  23  und  einstellung  der  im  rhein. 
mus.  XXXIl  s.  578  ff.  publicierten  lesungen  der  besten  hss.,  wodurch 
meine  fassung  der  stelle  ^Studien'  I  67  nur  in  nebensächlichem  modi- 
ficiert  wird,  alsbald  verständlich :  biö  bf)  Kai  i\  uirapxoucq  TiJ  M'^Xft 
oub^TTOT€  dXXou  Tivöc  ji^pouc  dTTTiXXaTM^vou  dvaicGiida  (dXXd  äv 
Kai  TauTij  HuvaTTÖXriTai  <ti>  toö  cTeiföiovTGC  XuG^vtoc  eW  öXou 
€iT6  KaTd  ji^pouc  Tlvöc) ,  ddvTTep  bia^i^vij  öEü  Tf|v  aicOriciv  öcov 
TTOTe  dcTi  TÖ  CUVT61V0V  T&v  dTÖ)Liu)V  nX^öoc  elc  Tf|V  Tf|c  Miuxf)c 
qpOciv.  Kai  |Lif)V  Kai  Xuojii^vou  toO  öXou  dOpoic|LiaToc  f)  M/ux^  öia- 
CTreipcTai  koI  oök^ti  ixe\  rdc  aördc  bin^djueic  oubfc  Kiveirai,  i&ct€ 
DU  K^KTTiTai  aicOriciv  ou  tdp  olöv  t6  voeTv  auTÖ  alcOavöpevov  )ii\ 
dv  TouTixj  TU)  cucTriiLiaTi  Kai  Taic  Kivi^ceci  Taüraic  xP^M^vov ,  ÖTav 
Td  cT€Td2[ovTa  Kai  nepUxovTa  jLif|  ToiaöTa  §,  i\  olc  vOv  oöci  ixex 
TOUTOC  Tdc  Kivrjceic.  TaÖTa  oöv  ndvTa  rd  biaXoticMOiTa  nepl  M/uxflc 
usw.  nicht  zu  übersehen  ist  endlich  das  citat  LD.  135  s.  284,  31 
|LiavTiKf)v  b*  dnacav  dvaipei  Kai  dv  t^  M^Kpä  dTtiTO^q  Kai  qpiici* 
«jLiavTiKf)  übe  dvÜTrapKTOC,  ei  bk.  Kai  uTrapKTrj,  oub^v  irpöc  i\^ac  iyfoO 
Td  Tivö)Lieva»,  wo  Qassendi  (bei  meiner  annähme  ohne  grund)  ^axp^ 
vermutet  bat  s.  247',  54. 

Die  einbtellung  dieser  auf  ^Kacra  tuiv  irepl  q)uc€U)C  dvaT€Tpa)i- 
)Lidvu)V  beschränkten  spruchsamlung  unter  die  eigenhändigen  Schriften 
Epikurs  —  unserer  7T€pl  TUiv  ÖVTUJV  böEai,  welche  von  ihrem  Ver- 
fasser (der  doch  für  den  urheber  dieser  stilgattung  der  doxographie 
anzusehen  ist)  mit  demselben  rechte  als  diriTO^^  Tiic  ö\r\c  npaTMCt- 
Teiac  bezeichnet  werden  können  wie  die  placita  Plutarchi  (Diels  dox. 
s.  1  'de  Plutarcheae  epitomes  memoria')  —  verheiszt  gute  fruchte  für 


FBockemüUer:  zu  Epikuros  brief  an  Herodotos.  411 

die  erklärusg  der  Epikurischen  Schriftwerke,  sie  schützt  sogleich 
ad  Her.  35  s.  262,  52  —  37  s.  263,  22  das  urkundliche  aÖToTc  irap- 
€CK€uaca  .  .  iTOiiicacOai  gegen  die  Änderungen  üseners  dv  Tic 
TrapacK€uäcai  .  .  ^Troiricd  coi  und  ermöglicht  im  übrigen  auf  grund- 
lage  von  üseners  recension  von  s.  ^62,  48 — 263,  23  und  unter  dem 
beirat  von  Briegers  wertvollen  bemerkungen  zu  8.272,49 — 273,  11 
ao.  8.  25 — 27  bereits  ein  befiiedigendes  Verständnis  des  vor-  und 
schluszwortes  im  briefe  Epikurs  an  Herodotos :  toTc  }xi\  buvajLi^voic, 
iL  *HpöboT€,  ?KacTa  tiüv  irepi  qpuceuic  dvaT€Tpajii|Li^vuiv  f||iiiv 
££aKpißoOv  ^r\bk  idc  ixexlovc  tüuv  cuvTeTaTju^viüv  ßißXouc  bia- 
Gpeiv  dTTiTOjiifjv  Tfic  6\iic  TTpaTMareiac  elc  tö  Kaiacxeiv  tOüv  öXo- 
cx€PijüT(4tuüv  SoHüüv  Tfjv  MVTiiuiTiv  kavujc  aÖToTc  TrapecKCÜaca, 
Kva  Ttap  *  ^KäcTOuc  tüuv  Kaipujv  dv  toTc  Kupiuiidioic  ßoiiGcTv  auToTc 
buviüVTai,  Ka9'  6cov  Sv  dqpdTTTUüvrai  Tflc  Tiepi  qpuceuüc  Oeuipiac. 
.  .  69€V  br\  TTdci  xpr\ci}ir\c  oöoic  toTc  liiKeiiJüjiidvoic  qpucioXoTiqt  xf^c 
TOiauTT]C  öboO  TtapeTTww  (Gassendi)  tö  cuvex^c  dvdpTTi|Lia  (cd.) 
Iv  qpucioXoYiqi  xal  tö  tocoötov  (Usener  s.  V  7:  tö  toütiüv  ed.), 
jiidXiCTa  dTTtt^^viZuiV  tüj  ßitu  Troii^cacOai  xal  TOiaÜTT]v  Tivd dm- 
TO|Lif|v  Kai  cTCixeiiüCiv  tüjv  öXuiv  boHuJV.  —  272,  49  TaÖTd  coi,  (b 
*HpöboT€,  ?CTi  KeqpaXaiuübdcTaTa  uitep  Tfic  tüjv  6XuiV  qpuceuic,  ijn- 
T€T|iiil|ii^va  ujc  T€  Sv  T^voiTO  ouToc  ö  Xötoc  buvaTÖc  KttTttCXe- 
0fl<vai>  M€T '  dKpißelac,  oTjLiai  <b>fc  (Sv  ixi\  Kai  Trpöc  firravTa  ßaöicij 

TIC  TUJV  KaTd  jLldpOC  dKpißuüjidTUJV)  dcO|llßXllTOV  aÖTÖv  Tipöc  TOUC 

Xomoöc  dvGpiwTTOuc  döpÖTiiTa  XriipccGoi.  koi  tdp  kqI  KaOapd  d9' 
dauToO  TTOiricei  TroXXd  Tibv  KOTd  jiidpoc  iir\Kp\pwixiv\x)y  KaTd  Tfjv 
ÖXiiv  TrpaTinaTeiav  fiMiv,  Ka\  auTd  TaöTa  dv  ii\r\\irj  TiOdjiieva  cuv- 
exiwc  ßoTi9ric€i.  Toiaura  tdp  dcTiv ,  i5jct€  Ka\  touc  KaTd  jiidpoc  ffix] 
££aKpißoCvTac  kaviDc  f\  Kai  TcXcluic  Tdc  TOiauTac  dvaXOovTac 
iTnßoXdc  Tdc  TtXciCTac  tüüv  Ttepiobeioüv  uir^p  ttic  6Xtic  qpuceuüc 
7roi€ic9ai.  öcoi  bk  ^f\  iravTeXuöc  auTiüv  tüjv  dTTOTeXeioujiidvuiv  Ik 
toutuüv  elciv,  II  äjiia  voriiuiaTi  jj  f|  KaTd  töv  fiveu  qpGöiTTwv  TpÖTiov 
TTiv  II  Trepiobov  tujv  Kupiu/TdTiüV  Ttpöc  TaXnviCjiiöv  TroioOvTai. 

So  werden  denn  diese  boEai  Tiepl  tujv  övtuüv  durch  Epikurs 
eigne  werte  zum  unterschiede  von  der  dTriTO|iif|  juetdXTi  tüüV  irpöc 
TOUC  9UCIK01JC ,  welche  sich  als  Streitschrift  gegen  die  9UciKoi  LD. 
X  90  s.  274,  31.  134  s.  284,  14  einführt  und  aller  Wahrscheinlich- 
keit nach  das  gebildete  publicum  über  die  differenz  in  der  natur- 
forschung  der  (pucioXÖTOi  und  qpuciKoi  (Lotzes  Streitschrift  über 
sein  Verhältnis  zu  Herbart,  'lose  blätter'  1878  Ip  3)  aufklären  sollte, 
als  ^TriTOjiif)  TTic  öXtic  TTpaTjuaTeiac  gezeichnet  und  umfaszten  Td 
KupiiüTaTa,  Tdc  öXocxcpuiTdTac  ööHac  aller  37  bücher  irepl  qpOceuiC. 
dabei  dienten  sie  den  interessen  der  schule  insoweit,  als  sie  bei  den 
anhängem  der  lehre  in  oben  bereits  angedeuteter  form  zum  spruch- 
buch Trap'  ^KdcTOUC  tujv  KaipÜJV  Verwendung  6nden  sollten,  moch- 
ten immerhin  diese  jünger  der  schule  noch  nicht  oder  nicht  mehr  in 
der  läge  sein,  die  correcte  lehre  Epikurs  ÖTT^p  ttic  tujv  öXwv  q)Oc€U)C 
zum  gegenständ  ernstlicher  Studien  zu  machen  (toTc  jiif)  buva]i^voic)| 

27» 


412  AEussner:  zu  Quintilianus  [XII  10,  64]. 

und  mochte  auch  ihr  Verständnis  der  Sprüche  selbst  beschränkt  blei- 
ben (xaO'  öcov  &v  d9dTrTUJVTai).  einen  eigentlichen  lehrbrief,  wie 
die  Schriftstücke  an  Herodotos ,  Pythokles ,  Menoikeus  passend  von 
Brieger  genannt  werden,  bildeten  die  böiai  TTCpl  TUiv  fivTUJV  nach 
der  damaligen  auffassung  Epikurs  noch  nicht,  im  gegensatz  zu 
diesen  beiden  ^TriTOjiiai  behält  der  brief  an  Herodotos  die  nächsten 
interessen  der  schule  auszerhalb  des  Internats  scharf  im  äuge  und 
bietet  seinen  wörtlich  zu  memorierenden  stofif  in  einem  nach  der 
fassungskraft  des  gedächtnisses  sorgsam  bemessenen  umfang  (zwei- 
mal TÖ  tocoCtov,  Xötoc  buvaröc  xaTacxcOfivai)  allen  denen,  welche 
zu  den  kavÜLic  Trpo߀ßTiKÖT€C  gerechnet  werden  durften,  wohl  sind 
auch  unter  ihnen  wieder  drei  Ordnungen  geschieden,  von  denen  die 
unterste  noch  Korä  TÖv  dv€u  96ÖTTUiV  TpÖTTOV  memoriert,  die  mitt- 
lere bereits  ihre  Trepioboc  Tdiv  KupiurrdTUJV  fi^a  vorj^om  iioieiTOi 
und  erst  eine  oberste  im  stände  ist,  ^mßoXäc  dvoiXuovrec  Täc 
TiXeicTac  tiüv  Trepiobeiiöv  UTrfep  tt^c  ÖXiic  (pxtceatc  TroieTcOai,  aber 
alle  drei  Ordnungen  stehen  noch  als  jünger  unter  den  äugen  des 
meisters  und  bleiben  (|jk€IU)^^voi  9UCioXoiriqi  zum  schlösse  doch  auf 
das  Studium  der  hauptschrift  Epikurs  gewiesen,  deren  vollständiges 
Verständnis  einen  teil  ihrer  lebensaufgabe  ausmachte. 

Ich  glaube ,  das  gesagte  reicht  aus ,  und  es  bedarf  nicht  mehr 
einer  anfänglich  beabsichtigten  parallelisierung  der  Kupiai  böSai  and 
des  briefs  an  Menoikeus,  um  den  beweis  dafür  zu  liefern,  dasz  bei 
den  lehrbriefen  Epikurs  überhaupt  und  dem  brief  an  Herodotos 
insbesondere  eine  Vollständigkeit  des  materials  für  extranei,  wie  sie 
die  Spruchbücher  bieten  musten,  von  vom  herein  nicht  im  plane 
Epikurs  liegen  konnte  und  factisch  nicht  gelegen  hat. 

Stade.  Friedrioh  Bockbmüllbb. 


59. 

ZU  QUINTILIANUS. 


inst.  orat.  XII 10,  64  (Hamerus)  summam  expresaurus  in  TTlixe 
facundiamy  et  mc^gnUudineni  iUi  weis  et  tnm  oratumis  nivibus  hibemis 
capia  verharum  atque  impetu  parem  tribuü.  in  diesem  namentlicb 
durch  MSeyfferts  Scharfsinn  hergestellten  satze  ist  die  vergleichung 
noch  durch  ein  einschiebsei  gestört,  das  sich  mit  Sicherheit  erkennen 
läszt.  das  Homerische  ÖTra  t€  |Li€TdXTiv  findet  in  miigniiudinem  vocis 
sein  äquivalent,  Kai  luea  in  vim  araiionis.  Homer  stellt  in^a  einfach 
neben  viqpdbecciv  x^iMcpdjciv,  Quintilian  fügt  der  vergleichung  den 
punkt  der  ähnlichkeit  bei :  vis  araiionis  und  nives  hibemae  gleichen 
sich  copia  atque  impetu.  aber  t;cr&ortim  ist  ein  störender  eindring- 
ling :  es  passt  nur  zu  dem  6inen  gliede  des  Vergleiches,  überdies  be- 
deutet copia  verhorum  bei  Quintilian  nicht  die  fülle  der  rede,  sondern» 
wie  aus  X  1,  5  erhellt,  den  Sprachschatz  über  welchen  der  rednor 
verfugt. 

Wü&zBURG.  Adam  Eusbneb. 


LSadäe:  zu  Dionysios  von  HalikarnasOB.  413 

60. 

ZU  DIONYSIOS  VON  HALIKARNASOS. 


1.  Unter  den  rhetorischen  Schriften  des  Dionjsios  ist  neben  der 
kleinem  über  Thukjdides  die  über  Deinarchos  die  verderbteste,  für 
diese  liegt  der  grund  ihrer  schlechten  Überlieferung  in  dem  umstände, 
dasz  in  dem  cod.  Lanr.  59,  15,  der  für  sie  allein  in  betracht  kommt, 
die  zweite  band  ihre  correctur  nur  bis  auf  die  schrift  über  Isaios 
ausgedehnt  hat,  vermutlich  doch,  weil  Trepi  Aeivdpxou  in  ihrer  vor- 
läge nicht  enthalten  war.  aus  den  zahlreichen  Verbesserungen  des 
correctors  in  den  übrigen  Schriften  (s.  m.  diss.  'de  Dionjsii  Hai. 
scriptis  rhetoricis  quaestiones  criticae',  Straszburg  1878,  s.  36 — 38) 
läszt  sich  aber  ungefähr  ein  schlusz  auf  den  zustand  jenes  tractates 
ziehen :  durch  zahlreiche  verschreibungen  wie  auslassungen,  die  ganz 
speciell  der  ersten  band  ihren  Ursprung  verdanken ,  ist  der  text  arg 
entstellt,  fehler  der  letztem  art  liegen  meines  erachtens  unter  andern 
an  den  folgenden  beiden  stellen  vor:  1)  s.  641,  6  ff.  ö  Audac  .  . 
axjTÖc  aÖTip  6|LioXoTOiijii€vöc  dcTiv  elc  t€  töv  Xcktiköv  töttov  Kai 
Tf|v  TUJV  övojiidTUJV  caqpi^veiav  xal  cuv9€civ  aÖT09ufi  jutv  Kai  Xdav 
elvoi  boKoOcav,  TiavTÖc  bfe  <MaXXov>  Xötou  Kaid  Tfjv  f|bovf|v 
biaqp^poucav.  so  möchte  ich  ergänzen  unter  vergleichung  von  s.  468, 
11  f.  £cTi  TTavTÖc  pfiXXov  fpTou  T6XVIKUIC  fiexviKoO  hss.)  Kare- 
CK€uacp^voc.  —  2)  s.  643,  14  ff.  iöy  |iifev  koI  f|  Tf\c  X^Seuic  MCta- 
XoTTp^TTCia  Kai  f|  xfjc  cuv6^c€U)c  ÖaXXaff) . .  iräci  Trap^iniTai,  ^rfitv 
ijx  TÖ  KUiXtJOV  £cTU)  <dv  ToTc>  Ati|lioc0^vouc  oötouc  dvaTpd9€iv, 
vgl.  s.  643,  12  ty  toTc  Aeivdpxou  dvatpacp^TU).  639,  4  touc  dtÄ- 
voc  iv  TOic  ni€ub^civ  dvaTpd90ijii€V  dv. 

2.  in  den  Worten  s.  596,  4  ff.  tö  i7nX€TÖ|Li€V0V  TOÜTtp  Itx  ^äX- 
Xov  dKaTdcK€uov  cpaivetai  etvai  koI  Jbc  öv  Ibwlmic  Tic  direTv 
bOvaiTO  TÖ  elpiliii^vov  scheint  mir  der  artikel  vor  €lpTi|ii^vov  aus 
dem  vorhergehenden  buvaiTO  entstanden  zu  sein;  an  eine  sprichwört- 
liche redensart  (tÖ  elpTm^vov)  ist  nicht  zu  denken. 

3.  s.  863,  4  ff.  heiszt  es:  oi>biv  bei  Tiepl avn&y  t\xkvvv\  X^t^iv, 

OÖb'  ii  iLv  0€U>pTlJlldTUiV  T€  Kai  TTpatMdT  UJ  V  TOÜTUiVTlÖV  dpCTUJV 

^KdCTT]  Tiv€Tai.  Erüger  bemerkt  zu  TrpaTMdTUiV:  'vide  ne  legendum 
Sit  TrapaTiipii)LidTU)v.'  noch  näher  scheint  mir  TrapaTT€X|LidTU>v  zu 
liegen:  vgl.  s.  492,  15.  644,  9. 

4.  die  Worte  der  Melier  bei  Thuk.  V  86  f|  \xkv  ^TTieiKCia  toO 
bibdcKCiv  KaG'  f|cuxiav  dXX/jXouc  oö  ip^T^Tar  Td  bi,  toO  ttoX^^ou 
irapövTa  f[br\  Kai  oö  jnAXovTa  bia9^povTa  auToO  9aiv€Tai  ver- 
anlassen den  Dion.  s.  908,  4  ff.  zu  folgender  grammatischer  bemer- 
kung  über  auToC :  toöto  (sc.  aÖTOu)  oöt€  tiij  6r]XuKijj  Kai  iviKÜ^ 
Kai  dvojLiaTiKtp  (f|  iiTiciKeia)  TrpocopjiioTTÖ|Li€VOV  cu&Zei  Tf|v  dKoXou- 
Giav  oÖT€  Tiji  TrXriötjvTiKtu  Kai  oubeT^puj  <Kal>  Kcrrd  Tfjv  alTiaTiKf|v 
kxnM^iTicjii^vq)  TTToiciv  (Td  ToO  TToX^iLiou).  das  eingeschobene  Kai 
wird  nicht  gut  entbehrt  werden  können :  dreifach  anstöszig  ist  für 


414  LSadäe:  zu  Dionysios  von  Halikarnasos. 

Dion.  wie  die  beziehung  von  auToO  auf  f)  ^TTieiKeia  so  auch  die  auf 
Tct  ToO  TToX^jLiou.    Vgl.  auch  z.  1  ffl  ^TTiCeÜTVUCi  toiItoic  ^VIKÖV  Kttl 

KaiCt  TTIV  T€VlKf|V  kX11M«TlC^^V0V  TTTUJCIV  .  .  TÖ  «auToO». 

5.  die  Worte  s.  981,  5 — 11  sind  bei  Sjlburg  wie  bei  Reiske 
wegen  fehlerhafter  interpunction  unverstftndlich  und  gaben  Beiske 
veranlassung  durch  conjectur  dem  geforderten  sinne  zu  entsprechen. 
vielmehr  ist  alles  in  Ordnung,  wenn  mit  richtiger  interpunction  so 
gelesen  wird :  )Liupia  TOiauTd  den  Tiapä  AT]|iiocGkv€i  xai  ^dXicra  dv 
Toic  Kaxd  <|)iXi7rTrou  Xötoic  .  .  TToXXd  bk  Kai  tv  toTc  biKaviKotc 
dtOüci  ToTc  t'  oöv  biiMOcioic.  xal  cxeböv  iv  t€  toütoic  Ka\  raic 
brijiiiTopioic  «IiTTep  l(pr\y  öv  biOTVOiric  aiineiip  Trpox€ipoTdTt{i 
TÖv  ArijiOcO^vouc  x<xpcxKTfipa.  Sjlburg  hat  br)|Lir)TOpiaic.  ipirep, 
Reiske  br]|LiT]Topiaic  •  ^^Tiep  —  er  vermutete  «Lirep  oöv  l(pr\y ,  6ia- 
YVoir|c  dv. 

6.  Demosthenes  behandelt  die  Trpooijiiia  und  binirjceic  anders  als 
die  TTicxeic  und  ^TiiXoTOi  (s.  1097, 1  flf.) :  iv  alc  ^fev  ydp  bei  KoXa- 
KCuGfivai  TÖV  dKpoaTf)v  xai  TrapaKoXouOncai  toTc  TrpdTMaci  Koucdiv 
dXXoTpiuiv  biiiTi^c€civ  auxMnP^c  ivioxe  xal  diibeic  dKOuovrac . .  iy 
olc  bi  td  Tipöc  TfjV  dXrjGciov  xai  tö  cujii9^pov  cuvreCvovra  X^ecOcu, 
TaOxa  bk  dTiXo'iK&c  iruic  Koi  T^waiuic  Ka\  juetd  c€^vött|toc  aöcni- 
pdc  dTTaiToOciv  o\  ttoXXoI  jiiavOdveiv.  Sylburg  und  Beiske  haben 
diese  stelle  für  stark  verderbt  gehalten  und  manigfache  änderungen 
vorgeschlagen,  irregeführt  hat  sie  besonders  die  verkennung  der  that- 
Sache,  dasz  dv  alc  jiidv  und  dv  olc  bi  demonstrative  bedeutong  haben 
und  sich  entsprechen;  vgl.  Krüger  spr.  §  50,  1,  5.  dasz  fibrigena 
die  anwendung  der  obliquen  casus  von  de  in  Verbindung  mit  |üi^ 
und  bi.  dem  Dion.  durchaus  nicht  fremd  ist,  zeigen  folgende  stellen : 
8.  93,  2  f.  i(p"  (Lv  M^v  T^P  •  •  ^9*  <I»v  bi.  598,  7  f.  Tiap'  ^i  jüiiv  .  . 
irap'  Jj  bl  desgl.  766,  3  ff.  839,  10  f.  de  ^^v  .  .  de  5d.  1103,  10 
&  jiiev  .  .  d  Ö€.  ist  so  die  richtigkeit  jener  wor^  und  damit  die  con* 
struction  der  ganzen  stelle  nachgewiesen,  so  machen  Schwierigkeit 
nur  noch  die  werte  bir)Tr)C€Civ  und  dKOUOVTac,  für  die  der  rand  des 
cod.  Bodl.  (s.  Reiske  zdst.)  meines  erachtens  durchaus  richtig  biilT^* 
C61C  und  dKOucvTa  gibt,  der  letzte  satz  Taöra  bt  usw.  ist  von  dem 
vorhergehenden  durch  ein  kolon  zu  trennen. 

7.  s.  822,  6  ff.  lese  ich  birjXXoSe  tCjv  Tipö  aöroG  cuTTpacp^uiv  •  • 
KQTd  TÖ  XaßeTv  öiröOcciv  ^rJTe  movökujXov  TravTaTiaci  ^rJT'  {mb* 
hss.)  ek  TToXXd  )Li€|ii€piC)Lidviiv  K€q)dXoia.  —  s.  920,  10  ff.  Kai  ircpl 
ixiy  Tüuv  bioXÖTUiV  SXic.  toiv  <b€>  brmntopiKUJV  Xötujv  TeOaiJ- 
^QKa  usw.  —  s.  1007,  12  ff.  fjv  b*  dpa  TrdvTuiv  IcxupÖTorov  Ti|^ 
fidXXovTi  TieWciv  bf^jUGV  f[  biKocTripiov  <tö>  dm  Td  irdOfi  touc 
dKpooTdc  dyaTCiv,  vgl.  s,  1008,  2  ff.  tö  f)buv€iv  . .  Kai  KaXXuiiriletv 
ouK  fjv  xpnciMOv. 

Freiburg  im  Breisoau.  Leonard  Sadi^b. 


FHultsch:  A/|muiaTa  clc  rd  cqpatpiKd.  415 

61. 

AHMMATA  €IC  TA  C<DAIPIKA. 

RESTE  EINER  VERLOREN  GEGLAUBTFN  SOHRIFT. 


In  der  untersnchnng  über  die  isoperimetrischen  figuren,  welche 
sich  im  5n  buche  der  cuvatuiTH  ^det,  beruft  sich  Pappos  auf  einen 
hilfssatz  mit  der  bemerkung  toGto  TOip  ^v  ToTc  elc  rä  cqpaipiKä 
Xii|ii)Liaciv  b^beiKTQi  (s.  310,  5).  diese  samlung  von  hilfssätzen  schien 
gänzlich  verloren  zu  sein,  doch  konnte  ich  im  dritten  bände  meiner 
ausgäbe  des  Pappos  drei  stellen  nachweisen,  an  denen  das  bezeichnete 
lemma  bewiesen  wird^  und  zwar  allenthalben  in  einer  weise,  welche 
die  ableitung  aus  einer  gemeinsamen  quelle  deutlich  zeigt.*  der  ano- 
nyme Verfasser  der  schrift  "Oti  tüüv  lcOTT€pijii^TpuiV  cxtlM<iTUiV  usw. 
führt  Theon  als  gewährsmann  an  (Pappos  III  s.  1142):  öti  bk  f) 
re  Trpöc  OK  ^€i2ova  Xötov  ixei  .  .  ö^öciktoi  jiifev  9^uivi  iy  tiJi 
vTrojiiviijiiaTi  ToO  ^ixpoO  dcrpovö^ou,  oöbfev  bfe  fJTTov  koI  vöv* 
b€ix6r)C€Tai.  der  juixpöc  dcTpovö^oc,  oder  wohl  richtiger  dcrpo- 
vo|iioO)Li€VOc',  bezeichnet  eine  samlung  kleinerer  astronomischer 
Schriften  im  gegensatz  zu  der  groszen  cuvroSic  des  Ptolemaios.  nun 
ist  uns  zwar  nicht  zum  kleinen  dcTpovO|iiou)i€VOC,  wohl  aber  zum 
Almagest  ein  commentar  des  Theon  erhalten,  und  in  diesem  findet 
sich  der  erwähnte  hilfssatz  mit  ähnlicher  beweisftthrung  wie  bei  dem 
anonjmus.  ist  nun  die  lesart  iiiiKpöc  bei  dem  letztem  richtig  und 
dieses  wort  nicht  etwa  statt  jn^yac  verschrieben ,  so  haben  wir  zu 
folgern  dasz  Theon,  auszer  zum  Almagest,  auch  zu  den  kleineren 
astronomischen  Schriften  einen  commentar  geschrieben  und  darin 
bei  gelegenheit  denselben  satz  nebst  beweis  gebracht  hat,  der  uns 
im  commentar  zu  Ptolemaios  erhalten  ist.  doch  wie  dem  auch  sei, 
anstatt  des  Theon  stellt  sich  uns  als  älterer  zeuge  fdr  diesen  hilfs- 
satz und  für  alles  was  damit  zusammenhängt  Zenodoros  dar,  der  im 
zweiten  jh.  vor  Ch.,  oder  wenig  früher  oder  später,  geblüht  hat.^ 
aber  auch  Zenodoros  hat  bei  abfassung  seiner  schrift  Tiepl  icojiieTpuiV 
CXHM^'^^V  bereits  ältere  quellen  vorliegen  gehabt,  als  eine  solche 
quelle  waren  vermutlich  die  Xrj)Li|LiaTa  eic  Td  cq)aipiKd  anzusehen, 
von  denen  wir  zu  anfang  sprachen. 

In  der  that  trafen  mehrere  spuren  zusammen ,  welche  auf  eine 
frühere  entstehung  dieser  lemmen  hindeuteten.  Zenodoros  ist  etwas 
jünger  als  Archimedes  gewesen ;  letzterer  aber  hat  denselben  hilfs- 
satz schon  benutzt.  ^  weiter  aber  liesz  sich  nachweisen,  dasz  die  uns 
erhaltene,  wahrscheinlich  dem  ersten  jh.  vor  Ch.  angehOrige  sphärik 

^  vgl.  Pappos  bd.  III  8.  1234  und  was  dort  citiert  ist.  *  vielleicht 
verschrieben  aas  Vj^1v.        '  s.  Pappos  s.  476  anra.  1.  1143  anm.  2. 

*  Nokk  und  Cantor  an  den  zu  Pappos  s.  1189  f.  citierten  stellen. 

^  ^la|Ul^{Tr)C  1,  21  8.  260,  11  (Heiberg),  vgl.  ENizze  'Archimedes 
werke*  s.  214  anm.  y,  denselben  zu  Theodosii  Tripolitae  sphaerica 
(Berlin  1862)  s.  168.    Heiberg  zu  der  angeführten  stelle  8.  261. 


416  FHultsch:  Af)^fxaTa  €lc  rä  ccpatpiKd. 

des  Theodosios  von  Tripolis  beruht  auf  einem  altem,  wenig  ab- 
weichenden werke,  welches  bereits  dem  Autolykos,  einem  Zeitgenossen 
des  Aristoteles,  vorgelegen  hat.  ^  zu  diesem  werke  muste  es  aber  auch 
bereits  hilfssätze  geben  von  der  art,  wie  sie  Pappos  an  der  zuerst 
angefahrten  stelle  als  XrJMMCt'^ct  elc  TÖi  cq)aipiKd  citiert. 

Den  einen  hilfssatz,  auf  welchen  Pappos  sich  bezieht,  fand  ich 
vor  kurzem  in  einer  Mttnchener  hs.  auf,  und  zwar  merkwürdiger- 
weise unter  Autolykos  namen.  möglich  dasz  die  sogleich  mit- 
zuteilende Überschrift  nur  durch  eine  Verwechselung  über  den  nach- 
folgenden text  gekommen  ist;  allein  je  weniger  wir  uns  darauf 
versteifen,  dasz  Autolykos  selbst  den  erwähnten  hilfissatz,  und  zwar 
in  der  jetzt  vorliegenden  form,  verfaszt  habe,  um  so  zuversichtlicher 
können  wir  daran  festhalten,  dasz  derselbe  satz  zu  Autolykos  zeiten 
bereits  bekannt  war. 

Der  von  uns  im  folgenden  texte  mit  (1)  bezeichnete  abschnitt 
ist  das  von  Pappos  citiorte  Xfi|Lijiia  eic  Ta  ccpaipiKd.  es  schlieszt  sich 
eng,  auch  in  den  geometrischen  buchstaben,  an  die  beweisfühnmg 
zu  demjenigen  theorem  an,  welches  uns  als  lle  proposition  des 
3n  buches  der  sphärik  des  Theodosios  erhalten  ist,  und  ergibt  sich 
deutlich  als  die  quelle,  welche  sowohl  der  scholiast  zu  Pappos  als 
auch  Zenodoros  und  der  anonymus  an  den  oben  angeführten  stellen 
benutzt  haben. 

Die  auszerdem  noch  folgenden  drei  hilfssätze  knüpfen  sich  eben- 
falls als  scholien  an  gewisse  textesworte  an.  dasz  sie  ebenso  wie 
der  erste  satz  dem  gebiete  der  sphärik  angehören,  ist  leicht  zu  seheni 
und  man  hätte  demnach  wieder  zunächst  an  die  sphärik  des  Theo- 
dosios zu  denken,  doch  ist  es  mir  noch  nicht  gelungen  dort  oder 
anderswo  die  stellen  aufzufinden,  denen  sie  einst  beigeschrieben 
waren,  leider  fehlen  in  der  Münchener  hs.  alle  fignren ;  wären  solche, 
wie  in  anderen  hss.,  sei  es  auch  nur  in  kümmerlichen  resten,  er- 
halten, so  würde  man  leichter  auf  die  richtige  spur  kommen,  trots- 
dem  ist  nicht  zu  bezweifeln,  dasz  auch  diese  scholien  über  kurz  oder 
lang  sich  an  richtiger  stelle  werden  einordnen  lassen. 

Wir  lassen  nun  den  text  folgen,  wie  der  codex  Monacensis 
gr.  CCCI  von  fol.  49  bis  52  ihn  bietet,  wo  keine  ab  weichungen  an- 
gegeben sind ,  stimmt  unser  text  auch  in  der  interpunction  mit  der 
hs.  überein. 


^  von  Autolykos  werden  in  seinem  buche  ircpi  kivoum^vt)c  cqNtipac 
einige  aätze  der  sphilrik  wörtlich  citiert,  andere  als  bereits  erwiesen 
vorAUBgesctzt,  welche  wir  jetzt  in  den  C9aipiKd  des  Theodosios  an  fol- 
genden stellen  finden:  buch  1  propos.  1.  6.  7.  8.  15.  20,  buch  2  propoi. 
2.  3.  5.  10.  13.  20,  buch  3  propos.  1.  da  nun  mit  diesen  Sätzen  wieder 
andere  theoreme  desselben  Werkes  im  engsten  susammeuhange  stehen, 
so  läszt  sich  diejenige  composition  der  cq>aipiKd,  welche  dem  Aatolykos 
▼erlag,  mit  groszcr  Wahrscheinlichkeit  wiederherstellen,  und  es  findet 
sich  dann,  dasz  dieselbe  im  wesentlichen  Übereinstimmte  mit  derjenigen 
form,  welche  später  unter  Theodosios  namen  sich  Terbreitete  and  so 
bis  zur  gegenwart  sich  erhielt. 


FHultsch:  A/mMara  €lc  rä  ccpoipiKd.  417 


aÖToXÜKOu,  TTcpl  Kivoujii^vr|c  C9aipac:  -^ 

(1)  TTuJC  tcvi  b€b€ITM^VOV  ÖTl  f|  Öp  TTpÖC  TfjV  pT  jicttova  XÖTOV 

£X€i  ^Ticp  f]  ÖTTÖ  prfi  Tiwvia  Ttpdc  Tf|V  irrö  pörj  t^viov. 

"GcTU)  TpiTiwvov  öpGoTii&viov ,  tö  aßt  •  Kai  fjxöu)  Tic  f|  ab  •  Kai 
bio  ToO_b^T^  ctT  TTopdXXTiXoc  f^xöui  <f|  be>-  Kai  ditel  jueiZuiv  dcTiv  f|    6 
b€  Tf^c  bß  big  TP  |Li€Ü[ova  irtüviav  tJTrorejveiv ,  6p9f|  T<iPi  öEeia  öpa 
icrlv  f|  ÖTiö  ßeb'  dfiißXcTa  fipa  f|  uttö  a^,  jueKuiv  fipa  f|  ab  Tfjc  eb* 
6  fipa  K^VTpiu  1^  b  biacTtiiLiaTi  bfe  t^  b€  kükXoc  Tpa<P<5M€voc  t€|li€T 
fjifev  Tfjv  ab ,  ÖTTCpTiecciTai  hk  Tf|v  ßb  •  fjK^TUi  Kai  £cTU)  ö  eZri  •  tö 
aeb  fipa  ipiTWiVOV  irpöc  tov  ebZ  TOfJite  fjieiCova  Xötov  ix^i ,  fJTrep  lO 
TÖ  eßb  TptTtüvov  Trpöc  töv  erib  TOji^a  •  Kai  dvaXXaS  tö  aeb  Tpituivov 
TtpöcTÖ  eßb  Tpitiwvov  juetZova  Xötov  ix^x  ^Trep  ö  bei  TOfieuc  irpöc 
töv  €T|b  Top^a*  d)c  bfe  TÖ  aeb  TpiTuivov  irpöc  tö  eßb  TpiTuivov, 
ouTUic  f|  oe  irpöc  ttjv  eß  •  übe  bfe  ö  eZb  Toineöc  Ttpöc  töv  eiib  Tojii^a, 
oÖTUiC  f|  UTTÖ  Zbe  Twvia  irpöc  Tfjv  öirö  ebß'  koI  cuv9^vti  f|  aß  irpöc  16 
Tf|v  ße  iLieiZova  Xöjov  Ix^x  fJTiep  f|  üttö  lbr\  fujvla  irpöc  TfjV  uttö 
ebß  •  f|  bk  UTTÖ  ebß  tIj  uttö  atß  tcri  dcTiv  •  f|  fipa  aß  irpöc  Tf|v  ße 
fJieiZova  Xötov fx^ifljrto  i\  öttö  2bß  T^ivla  irpöc  Tf|v  uirö  aTß*  fiXX* 
d)c  f|_aß  irpöc  Tf|V  eß,  oötujc  f|  Tß  Trpöc  Tf|v  bß*  Kai  f|  Tß  fipa  irpöc 
Tf|v  bß  jiieiZova  Xötov  fx^i  fjirep  f|  öirö  Cbß  Tuivia  irpöc  Tf|V  öirö  20 
ebr\:  — 

(2)  "CcTiucav  irapdXXiiXoi  kOkXoi  Kai  ju^tictoi  ol  ep  l\  iq)a- 

irröpevoi  toö  eZ  KaToi  Td  e  £  cruneia'  bid  bk  toO  iröXou  toO  v  Kai 
Toö  T  CTiiLieiou  jh^t^ctoc  kOkXoc  T€Tpdq)6ui  ö  iffv  •  X^tw)  öti  tcr]  ^ctIv 
f|  Xv  tQ  vjü.  26 

Aid  Tdp  ToO  iröXou  Kai  TiBv  dqp&v  jh^tictoi  kükXoi  T€Tpdq)Oui- 

1  2  die  Überschrift  und  der  anfangsbuchstab  in  TTCüc  sind  rot  ge- 
schrieben, ebenso  später  die  anfangsbuchstabeu  des  2n,  3n  and  4n  satzes 

2  3  ^€(^Iovo*  XÖTOV  dxei  yjirep  f\  öirö  cod.        3  4  TWvCav*  |  Ictui  cod. 
(neue  zeile  bei  £cTU),  aber  kein  absatz)        4  öpOoTtbvtov  cod.  in  marg., 

öpOoTutfVUJ  derselbe  im  texte    i\xBiU  tJc  cod.       6  b  Tf)c  |  ör  cod.    1^  b€  von 

mir  hinzugefügt         6  koinma  hinter  öiTOTe(v€iv   fehlt  im   cod.         7  ab 

Tf^c  I  fol.  49^  I  Tfic  €Ö  cod^also  Tf|c  zweimal)         8  5,  6iacTfmOTi  cod. 

Tpa<p6|uievo€,  T€|Liet  cod.       9  ßb  |  i^k^tw  cod.  (ohne  interpunction)       10  töv 

€  bl  cod.        11  4vaXXdH*  tö  cod.         16  TU'vfal  fw  und  darüber  die  ab- 

o  

kürzung  von  yia  cod.        cuvtcjO^vti  cod.         16  fiuvi   cod.  20  6ßy 

|Li€{2Iova  cod.        20  21  6itö  €Ör|]  man  erwartet  öirö  orß  (vgl.  unten  s.  420} 
22  in  den    werten    iTOpdXXr|Xoi  —  kqI  >i^TtCTot   steckt  ein  fehler, 
denn  zwei  gröste  kreise  der  kugel  können  nicht  einander  parallel  sein 
(Theodos.  sphaer.  1,  11);  vielleicht  ist  TCp  jiCTfCTip  zu  lesen  23  ToO 

(vor  TtöXou)]  toOto  cod.,  doch  ist  to  von  erster  band  unterstrichen 
26  26  tQ  vp'  bid  T^P  cod.  (ohne  absatz) 


418  FHultsch:  Alf)^^aTa  €lc  rä  cqpatpiKd. 


cav  Ol  ii€9*  v2k*  q)av€pöv  oöv  ÖTi  öpGoi  da  irpöc  touc  eji*  l\ 

kukXouc*  Kai  dTreZeüxOuücav  a\  r\\'  fp*  tciüv  bf|  kukXiüv  tiSjv  eß'  tk 

Im  biajLi^Tpuiv  tOjv  dirö  tuüv  €  l  Ica  T|iirj)LiaTa  kukXiüv  irpöc  öpOäc 

80  i(pecn]Ke  Täer\'  r\l'  kqI  rä  toOtoic  cuvexn*  kqI  dTreiXriMM^vai  ddv 

Icai  Tiepicp^peiai  al  efi ,  t^Z  iXaiTOuc  f|  fmic€iai  oöcai  täv  icpccnd- 
TUiv  t]lit]|ii(4tu)v  kqI  KOivfi  auTüüv  f|  ÄTiö  ToO  r\  iii\  TÖ  t  imZeuTVU- 
jLi^vr]  €u0€To-  ujcre  f|  er  Tiepiqp^pcia  tQ  Zt  Tr€piq)€p€iqi  tcri  ^cri*  bi& 
Td  auid  öf|  Kai  f|  nX  T^  X^  loi  kri'  Kai  f|  eji  t^  £X  dcrtv  Tor  d&cre 
85  Kai  XoiTTTi  f|  tX  TT€piq)^p€ia  T^  TM  ^cxiv  Ter] '  Kai  iixe\bi\  ö  iffv  kukXoc 
bid  Tujv  TTÖXuiv  T^^vei  TÖv  9vK,  öpOöc  dcTi  Tipöc  auTÖv  *  ki3kXou  bfj 

Toö  0va  im  bia^^ipou  iflc  dirö  toO  v,  öpGöv  T^f\}ia  dq)^CTi]K€  t5 
tv ,  Kai  TÖ  toOtuj  cuvex^c  •  Kai  direiXim^^vii  Ictxv  i\  fv  dXdrruiv  1^ 
fl|Liic€ia  oöca  toO  dq)€CTÜJTOC  T^/JinaTOC*  Kai  fcriv  Xcx]  f|  tm  Trepiq)^- 

40  p€ia  T^  T^  irepiqpepeiqi,  ficrc  Kai  f|  dirö  toO  X  tn\  tö  TjEÖOcia  Ten 

Icii  Trj  dirö  toO  f  ^Tti  tö  p*  ujct€  Kai  TT€piq)^p€ia  f|  Xv  ifl  vp  teil 
dcTiv :  —  

(3)  Aid  TÖ  lä  ToO  f  *  ÖTi  bk  irpöc  öpOdc  icnv  6  €k£  ti|)  Xe^, 
dvT€ö9ev  bfiXov '  inA  tdp  o\Jf\ ,  €kZ  d9dTTT0VTai  dXXi^Xujv ,  bid  bk 

45  TUJV  TOÖ  ^VÖC   TTÖXlüV  TOÖ  €?!,   Küi  T^C  dyT^C  jbl^TlCTOC  kOkXoC  T^- 

TpaTTTai  6  X€m,  Kai  bid  tüjv  ttöXuiv  tou  €k£  dXeuccTai*  Kai  el  bid 

Tiliv  TTÖXuiv,  Kai  irpöc  öpOdc  aÜTiji  fcrar  itieX  toOv  6  Xcm  irpdc 

öpGdc  dcTi  Tiu  €k2[  ,  Kai  ö  ckZ  irpöc  öpOdc  aÜTi^  dcTiv '  £cTt  hk  a&ü^ 
TTpöc  ÖpOdc  Kai  ö  tüüv  TropaXXrjXuiv  jndTicroc  öuo  dpa  kukXoi  o\ 

50  €k£  *  jLißg  TTpöc  ÖpOdc  eici  ^ericrip  KUKX41  t(|»  eX^  touc  ttöXouc  ird 
Tfjc  TTcpiqpepeCac  ^xovti:  —  _ 

(4)  '€TT€i  Tdp  buo  dvicd  icn  juct^Ot]  ,  fj  t€  Ok  Kai  f|  dXdccujv 
Tflc  0K,  ßuiOev  bfe  TÖ  auTÖ  tö  vH,  tö  bk,  aÖTÖ  TTpöc  TÖ  fXaccov 
jLieiZova  Xötov  Ixex  fJTTcp  Trpöc  tö  jiieiZov,  f|  vH  dpa  TTpöc  Tfjv  dXdc- 

65  cova  Tf^c  Ok  jLiettovoXÖTOV £x€i flfTep Trpöc  Tf|V Ok*  die bk  f|  vE  Trpöc 

Tfjv  ^Xdccova  Tflc  Ok,  oötujc  f|  pv  Trpöc  Tf|v  eO,  bid  tö  Ocufpfijuia* 

f|  jüv  dpa  TTpöc  Tf|v  €0  iiieiZova  Xötov  Ix^x  fJTTcp  f|  vE  Trpöc  Tfjv  6k: 
Td  Tdp  6|iioia  t\  ivöc  kökXou  övtc  t[  büo  Icuiv ,  Kai  Ica  icTlv :  — 


28  Iciuv]  Tciiv  cod.;  citiert  wird  Theodos.  spbaer.  2,  11      Zk'  in\  cod. 

29  €  ^,  Tca  cod.  80  ((p^cryice  cod.  33  vcpKpcpcicjil  .ircptqpcpct 
cod.  (der  accent  biuter  a  ist  mit  diesem  buchstaben  za  einem  %ng% 
Ycroinigt)        84  £ctI  |  Ter)  iDctc  cod.        36  kOkXou  5i^  asw.]  citiert  wird 

Theodos.  spbaer.  3,  1  89  ic€pt<p^p€ia]  o  cod.,  ebenso  gleich  darauf 

für  Tr€pi9epe{<;[      40  €ÜGela,  Ter)  cod.       40  41  Eukl.^em.  8,  11      61  ircpt- 

cpepeiac]  9  cod.         62  dvtca  £cTi  cod.         63  t6  vE'  tö  cod.         66  Ok, 
^ekova  cod.        66  67  G€t(»pr)^a,  /|  cod.        68  Ja  cod.,  and  swar  T  rot 

gescbriebcn. 


FHultsch:  A/m]LiaTa  elc  rä  C9aiptKd.  419 

Znm  schlusz  möge  noch  einiges  zur  erklärung  des  ersten  lemma 
folgen,  auf  die  einleitenden  worte  TTüuc  ^CTi  bebeiTM^Vov  ÖTi  folgt 
das  wörtliche  citat  der  stelle  des  Theodosios,  zu  welcher  das  lemma 
gehört,  die  worte  stehen  gegen  ende  der  beweisführung  zu  sphaer. 
3,  11  (s.  78  Nizze):  f|  OP  fipa  Ttpöc  Tf|v  PT  ixeilova  Xötov  ixex 
fjTrep  f|  ÜTTÖ  PTH  TUivia  irpöc  ifiv  öttö  POH  t^viav,  und  es  sind 
dazu  die  figuren  63  und  63  a  bei  Nizze  zu  vergleichen. 

Die  allgemeine  fassung  des  theorems  gibt  Archimedes  an  der 
bereits  angeführten  stelle  (i|i(X|Li|ii.  s.  260):  wenn  zwei  rechtwinklige 
dreiecke  die  eine  kathete  gleich,  die  andere  aber  ungleich  haben,  so 
ist  das  Verhältnis  des  gröszem  von  den  beiden  winkeln,  die  den  un- 
gleichen katheten  anliegen^,  zu  dem  kleinern  winkel  gröszer  als  das 
Verhältnis  der  gröszem  hjpotenuse  zu  der  kleinem  und  kleiner  als 
das  Verhältnis  der  gröszem  kathete  zu  der  kleinem.^ 

Der  Verfasser  des  oben  abgedrackten  lemma  führt  den  beweis 
mit  hilfe  einer  besondern  figur,  welche 
nach  analogie  der  bei  Theodosios 
überlieferten  linien  und  buchstaben 
ohne  zweifei  wie  nebenstehend  her- 
zustellen ist. 

Mit  beziehung  auf  diese  figur  ist 
also  der  oben  aus  Theodosios  ange- 
führte und  von  dem  Verfasser  des 
lemma  wiederholte  satz  so  zu  formu- 
lieren: f\  fß  Ttpöc  Tfiv  ßö  jueiZova 
XÖTOV  ixex  fJTiepJi  uttö  ßöa  Twvia 

TTpöc  Tfiv  UTTÖ  ßT«.  in  allgemeiner  fassung  würde  das  heiszen: 
*das  Verhältnis  der  gröszern  kathete  zu  der  kleinem  ist  gröszer  als 
das  Verhältnis  des  gröszem  anliegenden  winkeis  zu  dem  kleinem', 
was  mit  dem  zweiten  teile  des  Archimedischen  satzes  identisch  ist 
und  nur  in  der  form  durch  eine  wohl  bequemere  anordnung  sich 
unterscheidet. 

Der  beweis  verläuft  nun  ebenso,  wie  ihn  bereits  Nizze  zu  Theo- 
dosios s.  158  f.  hergestellt  hat. 

Es  sei  ein  rechtwinkliges  dreieck  aßt  (dessen  rechter  winkel 
bei  ß),  und  es  werde  eine  gerade  ab  (bis  zur  kathete  ßy))  und  zu  ya 
die  parallele  be  gezogen,  weil  nun  be  gröszer  als  bß  ist,  da  erstere 
dem  gröszem  winkel ,  nemlich  dem  rechten ,  gegenüber  liegt ,  so  ist 
der  winkel  ßeb  ein  spitzer',  mithin  aeb  ein  stumpfer,  also  ist 
ab  >  be.    also  wird  der  mit  dem  centrum  b  und  dem  diameter  b€ 


"*  Archimedes  setzt  also  voraus,  dasz  die  beiden  dreieoke  so  zn- 
sammeDgelegt  sind,  wie  es  die  obenstehende  Ägva  zeigt.  ^  die  trigo- 
nometrische formulierun^  nach  jetzt  üblichem  Sprachgebrauch  gibt  Nizze 
an  den  oben  anra.  5  angeführten  stellen.  '  dieser  teil  des  be  weises 
erscheint  über  die  maszen  umständlich,  doch  ist  zu  beachten ,  dasz 
der  Verfasser  für  die  folge  auch  das  beweisglied  eb^bß  brauchte  und 
wohl  deshalb  die  obige  gliederung  wählte. 


420  EGrunauer:  zu  Ovidius  metamorphoBen  [IX  44]. 

beschriebene  kreis  die  seile  ab  Bchneiden  nnd  über  bß  hinausfallen, 
es  sei  der  kreis  ler\  gezogen.^®  also  ist  A  aeb :  seä.  cbZ  >  A  €ßb: 
seä.  €T|b,  und  mithin  auch  A  a€b  :  A  €ßb  >  sed.  ebl :  sed,  eiib. " 

aber  es  ist  A  oieb  :  A  cßb  ^=  a€  :  €ß,  und  sect.  ebl :  seä.  €iib  »=  Zbe  : 

ebß  **,  und  componendo  aß :  ߀  >  Cbß :  ebß. "  es  ist  aber  ebßaorß  "; 

also  ist  aß  :  ߀  >  Zbß  :  ayß*     es  ist  aber  aß  :  ße  »»  Tß  :  ßb  ";  also 

auch  Tß  :  ßö  >  Zöß  :  atß. 

Vergleichen  wir  nun  endlich  mit  diesem  beweise  jenes  lemma, 
welches  im  wesentlichen  übereinstimmend  in  den  schollen  zu  Pappos, 
bei  Zenodoros  und  bei  dem  oben  erwähnten  anonymus  sich  findet  '*, 
so  zeigt  sich  sofort  die  durchgängige  analogie  in  der  beweisfühning. 
nur  heiszt  der  satz ,  welcher  an  den  drei  eben  bezeichneten  stellen 
bewiesen  wird,  wenn  wir  die  oben  (s.  419)  ans  Arohimedes  an- 
geführte fassung  benutzen :  *das  Verhältnis  der  grOszem  kathete  za 
der  kleinern  ist  gröszer  als  das  Verhältnis  des  gröszem  g^egenüber- 
liegenden  winkeis  zu  dem  kleinem.'  dieser  satz  liesz  sich  leicht 
aus  dem  eben  bewiesenen  ableiten;  allein  es  wurde  eine  besondere 
beweisführung  vorgezogen,  welche  ganz  so  verläuft  wie  die  vorher 
angegebene,  nur  dasz  es  in  diesem  zweiten  falle  keiner  hilüscon- 
struction  (ziehung  einer  parallele  zur  hypotenuse)  bedarf. 

<"  r\KiTVJ  ist  nogewöhnlicber  and,  wie  es  scheint,  altertümlicher 
ausdrack  statt  fe'^pdipBii).  die  buchstabenordnuug  itf]  des  griechischen 
textes  ist  auffällig,  jedoch  insofern  erklärlich,  als  der  kreis  vollständig 
gedacht  wird.  2^  ist  der  Schnittpunkt  der  kreislinie  mit  ob,  r\  mit  der 
verlängerten  aß.  ^'  diese  elementare  folge rung  aus  dem  vorhergebendea 
satz   wird  bewiesen  bei  Pappos  7   propos.   5.  "  £ukl.  elem.  6,  1. 

6,  33   coroll.  *'  Pappos  7  propos.  8.  ^*  Eukl.  elem.  1,  29. 

1»  Eukl.  elem.  6,  4.        ^^  Pappos  III  s.  1167.  1284  f.  1198.  1142  f. 

Dresden.  Friedrich  Hultsch. 

62. 

Zu  OVIDIUS  METAMORPHOSEN. 


mc^  IX  43  eroitque 

cum pede pes  iundus  totoque  ego pedore pro nus 
d  digitos  digitis  d  frontem  fronte  premcham. 
durch  das  adjectivum  pronus  wird  offenbar  der  parallelismus  der 
glieder  gestört,  wenn  es  heiszt  dasz  die  beiden  helden  Hercules  nnd 
Achelous  in  enger  umschlingung  dastehen ,  fusz  an  fusz ,  finger  in 
finger,  stirn  an  stim,  so  erwarten  wir  doch  wohl  auch  dasz  sie  brost 
an  brüst  gepresst  haben,  demnach  ist  statt  des  die  Situation  nur  nn- 
bestimmt  zeichnenden  pronus  zu  lesen  pectus,  das  erhellt  anch  aoB 
dem  ausdruck  nUentia  mea  pedora  y.  50  f. ,  womit  man  vei^^leichea 
mag  VI  242  f.  (tod  der  kinder  der  Niobe)  d  iam  contülerani  arto 
ludantia  nexu  pedora  pedoribus. 

WiNTERTUUR.  EmIL  GRÜNAUER. 


WFriedrich:  zu  Ciceros  philosophischen  achriften.  421 

63. 

ZU  CICEROS  PHILOSOPHISCHEN  SCHRIFTEN. 


Tusculanae  I  §  105  lautet  die  Überlieferung  sed  plena  erro' 
tum  SiMt  onmia^  ein  urteil  an  dem  ich  an  sich  nichts  auszusetzen 
habe,  welches  aber  in  seiner  allgemeinheitan  unserer  stelle  in 
den  Zusammenhang  des  ganzen  nicht  passt.  es  ist  von  den  irrigen, 
zum  teil  abergläubischen  Vorstellungen  der  menge  von  der  Wichtig- 
keit des  begräbnisses  uud  der  fortdauer  des  menschen  nach  dem 
tode  die  rede,  mit  welchen  die  geklärten  anschauungen  philosophi- 
scher köpfe  wie  die  eines  Sokrates,  Diogenes,  Anazagoras  in  schroffem 
Widerspruch  stehen,  von  dem  abschlieszenden  urteil  Ciceros,  dasz 
mit  dem  leben  auch  das  empfindungs vermögen  des  körpers  aufhöre, 
leiten  die  angeführten  worte  zunächst  zu  einer  anzahl  dichterstellen 
über,  durch  die  solche  verkehrte  Vorstellungen  von  der  fortdauer  des 
menschlichen  empfindungsvermögens  nach  dem  tode  verbreitet  wer- 
den, daran  schlieszt  sich  eine  mitteilung  über  manche  dem  wahnglau- 
ben entsprungene  gebrauche  ganzer  nationen,  wie  der  Aegjpter  und 
Perser,  allein  so  weit  verbreitete  Irrtümer  sich  auch  in  der  behan- 
delten frage  finden  mögen,  so  genügt  das  doch  nicht,  um  den  hyper- 
bolischen ausdruck  zu  rechtfertigen ,  der  in  omnia  liegt ,  und  zwar 
um  so  weniger  als  Cic.  beim  übergange  zum  folgenden  in  §  108  auf 
die  meinungen  nur  einzelner  {singulorum  apiniones)  zurückweist, 
ferner  hat  ja  doch  Cic.  selbst  erst  die  aussprüche  maszgebender 
häupter  von  philosophenschulen  angeführt  und  gezeigt,  dasz  es  von 
den  irrtümem  der  menge  freie  seelen  gibt  und  stets  gegeben  hat :  vgl. 
§  91.  dann  bedenke  man  dasz  die  der  incriminierten  stelle  folgen- 
den citate,  welche  Cic.  geiszelt,  insgesamt  dichtem  entlehnt  sind, 
schlieszlich  wie  gern  Cic.  nach  Piatons  Vorgang  gerade  die  dichter 
für  die  unter  dem  volke  verbreiteten  falschen  Vorstellungen  über 
religion  und  sitte  verantwortlich  macht  (§  36.  65.  92.  II  27.  HI  3. 
IV  70.  de  nat.  d.  I  42.  II  63.  77.  III  62.  77.  91),  und  es  scheint 
mir  unzweifelhaft,  dasz  Cic.  an  unserer  stelle,  wo  er  von  den  aus- 
sprüchen  der  philosophen  zu  denen  der  dichter  übergeht,  statt  des 
generellen  ausdrucks  omnia  (vgl.  de  div.  I  50.  II  137)  sich  eines 
speciellen  bedient  hat  und  demgemäsz  zu  lesen  sein  wird :  sed  plena 
trrorum  stmt  carmina.  vgl.  deleg.  II 41.  ganz  ähnlich  knüpft  an 
die  irrigen  Vorstellungen  der  einzelnen  dichter  die  irrtümer  ganzer 
Völkerschaften  des  ausländes  Cic.  auch  de  nat.  d.  I  43. 

Unter  den  beispielen,  welche  die  ertragung  des  höchsten  Schmer- 
zes bekunden,  befindet  sich  im  anschlusz  an  den  feuertod  der  Brah- 
manen  die  indische  witwenverbrennung  Tusc.  V  §  78  mulieres  vero 
in  India,  cum  est  communis  earum  vir  mortuus,  in  certamen  iudi- 
ciumque  veniunt,  quam  plurimum  iMe  dilexerü  — pHures  enim  singulis 
solent  esse  nuptae  ~;  quae  est  victrix^  ea  laeta  prosequentibus  suis 
una  cum  viro  in  rogum  inponitur,  iüa  viäa  maesta  discedit.  statt 


422  WFriedrich :  za  Ciceros  philoBophischen  Schriften. 

des  hsl.  cuius  hat  wohl  mit  recht  fast  allgemeine  aufnähme  das  com- 
munis von  Geel  gefunden,  dagegen  sind  der  Verbesserungsvorschläge 
mancherlei  im  schluszsatze  gemacht  worden,  die  alle  auf  denselben 
sinn  hinauslaufen.  CFWMüUer  führt  statt  des  hsl.  tUa  folgende  an: 
turha^  turheUay  turha  iUa\  illae^  rdiquaey  rdidae  —  discediMü.  vgl. 
Jahrb.  1864  s.  472.  Sorof  setzt  i>iäa  nuda  non  maesta  discedU  in 
den  text.  ich  enthalte  mich  jeder  beurteilung  dieser  Vermutungen, 
da  nach  meiner  ansieht  der  hauptsitz  der  Verderbnis  nicht  sowohl  in 
iUa  als  in  victa  liegt,  welches  als  rhetorischer  gegensatz  zu  vidrix 
aus  einem  naheliegenden  werte  verlesen  ist.  und  was  soll  auch 
im  schluszsatz  eine  betonung  der  trauer  der  unterlegenen 
frauen  bekunden?  nicht  um  diese,  sondern  um  die  freudige  er- 
tragung des  höchsten  körperlichen  Schmerzes  handelt 
es  sich  hier,  kurz,  dieser  matte  rttckschlag,  welcher  in  vida 
maesta  liegt,  befriedigt  nicht:  ich  erwarte  einen  fortschritt  nnd 
abschlusz  des  gedankens ,  eine  lösung  der  Spannung ,  in  welche  den 
leser  die  werte  in  rogutn  inponitt4r  versetzt  haben,  man  vergleiche 
nur  die  der  unsrigen  verwandte  stelle  aus  Propertius  IV  13,  15—22 
am  schlusz:  ardent  victrices  et  flammae  pectora  praebent  inpanuntque 
suis  ora  perusta  viris,  einen  ähnlichen  abschlusz  des  gedankens,  nnr 
ohne  die  dichterische  färbung,  gewinnen  wir  für  unsere  stelle,  wenn 
wir  schreiben:  nulla  a  vita  maesta  discedit,  die  entstehung  des 
fehlers  ist  von  mir  schon  oben  angedeutet  und  nicht  schwer  za  er- 
klären,  zu  a  vUa  discedere  vgl.  Hildebrand  im  Dortmunder  Pro- 
gramm 1859  s.  6. 

de  natura  deorum  I  4  nam  et  fruges  et  rdiqua  quae  terra 
pariaty  et  tempestates  ac  temporum  varietates  caelique  mutationes^  qutbua 
omnia  quae  terra  gignat  maturata  puhescant,  a  dis  inmortatihus  trOmi 
generi  humano  putant  nehme  ich  anstosz  an  dem  ausdruck  maiuraia 
puhescant,  da  weder  von  einem  maturata  (u)paia)  gignere  noch  von 
maturata  puhescere  die  rede  sein  kann,  vielmehr  bei  dem  natur- 
proccsso  des  Werdens  das pubescere  (11 41.  Cato  m.  51)  dem  matu- 
ratum  {Cato  m,  53.  71)  naturgemäsz  vorangehen  musz.  vgl.  auch 
II  50  pubcscani  maturitatemque  assequantur  quae  oriuniur  e  terra, 
die  Worte  unseres  textes  halte  ich  daher  als  aus  matureniur  atque 
pubcscant  oder,  was  noch  näher  zu  liegen  scheint,  aus  maturescani 
atque  puhescant  verderbt,  dh.  die  Witterungswechsel  üben  ihren 
einflusz  nicht  nur  auf  das  reifen  der  frucht,  sondern  auch  schon  auf 
ihr  keimen  aus. 

Zu  einer  wiederaufnähme  seiner  philosophischen  Studien  nnd 
schriftstellerischen  thätigkeit  veranlaszte  Cicero,  wie  er  öfters  er- 
wähnt, die  beseitigung  seiner  person  von  der  politischen  bühne  seiner 
zeit  sowie  der  im  mäi*z  des  j.  709  erfolgt  tod  seiner  Tullia.  ul 
diesen  schicksalsschlag  gemahnt  er  auch  de  nat.  deorum  I  §  9«  die 
stelle  daselbst  lautet:  hortaia  etiam  estj  ut  me  ad  haec  amferrem^ 
animi  aegritudo,  fortunae  magna  et  gravi  commota  tttttirta,  cuius  H 
maiorem  aliquam  levationem  reperire  potuissem ,  non  ad  hanc  potisBi' 


WFriedrich:  zu  Cicero»  (>hiU^o|^hibi')kru  »otritteu. 


42a 


flNMN  ctmfuffisscfH.  ea  i^ro  ipsa  nulla  rutU^he  im/iu^  /im«  ^n^a«  liMum 
si  me  tum  modo  ad  hgendos  Ubros,  st*d  tlium  ad  Mum  ^iU^soykMUk 
pertractandam  dedisscpn,  wir  hegegnt'U  hi^r  in  «woi  hviäpiulua  ituiu 
dritten  bypotbetiscben  falle,  dati  tT&U)  ibt  eiutur.h  uiui  klurj  uurh  iliti 
beziebung  von  fnaior  levatio  luicbt  veibtäuilliub  uU  uut'  |itilitiMibu 
tbatigkeit  gehend  (vgl.  dv  div.  11  7).  nicht  mt  iIhu  zwuitti  liüi&iiiul 
des  irrealen  falles:  denn  diuuo  fübdung  duu  but^uu  nrgihl  dun  vui  ■ 
bcbwiegenen  gegenHatz  sed  me  non  ad  totam  ithdadophUuH  iurlimlan- 
dam  dedi,  dem  aber  wider&pricbt  diu  untiurer  btullu  vuruiigchundu 
sowie  nachfolgende  erörterung,  deugleicbtin  diu  liüliiiiuiig  guruilu 
dieser  nrnfas^enden  beHcbttftigung  von  »einer  beiLe  auch  uu  uiiiluiii 
orten  wie  de  div.  11  1 — 7.  de  off.  I  .'J.  Tuac.  1  I  u.  ft.  Jl  1.  wii-  ge- 
winnen den  conformen  gedauken,  wenn  wir  den  sat/  iw  «jiiiur  fragu 
umgestalten  und  bcbreiben:  m  vero  ipaa  num  ullu  rntiunt'  nuUua 
firui  potui  quam  iti  .  .  dedissetnY  eine  Sbnlicbe  coiibtriicliou  tiudcL 
eich  de  div.  II  21. 

ebd.  I  93  ist  in  der  stelle  std  sU/macluihatur  st-Ht'j:^  öi  ijuid  lupt- 
rnu  dixeram,  cum  EjÄcurus  Ari^äoltkm  ve-jiarU  r/jfUmudiijöiaäi$Hc 
•  .  Xausipftanem ,  magistrum  suum,  a  qu^  non  nihil  di/kctrut ,  tarn 
mak  accepcrü  btatt  des  in  den  ttbrigen  bbb.  btebeudeu  niJiü  uub 
dem  cod.  Rebdigeranus  non  niiiü  auiigeuouimeu  worden  lüil  rück- 
sicbtUftbme  auf  %  1*6  in  Kautnpkane  iJemotrütc  icneiur,  fjucm  cum  a 
86  non  neget  audUum ,  vexai  tarnen  omniOun  c</iUu^neUüi.  aub  dersel- 
ben stelle  mubz  auch  tarnen  Klau  deb  bier  für  eine  eiupbabe  gegeu- 
standbiüöen  tarn  wiederbergebtellt  werden. 

I>ie  Torsebung  durcb dringt  und  durchwirkt  die  verocbiodeueu 
teile  der  well,  daher  hat  man  bowohl  die  er^euguibbe  dw  ualur  aU 
ftuch  gewisse  sittliche  iactürec  in  dem  luenbchenleben  auf  die  gou- 
beit  zurück gellihn  und  die  e roteren  ale  gaUeL  dejoeibeu  aucL  mit 
dem  namen  einer  gottet  benauut.  die  ieizteiwi;  tmiOöi  peioociiLuAii. 
dieser  gedanK€  ocuijesz:  itiCL  hl  äeii  auochiiitr  i^u.  we^ciiei  mjl  der 
fironnen  ofrr  gtiuriit  gehunueii  natu.-,  üac  worie  »eiuot  ii*aU:ij  d4; 
na:,  ci.  H  ^  ^^-'  rttuüu*.  uuient  alt4M  f*atu^ae  äcoruta  tJ.  vHagmt  Oi./*t- 
ficii-:  iorwx  uofi  btff.  iuubv  e:  u  Oraec-iUt  baptentibnim^  ei  a  tfMU/ri- 
Uui  nosiTLi^  cofisiuuiu<  fumtmaiueqw.  btMii.  quidqa^d  cnan  tikuytMm 
utiivaien^  gtiter  ajüierre-  hamuft/j .  tti  noti  Ht^^.  ä^VitM  OonttaU  uya 
Mmktuti  ft*rr    arourauamur.  jmg^.  iiim  iUidd^  quod  erui  u  iU'j  t*aiutn. 

uppeijatHUi  .  . 

j#k  appeiiuiur, 

axuiloe/  er- 

«laaei  jua'., 
tt^rttt^  per 

fi  aeii  siii- 
WfcUögeaon- 

VeubU  um 
ipidich  die 


numtfi^.  tpüixi-:  ae  nur 
rii».  eiftf'tTi'  f  *-■'  tp'>ttn  •■ 
ut  t'v  tvbv  ftOTHifteiur  dm^ 
re^:  i-if.-  zunicub:  eoruh 
der  eiuii^i'.^  äie  VitdlMsittf 
Wii    ürt'oeii 

lieber,  yc^ 
der  iiftt,  f 
die 


\ 


r 


'\J 


424  WFriedrich :  zu  Ciceros  philosophischen  Schriften. 

waltenden  kräffce  der  natur  (§  63)  personificiert.  diese  einzelnen 
göttergebilde  kann  also  der  glaube  nicht  um  eben  der  woblthaten 
willen,  die  den  menschen  angeblich  durch  jene  göttergebilde  {ex 
magnis  beneficiis  eorum)  zu  teil  werden,  aufgestellt  haben,  sondern 
aus  den  wohlthaten,  die  aus  den  göttlichen  gaben  entspringen,  hat 
er  einen  schlusz  auf  den  geber  gemacht,  das  antecedens  war  der 
nutzen ,  der  dem  menschen  aus  der  göttlichen  gäbe  erwuchs  (§  62 
utüitatum  igUur  magnitudine  constUuti  sunt  ii  di  usw.),  das  con- 
sequens  der  schlusz  auf  einen  geber ,  und  so  sind  jene  göttergebilde 
entstanden,  mit  hinweis  also  auf  §  80  postremo  cum  saiis  docueri- 
mus  Jios  esse  deos^  guorum  .  .  et  earutn  rerum  rifn,  quae  inesseni 
in  omni  mrmdo  cum  magno  usu  et  commodüate  generis  humani:  effir 
citur  omnia  regi  divina  mente  atque  prudentia  werden  wir  auch  an 
unserer  stelle  ex  magnis  beneficiis  rerum  non  sine  causa  lesen 
müssen,  man  vgl.  auch  I  36  rebus  inanimis^  38  ipsasgue  res  uiiles 
et  salutares . .  aui  res  sordidas  atque  deformes  dearum  honore  adfioere. 
für  diese  meine  Vermutung  spricht  auszerdem  der  umstand,  dasz  am 
schlusz  unserer  stelle  dem  res  ein  ipsa  beigefügt  ist:  denn  hier  wird 
die  Sache  selbst  zur  gottheit  erhoben,  doH  aus  dem  nutzen 
der  Sache  auf  einen  göttlichen  geber  geschlossen ;  somit  entsteht 
denn  ex  magnis  beneficiis  rerum  die  anzahl  manigficuiher  götter- 
gebilde. —  Femer  dem  einheitlichen  gottesgedanken  (§71  deue) 
Htebt  die  Vielheit  des  göttlichen  wirkens  in  seinen  erscheinnngen  als 
individuelle  einzelne  kräfte  (§71  Ceres  ^  Neptunus^  und  daher  ist 
mit  OThEeil  im  folgenden  hoc  eos  zu  lesen)  sprachlich  gegenüber. 
es  musz  daher  in  dem  satze  unserer  stelle  itaque  tum  iüfud  .  .  fitm- 
cupahantj  wie  man  bei  a  deo  an  den  einheitlichen  gottesbegriff  denkt, 
bei  dei  an  die  Vielheit  von  göttergebilden,  die  die  dankbarkeit  der 
menschen  schuf,  gedacht  werden,  also,  wie  aus  dem  folgenden  er- 
hellt, an  eine  Ceres  oder  einen  Liber.  diesen  gedanken  gewinnen 
wir  nur,  wenn  wir  nicht  nomine  ipsius  dei,  sondern  nomine  ipso 
Uli  US  dei  lesen,  ganz  ebenso  gebraucht  finden  wir  üla  in  dediv» 
II  54  medid  quamquam  inteüegunt  saepe^  tamen  numquam  aegris 
diatfU  illo  morbo  eos  esse  morituros. 

ebd.  n  c.  38  u.  39  sucht  Baibus  die  ezistcnz  einer  göttlichen  weit- 
regierenden  Vorsehung  aus  der  Schönheit  der  Schöpfung  zu  beweisen 
und  entrollt  gleichsam  vor  den  äugen  seiner  zuhörer  ein  bild  der- 
selben, zunächst  der  erde  als  festlandes,  deren  Schönheit  und  zweck- 
müszigkeit  er  durch  aufzählung  einer  groszen  anzahl  einzelheiten  aas 
ilor  pÜanzcn-  und  tierweit  preist,  sodann  aus  den  werken  der  men- 
schen, die  gleichsam  als  pfleger  der  göttlichen  Schöpfung  bestellt 
sind,  daran  schlieszen  sich  in  §  99,  ehe  Baibus  zur  betrachtung  des 
mecres  übergeht,  die  werte  quae  5i,  ut  animis,  sie  oculis  videreposse- 
mus,  nemo  cunctam  intuens  terram  de  divina  ratione  dubitaret,  ein 
irrealer  bedingungssatz ,  der  die  möglichkeit  des  quae  videre  aus- 
schlicszt.  nun  aber  ist  es  doch  keinem  menschen,  er  müste  denn 
blind  sein,  benommen  diese  vorher  aufgezählten  einzelheiten,  wie 


WFriedrich:  zu  Ciceros  pLüosophischen  Schriften.  425 

Städte,  Villen,  gärten ;  tiere,  berge,  tbäler,  wälder,  flüsse  usw.  auch 
nf  irklich  in  augenschein  zu  nehmen,  demnach  haben  entweder  die 
Worte  cundam  intuens  terram  Stellung  und  numerus  vertauscht,  oder 
68  musz  in  der  hypothesis  ein  fehler  enthalten  sein,  ich  fasse  den 
satz  als  folgerung  aus  dem  vorhergehenden  und  schreibe  quare  si^ 
ut  animis  usw.  zu  den  werten ,  auf  welchen  in  unserm  satze  der 
hauptnach druck  liegt  und  die  die  Unmöglichkeit  des  octdis  videre 
erklären,  nemlich  cundam  intuens  terram  dh.  ungefähr  aus  der 
vogelperspective,  vgl.  §  161,  femer  Tt^c.  144—47.  de  re  p.  III 14. 
VI  15.  de  leg.  I  60  f. 

ebd.  II  163  wird  die  existenz  der  göttlichen  Offenbarung  als 
beweis  der  göttlichen  ftlrsorge  für  den  menschen  geltend  gemacht, 
die  daselbst  von  mir  beanstandeten  worte  lauten:  haec  igüur  sive 
vis  sive  ars  sive  natura  ad  scientiam  rerum  futurarum  homini  profecto 
est  nee  alii  cuiquam  a  dis  inmartalihus  data,  zu  welchen  Schömann 
die  erklärung  gibt :  'eine  von  den  göttem  verliehene  kraft  oder  eine 
durch  beobachtungen  erworbene  kunst  oder  eine  naturgabe.'  allein 
die  dreigliederung  ist  nach  Ciceros  schrift  de  divinatione  eine  unrich- 
tige: nach  dieser  ist  die  divinatio  eine  vis  (I  6.  12.  79.  80.  93.  118. 
125.  II  29),  die  entweder  arte  oder  natura  (I  11.  25.  34.  70.  72. 
109.  110.  127.  128.  II  26)  in  die  erscheinung  tritt,  es  ist  somit 
das  erste  sive  vor  vis  zu  streichen. 

de  divinatione  I  §  6  lesen  wir:  quod iUi  in  aliquare invitissi- 
mis  staicis  stoico  facere  licuU^  id  nos  ut  in  reliquis  rebus  faciamus  a 
stoicis  non  concedetur?  praesertim  cum  id^  de  quo  Panaetio  non 
Uquet,  reliquis  eiusdem  disciplinae  solis  luce  videatu/r  darius,  im 
letzten  satze  nahm  Ernesti  anstosz  an  solis  luce  als  einer  nicht  nach- 
weisbaren Verbindung  und  vermutete  dasz  solis  aus  sociis  entstanden 
sei.  Hottinger  sucht  imsere  stelle ,  die  sich  auf  die  autorität  sämt- 
licher hss.  stützt,  auch  noch  durch  den  wenig  beweisenden  hinweis 
auf  de  fin.  171  sole  ipso  iUustriora  et  dariora  zu  schützen,  indessen 
so  wenig  mir  das  Sprachgefühl  an  der  Verbindung  von  solis  luce  auch 
aussetzen  zu  können  scheint,  halte  ich  doch  solis  nicht  für  einen  von 
luce  abhängigen  genitiv,  sondern  vielmehr  für  den  dativ  von  sölus  zu 
reliquis  gehöng,  worauf  die  vorausgehende  erörterung  Ciceros  hin- 
weist, der  glaube  an  eine  göttliche  Offenbarung  beruht  eben  auf 
dem  Volksglauben ,  nicht  auf  einer  wissenschaftlichen  begründung. 
eine  solche  haben  zwar  seit  alter  zeit  die  philosophen  versucht,  aber 
gänzlich  verwarf  sie  schon  unter  diesen,  abgesehen  von  den  Epiku- 
reern, der  theist  Xenophanes,  von  dea  spätem  erkannte  der  peripate- 
tiker  Dikaiarchos  nur  die  sog.  natürliche  divination  an,  und  ihm  folgte 
Kratippos.  allein  die  stoiker  verteidigten  mit  Scharfsinn  (vgl.  11 150) 
fast  alle  die  verschiedenen  arten  der  divination  (72),  und  doch  wagte 
auch  von  diesen  trotz  des  gegengeschreis  in  der  eignen  schule  Panai- 
tios  wenn  auch  nicht  die  divination  zu  leugnen,  so  doch  wenigstens 
ihre  existenz  in  zweifei  zu  ziehen,  die  übrigen  stoiker  waren  es 
also  allein ,  die  in  diesem  wichtigen  punkte  der  manigfachsten  diffe- 

JahrbQcher  für  class.  philo!.  1883  hfl.  5  a.  6.  28 


426  WFriedrich:  zu  Ciceros  philosophiBcben  Schriften. 

renzen  (§  5  sed  non  uno  modo)  hell  sahen ,  und  gegen  welche  Kar- 
neades  die  schneidige  waffe  seiner  dialektik  führte,  zu  soltis  vgl.  1 105. 
II  150.  de  nat.  d.  I  43.  II  154.  158. 

ebd.  I  §  20  f.  in  dem  aus  Ciceros  eignem  gedieh te  de  consukUu 
von  seinem  bruder  Quintus  angeführten  bruchstücke  wird  drohendes 
verderben  dem  Staate  verkündet,  wenn  nicht  das  Standbild  des  Jup- 
piter,  welches  vom  blitz  herabgeschmettert  worden  war,  von  neuem 
auf  dem  Capitolium  und  jetzt  zwar  mit  nach  osten  gewendetem  antlit& 
errichtet  würde,  die  neueren  ausgaben  geben  übereinstimmend  fol- 
genden text: 

ni  prius  excelsum  ad  cdumen  formata  decore  (v.  55) 
sanäa  lopis  species  claros  speäaret  in  ortus. 
tum  fore  ut  occuU^s  popiUus  sandusque  senatus 
cernere  conatus  posset^  »i  solis  ad  ortum 
conversa ,  inde  patrum  sedes  populique  videret. 
anstosz  erregen  die  werte  exceisum  ad  cdumen.  Moser  sacht  die- 
selben folgendermaszen  zu  erklären:  *  excelsum  ad  cdumen  formata* 
sagt  er  ^intellege,  ut  supra  c.  11  magnum  ad  cdumen  ^  dictum  pro 
instar  magnae  columnae.^  allein  ich  vermisse  in  der  Weissagung 
unserer  stelle  eine  bestimmung,  auf  welche  in  einem  folgenden 
verse  als  auf  eine  wesentliche  rücksicht  genommen  wird  und  auf  die 
auch  Cicero  in  (Jatih  III  c.  8  bezug  nimt.  femer  da  in  v.  59  für  inde 
die  locale  beziehung  fehlt  —  denn  dasselbe  kann  doch  wohl  nicht  gut 
als  pleonastischer  zusatz  auf  ad  ortum  conversa  weisen  —  so  glaube 
ich  eine  solche  in  unserm  verse  suchen  zu  müssen,  nun  lesen  wir 
V.  61 :  consule  te  tandem  celsa  est  in  sede  locata^  femer  in  Caiü,  DI 
20:  idemque  iusserunt  simulacrum  lovis  faccre  malus  et  in  exodso 
cofdocare  et  contra  atque  antea  fuerat  ad  orientem  convertere.  dem- 
nach wird  in  der  anstöszigen  stelle  ni  prius  ex  celso  zxl  lesen  sein, 
welches  dem  in  eoccelso  cohlocare  der  genannten  rede  sowie  das  facere 
malus  in  dieser  dann  dem  ad  columen  formata  unseres  gedichtes  ent- 
sprechen würde,  über  die  Verwechslung  von  um  und  o  in  den  hss. 
vgl.  Jahrb.  1864  s.  136.  —  Auch  4  Zeilen  später  halte  ich  in  dem 
verse  luppiier  excdsa  darahat  scaeptra  cdumna  den  abl.  excelsa 
columna  für  schwerfällig  und  nicht  recht  verständlich,  die  ans- 
drucksweise  gewinnt  an  klarheit  und  anschaulichkeit,  wenn  wir  das 
erste  wort  in  ex  und  celsa  getrennt  ex  celsa  cdumna  schreiben. 

Zur  zeit  der  schlacht  am  Trasumennischen  see  fanden  an  vielen 
orten  Italiens  erdbeben  statt:  Livius  XXII  5,  8  mdum  terrae^  qui 
multarum  urhlum  Italiae  magnas  partes  prostravlt  usw.  mit  be- 
zugnahme  hierauf  lesen  wir  in  unserer  schrift  I  78 :  magnum  iOmd 
etiamy  quod  addldü  Cadius,  eo  tempore  ipso^  cum  hoc  aüamitosum 
procUum  ficrd,  tantos  terrae  mdus  In  Liguribus^  GaUla  compiuribusque 
InsuUs  iotaque  in  Italla  fados  esse^  ut  usw.  auffallend  erscheint  hier 
der  abl.  Gaüla^  zudem  nach  nennung  des  namens  der  Ligurer.  ich 
vermute  dasz  hier  der  gen.  chorographicus  einzusetzen  und  in  Ligu^ 
ribus  Oalliae  zu  schreiben  ist.    so  hat  jedes  der  drei  substantiva 


WFriedrich:  zu  Ciceros  philosophischen  schriften.  427 

lAguribuSy  insulis^  Italia  seine  attributive  bestimmung.  auch  com- 
pturibtisque  in  insulis  scheint  mir  aus  der  Überlieferung  leicht  her- 
stellbar. 

ebd.  I  107  führt  Quintus  eine  stelle  aus  Ennius  an,  in  welcher 
die  erwartung  der  menge,  wem  von  dem  brüderpaare,  dem  Bomulus 
oder  dem  Bemus,  die  götter  das  günstige  Vorzeichen  schicken  würden, 
mit  der  gespannten  aufmerksamkeit  der  Zuschauer  im  circus  ver- 
glichen wird,  deren  aller  blicke  auf  die  ausfahrt  der  wagen  gerichtet 
sind,    die  stelle  lautet: 

exspedant  vehäi^  constU  cum  mUtere  Signum  (v.  8) 
volt,  omnes  avidi  speäant  ad  carceris  oras^ 
quam  mox  emittat  piäis  e  faucibus  cum^s: 
sie  exspectahcft  papulus  usw. 
einstimmig  geben  die  hss.  aras^  nur  V  oris,  indessen  was  soll  ad 
carceris  oras  bedeuten?  mit  ara  verbindet  sich  der  begriff  der  aus - 
dehnung  im  räume  als  die  äuszerste  grenzlinie  eines 
ganzen  nach  6iner  sowohl  als  nach  allen  vier  himmelsrichtungen 
hin :  Td  ^cx^Ta.  vgl.  Döderlein  lat.  syn.  in  214.  Lachmann  zu  Lucr. 
8.  223.  daher  nennt  Cic.  so  die  weltenden  de  nat.  d.  I  54.  II  101. 
de  fin.  n  102,  die  zone  Tusc.  I  68 ;  land  striche  bezeichnet  es  de  div. 
II  45.  164,  den  küstenrand  de  nat  d.  U  100.  aber  immer  umfaszt 
das  wort  einen  gegenständ  in  seiner  vollen  Ittngenausdehnung,  soweit 
das  äuge  reicht,  sei  er  klein  oder  grosz.  Lucr.  IV  13  wird  mit  orae 
der  rand  des  bechers  bezeichnet,  Verg.  Äen.  X  243  der  schildrand; 
IX  528  nach  Ennius  Vorgang  {ann,  178)  die  enden  des  Schlacht- 
feldes, georg,  IV  39  sind  orae  die  rttnder  der  Zuglöcher  in  den 
bienenstöcken,  bei  Celsus  V  26.  23  die  rttnder  der  wunde,  und  wenn 
Festus  erklärt:  oram  pro  initio  rei  posuit  Caecüius^  cum  ait  *oram 
reperire  nuUam  quam  expediam  queo^,  so  verknüpft  sich  damit  eben- 
falls die  Vorstellung  nicht  von  einem  an fangsp unkte  als  solchem, 
sondern  von  dem  anfang  oder  ende  eines  gegenständes  in  seiner 
ausdehnung :  ora  ist  eben  nicht  das  ende  oder  anfang  einer  1  i  n  i  e , 
8ondei*n  einer  fläche,  halten  wir  diese  bedeutung  fest,  so  gewinnen 
wir  von  dem  bilde ,  in  welchem  der  dichter  sich  hier  bewegen  will, 
bei  unserer  lesung  keine  rechte  Vorstellung,  gemeint  sind  die  aus- 
gttnge  für  die  wagen ,  nach  welchen  die  Zuschauer  mit  gespannter 
aufmerksamkeit  hinblicken:  vgl.  Verg.  Aen,  V  145  effusi  carcere 
currus.  Lucr.  IV  990  carceribus  patefaäis.  Hör.  sat.  1 1, 114  carceri' 
hus  missos  currus»  dieselben  befinden  sich  aber  auf  der  einen  Schmal- 
seite des  circus,  welche  für  den  blick  eine  beschränkte  ist.  auch 
nicht  auf  die  ränder  der  einzelnen  ausfahrtsthore  würden  die  Zu- 
schauer blicken,  sondern  ihr  äuge  würde  naturgemäsz  in  das  innere 
zu  dringen  suchen,  nun  ist  im  folgenden  verse  das  bild  mit  e  fauci- 
h%tö  weitergeführt,  in  diesem  bilde  verbleiben  wir  (vgl.  Cic.  jp.  Ar- 
chia  §  21  belU  ore  ac  faucibus),  wenn  wir  das  s  streichen  und  lesen 
ad  carceris  ora,  womit  eben  treffend  die  einzelnen  ausfahrtspunkte 
für  die  wagen  bezeichnet  werden,  vgl.  Verg.  Aen.  II 482  et  ingentem 

28» 


428  WFriedrich:  zu  Ciceros  philoBophiechen  schriiten« 

lato  dedU  ore  fenestram,  Seneca  Herc.  für.  664  hk  ora  solvü  DUis  in- 
visi  domus.  zu  dem  zusatze  von  s  vgl.  jahrb.  1864  ».  136.  —  v.  10 
,  ist  das  epitheton  pidus  wunderbarer  weise  auf  faucihus  bezogen,  ein 
anschauliebes  bild  gibt  zwar  der  ausdruck  desselben  dicbters  in  un- 
serer scbrift  II  56  favent  faucihus  ru8sis\  allein  an  unserer  stelle 
würde  der  Situation  nur  ein  ausdruck  entsprechen ,  in  dem  die  be- 
deutung  des  dunkeln  läge,  ich  vermute  dasz  dem  Homerischen 
äp^aTa  TTOiKiXa  (t  492)  entsprechend  pictos  e  faucihus  cwrrus  zu 
lesen  sein  wird. 

ebd.  I  112  lautet  nach  A^B^H  der  tezt  bei  Christ:  ah  Anaxi- 
niandro  physico  monüi  Lacedaemonü  stmt^  ut  urhem  et  teäa  linque- 
rent  armatiqu^  in  agro  excüharentj  quod  terrae  nwtus  instarety  tum^ 
cum  et  urhs  tota  corruit  et  monte  Taygeto  extrema  mofUis  quasi  puppis 
avolsa  est.  Baiter-Kayser  sowie  CF WMüUer  schreiben  nach  V  e  mofUe. 
gegenständ  manigfacher  differenzen  sind  dann  im  folgenden  die  worte 
extrema  montis  quasi  puppis  gewesen,  über  welche  die  Mosersche 
ausgäbe  rechenschaft  gibt,  allein  wenn  zur  Verteidigung  des  teztes 
Wopkens  das  quasi  puppis  mit  recentes  quasi  tumares  animi  ans 
Tusc.  IV  63  vergleicht,  so  ist  die  heranziehung  dieser  stelle  eine  un- 
passende, ebenso  gut  hätte  er  de  nat.  d.  1  49  nee  tarnen  ea  ^pecies 
(sc.  deorum)  corpus  est  sed  quasi  corpus  ^  nee  höhet  sanguinem  sed 
quasi  sanguinem  anführen  können,  diese  ausdrucksweise  kennt  der 
Sprachgebrauch  nur  da,  wo  ihm  der  dem  begriffe  congruente  ausdruck 
fehlt,  kurz,  hier  vermiszt  man  das  dem  puppis  verglichene  wort,  und 
so  setzte  denn  Schütz  mit  richtigem  gefUhle  pars  ein ,  obgleich  ich 
der  Umgestaltung  der  stelle  in  ex  Taygeto  extrema  pars  montis  nicht 
beipflichten  kann,  da  die  isolierte  Stellung  von  quasi  puppis  zwischen 
subject  und  prädicat  in  seiner  beziehung  an  klarheit  nicht  gewinnt. 
ich  rechne  die  stelle  zu  denjenigen ,  bei  denen  auf  eine  annähernd 
sichere  emendation  verzichtet  werden  musz,  weil  die  überlieferte 
lesart  den  ursprünglichen  text  verdrängt  hat:  denn  wie  schon  Davies 
bemerkt  hat ,  ist  extrema  (pars)  montis  ein  glossem ,  nicht  aber  zu 
pup2)is^  wie  er  annimt,  sondern  nach  meiner  meinung  zu  dem  eigent- 
lichen, jetzt  im  texte  fehlenden  subjecte  des  satzes,  welches  mit 
einem  scbiffshinterteile  verglichen  wird,  nun  hat  ohne  zweifei  un- 
sere stelle  Plinius  vorgeschwebt:  denn  n.  h.  II  §  191  lesen  wir: 
instare  cnim  motum  terrae ,  et  tum  urhs  tota  eorum  corruit  et  Taygeti 
mofitis  magna  pars  ad  formam  puppis  eminens  ährupta.  demnach 
werden  wir,  wenn  wir  die  grosze  ähnlichkeit  beider  stellen  verglei- 
chen, vermuten  dürfen  dasz  auch  an  unserer  stelle  etwas  ähnliches 
gestanden  haben  mag,  wie  et  e  monte  Taygeto  magna  pars  emi- 
nens quasi  puppis  avolsa  est. 

ebd.  I  34.  im  anschlusz  an  die  orakeUprüche  des  Bakis,  Epi- 
menides  und  der  Sibylla  erwähnt  Quintus  die  sortes,  die  in  zwei 
classen  sich  scheiden :  cuius  generis  oracula  etiam  hahenda  snnt^  non 
ea  quae  acquatis  sortihus  ducuntur,  sed  iUa  quae  instinäu  divino  ad- 
flatuque  funduntur:  etsi  ipsa  sors  coniemnenda  non  est^  silet^  vgL 


WFriedrich :  za  Ciceros  philo8ophi^cheIl  •chriftexu  429 

Jahrb.  1864  s.  618]  audcrttattm  habet  vetusiatis^  ut  tat  samt  Mrtts, 
quas  e  terra  editas  accepimus:  quae  tarnen  duetae  \a  m  rem  apie 
cadant  fieri  credo  passe  divinitus.  vgl.  II  70.  sorles  dwxre  ist  ter- 
minus  technicns  fdr  die  prophetie  durchs  loos.  ich  Termifise  deshalb 
bei  quae  tarnen  duetae  eine  bestimmung  welche  dem  Toransgehenden 
aeqiuxtis  sortWus  parallel  steht  nnd  angibt,  warom  Qnintos  gende  bei 
anwendnng  dieser  praenestinischen  loose  eine  göttliche  einmirkung 
anzunehmen  sich  für  berechtigt  hSh.  auch  tarnen  weist  darauf  hin, 
dasz  ein  neues  und  zwar  wesentliches  moment  zur  auctorUas  tetustatiß 
hinzutritt,  welches  das  divinitus  fieri  begründet,  dasselbe  kann 
Quintus,  da  es  ausschlaggebend  f&r  seine  beweisf&hrung  ist,  un- 
möglich als  etwas  selbstverständliches  und  im  gedanken  zu  lop- 
plierendes  fibergangen  haben,  ich  halte  daffir  daez  nach  11  d6  qua^ 
tarnen  ^Fortunae  monituy  duetae  zu  schreiben  ist.  —  §  1.31  iMmo- 
crUus  autem  censet  sapienter  instiiuisse  veteres  ut  Mostiamm  immo- 
latarum  inspicerentur  exta^  quorum  ex  habitu  at^pte  ex  efAf^re  ium 
saZübritcUiSj  tum  pestüentiae  signa  percipi.  non  numquam  etittm.  quae 
Sit  vel  8terüit<is  agrorum  vel  fertüitas  futura.  der  er^te  relatiT§atz 
enthält  die  begrfindung  ftlr  das  Toraufgehende  sapienter  instituis^e, 
kann  also  eines  conjunctivi?  nicht  gut  entbehren.  wahrM^beinlicb  fiel 
hinter  percipi  ein possit  aus,  vgl.  §  116.  —  §  72  lautet  die  Über- 
lieferung :  quae  vero  aut  coniedura  explieantur  aut  eventi$  ankmadcersa 
ac  notata  sunt^  ea  genera  divinandiy  ut  supra  dixi,  non  naturalia,  $ed 
artificiosa  dictmtur.  ich  vermisse  ein  einziges  wort,  welches  den 
text  dem  bisher  gesagten  analog  gestaltet :  denn  hier  i?!t  nur  von  der 
künstlichen  divination  die  rede,  während  unter  die  zweite  cl»^»e 
nach  der  überlieferten  lesart  die  genera  der  divinatio  naturalis  doch 
auch  fallen  könnten,  auch  von  ihnen  kann  man  sagen:  eventis  ani' 
madversa  ac  notata  sunt,  nach  §  34  nun  beruht  die  künstliche  divi- 
nation entweder  auf  coniectura  oder  auf  observatio,  beide  schöpfen 
aus  üuszeren  anzeichen  (109),  nur  erstreckt  »ich  die  observatio  mnf 
den  erfolg  solcher  anzeichen,  aus  deren  Wiederkehr  sich  für  die  divi* 
nation  ein  usus  (131)  herausgebildet  hat  (25).  nach  welchem  die 
zeich endeuter  ihre  Prophezeiungen  geiittalten.  was  ako  wird  be* 
merkt  und  aufgezeichnet  worden  sein?  doch  nicht  die^^n^a,  ai«f 
welche  der  zweite  teil  unseres  relativsatzes  ebenfalb  hinweiden  würde, 
sondern  signa  und  eventa  (5.  12.  15.  16.  25.  29.  36.  52.  58.  72.  75. 
77.  121.  124.  128),  auf  grund  deren  (109;  wundererftcbeinungen 
(88.  127),  deren  erklSrung  in  das  gebiet  der  natürlichen  dirinaticm 
gehört,  erklärt  werden  {explieantur).  es  ist  somit  nach  eventis  ein 
quae  einzusetzen  und  zu  schreiben:  quae  vero  aut  conifxtura  expli' 
cantur  aut  eventis^  quae  anvmadversa  ac  notata  sunt^  ea  genera  uaw. 
man  vergleiche  auch  im  folgenden  den  satz  quorum  alia  $unt  pomta 
in  monumentis  et  disäplina  .  .  alia  autem  subito  ex  tempore  eoniedura 
expUcantur. 

Wie  in  der  Überlieferung  des  textes  von  de  ditinatione  in  einer 
anzahl  von  stellen  der  ausfall  von  6inem  oder  mehreren  Wörtern  con- 


430  WFriedrich:  zu  Ciceros  philoBOphiachen  schrüten. 

statiert  werden  musz ,  so  krankt  derselbe  auch  an  einer  anzahl  Ton 
Zusätzen.  I  47  werden  die  worte  des  Inders  Calanus  so  wieder- 
gegeben :  0  praedarum  discessum,  inquü^  e  fito,  ct«m,  ui  HercuU  con- 
tigU^  mortaLi  corpore  cremcdo  in  Iticem  animus  excesserü!  der  hin- 
weis  auf  den  bekannten  feuertod  des  Hercules  tU  HercuU  contigü  ist 
höchst  wahrscheinlich  die  vom  rande  in  den  tezt  geratene  bemer- 
kung  eines  lesers :  denn  was  mochte  der  Inder  Calanus,  welchen  Cic. 
Tu8C,  II  52  einen  indoctus  ac  barhartis  nennt,  für  eine  kenntnis  von 
dem  griechischen  heroencultus  haben  oder  was  ihn  bewegen  diesen 
fremden  sagengebilden  eine  solche  bedeutung  beizumessen,  dasz  er 
nicht  vielmehr  aus  seines  eignen  Volkes  glauben  nach  einem  analogen 
beispiel  gesucht  hätte  ?  sollte  aber  hier  ein  dem  Hercules  verwandter 
indischer  halbgott  gemeint  gewesen  sein ,  welchen  die  Überlieferung^ 
deshalb  mit  dem  namen  Hercules  bezeichnet  hatte,  so  zweifle  ich  nicht 
dasz  Cic.  einen  diesen  umstand  betreffenden  zusatz  dem  angeführ- 
ten beispiel  würde  angefügt  haben.  —  In  demselben  §  halte  ich  es 
des  bessern  Verständnisses  halber  für  richtiger,  die  worte  discedo 
parwnper  a  somniiSf  ad  quae  mox  revertar  in  form  einer  parenthese 
zu  geben:  denn  sie  leiten  nicht  zu  der  absch weifung  hinüber,  son- 
dern stehen  mitten  in  derselben.  —  Auch  §  93  glaube  ich  dasz  in 
dem  Satze  JEinisci  autem,  guod  rdigione  inbuli  studiosms  et  crebrius 
hastias  immölahant^  extorum  cogmtiani  se  maxime  dediderunt^  guod- 
queprapter  aäris  crassüudinem  de  cado  apud  eos  muUafiebant  et  quod 
ob  eandem  causam  müUa  inusUata  partim  e  cado ,  alia  ex  terra  orte" 
bcmtur  die  einfachen  worte  guodque  propter  aöris  crassitudinem  de 
cado  apud  eos  muUa  fiebant  et  inusitata  durch  randglossen  in  quod^ 
que  propter  .  .  e  cado  auseinandergezerrt  worden  sind :  denn  einen 
unterschied  zwischen  de  cado  und  e  cado  kann  ich  nicht  finden«  Cic. 
gebraucht  dasselbe  unterschiedlos  1 16.  92.  97.  98.  U  47.  71.  149. 
vgl.  in  Catä.  III 19.  e  cado  halte  ich  für  glosse  zu  de  cadOy  ob  eandem 
causam  für  einen  zu  den  werten  ex  terra  beigeschriebenen  zusatz. 
auch  rdigione  inbuti  scheint  mir  tief  verderbt,  vielleicht  dasz  in  dem 
rd^ume  ein  regione  steckt:  denn  nur  aus  der  jedesmaligen  boden- 
beschaffenheit  will  Cic.  auf  die  bei  den  be wohnern  üblichen 
divinationsarten  einen  schlusz  machen,  wie  der  anfang  unseres  cap. 
ankündigt  und  sein  ganzer  übriger  inhalt  beweist:  ac  mihi  qmdem 
videntur  e  locis  quoque  ipsis  usw.  —  Ein  dem  an  erster  stelle 
bezeichneten  glossem  verwandtes  enthält  in  II  §  9  folgender  satz: 
out  num  nesdo  qui  iUe  divinus,  si  ocuUs  captus  ^,  uJt  Tiresias  fuU^ 
possit  qude  aUba  sint^  quae  nigra  dicere?  aut  si  surdus  sit^  varietates 
vocum  aut  modos  noscere?  ich  halte  die  worte  ut  Tiresias  fuU  ein- 
fach für  reif  zum  streichen:  denn  1)  bedarf  es  an  unserer  stelle, 
welche  allgemein  gehalten  ist,  eines  solchen  beispiels  nicht,  2)  ist 
kein  grund  vorhanden  aus  der  zahl  blinder  seher  gerade  den  Teiresias 
hervorzuheben,  3)  würde  die  concinnität  des  satzbaus  zu  der  folgen- 
den annähme  si  surdus  sit  gleichfalls  ein  beispiel  verlangen. 

Aus  dem  ersten  buche  bringe  ich  noch  folgende  stelle  zur  be* 


WFriedrich:  zu  Ciceros  philosophischen  Bchrifton.  431 

fiprechung:  §  128  atqiie  ut  tfi  seminibus  vis  inest  earum  rerum  quae 
ex  iis  progigmmiur ,  sie  in  caasis  conäUae  sunt  res  futurae ,  quas  esse 
fisbwras  aut  concitata  mens  aut  söluta  somno  eernit  aut  ratio  aut  con- 
iectura  praesentit,  anstöszig  erscheinen  hier  die  worte  ratio  aut  con- 
iectura  praesentit :  denn  die  coniedura  vermag  nicht  yorauszuahnen, 
wohl  aber  ahnt  nach  Qointas  ansieht  die  seele  des  menschen  auf 
g^rund  schluszgerechter  Überlegung  oder  Vermutung  hin  das  künftige 
voraus,  wie  sie  auch  fesselfrei  in  der  begeisterung  oder  im  schlafe 
dasselbe  schaut,  vgl.  TusOk  III  11  mentis,  cui  regnum  totius  animi 
a  natura  tribräa  est.  ich  fasse  daher  coniectura  als  ablativ  (II  12) 
und  schreibe  dem  entsprechend  raiione:  vgl.  I  34.  47.  109.  111. 
127.  n  14.  16. 

Zu  anfang  des  zweiten  buches  reiht  Cic.  in  der  auf  Zählung 
seiner  philosophischen  Schriften  an  die  drei  bücher  de  natura  deorum 
seine  schrift  de  divinatione  wie  de  faJto  an.  die  stelle  daselbst  lautet 
§  3 :  quxbus  rebus  editis  tres  libri  perfecti  sunt  ^de  natura  deorum\ 
in  quibus  omnis  eius  loci  quaestio  continetur,  quae  ut  plene  esset 
cumutateque  perfecta^  'de  divinatione^  ingressi  sumus  his  libris  scribere. 
quibt^f  tU  est  in  animo,  ^de  fato*  si  adiwnxerimtis  ^  erU  abunde  satis 
factum  toti  huic  quaestioni.  auffallend  erscheint  hier  omnis  ^  da  die 
frage  de  natura  deorum  in  der  so  benannten  schrift  als  eine  dunkle 
und  schwierige  (II.  III  93)  ja  gar  nicht  allseitig  und  erschöpfend 
behandelt  wird,  vielmehr  wichtige  stücke  (1 82. 11  7—12. 162—167) 
wie  eben  de  divinaiione^  de  fato  nur  vorübergehend  angeführt  (III  19) 
und  ihre  behandlung  auf  eine  spätere  zeit  verschoben  wird  (III  94). 
im  zusammenhange  hiermit  steht  was  Quintus  in  unserer  schrift 
I  §  9  sagt,  auch  der  fortgang  der  rede  wie  der  schlusz  in  unserem 
Satze  weist  auf  die  Unrichtigkeit  von  omnis  hin.  wahrscheinlich  fiel 
vor  omnis  ein  non  aus. 

Eigentümlich  lautet  dann  das  urteil  Ciceros  über  seine  con- 
solationsschrift  im  folgenden:  nam  quid  ego  *de  consolatione^  dicam? 
quae  mihi  quidem  ipsi  sane  äliquantum  medetur^  ceteris  item  muUum 
illam  profuturam  puto.  wie  äliquantum  zu  verstehen  ist,  zeigt  Tusc. 
1  SS  in  eo  libro,  in  quo  nosmet  ipsos  quantum  potuimus  consolati 
sumus,  freilich  noch  ganz  anders  urteilt  Cic.  in  jenem  briefe,  den  er 
unter  dem  ersten  eindrucke  des  Schmerzes  an  Atticus  schreibt  XII 
14,  3 :  quin  etiam  fed  quod  profecto  ante  me  nemo ,  tU  ipse  me  per 
Utteras  consolarer.  adfirmo  tibi  null  am  consolationem  esse  totem,  ich 
halte  muUum  für  die  randbemerkung  eines  lesers,  welcher  äliquantum 
sich  durch  muUum  erklärte,  und  streiche  es  daher,  denn  diese  be- 
deutung  würde,  lassen  wir  muUum  neben  Uem  stehen,  äliquantum 
gewinnen ,  was  nach  den  angeführten  stellen  nicht  möglich  ist. 

II  10  stehen  die  beiden  sätze  eadem  in  litteris  ratio  est  reUquis- 
que  rebus,  quarum  est  disciplina.  num  censes  eos  qui  divinare  dioun- 
tur  posse  respondere,  sol  maiome  quam  terra  sit  an  tantus  quantus 
videcUur?  inhaltlich  in  einem  causalen  zusammenhange,  nach  der 
lesart  unseres  textes  aber  ist  der  Übergang  von  einem  satze  zu  dem 


432  WFriedrich:  zu  CicerOB  phüoaophischeu  Schriften. 

andern  unvermittelt,   ich  glaube  deshalb  dasz  die  frage  mit  nam 
censes  einzuleiten  ist.  anderseits  müste  statt  num  hier  an  stehen. 

II  15  am  schlusz  halte  ich  es  fttr  richtig  die  worte  so  abzateilen: 
quo  modo  ergo  id^  quod  iemere  fit^  caeco  casu  et  völubüitate  fartunae 
praesentiri  et  praedici  potest?  denn  die  causalen  ablative  caeco  casu 
et  völubüitate  forttmae  begründen  die  Unmöglichkeit  das  voraus- 
schauen zu  können,  was  ohne  causalen  Zusammenhang  geschieht; 
wie  die  fortftlhrung  der  rede  im  folgenden  beweist:  vgl.  §  18  nihü 
enim  est  tarn  contrarium  rationi  et  constantiae  quam  fortuna  usw. 
§  25  si  enim  provideri  nihü  potest  [futurum  esse]  earum^  guae  casu 
fiunt ,  quia  esse  certa  non  possunt,  divinatio  nuUa  est,  man  vgl.  auch 
die  verse  des  Pacuvius  bei  Cornificius  II  36. 

II  26  knüpft  an  des  Quintus  einteilung  der  divination  in  eine 
künstliche  und  natürliche  an :  duo  enim  genera  divinandi  esse  dicebas, 
unum  artificiosum  j  aUerum  natwrale:  artificiosum  oonstare  partim  ex 
coniectura^  partim  ex  ohservatione  ditUi*ma:  naturale,  quod  animus 
arriperet  aut  exciperet  extrinsecus  ex  divinitate,  unde  omnes  animos 
haustos  [aut  acceptos^  aut  libatos  haheremus,  die  worte  aut  acceptas 
habe  ich  mit  Bauer  nach  Bath  in  klammem  gesetzt,  doch  ist  es  nicht 
diese  glosse  allein ,  an  der  unsere  stelle  krankt,  so  vermisse  ich  bei 
naturale  eine  prftdicative  bestimmung:  denn  ein  einfaches  esse  im  ge- 
danken  zu  supplieren,  wie  Moser  will,  genügt  nicht,  dieselbe  müste 
ähnlichen  inhalts  sein  wie  esse  unius  rationis  nach  I  70  und  1 15  im 
gegensatz  zu  der  Zweiteilung  der  künstlichen  divination.  im  folgenden 
aber  glaube  ich  dasz  die  worte  so  umzustellen  sind :  quod  animus  arri- 
peret extrinsecus  aut  exciperet,  ferner  auch  an  unserer  stelle 
ex  ipsius  divinitate  zu  schreiben  ist  nach  §  119  hac  igitur  menüs  et 
ipsius  divinitate  et  coniunctiane  ctim  externis  mentibus  cerni  guae  sini 
futura:  denn  der  gedanke  'die  gottheit  durchdringt  das  all':  I  79 
vim  suam  longe  lateque  diffundunty  quam  tum  terrae  cavernis 
includunt  tum  ho  min  um  naturis  inplicant  (I  17),  femer  I  65 
plenus  aer  sit  inmortalium  und  an  derselben  stelle ,  womit  §  1 10  zu 
vergleichen  ist,  der  hinweis  auf  den  göttlichen  Ursprung  der  mensch- 
lichen seelo  weisen  daraufhin,  dasz  auch  an  unserer  stelle  bei  ein- 
heitlichem Untergrunde  die  natürliche  Weissagung  nach  zwei 
ricbtungen  hin  sich  ttuszert,  einmal  durch  einwirkung  von  auszen 
her  {extrinsecus),  wie  bei  der  Pythia  1 38.  79.  II  117,  126,  das  anderc- 
mal  durch  eigne  prophetische  beanlagung  der  menschlichen  seele^ 
wie  bei  der  Sibjlla  I  66  {extrinsecus  iniecta  atquc  inclusa).  70.  ich 
setze  dann,  um  die  beziehung  von  unde  als  zu  beiden  gliedern  ge- 
hörig klarer  hervortreten  zu  lassen ,  hinter  divinitate  ein  kolon. 

II  28  fragt  Cicero,  über  einen  wie  langen  Zeitraum  hin  sich  die 
erfabrungen  der  opferschauer  erstrecken,  die  worte  lauten :  quam 
diuturna  ista  fuU?  aut  quam  longinquo  tempore  observari  potuü? 
beide  fragen,  deren  zweite  noch  dazu  durch  aut  eingeleitet  wird, 
unterscheiden  sich  ihrem  inhalte  nach  auch  nicht  im  mindesten,  es 
würde  also  eine  von  beiden  überflüssig  sein,    ich  fasse  die  erstera 


WFriedrich:  zu  Ciceros  philoBOphischen  Schriften.  433 

als  die  allgemeinere:  'seit  wann  finden  überhaupt  beobachtnngen 
statt?'  and  die  zweite  mit  einer  begrenzung  ausgesprochen  oder  als 
nähere  bestimmung  hinzugefügt,  indem  ich  nach  §  33  haec  ohservari 
certe  non potuerunt^  ut  supra  docui  vor  dem  potuü  unserer  stelle 
ein  certe  wiedereinstelle,  dh.  nach  einem  auf  erfahrungen  gegrün- 
deten, an  bestimmte  grundsätze  gebundenen  sjstem.  vgl.  I  12  nihil 
est  autem  quod  non  hnginquitas  temporum  excipiente  memoria 
prodendisque  monumentis  efficere  atque  adsequi  possü,  TL  43 
quid  igüur  minus  aphysicis  did  debet  quam  quicquam  certi  signi- 
ficari  rebus  incertis?  auf  dieses  certe  würde  auch  %  29  et  certe  hin- 
weisen, hinter  welches  dann  ein  fragezeichen  zu  setzen  wäre,  inso- 
fern jetzt,  nachdem  die  dritte  frage  abgethan  worden  ist,  die  zweite 
zur  behandlung  kommt. 

n  54.  ganz  unverständlich  sind  die  worte  muUa  me  cansule  a 
me  ipso  scripta  recitasti  usw.  mag  sich  nun  redtare  sonst  noch  ein- 
mal bei  Cic.  in  der  bedeutung  von  prontmtiare  (I  22.  II  14)  finden 
oder  nicht,  jedenfalls  ist  hier  das  von  Quintus  vorgetragene  (I  17 
cuii^  edidid  etiam  versus)  gröszere  stück  aus  des  Marcus  gedieht 
de  consülatu  gemeint  und  demnach  nach  §  46. 1  18  u.  22  muUa  me 
consute  facta  et  a  me  ipso  scripta  zu  schreiben,  da  nach  dem  briefe 
ad  Ait,  I  19,  10  das  betreffende  gedieht  erst  im  j.  60  verfaszt  ist. 
in  dem  folgenden  satze  at  hoc  ne  homines  quidem  probi  faciunty  ut 
amicis  inpendentes  cälamitates  praedicant^  quas  Uli  effugere  nuUo 
modopossinty  ut  medici,  quamquam  inteUegunt  saepe^  tarnen  numquam 
aegris  dicunt  iRo  morbo  eos  esse  morituros  handelt  es  sich  um  eine 
ethische  seite ,  wobei  der  mensch  an  sich,  nicht  sein  beruf  ins  äuge 
gefaszt  werden  musz.  nun  ist  bei  dem  angegebenen  verfahren  der 
ärzte  doch  wohl  mehr  ein  praktisches  als  ethisches  moment  masz- 
gebend.  auch  um  ihrer  selbst  willen  handeln  die  ärzte  so.  die  medici 
also  als  solche  können  nicht  als  species  unter  den  allgemeinen  be- 
griff der  fuymines  probi  subsumiert  werden,  vielmehr  glaube  ich  dasz 
Cic. ,  nachdem  er  die  frage  vom  ethischen  gesichtspunkte  betrachtet 
hatte,  sie  auch  vom  praktischen  durch  ein  beispiel  belegen  wollte, 
also  den  satz  mit  et  medici  fortführte,   et  wollte  schon  Davies. 

II  103 — 107  verspottet  Cic.  das  verfahren  der  stoiker  beim 
schlusz  und  vergleicht  es  mit  dem  der  vielgeschmähten  Epikureer  zu 
Ungunsten  der  erstem ;  vgl.  §  40  f.  Epikur  schlieszt  aus  Vordersätzen 
die  jeder  einräumen  musz,  nicht  so  die  stoiker.  von  ihnen  sagt  er  ea 
sumunt  ad  concludendum^  quarum  iis  nihü  conceditur.  nachdem  dann 
Epikurs  methode  des  schlieszens  an  einem  beispiele  klar  gemacht 
ist ,  leitet  der  text  zur  Widerlegung  der  stoischen  methode  auf  die 
existenz  einer  divination  zu  schlieszen  mit  folgenden  Worten  über: 
videsne  ut  ad  rem  dubiam  concessis  rebus  pervenerit?  hoc  vos  i- 
lectid  non  facitis ,  nee  solum  ea  non  sumitis  ad  condudendi  ^ 

ab  Omnibus  concedantur^  sed  ea  sumitis  y  quibus  concessis  nihuc 
effidatur  quod  velüis,   allein  dieser  satz  kann  nicht  richtif^r        ^ 
sofern  er  der  vorausgehenden  sowie  folgenden  erörtert       i 


434        JSchlenger:  zu  Ciceros  reden  gegen  Verres  [IV  §  128]. 

spricht,  dort  sagt  er  ea  sumufd  ad  condudendum  usw. ,  an  unserer 
stelle  dagegen  ea  fumsumUisodeonekidendumvLBw.  und  wie  stimmt 
das  zu  den  hierauf  folgenden  Sätzen  quis  hoc  twM  dMt?  .  .  amiiewg 
istos  pro  certo^  quod  dubium  controversumque  sü  .  .  quanta  pugna  est 
doctissimorum  hominutn  negantium  .  .  videsne  igiiury  qtioe  dubia  si$9t^ 
ea  sumipro  certis  atque  concessis?  .  •  adsumunt^  quod  ipsum  non  ah 
Omnibus  concedOur?  so  wie  das  zweite  glied  ea  sumitiSj  quibus  con- 
cessis USW.  in  den  folgenden  §§  seine  erörjLerung  findet,  so  müssen 
auch  die  aus  ebendenselben  angeführten  stellen  auf  einen  entspre- 
chenden gedanken  im  ersten  gliede  hinweisen,  ich  meine  daher 
dasz  sich  non  von  seiner  richtigen  stelle  verirrt  hat  und  zu  lesen 
ist  nee  solutn  ea  sumitis  ad  condudendum^  quae  non  ah  omnihus 
concedantur.  einen  ähnlichen  Vorwurf  macht  Cotta  dem  stoiker 
Lucilius  de  not,  d.  III  21  f?idere  oportet  ^  BaUhe^^  quid  tibi  concedatur^ 
non  te  ipsumy  quod  vdis^  sumere. 

MÖHLHAUSBN  IN  ThÜ&IKGEM.  WiLHBLH  FbIBDRIOH. 


(21.) 

Zu  CICEROS  REDEN  GEGEN  VERRES, 


IV  §  128  quid?  ex  aede  Liherae parinum  caput  iB/ud pulcher- 
rimum^  quod  visere  sölehamus^  num  duhitcisti  toUere?  so  gibt  Halm 
in  seiner  neuesten  ausgäbe  1878  die  stelle  mit  dem,  wie  er  selbst 
sagt,  sinnlosen  parinum  der  besseren  hss.,  da  ihm  die  verbessernngs- 
vorschlage  von  Georges  porcinum  und  Richter  puerinum  'i.  e.  pueri 
lacchi'  nicht  gefielen;  auch  das  von  ihm  selbt  wohl  wegen  des  ge- 
nauem anschlusses  an  die  hsl.  Überlieferung  fOr  passender  ei*achtete 
Panimim  von  Pon,  an  dessen  existenz  er  aber  selber  zweifelt,  er- 
scheint sehr  gewagt  da  hier  nicht  vom  raube  eines  Signum^  sondern 
von  dem  eines  emhlema,  eines  Zierates  die  rede  ist;  bestehend  aus 
einem  köpfe,  dessen  künstlerische  Vollendung  aufmerksamkeit  erregte 
und  die  beschauer  anzog,  so  ist  es  wohl  naturgemäsz,  zunächst  nicht 
an  einen  menschlichen,  sondern  an  einen  tierkopf  zu  denken,  mustern 
wir  nun  die  nicht  eben  grosze  zahl  solcher  tierköpfe :  adler-,  hirsch-, 
lOwen-,  stier  ,  eberköpfe ,  so  werden  wir  zunächst  bei  dem  köpfe 
desjenigen  tieres  stehen  bleiben,  das  als  opfertier  der  Ceres  und 
Proserpina  in  ihrer  eigenschaft  als  chthonischen  gottheiten  haupt- 
sächlich geweiht  war,  bei  dem  eberkopfe,  und  Georges  wäre  somit 
durch  seine  Vermutung  jpordnum  der  Wahrheit  sehr  nahe  gekommen, 
dasz  aber  pordnum  selbst  in  parinum  stecke ,  dürfte  um  so  weniger 
glaublich  sein,  als  man  nur  die  beiden  ersten  buchstaben  der  über- 
lieferten neckischen  lesart  porint^n  in  ihre  ursprüngliche  Stellung 
umzusetzen  braucht,  um  den  richtigen  eher-  oder  wildschweinskopf^ 
das  aprinum  caput  zu  erhalten,  sollte  sich  bei  Cicero  das  adj. 
aprinus  auch  sonst  nicht  finden,  so  ist  es  doch  von  guter  bildung 
und  gewähr:  Varro,  Lucilius  und  Plinius  haben  es. 

Mainz.  Jacob  Sohlemger. 


WHKolster:  anz.  t.  Virgil  with  notes  by  TLPapillon.  I.  II.     435 

64. 

P.   VERGILI  MARONIS   OPERA.      VIROIL    WITH    AN  INTRODUOTION  AND 

NOTES  BY  T.  L.  Papillon,  M.  A.,  fellow  and  Tutor  opnew 

COLLEGE,  PORMERLY  SCHOLAR  OF  BALLIOL  AND  PELLOW  OF  MBR- 
TON.      VOL.  I:    INTRODUOTION  AND  TEXT.     VOL.  II :  NOTES.     Oxford 

at  the  Clarendon  press.    1882.    LXI  u.  349,  381  b.  8. 

Diese  ausgäbe  des  Yergilius  ist  vom  bg.  seinem  alten  lebrer 
am  Balliol« College ,  archidiaconus  Edwin  Palmer  in  Oxford ,  als  be- 
sonderem freund  und  gönner  der  Vergilstudien  so  wie  speciell  seiner 
eignen  gewidmet,  in  einer  kurzen  vorrede  stellt  er  uns  sein  ziel  vor 
äugen,  er  bestimmt  die  ausgäbe  nicht  für  gelehrte  zwecke,  weder 
der  kritik  noch  der  Interpretation ,  sondern  er  will  damit  dem  be- 
dürfiiis  der  schule  und  der  strebenden  dienen ,  zwischen  dem  zuviel 
und  zuwenig  seiner  Vorgänger  hindurchsteuem.  dann  legt  er  in 
einer  ausführlichen  einleitung  uns  seine  Stellung  zu  den  gegen- 
wärtigen Vergilstudien  dar  und  nennt  als  seine  quellen  Forbiger 
und  Gk)ssrau,  Conington  und  Kennedy,  da  fesselt  uns  Deutsche  so- 
gleich die  nennung  zweier  deutscher  namen  an  der  spitze,  um  so 
mehr  als  wir  bald  gewahren,  dasz  die  vorliegende  ausgäbe  es  sich 
recht  eigentlich  zur  aufgäbe  macht  den  gewinn  aus  den  deutschen 
forschungen  zur  kenntnis  der  englischen  Jugend  zu  bringen,  wie 
denn  cap.  II  und  III  der  einleitung  ausschlieszlich  auf  deutscher 
forschung  beruhen,  ein  wesentliches  verdienst  fällt  dabei,  wie  es 
scheint,  dem  lehrer  des  hg.  prof.  Nettleship  zu,  der  in  Oxford  ein- 
schlägige vortrage  hält,  das  vierte  capitel  dagegen  trägt  uns  eine 
trefFliche  frucht  der  englischen  Schulung  durch  abfassung  lateinischer 
verse  in  einer  reihe  von  höchst  beachtenswerten  winken  über  den 
Yergilischen  hexameter  entgegen,  so  wird  die  einleitung  als  eine 
auseinandersetzung  über  die  Vergilstudien  beider  länder  bald  wich- 
tiger als  die  spätere  ausführung  selbst,  der  man  übrigens  tüchtigkeit 
durchaus  nicht  absprechen  kann,  indem  sie  erklärt  sich  wesentlich 
auf  die  Forbigersche  ausgäbe  zu  stützen ,  die  freilich  selbst  wieder 
hauptsächlich  auf  der  von  Ph Wagner  bearbeiteten  vierten  Heyne* 
sehen  ausgäbe  beruht ,  weist  sie  sich  selbst  ihre  stelle  an.  wir  aber 
beschränken  uns  in  dieser  anzeige  wesentlich  auf  die  einleitung  als 
das  für  uns  weitaus  wichtigere,  seinen  text  basiert  Papillon  auf  den 
Bibbecks,  der  einen  kritischen  apparat  geschaffen  habe,  wie  ein 
solcher  bis  dahin  gar  nicht  zugänglich  gewesen  sei  (s.  XLVI),  aber 
er  gibt  ihn  doch  mit  modificationen.  die  mängel  dieser  groszen  aus- 
gäbe, sagt  er,  entspringen  zumeist  aus  einer  ungebührlichen  be- 
argwöhnung des  recipierten  textes  und  übertriebenem  vertrauen  auf 
kritischen  Scharfsinn  im  corrigieren,  transponieren  und  emendieren; 
aber,  setzt  er  hinzu,  ihre  gediegenen  Verdienste  überwiegen  weitaus 
die  mängel  und  machen  ihr  erscheinen  zu  einer  epoche  in  der  ge- 
schichte  des  textes  und  zur  basis  aller  spätem  kritik.  P.  lehnt  sich 
mit  seinem  urteil  meist  an  seine  landsleute  Conington  und  Munro  an. 


436     WHKolster:  anz.  v.  Virgil  with  notes  by  TLPapillon.  I.  IL 

so  haben  wir  es  mit  einer  ausgäbe  zu  thun ,  welche  einerseits  die  in 
England  harschenden  ansichten  vertritt,  anderseits  der  deutschen 
forschung  entschieden  und  entschlossen  das  wort  redet. 

Mit  beziehung  auf  die  einleitungen  Coningtons,  Seilars  werk 
über  die  dichter  der  Augnstischen  zeit  und  Nettleships  erinnerongen 
zur  einleitung  in  die  Aeneide  erklärt  P.,  dasz  er  in  der  einleitung 
die  wortkritik  habe  zurücktreten  lassen,  um  sich  über  minder  hSufig 
besprochene  gegenstände,  textkritik  und  Orthographie,  zu  verbreiten, 
um  so  den  studierenden  eine  Übersicht  über  art  und  umfang  dessen 
zu  geben,  was  für  die  feststellung  des  textes  maszgebend  sei.  dazu 
sei  die  Orthographie  ein  punkt ,  über  den  nicht  alle  gelehrten  über- 
einstimmen, die  frage  gestaltet  sich  ihm  sofort  praktisch,  ob  man 
Vergil  oder  Virgil  schreiben  solle,  seine  antwort  stimmt  —  unbe- 
wüst,  wie  es  scheint :  denn  ein  citat  findet  sich  nicht  —  vollständig 
mit  dem  resultate  des  sinnigen  excurses  von  Bitschi  opusc.  II  s.  779  ff. 
aus  dem  j.  1868  überein,  wonach  die  form  Vergüius  die  für  correctes 
latein  einzig  berechtigte,  dagegen  in  den  modernen  sprachen  das 
i  der  ersten  silbe  beizubehalten  ist,  also  englisch  (und  deutsch)  VirgU^ 
franz.  Virgüe^  ital.  Virgüio  (nach  Dantes  Vorgang),  dann  verbreitet 
sich  P.  über  den  dichter  in  vier  capiteln:  lebensgeschichte,  text, 
Orthographie  und  metrik.  die  erste,  die  auch  bei  uns  wohl  da  tu 
stehen  pflegt,  ist  von  den  vier  teilen  der  schwächste,  sie  tritt  mit 
dem  bestreben  hervor  neues  zu  geben,  wäre  es  nur  auch  zuverlässig ! 
zunächst  sucht  P.  einen  reichem  inhalt  für  die  Jugendgeschichte,  da 
hinein  werden  die  kleinen  gedichte  verlegt,  zwar  die  unechtheit 
von  Culex  und  Ciris  erkennt  P.  an ,  aber  die  Catalecta  oder ,  wie  er 
sie  mit  Nettleship  nennt,  Catalepta  (richtiger  mit  Bergk  und  Bünger 
Cat(üepton  «^  xaTd  Xeirröv  nach  dem  vorbild  des  Aratos)  möchte  er 
den  jugendlichen  jähren  des  dichters  vindicieren.  die  beziehnngen 
dieser  ^kleinen  dichtungen'  sind  heikel,  wenn  es  auch  mit  keiner  so 
schlimm  stehen  mag  wie  mit  VI,  das  zugleich  Jugendgedicht  sein 
und  sich  auf  die  Vollendung  der  Aeneis  beziehen  soll!  dasz  dies  die 
zeit  war,  wo  Verg.  die  dichtungen  des  Lucretius ,  Varius  und  Pollio 
kennen  lernte,  ist  ja  sehr  wahrscheinlich ,  aber  überliefert  ist  davon 
nichts  und  Gallns  hätte  daneben  nicht  fehlen  sollen,  ob  Verg.  je  eine 
römische  geschichte  nach  dem  muster  des  Ennius  begonnen  habe, 
ist  sehr  fraglich;  in  seiner  jugend  that  er  es  gewis  nicht,  über  sein 
Verhältnis  zu  Pollio  hätten  sich  durch  scharfe  beachtung  der  einzel- 
nen andeutungen  in  den  eclogen  6chon  mehr  momente  finden  lassen, 
&.  meine  schrift  über  die  'eclogen  in  ihrer  strophischen  gliedemng' 
(Leipzig  1882),  und  danach  zu  fragen  lag  doch  sehr  nahe,  da  sich 
zwei  oder  eigentlich  drei  eclogen  direct  an  Pollio  richten,  die  ans- 
dehnung  der  zeit,  in  welcher  Verg.  die  eclogen  abfaszte,  auf  sechs 
jähre  (43—37)  s.  XVI  läszt  Donats  angäbe  hticolica  triennh  perfecU 
einfach  links  liegen;  die  annähme,  dasz  ecl.  V  eine  apotbeose  des 
Caesar  sei,  teilt  P.  freilich  mit  vielen,  aber  über  die  Schwierigkeit 
dieser  annähme  sagt  er  kein  wort. 


WHKolßter:  anz.  v.  Virgü  with  notes  by  TLPapiUon.  I.  U.     437 

Die  georgica  hat  er  schärfer  ins  äuge  gefaszt,  als  gewöhnlich 
geschieht;  er  erinnert,  dasz  sie  nicht  könnten  uno  tenore  geschrieben 
sein,  dasz  das  ende  des  ersten  buches  auf  die  finstere  zeit  um  33/32 
hinweise,  während  der  eingang  des  dritten  nicht  könne  vor  30/29 
abgeschlossen  sein,  s.  diese  jahrb.  1882  s.  693  fif.  das  ende  des 
zweiten  buches  müsse  mit  dem  des  ersten  gleichzeitig  fallen,  und  vor 
dem  dritten  könne  er  möglicherweise  Griechenland  besucht  haben, 
damit  soll  offenbar  für  Hör.  carm,  I  3  eine  zeit  gewonnen  werden. 

Wo  er  an  die  besprechung  der  Aeneis  geht,  hebt  sich  sichtlich 
der  ton:  das  sei  Yergils  lied  über  die  gesta  Caesaris.  mit  recht  weist 
er  darauf  hin ,  wie  bald  sich  nach  dem  beginn  der  Aeneis  die  er- 
wartung  nicht  des  Augustus  allein,  sondern  ganz  Roms  (Propertius) 
auf  dies  werk  richtete,  dann  bemerkt  er,  dasz  es  trotz  der  Bearbei- 
tung in  einzelnen  partien  und  trotzdem  dasz  der  dichter  die  Vollen- 
dung seines  epos  nicht  erlebte,  zu  verwundem  sei;  dasz  sich  ecla- 
tante  Widersprüche  nicht  fänden  (s.  XIX).  darauf  aber  beginnt  fast 
oin  hymnus  auf  den  dichter;  P.  erinnert  daran,  wie  er  die  einstimmige 
bewunderung  der  sämtlichen  römischen  Schriftsteller  gefunden ,  da- 
nach theologen  wie  Augustinus  und  Beda  bezaubert,  gelehrten  wie 
JCScaliger  achtung  abgezwungen,  kritiker  wie  Voltaire  in  respect 
gehalten,  politiker  wie  Burke  hingerissen  habe,  obenan  stellt  er, 
dasz  ein  Tacitus  seinen  stil  nachgeahmt,  Dante  durch  ihn  zum  gesang 
geweckt  sei  und  ihn  zum  führer  durch  die  hölle  erwählt  habe,  es 
versteht  sich  dasz  er  nicht  davon  schweigt,  wie  man  ihn  nach  der 
einen  seite  zu  einem  Vorläufer ,  ja  verkünder  des  Christentums,  nach 
der  andern  zum  groszen  hexenmeister  und  zauberer  gemacht  hat. 
hier  fährt  vor  allem  die  deutsche  kritik  übel :  er  wirft  ihr  s.  XXII 
anm.  3  vor,  dasz  sie  den  dichter  herabsetze;  anders  habe  ihn  England 
zu  würdigen  gewust.  aus  keinem  andern  dichter  würden  so  oft  im 
^  Parlament  citate  vernommen  und  mit  georg,  I  250  habe  Pitt  seine 
rede  über  die  befreiung  der  negersklaven  geschlossen,  die  durch- 
dringung  mit  seinem  geiste,  wie  er  dem  Jüngling  nahe  gebracht 
werde,  erfülle  denselben  mit  ernsten  unverwischbaren  lehren  und 
dürfte  mehr  als  irgend  sonst  etwas  dazu  beigetragen  haben  in  den 
englischen  Staatsmännern  den  hohen  stolzen  geist  auszubilden  und 
die  englische  geschieh te  zu  gestalten,  zum  Schlüsse  dieses  teils  nimt 
P.  den  von  allerlei  tadlem  dem  Verg.  hingeworfenen  handschuh  auf 
und  vertritt  ihn  mit  der  ganzen  wärme  der  Überzeugung  und  der 
energie  des  enthusiasmus,  ohne  gleichwohl  nach  meiner  ansieht 
weder  Yergils  gröste  meisterschaft  noch  seine  entschiedene  schwäche 
zu  berühren,  die  erste  ist  die  Verteilung  und  gliederung  des  Stoffes, 
wie  sie  sich  schon  im  groszen  und  ganzen  in  der  anläge  der  dichtung 
zeigt:  die  erste  hälfte  der  gesänge  die  Irrfahrten,  die  zweite  die 
kämpfe  des  Aeneas ;  zwei  bücher  der  fahrt  nach  Italien :  I  und  lY  mit 
zwei  büchern  episode  und  zwei  büchem  anhang,  und  im  letzten  teil 
zwei  bücher  Vorbereitung,  zwei  lagerkampf,  zwei  kämpf  vor  der 
hauptstadt.    und  ebenso  sorgfältig  ist  der  stoff  in  den  einzelnen 


438     WHKoIster:  anz,  v.  Virgil  v/iüi  notes  by  TLPapillon.  1.  IL 

büchem  gegliedert,  auf  der  andern  seite  aber  fehlt  jeder  anlauf  den 
einzelnen  teilen  eine  partielle  Selbständigkeit  za  verleiben,  mit  der 
regelmäszigkeit  des  sandes  in  der  nhr  rinnt  vers  auf  vers  dahin ;  nie 
vernimt  man  einen  stundenschlag,  nie  fühlt  man  den  hauch  einer 
änderung  der  empfindung  durch  die  verse  wehen ,  nie  ahnt  man  an 
dem  tone  dasz  das  alte  vergangen  ist ,  dasz  man  vor  neuen  thaten, 
neuen  betrachtungen,  neuen  entwicklungen  steht. 

-  Wenden  wir  uns  von  der  vita,  wie  wir  sie  auch  in  deutschen 
ausgaben  finden,  zu  den  beiden  nttchsten  abschnitten  ttber  text  u^id 
Orthographie  des  dichters ,  so  fühlen  wir  uns  sogleich  erinnert,  dasz 
der  englische  hg.  auch  da,  wo  er  für  die  lernenden  schreibt,  auf  ganz 
andere  leser  rechnet  als  der  deutsche,  der  ausdruck  ^scholar'  umfaszt 
zwei  ganz  verschiedene  personefl,  unsern  schüler  und  den  Studenten, 
der  dort  nicht  wie  bei  uns,  wenn  er  die  Universität  bezieht,  Virgil  und 
Horaz  in  den  winkel  wirft  und,  wenn  er  nicht  eben  philolog  ist,  nur 
nach  corpus  iuris  oder  materia  medica  fragt,  sondern  fortschöpft  am 
born  des  altertums  und  aus  ihm  die  männliche  englische  beredsamkeit 
trinkt,  die  P.  mit  recht  darauf  zurückführt,  den  schüler  darf  man 
nicht  behelligen  mit  fragen  nach  verschiedenen  lesarten,  noch  worauf 
sich  die  eine  stütze  und  wie  eine  andere  zu  einem  ganz  andern  sinn 
führe ;  der  Studiosus  wird  schon  nachfragen,  und  es  ist  ein  verdienst 
dabei,  seiner  frage  entgegenzukommen,  wenn  wir  aber  hier  eine 
nicht  deutsche  praxis  vor  uns  haben,  so  haben  wir  doppelt  mit  dem 
resultate  deutscher  forschung  zu  thun:  es  sind  wesentlich  Bibbecks 
prolegomena,  die  den  stoff  zu  dem  zweiten,  Ph Wagners  orthographia 
Yergiliana,  die  denselben  zum  dritten  capitel  hergegeben  haben,  die 
citate  englischer  Schriftsteller  verschwinden  unter  dem  text.  wie 
willkommen  aber  eine  kurze  Orientierung  über  dergleichen  für  den 
jugendlich  strebenden  ist,  bedarf  wohl  keines  wertes. 

Der  stoff  des  ersten  teils  ist  von  P.  in  fünf  abteilungen  gebracht: 
1)  handschriften,  2)  alte  common tare,  3)  andere  Zeugnisse  vom  text, 
4)  textgeschichte ,  6)  ausgaben  (s.  XXVII — XL  VI).  Bibbecks  pro- 
legomena beginnen  mit  2  und  lassen  1  folgen  (das  aber  ist  statt  einer 
kurzen  Orientierung  ein  buch).  3  findet  sich  bei  Bibbeck  unter  dem 
text.  aber  mit  leichtigkeit  und  klarheit  dies  dargelegt  zu  haben  ist 
P.s  verdienst,  an  erster  stelle  bemerkt  er,  dasz  nicht  ohne  weiteres 
die  ältere  hs.  an  sich  den  bessern  text  verbürge,  eine  alte  könne  einen 
schlechten,  eine  junge  einen  guten  text  enthalten,  aber  bei  jeder 
spätem  mehre  sich  die  gefahr  von  verscbreibungen  und  damit  fehlem. 
es  seien  aber  die  nncialmanuscripte  des  Verg.  aus  dem  vierten  oder 
fünften  jh.  die  ältesten  handschriften  lateinischer  autoren  überhaupt, 
diese  sind  bekanntlich:  Vaticanus,  Palatinus,  Mediceus,  Bomanus, 
daneben  die  palimpseste  von  St.  Gallen,  Verona  und  Berlin ;  auszer 
diesen  werden  noch  sechs  minuskelhss.  genannt,  mit  der  neben- 
bemerkung,  dasz  dergleichen  die  Bodleianische  bibliothek  45  be- 
sitze, dann  entwickelt  er,  wie  aus  den  alten  commentatoren  gewinn 
für  die  textkritik  zu  ziehen  sei.    Verg.  sei  der  lieblingsschriftsteller 


WHKolster:  anz.  v.  Virgil  with  notes  by  TLPapülon.  I.  IL     439 

seiner  zeit  gewesen ,  auch  dem  Unterricht  der  Jugend  zu  gründe  ge- 
legt worden;  so  seien  denn  reminiscenzen  aus  ihm  ganz  natürlich, 
stimmen  der  lehrenden  im  ersten  jh.,  deren  noch  manche  in  den 
werken  der  späteren  grammatiker  erhalten  wSren.  dieser  citate  seien 
so  viele ,  dasz  sich  aus  ihnen  die  ganze  handlung  der  Aeneis ,  wSre 
sie  verloren  gegangen,  würde  herstellen  lassen. 

Au^  aies  capitel  läszt  P.  ein  viertes  folgen ,  in  dem  er  die  be* 
mühungen  für  die  berichtigung  des  textes  vor  der  zeit  der  erfindung 
der  buchdruckerkunst  schildert,  in  drei  verschiedenen  perioden  sei 
man  daftlr  besonders  thätig  gewesen,  im  fünften  jh.,  zur  Karolinger- 
zeit und  zur  zeit  der  renaissance.  die  thätigkeit  der  ersten  periode, 
wo  in  den  obem  classen  der  gesellschaft  das  interesse  für  die  clas- 
sische  litteratur  als  reaction  gegen  die  bekehrung  zum  Christentum 
auftrat,  stelle  sich  in  den  subscriptiones  dar,  einigen  zeilen  am 
schlusz  der  hss. ,  in  denen  oft  vornehme,  hochgestellte  männer  er- 
klären das  vorliegende  exemplar  gelesen,  interpungiert  oder  mit 
andern  verglichen  zu  haben,  es  folgte  eine  zeit,  in  der  die  öffentlichen 
bibliotheken  verschwanden,  die  klöster  allein  sich  um  dergleichen 
kümmerten  zum  Unterricht  in  ihren  schulen,  bis  die  Karolinger- 
zeit einen  neuen  anlauf  nahm  abschriften  anzufertigen  und  correcte 
texte  zu  edieren:  so  taucht  denn  hier  das  ^relegi'  und  'recognovi* 
wieder  auf,  es  erscheinen  eigne  antiquarii,  zum  teil  insassen  der 
gröszem  klöster,  und  eine  grosze  zahl  hss.  in  cnrsivschrift  bezeugt 
den  fleisz  der  abschreiber  des  neunten  und  der  folgenden  Jahr- 
hunderte, mit  der  renaissance  endlich  treten  wir  in  eine  dritte 
zeit  eifrigster  nachfrage  nach  den  alten  autoren,  ausgehend  von  Pe- 
trarca und  Boccaccio,  während  der  zeit  des  concils  in  Constanz 
entdeckte  Poggio  in  den  bibliotheken  der  Schweiz  imd  Schwabens 
manche  verlorene  werke,  die  dort  unbekannt  und  unbenutzt  moderten 
und  von  denen  man  sonst  keine  kenntnis  oder  doch  keine  vollständige 
abschriften  besasz,  und  nahm  von  manchen  eigenhändige  copien. 
man  erwarb  die  besten  hss.  zu  hohen  preisen  für  die  gröszem  biblio- 
theken in  Florenz  und  Rom. 

So  schlieszt  sich  denn  ganz  natürlich  ein  fünfter  abschnitt  an: 
die  drucke ,  die  für  Verg.  in  unglaublicher  menge  vorhanden  sind : 
von  der  ed.  pr.  (Rom  1469)  bis  zum  j.  1600  vergehen  durchschnitt- 
lich nur  7  jähre ,  in  denen  nicht  eine  neue  ausgäbe  erscheint,  die 
erste  englische  ausgäbe  von  Wynken  de  Worde  erschien  1512.  die 
reihe  der  aufgezählten  schlieszt  mit  Hejne- Wagner,  welcher  letztere 
1841  den  ersten  versuch  machte,  gestützt  auf  die  Schreibweise  des 
Mediceus  mit  dem  conventioneilen  system  der  Orthographie  der 
renaissancezeit  zu  brechen  und  deren  Irrtümer  abzuthun.  auch  in 
England  hat  sich  nach  dem  Vorgang  von  Munro  und  Conington  alles 
um  diese  fahne  gesammelt ,  da  Ribbecks  ausgäbe  jenseits  des  canals 
weniger  bekannt  sei.  so  habe  P.  denn  im  dritten  capitel  der  ein- 
leitung  Wagners  und  Ribbecks  wissenschaftliche  resultate  darzulegen 
versucht,   hierüber  zu  berichten  dtLrfen  wir  uns  erlassen,  da  die  re- 


-^^ 


440  EEraut:  zu  SallustiuB  [hist.  fr.  I  56]. 

sultate  im  wesentlichen  mit  den  bei  uns  allgemein  angenommenen 
übereinstimmen. 

Nicht  zu  übersehen  aber  ist  schlieszlich  das  letzte  capitel  über 
den  bexameter  Vergils ,  so  karz  es  auch  ist.  man  durfte  hier  schon 
etwas  erwarten,  da  ja  die  anfertigung  lateinischer  verse  in  eng« 
lischen  schulen  eifrig  betrieben  wird,  und  in  der  that  finden  wir 
hier  eine  beachtenswerte  bemerkung  über  die  andere,  durch  Verg. 
erreichte  der  von  Ennius  in  die  römische  litteratur  eingeführte  bexa- 
meter seine  vollständigste  ausbildung;  die  spätere  zeit  trat  nur  in 
seine  fuszstapfen.  P.  erinnert  an  die  vier  punkte ,  von  denen  die 
metrische  Wirkung  einer  reihe  von  hezametem  abhänge :  verständige 
abwecbselung  der  cäsuren,  richtiges  Verhältnis  von  dactjlen  und 
spondeen,  die  stelle  der  sinnespausen  und  den  wortfall  der  letzten 
füsze.  dann  hebt  er  zwei  eigentümlichkeiten  des  Vergilischen  verses 
dem  des  Ennius  und  Lucretius  gegenüber  hervor :  dasz  er  gern  ent- 
weder 6in  wort  als  fünften  dactjlus  habe  oder  die  letzte  silbe  des* 
selben  mit  den  beiden  schluszsilben  in  6in  wort  befasse;  andere  vere- 
Schlüsse  seien  nur  ausnahmen,  ganz  dactjlische  zeilen,  bei  Homer 
häufig,  seien  bei  ihm  selten  und  auf  bestimmte  effeete  berechnet 
{qaadrupedante  usw.).  fast  immer  zügle  und  hemme  Verg,  im  vierten 
f usz  die  rasche  bewegung  durch  einen  spondeus ,  der  für  die  beiden 
andern  dichtungen  eine  ebenso  charakteristische  form  sei  wie  die 
bukolische  cäsur  für  die  oclogen ;  im  ersten  fusz  dagegen  liebe  er 
den  spondeischen  rhjthmus. 

Ich  breche  ab.  die  leichte  ansprechende  weise,  in  der  das  alles 
vorgetragen  ist,  wird  sich  als  sehr  geeignet  erweisen  den  strebsamen 
studierenden  dafür  zu  interessieren  und  auf  diesem  felde  heimisch 
zu  machen,  dem  commentar  ist  von  dem  hg.  selbst  der  gesichtsponkt 
gestellt  worden,  indem  er  erklärt,  wie  Forbiger  seine  Vorgänger,  so 
wieder  ihn  ausgebeutet  zu  haben. 

Eutin.  Wilhelm  Heinrich  RoLSTEa. 


65. 

Zu  SALLUSTIÜS. 


hist.  fr.  I  56  Kr.  (or.  Phil.)  §  3  pro  di  honi,  qui  hanc  urbem 
omissa  cura  adhuc  tegitis.  die  von  RJacobs  und  H Jordan  in  den 
text  aufgenommene  conjectur  MHaupts  amissa  curia  findet  ASchöne 
im  Hermes  IX  255  in  der  Vordemsenat  gehaltenen  rede  mit  recht 
unerklärlich  und  vermutet,  in  den  überlieferten  werten  sei  securam 
oder  vohis  sacram  verborgen,  das  richtige  wird  sein  nimis  secU'- 
ram:  'o  ihr  gütigen  götter,  die  ihr  diese  stadt  trotz  ihrer  allza  weit 
getriebenen  Sorglosigkeit  doch  noch  immer  beschützet!'  in  dem 
gegensätzlichen  nimis  securam  gibt  eben  das  nimis  dem  folgenden 
adhuc  seine  volle  begründung  und  richtige  beleuchtung. 

Blaubeuren.  Karl  Kraut. 


BESTE  ABTEILUNG 

FUß  CLASSISCHE  PHILOLOGIE 

HERAUSGEGEBEN  VON  ALFRED  FlECKEISEN. 


66. 

AISCHYLOS     AQAMEBfNON     ERKLÄRT     VON    F.     W.     SOHMEIDEWIN. 

ZWEITE  AUFLAGE  BESORGT  VON  Otto  Hemse.   Berlin,  Weid- 
mannsche  buchhandlung.    1883.    XVI  u.  218  s.  8. 

Der  bearbeiter  der  neuen  aufläge  hat  uns  eine  angenehme  ent- 
teuschung  bereitet,  wir  fürchteten,  derselbe  werde  der  groszen  Ver- 
suchung nicht  widerstehen  und  den  Agamemnon  in  gleich  radicaler 
weise  wie  die  Trachinierinnen  behandeln,  diese  furcht  war  unbe- 
gründet, die  ganze  bearbeitung  zeigt  das  ernste  und  besonnene  stre- 
ben das  Verständnis  des  Stückes  zu  fördern ^  nur  das  zu  bieten,  was 
auf  allseitige  billigung  anspruch  machen  könne,  und  wenn  verschie- 
dene mehr  oder  weniger  glaubwürdige  conjecturen  geboten  werden, 
so  finden  sich  diese  meistens  nur  an  solchen  stellen,  die  notorisch 
corrupt  sind,  und  sind  dem  redlichen  streben  das  wahre  zu  finden, 
nicht  dem  haschen  nach  äuszerm  schein  entsprungen. 

Dem  commentar  von  Schneidewin  zum  Agamemnon  gegenüber 
befand  sich  Hense  in  ähnlicher  läge  wie  Nauck  bei  der  bearbeitung 
der  Sophoklesausgaben,  mit  recht  wird  in  der  vorrede  bemerkt, 
dasz  Sehn,  in  dem  berechtigten  streben,  den  gedanken  nach  allen 
Seiten  auszuschöpfen  und  der  interpretation  in  vollem  sinne  zu  ge- 
nügen ,  sich  in  abstruses  und  ungesundes  verirrt  habe.  Hense  hat 
wohl  daran  gethan,  dasz  er  das  hineingeheimnissen  verborgener  be- 
Ziehungen,  das  aufschraubenstellen  einzelner  werte  aufgegeben  oder 
wenigstens  vielfach  beschränkt  hat.  manches  der  art  ist  stehen  ge- 
blieben, wie  gleich  zu  v.  2  die  bemerkung  über  (ppoupdv  KOijLiäcOai, 
dann  besonders  in  den  noten  zu  898  ff.,  1027  ^doch  konnten  die 
werte  wieder  anders  aufgefaszt  werden :  ich  will  nicht  mehr  unüber- 
legt hinwerfen,  um  nicht  als  dTijiioc  zu  erscheinen,  wenn  meine  mord- 
gedanken  sichtbar  werden',  1078  f.  aber  wir  dürfen  H.  daraus 
keinen  Vorwurf  machen ;  eine  gerechtfertigte  pietät  hielt  ihn  ab  die 
eigenart  des  buches  völlig  zu  verwischen,  er  erkannte  auch  dasz  er 
es  hier  nicht  mit  einer  gewöhnlichen  Schulausgabe  zu  thun  habe, 

Jahrb&cher  Ar  class.  philol.  1883  hft.  7.  29 


442  N Wecklein :  anz.  v.  Aisch.  Agamemnon  v.  FWSchneidewin  u.  OHense. 

weshalb  er  sich,  um  das  neue  von  dem  alten  zu  scheiden  und  das 
alte,  wenn  es  auch  nicht  seinen  beifall  hatte,  doch  zu  erhalten,  eine 
einrichtung  gestatten  konnte ;  die  in  einem  für  schüler  bestimmten 
commentare  nicht  am  platze  wäre,  dasz  nemlich  bald  Sehn,  spricht, 
bald  von  Sehn,  gesprochen  wird,  nur  begreift  man  bei  solcher  be- 
Stimmung  des  buches  nicht  recht,  warum  der  leser  erst  immer  im 
anhange  nachsehen  musz ,  um  das  weitere  zu  erfahren ,  nicht  sofort 
das  wissenswerte  geboten  erhält,  es  könnte  immerhin  der  anhang 
existieren  und  verschiedene  notizen  bringen ,  die  den  commentar  in 
unnötiger  weise  belasten  würden;  aber  die  anmerkungen  sollten  so 
weit  abgeschlossen  sein,  dasz  eine  besondere  Verweisung  auf  den  an- 
hang überflüssig  wäre,  diese  forderung  dürfte  übrigens  auch  fAr 
Schulausgaben  gelten. 

Wenn  man  über  den  erfolg  der  neuen  bearbeitung  ein  allge- 
meines urteil  abgeben  soll ,  so  musz  man  anerkennen  dasz  nicht  nur 
durch  die  sorgfältige  benutzung  dessen  was  andere  zur  erklftning 
und  emendation  beigetragen  haben,  die  brauchbarkeit  des  bnches  er- 
höht, sondern  auch  durch  die  selbständigen  bemerkungen  H.8  das 
Verständnis  des  Stückes  bedeutend  gefördert  worden  ist.  ich  will 
nicht  behaupten,  dasz  nicht  an  manchen  stellen  ein  gründlicheres 
Studium  des  Stückes  und  des  ganzen  dichters  sicherere  resultate  hätte 
erzielen  können  und  dasz  das  schwanken  des  urteile  und  die  onent* 
schiedenheit  in  der  auffassung  nicht  hie  und  da  mehr  dem  erklärer 
als  der  mangelhaften  Überlieferung  zur  last  fällt;  aber  das  ehrliche 
^non  liquet'  ist  immer  der  dreisten  allwissenheit  vorzuzieben,  und 
der  Unfehlbarkeit  kann  sich  keiner  von  uns  rühmen,  also  kurz  und 
gut,  wir  haben  eine  wackere  und  solide  arbeit  vor  uns.  an  diesem 
urteil  sollen  die  ausstellungen,  die  wir  etwa  im  folgenden  noch  zu 
machen  haben,  nichts  ändern. 

Hie  und  da  ist  durch  die  zusätze  des  neuen  hg.  einige  uneben* 
heit  in  die  noten  gekommen,  zb.  ist  gleich  in  der  ersten  anmerkung 
q)poupdc  iieiac  ixf\KOC  mit  recht  nicht  als  apposition,  wie  es  Sehn, 
genommen  haben  wollte ,  sondern  als  acc.  der  Zeitdauer  bezeichnet« 
nun  aber  müste  auch  der  anfang  der  anmerkung :  'ich  flehe  die  götter 
an,  aber  bis  jetzt  vergebens,  denn  —  Kai  vGv  (puXäccu)  8'  geändert 
werden,  da  jetzt  Kai  vCv  in  beziehung  zu  cppoupac  ijeiac  juriKOC  tritt 
(^wie  das  ganze  jähr  über,  so  auch  jetzt'),  zu  104  f.  wird  die  note 
von  Sehn,  gegeben ,  in  welcher  die  in  den  text  aufgenommene  con- 
jectur  dvreX^UJV  erklärt  ist.  wenn  nun  in  einem  zusatz  von  H.  diese 
conjectur  als  ungenügend  bezeichnet  wird ,  so  musz  man  sich  nur 
wundem,  warum  dieselbe  im  texte  belassen  worden.  115  f.  verträgt 
sich  die  Vorstellung  des  Wettrennens  schwer  mit  der  vorhergehenden 
erklärung  'eben  als  es  sich  im  dickicht  zu  bergen  hoffte',  zu  896  ff. 
bezeichnet  H.  koXoccujv  als  verderbt,  zu  398  f.  erhält  es  als  ge- 
sund von  Sehn,  seine  interpretation :  'äuszerlich  schöne  Standbilder 
sind  dem  manne  zuwider'  usw.  es  ist  diesmal  um  so  schlimmer,  als 
KoXoccuiv  gewis  richtig  ist.    den  kenner  wird  dergleichen  nicht 


NWecklein :  anz.  v .  Aisch.  Agamemnon  v.  FWSchneidewin  n.  OHense.  443 

stören ,  aber  derjenige ,  der  eigentlich  zum  verstSndnis  einen  com- 
mentar  braucht,  kann  schlieszlich  die  geduld  verlieren,  wenn  ihm  die 
amnerkungen  nichts  als  aporien  bieten. 

fiense  hat,  wie  bereits  hervorgehoben,  die  reiche  litteratar,  die 
seit  dem  erscheinen  der  ersten  aufläge  sich  mit  der  kritik  und  er- 
klttrung  des  Agamemnon  beschäftigt  hat,  sorgfältig  benutzt,  von 
dieser  litteratur  scheint  die  grosze  abhandlung  von  HLAhrens  im 
ersten  suppl.bande  des  Philologus  durch  die  fülle  der  gelehrsamkeit 
einen  verführerischen  reiz  auf  ihn  ausgeübt  zu  haben,  so  dasz  er 
daraus  manches  entnahm^  was  bei  einer  gesunden  und  unbefangenen 
auffassung  nicht  recht  bestehen  will,  in  seinem  verlangen  das  feinste 
zu  entdecken  hat  Ahrens  vielleicht  noch  mehr  als  Sehn,  gekünstelte 
und  erzwungene  erklärungen  gegeben,  so  zu  91  'die  altäre  werden 
für  die  opfergaben  in  brand  gesetzt',  wo  bijbpoici  gewis  ebenso  in 
instrumentalem  sinne  zu  nehmen  ist  wie  ircXdviu  96.  man  vgL  über 
Ahrens  und  seine  conjecturen  das  urteil  von  GHermann  in  den 
Wiener  Jahrb.  der  litt.  bd.  115  (1846)  s.  159  u.  184. 

Es  wäre  vielleicht  eine  unbillige  forderung,  wenn  man  von 
dem  neuen  hg.  verlangen  wollte  auch  die  jenseit  der  ersten  aufläge 
liegende  litteratur  zu  studieren,  aber  doch  bleibt  es  ein  misstand, 
wenn  die  fehlerhaften  angaben  sich  von  einer  ausgäbe  in  die  andere 
fortpflanzen  und  nicht  jedem  ersten  finder  einer  emendation  sein 
eigentum  gegeben  wird,  wie  Eirchhoff,  so  schreibt  Hense  consequent 
(1282.  1590.  1639)  Jacobs  für  Jacob,  wie  er  (zu  1450  ff.)  auch  den 
druckfehler  Yerrallins  von  Kircbhoff  herübergenommen  hat.  die  Um- 
stellung 92  hat  vor  Nauck  Bichard  Klotz  vorgeschlagen.  112  hat 
ßaciXeic  zuerst  Schütz  (ßactXf^c  Dindorf)  emendiert,  474  8c  Stanley 
vor  Schütz,  jLioi  Butler  vor  Kirchhoff,  b€KdTOU  482  Jacob  vor  Wunder, 
780  Kdirdrac  Schwerdt  vor  Kirchhoff,  845  iriCTiJüjLidTiJüV  Spanheim 
vor  Hermann,  872  b4.  jLioi  Bothe  vor  Scholefield,  948  euTTCiGfec  Pauw 
vor  Westphal  und  Jacob  vor  Pauw,  967  jiieXiubei  Hermann  vor 
Meineke,  1014  cxoXfjV  Bothe  und  Dobree  vor  Wieseler,  1077  Karo- 
XüXuEar"  u5  Bothe  schon  in  der  ausgäbe  von  1805,  1188  crjvoca 
Wakefield  vor  Mähly,  1395  cpößov  usw.  EAJAhrens  vor  Klein, 
1431  T^vaiKÖc  Schütz  vor  Härtung,  1532  ^pgev  Spanheim  vor 
Naber.  nur  bei  ganz  flüchtiger  prüfung  habe  ich  diese  anzahl  von 
stellen  gefunden,  und  doch  ist  es  im  Agamemnon  noch  besser  be- 
stellt als  in  den  übrigen  stücken,  keinem  ist  es  in  dieser  beziehung 
schlimmer  ergangen  als  dem  neuesten  hg.  des  Aischylos.  da  er  nur 
die  drei  ausgaben  von  Hermann ,  Dindorf  und  Weil  benutzte  —  ich 
kann  es  mir  wenigstens  nicht  anders  erklären  —  gehören  unter 
etlichen  90  conjecturen  ungefähr  70  anderen  an  [vgl.  jahrb.  1882 
s.  529  ff.],  indes  obwohl  auch  die  richtigkeit  solcher  angaben  von 
philologischer  akribie  gefordert  wird ,  kommt  es  für  die  herstellung 
des  teztes  weniger  darauf  an,  ob  eine  conjectur  diesem  oder  jenem 
gelehrten  angehört;  von  bedeutung  aber  ist  es,  wenn  treffliche 
emendationen  früherer  forscher  unbekannt  bleiben,    so  hat  H.  zu 

29* 


444  N Wecklein :  anz.  v.  Aisch.  Agamemnon  v.  FWSchneidewin  u.  OHenae. 

1228  ff.  die  armselige  erklärung  f indem  er  mich  hoch  verlacht  wer- 
den liesz  von  feindlichen  freunden  in  unzweifelhaft  thörichter  weise. 
die  ihrigen  sind  (piXoi  ^X^POi^^  ^w.  unbeanstandet  stehen  lassen. 
nicht  einmal  der  anhang  hat  daran  etwas  auszusetzen,  wer  aber 
nicht  sieht,  dasz  (piXuJV  utt'  ^x^P^V  ou  biX0pp6iTU)C  KaTQTcXujfi^vn 
bedeutet  ^verlacht  von  freund  und  feind  ohne  unterschied',  mit  dem 
läszt  sich  weiter  nicht  rechten,  auf  die  richtige  emendation  der 
stelle  hat  Schwarzmann  mit  ou  bixoppÖTTUJC  jiiaOetv  hingewiesen 
(vgl.  334  ixi\  btxoppÖTTiüC  ibeiv).  es  ist  aber  sicher  das  über  fiäniv 
stehende  ^^Ta  nicht  in  das  matte  ixi'Xd  zu  ändern,  sondern  )yuin)V 
heraufzunehmen:  KttTaifeXuj^^viiv  jndniv  —  bixoppÖTTUJC  juiaOeTv.  ja 
die  schönste  entdeckung  der  neuzeit,  welche  mit  6inem  schlage  die 
lücke  der  chorgesänge  ausgefüllt  hat,  fällt  der  Vergangenheit  zu,  ich 
meine  die  annähme  von  ephymnien.  H.  spricht  zu  1450  ff.  darüber, 
ohne  noch  meine  abhandlung  'über  die  chorische  technik  des  Äsehy- 
liis'  zu  kennen,  aber  auch  ich  habe  darüber  geirrt,  nicht  Merkel, 
Bergk,  Dindorf,  Verrall,  Kirchhoff  sind  die  entdecker  der  ephymnien, 
sondern  GCWSchneider  im  j.  1829.  wundem  musz  man  sich  dar- 
über ,  dasz  die  entdeckung ,  wie  es  scheint,  Hermann  unbekannt  ge- 
blieben ist.  ich  schliesze  es  daraus,  dasz  er  nur  von  dem  ephymnien, 
welches  Burney  nach  1524  ansetzen  wollte ;  spricht,  er  verdankt 
seine  kenntnis  nur  dem  ungenauen  referat  von  Blomfield;  hätte  er 
Burneys  werk  Hentamen  de  metris'  selbst  darüber  nachgesehen,  80 
würde  er  gefunden  haben  dasz  Burney  auf  gleiche  weise  auch  die 
erste  lücke  nach  1435  ausfüllt,  dieses  ephymnien  also  hat  vor 
Wilamowitz  Kirchhoff,  vor  Kirchhoff  GCWSchneider,  vor  Schneider 
Burney  gefunden. 

Auch  auf  bereicherung  unserer  kenntnis  handschriftlicher  les- 
arten  macht  natürlich  der  hg.  keinen  anspruch.  eigentümlich  be- 
rührt es  nur,  wenn  er  einmal  (zu  451)  auf  eine  abweichende  angäbe 
Kirchhoffs  gewicht  legt,  als  ob  Kirchhoff  nicht  einfach  die  vorliegen- 
den collationen  benutzt  und  dabei  manches  versehen  hätte,  wenn 
eine  neue  collation  der  natur  der  sache  nach  nur  weniges  neue 
bringt,  so  musz  dieses  wenige  doch  immer  hoch  willkommen  sein. 
so  ist  es  doch  gewis  erfreulich,  endlich  zu  erfahren,  dasz  1620  auch 
der  Flor,  so  gut  wie  der  Yen.  und  Farn.  XT\\f{  bietet  also  musz 
endlich  Xt]kfji  feststehen ,  mag  man  auch  hinter  dem  Schreiber  von 
bai^ovoc  \T\k^  ßap6i(f  einen  Christen,  der  an  den  pferdefusz  des 
tüufels  dachte,  gewittert  haben,  man  müste  1305  cljUiUTM^iTi  auf* 
nehmen,  wenn  die  angäbe,  dasz  der  Flor,  so  habe,  richtig  wäre,  aber 
alle  hss.  haben  das  gleiche  ol|LiU)TMCiciV.  ebenso  ist  die  angäbe  von 
Franz,  dasz  der  Flor.  1420  XP^v  biete,  unrichtig,  der  Yen.  hat  1490 
q)povTiboc ,  nicht  (ppovTibuiV.  doch  für  solche  angaben  eignet  sich 
ein  anderer  platz,  übrigens  hätte  H.  manches  richtiger  angeben 
können,  wenn  er,  statt  sich  auf  die  angaben  Kirchhoffs  zu  verlasseoi 
der  die  neuere  litteratur  unberücksichtigt  gelassen  hat ,  die  ausgäbe 
von  Ueusdes  zu  rate  gezogen  hätte. 


NWecklein :  anz.  v.  Aisch.  Agamemnon  v.  FWSchneidewin  u.  OHense.  445 

Nach  diesen  allgemeinen  bemerkungen  wojlen  wir  noch  einige 
abweichende  meinungen  zu  einzelnen  stellen  vortragen  und  den  yer- 
8uch  machen  zum  bessern  Verständnis  des  Stückes  ein  scherflein  bei- 
zusteuern, in  V.  26  hatte  Sehn,  die  lesart  geringerer  bss.  cii)Liavu) 
aufgenommen;  H.  hat  wieder  die  lesart  des  Med.  cii)Liaivuü  eingesetzt 
und  dazu  die  erklärung  von  Weil  ^laetitia  elatus  Cljtaemnestram 
absentem  alloquitur  servus,  quasi  eum  exaudire  posset'  gegeben,  es 
kann  dies  für  richtig  und  methodisch  gelten,  während  anderseits 
CiilLiavu)  natürlicher  erscheint  und  ähnliche  fehler  öfter  im  Med.  vor- 
kommen, die  entscheidung  liegt  in  dem  gebrauch  der  griechischen 
bühne,  das  abtreten  der  personen  ausdrücklich  anzugeben  und  zu 
inotivieren.  danach  ist  cr|)Liav(jü  das  richtige.  —  Zu  32  f.  beruhigt 
sich  H.  mit  recht  nicht  bei  der  erklärung  von  Sehn.,  welcher  €U  zu- 
gleich bei  6iico^ai  denken  will.  H.  betrachtet  die  Überlieferung  als 
fehlerhaft,  fdr  welche  eine  einleuchtende  Verbesserung  bisher  nicht 
gelungen  sei.  die  bemerkung,  ev  irecövTa  6nco)Liat  sei  im  sinne  von 
olK€iU)COlLiai  nicht  nachweisbar,  ist  nicht  geschickt,  da  natürlich  nur 
6ilC0)Liai  diesen  sinn  haben  soll,  die  richtigkeit  der  Überlieferung 
erweist  sich  aus  den  in  der  note  citierten  stellen  wie  Soph.  fr.  862 
CT^PT€iv  bk  TdKTrecövxa  Kai  6^c6at  Trp^Trei,  woraus  hervorgeht  dasz 
zum  glücklichen  erfolg  des  Spieles  zweierlei  gehört,  Einmal,  um  mich 
eines  modernen  beispiels  zu  bedienen,  die  gute  karte,  zweitens  das 
geschickte  spiel,  dem  diener  ist  das  Schicksal  seiner  herschaft  eine 
gute  karte,  mit  der  er  spielen  will.  —  Mit  recht  hat  H.  79  f.  mit 
Martin  die  Überlieferung  hergestellt;  nur  ist  das  fragezeichen  nach 
t&TT^PTilpwc  zu  setzen  (tT  9*  uir^pTilPWc;). 

Zu  101  empfiehlt  H.  den  verschlag  von  HLAhrens  &c  dva- 
q)a(v€ic,  welchen  Hermann  ao.  s.  163  mit  recht  als  ganz  matt  be- 
zeichnet hat.  —  Der  verschlag  127  CTOjiujGfev  für  cipaTUiGtv  zu 
lesen  ist  ein  unglücklicher,  wozu  soll  denn  das  gebisz  geschärft 
sein?  dient  es  denn  als  zahn  zum  beiszen?  zudem  ist  CTpariüO^v 
durchaus  richtig,  wie  ich  schon  anderwärts  gezeigt  habe,  ganz  nach 
der  weise  Aischjlischer  ausdrucksweise  wird  mit  CTparujO^v  die  be- 
sondere art  des  halfters  bezeichnet,  etwa  wie  es  anderwärts  KCjiia 
XCpcaTov  CTpaToG  heiszt.  das  halfter  ist  gemacht  aus  einem  beere, 
ähnlich  wird  420  von  dem  staube,  mit  welchem  der  goldwechsler 
Ares  handelt,  gesagt,  dasz  es  nicht  goldstaub,  sondern  staub  vom 
Scheiterhaufen  (rrupujÖ^v)  sei.  —  Man  kann  über  manche  erklärung 
zweifelhaft  sein ;  dasz  aber  Schn.s  Interpretation  zu  149  ff. ,  welche 
H.  acceptiert,  falsch  ist,  beweist  die  grammatik  und  der  Zusammen- 
hang, von  *an  Zeus  wende  ich  mich'  steht  nichts  da;  toGtö  viv 
TTpocew^TTUi  ist  nur  nebengedanke,  als  wenn  es  hiesze:  ^Zeus,  den 
ich  so  nenne,  wenn  ihm  dieser  name  genehm  ist.'  der  gedanke  von 
€l  TÖ  judiav  fonrichtig  jLiOTäv)  .  .  ßaXcTv  ^TTirOiLiuiC  wird  erläutert 
durch  iTpoq>povujc  161  und  am  besten  durch  mehrere  chorgesänge 
der  Euripideischen  Bakchai.  dasz  der  gedanke  der  strophe  ist: 
^Zeus  kann  ich  nichts  gleich  stellen  auszer  Zeus ,  niemand  ist  Zeus 


446   K Wecklein :  anz.  v.  Aisch.  Agamemnon  v.  FWSchneidewüi  u.  OHense. 

gewachsen'  zeigt  die  ausführung  der  antistrophe.  der  anfang  und 
das  ende  dieses  chorgesanges  schlieszt  sich  za  dem  gedanken  zu- 
sammen :  ^der  allmächtige  Zeus  hat  das  gesetz  gegeben  irä6€i  iiäOoc 
und  seine  alimacht  bürgt  dafür,  dasa  dieses  gesetz  bestand  habe 
(vgl.  Ant.  604  ff.  OT.  870 f.)*  es  wird  sich  also  auch  an  Agamemnon 
erfüllen,  der  durch  die  Opferung  seiner  tochter  gefrevelt  hat.  doch 
wollen  wir  uns  nicht  mit  schlimmen  ahnungen  vor  der  zeit  beun- 
ruhigen.' übrigens  kann  Ta  ^vOev  233  nicht  bedeuten  Vas  noch 
weiter  kommen  wird',  sondern  nur  'das  was  weiter  kam',  nemlich 
die  blutige  Opferung  der  tochter.  wenn  von  zukünftigem  die  rede 
wäre,  könnte  es  nicht  clbov,  sondern  nur  olba  heiszen. 

Ziemlich  trivial  wird  der  gedanke  228  f.,  wenn  man  dann  die 
begründung  sieht,  warum  die  Jungfrau  den  mut  gehabt  haben  wtträe 
zu  männem  zu  reden,  der  dichter  läszt  vielmehr  die  Jungfrau  durch 
den  mitleid  suchenden  blick  des  auges  sagen :  'ihr  wollt  mich  töten, 
nachdem  ich  euch  so  oft  mit  meinem  gesang  erfreut  habe.'  —  260 
ist  die  erklärung  von  Schneidewin  mit  der  von  Schütz  vertauscht, 
in  der  that  wird  die  deutung  h6ia  »=  (pdc^a,  qxiivTac^a  durch  Cho. 
1048  Tivec  C€  bögat  CTpoßoöciv;  nicht  genügend  gerechtfertigt,  ich 
möchte  aber  oub '  öipav '  oder  vielmehr  ouk  dipav  *  vermuten,  im 
folgenden  verse  werden  zu  äTrrepoc  qpdTic  zwei  erklärungen  ange- 
führt;  richtig  ist  eine  dritte,  welche  in  äTTTcpoc  den  gegensatz  zu 
dem  beflügelten  traumbild  sieht.  —  272  hat  H.  mit  Eirchhoff  die 
coDJectur  von  HLAhrens  IxOCc  aufgenommen :  irövTOV  (£)CT€  vuJTlcai 
ixBOc  iTopeuToO  Xainirdboc  Trpöc  fiboWjv  könnte  nur  heiszen:  'so 
dasz  das  meer  die  fische  auf  den  rücken  (die  Oberfläche)  nahm,  um 
der  sendflamme  eine  freude  zu  machen.'  —  Nicht  ganz  genau  wird 
zu  286  bemerkt ,  dasz  Thiersch  und  Sehn,  zwischen  270  und  271 
eine  lücke  angenommen  hätten,  die  lücke  hat  zuerst  Casaubonns 
notiert,  und  die  annähme  wird  durch  re  in  271  bestätigt.  Thiersch 
aber  hat  in  die  lücke  die  zwei  verse  285  f.  versetzt  und  auch  das 
scheint  richtig,  denn  was  mit  fJT^tpev  dXXiiv  ^Kbox^lV  irupöc  schon 
gesagt  ist,  wird  mit  q)doc  hi  Vf\kiiio^no\  OÜK  i^vaivCTO  noch  ein- 
mal gesagt,  und  eben  diese  angäbe  fehlt  nach  270.  nunmehr  kommt 
auch  die  ansieht  von  Dindorf ,  dasz  das  prosaische  irX^ov  Kaiouca 
Tujv  €ipii)Li^vuiv  durch  7rpocai6pi2Iouca  Trö^Tri^ov  (pXöxa  ersetzt  wer- 
den müsse ,  zur  geltung :  denn  was  man  vorher  dagegen  einwenden 
muste ,  irojiTroö  —  iiiX^TrojLiTrov  —  7rö)Li7ri)Liov  in  drei  auf  einander 
folgenden  versen,  fällt  nach  270  weg. 

Die  tilgung  von  ixifa  bouXetac  345  ist  wenig  wahrscheinlich. 
Aischylischer  ausdruck  wird  mit  ^ifa  bouXeiac  t<Wt<^ov,  äTr^v 
TravdXujTOV  gewonnen,  die  Verderbnis  ist  eine  alte,  da  PoUux  X 182 
TOTTCiMOV  fiTT]C  TTavoXuiTOu  citiert  —  376  f.  willH.  biKatu)9€ic  dvi/jp' 
biuÜKei  usw.  schreiben,  die  änderung  scheint  unnötig  und  die  ridi- 
tige  erklärung  von  biKaiUjOeic  wird  dadurch  gestört:  dennbiKOiuiOeiCi 
iiiex  biu)K€i  ist  eine  freiere  wendung  für  biKaiu>6€lc  bi((»KUiv,  'ge- 
richtet als  eiu  kind  das  nach  vögeln  hascht'. 


ITWecklein :  anz.  v.  Aisch.  A gamemnon  y .  F WSchneidewin  u.  OHense.   447 

413  erscheint  der  ausdruck  6iTT<iv€i  TTp6c  fjnap  als  unmöglich, 
aber  auch  KtTX<!iv€t  Trpoc  fJTrap  oder  OiiToivei  irpöc  fjirap  bessert  nicht 
viel  an  der  construction.  ich  vermute  dasz  6iTT<ivei  glossem  ist  zu 
XpilLiiTT6Tai.  —  427  f.  ist  die  Zusammengehörigkeit  der  worte  noch 
nicht  richtig  erfaszt;  diese  kann  durch  folgende  interpunction  deut- 
lich gemacht  werden:  TÖv  b'  iv  q)Ovaic  KaXujc  itccovt'  —  dXXo- 
Tpiac  bial  TuvaiKÖc ,  Tdbe  citd  Tic  ßaOZiei.  —  434  bezeichnet  auch 
H.  wieder  eö^opq)Oi  als  unpassend,  aber  es  ist  ganz  richtig  und 
drückt  den  gegensatz  zu  dem  i|if]TMCi  nupujO^v  aus :  *die  einen  kom- 
men als  asche  nach  Griechenland,  die  andern  ruhen  in  voller  ge- 
stalt  im  Uischen  lande ,  als  feinde  (^x^ovrac  Orelli)  im  feindlichen 
boden.'  Hermann  ao.  s.  169  fordert  freilich  fUr  diesen  sinn  £|i|iop- 
q)Oi.  die  änderung  wäre  einfach,  scheint  aber  unnötig,  da  der  vorher 
angegebene  gegensatz  der  Verunstaltung  recht  wohl  eu  verträgt.  — 
Im  anhang  zu  467  fif.  spricht  sich  H.  gegen  die  Verteilung  von  467 
— 480  an  zwei  choreuten  aus:  allerdings  werden  mit  der  ttnderung 
von  CGI  474  und  mit  der  unglücklichen  conjectur  zu  479  (Sjct'  ei 
TIC  dXXoc  die  gründe  jener  ansieht  beseitigt,  was  die  methode  for- 
dert, ist  eine  andere  frage. 

Die  note  zu  521  hat  H.  zwar  geändert,  indem  er  *nur  von  freude 
jetzt  erfüllt'  für  Won  lauterster  freude  jetzt  übermannt'  setzt,  aber 
den  unrichtigen  Inhalt  hat  er  nicht  verbessert,  der  chor  begreift 
nur  das  Oxymoron  T€pTrvf\c  vöcou  nicht.  —  Der  versuch,  der  schlim- 
men stelle  534  f.  mit  Ti  b'  ou  ct^vovtcc  fiv  XdxoiT€  irriiiaTOC  ^^poc; 
aufzuhelfen,  dürfte  nicht  gelungen  sein,  einmal  würde  bk  nicht  am 
platze  sein,  dann  ist  der  ausdruck  sehr  gekünstelt,  man  braucht 
nach  ^wenn  ich  erzählen  wollte'  keinen  hauptsatz;  es  ergänzt  sich 
von  selbst  ^ich  würde  nicht  zu  ende  kommen',  dann  aber  erwartet 
man  einen  zusamnftnfassenden  gedanken  ^kurz  welcher  teil  des  tages 
war  frei  von  leiden?'  also  etwa  Ti  b*  ouv  fiv€u  ctövujv  dXdxo)Li€v 
fJjiaTOC  ji^poc ; 

Zu  604  f.  bemerkt  H. :  'auffallend  bleibt  bei  dem  überlieferten 
texte ,  dasz  sich  die  beiden  glieder  der  disjunctiven  doppelfrage  ge- 
danklich nicht  ausschlieszen :  Menelaos  konnte  vor  aller  äugen  von 
Hion  abgesegelt  und  doch  später  durch  den  stürm  von  den  übri- 
gen getrennt  worden  sein.'  er  möchte  deshalb  d^cpctvoic  in  dxKÖTUic 
ändern,  allein  gerade  durch  d^qpavuic  wird  der  gegensatz  angedeutet : 
'ist  er  aus  dem  beer  verschwunden,  nachdem  er  vor  aller  äugen  ab- 
gesegelt? ist  er  nicht  etwa  unvermerkt  in  Troja  zurückgeblieben 
oder  ist  er  auf  der  fahrt  durch  einen  stürm  verschlagen  worden?'  — 
Schneidewins  erklärung  zu  670  ff.  'ihre  jagd  will  nicht  ein  wild  er- 
legen oder  fangen,  sondern  fpiv  aifiaTÖeccav  erregen'  verträgt  sich 
nicht  mit  der  bedeutung  von  bid.  sehr  gut  hat  man  bi'  fpiv  aljüUX- 
TÖeccav  mit  䣣iq)uXXouc  verbunden;  das  blut  wird  die  felder  vor 
Troja  düngen,  die  änderung  von  KcXcdvTUJV  in  KcXcacuiv  ist  schon 
wegen  der  poetischen  form  nicht  annehmbar,  ist  auch  unnötig ,  da 
die  ergänzung  von  auTUiv  sehr  gewöhnlich  ist   nur  die  deatlicU 


448  N Wecklein :  anz.  v.  Aisch.  Agamemnon  y.  FWSchneidewin  u.  OHense. 

gewinnt  durch  KeXcdvTOiv.  —  Allgemein  wird  792  die  ändenmg 
von  Blomfield  äcmbr|q)öpoc  aufgenommen,  man  sagt,  in  äcrri- 
briCTpöq)OC  habe  der  begriff  CTp^q)eiv  keinen  zweck;  aber  vgL  Aias 
575  bid  TroXuppdq)Ou  CTp^q)uiv  TTÖpTraKOC  .  .  cdKOC.  es  kann  sich 
also  nur  fragen,  ob  dcmbocrpöcpoc  für  dcrribiiCTpöcpoc  zu  setzen 
sei.  —  Der  v.  838  sieht  durchaus  nicht  wie  interpolation  aus,  son- 
dern passt  sehr  gut  in  die  eigentümlich  gefärbte  rede  der  Kljtai- 
mnestra.  man  will  einen  einflusz  von  v.  842  annehmen,  aber  die 
Sache  scheint  gerade  umgekehrt  zu  sein  und  musz  umgekehrt  sein, 
wenn  838  echt  ist.  in  842  ist  dvujOev  ziemlich  ungeschickt;  man 
erwartet  dafür  T€pd)LivuiV.  —  v.  909  scheint  nur  der  erklänmg, 
nicht  der  emendation  zu  bedürfen,  zunächst  darf  man  Kai  nicht  mit 
cu  verbinden,  sondern  musz  es  auf  den  ganzen  satz  beziehen:  ^siehst 
du  gar  hierin  (wenn  ich  nachgebe)  einen  sieg  im  streite  und  legst 
besondem  wert  darauf.'  so  sagt  der  siegreiche  Agamemnon  mit  ge- 
wisser ironie,  da  er  im  siege  etwas  höheres  sieht.  —  Zu  917  ist  das 
unpassende  citat  toOtuüv  \&olc*  öti  xal  buvQTÖv  aus  97,  worin 
TOUTUJV  gen.  part.  ist,  stehen  geblieben.  —  931  ist  vielleicht  irpou- 
V€xB€VTOC  in  iTpouvexO^v  TÖb'  (acc.  abs.)  zu  verwandeln;  die  stelle 
würde  damit  an  deutlichkeit  gewinnen,  das  komma  nach  xptlCTTi- 
ptoic  hätte  H.  tilgen  sollen,* da  er  im  folgenden  verse  ^nX^vujfi^vq 
gesetzt  hat.  —  982  ist  wieder  die  wertlose  conjectur  von  Tridinius 
TTpoTTdpoiOe  aufgenommen,  die  lesart  der  Flor.  hs.  TrpÖTrap  ist  um 
so  sicherer,  als  im  entsprechenden  verse  der  Strophe  dKÖpccTOV  dem 
sinn  und  Zusammenhang  nicht  entspricht,  es  ist  dafür  eine  sehr 
einfache  und  der  bedeutung  nach  durchaus  passende  Verbesserung 
von  Mählj  gefunden  worden,  die  H.  nicht  erwähnt,  dKap^c.  im 
augenblick  ist  blühende  gesundheit  in  krankheit  verwandelt,  man 
könnte  für  die  ganze  stelle  unter  anleitung  dis  antistrophischen 
verses  t6  b'  ^ttI  tSv  ttccöv  &nai  OavdcijiGV  vermuten:  jiidXa  T^ 
TOI  TÖ  Xiirapdc  uyttac  dKapic  T^p^a.  im  folgenden  hat  man  doch 
wohl  mit  recht  in  fCtTUiV,  wofür  der  antistrophische  vers  einen  ana- 
päst  erfordert,  ein  glossem  zu  öjiiÖTOixoc  gefunden,  man  kann 
dann  etwa  an  vöcoc  fäp  del  ßiordv  6|liötoixoc  ipefbei  denken.  — 
Die  construction,  welche  zu  973  ff.  angegeben  wird,  Kai  Ökyoc  Trpo- 
ßoXuJv  t6  iLifev  tOüv  xPIM^iTUiV  .  .  tö  bt  f cuicev ,  leidet  an  einem 
grammatischen  fehler,  es  hätte  bemerkt  werden  sollen,  dasz  der  bau 
des  Satzes  sich  ändert  und  dasz  der  anfang  erwarten  läszt :  «kqI  tö 
^^v  tOüv  xpr]ix&j[jjy  TrpoßaXiIiV;  tö  bk  ciücac  hat  er  durch  eine  reiche 
ernte  wieder  Schadenersatz  erhalten.» 

Eine  ganz  verkehrte  interpretation  ist  zu  1006  stehen  geblie- 
ben: 'für  dich  fürwahr  hat  sie  deutlich  geredet,  da  du  mit  den  Ver- 
hältnissen unbekannt  nur  den  wortsinn  faszt  und  ihrem  werte  tränen 
must.'  wie  kann  der  Chorführer  dergleichen  in  gegenwart  der  Kly- 
tairanestra  äuszem?  der  sinn  ist  ein  ganz  anderer,  da  nach  der 
rede  der  Klytaimnestra  Kasandra  keine  miene  macht  dem  befehle 
nachzukommen  und  eine  pause  eintritt,  mahnt  der  chor  die  jnng^ 


!NWecklein :  anz.  v.  Aisch.  Agamemnon  v.  FWSchneidewinu.  OHense.   449 

frau:  Mir  galt  die  rede  und  die  herrin  hat  aasgeredet;  warum  er- 
widerst oder  folgst  du  nicht?'  —  Ebenso  unrichtig  ist  die  erklärung 
von  1020.  gerade  b^,  welches  H.  mit  der  Snderung  dy  *  dvrl  q)UJvf\c 
entfernen  will,  zeigt  dasz  der  befehl,  wie  ea  der  Zusammenhang 
fordert,  an  den  Chorführer  gerichtet  ist.  es  müste  sonst  auch  Elj- 
taimnestra  sagen:  Verstehst  du  meine  worte  nicht,  so  will  ich  mit 
der  hand  zu  dir  reden.'  ebenso  musz  101 1  an  den  Chorführer  ge- 
richtet sein ,  wo  ich  jet^  den  ursprünglichen  text  mit  icw  q)p€VU)V 
T€Tiuvd  ireiOe  viv  \ir{{Jti  gewonnen  zu  haben  glaube.  Eljtaimnestra 
herscht  den  Chorführer  an :  ^rede  nicht  so  zahm  mit  ihr ,  wie  du  es 
mit  ireiOoi'  dv  ei  TreiOoio  gethan  hast,  sondern  sprich  worte,  die 
ihr  ins  herz  hineintönen,  um  sie  zu  überreden.'  der  leichte  Über- 
gang von  T€TüJvd  in  X^TOUCa  muste  die  weitere  änderung  nach  sich 
ziehen.  —  Becht  nichtssagend  ist  auch  der  sinn,  der  in  1057  f.  liegen 
soll :  ^gehört  hatten  wir  schon  früher  von  deiner  Sehergabe ,  seher 
aber  verlangen  wir  hier  zu  lande  keine.'  waren  die  Griechen  so  auf- 
geklärt, dasz  sie  an  keine  seher  glaubten?  es  kann  gar  kein  zweifei 
sein  —  und  die  Überlieferung  selbst  bestätigt  es  —  dasz  das  zweite 
fj/iev  aus  dem  ersten  entstanden  ist.  ja  diesmal  kann  sogar  das 
verlorene  wort  fast  mit  mathematischer  bestimmtheit  erraten  wer- 
den. Easandra  spricht  vorher  von  dem  mahle  des  Thjestes.  der 
chor  erwidert  augenscheinlich :  Won  deinem  seherruf  hatten  wir  ge- 
hört, seher  der  Vergangenheit  aber  suchen  wir  nicht  (tuiv  irplv  irpo- 
(pr\Tac).  —  Schwer  ersichtlich  ist  es,  wie  1081  f.  in  CTttTWV  die 
Kaipia  7TTUJCi|ioic  Euvavuiei  ßiou  biivioc  autdc  der  sinn  liegen 
soll:  ^zum  herzen  hin  ist  mir  safrangeförbt  das  blut  gestiegen, 
gleichwie  es  dem  sterbenden  grün  und  gelb  vors  äuge  tritt.'  der 
chor  sagt:  *es  überkam  mich  bei  deinem  worte  tödliche  angst',  *zum 
herzen  drang  mir  der  safrangeülrbte  tropfen,  der,  wenn  er  an  die 
gefährliche  stelle  fällt  (xaipia  iTTUucijiGc) ,  ans  ziel  kommt  zugleich 
mit  den  stralen  des  untergegangenen  lebens.'  man  fühlt  ja,  wie  das 
blut  zum  herzen  dringt,  und  dasz  die  beklemmung  unter  ^günstigen' 
umständen  (xaipia)  tötet,  ist  ganz  verständlich  mit  dre  .  .  autatc 
ausgedrückt.  —  Hätte  H.  1096  den  Zusammenhang  näher  ange- 
sehen ,  so  würde  er  nicht  im  anhang  die  verkehrte  bemerkung  von 
HLAhrens  angeführt  und  nicht  die  emendation  von  Hermann  6po€?c 
und  Tittler  (nicht  Franz)  £tt€TX^oic  verschmäht  haben;  gerade  OpoOü 
entspricht  dem  Zusammenhang  in  keiner  weise,  und  6po€ic  .  .  in- 
CTX^ttC  stellt  auch  das  versmasz  her. 

Die  emendation,  welche  1166  im  text  stehen  sollte ^  i^X6^tt]V 
öjLioO,  hat  nicht  einmal  im  anhang  erwähnung  gefunden.  —  In  1188 
sollte  endlich  einmal  das  nicht  existierende  q)aibpövouc  aufgegeben 
und  die  richtige  Schreibung ,  die  freilich  H.  nicht  einmal  der  erwäh- 
nung wert  erachtet  hat,  q)atbpöv  ouc  hergestellt  werden,  es  er- 
gibt sich  daraus  die  weitere  emendation  der  stelle,  von  der  anderswo 
schon  die  rede  gewesen  ist:  oiIk  olbev  da  t^tücca  intaiT/j,  kuvöc 
XeiEaca  KdKTcivaca  qpaibpöv  oöc  biKiiv,  diriv  XaGpaiov  TCuHexai 


450   NWecklein :  anz.  v.  Aisch.  Agamemnon  v.  FWSchneidewin  vl,  OHense. 

KQKr)  TÜxi]*  —  1299  hat  die  änderung  von  Keck  diTiKpdvai  schon 
deswegen  die  meiste  probabilitfit,  weil  solche  aoristformen  in  der 
Überlieferung  gern  alteriert  werden,  das  gleiche  ist  der  fall  bei  der 
form  dpac6at ,  wenn  die  erste  silbe  in  die  arsis  zu  stehen  kommt 
so  ist  die  angäbe  von  Merkel,  dasz  der  Med.  Hik.  341  aipacOai  habe, 
ganz  richtig ;  es  folgt  daraus  dasz  dpacOat,  nicht  wie  gewöhnlich  ge- 
schrieben wird  a!p€c6at,  das  ursprüngliche  ist.  der  optativ  £m- 
Kpdvai  nach  dem  fut.  dTTOTicei  ist  nicht  ungewöhnlich,  in  dem 
vorausgehenden  verse  scheint  der  sinn  dXXoc  für  dXXuiV  zu  fordern. 

Die  bemerkung  zu  1329  f. :  ^somit  entscheidet  sich  der  korj- 
phaios  als  diriKupuiv  dafür ,  sich  erst  genauere  künde  von  der  that 
zu  verschaffen ;  doch  kommt  Klyt.  weiteren  schritten  zuvor*  scheint 
der  intention  des  dichters  durchaus  nicht  zu  entsprechen,  wie  schon 
anderswo  bemerkt  worden  ist,  entscheidet  sich  der  korjphaios  da- 
für ,  in  das  haus  zu  dringen  und  der  sache  auf  den  grund  zu  sehen. 
das  kommt  für  die  illusion  durch  das  ekkjklema  zur  ansführnng, 
durch  welches  der  chor  scheinbar  in  das  badegemach  des  hanses 
tritt.  —  Die  zu  1381  ff.  angeführte  erklärung  von  Keck  ist  schon 
deshalb  nicht  brauchbar,  weil  dB  um  blosze  drohungen  Eljtainmestn 
nicht  zu  thun  ist :  sie  musz  gewalt  gebrauchen  wollen  gegen  wider^ 
spenstige  bürger.  so  oft  ich  mir  die  stelle  betrachte,  kann  ich  keine 
andere  herstellung  finden  und  für  möglich  halten  als  die  Umstellung 
von  u)c  7Tap6CK€uacjLi^vr|c  und  x€ipt  viKrjcavT*  djLioC,  also  \ifijj  bi 
CGI  I  ToiauT*  direiXeiv  x^ipi  vncTJcavT'  ^jioO  |  Ik  tuiv  ö)Lioiu)v  dbc 
iTap€CK€uac|i^viic  |  dpxciv,  ^wenn  deine  drohungen  etwas  bedeuten 
sollen,  must  du  erst  mich  mit  gewalt  bezwingen,  da  ich  gerüstet 
bin  meine  herschaft  mit  gewalt  aufrecht  zu  erhalten,  und  unter- 
liegst du  im  kämpfe ,  so  wirst  du  durch  schaden  klug  werden.'  — 
unrichtig  ist  die  auffassung  und  herstellung  von  1386  ff.  der  chor 
denkt  offenbar  an  die  ttuszerung  der  Kljtaimnestra  1348  ff.,  wo  sie 
sich  stolz  und  erfreut  zeigt,  dasz  ihr  antlitz  von  dem  blute  des  er- 
schlagenen gerötet  sei.  der  sinn  verlangt  also  das  überlieferte  €&, 
und  CS  musz  heiszen :  ÜJC7T€p  oCv  q)OVoXi߀i  Tux(f  <PP^v  ^m^aiveTatt 
XiTToc  dir'  ö^^diiüv  a^jiaTOc  eö  irp^ireiv.  drieTOv  usw.,  *wie  du  ja 
in  der  wut  und  raserei,  welche  vergossenes  blut  dir  eingibt,  dir  ein- 
bildest, dasz  der  blutstropfen  an  deiner  stim  eine  zierde  sei.' 

1470  ff.  ist  die  Verbesserung,  welche  allein  der  stelle  construction 
und  Zusammenhang  gibt  und  die  höchst  abstrusen  erklär ungen  über- 
flüssig macht,  nicht  berücksichtigt  worden,  ich  meine  Xid2l€Tai  b* 
öjLiGCTTÖpoic  dTTippoatciv  al)LidTiJüV  jLidXac  ^'Apiic,  ÖTTOt  btKav  irpo- 
ßaivujv  7Tdxv(f  Koupoßöpip  irapäei,  'der  rachegeist  wütet  fort  im 
geschlecht,  bis  er  sühne  schafft  dem  kindermahle'.  —  Zu  1564  ff. 
ist  die  anmerkung  so  gegeben,  als  ob  im  bu'  dOXioiv  im  texte 
stünde,  der  richtige  ausdruck  aber  —  denn  es  kann  kein  zweife) 
sein,  dasz  blosz  an  drei  kinder,  Aigisthos  und  die  beiden  geschlach- 
teten, zu  denken  ist  —  kann  nur  TptTOV  tdp  auTÖv  dvra  füi*  dOXii(i 
Tiarpt  sein,  entweder  ist  von  vom  herein  die  stelle  durch  interpola- 


I^Wecklein :  anz.  v.  Aisch.  Agamemnon  v.  FWSchneidewin  u.  OHense.   451 

tion  verdorben,  oder  es  ist,  nachdem  aÖTÖv  ausgefallen,  der  vers 
falsch  ergänzt  worden.  —  Zu  1572  ist  von  der  Verbesserung  von 
iKwy  in  ^KOic  keine  notiz  genommen,  man  würde  ^kiüV  gelten  lassen 
und  als  wiedergäbe  von  iräcav  cuydipac  ^riXGtvf|V  bucßouX(ac  (1568) 
betrachten  können,  wenn  nicht  die  werte  jliövoc  b'  ^itoiktov  TÖvbe 
ßouXeCcai  q)övov  folgten,  wie  sich  diese  auf  v.  1568  beziehen,  so 
musz  der  sinn  von  dupaioc  ujv  (1567)  irgendwie  wiedergegeben  sein, 
darum  hat  schon  Enger  dniüV  für  ^Kiuv  verlangt;  näher  liegt  dnäc, 
welches  wort  noch  dreimal  im  Agamemnon  vorkommt.  —  Mit  recht 
hat  H.  1584  f.  von  Wieseler  ji^vuiv  und  von  Keck  aicxuviuv  ange- 
nommen, die  weitere  angäbe  aber  «alcx^vac  Hermann,  dem  Schneide- 
win  folgte»  ist  nicht  richtig,  denn  Hermann  weist  die  meinung,  dasz 
Aigisthos  angeredet  werde,  in  welchem  falle  aicxuvac  zu  schreiben 
sei,  als  irrtümlich  ab;  aicxuvac  hat  Wieseler  vorgeschlagen,  aber 
aicxuvuiV  ist  offenbar  nur  in  folge  der  falschen  auffassung  von  xuvai 
in  aicxuvouc'  geändert  worden.  Hermann  fügt  hinzu:  ^praeterea  ob 
«andern  ambiguitatem  scribendum  esset  coniunctim  yuvf)  cu.'  das 
ist  gewis  das  richtige.  —  Nach  1609  erscheinen  wieder  wie  bei 
Sehn,  die  zeichen  der  lücke.  was  H.  dazu  bemerkt,  bedeutet  wenig, 
die  ansieht  von  BAmoldt  kann  schon  aus  formellen  gründen  nicht 
gebilligt  werden,  es  ist  aber  von  H.  nicht  beachtet  worden,  dasz 
Heimsoeth  den  nachweis  geliefert  hat,  dasz  die  verse  1602 — 7  ihren 
richtigen  platz  nach  1586  haben,  alles  spricht  für  diese  annähme, 
werden  nun  die  genannten  verse  umgestellt,  so  folgt  1609  auf 
drohungen  des  Aigisthos  1598 — 1601  und  fällt  dem  Chorführer  zu. 
dann  aber  ist  mit  der  leichten  änderung  von  inii  in  öttij  und  von 
Kai  in  Kou  alles  gethan  und  die  stelle  in  bester  Ordnung:  XO.  dXX* 
ÖTTi;!  boKcTc  Tab*  ^pbeiv  kou  X^yeiv,  tvwcij  rdxa.  Air.  ela  b/j, 
<piXoi  Xoxixai,  ToiJpTOV  oux  ^Kdc  xöbe.  XO.  eta  bii,  Öcpoc  itpÖKUJ- 
TTOV  Träc  TIC  euTpe7ri2l6TUi.  —  In  den  letzten  zwei  versen  will  H. 
uXdTjiaT''  eu  b'  ifü)  Kai  cu  örjccjicv  KpaTOuvTC  Tujvbc  bwfidTwv 
TTcpi  lesen,  die  Vermutung  ist  auf  den  ersten  anblick  ansprechend, 
aber  es  liegt  doch  ein  versehen  dabei  vor.  H.  bemerkt  dazu :  ^meine 
Vermutung  hat  zur  Voraussetzung,  dasz  der  scholiast  ein  ihm  vor- 
liegendes eu  durch  KoXtJUC  wiedergab:  vgl.  schol.  zu  204  €U  xdp 
€tii:  KaXurc  äTToßairi.'  der  schol.  soll  also  eu  gelesen  haben;  soll  er 
dann  nicht  auch  ir^pi  gehabt  haben  ?  das  aber  ist  nicht  möglich,  da 
er  Tiijvbe  Tuiv  biufndTiüV  mit  KpaTOuvTec  verbindet  und  biaOncö^eOa 
Td  Kad*  auTOuc  KaXujc  zur  erklärung  gibt. 

Noch  ist  zu  erwähnen,  dasz  H.  die  vorrede  und  die  ezplicatio 
metrorum,  welche  EvLeutsch  der  ersten  aufläge  beigegeben,  weg- 
gelassen und  sehr  passend  und  zweckmäszig  die  inhaltsübersicht,  die 
nur  ein  vorläufiger,  der  letzten  Überarbeitung  ermangelnder  entvmrf 
Schneidewins  gewesen,  mit  einer  Übersicht  über  die  verschied« 
handlnng  und  entwicklung  der  sage  aus  Schneidewins  einle 
Sophokles  Elektra  (zweite  aufl.  1855  s.  1 — 11)  vertauscht  ] 

Passau.  Nikolaus  ¥ 


452  KLngebil:  zu  AischyloB. 

67. 

ZU  AISCHYLOS. 


Über  die  verwechslang  von  ttoXuc  und  \xi'X(ic  von  selten  der  ab« 
Schreiber  hat  ANauck  zu  verschiedenen  malen  gehandelt,  zuletzt  in 
den  m^langes  gr^co-rom.  III  s.  294  ff.  und  IV  s.  201  ff.  in  der  erstem 
dieser  stellen  bespricht  er  Soph.  Aias  226  tuiv  ^€TiiXu)V  Aotvau^ 
OTTO  KXr)2^0)Li^votv,  xdv  ö  jli^toc  (Nauck  verb.  iroXuc)  ^OOoc  d^ei, 
und  Aisch.  Perser  250  u5  TTepck  ala  xal  ttoXuc  itXoutou  Xifi/jv, 
(bc  dv  ixxä  TrXiiT9  KaT^cpOapTai  ttoXOc  ÖXßoc.  in  betreff  dieser 
stelle  verteidigt  Nauck  siegreich  seine  frühere ,  auf  Eur.  Or.  1077 
gestützte  emendation  judyac  ttXoutou  \\\if\y  gegen  Haupts  con- 
servatismus.  an  beiden  stellen  war  die  veruilassung  der  Verderb- 
nis eine  und  dieselbe:  sie  wurde  hervorgerufen  durch  das  nahe 
dabei  stehende  (sei  es  vorausgehende  sei  es  folgende)  ^^Y^^c  oder 
iToXuc.  aus  diesem  gründe  können  aber  auch  einander  ganz  fem- 
stehende  ausdrücke  vertauscht  werden ;  also  brauchte  die  möglich- 
keit  der  vertauschung  dieser  ausdrücke  an  den  beiden  stellen  nicht 
erst  nachgewiesen  zu  werden  durch  die  im  Sprachgebrauch  begrün- 
dete Verwendung  des  einen  dieser  ausdrücke  im  sinne  des  andern. 
das  thut  aber  Nauck  bei  der  Verteidigung  seiner  emendation  von 
Aisch.  Perser  250;  sie  sei,  sagt  er,  namentlich  darauf  begründet, 
dasz  man  vor  der  byzantinischen  zeit  nie  TroXiic  im  sinne  von  fi^T<XC 
gebraucht;  nie  etwa  TTXdTiuv  ö  ttoXOc  uft.  gesagt  habe,  andere  be- 
weise für  Verwechselung  von  iroXüc  und  [xi'XOLC  in  byzantinischer 
zeit  bringt  Nauck  nicht  bei ;  und  doch  schreibt  WDindorf  im  lexicoy 
Aeschyleum  u.  ttoXuc  Nauck  einfach  nach :  «ttcXuc  pro  ^ifac  dictum 
byzantinae  magis  quam  veteris  graecitatis  est»  anstatt  Naucks  moti* 
vierung  erst  zu  controlieren.  diese  wird  nemlich  meiner  ansieht 
nach  durch  beispiele  wie  TTXdruiV  ö  ttgXuc  nicht  bewiesen :  erstena 
weil  TToXOc  in  diesem  sinne  auch  schon  viel  früher,  wenn  auch  wohl 
nur  vereinzelt  vorkommt;  vgl.  Aristoph.  Yö.  488  die  werte  des 
Peithetairos  vom  hahne:  oÖTUi  b'  Xcxvci  T€  KQi  ^^T<2C  fj  v  töt€  Kai 

TT  0  X  U  C ,  IJJCT '  f Tl  Kttl  VÖV  ÖTTÖ  TfjC  ^ifi^HC  TfjC  TOT  *  ^KCfvilC,  ÖTTÖTOV 

vö^ov  öp6piov  der)  usw.  aber  zweitens  was  würde  solch  eine  Ver- 
wendung von  TToXOc  denn  beweisen,  wenn  sie  sich  auch  blosz  aus 
byzantinischer  zeit  belegen  liesze?  in  TTXdTUiv  ö  iroXüc  bedeutet 
ö  TToXuc  nicht  der  grosze,  glaube  ich,  sondern  der  vielgenannte» 
vielbesprochene  =  6  iroXuc  övo)Lia2Iöfievoc  (alvou^evoc)  nach  Aisch. 
Sieben  6  '€t€OkX^iic  fiv  elc  ttoXuc  .  .  öjiivotTO  usw.  und  dem  Hero- 
dotischen  (I  98)  J\v  ttoXXöc  uttö  ttoytöc  dvbpöc  kqI  irpoßaX- 
Xö^€V0C  Kai  aiv6Ö|i€V0C.  ist  diese  meine  ansieht  richtig,  so  wftre 
in  TTXdTUiV  6  ttoXüc  die  bedeutung  von  ttoXuc  zwar  nicht  die  ge- 
wöhnliche, wohl  aber  eine  aus  ihr  oder  aus  ihr  -|~  cinom  dvo^oZö- 
|i€V0C  oder  ähnlichen  ausdruck  entwickelt,  daher  dem  ursprünglichen 


.■i 


ELagebil:  zu  Aischylos.  453 

sinne  des  wertes  immer  noch  näher  stehend  als  der  bedentung  von 

Eine  ähnliche  Veranlassung  zur  Verwechslung  ven  iroXOc  und 
|Li^Y<2C  ^^^  ^  ^^^  2^^^  andern  stellen ,  die  Nauck  m61.  gr.-rom.  IV 
8.  201  bespricht,  nicht  geboten,  es  sind:  Prom.  732  ^crai  bi  Ovt]- 
TOic  elc  del  Xötoc  ji^Tctc  (ttoXuc  Nauck)  ttjc  cf\c  iropeiac  und 
Soph.  Aias  714  TrdvO"  6  ^lifac  xpövoc  jiiapaivet.  an  letzterer  stelle 
müsse,  bemerkt  N.,  schon  darum  ttoXOc  gelesen  werden,  weil  ^lifCiC 
hier,  dem  ausdruck  juanpöc  entsprechend  v.  646,  nicht  eine  gewal- 
tige zeit  bezeichnen  kann,  wie  Ant.  934,  sondern  viel  zeit  (vgl. 
Ant.  74  IT  X  € i  uj  V  xpövoc  8v  bei  ji'  dp^CKCiv  toTc  Kdiui  tOöv  ivGdbe). 
also  an  diesen  stellen  musz  die  möglichkeit  der  Verwechslung  beider 
ausdrücke  auf  einer  gewissen  Verwandtschaft  der  bedeutung  beider 
beruhen,  so  dasz  ^bei  gewissen  Substantiven  das  eine  wie  das  andere 
adjectivum  denkbar  ist'  (Nauck).  vgl.  zb.  iroXuc  oTvoc,  eine  grosze 
quantität  wein,  6  TroTajiöc  ttoXuc  ^€i,  der  flusz  strömt  gewaltig, 
mit  macht;  TToXXf)  dvdyKii,  eine  vollständige,  dh«  wie  wir  sagen, 
eine  dringende  not  wendigkeit  usw. 

Eben  dasselbe  gilt  auch  für  Aisch.  Sieben  vor  Theben  489 
dXuj  bk  7roXXf)v,  dcmboc  kukXov  X^t^J,  ^q)piSa  bivrjcavTOC,  wo 
zu  lesen  ist  dXuj  bi  ixeyä\r\v:  denn  die  richtige  Übersetzung  die- 
ser verse,  wie  sie  überliefert  sind,  könnte  nur  lauten :  viel  rundes, 
ich  meine  den  kreis  seines  Schildes  (vgl.  Soph.  Phil.  1168  jiiupiov 
dX^oc  «B  TToXu  dx6oc).  Aischylos  musz  aber  hier  vielmehr  das  ge- 
sagt haben ,  was  der  überlieferte  text  nicht  zu  verstehen  gestattet, 
wie  aber  die  sache  auch  Drojsen  aufgefaszt  hat  in  seiner  Über- 
setzung: 'den  weiten  mondhof,  seines  Schildes  riesenkreis  sah  ich 
ihn  mit  entsetzen  schwingen',  dh.  die  riesengrösze  und  riesenstärke 
des  Hippomedon  wird  Aischylos  auch  durch  das  riesige  seines 
Schildes  angegeben  haben,  so  dasz  wir  dadurch  an  den  TreXiibpioc 
Atac  —  q)^pujv  cdKOC  i^iiie  ttuptoc  erinnert  werden,  meiner  ver- 
.besserung  dXuj  bi  ^CTdXiiv  steht  blosz  der  umstand  entgegen ,  dasz 
in  zwei  aufeinanderfolgenden  versen  der  ausdruck  jn^Y^C  vorkäme 
(488  .  .  Kai  jn^xac  tuttoc)  ;  aber  wäre  dieses  ganz  unerträglich ,  so 
würde  ich  eher  das  jH^T^^c  des  vorhergehenden  verses  durch  einen 
verwandten  ausdruck  (etwa  jiiaKpöc)  vertauschen  als  die  Vermutung 
dXuj  b^jLietdXriv  fallen  lassen. 

St.  Petersburq.  Karl  Luqebil. 


Der  erste  chor  der  Hiketiden  gehört  bekanntlich  nicht  zu 
den  unverdorbensten,  jede  der  vielen  Strophen  enthält  irgend  eine 
crux  für  den  erklärer  oder  Übersetzer,  am  schlimmsten  aber  sieht 
es  aus  in  der  vierten  strophe  und  antistrophe  (v.  85  ff.),  hier  wer- 
den dem  leser  nach  dem  gewöhnlichen  texte  dinge  zugemutet,  welche 
auch  ein  köhlerglaube  sich  nicht  gefallen  lassen  kann,  es  ist  rührend, 
wie  die  herausgeber  sich  abquälen  irgend  einen  sinn  in  das  para- 


454  JMähly :  zu  Aischylos. 

doxeste  und  unsiDnigste  hineinzubringen  und  das  widerspruchvollBte 
zusammenzureimen,  und  doch  —  mit  6inem  strich,  oder  besser  zog, 
ist  alles  geheilt  und  Strophe  und  antistropbe  bilden  den  schönsten 
zweiklang,   man  lese  den  überlieferten  tezt: 
Str.  €id€tii  Aiöc  eu  TravaXri- 

6ujc.   Aide  fjiepoc  ouk 

euOripaTOC  iTÖxön  • 

TravTä  TOI  q)XeT^6€t 

Kdv  cKÖTifj  iieXaivqi 

Hüv  TUX9  M€pÖ7r€cci  Xaoic. 
antistr.  mTrrei  5'  dccpaXic  ouö*  M  viu- 

TUJ ,  Kopucpd  Aide  ei 

KpavGQ  TrpäTMO  xeXeiov 

bauXol  Toip  iTpaiT(bu)v 

bdcKioi  T€  xeivou- 

civ  TTÖpoi  xanbeiv  äcppacroi. 
man  merke  in  der  strophe:  Zeus  wille  (Y)bi€pOc)  ist  schwer  zu  er> 
raten,  denn  —  er  leuchtet  sogar  durchaus  und  allerwege  in  der 
finstemis!  Donner  übersetzt:  'in  gedanken  des  Zeus  diingt  kein 
sterbliches  äuge,  |  dennoch  leuchten  sie  rings,  |  auch  gehüllt  in 
nacht  I  schwarzen  geschicks,  vor  der  menschen  blicken.  |  siegend  und 
aufrecht  wandelt  die  that  hin,  |  in  dem  haupte  des  Zeus  einmal  gereift 
zur  Vollendung.  |  denn  dichtschattig  und  wirr  |  ziehen  seines  Sinnes  | 
pfade ,  dem  irdischen  aug*  unmerkbar.'  —  Wie  man  sieht,  hat  er  in 
der  zweiten  der  angeführten  Zeilen  ein  'dennoch'  eingeschmuggelt, 
um  den  gedanken  doch  einigermaszen  möglich  zu  machen ,  obsdion 
der  griechische  text  dieses  'dennoch'  nicht  enthält  und  der  gedanke 
auch  so  noch  ungeheuerlich  genug  bleibt,  nein,  sondern  das  probate 
heilmlttel  ist  einfach  dieses :  die  beiden  zweiten  hftlfien  von  strophe 
und  antistrophe  sind  eine  an  die  stelle  der  andern  zu  versetzen; 
dann  erhalten  wir  ein  untadelliches ,  des  dichtere  würdiges  ganzes: 

elGeiri  Aide  €i5  ttovciXt]- 
Ouie.  Aide  Yjiiepoe  oök 
eueyjpaToe  Mxdr\  • 
bauXol  TÄp  iTpairibuiv 
bdeKioi  T€  reivou- 
eiv  TTÖpoi  Kanbeiv  äcppacroi. 

TTiTTTei  b*  decpaXk  ot&b'  inX  vift- 

Tifi,  Kopuq)qi  Aide  el 

KpavO^  TrpaTMCi  r^Xeiov  * 

Travrä  toi  cpXcT^Oei 

Kdv  exÖTip  iicXaivqi 

guv  Tux?  Mcpöneeei  Xou)ic. 

deutsch  ungefähr: 

doch  es  drin^  kein  sterblich  ange 
in  des  Zeas  geheimen  ratsehlnsz: 


AHllIeimiidt:  la  Aiielijk«.  455 

deam  die  pfade  seines  siaaes 
lielm  durch  schatten  and  dnreh  danke! 
andorchdrin^eh  jedem  bfick. 

aber  steht  die  that  roUendet 
and  gereift  in  seinem  hanpte, 
dann  erfallt  sie  sich  aach  wirklich, 
dann  erscheint  sie  hell  and  leuchtend 
selbst  in  tiefster  nacht  des  anglficks, 
sichtbar  jedem  mensehenkind. 

ich  meine,  die  sache  ist  nicht  bloss  klar  und  angenftUig,  sondern 
auch  Ton  etwelchem  werte',  nicht  bloss  für  diesen  speciellen  fall, 
insofern  sie  dem  dichter  sein  eigentom  surückgibt,  sondern  auch  — 
und  das  ist  ihr  höherer  wert  —  als  ein  allgemeines  kriteriomi  das 
vielleicht  noch  weitere  fruchte  trag^i  kann:  wir  wissen  jetst  an 
einem  unzweifelhaften  beispiel ,  dass  Umstellungen  solcher  art  auch 
in  den  chorpartien  plats  gegriffen  haben,  und  swar  schon  vor  dem 
scholiasten«  denn  der  scholiast  des  cod.  Med.  wenigstens  hat  in 
seinem  exemplar  die  corruptel  schon  Torgefunden. 

Den  ersten  Tcrs  der  strophe ,  der  grtlndlich  Terdorben  ist,  habe 
ich  nach  Eirchhoff  gegeben,  er  berührt  unsere  frage  in  keiner  weise 
und  gehört  höchst  wahrscheinlich  seinem  inhalt  nach  zur  vorher- 
gehenden (dritten)  antistrophe: 

icn  bk  KÄK  TTOX^^OU  TCtpOfl^VOlC 

ßuüjLidc  dpf]c  (purdciv 
pv^xa  bat^övu)V  c^ßac 
str.  4  el    —    —     —     — 

wahrscheinlich  folgte  ein  condicionalsatz.  wäre  die  quantitftt  nicht 
hinderlich  (bei  Aischjlos  nemlich ,  bei  Homer  nicht),  so  könnte  man 
vermuten 

el  Ti€i  T^  TIC  eu  7ravaXr|9iüc. 
Basel.  Jacob  Mähly. 

♦ 

Im  vorigen  Jahrgang  dieser  blätter  s.  727  f.  finde  ich  in  einer 
recension  von  ELugebil  eine  kurze  besprechung  des  um  seiner 
mythologischen  reminiscenzen  willen  schwer  zu  erklärenden  verses 
aus  Aischylos  Sieben  g.  Th.  (380  f.) 

Tubeuc  bfe  jiapTwv  xal  judxric  XeXijUjii^voc 
|i€cii|ißpivaTc  KXaTTaTciv  ibc  bpäKUiv  ßo$. 

Lugebil  macht  im  gegensatz  zu  andern  erklttrem  darauf  aufmerk- 
sam, dasz  hier  nicht  die  blosze  wut  des  Tjdeus  mit  der  eines  draoheUi 
sondern  ^das  mittägige  geschrei  des  wütenden  Tjdeus  mit  dem  mit- 
tägigen zischen  (?)  eines  drachen'  verglichen  werden  8oll|  und  fährt 
fort :  Venu  das  kein  unsinn  sein  soll ,  so  bietet  diese  stelle  wenig- 
stens der  erklärung  unendliche  Schwierigkeiten:  erstens  die,  ob  denn 
kXq^TII  und  xXdZciv  auch  vom  drachen  gesagt  werden  kann ,  oder 
als  vom  drachen  gesagt  sonst  noch  vorkommt,  auszerdem  aber  noch 


456  AHillebrandt:  zu  Aischylos. 

die ,  ob  auch  nach  den  Vorstellungen  der  Griechen  der  drache  zur 
mittagszeit  ganz  besonders  stark  zischt.' 

Bin  ich  auch  nicht  im  stände  gerade  diese  fragen  zu  beant- 
worten, so  glaube  ich  doch  zur  lösung  der  weitem  frage,  ob  hier 
eine  reminiscenz  an  den  Volksglauben  vorliegt  oder  nicht,  ob  'der 
drache  ebenso  wie  auch  Tydeus  nichts  anderes  als  die  sonne'  yor- 
stelle  und  die  )Li€Cii)Lißpivai  KXaTT<xi  'hinweisungen  seien  auf  den 
mittägigen  glänz  des  Sonnenlichts',  einiges  wenige  (mehr  freilich 
nicht)  beitragen  zu  können,  in  dem  9n  Tasnacapitel  des  Avesta 
nemlich  erzählt  Haoma  dem  Zarathustra,  wer  die  menschen  gewesen 
seien,  die  zuerst  Haoma  gepresst  haben,    nachdem  er  zuerst  den 

y ivanhat,  dann  den  Athwya  genannt,  heiszt  es  vers  10:  'Thrita 
(der  Sämas  hilfreichster)  war  der  dritte  mensch ,  |  der  mich  für  die 
irdischen  wesen  auspresste.  |  dieses  glück  wurde  ihm  besohieden, 
dieser  lohn  kam  ihm  zu :  |  dasz  ihm  zwei  söhne  geboren  worden 
Urväbsaya  und  Eeresäspa;  |  der  eine  ein  lehrer  und  gesetzgeber, 
der  andere  ein  überlegener  |  Jüngling,  locken-  (?)  und  keulentrSger, 
welcher  erschlug  den  hOmenen  drachen,  |  den  rosse  und  menschen 
fressenden  giftigen  grünlichen,  |  auf  welchem  g^ift  hervorquoll,  | 
daumensdick  und  grün,  |  auf  welchem  Keresäspa  |  in  eisernem  kessel 
sich  essen  kochte  |  um  die  mittagszeit  da  wurde  es  (oder :  um  die 
mittagszeit  wurde  es)  |  dem  verderblichen  drachen  heisz  und  er 
schwitzte  (?).  |  er  schnellte  unter  dem  kessel  hervor  |  und  schüttete 
das  kochende  wasserum:  |  erschrocken  sprang  zurück  |  der  beherzte 
Kereeäspa.' 

Ich  habe  diese  stelle  im  wesentlichen  nach  der  correcten  Über- 
setzung Geldners  (metrik  des  jungem  Avesta  s.  125.  127)  gegeben, 
in  welcher  nur  das  an  der  entscheidenden  stelle  befindliche  wort 
'schwitzte'  (hvtsat)  unsicher  bleibt,  die  parallele,  welche  dieser 
abschnitt  bietet,  ist  zwar  nicht  durchgreifend,  sie  ist  aber  immerhin 
bedeutend  genug  um  beachtet  zu  werden,  der  Zendsage  und  der 
Aiscbylosstelle  gemeinsam  ist  die  Verbindung  des  drachen  mit  der 
mittagszeit,  und  wenn  auch  in  der  erstem  von  einem  geschrei  des 
drachen  nicht  die  rede  ist,  so  gibt  er  doch  so  deutliche  beweise 
seines  ungestüms ,  dasz  ich  auf  die  abweichung  beider  verbionen  in 
diesem  punkte  kein  gewicht  legen  kann,  daraus  würde  sich  ergeben, 
dasz  der  vergleich,  welchen  gerade  der  angelos  bei  Aischylos  gebraucht, 
wahrscheinlich  einer  alten,  dem  Volksglauben  angehörigen  drachen- 
sage entlehnt  ist,  deren  umrisse  wir  nicht  genauer  ziehen  können, 
ferner  dasz  die  deutung  des  Tydeus  und  des  drachen  als  sonne ,  der 
)Li€CTi)Lißpivai  KXaTTCii  als  mittägiger  glänz  des  Sonnenlichtes  sehr  be- 
denklich  ist.  was  der  drache  bedeutet,  ist  nicht  klar ;  mit  Vermutun- 
gen ibt  nicht  gedient;  ich  glaube,  wir  müssen  uns  vorläufig  an  einer 
zwar  sehr  leisen ,  aber  doch  vorhandenen  Übereinstimmung  der  ira- 
nischen sage  mit  einem  in  eine  Aischylische  botenrede  versprengten 
rest  der  griechischen  volksanschauung  genügen  lassen. 

Breslau.  Alfred  Hillebramdt. 


BSohneider:  Ö  6ir€p  d  in  der  bedeatong  ^weshalb  obgleich  während'.   457 

68. 

"0  'OneP  "A  IN  DER  BEDEUTUNG  'WESHALB  OBGLEICH 

WÄHREND'. 


Der  Sprachgebrauch,  um  den  es  sich  hier  handelt,  ist,  soviel 
ich  sehen  kann,  bisher  noch  nicht  im  Zusammenhang  erörtert,  auch 
gelegentlich  übersehen  oder  falsch  aufge£Etözt  worden,  sagt  doch 
IBekker  zu  Apollonios  de  pron.  s.  103,  7  meiner  ausgäbe  (s.  130C  9 
Bk.) :  cpronomine  äTT€p  uti  solet  auctor  pro  coninnctionibus  Öttou  f  € 
et  KaiTOi» ,  als  ob  dergleichen  bei  andern  'auctores'  nicht  vorkäme ; 
GFSchömann  wollte  bei  demselben  Apollonios  jenes  6ir€p  an  drei 
stellen  entfernen  (s.  u.),  und  EWKrtlger  gr.  spr.  II  §  46,  4,  2  lehrt 
unrichtig:  'ebenso  [wie  ri  'warum']  bei  tragikem  auch  (in  der 
prosa  nicht)  6  .  .  und  &  weshalb'  [ebd.  I  §  46,  3,  4].  man  sehe 
femer,  wie  sich  EFPoppo  in  vollständiger  verkennung  dieser  sprach- 
erscheinnng  mit  der  erklärung  der  stelle  Thuk.  TL  40,  3  abmüht;  da- 
bei brauchte  er  nicht  mit  solcher  geringschfttzung  auf  die  bemerkung 
des  alteu  Hoogeveen  zu  Yiger  s.  33  hinzuweisen :  denn  der  hat  doch 
wenigstens  einen  Schimmer  des  richtigen,  geradezu  erheiternd  aber 
wirkt  es,  wenn  Th Arnold  zu  der  angeführten  Thukjdidesstelle  in 
stiller  Verzweiflung  bemerkt:  'the  onlj  question  is  how  to  explain 
with  the  least  violation  of  the  rules  of  the  language  the  anomalous 
use  of  the  relative  öc'  JClassen  hat  hier  zuerst  die  allein  richtige 
erklärung  gegeben. 

Auch  JNMadvig  hält  verschiedenes  nicht  gehörig  auseinander, 
in  seiner  gr.  syntax  §  195^  heiszt  es  zuerst:  'zu  einem  relativen  pro- 
nomen,  das  im  allgemeinen  auf  das  vorhergehende  verweist,  wird 
bisweilen  eine  nähere  angäbe  desjenigen,  woran  gedacht  wird,  nach- 
her hinzugefügt  durch  einen  infinitiv  oder  accusativ  mit  dem  inf. 
als  apposition  zum  relativ  oder  durch  einen  conjunctionalen  neben- 
satz  (Demosth.  26,  7.  Isokr.  tt.  dp.  7)';  dann  in  einer  anmörkung: 
'zuweilen  erhält  hierdurch  und  durch  eine  kürze  im  aus- 
druck  das  relative  pronomen  im  neutrum  (6,  äirep)  blosz  die  be- 
deutung  einer  anknüpfenden  partikel  (während,  wie)';  und  in  der 
angeführten  Thukjdidesstelle  soll  &  erklärt  werden  durch  'was  bei 
andern  anders  ist ,  indem  — '  oder  blosz  'während  hingegen',  dasz 
diese  auffassung  eine  unrichtige  ist  und  dasz  dies  wieder  auf  die  alte 
ellipsentheorie  zurückgehen  heiszt,  bedarf  keines  beweises.  es  sind 
eben  zwei  ganz  verschiedene  dinge  zusammengeworfen. 

Im  erstem  falle  ist  6  öirep  grammatisches  subject  oder 
object  in  dem  satze,  in  dem  es  steht;  die  anknüfung  an 
das  vorhergehende  vermittelt  es  nebenbei;  man  kann  sich  dafür 
Kai  toCto,  dXXd  toCto,  toCto  oOv  gesetzt  denken ,  und  dieses 
auf  das  folgende,  nicht  auf  das  vorhergehende  deu- 
tende pronomen  findet  dann  durch  den  angefügten  in- 
finitiv-  oder  conjunctionalsatz  seine  erklärung.    bei- 

Jahrbacher  fQr  dast.  philol.  188S  hfl.  7.  30 


458   BSchncider :  ö  öircp  d  in  der  bedeutong  'weshalb  obgleich  während*. 

spiele  sind  häufig  und  finden  sich  in  allen  ausführlicheren  gramma- 
tiken;  auch  an  solchen  fehlt  es  nicht,  in  denen  nicht  ö,  sondern  & 
im  folgenden  seine  umschreibende  epexegese  findet,  wie  Isokr.  15,  19 
&  cpuXaKT^ov  kxiv,  öttujc  jiiTibfev  t5|liiv  cujLißriccTai  toioOtov,  wo  alle 
hgg.  das  &  richtig  beibehalten,  ferner  8,  122  &  xal  irdvTUJV  )LidXiCT* 
äv  TIC  Gau)Lidc€i€V,  £ti  npoxcipiZecOe  usw.,  wo  Bekker  und  FBlass, 
und  8,  4  S  Kttl  öiKttiOJC  äv  Tic  öjiiTv  dirminriccicv  8ti  .  .  dirl  täv 
KOiViJüV  oux  6)LioiuJC  &idK€ic0€,  wo  alle  hgg.  &  gegen  das  zeugnis  der 
besten  hss.  FE  verwerfen,  sehr  mit  unrecht :  denn  auch  das  neutrnm 
plur.  eines  pron.  kann  sich  auf  einen  inf.,  aco.  mit  inf.  oder  ganzen 
satz  beziehen,  wie  JMStahl  zu  Thuk.  VI  17,  3  nachweist;  zu  den 
angeführten  beispielen  gehört  ua.  auch  Demosth.  3,  85  ön  bk  o\ 
Toö  beivoc  viKUJCi  H^voi,  TauTa  TruvedvccGai. 

Dieser  gebrauch  findet  sich  bekanntlich  auch  im  lateinischen, 
die  grammatiken  erwähnen  ihn,  scheiden  aber  auch  hier  verschieden- 
artiges nicht  und  ziehen  das  griechische  nicht  zur  vergleichnng  her- 
bei, obschon  die  sache  erst  dadurch  die  nötige  klarheit  gewinnt,  bei 
GTAErüger  heiszt  es  §  558  anm.  3  ^ :  'steht  qtwd  vor  dem  zweiten 
•  satze,  so  bezeichnet  es  diesen  als  in  folge  einer  natürlichen  ideenasso- 
eiation  mit  dem  vorhergehenden  verbunden,  im  deutschen  läszt  sich 
dies  durch  dabei  («>  in  beziehung  darauf)  oder  durch  einschie- 
bung  von  nun,  aber  ausdrücken ;  keineswegs  soll  jedoch  dieses  quod 
eine  folgerung  (darum)  bezeichnen';  es  folgt  dann  die  stelle  Cic« 
p.  Caec.  25  quod  vobis  venire  in  mentem  profeäo  necesse  est^  mhü  esse 
in  civitate  tarn  düigenter  quam  ius  civile  retinendum^  und  dann  heisxt 
es  weiter:  'am  häufigsten  findet  sich  dieses  quod  vor  m,  nisi*  usw. 
dagegen  ist  erstens  zu  bemerken,  dasz  dabei  nicht  deutlidi  wird,  ob 
quod  nominativ  oder  accusativ  sein  soll;  nach  der  Übersetzung  'in 
beziehung  worauP  zu  schlieszen  scheint  es  fast,  als  wenn  es  Krüger 
als  beziebungsaccusativ  fasse,  diese  auffassung  müste  als  unrichtig 
bezeichnet  werden:  quod  ist  hier,  wie  an  den  analogen  stellen  im 
griechischen,  subject  oder  object  seines  satzes  und  kann  dabei  wohl 
ein  hoc  igitur  vertreten,  also  eine  folgerung  bezeichnen  und  durch 
Marum'  wiedergegeben  werden,  von  dem  quod  vor  si  nisi  ist  dieses 
quod  zu  scheiden.  —  Im  ganzen  richtig  erklärt  es  Madvig  lat.  spr. ' 
§  449  anm.,  nur  dasz  er  diesem  quod  fälschlich  seine  Stellung  aus- 
schlieszlich  vor  cum  und  ubi  einräumt. 

Man  sollte  meinen,  diese  ansieht  sei  durch  die  parallele  des 
demonstrativs  (zb.  Cic.  de  off.  III  28, 102  usw.)  und  durch  die  ana- 
logie  des  griechischen  sicher  gestellt;  gleichwohl  entscheidet  sich 
UJordan  'kritische  beitrage  zur  gesch.  der  lat.  spräche'  s.  348  in 
gewissen  fällen  für  eine  andere,  es  werden  hier  vier  stellen,  in 
denen  quod  ego  vos  moneo  quaesoque  ui  animadvortatis  neu  —  oder 
quod  ego  vos  oro  aique  obsecro  ut  animadvortcUis  neu  —  formelhaft 
wiederkehrt,  in  folgender  weise  erklärt:  *quod  ist  nicht  abhängiger 
objectscasus ,  sondern  hat  die  function  einer  satzverbindenden  con* 
junction;  die  aufforderung  selbst  verlangt  doppelgliedrig  das  anir 


BScbneider:  ö  6ir€p  ä  in  der  bedeatnng  'weshalb  obgleich  w&hrend'.    459 

madvartere  neu  {hoc  facere)^  und  animadvortere  steht  demnach  ohne 
object  im  sinne  von  acht  geben.'  dasz  qtioä  nicht  als  öbjeot  zu 
mmnadvartere  gelten  darf,  ist  unzweifelhaft;  aber  ebenso  unzweifel- 
haft scheint  es  mir,  dasz  es  das  object  der  in  oro  guaesoque  oder  oro 
atque  obsecro  enthaltenen  thfttigkeit  bezeichnet,  das  dann  in  dem  fol- 
genden doppelgliedrigen  conjunctionalsatz  mit  ut  •  .  neu  seine  er- 
klftrung  findet :  *der  gegenständ  meines  mahnens  und  bittens,  meines 
bittens  und  beschwörens  ist  somit,  dasz  ihr  .  .  und  dasz  ihr  nicht.' 
diese  einfache,  durch  die  analogie  gestützte  erklärung  verdient  doch 
auch  deshalb  vor  der  andern  den  vorzug ,  weil  nicht  klar  ist ,  was 
man  sich  unter  der  ^fonction  einer  satzverbindenden  conjunotion' 
zu  denken  habe,  soll  damit  gesagt  werden,  qtwd  sei  in  dem  vor- 
liegenden falle  wirkliches  pronomen  und  vereinige  nur  mit  der  rela- 
tivischen  function  die  conjunctionale  in  d6r  weise,  dasz  auf  das  fol* 
gende  als  auf  ein  ergebnis  des  vorhergehenden  hingedeutet  werde, 
so  ist  allerdings  nichts  dagegen  einzuwenden,  vorausgesetzt  dasz 
quod  in  der  angenommenen  weise  construiert  wird. 

Wir  wenden  uns  zu  dem  zweiten  der  von  Madvig  verbundenen 
fftUe,  der  von  dem  vorigen  vollständig  zu  trennen  ist.  hier  haben 
wir  es  ausschlieszlich  mit  dem  beziehungsaccusativ  zu  thun, 
der  in  dem  satze,  in  dem  er  steht,  weder  subject  noch  object  ist,  der 
in  einem  ganz  bestimmten  logischen  Verhältnis  auf  das  vorhergehende 
zurückweist  und  bei  dem  natürlich  gar  nichts  zu  ergänzen  ist.  auch 
die  gröszem  grammatiken  neuem  datums,  von  den  altem  zu  schwei« 
gen,  geben  darüber  keinen  genügenden  aufschlusz  (zb.  Kühner  ausf. 
gr.  gr.  II'  s.  267  anm*.  6),  und  es  bedarf  daher  wohl  keiner  weitem 
rechtfertigung ,  wenn  wir  uns  etwas  eingehender  mit  ihm  beschäf- 
tigen. 

Der  anfang  dieses  gebrauchs  findet  sich  bei  Homer,  er  hat 
zwar  nicht  das  relativ ,  aber  das  demonstrative  tö  in  der  bedeutung 
'deshalb'  an  acht  stellen,  die  in  den  indices  angeführt  werden.  *  die 
bedeutung  wurde  von  jeher  richtig  erkannt:  Apoll.  Soph.  s.  153,  29 
Bk.  bemerkt  zu  M  9  t6  dvrl  toO  biö,  Eustathios  zu  M  9  (s.  1179,57) 
TÖ  fiTOUV  (das  heiszt)  bxö  na.  nur  führte  man  die  entstehung  des 
gebrauchs  fölschlich  auf  die  auslassung  des  bid  zurück  (s.  Schömann 
opusc.  III  s.  263).  nach  Homer  findet  sich  dieses  TÖ  auch  bei  an- 
dern dichtem,  sowohl  altem,  wie  Pindaros  (Ol.  6,  56  TÖ  Kttl  Kare- 
qxüjüiiHev  KaXcicGai  juiv  XPÖvip  cujUTravTi  \x&vf\p  toOt'  övujüi*  dGdvo- 
Tov.  Py.  5,  39  TÖ  C9 '  f  X€i  KUTrapicavov  jnÄaGpov  i^cp '  dvfepidvTi 
cxcböv.  zu  der  erstem  stelle  bemerkt  Böckh  «tö  est  biö» ,  zur  zwei- 
ten «TÖ  esse  biö  nemo  dubitabit»),  Sophokles  (Phil.  142  TÖ  |üiOi  £v- 
V6Tr€,  Ti  CGI  XPCdiV  Ö7T0upT€iv;  TÖ  könnte  hier  natürlich  auch,  wie 
Ellendt  bemerkt,  object  zu  £vv€Tr€  sein;  aber  der  Zusammenhang 
verlangt  ein  Mamm'),  als  auch  bei  denen  der  mittlem  zeit,  Anti- 
machos  (tö  Kai  090)  TcivOTO  lif[Tr]Q  s.  28  StoU)  und  bei  den  Alexan- 


'  TÖ  kann  an  einigen  stellen  auch  anders  gefatzt  werden;  8.  n» 

30* 


460    BSchneider:  Ö  öircp  ä  in  der  bedeutong  'weshalb  obgleich  w&hrend'* 

drinern,  Apollonios  (tö  kqi  oö  Tic  dvrjXuOe  ^eOpo  T^vaiKuiv  Argon. 
III  894),  Aratos  (tö  bf|  KaXtovTtti  äjuagai  Phain.  27). 

Auch  in  die  prosa  gieng  dieses  tö  über,  aber  nur  in  d^r  weise, 
dasz  die  beziehung  auf  das  vorhergehende  die  des  gegensatzes  war« 
der  durch  das  beigefügte  bi.  noch  versch&rft  wurde,  dieses  tö  bi 
^anderseits  aber,  dagegen'  wurde  zuerst  erläutert  von  Heindorf  zu 
Piatons  Theait.  §  37  s.  334  ('quoniam  nondum,  quod  sciam,  a  doctis 
de  hoc  geuere  explicatum  est')  und  nach  ihm  von  PhButtmann  zu  Pia- 
tons Menon  §  38,  6  (danach  ist  die  bemerkung  Classens  zu  Thuk.  11 
40,  3  zu  berichtigen),  wenn  nun  Piaton  dieses  tö  bi  nachweislich 
an  mehreren  stellen  gebraucht  hat^  so  liegt  gev?is  kein  grund  vor  es 
Aristoteles  abzusprechen ,  selbst  wenn  es  bei  ihm  nur  an  einer  ein- 
zigen stelle  vorkommen  sollte,  mir  scheint  daher  der  zweifei ,  den 
Bamsauer  zu  Ar.  Nikom.  ethik  f  13  s.  1118^  ftuszert  ('quid  auiem 
tö  bi  ?  nisi  enim  absolute  opponendi  vim  habeat,  ut  sit  «e  contraria 
parte»  —  id  quod  ab  usu  Aristotelis  alienum  est'  usw.) ,  durchaas 
nicht  begründet:  jenes  TÖ  bi  ist  vollständig  sicher  nnd  allerdings 
durch  'e  contraria  parte'  zu  erklären,  ist  doch  das  adversative  5  bei 
Thukydides  auch  nur  an  einer  einzigen  stelle  nachweisbar,  und  bei 
manchen  schriftsteilem  scheint  es  gar  nicht  vorzukommen. 

An  dieses  TÖ  bi  schlieszt  sich  unmittelbar  an  TÖ  bi  Ti  Kai 
'anderseits  aber  auch  in  gewisser  hinsieht,  zum  teil  aber  auch',  das 
Thukydides  an  drei  steUen  hat:  I  107,  4.  118,  2.  YII  48,  2. 

Wenn  wir  uns  nun  zu  dem  analogen  gebrauch  des  relativs  wen- 
den ,  so  ist  klar  dasz  auch  bei  diesem  die  grundbedeutung  ist  'mit 
bezug  worauf,  nemlich  auf  den  ganzen  vorhergehenden  gedanken 
oder  die  vorher  erwiesene  thatsache.  ist  das  Verhältnis  zum  folgen- 
den ein  derartiges,  dasz  dieses  durch  das  vorhergehende  begründet 
wird ,  so  ergibt  sich  die  bedeutung  ^weshalb',  so  haben  es  mehr- 
fach die  tragiker:  Sophokles  &  Trach.  136  &  Kai  C6  rdv  ävaccav 
^Xtticiv  X^t^  Tab'  aUv  icx6iv  (die  richtige  erklärung  'quapropter* 
gibt  GHermanA,  der  Ellendt  im  lexikon  mit  recht  zustimmt;  sie 
wird  mit  unrecht  von  Schneidewin-Nauck^  verworfen;  Ellendt  reiht 
im  lexikon  an  obige  stelle  OK.  1291  8l  b*  fiXOov,  i\br\  coi  O^Xui 
X^£ai,  irärcp,  aber  hier  ist  &  inhaltsaccusativ :  s.  u.),  6  bei  Eori- 
pidcs  (Hek.  13  ö  Kai  jli€  t^c  äTTe£^TT€jLii|i€V,  wo  Hermann  die  rich- 
tige erklärung  gegen  Valckenaer  und  Person  verteidigt*,  Phoin.  155 
ö  Kai  beboma  ixi\  ckottuic'  öpOuic  6€oi,  und  ebd.  263  d  Kai  b^boixa 
)Lirj  )Lie  biKTuujv  Icw  Xaß6vT€C  ouk  £Kq)pu)c'  dvaifiOKTOV  X96a)  und 
bei  alexandrinischen  dichtem  (Apoll.  Argon.  I  205  d  Kai  fiCTO- 
pi9)Liioc  i'iev  ndciv  dpicTi^ccciv). 

In  derselben  bedeutung  findet  sich  ö.5iT€p  auch  in  prosa,  aber 
auch  hier  nur  selten,  unrichtig  ist  es  also,  wenn  KWKrüger  ao.  die- 
sen gebrauch  der  prosa  abspricht ,  richtig  aber  auch  nicht  die  be- 
merkung Matthias  gr. gr.  §  477 « :  'besonders  steht  o  f t  zu  anfang eines 

'  die  stelle  wird  weiter  unten  ooch  eiomal  behandelt. 


BSchneider :  ö  6iT€p  ä  in  der  bedeutong  'weshalb  obgleich  während».    46 1 

Satzes  6  dh.  bi'  6  statt  bia  toOto,  quare  statt  Uaque'y  ganz  abge- 
sehen von  der  veralteten  auffassung.  ich  mOchte  unter  anderm  hierher 
rechnen  Isokr.  8,  7  önep  (weil  es  einmal  in  der  natur  des  menschen 
liegt,  nie  mit  dem  zufrieden  zu  sein,  was  er  hat,  deshalb)  dSiöv  den 
be^t^vai,  \xi\  Ka\  vOv  fiineic  fvoxoi  fevdj^eQa  Taüraic  raic  dvolaic' 
hier  ist  dem  Dionysios,  der  67T€p  richtig  verstand,  dafür  ^löirep  in 
die  feder  gekommen ,  ähnlich  wie  Schömann  opusc.  IV  s.  250  an 
drei  stellen  des  Apollonios  Dyskolos  öirep  in  ^lönep  verändern 
wollte,  aber  an  keiner  dieser  stellen  ist  äirep  zu  ändern:  s.  133,  8 
meiner  ausgäbe  (543,  12  Bk.)  67T€p  (deshalb)  dTri)Li€)LiiTTOV  (ist  xpr) 
als  unregelmäszig  zu  tadeln)  iv  jfji  Karä  töv  TraparariKÖv  Trpo90p$ 
Kttia  Tdciv-^  ^XPnv.  8.  167,  24  (578,  27  Bk.)  öircp  (deshalb)  ixpf\v 
Kai  TÖV  Tp\39UJva  Tiepi  täv  öokoüvtujv  d)c  dvTiK€i)i^vuJv  diro- 
XoTncacGai.  s.  195,  5  (608,  19  Bk.)  öircp  (deshalb)  Tivk  juCT^Tpa- 
i|iav  TÖ  oöpav66€V  (setzten  einige  in  dem  verse  f  3  oupavöOev  an 
die  stelle  von  oupavödi).  ebensowenig  ist  anzufechten  s.  179,  5 
(591,  1  Bk.)  öirep  (wenn  man  das  zuletzt  gesagte  in  betracht  zieht) 
TidXiv  DU  jfjlbe  €lx€  TÖ  TrpoKcijüievov  dnippif))Lia.  s.  51,  9  (64  C  7 
Bk.)  5  cuCuTUJC  ol  auToi  qpaci  t^  jii^v  ifiby  Tf)V  libv  (demgemäsz 
behaupten  eben  dieselben,  dem  ifiby  entsprechend  sei  luüV  gebildet; 
letzteres  verbum  oder  ^X^iv  ist  hinzuzudenken),  von  andern  spätem 
führe  ich  nur  noch  einige  stellen  an.  bei  Diodoros  XIII  18  haben 
alle  hss.  ÖTT€p  €i  ^i\  TrapCKpoucdricav ,  dccpaXdic  &v  ^xuipicOricav. 
Stephanus  wollte  für  6tt6P  schreiben  öttou,  Wesseling  djirep  *qua 
quidem  re  nisi  decepti  fuissent\  und  dies  hat  LDindorf  sowohl  in 
den  text  seiner  groszen  Leipziger  ausgäbe  vom  j.  1828  als  auch  in 
die  Teubnersche  textausgabe  von  1867  aufgenommen,  obwohl  er 
selbst  noch  eine  andere  stelle  aus  Diodor  (exe.  Photii  s.  543;  6) 
citiert :  ßncp  oi  4yT€V€Tc  ÜTT^Xaßov  Kpiciv  ouk  £c€Cdai  tujv  kokiüv, 
dazu  noch  eine  aus  Phalaris  s.  8  önep  täv  eO  9pov(£iv  TUTxdvi]c, 
TVUi)LiTiv  Xd߀,  und  aus  Appianos  I  s.  530,  81  Schw.  öircp  ^CTi  ttoX- 
Xoöc  IbcTv  dXoYtüT^pouc  tiTVOjli^vouc  daDTWV.  an  dieser  letzten 
stelle  hat  Bekker  im  Teubnerschen  text  I  s.  267,  15  und  ebenso 
Mendelssohn  I  s.  342,  15  das  öirep  beibehalten;  Valesius  wollte 
UJC7T6P  ändern,  auch  an  der  ersten  stelle  des  Diodor  durfte  öirep 
nicht  angetastet  werden :  'somit  wären  sie  sicher  davon  gekommen, 
wenn  sie  sich  nicht  hätten  teuschen  lassen.'  man  vergleiche  noch 
Plutarch  de  adulat.  et  amico  c.  22,  13  (I  s.  77  Didot)  5  bi\  Kai  AaK€- 
bai)Liövioi  C)Liupvaioic  beoin^voic  citov  7r^|LH|iavT€c  usw. 

Ist  das  Verhältnis  des  folgenden  zum  vorhergehenden  das  des 
vollständigen  oder  teilweisen  gegensatzes,  so  ergeben  sich  die  be- 
deutungen  Viewohl,  während,  dagegen',  das  älteste  beispiel  hier- 
für wird  wohl  die  schon  erwähnte  stelle  des  Thukydides  sein  II 40,  3 
ö  (während)  toTc  dXXoic  dfnaOia  \xkv  Opdcoc,  Xoticjliöc  bi  ökvov 

^  man  kann  hier  öirep  auch  als  object  eu  öeöUvai  nehmen,  aber 
wegen  des  scharf  benrortretenden  logischen  Verhältnisses  zum  vorher- 
gehenden halte  ich  die  gegebene  erklärang  für  die  richtige. 


462    RSchneider :  6  öircp  ä  in  der  bedeutong  ^weshalb  obgleich  während'. 

cp^pei.  auszerdem  führe  ich  an  Isokr.  12,  181  tuüv  faß  OUTUi  |yii^v- 
ll  äpxnc  beivd  7T€7TOv6ÖTUiv,  iv  bk  toic  iropoOci  Kaipoic  xpiicifiuiv 
övTUüv  ££€CTi  TOIC  d9Öpoic  dKpirouc  dnoKTeivat  tocoutouc  öttöcouc 
jäv  ßouXiiBu)Civ '  Sl  (während,  wogegen)  toic  äXXoic  *'€XXif)Civ  oiihk 
Touc  TTOvripoTaTOuc  Tojv  oIkctuiv  öciöv  dcTi  |üitaiq)ov€iv.  Apoll. 
Dysk.  s.  79,  27  (102  B  3  Bk.)  öircp  (aber)  ß^XTtov  (es  ist  besser  an- 
zunehmen) im  Tujv  TOioÜTUJV  Trap^XK6c6ai  t^jv  |iiv.  ebd.  s.  103,  7 

(130  C  9  Bk.)   ÖTTCp   0\)  TOO  KTT))iaT0C  l^lOV,  TOÖ  bi,  |üi€TeiXimLl^VOU 

SeuT^pou  npocuiTTOu,  äirep  iräXiv  oibk  toOto  (wiewohl  wiederom 
auch  diese,  die  zweite  person,  nicht)  KttTOi  TÖ  navTcX^c  dipicrai.  ebd. 
8.  205,  12  (616,  29  Bk.)  öirep  navTi  ji^pei  Xöjou  TrapaKoXouOei  tö 
bieX^TX^cGai  cic  dKaToXXÖTTiTa  (wiewohl  bei  jedem  redeteil  ein  un- 
regelmäsziger  gebrauch  sich  nachweisen  läszt).  ebd.  sjnt.  s.  128, 11 
Bk.  öirep  (aber)  €!  Tic  TdKpiß^c  dg€Tdc€ieV;  oux  cupoi  dv  usw.  ebd. 
8.  325,  17  Bk.  ÖTTCp  (aber)  cl  TTapeiireTO  tö  Ü  dvecroiTOC  äpx€c6ai 
Tctc  cuvG^ceic  Kai  jucTicvai  ItiX  toüc  TrapqiXilM^vouc,  TropciTreTO 
dv  usw. 

Da  GFSchömann  über  die  causale  bedeutung  der  accusative 
der  pronomina  in  einer  besondem  schrift  (opusc.  III  s.  268 — 70) 
gehandelt  hat,  so  wird  es  nötig  sein  auf  diese  näher  einzugehen,  es 
soll  darin  erörtert  werden  der  'usus  pronominum  quae  accusatlTO 
casu  posita  causae  et  rationi  alicuius  rei  indicandae  inserviunt;  yelnt 
cum  toCto,  tö,  TaÜTa  propterea^  ri  autem  cur  significare  dicitur' 
(vom  relativpronomen  ist  vorläufig  nicht  die  rede,  es  wird  aber 
gegen  den  schlusz  auch  die  stelle  Eur.  Hek.  13  d  xai  fi€  T^^c  utt€£- 
^TT€)Liv|i6  besprochen),  nachdem  zuerst  die  alte  erklärung,  nach  wel- 
cher b\a  ausgelassen  sein  sollte,  erwähnt  worden  ist,  wird  auch 
GHermanns  ansieht  verworfen,  nach  dieser  hätten  die  Griechen  zu- 
erst jenes  TÖ  nur  von  einem  verbum  abhängen  lassen,  wie  f  176  TÖ 
Kai  KXaiouca  t^tiiko  von  KXaiouca,  *quam  ego  rem  deflens  conta- 
besco';  dann  aber^  nachdem  das  tö  einmal  die  bedeutong  'weshalb' 
angenommen  habe ,  sei  es  auch  da  so  gebraucht  worden ,  wo  es  mit 
einem  verbum  nicht  verbunden  werden  konnte,  diese  erklärung 
sei  falsch ;  das  hiesze  ja  annehmen  'Graecos  falsa  quadam  similitu- 
dinis  specie  deceptos  vitiose  locutos  esse' :  denn ,  wie  Apollonios  de 
pron.  7,  22  (7B  Bk.)  sagt,  tö  jli^  Taic  koto  q)uciv  X^eci  K€XPnc6ai 
KaKia.  darauf  entwickelt  Schömann  seine  ansieht,  es  müsse  von 
vorn  herein  als  unbestritten  angesehen  werden,  dasz  jene  accusative 
tö,  Ti,  TOUTO,  TaÜTü  ebcuso  gut  objecto  seien  wie  irgend  welche  an- 
dere mit  Verben  verbundene  accusative;  nur  müsse  man  festhalten, 
dasz  die  sogenannten  verba  intransitiva  und  esse  ebenso  wie  die  an- 
dern den  begriff  einer  thätigkeit  enthalten,  das  object  ist  nun  ein 
doppeltes:  entweder  wird  dem  verbum  ein  auszerhalb  desselben 
liegender  gegenständ  entgegengestellt,  auf  den  die  handlung  fiber- 
geht (äuszeres  object,  TcXdv  Tf)V  inujpiav),  oder  das  was  gethan  wird 
ist  selbst  object  der  handlung  (ycXdv  n^iCTOV  t^Xuito).  die  be- 
deutung jedes  verbums  zerlege  sich  also  in  zwei  teile:  eine  generelloi 


RSchneider :  6  Öircp  ä  in  der  bedeutung  'weshalb  obgleich  während'.    463 

indem  jedes  ohne  unterschied  eine  handlung  bezeichnet,  und  ein« 
specielle,  indem  es  besagt  'in  quo  quaeque  actio  versetur'.  beides 
wird  auseinandergehalten  in  den  mit  to  do  und  Troi€ic6ai  um- 
schreibenden ausdrücken,  von  diesen  beiden  bedeutungen  bezeichnet 
die  eine  das  object  der  andern;  wenn  man  also  ein  verbum  aus- 
spricht, bezeichnet  man  zugleich  die  handlung  und  auch  ihr  (inneres) 
object.  letzteres  kann  auch  in  form  eines  Substantivs  mit  einem  ad- 
jectiv  seinen  besondem  ausdruck  finden  (biibK€iv  biujSiv  Tax€iav), 
und  da  die  adjectiva  die  natur  der  participia  haben  —  nur  dasz 
■sie  der  zeitbezeichnung  entbehren  —  so  können  auch  die  adjectiva 
solche  accusative  des  innern  objects  zu  sich  nehmen  (kqköc  Tiäccxv 
KQKiav).  da  femer  diese  accusative  des  Substantivs  nur  deshalb  bei- 
gefügt werden,  damit  sie  einen  bestimmenden  zusatz  erhalten,  so 
ergibt  sich  dasz  dem  erstem  gleichsam  die  zweite ,  dem  letztem  da- 
gegen die  erste  rolle  zufällt,  weshalb  denn  auch  das  Substantiv  fehlen 
kann :  f\b\)  oder  i\bia  fOiäv ,  rdbe  )Liaiv€Tai.  tritt  in  dem  letzten 
beispiel  an  die  stelle  des  demonstrativs  das  fragepronomen ,  so  hat 
man  Ti  juaiverat  dh.  Tiva  fnaviav  juaiverai;  daraus  erklärt  es  sich 
also ,  warum  Ti  TiTTTe  im  sinne  von  cur  und  TÖ  und  raOra  im  sinne 
von  propterea  stehen,  dies  wird  an  einer  groszen  menge  von  bei- 
spielen  erläutert,  was  von  den  verben  gilt,  gilt  auch,  wie  vorher, 
von  den  adjectiven :  raCra  Xctttöc  ist  nichts  anderes  als  ursprüng- 
lich Taiiiriv  Tf|v  XeirrÖTTiTa  Xctttöc*  tqOt'  fip*  eÖTTpöcuJiroc  fjv, 
Jiaec  erat  eius  pulcritudo ,  hoc  est  quod  putcra  fuü. 

Diese  herleitung  muste  im  Zusammenhang  wiedergegeben  wer- 
den ,  um  zu  zeigen  dasz  der  von  uns  zuletzt  behandelte  gebrauch  in 
ihr  keine  stelle  findet,  im  übrigen  ist  sie  gewis  richtig  und  längst 
^emeingut  geworden,  es  soll  auch  zugegeben  werden,  dasz  man  die 
stelle  des  Euripides  (Hek.  13)  ö  Kai  )i€  T^c  äTr6£^ir€)Lii|i€,  wofür 
nach  Homerischer  ausdrucksweise  TÖ  Kai  jiie  yf\c  uir€£^ir€|Lii|i€  stehen 
könnte,  allenfalls  erklären  kann  durch  hoc  erat  quod  me  amandahat  \ 
auch  für  das  Homerische  tö  Kai  KXaiouca  T^TiiKa  kann  man  sich 
denken  toOtov  töv  KXau9)iöv  KXaiouca  x^TTiKa.  es  bleibt  aber 
noch  eine  anzahl  von  fällen  übrig,  in  denen  diese  auffassung  des- 
halb nicht  möglich  ist,  weil  das  prädicat  im  satze,  sei  es  ein  verbum 
oder  ein  nomen  mit  der  copula,  seine  inhaltsbestimmung  schon  hat, 
und  weil  überhaupt  dieses  ö  oder  öirep  oder  &  offenbar  nicht  zu 
«inem  einzelnen  wort  im  angeknüpften  satze ,  sondern  zum  ganzen 
satze  gehört  und  dessen  logisches  Verhältnis  zum  vorigen  präcisiert. 
da  bleibt  nichts  anderes  übrig  als  den  beziehungsaccusatiy  anzuneh** 
men;  wie  kann  man  zb.  in  dem  yerse  T  213  tö  fioi  oö  Ti  )li€T& 
<pp€ci  raOra  ju^juiiXe  das  tö  mit  )Li^|Lir]X6  verbinden,  da  TauTa  schon 
das,  worauf  die  im  verbum  enthaltene  thätigkeit  gerichtet  ist,  dar- 
stellt? und  so  wird  auch  an  den  andern  stellen,  an  denen  die  be- 
deutung 'mit  rücksicht  auf  das  vorher  gesagte'  klar  hervortritt,  das 
TÖ  so  gut  wie  das  ö  ebenso  zu  fassen  sein,  auch  Hek.  13  erscheint 
^ie  Schömannsche  erklärung  gezwungen,    man  kann  sich  wohl  für 


464    RSchneider :  ö  öirep  &  in  der  bedeutung '  weahalb  obgleich  während'. 

ö  ^'  i£^TT€fii|ie  denken  toOto  f)V  ö  fi*  l£^TTefii|i€^  aber  das  ist  nicht 
80  viel  wie  aörr)  f)V  f)  Tr^fiipic  f^v  fi'  ÖTTcS^irejuiiie :  denn  dadurch 
wird  der  begriff  des  schickens  in  einer  weise  hervorgehoben,  die 
dem  Zusammenhang  gar  nicht  entspricht;  sondern:  ^das  war  der 
umstand,  mit  bezug  auf  welchen  er  mich  fortschickte',  also 
wieder  beziehungsaccusativ ,  erst  recht  ^significatione  causali  usor- 
patus',  aber  von  Schömann  nicht  berücksichtigt 

Wie  vorher,  so  liegt  es  auch  hier  nahe  verwandte  sprachen  und 
in  erster  linie  das  lateinische  heranzuziehen,  dies  thut  Glassen  ao^ 
indem  er  auf  quod  vor  si ,  nisi  uä.  hinweist,  über  diesen  gebrauch 
handelt  am  eingehendsten  KBeisig  Vorlesungen  über  lat.  sprachw. 
s.  367 :  sehr  richtig  läszt  er  die  bedeutung  sich  so  entwickeln ,  dass 
quod  sage,  es  stehe  der  satz  in  beziehung  zum  vorhergehenden  ^in 
betreff  dessen',  und  scheint  damit  anzudeuten,  dasz  auch  er  quod  als 
beziehungsaccusativ  fasse,  sagt  es  aber  nicht  ausdrücklich,  letzteres 
geschieht  von  FHaase  zdst. ,  der  bemerkt  dasz  dieser  accusaüv  als 
object  der  betrachtung  das  vorige  für  das  folgende  andeutend  hin- 
stelle: auf  das  griechische  nimt  auch  er  keinen  bezug.  in  den  ge- 
bräuchlichen lehrbüchem  schlieszt  man  sich  entweder  dieser  auf- 
fassung  an,  oder  man  wirft  diesen  gebrauch  mit  dem  des  Inhalts- 
objects  zusammen,  oder  man  drückt  sich  mOglichst  unbestimmt  aus^ 
wie  noch  in  der  neuesten  ausgäbe  der  EUendt-Seyffertschen  gram- 
matik  §  227,  2  a.  2:  'das  neutrum  quod  steht  scheinbar  über- 
flüssig vor  den  coi^unctionen  «i,  nisi^  cum^  ^mi«  quoniam  usw. 
und  dient  zur  bloszen  weiterführung  des  gedankens  in 
einer  schluszreihe :  f  wenn  (da)  nun  also»  oder  twenn  (da)  nun  aber».' 

Eine  von  der  bisherigen  g&nzlich  abweichende  erklärung  gab 
zuerst  ThBergk  im  Philol.  XIY  s.  185:  *quod  si^  quod  uiinam  und 
ähnliches  ist  nicht  auf  den  accusativ  sondern  den  ablativ  zurück- 
zuführen, dessen  altertümliche  form  sich  auch  noch  bei  Plautus  in 
manchen  fiülen  erhalten  hat,  wenngleich  von  den  abschreibem  und 
kritikem  nur  da  geduldet,  wo  sie  die  bedeutung  der  form  nicht 
erkannten.*  obgleich  Bergk  zur  begiUndung  kein  wort  hinzufügt, 
stimmt  ihm  doch  FBitschl  'neue  Plaut,  ezcurse'  s.  57  ohne  weiteres 
bei ;  gerade  darin,  dasz  in  diesen  Verbindungen  das  bewustsein  ihres 
Ursprungs  abhanden  gekommen  war,  sieht  er  den  grund,  weshalb  sie 
sich  mit  bewahrung  des  alten  ablativischen  d  durch  alle  zeiten  er- 
halten haben,  er  hielt  es  also  doch  für  nötig  die  auffallende  erschei- 
nung  zu  erkl&ren,  dasz,  während  sonst  das  ablativische  dl  bis  auf 
wenige  spuren  verdrängt  ist,  während  sich  quödcirea  nur  ein  ein- 
ziges mal  io  einer  inschrift  erhalten  hat  gegenüber  sehr  vielen  quo- 
circa  —  neben  dem  angeblichen  quod  si  ein  quo  si  nirgends  nach- 
zuweisen ist.  und  doch  war  es  kaum  anders  möglich  als  dasz  in  der 
zeit,  in  welcher  quod  in  quo  übergieng,  neben  quod  si  auch  quo  si 
auftrat,  es  wäre  in  der  that  weniger  auffallend ,  wenn  umgekehrt 
ein  quocirca  gar  nicht  vorkäme ;  denn  während  man  das  ablativ-d  ver- 
lor, vergasz  man  zugleich  dasz  drca  auch  mit  dem  ablativ  verbunden 


BSohneider :  ö  öircp  ä  in  der  bedeutong  ^weBhalb  obgleich  während'.    465 

worden  war,  und  so  h&tte  es  nur  der  veränderten  ausspräche  bedurft, 
um  das  quod  in  guodcirca  vor  allen  angriffen  zu  schützen,  aber 
gerade  die  quantität  stand  dem  entgegen  ^  und  diese  hätte  ebenso 
bei  quöd  vor  si  dahin  führen  müssen,  dasz  das  d  allmählich  abge- 
stoszen  wurde,  da  das  nicht  geschehen  ist,  liegt  der  rückschlusz  nahe. 
Zu  diesen  erwägungen  kommen  die  analogien  der  verwandten 
sprachen,  denn  auszer  dem  griechischen  kann  nicht  nur  das  deutsche 
herangezogen  werden  (ahd.  daedaz^  daz  »=  qu(xtenus\  man  sehe  über- 
haupt, was  JGrimm  d.  gr.  III  s.  165  über  die  bedeutung  des  accu- 
sativs  für  die  bildung  der  sogenannten  partikeln  sagt),  sondern 
vor  allem  die  alten  denkmäler  des  Orients,  hr.  prof.  dr.  HOsthoff 
in  Heidelberg  hat  die  gute  gehabt  mir  eine  anzahl  von  belegen  zu- 
kommen zu  lassen ,  die  ich  hier  mit  seinen  anmerkungen  vollstän- 
dig mitteile.  «I.  Avesta.  Yasht  X  21:  yat  cii  hvastem  anhayeüi^ 
yat  cit  tanüm  apayiitiy  at  cii  dim  nöif  räshaySntS  frina.  agha/nam 
tnäthranäm  yäo  verezyeiti  avimUhrish' \  Venu  er  auch  wohlgezielt 
wirft,  wenn  er  auch  den  körper  trifft,  so  verwunden  sie  (die  ge- 
schosse)  ihn  (den  körper)  doch  nicht  wegen  der  menge  der  frevel- 
haften reden,  welche  der  Mithrafeind  thut.'  —  11.  Sanskrit. 
A,  Yeda.  Bigv.  I  26,  6  ydc  cid  dhi  gdgvatä  tdnd  devdfjfi  —  devdtii 
yäjdmähey  tv4  id  dhüyate  havüii  Menn  wenn  wir  auch  in  stetiger 
folge  jedweden  gott  verehren,  so  wird  doch  nur  in  dich  opfertrank 
hineingegossen  (aus  einem  liede  an  Agni,  den  feuergott).  Bigv.  I 
29, 1  ydc  cid  dhi,  scUya  somapä,  andgastä  iva  smdsiy  ä  tU  na,  indra, 
gamsaya  göshv  dgveshu  guhhrishu  sahdsreshu  tuvimagha:  'ob  wir 
gleich,  0  wahrhaftiger  somatrinker,  wie  aussichtslose  sind,  so  gib 
du  uns  doch ,  o  Indra,  aussieht  auf  rinder,  rosse,  auf  glänzende,  tau- 
sende, du  reichlich  spendender.'  B.  nachvedisch.  Meghadüta  27: 
vaJcrahpanthd  yad  api  hhavatah prasthitasyottarägdm,  saudhotsanga- 
pranayavimukho  md  sma  hhür  ujjayinydh'.  ^obgleich  dein  pfad  da- 
hin, wenn  du  nach  der  nördlichen  gegend  dich  aufgemacht  hast, 
krumm  ist ,  so  sei  doch  nicht  dich  abwendend  von  der  annäherung 
an  die  dächer  der  paläste  dh.  von  üjjayinl.'  anmerkungen:  1)  da 
skr.  yad,  avest.  yai  <»  gr.  ö,  skr.  dd,  avest.  dt  «=»  gr.  Ti  ist,  so  ent- 
spricht ydc  cid  (aus  yad  cid  assimiliert)  in  den  beiden  vedischen 
stellen  und  yat  cit  in  der  Avestastelle  genau  dem  gr.  öm  (ö  Tt) ;  das 
zugefügte  cid  verallgemeinert  das  concessiv  gebrauchte  yad:  Venu 
auch  immerhin,  mag  auch  immer,  obschon  irgendwie.'  2)  in  der 
nachvedischen  stelle  versieht  api  hinter  yad  weniger  die  rolle  des 
verallgemeinerns  als  vielmehr  die  des  nachdrücklichen  hervorhebens. 
formal  «»  gr.  im  bezeichnet  api  an  sich  'ndbh  dazu,  obendrein,  auch, 
sogar',  also  yad  api  wörtlich  *wenn  obendrein,  wenn  auch,  selbst  in 
dem  falle  wenn',  bei  dem  hervorhebenden  Charakter  des  gr.  KCp 
dürfte  also  yad  api  dem  öircp  der  Griechen  näher  kommen  ils  jenes 

*  die  Verkürzung  des  ablativ-o  ist  stets  erst  nach  dem  schwlndea 
des  ä  eingetreten,  nie  vorher;  vgl.  Büoheler  grnndrisz  der  lai.  deel.' 
8.  94  f. 


466  KZacher:  zur  hypothesis  von  Aristophanes  Wespen. 

yäc  cidy  yat  dt  im  Yeda  und  Avesta.  3)  für  einfaches  yad  {"^  5)  in 
der  bedeutung  als  concessivpartikel  'obgleich'  habe  ich  keinen  beleg 
gefunden.» 

Die  beigebrachten  beispiele  unterscheiden  sich  insofern  von  den 
von  uns  behandelten  griechischen  und  lateinischen ,  als  in  ihnen  yac 
cid,  yad  api,  yat  cii  stets  im  Vordersätze  stehen  und  entschiedener 
den  conjunctionalen  Charakter  tragen  als  das  bloss  anknüpfende 
ö  öirep.  aber  die  concessive  bedeutung  ist  nachgewiesen,  und  dasz 
sich  diese  nur  aus  der  des  beziehungsaccusativs  entwickeln  konnte, 
ist  doch  wohl  sicher. 

Als  endergebnis  stellen  wir  folgendes  hin.  derbeziehungs- 
accusativ  des  pronomens  zur  anknOpfung  an  das  vorher- 
gehende in  der  bedeutung  'mit  rücksicht  worauf,  wes- 
halb, da  doch,  obgleich,  während'  kommt  von  Homer  an 
bis  in  die  sp&te  gräcität  hinein  bei  dichtem  und  pro.- 
saikern  vor,  aber  nirgends  häufig,  wenn  sich  daher  dieser 
gebrauch  bei  einem  Schriftsteller  nur  vereinzelt  nachweisen  läszt, 
80  ist  dies  kein  grund  ihn  durch  emendation  gänzlich  beseitigen 
zu  wollen. 

Duisburg.  Bicbard  Sohnxider. 


69. 

ZUR  HYPOTHESIS  VON  AEI8T0PHANES  WESPEN. 


Von  der  hypothesis  zu  den  Wespen  ist  viel  besprochen  worden 
der  schluszabschnitt  mit  den  unklaren  und  offenbar  schwer  verderbten 
notizen  über  den  Proagon  und  Philonides.  man  scheint  dabei  nicht 
beachtet  zu  haben,  dasz  die  ganze  hypothesis  sehr  schlecht  über- 
liefert ist.  einzelne  stellen  will  ich  im  folgenden  zu  heilen  ver- 
suchen,    ich  zähle  die  zeilen  nach  Dübners  scholienausgabe. 

Z.  6  d£ö&ou  auTip  ixi\  irpoKCifi^viic  nach  meiner  collation 
hat  V  irepiKCiju^viic,  R  TrepiKeiinevov.   es  ist  also  offenbar  zu  lesen 

7TapaK€l)i^VTlC. 

14  ö  b^  iraic  ^TreipaTO  Tdc  ÖTroi|iiac  dgaipeiv  toö  TTpärfiOToc 
es  ist  zu  lesen  i&Tr6poi|iiaCy  bezüglich  auf  das  vorausgehende  iff(t\ 
6  TipccßuTric  elvai  tö  irpfiTMa  CTroiibaiov  kqi  cxcböv  dpx^v  rö 
hxKalexy,  ij7T€poi|iia  in  der  bedeutung  'Übermut,  stolz'  findet  sich 
bei  attischen  rednem  und  späteren. 

19  ff.  Ka\  Kard  Touc*q)€UTOVTac  iK^lp^iv  cuvcx^ic  Tf)V  i|iT)q>ov 
fu^XXujv ,  dTiaTTiOeic  dKUJV  Tf)v  KarabiKdZoucav  dfia  q>^p€i  i|if)q>ov. 
so  die  Aldina,  die  hier  wieder  einmal,  wie  häufig,  die  richtige  voll- 
ständige lesart  bietet,  während  V  und  R  gleichmäszig  verstümmelt 
sind :  beide  haben  statt  der  vorher  ausgeschriebenen  werte  nur:  Kol 
xard  ToO  (peuTOvroc  ^Kcp^pei  TfjV  i|ifiq)OV.  natürlich  ist  die  lesart 
der  Aldina  im  einzelnen  zu  emendieren :  statt  touc  (peuTOVrac  mnsi 


EZacher:  zur  hypothesis  von  Anstophanes  Wespen.  467 

68  wie  in  y  B  heiszen  toO  9€utovtoc  ,  statt  Kara^iKd^ioDcav  viel- 
mehr dTTObiKoZoucav:  ob  äjua  96p€i  aas  dva9€p6i  oder  ^laqp^pei 
entstanden  oder  das  &ixa  einfach  auszuwerfen  ist,  lasse  ich  dahin- 
gestellt, ich  nehme  anstosz  ancuvex^üC,  das  Dindorf  und  Dübner 
rahig  haben  stehen  lassen,  das  kann  doch  nur  heiszen  ^im  begriff 
sofort  seine  verurteilende  stimme  abzugeben'  usw.  in  der  that 
aber  findet  im  stücke  die  abgäbe  der  stimme  erst  nach  einer  ganz 
regul&ren  gerichtlichen  Verhandlung  statt,  somit  hat  cuv€Xi£ic  gar 
keinen  sinn,  noch  dazu  in  Verbindung  mit  jli^Xujv.  der  gegensatz 
ist:  während  er  die  absieht  hat  zu  verurteilen,  spricht  er  in  der 
that,  durch  Bdelykleon  betrogen ,  frei,  es  möchte  daher  zu  lesen 
sein  ^Kcp^peiv  cuvrjdujc  ii\v  \\tf\(poy  jli^XXujv:  ^er  will,  wie  er  es 
immer  thut,  verurteilen';  was  zu  seinem  benehmen  während  des 
processes  vorzüglich  passen  würde. 

22.  auf  das  epirrema  der  parabase,  v.  1071  ff.,  beziehen  sich 
folgende  worte:  irepi^x^i  bk  Kai  biKaioXoTiav  Tivd  toO  itoi- 

TITOO  ^K  TOO  TTOITITIKOO  7TpOCU)7TOU,  d)C  CCpriHlv  4|Liq)€p€lC  €ICIV 

ol  ToC  XopoO.  so  VR  nach  Dübner  und  nach  meiner  eignen  colla- 
tion.  (unverständlich  ist  mir,  was  Martin  4es  scolies  du  manuscr. 
d'Ar.  ä  'Bav.'  s.  183  sagt:  «nva  toC  Troir]ToG  £k  ttpocuittou,  les 
mots  ToC  xopoG  manquent.»  es  ist  zu  bedauern  dasz  Holzinger  in 
seiner  collation  des  Bavennas  [Wiener  Studien  IV]  die  hjpotheseis 
nicht  mit  berücksichtigt  hat.)  die  Aldina  liest:  iT€pidx€i  bk  xal 
öiKaioXoTiav  rivct  loö  xopoC  ^k  toO  ttoiiitikoO  TrpociÖTrou  bid 
TÖ  C9r)£iv  £)Li9ep€Tc  elvai  touc  toO  xopoO.  das  gibt  auch  keinen 
sinn;  deshalb  bessert  Dindorf,  dem  Bichter  folgt:  biKaioXoTidV  Tiva 
ToO  xopoC  Ik  toG  TTOiiiToO  irpocuiTTOu.  damit  ist  ein  aus- 
druck  hergestellt,  wie  er  sich  in  den  scholien  öfter  findet,  so  heiszt 
es  bei  der  parabase  der  Wolken  zu  v.  518  in  der  Aldina:  f)  Tiapd- 
ßacic  bOKei  jufev  Ik  toö  xopoO  X^TCcGm,  elcdrci  bk  tö  ^auioO 
irpöcuiTiov  6  TTOiriTric  (om.  VB),  und  in  den  (noch  ungedruck- 
ten) interlinearglossen  S  und  Yat.  1294:  d)C  ^K  TTpocuJirouToO 
TT  0 1 T]  T  0  0.   ebenso  zu  dem  letzten  vers  der  Wolken  (KCXÖpeuiai  Tdp 

|Ll€TpiUJC  TÖ  T€  TrijUepOV  f||iiv):   ibcdTrÖTOÖTTOlllTOÖbfeÖ  XÖTOC 

Aid.,  6  XÖTOC  Ik  toO  ttoiiitoO  gl.  6  Vat.  ferner  zur  parabase 
der  Bitter  v.  507  haben  Aid.  V  S  (in  B  fehlen  zu  dem  grösten  teil 
der  Bitter  die  scholien  ganz) :  ö  XÖTOC  ^KToCxopoC  irapd  (1.  tt  6  p  i) 

TOO    TTOITITOO   *ApiCT09dV0UC  TÖV  XÖTOV  TrOlOlijüiCVOC   (1.   TTOIOU- 

fi^vou).  ganz  ähnlich  schol.  Find.  Pyth.  5,  96  (72):  6  XÖTOC  dirö 
TOÖ  xopoO  Tujv  Aißuujv  f\  dTTÖ  ToO  7TOiif]ToO,  bezüglich  auf 
TÖ  b'  Ifiöv  und  djLioi  iraT^pcc.  aber  aus  diesen  parallelstellen  geht 
hervor  dasz  die  Dindorfsche  lesart  biK.  T.  ToO  xopoO  Ik  toO  ttoiiitoö 
irpocuiTTOU  bedeuten  würde :  eine  rechtfertigung ,  die  scheinbar  vom 
chor ,  factisch  vom  dichter  selbst  über  seine  eigne  person  gegeboHi 
wird,  das  würde  ja  nun  wohl  auf  die  parabase  selbst  ganz  gut 
passen,  nicht  aber  auf  das  dnippii)Lia ,  von  dem  doch  hier  die  iBde 
ist ,  wie  aus  dem  folgenden  d)c  cq>iiSiv  ^jiKpcpeic  clciv  o\  toO  XOpoO 


468  BUirschwälder:  zu  Ciceroe  briefen  [XV  4,  9]. 

hervorgeht,  denn  in  diesem  rechtfertigt  sich  der  chor,  ohne  auf  des 
dichters  persönliche  Verhältnisse  irgendwie  einzugehen,  wegen  seines 
erscheinens  in  wespengestalt  und  so  heiszt  es  in  dem  scholion  tu 
V.  1072:  TaCra^^  npöc  ri\y  ckcutiv,  flv  TTcpi^Oexo  6  xopöc, 
Tfjv  Tdiv  C9TIKUIV  TTOiKiXiav  fii|üioufi€VOC,  irepi  toO  cx^MOtoc 
äiToXoTOÜpevöc  qpiici.  daher  denke  ich  dasz  in  der  hypothesis 
zu  lesen  sein  wird:  SiKatoXoTioiv  Tiva  ToO  7TOtr)ToO  x^ntp 
ToO  xopiKoO  TTpocuiTTOu,  dic  cq)ii£\v  dpq)€p€ic  eiciv  o\  toO 
XOpoO ,  eine  rechtfertigung  des  dichters  wegen  der  maske  des  chors. 
die  von  Gardthausen  griecb.  paläographie  s.  260  aufgeführte  sigle 
fUr  uTT^p  "X  ist  mit  der  geläufigen  abkttrzung  von  Ik  ^  leicht  xa 
verwechseln,  vgl.  auch  schol.  YO.  1102  TroXXdKic  Iv  Tak  iropa- 
ßäceci  Kai  o\  TroiriTal  X^youci  Tiva  elc  ra  iavxfSjv  xP^cifia  bid 
TOÖ  xopiKOÖ  npocibTTOu. 

24.  die  hypothesis  fUhrt  fort:  0I  6t6  p^v  i^cav  v^oi,  niKpiIic 
raic  biKaic  ^qprjbpeuov,  ^ttci  ^^  T^povrec  T^TÖvact,  KCvrcOa 
TOTc  K^VTpoic.  dies  ist  offenbar  Inhaltsangabe  der  epirrematisehen 
Bjzygio  V.  107 1—1121.  aber  die  worte  TriKpÜJC  raic  bkaic  lq)fibp€uov 
sind  unsinnig,  schon  aus  sprachlichen  gründen,  namentlich  aber  weil 
sie  keinen  gegensatz  zu  dem  folgenden  enthalten  und  nicht  dem  inhalt 
des  epirrema  entsprechen,  denn  der  gedankengang  der  epirrema- 
tischen  syzygie  ist  dieser:  *  warum  wir  als  wespen  erscheinen?  einst 
waren  wir  oEiüOupoi  gegen  die  Perser,  die  wir  zu  land  und  so 
wasser  besiegten:  da  dachte  keiner  an  sykophantie;  jetzt  schwär- 
men wir  ö£u6u)Lioi  um  die  biKacTif)pia:  irdvra  ycip  K€VToO)Aev 
ävbpa  KäKTTopitofiev  ßiov.'  demnach  dürfte  in  der  hypothesis  etwa 
folgendes  gestanden  haben:  0I  öt6  jli^v  fjcav  vfoi,  mKpd^  Taic 
MtibiKttic  £9r)bp€uov  vouciv,  IttcI  bk  T^povrec  tct^vociv, 

iy  TOIC  blKttCTTlpioiC  KCVTOOCl  TOk  K^VTpOlC  (vgl.  V.  1098  TtttC 

Tpiripcciv.  1098  TTÖXeic  Mi^bwv  dXövT€C.  schol.  1078  cuvcxwc  elo 
dToviai  Tujv  MnbiKdiv  |Li€pvri|Li^voi). 

Breslau.  Konrad  Zaoher. 

70. 

Zu  CICEROS  BRIEFEN. 


In  dem  berichte ,  den  Cicero  ep.  XV  4  über  seine  kriegsthates 
in  Cilicien  gegen  die  unruhigen  stamme  des  Amanusgebirges  an  Cato 
erstattet,  heiszt  es,  nachdem  die  einnähme  von  Erana  {quae  fuU  nom 
vici  instar  sed  urbis)  und  zweier  sonst  unbekannter  Ortschaften  erzählt 
ist,  in  §  9weiter:  his  rebus  iia  gestis  . .  in  reliquiis  {rdiguis  Med.) 
Ämani  ddendis  agrisque  vastandis  .  .  id  tempus  omnc  consumpsmug^ 
der  ausdnick  rdiquicie  Ämani^  an  dem  bisher  niemand  anstosz  genoni- 
men  hat,  erscheint  mir  einigermaszen  befremdlich,  nach  Frey  soll  er 
bedeuten  'die  bewohner  des  Amanus  und  ihre  Wohnsitze',  deutlicher 
wäre  jedenfalls:  inreliquis  vicis  Ämani  usw. 

Breslau.  Bruno  HiRtCHWÄLDER. 


JHChSchubart:  Pausanias  und  seine  ankl&ger.  469 

71. 

PAUSANIAS  UND  SEINE  ANKLÄGER. 


Unter  dem  titel  Tansanias  und  die  inschriften  von  Olympia' 
enthält  die  archttologische  zeitung  Jahrgang  XL  (1882)  sp.  97  ff.  eine 
abhandlang  von  GHirschfeld,  die  durch  die  Wichtigkeit  des  in* 
halts  und  das  ansehen  des  Verfassers  zu  ganz  besonderer  beachtung 
und  gewissenhafter  prüfung  auffordert. 

Gleich  von  vom  herein  stellt  sich  Hirschfeld  mit  fester  Überzeu- 
gung auf  die  Seite  von  Wilamowitz-Möllendorff ,  welcher  zuerst  Mie 
authenticitSt  (?)  des  Pausanias  principiell  angegriffen' ;  er  gibt  diesem 
'princip'  recht  und  bedauert  nur,  dasz  W.  nach  dem  ersten  rich- 
tigen flöilauf  halt  gemacht  habe,  in  der  etwas  sonderbaren  eingangs- 
note  heiszt  es  dann  *ich  sage  das,  weil  ich  es  für  die  Wahrheit  halte  .  • 
ihr  gegenüber  ist  mir  auch  die  auslassung  ganz  gleichgültig,  welche 
▼.  W.  in  den  anal.  Eurip.  s.  138  .  .  sich  gegen  mich  gestattet  hat' 
die  genannte  auslassung  gegen  eine  inschrifterklftrung  Hirschfelds 
lautet  ganz  kurz :  ^taceo  ut  parcam.'  aus  der  feder  von  Wilamowitz 
ist  dies  kaum  eine  unhOflichkeit,  keinesfalls  aber  kann  es  einen  grund 
abgeben,  von  einer  erkannten  Wahrheit  abzugehen ,  weil  der  gegner 
dasselbe  für  wahr  hält,  zu  bedauern  ist  da^,  so  weit  ich  wenigstens 
sehe,  weder  Hirschfeld  noch  sein  kampfgenosse  ihr  princip  genau 
pr&cisiert  haben :  denn  jemanden  angreifen  kann  man  doch  nicht  für 
ein  princip  halten ,  wenigstens  nicht  für  ein  wissenschaftliches ;  mir 
ist  es  nicht  gelungen  zwischen  den  beiden  herren  eine  andere  wesent- 
liche gemeinschaft  zu  entdecken  als  dem  Pausanias  gegenüber  die 
gleiche  spräche  und,  ich  kann  es  nicht  anders  bezeichnen,  den 
gleichen  —  zoilismus. 

Hirschfeld  führt  seine  Untersuchung  als  ^process  von  Wilamo- 
witz und  consorten  contra  Pausanias.'  ob  diese  form  eine  glückliche, 
ob  überhaupt  eine  wissenschaftliche  ist,  braucht  hier  nicht 'eingehend 
erörtert  zu  werden ;  jedenfalls  beeinträchtigt  sie  die  notwendige  Un- 
befangenheit. Pausanias  ist  der  inculpat,  dr.  Hirschfeld  der  ankläger, 
dessen  rolle  es  mit  sich  bringt  alles  aufzusuchen,  was  die  schuld  des 
verklagten  klar  legen ,  dagegen  nach  möglichkeit  zu  verhüllen ,  was 
zu  dessen  rechtfertigung  dienen  kann,  nicht  ohne  rabulistische  fär- 
bung  hat  er  sich  seiner  aufgäbe  entledigt,  es  musz  aber  auch  der 
Verteidiger  gehört  werden,  und  wer  ist  zuletzt  richter? 

'Die  aussage  der  inschriften  hat  das  urteil  über  die  Eliaka  [soll 
wohl  heiszen  Olympia?]  des  Pausanias  in  erster  linie  zu  bestimmen; 
sie  hat  zu  bestimmen ,  ob  der  angeklagte  ganz  oder  teilweise  schul- 
dig, mit  andern  werten,  wie  Pausanias  in  den  Eliaka  gearbeitet  hat. 
der  Charakter  als  verhör  bedingt  die  art  der  a       ihx  er  ei      bt 

kreuz-  und  querfragen  an  die  zeugen'  (sp.  98).    ^ 
kreuz-  und  querfragen  das  hereinziehen  von 
Sache  gehören,  so  kann  dadurch  allerdings 


470  JHChSchubart:  Paasanias  und  seine  anklftger. 

Verdunkelung,  Unklarheit  gebracht  werden,  die  der  anklftger  be- 
nutzen kann,  die  aber  der  erforschung  der  Wahrheit  nicht  förderlich 
ist.  was  heiszt  nun  aber  'die  aussage  der  inschriften  hat  das  urteil 
über  die  Eliaka  in  erster  linie  zu  bestimmen'  ?  will  Hirschfeld  damit 
sagen,  wenn  Paus,  etwas  erzähle  und  die  darüber  aufgefundene  in- 
scbrift  gebe  etwas  abweichendes ,  so  liege  ein  irrtum  auf  selten  des 
Paus.:  so  wird  sich  gegen  diesen  ebenso  harmlosen  wie  unfmcht- 
baren  satz  gewis  kein  widersprach  erheben,  liegen  denn  aber  solche 
fälle  vor?  die  inschriften,  welche  hier  wesentlich  in  betracht  kern« 
men,  sind  fast  ausnahmslos  inschriften  auf  athleten,  und  H.  hat  zur 
abbörung  der  'entlastungszeugen'  eine  tabelle  aufgestellt  von  37  in- 
schriften, welche  sich  mit  angaben  des  Pausanias  decken,  diese 
dankenswerten,  zweckmäszig  eingerichteten  tabellen  (sp.  99 — 104) 
haben  folgende  rubriken:  laufende  nummer,  stelle  des  Paasanias, 
angäbe  des  denkmals,  wo  die  inschrift  in  der  arch.  ztg.  steht,  zeit 
des  denkmals,  ob  Paus,  im  yerhältnis  zur  Inschrift  mehr  oder  weniger 
gibt,  fundort.  ist  das  Verzeichnis  vollständig,  was  ich  nicht  zu  be- 
zweifeln wage,  so  ist  das  resultat  auch  nach  H.s  Zugeständnis  (sp.  105) 
nicht  ungünstig,  vielleicht  darf  man  selbst  sagen:  sehr  günstig,  die 
positiven  beweise  sprechen  also  für  Paus.,  es  bleiben  folglich  nur  die 
negativen,  aus  dem  schweigen  desselben  hergenommenen,  es  unter- 
liegt keinem  zweifei,  Paus,  verschweigt  uns  viele  olympische  in- 
schriften ,  auch  manche  von  denen  welche  H.  (sp.  107  ff.)  mit  der 
groszen  ihm  eignen  inschriftenkenntnis  zusammengestellt  hat,  die 
nicht  allein  für  uns,  sondern  ganz  im  allgemeinen  ein  höheres  Interesse 
haben  als  viele  der  von  ihm  mitgeteilten  inschriften;  die  billigkeit 
fordert  aber  nicht  den  maszstab  unseres  Wunsches  anzulegen,  sondern 
ihn  darauf  anzusehen,  was  er  zu  geben  für  zweckmäszig  hielt,  und 
das  hat  er  deutlich  ausgesprochen  (H.  musz  mir  wohl  gestatten  die 
ihm  misliebige  anführung  [sp.  108]  noch  einmal  auszusprechen):  er 
wollte  nach  wohlüberlegtem  plane  nicht  alle  denkmäler  verzeichnen, 
sondern  mit  auswahl  nur  die  welche  ihm  besonders  merkwürdig 
schienen  (1,  .39,  3.  3,  11,  1).  ein  catalogus  monumentoram  Oljm- 
picorum,  mit  Inbegriff  der  inschriften,  lag  nicht  in  seinem  plane;  dass 
er  ganze  kategorien  ausgeschlossen,  kennen  wir  nur  bedauern. 

Die  sich  mit  angaben  des  Paus,  deckenden  37  inschriften  ordnet 
nun  Hirschfeld  nach  der  zeit,  und  kommt  zu  dem  resultat  (sp.  106), 
dem  kernsatze  der  ganzen  arbeit :  'der  letzte  fest  bestimmbare  Olym- 
pionike mit  statue,  den  wir  bis  jetzt  bei  Paus,  nachweisen  kOnnen,  ist 
Agemachos  von  Kyzikos  (VI  13,  7),  der  sieger  von  ol.  147:  so  führt 
auch  dieser  weg  nur  bis  znm  anfang  des  zweiten  vorchrist- 
lichen Jahrhunderts.'  einige  ausnahmen  betrachtet  H.  als  ez* 
curse  Mie  Paus,  als  curiosa  seiner  zeit  (kqt'  i\xi\y  böEav  6, 14,  2)* 
und  seines  engem  Vaterlandes  anführt,  wie  so  manches  andere,  was 

*  den  zweck  des  eingeschobenen  kot'  i|if|v  bdlay  verstehe  ich  nicht; 
es  bedeutet  ja  weder  ein  cariosnm  noch  seiner  zeit;  eine  meinong  ist 
aber  an  keine  seit  gebunden,  und  eine  meinong  darf  Paus,  doch  habest 


JHChSchubart:  Pausanias  und  seine  anklagen  471 

ihm  als  bestandteil  im  recepte  seiner  authenticität  von  nöten  schien' 
(sp.  106).  ist  das  würdig?  ist  das  wissenschaftlich?  der  angeklagte 
also  fügt  in  betrügerischer  absieht^  das  publicum  zu  teuschen,  die 
ezeurse  und  anderes  ein? 

Ehe  ich  zur  besprechung  des  hauptsatzes  übergehe,  scheint  es  mir 
zweckmäszig  einige  nebenpunkte  zu  erledigen.  Tansanias  (6,  16,  8) 
führt  eine  von  Deinosthenes  in  Olympia  gestiftete  stele  an,  deren 
inschrift  besagt,  der  weg  von  dieser  stele  bis  zu  einer  andern  in 
Lakedaimon  betrage  660  Stadien,  ein  glückliches  geschick  hat  es 
nun  gefügt,  dasz  die  inschrift  selbst  wieder  aufgefunden  ist;  sie  ist 
von  Purgold  (arch.  ztg.  1881  sp.  87)  mitgeteilt,  in  dieser  höchst 
merkwürdigen  Urkunde'  heiszt  es:  airö  Täcbe  tSc  crdXac  dXXaK€- 
baijLiova  ÖaKdiioi  TpidKOvia,  dnö  xäcbe  noTTav  updiav  ciäXav 
TpidKOVTa.  Purgold  ist  nun  der  ansieht.  Paus,  'beschreibe  offenbar 
das  monument  nach  autopsie'  (womit  ich  ohne  bedenken  überein- 
stimme), und  will  die  660  Stadien  des  Pausanias  in  630  berichtigen, 
hiergegen  erklärt  sich  Hirschfeld  (sp.  103  anm.),  nach  meiner  Über- 
zeugung mit  recht:  'derirrtum  könnte  aus  einer  thörichten  addition 
[so  der  ankläger;  ein  unbefangener  würde  sagen:  aus  einer  irrigen 
addition]  entstanden  sein.'  sp.  105  sagt  er  dann :  'im  vorübergehen 
will  ich  schon  hier  bemerken,  dasz  der  irrtum  bei  der  stele  des 
Deinosthenes  bei  directem  auszug  aus  der  steininschrift  schwer  er- 
klärlich wäre.'  nein  umgekehrt:  der  irrtum  erklärt  sich  bei  directem 
aiiszug  aus  der  inschrift  gerade  am  leichtesten,  wir  werden  auf 
ilidirecte  benutzung,  also  auf  ein  buch  hingewiesen,  wozu  denn  aber 
die  fiction  eines  buches,  wo  die  autopsie  des  Originals  nicht  in  abrede 
gestellt  werden^  kann  —  ich  sehe  von  der  rolle  des  anklägers  ab  —  ? 
entlehnte  Pauf<*  aber  einem  übrigens  nicht  nachweisbaren  buche ,  so 
fragt  es  sich:  stand  schon  in  ihm  der  additionsfehler?  dann  ist 
shuldlos ;  oder  gab  es  die  inschrift  correct ,  so  ist  doch 
"^{^^J^VHIlt  ersichtlich,  warum  der  irrtum  bei  directer  benutzung 
des  Originals  schwerer  erklärlich  sein  soll ,  als  wenn  die  Urkunde  in 
einer  abschrift  vorlag,  bei  der  eile  und  dem  gedränge  an  ort  und 
stelle  konnte  ein  irrtum  leichter  unterlaufen,  als  wenn  Paus,  zu  hause 
in  aller  ruhe  und  bequemlichkeit  seine  notiz  einem  buche  entnahm, 
ein  irrtum  ist  vorhanden,  fast  ohne  zweifei  des  Paus.,  |lle  darauf  ge- 
bauten folgerungen  sind  haltlos,  wenn  dannH.  bei  dieser  gelegenheit 
«gleich  von  vorn  herein  nur  eine  indirecte  benutzung  der  xpd|Li|uiaTa 
Tuiv  'HXdiüV  oder  der  ircXuiTpaTMOVificavTec  cnoub^l  rä  tc  touc 
irXdcTac»  zugesteht,  so  wird  darüber  im  folgenden  gesprochen 
werden. 

Bei  erwähnung  des  Gorgias  fügt  Paus.  6, 17,  9  die  bemerkong 

'  Ourtius  in  einem  nach  trag  zum  Pnrgoldschen  aufsatce  (ao.  sp.  9S) 
sagt,  gewis  mit  vollstem  rechte :  'die  inschrift  gibt  zu  mancherlei  flragea 
anlasz,  die  sich  leichter  anfwerfen  als  beantworten  lassen.'     fast  mit 
bedauern  musz  ich  manches  als  nicht  hierher  gehörig  unterdrückeiii  i 
ich  sonst  gern  sagen  möchte. 


472  JHChSchubari:  PauBanias  und  seine  ankl&ger. 

hinzu ,  die  von  den  Syrakusem  zerstörte  Stadt  der  Leontiner  werde 
zu  seiner  zeit  (das  von  H.  wiederholt  bespöttelte  kqt'  iixi)  wieder 
bewohnt.  H.  nennt  dies  ^eine  unglaubliche  albemheit,  da  eich  dies 
hunderte  von  jähren  vor  ihm  in  geltung  befand'  (sp.  115).  gern 
gebe  ich  zu  dasz  die  bemerkung  des  Paus,  nicht  eben  tiefsinnig, 
sondern  unbedeutend  ist,  wie  das  ja  auch  bei  gelehrteren  leuten  vor- 
kommen kann;  aber  ich  möchte  H.  doch  fragen,  ob  er  die  anglaub- 
liche albernheit  fdr  gröszer  hält  als  die  geschmacklosigkeit  mit  der 
er  selbst  (sp.  108)  das  Tassodenkmal  zu  Sorrent  in  seine  beweis- 
ftihrung  einfügt.  —  Schwerer  wiegt  ein  anderer  anklagepnnkt  im 
gymnasion  zu  Antikyra  sah  Paus.  (10,  36,  9)  ein  ehernes  Standbild, 
nach  der  inschrift  des  pankratiasten  Xenodamos,  der  unter  den 
männem  einen  olympischen  sieg  errungen  habe,  hieran  hfttte  sich 
ein  gewöhnlicher  ^reisender'  (auch  diesen  ausdruck  bespöttelt  H.) 
genügen  lassen;  Paus,  aber  forscht  sorgfftltig  nach  diesem  Sieger, 
und  kommt  zu  dem  ergebnis ,  wenn  die  inschrift  die  Wahrheit  sage, 
so  müsse  Xenodamos  den  kränz  in  der  21  In  Olympiade  errangen 
haben,  aÖTTi  iv  TOic*HX€iu)v  TP<iMM<>ci  irapciTai  juiövt]  iracil^v  f| 
öXujLiTrtdc.  ^ein  ganz  unerhörter  znsatz'  ruft  H.  aus,  *da  er  doch 
VI  22,  3  die  8e,  die  34e  und  die  104e  —  aber  die  21  le  nicht  — 
als  die  einzigen  ausgelassenen  Olympiaden  nennt.'  (die  'einzigen' 
setzt  H.  zur  Verstärkung  hinzu.)  «  um  die  gottähnlichkeit  des  'reisen- 
den' Pausanias  kann  einem  da  bange  werden ,  um  den  compilator 
freilich  noch  lange  nicht,  der  eben  in  den  OuiKiKd  andere  hilfsbflch- 
lein  plünderte  als  in  den  'HXtaKd»  (sp.  109).  nicht  bangigkeit,  wohl 
aber  ein  ganz  anderes  gefühl  kann  einen  überkommen  bei  einer 
solchen  art  eine  ernste  wissenschaftliche  frage  zu  behandeln ;  hier 
ist  H.  selbst  aus  der  rolle  des  bloszen  anklägers  heraüigefallen.  hat 
sich  je  irgend  jemand  so  weit  verirrt ,  um  auch  nur  annähernd  von 
der  gottähnlichkeit  des  Pausanias  zu  sprechen?  und  iKWelcb^f  ■«■ 
gelegenheit  ?  im  vorliegenden  falle  ist  der  inculpat  gew^taaicht  gott- 
äbnlich ,  aber  —  er  hat  recht,  ehe  H.  sein  fi^T^t  ^ttoc  in  die  weit 
schickte,  hätte  er  die  sache  doch  reiflicher  prüfen  sollen,  allerdings 
sagt  Paus.,  die  21  le  Olympiade  sei  unter  allen  die  einzige,  welche 
in  den  Eleischen  Urkunden  ausgelassen ,  übergangen  sei  (TTOpcirai), 
und  doch  hatje  er  selbst  die  8e,  die  34e,  die  104e  genannt,  ganz 
richtig ;  diese  waren  aber  von  den  Eleiern  nicht  anerkannt,  es  waren 
keine  Olympiaden,  sondern  anolympiaden;  die  21  le  Olympiade  war 
aber  eine  echte,  anerkannte,  und  (aus  unbekanntem  gründe)  unter 
allen  die  einzige  welche  die  Eleier  übergangen  hatten,  übrigens 
tritt  H.  auch  hier  wieder  mit  seiner  abschreibet heorie,  dh.  der  nnr 
indirccten  benutzung  vor  die  schranken;  Paus,  hat  in  den  <l>unciKd 
andere  hilfsbüchlein  als  in  den  'HXtQKd  geplündert,  was  soll  er  denn 
hier  geplündert  haben?  etwa  die  inschrift?  diese  hatte  er  ja  selbst 
vor  äugen;  oder  den  zweifei  an  der  richtigkeit,  el  dXr|0€uoi  t6  dirt- 
TpapjLia?  oder  die  mögliche  lösung,  q>a(voiTO  5v?  kann  irgend  ein 
unbefangener  in  zweifei  ziehen,  dasz  wir  hier  so  recht  eigentlich  eine 


JHChSchubart:  Pausanias  und  seine  ankläger.  473 

bemerkuDg  des  Paus,  haben?  dasz  das  bilfsbüchlein  ganz  gewis  einen 
die  eitelkeit  der  Antikyräer  verletzenden  zweifei  nicht  ausgesprochen 
haben  würde?  und  alsdann,  woher  hatte  denn  das  bilfsbüchlein, 
welches  Übrigens  lediglich  eine  unbewiesene  und  unbeweisbare  er- 
findung  H.s  ist ,  woher  hatte  dieses  die  notiz  von  der  ausgefallenen 
Olympiade?  soll  dessen  Verfasser  nach  Olympia  gereist  sein  um  den 
zweifei  zu  lösen?  Überhaupt  wäre  es  erwünscht,  dasz  H.  sich  genau 
ausgesprochen  hätte,  was  er  unter  directer,  was  unter  indirecter  be- 
nutzung  verstehe,  es  würde  dadurch  die  beliebte  abschreibetheorie^ 
wenigstens  ein  gewisses  erkennungszeichen  haben,  was  aber  gerade 
die  Olympiaden  betrifft,  so  war  das  Verzeichnis  derselben  eine  art 
von  kalender,  vom  höchsten  interesse  für  ganz  Griechenland,  für  die 
einzelnen  städte,  für  einzelne  personen;  es  war  unentbehrlich  für 
geschichtschreiber  und  gelegentlich  andere  Schriftsteller,  dasz  diese 
jedesmal ,  wenn  sie  es  brauchten ,  nach  Olympia  gereist  sein  sollten 
um  die  Ypä|ii|iiaTa  zu  befragen,  ist  undenkbar,  und  H.  denkt  es  auch 
nicht;  was  bleibt  also  Übrig?  das  allereinfachste ,  naturgemäsze :  es 
waren  abschriften  in  Umlauf  und  zwar  sehr  zahlreiche,  ist  es  denn 
so  schwer  glaublich,  dasz  sich  auch  Paus.,  bei  dem  das  bedürfnis  so 
oft  eintrat,  ein  exemplar  verschafft  habe? 

Kehren  wir  nach  dieser  abschweifung  zu  dem  satze  zurück,  dasz 
der  letzte  bestimmbare  Olympionike ,  den  wir  bei  Paus,  finden ,  uns 
nur  bis  zum  anfang  des  zweiten  vorchristlichen  jh.  führt,  zu  dem- 
selben ergebnis  gelangt  Treu  (arch.  ztg.  1882  sp.  72  ff.)  'es  lasse  sich 
in  dem  Verzeichnis  des  Paus,  nicht  ein  einziges  denkmal  (?)  nach- 
weisen, welches  jünger  wäre  als  die  mitte  des  zweiten  vorchristlichen 
jh.'  diese  thatsache  ist,  wie  Treu  nachweist,  schon  von  Rutgers  in 
seiner  ausgäbe  des  Julius  Africanus  bemerkt  worden,  allerdings  eine 
sehr  beachtenswerte  thatsache!  wir  stehen  hier  vor  einem  rätsei, 
dessen  lösung,  falls  sie  je  allgemein  befriedigen  soll,  unausgesetzte, 
ernste,  unbefangene  forschung  in  anspruch  nehmen  dürfte,     mit 

'  es  ist  unglaublich,  was  dieser  diraiöcuToc  Kai  öXi^a  ßißXia  K€KTr|- 
jmdvoc  alles  abgeschrieben  (geplündert)  haben  soll,  auch  was  er  mit 
eignen  äugen  sehen  konnte,  die  ankläger  kommen  immer  darauf  zurück, 
in  der  absieht  den  inculpaten  möglichst  herabzusetsen.  nun  kann  es 
ja  gleichgültig  sein,  ob  eine  notiz  von  Paus,  selbst  herrührt  oder  ab- 
geschrieben ist,  wenn  sie  nur  gut  ist.  wundern  darf  man  sich  aber, 
dasz  die  herren  nicht  bemerken,  welch  eine  auszerordentliche  belesen- 
heit der  angeklagte  gehabt  haben  müste,  um  alle  diese  notizen  zu  er- 
langen, und  welch  ein  gedächtnis  oder  eigentlich  welche  beherschung 
es  voraussetzt,  sie  immer  zur  rechten  zeit  gegenwärtig  zu  haben:  denn 
ein  buch  gab  es  doch  nicht,  in  dem  Paus,  alle  die  verschiedenartigsten 
notizen  beisammen  fand,  die  er  etwa  brauchen  konnte?  gerade  jetzt 
bin  ich  damit  beschäftigt  den  Paus,  durchzuarbeiten  in  beziehung  auf 
dessen  belesenheit  und  litteraturkenntnis,  und  —  hr.  v.  Wilamowitz  möge 
es  mir  verzeihen  —  ich  bin  erstaunt,  mit  welcher  Sorgfalt  er  die  litteratur 
durchforscht  hat,  in  so  weit  sie  seinen  zwecken  dienlich  sein  konnte, 
ein  geistreicher  mann  äuszerte  sich  über  Paus. :  'c'est  une  mer  k  boire' ; 
je  tiefer  ich  in  das  buch  eindringe,  in  verschiedenen  richtungen,  desto 
treffender  scheint  mir  dies  urteil. 

Jahrbücher  flkr  class.  philol.  1883  hft.  7.  31 


474  JHCIiScbubart:  PausaDias  und  seine  anklftger. 

voller  Überzeugung  unterschreibe  ich  was  Curtius  (arcb.  ztg.  187S 
s.  50)  sagt:  ^keiner,  der  so  merkwürdige  Schriftdenkmäler  zuerst 
herausgibt .  .  wird  den  anspruch  machen ,  alle  probleme  I9sen  zu 
können,  welche  sie  darbieten,  der  hauptgewinn  ist  ja,  dasz  der  alter- 
tumswissenschaft  in  den  ausgegrabenen  denkmttlem  so  vielerlei  neue 
Probleme  gestellt  werden,  an  deren  lösung  alle  zweige  derselben  be- 
teiligt sind,  und  für  das,  was  bei  unseren  jetzigen  hilfsmitteln  rätsel- 
haft bleibt,  wird  mit  dem  fortgange  der  entdeckungen  sicherlich  noch 
manche  aufklftrung  uns  zu  teil  werden.'  ein  auf  echter  cuKppocuvTi 
und  gründlicher  Sachkenntnis  beruhender  satz. 

Es  sind  schon  einige  versuche  gemacht  worden  die  auffallende 
erscheinung  zu  erklären;  den  meisten  beifall  scheint  jetzt  die  ab- 
Schreibetheorie  zu  haben:  Paus,  hat  das  Verzeichnis  der  olympischen 
Sieger  und  ihre  denkmäler  lediglich  abgeschrieben,  und  Wilamowitz 
hat  auch  das  buch  entdeckt,  welches  Paus,  geplündert  haben  soll, 
den  Polemon;  Treu  nennt  diese  Vermutung  hoch  wahrscheinlich,  und 
allerdings  hat  sie  wenigstens  das  für  sich ,  dasz  durch  sie  der  termi- 
nus  ad  quem  eine  leidliche  erklärung  findet.  Hirschfeld  dagegen 
bedauert  es  (sp.  106  anm.)  dasz  Treu  so  ohne  weiteres  mit  in  die 
übliche  Polemontrompete  gestoszen  habe;  er  selbst  gibt  jedoch  nicht 
an,  in  welche  trompete  er  selber  stöszt.  die  hOchst  ärmlichen  reste, 
welche  uns  von  Polemons  Eliaka  erhalten  sind ,  bieten  freilich  auch 
nicht  den  allerschwächsten  anhält;  aber  kennt  H.  ein  anderes  buch, 
welches  einen  starkem  anhält  gewährte?  denn  abgeschrieben  hat  ja 
auch  nach  seiner  ansieht  Paus,  auffallenderweise  ist  aber ,  so  weit 
es  mir  bekannt  geworden ,  noch  nicht  hervorgehoben  worden ,  dasz 
durch  diese  abschreibetheorie  im  gründe  weiter  nichts  erreicht  ist 
als  die  feststellung  der  thatsache,  dasz  das  Verzeichnis  der  denk- 
mäler nur  bis  zu  einem  einige  Jahrhunderte  vor  Paus,  liegenden 
Zeitpunkt  herabreicht,  hat  er  auch  alles  das ,  was  er  hierüber  mit- 
teilt, wirklich  abgeschrieben,  warum  bricht  er  plötzlich  ab,  wo  seine 
quelle  aufhört  ?  warum  führt  er  nicht  proprio  Marte  das  Verzeichnis 
fort  bis  auf  seine  zeit?  hierüber  verlangt  man  eine  antwort,  nicht 
den  Vorwurf  der  gedankenlosigkeit,  des  blOdsinns.  ein  ähidiches 
stilles  bedenken  scheint  auch  H.  gekommen  zu  sein ,  für  welches  er 
eine  freilich  recht  sonderbare  lösung  andeutet,  er  möchte  das  alibi 
beweisen,  und  wirft  deshalb  (sp.  113)  die  frage  auf:  'war  Pausanias 
in  Olympia?'  die  antwort  lautet:  'die  einzige  stelle,  welche  mir 
für  eine  wenn  auch  flüchtige  anwesenheit  zu  sprechen  scheint,  steht 
V  20,  8  cuv^ßn  .  .  raOta  \xiv  5f|  aördc  ^iftpunf  öpuccöjuieva.  nicht 
sowohl  auf  die  letzte  Versicherung  lege  ich  dabei  gewicht  als  darauf, 
dasz  da  eine  unzweifelhafte  und  in  gröstem  umfang  bestätigte  that- 
sache —  das  Vorhandensein  von  bronzeresten  aller  art  im  Altis- 
boden  —  falsch  erklärt  wird.'  hier  drängt  sich  doch  die  frage  auf: 
ist  das  die  manier  (methode  mag  ich  gar  nicht  sagen)  wie  man 
wissenschaftliche  fragen  behandelt  ?  ist  es  nicht  vielmehr  ein  'reoept' , 
wie  man  misliebige  gründe  umgeht  und  mit  ungehörigen  redensarten 


JHChSchubart:  Pausanias  und  seine  ankläger.  475 

verdunkelt?  fast  jedes  wort  ist  ein  irrtum,  ob  absichtlicher,  ob  un- 
absichtlicher, mag  H.  selbst  entscheiden,  ^flüchtig'  ist  ein  willkür- 
liches einschiebsei;  ^scheint'  eine  tendenziöse  Verdrehung;  dasz  er 
auf  die  Versicherung  des  Paus,  'er  habe  es  selbst  gesehen'  (worauf 
es  doch  einzig  und  allein  ankommt)  weniger  gewicht  legt  als  auf 
die  ausgegrabenen  bronzetrtimmer  (die  für  die  vorliegende  frage 
absolut  bedeutungslos  sind)  und  deren  falsche  erklärung  —  alles 
dieses  verdient  in  der  that  keine  Widerlegung,  nur  noch  eine  frage 
über  die  falsche  erklärung,  auf  welche  H.  besonderes  gewicht  legt; 
es  war  ja  da  überhaupt  nichts  zu  erklären,  und  Paus,  wenigstens 
erklärt  auch  gar  nichts ,  folglich  auch  nichts  falsch ;  er  erzählt  ganz 
einfach,  er  habe  gesehen ,  wie  man  die  bronzestücke  ausgegraben, 
also  aus  der  angeführten  stelle  geht  für  jeden  unbefangenen  zweifel- 
los hervor:  Pausanias  war  in  Olympia.^  —  Ist  nun  aber  die  an- 
geführte stelle  wirklich  die  einzige,  in  welcher  Paus,  seine  an  Wesen- 
heit in  Olympia  zu  bezeugen  'scheint'  ?  H.  ist  vielleicht  der  ansieht, 
sich  danach  umzusehen  sei  Obliegenheit  nicht  des  anklägers,  sondern 
des  Verteidigers:  denn  sonst  hätte  es  dem  so  genauen  kenner  der 
periegese  nicht  entgehen  können,  dasz  es  auszer  den  zahlreichen  'in- 
directen*  beweisen  auch  noch  mehrere  'directe'  Zeugnisse  gibt,  welche 
diese  anwesenheit  darthun.  ohne  Vollständigkeit  zu  beanspruchen, 
führe  ich  nur  an:  5,  20,  4  f.  über  ein  gewisses  vorkommen  will  er 
nicht  hinweggehen,  das  Aristarchos,  der  olympische  exeget,  ihm  er- 
zählt; sie  unterhalten  sich  darüber  und  kamen  dann  überein  .  . 
Icpaiveio  flliiTv.  mit  einer  art  von  befriedigung  erzählt  er  6,  18,  2, 
dasz  es  ihm  gelungen  sei  eine  statue  des  Anaximenes  aufzufinden: 
oTba  dveupOüV.  im  schatzhause  der  Sikyonier  in  der  Altis  waren 
zwei  0dXa)iioi:  xciXkou  auToiic  diipujv  elpTCic^^vouc ,  ob,  wie  die 
Eleier  sagten,  von  Tartessischem  erze,  ouk  oTba.  in  begleitung  des 
exegeten  betrachtet  er  das  eine  giebelfeld  des  groszen  tempels 
(5, 10, 7);  die  einzelnen  personen  werden  besprochen;  über  die  haupt- 
personen  war  ein  zweifei  ausgeschlossen,  nur  in  bezug  auf  den  wagen- 
lenker  des  Pelops  bemerkt  er,  der  exeget  habe  ihn  Killas  genannt, 
nach  Troizenischer  sage  heisze  er  jedoch  Sphairos.^ 

^  ich  führe  die  worte  eines  mannes  an,  dessen  autorität  auch  Wila- 
mowitz  nachdrücklich  anerkennt.  Cnrtius  hat  auf  der  vorjährigen 
Karlsruher  philologenversamlung  (s.  diese  jahrb.  1882  abt.  II  s.  589) 
folgendes  gesagt:  'interessant  ist  ein  vergleich  des  aufgedeckten  Olympia 
mit  den  angaben  des  Pausanias:  treu  hat  er  als  augenzeuge  berichtet 
was  er  gesehen  hat,  und  sicher  nicht  ans  einer  beschreibnng  geschöpft, 
das  ergibt  sich  einfach  daraus,  dasz  Pausanias  nur  zehn  Schatzhäuser 
erwähnt,  während  uns  zwölf  in  den  grundmauern  erhalten  sind,  von 
diesen  zwölf  aber  liesz  Herodes  Atticus  zwei  zur  anläge  eines  weges 
abreiszen,  woraus  hervorgeht  dasz  der  perieget  nur  denjenigen  zustand 
schildert,  welcher  kurz  vor  seinem  besuche  in  Olympia  eingetreten  war.' 

^  über  die  Streitfrage»,  welche  dieses  giebelfeld  bei  den  archäologen 
angeregt,  werde  ich  mich  vielleicht  in  einem  zweiten  artikel  aus- 
sprechen; jetzt  nur  die  bemerkung,  dasz  die  beschreibung  des  Paus, 
den  Vorwurf  der  flüchtigkeit  ausschlieszt. 

31* 


476  JHChScbubart:  Pausanias  und  seine  anklagen 

Also  Pausanias  war  nach  eignem  zeugnis  wirklich  in  Olympia. 
wie  beseitigt  nun  H.  diesen  ihm  .ungünstigen  umstand  ?  man  höre, 
sp.  115  ^wollte  Pausanias  betrügen?  tbat  er  wirklieb  wesentlich 
anderes  als  andere  alte  und  als  die  mehrzabl  der  modernen  Italia- 
pilger,  welche  ihre  dürftigen  paar  einblicke  und  erlebnisse  mit  den 
grösten  dosen  von  Ooetbe  und  Burckhardt,  von  bewährten  kunsi-, 
cultur-  und  litterarhistorien,  mit  Baedeker,  ja  mit  Meyer  anrichten? 
etwas  ärger  ist  es  [was?]  wohl;  um  wie  viel;  das  scheint  mir  noch 
nicht  spruchreif  zu  sein.'  ich  gestehe ,  so  etwas  ist  mir  bei  einer 
wissenschaftlichen  forschung  noch  nicht  vorgekommen,  wäre  ich 
Präsident  des  gerichtshof es ,  vor  welchem  der  ankläger  mit  solcher 
beweisart  aufträte ,  so  würde  ich  ihn  ernstlich  zur  Ordnung  rufen« 
nur  eine  faule  sache  hilft  sich  mit  solchen  mittein.  das  ist  aber  die 
folge,  wenn  man  die  processform  in  die  Wissenschaft  einführt,  warf 
H.  seine  frage  auf,  so  muste  er  mit  nein  oder  mit  ja  antworten;  im 
ersten  falle  hatte  die  frage  zu  ihren  andern  eigenschaften  noch  die, 
überflüssig  zu  sein;  im  zweiten  falle  musten  tüchtige  beweise  vor* 
gebracht  werden ;  fanden  sich  keine  andern ,  so  doch  mindestens  zu- 
treffende psychologische.  H.  umgeht  eine  bestimmte  antwort;  er 
gibt  uns  dafür  einige  redensarten  von  dingen ,  welche  mit  der  vor- 
liegenden frage  nicht  einmal  eine  ähnlichkeit  haben,  ich  also  als 
Verteidiger  sage  geradeaus:  Pausanias  wollte  nicht  betrügen,  aach 
ist  ein  zweck  nicht  findbar,  warum  er  hätte  betrügen  sollen. 

Gern  würde  ich  hiermit  dieses  leidige  capitel  verlassen,  allein 
H.  bringt  es  noch  in  anderer  Verbindung  vor.  sp.  114  lesen  wir: 
*  würde  mir  jemand  erwidern,  dasz  auch  die  ganz  beiläufige  notis 
über  die  bronzefunde  entlehnt  sein  könnte ,  so  wüste  ich  dem  ein- 
wurf  allerdings  nur  meinen  subjectiven  eindruck  von  authenticitit 
entgegen  zu  halten;  erkennt  man  diesen  an  oder  teilt  ihn^  so  hätten 
wir  auch  die  bekannten  irrtümer  bei  der  Atlasmetope,  bei  den 
« Pferdeknechten )» ^  des  ostgiebels  und  doch  wohl  auch  bei  der  mitte 
des  westgiebels  dem  Pausanias  oder  seinen  ciceroni  zuzuschreiben. 
aber  wer  bürgt  uns  denn  dafür,  dasz  nicht  auch  schon  ein  oder  selbst 
ein  paar  Jahrhunderte  früher  bei  starker  beteiligung  mündlicher  tra- 
dition  solche  legenden  —  um  milde  zu  sein  —  aufkommen  konnten?' 
das  ist  ein  mustersatz  an  klarheit  und  bündigkeit;  betrachten  wir 
ihn  genauer,  ein  gewisser  Quidam  macht  die  bemerkung,  der 
lügenhafte  Pausanias  renommiere  nur  von  seiner  an  Wesenheit  bei 
ausgrabung  des  —  Nibelungenhorts?  nein,  einiger  bruchstücke 
von  bronzenen  schnallen  und  pferdegebissen;  er  habe  aber  seine 
notiz  nur  entlehnt,  der  vorsichtige  H.  weisz  diesem  nichts  entgegen- 
zuhalten als  »einen  allerdings  nur  subjectiven  eindruck  von  authen- 
ticitüt.  was  heiszt  das  ?  soll  es  bedeuten,  er  habe  den  eindruck,  die 
aussage  des  Paus,  sei  richtig?    dann  bedurfte  es  keines  subjectiven 

^  über  diese  auch  von  andern  mit  viel   behagen  hervorgehobenen 
Pferdeknechte    vielleicht   ein  andermal,     so    gani    glatt   ist  die  Mche 

doch  nicht. 


JüChSchubart:  Pausanias  und  seine  ankläger.  477 

eindracks;  das  zeugnis  des  Paus,  genügte  vollkommen.  H.  fährt 
fort:  'erkennt  man  diesen  an  oder  teilt  ihn'  —  wen  denn?  gram- 
matisch kann  sich  diesen  und  ihn  nur  auf  ei nd ruck  beziehen; 
dann  hat  aber  das  folgende  keinen  sinn;  also  müssen  sich  diese 
Wörter  wohl  auf  das  entfernte  einwurf  beziehen,  dann  hätten  wir 
den  sinn :  Venn  Paus,  die  notiz  von  ausgrabung  der  bronzesachen 
entlehnt  hat,  so  haben  wir  auch  die  Irrtümer  von  den  Pferde- 
knechten usw.  dem  Paus,  oder  seinen  ciceroni  zuzuschreiben.'  die 
folgerung  ist  kühn  und  stimmt  nicht  genau  zu  den  gesetzen  der 
vulgären  logik.  ganz  unverständlich  aber  ist  mir  das  folgende ;  wohl 
dürfte  man  wünschen,  H.  wäre  etwas  weniger  mild  gewesen  und 
hätte  geradeaus  gesagt,  was  er  unter  legenden  verstehe ;  etwa  lügen  ? 
nun,  mag  es  sein  was  es  will,  worauf  bezieht  sich  denn  die  legende? 
auf  das  ausgraben  einiger  bruchstücke  von  ehernen  schnallen  usw.  ? 
H.  verlangt  nun  bürgschaft,  dasz  diese  legende  nicht  schon  ein  paar 
Jahrhunderte  früher  aufkommen  und  unter  starker  beteiligung  münd- 
licher tradition  fortgepflanzt  werden  konnte  (so  soll  es  doch  wohl 
heiszen?).  also  ein  paar  Jahrhunderte  vor  Paus,  ereignete  sich  \x^ 
Olympia  die  aufsehen  erregende  thatsache ,  dasz  einige  bruchstücke 
eherner  schnallen  ausgegraben  wurden:  es  bildete  sich  darum  eine 
legende  (oder  lüge) ,  die  sich  unter  beteiligung  mündlicher  tradition 
fortpflanzte,  bis  sich  Paus,  derselben  bemächtigte  und  die  ganz  bei- 
läufige notiz  seinem  buche  einverleibte,  habe  ich  den  sinn  richtig 
erraten,  so  scheint  es  mir  unnötig  noch  ein  wort  hinzuzufügen. 

H.  fährt  fort :  *nur  wer  sie  (dh.  die  verhängnisvolle  tradition) 
dem  Polemon  selber  zutraut,  musz  sich  ein  sonderbares  bild  von  ihm 
gemacht  haben  und  darf  logischer  weise  seinen  Verlust  nicht  be- 
klagen.' (!)  'Polemon  ist  nicht  der  einzig  mögliche.'  (sie)  'auf  der 
andern  seite  ist  aber  wieder  das  fehlen  der  bauten  römischer  zeit 
in  der  Altis  des  Paus,  gravierend  und  spricht  entschieden  gegen  jede 
andere  als  eine  ganz  flüchtige  anwesenheit;  und  so  wird  es  auch  auf 
diesem  wege  zweifelhaft,  ob  die  erwähnten  Irrtümer  von  Paus,  selber 
herrühren.'  ich  kann  nicht  anders,  ich  musz  auch  mit  Wilamowitz 
sagen  'taceo  ut  parcam'.  nur  eins  will  ich  bemerken :  wenn  H.  ge- 
nauere bekanntschaft  mit  Paus,  gemacht  haben  wird ,  wird  es  ihm 
nicht  entgehen,  dasz  derselbe,  tempel^  öffentliche  gebäude  und  ge- 
schichtlich etwa  besonders  merkwürdige  häuser  ausgenommen,  bauten 
so  gut  wie  gar  nicht  berücksichtigt,  so  dasz  aus  nichterwähnung 
derselben  nichts  gefolgert  werden  kann. 

Gern  würde  ich  eine  stelle  (sp.  109)  umgehen ,  wenn  nicht  H. 
derselben  durch  gesperrten  druck  eine  besondere  Wichtigkeit  gegeben 
hätte,  unmittelbar  an  die  oben  erwähnte  gottähnlichkeit  schlieszen 
sich  die  worte:  'für  die  Eliaka  ist  nur  6in  schlusz  möglich:  die 
bücher  über  kunst  und  künstler,  die  man  las,  die  auch 
Pausanias  direct  oder  indirect  ausnutzte  (sic),^ reichten 
—  rund  gerechnet  —  bisl90vorCh.'  wie  dieser  einzig  mögliche 
schlusz  zu  erklären  sei,  habe  ich  nicht  finden  können,  da  im  voran- 


478  JüChSchubart:  Pausanias  und  seine  anklftger. 

gehenden  von  kunst  und  künstlern  gar  nicht  die  rede  gewesen  ist ; 
gewis  aber  soll  der  satz  mit  zum  beweise  dienen,  dasz  Paus,  nicht 
das  Olympia  seiner  zeit,  sondern  das  des  zweiten  jh.  vor  Ch.  be- 
schrieben habe,  irgend  ein  beweis  für  diesen  allein  möglichen  schlusz 
fehlt;  mit  Umgebung  des  sonderbaren  'die  man  las'  mag  hier  nur 
bemerkt  werden  dasz,  wenn  die  bücher  die  Pausanias  ausnutzte 
wirklich  nur  bis  190  vor  Ch.  reichten  (das  soll  doch  wohl  'indirect' 
heiszen ,  dasz  die  von  Paus,  angeführten  künstler  nur  bis  etwa  190 
vor  Ch.  reichten?),  dies  einen  sehr  einfachen  grund  hat.  da  Paus. 
die  künstler  nur  bei  gelegenheit  der  denkmäler  erwähnt,  er  seine 
aufzäh lung  aber  mit  dem  anfang  des  zweiten  jh.  vor  Ch.  abschlieszt, 
so  fehlte  für  ihn  jeder  anlasz  neuere  künstler  aufzuführen,  die  be- 
nutzten bücher  mochten  reichen  so  weit  sie  wollten. 

Ich  bin  die  processualische  form  müde ,  der  leser  wohl  auch; 
doch  musz  ich  noch  eine  stelle  ausführlicher  besprechen,  die  an  sich 
von  hervorragender  bedeutung  unter  den  beweisen  für  den  sats, 
dasz  Paus,  nur  ein  älteres  Olympia  beschreibe,  vorzugsweise  ver- 
wendet worden  ist.  Paus.  (5,  15,  10)  gibt  uns  eine  ziemlich  ein- 
gehende, interessante  bescbreibung  der  groszen  opferprocession, 
welche  die  Eleier  allmonatlich  feierten,  ich  will  hier  gleich  sagen, 
dasz  mir  die  anwesenheit  des  Paus,  bei  den  olympischen  spielen 
durchaus  nicht  unwahrscheinlich  ist^;  abgesehen  von  allem  übrigen 
scheint  mir  die  genaue  bescbreibung  der  iTTTTdq)€Ctc  und  ihres 
mechanismus  (6,  20 ,  10 — 14)  für  eigne  anschaunng  zu  sprechen. 
dasz  er  aber  der  groszen  monatlichen  opferprocession  persönlich  bei- 
gewohnt, ist  mir  wenigstens  hoch  wahrscheinlich,  ein  mann,  der 
hauptsächlich  nach  Phigaleia  gereist  ist,  um  der  Demeter  zu  opfern 
(8,  42,  1),  der  es  ausdrücklich  bedauert  (8,  41,  6)  zum  feste  der 
Eurynome  nicht  rechtzeitig  angekommen  zu  sein,  dieser  sollte  die 
gelegenheit  der  groszen  opferprocession  beizuwohnen  unbenutzt 
haben  vorübergehen  lassen?  nein,  auch  hier  spricht  die  genaue 
Schilderung  für  eigne  anschauung.  also:  einmal  in  jedem  monat 
opfern  die  Eleier  nach  altem  brauch  auf  allen  genannten  altftren  (der 
zahl  nach  rund  sechzig) ;  dann  folgt  die  bescbreibung ,  wie  auf  den 
verschiedenen  altären  geopfert  wurde,  und  dann  angäbe  der  personen 
welche  bei  dem  opfer  thätig  waren,  es  ist  hier  alles  klar,  anschau- 
lich, und  gibt  nicht  den  mindesten  anlasz  zu  bedenken;  die  form  ist 
ganz  die,  wie  ein  augenzeuge  oder  doch  Zeitgenosse  erzählen  würde; 
die  annähme  einer  absichtlichen  teuschung  wird  man  gern  denen 
überlassen,  welche  für  ihre  ansieht  keine  besseren  gründe  auffinden, 
nun  wurde  bei  den  aufgrabungen  in  Olympia  eine  anzahl  von  in- 

^  ausdrücklich  hebe  ich  herTor,  dasz  ich  nur  Vermutungen  ffebe, 
die  ich  nicht  durch  'offenbar,  zweifellos,  natürlich,  unleugbar,  einii^ 
möglich'  usw.  fälschen  will;  wem  sie  misfallen,  der  beweise  ihre  halt- 
losif^keit  und  gebe  etwas  besseres»  wenigstens  wahrscheinlicheres;  dast 
ich  die  abschreibetheorie,  welche  durch  nichts  bewiesen  ist,  nieht  dafür 
halten  kann,  habe  ich  schon  ausgesprochen. 


JHChSchubart:  Pausanias  und  seine  anklagen  479 

Schriften,  teils  unversehrte,  teils  yerstümmelte,  aufgefunden,  welche 
ein  ofßcielles  Verzeichnis  gewählter  priester  enthalten;  die  titel  der 
functionäre  stimmen  im  wesentlichen  mit  den  von  Paus,  genannten 
überein,  so  dasz  die  annähme,  beide  bezögen  sich  auf  dieselbe  priester- 
schaft, sich  fast  von  selbst  bot.  stellen  wir  die  listen  einander  gegen- 
über, wie  sie  uns  Paus,  und  einige  wohl  erhaltene  inschriften  der 
neuern  zeit  bieten  (arch.  ztg.  1880  nr.  348  f.). 

Pausanias  5,  15,  10  inschriften 

GeiiKÖXoi  GeoKÖXoi® 

|idvT€ic  CTrovbocpöpoi 

CTTOVbOCpÖpOl  jLldVT6lC 

ilrYfr\Tr\c  iEr\fr\Tr\c 

auXirrric  CTrovbauXTic 

HuXeuc  dTTiCTTOvbopxncTai 

YpajLi|uiaT€UC 
der  in  diesen  inschriften  nicht  aufgeführte  HuXeuc  war  ein  bei  der 
Opferhandlung  unentbehrlicher,  aber  untergeordneter  diener,  der  für 
das  erforderliche  holz  zu  sorgen  hatte ;  der  YpajLipaT€UC  war  schwer- 
lich beim  Opfer  unmittelbar  beteiligt;  die  ^TriCTTOVbopxn^'r^xi?  was 
aber  hier  in  betracht  kommt,  ist  der  umstand  dasz  Paus,  einen  auXr]- 
Tr|C,  die  inschriften  cirovbaüXiic  haben.  Dittenberger  macht  nun 
(arch.  ztg.  ao.  s.  58)  darauf  aufmerksam,  dasz  wir  zweigruppen 
derartiger  kataloge  haben,  von  denen  die  eine,  der  zeit  kurz  vor 
beginn  der  christlichen  Zeitrechnung  angehörig,  einen  auXr]Tiic, 
die  andere,  zwischen  181  und  265  nach  Ch.  verfaszt,  zwei  oder  drei 
CTTOvbaOXai  nennt.  Dittenberger  ist  nun  der  meinung  ('meines 
erachtens'  sagt  er),  da^z  die  frage,  ob  Paus,  die  aufzählung  des  Per- 
sonals aus  einer  altern  quelle  geschöpft  oder  nach  eigner  erkun- 
digung  an  ort  und  stelle  über  diezuseiner  zeit  bestehenden  ein- 
richtungen  gegeben  habe,  durch  vorliegende  inschrift  zu  gunsten  der 
ersten  alternative  entschieden  sei ;  die  Verschiedenheit  der  benennung 
genüge  zum  beweis,  dasz  Paus,  nicht  den  bestand  des  personals,  wie 
er  zu  seiner  zeit  war,  angebe,  das  wäre  gewls  ganz  richtig,  wenn  — 
Paus,  ein  officielles  staatshandbuch  schriebe ;  so  aber  ist  es  doch  etwas 
seltsam ,  aus  einem  titel  so  schwerwiegende  folgerungen  zu  ziehen, 
wenn  etwa  jetzt  in  einem  buche  der  geheime  justizrat  X  citiert  wird, 
dieser  aber  schon  zehn  jähre  vorher  geh.  oberjustizrat  geworden  ist, 
würde  man  dann  die  folgerung  billigen ,  das  buch  müsse  also  vor 
jener  zeit  erschienen  sein?  H.  freilich  erklärt  (sp.  111)  den  schlusz 
für  'unleugbar'  richtig,  ich  erlaube  mir  die  unleugbarkeit  zu  leugnen, 
wenigstens  in  der  anwendung.  nehmen  wir  an  (die  annähme  darf 
eben  so  viel  unleugbarkeit  für  sich  in  anspruch  nehmen  wie  irgend 
eine  der  H.schen),  dasz  Paus,  dem  opfer  selbst  beigewohnt,  so  ist  es 
gewis  das  allereinfachste ,  dasz  er  beschreibt  was  er  selbst  gesehen, 

^  die  inschriften  geben  die  form  6€OKÖXoi,  die  hss.  des  Paus,  über- 
einstimmend  6€nKÖXoi;  ob  diese  durch  die  officielle  form  zu  verdrängen 
sei,  ist  mir  bedenklich,  gerade  aus  kritischen  gründen. 


480  JHChSchubart:  Pausanias  und  seine  ankl&ger. 

und  die  personen  benennt,  welche  dabei  beschäftigt  waren;  befand 
sich  unter  ihnen  ein  flötenspieler ,  so  nannte  er  ihn  flötenspieler 
(auXr]Tiic),  ohne  im  staatshandbuch  nachzuforschen,  ob  er  nicht  viel- 
leicht officiell  einen  andern  titel  hatte,  gesetzt  aber  auch,  meine  ansieht 
sei  unhaltbar,  angenommen  selbst,  die  Dittenbergerschen  prämissen 
mit  der  unleugbar  richtigen  schluszfolgerung  ständen  fest,  dennoch 
würde  daraus  der  theorie  H.s,  dasz  Paus,  nicht  das  Olympia  seiner 
zeit  beschreibe,  sondern  ein  etliche  Jahrhunderte  älteres ,  keinerlei 
nutzen  erwachsen.  Paus,  schöpfte  den  namen  aus  einer  altern 
quelle;  nun  ja;  konnte  er  den  namen  flötenspieler  nicht  aus  sich 
selbst  schöpfen ,  so  lag  er  in  den  zahlreichen  altem  Inschriften  vor 
seinen  äugen. 

Die  von  Dittenberger  zusammengestellten  priesterlisten  haben 
eigentlich  durch  Paus,  erst  gehalt  und  —  richtung  bekommen;  ohne 
ihn  wären  sie  nicht  viel  mehr  als  namensverzeichnisse ,  welche  der 
Vermutung  den  weitesten  Spielraum  eröffneten,  nun  gab  die  stelle 
des  Paus,  eine  priesterliste,  die  im  wesentlichen  mit  der  der  inschrif' 
ten  stimmte ,  und  die  richtung  war  der  forschung  gegeben ;  ob  die 
richtige?  diese  frage  mag  einmal  aufgeworfen  werden,  meines 
Wissens  sind  hierbei  bis  jetzt  zwei  wesentliche  punkte  unbeachtet» 
wenigstens  unerörtert  geblieben,  die  inschrifttafeln  haben  an  der 
spitze  die  aufschrift  AlOP  lEPA  und  für  die  amtsthätigkeit  die  Olym- 
piade, nehmen  wir  dazu,  dasz  die  OcoköXoi,  und  wenigstens  in 
6iner  inschrift  (nr.  350)  auch  die  jnävTCtc  als  'OXu|iiTTtKoi '  bezeichnet 
werden,  femer  dasz  es  von  höherem  und  allgemeinerem  interesse 
war  die  priester  kennen  zu  lernen  und  ihre  namen  zu  verewigen, 
welche  bei  den  groszen  olympischen  festen  den  opferdienst  versahen» 
als  die  namen  derer  in  Inschriften  aufzubewahren,  welche  die  all- 
monatlichen Opfer  zu  besorgen  hatten  —  nehmen  wir  alles  dieses 
zusammen,  so  wird  man  der  Vermutung,  dasz  die  in  frage  stehenden 
inscbriften  sich  auf  die  opfer  bei  den  olympischen  spielen  be- 
ziehen^  die  Wahrscheinlichkeit  schwerlich  versagen  können,  aber  die 
Übereinstimmung  mit  Paus.,  der  doch  unbestreitbar  von  den  monat- 
lichen opfern  berichtet?  allerdings  unbestreitbar,  und  es  darf 
diesem  umstände  bei  vorliegender  Untersuchung  die  ihm  gebührende 
bedeutung  nicht  verkürzt  werden;  ebenso  wenig  darf  auch  übersehen 
werden,  was  Curtius  in  der  oben  angeführten  äuszerung  hervorhebt» 
dasz  die  aufgefundenen  Inschriften  neuen  forschungen  ein  weites 
feld  eröffnen,  und  wohl  dürfte  es  geraten  sein ,  nicht  gleich  mit  ent- 
scheidenden Sätzen  aufzutreten,  sondem  vorerst  die  einzelnen  be- 
züglichen inscbriften  jede  für  sich  und  in  ihrem  Verhältnis  zu  den 
andern  zu  untersuchen ,  mit  vorsieht ,  mit  umsieht ,  mit  dem  festen 
willen  die  Wahrheit,  nicht  etwas  wahr  zu  finden,  und  da  bieten  die 
inscbriften  noch  reichen  stoff.  was  wissen  wir  denn  von  den  priester- 

*  freilich  suche  ich  noch  nach  einer  sichern  erklärung  für  'OXu^- 
triKÖc,  desgleichen  warum,  wenigstens  in  ^iuer  inschrift,  nar  noch  die 
fidvTCic  dieses  prädicst  hsben. 


JHChSchubart:  PauBanias  und  seine  ankläger.  481 

liehen  coUegien  in  Elis  und  Olympia?  von  ihrem  Verhältnis  zu  ein- 
ander? von  den  Verrichtungen  der  einzelnen  personen?  war  das 
collegium ,  dem  die  opfer  an  den  groszen  Olympien  oblagen ,  ganz 
oder  teilweise  dasselbe  mit  dem,  welches  die  monatlichen  Opfer  be- 
sorgte? man  forsche,  ob  sich  die  eine  oder  die  andere  dieser  fragen 
aus  den  inschriften  oder  anderen  quellen  beantworten  lasse,  ein 
heranziehen  der  stelle  des  Paus,  wird  sich  dabei  von  selbst  ergeben, 
gibt  un§  aber  diese  ein  deutliches  bild  der  ganzen  Opferhandlung  ? 
uns,  in  der  studierstube,  wird  es  freilich  nicht  viel  schweisz  kosten, 
der  procession  zu  folgen,  wer  aber  einmal  einem  fronleichnamsfest, 
selbst  unter  unserm  himmel ,  beigewohnt  hat,  wird  gesehen  haben, 
welch  eine  körperliche  anstrengung  für  den  priester  damit  verbunden 
ist;  und  doch  wird  diese  anforderung  nur  Einmal  im  jähre  gestellt, 
und  nur  an  vier  altären.  stellen  wir  uns  nun  aber  eine  procession 
vor,  die  allmonatlich  an  sechzig  altären  opfer  darzubringen  hatte, 
und  das  unter  der  sonne  oder  auch  den  regengüssen  Olympias; 
nehmen  wir  dazu  dasz  diese  opfer  nicht  von  in  Olympia  wohnenden 
tempeldienem,  sondern  von  Elis  aus  besorgt  wurden,  dasz  der  gang 
nicht  der  topographischen,  sondern  einer  nach  andern  bestimmungen 
geregelten  Ordnung  folgte :  so  gestehe  ich  dasz  es  mir  unfindbar  ist, 
wo  zeit  und  kräfte  zur  erfüUung  einer  solchen  Obliegenheit  herkommen 
sollten ;  die  Schwierigkeit  wird  wenig  und  nur  teilweise  dadurch  ge- 
mindert, dasz  der  oberpriester,  nach  dem  zeugnis  des  Paus,  monat- 
lich, vermutlich  nach  einer  dreimonatlichen  reihenfolge  wechselte, 
steht  hier  nicht  den  Vermutungen  ein  weites  feld  offen  ? 

Da  halten  wir  wieder  an  dem  punkte,  von  welchem  wir  aus- 
giengen.  Hirschfeld  hat  nachgewiesen,  dasz  das  athletenverzeichnis 
des  Paus,  nicht  über  den  anfang  des  zweiten  jh.  vor  Ch.  herabreicht; 
er  hat  femer  die  aufgefundenen  hierher  gehörigen  inschriften,  wie 
mir  scheint,  sorgfältig  zusammengestellt;  dasz  Paus,  nicht  das  Olym- 
pia seiner  zeit,  sondern  das  beschrieben,  wie  es  um  die  eben  an- 
gegebene zeit  gewesen,  hat  er  nicht  bewiesen,  nicht  einmal  wahr- 
scheinlich gemacht;  die  quelle,  aus  der  Paus,  abgeschrieben  haben 
soll,  hüllt  er  in  tiefes  geheimnis.   das  rätsei  ist  also  ungelöst. 

Wenn  man  bei  wissenschaftlichen  forschungen  den  'subjectiven 
eindrücken'  einige  bedeutung  beilegen  will  (H.  wird  dagegen  nichts 
einwenden),  so  will  ich  gestehen  dasz,  mit  so  groszem  interesse  ich 
auch  die  aufgefundenen  inschriften  begrüszt  habe,  dieses  interesse 
doch  nachliesz  oder  ganz  aufhörte  ^^,  sobald  die  römischen  namen 
eintraten  und  zuletzt  herschend  wurden,  kann  nicht  Paus,  ähn- 
lichen subjectiven  eindrücken  zugänglich  gewesen  sein?  die  art, 
wie  er  die  heuchlerische,  brutale  ordnungsstifterei  der  Römer  in 
Achaja  erzählt,  verrät  eben  keine  Zuneigung:  seine  ganze  gesinnung 
drückt  er  8,  27,  1  in  cu)iKpopä  dpxf^c  Tf^c  Pwjuiaiwv  aus;  und  nur 
ein  sprechendes  beispiel  anzuführen  (H.  wird  gestatten  dasz  ich  aus 

^®  die  bedeutnng  derselben  liegt  auf  einer  andern  seite,  die  mich 
eben  weniger  ansprach. 


482  LSchwabe:  anz.  v.  KBaedekers  Griechenland. 

der  stelle  eine  folgerung  ziehe ,  die  von  der  seinigen  wesentlich  ab- 
weicht), 5,  20,  8  lesen  wir,  ein  römischer  Senator  habe  für  einen 
olympischen  sieg  sein  Standbild  aufrichten  wollen;  warum  ver- 
schweigt er  den  namen  des  olympischen  siegers?  warum  füg^  er 
die  spöttische  bemerkung  hinzu ,  er  habe  sein  bild  aufrichten  lassen 
iO^XuJV  ijTToXm^cGai  inc  vIktic  UTTÖ|iiVTi|iia?  —  Zum  schlusz  die  be- 
merkung, dasz  für  unsere  frage  die  stelle  10,  9,  1.  2  wohl  zu  be- 
achten ist. 

Über  die  auslassungen  von  Wilamowitz  im  Hermes  Xu  s.  344  ff. 
vielleicht  ein  andermal;  hier  nur,  dasz  seine  spräche  in  bezug  auf 
Paus,  schon  ganz  dieselbe  ist  wie  in  seinem  'Kydathen',  und  dasz 
auch  seine  gründe  denen  ebenbürtig  sind,  welche  er  im  angeführten 
buche  vorgebracht  hat. 

Kassel.  Job.  Heinrich  Ch.  Schubart. 


72. 

GRIECHENLAND.     HANDBUCH  FÜR  REISENDE    VON  KaRL  BaEDEKBB. 
MIT  EINEM  PANORAMA  VON  ATHEN,  SECHS  KARTEN,  SIEBEN  PLÄNEN 

UND  ANDERN  BEIGABEN.    Leipzig,  Verlag  von  Karl  Baedeker.  1883. 
CXXII  u.  372  8.  8. 

Es  ist  vielleicht  manchem  leser  dieser  Zeitschrift  nicht  un- 
erwünscht auf  das  oben  genannte  buch  hingewiesen  zu  werden, 
welches  (um  nicht  von  den  sich  immer  mehrenden  Orientreisenden 
hier  zu  reden,  die  begierig  nach  dem  lange  vermiszten  Baedeker 
greifen  werden)  die  aufmerksamkeit  auch  der  philologen  und  archäo- 
logen  in  vollem  masze  verdient,  und  zwar  nicht  nur  der  reisenden. 
es  ist  in  dem  vorliegenden  werke  ein  solch  umfangreiches  material 
zur  geographie  und  geschichte,  zur  topographie  und  archäologie 
Griechenlands  zusammengefaszt  und  verarbeitet ,  dasz  dasselbe  auch 
demjenigen ,  der  nur  im  geiste  von  seiner  studierstube  aus  die  grie- 
chische reise  mitmachen  kann,  die  gröste  belehrung  und  anregung 
gewährt,  in  dieser  hinsieht  läszt  sich  dieser  neueste  band  mit  dem 
Baedekerschen  handbuch  für  Palästina  vergleichen,  das  so  manchem 
zu  hause  festgehaltenen  theologen  und  geistlichen  lieb  und  wert  ge- 
worden ist.  namentlich  wird  es  auch  für  denjenigen,  der  nicht  das 
glück  gehabt  hat  Griechenland  zu  sehen,  anziehend  sein  die  eni- 
wicklung  des  alten  Griechenlands  ins  neue  zu  verfolgen:  wozu  dieses 
buch  auf  jeder  Seite  an  Weisung  gibt. 

Nirgends  anderswo  findet  man  jetzt  solch  eine  stets  die  neuesten 
ergcbnisse  der  forschung  sorgfältig  verwertende  knappe,  wohl- 
gesichtete  darstellung  alles  betreffenden ,  wie  sie  dieser  band  bietet, 
einen  hoch  anzuschlagenden  eigentümlichen  wert  erhält  derselbe  da- 
durch ,  dasz  alle  angaben  zur  topographie  und  über  die  altertümer 
und  kunstwerke  auf  persönlicher  anschauung  an  ort  und  stelle  be- 
ruhen. 

Verfasser  des  buches  ist  einer  der  besten  kenner   des  neuen 


Aüppenkamp :  zu  CicerOB  rede  pro  Milone  [29,  79].  483 

Griechenlands  and  des  alten  im  neuen,  HGLolling,  bibliothekar  am 
deutschen  archäologischen  institut  in  Athen,  den  fachmännem  durch 
seine  arbeiten  zur  griechischen  epigraphik,  topographie  usw.  wohl- 
bekannt, nur  einige  abschnitte  sind  von  anderer  band :  so  die  treff- 
liche beschreibung  Olympias  von  WDörpfeld  in  Athen  und  EPurgold, 
welche  bekanntlich  beide  bei  den  dortigen  ausgrabungen  früher  thätig 
waren,  die  skizze  in  der  einleitung  (s.  LXVII — CXIX)  'zur  geschichte 
der  griechischen  kunst'  von  RKekule  in  Bonn  wird  jedermann  mit 
vergnügen  und  mit  belehrung  lesen. 

Die  Zuverlässigkeit  des  buches  im  groszen  und  kleinen  habe  ich 
bei  beständigem  gebrauch  während  eines  neulichen  aufenthalts  in 
Griechenland  unzähligemal  erproben  können,  dasz  es  praktisch  an- 
gelegt ist,  versteht  sich  bei  einem  Baedekerschen  reisebuch  von  selbst. 

Mit  karten  und  planen  ist  das  werk  ausgestattet ,  soweit  dies 
die  zum  teil  noch  sehr  dürftigen  vorarbeiten  zulieszen.  eine  er- 
yrünschte  beigäbe  ist  vor  allem  die  aus  HKieperts  neuem  handatlas 
entlehnte  karte  des  königreichs  Hellas,  femer  finden  sich  gute  karten 
und  plane  von  Athen ,  seiner  Umgebung ,  seiner  akropolis  (auch  ein 
panorama  des  modernen  Athen),  vom  Peiraieus ;  von  Olympia,  seiner 
Umgebung;  von  Nauplia,  Mjkenai,  von  Corfü  und  andere. 

Tübingen.  Ludwig  Schwabe. 

73. 

ZU  CICEROS  REDE  PRO  MILONE. 


29,  79  quid?  si  ipse  Cn,  PompeiuSj  qui  ea  virtute  ac  fortuna 
est,  ut  ea  potuerit  semper,  quae  nemo  praeter  iüum^  si  is,  inqiuiin^ 
potuisset  aut  quaestionem  de  morte  P.  Clodü  ferre  aut  ipsum  ab  in- 
feris  excitarCy  utrum  putatis  potius  facturutn  fuisse?  etiam  si  propter 
amicUiam  vdlet  iUum  ab  inferis  avocare ,  propter  rem  püblicam  non 
fecisset.  die  im  vorigen  Jahrgang  s.  472  vorgeschlagene  berichtigung 
dieser  stelle  durch  ergänzung  eines  non  vor  ferre  ist  ebd.  s.  859  f. 
auf  Widerspruch  gestoszen.  dies  veranlaszt  mich  zu  folgenden  be- 
merkungen,  zunächst  schlieszt  meine  erklärung  'wenn  Pompejus 
die  möglichkeit  gehabt  hätte,  entweder  auf  die  Untersuchung  zu 
verzichten  (non  ferre  quaestionem)  oder  den  Clodius  wieder  auf- 
leben zu  lassen,  so  würde  er  das  erstere  vorgezogen  haben'  durch 
den  ausdruck  Verzichten'  die  annähme  aus ,  dasz  die  Untersuchung 
dem  P  0  m  p  e j  u  s  unangenehm  gewesen  sei.  ich  hatte  vorher  gesagt, 
dasz  Pompejus  zu  Ciceros  bedauern  die  Untersuchung  beantragt 
habe.  —  EMeyer  sagt  weiter:  'was  nun  das  au^allende  in  dem  ersten 
bedingungssatze  betrifft,  so  vergesse  man  nicht  dasz  hier  von  einer 
alternative  die  rede  ist :  «  wenn  er  die  w a h  1  gehabt  hätte  zwischen 
quaestionem  ferre  und  excUare  ab  inferis,  er  würde  trotz  seiner  freund- 
schaft  für  Clodius  ihn  nicht  ins  leben  gerufen  haben. »'  ganz  richtig ; 
aber  eben  deshalb  weil  die  beiden  gegensätze,  wie  ich  ebenfalls 
hervorgehoben  habe,  einander  in  der  weise  ausschlieszen,  dasz,  wäh- 


484  AUppenkamp:  zu  Ciceros  rede  pro  Milone  [29,  79]. 

rend  der  eine  bejaht  wird,  der  andere  verneint  werden  mnsz  and 
umgekehrt,  bin  ich  genötigt  den  satz  'er  würde  den  Clodius  nicht 
ins  leben  gerufen  haben'  durch  den  zusatz  ^sondern  eine  Unter- 
suchung beantragt  haben'  zu  ergänzen,  nun  Ittszt  sich  zwar 
sagen,  es  würde  jemand  auch  unter  anderen  yerhttltnissen 
dasselbe  gethan  haben,  was  er  wirklich  gethan  hat;  aber  es  ist  nicht 
möglich,  ohne  irgendwelche  bestimmung  zu  sagen,  Pompejus  würde 
die  Untersuchung  beantragt  haben ,  die  er  wirklich  beantragt  hat. 
es  musz  vielmehr  heiszen:  Pompejus  würde  die  Untersuchung  nicht 
beantragt  haben,  und  diesen  werten  entspricht  ein  sipotuisset  non 
ferre  im  Vordersätze,  wenn  man  nicht  etwa  mit  AEberhard  amiUere 
statt  ferre  oder  eine  andere  gewaltsamere  Änderung  vorzieht,  die 
art,  wie  Meyer  dessen  ungeachtet  in  die  überlieferten  worte  einen 
sinn  zu  legen  versucht,  glaube  ich  übergehen  zu  können,  derselbe 
räumt  zwar  ein  dasz  eine  äuszerung  wie  'er  würde  darauf  ver- 
zichtet haben'  an  dieser  stelle  erwartet  werde,  meint  aber  dennoch, 
dieser  gedanke  werde  erst  etwas  später  wirklich  ausgesprochen 
mit  den  worten :  de  eins  nece  lata  quaestio  est^  qui  si  eadem  lege  revi- 
viscere  possä^  lata  lex  numquam  esset,  bei  dieser  auffassnng  wird 
verkannt,  dasz  die  unmittelbar  darauf  folgende  und  durch  igiltur  an- 
geknüpfte Periode  im  engsten  zusammenhange  mit  den  beiden  vorher- 
gehenden gedanken  steht,  zuerst  nemlich  wird  den  richtem  und 
dann  dem  Pompejus  eine  'alternative'  gestellt,  aus  welcher  hervor- 
geht, dasz  beiden  teilen  der  tod  des  Clodius  erwünscht  ist.  die  be- 
trachtung  wird  eingeleitet  mit  den  worten  nempe  haec  est  quaestio 
de  interüu  P.  Chdii,  dann  heiszt  es :  fingüe  animis  —  liberae  sunt 
enim  nostrae  cogitationes  ä  quae  völunt  sie  intuenturj  ut  ea  cemimus^ 
quae  videmus  —  fingite  igUur  cogitatione  imaginem  huius  condicionis 
meae:  sipossim  efficere,  ut  Müonem  ahsolvatiSj  sed  ita^  si  P,  Clodius 
revixcrit  — .  hierauf  wird  die  rede  abgebrochen  mit  hinweisung  auf 
die  bestürzung ,  die  schon  durch  diesen  bloszen  gedanken  auf  den 
gesiebtem  der  richter  sichtbar  wird :  quid  vultu  extimuistis?  quonam 
modo  nie  vos  vivus  afficeretj  quos  mortuus  inani  cogitatione  percussU? 
dann  folgt  die  besprochene  stelle  quid?  si  ipse  Pompeius  usw.,  welche 
aussagt  dasz  selbst  Pompejus  trotz  seiner  freundschaft  für  Clodius 
dessen  tod  als  ein  glück  für  den  st-aat  ansehe,  beide  gedanken,  so- 
wohl der  auf  die  richter  als  der  auf  Pompejus  bezügliche ,  werden 
demnächst  in  einer  durch  igitur  angeknüpften  periode  zusammen* 
gefaszt:  eius  igitur  mortis  sedetis  ultores,  cuius  vitam  si  putetis  per 
vos  rcstitui  passe,  nolitis,  et  de  eius  nece  lata  quaestio  est^  qui  si  eadem 
lege  rcviviscere  passet  j  lata  lex  numquam  esset,  die  richter  also  und 
der  Urheber  des  gerichts  Pompejus  sitzen  zu  gerichte  über  einen 
mann^  dem  sie  eigentlich  dank  schuldig  sind,  wie  könnten  sie  ihn 
wirklich  strafen  wollen ,  da  sie  doch  wissen  dasz  sie  durch  ihn  von 
Clodius  befreit  sind?  dann  hinweisung  auf  die  belohnnng  der 
tyrannenmörder  bei  den  Griechen,  so  stehen  die  gedanken  bia  zu 
ende  des  capitels  im  genauesten  zusammenhange  mit  einander. 


FRhode:  zu  Ciceros  rede  pro  Milone  [29,  79].  48Ö 

Meyer  bezieht  nun  die  den  riohtem  vorgelegte  alternative  auf 
Cicero;  denn  er  erklärt  die  oben  angeführten  worte  so:  *wenn  ich 
die  freisprechung  des  Milo  durchsetzen  könnte,  jedoch  nur  unter  der 
bedingung  daszClodius  wieder  auflebe^  ich  würde  darauf  verzichten', 
und  tadelt  Halm,  welcher  ergänze  bürdet  ihr  wohl  die  condicio  an- 
nehmen?' dadurch  wird  der  Zusammenhang  aufgehoben  ^  und  die 
worte  cuius  vüam si ptädis  per  vos  restituipösse,  nolitis  ermangeln 
der  erklärung.  die  gleiche  auflösung  des  Zusammenhanges  und  die 
gleiche  ratlosigkeit  in  betreff  der  erklärung  tritt  ein ,  wenn  wir  an 
der  überlieferten  lesart  festhaltend  die  mit  quid?  si  ipse  Pompeius 
beginnende  periode  von  den  werten  et  de  eius  nece  lata  quaestio  est 
usw.  zu  trennen  versuchen,  völlig  klar  dagegen  ist  folgende  gedanken- 
folge: könnte  ich  bewirken,  ihr  richter,  dasz  ihr  die  wähl  hättet^ 
entweder  den  Milo  zu  verurteilen  oder  durch  freisprechung  desselben 
den  Clodius  ins  leben  zurückzurufen,  ihr  würdet  das  letztere  nicht 
wollen,  so  schwer  es  euch  werden  möchte  den  Milo  zu  verurteilen, 
und  hätte  Pompejus  vormals  die  wähl  gehabt,  entweder  seinen  an- 
trag  auf  eine  auszerordentliche  Untersuchung  nicht  zu  stellen,  oder 
den  Clodius  ins  leben  zurückzurufen ,  er  würde  ebenfalls  nicht  das 
letztere ,  sondern  das  erstere  gethan  haben,  ihr  richter  sitzt  daher 
zu  gerichte  über  einen  mann,  dessen  that  ihr  nicht  ungeschehen  oder 
erfolglos  machen  möchtet,  selbst  wenn  ihr  den  Milo,  der  durch  be- 
seitigung  des  Clodius  uns  allen  einen  dienst  erwiesen  hat^  dadurch 
retten  könntet,  und  selbst  Pompejus  würde  nicht  eine  Untersuchung 
über  den  an  Clodius  begangenen  mord  beantragt  haben,  wenn  dieser 
antrag  dem  Clodius  das  leben  zurückgegeben  hätte,  so  sehr  ist  auch 
er  überzeugt,  dasz  das  leben  des  Clodius  ein  unglück'für  den  staat 
sein  würde. 

Düren.  August  Uppbnkamp. 


Nachdem  in  diesen  jahrb.  1882  s.  472  AUppenkamp  die  ansieht 
ausgesprochen,  pro  Milone  §  79  sei  zu  lesen  non  ferre  statt  ferre^ 
ist  ebd.  s.  859  f.  EMejer  für  die  richtigkeit  des  ferre  eingetreten, 
in  manchen  punkten  hat  letzterer  gewis  recht,  zb.  wenn  er  gegen 
ü.  hervorhebt,  dasz  dem  Pompejus  die  Untersuchung  nicht  un- 
angenehm, sondern  sehr  erwünscht  sei.  das  scheint  aber  gerade 
f  ü  r  die  einsetzung  der  negation  zu  sprechen,  an  sich  gibt  beides 
einen  sinn,  nach  der  überlieferten  lesart  ist  der  gedanke  Venn  das 
Schicksal  dem  Pompejus  die  macht  gegeben  hätte  zu  wählen  und 
entweder  die  Untersuchung  zu  beantragen  oder  den  Clodius  vom 
tode  zu  erwecken:  er  hätte  das  erstere  gewählt,  wie  er  das  auch 
wirklich  gethan  hat ;  seine  persönliche  freundschaft  für  Clodius  wäre 
ihm  nicht  so  viel  wert  wie  diese  quaestio'  —  dieser  gedanke  ist  zwar 
nicht  gerade  unlogisch  in  diesem  zusammenhange,  wo  Cicero  be- 
weisen will,  wie  Clodius  gegenständ  allgemeinsten  hasses  ist,  aber 
er  ist  überaus  matt  und  nichtssagend ;  die  behauptung,  dasz  Clodius 


486  AEuBsner:  zu  Florus. 

auch  dem  Pompejus  im  gründe  ein  greuel  sein  müsse,  wird  dadurch 
nur  sehr  schwach  gestützt,  dagegen  liegt  eine  scharfe  pointe  darin, 
wenn  Cicero  sagt:  ^so  lieb  dem  Pompejus  die  Untersuchung  ist,  er 
hätte  doch  auf  dieselbe  verzichtet,  wenn  er  das  Zustandekommen 
derselben  nur  erreicht  hätte  durch  das  wiederlebendigmacben  des 
Clodius.'  nun  verkennt  ja  Meyer  nicht,  dasz  Cicero  diesen  gedanken 
auch  ausspricht,  er  findet  denselben  aber  erst  etwas  sp^r  in  dem 
folgenden  satze  {de  eius  nece  lata  quaestio  est  usw.)  wirklich  aus- 
gesprochen; in  dem  satze  quid  si  ipse  usw.  (mit  der  überlieferten 
lesart)  sieht  er  einen  gelegentlichen  feinen  spott  über  Pompejus 
freundschaft  mit  einem  subject  wie  Clodius.  allein  dieser  spott  wird, 
wenn  non  ferre  gelesen  wird,  sogar  noch  feiner,  zu  beachten  ist  aber 
bei  der  beurteilung  der  vorliegenden  frage  noch  ein  umstand :  die 
anknüpf ung  des  folgenden  satzes  mit  igitur  (eins  igitur  mortis  stäetis 
ultores),  dieser  enthält  ein  resum6  der  vorangegangenen  gedanken- 
reihe :  wie  die  werte  cuitts  vitam  si  puietis  per  vos  restitui  posse ,  fUh 
litis  eine  folger  ung  enthalten  aus  dem  satze  quid  vuUu  extimuistis? 
quonam  modo  iUe  vos  vivus  afficeret ,  quos  mortuus  inani  cogUatume 
pcrcussit  ?  —  so  müssen  die  werte  de  eius  nece  lata  quaestio  est^  qui 
si  eadcm  lege  reviviscere  posset,  lata  lex  numquam  esset  entsprechen 
dem  gedankeninhalt  des  satzes  Pompeius  .  .  si  potuisset  aut  quae- 
stionem  usw.  daraus  scheint  sich  die  richtigkeit  der  üppenkamp- 
sehen  emendation  zu  ergeben. 

GuHRAu. Feodor  Rhode. 

(9.) 

ZU  FLORÜS. 


I  12,  1  (s.  21,  16  Jahn)  Etruscorum  duodecim  populi^  Umbri 
in  id  icmpiis  intacti^  antiquissimus  Italiae  populus,  Samnitium  reliqui 
in  txcldium  lloniani  nominis  repente  coniurant.  Florus  schrieb  ver- 
mutlich Samnitium  reliquiae  wie  18,  21  (19,  4)  reliquias  eorum\ 
40,  27  (66,  21)  rebcUis  Äsiae  reliquias ]  II  7,  8  (85,  14)  reliquias 
latromim^  13,  64  (101,  14)  reliquias  partium  naufragarum. 

I  19,  3  (33,  13)  denique  utrique  cotidiani  et  quasi  domesiici 
hostcs  tirocinia  miliium  inbucrant.  es  ist  wohl  zu  lesen  iirocinio 
militcm  inbuerant:  vgl.  Livius  IX  43,  18  tirocinio  inbuendum 
Samnitcm. 

1  41,  10  (68,  18)  ipsas  Propontidos  fauces  Porcius  Cato  sie  ob- 
ditis  7iavihus  quasi  portam  obseravit.  Lipsius  erkannte  dasz  nach 
dem  Sprachgebrauch  des  Florus  dem  mit  sie  verbundenen  ablativ 
der  gleiche  casus  bei  quasi  entsprechen  müsse;  s. Halms  praef.  s.XIII. 
aber  die  Undcrung  porta  ergibt  einen  so  matten  vergleich,  wie  er  der 
lebhaften  darstellung  des  autors  nicht  angemessen  erscheint,  ich 
vermute  ipsas  Propontidos  fauces  Porcius  Cato  sie  obditis  navibus 
quasi  portam  <^obicey  obseravit, 

Würzburg.  Adam  Ecssner. 


AFunck:  animum  inducere  im  archalBchen  latein.  487 

74. 

ANIMUM  INDUCEBE  IM  ARCHAISCHEN  LATEIN. 


Die  redensart  animum  inducere  findet  sich  im  archaischen  latein 
etwa  dreiszig  mal  mit  geringem  Wechsel  in  der  stellang  ihrer  ein- 
zelnen teile,  aber  in  manigfachen  grammatischen  Verbindungen,  die 
bisher  nicht  die  richtige  beachtung  gefunden  zu  haben  scheinen. 

Hinsichtlich  der  äuszern  form  ist  zunächst  zu  bemerken ,  dasz 
die  Präposition  in  vor  animum  nur  bei  Plautus  zweimal  (Rud.  22. 
Mgl.  1269)  und  bei  Terentius  fünfmal  (Heaut.  49  J  1028.  Hec.  292. 
603.  Ad.  597)  hinzugefügt  erscheint,  sonst  stets  fehlt,  sodann  fällt 
es  auf  dasz  an  nicht  weniger  als  20  stellen  die  wendung  am  vers- 
schlusz  steht  und  zwar  7  mal  in  den  metrisch  genau  gleichen  for- 
mein :  in  animum  inducunt  suom  (PI.  Rud.  22),  in  animum  inducas 
tuom  (Ter.  Heaut.  1028),  in  animum  induxti  tuom  (Hec.  292),  in 
animum  induxi  meum  (Ad.  697),  animum  induxis  tuom  (PI.  Capt. 
149),  animum  induxti  tuom  (Ter.  Andr.  883),  animum  induco  meum 
(Ad.  68),  und  ganz  ähnlich  in  animum  indtices  pati  (Ter.  Hec.  603), 
animum  ego  indu^cam  tamen  (PI.  Cist.  III 1, 3),  ferner  animus  induci 
potest  (PI.  Persa  66);  wiederum  stimmen  zu  einander  die  versaus- 
gänge :  in  animum  induxi  maxumum  (Ter.  Heaut.  49) ,  animum  in- 
duxti esse  utile  (Andr.  572),  animum  inducas  credere  (ebd.  834); 
ferner  ne  animum  induxeris  (PI.  Trin.  704),  huic  adsentari  animum 
induxeris^  (Ter.  Eun.  490),  animum  inducere  (Hec.  99),  animum 
inducUe  (Heaut.  41);  endlich  für  sich  allein  stehen:  ita  animum  in- 
duxerunt  socrus  omnis  esse  iniquas  (Ter.  Hec.  277),  omnia  esse  ut 
dicis  animum  induco  (ebd.  264) ,  facere  inducam  animum  (PI.  Ba. 
1201).  man  sieht,  bei  Terentius,  der  überhaupt  die  wendung  sehr 
liebt,  rückt  sie  wie  von  selbst  immer  wieder  an  dieselben  vers- 
stellen, nur  in  dem  zuletzt  erwähnten  verse  ist  der  acc.  animum 
hinter  das  verbum  gesetzt,  was  auszer  PI.  Mgl.  1269  induxi  in 
animum  und  Asin.  832  possum  equidem  inducere  animum  nicht 
wieder  vorkommt,  die  übrigen  dichterstellen ,  wo  animum  inducere 
anfang  oder  mitte  des  verses  einnimt  (PI.  Stichus  ^46.  Poen.  IV 
2,  55.  Lucilius  27,  51.  29,  77),  sowie  die  prosaischen  (CIL.  I  201 
z.  5.  10.  13  dreimal,  Cato  8.42^  10  Jordan)  haben  stets  den  acc.  ani- 
mum  vor  dem  verbum.  es  ergibt  sich  also  hier  dasz  im  archaischen 
latein  die  wendung  animum  inducere  durchweg  in  dieser  Stellung 
der  beiden  glieder  und  meist  ohne  hinzufügung  von  m  in  fast  formel- 
hafter weise  gebräuchlich  war ;  besonders  häufig  ist  sie  aus  Terentius 
belegt  (14 mal  sicher);  dasz  aber  schon  zu  Plautus  zeit  ihr  gebrauch 


*  wiederholt  Hec.  50,  wo  die  verse  von  Fleckeisen  gestrichen  wer- 
den, während  Umpfenbach  Heaat.  48  ff.  als  unecht  bezeichnet.  '  so 
sind  mit  Fleckeisen  die  in  den  hss.  yerschieden  gestellten  worte  zu 
ordnen. 


488  AFunck:  animum  inducere  im  archaischen  latein. 

voll  entwickelt  war,  beweist  die  kühne  passivische  Wendung  Persa 
66  eum  animus  induci  potest  civem  et  fiddem  esse  et  bonum. 

Schon  den  alten  grammatikern  fiel  nun  eine  Shnlichkeit  von 
animum  inducere  mit  persuadere  auf,  vgl.  Nonius  s.  330,  9  inducere^ 
persuadere]  und  in  der  {hat  trifft  dieser  gedanke  das  richtige  ^  nur 
dasz  man  nicht  inducere  =>^  persuudere,  sondern  animum  ind%$cere  «» 
sibi  persuadere  oder  auch  sibi  persuasisse,  persuasum  habere  ansetzen 
darf,  ausgehend  von  dem  bilde  'etwas  in  seinen  geist  einführen' 
spaltet  sich  für  unsere  Vorstellung  die  bedeutung  in  die  zwei  im  lat. 
persuadere  ebenfalls  vereinigten  begriffe  *eine  gewisheit  entweder 
im  denken  oder  im  wollen  hervorrufen*  ('überzeugen'  und  'über- 
reden'), die  doppeldeutigkeit  des  verbums  wurde  bei  dem  lat.  per- 
suadere  durch  die  wechselnde  construction  mit  dem  acc.  c.  inf.  oder 
mit  ut ,  ne  aufgehoben :  genau  dasselbe  kehrt  bei  animum  inducere 
wieder. 

I.  animum  incJucere^  'sich  überzeugen,  die  Überzeugung  hegen' 
a)  mit  dem  acc.  c.  inf.  die  ursprüngliche  bedeutung  'einer  an- 
sieht im  geiste  räum  geben'  tritt  am  deutlichsten  hervor  in  den 
stellen  wo  erst  durch  das  perfectum  die  weitere  'eine  ansieht,  Über- 
zeugung hegen'  gewonnen  wird.  PI.  Trin.  704  id  me  commissurum 
ut  patiar  fieriy  ne  animum  induxeris  mag  wegen  der  imperativischen 
form  des  ausdrucks  nicht  voll  hierher  gerechnet  werden ;  wohl  aber 
die  folgenden  stellen:  Ter.  Hec.  292  levia  sunt,  quae  tu pergravia 
esse  in  animum  induxti  tuom\  Hoaut.  49  eum  esse  quaestum  in  ani- 
mmn  induxi  maxumum ;  Andr.  572  si  ita  istuc  animum  induxti  esse 
utile '^  ebd.  883  quom  ita  animum  induxti  tuom,  quod  cuperes  aliquo 
pacto  effidundum  tibi]  Hec.  277  ita  animum  induxerunt,  socrus  omnis 
esse  iniquas,  mit  dieser  bedeutung,  wonach  die  Wendung  im  praesens 
das  aufnehmen  eines  gedankens  in  den  geist,  im  perfectum  bald  mehr 
Lald  minder  deutlich  die  so  gewonnene  dauernde  ansieht  bezeichnet, 
kommt  man  in  den  andern  Zeitformen  ohne  mühe  aus,  so  lange  der 
Zusammenhang  erlaubt  an  eine  einmalige  momentane  handlung  zu 
denken,  so  bei  den  imperativischen  formen:  Ter.  Heaut.  41  mea 
causa  causam  ha^ic  iusiam  esse  animum  inducite-,  ebd.  1028  obsecro, 
mi  gnatc,  ne  istuc  in  animum  inducas  tuom^  alienum  esse  te  (^'rede  dir 
das  nicht  ein');  femer  auch  Hec.  264  quae  dicis  omnia  esse  u/  cUcis 
ayümum  induco]  PI.  Persa  66  eum  animus  induci  potest  civefn  et 
fidclcm  esse  et  bonum\  Cato  s.  42, 10  (Jordan)  quantoque  suam  vUam 
supcriorcm  atque  ampliorem  atque  antiquiarem  animum  induceni  esse 
quam  innoxüorem?  nun  gehört  aber  offenbar  diese  Wendung  zu  jenen 
bezeichnungen  geistiger  thätigkeiten,  welche  wie  das  deutsche  *glau- 
ben,  sich  erinnern'  ua.  zugleich  eine  einmalige  momentane  und  eine 
dauernde  handlung  bezeichnen ;  es  liegt  diesem  bedeutungsObergange 
dem  sprechenden  unbewust  die  durchaus  richtige  anscbauung  zu 
gründe,  dasz  das  einmal  in  den  gedankeninhalt  aufgenommene  so- 
fort darin  bleibend  wird  und  bei  dem  geringsten  äuszem  anstosx 
dem  subject  wieder  gegenwärtig  ist.  eine  hinneigimg  wenigstens  la 


AFanck:  animum  inducere  im  archaischen  latein.  489 

dieser  durativen  bedeutung  ^der  ansiebt  sein,  glauben'  zeigen  die 
folgenden  stellen :  CIL.  I  201  z.  5  ea  nos  animum  nostf^m  non  in 
doucehamus  iia  facta  esse;  z.  10  tanto  magis  animum  nostrum  in- 
doudmuSj  iia  utei  ante  arhitrahamur^  de  eieis  rebus  af  voheis  peccatum 
non  esse;  z.  13  credimus  vosque  anvmum  vostrum  indoucere  oportet^ 
item  vos  papulo  Bomano  purgatos  fore\  und  namentlich  PI.  Bud.  22 
hoc  scdesti  (üHy  in  animum  inducunt  suom,  lovem  se  pläcare  posse 
doniSi  hostiis. 

b)  bekanntlich  konnte  nun  aber  der  gegenständ  der  Überzeugung 
bei  persuadere  auch  im  accusativ  des  neutralen  pronomens  stehen, 
denselben  gebrauch  zeigt  der  vers  PI.  Capt.  149  numquam  istuc 
dixis  neque  animum  induxis  tuom,  wozu  die  bereits  erwähnten 
stellen  PI.  Bud.  22  hoc  .  .  in  animum  inducunt,  Ter.  Heaut  1028 
ne  istuc  in  animum  inducas  tuom  als  parallelen  angezogen  werden 
mögen ;  zugleich  erleichtert  hier  das  Torangegangene  dixis  die  Ver- 
bindung, ebenso  wird  zu  beurteilen  sein  Lucilius  27,  51  aut  quod 
animum  induxit  semel  et  utüe  omnino  putat  ^  wovon  er  sich  einmal 
überzeugt  hat  und  was  «r  überhaupt  für  nützlich  hält',  vgl.  Ter. 
Andr.  572;  ob  aut  oder  das  von  LMüUer  veimutete  at  im  anfange 
das  richtige  trifft,  ist  ohne  den  Zusammenhang  nicht  zu  entscheiden; 
jedenfalls  entbehrt  das  von  Müller  auch  Erwähnte  ad,  was  Dousa  als 
coi^'unction  auffassen  wollte,  als  präposition  aller  analogie.  ganz 
vereinzelt  steht  Ter.  Ad.  597  numquam  te  atüer  atque  es  in  animum 
induxi  meum  *ich  habe  dich  nie  anders  aufgefaszt  als  du  bist';  um 
die  hSrte  der  construction  zu  vermeiden  schiebt  daher  Madvig  (adv. 
crit.  II  21)  und  mit  ihm  Dziatzko  hinter  es  statt  des  entbehrlichen 
in  ein  esse  ein. 

c)  wie  in  den  eben  genannten  beispielen  (PI.  Bud.  22.  Ter. 
Heaut.  1028)  durch  ein  pronomen  auf  den  folgenden  acc.  c  inf.  hin- 
gewiesen wurde,  so  konnte  das  auch  durch  ein  adverbium  geschehen: 
vgl.  oben  Hec.  277  ita  animum  induxerunt,  socrtis  omnis  esse  iniquas] 
Andr.  883.  daher  steht  auch  das  adverbium  allein,  um  auf  den  in- 
halt  der  ansieht  hinzuweisen,  Ter.  Ad.  68  mea  sie  est  ratio  et  sie  ani' 
mum  induco  meum]  und  hier  tritt  zugleich  die  durative  bedeutung 
Mch  bin  der  ansieht'  besonders  deutlich  hervor,  auch  Lucilius  29,  77 
Hymnis ,  ego  animum  sie  indtu^ ,  quod  tua  ab  insano  auferas  gehört 
wohl  hierher,  obgleich  der  mangelnde  Zusammenhang  keine  sichere 
entscheidung  über  die  bedeutung  an  dieser  stelle  zuläszt.  da  nun 
an  allen  bisher  angeführten  stellen  und  ebenso  an  den  noch  zu  be- 
sprechenden animum  stets  in  unmittelbare  Verbindung  mit  induco 
gebracht  wird  —  nur  CIL.  1 201  wird  das  pron.  poss.  zwischengescho- 
ben und  PI.  eist.  III  1,  3  das  subject  ego  —  so  hat  der  verschlag 
LMüUers  sie  animum  induco  viel  für  sich,  dagegen  glaube  ich  dasz 
seine  weitere  änderung  ('propter  rationem  musicam')  quo  für  quod 
immer  noch  keine  möglichkeit  bietet,  einen  deutlichen  Zusammen- 
hang zwischen  haupt-  und  nebensatz  klarzustellen,   es  scheint  dasz 

Jahrbtteher  r&r  cUst.  philol.  1883  hft.  7.  32 


490  AFunck:  animum  inducere  im  archaischen  latein. 

Müller  animum  induco  etwa  mit  *ich  überlege'  wiedergeben  würde, 
eine  bedeutung  die  freilich  sonst  nicht  erweislich  ist. 

II.  animum  inducere  »=  *sich  zu  etwas  überreden,  sich  za  etwas 
entschlieszen'. 

a)  die  bedeutong  'einem  entschlusz  im  geiste  räum  geben'  hat 
hier  mit  notwendigkeit  zur  Verbindung  mit  finalen  conjunctionen  ge- 
führt, von  der  Plautus  eine  anzahl  von  belegen  bietet:  Mgl.  1269 
induxi  in  animum  ne  oderim]  Stichus  346  animum  inducam  ut  (^ney 
istuc  verum  te  docutum  esse  arhiirer;  Cist.  III  1,  3  meum  animum 
ego  inducam  tarnen^  ut  tUud  .  .  consulam]  Poen.  lY  2,  55  animum 
inducam  facHe,  ut  tibi  istuc  credam'^  Asin.  832  possum  equidem  tii- 
dt^ere  animum^  ne  aegre patiar.' 

b)  aber  schon  bei  Plautus  ist  wenigstens  an  6iner  stelle  die 
Wendung  der  analogie  der  verba  des  beschlieszens  und  woUens  ge- 
folgt und  bei  gleichem  subject  einfach  mit  dem  infinitiv  verbunden : 
6a.  1201  facere  inducam  anmum.  dies  ist  die  bei  Terentius  allein 
übliche  construction:  Hec.  603  non  tute  incommodam  rem  •  •  in  ani- 
mum induces  pati?*  Andr.  834  oro^  tU  ne  iUis  animum  inducas  cre^ 
dere\  Eun.  490  gut  huic  adsentari  animuniinduxeris;  Hec.  99  quod 
ego  numquam  credidi  fore,  ut  iUe  hac  viva  passet  animum  inducere 
uxorem  habere. 

Ganz  offenbar  tritt  diese  bedeutung,  welche  zb.  noch  in  Klotz 
lat.  Wörterbuch  als  die  einzige  angeführt  wird,  im  archaischen  latein 
gegen  die  zuerst  besprochene  zurück  (10  stellen  gegen  20).  Terentius 
hat  wie  dort  die  grOszere  stellenzahl  so  hier  den  bequemem  und  wohl 
jungem  gebrauch  mit  dem  bloszen  infinitiv  ausschlieszlich;  es  zeig^ 
also  auch  diese  metaphorische  Wendung  bei  ihm  einen  merklichen 
fortschritt  (vgl.  Langen  in  diesen  jahrb.  1882  s.  673  ff.  753  ff.). 

Den  dargelegten  constmctionsverhältnissen  fügen  sich  nur  zwei 
stellen  nicht,  die  deshalb  hier  noch  kurz  besprochen  werden  mOgen* 
Epid.  550  liest  man:  novin  ego  te?  IT  si  ego  te  novi^  animum  in- 
ducam ut  noveriSf  ohne  dasz  die  hss.  erhebliche  abweichungen  bSten. 
der  gedanke,  durch  die  von  CFWMüller  Plaut,  prosodie  s.  577  vor- 
geschlagene Schreibung  tu  animum  noch  klarer  hervorgehoben ,  ist 
augenscheinlich:  *wenn  ich  dich  wirklich  kenne,  so  will  ich  wohl 
glauben  dasz  du  mich  auch  kennst.'  unerklärlich  erscheint  aber  dann 
die  Verbindung  mit  ut^  wo  nach  aller  analogie  der  acc.  c.  inf.  erfor- 
dert würde,  oder  ist  etwa  die  seltsame  constraction  einem  in  ani- 
mum inducam  liegenden  'ich  will  mir  das  einreden,  ich  will  mich 
entschlieszen  zu  glauben'  zuzuschreiben?  —  Die  zweite  stelle  ist 
Ter.  Hec.  689  ntmc  animum  rursum  ad  meretricem  induxii  tiunn, 
und  diese  enthält  auszer  der  beispiellosen  trennung  des  animum  Yon 
induxti  die  redensart  in  der  sonst  nie  vorkommenden  constraction 


'  Ba.  1186  beraht  induce$  animum  nur  auf  einer  sprachlich  allerdinft 
unanfechtbaren  coojectnr.  *  Briz  sn  Trin.  287,  der  hier  getrennt  tm 

te  schreiben  will,  übersieht  dass  bei  der  hier  notwendigen  bedeatnng 
'sich  entschlieszen'  der  acc.  c.  inf.  nach  animum  inducere  unerhört  ist. 


AFunck:  animum  inäucere  im  archaiBchen  latein.  491 

und  bedeutuDg  von  ^seinen  sinn  zuwenden',  das  gewöhnliche  in 
diesem  sinne  ist  animum  adicere  *ein  äuge  auf  jemand  werfen'  (PI. 
Merc.  334.  Ter.  Eun.  143  mit  ad,  Mgl.  909.  Poen.  V  4,  1  mit  dem 
dativ) ,  was  hier  indes  kaum  in  den  vers  zu  bringen  wäre,  ich  ver- 
mute dasz  zu  schreiben  ist  adduxti  tuom,  woraus  bei  der  oben  er- 
örterten httufigkeit  des  versausgangs  induxti  tuam  leicht  dieses  ver- 
schrieben werden  konnte,  die  redensart  animum  adducere  hat  Teren- 
tius  Hec.  836  numquam  animum  guaesti  gratia  ad  mälas  adducam 
partis,  allerdings  mit  sächlichem  object;  aber  dasz  bei  derartigen 
Wendungen  auch  persönliche  objecto  standen,  zeigt  auszer  animum 
adicere  auch  das  ganz  ähnliche  animum  adpeUere  Andr.  446  animum 
ad  uxorem  adpulit,  neben  Andr.  1  poeta  quam  primum  animum  ad 
scrihendum  adpulit. 

Nachtrag,  der  gute  des  herausgebers  dieser  Zeitschrift  ver- 
danke ich  den  hinweis  auf  zwei  stellen,  an  denen  Madvig  einen 
unterschied  von  animum  inducere  und  in  animum  inducere  aufstellt, 
nach  der  einen  —  lat.  Sprachlehre  §  389  ^animum  induco ,  ich  be- 
queme, überrede  mich  (auch  in  a/nimu/m  induco,  bringe  übers  herz)'^ 
—  könnte  es  scheinen  als  suchte  Madvig  eine  wenn  auch  geringe 
Verschiedenheit  der  bedeutung  zwischen  beiden  Wendungen  zu  be- 
haupten, dasz  dies  nicht  der  fall  ist,  zeigt  die  zweite  stelle  'bemer- 
kungen  über  verschiedene  punkte  des  Systems  der  lat  Sprachlehre' 
(Braunschweig  1843)  s.  11  anm.  **:  ^§  389  habe  ich  zuerst  zwei  für 
dieselbe  bedeutung  auf  verschiedenen  wegen  gebildete  phrasen  (ani- 
mum induco  B=  induco  aliquem  ad  faciendum,  und  induco  in  animum), 
die  man  gewöhnlich  vermengt,  indem  man  eine  falsche  ellipse  zu 
hilfe  nimt,  unterschieden ;  es  wäre  leicht  gewesen  noch  hinzuzufügen, 
dasz  sich  bei  Cicero  (auch  pro  Cluentio  15),  mit  ausnähme  einer 
stelle  in  den  ausgaben  (pro  Sulla  30),  nur  die  erste  phrase  findet,  bei 
Livius  nur  die  zweite  (Drakenborch  zu  I  17,  4);  das  gehörte  aber 
nicht  hieher.'  es  werden  also  beide  Wendungen  nicht  der  bedeutung, 
wohl  aber  der  entstehnng  nach  von  einander  getrennt,  da  die  ellipse 
des  in  bei  animum  falsch  sei.  allein  dieser  grund  scheint  mir  nicht 
zutrefi^end.  die  Schwierigkeit  schwindet  sofort,  wenn  man  den  accu- 
sativ  cmimum  in  derselben  weise  von  der  dem  verbum  angefügten 
Präposition  abhängig  macht,  wie  er  es  ohne  zweifei  bei  exercitum 
flumen  traducere  ist,  und  ähnlich  bei  viam  inire,  urhem  ingredi. 
man  hat  also  dann  nicht  eine  ellipse  bei  animum  induziere,  sondern 
einen  sehr  gewöhnlichen  pleonasmus  der  präp.  bei  in  animum  in^ 
ducere.^  für  diese  einfache  erklärung  sprechen  vorzüglich  die  zahl- 
reichen stellen  von  animum  inducere  mit  einem  acc.  c.  inf.  als  ob- 
ject, die  zu  dem  Madvigschen  animum  inducere  ad  faciendum  durch- 
aus nicht  stimmen,  besonders  schwerwiegend  würde  die  Verbindung 
eines  einfachen  objectsaccusativs  mit  animum  inducere  sein ;  indes 

&  ars  4e  anfl.  §  343,  wo  indes  die  durchans  richtige  Übersetzung 
'überrede  mich'  fehlt.  ^  vgl.  LLange  in  den  Verhandlungen  der  Göt- 
tinger pbilologenvers.  1852  s.  104. 

32* 


492  SWi4mann:  Wisibada, 

von  den  zwei  belegstellen  hierfür  wird  Capi  149  die  construction 
durch  das  vorhergehende  dixis  leicht  erklärt;  Luciüus  27,  51  aber 
ist  kritisch  zu  unsicher ,  um  als  beweis  verwertet  zu  werden. 

Alles  in  allem  genommen  scheint  es  mir  nun  doch  ganz  das 
richtige,  die  beiden  nach  bedeutung  und  construction  zusammen- 
fallenden Wendungen  auch  auf  gemeinsamen  Ursprung  zurttckzuführen. 
dabei  wird  allerdings  zuzugeben  sein,  dasz  im  weitem  verlauf  der 
Verwendung  von  animum  inducere  mit  ut  oder  dem  inf.  die  analogie 
von  äliquem  inducere  dem  redenden  gewis  oft  nahe  trat;  dasz  sie 
nicht  bleibend  die  herschaft  erhielt ,  zeigt  der  von  Madvig  erwähnte 
Livianische  gebrauch. 

Kiel.  Anton  Fumok. 


(49.) 

WISIBADA. 


Wenige  deutsche  Ortsnamen  haben  wohl  so  arge  etymologische 
torturen  zu  erdulden  wie  der  name  Wiesbaden.*  das  non  plus 
ultra  aber  leistet  doch  wohl  JGCuno  oben  s.  302.  die  sache  ver- 
diente mit  stillschweigen  übergangen  zu  werden,  wenn  sie  sich  nicht 
abermals  auf  eine  *alte  inschrift'  beriefe,  in  welcher  die  dves  Wsino- 
hates  vorkommen  sollen,  die  kenntnis  derselben  verdankt  der  vf. 
des  artikels  einer  kleinen  im  j.  1880  erschienenen  monographie 
'Wiesbaden,  der  name,  seine  herkunft  und  bedeutung',  verfaszt 
von  dem  k.  archivrat  a.  d.  von  Medem  zu  Homburg  (s.  s.  16),  ent- 
weder haben  wir  es  bei  beiden  herren  mit  einer  ganz  unbegreiflichen 
Unwissenheit  oder  mit  einer  unheilbaren  hartnäckigkeit  zu  thun.  die 
angeführte  'alte  inschrift'  ist  nemlich  schon  vor  mehr  als  dreiszig 
jähren  als  eine  grobe  fälschung  des  maiers  prof.  N Müller  in  Mainz 
nachgewiesen  worden,  verübt  in  den  annalen  des  Vereins  für  nassauische 
altertumskunde  bd.  II  heft  2  (1834)  s.  110  fif.  der  verstorbene  archiv- 
director  Friedemann  in  Idstein  erhob  schon  1849  im  'wanderer*,  dem 
beiblatt  der  nass.  allg.  ztg.  nr.  22 — 24  zweifei  an  der  echtheit,  und 
1851  wies  prof.  KKlein  in  Mainz  in  den  Jahrbüchern  des  vereine 
rheinländischer  altertumsfreunde  XVII  s.  205  ff.  die  unechtheit  nach. 
seine  hofTnung ,  dasz  *jede  weitere  berücksichtigung  derselben  von 
selbst  wegfallen  würde',  ist  leider  von  Medem-Cuno|  zu  nichte  ge- 
macht worden,  wir  sprechen  jetzt  abermals  die  hoffnung  aus,  dasz 
die  inschrift  als  das  was  sie  ist,  eine  erbärmliche  fälsch ung^  der  Ver- 
gessenheit anheimfalle  und  der  unfug,  der  damit  getrieben  wurde,  mit 
den  Medem- Cunoschen  etymologien  sein  ende  gefunden  haben  mOge« 
mit  der  inschrift  zerfallen  diese  selbstverständlich  in  ihr  nichts. 

*  vgl.  aaszer  der  im  tcxt  g^enannten  Schrift  die  annalen  des  vereinB 
für  nassHuische  altertumskunde  an  mehreren  stellen,  bes.  XII  8.  340, 
dazu  FOtto  gcschicbte  der  Stadt  Wiesbaden  (Wiesbaden  1877)  s.  76  ff. 

Wiesbaden.  Simom  Wjdmamh. 


ThPlüss:  Horazischer  realismus  [carm.  I  25].  493 

76. 

HORAZISCHER  REALISMUS. 


Wenn  vom  realismus  des  Horatius  die  rede  ist,  führt  man  wohl 
als  beispiel  auch  das  fünfnndzwanzigste  gedieht  des  ersten  buchs 
der  öden  an ;  man  denkt  dabei  —  vielleicht  mit  Schauder  —  an  die 
dritte  und  noch  mehr  die  vierte  strophe,  worin  leben  und  leiden- 
Schaft  der  alternden  buhlerin  dargestellt  sind,  nun  gibt  es  aber 
verschiedenartigen  realismus  in  der  kunst,  verschieden  je  nach  dem 
zweck  und  der  Wirkung,  und  es  käme  darauf  an ,  im  gedieht  an  die 
verblühende  Lydia  den  Horazischen  realismus  auf  zweck  und  Wir- 
kung zu  prüfen. 

Nach  den  erklärem,  von  den  alten  scboliasten  bis  auf  die  neusten 
hgg.,  ist  der  zweck  des  gedichtes :  Lydia  soll  verhöhnt  und  beschimpft 
werden,  also  wäre  die  Wirkung,  dem  zweck  entsprechend,  beschä- 
mung  oder  ärger  der  Lydia  und  Verspottung  und  Verachtung  der- 
selben durch  hörer  oder  leser  des  gedichtes.  das  gedieht  wäre  ein 
pasquill,  dem  praktischen  zweck  persönlicher  beschimpfung  dienend. 

Dasz  ein  römischer  circuskutscher ,  welcher  von  einer  dime  ge- 
prellt worden,  derselben  in  der  wut  dergleichen  dinge  zum  zwecke 
der  beschimpfung  sagte ,  würde  wohl  zu  verstehen  sein,  dasz  ein 
mann  wie  Horatius  einem  mädchen  oder  über  ein  mädchen,  mit 
dem  oder  in  dessen  Sphäre  er  selber  verkehrt  hat,  dergleichen  dinge 
im  augenblick  der  realen  leidenschaft  ausspreche,  ist  manchem  viel- 
leicht denkbar,  aber  doch  nicht  wahrscheinlich ;  dasz  er  die  gemeine 
injurie  sogar  in  verse  und  zwar  in  weiche  sapphische  verse  bringe, 
dasz  er  also  bei  kälterem  blute  und  in  harmonischerer  Stimmung  — 
da  doch  auch  dichter  im  realen  leben  und  im  augenblick  der  realen 
leidenschaft  nur  in  prosa  zu  schimpfen  pflegen  —  zum  zwecke  der 
Verhöhnung  und  beschimpfung  dergleichen  hinterher  noch  'singe', 
das  ist  mir  moralisch  unbegreiflich,  und  hätte  Hör.  je  in  maszlosem 
ärger  oder  in  mehr  als  tollem  Übermut  einen  solchen  moralischen 
misgriff  begangen,  würde  er  wohl  so  etwas  in  die  samlung  der  öden 
und  zwar  gerade  in  die  Umgebung  sittlich  reiner,  zum  teil  zarter 
gedichte  aufgenommen  haben  ? 

So  viel  von  der  moralischen  seite  der  sache.  aber  nun  die  ästhe- 
tische! die  erklärer  reden,  einer  immer  lauter  als  der  andere,  von 
derber,  von  verletzender,  ja  von  unflätiger  art  des  hohns;  haben  sie 
aber  nur  ein  einziges  mal  die  frage  aufgeworfen ,  ob  dann  das  ge- 
dieht eben  noch  gedieht  sei  ?  ob  injurie  als  solche  ein  kunstzweck 
sei?  die  satiro  schont  bei  den  Römern  und  bei  Hör.  namen  und 
personen  nach  unsem  begriffen  durchaus  nicht,  sie  macht  an  den 
Personen  sehr  bedenkliche  persönliche  eigenheiten  und  Verhältnisse 
ohne  scheu  namhaft,  und  doch  ist  sie  immer  noch  kunst,  weil  sie 
nicht  die  person  als  solche  beschimpfen  oder  verhöhnen,  sondern 
durch  einführung  bekannter  gestalten  in  ihre  lebensbilder  gewisse 


494  ThPlüBs:  Horaziacher  realismuB  [carm.  I  25]. 

typen  des  römisch-menschlichen  lebens  lebendig  darstellen  will,  und 
weil  diesem  zweck  entsprechend  nicht  misachtong  und  hohngelächter 
über  eine  bestimmte  persönlichkeit  die  Wirkung  ist,  sondern  eine 
kräftigere  ästhetische  teilnähme  üi  dem  dichterisch  gerundeten, 
kräftig  gezeichneten  bilde  der  widerspruchsvollen  römisch-mensch- 
lichen weit,  der  epodus  ferner,  in  der  form  lyrischer  als  die  satire, 
hat  immer  den  zweck,  einer  Stimmung,  einer  empfindung,  einer 
leidenschaft  ästhetischen  ausdruck  zu  geben :  ist  die  Stimmung  durch 
eine  weit,  ein  leben  hervorgerufen,  in  welchem  es  derb  und  persön- 
lich aggressiv  zugeht,  so  werden  auch  im  kunstbilde  derb  pers^^n- 
liche  Züge  vorkommen;  aber  zweck  des  kunstbildes  ist  nicht  die 
injurie  oder  invective,  sondern  das  ästhetische  nach-  und  miterleben 
eines  so  zu  sagen  injuriösen  lebens.  sollten  sich  etwa  leute,  die  in 
Archilochos  iamben  angegriffen  wurden,  darauf  hin  aufgehängt  haben, 
so  haben  sie  es  gethan,  weil  sie  zum  hängen  reif  waren,  dh.  weil  sie 
reale  gründe  dazu  hatten,  nicht  weil  persönliche  beschimpfung  oder 
gar  Vernichtung  etwa  der  kun  st  zweck  dieser  dichtungsart  war. 

Man  wird  vielleicht  sagen:  nun  gut,  dasz  Lydia  beschimpft 
wird,  ist  nicht  zweck  sondern  form,  eine  form  nemlich,  um  einer 
leidenschaftlichen  Stimmung  gegen  sie  ausdruck  zu  geben,  oder 
aber:  dergleichen  Verhöhnungen  sind  überhaupt  bei  den  dichtem 
nicht  so  ernst  zu  nehmen;  Lydia  war  vielleicht  noch  jung  und  blü- 
hend, und  niemand  nahm  also  ein  solches  gedieht  auf  sie  für  mehr 
als  für  einen  derben  spasz.  oder  auch:  Lydia  ist  überhaupt  nur 
eine  fingierte  gestalt,  spott  und  höhn  treffen  also  niemanden,  und 
der  dichter  stellt  sich  blosz  so  grimmig,  so  wird  man  si^n,  und 
namentlich  die  beiden  letzten  erklärungs weisen  sind  in  unsem 
lyrikerausgaben  die  herkömmlichen,  allein,  um  das  letzte  zuerst  zu 
nehmen :  fingiert  oder  nicht  fingiert  —  auch  die  fingierte  Lydia  ist 
ein  verblühendes  mädchen ,  welchem  der  sprechende  mit  gemeinem 
höhn  ihre  wüste  Zukunft  ausmalt,  und  genau  genommen  ist  jede 
dichterische  gestalt  mehr  oder  weniger  ästhetisches  ideal  wirklicher 
gestalten,  also  mehr  oder  weniger  fiction,  und  es  wäre  ein  sonder- 
barer poet,  der  einer  stärker  idealisierten  gestalt,  einer  —  wie  mans 
mis verständlich  nennt  —  rein  fingierten  person  gegenüber  unflätiger 
wäre  als  gerade  einer  realem  gegenüber,  was  sodann  den  bloszen 
derben  spasz  gegenüber  einer  jungen,  schönen  Lydia  betrifft,  so 
wäre  der  spasz  erstens  dumm:  denn  einem  blühenden  jungen  mäd- 
cben,  das  viel  umworben  wird,  zu  sagen,  sie  werde  nicht  viel  um- 
worben, ist  nicht  eben  geistvoll,  zweitens  wäre  es  ein  plumper, 
rober  spasz,  höchstens  dem  geschmack  des  schon  erwähnten  circua- 
kutschers  entsprechend,  wenn  man  Lydia  in  den  tagen  ihrer  jugend 
und  Schönheit  dasjenige  Schicksal  ausmalte,  das  in  Wirklichkeit  nur 
allzu  oft  ihre  Standesgenossinnen  trifft  und  vielleicht  auch  Lydia 
tbatsächlich  treffen  wird,  um  endlich  von  der  Verhöhnung  ala  poeti- 
scher form  der  empfindungsdarstellung  zu  sprechen ,  so  darf  aller- 
dings  der  dichter  seiner  leidenschaft  den  stärksten,  furchtbaistea 


ThPlüBs:  Horazischer  realismas  [carm,  I  25].  495 

aasdruck  geben,  sofern  dieser  geeignet  ist  uns  ^ben  diese  leiden- 
schaft  recht  lebhaft  und  dabei  in  schongegliederter  bewegung  mit- 
und  nacherleben  zu  lassen,  damit  ich  aber  eine  emp6ndung  oder 
leidenschaft  nacherleben  könne,  musz  ich  vor  allem  ihren  grund  und 
anlasz  klar  und  eindrücklich  dargestellt  finden ;  dann  musz  die  leiden- 
schaft selber  nach  ihrem  besondem  wesen  sich  deutlich  und  krSftig 
aussprechen^  wie  ist  es  mit  diesen  beiden  dingen  in  unserm  ge- 
wichte bestellt? 

Man  nimt  an,  der  dichter  sei  von  Lydia  zurückgewiesen,  und 
zorn  über  die  erlittene  kränkung  oder  rachbegier  sei  die  leiden- 
schaft, die  sich  in  der  form  von  höhn  und  schimpf  ausspreche,  achtet 
man  auf  den  ton  und  etwaigen  tonwechsel  des  gedichtes ,  so  könnte 
sich  zorn  oder  rachsucht  in  den  beiden  ersten  Strophen  allenfalls  in 
der  form  boshafter  Schadenfreude  aussprechen;  nach  schadenfrohem 
spotte  könnte  das  woTt  parcim  klingen,  ebenso  die  Wendungen  'sie 
rauben  dir  den  schlaf  nicht',  'die  hausthür  bleibt  gern  bei  der 
schwelle',  'früher  gieng  die  thür  so  liebenswürdig  gern  auf.  in  den 
beiden  nächsten  Strophen,  wo  das  wüste  elend  der  ^ten  dime  in  den 
grellsten  färben  und  stärksten  strichen  gezeichnet  und  ausgemalt 
ist,  ohne  jede  ironische  oder  humoristische  färbung,  da  müste  sich 
ein  ingrimmig  ernster  zorn,  ja  hasz  ausdrücken  wollen,  endlich 
würde  der  schluszvers  der  vorletzten  strophe  wieder  nach  Ironie 
klingen,  und  die  letzte  strophe  möchte  dann  eine  art  genugthuung, 
«ine  empfindung  gesättigter  rachbegier  ausdrücken  in  der  darstel- 
lung,  wie  die  fröhlich  kräftige  Jugend  ein  wesen  wie  Lydia  wie  einen 
welken  kränz  mit  recht  von  sich  werfe,  angenommen ,  Hör.  könne 
real  so  unedel  empfinden  und  könne  wiederum  als  dichter  das  be- 
dürfnis  haben  so  unedle  empfindungen  ästhetisch  zu  idealisieren  — 
hat  er  denn  aber  die  empfindung  der  rachbegier  in  ihren  einzelnen 
abstufungen  spottlustiger  Schadenfreude,  ingrimmigen  hasses,  trium- 
phierender genugthuung  wirklich  klar  und  kräftig  dargestellt  ?  so 
lebhaft,  dasz  ich  ihm  die  grundempfindung  sowohl  wie  die  einzelnen 
iiuancen  nacherleben  müste?  oder  auch  nur  könnte?  denn  was  ich  so 
eben  von  diesen  empfindungen  gesagt  habe,  das  ist  nicht  empfunden, 
sondern  als  möglich  gedacht,  und  ist  die  angegebene  reihenfolge 
der  nuancen,  in  der  sich  doch  die  entwicklung  des  grundgefühls  dar- 
stellen soll,  etwa  eine  natürliche  und  eine  wirksame? 

Unklar  und  unwirksam  bleibt  aber  die  darstellung  der  leiden- 
schaft vor  allem  deshalb,  weil  auch  die  andere  forderung,  der  dichter 
müsse  uns  grund  und  anlasz  seines  gefühls  klar  und  eindrücklich 
machen,  keineswegs  erfüllt  ist.  der  dichter  sagt:  immer  weniger 
und  weniger  höre  Lydia  die  vorwurfsvolle  klage  eines  auf  der  strasze 
um  einlasz  flehenden  liebhabers.  daraus  hören  nun  die  erklärer 
den  Vorwurf  des  dichters  heraus,  Lydia  sei  hartherzig*  aber  zu- 
nächst sagt  es  doch  der  dichter,  im  Zusammenhang  seiner  eignen 
Worte,  in  d^m  sinne:  'du  bist  nicht  mehr  so  viel  umworben  wie 
früher*,  nicht  um  selber  einen  Vorwurf  wegen  hartherzigkeit  zu  er- 


496  ThPlüsB:  Horazischer  realismuB  [carm,  I  25]. 

beben,  sondern  um  die  abnabme  der  bewerbung  auszudrücken,  so- 
dann wird  man  auch  den  Vorwurf,  der  mehr  zärtlich  als  heftig  klingt, 
aus  dem  munde  des  liebhabers  nicht  so  tragisch  nehmen;  ein  lieb- 
haber,  der  auch  nur  ein  einziges  mal  eine  einzige  halbe  stunde  vor 
dem  fenster  gestanden,  würde  sich  wahrscheinlich  nicht  weniger 
stark  ausgedrückt  haben,  und  wenn  denn  auch  manche  vergebens 
drauszen  gewartet  haben,  so  ist  damit  noch  nicht  gesagt,  dasz  auch 
der  sprechende  darunter  gewesen  sei  und  nun  grund  habe  selber 
zornig  zu  sein  und  sich  zu  rächen,  also  angenommen,  Lydia  sei 
hartherzig  gewesen,  so  ist  das  hier  jedenfalls  nicht  so  zur  darstellung 
gebracht,  dasz  damit  ein  leidenschaftlicher  ergusz  von  höhn  und 
schimpf  poetisch  begründet  wäre. 

Aber  ich  sehe  im  gedichte  überhaupt  nur  das  gegenteil  von 
einer  sprödigkeit  Lydias  wirklich  ausgesprochen :  Lydias  thttr  —  so 
heiszt  es  —  habe  sich  früher  gar  willfährig  in  den  angeln  bewegt, 
im  gegensatz  zu  jetzt,  wo  sie  notgedrungen  gern  geschlossen  bleibe. 
es  ist  ein  blinder  eifer,  der  unsere  erklärer  in  Einern  atem  von  der 
hartherzigen  sprödigkeit  Lydias  und  ihrer  leichtfertigen  geflQligkeit 
reden  lUszt.  Lehrs  hat  den  Widerspruch  bemerkt  und  schreibt:  quae 
priu^  nullt  facüis  movehas  cardines  und  verbindet  diese  worte  statt 
mit  den  vorhergehenden  werten  von  der  hausthür  vielmehr  mit  den 
folgenden  die  sich  auf  Lydia  selbst  beziehen :  audis  minus  et  minus 
iam.  Lehrs  fügt  hinzu,  die  vorhergehenden  worie  amaique  ianua 
Urnen  seien  wohl  auch  nicht  richtig,  er  hätte  sagen  müssen:  sie  seien 
unmöglich  richtig,  wenn  nemlich  seine  eigne  erste  Veränderung  des 
textes  richtig  sei.  erst  heiszt  es:  *jetzt  ist  im  gegensatz  zu  früher 
die  thür  gern  geschlossen' ;  also  denkt  man :  ^früher  war  sie  gern 
offen',  nun  aber  heiszt  es  wieder:  ^früher  wurde  die  thttre  nicht 
leicht  geöffnet' ;  also  sollte  man  denken :  *jetzt  wird  sie  gern  geöffnet'« 
dieser  Widerspruch  ist  doch  wahrhaftig  nicht  vernünftiger  als  der, 
den  Lehrs  durch  seine  textänderung  beseitigen  wilL  ehe  wir  so  den 
text  nach  unseren  gedanken  umgestalten,  wollen  wir  erst  unsere 
orklärergedanken  nach  dem  texte  zu  gestalten  suchen,  also  Lydia 
ist  nicht  spröde,  nicht  hartherzig,  wenn  auch  mancher  liebhaber  sie 
so  genannt  und  nachtschwärmer  in  häufen  an  ihre  fensterladen  ge- 
schlagen haben ;  nicht  hartherzig  gegen  diese  gar  zu  ungeduldigen 
und  mutwilligen  und  ebenso  wenig  gegen  den  dichter;  wenigstens 
redet  derselbe  nicht  davon,  also  fehlt  jede  poetische  begründung 
für  einen  leidenschaftlichen  zomesergusz. 

Ich  vergleiche  ein  paar  ähnliche  stellen  und  gedichte:  aus  der 
vergleichung  ergibt  sich  vielleicht  noch  deutlicher,  was  an  unserm 
licde  eigentümlich  und  noch  nicht  erklärt  ist.  etwa  Ovidius  ars  am. 
III  69  ff.  tempus  erit,  quo  tu^  quae  nunc  exdudis  amanteSy  \  frigida 
descrta  nocie  iacehis  anti5,  |  nee  tua  frangetur  nocturna  ianua  rixOj  \ 
sparsa  nee  invcnies  limina  mane  rosa.  Ovidius  mahnt,  aber  er  h0hnt 
und  schimpft  nicht;  was  er  aus  dem  künftigen  leben  des  mädchens 
anführt,  ist  nur,  dasz  sie  einsam,  unbeachtet,  frostig  und  freudlos 


ThPlüsBs  Horazischer  realismus  [oarm,  I  25].  497 

die  nachte  verbringen  werde,  er  malt  keine  wüsten,  wilden  begierden, 
kein  fortgesetztes  dimenleben  im  gäszcben;  die  künftige  Verlassen- 
heit soll  weder  folge  noch  gar  strafe  der  vorangehenden  sprOdigkeit 
sein ,  sie  wird  nur  natumotwendigkeit  sein ,  wie  sie  Ov.  hier  durch 
vergleiche  eben  aus  der  natnr  illustriert;  dasz  er  überhaupt  an  die 
freudlose  Zukunft  erinnert,  begründet  Ov.  poetisch  damit,  dasz  er 
sich  ausdrücklich  an  ein  blühendes  mädchen  wendet,  das  gegenwärtig 
etwa  liebhaber  ausschliesze,  aber  daraus,  dasz  etwa  ein  mädchen 
frtüier,  so  willig  auch  ihre  thür  aufgieng,  doch  bei  dem  starken  an- 
drang von  liebhabem  nicht  jeder  zeit  jeden  eingelassen  hat^  nimt  er 
nicht  ein  recht  her,  ihr  die  jetzige  abnähme  spöttisch  und  die  künf- 
tige gemeine  Verkommenheit  ingrimmig  vorzuhalten.  —  Ich  ver- 
gleiche femer  Propertius  IV  25,  wo  die  an  Hör.  anklingenden  werte 
vorkommen:  exdusa  inque  vicem  Jasttis  patiare  superhos  \  et^  quae 
fecisliy  facta  queraris  anus.  hier  ist  im  ganzen  ersten  teile  des  ge- 
dichtes  sehr  klar  und  sehr  lebhaft  die  schnöde  behandlung  durch 
die  geliebte  dargestellt,  also  die  poetische  begründnng  der  leiden- 
schaftlichen wünsche  des  dichters  und  somit  für  uns  die  möglichkeit 
gegeben,  ästhetisch  die  leidenschaft  nachzuerleben  und  die  wünsche 
mitzuwünschen.  dann  werden  aber  auch  der  schnöden  nur  solche 
dinge  vorausgesagt  oder  angewünscht,  welche  früher  oder  später  so 
wie  so  kommen  werden ,  nemlich  das  schwinden  der  Schönheit  nach 
dem  naturgesetz  des  alters ,  aber  keine  wüsten  folgen  für  lebens- 
weise  und  begierden  des  alternden  weibes.  selbst  dasz  sie  dann  auch 
ausgeschlossen  sein  werde,  ist  um  der  scharfem  pointe  willen 
so  gesagt:  wie  si^  jetzt  etwa  dem  treuen  liebhaber  ihrehausthür 
schlieszt,  so  werden  dann  alle  männer  sie  ausschlieszen  dh.  sie 
verschmähen ,  sie  nicht  suchen ;  es  ist  der  massive  realismus  der  er- 
klärer,  der  an  solchen  stellen  gleich  an  ein  nachlaufen  seitens  der 
dirne  und  an  ein  liegen  derselben  vor  der  hausthür  des  mannes  denkt, 
und  selbst  die  unvermeidlichen  und  unverschuldeten  spuren  des 
alters  soll  nach  Propertius  das  weib  nur  darum  wahrnehmen,  damit 
sie  auch  ihrerseits  erfahre,  wie  weh  es  ihm  jetzt  thue,  hochmütig 
verschmäht  zu  werden,  demgemäsz  klingt  der  ton  des  liedes  wohl 
schmerzlich  zornig,  aber  nicht  höhnisch. 

Man  vergleiche  auch  Horatius  mit  sich  selber,  nach  dem  zehn- 
ten gedieht  des  vierten  buches  ist  Ligurinus  grausam  und  stolz; 
wenn  er  aber  älter  und  weniger  schön  sein  wird ,  wird  er  zur  ein- 
sieht kommen ,  dasz  er  früher  nicht  so  hartherzig  hätte  sein  sollen, 
also  eine  deutliche  begründnng  dafür,  wamm  das  zukünftige  Schick- 
sal gezeichnet  wird;  das  künftige  loos  nur  als  das  natürliche,  un- 
vermeidliche loos  des  alters  dargestellt;  sinn  dieser  darstellung  nach 
der  poetischen  Situation  nicht  höhn,  sondern  flehentliche  bitte,  mah- 
nung.  —  Am  stärksten  könnte  an  unser  gedieht  im  ersten  buche  das 
dreizehnte  im  vierten,  das  gedieht  an  Lyce,  erinnern,  das  gedieht 
ist  freilich  noch  nicht  erklärt,  die  herkömliche  erklärung  spricht 
jeder  logik  in  der  Ijrik  höhn,  ieh  will  vorläufig  nur  die  unterschiede 


498  ThPlüas:  Horazischer  realismat  [carm.  I  25]. 

zwischen  beiden  gedichten  herausheben,  das  altwerden  Lyces  wird 
ausdrücklich  als  eine  erftillang  von  ehemaligen  wünschen  des  lieb- 
habers  bezeichnet;  man  wird  sich  die  Situation,  in  welcher  einst  der 
liebhaber  wünschte ,  sie  möge  alt  werden,  etwa  so  wie  in  der  vorhin 
erwähnten  Cjnthia-elegie  des  Propertius  denken,  gewünscht  hat 
der  liebhaber  nur ,  sie  möge  alt  werden ;  dasz  sie  alt  geworden  nun 
noch  so  häszlich  buhlt,  gehört  nicht  zu  den  ehemaligen  wünschen 
oder  Weissagungen  des  sprechenden,  ich  interpungiere  so:  di  awdt* 
vere^  Lyce:  fis  anus!  et  tarnen  vis  farmasa  videri.  es  wird  sodann 
das  liebesüchtige  und  gefallsüchtige  benehmen  der  alten  Lyoe  in 
seinem  Widerspruch  mit  der  natürlichen  häszlichkeit  des  alters  dar- 
gestellt, und  zwar,  obwohl  hier  spott  eher  motiviert  wftre,  zuerst 
im  tone  unwilligen  Staunens  über  diesen  Widerspruch  wider  natur 
und  sitte ,  sodann  im  tone  moralisierender  reflexion  über  die  natur 
und  ihre  gesetze.  dann  folgt  eine  erinnerung  an  die  ehemalige  blute 
der  jungen  Lyce ,  und  diese  erinnerung  hat  zuerst  den  ton  aufrich- 
tiger bewunderung  des  einst  und  aufrichtigen  bedauems  für  das 
jetzt,  dann  stellt  sich  in  der  erinnerung  eine  andere,  noch  schönere 
gestalt  neben  Lyce,  und  das  bringt  dem  sprechenden  den  gegensati 
zum  bewustsein,  welcher  zwischen  zwei  frauen  dieser  art  besteht, 
der  6inen,  die  noch  in  der  zeit  der  unverblühten  Jugend  sterben  darf, 
und  der  andern ,  die  hat  alt  werden  müssen ,  und  die  hftrte  dieses 
letztem  Schicksals  —  nicht  schadenfrohe  gefühle  —  spricht  er  zum 
schlusz  mit  sch&rfe  und  schneidigkeit  aus.  nicht  spott  oder  höhn 
gegen  Lyce  persönlich  höre  ich  aus  dem  gedichte  heraus,  sondern  die 
wechselnden  empfindungen  eines  alternden,  lebenserfahrenen  mannea 
bei  der  begegnung  mit  einem  weihe,  welches  ihn  einst  durch  schön» 
heit  und  anmut  bezauberte ,  welchem  er  in  Ungeduld  und  zom  einst 
das  alter  angewünscht  hat  und  welches  nun  alt,  aber  dabei  häszlich 
buhlend  ihm  wieder  zu  gesicht  kommt. 

Daneben  nun  das  Lydiagedicht,  von  wünschen  kein  wort: 
'jetzt  schon  nimt  der  zudrang  der  bewerber  ab,  die  einst  so  oft  auf 
der  strasze  harrten  und  flehten  —  ja  einst,  wenn  du  alt  bist,  wirst 
sogar  umgekehrt  du  weinen  und  klagen.'  es  wird  ein  Schicksal, 
welches  frauen  von  der  classe  Lydias  oft  genug  trifft  und ,  offen  ge- 
sprochen, doch  um  so  sicherer  trifft,  je  weniger  sie  zurückhaltend  oder 
wählerisch  sind ,  einfach  als  thatsächlich  sich  ankündigend  und  als 
künftig  vollendet  dargestellt,  sodann  kein  wort  von  eitelkeit  und 
koketterie  und  lustiger  gesellschaft ,  keine  andeutung  eines  Wider- 
spruchs mit  alter  und  häszlichkeit,  sondern  es  wird  eine  wüste  Sinn- 
lichkeit und  wilde  brunst  als  eine  natürliche  Übergewalt  geschildert — 
daher  auch  der  vergleich  aus  der  natur,  dem  tierleben  —  und  dasz 
diese  begier  nicht  befriedigt  wird,  erscheint  nicht  als  selbstverschul- 
dete folge  eines  Widerspruchs  zwischen  alter  und  begierden,  sondern 
nur  als  Ursache  von  elend,  thränen  und  klage,  demgemäsz  erscheint 
die  künftige  Lydia  als  elend  auch  in  der  äuszem  lebenslage:  sie 
wohnt  im  engen  gäszchen,  und  daraus  wird  man  sich  unwillkOrlich 


ThPiüss:  HorazUcber  realismus  [carm.  I  25j.  499 

das  bild  der  armut  machen;  Lyce  dagegen  pninkt  in  kölschem 
pnrpurkleid  und  in  geschmeide  mit  kostbaren  steinen,  w&hrend 
Lyce  uns  in  leichtfertiger,  ttppiger  gesellschaft  vorgeführt  wird, 
sehen  wir  Lydia  einsam  und  verlassen ;  das  enge  gäszchen  zur  zeit 
mondloser  sturmnächte  —  ein  bild  der  Verlassenheit,  trauriger,  un- 
heimlicher einsamkeit.  wie  thöricht  es  ist,  mit  gewissen  erklärem 
Lydia  drauszen  im  gäszchen  in  stürm  und  finstemis  ihrem  erwerb 
nachlaufen  oder  etwa  einem  manne,  der  im  engen  gäszchen  wohnt, 
vor  der  thür  liegen  zu  lassen,  braucht  blosz  angedeutet  zu  werden: 
die  gesuchten  männer  wohnen  da  nicht,  und  in  der  finstem  sturm- 
nacht  ist  ein  an  sich  einsamer  ort  erst  recht  kein  Spazierweg,  nein, 
Lydia  ist  es,  die  dann  dort  wohnen  wird,  und  es  kommt  in  der 
sturmnacht  eben  niemand  zu  ihr.  wenn  endlich  die  jungen  leute, 
zu  deren  spasz  das  Schicksal  Lyce  aufgespart  hat,  Lyce  doch  wohl 
eben  in  jener  gesellschaft  sehen,  in  welcher  sie  trinkt  und  spielt  und 
kokettiert,  so  ist  bei  Lydia  nicht  gesagt,  dasz  die  fröhlichen  kräf- 
tigen Jünglinge  über  sie  lachen  oder  auch  nur  sie  sehen ,  dasz  sie 
sich  ihnen  also  noch  aufdränge;  es  heiszt  nur,  Lydia  klage  dann  oft, 
dasz  die  Jugend  das  frische,  frühlingsgrüne  kranzlaub  liebe,  das 
welke  laub  dagegen  den  winterlichen  mächten  weihe,  mau  darf 
auch  die  hochmütigen,  anspruchsvollen  ^ehebrecher',  um  welche 
Lydia  weint ,  nicht  etwa  mit  dieser  fröhlichen  Jugend  verwechseln : 
diese  Jünglinge  sind  keine  moechi^  so  wie  Hör.  das  wort  gebraucht. 
es  sind  eben  ältere  und  gemeinere  männer,  verbuhlte  ehemänner, 
welche  etwa  noch  Lydia  aufsuchen  könnten,  aber  sie  zu  zelten  auch 
verschmähen. 

Diese  vergleiche,  denke  ich,  können  zeigen ,  wie  Hör.  in  fällen, 
wo  spott  wenigstens  motiviert  wäre,  dennoch  keinen  verletzenden 
und  persönlich  gemeinten  spott  in  lyrischer  weise  singt;  sie  können 
es  auch  erkennen  lassen,  dasz  in  unserem  gedichte  jede  motivierung 
des  Spottes  fehlt  und  die  darstellung  zum  teil  ganz  entgegengesetzt 
wirkende  mittel  anwendet. 

Entgegengesetzt  wirkende  — :  ich  meine  nicht,  dasz  die  Wir- 
kung eine  empfindsame  rührung  über  das  traurige  loos  einer  alten 
dirne  sei :  dem  würde  wieder  der  besprochene  humoristisch  scharfe 
ton  des  eingangs ,  der  derbkräftige  ton  der  mitte  und  der  gelassen 
feste  ton  der  schluszstrophe  widersprechen,  empfindsamerer  art  und 
doch  stimmungsverwandt  ist  ein  bild  in  Andersens  'bilderbuch  ohne 
bilder\  da  sehen  wir  auch  die  enge  gasse ,  in  die  das  mondlicht 
kaum  hinabdringt,  da  ist  eine  frau,  todkrank  auf  dem  bette  Hegend ; 
der  hauswlrt  will  sie  auf  die  strasze  werfen ,  weil  ihre  abgezehrten 
Wangen  die  leute  verscheuchen;  er  schminkt  ihr  die  wangen,  flicht 
rosen  in  ihr  haar,  setzt  sie  ans  fenster,  das  brennende  licht  daneben, 
sie  sitzt  unbeweglich ;  ein  windstosz  schlägt  das  fenster  zurück,  dasz 
eine  scheibe  zerbricht  und  die  gardine  um  sie  flattert  —  die  frau  ist 
tot.  der  moderne  dichter  führt  uns  das  bild  des  lebens  in  recht  ob- 
jectlven  zügen  vor  und  erzählt  in  einem  unbefangen  klingenden  tone, 


500  ThPlüBs:  HoraziBcher  realismus  [carm,  I  25]. 

im  ton  des  femBtehenden,  naiv  erstaunten  beobachters  mensohlicfaer 
dinge ;  er  läszt  dämm  den  mond  reden,  freilich  die  erinnenmg  an 
die  zeit  kindlicher  Unschuld,  an  die  kleine  pfarrerstoohter  an  der 
rosenhecke,  und  wiederum  der  zug  dasz  die  frau  schon  den  tod  in 
der  brüst  trttgt  und  nun  stirbt,  der  contrast  zwischen  einem  geträum- 
ten ideal  von  Weiblichkeit  und  weiblicher  lebensseligkeit  und  einer 
schmerzCafb  unyoUkommenen  Wirklichkeit  —  das  alles  ist  eben  in 
modemer  art  empfunden«  trotzdem  ist  die  dichterische  absieht  bei 
beiden  dichtem  ein  und  dieselbe:  ein  empfindungsvoUes  bild  des 
lebens  zu  geben  oder  eine  reale  empfindung  des  wirklichen  leben» 
ästhetisch  darzustellen,  oder  sollte  etwa  Andersen  die  tote  frau  der 
Verachtung  anderer  preisgeben,  sollte  er  durch  Vorhaltung  dieses 
schicksalsbildes  im  Zukunftsspiegel  die  noch  lebende  selber  persön- 
lich ärgern  oder  beschämen,  sollte  er  unmoralisch  moralisieren 
wollen? 

Der  dichter^  heisze  er  Andersen  oder  Horatius,  hat  in  seinem 
leben  hundert  und  tausendmal  das  unerbittliche  gesetz  der  Vergäng- 
lichkeit erfahren,  an  sich,  an  andern,  an  edlen  männem,  an  schönen 
frauen,  an  menschen  und  an  dingen,  er  hat  die  furchtbare  not- 
wendigkeit  in  ihrer  härte  und  schneidenden  schärfe  bis  ins  tiefste 
gemüt  gespürt,  die  fähigkeit  der  teilnähme,  des  mitverlangens ,  der 
mitfurcht,  des  mitleidens,  ist  ihm  als  einem  dichterischen  zuschaaer 
des  lebens  besonders  eigen  —  zugleich  die  fähigkeit  die  teilnähme 
in  ästhetischen  formen  zur  schönen  darstellung  zu  bringen,  nun  hat 
Hör.  vielleicht  an  einem  mädchen,  das  noch  vor  wenigen  jähren 
blühend  schön  und  viel  umworben  war,  in  jüngster  zeit  erlebt ^  wie 
nach  jenem  harten  gesetze  Schönheit  und  gestalt,  menschengunst 
und  lebensfreude  schwinden,  in  seiner  phantasie  gestaltet  sich  ihm 
das  bild  des  gesamtlebens  eines  solchen  schönen  mädchens:  das 
schwinden  in  der  gegenwart  im  gegensatz  zur  blute  der  Vergangen- 
heit, und  wiederam  im  gegensatz  zur  blühenden  Vergangenheit  die  er- 
barmungslos verwüstete  zukunft.  Hör.  nimt  die  Wirklichkeit  so,  wie 
sie  ist  oder  wie  sie  wenigstens  in  besonders  charakteristischen  fällen 
ist.  er  zeichnet  sie  vom  Standpunkt  eines  antiken  lebenserfahrenen 
mannes,  der  mit  scharfem  blick  das  gegenwärtige  beobachtet  und 
das  zukünftige  voraussieht,  mit  unverhüllter  nacktheit  das  wirk- 
liche ausspricht,  mit  demselben  naturalismus  das  leben  und  treiben 
einer  Lydia  ohne  ein  wort  sittlichen  tadeis  und  die  härte  eines  solchen 
Schicksals  ohne  ein  wort  des  Widerspruchs  einfach  als  selbstverständ- 
lich hinnimt.  er  stellt  diese  Wirklichkeit  dar  —  erst  im  tone  jenes 
gelassenen  humors,  der,  wie  er  ein  andermal  sagt,  das  bittere  ver- 
sttszt,  einer  ironie  welche  nicht  der  person  Lydias,  sondem  der  sache, 
dem  menschlichen  leben  und  seinen  widersprttdien  gilt;  dann  im. 
tone  bitteren,  scharfen  ernstes,  dessen  schärfe  wiederum  nicht  der 
persönlichen  leichtfertigkeit  oder  wüsten  begehrlichkeit  Lydias  gut, 
sondem  der  verkehmng  und  Verwüstung  blühenden  lebens  durch 
Schicksal  und  naturgewalt;  sodann  endlich  wieder  im  tone  leichterer 


ThPlÜBB:  Horazischer  realismus  [carm.  I  26].  501 

gelassenheit,  die  das  unvermeidliche  als  solches  erkennt  und  in  dem 
grausamen  Schicksal  des  alternden ,  verwelkten  lebens  das  recht  des 
neuen,  frisch  blühenden  lebens  anerkennt,  nur  diese  dichterische 
teilnähme  an  dem  Schicksal  einer  mehr  oder  weniger  idealen  Lydia 
drückt  sich  in  der  anrede  an  Lydia,  in  der  wirksamen  form  der  apo- 
strophe  aus  —  nicht  etwa  die  praktische  bestimmung  des  gedichtes, 
der  Lydia  zugeschickt  oder  vorgelesen  oder  gar  vorgesungen  zu  wer- 
den, die  dichterische  lebensstimmung  ist  dieselbe  wie  in  den  schlusz- 
Worten  des  zunächst  vorhergehenden  liedes :  dort  war  es  das  unerbitt- 
lich harte  Schicksal  eines  edlen  mannes,  woran  der  dichter  teil  nahm, 
und  das  lied  klang  aus  in  den  Worten  *ach,  hart  ist  es ;  doch  leichter 
wird  durch  ergebung,  was  zu  ändern  die  götter  uns  versagt  haben.' 
Im  einzelnen  bemerke  ich  kurz  folgendes,  ich  verstehe  in  den 
Worten  von  der  zukunft  invicem  moechos  onus  arrogantes  fleUs  das 
wort  invicem  nicht  von  einer  Vergeltung,  sondern  wörtlich  nur  von 
einem  Wechsel,  einer  bezeichnenden  umkehrnng  der  dinge:  ^bisher 
klagten  die  liebhaber,  dann  wird  umgekehrt  sie  klagen.'  —  Sodann 
scheint  mir  das  beiwort  der  alternden  dime  levis  im  scharfen  con- 
trast  zu  den  werten  in  solo  angiportu  zu  stehen,  die  Stellung  von 
levis  gerade  mitten  zwischen  diesen  werten  fordert  ja  jedenfalls 
nähere  Verbindung :  Lydia  ist  in  späteren  jähren  baltlos  leichtfertig, 
aber  mit  ihrer  leichtfertigkeit  gerät  sie  in  Widerspruch  mit  der  ein- 
samkeit  ihrer  gasse^  in  die  niemand  kommt,  und  dieser  Widerspruch 
ist  dann  Ursache  ihrer  thränen.  über  die  anspruchsvollen  moechi  als 
ältere,  verbuhlte  ehemänner  habe  ich  oben  schon  gesprochen.  —  Der 
thrakische  stürm,  ein  wintersturm,  der  zur  zeit  mondloser  nachte 
noch  toller  als  sonst  rast  oder  einem  zu  rasen  scheint,  sowie  die 
mondlose,  finstere  nacht  selber  sind  vorzüglich  geeignet  den  eindruck 
der  Verlassenheit  zu  verstärken  und  zu  der  gestalt  der  weinenden 
alten  dime  dort  an  der  menschenleeren  gasse  die  naturscenerie  zu 
geben,  zugleich  bereitet  die  Vorstellung  des  drauszen  wie  toll  toben- 
den winterlichen  Sturmes  dichterisch  glücklich  auf  die  Vorstellung 
der  im  innern  der  dime  wütenden  leidenschaft  vor :  dies  sind  auch 
winterstürme,  und  so  wie  der  thrakische  wind  mit  einer  art  ttber- 
natürlicher  gewalt  rast,  was  mit  dem  wort  hacchari  angedeutet  ist,  so 
wütet  die  leidenschaft  in  der  wunden  zerrissenen  bmst  Lydias  mit 
einer  art  übernatürlicher  stärke,  man  kann  sich  hier  Amor  und  Libido 
als  göttliche  mächte  denken,  vielleicht  die  namen  grosz  schreiben, 
der  vergleich  mit  den  stuten  gewinnt  an  energie  und  verliert  die 
blosze  derbheit,  wenn  einem  dabei  eben  das  zauberhafte  und  wunder- 
bare vorschwebt,  welches  gerade  die  brunst  der  rosse  in  der  Vor- 
stellung der  alten,  auch  der  Augustischen  dichter  umgab,  vielleicht 
ist  es  bedeutsam ,  dasz  zb.  nach  Yergilius  (georg,  UI  277  £f.)  gerade 
nordwind  und  nordwest  oder  aber  Mer  schwärzeste  süd  mit  kal- 
tem, düsterm  regen'  die  naturscenerie  für  die  toll  dahin  jagenden 
Stuten  andeuten :  vgl.  Voss  zdst.  —  In  der  letzten  Strophe  möchte  ich 
das  beiwort  puUa  nicht  auf  die  myrte  beziehen.  puUus  erweckt  nach 


502  ThPlüss:  Horazischer  realismuB  [carm.  I  25]. 

etymologie  und  Sprachgebrauch  immer  die  Yorstellang  des  fahlen 
und  dunklen  im  gegensatz  zur  hellen,  leuchtenden  färbe;  es  be- 
zeichnet daher  fast  immer  die  färbe  des  todes  und  der  unterwelti 
des  moders,  der  trauer;  es  kann  gelegentlich  im  Zusammenhang  auch 
die  färbe  der  Vollreifen  frucht  oder  des  Vollreifen  lanbes  im  gegen- 
satz zum  hellen  grttn  der  jungen  frucht  oder  des  jungen  lanbes  be- 
zeichnen, nun  scheint  es  mir  in  unserm  Zusammenhang,  wo  gerade 
das  frische  g^n,  womit  die  Jugend  sich  schmückt,  im  gegensats  zum 
entfärbten,  dürren  laube  bezeichnet  werden  soll,  völlig  verkehrt  vom 
dichter,  der  mjrte  als  dem  g^rün  der  frischen  Jugend  das  bei  wort 
pulla  zu  geben,  ich  verstehe  vielmehr  so :  die  fröhliche  Jugend  freut 
sich  mehr  am  frischgrtinen  epheu  als  am  dunkelgewordenen  ephea 
und  mehr  an  der  myrte ;  die  mjrte  ist  ja  schon  ohne  beiwort  als  die 
immergrüne,  gedacht  und  steht  so  von  selbst  im  gegensatz  zu  den 
laubzweigen,  welche  gegen  den  winter  hin  dürr  und  trocken  werden. 
für  einfachen  ablativ  beim  comparativ  statt  quam  und  ablativ  gibt 
Kühner  ausf.  lat.  gramm.  II  976  gerade  aus  Hör.  beispiele;  der  abl. 
pulla  bezeichnet  den  dunklem  epheu  als  das  mittel  durch  welches 
die  höhere  freude  am  frischgrünen  epheu  bewirkt,  oder  als  den  mast* 
Stab  -an  welchem  sie  gemessen  wird.  —  Endlich  möchte  ich  am 
schlusz  die  überlieferte  lesart  Hebro  beibehalten ,  die  vielfach  an- 
genommene Snderung  Euro  ablehnen,  zunftchst  kann  ja  freilich  der 
Ostwind  im  winter  wehen,  aber  eigentliche  wintergegend  ist  der 
norden;  für  den  nordwind  oder  ein  anderes  bestimmt  nordisches 
element  wäre  es  jedenfalls  charakteristischer,  der  ^gewohnte  genosz' 
und  kamerad  des  winters  genannt  zu  werden,  sodann  hat  gerade 
die  Jugend  zu  quellen  und  Aussen  als  nShrem  der  jugend  und  Jugend- 
kraft  ein  besonderes  religiöses  Verhältnis:  sie  weiht  ihnen  zb.  ihr 
haar  als  Sinnbild  der  jugendkraft  es  würde  also  passen,  dasz  hier 
die  üppige  jugend  einem  flusse  etwas  weiht,  gerade  in  Italien  weihte 
man  den  quellen  und  Aussen  gern  zweige  und  kränze,  man  warf  diese 
dabei  in  das  wasser.  hier  würde  also  die  üppig  frT^hliche  jugend  dem 
ström  des  nordens,  dem  genossen  des  winters,  bezeichnender 
weise  den  dürren  laubkranz  weihen,  was  man  eingewendet  hat» 
die  römische  jugend  des  Hör.  sei  nicht  in  Thrakien  am  Hebms,  ist 
seltsam,  erstens  steht  nirgends ,  dasz  es  gerade  oder  nur  römische 
jugend  sei,  es  ist  jugend  überhaupt,  dichterisch  ideale  jugend.  die 
dichterisch  ideale  jugend  lebt  in  einem  dichterisch  idealen  land, 
dessen  berge  unter  umständen  Haemus  und  Pindus  heiszen,  dessen 
mecr  gelegentlich  das  ikarische  oder  das  kretische  ist.  die  bewohner 
dieses  landes  führen  meist  griechische  namen;  die  geliebte  eines 
Jünglings  in  diesem  lande  ist  aus  Opus,  eine  andere  aus  Chios.  im 
norden  dieses  landes  pAegt  Thrakien  zu  liegen,  von  Thrakien  her 
kommt  demnach  auch  der  wilde  nordsturm  in  das  gäszcben  der 
Lydia,  der  Ausz ,  welcher  den  einwohnem  als  der  eigentliche  nord- 
Ausz,  als  der  winterkamerad  gilt,  ist  daher  von  rechtswegen  der 
thrakische  Ausz  Hebrus.    an  diesen  idealen  winterstrom  kann  die 


EUeydenreich :  zum  libellas  de  ConBtantino  Magno.  503 

ideale  Jugend  vermöge  ihrer  idealen  beweglichkeit  hingelangen,  so 
oft  sie  will ;  freilich  um  einem  fluszgott  etwas  zu  weihen ,  braucht 
sie  noch  nicht  einmal  an  seine  ufer  zu  wandern,  sie  weiht  es  ihm  da^ 
wo  sie  ist.  über  ideale  landschaft  bei  dichtem  vgl.  meine  ^Horaz- 
studien'  s.  91.  229.  297, 1.  302, 1 ;  über  das  ideale  leben  in  solchem 
lande  habe  ich  ebd.  s.  56  f.  72.  190  f.  196  f.  gesprochen. 

So  viel  von  einzelheiten.  frage  ich  nun  schlieszlich  wieder  nach 
dem  zwecke  des  Horazischen  realismus,  so  finde  ich,  dieser  zweck 
sei  ein  idealer.  Hör.  zeichnet  das  lebensschicksal  seiner  idealen 
Lydia  in  zügen,  welche  scharf  und  hart  eine  harte,  schneidende 
Wirklichkeit  wiedergeben,  zu  dem  zwecke,  der  lebensstimmung  des 
teilnehmenden ,  aber  gelassenen  Zuschauers  solcher  lebensschicksale 
ästhetischen  ausdruck  zu  geben,  und  die  Wirkung  ist  bei  gleich- 
gestimmten ebenfalls  idealer  art:  es  wird  in  ihnen  ein  lebensgeftthl, 
das  sie  in  der  Wirklichkeit  oft  genug  vielleicht  unrein  empfunden 
haben  mögen,  in  schöngegliederter  bewegung  wieder  erzeugt,  gegen 
den  Vorwurf  des  crassen  realismus  habe  ich  unsem  dichter  schon 
bei  der  behandlung  des  zwanzigsten  liedes  im  zweiten  buch  —  Horaz- 
studien  s.  179  ff.  —  zu  schützen  versucht. 

Basel.        Theodor  Plüss. 

76. 

ZUM  LIBELLUS  DE  CONSTANTINO  MAGNO. 


Der  kleine  lateinische  roman  über  Constantin  den  groszen  und 
dessen  mutter  Helena ,  welchen  ich  aus  der  dem  vierzehnten  jb.  an- 
gehörenden hs.  J  46  der  k.  öffentlichen  bibliothek  in  Dresden  (D) 
und  der  um  etwa  ein  Jahrhundert  jungem  copie  (F^  derselben  in  der 
gjmnasialbibliothek  zu  Freiberg  (CLYII  fol.  141)  zum  ersten  mal 
herausgegeben,  hat,  wie  aus  der  groszen  anzahl  der  darüber  bis  jetzt 
veröffentlichten  arbeiten*  hervorgeht,  das  Interesse  von  philologen 

*  da  ich  dieselben  nirg^ends,  auch  nicht  bei  Schwabe  in  dessen 
bearbeitang^  von  Teuffels  RLG.  s.  988  und  1211  vollständig  aufgeführt 
finde,  will  ich  sie  hier  verzeichnen:  anonym!  im  philol.  anzeiger  1879 
s.  54  f.  8.  66  f.,  litt,  centralblatt  1879  sp.  1288  f.,  revne  historique 
1880  8.  465.  Burckhardt:  die  zeit  Constantins  des  groszen*  s.  402. 
Eussner:  zum  libellus  de  Constantino  im  Philol.  XLI  s.  186  ff.  Heyden- 
reich  in  Schnorrs  archiv  f.  litt,  (i^esch.  X  s.  319—363,  Verhandlungen 
der  Trierer  philo  logen  vers.  s.  177  ff.,  mitteil,  des  Freiberger  Altertums- 
Vereins  XYII  s.  122  und  XVIII  s.  128—130,  König  in  den  Berliner  mitt. 
aus  der  hist.  litt  IX  s.  323.    Landgraf  in  den  blättern  f.  d.  bayr.  6RW. 

1879  s.  462  f,  in  philol.  rundschan  II  sp.  216;  Mie  vulgata  als  sprach- 
liches Vorbild  des  Constantinromans'  im  progr.  von  Speier  1881  s.  60  ff. 
Ludwig  in  diesen  jahrb.  1880  s.  654  f.,  zs.  f.  d.  öst.  gymn.  1880  s.  98  f. 
EMeyer  im  Jahresbericht  der  gescbichtswiss.  II  Jahrgang  I  s.  128. 
HJMüller  in  der  Festschrift  zu  der  2n  säcularfeier  des  Friedrich- Werder- 
schen  gymnasiums  zu  Berlin  (1881)  s.  41.  Rohde  in  diesen  jahrb.  1880 
s.  655  f.    Schmalz  in  diesen  jahrb.  1881  s.  804.    Schröter  in  diesen  jahrb. 

1880  s.  649  ff.  Sprenger  in  philol.  rundschau  I  sp.  214—219.  Thielmann 
in  den  blättern  f.  d.  bayr.  GRW.  1880  s.  124  f.  'Verbesserungen  zum  lat. 


504  EHeydenreich:  zum  libellas  de  Constantino  Magno. 

und  historikem  derart  beschäftigt,  dasz  es  nicht  unangemessen  ist, 
wenn  ich  im  folgenden  auf  die  gründliche  und  umfassende  arbeit  von 
Achille  Coen  Mi  una  leggenda  relativa  alla  nascita  e  alla  gioventü 
di  Costantino  Magno'  (in  Boma,  presso  Forzani  e  c,  tipografi  del 
Senato.  1882.  191  s.  gr.  8)  die  deutschen  fachgenossen  besonders 
aufmerksam  mache. 

Als  Separatabdruck  aus  dem  'archivio  della  societä  Bomana  di 
storia  patria'  bd.  lY  und  Y  erschienen  bringt  dieses  werk  teils  bei- 
trage zur  textkritik,  teils  eine  sehr  umflingliche  sagenuntersuchong, 
die,  unabhängig  von  meiner  eignen  (archiv  f.  litt-gesch.  X  s.  319 — 
363),  zu  ähnlichen  resultaten  gelangt,  dieselbe  aber  in  mehreren 
stücken  ergänzt,  sie  liefert  damit  zugleich  den  schlagendsten  beweis 
für  die  richtigkeit  der  bemerkung  von  FMSchröter  in  dieser  Zeit- 
schrift 1880  s.  652,  dasz  von  einer  historisch-kritischen  prüfong  des 
lat.  Constantinromans  'auch  für  die  sagenweit  des  germanischen  und 
romanischen  mittelalters  erwünschte  aufklärung  zu  erwarten  ist.' 

Da  die  bisher  bekannten  zwei  hss.  meines  libellus  ziemlich 
fehlerhaft  und  unleserlich  geschrieben  sind ,  so  ist  es  für  die  text- 
kritik  von  hoher  Wichtigkeit,  dasz  Coen  innerhalb  der  im  sech* 
zehnten  jh.  geschriebenen,  der  biblioteca  Chigiana  zu  Bom  gebf^ren- 
den  hs.  Q  II  51  über  deutsche  und  polnische  geschichte  unter  n.  19 
f.  171  einen  neuen  text  des  anonymus  entdeckt  hat.  durch  diese 
hs.  (C)  wird  zb.  die  fassung  de  talibus  novibus  (so  in  D  und  F)  s.  9 
z.  13  der  ausgäbe  als  bloszer  Schreibfehler  für  de  talibus  novis  (so  C) 
erkannt  und  damit  die  Vermutung  nubibus  von  Ludwig  jahrb.  1880 
s.  654  und  sermonibus  von  Landgraf  in  bl.  f.  d.  bajr.  GBW.  1879 
s.  464  beseitigt,  completiert  wird  14,  11  (D)  o  düeda  domina  mea 
et  sponsa,  ego  enim  sum  pauperis  mulieris  ßius  durch  C:  o  dileda 
mea  et  sponsa,  tibi  genus  et  statum  meumpandam.  ego  enim 
sum  usw.  nicht  minder  erhält  22,  20  (D)  qui  a  me  non  lange  po 8t 
mar  cm  ncgotiafuii  gratia  recessU  durch  C  die  richtige  fassung  ^i 
postmodum  a  me  longc  ncg,  g,  r.  damit  erledigen  sich  die  Ver- 
mutungen post  amorcm  ncgotiandi  gratia  phil.  anzeiger  1879  s.  55 ; 
ad  marc  neg.  gr,  von  Landgraf. ao.  s.  465;  non  longam  post 
mar  am  von  Thielmann  in  bl.  f.  d.  bayr.  GBW.  1880  6.  127.  die 
Iciiarten  von  C  weichen  erheblicher  als  die  in  F  von  D  üb.  so  steht 
zb.  s.  14,  1  statt  ipsi  nos  excitäbunt  quando  erit  tempus  vielmehr  in 
C:  postquam  tempus  instabil  abeundi,  oder  s.  5  z.  15  statt  ipse  de 
hac  vita  sublatus  fore  dicitur  antequam  ego  natus  essem  vielmehr  in 
C :  antequam  ego  natus  sum  mortuus  est,  für  eine  neue  bearbeitung 
deä  libellus  de  Constantino  ist  eine  vollständige  collation  von  C 
unerläszlich. 

Constuntiiiroman'  anhaiig  ded  Speicrer  progr.  1881  s.  60 — 67  und  mehr* 
faeh  iu  seiner  abh.  'über  spräche  und  kritiK  des  lat.  Apolloniasromaiis' 
ülxi.  8.  1  ff.  Uscner  iu  verhdi.  der  Trierer  philologenvers.  8.  179  f. 
Wülfflin  im  pbilol.  anz.  1870  s.  64  f.  1881  8.  250  f. 

Fkgidero.  Eduard  Heydemreich. 


ERSTE  ABTEILÜNa 

FÜB  CLASSISCHE  PHILOLOGIE 

HERAUSGEGEBEN  VON  ALFRED  FlECKEISBK. 


77- 

PBOLEQOMENA  AD  PAPTBOEUM  UBAEOORUM  NOVAM  OOLLEOTIOMBM 
EDENDAM  .  .  SCRIPSIT  CaROLUS  WeSSELY  VU^DOBONENSIS. 
INSUNT  DISQUISITI0MB8  PALAEO GRAPHIC AE  ANTIQUARIAE  DIPLO- 
MATIGAE  MBTROLOGICAB   CHRONOLOGICAE  INTERPRBTATIONESQUB 

NONNULLOBUM  PAPTBOEUM.    Vindobonae  sumptibus  et  typis  Caroli 
Gerold  filii.    MDCCCLXXXUI.    80  s.  gr.  8. 

Vorstehende  arbeit  umfaszt  folgende  abschnitte:  disquisitio 
palaeographica :  vorliegende  Urkunden  bezeichnen  den  terminus  ad 
quem  in  der  papyruslitteratur  s.  1 — 10,  disquisitio  antiquaria:  Ägyp- 
ten in  römischer,  byzantinischer  und  arabischer  zeit  s.  11 — 21 ,  dis- 
quisitio diplomatica:  formular  der  Urkunden  und  dessen  geschichte 
s.  22 — 41,  disquisitio  metrologica:  über  münzbeschreibungen  und 
Zahlzeichen  s.  42  —  47,  disquisitio  chronologica :  verschiedene  indic- 
tionen  s.  48 — 50,  interpretatio  instrumenti  letlls.  50—61,  appen- 
dix  de  graecitate  s.  62 — 65,  addenda  s.  66 — 71,  index  s.  72 — 80. 
zu  den  lateinischen  Überschriften  sind  die  angegebenen  deutschen 
erläuterungen  hinzugefügt,  auf  alle  diese  vielseitigen  Untersuchungen 
einzugehen  kann  nicht  der  zweck  dieser  anzeige  sein,  sondern  es 
sollen  hier  nur  die  disquisitiones  palaeographicae  und  diplomaticae, 
sowie  die  interpretatio  instrumenti  I  et  II  ausfuhrlicher  betrachtet 
werden,  wenn  in  der  besprechung  mancherlei  irrtümer  nachgewiesen 
werden,  so  mag  dies  nicht  unrichtig  aufgefaszt  werden,  ich  möchte 
hm.  dr.  Wessely  gern  auf  verschiedene  fragen  hinweisen,  welche  der 
erörterung  dringend  bedürfen,  und  über  die  er  jetzt  leicht  bei  seinen 
arbeiten  beobachtungen  anstellen  kann,  während  ihm  später  eine 
wiederholte  durcharbeitung  des  gesamten  materiales  nicht  erspart 
werden  würde,  ich  werde  auch  vereinzelt  einige  meiner  beobach- 
tungen mitteilen,  soweit  es  der  beschränkte  räum  gestattet. 

Im  allgemeinen  mag  über  die  arbeit  vorausgeschickt  werden, 
dasz  es  immer  gewagt  erscheint,  eine  kritik  von  prolegomena  zu 
schreiben,  bevor  das  genau  bekannt  ist^  wozu  dieselben  als  vorrede 
geschrieben  sind ;  anderseits  sollten  aber  auch  nicht  eher  prolego- 
mena geschrieben  werden,  bevor  der  stoff,  dem  sie  als  vorrede  dienen 

JahrbQcher  fQr  class.  philol.  1883  hft.  8.  33 


506  HLandwehr:  anz.  v.  CWessely  prolegomena 

sollen ,  allgemein  zugänglich  vorliegt,  die  in  frage  stehende  arbeit 
soll  nun  nicht  eine  vorrede  sein  für  eine  etwa  zu  veranstaltende 
samlung  sämtlicher  griechischer  papjri ,  sondern  sie  hat  den  zweck 
im  allgemeinen  zu  orientieren  über  die  erwerbungen  des  hm.  Theodor 
Graf  in  Wien^  welche  derselbe  in  Medinet- el-Fajnm  gemacht  hat 
(vgl.  8.  74). 

In  dem  ersten  abschnitt  wird  eine  aufzfthlung  der  griechischen 
papyri  unternommen,  jeder  der  sich  mit  diesem  gebiete  der  litta- 
ratur  beschäftigt  hat  wird  einerseits  die  Schwierigkeiten  nicht  ver- 
kennen, welche  mit  einer  derartigen  arbeit  verknüpft  sind,  anderseits 
aber  wünschen  dasz  das  was  gegeben  wird  etwas  vollständiges  und 
abschlieszendes  sei:  denn  oberflächliche  leistungen  haben  wir  auf 
diesem  gebiete  zur  genüge,  vor  allem  thut  uns  hier  not  eine  sam- 
lung und  Sichtung  des  materials.  dasz  W.  in  diesem  abschnitt  etwas 
derartiges  gegeben  habe,  musz  ich  entschieden  verneinen;  weder 
abgeschlossen  noch  vollständig  kann  seine  Übersicht  genannt  werdeUi 
selbst  wenn  man  nur  das  bis  jetzt  bekannte  material  ins  äuge  fiisst. 
ich  kann  keinen  grund  finden ,  weshalb  aus  der  zeit  der  Ptolemfter 
nur  die  gruppen  der  Urkunden  des  Ptolemaios  des  sohnes  des  Glankias 
und  die  auf  die  Choachyten  bezugnehmenden  erwähnt  und  genan 
aufgezählt  werden,  gibt  es  etwa  auszer  diesen  keine  andern  papjri? 
kennt  W.  nicht  die  sonstigen  Urkunden  der  Ptolemäerzeit,  die  sieh 
zb.  in  der  Pariser  samlung  befinden,  dazu  die  EäböEou  t^xvt]?  ftner 
hat  ja  auch  GParthej  papyrusfragmente  aus  dieser  zeit  in  den  abh. 
der  Berliner  akademie  1869  veröffentlicht,  dann  konnten  die  Dres- 
dener papyri  erwähnt  werden ,  auf  die  JGDroysen  in  der  Beiliser 
litterarischen  ztg.  1840  s.  270  hingewiesen  hat:  mit  Einern  wort, 
diese  aufzählung  ist  nicht  vollständig,  aber  ebenso  wenig  vollstSndig 
ist  sie,  wenn  wir  jene  beschränkuug  gelten  lassen :  denn  s.  2  unter 
Berolinenses  fehlt  der  pap.  Berol.  n.  119,  welcher  eine  griechische 
Unterschrift  unter  einem  demotischen  kaufcontract  enthält,  derselbe 
ist  vom  j.  182  vor  Gh.,  also  das  älteste  stück  der  papyruslitteraiar, 
und  danach  müste  auch  berichtigt  werden,  was  s.  1  gesagt  ist:  'anti* 
quissimi  qui  adhuc  exstant  sunt  pp.  graeci  illi,  qui  inventi  sunt  in 
regione  Serapei.'  jener  pap.  Berol.  konnte  W.  bekannt  sein:  denn 
er  ist,  wenn  ich  nicht  irre,  von  Revillout  in  der  'nouvelle  Chresto- 
mathie d^motique'  (das  buch  ist  mir  augenblicklich  nicht  zur  hand) 
veröffentlicht,  es  muste  aber  auch  erwähnt  werden,  dasz  wir  neben 
den  Urkunden  des  Ptolemaios  des  sohnes  des  Glaukias  auch  ebenso 
alte  Codices  wie  den  der  €ub6£ou  t^XVT]  besitzen,  für  den  der  termi- 
nus  das  j.  165  vor  Ch.  nach  notices  et  extraits  XYIII  2  s.  36  f.  ist. 
warum  dieses  paläographisch  bedeutende  fragment  nicht  erwähnt  ist» 
kann  ich  nicht  ergründen,  es  mag  hier  gleichzeitig  zu  s.  2  anm.  2 
ein  nachtrag  gegeben  werden,  bei  einer  erwähnung  der  controvarse, 
ob  Choachyten  oder  Cholchyten  zu  sagen  sei,  muste  auf  Bngdne 
Bevillouts  abhandlungen  in  der  zs.  für  ägypt.  spr.  1879  und  1880 
verwiesen,  namentlich  1879  s.  85  anm.  1  citiert  werden. 


ad  papyrorum  graecornm  novam  collectionem  edendam.       507 

In  der  aufzählung  der  papyrusurkanden  der  römischen  kaiser- 
zeit  muste  femer  angeführt  werden ,  dasz  das  Berliner  maseam  aus 
dieser  zeit  nicht  unbeträchtliche  schätze  besitzt,  wenn  dieselben 
auch  bis  jetzt  noch  nicht  in  extenso  publiciert  sind ,  so  konnte  doch 
W.  davon  künde  haben  aus  der  zs.  ftlr  ägypt.  spr.  1878  s.  109,  wo 
Adolf  Bauer  kurz  angedeutet  hat,  dasz  in  dem  vom  Berliner  museum 
erworbenen  fände  aus  Fayum  sich  Urkunden  aus  der  zeit  des  Alexan- 
der Severus  von  233  und  269  befinden. 

Die  auf  s.  4  gegebene  einteilung  der  papyri  in  'I  papyri  scripti 
aetate  Ptolemaeorum,  II  papyri  scripti  aetate  Bomanorum,  III  papyri 
scripti  aetate  imperii  Byzantini  et  Arabum  Aegyptum  occupantium' 
ist  eine  willkürliche,  die  nichts  für  sich  hat  als  die  historische  Zeit- 
folge, ob  sie  aber  richtig  ist,  wird  dahin  gestellt  bleiben,  eine  andere 
viel  richtigere  einteilung  wäre  die  nach  materien  gewesen:  denn 
nach  meiner  ansieht  musz  scharf  zwischen  Codices  und  acta  geschie- 
den werden,  wobei  die  acta  wiederum  in  publica  und  privata  zu 
trennen  wären,  gesondert  von  diesen  müsten  wiederum  schreib- 
Übungen,  wie  sie  zb.  pap.  Paris,  n.  4  bietet,  betrachtet  werden,  denn 
ich  glaube  kaum  dasz  das,  was  von  den  Codices  gilt,  auch  ohne 
weiteres  auf  die  Urkunden  zu  übertragen  ist.  —  Ebenso  wenig  kann 
ich  die  teilung  der  Fayumer  funde  (urkxmden ,  soweit  sie  in  Wien 
sind)  s.  5  f.  billigen,  der  vf.  scheidet  sie  in  classen  BCDEP ,  wobei 
ihU;  wie  es  scheint,  ein  rein  äuszerlicher  umstand  geleitet  hat,  nem- 
lich  die  verschiedenen  Zeiten ,  in  welchen  ihm  die  betreffenden  Ur- 
kunden zugesandt  wurden,  eine  erleichterung  bei  der  lectüre  der 
Schrift  ist  diese  teilung  nicht  gerade,  sondern  man  musz  bei  spätem 
citaten  wie  zb.  s.  64  sich  immer  erst  besinnen ,  was  etwa  F  24  zu 
bedeuten  habe,  und  wird  leicht  verführt  eine  sachliche  Scheidung 
anzunehmen,  wenn  nun  aber  s.  67  f.  auch  papyri  mit  der  Signatur  A 
citiert  werden,  so  sucht  man  vergebens  nach  auskunft,  welcher  kate- 
gorie  denn  diese  papyri  angehören,  es  wäre  daher  besser  gewesen, 
die  sämtlichen  papyri  in  fortlaufender  nr.  anzuführen  und  s.  5  an 
der  betr.  stelle  zu  sagen,  bis  zu  welcher  nr.  der  vf.  im  august  1881 
usw.  kenntnis  gehabt  habe,  dieser  mein  Vorwurf  ist  natürlich  hin- 
fällig ^  wenn  etwa  jene  Zählung  bei  der  katalogisierung  der  Wiener 
samlung  vorgenommen  ist,  worüber  ich  aber  eine  bemerkung  in  der 
Schrift  selbst  vermisse. 

Ich  hatte  in  dieser  disquisitio  palaeographica  etwas  ganz  anderes 
erwartet,  was  für  die  geplanten  prolegomena  ohne  zweifei  von  nutzen 
gewesen  wäre,  es  musten  wirkliche  disquisitiones  palaeographicae 
angestellt  werden,  dh.  es  muste  klar  gelegt  werden,  ob  man  aus  den 
buchstabenformen  hilfsmittel  für  die  datierung  anderer  Schriftstücke, 
in  welchen  nicht  das  jähr  eines  herschers  angegeben  ist,  gewonnen 
werden  können,  dies  wäre  für  die  später  erfolgende  herausgäbe  der 
in  Wien  befindlichen  stücke  des  Fayumer  fundes  ohne  zweifei  von 
gröszerm  nutzen  gewesen,  denn  aus  s.  31  ff.  ersehe  ich  dasz  in  Wien 
sich  recht  viele  bmchstücke  befinden,  welche  für  eine  datierung  in 

33* 


508  HLandwehr:  anz.  y.  CWessely  prolegomena 

aich  selbsfc  keinen  anhält  bieten,  es  konnte  dann  in  der  ausgäbe  ge- 
sagt werden :  nach  proleg.  s.  .  .  gehört  diese  Urkunde  in  die  und  die 
zeit,  doch  durfte  eine  derartige  Untersuchung  sich  nicht  nur  auf  die 
spätere  zeit  erstrecken,  sondern  muste,  sollte  sie  fruchtbringend  sein, 
bis  in  die  Ptolemtterzeit  zurückgehen,  hier  hätte  namentlich  pap. 
bibl.  Paris,  n.  40  sehr  lehrreich  sein  kOnnen.  wir  haben  in  dem- 
selben den  entwurf  zu  einer  Urkunde  aus  dem  j.  156  vor  Ch.  über 
form  und  Schreibweise  der  buchstaben  kann  man  sich  hier  auf  das 
manigfachste  unterrichten,  so  lernen  wir  zb.  dasz  6  mit  dreimaligem 
aufsatz  des  rohres  geschrieben  wurde;  in  gleicher  weise  sind  die 
buchstaben  o  v  Ui  u  charakteristisch,  zu  diesem  papyrus  wäre  dann 
pap.  Londin.  n.  2  und  4  (Forshall),  welche  gleichen  schriftcharakter 
zeigen,  hinzuzuziehen,  ich  werde  an  anderer  stelle  auf  diese  dinge 
zurückkommen,  dasz  Wesselj  auf  derartige  Untersuchungen  sich 
nicht  eingelassen  hat,  musz  uns  wunder  nehmen,  denn  bei  der  aus- 
gäbe des  pap.  Yindob.  n.  31  (Wiener  studien  IV  s.  192  ff.)  hat  er 
es  gethan  und  hätte  diese  forschungen  hier  auf  die  spätere  zeit  aus- 
dehnen müssen,  denn  jeder ,  der  sich  mit  griechischer  paläographie 
beschäftigt  hat,  wird  wissen  dasz,  so  schätzbar  auch  Gardthausens 
Untersuchungen  sind,  denselben  doch  in  vielen  punkten  die  Voll- 
ständigkeit fehlt,  für  eine  ausgäbe  der  Fayumer  funde,  die  in  Wien 
vorliegen  und  die  nach  Earabacek  'die  ThGrafschen  funde'  (Wien 
1883)  wesentlich  in  die  spätere  zeit  gehören,  wäre  eine  derartige 
Untersuchung  allein  aus  den  oben  angegebenen  gründen  ersprieszlich 
gewesen,  selbst  wenn  diese  Untersuchung  ein  negatives  resultat  ge- 
habt hätte ,  was  ich  kaum  annehmen  kann ,  wäre  sie  von  nutzen  ge- 
wesen. 

Die  abschnitte  s.  6  f.  über  'materia  chartarum  ipsarum,  de 
atramento  et  de  scriptura'  sind  so  kurz  gefaezt,  dasz  ich  nicht  weisz 
wozu  sie  hierher  gesetzt  sind,  allerdings  ist  es  richtig,  dasz  man 
auf  diese  dinge  rücksicht  nehmen  musz,  aber  in  weit  ausführlicherer 
weise,  ohne  zweifei  ist  das  active  und  passive  Schreibmaterial  von 
groszem  einflusz  auf  die  entwicklung  der  form  der  buchstaben  ge- 
wesen, und  man  wird  in  vielen  fällen  die  form  dieses  oder  jenes 
buchstaben  erst  dann  verstehen  können,  wenn  man  sich  das  material, 
mit  dem  jene  Schreiber  arbeiteten,  vergegenwärtigt,  sicher  ist  die 
vervollkomnung  desselben  von  groszem  einflusz  auf  die  form  der 
einzelnen  buchstaben  gewesen,  ich  will  hier  beispielsweise  nur  daran 
erinnern,  dasz  es  uns  mit  unserm  europäischen  Schreibmaterial  ganz 
unmöglich  ist,  in  so  eleganter  weise  die  chinesischen  schriftzeichen 
zu  schreiben,  wie  die  Chinesen  es  können. 

Auf  den  abschnitt  *de  scriptura'  s.  7  f.  kann  ich  mir  nicht  ver- 
sagen etwas  ausführlicher  einzugehen,  ich  musz  hier  zuerst,  um 
allgemein  verständlich  zu  sein,  die  werte  des  vf.  selbst  anführen: 
'iam  primum  Oardthausen  Pal.  Gr.  p.  171  cf.  beitrage  zur  griech. 
Pal.  I  p.  4  in  opinionem  incidit,  quae  quidem  quamquam  recte  se 
habet,  tarnen  aliquantum  corrigi  debet.    deinde  celeberrimi  Watten- 


ad  papyrorum  graecorum  novam  coUectionem  edendam.       509 

bachii  opinionem  (anleitung'  p.  27),  qui  quidem  statuit  scripturam 
codicum  medii  aevi,  quae  minuscula  vocatur,  neqnaquam  cohaerere 
cum  scriptura  ea  quam  dicunt  cursivam  —  quam  sententiam  v.  d. 
Gardthausen  (Pal.  Gr.  p.  173)  iam  merito  notavit  et  perstrinxit  — 
refellendam  totam  et  repudiandam  esse  pataverim.'  das  citat  aus 
Wattenbachs  scbrift  ist  nicbt  richtig :  denn  an  dem  angeführte  orte 
spricht  Wattenbach  gar  «icht  von  derartigem,  sondern  zftblt  nur  die 
Urkunden  auf,  welche  in  cursive  geschrieben  sind,  femer  hat  Watten- 
bach an  keiner  stelle  der  angeführten  schrifb  behauptet,  dasz  die 
schriffc  der  Codices  des  mittelalters,  die  minuskel,  durchaus  niciit  mit 
der  cursive  zusammenhänge,  vielmehr  sagt  er  in  der  anleitung'  s.  33 : 
*es  gestaltet  sich  als  eine  neue  kunstform  die  minuskel,  gebildet 
aus  einer  mischung  von  capitalformen  und  cursivfor- 
men.'  ebenso  wenig  polemisiert  Gardthausen  an  der  von  Wessely 
angegebenen  stelle  s.  173  gegen  Wattenbach,  vielmehr  stimmt  er 
s.  172  Wattenbach  bei  in  der  datierung  der  Urkunde  vom  j.  162 
vor  Ch.  (beitrage  I),  wo  bei  Gardthausen  richtig  citiert  wird  'Watten- 
bach anleitung*  s.  27.*  welcher  art  dieser  Irrtum  Wesselys  ist,  ob 
druckfehler  oder  gedSchtnisfehler  oder  dgl.,  kann  ich  nicht  sagen,  in 
einer  andern  arbeit  spricht  Wattenbach  allerdings  etwas  Shnliches  aus 
wie  das  was  W,  ihm  vorwirft,  in  den  schrifttafeln  zur  gesch.  d.  griech. 
Schrift  usw.  (Berlin  1876)  einl.  col.  I  behauptet  er  Masz  die  bis  ins 
siebente  jh.  nach  Ch.  reichenden  Urkunden  wohl  eine  zunehmende 
entartung  der  schrift  zeigen,  aber  nicht  den  Übergang  zur  minuskel 
bahnen',  gegen  welche  ausführungen  sich  Gardthausen  in  seinen  bei- 
trögen (1877)  s.  3  ff.  u.  gr.  pal.  (1879)  s.  176  ff.  gewendet  hat. 

Ich  komme  nunmehr  zu  der  von  W.  s.  9  aufgestellten  sehr  com- 
plicierten  teilung  der  papyri.  zunächst  musz  ich  die  schon  oben  von 
mir  zurückgewiesene  strenge  Scheidung  zwischen  unciale  und  cursive 
abweisen,  über  die  teilung  unter  A  der  litterae  unciales  kann  ich 
mir  kein  urteil  erlauben,  da  ich  nur  die  erste  abteilung  a  kenne,  von 
der  zweiten  (exempla  exstant  in  pp.  meis)  bis  jetzt  noch  nichts  zu 
gesiebt  bekommen  habe,  anders  verhält  es  sich  dagegen  mit  den 
unter  B  zusammengefaszten  papyri.  die  litterae  cursivae  werden  in 
a)  quae  ab  uncialibus  propiores  stant  und  in  ß)  expeditae  geteilt, 
beide  gruppen  haben  dann  wieder  Unterabteilungen  nach  der  zeit  der 
Ptolemäer,  Römer  und  Byzantiner,  ich  musz  eine  derartige  schema- 
tische teilung  der  papyri  für  unrichtig  erachten,  zumal  auf  die  ligatur 
der  buchstaben  eingehendere  rücksicht  nicht  genommen  ist,  wie  es 
doch  nach  Gardthausens  Vorgang  hätte  geschehen  müssen.  Wessely 
wäre,  wenn  er  genauere  und  tiefergehende  Studien  gemacht  hätte, 
ohne  zweifei  zu  andern  resultaten  gekommen  und  hätte  eine  andere 
Scheidung  vorgenommen,  was  nun  die  für  jede  rubrik  angegebenen 
beispiele  betrifft ,  so  musz  ich  auch  hier  sagen ,  dasz  er  in  der  wähl 
derselben  nicht  glücklich  gewesen  ist.  als  beleg  für  Uitterae  quae 
ab  uncialibus  propiores  stant  aetatis  Ptolemaeorum'  (B  a  I)  hat  er 
nicht  mit  glück  pap.  Paris,  n.  10  gewählt,  besser  wäre  pap.  Paris. 


510  HLandwehr:  anz.  y.  CWessely  prolegomena 

n.  8  gewesen,  welcher  einen  der  unciale  noch  näher  stehenden  schrift- 
charakter  als  n.  10  aufweist,  allerdings  weisz  ich  nicht,  wohin  W. 
pap.  Paris.  12  und  13  rechnet,  von  denen  der  erstere  durchaus  keine 
buchstaben  cursiven  Charakters  zeigt,  bei  dem  zweiten  aber  nur  ein- 
zelne wenige  buchstaben  Verbindungen  eingegangen  sind,  so  wird 
beispielsweise  im  pap.  Paris.  13  a  und  i  bald  verbunden,  bald  ge- 
trennt geschrieben,  wobei  in  beiden  fftUen  eine  verschiedene  form 
des  a  gebraucht  wird,  ebenso  wenig  kann  ich  einen  groszen  unter- 
schied finden  zwischen  pap.  Paris.  69  und  pap.  bei  Young  &•  46.  die 
Alkmanfragmente  durften  auch  nicht  mit  dem  unbestimmten  aas- 
druck 'partes  papyri  Alcmanis  Paris.  71  qui  est  aetatis  Bom.'  unter 
die  rubrik  B  a  II  gesetzt  werden,  sondern  es  muste  gesagt  sein, 
welche  partes  der  vf.  im  äuge  gehabt  habe,  was  die  rubriken 
B  a,  ß  II  anlangt,  so  will  ich  hier  nur  bemerken,  dasz  die  Unterschrift 
des  Kallinikos  aus  besondem  gründen  von  der  schrift  der  Urkunde 
abweicht,  man  musz  berücksichtigen,  dasz  die  Urkunde  ein  pro- 
fessionierter  Schreiber  abgefaszt  hat,  die  Unterschrift  aber  von  jemand 
darunter  gesetzt  ist ,  der  das  schreiben  nicht  als  sein  band  werk  be- 
trieb, in  den  griechischen  Urkunden  wurden  stets  lacken  gelassen, 
welche  später  bei  der  Vollziehung  derselben  von  anderer  band  aas- 
gefüllt wurden,  zb.  pap.  Paris.  69  col.  B  25 ,  wozu  sich  aus  den  bis 
jetzt  veröfifentlichten  Urkunden  mit  leichtigkeit  noch  mehrere  bei« 
spiele  hinzufügen  lieszen.  jeder,  der  den  pap.  Vindob.  31  mit  dem 
bei  Young  vom  j.  354  bierogl.  s.  46  vergleicht,  wird  mit  leichtigkeit 
erkennen,  dasz  beide  papyri  durchaus  nicht  in  dieselbe  reihe  xn 
stellen  sind. 

Bei  der  'disquisitio  diplomatica'  können  wir  uns  kürzer  fassen 
als  bei  dem  vorhergehenden  abschnitt,  der  vf.  will  nachweisen^  dasx 
in  den  griechischen  Urkunden  der  christlichen  zeit  ein  gewisses 
Schema  zur  anwendung  gekommen  sei:  er  entwirft  dieses  schema 
und  detailliert  es.  wenn  ich  nun  auch  zugebe  dasz  bei  der  abfassung 
der  Urkunden  eine  gewisse  conventionelle  form  geltend  gewesen  sei, 
so  kann  ich  doch  nicht  einer  so  weit  gehenden  schematisierung,  wie 
sie  s.  2;^  if.  vorgenommen  ist,  beistinunen.  es  erinnert  dies  an  die 
behandlung  der  attischen  Urkunden  durch  Hartel,  dessen  schttler  ja 
Wessely  ist,  in  den  Studien  zum  attischen  Staatsrecht,  lohnend  wäre 
es  gewesen,  wenn  Wessely  die  von  ihm  s.  22  berührte  frage  über 
den  Zusammenhang  der  Urkunden  christlicher  zeit  mit  den  demo- 
tischen der  Ptolemäerzeit  weiter  verfolgt  hätte,  es  musten  hierbei 
dann  auch  die  griechischen  Urkunden  der  Ptolemäerzeit  herangezogen 
werden ,  die  in  der  form  mehrfach  von  den  demotischen  derselben 
zeit  abweichen,  durch  das  aufgestellte  schema  wird  es  W.  mOglich 
viele  fragmente,  auf  denen  oft  nur  ganz  geringe  buchstabenreste 
erhalten  sind,  zu  completieren ,  wovon  sich  in  der  schrift  s.  31  ff. 
viele  beweise  finden,  mag  es  mir  gestattet  sein  über  die  von  W.  in 
seiner  schrift  gegebenen  stücke  aus  den  Fayumer  funden  im  all- 
gemeinen mein  urteil  abzugeben,    die  kürzlich  erschienene  und  von 


ad  papyrorum  graecoram  novam  coUectionem  edendam.       511 

mir  bereits  oben  erwILhnte  schrift  von  prof.  Karabacek  zwingt  mich 
zum  teil  dazu,  in  Wien  sieht  man  ohne  zweifei  die  dort  befindlichen 
stücke  der  Fayumer  funde  für  viel  bedeutender  an,  als  sie  in  der 
that  sind,  daher  glaubt  auch  W.  jedes  noch  so  kleine  stUck  mit- 
teilen zu  müssen.  Karabacek  spricht  von  rund  10000  stücken  der 
papyri,  aber  man  glaube  deshalb  ja  nicht,  dasz  dies  10000  vollstän- 
dige Urkunden  wären,  in  welchem  falle  die  Wiener  Fayumer  papyri 
eine  ungeheure  bedeutung  hätten,  im  gegenteil  der  gröst«  teil  der 
samlung  sind  kleine,  unbedeutende  stücke,  deren  W.  eine  ganze 
anzahl  mitgeteilt  hat;  der  vollständigen  Urkunden  sind  gegenüber 
jener  obigen  zahl  verschwindend  wenige,  es  musz  allerdings  die 
weitere  Untersuchung  jener  kleinen  stücke  lehren,  ob  sich  viele  von 
diesen  zu  gröszem  partien  zusammensetzen  lassen  werden,  da  W. 
sich  bereits  längere  zeit  mit  jenen  funden  beschäftigt  hat,  so  ver- 
spreche ich  mir  von  der  samlung  sehr  wenig,  viel  bedeutender  und 
besser  erhalten  sind  die  vom  Berliner  museum  (ägyptische  abteilung) 
erworbenen  Fayumer  funde.  auch  im  alter  gehen  sie  viel  weiter 
hinauf:  vgl.  AdBauer  in  der  zs.  für  ägypt.  spräche  1878  s.  108  £f., 
FBlass  ebd.  1880  s.  34  ff.,  Landwehr  edit.  pap.  Berol.  n.  163  (Gotha 
1883)  s.  7. 

Am  schlusz  der  disq.  dipl.  konnte  s.  40  f.  die  stelle  des  Corpus 
iuris  nov.  47  ausführlicher  behandelt  werden,  wozu  bei  AdSchmidt 
'die  griech.  papyrusurkunden  der  k.  bibl.  zu  Berlin'  (1842)  sich 
reichliches  material  fand,  dessen  nochmalige  behandlung  sicher  nicht 
ohne  resultate  geblieben  wäre. 

Eine  im  fünften  abschnitt  der  schrift,  der  Misquisitio  chrono- 
logica'  s.  49  gemachte  conjectur  mag  mir  gestattet  sein  hier  zu  be- 
sprechen. W.  will  bei  Toung  hierogl.  pap.  42  (soll  wohl  heiszen 
tab.  46)  lesen:  uiraTeuövTUJV  becTroTdiv  fijiiujv  KujvcTavTivou 
AuTOucTou  TÖ  V  Ktti  KajvcTavriou  dTiKpavecTdiou  Kaicapoc  tö  t' 
TÜßi  iV  IvbiKTidivoc  in'  *eX€<pavTivij  TiöXei  Tfjc  fivuj  Örißatboc 
in  der  Urkunde  steht  iy  'EXeqpavTivij ,  was  ich  nicht  ohne  weiteres 
zurückweisen  möchte,  wenn  ich  pap.  Paris,  n.  21  bis  z.  2  ivbiKTiuJVOC 
iv  KU)jLir)  Givöc  ^K  Giißaiou  dTrapxiac  vergleiche,  auf  s.  50  befindet 
sich  ebenfalls  eine  stelle,  an  der  ich  der  lesung  des  vf.  entgegen- 
treten möchte,  pap.  D  1  bietet  nach  dem  vf.:  diT€iq)  ly  oip/  X]  iv$  €ir 
ApciVs,  was  er  so  ergänzt:  iiie\q>  ly'  dpx^  dybÖTic  IvbiKTiiövoc  in* 
'ApcivotTOU.  nun  ist  aber  auf  s.  49  gesagt:  'compendio  dp/  vel  dpc 
significari  Arsinoiticam'  und  etwas  weiter  unten,  dp  sei  gleich  dpxr). 
wenn  also  das  was  W.  gesagt  hat  richtig  ist,  so  kann  ap/  nicht  gleich 
dpxn  sein,  sondern  wäre  die  bezeichnung  der  Arsinoitischen  ära. 
diese  kann  wiederum  auch  nicht  gemeint  sein,  da  sie  gleich  darauf  mit 
€Tr  ApciVs  bezeichnet  wird,  ich  möchte  daher  vorschlagen  zu  lesen: 
ineitp  it'  dpxQ  tvbiKTiUJVOC  ^tt*  'Apcivotiou.  es  wäre  dann  der  von 
W.  notierte  abkürzungsstrich  bei  ap  der  rest  eines  verwischten  x* 
ich  habe  die  Urkunde  selbst  nicht  gesehen,  weisz  daher  nicht  ob  meine 
lesung  zu  den  folgenden,  vielleicht  erhaltenen  werten  passt. 


512  HLandwehr:  anz.  v.  CWessely  proLegomena 

Ich  komme  nunmehr  zum  dritten  pankt  unserer  erörtemng,  der 
^interpretatio  instrumenti  I  et  IE',  beide  Urkunden,  die  eine  vom 
j.  618  nach  Ch.,  die  andere  aus  dem  6n — 7n  jh.  nach  Gh.,  von  denen 
autographierte  facsimili  beigefügt  sind ,  wurden  erst  zeile  für  seile 
mit  allen  abkürzungen  der  handschrift  transcribiert,  dann  in  fort- 
laufenden Zeilen  ohne  abkürzungen  abgedruckt;  hierauf  folgt  die 
lateinische  Übersetzung  derselben,  woran  sich  einzelne  erklftrende  be- 
merkungen  anschlieszen.  die  lectüre  der  facsimili  wird  durch  jene 
doppelte  Wiedergabe  des  griechischen  textes  dem  der  griechischen 
paläographie  weniger  kundigen  sehr  erleichtert,  was  die  erste 
wiedergäbe  der  Urkunden,  wo  die  Zeilen  genau  so  abgeteilt  sind^ 
wie  es  die  Urkunde  vorschreibt,  anbelangt,  so  kann  es  leicht  ver- 
wirrend wirken,  dasz  für  das  abgekürzte  Kai  und  für  die  bezeichnnng 
eines  abgekürzten  wertes  am  ende  desselben  fast  dasselbe  zeichen 
gebraucht  wird,  zb.  C  xz  z.  2  5  *«  Kai,  z.  5  und  12  dasselbe  s 
als  bezeichnung  des  abgekürzten  wertes,  in  z.  5  scheint  nach  dem 
von  W.  autographierten  facsimile  in  dem  papyrus  ein  ähnliches 
zeichen  zu  stehen,  aber  z.  12  ist  dies  nicht  der  fall,  sondern  wir 
haben  9^  interessant  ist  es,  diese  abkürzung  des  Kai  auch  aus  den 
griechischen  papyrusurkunden  (soviel  ich  augenblicklich  sehen  kann, 
kommt  dieselbe  sonst  nirgends  vor)  kennen  zu  lernen,  die  sonst  sich 
Läufig  in  hss.  findet,  zb.  im  cod.  Palat.  281  saec.  XI  (bei  Wattenbach 
zwölf  schrifttafeln  s.  3).  bemerkenswert  ist  femer,  dass  diese  ab- 
kürzung nur  in  den  präscripten  der  Urkunden  C  zx  und  B  i,  nicht 
im  eigentlichen  texte  derselben  angewandt  ist,  wie  C  zx  z.  33  und 
B  I  z.  19.  24.  27  lehren,  ob  auch  in  den  übrigen  Urkunden  dieser 
zeit  so  ver&hren  ist,  wäre  wohl  der  mühe  wert  zu  untersuchen.  la 
der  transcription  des  instr.  I  will  ich  noch  bemerken ,  dasz  ich  die 
anm.  37  und  38  auf  s.  51  *ez  uiXimiou  correctum'  nicht  verstehe, 
denn  das  facsimile  weist  nur  in  z.  10  eine  correctur  auf,  wo  ich  aber 
auf  grund  des  facsimile  nicht  zu  entscheiden  wage ,  ob  W.  recht  hat 
oder  nicht,  auf  mich  machen  allerdings  die  wiedergegebenen  schrift- 
züge  nicht  den  eindruck,  als  ob  ujXinriou  ursprünglich  dort  gestanden 
hätte,  anders  verhält  es  sich  mit  der  notierten  correctur  in  anm.  38 
auf  die  rückseite  des  papyrus  bezüglich,  hier  ist  im  facsimile  deni- 
lich  zu  lesen  uiXujiimou ,  eine  correctur  ist  von  W.  nicht  angezeigt. 
also  entweder  ist  an  dieser  stelle  das  facsimile  nicht  genau  (was  bei 
einer  autographie,  wie  ich  aus  eigner  erfahrung  weisz,  sehr  leicht 
passieren  kann),  und  dann  ist  mein  einwurf  hinfällig,  oder  W.s  auto- 
gramm  ist  richtig ,  und  dann  ist  anm.  38  überflüssig,  in  der  inter- 
pretatio  instr.  I  s.  53  kommt  der  vf.  auf  diese  frage  zu  sprechen, 
aber  seine  werte  sind  hier  ebenfalls  unklar,  er  sagt  nemlich :  'quam- 
quam  clare  et  perspicue  exarata  sit  lectio  ijbXujLiTriou,  tarnen  dabinm 
non  est,  quin  öXujiiTriou  genuina  sit  utroque  autem  loco  librarini 
haesitavit,  utrum  UJXu^TrlOU  an  diXumou  exararet;  ^  littera  enim 
utroque  loco  videtur  esse  addita.' 

Die  bemerkung  über  Ou€väq>pioc  hätte  nicht  in  dieser  form 


ad  papyroram  graecorum  novam  coUectionem  edendam.       513 

gegeben  werden  sollen:  denn  sicherlicli  hfttte  sich  noch  weiteres 
material  für  die  erörterung  dieser  gr&cisierenden  form  finden  lassen« 
mit  den  formen  Alexander  für  'AXäavbpoc  nnd  Macedo  für  MaK€buiV 
durfte  OÖ€vd(ppioc  nicht  in  parallele  gestellt  werden.  —  Die  s.  62  ff. 
gegebene  appendix  'de  graecitate'  enthält  manches  bemerkenswerte, 
was  jedenfalls  bei  weiterer  Untersuchung  jener  und  anderer  griechi- 
scher papyri  noch  ausgedehnt  werden  kann,  doch  ist  auch  hier  des 
interessanten  schon  manches  geboten,  so  dasz  x]  und  €,  ai  und  € 
mehrfach  verwechselt  werden,  woraus  rückschlüsse  auf  die  damalige 
ausspräche  gemacht  werden  können. 

Somit  sind  wir  am  ende  der  abhandlung  angelangt,  und  es  mag 
gestattet  sein  unser  gesamturteil  zusammenzufassen,  die  arbeit  W.s 
enth&lt  manches  wertvolle  und  hat  einen  weiten  gesichtskreis,  aber 
gerade  diese  Vielseitigkeit  der  einzelnen  abhandlungen  ist  fdr  das 
buch  nicht  von  vorteil  gewesen,  sondern  hat  an  vielen  stellen  die  gründ- 
lichkeit  beeinträchtigt,  prolegomena  kann  die  arbeit  nicht  genannt 
werden,  wie  ich  oben  dargethan  habe,  auch  ist  sie  kein  ^specimen 
editionis  novae  papyrorum  graecorum',  sondern  eine  Zusammenstel- 
lung einzelner  Untersuchungen  ^  wie  sie  bei  der  durcharbeitung  jener 
Fayumer  Urkunden  in  Wien  entstanden  sind,  wenn  also  W.  jene 
Grafsche  samlung  der  Fayumer  funde  herausgibt,  so  wird  er  sich  ent- 
schlieszen  müssen  neue  wirkliche  prolegomena  zu  schreiben,  es 
wird  dabei  manches  in  der  vorliegenden  arbeit  zu  streichen,  aber  an 
noch  mehr  punkten  wird  eine  weitere  ausfuhrung  notwendig  sein. 

Berlin.  Hüso  Landwehr 


78. 
ZU  HIERONYMÜS  DE  VIRIS  ILLUSTRIBUS. 


praef.  s.  2  (Herding)  si  qui  autem  de  his  qui  usque  hadie  scrip' 
tüant  a  me  in  hoc  vohmine  praetermissi  sunty  sitn  tnagis  quam 
mihi  imputare  dehebunt.  neque  enim  cdantes  scripta  sua  de  his^ 
quae  non  legi,  nosse  potui,  et  qtiod  äliis  forsvtan  notum,  mihi  in 
hoc  terrarum  angülo  fuerit  ignotum.  die  Versicherung  des  Hierony- 
mus,  dasz  er  Schriftsteller  aus  dem,  was  er  nicht  gelesen,  nicht 
habe  kennen  lernen  können,  ist  zu  albern  als  dasz  wir  sie  dem  Hier, 
zutrauen  könnten,  ich  schreibe  conlegi  statt  non  legi,  dadurch 
kommt  1)  das  cdantes  scripta  zur  geltung:  Hier,  kann  aus  seinen 
samlungen  manche  Schriftsteller  nicht  kennen  lernen,  da  sie  ihre 
Schriften  verbergen ;  2)  wird  dadurch  der  gedanke  des  ganzen  satzes 
besser  gegliedert:  die  samlungen  des  Hier,  sind  unvollständig,  weil 
manche  schriftsteiler  ihre  Schriften  geheim  halten  und  weil  sein 
aufenthaltsort  nicht  geeignet  ist  fflr  grosze  samlungen. 

c.  13  s.  19  hat  Herding  den  text  so  gestaltet:  apparuU  enim 
eis  tertia  die  vivens.    muUa  et  haec  et  aHia  miraWia  carminihus  pro- 


514  WGemoU:  zu  Hieronymus  de  virlB  illustribas. 

phäarum  de  eo  vatUmantibus  et  usque  hodie  Christianomm  gern  ab 
hoc  sortUa  vocäbuHum  non  defecü.  Hier,  führt  hier  eine  stelle  des 
losephos  an  und  zwar,  wie  die  yergleichung  der  ganzen  stelle  von 
eodem  tempore  fu4t  lesus  an  lehrt,  in  wörtlicher  Übersetzung,  es  ist 
jüd.  alt.  XVIII  3,  3.  unsere  worte  heiszen  da:  £q)dvTi  Totp  auTOic 
TpiTTjv  f x*wv  fijLi^pav  TrdXiv  Cäv,  toiv  Ociuiv  iTpoq)iiTU)V  raOrd  le  icai 
dXXa  fiupia  Oau^dcia  7T€pi  auToG  eipriKÖTiuv.  €ic^Ti  t€  vOv  toIv 
XpiCTiavdEiv  dirö  ToCbc  (bvo^acJLl^vuiV  ouk  dir^Xme  tö  q>OXov.  da 
nun  der  satz  muUa  et  haec  et  aUa  .  .  defecit  gar  keinen  sinn  gibt, 
hauptsächlich  wegen  des  e^^  d.  h.  wegen  des  fehlenden  verbums  im 
ersten  teile  des  satzes,  da  femer  multa  et  haec  et  dtia  kein  ver- 
nünftiger mensch  sagen  wird ,  so  ist  es  am  geratensten  die  vorläge 
unserer  Übersetzung  zu  rate  zu  ziehen  und  mit  Umstellung  von  muUa 
zu  schreiben:  vwens^  et  haec  et  myUa  aUa  mrabüia  carmmibus  pro- 
phetantm  de  eo  vaticinantibus.  et  u$gue  usw. 

0. 59  S.41  Gaius .  .in eodem volMmineepistidasquoguePaMtre- 
dedm  tantum  enumera/ns  quartam  decimamt  quae  fertur  ad  Hebraeoa^ 
diät  non  eiiu8  esse;  sed  apud  Bomanos  tisgue  hodie  qt^asi  PauU  apostdU 
non  habetur,  sed  ist  ansUSszig:  1)  die  beiden  durch  sed  getrennten 
Sätze  enthalten  keinen  gegensatz.  Gaius,  der  wohl  in  Bom  lebte 
(s.  die  ersten  worte  dieses  cap.  Qaius  suh  Zephyrino^  Bomanae  u/rbis 
episQopo\  und  ebenso  die  Bömer  rechneten  den  brief  an  die  Hebräer 
nicht  unter  die  Paulinischen.  2)  diese  ansieht  der  Bömer  war  auch 
die  der  christlichen  weit:  s.  c.  5  s.  12  episiula  autem  quae  fertur  ad 
Hebraeos  non  eius  creditur  .  .  sed  vet  Barnäbae  .  .  vd  Luoae  evan- 
geUstae  .  .  vel  Clementis^  Bomanae  postea  ecclesiae  episcopi.  soll  also 
die  besondere  ansieht  der  Bömer  Über  den  Hebräerbrief  hervor- 
gehoben werden ,  so  kann  es  nur  eine  der  allgemeinen  und  der  an- 
sieht des  Gaius  entgegengesetzte  sein,  nemlich  dasz  sie  Paulus  für 
den  Verfasser  hielten,  erst  dann  wird  die  erwähnung  der  Bömer  an 
unserer  stelle  verständlich,  wenn  Hier,  sagt:  trotzdem  der  römische 
priester  Gaius  den  Hebräerbrief  fllr  unecht  erklärte,  hält  die  römische 
gemeinde  ihn  bis  heute  noch  für  echtpaulinisch.  man  musz  demnach 
non  vor  habetur  streichen,  wirklich  hat  auch  der  Bambergensis  677 
saec.  XI,  wie  Herding  praef .  s.  XXIX  angibt,  non  ausgelassen,  femer 
gab  es,  wie  Hier.  c.  5  ae.  angibt,  eine  ansieht,  nach  welcher  Paulus 
diesen  brief  hebräisch  geschrieben  und  Clemens  ihn  ins  griechische 
übersetzt  hatte,  so  dasz  die  Bömer  mit  ihrer  ansieht  nicht  allein, 
wenn  auch  im  gegensatz  zu  Gaius  standen. 

Stribgau.  Wilhelm  Gbmoll. 


AUöck:  zur  geschichte  des  zweiten  athenischen  bundes.       515 

79. 
ZÜE  GESCHICHTE  DES  ZWEITEN  ATHENISCHEN  BUNDES. 


In  seinen  ausführlichen  Untersuchungen  über  den  bund,  wel- 
chen die  Athener  im  j.  378  vor  Ch.  zum  schütz  gegen  die  sparta- 
nische Übermacht  mit  einigen  griechischen  küsten-  und  inselstaaten 
stifteten,  war  GBusolt*  zu  dem  resultat  gelangt,  dasz  bei  beratungen 
Über  krieg,  frieden  und  bündnisse  mit  auswärtigen  Staaten  der  rat 
der  bundesgenossen  (tö  koivöv  cuv^bpiov  tuüv  cujiijLidxtüv)  dem  athe- 
nischen Volke  gegenüber  nur  eine  beratende  stimme  gehabt  habe, 
der  demos  sei  nemlich  berechtigt  gewesen  ein  dogma  des  bundesrats 
über  einen  mit  einem  fremden  Staate  abzuschlieszenden  vertrag  zu 
verwerfen  und  dann  im  namen  des  bundes  einen  den  vorschlagen 
des  synedrions  nicht  entsprechenden  vertrag  abzuschlieszen,  der  für 
die  bundesgenossen  bindende  kraft  gehabt  habe,  ohne  dasz  die 
Athener  verpflichtet  gewesen  seien,  ihre  änderungen  auch  nur  nach* 
trftglich  von  bundesrate  genehmigen  zu  lassen. 

Dieser  ansieht  bin  ich  zuerst  in  einem  aufsatze  entgegengetre- 
ten, der  sich  in  diesen  jahrb.  1878  s.  473  ff.  findet,  während  ich 
mich  hier  bei  der  Widerlegung  von  Busolts  ansieht  hauptsächlich  auf 
die  eidesformeln  der  inschrift  CIA.  IE  I  add.  n.  49  ^  stützte ,  habe 
ich  im  Hermes  XIV  s.  119  ff.  meine  entgegenstehende  ansieht  durch 
eine  Untersuchung  der  Verhandlungen  des  Philokratischen  friedens 
vom  j.  346  zu  befestigen  gesucht,  dieselbe  geht  dahin,  dasz  das  athe- 
nische volk  bei  der  beratung  über  krieg,  frieden  und  bündnisse  mit 
fremden  Staaten  sich  nach  den  vorschlagen  der  majorität  des  bundes- 
rats richten  oder ,  wenn  es  dieselben  verwarf  oder  abänderte ,  seine 
änderungen  nachträglich  vom  bundesrate  genehmigen  lassen  muste, 
ehe  es  die  mitglieder  des  bundesrats  zur  beschwör ung  des  im  namen 
des  bundes  abgeschlossenen  Vertrags  veranlassen  durfte. 

Dieses  resultat  hat  Emil  Lenz  in  einer  Königsberger  diss.'  dahin 
präcisiert,  dasz  die  öötjlk^'^oi  cufijLidxuJV  über  bündnisverträge  nicht 
von  derselben  bedeutung  gewesen  seien  wie  die  über  krieg  und  frie- 
den, während  nemlich  die  Athener  ohne  Zustimmung  der  mehrheit 
des  bundesrats  keinen  bundeskrieg  anfangen  oder  beendigen  konn- 
ten (Lenz  s.  24  ff.) ,  waren  sie  bei  dem  abschlusz  eines  bündnisver- 
trags  mit  auswärtigen  mächten  zwar  auch  verpflichtet  den  bundes- 
rat  zu  einem  gutachten  über  das  bündnis  aufzufordern,  brauchten 
sich  aber  beim  abschlusz  des  bündnisses  an  die  vorschlage  des  syn- 
edrions  nicht  zu  binden ;  wenn  sie  dieselben  jedoch  verwarfen  oder 
abänderten ,  so  konnten  sie  die  mitglieder  des  bundesrats  nicht  zur 
beschwörung  des  Vertrags  zwingen  (ebd.  s.  30  ff.). 

*  ^der  zweite  athenische  band'  im  7n  «upplementbande  dieser  jahrb. 
fl.  641  ff.,  wo  über  die  uns  hier  beschäftigende  frage  s.  690  ff.  gebandelt 
ist.  '  Mas  synedrion  der  bundesgenossen  im  zweiten  athenischen  bunde' 
(Elbing  1880). 


516       AHöck:  zur  geschichte  des  zweiten  athenischen  bundes. 


Ob  diese  strenge  scheidang  zwischen  friedens-  nnd  bündnis- 
yertrftgen  berechtigt  ist,  scheint  mir  zweifelhaft,  in  vielen  Allen 
war  beides  eng  mit  einander  verbunden,  so  zb.  in  den  beiden  wich- 
tigsten fällen,  denen  wir  unsere  künde  von  der  mitwirknng  des  bnn- 
desrats  bei  solchen  Verhandlungen  verdanken,  bei  den  Verhandlungen 
mit  Dionysios  I  von  Syrakus  im  j.  368  und  bei  den  Verhandlungen 
des  Philokratischen  friedens  im  j.  346.  im  erstem  falle  handelt  es 
sich  sowohl  um  die  beschickung  des  friedenscongresses  in  Delphoi 
als  auch  um  den  abschlusz  eines  bündnisses  zwischen  Athen  und 
Dionysios  (Lenz  s.  31  ff.);  im  letztem  beschlosz  das  volk  im  gegen- 
satz  zu  den  vorschlftgen  des  bundesrats,  mit  Philippos  nicht  nur  frie- 
den, sondem  auch  ein  bündnis  zu  sohlieszen  (Lenz  s.  58  ff.). 

Da  aber  beide  Verhandlungen  von  Lenz  ganz  besonders  auch 
dazu  benutzt  werden,  um  die  modalität  der  Verhandlungen  zwischen 
dem  bundesrat  einerseits  und  dem  athenischen  rat  und  volk  ander- 
seits zu  erlftutem,  und  ich  auch  in  diesem  punkte  seinen  ausfUhrun- 
gen  nicht  ganz  beistimmen  kann,  möge  es  mir  gestattet  sein  diese 
Verhandlungen  hier  noch  einmal  einer  kurzen  besprechung  zu  unter- 
ziehen und  im  anschlusz  daran  sowohl  den  geschSftsgang  als  auch 
die  bedeutung  der  bÖTMOtra  cu^x^dxuiv  zu  erörtem. 

Die  Verhandlungen  der  Athener  mit  Dionysios  I  von  Syrakus 
sin^  von  ÜEöhler  in  den  mitteilungen  des  deutschen  arch.  Inst,  zu 
Athen  I  s.  13  ff.  ausführlich  besprochen  worden,  im  sommer  368 
vor  Gh.  kamen  gesandte  des  sikelischen  tyrannen  nach  Athen ,  um 
mit  den  Athenem  und  ihren  bundesgenossen  zu  verhandeln,  ttber 
das  ergebnis  dieser  Verhandlungen  besitzen  wir  ^wei  Urkunden,  CIA. 
n  1  n.  51  und  52.  die  erste  der  beiden  Urkunden  ist  ein  probuleu- 
matisches  decret  aus  der  zehnten  prytanie  des  jahres  des  archon 
Lysistratos  (369/8).   es  lautet: 

[*67rl    A]u[ci]cTpdTOu    äpxovroc   dirl    [ttJc    •   .  •  j] 
.  .  (b]oc   bcKdTTic   7rpuTav€[{]ac ,    ß]  *6[E]ti[k  . 

.  .  .  .  ]i[ ]      *AZnvi€[ü3c      ifpami&xe[\)e 

V  Tiijv  irpo^bpuiv]  i[7r€]i|ifi[q)i]C[€ ' 

|.  .  .  i]bioc  cTircv '  ircpl  dbv  o\  irp^cßetc  o[V 
irapd]  Atovu[c](ou  flKOv[T€]c  X<touci[v],  b€b[öx' 
0ai  Tfi]i  ßouX^'  TTcpi  \xky  tiBv  Tpö[M]Md[Tuiv 
dbv     ?tT€]vt|i€v     Atovuctoc,     [tflc]     o[lK]obo)ui[iac 

TOÖ    V€]di     Kttl    Tflc     €lpifi[v]llC    TOUC     CU[^]p<i[X0UC 
10     bÖTMla    Ö€V€[t]K€[iV     €lc]     TÖV    bflflOV,     [ö    Tl    ÄV 

aÖTojTc  ßouX€u[o]fi[^]voi[c  bOK]Q  äpi[CTOV 
clvaji-     irpocaraTctv     bk     t[oöc]     Trp^c߀[tc    cl 


15 


TÖV]    bflflOV    €l[c]    Tf|V    1Tpi(nr[Tlv]    £KKX[TlCiaV    TT 

pocKlaX[^c]avT[a]c  toöc  [cuMMaxMuc  [toöc  ir^ 
po^bjpouc  [K]al  Xprn]MaT[(]2:[€i]v  mcpl  iLv  [X^tou 
av,  TlyifiM[nv]  b[fe  c]uMßdXX€[cea  t  [tflc  ßouXf|' 
c  ic  T[dv  bfiMOv,  ÖTi  bo[K]€i  Tfi[x]  ßou[Xi},  im 
tv^c]ai     ^^v     Aiovuctov     tö[vj     CtK€[X{ac     dp' 


AHöck:  zur  geschichte  des  zweiten  athenischen  bundes.       517 

XOVT]a   K[a]i    Touc    ueic    toüc    rAi]ovu[ciou    Ai 

20     0VU]C10[V]      Kttl      'ep^ÖKplTOV,       OTl       €[iclv       fivö 

pec]  dtaGoi  [Tr]€pi  töv  bf\iio\  töv  ['A0T]valuj' 
y  Kttl]  TOUC  cu^fidxouc  Kttl  ßon9[oGciv  Tfl 
i  ßacJiX^uüC  €l[pri]vij  f^v  i[Tr]orica[vTO  'AGriv" 
aioi]    Kai   AaK€bai^6vio[i]    K[a]i    [ol    äXXoi    ^'E 

26     XXnV€C]      Kttl      [A]l0[v]uCl4i       flfev      [äTtOTT^^TieiV     T 

öv    CT^qpavov]   öv    iiiin9ic[a]T0   6    [bfifioc,    ct€9' 
aviücai    bfe    TOÜC    u]€Tc    TOUC    Aiov[uciou    xp^c 
]ifi    CT€9äv4i    dJK[dT]€pov     [d]Trd     [xiXliüv     bpax' 
jbidiv     dvbpataGijac     [2v]€[Ka     Kai     9iXiac*     etv 
30    ai   bk  Aiovuciov   Kai]    to[u]c    ü[€Tc    auTOu  *A0ri 
yalouc    auTOuc]    Ka[l]    iKT6vou[c    Kai    9uXf)c    k' 
al    brmou    Kai   9]pa[T]piac    [fjc   &v  ßouXriTai,    t 
ouc    bfe    7rpuTdv€]ic    [tou]c    [thc   'CpexOni^oc   bo 
övai  TfjV  niti90V  7r€]pl  [auTOu  usw. 
die  folgenden  zeilen  sind  nicht  zu  entziffern;  doch  lassen  sich  in  z.  40 
deutliche  spuren  der  aufzeichnungsordre  erkennen  (vgl.  Köhler  s.  14). 
Obgleich  in  den  praescripten  dieser  inschrift  die  sanctionierungs- 
formel  nicht  erhalten  ist ,  dürfen  wir  doch  aus  den  von  Kartei  und 
Lenz^  angeführten  gründen  nicht  zweifeln,  dasz  dieselbe  fboHev  T^ 
ßouX^  Kai  T(fi  biifiifi  gelautet  habe,  und  dasz  wir  also  nicht  einen  ein- 
fachen ratsbeschlusz ,  sondern  ein  sog.  probuleumatisches  decret  dh. 
ein  zum  volksbeschlusz  erhobenes  irpoßouXeujLia  vor  uns  haben,  in  der 
erklärung  der  probuleumatischen  decrete  bekämpft  nun  Lenz  s.  35 
mit  recht  die  hypothese  Harteis,  wonach  die  auch  in  unserer  in- 
schrift z.  12  ff.  vorkommende  sog.  probuleumatische  formel  irpoc- 
atat€iv  bk  TOÜC  irp^cßeic  elc  töv  bflfiov  eic  Tf|v  irpoiTiiv  ^KKXriciav 
TOÜC  Ttpoebpouc  Kai  xPHM^TiCeiv  nepl  div  X^to^civ  nicht  von  dem 
Standpunkte  der  ratssitzung  zu  verstehen  sei,  in  welcher  das  lipo- 
ßoüXeufia  abgefaszt  ward ,  sondern  von  dem  Standpunkte  der  volks- 
versamlung ,  in  welcher  es  genehmigt  ward ,  dasz  also  die  worte  elc 
Tf)V  TTpu)Triv  dKKXnciav  nicht  auf  die  erste,  sondern  auf  die  zweite 
versamlung  nach  der  abfassung  des  TTpoßouXeufia  zu  beziehen  seien.  ^ 
jedoch  führt  Lenz  seine  entgegenstehende  ansieht  nicht  consequent 
durch,   sind  die  worte  elc  ttiv  TipiuTriv  dKKXriciav,  worüber  meiner 
meinung  nach^  die  inschrift  CIA.  II 1,  76  keinen  zweifei  aufkommen 
läszt,  vom  Standpunkte  der  ratssitzung  aus  zu  erklären,  so  darf  man 
keine  Urkunde,  in  welcher  sich  die  probuleumatische  formel  findet, 
anders  erklären,  dies  thut  aber  Lenz  bei  der  inschrift  CIA.  II 1,  51. 

3  Hartel  Demosth.  Studien  II  50  ff.  Studien  üb.  att.  Staatsrecht  s.  106. 
Lenz  8.  32.  *  diese  auffassun^  Harteis,  auf  welche  er  seine  theorie 
von  der  ersten  und  zweiten  lesung  in  der  athenischen  volksversamlung 
und  von  der  procheirotonie  stützt,  ist  auch  sonst  lebhaft  bekämpft  wor- 
den, so  von  GGilbert  in  diesen  jabrb.  1879  s.  225  ff.  1880  s.  529  ff.,  vom 
vf.  dieses  aufsatzes  ebd.  1880  s.  801  ff.,  von  AHug  in  seinen  Studien 
aus  dem  class.  altertum  I  s.  104  ff.  ^  vgl.  meine  anzeige  von  Harteis 
Studien  üb.  att.  Staatsrecht  in  der  Jenaer  litt.-ztg.  1879  s.  263. 


518       AHöck:  znr  geschichte  des  zweiten  athenischen  bandes. 

er  gesteht  s.  34  ff.  Hartel  zu ,  dasz  die  definitive  entscbeidnng  über 
die  antrSge  des  sikelischen  tyrannen  erst  in  der  zweiten  Tolksversam- 
Inng  nach  der  abfassnng  des  trpoßouXeu^a,  das  unserer  Urkunde  zu 
gründe  liegt,  erfolgen  konnte,  er  wird  dadurch  genötigt  s.  42  eic 
Tf|V  Trpdmiv  diacXnciav  geradezu  zu  übersetzen  *in  die  zweite 
volksyersamlung',  was  natürlich  eine  reine  Unmöglichkeit  ist.  die 
gründe,  die  ihn  dazu  bestimmen,  sind  folgende:  sind  in  den  pro- 
bnleumatischen  decreten  die  werte  eic  Tf|V  irpumiv  ^kkXticiov  vom 
Standpunkte  der  ratssitzung  zu  verstehen,  so  musz  man  annehmen 
dasz  alles,  was  der  zur  einleitung  des  eigentlichen  TrpoßotJX€u^a 
dienenden  formel  TViib^T|V  bk.  EufißdXXecOm  Tf^c  ßouXf^c  de  töv 
öf\^ov,  ÖTt  bOK€i  tQ  ßouXQ  vorausgeht,  sowie  diese  formel  selbst 
beschlüsse  des  rates  enthftlt,  die  zu  ihrer  ausfUhrung  der  genehmi- 
gung  des  volkes  nicht  bedürfen,  dies  ist  denn  auch  die  ansieht  der 
gegner  Harteis,  wie  sie  besonders  klar  von  Hug  ao.  s.  126  ff.  dar- 
gelegt ist.  danach  wSren  in  unserer  inschrift  sämtliche  beschlüsse 
von  Ö€b6x0at  tQ  ßouXQ  in  z.  7  bis  ÖTi  boKet  tQ  ßouX^  in  z.  17  selb- 
ständige beschlüsse  des  rates,  deren  ausführung  innerhalb  seiner 
competenz  läge. 

Der  erste  dieser  beschlüsse  geht  nun  dahin,  dasz  die  bundes- 
genossen  (dh.  die  mitglieder  des  bundesrats)  über  das  schreiben  des 
Dionjsios,  den  tempelbau  und  den  frieden  ein  gutachten  an  das  volk 
einreichen  sollen ,  wie  es  ihnen  bei  reiflicher  erwägung  am  besten 
scheine,    an  diesem  beschlüsse  nimt  Lenz  in  doppelter  beziehung 
anstosz.   zunächst  erftihren  wir  nemlich  aus  der  inschrift  CIA.  II  1 
add.  n.  57  ^,  dasz  im  j.  362  das  dogma  der  bundesgenossen  über  das 
bündnis  mit  den  Arkadem,  Achaiem,  Eleiem  und  Phliasiem  zuerst 
beim  rate  eingereicht  ward  und  erst  durch  diesen  an  das  volk  ge-^ 
langte,    daher  behauptet  Lenz  s.  33  im  anschlusz  an  Hartel  (Demosth. 
Studien  II  48  ff.),  dasz  in  der  inschrift  n.  51  der  ausdruck  TOÖc 
cufifidxouc  h6f\ia  ££ev€TK€iv  eic  töv  bf^^ov  ungenau  sei,  dasz 
vielmehr  auch  in  diesem  falle  das  gutachten  des  bundesrats  seinen 
weg  an  die  volksversamlung  durch  den  rat  genommen  haben  müsse, 
obgleich  sich  diese  beweisführung  auf  den  bekannten  grundsatz  des 
attischen  Staatsrechts  ^r\bky  dfiv  dirpoßoöXeuTOV  eic  töv  bf)^ov  €lc- 
qp^pecOai  beruft,  kann  ich  ihr  doch  nicht  beistimmen,   wegen  des 
verschiedenen  Wortlautes  beider  urkanden  glaube  ich  vielmehr,  dasz 
in  beiden  fällen  auch  ein  verschiedener  geschäftsgang  beobachtet 
worden  sei.   aus  CIA.  II  1,  168  wissen  wir,  dasz  der  rat  durchaus 
nicht  verpflichtet  war  über  jeden  gegenständ ,  den  er  vor  die  volks- 
versamlung brachte,  ein  materielles  gutachten  abzufassen,  sondern 
dasz  er  sich  bisweilen  mit  der  formellen  einbringung  eines  Ver- 
handlungsgegenstandes begnügte,    dies  konnte  er  hinsichtlich  der 
antrage  des  Dionysios  um  so  mehr  thun ,  als  diese  ja  ohnehin  vom 
bundesrate  begutachtet  wurden,    ich  schliesze  mich  daher  nicht  nur 
der  ansieht  Köhlers  ao.  s.  18  an,  wonach  das  dogma  des  bundesrats 
über  die  vorschlage  des  sikelischen  tyrannen  vor  dem  volke  die  stelle 


AHöck :  zur  gescbichte  des  zweiten  atheniBchen  bnndes.       519 

des  TTpoßouXeufia  yertreten  sollte,  sondern  glaube  aucb  in  der  Ur- 
kunde selbst  eine  andeutung  darüber  zu  finden,  wie  nemlich  in  der 
inscbrift  168  der  rat  mit  den  Worten  dKOÜcavra  TÖv  öf)fiov  tujv 
KiTi^uiV  Ka\  SXXou  'AOrivaiuiv  toO  ßouXofi^vou  ßouXeucacOai  ö  ti 
&v  auTqj  boK6i  SpiCTOV  elvat  auf  sein  recbt  das  gesucb  der 
Eitier  zu  begutachten  verzichtet,  so  lesen  wir  in  n.  51 :  touc  cufi- 
fidxoiJC  bÖT^a  ^EevetKeTv  €lc  TÖV  bfifiov ,  ö  ti  Sv  aÖToTc  ßou- 
Xeuo|i^votc  boKf)  äpiCTOV  cTvat.  dasz  diese  formel  den  ver- 
zieht auf  die  begutachtung  enthält,  dafür  möchte  ich  noch  ein  bei- 
spiel  anführen,  im  j.  346  verzichtete  umgekehrt  der  bundesrat  zu 
gunsten  der  Athener  auf  die  begutachtung  des  friedens  mit  Philip- 
pos mit  den  werten:  ö  ti  b*  &v  ßouXeiicTiTai  6  bf)|iOC,  toöt* 
eTvat  KOtvöv  öötmoi  toiv  cu|i|Lidxwv  (Aischines  v.  d.  ges.  60). 

Weit  wichtiger  als  diese  frage  ist  aber  die  andere,  zu  deren  be- 
handlung  Lenz  s.  34  ff.  gleichfalls  durch  die  so  eben  besprochenen 
werte  der  inscbrift  51  veranlaszt  wird,  es  ist  unmöglich ,  so  argu- 
mentiert Lenz  in  Übereinstimmung  mit  Hartel  (Dem.  Studien  II 50  ff.); 
dasz  in  derselben  volksversamlung,  welche  Über  die  dem  Dionysios 
zu  erweisenden  ehren  entschied ,  auch  schon  über  das  bündnis  mit 
dem  sikelischen  tyrannen  endgültig  beschlusz  gefaszt  worden  sei: 
denn  es  werde  hier  ja  erst  beschlossen  das  dogma  der  bundesgenossen 
über  die  antrage  des  Dionysios  einzufordern  und  die  mitglieder  des 
bundesrats  zur  Verhandlung  in  der  volksversamlung  einzuladen,  er 
folgert  daraus ,  dasz  bei  Verhandlungen  mit  auswärtigen  mächten, 
die  den  bund  angiengen,  der  athenische  rat  nicht  berechtigt  gewesen 
sei  die  mitglieder  des  bundesrats  zur  abfassung  eines  gutachtens  und 
zum  erscheinen  in  der  nächsten  volksversamlung  aufzufordern,  son- 
dern dasz  dies  durch  volksbeschlusz  habe  geschehen  müssen,  so 
wird  er  genötigt  die  worte  elc  ttjv  TTpuiTiiv  dKKXriclav  s.  34  im 
Hartelschen  sinne  zu  erklären,  und  es  ist  auffallend,  dasz  er  nicht 
auch  dem  rate  die  befugnis  abspricht,  fremde  gesandtschaften  in  die 
nächste  volksversamlung  einzuführen,  wie  dies  Hartel  thut.  diese 
beweisführung  sucht  Lenz  noch  durch  herbeiziehung  der  Inschrift 
CIA.  II  1,  52  zu  stützen,  dieselbe  enthält  ein  volksdecret  über  ein 
bündnis  der  Athener  mit  Dionysios ,  in  welchem  weder  der  mitwir- 
kung  des  athenischen  rates  noch  der  des  bundesrats  mit  irgend  einem 
Worte  gedacht  wird,  dasselbe  stammt  aber  nicht  wie  n.  51  aus  der 
zehnten  prytanie  des  archontats  desLysistratos,  sondern  aus  dem 
amtsjahr  des  folgenden  archon  Nausigenes  (368/7). 

Wir  sehen  hieraus  dasz  die  endgültige  entscheidung  über  das 
bündnis  mit  Dionysios  in  der  that  nicht  in  derselben  volksversam- 
lung stattfand,  in  der  das  probuleumatische  decret  n.  51  vom  volke 
angenommen  ward,  daraus  folgt  aber  noch  keineswegs ;  dasz  eine 
beschluszfassung  über  das  bündnis  in  derselben  ekklesie,  in  welcher 
über  die  ehren  des  Dionysios  beschlossen  ward,  unmöglich  gewesen 
sei,  weil  erst  in  dieser  das  volk  den  bundesrat  zur  abgäbe  eines  gut- 
achtens aufzufordern  beschlossen  habe,   zwar  können  wir  über  den 


520       AHöck:  zur  geachichte  des  zweiten  atheniBchen  bundes. 

grund  der  Verschiebung  der  beratnng  über  das  bündnis  nur  Ver- 
mutungen auÜBteUen ;  doch  glaube  ich  dass  meine  Vermutung  ebenso 
grosze  Wahrscheinlichkeit  hat  wie  die  von  Lenz,  ich  schliesze  nem- 
lich  mit  Lenz  aus  n.  52,  dasz  der  bundesrat  das  bündnis  mit  Dio- 
nysios  ablehnte,  da  nun,  wie  ich  aus  n.  51  schliesze,  der  rat  dem 
synedrion  die  begutachtung  des  bündnisses  überlassen  hatte ,  so  ge- 
langten die  antrftge  der  sikelischen  gesandten  ohne  irgend  ein  be- 
fürwortendes gutachten  an  das  volk.  da  sich  aber  dennoch  in  der 
volksversamlung  stimmen  für  ein  bündnis  erhoben,  so  faszte  das  volk, 
wie  dies  auch  sonst  bisweilen  geschah  (vgl.  CIA.  II 1, 65.  76  ua.),  den 
beschlusz ,  der  rat  solle  die  sache  noch  einmal  einer  beratung  unter- 
ziehen (Tf|v  ßouXf)v  iTpoßouXeucacav  £E6V€TK€tv  eic  töv  bf\\iov  eic 
Tf)V  irpumiv  dKicXiidav).  ein  solcher  beschlusz  war  um  so  mehr  ge- 
rechtfertigt,  als  durch  das  ablehnende  verhalten  des  bundesrats  die 
frage  in  ein  neues  Stadium  eingetreten  war,  insofern  es  sich  jetzt 
nicht  mehr  um  einen  im  namen  des  bundes  abzuschlieszenden  ver- 
trag, sondern  nur  um  ein  separatbündnis  der  Athener  mit  Dionjsios 
handelte,  allerdings  müssen  wir  dann  annehmen,  dasz  auch  dieses 
npoßouXeu^a  nicht  die  Zustimmung  des  volkes  fand,  mag  es  nun 
das  bündnis  abgelehnt  oder  andere  bedingungen  vorgeschlagen  haben 
als  die  in  dem  volksbeschlusz  n.  52  angenommenen. 

Mag  nun  aber  dies  der  grund  der  Verschiebung  gewesen  sein 
oder  ein  anderer,  jedenfalls  glaube  ich  mit  bestimmtheit  behaupten 
zu  dürfen,  dasz  der  von  Lenz  angeführte  grund  nicht  der  richtige 
ist.  ich  stütze  mich  dabei  auf  die  treffliche  Untersuchung  der  pro- 
buleumatischen  formel  durch  Hug  ao.  s.  126  £f.  hiemach  sind  in  lülen 
probuleumatischen  decreten  ohne  unterschied  die  worte  eic  Tf|V  npdi- 
T11V  dKKXiiciav  vom  Standpunkte  der  ratssitzung  zu  verstehen:  denn 
die  probuleumatischen  decrete  sind  unveränderte  abschriften  der  rats- 
Protokolle,  denen  nur  durch  die  Versetzung  der  auf  die  volksversam- 
lung bezüglichen  praescripte  und  durch  änderung  der  sanctionierungs- 
formel  f bo£€V  tQ  ßouXQ  in  ihoiev  t^  ßouX^  xal  T(|i  brJMifi  der  Cha- 
rakter eines  Volksbeschlusses  aufgedrückt  ward,  daraus  folgt  dasz 
nur  das  mit  tviüfinv  ö^  HufißdXXecOai  usw.  eingeleiiete'irpoßouXeu^a 
beschlüsse  enthält,  die  zu  ihrer  ausführung  der  genehmigung  des 
Volkes  bedürfen ,  dasz  dagegen  alles  vorhergehende  mit  einsdilusz 
des  £u|LißdXXec9ai  beschlüsse  sind,  zu  deren  ausführung  der  rat  ohne 
genehmigung  des  volkes  befugt  ist.  solcher  beschlüsse  enthält  nun 
die  inschrift  n.  51  vier:  1)  ToOc  cu^fyidxouc  b6f\ia  dEeveTKCiv, 
2)  TTpocatatciv  touc  irp^cßeic,  3)  irpocKoX^cavTac  touc  cufjifid- 
Xouc  TOUC  irpo^öpouc  xpilf^^^^^^v,  4)  TViüfinv  cufyißdXXecOai.  wäh- 
rend nun  Lenz  im  gegensatz  zu  Kartei  in  betreff  des  irpocaTat^^v 
und  xpnM^^'fi^^^v  dem  rate  die  befugnis  zugesteht,  diese  beschlüsse 
ohne  weiteres  auszuführen  (s.  42) ,  glaubt  er  dasz  derselbe  die  auf 
die  bundesgenossen  bezüglichen  beschlüsse  nicht  ohne  genehmigung 
des  Volkes  habe  ausfahren  dürfen,  da  er  sich  hierfür  auf  Hartel  be- 
ruft, teile  ich  mit,  was  dieser  in  den  Dem.  Studien  II  s.  56  für  diese 


AHöck:  zur  geschichte  des  zweiten  athenischen  bundes.       521 

ansieht  vorbringt,  'alles  was  wir  über  die  athenische  bundes verfas> 
8ung  wissen'  sagt  er  Mftszt  daran  zweifeln,  dasz  in  der  bundesurkunde 
von  vom  herein  alle  fölle  genau  definiert  waren ,  welche  vor  das  be- 
gutachtende forum  des  synedrions  zu  verweisen  waren  und  welche 
nicht.'  da  wir  aber  die  bundesurkunde  nicht  besitzen ,  können  wir 
diesen  zweifei  weder  begründen  noch  widerlegen  und  sind  ebenso 
berechtigt  anzunehmen,  dasz  die  vorschlSge  fremder  gesandten  dem 
synedrion  durch  den  rat  mitgeteilt  wurden  mit  der  aufforderung  ein 
dogma  darüber  abzufassen  und  bei  der  Verhandlung  in  der  nfichsten 
volksversamlung  zu  erscheinen,  als  dasz  dieses  nur  durch  das  volk 
geschehen  konnte,  zu  der  erstem  annähme  aber  nötigt  uns  die  con- 
sequente  interpretation  der  probuleumatischen  decrete.  wenn  diese 
vom  Standpunkte  der  ratssitzung  zu  interpretieren  sind ,  so  müssen 
in  n.  51  die  beschlüsse  Touc  cufifidxouc  bÖTfia  dE6V€TK€iv  und 
TipocKaX^cai  touc  cufi^dxouc  ebenso  gut  innerhalb  der  competenz 
des  rates  liegen  wie  irpocataTeTv,  xpr\^axileiv  und  cufißdXXecOau 
Diese  auffassung  wird  auch  durch  die  Verhandlungen  des  Philo- 
kratischen  friedens  nicht  widerlegt,  denen  ich  mich  jetzt  zuwende, 
über  diese  bemerkt  Lenz  s.  59 :  'es  wurde  nemlich  gleich  nach  der 
rückkehr  der  elf  gesandten  aus  Makedonien  nach  Athen  im  frühjahr 
346  vor  Ch.  eine  ekklesie  berufen,  welche  über  die  modalität  der 
friedensverhandlungen  beschlusz  faszte;  danach  sollten  am  8n  und 
9n  elaphebolion  zwei  volksversamlungen  abgehalten  werden,  bei 
denen  auch  die  bundesgenossen  sich  zu  beteiligen  hfttten.  wie  ge- 
legentlich der  Verhandlungen  über  das  bündnis  mit  Dionysios  I,  so 
sehen  wir  auch  hier,  dasz  nur  der  demos,  nicht  die  bule  aus  eignem 
antriebe  das  dogma  der  bundesgenossen  einfordern  konnte.'  aller- 
dings habe  auch  ich  im  Hermes  XIV  s.  121  mich  der  ansieht  Harteis 
(Dem.  Studien  II  s.  82  f.)  angeschlossen,  dasz  dieser  beschlusz  vom 
athenischen  volke  dem  bundesrate  mitgeteilt  worden  sei  mit  der 
aufforderung  ein  dogma  über  den  Meden  mit  Philippos  abzufassen 
und  sich  an  den  Verhandlungen -am  8n  elaphebolion  zu  beteiligen, 
doch  kann  ich  Lenz  durchaus  nicht  beistimmen ,  wenn  er  meint,  die 
versamlung,  in  welcher  jener  beschlusz  gefaszt  wurde,  habe  eben 
deshalb  berufen  werden  müssen ,  um  eine  auffordemng  an  das  syn- 
edrion ergehen  lassen  zu  können.  Aischines  erwähnt  jenen  beschlusz 
zweimal  (v.  d.  ges.  53.  g.  Etes.  66  ff.),  ohne  der  beziehungen  zu  den 
bundesgenossen  auch  nur  mit  einem  worte  erwähnung  zu  thun.  viel- 
mehr gibt  er  an  der  letztern  stelle  §  67  als  motiv  des  Demosthenes, 
weshalb  er  den  antrag  zu  jenem  volksbeschlusz  stellte,  an:  Iva,  ddv 
f{br\  Tiapijjciv  ol  ToO  4>iXiTr7T0u  Tip^cßeic ,  ßouXeüciiTai  6  öfl^oc  djc 
xdxiCTtt  TTcpl  Ttiiv  TTpöc  4>iXi7rTrov.  man  berief  also  die  volksver- 
samlung ,  welche  über  die  modalität  der  friedensverhandlungen  be- 
schlusz faszte,  nur,  um  den  gang  der  Verhandlungen  zu  beschleu- 
nigen und  nicht  nach  ankunft  der  gesandten  mit  den  notwendigen 
formalitäten  zeit  zu  verlieren  (vgl.  hierüber  Gilbert  in  diesen  jahrb. 
1879  s.  235  f.). 

Jahrbacher  f&r  class.  philol.  1883  hft.  8.  34 


522       AHöck:  zur  gescbichte  des  zweiten  atheniBchen  bandes. 

Ebensowenig  berechtigt  ist  ein  anderer  schlusz,  den  Lenz  s.  61  ff» 
aus  dem  bei  der  beratang  des  Philokratischen  fnedens  beobachteten 
verfahren  zieht,  wie  Demosthenes  in  dem  so  eben  besprochenen  an- 
tmgB  die  anss^eibcmg  aw^r  volksversamlungen  für  zwei  unmittel- 
bar auf  einander  folgende  tage  zur  beratung  des  friedens  verlangt 
hatte,  so  beantragt  auch  das  synedrion  der  bundesgenotoen  in  seinem 
ersten  auf  den  frieden  beztlglichen  dogma,  welches  uns  bei  Aischines 
Y.  d.  ges.  60  erhalten  ist  und  vermutlich  am  8n  elaphebolion  dem 
demos  voigelegt  wurde  (vgl.  Hermes  XIY  s.  122) :  ^mibf)  ßouXeikTOi 
ö  bf\}ioc  ö  'AOrivatujv  inip  eiprjvTic  iTp<6c  OiXiinrov,  ol  b^  7rp^c|l€ic 
oüfTAJj  iTdp€tciv  . .  beböxOai  toic  cvMMdxoic  ^irctbotv  diiiby)^if)ciuciv 
ol  TTp^cßac  Kai  T&c  iTp€c߀iac  äTiaTTcUuictv  'AOiivaicic  xai  toic 
GUMfHüXOic,  iTpoTP<iM'at  touc  irpurdveic  dxKXiiciac  ^üo  xarä  töv 
vö^ov^  der  «usatz  Kard  Tdv  vö^ov  war  schon  von  Hartel  (Dem. 
Studien  II  s.  83  ff.)  eng  mit  ^KKXiidac  buo  verbunden  worden  und 
haMe  ihn  zu  der  behauptung  veranlaszt,  dasz  die  beratung  über 
symmachievertrfige  nach  einer  gesetzlichen  bestimmungregelmftszig 
in  zwei  volksversamlungen  stattgefunden  habe,  obgleich  diese  an* 
sieht  schon  von  Gilbert  ao.  s.  236  f.  mit  gewichtigen  grOnden  be- 
kAmflt  worden  ist,  glaubt  doch  Lenz,  dasz  wenigstens  zur  zeit  des 
zisfeiten  athenischen  bundes  ein  gesetz  existiert  habe,  wonach  ver- 
trüge, die  den  bund  angiengen>,  m  zwei  volksversamlungen  an  zwei 
unmittelbar  auf  einander  folgenden  tagen  beraten  werden  musten. 
zu  einer  solchen  annähme  aber  nötigt  uns  die  stelle  des  Aischines 
durchaus  nicht«  denn  da  es  nach  der  dem  beschlusz  der  bundes- 
genossen  vorausgehenden  motivierung  dem  bundesrate  lediglich  um 
vexBohiebung  der  endgültigen  entsdieidnng  über  den  frieden  mit 
Philippos  zu  thun  war,  ist  es  viel  natürlicher,  mit  Gilbert  die  werte 
KttTd  t6v  vö^ov  mit  dem  infinitiv  npoTpdi|iai  zu  verbinden  und  das 
dogma  der  bundesgenossen  so  zu  wklttren ,  dasz  sie  von  der  vorher- 
bestimmuag  der  verhandlungstage  durch  volksbeschlusz  nidits  wissen 
wollen,  sondern  die  gesetzntüszige  ausschreibung  der  beiden  volks- 
versamlungen durch  die  prytanen  nach  ankunf  t  der  gesandten 
fordern. 

Husum.  Adblbsbt  Höok. 


80. 
ZUR  SCHLACHT  BEI  MAJRATHON. 


Als  ich  neulich  nach  ermüdendem  Tandem  durah  die  saatoi 
und  die  weinfelder  der  marothenlsQhen  ebene  auf  dem  Soresi,  dem 
gcabhügel  der  Athener,  mich  «nsFabte,  kafeu  mir  trotz  der  peesie  4w 
umgeboag  die  trockene  prosa  des  OomeUns  Nepos  in  den  sinn,  leaer 
säte  aus  der  vita  des  Miltiades,  der  alljfthi4idli  in  der  quarta  sich  die 
gefährlichsten  Operationen  gefaUen  lassen  musz:  dein  postero  die  9^ 


FLohr:  zur  schlacht  bei  Marathon.  523 

\ 

montis  radicüms  ade  regione  inslntäa  non  apertissiiA  ^*om- 

miserunt  {namque  arhores  muUis  locis  erant  rarae\  ht 
numtium  aUüudine  tegerentur  et  arborum  tradu  eqt 
impediretur^  ne  muUüudine  dauderentur,  ich  habe  ihflrg«WOlmIic& 
die  eingeweide  ausgenommen,  denn  er  kann  auch  ohne  die  parenthese 
namque  arbares  usw.  existieren,  sie  ist  doch  nur  eine  erklärung  des 
vorhergehenden  non  aperüssima  und  für  den  der  das  Schlachtfeld 
selbst  gesehen  hat  nicht  notwendig,  nach  dem  meere  hin  ist  die 
ebene  ganz  ofifen  dh.  baumlos,  aber  am  fusze  des  Kotroni,  welcher 
das  fladiland  im  Westen  begrenzt,  stehen  drei  bis  vier  reihen  bäume : 
mandeln,  feigen  und  Ölbäume,  gewis  hat  sich  seit  jenen  herbsttagen 
des  j.  490  in  der  bebauung  des  marathonischen  feldes  mancherlei  ge- 
ändert, aber  ebenso  sicher  kann  man  wohl  behaupten  dasz  die  Vege- 
tation damals  eine  üppigere  dort  war  als  jetzt,  darauf  deuten  auch 
die  verse  hin ,  mit  welchen  Aristophanes  den  Wiedehopf  die  scharen 
der  Vögel  locken  läszt:  öca  t'  eubpöcouc  t^c  töitouc  ix^re  Xei^divd 
T*  ^pöevra  MapaOujvoc,  öpvic  ttt^pujv  irotK(Xoc  t'  dTratäc  dTTcrräc 
(Ar.  Vögel  245  ff.},  in  dem  eingeschobenen  satze  des  Nepos  soll 
übrigens  gar  nicht  gesagt  sein,  dasz  nur  hie  und  da  ein  bäum  stand, 
sondern  die  arhores  sind  rarae  genannt  im  gegensatz  zu  dem  dichten 
gestrüpp ,  das  sich  die  hügel  hinanzog,  da  wo.  der  fette  boden  der 
ebene  beginnt  wachsen  fruchtbringende  bäume,  und  solche  stehen 
naturgemäsz  in  kleinen  abständen  von  einander,  faszt  man  das  ad- 
jectivum  in  diesem  sinne,  so  verliert  auch  der  zusatz  muUis  lods 
alles  anstöszige. 

MDunoker  kehrt  (bist.  Zeitschrift  n.  f.  X  s.  281  ff.  und  gesoh. 
des  altertums  YII  s.  126  ff.)  zu  der  schlechter  b^laubigten  lesart 
stratae  zurück,  weil  hoc  consüio  ein  solches  participium  verlange, 
zwingend  ist  dieser  grund  nicht:  denn  der  ablativ  schlieszt  sich 
passender  an  ade  instruda  an,  da  die  erste  hälfte  des  absichtssatzes 
ut  d  montium  aUUudine  tegerentur  mit  jenen  arhores  gar  nichts  zu 
thun  hat  mislioh  ist  es  auch ,  iradus  mit  Werhan*  wiederzugeben, 
es  ist  vielmehr  ein  synonymon  von  locus  und  regio  und  bedeutet  'land- 
strich'.  tradus  arhorum  übersetze  ich  *da  wo  sich  baumreihen  hin- 
ziehen' oder  'das  mit  bäumen  bestandene  feld'. 

Die  werte  nova  arte  vi  summa  y  welche  gleichfalls  das  part. 
stratae  stützen  sollen,  gibt  nur  der  c.  Monac.  an  stelle  des  allgemein 
aufgenommenen  non  apertissuma.  ob  mit  vi  summa  proeUum  com- 
miserufU  der  beginn  eines  defensivkampfes  treffend  bezeichnet  wird, 
möchte  ich  bezweifeln;  ebensowenig  leuchtet  mir  ein,  dasz  der 
verhau  mit  recht  eine  ganz  neue  erfindung  genannt  werde,  müsie 
ich  die  lesart  der  Münchener  hs.  verteidigen,  so  würde  ich  sie  auf 
die  neue  art  des  angriffiB  beziehen,  auf  den  laufschritt,  in  welchem  die 
hoplitan  den  feinden  zu  leibe  giengen. 

Duncker  betont  dasz  Nepos  von  der  ofbnsive  des  Miltiades 
nichts  erzähle,  und  constatiert  damit  einen  Widerspruch  in  dessen 
bericht.   denn  vorher  habe  der  eifrige  strateg  auf  eine  entscheidung 

S4^ 


524  FLohr:  zur  schlacht  bei  Marathon« 

gedrungen  und  jetzt  warte  er  hinter  der  yerschanzang  den  angriff 
ab.  allerdings  ist  die  erzShlong  des  Nepos  nicht  klar  und  bestinimt, 
aber  dasz  er  die  Ferser  angreifen  lasse,  braucht  man  nicht  notwendig 
anzunehmen,  er  sagt  sowohl  von  MiUiades  wie  von  Datis:  proeHmtn 
eammisU  (dort  geht  acie  instruäa  voraus,  hier  j^rociim^),  und  zu  der 
Ungeduld  des  Atheners  stimmt  sehr  wohl  die  beschreibung  des  bildee 
in  der  Poikile  in  c.6  ti^ .  .  prima  eius  imaffo poneretur  isque  hartare" 
tur  müites  prodiwmque  cammüterä.  schwerlich  konnte  Nepos  bei 
seinem  gewtthrsmann  Ephoros  etwas  anderes  finden  als  was  jeder- 
mann, der  über  die  athenische  agora  gieng,  sah,  dasz  nemlich  die 
Athener  es  waren ,  welche  den  kämpf  begannen. 

Wenn  in  dem  texte  desselben  Schriftstellers  die  stttrke  der 
Meder  verschieden  angegeben  wird,  so  ist  daran  wohl  nur  die 
schlechte  Überlieferung  schuld,  gewis  woUte  weder  Ephoros  nodi 
Nepos  berichten,  dasz  die  hftlfte  des  persischen  heeres  vor  beginn 
der  Schlacht  eingeschifft  gewesen  sei,  dasz  somit  Miltiades  nur  die 
zurückgebliebenen  überrumpelt  habe,  während  sie  im  begriff  waren 
die  schiffe  zu  besteigen.  Herodotos  hat  in  seinem  gedrängten  beridht 
keinen  platz  für  die  groszen  zahlen  eines  Nepos  oder  gar  eines  Justi* 
nus,  er  erwähnt  nur  dasz  auf  seiten  der  Perser  an  6400  mann  ge- 
fallen seien,  durch  die  grösze  dieses  Verlustes  begründet  Duncker 
(HZ.  X  s.  253)  seine  ansieht,  nach  welcher  der  kämpf  bei  Marathon 
eine  durchgefochtene  schlacht'  gewesen  ist.  gewichtiger  scheint  mir 
in  dieser  beziehung  der  umstand  zu  sein ,  dasz  auch  die  athenischen 
knechte ,  die  in  der  reserve  standen ,  in  das  gefecht  verwickelt  wur- 
den, das  konnte  nur  der  fall  sein,  wenn  die  Perser  gegen  die  hügel 
hin  vordrangen  und  das  griechische  centrum  durchbradien. 

Bisher  nahm  man  an  dasz  die  cavallerie  der  Meder  auf  die  fahr- 
zeuge  geschafft  war,  ehe  der  kämpf  begann,  gegen  diese  darstellung 
polemisiert  Duncker  meines  erachtens  mit  recht,  denn  jeder  der 
Her.  VI  112  unbefangen  liest  musz  zugeben,  dasz  der  concessivsatz 
oCt€  tirirou  uirapxoOciic  C91  oöre  loievii&xojy  wenig  sinn  hat,  falls 
nicht  den  Peraem  selbst  reiterei  und  bogenschützen  zu  geböte  stan- 
den, da  die  beere  mehrere  tage  lang  sidi  gegenüberlagen  und  die 
anführer  der  Perser  durch  ihre  kundschafter  ohne  zweifei  von  der 
kampflustigen  Stimmung  des  Miltiades  gehört  hatten,  so  wäre  es 
doch  unverantwortlich  leichtsinnig  gewesen,  die  truppe,  der  zu  ge* 
fallen  Hippias  die  marathonische  ebene  zum  Schlachtfeld  ausersehen 
hatte,  vollständig  zu  entfernen,  waren  die  Perser  stolz  auf  ihre 
reiterei,  so  woUten  die  Griechen  sich  ihr  gegenüber  möglichst  vor* 
sichtig  verhalten,  deshalb  durchliefen  sie  die  acht  Stadien,  welche  sie 
von  dem  feindlichen  beere  trennten,  damit  sie  möglichst  bald  ins 
handgemenge  kämen,  in  dem  reiter  und  bogenschützen  wenig  aus- 
richten können,  schon  bei  der  aufstellung  hatte  Miltiades  auf  die 
gefährlichste  Waffengattung  des  feindes  rücdcsicht  genommen,  wenig- 
stens klingt  aus  den  oben  angeführten  werten  des  Nepos  hoc  am- 
süUo  ut  usw.  deutlich  genug  die  besorgnis  heraus,  welche  den  grie* 


FLohr:  znr  schlacht  bei  Marathon.  525 

chischen  Strategen  erfüllte  gegenüber  der  Vertrauensseligkeit  der 
Meder.  falls  der  erste  stürm  misglückte,  sollten  sich  die  hopliten 
in  eine  Stellung  zurückziehen  können ,  in  welcher  sie  vor  überflüge- 
lung,  besonders  von  Seiten  der  reiter,  geschützt  waren. 

Dasz  beide  teile  die  Überzeugung  hatten,  die  reiterei  könne  in 
das  gefecht  eingreifen,  ist  demnach  höchst  wahrscheinlich;  ob  sie 
wirklich  eingehauen  hat,  läszt  sich  mit  Sicherheit  nicht  bestimmen, 
sehr  auffallend  ist  es ,  dasz  bei  erwShnung  der  reichen  beute  nichts 
erzählt  wird  von  den  vorzüglichen  persischen  rossen,  die  etwa  den 
Siegern  in  die  bände  gefallen  wären,  was  Duncker  HZ.  X  s.  249 
sagt,  um  diese  Schwierigkeit  zu  heben,  hat  wenig  Überzeugungskraft, 
denn  wenn  auch  die  Meder  bei  ihren  spätem  einfallen  in  Attika  mit 
den  alten  tieren  gründlich  aufgeräumt  haben  sollten,  so  müste  sich 
doch  eine  erinnerung  daran  erhalten  haben ,  dasz  die  Athener  von 
Marathons  strande  manches  edle  rosz  mit  heimbrachten,  die  beute 
an  pferden  war  offenbar  gering,  so  dasz  sie  Plutarch  (Arist.  5)  unter 
dem  allgemeinen  ausdruck  Xd9Upa  mitbegreifen  kann,  vielleicht 
findet  auch  dieser  umstand  seine  erklärung,  wenn  man  sich  den  her- 
gang  der  schlacht  folgendermaszen  vorstellt. 

Datis  möchte  gern  schlagen,  da  aber  die  Athener  sich  nicht 
aus  ihrer  gedeckten  Stellung  bei  dem  temenos  des  Herakles  heraus- 
wagen ,  versucht  er  sie  zu  reizen ,  indem  er  einen  groszen  teil  seiner 
gefürchteten  reiterei  einschifft,  nur  einige  züge  halten  hinter  den 
flügeln  des  heeres;  sie  werden  ja  wohl  genügen  dem  schwachen 
feinde  genug  zu  schaffen  zu  machen,  da  brausen  di''.  griechischen 
hopliten  heran,  nach  wenigen  minuten  brechen  sie  in  die  reihen  des 
fuszvolks  ein,  und  im  erbitterten  handgemenge,  in  welches  die  reiter 
sich  nicht  mischen  können,  wogt  der  kämpf  hin  und  her.  jetzt  wer- 
den die  persischen  flügel  zurückgedrängt;  sie  fliehen  zu  den  schiffen 
und  reiszen  die  hinter  ihnen  stehenden  Schwadronen  mit  sich  fort,  so 
dasz  diese  nun  auch  es  vorziehen,  auf  den  fahrzeugen  schütz  zu 
suchen,  bis  die  Griechen  das  ins  thal  von  Yrana  vorgedrungene  per- 
sische centrum  besiegt  haben  und  vor  sich  her  dem  strande  zu  jagen, 
werden  wohl  die  meisten  der  pferde  auf  den  lastbooten  geborgen  ge- 
wesen sein. 

Zum  schlusz  noch  ein  wort  über  die  anekdote ,  die  Suidas  bei- 
bringt zur  erklärung  des  Sprichwortes  X^P^C  iinretc.  sie  macht  in 
der  that,  wie  Duncker  HZ.  X  s.  235  treffend  bemerkt,  den  eindruck, 
als  sei  sie  den  loniem  zu  ehren  erfunden,  nicht  einmal  gut  erfunden 
ist  sie.  denn  wer  auf  der  spitze  des  Kotroni  gestanden  und  von  dort 
aus  die  ebene  überschaut  hat ,  weisz  dasz  die  lonier  sich  nicht  auf 
die  bäume  zu  bemühen  brauchten,  um  ihren  stammesgenossen  ein 
zeichen  zu  geben.  Miltiades  konnte  von  diesem  hügel  aus  bis  in  die 
lagergassen  der  feinde  sehen  und  jede  bewegung  nach  den  schiffen 
hin  auf  das  deutlichste  wahrnehmen. 

Wiesbaden.  Fribdrioh  Lohb. 


526  CNauck:  HomeriBche». 

81. 

HOMERISCHES. 


1.  noch  einmal  eUocivfiptTOC 
Im  archiv  f.  phil.  u.  pSd.  bd.  XII  (1846)  s.  126  habe  ich  nach- 
gewiesen, dasz  es  ein  wort  eiKOCtv/jpiTOC  nicht  gibt  und  nicht  geben 
kann,  dasz  vielmehr  II.  X  349  dasselbe  zu  trennen  und  der  ganze 
vers  so  zu  schreiben  ist: 

Oub*  €l  K6V  bexdKlC  T€  Kttl  cTkOCI  VTIplT*  äiTOiva 

'auch  nicht  wenn  zehnmal  und  zwanzig  unendliche  lösung'.  so 
steht  ÖCKdKtc  T€  Kai  cTkoci  fttr  bcKÖiKtc  T€  Kai  elKOcdKic  n.  I  379, 
^zehnmal  und  zwanzig'  für  ^zehnmal  und  zwanzigmal',  damals  ver- 
glich ich  das  einigermaszen  ähnliche  £u)c  rerdprou  Kai  elKOCt  (Stra- 
bon  XV  s.  733)  für  ?u)c  leidprou  Kai  elKOCToO ;  aber  ganz  ebenso, 
wie  Homer  bcKttKic  T€  Kai  elKOct  fELr  bcKdKic  T€  Kai  clKOcdKic,  ebenso 
hat  Ooethe  Im  getreuen  Eckart  ^dreimal  und  vier'  fOr  ^dreimal  und 
viermal'  gebraucht: 

man  trinkt  in  die  mnde  schon  dreimal  nnd  vier, 
und  noch  nimt  der  krag  nicht  ein  ende. 

2.  Ö^Te'dbfiriTTiv  II.  Y  266  und  656. 

Zwei  merkwürdige  und  bei  einiger  Überlegung  unerklärliche 
stellen  sind  II.  Y  266  f.  tiJi  beurdpi})  Ittttov  ?0iik€V,  S^tc'  db/yii^Tnv, 
ßp^qpoc  fmiovov  Ku^oucav ,  und  Y  664  f.  fmiovov  raXacpTÖv  äfijjv 
Katibr]C*  iv  dtwvi,  Ö^T€*  db^rjTTjv,  f{  t*  dXTicni  bafidcacGai.  in 
der  ersten  stelle  wird  eine  stute  als  preis  gestellt,  die  ein  maultier- 
junges trägt ;  in  der  zweiten  ein  arbeit  ertragendes  maultier,  welches 
am  schwersten  zu  zähmen :  und  dabei  heiszt  das  eine  wie  das  andere 
tier  sechsjährig  und  ungezähmt. 

Hier  sehen  wir  lauter  Widersprüche,  wenn  ein  solches  tier  mit 
sechs  Jahren  noch  nicht  gezähmt  war ,  wann  sollte  es  dann  wohl  ge- 
zähmt werden?  ein  ungezähmtes  rind  wird  gewöhnlich,  wie  K  292, 
als  ein  jähriges  (fivtc)  bezeichnet,  sodann  kann  ungezähmt  weder 
eine  stute  welche  tragend  ist  genannt  werden,  noch  ein  maultier 
welches  die  arbeit  erträgt:  ein  ungezähmtes  rind  wird  K  293  als 
ein  solches  bezeichnet,  welches  noch  kein  mann  unter  das  joch  führte 
(fjv  oö  TTUJ  önd  Ivföv  fixöTCV  dv/jp).  endlich  wird  zwar  der  wert 
der  stute  erhöht,  wenn  sie  sich  als  brauchbar  zur  aufzucht  bewährt; 
aber  gewis  nicht  der  wert  des  ungezähmten  maultieres ,  wenn  her- 
vorgehoben wird  dasz  es  am  schwersten  zu  zähmen  sei. 

Dagegen  erscheint  sofort  alles  passend  und  zusammenstimmend^ 
wenn  sowohl  die  sechsjährige  stute  als  auch  das  sechsjährige  maul- 
tier gezähmt  ist:  und  dies  ist  der  fall,  sobald  wir  in  beiden  stellen 
lesen:  dSdrea  b^1lTt)v  usw. 

EÖMIOSBERO  IN  DER  NSUMARK.  CaRL  NaUOK. 


EJNeumann :  zur  landeskunde  und  gescbicbte  Eilikiena.       527 

82. 
ZUR  LANDESKUNDE  UND  GESCHICHTE  KILIKIENS. 

MIT  BEITRÄGEN  ZUR  KRITIK   DER  GESOHIOHTSOHREIBER  ALEZANDERS. 


I.    DIE  WESTGKENZE  KILIKIENS. 

Wer  die  angaben  der  alten  geographen  über  die  einteiluqg 
Eleinasiens  in  ibrer  Vollständigkeit  überblickt ,  fühlt  sieb  zanftcbst 
in  einem  labjrrintb  abweichendster  anslcbten  gefangen,  über  die 
ausdebnung  und  die  grenzen  der  einzelnen  landscbaften  finden  sich 
die  verschiedensten  nachrichten,  die  auch  der  kühnste  harmonist  zu 
widerspruchsloser  einheit  zusammenzufassen  nicht  vermöchte,  die 
Ursache  dieser  differenzen  in  Unwissenheit  oder  Sorglosigkeit  der 
berichterstatter  zu  suchen  verbietet  sich  wenigstens  bei  einer  reihe 
gewissenhafter  und  gut  unterrichteter  Schriftsteller  von  selbst,  bei 
den  griechischen  geographen  fast  durchweg,  es  musz  vielmehr 
die  einsieht  platz  gewinnen,  dasz  die  ansetzung  der  grenzen  von  ver- 
schiedenen gesichtspunkten  ausgehen  konnte  und  dann  natürlich  zu 
abweichenden  resultaten  führen  muste.  es  ist  notwendig  bei  jeder 
einzelnen  grenzbestimmung  nach  diesem  leitenden  geslchtsponkte 
zu  fragen. 

Das  natürlichste  und  nächstliegende  war  es  unter  allen  um* 
ständen,  diese  grenzen  nach  der  ausdebnung  der  Wohnsitze  der  ein- 
2elnen  Völker  oder  stamme  zu  bezeichnen.  *  und  besonders  muste 
diese  Scheidung  nach  ethnographischen  gesichtspunkten  sich  erleich- 
tem, wo  Stämme  von  scharf  ausgeprägter  individualität  sich  berührten, 
indessen  konnte  es  auch  an  Verhältnissen  nicht  fehlen,  welche  sich 
wohl  im  wesentlichen  mit  den  ethnographischen  deckten ,  aber  in 
bestimmten  einzelheiten  von  ihnen  unterschieden  waren,  hier  kom- 
men die  natürliche  beschaffenheit  des  landes  und  die  politischen 
Verhältnisse  in  betracht.  es  lag  nahe  den  höhenzug  eines  mächtigen 
gebirges  als  grenzscheide  anzusehen,  auch  wenn  die  Wohnsitze  des 
Volkes  nicht  bis  an  den  kämm  hinanreichten ,  oder  auch  wenn  sie 
stellenweise  sich  noch  über  denselben  hinauserstreckten,  und  war 
durch  eroberung  eines  fremden  Volkes  von  der  groszen  masse  des 
Stammes  ein  teil  politisch  losgelöst  worden,  so  ward  häufig  die 
Staatengrenze  entscheidend,  endlich  wirkte  in  dem  vielfach  ge- 
gliederten Organismus  eines  groszen  reiches  auch  die  administrative 
einteilung  bestimmend. 

Dem  gedanken  und  dem  ausdruck  eines  hervorragenden  geo» 
graphen  der  gegenwart  folgend  verstehen  wir  unter  ländem  die  gut 
individualisierten  teile  der  erde,  eine  gute  länderscheidung  aber 
läszt  sich  weder  durch  einseitige  berücksichtigung  der  ethnographi- 

*  Herod.  II  17  i^|ui€tc  hi  ÄÖ€  Kai  ir€pl  toötuiv  X^ojicv,  ATtvittov 
M^v  ndcav  cTvai  Ta&n]v  Tf|v  6ir  *  Altuitriuiv  oIkcdii^viiv,  kctÄ  ircp  KiXi- 
KiTjv  Tf|v  Ö1TÖ  KtXiKUiv  Kai  'Accupli^v  Tf|v  ött6  'Accupluiv. 


528       EJNeamaDn:  sur  landeskande  und  geschichte  Kilikiens. 

sehen  noch  der  physischen  oder  der  politischen  verhältniase  erreichen^ 
sondern  musz  allen  forderungen  thunlichst  gerecht  zu  werden  Sachen, 
ein  solches  wissenschaftliches  princip  der  Scheidung  findet  sieb  im 
altertum  nicht  eben  hftufig  durchgeführt,  es  musz  sogar  als  frsLglich 
gelten,  ob  der  gröste  geograph  der  Oriechen,  ob  Eratosthenes   von 
Eyrene  dieser  forderung  entsprochen  hat;  sein  geometrisches  princip 
der  teiluBg  ISszt  dies  nicht  als  wahrscheinlich  gelten,    es  scheint  in 
der  that,  dasz  Strabon  der  einzige  gewesen  ist,  der  einen  tiefen  ein- 
blick  in  diese  notwendigkeit  besessen  hat;  und  dies  verdienst  Tvird 
man  um  so  mehr  hervorzuheben  verpflichtet  sein ,  je  weniger  man 
die  groszen  schw&chen  seiner  forschung  auf  dem  gebiete  der  mathe- 
matischen geographie  verkennt,    die  meisten  geographen  scheinen 
sich  vielmehr  die  einteilung  nicht  eben  schwer  gemacht  zu  haben ; 
es  war  ihnen  entschieden  am  bequemsten  die  politischen  grenzen 
festzuhalten,    dies»  grenzen  aber  sind  die  zu  ihrer  zeit  zu  recht  be- 
stehenden, es  mttste  denn  sein  dasz  jemand  aus  Slterer  quelle  achtlos 
veraltetes  herübemimt  oder  aus  historischem  interesse  die  zustSnde 
vergangener  Zeiten  ttberliefert. 

Es  ist  die  absieht  der  folgenden  blätter,  auf  die  verschiedenen 
motive  hinzuweisen,  welche  die  angaben  der  alten  geographen  über 
die  westgrenze  Kilikiens  bestimmt  zu  haben  scheinen,  die  ergebnisse 
der  Untersuchung  werden  es  wahrscheinlich  machen ,  dasz  eine  ähn- 
liche betrachtung  auch  auf  andere  örtlichkeiten  angewendet  nicht 
ohne  neue  resultate  bleiben  werde. 

Der  einzige,  der  die  verschiedenen  angaben  der  alten  über  die 
westgrenze  Kilikiens  eingehender  behandelt  hat,  ist  Karl  Müller*; 
aber  über  eine  nicht  immer  richtige  feststellung  der  grenzen  nach 
den  Zeugnissen  ist  der  hochverdiente  herausgeber  der  griechischen 
geographen  nicht  hinausgegangen. 

Die  ftlteste  uns  erhaltene  nachricht  über  die  kilikische  west- 
grenze entstammt  der  mitte  des  vierten  vorchristlichen  jh.;  sie  findet 
sich  in  dem  periplus  des  sog.  Skjlax  von  Karyanda.'  nach 
Skylax  ist  Korakesion  die  letzte  Stadt  Pamphyliens;  östlich  von 

*  geogr.  gr.  min.  I  s.  CXXV  f.  76.  487.  in  Barkers  'Cilicia  and  ita 
governors'  (London  1863)  wäre  man  zwar  wohl  berechtigt  die  lösang 
dieser  aufgäbe  za  sacken,  findet  sie  aber  gleichwohl  nicht.  *  §  101  f. 
8.  76  f.  M.  Karl  MfiUeri  versach  die  grenzbestimmang  des  alten  Heka- 
taioB  aas  fr.  262  (Steph.  Byz.  u.  NdyiÖoc)  za  ermitteln  scheitert  daran, 
dasz  die  worte  aaf  die  es  ankommt  gar  nicht  dem  fragmente,  sondern 
dem  Stephanos  angehören,  and  auf  eine  so  unsichere  and  anwahr- 
scheinliche  vermatang,  wie  dasz  die  im  249n  fr.  za  Pamphylien  ge- 
rechnete Stadt  KOpßr)  mit  Kißupa  identisch  sei  (GOM.  I  491),  ist  doch 
wohl  auch  kaam  viel  za  geben,  da  also  aas  Hekataios  aaf  keinen 
fall  für  ansere  zwecke  etwas  za  gewinnen  ist,  so  erscheint  es  aach 
nicht  erforderlieh,  aaf  die  ganz  neuerdings  wieder  vorgebrachten  ein- 
würfe gegen  die  echtheit  der  Hekatäischen  periegese  an  dieser  stelle 
einsagehen.  genauere  Untersuchung  wird  noch  lehren,  das«  Herodotos 
jeben  in  der  that  und  in  noch  weit  gröszerm  umfange  als  man  in  der 
Tegel  annimt  die  Schriften  des  Milesiers  benutzt  hat. 


EJNeamann:  zur  landeekunde  nnd  geschiebte  Eilikiens.       529 

Korakesion  beginnt  Kilikien.  die  erste  stadt  Kilikiens ,  die  Skylax 
nennt,  ist  Selinus.  in  späterer  zeit  aber  bat  sich  Kilikien  etwas  nach 
Westen  ausgedehnt/  S traben  läszt  diese  landschaft  schon  mit 
Korakesion  beginnen.  ^  ab  kilikische  stadt  gehört  Korakesion  zar 
zeit,  da  Diodotos  Tryphon  gegen  die  rechtmftszigen  herscher  Syriens 
kämpfte  (147 — 139  vor  Gh.),  zum  Seleukidenreiche/  es  wird  dies 
immer  so  gewesen  sein,  seitdem  PamphyHen  in  folge  des  Römer- 
kriegs Antiochos  des  gr.  dem  syrischen  reiche  verloren  gegangen 
war.  bei  Ptolemaios  kreuzen  sich  zwei  principien  der  abgrenzung. 
hauptsächlich  berücksichtigt  er  die  politische  einteilung  in  provinzen/ 
die  pro V in  z  Kilikien  beginnt  nach  ihm  östlich  von  Korakesion  und 
Syedra  mit  lotape  und  Selinus/  Korakesion  und  Syedra  gehören 
administrativ  noch  zu  Pamphylien';  und  dieselbe  grenze  hat  die 
pamphylische  eparchie  noch  zu  den  zeiten  Justinians,  wie  der  synek- 
demos  des  Hierokles  uns  lehrt.'®  neben  dieser  administrativen 
einteilung  aber  tritt  bei  Ptolemaios  eine  zweite  altlandschaftliche 
hervor,  und  so  kommt  es  dasz  derselbe  Korakesion  und  Syedra  aus- 
drücklich als  Städte  des  rauhen  Kilikien  bezeichnet",  obwohl  sie 
administrativ  mit  der  kilikischen  provinz  nicht  verbunden  sindJ* 
wenn  also  die  gegend  um  Korakesion  von  der  frühesten  zeit  bis  in 
die  späteste  immer  wieder  als  die  grenzscheide  hervortritt,  so  werden 
wir  wohl  zu  der  annähme  berechtigt  sein,  dasz  dies  die  ursprüng- 
liche und  natürliche  grenze  Kilikiens  gewesen  ist,  bis  zu  der  das 
Volk  der  Kiliken  seine  Wohnsitze  ausgedehnt  hat. 

Indessen  finden  sich  auch  grenzbestimmungen ,  welche  zu  der 
eben  besprochenen  in  entschiedenen  gegensatz  treten,  aber  gerade 
hier  wird  es  von  wert  sein  die  gründe  der  Abweichung  zu  ermitteln« 

Nicht  Korakesion ,  sondern  der  erheblich  weiter  westlich  mün- 
dende flusz  Melas  erscheint  bei  drei  berichterstattem  aus  sehr  ver- 
schiedenen Zeiten  als  kilikisch-pamphylische  grenze,  zunächst  nennt 
Pliniusin  seiner  encyclopädie  diesen  flusz  als  alte  grenze  Kilikiens.'* 
und  dieselbe  grenze  statuiert  der  stadiasmus  maris  magni.'^  indessen 
hüte  man  sich  aus  der  angäbe  des  Plinius  weitgehende  folgerungen 
zu  ziehen,  die  beschreibung,  die  Plinius  von  Kilikien  entwirft'^,  ist, 
wie  die  mehr  als  Einmal  gestörte  reihenfolge  der  örtlichkeiten  deut- 
lich zeigt,  mindestens  zwei  quellen  entnommen,  deren  angaben  der 

^  ganz  abzusehen  ist  von  Livius  XXXIII  20,  der  die  Ijkischen 
Chelidonien  kilikisch  nennt:  legatos  ad  regem  naserunty  ne  Chelidonias  — 
promuniurium  (!)  CUiciae  est  —  superarei,  hier  darf  man  allerdings  nicht 
Ciliciae  in  Lyciae  corrigieren,  da  bald  darauf  folgt  superato  Anemurio  — 
promuniurium  id  quoque  CUiciae  est,  aber  die  quelle  des  Livius  bot 
gewis  das  richtige.         ^  XIY  4,  2  C  667.  6,  2  C  66a         ^  Strabon  ao. 

7  II  1,  7  s.  73  (Müller)  ötaKptvoO|uiev  bi  Kai  rd  TOiaOTa  jn^r)  rate 
TUiv  caTfMXTTCiuiv  fj  ^iTCipxuXfv  iicpiTpaqxitc.  •  V  7  8.  343,  8  ff.  (Wil- 

berg).        »  V  6  8.  321,  24  f.  W.         <»  s.  682,  8  f.  Wess.  s.  29  f.  Parthey. 

11  später  werden  wir  sehen  dasz  Ptolemaios  die  landschaft  Kili- 
kien sich  noch  weiter  nach  westen  erstrecken  läszt.  i*  Y  6  s.  331, 
23  W.  <'  n.  h.  y  98  finisque  aniiquus  Ciliciae  Melas  amnis,  ^*  §  213. 
214  (GGM.  I  488).        "  n.  Ä.  V  91—93. 


530       EJNeumanQ :  zur  landeskunde  und  gescbichte  Kilikiens. 

gelehrte  wirrkopf  auch  nur  einigermaszen  richtig  zu  ordnen  nicht 
vermochte,  wenn  er  daher  den  Melasflusz  als  finis  anHquiu  OiUciae 
bezeichnet,  so  hat  das  weiter  nichts  zu  besagen  als  dasz  die  filtere 
oder  älteste  seiner  qaellen  diese  grenzbestimmung  bot.  es  wftre 
nicht  onmögliöh,  dasz  in  derselben  die  politische  grenze  ihrer  zeit 
angegeben  ist;  indessen  ist  zuvor  noch  eine  scheinbar  verschiedNie 
erklfirung  zu  berücksichtigen,  die  unbestritten  pamphylische  Stadt 
Side  liegt  in  groszer  ntthe  der  Melasmflndung  '*,  nur  wenig  westlich 
von  derselben. "  der  kttstenstrich  aber  wesüich  von  Side  und  dem 
Melasfiusz  bis  nach  Korakesion  war  von  den  Kleinkibjraten  beaetit^'* 
die  bewohner  dieser  stadt  Kibjra  59  Stadien  Ostlidi  von  der  mfln- 
düng  des  Melas**  stehen,  wie  ihr  name  zeigt,  ofiFenbar  in  verbindmig 
mit  den  Kibjraten  in  der  Eabalis,  sie  sind  weder  Pamphylier  nooh 
Kiliken.  liesz  man  aber  trotzdem  Pamphylien  und  Kilikien  unmittel- 
bar an  einander  stoszen,  so  konnte  man  die  kttste  der  Kleinkibjmten 
zu  der  einen  oder  der  andern  landschaft  rechnen,  das  eine  war  an 
sich  nicht  richtiger  als  das  andere,  den  ausschlag  konnten  nur  die 
politischen  Verhältnisse  geben.  Skylaz'^  rechnet  Eibyra  noeh  in 
Pamphylien,  fügt  es  aber  wie  einen  uihang  bei'^;  östlich  davon  Uait 
er  Kilikien  beginnen ,  wahrscheinlich  weil  die  Eibyratis  nieht  aMhr 
zur  satrapie  Eilikien  gehörte,  eine  Vereinigung  der  Eabyrmftig  mit 
Pamphylien  nehmen  natürlich  alle  an,  welche  Eorakesion  fttr  die 
westgrenze  Kilikiens  erklfiren,  aber  wenn  der  gowährsmawi  des 
Plinius  vielmehr  im  Melasfiusz  die  grenze  Pamphyliens  und  Kiii- 

1*  Paus.  VIII  28,  8  M^avoc  toO  irapd  Ciöiiv  tOiv  TTaiupOXuiv. 
ZoBimos  y  16  s.  267,  6  Bk.  ToO  M^Xavoc  iroraiioO  Kai  toO  €öpu|UoovToc, 
Ujv  6  11^  £irdK€tva  ötaßaivei  Tf)c  Ciönc,  6  bi  iropappct  tQ  'A€irivb«|i. 

^^  der  die  südküste  Kleinasiens  in  der  ricbtang  von  ost  aaeh  west 
verfolgende  stadiasmng  m.  m.  214  gibt  an:  dirö  ToO  M^Xavoc  irora- 
^oO  elc  Cibr\v  CTdöiot  v'.  der  Melas  ist  bekanntlich  der  heutige  Manaw- 
gat  Tschai,  und  genau  50  Stadien  westlich  von  seiner  mündang  liegen 
die  minen  von  Side,  von  der  'Unwissenheit  der  heutigen  Türkoi,  die 
gegen  selten  und  orte  ganz  gleichgiltig  bleiben',  Eski  Adalia  dh.  AU- 
Adalia  genannt:  s.  Karl  Ritter  erdkunde  XIX  s.  599—606.  ^^  8trabea 
XIV  4,  2  C  667.  19  stad.  m.  m.  212.  213.  die  richtige  reihenibige 
von  west  nach  ost  ist  also  Side,  mündung  des  Melas,  Kibjrra.  Strabon 
XIV  4,  8  C  667  setzt  die  Kibjratenküste  fillschlich  in  dem  engen  räume 
zwischen  Side  und  dem  Melas,  also  westlich  von  dessen  mündung  aa. 
wahrscheinlich  benutzte  er  einen  periplus,  der  die  richtung  von  osten 
nach  Westen  einhielt,  da  er  selbst  aber  in  der  beschreibung  der  afid- 
kiiste  Kleinasiens  der  entgegengesetzten  richtung  folgte,  so  moste  er 
die  reibenfolge  umkehren,  in  welcher  seine  quelle  die  einzelnen  ertHeh- 
keiten  nannte;  an  unserer  stelle  aber  scheint  er  dies  aus  versehen 
unterlassen  zu  haben.  Niese  (rhein.  mus.  XXXII  [1877]  s.  801)  halt  in 
dieser  partie  die  benutiung  Artemidors  durch  Strabon  nicht  für  wahr- 
scheinlieh,  weil  Artemidor  die  südküste  Kleinasiens  von  ost  nach  west 
beschrieben  habe,  die  vorausgegangene  bemerknng  aber  IKszt  naa 
gerade  fragen,  ob  nicht  eben  dies  die  richtung  war,  der  die  qoelle 
Strabons  folgte.  s®  §  101.  '<  nachdem  er  in  üblicher  weise   den 

schlusz  der  Tandschaftsbeschreibung  mit  den  werten  iropdirXouc  TTc^i- 
<puX{ac  dir6  TT^pTnc  fiixicx)  i\^ipac  angezeigt,  fügt  er  noch  hinzu:  ckl 
bi  Kai  dXXat  uöXetc  TTa|uiq>uX(ac,  Kißupa,  elra  KopaKf|ctov. 


KJNöumann:  zur  landeskunde  und  geschichte  Eilikiens.       531 

kiens  erkannte,  so  war  er  abweichender  ansieht  und  schlug  die  Kiby- 
ratis  eben  zu  Eilikien,  vielleicht  ebenfalls  durch  die  politischen  Ver- 
hältnisse seiner  zeit  dazu  veranlaszt.  ebenso  setzte  Ptolemaios 
die  grenze  an,  wenn  er  in  der  landschaftlichen  einteilung  Eibjra 
als  Stadt  des  rauhen  Eilikien  bezeichnet.'*  was  in  ftUherer  zeit  ein- 
mal eine  politische  bedeutung  hatte ,  ist  jetzt  in  historischem  sinne 
landschaft;  wozu  die  parallelen  aus  unseren  Verhältnissen  sich  einem 
jeden  auf  den  ersten  blick  darbieten,  ähnlich  wie  Plinius  und  Ptole- 
maios ist  die  angäbe  des  stadiasmus  maris  magni  aufzufassen, 
der  seine  beschreibung  Eleinasiens  aus  alter  quelle  geschöpft  haf 
und  an  unserer  stelle  vergangenes  als  gegenwärtig  hinstellt. 

Eine  andere  ansetzung  der  grenze  wird,  wie  ich  glaube,  die 
beantwortung  der  frage  nach  der  ursprünglichen  ausdehnung  der 
römischen  provinz  Kilikien  gestatten,  dasz  nicht  erst  P.  Servilius 
Vatia  im  j.  78  vor  Ch.  diese  provinz  eingerichtet  hat,  hat  bereits 
Sigonius  mit  scharfem  blick  erkannt  und  mit  ausreichenden  gründen 
erwiesen.*^  indessen  ist  erst  Mommsen  zu  der  lange  zurückgedrängten 
ansieht  des  Sigonius  zurückgekehrt*^,  und  Friedrich  Junge  hat  den 
nachweis  in  ausfElhrlichkeit  geboten.  **  wir  finden  nemlich  schon 
vor  den  zelten  des  Servilius  Statthalter  von  Eilikien  erwähnt,  im 
j.  92  Sulla,  89—88  Q.  Oppius,  80—79  Cn.  Cornelius  Dolabella. 
demnach  musz  bereits  im  j.  103  vor  Ch.  M.  Antonius  bei  seinem 
kriege  gegen  die  kilikischen  piraten  die  provinz  eingerichtet  haben. 
Pamphylien,  Qroszphrygien  und  Pisidien  wirkten  mit  zur  gründung 
dieser  administrativen  einheit.'^  von  Eilikien  hat  wenigstens  Dola- 
bella sicher  einen  teil  besessen*^;  und  da  die  Überlieferung  weder 
von  ihm  noch  von  Oppius  oder  Sulla  eine  eroberung  kilikischen 
gebietes  zu  berichten  weisz,  so  musz  bereits  Antonius  einen  teil 
dieser  landschaft  erobert  haben.**  auch  weist  Mommsen  mit  recht 
darauf  hin ,  dasz  die  Römer  damals  mindestens  einige  küstenpunkte 
des  rauhen  Eilikien  besetzt  haben  müssen,  da  man  nur  bei  einer 
solchen  besetzung  der  küsten  dem  seeraub  steuern  zu  können  hoffen 
durfte,  das  östliche,  ebene  Eilikien  kam  erst  unter  Pompejus  unter 
die  herschaft  der  Römer,  bis  dahin  kann  dieselbe  nur  auf  dem  boden 
der  Tracheiotis  bestanden  haben ;  aber  es  ist  immer  noch  nicht  fest- 
gestellt, wie  weit  sie  sich  hier  erstreckte. 


«  y  5  8.  383,  9  (Wilberg).  hier  ist  Kibyra  allerdingr«  unter  die 
binnenstädte  des  rauhen  Kilikien  geraten,  aber  dasz  in  der  that  die 
küstetistadt  gemeint  ist,  lehrt  die  vergleichung  ihrer  Ortsbestimmung 
mit  der  von  Side  und  Korakesion  (s.  831,  22  und  24).  vgl.  Müller 
06M.  I  s.  76.  »  Müller  QGM.  I  8.  CXXIV  ff.  *«  de  antiquo  iura 
provinciarum  1  11  (opera  V  s.  517  ff.  Mediolani  1786).         *»  RG.  W  183. 

36  f^e  Ciliciae  Romanorum  provinciae  origine   ac  primordiis'  (Halle 
1869).        ^  Junge  ao.  s.  22  ff.    Marquardt  röm.  staatsverw.  I'  381. 
*^  dies  schliesEt  Junge  ao.  s.  24  f.  mit  vollem  recht  aus  Cic.  in  Caec.  di0, 
2,  6.    da  hier  Pamphjlien  neben  Kilikien  genannt  wird,  so  kann  Kili- 
kien hier  nicht  die  provinz,  sondern  nur  die  landschaft  bezeichnen. 
^  Junge  ao.  s.  21. 


532       EJNeumann:  zur  landesknnde  und  geschichte  Eilikiens. 

Dasz  vor  Pompejus  der  römische  besitz  an  kilikischeiii  boden 
noch  nicht  sehr  ausgedehnt  gewesen  ist  und  dasz  derselbe  gegen- 
über den  anderen  bestandteilen  der  provinz  noch  zurücktrat,  erkennt 
man  auch  daraus ,  dasz  gelegentlich  die  provinz  als  Pamphylien  be- 
zeichnet ward.'^  und  doch  tmg  sie  den  namen  von  Eilikien,  wofür 
belege  zu  häufen  überflüssig  ist. 

Wenn  mich  nun  nicht  alles  teuscht,  lehrt  uns  die  grenzbestim- 
mung  eines  griechischen  geographen,  nach  deren  gn^xmde  man  bisher 
noch  nicht  gefragt  hat,  die  ursprüngliche  beschrftnkung  des  römischen 
besitzes  genau  erkennen.  Strabon  sagt  uns,  dasz  Artemidoros 
und  mit  ihm  noch  andere  Eilikien  erst  mit  Eelenderis  beginnen 
lieszen;  was  westlich  davon  lag,  begriffen  sie  nicht  unter  diesem 
namen."  vergebens  sucht  man  nach  einer  andern  als  einer  poli- 
tischen begründung  dieser  grenzbestimmung.  die  scheide  zwischen 
dem  rauhen  und  dem  ebenen  Eilikien  bildet  erst  der  Lamosflnss, 
und  diese  grenze  ist  geographisch  wohl  bedingt.'*  dagegen  trigt 
die  gegend  von  Eelenderis  durchaus  den  Charakter  der  Tracheiotis. 
und  ebenso  wenig  wie  die  natürliche  beschaffenheit  können  altland- 
schaftliche Verhältnisse  bestimmend  gewirkt  haben,  denn  Eelenderia 
ist  weder  anfangs-  noch  endpunkt  der  kilikischen  landschaft  Eetis, 
sondern  liegt  mitten  in  derselben. "  es  bleibt  also  nichts  anderes 
übrig  als  an  politische  Verhältnisse  zu  denken,  da  kann  es  aber  kein 
Zufall  sein,  dasz  die  blute  des  Artemidoros  von  Ephesos  in  die 
169e  Olympiade  oder  die  jähre  104 — 101  vor  Ch.  fällt *^,  und  dasz 
im  j.  103  Antonius  die  küikische  provinz  begründet  es  ist  gewig 
kein  allzu  kühner  schlusz,  dasz  die  besetzung  der  kilikischen  kü3te 
durch  die  Römer  sich  damals  eben  bis  Eelenderis  erstreckte,  dieser 
Stadt  indessen  hatten  sie  sich  noch  nicht  bemeistert,  und  bei  der 
hohen  bedeutimg  ihrer  läge  und  ihres  hafens*^  ist  dies  wohl  be- 
achtenswert. 

Wir  sehen ,  es  ist  in  der  that  erst  ein  kleines  stück  der  kOi- 
kischen  küste,  nur  die  westhälfte  der  Tracheiotis,  die  anfangs  in  der 
gewalt  der  Römer  sich  befindet;  der  gröste  teil  kilikischen  landes 
war  noch  nicht  in  ihren  bänden,   es  ist  daher  sehr  wohl  begreiflich, 


^  Oppius  wird  von  Athenaios  V  60  8.  213*  CTpaniT^c  TTaMqniXiac 
genannt,  die  provinx  dei  Dolabella  nennt  Cicero  bald  CiUda  (in  Ferrem 
1 17,  44),  bald  Pamphylia  (aei.  1 1,  2.  4, 11.  acc.  I  22,  CM).  37,  93.  III  8,  6). 
an  allen  diesen  orten  seigt  die  xoBammenstellong  mit  Ana^  dais  Pam- 
phylia die  provinx  bexeicbnen  loll.  vgl.  Jnnge  ao.  8.  22.  Marqnardt  ao. 
I  *  380  f.  *i  Strabon  XIV  6,  3  C  670  ctra  TÖiroc  McXavia  xal  KcX^ 
bcpic,  iTÖXic  Xtfidva  €xouca*  rivk  6£  ToOniv  dpxi^v  riOcvrat  Tf)c  KiXif 
K{ac,  oC»  Tö  KopaKf|aov,  div  ^cn  xal  ö  'ApTC^(^lupoc.  "  KRitter  erd- 
künde  XIX  i.  348:  wirklich  endet  hier  die  fällige  kttste,  aaf  die  eia 
kiesufer  folgt.  **  Ptol.  V  7  ■.  343  W.  '•  llareiani  Her.  epit.  per. 
Men.  3  (GOM.  I  666)  'ApTCMibuipoc  b^  6  '€q>^cioc  T€urrpd<poc  kotA  tf^v 
^KatocTfiv  ^EaKOCTf|v  ^vvdrriv  6XuMind6a  T^ToviiK.  Bfarcian,  der  felbät 
einen  aossug  ani  Artemidor  gefertigt  hat  (4  i.  667),  wird  diese  notia 
eben  aus  Artemidor  selbit  haben.  Termotltch  gibt  da«  datam  genan 
die  abfasBungfseit  des  werkes  an.        ^  KRitter  ao.  ■.  361  ff. 


EJ Neumann:  zur  landeskunde  und  geschichte  Kilikiens.       533 

dasz^Artemidoros  bei  seiner  ansetzung  Kilikiens,  das  sich  ihm  mit 
Kelenderis  beginnend  nach  osten  hinzog,  von  dem  römisch  ge- 
wordenen gebiete  absah,  es  ist  dies  um  so  mehr  begreiflich ,  als  die 
Bömer  selbst,  wie  wir  vorhin  bemerkten,  die  neu  begründete  provinz 
Kilikien  auch  als  Pamphylien  bezeichneten.  Artemidoros  wird  ebenso, 
gehandelt  und  die  küste  westlich  von  Kelenderis  zu  Pamphylien  ge- 
rechnet haben. 

Denn  daran  kann  im  ernste  niemand  denken,  dasz  Kelenderis 
vielmehr  die  grenze  zwischen  dem  gebiet  der  Seeräuber  und  dem 
der  Seleukidenherschafti  bezeichnen  solle,  denn  staatsrechtlich  ge- 
hören auch  die  seerftuber  der  Tracheiotis  zum  Seleukidenreiche. 
und  auch  das  ist  nicht  zu  glauben,  dasz  Artemidoros  wenigstens  das 
factische  besitzverhältnis  in  seiner  grenzbestimmung  habe  consta- 
tieren  wollen,  einmal  ist  es  wenig  wahrscheinlich,  dasz  die  Seeräuber 
nur  diesen  kleinen  teil  des  westlichen  Kilikiens  besaszen;  wahrschein- 
lich dehnten  sie  ihre  macht  noch  viel  weiter  nach  osten  aus.  sodann 
aber  hatten  gerade  sie  so  recht  eigentlich  einen  anspruch  auf  den 
kilikischen  namen;  und  dasz  man  in  der  that  bei  der  nennung  der 
Kiliken  eben  zunächst  an  sie  gedacht  hat,  sehen  wir  noch  aus  Strabons 
äuszerung,  wenn  er  von  den  Armeniern  sagt,  dasz  sie  die  Seleukiden- 
herschaft  vernichteten,  das  meer  aber  den  Kiliken  überlieszen. ^ 
dagegen  ist  es  wohl  verständlich,  wenn  Artemidor  das  kleine  von 
den  Bömem  eroberte  gebiet  des  landes  nicht  mehr  zu  Kilikien 
rechnete. 

Junge  ^  hat  es  wahrscheinlich  gemacht,  dasz  P.  Servilius  Vatia 
von  Kilikien  nicht  mehr  als  Antonius  besessen  hat,  dasz  er  eben 
dieses  stück ,  nachdem  es  der  herschaft  der  Bömer  sich  entwunden, 
wieder  mit  ihrem  reiche  vereinigt  habe,  mit  dieser  ansieht  steht 
Strabons  äuszerung  im  einklang,  dasz  nicht  Artemidor  allein,  son- 
dern auch  noch  andere  Kelenderis  die  grenze  Kilikiens  bilden  lieszen."^ 
es  bezeichnete  eben  dieser  ort  für  längere  zeit  die  grenze  der  römi- 
schen herschaft,  nach  der  zeit  des  Servilius  scheinen  allerdings  die 
Seeräuber  sich  wieder  weiter  nach  westen  ausgedehnt  zu  haben, 
denn  als  Pompejus  gegen  sie  heransegelte,  empfiengen  sie  ihn  bei 
Korakesion  und  wurden  nach  verlorener  Seeschlacht  dort  belagert.  ^ 

Auch  die  grenzbestimmung  des  PomponiusMela  gestattet 
uns,  wie  ich  glaube,  einen  einblick  in  die  politischen  Verhältnisse 
seiner  zeit.  Mela  bezeichnet  das  Vorgebirge  Anemurium  als  die  west- 


•«  XIV  5,  2  C  669  Kai  toOc  ßaciX^ac  Kar^Xucav  elc  60va|iiv  kqI  t6 
Y^voc  aCrrdiv  cO|üiiTav,  Tf|v  bi  OdXaccav  toIc  KiXiEi  irap^bujKav.  "^  ao. 
B.  29—86.  ^  .  .  KeX^vbepic  ttöXic  Xifm^va  ^xo^ca.  tiv^c  bi  xaiixiiv 
dpxi^v  Tieevrai  rf^c  KiXixiac,  oö  tö  KopaK/|Ciov,  iDv  icvx  xal  ö  'ApTC- 
\iibiupoc,  mit  der  angäbe  des  Steph.  Bjz.  Ndti&oc  icöXic  |yi€TaSO  KiXi- 
Kiac  Kai  TTa^qpuXiac  ist  nicht  viel  anzufangen,  aas  welcher  quelle  sie 
auch  stammen  möge,  wenn  derselbe  autor  *lccöc  eine  iröXic  |ui€Ta£0 
Cupiac  Kai  KiXixiac  nennt,  so  sieht  man  dasz  er  nur  die  läge  in  der 
nähe  der  grenze  bezeichnet,  ohne  eine  genauere  bestimmung  zu  er- 
möglichen.       89  Flut.  Pomp.  28. 


534       KJNeomaiin:  rar  landeikiiiide  und  getddcBte  KflikiimB. 

gnaae  Kilikieiu^';  und  dasz  hier  weder  phyasehe  noch  etliBO^ira- 
ploBche  gesiditBiiiiiikte  maesgebend  sem  konnteD,  bedarf  kämm  der 
erwilmnng.  die  abfiueoiigBzeit  der  cborogTsphie  des  Mela  wird  be* 
kmBtlicb  dmch  den  binweis  auf  einen  gorade  damaJa  in  BritanniffW 
gefllbrien  kri^  der  Bfimer  und  den  in  aoaaicbt  atehenden  trion^ih 
dee  kaiaecB  beatimmt.''  ea  kann  bier  nnr  an  den  kzi^  des  dandiiis 
im  j.  43  nacb  CL,  dem  im  niebaten  jabre  ein  triumpb  folgte  ^,  oder 
an  den  zng  Caligulas  vom  j.  40  godacbt  werden.^    Galigiila  batte 
im  j.  37  dem  kOnig  Antioebos  IV  von  Kommagene  sein  TSfeeriiciies 
reicb  nnd  anazerdem  einen  teil  Kilikiena  verlieben.^    allerdings 
nahm  er  es  ibm  wieder;  aber  im  j.  41  erbielt  Anüochoa  seinen  beatts 
von  dandina  zurfiek*  imd  bebielt  ihn  mm  bis  com  j.  72/73,  deea 
Tierten  jähre  Vespasiana.^    dorcfa  Tacüns^  erfiduen  wir,  daaz  zn 
aeinem  gebiete  ancb  die  stadt  Anemmiom  gehOrtn.    es  liegt  nahe 
mit   dieser  angäbe   die  grenzbestimmong  lüelas  za  eombinieraa. 
offianbar  eratreekte  das  gebiet,  das  Gains  dem  Antioebos  Terlieben 
and  das  Clandins  ibm  zarttckg^geben,  sich  in  Kilikien  gerade  bis 
Anemnrinm  und  reichte  nicht  über  diea  voigebirgB  binana  nach 
Westen,   dagegen  möchte  ich  ans  Mela  nidit  mit  gleicher  bestimmt- 
heit  scblieszen,  dasz  die  strecke  zwischen  Anemoriom  und  Eora- 
kesion  damals  administmtiy  za  Pampbylien  gehörte. 

Denn  PI  in  ins  Iftset  ebenfalls  Ei^kien  ni(M  über  Anemoriom 
binaosreichen,  fdgt  aber  zogleich  den  tadel  bei,  dasz  seine  yerginger 
insgesamt  Pampbylien  gleich  an  E[ilikien  stoszen  lieszen ,  ebne  mi 
beachten  dasz  dazwischen  Isaorer  wohnten,  die  bei  Anemoriom  daa 
meer  berührten.  ^^  es  moste  dies  also  mindestens  schon  seit  einiger 
zeit  der  fall  aein:  denn  aof  gnmd  einer  erst  ganz  kürzlich  ein* 
getretenen  Veränderung  hfttte  Plinios  seinen  tadel  doch  nieht  aos- 
sprechen  können,  dasz  gerade  Anemoriom  erwShnt  ist,  zeigt  ons 
dasz  aoeh  Mar  politiBche  Verhältnisse  berücksichtigt  sind,  indessen 
mosz  es  fragltdi  bleiben,  ob  damals  diese  Isaorer  in  der  westlichen 
Tgaoheiotia  ih»  Freiheit  behaopteten ,  oder  ob  sie  mit  dem  isasri- 
sflben  haoptlande  vereinigt  waren  ond  also  zur  galatischen  provina 
gehörton.  jedenMls  ist  es  von  interesse,  schon  zor  seit  des  Plinies 
Isaorem  in  der  TraeheiotiB  zo  begegnen,  welche  spftter  ja  von  diesem 
veUnstamm  ihren  namen  entlebnen  sollte,   die  widmong  der  ttohi- 


^  I  18,  77  quod  CiUeiam  a  PumphyHa  dUtinguü  AnemuHum.  <>  III 
6,  49.  **  Bnrsian  in  diesen  jahrb.  1869  8.  630.  ^>  Frick  im  Philo- 
Item  XXXin  8.  742.  die  erste  möglidikeit  hält  Frick  für  onwahr- 
sofceialioh,  weil  Mela  die  einteilang  Bfanretaniens  ui  die  Caesarientis 
und  die  TingiUna  noch  nicht  kennt,  über  Oebmicheni  behanptnng, 
das«  'Mala  «nttr  Angnstos  geschsleben  habe,  ist  nach  den  bemerkoogen 
iUoks  (in  Bossiaiis  jafavesber.  1880  III  «.  668  L)  kein  wovt  mehr  an 
vertieren.  ^  Dien  LIX  8  ö  T^p  *Am6x<|i  tc  Tifi  *Awid)(ev  t^  Kofi- 
Mcrtqvifiv,  f^v  6  icoTf)p  a^oO  Ccxe,  wil  npockn  koI  t&  irapo<kiXdccta 
Tlk  KiXtKiac  bo6c  nsw.  «&  Dion  LX  8.  ^  leaephos  jüd.  krieg 
VU  7,  1.  "  ab  exe.  XU  66:  berioht  ttber  den  krieg  der  Clitae  vem 
j.  62  nach  Ch.        *^  n.  h.  Y  94. 


EJNeumann:  zur  landeskunde  und  geschichte  Kilikiens.       585 

ralis  historia  an  Titus  ist  bekanntlich  im  j.  77  abgefaszt;  aber  da- 
mit ist  natürlich  nicht  erwiesen,  dasz  nicht  unsere  im  5n  buch 
stehende  stelle  schon  erheblich  früher  geschrieben  sei.  es  mnsz  da- 
her unentschieden  bleiben,  ob  Anemurium  nach  Plinius  noch  die 
westgrenze  des  kommagenischen  reiches  bezeichnen  soll ,  ober  ob 
seine  angäbe  schon  auf  die  zeiten  der  directen  römischen  herschaft 
hinweist. 

II.   DIE  KILIKISCH-SYRI8CHEN  PÄSSE. 

Über  den  passweg,  der  das  ebene  Kilikien  mit  dem  Südwesten 
Eappadokiens  verbindet,  ist  man  vollkommen  unterrichtet:  es  sind 
dies  jene  'kilikischen  pforten',  durch  die  Alexander  der  gr.,  durch 
die  schon  früher  das  beer  des  jungem  Kyros  in  Kilikien  eingedrungen 
ist.  diesen  heute  Gülek-Boghas  genannten  pass  benutzte  auch  jene 
grosze  Verkehrs-  und  handelsstrasze ,  die  von  Ephesos  ausgieng  und 
über  Apameia  Kibotos  nach  den  östlichen  landschaften  Eleinasiens 
und  nach  Syrien  führte. 

Viel  schwieriger  ist  die  bestimmung  jener  pfisse  an  der  ost- 
grenze Eilikiens,  welche  den  verkehr  mit  Syrien  ermöglichten,  es 
sind  hier  deren  mehrere,  die  von  den  alten  bald  ebenfalls  als  kili- 
kisehe,  bald  als  amanische  und  syrische  pforten  bezeichnet  werden, 
diese  örtlichkeiten  eines  bodcns  von  hoher  geschichtlicher  bedeutung 
zu  bestimmen  haben  geographen  und  historiker  sich  bemüht,  die 
ergebnisse  der  reisenden  zeigen  deutlich,  was  für  passe  in  jener 
gegend  überhaupt  vorhanden  sind;  hierfür  vereinigt  das  gesamte 
material  die  gelehrte  und  umsichtige  bearbeitung  Karl  Bitters.  ^' 
von  Bitter  selbst  und  seinen  vorgftngem^^  sind  auch  die  classiker 
zum  teil  herangezogen  worden,  aber  wenn  hier  auch  bereits  wert- 
volle resultate  vorliegen,  so  fehlt  es  doch  immer  noch  an  einer  voll- 
ständigen und  übersichtlichen  Zusammenfassung  des  vorhandenen 
materials,  die  sich  bemühte  in  jedem  falle  festzustellen ,  welcher  be- 
stimmte pass  gemeint  ist.  im  folgenden  sei  nur  in  kürze  auf  die 
bereits  gesicherten  resultate  hingewiesen ,  während  einige  noch  gar 
nicht  oder  nicht  genügend  beantwortete  fragen  ausführlichere  be- 
handlung  finden  mdtgen. 


4»  erdkunde  XVII  2  (1856)  s.  1778  ff.  Kotschy  'reise  in  den  kili- 
kischen  Taurns  über  Tarsus'  (Gotha  1858)  bat  die  für  uns  in  betracht 
kommenden  gegenden  nicht  berührt;  und  Langlois  'voyage  dans  la 
Cilicie  «t  dans  les  mMitagnes  «tu  Tanrns  ex^cnt^  pendant  les  ann^es 
1.853—1853'  (Paris  1861)  bietet  wenigstens  nichts  neues.  ^  vor  allem 
von  Ainsworth  'notes  npon  the  comparative  geographj  of  the  Cilician 
and  ^rian  Mtes'  (the  j<»amal  of  the  royal  geographica!  socifity  of 
Londea.  Yllf  [1838]  s.  185—195  mit  guter  karte),  vgl.  denselben  bei 
Barkicr  'CiUeia  and  its  governors'  s.  21  f.  auf  vollständigster  kenatnis 
&^T  geographischen  litteratur  beruhen  die  aosetsungen  in  Kieperts  meialer- 
hufter  kartft  von  Kleinasien  (BerKn  1844).  dagegen  kommt  Kieperts 
kaufte  des  türkischen  reichs  in  Asien  (Berlin  18&3)  für  unsere  zwecke 
nieht  in  betracht  und  ebensowenig  seine  'carte  de  TAsie  mineore' 
(ergänsungsheft  nr.  20  zn  Petermanns  geogr.  mitt.    Gotha  1867). 


536       KJNeamaim;  zur  landesknnde  und  geschichte  Kilikiens, 

Aaszugehen  ist  von  jenen  angaben  der  alten ,  welche  dorch  ^e* 
nane  ortsbestimninng  zu  völlig  sicheren  resultaten  führen,  es  ist 
dies  der  bericht  des  Xenophon  über  den  'zog  des  jflngem  Ettos 
und  anszerdem  die  geograpben.  erst  von  diesem  Standpunkt  ans 
gewinnt  man  einen  klaren  einblick  in  die  angaben  der  ttbrigen 
historiker ,  die  yon  zfigen  in  jenem  grenzgebiet  berichten,  bei  den 
geschichtschreibem  Alexanders  führt  die  geographische  frage  not* 
wendig  auf  das  gebiet  der  qnellenkritischen  antersachong. 

Nach  Xenophon"  legte  Ejros  die  15  parasangen  wegs  vom 
Pjramosflusse  bis  nach  Issoi,  der  letzten  stadt  Ejlikiens,  in  zwei 
tagemärschen  zurttck.    von  da  aus  gieng  es  in  6inem  tage  zu  den 
5  parasangen  weit  entfernten  kilikisch-syrischen  thoren.^'   es  war 
dies  ein  strandpass;  die  berge  traten  fast  bis  an  das  meer  hinan, 
und  der  Zwischenraum  bis  zum  meere  war  durch  zwei  schanzen  ge- 
sperrt,   diese  schanzen  waren  drei  Stadien  von  einander  entfernt, 
und  zwischen  ihnen  flosz  der  Korsos,    es  unterliegt  jetzt  keinem 
zweifei  mehr,  dasz  dieser  flusz  mit  dem  Merkes  Su  identisch  ist.  und 
noch  heute  erkennt  man  an  erhaltenen  trümmem  Verteidigungs- 
mittel des  altertums."    dann  gieng  es  nach  Myriandros  und  weiter 
nach  dem  Euphrat.    die  erwfthnung  von  Myriandros  zeigt  uns,  auf 
welchem  pass  das  beer  des  Eyros  den  Amanos  überstiegen  hat. 
diese  stadt  lag  südlich  vom  Korsos,  dem  Merkes  Su.    man  hat  also 
nicht  den  Übergang  benutzt,  der  den  Merkes  Su  aufwärts  begleitend 
über  das  gebirge  führt,    nicht  durch  den  Bagras  Beli  Boghas  ist 
Kyros  gezogen,  sondern  von  Myriandros  aus  südöstlich  über  den 
niedrigsten  und  bequemsten  Übergang  des  gebirges ,  der  noch  heute 
fast  allein  benutzt  wird,  und  über  den  die  groszen  straszen  von 
Aleppo  und  von  Antiochia  führen,    es  ist  dies  der  Beilanpass ,  der 
als  erste  Ortschaft  im  osten  des  gebirges  das  jetzt  verfallene"^  Bagras, 
das  Pagrai  des  altertums,  berührt." 

Yon  dem  unvermeidlichen  Übergang  über  diesen  zweiten  pass 
hat  Xenophon  nichts  erwähnt,  offenbar  weil  eine  Verteidigung  des- 
selben durch  die  feinde  überhaupt  nicht  zu  besorgen ,  und  weil  der 
pass  leicht  zu  übersteigen  war.  man  würde  sich  auch  gröblich  irren, 
wenn  man  diesen  Beilanpass  in  dem  berichte  Diodors  zu  finden 
meinte.  ^  allerdings  sind  die  ntiXai  Diodors  von  bergen  gebildet, 
sie  sind  kein  strandpass.    aber  wenn  Diodor  drei  Stadien  als  die 


^1  anab.  I  4.  »*  iirl  irOXac  rf\c  KiXixiac  xai  rffc  Cupiac. 
^  Aiosworth  'travels  in  the  track  of  tbe  ten  thonsand  Oreeks'  (London 
1844)  s.  58  f.  derselbe  JRGS.  VIU  (1838)  8.  186  f.  191.  Chesney  Hbe 
expedition  for  the  sunrey  of  the  rivers  Enphrates  and  Tigris'  (London 
1850)  II  211.  Gallier  'voyage  en  Orient'  im  Bulletin  de  la  sooi^t^  da 
g^ographie.  Ue  s^rie  tome  III  (Paris  1885)  s.  248  f.  Benneil  'Ulnstim- 
tions  of  tbe  history  of  the  expedition  of  Cynis'  (London  1816)  s.  50  ff. 

^  KNiebohrs  reiaeheschreitNing  III 18.  ^^  wenn  bei  Agathemeros 
IV  15  (GGM.  II  a.  475)  die  entfemnng  vom  Euphrat  bis  Myriandros 
angegeben  ist,  so  weist  aach  dies  aaf  eine  Strasse,  die  über  den  Beilan^ 
pass  zur  küste  führte.        ^  XIV  21,  8  f. 


KJNeamann:  zur  landeskunde  und  geschichte  Eilikiena.       537 

breite  angibt,  so  sieht  man  deutlich,  dasz  dies  dieselben  drei  Stadien 
sind,  die  nach  Xenophon  zwischen  den  beiden  schanzen  des  strand- 
passes liegen,  bei  Biodor  ist  weiter  nichts  als  eine  verballhomang 
des  ursprünglichen  berichts  za  finden ;  der  allerdings  seltener  vor- 
kommende strandpass  ist  zu  einem  gewöhnlichen  gebirgspfad  ge- 
worden. 

Diesen  vom  Merkes  Su  durchflossenen  strandpass  haben  wir 
auch  in  den  TiuXai  des  Artemidoros^^  wiederzuerkennen,  von  der 
mündung  des  Orontes  an  der  küste  nordwärts  segelnd  erreicht  man 
sie  nach  einer  fahrt  von  525  Stadien ;  und  diese  entfemungsangabe 
fuhrt  eben  auf  den  pass  des  Xenophon.  ganz  begreifliGh,  dasz  gerade 
dieser  pass  bei  seiner  läge  dicht  am  meere  berücksichtigung  im 
periplus  fand,  noch  heute  sieht  der  Schiffer  trümmer  einer  befesti- 
gung  etwas  südlich  von  der  stelle  wo  die  schanzen  Xenophons  ge- 
standenhaben, es  sind  dies  jene  eben  von  den  schiffem^  sogenannten 
Jonasseulen,  bei  denen  nach  der  Morgenländer  glauben  der  walfisch 
den  Propheten  ans  land  geworfen  hat  ^ 

Sehr  wertvoll  sind  die  angaben  des  stadiasmus  maris 
magni,  der  die  beschreibung  der  kleinasiatischen  südküste  be- 
kanntlich aus  guter  alter  quelle  geschöpft  hat.  er  erwähnt  kili- 
kische^  und  amanische'*  pforten.  bei  der  bestimmung  der 
kilikischen  pforten  können  wir  leider  von  seinen  entfernungs« 
angaben  keinen  gebrauch  machen,  da  die  zahlen  teilweise  unzweifel- 
haft verdorben  sind,  aber  die  reihenfolge  in  der  aufzählung  der  orte 
genügt  durchaus  zu  fester  bestimmung.  der  periplus  fahrt  uns  von 
Bhosos  über  Myriandros  und  "AXeSdvbpeia  kot"  "Iccöv  zu  den  kili- 
kischen pforten  und  von  dort  aus  über  das  lepöv  nach  Issos.  es 
bedarf  keiner  weitem  darlegung^  dasz  auch  hier  der  strandpass  des 
Merkes  Su  gemeint  ist.  über  Issos  hinausfahrend  gelangt  man  zu 
den  amanischen  pforten,  die  iv  toi  KCiXoTärtp  toC  köXitou 
liegen ;  und  weiter  zu  dem  dorf  Alai  und  der  stadt  Aigaiai.  auch 
diesen  pass  haben  die  bemühungen  der  reisenden  ermittelt :  es  ge- 
nügt auf  die  äuszerst  sorgfältigen  mitteilungen  von  Ainsworth^  zu 
verweisen,  der  pass  liegt  etwas  nördlich  von  den  Matakh  genannten 
ruinen.  er  hat  eine  breite  von  nur  500  englischen  fiisz;  halbwegs 
auf  ihm  steht  ein  groszer  bogen,  Eara  Eapu,  das  schwarze,  oder 
Demir  Eapu,  das  eiserne  thor  genannt,  danach  ist  er  auf  den  karten 
von  Ainsworth  und  Kiepert  eingezeichnet,  in  südwestlicher  richtung 
führt  der  weg  durch  diesen  pass  nach  Ajas,  dem  alten  Aigaiai. 
auch  die  entfemungsangaben  des  periplus  passen  zu  der  ansetzung 
beim  eisernen  thore:  denn  die  amanischen  pforten  sollen  150  Stadien 
von  Aigaiai  und  90  von  Issos  entfernt  sein. 


57  bei  Strabon  XIV  6,  3  C  670  M  bi  t6v  'Op6vTT]v  iroraMÄv  xiXio 
^KOTÖy  xpidKovra,  ini  bi  xdc  wiXac  &c,i\c  irevraxöaa  €Ikoci  ir^vre. 
'^  Ainsworth  JRGS.  1838  s.  186.    vgl.  travels  s.  59.  ^  Niebahr  ao. 

8.  101.  ^  KiXiKtai  irOXat  §  153  (GGM.  I  s.  476),  154  (s.  477),  213 

(8.  488).       ei  'A^aviKal  irOXai  156  f.  (s.  478  f.).       «'  JRGS.  1838  8. 189. 

Jahrbücher  fOr  eUss.  philol.  1883  hft.  8.  85 


538       EJNeumann :  zur  landeekunde  und  geBchicbte  Eilikiens. 

Sowohl  die  passe  des  Merkes  Su  und  des  eisernen  thores  als 
den  von  Beilan  finden  wir  bei  Ptolemaios.  auch  bei  ihm  be- 
zeichnen die'AjLiaviKalTTuXai*'  den pass des Demir Eapu.  Ptole- 
maios setzt  diese  pforten  etwas  nördlich  von  Issos  und  in  gleicher 
breite  mit  Aigai  an.^  sie  liegen  östlich^  von  Aigai**,  und  wenn 
sie,  der  Wirklichkeit  nicht  entsprechend,  auch  etwas  östlicher  als 
Issos  ^^  angesetzt  sind,  so  findet  dies  seine  erklämngin  dem  glauben 
der  alten,  dasz  dieser  pass  im  innersten  winkel  des  busens  liege.** 
einen  ganz  ähnlichen  irrtum  begieng  bekanntlich  das  altertum,  wenn 
es  bei  Bioskurias  den  winkel  des  Pontes  Euzeinos  ansetzte. 

Die  KiXiKiai  nuXai**  des  Ptolemaios  dürfen  wir  unbedenk- 
lich in  dem  strandpasse  des  Merkes  Su  wiedererkennen,  obwohl  sie 
nicht  nach  länge  und  breite  bestimmt  sind,  welch  andern  ort  könnte 
Ptolemaios  meinen,  wenn  er  sagt^^:  nach  Issos  und  den  kilikischen 
pforten  kommen  die  syrischen  städte  Alexandreia  bei  Issos,  Myrian- 
dros  und  BhososV  unter  den  syrischen  pforten  (COpiai  mjXat) *' 
dagegen  versteht  Ptolemaios  den  Beilanpass.  er  setst  denselben 
östlich  ^^  von  Alexandreia  und  Myriandros^',  und  westlich  von 
Pagrai  ^^  dem  heutigen  Bagras ,  an ,  das  von  der  Beilanstrasze  be* 
rührt  wird,  wenn  sie  dagegen  stldlich^  von  Pagrai**  liegen  sollen, 
so  bleibt  es  unentschieden,  ob  Pagrai  nur  von  den  abschreiben!  oder 
von  Ptolemaios  selbst  zu  weit  nördlich  angesetzt  ist.  die  breite  der 
syrischen  pforten  ist  im  Verhältnis  zu  Alexandreia^  und  Myriandros^ 
annähernd  richtig  angegeben. 

Jetzt  kann  auch  die  deutung  Strabons  keine  Schwierigkeit 
mehr  bieten,  in  der  küst^nbeschreibung  von  westen  nach  Osten  vor- 
schreitend nennt  er  die  amanischen  pforten  mit  ihrem  anker- 
platz  zwischen  Aigaiai  und  Issos.*'  er  meint  also  den  pass  des  eiser- 
nen thores.  die  erwähnung  des  Xenophontischen  Strand  passes 
hatte  er  bereits  früher  dem  Artemidoros  entlehnt**  und  nennt  ihn 
jetzt  aufs  neue  als  grenze  der  Kiliken  und  Syrer.**  endlich  finden 
wir  noch  einmal  amanische  pforten.^  diese  liegen  aber  bei 
Pagrai.  sie  sind  also  nicht  mit  den  früher  genannten  amanischen 
pforten,  dem  pass  des  Demir  Kapu,  sondern  mit  dem  Beilanpass 
identisch. 

Diesen  weg  über  den  Beilanpass  zeigt  uns  auch  das  itine- 
rarium    Antonini ^,  wenn  es  uns  die  entfernungen  zwischen 

"  V  7  8.  846,  7  und  343,  2  Wilb.  •«  So»  30'  nach  B  E  Pal.  1. 

breite  von  Issos  360  26'.  "  69«  80'.  ^  69«.  "  69«  20'. 

•-  stad  m.  m.  156  iv  T«p  KOiXordTifi  toO  köXttou.        •«  V  14  s.  368,  10  W. 

"^^  |üi€Td  tV|v  Mccöv  kqI  Tdc  KiXiKiac  iruXac  CupCac  *AX€Hdv6p€ia  i\ 
Kai*  Mccöv,  Mup(av6poc,  Twcöc        '«  V  14  s.  366.  20  W.        "  69»  lO'. 

7^  69«  30'.  '*  70".         "  3eo  15'.  7S  350  35'  77  350  iq'. 

«  35"  60'.  "  Strabon  XIV  5.  18  C  676.  «  XIV  6,  3  C  670. 

«1  XIV  6,  19  C  676.  der  ausdrack  TTOXai  XcTÖMCvai  läszt  keinen  tweifel 
an  der  Identität  mit  dem  von  Artemidoros  ohne  jeden  insats  TTOXai 
genannten   passe.  •*  XVI  2,  8  C  761.  "  145,  6—147,  1  Weis. 

s.  67  f.  Parthey. 


KJNeamann:  zar  landeskunde  und  gescbichte  Kilikiens.       539 

Aegaeae ,  Castabalum ,  Baiae,  Alexandria,  Pagrae  und  Antiochia  an- 
gibt, aucb  der  pilger  von  Bordeaux  ist  über  diesen  pass  ge- 
zogen.^ dagegen  führt  uns  eine  andere  angäbe  des  itinerarium 
Antonini ^  noch  über  eine  weitere  passage.  es  ist  der  weg,  der  von 
Nikopolis  über  Dolicha  und  Zeugma  am  Euphrat  nach  Edessa  führt. 
Nikopolis  lag  am  issischen  busen,  etwas  nördlich  von  Myriandros, 
Alexandreia^*  und  dem  strandpass  des  Merkes  Su,  etwas  südlicher 
als  Issos.  ^  der  weg,  der  von  Nikopolis  direct  über  das  gebirge  nach 
Syrien  führte,  kann  keinen  der  bisher  von  uns  genannten  passe  be- 
nutzt haben ;  man  kann  hier  nur,  wie  Ains worth  dies  bereits  getban  % 
an  den  pass  des  Pinaros,  des  heutigen  Deli  Tschai,  des  Hollen 
flusses' ,  denken ,  einen  pass  der  den  flusz  aufwärts  begleitend  über 
den  Amanos  führt,  die  Untersuchung  dieses  passes  verdankt  man 
dem  brittischen  viceconsul  zu  Suwaidiyah ,  Edward  B.  B.  Barker.  ^^ 

Endlich  sei  von  geographen  noch  der  ältere  P 1  i  n  i  u  s  erwähnt, 
wenn  dieser  in  seiner  beschreibung  von  Eilikien  in  allerdings  keines- 
wegs musterhafter  reihenfolge  Aegaeae ,  den  Pjramus ,  die  portae 
Ciliciae  und  Malios  nennt '^  so  kann  doch  kaum  ein  zweifei  sein, 
dasz  er  mit  den  kilikischen  pforten  den  pass  des  schwarzen  thores 
meint,  es  ist  möglich,  dasz  Plinius  denselben  pass  im  sinne  hat, 
wenn  er  den  dritten  parallelkreis  durch  die  kaspischen  pforten,  Issos 
und  die  kilikischen  pforten''  gehen  läszt.  wäre  man  hier  genauer 
Ortsbestimmung  sicher,  so  müste  man  allerdings  an  den  pass  des 
Pinaros  denken,  in  dessen  nähe  Issos  lag.  aber  eine  solche  genauig- 
keit  ist  bei  einer  ansetzung  nicht  zu  erwarten,  die  denselben  parallel 
durch  Eataonien  und  Kypros  gehen  läszt.. '' 

Nunmehr  wird  es  möglich  sein  über  die  noch  übrigen  berichte 
der  historiker  ein  sicheres  urteil  zu  gewinnen,  den  grösten  rühm 
verdankt  die  enge  strandebene  von  Issos  dem  siege  Alexanders 
überDareios.  eigentümlich  waren  die  Verhältnisse,  die  schliesz- 
lich  zu  dem  zusammentreffen  der  feindlichen  beere  auf  einem  boden 
führten,  der  zu  schlachten  so  wenig  wie  möglich  geeignet  war. 

Die  durch  Arrianos  repräsentierte  gruppe  der  zuverlässigen 
traditien  bietet  uns  folgenden  bericht.  während  Alexander  sich  in 
Tarsos  zu  einer  diversion  nach  Westkilikien  rüstet,  schickt  er  den 
Parmenion  voraus,  die  kilikischsyrischen  thore  zu  besetzen."  von 

^  itin.  Hierosolymitanum  681,  3  Wess.  b.  274  Parthey:  maruio  Pangrio9. 

85  190,  6  —  191,  5  Wess.  s.  86  Parthey.  "  ßtrabon  XIV  5,  19 

C  676.  "  stad.  m.  m.  162  -155  (GGM.  II  476—478).  die  ergänzung 
elc  ^NiKÖ^iToXiv  musz  als  evident  bezeichnet  werden,  gegenüber  den 
angaben  iStrabons  und  des  stadiasmus  kann  die  nördlichere  ansetzung 
des  Ptolemaios  V  7  s.  345,  5  W.  nicht  in  betracht  kommen,  über  die 
bei  Steph.  Byz.  befindliche  identificierung  mit  Issos  ist  längst  richtig 
gearteilt  worden.  ^8  jrqs.  1838  s.  194  f.  »'  Ainsworth  bei  William 
Burckhardt  Barker  'Cilicia  and  its  governors'  s.  22.  ^  n,  h,  Y  91. 

<»i  n.  A.  VI  214.  »*  noch  weniger  läszt  sich  über  n.  h.  V  99  sicher 
urteilen,  wo  kilikiscbe  pforten  ohne  jeden  zusatz,  der  eine  deutung  er- 
möglichte, erwähnt  werden.  ^^  Arr.  II  6,  1  lirl  täc  dXXac  müXac  (im 
gegensatz  zu  den  kappadokisch-kilikischen ,  dem  Gülek-Boghas) ,  dt  6f| 

35  • 


540       EJNeumann:  zur  landeskunde  und  geschichte  Eiükiens. 

Soloi  naeh  Tarsos  zurückgekehrt  sendet  er  den  Philotas  mit  der 
reiterei  durch  das  aleische  gefilde  zum  Pyramos ,  während  er  selbst 
über  Magarsos  nach  Mallos  zieht.'*  hier  erfährt  er,  dasz  Dareios  in 
Syrien  stehe,  kaum  zwei  tagemärsche  von  den  syrischen  pforten. 
am  nächsten  tage  bricht  er  auf,  am  zweiten  marschtage  geht  er 
durch  die  passe  und  lagert  bei  Myriandros.'^  inzwischen  war  anch 
Dareios,  in  dem  glauben,  Alexander  wage  es  nicht  zur  Schlacht  nach 
Syrien  vorzurücken,  durch  die  amanischen  thore  zu  der  schmalen 
strandebene  gelangt,  er  kam  Alexander  in  den  rücken«  er  besetzte 
Issos  und  zog  am  folgenden  tage  zum  Pinaros.  auf  die  sichere  künde 
hiervon  wendet  Alexander  um;  mit  einbrach  der  nacht  bricht  er  anf, 
um  mitternacht  besetzt  er  aufs  neue  den  pass ,  und  mit  beginn  der 
morgenröte  zieht  er  dem  Dareios  entgegen  nach  norden ,  znr  Unken 
das  meer,  zur  rechten  die  berge.  "^  so  treffen  denn  die  feindlichen 
beere  an  den  ufern  des  Pinaros,  des  Deli  Tschai,  aufeinander;  die 
Perser  auf  dem  rechten  (nördlichen)  ufer  des  flusses^  auf  dem  linken 
(südlichen)  Alexander:  gerade  umgekehrt  als  es  hätte  geschehen 
müssen,  wenn  nicht  Dareios  dem  Alexander  in  den  rücken  gekommen 
wäre. 

Ich  glaube,  wir  können  hier  mit  voller  bestimmtheit  erkennen, 
welche  passe  gemeint  sind,  die  unzweideutigste  angäbe  bietet  die 
nachricht,  dasz  Alexander,  mit  beginn  der  nacht  von  Myriandros 
aufbrechend ,  um  mitternacht  den  pass  erreichte,  es  kann  hier  also 
nur  der  strandpass  des  Merkes  Su  gemeint  sein,  unmöglich  der  des 
Demir  Eapu;  wozu  auch  stimmt,  dasz  erst  erheblich  später  der 
Pinaros  erreicht  wird,  und  sprechen  nicht  zwingende  gründe  da- 
gegen, so  müssen  wir  in  demselben  strandpass  die  thore  erkennen, 
welche  Alexander,  von  Mallos  aufgebrochen,  am  zweiten  tage  dnrdi* 
zog,  bevor  er  bei  Myriandros  anlangte,  allerdings  macht  einen  die 
bedeutende  cntfernung  von  Mallos  bis  zum  Merkes  Su  stutzig,  es 
ist  schon  einer  der  stärksten  märsche,  die  das  beer  des  Jüngern  Kyros 
machte,  wenn  es  die  15  parasangen  vom  Pyramos  nach  Issos  in  zwei 
tagen  zurücklegte. "  die  5  parasangen  zu  den  passen  des  Merkes  Sa 
legte  man  an  einem  dritten  marschtage,  die  weiteren  5  parasangen 
nach  Myriandros  an  einem  vierten  zurück,  nun  ist  der  ausgangs- 
punkt  des  Xenophontischen  marsches,  der  Pyramos,  mit  dem  Alexan- 
ders, der  Stadt  Mallos,  im  wesentlichen  identisch,  heutzutage  flieszt 
allerdings  der  Pyramos  erheblich  östlich  von  dem  Vorgebirge  Kara* 

öpdouci  Tf)v  KiX(ku)v  t€  Kai  *Accup(uiv  xdipav,  nach  der  glänKendea 
darlegung  von  Nöldeke  (Hermei  V  s.  448  ff.)  ist  ei  wohl  nicht  erst 
nütif!^  zu  bemerken,  dass  zwischen  'AccOpioc  and  Cupioc  ein  nnteriehied 
nicht  besteht. 

M  II  6,  8  f.  »*  II  6,  1.  2.  ••  U  7.  2.  8,  1  ff.  "  Xen.  anab. 
I  4,  1.  im  ganzen  ist  das  heer  des  Jüngern  Kyros  in  82  marsohtagsn 
607  parasangen  marschiert,  im  durchschnitt  also  etwa  6^/9  paratange 
täglich,  bei  uns  legen  infanteriedetachementa  an  einem  tage  gewöhn- 
lich 2  Vt~4,  nötigenfalls  6  meilen  zurück,  indessen  kommen  aaeh  ftXrkere 
gewaltmärsche  vor. 


KJNeumann:  zur  landeBkonde  und  geschichte  EilikieDB.       541 

tasch  BuruB  (schwärzliche  nase) ,  anf  dem  Mallos  lag.  aber  es  ist 
längst  erkannt  und  anerkannt,  dasz  der  Pyramos  seinen  unterlauf 
geändert  hat  und  früher  westlich  vom  Karatasch  Barun  ins  meer 
gemündet  ist.  '"^  wenn  indessen  auch  ungefähr  den  gleichen  ausgangs- 
punkt  verlassend ,  so  hätte  Alexander  doch  in  den  zwei  tagen  eine 
erheblich  grössere  strecke  zurücklegen  müssen  als  das  beer  des  Ejros. 
denn  dies  kam  in  zwei  märschen  bis  nach  Issos,  Alexander  aber 
hätte  noch  am  zweiten  marschtage  wenigstens  den  Merkes  Su  er- 
reicht, angesichts  dieser  Schwierigkeit  ist  man  versucht  an  den  pass 
des  Demir  E[apu  als  den  zu  denken,  den  nach  dem  berichte  Arrians** 
Alexander  vor  seiner  ankunft  bei  Myriandros  durchzogen,  gemeint 
hat  Arrian  keinen  andern  als  den  strandpass ;  aber  er  könnte  sich  ja 
geirrt  haben,  da  trifft  es  sich  nun  aber  glücklich ,  dasz  wir  wenig- 
stens in  ^inem  falle  wissen,  dasz  das  beer  des  Kjros  einen  ähnlichen 
gewaltmarsch  ausgeführt:  es  hat  die  30  parasangen  von  Keramon 
Agora  nach  Eaystru  Pedion  in  drei  tagen  zurückgelegt.  '^  wir  sind 
also  berechtigt  daran  festzuhalten,  dasz  die  assyrischen  thore  Arrians 
mit  dem  strandpasse  identisch  sind.  Alexander  hat  denselben  wenig- 
stens mit  der  spitze  des  heeres  noch  am  zweiten  tage  nach  dem  auf- 
brach von  Mallos  durchzogen  und  dann  zwischen  dem  Merkes  Sn 
und  Myriandros  das  lager  aufgeschlagen,  in  dem  er  am  nächsten 
tage  blieb. ''^^  denselben  pass  meint  Eallisthenes,  ein  teilnehmer 
am  zuge,  mit  seinen  kilikischen  thoren  und  seinem  engpass.  ^^  auch 
nach  ihm  ist  Alexander  auf  die  künde  von  der  ankun^  des  Dareios 
wieder  umgekehrt  und  durch  den  pass  zum  Pinaros  zurückgegangen.^^ 
endlich  sei  noch  darauf  hingewiesen ,  dasz  auch  die  thore  an  der 
grenze  Eilikiens  und  Syriens ,  die  Parmenion  auf  befehl  Alexanders 
vorausbesetzte ''^^  nichts  anderes  als  der  strandpass  sind.  Arrian 
identifidert  sie  entschieden  mit  dem  passe  von  Myriandros,  und  auch 
nur  dieser  konnte  als  grenze  bezeichnet  werden,  denn  er  war  es  in 
der  that  in  der  zeit  der  Achaimeniden,  wie  wir  aus  Xenophon  er- 
kennen, der  pass  des  eisernen  thores  aber  ist  eine  solche  grenze 
nicht,  natürlich  hat  sowohl  Parmenion  als  Alexander  auch  ihn  durch- 


^  vgl.  die  überzeugende  darlegang  KBitters  erdknnde  XIX  s.  116  ff. 
hinzu  füge  man  die  angäbe  des  stad.  m.  m.,  der,  die  richtung  von  ost 
nach  west  einhaltend,  erit  Mallos  erwähnt  und  dann  S  164  (GGM.  I  486) 
mitteilt:  iropd  t6  dKpmr/ipiov  iroTaiüiöc  kri  itXuitöc  5c  TTOpaibioc  koXcI- 
Tat.  auch  Kieperts  karte  von  Kleinasien  setzt  den  alten  lauf  des  Pyra- 
mos westlich  vom  Karatasch  Burun  ao.  *'  II  6,  8.  *^  Xen.  anab. 
I  2,  11.        ^^^  für  die  grosse  eile,  mit  der  Alexander  marschiert  ist, 

S rechen  auch  die  kranken,  die  er  in  Issos  zurücklassen  muste:  Arrian 
7,  1.    Curtius  III  8,  14  inoaUdiy  qui  agmen  non  poterant  persequi. 
io>  bei  Poljbios  XII  17.  19.  ><»  nach  Kall,  bei  Poljbios  XII  19  hat 

Alezander  im  süden  des  strandpasses  von  der  ankunft  des  Dareios  ge- 
hört, als  ihn  nur  noch  120  Stadien  vom  feindlichen  beere  trennten, 
etwas  abweichend  ist  die  schon  erwähnte  angäbe  Xenophons,  wonach 
zwischen  Issos  und  dem  strandpass  5  parasangen  liegen,  solche  diffe- 
renzen  sind  bei  bloszer  Schätzung  der  entfernungen  nach  der  zeit  des 
marsches  schwer  zu  vermeiden.        ^^*  Arr.  anab.  II  5j  1. 


542       KJNeumann:  zur  landeskunde  und  gescbichte  Eilikiens. 

ziehen  müssen,  um  zu  dem  Merkes  Su  zu  kommen,  indessen  ist  er 
bei  Arrian,  der  hier  dem  Ptolemaios  folgt  '^,  gar  nicht  erwähnt,  weil 
er  in  diesem  feldzug  gar  keine  bedeutong  hatte. 

Die  berichte  zweier  teilnehmer  an  dem  zage,  des  PtolemaioB 
und  des  Eallisthenes ,  in  den  erwähnten  angaben  übereinstimmend, 
lassen  uns  die  absiebten  Alexanders  deutlich  erkennen,  wohl  moste 
er  wünschen  in  der  engen  strandebene,  welche  der  entfaltung  der 
persischen  massen  keinen  räum  bot  nnd  deren  numerische  Überlegen- 
heit aufhob ,  die  schlacht  zu  liefern,  aber  er  konnte  nicht  erwarten, 
dasz  Dareios  so  völlig  aller  einsieht  in  den  eignen  vorteil  bar  sei, 
dasz  er  selber  ihm  nach  Kilikien  entgegenkäme,  daher  muste  Alexan- 
der sich  entschlieszen  die  schlacht  in  Syrien  zu  liefern,  indessen 
war  gefahr  vorhanden,  dasz  selbst  dieses  nicht  gelänge,  wenn  Dareioa 
die  kilikisch-sjrischen  passe  sperrte  und,  auf  energische  defensive 
sich  beschränkend ,  die  Makedonier  eben  nicht  nach  Syrien  hinein- 
liesz.  dem  zuvorzukommen  sandte  Alexander  den  Parmenion  vorans, 
und  darum  eilte  er  selbst  in  so  gewaltigen  märschen  von  Mallos 
über  Issos  nach  dem  strandpass.  offenbar  war  seine  absidit  über 
den  Beilanpass  in  Syrien  einzudringen,  indessen  was  er  nicht  ein- 
mal zu  hoffen  wagte,  das  geschah'^:  Dareios  selber  zog  in  dem 
glauben ,  dasz  Alexander  sich  ihm  entziehen  und  eine  schlacht  Ter- 
meiden  wolle,  durch  die  amanischen  t bore  in  die  strandebene  von 
Issos.  auch  diese  thore,  die  sowohl  Kallisthenes '^  als  Arnan'^  er- 
wähnen, können  wir  bestimmen,  nördlich  von  dem  strandpass  nnd 
dem  Bagras  Beli  Boghas  führen  noch  zwei  passe  über  den  Amanos, 
der  eine  nach  Baias,  dem  alten  Baiai,  von  Ainsworth  als  sommerpass 
bezeichnet,  der  andere,  noch  weiter  nördlich,  zum  thal  des  Deli  Tsohai 
nach  Issos.  es  ist  dies  der  bereits  erwähnte  weg,  der  von  Barker  er» 
kündet  wurde.  Dareios  langte  beim  Pinaros,  bei  Issos  an:  also  ist  er 


^^^  dies  läszt  sich    meines   erachtens  aas  II  11,  8  für  die   gaue 
schlachtbeschreibong  folgern.  ^^  Aischines  g.  Ktes.  164  liefert  uns 

keine  für  die  einsieht  in  die  plane  der  kriegfohrenden  Irgendwie  ver- 
wendbare auskunft;  man  hüte  sich  ja  ans  der  behauptung  'AXäavöpoc 
f|v  diT€iXiimui^voc  iy  KxXitciq  etwas  anderes  als  eine  allgemeine  kenntnit 
der  Schwierigkeit  des  kilikischen  terrains,  etwa  gar  genaue  bekannt- 
schaft  mit  den  einzelnen  passen  sn  erschUescen.  die  mehnahl  der  pXsse 
könnte  uns  allerdings  die  läge  Alexanders  in  der  strandebene  ffeflbrlieh 
erscheinen  lassen,  bei  genügender  kenntnis  derselben  hätten  die  Perser 
ihre  numerische  Überlegenheit  wohl  cn  dem  versnch  einer  einsohliesiaiig 
des  makedonischen  heeres  benutzen  können,  aber  thatsache  ist,  dass  sie 
einen  solchen  versuch  nicht  gemacht  haben;  sie  hätten  dann  doch  vor 
allem  den  strandpass  oder  den  Beilanpass  besetien  müssen,  es  seheint 
eben  nicht,  dasz  man  im  persischen  hauptqnartier  geogpraphisoh  so 
genau  orientiert  war.  auch  Alexander  ist  dies  kaam  gewesen,  bei  dem 
versuch  in  die  absichten  der  kriegführenden  einsudrhigen  dürfen  wir 
nicht  von  der  erst  durch  diese  cüge  nnd  später  erworbenen  kenntnis 
der  zahlreichen  passe  ausgehen,  ebensowenig  wie  Dareios  an  die  ein» 
schlieszung  gedacht  hat,  konnte  Alexander  diese  gefahr  in  betraoht 
ziehen,  nur  die  abschliesznng  von  Syrien  hat  er  gefürchtet.  *^  bei 
Polybios  XII  17.        «ö^  n  7,  1. 


KJNeumann :  zur  landeakunde  und  geschichte  Kilikiens.       543 

durch  Barkers  pass  gezogen,  denselben  pass  hat  er  zur  flucht  benutzt, 
abweichende  ansichten ,  welche  für  den  rückzug  des  besiegten  einen 
südlichem  passweg  wählen,  verdienen  keine  Widerlegung,  nur  daran 
sei  noch  erinnert,  dasz  Dareios  auch  nicht  den  nördlichsten  weg  be- 
nutzt haben  kann ,  den  Ainsworth  und  Kiepert  uns  zeigen :  denn 
dieser  führt  nach  dem  heutigen  Marasch,  und  Dareios  eilte  nach 
Thapsakos  am  Euphrat. 

So  liegen  die  Verhältnisse  nach  den  zuverlässigsten  quellen, 
ein  ganz  anderes  bild  der  dinge  zeigt  die  Eleitarchische  tra- 
ditio n ,  die  uns  am  reinsten  bei  D  i  o  d  o  r  o  s  erhalten  ist.  ^^  während 
seiner  krankheit  (zu  Tarsos)  erfährt  Alexander,  dasz  Dareios  von 
Babylon  aufgebrochen  sei.  *'^  als  derselbe  nur  noch  einen  weg  von 
wenigen  tagen  entfernt  ist,  sendet  Alexander  den  Parmenion  voraus, 
die  thore  zu  besetzen,  als  Dareios  hört  dasz  Alexander  im  besitz 
des  passes  ist,  glaubt  er,  derselbe  wolle  eine  schlacht  in  der  ebene 
nicht  wagen,  und  rückt  in  eilmärschen  ihm  entgegen,  inzwischen 
erreicht  Alexander  Issos ,  und  jetzt  ist  das  beer  der  Perser  nur  noch 
30  Stadien  von  ihm  entfernt.^''  so  prallen  die  feinde  einfach  auf 
einander,  natürlich  Alexander  im  norden,  Dareios  im  süden  stehend, 
kein  wort,  ja  keine  ahnung  von  der  so  glänzend  verbürgten  Um- 
gehung und  der  dadurch  veränderten  Stellung  der  beere,  die  thore 
erreicht  Alexander,  bevor  er  nach  Issos  gelangt:  es  ist  also  der 
pass  des  Demir  Kapu. 

Eine  eigentümliche  Verbindung  der  Eleitarchischen  und  der 
von  Arrian  wiedergegebenen  tradition  bietet  uns  der  bericht  des 
Q.  CurtiusBufus.  zunächst  erzählt  er  einfach  nach  Eleitarchos. "' 
Parmenion  ist  vorausgeschickt,  den  pass  zu  besetzen,  über  den  man 
auf  dem  wege  nach  Issos  musz,  also  den  des  eisernen  thores.  Alexan- 
der kommt  nach  Issos  und  bescblieszt  auf  diesem  ihm  so  günstigen 
terrain  den  Dareios  zu  erwarten,  auch  die  ausführliche  erzähiung 
über  die  beratung  des  Dareios '*'  ist  nicht  dem  von  Arrian  benutzten 
berichte  über  Amjntas  den  söhn  des  Antiochos'^^  sondern,  wie  die 
enge  Verbindung  mit  der  sendung  der  schätze  nach  Damaskos  bei 
Curtius"^  sowohl  alsDiodor"*  lehrt,  der  Eleitarchischen  quelle  ent- 
lehnt, unmittelbar  darauf  indessen  folgt  die  unkleitarchische  ge- 
schichte der  Umgehung.  "^  Curtius  hat  ganz  vergessen,  dasz  er  kurz 
vorher  den  plan  Alexanders  bei  Issos  stehen  zu  bleiben  gemeldet 
hat"^;  und  läszt  ihn  jetzt,  ohne  über  eine  änderung  des  planes  irgend 
etwas  zu  bemerken,  zu  den  fauces  quihus  S^ria  adUur^  dem  strand- 
passe des  Merkes  Su,  gelangen,  während  in  derselben  nacht  Dareios 
die   amanischen   pforten    erreicht."^    Dareios    zieht  zum  Pinaros, 

109  es  genügt  vollständig  auf  JKaerst  'beitrage  zar  quelleokritik  des 
Q.  CurtiuB  Bufiis'  (Qotha  1878)  s.  2  ff.  zu  verweisen.  "<>  Diod.  XVII 
81,  6.         >"  ebd.  32,  2—33,  1.         "»  III  7,  6-10.         "«  III  8,  1-12. 

*>*  Arr.  n  6,  3  ff.  >'*  III  8,  12.  "»  32,  3.  "'  Curtius  III  8, 
13—23.  1^®  III  7,  10.  ^1'  III  8,  13  ad  eum  locum  quem  Amanica»  Pylas 
vocani,  vgl.  Arr.  II  7,  1  kütöl  räc  irOXac  Tdc  'AfiuxviKäc  KaXouM^vac. 
Kall,  bei  Polybios  XU  17  b\ä  Tiöv  *A|iav(6u)V  XcTo^^vuiv  iruXtXiv. 


544       KJNeomann:  zur  landeskunde  und  gesehiehte  EilikieiiB. 

Alexander  aber  kebrt  um  und  geht  den  passweg  wieder  znrflek» 
jetzt  kehrt  Cnrtiiis  wieder  zu  Kleitarchos  znrflck,  wenn  er  30  Stadien 
zwischen  beiden  beeren  ansetzt.  ^^ 

Der  ursprQngUebe  bericht,  wie  ihn  uns  Arrian  eriialten,  ist  bei 
Curtius  mehüfiach  yerftnd^.  Alexander  hatte  in  lasos  kranke  zurück- 
lassen müssen,  die  Dareios  nach  Arrian"*  verstümmeln  und  töten 
liesz.  nach  Curtius  Iftszt  Dareios  bie  nur  verstümmeln  und  sendet 
sie  dann  als  verkflndiger  seiner  berlichkeit  zum  makedonischen  beere» 
eine  schlimmere  ver&nderung  ist  es«  wenn  bei  Curtius  Dareios  den 
Pinaros,  bis  zu  dem  er  nach  Arrian  gelangt,  überschreitet,  denn  der 
Pinaros  trennte  beim  beginn  der  schlacht  die  feindlichen  beere,  die 
auch  von  Plutarch***  gebotene  angäbe,  dasz  Alexander  und  Dareios 
in  derselben  nacht  die  verschiedenen  passe  durchzogen,  widerspricht 
wenigstens  den  chronologischen  daten  nicht,  die  wir  aus  Arrian  ge- 
winnen, auch  das  dürfen  wir  als  sicher  betrachten ,  dasz  Alexander 
erst  am  sp&ten  abend  am  Merkes  Su  angelangt  sein  kann,  dag^en 
erkennen  wir  bei  einer  andern  stelle,  die  Curtius  ebenfalls  nicht  der 
Slleitarchischen  tradition  entlehnt  hat,  dasz  er  allein  eine  wichtige 
thatsache  erhalten  hat.  ich  meine  die  beschreibung  der  makedo* 
nischen  Schlachtordnung."'  Polybios"^  tadelt  es  in  seiner  kritik  der 
Kallisthenischen  Schlachtbeschreibung  vor  allen  dingen,  dasz  Ealli- 
sthenes  behauptet,  Alexander  habe  in  unmittelbarer  nfthe  des  fisindes 
seine  schlachtreihe  in  einer  tiefe  von  nur  8  mann  aufgestellt.  Poly- 
bios  zeigt,  dasz  bei  dem  engen  räum  des  Strandes  die  aufstellung  des 
heeres  nur  unter  der  Voraussetzung  einer  tiefe  von  30  mann  denkbar 
sei.  damit  will  er  das  minimum  der  tiefe  bezeichnen,  die  Schlacht- 
ordnung des  Curtius  stimmt  mit  der  Arrianischen  überein,  nur 
wenige  zusfttze  bietend,  aber  einer  derselben  ist  im  höchsten  grade 
wertvoll,  wir  verdanken  ihm  die  kenntnis ,  dasz  die  schlachtreihe 
in  der  that  eine  tiefe  von  32  mann  besasz.'*^  der  gewfthranann, 
dem  Arrian  folgt,  und  auf  den  Curtius  hier  wenigstens  in  letzter 
linie  zurückgeht,  Ptolemaios,  hat  also  einen  durchaus  correctan  be- 
richt geboten,  in  seiner  kritik  des  unmilitärischen  Kallisthenes  hat 
Polybios  fast  genau  das  als  notwendig  gefordert,  was  der  kundige 
Ptolemaios  einüach  berichtet  hat.'" 

Es  ist  hier  nicht  der  ort,  die  ganze  beschreibung  der  scUaeht 

"•  III  8,  U  vgl.  mit  Diod.  c.  88,  1.         «*  II  7,  1.         ««  Alex.  20. 

<»  III  9,  7—12  vgl.  mit  Arr.  II  8,  1—4;  9,  2—4.  die  ubereinitimmang 
dieser  stelle  mit  Arrian  hat  bereits  Laudien  bemerkt  'fiber  die  quellen 
snr  gesch.  Alex,  des  gr.'  (Leipsig  1874)  s.  20.  ***  XII  81.  >•»  III 
9,  12:  XXX  et  duo  armatarum  ordines  ibani,  neque  tnim  latiut  extendi 
aeiem  paHebantur  angustiae.  ***  denn  die  angäbe  des  Cnrtins  anf  eine 
berücksichtignng  der  Polybischen  kritik  zurüeksnführen  hat  nicht  die 
mindeste  Wahrscheinlichkeit  für  sich,  dieser  sats,  den  Cnrtins  mehr 
bietet  als  Arrian,  steht  genau  anf  derselben  linie  mit  den  zwei  andern 
BUSätzen  in  diesen  §§:  §  9  ante  hane  aeiem  poeuerat  fündiiomm  manum 
eagütarü»  admixtis  und  §  10  zn  Agrianos  opponni  der  insats  ex  Greecia 
fmper  advecioif  wo  Cnrtins  die  angäbe  der  qnelle  genauer  erhalten  hat 
als  Arrian  mit  seinem  blossen  ^ipoc  tiIiv  *ATptav<A)y. 


I 
I 

I 


1 


KJNeumaim:  zur  landeikande  und  geschichte  Kilikiei^.       646 

▼on  Ibsos,  die  Cnrtios  bietet,  in  ihre  zwei  bestandteile  aafzulösen, 
was  mit  Sicherheit  geschehen  kann.  *"  hier  sei  nur  noch  die  frage 
aufgeworfen,  ob  erst  Cortius  selbst  diese  Vereinigung  der  Eleitarchi- 
schen  und  Arrianischen  tradition  vorgenommen  oder  ob  er  sie  bereits 
in  seiner  quelle  vorfand,  die  antwort  auf  diese  frage  ist  bei  J  u  s  t  i  n  u  s 
zu  suchen,  es  ist  jetzt  allbekannt,  dasz  unter  den  erhaltenen  geschicht- 
schreibem  Alexanders  Curtius  und  Justinus  im  allerengsten  Verhält- 
nis zu  einander  stehen,  und  ^dasz  sich  das  nicht  aus  bloszer  berttck- 
sichtigung  des  Trogus  durch  Curtius  erklären  läszt,  ergibt  sich  aus 
der  einfachen  erwägung,  dasz  Trogus  das  gleiche  thema  in  zwei, 
Curtius  in  zehn  bttchem  behandelt  hat.'  "^  haben  also  Trogus  und 
Curtius  6inen  und  denselben  gewährsmann  zu  rate  gezogen,  so  kommt 
alles  darauf  an,  ob  Trogus  die  Kleitarchische  tradition  rein  und  un- 
vermischt  gibt,  oder  ob  auch  er  Ptolemäisch-Aristobulische  stücke 
bietet,  fehlen  dieselben,  so  ergibt  sich  daraus  dasz  Curtius  selbst 
die  contamination  bewerkstelligt  hat;  sind  sie  vorhanden,  so  hat 
schon  ihr  gemeinsamer  gewährsmann  die  später  von  Arrian  bevor- 
zugten quellen  herangezogen,  ich  meine  dasz  uns  die  betrachtung 
der  zwischen  Alexander  und  Dareios  gepflogenen  Verhandlungen  eine 
bestimmte  antwort  gestattet'**;  auf  welche  weise  das  gewirr  der 
darüber  vorhandenen  nachrichten  entstanden  ist,  haben  weder 
Hansen ^"^  noch  Crohn'"  erkannt. 

Zunächst  musz  genau  bestimmt  werden,  was  die  Ptolemäisch- 
Aristobulische  ,  was  die  Kleitarchische  tradition  an  nachrichten  ge- 
boten hat. 

Der  Ptolemäisch-Aristobulische  bericht  kennt  nur  eine  einzige 
Verhandlung  zwischen  Dareios  und  Alexander.  '^''  Alexander  erhält 
den  brief  des  Dareios  nach  der  schlacht  bei  Issos  in  der  phoinikischen 
Stadt  Marathos.  Dareios  bittet  um  die  freigebung  seiner  mutter, 
gemahlin  und  kinder,  sowie  um  die  absendung  makedonischer  ge- 
sandten zur  fortsetzung  der  Unterhandlungen,  bestimmte  vorschlage 
finden  sich  nicht.  Alexander  sendet  an  Dareios  den  Thersippos  mit 
einem  briefe,  der  dieaufforderung  enthält  ihn  als  herm  anzuerkennen. 

**''  auch  bei  der  scbilderuai;  der  belageroog  von  Tyros  ist  mit 
leichtigkeit  aus  Curtias  herauszanehmen ,  was  aus  Arrianischer  quelle 
geschöpft  ist.  für  die  aufspürnng  der  Arrianischen  bestandteile  bei 
Curtius  hat  Kaerst  äuszerst  dankenswerte  fingerzeige  gegeben,  eine 
erschöpfende  behandlung  aber  leider  nicht  beabsichtigt,  es  ist  durch- 
aus notwendig  diese  stücke  sämtlich  aus  Curtius  herauszuschälen  und 
mit  zur  reconstruction  der  guten  tradition  zu  benutzen,  der  Arrian  ausser 
in  den  )«gomena  gefolgt  ist.  '*^  AvGutschmid  im  rhein.  mus.  XXXVII 
(1882)  s.  553.  '*^  die  rede  Alezanders  vor  der  schlacht  bei  Issos  (Arr. 
II  10,  2  ff.  Curtius  III  10,  8  ff.  Just.  XI  9,  3  ff.)  kann  zur  entsoheidung 
der  frage  nicht  herangezogen  werden,  da  aus  dem,  was  Droysen  (gesch. 
d.  Hell.  I*  2  s.  413  ff.)  bemerkt  hat,  mit  evidenz  hervorgeht,  dasz  die 
rede  in  ihrem  ganzen  umfange  zu  den  Arrianischen  legomena  gehört. 

i»>  'über  die  echtheit  der  briefe  Alex.  d.  gr.«  im  Philol.  XXXIX 
s.  276—283.  "'  'de  Trogi  Pompe!  apud  antiquos  auctoritate'  (diss. 

phil.  Argent.  VII  1882)  s.  35-88.        "*  Arr.  n  14. 


546       lyiNeainaiixi :  zur  landeskunde  und  geschichte  Kilikiens. 

Aman  meldet  noch  von  einem  zweiten  briefe  des  Dareios,  den 
Alezander  während  der  belagerung  von  Tyros  erhalten  habe.  *^  aber 
dieser  brief  gehört  zu  den  legomena.  und  zwar  ist  keineswegs  nur 
die  erzfthlung  von  der  antwort  des  Parmenion  diesen  legomena 
entnommen.*'^  dasz  die  ganze  erzfthlung  einheitlich  Eleitarchisch 
ist,  lehrt  die  vergleichung  mit  DiodorJ"^  und  der  echten  tradition 
kann  die  erzfthlung  Arrians  gar  nicht  entlehnt  sein.  Dareios  hfttte 
wahnsinnig  sein  müssen;  um  dem  Alezander  bereits  das  ganze  land 
bis  zum  Euphrat  anzubieten,  als  derselbe  erst  Kleinasien  und  Nord- 
syrien  erobert  hatte,  allerdings  weicht  Arrian  in  einem  wesentlichen 
punkte  auch  von  Diodor  ab ;  aber  diese  di£ferenz  wird  weiter  unten 
ihre  erklftrung  finden. 

Der  von  Diodor  bewahrte  reine  Kleitarchische  bericht  kennt 
zwei  Verbandlungen*'',  von  denen  sich,  wie  es  zunächst  scheint, 
keine  mit  der  Ptolemftisch-Aristobulischen  deckt,  als  Dareios  auf 
der  flucht  nach  der  schlacht  von  Issos  in  Babylon  angelangt  ist,  sendet 
er  einen  brief  an  Alezander,  2000  silbertalente  lOsegeld  für  die  ge* 
fangenen  und  die  abtretung  des  landes  bis  zum  Halys  bietend«  seinen 
freunden  zeigt  Alezander  nicht  diesen  brief,  sondern  einen  von  ihm 
selbst  gefftlschten,  und  schickt  die  gesandten  unverrichteter  dinge 
fort.  Dareios  verzweifelt  an  einem  friedlichen  ansgleicfa  und  rüstet 
sich,  da  Dareios  diesen  brief  erst  von  Babylon  absandte,  so  kann 
derselbe  den  Alezander  nicht  mehr  in  Issos  getroffen  haben,  wenn 
dies  nach  Diodor  gleichwohl  so  scheint,  so  ist  daran  nur  der  um- 
stand schuld,  dasz  Diodor  c.  40  mit  seinem  Jahresanfang  einen  neuen 
anlauf  nimt.  Eleitarchos  hat  keinesfalls  Issos  als  den  ort  des  empfangs 
genannt. 

Von  einer  zweiten  Verhandlung  meldet  Diodor  kurz  vor  der 
Schlacht  bei  Arbela.  ^"  Dareios  dankt  für  die  gute  behandlung  seiner 
gefangenen  familienglieder  und  bietet  eine  summe  von  3000  talenten 
(wohl  als  lOsegeld);  sodann  alles  land  westlich  vom  Euphrat,  die 
band  einer  seiner  töchter  und  die  mitherschaft  über  das  ganze  reich, 
im  freundesrat  erklärt  Parmenion,  er  würde  diese  anerbietnngen 
annehmen,  wenn  er  Alexander  wftre;  worauf  dieser  ihm  erwidert: 
auch  ich,  wenn  ich  Parmenion  wftre.  Alezander  erklärt  eine  doppel- 
herscfaaft  fOr  unmöglich,  er  läszt  dem  Dareios  die  wähl  zwischen 
dem  kämpfe  um  das  ganze  oder  einem  frieden  bei  dem  Dareios  etwa 
als  Satrap  Alexanders  weiter  regieren  könne,  nach  dieser  antwort 
verzweifelt  Dareios  an  einem  friedlichen  ausgleich  und  rüstet  sich 
zum  kämpfe.  '"^  damals  starb  die  gemahlin  des  Dareios  und  Alezander 
liesz  sie  mit  allen  ehren  bestatten.  * 

Man  sieht,  keiner  dieser  Kleitarchischen  berichte  deckt  sich  ohne 


18S  IX  25.        <•«  wie  Hansen  ao.  s.  278  anntmt.        >»  XVII  64,  2  ff. 

!>•  Diod.  XVII  89  vgl.  mit  64,  1 ;  64,  2  ff.  es  sind  zwei,  nicht  drei : 
denn  64,  1  ist  nur  eine  recftpitnlation  des  bereits  o.  39  ersfthlten.  die 
2000  Silbertalente  o.  69,  1  entsprechen  dem  xp^mdruiv  irXf)€k>c  des  c  39, 1. 

»»»  c.  64,  2  ff.        *w  Diod.  c.  66,  1. 


KJNeumann:  zur  landeskunde  und  gescbichte  Eilikiens.       547 

weiteres  mit  dem  Ptolemäisch-Aristobulischen.  sollen  wir  nun  aber 
glauben ,  dasz  in  der  that  dreimal  verhandelt  worden  sei ,  und  dasz 
uns  die  Ptolemäisch-Aristobulische  tradition  nur  von  der  ersten,  die 
Eleitarcbische  von  der  zweiten  und  dritten  Verhandlung  berichte, 
dasz  also  die  beiden  Überlieferungen  und  die  verschiedenen  gesandt- 
schaften  mit  einander  Versteckens  spielen?  sollen  wir  glauben,  dasz 
weder  Ptolemaios  noch  Aristobulos  von  so  wichtigen  ereignissen  wie 
zwei  weiteren  diplomatischen  Verhandlungen  mit  Dareios  künde 
hatten,  oder  dasz  sie  es  für  überflüssig  hielten  davon  zu  berichten  ? 
zu  einem  solchen  resultate  führt  nur  eine  um  jeden  preis  harmo- 
nistische  methode.  "^  ich  glaube  aber ,  die  sache  liegt  in  Wahrheit 
sehr  anders,  aber  auch  sehr  einfach,  von  derselben  gesandtschaft 
erzählt,  wie  es  scheint,  der  Arrianische  und  der  erste  Kleitarchische, 
allerdings  die  thatsachen  entstellende  bericht.  die  zweite  gesandt- 
schaft des  Kleitarchos  aber  verdankt,  wie  ich  glaube,  ihre  entstehung 
der  Sendung  des  Thersippos,  von  der  uns  Arrian  erzählt,  diese  Sen- 
dung war  offenbar  resultatlos,  denn  es  wird  nichts  weiter  von  ihr 
berichtet.  Dareios  war  kaum  in  der  läge  auf  den  brief  Alexanders 
anders  als  ablehnend  zu  antworten ,  und  diese  antwort  konnte  Ther- 
sippos selbst  dem  Alexander  überbringen,  aber  eben  diese  Sendung 
wird  die  veranlassung  gewesen  sein ,  eine  zweite  gesandtschaft  des 
Dareios  anzunehmen,  man  wird  geglaubt  haben ,  zugleich  mit  der 
rückkehr  des  Thersippos  seien  neue  persische  gesandte  zu  dem  sieg- 
reichen könig  gegangen,  damit  waren  denn  die  zwei  gesand tschaften 
gegeben,  von  denen  uns  Kleitarchos  mit  manigfachen  weiteren  ände- 
rungen  und  ausschmückungen  berichtet. 

Die  differenzen  der  verschiedenen  berichte  waren  nun  so  grosz 
geworden,  dasz  man  die  identität  der  ihnen  zu  gründe  liegenden 
Üiatsachen  verkannte,  schon  die  späteren  historiker  des  altertums 
haben  daher  die  Ptolemäisch-Aristobulischen  und  die  Kleitarchischen 
angaben  dadurch  mit  einander  auszugleichen  versucht,  dasz  sie  bei- 
den recht  gaben  und  also  drei  gesandtschaften  statuierten,  dies 
können  wir  zunächst  bei  Curtius  erkennen,  an  erster  stelle  ^*^  über- 
nimt  er  den  bericht  Arrians  von  der  gesandtschaft  nach  Marathos. 
die  identität  des  briefes  Alexanders  bei  Curtius  und  Arrian  tritt  auf 
den  ersten  blick  unzweifelhaft  hervor,  dagegen  ist  in  dem  schreiben 
des  Dareios  der  ursprüngliche  sinn  bereits  verfälscht,  sodann  ^^^ 
bringt  Curtius  den  ersten  brief  des  Diodor  mit  dem  anerbieten  der 
Halysgrenze,  allerdings  schon  jetzt  auch  das  der  ehe  mit  einer  toch- 
ter  des  Dareios  willkürlich  hinzufügend,  dagegen  wird  es  kaum  in 
Widerspruch  mit  der  darstellung  Eleitarchs  stehen,  wenn  Tyros  als 
der  ort  genannt  wird,  wo  der  brief  des  Dareios  den  Alexander  er- 
reichte, an  dritter  stelle  *^'  endlich  finden  wir  bei  Curtius  die  zweite 
gesandtschaft  Diodors,  kurz  vor  der  schlacht  von  Arbela  abgesendet, 
das  neue  angebet  der  tochter  und  das  der  Euphratgrenze  stimmen 


1S9 


80  Hansen  ao.        »«  IV  1,  7—14.        ><»  IV  6, 1-8.        "«  IV  11. 


548       EJNeimi&iiii :  zar  landeeknnde  und  geschichte  Eilikiens. 

ttberein ,  ebenso  die  scene  mit  Parmenion.  dagegen  sind  aus  den 
dOOO  Silbertalenten  inzwischen  30000  talente  gold  geworden«  der 
hanptoiiterschied  zwischen  diesen  beiden  berichten  aber  ist,  dasz 
nach  Diodor  die  gattin  des  Dareios  erst  nach  der  sendung  der  aonen 
gesandtschaft  starbt,  wtthrend  nach  Gurtius  dieser  tod  schon  frtther 
erfolgt  ist «« 

Dieselbe  contamination  der  echten  und  der  Eleitarehischen  an- 
gaben aber,  die  wir  bei  Curtius  gefunden  haben,  begegnet  uns  wieder 
bei  Jnstin.  '^  allein  entscheidend  ist  schon  die  dreizahl  der  briefe. 
dazu  kommt  dieselbe  steigerang  der  zngestttndnisse.  beim  ersten 
mal  ist  von  landabtretang  noch  gar  nicht  die  rede,  beim  zweiten 
mal  wird  die  HalTSgrenze,  zuletzt  der  Enphrat  angeboten,  auch  ein 
Widerspruch  in  der  zeitansetzung  ist  nicht  zu  constataeren :  denn  dass 
alle  drei  Verhandlungen  erst  nach  dem  zuge  Alezanders  nach  Agjp* 
ten*^  gemeldet  werden,  kommt  lediglich  daher,  dasz  alle  drei  im 
zusammenhange  bei  gelegenheit  der  letzten  behandelt  werden  sollten, 
die  angäbe  Eleitarcfas  *^,  dasz  Dareios  bereits  in  Babylon  angekommen 
war,  bevor  er  die  Verhandlungen  eröffiiete,  eine  angäbe  die  Gurtius 
etwa  IV  1,  3  hfttte  au&ehmen  kOnnen,  hat  Justin  erhalten,  auch  bei 
der  letzten  antwort  Alexanders  bleibt  er  der  Eleitarehischen  dar- 
stellung  '^  treuer  als  Gurtius.  dagegen  teilt  er  mit  ihm  entstellungen 
wie  die  30000  talente,  das  angebot  der  tochter  schon  bei  der  zweiten 
gesandtschaft,  der  ersten  Diodors,  und  endlich  die  ansetzung.  des 
todes  der  gemahlin  des  Dareios  schon  vor  der  dritten  gesandtschaft. 
nun  versteht  es  sich  aber  ganz  von  selbst,  dasz  Trogus  gar  nicht  im 
stände  war  in  seinen  zwei  büchern  alle  diese  erzfthlungen,  wie  zb. 
die  meidung  vom  tode  der  gemahlin  des  Dareios*^  und  von  der 
dritten  gesandtschaft  in  solcher  ausftlhrlichkeit  zu  geben,  dasz  Gurtius 
aus  ihm  seinen  bericht  hfttte  schöpfen  kOnnen.  die  annähme  einer 
gemeinsamen  quelle  ist  ganz  unvermeidlich,  wir  sehen  also,  bereits 
diese '^  hat  die  Vereinigung  der  Eleitarehischen  und  Arrianiachen 
tradition  vollzogen,  bei  der  groszen  Schwierigkeit  das  eigentum  des 
Ptolemaios  und  Aristobulos  zu  sondern"^  will  ich  nur  Arnanisch 
und  nicht  Ptolemftisch  oder  Aristobulisch  sagen. 

<«*  IV  11,  9;  10,  16^34.  den  dritten  bHef  kennt  anch  Platarcb 
Alex.  29.  bei  ihm  wie  bei  Diodor  stirbt  die  gemahlin  erst  später 
(vgl.  c.  80).  dagegen  bietet  er  10000  talente  statt  der  aOOO.  bei 
Valerins  Mazimns  VI  4  ext,  3  ist  es  gar  eine  miUion  talente,  und 
ans  dem  Enphrat  ist  der  Tanms  geworden.  <^  XI  12.  >«»  Jnst. 

XI  11.  **«  bei  Diod.  c.  89,  1.  "^  Diod.  c.  69,  6.  C  "•  Cnrtius 
rV  10,   16-84;  vgl.  Just.  XI  12,  6—8.  »«  AvGutschmid  'Trogus 

und    Timagenes'    (rhein.    mus.    XXXVII    s.    568).  <m   glfieklicher 

weise  ist  dies  auch  historisch  von  geringerer  bedeutnng;  nnr  in  selte- 
nen fällen  kommt  es  erheblich  darauf  an.  bei  technisoh-miiitärisehen 
fragen  aber  macht  es  natürlich  einen  unterschied,  ob  ein  berioht  auf 
Ptolemaios  oder  auf  Aristobulos  zurückgeht,  die  beschreibung  der 
schlecht  bei  Issos  dürfte,  wie  bereits  erwähnt,  wesentlich  Ptolemäisch 
sein,  bei  der  belagerung  Ton  Gaza  sind  wir,  meine  ich,  im  stände  den 
bericht  Arrisns  in  seine  zwei  beetandteile  aufzulösen,     hier  Überrascht 


EJNeumann:  zur  landeskonde  und  geschichte  Eilikiens.       549 

Es  bleibt  nur  noch  übrig  dem  berichte  Arrians  '^*  von  der  zwei- 
ten gesandtschaft  seine  stelle  anzuweisen,  dies  legomenon  ist  der 
verdorbenste  bericht  den  wir  über  die  Terhandlungen  besitzen,  zu 
ihm  hat  sowohl  die  erste  als  die  zweite  Eleitarchische  gesandtschaft 
ihren  beitrag  gesteuert,  aus  der  ersten  stammt  die  nennung  Ton 
Tjros  als  dem  orte  des  empfangs ;  der  zweiten  ist  die  Euphratgrenze 
und  die  scene  mit  Parmenion  entlehnt,  auch  das  angebot  der  tochter 
findet  seine  stelle,  das  lösegeld  hat,  wie  bei  Plutarch'^,  bereits  die 
hohe  von  10000  talenten  erreicht,  man  sehe ,  was  für  dinge  man 
gefahr  läuft  dem  Ptolemaios  oder  Aristobulos  au&ubürden,  wenn 
man  sich  der  einsieht  verschlieszt,  dasz  dieser  ganze  bericht  den 
legomena  angehört,  zugleich  aber  wird  aufs  neue  deutlich,  welch 
geringen  wert  diese  legomena  Arrians  besitzen  und  durch  wie  viel 
hftnde  sie  zum  teil  bereits  gegangen  sind. 

Doch  kehren  wir  nach  dieser  notwendigen  abschweifung  wieder 
zurück  zu  unseren  passen. 

Auch  in  den  kämpfen  der  diadochen  spielen  die  kilikischen 
passe  eine  rolle,  im  kriege  gegen  die  verbündeten  belagerte  Anti- 
genes Tyros,  das  er  im  j.  314  sich  unterwarf."^  dann  zog  er  aus 
Syrien,  wo  er  seinen  söhn  Demetrios  Poliorketes  zurückliesz,  durch 
die  kilikischen  pforten  nach  Eilikien.*^  natürlich  wird  er  den 
bequemsten  weg,  den  Beilanpass,  gewählt  haben. 

In  dieser  gegend  sollte  sich  auch  das  geschick  des  Demetrios 
Poliorketes  vollenden;  hier  kämpfte  er  gegen  Seleukos  den  letzten 
krieg  seines  vielbewegten  lebens.  während  Demetrios  in  Eataonien 
überwinterte ,  sperrte  Seleukos  die  nach  Syrien  führenden  passe.  '^ 

uns  (II  27,  3)  die  unglaabliche  behauptnng,  Alexander  habe  befohlen 
Gaza  zum  zwecke  der  beschieszung  mit  einem  walle  von  zwei  Stadien 
breite  und  nicht  weniger  als  250  fusz  höhe  zu  umgeben,  anch  eine 
höhe  Yon  65  fusz  (nach  KWErügers  conjectnr  v'  KOl  c'  für  v'  Kai  c') 
bleibt  bei  der  beabsichtigten  breite  immer  noch  bedenklich,  wir  sina 
aber  auch  keineswegs  gezwungen  nach  pedantischer  ansleg^g  des 
Arrianischen  prooimions  anzunehmen,  dusz  in  dieser  angäbe  Ptolemaios 
und  Aristobulos  mit  einander  übereingestimmt  haben,  vielmehr  zeigt 
uns  eine  stilistische  Unebenheit  das  mittel  beider  ei^entum  zu  scheiden. 
I  26,  3  heiszt  es  ibÖK^i  hi\  X^^M^i  ^v  kOkXip  Tf^c  iröXcujc  x^iwOvai  und 
I  27,  3  aufs  neue  ib6K£\  bi\  x^yiü  äv  kOkAi^j  irdvToOcv  Tf)c  it6X€U)C 
XiuvvOvai.  dieses  Ungeschick  erklärt  sich  dadurch,  dasz  I  26,  8  xal 
^X^vvuTO  Kard  t6  vötiov  usw.  bis  I  27,  3  üx^foc  bi  de  iröbac  v'  xal  e' 
in  den  sonst  einheitlichen  bericht  eingeschoben  ist.  nach  ausscheidung 
dieses  passus  erhalten  wir  eine  glatte  Schilderung  und  können  diese 
dem  Ptolemaios,  dagegen  das  einschiebsei  mit  seinen  militärischen  un- 
wahrscbeinlichkeiten  dem  Aristobulos  zuweisen. 

*^'  II  25.  ^^'  Alex.  29.    den   ort  des  empfangs  nennt  Plutarch 

nicht,  sollte  auch  er  Tyros  gemeint  haben,  so  könnte  er,  wie  aus  dem 
vorhergehenden  ersichtlich,  nur  an  den  dortigen  aufenthalt  Alexanders 
nach  der  rückkehr  aus  Ägypten  gedacht  haben  und  nicht,  wie  Arrian 
und  Gurtius,  an  die  zeit  der  belagerung.  '^'  piod.  XIX  61,  5. 

^^  Appian  Syr.  54  (xwpuiv  6'  öirdp  rdc  KiXiKiac  irOXac)  verbunden  mit 
Diod.  XIX  69.  ***  Plut.  Dem.  48.     wenn  hier  vom  dnoxcixttciv  der 

direpßoXai  die  rede  ist,  so  wird  man  zunächst  an  den  strandpass  denken. 


550       EJNeumann :  zur  landeskunde  und  geschichte  Kilikiens. 

gleichwohl  wurde  Demetrios  der  passe  herr.  hier  von  schwerer 
krankheit  befallen ,  aber  nach  40  tagen  wiederhergestellt  bricht  er 
scheinbar  nach  Kilikien ,  dh.  nach  norden  und  westen  auf,  wendet 
sich  aber  des  nachts  nach  der  andern  seite ,  geht  über  den  Amanos 
und  verwüstet  das  land  am  fusze  desselben  bis  zur  syrischen  land- 
Schaft  Kyrrestike.  als  aber  seine  sOldner  zu  Seleukos  übergehen, 
flieht  er  zu  den  amanischen  pfortenJ^  den  pass  gleiches  namens, 
durch  den  Dareios  gezogen  war,  haben  wir  in  dem  pass  des  Deli 
Tschai  erkannt,  und  offenbar  haben  wir  es  bei  dem  passe,  durch 
den  Demetrios  bis  zur  Kyrrestike  in  Syrien  eindrang,  mit  keinem 
andern  zu  thun.  an  einen  der  südlichen  passe  kann  nicht  gedacht 
werden,  da  Demetrios  ja  auf  dem  wege  nach  norden  war  und  plOtz* 
lieb  in  der  nacht  abschwenkte.  Demir  Eapu  aber  ist  natürlich  ebenso 
ausgeschlossen,  dies  lag  ja  in  der  richtung  nach  Kilikien,  die  Deme* 
trios  verliesz ;  und  vor  allem  führte  der  weg  über  den  pass  nach  der 
syrischen  Kyrrestike. 

Aufs  neue  wurde  man  an  die  passe  des  Amanos  erinnert,  als 
Cicero  im  j.  51  als  proconsul  nach  Kilikien  gieng.  Gaelius  traute 
dem  beere  Ciceros  nicht  die  kraft  zu  auch  nur  einen  einzigen  pass 
gegen  die  Parther  zu  halten.  *"  dagegen  vertraute  Cicero  selbst  eben 
auf  diese  passe  ^^;  Kilikien  schien  ihm  durch  die  besetzung  der  bei- 
den nach  Syrien  führenden  engpässe  sicher  verteidigt  werden  zu 
können.  '^^  Cicero  meint  damit  offenbar  den  pass  des  Deli  Tschai, 
des  Pinaros,  und  den  strandpass  des  Merkes  Su.  der  Beilanpass  be- 
durfte keiner  Verteidigung:  denn  wer  durch  ihn  nach  Kilikien  wollte, 
muste  ja  auszerdem  auch  noch  den  des  Merkes  Su  passieren,  gleich- 
wohl wird  es  ein  glück  für  die  Römer  gewesen  sein,  dasz  sie  es 
nicht  nötig  hatten  die  ab  wehr  der  Parther  durch  den  vater  des  Vater- 
landes abzuwarten,  sondern  dasz  dieselben  schon  vorher  abgezogen 
waren,  da  Cicero  indessen  in  seinem  ruhmeskranze  den  kriegerischen 
lorbeer  noch  vermiszte ,  so  zog  er  gegen  die  bewohner  des  Amanos 
zu  felde.  vier  tage  lagerte  er  mit  gehobenen  gefühlen  bei  den  altftren 
Alexanders  ^"^  auf  dem  schlachtfelde  von  Issos'"'  und  wurde  dort 
von  seinen  Soldaten  als  imperator  begrüszt 

Auch  der  von  P.  Ventidius  Bassus  geführte.  Part  herkrieg 
desAntonius  benutzte  die  passe  des  Amanos.  nach  Dion  '**  schickte 

»»«  Plut.  Dem.  49.  *"  bei  Cic.  epist,  VIII  ö,  1  tuus  parro  extrcituM 
vix  unum  saltimi  Uteri  potett.  ^''^  an  Gaelius  epUt,  11  10,  2  Parikico 

bello  nuntiato  locorum  quihusdam  angusiiit  et  natura  montium  fretu»  ad 
Amanum  exereUum  adduxu  **^  an  Cato  epUt.  XV  4,  4  duo  tunt  enba 

uditus  in  CUiciam  ex  Syria^  guorum  utergue  parvi*  praesidiiM  propter 
angustias  intercludi  potest^  nee  ett  quicquam  Cilicia  contra  Syriam  munitius, 

!«•  episL  XV  4,  9.  »"  ad  Att,  V  20,  6.  an  Caeliu«  epUt.  II  10,  S 
apud  Issum  .  .  quo  in  loco,  taepe  ut  ex  te  audivij  CHtarchui  tibi  narrimii 
Dareum  ah  Alexandra  esse  superatum.  ***  XL VIII  41,   1  ff.     hier  ist 

TTouTrr)6iov  bi  6f|  CiXtuva  in  TTo)Liirf)6iov  usw.  lu  corrigieren,  da  an  dar 
idcntitUt  des  namens  mit  dem  des  bekannten  Marserführers  Q«  Pom- 
pedius  oder  richtiger  Pompaedins  Silo  nicht  su  zweifeln  ist.  aas  Dion 
schöpft  Zonaras  X  23  (II  8.  406  Ddf.). 


AEuBsner:  zu  Minucins  Felix  [Oct.  10,  8].  551 

Ventidius  (im  j.  39  vor  Ch.)  von  Eilikien  aus  seinen  legalen  Pom- 
paedius  Silo ,  den  pass  des  Amanos  zu  besetzen,  hier  standen  aber 
schon  die  Parther  ^  und  mit  not  entgieng  Silo  durch  die  hilfe  des 
Yentidius  der  Vernichtung,  wenn  Dion  den  engpass  des  kilikisch- 
syrischen  grenzgebirges  als  mit  mauern  und  thoren  versehen  be- 
schreibt und  mitteilt,  dasz  der  ort  von  diesen  thoren  seinen  namen 
hatte,  so  ist  es  zweifellos ;  dasz  er  die  TTuXat  am  Merkes  Su  uns 
schildert. 

Auch  die  entscheidungsschlacht  zwischen  SeptimiusSeverus 
und  Pescennius  Niger  im  j.  194  nach  Ch.  ist  an  dieser  stelle  ge- 
schlagen worden.  ^^  das  terrain  war  von  natur  zum  schlachtfelde  so 
wenig  wie  nur  eines  geeignet,  aber  beere,  die  von  Kleinasien  und 
Syrien  aus  einander  entgegenrückten,  musten  eben  hier  auf  einander 
treffen,  so  kam  es  denn  auch,  dasz  das  beer  des  Severus  unter  dem 
commando  des  Yalerianus  und  Anulinus  gerade  bei  den  passen  von 
Issos  ^^*  mit  dem  des  Niger  zusammenstiesz.  genau  beschreibt  uns 
Dion  diesen  pass:  auf  der  einen  seite  steile  berge,  auf  der  andern 
das  meer.  wer  erkennt  hier  nicht  sofort  den  schon  so  oft  erwähnten 
strandpass?  und  wenn  uns  gemeldet  wird,  das  beer  des  Severus 
habe  nach  seinem  siege  auch  Antiocheia  eingenommen  ^'^,  so  hatte  es 
seinen  weg  über  den  Beilanpass  fortgesetzt. 

Wie  sticht  von  der  knappen  und  richtigen  beschreibung  Dions 
das  gerede  Herodians  ab !  das  wegen  der  enge  des  raumes  berufene 
Schlachtfeld  schildert  er  uns  mit  folgenden  werten:  Won  beiden 
seilen  treffen  die  beere  beim  sog.  issischen  busen  zusammen,  einer 
breiten  und  weit  ausgedehnten  ebene,  in  amphitheatralischer  ge- 
stalt  zieht  eine  hügelige  erhebung  sich  um  den  busen,  und  weit  dehnt 
sich  der  Strand  am  meere  aus,  als  ob  die  natur  selbst  diesen  ort  zum 
schlachtfelde  geschaffen  habe.'^'^  wert  hat  diese  behauptung  ftlr 
uns  nur  als  neuer  beitrag  zur  Charakteristik  der  Herodianischen 
geschichtschreibung. 

i«3  Dion  LXXIV  7  vgl.  Zon.  XII  8  (III  s.  99  Ddf.).  Herodian  III 4,  2  ff. 
^^  Dion  c.  7,  9  iy  *lccCü  trpöc  Tale  KaXou)Li^vaic  irOXaic.  vgl.  Zon.  ao. 
««5  Dion  XLIX  8,  3.     Herodian  III  4,  6.  ««^  Herodian  III  4,  2. 

Halle.  Karl  Johannes  Neumann. 


83. 

ZU  MINÜCIUS  FELIX. 


Od,  10,  3  unde  autem  vel  quis  iUe  aut  ubi  detis  fmicus,  sölüariuSj 
destittätis^  quem  non  gens  Itbera^  non  regna^  non  saUetn  Bomana  super- 
stUio  noverunt?  an  dem  Wechsel  des  numerus  nahm  schon  Heumann 
anstosz;  aber  sein  verschlag  gentes  liherae  trifft  nicht  das  richtige, 
es  ist  wohl  zu  lesen :  non  gens  Ubera,  non  regnata.  vgl.  Tac.  Germ. 
25.  44.   hist,  I  16.  ann.  XHI  ö4. 

Würzbürg.  Adam  Eussner. 


552  EHesselmeyer:  zu  Heejchios  Müesios. 

84. 

« 

Zu  HESYCHIOS  MILESIOS. 


Moucatoc  '€q)^ctoc  ^iroirotöc  xal  ainöc  tiüv  €  l  c  touc  TTcfrr«* 
liiivouc  kukXouc  ^tpoH^c  TTepciitboc  ßißXia  t'  Kai  clc  £u^€vf)  koi 
""AttoXov.  JToupios  hat  zuerst  erkannt  dasz  diese  stelle  Yerderbt  ist. 
er  schlug  yor  zu  lesen:  Moucatoc  . .  etc  tuüv  toC  TTepTa^iivoG  xal 
aviTÖc  kukXou  usw.  allein  wozu  die  umfinderong  Yon  clc  in  €lc, 
wozu  die  gewaltsame  nmstelliing  der  textesworte?  der  zweite,  der 
die  stelle  verbessern  wollte,  ist  DVolkmann.  er  überbietet  aber  Ton* 
pins  in  der  gewaltthftügkeit,  da  er  lesen  will:  MoiKQioc  .  .  kqi 
Q^öc*  £tpcim^€  TTepcTiiboc  .  .  xal  elc  &}^vi\  xal  ''AttoXov  touc 
TTepTOjinvouc  iirivixouc.  die  worte  werden  also  ganz  willkür- 
lich versetzt,  und  statt  kukXouc,  das  hinausgeworfen  wird,  wird  ein 
hsl.  nirgends  bezeugtes  dntvixouc  geschrieben.  Volkmann  hat  darum 
gleich  eine  zweite  conjectur  in  bereitschaft:  Moucatoc  . .  ^iroirotöc 
xal  aÖTÖc  xuxXixöc  tiSiv  de  toOc  TTcprOMIvoOc  usw.,  wiederum 
gewaltsame  Verstellung  der  worte,  vnederum  einfügen  eines  hsl.  nicht 
bezeugten  xuxXtxöc,  das  obendrein  dem  begriffe  nach  unrichtig  ist: 
denn  die  bezeichnung  xuxXtxöc  kommt  doch  nur  demjenigen  epen- 
dichtem  zu,  die  sidi  eng  an  das  Homerische  epos  ansddossen.  einen 
vierten  verschlag  zur  heilung  der  stelle  macht  GWachsmuth.  er  be- 
h&lt  iiroiTOtöc  xal  oötöc  bei  und  will  u^vouc  vor  cic  €ä^evf)  ein- 
setzen, dies  ist  gleichfalls  nicht  bezeugt  und  unnötig:  denn  diese 
aphoristische  ausdrucksweise  kehrt  bei  Hesjchios  sehr  oft  wieder, 
der  verschlag  den  vrir  zu  machen  haben  ist  ganz  einfach:  wie  so 
oft  nemlich  wird  man  es  auch  hier  mit  einer  verschreibung  zu  thun 
haben,  im  original  stand:  Moucatoc  '€q>^ctoc  iironotöc  xal  ainöc 
TUüv  ToO  TTcpta^iivou  xuxXou'  ^TpOM^c  TTcpoilboc  ßißXia  i' 
ical  elc  EOficvf)  xal  "'ArroXov.  durch  das  versehen  eines  abechreibers 
vmrde  das  clc  vor  Cuficvf)  auch  vor  tou  TTcpTa|Uii)voC  geschrieben, 
eine  zweite  band  verbesserte  natürlich  die  construction  des  clc  mit 
dem  geniüv,  so  dasz  wir  jetzt  in  allen  hss.  de  Toiic  TTcpTa^T|VoOc 
KUxXouc  lesen,  durch  obige  emendation  erhalten  wir  erstens  einen 
guten  sinn  und  haben  zweitens  keinerlei  gewaltth&tige  Umstellungen 
und  einschaltungen  nOtig.  dasz  man  aber  das  clc  vor  touc  TTcpta- 
^Tivouc  usw.  nicht  durch  Verwandlung  in  clc  zu  retten  braucht,  wie 
dies  auch  Flach  in  seiner  ausgäbe  der  'biographi  graeci'  (Berlin 
1883)  thun  mOchte,  lehrt  der  Sprachgebrauch  des  Hesjchios  selbst^ 
wie  er  uns  in  den  artikeln  TTiTraxoc  und  CöXiuv  entgegentritt,  dort 
wird  clc  nur  deshalb  gesagt^  weil  die  bestimmte  zahl  tujv  l'  coq>uiv 
mit  angegeben  wird,  in  unserm  falle  aber  handelt  es  sich  nicht  um 
eine  bestimmte  zahl,  der  pergamenische  künstler-  dichter-  imd  ge- 
lehrtenkreis  am  hof  der  Attaliden  kann  beliebig  grosz  gewesen  sein. 

TuBiNOEN.  Ellis  Hbssklmkybb. 


ABrieger:  ein  yermemtlicher  archetypos  des  Luoretius.        553 

85. 

EIN  VERMEINTLICHER  ARCHETYPUS  DES  LÜCRETIUS. 


Im  Jahrgang  1881  dieser  Jahrbücher  s.  769 — 783  hat  der  um 
die  Lucrezforschung  wohlverdiente  holländische  gelehrte  hr.  professor 
JanWoltjer  eine  interessante  archetypushjpothese  aufgestellt,  er 
hat  gefunden  dasz  auslassungen ,  Interpolationen  und  Umstellungen 
nicht  selten  durch  einen  abstand  von  13  oder  so  und  so  viel  mal  13 
versen  getrennt  seien,  und  nimt  danach  einen  dem  Lachmannachen 
archetypus  voraufgehenden  urcodex  an,  der  auf  der  seite  oder  in  der 
columne  —  beide  ausdrücke  scheinen  sachlich  dasselbe  zu  bedeuten 
—  je  13  Zeilen  hatte,  s.  s.  769  f.  weiter  unten,  s«  782,  spricht  W. 
die  Vermutung  aus  ^singulos  versus  dimidiatos  fuisse,  in  binis  lineis 
ut  scripti  essent',  was  doch  wohl  nur  heiszen  kann,  es  habe  immer 
die  zweite  versh&lfte  unter  der  ersten  gestanden,  das  würde,  bei  13 
versen,  26  zeilen  für  die  seite  ergeben,  diese  urhandschrift  soll^ 
nachdem  ein  'lector  philosophus'  satirische  bemerkungen ,  entspre- 
chende und  vndersprechende  stellen  und  endlich  inhaltsangaben  bei- 
gefügt, dann  ^parum  accurate'  abgeschrieben  sein,  über  den  zustand, 
in  welchem  sich  die  hs.  befunden,  als  sie  abgeschrieben  wurde,  sagt 
WoKjer  ^multis  locis  schedarum  supremas  et  infimas  partes  muti- 
latas  et  corruptas  fuisse ,  viz  ut  legi  possent.' 

Wenn  ein  solcher  codex  als  quelle  des  Lachmannschen  arche- 
typus  wirklich  existiert  hat  und  Wolljers  annahmen  und  berech- 
nungen  auch  im  einzelnen  richtig  sind,  so  ist  damit  die  unechtheit 
einer  beträchtlichen  anzahl  von  stellen  endgültig  entschieden,  die 
echtheit  anderer,  von  einzelnen  angefochtener  wenigstens  wahrschein- 
lich gemacht,  es  gilt  also  für  jeden  Lucrezkritiker,  zur  Woltjerschen 
hypothese  Stellung  zu  nehmen,  wenn  ich  das  in  durchaus  ablehnen- 
dem sinne  thue,  so  zeigt  die  folgende  prüfung  —  so  hofife  ich  wenig- 
stens —  dasz  ich  mich  dazu  berechtigt  glauben  darf. 

Woltjer  hat  bei  seiner  berechnung  6ins  versäumt,  was  Lach- 
mann und  andere  urheber  ähnlicher  hypothesen  sorgf&ltig  durchzu- 
führen pflegen:  er  hat  es  unterlassen  sich  klar  zu  machen,  wie  sich 
die  Seiten  auf  die  blätter  verteilen  und  welche  zwei  selten  also 
immer  ein  blatt  bilden  sollen,  er  zählt  auch  nicht  die  Seiten  der 
ganzen  hs. ,  sondern  nur  die  der  einzelnen  bücher.  sehen  wir  jetzt, 
wie  das  Verhältnis  von  Seiten  und  blättern  sich  unter  den  von  W« 
gemachten  Voraussetzungen  stellen  müste. 

W.  nimt  an  dasz  I  11  und  III  mit  einer  vollen  seite  begonnen 
hätten;  sieht  dasselbe  auch  für  IV  als  wahrscheinlich  an,  und  ebenso 
für  V  und  VI.  lassen  wir  nun  I  mit  einer  Vorderseite  beginnen,  wie 
es  W.  sich  doch  jedenfalls  gedacht  hat;  so  ergibt  sich,  wie  jeder  dem 
der  aufsatz  vorliegt  leicht  nachrechnen  kann,  dasz  in  I  II  IV  die 
mit  ungeraden  zahlen  bezeichneten  selten  Vorderseiten;  die  mit 
geraden  bezeichneten  rück  Seiten  sind  und  dasz  in  Xu  V  VI  das 

J«hrbQcher  für  clast.  philol.  1883  hfuS. 


554        ABrieger :  ein  yermeintlicher  archetypns  des  Lucretius. 

umgekehrte  der  fall  ist.  in  I  II  IV  nehmen  also  die  Seiten  1  und  2, 
3  und  4  usw.  je  ein  blatt  ein,  in  III  V  VI  ist  eeite  1  rückseite  des 
blattes,  dessen  Vorderseite  den  schlusz  des  vorhergehenden  buches 
enthält,  und  2  -f-  3,  4  -f-  ö  usw.  stehen  auf  Einern  blatte,  es  springt 
nun  in  die  äugen  dasz ,  wenn  der  obere  oder  der  untere  rand  eines 
blattes  so  verstümmelt  ist,  dasz  dadurch  eine  lOcke  entsteht,  diese 
auf  zwei  Seiten  vorhanden  sein,  oder  doch  der  lücke  der  einen  seite 
mindestens  eine  beträchtliche  Verstümmelung  des  entsprechenden 
verses ,  bzw.  der  entsprechenden  verse  der  andern  gegenüberstehen 
musz.  prüfen  wir  nun  danach  die  lücken,  deren  entstehung  W.  ans 
der  einrichtung  und  dem  spätem  zustande  seines  archetypus  erklärt. 
1 189  soll,  so  nimt  W.  mit  Munro  an,  pauMim  crescunt^  ut  par 
est  die  erste  gröszere  hälfte  eines  hexameters,  seniine  certo  der  scblnsz 
eines  zweiten  sein,  eine  art  des  aunfalls  die  ja  vorkommt  —  s.  unten 
zu  IV  990  —  aber  hier  schwerlich  anzunehmen  ist,  s.  Philol.  XXIII 
4G2  f.  mit  pauMim  cresciint  usw.  soll  s.  15  des  Woltjerschen  arch. 
angefangen  haben ,  dann  wäre  also  in  der  zweiten  reibe  der  schlusz 
des  V.  189  ausgefallen,  in  der  dritten  reihe  die  gröszere  hälft«  von 
189*^.  das  könnte,  wenn  eine  Verstümmelung  die  Ursache  sein  boI], 
nur  dadurch  geschehen  sein,  dasz  zwischen  z.  1  und  4  vom  äuszem 
rando  aus  ein  stück  in  gestalt  eines  spitzen  dreiecks  ans  dem  blatte 
herausgerissen  wäre,  das  wäre  eine  sonderbare  art  der  Verstümme- 
lung, und  dasz  sie  hier  nicht  stattgefunden  hat,  erkennt  man  aus  der 
Unversehrtheit  von  201.  202,  welche  die  ersten  verse  der  rückseite 
gewesen  sein  würden,  aber  vielleicht  nimt  W.  an ,  was  doch  wohl 
Munros  meinung  ist,  dasz  hier,  wie  an  der  oben  erwähnten  stelle, 
und  aus  einer  ähnlichen  Ursache  —  b.  Munros  ergänzung  —  der  blick 
des  abschreibers  aus  einer  zeile  in  die  andere  hinübergeirrt  sei.  wenn 
er  das  annehmen  und  wenn,  was  ich  wie  gesagt  bezweifle,  die  art 
und  entstehung  des  ausfalls  damit  richtig  erkannt  sein  sollte,  so 
sprächo  das  in  keiner  weise  für  seine  hypothese,  da  ein  solches  über- 
gleitcn  offenbar  bei  allen  Zeilen  einer  seite  mit  ausnähme  der  letzten 
vorkommen  kann  und,  denke  ich,  in  der  mitte  noch  leichter  als  am 
an  fang,  an  eine  Verstümmelung  als  Ursache  des  ausfalls  müssen  wir 
notwendig  bei  I  699  ♦  *  ♦  denken,  wo  nach  W.  die  4  letzten  verse  der 
seite  46  ausgefallen  sein  sollen;  aber  die  vei-se  588 — 590  zeigen  keine 
spur  einer  lÜcke.  nicht  anders  steht  es  mit  dem  ausfall  nach  8G0,  wo 
der  gegenvcrs  870  sein  soll*;  mit  dem  nach  1013  —  nach  W.  sind 
zwei  vcrso  ausgefallen  —  wo  die  gegenverse  1025  f.  wären;  mit  der 
lücke  nach  11  1G4,  wo  die  letzten  vier  verse  von  s.  13  fehlen  sollen  und 
175 — 178  die  gegenverse  wären;  mit  der  nach  501  («?.  39,  13  arch. 
W.),  gogcnvers  514;  mit  der  nach  I  G81  (s.  53,  13  arch.  W.),  gegen* 
VVY6  G94,  und  mit  der  welche  W.  mit  dem  unterz.  nach  1071  an- 

•  W.  stellt  nemlich  873  f.  vor  861,  tlh.  yersc,  welclie  von  der  erde 
111x1  (U'iii  liolz  >?!)  hHiidcln,  zwischen  solche,  in  denen  vom  kürper  und 
!«oin(>r  nahrunpf  die  rede  U\.  s.  wegen  dieser  stelle  Suseraihl  und  Brie^er 
im  l'hilol.  XXIII  Cyin. 


ABrieger:  ein  vermeintlicher  archetypus  des  Lncretias.        555 

nimt  (s.  83,  13),  gegenvers  1084.  ebenso  ist  es  in  den  andern 
bücbern:  an  keiner  einzigen  stelle  entspricht  einer  lücke  an  der 
antipodiscfaen  stelle  des  betreffenden  blattes  des  angenommenen 
archetypus  eine  zweite  lücke.  es  sind  dies,  nach  dem  verse  welcher 
vorangeht  bezeichnet,  folgende  ausfälle :  III  98.  019.  1011;  IV  144. 
195(hinter  198  gestellt,  s.u.)  —  s.  ßursians  jahresb.  1873s.ll20— ; 
VI  48  (vier  verse  nach  W.)  607.  697.  839,  wo  übrigens  sicherlich 
mehr  als  6in  vers  fehlt,  in  IV  ignoriert  W.  eine  der  unzweifelhaf- 
testen Iticken,  die  hinter  216,  indem  er  Lachmanns  mitti  für  mira 
gelten  läszt. 

Aber  vielleicht  sollen  die  ^mutilatae  et  corruptae  infimae  partes 
schedarum'  an  den  lücken  unschuldig  sein,  man  begreift  dann  frei- 
lich nicht,  wozu  W.  denn  überhaupt  seine  urhandschrift  *multis  locis* 
oben  und  unten  verstümmelt  sein  läszt,  da  er,  wie  wir  sehen  wer- 
den, nur  bei  zehn  versen  die  Verderbnis  eines  verses  aus  seiner  Stel- 
lung erklärt ,  bei  einem  elften,  VI  839 ,  eine  solche  nur  als  die  eine 
von  zwei  möglichkeiten  setzt,  sollen  aber  jene  ausgefallenen  verse 
durch  ein  versehen  des  abschreibers  ausgefallen  sein,  so  sprechen  sie 
statt  für  Woltjers  hypothese  gegen  dieselbe:  denn  keinen  vers 
Übersieht  ein  abschreiber  weniger  leicht  als  den  ersten  einer  seite 
seiner  vorläge^  und  jeden  folgenden  bis  zum  vorletzten  leichter  als 
den  letzten. 

Wir  kommen  nun  zu  den  Verderbnissen  der  textes- 
worte,  an  denen  der  spätere  zustand  des  archetypus,  in  dem  er 
abgeschrieben  wurde,  schuld  sein  soll.  II  902  soll  als  letzter  vers 
von  s.  70,  903  als  erster  von  s.  71  verderbt,  vielleicht  auch  eine 
lücke  vorhanden  sein;  aber  die  verse  889  und  923,  vor  916,  sind  ja 
unversehrt;  ebenso  sollen  IV  544.  545  als  letzte  und  erste  zeile 
zweier  seiten  verderbt  sein,  aber  die  gegenverse,  533  und  560,  haben 
nicht  gelitten,  in  beiden  fällen  ist  also  die  erklärnng  der  thatsache 
unwahrscheinlich,  femer  wird  HI  658  =  51  X  13  als  in  folge 
seiner  Stellung  im  arch.  sehr  verderbt  bezeichnet,  aber  der  gegen- 
vers  645  ist  intact,  wenn  man  von  der  leichten  verschreibung  dicicUt 
für  decidit  absieht,  ebenso  ist  V  299  richtig  überliefert,  der  ver- 
derbt sein  müste,  wenn  312  als  s.  25, 1  des  arch.  W.  verderbt  wäre, 
dagegen  läszt  die  endverstümmelung  von  V  586  (s.  41,  1  W.)  und 
die  von  IV  612  (s.  48,  1  W.)  die  möglichkeit  der  Woltjersohen  er- 
klärnng zu,  neben  andern  möglichkeiten;  ebenso  ist  es  mit  V  901, 
wenn  dort  das  erste  wort  fehlt,  was  ja  aber  zweifelhaft  ist,  s.  Munro 
und  Polle  im  Philol.  XXVI  528.  endlich  soll  V  1160  als  s.  89, 13  W. 
verstümmelt  sein,  nb.  in  der  mitte;  aber  1147  ist  bis  auf  ^ra  för 
iura^  einen  kaum  erwähnungs werten  Schreibfehler,  ganz  richtig. 

Nachdem  wir  gesehen  haben,  dasz  die  lücken  und  die  verderb- 
ten verse,  deren  entstehung  aus  Woltjers  hypothese  licht  empfangen 
soll,  sich  aus  ihr  nicht  erklären  lassen,  komme  ich  zu  den  ziemlich 
zahlreichen  Umstellungen,  welche  W.  als  zu  seiner  berechnung 
stimmend   aus  der  beschaffenheit  des  von  ihm  angenommenen  ur- 

86* 


556        ABrieger :  ein  yermeintlicher  archetypoB  des  Lucretiiifl. 

codex  erklärt,  hier  entspringt  eine  gewisse  Schwierigkeit  daraas, 
dasz  W.s  Worte  nicht  immer  deutlich  erkennen  lassen ,  ob  eine  Um- 
stellung vom  Schreiber  des  arch.  oder  vom  abschreiber  dessel- 
ben herrühren  soll,  dem  erstem  werden  nur  wenige  imistellangen 
mehr  oder  weniger  bestimmt  zugeschrieben.  11  1146 — 1149  stellt 
EGoebel  mit  recht  hinter  1138.  Wolljer  erklärt:  *a  librario  arche- 
typi  quem  finge  hi  versus  omissi  erant,  sed  in  fine  paginae  (89) 
collocati.'  ebenso  gut  kann  der  fehler  schon  bei  der  redaction  ge- 
macht sein,  ebenso  ist  die  umstellungi  durch  die  VI  1245  von  seiner 
stelle  hinter  1236  verschlagen  ist  (Bentlej),  aus  W.s  annähme  er- 
klärbar ,  aber  ebenso  gut  auch  anders  zu  erklären,  endlich  rechne 
ich  hierher  die  von  W.  geforderte  Umstellung  von  II  334,  welcher 
vers  mit  der  änderung  von  sint  in  sunt  hinter  347  eingeschoben  wer- 
den soll,  die  Umstellung  ist  jedenfalls  falsch  —  s.  jahresb.  1878.  79 
8.  197  —  aber  ich  will  hier  an  einem  besonders  geeigneten  beispiele 
zeigen,  wie  sich  W.  zuweilen  zweideutig  ausdrückt  und  wie  unwahr- 
scheinliche annahmen  er  zu  gunsten  seiner  hjpothese  macht  wir 
lesen  folgendes:  '334  id  est  339  . .  -»  26X 13  +  1  et  347  id  est  352 
SB  27  X  13  -|-  1.  in  bis  annalibus  (1879  p.  782)  iam  demonstravi 
hos  versus  inter  se  commutandos  esse:  fuerunt  autem  primi  duamm 
contiguarum  paginarum.'  wenn  334  und  347  ihre  platze  tauschen 
—  etwas  anderes  kann  'inter  se  commutandos'  doch  nicht  heiazen  — 
so  entsteht  an  der  ersten  stelle  eine  unverständliohkeit,  an  der  zwei* 
ten  eine  lücke.  W.  will  etwas  anderes  sagen  als  was  er  sagt,  nem- 
lieh  334  sei  vor  347  einzuschieben,  diese  beiden  verse  sollen  nun 
im  arch.  vertauscht  gewesen  sein  ('fuerunt  primi  duarum  contigua- 
rum paginarum'),  während,  wenn  sie  dort  so  gestanden  hätten,  wie 
W.  sie  ordnen  will,  334  der  letzte  vers  von  s.  27,  347  der  erste  von 
s.  28  gewesen  wäre,  danach  haben  wir  uns  die  entstehung  des  fehlers 
so  zu  denken:  der  Schreiber  übersprang,  als  er  s.27  anfieng,  12  verse 
seiner  vorläge  und  schrieb  den  vers  der  jetzt  334  ist,  dann  bemerkte 
er  das  versehen  und  holte  die  12  verse  nach;  darauf  schlag  er  um 
und  liesz  nun  den  vorweggenommenen  vers  aus.  absichtlich  kann  er 
das  nicht  gethan  haben,  nachdem  er  einmal  den  irrtum  bemerkt 
hatte,  er  müste  also  den  vorhin  am  unrechten  orte  geschriebenen 
vers  da,  wo  er  ihn  hätte  schreiben  sollen ,  zufällig  übersehen  haben. 
das  wäre  wohl  eine  mOglichkeit,  wenn  die  Umstellung  richtig  wäre, 
aber  doch  eine  recht  unwahrscheinliche. 

Dem  abschreiber  werden,  wie  es  scheint,  folgende  Umstel- 
lungen zur  last  gelegt  'I  14  et  15  «»  13  4*  1  et  2:  versas  priores 
alterius  columnae  inter  se  sunt  commutati' :  sehr  unwahrscheinlich. 
I  923  vor  915  (Bemajs);  923  soll  als  letzter  vers  von  s.  71  über- 
gangen sein.  s.  71  ist  Vorderseite;  die  annähme,  dasz  der  abschreiber 
einen  weggelassenen  vers  von  der  Vorderseite  nachgeholt  habe,  als 
er  beim  abschreiben  der  rückseite  war,  hat  keine  Wahrscheinlichkeit. 
IV  261  vor  260  (s.  20,  13;  21,  1  W.):  wenig  glaublich,  a.  das  oben 
über  den  ersten  und  den  letzten  vers  einer  seite  bemerkte,   dasselbe 


ABrieger:  ein  yermeintlicher  archetypus  des  Lncretius.         567 

gilt  von  der  erklärung  der  umstellnngen  IV  826  hinter  821,  1204 
(s.  92,  13  W.)  hinter  1209.  lY  990  sind  die  schluszworte  desverses 
durch  das  saepe  quiete  des  ursprünglich  folgenden  verses  verdrängt; 
dieser  ist  dafür  hier  ausgefallen ,  aber  hinter  998  nachgeholt  unter 
Wiederholung  der  ihm  sich  anreihenden  vier  verse  (1000 — 1003  «a 
991 — 994).  da  W.  diese  vier  verse  nur  einfach  zählt,  so  meint  er 
mit  dem  ^somnolentus  librarius',  dem  er  die  Verwirrung  schuld  gibt, 
den  abschreiber.  die  hypothese  leistet  hier  gar  nichts :  denn  jenes 
überspringen  von  einem  verse  der  vorläge  in  den  andern  kann  gleich 
leicht  bei  jedem  beliebigen  verspaare  einer  seite  der  vorläge  ein- 
treten, imd  der  umstand,  dasz  der  abschreiber  ni^ch  weglassung 
jenes  verses  oder  vielmehr  jenes  verszweidrittels  eine  neue  seite 
seiner  vorläge  abzuschreiben  begann,  konnte  die  Wahrnehmung  des 
gemachten  fehlers  mindestens  nicht  erleichtern.  V  573.  570:  der 
fall  ist  ähnlich  wie  der  vorige  —  die  verse  sollen  s.  44,  12  und  13 
des  arch.  W.  gewesen  sein  —  und  ebenso  zu  beurteilen.  V  965  ff. : 
will  W.  wirklich  zu  gunsten  seiner  hypothese  975  statt  hinter  967, 
hinter  965  stellen  oder  liegt  ein  versehen  vor?  VI  934.  935  ge- 
hören vor  930:  nach  W.  hätte  der  abschreiber  den  letzten  vers  von 
s.  72  des  arch.  W.  und  den  ersten  von  s.  73  weggelassen  und  dann 
nachgeholt,  wobei  noch  zur  Vermehrung  der  unwahrscheinlichkeit 
hinzukommt,  dasz  s.  72  Vorderseite  gewesen  sein  müste.  IV  195 
soll  hinter  198  gehören  und  ein  sich  an  ihn  anschlieszender  vers 
ausgefallen  sein,  schwerlich  richtig,  spräche  auch  nicht  für,  sondern 
entschieden  gegen  die  hypothese.  der  abschreiber  müste  nemlich 
einen  vers  der  folgenden  rückseite  des  arch.  vorweggenommen 
haben,  während  er  die  Vorderseite  abschrieb,  und  als  er  dann  die 
rückseite  abschrieb,  diesen  und  den  folgenden  vers  weggelassen 
haben,  wie  man  sieht,  rächt  es  sich,  dasz  W.  immer  nur  nach  buch- 
seiten  und  nicht  nach  blättern  des  arch.  rechnet,  die  Umstellungen, 
welche  W.  mit  I  873  f.  884  f.  11  476  und  743  vomimt  bzw.  billigt, 
glaube  ich  schon  anderswo  als  falsch  erwiesen  zu  haben:  s.  Philol. 
XXTTT  632  ff.  jahresb.  1873  s.  1117.  ebd.  s.  1118.  diese  Jahrb.  1875 
s.  609 ;  ebenso  die  Lachmannsche  Umstellung  IV  662.  671 :  s.  Philol. 
XXXm  435  f. 

Ich  fasse  das  ergebnis  dieses  abschnittes  dahin  zusammen,  dasz 
die  überwiegende  mehrzahl  der  richtigen  Umstellungen,  welche  W« 
für  sich  anführt,  gegen  den  Ursprung  aus  dem  vermuteten  arche* 
typus  spricht,  keine  einzige  entschieden  dafür,  zur  stütze  der 
Woltjerschen  Vermutung  bleiben  nur  noch  die  Wiederholungen 
und  interpolationen,  welche  für  dieselbe  angeführt  werden, 
diese  haben  wir  jetzt  zu  prüfen. 

I  769  Mibrarius  (archetypi)  initio  novae  paginae  falsus  est,  ut 
denuo  a  v.  762  inciperet,  sed  errore  intellecto  continuo  770addidit.' 
das  wäre  möglich.  111474.  475 :  474  »b  510.  475  eine  sinnlose  Varia- 
tion dieses  verses.  W.  sagt:  ^postremi  duo  paginae  37^®  hnius  libri' : 
das  kann  nur  heiszen,  sie  haben  im  arch.  W.  gestanden,    dasz  sie 


558         ABriegcr:  ein  yermeintlicher  archetypua  des  Lacretios. 

aber  dort  nicht  gestanden  haben  sollen,  ergibt  sich  daraus  dasz  W. 
sie  nicht  mitzählt,  nehmen  wir  also  an ,  W.  sage  dies  letztere ,  so 
frage  ich  wie  der  abschreiber  dazu  gekommen  sein  soll,  als  er  s.  37 
abschrieb,  einen  vers  von  s.  39  mit  einem  zweiten  ihn  sinnlos 
variierenden  einzuschieben,  mit  510  beginnt  ein  neuer  abschnitt, 
welcher,  wenn  476 — 486.  487 — 609  fortblieben,  h  i  e  r  angeschlossen 
werden  konnte,  sieht  e^i  nun  nicht  ganz  so  aus,  als  ob  wir  hier  eine 
spur  von  der  liederlichkeit  der  Ciceronischen  redaction  hätten? 
III  G85  und  743  tilgt  W.  mit  Munro  ua.  als  interpoliert,  nach  meiner 
meinung  mit  unrecht,  ebenso  (neben  763)  auch  mit  Bernajs  764: 
s.  Purmann  in  dieser  Zeitschrift  bd.  67  (1853)  s.  665  f.,  Munro, 
NcuDiaun  de  interpol.  Lucret.  s.  46.  auch  hier  begegnet  uns  übri- 
gens bei  W.  die  oben  erwähnte  irreleitende  ausdrucks weise.  III 806 
— 818  =  V  351 — 363.  diese  einschiebung  soll  deshalb  für  die 
hypoihosc  sprechen,  weil  die  eingeschobenen  13  verse  (an  beiden 
stellen)  gerade  eine  seite  ausgemacht  haben  würden,  die  Ursache, 
weshalb  der  sog.  'lector  philosophus'  gerade  diese  13  verse  ab- 
schrieb, liegt  doch  auf  der  band  und  ist  überdies  von  Lachmaim 
nachgewiesen.  IV  808  =  804  als  'ultimus  paginae'  (62)  getilgt, 
der  fehler  des  ausdrucks  wie  oben,  die  sache  ohne  belang.  IV  1034 
=  79  X  13  soll  der  abschreiber  deshalb  vor  1048  wiederholt  haben, 
weil  seiu  äuge  von  dem  letzten  verse  von  s.  80  auf  den  letzten  von 
s.  79  (links)  abirrte,  hätte  W.  auf  den  in  halt  der  verse  geachtet, 
so  hätte  er  den  nächstliegenden  erklärungsgrund,  weshalb  1034  hier 
wiederholt  wird,  sicher  nicht  übersehen,  auch  VI  [)SS  hat  W.  nicht 
beachtet  dasz  die  verse  988.  989  «=  996.  997,  welche  mit  recht  vor 
997  gestrichen  werden,  nicht  ohne  sinn  von  einem  leser  vorweg- 
nehmend eingeschoben  sind,  sie  haben  also  mit  der  beschaffenbeit 
eines  urcodex  ebenso  wenig  zu  thun  wie  die  reminiscenz  intcrväUa 
vias  usw.  1  1020  (vgl.  II  726.  V  441),  die  ein  leser  arglos  an  den 
rand  geschrieben  hatte,  interpoliei-t  im  eigentlichen  sinne  des  wer- 
tes soll  III  358  sein;  ich  begreife  nicht,  w*elehen  anstosz  dieser  vers 
gibt;  nachdem  ihn  Munro  emendiert  hat.  femer  V  704,  ein  vers  der 
als  Interpolation  unbegreiflich  wäre,  dagegen  durch  annähme  des 
aiisfalles  eines  verses,  wie  Munro  ihn  ergänzt,  verständlich  wird: 
man  musz  das  scheinen  betonen,  auch  die  einschiebung  von 
V  1344  — 1316  nutzt,  mag  sie  herrühren  von  wem  sie  will,  der 
Woltjerschen  annähme  nichts.  VI  90.  91  endlich  ist  mit  86 — 89 
einzuklammern,  nicht  zu  streichen. 

Als  gesamtresultat  ergibt  sich,  dasz  die  anzahl  der  stellen, 
wo  eine  textvcrderbnis  irgend  einer  art  sich  aus  der  W.schen  hjpo- 
thc&c  erklären  liesze,  sehr  gering  ist,  und  dasz  diesen  stellen  eine 
gröszere  anzahl  gegenübersteht,  welche  gegen  jene  hypotbese  spre- 
chen, dabei  könnte  aber  vielleicht  die  zahl  der  flQle,  wo  irgendwie 
verderbte  stellen  um  13  verse  oder  um  ein  mehrfaches  von  18  vom 
an  fang  eines  buches  oder  von  einer  andern  verderbten  stelle  ab- 
stehen, schon  an  und  Air  sich  zu  gunaten  der  kühnen  und  zweifeUot 


OESchmidt:  zu  Ciceros  briefwechael  mit  M.  Brutus.  559* 

^obarfeinnigen  Vermutung  zu  sprechen  scbeinen.  nun,  diese  zahl  be- 
trägt jetzt;  wenn  wir  alles  falsche  oder  zweifelhafte  ausschlieszen, 
nicht  mehr  ctls  25,  nemlich  2  in  I,  4  in  II,  3  in  III,  7  in  IV,  6  in  V 
und  3  in  VI.  ich  denke,  diese  anzahl  von  Wiederholungen  eines 
bestimmten  abstandsverblUtnisses  verderbter  stellen  reicht,  bei  der 
dunkelhedt  des  Zusammenhanges  welcher  meistens  zwischen  der  stel-* 
lang  im  vermuteten  urcodex  und  der  art  der  Verderbnis  besteheu 
würde,  und  bei  der  anzahl  der  gegen  W.s  annähme  ins  gewicht 
fallenden  stellen,  in  keiner  weise  aus,  um  für  das  einstige  dasein  des 
archetypus  mit  sechsundzwanzigzeiligen  selten  zu  JQ  dreizehn  versen 
einen  rest  von  Wahrscheinlichkeit  zu  retten. 

Halle.  Adolf  Bbieger. 

86. 

ZU  CICEEOS  BEIEFWECHSEL  MIT  M.  BRUTUS. 


Als  ich  vor  zwei  jähren  Paul  Meyers  umfangreiche  ZUrcher 
dissertatioii  ' Untersuchung  über  die  frage  der  echtheit  des  bxief^ 
wechseis  Cicero  ad  Brutum  sowohl  vom  historischen  als  vom  sprach- 
lichen gesichtspunkt  aus'  (Stuttgart  1881)  zum  ersten  male  durch- 
geleseil  hatte^  glaubte  ich  nicht  dasz  dieser  arbeit  erheblicher  beifall 
gezollt  werden  könnte,  hat  doch  Meyer  eigentlich  nichts  besseres 
geleistet,  als  dasz  er  mit  allerlei  vagen  bedenken^  und  von  ihm  selbst 
nnr  halb  geglaubten  ausstellungen^  die  geistige  arbeit  derer,  welche 
sich  neuerdings  mit  erfolg  für  die  anerkennung  der  Brutusbriefo  be- 
müht haben,  wieder  illusorisch  zu  machen  sucht,  um  doch  schliess- 
lich gestehen  zu  müssen ,  dasz  diese  briefe  bereits  unter  Augustus 
eutstanden  und  von  einem  hochgebildeten  falsarius  aus  echten  briefen 
und  reden  Ciceros  —  so  sehr  atmen  sie  seineli  geist  —  gefertigt  seien, 
ferner  ist  sich  Meyer  so  unklar  über  die  forderungen,  die  an  eine 
derartige  Untersuchung  gestellt  werden  können,  dasz  er  zwar  zu- 
gibt, EFHermann  habe  'mit  überlegenem  Scharfsinn  die  angriffe 
der  Engländer  Tunstall  und  Markland  in  sehr  vielen  punkten  für 
immer  abgewiesen',  und  doch  gegen  Hermann  moniert  dasz  er  ^den 
positiven  beweis  von  der  möglichkeit  der  echtheit  nirgends  auch  nur 
versucht  hätte',  als  ob  die  Zurückweisung  der  angriffe  auf  die  echt- 
heit von  briefen,  welche  Jahrhunderte  lang  von  groszen  Cicerokennern 
nicht  angezweifelt  wurden,  nicht  auch  ^die  möglichkeit  der  echtheit' 
involviere,  was  die  argumente  des  um  die  Streitfrage  hochverdienten. 
KFHermann  für  uns  weniger  bindend  macht,  ist  etwas  ganz  anderes, 
ihm  lagen  die  mit  den  Brutusbriefen  etwa  gleichzeitigen  briefcorpora 
Ciceros  noch  nicht  so  chronologisch  und  historisch  gesichtet  vor,  wie 
es  die  zwischen  Cicero  und  Plancus^  Dec.  Brutus,  C.  Cassius  gewech- 
selten briefe  durch  die  arbeiten  von  Nake,  Gurlitt  und  vom  Verfasser 

'  vpri.  zb.  8.  12  f.  2  vgl.   zb.   die  auseinandersetzung  über  Cio. 

ad  Br.  II  1  s.  9—11. 


560  OESchmidt:  zu  Ciceros  briefVechsel  mit  M.  Brutus. 

dieser  Zeilen  heutzutage  sind,  deshalb  hat  Hermann  Ton  manchen 
ereignissen,  zb.  von  der  schlacht  bei  Mutina^  eine  falsche  Chronologie 
und  damit  eine  basis  fflr  weitere  imingen.  deshalb  hat  er  auch 
nicht  den  versuch  gemacht ,  die  Brutusbriefe  mit  den  gleichzeitigen, 
unzweifelhaft  echten  briefen  Ciceros  zusammenzustellen  und  so  ein 
einheitliches  zeitbild  zu  erzielen,  diese  Iflcke  versuchte  ich  1877 
gelegentlich  einer  Untersuchung  über  die  Cassiusbriefe*  auszufüllen, 
indem  ich  nach  dem  zeugnis  mehrerer  fachgenossen  ^  den  beweis  er- 
brachte, dasz  die  Brutusbriefe  bei  methodischer  textkritischer  be* 
handlung  nicht  nur  in  den  rahmen  der  gleichzeitigen  andern  briefe 
vorzüglich  hineinpassen ,  sondern  auch  das  aus  jenen  gewonnene  ge- 
schichtsbild  der  jähre  44  und  43  vor  Ch.  in  wertvollster  weise  er- 
gänzen, freilich  hatte  ich  noch  nicht  alle  Schwierigkeiten  besprochen» 
aber  docH  den  pfad  für  den  endgültigen  echtheitsbeweis  vom  histo- 
rischen Standpunkt  aus  gezeigt  und  geebnet;  indem  ich  eine  Chrono- 
logie der  Brutusbriefe  aufstellte ,  die  auch  Meyer  nicht  umzustoszen 
vermag,  und  die  den  Brutusbriefen  beigeschriebenen  datiemngen 
und  sonstigen  Zeitangaben  als  auf  den  punkt  richtig  erwies,  was 
noch  zu  thun  übrig  war,  versparte  ich  mir  auf  die  vorrede  zu  der 
ausgäbe  der  Brutusbriefe,  die  von  mir  vorbereitet  wird,  auch 
LGurlitt  fand ,  von  einer  ganz  andern  frage  ausgehend ,  bei  seiner 
oben  citierten  trefflichen  arbeit  meine  aufistdlungen  über  die  Brutus- 
briefe  durchaus  bestätigt ;  überdies  hat  neuerdings  die  echtheit  der 
Brutusbriefe  auch  in  CGCobet  einen  warmen  Verteidiger  gefunden, 
wiewohl  dieser  etwas  über  das  ziel  hinausschieszt.^  auf  der  durch 
die  genannten  Schriften  gewonnenen  basis  muste  Meyer  weiterbauen, 
wenn  er  in  der  beregten  Streitfrage  das  letzte  wort  sprechen  wollte, 
was  sollte  aber  dieser  schritt  rückwärts?  denn  streng  genommen 
steht  Meyer  auf  dem  längst  abgethanen  Standpunkt  eines  Markland 
oder  Tunstall,  bei  dieser  Sachlage  war  es  mir  um  so  wunderbarer, 
von  GAndresen'  und  FBecher'  recensionen  des  Meyerschen  buches 
zu  finden,  in  welchen  demselben  nicht  nur  ein  bedeutender  wert,  son- 
dern fast  die  endgültige  entscheidung  des  streites  zu  gunsten  der 
unechtbeit  beigelegt  wird.  ^    dieser  umstand  veranlaszt  mich  schon 


'  'de  epittulit  et  a  Cassio  et  ad  Castinm  post  Caesarem  occiaum' 
nsw.  (Leipzig  1877)  8.  37—60.  «  litt  centralblatt  1878  s.  44.  LGurlitt 
'de  M.Tnllii  Cic.  epistalia  eammqiie  pristina  collectiooe'  (Göttin|en  1879). 
KSchirmer  im  philol.  anzeiger  XI  8.  626  and  8iipplementheft  I  za  1883 
8.  773  f.  ^  Mnemosyne  N8.  VII  s.  262  ff.;  freilich  stimme  ich  mit  Cobet 
darin  nicht  überein,  dasz  er  anch  Cic.  ad  Br.  I  16  a.  17,  die  ich  mit  Nip- 
perdey  für  unecht  halte,  f&r  echt  erklärt.  *  deutsche  litteratarseitani^ 
1882  sp.  1616.  ^  philol.  ans.  XII  s.  102  ff.  *  als  diese  Zeilen  {|r«schrie- 
ben  waren,  kam  mir  eine  zweite  im  philol.  anz.  1883  supplementheft  I 
8.  765  ff.  erschienene  treffliche  recension  des  Mejerschen  baohes  von 
Karl  Schirmer  in  die  hftnde,  welche  ebenfalls  den  recensionen  von 
Andresen  und  Becher  entgegensteht,  anch  die  Scheinbeweise,  die 
Meyer  aus  der  spräche  der  Brutnsbriefe  für  deren  nnechtheit  entnom- 
men hat,  sind  von  Schirmer  gründlich  und  in  überzeugender  weise 
widerlegt. 


OESchmidt:  zu  Ciceros  briefwechsel  mit  M.  Brutus.  561 

Tor  fertigstellung  meiner  ausgäbe  gegen  Meyer  und  seine  genannten 
recensenten  einen  punkt  zu  besprechen,  auf  welchem  mich  Meyer, 
wie  aus  dem  von  ihm  angeschlagenen  tone  hervorgeht,  ganz  beson- 
ders glücklich  aus  dem  felde  geschlagen  zu  haben  glaubt,  von  diesem 
punkte  aus  wird  sich  auch  eine  kurze  beleuchtung  der  ganzen  frage 
und  des  Meyerschen  buches  bewerkstelligen  lassen. 

Es  handelt  sich  um  den  dritten  brief  des  ersten  buche,  der  auch 
den  Verteidigern  der  echtheit  grosze  Schwierigkeiten  bereitet  hat. 
einige  orientierende  bemerkungen  schicke  ich  voraus,  zum  entsatze 
des  seit  ende  des  j.  44  in  Mutina  von  Antonius  eingeschlossenen  Dec. 
Brutus  war  endlich  am  19nmärz  43  der  consul  Pansa  ins  feld  gezogen 
und  lieferte  dem  Antonius  südöstlich  von  Mutina  bei  Forum  Oallorum 
ein  treffen,  in  dem  er  selbst  geschlagen  und  stark  verwundet  ward, 
aber  Hirtius,  der  andere  consul,  der  in  gemeinschaft  mit  Octavian  ope- 
rierte, brachte  dem  in  seine  Stellung  vor  Mutina  zurückkehrenden  An- 
tonius so  schwere  Verluste  bei,  dasz  der  sieg  des  tages  doch  noch  der 
republik  gehörte,  dies  geschah  am  15n  april.  in  Rom  wurde,  nachdem 
zuvor  unbestimmte  gerüchte  von  einem  siege  des  Antonius  die  partei 
Ciceros  in  grosze  besorgnis  versetzt  hatten,  M.  Antonius  auf  die 
Siegesnachricht  des  Hirtius  am  2 In  april'  zum  staatsfeind  erklärt, 
sodann  wurde  am  27n  april  ^^  unter  den  mauern  von  Mutina  selbst 
eine  mörderische  schlacht  geliefert,  in  der  Antonius  dermaszen  aufs 
haupt  geschlagen  wurde ,  dasz  er  mit  dem  reste  seiner  reiterei  ent- 
fliehend vor  der  band  nur  auf  rettung  seines  lebens  bedacht  sein 
muste.  freilich  war  auch  Hirtius  in  der  schlacht  gefallen ,  und  am 
28n  april  **  erlag  Pansa  seinen  bei  Forum  Oallorum  erhaltenen  wun* 
den.  noch  vor  diesen  kämpfen  bei  Mutina  war  es  dem  M.  Brutus 
gelungen  den  C.  Antonius,  des  M.  Antonius  bruder,  welcher  sich 
nach  der  provinzverloosung  des  28n  nov.  44,  die  freilich  am  20n 
dec.  vom  Senate  f(lr  ungültig  erklärt  worden  war,  Macedonien  an- 
gemaszt  hatte,  in  Apollonia  gefangen  zu  nehmen.*'  diese  Verhält- 
nisse werden  in  dem  fraglichen  briefe  Ciceros  ad  Br,  I  3  berührt, 
welcher  am  ende  das  datum  des  22n  april  trägt ,  also  mitten  in  die 
zeit  zwischen  die  schlachten  bei  Forum  Oallorum  und  bei  Mutina 
hineinfallt,  um  so  auffallender  ist  es  aber,  dasz  in  diesem  briefe 
auch  dinge  mit  erwähnt  sind,  die  sich  erst  bei  Mutina  oder  nach 
dieser  schlacht  zugetragen  haben,  so  zb.  der  tod  der  consuln.  aus 
diesem  gründe  bildete  dieser  brief  immer  eine  haupthandhabe  derer, 
welche  die  echtheit  bezweifeln,  indessen  hören  wir  den  brief  selbst, 
den  ich,  um  jedem  zweifei  über  meine  auffassung  der  einzelnen 
stellen  vorzubeugen ,  in  deutscher  Übersetzung  folgen  lasse. 

'Unsere  läge  hat  sich  gebessert,  auch  weisz  ich  sicher,  dasz  das 
was  geschehen  ist  an  dich  geschrieben  worden  ist.  so  wie  ich  dir 
die  consuln  oft  geschildert  habe,  so  haben  sie  sich  gezeigt,    des 


•  vgl.  meine  dies.  s.  42—46.  *®  vgl.  ebd.  s.  43  f.  "  ao. 

"  ebd.  0.  30  f. 


562  OEScbmidt:  zu  Ciceros  briefwechsel  mit  M.  Brutus. 

jungen  Caesar  anläge  zur  tapferkeit  ist  wunderbar:  könnten  wir 
ihn  nur  auch,  nun  er  im  steigen  ist,  durcb  ehren-  und  gunstbezeu- 
gungen  so  leicht  leiten  und  halten,  wie  wir  es  bisher  vermocht  haben. 
das  ist  freilich  weit  schwieriger;  dennoch  hegen  wir  kein  mistrauen. 
der  knabe  hat  nemlich  die  Überzeugung  und  zwar  am  meisten  durch 
mich,  dasz  wir  durch  seine  bemtlhung  gerettet  sind,  und  sicherlich^ 
wenn  er  nicht  den  Antonius  von  der  Stadt  abgewendet  hätte^  wäre 
alles  verloren  gewesen.  [2]  drei  bis  vier  tage  lang  vor  dem  jüngsten 
herlicben  ereignis  strömten  die  bürger  von  einer  unbestimmten 
furcht  erschüttert  mit  weib  und  kindern  in  ihren  gedanken  zu  dir, 
mein  Brutus;  nachdem  die  bürgerschaft  nun  am  20n  april  neu  ge* 
stärkt  ist,  will  sie  lieber  als  zu  dir  gehen,  dasz  du  hierher  kommest. 
an  diesem  tage  habe  ich  für  meine  vielen  mühen  und  nachtwachen, 
wenn  überhaupt  wahrer  und  dauerhafter  rühm  einen  genusz  ver- 
leiht ,  die  schönste  frucht  erhalten,  denn  so  viel  volks  unsere  stadt 
faszt,  so  viel  lief  zu  mir^  und  ich  wurde  von  der  Volksmenge  bis  auf 
das  capitol  geführt  und  dann  unter  gröstem  beifall  auf  die  redner- 
bübne  gestellt,  nichts  eitles  ist  in  mir  und  darf  nioht  in  mir  sein« 
aber  dennoch  bewe>;rt  mich  die  Übereinstimmung  aller  stände  und 
die  danksagung  und  das  glückwünschen  deswegen,  weil  es  herlich 
ist,  dasz  mein  verdienst  um  die  rettung  des  Volkes  vom  volke  aner- 
kannt wird.  [3]  aber  du  mögest  dies  lieber  von  andern  hören,  unter- 
richte mich  über  deine  plane  und  deine  angelegenheiten  auf  das 
sorgfältigste,  besonders  aber  bedenke  jenes,  dasz  nicht  etwa  deine 
milde  [gegen  C.  Antonius]  allzu  kopflos  erscheine,  so  denkt  der 
Senat,  so  das  römische  volk,  dasz  keine  feinde  jemals  jede  strafe 
mehr  verdient  haben  als  diejenigen  bürger,  welche  in  diesem  kriege 
gegen  das  Vaterland  die  waffen  ergriffen  haben;  ich  wenigstens  for- 
dere ihre  bestrafung  bei  jeder  abstimmung  und  verfolge  sie  unter 
beistimmung  aller  gutgesinnten,  was  du  freilich  denkst,  steht  in 
deiner  einsieht,  ich  denke  dasz  es  mit  allen  drei  brüdern  eine  und 
dieselbe  »ache  ist.  [4]  [zwei  consuln,  gute  zwar,  aber  eben 
nur  gute,  haben  wir  verloren.  Hirtius  ist  beim  siege 
selbst  gefallen,  nachdem  er  wenige  tage  früher  in 
einem  groszen  treffen  gesiegt  hatte:  denn  Pansa  war 
getlohen,  nachdem  er  tödliche  wunden  empfangen  hatte, 
die  Überbleibsel  der  feinde  verfolgt  Brutus  und  Cae- 
sar.] als  feinde  aber  sind  alle  Antonianer  erklärt  worden,  daher 
legen  die  meisten  jenes  senatsconsult  so  aus,  dasz  es  sich  auch  auf 
deine  gefangenen  bzw.  capitulanten  erstrecke,  ich  habe  bei  der  ab- 
stinnnunijf  über  C.  Antonius  mich  nicht  härter  ausgesprochen,  weil 
icl)  von  der  annähme  ausgieng,  dasz  der  senat  von  dir  über  die  sache 
dei>äclben  instruiert  werden  müsse,   den  22n  april.' 

Den  beweis,  dasz  dieser  brief  unecht  sei,  schlieszt  Meyer  mit 
der  Zusammenstellung  folgender  Verdachtsmomente  (s.  43):  '1)  das 
falsche  datuin,  welches  2)  auf  einer  gänzlichen  Vermischung  und  za- 
sammenziehung  der  beiden  schlachten  bei  Forum  Gallorum  und  Mu« 


OEScbmidt:  zu  Ciceros  briefwechsel  mit  M.  Brutas.  563 

tina  beruht ,  die  sich  besonders  in  §  4  zeigt ;  3)  die  angäbe ,  dasa 
Cicero  am  20n  april  eine  rede  gehalten;  4)  die  angäbe,  dass  Octavian 
an  der  Verfolgung  des  M.  Antonius  teilgenommen.  Schwierigkeiten, 
mehr  allgemein  sachlicher  natur  bilden  1)  die  frostigen  eingangs- 
werte;  2)  die  Unklarheit  des  ausdrucks  ante  harte  rem  puickerrimam 
und  die  ungenauigkeit  der  angäbe  tridtko  aut  qiuidriduo:^  3)  das  un- 
passende der  Worte  te  huc  venire  quam  se  ad  te  ire  malehat]  4)  die 
ungeschickte  darstellung»  als  ob  die  rostra  auf  dem  capitol  wären; 
5)  das  abfichätzige  urteil  über  Pansa.' 

Den  Vorwurf,  dasz  in  diesem  briefe  die  schlachten  bei  Forum 
Gallorum  und  bei  Mutina  zusammengeworfen  seien,  als  den  cardinal- 
punkt  lasse  ich  einstweilen  unerledigt,  die  angäbe  ^  dasz  Cicero  am 
20n  april  vor  dem  volke  gesprochen  habe,  finden  wir  allerdings  nur 
hier;  aber  ist  dies  ein  beweis  dafür,  dasz  das  nicht  der  Wahrheit  ent- 
spreche ?  dann  müsten  wir  alle  thatsachen,  die  nur  durch  ein  Zeug- 
nis gestützt  sind ,  aus  der  geschichte  streichen,  ebenso  verkehrt  ist 
Meyers  einwand  gegen  die  notiz,  dasz  Octavian  den  M.  Antonius 
verfolge,  dasz  Octavian  später  die  Verfolgung  einstellte  und  auf 
frieden  mit  Antonius  sann,  ist  für  die  beurteilung  dieser  steUa 
gleichgültig.  Cicero  schreibt  nach  den  ersten  siegesdepeschen  von 
Mutina;  dasz  in  diesen  bei  der  Verfolgung  der  feinde  auch  Octavian 
mitgenannt  war,  oder  dasz  Cicero  sich  die  sache  wenigstens  so  dachte, 
ist  doch  sehr  wahrscheinlich,  sodaim  findet  Meyer  die  eingangsworte 
"nostrae  res  mdiore  loco  videhantur  zu  frostig;  das  sind  sie  in  der 
that  und  darauf  hatte  ich  bereits  in  meiner  diss.  hingewiesen:  so 
kann  nimmermehr  ein  brief  beginnen  nach  dem  glänzenden  siege 
bei  Mutina.  aus  dieser  frostigen  ausdrucksweise  folgert  nun  Meyer 
die  fälschung  des  briefes,  als  ob  ein  falscher,  der  nach  Meyers  eigner 
angäbe  den  Cicero  eifrigst  studiert  hatte,  um  so  ciceroatmende  briefe 
schreiben  zu  können,  einen  dem  Cicero  untergeschobenen  brief  über 
die  eben  gewonnene  entacheidungsschlacht  mit  diesen  worten  be« 
gönnen  haben  würde,  ein  falscher  hätte  doch  wohl  solche  Uneben- 
heiten und  unerklärlichkeiten  eher  vermieden,  viel  näher  liegt  der 
schlusz,  dasz  diese  kühlen  anfangsworte  sicherlich  nicht  nach  ein- 
gang  der  künde  von  Mutina  geschrieben  sein  können;  dieser  brief- 
anfang  war  am  platze  nach  dem  anfangs  verlorenen,  dann  aber  unter 
groszen  opfern  dennoch  gewonnenen  treffen  bei  Forum  Gallorum. 
auch  enthalten  die  ganzen  §§1  —  3  unseres  briefes  zunächst  eine 
beschreibiing  der  läge  in  Rom  vor  und  nach  der  künde  von  Forum 
Gallorum  (vgl.  Cic.  jPM.  XIV  §  15),  von  Mutina  wird  kein  wort 
erwähnt,  dann  geht  Cicero  über  zu  ratschlagen  über  das  mit  C.  An- 
tonius, dem  von  M.  Brutus  gefangenen  bruder  des  M.  Antonius,  an- 
zustellende verfahren,  und  mitten  hinein  in  diese  auseinander- 
setzung  —  ich  sage  ^mitten',  weil  sie  danach  wieder  aufgenommen 
■wird  —  kommen  ganz  unvermittelt  die  Sätze  consules  duos^  bonos  qui- 
dem,  sed  dumtaxat  bonos,  amisimus,  Hirtitis  quidem  in  ipsa  viäoria 
occidit,  cum  paucis  diebus  magno  proelio  ante  vicisset;  nam  Pansa 


564  OESchmidt:  zu  CiceroB  briefwechsel  mit  M.  Brutas. 

fugerat  völneribus  acceptis^  quae  ferre  nonpotuU,  reliquias  hastium 
Brutus  persequitur  et  Caesar^  welche  mit  depeschenartiger  kürza  das 
melden ,  was  gerade  an  dem  betreffenden  tage  über  die  schlaoht  bei 
Mutina  in  Rom  bekannt  wurde :  den  tod  der  consoln,  die  Verfolgung 
der  feinde. 

Deshalb  nahm  ich  schon  1877  an  —  und  mit  der  zeit  und  wei* 
terer  forschung  bin  ich  immer  fester  in  dieser  ansieht  geworden  — 
dasz  die  letztgenannten  werte  ein  brief  fUr  sich  sind  oder,  was  anf 
dasselbe  hinauskommt,  das  fragment  eines  selbständigen  briefes  3\ 
fftlschlich  an  diese  stelle  geraten  durch  eine  blfttterversetsang  im 
archetjpus,  die  wir  constatieren  müssen,  da  auch  die  andern  briefe 
chronologisch  geordnet  nicht  mit  der  überlieferten  Ordnung  überein- 
stimmen, sondern  in  folgender  reihe  geschrieben  sind:  1.  3.  3^  5. 
2.  4.  6  usw.,  ein  ähnliches  Verhältnis,  wie  es  Mommsen  in  den  briefen 
ad  Quintum  fratrem  erwiesen  hat  man  beachte  femer  dasz,  wenn 
die  bezeichneten  werte  als  3^  herausgehoben  sind,  nun  auch  kein 
störender  gedanke  mehr  im  dritten  briefe  mitten  in  die  ausspräche 
über  C.  Antonius  eingeschoben  ist,  sondern  dasz  der  gedanke  ego  sie 
sentiOy  trium  fratrum  tmam  et  eandem  esse  causam  nun  naturgemäss 
fortgesetzt  wird:  Jiostes autem  '*  omnes  iudioati^  qui  M.  Äntanü sectam 
sectUi  sunt^  itaque  id  senatus  consuUum  plerique  inierpreiantur  etiam 
ad  tuos  sive  captivos  sive  dediticios  pertinere.  ganz  abgesehen  von  der 
echtheitsfrage  wird  mir  jeder  vorurteilsfreie  kritiker  zugeben  müssen, 
dasz  die  von  mir  verlangte  Operation  evident  notwendig  ist,  gleich- 
viel ob  wir  den  brief  3  dem  Cicero  oder  einem  gelehrten  fUscher  der 
frühesten  kaiserzeit  zuschreiben ;  musz  doch  sogar  Meyer  s.  40  anm.  3 
zugeben,  dasz  der  vermeintliche  ftlscher  eine  ahnnng  von  den  zwei 
schlachten  habe,  da  er  von  Hirtius  schreibe:  cumpaucis  diebus  magno 
proelio  ante  vicisset-  wenn  Meyer  trotzdem  an  der  behauptung  fest- 
hält, der  brief  3  sei  6ine  epistel  und  dem  f&l&cher  trotz  seiner 
^ahnung'  von  der  Wahrheit  eine  vermengung  der  schlachten  bei 
Forum  Gallorum  am  15n  april  und  bei  Mutina  am  27n  april  in  6ine 
Schlacht  vindiciert,  so  hätte  er  seinen  oonfusionsrat  wenigstens  nicht 
sollen  in  Augustns  zeit  leben  lassen :  denn  wie  konnte  ein  solcher, 
fast  Zeitgenosse  der  ereignisse,  gebildet  genüg  um  aus  Ciceros  briefen 
und  reden  '^  eine  Mischung  herauszuarbeiten ,  die  Jahrhunderte  lang 
gelehrte  geteuscht  hat  und  noch  teuscht,  eine  derartige  Verwirrung 
der  geschieh te  anrichten?  das  wäre  gerade  so  ab  ob  ein  gebildeter 
falsarius  zu  anfang  des  20n  jh.  eine  nnechte  correspondenz  irgend 
eines  deutschen  Staatsmannes  aus  dem  deutsch-französischen  kriege 
fabricierte,  in  welcher  die  schlachten  bei  Wörth  und  Mars-la-Tonr 
in  t'ine  zusammengeflossen  wären. 

Man  bedenke  femer,  dasz  nach  der  von  mir  verlangten  opera- 


'^  Meyer  8.43  behauptet  dasz  niAn  bei  meiner  annähme  statt  mät 
entschieden  enim  erwarten  müsse,    bekanntlich  wird  aber  eine  schlnsi- 
folg^crung   mit  autem  fortgesetzt:  vgl.  Ellendt-Seyffert  lat.  gr.  |  346,  3. 

"  vgl.  Meyer  s.  164—167. 


OESchmidt:  zu  Ciceros  briefwecheel  mit  M.  Bratas.  565 

üon  das  am  schlusz  verzeichnete  datum  des  22n  april,  sowie  das 
datum  an  dem  sich  die  republikaner  durch  die  künde  von  Forum 
Oallorum  neu  gestärkt  fühlten ,  der  20e  april ,  welches  uns  in  der 
mitte  des  briefes  überliefert  ist ,  ganz  genau  der  Wirklichkeit  ent- 
sprechen, denn  ein  briefbote  von  Mutina  kam  am  sechsten  tage  in 
Bom  an  *^,  der  sechste  tag  nach  dem  15n  ist  aber  eben  der  20e  april, 
dessen  siegesfreude  uns  Cicero  schildert,  im  anschlusz  daran  wird  die 
ftchtung  des  M.  Antonius  erwähnt;  wir  müssen  also  die  betreffende 
Senatssitzung  auf  den  folgenden  tag  ansetzen,  den  2 In  april,  ein 
datum  das  mit^n  berechnungen,  die  sich  aus  einigen  gleichzeitigen 
briefen  ad  familiäres  ergeben,  auf  den  punkt  stimmt,  wiederum  am 
folgenden  tage ,  am  22n  april ,  schrieb  Cicero  über  diese  ereignisse 
an  Brutus ,  wesentlich  zu  dem  zwecke  den  Brutus  zu  veranlassen, 
auch  den  C.  Antonius  als  staatsfeind  zu  behandeln,  bekanntlich 
lagen  den  alten  genauere  chronologische  Studien  fem:  wie  sollte 
nun  ein  falscher,  der  nach  Meyer  nicht  einmal  Forum  Oallorum  und 
Mutina  auseinanderhalten  konnte,  zu  diesen  richtigen  daten  gekom- 
men sein?  predigen  diese  datierungen  nicht  vielmehr  mit  imum- 
stöszlicher  Sicherheit  die  echtheit  unseres  briefwechsels ,  zumal  diT 
auch  die  den  andern  briefen  beigeschriebenen  datierungen  zur  Chro- 
nologie der  unbezweifelt  echten  briefe  ad  fam.  nicht  nur  passen, 
sondern  sogar  denselben  Schreibfehler  zeigen  ?  ^' 

Für  die  kurze  depesche  3^  ergibt  sich  das  datum  auch  sehr 
leicht:  da  am  27n  april  die  Schlacht  bei  Mutina  stattfand,  kam  wohl 
am  2n  mai  die  erste  siegeskunde  nach  Bom,  noch  nicht  begleitet  von 
der  trauemachricht  über  die  consuln ,  zumal  da  Pansa  ja  auch  erst 
am  28n  april  seinen  wunden  erlag;  nicht  am  2n  mai  also  konnte 
Cicero  3^  schreiben;  wir  haben  aber  auch  von  diesem  tage  eine 
ähnliche  depesche  an  Munatius  Plancus,  nur  noch  unbestimmter  als 
3^  und  ohne  nachricht  von  den  consuln,  ad  fam,  X  14^^:  o  gratam 
famam  hiduo  ante  victoriam  de  subsidio  tuo,  de  studio  ^  de  cderUatej 
de  copiisf  atqtie  äiam  Jiostibus  fusis  spes  omnis  est  in  te:  fugisse  enim 
ex  prodio  Mutinensi  dicuntur  notissimi  latronum  duces;  est  autem  non 
minm  grcUum  extrema  delere  quam  prima  depeUere.  sollte  Cicero  an 
diesem  2n  mai  eine  ähnliche  notiz  an  M.  Brutus  fortgesendet  haben, 
so  ist  sie  uns  wenigstens  nicht  erhalten;  auch  war  der  brief  an 
Plancus  nötiger  als  an  Brutus :  denn  der  letztere  war  der  republik 
sicher ,  Plancus  sollte  erst  noch  gewonnen  werden,  am  morgen  des 
3n  mai  kam  in  Bom  wohl  genauere  künde  an  vom  tode  der  consuln 
und  von  der  Verfolgung  des  Antonius;  danach  entsendete  Cicero 
einen  boten  an  M.  Brutus,  die  ihm  mitgegebene  depesche  ist  das 
briefchen  3  ^,  dessen  anfang  vielleicht  weggefallen  ist. 

Wenden  wir  uns  nun  noch  kurz  zu  den  ^Schwierigkeiten  mehr 
allgemein  sachlicher  natur'.    verdächtig  sind  Meyer  die  werte  ante 


^^  vgl.  meine  diss.  8.  5.        '*  vgl.  ebd.  8.  99  f.        '^  über  das  datum 
8.  ebd.  8.  44. 


566  OESchmidt:  zu  Ciceros  briefwecheel  mit  M.  Brutus. 

hanc  rem  ptUchcrrimam  als  ein  unklarer  ausdruck  für  ante  puffnam 
ad  Forum  Gallorum  commissam]  was  sagt  denn  aber  Meyer  dazu, 
dnszpicero  in  der  gleichzeitigen,  noch  von  niemand  angefochtenen 
epistel  X  14  an  Plancus  statt  ^Antonius  nnd  sein  anhang'  sagt  notis- 
simi  laironnm  di4ces?  die  Verdächtigung  der  genannten  worte  fDhrt 
uns  auf  die  hauptschwäche  des  ganzen  buches:  die  falschen  forde- 
rungen,  die  Meyer,  ohne  sich  irgendwie  in  Ciceros  läge  zu  versetzen, 
hinsichtlich  der  eleganz  des  stils  und  der  wähl  der  worte  an  diese 
briefe  stellt,  ihm  ist  alles  verdächtig,  was  er  sich  nicht  ohne  wei- 
teres erklären  kann;  daher  finden  wir  in  dem  buche  so  häufig  tadel 
derart:  'das  unpassende  der  worte,  die  ungeschickte  darstellung,  das 
falsche  urteil'  usw. ,  als  ob  sich  daraus  momente  gegen  die  eebtheit 
ergeben  könnten.  Meyer  übersieht  ganz,  dasz  wohl  ein  rhetor,  der 
den  ereignissen  selbst  fern  stand  und  den  ausdruck  feilte,  solche 
briefe  glatt  und  klar  fabriciert  hätte,  dasz  aber  den  beteiligten  leiden- 
schaft  und  eigne  not  wohl  andere  worte  in  den  griffel  dictierten,  als 
sie  jedem  in  der  gelehrtenstube  sitzenden  kritiker  gut  dünken,  dasz 
zwischen  Brutus  und  Cicero  auch  feinere  föden  zu  einem  gegenseiti- 
gen Verständnis  gesponnen  waren ,  als  wir  im  neunzehnten  jh.  mit 
der  feinsten  hermcneutik  wiederauffinden  können,  knrz  dasz  man 
gut  beglaubigte  Schriftstücke  nicht  als  unecht  bezeichnen  darf,  weil 
sie  dunkülheiten  enthalten,  von  seinem  Standpunkt  aus  müste  Meyer 
den  ganzen  briefwechsel  mit  Atticus  verdächtigen,  weil  wir  einen 
teil  der  feinem  persönlichen  anspielungen ,  an  denen  diese  briefe 
so  reich  sind,  nicht  zu  erklären  vermögen,  in  den  allermeisten  fällen 
sind  aber  Meyers  ausstcllungen  noch  dazu  so  subjectiv,  dasz  die  von 
ihm  in  disserendo  berührten  ansichten  seiner  gegner  weit  mehr  an- 
sprechen als  seine  eignen  deductionen.  so  verweise  ich  wegen  der 
vermeintlichen  ungenauigkeit  der  angäbe  triduo  aut  quadriduo,  wegen 
der  ungeschickten  darstellung,  als  ob  die  rostra  auf  dem  capitol 
wären ,  wegen  des  abschätzigen  Urteils  über  Pansa  einfach  auf  das 
material,  welches  über  diese  punkte  Meyer  s.  39 — 41  teils  aus  Cicero 
teils  aus  den  Schriften  seiner  Vorgänger  gegen  seine  eigne  meinung 
zusammengestellt  hat.  dasz  aber  ^^eyer  bei  der  exegese  der  worte 
tc  huc  venire  quam  sc  ad  (e  irc  malehat  einen  grund  Ciceros,  den 
Brutus  nach  Italien  zu  wünschen,  nicht  finden  kann,  beweist  mir 
nur  seine  Unfähigkeit  die  Zeitverhältnisse  und  Charaktere  zu  durch- 
schauen, oder  sollte  Cicero  nicht  den  Brutus  herbeiwünschen  dür- 
fen ,  um  die  sicgesfreude  mit  ihm  zu  teilen  und  um  mit  seiner  hilfe 
die  Vernichtung  der  Antonianer  zu  vollenden  (vgl.  die  gleichzeitigen 
worte  an  Plancus  X  14  est  autem  nnn  minus  gratum  extrnna  delere 
quam  )>rlma  depellere),  bzw.  auch  den  der  partei  lästigen  Octavian  zu 
(»ntwatVnfnV  wie  contrastiert  diese  Urteilslosigkeit  Sfeyera  mit  dem 
anmas/endon,  ja  manchmal  sogar  spöttischen  tone,  in  welchem  er 
die  arbeiten  seiner  Vorgänger  bespricht  I  oder  was  soll  es  heiszen, 
wenn  er  s.  i^  von  Gurlitt  sagt,  dasz  er  bezüglich  des  briefes  I  3 
'natürlich  ohne  weiteres  dieser  [meiner]  hypothese  gefolgt'  sei  (vgl. 


OESchmidt:  eu  Ciceros  briefwechsel  mit  M.  Brutus.  567 

s.  32)?  derartige  versteckte  insinuationen ,  als  ob  ein  fachgenosse 
die  argumente  eines  andern  ohne  eigne  prüfung  angenommen  habe, 
geziemen  sich  nicht,  wenn  nicht  directe  beweise  vorliegen. 

Wenn  fernerhin  Meyer  über  meine  Zerlegung  des  briefes  I  3 
folgendermaszen  urteilt  (s.  43) :  ^ganz  abgesehen  von  der  etwas  will- 
kürlichen und  durch  keine  fiuszern  indicien  gerechtfertigten  operatiom 
ist  zunächst  zu  bemerken,  dasz  das  [3  ^]  jedenfalls  ein  sehr  sonder» 
bares  briefchen  wSre  und  höchstens  dadurch  zu  erklären,  dasz  man 
dasselbe  als  fragment'®  eines  briefes  auffaszte^  so  kennt  er  wahr- 
scheinlich nicht  das  noch  kürzere  briefchen,  mit  dem  Cicero  dem 
Minucius  Basilus  in  der  ersten  aufregung  nach  Caesars  ermordung 
gratulierte:  ad  fam,  VI  15  tibi  grattdor;  mihi  gaudeo;  te  amo;  tua 
iueor;  a  te  amari  et  quid  agas  quidque  agatur  certiar  fieri  volo. 

In  einem  umfangreichen  capitel  s.  107 — 163  hat  Meyer  auch 
Werstösze  gegen  den  guten  Sprachgebrauch'  zusammengestellt,  die 
^einem  Cicero  oder  Bmtus'  nicht  zuzutrauen  seien,  dabei  hätte 
er  etwas  mehr  textkritik ,  die  bei  der  unleugbar  groszen  verderbt- 
heit der  Überlieferung  doppelt  angezeigt  gewesen  wäre,  anwen^ 
den  können;  diejenigen  seiner  ausstellungen,  die  wirklich  etwas 
anspruch  auf  entgegnüng  haben ;  sind  von  Karl  Schirmer  ao.  über- 
zeugend widerlegt  worden,  im  übrigen  aber  verweise  ich  Meyer  und 
diejenigen ,  die  ihm  etwa  auf  dieser  bahn  zu  folgen  gesonnen  sein 
sollten ,  auf  die  unstreitig  beste  autoriiät  über  diesen  punkt ,  auf 
Cicero  selbst,  der  anPaetus  IX  21, 1  schreibt:  vermn  tarnen  quid  tibi 
ego  in  epistulis  videor?  nonne  plebeio  sermone  agere  tecum?  necemm 
semper  eodem  modo,  quid  enim  simüe  habet  episttda  aut  iudicio  aui 
contioni  ? 

Nach  alledem  stehe  ich  nicht  an  Meyers  arbeit  als  eine  verfehlte 
zu  bezeichnen,  der  offenbare  fleisz  des  vf.  kann  uns  für  seinen  mangel 
an  wirklichem  Scharfsinn  und  innerlicher  auffassung  der  Zeitgeschichte, 
deren  documente  die  Brutnsbriefe  teilweise  bilden,  nicht  entschä- 
digen, wer  kleinlich  am  buchstaben  mäkelt  und  mehr  mechanisch 
von  gar  nicht  feststehenden  historischen  oder  sprachlichen  gesichts- 
punkten  aus  litteraturwerke  auf  Verdachtsmomente  hin  durchstöbert, 
der  ist  für  eine  derartige  Untersuchung  wie  die  besprochene  durch- 
aus ungeeignet:  er  wird  aus  unberechtigten  zweifeln  nicht  heraus- 
kommen, wer  aber  mit  den  bei  jedem  andern  alten  Schriftwerke  an- 
erkannten kritischen  mittein  auch  die  Brutusbriefe  richtig  zu  stellen 
ernsthaft  versuchen  will  und  mit  vorurteilsfreiem  blicke  und  einer 
gewissen  liebe  zur  sache  sich  bemüht  personen  und  Verhältnisse  jener 
schwer  zu  erforschenden  zeit  vor  seinem  geistigen  äuge  wiederzube- 
leben, der  wird  in  den  Schreibern  dieser  briefe  nicht  den  fälschen- 
den rhetor,  sondern  die  handelnden  personen  selbst  erkennen  und 
empfinden. 

*^  vgl.  meine  diss.  8.  43. 

Dresden-Neustadt.  Otto  Eduard  Schmidt. 


568  AEussner:  zur  lateinischen  anthologie. 

87. 

ZUR  LATEINISCHEN  ANTHOLOGIE. 


Die  zwei  gedichte  des  Seneca  de  vUa  htMnüiori  —  denn  es  sind 
nur  zwei,  wie  Biese  AL.  n.  407  f.  und  Baehrens  PLM.  IV  s.  61  richtig 
annehmen,  und  sie  dürfen  mit  Baehrens  und  OBo^bach  dem  Seneca 
zugeschrieben  werden  —  variieren  das  gleiche  thema  in  der  weise,  dasz 
das  erste  die  freundschaft  der  hohen  verwirft  und  die  der  gleich- 
stehenden empfiehlt,  das  zweite  dagegen  jene  wie  diese  abweist  und 
nur  für  sich  zu  leben  rät.  aber  vers  1  f.  des  zweiten  gedichtes  *vwe 
ei  amicUias  onines  fuge\-  verius  hoc  est^  quam  Wegum*  sdlas  ^eff^ge 
amicitias^  —  setzen  voraus,  dasz  die  beschränkte  mahnong  aimicUiaa 
regum  fuge  vorhergegangen  ist  dagegen  wollen  vers  1  f.  des  ersten 
gedichtes  ^vive  et  amicUias  regum  fuge*,  pauca  manebas:  maaomus 
hie  scopuhis,  non  tarnen  unus  erat  —  sich  dem  Zusammenhang  nicht 
fügen,  sie  legen  den  gedanken  amicäias  regum  fuge  einem  andern 
in  den  mund  und  tadeln  die  beschränkung  der  miJmang,  während 
doch  die  folgenden  verse  gerade  diesen  gedanken  durchführen  nnd 
von  einer  ausdehnung  desselben  keine  andeutung  enthalten,  daraus 
ergibt  sich  dasz  diese  verse  nicht  an  die  spitze  von  n*  17,  sondern 
von  n.  18  (Baehrens)  gehören,  ob  n.  17  mit  den  versen  begonnen 
hat,  die  jetzt  das  zweite  distichon  bilden,  oder  ob  am  anfang  ein 
distichon  verloren  ist;  das  wie  jenes  an  die  spitze  von  n.  18  gehörige 
mit  den  werten  vive  et  amicUias  regum  fuge  begann,  läszt  sich  kaum 
entscheiden,  durch  die  letztere  annähme  würde  sich  der  fehler  unserer 
Überlieferung  leicht  erklären ,  indem  der  gleichlautende  versanfang 
von  n.  17  und  18  den  Schreiber  verführen  konnte  das  zu  n.  18  ge- 
hörige distichon  vor  17  zu  stellen  und  dann  vor  18  wegzulassen,  da- 
durch aber  unversehens  das  erste  distichon  von  n.  17  zu  übergehen. 
für  die  erstere  der  beiden  möglichen  annahmen  scheint  zu  sprechen, 
dasz  durch  dieselbe  die  zwei  als  gegenstücke  einander  entsprechen- 
den gedichte  auch  gleichen  umfang  erhalten,  dann  erinnert  scopuXm 
(18,  2)  an  das  bild  contrahe  vda  usw.  (17,  5),  wie  cofüapsam  dommm 
(18,  8)  an  magna  ruina  (17,  8),  amicus  minor  und  maior  (18,  6  f,) 
an  pares  noveris  (17,  7)  und  anncUiae  nUenies  (17,  1).  dasz  unter 
amicUiae  regum  nicht  ein  engerer  begriff  als  unter  amicUiae  nimio 
splendore  nUentes  zu  denken  ist,  erhellt  aus  dem  gegensatze  von 
regum  amicUias  zu  omnes  amicUias  in  n.  18. 

WüRZBUBQ.  Adam  Eussnee. 


EBoseberg:  zur  Orestis  tragoedia.  569 

88. 
ZUR  0RE8TIS  TRAGOEDIA. 


Die  verse  80 — 82,  von  denen  besonders  der  mittelste  schwer 
verdorben  überliefert  ist,  lauten  in  B 

Nee  uocor  ad  thalamos  set  uidima  trador  achras 

Et  mitis  ad  pia  templa  de  miserante  dianae 

Pro  me  cerua  dolus  lucenda  uicaria  nudus. 
über  die  besserung  der  gröbsten  entstellungen  hat  sich  die  kritik  so 
ziemlich  geeinigt;  so  ist  in  v.  81  natürlich  zunächst  Diana  und  v.  82 
datur  zu  lesen,  sodann  v.  82  lugenda  nach  Rothmalers  verschlag  all- 
gemein angenommen,  für  nuUus  wird  entweder  nuUi  oder  nuüis  ge- 
lesen, dasz  V.  80  adoras  aus  ad  aras  verderbt  ist,  sollte  von  niemand 
bezweifelt  werden;  trotzdem  schreibt  Peiper  ad  oras^  indem  er  v.  81 
fortfuhrt  Et  tmds  ad  pia  templa  deae.  miserante  Diana,  natürlich 
um  die  Verbindung  ad  aras  und  ad  pia  templa  zu  vermeiden,  über 
die  herstellung  von  v.  81  gehen  die  ansichten  noch  weit  auseinander; 
m.  vgl.  die  ausgaben,  ich  halte  Et  mitis  fdr  verlesen  aus  FleuiUs 
und  schreibe  die  ganze  stelle  folgendermaszen : 

Nee  uocor  ad  thalamaSy  sed  uidima  trador  ad  aras 

Flehüis;  ad  pia  templa  deae  miserante  Diana 

Pro  me  cerua  datur  lugenda  uicaria  nuUis. 
das  epitheton  flehüis  zu  uidima  empfiehlt  sich  besonders  durch  den 
gegensatz  zu  lugenda  uicaria  nuUis. 

V.  150  ist  cari  zu  halten  und  mit  Pyladis  zu  verbinden. 
V.  164  ff.  spricht  Cljrtemestra  zu  Aegisthus: 

OccidimuSi  redit  iUe  meus  post  heUa  maritus 

Vidor  d  armatus  zelo  mordente  minatus 

Morihus  Argolicis  leges  inducere  castas 

Tristibus  imperiis, 
Mähly,  der  in  v.  165  die  schlechte  lesart  des  A  tdo  mordente  im 
texte  hat,  verbindet  diese  werte  ganz  richtig  mit  armatus  und  setzt 
daher  hinter  mordente  ein  komma.  dies  komma  ist  nun  aber  auch 
in  die  ausgaben  von  Schenkl  und  Peiper  übergegangen,  trotzdem 
diese  das  richtige  zelo  aus  B  aufgenommen  haben,  wollen  diese  hgg. 
die  Worte  eeHo  mordente  auch  mit  armatus  verbunden  wissen?  das 
wäre  doch  geschmacklos,  wenn  Agamemnon  aus  dem  kriege  zurück- 
kehrt, so  thut  er  dies  1)  als  uidor  und  2)  armatus ,  nicht  aber  zelo 
mordente  armatus,  oder  aber ,  soll  nach  der  ansieht  von  Seh.  u.  P. 
zelo  mordente  etwa  zu  redit  gezogen  oder  gar  als  abl.  quäl,  mit 
maritus  verbunden  werden?  keine  dieser  auffassungen  dürfte  sich 
empfehlen,  zumal  es  so  nahe  liegt  das  komma  hinter  armatus  zu 
setzen  und  zelo  mordente  zum  folgenden  minatus  zu  ziehen:  Von 
eifersucht  gestachelt  droht  er  mit  finsterer  gewalt  Rir  die  sitten  der 
Argiver  keuschheitsgesetze  zu  geben.' 

V.  227  ff.  sind  in  B  wieder  arg  verdorben,    es  heiszt  hier: 

Jahrbücher  fOr  class.  philol.  1883  hfu  8.  37 


570  ERoBsberg:  zur  Orestis  tragoedia. 

Motibus  his  mulier  melius  gauisa  resumsU 
Turpiter  infames  animos  redit  iUa  i4oluptas 
Inpletepleäi  ///  ///  ///  rustica  coUa  pependit, 
zunächst  ist  klar  und  durch  v.  60  per  pcUria  coUa  pependit  so  gut 
wie  erwiesen,  dasz  vor  rustica  ein  per  ausgefallen  ist.  dies  ist  auch 
in  alle  ausgaben  aufgenommen,  zur  heilung  des  versanfanges  sind 
di6  manigfachsten  versuche  angestellt  worden,  der  interpolierte  A 
ergänzt  Inplentem  amplecti^  was  Mähly  billigt,  LMüller  will  inpia  et 
amplexi ,  Haase  inplere  amplexum ,  Schenkl  inplexum  ampHecti ,  end- 
lich Peiper  inpia  et  effeti.  alle  diese  versuche  weichen  von  den  Über- 
bleibseln in  B  erheblich  ab  und  empfehlen  sich  auch  sonst  nicht 
wegen  der  elision.  mir  scheint  inpUte  aus  inpete  verschrieben,  pUeti 
aber  zu  plectibüi  zu  ergänzen  zu  sein:  'es  kehrt  die  wollust  mit 
strafwürdigem  ungestüm  zurück.'  das  ai^ectiv  plectibüis  steht  anch 
V.  426,  inpete  v.  259  im  versschlusz  inpete  mortis^  v.  510  dagegen 
wie  hier  im  versanfang  impete  mortifero.  an  dem  iüa  ist  kein  an* 
stosz  zu  nehmen,  da  dies  pronomen  bei  Dracontius  bisweilen  in  ganz 
verblaszter  bedeutung,  fast  wie  ein  artikel,  vorkommt,  Tgl.  Or.  24. 
163.  408.  846.  Drac.  5,  181.  sonst  könnte  man  auch  übersetzen 
'die  alte  wollust',  vgl.  Statins  Theb.  6,  487  sed  Thraces  equi  ui 
iddere  iacentem  Hippodamum,  redü  illa  fames  'der  alte  appetit  auf 
menschenfleisch.' 

V.  288  heiszt  es  von  Electra,  die  ihren  bruder  Orestes  nach 
Athen  gerettet  hat :  et  hene  soüicUum  studiis  sapientibus  addit.  Both- 
maler  nimt  anstosz  an  soUicUum^  indem  er  frag^:  'sed  quid,  quaeso, 
hoc  est ,  quod  hene  sollicitus  dicitur  puer  ab  Electra  servatus  ?  *  und 
schlägt  soUicUa  mit  verlängerter  endsilbe  vor.  ich  glaube  dasz  gar 
keine  nötigung  vorliegt  hene  mit  söUicitum  zu  verbinden ,  es  gehOrt 
vielmehr  zu  addit,  der  ganze  vers  heiszt  also :  'und  widmet  in  passen- 
der weise  den  bekümmerten  jüngling  dem  Studium  der  philosophie.' 
mit  dieser  erklärung  kommen  wir  vollständig  aus;  sonst  läge  es 
nahe  zu  schreiben  et  hene  saiuütum^  wobei  natürlich  hene  mit  saHuatum 
zu  verbinden  wäre,  dasz  die  nächsten  beiden  verse  den  zusammen* 
hang  in  störendster  weise  unterbrechen,  wird  wohl  von  keinem  in 
abrede  gestellt,  da  das  cuius^  welches  sich  eng  an  v.  288  anschlieszt, 
bei  zwischeuschiebung  dieser  verse  gänzlich  in  der  luft  schwebt. 
doch  kann  ich  den  Vorschlag  von  Schenkl  sie  nach  v.  304  repenaafU 
(er  hätte  wohl  richtiger  gesagt,  vor  305)  zu  stellen  in  keiner 
weise  billigen,  die  er  wähnung  des  schiffs,  welches  die  flQchtlinge 
davontrug,  käme  hier  viel  zu  spät,  eine  erträgliche  Unterkunft  finden 
die  in  rede  stehenden  verse  nach  v.  285.  wir  haben  dann  folgenden 
gedankengang:  'Electra  wird  zwar  von  dem  plötzlichen  unglück 
niedergeschmettert,  rettet  aber  doch  den  Orestes  als  den  zukünftigen 
rächer  des  vaters.  und  zwar  trägt  dasselbe  schiff,  welches  den 
Agamemnon  gebracht  hatte,  nun  auch  die  kinder  des  kOnigs,  die 
liabe  Agamemnons  und  die  troischen  schätze  wieder  fort.  Electra 
nemlich,  den  bruder  dem  rächen  der  mutter  entreiszend,  setzt  ihn 


KRossberg:  zur  Orestis  tragoedia.  571 

auf  das  fahrzeug ,  nimt  ihn  mit  sich  nach  Athen  und  widmet  dort 
den  bekümmerten  jüngling  in  passender  weise  dem  Studium  der 
Philosophie,  sein  treuer. freund  war  Pjlades'  usw.  in  der  nun  fol- 
genden Schilderung  der  zärtlichen  freundschaft  der  jttnglinge  hat 
die  bisherige  kritik  so  ziemlich  glatte  bahn  gemacht,  ich  bin  mit 
der  fassung  von  292 — 304  bei  Peiper  in  allen  stücken  einverstanden 
bis  auf  isset  v.  300,  woftlr  mir  Rothmalers  ibat  die  ein/Jg  richtige 
herstellung  zu  sein  scheint,  und  bis  auf  die  worte  hoc  sirnüis  faciebat 
amor.  das  steht  freilich  in  B;  was  es  aber  heiszen  soll,  ist  mir  völlig 
unklar,  es  ist  entschieden  zu  schreiben:  hos  similTs  faciebat  amor^ 
dh.  Venn  jeder  von  ihnen  den  leichten  renner  tummelte ,  liesz  die 
liebe  sie  ähnlich  erscheinen',  indem  nemlich  einer  wie  der  andere 
ritt  und  keiner  den  andern  an  kunstfertigkeit  zu  übertreffen  suchte. 
V.  325  ist  nitens  von  nitere  abzuleiten,  nicht,  wie  offenbar  bei 
Mähly  und  dem  anschein  nach  (mit  falscher  prosodie)  bei  Sehen  kl, 
von  niti.  der  inf.  placare  hängt  vielmehr  von  adgreditur  ab.  gerade 
der  Orestes  nemlich  weist  einen  sehr  freien  gebrauch  des  infinitivs 
auf,  der  in  den  übrigen  gedichten  minder  stark  hervortritt,  wiewohl 
sich  auch  in  diesen  beispiele  genug  finden  (vgl.  8,  124  conmrat  in 
arma  Graecia  iota  dolens  rapium  punire  Lacaenae;  8,  81  Laame- 
dontiades  capitolia  celsa  petebat  reddere  uota  Ioui\  8,  288  thalami  con- 
soriia  casti  scindereposcebant]  Or.  154  facinusque  parare  disponitusv/, 
V.  326  hat  B  psüta  suae  dulcedine  linguae,  für  das  mit 
compendien  geschriebene  wort  will  Mfthly  praestruäa,  Baehrens 
praefuUa  lesen,  es  wird  jedoch  nichts  weiter  flötig  sein  als  die  com- 
pendien in  gewöhnlicher  weise  aufzulösen  praesumta.  dies  ist  in 
derselben  weise  zu  fassen  wie  Drac.  5,  91  qtiando  fugax  praesumpius 
erit  uel  debilis  audax?  nemlich  «=  audax,  dasz  praesumere  nicht 
selten  =  andere  (zb.  Or.  930.  Drac.  de  deo  3,  204  quis  tarn  saeuas 
rabies  compescere  uindex  armatus  praesumpsit  homo)^  ist  bekannt, 
der  gebrauch  von  praesumtus  in  activem  sinne  aber  auszer  diesen 
beiden  stellen  des  Dracontius  von  mir  nicht  nachzuweisen,  vielleicht 
jedoch  in  der  bei  Forcellini  citierten  stelle  des  Corippus  loann.  4,  550 
natus  et  eximius  sumptis  praesumptior  armis^  wo  F.  bemerkt:  'active 
qui  praesumit.' 

V.  342  läszt  sich  das  überlieferte  bipennis  (B  uipennis)  halten, 
wenn-  man  verbindet  tarn  turpi  morte  bipennis. 

V.  451  ist  dreiteilig:  pronuba  ftamma  fuU^  thalami  rogiis,  et 
pyra  lectus:  'brautfrau  war  die  flamme,  das  brautgemach  der  holz- 
stosz  und  das  ehebett  der  Scheiterhaufen.' 
V.  456  ff.  sind  zu  lesen : 

Ibat  alumna  manus  tumuUs  regalibtis  omnis 
Nodibus  in  mediis,  flens  per  haec  tempora  regetn^ 
Anxia  quae  gemituet  tremulis  tUulatibus  tisa 
Temperte  moderante  fremit  terrente  pauore. 
B  bietet  que  gemüü  et  und  tremit.    fremere  ist  ein  bei  Dracontius 
überaus  beliebtes  verbum. 

37* 


572  ERossberg:  zur  Orestis  tragoedia. 

V.  549 — 551.  bei  diesen  versen  kommen  die  früheren  ausgaben 
nicht  in  betracht,  da  sie  y.  550  statt  des  hsl.  uiuum  noch  nach  der 
CWMüllerschen  coUation  uiua  im  texte  haben  und  dies  nicht  anders 
als  mit  cnidelia  membra  cremanda  in  v.  551  verbinden  konnten. 
Peiper  schreibt  zwar  uiuum ^  interpungiert  aber  entschieden  falsch, 
wenn  er  im  texte  bietet: 

Ore  fremunt  famuli,  gut  carpere  dentihus  Optant 
Corpus  Egisteum  ud  uiuum  tradere  flammis, 
Coniugis  infandae  crudelia  membra  cremanda. 
das  könnte  nur  etwa  heiszen:  'die  diener  muiTen  und  sie  wünschen 
den  körper  des  Aegisthus  mit  den  zahnen  zu  zerfleischen  und  ihn 
lebendig  den  flammen  zu  übergeben  (und  meinen)  dasz  die  grausen 
glieder  der  abscheulichen  gattin  verbrannt  werden  müsten.'     wie 
unbeholfen  das  ist,  bedarf  keines  weitem  nachweises.   Peiper  wurde 
verleitet  durch  die  annähme  dasz  uel^  wie  so  oft  bei  Draconiiua,  so 
auch  hier  =  et  sei.  dasselbe  hat  indessen  hier  sicher  seine  steigernde 
bedeutung,  und  das  komma  ist  hinter  uiuum  zu  setzen:  'weldbe  den 
körper  des  Aegisthus  gleich  bei  lebendigem  leibe  zu  zerfleischen  und 
die  grausen  glieder  der  abscheulichen  gattin  den  flammen  zur  Ver- 
brennung zu  übergeben  wünschen.' .  ich  denke ,   das  ist  klar  und 
einfach. 

V.  567  ff,  lese  ich : 

Flumina  pectoreo  dedit  uhere  lactea  lahris^ 
Dulcia  nectareum  fundentia  meUa  saporem. 
B  flumine  —  uhera  -^  nedareum,    die  mutter  gibt  den  lippen  des 
kindes  zweierlei:  1)  ex  übere  peäoreo  flumina  laäea  und  2)  dudeia 
mella  nectareum  saporem  fundentia, 

V.  645  ff.  auch  in  diesen  versen  kann  ich  die  hergebrachte 
intcrpunction  der  ausgaben  nicht  billigen,  in  v.  645  fragt  Dorylas : 
'lebst  du  mein  pflegling?  ja  dann  leben  wir  alle.'  sodann  fährt  er 
fort :  'wir  sind  nur  den  nachstellungen  aus  dem  wege  gegangen,  so 
lange  der  ehebrecher  in  üppiger  pracht  lebt',  und  nun  beginnt  er 
seine  Schilderung  von  dem  treiben  des  Aegisthus  und  der  Cljie- 
mestra,  um  dann  in  v.  051  die  eigne  handlungsweise  mit  nos  tarnen 
dazu  in  gegensatz  zu  stellen,  es  ist  also  hinter  v.  645  sowohl  wie 
hinter  v.  646  ein  punctum  zu  setzen,  die  verse  647 — 654  reis  bilden 
dann  einen  satz.  denn  dasz  die  werte  fjuod  superest  cito  poena  reis 
mit  dem  vorhergehenden  zusammenhängen,  hat  Haase  (bei  Peiper) 
richtig  gesehen,  die  werte  hängen  ab  von  cuius  promissa  tenemus 
und  vielleicht  gleichzeitig  von  quamvis  Cassandrae  fuerint  responsa 
priora:  'dessen  versprechen  wir  haben  (obgleich  ja  früher  auch  schon 
die  Prophezeiung  der  Cassandra  sich  dahin  aussprach),  dasz  den 
schuldigen  bald  ihre  strafe  bevorsteht.'  das  cito  der  hs.  mit  den 
ausgaben  in  cita  zu  ändern  ist  ganz  überflüssig ;  superest  ist  >»  ven^ 
turn  est,   für  die  kürze  der  endsilbe  von  cito  vgl.  v.  143. 

v.  658  ist  mit  B  zu  lesen  astringere  ferrum :  vgl.  Statius  Hieb. 
3,  IIG  motos  capuUs  astringeret  enscs. 


KRossberg:  zur  Orestis  tragoedia.  573 

V.  677  hat  B  hoc  nescire,  ehe  man  durch  die  neue  collation  des 
B  von  HHagen  wüste  dasz  vor  nescire  noch  ein  hoc  steht,  hatte 
Baehrens  vermutet  rescire ,  damals  sicher  mit  gröster  berechtigung. 
heute  dürfte  einfach  zu  schreiben  sein  ?u>c  scire  (nicht  mit  Peiper 
hoc  nosse),  da  nescire  offenbar  durch  das  sogleich  folgende  negcUtur 
veranlaszt  ist. 

y.  697  habe  ich  in  meinen  observ.  crit.  vorgeschlagen  plandu 
gaudentis  auf  Orestes  bezogen,  es  war  mir  damals  entgangen ,  dasz 
B  vor  planctu  ein  et  hat.  durch  dieses  wird  die  herstellung  der  stelle 
noch  leichter,   man  lese: 

Fostquam  introgressum  cognoscü  turha  ministra , 
Os  Agamemnonium  gressus  ocülosque  mantisqtie , 
Et  planäu  gaudens  fremuit  sine  twcibus  oris, 
Uam  portae  daudantur^  ait  Pylades  Oresti, 
B  ä  plandu  gaudentes  fremunt.    die  drei  ersten  verse  bilden  den 
Vordersatz. 

V.  726  ist  wohl  zu  lesen  quibus  est  protractus  Airides  für 
prostratus  in  B  unter  vergleichung  von  v.  348. 

V.  892— 93^  enthalten  die  anklagerede  des  Molossus  und  die 
Verteidigungsrede  des  Orestes,  in  beiden  reden  ist  nach  dem  in  den 
ausgaben  gebotenen  texte  noch  mancherlei  unklar,  ehe  ich  auf 
einzelheiten  mich  einlasse ,  sei  es  mir  gestattet  folgende  recension 
der  verse  vorzulegen:  * 

Et  sie  orsus  ait:  ^proceres,  legälis  origo^ 
Arguo  mortiferutn  scelcratae  mentis  Orestem , 
Sanguinis  oblitumy  humani  iuris  egenum, 
S9b  Sacrilegum  superum,  perfusum  sanguine  matris 
Heu  dextra  fundente  sua,   sed  aduUera  forsan 
Mater  erat:  —  Pyrrhus  numquid  fuit  aUer  Egistus? 
Quem  necat  in  templo  caekstia  dona  ferentem 
Euer  Sorem  Asiae^  natum  armipotentis  AchiUis,  — 
900  Forte  referty  quia  mater  erat  scelerata  j  profana.  — 
Crimen  aduUerii  cumulat  quae  morte  mariti , 
Percutienda  fuit  rea  maxima  iudice  iusto , 
Non  tarnen  ense  suo.   quid  iam  peccasse  pudehit^ 
Cui  prius  est  in  matre  nefas?   censete  seuera, 
905  Cecropidaeproceresf  decet  uUio  tälis  Athenas : 
Cuius  in  exüium  sat  erit  non  cuUet^s  unus , 
Taliht^  huic  opus  est:  aequentur  uut/nera  memhriSy 
Partibus  absdsis  sibi  sit  de  morte  superstes^ 
Tempore  sed  modico  uiuax  lanianda  cadauerf* 
910  Haec  ait  et  tacuit,   cui  sie  respondü  Orestes: 

^Summaies  Danaum,  sapientes  lumine  cordis^ 
Culmen  Athenaeum,  censores  iuris  honesti^ 
Gaudeo  securu>Sy  quod  apud  uos  causa  mouetur^ 
Sunt  quibus  uxores,  quibus  est  affeäus  amandi, 
915  Et  meminisse  reor  primcteui  temporis  annos, 


574  KBoBsberg:  zur  Orestis  tragoedia. 

Quid  Sit  amor  sponsae^  thalami  quae  uota  futuri. 
Bis  superis  grates ,  quod  post  tot  funera  mentis 
Ärguor  adsistens  intcr  subseUia  sospes^ 
Incolumis  ueneror  sandum  per  iura  tribunaly 
920  A  licUo  discerno  nefas,   tracfaie  uerendi: 
Non  de  lue  mea  sententia  uestra  ferenda  est , 
Sed  de  iure  deum ,  qui  me  purgasse  pröbantur , 
Dum  medidnalem  irihuunt  per  corda  salutem. 
Nemo  poli  seruare  deum,  piUo^  ueUet  if^iquum, 
925  lustior  inueniory  dum  matrem  uindicat  uUor: 
Si  ulciscenda  rea  genetrix,  quid  iam  pater  insons? 
Quis^  rogo^  sacrilegosy  quis  demens  audeat  aimos 
Accusare  deos^  quihus  est  perfecta  potestas? 
Scilicet  accuset^  nocet  in  certamina  diuoSy 
930  Obiciat  facinus^  praesumat  heUa  gigantumf 
Forsitan  obiciat:  <fuerant  cur  ergo  furores?* 
Cura  doloris  eraty  proceres,  nee  poena  reatus. 
Taedia  soUicitant  animos  mentemque  fatigani. 
Fprhus  erat  raptor^  uindexpost  beUa  rapinae, 
935  Ärguit  unus  iners,   quem  conprobat  ordo  deorum , 
Quaeso ,  duces  legum ,  sententia  uestra  resoluat 
Purgatum  sub  iure  deum ,  stib  sorte  benigna  f  * 
wi^man  sieht,  habe  ich  an  der  interpunction  manches,  an  den  werten 
des  textes  wenig,  an  der  Stellung  der  verse  gar  nicht»  geSndert.  die 
relativsätze  v.  901.  906.  935  sind  zum  folgenden  zu  ziehen,   v.  896 
lese  ich  heu  für  ety  y.  907  huic  für  hoc.  die  worte  sed  aduUera  forsan 
mater  erat  sind  eine  concession  des  redners ,  um  die  erwiderung  des 
angeklagten  von  vorn  herein  abzuschneiden,   freilich  l&szt  er  auch 
diese  entschuldigung  nicht  ganz  gelten:  denn  er  nimt  diesen  punkt 
V.  900  noch  einmal  auf.    in  diesem  verse  vertritt  quia  einen  acc.  c. 
inf.    der  gedankengang  der  rede  des  Orestes  ist  folgender,    er  be- 
ginnt mit  einem  appell  an  das  gefühl  der  richter  als  gatten  und 
ehemalige  bräutigame  (911 — 916)  und   wendet  sich  sodann  zum 
dank  gegen  die  götter,  welche  die  nacht  des  Wahnsinns  von  seinem 
geistü  verscheucht  haben,  so  dasz  er  mit  klarem  verstände  recht  und 
unrecht  unterscheiden  und  sich   vor  dem  gerichtshofe  verteidigen 
könne  (917 — 920).    diese  heilung  vom  Wahnsinn  durch  die  götter 
bildet  nun  den  kern-  und  angelpunkt  seiner  Verteidigung.  Ä.  zuerst 
fordert  er  die  richter  auf  zu  erwägen  {tradaie  uerendi) ,  dasz  es  sich 
gar  nicht  um  seine  Streitsache,  sondern  um  das  recht  der  gOtter 
handle,    a)  sie  haben  mich  vom  Wahnsinn  geheilt,     wer  von  den 
göttern  wird  aber  einen  frevler  retten?    folglich  bin  ich  frei  Ton 
schuld  (921 — 924).  b)  durch  die  forderung  der  räche  für  die  matter 
seitens  des  anklägers  erscheine  ich  nur  noch  mehr  gerechtfertigt,  denn 
wenn  er  für  die  verbrecherische  mutter  räche  heischt,  so  war 
ich  erst  recht  verpflichtet  den  unschuldigen  vater  zu  rftchen. 
war  ich  aber  dazu  verpflichtet,  wie  soll  ich  strafbar  sein?   der  an- 


ERossberg:  zur  Orestis  tragoedia.  575 

kläger  verstöszt  also  gegen  die  logik ;  ihn  zu  widerlegen  ist  nicht 
weiter  nötig  (925.  926).  c)  will  aber  jemand  die  götter  eines  frevels 
zeihen  {almos  deos  ut  sacrüegos  accusare)?  nun,  der  versuche  es  nur, 
er  wird  ja  das  resultat  bald  an  sich  erfahren  (927 — 930).  B.  nun 
könnte  aber  eingeworfen  werden:  wenn  sich  das  alles  so  verhält 
und  die  götter  so  auf  deiner  seite  stehen,  warum  warst  du  denn 
vorher  wahnsinnig  ?  war  das  nicht  eben  eine  von  den  göttern  ge- 
sendete strafe?  darauf  erwidere  ich:  nein,  es  war  eine  folge  des 
schmerzlichen  kummers,  nicht  strafe  für  eine  schuld,  anhaltender 
verdrusz  beunruhigt  ja  das  gemüt  und  ermüdet  den  geist  (931 — 933). 
C.  was  den  Pyrrhus  anlangt,  so  verliere  ich  kein  wort:  er  war  ein 
räuber  und  maszte  sich,  als  gar  kein  krieg  mehr  war,  eine  beute  an. 
dafür  war  ich  berechtigt  ihn  zu  strafen  (934).  D,  resumö:  hier  steht 
^in  tropf  als  mein  anklSger  —  dort  tritt  der  ganze  stand  der 
götter  für  mich  ein.  darum  sprecht  auch  ihr  mich  frei,  den  bereits 
das  recht  der  götter  und  die  gunst  des  geschickes  losgesprochen 
haben  (935 — 939).  die  rede  ist  nichts  weniger  als  ein  meisterstück, 
es  fehlt  ihr  an  einer  geschickten  disposition  und  an  concinnität.  es 
kann  nicht  geleugnet  werden,  dasz  die  verse  925.  926  sich  in  ihrer 
Umgebung  nicht  sehr  passend  ausnehmen ,  doch ,  glaube  ich ,  ist  das 
dem  späten  Africaner  zu  gute  zu  halten,  will  man  sie  durchaus 
umstellen,  so  würde  ich  ihnen  ihren  platz  nicht  mit  Peiper  nach  920 
anweisen  (denn  diesem  musz  offenbar  v.  921  folgen),  sondern  eher 
vor  934 ,  so  dasz  dann  in  den  drei  versen  925.  926.  934  die  beiden 
hauptpunkte  der  anklage  kurz  abgefertigt  werden. 

v.  960.  wenn  irgendwo,  läszt  sich  bei  diesem  verse  zeigen,  wie 
lange  fehler ,  die  sich  in  einer  ersten  ungenügenden  ausgäbe  finden, 
sich  fortschleppen,  alle  bisherigen  hgg.  setzen  die  in  der  ausgäbe 
von  CWMüUer aufgenommene  lesart  des  A  amplexuque  tenent  laeua 
dextraque  sorores  in  den  text,  ohne  zu  beachten  dasz  B  amplexeque 
tenent  bietet,  dasz  dies  <=  amplexaeque  tenent  ist,  bedarf  keines  be- 
weises,  zum  Uberflusz  ergibt  sich  indes,  dasz  Drac.  hier,  wie  so 
häufig,  Vergilius  vor  äugen  hatte,  bei  welchem  es  Aen,  2,  490  heiszt: 
a mplexa eque  tenent  postes  atque  gscula  figunt. 

NoBDEN.  Eonbad  Rossbebg. 


(50.) 

PHILOLOGISCHE  GELEQENHEITSSCHRIPTEN. 


Meiszen  (landesBchale  St.  Afra)  Konstantin  Angermann:  geogra- 
phische namen  Altjifriecbenlands.  druck  von  C.  £.  Klinkicht  u.  söhn. 
1883.     31  8.  gr.  4. 

Metz  (lyceum)  Ferdinand  Weck:  beitrage  zur  erklärung  Homerischer 
Personennamen,     druck  von  gebr.  Lang.     1883.     34  s.  4. 

München  (akademie  der  wiss.)  £daard  Wölfflin:  gedäcbtnisrede 
auf  Karl  von  Halm,  gehalten  .  .  am  28  märz  1883.  druck  von 
F.  Straub.  36  s.  gr.  4.  —  G.  F.  Unger:  zur  gescbichte  der  Pytha- 
goreier  (aus  den  Sitzungsberichten  der  philos.-philol.  n.  bist  classe 


576  PhüologiBche  gelegenheitsschriften. 

1883  beft  2  s.  140—192).  —  K.  Krambacher:  eine  neue  band- 
Schrift  der  g^ammatik  des  Dosithens  nnd  der  interpretamenta  Lei- 
densia  (ebendaher  s.  195 — 203).  —  A.  Spengel:  scenentitel  und 
scenenabteilung  in  der  lateinischen  komödie  (ebendaher  8.  267 
— 298).  —  H.  Brunn:  über  tektonischen  styl  in  griechischer  plastik 
nnd  maierei  (ebendaher  heft  3  s.  299 — 331).  —  (uniy.,  docftoridisser- 
tationen)  Robert  Leonhard:  de  codicibns  Tibnllianls  capita  tria. 
▼erlag  von  Th.  Ackermann.  1882.  66  s.  gr.  8.  —  Karl  Kram- 
b acher:  de  codicibns  qnibas  interpretamenta  Psendodositheana 
nobis  tradita  sunt,  druck  von  F.  Straub.  1883.  68  s.  gr.  8.  — 
Johann  Frants:  die  kriege  der  Scipionen  in  Spanien  536— 64S 
a.  u.  c.    Verlag  von  Th.  Ackermann.     1883.     V  u.  77  s.  gr.  8. 

Münster  (akademie,  lectionskatalog  s.  1883)  P.  Langeni  analectomm 
Plautinorum  part.  III.    druck  von  Coppenrath.     14  s.  gr.  4. 

New  York  (Columbia  College)  Augustus  C.  Merriam:  the  greek 
and  latin  inscriptions  on  the  obelisk-crab  in  the  metropolitan  mnseam^ 
New  York.   Harper  &  brothers,  Franklin  Square.    1883.   49  s.  lex.  8. 

Patschkau  (gymn.)  E.  Koenig:  quaestiones  Plautinae.  druck  von 
E.  Hertwig.    1883.    18  s.  gr.  4. 

Plauen  i.  V.  (gymn.  u.  realschule)  William  Fischer:  Studien  zur 
byzantinischen  geschichte  des  elften  Jahrhunderts.  I.  loannes  Xiphi* 
linus,  Patriarch  von  Constantinopel.  II.  die  patriarchenwahlen  im 
elften  jh.  III.  die  entstehungszeit  des  tractatus  de  peculiis,  des 
tractatus  de  privilegiis  creditorum,  der  Synopsis  legum  des  Michael 
Psellus  und  der  Peira,  und  deren  Verfasser,  druck  von  F.  E.  Neupert. 
1883.     56  s.  gr.  4. 

Rastenburg  (gymn.)  H.  K.  Benicken:  die  litteratur  zum  sechsten 
buche  vom  zorne  des  Achilleus  im  sechsten  und  siebenten  buche 
der  Homerischen  Ilias.  teil  I.  •  druck  von  W.  Kowalski.  1883. 
20  8.  gr.  4. 

Rostock  (univ.,  lectionskatalog  s.  1883)  Georg  Kaibel:  observationea 
criticae  in  Athenaeum.     druck  von  Adler.     10  s.  gr.  4. 

Speier  (studienanstalt)  Philipp  Thielmann:  beitrage  zur  teztkritik 
der  vulgata,  insbesondere  des  buches  Judith.  L.  Gilardonesche 
buchdruckerei.     1883.    64  s.  gr.  8. 

Verden  (domgymn.)  A.  Fokke:  rettungen  des  Alkibiades.  erster  teil: 
die  sicilische  expedition.  verlag  von  W.  Haynel  in  Emden.  1883. 
87  s.  8. 

Wien  (Franz-Joseph-gymn.)  Josef  Egger:  katharsis-studien.  druck 
von  G.  Qistel  u.  co.  1883.  39  s.  lex.  8.  —  (Leopoldstädter  gymn.) 
Carl  Ziwsa:  die  eurythmische  technik  des  Catnllns.  iXr  teil, 
druck  von  C.  Fromme,  1883.  40  s.  gr.  8.  [der  erste  teil  erschien 
1879  als  Programm  des  gymn.  in  Hernais.] 

Wiesbaden  (gymn.)  Friedrich  Lohr:  aus  dem  alten  Rom.  ein  brief 
an  die  schüler  des  gymnasiums.  L.  Sohellenbergsche  hofbnch- 
druckerei.     1883.    22  s.  gr.  4. 

Wittenberg  (gymn.)  Carl  Haupt:  ein  -beitrag  zu  der  frage  nach 
ziel  nnd  methode  des  geschichtsunterrichts  auf  gymnasien.  druck 
von  A.  Löbcke.     1883.    38  s.  gr.  4. 

Wohlau  (gymn.)  A.  Arlt:  Catulls  36s  gedieht.  Horaz  sat.  2,  1,  34 
—39.    druck  von  C.  Koppel.     1883.     14  s.  gr.  4. 

Zittau  (gymn.)  Johannes  Renner:  kritische  und  grammatische  be- 
merkungen  zu  Homer,    druck  von  R.  Menzel.    1883.    28  s.  gr.  4. 

Zweibrücken  (studienanstalt)  Franz  Krupp:  die  Homerischen  gleich* 
nisse  zusammengestellt  nach  den  verglichenen  personen  und  an- 
Schauungskreisen,  welchen  die  bilder  entnommen  sind,  mit  angäbe 
der  Vergleichungspunkte,   druck  von  A.  Kranzbühler.    1883.   35  s.  8.. 


ERSTE  ABTEILUNG 

PÜß  CLASSISCHE  PHILOLOGIE 

HERAUSGEGEBEN  VON  ALFRED  FlECKEISEN. 


89. 

DAS  ERSTE  JAHR  DES  PELOPONNESISCHEN  KRIEGES. 

EIN  BEITRAG  ZUR  CHRONOLOGIE  DES  THUKYDIDES.  * 


Im  anfang  des  zweiten  buches  seiner  geschichte  des  krieges  der 
Peloponnesier  und  der  Athener  gibt  Thukjdides  eine  genaue  datie- 
rung  des  nächtlichen  Überfalls  der  mit  den  Athenern  verbündeten 
boiotischen  stadt  Plataia  durch  die  Thebaner,  welche  in  dem  Wort- 
laut, in  dem  sie  uns  in  den  sämtlichen  handschriften  vorliegt ,  mit 
mehreren  andern  stellen  desselben  Werkes  so  schwer  in  Übereinstim- 
mung zu  bringen  ist,  dasz  man  fast  unabweislich  auf  den  gedanken 
kommen  muste,  es  liege  mindestens  in  einer  dieser  mit  einander 
streitenden  stellen  eine  textverderbnis  vor.  so  ist  es  denn  wohl  er- 
klärlich, dasz  eine  sehr  leichte  und  schonende  emendation  Krügers, 
die  diesem  Übelstande  abzuhelfen  schien ,  bald  fast  allgemeine  Zu- 
stimmung gefunden  hat,  zumal  da  sie  von  einem  meister  wie  Böckh 
gebilligt  worden  war.  ich  habe  nun  schon  in  diesen  jahrb.  1882 
s.  305  an  der  richtigkeit  des  Krügerschen  Vorschlags  bei  Thuk.  11  2 
vier  monate  zu  schreiben  statt  zwei  (nicht  zehn,  wie  ao.  durch  einen 


'*'  dio  nachstehende  abhandlung  ist  hervorgegangen  aus  den  vor- 
arbeiten zu  einer  gröszern  schon  ziemlich  weit  vorgerückten  Unter- 
suchung über  die  quellen  zur  geschichte  des  peloponnesischen  krieges. 
es  wollte  mir  nicht  recht  gelingen,  diese  Vorstudien  in  angemessener 
weise  mit  dem  text  zu  verschmelzen,  und  so  war  der  gedanke,  dieselben 
als  etwas  vorläufiges  selbständig  zu  veröffentlichen,  um  später  auf  sie 
verweisen  zu  können,  schon  in  mir  anfgestiegen,  als  meine  ernennung 
zum  dr.  phil.  und  mag.  art.  Über,  durch  die  philosophische  facultät  der 
Universität  Königsberg  den  anstosz  zur  ausführung  dieses  entschlasses 
gab.  in  dem  schreiben,  in  dem  ich  der  hochverehrten  facultät  meinen 
dank  dafür  ausflprach,  verpflichtete  ich  mich  zugleich  zu  dem  versuch, 
durch  eine  eigne  schrift  die  mir  erwiesene  ehre  in  den  äugen  der  fach- 
genossen wo  möglich  zu  rechtfertigen,  so  ist  diese  abhandlung  ent- 
standen, und  nun  erlaube  ich  mir  denn  diesen  beitrag  zur  Chronologie 
des  Thukydides  dem  herrn  decan  und  den  herren  professoren  der  philo- 
sophischen facultät  der  univ.  Königsberg  gleichsam  als  eine  verspätete 
doctordissertation  ehrfurchtsvoll  zn  überreichen  und  zu  widmen. 

Jahrbücher  fQr  class.  philol.  1883  hf\.  9.  3d 


578     HMüller-StrübiDg:  das  erste  jähr  des  pcloponnesischen  krieges« 

wunderlichen  druck-  oder  wahrscheinlicher  Schreibfehler  wiederholt 
zu  lesen  ist)  meinen  zweifei  ausgesprochen,  und  es  scheint  mir  um 
so  dringender  geboten,  meine  abweichende  ansieht  zu  begründen, 
da  Krügers  emendation  von  fast  sämtlichen ,  jedenfalls  von  den  be- 
deutendsten neueren  herausgebern  des  Thukydides,  von  Classen, 
Böhme,  Stahl,  Herwerden  in  den  text  aufgenommen  worden  ist,  so 
dasz  die  gefahr  nahe  liegt,  dieselbe  werde,  wie  das  zu  geschehen 
pflegt,  wenn  nicht  rechtzeitig  einspruch  geschieht,  sehr  bald  durch 
eine  art  von  Verjährung  eine  fast  handschriftliche  autorität  erlangen. 
hat  doch  ein  so  gelehrter  und  scharfsinniger  forscher  wie  GFUnger 
in  zwei  sonst  sehr  verdienstlichen  Untersuchungen,  mit  denen  ich 
mich  weiterhin  noch  vielfach  zu  beschäftigen  haben  werde  \  den  von 
Krüger  angeblich  ermittelten  Jahrestag  des  Überfalls  von  Plataia 
nicht  blosz  zum  epochentag  für  den  ganzen  krieg  gemacht  (wobei  er 
denn  freilich  das  Zugeständnis  machen  musz,  dasz  Thukydides  'im 
Widerspruch  mit  sich  selbst'  an  einer  andern  stelle  seines  werkes, 
V  20,  nicht  diesen  Überfall ,  sondern  den  angriff  der  Lakedaimonier 
auf  die  attische  grenzfestung  Oino^  als  den  anfang  des  krieges  be- 
zeichne) —  ja  mehr  als  das :  ünger  ist  noch  weiter  gegangen,  denn 
nach  ihm  soll  Thukydides  sich  den  doch  rein  zufälligen  umstand, 
dasz  das  angeblich  von  Krüger  festgestellte  datum  des  Überfalls  in 
die  nähe  des  anfangs  der  —  ich  will  kurz  sagen  der  guten  Jahreszeit, 
in  der  die  Griechen  ihre  kriegsoperationen  zu  beginnen  pflegten, 
fiel ,  zu  nutze  gemacht  haben ,  um  dasselbe  ein  für  alle  mal  als  den 
anfang  auch  des  sommers  zu  bezeichnen,  mich  dünkt,  das  wäre,  wie 
ich  anderswo  schon  gesagt  habe  (jahrb.  1879  s.  441),  schon  für  den 
Archidamiscben  krieg  eine  seltsame  schrulle,  für  den  sikelischen,  den 
ionischen  krieg  aber  eine  vollkommene  absurdität  gewesen,  wenn  es 
mir  nun  gelingen  sollte,  die  Unrichtigkeit  dieses  Krügerschen  angeb- 
lichen datums  für  den  Überfall  von  Plataia  nachzuweisen  —  und  das 
wird  keine  schw^ere  noch  saure,  vielmehr  eine,  ich  hoffe  auch  für  den 
leiser  ergetzliche  arbeit  sein,  gleichsam  die  schluszscene  einer  philo- 
logischen komödie  der  irrungen,  die  sich  in  Wohlgefallen  auflöst  — 
dann  wird  freilich  das  ganze  stattliche  gebäude,  das  ünger  auf  dem 
funüament  dieser  falschen  datierung  aufgebaut  hat,  in  sich  selbst 
zusammenfallen,  trotzdem  dasz  es,  um  mit  ChAVolquardsen  (Bursians 
juhresber.  XIX  s.  113)  zu  reden,  'nach  einem  wohldurchdachten, 
einheitlichen,  den  angaben  des  Thukydides  mit  vieler  kunst  an- 
gepassten  System  errichtet  ist.'  mit  diesem  urteil  stimme  ich  durch» 
aus  überein  und  meine  dasz  Ungers  Untersuchungen  trotz  des  grund- 
irrtums,  auf  dem  sie  beruhen,  einen  bleibenden  wissenschaftlichen 
wert  behalten  werden,  da,  um  weiter  mit  Volquardsen  zu  reden, 
'durch  den  leitenden  gedanken  derselben,  die  annähme  nemlich,  dasi 

*  'zur  Zeitrechnung?  des  Thukydides'  in  den  sitznngsberichten  der 
philos.-philol.  classe  der  Münchener  akad.  der  wissensch.  1876  bd.  I, 
uud  Mer  attische  kalendcr  während  des  pcloponnesiichen  kriegei'  ebd. 
bd.  II. 


HMüller-Strübing :  das  erste  jähr  des  peloponnesischen  krieges.     579 

Thukydides  seine  kriegsjahre  auf  attische  bürgerliche  jähre  fundiert 
habe ,  nach  unserer  Überzeugung  unsere  forschung  auf  eine  richtige 
bahn  gelenkt  worden  ist.'  es  gilt  nun  auf  dieser  richtigen  bahn 
weiter  fortzuschreiten. 

Thukydides  bringt  die  Vorgeschichte  des  von  ihm  beschrie- 
benen krieges  damit  zu  ende,  dasz  er  berichtet,  die  Athener  hätten 
den  zu  ihnen  geschickten  lakedaimonischen  gesandten  erklärt;  sie 
könnten  die  von  diesen  gestellten  forderungen  nicht  erfüllen,  seien 
aber  bereit  den  bestehenden  vertragen  gemäsz  dieselben  der  ent- 
scheidung  eines  unparteiischen  Schiedsgerichtes  vorzulegen.  *und 
die  Lakedaimonier  giengen  nach  hause  und  schickten  von  da  ab  keine 
gesandtschaften  mehr,  dies  waren  die  gegenseitigen  beschwerden 
und  Zerwürfnisse  vor  dem  kriege ,  welche  sogleich  mit  den  handeln 
in  Epid&mnos  und  Korkyra  angefangen  hatten,  inzwischen  verkehr- 
ten sie  noch  untereinander,  zwar  noch  ohne  geleit  von  herolden, 
aber  nicht  ohne  mistrauen ,  denn  in  dem  geschehenen  lag  doch  eine 
aufhebung  der  vertrage  und  eine  veranlassung  (oder  ein  vorwand?) 
sich  zu  bekriegen' :  aliiai  bk  auiai  Kai  biaqpopai  ^y^vovto  djiqpOT^- 
poic  TTpö  ToO  TToX^jiOu,  dpEctjuevai  euGuc  dirö  tOüv  iv  'GTribdjLiviji 
Ktti  KopKupcjt.  ^TT€|iiTVuvTO  bi.  öjiujc  iv  aÖTttic  Ktti  TTttp*  dXXrjXouc 
dqpoiTUJV  dKr|pÜKTU)c  jn^v,  dvuTTÖTTTUJC  bk  oö  •  ciTOvbuJV  Tdp  HOtx^cic 
Td  TiTVÖjLieva  fjv  Kai  Trpöqpacic  toO  TroXejüieiv.  damit  schlieszt  die 
einleitung  des  Werkes  und  das  erste  buch,  im  zweiten  fährt  der 
Schriftsteller  fort:  ^von  hier  ab  beginnt  der  krieg  der  Athener  und 
der  Lakedaimonier  und  ihrer  beiderseitigen  bundesgenossen,  in 
welchem  sie  nicht  mehr  ohne  geleit  von  herolden  mit  einander  ver- 
kehrten und  ununterbrochen  sich  bekriegten,  geschrieben  sind  die 
einzelnen  begebenheiten  der  reihe  nach ,  wie  sie  sich  zutrugen ,  nach 
sommern  und  wintern,  denn  als  der  nach  der  einnähme  von  Euboia 
geschlossene  dreiszigj ährige  Waffenstillstand  vierzehn  jähre  bestanden 
hatte,  da,  als  Chrysis  in  Argos  48  jähre  priesterin  gewesen  war  und 
als  Ainesias  in  Sparta  ephoros  war  und  Pythodoros  in  Athen  noch 
für  zwei  monate  archon  war,  im  sechsten  monat  nach  der  schlacht 
von  Poteidaia  und  zugleich  mit  dem  beginn  des  frühlings  drangen 
thebanische  männer  etwas  mehr  als  300  an  zahl .  .  um  die  zeit  des 
ersten  schlafes  bewa&et  in  die  boiotische  stadt  Plataia  ein,  die  mit 
den  Athenern  verbündet  war' :  T^ccopa  jüifcv  Tdp  Ktti  b^Ktt  i,Tr\  ^v- 
^jueivav  Ol  TpiaKCVTcOieic  cTrovbal  a%  ^y^vovto  juct'  €ößoiacfiXuj- 

ClV,  Ttjj  bk  .TT^jUTTTtU   Kttl  bCKdllW  f TCl ,   ^TTl  XpUCibOC  iv  "ApTCl  TÖT€ 

TTevTrJKovTa  buoTv  b^ovia  iir]  lepujjn^vric  Kai  Aivr|ciou  ^qpöpou  dv 
CirapTr)*  Kai  TTu9obüüpou  fxi  biio  ^fjvac  fipxovxoc  *A9T]vaioic,  jucTd 

*  ich  musz  gestehen  dasz  jedesmal,  wenn  ich  diese  stelle  lese,  der 
verdacht  in  mir  aufsteigt,  ob  nicht  nach  iv  CirdpTi]  in  unsern  hss. 
etwas  ausgefallen  sei,  die  angäbe,  wie  viel  monate  das  ephorat  des 
Ainesias  schon  gedauert  oder  noch  zu  dauern  hatte,  mich  dünkt,  das 
gefühl  für  stilistisches  ebenmasz  verlangt  das  —  und  die  zeit  des  amts- 
antritts  der  ephorie  kannte  Thukydides  doch  ganz  sicher,  und  ebenso 
seine  leser. 

38* 


580     UMüUer-Strübing:  das  erste  jähr  des  peloponnesischen  krieges. 

TTjv  ev  TToTeibaict  jLACtxnv  junvi  2ktiu  koi  &^a  fjpi  dpxoji^vqj  6nßaiujv 
ävbpec  öXiTiw  nXeiouc  TpiaKOCiuiv  .  .  dcf|X9ov  irepi  TTpiIiTov  öttvov 
Huv  öttXoic  de  TTXdTaiav  Tf]c  BoiuiTiac  oucav  *AOiivaiuJV  Eumüiaxiba. 

Man  sieht  f  Thukjdides  gibt  flir  dies  so  hochwichtige  ereignis, 
das  ja  in  der  that  die  letzte  und  unmittelbarste  yeranlassung  des 
verhängnisvollen  krieges  war ,  mit  einer  gewissen  feierlichkeit  und 
einer  bei  ihm  sonst  beispiellosen  genauigkeit  eine  Zeitbestimmung, 
die  für  die  Zeitgenossen  zur  feststellung  des  Jahres  vollkommen  ge- 
nügend war  und  das  auch  für  uns  ist;  in  bezug  auf  den  monat  hat 
die  angäbe  'im  sechsten  monat  nach  der  schlacht  bei  Poteidaia'  fttr 
uns  gar  keinen  wert  und  hatte  einen  solchen  auch  nur  fUr  die  seiner 
Zeitgenossen,  die  den  monat,  in  dem  die  schlacht  geliefert  war,  ander- 
weitig kannten :  denn  aus  dem  werk  konnten  sie  ihn  nur  aus  dieser 
stelle  durch  rückwSrtsrechnen  erfahren ;  für  den  tag  des  ereignisses 
aber  hatten  die  Zeitgenossen,  so  gut  wie  wir  noch  heute,  nur  die 
eine  bestimmung,  es  sei  geschehen,  als  Pythodoros  noch  zwei  monate 
archon  war.  ich  bin  daher  entschieden  der  meinung  Böckhs,  dasz 
wir,  um  den  tag  des  Überfalls  festzustellen ,  schlechterdings  an  dem 
letzten  tage  des  dritten  monats  vor  dem  ab  lauf  des  archon  tats  des 
Pythodoros  festhalten  müssen  (vorausgesetzt  dasz  die  angäbe  ttber 
die  noch  zweimonatliche  dauer  des  archontats  des  Pythodoros  richtig 
ist)  —  und  das  um  so  entschiedener,  da  Thukydides  an  einer  andern 
stelle  diesen  nur  durch  den  hinweis  auf  das  ende  des  archontats  be- 
stimmten tag  benutzt  zur  tagesdatierung  eines  andern  gleichfalls 
hochwichtigen  ereignisses,  des  einfalls  der  Lakedaimonier  in  Attika, 
von  dem  er  sagt ,  er  sei  geschehen  ungefähr  am  80n  tage  nach  dem 
Überfall  von  Plataia  (II  19).  freilich  wird  die  genauigkeit  dieser 
letztem  datierung  durch  das  schillernde  *  ungefähr*  (fidXiCTa)  schon 
geschwächt;  wenn  wir  aber  auch  für  den  terminus  a  quo  ein  solches 
'ungefähr'  annehmen  müssen,  dann  haben  wir  ja  gar  keine  feste  Zeit- 
bestimmung mehr,  ich  sage  dies  gegen  ünger,  der  seinem  system 
zu  liebe  aus  dem  gründe,  dasz  Thukydides  an  einer  andern  stelle 
(II  4)  sagt,  der  Überfall  sei  geschehen  TeXeuriJUVTOC  TOU  MilVÖc,  sich 
für  berechtigt  hält ,  nicht  den  letzten  tag  vor  ablauf  der  zwei ,  oder 
wie  er  will  vier  monate,  sondern  den  dritt-  oder  viertletzten  des 
betreffenden  monats  als  den  tag  des  Überfalls  und  epochentag  des 
ganzen  krieges  anzusehen,  die  gründe,  die  Unger  auszerdem  noch 
für  seine  datierung  anführt,  sind  nicht  stichhaltig  und  lassen  sich 
leicht  widerlegen,  ja  zum  teil  gegen  ihn  kehren,  wie  das  auch  Vol« 
quardsen  (ao.  s.  112  namentlich  in  bezug  auf  Thuk.  VIII  61;  vgl. 
auch  Bursians  jahresb.  I  s.  415)  anerkennt. 

Danach  also  würde  unserer  Überlieferung  zufolge  der  Überfall 
von  Plataia  auf  den  letzten  munichion  zu  setzen  sein ,  wie  das  aach 
von  allen  früheren  gelehrten,  die  sich  eingehend  mit  den  chrono- 
logischen bestimmungen  bei  Thukydides  beschäftigt  haben,  von 
Düdwell  an  bis  auf  Ullrich  und  Grote  wirklich  geschehen  ist.  aber 
da  mubz  man  sich  doch  sogleich  verwundem,  dasz  diese  gelehrten 


HMüller-Strübing:  dos  erste  jähr  des  peloponnesischen  krieges.     581 

sich  gar  nicht  gefragt  haben,  ob  denn  Thukjdides  wirklich  eine  be- 
gebenheit,  die  am  letzten  municbion,  dh.  90  tage  nach  dem  ersten 
tage  des  monats,  der  im  attischen  kalender  der  blumenmonat  heiszt, 
sich  zutrug,  als  gleich  im  anfang  des  frühlings,  äjna  fjpi  dpxojii^viu 
geschehen  bezeichnen  konnte?  dies  scheint  doch  auf  den  ersten  blick 
so  wunderlich,  dasz  hierdurch  schon  ein  zweifei  an  der  richtigkeit 
der  Überlieferung  sich  regen  musz.  es  finden  sich  dann  an  anderen 
stellen  noch  weitere,  sp&ter  zu  besprechende  angaben,  die  nicht  um- 
hin können  diesen  zweifei  noch  zu  verstärken,  und  so  hat  denn  Krüger 
schon  im  j.  1830  zu  seiner  lateinischen  übersetzunpf  von  Clintons 
Fasti  Hellenici  den  Thukydideischen  werten  Kai  TTuGobiüpoii  In 
b\JO  jifjvac  fipxovTOC  die  anmerkung  hinzugefügt:  Hamen  vereor  ne 
emendandum  sit  b'  i.  e.  T^ccapac  MH^ctc,  quae  coniectura  quibus 
rationibus  nitatur  alio  loco  dicam.'  auch  hat  er  sein  versprechen 
erfüllt:  denn  in  seinen  im  j.  1836  erschienenen  *studien'  I  s.  221  flf. 
gibt  er  seine  gründe  ganz  erschöpfend  an,  dem  sinne  nach  so:  die 
Thebaner  überfallen  Plataia,  nach  Thukjdides  zwei  monate  vor  dem 
ende  von  ol.  87,  1,  und  zwar  ziemlich  genau  äjna  fjpi  dpxofx^vu), 
also  nach  attischem  kalender  gegen  den  ausgang  des  munichion. 
'auffallend,  dasz  Thukjdides  dies  als  gleichbedeutend  mit  dem  früh- 
ling erwähnt.'  femer:  Mer  einfall  der  Peloponnesier  geschah  am 
80n  tage  nach  dem  Überfall,  mitbin  nach  der  mitte  des  hekatombaion, 
mit  der  angäbe,  dasz  damals  das  getreide  blühte  oder  reifte'  [jiCTOi 
Ttt  dv  TTXaTaiqt  TCVöjLieva  fuLi^pcji  ÖTboriKOCT^  juciXicxa ,  xoö  O^pouc 
Kai  ToO  ciTOU  äKjidt^IovTOc].  auf  jeden  fall  aber  muste  die  kornemte 
in  Attika  geraume  zeit  vor  der  mitte  des  hekatombaion  beendigt 
sein,  ^bei  der  blute  und  selbst  beim  reifen  des  getreides  sind  wir 
genötigt  etwa  an  die  zeit  unseres  mal  zu  denken.'  femer:  'die 
Sonnenfinsternis,  die  am  dritten  tage  des  Julianischen  august  eintrat, 
erwähnt  Thukjdides  nach  abzug  der  Lakedaimonier  [c.  28],  und  es 
ist  unmöglich  alles,  was  Thukjdides  nach  dem  einfall  erzählt,  in 
diese  Zwischenzeit  einzuzwängen.'  'wie  soll  man  nun  diese  auffallen- 
den Widersprüche  beseitigen?  dürfen  wir  annehmen,  dasz  durch 
kalenderverwirrung  die  Zeiten  etwa  um  zwei  monate  verrückt,  Metons 
kjklos  also  ol.  86,  4  noch  nicht  eingeführt  worden  ?  aber  eine  so  arge 
Verwirrung  ist  schon  an  und  für  sich  wenig  denkbar,  unglaublicher 
aber  wird  sie  noch  dadurch  dasz  Thukjdides ,  dessen  schweigen  in 
solchen  dingen  immer  als  bedeutsam  zu  betrachten  ist,  ohne  weiteres 
die  natürliche  Zeitbestimmung  mit  der  bürgerlichen  zusammenstellt, 
wäre  die  letztere  damals  beträchtlich  verschoben  gewesen,  so  würde 
er  dies  doch  wohl,  um  keine  irrige  Vorstellung  zu  veranlassen,  ent- 
weder angedeutet  oder  auch  sich  blosz  mit  der  natürlichen  Zeit- 
bestimmung begnügt  haben,  je  unwahrscheinlicher  es  aber  ist,  dasz 
Jm  anfang  des  peloponnesischen  krieges  eine  sehr  bedeutende  ver- 
rückung der  monate  eingetreten  war,  und  je  weniger  die  lösang  der 
vorliegenden  Widersprüche  durch  eine  annähme  der  art  als  zulässig 
erscheint,  desto  unabweisHcher  dürfte  ein  ausgleichungsversuch  sein, 


582     IIMüller-Strübing:  das  erste  jähr  des  peloponnesischen  krieges. 

der,  wenn  gleich  er  eine  Veränderung  erfordert ,  doch  eben  so  sehr 
durch  die  leichtigkeit  derselben  als  durch  die  genügende  erledigung 
der  Schwierigkeiten  sich  empfiehlt,  ja  wie  ungesucht  drängt  er  sich 
auf,  wenn  wir  die  natürlichen  Zeitbestimmungen  des  Thukjdides 
zum  gründe  legen  und  dabei  den  kanon  des  Meton  festhalten,  wenn 
wir  nemlich  den  einfall  der  Peloponnesier  in  Attika  in  die  letzten 
tage  des  mai  setzen,  so  föllt  der  angriff,  den  die  Thebaner  ungefähr 
80  tage  früher  gegen  Plataia  unternahmen ,  etwa  um  den  8n  märz. 
gerade  um  diese  zeit  aber  endigte  ol.  87,  1,  welches  jähr  mit  dem 
5n  juli  schlosz,  der  anthesterion.  es  waren  mithin,  sds  der  angriff 
auf  Plataia  erfolgte,  von  dem  jähre  noch  4  monate  übrig,  und  man 
musz  also  bei  Thukydides  TTu9obuipou  fxi  büo  |Lif)vac  fipxovTOC 
'AOtivaicic  statt  des  buo  ein  b'  dh.  T^ccapac  setzen:  eine  Verwech- 
selung die  so  leicht  ist,  dasz  man  sich  nicht  wundem  darf  sie  von 
den  abschreibern  öfter  verschuldet  zu  sehen.' 

So  weit  Krüger,  dessen  eigne  worte  ich  hier  so  viel  wie  nötig 
angeführt  habe,  da  ja  seine  argumentation  fast  alle  neueren  gelehrten 
ohne  weiteres  überzeugt  hat.  so  sagt  Böckh  (mondcyclen  s.  7G): 
'Krüger  behauptet,  Thuk.  II  2  sei  statt  b\JO  zu  schreiben  T^ccapac, 
welches  mit  Ä  geschrieben  gewesen  .  .  solche  Verwechselungen  sind 
in  späteren  Schriftstellern  eher  nachweisbar;  in  älteren  nehme  ich  sie 
ungern  an,  aber  zwingenden  gründen  musz  man  weichen,  und  keiner, 
der  die  Thukydideische  Zeitrechnung  genau  studiert  hat,  konnte  jener 
Krügerschen  änderung  widerstehen,  nicht  Weissenbom  (Hellen 
8.  169),  nicht  Vömel,  nicht  EOEMttller',  und,  setze  ich  hinzu,  nicht 
Classen ,  nicht  Stahl ,  nicht  Böhme ,  nicht  Herwerden ,  die  alle  die 
Krügersche  emendation  in  den  text  aufgenommen  haben,  was  Krttger 
selbst  nicht  gethan  bat,  der  im  texte  buo  beibehalten  und  sein  t^c- 
capac  nur  als  verschlag  in  die  anmerkung  verwiesen  hat.  sie  müssen 
also  alle  durch  die  zwingenden  gründe  der  Krügerschen  argumen- 
tation überzeugt  worden  sein.' 

^  unter  den  neueren  bearbcitom  des  Thukydiden,  die  mir  bekannt 
sind,  hat  Poppo  in  seiner  kleinem  ausgäbe  Krügers  emendation  zurück- 
gewicäun  und  Tpdc  ^f)vac  statt  60o  vorgeschlagen.  Be'tant  in  seiner 
Übersetzung  behält  60o  bei,  ohne  ein  wort  der  erkläruiig.  eben  so  lesen 
wir  in  der  ncuenten  englischen  Übersetzung  des  Thukydides  (von  B. 
Jowett,  M.  A.,  master  of  Balliol  College,  Kegins  profcssor  of  Oreek  in 
tlie  university  of  Oxford,  doctor  in  theologie  of  the  university  of  Leyden, 
Oxford  1881)  im  texte  ^at  Athens  Pythodorus  having  two  months  of 
liis  archonship  to  run',  über  nicht  ohne  den  versuch  dies  festhalten  an 
der  Überlieferung  in  den  anmerkungen  zu  rechtfertigen,  diese  anmer- 
kuugen,  die  den  zweiton  band  des  Werkes  ausfüllen,  dürfen  übriffeni 
auch  bei  nichtcnglischen  philologon  ein  gewisses  interesse  beanspnKmeOy 
da  das  werk  des  gelehrten  professors,  wie  der  recensent  desselben  im 
Athcnaenm  13  aug.  1881  s.  192  sagt,  'von  einer  art  syndicat,  dai  die 
gesamte  Oxforder  gelohrsamkeit  so  ziemlich  repräsentieren  dürfte,  wenn 
nicht  ausgeführt,  so  doch  revidiert  worden  ist'  (the  work  appears  to 
have  beeu  execnted  or  at  least  revised  by  a  sort  of  syndicate,  fairly 
represeutHtive  of  Oxford  scholarship).  sind  wir  da  nicht  berechtigt  das 
werk  mit   hochgespannten  erwartungen  in  die   hand  zu  nehmen?    und 


HMüller-Strübing:  das  erste  jähr  des  peloponnesischen  krieges.     583 

Wie  kommt  es  denn  aber,  dasz  wir,  während  doch  Erttger,  wie 
wir  eben  gesehen  haben,  als  den  tag  des  Überfalls  von  Plataia  den 
8n  m&rz  ermittelt  hat,  bei  Böckh  und  den  genannten  gelehrten  (auch 
bei  dem  geschichtschreibe r  ECurtius)  den  4n  april  als  das  datum 
des  Überfalls  angegeben  finden?  auszer  bei  ünger,  der  zwar  Krügers 
emendation  annimt,  aber  den  ersten  april  als  tag  des  Überfalls  vor- 
zieht? wie  kommt  das?  ist  das  nicht  seltsam?  gewis!  und  höchst 
ergötzlich  dazu !  es  ist  dies  die  exposition  jener  philologischen  ko- 
mödie  der  irrungen,  die  ich  oben  angekündigt  habe. 

Das  kommt  daher,  dasz  Böckh  bei  der  berechnung  von  Ejilgers 
naturdaten  auf  die  attischen  monate  ein  anderes  kalendarisches 
System  zu  gründe  gelegt  hat  als  das ,  auf  welches  Krüger  seine  be- 
rechnung basiert  hat.  Krüger  geht ,  wie  er  ja  selbst  sagt ,  von  der 
Voraussetzung  aus,  dasz  zur  zeit  des  archons  Pythodoros  Metons 
reformierter  kalender  in  Athen  schon  angenommen  und  eingeführt 
war;  er  thut  dies  im  anschlusz  an  Idelers  handbuch  der  Chronologie, 


dürfen  wir  nicht  über  eine  so  wichtige  stelle  wie  die  hier  besprochene 
auf  eine  neue  belebrung  hoffen?  was  wird  uns  nun  geboten?  eine  auf- 
Zählung  der  bedenken,  die  den  älteren  gelehrten  bei  dieser  stelle  auf- 
gestiegen sind  und  die  gröstenteils  sich  schon  in  Poppos  groszer  aus- 
gäbe finden,  mit  dem  schluszresultat:  ^wir  müssen  annehmen,  entweder 
dasz  ein  versehen  oder  eine  confusion  in  den  worten  des  Thukydides 
vorliegt,  oder  dasz  ein  irrtum  sich  in  den  text  eingeschlichen  hat.  ein 
solcher  irrtum  könnte  durch  die  emendation  Krügers  beseitigt  werden, 
der  Tdccapac  {b')  statt  60o  lesen  will,  es  findet  sich  aber  auf  der  andern 
Seite  keine  abweichung  in  den  hss.,  und  es  könnte  gegen  Krüger  gel- 
tend gemacht  werden,  dasz  der  griechische  ausdruck  «das  arcbontat 
des  Pythodoros  hatte  noch  zwei  monate  zu  dauern»  sich  besser  eignet 
für  einen  kürzern  als  für  einen  längern  Zeitabschnitt'  (on  the  other 
hnnd,  there  is  no  Variation  in  the  mss.,  and  it  may  be  argued  against 
Krüger,  that  the  Greek  phrase  ^ühaving  still  so  many  montbs  of  his 
archonship  to  run»  is  better  suited  to  a  shorter  than  to  a  longer  period 
of  time).  ex  ungue  leonem!  in  diesem  geiste  sind  die  sämtlichen  noteu 
gehalten;  nie,  absolut  nie  versuchen  die  Oxforder  gelehrten  eine  Schwierig- 
keit selbständig  zu  lösen,  sie  haben  es  ein  für  allemal  aufgegeben  selbst 
zu  arbeiten,  seihst  band  anzulegen,  to  put  the  Shoulder  to  the  wheel, 
wie  man  englisch  sagt;  überall  begnügen  sie  sich  mit  skeptischer  In- 
differenz, wie  der  referent  im  Athenaeum  sagt  (und  mit  indolenter 
Selbstgefälligkeit,  will  ich  hinzusetzen),  dienresultate  der  arbeiten  anderer 
gelehrten  zu  registrieren,  und  'legen  bei  ihrem  gänzlichen  mangel  an 
kritischem  gefühl  (lack  of  instinct)  bei  ihrer  Unfähigkeit  zur  anwendung 
der  grundsätze  der  kritik  eine  vergnügliche  Verzweiflung  (a  cheerful 
despair)  an  der  mögliuhkeit,  sich  noch  etwas  mehr  als  ansichten  über 
grammatik  bilden  zu  können,  an  den  tag,  ganz  in  demselben  gering- 
schätzigen ton,  den  auch  der  Verfasser  der  Übersetzung  in  der  vorrede 
und  in  dem  essay  über  die  Inschriften  in  bezug  auf  verbal-  und  text- 
kritik  in  verdeckter  weise  anschlägt.'  dasz  dies  urteil  nicht  zu  hart 
ist,  werde  ich  noch  an  einzelnen  beispielen  nachweisen,  ist  es  doch 
charakteristisch,  dasz  in  der  zeit,  da  die  gesamtgelehrsamkeit  der  Uni- 
versität Oxford  sich  in  bezug  auf  das  Studium  des  griechischen  in  den 
noten  zu  Thukydides  ein  so  klägliches  testimonium  paupertatis  aus- 
stellt, man  in  England  damit  umgeht,  ein  archäologisches  institut  nach 
dem  muster  des  französischen  and  des  deutschen  in  Athen  zu  gründen. 


084     HMüller-Strübing:  das  erste  jähr  des  peloponnesi sehen  krieges. 

das  ja  damali«,  als  er  schrieb,  classische  autorität  genosz;  er  reduciert 
also  den  von  ihm  für  die  dKjiirj  des  getreides  angenommenen  25n  mai 
des  Julianischen  kalenders  auf  das  entsprechende  datum  des  Meto- 
nischen  cjclus,  wie  Ideler  ihn  festgestellt  hatte,  und  ganz  eben  so  den 
80  tage  vorher  geschehenen  Überfall  von  Plataia.  seit  jener  seit, 
da  Krüger  schrieb,  hat  nun  aber  zuerst  CRedlich  die  sofortige  ein- 
führung  des  19jährigen  Metonischen  cyclus  in  Athen  mit  gewich- 
tigen gründen  bestritten ,  und  später  hat  Böckh  aus  zum  teil  frfiher 
noch  nicht  benutzten  rechnungsurkunden  mit  vollkommener  Sicher- 
heit nachgewiesen ,  dasz  der  Metonische  cjclus  in  der  ersten  hälfte 
des  peloponnesischen  krieges  in  Athen  ganz  gewis  noch  keine  geltung 
hatte,  damit  sind  alle  stimmfiLhigen  gelehrten  jetzt  einverstanden, 
so  Emil  Müller,  KirchhofiF,  Unger,  Volquardsen,  üsener.  ist  es  dann 
aber  nicht  eine  fast  unglaubliche  Verkehrtheit,  Krügers  chrono- 
logisches System  als  unrichtig  zu  verwerfen  und  trotzdem  die  von 
ihm  nach  diesem  System  ermittelten  daten  als  richtig  anzuerkennen 
und  zu  weiterer  berechnung  zu  verwenden  ?  wie  kann  denn  das  facit 
eines  rechen exempels  von  denen,  die  den  einen  factor  mit  dem  ge- 
rechnet ist  als  irrig  nachweisen,  als  ein  richtiges  angesehen  werden? 
und  doch  ist  es  geschehen,  was  dann  bei  dieser  contamination 
herauskommt,  das  wird  sich  ergeben,  wenn  ich  die  anmerknng 
Classens,  der  die  stelle  am  ausführlichsten  bespricht,  hier  anführe: 
« TTuGobiwpou  in  T^ccapac  |Lif)vac  fipxovToc :  so  liest  Krüger  gewis 
mit  recht  statt  des  buo  jiifjvac  der  hss. :  denn  nach  dieser  lesart 
würde  der  einfall  der  Thebaner  in  das  ende  des  munichion ,  dh.  in 
den  mai  oder  anfang  juni  fallen ,  was  nicht  mit  der  angäbe  fifia  fjpi 
dpxoji^vqi  übereinstimmt ,  und  der  80  tage  später  erfolgte  einbrach 
der  Peloponnesier  in  Attika  nach  der  mitte  des  hekatombaion,  gegen 
ende  Juli,  wozu  weder  der  zusatz  toö  citou  dKjiid^IovTOC ,  dh.  wenn 
das  getreide  der  reife  nahe  ist,  ende  mai  und  anfang  juni  (Yömel 
frühlingsprogr.  1846  s.  10  ^äKjiif)  recte  inter  adulescentiam  et  senec- 
tutem  media  interponitur  sive  aetatis  humanae  sive  frumenti  atqoe 
anni.'  Niebuhr  vortrage  über  alte  länder-  und  völkerkunde's.  494 
Mie  weizenemte  ist  in  Athen  am  20n  juni'),  noch  die  angäbe,  dasz 
sie  längere  zeit  in  Attika  verweilten  und  doch  vor  der  Sonnenfinster- 
nis ,  die  auf  den  3n  august-  fiel ,  abgezogen  waren ,  passt.  alle  diese 
Schwierigkeiten  fallen  durch  die  an  sich  sehr  leichte  ändernng  Erttgers 
weg  .  .  da  nun  nach  c.  4,  2  das  ereignis  TeXeuTUJVTOC  toO  |ir|vöc 
oder  nach  m  56,  1  iepOjüiTivia  geschehen  ist,  so  ist  nach  der  lesart 
T^ccapac  jLifjvac  das  ende  des  anthesterion  dh.  anfang  april  dafür 
anzusetzen.  Böckh  berechnet  unter  der  Voraussetzung,  dasz  die  vier 
monate  von  dem  schlusz  des  archontats  ganz  genau  zu  verstehen 
sind,  den  Überfall  von  Plataia  auf  den  letzten  anthesterion ,  dh.  den 
4n  april. »  der  schlusz  ist  nicht  genau,  den  letzten  anthesterion  hat 
allerdings  Krüger  gefunden ,  nur  die  berechnung  auf  den  4n  april 
hat  Böckh  gemacht,  und  hat  dadurch  verschuldet,  dasz  nach  Classens 
auseinandersetzung  die  Peloponnesier  am  20n  juni  (denn  das  ist  der 


HMüller-Strübing:  das  erste  jähr  des  peloponnesischen  krieges.     587 

unserer  bss.  durch  so  viele  alberne  zuthaten  verhunzt  hat,  aus  dem 
text  zu  entfernen,  was  w&re  auch  daran  verloren?  überflüssig  sind 
diese  worte  ja  doch  im  gründe :  denn  durch  die  angäbe  'so  und  so 
viel  monate  vor  ablauf  des  jahres'  kennt  der  leser  ja  auch  ohne  sie 
die  Jahreszeit  des  ereignisses.  diese  Überflüssigkeit  allein  würde 
uns  nun  keineswegs  berechtigen  die  echtheit  der  worte  anzuzweifeln : 
denn  das  verfahren,  alles  im  Thukjdidestext  zu  beseitigen,  was  etwa 
fehlen  könnte  ^  ohne  den  sinn  zu  alterieren,  halte  ich  für  sehr  ver- 
kehrt; nur  bei  dem,  was  sich  als  unsinnig  nachweisen  läszt,  oder 
was  nicht  anders  als  durch  gewaltsame  interpretationskUnsteleien, 
wie  sie  die  theologen  zur  herstellung  ihrer  concordanzen  anzuwenden 
pflegen  (ich  könnte  vielleicht  auch  sagen  durch  Hralaticische  exe- 
gese',  wenn  ich  nur  wüste  was  das  wort  bedeutet,  vgl.  Classen  Thuk. 
bd.  V  *  s.  V  f.),  erklärt  werden  kann ,  dürfen  die  eckigen  klammem 
angewendet  werden,  hier  aber  haben  die  worte  äjna  fjpi  dpxojii^vuj, 
auch  wenn  wir  Krügers  datierung  des  Überfalls  auf  den  8n  märz  für 
richtig  halten,  trotz  ihrer  Überflüssigkeit  sich  bis  jetzt  noch  nicht  als 
anstöszig  ergeben,  ob  sie  das  aus  andern  gründen  thun  werden,  das 
wird  sich  im  weitern  verlauf  dieser  Untersuchung  zeigen.^    denn 

*  beiläufig  will  ich  hier  ein  charakteristisches  beispiel  anführen 
für  das  was  ich  nnter  theologischer  ezegese  verstehe,  ans  der  beschrei- 
bung  der  Seeschlacht  von  Sybota  zwischen  den  Korinthern  und  den 
Korkjraiern.  gegen  abend  machten  die  siegreichen  Korinther  noch  einen 
letzten  angriff  auf  die  Korkyraier;  ihre  schiffe  ruderten  anter  sang  und 
klang  auf  die  feinde  zu,  und  die  schon  anwesenden  zehn  athenischen 
schiffe  auf  dem  rechten  flügel  der  Korkyraier  schickten  sich  eben  an 
zu  gUDsten  derselben  in  den  kämpf  einzugreifen,  als  die  Korinther  plötz- 
lich rückwärts  ruderten;  sie  hatten  das  ansegeln  von  20  schiffen  bemerkt, 
die  sie  als  athenische  erkannten  und  für  die  avantgarde  einer  gröszern 
flotte  hielten,  daher  wichen  sie  zurück,  die  Korkyraier,  die  von  ihrem 
Standpunkt  aus  diese  schiffe  nicht  sehen  konnten,  wunderten  sich  darüber, 
bis  einige  von  ihren  leuten  riefen,  es  kämen  schiffe,  da  wichen  auch 
sie  zurück,  denn  es  ward  schon  dunkel,  so  trennten  sich  die  beiden 
flotten,  als  es  nacht  war.  dann  heiszt  es  (151,4):  TOtc  bi  KopKupaioic 
CTpaTone6€uo|Li4voic  in\  xq  AeuK(|bivn  al  cIkoci  vf\€C  dwö  xiliv  *Aer]vdiv 
auTai  .  .  biä  Tdiv  v€Kpaiv  xai  vauaYuuv  iTpocKO|biic6etcai  KaT^irXeov  ^c  tö 
CTpaiöireÖcv  oO  7roX\(^  (icTepov  fi  üjcpOncav.  oi  bi  KopKupaloi  (fjv  yäp 
yi)l)  ^(poßr)6r)cav  jiif)  iroX^ibitai  diciv,  ^irciTa  bk  Ifvwcav  xai  üjp- 
jiicavTO.  dazu  Classen:  <:Totc  bi  KopK.  der  dativ  von  irpocKO^tcOdcai 
abhängig:  ^auf  die  Korkyraier  aber,  da  sie  sich  bei  Leukimne  aufge- 
stellt hatten,  fuhren  die  attischen  schiffe  heran',  and  KaTdirXeov  ic  tö 
CTp.,  um  sich  mit  ihnen  zu  vereinigen:  doch  wird  das  einlaufen  noch 
unterbrochen  (daher  das  imperf.)  durch  die  bemerkuug  ^q)oßf)Or|cav  .  . 
^TTCtta  bi  ^vujcav  (sie  hätten  es  ihnen  sonst  gewehrt);  und  nun  erst 
folgt  der  abflchlusz  in  parataktischer  weise:  xai  ülp^{cavTO,  nemlich  ai 
diTO  TÜJV  *A6r)viX)v  vf)€C,  mit  demselben  subjectswecbsel  wie  III  5,  4. 
vgl.  krit.  bem.»  das  soll  geschehen,  da  steht  denn:  «^rvuicav,  xai  üip- 
iLiicavTO.  durch  die  interpunction  nach  ^yvujcav,  die  bei  Bekker,  Krüger 
und  Böhme  fehlt,  musz  angedeutet  werden,  dasz  ein  subjectswecbsel 
eingetreten  ist,  nemlich  die  attischen,  nicht  etwa  die  korkyräischen 
schiffe  iJüp^icavTO.  nur  bei  Göller  finde  ich  ausdrücklich  bemerkt:  'et 
naves  illae  in  stationem  invectae  sunt.'  mit  dem  imperf.  xar^iiXeov 
konnte  der  bericht  über  die   attischen  schiffe  nicht  schlieszen:  es  for- 


586     HMüller-Strübing:  das  erste  jähr  des  peloponnesischen  krieges. 

der  Metonische  cyclus  sei  damals  in  Athen  noch  nicht  ein^^eführt 
gewesen ,  entgegentreten  und  den  von  Ideler  festgestellten  Metoni- 
schen  cyclus,  nach  dem  Krttger  seine  attischen  monatsdaten  be- 
rechnet hat,  wieder  zu  ehren  bringen,  damit  wäre  denn  auch,  denke 
ich ,  die  grundlage ,  von  der  Unger  bei  seinen  Untersuchungen  aus- 
geht, beseitigt,  zerstört;  wenn  sich  in  denselben  dennoch  brauchbare 
ergebnisse  finden,  so  hat  er  das  rein  dem  zufall  zu  danken,  wie  das 
weiter  unten  ausgeführt  werden  wird. 

Nun  bleibt  noch  zu  untersuchen,  ob  denn  die  annähme  des  von 
Krttger  aufgestellten  Julianischen  datums  des  Überfalls  von  Plataia 
*etwa  um  den  8n  märz'  (also  *etwa  um  den'  letzten  gamelion  der  okta- 
öteris)  geeignet  ist  alle  Schwierigkeiten  die  die  stelle  bietet  zu  heben. 
zuerst:  neumond  war  in  der  nacht  des  7/8n  märz,  das  stimmt  also 
sehr  wohl  zu  dem  TeXeuTÜJVTOC  toO  ^iivöc  und  zu  der  \€po^Y\v\a, 
sodann  wttrde  mir  die  bestimmung  &^a  fjpi  äpxojn^vifi  für  den  an- 
fang  des  märz  kein  bedenken  erregen,  sicherlich  weniger  als  fdr  den 
letzten  munichion,  der  in  diesem  jähr  nach  Böckh  und  ünger  auf 
den  In  juni,  nach  Ideler  und  Krüger  auf  den  3n  mai  fallen  würde, 
nun  hat  zwar  Unger  sehr  geschickt  nachgewiesen,  dasz  bei  Thnk. 
der  Zusatz  Sjua  f^pt  (äpxojidvip)  zu  dem  stehenden  ToO  ^TTiTtTVOfi^vou 
O^pouc  sich  an  den  meisten  stellen  ganz  gewis  auf  den  astronomischen 
frühlingsanfang,  die' frühlingsnachtgleiche  (damals  in  Griechenland 
am  26n  märz^  s.  ünger  Zeitrechnung  s.  29)  bezieht;  aber  ich  meine 
nachweisen  zu  können,  dasz  an  andern  stellen  das  äyia  f^pt  nichts 
anderes  bedeutet  als ,  wie  wir  sagen  würden ,  ^mit  der  guten  Jahres- 
zeit'; Unger  gibt  auch  selbst  zu  dasz  Mie  heutzutage  allein  Übliche 
frühlingsepoche  der  frühlingsnachtgleiche  bei  den  alten  selten  ge- 
funden wird'  und  dasz  sie  keineswegs  volkstümlich  war.  wir  wissen 
ja  aus  Aristophanes  (VO.  502)  dasz  die  gabelweihe  (Iktivoc,  miluus 
regalis)  als  erster  frühlingsbote  von  dem  athenischen  volke  begrttszt 
ward,   nun  sagt  Hartlaub  (AMommsens  griech.  Jahreszeiten  s.  169), 
die  gabelweihe  besuche  Attika  nur  auf  dem  durchzuge,  ende  februar 
seien  alle  aus  dortiger  gegend  verschwunden;  was  sehr  wohl  damit 
stimmt,  dasz  sie  bei  mir  zu  hause,  in  Mecklenburg,  ende  februar  ein- 
trifft, von  jedem  Jäger  fast  mit  gleicher  freude ,  wenn  auch  weniger 
demonstrativ  begrüszt  wie  von  dem  attischen  bauer,  da  sie  ihm  die 
baldige  ankunft  seines  lieblings,  der  Waldschnepfe,  ankündigt,   und 
auch  der  zweite  frühlingsbote,  die  schwalbe  (Ar.  Bi.  419  &pa  v^a, 
XcXibibv!),  trifft  nach  Hartlaub  (ao.  s.  253)  anfang  märz  in  Athen 
«in,  so  dasz,  denke  ich,  der  geschichtschreiber  füglich  den  anfang 
des  märz  für  Athen  schon  als  frühlingsanfang  bezeichnen  konnte, 
wie  wir  in  Deutschland  für  anfang  märz  auch  etwa  sagen  könnten 
*gegen  den  frühling  hin',  ja,  wenn  Krügers  datierung  des  Überfalls 
sonst  wohl  begründet  wäre,  und  es  stände  ihr  nichts  entgegen  als 
diese  notiz  äjuia  f^pi  dpxoji^vifj ,  so  würde  ich  mich  nicht  lange  be- 
denken sie  als  den  einfall  eines  superklugen,  naseweisen  ^aufinerk- 
samen  lesers',  dh.  desselben  grammatikers ,  der  den  urtypus  aller 


UMüller-Strübing :  das  erste  jähr  des  peloponnesischen  krieges.     589 

Krüger  setzt ,  wie  wir  gesehen  haben ,  den  einfall  der  Pelopon« 
nesier  toö  citou  dKjidCovTOC,  von  dem  er  rückwärts  den  Überfall 
auf  den  8n  märz  berechnet,  auf  den  25n  mal :  denn,  sagt  er  'bei  der 
blute  und  selbst  beim  reifen  des  getreides  sehen  wir  uns  genötigt 
etwa  an  die  zeit  unseres  mai  zu  denken.'  nun  ja,  für  die  reife  des  ge- 
treides und  selbst  für  die  ernte  ist  das  richtig,  unrichtig  aber  für 
die  blute,  oder  besser  für  'die  zeit  da  das  körn  in  voller  kraft  steht' 
oder  'wenn  es  sich  der  reife  naht',  welche  bedeutung  der  äKjiifi  des 
getreides  Vömel  (s.  oben  s.  584)  unter  allgemeiner  Zustimmung 
(auch  Krügers  in  seiner  Thukydidesausgabe  von  1855)  nachgewiesen 
hat.  aber  darin  irrt  Vömel,  dasz  er  die  zeit  dieser  dKjiif)  (übrigens 
nur ,  wie  man  deutlich  erkennt ,  der  auch  von  ihm  angenommenen 
und  auch  von  ihm  misverstandenen ,  dh.  falsch  berechneten  Krüger- 
schen  emendation  T^ccapac  zu  liebe)  auf  ende  mai  und  anfang  juni 
ausgedehnt  hat.  die  Zeugnisse  der  reisenden,  auf  die  er  sich  für  die 
zeit  der  ernte  in  Attika  beruft,  haben  so  gut  wie  gar  keinen  wert; 
ebenso  wenig  Niebuhrs  ansatz  der  weizenernte  in  Attika  auf  den 
20n  juni.^  das  ist  ja  auch  sehr  begreiflich:  als  Niebuhr  in  Bonn 
lehrte  und  selbst  noch  zu  Vömels  zeit  waren  die  zustände  des  modernen 
Griechenlands  wenig  bekannt,  nur  durch  die  gelegentlichen  äusze- 
rungen  einzelner  flüchtiger  reisender,  seitdem  ist  das  anders  gewor- 
den: zahlreiche  gelehrte  besuchen  jetzt  jene  classischen  gegenden  und 
verweilen  dort  längere  zeit,  sind  selbst  in  Attika  ansässig  und  machen 
im  Interesse  der  Wissenschaft  ihre  aufzeichnungen ,  so  dasz  wir  jetzt 
auch  über  die  Stadien,  die  das  getreide  dort  in  seiner  entwicklung 
zu  durchlaufen  hat,  weit  besser  unterrichtet  sind,  als  unsere  Vor- 
gänger es  noch  vor  30  jähren  waren ,  und  so  können  wir  die  für 
unsem  zweck  wichtige  frage  nach  der  zeit  der  ernte  in  Attika  mit 
Sicherheit  beantworten,  wann  sie  im  altertum  in  dem  nahen  Boiotien 


hielte  hier  einen  subjectswechsel  anzunehmen,  aber  ich  halte  Classens 
ganze  auffassung  der  stelle  für  verfehlt,  von  den  athenischen  schiffen 
weisz  der  aufmerksame  leser  gerade  so  viel  wie  er  braucht,  wenn  er 
liest,  sie  seien  nach  dem  abzug  der  Korinther  in  das  ihnen  befreundete 
CTpaTÖncÖcv  gesegelt;  dasz  sie  dort  vor  anker  giengen,  ist  selbst- 
verständlich, aber  die  Korkyraier  wüsten  noch  nicht,  was  es  mit  diesen 
schiffen  auf  sich  habe ;  sie  fürchteten  sich  noch  vor  ihnen  als  möglicher 
weise  feinden,  darauf  erkannten  sie  sie  als  freunde,  wohl  auch  an  den 
lauten  zurufen,  mit  denen  die  schon  anwesenden  athenischen  schiffe 
ihre  landsleute  begrüszt  haben  werden,  nun  waren  sie  beruhigt  und 
giengen  vor  anker.  nachträglich  sehe  ich  dasz  Uerwerden,  der  die 
stelle  dem  sinne  nach  auffaszt  wie  Classen,  doch  an  dem  unmotivierten 
subjectswechsel  anstosz  nimt  und  vorschlägt  zu  schreiben:  ^ireira  ö* 
^vujcav  Kai  a'i  liüppiicavTO.  ich  halte  das  auch  aus  sprachlichen  gründen 
für  verfehlt. 

^  8.  oben  s.  584.  an  der  dort  von  Classen  angeführten  stelle  sagt 
Niebuhr,  er  habe  in  Neapel  durch  den  intendanten  von  Apulien  er- 
fahren, dasz  die  weizenernte  in  Apulien  gegen  ende  mai  sei,  'also  drei 
Wochen  früher  als  in  Athen,  wo  sie  am  20n  juni  ist.'  er  gibt  aber 
nicht  an,  von  wem  er  diese  notiz  in  bezug  auf  die  attische  weizen- 
ernte habe. 


588     HMüller-Strübing:  das  erste  jähr  des  peloponnesischen  krieges. 

richtig  ist  Krügers  ansatz  des  Überfalls  Yon  Plataia  auf  anfang  mftrz 
keineswegs. 


dert  für  den  aufmerksamen  leser  einen  weitem  fortgang.    dasz  aber  die 
korkyräischen  schiffe  schon  Yorher  bei  Leukimne  aich  gesammelt  und 
geordnet  hatten,  ist  hinlänglich  in  CTpaT07r€b€UO^^voic   kitl  t^  A.  aus- 
gesprochen,   der  scholiast,  der  den  Wechsel  des  snbjects  nicht  beachtet, 
hilft  sich  dadurch,  dasz  er  ibp^icavTO  im  transit.  sinne  fasst:    bei  sich 
vor  anker  gehen  lassen :  denn  er  erklärt:  toCic  'A6i|va{ouc  oi  KopicupOtoi, 
und  so  auch  die  Übersetzung  von  APortus:   'et  in    suas  stationes  rece- 
perunt.'     es  wird  sich  aber  dieser  Sprachgebrauch  nirgends  nachweisen 
lassen.»    das  ist  richtig,    aber  wie  kann  ein  verständiger  Schriftsteller 
seinem  leser,  auch  dem  aufmerksamsten,  zumuten  herauszufinden,  dass 
hier  ein  snbjectswechsel  eingetreten  ist?    es  erzählt  jemand  die  geschicfate 
des  krieges  von  1815  und  schlieszt  so :  'endlich  kam  es  zur  Schlacht  von 
Waterloo.    Wellington  commandierte  die  Engländer,  Napoleon  die  Fran- 
zosen.   Wellington  siegte,  und  gieng  als  gefangener  nach  St.  Helena.'  — 
aber  ums  himmelswillen  —  'ach  was!   es  musz  durch  ein  komma  nach 
siegte  angedeutet  werden,  dasz  hier  ein  snbjectswechsel  eingetreten  ist, 
und  dasz  es  Napoleon  war,  der  nach  St.  Helena  ^ieng.'  —  ach  so.'  — 
nun,  subjectswechsel  kommen  bei  allen  Schriftstellern  in  allen  sprachen 
vor,  im  deutschen  wie  im  griechischen  und  bei  Thukydides  sehr  häufig; 
aber  sie  müssen  sich  durch  den  Zusammenhang  des  ganzen  ohne  ansto» 
ganz  von  selbst  ergeben,   was  zb.  in  der  von  Classen   citierten   stelle 
UI  6,  4  durchaus  der  fall  ist,  oder  sie  müssen  doch  durch  etwas  anderes 
als  durch  ein   blosses  interpunctionszeichen    angedeutet   werden,     du 
haben  denn  auch  die  Oxforder  gelehrten,   die  mitarbeiter  an  professor 
Jowetts  Übersetzung  wohl  gefühlt:  sie  nehmen  natürlich  (denn  wie  wäre 
ihnen  je  ein  neuer,  ein  eigentümlicher,   ein  selbständiger  gedanke  ge- 
kommen?) die  Classensohe  interpretation  ohne  bemerkung  an,  im  text 
lesen  wir  aber:  'at  first  in  the   darkness  the  Corcjraeans   feared  that 
they  were  ennemies,  but  they  soon  recognised  them  and   the  Athenian 
vessels  came  to  anchor.'    diese  andeutung  ist  freilich  verständlich  ge- 
nug, aber  das  heisze  ich  den  schriTtsteller  corrigieren,  nicht  ihn  über- 
setzen,    wäre  es  nicht  besser  diesen  oorrectionsversuch   vorerst  einmal 
an  dem  überlieferten  text  anzustellen?    die  genannten  englischen  ge- 
lehrten werden  anderer  meinung  sein:  denn  sie  haben  einen  gründlichen 
absehen  vor  den  conjecturen,  und  wenn  sie  auch  sehr  häufig  nicht  tun- 
hin  künnen  fremde  conjecturen  aufsunehmen,   so  haben   sie  sich  doch 
des  vergebens   einer  selbständigen  textänderung,   so  viel  ich  bis  jetst 
gesehen,  auch  nicht  ein  einzigesmal  schuldig  gemacht,  ja  sie  beklagen 
fast  das  Studium  der  inschriften,   weil  es   die  üble  tendenz  habe,  die 
gewohnbeit  des  conjicierens,  die  ohnebin  schon  einer  der  grossen  schaden 
der  Philologie  sei,  noch  za  befördern:   'the  evil  tendencj  of  the  study 
(of  inscriptions)  is  that  it   encourages  the  habit  of  coiy'ecture,  which 
has  already  been  one  of  the  great  corruptions  of  philology.'    nun,  zum 
heil  für  unsere  Wissenschaft  haben  die  grossen  englischen  philoIogen 
früherer  zeit  diese  wasserscheu  vor  dem  conjicieren  nicht  gehabt,  und 
es  gibt  glücklicher  weise    auch  noch  heute  englische  philoIogen,  die 
nicht   von    ihr   angesteckt   sind,     ich   will    nun    zeigen,    wie  der  an- 
gebliche subjectswechsel  hier  sehr  wohl  iestgehalten  und  durch  eine 
ganz  leichte  textänderung  motiviert   und  gewis  besser  als  durch  ein 
interpunctionszeichen  verständlich  gemacht  werden  könnte,  nemlich  so: 
oi  hi  KopKupaloi  (i^v  T^P  vdg)  dcpop/^ericav  fiiP)  iroX^^ioi  diciv,  €irctTa  &i 
STvuicav,    die  koI   ibpfüitcavTo.     dadurch  würde   denn  auch  angedeutet 
werden,   woran  die  Korkyraier  erkannten,  dasz   es  athenische,  wenig- 
stens befreundete  schiffe  waren,  nemlich  an  dem  blossen  factum,  dasz 
sie  vor  anker  giengen.    so  würde  ich  schreiben,  wenn  ich  es  für  nötig 


HMüUer-Strübing :  das  erste  jähr  des  peloponnesischen  krieges.     591 

attischen  ebene  ende  märz  bis  ende  april  als  blütezeit  angibt;  und 
ebenso  mit  Julius  Schmidt,  dem  director  der  Sternwarte  in  Athen,  der 
(beitrage  zur  phys.  geogr.  von  Griech.,  publ.  de  TObserv.  d* Äthanes 
II  ser.  s.  201)  angibt:  U861  märz  31  blüht  der  roggen.  april  2 
roggen  und  gerste  blühen  bei  Athen,  april  5  blüht  auch  der  weizen.' 

Diese  Zeugnisse,  denen  ich  übrigens  aus  den  auf  Zeichnungen 
einzelner  reisender  noch  manche  hinzufügen  könnte",  werden  hoffent- 
lich genügen,  die  durchschnittszeit  der  ernte  in  Attika  auf  die  mitte 
des  mai  festzustellen,  zur  vergleichung  der  alten  mit  den  modernen 
zuständen  gebe  ich  hier  noch  das  zeugnis  eines  antiken  botanikers, 
des  Theophrastos  bist,  plant  YIII  2 ,  5  (das  auch  Vömel  in  dem 
Frankfurter  osterprogr.  1846  anführt):  dTTOXVJGeic  b'  eöGiic  dvOei 
jieO'  f]|Li^pac  x^Txapac  f\  ir^vie  Kai  irupöc  Kai  Kpi9f)  Kai  dvGei 
cx€böv  xdc  Tcac,  ol  bk  xdc  TrXeicxac  X^TOvxec  iv  xaTc  ^nxd  qpaciv 
dTTavGew  .  .  inexa  bk  xfiv  dTfdvGriciv  dbpüvovxai  Kai  xeXeioövxai 
TTupöc  jifev  Kai  KpiGf)  x€xxapaK0cxaTa  judXicxa . .  nepl  bk  xf|v  'GXXdba 
KpiGal  jLifev  ^v  xiu  ^ßböjüiqj  (jiiTivi),  Ttapd  bk  xoTc  nXeicxcic  ötWiij 
(|Lir|vi),  TTupol  bk  fxi  7Tpoc€7TiXa|Lißdvo\JCiv,  was  der  botaniker  Kurt 
Sprengel  so  übersetzt:  ^sobald  sich  die  ähre  aus  der  scheide  ent- 
wickelt hat,  so  fangen  der  weizen  und  die  gerste  nach  4  oder  5  tagen 
an  zu  blühen  und  setzen  das  blühen  fast  eben  so  lange  fort;  einige 
sagen ,  dasz  die  meisten  in  7  tagen  abblühen  .  .  nach  dem  abblühen 
verstärken  sich  und  reifen  der  weizen  und  die  gerste  meist  in 
40  tagen  .  .  in  Oriechenland  wird  die  gerste  im  7n,  in  den  meisten 
gegenden  erst  im  8n  monat  reif,  der  weizen  aber  erfordert  noch 
mehr  zeit.* 

Wie  gut  das  mit  den  aussagen  der  neueren  beobachter  überein- 
stimmt !  die  gerste ,  um  nur  von  dieser  zu  reden ,  da  ja  in  Attika 
wenig  weizen  gebaut  ward  und  noch  wird  bid  xö  X€7TXÖY€UJV,  wird 
nach  den  ersten  herbstregen  im  october  und  november  gesät  (Hesiods 
frühaufgang  der  Pleiaden  6n  oct.,  Mommsen  heort.  s.  103),  und  reift 

^  WVischer  zb.  in  seinen  erinnerungen  aus  Griechenland,  er  hatte 
seine  reise  von  Athen  nach  Korinth  am  lln  april  1853  augetreten ;  etwa 
10  tage  darauf  sagt  er  von  der  hochebene  von  Tripolitza,  sie  habe 
wegen  der  hohen  läge  eher  ein  mitteldeutsches  als  ein  südliches  klima. 
Mas  getreide,  das  bei  Argos  fast  ausgewachsen  war,  hatte  hier  noch 
keine  ähren.'  er  kam  am  13n  mai  wieder  nach  Athen  zurück;  aber 
ein  paar  tage  vorher,  etwa  um  den  lOn  mai,  spricht  er  wieder  von  dem 
klima  in  den  hohen  gebirgsthälern  Arkadiens:  während  dort  oben  die 
kirschbäume  blühten,  begann  hier  in  der  ebene  die  ernte.  —  Als  ich  selbst 
im  j.  1875  nach  dem  Peloponnes  kam,  ende  juni,  war  die  ernte  längst 
vorüber,  ja  die  schön  gelegene  grosze  Wassermühle  nicht  weit  von  Nemea, 
die  wohl  kein  reisender,  der  sie  gesehen  hat,  leicht  vergessen  wird, 
war  schon  wieder  geschlossen  und  von  ihren  bewohnern  verlassen,  da 
das  zu  ihrem  bezirk  (dem  phliasischen)  gehörige  getreide  längst  ver- 
mählen war.  in  Athen  sagte  mir  ein  seit  vielen  jähren  dort  ansässiger 
Deutscher,  die  gerstenernte  sei  in  Attika  ende  mai  vorüber;  er  setzte 
hinzu,  die  dortige  gerste  sei  vorzüglich,  gröszer  und  mehlreicher  als 
in  Deutschland,  und  der  mann  muste  das  wissen,  denn  er  war  seines 
Zeichens  ein  bierbrauer. 


590     HMüller-Strfibing:  das  erste  jähr  des  peloponnesaiBcheii  krieges. 

war,  das  wissen  wir  ganz  genau  durch  einen  sehr  zuverlässigen 
zeugen,  durch  Hesiodos,  der  sagfc  (£icf|.  383):  TTXr]ta&ujv  'AtXqtc- 
v^uiv  diriTeXXo^evduiv  fipx^cO*  ä^rjrou,  dpÖTOio  bk  &uco^eväuJv. 
nun  wird  der  aufgang  der  Pleiaden  von  Ideler  (handb.  d.  chron. 
s.  243)  auf  den  lln  Gregorianischen  mai,  dh.  nach  dem  Julianischen 
kalender,  auf  den  sonst  die  antiken  daten  berechnet  zu  werden 
pflegen,  auf  den  18n  mai  angesetzt  (s.  auch  AMommsen  heortologie 
s.  103).    das  war  also  der  durchschnittsan&ng   der  ernte  in  dem 
feuchten  fetten  Boiotien,  und  da,  wie  AMommsen  (diegriech.  Jahres- 
zeiten s.  41  anm.)  sagt,  ^es  fest  steht,  dasz  sich  das  attische  getreide 
besonders  schnell  entwickelt'  (sehr  begreiflich,   auf  dem  heiszen 
leichten  kalkboden) ,  so  dürfen  wir  den  beginn  der  attischen  ernte 
im  altertum  wohl  sicher  mindestens  ebenso  früh  ansetzen,    und  das 
stimmt  vollkommen  mit  dem  ttberein,  was  uns  die  neuesten  beob- 
achter  aus  eigner  anschauung  mitteilen,    so  sagt  CWachsmuth  (das 
alte  Griechenland  im  neuen  s.  112):  'in  Attika  fUngt  der  weinstock 
mitte  mftrz  an  sich  zu  belauben,  ist  im  laufe  des  april  voll  belaubt; 
die  volle  ähre  der  gerste  blüht  durchschnittlich  anfang  april,  die  des 
Weizens  mitte  april;  die  getreideernte  beginnt  durchsxshnittlich  mitte 
mai,  die  weizenemte  ende  mai;  die  feigen  reifen  im  juli  und  die 
trauben  sind  anfang  august  reif,  bleiben  aber  länger  am  stock.' 
femer:  T.  von  Heldreich,  der  director  des  botanischen  gartensin 
Athen  (die  nutzpflanzen  Griechenlands,  Athen  1861,  s.  4):  'man 
baut  nur  winterweizen,  der  in  der  ebene  nach  dem  ersten  herbstregen 
im  november  bis  december  ausgesät  wird ,  im  gebirge  im  frühsten 
frühjahr;  Januar  und  februar;  die  emtezeit  fällt  der  aussaat  ent- 
sprechend in  der  ebene  spätestens  in  den  juni,  in  den  gebirgen 
in  den  august . .  die  gerste  ist  am  meisten  verbreitet  imd  cultiviert .  • 
man  sät  die  gerste  in  der  ebene  nach  dem  ersten  herbstregen,  october, 
november;  endo  mai  oder' spätestens  ausnahmsweise  im  juni  ist  die 
ernte.'     man  sieht,  Heldreich  spricht  hier  von  den  durchschnitts- 
zeiten  für  ganz  Griechenland;  aber  in  AMommsens  ^griechischen 
Jahreszeiten'  (Schleswig  1877)  sagt  er  s.  571:  'die  ernte  beginnt  in 
Attika  in  mitte  mai  und  endet  je  nach  den  lagen  spätestens  mitte 
juni.   im  allgemeinen  reift  die  gerste  etwas  früher  und  wird  zuerst 
geschnitten.'    dasselbe  sagt  AMommsen  ao.  s.  54:  'die  komernte 
beginnt  mit  dem  gerstenschnitt ,  in  Attika  4/16  mai'  und  gleich 
darauf  ebd.  'die  anfang  mai  a.  st.  anhebende  komernte  gehört  den 
günstigsten  lagen  Attikas  an;  in  ungünstigeren  lagen  fällt  die  ernte 
erheblich  später.'   zu  den  günstigeren  lagen  gehört  denn  doch  ohne 
allen  zweifei  vor  allem  die  'ebene',  in  die ,  wie  Curtius  gr.  gesch.  H 
386  sagt,  Arohidamos  nach  der  vergeblichen  beifnnung  von  Oino^ 
die  truppen  hinabführte,  'wo  die  junisonne  inzwischen  das  getreide 
gereift  hatte'  —  er  hätte  wohl  besser  gesagt  die  maisonne,   für  die 
durohschnittszeit  der  attischen  gersten blute  gibt  Mommsen  (ao. 
8.  41  anm.)  den  17/29n  märz  an,  was  ziemlich  genau  mit  Heldreich 
stimmt,  der  ao.  s.  520  für  hordeum  vulgare  und  hexastichon  in  der 


HMüUer-Strübing:  das  erste  jähr  des  peloponnesischen  krieges.     593 

gar  nichts  bestimmender  zusatz  zu  dem  viel  schärferen  toG  citou 
äK]Liä2[0VT0C !  ähnlich  Vömel,  der  ja  die  Krügersche  emendation  an- 
genommen hat  und  sich  ihr  also  accommodieren  musz ,  da  sagt  er 
s.  9:  Wiget  aut^m  in  Attica  calor  non  solum  inde  a  Maio  exeunte  . . 
usque  ad  Sirii  ortum  matutinum,  i.  e.  iUa  aetate  ad  lulium  exeuntem, 
sed  magis  etiam  postea,  quo  tempore  maximus  aestus  Etesiis  fran- 
gitur' ;  aber  sobald  er  sich  um  diese  stelle  nicht  mehr  zu  bekümmern 
braucht,  sagt  er  ganz  unbefangen,  toG  O^pouc  dK|Lid2l0VT0C  sei  wohl 
dasselbe  wie  toG  0^pouc  )LiecoGvTOC  in  V  57.  für  ganz  richtig  halte 
ich  das  freilich  nicht,  mir  scheint  die  letztere  bestimmung  genauer, 
schärfer  als  jene:  denn  ich  glaube  in  griechischem,  alt-  wie  neu- 
griechischem sinne  zu  sprechen,  wenn  ich  die  äKjiirj  des  sommers  auf 
die  nach  Aristophanes  (Vö.  39)  einen  bis  zwei  monate  dauernde  zeit 
bestimme,  da  die  cicade,  die  sonnentolle,  von  den  bäumen  herab 
während  des  tiefen  Schweigens  der  natur  die  flimmernde  luft  mit 
ihrem  schrillen  gesang,  ich  möchte  sagen ,  wie  mit  hörbarer  glut  er- 
füllt (nach  Mommsen  griech.  jahresz.  s.  68  etwa  vom  14n  juni  a.  st. 
an  Venu  das  getreide  längst  geschnitten  auf  den  halonien  liegt'), 
damit  stimmt  auch  das  neugriechische  volkswort  sehr  gut:  &v  jiif) 
XaXrjcr)  T2!iT2!iKac,  b^v  elvai  KaXoKaipdKi  Venn  die  cicade  nicht 
zirpt,  ist  kein  sommer.' 

Doch  man  mag  die  höhe  des  sommers  definieren  wie  man  will, 
die  Zusammenstellung  toG  Oepouc  Kai  ToG  citou  dK]Lid2:ovTOC  ist  und 
bleibt  eine  schreiende  albernheit,  und  wenn  irgendwo ,  so  läszt  sich 
hier  wieder  die  vorwitzige  band  des  ^aufmerksamen  lesers%  dh.  des 
textfUlschenden  grammatikers  erkennen^  der  ja  auch  schon  unmittel- 
bar vorher  eine  spur  seiner  albernen  geschäftigkeit  hinterlassen  hat. 
denn  es  heiszt  dort  c.  19  oi  TTeXoTTOWricioi . .  )Li€Td  td  iv  TlXaiaiCji 
[tOüv  dc€X0övTUiV  önßaiujv]  T€v6|Li€va  fjM^pa  ötöotikoct^  jiidXiCTa 
ToG  G^pouc  Kai  ToG  citou  dKjLidCovTOC  ic^ßaXov  de  Tf|v 'ArriKriv. 
jene  worte  tiüv  dceXGövTUJV  örißaiwv  hat  Classen  gestrichen,  Stahl 
und  Herwerden  stimmen  ihm  bei ;  werden  sie  es  nun  billigen,  wenn 
ich  meinerseits  auch  die  worte  Kai  ToG  citou  mit  eckigen  klammern 
versehe?  vielleicht;  ich  weisz  es  natürlich  nicht;  aber  (jas  weisz 
ich :  wenn  wir  c.  2  die  überlieferten  worte  Kai  T7u0obu)pou  Jti  büo 
lifivac  dpxovTOC  'AOrivaioic  (über  den  zusatz  Kai  &ixa  fjpi  dpxojLi^vifi 
wird  weiter  unten  noch  zu  reden  sein)  unangetastet  lassen,  und  wenn 
wir  hier  c.  19  blosz  schreiben  ToG  G^pouc  dK|Lid2[0VT0C ,  wenn  also 
demzufolge  Plataia  überfallen  ist  am  letzten  munichion  (In  juni) 
ol.  87, 1  unter  dem  arcbon  Pythodoros,  und  wenn  könig  Archidamos 
80  tage  darauf,  also  am  2 In  hekatombaion  (2 In  august)  ol.  87,  2 
unter  dem  archon  Euthydemos,  als  der  sommer  auf  der  höhe  war, 
den  einfall  zur  Verheerung  der  attischen  ebene  gemacht  hat:  so  steht 
der  bericht,  den  wir  bei  Thukydides  lesen,  nicht  länger  im  Wider- 
spruch mit  der  angäbe  der  übrigen  altem  griechischen  historiker, 
stimmt  vielmehr  vollkommen  mit  ihr  überein.  und  die  herstellung 
dieser  concordanz  halte  ich  für  einen  groszen  gewinn,  dasz  dem  aber 

JmhrbQcher  för  class.  phUol.  1883  hfu  9.  39 


592     HMüller-Strübing:  das  erste  jabr  des  peloponnesisclieii  krie^es. 

in  7  bis  8  monaten,  also  durcbscbnittlicb  mitte  mai ;  etwa  40  tage  vor* 
ber  ist  die  blute,  also  durcbscbnittlicb  anfang  april  —  und  die  &kjliii  ? 
^inter  adulescentiam  et  senectutem  media  interponitur',  also  gegen 
ende  april.  ^    da  also,  etwa  um  den  5n  april,  sollen  die  Peloponnesier 
ibren  einfall  in  Attika  gemacbt  baben,  und  ungefäbr  80  tage  vorher, 
anfang  februar,  also  am  letzten  tage  des  zweiten  poseideon  (denn  ein 
letzter  monatstag  musz  es  docb  sein :  reXeuTUJVTOC  toO  fiiiivöc !}  ä|yia 
fjpi  dpxojLi^vqj  die  Tbebaner  den  Überfall  von  Plataia,  im  sechsten 
monat  nacb  der  scblacbt  von  Poteidaia.   dasz  diese  letzte  notiz  über  die 
scblacbt  von  Poteidaia  unmöglicb  ricbtig  sein  kann,  werde  icb  weiter 
unten  zeigen;  aber  es  ist  nocb  lange  nicbt  der  scblimmste  unäuuif 
den  berunterzuwürgen  durcb  die  Überlieferung  des  Tbukjdidestextea 
uns  zugemutet  wird,    der  ärgste  ist  die  angäbe,  die  Lakedaimonier 
hätten  den  einfall  gemacbt  ToO  O^pouc  Kai  ToO  ciTOu  dKfxä2IovTOC, 
^als  das  getreide  der  reife  nabe  und  der  sommer  auf  der  spitze  war, 
db.  auf  der  böbe  der  kraft  stand.'   das  ist  eine  contradictio  in  ad- 
iecto,  die  ein  vernünftiger  mann,  ein  G-riecbe,  nie  und  nimmer  schrei- 
ben konnte.    Krüger  bilft  sicb^  um  seinen  25n  mai  zu  retten,  mit 
der  ausflucbt:  «G^pouc  dKjLir),  unstreitig  von  der  mitte  des  sommers, 
wobei  jedocb  etwa  schon  an  den  mai  zu  denken'  —  wo  schon  das 
Bcbücbterne  ^jedoch  etwa'  gleich  verrät  dasz  die  sache  ihm  selbst 
nicbt  recht  geheuer  vorkommt,  was  wäre  das  auch  für  ein  mttsziger, 


^  in  einem  eben  erschienenen  buche,  der  ^Chronologie'  von  AMommsen, 
das  ich  bis  jetzt  nur  auf  dem  ladentische  eines  buchhändlers  habe  an- 
sehen können  (denn  in  der  bibliothek  des  British  museum  ist  es  noch 
nicht  vorhanden),  fand  ich  bei  hastigem  durchblättern,  dasz  der  vf.  bei 
besprechung  von  toO  dTOU  dK|üid2IovTOC  die  frühere,  vor  Vömel  gäng  und 
gäbe  bedeutung  der  reife  des  getretdes  wieder  zu  ehren  bringen  will, 
denn  er  sagt  zur  feststellung  dieser  zeit  s.  367:  ^in  den  gunstigsten 
lagen  und  bei  günstiger  Witterung  gibt  es  mitte  mai  allerdings  schon 
reife  gerste  in  Attika,  aber  Thukydides  wird  die  allgemeine  getreide- 
reife meinen,  und  diese  ist  nicht  wenig  später  anzusetzen.'  was  Thuky- 
dides meint,  darüber  läszt  sich  streiten;  ich  bin  nicht  der  ansieht  des 
vf.,  meine  vielmehr,  wenn  Thukydides  den  einfall  in  Attika  nach  dem 
entwickiungsstande  des  getreides  datiert,  so  meint  er  den  stand  des- 
selben  in  Attika,  deni^  sonst  gibt  er  eine  ganz  vage  zu  nichts  branch- 
bare notiz.  aber  über  die  wieder  aufgewärmte  auffassung  der  dKfji^ 
TOO  c(tou  durch  Mie  reife  des  getreides'  ist  nicht  mehr  zu  streiten,  denn 
die  scheint  mir  durch  Vömels  schrift  ein  für  allemal  beseitigt,  ^so 
wenig  man  von  einem  manne,  der  mit  weiszem  haar  gebeugten  hanpts 
am  rande  des  grabes  steht,  sagen  kann,  er  sei  in  seiner  dK^f| ,  ebenso 
wenig  von  dem  getreidehalm,  wenn  er  gelb  geworden  mit  gesenkter 
tthre  dasteht  im  begriff  zu  sterben,  entweder  gewaltsam  durch  die  sichel 
oder  eines  natürlichen  todes  durcb  das  ausfallen  der  körner.'  so  hatte 
ich  früher  geschrieben,  bevor  mir  im  laufe  dieser  meiner  arbeit  die 
beiden  Vömelschen  pro^^ramme  zugleich  mit  Emil  Müllers  Schrift  über 
den  anfang  des  peloponnesischen  krieges  durch  die  Verwaltung  der 
Staatsbibliothek  in  München  mit  dankenswerter  gute  nach  London  über- 
sandt  waren,  ich  hatte  das  dann  ausgestrichen,  weil  mir  nach  Vömels 
überzeugender  beweisführung  jede  weitere  argumentation  überflüssig 
schien,  nun  mag  es  denn  wieder  hier  stehen  —  es  hat  wenigstens  das 
verdienst  richtig  zu  sein. 


HMüTler-Strübing:  da«  erste  jähr  des  peloponnesischen  krieges.     695 

Ich  kann  hier  auf  die  vielumstrittene  frage,  ob  Diodor  neben 
Ephoros,  den  er  ja  c.  41  als  seine  quelle  für  den  anfang  des  pelo- 
ponnesischen krieges  nennt,  auch  den  Thukydides  benutzt,  wenig- 
stens verglichen  hat,  nicht  eingehen;  wenn  es  der  fall  war,  so  kann 
er  die  bemerkung,  dasz  Thukydides,  abweichend  von  seiner  haupt- 
quelle, den  krieg  schon  unter  dem  archon  Pythodoros  anfangen 
lasse,  selbständig  gemacht  haben;  war  es  nicht  der  fall,  so  musz 
Diodor  schon  bei  Ephoros  die  bemerkung  gefunden  haben,  dasz 
Thukydides  den  anfang  des  krieges  unter  einen  andern  archon  setze 
als  er  selbst. 

Auf  jeden  fall  bezieht  sich  die  durch  Diodor  bezeugte  differenz 
zwischen  Thukydides  und  den  übrigen  historikem  nur  darauf,  dasz 
der  erstere  mit  ihm  eigentümlicher  auffassung  den  krieg  der  Athener 
und  der  Lakedaimonier  und  ihrer  beiderseitigen  bundesgenossen 
schon  anfangen  läszt  mit  dem  angriff  der  Thebaner  auf  Plataia,  wäh- 
rend die  übrigen  erst  den  einfall  des  bundesheeres  oder  vielleicht 
den  angriff  auf  Oino^  als  den  wirkUchen  anfang  des  krieges  be- 
zeichneten, ob  nun  jene  eigentümliche  auffassung  des  Thukydides 
eine  historisch  berechtigte  ist,  das  wird  später  zu  besprechen  sein; 
hier  will  ich  nur  folgenden  satz  aufstellen:  wenn  wir  die  richtigkeit 
des  überlieferten  Kai  TTuOcbtüpou  iii  btjo  ]Lif)vac  SpxovTOC  festhalten 
mit  vorläufiger  ignorierung  des  KQi  &fxa  fjpi  dpxojii^vqj ,  wenn  wir 
dagegen  in  c.  19  blosz  schreiben  toO  G^pouc  äK]Lid2IoVTOC  mit  un- 
barmherziger Streichung  des  Kai  toG  citou:  dann  ist  kein  Wider- 
spruch mehr  zwischen  Thukydides  u^d  den  übrigen  historikem  vor- 
handen :  denn  dann  f^Ut  auch  bei  Thuk.  die  dcßoXrj  am  80n  tage  nach 
dem  Überfall  schon  unter  den  archon  Euthydemos  und  zwar  auf  un- 
gefähr —  fxdXiCTa  —  den  2  In  hekatombaion  =  21n  august. 

Aber  die  Sonnenfinsternis  vom  dritten  august!  wie  es  mit  die- 
ser steht,  das  wird  sich  wohl  mit  Sicherheit  erst  beurteilen  lassen 
nach  genauer  prüfung  einer  vor  nicht  langer  zeit  gefundenen  Stein- 
schrift, einer  leider  sehr  verstümmelten  Urkunde  der  Schatzmeister 
der  Athenaia  aus  ol.  87,  1,  unter  dem  archon  Pythodoros  ^  von  der 
ich  hier  [s.  596]  eine  abschrift  gebe. 

Das  fragment  der  marmorplatte ,  auf  der  diese  Urkunde  einge- 
hauen ist,  ist  von  ÜEöhler  auf  der  bürg  zu  Athen  unter  als  wertlos 
bei  Seite  gelegten  steinen  gefunden ;  später  ist  dann  noch  ein  zweifel- 
los zu  dieser  Urkunde  gehöriges  marmorfragment  bei  gelegenheit  der 
yon  der  archäologischen  gesellschaft  in  Athen  veranstalteten  aus- 
grabungen  am  südabhange  der  akropolis  zu  tage  gekommen,  beide 
Fragmente  sind  von  Eirchhoff  veröffentlicht ,  zuerst  in  den  abhand- 
lungen  der  Berliner  akademie  1876  und  später  im  CIA.  IV  n.  179 
a—d.  in  der  umstehenden  abschrift  sind  die  erhaltenen  buchstaben 
in  uncialschrift ,  Eirchhoffs  zweifellos  richtige  ergänzungen  aber, 
die  uns  die  historische  Verwertung  der  Urkunde  eigentlich  erst  er- 
möglichen, in  altattischer  schrift  in  minuskeln  gegeben,  des  bessern 

89* 


596     HMüller-Strübing :  das  erste  jähr  des  peloponnesischen  kiteges. 

H-^OC0Q0-sI0dCx|^09fc0l-^OCDQ0«a0)O«»I^C0fe0l->>         00*4O)C;irt^09IOH* 

<  H  H  ^  J5 
fl»  rt>  fl»  O  < 
^  ^    O    >'  P 

P  O  3  2  X 
O   •-   H    O   O 

O^  fl»  rt>    X  — 

ff»  <^  <  m  O        ^^ 

C  "C  fl»  —  <        S 

•sJOSSTCL 

•    •    •    •    •    •    xx»  •'"^G.?5»2r 

7?   .     -I  —  >^T=>'*  X  L   >  >  >  ^  t! 

PZ>-3lJ0m>0  Ä  -^s^^O  —  —  > 

•o  H -<  3 5 =^  >:  ^>"3zx2z 

;^  -  -1  O  >  -  >  m  M       2  >*  :::^1J  "O  -  M  o  2J 

mZo'^o>>^*:3"D      HZ  '^  ^>Hzzm5      ^ 

—  OM>z>ijO-D>>>OmH>x  ^-o>rn>>>      X 

X  -  -3  O  H O  H  -  7?  H  >  -  O  -  Z-<TJ>K 

->O'0O  —  >m"3H—       >>rn>0"aim  m^X-    « 

-<^0-<m>>  —  o^>^  —  2Horn-3-BM  -<"dO*    ^ 

0>-DH^OT-'e'  —  >  —  Z>— 'C!jMHol>>  0>Z"     ® 

-m7;z-D-3>t-M>mH^^'!!'5-0  SSm-- 

::->-- m  t; -D  m  O  >  3  Z       >-  ii -<  M  z  n  -  <^  •    » 

^^mO>       m^OiJ  iZQo^  -op       5 

^      a>:$      <Hz  —  mn      mff>Ho  2:3- 

o2  Om;dM—        '-C'-o  PO- 

•^  s  m      -     grg »  S«  3  2- 

5«^  ^,  P«^»--©  o*  Off» 

O   O  '  p  ^  OH 

O  <  ri  s-  r»  ff» 

'"^  P  ?  ^  ^ 

H    p 

O  ^ 
^    P 

<  m  • 
PT>  « 

-   O   5| 

o  <  •: 

P   P  o»       '^^ 


P 


'"8 


H    H  Q 

A  P  o 

3  ®s 

P  ff»  H 

.    ff>  p  n 

^  p  ^  ^ 

«o  ^  ^  •• 


HMüller-StrüblDg:  das  erste  jähr  des  peloponnesischen  krieges.     597 

verstfindnisses  wegen  lasse  ich  die  ganze  Urkunde  hier  noch  einmal 
in  der  später  üblichen  schrift  folgen. 

Ä 1  e[€oi] 

2  'A0TivaToi  <ivriX]iucav  de  Ma[Keboviav  kqi lücke  von  24 

stellen inX  TTuGobiipou  fipxovxoc  Kai  im  t- 

3  TIC  ßouXflc  5  Ai]ÖTi)Lioc  '€tt[ TrpujTOC  i-xpa^iiäieve,  rajuCai 

UpiiJv  xpim^Tiuv  Tfjc  'AGrivaiac  €up- 

4  ^KTTic  'AiTiveuc]  Kai  Huvdpxov[T€c,  olc  'AiroWöbiüpoc  Kpiriou 

'AqpibvaToc  dTpa)Li)LiäT€U€ ,  irap^bocav  ct- 

5  paTTiTU)  de  MoKJebovfav  €iiKpäT[€i lücke  von  etwa  40  stellen, 

diri  xfic iboc  Trpu- 

6  ravcioc  beurdpjac  TrpirraveuoülIcTic  —  —  lücke  von  etwa  65 

stellen  — 
7 lücke  von  15  stellen  —  7r]opdb[ocav lücke  von  etwa 

60  stellen, 
hier  ist  der  stein  gebrochen ;  es  mag  6ine ,  es  mögen  mehrere  zeilen 
verloren  gegangen  sein,  dann  setzt  das  später  gefundene  fragment  an : 
JB  1  —  lücke  von  22  stellen  —  ]€Co[lücke  von  etwa  54  stellen 

2  —  lücke  von  22  stellenjIHPAA  —  lücke  von  52  stellen 

3  —  lücke  von  14  stellen  dirl  Tf]C  1]7r7ro0iuvTiboc  irpuiaveiac 

7rpuTav€uoucT]C  —  lücke  von  etwa  17  stellen 

4  —  13  stellen  raOia  d]b60ii  xrj  CTpaT[i^  —  46  stellen 

5  —  etwa  7  stellen  —  dm  Tf]c Jriboc  irpuiavcioc  — 

TTpuTaveuGÜCTic  —  etwa  25  stellen 

6  —  19  stellen]fiT6  (?  T^  vel  T^xdiTiv)  de  TToTepboiav  cxpaTioi  — 

lücke  von  etwa  35  stellen 

7  —  14  stellen  —  'GXXjTivoTajLiiaci  'G7n[ etwa  50  stellen 

8  —  15  stellen  dJirraKaibCKa  :  ^PTT  —  etwa  48  stellen 

9  —  14  stellen  K€(p]dXaiov  toO  de  Ma[K€boviov  sc.  ävaXuijiiaTOC 

10  —  14  stellenjtu  cxpaTidl  x^  irepl  [TteXoTrövvricov  —  36  stellen 

11  —  12  stellen  'ÄX]ai€i,  tTpüjxda  AiHiuveT  —  46  stellen 

12  —  12  stellen  fi|i]dpai  (?)  Xomoi  J^cav  ök[xi6  —  47  stellen 
13—13  stellen]püj  "iKapieT  i0iXoEdv[üj  oder  OiXoEevtbr)  —  etwa 

47  stellen 

14  —  13  stellen  XJapiq  AatbaXlbij  —  60  stellen 

15  —  4  stellen  dni  xfic]  iTTiroGiJüVxibGC  Trpuxa[veiac irpu- 

xoveüoucric 27  stellen 

16  —  13  stellen]  xaöxa  dbö0ii  KapKivifi  [öopiKi^f  —  etwa  40  stellen 

17  —  13  stellen jvxiboc  Trpuxaveiac  [ irpuxaveuoucric  — 

32  stellen 

18  —  13  stellen  KapJKivuj  9opiKitp 50  stellen 

19  —  19  stellen] i  'AXoiei'Ka  —  48  stellen 

in  z.  20  und  21  sind  dann  noch  die  reste  einiger  buchstaben  zu  er- 
kennen ,  die  aber  absolut  nicht  zu  entziffern  sind. 

Die  hier  von  Kirchhoff  vorgenommenen  ergänzungen  halte  ich, 
von  ein  paar  nebendingen  abgesehen,  für  ganz  unanfechtbar;  ebenso 
seine  Vermutung,  dasz  in  z.  2  nach  de  MaKebovtav  noch  eine  andere 


598     HMüller-Strübing:  das  erste  jähr  des  peloponnesischen  krieges. 

Ortsangabe  gestanden  habe,  ja  ich  denke  mehr  als  ^in  Ortsname, 
da  das  von  ihm  vermutete  de  IToTeibaiav  nicht  hinreicht,  um  die 
24 stellige  lücke  Yor  InX  nu9obu)pou  fipxovTOC  auszufüllen:  denn 
nach  der  ganz  sichern  und  lückenlosen  ergänzung  von  z.  4  haben 
wir  79  stellen  auf  die  zeile  zu  rechnen,  was  nach  ic  TToTeibaiav 
etwa  noch  gestanden  haben  kann ,  wird  später  zu  untersuchen  sein. 
denn  hier  musz  ich  gleich  einsprach  thun  gegen  Elirchhoffs  meinung, 
der  annähme,  dasz  der  CTpQTiiTÖc  de  MaKCboviav  Eukrates  in  z.  5,  an 
den  die  erste  Zahlung  geleistet  worden  ist,  einer  der  vier  collegen 
des  Strategen  Eallias  Kalliades  söhn,  der  nach  Thuk.  1 61  eine  Ver- 
stärkung von  40  schiffen  und  2000  hopliten  nach  Makedonien  führte, 
gewesen  sei,  stehe  durchaus  nichts  entgegen,  wie  gesagt,  dem  musz 
ich  widersprechen,  denn  es  geht  ja  aus  dieser  stelle  des  Thukydides 
ganz  deutlich  hervor,  dasz  Eallias  von  dem  athenischen  volke  gar 
nicht  nach  Makedonien  geschickt  war ,  dasz  er  vielmehr  den  auftrag 
erhalten  hatte  gegen  Poteidaia  und  die  übrigen  chalkidischen  städte, 
deren  eben  erfolgter  abfall  nach  Athen  berichtet  war,  zu  operieren: 
TToTeibam  dirdcTTi  •  fjXGe  bfe  Kai  loic  'AGrivaioic  euGuc  f|  dTTcXia 
tOüv  ttöXcwv  ÖTi  dcpccTdci,  Kttl  Tre^TTOuci  .  .  bicxiXiouc  dauTUiV 
ÖTrXiTac  Kai  reccapdKovTa  vauc  Trpöc  rd  dqpecTüiTa  Kai  KoXXiav 
TÖv  KaXXidbou  Trd^TrTOv  aötöv  CTpaiTiTÖv.  wir  würden  also  den 
führer  dieser  hopliten  und  schiffe  in  der  Urkunde  als  CTpaniTÖV  ic 
TToTcibaiav  bezeichnet  finden,  dagegen  hatte  der  früher  mit  30 
schiffen,  1000  hopliten  und  10  (?)  collegen  abgesandte  Stratege  Ar- 
chestratos Lykomedes  söhn  ursprünglich  vom  volk  den  einzigen 
auftrag  erhalten,  nach  Makedonien  zu  gehen  und  den  könig  Per- 
dikkas  zu  bekriegen;  er  war  eben  im  begriff  dahin  abzusegeln,  als 
in  Athen  die  nachricht  von  dem  drohenden  abfall  der  chalkidischen 
Städte  eintraf,  da  erhielt  er  den  weitern  auftrag  auch  hier  zum 
rechten  zu  sehen,  geisein  zu  nehmen  und  die  mauer  in  Poteidaia 
niederzureiszen:  TTpocdq)€p€  hk  (TTepbiKKac  6  *AX€Eavbpou,  Maxe- 
bovujv  ßaciXeuc)  Xötouc  koI  toTc  inX  9paKTic  XaXKibeöci  Kai  Bot- 
Tiaioic  EuvaTTOCTficai . .  iLv  ol  *A0TivaToi  alcOiS^evoi  Kai  ßouXö^€VOl 
TTpoKaTaXajLißdvciv  toiv  tiöXcujv  xdc  dTTOCTdceic  (diuxov  t^P  Tpi- 
dKovia  vauc  dTrocTdXXovTec  Kai  xiXiouc  ötiXitoc  im  Tf|v  tflv  auroO, 
'ApxecTpdTOu  ToO  AuKO^rjbouc  inex'  dXXu)V  biKa  CTpaniToOvToc), 
dTTicTdXXouci  ToTc  fipxouci  Tujv  vea»v  TToTeibaiaTtüv  xe  öfxrjpouc 
Xaßeiv  Kai  tö  xeixoc  KaOeXeiv.  diesen  auftrag  nun  konnte  Ar- 
chestratos nicht  ausrichten,  da  er  bei  seiner  ankunft  in  jenen  ge- 
wässcrn  die  städte  schon  abgefallen  fand,  und  dann  sagt  Thnk. 
c.  51) :  vo|LiicavT€C  bi  o\  CTpaTTiTOi  (Archestratos  und  seine  collegen) 
dbiivaToi  eivai  Ttpöc  t€  ITepbiKKav  iroXeiieiv  t^  Trapoücq  buvdpci 
Kai  id  EuvacpecTwia  x^P'ct,  Tp^Troviai  dm  Tf|v  MaKCboviav, 
dqp'  ÖTTcp  Kai  TÖ  irpÖTcpov  dEcTidjUTTOVio,  Kai  KoracrdvTCC 
dTroXdjLiGuv  USW.  die  eigentlichen  CTpaniTol  de  MaK€boviav  sind 
also  Archestratos  und  seine  collegen,  und  so  bezeichnen  auch  die  ge- 
sandten in  Lakedaimon  c.  58  das  geschwader  des  Archestratoa  als 


HMüller-Strübing :  das  ei*ste  jähr  des  peloponnesischen  krieges.     599 

a\  vf)€C  a\  im  MaKcboviav.  nun  könnte  man  mir  freilich  einwenden, 
Eallias  mit  seinen  vier  collegen  sei  ja  doch  auch,  da  er  sich  offenbar 
zu  schwach  fühlte  gegen  das  abgefallene  Poteidaia  allein  etwas  aus- 
zurichten, mit  seinen  truppen  nach  Makedonien  gegangen,  um  sich 
mit  Archestratos  zu  vereinigen ,  und  so  habe  er  in  der  viel  später 
redigierten  Urkunde  füglich  als  crpaTiiTÖc  ic  MaKeboviav  bezeichnet 
werden  können,  um  diesem  möglichen  einwurf  zu  begegnen,  der 
übrigens  durch  Kirchhoffs  höchst  wahrscheinliche  annähme ,  es  habe 
in  der  Überschrift  nach  ic  MaKeboviav  Kai  noch  ^c  TToxeibaiav  ge- 
standen, eigentlich  schon  beseitigt  wird,  will  ich  doch  noch  weitere 
gründe  anführen,  die  mich  zwingen  von  Eirchhoff  abzuweichen :  viel- 
leicht wird  dadurch  zugleich  etwas  gewonnen  für  die  urkundliche 
feststellung  des  monats ,  in  dem  die  schlacht  bei  Poteidaia  geliefert 
ist,  und  überhaupt  zur  berichtigung  der  Chronologie  der  korkyräischen 
und  poteidaiatischen  händel,  die  noch  gründlich  im  argen  liegt. 

Diese  an  Eukrates  in  der  zweiten  prytanie,  also  nach  dem  9n 
oder  lOn  metageitnion  (wir  sind  in  einem  Schaltjahr) ,  dh.  nach 
dem  19n  oder  20n  august  ^im  zweiten  oder  dritten  monat  des  atti- 
schen Jahres'  (Kirchhoff  ao.  s.  62) ,  dh.  zwischen  dem  20n  aug.  und 
25n  Sept.,  von  den  neuen  Schatzmeistern  der  göttin  nach  ihrem  amts- 
antritt  an  deiT  Panathenäen  geleistete  Zahlung  war  die  erste  Zah- 
lung, die  unter  dem  archon  Pythodoros  überhaupt,  und  namentlich 
für  Makedonien  und  Poteidaia  verabfolgt  ist.  denn  wäre  schon  in 
der  ersten  prytanie  vor  den  Panathenäen  geld  für  den  krieg  in  den 
dortigen  gegenden  gezahlt  worden,  so  hätte  das  nur  durch  die  Schatz- 
meister des  vorigen  Jahres,  die  ja  bis  zu  den  Panathenäen  im  amt 
blieben,  geschehen  können,  und  wir  würden  dann  diese  Zahlungen  ini 
TTuOcbtüpou  äpxovTOC  erwähnt  finden,  gerade  wie  in  der  Urkunde 
CIA.  I  179,  die  mit  den  Worten  'AGrivaToi  dvrjXiucav  de  KöpKupav 
Tdbe  im  'Aipeubouc  SpxovTOC  anfängt,  die  erste  Zahlung  am  13n 
tage  der  ersten  prytanie  noch  von  den  Schatzmeistern,  die  unter  dem 
vorigen  archon  Krates  fungiei*t  hatten ,  geleistet  ist  und  die  neuen, 
*  für  das  archontat  des  Apseudes  erloosten  Schatzmeister  erst  bei  der 
zweiten,  am  letzten  tage  der  ersten* prytanie,  also  nach  den  Pana- 
thenäen in  function  traten,  irre  ich  nicht,  so  werden  wir  ganz  dem- 
selben fall  bei  der  weitern  analyso  dieser  Urkunde  wieder  begegnen, 
wäre  nun  in  unserm  cip^TTiTÖc  ic  MaKeboviav  Eukrates  einer  der 
mitfeldherren  des  mit  Verstärkung,  wie  Kirchhoff  sagt,  nachgeschick- 
ten Strategen  Kallias  zu  erkennen,  so  müste,  da  in  der  ersten  pry- 
tanie unter  Pythodoros  keine  Zahlung  stattgefunden  hat,  der  früher 
abgeschickte  Archestratos,  der  eigentliche  CTpaiTiTÖc  de  MaKeboviav, 
noch  unter  dem  archon  Apseudes  an  seinen  bestimmungsort  abge- 
gangen sein,  vielleicht  in  den  letzten  tagen  des  skirophorion  ol.  86, 4, 
ende  juni  oder  anfang  juli.  da  er  nun  bei  seiner  ankunft  den  ab- 
fall  von  Poteidaia,  von  dem  die  Athener  bei  seiner  abfahrt  noch 
nichts  gewust  hatten,  schon  vollzogen  fand,  so  ist  doch  wohl  kein 
zweifei,  dasz  er  sofort  über  den  veränderten  stand  der  dinge  nach 


598     HMüller-Strübing:  das  erste  jähr  des  pelopoxmesischen  krieges. 

Ortsangabe  gestanden  habe,  ja  ich  denke  mehr  als  6in  Ortsname, 
da  das  von  ihm  vermutete  de  TToTetbaiav  nicht  hinreicht,  um  die 
24 stellige  lücke  vor  dirl  ITuGobiiipou  fipxovTOC  auszufüllen:  denn 
nach  der  ganz  sichern  und  lückenlosen  ergänzung^  von  z.  4  haben 
wir  79  stellen  auf  die  zeile  zu  rechnen,    was  nach  £c  TToTcibaiav 
etwa  noch  gestanden  haben  kann ,  wird  später  za  untersuchen  sein, 
denn  hier  musz  ich  gleich  einspruch  thun  gegen  Kirchhoffs  meinung, 
der  annähme,  dasz  der  crpaniTÖc  de  MaKcboviav  Enkrates  in  z.  5,  an 
den  die  erste  Zahlung  geleistet  worden  ist,  einer  der  vier  coUegen 
des  Strategen  Kallias  Ealliades  söhn,  der  nach  Thuk.  I  61  eine  Ver- 
stärkung von  40  schiffen  und  2000  hopliten  nach  Makedonien  führte, 
gewesen  sei,  stehe  durchaus  nichts  entgegen,  wie  gesa^,  dem  mnsz 
ich  widersprechen,  denn  es  geht  ja  aus  dieser  stelle  des  Thukydides 
ganz  deutlich  hervor,  dasz  Kallias  von  dem  athenischen  volke  gar 
nicht  nach  Makedonien  geschickt  war ,  dasz  er  vielmehr  den  anilrag 
erhalten  hatte  gegen  Poteidaia  und  die  übrigen  chalkidischen  städte, 
deren  eben  erfolgter  abfall  nach  Athen  berichtet  war,  zu  operieren: 
TToTeÄaia  dirdcTTi  •  fjXGc  bfc  xal  toic  'AOnvaioic  euSuc  f|  dTT^Wa 
tO&v  iröXcuiv  ÖTi  dq)€CTäci,  Kai  ireMTiouci  .  .  bicxiXiouc  ^auiiöv 
ÖTrXirac  Kai  xeccapdKovxa  vaOc  irpöc  id  dqpecrüjTa  Kai  KaXXiav 
TÖv  KaXXidbou  tt^^tttov  aöxöv  CTpanitöv.    wir  wUrden  also  den 
führer  dieser  hopliten  und  schiffe  in  der  Urkunde  als  CTpaTilT^V  & 
TToTcibaiav  bezeichnet  finden,    dagegen  hatte  der  früher  mit  30 
schiffen,  1000  hopliten  und  10  (?)  collegen  abgesandte  Stratege  Ar- 
chestratos Lykomedes  söhn  ursprünglich  vom  volk  den  einzigen 
aufkrag  erhalten,  nach  Makedonien  zu  gehen  und  den  könig  Pcr- 
dikkas  zu  bekriegen;  er  war  eben  im  begriff  dahin  abzus^eln,  als 
in  Athen  die  nachricht  von  dem  drohenden  abfall  der  chalkidischen 
stftdte  eintraf,     da  erhielt  er  den  weitern  auftrag  auch  hier  zum 
rechten  zu  sehen,  geisein  zu  nehmen  und  die  mauer  in  Poteidaia 
niederzureiszen:  7Tpoc^q)€p€  bfe  (TTepbiKKac  ö  'AXeEdvbpou,  MaK€- 
bövwv  ßociXeöc)  XÖTOUC  koI  toTc  dnl  9pdKTic  XoXKibeOci  koI  Bot- 
Tiaioic  £uvaTT0CTf)cat . .  «Lv  o\  'AOiivatoi  alcOöjievoi  Kai  ßouXöjievoi 
irpoKataXa^ßdveiv  tujv  nöXewv  xdc  dirocTdccic  (Ituxov  t^P  fPJ' 
dKOvra  vaOc  dirocTeXXovTCc  Kai  xiXiouc  ÖTiXirac  iii\  Tf|v  Tnv  aöroO, 
'ApxecTpdiou  ToO  AuKojufibouc  ^€T  '  dXXujv  b^Ka  CTpatiiToOvTOc), 
dmcT^XXouci  Toic  dpxouci  tujv  veuiv  TToTeibaiaTujv  t€  öjinpouc 
Xaßeiv  Kai  tö  tcixoc  KaOeXeiv.    diesen  auftrag  nun  konnte  Ar- 
chestratos nicht  ausrichten,  da  er  bei  seiner  ankunft  in  jenen  g^* 
wässern  die  städte  schon  abgefallen  fand,  und  dann  sagt  Thuk. 
c.  59 :  V0M(cavT€C  bi  ol  CTpaniTol  (Archestratos  und  seine  collegen) 
dbtjvaToi  elvoi  irpöc  t€  ITepbiKKav  TroXefxeiv  t^  irapouci]  buvdfiei 
Kai  xd  Huvaq)€CTU)Ta  Xü^pia,  xp^Trovrai  im  Tf|v  MaKCboviaVf 
dq)'  ÖTiep  Kai  xö  irpöxepov  ££€iT(f|üiTrovxo,  Kai  Kaxocxdvxec 
^iroX^^ouv  usw.    die  eigentlichen  cxpaxT]Tol  £c  MaKCboviav  sind 
also  Archestratos  und  seine  collegen,  und  so  bezeichnen  auch  die  ge- 
sandten in  Lakedaimon  c.  58  das  geschwader  des  Archestratos  als 


HMüUer-Strübing:  das  erste  jähr  des  pelopoiiDesischen  krieges.     601 

Das  sind  die  aus  den  zeitverhSltnissen  hergenommenen  gründe, 
weshalb  ich  in  dem  cxpaTTiTÖc  de  MaKcboviav  Eukrates  nicht  einen 


den  sind,  sie  sich  sämtlich  im  Irrtum  befinden,  ich  will  das  ganze 
capitel  durchgehen,  gleich  im  anfang  heiszt  es  von  Kallias  und  seinen 
collegen:  o\  dcpiKÖ^evoi  ^c  MaKCÖoviav  irpiIiTOv  KaraXafißdvouci  Todc 
irporlpouc  x*^^o^c  O^p^Tiv  öpri  ijpTiKÖTac  Kai  TTubvav  iroXiopKoOvTac. 
dies  TTpd»TOV,  das  im  Vat.  fehlt,  hat  Herwerden  gestrichen  'probante 
Classenio',  und  allerdings  hat  Classen  in  seiner  ersten  ausgäbe  (1862) 
es  eingeklammert,  weil  es  nicht  ohne  zwang  erklärt  werden  könne  und 
wahrscheinlich  aus  §  4  Kai  ircipdcavTCC  irpOiiTov  ToO  x^P^o^  irrtümlich 
hierher  gekommen  sei;  in  der  zweiten  ausgäbe  aber  hat  er  es  wieder 
hergestellt  und  erklärt  es,  in  der  that  nicht  ohne  zwang :  «irpÜJTOv,  zu- 
erst, ehe  sie  nemlich  an  ihrem  eigentlichen  ziel,  rd  dqpccTdira,  und  vor 
Poteidaia  ankommen.»  diese  erklärnng  beweist  doch  erst  recht  die 
Yollkommene  Überflüssigkeit  des  Wortes,  aber  auch  seine  völlige  harm- 
losigkeit,  da  es  weder  eine  Störung  noch  auch  nur  eine  falsche  färbuug 
des  Sinnes  hineinbringt,  und  so  denke  ich  ist  es  besser,  das  ai*me  wort 
ungeschoren  zu  lassen,  ich  wenig[|(ens  liebe  es  nicht,  wenn  ich  einmal 
auf  die  Jagd  gehe,  mein  pulver  auf  solche  spatzen  zu  verpuffen,  und 
spare  es  mir  lieber  für  gröszeres  und  gefährlicheres  wild  auf,  an 
dem  es  in  unserm  Thukydidestext  wahrlich  nicht  fehlt,  wie  uns  denn 
sogleich  ein  solches  begegnen  wird,  nach  iroXiopKoCvrac  nemlich  heiszt 
es  in  der  Überlieferung  weiter:  TtpocKaOe^Iö^cvot  bi  Kai  aÖTol  Tf|V 
TTiibvav  iiroXiöpKTicav  |i^v,  ^ireira  bi  HOfißaciv  iroiiicdnevoi  koI  Euii- 
liaxiav  dvaxKaiav  irpöc  xöv  TTcpöiKKav,  tue  aöxoOc  Kaxi^TrciTev  i^  TTo- 
xciöata  Kai  ö  'ApicxcOc  irapeXtjXuÖiJÜc ,  diravicxavxai  ^k  xflc  MaKcboviac, 
Kai  dqpiKÖnevoi  kc  B^potav  KOKetOev  dTricxp^\|iavx€c  Kai  ireipdcavxcc 
irpuixov  xoO  x^P^ou  Kai  oöx  ^Xövxcc  ^iropcOovxo  Kaxd  ff\v  irpöc  xi?|v 
TTox€(6aiav,  xpicxiX(oic  ixtv  öirXCxaic  ^auxüöv,  x^plc  bä  xüöv  Iv^ixdxiuv 
iroXXolc,  iTTireöci  5  *  dHaKocioic  MaKcbövujv  xotc  nexd  OiXiirtrou  Kai  TTau- 
cavtou  •  ä|uia  bä  vfjec  irap^uXeov  lß5o)uii^Kovxa.  Kax  *  öXixov  bä  irpoiövxcc 
TpiTaloi  dcpiKOvxo  ^c  riTiüvov  Kai  ^cxpaxoircbeOcavro.  jeder  Thuky- 
didesleser  weisz  dasz  die  erklärung  dieser  stelle  eine  ganze  geschichte 
aufzuweisen  hat,  die  noch  keineswegs  abgeschlossen  ist.  zuerst  das 
unglückliche  ^iTiCTp^v(iavT€c,  dem  durch  keine  erklärung  beizukommen 
war.  so  ist  es  denn  sehr  begreiflich  dasz  die  interpretes  erleichtert 
aufatmeten,  als  der  holländische  gelehrte  Pluygers  durch  die  ent- 
deckung,  ^mcxp^vjiavTCC  sei  verdorben,  und  es  sei  zu  schreiben  ^iri 
Cxp^ij/av,  sie  von  dieser  crux  glücklich  befreite,  diese  emendation  ward 
natürlich  allgemein  mit  freuden  aufgenommen  und  findet  sich  jetzt 
in  allen  neueren  ausgaben,  wenigstens  den  deutschen,  denn  die  Oxfor- 
der gelehrten  der  neuen  Übersetzung,  die  überhaupt  aus  der  groszen 
Popposchen  rüst-  und  rumpelkammer,  der  sie  ihre  oft  sehr  verschim- 
melten Waffen  zu  entnehmen  pflegen,  sich  nur  selten  herauswagen,  be- 
zeichnen zwar  in  den  noten  Pluygers'  emendation  als  'ingenious',  aber 
'extremely  uncertain%  und  so  heiszt  es  denn  im  text  unverfroren:  ^so 
they  prepared  to  quit  Macedonia  [vgl.  bei  Poppo:  <diravicxavxai  videtur 
tantum  castra  movent  (sie  machen  sich  auf,  brechen  auf)  ad  Macedoniam 
relinquendam  valere.  Od.  Müller,  ante  quem  iam  Haack  hoc  verbum  de 
conatu  et  consilio  Macedoniam  relinquendi  accipiendum  esse  dixerat»]. 
they  first  marched  out  of  their  way  to  Beroea,  which  they  attempted 
to  take  witbout  success.  returning  to  their  route,  they  moved  on  by 
land  towards  Potidaea',  mit  der  naiven  anmerkung:  «the  order  of  the 
words  is  stränge,  ireipdcavxcc  xoO  x^^P^ou  should  come  bifore  ^irtcxp^- 
\pavxec»  [vgl.  bei  Poppo  s.  349,  wo  sich  das  auch  findet:  es  sei  viel- 
leicht ein  dcxcpov  irpöxcpov].  ob  nun  die  deutschen  gelehrten  in  der 
ersten  freude  über  die  beseitigung  des  absoluten  unsinns  das  ^nl  Cxp^- 


602     HM  üller-Strübing :  das  erste  jähr  des  peloponnesischen  krieges. 

collegen  des  Kallias,  sondern  einen  mitfeldherm  des  früher  abge- 
sandten Strategen  Archestratos  erkennen  zu  müssen  glaube;  und 


\yav  nicht  doch  zu  yertrauensvoll  auffi^enommen  haben,  das  soll  sogleich 
erörtert  werden:  denn  vorher  musz  B^pota  an  die  reihe  kommen,  das 
den  erläuterern  nicht  geringere  scrupel  gemacht  hat;  und  mit  recht. 
selbst  die  Oxforder  gelehrten  geben  zu,  es  sei  unmöglich  dasz  eine 
iHngsam  marschierende  armee  (xar*  öXi^ov  irpoiövrcc)  den  wenlgstene 
60  eng],  meilen  langen  weg  [nach  Kieperts  karte  mindestens  17  deutsche 
meileu]  von  Beroia  nach  Gigonos  in  drei  tagen  zurückgelegt  habe,  ohne 
um  die  sonstigen  schwierififkeiten,  die  der  marsch  landeinwärts  nach 
Beroia  den  auslegern  bereitet,  sich  weiter  zu  kümmern,  diese  faast 
Classen  schon  in  der  ersten  ausgäbe  (1862)  so  zusammen:  ^die  treff- 
liche conjectnr  von  Pluygers  dnl  CTp^v|iav  hat  zwar  von  der  einen  seite 
erwünschtes  licht  gebracht,  rätselhaft  aber  bleibt,  wie  das  attische 
beer,  das  um  Poteidaia  zu  bedrohen  Makedonien  aufgeben  will,  von 
Pydnu  zuvor  den  marsch  ins  innere  Makedonien  über  das  Pierosgebirge 
und  den  Haliakmon  auf  Beroia  antritt,  in  welcher  bedeutenden  make- 
donischen Stadt  es  kein  hindernis  zu  finden  scheint  (d9iKÖ^€voi  ic 
B^poiav,  als  ob  sich  das  von  seihst  verstände)  und  von  dort  wieder 
nach  Überschreitung  von  zwei  Aussen  (Lydias  und  Axios)  auf  Strepsa  [?] 
weiterrückt,  ich  vermute  dasz  auch  Bcpoiav  (ein  name  der  den  ab- 
Schreibern  leicht  aus  der  apostelgeschichte  c.  17  geläutig  sein  mochte) 
verschrieben  ist  aus  0^p)ir)V.  .  .  da  dieser  wichtige  hafenplatz  in  den 
bänden  der  Athener  war,  lag  es  am  nächsten,  dasz  sie  sich  von  Pydna 
wieder  dorthin  einschifften  [?J,  dann  aber,  um  sich  bei  dem  unternehmen 
auf  Poteidaia  den  rücken  zu  sichern,  Strepsa  zu  besetzen  suchten^  wo 
sich  die  straszen  von  Makedonien  und  Thrakien  treffen:  nur  so  ist 
dq)iK6)üi€voi  ^c  0^p^r)v  ein  natürlicher  ausdruck.  .  .  da  der  versuch  nicht 
gelang,  so  schlugen  sie  die  strasze  längs  der  küste  bis  Gigonos  ein,  um 
sich  in  Verbindung  mit  ihrer  flotte  zu  erhalten,  wenn  es  hier  ausdrück- 
lich hciszt  KOTd  Y^v  und  später  äpLa  bi  vnec  nap^irXeov,  so  machen  aach 
diese  ausdrücke  es  wahrscheinlich,  dasz  die  truppen  nach  Therme  sa 
schiffe  gelangt  waren.'  mit  dieser  emendation  Classens  ^c  G^p|üH]v,  die 
er  übrigens  nicht  in  den  text  aufgenommen,  sondern  nar  in  den  noten 
vorgeschlagen  hat,  bin  ich  ganz  einverstanden,  und  im  ganzen  aach 
mit  seiner  rechtfertigung  derselben;  ehe  ich  aber  darauf  eingehe, 
müssen  doch  die  gej^uer  derselben  (gehört  werden,  der  erste,  der  da- 
gegen einspruch  that,  war  8tnhl  in  diesen  jahrb.  1868  s.  404.  die  'her- 
liche emendation'  von  Pluygers  ittl  CTp^i|iav  nimt  auch  er  an:  'wenn 
aber  Classen  ferner,  weil  er  den  marsch  in  das  innere  Makedonien  an- 
begreiflich findet,  statt  ^c  B^potav  vorschlägt  ^c  G^p|üir)V  . .  so  kann  ich 
dem  nicht  beistimmen,  warum  freilich  die  Athener  auf  dem  umwege 
durch  das  innere  Makedonien  nach  Poteidaia  marschierten,  hat  ans 
Thnk.  nicht  gesagt;  allein  man  weisz,  wie  oft  er  ihm  unerhebliche 
ncbenumstiinde  der  erzählung  wegzulassen  pflegt,  [ja,  das  weiss  der 
himmul!  auch  dann,  wenn  diese  unerheblichen  nebenumstände  den  ein* 
zigen  Schlüssel  zum  Verständnis  der  erzählung  bilden  würden,  wie  ick 
da»  im  weitem  verlauf  dieser  Untersuchung  an  einem  sehr  wichtigen 
beispiele  noch  nachweisen  werde.]  auch  Classen  begründet  ja  die 
diversiou  von  Therme  nach  Strepsa  durch  nebeuumstände,  die  bei  Thnk. 
nicht  zu  lesen  sind:  man  habe  sich  durch  den  besitz  Strcpsas,  wo  sich 
die  straszen  von  Makedonien  und  Thrakien  treffen,  den  rücken  sichern 
wollen.'  auch  darin  hat  Stahl  recht,  um  so  mehr  da  dies  'treffen  der 
straszen'  bei  Strepsa  eine  ganz  willkürliche  erfindung  Classens  ist,  ein 
reines  autoschediasma;  oder  rührt  sie  vielleicht  von  ECurtias  her,  der 
(gr.  gesch.  11^  s.  352)  ebenfalls  Strepsa  als  'einen  wichtigen  knoten- 
punkt  der   makedonisch- thrakischen  Strassen'   bezeichnet?    so  viel  ist 


HMüller-Strübing :  das  erste  jähr  des  peloponnesisclien  krieges.     603 

dann  vermute  ich  weiter  dasz  vielmehr  die  nächste  Zahlung,  auf  die 
das  7T]ap^b[ocav  oder  TrapeböOr)  oder  iTap^bo|i€V  in  z.  7  schlieszen 


sicher,  dasz  weder  Pluygers  noch  Classen  noch  Curtias  noch  sonst  ein 
mensch  in  der  weit  auch  nur  mit  einiger  Sicherheit  anzugeben  weisz, 
wo  Strepsa  lag.  diese  bemerkung  Stahls  wäre  also  im  gründe  mehr 
gegen  Plnygers  gerichtet  als  gegen  Classen.  was  dann  Stahl  aus  seiner 
auffassung  der  politischen  läge  der  dinge  beibringt,  die  möglichkeit 
des  marsches  nach  Beroia  zu  rechtfertigen,  damit *brauche  ich  den  leser 
nm  so  weniger  zu  behelligen,  da  Stahl  ja  selbst  diese  schönen  argu- 
mente  als  nicht  recht  stichhaltig  angesehen  haben  musz.  denn  sehr 
bald  hat  er  sie  über  bord  geworfen,  um  Bergks  emendatlon  ic  Bp^av 
statt  ^c  B^potav  anzunehmen  (s.  seine  ausgäbe  des  Thuk.  vom  j.  1873). 
zur  Charakteristik  eines  andern  Verteidigers  des  überlieferten  ^c  B^poiav, 
Schütz  (in  der  zs.  f.  d.  gw.  1866  s.  46  f.  und  abermals  1881  s.  461),  will 
ich  nur  den  schlnszsatz  anführen:  'ich  denke  also,  die  Athener  haben 
von  Pydna  einen  Streifzug  nach  Beroia  gemacht  und  dadurch  eben  den 
Perdikkas  zum  friedensschlusz  gezwungen,  [in  der  gufui^axiot  dva^Kaia 
war  also  die  dvdxKT]  für  Perdikkas  vorhanden,  weil  eben  Aristeus  in 
Poteidaia  angekommen  war,  nicht  für  die  Athener!]  von  Beroia  kehr- 
ten sie  um  (lmcTp^n;avT€C ,  wofür  vielleicht  dirocTp^n;avT€C)  und  mar- 
schierten (nunmehr  richtig)  zu  lande  (gewis  über  das  schon  vorher  eroberte 
Therme)  nach  Gigonos,  während  die  flotte  etwa  von  Therme  an  die  küste 
entlang  sie  begleitete.'  ich  denke,  das  genügt,  was  sind  das  nun  für 
gründe,  die  Stahl  bewogen  haben  das  so  eifrig  verteidigte  Beroia  auf- 
zugeben und  das  von  Bergk  (Philol.  XXII  s.  537]  empfohlene  ^c  Bpdav 
in  seinen  text  aufzunehmen?  was,  beiläufig  gesagt,  auch  Herwerden  ge- 
than  hat  und  was  Classen  nur  deshalb  unterlassen  hat  (s.  seine  aus- 
gäbe I'  s.  279),  weil  es  ihm  dazu  nicht  gesichert  genug  erschien,  zu- 
nächst gibt  Bergk  an,  der  marsch  nach  Beroia  sei  eine  Verletzung  des 
eben  mit  Perdikkas  geschlossenen  Vertrags  gewesen,  der  zwar  keinen 
bestand  hatte,  aber  nach  Thuk.  darstellung  doch  zuerst  von  Perdikkas 
verletzt  worden  sei.  ferner  erhelle  aus  den  Worten  diravicravTai  ^K  Tf^c 
Maxeöcvtac  xal  d9iK6)ui€voi  ^c  — ,  dasz  der  ort  wohin  sie  kamen  auszer- 
halh  des  makedonischen  gebietes  gelegen  habe;  darum  müsse  er  Classens 
^c  G^pjüiiiv  abweisen,  ^denn  Therme  gehörte  damals  bereits  den  Make- 
doniern\  das  ist  unrichtig:  der  durchaus  correcte  ausdruck  des  Thuky- 
dides  diraviCTavTai  ^k  Tfjc  Maxeöcviac  passt  sehr  wohl  zu  dem  marsch 
nach  Therme:  denn  so  wie  die  Athener  (zu  lande,  wie  ich  annehme) 
von  Pydna  in  nördlicher  richtung  aufbrachen,  so  verlieszen  sie  zugleich 
Makedonien  und  betraten  ihr  eignes  gebiet,  nemlich  das  von  Methone, 
ihrer  bundesstadt,  und  Therme,  wohin  sie  dann  kamen,  gehörte  nicht 
den  Makedoniern^  sondern  den  Athenern,  die  es  erobert  und  besetzt 
hatten  und  es  erst  viel  später  dem  Perdikkas  zurückgaben  (II  29).  hier- 
mit ist  also  nichts  widerlegt.  Classen  nahm  nun  an,  sagt  Bergk  weiter, 
Strepsa  sei  nördlich  von  Therme  zu  suchen,  und  frag^,  worauf  sich  diese 
ansiebt  gründe;  die  Stellung  des  namens  Strepsa  in  den  tributlisten  ge- 
währe dafür  keine  stütze,  auch  wäre  es  wiederum  höchst  seltsam,  wenn 
die  Athener,  statt  direct  sich  gegen  Poteidaia  zu  wenden,  erst  nach 
Therme  marschierten  und  sogar  noch  mehr  in  nördlicher  richtung  diesen 
marsch  fortsetzten,  um  dann  erst  südwärts  die  strasze  nach  Pallene 
einzuschlagen,  darauf  ist  zu  erwidern:  nach  Therme  mästen  sie  unter 
allen  umständen  kommen,  wenn  sie,  wie  ich  voraussetze,  zu  laude  mar- 
schierten; die  fortsetzung  des  marsches  aber  in  nördlicher  richtung  hat 
mit  der  lesart  ^c  O^p^iiv  nichts  zu  thun,  sondern  nur  mit  dem  von 
Plnygers  vorgeschlagenen  irzl  Crp^^iav  und  der  von  Classen,  wie  schon 
gesagt,  willkürlich  vorgenommenen  placierung  dieses  orts  nördlich  von 
Therme,     dasselbe   gilt   auch  von  dem  weitern  einwurf,  es  scheine  ihm 


604     HMüller-Strübing :  das  erste  jähr  des  peloponnesischen  krieges. 

läszt,  an  Kallias  für  dessen  zug  nach  Poteidaia  geleistet  worden  ist; 
und  zwar  sehr  bald  nach  jener  ersten  Zahlung  an  Eukrates,  dh.  an 

damit  nicht  recht  vereinbar,  dasz  Thok.  angebe,  in  drei  kleinen  tage- 
raUrschen  seien  die  Athener  von  Strepsa  nach  Gigonos,  dh.  nach  der 
grenze  von  Pallene  gekommen:  denn  wenn  wir  Strepsa  mit  Glassen 
nördlich  von  Therme  ansetzen,  dann  dürften  drei  kleine  tagemärsche 
für  diesen  weg,  d^  doch  gewis  der  mecresküste  folgte,  nicht  ans- 
reichen.  gewis  nicht,  aber  das  ist  ja  eine  polemik  gegen  die  conjeotar 
^ttI  Crp^i^av,  nicht  gegen  die  ^c  0^p)ir)vl  schlieszlich  rückt  dann  Bergk 
mit  seinem  eignen  Vorschlag  heraus:  statt  ^c  B^potav  sei  zu  schreiben, 
was  auch  paläographisch  gröszere  Wahrscheinlichkeit  habe,  dq|>iK6)i€voi 
^c  Bp^av  KdK€l6€v  ^irl  Crp^viiav.  ^bekanntlich  war  Brea'  sagt  er  'eine 
attische  colonie,  die  die  Athener  in  jener  gegend  [?]  vor  dem  pelo- 
ponnesischen kriege  gründeten*;  man  kenne  zwar  die  zeit  nicht  genau, 
aber  ^jedenfalls  war  zur  zeit  der  hier  geschilderten  ereignisse  die 
attische  niederlassung  schon  fest  begründet'  [?].  genaueres  über  die 
läge  der  stadt  sei  nicht  überliefert  [gerade  wie  bei  Strepsa],  aber 
ßöhnecke  (forschungen  s.  363)  habe  gewis  recht,  wenn  er  die  worte 
Plut.  Per.  11  clc  bä  0pdKT]v  xtXiouc  BicdXTatc  cuvoiKi^cavTac  icXiipoOxouc 
^CTCiXev  (Perikles)  auf  Bp^a  beziehe,  ja  wohl,  aber  wenn  Böhnecke 
darin  recht  hat  (und  ich  glaube  das  auch),  so  hat  Bergk  ganz  gewis 
unrecht,  wenn  er  die  beiden  von  Tbuk.  erwähnten  orte,  also  nach  ihm 
Brea  und  Strepsa,  an  die  küsten  des  thermaischen  golfs  zwischen  Pydna 
und  Poteidaia  ansetzt,  denn  wo  wohnten  die  Bisalten,  in  deren  gebiet 
Perikles  Brea  besiedelt  haben  soll?  Strabon  sagt  VII  fr.  36  (s.  281  Did.): 
ÖTT^p  bi  Tf\c  *A|ui(pnröX€U)c  BicdXTai  Kai  fx^XP^  iröXcuic  'HpaKXcCac,  ^xo^^^cc 
auXOjva  eÖKapirov,  6v  ötaipcl  6  Crpu^ubv,  ganz  im  einklang  mit  Herodotos 
VII  115  tue  bä  dirö  toO  Crpufiövoc  ^irop60€TO  6  cxparöc,  dvOaöra  irpöc 
i'iXiou  6uc|Li^ujv  ^CTi  aiTiaXöc  ^v  xip  oUim^vT^v  "ApfiAcv  iröXiv  *€XX<U>a 
TiapelY]\€ '  aÖTTi  bi  xal  i^  KarOircpOe  Ta(rn]C  KciX^erai  BtcaXTli]  (vgl.  VUI 
115  ae.  und  116).  dort  also  in  der  nähe  des  Strymon  hätte  Brea  ge- 
legen, wie  auch  Kirchhoff  aiinimt  (tributpflichtigkeit  der  klerucheu  s.  IS), 
an  der  ostküste  der  chalkidischen  halbinsel,  nicht  an  der  Westküste. 
dasz  dies  aber  mit  der  crzählnug  bei  Thuk.  absolut  unvereinbar  ist, 
das  lehrt  ein  blick  auf  die  karte.'  so  wäre  denn,  denke  ich,  Bergk 
mit  seinen  eignen  waffen  geschlagen  und  seine  conjectur  ^c  Bp^av 
glücklich  hüseitigt.  überhaupt  halte  ich  es,  um  das  beiläufig  zu  sagen, 
für  sehr  zweifelhaft,  ob  Brea  damals  noch  existierte,  wenigstens  als 
athenische  apoikio.  dasz  klcruchen  dorthin  gesandt  wurden,  wissen 
wir  ja  aus  der  bekannten  Urkunde  (CIA.  I  32),  die  in  ol.  84  gesetzt  wird, 
aber  durchaus  nicht,  ob  diese  kleruchie  bestand  hatte,  nur  zweimal 
wird  sie  erwähnt,  bei  Stephauos  Byz.:  Bp^a,  iröXtc  Qp^Kr\c,  cic  f^v 
dTTOiKiav  ^CT€(XavT0  'AÖTivaloi,  und  bei  Hosjchios:  Bp^a*  Kpattvoc  fid- 
fiVTiTai  Tf|c  clc  Bp^av  diroiKlac*  €cti  bi  ttöXic  0p<jiKT|C,  clc  flv  'AOiivalot 
diToiKiav  ^S^ncfuiTrov.  wenn  aber  Böhneckes  (ao.  s.  337)  Vermutung  rich- 
tig ist,  dasz  bei  Hesychios  die  namen  Kratinos  und  Krateros  verwech- 
selt seien,  wie  auch  sonst  oft,  so  würde  sich  auch  jene  stelle  bei 
St(>p}innoR  iK'icliRt  wahrscheinlich  auf  unsere  Urkunde  zurückführen  lassen, 
von  der  Kratoros  in  seiner  samlung  der  psephismen  eine  abschrift  ge- 
geben hätte,  doch  dem  sei  wie  ihm  wolle  —  dasz  von  den  Schicksalen 
einer  attischen  eolonie  in  Thrakien,  die  von  den  ersten  aufständen  der 
Chalkidikcr  an  sehr  wcchselvoll  gewesen  sein  müsten,  während  dei 
ganzen  peloponnesischen  krieges  sich  nicht  die  geringste  erwfthnnn^ 
iindet,  macht  es  mir  sehr  zweifelhaft,  ob  diese  colonisation  überall  be- 
stand  gehabt  hat  und  ob  sie  nicht  sehr  bald  als  unausführbar  wieder 
aufgepreben  worden  ist.  wenn  nun  Bergks  conjectur  ic  Bptov  sich  alt 
unhaltbar   erwiesen   hat,    so   wird   wohl   auch   das   allgemein  gebilligte 


HMüller-Strübing:  das  erste  jähr  des  peloponnesischen  krieges.     605 

Archestratos;  wahrscheinlich,  wenn  diese  Zahlung  in  den  ersten 
tagen  der  zweiten  prytanie  erfolgt  ist  (und  auch  das  ist  wahrschein- 
lich :  gleich  nach  der  groszen  panathenäischen  landesgemeinde ,  in 
der  der  krieg  und  die  expedition  gegen  Perdikkas  vom  Yolke  be- 

^Trl  CTp^v|iav  von  demselben  loose  betroffen  werden,  ich  habe  vorhin 
gesagt,  die  placiemng  von  Strepsa  nördlich  von  Therme,  wo  sich  die 
thrakischen  und  die  makedonischen  straszen  treffen,  sei  willkürlich ;  sie 
ist  aber  schlimmer  als  das,  durchaus  unverträglich  mit  den  politischen 
zuständen  jener  zeit:  denn  Strepsa  gehörte  zum  attischen  bunde,  war 
tributpflichtig  (die  Stadt  zahlte  von  oI.  81,  3  bis  83,  3,  bis  wohin  die 
listen  erhalten  sind,  jährlich  ein  talent),  kann  also  nicht  weit  im  innern 
eines  barbarischen,  von  Athen  unabhängigen,  ja  ihm  verfeindeten  ge- 
bietes  gelegen  haben,  was  Bergk  gegen  Böhnecke,  der  annimt,  Brea 
habe  im  innern  des  landcs  gelegen,  erwidert,  es  sei  ganz  undenkbar, 
dasz  Perikles  eine  colonie  im  innern  des  landes  gegründet  haben  sollte,' 
sie  hätte  notwendig  eine  hafenstadt  sein  müssen,  denn  nur  dann  wäre 
die  Verbindung  jederzeit  gesichert  —  das  passt  auch  auf  die  zinspflich- 
tigen Städte;  sie  waren  entweder  hafenstädte,  oder  sie  lagen  so  nahe  an 
der  See,  dasz  die  Athener  sie  von  ihren  flotten  aus  beständig  überwachen 
und  im  zäume  halten  konnten,  ein  solcher  isolierter  posten  mitten  in 
feindesland  ist  ein  unding.  in  der  nähe  der  see  also  musz  Strepsa  ge- 
legen haben ,  und  zwar  nach  unserer  stelle  am  thermaischen  golf  zwi- 
schen Therme  und  Poteidaia.  hier  ist  aber  kein  platz  für  Strepsa,  denn 
die  namen  der  dort  gelegenen  städte  kennen  wir  aus  Herodot  YII  128 
TrapairX^wv  bt  xai  xaÖTTiv  ti?|v  x\hpr]V  (nemlich  6  vauxiKÖc  crparöc  6 
i^pHcuj)  £itX€€  ^c  tö  irpo€ipii|Li^vov,  TtapaXajüißdvujv  CTpaTif|v  Kai  4k  tüliv 
irpocex^ujv  iroXiujv  rf)  TTaXXfivij,  öjuioupcouc^ujv  bi  rCj)  Gep^aiqj  KÖXirip, 
T^ci  cövö^aTd  4cTi  Ta6€-  AdraHoc,  Ktdfuißpcia,  Aicai,  riYuivoc,  Kd)ui\|ia, 
CfiiXa,  Atveia*  .  .  dirö  bä  AlvcCr^c  .  .  kc  aöxöv  t€  töv  dep^alov  köXitov 
^TivcTO  tCD  vauTiKip  cTpaT«Ji  6  ttXöoc  kgI  ff\v  Tf|v  Mut&ov(t]v,  tiX^ujv  bi 
dTriK€TO  Ic  T€  Ti?|v  TTpocipTmevriv  O^pfiTiv  xal  Civbov  usw.  diejenige  dieser 
Städte  nun,  die  in  den  Herodot- hss.  Kd\x\\fa  geschrieben  ist,  beiszt  auf 
den  athenischen  tributlisten  CKd\|ia,  und  damit  hätten  wir,  denke  ich, 
den  namen  gefunden,  den  wir  hier  brauchen,  dann  stellt  sich  die  sache 
so:  die  Athener  verlassen  Makedonien,  diravicTavTai  4k  xfjc  MaKcboviac  — 
ganz  richtig:  denn  so  wie  sie  in  nördlicher  richtung  von  Pydna  ab- 
marschieren, betreten  sie  das  gebiet  ihrer  bundesstadt  Methone;  sie 
ziehen  zu  laude,  denn  sie  marschierten  zusammen  mit  vielen  bundes- 
genosscn  und  600  makedonischen  reitern  (tCDv  Su)üi|idxuiv  iroXXotC,  lir- 
ireOci  ö'  4SaKOc(oic  MaKcbövujv],  uüd  die  athenischen  schiffe  hatten 
schwerlich  platz,  diese  makedonische  Fracht  noch  ausser  den  vielen 
lügen  des  Perdikkas  aufzunehmen  (vgl.  Hermippos  Phormopboren  fr.  1,  8 
Kai  irapd  CiTdXKOu  \|it{ipav  AaKebaifiovioiciv  koI  irapd  TTepölKKOu  ijjeO&ti 
vauclv  irdvu  iroXXaic);  auch  werden  die  Athener  dazu  schwerlich  lust 
gehabt  haben,  denn  diese  makedonischen  reiter  werden  nicht  gerade 
auf  einer  höhern  cultur-  und  reinlichkeitsstufe  gestanden  haben  als 
die  unterthanen  des  Sitalkes,  und  wir  wissen  ja  aus  den  eben  ange- 
führten Versen  des  Hermippos,  welchen  exportartikel  diese  letzteren  an 
bord  der  schnellen  schiffe  zu  bringen  pflegten,  so  also  zogen  sie  zu 
lande  nach  Therme  —  sie  konnten  ja  gar  nicht  anders,  wenn  sie  den 
landweg  wählten,  und  wollten  sich  auch  wohl  mit  ihrer  dortigen  garnison 
in  Verbindung  setzen,  dann  zogen  sie  weiter  und  stieszen  auf  Skapsa, 
die  wahrscheinlich  vor  kurzem  zugleich  mit  Poteidaia  abgefallene 
tributpflichtige  Stadt,  sie  suchten  das  kleine  nest  (es  zahlte  nur  1000 
drachmen  tribut)  durch  einen  handstreich  zu  nehmen  und  kamen  dann 
in  bequemem  marsch  am  dritten  tage  nach  Gigonos.  ao  glaube  ich  ist 
die  stelle  ganz  in  Ordnung. 


606     HMüller-StrQbing :  das  erste  jähr  des  pcloponnesischen  krieget. 

schlössen  sein  wird),  dann  noch  in  den  letzten  tagen  derselben  zwei- 
ten prytanie. 

Dies  alles  scheint  mir  aus  der  damaligen  läge  der  dinge,  wie 
wir  sie  aus  der  allerdings  wenig  genauen  darstellung  bei  ThukydidoB 
kennen,  mit  Wahrscheinlichkeit  hervorzugehen,  ja  ich  glaube,  Kirch* 
hoff  selbst  würde  bei  jenem  Eukrates  nicht  an  einen  collegen  des 
KalliaS;  vielmehr  an  einen  mitfeldherm  des  Archestratos  gedacht 
haben ,  wenn  er  nicht  durch  den  wahrscheinlich  auch  von  ihm  ge- 
billigten Böckhschen  ansatz  des  Überfalls  von  Plataia  auf  den  4n 
april  genötigt  gewesen  wäre  auch  die  schlacht  von  Poteidaia  zu  früh 
anzusetzen,  nemlich  schon  in  den  october  432.  dann  lieszen  sich 
freilich  die  von  Thukydides  nach  der  abfahrt  des  Archestratos  er- 
zählten ereignisse  schwer  in  den  Zeitraum  zwischen  irgend  einem 
tage  der  zweiten  prytanie ,  selbst  wenn  es  der  erste,  in  diesem  jähr 
also  etwa  der  21e  august  gewesen  wäre,  und  dem  monat  october 
zusammendrängen. 

Dasz  übrigens  der  von  mir  vermutete  inhalt  der  zeilen  6  und  7 
unserer  inschrift  nicht  im  Widerspruch  steht  mit  den  raumverhält- 
nissen  der  zeilen,  und  dasz  die  zahl  der  auszufüllenden  stellen  einer 
ergänzung  in  dem  angegebenen  sinne  kein  hindemis  ent^gen- 
stellt ,  das  will  ich  an  einem  beispiel  nachweisen ,  wobei  ich  die  von 
Kirchhofif  herrührenden  ergänzungen  als  feststehend  ansehe  und  nur 
die  von  mir,  ich  wiederhole  es,  beispielsweise  hinzugefügten  in 
eckige  klammem  setze,  also  Ta|i(ai  iepujv  \pr\)i6jwv  Tf)c  *A8iivaiac 

Trap^bocav  CTlpaniTip  ^c  MaKcboviav  EuKpAtei  [M€- 

Xiiei'  Kai  Huvdpxouciv  pXXXXPHPPHIII  im  ri\c iboc,  7rpu| 

Tttveiac  beuT^pac  TrpuTaveuoucTic  [ipdri  f)M^p(ji  ttic  irpuiaveiac.  iiA 
TTic  .  .  .  .  (boc  irpuTaveiac  b€UT|^pac  TTpuraveucuciic]  Trap^bo^icv 

CTpaiTiTÄ  ic  TToTeibaiav  KoXXia Kai  Huvdpxouciv  t^ 

TcXeuTaiqi  fjjLi^pqi  ttic  irpuTaveiac  und  dann  die  gezahlte  summe,  wie 
in  der  zweiten  Zahlung  an  die  feldherm  nach  Korkyra  n.  179.  es 
versteht  sich  von  selbst,  dasz  die  gezahlte  summe  eine  rein  imagi- 
näre, willkürliche  ist,  die  ich  nur  gesetzt  habe,  um  die  14  stellen 
auszufüllen  (ich  habe  sie  aus  CIA.  I  188  entnommen),  wie  ich  über- 
haupt ja  nur  die  möglichkeit  habe  nachweisen  wollen,  dasz  der  von 
mir  vorausgesetzte  inhalt  auf  dem  stein  habe  stehen  können. 

Nach  z.  7  bricht  dann  die  groszc  marmortafel  ab.  ob  nun  das 
zweifellos  zu  derselben  Urkunde  gehörige  fragment  B  sich  unmittel- 
bar an  z.  8,  auf  der  sich  noch  unleserliche  reste  von  einigen  buch- 
Stäben  zeigen,  anschlieszt,  oder  ob  dazwischen  noch  6ine  odbr  gar 
mehrere  zeilen  verloren  gegangen  sind,  das  l&szt  sich  mit  Sicherheit 
nicht  entscheiden,  mir  scheint  das  erste  das  wahrscheinlichere :  denn 


^  ich  halto  den  Eukrates  der  inschrift  fUr  den  von  AristophiineB  in 
(ien  Kittern  v.  264  verhöhnten  werji^bändler  und  für  identisch  mit  dem 
im  rf)pac  prennnnteu  Kukrates,  dorn  melitischeu  eher  der  scholiasten. 
was  (*urt  Wachsmuth  dagegen  cinf^e wendet  hat,  das  scheint  mir  nicht 
stichhaltig,  was  zu  begründen  hier  nicht  der  ort  ist. 


HMüUer-Strübing :  dad  erste  jähr  des  peloponnesischen  krieges.     607 

in  den  weggebrochenen  Zeilen  müsten  doch  ebenfalls  wohl  Zahlungen 
angegeben  worden  sein,  und  mich  dünkt,  wir  haben  auf  dem,  was 
von  dem  stein  übrig  geblieben  ist,  deren  ohnehin  schon  genug,  mehr 
als  wir  mit  hilfe  dessen,  was  Thuk.  über  die  ereignisse  zwischen  der 
Schlacht  von  Poteidaia  und  dem  einfall  der  Peloponnesier  in  Attika 
erzählt ,  unterzubringen  vermögen,  gleich  in  J9  z.  1  lieszen  sich  die 
erkennbaren  bucbstaben  EtA,  wenn  das  letztere  zeichen  ein  A  ist, 
vielleicht  zu  in\  T]f\c  AiavTiboc  oder  'AKajuavTiboc  usw.  ergänzen ;  es 
würde  damit  eine  neue  Zahlung  eingeleitet,  zu  der  dann  die  in  z.  2 
noch  erhaltenen  zi£fem  gehört  hätten,  jedoch  halte  ich  noch  eine 
andere  ergänzung  zu  jenen  drei  buchstaben  für  möglich,  von  der  ich 
weiter  unten  reden  werde. 

Es  folgt  dann  in  z.  3  eine  neue  Zahlung  in\  Tf)c  iTTTToOujVTtboc 

irpuTaveiac irpuTaveucucric,  aber  was  das  für  eine  heerfahrt 

ist,  für  die  diese  bestimmt  war  (denn  Kirchhoffs  ergänzung  raOra 
iböQx]  Ttji  crpaTi^  ist  unzweifelhaft  richtig) ,  das  läszt  sich  absolut 
nicht  ermitteln.  Thuk.  spricht  nur  noch  von  einem  einzigen  beere, 
das  die  Athener  in  jener  Zwischenzeit  ausgeschickt  haben ,  und  zwar 
nach  Poteidaia  unter  Phormion.  wann  ist  das  geschehen  ?  genau  an- 
geben läszt  sich  das  freilich  nicht,  die  Schlacht  von  Poteidaia  ward  im 
sechsten  monat  vor  dem  letzten  munichion,  als  dem  tage  des  Über- 
falls von  Plataia,  dh.  vor  dem  In  juni  geliefert,  also  im  december 
431'^;  die  belagerung,  oder  eigentlich  die  blockade  fieng  nun  an, 
aber  nur  auf  der  nördlichen  Seite  der  landenge  Pallene ,  auf  der  Po- 
teidaia lag.  es  handelte  sich  nun  darum,  auch  die  Südseite  durch 
eine  mauer  abzusperren:  KOi  7ruv0avö|i€VOl  o\  dv  Txji  TTÖXei  'A6r]- 
vatoi  ('part.  praes.  von  den  öfters  eintreffenden  nachrichten'  sagt 
Classen  zu  c.  64,  2)  Tr\v  TTaXXriviiv  dieixicTOV  oöcav,  XPÖvip  öcte- 
pov  TT^inTrouciv  dHaKOciouc  xai  xiXiouc  ötiXitoc  dauTiüV  Kai  Oop- 
juiujva  TÖv  'AcujTriou  CTpairiTÖv.  dies  XP^vtu  öciepov  deutet  doch 
wohl  an ,  dasz  eine  verhältnismäszig  längere  zeit  seit  der  schlacht 
von  Poteidaia  und  dem  anfang  der  belagerung  bis  zu  diesem  be- 
schlusz  der  Athener,  eine  Verstärkung  dorthin  zu  schicken,  ver- 
gangen sein  musz.  vielleicht  ein  paar  monate?  dann  würde  ich  ver- 
muten ,  dasz  dieser  beschlusz  die  Verstärkung  zu  schicken  vom  volk 
in  der  groszen  landesgemeinde  vor  den  städtischen  Dionysien  ge- 
faszt  worden  und  die  Zahlung  dann  sogleich  nach  dem  fest  erfolgt 
sei,  und  würde,  diesmal  mit  einiger  Zuversicht,  z.  5  und  6  so  er- 
gänzen :  in\  Tfic Tiboc  TTpuTttveiac  [ÖTb6r]c  irpuraveucijciic 

elKOCT^  ^M^pa  Tfjc  irpuTOveiac  0op||üiiiuvi  KubaGiivaiei  öc]  f\xe  ifiv 


.  10  freilich  hält  Unger  (Philol.  XL  s.  64)  es  für  zweifelhaft,  ob  bei 
dieser  angäbe  ^Thukydides  den  schaltmonat  übergangen  (was  wahr- 
scheinlicher) oder  mitgezählt  hat.'  ist  das  vielleicht  ein  druck-  oder 
Schreibfehler?  sollte  nicht  das  eingeklammerte  '(was  wahrscheinlicher)' 
vielmehr  nach  'oder'  stehen?  denn  ich  denke,  wenn  Thuk.  'im  sechsten 
monat'  sagt,  so  meint  er  fünf  volle  mondumläufe  und  einen  teil  des 
sechsten. 


606     HMüller-Strübiug:  das  erste  jähr  des  peloponnesischen  kriege«. 

ächlosscn  sein  wird),  dann  noch  in  den  letzten  tagen  derselben  zwei- 
ten prytanie. 

Dies  alles  scheint  mir  ans  der  damaligen  läge  der  dinge,  wie 
wir  sie  aus  der  allerdings  wenig  genauen  darstellung  bei  Thukydides 
kennen,  mit  Wahrscheinlichkeit  hervorzugehen,  ja  ich  glaube,  Kirch* 
hoff  selbst  würde  bei  jenem  Eukrates  nicht  an  einen  collegen  des 
KalliaS;  vielmehr  an  einen  mitfeldherm  des  Archestratos  gedadit 
haben ,  wenn  er  nicht  durch  den  wahrscheinlich  auch  von  ihm  ge- 
billigten Böckhschen  ansatz  des  Überfalls  von  Plataia  auf  den  4n 
april  genötigt  gewesen  wäre  auch  die  schlacht  von  Poteidaia  zu  früh 
anzusetzen,  nemlich  schon  in  den  october  432.  dann  Hessen 'sich 
freilich  die  von  Thukydides  nach  der  abfahrt  des  Archestraios  er- 
zählten ereignisse  schwer  in  den  Zeitraum  zwischen  irgend  einem 
tage  der  zweiten  prytanie ,  selbst  wenn  es  der  erste,  in  diesem  jähr 
also  etwa  der  21e  august  gewesen  wäre,  und  dem  monat  october 
zusammendrängen. 

Dasz  übrigens  der  von  mir  vermutete  inhalt  der  zeilen  6  und  7 
unserer  inschrift  nicht  im  Widerspruch  steht  mit  den  raumverhftli- 
nissen  der  zeilen,  und  dasz  die  zahl  der  auszufüllenden  stellen  einer 
ergänzung  in  dem  angegebenen  sinne  kein  hindemis  entgegen- 
stellt, das  will  ich  an  einem  beispiel  nachweisen,  wobei  ich  die  von 
Kirchhofif  herrührenden  ergänzungen  als  feststehend  ansehe  und  nnr 
die  von  mir,  ich  wiederhole  es,  beispielsweise  hinzugefügten  in 
eckige  klammem  setze,  also  rafiiai  iepujv  xpim<iTUJV  Tf)c  'A8r|V0cCac 

napÄocav  CTlpaniTiiJ  ic  MaKebovtav  EuKpdrci  [Mc- 

XiT€i'  KQi  Euvdpxouciv  PXXXXPHPPHIII  inX  ific Iboc,  TTpu| 

Tttveiac  beuT^pac  TTpuraveucuaic  [Tpirij  fifi^pqi  xfic  TTpuravcioc.  irA 
Tf\c  ....  (boc  TTpuTttvciac  l)euT|^pac  TTpuraveucücTic]  nap^bo[fi€v 

CTpaniTiö  ^c  TToTeibaiav  KaXXia Kai  Euvdpxouciv  Tfl 

TcXeuTaiqi  fm^pqi  Tf)c  TTpirraveiac  und  dann  die  gezahlte  summe,  wie 
in  der  zweiten  Zahlung  an  die  feldherm  nach  Eorkyra  n.  179.  es 
versteht  sich  von  selbst,  dasz  die  gezahlte  summe  eine  rein  imagi- 
näre, willkürliche  ist,  die  ich  nur  gesetzt  habe,  um  die  14  stellen 
auszufüllen  (ich  habe  sie  aus  CIA.  I  188  entnommen),  wie  ich  über- 
haupt ja  nur  die  möglichkeit  habe  nachweisen  wollen,  dasz  der  von 
mir  vorausgesetzte  inhalt  auf  dem  stein  habe  stehen  können. 

Nach  z.  7  bricht  dann  die  grosze  marmortafel  ab.  ob  nun  das 
zweifellos  zu  derselben  Urkunde  gehörige  fragment  B  sich  unmittel- 
bar an  z.  8,  auf  der  sich  noch  unleserliche  reste  von  einigen  bnch- 
Stäben  zeigen,  anschlieszt,  oder  ob  dazwischen  noch  6ine  odbr  gar 
mehrere  zeilen  verloren  gegangen  sind,  das  läszt  sich  mit  Sicherheit 
nicht  entscheiden,  mir  scheint  das  erste  das  wahrscheinlichere :  denn 


^  ich  halte  den  Enkrates  der  inschrift  für  den  von  Aristophanea  in 
den  Rittern  v.  254  verhöhnten  werghändler  und  für  identiseb  mit  dem 
im  rf)pac  genannten  Eukrates,  dem  melitischen  eher  der  schoUaBtdn. 
was  Curt  Wachsmuth  dageg^cn  eingewendet  hat,  das  scheint  mir  nicht 
stichhaltig,  was  zu  begründen  hier  nicht  der  ort  ist. 


HMüUer-Strübing :  das  erstQ  jähr  des  peloponnesiscben  krieges.     609 

gewis  an  sich  auch  ist  (sie  steht  ja  schon  in  Böckhs  staatshaashal- 
tung  zu  lesen),  so  sehe  ich  doch  nicht  ab,  was  die  Schatzmeister  yer-» 
anlassen  konnte  dieselbe  in  ihre  Urkunde  aufzunehmen,  zumal  da  sich 
bei  Thukydides  über  die  Verwendung  von  gerade  17  schiffen  keine 
andeutung  findet,  ich  meinerseits  halte  nun  diese  zahlen  nach  der 
analogie  von  dem  f])Li^pai  Xonroi  fjcav  öktw'*  in  z.  12  auch  hier  für 
eine  Zeitangabe,  und  schlage  vor  zu  ergänzen :  toO  dviauToO  f)jidpai 
XoiTrol  fjcav]  ^TTTttKaibcKa  :  ^PTT.  damit  gewinne  ich  die  angäbe, 
dasz  die  Schatzmeister  für  die  noch  restierendeif  17  tage  dieses  Jahres, 
oder,  was  ja  dasselbe  ist,  der  zehnten  prytanie,  17  talente  gezahlt 
haben,  dh.  den  monatssold  für  30  schiffe,  in  denen  ich  dann  nicht 
anstehe  die  30  schiffe  zu  erkennen,  die  nach  Thuk.  II 26  die  Athener 
in  diesem  kriegsjahr  aussandten  Trepi  Tf)V  AoKpiba  Kai  Eußoiac  äjia 
q)uXaKiiv.  auch  hier  will  ich  die  möglichkeit  zeigen  (ich  wiederhole 
es,  weiter  nichts),  dasz  der  von  mir  vermutete  inhalt  sich  mit  den 
überlieferten  resten  wohl  vereinigen  läszt  auch  der  stellenzahl  nach : 
die  in  z.  6  für  Poteidaia  an  Phormion  gezahlte  summe  nehme  ich  als 
vierstellig  an  (etwa  Pfy/^P  oder  was  es  sonst  sei)  und  fahre  fort: 

[im  Tf\c iboc  TTpuiaveiac  b€KäT|Tic  TTpuTaveucOaic]  *6XXtivo- 

Ta)Liiaic  im  [TTuGobiJüpou  fipxovTOc  tQ  Trepi  AoKpiba  CTpatiqi*  toO 
dviauTOÖ  f])Li^pai  Xonroi  fjcav]  ^TiTaKaibeKa:  A^TT.  Tauta  ib6dr\ 
KXeoTTÖjiTriu (vielleicht  CKajißuüvibrj?). 

Das  wäre  also  die  letzte  Zahlung  unter  Pythodoros,  wenigstens 
für  diese  kategorie  der  nach  Makedonien  usw.  gezahlten  gelder,  deren 
gesamtbelauf  ja  dann  in  z.  9  zusammenfassend  angegeben  worden 
ist,  wo  übrigens  nach  ic  MaKcboviav  gerade  wie  in  ^  z.  2  noch  platz 
genug  für  andere  Ortsnamen  geblieben  sein  wird. 

Es  folgen  nun  die  Zahlungen  einer  andern  kategorie;  auch  hier 
hat  Kirchhoff  in  z.  10  durch  seine  ergänzung  Trepi  [TTeXoTr6vvr]COV 
unzweifelhaft  das  richtige  getroffen  —  das  ist  ganz  sicher,  ich  glaube 
aber  ebenso  sicher  zu  gehen,  wenn  ich  mit  ausfüllung  der  14stelligen 
lücke  zu  anfang  der  zeile  so  schreibe:  TUi  avTiJj  ^viauT]uj  CTpariqi 

Trj  Trepi  TTeXoTTÖwricov .  in  z.  1 1  stoszen  wir  dann  nach  einer 

lücke  von  zusammen  58  stellen  unzweifelhaft  auf  das  demotikon 
eines  der  athenischen  Strategen,  die  in  diesem  sommer  zur  Ver- 
heerung der  küsten  des  Peloponnes  ausgesandt  wurden.  Thuk.  nennt 
c.  23  die  Strategen  der  dazu  verwendeten  100  schiffe:  Earkinos 
Xenotimos  söhn,  Proteas  söhn  des  Epikles  und  Sokrates  des  Anti- 
genes söhn,  die  namen  der  beiden  ersten  finden  wir  in  unserer  Ur- 
kunde wieder,  und  so  glaubt  Eirchhoff  auch  in  dem  Strategen  aus 
Halai  in  z.  11  und  19  den  dritten  der  von  Thuk.  genannten,  den 

*^  ich  halte  Kirchhoffs  ergauzung  in  z.  12  i^^]^pai  Xoiirol  ficav  öktU) 
trotz  des  beigesetzten  fragezeichens  für  ganz  sicher,  obgleich  ich  keine 
stelle  für  den  gebrauch  von  Xoiiröc  als  adjectiv  zweier  endungen  bei- 
zubringen weisz.  es  gibt  ja  viele  dergleichen  adjectiva,  für  die  auch 
bei  guten  Schriftstellern  der  gebrauch  in  dieser  hinsieht  schwankt,  oder 
rührt  das  Xciiroi  statt  Xciirai  in  z.  12  einfach  von  einem  versehen  des 
Steinmetzen  her? 

Jnhrb&cher  fßr  clftss.  philol.  1883  hfl.  9.  40 


610     UMüUer-Strübing:  das  erste  jähr  des  peloponnesischeD  krieges. 

SokrateS;  wiederzuerkennen,  aber  meiner  meinung  nach  mit  unrecht, 
man  hat  bisher  allgemein  geglaubt,  wie  in  Proteas,  so  auch  in  So- 
krates  einen  der  mitfeldherrn  des  Porikles  aus  dem  samischen  kriege 
erkennen  zu  müssen,  und  hat  das  nicht  in  der  that  die  gröste  Wahr- 
scheinlichkeit für  sich?  dieser  letztere  war  aber  nicht  'AXaieuc* 
sondern  ^AvaTupdcioc.  ist  es  nun  wahrscheinlich ,  dasz  damals  un- 
gefähr gleichzeitig  zwei  Strategen  des  namens  Sokrates  existiert 
haben ,  und  dasz  Perikles  nicht  seinen  frühem  kriegsgeföhrten,  son- 
dern den  andern  uns  sonst  gänzlich  unbekannten  Sokrates  gegen 
den  Peloponnes  ausgeschickt  hat?  ich  glaube  das  nicht,  nehme  viel- 
mehr an ,  dasz  an  der  spitze  der  flotte  nicht  drei  sondern  vier  Stra- 
tegen waren,  und  dasz  Thukydides,  oder  vielleicht  erst  der  librarins 
des  urtypus  unserer  hss.,  dem  ich  jede  art  von  fahrlässigkeit  zutraue, 
den  namen  des  vierten  Strategen,  des  Halaiers ,  den  wir  aus  der  in- 
schrift  kennen  lernen,  weggelassen  hat.  und  vier  Strategen  waren 
doch  sicher  nicht  zu  viel  für  100  athenische  schiffe ,  zu  denen  noch 
50  schiffe  aus  Korkyra  und  eine  unbestimmte  zahl  anderer  bnndes- 
genossen  (c.  25  KopKUpaToi  .  .  Kai  SXXoi  Tiv^c  tujv  dKcT  Eufi^dxuiv) 
stoszen  sollten,  die  doch  wohl  auch  unter  den  befehl  eines  atheni- 
schen Strategen  gestellt  wurden,  für  die  Eorkjraier  wenigstens  mosz 
das  den  Athenern  nach  den  in  der  schlacht  bei  Sybota  in  bezug  auf 
ihre  Seetüchtigkeit  gemachten  erfahrungen  sehr  wünschenswert  er- 
schienen sein,  es  wird  also  vor  'AXaiei  nicht  CujKpäTei  einzusetzen 
sein,  sondern  der  name  eines  andern  feldhemi;  den  wir  freilich  nicht 
kennen,  räch  den  namen  der  führer  der  crpaTid  nepl  n€XoTr6vvr]COV 
wird  dann  die  ihnen  gezahlte  summe  gestanden  haben  und  die  pry- 
tanie,  mit  der  angäbe  in  z.  12  toO  iviauToO]  fifi^pai  Xomol  ficotv 

6ktu).   in  z.  13  folgen  dann  verstümmelte  namen pqi  'iKapiei, 

<t>iXo£^viii  oder  ct>iXoHev(br) ,  von  denen  Kirchhoff  sagt,  sie  lieszen 
sich  nicht  identificieren ;  ich  dächte  doch :  wenigstens  der  erste  mit 
Sicherheit  aus  CIA.  I  247,  der  tributliste  des  23n  Jahres,  die  die 
Überschrift  trägt:  ^TTi  rfic  Tpitnc  Ktti  cIkocttic  dpxfjc,  fj  [6u]^0X<ip^C 
Muppivoiicioc  ifpa^ixäif.ve,  'GXXTivoTajiiiac  fjv  [OijXlraipoc 
[IJKapieuc.  diese  23e  äpxil  ist  aber  die  unseres  Jahres  ol.  87,  1, 
und  dieser  Philetairos  ist  also  der  obmann  der  Hellcnotamien  unter 
dem  archon  Pythodoros,  der  hier  am  abschlusz  der  unter  diesem 
archontat  geleisteten  Zahlungen  noch  einmal,  zum  erstenmal  nament- 
lich, genannt  wird,  mit  wenigstens  einem  seiner  collcgen  Philoxenos 

oder  Phiioxenides nach  einer  lücke  von  etwa  60  stellen 

stoszen  wir  dann  wieder  auf  den  dativ  eines  namens  mit  seinem 
demotikon,  Xapia  AaibaXibi);  den  Kirchhoff  nicht  zu  idcntificioren 
weisz  und  ich  ebensowenig,  sollte  dies  noch  der  name  eines  der 
collcgen  des  Hellenotamias  Philetairos  'kapieuc  sein  ?  mit  andern 
Worten:  sollte  der  Schreiber  der  Urkunde  sich  den  luxus  erlaubt 
haben,  jeden  der  noch  übrigen  acht  Hellcnotamien  unter  Pythodoros 
mit  seinem  namen  und  seinem  demotikon  aufzuführen?  ich  glaube 
das  nicht :  er  wird  sich  begnügt  haben,  wie  wir  das  auch  sonst  in  den 


HMüUer-StrÜbing :  das  erste  jähr  des  peloponnesiscben  krieges.     609 

gewis  an  sich  auch  ist  (sie  steht  ja  schon  in  Böckhs  staatsbaashal- 
tung  zu  lesen),  so  sehe  ich  doch  nicht  ab,  was  die  Schatzmeister  ver^ 
anlassen  konnte  dieselbe  in  ihre  Urkunde  aufzunehmen,  zumal  da  sich 
bei  Thukjdides  Über  die  Verwendung  von  gerade  17  schiffen  keine 
Andeutung  findet,  ich  meinerseits  halte  nun  diese  zahlen  nach  der 
analogie  von  dem  fj^idpai  XoiTrol  i^cav  öktu»  *^  in  z.  12  auch  hier  für 
eine  Zeitangabe,  und  schlage  vor  zu  ergänzen :  toO  dviauToG  fifidpat 
XotTTol  j^cav]  ^TrTaKai&€Ka  :  ^PTT.  damit  gewinne  ich  die  angäbe, 
dasz  die  Schatzmeister  für  die  noch  restierenden  17  tage  dieses  Jahres, 
oder,  was  ja  dasselbe  ist,  der  zehnten  prytanie,  17  talente  gezahlt 
haben,  dh.  den  monatssold  für  30  schiffe,  in  denen  ich  dann  nicht 
anstehe  die  30  schiffe  zu  erkennen,  die  nach  Thuk.  II 26  die  Athener 
in  diesem  kriegsjahr  aussandten  iT€pl  Tf\\  AoKpiba  Kai  Eößoiac  &\xa 
(puXaKTiv.  auch  hier  will  ich  die  möglichkeit  zeigen  (ich  wiederhole 
es,  weiter  nichts),  dasz  der  von  mir  vermutete  inbaJt  sich  mit  den 
überlieferten  resten  wohl  vereinigen  Iftszt  auch  der  stellenzahl  nach : 
die  in  z.  6  für  Poteidaia  an  Phormion  gezahlte  summe  nehme  ich  als 
vierstellig  an  (etwa  P^^P  oder  was  es  sonst  sei)  und  fahre  fort: 

[im  Tf|c (boc  TipuTavciac  b€K(iT|iic  TrpuTaveuoöciic]  '6XXiivo- 

TQ^iaic  iixX  [TTuGobuipou  fipxovTOc  rfji  rrepi  AoKp(ba  CTpaiiqi'  toO 
^viauToO  f|)Li^pai  Xomoi  fjcav]  diTTaKaibeKa :  i^PTT.  laOra  ib6Qr\ 
KXeoiröjiirijj (vielleicht  CKajißuüvibij?). 

Das  wäre  also  die  letzte  Zahlung  unter  Pjthodoros,  wenigstens 
für  diese  kalegorie  der  nach  Makedonien  usw.  gezahlten  gelder,  deren 
gesamtbelauf  ja  dann  in  z.  9  zusammenfassend  angegeben  worden 
ist,  wo  übrigens  nach  ic  MaKCboviav  gerade  wie  in  ^  z.  2  noch  platz 
genug  für  andere  Ortsnamen  geblieben  sein  wird. 

Es  folgen  nun  die  Zahlungen  einer  andern  kategorie;  auch  hier 
hat  Kirchhoff  in  z.  10  durch  seine  ergänzung  rrepl  [TTeXoTrövvilcov 
unzweifelhaft  das  richtige  getroffen  —  das  ist  ganz  sicher,  ich  glaube 
aber  ebenso  sicher  zu  gehen,  wenn  ich  mit  ausfüllung  der  Hstelligen 
lücke  zu  anfang  der  zeile  so  schreibe:  Ti^  auTUJ  dviauTJip  cxpaTiqi 

ifji  TTCpi  TTeXoTTÖvvTiCGV .  in  z.  11  stoszen  wir  dann  nach  einer 

lücke  von  zusammen  58  stellen  unzweifelhaft  auf  das  demotikon 
eines  der  athenischen  Strategen,  die  in  diesem  sommer  zur  Ver- 
heerung der  küsten  des  Peloponnes  ausgesandt  wurden.  Thuk.  nennt 
c.  23  die  Strategen  der  dazu  verwendeten  100  schiffe:  Earkinos 
Xenotimos  söhn,  Proteas  söhn  des  Epikles  und  Sokrates  des  Anti- 
genes söhn,  die  namen  der  beiden  ersten  finden  wir  in  unserer  Ur- 
kunde wieder,  und  so  glaubt  Earchhoff  auch  in  dem  Strategen  aus 
Halai  in  z.  11  und  19  den  dritten  der  von  Thuk.  genannten,  den 

>*  ich  halte  Kirchboffs  ergäuzung  in  z.  12  i^^]^pai  Xoiirol  ficav  öktU) 
trotz  des  beigesetzten  fragezeichens  für  ganz  sicher,  obgleich  ich  keine 
stelle  für  den  gebraach  von  Xoiiröc  als  adjectiv  zweier  endnngen  bei- 
BubriDgen  weiss,  es  gibt  ja  viele  dergleichen  adjectiva,  für  die  auch 
bei  guten  Schriftstellern  der  eebraach  in  dieser  hinsieht  schwankt,  oder 
rührt  das  Xomoi  statt  Xoiiral  in  z.  12  einfach  von  einem  versehen  des 
Steinmetzen  her? 

Jahrbflcher  th'r  cIass.  philol.  1883  hfl. 9.  40 


612  KSchwering:  zu  Horatius  [epist,  II  2,  44] . 

stimmt):  da  Thukydides  die  Sonnenfinsternis  erwähnt,  nachdem  er 
schon  berichtet  hat,  die  Lakedaimonier  hätten  das  land  verheert  and 
dann,  nachdem  die  Athener  eine  flotte  unter  Earkinos  usw.  rrepl 
TTeXoTTÖwiicov  ausgeschickt  hatten,  Attika  verlassen,  so  musz  der 
abzug  und  natürlich  auch  die  absendung  der  athenischen  flotte  vor 
der  Sonnenfinsternis  erfolgt  sein,  dasz  dies  unrichtig  ist ,  steht  jetzt 
urkundlich  fest,  da  ja  mehrere  tage  nach  dem  3n  august  (denn  z.  17 
ist  natürlich  ebenfalls  zu  ergänzen  im  t^c  *lTrTro6uJv]Tiboc  itpu- 
Tttveiac  [Trpü&TTic  -rrpuTaveucucTic])  geld  für  die  ausrüstung  der  flotte 
gezahlt  ist.  die  Peloponnesier  standen  damals  ganz  sicher  noch  rahig 

auf  dem  Isthmos. 

(fortsetzung  folgt  im  nächsten  hefte.) 
London.  Hermann  Müller- Strübino. 


90. 

ZU  HORATIUS. 


epist.  II  2,  43  adiecere  honae  paulo  plus  artis  Aihenae, 

scüicet  ut  possem  curvo  dignoscere  rectum 
atqu^  inter  Silvas  Äcademi  guaerere  verum. 
in  seinen  ebenso  gründlichen  wie  geistreich  geschriebenen  'Vorlesun- 
gen über  geschieh te  der  mathematik'  (Leipzig  1880)  erzählt  Cantor 
s.  184  von  Piatons  lehrmethode  folgendes:  Vie  nun  die Pythagoreer 
mathematik  als  den  ersten  gegenständ  eines  wirklich  Wissenschaft- 
lieben  Unterrichts  betrachteten,  wie  die  Ägypter  ihre  kinder  zu- 
gleich mit  den  buchstaben  in  den  anfangsgrüuden  der  lehre  von  den 
zahlen,  von  den  auszumessenden  räumen  und  von  dem  umlaufe  der 
gostirne  unterrichteten,  so  wollte  auch  Piaton  verfahren  haben. 
«kein  unkundiger  der  geometrie  trete  unter  mein  dach»  ^1]b€lc 
dTeuj|i^TpriTOC  eiciTUü  )liou  Ti\y  CT^imv,  war  die  ankündigung  mit 
welcher  der  angehende  Akademiker  empfangen  wurde,  und  Xeno- 
krates,  der  nächst  Spcusippos  als  zweiter  nachfolger  Piatons  die 
Akademie  leitete^  blieb  ganz  in  den  fuszätapfen  seines  lehrers, 
wcrn  er  einen  Jüngling,  der  die  verlangten  geometrischen  vorkennt- 
ni»de  noch  nicht  besasz,  mit  den  worten  zurückwies:  «geh,  du  hast 
die  handhaben  noch  nicht  zur  philosophie»,  TTopeOou*  Xaßotc  T^^P 
OUK  €X€ic  (piXococpiac'  der  leser  wolle  nun  noch  die  4e  definition 
des  Eukleides  ins  äuge  fassen,  sie  lautet:  euOeia  TPOMMH  ^CTiv,  i^Ttc 
eH  icou  ToTc  ^cp'  dauTfjc  crifieioic  Keirai.  und  nun  erlaube  ich  mir 
die  ob'ge  stelle  des  Horatius  ihrem  sinne  nach  folgendermassen 
wiederzugeben,  diese  erklärung  dem  urteil  der  fachmänner  hiermit 
zu  unterbreiten  und  um  gütige  belehrung  zu  bitten:  'das  liebe  Athen 
vervollständigte  meine  bildung;  ich  machte  den  erforderlichen  pro* 
piidüutischen  cursus  in  <k'r  mathematik  durch  und  beftibZ  mich  als- 
dunu  der  Platonischen  philosophie.' 

Coesfeld.  Karl  Sohwerino. 


FHultsch:  zu  Horatius  [qtist.  II  2,  44].  613 

Der  vorstehende;  von  einem  mathematischen  coUegen  einge- 
sandte erklärungsversuch  ist  mir  von  freund  Fleckeisen  vorgelegt 
worden,  damit  ich  über  die  Wortbedeutung  der  in  v.  44  von  Horatius 
gebrauchten  ausdrücke  mit  rücksiebt  auf  den  Sprachgebrauch  der 
griechischen  mathematiker  mich  äuszere.  ich  komme  dieser  auffor- 
derung  gern  nach,  so  weit  es  in  kürze  möglich  ist;  möchte  aber 
gleich  von  vom  herein  bemerken,  dasz  ich  nur  auf  die  formelle  seite 
der  frage  eingehe,  die  materielle  entscheidung  aber,  auszer  mit  eini- 
gen schluszworten ,  nicht  berühre. 

Wenn  Hör.  mit  den  worten  ut  possem  curvo  dignoscere  rectum 
einen  propädeutischen  lehrcursus  in  der  {uathematik  bezeichnet  haben 
soll,  an  welchen  dann  die  eigentliche  akademische  lehre  sich  ange- 
schlossen habe,  so  fragt  es  sich  zunächst,  ob  die  blosze  gegenüber- 
stellung  der  begriffe  'gekrümmt'  und  'gerade'  so  bedeutungsvoll 
ist,  dasz  damit  die  ganze  geometrie  der  Akademiker  bezeichnet  wer- 
den könne. 

Dabei  schiebt  sich  sogleich  die  andere  frage  ein,  ob  die  geo- 
metrie Piatons  als  des  begründers  der  Akademie,  oder  diejenige  der 
jungem  Akademie,  wie  sie  zu  Hör.  zeiten  bestand,  gemeint  sei. 
nehmen  wir  an  —  was  wohl  nicht  zu  bezweifeln  ist  —  dasz  die 
jüngere  Akademie  in  ihren  mathematischen  cursus  im  wesentlichen 
alle  die  fortschritte  aufgenommen  habe,  welche  diese  disciplin  seit 
Piaton  gemacht  hatte,  so  wird  es  um  so  leichter  sein  darzustellen, 
welches  umfängliche  gebiet  mathematischer  sätze  Hör.  möglicher- 
weise durch  das  6ine  wort  eurvu/m  bezeichnet  habe,  aber  auch  wenn 
die  frage  so  gestellt  würde,  ob  eine  haupteinteilung  aller  geometrie 
nach  dem  unterschiede  der  geraden  und  der  krummen  linie  schon 
im  sinne  Piatons  gelegen  haben  könne,  so  würde  ebenfalls  eine  be- 
jahende antwort  mit  groszer  Wahrscheinlichkeit  sich  ergeben,  nur 
dasz  die  theorie  der  curven  zu  Piatons  zeit  erst  in  ihren  anfangen 
stand. 

Wir  beschränken  uns  hier  auf  die  zuerst  angedeutete  formu- 
lierung  der  frage:  können  die  werte  des  Hör.  curvo  dignoscere  rectum 
bezogen  werden  auf  einen  propädeutischen  cursus  in  der  griechischen 
geometrie,  so  weit  sie  zu  des  dichters  zeiten  sich  entwickelt  hatte? 
in  den  elementen  des  Eukleides  würde  man  vergeblich  nach  einer 
antwort  suchen,  dort  wird ,  wie  bereits  vom  verf.  der  obigen  mis- 
Celle  bemerkt  ist,  zwar  die  euOeia  definiert;  nirgends  aber  erscheint 
die  KafiTTÜXr]  Tpafi^rj,  entsprechend  dem  curvum  des  Hör.,  als  gegen- 
satz  der  geraden  linie.  die  einfachste  cur\re,  die  kreislinie,  wird 
gleich  zu  anfang  des  ersten  buches  (def.  15)  erklärt,  aber  ohne  dasz 
dabei  ein  gegensatz  gegen  die  gerade  angedeutet  und  etwa  nach 
einem  solchen  unterschied  eine  einteilung  der  lehrsätze  durchgeführt 
wäre,  und  ebenso  finden  wir  in  dem  ganzen  werke  des  Eukleides 
von  allen  curven  nur  die  kreislinie  berücksichtigt,  und  zwar  nach 
bedarf  überall  zunächst  den  Sätzen ,  welche  lediglich  auf  der  theorie 
der  geraden  linie  beruhen;  ja  man  könnte  es  als  ein  besonderes 


614  FHultsch:  zu  Horatiue  [episL  II  2,  44]. 

merkmal  und  gewis  auch  als  einen  hauptvorzug  der  elemente  be- 
zeichnen, dasz  zu  nutzen  und  frommen  der  anf&nger  die  flächen  und 
körper,  welche  ganz  oder  teilweise  auf  der  kreislinie  beruhen, 
Überall  den  sStzen  über  geradlinige  flächen  und  körper  möglichst 
angenähert  und  nach  leicht  erkenntlichen  analogien  zusammengefaezt 
worden  sind. 

Ein  ganz  anderes  bild  aber  tritt  uns  entgegen ,  wenn  wir  die 
griechische  geometrie  in  ihrer  vollen  entwicklung  beixachten.  schon 
Piatons  Untersuchungen  giengen  weit  über  den  gesichtkreis  hitifMig^ 
auf  welchen  die  elemente  des  Eukleides  sich  beschränken ,  und  wei- 
tere bedeutsame  entdeckungen  fügte  jeder  der  folgenden  groszen 
mathematikcr  hinzu,  deren  namen  wir  als  bekannt  voraussetzen  dür- 
fen, im  sinne  dieser  hohem  geometrie  ist  die  Unterscheidung  der 
geraden  und  der  curve  von  vom  herein  wesentlich ,  wie  die  über- 
sichtliche darstellung  in  den  Heronischen  definitionen  zeigt.'  be- 
merkenswert ist  auch  die  darstellung  der  lehre  der  ^alten  geometer* 
bei  Pappos.  "*-  hier  werden  drei  classen  von  problemen  unterschieden, 
und  zwar  beschränkt  sich  die  erste  classe ,  die  der  dniTieba  irpoßX/j- 
fiQTa,  etwa  auf  den  umkreis  der  Eukleidischen  elemente,  während 
die  zweite  und  dritte  classe,  welche  die  CT€p€d  und  TP<XMM^Kä  Tipo- 
ßXrjjiaTa  umfaszt,  die  kenntnis  der  kegelschnitto  und  anderer  carven 
voraussetzt,  was  also  von  Pappos  hier  und  an  andern  stellen '  schlecht- 
hin als  die  alte  mathematische  disciplin  bezeichnet  wird ,  das  dürfen 
wir  wohl  mit  recht  für  Hör.  Zeitalter  als  bestehend  voraussetzen  und 
gelangen  somit  zu  dem  Schlüsse,  dasz  die  worte  des  dichtcrs  curvo 
dignoscere  rectum ,  wenn  man  sie  auf  den  Unterricht  in  der  mathe- 
matik  beziehen  will ,  eine  dem  thatbestande  nicht  zuwiderlaufende 
erklärung  finden. 

Doch  ist  ein  bedenken  nicht  zu  unterdrücken,  welches  uns  zu- 
nächst schon  vom  rein  formalen  Standpunkt  aus  entgegentritt,  für 
die  mathematische  Wissenschaft  ist  das  rectum  das  allerelementarste, 
(las  ciirviim  das  höhere ;  für  den  dichter  hingegen  idt  das  rectum  das 
hauptsächliche,  welches  ausgeschieden  w^-den  soll  aus  dem  gebiete 
des  curvum  und  doch  wohl  auch  dem  letztem  vorgezogen  werden 
soll,  hat  also  Hör.  mit  jenen  werten  seine  einstigen  mathematischen 
Studien  angedeutet,  so  hat  er  es  in  einer  ganz  besondem  weise  gB- 
than:  denn  das  curvum  ^  welches  der  mathematikcr  sehr  hoch  stellt, 
besteht  bei  dem  dichter  nicht  gegenüber  dem  rectum,  genug ,  wir 
gelangen  wohl  auch  auf  diesem  woge  dazu ,  die  worte  des  dichters 
schlieszlich  doch  im  ethischen  sinne  aufzufassen. 

'  Ileronis  geom.  et  stereom.  def.  4—8.  *  c\)y<rf.  3,  20  f.  6.  64—66 
moiner  Aus^nhe,  wo  die  f^ewährsmKnner  dieser  lehr«  als  uaXaioC  (8.64,7) 
oder  uaXaiol  T^tu^^Tpai  (s.  54,  23)  bezeichnet  werden.  '  cuvOT*  4^ 

67-59.  7.  22;  vgl.  auch  5,  72. 

Dkesden.  Friedrich  Hultbgb. 


FSusemihl:  die  textüberlieferung  der  Nikomachischen  ethik.     615 

91. 

DIE  TEXTÜBERLIEFERUNG 
DER  NIKOMACHISCHEN  ETHIK. 


Die  bemerkungen  von  A  B  a  s  s  e  ^zur  textkritik  der  Nikomachi- 
schen ethik'  im  Hermes  XVIII  s.  137 — 147  enthalten  manches  teils 
gute  teils  wenigstens  beachtenswerte;  aber  der  einleitenden  allge- 
meinen erörterung^  welche  er  ihnen  za  gründe  legt,  läszt  sich  ein 
gleiches  nicht  nachrühmen. 

Busse  meint,  der  von  Rassow  und  mir  eingeschlagene  weg  bald 
M^  mit  K^  und  0^  mit  L^  bald  0^  mit  K^  und  M^  mit  L^  zu 
^iner  familie  zu  verbinden  habe  zu  keinem  resultate  geführt,  was 
soll  das  eigentlich  heiszen?  sollten  wir  etwa  die  thatsache,  dasz  im 
In,  2n,  6n,  7n,  9n  und  lOn  buch  an  45,  31,  66,  86,  72  und  48  stellen 
M  ^  mit  K  ^  und  0  ^  mit  L  **  meistens  ganz ,  seltener  wenigstens  an- 
nähernd übereinstimmt  und  dagegen  im  3n  und  4n  an  77  und  84 
0^  mit  K**  und  M^  mit  L^,  lieber  ganz  verschweigen?  so  etwas 
aber  nennt  man  eben  eine  familienzusammengehörigkeit.  oder  weisz 
Busse  ein  anderes  kennzeichen  einer  solchen? 

'Busse  fährt  fort:  Vir  werden  vielmehr,  um  diese  Übereinstim- 
mung zu  erklären,  annehmen  müssen,  dasz  die  vorlagen  der  jungem 
hss.  M  ^  0  ^  einen  ähnlichen  Charakter  zeigten  wie  K  ^  selbst,  dh.  von 
zwei,  ja  drei  bänden  aus  verschiedenen  quellen  corrigieri^^aren,  und 
dasz  die  Schreiber  nach  ihrem  gutdünken  die  correcturen  bald  auf- 
nahmen, bald  verwarfen.'  fast  möchte  man  glauben,  er  habe  Rassows 
'forschungen  über  die  Nik.  ethik'  gar  nicht  selbst  in  bänden  gehabt, 
wenn  er  hiermit  etwas  neues  zu  sagen  glaubt:  denn  dort  steht  s.  7 
schon  genau  dasselbe:  ^von  dieser  allmählich  fortschreitenden  Ver- 
mischung der  hss.-familien  gibt  die  hs.  K^,  in  der  sich  vier  bände 
mit  Sicherheit  unterscheiden  lassen,  die  klarste  anschauung.  fast 
überall  nemlich  sind  die  correcturen  späterer  hand  die  lesarten  der 
andern  uns  erhaltenen  Codices,  so  dasz  aller  Wahrscheinlichkeit  nach 
eine  abschrift  von  K^  den  eigentümlichen  Charakter  dieser  hs.  völlig 
verwischt  haben  würde.'  allein  auf  diese  weise  läszt  sich,  wie  eben 
Rassow  eingesehen  hat,  doch  nur  erklären,  was  M  ^  und  0  ^  mit  den 
übrigen  Jüngern  hss.  gemeinsam  ist,  die  Verwischung  des  ursprüng- 
lichen familientjpus,  nicht  aber,  was  sie  von  diesen  unterscheidet 
und  ihnen  ihren  eigentümlichen  wert  gibt,  dasz  kein  anderer  codex, 
abgesehen  von  den  beiden  Zwillingen  P  ^  und  C  ^,  auch  nur  annähernd 
so  oft  mit  K^  oder  L**  zusammentrifft,  in  allen  andern  also  jene  Ver- 
wischung ungleich  weiter  gediehen  ist.  und  daraus  eben  entspringt 
denn  der  grosze  vorteil,  dasz  wir  durch  die  Unterstützung  dieser  bei- 
den Jüngern  hss.  gröszere  Sicherheit  gewinnen,  in  K^  und  L^  die 
gemeinsame  Überlieferung  je  der  einen  und  der  andern  familie  (TT^ 
und  TT^  wie  ich  sie  genannt  habe)  zu  finden,  während  da,  wo  K^ 
oder  L^  allein  steht,  wir   in  sehr  vielen  fällen  nicht  entscheiden 


616     FSusemihl:  die  textüberlieferung  der  Nikomachischen  ethik. 

können,  ob  wir  nicht  eine  blosze  unberechtigte  eigen tümlichkeit  von 
dieser  oder  jener  der  beiden  haupt-hss.  vor  uns  haben,  gesteht  doch 
Busse  selbst,  dasz  'in  folge  der  nachlässigkeit  des  Schreibers  K** 
stets  mit  groszer  reserve  behandelt  werden  musz'.  und  hoffentlich 
wird  er  doch  auch  nicht  bestreiten  wollen ,  dasz  auch  schon  die  vor- 
läge von  K^  ihre  eigentümlichen  fehler  hatte,  von  denen  die  origi- 
nale der  andern  hss.  frei  geblieben  sind,  dasz  ferner  an  einigen  stellen 
unter  allen  diesen  vier  hss.  0  ^  allein  das  richtige  erhalten  hat  und 
M  ^  ungefähr  ebenso  oft  wie  L  ^,  freilich  nicht  selten,  aber  doch  keines- 
wegs immer  durch  blosze  glückliche  conjectur.  dasz  K**  bei  weitem 
obenan  steht  unter  den  textquellen ,  dasz  in  verhältnismäszig  sehr 
zahlreichen  föllen  nach  diesem  codex  allein  die  lesart  zu  gestalten 
ist ,  leugnet  ja  heute  niemand ,  und  ich  will  gern  glauben  dasz  es 
noch  etwas  öfter  geschehen  musz,  als  es  in  meiner  ausgäbe  geschehen 
ist.  so  verlangt  Busse  mit  recht  I  9,  1098  ^  30  die  herstellung  von 
cuvopöc,  zumal  da  wir  jetzt  durch  Stewart*  eine  neue  Variante 
cuvoböc  kennen  gelernt  haben,  welche  sich  in  der  Oxforder  hs.  Z 
und  der  schon  aus  dem  13n  jh.  stammenden  und  entschieden  zur 
K^'-familie  (TT')  gehörenden  Cambridger  C^  (wahrscheinlich  also 
auch  in  deren  zwillingsschwester  P^)  findet  und  genau  zwischen 
cuvopöc  und  der  vulgate  cuvifiböc  in  der  mitte  steht,  aber  überall 
da,  wo  K  ^  allein  eine  abweichende,  an  sich  mögliche  lesart  hat,  diese 
in  den  text  setzen  zu  wollen  würde  ein  höchst  verfehltes  beginnen 
sein,  vor  einer  solchen  Überschätzung  sollte,  wie  Bassow  s.  9  sehr 
richtig  sagt,  die  Cardwellsche  ausgäbe  warnen,  die  freilich  nicht 
hieran  allein ,  sondern  auch  an  der  mangelhaften  konntnis  der  les- 
arten  in  K^  von  erster  band  gescheitert  ist,  und  bezeichnend  er- 
scheint es,  dasz  AThHFritzsche ,  welcher  in  seiner  ausgäbe  des  8n 
und  9n  bucbs  dies  verfahren  eingeschlagen  hatte,  in  der  der  Ende- 
mischen ethik  bei  den  drei  gemeinsamen  büchern  es  vollständig  wie- 
der aufgegeben  hat.  ich  darf  ferner  wohl  an  den  schmählichen  Schiff- 
bruch erinnern,  welchen  jüngst  das  gleiche  verfahren  in  der  physik 
mit  dem  mindestens  ebenso  vortrefflichen  codex  E  erlitten  hat', 
und  selbst  in  bezug  auf  die  rhetorik  beginnt  man  einzusehen,  dasz 
LSpengcl  in  der  ausschlieszlichkeit ,  mit  welcher  er  den  text  mög- 
lichst nur  auf  die  erste  band  des  noch  viel  vortrefflicheren  A* 
gründet,  entschieden  zu  weit  gegangen  ist.^  nur  in  den  wenigen 
fällen,  wo,  wie  in  der  poetik,  die  älteste  hs.  zugleich  die  quelle  aller 
übrigen  ist,  erscheint  natürlich  diese  weise  der  textgestaltong  als 

*  'thü  english  manascripts  of  the  Nicoinachean  etliics'  in  anecdota 
Oxoniensia,    classical   series  I  (Oxford  1882)   8.  19.  '   a.  Dielt  ^sor 

text^eschichto  der  Aristotelischen  physik'  in  abh.  der  Berl.  akad.  1882 
8.  1  tV.  Shutü  'on  PrantPs  recension  of  the  Aristotelian  physics'  in 
transactions  of  the  Oxford  philological  society  1879/BO  8.  29  —  81. 
'Aristotle's  physics   book  VIIP   in   anecd.   Oxou.  class.  ser.  I  8.  1&6  ff. 

^  8.  die  treffliche  dissertation  von  Dittmeyer  'qoae  ratio  inter  vetus- 
tam  Aristotelis  rhetoricorum  translationem  et  graecos  Codices  intercedat* 
(München  188d). 


FSusemihl:  die  textüberlieferung  der  Nikomachischen  ethik.     617 

die  richtige ;  im  übrigen  Iftszt  sich  über  einen  vorsichtigen  eklekti- 
cismus  nirgends  hinauskommen  und  folglich  wohl  oder  Übel  zu  einer 
gesicherten  Übereinstimmung  vielfach  nicht  gelangen,  vielmehr  wird 
eine  Verschiedenheit  der  ansichten  in  nicht  wenigen  Tillen  als  be- 
rechtigt anzuerkennen  sein. 

Wie  behutsam  man  mit  dem  gebrauche  von  E  ^  sein  musz,  zeigt 
recht  einleuchtend  gerade  eine  von  denjenigen  stellen,  welche  Busse 
zur  besondem  verherlichung  dieses  codex  benutzt  hat,  Y  8, 1133^  9. 
hier  h&tte  billigerweise  schon  die  unzweifelhafte  Verstümmelung  von 
bibövrec  in  bövrec  zu  einigem  mistrauen  auch  gegen  die  andern  ab- 
weichenden lesarten  dieser  hs.,  die  weglassung  von  Tic  und  den 
genitiv  ^Sa^UiT^c ,  anhalten  sollen ,  und  da  Busse  aus  meiner  aus- 
gäbe sah,  dasz  mir  die  textherstellungsversuche,  welche  er  billigt, 
wohl  bekannt  waren,  und  dasz  vor  mir  schon  Jackson  den  accusativ 
ISaTUJTilv  zurückgeführt  hatte,  so  muste  er  sich  sagen,  dasz  ich  wohl 
meine  gründe  gehabt  haben  werde  nicht  jenen  versuchen,  wohl  aber 
Jackson  zu  folgen,  und  dasz  diese  gründe  wohl  möchten  in  Jacksons 
ausgäbe  zu  finden  sein,  und  wenn  er  dann,  was  er  nicht  gethan  hat, 
die  letztere  zur  band  genommen  hätte,  so  würde  er  nicht  vergeblich 
gesucht  und ,  wenn  er  trotzdem  bei  seiner  meinung  geblieben/  wäre, 
sich  wenigstens  etwas  correcter  und  vorsichtiger  ausgedrückt  haben, 
leider  habe  allerdings  auch  ich  einen  fehler  begangen,  indem  ich 
durch  ein  fiüchtigkeitsversehen  das  komma  hinter  oTvou  zu  tilgen 
vergessen  habe,  sobald  man  nemlich  unter  vornähme  dieser  inter- 
punctionsänderung  zu  uJCTrep  öiav  oö  ix^i  auTÖc  b^ritai  Tic  aus 
dem  unmittelbar  vorhergehenden  nur  nicht  ouk  dXXäTTOVTai ,  son- 
dern (wofür  sich  Jackson  mit  recht  einfach  auf  den  'index  Aristo- 
telicus'  beruft)  blosz  dXXdTTOVTai  ergänzt,  fällt  sofort  die  änderung 
^0UK>  fX^*»  öS  wird  Tic  unentbehrlich ,  und  der  ausdruck  Öa^UiT^v 
bibövai  gewinnt  seine  richtige  und  von  Jackson  wie  von  Busse  rich- 
tig angegebene  bedeutung.  >höchstens  könnte  sich  nur  noch  fragen, 
ob  man  nicht  mit  Eoraes  bibövTOC ,  wie  auch  Busse  will ,  zu  schrei- 
ben habe,  denn  mit  recht  bemerkt  Jackson :  'in  the  present  instance 
the  construction  is  all  the  harsher  because  blböVTCC  belongs  gram- 
matically  to  both  the  parties  concerned,  whereas  in  sense  it  refers 
only  to  one  of  them.*  indessen  auch  durch  bibövTOC  würde  der  voll 
entsprechende  ausdruck  des  gedankens  noch  immer  nicht  hergestellt 
sein ,  sondern  dieser  würde  verlangen :  ÖTttv  oö  ixex  aÖTÖc  b^TiTai 
Tic  <(Kai  b^TiTtti  auTÖc  oö  f  X€i  oÖTOC>,  oTov  <ToO  jifev>  o!vou  biböv- 
TOC ciTOU,  <T0Ö  b€  ciTOU  oivou>  dHttTUJTilv ,  und  gerade  um  dies 
Wechselverhältnis  anzudeuten ,  mag  vielmehr  der  nach  anderer  rich- 
tung  hin  nicht  ganz  correcte  plural  gebraucht  sein,  vielleicht  hat 
auch  Aristoteles  die  störende  häufung  der  drei  verschiedenartigen 
genitive  absichtlich  vermieden,  denen  man  dann  freilich  um  so  weni- 
ger noch  dHaTUiTflc  als  vierten  hinzufügen  dürfte,  oivou  bibövTOC 
ciTOu  ^SaiTUüfilv  könnte  doch  ungezwungen  kaum  anders  als  zu  dem 
Widersinn  construiert  werden :  'indem  der  wein  das  ausfuhrrecht  des 


618     FSusemihl:  die  textüberlieferung  der  Nikomachischen  ethik. 

getreides  gibt',  und  so  erscheint  es  ratsam  auch  hier  einfach  bei  der 
Überlieferung  stehen  zu  bleiben,  man  könnt§>ogar  auch  das  komma 
hinter  oTvou  lassen,  indem  man  aus  dem  so  von  b^i^Tai  abhängenden 
oivou  zu  blbövtec  noch  einmal  wieder  otvou  oder  ävx'  oTvou  er- 
gänzte; aber  dagegen  würde  sprechen,  was  Jackson  überhaupt 
gegen  Bekkers  text  und  die  lesart  dHcrfuJT^c  bemerkt :  ^Bekker  reads 
^EaTUJTflc  with  (pr.)  K^,  and  places  a  comma  after  olvou.  we  must 
tben  construe :  whereas  when  B  wants  what  A  has,  wine  for  example, 
they  exchange;  that  is,  A  gives  it  to  hijn  in  return  for  the  privilege 
of  exporting  corn.  but  1)  the  Separation  of  the  words  olov  oTvou 
from  blbövtec  ktX.,  which  this  reading  involved,  is  surely  an  nnne- 
cessary  complication  of  a  sentence  already  harsh  enough;  and  2)  I 
conceive  that  the  weight,  as  well  as  the  bulk,  of  the  MS.  authoritj 
is  against  dHaTUJTflc.'  der  sinn  ist  also :  *wenn  sie  einander  nicht 
bedürfen ,  weder  wechselseitig  noch  der  eine  teil  des  andern ,  dann 
treten  sie  nicht  in  austausch,  wie  sie  es  thun,  wenn  der  eine  teil  das 
hat,  was  der  andere  bedarf,  wie  wenn  zb.  für  weineinfuhr  das  recht 
der  getreideausfuhr  gewährt  wird/ 

Nicht  besser  st«ht  es  mit  einer  zweiten  stelle  IX  11, 1171  *  28  f., 
wo  di«  worte  Kttl  £v  raic  eÖTUxiatc  nur  in  E**  fehlen,  hier  hat  Bosse 
wiederum  die  begründung  Rassows  (s.  67  f.),  weshalb  sie  nicht  fehlen 
dürfen,  entweder  nicht  angesehen  oder  nicht  erwogen,  denn  nur 
dem  ersten  von  Rassows  gründen,  Kai  vor  £v  TaTc  bucruxiottc 
hönno  hier  nicht  'auch'  heiszen,  tritt  seine  interpunctions&nderung 
(punctum  vor  diesem  xai)  entgegen;  der  zweite,  dasz  die  art,  wie 
1171  ^  12  auf  die  besprechung  der  Trapouda  der  freunde  im  glück 
übergegangen  wird ,  jene  worte  voraussetze ,  bleibt  in  voller  kraft. 
Ar.  fragt;  ob  man  der  freunde  mehr  im  glück  oder  im  unglttck  bedarf, 
1171^  21 — 24,  und  beantwortet  dies  dahin,  dasz  im  Unglück  die 
freunde  für  die  notdurft  erforderlicher  sind,  im  glück  für  dienoblesse, 
24 — 26.  dann  folgt  die  begründung,  die  mit  dem  in  rede  stehenden 
allgemeinen  satze  26 — 28  f  CTiv  TÖip  Kai  f|  TrapoucCa  aÖTf|  Tifiv  9iXuJV 
f]beTa  Kai  dv  taic  euTuxCaic  Kai  iv  rate  bucTuxiaic  anhebt,  an  den 
sieb  dann  chiastisch  die  specielle  ausftthrung  zunächst  in  bezug  auf 
die  gegen  wart  der  freunde  im  unglück,  28 — ^  12,  dann  im  glück, 
**  12 — 14,  anschlieszt.  folglich  sind  die  worte  Kai  dv  raic  €UTUXlaiC 
unentbehrlich,  und  Rassow  hat  ganz  recht:  ständen  sie  in  keinem 
einzigen  codex,  so  müste  man  sie  durch  conjectur  hinzufügen,  leider 
habe  ich  selbst  diese  gedankenreihe  durch  verkehrte  interpnnction 
verdunkelt,  hinter  buCTUXtaic  ist  ein  punctum  zu  setzen  und  ^  35  ff. 
so  zu  gliedern :  auTÖ  jLifev  TÖip  •  •  XuneTcBai  (irapajiuOiTnKdv  Top  •  • 
XuTieiTai)  •  TÖ  bk  XuTToOjicvov  . .  Xuirrjpöv,  rräc  fäp  usw.     

Hiernach  nehme  ich  denn  auch  entschieden  anstand  Vlll  7, 
1158*  29  die  conjectur  von  Busse  fiXXoi  T«P  auToTc  elciv  <§>  XP'h 
cijioi  Kai  ^repoi  <[fj^  fibeic  oder  auch  die  unveränderte  aufnähme  der 
lesart  von  pr.  K  ^  dXXoi  TQp  auToTc  eiciv  €i  xp^cifioi  Kai  Irepoi  f|b€Tc  zu 
billigen,  an  letztere  glaubt  offenbar  Busse  selber  nicht  recht,  erster« 


FSusemihl:  die  textüberlieferung  der  Nikomachischen  ethik.     619 

würde  allerdings  einen  passenden  gedanken  passend  ausdrücken,  aber 
warum  Ar.  nicht  ebenso  gut  sagen  konnte :  ^die  machthaber  machen 
von  einem  teil  ihrer  freunde  einen  andern  gebrauch  als  von  dem  an- 
dern :  die  einen  sind  ihnen  nützlich  und  die  andern  angenehm'  (oder 
mit  andern  worten  'die  einen  dienen  ihnen  zum  nutzen,  die  andern 
zur  Unterhaltung');  vermag  ich  nicht  einzusehen,  im  gegenteil  mir 
scheint  dieser  gedankenzusammenhang  sogar  der  correctere. 

VI  7,  1141<^  26  will  Busse  durch  änderung  der  lesarten  von 
E^  (priciv  und  ^TTiTp^ipei  in  (padv  und  ^rriTp^ipai  das  ursprüngliche 
herstellen,  das  kann  richtig  sein ,  aber  auf  der  andern  seite  erregt 
das  fehlen  von  &v  hinter  q)aT6V  in  den  übrigen  hss.  keinerlei  be- 
denken, denn  kein  irrtum  ist  h&uliger  als  dieser  in  den  Codices  des 
Ar.,  und  ImTpeipeiev  statt  dTriTp^ipeiav  kann  ebenso  gut  ein  leichtes 
abschreiberversehen  sein  wie  diriTp^ipeiav ,  was  Übrigens  auszer  M^ 
auch  P*  hat,  eine  correctur  von  ^iriTp^ipeiev ,  und  mir  wenigstens 
liegt  der  gedanke  näher,  dasz  ^TTirp^ipei  eine  der  in  K^  nicht  so 
ganz  seltenen  Verstümmelungen  ist ,  als  dasz  ^TTlTpeipai  erst  in  ^m- 
Tp^ipei ,  dann  ^TTiTp^ipei  in  ^TriTpdip€i€V  verderbt  und  endlich  dm- 
xpdipeiev  in  imTp^ipeiav  corrigiert  worden  wäre,  man  darf,  wie 
schon  bemerkt,  den  wert  von  M^  auch  nicht  unterschätzen. 

VI  13,  1144*  6  schreibt  Busse  Tüi  fx^cGai  ttoicT  kqI  dvepTciqi 
cubaifioviav  statt  tuj  . .  Kai  tiu  dvepTeiv  eäbaljiiova.  denn  er  meint, 
der  sinn  sei ,  die  Weisheit  mache  glückselig  durch  ihren  bloszen  be- 
sitz, das  ist  aber  ein  irrtum :  dies  gilt  nach  Ar.  von  keiner  tugend 
und  folglich  auch  nicht  von  der  Weisheit,  denn  die  glückseligkeit  ist 
eben  überhaupt  dvdpT€ia  KttT*  dpetriv.  es  steht  ja  nicht  der 
Widersinn  da,  die  Weisheit  brauche  überhaupt  nicht  thätig  ausgeübt 
zu  werden,  sondern  sei  schon  als  solche  thätig,  sondern  es  steht 
nur  da,  sie  sei  nicht  in  d6r  weise  thätig,  wie  die  die  gesundheit  her- 
vorbringende heilkunst,  sondern  wie  die  gesundheit  selbst,  der  ver- 
gleich darf  nur  eben  über  dies  tertium  comparationis ,  dasz  sowohl 
die  bethätigung  der  Weisheit  als  die  der  gesundheit  lediglich  selbst- 
bethätigung  und  Selbstzweck  und  nicht  mittel  zu  einem  andern 
zweck  sei ,  nicht  ausgedehnt  werden,  denn  freilich  bei  der  gesund- 
heit läszt  sich  die  thätigkeit  vom  besitz  nicht  scheiden,  während  der 
weise  zb.  im  schlafe,  aber  auch  überhaupt,  wenn  er  anders  als  meta- 
physisch denkend  thätig  ist,  die  Weisheit  nur  besitzt,  aber  nicht  aus- 
übt, eben  darum ,  damit  dieser  unterschied  nicht  übersehen  werde, 
ist  Kai  TÜJ  £v€pY€iv  hinzugefügt,  correct  ist  eine  solche  redeweise 
nicht,  aber  auch  nicht  auffallender  als  vieles  andere  bei  Ar.  ob  man 
Tijj  mit  K  ^  und  0  ^,  die  hier  nicht  zu  derselben  familie  gehören,  weg- 
lassen oder  mit  den  andern  quellen  (auch  Z  C  ^)  setzen  will,  ist  dabei 
nur  ein  punkt  von  untergeordneter  bedeutung,  obwohl  gerade  nach 
dem  eben  bemerkten  sich  letzteres  ungleich  mehr  empfiehlt;  aber 
£v€pT€i  in  0  ^  statt  £v€pT€iv  ist  nur  einer  der  Schreibfehler  von  der 
allerhäufigsten  art,  und  dv€pY€ia  in  E^  statt  £vepT€iv  ist  nament- 
lich beim  zurückgehen  auf  die  majuskel  überaus  begreiflich,   umge- 


620     FSusemihl:  die  textüberlieferung  der  Nikomachischen  ethik. 

kehrt  bieten  zwar  TT*  (L'^O*»)  eubaifioviav ,  aber  da  TM**?'  Aid. 
eubaiuova,  Aret.  eubaifiovac,  0^  töv  eubaifiova  und  K^  €Öbal^ov(a 
geben ,  so  liegt  die  annähme  am  nächsten ,  dasz  eöbaijLiova  das  ur- 
sprüngliche, eubaijLiovia  die  erste  und  eubaijLioviav  die  zweite  stufe 
der  Verderbnis  ist,  und  so  zeigt  sich  hier  wiederum,  dasz  auch  die 
Jüngern  bss.  und  die  Aldina  einen  unverSchtlichen  beitrag  zur  her- 
stellung  des  textes  liefern.* 

Dagegen  ist  Busse  völlig  im  recht,  wenn  er  zur  entwirrung  der 
arg  verwirrten  stelle  IV  8,  1124^  29  f.  auf  die  lesart  von  pr.  K** 
KaTaqppovT]TiKoO  T^p.  TrappiiciacTiKOö  Tcip.  biö  nappiiciacTiKÖc  bk 
bia  TÖ  KaiaqppoviiTiKÖc  elvai  Kai  dXiiGeuTiKÖc,  TrXf|v  usw.  zurück- 
gebt, ob  es  aber  nötig  ist,  wie  er  will,  die  ersten  worte  bis  blö  ein- 
scblieszlich  ganz  zu  tilgen  und  nun  bk  in  xdp  zu  verwandeln,  oder  ob 
es  nicht  genügt  mit  geringer  gleichzeitiger  hinzuziehung  anderer  hss. 
blosz  TTappr]ciacTiKoC  Totp.  biö  zu  streichen  und  KaTa9poviiTiKÖc 
Ydp,  7TappT]ciacTiKÖc  bi  biet  tö  KatacppoviiTiKÖc  elvai,  kqI  dXiiOeu- 
TiKÖc ,  TrXf)V  usw.  zu  schreiben ,  wie  mein  schüler  PBusch  ^de  Posi- 
donio  Lucreti  Cari  auctore'  (Greifswald  1882)  s.  58  vorschlSgt,  ist 
eine  andere  frage. 

Für  durchaus  gelungen  halte  ich  femer  die  Umstellung  von 
V  10,  1135^  27  €ti  —  28  biKtticu  hinter  29  dcnv,  die  aufforderung 
II  8,  1108''  27  den  überlieferten  Superlativ  TiXetcTT]  unangetastet  za 
lassen,  und  auch  wohl  V  3,  1129  ^  31  f.  die  tilgung  von  ön  .  .  TcXcia 
b'  dcTiv.  nur  möchte  ich  freilich  daraus,  dasz  der  paraphrast  die 
worte  TeXeia  b^  Ictiv  nicht  wiedergibt,  noch  nicht  im  mindesten 
mit  Busse  den  schlusz  ziehen,  dasz  er  sie  auch  in  seinem  codex  nicht 
gefunden  habe. 

Übrigens  vermindert  sich  die  zahl  der  stellen,  an  welchen  E^ 
allein  das  richtige  erhalten  hat,  etwa  um  ein  dutzend,  an  welchen  er 
nach  den  neueren  collationen  bald  an  C  '^  und  P  ^,  bald  an  Z  oder 
0^  oder  P'  oder  mehreren  dieser  hss.  gesellschaft  hat,  und  bei  wei- 
teren ,  genaueren  vergleichungen  möchte  sich  die  zahl  solcher  fälle 
leicht  noch  etwas  vermehren,  dabei  sind  billigerweise  die  Überein- 
stimmungen mit  Z  von  1115^ — 1136^  ende  nicht  gerechnet,  da 
Stewart  nachgewiesen  hat,  dasz  Z  hier  eine  abschrift  von  E^  za  seiner 
vorläge  gehabt  hat.  dasz  endlich  allerdings  auch  die  Übrigen  jungem 
bss.  auszcr  M'^O^P^C'^  immerhin  nicht  ohne  allen  wert  für  die  be« 

*  ein  bloszes  curiosum  ist  Busses  rechtfertigangsversucb  des  schwer 
und  vermutlich  unheilbar  verderbten  iroioOca  1143^  36.  denn  die  lebens- 
einsieht  (qppövncic)  hat  es  ja  nicht  mit  dem  iroietv  zn  thun,  sondern  mit 
(lein  TTpdTTeiv,  und  selbst  irpdTTouca  kann  von  ihr  nicht  gesagt  werden, 
denn  bic  schafft  nicht  allein  nicht,  sondern  handelt  auch  nicht  selbst, 
sondern  bewcf^t  sich  in  dem  das  praktische  handeln  leitenden  denken. 
ich  kann  nach  allem  vorstehenden  in  der  besten  moinong  nur  den  guten 
rat  wiederholen,  welchen  ich  Busse  schon  einmal  gegeben  habe,  seinem 
eignen  urteil  etwas  mehr  eu  mistrauen  und  das  urteil  und  die  gründe 
anderer  sorgfältiger  zu  beachten  und  sa  erwägen,  wenn  anders  er  wirk- 
lich das  leisten  will,  wozo  seine  gaben  und  Studien  ihn  befähigen. 


ItElussmann :  anz.  y.  WEngelmann  u.  EPreussBibl.  script.  class.  II.  621 

Stimmung  der  familienüberlieferung  sind ,  zeigt  sich  recht  einleuch- 
tend im  lOn  buch,  wo  ich  leider  P'  nicht  verglichen  habe,  auch 
hier  hätte  ich  allerdings,  wie  Stewart  zeigt,  die  familie  TT^  durch 
L^O^  und  nicht  durch  FL^  Aid.  bezeichnen  sollen,  aber  dennoch 
beruhte  auch  diese  meine  letztere  bezeichnung  auf  einer  ganz  rich- 
tigen beobachtung,  indem  sich  aus  Stewarts  mitteilungen  eine  sehr 
häufige  Übereinstimmung  von  L*»  mit  fZO*  Aid.  oder  einem  teil 
dieser  quellen  ergibt,  die  L  ^-Überlieferung  hat  sich  also  teils  in  0  ^ 
teils  in  den  letztem  quellen,  die  man  hiemach  TT^  nennen  könnte, 
teils  in  beiden  fortgepflanzt. 

Greifswald.  ^ Franz  Susemihl. 

92. 

BIBLIOTHEOA  SCRIPTORUM  0LA88ICORUM  HERAUSGEGEBEN  VON  WIL- 
HELM EnGELMANN.  ACHTE  AUFLAGE,  UMFASSEND  DIE  LITTE- 
RATUR  VON  1700—1878,  NEU  BEARBEITET  VON  E.PrE  USS.    ZWEITE 

ABTEILUNG:  80RIPT0RES  LATINI.    Leipzig,  W.  Engelmann.    1882. 
IV  u.  771  8.  gr.  8. 

Es  liegt  nicht  in  der  absieht  des  ref.  den  schluszband  der  Engel- 
mannschen  Bibliotheca  scriptorum  classicorum  in  gleich  ausführlicher 
weise  zu  besprechen  wie  den  ersten  (jahrb.  1881  s.  641  ff.),  um  so 
weniger  als  der  bearbeiter  derselben  die  dort  gegebenen  winke  und 
andeutungen  sich  nur  wenig  zu  nutze  gemacht  hat.  der  vorliegende 
die  lateinischen  autoren  umfassende  band  gleicht  seinem  Vorgänger 
leider  nur  zu  sehr,  obgleich  gerade  hier  die  zu  benutzenden  hilfs- 
mittel  reichlicher  flössen,  so  hat  denn  Preuss  die  litteraturgeschichte 
von  Teuffei- Schwabe,  den  grundrisz  von.Hübner  in  ausgibiger  weise 
benutzt ;  aber  sobald  diese  werke  ihn  ihrem  plane  gemäsz  im  stiche 
lassen ,  so  begebt  er  fehler  auf  fehler  und  documentiert  recht  deut- 
lich, dasz  seine  befUhi^ung  zum  bibliographen  eine  äuszerst  geringe 
ist;  er  müste  denn  glauben  dasz  das  anhäufen  selbst  ungeprüften 
materials  das  einzige  sei,  was  ein  solcher  zu  leisten  habe,  und  mehr 
als  dies  hat  er  in  der  that  vielfach  nicht  geleistet,  es  findet  sich 
nemlich  bei  seinen  angaben  eine  ganze  reihe  von  fragezeichen;  mit 
ihnen  glaubt  er  sich  seiner  pflicht  entledigt  zu  haben,  während  es 
bei  nur  einigem  guten  willen  ein  leichtes  war  das  richtige  aufzufinden, 
statt  also  den  fachgenossen  das  auffinden  von  titeln  möglichst  zu  er- 
leichtem, gibt  er  ihnen  wiederholt  selbst  nüsse  zu  knacken  auf.  ich 
gebe  nur  einige  beispiele.  unter  Horatius  findet  man :  Eckhardt,  J.  E., 
Progr.  ad  Hör.  Od.  II  18  .  .  1768.  was  soll  das?  konnte  Pr.  der 
arbeit  nicht  habhaft  werden,  dann  war  dieser  titel  zu  streichen,  denn 
mit  dem  gegebenen  fragment  läszt  sich  absolut  nichts  anfangen, 
jedenfalls  ist  gemeint:  Eckhard,  J.  Fr.,  de  populo  romano  legitimo 
Attali  berede  Horatio  libr.  II  Od.  XVIII  non  contra  dicente.  4.  X  s. 
Eisenach  1768.  gymn.  progr.  femer  gibt  er  an:  Scholia  in  Q.  Hora- 
tii  Flacci  opera.  gymn.  progr.  4.  Melk  (oder Krems?)  1862.  weshalb? 


622   KKluBsmann :  anz.  v.  WEngeimann  u.  EPreuss  Bibl.  script.  class.  IT. 

es  differieren  die  beiden  Verzeichnisse  der  österreichischen  programme 
von  Gutscher  und  Hübi:  der  eine  läszt  Melk,  der  andere  Krems 
drucken,  war  es  da  nicht  pflicht  des  hg.  der  sache  weiter  nach- 
zugeben? die  arbeit  hat  als  programm  von  Melk  in  Wien  die  presse 
verlassen ;  verfaszt  ist  sie  von  TbMayer.  es  muste  möglich  sein  den 
Verfasser  mehrerer  Über  Cicero  handelnden^  in  den  jähren  1830 — 43 
in  Bromberg  erschienenen  programme  durch  beifUgung  von  LNF 
von  anderen  des  namens  Müller  zu  unterscheiden,  statt  dessen  findet 
sich  das  bequeme  fragezeichen.  ebenso  wird  bei  Eckhai'd,  Cicero 
iurisprudentiae  non  ex  animi  sententia  contemtor  nach  ort  und  Jahres- 
zahl gefragt,  obwohl  beides  (Eisenach  1769)  deutlich  genug  auf  dem 
titel  angegeben  ist.  s.  187  steht :  Bayer^  «K  D.,  Cicero  theologus.  4. 
Jenae  1700  (?  vgl.  Treuner)  und  s.  222  Treuner,  Jo.  Phil.,  Cicero 
theologus.  4.  Jenae  1700  (?  vgl.  Bayer),  in  der  that  existiert  nur 
ein  titel :  die  schrift  ist  sub  praesidio  Treuneri  von  J.  D.  Baiems 
verfaszt.  auch  bei  einer  arbeit  über  Tacitus  von  Hom  kehrt  das 
zeichen  wieder. 

Namentlich  aber  zeigt  sich  die  leichtfertigkeit  des  hg.  darin, 
dasz  eine  ganze  reihe  der  von  ihm  beigebrachten  titel  entweder  über- 
haupt nicht  existiert  oder  andere  als  die  angegebenen  zu  Verfassern 
hat  oder  endlich  dasz  eine  und  dieselbe  schrift  mehrmals  unter  ver- 
schiedenen Verfassern  wiederkehrt  da  soll  nach  s.  212  WMünsoher 
Hersfeld  1856  ein  programm  zur  kritik  und  exegese  von  Cicero  de 
oratore  veröffentlicht  haben,  man  wird  danach  vergeblich  suchen, 
wohl  aber  existiert  ein  solches  von  Piderit,  das  1857  in  Hanau  zum 
Jubiläum  des  erstgenannten  gelehrten  geschrieben  wurde.  CThBor- 
meisters  observationes  Propertianae  (Schwerin  1878)  sind  ebenfalls 
nicht  vorhanden,  noch  schlimmer  steht  es  mit  folgenden  drei  titeln: 
Herbst,  Joa.,  in  selecta  aliquot  Hör.  loca  (sicl).  Wetzlar  1826,  ex- 
plicatur  Horatii  locus  ebd.  1827  (19  s.)  und  de  Horat.  epist.  I  2, 
27 — 31.  ebd.  1827.  die  zuerst  verzeichnete  abhandlung  existiert 
überhaupt  nicht,  während  die  an  zweiter  und  dritter  stelle  genannten 
zusammenzufassen  waren  zu:  explicatur  Horatii  locus  Epist.  I  2, 
27 — 31  und  statt  19  s.  zu  setzen  war  s.  19 — 25.  höchst  fraglich 
ist  auch  Eichstädt,  emendatio  loci  Cic.  Tusc.  I  30.  Jenae  1811. 
ein  in  Quintil.  instit.  orat.  111  3.  Jenae  1803  betiteltes  programm 
hat  ebenderselbe  gelehrte  nie  geschrieben.  Notes  sur  le  de  senec- 
tute  von  ACHurdebise  stehen  weder  im  19n  jahrgange  noch  im 
19n  bände  der  revue  de  Tinstruction  publique  en  Belgique,  wie  über- 
haupt die  angaben  aus  dieser  Zeitschrift  sehr  unzuverlässig  sind. 
Pr.  citiert  bald  nach  bänden  bald  nach  Jahrgängen,  ohne  dies  an« 
zudeuten ,  und  gibt  zum  überflusz  sehr  oft  eine  falsche  Jahreszahl, 
der  titel  Becher,  Fr.  L.  (so  falsch  für  Chr.  Pürchtegott  B.),  de  Livii 
XXII  35.  Liegnitz  1830  existiert  nicht,  sondern  die  angezogene 
stelle  ist  nur  gelegentlich  am  schlusz  einer  über  Hör.  handelnden 
abb.  besprochen,  auf  eine  ähnliche  confusion  stöszt  man  wiederholt 
bei  den  schulschriften  von  Friedrich  Jacob,   s.  320  bietet  Fr. :  Fr. 


EKluBsmann:  anz.  v.  WEngelmann  u.  EPreass  BibL  Script,  class.  II.  623 

Jacob,  über  Hör.  ars  poet.  v.  261—258.  Lübeck  1839  (s.  37—42), 
allein  ein  programm  mit  diesem  titel  sucht  man  vergeblich:  die  be- 
treffenden verse  finden  gelegentlich  in  den  observ.  ad  Tac.  bist, 
crit.  I  8.  9  eine  besprecbung,  wie  ebd.  s.  9  f.  auch  über  Hör.  sat.  11 
2,  29  gehandelt  wird,  das  programm  umfaszt  nur  22  s.,  so  dasz  die 
angäbe  s.  37—42  grundfalsch  ist.  s.  636  trifft  man  desselben  ob- 
servationes  ad  Tac.  bist.  crit.  p.  II  (und  kritische  erörterungen  zu 
Tac.  Ann.  I  59.  II  10)  Lübeck  1842 ,  indessen  finden  sich  die  kriti- 
schen erörterungen  nicht  hier,  sondern  erst  im  programme  von  1 846 
s.  16  f.,  wie  die  bemerkungen  zu  Tac.  Agr.  nicht  1852  s.  14 — 30, 
sondern  1850  s.  22—27. 

Ein  artikel  über  die  neuen  arvalmonumente  in  Bom  (grenzboten 
1869)  soll  von  RHElausen  herrühren,  der  doch  schon  1840  starb! 
nach  Pr.  soll  Cobet  in  der  Mnem.  IX  (1860)  p.  225—242  über  Cic. 
rede  pro  Mnrena  geschrieben  haben,  der  Verfasser  des  aufsatzes  ist 
JBake.  ein  Zweibrückener  programm  vom  j.  1832,  welches  die 
Varianten  aus  einem  dortigen  codex  zu  Cic.  Tusculanen  gibt,  schreibt 
Pr.  JHHertel  zu,  doch  heiszt  der  Verfasser  JPErieger.  das  annähernd 
richtige  war  schon  in  der  frühem  aufläge  zu  finden,  zum  schlimmen 
gebessert  ist  auch  die  angäbe  der  7n  aufläge  JChrBriegleb ,  dis&u  in 
Hör.  od.  I  34.  Coburg  1770,  indem  Pr.  in  klammem  JohEGruner 
daneben  setzt,  man  verbessere  Daniel  Gottlob  Briegleb  (praeside 
JoChrBriegleb)  dissertatio  odam  XXXIIII 1. 1  Horatii  explicans  atque 
illustrans.  beitrage  zu  Ciceros  Miloniana  in  der  zs.  f.  d.  gw.  19  und 
20  hat  schwerlich  K(lix) ,  sondern  GE(iessling)  veröffentlicht,  ein 
mit  -k  unterzeichneter  aufsatz  in  der  zs.  f.  d.  aw.  1843  sp.  1126  f. 
über  Marcianus  Capeila  und  M.  Yarro  wird  CBöttger  unterstellt, 
indes  liegt  die  Vermutung,  ThBergk,  der  damalige  mitherausgeber 
der  genannten  Zeitschrift,  sei  der  Verfasser,  doch  nahe  genug,  daran 
reihen  sich  falsche  angaben  betreffs  des  ortes  des  erscheinens.  Lössls 
entwickelung  der  röm.  dichtkunst  bis  auf  Horaz  (s.  11)  ist  progr. 
der  kath.  Studienanstalt  zu  Augsburg,  nicht  von  St.  Anna.  Theissings 
abb.  de  Hannibalis  itinere  per  Alpes  facto  gehört  der  realschule, 
nicht  dem  gymnasium  zu  Neisse  an. 

Die  Schrift  FWHagens  in  Cic.  orat.  Milon.  8  (nicht  4).  Erlangae 
1792  kehrt  unter  GChrHarles  namen  wieder,  zu  tilgen  ist  auch  der 
titel  Hannemann,  J.  L.,  ad  Cic.  de  divin.  lib.  I  de  somnio  Arcadis.  4. 
Eiliae  1718,  denn  die  dissertation  ist  identisch  mit  der  s.  216  stehen- 
den, etwas  langatmigen  GGRichters,  die  eben  praeside  JLHannemann 
abgefaszt  ist,  nur  lese  man  31  s.  und  Beuther.  de  suspecto  loco 
ex  I  de  off.  c.  13  von  EChrAOtto  (socio  Othone)  (Lipsiae  1755) 
deckt  sich  völlig  mit  der  gleichbetitelten  schrift  von  ThGuIrmisch. 
auch  s.  210  muste  geschrieben  werden  Menken  (Pr.  hat  Mencken), 
A.  L. ,  (praeside  GBSchirach)  de  colore  orationis  Ciceronianae.  4. 
20  s.  Helmstadii  1770,  die  Bibliotheca  führt  statt  dessen  zwei  titel 
auf.  unter  dem  altern  Plinius  ist  aufgenommen  Bayer,  Jo.  Gull., 
diss.  de  obelisco  gnomone  Aug.  Caesaris  ad  Plin.  bist.  nat.  lib.  XXXVI 


624   RKlussmann :  anz.  v.  WEngelmann  u.  EPreuss  Bibl.  Script,  class.  II. 

10.  Altorfi  1 706  und  weiterhin  Müller,  GChr.  (praeside  JoGuMuellero) 
diss.  math.  de  obelisco  gnomone  Aug.  Caesar,  ad  Piin.  hist.  nat. 
XXXVI  10.  Altorfi  1706.  niemand  vermag  aus  diesen  angaben  auch 
nur  zu  ahnen,  dasz  eine  und  dieselbe  schrift  vorliegt,  um  so  weniger 
als  für  praeside  JG Müller  vielmehr  sub  praesidio  IGBaieri  und  für 
Altdorfi  vielmehr  Norimb.  zu  setzen  ist.  derselbe  Plinius  ist  auch 
in  folgendem  falle  zu  reich  bedacht  worden,  wir  lesen :  Bethmann,  v. 
(der  vcrf.  hat  nie  dem  adelsstande  angehört),  über  ein  palimpsest 
von  Plinius  hist.  nat.  (lib.  25)  in  den  berichten  der  Berl.  akademie 
der  wiss.  1853  s.  684  ff.  und  wenige  Seiten  später  fast  ebenso  unter 
Pertz ,  obwohl  der  letztere  nur  den  bericht  Bethmanns  in  der  aka- 
demie gelesen  hat.  mit  dem  titel  Bassow,  Optimum  interpretandi 
Taciti  consilium.  Gryphiae  1818  vergleiche  man  JLWortberg,  Opti- 
mum interpretandi  praesertim  Tac.  consilium  ac  nonnulii  AnnaL 
loci  tum  emendati  tum  explanati.  Gryphiae  1819,  und  man  wird  das 
erstaunen  nicht  unterdrücken  können ,  dasz  dem  bibliographen  Fr. 
nicht  der  verdacht  aufstieg,  beide  Schriften  seien  trotz  der  verschie- 
denen Jahreszahl  identisch,  zu  tilgen  sind  auch  CEirchners  quae- 
stiones  Horatianae  (Naumburg  1835),  der  unmittelbar  folgende 
ausführlichere  titel  vom  j.  1834  ist  der  richtige,  das  s.  53  unter 
Anonymorum  glossae  aufgenommene  specimen  lexicologiae  argenteae 
latinitatis  von  KEOpitz  (Naumburg  1852)  hat  mit  den  glossae  ab- 
solut nichts  zu  schaffen. 

Aus  dieser  blumeniese  (denn  nur  eine  solche,  nichts  erschöpfen- 
des wollte  ref.  geben)  von  schlimmen  fehlem,  den  schlimmsten  die 
ein  bibliograph  begehen  kann,  darf  man  wohl  a  priori  folgern ,  dasz 
das  werk  noch  zahllose  versehen  anderer  art  aufweist,  ich  habe 
schon  oben  ausgesprochen ,  dasz  es  nicht  in  meiner  absieht  liegt  sie 
zu  verzeichnen:  es  würde  den  rahmen  einer  recension  weit  über- 
schreiten, doch  kann  ich  mir  es  nicht  versagen  sie  wenigstens  kate- 
gorienweise vorzuführen:  falsche  vomamen,  falsch  geschriebene 
namen,  falsche  zahlen  in  unerhörter  menge,  ungenaue  titel ^  falsche 
Verleger,  falsche  preise,  Verwechselungen  von  gelehrten  gleiches 
namens  und  umgekehrt  Spaltung  eines  gelehrten  in  eine  doppel- 
gestalt  nebst  mehrfach  ungenügenden  auszügen  aus  Zeitschriften  und 
Sammelwerken  kennzeichnen  den  ersten  wie  den  letzten  band  der 
Bibliotbeca. 

Mein  gosamturteil  über  das  werk  musz  wie  früher  lauten :  auch 
in  der  8n  aufläge  von  Engelmanns  Bibl.  script.  class,  besitzen  wir 
noch  keine  den  forderungen  der  neuzeit  entsprechende  bibliographie 
der  clabsii^chen  autoren.  es  ist  daher  im  Interesse  der  sache  nur  zu 
bediiuern,  dasz  sich  in  Zarnckes  litt  centralblatt  1883  nr.  12  ein 
recensent  des  Werkes  gefunden  hat,  der  der  neuen  bearbeitung  un« 
bedingtes  lob  spendet,  wodurch  er  freilich  nur  das  geringe  masz 
seiner  eignen  Vertrautheit  mit  der  classischen  bibliographie  be- 
urkundet  hat 

Geka.  Rudolf  Klussmanm. 


ThPlfisB:  ein  chorlied  der  Sophokleischen  Elektra.  626 

93. 

EIN  CHORLIED  DER  S0PH0KLEI8CHEN  ELEKTRA. 


Nach  der  ersten  scene  zwischen  Elektra,  chor  und  Chrysothe- 
mis  läszt  Sophokles  den  chor  ein  lied  anstimmen  (v.  472  ff.),  von 
diesem  liede  urteilt  Wilamowitz  im  Hermes  XVIU  217  f.,  die  erinne- 
rung  an  den  geschlechtsflach  des  Atreidenhauses  sei  nicht  nur  ohne 
wesentliche  bedeutung,  sondern  geradezu  eine  Störung  der  eignen 
tendenz  dieses  dramas. 

Es  handelt  sich  um  Ijrik,  also  empfindungsdarstellung,  und 
zwar  um  reigenlyrik,  wo  gesang,  musikbegleitung  und  mimische 
darstellung  viel  stärker  und  sinnlicher  und  insofern  sicherer  den 
beabsichtigten  empflndungseindruck  hervorbrachten  als  das  wort  des 
textes,  welches  mehr  logisch  bestimmt  ist.  will  ich  nun  aber  trotz- 
dem aus  dem  bloszen  texte  eines  chorliedes  noch  den  empfind ungs- 
gehalt  und  die  Stimmung,  also  auch  die  bedeutung  für  das  drama 
erkennen ,  so  musz  ich  weniger  auf  logische  begriffe  und  gedanken- 
Verbindungen  achten  als  auf  ausdrücke  und  formen,  welche  den 
lyrikem  zur  darstellung  des  gefdhls  dienen ,  auf  die  empfindungs- 
farbe  von  anschauungsbildern,  auf  die  reihenfolge  und  etwaige  innere 
Verknüpfung  der  verschiedenen  empfindungsmotive,  auf  das  metrum, 
den  rhythmus  usw.  einen  anfang  in  derartiger  methodischer  Unter- 
suchung von  chorliedem  hat  August  Beck  im  Baseler  gymnasial- 
Programm  1883  gemacht. 

An  unserer  stelle  regt  sich  im  chor  vorerst  die  ahnung,  Dike 
sei  schon  auf  dem  wege  mit  dem  siege  des  rechts  in  ihren  bänden 
(v.  1 — ö  der  strophe  nach  Nauck):  erst  zweifelt  er  noch  an  der 
weissagenden  stimme  seines  innern  (et  }xf\  ^T^),  dann,  indem  er 
redet  von  dem  was  er  fühlt ,  spürt  er  dasz  Dike  selber  in  ihm  und 
durch  ihn  weissagt  (7Tp6^avTlc),  und  er  sieht  sie  nun  schon  vor 
äugen  in  leibhafter  gestalt  ((pepcfidva  x^poTv  Kpärr)) ;  er  sieht  sie 
mit  emstfreudiger  genugthuung:  man  beachte  die  adnomination 
AiKa  biKaia  und  die  rhythmische  bewegung  des  verses.  und  nun 
ist  die  prophetische  gewisheit  schon  so  mächtig  im  chor  geworden, 
dasz  er,  bestätigend  und  zugleich  verstärkend,  im  freudigen  drang 
der  mitteilung  Elektra  es  zuruft:  'ja,  hinter  den  mördern  ist  sie 
binnen  kurzer  frist' :  die  bestätigung  liegt  in  der  anaphora  elciv  — 
|Li€T€iciv ,  die  Verstärkung  in  der  zufügung  des  ^€Td  in  fx^TCiciv  und 
des  bestimmten  Zeitraums;  die  lebhaftigkeit  des  gefühls  drückt  sich 
in  der  anrede  aus  und  in  der  metrischen  synkope  beftn  anruf  (b 
T^KVOV.  —  Nicht  blosz  freudig  gewis  ist  der  chor,  dasz  Dike  kommt, 
sondern  in  der  tiefe  der  brüst  spürt  er  ein  kühnes  verlangen  danach 
(urrecTi  ^0l  Gpäcoc),  da  ihm  die  traumerzählung  vom  grünenden 
und  blühenden  Atreidenscepter  eben  noch  im  obre  klingt  wie  lieb- 
liche flötenmusik  (dbuTTVÖCüV  .  .  öveipdrcüv  v.  6—8).  und  er  darf 
auch  die  erfüllung  des  traumes  zuversichtlich  verlangen,  er  verlangt 

Jahrbücher  fttr  elus.  philol.  1888  hft.  9.  41 


626  ThPlüss:  ein  chorlied  der  Sophokleischen  Elektra. 

sie  jetzt  sogar  nicht  blosz  mit  freude,  weil  sie  liebliches  bringen 
würde,  sondern  auch  mit  feierlichem  ernst,  weil  der  edle,  grosze 
tote  ('EXXävuJV  äva£)  und  der  furchtbare  zeuge  der  schändlichen 
mordtbat  nun  schon  so  lange  (d  naXaia  .  .)  gerechte  sühne  heischen 
(v.  9 — 11  der  strophe). 

Nun  sieht  der  chor ,  wie  und  in  welcher  gestalt  die  erfdllong 
kommen  wird  (v.  1 — 3  der  antistrophe) ;  er  sieht  auch  die  rächerin 
schon  zur  stelle  ijf\Hx  Kai),  schnell,  als  hätte  sie  tausend  füsze,  ge- 
waltig, als  hätte  sie  tausend  arme,  furchtbar  in  ihrer  heimlichkeit 
und  ihrer  jähen  erscheinung;  er  hört  schon  den  ehernen  hall  des 
Erinyenschrittes  (vgl.  Beck  ao.  s.  19)  oder,  wie  Schiller  es  nennt, 
^eherner  füsze  rauschen',  es  ist  ein  gefühl  der  furcht,  das  hier  den 
chor  ergreift,  eine  furcht  vor  der  form  der  vorher  verlangten  räche ; 
denn  wenn  ihm  vorher  das  Verlangens  werte  des  räche  werkes  vor  der 
seele  stand ,  so  jetzt  das  furchtbare  desselben ,  wie  es  in  der  gestalt 
der  finstem  rachegöttin  erscheint,  es  ist  freilich  eine  art  ehrfürch- 
tiger furcht  vor  etwas  göttlich  und  notwendig  furchtbarem,  welches 
so  und  nicht  anders  sein  musz.  ja,  die  räche  musz  in  ihrer  erschei- 
nung übernatürlich  gewaltsam  sein,  weil  sie  dem  frevel  entsprechen 
musz  (v.  4.  5) :  widematürlich  (SXcKTpa  ävu)Li(pa)  überfiel  mit  ge- 
walt  die  wilde  liebeslust  (dTT^ßa  d)LiiXXrj)LiaTa)  einer  gattenmOrderi- 
schen  ehe  die,  welche  nicht  gatten  sein  durften,  der  chor  überwindet 
also  die  furcht  vor  der  form  und  erscheinung  des  räche  werkes 
durch  die  empfindung,  wie  furchtbar  gerecht  gerade  diese  form  sei. 
ja,  indem  er  sich  den  frevel  vergegenwärtigte,  hat  ihn  absehen  vor 
demselben  erfaszt,  und  daraus  kommt  ihm  nun  ein  verwegenes  ver- 
langen den  gefahren  zu  trotzen,  welche  die  ausführung  desrache- 
werkes  zur  folge  haben  kann  (v.  6 — 8.  9 — 11).  dem  widernatür- 
lichen frevel  und  der  furchtbaren  notwendigkeit  der  sühne  stellt  er 
abschätzend  eine  gefahr  gegenüber  (irpö  TUivbe) ;  er  will  die  gefahr 
lieber  bestehen  (irpö  Tujvbd  ^*  Ix^i  Gdpcoc),  nemlich  die  gefahr 
dasz  ihnen,  die  das  rachewerk  vollbringen  und  mitvollbringen  (flfiiv 
.  .  ToTc  bpOüCi  Kai  cuvbpuiciv),  das  Wahrzeichen  des  traumes  nimmer- 
mehr als  untadellich  entgegengekommen  sein  kann  (|iiiiTOT€  . .  di|i€T^c 
TTeXdv  T€pac);  das  heiszt:  man  wird  die  rächer,  Elektra,  Orestes, 
Chrysothemis  und  den  mitwissenden  und  ratenden  chor,  gewis  trotz 
dem  Wahrzeichen  tadeln ,  vielleicht  die  Wahrheit  oder  die  gerechtig- 
keit  des  Wahrzeichens  selber  anfechten ;  aber  damit  will  es  der  chor 
kühnen  mutes  wagen  im  vergleich  zu  der  verabscheuenswürdigkeit 
einer  Unterlassung  der  sühne. '    indem  so  der  chor  an  die  ausfüh- 

^  in  der  lUcke  des  7n  verses  musz  nach  dem  scboliasten  der  begriff 
vou  6dpcoc  sich  gefunden  haben;  geringere  hss.  ergänien  denn  mach 
dieses  wort,  es  steht  auch  in  gleicher  gegend  der  strophe.  wenn  der 
vers  der  strophe  &&UTrvöwv  KXOoucav,  wie  manche  ohnehin  wollen,  ge- 
messen wird  ^±  —  w-o,  so  wäre  die  einfachste  ergUnsang  nnsereB 
antistrophischen  verscs  Odpcoc  t6  fii^iioO'  f)|i1v:  vrI.  OK.  47  oöö* 
^ILioi  Toi  ToOEaviCTdvai .  .  ^ctI  Gdpcoc*  ähnlich  steht  tö  |if)  ßX^ireiv 


ThPlüss:  ein  chorlied  der  Sophokleischen  Elektra.  627 

rung  der  räche  und  deren  folgen  denkt  und  dabei  dem  tadel  der 
menschen  gegen  die  ausführenden  und  gegen  das  Wahrzeichen  förm- 
lich zu  trotzen  verlangt,  überwindet  er  auch  jede  anwandlung  von 
furcht  vor  einem  unglücklichen  ausgang  des  Unternehmens:  ^ja, 
wahrlich,  alle  Weissagung  auf  erden ,  in  träumen  oder  göttersprü- 
chen ,  ist  nichtig ,  wenn  dieses  heutige  traumgesicht  nicht  zu  glück- 
lichem ziele  führen  soll'  (v.  9 — 11).  das  kühne  verlangen  dem  tadel 
und  der  menschlichen  Schwachheit  zu  trotzen  steigert  sich  mit  leb- 
hafter bekräftigung  {f{  toi)  zu  einer  art  glaubensstarker  herausfor- 
derung  an  die  götter,  entweder  gerade  dieses  6ine  Wahrzeichen  zu 
erfüllen  oder  aber  die  nichtigkeit  überhaupt  aller  göttlichen  willens- 
offenbarung  als  erwiesen  anzuerkennen,  man  beachte  die  energische 
form,  in  welcher  die  nichtigkeit  erst  in  einem  indicativsatze  für  alle 
fälle  überhaupt  behauptet  und  dann  nur  eine  einzige  ausnahmemög- 
lichkeit  nachträglich  hinzugefügt  wird. 

Also  das  nachtgesicht  musz  zu  glücklichem  ziele  führen,  das 
gesiebt,  dasz  Agamemnon  zum  licht  heraufsteige,  mit  Elytaimnestra 
sich  .vereinige  und  dann  seinen  ehemaligen  königsstab,  den  jetzt 
Aigisthos  trägt,  am  herde  aufpflanze,  und  dasz  der  stab  grüne  und 
blühe  und  mit  seinen  zweigen  das  ganze  land  Mykene  beschatte, 
aber  freilich,  das  glück  kommt  diesem  lande  und  diesem  herde  nur 
durch  schweren,  blutigen  kämpf,  seit  anbeginn  hat  das  grosze,  edle 
geschlecht  schwere  kämpfe  mit  dem  Schicksal  geführt !  also ,  indem 
der  chor  nach  dem  hause  blickt,  wo  das  heutige  nachtgesicht  ge- 
sehen worden  ist  und  wo  nun  die  glückliche  erfüllung  kommen  soll, 
da  überkommt  ihn  mitleid.  vor  allem  mitleid  mit  ihm,  der  dieses 
haus  und  geschlecht  gestiftet  hat,  und  mit  jenem  wagensiege,  wel- 
cher dann  der  Stifter  schwerer  schicksalskämpfe  geworden  ist  (v.  1.  2 
der  epodos) ;  der  anruf  an  Pelops'  sieg  und  die  scharf  klingende  allit- 
teration  zeigen  stärke  und  schärfe  der  empflndung,  die  schärfe  richtet 
sich  aber  nicht  gegen  die  schuld  des  Pelops ,  sondern  gegen  die  bit- 
tere tragik  in  seinem  Schicksal,  dann  mitleid  mit  dem  lande  Mykene 
(v.  3.  4),  eine  volle,  aber  weichere  empflndung,  wie  man  dies  nach 
den  vocalen  und  consonanten,  nach  der  rhythmischen  bewegung  und 
nach  der  ausrufform  schlieszen  darf,  logisch  das  vorige  urteil  begrün- 
dend ,  lyrisch  die  vorige  empflndung  so  zu  sagen  bestätigend  und 
steigernd  sind  die  worte  von  Myrtilos,  dem  unglückseligen  ersten 


^Toifia  El.  1079.  da  am  ausgang  der  voranstehenden  scene  die  Vor- 
bereitung des  rachewerkes  unternommen  und  in  der  ganzen  scene  von 
Elektras  bisherigem  racheheischen  und  jetzigem  vorbereiten  der  räche 
immer  wieder  das  wort  bpdv  gebraucht  wird  (336.  350.  465.  467),  und  da 
nun  im  cborliede  gerade  die  ausführung  der  räche  teils  verlangt  teils 
gefürchtet  wird,  so  ist  es  falsch  zu  sagen,  das  handeln  und  mitbandeln 
könne  sich  nicbt  auf  Elektra  und  ibre  genossen  bezieben;  und  nach 
dem  dativ  f||Litv  ist  diese  beziehung  auf  chor  und  Elektra  sogar  die 
allernäcbstliegende.  auch  das  verzweifelte  di|i€T^C  und  das  künstlich 
bezogene  und  erklärte  irpö  Tilivbe  bekommen  so  eher  eine  natürliche 
beziehung  und  erklärung. 

41* 


628  ThPlüss:  ein  chorlied  der  Sophokleischen  Elektra. 

Opfer  fluchwürdiger  that  (v.  5 — 9);  worte  wie  irovTicGeic  und  ^koi- 
jiäOri  haben  nach  form  oder  sinn  wieder  etwas  herbes,  scharfes;  der 
goldstrahlende  wagen  steht  zu  dem  schmachvollen  loose  in  schnei- 
digem contrast;  der  klang  der  worte  und  laute  7Tp6ppi2Ioc  £Kpiq>6€ic 
l&szt  die  höchste  schärfe  der  mitleidenden  empflndung  hören  und 
spüren,  auch  hier  ist  keine  andeutung,  dasz  sich  die  schärfe  des 
gefühls  verurteilend  gegen  die  person  des  Pelops  richte;  auch  nach 
dem  logischen  Zusammenhang  wird  nur  das  leidenreiche,  verhäng- 
nisvolle der  siegreichen,  glänzenden  wagenfahrt  des  Pelops  empfan- 
den, endlich  folgt  zu  dem  letzten  grammatischen  Vordersätze  der 
nachsatz:  der  Vordersatz  war  lang,  der  nachsatz  ist  kurz;  declamiert 
wurde  der  Vordersatz  aufsteigend,  der  nachsatz  sinkt  eher  ab ;  lyrisch 
war  jener  der  ausdruck  zunehmender  schärfe  des  mitleidenden  ge* 
fühls ,  dieser  klingt  mit  dem  kurzen  anfangsverse  oCti  ttu)  ,  welcher 
an  den  vers  TÖbe  f^  erinnert ,  weniger  scharf,  aber  innig  klagend ; 
gerade  das  unbestimmte  Ti  ttuj  hat  etwas  mildschmerzliches,  viel- 
leicht ironisch  mildes ;  doch  scheint  der  letzte  vers  mit  klang  und 
sinn  den  schmerz  wieder  sich  verschärfen  zu  lassen:  wenigstens 
macht  das  an  den  anfang  wieder  anklingende  ttoXuttovoc  und  das 
letzte  >  ausklingende  wort  akia,  das  wieder  an  aUiaic  im  8n  verse 
anklingt,  einen  solchen  eindruck.  also  klänge  die  epodos  aus  in  den 
tönen  teils  innig  klagenden,  teils  bitter  schmerzlichen  mitleidens 
mit  dem  geschlecht  und  hause,  das  wohl  niemals  noch  seit  der  stunde 
des  ersten  Verhängnisses  verlassen  wollte  (Aemev  ^k  ToCb'  oIkouc 
nach  der  ursprünglichen  lesart  des  Laurentianus)  die  schmach 
schwerer  schicksalskämpfe.  auch  hier  gilt  aber  die  bitterkeit  oder 
schärfe  dem  thun  derPelopiden  nicht  als  schmachvollem  handeln, 
sondern  als  leiden  und  Verhängnis ,  wie  gerade  das  beiwort  noXv- 
1T0V0C,  das  zu  anfang  und  zu  ende  wie  ein  kehrreim  steht,  deutlich 
fühlen  läszt  (vgl.  1275). 

Es  sind  dies  aber  alles  Stimmungen  und  empfindungen,  die 
schon  während  der  vorausgehenden  scene  der  handlung  sich  in  den 
Zuschauern  regen  musten  und  am  Schlüsse  der  scene  erst  recht  er- 
regt sein  müssen,  so  läszt  sie  nun  der  dichter  durch  den  eher  im 
lyrischen  gesange  aufnehmen,  weiter  entwickeln  und  durchgestalten, 
überwiegende  empflndung  am  schlusz  der  scene  vorher  musz  das  ge- 
fühl  eines  thatkräftigen  Verlangens  sein :  denn  Elektras  leidenschaft- 
liche energio  hat  die  mykenischen  frauen  und  die  besonnene  Schwester 
zum  mithandeln  für  recht  und  räche  fortgerissen,  und  damit  auch 
in  seiner  art  den  Zuschauer,  daher  zunächst  in  der  sti*ophe  die  em- 
pfindung  des  Verlangens  nach  recht  und  räche  in  drei  haupt* 
abstufungen.  der  schlusz  der  strophe  bereitet  auf  die  furchtbare 
anschauung  der  Erinys  vor;  die  antistrophe  läszt  nun  die  empfin- 
düng  der  furcht  sich  regen,  aber  vom  verlangen  überwunden  wer- 
den und  gestaltet  diesen  kämpf  der  empfindungen  wiederum  in  drei 
hauptabstufungen.  nachdem  nun  das  verlangen  sich  geläutert  hat 
und  die  furcht  gereinigt  ist,  ist  das  gemüt  des  chors  und  des  xa« 


ThPlüsB :  ein  chorlied  der  Sophokleischen  Elektra.  629 

Schauers  frei  und  reingestimmt  für  das  mitleiden  in  der  schlusz- 
strophe.  nach  den  objecten  des  mitleids  sind  es  vier  kleine  teile;  da 
den  wechselnden  anschauungsbildem  dieser  objeote  auch  wechselnde 
formen  der  musikalischen  und  mimischen  darstellung  entsprochen 
haben  müssen^  so  mögen  wir  auch  eine  vierfache  abtOnung  in  der 
oben  vermuteten  weise  annehmen ,  unbekümmert  darum ,  dasz  wir 
grammatisch  nur  zwei  perioden  und  logisch,  insofern  die  zweite 
Periode  an  die  erste  als  begründung  angefügt  ist,  nur  6inen  gedan- 
ken  haben,  ich  meine  aber:  wie  zuerst  das  verlangen  nach  räche 
im  Zuschauer  und  seinem  ideal  empfindenden  und  künstlerisch  ge- 
staltenden Vertreter,  dem  chor',  sich  äuszem  und  klären  muste,  so 
ist  auch  die  furcht  vor  dem  rachewerke,  vor  seiner  erscheinung 
wie  vor  seinen  folgen,  eine  natürlich  notwendige  empfindung 
des  Zuschauers,  und  dasz  sie  sich  nach  dem  ersten  drang  des  Ver- 
langens nun  Suszert  und  rein  gestaltet,  ist  ebenso  poetisch  not- 
wendig, nicht  weniger  natürlich  und  poetisch  ist  es  aber  auch, 
dasz  im  zuschauer  durch  das  miterleben  der  vorangehenden  hand- 
lung  auch  das  mitleiden  angeregt  sei;  ist  doch  das  handeln  tra- 
gischer Personen  immer  auch  ein  leiden ,  und  wenn  wir  nur  vorher 
Elektras  leidenschaftliches  handeln  lebhaft  miterlebt  haben,  dann 
musz  auch,  wenn  erst  die  leidenschaftlicheren  empfindungen  des  räche- 
Verlangens  und  der  furcht  vorüber  sind ,  das  mitleid  die  herschende 
Seelenstimmung  werden  und  sich  äuszem  wollen,  freilich  nicht  ein 
reales  mitleid  mit  der  armen  Elektra,  die,  wie  Wilamowitz  und  an- 
dere erklärer  sagen ,  nicht  einmal  satt  zu  essen  bekommt  und  die  so 
schreckliche  gedanken  hat,  oder  mit  der  unglücklichen  Kl  jtaimnestra, 
die  nun  wohl  ermordet  werden  wird ;  vielmehr  ein  ideales,  echt  tra- 
gisches mitleiden  mit  der  idealen  gesamtheit  derjenigen  weit,  welche 
der  dichter  uns  darstellt  und  in  welcher  er  uns  das  mitleidswerte 
miterleben  und  miterleiden  läszt,  also  mit  der  weit  des  Pelopiden- 
schicksals,  welche  in  den  augenblicken  voller  hingebung  an  die  dra- 
matische illusion  zugleich  die  weit  unseres  eignen  Schicksals  ist. 

So  der  Zusammenhang  mit  der  vorangegangenen  handlung 
unseres  dramas.  damit  ist  aber  auch  klar,  sollte  ich  meinen,  dasz 
unser  chorlied  und  insbesondere  sein  schlusz  uns  empfänglich  macht 
für  eine  wirklich  tragische  teilnähme  an  der  nun  folgenden  scene 
der  handlung ,  an  dem  kämpfe  zwischen  Elektra  und  Eljtaimnestra. 
die  Stimmung  schmerzlichen,  leidenschaftlichen  mitgefühls  mit  den 
schweren  kämpfen  und  Verhängnissen  des  Pelopidenhauses  tOnt  noch 
in  uns  nach;  Elektra,  von  der  leidenschaftlichen  aufregung  ihrer 
energie  so  eben  in  düsteres  schweigen  zurückgesunken ,  steht  noch 
vor  unsem  äugen  dort  als  eine  Vertreterin  dieser  kämpf-  und  leiden- 
vollen weit,  vom  fluch  ihres  Stammes  und  vom  schmerz  wie  von 
einem  düstem  schein  umgeben;  und  nun  ist  aus  der  pforte  jener 
^morderfüllten'  Pelopidenhalle  so  eben  die  wahrhaft  königliche  ge- 


'  vgl.  meine  Hornzstudien  s.  1  ff. 


630  ThPlüBs:  ein  chorlied  der  Sophokleischen  Elektra. 

stalt  Klytaimnestras  (v.  664),  die  grosze,  leidenschaftliche  frevlerin 
hervorgetreten,  um  in  ihrer  ge wissensangst  zu  den  göttem  zu  beten, 
und  findet  nun  ihre  eigne  tochter  als  ihre  anklägerin,  wie  sie  sofort 
erkennt  vor  den  mykenischen  frauen.  sind  wir  da  wirklich  noch  fähig 
in  Elektra  blosz  die  *  unehrerbietige,  grobe' tochter  zu  hören,  in  Kly- 
taimnestra  blosz  die  rabenmutter,  die  der  tochter  *nicht  einmal  satt 
zu  essen  gibt',  jedoch  durch  selbstbeherschung  ausnahmsweise  die 
würde  zu  wahren  weisz?  ist  uns  der  kämpf  ums  recht,  den  die  beiden, 
frauen  des  Pelopidenhauses  vor  den  edlen  Vertreterinnen  des  volkes 
fuhren ,  weiter  nichts  als  ein  ^fast  anstösziger  redekampP  oder  ein 
Wortgefecht'  ?  wenn  wir  vielmehr  in  den  beiden  gestalten  tragisch 
handelnde  und  insofern  leidende  glieder  jener  idealen  tragischen 
weit  des  Pelopidenschicksals  sehen  und  auch  nur  ein  wenig  mit- 
handeln und  mitleiden,  als  wäre  es  auch  unser  eigner  schicksals- 
kampf,  so  hat  uns  dazu  eben  das  chorlied  durch  die  klärung  unserer 
empfindungen  vorbereitet. 

Und  doch  wäre  unser  lied  eine  Störung  der  eignen  tendenz  unseres 
dramas?  allerdings,  wenn  diese  tendenz  darin  bestünde,  dasz  der 
hörer  gegen  die  mutter  Widerwillen  und  für  die  tochter  Sympathie 
empfinden  sollte  (Wilamowitz  ao.  s.  218  f.  222.  233  f.),  und  wenn 
unser  chorlied  an  den  geschlechtsfluch  erinnerte,  um  die  tbaten  des 
Pelopshauses  moralisch  zu  beurteilen  und  zu  verurteilen  und  auf  die 
gleiche  moralische  qualität  des  bevorstehenden  muttermordes  hin- 
zuweisen ^  dann  allerdings  würde  die  tendenz  des  dramas  gestßrt. 
gesetzt  nun  aber,  die  Hendenz'  der  Sophokleischen  Elektra  ent- 
spräche den  'tendenzen'  anderer  antiker  und  modemer  tragödien 
und  wäre  etwa  diese:  den  Zuschauer  in  schönen  formen  den  kämpf 
miterleben  zu  lassen,  der  von  einem  heroisch  leidenschaftlichen 
frauenwillen  unter  der  last  einer  sittlich  furchtbaren  lebensaufgabe 
durchgekämpft  wird,  und  der  um  so  tragischer  ist,  je  mehr  auch 
die  gegner  der  heldin  entweder  durch  ihre  persönlichkeit  uns  sym- 
pathisch sind  oder  uns  imponieren,  oder  aber  in  gestalt  hoher,  hoch- 
berechtigter sittlicher  Ordnungen  uns  entgegentreten,  und  je  schmerz- 
licher dadurch  ihr  Widerspruch  oder  widerstand  für  uns  wird  oder  je 
mehr  wir  uns  im  notwendigen  kämpfe  gegen  sie  in  leidenschaftlich- 
keit  und  irrtum  verstricken,  gesetzt,  dies  wäre  die  tendenz  unserer 
tragödie,  und  angenommen  wiederum  ^  unser  chorlied  und  insbeson- 
dere sein  schlusz  hätten  den  inhalt  und  die  Stimmung,  die  ich  oben 
darzulegen  versucht  habe :  wäre  dann  nicht  die  erinnerung  an  den  ge- 
schlechtsfluch des  Pelopidenhauses  nicht  nur  keine  Störung,  son- 
dern geradezu  von  wesentlicher  bedeutung  für  dieses  drama? 

Basel.  Theodor  Plöss. 


GTreu:  Pausanias  und  sein  Verteidiger.  631 

94. 

PAUSANIAS  UND  SEIN  VERTEIDIGER. 


Der  verehrte  herausgeber  des  Pausanias,  dem  in  den  letzten 
Jahren  wohl  wenige  so  viel  dank  schuldig  geworden  sein  werden 
als  die  mitglieder  der  olympischen  expedition ,  welche  seine  ausgäbe 
täglich  in  bänden  hatten,  möge  es  mir  vergeben,  wenn  ich  ihm  gegen- 
über das  wort  nehme,  obgleich  ich  von  seinem  angriff  auf  die  ^ankläger 
des  Pausanias'  (oben  s.  469  ff.)  nur  ganz  nebenher  getroffen  bin. 
vielleicht  erleichtert  gerade  das  eine  Verständigung;  vielleicht  auch 
der  umstand  dasz  ich  nur  6in ,  aber  allerdings  eines  der  hauptargu- 
mente  der  ^anklage'  mit  zu  vertreten  habe ;  vielleicht  femer  auch 
dies,  dasz  ich  nicht  sowohl  selbst  zu  plaidieren  gedenke  als  vielmehr 
den  einfachen  hinweis  auf  das  von  einem  unparteiisch  gestimmten 
beigebrachte  neue  und  wie  mir  scheint  wichtige  belastungsmaterial 
zum  zwecke  dieser  zeilen  machen  will. 

Doch  warum  überhaupt  den  Staatsanwalt  spielen  ?  ich  will  dem 
Verteidiger  lieber  gleich  von  vorn  herein  gestehen,  dasz  auch  mir  die 
reize  processualischer  formen  mäszig  erscheinen;  um  so  mäsziger, 
als  das  plaidieren  oft  so  nervös  macht,  dasz  man  selbst  bei  der  ge- 
dämpften Sprechweise  eines  mitstreiters  leicht  wie  bei  dem  ton  einer 
Tolemontrompete'  zusammenfährt  und  sich  zu  allerlei  liebenswürdig- 
keiten  gegen  denselben  hinreiszen  läszt.^  da  ich  endlich  auch  die 
beschuldigung  nicht  zu  erheben  gedenke,  Pausanias  sei  überhaupt 
gar  nicht  in  Olympia  gewesen^,  so  vermag  ich  meine  sittliche  ent- 
rüstung  einstweilen  noch  zu  bemeistem  und  bin  daher  sehr  damit  ein- 
verstanden, dasz  die  Verhandlungen  aus  dem  tumultuarischen  treiben 
des  gerichtssaales  in  die  ruhige  stille  der  Schreibstube  verlegt  werden. 

Also  vorläufig  ganz  ohne  jeden  moralischen  ingrimm :  hat  Pau- 
sanias das  Verzeichnis  der  olympischen  siegerstatuen  vor  diesen  selbst 
aus  ihren  inschriften  neu  gefertigt,  oder  hat  er  dasselbe  aus  einer 
altern  quelle  excerpiert? 

Ich  hatte  für  die  letztere  annähme  in  der  erinnerung  an  eine 
beobachtung;  die  Wilamowitz  (Hermes  XII  s.  347  anm.  31)  an  der 
burgbeschreibung  des  Pausanias  für  Athen  gemacht,  ebenso  wie 
Hirschfeld  die  thatsache  angeführt,  dasz  'in  dem  ganzen  über  230 
Siegerbildnisse   und  andere  ehrenstatuen  umfassenden  Verzeichnis 


^  arch.  Ztg.  1882  sp.  106  anm.  3.  die  Vorzüge  der  ^wesentlich  rich- 
tigeren' fassuDg  Hirschfelds  sind  mir  ein  geheimnis  geblieben,  eine 
lücke  im  material  hat  er  mir  nicht  nachgewiesen.  '  eins  will  ich 

jedoch  hervorheben:  dasz  man  das  fehlen  der  beiden  niedergerissenen 
Schatzhäuser  (II  und  III  auf  Dörpfelds  Olympiaplänen)  in  Pans.  auf- 
zählung  nicht  für  dessen  anwesenheit  in  Olympia  geltend  machen  kann, 
wie  dies  Curtius  in  der  von  Schubart  s.  475  anm.  4  angeführten  stelle 
thut.  dasz  dieser  abbruch  erst  durch  den  aufban  der  ezedra  von  Herodes 
Atticus  veranlaszt  sei,  ist  lediglich  Vermutung,  er  kann  eben  so  gut 
in  eine  viel  frühere  zeit  fallen. 


630  ThFlOaa:  ein  ohorlied  der  Sophobleiacheu  Elektra. 

stolt  Kljtaimnestros  (t.  €64),  die  groBze,  leidenscbaftliche  frevleriii 
herrorgetreteti,  um  in  ihrer  gewiBsensangat  zu  den  göttom  zu  beten, 
und  findet  nnn  ihre  eigne  tochter  als  ihre  ankl&gerin,  nie  sie  sofort 
erkennt  vor  den  mykenischen  franen.  aind  wir  da  wirklich  noch  fUhig 
in  Elektra  blosz  die  'unehrerbietige,  grobe'  tochter  zu  hOren,  in  Klj- 
tainmestrs  blosz  die  rabenmutter,  die  der  tochter  'nicht  einmal  gatt 
ZD  eeaen  gibt',  jedoch  durch  selbBtbeherschung  ausnahm b weise  die 
wttrde  zu  wahren  weiaz?  ist  uns  der  kämpf  uma  recht,  den  die  beiden 
frauen  des  Pelopidenbauses  Tor  den  edlen  Vertreterinnen  dea  Volkes 
führen,  weiter  nichts  ab  ein 'fast  anstCaziger  redekampf  oder  ein 
'Wortgefecht'  ?  wenn  wir  vielmehr  in  den  beiden  geatalten  tragisch 
handelnde  und  insofern  leidende  glieder  jener  idealen  tragischen 
weit  des  PelopidenechickaalB  sehen  nnd  auch  nur  ein  wenig  mit- 
handeln and  mitleiden,  ob  wSre  es  aach  anBer  eigner  schicksals- 
kampf,  BO  hat  uns  dazu  eben  das  chorlied  durch  die  klärang  unserer 
empfind ungen  vorbereitet. 

Und  doch  wäre  unser  lied  eine  atSrung  der  eignen  tendenz  unseres 
dramas?  aUerdinga,  wenn  diese  tendenz  darin  bestünde,  daaz  der 
hörer  gegen  die  mutter  Widerwillen  und  für  die  tochter  Sympathie 
empfinden  sollte  (Wilamowitz  ao.  b.  218  f.  222.  233  f.),  und  wenn 
unser  chorlied  an  den  geachlechtBfluch  erinnerte,  um  die  thaten  des 
Pelopshanaes  moralisch  zu  beurteilen  und  zn  verurteilen  und  auf  die 
gleiche  moralische  qualitSt  des  bevoratobenden  muttermordeB  hin- 
zuweisen, dann  allerdings  wUrde  die  tendenz  des  diamaB  gest{ltt. 
gesetzt  nnn  aber,  die  'tendenz'  der  Sophokleischen  Elektra  ent- 
spreche den  'tendenzen'  anderer  antiker  und  modemer  tragfidien 
nnd  wttre  etwa  diese:  den  Zuschauer  in  achOnen  formen  den  kämpf 
miterleben  zu  lasaen,  der  von  einem  heroisch  leidenschaftlichen 
frauenwillen  unter  der  last  einer  sittlich  furchtbaren  lebenaaufgabe 
durchgekämpft  wird,  und  der  um  so  tragischer  ist,  je  mehr  auch 
die  gegner  der  heldin  entweder  durch  ihre  peraQnlicbkeit  uns  sym- 
pathisch Bind  oder  uns  imponieren,  oder  aber  in  gestalt  hoher,  hoch- 
berechtigter  sittlicher  Ordnungen  uns  entgegentreten,  nnd  je  schmerE- 
licher  dadurch  ihr  Widerspruch  oder  widerstand  für  uns  wird  oder  je 
mehr  wir  uns  im  notwendigen  kämpfe  gegen  sie  in  leidenachaftlich- 
keit  nnd  irrtum  verstricken,  gesetzt,  dies  wSre  die  tendenz  unserer 
tragOdie,  und  angenommen  wiederum,  unser  chorlied  und  insbeBon- 
dere  sein  schlusz  hätten  den  Inhalt  und  die  Stimmung ,  die  ich  oben 
darzulegen  versucht  habe :  wSre  dann  nicht  die  erinnerung  an  den  ge- 
Bchlechtsäuch  des  Pelopidenbauses  nicht  nur  keine  stSrang,  son- 
dern geradezu  von  wesentlicher  bedeutnng  fUr  dieses  drama? 

Basel.  Theodor  Flüss. 


GTreu:  Pausanias  und  sein  Verteidiger.  633 

diesem  mehr  als  dreihundert  jähre  umfassenden  Zeitraum  erwähnens- 
wert gefunden? 

Die  annähme  wird  noch  seltsamer  durch  die  überraschenden 
thatsachen,  welche  wir  aus  den  kürzlich  erschienenen  vortrefiPlich 
angelegten  und  überaus  dankenswerten  'Untersuchungen  zur  griechi- 
schen künstlergeschichte'  von  Emanuel  Loewy  (abhandlungen 
des  archäol.  epigraph.  seminars  der  univ.  Wien,  herausg.  von  OBenn- 
dorf  und  OHirschfeld,  IV,  1883)  kennen  lernen.  Loewy  hat  nem- 
lich  gezeigt,  dasz  wir  bei  Pausanias  nicht  nur  für  Olympia,  sondern 
für  das  ganze  gebiet  seiner  periegese,  in  sämtlichen  zehn 
bü ehern  —  mit  einer  einzigen  ausnähme,  welche  den  copisten 
eines  altem  Werkes  betrifft  —  bis  jetzt  überhaupt  noch  keinen 
bildhauermit  Sicherheit  nachweisen  können,  der  nach 
der  mitte  des  zweiten  jh.  vor  Gh.  gelebt.^  und  aus  den 
vorangegangenen  Jahrhunderten  hatte  er  deren  doch  nicht  weniger 
als  hundertundsiebenzig  aufzuzählen  gewust !  gesetzt  nun  auch  dasz 
aus  der  zahl  von  nicht  voll  zwanzig  bildhauem ,  welche  Loewy  noch 
als  künstler  aus  unbestimmter  zeit  bezeichnen  muste,  etwa  noch  zwei 
oder  drei  in  die  grosze  klaft  von  drei  Jahrhunderten  hineinsprängen, 
welche  in  der  kunstgeschichtlichen  Überlieferung  bei  Pausanias  gähnt, 
was  würde  dies  an  der  Seltsamkeit  der  ganzen  thatsache  ändern? 

Ja  noch  mehr.  Loewy  hat  wahrscheinlich  zu  machen  gewust^ 
dasz  dieselben  chronologischen  und  topographischen  grenzen  der 
kunstgeschichtlichen  Überlieferung  schon  hundert  jähre  früher,  ehe 
noch  die  sym-  und  antipathien  des  Pausanias  in  frage  kamen,  bereits 
in  dem  material  kenntlich  hervortreten,  das  Plinius  in  den  syste- 
matischen teilen  seiner  Übersichten  über  die  erz-  und  marmorbildner 
verarbeitete. 

Wenn  Loewy  (s.  75)  die  ergebnisse  seiner  arbeit  im  wesent- 
lichen in  die  sätze  zusammenfassen  konnte: 

dasz  auch  der  erzgieszerbestand  bei  Plinius  nur  bis  etwa  in  die 
zweite  hälfte  des  zweiten  jh.  vor  Gh.  reiche; 

dasz  die  künstlerchronologie  bei  Plinius  sich ,  von  den  perga- 
menischen  künstlem  abgesehen,  aus  einem  künstlermaterial  wie  das 
bei  Pausanias  vorliegende  gewinnen  lasse ; 

dasz  das  künstlermaterial  im  erzgieszerverzeichnis  im  wesent- 
lichen einen  einheitlichen  bestand  repräsentiere,  der  auf  eine  periegese 
Griechenlands  von  ähnlichem  örtlichen  und  zeitlichen  bestände  zurück- 
gehe wie  die  des  Pausanias; 

dasz  auch  dem  Verzeichnis  der  marmorbildhauer  zum  teil  der- 
selbe bestand  zu  gründe  liege; 

dasz  das  verfahren  zur  gewinnung  der  Chronologie  der  künstler 
bei  Plinius  und  Pausanias  principiell  dasselbe  sei ;  und  endlich 

*  Loewy  s.  99.  die  ausnähme  macht  Paus,  bei  Menodoros,  einem 
künstler  Neronischer  zeit,  der  nur  wegen  seiner  copie  des  PrazitelischiBn 
Eros  für  Parion  angeführt  wird,  die  epoche  des  Attalos,  den  Loewy 
gleichfalls  vermutungsweise  in  späte  zeit  setit,  ist  vorläufig  ganz  angewis. 


634  GTreu:  Pausanias  und  sein  Verteidiger. 

dasz  auch  die  mitteilungen  Über  schulverbältnisse  sich  bei  beiden 
auf  6ine  und  dieselbe  auswahl  von  griechischen  künstlem  beschränken 
und  wegen  ihrer  formalen  Übereinstimmung  auf  dieselbe  quelle 
zurückgehen  müsten  —  so  sehe  ich  in  der  that  nicht ,  wie  man  dem 
Schlüsse  entrinnen  soll,  dasz  sie  beide  ihren  stoff  in  allem  wesent- 
lichen aus  derselben  schriftstellerischen  Überlieferung  ge- 
schöpft, und  dasz  dieselbe  sich  in  ihren  hauptbestandteilen  bereits 
um  die  mitte  des  zweiten  jh.  vor  Ch.  fixiert  habe. 

Schubart  wird  zugeben,  dasz  in  Loewys  arbeit  nirgends  eine 
Voreingenommenheit  gegen  Pausanias  durchblicke,  im  gegenteil  er- 
klärt er  (s.  35)  von  der  die  glaub  Würdigkeit  des  Paus,  betreffenden 
frage  ganz  absehen  zu  wollen ;  er  traut  Paus.  (s.  28)  zu,  dasz  ihm  bei 
der  reihe  trefflicher  Schriften  Über  Athen  und  die  akropolis,  wie  jener 
Diodors  und  Polemons,  eine  sorgfältige  behandlung  dieser  partie  von 
seiner  seite  überflüssig  erschienen  sei,  und  sucht  dadurch  die  mängel 
des  ersten  buches  teilweise  zu  entschuldigen,  wo  ihn  seine  Unter- 
suchungen zu  dem  resultat  bringen,  dasz  Paus,  allerdings  in  bezugauf 
auswahl ,  Chronologie  und  schulzusammenhang  der  künstler  von  der 
frühern  kunstforschung  abhängig  sei  (s.  59  u.  65),  da  lehnt  er  es  doch 
ab  eine  quellenuntersuchung  im  eigentlichen  sinne  anzustellen,  sie 
hätte  ihn  sonst  wohl  zu  der  Wahrnehmung  einer  noch  viel  weiter 
gehenden  abhängigkeit  des  Paus,  von  seinen  Vorgängern  geführt. 
sollte  aber  nicht  gerade  diese  Zurückhaltung  Loewys  seine  resultate 
zu  einem  neutralen  boden  gestalten  können ,  auf  dem  anklftger  und 
Verteidiger  zusammentreten  und  sich  die  bände  schütteln  dürften? 

Und  nun  noch  ein  wort  über  Wilamowitz'  Polemonhjpothese, 
welche  Hirschfeld  f(lr  so  voreilig  hält,  wenn  Loewy  mit  recht  aach 
bei  Pausanias  die  Plinianische  Scheidung  der  künstler  in  zwei  gmp- 
pen  nachzuweisen  versucht  hat,  von  denen  die  eine  bis  in  den  anfang 
des  dritten  jh.  vor  Ch.  (ol.  121)  hineinreicht,  die  andere  sich  um 
die  mitte  des  zweiten  jh.  (ol.  156)  sammelt,  so  ist  damit  einerseits 
offenbar  die  Wahrscheinlichkeit  gewachsen,  dasz  die  fixierung  dieser 
ersten  gruppe  auf  Polemon  zurückgeht,  die  chronologischen  Schwie- 
rigkeiten, welche  die  zweite  gruppe  dieser  annähme  bisher  bereitete, 
scheinen  sich  aber  anderseits  dadurch  zu  erklären,  dasz  diese  späteren 
bildhauer  in  der  that  einem  andern  als  Polemon  ihren  platz  in  der 
kunstgeschichtlichen  Überlieferung  verdanken. 

Dresden.  Georg  Treu. 

95. 

ZU  ARISTOPHANES  FRÖSCHEN. 


Wie  so  viele  stellen  in  den  Fröschen  des  Aristophanes  noch 
der  richtigen  texte sgestaltung  oder  der  richtigen  interpretation 
harren,  so  auch  v.  1124,  den  ich  im  folgenden  genauer  besprechen 
möchte ,  um  dadurch  entweder  zu  einer  allseitig  befriedigenden  er- 
klärung  des  hsl.  überlieferten  textes  zu  gelangen  oder,  falls  dies 


ADrescher:  zu  Aristophanes  Fröschen  [v.  1124]«  635 

nicht  möglich,  durch  cmendation  der  hsl.  lesart  die  sachlichen 
Schwierigkeiten  der  litteraturgeschichtlich  sehr  interessanten  stelle 
zu  heben. 

Bekanntlich  enthält  der  zweite  teil  der  Frösche  den  musischen 
agon ,  der  zwischen  Aischylos  und  Euripides  in  der  unterweit  um 
den  tragischen  thron  schon  vor  der  ankunft  des  Dionysos  daselbst 
ausgebrochen  ist,  da  jeder  der  beiden  sich  für  würdiger  hält  den 
tragischen  ehrensitz  einzunehmen,  in  diesem  wettkampf  'dec  sich 
über  alle  teile  der  tragischen  kunst,  über  Inhalt  und  tragische  Wir- 
kung, ausführung  und  Charakter  der  rede,  prologe,  chorgesänge  und 
monodien  erstreckt'  (KOMüller  GLG.  11  249),  entwickeln  beide* 
dichter  ihre  ansichten  über  wesen  und  geist  der  poesie  im  allgemei- 
nen, speciell  aber  unterziehen  sie  die  einzelnen  bestandteile  der  beider- 
seitigen tragödien  auf  anraten  des  chors  einer  ästhetischen  kritik, 
die  sie  durch  einen  gewissermaszon  anatomischen  zergliederungs- 
process  pedantisch  üben,  mit  v.  1119  geht  Euripides  zur  prüfung 
der  Aischylischen  prologe  über  mit  den  Worten  Ktti  |if|V  dir'  auTOiic 
TOiic  TrpoXÖTOuc  cou  Tpi\\fO}xax  und  antwortet  dem  Dionysos  auf 
die  frage,  welchen  der  Aischylischen  prologe  er  einer  vernichtenden 
kritik  unterwerfen  wolle ,  selbstgeföllig :  ttoXXouc  Trdvu.  |  npuiTOV 
hi  ^0l  TÖv  d£  'Op€CT€iac  X^TC.  dieser  vers,  der  die  aufforderung 
des  Euripides  an  Aischylos  enthält,  ihm  den  prolog  aus  der  Orestie 
zu  recitieren,  bietet,  da  der  text  in  allen  hss.  gleichmäszig  überliefert 
ist,  sprachliche  Schwierigkeiten  überhaupt  nicht,  er  ist  einfach 
zu  übersetzen:  (zu  Dionysos)  'sehr  viele';  (zu  Aischylos)  ^zuerst  aber 
sage  mir  den  aus  der  Orestie  auf.  diese  auffassung,  gestützt  auf 
die  hsl.  Überlieferung,  wäre  nur  unter  der  dreifachen  Voraussetzung 
zulässig,  dasz  erstens  —  und  darauf  ist  zunächst  das  hauptgewicht 
zu  legen  —  der  nachweis  geliefert  werden  könnte,  dasz  'OpecTcm 
die  ursprüngliche  bezeichnung  des  mittelstücks  Cho^phoren  gewesen 
sei;  oder  dasz  zweitens  wie  im  modernen  drama  ein  gesamtprolog 
der  trilogi sehen  oder  tetralogischen  composition  vorausgegangen 
wäre;  oder  dasz  drittens  der  prolog  der  Cho6phoren  nach  Über- 
einstimmendem urteil  der  alten  kunstkritiker  durch  seine  geniale  ^ 
anläge  und  ausgezeichnete  formvoUendung  den  prolog  des  Agamem- 
non und  der  Eumeniden  ganz  und  gar  in  schatten  gestellt  habe, 
so  dasz  TÖV  an  unserer  stelle  bedeutete  'praeclarissimum  illum  pro- 
logum'. 

ad  1)  diese  behauptung  ist  von  GEzner  'de  schola  Aeschyli  et 
trilogiarum  ratione'  (Breslau  1840)  s.  44  mit  den  werten  aufgestellt 
worden:  'ac  primum  quidem  Oresteae  nomine  non  trilogiam  sed 
Cbo&'phoros  fabulam  significat  Aristophanes.  etenim  Euripides  ille 
Aristophanius  Aeschyli  prologos  examinaturus  dicit  (Ban.  1124)  .  . 
Aeschylus  recitat  prologum  Cho^phororum :  '€p|Lif]  etc.  quare  nemo, 
nisi  qui  illa  opiniono  de  trilogia  omnino  est  captus,  illo  loco  nomine 
Oresteae  Cho^ph.  tantum  indicari  negabit.'  hierdurch  veranlaszt 
veröffentlichte  FWieseler  zs.  f.  d.  aw.  1844  sp,  153  ff.  einen  auf- 


636  ADrescher:  zu  Aristophanes  Fröschen  [v,  1124]. 

satz :  ^hieszen  die  Cho^phoren  des  Aeschylos  ursprünglich  'Op^CT€ia?' 
(der  den  meisten ,  um  nicht  zu  sagen  allen  Aristophaneserklttrem 
völlig  unbekannt  geblieben  zu  sein  scheint),  in  dem  er  nach  gründ- 
licher darlegung  der  in  der  sache  selbst  liegenden  gegengründe: 
hinweis  1)  auf  den  von  alters  her  durch  Überlieferung  beglaubigten 
titel  Cho^phoren,  2)  auf  die  als  name  eines  einzelnen  stücks  höchst 
auffällige  bezeichnung  'Op^CTCia,  und  3)  auf  den  ausschlusx  der 
Eumeniden  von  dieser  bezeichnung,  zu  der  unzweifelhaft  richtigen 
antwort  ^nein'  gelangt,  damit  zu  vergleichen  ist  die  auf  grundlegen- 
der Welckerscher  forschung  beruhende  bemerkung  ThKocks  zdui. 
*^die  trilogien  und  (mit  einschlusz  der  satyrdramen)  tetralogien  des 
Aiscbylos  biengen  dem  mythos  und  der  zu  gründe  liegenden  sittlichen 
idee  nach  eng  zusammen;  dahpr  werden  die  trilogien  des  Aischylos 
oft  mit  einem  gemeinsamen  namen  benannt:  so  erwähnt  Aristo- 
phanes selbst  (Thesm.  134  f.)  noch  die  AuK0upT6ia,  andere  die  TTa- 
TpÖKXeia,  AoXujveio,  TriXeTÖveio,  'HpdiKXeia  usw.* 

ad  2)  jedes  der  drei  zu  einer  trilogie  vereinigten  stücke  hat 
seinen  besondern  prolog,  somit  kann  nicht  von  einem  gesamtprolog 
die  rede  sein,  würde  diese  Voraussetzung  gestellt,  so  müste  der 
prolog  des  Agamemnon  angeführt,  nicht  aber  dürfte  der  prolog  der 
Choöphoren  citiert  werden. 

ad  3)  weder  die  alte  noch  die  neue  kunstkritik  hat  dem  prolog 
der  Cho^phoren  eine  Sonderstellung  in  der  erwähnten  trilogie  an- 
gewiesen, so  dasz  somit  alle  drei  angenommenen  voraossetcnng^ 
hinfällig  erscheinen. 

Es  liegt  also  die  Schwierigkeit  der  vorerwähnten  stelle  aae- 
schlies^lich  in  der  sachlichen  interpretation ,  die  lediglich  durch  die 
hsl.  falsch  überlieferte  lesart  bedingt  ist.  in  den  mir  zur  Verfügung 
stehenden  kritisch-exegetischen  hilfsmitteln  ist  wunderbarer  weise 
mit  keinem  wort  auf  die  Schwierigkeiten  der  stelle  hingewiesen,  ge- 
schweige eine  befriedigende  erklärung  versucht  oder  gar  der  ein- 
zigen von  Wieseler  geistreich  vorgeschlagenen  emendation:  TrpujTOV 
hi  ^oi  T\y'  il  'OpecTciac  X^t^  erwähnung  geschehen,  unzweifelhaft 
gebührt  also  Wieseler  das  verdienst  zuerst  die  Schwierigkeit  der 
stelle  genauer  ins  äuge  gefaszt  und  durch  eine  sehr  leichte  ttndemng 
den  richtigen  weg  zur  unzweifelhaft  richtigen  lesart:  irpdiTOV  M 
^01  Tiv'  ii  'OpecTciac  X^tcic;  gezeigt  zu  haben. 

Nachschrift.  Aus  einem  mir  durch  die  gute  von  A Weidner 
in  Darmstadt  zur  Verfügung  gestellten  collegienhefte  über  die  FrOsche 
des  Aristophanes  von  EFNägelsbach  aus  1856/67  ersehe  ich,  dass 
dieser  an  unserer  stelle  'Op^CT€ia  im  engem  sinne  nimt,  insofern 
Orestes  eigentlich  erst  vom  zweiten  stück  der  trilogie  eine  rolle 
spielt,  im  übrigen  aber  den  trilogischen  Zusammenhang  in  bexug  auf 
den  durchgeführten  grundgedanken  gehörig  betont. 

Mainz.  Al£zamder  Drbsohbb. 


HWenskj:  za  Valerius  Maximus.  637 

96. 

ZU  VALERIUS  MAXIMUS. 


I  6  ext.  1.  als  Xerxes  vor  der  Zerstörung  Athens  mit  dem  plane 
umgieng  Lakedaimon  zu  überfallen,  fiel  einst  beim  mahle  ein  wunder- 
zeichen vor:  der  in  des  königs  schale  gegossene  wein  verwandelte 
sich  in  blut,  und  das  geschah  nicht  Einmal  sondern  dreimal,  wes- 
wegen von  den  zu  rate  gezogenen  magiern  die  Unterlassung  der  ge- 
planten Unternehmung  empfohlen  wurde,  dann  heiszt  es  weiter :  et 
si  guod  uestigium  in  tiaecordi  pedore  sensus  fuissety  ante  de  Leonida 
et  a  Caesar e  spartanis  ahtmde  monitum.  indem  ich  im  interesse  der 
kürze  wegen  neuerer  emendationsversnche  auf  Förtsch  emend.  Val. 
III  s.  5  f.  verweise,  beschränke  ich  mich  auf  die  darlegung  meiner 
ansieht  über  die  vorliegende  stelle,  die  ich  als  lückenlos,  wenn  auch 
als  sehr  entstellt  ansehe,  ist  abunde  monitum  ^  woran  zu  zweifeln 
kein  grund  vorliegt ,  zumal  da  die  Verbindung  aJmnde  monere  sich 
auch  I  6,  12  findet,  richtig  überliefert,  so  wird  vorher  ein  wort  ge- 
standen haben,  von  welchem  der  acc.  des  part.,  der  auch  die  deutung 
als  infinitiv  zuläszt,  abhängig  sein  kann,  als  solches  nahm  ich  nach 
den  in  a  caesare  s  liegenden  spuren  den  potentialen  cpnjunctiv  cre- 
deres  an,  den  Val.  auch  II 2, 1  gebraucht  hat.  betreffs  der  ursprüng- 
lichen gestalt  von  partanis  führte  die  erinnerung  an  III  2  ext,  3,  wo 
von  des  Leonidas  pertinacia  die  rede  ist,  wii perti/nacia  —  zunächst 
mag  das  a  am  schlusz  vor  abunde  ausgefallen  sein  —  daraus  aber 
folgte  1)  dasz  et  von  einem  Schreiber  herrührt,  der  den  vermeint- 
lichen eigennamen  Caesare  mit  dem  vorhergehenden  Leonida  ver- 
binden wollte ,  und  2)  dasz  Leonida  in  den  genitiv  zu  verwandeln 
ist.  so  ergab  sich  mir  als  resultat  die  lesart  ante  de  Leonida e 
crederes  pertinacia  abunde  monitum.  wie  sehr  die  pertinacia 
des  Leonidas  zu  der  mehrmaligen  Wiederholung  desselben  prodigium 
stimmt,  darf  wohl  kaum  hervorgehoben  werden. 

II  10,  5  cui  (P.  Butüio  exuHi)  Asiam  petenti  omnes  prouinciae 
iUius  ciuüates  legatos  secessum  eius  opperientes  obuiam  misenmt. 
exulare  quis  loco  hoc  aut  triumphare  iustius  dixerit?  im  letzten  satze 
bereiten  loco  und  aui  Schwierigkeiten ,  die  man  beseitigt  zu  haben 
glaubt  ^  wenn  man  mit  Perizonius  loco  tilgt  und  mit  den  alten  aus- 
gaben für  aut  im  zweiten  gliede  der  vermeintlichen  doppelfrage  an 
setzt,  aber  so  lange  nicht  eine  annehmbare  erklärung  dafür,  wie 
loco  in  den  text  gekommen ,  gefunden  ist  —  und  eine  solche  nicht 
zu  kennen  gibt  wenigstens  Eempf  zu  —  wird  man  das  wort  bei  her- 
Stellung  der  stelle  in  betracht  ziehen  müssen,  freilich  als  ablativ 
der  trennung  wird  es  nicht  gelten  können;  aber  was  hindert  es  als 
abl.  limit.  aufzufassen?  dann  besagen  die  worte  exulare  quis  loco 
hoc  dixerit  den  thatsachen  ganz  angemessen,  dasz  man  das,  was  dem 
Butilius  zustiesz,  ein  exil  nur  dem  orte  nach  nennen  könne,  und 
rufen  in  dieser  fassung  von  selbst  den  gedanken  wach ,  in  der  that 


638  HWensky:  zu  Valerius  Maximus. 

sei  es  ein  triumpbzug  zu  nennen,  damit  ist  zugleich  die  Verbesse- 
rung gegeben :  denn  die  werte  aut  triumphare  iustius  entsprechen 
dem  geforderten  gedanken,  wenn  aut  in  re  verwandelt  wird,  re  mag 
vor  folgendem  t  in  ret  übergegangen  und  dies  in  aiU  verbessert  wor- 
den sein,  ich  schlage  also  vor  zu  schreiben  exfdare  quis  loco  hoc,  re 
triumphare  iustius  dixerit, 

III  2,  2  inter  ceteras  enim  uirgines  (Cloelia)  öbses  Porsennae 
data  hosti  nocturno  tempore  custodiam  egressa  equum  conscendU  usw. 
hosti  ist  offenbar  verderbt  und  wurde  von  Kempf  nach  Perizonius 
Vorgang  als  überflüssig  eingeschlossen,  von  Förtsch  in  hostiSy  voa 
Halm  im  text  in  hostium  vervandelt  und  mit  custodiam  verbunden, 
was  Kempf  novae  quaest.  s.  33  mit  recht  tadelt,  weil  das  wort  selbst 
müszig  und  in  bezug  auf  seine  Stellung  verdächtig  sei.  die  Verderb- 
nis ist  somit  bis  jetzt  nicht  beseitigt;  doch  hege  ich  die  hofibung 
das  wort  durch  geringe  änderung  retten  zu  können,  es  erhebt  sich 
nemlicb ,  liest  man  obigen  satz ,  die  frage :  wie  war  es  doch  möglich 
dasz  Cloelia  trotz  scharfer  bewachung  entrinnen  konnte?  darauf 
läszt  sich  nur  die  antwort  denken,  dasz  sie  es  eben  verstanden  haben 
musz,  die  Wachsamkeit  der  Wächter  zu  teuschen;  die  andeutung  da- 
von kann  aber  sehr  wohl  in  dem  worte  fürt  im  enthalten  gewesen 
sein,  welches  ich  an  die  stelle  von  hosti  zu  setzen  vorschlage,  die 
änderung  erscheint  in  der  that  unbedeutend,  wenn  man  erwägt  was 
Halm  s.  116  im  kritischen  comm.  sagt:  'dnctus  litterarum  rt  et  st 
in  B  simillimi  sunt',  und  wird  dringend  empfohlen  durch  VI  8,  7 
cuius  furtiuum  egressum  seruus  .  .  specukUus. 

IV  1,  8.  Ti.  Gracchus  lebte  mit  den  Scipionen  in  offener  feind* 
Schaft,  als  nun  einst  Asiaticus  auf  befehl  des  consuls  ins  geföngnis 
abgeführt  werden  sollte  und  die  hilfe  der  tribunen  vergeblich  in  an- 
Spruch  nahm ,  trennte  sich  Gracchus  von  seinen  coUegen  und  faszte 
ein  Separatvotum  ab.  nee  quisquam  duhitauü  quin  in  eo  {decreto) 
scrihendo  irati  noctis  aduersus  Äsiaticum  uerhis  usurus  esset.  Kempfs 
bestechende  conjectur  ira  tinctis  hat  Halm  in  den  text  gesetzt;  Blaum 
quaest.  Val.  spec.  s.  38  tadelt  das,  weil  die  bedeutung  von  tingere 
aliquid  aliqua  re  ^einer  sache  einen  anstrich  geben'  zu  dem  vom  zu- 
sammenhange geforderten  sinne  nicht  passe,  was  Blaum  selbst  vor- 
schlägt :  irati  2>ectoriSy  liegt  von  der  Überlieferung  zu  weit  ab.  mir  ist 
irae  tenacis  eingefallen,  was  der  hsl.  lesart  fast  so  nahe  koMmt  wie 
Kempfs  conjectur  und  einen  durchaus  entsprechenden  sinn  gibt,  von 
den  Verbindungen  ira  tenax  und  irae  uerha  findet  sich  die  eine  Ov. 
ex  Ponto  1  9j  28  ne  Sit  ad  extremum  Caesaris  ira  tenax.  der  zweiten 
dürfte  an  die  Seite  zu  stellen  sein  Val.  Max.  lY  7  ext.  2  excusationis 
uerha.  übrigens  will  ich  nicht  verschweigen ,  dasz  das  adj.  tenax  in 
der  hier  erforderlichen  bedeutung  bei  Val.  sonst  nur  im  Superlativ 
vorzukommen  scheint,  wie  I  8  ext.  2.  II  6,  1  usw. 

IV  1,  14  tot  famüiis  in  uno  gcnere  laudis  enumeratis  Porcium 
fwmcn  uelut  expers  huiusce  gloriae  silcntio praetereundum  se  negat  fieri 
dcherr  posterior  Caio.  die  Wörter /?eri  dehere  sind  im  Bern,  durch  punkte 


HWenbky:  zu  Valerins  Maximus.  639 

als  unecht  bezeichnet,  aber  einerseits  wird  es  schwer  sein  nachzu- 
weisen, wie  sie  in  den  dem  Schreiber  des  Bern,  vorliegenden  text 
gekommen  sind,  anderseits  scheinen  sie  durch  II  8,  2  negauU  id  fieri 
oportere  Lutatius  als  zu  dem  von  Val.  für  seinen  gebrauch  geschaffenen 
phrasenschatz  gehörig  gesichert  zu  sein,  musz  daher  durch  emenda- 
tion  abhilfe  geschaffen  werden,  so  dürfte  es  sich  empfehlen  zu  schrei- 
ben praetereu/ndum,  sed  negat  usw.  schon  §  12  desselben  cap.  hat 
Val.  sich  darüber  beklagt,  dasz  er  so  wichtige  beispiele  so  kurz  ab- 
machen müsse ,  und  durch  den  satz  quapropter  bona  cum  uenia  duo 
MeteUiy  Macedonicus  et  Nuvnidicus  .  .  strictim  se  narrari  patiantur 
den  nahen  abschlusz  der  aufzählung  von  beispielen  wenn  auch  nicht 
geradezu  angekündigt  so  doch  vermuten  lassen,  dadurch  wäre  Cato 
von  der  erwähnung  ausgeschlossen ;  da  ihn  Val.  aber  doch  durchaus 
erwähnen  wollte,  so  gab  er  dem  den  Übergang  bildenden  satze  in 
seiner  weise  die  oben  angeführte  form,  ähnlich  verfährt  er  I  1,  9, 
wo  es  heiszt :  ohruitur  tot  et  tarn  inltistrilnis  consukUibiis  L.  Furius 
BibacuJ/us  exemplique  locwm  uix  post  MarceUum  intienü^  sed  pii  simul 
ac  religiosi  animi  laude  fraudandtis  non  est.  wenn  Val.  trotz  der  an- 
kündigung  in  §  12  auch  mit  §  14  die  reihe  der  einheimischen  bei- 
spiele noch  nicht  schlieszt,  sondern  in  §  15  auf  Cato  noch  M.  Bibulus 
folgen  läszt,  so  macht  er  sich  einer  ähnlichen  inconsequenz  schuldig 
wie  III  2  pr.  1,  2.  Kempf  gibt  nach  Torrenius  emendation  .  •  se 
negat.  negat  fieri  debere  usw. ,  Halm  nach  eigner  conjectur  .  .  enu- 
meratiSy  Porciumne . .  praeteretmdumst?  negat  usw.,  Madvig  adv.crit. 
I  91  schlägt  vor  Porcium  nomen  .  .  praetereundum  esse  negat  p.  C. 
VI  2,  7  cui  (Pompeio)  Candida  fascia  crus  adligatum  hdbenti 
Fauonius  ^non  refert*  inquit  ^qtia  in  parte  sit  corporis  diademä',  exigui 
panni  cauiUatione  regias  ei  uires  exprohrans,  at  is  netäram  inpartem 
mutato  uuüu  utrumque  cauUj  ne  aut  hilari  fronte  Ubenter  adcognoscere 
potentiam  profiteri  uideretur,  die  Wiederherstellung  des  letzten  satzes 
der  vorliegenden  stelle  hängt  von  dem  urteil  ab,  das  man  über  das 
für  Val.  unerhörte  wortgebilde  adcognoscere  hat.  wenn  man  es  mit 
Kempf  von  cognosere  und  einem  als  bessere  lesart  für  co  darüber  ge- 
schriebenen ad  ableitet,  wird  man  die  stelle  für  lückenhaft  halten 
müssen,  wie  denn  schon  im  Bern,  am  rande  aid  tristi  iram  bemerkt 
und  daraus  in  geringere  hss.  zwischen  potentiam  und  profiteri  über- 
gegangen ist.  Kempf  tadelt  diese  ergänzung  mit  recht  und  verlangt 
folgenden  gedanken :  ne  aut  hilari  fronte  Ubenter  adgnoscere  potentiam 
aut  tristi  iam  profiteri  uideretur,  Halm  ergänzt  im  text  nur  aut  tristi 
und  nimt  unter  demselben  aut  tristi  eam  als  möglich  in  aussieht, 
nach  meiner  ansieht  eignen  sich  die  wOrte  libenler  adgnoscere  und 
iam  profiteri  durchaus  nicht  zu  der  hier  erforderlichen  scharfen  anti- 
these.  das  bestimmte  mich  mir  die  Überlieferung  darauf  hin  anzu- 
sehen ,  ob  nicht  in  adcognoscere  nicht  sowohl  eine  erweiter ung  des 
textes  als  vielmehr  eine  zusammenschweiszung  ursprünglich  getrenn- 
ter Wörter  zu  suchen  wäre,  nun  entbehrt  aber  das  aut  vor  hüari  der 
correspondierenden  partikel ;  es  liegt  also  wohl  nahe  genug  die  silbe 


638  UWensky:  zu  Valerius  Maxinras. 

sei  es  ein  triumpbzug  zu  nennen,  damit  ist  zugleich  die  Verbesse- 
rung gegeben :  denn  die  worte  auf  iriumpikare  iustius  entsprechen 
dem  geforderten  gedanken,  wenn  aut  in  re  verwandelt  wird,  re  mag 
vor  folgendem  t  in  ret  übergegangen  nnd  dies  in  aut  verbessert  wor- 
den sein,  ich  schlage  also  vor  zn  schreiben  exulare  quis  looo  hoe^  re 
triumphare  iustius  dixent. 

m  2,  2  inier  cäeras  enim  uirgines  {Cloelid)  obses  Porsennae 
data  hosti  noctumo  tempore  custodiam  egressa  equum  eonseendii  nsw. 
?u>sti  ist  offenbar  verderbt  und  wurde  von  Kempf  nach  Perlsonins 
Vorgang  als  überflüssig  eingeschlossen ,  von  Förtsoh  in  hasiis ,  von 
Halm  im  text  in  hastium  vervandelt  nnd  mit  custodiam  verbunden, 
was  Kempf  novae  qnaest.  s.  33  mit  recht  tadelt,  weil  das  wort  selbst 
müszig  und  in  bezug  auf  seine  Stellung  verdSchtig  sei.   die  Verderb- 
nis ist  somit  bis  jetzt  nicht  beseitigt;  doch  hege  ich  die  hofihong 
das  wort  durch  geringe  Snderung  retten  zu  können,  es  erhebt  sich 
nemlich,  liest  man  obigen  satz,  die  frage:  wie  war  es  doch  mOglich 
dasz  Cloelia  trotz  scharfer  bewachung  entrinnen  konnte?     darauf 
Iftszt  sich  nur  die  antwort  denken,  dasz  sie  es  eben  verstanden  haben 
musz ,  die  Wachsamkeit  der  wSchter  zu  teuschen ;  die  andentnng  da* 
von  kann  aber  sehr  wohl  in  dem  worte  fürt  im  enthalten  gewesen 
sein ,  welches  ich  an  die  stelle  von  hosti  zu  setzen  vorschlage,   die 
änderung  erscheint  in  der  that  unbedeutend,  wenn  man  erwSgt  was 
Halm  s.  116  im  kritischen  comm.  sagt:  'dnctus  litterarum  ff  ets< 
in  B  simillimi  sunt',  und  wird  dringend  empfohlen  durch  VI  B,  7 
cuius  furtiuum  egressum  seruus  . .  specuJatus. 

IV  1,  8.  Ti.  Gracchus  lebte  mit  den  Scipionen  in  offener  feind- 
Schaft,  als  nun  einst  Asiaticus  auf  befehl  des  consuls  ins  gefingnis 
abgeführt  werden  sollte  und  die  hilfe  der  tribunen  veigeblich  in  an- 
spruch  nahm ,  trennte  sich  Gracchus  von  seinen  collegen  und  faszte 
ein  Separatvotum  ab.  nee  quisquam  dubitauU  quin  in  eo  {decreto) 
scrihendo  irati  noctis  aduersus  Asiaticum  uerhis  usurus  esset.  Kemp& 
bestechende  conjectur  ira  tindis  hat  Halm  in  den  text  gesetzt;  Blaum 
quaest.  Val.  spec.  s.  38  tadelt  das,  weil  die  bedeutung  Yontinffere 
aliquid  aHiqua  re  ^einer  sache  einen  anstrich  geben'  zu  dem  vom  zu- 
sammenhange geforderten  sinne  nicht  passe,  was  Blaum  selbst  vor- 
schlägt :  iraii  pectoris^  liegt  von  der  Überlieferung  zu  weit  ab.  mir  ist 
irae  tenacis  eingefallen,  was  der  hsl.  lesart  fast  so  nahe  kommt  wie 
Kempfs  conjectur  und  einen  durchaus  entsprechenden  sinn  gibt,  von 
den  Verbindungen  ira  tenax  und  irae  uerha  findet  sich  die  eine  Ov. 
ex  Ponio  l  9^  2S  ne  sit  ad  extremum  Caesaris  ira  tenax.  der  zweiten 
dürfte  an  die  Seite  zu  stellen  sein  Val.  Max.  IV  7  ext,  2  excusaüoms 
uerha.  übrigens  will  ich  nicht  verschweigen ,  dasz  das  adj.  tenax  in 
der  hier  erforderlichen  bedeutung  bei  Val.  sonst  nur  im  Superlativ 
vorzukommen  scheint,  wie  I  8  ext,  2.  II  6,  1  usw. 

rv  1,  14  tot  famUiis  in  uno  genere  laudis  enumeratis  Porcmm 
nomen  udut  expers  huiusce  ghriae  süentio praetereundum  se  negat  fieri 
debere posterior  Cato,  die  Wörter  fieri  debere  sind  im  Bern,  durch  punkte 


EBaehrens:  zu  Tacitus  Agricola.  641 

der  hss.  cupiditatem  schreibt,  wogegen  ja  die  lesarfc  des  Bern,  -täte 
nichts  zu  besagen  hat,  das  andere  gewinnt  man,  wenn  man  fUr 
a  iuuenta  setzt  iuuentam.  ich  schlage  also  vor  Pythagoras^  per- 
feäissimum  opus  sapientiae,  iuuentam  pariter  et  o,h,p,  cupiditatem 
ingressus  usw.  nicht  unähnlich  ist  V  4, 4  e^  ingenium  et  adulescentiam 
praedaro  opere  auspicatus, 

Breslau.  Hugo  Wensky. 


97. 

ZU  T  AGIT  US  AGßlCOLA. 


In  meinen  ^miscellanea  critica'  (Groningen  1878)  habe  ich  einen 
ausführlichen  kritischen  commentar  mitgeteilt  zu  dem  durch  den 
traurigen  zustand  der  Überlieferung  schwierigsten  werke  des  Tacitus, 
dem  Agricola.  mit  einem  eigentümlichen  gefQhl  gehe  ich  dem  Schick- 
sal dieser  publication  nach,  entweder  ignoriert  (weshalb  denn  einige 
resultate  derselben  später  als  neue  funde  aufgetischt  wurden,  in  die- 
sen Jahrbüchern  und  den  Leipziger  Studien)  oder  von  hyperconser- 
vativen  herausgebern  einfach  bei  seile  geschoben  oder  von  sich  klüger 
dünkenden  kritikern  so  obenhin  eingesehen  oder  endlich  vom  albernen 
schul witz  verfolgt,  hat  sie  die  beacbtung,  auf  welche  sie  anspruch 
machen  darf,  nicht  gefunden,  da  ich  schwerlich  wieder  auf  diese 
Sachen  zurückkommen  werde,  so  mögen  hier  wenigstens  noch  einige 
kleinigkeiten  nachgetragen  werden. 

c.  3  quid?  si  per  quindecim  annoSy  grande  mortalis  aeui  spatium^ 
multi  fortuitis  casihuSj  promptissimus  quisque  saeuitia  principis  inter- 
dderunt,  pauci  et  uti  dixerim  non  modo  äliorum  sed  etiam  nostri  super- 
stites  sumuSy  exemptis  e  media  uita  tot  annis,  quihus  iuuenes  ad  senec- 
tutem,  senes  prope  ad  ipsos  eooaäae  aetatis  terminosper  süentium  ueni- 
mus.  dasz  die  worte  pauci  et  uti  dixerim  durch  die  bisherigen  ver- 
suche von  Bhenanus  ua.  nicht  endgültig  gebessert  sind,  habe  ich 
misc.  crit.  s.  129  dargethan  und  vorgeschlagen  jpat^ci  et  utiq.  miseri. 
und  diesen  verschlag  halte  ich  aufrecht,  da  ich  weder  in  Comelissens 
wahnwitzigem  einfall  pauci  soluti  discrimine  noch  in  der  allen  ver- 
band mit  dem  folgenden  zerstörenden  conjectur  von  OHirschfeld 
(Wiener  Studien  V  122)  pauci  tuti  uixerunt  etwas  besseres  zu  er- 
blicken vermag,  jenes  miseri  erhält  seine  nähere  erklärung  durch 
die  folgenden  worte  exemptis  .  .  tienimuSj  in  welchen  noch  ein  bis- 
her unbemerkter  fehler  latitiert.  dasz  wer  bei  Domitianus  regierungs- 
antritt  seneXy  also  älter  als  sechzig  war,  nach  dieser  fünfzehnjährigen 
her  Schaft  bei  den  termini  exadae  aetatis  angelangt  war,  ist  eine 
durchaus  naturgemäsze  thatsache,  welche  sich  in  das  rhetorische 
pathos  dieser  stelle  nicht  fügen  will,  die  iuuenes,  also  männer  von 
30  bis  45  Jahren  (vgl.  Varro  bei  Censorinus  c.  14)  wurden  nach 
Tacitus  meinung  unnatürlich  früh  greise,  weil  jene  schreckliche 
regierung  doppelt  schwer  auf  ihnen  lastete,    passend  wird  sich  an 

Jahrbücher  für  class.  philol.  1883  hft.  9.  42 


642  EBaebrens:  zu  TacituB  Agricola. 

diese  iuuenes  die  nächstfolgende  altersstufe  anreiben,  also  derer,  die 
im  j.  81  das  45e  lebensjahr  passiert  batten;  sie  können  im  j.  96  als 
dem  tode  nabe  greise  bezeichnet  werden  in  folge  derselben  doppelt 
schweren  last,  ich  vermute  also  dasz  senes  aus  seniles  =  senior  es 
verdorben  ist. 

c.  35  et  acUoquente  adhuc  Agricola  müüum  ardor  eminebat^  et 
finem  orationis  ingens  alacrüas  consecuta  esty  statirnque  ad  arma  dis- 
cursum,  instindos  ruentesque  üa  disposuit ,  ut  pedüum  auxüia  usw. 
dasz  ein  auf  geregelten  fortgang  der  gedanken  bedachter  schrift- 
steiler den  bereits  zweimal  {ardor  —  älacritas)  ausgedrückten  begriff 
noch  zum  dritten  male  durch  instindos  wiederholt,  ist  zumal  bei 
Tacitus  einfach  unglaublich,  voll  von  kampflust  eilen  die  Soldaten 
auseinander,  um  ihre  waffen  zu  ergreifen ;  die  mit  diesen  ausgerüsteten 
stellt  Agricola  in  der  weiter  angegebenen  Ordnung  auf.  ich  vermutete 
instrudos  flir  instindos  und  fand  später,  dasz  so  schon  Lipsius  ver- 
besserte, die  ausleger  haben  es  natürlich  leicht  zu  zeigen,  dasz  in- 
stindos  Taciteisch  sei,  hüten  sich  aber  die  abscheuliche  tautologie 
auch  nur  zu  berühren ;  und  wenn  Peerlkamp  gegen  jene  conjector 
instrudos  einwendet,  dies  sei  mit  disposuit  tautologisch ,  so  will  er 
nicht  sehen  dasz  jeder  römische  leser  dazu  natürlich  nur  armis  er- 
gänzte, unklar  bleibt  noch  das  nackte  ruentesque.  weder  ein  ad 
Signa  noch  ein  in  hostem  (vgl.  c.  36  zu  anfang)  läszt  sich  dazu  er- 
gänzen; und  auch  dasjenige,  was  man  zunächst  erwartet,  in  campum 
(vgl.  c.  33  uix  munimentis  coercüum  müitem)  kann  man  dort  nicht 
ohne  weiteres  sich  dabei  denken,   mögen  andere  entscheiden. 

c.  38  ipse  peditem  atque  equites  lento  itinere^  quo  nouarum  gen- 
tium animi  ipsa  transitus  mora  terrerentur,  in  hibemis  locauU,  man 
begreift  nicht  recht,  wie  ein  langsamer  durchmarsch  durch  neu  unter- 
worfene gebiete  den  be wohnern  derselben  schreck  einjagen  kann. 
durchzog  Agricola  ihr  land  schnell,  so  mochten  sie  denken,  er  suche 
geschlagen  sich  eiligst  zu  retten,  und  deshalb  ihn  anzugreifen  ver- 
suchen; diese  gedanken  verhütete  der  langsame  durchmarsch.  von 
Tacitus  wird  stammen  tenerentur^  das  simplex  statt  des  compo- 
situm s  continerentur  oder  auch  rdinerentur. 

c.  40  adco  ut  plerique^  quibus  magnos  uiros  per  ambUionem 
acstimare  mos  est^  uiso  aspedoque  Agricola  quaererent  famam^pauci 
intcrprctarcntur,  wer  Agricola  sah  und  sich  beschaute,  der  waste 
eben  dasz  es  Agricola  war,  kannte  seinen  rühm  vollauf,  nicht  nach 
diesem  rühm  also  kann  der  beschaucr  suchen  (dh.  ihn  vermissen)^ 
wohl  aber  nach  der  ambitio^  die  man  ja  in  Rom  für  unzertrennlich 
von  einem  feldherm  oder  Staatsmann  hielt  Veshalb'  mochte  man 
sich  fragen  ^geht  dieser  grosze  mann  so  wie  der  einfachste  bUrger 
einher?'  den  wahren  grund  für  die  abwesenheit  dieser  ambUio^ 
Agricolas  politische  klugheit,  erkannten  nur  wenige,  vielleicht  ent- 
stand famam  aus  eama^y  das  will  sagen  quaererent  eam^  ab 8 entern 
panci  intcrpretarentur. 

(i  RONINGEN.  Emil  Baehrens. 


WGilbert:  zu  MartiaUs.  643 

98. 

ZU  MAßTIALIS. 


In  meiner  programmabh.  'ad  Martialem  quaestiones  criticae' 
(Dresden  1883)  habe  ich  den  von  LFriedländer  mit  allbekannter  fein- 
sinnigkeit und  schärfe  des  Urteils  namhaft  gemachten  epigrammen, 
in  denen  von  der  textgestaltung  in  Schneidewins  zweiter  ausgäbe 
abzuweichen  ist,  mehrere  stellen  beigeftlgt.  ich  gebe  dazu  hier  einige 
nachtrage ,  indem  ich  besonders  noch  mehrfach  rückkehr  zur  guten 
Überlieferung  für  erforderlich  halte  (V  33,  1.  Xu  6,  8.  XII  97,  8. 
XIII  17,  besonders  aber  XI  108,  4.  XIII  89,  1.  XIV  201,  2;  vgl. 
auch  VI  88,  3  und  XIV  183). 

II 55, 2  vis  te,  Sexte,  coli:  völebam  amare.  \  parendum  est  tibi: 
quod  iuhesy  coleris:  \  sed  si  te  colOy  Sexte,  non  amäbo.  in  v.  2  ist 
zwar  coleris,  wie  Schneidewin  II  mit  Scriverius  schreibt,  ebenso  gut 
bezeugt  (durch  P)  wie  das  von  Schneidewin  I  aus  fam.  C^  aufge- 
nommene edlere,  jedoch  entscheidet  für  colere  der  so  entstehende, 
höchst  angemessene  gleichklang  mit  amare,  den  sich  Martialis  schwer- 
lich entgehen  liesz. 

in  25,  3  Sdhi7M£um  schreibt  Schneidewin  II  mit  zwei  hss.  der 
fam.  C ^  (CG)  und  mit  iß  (?).  P  hat  Sabi^^eum.  gerade  die  besten 
der  fam.  C^  (XAB)  und  auszerdem  Q  bieten  Sabineium.  letzteres 
ist  wieder  aufzunehmen:  es  ist  ebenso  aus  SabimAS  gebildet  wie 
Apuleius  aus  dem  völkemamen  Apuhis, 

IV  58,  2  in  tenebris  luges  amissum,  QäUa,  maritum,  \  iamplo- 
rarepudet  te,  puto,  GaUa,  virum.  in  v.  2  hat  iam  TC,  nam  P,  non 
XAB.  iam  läszt  keine  befriedigende  erklttrung  zu.  wie  schon 
Schmieder  erkannte  (vgl.  Guttmann  observ.  in  Hart.,  1866,  s.  55  ff.), 
ist  nam  aufzunehmen,  aus  dem  sich  auch  die  beiden  andern  lesarten 
palftographisch  leicht  erklären,  der  Galla  wird  ironisch  angedichtet, 
dasz  sie  den  verstorbenen  gatten  nur  im  stillen  kämmerlein  be- 
trauere (in  Wahrheit  betrauert  sie  ihn  wohl  gar  nicht):  denn  ihn 
offen  zu  betrauern  schäme  sie  sich  wohl,  natürlich  weil  sie  dem 
lebenden  keine  treue  gattin  gewesen. 

V  21:  das  epigramm  über  den  rhetor  Apollodotus,  der  erst, 
nachdem  er  die  namen  aufgeschrieben  und  memoriert  hat,  jeden  mit 
richtigem  namen  grüszt,  schlieszt  Schneidewin  nach  T  mit  den  Wor- 
ten scripserat  et  didicit.  jedoch  ist  das  plusquamperfect  nicht  recht 
angemessen  und  deshalb  die  lesart  der  andern  hss.  scripsU  et  edidieU 
vorzuziehen,  das  e  vor  didicit  konnte  nach  6^*leicht  ausfallen,  und  dann 
lag  es  nahe  den  vers  durch  Veränderung  des  tempus  herzustellen. 

V  33, 1  carpere  catisidicus  fertwr  mea  carmma:  quis  sit,  nescio. 
alle  guten  hss.  haben  qui  sit,  das  also  nicht  ohne  weiteres  zu  besei- 
tigen ist.  man  könnte  qui  adjectivisch  fassen  und  causidicus  er- 
gänzen, doch  ist  wohl  auch  substantivisches  qm  statt  ^is  statthaft« 
vgl.  Carmen  de  figuris  56  (s.  65  Halm)  und  auszerdem  Sali.  Cot* 

42* 


644  WGilbert:  zu  Martialis. 

44,  5  {qui  sim),  wo  ebenfalls  substantivisches  qui  statt  quis  von  den 
besten  hss.  (den  beiden  Paris,  und  dem  Vat.)  bezeugt  und  von  Ger- 
lach (Heidelb.  jahrb.  1868  s.  900),  vLeutsch  (Philol.  XXI  s.  30), 
Eussner  (jahrb.  1871  s.  409),  Schmalz  (jahrb.  1882  abt.  II  s.464), 
Meusel  (zs.  f.  d.  gw.  XXXIV  s.  22)  verteidigt  wird. 

Y  50, 3  meque  velis  stricto  medium  transfigere  ferro j  \  si  nostrum 
sine  te  scis  cäluisse  focum,  velis  T,  potes  XABG,  putes  Pgl.  war 
wirklich  velis  die  echte  lesart,  so  sieht  man  nicht  ein  wie  das  sinn- 
lose putes  und  das  zum  mindesten  nicht  naheliegende  po^es  als  ersatz 
des  ohne  weiteres  verständlichen  velis  in  den  text  kam ,  während  ur- 
sprüngliches potes  leicht  in  putes  corrumpiert  und  durch  die  inter- 
polation  vdis  ersetzt  werden  konnte,  und  in  der  that  scheint  |>o^e5 
wohl  erklärbar  als  ^du  bist  dazu  im  stände ,  du  kannst  es  ttber  dich 
gewinnen';  vgl.  Verg.  georg.  III  463.  Aen.  XI  325. 

VI  88,  3  quanti  lihertas  constet  mihi  tanta,  requiris:  besser 
bezeugt  (durch  TXB)  und  somit  aufzunehmen  ist  constat. 

VIII  34  archetypum  Myos  argentum  te  dicis  habere,  |  guod  sine 
te  factum  est^  hoc  magis  archetypum  est,  so  gibt  das  epigramm  keinen 
befriedigenden  sinn,  mir  scheint  der  pentameter  als  frage  zn  fassen 
zu  sein,  nur  das  kann  zweifelhaft  bleiben,  ob  man  guod  als  pronomen 
oder  als  causale  conjunction,  hoc  als  nominativ  oder  als  ablativ  an- 
zusehen hat.  in  letzterm  fall  ist  zu  überzusetzen :  ^ist  es  etwa  des- 
halb, weil  du  selbst  nicht  bei  der  fälschung  gewesen  bist,  in  höherem 
masze  original  (als  wenn  dies  der  fall  gewesen  wäre)?' 

IX  61,  17  hesternisque  rubens  deieäa  est  herba  coronis  *herab- 
geworfen  (auf  den  boden)  ward  von  angewelkten  rosenkränzen  ge- 
rötetes gras'  ist  sinnlos,  der  Zusammenhang  verlangt  ^angewelkte 
rosenkränze  wurden  geworfen  auf  den  dadurch  sich  rötenden  gras- 
boden'.  deieda  esf  (so  P$Q;  ddecta  est  fam.  C*)  ist  verderbt;  den 
richtigen  sinn  ergibt  Heinsius'  conjectur  repleta  est]  ich  vermute 
distincta  est,  was  mir  minder  gewaltsam  und  geschmackvoller  er- 
scheint und  sich  noch  besser  mit  dem  prädicativen  rubens  verbindet. 

XI  108  quamvis  tarn  longo  possis  satur  esse  libeUo,  \  ledory  adhue 
a  me  disticha  pauca  petis,  \  sed  Lupus  usuram  puerique  diaria 
posctmt.  I  Icctor,  salve,  taces  dissimulasque?  vcUe.  hier  ist  saUve 
von  Scriverius  und  Schneidewin  aus  schlechten  hss.  statt  solve  auf- 
genommen. Birt  (buchwesen  s.  155)  kehrt  zur  Überlieferung  zurück, 
freilich  indem  er  den  gebrauch  von  dissimulare  verkennend  (vgl.  IV 
88,  10.  V  16,  14.  V  25,  11)  das  gedieht  falsch  erklärt,  ist  aber  auch 
die  hergebrachte  erklärung  richtig,  wonach  Mart.  durch  die  mit- 
teilung,  dasz  sein  gläubiger  Lupus  zinsen  und  seine  sklaven  kost- 
geld  von  ihm  fordern ,  nicht  allein  den  wünsch  weiterer  distichen 
ablehnt,  sondern  zugleich  vom  leser  sich  ein  honorar  durch  die  blume 
erbettelt,  so  ist  doch  zweifellos  zu  der  Überlieferung  ^oZve  zurück- 
zukehren, denn  abgesehen  davon  dasz  salve  ungereimt  ist,  da  doch 
Mart.  den  leser  nicht  erst  begrüszen  kann,  nachdem  sie  schon  zu- 
sammen geredet  haben,  ist,  was  merkwürdigerweise  auch  Birt  nicht 


WGilbert:  zu  Martialis.  645 

beachtet  hat ,  die  messung  scdv^  unerhört  und  keineswegs  durch  das 
bei  Schneidewin  gegebene  citat  gerechtfertigt,  von  imperativen  der 
zweiten  conjugation  gestatten  die  kürzung  bekanntlich  (vgl.  LMüller 
de  re  metrica  s.  340)  nur  die  iambischen  mde^  cave  und  höchstens 
noch  väle. 

XII  6,  7  made  ammi^  quem  rarvs  hohes  ^  morumque  ttwrum^  \ 
quos  Nnrnüy  quos  hüaris  posset  habere  Cato.  für  passet ,  das  Scri- 
verius  und  Schneidewin  aufgenommen  haben,  lautet  die  Überliefe- 
rung der  guten  hss.  possit.  und  dies  ist  nicht  zu  beanstanden,  wenn 
auch  Numa  und  Cato  der  Vergangenheit  angehören.  Mart.  rückt 
nemlich  auch  sonst  die  historischen  repräsentanten  altvaterischer 
strenge  in  die  gegenwart,  indem  er  sie  gewissermaszen  als  generische 
begriffe  und  als  typen  von  dem  banne  der  Vergangenheit  löst.  vgl. 
XI  15,  1  f.  stmt  chartae  mihi^  quos  Catonis  uxor  et  quos  horri- 
hiles  legant  Sahinae  (natürlich  die  von  den  genossen  des  Bo- 
mulus  geraubten).  IX 40, 5  quam  castae  quoque  diligunt Sabinae. 
XI 16,  9  f.  erubuU  posuitque  meum  Lucretia  librum^  sed  coram  Bruto; 
Brute^  recede:  leget,  hier  aber  ist  dies  um  so  berechtigter,  da  der  Zu- 
satz hüaris  ausdrücklich  bekundet,  dasz  Cato  nicht  die  historische 
persönlichkeit,  sondern  den  typus  bezeichnet  (^ein  Cato,  aber  nicht 
der  historische  ernste ,  sondern  ein  heiterer'). 

XII  26  ist  zu  interpungieren : 

Sexagena  teras  cum  limina  mane  Senator , 

esse  tibi  videor  desidiosus  eques^ 
quod  non  a  prima  discurram  luce  per  urbem 

et  referam  lassus  basia  miüe  domum, 
5  sed  tu ,  purpureis  ut  des  novo  nomina  fastis 

aut  Nomadum  gentes  Cappadocumve  regas: 
at  mihi ,  quem  cogis  medios  abrumpere  somnos 

et  matutinum  ferre  patique  lutum , 
quid  petitur?  rupta  cum  pes  vagus  exü  ohtta , 
10       et  subitus  crassae  deddit  imber  aquae 
nee  venit  ablatis  clamatus  verna  lacernis , 

accedit  gdidam  servus  ad  auriculam 
et  Wogat  ut  secum  cenes  Laetorius*  inquit, 

V.  5  stand  ein  komma  nicht  hinter  sed  tu^  sondern  hinter  fastis.  aber 
von  ut  hängt  nicht  blosz  des  ab,  sondern  auch  rega8\  und  sedtu^ 
wozu  man  fads  oder  discurris  et  basia  refers  zu  ergänzen  hat,  ist  der 
hauptsatz.  sodann  stand  ein  komma  nicht  am  ende  von  v.  9,  son- 
dern am  ende  von  v.  10;  aber  6inen  gedanken  drücken  nicht  v.  9 
und  10,  sondern  v.  10  und  11  aus. 

Xn  94,  9  quid  minus  esse  potest?  epigrammata  fingere  coepi:  \ 
hinc  etiam  petitur  iam  mea  palma  tibi,  \  elige  quid  nolis:  quis  enim 
pudoTj  omnia  veUe?  \  et  si  quid  non  vis^  Tucca,  relinque  mihi.  v.  10 
hat  palma  nur  T,  die  andern  hss.  haben  fama,  dies  ist  aufzunehmen, 
da  palma  hier  zu  vornehm  klingt  (vgl.  quid  mvnus  esse  potest?). 


646  WGilbert:  zu  Martialis. 

übrigens  empfiehlt  es  sich  v.  11  die  interpunction  hinter  nolis  zu 
streichen  und  quis  enim  pudor,  omnia  veUe?  in  parenthese  zu  setzen. 

XII  97,  6  6^  ^  ad  dominam  reversa  languet  \  müUis  mentrda 
müihus  redempta;  quae  nee  vodbus  exeüata  hlandis^  \  moUipoUice 
nee  rogata  surgU.  hier  ist  quae  nee  (v.  8)  nur  conjectur  (von  Hein- 
sius)  und  überdies  meines  erachtens  recht  matt,  die  Überlieferung 
der  fam.  C^  vel  ne  ist  sinnlos,  aber  trefflich  ist  die  lesart  von  P 
sed  nee.  an  dieser  üblichen  form  der  Steigerung  kann  man  unmög- 
lich anstosz  nehmen,  hat  man  sich  einmal  von  der  vorgefaszten  an- 
nähme einer  corresponsion  der  beiden  nee  (v.  8  und  9)  freigemacht 
und  erkannt ,  dasz  hier  sed  nee  den  sinn  von  sed  ne  —  quidem  hat. 

XIII  6.  Schneidewin  schreibt  im  lemma  und  im  text  mit  fam. 
C  ^  halieay  obwohl  aliea^  die  wissenschaftlich  begründete  Schreibung 
(vgl.  Brambach  neugestaltung  der  lat.  Orthographie  s.  284),  hier 
durch  RTF  bezeugt  ist.  dies  ist  um  so  auffallender,  da  er  ä  37,  6 
alica  statt  halica  mit  recht  gegen  die  Überlieferung  einsetzt,  auch 
XU  81,  2  f.  ist  aliculam  und  alicam,  Xm  9,  2  alica  zu  schreiben, 
obwohl  an  diesen  stellen  die  guten  hss.  sämtlich  (XIII  9,  2  auch  T) 
die  mit  h  anlautenden  formen  bieten. 

XIII  17  im  lemma  haben  alle  guten  hss.  nicht  fasces  coUcuUf 
sondern  faseis  eöliculi, 

Xlll Sdy  1  DauniusIkiganeilfiptAsexcipitofuTimavi^  \  aequo- 
reo  diUces  cum  sale  pastus  aquas,  die  lesart  Daunius  setzt  Wande- 
rungen dieser  hechte  voraus,  die  wohl  schwerlich  nachweisbar  sind; 
aber  sie  ist  auch  nur  eine  conjectur  von  Heinsius.  laneus^  worauf 
auch  lau/nius  in  T  weist  und  das  in  P  und  in  fam.  C  *  direct  überliefert 
ist,  musz  ohne  zweifei  wieder  in  den  text  aufgenommen  werden, 
denn  mögen  auch  zunächst  die  ^wolligen  hechte'  befremden,  so 
ist  doch  der  ausdruck  gesichert  und  erklärt  durch  latuscuLum  laneum 
bei  Catullus  25, 10,  besonders  aber  durch  Plinius  n.  h.  IX  61  lupo- 
rum  laudatissimi  qui  appeUantur  lanati  a  candore tnoUUieque camis, 

XIV  5.  das  adjectiv  eborei  (oder  eburnei)  findet  sich  im  lemma 
von  XIV  5.  12.  14.  91.  an  diesen  vier  stellen  haben  die  familien  B 
und  C*  durchweg  eborei,  T,  in  welchem  XIV  91  fehlt,  hat  an  den 
drei  übrigen  stellen  eburei.  B,  in  welchem  XIV  14  und  91  fehlen, 
hat  XIV  5  und  12  eburnei.  es  ist  wohl  nur  ein  versehen  von  Schneide- 
win, dasz  er  XIV  12  und  14  eburnei^  XIV  5  und  91  eborei  schreibt; 
er  hatte  wohl  beabsichtigt  vielmehr  XIV  5  und  12  eburnei  (aus  B) 
aufzunehmen,  indessen  wenn  das  geschieht,  wie  auch  ich  es  für 
richtig  halte,  so  ist  bei  der  consequenz  der  hss.  in  diesem  punkte 
das  Zeugnis  von  B  ohne  zweifei  auch  für  die  zwei  in  B  nicht  ent* 
haltenen  lemmata  geltend  zu  machen  und  an  allen  vier  stellen 
eburnei  zu  schreiben. 

XIV  44  esse  vides  lignum:  servas  nisi  lumina^  fiat  \  de  cande- 
labro  magna  lucema  tibi,  der  nur  in  T  bezeugte  potentiale  con- 
junctiv  fiat  ist  matt  gegenüber  dem  in  allen  andern  hss.  überliefer- 
ten futurum  fiet. 


% 


WGilbert:  zu  Martialis.  647 

XIY  176.  bei  Schneidewin  lautet  das  \emmsi  persona]  aber 
diese  bezeichnung  ist  ungenügend,  da  man  so  zunächst  an  eine 
schauspielermaske  denken  würde,  alle  guten  hss.  auszer  T  fügen 
den  erforderlichen  zusatz  Germana  (P  Germanica)  hinzu,  sollte  man 
daran  anstosz  nehmen,  dasz  im  text  (v.  1)  an  die  stelle  des  Ger- 
manen ein  Bataver  tritt,  so  ist  zu  erinnern,  dasz  die  Bataver  zur 
provinz  Germania  inferior  gehörten ,  und  dasz  auch  spuma  Batava 
und  spuma  Chattica  (VIII  33,  20  und  XIV  26,  1)  ungefÄhr  das 
gleiche  bezeichnen,  auch  sonst  läszt  T  im  lemma  ein  erforderliches 
adjectivum  aus:  so  XIV  180,  wo  Birt  mit  recht pida  aus  den  übri- 
gen hss.  zugefügt  hat,  und  XIV  222,  wo  niemand  an  der  notwendig- 
keit  des  Zusatzes  dfddarius  zweifelt. 

XIV  183.  man  hat  als  lemma  hisher  Homeri  Batrachomyomachia 
angenommen,  aber  BT  {hratacomachia)  und  auszerdem  G  {Jbatra 
comacMa)  lassen  den  die  mause  bezeichnenden  teil  des  compositums 
weg,  und  auch  im  text  {perlege  Maeonio  cantatas  carmine  ranas) 
werden  nur  die  frösche  genannt,  daher  ist  Homeri  Batracho- 
machia  zu  schreiben,  dasz  diese  form  des  titeis  auch  bei  griechi- 
schen Schriftstellern  nachweisbar  ist,  ersehe  ich  aus  Stephanus 
Sprachschatz;  und  dasz  sie  sogar  mehrfach  in  den  hss.  des  gedichts 
selbst  steht,  hat  mir  LFriedländer  gütigst  mitgeteilt,  bei  römischen 
Schriftstellern  wird  der  titel  überhaupt  nur  noch  Einmal  genannt, 
nemlich  bei  Statins  süv,  I  praef.;  da  dort  die  ed.  pr.  ebenfalls  batra- 
chomachia  hat,  so  könnte  dies  aus  guten  hss.  entnommen  sein ;  doch 
habe  ich  nicht  die  mittel  zur  band  dies  zu  entscheiden. 

XIV  197  ^15  tibi  de  mülis  non  est  metuenda  ruina:  \  aUius  in 
terra  saepe  sedere  söles,  saepe,  das  Schneidewin  aus  T  und  Vind.  3 
aufgenommen  hat,  ist  witzlos:  denn  so  enthielte  der  pentameter  die 
ernste  angäbe,  dasz  man  oft  auf  der  erde  höher  säsze,  nemlich  wenn 
bodenerhebungen  einen  natürlichen  sitz  bilden,  die  übrigen  hss. 
haben  paene\  also  sagt  Mart.  in  witziger  und  anmutender  Über- 
treibung :  'da  sitzt  man  ja  beinahe  auf  ebenem  boden  höher.' 

XIV  201  pälaestrita.  \  non  amo  quod  vincat^  sed  quod  stu^cumbere 
novit  I  et  dididt  melius  rrjv  dvaKXivoTtaXriv,  Schneide wins  verdienst 
um  dieses  epigramm  ist  kein  geringes,  denn  Scriverlus  las:  non 
amo  qui  vincity  sed  qui  succumbere  non  vult  et  dicit  melius  r^v 
ccvccKkivoTtdkrjv,  und  erst  Schneidewin  setzte  die  beiden  quod,  so- 
dann novit  und  dididt  sämtlich  nach  der  bessern  Überlieferung  ein. 
ob  die  aufnähme  von  vincat ,  das  nur  in  T  bezeugt  ist,  ebenso  erfor- 
derlich war,  kann  fraglich  erscheinen;  indes  gefällt  auch  mir  vincat 
besser,  wenngleich  der  sinn  des  causalsatzes  durch  die  vertauschung 
des  indicativs  mit  dem  conjunctiv  nicht  wesentlich  geändert  wird, 
jedoch  statt  dvaKXivoTräXriv ,  das  weder  bezeugt  noch  sinngemäsz 
ist,  musz  dTTiKXivoTrdXTiv  geschrieben  werden,  direct  überliefert 
ist  im  (epi,  epi)  in  XAG,  auch  die  lesarten  von  T  (tenet  dinopalen) 
und  P  (tenerestino  palen)  weisen  darauf  hin.  und  Schneidewin  hatte 
eigentlich  keinen  grund  TfjV  dTTiKXiVOTrdXiiv  zu  verschmähen,  während 


648  KZacher:  zu  Taciius  annalen  [iV  57], 

freilieb  Scriverius,  der  non  vuU  statt  novit  las,  nichts  damit  an- 
fangen konnte.  dvaKXivoTrdXiiv ,  das  griechisch  im  sinne  von 
xraYKpäTiov  vorkommt,  conjicierte  man  nemlich  (so  schon  in  der 
Aldina  1501,  in  der  Yeneta  1480,  in  den  lemmata  Domitii  Calderini)^ 
weil  man  die  obscönität  des  epigramms  nicht  verstand,  aber  diese 
ist  zweifellos:  dTTiKXivondXTiv  bedeutet  nemlich  dasselbe  wie  kXivo- 
TidXnv  (Suet.  Domü,  22),  mag  man  nun  das  wort  als  xfjv  irA  r^ 
kXivij  TrdXriv  oder  als  xfjv  Tifi  dTiiKXiveiv  tiTVO|li^vtiv  TrdXiiv  (dm- 
kXiv€IV  ^nach  vom  neigen')  erklären,  während  ein  obscönes  dva- 
KXivoTrdXriv  (dvaKXiveiv  'nach  rückwärts  sich  neigen')  allenfalls  auf 
eine  frau,  keinesfalls  aber  auf  einen  cinaedus  passen  würde,  und  zu 
dieser  auslegung  passt  trefflich  melius  (dh.  «besser  als  die  eigent* 
liehe  TrdXn»)  und  ebenso  das  doppelsinnige  succumherey  das  sehr 
häufig  obscön  ist.  endlich  wird  auch  sonst  der  pcHaestrüa  neben 
dem  concuhinus  genannt:  III  82,  20  f.  partitur  apri  glanduHas pa- 
laestritis  et  concuhino  turturum  nates  donat 

Dresden.  Walthbr  Gilbert. 


99. 

ZU  TACITÜS  ANNALEN. 


Im  57n  cap.  des  vierten  buchs,  in  welchem  die  gründe,  welche 
Tiberius  veranlaszt  haben  möchten  sich  nach  Campanien  zurück- 
zuziehen ,  besprochen  werden ,  sind  die  werte  ä  Bhodi  secreto  vUare 
coetuSy  recondere  vduptates  insueraJt  an  der  stelle,  an  welcher  sie  über- 
liefert sind,  sinnlos,  der  gedankengang  ist  folgender:  *ich  habe  als 
Ursache  des  entschlusses  Rom  zu  verlassen  oben  die  einflüsterungen 
Sejans  bezeichnet,  damit  der  verbrei totsten  tradition  folgend,  da 
Tiberius  aber  auch  nach  dem  stürze  Sejans  noch  sechs  jähre  in  jener 
einsamkeit  blieb,  so  neige  ich  mich  jetzt  vielmehr  dazu  anzunehmen, 
sein  cntschlusz  sei  aus  eignem  antrieb  hervorgegangen,  indem  er  auf 
diese  weise  sich  seinen  leidenschaften  und  begierden  ungestört  uno" 
unbewacht  hingeben  konnte,  manche  glaubten,  er  habe  sich  seines 
körperlichen  aussehens  geschämt,  denn  er  hatte  eine  hagere  gebückte 
gestalt,  einen  kahlen  scheitel  und  das  gesiebt  von  geschwüren  be- 
deckt, auch  in  der  einsamkeit  von  Rhodos  hatte  er 
menschenverkehr  gemieden,  seine  begierden  im  ge- 
heimen befriedigt,  andere  erzählen,  die  herschsucht  seiner 
mutier  hübe  ihn  hinausgetrieben.'  was  sollen  jene  werte  in  diesem 
Zusammenhang?  sie  könnten  doch  nur  etwas  besagen  sollen,  was 
jene  manche  als  stütze  für  ihre  annähme  anführten,  aber  dasz  er 
in  Rhodos  sich  zurückzog,  um  seinen  lüsten  zu  fröhnen,  kann 
nicht  wohl  als  stütze  angeführt  werden  für  die  annähme,  er  habe 
sich  jetzt  zurückgezogen,  weil  er  sich  seines  aassehens 
schämte,  man  versetze  die  fraglichen  werte  y o r  die  periode,  hin- 
ter der  sie  jetzt  stehen,  und  es  ist  alles  in  Ordnung,   da  passen  sie 


SWidmann:  dififerentiae  sermonam.  649 

hin  als  stütze  des  motivs,  das  Tacitus  selbst  dem  Tiberius  unter- 
schiebt: ^er  habe  sich  zurückgezogen,  um  in  der  einsamkeit  sich 
seinen  leidenscAften  hinzugeben  —  wie  er  das  ja  überhaupt  so  zu 
machen  pflegte  (dies  die  bedeutung  des  part.  praes.  occuUantem  von 
der  bleibenden  Charaktereigenschaft),  habe  er  es  ja  doch  schon  in 
Bhodos  gerade  so  gemacht.'  dann  ist  auch  das  folgende,  wo  die  ab- 
weichenden ansichten  anderer  angeführt  werden,  klarer,  und  die 
ganze  disposition  des  capitels  durchsichtiger. 

Durch  diese  Umstellung  würde  also  der  betreffende  passus  fol- 
genden Wortlaut  erhalten:  catisam  ahscessus  quam  quam  secutus 
plurimos  auctorum  ad  Seiani  artes  rettuli^  quia  tamen  caede 
eius  patrata  sex  postea  annos  pari  secreto  conhmxit^  plerumque 
permoveor^  num  ad  ipsum  referri  verius  sit^  saevUiam  ac  Ubidinem^ 
cum  fadis  promeret,  locis  occuUantem.  et  Bhodi  secreto  vitare 
coetus,  recondere  voluptates  insuerat.  erant  qui  cre- 
derent  in  senedute  corporis  quoque  hahüum  pudori  fuisse:  quippe 
iUi  praegracüis  et  incurva  proceritaSy  nudus  capiUo  Vertex  ^  ulcerosa 
fades  ac  plerumque  medicaminibus  interstinda.  traditur  etiam 
matris  inpotentia  extrusum  usw. 

Breslau.  Konbad  Zaoher. 

100. 

DIFPERENTIAE  SERMONÜM. 


In  einem  kleinen,  aber  dicken  bändchen  aus  dem  fünfzehnten 
Jh.,  welches  mir  zufällig  von  dem  besitzer,  hrn.  geistl.  rat  pfarrer 
Zaun  zu  Eiedrich  im  Bbeingau  gezeigt  wurde ,  fand  ich  am  anfang 
und  am  ende  je  ein  pergamentblatt,  welches  ehemals  die  Innenseite 
der  holzdeckel  bekleidet  hatte ,  jetzt  aber  von  diesen  losgelöst  ist. 
da  die  schrift  weit  älterer  zeit  anzugehören  schien  als  die  des  buches 
selbst,  bat  ich  mir  die  hs.  aus  und  erhielt  sie  in  zuvorkommender 
weise  vom  besitzer  geliehen. 

Das  büchlein  enthält  von  einer  band  aus  dem  ende  des  15n  jh. 
eine  abhandlung  über  das  hl.  altarsacrament  zum  teil  in  versen.  der 
titel  ist  nur  teilweise  lesbar :  Continentur  in  hoc  liheUo  mdrice  seu 
sub  versibu^  \  Nomen  (?  rot  geschrieben ,  kaum  erkennbar)  |  Jßumi- 

natorium (ein  rot  geschriebenes  wort  gänzlich  verwischt) 

sacramenti]  darunter  abermals  spuren  eines  rot geschi*iebenen  wortes. 
Cum  exercitio  Scolari  sacre  communionis  singulis  \  feriis  certa  punda 
singulorum  graduum  compre\hend€ns  ante  d  post  sacram  communuh 
nem,  vor  dem  titelblatt  sind  noch  zwei  papierblätter  eingeheftet, 
welche  von  einer  band  des  16n  jh.  die  bemerkung  tragen:  Ad  usum 
venerabüis  Domini  patris  Qerhardi  Lapidei  Coloniensis  Suppriorisque 
monasterii  WerdenensiSy  anno  1535  und  von  derselben  band  mehrere 
Sinnsprüche,  der  lederdeckel  zeigt  eingepresst  zwei  medaillons,  eine 
madonna  mit  dem  kinde  vom  Strahlenkranz  umgeben,  eine  anbetung 


64S  KZacher:  zu  Taciias  annalen  [lY  57]. 

freilich  Scriverias,  der  non  vtdt  statt  novit  las,  nichts  damit  an- 
fangen konnte.  dvaKXivoTrdXiiv ,  das  griechisch  im  sinne  von 
iraTKpdTiov  vorkommt,  conjicierte  man  nemlich  (so  schon  in  der 
Aldina  1501,  in  der  Veneta  1480,  in  den  lemmata  Domitii  Calderini)» 
weil  man  die  obscönität  des  epigramms  nicht  verstand,  aber  diese 
ist  zweifellos:  ^TTiKXivondXTiv  bedeutet  nemlich  dasselbe  wie  kXivo- 
irdXnv  (Suet.  Domü.  22),  mag  man  nun  das  wort  als  Tf|v  dm  t^ 
kXivij  TrdXtiv  oder  als  Tf|V  ti|i  ^TriicXiveiv  tiTVO|li^vtiv  irdXiiv  (diri- 
KXiveiv  'nach  vom  neigen')  erklären,  während  ein  obscönes  dva- 
KXtvoTrdXnv  (dvaKXiveiv  'nach  rückwärts  sich  neigen')  allenfalls  auf 
eine  frau,  keinesfalls  aber  auf  einen  cinaedus  passen  würde,  und  zu 
dieser  auslegung  passt  trefflich  melius  (dh.  «besser  als  die  eigent- 
liche TTdXii»)  und  ebenso  das  doppelsinnige  sitccumberey  das  sehr 
häufig  obscSn  ist.  endlich  wird  auch  sonst  der  pcUaestrüa  neben 
dem  concuhinus  genannt:  III  82,  20  f.  partüur  apri  glandulas  pa- 
laestrüis  et  concuhino  turturum  nates  donat. 

Dresden.  Walther  Oilbbrt. 


99. 

ZU  TACITÜS  ANNALEN. 


Im  57n  cap.  des  vierten  buchs,  in  welchem  die  gründe,  welche 
Tiberius  veranlaszt  haben  möchten  sich  nach  Campanien  zurück- 
zuziehen ,  besprochen  werden ,  sind  die  werte  ä  Bhodi  secreto  vUare 
coetus,  recondere  völuptates  instierat  an  der  stelle,  an  welcher  sie  über- 
liefert sind ,  sinnlos,   der  gedankengang  ist  folgender :  *ich  habe  als 
Ursache  des  entschlusses  Bom  zu  verlassen  oben  die  einflüsterungen 
Sejans  bezeichnet,  damit  der  verbreitetsten  tradition  folgend,    da 
Tiberius  aber  auch  nach  dem  stürze  Sejans  noch  sechs  jähre  in  jener 
einsamkeit  blieb,  so  neige  ich  mich  jetzt  vielmehr  dazu  anzunehmen, 
sein  entschlusz  sei  aus  eignem  antrieb  hervorgegangen,  indem  er  auf 
diese  weise  sich  seinen  leidenschaften  und  begierden  ungestürt  uno 
unbewacht  hingeben  konnte,  manche  glaubten,  er  habe  sich  seines 
körperlichen  aussehens  geschämt,  denn  er  hatte  eine  hagere  gebückte 
gestalt,  einen  kahlen  scheitel  und  das  gesiebt  von  geschwüren  be- 
deckt,    auch    in    der    einsamkeit  von   Bhodos  hatte   er 
menschenverkehr    gemieden,    seine   begierden  im   ge- 
heimen befriedigt,    andere  erzählen,  die  herschsucht  seiner 
mutter  habe  ihn  hinausgetrieben.'   was  sollen  jene  werte  in  diesem 
Zusammenhang?   sie  könnten  doch  nur  etwas  besagen  sollen,  was 
jene  manche  als  stütze  für  ihre  annähme  anführten,   aber  dasz  er 
in  Rhodos  sich  zurückzog,  um  seinen  lüsten  zu  fröhnen,  kann 
nicht  wohl  als  stütze  angeführt  werden  für  die  annähme,  er  habe 
sich  jetzt  zurückgezogen,    weil    er    sich   seines  aussehens 
schämte,  man  versetze  die  fraglichen  werte  vor  die  periode,  hin- 
ter der  sie  jetzt  stehen,  und  es  ist  alles  in  Ordnung,  da  passen  sie 


SWidmann:  differentiae  sermonum.  651 

nMximü     q;q;     astra     ac     leuia    .     astra     uero 

es      ornatos      cell      commonit     dici     posst 

astra  poBSxmt        sine        siderib;         sidera        sine 

astris    ee     n    possunt     .     astra    fixa,     sidera 

10  mouentur     .      |>digium     qd     solidis     corporib; 

prospidtuT  .  Ut  in  celo  motata  -t-/P  (in)  facie  gladii 

Tnonstrü      contra     natura      cognitam      ut     ser 

pens  cum  1  Is  ü  1 

fol.  I  s.  1  .^  ,  ^  __  ... 

necessitas     detur     .     Jn      sj^     pnncipium 

totius  corporis  .  initiü  qsi  pmü  initium  rei; 
in  jq  simulamus  que  nescimus  scire  desimu 
lamus  qtie  scire  negamus  .  Jn  je[  |>mittimus 
6  roga^i    pollicimus     ultro     .     Jn     neminem 

&  (et)  nnUü.  4*  nullus  ad  uniuersa  pot  -r-  refer 
ri  nemo  ad  homine  intus  et  intro.  Ji'Cf  intro 
a  et  intus  sum  .  intus  et  foris  intus  uenio 
/bris  sum  Jn  lustra  producte  et  lustra  correpte 
10  2ustra   producte    certa    tempora    lustra   cor 

Zo^bula      ferat       uel       turpiü      hominum 

receptacula   .  Jn  4;  seruitus   necessitas   ser 
tiiendi  seruitium  dicimus  1 

8.  2         uolumen  a  uoluendo 

uoluntas  animi     uoluntas     corporis 

uorunculas  moherth 

urbanus  sapiens     t     uir      iucundi; 

5  urbane  sapi  electe  sapientie 

urbane  elegant  i*  iucunde 

uua   assa   uua   sicca   et   cocca   ante   in    ligneo 
uasse        et        in        sole        iterum        siccata 
ad     pendendum     aut     in    üasculo     cum     dili 
10  gentia  seruatum 

uua  passa  jq  patit  abscidi  ante  plenam  maturite 

uulgo  ubiq; 

1  lama  sar  (?) 
Fol.  I  s.  1  stimmt  am  meisten  mit  den  differentiae  sermonum 
in  HHagens  'anecdota  Helvetica'  (1870)  s.  275—290.  necessitas 
detur  bildet  den  schlusz  von  dem  unterschied  zwischen  auxiUum 
praesidium  suhsidium:  *suhsidium  seruatur^  uty  cum  exegerU  neces- 
sitas y  detur.*  der  dort  folgende  unterschied  von  consequi  und  inse- 
qui  ist  in  unserem  codex  ausgelassen,  eigentümlich  ist  hier  die  ab- 
kürzung  in  fy  was  offenbar  inter  quod  heiszen  soll;  es  fehlen  dazwischen 
die  jedesmal  zu  unterscheidenden  werte  entweder  infolge  Unkenntnis 
des  Schreibers,  der  gar  nicht  verstand  was  er  schrieb  und  einfach  die, 
wie  er  meinte,  unnötigen  Wiederholungen  ausliesz,  oder  weil  in 
der  vorläge  dieselben  bereits  fehlten,    dasz  der  Schreiber  nicht  ganz 


652  SWidmann:  differentiae  sermonum. 

wüste  was  er  schrieb,  zeigt,  abgesehen  von  formen  wie  desimülamtis^ 
poUicirmiSy  phüosophus^  die  form  feratur  statt  ferarum,  famula  usw. 

Mit  z.  1  und  2  stimmt  besonders  cod.  B  und  Gothofredus  s.  93. 
z.  3  desgl.  besonders  mit  BC :  vgl.  Gothofr.  s.  93.  Beifferscheid  Suet. 
rel.  s.  290.  —  z.  4  ergänzen  wir  rogati,  wie  AG  haben,  doch  könnte 
ebensowohl  roganti  ergänzt  werden  müssen,  auch  A  h&i poUicemus,  — 
z.  4.  5  fehlt  die  erklär ung  von  nemo,  die  sonst  in  den  diff.  zu  stehen 
pflegt  (vgl.  GLK.  VII  s.  630  u.  306.  Roth  Suet.  s.  314).  —  z.  8 
erwartet  man,  wie  in  den  andern  hss.  steht,  eo,  aber  das  buchstaben- 
fragment  weist  auf  a.  —  z.  9  fif.  IcUibula  ferarum  findet  sich  in  BC. 
Goth.  s.  79.  vgl.  Reiflferscheid  s.  277.  —  z.  12.  13  s.  anecd.  Helv« 
s.  276,  20  uö. 

Zu  s.  2  z.  2  vgl.  ebd.  s.  289 ,  7 ,  statt  des  zweiten  uoluntas  ist 
uoluptas  zu  lesen.  —  z.  3  wie  ist  iwrunctäas  moherth  zu  erklären? 
sollte  uoruncula  gleich  verrucula  in  dem  sinne  von  kleinem  boden- 
höcker  zu  fassen  sein  ?  dann  liesze  sich  vielleicht  moh-erth  mit  einem 
angelsächsischen  müh-eorde  ^IfUgel-erde'  zusammenbringen,  oder 
ist  moherth  mit  ags.  mücgvyrt  =  artemisia,  beifuszkraut,  ndd.  mttg- 
gert  identisch?  wie  erklärt  sich  aber  dann  iiorunchdas?  —  zu  dtti 
folgenden  zeilen  wissen  wir  keine  parallelstelle,  uülgo  tibigue  findet 
sich  bei  Papias. 

Fol.  2  s.  1  z.  2:  nur  bei  Papias  finde  ich  etwas  ähnliches: 
scmicinctiumy  minus  lata  zona  dictum  quod  dimidium  cingat,  — 
z.  3  beginnt  offenbar  ein  neues  capitel.  —  zu  z.  4  vgl.  Papias:  fa- 
muluSy  unus  ex  famüia:  seruus  uero  ex  condidane  semitutis  \md 
ebenso  unter  seruus  ]  dort  und  unter  mancipium  auch  die  erklärung: 
ynancipium  ex  hosiibus  quia  manucaptum  dicitur,  —  z.  7 — 12  vgl. 
Papias  u.  muldatio  und  iadura :  ^mulctatio  et  sine  sanguine  patest 
esse  in  damno  pecuniae.  supplicium  autem  cum  sanguine.  poena  uero 
et  dolor  in  sanguine,^  *  iadura  damnum:  sed  iamen  hoc  differuni^ 
quod  iaduram  scientes  et  uliro  paJtimur :  damnum  uero  insolüo  et  ex 
improuiso.*  —  unter  damnum  findet  sich  auch  das  nöbis  nescientihvks 
und :  detrimentum  uero  leue  damnum  fit  in  parte. 

S.  2 :  für  den  anfang  finden  wir  uns  ziemlich  im  stich  gelassen. 
z.  8 :  vgl.  anecd.  Helv.  s.  286 ,  22  inter  astra  d  sidera  hoc  interest^ 
quod  astra  sine  sidcribus  essepossunt^  sidera  sine  astris  nonpossunt^ 
quia  astra  fixa  sunt  caelo^  sidera  mouentur.*  —  zu  z.  10  vgl.  ebd. 
s.  286,  9  ff.  den  unterschied  von  ostentum,  prodigium  undmonstrum: 
^ostcntum  sine  corpore  solide  nohis  se  ostendit  in  ociUis  d  auribuSy 
prodigium  uero,  quod  solidis  corporihus  prospicUur^  ut  in  cado  comeUs 
Stella  d  in  node  lux,  in  die  tenehrae;  monstrum  uero  naturam  oognir 
tarn  cgreditur,  ut  serpens  cum  pedibus  aut  cum  quattuor  älis.*  vgl. 
ferner  Papias  u.  stellae,  sidus  bzw.  sydera,  astra. 

Die  weitere  behandlung  und  beurteilung  der  fragmente  mflssen 
wir  denen  überlassen,  deren  fach  die  differentiae  sermonum  sind. 
jedenfalls  sind  sie  der  beachtung  wert. 

Wiesbaden.  Simon  Widm ahn. 


HRönsch:  zum  itinerarium  Alexandri.  653 

101- 

ZUM  ITINERARIUM  ALEXANDRI. 


In  dieser  vor  der  mitte  des  vierten  jh.  nach  Ch.  verfaszten  schrift 
bietet  der  text  auch  nach  seiner  roit  hilfe  des  Ambrosianus  bewirkten 
bessern  gestaltung  durch  DVolkmann  (programm  von  Pforta  1871), 
die  wir  hier  zu  gründe  legen,  noch  immer  mancherlei  Schwierigkeiten 
dar  und  veranlaszt  uns  behufs  der  beseitigung  von  einigen  derselben 
unsere  ansieht  kundzugeben. 

In  c.  6  s.  4,  5  lautet  der  jetzige  text:  pernix  cursu  quo  veUet^ 
vehemens  impetu  quo  minaretur^  nimius  tormento  iaculandi,  con- 
lineare  quem  destinasset peritus^t  fervens  irruere  quo  audendum  usw. 
von  der  hsl.  lesung  miraretur  sagt  der  genannte  hg.  mit  recht ^  sie 
könne,  wie  er  befürchte,  nicht  in  schütz  genommen  werden;  das- 
selbe dürfte  von  den  zwei  besserungsvorschlägen  quom  irasceretur 
und  quo  niteretur  gelten,  während  dagegen  das  von  AMai  vermutete 
minaretur  nach  unserm  erachten  nichts  zu  wünschen  übrig  läszt. 
fürs  erste  schon  deshalb,  weil  es  gut  in  den  Zusammenhang  passt 
und  einen  directen  gegensatz  zu  dem  vorausgehenden  veUet  bildet, 
falls  nemlich  diese  form  nicht  von  minafi^  sondern  von  dem  volks- 
tümlichen minare  =  ^agere^  treiben,  hintreiben'  abgeleitet  wird 
(s.  meine  ^Itala  und  Vulgata'  s.  236).  dazu  kommt  dasz  eben  dieses 
Zeitwort  höchst  wahrscheinlich  von  demselben  schriftsteiler  weiter 
unten  gebraucht  worden  ist  in  einer  stelle,  deren  jetziger  text  frei- 
lich dieses  kaum  mehr  ahnen  läszt,  c.  28  s.  15,  13  f.  Alexander  con- 
tendens  cura  et  fade  beUatoris  terrihüis  in  ade  agens  müitem  festina- 
hundus  [conj.  von  Kocb]  Bahylomam  accessü^  minax  motu  quantum 
visi  eminus  qu^eat :  denn  liegt  es  nicht  sehr  nahe ,  auf  grund  des  hsl. 
astu  minatus  (wofür  in  der  römischen  ausgäbe  acuminaium  steht) 
asta  minatum  (=  hasta  actum)  zu  schreiben  und  dadurch  den  sinn 
des  Satzes  in  volles  licht  zu  stellen?  demnach  lesen  wir  auf  s.  15, 
13  f.:  in  ade  agens  müitem  hasta  minatum,  ebenso  unbedenklich 
aber  in  der  ersterwähnten  stelle  (s.  4,  6)  anstatt  des  von  Mai  ver- 
muteten conlineare  oder  conlimare  quo  mit  der  hs.  continari* 
quem,  wobei  uns  nur  wunder  nimt  dasz  Yolkmann  diese  Schreibung 
zwar  belobt  ('codicis  scriptura  ne  ipsa  quidem  omni  caret  probabili- 
tatis  specie') ,  jedoch  nicht  in  den  text  aufgenommen  hat.  warum 
sollte  es  nicht  ein  von  contus  gebildetes ,  dem  g^ech.  KOVToßoXeTv 
entsprechendes  verbum  ebenso  gut  gegeben  haben  wie  das  aus  latro 
entstandene  latrodnari?  diese  bilduug  aber  vollzog  sich  in  diesem 
falle  nicht  so,  dasz  die  verbalendung  einfach  an  den  substantiv- 
stamm angehängt  wurde,  sondern  durch  die  Zwischeneinschaltung 
der  bildungssilbe  -m-  zum  zwecke  der  Unterscheidung  von  contari 
=  cunctari,  hierüber  vgl.  man  meinen  aufsatz  in  Uilgenfelds  zs.  für 

*  [über  dieses  in  den  Wörterbüchern  fehlende  verbum  continari  vgl. 
jetzt  AKiessling  vor  dem  Greifswalder  index  scholanim  sommer  1883  s.  3  ff.] 


654  HRönsch:  zum  itinerarium  Alexandri. 

wiss.  theologie  1875  s.  427 — 431,  in  welchem  darauf  hingewiesen 
ist,  dasz  die  schaltsilbe  -in-  um  des  Wohllauts  willen  in  manchen 
y erben  eine  Steigerung  zu  -ein-  erfahren  hat,  wie  in  ähtcinari^  Ion- 
cinare  (von  laniare),  latrocinari^  lenocinari,  sermocinari^  tuhurcinäri^ 
und  sodann  als  solche  Zeitwörter,  deren  stamm  durch  die  bildungs- 
silbe  -m-  erweiteH  worden ,  folgende  aufgefdhrt  und  nachgewiesen 
sind:  scrutinare  und  coquinare  (beide  in  der  Itala  vorkommend), 
fardnare^  cartnarCj  *lurcinari  (aus  dem  adj.  lurcinahundus  zn  er* 
schlieszen),  taminare^  natinari^  inquinare^  destinare  [=  dTrocr^X- 
Xeiv] ,  ohstinare ,  praestinare.  wir  vervollständigen  jene  liste  jetzt 
noch  durch  folgende  verba  derselben  kategorie:  hovinare  (von  hoffre^ 
hov^re)  und  scarpinare  (beide  von  Löwe  coniect.  Plaut,  s.  209  er- 
wähnt); minore  (s.  oben,  von  meare^  mithin  eigentlich  «»'gehen 
machen');  ruspinare  in  den  glossen  des  pseudo-Philoxenns  s.  189,  30 
Vulc.  ruspinat^  x^ipoipißeT  —  femer  *evagtnari  (von  evagari)  wesen 
des  subst.  cvagtnatio  bei  Amobius  I  50;  endlich  das  oben  erwähnte 
continari  nebst  dem  ebenfalls  in  unserm  itinerarium  c.  49  hsl.  be- 
zeugten molinirij  anstatt  dessen  imnötigerweise,  wie  uns  dünkt,  mcHiri 
ire  oder  moliri  iter  zu  lesen  vorgeschlagen  worden  ist  s.  27,  1  f .  fe 
uhi  seit  Akxandrum  ad  sese  moliniri^  ahsit  ohnuntiat, 

c.  7  s.  5,  5  f.  heiszt  es:  cHassi  vehebantur  heUi  usibus  divUe^  quae 
AmpkipoU  in  Strymone  in  aneoris  erat,  die  emendation  Haases 
in  aneoris^  wo  im  Ambrosianus  hicoris  steht,  hat  der  hg.  nur  zwei- 
felnd adoptiert;  noch  gewalttbätiger  war  Mais  änderong  in  S^- 
monis  lUore.  unseres  erachtens  braucht  man  hicoris  nur  in  bicorni 
zu  verwandeln,  um  in  den  Worten  qtuie  Ämphipoli  in  Strymone 
bicorni  erat  einen  der  örtlichen  beschafifenheit  durchaus  entspre- 
chenden sinn  zu  erlangen :  denn  der  Strymon  war  in  der  that  ein 
zweiarmiger  ström,  und  seine  beiden  Amphipolis  umflieszenden 
münduDgsarme  hatten  dieser  stadt  sogar  den  namen  gegeben. 

c.  12  s.  8,  1  ipsis  vitalibus  vi  frigoris  eviratis.  so  nach  Haase, 
der  vorher  an  evitatis  gedacht  hatte,  im  codex,  welcher  ebriatis  dar- 
bietet, war  vermutlich  ebUatis  ««  hebetatis  gemeint. 

c.  3  s.  2,  19  möchten  wir  signitior  lesen  und  dieses  parti- 
cipium  auf  ein  metaplastisches  *signire  flir  signare  zurückfuhren: 
vgl.  die  von  Löwe  prodromus  s.  344  anm.  2  aus  glossen  nachgewie- 
senen formen  navire  «=  navare^  navit  =  navat. 

c.  19  s.  11,  9  verdient  die  hsl.  Überlieferung  obsidialibus 
ohne  zweifei  den  Vorzug  vor  dem  conjicierten  obsidionalibus ,  weil 
jene  adjectivform  auch  anderwärts  bezeugt  ist:  Hegesippus  de  belle 
lud.  V  20  (s.  318,  26  Caesar)  qiuim  subieäis  ignibus  addlerent  obsi- 
dialium  instrumenta  machinarum  (vgl.  Paucker  subrel.  s.  13*). 

c.  26  s.  14, 18  utiDarius  ipse  exemplo hostis  et pudore  ignitior 
ctiam  tunc  agminis  sui  in  medio  naviter  beUans  usw.  das  hier  er- 
sichtliche ignitior  stammt  von  Letronne,  während  Haase  acrior  lesen 
wollte  anstatt  des  hsl.  agricior^  worin  man  allenfalls  acritior  dh.  das 
pari,  eines  vom  adj.  acer  abgeleiteten  verbums  *acrire  erblickoi 


HKönach:  zum  itinerarium  Alezandri.  655 

könnte,  näher  jedoch  scheint  es  uns  zu  liegen,  agticwr  als  agroe- 
clor  aufzufassen  und  dieses  für  den  comparativ  von  agroecus  «s 
dTpoiKOC  zu  halten,  was  man  in  ansehung  des  lautes  und  der  be- 
deutung  gegen  diese  auffassung  einwenden  könnte,  läszt  sich  nicht 
allzu  schwer  entkräften,  der  griechische  diphthong  oi  erscheint 
ja  oftmals  als  lateinisches  i  oder  y:  vgl.  Deut.  14,  7  cirogryUum 
=  choerogryllum]  vulg.  codd.  plur.  ap.  Vercellon.  —  Polemii  Silvii 
aterculus  s.  267  (Mommsen)  finix  .  .  finicopter  {^=phoenix .  .phoe- 
nicopterus),  Cassius  Felix  de  medicina  c.  41  dispnia  (=  bOcTTVOia). 
Victor  Vitensis  de  persec.  Vandal.  1 4  cymUeriis.  gloss.  in  luvenalem 
s.  12,  20  (Keil)  yno  [=  oeno],  vino  Oraeco.  Apicius  7,  270  inogaru 
(«=  oenogaro).  in  betreff  des  sinnes  ist  äxpoiKOC  allerdings  in  erster 
linie  sva.  agrestis^  rusticus;  allein  aus  Hesjchios,  der  es  folgender- 
maszen  erklärt:  6  dv  dTpqj  bittTUJV,  xuipiKÖc  f\  ip^aTr\c'  Kai  bpa- 
CTrjpioc  f{  2[€UT€XdTiiC;  ersieht  man  dasz  es  auch  die  bedeutung 
von  efficaXf  gnavus,  stremms  haben  kann,  und  diese  passt  in  den  Zu- 
sammenhang unserer  stelle  vortrefflich. 

c.  27  c.  15,  9  steht  im  codex  für  desiderati  abgekürzt  desirati^ 
was  nicht  auf  eine  zufällige  verschreibung ,  sondern  auf  eine  nach- 
lässigkeit  in  der  vulgären  ausspräche,  durch  welche  die  silbe  de  vor 
dem  consonanten  r  ganz  verloren  gieng,  zurückzuführen  ist.  ein 
Zeugnis  dafür  haben  wir  nicht  blosz  in  dem  franz.  disirer^  sondern 
auch  im  lat.  desirium  (für  desiderium)  bei  Caelius  Aurelianus  chron., 
I  6,  177  nymphae  oh  desirium  Ämphitrites  sese  deditum  maripro- 
iecit,  vgl.  dazu  im  glossar  desPapias:  desirum,  prosperum^  honmn, 

c.  33  s.  18,  5  liest  man:  id  omne  corrumpens  abolensque 
(hierzu  bemerkt  Yolkmann :  ^Maius ,  cuius  vestigia  quamvis  invitus 
insecutus  sum,  quoniam  meliora  non  habui  in  promptu')  incendio 
geminaverat  difficuUatem  paria  temptantihus ,  während  die  hs.  bietet 
corrupta  amölUasve,  wir  meinen,  dies  lasse  sich  leicht  abändern  in 
corrupit  amolitusve, 

c.  38  s.  20,  18  wird  die  Schreibung  des  codex  pro  viäoriam  bei- 
zubehalten sein:  s.  meine  Itala  u.  Vulg.  s.  412,  wo  mehrere  belege 
für  pro  m,  acc.  angeführt  sind,  insbesondere  aus  dem  evangelien- 
codex  von  Verona  j?rö  gratiam^  aus  Orelli  inscr.  2360  i?ro  scdutem  et 
Victorias, 

Die  stelle  c.  46  s.  25, 13  ff.  lautet  in  der  ausgäbe:  ducenta denique 
triginta  houm  milia  iUic  capta  formae  merito  destinat  vma  captivis 
Macedoniam  cultum  agros  suorum  et  f  suctsdtum.  im  kritischen  appa- 
rat  ist  dazu  bemerkt :  ^suorum  ei  suascitum  A ,  suorum  et  suosce  [?] 
Maius,  suos  et  suorum  amicorum  aut  amicum  Eochius;  equidem  in 
vera  lectione  investiganda  frustra  desudavi.'  nach  unserm  dafür- 
halten wird  alle  Schwierigkeit  dadurch  gehoben,  dasz  man  agros  in 
den  genitiv  und  die  beiden  schluszwörter  in  das  supinum  verwandelt 
und  demnach  liest:  cultum  agrorum  suorum  exsuscitatum. 

Zu  c.  50  s.  27,  9  sed  enim  hanc  (denn  so  wird  tlXr  hie  mit  Mai 
zu  lesen  sein)  quoque  opHnet  fixu  vedium,  via  scansüi  t  acsididas 


656  JGolisch:  zu  den  scriptores  )ii&toriae  Augustae. 

petitam  bat  der  hg,  bemerkt:  ^scansüi  acsisidas pentüam  A,  scansüi 
ac  insidiis  appetitam  Malus  parum  probabiliter ;  scansüi  at  ardua 
petitam  Kocbius;  codicis  scripturam  intactam  reliqui,  dum  quis 
meliora  protulerit.'  es  würde  uns  freuen ,  fUnde  man  dieses  bessere 
in  unserm  vorschlage  dem  text  in  folgender  weise  zu  hilfe  zu  kom- 
men: via  scansili  ac  silice  in  eis  a  petüam. 

In  betreff  der  hsl.  Schreibung  avidentes  c.  51  s.  27,  21  ftuszert 
sich  Volkmann  im  vorwort  s.  VII  also :  'nescio  an  addi  possit  (voci- 
bus  priscam  latinitatem  redolentibus)  auidentes  pro  audentes  forma 
27,  21  p rors US  in audita,  verum  tamen  ab  analogiae  legibus  com- 
mendata/  hierzu  verstatten  wir  uns  zu  bemerken,  dasz  das  aus  aviäus 
entstandene  zeitwort  avidere  wenigstens  auf  glossographischem  ge- 
biete nicht  ganz  unerhört  ist:  denn  in  dem  nach  Cyrillus  benannten 
glossar  lesen  wir  s.  386,  16  Vulc. :  äTrXiiCT€i3o|biat,  avideo^  und  Lab- 
baeus  (glossaria  lat.-graeca,  Paris  1679, 1  s.  212)  hat  zu  dieser  glosse 
hingewiesen  auf  den  Wortlaut  des  cod.  regius  im  glossarium  gr.-lat. 
Stephanianum :  avideo  (so  lies  für  avido)^  aveo^  dTrXT]CTävo|üiai. 

Lobenstein.  Hermann  Bönsoh. 


102. 

ZU  DEN  SCRIPTORES  HISTORIAE  AÜGÜSTAE. 


Scverus  imp,  2,  3,  wo  es  nach  den  hss.  heiszt:  quaestwram  dUi- 
genter  egit  omnis  sortihus  natu  militari^  ist  als  eine  verzweifelte 
stelle  von  den  neuesten  hgg.  bezeichnet,  nun  sagt  Eutropius  8,  18 
von  Severus:  hie primum  fisci advocataSy  mox  militaris  trihunus^ 
per  muUa  deinde  ac  varia  officia  aique  honores  usqae  ad  adminiS" 
trationem  totius  rei  puhlicae  pervenit,  demgemäsz  lese  ich:  qtune- 
sintam  diUgenter  egit  omisso  trihunatu  militari,  nachdem  der 
abscbreiber  omis  mit  abbrevlatur  als  amnis  fälschlich  gelesen ,  bil- 
dete er  das  wort  sortibuSy  und  es  blieb  natu  militari  übrig. 

Alexander  Severus  9,  4  lese  ich:  nuper  certe^p.  c,  meministis^ 
cum  nie  omnium  .  .  spurcissimus  Antonini  nomen  praeferret .  .  qui 
gemihis  omnium  fuerity  cum  per  populi  et  honcstorum  corontis  una 
vox  esset y  hune i n e  Antoninum  diei Y  per  hanc  pestem  sanctum  violari 
nomen  i^  die  hss.  geben  hune  intey  Jordan  hat  das  unverständliche 
slniie  statt  inte  und  Peter  incptCy  welches  den  schmerzlichen  Unwillen 
nicbt  zum  ausdruck  bringt. 

Prohus  4,  2  heiszt  es:  te  quaesOy  fili  carissime,  ut  cum  iuvenem^ 
quem  imitaripueris  omnibus  volOy  intanto  haheas  honore,  quantum 
virtutcs  eius  .  .  desiderant.  dies  ist  wohl  nicht  ein  fehler  des  Vopiscus, 
sondern  des  abschreibers,  und  es  musz  heiszen  intimari:  vgl.  Verus 
imp.  1,  1  scio  plerosque  ita  vitam  Marci  ac  Verl  litteris  atque  histo- 
riae  dedieassCy  ut  priorem  Verum  intimandum  legentibus  darent. 

ScuwEiDNiTz.  Julius  Golisoh. 


BESTE  ABTEILUNG 

FÜR  CLASSISCHE  PHILOLOGIE 

HERAUSGEGEBEN  TON  ALFRED  FlECKEISEN. 


(89.) 

DAS  ERSTE  JAHR  DES  PELOPONNESISCHEN  KRIEGES. 

EIN  BEITRAG  ZUR  OHRONOLOOIB  DES  THUKYDIDES. 
(fortsetznng^  und  schlusz  von  8.  577 — 612.) 


Damit  wäre  denn,  deijke  ich,  die  chronologische  Wichtigkeit  der 
notiz  über  die  Sonnenfinsternis  glücklich  beseitigt,  aber  ich  kann 
nicht  umhin  mich  darüber  zu  wundem,  dasz  man  dieselbe  jemals 
so  zu  sagen  als  einen  markstein  für  die  Zeitbestimmung  hat  be- 
nutzen können,  man  sehe  sich  doch  nur  den  Zusammenhang  an ,  in 
dem  sie  gegeben  ist:  Thuk.  erzählt,  am  80n  tage  nach  dem  Über- 
fall von  Plataia  hätten  die  Peloponnesier  den  einfall  zur  Verheerung 
des  attischen  landes  gemacht ;  sie  verwüsteten  zuerst  die  eleusinische 
und  die  thriasische  ebene,  setzten  sich  dann  in  Achamai  fest,  wo 
sie  lange  zeit  (ttgXuv  xpovov)  blieben  und  das  land  verwüsteten, 
in  der  hofin ung,  das  athenische  beer  würde  sich  dadurch  zum  offe- 
nen kämpf  aus  seinen  befestigungen  herauslocken  lassen,  da  aber 
Perikles,  der  Oberbefehlshaber  der  Athener,  es  nicht  zuliesz  dasz 
ihnen  dieser  gefallen  gethan  werde,  so  brachen  sie  yon  Acharnai 
auf  und  verwüsteten  die  Ortschaften  zwischen  dem  Pames  und  dem 
Brilessos.  als  sie  aber  noch  im  lande  waren,  schickten  die  Athener 
die  hundert  schiffe,  die  sie  ausgerüstet  hatten,  aus  7T€pl  TTeXoTTÖV- 
V11C0V ,  unter  dem  befehl  des  Karkinos  usw.  diese  nun  traten  die 
fahrt  an;  die  Peloponnesier  aber  blieben  in  Attika,  so  lange  sie 
lebensmittel  hatten,  zogen  dann  zuerst  nach  Boiotien  und  dann  nach 
hause,  dann  erzählt  Thuk.  in  c.  24,  was  für  maszregeln  die  Athener 
weiter  für  die  zukunft  und  für  die  fortsetzung  des  krieges  trafen, 
und  kommt  in  c.  25  auf  die  flotte  zurück,  deren  besatznng  zuerst 
einen  erfolglosen  angriff  auf  die  lakonische  stadt  Methone  machte, 
dann  die  küsten  von  Elis  verheerte,  beim  anmarsch  eines  bedeuten- 
den eleischen  heeres  aber  sich  einschiffte  zur  Verwüstung  anderer 
landschaften.  hier  überläszt  der  geschichtschreiber  vor  der  band  die 
flotte  sich  selbst,  kehrt  nach  Athen  zurück  und  gibt  uns  über  die 
dortigen  ereignisse  folgende  nachrichten :  1)  um  diese  selbige  zeit 
schickten  die  Athener  30  schiffe  aus  gegen  Lokris  und  zur  bewachung 
von  Euboia,  unter  dem  befehl  des  Kleopompos,  der  das  küstenland 
verwüstete,  Thronion  einnahm  und  die  zu  hilfe  eilenden  Lokrer  bei 

Jahrbücher  f Qr  clast.  philol.  188S  hft.  10  n.  11.  48 


658     HMüller-Strübing:  das  erste  jähr  des  peloponnesischen  krieges. 

Alope  in  einer  schlacht  besiegte.  2)  in  diesem  selben  sommer 
trieben  die  Athener  auch  die  Aigineten  aus  ihrer  insel,  sie  selbst  und 
ihre  weiber  und  kinder;  die  Lakedaimonier  wiesen  den  vertriebenen 
die Thyreatis zum  wohnsitz an.  3)  in  demselben  sommer  war  eine 
Sonnenfinsternis.  4)  und  in  demselben  sommer  lieszen  die  Athe- 
ner den  Abderiten  Njmphodoros,  Schwager  des  thrakischen  königs 
Sitalkes,  nach  Athen  kommen,  durch  dessen  Vermittlung  denn  auch 
ein  bündnis  der  Athener  nicht  blosz  mit  dem  thrakischen  könig,  son- 
dern auch  mit  Perdikkas  von  Makedonien  zu  stände  kam ;  auch  ver- 
sprach Nymphodoros  den  Sitalkes  zur  sendung  eines  hilfsheeres  von 
thrakischen  reitern  und  peltasten  zu  überreden ;  Perdikkas  aber  machte 
sogleich  einen  kriegszug  mit  den  Athenern  und  Phormion  gegen  die 
Chalkidier.  dann,  nach  dieser  aufzählung,  führt  uns  der  geschicht- 
schreiber  wieder  zu  den  100  schi£fen  der  Athener  zurück,  die  wir  noch 
irepi  TTeXoTTÖvviicov  antre£fen,  wo  sie  eben  Sollion,  eine  stadt  der 
Korinther ,  einnehmen,  nun  frage  ich :  sollen  wirklich  alle  diese 
dinge  in  der  kurzen  zeit,  während  die  athenischen  schi£fe  von  der 
eleischen  küste  nach  Sollion  fuhren,  sich  zugetragen  haben? *^  die 
Sonnenfinsternis  nicht,  das  wissen  wir  jetzt  sicher  durch  die  inschrift. 
aber  dies  sieht  doch  völlig  so  aus ,  als  habe  der  geschichtschreiber 
sich  auf  einem  besondem  blatte  notizen  über  die  dinge  gemacht, 
die  sonst  in  diesem  sommer  noch  vorgekommen  seien,  und  habe  dann 
seinen  zettel  ohne  rücksicht  auf  die  Zeitbestimmung  an  beliebiger 
stelle  sehr  ungeschickt  eingefügt,  in  bezug  auf  die  Sonnenfinsternis 
ist  dies  ja  sicher,  und  ich  glaube,  auch  in  bezug  auf  die  austreibung 
der  Aigineten;  aber  dafür,  die  expedition  des  Kleopompos  gegen 
Lokris  gerade  hier  anzugeben,  hatte  der  geschichtschreiber,  denke 
ich,  einen  triftigen  grund.  ich  habe  oben  bei  besprechung  der  rech- 
nungsurkunde  die  Zahlung  für  diese  expedition  auf  den  8n  tag  vor 
ablauf  des  Jahres,  also  auf  den  22n  skirophorion  (23n  juli)  gesetzt« 
sicher  ist  das  freilich  nicht,  aber  mich  dünkt,  so  viel  ist  doch  in 
hohem  grade  wahrscheinlich,  dasz  die  schi£fe  gegen  Lokris  und  zum 
schütz  von  Euboia  nicht  erst  ausgeschickt  worden  sind,  als  die  Lake- 
daimonier das  land  schon  wieder  ger&umt  hatten ,  vielmehr  damals« 
als  sie  zwar  noch  nicht  in  Attika  eingerückt  waren,  als  ihr  einfall 
aber  jeden  tag  erwartet  werden  konnte,  da  war  es  zeit  Vorkehrungen 
zu  treffen ,  dasz  die  feindlichen  Lokrer  sich  nicht  mit  dem  ins  land 
gedrungenen  feinde  in  Verbindung  setzten ,  ihm  wohl  gar  schiffe  lie« 
ferten,  um  ein  peloponnesisches  streifcorps  zur  Verheerung  des  reichen 
fruchtbaren  Euboia  überzusetzen ,  wohin  die  athenischen  bauem  ihr 
vieh  geflüchtet  hatten,  und  von  wo  sie  sicher  während  der  blockade 

'^  Unger  (att.  kal.  s.  14)  Dimt  das  in  der  that  an:  'die  weiteren 
Unternehmungen  des  Karkinos,  die  Vernichtung  [sie,  vielleicht  durch 
Schreibfehler?]  der  Aigineten,  des  Kleopompos  ausfahrt  nach  Euboia 
und  die  befestigung  von  Atalante,  dies  alles  ist  nach  Thnkydides  um 
die  zeit  der  sonnentinsternis  ausgeführt  worden.*  das  ist  doch  viel  auf 
einmal,  und  dabei  hat  Unger  noch  das  btindnis  mit  Sitalkes  und  den 
marsch  des  Perdikkas  mit  Phormion  vergessen. 


HMüller-Strübing:  das  erste  jähr  des  peloponnesischen  krieffes.     659 

ihre  lebensmittel  gröstenteils  bezogen«  so  denke  ich  denn  dasz  dia 
Schlacht  von  Alope,  mit  der  Thuk.  seinen  bericht  ttber  diese  expedi« 
tion  schlieszt,  in  der  that  nach  abzug  der  Lakedaimonier  geliefert 
worden  ist,  zu  der  zeit  als  die  athenische  flotte  an  den  nordküsten 
des  Peloponnes  operierte,  etwa  mitte  September,  nun  konnte  aber 
der  geschichtschreiber  von  der  schlacht  von  Alope  nichts  melden, 
ohne  vorher  die  dinge  anzugeben ,  die  sie  veranlaszt  hatten  —  wir 
haben  also  in  c.  26  ein  gedrängtes  zusammenfassen  des  früher  ge- 
schehenen, das  in  der  schlacht  von  Alope  gipfelt  und  vorläufig  seinen 
abschlusz  findet. 

Und  ganz  so  steht  es  mit  den  in  c.  29  erzählten  Verhandlungen 
mit  Njmphodoros  und  Sitalkes.  auch  hier  greift  der  geschicht- 
schreiber meiner  ansieht  nach  auf  früher  geschehenes  zurück :  denn 
^das  von  Njmphodoros  gegebene  versprechen,  er  wolle  seinen  Schwa- 
ger den  könig  überreden  den  Athenern  ein  thrakisches  hilfscorps 
von  reifcem  und  peltasten  zu  schicken,  ist  doch  sicherlich  mit  hinblick 
auf  den  bevorstehenden  einfall  der  Peloponnesier  gemacht,  warum 
dann  diese  reiter,  die  den  Athenern  natür^ch  höchst  willkommen 
gewesen  wären,  nicht  eingetroffen  sind  (auch  bei  dem  zweiten  einfall 
im  folgenden  jähre  nicht),  das  zu  erfahren  dürfen  wir  bei  dem  trüge- 
rischen, nur  durch  schiefe  Streiflichter  matt  erleuchteten  halbdunkel, 
mit  dem  Thuk.  die  thrakischen  dinge  überall  zu  umgeben  liebt» 
natürlich  nicht  erwarten,  vielleicht  hatte  Perdikkas  hier  die  band 
im  spiel ,  und  sein  rat  sich  nicht  bloszzQstellen ,  bevor  die  entschei- 
dung  in  Attika  erfolgt  sei,  wird  wohl  auf  guten  boden  gefallen  sein, 
denn  dasz  der  kriegszug  des  Perdikkas  *mit  den  Athenern  und  Phor- 
mion'  gegen  seine  alten  freunde  die  Chalkidier,  mit  dem  diese  episode 
über  Sitalkes  gipfelt  und  abschlieszt,  von  Thuk.  hier  ganz  richtig 
angesetzt  ist  in  die  zeit ,  da  die  Lakedaimonier  unverrichteter  sache 
abgezogen  waren  und  da  die  athenische  fiotte  an  den  peloponnesi- 
schen küsten  operierte,  das  scheint  mir  ganz  unzweifelhaft,  nur 
durch  diesen  übereilten  rückzug  der  Peloponnesier,  der  den  Zeit- 
genossen fast  als  schimpfliche  flucht  erscheinen  muste ,  konnte  Per- 
dikkas bewogen  werden ,  für  den  augenblick  einmal  ganz  offen  sich 
den  Athenern  anzuschlieszen.  der  eindruck  dieses  hastigen  rück- 
zuges  der  Peloponnesier  musz  in  ganz  Hellas  ein  gewaltiger  gewesen 
sein,  wie  lange  waren  sie  denn  in  Attika  geblieben  ?  wir  wissen 
es  nicht:  denn  mit  der  angäbe,  sie  seien  so  lange  im  lande  geblieben, 
wie  sie  lebensmittel  hatten  (xpövov  djLi|bi€lvavT€C  iv  tQ  *AttikQ 
öcov  eixov  TOt  ^TTiTfi&eia),  hat  Thuk.  doch  offenbar  seine  leser 
zum  narren,  sie  erfahren  dadurch  ja  absolut  nichts  über  die  dauer 
der  zeit  ihres  aufenthaltes.  man  werfe  mir  nicht  ein :  die  modernen 
leser  freilich  nicht ,  die  antiken  leser  aber  kannten  die  zustände  und 
wüsten  ungefähr,  auf  wie  lange  zeit  ein  ^solches  beer  lebensmittel 
mit  sich  führen  konnte,  das  wäre  falsch :  eine  menschenmasse  von 
etwa  100000  mann,  die  Androtion  angibt,  die  leichtbewaffneten, 
heloten  und  sklaven  mit  eingerechnet,  eine  heeresmasse  wie  sie  seit 

48» 


660     HMüller-Strübing :  das  erste  jähr  des  peloponnesischen  krieges. 

der  Schlacht  von  Platai'a  nicht  wieder  beisammen  gewesen  war, 
konnte  überhaupt  ihren  bedarf  an  lebensmitteln  für  längere  zeit 
nicht  mit  sich  führen  (vom  Peloponnes  durch  die  halsbrechenden 
wage  des  Tretos  und  dann  gar  durch  den  geranischen  pass,  die  Kaki 
Skala);  die  verproviantierung,  die  bei  Plataia  Schwierigkeiten  genug 
gemacht  hatte,  wie  wir  aus  Herodot  IX  39  wissen,  muste  auf  anderm 
wege  erfolgen,  wenn  wir  auch  bei  Thuk.  über  solche  dinge  nie  etwas 
lesen ,  wahrscheinlich  von  Boiotien  aus  ^^,  vielleicht  mit  zufuhr  von 
Korinth,  von  Sikyon,  von  Pallene  aus  nach  Pegai  in  der  Megaris  oder 
nach  Siphai  in  Boiotien :  denn  erst  nach  dem  zweiten  einfall  schickten 
die  Athener  schiffe  nach  Naupaktos ,  um  den  feinden  die  Schifahrt 
im  korinthischen  meerbusen  zu  wehren  (Thuk.  II 70  und  Diod.  Xu  47). 
brachte  man  es  doch  zwei  jähre  darauf  zu  wege,  diesen  ganzen  trosz 
während  der  TOtägigen  umwallung  von  Plataia  zu  emähi'en  und  dann 
noch  einen  teil  des  heeres  bis  zum  aufgang  des  Arkturos  im  September 
(s.  meine  Thukjd.  forschungen  s.  252).  also  kann,  da  die  Verbindung 
mit  Boiotien  über  Oropos  dem  beere  offen  stand,  der  mangel  an 
lebensmitteln  nicht  der  wahre  grund  gewesen  sein,  weshalb  sie  ab- 
zogen ,  ohne  die  beabsichtigte  Verwüstung  des  landes  auch  nur  auf 
die  fruchtbare  Mesogaia  und  die  Paralia  auszudehnen,  der  wahre 
grund  dieses  hastigen  abzugs,  den  wir  übrigens  bei  einigem  nach- 
denken wohl  selbst  hätten  ausfinden  können,  wird  uns  nun  aber  zum 
überflusz  noch  von  Diodor  XII 42  bezeugt:  TUiV  b'  'AOnvaiujV  iropo- 
EuvofLi^vujv  b\ä  Tf)V  Tf^c  x'J^ffac  KaTabpo|bif|v  Kai  ßouXojbidvujV  iropa- 
Td£ac0ai  toTc  7ToX€|biloic,  TTepiKXfic  CTpairiTdc  fiiv  Kai  ii\v  6\r\y 
flT€Moviav  ^xyjjyf  TrapcKdXei  touc  v^ouc  ficuxlav  fx^iv,  ^TraTT^XXö- 
jLievoc  fiveu  kivWvujv  ^KßaXeTv  touc  AaK€Öai|Lioviouc  ^k  Tf\c  *Atti- 
Kflc.  TiXripiwcac  oöv  ^Katöv  Tpufjpeic  Kai  buvajüiiv  dEiöXoTOV  clc 
Tdc  vaöc  dv9^|bi€voc  Kai  CTpairiTÖv  dTTicxricac  KapKivov  Kai  dT^pouc 
Tivdc,  ^H^Tr€fiip€V  elc  Tfjv  TTeXoTTÖvvncov.  oötoi  bk  7ioXXf|v  iflc 
napaOaXaTTlou  xiwpac  7rop0r|cavT€C  Kai  Tiva  tujv  q)poupiu)v  dXöv- 
Tec  KaT€TrXr|EavTo  toöc  AaK€&aijLiov(ouc  •  biö  Kai  Tf|V  ^k  xfic  'Am- 
Kfic  buvamv  Tox^ujc  |bi6Ta7T€|Liipdfi€voi  TToXXfiv  äcq)dX€iav  toic  ttoXc- 
pioic  TrapeixovTO.  toutuj  bk  t(u  xpÖTrqj  xfic  'ArriKfic  ^XcuOepuj- 
Geicnc  ö  \xkv  TTepiKXfJc  aTToboxfic  iruTXave  Tiapd  toTc  iroXiToic, 
ibc  buvdfievoc  cTpaTr|T€iv  koI  touc  AaKebaijioviouc  KaTairoXefüiciv. 
darüber  sagt  Orote ,  Diodoros  wolle  uns  glauben  machen ,  dasz  die 
von  Perikles  zur  Verheerung  der  küsten  des  Peloponnes  ausgesandte 
expedition  die  Lakedaimonier  veranlaszt  habe  ihre  truppen  schleunig 

^^  eine  Innweisnng  darauf  erkenne  ich  in  III  62.  5,  wo  die  Thebaner 
sich  rühmen  in  diesem  kriege  besondern  eifer  ^zeigt  zu  haben  tinrcuc 
T€  Trap^xovTcc  kqI  irapacKCufiv  öciiv  oük  dXXoi  tOE^v  Eufifidxuiv,  dh.  indem 
sie  lehensmittcl  und  die  zum  transport  nötigen  zug-  und  paekpferde 
lieferten,  dessen  konnten  sie  sich  rühmen:  denn  das  war  ein  opas  saper- 
crogHtionis,  während  sie  *zur  Stellung  von  reiterei  von  bundeswegen 
verptlichtet  waren,  so  gut  wie  die  Lokrer.  ich  mnws  daher  Cobets  vor- 
solilap:  (MnemoH.  VlII  s.  140)  ao.  YiTircv  oder  iirii^ac  tu  schreiben  statt 
Vttttouc  entschieden  turückweisen. 


UMüller-Strübing:  das  erste  jähr  des  peloponnesischen  krieges.     661 

aus  Attika  wegzuführen.  'Thukydides  gives  no  countenance  to 
this  —  nor  is  it  at  all  credible.'  das  erste,  aus  dem  schweigen  des 
Thuk.  hergenomraene  argument  verwundert  mich  eigentlich  nicht; 
aber  dasz  die  blinde  Thukydidesorthodoxie,  die  Grote  auch  an  vielen 
andern  stellen  nicht  verleugnen  kann,  einen  mann  von  seinem  prak- 
tischen blick  und  seinem  lebendigen  vorstellungsvermögen  verleiten 
konnte  die  angäbe  Diodors  unglaubwürdig  zu  finden,  das  setzt  mich 
doch  in  erstaunen,  das  erscheinen  von  mehr  als  150  athenischen 
schiffen  an  der  peloponnesischen  küste,  der  angriff  auf  Methone,  der 
ja  nach  Thuk.  bericht  um  ein  haar  geglückt  wftre,  musz  bei  den 
Lakedaimoniern  zu  hause,  die  ja,  wie  wir  wissen,  ein  sehr  schlechtes 
politisches  gewissen  hatten,  schon  um  der  hebten  willen,  den  höch- 
sten schrecken  verbreitet  haben,  sie  hatten  doch  gewis  nicht  ver- 
gessen, wie  Tolmides  etwa  25  jähre  vorher  sich  dafür,  dasz  er  Methone 
nicht  hatte  behaupten  können,  dadurch  rftchte,  dasz  er  ihnen  ihr 
arsenal  und  ihre  schiffe  in  Oytheion  in  brand  steckte,  augenblick- 
lich beim  erscheinen  der  athenischen  flotte  müssen  die  ephoren  an 
Archidamos  den  befehl  geschickt  haben,  schleunigst  nach  hause  zu 
kommen,  und  der  könig  wird  ebensowenig  gesäumt  haben  zu  ge- 
horchen, wie  sechs  jähre  später  sein  söhn  Agis ,  als  er  die  künde  er- 
hielt, der  athenische  Stratege  Demosthenes  habe  mit  einer  handvoll 
leute  den  abgelegenen  felsen  von  Pylos  befestigt  und  besetzt,  und 
ebenso  wird  im  j.  428  als  einer  der  gründe,  weshalb  die  Lakedai- 
monier  hastig  und  un  verrieb  teter  sache  vom  Isthmos  abzogen,  an- 
gegeben, es  sei  ihnen  gemeldet  worden,  dasz  30  athenische  schiffe 
ihre  küsten  verheerten  (III  16)." 

Dieser  hastige  abzug  war  ein  triumph  für  die  Athener,  vielleicht 
weniger  in  ihren  eignen  äugen  (denn  persönlich  hatten  doch  viele 
von  ihnen  viel  gelitten)  als  in  den  äugen  der  übrigen  Hellenen,  denn 
was  hatten  die  Lakedaimonier  erreicht?  sie  hatten  eine  anzahl  von 
dörfern  und  weilern  und  einzelnen  höfen  zerstört,  in  einem  groszen 
teile  des  landes  die  bäume  umgehauen ,  die  Weinberge  ausgerodet, 
lauter  beiden thaten  mit  denen  die  zahlreichen  leichtbewaffneten  und 
heloten  und  sklaven ,  die  das  beer  begleiteten ,  leicht  fertig  werden 
konnten,  aber  wahrlich  keine  thaten  die  dem  beere  des  Archidamos, 
dem  stärksten  das  seit  den  Perserkriegen  beisammen  gewesen  war, 
in  den  äugen  der  Hellenen  zum  rühm  gereichen  konnten,  zuletzt 
waren  die  Lakedaimonier  sogar  genötigt  gewesen  zum  schütz  ihres 
eignen  von  der  athenischen  flotte  bedrohten  landes  schleunigst  nach 
hause  zu  gehen ;  kurz ,  das  war  das  ergebnis  des  ersten  kriegsjahres, 
dasz  Athen  den  höchsten  kraftanstrengungen  der  peloponnesischen 
symmachie  gegenüber  ungebrochen  in   alter  machtfülle  dastand: 


*^  ifac  i^iTT^XXcvTO  Kai  al  ircpl  Tf|v  TT€XoirövvT|Cov  TpidKovra  vficc 
Tdiv  'AOrivaiiüv  ti^v  ucpioiKiöa  aöxdiv  iropOoOcai,  dLy€x\iipr\cay  iti '  oTkou. 
dasz  das  TpidKOvra  nicht  zu  streichen  ist,  was  von  Classen  nnd  Stahl 
auf  8teups  Vorschlag  geschehen  ist,  habe  ich  anderswo  nachgewiesen 
[Thukjd.  forschungen  s.  109). 


662     HMüUer-Strübing:  das  erste  jähr  des  peloponnesischen  krieges. 

nirgends  in  dem  weiten  gebiet  seiner  bundesstädte  hatte  sich  auch 
nur  das  geringste  Symptom  jener  hinneigung  zu  den  Lakedaimonienii 
von  der  Tbuk.  c«  8 ,  4  spricht  (vgl.  was  ich  darüber  gesagt  habe  in 
der  politie  der  Athener  s.  184),  kund  gegeben  —  Perikles  hatte  sein 
versprechen,  das  land  Sv€U  Kivbuvwv  von  den  eindringlingen  zu  be- 
freien ,  in  vollem  masze  gehalten ,  und  hatte  bewiesen  dasz  er  wohl 
im  stände  sei  den  Oberbefehl  zu  fahren  und  den  Lakedaimoniem  die 
spitze  zu  bieten. "  so  wird  denn  auch  die  Stimmung  der  Athener 
nach  dem  abzug  der  Peloponnesier  im  ganzen  und  groszen  eine 
siegesfrohe  gewesen  sein;  und  wenn  irgendwo,  so  höre  ich  aus  den 
oben  citierten  Worten  Diodors  eine  fast  zeitgenössische  stimme  her- 
aus: die  Jugenderinnerung  des  alten  Isokrates,  des  lehrers  des  Epho- 
ros,  dem  Diodor  jene  stelle  sicher  entnommen  hat.  überhaupt  möchte 
ich  hier  darauf  aufmerksam  machen,  dasz  bei  Ephoros,  der  doch  für 
die  geschiebte  des  peloponnesischen  krieges  kaum  eine  andere  schrift- 
liche quelle  benutzen  konnte  als  Thukydides,  die  von  diesem  ab- 
weichenden angaben  meiner  ansieht  nach  fast  immer  auf  die  mittei- 
lungen  seines  alten  lehrers  Isokrates  zurückzuführen  sind  und  daher 
den  wert  von  fast  zeitgenössischen  Zeugnissen  besitzen. 

Doch  das  musz  anderswo  und  in  anderm  Zusammenhang  weiter 
ausgeführt  werden:  denn  hier  habe  ich  mich  ja  zunftchst  nur  mit 
dem  zu  beschäftigen ,  was  sich  aus  der  geschichte  des  ersten  kriegs- 
jahres  in  bezug  auf  die  Chronologie  des  Thukydides  gewinnen  läszi, 
und  kehre  noch  einmal  zu  dem  notizenzettel  c.  25 — 29  zurück  mit 
der  frage,  ob  die  austreibung  der  Aigineten  hier  so  zu  sagen  zeitlos 
eingefügt  ist,  wie  die  notiz  über  die  Sonnenfinsternis,  oder  ob  sie 
wirklich  in  die  zeit  der  Operationen  der  flotte  an  den  küsten  des  Felo- 
ponnes  bald  nach  dem  abzug  der  Peloponnesier  zu  setzen  ist.  mög- 
lich wäre  das  ja,  und  es  Iftszt  sich  wohl  denken,  dasz  die  Aigineten 
den  Athenern  während  der  invasion  anlasz  gegeben  hätten  diese  mass- 
regel  gerade  damals  zu  Irefifen ,  wenn  sie  sich  etwa  mit  dem  feinde, 
als  er  die  eleusinische  und  thriasische  ebene  verheerte,  in  Verbindung 
gesetzt,  wohl  gar  auf  der  ihnen  gerade  gegenüber  liegenden  süd- 
westlichen küste  von  Attika  nächtlichen  unfug  getrieben  hätten. 
aber  musten  die  Athener  dergleichen  nicht  voraussehen ,  damals  als 
sie  nach  dem  kriegsbeschlusz  auf  dem  zweiten  congress  in  Sparta 
ihre  Vorkehrungen  gegen  die  bevorstehende  invasion  trafen?  sie 
kannten  ja  die  gesinnung  der  Aigineten ,  die  noch  auf  dem  ersten 

<^  auch  Ungcr  (att.  kalender  s.  13)  sagt,  in  Wahrheit  sei  der  abing 
des  Archidamos  durch  die  kreiisfabrten  des  Karkinos  herbeigeführt 
worden,  nach  Curtius  IP  s.  387  ^verliesz  Archidamos  das  attische  ge- 
biet um  dieselbe  zeit,  als  die  flotte  vom  Peiraieus  auslief,  Dachdem  sein 
hccr  vier  bis  fünf  wochen  lang  den  ganzen  norden  der  landschaft  bis 
Kuboia  hin  verwüstet  hatte;  wie  ein  heaschreckenschwarm  lOg  es 
wieder  ab,  nachdem  die  Auren  abgeweidet  waren,  wahrscheinlich  wirkt« 
darauf  auch  der  anblick  der  flotte,  die  man  nach  dem  Peloponnes  steuern 
pah,  weil  die  trappen  ihrer  schutzlosen  dörfer  und  familien  in  der  heimat 
gedachten.'    recht  hübsch  das. 


UMüUer-Strübing:  das  erste  jähr  des  peloponnesischen  krieges.     663 

congress  in  Sparta  ^nicht  am  wenigsten  zum  kriege  angetrieben 
hatten'  (c.  67) ,  was  den  gerade  in  Sparta  anwesenden  athenischen 
gesandten  sicher  nicht  verborgen  bleiben  konnte ,  und  was  dann  in 
Athen  heftige  erbitterung  erregt  haben  musz.  und  konnten  dann 
die  Athener  nicht  voraussehen,  dasz  die  feindliche  gesinnung  der 
Aigineten  sich,  wenn  der  feind  einmal  im  lande  war,  auch  durch 
thätlichkeiten,  durch  allerlei  unfug  und  Schabernack  der  schlimmsten 
art  luft  machen  werde?  man  erinnere  sich,  dasz  der  Peiraieus  da- 
mals noch  unverschlossen  und  unbewacht  war  (c.  93.  94) ,  und  dasz 
die  Athener  eine,  wie  Aristophanes  wenigstens  es  darstellt  (Ach. 
915  ff.)i  ^08^  kindische  angst  vor  attentaten  auf  ihre  Schiffswerften 
hatten,  so  ist  es  mir  denn  höchst  wahrscheinlich ,  dasz  die  austrei- 
bung  der  Aigineten  zu  den  vorsieh tsmaszregeln  gehörte,  die  die 
Athener  gegen  die  bevorstehende  Invasion  trafen,  ja  dasz  sie  eine 
trotzige  energische  antwort  war  auf  das  von  den  Lakedaimoniem 
nach  dem  congress  gestellte  Ultimatum ,  in  dem  ja  die  herstellung 
der  autonomie  der  Aigineten  ausdrücklich  gefordert  ward,  dazu 
kommt  noch  eine  erwägung:  den  Aigineten  wurde  die  Thyreatis 
von  den  Lakedaimoniem  als  künftiger  wohnsitz  angewiesen,  wie 
sind  sie  dorthin  gekommen  mit  weib  und  kind?  doch  wohl  auf 
lakedaimonischen  oder  auf  athenischen  schiffen,  das  erstere  ist  wenig 
wahrscheinlich  —  auf  jeden  fall  aber  musz  diese  Übersiedlung  im 
einverstftndnis  der  Athener  und  der  Lakedaimonier  vorgenommen 
sein ,  beide  müssen  mindestens  eine  Verabredung  darüber  getroffen 
haben,  die  doch  gewis  viel  wahrscheinlicher  in  die  zeit  der  Unter- 
handlungen vor  dem  ausbruch  des  offenen  krieges  anzusetzen  ist  als 
nach  dem  abzug  der  Peloponnesier  aus  Attika.  ja  ich  fürchte,  hätten 
damals,  nach  der  teilweisen  Verheerung  ihrer  felder,  die  Athener  Ver- 
anlassung gehabt  im  ersten  zom  beschlüsse  gegen  die  Aigineten  zu 
fassen  (und  eine  solche  müsten  sie  doch  gehabt  haben,  wenn  sie 
gerade  damals  den  moment  nach  dem  abzug  der  Lakedaimonier  zur 
maszregelung  der  Aigineten  wählten),  so  würden  diese  kaum  mit 
der  bloszen  austreibung  davon  gekommen  sein. 

Vielleicht,  freilich  sehr  vielleicht,  finden  wir  übrigens  in  der 
oben  besprochenen  rechnungsurkunde  noch  einen  schwachen  anhält 
für  die  festst^Uung  der  zeit  der  austreibung  in  den  B  z,  1  noch  er- 
kennbaren buchstaben  E^A,  die,  wie  ich  oben  s.  609  gesagt  habe,  etwa 

zu  iizX  tJtic  'A[ Iboc  Ttpuravelac  ergänzt  werden  könnten, 

die  aber  sich  allenfalls  auch  anders  ergänzen  lieszen  —  ich  meinte 
damit  ^c  A[iTivav.  wenn  das  richtig  ist,  so  würde  ich  den  beschlusz 
der  Vertreibung  der  Aigineten  in  die  grosze  landesgemeinde  zur  zeit 
der  Lenaien  setzen,  also  in  die  sechste  prytanie,  eben  als  antwort  auf 
die  von  den  Lakedaimoniem  gestellte  forderung  den  Aigineten  die 
autonomie  zurückzugeben,  recapitulieren  wir  hier  einen  augenblick, 
ob  auch  alles  stimmt,  die  schlacht  von  Sybota,  ol.  86,  4,  ist  nach 
Böckhs  gewis  richtigem  ansatz  (s.  jahrb.  1882  s.  307  anm.)  zu  anfang 
der  zweiten  prytanie  unter  dem  archon  Apseudes,  September  433  ge- 


664     HMüUer-StrUbing:  das  erste  jähr  des  peloponnesischen 

schlagen,  ungefähr  ein  jähr  darauf,  ol.  87, 1,  in  der  zweiten  prjrtanie 
des  archon  Pythodoros,  ende  September  oder  anfang  october  432 
erfolgt  die  aussendung  des  Archestratos  gegen  Perdikkas  von  Make- 
donien, gleichzeitig  der  offene  abfall  von  Poteidaia.  etwa  einen  monat 
darauf  wird  Kallias  gegen  Poteidaia  ausgesandt,  der  sich  mit  Arche- 
stratos vereinigt  und  Pydna  belagern  hilft,  im  december  schlacht 
von  Poteidaia.  gleich  darauf  der  erste  congress  in  Sparta,  vielleicht 
noch  im  december,  und  bald  nachher,  etwa  Januar  431,  der  zweite 
congress,  indem  mit  der  erklärung,  die  Athener  hätten  die  vertrage 
gebrochen,  der  krieg  im  princip  erklärt  wird ,  natürlich  für  den  fall 
dasz  die  Athener  die  ihnen  vorzulegenden  forderungen  nicht  erfüllen 
würden,  'dennoch  vergieng  zwar  kein  jähr'  wie  Thukjdides  drollig 
genug  sagt  'aber  weniger,  bis  der  einfall  in  Attika  geschah  und  der 
krieg  offen  ausbrach',  dh.  ohne  circumlocution ,  es  vergiengen  un- 
gefähr (jLidXiCTa,  um  Thukydideisch  zu  reden)  acht  monate.  nun 
fiengen  die  diplomatischen  Verhandlungen  erst  recht  an  (^v  TOUTtp  bk 
^TTpecßeuovTO  Tifi  xP<iviw  Tipöc  Touc  'AÖTivaiouc  ^TKXrjibiaTa  iroiou^e- 
voi  usw.,  c.  139),  und  darüber  gieng  der  winter  hin  bis  zum  beginn  der 
guten  Jahreszeit,  denn  dasz  das  Ultimatum  der  Lakedaimonier,  das 
die  drei  forderungen  enthielt :  1)  aufhebung  der  belagerung  von  Potei- 
daia,  2)  herstellung  der  autonomie  der  Aigineten,  3)  zurücknähme 
des  megarischen  psephisma,  gerade  in  der  groszen  landesgemeinde 
zur  zeit  der  Lenaien  dem  volke  vorgelegt  und  von  diesem  verworfen 
worden  ist,  das  ist  für  mich  gar  keine  frage,  damit  waren  denn  die 
diplomatischen  Verhandlungen  abgebrochen;  die  lakedaimonischen 
gesandten  giengen  nach  hause,  und  die  Lakedaimonier  schickten 
weiter  keine  gesandtschaften  mehr  (kqI  o\  \ii.\  dTT€XwpTicav  in* 
oiKOU  Kai  ouK^Ti  {icTcpov  £TTp€c߀uovTo).  Und  nun  begannen  die 
Athener  auch  sofort  ihre  maszregeln  für  den  ausbruch  des  krieges» 
den  sie  jetzt  als  unvermeidlich  erkennen  musten:  sie  vertrieben  die 
Aigineten  aus  ihrer  insel  ***  und  schickten  Verstärkung  an  das  belage- 
rungsheer  vor  Poteidaia  unter  Phormions  befehl.  diese  letztere 
maszregel  setze  ich  bald  nach  den  groszen  Dionysien,  die  in  diesem 
Jahr  auf  den  lln  april  fielen ,  also  in  den  april  oder  mai.  und  nun 
war  denn  auch  die  gerate  bald  reif,  die  ernte  war  vor  der  thür,  der 
die  Athener  in  diesem  jähre  noch ,  zum  letzten  mal  für  längere  zeit» 
ruhig  obliegen  konnten,  von  den  Peloponncsiern  hatten  sie  keine 
Störung  zu  fürchten:  denn  diese  hatten  jetzt  auch  zu  hause  zu  thun 
und  waren  ebensogut  mit  dem  einheimsen  und  dreschen  usw.  ihres 
getreides  beschäftigt  wie  die  Athener,  ja,  hätte  auch  die  kriegseifrige 
partei  in  Sparta,  der  ephoros  Sthenelalfdas  und  seine  anhänger,  es 
gegen  den  Widerspruch  des  friedfertigen  kOnigs  Archidamos  durch* 

i**  die  Verabredung  über  den  transport  derselben  nach  der  TbyreaiU 
könnte  damals  mit  den  lakedaimonisciien  f^esandten  getroffen  worden  sein; 
übri|;en8  nennt  Plutarch  Per.  34  unter  den  mittein,  durch  die  Perikles 
während  des  ein  falls  der  Lakedaimonier  das  volk  beruhigt  und  bei  guter 
laune  erhalten  habe,  auch  die  verloosong  der  ländereien  auf  Aigina. 


\ 


\ 


HMüller-Strübing:  das  erste  jähr  des  peloponnesischen  krieges.     665 

gesetzt,  das  peloponnesiscbe  bundesheer  schon  jetzt  zusammen- 
zuberufen :  sie  hätte  keinen  gehorsam  gefunden ,  sie  hätten  es  schon 
damals  erleben  müssen,  was  ihnen  drei  jähre  darauf  begegnete,  dasz 
die  von  ihnen  nach  dem  Isthmos  beorderten  contingente  einfach  aus- 
blieben, weil  sie  i\  KapTToC  ^UTKO^ib^  fjcavJ*  sie  musten  das  ruhig 
hinnehmen  und  —  giengen  nach  hause:  oi  bk  AaKeöaijiiövioi  .  .  (bc 
auToic  KQi  ol  EüfiiLiaxoi  äjna  ou  7Tapf]cav  • .  dvexiwpiicav  ^tt  '  oTkou 
(III 16).  ich  zweifle  sogar,  ob  die  Lakedaimonier  selbst  im  stände 
gewesen  wären  vor  der  ernte  mit  zwei  dritteln  ihres  gesamten  heer- 
bannes  ins  feld  zu  rücken,  sie  musten  doch  auch  leben,  die  herren 
sowohl  wie  die  heloten  und  perioiken.  für  die  Athener  war  der  verlust 
der  kornemte  eines  Jahres  natürlich  sehr  unangenehm  im  ganzen  so- 
wohl wie  für  jeden  einzelnen  bauer;  aber  er  liesz  sich  verschmerzen, 
denn  sie  hatten  geld  und  schiffe ,  sich  ihren  bedarf  und  noch  etwas 
drüber  aus  der  ganzen  weit  zu  holen,  mit  den  Peloponnesiem  stand 
es  anders,  sie  waren  auTOupxoi,  dh.  sie  musten  ihre  ernte  selbst 
einheimsen,  und  ihren  lebensbedarf  auswärts  zu  kaufen ,  dazu  hatten 
sie  kein  geld :  auTOupTOi  T€  T^p  €ici  TTeXoTTOwricioi  Kai  oöie  Ibiqt 
OÖT*  dv  KOivuj  xPHMCiTd  icTiv  auToTc,  sagt  Perikles  I  141  und  be- 
stätigt nur,  was  Archidamos  schon  früher  gesagt  hatte,  c.  80  ae. 

Kaum  aber  war  die  komernte  notdürftig  vorüber,  da  geschah 
etwas ,  was  den  bisher  stockenden  gang  der  ereignisse  in  raschern 
ffusz  brachte:  am  letzten  munichion.  In  juni,  in  einer  regnerischen 
nacht  (auch  zwei  jähre  darauf  fiel  in  Plataia  etwa  um  dieselbe  Jahres- 
eit  ein  gewaltiger  regen,  Thuk.  II  77),  unternahmen  die  Thebaner 
en  verhängnisvollen  Überfall,  ich  zweifle  gar  nicht,  dasz  dies  im 
einverständnis  mit  den  häuptern  der  kriegspartei  in  Sparta  geschah, 
der  es  sehr  willkommen  sein  muste,  wenn  der  friedfertige  könig 
Archidamos  (boKU)V  Km  dv  Trj  ^uvttTiwTq  ToO  ttoX^^ou  jiiaXaKÖc 
elvai  Ktti  ToTc  'A6r|vaioic  dTriiribeiGC,  II  18)  von  auszen  her  einen 
antrieb  zu  kräftigerem  handeln  erhielt. 

Und  hier  setzt  nun  Thukydides  den  anfang  des  krieges  'der 
Athener  und  Peloponnesier  und  ihrer  beidertseitigen  bundesgenossen' : 
äpxeiai  6  TröXejLioc  dvGdvbe  fjbr]  'AGnvaiujv  Km  TleXoTTOvviiciuJv  Kai 
TUüV  dKaT^poic  EujLifiäxujV.  ich  will  es  nur  gerade  heraussagen:  das 
ist  willkürlich,  ist  unhistorisch,  warum  gerade  von  hier  ab  ?  warum 
nicht  schon  von  da  ab ,  als  bei  der  letzten  gesandtscbaft  der  Lake- 
daimonier Rampbias  dem  athenischen  volk  die  fast  brutale  alternative 
stellte:  die  Lakedaimonier  wünschen  die  erhaltung  des  friedens;  er 
kann  erbalten  werden ,  wenn  ihr  die  Hellenen  als  autonom  entlaszt, 
dh.  wenn  ihr  das  athenische  reich  auflöst  (I  139).  als  dann  die 
Athener  diese  focderung  ablehnten ,  da  könnte  man  allenfalls  sagen, 


1^  ähnlich  wird  auch  das  ausbleiben  der  bandesgenossen  vor  der 
schlttcht  von  Mantineia  zu  erklären  sein:  denn  der  grund  bei  Thuk.  Y 
64,  4,  den  Busolt  (forsch,  z.  gr.  gesch.  I  8. 173)  freilich  gelten  läszt,  kann 
nach  meiner  meinang  nicht  der  richtige  sein,  wovon  ich  an  einem  andern 
orte  ausführlich  handeln  werde. 


664     HMüller-Strttbing:  das  erste  jähr  des  peloponnesischen  kxie^es. 

schlagen,  nngeföhr  ein  jähr  darauf,  ol.  87, 1,  in  der  zweiten  prytanie 
des  archon  Pythodoros,  ende  September  oder  anfimg  october  432 
erfolgt  die  aussendung  des  Archestratos  gegen  Perdikkas  von  Make- 
donien, gleichzeitig  der  offene  abfall  von  Poteidaia.  etwa  einen  monat 
darauf  wird  Kallias  gegen  Poteidaia  ausgesandt,  der  sich  mit  Arche- 
stratos vereinigt  und  Pjdna  belagern  hilft,    im  december  schlacht 
von  Poteidaia.  gleich  darauf  der  erste  congress  in  Sparta,  vielleicht 
noch  im  december,  und  bald  nachher,  etwa  Januar  431,  der  zweite 
congress,  indem  mit  der  erklärung,  die  Athener  hätten  die  vertrage 
gebrochen,  der  krieg  im  princip  erklärt  wird,  natürlich  für  den  fall 
dasz  die  Athener  die  ihnen  vorzulegenden  forderungen  nicht  erftlllen 
würden,  'dennoch  vergieng  zwar  kein  jahP  wie  Thukjdides  drollig 
genug  sagt  *aber  weniger,  bis  der  einfall  in  Attika  geschah  und  der 
krieg  offen  ausbrach',  dh.  ohne  circumlocution ,  es  vergiengen  un- 
gefähr (lüidXicTa,  um  Thukydideisch  zu  reden)  acht  monate.    nun 
fiengen  die  diplomatischen  Verhandlungen  erst  recht  an  (^v  TOUTip  tk 
dnp€c߀uovTO  T(^  XPÖviAi  TTpöc  Touc  'AOiivaiouc  dTKXrj^ara  ttoiou/li€- 
VOI  usw.,  c.  139),  und  darüber  gieng  der  winter  hin  bis  zum  beginn  der 
guten  Jahreszeit,    denn  dasz  das  Ultimatum  der  Lakedaimonier,  das 
die  drei  forderungen  enthielt:  1)  aufhebung  der  belagerung  von  Potei- 
daia, 2)  herstellung  der  autonomie  der  Aigineten,  3)  zurücknähme 
des  megarischen  psephisma ,  gerade  in  der  groszen  landesgemeinde 
zur  zeit  der  Lenaien  dem  volke  vorgelegt  und  von  diesem  verworfen 
worden  ist,  das  ist  für  mich  gar  keine  frage,   damit  waren  denn  die 
diplomatischen  Verhandlungen  abgebrochen;  die  lakedaimoniscben 
gesandten  giengen  nach  hause,  und  die  Lakedaimonier  schickten 
weiter  keine  gesandtschaften  mehr  (Kai  o\  ^iv  dnexuipiicav  in* 
oiKOU  Kai  ouK^Ti  äcTCpov  £trp€c߀uovTo).    und  nun  begannen  die 
Athener  auch  sofort  ihre  maszregeln  für  den  ausbruch  des  krieges» 
den  sie  jetzt  als  unvermeidlich  erkennen  musten:  sie  vertrieben  die 
Aigineten  aus  ihrer  insel  '^  und  schickten  Verstärkung  an  das  belage- 
rungsheer  vor  Poteidaia  unter  Phormions  befehL    diese  letztere 
maszregel  Sjetze  ich  bald  nach  den  groszen  Dionjsien,  die  in  diesem 
jähr  auf  den  lln  april  fielen,  also  in  den  april  oder  mai.   und  nun 
war  denn  auch  die  gerste  bald  reif,  die  ernte  war  vor  der  thür,  der 
die  Athener  in  diesem  jähre  noch ,  zum  letzten  mal  für  längere  zeit» 
ruhig  obliegen  konnten,    von  den  Peloponnesiern  hatten  sie  keine 
Störung  zu  fürchten:  denn  diese  hatten  jetzt  auch  zu  hause  zu  thun 
und  waren  ebensogut  mit  dem  einheimsen  und  dreschen  usw.  ihres 
getreides  beschäftigt  wie  die  Athener,  ja,  hätte  auch  die  kriegseifrige 
partei  in  Sparta,  der  ephoros  SthenelsStdas  und  seine  anhänger,  es 
gegen  den  widersprach  des  friedfertigen  kOnigs  Archidamos  durch* 

18  d£Q  Verabredung  über  den  transport  derselben  nach  der  Thyreatis 
könnte  damals  mit  den  lakedaimonischen  gesandten  getroffen  worden  sein; 
Übrigens  nennt  Plutarch  Per.  34  unter  den  mittein,  durch  die  Perikles 
während  des  einfalls  der  Lakedaimonier  das  volk  beruhigt  und  bei  guter 
lanne  erhalten  habe,  auch  die  verloosung  der  ländereien  auf  Aigina. 


HMüUer-Strübing :  das  erste  jähr  des  peloponnesischen  krieges.     667 

unterbrochene  kämpf,  fieng  doch  in  der  that  erst  mit  dem  einfall  in 
Attika  an,  und  Thuk.  sagt  ja  ausdrücklich ,  die  Athener  so  gut  wie 
die  Lakedaimonier  hätten  nach  dem  angri£f  auf  Plataia  zu  dem  bevor- 
stehenden kriege  erst  gerüstet  (c.  7  T£T€vr)jLi^vou  bk  toC  iv  TTXa- 
Taiaic  ^pTou  Kai  XeXu^^vujv  XajbiTrpaic  tüüv  cttovöoiv  o\  'AOiivaioi 
7Tap€CK€ud2ovTO  ibc  TroXe|bir)covT€c.  TrapecKCudZcvTC  b^  kqI  ol 
AaK€batjLi6vioi  Kai  o\  ^umnaxci  auTwv),  was  übrigens  sicher  nur  die 
energischere  fortsetzung  dessen  war,  was  sie  schon  seit  der  kriegs- 
erklfirung  in  Sparta  gethan  hatten,  und  weiter :  wer  sind  die,  die  von 
nun  ab  nicht  mehr  ohne  geleit  von  herolden  mit  einander  verkehrten? 
die  Athener  einerseits  und  anderseits  die  sämtlichen  angehörigen  des 
peloponnesischen  bundes  oder  blosz  die  Boioter?  ich  glaube  das 
letztere,  da  Thuk.  c.  6  ausdrücklich  sagt,  die  Athener  hätten  auf  die 
nachricht  des  in  Plataia  vorgefallenen  sämtliche  in  Attika  anwesen- 
den Boioter  gefangen  genommen,  also  nur  diese,  hätten  die  Athener 
für  diese  rasche  that  der  Thebaner  den  ganzen  peloponnesischen  bund 
als  verantwortlich  angesehen,  so  hätte  die  behörde,  die  diesen  Ver- 
haftungsbefehl erliesz,  in  denselben  sicherlich  die  sämtlichen  in  Attika 
anwesenden  angehörigen  des  peloponnesischen  bundes,  deren  es  doch 
gewis  auch  gab,  mit  eingeschlossen,  so  aber  haben  die  Athener  diesen 
handstreich  gegen  Plataia  als  auf  eigne  band  von  den  Boiotem  aus- 
geführt angesehen,  der  in  ihrem  Verhältnis  zu  dem  peloponnesischen 
bunde  vorläufig  nichts  änderte,  und  Thuk.  hätte  hier  ganz  richtig 
sagen  können  wie  I  66 :  oi)  ^^VTOi  ö  fe  iröXe^öc  ttiu  £uv€ppu)T€i, 
dXX'  fii  dvaKu^x^  fjv*  ibic/.  t6p  laöia  ol  Bgiujtgi  firpaHav  (statt 
o\  KopivOioi ,  wie  es  dort  heiszt).  ja ,  hätten  die  Athener  sich  ihrer 
schwer  gekränkten  bundesstadt  thäÜich  angenommen  und  etwa  durch 
einen  einfall  in  Boiotien  repressalien  gebraucht,  so  wäre  auch  das 
nur  ein  krieg  ibiuiv  Ttvdiv  Öiaq)op0üv  £v€Ka  gewesen  (vgl.  V  115,  3). 
die  Athener  haben  das  nicht  gethan,  sie  haben  sich  vielmehr  völker- 
rechtlich ganz  correct  mit  ihren  beschwerden  an  den  vorstand  der 
peloponnesischen  symmachie  gewandt  und  genugthuung  für  den  an 
ihren  bundesgenossen  verübten  frevel  verlangt;  und  wenn  dann  die 
Lakedaimonier  diese  genugthuung  verweigerten,  unter  Zustimmung 
ihrer  bundesgenossen ,  auch  sogar  das  erbieten  der  Athener,  in  der 
platäischen  angelegenheit  den  rechts  weg  zu  betreten,  mit  dem  an- 
griff auf  eine  festung  im  attischen  gebiet  beantworteten ,  da  fieng, 
aber  auch  da  erst,  Mer  krieg  der  Athener  und  der  Peloponnesier  und 
ihrer  beiderseitigen  bundesgenossen'  thatsächlich  an.  dasz  dies  aber 
wirklich  so  geschehen  ist,  dasz  also  die  diplomatischen  Verhand- 
lungen auch  nach  dem  von  Thuk.  sogenannten  anfang  des  krieges 
noch  fortgesetzt  wurden,  das  erfahren  wir  ja  durch  Thuk.  selbst,  der 
VII  18  sagt,  später  beim  beginn  des  dekeleischen  krieges  hätten  die 
Lakedaimonier  es  selbst  anerkannt,  sie  hätten  im  ersten  kriege  un- 
recht gehabt,  das  anerbieten  der  Athener,  nach  dem  widerrechtlichen 
Überfall  von  Plataia  durch  die  Thebaner  eine  friedliche  ausgleicbung 
auf  dem  wege  rechtens  zu  suchen,  zurückzuweisen  (iy  fäp  Tifi  Trpo- 


666     HMüller-Strübing:  das  erste  jähr  des  peloponnesischen  krieges. 


staatsrechtlich  sei  dadurch  der  kriegszastand  eingetreten,  der 
habe  also  angefangen,  wenn  auch  keine  unmittelbaren  thätlichkeiten 
eintraten,  wenn  es  aber  auf  thäüichkeiten  ankam,  dann  darf  man 
wohl  mit  Ullrich  (beitrage  1845  s.  36  f.)  fragen:  ^sehen  wir  nicht 
schon  im  frühling  des  j.  432  [vielmehr  im  herbst  433]  bei  Sjbota 
Peloponnesier  und  Athener  einander  kämpfend  gegenüberstehen?  und 
dann  aufs  neue,  etwa  6  monate  [17  monate]  später,  in  der  schlacht 
bei  Poteidaia?  und  konnte  somit,  da  die  Thebaner  hierauf  nach  einem 
halben  jähre  doch  nur  in  folge  und  fortsetzung  dieser  ersten  feind- 
lichen berührungen  oder,  wie  sich  eben  so  richtig  sagen  läszt,  dieser 
ersten  kriegsuntemehmnngen  Plataia  überfielen  und  dann  80  tage 
nachher  die  gesamte  peloponnesische  macht  in  Attika  einfiel,  der 
anfang  eines  peloponnesischen  krieges  nicht  auch  schon  yon  dem 
frühling  des  j.  432  [herbst  433]  an  gerechnet  werden?  oder  besser 
noch  von  dem  beginn  des  Poteidaiatischen  krieges,  also  vom  herbst 
432  an?  .  .  von  dem  kriege  gegen  Poteidaia  an  hatten  . .  die  Athener 
unausgesetzte  kriegsnot,  und  nicht  die  geringste  durch  die  belage- 
rung  von  Poteidaia  gerade,  welche  sich  bis  in  den  eigentlichen  pelo* 
ponnesischen  krieg  hinein  fortsetzte,  da  dieser  platz  nach  grossen 
opfern  erst  im  zweiten  jähre  des  krieges ,  zu  ende  des  winters  429, 
erobert  wurde.'  gewis  konnte  er  das«  und  das  war  auch  in  Athen 
die  populäre  auffassung,  der  Aristophanes  ausdruck  gibt,  wenn  er 
in  der  im  frühling  421  aufgeführten  Friedenskomödie  die  athenischen 
Winzer  klagen  läszt,  dasz  sie  nun  seit  13  jähren  den  anblick  der 
friedensg5ttin  entbehren,  aber  diese  händel  mit  den  Korinihem 
waren  doch  eigentlich  nur  ein  verspiel  zu  dem  kriege  der  Athener 
mit  der  peloponnesischen  sjmmachie,  da  diese  letztere  als  solche  sich 
an  diesen  handeln  noch  nicht  beteiligt  und  namentlich  der  leitende 
Staat  Lakedaimon  noch  nicht  handelnd  eingegri£fen  hatte,  als  dann 
auf  dem  zweiten  congress  in  Sparta  die  peloponnesische  symmachie 
unter  dem  vorsitz  des  leitenden  Staates  die  beschwerden  der  Eo- 
rinther  gegen  Athen  als  berechtigt  anerkannte  und  den  beschlnsz 
faszte,  die  Athener  hätten  die  vertrage  gebrochen  und  es  solle  krieg 
geführt  werden  (Kai  tö  irXfiBoc  £i|iYiq)(caTO  itoXcmciv),  da  konnte  der 
geschichtschreiber  dies  mit  vollem  recht  als  eine  kriegserklärung 
ansehen  und  staatsrechtlich  den  anfang  des  krieges  von  hier  aus  da- 
tieren, wie  wir  ja  auch  den  anfimg  des  letzten  krieges  mit  Frankreich 
vom  18n  juli  1870,  dem  tage  der  kriegserklärung  in  der  französischen 
kammeran  datieren,  nicht  erst  von  dem  ersten  feindlichen  zusammen- 
tre£fen  der  beere,  das  hat  er  aber  nicht  gethan,  er  sagt  vielmehr 
ausdrücklich ,  der  ausbruch  des  krieges  verzögerte  sich  bis  zu  dem 
einfall  in  Attika  (irpiv  dcßaXeiv  ic  Tf|v  'Amicfiv  xal  töv  iröX€|üiov 
fipacOai  qKXvepoic).  was  hat  sich  nur  in  diesen  zuständen  durch  den 
Überfall  von  Plataia  rechtlich  und  factisch  verändert?  Thukydides 
gibt  als  merkmale  des  Unterschiedes  an ,  dasz  von  da  ab  die  beiden 
Parteien  nicht  mehr  ohne  geleit  von  herolden  mit  einander  verkehrten 
und  dasz  sie  sich  ununterbrochen  bekriegten,    das  letztere,  der  un- 


HMüller-Strübing :  das  erste  jähr  des  peloponnesiscben  krieges.     669 

sich  schon  eher  hören  läszt.  für  den  'ersten'  krieg  also,  'auf  den  er 
sich  ursprünglich  hatte  beschränken  wollen',  wie  ünger  sagt,  und 
auf  den  er  sich  in  der  that  ursprünglich  beschränkt  hatte,  wie  ich 
meine  (s.  Thukyd.  forsch,  s.  12  fif.),  passt  dieser  ansatz  ganz  gut, 
und  nun  traf  es  sich  zufällig,  dasz  auch  für  den  schlusz  seines  ganzen, 
des  27jährigen  krieges,  dieser  ansatz  des  anfangs  des  krieges  sich 
wohl  verwenden  liesz.  denn  setzen  wir  mit  Plularch  die  einnähme 
von  Athen  durch  Lysandros  auf  den  16n  munichion,  so  hätten  bis 
zum  Jahrestage  des  angriffs  auf  Oino6  wieder  mehrere  monate  an 
den  10  Jahren  gefehlt,  während  sich  beim  ansatz  des  anfangs  auf 
den  Überfall  von  Plataia  am  letzten  munichion  die  abweichung  von 
den  27  vollen  jähren  auf  nur  14  tage  reduciert. 

Im  vorstehenden  habe  ich  zu  zeigen  versucht  1)  dasz  die  da- 
tierung  des  anfangs  des  krieges  der  Athener  und  der  Peloponnesier 
eine  willkürliche,  geschichtlich  nicht  berechtigte,  auch  in  der  an- 
schauung  des  athenischen  volkes  nicht  vorhandene  war,  und  2)  dasz 
der  geschichtschreiber  sich  dieselbe  trotzdem  gestattet  hat.  die 
gründe,  weshalb  er  das  gethan  hat,  müssen  also  rein  subjectiver  natur 
gewesen  sein  und  entziehen  sich  daher  eigentlich  unserer  kenntnis, 
wir  sind  aufs  raten  angewiesen ,  auf  Vermutungen,  und  so  vermute 
ich  denn  dasz  es  ihm  lunächst  darum  zu  thun  war,  für  die  dauer  seines 
krieges  eine  runde,  ich  möchte  sagen  eine  epische  zahl  zu  erhalten, 
und  die  zehn  jähre  waren  ja  durch  den  troischen  krieg  für  die  epopöe 
gleichsam  geheiligt,  kürzere  zeit  als  der  troische  krieg  durfte  aber 
sein  krieg  doch  nicht  dauern!  hat  doch  derselbe  Thukydides,  der 
den  historischen  blick  hatte,  die  verschiedenen  kriege,  die  die  Athe- 
ner und  Lakedaimonier  seit  ol.  87,  1  miteinander  führten,  den  'zehn- 
jährigen', wie  er  ihn  selbst  nennt  (V  25),  den  sikelischen,  den  ioni- 
schen, als  ein  ganzes  aufzufassen,  und  die  kühnheit,  auch  die  sieben 
jähre  des  beschworenen  und  völkerrechtlich  wenigstens  nicht  ge- 
brochenen friedens  in  seinen  krieg  hineinzuziehen  —  zugleich  zur 
verherlichung  seines  krieges  als  des  unvergleichlich  bedeutendsten 
aller  früheren  den  medischen  krieg  als  durch  zwei  see-  und  zwei  land- 
schlachten entschieden  darstellen  müssen,  blosz  um  sagen  zu  können, 
sein  krieg  habe  viel  länger  gedauert  (I  23  tOüv  bk  TTpoTCpov  fpTUJV 
ILieTiCTOv  eTTpdxön  tö  MnbiKÖv ,  Kai  toOto  8mu)c  bueiv  vauiuaxiaiv 
Ktti  TTeZoMaxiaiv  raxeiav  Tf|v  Kpiciv  €cx€'  xotJTOu  bk  toö  itoX^mou 
^fiKOC  jLiCYOt  irpoößr)).  und  doch  konnte  es  seinem  historischen  sinne 
nicht  entgehen,  dasz  die  auf  jene  vier  schlachten  folgenden  und  durch 
sie  veranlaszten  kämpfe  bei  Mykale,  bei  Sestos,  bei  Byzantion,  bei 
Eion,  am  Eurymedon,  die  durch  keinen  Waffenstillstand,  keinen 
wenn  auch  faulen  frieden  unterbrochen  waren,  mindestens  ebenso- 
gut als  ein  einziger  krieg  aufgefaszt  werden  konnten,  ja  musten,  wie 
sein  27jähnger  krieg,  freilich,  als  er  die  oben  citierte  stelle  schrieb, 
wüste  er  von  der  27jährigen  dauer  des  krieges  noch  nichts:  denn, 
wie  Ullrich  beitrage  1846  s.  47  ganz  richtig  sagt,  'hätte  Thuky- 
dides  .  .  mit  seinem  kriege  der  Peloponnesier  und  Athener  gleich 


670     HMüUer-Strübing :  das  erste  jähr  des  peloponnesischen  krieges. 

vom  ersten  anfang  an  den  27jfthrigen  gemeint,  so  würde  es  über- 
haupt vollkommen  unnötig  gewesen  sein,  die  alles  frühere  ganz  ohne 
vergleich  überbietende  bedeutung  dieses  gegenständes  [?  auch ,  ich 
möchte  sagen,  sub  specie  aetemi  betrachtet?  vom  welthistorischen 
Standpunkt?  von  dem  aus  offenbar  Herodotos  den  kämpf  der  Orie- 
chen  und  der  barbaren,  des  occidents  und  des  Orients,  mit  dem  tiefen 
ahnungsvollen  äuge  eines  gottbegnadigten  kindes  als  das  leitmotiv 
der  Weltgeschichte  erkannt  und  bis  in  seinen  ersten  anfang  verfolgt 
hat!]  noch  erst  zu  beweisen  .  .  Thuk.  hätte  nur  die  27  jähre  zn 
nennen  gebraucht,  um  jeder  weitem  ausftthrung  überhoben  zu  sein' 
(vgl.  auch  A Schöne  in  Bursians  jahresb.  bd.  III  s.  828). 

So  wird  denn  also  der  gewinn  einer  IQjährigen  dauer  für  seinen 
krieg  wohl  6in  grund  gewesen  sein ,  weshalb  der  Schriftsteller  den 
Überfall  von  Plataia  als  anfang  des  krieges  aufgestellt  hat.*^  aber 
schwerlich  der  einzige;  er  wird  wohl  noch  einen  künstlerischen,  einen 
ästhetischen  grund  gehabt  haben,  wenigstens  hätte  er  unter  den 
begebenheiten ,  unter  denen  ihm  allenfalls  die  wähl  für  die  bezeich- 
nung  als  anfang  des  krieges  frei  stand,  sicherlich  keinen  glänzen« 
dem,  effectvollem  anfang  finden  können  als  diesen  nächtlichen 
Überfall  und  straszenkampf,  der  keiner  motivierenden  einleitang 
bedurfte ,  der  den  leser  sofort  packt  und  in  medias  res  versetzt,  und 
bei  dem  der  Verfasser  seiner  neigung  zur  epischen  kleinmalerei  recht 
con  amore  nachgeben  durfte ,  wie  er  das  ja  auch  mit  erfolg  gethan 
hat  —  kurz  es  war  recht  ein  TTtXauT^c  TTpöcuJirov  für  die  epopüe, 
die  er  damit  beginnt,  die  geschichtschreibung  gehörte  ja,  wie  schon 
oft  gesagt  ist,  zb.  von  BNiese  (hist.  zs.  1880  s.  392),  bei  den  alten 
zur  schönen  litteratur,  und  so  wird,  denke  ich,  eine  litterarische 
oder,  wenn  man  lieber  will,  eine  künstlerische  rücksicht  der  haupt- 
grund  gewesen  sein,  weshalb  er  seine  darstellung  des  krieges  mit 
diesem  lebendigen  ereignis  begann:  denn  die  rücksicht  auf  die 
Chronologie  konnte  ihn  damals,  als  er  dies  niederschrieb  (auf  frischer 
that:  das  beweist  die  frische  und  anschaulichkeit  der  darstellung), 
noch  nicht  leiten,  dasz  dann  ziemlich  genau  10  jähre  nach  diesem 
Überfall  sein  krieg  durch  den  frieden  des  Nikias  beendet  ward ,  das 

<«'  (las  erkennt  übrigens  auch  LHerbst  an,  der  (Philol.  XXXVIU 
8.  507  f.)  zu  Thuk.  II  1  sagt:  'mit  dem  zweiten  relativsatz  und  icaTQ- 
CTdvTCC  bezeichnet  Thuk.  den  eigentlichen  thatsächlichen  beginn  des 
krieercfi,  mit  dem  ersten  ^v  Cj)  OÖT€  iTr€|ui(TVUVTO  Iti  diCTipuKTl  itap' 
dXXfiXouc  die  zeit,  die  diesem  einfall  noch  vorausgegangen  ist,  jene 
80  ta^M  von  dem  Überfall  von  Plataia  bis  zu  diesem  einbrach  in  das 
attische  gebiet  .  .  dieser  punkt  wird  hier  mit  KQTacTdvTCC  bezeichnet; 
was  ihm  vorausliegt,  vom  Überfall  von  Plataia  bis  zu  diesem  KQTacTdvTCC, 
ist  zwar  noch  nicht  der  wirkliche  krieg,  aber  auch  nicht  mehr  der  frühere 
zustand  von  I  146;  verkehr  findet  jetzt  nur  durch  K/ipuK€C  statt,  so  hftlt 
sich  Thuk.  füi^  berechtigt  diese  Zwischenzeit  der  80  tage  schon  in  den 
krieg  selbst  mit  hineinzurechnen  und  die  dpxri  des  krieges  der  runden 
zahl  wegen  (V  20.  23)  mehr  formell  schon  mit  dem  Überfall  von  Plataia 
anzusetzen.'  gowis,  und  er  hat  sich  zu  noch  ganz  andern  dingen  für 
berechtigt  gehalten. 


HMüUer-Strübing:  das  erste  jähr  des  peloponnesischen  krieges.     671 

war  ein  zufall,  der  ihn  später  verleitet  hat  den  nachtkampf  von 
Plataia,  mit  dem  er  ursprünglich  aus  rein  künstlerischem  instinci 
um  seiner  ästhetischen  lebendigkeit  willen  die  darstellung  des  krieges 
begonnen  hatte,  willkürlich  auch  historisch  zum  ausgangspunkt 
des  peloponnesischen  krieges  zu  machen,  ich  sage  später:  denn  ich 
bin  überzeugt  dasz  die  worte,  die  wir  jetzt  V  24  ae.  lesen:  TaOTa 
bi.  TOI  biKa  Itt]  ö  Trp&TOC  TröXcMOC  Euvcx^c  t€VÖjli€VOC  T^TPCtTrrai, 
ursprünglich  in  der  ersten  bearbeitung  den  schlusz  gebildet  (natür- 
lich ohne  TipaiTOc)  und  am  schlusz  von  c.  19  gestanden  haben,  das 
was  dazwischen  steht,  also  c.  20  bis  24,  wird  der  schriftsteiler  später, 
gleich  als  er  sich  entschlosz  die  schon  ziemlich  weit  vorgerückten 
aufzeichnungen  aus  dem  sikelischen  und  ionischen  kriege  mit  der 
für  sich  abgeschlossenen  darstellung  des  ersten  zehnjährigen  krieges 
zu  einem  groszen  ganzen  zu  verbinden ,  vorläufig  niedergeschrieben 
haben,  als  eine  art  notbrücke,  um  die  Verbindung  wenigstens  ver- 
suchsweise herzustellen,  und  damals  wird  denn  auch  die  ganze  partie 
c.  14  bis  18  eine  ebenfalls  vorläufige  Überarbeitung  und  erweiterung 
erfahren  haben,  denn  die  lebendigkeit  der  epopöe  des  ersten  krieges 
hatte  mit  dem  gleichzeitigen  tode  des  Brasidas  und  des  Eleon  ihren 
abschlusz  gefunden,  das  interesse  des  lesers  und  ich  denke  auch  des 
Schriftstellers  war  erschöpft,  und  der  bericht  Über  den  friedensschlusz 
und  die  Vertragsurkunde  selbst  wird  ursprünglich  nur  gleichsam  als 
anhang,  als  ein  trockener  prosaischer  epilog  ohne  weitere  motivie- 
rung  mitgeteilt  sein,  aber  später,  als  dem  geschichtschreiber  der 
gedanke  aufgieng,  die  drei  kriege  als  ein  ganzes  aufzufassen  und 
dann  folgerichtig  auch  den  faulen  frieden  mit  in  seine  darstellung 
hineinzuziehen,  da  hat  er  auch  zugleich  das  bedürfnis  gefühlt,  die 
eigentliche  genesis  des  Vertrags  etwas  eingehender  zu  behandeln» 
und  er  hat  das  auch  sogleich  ausgeführt,  aber  nur  vorläufig,  behufs 
späterer  Überarbeitung,  so  erkläre  ich  mir  die  unleugbaren  incon- 
gruenzen  und  Widersprüche  in  dieser  partie,  die  JSteup  im  rhein. 
mus.  XXV  8.  273  ff.  so  scharfsinnig  nachgewiesen  hat,  um  sie  für  die 
Verunstaltungen  eines  interpolators  zu  erklären  und  zu  beseitigen, 
so  weit  kann  ich  nicht  mit  ihm  gehen,  obgleich  ich  wohl  erkenne  dasz 
der  mir  wohl  bekannte  interpolator  auch  hier  sein  freches  spiel  ge- 
trieben hat:  denn  in  den  von  Steup  gestrichenen  stellen  sind  mehrere, 
in  denen  ich  ganz  entschieden  die  band  des  Thukydides  zu  erkennen 
glaube,  das  zu  entwickeln  und  zu  begründen  ist  aber  hier  nicht  der 
ort,  das  musz  ich  mir  für  spätere  zeit  aufsparen,  und  so  kehre  ich 
denn  für  jetzt  nach  dieser  langen  abschweifung  zu  dem  s.  665  ab- 
gebrochenen versuch ,  die  uns  bekannten  ereignisse  dieses  sommers 
chronologisch  festzustellen,  bei  dem  ich  bis  zum  Überfall  von  Plataia 
am  letzten  munichion  (In  juni)  gekommen  war,  zurück. 

Durch  diesen  gewaltstreich  war  die  läge  der  dinge  noch  gespann- 
ter, die  Stimmung  noch  aufgeregter,  noch  fieberhafter  geworden, 
nicht  blosz  in  Athen :  f)  fiXXn  '6XXdc  Träca  jLiCT^wpoc  fjv  iuvioucujv 
TiüV  TTptjüTUiv  TTÖXeuJv:  denn  an   dem  baldigen  offenen  ausbruch 


672     HMüller-Stxübing:  das  erste  jähr  des  peloponnesischen  krieg^es. 

des  krieges  zweifelte  wohl  kein  mensch  mehr,  auch  die  Athener  nicht, 
wenn  sie  auch  versuchten  auf  dem  rechtswege  genugthuung  fttr  den 
an  ihrer  bundesstadt  verübten  frevel  zu  erhalten,  in  dieser  zeit  wird 
es  denn,  denke  ich,  gewesen  sein,  wie  schon  oben  gesagt,  dasz  die 
Athener  den  Abderiten  Nymphodoros  nach  Athen  beriefen,  am  durch 
seine  Vermittlung  mit  dem  thrakischen  könig  Sitalkes  ein  bündnis 
zu  scblieszen  und  durch  diesen  wieder  einen  druck  auf  den  Make- 
donier  Perdikkas  auszuüben ,  vor  dem  ruhe  zu  haben  ihnen  wegen 
der  noch  fortdauernden  belagerung  von  Poteidaia  sehr  wichtig  sein 
muste.  dies  ist  ihnen  denn  auch  gelungen,  da  ja  bald  darauf  Per* 
dikkas  im  verein  mit  Phormion  einen  kriegszug  gegen  die  mit  ihm 
verbündeten,  von  ihm  zum  aufstand  aufgehetzten  Chalkidier  unter- 
nahm (wunderbar  bleibt  das  freilich:  der  druck  musz  in  der  that 
sehr  stark  gewesen  sein),  das  andere  versprechen  des  Nymphodoro«, 
er  wolle  Sitalkes  überreden ,  ihnen  (doch  sicherlich  für  den  fall  des 
einbruchs  der  Lakedaimonier)reiter  und  plänkler  zu  hilfe  zu  schicken, 
scheint  nicht  erfüllt  worden  zu  sein,  weshalb  nicht,  wer  kann  das 
wissen?  sonst  waren  die  Athener  jetzt  vollauf  beschäftigt:  denn 
das  einwandern  des  landvolks  in  die  stadt  mit  weih  und  kind,  mit 
ihren  verraten  und  ihrem  hausrat,  ja  mit  dem  holzwerk  ihrer  häuser 
und  stalle ,  der  transport  des  viehs  nach  Euboia  und  £c  Täc  vt'jcouc 
TQC  dTTiKCiju^vac,  Unter  die  ich  jetzt  auch  Aigina  rechne,  war  doch 
keine  kleinigkeit.  das  getreide  hatten  sie  eingebracht  und  sicher 
schon  gedroschen,  und  nun  6engen  auch  die  sommerfrüchte  schon 
au  zu  reifen ,  die  feigen  und  die  trauben ;  auch  diese  einzuSringen 
hatten  sie  zeit  noch  bis  zum  letzten  moment ,  wenigstens  warf  man 
im  peloponnesischen  beer  dem  könig  Archidamos  vor,  durch  sein 
zögern  und  namentlich  durch  die  berennung  von  Oino(^  den  Athe- 
nern zeit  zum  einbringen  ihrer  vorrftte  gelassen  zu  haben  (c.  18  ol 
Tctp  'A9nvaioi  dc€KO|LiiZovTO  iv  tiij  XP^^viw  toutuj  usw.).  das  was 
noch  nicht  reif  war  oder  was  sie  aus  andern  gründen  etwa  nicht  mit- 
nehmen konnten,  haben  sie  natürlich  vernichtet,  damit  es  den  fein« 
den  nicht  zu  gute  käme,  hatte  ihnen  doch  Perikles  schon,  freilich 
verblümter  weise,  geraten  ihr  land  selbst  zu  verwüsten,  um  den 
Peloponnesiem  zu  zeigen,  wie  wenig  sie  sich  daraus  machten  (1 143, 6). 
jetzt  werden  sie  diesen  rat  so  viel  als  thunlich  wohl  befolgt  haben, 
denn  nun  sammelten  sich  schon  die  contingente  der  peloponnesibchen 
bundesglieder  auf  dem  Isthmos,  ich  denke  mitte  juli.  als  sie  bei- 
sammen bind,  hält  Archidamos  seine  obligate  rede  (das  gehört  ja 
unter  die  beruf»pflichten  eines  Thukydideischen  generals)  und  schickt 
noch  immer  zögernd  eine  letzte  botschaft  nach  Athen,  der  böte 
wird  gar  nicht  in  die  stadt  gelassen  {o\  bi.  0\)  7Tp0C€bäaVTO  auTÖv 
ec  Tf)V  TTÖXiv  oub'  inX  TÖ  KOlvöv:  die  thore  müssen  also  schon  mili- 
tärisch beisetzt  und  bewacht  gewesen  sein  —  Mie  Stadt  war  im  be- 
lagerungszustand',  wie  Curtius  ganz  richtig  sagt),  beim  ttber- 
scb reiten  der  grenze  spricht  der  herold  zu  der  escorte,  die  ihn  dahin 
geleitet  hatte,  das  berühmte  wort  f\b€  f)  i^i^pa  TOic  "EXXllCt  pcräXuiV 


HMüller-Strübing:  das  erste  jähr  des  peloponnemBchett  Jkrieges.     673 

KOKuiv  äp^et,  und  diesen  tag  hätte  Thuk.  etwa  als  anfang  dea^rieges 
bezeichnen  können ,  wie  man  ja  auch  von  der  bertlhmten  scene  auf 
der  promenade  in  Erna  am  18n  Juli  1870  vormittags  10  uhr  den  an« 
fang  des  deutsch- französischen  krieges  datieren  könnte,  die  rückkunft 
des  boten  auf  dem  Isthmos  war  das  Signal  zum  anfbruch und  zum 
abmarsch  nach  der  attischen  grenze,  wann  ist  das  geiächehen?  wahr- 
scheinlich sehr  bald  nach  dem  In  august  (In  hekatombaion),  gewis 
schon  unter  dem  archon  Euthjdemos ,  so  dasz  die  Sonnenfinsternis 
vielleicht  doch  eingetreten  wäre,  als  das  beer  schon  auf  dem  marsche 
war?  die  entfemung  vom  südlichen  teile  des  Isthmos,  etwa  vom 
diolkos,  bis  an  die  attische  grenze  beträgt  zwar  nur  sechs  deutsche 
meilen  (bis  Oino^  sieben)  wie  der  vogel  fliegt;  aber  ich  glaube  nicht 
dasz  ein  so  starkes  beer  bei  der  Schwierigkeit  der  pSsse  durch  die  Gera- 
neia  sie  in  weniger  als  drei  tagen  zurücklegen  konnte,  und  dann : 
wie  lange  hat  Archidamos  mit  dem  beere  vor  Oinotf  gelegen?  Grote 
sagt  ^several  days',  mehrere  tage;  sehr  unbestimmt,  aber  doch  zu 
wenig.  Unger  meint  (s.  48),  von  den  79  tagen  zwischen  dem  über-^ 
fall  von  Plataia  und  dem  was  Thukydides  die  dcßoXrj  nennt  dürfte 
mindestens  die  hälfte  auf  die  zeit  vor  der  anknnft  des  heeres  bei 
Oinoä  zu  rechnen  sein,  ich  denke  viel  mehr  als  die  hälfte,  denn  ich 
möchte  die  zeit  der  berennung  von  Oino6  trotz  der  Träca  ib^a  die 
Archidamos  versuchte  (c.  19)  doch  höchstens  auf  12  bis  14  tage 
rechnen,  eine  zeit  die  den  ungeduldigen  heiszspomen  im  peloponne- 
sischen  beer,  deren  klagen  Thuk.  uns  mitteilt,  schon  viel  zu  lang 
vorgekommen  sein  wird,  zumal  da  nichts  ausgerichtet  ward,  wie  dem 
auch  sei,  um  den  2 In  oder  22n  august,  toO  O^pouc  dKjiidZoVTOC,  am 
30n  tage  nach  dem  letzten  munichion,  begann  dann  die  Verheerung 
der  eleusinischen  und  thriasischen  ebene,  bei  der  menge  der  heloten 
und  Sklaven  und  plSnkler,  die  das  beer  begleiteten,  kann  das  aus- 
roden der  Weinberge  und  das  fällen  der  bäume  (man  wird  bei  be* 
sonders  starken  Ölbäumen  zb.  auch  wohl  feuer  zu  hilfe  genommen 
haben)  nicht  viel  zeit  gekostet  haben,  und  was  den  aufenthalt 
in  Acharnai  betrifft,  so  ist  der  ausdruck  ttoXuv  XP^^vov  bei  Thuk. 
so  vieldeutig,  so  dehnbar,  dasz  man  ihn  geradezu  als  nichtssagend 
bezeichnen  darf,  unser  Thukjdidestext  gibt,  allerdings  mit  einem 
vorsichtigen  X^t^'^^^  ^^s  grund,  weshalb  Archidamos  in  Acharnai 
geblieben  und  diesmal  nicht  zur  Verwüstung  der  sogenannten  'ebene' 
weiter  gezogen  sei,  an,  er  habe  gehofft,  die  Acharner  würden  die 
Verheerung  ihrer  Auren  nicht  ruhig  mit  ansehen  und  die  übrigen 
Athener  mit  fortreiszen  ins  feld  zu  ziehen  und  eine  schlacht  zu 
wagen;  aber  darauf  ist  gar  nichts  zu  geben,  denn  das  ganze  c.  20 
ist  eine  fälschung ,  das  mach  werk  eines  unwissenden  grammatikers, 
was  ich  hier  im  text  kurz  behaupte,  in  der  anmerkung  aber  be- 
weisen werde,  es  kommt  aber  auch  nicht  viel  darauf  an:  denn 
durch  Thuk.  selbst  erfahren  wir  ja  in  dem  echten  c.  21,  dasz  es  in 
der  that  in  der  stadt,  namentlich  unter  den  jüngeren  leuten,  hitz- 
köpfe  in  menge  gab,  die  es  dem  Strategen  Perikles  zum  Vorwurf 

Jahrbücher  f&r  clasK.  philol.  188S  hi\,  lOu.  11.  44 


674     HMüller-Strübing:  das  erste  jähr  des  peloponnesischen  krieges. 

machten ,  dasz  er  den  tollen  schritt ,  dem  numerisch  so  sehr  über- 
legenen feind  in  offener  feldschlacht  gegenüber  zu  treten,  nicht  unter- 
nahm.''  indes  viele  tage  lang  wird  Arcbidamos  selbst  diese  hoff- 

*^  dasz  das  ganze  20e  capitel  des  zweiten  btichs  das  machwerk  des 
mir  längst  bekannten  ebenso  albernen  wie  unwissenden  grammatikers 
ist,  davon  kann  sich  der  leser  sehr  leicht  überieagen,  wenn  er  den 
versuch  machen  will  von  den  letzten  worten  des  c.  19  xP^vov  T€  noXOv 
£)ui)ui€{vavT€C  £t€)uivov  gleich  mit  c.  21  'Adnvatoi  bi  weiter  zu  lesen  mit 
vorläufiger  überspringung  der  worte  TVWMQ  ^^  TOi^jtöc  X^T^TOi  bis  6 
'Apxi^ajuioc  iT€pl  T&c  *Axcipv&c  vfv.  wenn  er  dann  nachträglich  das 
20e  cap.  sich  angesehen  hat,  so  wird  er  gewahr  werden,  dasz  er  aus 
demselben  etwas  wesentlich  nenes  nicht  gelernt  hat,  da  der  falscher 
alles  was  er  vorbringt  ans  andern  stellen  des  Thnk.  entnommen  und 
nur  einige  abgeschmackte  nebensachen  hinzugefügt  hat.  denn  ans  den 
Worten  von  c.  23  oi  hi  TT€XoTrovv/|Cioi ,  £iT€i6f|  oOk  £Tr€S4€cav  aOrolc  ol 
'AOrivatoi  ^c  jidxTiv,  dpavrcc  ^k  ti&v  'AxapvÄv  £6/jouv  Tdiv  ö/ifiuiv  Tivdc 
&XXouc  bat  er  mit  recht  geschlossen,  dasz  die  Peloponnesier  es  wenig- 
stens für  möglich  gehalten  hatten,  die  Athener  würden  so  unklug  sein 
zum  offenen  kämpf  ins  feld  su  ziehen,  auch  weisz  er  aus  e.  21,  dasz 
es  in  Athen  nicht  an  hitzköpfen  fehlte,  die  den  Perikles  zu  diesem 
schritt  zu  drängen  suchten,  und  dasz  die  Acharner  aus  zom  über  die 
Verheerung  ihrer  felder,  die  sie  fast  mit  aug«n  sahen,  dabei  das  grosse 
wort  führten:  ot  TC  *Axapvf)c  o16m€voi  irapd  c<p{civ  aÖTotc  oök  £Xa- 
xicTTiv  ^otpav  cTvai  *Aer]va(u)v,  die  aOrdiv  i\  yf\  ^t^m^cto,  ivfltov  t^jv 
£Ho5ov  lidXiCTa.  dies  alles  bringt  der  falscher  dann  mit  einem  be- 
scheidenen und  vorsichtigen,  aber  hier  höchst  unthukjdideischen  X^T^Tai 
als  die  reflexion  des  Arcbidamos  vor,  der  früher  in  seiner  rede  c.  12 
erklärt  hat,  man  glaube  zwar,  die  Athener  würden  gegen  eine  so  grosse 
Übermacht  ni^ht  ins  feld  ziehen  (cl  Ttp  xal  boKoOficv  irXif|6€i  ^icUvou 
Kai  dcq)dX€ia  iroXXfi  cTvai  fif|  Av  £X6€tv  Todc  ^vavriouc  fj^tv  biä  fidxTic), 
aber  möglich  sei  es  doch,  dasz  sie  sich  beim  anblick  der  Verwüstung 
ihrer  felder  zu  der  toUkühnheit  verleiten  lieszen  (diCTC  XP^  Kai  irdvu 
4Xit{2I€Iv  h\ä  juidxiic  Uvai  aÜToOc,  ci  fif|  xal  vOv  dip^iivTai,  iv  (b  oOnui 
irdp€C|i€v,  dXX'  örav  £v  lij  tQ  öpdictv  Vj^Ac  6i9oOvTdc  t€  kqI  tukcCvuiv 
q>6€(povTac).  hier  hatte  der  falscher  das  material  für  die  TVuCifiili  die, 
wie  man  sagt,  den  Arcbidamos  bestimmt  haben  soll,  vollständig  bei- 
sammen, dies  ist  daher,  bis  auf  die  einführung  durch  das  hier  und  in 
diesem  Zusammenhang  ganz  unpassende  X^Y^'^^^  noch  nicht  gerade  ab- 
geschmackt, wenn  auch  völlipr  überflüssig  und  in  seinem  Ursprung  leicht 
nachweisbar,  zur  höchsten  absurdität  aber  erhebt  sich  der  falscher  in 
der  scbluszreflexion  des  Arcbidamos:  wenn  nun  auch  die  Athener  bei 
diesem  cinfall  nicht  aus  der  Stadt  herauskommen  sollten,  so  werde  es 
um  so  gefahrloser  sein,  später  die  ebene  su  verwüsten  und  bis  an  die 
Stadt  selbst  vorzurücken:  denn  die  Acharner  würden,  da  sie  nichts  mehr 
zu  verlieren  hätten,  nicht  mehr  ebenso  bereit  sein  wie  früher,  ihre  haut 
für  die  ländereien  der  andern  zu  markte  zu  tragen,  und  es  werde  Zwie- 
spalt in  der  öffentlichen  meinung  entstehen:  cl  TC  xal  fif|  iircE^XOciCV 
£k€{vi]  tQ  kßoXQ  oi  *A6r)va1oi,  dbe^cTCpov  i\br\  Ic  t6  Ocrcpov  t6  ncMov 
T6fi€lv  xal  irpöc  aÖTfjv  Tf)v  iröXiv  xu)pViC€c6ar  toOc  t^P  'Axapv^ac  ^ctc- 

pllfl^VOUC   TUüV   C<p€T^pU)V    OÖX   Ö^oCuJC    ITpoO^MOUC    fCCcÖoi    ÜTT^p  Tf\C  TlSlV 

dXXu)v  Kiv6uvcOciv,  CTdciv  b*  £v^c€c6ai  xfl  yviiiMia.  ToiaOrr)  ^liv  btavoiqi 
ö  *Apx{&a)uioc  TTCpl  Tdc  'Axapvdc  vfv.  und  dann  bricht  er  auf  and  ver- 
wüstet die  ländereien  der  andern,  um  die  gleichheit  derselben  mit  den 
Acharnern  herzustellen,  das  alles  ist  doch  zu  dnmml  die  Acharner 
würden  also  bei  den  späteren  einfallen  nicht  mehr  so  bereit  sein  das 
zu  tbun,  was  für  Arcbidamos  das  wünschenswerteste  war«  nemlich  ins 
offene  feld  zu  ziehen?    ja,  wenn  er  gesagt  hätte,  die  athenischen  und 


HMüller-Strübing :  das  erste  jähr  des  peloponnesischen  krieges.     670 

nung  wohl  nicht  gen&hrt  haben,  und  als  dann  das  gefecht  eines 
athenischen  reitergeschwaders  und  der  verbündeten  Thessaler  gegen 
die  boiotische  reiterei  stattgefunden  hatte ,  das  nicht  eben  glänzend 
für  die  letztere  ausfiel,  da  wird  er  wohl  jene  erwartung  aufgegeben 
haben  und  wird  von  Achamai ,  wo  er  nichts  mehr  zu  thun  hatte, 


thessalischen  reiter  würden  nicht  mehr  so  bereit  sein  ihn  bei  seinen 
Verwüstungen  zu  barcelieren  —  dann  hätte  er  allerdings  das  land 
d6€^CT€pov  verheeren  können,  aber  was  hat  das  mit  den  Acharnern  za 
thun?  wer  so  entsetzlichen  unsinn  dem  Thuk.  zutrauen  kann«  der  mag 
dies  capitel  als  eoht  verteidigen,  er  musz  es  dann  auch  mit  in  den  kauf 
nehmen,  dasz  Thuk.  nicht  gewust  hat,  wo  Acharnai  lag,  nemlich  in 
der  ebene  (es  war  'der  hauptort  der  ebene'  sagt  Curtius,  und  nach 
Bursiun  geogr.  v.  Griech.  I  s.  334  gehörte  der  beste  teil  der  attischen 
ebene  zur  f eidmark  von  Achamai):  denn  zu  anfang  des  cap.  bleibt 
Archidamos  in  Acharnai  und  steigt  bei  diesem  eiufall  überhaupt  nicht 
in  die  ebene  hinab  (X^€Tai  töv  'Apxi^omov  ircpi  T€  t&c  *Axapv&c  .  . 
fielvai  Kai  ^c  tö  irebiov  ^Kcivi]  tQ  ^cßoX^  od  KOToßf^vai),  während  er 
nach  c.  33  von  Acharnai  aufbricht  und  die  demen  zwischen  den  bergen 
Parnes  and  Brilessos  verheert,  dh.  die  landschaft,  die  die  Athener 
und  auch  Thuk.  (II  56.  56.  VII 19)  speciell  t6  ir€6(ov  nannten.  —  Ferner 
erfahren  wir  aus  diesem  cap.  noch,  Acharnai  sei  ii^a  (i^poc  Tf)c  iröXeuic 
gewesen;  mit  diesem  aus  V  32  hergenommenen  ausdruck  (xal  Kop{v6ioi 
IpXovTai  ic  TcT^av  dirocTficovrcc  AaK€6ai)uioviujv,  öpiXivT€C  fi^a  jui^poc 
öv)  sagt  uns  nun  der  interpolator  auch  nichts  gerade  neues,  da  Thuky- 
dides  eben  Achamai  x^pov  ^^tictov  xflc  'ArxiKflc  TÜöv  6f|)uiujv  koXou- 
^^vujv  genannt  hat  und  weiter  unten  sagt  et  T€  *Axapvf|c  oi6^€VOi 
irapd  cq){av  aÖTOtc  oOk  4XaxicTV)v  (loipav  €Tvat  'A8T)va(ujv.  —  Endlich 
erfahren  wir  aus  diesem  cap.  dann  noch,  dasz  der  demos  Achamai  3000 
hopliten  gestellt  habe,  mit  diesen  3000  hopliten  von  Acharnai  habe  ich 
mich  schon  vor  zehn  jähren  herumgeschlagen  und  habe  sie  auf  300, 
höchstens  400  reduciert  (Aristoph.  u.  d.  bist  kritik  s.  689  ff.) ,  was  den 
meisten  meiner  leser  wohl  bekannt  sein  wird,  da  Classen  in  seiner  weit 
verbreiteten  ausgäbe  die  Streichung  der  3000  gebilligt  und  meine  Ver- 
mutung, es  sei  statt  dessen  300  zu  schreiben  (T'  statt  ^f)  als  wahr- 
scheinlich richtig  anerkannt  hat.  anderseits  hat  man  freilich  die  be- 
seitigung  der  3000  ebenfalls  gebilligt,  gegen  meine  300  aber  als  eine 
zu  niedrige  zahl  das  i^^Ct  (i^poc  Tf)c  itöX€U)C  aus  diesem  c.  20  ins  gefecbt 
geführt,  so  ECurtius  in  seiner  gr.  gesch.  11^  s.  822,  ASchöne  in  Bnrsians 
jahresber.  III  s.  861  anm.,  Volquardsen  ebd.  XIX  s.  53,  GOilbert  beitr. 
8.  110.  nur  das  sjndicat  der  Oxforder  gelehrten  hat,  ebenfalls  mit  hilte 
des  jUL^Ya  M^poc,  die  3000  hopliten  selbstverständlich  in  schütz  genom- 
men; sie  stehen  ja  in  allen  hss.  und  sind  auch  von  Poppo  (^who  has  the 
great  merit  of  beiog  almost  always  right'  I  s.  X)  nicht  angezweifelt 
worden,  in  ihrer  polemik  gegen  mich  berechnen  sie  dann  die  gesamt- 
starke  des  athenischen  heeres  auf  29000  hopliten,  nach  c.  13  §  6  u.  7, 
ein  misverständnis  gegen  das  anzukämpfen  ich  kaum  der  mühe  wert 
halten  würde,  wenn  sich  nicht  derselbe  irrtum  auch  bei  Grote  fände, 
wie  er  mir  denn  auch  ganz  kürzlich  in  der  abh.  ^de  metoecis  Attieis^ 
von  HSchenkl  (Wien  1880)  s.  8  noch  begegnet  ist.  doch  ist  hier  nicht 
der  ort  dies  weiter  auszuführen,  hier  will  ich  in  bezug  auf  das  auch 
sonst  vielfach  verdorbene  c.  13  noch  hinzufügen,  dasz  mir  AvVelsens, 
wie  es  scheint,  wenig  beachtete  Vermutung,  in  §  7  sei  in  den  Worten 
dirö  T€  tCüv  irpccßurdTuiv  kqI  tiöv  vcujxdTUJV  Kai  |ui€to{kujv  öcoi  öirXlTai 
fjcav,  nach  öcoi  die  negationspartikel  ausgefallen  (vgl.  die  3000  metoiki- 
sehen  hopliten  in  II 3),  zweifellos  richtig  scheint  (s.  seine  reeension  meines 
buches  im  philol.  anz.  VIII  s.  391).    mich  gehen  natürlich  die  8000  hopliten 

44* 


674     HMfiller-Strftbixig:  das  erste  jähr  des  pelopönnesischen  krie^es. 

machten,  dass  er  den  tollen  schritt,  dem  numerisch  so  sehr  tLber* 
legenen  feind  in  offener  feldschlacht  gegenüber  cu  treten,  nicht  unter» 
nahm.*'   indes  viele  tage  lang  wird  Archidamos  selbst  diese  faofif* 

*^  dasz  das  ganze  20e  capitel  des  zweiten  bUchs  das  maohwerk  des 
mir  längst  bekannten  ebenso  albernen  wie  unwissenden  grammatikers 
ist,  davon  kann  sich  der  leser  sehr  leicht  übersenden,  wenn   er  den 
▼ersuch  machen  will  von  den  letzten  werten  des  c.  19  xP^vov  T€  iroXOv 
ififActvavTCC  £t€^vov  gleich  mit  c.  21  'AOnvatoi  bi  weiter  an  lesen  mit 
▼orlftnfiger   überspringnng  der   worte  fyiu^iji  bi  TOti^c   X^T^rai  bia    6 
*Apxtöa^oc   iT€pl   Täc  *Axapv&c  vfv.     wenn   er    dann    nachträglich    das 
20e  cap.  sich  angesehen  hat,  so  wird   er  gewahr  werden,  dasz  er  aas 
demselben  etwas  wesentlich  nenes  nicht  gelernt  hat,  da  der  falscher 
alles  was  er  vorbringt  ans  andern  stellen  des  Thnk«  entnommen  und 
nur  einige  abgeschmackte  nebensachen  hinzugefügt  hat.    denn  ans  den 
Worten  von  c.  23  o(  hi  TTcXoiro w/|Cioi ,  £iT€i6f|  oOk  knelf^^cay  aÜTolc  ol 
•AOTjvatoi  ic  Mdxnv,  dpavrcc  in  täv  'AxapvÄv  ^bifjouv  Tdiv  bfifiuiv  nväc 
dXXouc  bat  er  mit  recht  geschlossen,  dasz  die  Peloponnesier  es  wenig- 
stens für  möglich  gehalten  hatten,  die  Athener  würden  so  unklug  sein 
zum  offenen  kämpf  ins  feld  zu  ziehen,    auch  weisz  er  aus  c.  21,  dasx 
es  in   Athen  nicht  an  hitzkÖpfen  fehlte,  die  den  Perikles  zu  diesem 
schritt  zu  drängen  suchten,  und  dasz  die  Acharner  aus  zorn  über  die 
Verheerung  ihrer  f eider,  die  sie  fast  mit  äugen  sahen,  dabei  das  grosse 
wort  führten:   ol  T€  'Axapvf^c  olÖMCVot  irapd  cqiCciv  aOrotc  oök  IXo» 
x(cTiiv  fiotpav  €lvai  'AOiivaiuiv,  die  aCiTiiiv  i^  ffl  ^t^mvcto,  ivfltov  Tf|v 
£Eo6ov  ^dXiCTa.     dies    alles    bringt   der   falscher   daun   mit  einem  be- 
scheidenen und  vorsichtigen,  aber  hier  höchst  unthukjdideischen  X^CTOt 
als  die  reflexion  des  Archidamos  vor,  der  früher  in  seiner  rede  e.  12 
erklärt  hat,  man  glaube  zwar,  die  Athener  würden  gegen  eine  so  grosse 
Übermacht  ni^ht  ins  feld  ziehen  (cT  Ttp   xal  boKoOfi€v  irXif|6ci  4mdvai 
Kol  dccpdXcia  iroXXfi  cTvat  fif)  Av  iXQelv  to6c  ivavriouc  i^ijuitv  b\ä  fidxT)c), 
aber  möglieh  sei  es  doch,  dasz  sie  sich  beim  anblick  der  Verwüstung 
ihrer  felder  zu  der  toUkübnheit  verleiten  lieszen  (d)CT€  XP^  Koi  irdvu 
^ir(2l€tv  b\ä  MdxT)C  i^voi  aOToOc,  €i  \xi\  xal  vOv  d>p|iiivTai,  iv  (b  oOirui 
irdpccM€v,  dXX'  ötqv  £v  t4  tQ  öpiSlav  i\näc  bijoOvTdc  t€  xal  rdKcivuiv 
q>6£(povTac).    hier  hatte  der  falscher  das  material  für  die  Tvdifir|,  die, 
wie  man  sagt,  den  Archidamos  bestimmt  haben  soll,  vollständig  bei- 
sammen«    dies  ist  daher,  bis  anf  die  einführung  durch  das  hier  und  in 
diesem  Zusammenhang  ganz  unpassende  X^f^Tai,  noch  nicht  gerade  ab- 
geschmackt, wenn  auch  völlig  überflüssig  und  in  seinem  Ursprung  leicht 
nachweisbar,     zur  höchsten  absurdität  aber  erhebt  sich  der  falscher  in 
der  schluszreflexion  des  Archidamos:  wenn  nun  auch  die  Athener  bei 
diesem  einfall  nicht  aus  der  Stadt  herauskommen  sollten,  so  werde  es 
nm  so  gefahrloser  sein,  später  die  ebene  zu  verwüsten  und  bis  an  die 
Stadt  selbst  vorzurücken:  denn  die  Acharner  würden,  da  sie  nichts  mehr 
zu  verlieren  hätten,  nicht  mehr  ebenso  bereit  sein  wie  früher,  ihre  haut 
für  die  ländereien  der  andern  zu  markte  zu  tragen,  und  es  werde  Zwie- 
spalt in  der  öffentlichen  meinung  entstehen:  cf  T€  xai  fif|  iircE^XOoicv 
(Kcivi)  TlJ  £cßoX4  ol  'AOvivdloi,  döckvcpov  i\bY\  ic  t6  dcrcpov  t6  ncbiov 
TciiClv  Kol  irpöc  aÖT^iv  tJ|v  iröXiv  xuJp/|C€c6at*  toCic  tdp  'Axapv^ac  ^ctc» 
pnM^vouc  T(Xiv  c<pcT^pujv  oöx  öfioiuüc  irpoOOMOiic  ^cccOai  (iirip  rf^c  tu)v 
aXXwv  Ktv6uv€i3€iv,  crdciv  6*  ^v^cccOai  xfl  Tvdi|uii9.    roiaönj  fn^v  biavoicji 
6  'Apxi^a^oc  ircpl  t&c  'Axapvdc  i^v,     und  dann  bricht  er  auf  und  ver- 
wüstet die  ländereien  der  andern,  nm  die  gleiehheit  derselben  mit  den 
Achamern  hersustellen.     das  alles  ist  doch  zu  dumm!    die  Acharner 
würden  also  bei  den  späteren  einfallen  nicht  mehr  so  bereit  sein  das 
SU  thun,  was  für  Archidamos  das  wünschenswerteste  war«  nemlich  ins 
offene  feld  zu  ziehen?    ja,  wenn  er  gesagt  hätte,  die  athenischen  und 


HMüUer-Strübing:  das  erste  jähr  des  peloponnesischen  krieges.     677 

schleunigen  rückkehr  an  ArchidamoB  abgegangen  sein,  dem  er  denn 
auch  sofort  nachgekommen  ist,  gerade  wie  unter  Ähnlichen  um- 
ständen sein  söhn  Agis  sechs  jähre  später,   rechne  ich  nun  auf  die 
Schädigung  jener  ungenannten  anderen  gegenden  etwa  1 2  bis  14  tage, 
so  wird  der  anschlag  auf  Methone  etwa  ende  august  zu  setzen  sein, 
und  Archidamos  kann  den  befehl  zur  rttckkehr  sehr  gut  in  den  ersten 
tagen  des  September  erhalten  haben,    er  zog  nun  nicht  ab  auf  dem 
wege  auf  dem  er  gekommen  war,  sondern  darch  Boiotien,  und  dazu 
wird  er  gute  gründe  gehabt  haben :  erstens  weil  dadurch  die  emäh* 
rung  seines  heeres  sehr  erleichtert  ward  (denn  dasz  den  Peloponne- 
siem  die  von  hause  etwa  mitgebrachten  lebensmittel  ausgegangen 
waren,   will  ich  gern  glauben),  und  zweitens  mochte  er  fürchten 
bei  seinem  rückzuge  auf  dem  alten  wege  von  den  attischen  und 
thessalischen  reitern ,  denen  natürlich  der  kämm  sehr  geschwollen 
sein  muste,  wenn  nicht  ernstlich  bedrängt ,  so  doch  belästigt  und  in 
der  Schnelligkeit  seines  marsches  behindert  zu  werden,  zumal  da  die 
boiotische  reiterei  ihn  sicherlich  auf  seinem  rückzuge  nicht  begleitet 
hätte,  sondern  direct  nach  hause  gezogen  wäre,  so  kam  denn  das  pelo- 
ponnesische  beer  unbehelligt  nach  dem  Peloponnes  und  löste  sich  auf: 
(i9iK6jLi€Voi  bfc  k  TTcXoirövvricov  bicXöOticav  Kaiä  ttöXcic  ^KacTOi. 
Die  athenische  flotte  hatte  inzwischen  die  messenische  küste 
verlassen  und  operierte  weiter  nach  norden  zu  an  der  küste  von  £lis. 
sie  legte  in  Pheia  an,  verwüstete  das  land  zwei  tage  lang  und  be- 
siegte in  offener  Schlacht  die  bewohner  der  umgegend  (dies  wird  er» 
klärt,  die  aus  der  Pisatis  und  aus  Triphylia),  denen  300  kemtruppen 
aus  der  hohlen  Elis  zu  hilfe  gekommen   waren,     wegen  heftigen 
Sturmes  umsegelte  die  flotte,  nachdem  sie  den  grösten  teil  der  ge* 
landeten  an  bord  genommen  hatte,  das  Vorgebirge  Ichthys  nach  dem 
hafen  von  Pheia;  die  Messenier  aber  (von  denen  wir  hier  zum  ersten- 
mal hören  —  es  sind  natürlich  die  aus  Naupaktos ,  die  zugleich  mit 
den  korkyräischen  schiffen  gekommen  sein  werden,  s.  c.  25  aa.)  und 
andere  [die  sich  nicht  hatten  einschiffen  können]  zogen  zu  lande  und 
nahmen  Pheia,  sie  wurden  aber  'später'  (ucT€pov)  von  den  zurück- 
gekehrten schiffen  an  bord  genommen,  und  diese  verlieszen  Pheia: 
denn  die  hauptmacht  oder  das  zahlreiche  beer  der  Eleier  war  schon 
zur  hilfe  herbeigezogen :  o\  bi,  Mccdfjvtoi  iv  toOti}i  Kai  dXXoi  Tivk 
[o\  ov  buvdiLievoi  iTrißflvai"]  Kaiot  fflv  x^P^cavxcc  Tf|v  0€idv 
aipoOci.    Kai  ucTcpov  aX  t€  vfjec  TTcpmXeucacai  ävaXa^ßdvouciv 
aÖTouc  Kai  ÖavdTOVTai  dKXiTröviec  Ocidv,  Kai  tüjv  "HXeiujv  i\ 
TToXXfi  i\br]  cTparid  TTpoc€ß€ßor]9TiK€i.  TrapaTrXcucavrec  bi  oi  *AGii- 
vaToi  ^ttI  dXXa  xu)p{a  db^ouv.  was  war  nun  diese  hauptmacht,  diese 
TToXXf)  CTpand  der  Eleier,  und  wo  kam  sie  her?  darauf  antworte  ich : 
aus  Attika.  es  war  das  contingent,  das  unter  Archidamos  die  invasion 
mitgemacht  hatte  und  eben  zurückgekommen  war,  dessen  stärke  ich 
nach  Tbuk.  Y  75  auf  etwa  3000  hopliten  schätze,    sie  hatten  sich 

*'  Herwerden   bezeicboet  die   eingeklammerten  worte  als  emblem, 
nach  meinem  gefühl  mit  recht. 


678     HMfiUer-Strübing:  das  erste  jähr  des  peloponnesischen  krieges. 

nun  mit  ihren  kürzlich  geschlagenen  landsleuten  (dem  zu  hause 
gebliebenen  drittel  der  gesamtmacht  des  landes)  vereinigt  und  rück- 
ten zum  kämpf  heran;  die  Athener,  die  ja  von  ihren  eignen  lauten 
nur  1600  hopliten  und  300  bogenschützen  an  bord  der  flotte  hatten, 
wollten  begreiflicher  weise  gegen  eine  solche  Übermacht  keine 
Schlacht  wagen  und  stachen  in  see. 

Bechne  ich  nun  auf  den  marsch  des  Archidamos  von  Boiotien 

•  

nach  dem  Süden  des  Peloponnes  etwa  7 — 8  tage  —  und  wenn  man 
sich  erinnert,  dasz  das  lakedaimonische  hilfscorps  nach  der  schlackt 
von  Marathon  die  entfemung  von  Sparta  nach  Athen  in  drei  tagen 
zurücklegte,  so  wird  man  das  eher  zu  viel  als  zu  wenig  finden  —  so 
würde  dann  die  abfahrt  der  athenischen  flotte  von  Pheia  etwa  auf 
den  lln  oder  12n  September  zu  setzen  sein. 

Hier  schiebt  nun  Thukydides ,  wie  wir  gesehen  haben  (s.  oben 
s.  657),  auszerdernotiz  über  die  Sonnenfinsternis  und  die  austreibung 
der  Aigineten  auch  den  bericht  über  die  expedition  des  Kleopompos 
nach  Lokris  und  über  die  Verhandlungen  mit  Nymphodoros,  dem 
Schwager  des  Sitalkes,  ein :  ich  halte  mich  daher  für  berechtigt  den 
sieg  der  Athener  bei  Alope,  mit  der  jene  schlosz,  so  wie  den  feldsug 
des  Perdikkas  gegen  die  Chalkidier  in  gemeinschaft  mit  Phormion, 
der  eine  folge  jener  Unterhandlungen  war^  in  diese  zeit,  also  etwa  in 
die  mitte  des  September  oder  des  metageitnion  zu  setzen,  ich  will 
nicht  wiederholen,  was  ich  oben  schon  darüber  gesagt  habe;  nur 
darauf  will  ich  noch  einmal  aufmerksam  machen,  dasz  dieser  schritt 
des  Perdikkas ,  der  seiner  sonstigen  in  der  that  durch  die  umstftnde 
gebotenen  politik  schnurstracks  zuwider  lief,  sich  gar  nicht  anders 
erklären  läszt  als  durch  die  annähme,  dasz  er  diesen  feldzug  der 
Lakedaimonier,  von  dem  man  auch  für  Thrakien  so  viel  gehofft 
hatte,  für  gänzlich  gescheitert  hielt  und  die  macht  der  Athener  all 
befestigter  denn  je  ansah. 

Die  athenische  flotte  fuhr  aber  von  Pheia  aus  noch  nicht  nach 
hause,  sondern  blieb  noch  irepl  TTcXottövviicov  und  führte  noch 
allerlei  aus:  die  Athener  nahmen  Sollion,  ein  den  Korinthem  ge- 
höriges Städtchen ,  und  vertrieben  den  ebenfalls  den  Korinthem  be- 
freundeten tyrannen  Euarchos  aus  Astakos;  dann  segelten  sie  nach 
der  viel  nördlicher  gelegenen  insel  Kephallenia,  die  ohne  kämpf  auf 
die  Seite  der  Athener  trat  und  ihnen  auch,  beiläufig  gesagt,  während 
des  ganzen  krieges  treu  geblieben  ist.  dann  *nicht  lange  darauP 
(ucTcpov  QU  7ToXX(|i)  Segelten  die  schiffe  nach  Athen,  ehe  sie  aber 
dort  ankamen,  erfuhren  sie  dasz  die  Athener  mit  ihrer  gesamten 
landmacht  (Travbfijitei)  in  der  Megaris  versammelt  waren ,  wohin  sie 
einen  einfall  zur  Verheerung  des  kleinen  ländchens  gemacht  hatten, 
unter  Perikles  führung.  an  diesem  lustigen  militärischen  Spaziergang 
wollte  die  flottenmannschaft  auch  ihr  teil  haben :  sie  segelten  hinüber 
und  schlössen  sich  ihren  landsleuten  an.  das  wird  ein  siegeijubel  ge- 
wesen sein!  —  dies  war  TTCpi  TÖ  q)6ivöirujpov ,  und  wenn  ich  dann 
die  rückkehr  der  flotte  etwa  auf  den  lOn  bis  16n  ootober  setze 


HMüUer-Strübing:  das  erste  jähr  des  peloponnesischen  krieges.     679 

(9n  bis  14n  bo^dromion) ,  so  wird  das  eher  zu  früh  als  zu  spät  sein, 
denn  die  regulierung  der  politischen  Verhältnisse  in  Sollion,  in  Asta- 
kos  und  namentlich  in  Eephallenia ,  wo  die  feldherm  wie  es  scheint 
mit  vier  selbständigen  stadtgemeinden  zu  verhandeln  hatten ,  musz 
geraume  zeit  weggenommen  haben.  —  Dann  berichtet  Thukydides 
noch,  dasz  am  ende  dieses  sommers ,  ToO  B^pouc  toutou  tcXcutüjv- 
TOC ,  die  Insel  Atalante  an  der  lokrischen  küste  von  den  Athenern 
befestigt  ward.  raOia  jLifcv  iv  Tip  0^p€i  TOUTtp  jucid  t^v  TTeXoTrov- 
VTiciuiv  Ik  Tf]C  'ATTiKflc  dvaxwpiiciv  dT^V€TO.  in  dem  darauf  fol- 
genden Winter  aber  führton  die  Eorinther  den  vertriebenen  tyrannen 
Euarchos  nach  Astakos  zurück ;  ihr  versuch  sich  in  Akarnanien  fest- 
zusetzen mislang,  und  eben  so  ihr  angriff  auf  Eephallenia,  bei  dem 
sie  mit  verlust  zurückgeschlagen  wurden,  dann  folgt  die  Schilderung 
der  feierlichen  bestattung  der  in  diesem  kriegsjahr  gefallenen  krieger 
und  die  berühmte  leichenrede  des  Perikles.  damit  endet  der  winter. 
das  wäre  also  die  geschichte  des  ersten  kriegsjahres.'^ 


**  in  bezng  auf  die  Operationen  der  flotte  au  der  küste  von  £Iis 
will  ich  hier  eine  Vermutung  aussprechen,  in  der  friedensnrkunde 
(Thuk.  V  18,  7)  heiszt  es  diroöövTWv  bi  kqI  'A6riv€n01  AaKcbaifiovioic  <Kal 
Toic  Hu^fldxolC>  Kopuqpdciov  xal  KOOr^pa  xal  M^Gava  kqI  TTTcXeöv  koI 
'ATaXdvTT)v.  Mie  läge  von  Pteleon  ist  nicht  bekannt,  und  die  thatsache 
«einer  einnähme  und  besetznng  durch  die  Athener  wird  von  Thukydides 
sonst  nirgends  erwähnt.'  so  Kirchhoff  in  der  abh.  über  die  von  Thuk. 
benutzten  Urkunden  in  den  sitzungsber.  der  Berliner  akad.  1882  nov.,  aus 
der  auch  das  eingeschaltete  Kai  toTc  EupMdxoic  genommen  ist.  Classen 
meint,  es  sei  vielleicht  der  von  Plinius  IV  §  26  angeführte  ort  dieses 
namens  in  Boiotien  zu  verstehen,  höchst  unwahrscheinlich,  die  weg- 
nähme (bei  welcher  gelegenheit  denn?)  und  behauptong  einer  boioti- 
■sehen  festung  würde  zu  viel  lärm  und  aufsehen  gemacht  haben,  als  dasz 
Thukjdides  sie  hatte  übergehen  können,  zumal  die  Athener  den  ort 
nach  dem  friedensscblusz  doch  sicher  nicht  an  die  Boioter  zurück- 
gegeben haben,  und  Plinius  wäre  dann  gewis  nicht  der  einzige  Schrift- 
steller, der  diese  mir  übrigens  sehr  problematische  Stadt  in  Boiotien 
erwähnt  hätte,  dann  spricht  Plinius  IV  §  29  noch  von  einem  nemut 
Pteleon  in  der  Phthiotis  am  pagasäischen  meerbusen,  wo  auch  Strabon 
IX  s.  433  die  schon  bei  Homer  im  schiffskatalog  erwähnte  Stadt  Pteleon 
kennt,  sie  wird  auch  sonst  oft  genannt,  dasz  diese  thessalische  Stadt 
nicht  während  des  lOjährigen  krieges  von  den  Athenern  weggenommen 
sein  kann,  liegt  auf  der  band,  nun  wird  aber  bei  Strabon  VIII  s.  849 
noch  eine  gleichnamige  colonie  des  thessalischen  Pteleon  erwähnt,  an 
der  küste  von  £lis,  in  Triphylien  (nach  Plinius  in  Messenien),  und  dies 
eleische  Pteleon  ist,  glaube  ich,  das  in  dem  friedensvertrag  gemeinte, 
ist  es  nicht  sehr  denkbar,  dasz  die  zu  lande  marschierenden  Messenier, 
die  auf  ihre  eigne  band  schon  Pheia  genommen  hatten,  sich  auszerdem 
noch  durch  Überrumpelung  eines  kleinen  hafencastells  bemächtigt  und 
sich  in  demselben  dann  mit  Zustimmung  der  Athener  auch  behauptet 
haben?  für  die  Messenier,  die  von  Naupaktos  aus  sicherlich  viel  kapere! 
trieben,  muste  ein  solcher  unterschKipf  iv  dXifi^vip  X^P^M'  ^^^^  ^®' 
gehrenswert  sein,  und  ebenso  den  Athenern  bei  ihren  häufigen  expe- 
ditionen  irepl  TTcXouöwricov.  man  wird  nun  sagen,  das  würde  Thukj* 
dides  wohl  erzählt  haben,  schon  recht;  aber  irgendwo  musz  er  die 
Unterlassungssünde  der  nichterwähnung  der  einnähme  von  Pteleon  doch 
begangen  haben,  warum  denn  nicht  hier  so  gut  wie  anderswo?   ja  besser 


678     HMfiller-Strfibiiig:  das  erste  jähr  des  peloponnesischen  krieges. 

nun  mit  ihren  kürzlich  geschlagenen  landsleuten  (dem  zu  hanse 
gebliebenen  drittel  der  gesamtmacht  des  landes)  vereinigt  nnd  rOck- 
ten  zum  kämpf  heran;  die  Athener,  die  ja  von  ihren  eignen  lenteii 
nnr  1600  hopliten  nnd  800  bogenschützen  an  bord  der  flotte  hatten, 
wollten  begreiflicher  weise  gegen  eine  solche  flbermacht .  keine 
Schlacht  wagen  nnd  stachen  in  see. 

Bechne  ich  nun  auf  den  marsch  des  Archidamos  von  Boiotien 
nach  dem  Süden  des  Peloponnes  etwa  7 — 8  tage  —  nnd  wenn  man 
sich  erinnert,  dasz  das  lakedaimonische  hilfiBCorps  nach  der  schlackt 
von  Marathon  die  entfemnng  von  Sparta  nach  Athen  in  drei  tagen 
znrücklegte,  so  wird  man  das  eher  zn  viel  als  zn  wenig  finden  —  sc 
würde  dann  die  abfahrt  der  athenischen  flotte  von  Pheia  etwa  auf 
den  lln  oder  12n  September  zu  setzen  sein. 

Hier  schiebt  nun  Thnkjdides,  wie  wir  gesehen  haben  (s.  oben 
B.  657),  anszerdernotiz  über  die  Sonnenfinsternis  nnd  die  anstreibnng 
der  Aigineten  anch  den  bericht  über  die  ezpedition  des  Kleopompos 
nach  Lokris  nnd  über  die  Verhandlungen  mit  Njmphodoros ,  dem 
Schwager  des  Sitalkes,  ein:  ich  halte  mich  daher  für  berechtigt  den 
sieg  der  Athener  bei  Alope,  mit  der  jene  schlosz,  so  wie  den  fddsng 
des  Perdikkas  gegen  die  Chalkidier  in  gemeinschaft  mit  Phormion, 
der  eine  folge  jener  nnterhandlnngen  war^  in  diese  zeit,  also  etwa  in 
die  mitte  des  September  oder  des  metageitnion  zu  setzen,  ich  will 
nicht  wiederholen,  was  ich  oben  schon  darüber  gesagt  habe;  nur 
darauf  will  ich  noch  einmal  aufmerksam  machen,  dasz  dieser  schritt 
des  Perdikkas,  der  seiner  sonstigen  in  der  that  durch  die  umstftnde 
gebotenen  politik  schnurstracks  zuwider  lief,  sich  gar  nicht  anders 
erkl&ren  läszt  als  durch  die  annähme,  dasz  er  diesen  feldzug  der 
Lakedaimonier,  von  dem  man  auch  für  Thrakien  so  viel  gehofft 
hatte,  für  g&nzlich  gescheitert  hielt  nnd  die  macht  der  Athener  als 
befestigter  denn  je  ansah. 

Die  athenische  flotte  fuhr  aber  von  Pheia  aus  noch  nicht  nach 
hause,  sondern  blieb  noch  irepl  TTeXonöwficov  nnd  führte  noch 
allerlei  aus:  die  Athener  nahmen  Sollion,  ein  den  Korinthem  ge- 
hönges  Städtchen ,  and  vertrieben  den  ebenfalls  den  Korinthem  be- 
freundeten tyrannen  Enarchos  aus  Astakos;  dann  segelten  sie  nach 
der  viel  nördlicher  gelegenen  insel  Kephallenia,  die  ohne  kämpf  auf 
die  Seite  der  Athener  trat  nnd  ihnen  auch,  beiläufig  gesagt,  wiüirend 
des  ganzen  krieges  treu  geblieben  ist.  dann  *nicht  lange  darauf 
(öcTcpov  oä  iroXX(|i)  segelten  die  schiffe  nach  Athen,  ehe  sie  aber 
dort  ankamen,  erfuhren  sie  dasz  die  Athener  mit  ihrer  gesamten 
landmacht  (iravbiijLiei)  in  der  Megaris  versammelt  waren ,  wohin  sie 
einen  einfall  zur  Verheerung  des  kleinen  ländchens  gemacht  hatten, 
unter  Perikles  führung.  an  diesem  lustigen  militärischen  Spaziergang 
wollte  die  flottenmannschaft  auch  ihr  teil  haben:  sie  segelten  hinüber 
und  schlössen  sich  ihren  landsleuten  an.  das  wird  ein  siegeejubel  ge- 
wesen sein!  —  dies  war  TTcpi  TÖ  q)6tvöiru)pov,  und  wenn  ich  dann 
die  rückkehr  der  flotte  etwa  auf  den  lOii  bis  15n  october  setze 


HMüller-Strübing:  das  erste  jähr  des  peloponnesischen  krieges.     681 

des  sechsten  (bzw.  bei  Schaltjahren  die  mitte  des  siebenten)  monats 
gelegt  werden  könnte  ? '  dadurch  wäre  freilich  das  von  Unger  so 
hart  verletzte  ebenmasz  hergestellt,  auch  die  gleiche  länge  des  som- 
mers mit  dem  winter  gewonnen,  aber,  gerade  herausgesagt,  auf  kosten 
des  gesunden  menschenverstandes.  denn  danach  hätte  zb.  in  ol.  91,  2 
unter  dem  archon  Chabrias,  einem  gemeixijahr,  der  sommer  am  letzten 
anthesterion ,  28n  februar  begonnen,  und  der  winter  ol.  91,  3  am 
letzten  metageitnion,  dh.  am  26n  augustl  wer  jemals  im  august  in 
Athen  gewesen  ist,  der  wird  dies  mit  einem  gemischten  gefühl  lesen, 
des  Schauders  bei  dep  erinnerung  an  die  unerträgliche  hitze ,  die  er 
dort  im  august  ausgestanden  hat,  und  des  lächelns  über  die  drollig- 
keit  des  einfalls,  auch  nur  einen  teil  dieses  monats  als  winter  zu  be« 
zeichnen. "  darüber  will  ich  kein  wort  mehr  verlieren  und  ebenso- 
wenig über  den  anfang  des  sommers  am  Jahrestag  von  Plataia ,  den 
ich  doch  wohl  glücklich  beseitigt  zu  haben  hoffen  darf,  darf  ich  nun 
auch  annehmen,  dasz  Ungers  Winteranfang  am  27n  September  durch 
meine  ausfübrungen  über  die  data  des  ersten  kriegsjahres  dasselbe 
Schicksal  erfahren  hat?  wird  Unger  zb.  zugeben,  dasz  die  100  schiffe 
der  Athener  erst  im  october  und  doch  noch  im  Thukydideischen  som- 
mer nach  Athen  zurückgekehrt  sind?  ich  rechne  kaum  darauf:  denn 
ich  weisz  dasz  Unger  trotz  aller  gewissenhaftigkeit  doch  auch  mit- 
unter den  thatsachen  arge  gewalt  anthut,  wenn  sie  sich  seiner  theorie 
nicht  gutwillig  fügen,  am  auffallendsten  tritt  das  hervor  in  der 
wahrhaft  unbarmherzigen,  offenbar  dem  Prokrustes  abgelernten 
weise,  mit  der  er  (zeitr.  s.  60)  im  19n  kriegsjahr  die  nach  der  mond- 
finsternis  bis  zum  schlusz  des  Thukydideischen  sommers  in  Sikelien 
und  dann  in  Athen  geschehenen  dinge  behandelt,  um  sie  in  die  zeit 
vom  28n  august  bis  zum  27n  September  hineinzwängen  zu  können; 
an  der  übrigens  auch  Yolquardsen  ao.  s.  1 14  schon  anstosz  genommen 
hat.  ^^   aber  ich  will  mich  hier  mit  der  Widerlegung  der  gelehrten 


'^  nach  12jäbrig^en  beobachtungen  auf  der  frei  und  luftig  gelegenen 
ffternwarte  von  Athen  ist  die  miitelwärme  (nach  Celsius)  des  jali  28,12, 
des  august  27,86,  des  September  24,19;  maximum  des  juli  29,40,  des 
august  30,06,  des  sept.  26,69;  minimum  des  juli  26,57,  des  august  26,83, 
des  sept.  21,64.     s.  Matthiessen  in  AMommsens  gr.  Jahreszeiten  s.  115. 

^^  ebenso  Holm  in  Bursians  jahresber.  IV  s.  88,  der  nachgewiesen 
hat,  dasz  der  rückzug  der  Athener  von  Syrakus  bis  zur  katastrophe 
mehrere  tage  länger  gedauert  hat,  als  Unger  annimt.  aber  gesetzt 
auch  Unger  hätte  recht,  das  eintreffen  der  nachricht  von  der  niederlage 
in  Athen  schon  auf  den  16n  sept.  zu  setzen,  wie  kann  er  alles  das,  was 
Thuk.  als  noch  im  sommer  geschehen  berichtet,  in  10  tage  zusammen- 
pressen? anfangs  wollten  die  Athener  die  hiobspost  nicht  glauben  (ich 
erinnere  an  die  geschichte  von  dem  barbier  bei  Plutarch),  dann  grosze 
uiedergeschlagenheit,  zorn  usw.  doch  ermannten  sie  sich  und  beschlossen 
eine  neue  flotte  zu  bauen,  das  nötige  holz  zu  kaufen,  geld  zusammen- 
zubringen, wofür  dann  eine  neue  finanzbehörde  ernannt  ward,  'und 
wie  sie  beschlossen  hatten,  so  thaten  sie  auch,  und  der  sommer  endete.' 
und  das  alles  soll  iu  10  tagen  geschehen  sein?  hier  zeigt  sich  wieder 
bei  Unger  der  mangel  an  reeller  anschauung,  an  lebendigem,  schlag- 
fertigem vorstellungsTermögen.    die   errichtung  der  neuen  behörde  der 


682     HMüller-Strübing;  das  erste  jähr  des  peloponneeisclieQ  krieg^ea. 

und  scharfsinnigen  gründe,  mit  denen  ünger  seine  theotie  vom  an- 
fang  des  winters  am  27n  September  zu  stützen  sucht ,  nicht  auf- 
halten, da  ich  dieselbe  auf  einfachere,  wenn  man  will  auf  eine  bru- 
tale weise  durch  zwei  thatsachen,  die  ich  den  offioiellen  Urkunden 
entnehme,  beseitigen  zu  können  glaube. 

Die  erste  dieser  Urkunden  ist  das  fragment  der  insohrift  auf  der 
rttckseite  des  steins,  auf  dessen  Vorderseite  sich  die  oben  s.  596  ab- 
geschriebene rechnungsurkunde  befindet;  sie  ist  von  Kirchhoff  zu- 
erst in  den  abhandlungen  der  Berliner  akad.  der  wiss.  1876  und  dann 
CIA.  IV  s.  31  zugleich  mit  der  letztem  publiciert.    er  hat  richtig 
erkannt,  dasz  dies  fragment  zu  einer  rechnungsurkunde  aus  ol.  88,  2 
gehört,  und  hat  daher  die  folgenden  ergftnzungen  vorgenommen: 
z.  1— 8  ["AOiivaioi  dvrjXujcav  in\  EukX^ouc  oipxovTOC  xal  irA  rfic 
ßouXf)c  i^  6  betva  irpwTOc]  dTP[apuäT€U€.  TOjLiiai  iepoiv  XPH- 
jLidTUJV  Tffc  'A6T]va(ac . . .  jiiavT  -  -  xai  Suvdpxov]T€C  6[ic  €dßou- 
Xoc  OiXoTetTOVoc  *Axapv€uc  dTpappäT€U€.  irap^bocav  irA  Ti]C 
-  -  iboc  irpuTUveiac  -  -  c  iTpuTav€uoöc]T]c ,  [^]v5[€KäTi)  fm^pqi 
Tf)c  irpuTttvclac] 
z.  4  [K€(p]aXfi6€v  vel  '€KaXf)e€V,  CcpevbaXf^eev 
z.  5  -  -  i  f|)i^pa[t] 
z.  6  [irpuTaveucOcTilc,  €iK0CT[4] 
z.  7  [liji  aiiiji  ^^^p[9  '€XXiivoTajüi[iaci] 

[z.  8  reste  von  buchstaben ,  aus  denen  nichts  zu  entnehmen  ist] 
z.  9  [im  Tf^c  -  -  (boc  f  k]tiic  [Trp]uTav€uoücT]C 
z.  10  raJOrai  bk  ic  CiK€Xia[v] 
z.  1 1  [t-nX  Tf^c  "EpIexOni^c  ^ßböp[T)c  irpuTavcuoücnc] 
z.  12  -  -  v6i  'A(pi[ovaii|)]. 

in  der  akademischen  abhandlung  fügt  Eirchhoff  folgendes  hinzu: 
'die  spuren  auf  z.  8  wage  ich  nicht  mit  Zuversicht  zu  deuten,  z.  9 
aber  ist  wieder  deutlich  [in\  Tffc  -  -  iboc  fKJTqc  irpuTaveuouaic 
zu  erkennen,  wenn  man  damit  z.  11  [ivX  Tf)c  *€p]6x6Tiiboc  dßbö[|üiTic 
iTp\rrav€UO!iCT]C  vergleicht  z.  10  stand,  wie  es  den  anschein  hat, 
[a]ÖTai  b€  ic  CiK€X(av.'    darauf  hin  hat  man  gefragt  (HDroysen 

probnlen  hätte  eigentlich  nur  durch  ein  gesetz  geschehen  können,  aber 
ich  will  gern  annehmen  dass  die  Athener  damals  auch  die  tiefgreifend- 
sten ftndemngen  schon  durch  cabinetsordres,  dnrch  psephiamata,  er- 
ledigten, aber  meint  denn  Unger,  das  habe  sich  so  übers  knie  brechen 
lassen?  ich  will  ihm  nur  eine  stelle  aus  Demosthenes  (v.  d.  ges.  s.  899)  ins 
gedächtnis  rufen:  £v  ixclvaic  fi^v  fäp  tqIc  iroXtT€(aic  (in  den  olignrehien 
und  monarchien)  irdvT  *  il  iirirdTMOTOC  6E^ujc  TiYV€Tai,  6|üiIv  bk  irpCbrov 
Häy  Tf|v  ßovXfjv  dKoOcai  ircpl  irdvruiv  xal  irpoßouXcOcat  6ct,  kuI  to06' 
ÖTuv  i}  KfipuHt  Kul  irpccßciaic  irpOTCTpofifi^vov ,  oök  dei,  €Tt  ^kkXticUiv 
irotf|cai,  Kul  toOttiv  ötqv  ^k  tiDv  vöfiuiv  Kae/|Ki].  cTtu  xporftcai  kqI 
ircpiTCv^cBai  bei  toOc  t4  ß^ricra  X^Tovrac  tiöv  fj  6i"  drvoiav  fi  bid 
M0X6ilP^<>v  dvTiX€TÖVTUiv  usw.  so  gieng  es  in  Athen  her,  und  da  es  an 
Opposition,  ehrlicher  wie  chicanöser,  auch  diesmal  nicht  gefehlt  haben 
wird,  so  sind  die  probnlen  sicherlich  erst  lange  nach  dem  26n  sept. 
creiert  worden,  and  dann:  was  sie  beschlossen  hatten,  das  thaten  sie 
auch  —  im  sommerl 


HMüller-Strflbing:  das  erste  jähr  des  peloponnesischen  krieges.     683 

*Athen  u.  d.  westen'  s.  8),  unter  der  sechsten  prjtanie  von  ol.  88,  2, 
dh.  mitte  winters  stehe  in  dieser  rechnungsurknnde  aOrai  bk  ic 
CiKeXtov  -  -  *  handelt  es  sich  hier  um  eine  nachsendung  von  schiffen, 
von  der  Thukydides  schweigt?'  nein,  erwidere  ich,  um  eine  nach- 
sendung handelt  es  sich  nicht,  das  läszt  sich  nachweisen ,  nicht  aus 
dem  schweigen,  sondern  aus  den  positiven  angaben  des  Thukydides« 
Die  erste  expedition  nach  Sikelien,  20  schiffe  unter  Laches  und 
Chariades,  gieng  ab  im  5n  kriegsjahr  toC  O^pouc  T€XeuTUJVTOC,  also 
sicher  ol.  88,  2  unter  Eukles.  sie  nahm  ihr  Standquartier  in  der  be- 
freundeten Stadt  Bhegion.  im  winter  brach  die  pest  zum  zweiten  mal 
in  Athen  aus,  Kai  ol  iiifev  iv  CiKeXiqi  'AOrivaioi  Kai  PhT^voi  toö  auToO 
X€i|iuJvoc  xpidKovra  vaucl  cxpaTeuGuciv  diri  xdc  AlöXou  vrjcouc 
KaXoujLi^vac.  damals  war  also  noch  keine  Verstärkung  aus  Athen  ge- 
schickt worden:  denn  dasz  10  von  diesen  schiffen  das  hilfsgeschwader 
von  Bhegion  bildeten,  wird  sich  später  noch  deutlicher  ergeben,  im 
laufe  des  sommers  lesen  wir  dann  einige  episoden  aus  diesem ,  wie 
Holm  (gesch.  Sic.  II  s.  4)  mit  recht  sagt,  athenischer  seits  höchst 
kläglich  geführten  kriege ;  wir  erfahren  dasz  Chariades  von  den  ßyra- 
kusern  getötet  ist  und  dasz  Laches  allein  das  commando  führt;  aber 
über  die  zahl  der  schiffe  eifahren  wir  nichts,  erst  im  folgenden  winter 
unter  Euthynos  erscheint  dann  eine  gesandtschaft  der  Sikelioten 
in  Athen  und  bittet  ihnen  mit  mehr  schiffen  zu  hilfe  zu  kommen, 
denn  mit  den  wenigen  dort  vorhandenen  schiffen  könnten  sie  gegen 
die  Syrakuscr  nichts  ausrichten,  die  Athener  beschlieszen  ihnen 
später  40  schiffe  zu  schicken  und  senden  einstweilen  nur  den  Py^ 
thodoros  ab  mit  Venigen'  schiffen,  der  den  Laches  im  commando 
ablösen  sollte,  diese  wenigen  schiffe  waren  wahrscheinlich  bestimmt 
die  athenische  flotte,  die  in  den  zum  teil  unglücklichen  gefechten  des 
sommers  doch  gewis  Verluste  erlitten  hatte,  wieder  auf  die  ursprtLng- 
liehe  stärke  von  20  schiffen  zu  bringen,  denn  nachdem  Pythodoros 
gleich  nach  seiner  ankunft  eine  schlacht  gegen  die  (epizephyrischen) 
Lokrer  verloren  hat,  finden  wir  im  sommer  425  einer  syrakusischen 
flotte  von  mehr  als  30  schiffen  nur  16  athenische  und  8  rheginische 
schifte  gegenüber  stehen,  so  war  also  die  athenische  flotte  trotz  der 
wenigen  schiffe,  die  ihr  Pythodoros  zugeführt  hatte,  zusammen- 
geschmolzen, während  die  Bheginer  seit  ankunft  der  Athener  zwei 
schiffe  verloren  hatten,  aus  dem  allem  folgt  denn ,  wie  ich  meine, 
mit  Sicherheit,  dasz  die  Athener  im  winter  unter  dem  archon  Eukles 
keine  Verstärkung  nach  Sikelien  geschickt  haben ,  dasz  also  in  den 
in  der  inschrift  erwähnten  nach  Sikelien  bestimmten  schiffen  die  30 
im  sommer  unter  Laches  ausgesandten  schiffe  zu  erkennen  sind,  und 
dasz  Eirchhoffs  ergänzung  im  Tr\Q  -  -  tboc  £k]ttic  TTpuTav€UOuciic 
eine  verfehlte  ist.  welch  einen  seltsamen  grund  gibt  auch  Kirchhoff 
für  seine  ergänzung  an!  weil  die  nächste  Zahlung  in  die  siebente 
prytanie  föllt,  darum  die  zunächst  vorhergehende  in  die  sechste  I  wir 
haben  also  die  lücke  vor  -  tt^c  durch  eine  andere  Ordnungszahl  aus- 
zufüllen, aber  durch  welche?  etwa  [iTpii)]TTic  TTpuTav€UOuaic?  dann 


684     HMüUer-StrQbing:  das  erste  jähr  des  pelopoxmesiBchen  kii 

wäre  also  die  zahlang  an  die  30  schiffe  vor  dem  lOn  metageitnion» 
dem  28n  angust  geleistet  steht  das  aber  nicht  im  widersprach  da- 
mit, dasz  Thnk.  sagt,  die  schiffe  seien  ausgelaufen  toO  0^oucT€X€i>- 
TiSüvTOC?  soll  Thnk.  die  mitte,  ja  das  ende  des  angoat  schon  als  das 
ende  des  sommers  bezeichnet  haben?  ich  meines  teils  kann  das 
nicht  annehmen  und  schwerlich  auch  ünger;  da  sein  Winteranfang* 
unter  Eukles  auf  den  26n  boddromion  fftUi  dann  bleibt  uns  aber, 
da  die  zweite  prytanie  ausgeschlossen  ist,  als  die  früheste  Ordnungs- 
zahl die  dritte  prjtanie  übrig,  und  wir  hätten  zu  schreiben  [iiA  Tr)c 
-  -  iboc  Tpijnic  irpuTaveuoucnc.  die  Zahlung  wäre  dann  geleistet 
zwischen  dem  18n  bo^dromion  (das  jähr  des  Eukles  ist  ein  Schalt- 
jahr) und  dem  26n  pyanepsion ,  dh.  zwischen  dem  4n  oder  5n  octo" 
her  und  dem  7n  oder  8n  november  —  auf  jeden  fall  nadi  dem  37n 
September^  dem  Ungerschen  Winteranfang. 

Bei  der  groszen  Wichtigkeit  aber,  die  die  ermitüung  des  Winter- 
anfangs für  die  feststellung  der  gesamten  Chronologie  des  Thuky- 
dides  hat  (denn  kennen  wir  das  ende  seines  sommers  genau,  so  haben 
wir  auch  einen  sichern  anhält  für  die  feststellung  des  anfangs  des- 
selben) ,  will  ich  hier  noch  eine  stelle  aus  einer  andem  Urkunde  an- 
führen, die,  denke  ich^  dem  ziele  noch  einen  schritt  näher  führen 
wird :  aus  der  logistenrechnung  für  die  finanzperiode  von  ol.  88,  3 
bis  89,  2  (CIA.  I  273).  der  posten,  den  ich  im  sinn  habe,  ist  eine 
Zahlung,  und  zwar  die  erste,  aus  ol.  88,  4  (426)  und  lautet  nach 
Eirchhoffs  ergänzung:  rdbe  napäbocav  ol  Ta[fiiai  OuiKidb^c  & 
Of|ou  Kttl  £uvdpxovTec  ör\  C{Tpa]TOKX^ouc  fipxovroc  kqI  feirl  ti^c 
ßouXf^c  5  "nX[eicTiac  irpilrroc  ijpaixj^&reue ,  crpaniToic  ncpl  TTc- 
XoiTÖWTicov  Aririoce^vei  *AXkic0^vouc  *Aq)ib[vatip  im  ifjc  .  • . . 
[niboc]  trpuTav€(ac  TCTdpnic  [irpuTaJveuoucTic,  Tpixij  fm^qi  Tf)c 
irpuraveiac  d[c€XT]Xu6uac  ^k  toO  'Otric6]oböfuiou  AÄA*  tökoc  tou- 
TOtc  IfiytTO  PPHHHHA.  die  Zahlung  ist  also  geleistet  am  dritten  tage 
der  yierten  prytanie,  das  ist,  da  das  jähr  des  Btratokles  ein  gemein- 
jahr  war,  am  19n  oder  20n  pyanepsion  »*  I2n  oder  13n  november 
425,  und  zwar  an  Demosthenes  als  CTpaniTÖC  nepl  TTeXoirövviicov. 
nun  wissen  wir  aus  der  ezpedition  der  flotte  des  ersten  kriegajahres 
und  der  oben  besprochenen  Urkunde  aus  dem  archontat  des  Pytho- 
doros,  wie  auch  aus  vielen  andem  stellen  (zb.  Thuk.  II  67.  HI  7. 
91  ua.),  dasz  der  ausdruck  Trepl  TTeXoiTÖvvTicov  auch  die  küsten* 
striche  nördlich  vom  Peloponnes  umfaszte,  Sollion,  Astakos,  Akar- 
nanien,  Naupaktos,  wo  das  hauptquartier  der  achififo  iT€pl  TTeXo- 
itövVTicov  war,  und  so  scheint  es  mir  denn  keinem  zweifsl  zu  unter- 
liegen, dasz  diese  Zahlung  für  das  von  Thuk.  IV  49  im  7n  kriegfijahr 
unter  Stratokies  erwähnte  unternehmen  bestimmt  war.  denn  da 
heiszt  es:  xai  o\  iv  t^  Nauirdicrip  'AOnvaioi  xal  'Axapvävec  6}ia 
TcXeuTÖVTOc  ToO  G^ouc  cTpaT€ucd|Li€vot  'AvaKTÖpiov  Kopiv6(uiV 
nöXiv ,  t\  KCirai  liA  T(b  CTÖ|iaTi  toO  'A^irpaKucoO  köXttou  ,  CXaßov 
irpobociqi*  xai  £KiT^|LiMiavT€C  KopivBiouc  aurot'AKOpväyec  oiK^iTopec 
&ird  irdvTuiv  £cxov  tö  xu>piov.  xai  tö  B^poc  ireXcirra  das  stimmt 


HMüUer-Strübing:  das  erste  jähr  des  peloponnesisclien  krieges.     685 

doch,  wie  mich  dünkt,  ganz  vortrefflich  mit  der  Urkunde,  wenn  dann 
Demosthenes  gleich  nach  empfang  des  geldes,  also  am  20n  oder  2  In 
pyanepsion  aus  dem  Peiraieus  aasgelaufen  ist,  so  konnte  er  bei  leid- 
lichem Wetter  am  vierten  oder  fünften  tage  nachher  ganz  gut  an  der 
mündung  des  ambrakiotischen  golfs  sein ,  ja  konnte,  wenn  die  npo- 
bocia,  natürlich  von  Naupaktos  aus,  gut  vorbereitet  war,  seinen 
band  streich  —  denn  auf  einen  solchen ,  auf  Überrumpelung  war  es 
doch  wohl  abgesehen  —  sogleich  ausführen,  ende  sommers,  dh.  noch 
vor  dem  ersten  maimakterion,  ja  noch  vor  den  Apaturien.  denn  mit 
den  Apaturien,  die  ich  wie  AMommsen  in  die  allerletzten  tage  des 
pyanepsion  setze ,  oder  noch  besser  gesagt  mit  der  apaturischen  zeit 
endete  in  Athen  der  sommer  und  zugleich  der  active  teil  des  kriegs- 
jahres ,  wie  dem  entsprechend  der  sommer  und  zugleich  den  active 
teil  des  kriegsjahres  mit  den  Dionysien,  oder  besser  gesagt,  mit  der 
dionysischen  zeit  anfieng. 

Beweis:  Thukydides  sagt  IV  52  (im  achten  kriegsjahr):  toO  b* 
iiriTiTvoiui^vou  Wpouc  euGuc  toö  T€  f)Xiou  dxXtTT^c  xi  dT^veio  irepi 
vou^Tiviav  Kai  toO  auToO  iiiiivdc  Icraji^vou  fceice.  diese  Sonnen- 
finsternis ist  von  den  astronomen  auf  den  2 In  märz  424  berechnet, 
und  der  21  e  märz  fiel  in  diesem  jähre  auf  den  In  elaphebolion ;  an 
diesem  tage  begann  also  der  sommer  oder  das  active  kriegsjahr,  be* 
gann  was  ich  nenne  die  dionysische  zeit,  dh.  die  grosze  landes- 
gemeinde  trat  zusammen ,  die  dann  bis  zur  festfeier  am  8n  elaphe- 
bolion zur  erledigung  der  geschäfte  ununterbrochen  tagte  und  nach 
dem  fest ,  am  14n  elaphebolion ,  an  den  Pandien ,  die  schluszsitzung 
hielt ,  in  der  namentlich  die  vertrage  mit  auswärtigen  Staaten  udgl. 
ratificiert  zu  werden  pflegten,  und  womit  begannen  die  geschäfte 
am  ersten  tage?  mit  dem  was  in  gewisser  hinsieht  für  das  be- 
ginnende kriegsjahr  das  wichtigste  war:  das  volk  wählte  seine  führer, 
seine  Strategen. 

Beweis :  Aristophanes  Wolken  575  ff.  dies  stück  ward  bekannt- 
lich an  den  Lenaien  423  aufgeführt,  etwa  lOmonate  nach  der  Sonnen- 
finsternis vom  In  elaphebolion  424.  nun  spricht  der  chorfUhrer  im 
namen  der  wölken: 

576  üj  co9i&TaToi  eeaial,  beOpo  idv  voöv  irpöccxeie. 
T^biKiiiüi^vai  Toip  u|Liiv  |Li€|Li9Ö|i€c6'  dvavTiov* 
nXcicia  Top  Ö€ujv  dTrdvrwv  dMpeXoucatc  Tf|v  tröXiv 
bai^övujv  fi^iv  iLiövaic  ov  öu€T*  oöbfe  crr^vbcTe, 
atiivec  TT]poö|Liev  ö/iiäc.  r\y  top  5  Tic  ßoboc 
280  iLiiibevi  £uv  viu,  tot'  f\  ßpovTUü|Liev  f\  ipaKäZo^ev. 
elia  TÖv  9€okiv  ^xöpöv  ßupcob^i|ir)v  TTacpXaTÖva 
^vix*  ijipeicGe  CTpaxriTÖv,  xäc  öqppOc  Huv/iTO|Li€V 
KdiroioOjLiev  beivd*  ßpovifi  b*  dppdTn  bi'  dcipanflc* 
i]  ceXrJYTi  b'  dE^Xeme  idc  öboiic  6  b*  f^Xioc 
686  Tf)v  GpuaXXib'  elc  dairrdv  euWuic  EuvcXKUcac 
oö  <pav€iv  fqpacKcv  Ö|liTv,  el  crpcmiTi'icei  KX^uiv. 
dXX'  6)Liu)c  etX€cG€  toCtov.  9aci  tdp  bucßouXiav 


686     HMfiller-Strübing:  das  erste  jähr  des  peloponnesischen  kriege«. 

T^be  T^  itöXei  iTpoccivat ,  TaOra  \iivTOi  touc  0€ouc 
&tt'  Sv  ö^eic  d^a^dprirr'  ird  rö  ß^Xnov  Tp^irciv* 
690  die  bk  Kai  toOto  Euvofcci  ^bfuic  btbä£o^cv. 
i^v  KX^uiva  Töv  Xdpov  buipuiv  ^Xövrec  Kod  icXonffc 
elra  q>i|ii(icnTe  toOtou  \  vS^  £üX((i  töv  aöx^va 
adOtc  de  TdpxaTov  ä|itv,  eX  n  Kdb^x&fneT^j 
inX  TÖ  ß^Tiov  TÖ  Ttp&xiia  Ti)  nöXei  EuvoiccTau 
ieh  habe  mich  nicht  enthalten  können  die  ganze  stelle  auszuschrei- 
ben, weil  sie  so  gar  anmutig  ist,  im  besten  Aristophanischen  stil; 
sonst  hatte  ich  ja  schon  587  abbrechen  können,   das  will  ich  denn 
dadurch  wieder  einbringen,  dasz  ich  kein  wort  verliere  über  all  die 
mishandlungen ,  die  die  arme  zierliche  stelle  Ton  den  heransgebem, 
erläuterem  und  Übersetzern  hat  erleiden  müssen,    auch  bedarf  es 
wohl  keines  weitem  commentars.  die  combination  der  beiden  stellen, 
der  bei  Thukjdides  und  der  bei  Aristophanes,  und  die  berecfanung 
des  von  jenem  für  die  Sonnenfinsternis  gegebenen  datums  toO  im* 
TtTVOji^vou  O^pouc  cö6uc  auf  den  ersten  eli^hebolion,  in  der  Böokh 
und  Unger  übereinstimmen,  genügt  vollkommen. 

Nur  mnsz  man  die  sache  richtig  verstehen,  schon  zwei  m<maie 
vorher,  in  der  mitte  des  winters,  zur  zeit  der  Lenaien  —  ich  will 
auch  hier  sagen,  in  der  lenftischen  Volksgemeinde  —  waren  Kleon 
und  seine  smtsgenossen,  wie  selbstverständlich  die  Strategen  all- 
jährlich, von  ihren  respectiven  phylen  zu  Strategen  gewählt,  jetzt 
zu  anfang  des  activen  kriegijahres  musten  diese  wählen  von  der 
gesamtheit  des  athenischen  volkes  entweder  bestätigt  oder  cassiert 
werden  (was  mitunter,  wenn  auch  wohl  selten,  vorgekommen  ist), 
durch  die  bestätigung  wurden  sie  dann  Strategen  des  athenischen 
Volkes,  und  so  kann  Aristophanes  zu  dem  volke  mit  gutem  recht 
sagen :  ihr  habt  Eleon  zum  Strategen  gewählt.  ** 

Aber  freilich  —  Masz  die  Strategen  im  munichion  gewählt  und 
mit  dem  hekatombaion  ins  amt  getreten  sind ,  wird  jetzt  wohl  für 
die  urteilsfähigen  feststehen'  (vWilamowitz  ^aus  Kjdathen'  s.  58).  in 
der  that?  wo  haben  denn  die  urteilsfähigen  diese  Weisheit  her?  be- 

*7  die  Wichtigkeit  der  grossen  Isndesgemeinden  zur  zeit  der  Dio- 
njsien  und  überhanpt  snr  seit  der  hanptfeste,  der  Psnathensien,  der 
Apatnrien  und  der  Lenaien,  anf  die  ich  schon  in  meinem  ersten  bnche 
'Aristophanes  u.  d.  hist.  kritik'  s.  189  aufmerksam  gemacht  habe,  wird 
noch  immer  nicht  genug  anerkannt,  zuweilen  auch  arg  misverstanden. 
so  sagt  Busolt  in  seinen  höchst  anregenden  'forschnngen  zor  griechi- 
schen geschichte*  I  s.  161 ,  indem  er  meinen  ansatz  der  ostrakisiemng 
des  Hjperbolos  in  die  8e  prytanie  418  billigt:  'es  kam  den  verbündeten 
parteibänptern  sehr  za  statten,  dasz  am  diese  zeit  die  grossen  Diony* 
sien  gefeiert  wurden,  und  dasz  in  folge  dessen  die  landbevölkemng 
massenhaft  nach  der  Stadt  geströmt  war.'  das  erinnert  mich  an  jenen 
guten  landpfarrer,  der  seiner  gemeinde  auch  daran  die  gute  und  Weis- 
heit gottes  nachwies,  dasz  er  die  grossen  schiffbaren  flttsse  fast  immer 
an  gproszen  und  volkreichen  Städten  vorbeiflieszen  lasse,  umgekehrt, 
weil  an  den  Lenaien  und  Dionjsien  das  landvolk  massenhaft  zur  Stadt 
strömte,  darum  war  von  anfang  an  die  procheirotonie  und  die  ostra- 
kophorie  auf  diese  beiden  feste  angesetst  worden. 


HMüller-Strübing:  das  erste  jähr  des  peloponnesischen  krieges.     687 

rnht  sie  vielleicht  auf  der  'chronik'  ?  o  nein  I  besser  als  das ,  sie  be* 
ruht  auf  einer  officiellen  Urkunde,  einer  inschrift. 

Diese  zuerst  von  ÜKöhler  in  den  monatsberichten  der  Berliner 
akademie  1866  herausgegebene  und  besprochene  inschrift  kenne  ich 
so  gut  wie  die  ^urteilsfäiigen',  habe  ihrer  auch  schon  vor  zehn  jähren 
in  meinem  buche  über  Aristophanes  u.  die  bist,  kritik  s.  193  er- 
wähnung  gethan,  aber  nur  ganz  beiläufig,  weil  ich  in  der  that 
dachte,  die  blosze  hinweisung  darauf,  sie  sei  aus  der  zeit  der  zwölf 
phylen,  würde  genügen,  die  ihr  von  Köhler,  wie  ich  annahm,  in  der 
ersten  hastigen  freude  über  einen  immerhin  interessanten  fund  bei- 
gelegte Wichtigkeit  auf  das  richtige  masz  zurückzuführen.'^  denn 
dasz  Köhlers  ansieht  anklang  finden  würde,  dasz  also  die  'urteils- 
fähigen' aus  einem  document  der  zeit  der  zwölf  phylen ,  das  wahr- 
scheinlich der  mitte  des  dritten  jh.,  also  einer  zeit  angehörte,  in 
der  Athen  seine  Selbständigkeit  völlig  verloren  hatte  und  politisch 
zu  einer  makedonischen  provincialstadt  herabgesunken  war,  deren 
Strategen  den  commandanten  der  makedonischen  garnisonen  im  Pei- 
raieus ,  in  Munichion  gegenüber  schwerlich  gröszere  bedeutung  ge- 
habt haben  werden  als  etwa  der  Frankfurter  bürgerci^itain  vor  1866 
neben  den  die  preuszische  und  österreichische  gamison  comman- 
dierenden  officieren  —  dasz,  sage  ich,  die  urteilsfähigen  aus  einer  sol- 
chen Urkunde  rückschlüsse  ziehen  würden  auf  die  einrichtungen  jener 
groszen  zeit,  als  der  athenische  demos  von  der  Pnyx  aus  ein  weites 
reich  im  zäume  hielt  und  durch  seine  kriegsschiffe  alle  meere  be- 
herschte ;  dasz  demnach  diese  urteilsfähigen  den  Athenern  den  haar- 
sträubenden unsinn  zutrauen  würden,  sie  hätten  in  der  mitte  der  für 
die  kriegführung  und  namentlich  für  den  Seekrieg  günstigsten  Jahres- 
zeit nicht  blosz  die  anführer  ihrer  flotten  und  beere  gewechselt  — 
das  ist  nicht  neu,  das  hat  man  auch  früher  schon  vielfach  angenom- 
men —  nein  sie  hätten  auch  den  nicht  wiedergewählten ,  also  mora* 
lisch  abgesetzten,  als  untüchtig  beseitigten  Strategen  den  befehl  über 
ihre  schiffe  und  truppen  dann  noch  mehr  als  zwei  monate  über- 
lassen —  das  hatte  ich  allerdings  nicht  erwartet ,  und  dasz  es  doch 
geschehen  ist,  das  gehört  für  mich  zu  der  unbegreiflichsten  aller 
unbegreiflichkeiten,  vielmehr  es  würde  dazu  gehören,  wenn  ich  nicht 
sonst  schon  über  die  politische  einsieht  dieser  ^urteilsfähigen'  erbau- 
liche erfahrungen  in  menge  gemacht  hätte ;  wie  denn  zb.  einer  ihrer 
hauptstimmführer,  auf  den  sie,  zb.  Geizer,  Gilbert^  vWilamowitz  selbst 
sich  zu  berufen  pflegen ,  JGDrojsen  in  seinen  'bemerkungen  über 
die  attischen  Strategen'  es  in  harmloser  naivetöt  für  möglich ,  ja  für 
wahrscheinlich  hält,  dasz  die  Athener  im  zweiten  kriegsjahr  den 


^^  ich  setze  die  inschrift  hierher  mit  Köhlers  ergftnznngen:  4irl 
Cuiijidxoi)  äpxov[Toc  iirl  Tf)c  . . .  .]öoc  66KdTT)C  irpUTa[v€(ac,  5  *Ap  . . .  iic] 
G€obi(}pou  6op{Kioc  ^[pa)Li^dT€U€  MouJvtxiiXivoc  6€UT^p(;i  ^€t'  [elxdbac* 
Mi^l  Kai  elKocTfj  Tf^c  irpuTav[6(ac,  fl  i^cav]  dpxaip€c(ai  Kaxd  Tf|v  fiav- 
[tcuxv  iTUKvi*]  Tütiv  irap^öpujv  ^Tr€\(n^9i2^€v  usw.  das  übrige  ist  nicht 
von  belang. 


688     HMüUer-Strübing:  das  erste  jähr  des  peloponneBiecben  krieget. 

Perikles  als  befehlshaber  von  100  athenischen  trieren  mit  4000 
hopliten  und  300  reitem  nebst  50  chiischen  und  lesbischen  schiffen 
gegen  die  Peloponnesier  ausgesendet  hätten  ^  nachdem  sie  ihn  so 
eben  nach,  wie  Plutarch  Per.  16  wenigstens  sagt,  15 jähriger  an- 
unterbrochener Strategie  nicht  wiedergewählt,  das  heiszt  in  diesem 
falle  geradezu  schimpflich  abgesetzt  hatten,  solches  steht  zu  lesen 
im  Hermes  IX  s.  20. 

Nur  über  6inen  punkt  sind  die  'urteilsfähigen'  verschiedener  mei» 
nung.  denn  während  Geizer  (in  Bursians  jahresber.  II  s.  1046)  die 
angäbe  KttTOi  Tf|V  {üiavTeiav  in  der  Urkunde  ftir  hochwichtig  erklärt 
und  hinzusetzt,  Köhler  betone  mit  vollem  recht  'dasz  die  anordnong 
eines  wichtigen  staatsactes  durch  einen  götterspruch  für  die  spätere 
zeit  unerhört  sei  und  uns  in  die  zeit  vor  die  Perserkriege  zurück- 
führe' (wonach  also  die  Athener  eine  für  die  späteren  zustände 
verrückt  gewordene  einrichtung  aus  pietät  beibehalten  hätten ,  was 
sonst  nicht  gerade  ihre  art  war,  wie  zb.  ihre  behandlung  des  Areio* 
pagos  beweist)  —  erklärt  vWilamowitz  es  für  ganz  sicher  'dasz  dies 
erst  eine  neuerung  ist ,  eingeführt  zwischen  den  Perserkriegen  und 
dem  Archidamischen  [!] :  denn  Herodotos  berichtet  ausdrücklich  den 
eintritt  des  Strategen  Xanthippos  an  stelle  des  Themistokles  im  früh* 
ling  479.'  wenn  übrigens  der  letztgenannte  gelehrte  ao.  s.  32  sagt, 
es  erhelle  aus  allerlei  anzeichen  'dasz  das  etatsjahr  des  reiches  ein 
anderes  ist  als  das  des  Staates  Athen'  und  dasz  es  mit  den  Dionjsien 
anfange,  so  hat  er  wohl  das  richtige  getroffen,  das  etatsjahr  des 
reiches  ist  aber  das  athenische  kriegsjahr,  mit  dessen  an&ng  die 
Strategen,  die  als  anführer  der  contingente  der  bundestmppen  ja 
auch  reichsbeamte  waren ,  ihr  amt  antraten,  wenn  er  dann  hinzu- 
setzt, darüber,  ob  damit  auch  die  amtsjahre  der  Hellenotamien 
stimmten,  habe  er  nichts  gefunden,  so  glaube  ich  in  meiner  obigen 
büsprechung  der  schatzurkunde  die  frage  dahin  erledigt  zu  haben, 
dasz  die  Hellenotamien  ihr  amt  zu  anfang  des  bürgerlichen  Jahres 
antraten,  doch  alles  dies  wird  in  anderem  Zusammenhang  an  einem 
andern  orte  weiter  besprochen  werden,  wo  sich  dann  auch  die  *nicht 
geringe  Verlegenheit,  in  die  man  mit  der  Strategie  des  Demosthenes 
in  ol.  88,  2  kommen  würde,  wenn  die  wähl  der  Strategen  im  winter, 
ihr  amtsantritt  im  beginnenden  frühjahr  erfolgt'  (Droysen  ao.  s.  16), 
ald  ziemlich  harmlos  erweisen  und  sich  in  heiteres  Wohlgefallen  auf- 
lösen wird. 

Um  nun  noch  einmal  auf  Ungers  Untersuchungen  zurückzukom- 
men ,  so  ist  anzuerkennen ,  dasz  die  ergebnisse  seiner  forschungen 
über  das  Verhältnis  des  auf  ein  kalenderdatum  fixierten  anfangs  des 
sommers  und  zugleich  des  kriegsjahres  zu  dem  naturdatum  des  früh- 
lingsanfangs  am  27n  märz  auch  mit  dem  ansatz  des  kriegs-  oder 
Sommeranfangs  am  In  elaphebolion,  den  ich  übrigens  nicht  erfun- 
den ,  dem  ich  vielmehr  nur  eine  schärfere  begründung  als  die  bis- 
herige gegeben  habe,  ganz  leidlich  übereinstimmen;  was  ja  auch 
wohl  begreiflich  ist,  da  die  differenz  zwischen  seinem  unrichtigen 


BMüUer-StrQbing :  da«  ente  jabr  des  peloponnMÜchen  kriegM.     689 

Icalenderdatam  des  vierÜetzten  anthesterion  und  dem  richtigen  des 
In  elaphebolion  ja  nur  5  tage  beträgt;  hätte  er  Bfickha  anaatz  auf 
den- letzten  antheBterion  beibehalten,  so  wUrde  die  differenz  aogar 
fast  gänzlich  verschninden.  sein  verdienst  bleibt  es  daher,  mit  sicher* 
beit  festgestellt  zu  haben,  dasz  das  kriegsjahr  des  Tbukydides  nicht 
mit  der  frühlingenachtgleiche  beginnt,  und,  setze  ich  hinzu,  wie- 
wohl Unger  diese  unabweisliche  consequenz  nicht  gezogen  hat,  dasz 
der  winter  also  nicht  mit  der  herhstnachtgleiche  begonnen  haben 
kann,  natürlich  kann  ich  hier  seine  Untersuchungen  nicht  von  jähr 
EU  jähr  verfolgen,  es  wDrde  auch  nichts  ersprieszliches  dabei  herons- 
kommen.  nur  in  being  auf  die  abweichungen  der  Schaltjahre  in 
dem  von  BOckh  und  dem  von  Duger  aufgestellten  kalender  moaz  ich 
noch  einige  bemerkungen  hinzufügen. 

Die  erste  abweichang  tritt  ein  in  ol.  87,  3  (Äpollodoros) ,  das 
bei  BQckh  ein  gemeinjahr,  bei  ünger  ein  Schaltjahr  ist,  so  dasz  bei 
jenem  das  ^riegsjahr  (das  dritte)  mit  dem  14n  mSrz  als  dem  ersten 
elaphebolion,  bei  diesem  mit  dem  14n  april  beginnt,  hier  kann  ich 
Ungers  zum  teil  aus  dem  in  chronologischen  dingen  so  confnsen 
Biodoros  hergenommene  gründe  nicht  für  darchacfalagend  halten. 
hei  Diodors  ihm  freilich  nicht  eigentümlicher,  sondern  nor  stärker 
als  bei  andern  'geschichtgchreibem'  (wohl  zu  unterscheiden  von  den 
annalisten)  ausgeprägter  gleichgültigkeit  in  bezug  auf  Chronologie 
wird  ihn  auch  die  benutzung  einer  annalistisch  geordneten  baupt- 
quelle,  die  Unger  meiner  ansieht  nach  richtig  nachweist,  nicht 
vor  Verwirrung  geschützt  haben,  znmal  da  mir  gerade  aus  eeiner 
erzählung  der  Unternehmungen  der  athenischen  flotte  ganz  deut- 
lich hervorzugehen  scheint,  dasz  er  diesmal  neben  seiner  haupt- 
quelle,  doch  wohl  Ephoros,  noch  eine  andere,  doch  wohl  Thukydides 
selbst  benutzt  hat.  mit  einem  so  späten  angatz  des  Sommeranfangs 
wie  der  14e  april  stimmen  die  Vorgänge  bei  der  belagerung  von 
Plataia,  namentlich  die  70  tfigige  umwallung,  entschieden  nicht,  und 
dasz  die  angäbe  toO  citou  äx^älovTOC  in  II  79,  die  Unger  natür- 
lich auch  verwertet,  ein  fremdes  einschiebsei  ist,  habe  ich  schon  an- 
derswo nachgewiesen  (Tbukjd.  forsch,  s.  261).  danach  wäre  denn 
uitBöcbh  nicht  ol.  87,  3,  sondern  ol.  87,  4  als  Schaltjahr  anzusehen. 

Von  da  ab  bis  ol.  89,  4  =  421  (Aristion)  stimmen  dann  die 
Bcbaltjahre  bei  Böckh  und  bei  Unger  flberein;  aber  ol.  90,  1  •=  420 
(ÄBtjphilos)  ist  bei  jenem  ein  gemeinjahr,  bei  Unger  ein  schal^ahr. 
dieser  begründet  seine  annähme  hauptsächlich  durch  eine  sehr  scharf- 
sinnige Interpretation  der  berühmten  viel  besprochenen  stelle  im 
Frieden  des  Aristophanes  v.  408 ,  die  mir  woblgelungen  scheint; 
doch  enthalte  ich  mich  des  nrteila,  da  es  mich  viel  zn  weit  führen 
würde,  diese  frage  hier  eingehend  zu  erSrtem.  auch  darüber,  ob  ol. 
91,  1  =  416  (Arimnestos)  mit  Unger  als  schalljahr  anzusehen  sei 
(gegen  Böckh),  weisz  Ich  mich  nicht  zu  entscheiden;  einen  histo- 
rischen, aus  den  von  Thukydides  erzählten  ereignissen  geschfipf^ 
grund  wüste  ich  weder  für  das  eine  noch  für  das  andere  anzugeben. 


690     HMüUer-Strübing :  das  erste  jähr  des  peloponnesischen  krieges. 

Anders  steht  es  mit  ol.  91,  3  «=  414  (Teisandros) ,  das  hei 
Böckh  ein  gemeinjahr,  bei  Unger  ein  Schaltjahr  ist.  bei  jenem  würde 
also  der  anfang  des  19n  kriegsjahrea  auf  den  19n  febmar  fallen,  bei 
Unger  auf  den  20n  mfirz.  bei  diesem  kriegsjahr  musz  ich  es  mir 
schon  herausnehmen  etwas  Ittnger  zu  verweilen ,  einmal  wegen  der 
historischen  Wichtigkeit  der  in  dasselbe  fallenden  ereignisse  (es  bil- 
det den  Wendepunkt  der  griechischen  geschichte) ,  und  dann  auch, 
weil  die  weise,  in  der  Thukydides  sie  erzählt,  mir  für  sein  ganzes 
werk  in  hohem  grade  charakteristisch  erscheint,  bei  Thnk.  Vn  19 
heiszt  es :  ToO  b '  ^TTiTiTVOji^vou  O^pouc  (denn  so  ist  zu  schreiben 
statt  des  überlieferten  fjpoc,  s.  üngers  'Zeitrechnung'  s.  34)  6ij6uc 
upXOM^vou  irpdjTaTa  bf)  ol  AaKebaijiiövioi  koX  ol  Hu^^axot  £c  Tf)v 
'AiTiKfiv  kdßaXov  iyxexro  bi  *Atic  6  'Apxiöd^ou,  AaK€batfiov(uiv 
ßaciXeuc.  xai  irpuiTov  ju^v  tt^c  xti^poc  toi  irepl  tö  xrebiov  dbquicav, 
liT€iTa  A€K^X€iav  ireixi^Iov  Kard  nöXeic  bteXöjiievoi  tö  eptov. 
Böckhs  ansatz  des  einfalls  auf  den  19n  februar  passt  nuji  gewis  sehr 
gut  zu  dem  TrpdjTaTa,  aber  auch  üngers  ansatz  auf  den  20n  märz 
verträgt  sich  noch  mit  demselben,  da,  wie  ich  aus  gutem  gründe 
glaube,  die  Lakedaimonier  wohl  nie  früher  im  jähr  in  Attika  einge- 
fallen sind,  weiter  sagt  dann  Thuk.  gleich  darauf  c.  20 :  £v  b^  TOUTip 
(nemlich  während  korinthische  schiffe  nach  Naupaktos  segelten)  Ka\ 
ol  'AGnvaToi  äjiia  Tf)c  AcKcXetac  tiXi  T€ixic|üiip  Kai  toC  fipoc  evGuc 
dpxoM^vou  TT€pt  T6  TT€XoiTÖvvr)cov  vaOc  TpidxovTa  fcTciXav  kqI 
XapiKXca  .  .  Kai  töv  AtdugcG^vtiv  de  Tfiv  CiKcXiav,  üjcncp  f ^cXXov, 
aTT^CTeXXov.  hierzu  sagt  ünger:  'der  erste  Vorgang,  die  Verwüstung 
der  ebene  ^  ist  also  mit  dem  frühlingseintritt  am  26n  m&rx  bereits 
beendigt  gewesen;  Böckhs  rechnung  zufolge  würde  also  der  v^- 
wüstende  zug  durch  diesen  kleinen  teil  von  Attika  40  tage,  folglich 
ebenso  viel  zeit  weggenommen  haben  wie  ol.  87,  2  die  Verheerung 
des  ganzen  landes.'  dies  sei  unwahrscheinlich ,  und  weit  passender 
die  zeit  von  10  tagen,  die  sich  bei  Üngers  datierung  [vom  vicrtletz- 
ten  anthesterion  bis  zur  nachtglciche]  herausstelle,  das  ist  gewis 
richtig,  und  dagegen  würde  auch  Böckh  sicherlich  nichts  eingewendet 
haben,  aber  Thukydides  sagt  ja  nicht,  dasz  mit  dem  eintritt  des 
frühlings  am  2Gn  oder  27n  märz  die  befestigung  von  Dekeleia  erst 
angefangen  habe,  'interea  verO;  dum  Dccelea  munitur*  übersetzt 
Valla,  und  Thuk.  hat  ja  selbst  schon  in  c.  19  nach  den  oben  an- 
geführten Worten  gesagt:  Kai  ol  ^^v  dv  t^  'Attik^  TTeXoTTOVVTicioi 
. .  dT€ixi2!ov.  die  befestigungsarbeitcn  könnten  also  nicht  zehn,  wie 
Unger  meint,  sondern  4  ja  3  tage  nach  dem  überschreiten  der  grenze 
ihren  anfang  genommen  haben,  die  entfemung  von  der  megarischen 
grenze  bis  Dekeleia  beträgt  5  deutsche  meilen,  also  einen  nicht  ein- 
mal sehr  starken  tagemarsch  durch  offenes,  fast  überall  flaches  land. 
die  Verwüstung  der  ebene  war  diesmal  nebensache  und  konnte  sehr 
wohl  durch  die  begleitenden  plänkler  und  sklaven  so  zu  sagen  en 
passant  ausgeführt  werden ,  und  so  denke  ich  wird  Agis  direct  auf 
sein  ziel  loi^gegangen  sein  und  wird  sofort  band  angelegt  haben  das 


HMüller-Strübing:  das  erste  jähr  des  peloponneBiBchen  krieges.     691 

auszuführen,  um  dessen  willen  er  gekommen  war.  erinnern  wir  uns 
nun ,  dasz  Demosthenes  früher  mit  einer  hand  yoU  leuten  ohne  alle 
Werkzeuge  Pylos  in  6  tagen  in  verteidigongsf&higen  stand  gesetzt 
hatte,  und  vergegenwärtigen  wir  uns  die  für  eine  befestigung  so 
äuszerst  günstige  läge  von  Dekeleia,  dem  steilen  berggipfel  oberhalb 
der  Ortschaft  Dekeleia  (Curtius  gr.gesch.  11^  8.673;  s.  auch  die  dar- 
stellung  auf  den  ^sieben  karten'),  so  dürfen  wir,  glaube  ich,  annehmen 
dasz  das  so  zahlreiche  beer  der  Peloponnesier  in  sehr  kurzer  zeit  mit 
der  befestigung  fertig  geworden  ist.  sie  hatten  sich  ja  ausdrücklich 
darauf  vorbereitet:  Kttl  £v  Tiü  x^^M^^^  TOUT(|i  (vor  dem  einfall) 
cibripöv  T€  TtepirJTT^^^  (di^  Lakedaimonier)  Kard  TOiic  Eujifidxouc 
Kai  T&XXa  dpiaXeia  iyioipialov  de  töv  £inT6ixic|Liöv  sagt  Thuk.  c.  18; 
hatten  sie  diese  Werkzeuge,  so  werden  sie  wohl  auch  leute  mitgenom- 
men haben,  die  in  der  handhabung  derselben  professionell  geübt 
waren  -—  kurz,  wenn  die  Peloponnesier  wirklich  um  den  19n  februar 
ins  land  eingefallen  waren,  dann  muste  4  wochen  darauf  die  befesti- 
gung von  Dekeleia  sicher  schon  vollendet  und  das  gros  der  armee 
im  begriff  sein ,  mit  zurücklassung  der  nötigen  gamison  den  marsch 
nach  hause  anzutreten,  dann  kann  ich  aber  keinen  vernünftigen 
grund  ausfindig  machen,  weshalb  die  Athener  gerade  damals,  toO 
f\poc  euOuc  dpxo|Li^YOU,  also  um  den  26n  märz,  die  30  schiffe  unter 
Charikles  gegen  den  Peloponnes  ausgeschickt  haben. 

Die  bedeutung  dieser  maszregel  haben  die  geschichtschreiber;  ich 
meine  Orote  (denn  die  andern  sprechen  kaum  davon),  gründlich  mis- 
verstanden,  'we  read  with  amazement,  and  the  contemporarj  world 
saw  with  jet  greater  amazement,  that  while  this  important  work  (die 

befestigung  von  Dekeleia)  was  actually  going  on at  that  very 

moment  the  Athen ians  sent  out  not  only  a  fleet  of  30  triremes  — 
to  annoy  the  coast  of  Peloponnesos ,  but  also  the  great  armament 
under  Demosthenes  to  push  offensive  Operations  against  Syracus.' 
diese  zweite  expedition  soll  hier  für  jetzt  aus  dem  spiel  bleiben,  diese 
mag  wohl  erstaunen  erregt  haben,  schon  bei  den  Zeitgenossen,  und. 
mit  recht ,  namentlich  wegen  der  art  wie  sie  ausgeführt  ward ;  aber 
die  erste  gewis  nicht:  im  gegenteil,  die  Zeitgenossen,  namentlich  die 
älteren ,  würden  sich  gewundert  haben,  wenn  sie  nicht  erfolgt  wäre, 
hier  straft  sich  Grotes  unbedingtes  vertrauen  auf  Thukydides  und 
seine  dadurch  bewirkte  misachtung  der  angäbe  Diodors ,  die  Lake- 
daimonier seien  im  ersten  kriegsjahr  durch  die  Operationen  der  athe- 
nischen flotte  an  ihren  küsten  zum  abzug  gezwungen  worden,  die 
Sendung  des  Charikles  Ttepi  TTeXoTTÖwiicov  ist  ja  nichts  anderes  als 
die  wiederaufnähme  der  Perikleischen  kriegspolitik  beim  ersten  und 
zweiten  einfaUe  der  Peloponnesier.  damals  hatte  diese  politik  den 
erwarteten  erfolg  gehabt,  warum  nicht  auch  jetzt?  ja  freilich;  das 
recept  hatten  die  Athener  wohl ,  aber  der  leitende  geist  fehlte ,  der 
es  anzuwenden  verstand  —  oder  der  das  wollte,  indes  so  thöricht 
wird  der  demos  doch  nicht  gewesen  sein^  —  und  das  ist  der  entschei- 
dende grund ,  weshalb  ich  Ungers  ansatz  des  einfalls  um  den  20n 

46  ♦ 


692     HMüller-Strübing:  das  erste  jähr  des  peloponnesischen  krieget. 

märz  zustimme  —  mit  der  anwendang  des  mittels  zu  warten,  bis  der 
feind  seinen  zweck  erreicht  hatte  und  im  begrifif  war  ganz  von  selbst 
abzuziehen,  sie  werden  auch  hier,  nach  dem  beispiel  des  Periklea, 
auf  den  angriff  sofort  die  gegendemonstration  haben  folgen  lassen, 
dann  stellt  sich  die  sache  so :  die  Lakedaimonier  fallen  ein  um  den 
20n  märz,  der  in  üngers  Schaltjahr  der  erste  elaphebolion  ist,  also 
gerade  im  beginn  der  dionysischen  zeit,  am  ersten  tage  der  landtB* 
gemeinde  beschäftigt  das  volk  sich  natürlich  vor  allen  dingen  mit 
der  invasion ;  die  probate  gegenmaszregel,  die  aussendung  Ton  schiffen 
nach  dem  Peloponnes ,  wird  beschlossen  und  dann  auch  wohl  bald 
ausgeführt,  ob  diese  maszregel  den  erfolg  gehabt  hat ,  das  gros  des 
peloponnesischen  heeres  zum  sofortigen  abzng  zu  bewegen,  das  er- 
fahren wir  nicht,  ich  glaube  kaum :  denn  dasz  sie  gerade  von  Gha- 
rikles,  dem  oligarchischen  Verschwörer  (er  war  ja  als  zetet  im  Herme* 
kopidenprocess  College  des  Peisandros  gewesen),  keinen  ernsthaften 
angriff  zu  befUrchten  hatten,  das  wüsten  sie  natürlich  recht  gut.  be- 
denklicher sah  die  sache  schon  aus,  als  darauf  Demosthenes,  der  held 
von  Pylos  und  Sphakteria,  der  tüchtigste  thatkräftigste  feldherr 
den  die  Athener  aufzuweisen  hatten ,  dabei  ein  entschiedener  anti- 
lakono  und  loyaler  demokrat,  an  der  spitze  einer  mächtigen  flotte 
und  zahlreicher  landtruppen  an  der  südküste  von  Lakonien  erschien 
und  von  der  insel  Ky  thera  aus,  die  die  Athener  noch  im  besitz  hatten, 
auf  der  gegenüberliegenden  küste  des  festlandes  eine  befestigung  an- 
legte, da  wird  die  sache  den  lakedaimonischen  Staatsmännern  denn 
doch  sehr  ernsthaft  vorgekommen  sein,  freilich  hatte  die  befesti- 
gung —  so  sagt  Thukydides  —  nur  den  zweck  den  hebten,  die  etwa 
desertieren  wollten,  als  Zuflucht  zu  dienen  und  zugleich  als  basis  für 
raub'  und  beutezüge  in  die  umgegend,  wie  Pylos.  in  der  that  weiter 
nichts?  die  streifereien  von  Pylos  aus  werden  den  Lakedaimoniem 
gewis  äuszerst  unbequem  gewesen  sein,  aber  auch  nur  dies ;  dasz  sie 
ihnen  je  ernstliche  gefahr  gebracht  und  sie  in  ihren  militärischen 
Operationen  irgend  wie  behindert  hätten,  darüber  finden  wir  bei 
Tbuk.  nirgend  eine  andeutung.  und  so  würde  es  auch  hier  gewesen 
sein,  zur  anlegung  eines  solchen  räubemestes  also  soll  Demosthenes, 
der  in  Sikelien  einen  dringenden  auftrag  zu  erfüllen  hatte,  seine  zeit 
verloren  haben?  er,  der  als  guter  soldat  doch  wissen  muste,  was  im 
kriege  die  zeit  bedeutet!  man  vergegenwärtige  sich  doch  nur  die 
läge  der  dinge  und  die  chronologischen  data,  ende  sommers  414 
hatte  Nikias  jenen  bekannten  brief  an  das  volk  in  Athen  geschrie- 
ben, in  dem  er  seine  läge  als  fast  verzweifelt  schildert  und  dem  volk 
die  alternative  stellt,  ihn  mit  dem  beer  und  der  flotte  sofort  nach 
Athen  zurückzuberufen  oder  eine  zweite  flotte  und  ein  zweites  heer 
zusenden,  nicht  geringer  als  die  erste  armada,  und  dazu  viel  geld. 
'was  ihr  aber  auch  beschlieszt,  thut  es  sogleich  mit  dem  früfaling 
und  macht  keinen  aufschub' :  ÖTt  bi,  |LlAX€T€,  &|Lia  Tip  i\p\  euOuc  Kai 
MH  ^c  dvaßoXäc  TTpäccere  —  man  musz  an  den  angstruf  des  Vertei- 
digers von  Wien  vor  200  jähren  denken:  *nnr  keine  zeit  verlieren. 


HMüller-Strübing:  das  erste  jähr  des  peloponnesiscben  krieges.     693 

um  gottes  willen  keine  zeit  verlieren !'  dieser  brief  kam  zu  anfang 
des  winters  in  Athen  an,  und  das  volk  beschlosz  sofort  im  frühling 
die  verlangte  Verstärkung  zu  senden ;  vorläufig  schickte  man  ihm  den 
einen  der  schon  jetzt  als  führer  der  im  frühling  auszusendenden  Ver- 
stärkung designierten  Strategen,  den  Eurymedon,  um  ihm  geld  zu 
überbringen  und  den  gefaszten  beschlusz  mitzuteilen.  Eurymedon 
gieng  von  Athen  ab  irepl  fjXiou  Tpoiräc,  also  um  den  26n  december.  ^' 
der  Winter  geht  dann  mit  den  rüstungen  zu  der  neuen  expedition  hin, 
und  richtig  verläszt  Demosthenes  versprochener  und  beschlossener 
maszen  mit  seiner  armada  den  Peiraieus  toO  fjpoc  €Ö6uc  dpxoM^VOU, 
am  26n  märz,  um  —  anfang  august  in  Sjrakus  anzukommen  I  mehr 
als  vier  monate  sind  also  verloren  auf  einer  fahrt,  die  in  der  guten 
Jahreszeit  sonst  sehr  wohl  in  einer  woche  zurückgelegt  werden  konnte, 
wer  blosz  diese  chronologischen  data  hört,  ein  deutscher  officier  etwa, 
dem  man  diese  data  in  ihrer  nacktheit  vorlegte ,  der  würde  fragen : 
Vie  ist  das  möglich?  hat  denn  Demosthenes  fortwährend  mit  widri- 
gen winden  zu  kämpfen  gehabt  ?  oder  mit  überlegenen  flotten,  durch 
die  er  sich  durchschlagen  muste?'  durchaus  nicht:  nach  Thuk.  geht 
die  fahrt  ohne  alle  Störung  sehr  ruhig  und  glatt  von  statten.  *oder 
ist  Demosthenes  etwa  alt  und  stumpf,  kurz  schwachsinnig  geworden  ?' 
nichts  weniger  als  das.  sein  verfahren  nach  seiner  ankunft  in  Sjra- 
kus  beweist  das  zur  genüge,  'aber  was  denn  ?  die  sache  steht  doch 
so :  ein  general  meldet  von  einem  weit  entlegenen  kriegsschauplatze 
seinem  kriegsherrn ,  er  sei  in  sehr  bedrängter  läge  und  sei  verloren, 
wenn  er  nicht  im  frühling  verstärung  erhalte:  der  kriegsherr  läszt 
ihm  antworten,  er  solle  sich  nur  halten,  im  frühling  solle  die  Ver- 
stärkung ankommen ;  schickt  auch  zur  angegebenen  zeit  einen  an- 
dern general  aus  mit  dem  befehl  das  gegebene  versprechen  zu  er- 
füllen, wenn  nun  dieser  general  erst  vier  monate  nachher  auf  dem 
kriegsschauplatze  ankam,  den  er,  wenn  er  wollte,  sehr  gut  in  8  bis 
10  tagen  erreichen  konnte  (vgl.  Unger  zeitr.  s.68),  so  wird  er,  wenn 
er  ein  tüchtiger  soldat  war,  doch  wohl  triftige  gründe  für  seine 

'^  der  npch  im  sommer  von  Sjrakas  abgesandte  brief  des  Nikias 
musz  doch  bald  nach  Winteranfang  in  Athen  angekommen  sein,  also 
nach  Ungers  ansatz  bald  nach  dem  27n  sept.;  danach  hätte  also  das 
Volk  bis  zu  dessen  beantwortung  und  der  Sendung  Eurjmedons  ii€pi 
i\Xiov  TpoTrdc  etwa  90  tage  hingehen  lassen,  was  denn  doch  des  guten 
zu  viel  ist.  nach  meiner  rechnung  ist  der  brief,  natürlich  der  absieht 
des  Nikias  gemäsz,  zur  apaturischen  zeit  angekommen,  so  dasz  in  des 
groszen  landesgemeinde  sofort  die  entscheidung  getroffen  werden  konnte, 
und  auch  wirklich  getroffen  ist.  in  Böckhs  gemeinjahr  fallen  die  Apa- 
turien  auf  den  8n  oct.,  also  80  tage  vor  die  winterwende,  in  Ungers 
Schaltjahr  auf  den  7n  noiFt,  also  60  tage,  was  sich  schon  eher  hören 
läszt,  wenn  es  auch  so  noch  stark  genug  ist.  —  Sollten  die  worte  der 
Ljsistrate  in  dem  unter  dem  noch  frischen  eindruck  der  sikeliscben  kata- 
strophe  geschriebenen  stücke :  dXX'  di  [xik*  öi|;€i  toi  cqxSöp '  aÖTdc  'Atti- 
xdc,  diravTa  öpiücac  toO  6^ovtoc  (icTcpov  (v.  56)  sich  vielleicht  auf  diese 
und  ähnliche  Verschleppungen  beziehen,  als  nachhall  der  debatten  und 
recrirainatiouen  in  den  damaligen  volksversaminngen?  und  zugleich  einen 
commentar  geben  zu  dem  was  wir  bei  Thuk.  II  66,  11  lesen? 


694     HMüUer-Strübing:  das  erste  jähr  des  peloponneBiscfaen  krieget. 

zöger ung  gehabt  haben,  und  diese  gründe  muste  doch  der  geschieht- 
Schreiber,  wenn  er  sein  handwcrk  verstand,  seinen  lesern  mitteilen.' 
ein  moderner  goschichtschreiber  gewis ;  aber  es  gab  damals  noch  keine 
gescbicbtschreiber  in  modernem  sinne,  und  gerade  Thukydides  liebt 
CS  auch  sonst  eine  masse  von  einzelheiten  mit  fast  peinlicher  genanig- 
keit  anzugeben ,  die  den  lesor  nur  verwirren ,  seine  Verwunderung 
fortwährend  in  atem  halten ,  bis  er  zuletzt  ganz  stumpf  wird  und 
selbst  das  verwundem  als  nutzlos  aufgibt:  denn  das  befreiende  wort, 
das  die  Verwirrung  heben  und  ihn  von  der  quäl  des  ratens  erlösen 
würde,  das  wird  ihm  nicht  ausgesprochen,  und  die  geisteskräfte  der 
officiellen  leser,  der  gescbicbtschreiber  und  orläuterer,  sind  durch 
die  beständige  bcrührung  mit  Thuk.  ohnehin  schon  so  paralysiert 
(s.  Aristophanes  u.  die  bist,  kritik  s.  432),  dasz  sie  es  gar  nicht 
mehr  zum  verwundem  bringen  und  es  einfach  als  eine  pietätlose  ab- 
geschmacktheit  ansehen,  wenn  jemand  sich  anmaszt  mehr  wissen  zu 
wollen  als  ihm  überliefert  ist,  und  sich  bemüht  die  von  Thuk.  nicht 
gegebene  antwort  auf  das  warum  ?  selbständig  aufzufinden,  so  geben 
sie  denn  auch  den  Thukydideischen  bericht  über  den  viermonat- 
lichen zug  des  Demosthenes  ohne  alle  bemerkung  wieder,  als  ob 
das  alles  ganz  einfach  und  selbstverständlich  wäre,  nur  Thirlwall 
vermiszt  sich  am  schlusz  des  berichtes  zu  bemerken:  die  schein- 
bare langsamkeit  dieser  Operationen  könnte  uns  zu  dem  verdacht 
verleiten ,  es  sei  den  neuen  feldherm  mehr  dämm  zu  thun  gewesen, 
ihre  eigne  ausrüstung  so  stark  wie  möglich  za  machen,  als  dasz  sie  sich 
um  die  gefahren ,  denen  Nikias  in  der  Zwischenzeit  ausgesetzt  war, 
bekümmert  hätten  (III  s.  431  Hhc  seeming  slackness  of  these  opera* 
tions  migbt  lead  us  to  suspect,  that  the  new  Commanders  wäre  more 
anxious  to  render  their  armament  as  formidable  as  they  could  then 
conceraed  about  the  danger  to  which  Nikias  was  in  the  mean  while 
exposed').  das  ist  doch  einmal  eine  selbständige  bemerkung,  und 
vielleicht  steigert  sich  dieser  verdacht  noch ,  wenn  wir  uns  den  zug 
des  Demosthenes  noch  einmal  in  allen  seinen  einzelheiten  recht 
vergegcnwlirtigen.  zu  dem  zwecke  will  ich  hier  der  kürze  wegen 
(auch  habe  ich  immer  noch  meinen  militärischen  interlocutor  im 
äuge,  dessen  ansieht  ich  gern  erfahren  möchte)  die  wiedergäbe  des 
Thukydideischen  berichtes  durch  den  neusten  historiker  AHolm  an- 
führen,  dieser  sagt  (geschichte  Siciliens  II  s.  44):  ^Demosthenes  er- 
hielt 60  athenische  und  5  chiische  schiffe,  1200  ausgewählte  athe- 
nische hopliten  und  eine  grosze  anzahl  schwerbewaffnete  von  den 
bundeRgenossen.  nachdem  er  sich  mit  Charikles  vereinigt,  ver- 
wüsteten die  beiden  flotten  zuerst  das  gelj^et  von  Epidauros  Limera 
und  fuhren  dann  nach  dem  Kythera  gegenüberliegenden  teile  von 
Lakonien,  wo  sie  eine  landzunge,  die  ihnen  wie  Pylos  in  Messenieif 
dienen  sollte,  befestigten,  hierauf  kehrte  Charikles  nach  hause  zurück, 
Demosthenes  aber  gieng  weiter,  zunächst  nach  Korkyra.'  er  erzählt 
dann,  wie  die  Athener  in  Syrakus  die  festungen  auf  dem  Plemmyrion 
um  diese  zeit  verloren,  wodurch  ihre  läge  noch  viel  verzweifelterward, 


HMüUer-Strübing:  das  erste  jaht  des  pel<^imeBbehen  krid^.     685 

als  sie  in  dem  briefe  des  Nikias  geschildert  war.  dann  ffthrt  er  fort 
8. 47  ff. :  Mie  von  den  Athenern  erwartete  verstärknng  \inter  Demo- 
sthenes  war  indessen  noch  ziemlioh  weit  entfernt,  auf  seiner  fahrt 
von  der  lakonischen  küste  nach  Eorkyra  hatte  der  feldherr  in  dem 
€leischen  hafen  Pheia  ein  kauffahrteischiff  getroffen,  in  welchem 
gerade  korinthische  schwerbeWUffhete  nadi  Sicilien  abfahren  sollten» 
er  bemächtigte  sich  des  Schiffes;  die  hopliten  kamen  aber  ans  luid 
und  gelangten  später  auf  einem  andern  fahrzeuge  nach  Sjrakne. 
weiter  war  er  nach  Zakjnthos  und  Eephallenia  gefahren,  wo  eir 
hopliten  und  truppen  von  den  Messeniern  in  Naupaktos  aufnahm, 
und  dann  nach  dem  akarnanisc^en  festlande  ^  auf  dem  Alyziii  und 
Anaktorion  den  Athenern  gehörten,  hier  traf  ihn  Eurymedon ,  der 
bereits  im  anfang  des  winters  [mitte,  ttepl  f)X(ou  Tpondc]  in  Sicilien 
gewesen  war  und  nun  wieder  surückkehrte,  um  sich  nach  seinem 
mitfeldherrn  umsusehen."^  ei*  hatte  Sjrakus  noch  vor  der  seeschladit 
verlassen,  aber  von  dieser  sowie  von  dem  Verluste  Plemmjrions  nach- 
rieht  bekommen  und  teilte  dies  dem  Demosthenes  mit,  dem  er  sich 
nun  wieder  anschloss.  es  kam  femer  Eonon  bei  der  flotte  an ,  der 
athenische  befehlshaber  des  geschwaders  in  Naupaktos ,  der  über  die 
Unzulänglichkeit  seiner  flottille  klagte,  deshalb  gaben  die  atheni« 
sehen  feldherm  von  den  nach  Sicilien  bestimmten  schiffen  10  der 
besten  an  Eonon  und  betrieben  desto  eifriger  die  Vervollständigung 
ihrer  eignen  ausrüstung,  indem  Burymedon  den  Eorkjraiem  die 
lieferung  von  15  kriegsschifiisn  auferlegte  und  auf  Eorkjra  schww- 
bewaffnete  auswählte,  Demosth^es  dagegen  aus  Akamanien  schleu- 
derer  und  Speerwerfer  zusammenbrachte,  so  rückte  die  athenische 
flotte^  deren  beistand  dem  bedrängten  Nikias  dtingend  notwendig 
war,  nur  sehr  langsam  vorwärts,  und  sie  würde  ihn  wahrscheinlich 
schon  vernichtet  gefunden  haben ,  wenn  nicht  ein  groszer  sieg  der 
den  Athenern  ergebenen  Sikeler  über  die  bundesgenossen  der  Sjra- 
kuser  den  eifer  dieser  letztern  gedämpft  hätte*  .  •  die  Syrakuser 
schoben  den  angriff  auf  und  gewährten  so  dem  Demosthenes  zeit  bei 
langsamer  fahrt  dennoch  vor  dem  gänzlichen  Untergang  der  Athener 
auf  Sicilien  anzukommen«  er  fuhr  mit  Eurymedon  über  das  ionische 
meer  nach  der  südspitze  lapygiens  und  von  da  nach  den  Ghoiraden, 
zwei  kleinen  dem  hafen  von  Tarent  gegenüberliegenden  inseln,  wo 
er  eine  Zeitlang  verweilte,   er  erneuerte  mit  Artas,  eiiiem  häuptling 


^  dies  wird  nun  wohl  nicht  der  wahre  gfmnd  seiber  riiekkehr  ge* 
weseii  sein.  Eurymedon  wüste  ja  noeh  gar  nicht,  dass  er  wirklich  schon 
mitfeldherr  des  Demosthenes  sei,  und  stand  von  seiner  rückkehr  nach 
Athen  nur  deshalb  ab,  weil  er  durch  Demosthenes  erfuhr,  dasz  er  wäh- 
rend seiner  Abwesenheit  in  Sikelien  vom  Volke  cum  Strategen  gewählt 
sei:  Huvf^pxe  T^p  ffit]  ^imocO^vct  dnoTpoir6fyi€Voc ,  iDcircp  «al  4P^0t), 
c.  81,  8  —  selbstTerständlich  an  den  f^roszen  Dionysien  kurz  vor  ab» 
fahrt  des  Demosthenes.  diese  stelle,  wie  die  glänze  Wahlangelegenheit 
des  Eurjmedon  ist  von  den  ausleg^ern  arg  (am  gründlichsten  von  Droysen 
im  Hermes  IX  s.  19}  misverstaüden  worden,  was  anderswo  weiter  er- 
örtert werden  wird. 


696     HMüller-Strübing:  das  erste  jähr  des  peloponnesischeii  krieges^ 

der  lapjgier,  ein  angeblich  früher  von  ihm  mit  den  Athenern  ^e-^ 
schlossenes  1)ündni8  und  empfieng  von  ihm  einige  50  iapjgische 
Speerwerfer  sowie  100  vom  volksstamme  der  Messapier.  dann  fahr 
er  weiter  nach  Metapontion,  das  sich  bewegen  liesz  300  Speerwerfer 
und  2  trieren  mitzuschicken,  und  gelangte  endlich  nach  seiner  letz* 
ten  hauptstation  vor  Syrakus^  nach  Thurioi.  hier  waren  vor  kurzem 
parteikämpfe  zwischen  den  anhftngem  und  gegnem  der  Athener  mit 
der  Vertreibung  der  letztem  beendigt  worden,  und  die  athenischen 
feldherm  wurden  aufs  freundlichste  aufgenommen,  [es  wurde  aine 
grosse  parade  abgehalten,  und]  Thurioi  stellte  sogar  700  hopiiten 
und  300  bogenschützen,  und  durch  sie  verstärkt  zog  nun  das  land* 
beer  eine  strecke  weit,  von  der  flotte  begleitet,  bis  zum  flusse  fijlias 
zu  lande  fort,  am  Hylias  schiffte  man,  da  die  Erotoniaten  den  durch- 
zug  verweigerten,  sich  wieder  ein,  besuchte  alle  griechischen  küsten- 
städte  mit  ausnähme  von  Lokroi  und  fuhr  schlieszlich  vom  vor- 
gebirge  Leukopetra  nach  Sicilien  hinüber,  hier  war  inzwischen 
wichtiges  geschehen'  —  die  Athener  hatten  nemlich  zwei  Seeschlach- 
ten im  hafen  von  Sjrakus  verloren,  deren  beschreibung  ich  über* 
gehe  —  *für  beide  Seeschlachten  errichteten  die  %rakuser  Sieges- 
zeichen, ihr  zweck  die  Athener  zu  vernichten  war  freilich  nicht  er- 
reicht,  aber  sie  waren  nun  von  ihrer  Überlegenheit  zur  see  voUkom* 
men  überzeugt  und  beabsichtigten  ihre  angriffe  in  der  allernächsten 
zeit  zu  wiederholen,  da  kam  Demosthenes  mit  der  neuen  atheni- 
schen flotte,  und  für  einen  augenblick  war  die  ganze  Sachlage  voll- 
kommen umgewandelt.'   so  weit  Holm. 

'Nun,  ausgesprochen  oder  nicht,  da  ist  nichts  anderes  zu  sagen 
als:  der  athenische  commandierende  general  war  entweder  ein 
schwachkopf  —  ganz  gewis  nicht!  —  'oder  ein  — '  halt!  nein!  das 
war  er  nicht,  ein  Verräter  war  er  nicht,  aber,  verwegen  wie  immer, 
spielte  er  auch  hier  ein  tollkühnes  spiel  mit  einem  furchtbar  hohen 
einsatz  —  er  wollte  zu  spät  kommen,  das  ist  das  wort  das  das 
rätsei  löst. 

Man  wird  zunächst  diese  'hjpothese'  mit  einer  art  von  bieder- 
männischer  entrüstnng  aufnehmen ,  das  weisz  ich  wohl,  man  wird 
mir  das  freie,  offene,  heftige  wesen  entgegenhalten,  das  wir  sonst 
alle  schon  aus  den  Rittern  des  Aristophanes  als  eigentümlichen  cha- 
rakterzng  des  Demosthenes  zu  betrachten  gewohnt  sind ;  man  wird  an 
seine  Waffenbrüderschaft  mit  dem  armen  kranken  Nikias  erinnern; 
man  wird  bedenken  anfahren,  die  auch  mir  wahrlich  nicht  fremd 
sind  und  mit  denen  ich  den  stärker  und  stärker  in  mir  aufsteigenden 
verdacht  bekämpft  habe  —  aber  'zwingenden  gründen  musz  man 
weichen',  wie  Böckh  sagt,  und  das  habe  ich  denn  auch  gethan.  und 
wenn  man  sich  dann  ohne  hintorgedanken  und  sentimentales  be- 
dauern voll  und  lebendig  in  die  damaligen  zustände  hinein  versetzt, 
so  wird  der,  der  im  peloponnesischen  kriege  mit  voller  Sympathie 
auf  der  seite  der  Athener  steht  (wie  ich  zu  thun  bekenne),  sich  kaum 
enthalten  können  auszurufen:  o  wie  schade,  dasz  Demosthenes  seine 


HMüller-Strübing:  das  erste  jähr  des  peloponnesischen  krieges.     697 

absieht  nicht  eiteicht  bat!  dasz  er  auf  seinem  bummelzuge  nicht 
noch  ein  paar  tage  mehr  vertrödelt  hat,  zb.  über  den  Verhandlungen 
mit  den  Krotoniaten,  bis  ihm  diese  den  durchzug  durch  ihr  land  ge- 
statteten, so  dasz  er  dann  seine  militärische  fuszpromenade  etwa  bis 
Bhegion  hätte  ausdehnen  können  :—  dann  kam  er  zu  spät,  dann  war 
die  letzte  Schlacht  im  hafen  geschlagen,  Nikias  hatte  capitnliert, 
wahrscheinlich  auf  ganz  leidliche  bedingungen,  die  ihm  die  Syra- 
kuser,  um  vor  der  ankunft  der  athenischen  Verstärkung  mit  Nikias 
wenigstens  reinen  tisch  zu  machen,  gern  bewilligt  haben  würden  — 
und  Demosthenes  hatte  freie  band,  er  konnte  umkehren,  nach  hause 
fahren  —  natürlich  nicht  sofort  nach  Athen,  denn  das  wüste  er  wohl, 
dasz  man  ihn  dort  sehr  schlecht  empfangen  haben  würde,  aber  er 
wüste  auch  aus  eigner  erfahrung,  dasz  man  durch  glänzende  erfolge 
sich  beim  volke  für  jedes  militärische  vergehen  vollständige  amnestie 
erkaufen  konnte,  fdso  nicht  nach  Athen  wäre  er  gegangen,  sondern 
nach  der  südküste  von  Lakonien ,  nach  der  von  ihm  vor  kurzem  auf 
dem  festlande  Ey thera  gegenüber  angelegten  festung,  nachdem  er 
vielleicht  einen  teil  seines  heeres  im  vorbeifahren  in  Pjlos  abgesetzt 
hatte,  namentlich  die  messenischen  hopliten,  die  er  wohlbedächtig 
in  Naupaktos  an  bord  genommen  hatte,  er  konnte  es  wagen  seine 
kräfte  zu  teilen:  denn  er  hatte  *73  kriegsschifife,  athenische  und 
fremde,  mit  5000  schwerbewafifneten  und  einer  groszen,  besonders 
durch  ihn  selbst,  der  sich  als  führer  leichter  truppen  auszeichnete, 
herbeigezogenen  anzahl  von  griechischen  und  fremden  Speerwerfern, 
schleuderen!  und  bogenschützen  und  mit  Vorräten  und  material  aller 
art'  (Holm  ao.  s.  51  f.).  und  nun  vergegenwärtige  man  sich  die 
politische  Sachlage  im  Peloponnes.  das  wieder  demokratische  Argos 
in  offenem  grenzkriege  mit  Sparta  und  sicherlich  mit  freuden  bereit 
seine  ganze  macht  mit  der  des  Demosthenes  zu  vereinigen;  Elis, 
wie  wir  wissen,  sejt  der  auflösung  des  sonderbundes  in  dumpfem 
groll  gegen  Sparta  verharrend  —  würden  die  3000  hopliten  von 
dort,  die  im  j.  418  nach  der  niederlage  von  Mantineia  auf  die  blosze 
nachricht  hin ,  Demosthenes  sei  mit  nur  1000  athenischen  hopliten 
in  Argos  gelandet,  sich  wieder  bei  dem  geschlagenen  beere  des 
sonderbundes  eingefunden  hatten '^  sich  nicht  auch  jetzt  beeilt 
haben  sich  der  gewaltigen  athenischen  armada  anzuschlieszen ,  in 
der  hoffnung  für  alte  und  neue  unbilden  an  Sparta  räche  nehmen 
zu  können?  in  den  arkadischen  gemeinden,  in  Mantineia  zb.,  war 
das  demokratische  dement  für  den  augenblick  wohl  unterdrückt, 
aber  sicher  nicht  vernichtet  —  ebenso  in  Sikyon,  in  Achaia,  die  ja 
erst  ein  paar  jähre  vorher  von  den  Lakedaimoniem  oligarchisiert 
waren ,  und  wenn  die  demokratische  parte!  in  diesen  Staaten  nicht 
stark  genug  war  ihre  oligarchischen  herren  zu  stürzen  und  dann  ihre 
macht  mit  den  Athenern  zu  vereinen,  so  war  sie  doch  sicher  stark  genug 


'^  8.  meinen  aufsatz  'die  Strategie  des  Demosthenes  im  vierzehnten 
jähre  des  pelop.  krieges'  im  rhein.  mas.  XXXIII  (1878)  s.  78  ff. 


698     HMüller-Strübing:  das  erste  jähr  des  peloponneuschen  krie^efl. 

die  absendung  militttrischer  hilfe  an  die  SpartanA  zu  verhiadem. 
im  Peloponnee  wttre  also  6parU  gaftz  ieoliort  geweeen,  höchstens 
auf  hilfe  Ton  Korinth  aagewiesen  —  und  wo  sollte  sonst  hilfe  her- 
kommen? ein  teil  dei.  lakedaimonischen  heeres  war  in  Bekeleia, 
Tielleieht  mit  dem  könig  Agis ,  also  yerhSltniamSszig  weit  entfernt, 
dagegen  gans  nahe,  im  eignen  lande,  die  heloten,  auf  deren  phan* 
tasie  der  blosze  name  Demosthenes  seit  Pjlos  eine  fast  zauberhafte 
Wirkung  auettben  muste.   kurz  ehe  die  gamison  von  Dekeleia  und 
etwa  die  Boioter  zur  hilfe  eraoheinen  konnten,  htttte  eine  katastrophe 
Aber  Sparta  hereinbrechen  können ,  nicht  geringer  al«  die  ^  welche 
etwa  fünfzig  jähre  spttter  durch  Epameinondas  herbeigeftthrt  ward. 
Niebuhr  sagt  einmal,  «uch  er  in  bezug  auf  ein  ereignis  des  sikelischen 
krieges,  die  ankunft  des  Oylippos  in  Sjrakus,  es  sei  dies  eins  Yon  den 
ereignissen ,  wo  ein  moment  über  die  Schicksale  der  ganzen  weit  fUr 
lange  Jahrhunderte  entscheide.  *seine  ankunft  in  Bicilien  war  so  ent- 
scheidend, wie  Napoleons  rttckkehr  von  Aegjrpten  nach  Frankreioh: 
wttre  dieser  von  den  Englftndem  aufgefangen  worden,  so  würde  das 
Schicksal  von  ganz  Frankreioh  und  das  Schicksal  der  weit  überhaupt 
durchaus  anders  entschieden  worden  sein'  (vortrttge  über  alte  geeoh. 
JI  s.  149  f.).  ich  glaube,  diese  werte  lassen  sich  mit  vollem  recht  auf 
den  von  mir  supponierten  fall ,  dasz  Demosthenes  zu  spftt  für  die 
rettung  des  Nikias  vor  Sjrakus  eingetroffsn  wttre,  anwenden,  es  ist 
nicht  so  gekommen:  er  erschien  zu  früh,  und  so  ward  er  und  das 
ganze  heer,  das  die  Athener  mit,  wie  es  damals  schien,  letzter  ttuszer" 
ster  kraftuistrengung  zusammengebracht  hatten ,  in  den  Untergang 
des  Nikias,  den  Demosthenes  mindestens  seit  seinem  zusammen* 
treffen  mit  Eurymedon  in  Korkjra  als  unabwendbar  vorauserkannt 
hatte,  mit  hineingezogen,  aber  —  das  will  ich  doch  noch  hinzusetzen 
—  wie  man  auch  über  das  verfahren  des  Demosthenes,  über  seine 
absieht  zu  spttt  zu  kommen  urteilen  mag:  die  v^antwortlichkeit  da- 
für trug  er  nicht  allein,  die  trug  sein  ganzes  heer  mit  ihm,  wenige 
stens  moralisch;  wenn  auch  nicht  kriegsgerichtlich,  denn  es  ist  ganz 
undenkbar,  dasz  Demosthenes  seinen  viermonaÜiohen  trOdelmarsoh, 
der,  ich  wiederhole  es,  vom  blosz  militttrischen  gesichtspunkt  aus 
wahnsinnig  zu  nennen  ist,  htttte  unternehmen  und  ausführen  können, 
wttre  nicht  die  öffontliche  meinung  seines  heeres  mit  ihm  einver- 
standen gewesen,  zunttchst  musz  er  mit  seinem  mitstrategen  Eurj- 
medon  sich  verstttndigt  haben,  der  ja  die  läge  der  dinge  in  Sikelien 
am  besten  kannte,  und  den  ich,  um  es  gerade  herauszusagen,  für  den 
eigentlichen  Urheber  des  ganzen  planes  halte,  für  den  Mephistopheles 
der  tragödie.  und  dann :  die  60  trierarchen,  die  die  schiffe  comman- 
dierten ,  .mttnner  aus  den  angesehensten  familien  Athens,  die  1200 
hopliten  Ik  KaraXötou,  recht  dem  kern  der  bttrgerschaft  angehörig, 
und  dann  die  schiffsofficiere,  die  epibaten,  die  thraniten,  lauter  athe* 
nische  bürger,  die  den  brief  des  Nikias  in  der  volksversamlnng  hatten 
vorlesen  hören,  die  bei  dem  volksbeschlusz,  der  dem  Nikias  zum  früh- 
ling die  erbetene  hilfe  versprach,  mitgestimmt  hatten  —  die  sollten 


HMüller-Strübing:  das  erste  jähr  des  peloponnesischen  krieges.     699 

sich  'auf  diesen  militärisch  unsinnigen  zügen  durch  lapygien  und 
nach  den  choiradischen  inseln,  nach  Messapien  und  wer  weisz  wohin 
haben  mitschleppen  lassen,  ohne  es  gewahr  zu  werden,  dasz  dies 
nicht  die  rechte  weise  sei,  das  ihren  bedrängten  landsleuten  in  Syra* 
kus  vom  Volke,  also  auch  von  ihnen  mit,  gegebene  versprechen  zu 
halten  ?  und  wenn  sie  es  gewahr  wurden,  dann  sollten  sie  nicht  auch 
mittel  gefunden  haben  ihren  ftthrer  darauf  aufmerksam  zu  machen, 
dasz  er,  wenn  nicht  dem  Wortlaut,  so  doch  gewis  dem  geist  des  ihm 
übertragenen  auftrags  zuwider  handle?  ich  habe  eine  hohe  meinung 
auch  von  der  militärischen  disciplin  in  dem  athenischen  bUrgerheere, 
aber  ich  kenne  doch  einen  fall,  in  dem  sich  die  Öffentliche  meinung  der 
Soldaten  einem  militärisch  wohl  nicht  beliebten,  aber  sicherlich  nicht 
energielosen  führer  gegenüber  geltend  machte,  man  lese  nur  Thuk. 
y  8,  wie  die  Soldaten  zusammentraten  und  Eleons  militärische  masz- 
regeln  besprachen  und  kritisierten,  bis  er,  aic9avö|Li€V0C  TÖv  GpoCv, 
widerwillig  das  that  was  sie  verlangten,  hier  wären  solche  bespre- 
chungen  der  Soldaten  sicher  nicht  ausgeblieben,  überall,  wo  die  flotte 
landete;  würde  sich  eine  volksversamlung  im  kleinen  gebildet  haben, 
zu  der  ja  alle  elemente  vorhanden  waren,  in  der  das  verfahren  des 
feldherm,  wenn  sie  nicht  mit  ihm  einverstanden  waren,  die  schärfste 
kritik  erfahren  muste.'^  und  Demosthenes  hatte  ja  selbst  bei  Pylos 
das  beispiel  gegeben ,  wie  ein  entschlossener  officier  die  athenischen 
soldaten-bürger  dahin  bringen  konnte  etwas  auszuführen ,  was  der 
üble  wille  oder  die  mangelnde  einsieht  der  Strategen  ihm  verweigert 
hatte,  damals  konnte  er  sich  freilich  darauf  berufen ,  das  volk  habe 
ihm  vollmacht  gegeben ,  das  beer  zu  gebrauchen  wie  er  wolle,  aber 
auch  hier  hätte  ein  entschlossener  ofOcier  oder  ein  tüchtiger  bürger- 
lich angesehener  trierarch,  der  den  militärischen  unsinn  jenes  bummel- 
zuges  (die  Spazierfahrt  nach  den  Choiraden,  die  fuszpromenade  von 
Thurioi  nach  Kroton  udgl.)  wohl  erkannte  —  an  solchen  wird  es 
wahrlich  nicht  gefehlt  haben  —  sich  bei  seinem  protest  dagegen  auf 
den  befehl  des  Volkes  schleunige  hilfe  zu  bringen  (äjiia  t^pi)  und 
nicht  erst  im  august,  berufen,  und  Demosthenes  hätte  dem  ausge- 
sprochenen willen  seiner  ofQciere  und  seiner  Soldaten,  die  athe- 
nische bürger  waren ,  schlechterdings  nicht  widerstehen  können,  so 
viel  steht  mir  also  fest:  der  feldherr  und  das  beer  müssen  im  ei]>- 
verständnis  gewesen  sein,  wie  sich  dies  Verständnis  gebildet  hat, 
das  ist  dunkel,  da  liegt  die  grosze  Schwierigkeit,  ausgesprochen, 
öfifentlich ,  officiell ,  hat  Demosthenes  seine  absieht  zu  spät  zu  kom- 
men gewis  nicht,  freunden  und  vertrauten  gegenüber  wohl :  denn 
auch  der  stärkste  mann  hätte  die  last  eines  solchen  entschlusses,  die 
furchtbare  Verantwortlichkeit  allein  und  schweigend  nicht  tragen 
können ;  sie  ward  aber  erleichtert  und  möglich  zu  tragen  durch  zu- 

'*  vgl.  auch  II  88  6  b^  Oopfidwv  .  .  alc66fi€voc  öti  t6  irXflOoc  xdjv 
v€U)v  Kardi  cq>dc  aöroOc  Huvicrdficvoi  £q)oßoOvTO  usw.,  und  dann 
gibt  er  ihnen  rechenscbaft  über  die  gründe  seines  Verfahrens  und  seine 
weiteren  plane. 


700     HMüller-Strübing:  das  erste  jähr  des  peloponnesiaeben  krie^es. 

stiinmaDg  —  ausgesprochen  Ton  wenigen,  unausgesprochen,  'aber 
unverkennbar  an  den  tag  gelegt  durch  schweigen  und  gehorchen 
seitens  der  masse.  es  war  ein  lautes  und  zugleich  ein  dumpfes, 
drückendes ,  gewitterschwüles  geheimnis. 

Ich  yerkenne  nicht  die  ungemeinen  Schwierigkeiten ,  die  auch 
bei  meiner  auffassung  des  ganzen  hergangs  immer  noch  bleiben,  und 
kann  mir  jemand  das  rfttsel  in  anderer  weise  lösen  (nur  darf  ergeht 
diesen  yiermonatlichen  marsch  als  militärisch  harmlos  und  selbst- 
▼erstftndlich  darstellen),  so  werde  ich  ihm  hOchst  dankbar  sein,  nicht 
nur  wissenschaftlich,  sondern  auch  menschlich,  denn  es  hat  mich 
keine  geringe  Überwindung  gekostet,  gerade  dem  Demosthenes  ,  für 
den  ich  grosze  Sympathie  habe,  einen  solchen  yerzweifelten  ent- 
schlusz,  dessen  sittliche  berechtigung  doch  immer  problemaüsoh 
bleibt,  zuzuschreiben  —  zumal  da  er  nicht  durch  den  erfolg  ge- 
rechtfertigt ist.  ich  bitte  um  entschuldigung  für  diese  lange  ab- 
Schweifung,  ich  konnte  es  nicht  übers  herz  bringen,  sie  zu  unter-» 
drücken. 

Nun  handelt  es  sich  noch  darum  zu  ermitteln,  ob  ol.  91, 1,  dessen 
anfang  Böckh  wie  Unger  übereinstimmend  auf  den  6n  juli  412  an- 
setzen, ein  gemein  jähr  war,  wie  Böckh,  oder  ein  schalijahr,  wie 
Unger  annimt«  ^die  peloponnesische  flotte'  sagt  Unger  (att.  kal. 
s.  50)  'welche  nach  der  Wintersonnenwende  d.  j.  in  Rhodos  einge- 
laufen war  (Thnk.  VIII 44.  39),  verliesz  diese  insel  nach  einem  auf- 
enthalt  von  80  tagen  (VIII  60),  also  frühestens  am  16n  mftrz  411, 
als  das  Winterhalbjahr  noch  nicht  ganz  zu  ende  gegangen  war: 
TcXeuToiVTOC  fibii  TOO  x^iM^voc.  hieraus  ergibt  sich  dasz  Böckh 
mit  unrecht  die  vor  87, 4  bestehende  schaltordnung  beibehalten  hat, 
bei  welcher  92,  1  ein  gemein  jähr  wurde:  der- Wechsel  des  kriogs- 
jahres  wäre  dann  schon  am  23n  februar  eingetreten  [an  Ungers 
viertletztem  anthesterion,  anBöckhs  letztem  anthesterion,  26n  febr.] ; 
aber  die  letzten  ereignisse  des  Wintersemesters  fallen  weit  später, 
schon  in  die  nähe  der  nachtgleiche  (VIII 44.  60) ,  und  als  diese  ein- 
trat, war  bereits  das  neue  kriegsjahr  und  der  sommer  angebrochen: 
VIII 61  ToO  b*  imfifvo\ilvov  O^pouc  &|üia  T(lj>  fipi  etjduc  dpxojüi^vifi 
AcpKuXXfbac  Trap€7r^|üiq)0ri  itp*  '€XXifjciT0VT0V.  wir  müssen  daher 
92,  1  als  Schaltjahr  behandeln:  in  diesem  entftlllt  der  viertletzte 
anthesterion  auf  den  24n  märz  41 1,  zwei  tage  vor  der  nachtgleiche' 
—  der  erste  elaphebolion  also  auf  den  28n  märz.  diese  Widerlegung 
ist  nun  ganz  unumstüszlich  richtig,  das  ist  ja  klar,  denn  hätte  sich 
der  spartanische  flottenführer  Antisthenes  am  tage  der  Wintersonnen- 
wende, also  am  26n  december,  samt  seiner  flotte  mit  der  schnellig« 
keit  einer  telegraphischen  depesche  vom  oap  Malea  aus  nach  Rhodos 
befördern  können,  wäre  er  also  noch  an  demselben  tage  oder  am 
27n  december  dort  angekommen,  so  würde  er  nach  80tägigem  auf- 
enthalt  daselbst  doch  erst  am  15n  märz  von  dort  abgesegelt  sein, 
also  nicht  mehr  TeXeuToiVTOC  fibr)  toC  xciM^^VOC,  sondern  17  tage 
nach  dem  tage,   den  Böckh  als  den  anfang  des  Thukjdideischen 


HMüller-Strubing:  das  erste  jähr  des  peloponnesischen  kriegea.     701 

sommers  angenommen  hat.  nun  ist  aber  Antisthenes  nicht  mit  die- 
ser übernatürlichen  geschwindigkeit  nach  Bhodos  gelangt,  vielmehr 
hat  er  eine  wechseWoUe ,  abenteuerreiche  fahrt  dorthin  gemacht, 
und  wenn  wir  ihn  auf  dieser  fahrt  begleiten  und  die  dauer  dersel- 
ben annähernd  berechnen ,  so  wird  sich ,  fürchte  ich ,  herausstellen, 
dasz  die  einwürfe,  die  Unger  gegen  Böckhs  gemeinjahr  richtet,  sich 
ebenso  gut  gegen  sein  Schaltjahr  erheben  lassen ,  und  dasz  die  rech* 
nung  auch  bei  ihm  nicht  stimmt. 

Thukydides  erzählt  c.  39,  die  Lakedaimonier  hätten  um  die 
Wintersonnenwende  27  schiffe  unter  dem  befehl  des  Antisthenes 
ausgesandt  zur  Verstärkung  ihrer  flotte  in  Milet  und  mit  noch  an- 
dern auftragen ,  auf  die  es  hier  nicht  ankommt,  von  cap  Malea  aus 
fuhr  die  flotte  nach  Melos,  etwa  15  deutsche  meilen  oder  60  knoten 
entfernt ;  da  aber  bei  cap  Malea  weder  hafen  noch  rhede  ist,  so  wer- 
den die  schiffe  von  Gytheion,  28  knoten  weiter  gekommen  sein, 
trotz  der  kürze  der  tage  und  der  gewis  mangelhaften  rüder tüchtig- 
keit  der  matrosen  (die  Lakedaimonier  hatten  ja  erst  seit  dem  früh- 
ling dieses  Jahres  angefangen  sich  wieder  auf  das  Seewesen  zu  legen; 
und  dazu,  wohlgeübte  fremde  matrosen  und  erfahrene  Steuerleute  in 
dienst  zu  nehmen,  fehlte  es  ihnen  sicher  an  geld)  will  ich  auf  diese 
fahrt  nur  6inen  tag  rechnen,  bei  Melos  stoszen  sie  auf  12  attische 
schiffe  und  machen  jagd  auf  sie ;  es  gelingt  ihnen  auch  3  davon  ohne 
die  mannschaft  zu  nehmen,  die  übrigen  entkommen,  aus  furcht  nun, 
die  geretteten  schiffe  möchten  den  Athenern  in  Samos  ihr  heransegeln 
melden,  was  auch  geschah,  nimt  Antisthenes  von  hier  einen  groszen 
umweg  in  der  richtung  nach  Kreta  zu,  npöc  Tf|V  KprJTTiv  irXeucavTCC 
Ktti  nXeiuj  töv  ttXoöv  öiä  qpuXaKfic  iroiTicd^evoi  ic  Tf|v  KaOvov  ti}c 
Kapiac  (so  vWilamowitz  statt  'Aciac)  KQTfipav.  diese  fahrt  hat  min- 
destens 360  knoten  betragen  und  kann  nicht  auf  weniger  als  4  tage 
berechnet  werden,  wobei  noch  vorauszusetzen  ist,  dasz  die  schiffe 
trotz  des  winters  und  trotz  der  notiz  in  c.  42,  1  immer  gutes  wetter 
und  nie  gegenwind  gehabt  haben,  da  sie  nun  in  Sicherheit  sind  (dic 
£v  äcqpaXei  övtcc''),  so  schickt  Antisthenes,  mindestens  am  sechsten 
tage  nach  der  abfahrt  von  Gytheion,  nachricht  über  seine  ankunft 
nach  Milet  an  Astyochos.  gieng  der  böte  zu  lande ,  so  brauchte  er 
mindestens  3  tage :  denn  die  entfernung  von  Eaunos  nach  Milet  be- 
trägt, wie  der  vogel  fliegt,  20  deutsche  meilen  durch  zum  teil  ge- 
birgiges, im  Winter  gewis  uüwegsames  land  (man  sehe  nur  auf 
Kieperts  karte,  in  welchen  krümmungen  sich  die  dort  verzeichnete 
strasze  hinschlängelt) ;  gieng  der  böte  zur  see ,  so  brauchte  er  sicher 
noch  längere  zeit  wegen  der  vielen  Vorgebirge,  landzungeo  usw.. 


^3  dieser  ganze  zug  des  Antisthenes  bildet  ein  seitenstück  zu  dem 
III  29  in  demselben  grimmig  sarkastischen  geiste  erzählten  zuge  des  Alki* 
das  im  j.  427.  in  diesem  die  iv  dcqpaXet  6vt€C  spricht  der  Schriftsteller 
das  unverblümt  aus,  was  er  dort  in  den  werten  irplv  bi\  tQ  Mf|Xqi 
Ccxov  mit  dem  ironischen  &/)  nur  andeutet,  s.  meine  Thukydideischen 
forschungen  s.  125. 


702     HMüller-Strübing:  das  erste  jähr  des  peloponnesischen  krieget. 

die  er  za  doublieren  hatte  —  im  winter.  kurz  und  gut,  Astyochos 
kann  die  meidung  frühestens  am  neunten  tage  nach  der  abfahrt  der 
scbifife  TT€p\  f)X(ou  TpoTTdc  erhalten  haben.  Astjochos  war  eben  im 
begrifif  nach  Chios  zu  segeln,  um  der  bedrängten  stadt  hilfe  za 
bringen;  auf  die  erhaltene  nachricht  hin  ändert  er  seinen  sinn;  ich 
will  annehmen,  dasz  seine  flotte  schon  segelfertig  dalag,  proviant, 
Wasser  udgl.  schon  eingenommen  hatte,  und  will  ihn  daher  schon 
am  nächsten  tage  von  Milet  abfahren,  ja  mehr  noch,  ich  will  ihn 
noch  an  demselben  tage  abends  nach  Kos  gelangen  lassen,  hier 
schifft  er  seine  leute  aus  (Kos  gehörte  zum  athenischen  bundc).  er 
findet  keinen  widerstand :  denn  die  einwohner  waren  wegen  eines 
schrecklichen  erdbebens  in  die  berge  geflohen,  oder  flohen  jetzt 
wegen  der  ankunft  der  feindlichen  schiffe  dahin,  denn  die  stadt  war 
unbefestigt,  dies  macht  sich  Astyochos  zu  nutze,  er  plündert  die 
Stadt  und  macht  beutezüge  ins  innere  der  insel.  wie  yiel  zeit  mag 
nun  diese  kleine  ergetzlichkeit  weggenommen  haben  ?  soll  ich  sagen 
zwei  tage  ?  so  dasz  er  sich  dann  am  morgen  des  4n  t-ages  nach  seiner 
abfahrt  von  Milet,  am  13n  tage  nach  der  abfahrt  des  Antisthenes 
von  Gytheion  zur  zeit  der  Sonnenwende,  also  am  8n  Januar  411,  in 
Kos  wieder  eingeschifft  hat?  es  sei  so.  am  abend  desselben  tages 
kommt  er  dann  nach  Knidos  (etwa  20  knoten  von  Kos) ,  wo  er  lan- 
den will,  aber  die  Knidier,  die  eben  von  Athen  abgefallen  waren, 
raten  ihm  sogleich  weiter  zu  fahren,  da  ein  athenisches  gesch wader 
von  20  schiffen  unter  dem  Strategen  Charminos  bei  der  insel  Syme 
(20  knoten  von  Knidos)  den  schiffen  des  Antisthenes  in  Eaunos  aof- 
lauere.  Astyochos  befolgt  den  rat,  und  am  frühen  morgen  des  näch- 
sten tages  bei  nebel ,  regen  und  rauhem  wetter  kommt  es  zu  einem 
gefecbt,  in  dem  Charminos  den  kurzem  zieht  und  mit  verlust  von 
6  schiffen  erbt  nach  der  benachbarten  kleinen  insel  TeuÜussa  und 
von  da  nach  Halikarnasos  sich  zurückzieht.  Astyochos  mit  seinen 
schiffen  geht  nach  Knidos  zurück,  wo  er  am  lOn  Januar  angelangt 
sein  wird,  hier  stöszt  denn  Antisthenes  mit  seinen  schiffen  ans 
Kaunos  zu  ihm^  der  also  die  nachricht  von  dem  siegreichen  treffen 
bei  Syme  schon  erhalten  haben  musz  (Kaunos  ist  von  Syme  min- 
debtens  50,  von  Knidos  etwa  75  knoten  entfernt);  vor  dem  12n 
Januar  kann  also  die  Vereinigung  der  beiden  flotten  nicht  wohl  statt- 
gefunden haben,  nun  sind  also  die  sämtlichen  peloponnesischen 
schiffe  in  Knidos  beisammen,  wo  sie  ihre  schiffe  ausbessern,  und  wo 
nun  plötzlich  Unterhandlungen  mit  Tissaphemes  beginnen ,  der  sich 
eingefunden  hatte  (TrapcT^vCTO  yap,  nicht  TTOpf^v),  über  das  was 
schon  geleistet  war  und  was  weiter  zu  thun  sei.  dabei  kommen  denn 
die  früher  zwischen  Tissaphemes  und  den  Lakedaimoniem  abge- 
schlossenen vertrage  zur  spräche ,  mit  denen  sich  Lichas ,  einer  der 
mit  Antisthenes  angekommenen  lakedaimonischen  commissäre,  sehr 
unzufrieden  erklärt;  dieser  verlangt  den  abschlAsz  eines  nenen  Ver- 
trags, ja  er  erklärt  trotzig,  er  mache  sich  aus  dem  solde,  den 
Tissaphemes  bisher  den  lakedaimonischen  schiffen  gezahlt  hatte, 


BMüller-Strübing :  das  erste  jähr  des  pelopoanesischen  krieges.     703 

gar  nichts,  sie  könnten  aach  ohne  ihn  fertig  werden,  bis  endlich 
Tissaphernes  die  Verhandlungen  abbricht  und  zürnend  davon  geht, 
aber  Lichas  hatte  gut  reden :  es  war  w&hrend  dieser  Verhandlungen 
in  Knidos  von  den  bäuptem  der  oügarchischen  partei  in  Bhodos  die 
aufforderung  an  die  lakedaimonischen  Rottenführer  ergangen,  nach 
Bhodos  zu  kommen  und  die  insel  zum  abfall  von  den  Athenern  zu 
bringen,  diese  botschaft  ist  doch  sicherlich  erst  dann  von  Bhodos 
abgegangen,  als  man  dort  erfahren  hatte,  dasz  die  beiden  abteilungen 
jetzt ,  nach  dem  siege  bei  Sjme  vereint,  in  Knidos  lägen,  wie  hoch 
soll  ich  nun  diesen  aufenthalt  in  Knidos  und  die  Verhandlungen  mit 
dem  Satrapen  in  rechnung  stellen?  nun,  um  dös  lieben  friedens  willen 
nur  mit  8  bis  10  tagen ;  gewis  zu  wenig,  denn  der  schlaue  und  zähe 
Orientale  hat  die  Verhandlungen  sicher  nicht  im  handumdrehen  ab- 
gebrochen, und  wird  lange  genug  ausfluchte  gesucht  haben,  ehe  er 
in  diplomatischem  zorn  abgieng.  und  den  eindruck,  dasz  der  aufent* 
halt  in  Knidos  verhältnismäszig  sehr  lange  gedauert  hat,  gewinnt 
man  auch  aus  der  erzählung  des  Thukydides  selbst,  der  nach  der 
angäbe,  die  Lakedaimonier  hätten  sich  entschlossen  nach  Bhodos  zu 
fahren,  so  fortl&hrt:  TrXeücavTCC  oöv  euGvc  ^v  Ttfi  abiCj)  xei}i6jy\ 
iK  TTJc  Kvibou  usw.  das  euOuc  bezieht  sich  natflrlich  auf  die  aus- 
führung  des  gefaszten  beschlusses ;  wozu  aber  die  ausdrückliche  her- 
vorhebung,  das  sei  noch  in  demselben  winter  geschehen,  wenn  nicht 
das  be wustsein,  es  sei  zwar  eine  lange  zeit  in  Knidos  verbracht,  aber 
doch  keine  so  lange,  wie  ein  weit-  und  geschäftskundiger  leser  etwa 
anzunehmen  berechtigt  sein  könnte,  dem  schriftsteiler  hier  die  feder 
geführt  hätte?  so  bin  ich  denn  überzeugt  dasz  es  nicht  die  richtige, 
vielmehr  eine  verfrühte  datierung  ist,  wenn  ich  die  abfahrt  der 
lakedaimonischen  flotte  von  Knidos  auf  den  24n  und  die  ankunft 
derselben  in  Kameiros  auf  den  25n  Januar  setze  (die  entfernung  von 
Knidos  bis  dahin  beträgt  40  knoten) ,  etwa  einen  monat  nach  der 
abfahrt  von  Gytheion.  doch  was  thut  das?  auf  ein  paar  tage  kommt 
es  mir  nicht  an.  den  beweis,  dasz  auch  durch  Ungers  einschiebung 
eines  schaltmonats  in  diese  Olympiade  der  von  ihm  an  Böckhs  kalen- 
der  gerügte  widerspinich  mit  den  chronologischen  angaben  bei  Thuk. 
keineswegs  gehoben,  wenn  auch  etwas  gemildert  wird,  glaube  ich 
geführt  zu  haben,  denn  selbst  wenn  Thuk.  den  80tägigen  aufent- 
halt der  schifiB  in  Bhodos  schon  von  dem  ersten  erscheinen  dersel- 
ben in  Kameiros  datiert  und  nicht  erst  von  dem  doch  erst  mehrere 
tage  darauf  geschehenen  anslandziehen  der  schiffe,  was  wohl  eher  an- 
zunehmen ist  und  auch  aus  seinen  werten  hervorzugehen  scheint:  rd 
b '  (äXXa  ficuxajov,  dveXKUcavTCC  idc  vaOc  (c.  44  ae.)  —  also  wenn 
auch  die  80  tage  schon  vom  25n  Januar  an  zu  rechnen  sind,  so  wäre 
die  flotte  doch  erst  am  15n  april  von  Bhodos  aufgebrochen,  20  tage 
nach  der  frühlingsnachtgleiche,  die  in  diesem  jähre  nach  Üngers  an- 
satz  mit  dem  ersten  elaphebolion ,  also  dem  beginn  des  kriegsjahres 
zusammenfällt,  und  selbst  da  ist  bei  Thuk.  der  winter  noch  nicht 
zu  ende :  denn  nachdem  Thuk.  die  abfahrt  der  flotte  von  Bhodos, 


704     HMüller-Strübing:  das  erste  jähr  des  peloponnesiBchen  krieges. 

ihre  begegnung  mit  einer  athenisohen  flotte  in  der  nähe  von  Ejiidos, 
den  dadurch  bewirkten  entschlusz  nicht  nach  Knidos ,  wie  anfangs 
beabsichtigt  war,  sondern  nach  Milet  zu  segeln  and  endlich  die  an- 
kunft  der  flotte  in  Milet  erztthlt  hat,  erst  dann  kommt  die  soUenne 
formel  Kai  ö  x^i^üiv  ^TcXeöra  odTOC  .  .  toC  bk  imxiTvofidvou 
O^pouc  &\xa  Tip  fjpi  e\)Bi)c  äpxoM^vqi  usw,  diese  angäbe  tlber  den 
schlusz  des  winters  und  das  anfangen  des  frtthlings  ist  also  ganz 
sicher  willkürlich,  unrichtig,  und  an  eine  beseitigung  der  confusion 
etwa  durch  änderung  der  zahl  fm^pac  6T^ofJKOVTa,  die  Thuk.  c.  44  ae. 
für  den  aufenthalt  in  Rhodos  angibt,  ist  ganz  gewis  nicht  zu  denken : 
denn  dasz  die  flotte  erst  geraume  zeit  nach  dem  anfang  des  neuen 
kriegsjahres,  sage  ich  es  nur  gerade  heraus,  nach  dem  In  elaphebo- 
Hon  von  Rhodos  abgegangen  ist ,  ergibt  sich  auch  sonst  aus  der  er- 
Zählung  des  schriftste]lers  unwidersprechlich.  denn  während  die 
flotte  noch  in  Rhodos  liegt,  erscheinen  dort  abgesandte  aus  Eretria 
und  bringen  die  nachricht,  die  Boioter  hätten  mit  hilfe  einiger 
männer  aus  Eretria  die  attische  grenzfestung  Oropos  durch  verrat 
genommen ,  sie  beabsichtigten  nun  Euboia  zum  abfall  zu  bringen, 
und  dazu  erbitten  sie  sich  den  beistand  der  lakedaimonischen  flotte, 
nun  war  die  wegnähme  von  Oropos  geschehen  TeXeuTüuvTOC  f[br\ 
ToO  x^iM^voc,  also  kurz  vor  dem  In  elaphebolion.  dann  sagt  Thuk», 
nachdem  er  die  plane  der  verschworenen  berichtet  hat,  ^x^VTCC  oöv 
fjbri  TÖv  "QpujTTOV  seien  die  gesandten  angekommen  —  nun  bedenke 
man  dasz  die  Eretrier  keine  kriegsschiffe  hatten,  dasz  die  gesandten 
also  sich  auf  holkaden  und  sonstigen  fahrzeugen,  die  in  dieser  Jahres- 
zeit und  bei  dem  durch  den  krieg  unterbrochenen  handel  aufzutrei- 
ben ihnen  schwer  genug  gewesen  sein  musz,  sich  von  insel  zu  insel 
durch  den  Archipelagus  durchschleichen  musten,  und  man  wird  zu- 
geben, dasz  sie  schwerlich  vor  der  mitte  des  elaphebolion  in  Rhodos 
angekommen  sein  können,  auszerdem  hängt  ja  die  gesandtschaft  der 
Eretrier  aufs  engste  zusammen  mit  den  Verfassungskämpfen  in  Athen, 
die  wegnähme  von  Oropos  ist,  wie  Thuk.  gewis  richtig  sagt,  noch 
vor  dem  ersten  elaphebolion  geschehen;  aber  erst  nach  dem  stürz 
der  demokratie,  erst  nach  der  einsetzung  der  vierhundert  —  und 
diese  ist  mit  vollständiger  beachtung  der  verfassungsmäszigen  for* 
men  ganz  unzweifelhaft  in  der  groszen  dionysischen  yolksgemeinde 
beschlossen  worden,  also  nach  dem  In  elaphebolion"^  —  konnten 
die  oligarchen  in  Euboia  die  ersten  praktischen  schritte  thun  zur 

'^  80  sagt  auch  LHerbst  (die  schlacht  bei  den  Argin.  s.  8  anm.  4), 
die  Tierhnndert  hätten  mit  anfang  des  elaphebolion  ihr  regiment  an- 
getreten, daher  denn  auch  die  Schauspiele  dieses  Jahres  an  dem  fest 
ausgefallen  seien,  das  ist  ganz  richtig,  und  ebenso  sein  ansatz  der 
anfführung  der  Thesmophoriaznsen  des  Aristophanes  an  den  Lenaien  des 
folgenden  Jahres;  doch  will  ich  hinzusetzen,  dasz  dies  stück,  wie  sich 
aus  vielen  anzeichen  ergibt,  ursprünglich  für  die  Dionjsien  unter  KalUas 
bestimmt  war  und  daher  für  die  anfführung  im  folgenden  jähre  den 
veränderten  Zeitumständen  gemäss  im  einzelnen  vielfach  umgearbeitet 
worden  sein  musz.    das  werde  ich  anderswo  weiter  nachweisen. 


HMüIler-Strübing :  das  erste  jähr  des  peloponnesischen  krieges.     705 

ausführung  ihrer  längst  im  stillen  gehegten  abfallsgeltlste.  und  das 
geschah  durch  diese  gesandten. 

So  ist  denn  die  unrichtige  ansetzung  des  beginns  des  neuen 
kriegsjahres  nichts  anderes  als  die  folge  einer  gewissen  unbehilf- 
lichkeit  der  darstellung,  die  man  meinetwegen  mit  der  mangelhaften 
Überarbeitung  des  8n  buches  entschuldigen  mag.  es  laufen  hier  in 
diesem  teile  desselben  zwei  reihen  von  begebenheiten  neben  einander 
her,  die  kriegerischen  Operationen  und  die  sich  entwickelnden  intri- 
guen  der  oligarchen  in  Samos  und  in  Athen  bis  zur  katastrophe. 
hier  war  es  für  den  Schriftsteller  sehr  schwer,  vielleicht  unmöglich, 
eine  für  die  beiden  reihen  der  begebenheiten  passende  stelle  für  seine 
stehende  formel  Kai  6  x^^M^v  ^TeXeuTa  usw.  zu  tinden.  für  die  mili- 
tärischen Operationen  bot  sich  durch  die  ankunft  der  flotte  in  Milet 
und  den  Wiederbeginn  der  feindsei igk ei ten  am  schlusz  von  c.  60  eine 
leidlich  passende  stelle  für  den  einschnitt  und  für  den  anfang  des 
neuen  kriegsjahres,  nicht  so.  für  die  politischen  ereignisse,  und  so 
gehört  denn  alles  was  c.  63  erzählt  wird  von  den  werten  uttö  fctp 
TOÖTOV  TÖv  XP^ivov  Ktti  fii  TTpÖTCpov  an  noch  dem  winter,  dh.  der 
zeit  vor  dem  ersten  elaphebolion  an,  und  erst  in  c.  67,  vor  den 
Worten  i\  toutiu  oijv  Tijj  KaipA  o\  irepi  töv  TTeicavbpov  dX06vT€C 
euGuc  Tüjv  Xomd)v  eixovTO  *  xai  Trpd)TOV  jiifev  töv  bfiinov  EuXXßav- 
T€C  usw.  hätte  die  formel  Toö  b*  €7riTiTVO|Lidvou  Gepouc  äjna  tiu  fjpi 
euOuc  dpxo)Li€Viu  für  die  politischen  begebenheiten  ihren  richtigen 
platz  gefunden ,  da  ja  in  der  that  in  diesem  jähre ,  das  Unger  also 
mit  recht  als  ein  Schaltjahr  behandelt  hat,  der  le  elaphebolion  mit 
«der  frühlingsnachtgleiche  zusammenflel.  aber  da  war  der  einschnitt 
und  die  formel  nicht  am  platze  und  hätte  den  fortgang  störend  unter- 
brochen, überhaupt  herscht  in  diesem  teile  des  8n  buches  eine  bei- 
spiellose Verwirrung,  und  in  der  that  d6n  möchte  ich  sehen,  der  das 
kunststück  zu  stände  brächte,  die  von  c.  31  bis  78  erzählten  ereig- 
nisse auch  nur  annähernd  in  chronologische  Ordnung  zu  bringen, 
an  dieser  allgemeinen  confusion  leidet  denn  auch  die  datierung  des 
Sommeranfangs  und  wird  durch  sie  erklärt. 

Vollkommen  unerklärlich ,  wenigstens  auf  den  ersten  blick,  ist 
dagegen  eine  andere  solche  datierung,  ich  meine  die  des  anfangs  des 
elften  kriegsjahres  Y  24,  die  ich  hier  als  höchst  charakteristisch  für 
das  chronologische  verfahren  des  Schriftstellers  zum  Schlüsse  noch 
besprechen  musz.  Unger  sagt  ganz  richtig  (Zeitrechnung  s.  42), 
dieser  Widerspruch  betrefife  nicht  die  frage,  ob  das  kriegsjahr  nach 
natur-  oder  nach  kalenderzeit  zu  rechnen  sei,  denn  er  setze  die  an- 
hänger  beider  Systeme  in  dieselbe  Verlegenheit,  er  betreffe  vielmehr 
den  geschichtlichen  Vorgang,  und  Volquardsen  in  der  schon  erwähn- 
ten besprechung  von  Ungers  schrift  erkennt  dies  an;  beide  meinen 
dann ,  dieser  Widerspruch  lasse  sich  wohl  durch  religiöse  bedenken, 
nemlich  die  rücksicht  auf  die  Prophezeiung  der  dreimalneunjäbrigen 
dauer  des  krieges  erklären,  ich  glaube  nicht  dasz  das  richtig  ist, 
und  will  versuchen  es  nachzuweisen. 

Jahrbtteher  für  cUss.  philol.  1883  hft.  10  o.  11.  46 


706     HMüller-ßtrübing:  das  erste  jähr  des  peloponnesislehe'n  krieges. 

Dieser  ganz-  ataomale  aii8atz  des  Sommeranfangs  bezieht  sich-anf 
die  datierung  des  sog.  Nikiasfriedens ,  der  bekanntlicb'im  fHibling 
des  j.  421  gescblosisen  ward,  and  so  will  ich  denn,  nm  eine  analogie 
zu  gewinnen,  die  abgaben  des  Schriftstellers  über  den  zwei  jähre  vor- 
her ungefähr  nm  dieselbe  Jahreszeit,  in  demselben  m<mat  des  atti- 
schen kalendera,  dem  elaphebolion,  geschlossenen  waffenstfUstand  tn^ 
yergleichung  heranziehen,  in  bezug  auf  diesen  sagtThuk:lVll6  aei 
Ktti  Toö  xe\}i(bvoc  biiEXGövToc  ÖTboov  free  dTcXcöfa  t(B  WpX^fiifi: 
c.  117  AaKebaifjiövioi  hk  xai  'AGrivaToi  äjua  fjpi  toO  iitiTilVcfiLi^voii 
G^pouc  eöOiic  dK€X€ipiav  dTTOirjcavTC  dviauciov,  ganzcori-ect,  denn 
die  ersten  einleitenden  schritte  waren  sicher  schon  vot'delnTnaprrif^ 
dem  ersten  elaphebolion  gethan  worden;  dann  folgt  di^  Ürkiinded^s 
Waffenstillstandes,  der  am  14n  elaphebolion  (20n  april)  abgeschlossexi 
ward  und  in  kraft  trat,  zwei  jähre  darauf  erzfthlt  dann  Tfaiik.  V  17^ 
den  winter  hindurch  seien  Verhandlungen  in  bezug  auf  eftfen  abzu-^ 
schlieszenden  frieden  zwischen  den  Lakedaimoniem  xmi  deil.  Aihenehl 
gepflogen  worden,  und  schon  gegen,  den  frtihliil&,  Kai  npöc  tö  $af^ 
fjbr),  also  gegen  den  27n  märz  hin,  der  in  diesem  jähre  auf  den 
9n  elaphebolion  fiel,  hätten  die  Lakedaimonier' den  Athenern  die  an-* 
läge  eines  befestigten  platzes  in  Aitika  angedroht,^  affe;ibar  ufti  sie 
zum  frieden  geneigter  zn  machen;  w^s  de^n  au di  erfolg  gehabt  zd 
haben  scheint,  denn  bald  darauf  ward  ^rkli^h  der  friede  geschlossM^ 
der  in  kraft  treten  sollte ,  wie  es  in  dcrr  Urkunde  ^eiszt ,  in  LiakedäH 
mon  'ApxcjLiiciou  jlitivöc  TCTdpxi]  qpOiyovTOC  und  in  'Athen"6Xäq)Tli- 
ßoXidivoc  ?KTi]  qpGivovTOC,  also  am  '25h  elaphebolion  (lln  april)-. 
unmittelbar  nach  der  mitteilung  des  Wortlauts  der  Urkunde  sag);  danlf 
Thukydides:  aörai  a\  CTTOvbal  dt^voVTQ  7€X€utujvtoc  toö  xcifuIrvoC 
&\ia  ^pi  iK  Atovuctwv  cöGuc  tujv  &ctikOi)V.  auf  die  verschiedenliett 
dieser  datierungen,  deren  letzte  den'abschlus^  des  frieden$  genau  it^ 
die  mitte  des  elaphebolion,  die  erste  officielle  dagegen  10  tage  spSteir 
setzt,  und  die  trotz  dieser  aufföllig^n  differenz  nach  E^^chhoff  (*dii 
Urkunde  des  Nikiasfriedens'  in  den  ^tzungsVer.  der  Berliner  aka- 
demie  1881}  doch  dasselbe  meinen  sollen,,  will  ich  hier  nic^t  ein- 
gehen und  blosz  die  chronologische  frage  aufwerfen ,  wi6  es  kommt 
dasz  Thuk.  im  j.  423  den  14n  elaphebolion  znm  sominct  reoUnet^, 
im  j.  421  aber  den  25n  elaphebolion  in  das  ende  d^s  Winters  ^etztt 
die  frtihlingsnachtgleiche  kann  damit  nichts,  zu  ihun  haben;  wa^ 
denn  sonst?  diese  frage  musz  ich  später  zu  beantworten' such eh^,  denn 
ich  habe  den  thatbestand  dem  Icser  noch  nicht  gans^  Vorgelegt.    ' /  ' 

Nach  dem  abschlusz  des  friedend  traten  gro$ze '  schwietigkeiteB 
in  bezug  auf  die  ausführung  desselben  efn.'  in  1^hi«akien /yeeTgerten 
sich  die  dortigen  bundesgenosseh  ,der  Peloponnesier  u^ter  Zustim- 
mung des  lakedaimonischen  commandaWt<;n  Von 'Amphipolis 'ä'as  zü 
thun,  was  ihnen  in  dem  vertrag  auferlegt  war.  auch  die.Boioter 
und  einige  der  peloponnesischen  bundesgenossen  verweigerten  den 
beitritt  zum  frieden;  kurz,  nach  mancherlei  Verhandlungen  ent- 
schlossen sich  die  Lakedaimonier  und  Athener  für  sich  allein  ein 


HMüller-Strübing :  das  erste  jähr  des  peloponnesiscben  krieges.     707 

bündnis  zu  8cblieszen,  dessen  Wortlaut  Thukydides  ebenfalls  mit- 
teilt, dann  setzt  er  binzu:  aüvr]  f)  Hu^^axia  dT^V€TO  p€Td  Tdc 
CTTOVÖdc  ou  iroXXuj  öcTcpov ,  Ka\  toöc  fivbpac  touc  Ik  xfic  vificou 
dTTÖocav  o\  'AGrjvmoi  toTc  AaKeöaijiovloic ,  KalTÖG^pocfjpxc 
ToO  ^vbeKÄTOu  ?Touc.  TOÖTa  hi  TOI  hiKa  iir\  ö  irpiüTOc  nöXe- 
fioc  Huv€xOöc  T€v6|Li€V0C  T€TP«TrTai.  Thukydides  hat  sich  hier  kürzer 
ausgedrückt  als  sonst;  hätte  er  auch  hier  seine  gewöhnliche  formel 
gebraucht,  so  würden  wir  nach  AaK€bai)Liovioic  lesen :  Kai  ö  X^^M^V 
ireXeuTa  .  .  kqi  tö  O^poc  ?jpx€  usw. ;  der  sache  nach  kommt  es  aber 
auf  eins  heraus,  ob  das  dasteht  oder  nicht:  denn  bei  einem  Schrift- 
steller, der  das  jähr  in  zwei  freilich  ungleiche  hSlften  teilt,  endet 
natürlich  der  winter,  wo  der  sommer  anfängt,  und  umgekehrt,  dasz 
hier  nun  ein  Widerspruch  vorliegt,  gleich  geheimnisvoll  für  kluge 
wie  für  tfaoren ,  das  liegt  auf  der  band ;  ebenso  aber  auch  dasz  hier 
die  religiöse  rücksicht,  von  der  ünger  und  Volquardsen  reden,  nicht 
maszgcbend  gewesen  sein  kann,  denn  für  die  erfüllung  der  Prophe- 
zeiung, von  der  Thuk.  V  26  spricht,  kam  es  ja  nur  darauf  an,  dasz 
der  krieg  wirklich  dreimal  neun  jähre  gedauert  hatte,  mit  der  diffe- 
renz  von  wenigen  tagen;  ob  das  ende  in  den  winter  fiel  oder  in  den 
sommer,  das  war  unwesentlich.  Übrigens  handelt  es  sich  hier  gar 
nicht  um  den  ganzen  krieg,  sondern  nur  um  den  ersten  krieg,  für 
den  er  hier  eine  dauer  von  zehn  jähren  angibt  (wohl  gemerkt  ohne 
erwähnung  der  f|)Li€pujv  öXiTUJV  oder  ou  noXXdiv  TrapeveTKOUCÜJv), 
was  auch  nur  möglich  wird  dadurch  dasz  er  die  zeit  zwischen  der 
rechtskräftigkeit  des  friedensvertrags ,  25n  elaphebolion ,  und  dem 
abschlusz  der  symmachio,  in  der  doch  gewis  friede  war,  wenigstens 
zwischen  Athen  und  Lakedaimon,  willkürlich  mit  in  die  kriegszeit 
hineinzieht,  und  nur  von  den  beziehungen  zwischen  Athen  und 
Sparta  kann  hier  die  rede  sein:  denn  mit  den  widerspenstigen 
bundesgenossen  der  Lakedaimonier,  den  Korinthern  usw.  war  ja 
Athen  auch  nach  der  symmachie  noch  rechtlich  im  kriegszustand: 
s.  c.  25  ToTc  ^kv  beEajLi^voic  idc  cnovbdc  clprivri  fjv,  oi  bi  Ko- 
pivOioi  usw. 

Wie  soll  man  nun  alle  diese  Widersprüche  lösen,  wie  alle  diese 
willkürlichkeiten  erklären?  aus  objectiveU)  sachlichen,  geschicht- 
lichen gründen  gewis  nicht,  auch  hier  werden  wir  subjective ,  litte- 
rarische ,  ästhetische ,  künstlerische  rücksichten  aufzusuchen  haben, 
die  den  Schriftsteller  bestimmt  haben,  und  erwägen  wir  dann,  dasz 
wir  II  2  bei  der  angäbe,  der  anfang  des  krieges  sei  erfolgt,  als  Py- 
thodoros  noch  zwei  monate  archon  war,  also  am  letzten  munichion, 
in  unsern  hss.  lesen  Kai  äjua  t^pi  dpxojii^vuj ,  so  wird  uns  das  viel- 
leicht auf  die  richtige  spur  des  Verständnisses  leiten. 

Wie  viel  zeit  kann  denn  etwa  vergangen  sein  zwischen  dem 
25n  elaphebolion  (lln  april),  an  dem  der  friede  rechtskräftig  ward, 
und  dem  abschlusz  der  symmachie?  in  der  symmachieurkunde,  wie 
sie  Thukydides  mitgeteilt  hat,  findet  sich  auffallender  weise  gar  keine 
datierung,  und  seine  eigne  angäbe,  das  bündnis  sei  geschlossen  pCTd 

46* 


708     HMüller-Strübing:  das  erste  jähr  des  peloponnesischen  krieges. 

Tdc  CTTOvbdc  ou  TToXXtp  iiCT€pov,  ist  völlig  nichtssagend;  wir  sind 
also  wieder  aufs  raten  und  vermuten  angewiesen.  Unger  sagt,  die 
ereignisse  zwischen  dem  sechstletzten  elaphebolion  und  dem  ab- 
schlusz  der  symmachie  müsten  mindestens  10  tage  weggenommen 
haben ,  und  an  einer  andern  stelle  (zeitr.  s.  49)  dehnt  er  diese  frist 
auf  13  tage  aus.  auch  das  ist  viel  zu  wenig,  zwar  bin  ich  nicht  mit 
Unger  einverstanden,  wenn  er  sagt,  nach  dem  26n  elaphebolion 
als  dem  tage  des  Vertragsabschlusses  seien  sogleich  von  den  Spar- 
tanern gesandte  an  die  Griechenstädte  der  thrakischen  küste  ge- 
schickt, das  musz  schon  frtlher  geschehen  sein,  gleich  nach  den 
Pandien  (14n  elaphebolion),  an  denen,  wie  Thukydides  sagt,  der 
vertrag  geschlossen,  dh.  vorläufig  vom  athenischen  volke  genehmigt 
war.  denn  wie  hätte  sonst  Klearidas,  der  lakedaimonische  comman* 
dant  von  Amphipolis,  dem  man  doch  wohl  eine  abschiift  des  Ver- 
trags mitgeteilt  haben  wird,  darüber  zweifelhaft  sein  können,  ob 
der  vertrag  schon  rechtskräftig  geworden  sei ,  ja  hoffen  können ,  er 
werde  vielleicht  durch  rechtzeitige  ankunft  in  Sparta  die  ratificie- 
rung  verhindern?  denn  das  liegt  doch  in  den  werten  c.  21  oibk  6 
KXeapibac  irap^öwKC  Tf|v  iröXiv  . .  iXGibv  hi.  auxöc  Kaict  Tdxoc  ^eid 
TTp^cßeujv  <Tujv>  auTÖGev  d7roXoTncÖM€VÖc  t€  .  .  Kai  djia  ßou- 
XöjLievoc  elb^vai,  €l  fii  jueiaKiVTiTfi  €iti  i\  öjacXoTia.  er  kam  zu 
spät,  denn  er  fand  die  Lakedaimonier  schon  gebunden  (ineibf)  eiSpe 
KaTCiXriMM^vouc) ,  dh.  die  eide  waren  schon  geleistet,  er  musz  also 
bald  nach  dem  26n  elaphebolion  in  Sparta  angekommen  sein,  aber 
auch  dann  noch  ist  Ungers  frist  von  13  tagen  viel  zu  kurz  für  die  Ver- 
handlungen, die  nun  erfolgten,  erstlich  haben  die  Spartaner,  ehe  sie 
sich  zu  der  symmachie  mit  Athen  entschlossen,  die  ihre  ganze  bisherige 
Politik  änderte  und  thatsächlich  den  verzieht  auf  die  hegemonie  ttber 
den  peloponnesischen  bund  involvierte,  sicherlich  noch  einen  letzten 
versuch  gemacht,  die  alten  bundesgenossen  zum  beitritt  zu  dem  frie- 
den zu  bewegen,  wir  lesen  bei  Thuk.  c.  22 :  ol  5fe  Hu^jnaxci  iv  T^ 
AaK€bai)iOVi  auTol  ^tuxov  dvT€C.  für  das  abgeschmackte  aÖTOi  hat 
KrUger  auTOU  vorgeschlagen,  aber  man  wird  zugeben  dasz  das  gelinde 
gesagt  höchst  überflüssig  ibt  (die  zur  Verteidigung  angeführten  stellen 
aus  Thuk.  passen  nicht),  ich  würde  daher  die  von  Herwerden  ge- 
billigte emendation  Rauchensteins  f Ti  fiuxov  Tiapöviec  willig  an- 
nehmen, wenn  ich  nur  das  dadurch  in  den  text  gebrachte  factum  für 
richtig  halten  könnte,  aber  ich  glaube  nicht  dasz  die  abgeordneten 
der  wider^penbtigen  bundesgenossen  noch  da  waren,  db.  die  ganze 
zeit  über  da  geblieben  waren,  sie  werden  nach  hause  gegangen  sein, 
sobald  sie  inne  geworden  waren,  dasz  ihr  protest  gegen  die  unlieb- 
samen clauseln  des  Vertrags  zu  nichts  führte ,  also  wahrscheinlich 
schon  nach  der  vorläufigen  ratification  an  den  Pandien,  sicherlich 
nach  der  eidesleistung.  ich  glaube  daher  dasz  die  Lakedaimonier, 
ehe  sie  sich  zu  dem  schritte  des  scparatbündnisses  mit  Athen  ent- 
schlossen, die  bundesgenossen  zu  einem  letzten  ausgleich versuch 
noch  einmal  berufen  haben,  und  schlage  daher  vor  zu  schreiben: 


fiMüUer-Strübing :  das  erste  jähr  des  peloponnesischen  krieges.     709 

ol  bi.  EüjLijiaxoi  ^v  t^  AaKebduovi  aöGic  fxuxov  öviec,  mit  um  so 
mehr  Zuversicht,  da  auch  Grote  mit  seinem  politischen  commonsens 
schon  das  richtige  so  ziemlich  gesehen  hat:  Hhe  envoys  from  the 
recusant  minority  (Corinthians  and  others)  after  going  home  for 
instructions ,  had  now  come  back  to  Sparta.' 

Dagegen  hat  derselbe  Grote  sich  unzweifelhaft  geirrt,  wenn  er 
gleich  darauf  sagt:  Hhe  Athenian  envoys  had  remained  at  Sparta 
ever  since  the  swearing  of  the  peace/  das  kann  nicht  sein,  denn 
es  ist  ganz  unmöglich,  dasz  die  17  männer,  die  den  friedensvertrag 
abgeschlossen  und  beschworen  hatten,  bei  ihrem  abgang  von  Athen 
zugleich  eine  instruction  mitgebracht  hätten,  was  sie  thun  sollten 
für  den  fall  dasz  die  Lakedaimonier  eine  der  wichtigsten  bestim- 
mungen  des  Vertrags^  die  herausgäbe  von  Amphipolis,  nicht  erfUllen 
wollten  oder  könnten,  und  dasz  die  mächtigsten  der  peloponnesischen 
bundesglieder  den  frieden  gar  nicht  annehmen  würden,  über  eine 
so  durchaus  veränderte  Sachlage,  die  den  erwartungen  der  Athener 
so  wenig  entsprach,  muste,  ja  muste  ein  ausführlicher  bericht  an 
den  souverän  in  Athen  erstattet  werden,  und  zwar  mit  aufklärungen, 
mit  begutachtungen ,  die  sich  schriftlich  gar  nicht  abgeben  lieszen. 
und  bei  den  debatten  und  Verhandlungen,  die  darauf  in  den  volks- 
versamlungen  (denn  mit  6iner  war  es  sicherlich  nicht  abgethan)  er- 
folgt sein  müssen,  musten  auch  die  abschlieszer  und  beschwörer  des 
friedens  zugegen  sein,  wenn  nicht  alle  17,  dann  wenigstens  die  ein- 
fluszreichsten  und  bedeutendsten  unter  ihnen,  das  erste  ist  freilich 
bei  weitem  das  wahrscheinlichste,  und  Thukydides  hat  das  auch, 
denke  ich,  verständlich  genug  angedeutet  durch  die  worte  am  schlusz 
von  c.  22  TiapövTUJV  oi3v  irpecßeujv  dirö  tuüv  'AOrivaiujv,  ^offenbar 
dieselben  die  den  friedensvertrag  behandelt  und  beschworen  hatten' 
sagt  Olassen,  aber  ich  meine,  Thuk.  würde  das  deutlicher  ausge- 
drückt haben,  etwa  fxi  irapövTUJV  ouv  tüjv  TTp^cßewv.* 


^^  waren  diese  gesandten  denn  wirklich  die  17  mnnner,  die  kurz 
vorher  die  friedensurkunde  unterschrieben  und  beschworen  hatten?  in 
unsern  hss.  steht  das  freilich,  aber  ich  gestehe,  das  will  mir  nicht  in 
den  sinn,  es  sind  zwei  darunter,  von  denen  wir  wohl  mit  Sicherheit 
annehmen  dürfen  dasz  sie,  wenn  nicht  dem  frieden  überhaupt,  so  doch 
einem  solchen  frieden  unter  den  damaligen  Verhältnissen  abgeneigt 
waren:  Demosthenes  und  Lamachos  (über  den  letztern  s.  Arist.  Fri.  473). 
dasz  sie  trotzdem  unter  den  athenischen  friedenscommissären,  die  die 
Unterhandlungen  in  Sparta  zu  führen  hatten,  sich  finden,  das  ist  sehr 
begreiflich,  und  sie  sowie  ihre  politischen  freunde  musten  das  selbst 
wünschen,  schon  um  der  friedenssüchtigen  partei  des  Nikias  bei  den  Ver- 
handlungen über  die  bedingungen  das  gegengewicht  zu  halten,  um  wenig- 
stens allzu  weit  gehende  Zugeständnisse  athenischerseits  zu  verhindern, 
dann  aber  konnten  sie  sich  schlieszlich  der  Unterzeichnung  des  doch  immer 
unter  ihrer  mitwirkung  vereinbarten  documents  nicht  entziehen,  waren 
aber  die  athenischen  commissäre  nach  hause  zurückgekehrt,  um  über 
die  unerwartete  Wendung,  die  die  dinge  genommen  hatten,  zu  berichten 
und  den  souverän,  den  dcmos,  zu  neuen  instructionen  zu  veranlassen, 
dann  werden  jene  beiden  männer  sicherlich  dem  monströsen  verschlag 
(natürlich  des  Nikias),  mit  Sparta  ein  sepnratbünduis  auf  60  jähre  zu 


710     HMüller-Strübing :  das  erste  jähr  des  peloponnesischen  krieges. 

Wie  dem  auch  sei ,  es  musz  die  friedensfreunde  in  Athen  weit 
längere  zeit  als  Ungers  13  tage  gekostet  haben^  dem  athenischen  volk 
die  monströäe  idee  eines  separatbündnisses  mit  Sparta  mundrecht  zu 
machen,  und  selbst  in  Sparta  wird  der  widerstand  der  einfluszreichen 
mSnner,  die  dem  frieden  mit  Athen,  geschweige  dem  bündnis  abge- 
neigt waren  (vgl.  c.  36  aa.),  nicht  leicht  u)id  schnell  überwunden 
worden  sein,  war  der  entschlusz  die  symmachie  zu  schlieszen  auf 
beiden  seiten  einmal  gefaszt,  dann  konnten  die  Verhandlungen  tlber 
die  einzelnen  bestimmungen  freilich  keine  groszen  Schwierigkeiten 
machen,  und  so  wird  wohl  diesmal  Grote  wieder  recht  haben,  wenn 
er  sagt,  die  beratung  über  ein  bündnis  mit  so  wenigen  und  einfachen 
Stipulationen  könne  nicht  viel  zeit  weggenommen  haben,  es  sei  bald 
nach  der  rückkehr  der  gesandten  aus  Amphipolis  geschlossen,  wahr- 
scheinlich nicht  mehr  als  6inen  monat  oder  zwei  nach  dem  frühem 
frieden,  das  läszt  sich  hören,  wenn  ich  nun  bei  diesen  1 — 2  monaten 
einen  mittelweg  einschlage  und  das  bündnis  etwa  5  wochen  nach 
der  scblieszlichen  ratificierung  des  friedens,  also  nach  dem  15n  ela- 
phebolion  ansetze,  so  würde  das  auf  das  ende  des  munichion  führen, 
vielleicht  gerade  auf  den  letzten  dieses  monats,  das  heiszt  genau  auf 
den  Jahrestag  des  Überfalls  von  Plataia.'*    der  Schriftsteller  h&tte 


schlieszen,  sich  aufs  kräftigste  widersetzt  haben,  und  dann  soll  das 
athenische  volk  sie  wieder  nach  Sparta  geschickt  haben,  blosz  am  — 
denn  nachdem  das  princip  der  allianz  einmal  angenommen  war,  gab 
CS  im  einzelnen  nichts  mehr  zu  verhandeln  —  also  blosz  um  das  be- 
treffende document  zu  unterschreiben  und  su  beschwören?  sicherlich 
wäre  Demosthenes  in  Sparta,  mit  dem  man  doch  jetzt  auf  dem  freund- 
schaftlichsten fusze  stehen  wollte,  keine  persona  grata  gewesen,  aas 
diesen  iunern  gründen  halte  ich  den  §  1  von  c.  24  für  ein  übrigens 
kinderleichtes  emblem  des  redigierenden  grammatikers.  Tbuk.  wird  sich 
gar  nicht  die  mühe  gegeben  haben,  die  Unterzeichner  dieses  so  zu  sagen 
totgeborenen  Vertrags  noch  erst  zu  nennen,  wie  er  ja  überhaupt  das 
document  nicht  vollständig  mitgeteilt  hat.  es  fehlt  ja  auch  der  ein- 
sang mit  der  in  einem  nur  für  eine  bestimmte  zeit,  wenn  auch  für  60 
jähre,  geRchlossenen  vertrage  ganz  unentbehrlichen  datierung.  dieser 
verdacht  der  unechtheit  ist  übrigens  schon  Julius  Stcup  aufgestiegen. 
(>r  sagt  (Thiikyd.  Studien,  Freiburg  1881,  s.  84):  'weun  Thuk.,  was  wir 
oben  (8.  70  f.)  als  höchst  wahrscheinlich  erkannt  haben,  sich  die  frei- 
hcit  genommen  hat,  am  ende  der  friedensurkunde  die  uamen  der  Ver- 
treter der  bundesgenosscn  Spartas  wegzulassen  [über  diese  Wahrschein- 
lichkeit läszt  sich  freilich  streiten],  bo  hätte  er  wohl  auch  veranlassung 
{Tchabt,  von  der  mitteilung  des  Protokolls  über  die  beschwörang  des 
bündnisvertrags,  welches  für  jeden  aufmerksamen  leser  des  geschichta- 
Werkes  ganz  überflüssig  ist,  abzuseheu.'  und  ich  glaube,  er  hat  es  ge- 
than.  denn  die  gründe,  die  Steup  gleich  darauf  anführt,  weshalb  es 
sehr  gewagt  sein  würde  'entweder  c.  19,  2  oder  c.  24,  1  für  das  mach- 
werk  eines  intorpolators  zu  erklären',  können  mich  nicht  übersengen, 
was  sich  indessen  hier  nicht  erörtern  läszt. 

^'^  freilich  kann  die  datierung  des  Überfalls  kaum  eine  genaue  ge- 
nannt werden:  denn  es  ist  ja  nicht  zu  leugnen,  dasz  Ungers  auslegong 
i\en  T€XeuTU)VTOC  ToO  nr\v6c  auch  ihre  berechtigung  hat.  Thuk.  will 
offenbar  abbichtlich  keine  genaue  Zeitbestimmung  geben,  was  ja  auch 
der  Zusatz  ^dXiCTQ  bei  der  angäbe  über  den  einfall  der  Lakedaimonier 


HMüller-Strübing:  das  erste  jähr  des  peloponnesischen  krieges.     711 

also  die  zehn  jähre,  um  die  es  ihm  so  sehr  zu  thun  ist,  gewonnen, 
ganz  und  voll,  wenn  er  sich  für  berechtigt  hielt,  zu  diesem  behuf 
die  zeit  zwischen  der  ratificierung  des  friedens  und  dem  abschlusz 
des  bündnisses  in  den  TrpuJTOC  ttöXcjlioc  Euvcxu'C  f  €VÖ|li€VOC  hinein- 
zuziehen ,  wie  er  ja  am  schlusz  von  c.  24  wirklich  thut ,  und  das  TÖ 
G^poc  fipx€  TOÜ  £vÖ€KdTOu  ^Touc  entspräche  dem  äfia  fjpi  dpxojii^vip 
des  ersten  kriegsjahres.  das  ist  der  grund,  weshalb  ich  nicht  gewagt 
habe  diese  letztere.  Übrigens  wie  oben  schon  gesagt  völlig  über- 
flüssige, höchst  entbehrliche  Zeitbestimmung  in  11  2  zu  streichen, 
wenn  sie  auch  nur  einer  —  wie  soll  ich  mich  nur  so  respectvoU 
wie  möglich  ausdrücken  ?  —  nun ,  unser  dichter  sagt  ja :  'ein  jeder 
mensch  hat  seinen  wurm,  Kopemicus  den  seinen'  —  und  so  will  ich 
denn  sagen,  einem  wurm,  einer  grille,  einer  schrulle  des  Thukjdides 
ihren  Ursprung  verdankt,  so  haben  wir  sie  doch  zu  respectieren,  um 
so  mehr,  da  sie  doch  wahrscheinlich  durch  ein  ästhetisches  motiv 
veranlaszt  ist  —  wenigstens  gewis  nicht,  wie  das  Unger  (zeitr. 
s.  44)  annimt,  durch  das  religiöse  motiv,  mittels  der  willkürlichen 
Verschiebung  des  Sommeranfangs  eine  bestätigung  der  prophezeiung 
der  27  jährigen  dauer  des  krieges  zu  gewinnen,    was  hat  auch  diese 

deutlich  beweist,  denn  kennen  muste  er  die  beiden  data  genau,  da  er  ja  von 
sich  sagt,  er  habe  den  krieg  beschrieben  dpHd|Uievoc  eöOOc  KaOicrafi^vou, 
mag  das  nun  heiszen,  wie  ich  meine,  er  tieng  gleich  an  eu  schreiben, 
oder  wie  andere,  die  also  den  schriftsteiler  sein  werk  gleich  mit  einer 
ungenauigkeit,  wenigstens  mit  einer  Unklarheit  eröffnen  lassen,  die  worte 
auslegen,  er  fieng  an  sich  notizen  zu  machen,  ist  aber  die  berechnung,  dasz 
der  abschlusz  des  bündnisses  wirklich  ungefähr  auf  den  Jahrestag  jenes 
Überfalls  fiel,  richtig,  dann  erhält  auch  der  ausdruck  aÖTÖ&€Ka  ^TiXiv 
uapeXOövTWV  seine  volle  berechtigung  —  nicht  so  der  zusatz  Kai  rj^€pdiv 
ÖX{ywv  iTap€V€YKOUCiIfV,  der  doch  eigentlich  mit  aOröbcKa  im  Widerspruch 
steht,  den  ich  aber  trotzdem  nicht  anzutasten  wage,  weil  sich  viel- 
leicht auch  in  ihm  das  schwanken  des  Schriftstellers  bei  der  vorläufigen 
redaction  dieses  ganzen  abschnittes  verrät,  möglich  ist  es  aber  auch, 
dasz  der  überarbeitende  grammatiker  die  r]yLipac  oi)  iroXXdc  irapcveTKoOcac 
aus  c.  26,  3  auch  hier  anzubringen  für  nötig  gehalten  hat.  ebenso  geht 
es  mir  mit  dem  was  unmittelbar  darauf  folgt:  f\  die  t6  irpiJbTOV  i\  £cßoXf| 
f|  ^c  tV)v  'ATTiKf|v  Kttl  1^  dpxi?)  ToO  iToX^imou  ToOöe  iT^veTO.  auch  hier  bin 
ich  nicht  sicher,  ob  der  unleugbare  durch  keine  interpretationskniffe  zu 
beschönigende  Widerspruch,  der  in  diesen  Worten  liegt,  mit  Emil  Müller 
durch  die  Streichung  der  worte  TÖ  irpuiTOV  f|  £cßoXf|  i^  ic  Tf\v  'ATTiKf|v  xal 
zu  entfernen  ist,  oder  ob  wir  nicht  pietätsvoU  in  ihnen  ein  Zeugnis  von 
dem  ringen  des  Schriftstellers  mit  seinem  stoff  zu  erkennen  haben,  der, 
als  er  sie  vorläufig,  versuchsweise,  natürlich  am  rande,  niederschrieb, 
über  die  chronologische  gestaltung  desselben  mit  sich  selbst  noch  nicht 
im  reinen  war  und  noch  mit  sich  darüber  zu  rate  gieng,  ob  er  den  von 
ihm  aus  ästhetischen  gründen  Ipstgesetzten  anfang  des  krieges  auch 
für  die  historische  datierung  festhalten,  oder  ob  er  sich  der  allge- 
meinen auffassung  seiner  Zeitgenossen,  die  erst  den  einfall  der  Lake- 
daimouier  in  Attika  als  den  wirklichen  kriegsanfang  betrachteten,  an- 
schlieszen  sollte,  in  allen  diesen  dingen  erkenne  ich  deutlich  die  spuren 
der  mangelnden  Überarbeitung:  denn  nimmermehr  kann  ich  glauben  dsss 
Thuk.  diese  Seltsamkeiten,  diese  schreienden  Widersprüche  so  nackt,  so 
aller  künstlerischen  Verarbeitung  und  Verhüllung  bar  hätte  stehen  lassen 
können. 


712     HMiiller-Strübing:  das  erste  jähr  des  peloponnesiBcben  krieges. 

Weissagung  mit  der  datierung  des  Nikiasfriedens  zu  than?  sie  wird 
ja  auch  erst  später  erwtthnt,  c.  26,  da  wo  Thuk.  sich  mit  höchst  selt- 
samer logik  entschuldigt  (qui  s^excuse,  s'accuse),  die  jähre  des  faulen 
friedens  in  den  krieg  hineingezogen  zu  haben,   denn  es  heiszt  dem 

sinne  nach  so:  das  folgende  hat  derselbe  Thuk.  geschrieben 

bis  dahin ,  wo  die  Lakedaimonier  die  herschaft  der  Athener  stürzten 
und  die  mauern  niederrissen,  im  ganzen  hat  dieser  krieg  27  jähre 
gedauert,  und  wenn  jemand  glaubt,  die  Zwischenzeit  des  Vergleichs 
sei  kein  krieg,  so  irrt  er:  denn  wer  die  dinge  genau  betrachtet,  der 
wird  finden  dasz  diese  zeit  nicht  friede  zu  nennen  ist,  da  manche  be- 
dingungen  nicht  erftlllt  wurden  und  in  verschiedenen  gegenden  feind- 
Seligkeiten  stattfanden,  so  dasz  also,  wenn  man  den  ersten  zehn- 
jährigen krieg  und  den  unsichern  stillstand  und  den  darauf  wieder 
ausgebrochenen  krieg  zusammenrechnet,  die  angegebenen  jähre 
herauskommen,  mit  einer  dififerenz  von  nicht  vielen  tagen,  nun, 
dasz  vom  anfang  des  krieges  bis  zum  fall  von  Athen  ungefähr  27 
jähre  vergangen  waren ,  das  wird  auch  damals  niemand  geleugnet 
haben;  es  handelt  sich  ja  nur  darum,  ob  Thuk.  berechtigt  war  die 
Zwischenzeit  des  beschworenen  und  nach  griechischem  Staatsrecht 
noch  nicht  durch  jene  einzelnen  thätlichkeiten ,  vielmehr  erst  durch 
den  ein  fall  der  Athener  in  Lakonien  gebrochenen  Vertrags  (s.  V  45. 
115.  VI  105)  mit  zur  kriegszeit  zu  rechnen.  Thuk.  fUfalt  denn  auch 
die  schwäche  seiner  argumentation  recht  gut  und  sucht  sie  dadurch 
zu  stärken,  dasz  er  sich  darauf  beruft,  mit  dieser  auffassung  nicht 
allein  zu  stehen:  'und  so  haben  auch  diejenigen,  welche  auf  Pro- 
phezeiungen etwas  geben,  einzig  und  allein  diese  bewährt  gefunden, 
denn  ich  erinnere  mich  sehr  wohl,  dasz  vom  anfang  bis  zam  ende 
des  krieges  es  vielfach  ausgesprochen  wurde,  der  krieg  werde  3  mal 
9  Jahre  dauern*  —  wahrscheinlich  von  solchen  bänkel Wahrsagern, 
wie  wir  sie  aus  Aristophanes  Vögeln  und  sonsther  kennen,  und  auf 
solches  gewäsch  soll  Thuk.  bei  der  chronologischen  gCbtaltung  seines 
Stoffes  rUckbicht  genommen  haben,  weil  er,  wie  Unger  nach  Classen 
sagt,  ^die  müglichkeit  übernatürlicher  ein  Wirkungen  keineswegs  in 
abrede  stellen  will'?  aber  man  bedenke  doch,  wie  hchlecht  die  übri- 
gen zahllosen  orakel ,  von  denen  Thuk.  II  8  spricht ,  dabei  wegkom- 
men, warum  hatte  denn  dies  orakel  allein  das  Privilegium  einzu- 
treftcn?  ich  glaube  vielmehr  hier  denselben  sarkastischen  ton  zu 
erkennen,  in  dem  das  pest-  und  hungerorakel  in  II  54  besprochen 
wird.  —  Übrigens  musz  dem  Schriftsteller  die  erinnerung  an  dies 
Orakel  behr  spät  gekommen  sein,  wenigstens  findet  sich  im  ersten 
buche,  da  wo  er  von  der  dauer  seines  krieges  spricht  (s.  o.  s.  667), 
keine  hindeutung  darauf,  auch  nicht  in  den  reden  der  ersten  bücher, 
wenigstens  für  den  gewöhnlichen  menschen  verstand,  freilich  hat 
ein  .sehr  orthodoxer  Thukydidesjtingtr,  LHerbst  (Philol.  XXXVIII 
s.  r)H2),  in  einigen  dieser  reden  allerlei  mysteriöse  hindeutungen  auf 
das  ende  des  krieges  gefunden  (man  wird  unwillkürlich  an  die  Scho- 
lastiker und  die  mes&ianischen  Weissagungen  erinnert),  zb.  in  der 


RBüDger:  zu  Xenophons  anabasis  [III  4,  19—28].  713 

renommistiscben  äoszerung  der  Korintber  1 121  lixß.  viKt)  vaufjiaxtac 
Kard  TÖ  cIköc  dXicKOVTai  ('AOiivaToi)  eine  Prophezeiung  der  schlacht 
Yon  Aigospotamoi.  doch  meint  auch  Herbst,  Thuk.  habe  diese  Weis- 
sagung den  Eorinthern  erst  post  eventum  in  den  mund  gelegt  (offen- 
bar in  unbewuster  befolgung  der  amerikanischen  klugbeitsregel  'never 
prophesy  unless  you  know').  Über  diese  theorie  wird  anderswo  zu 
reden  sein,  hier  will  ich  nur  noch  6ine  stelle  anführen ,  VII  28,  3, 
wo  es  beiszt,  zu  anfang  des  krieges  habe  kein  mensch  geglaubt,  der- 
selbe werde  länger  als  6in  oder  zwei ,  höchstens  drei  jähre  dauern, 
ich  bin  begierig,  wie  die  Verteidiger  der  einheitlichen  entstehung  des 
Werkes  des  Thuk.  die  concordanz  dieser  äuszerung  mit  der  orakel- 
stelle zu  stände  bringen  werden,  mich  geht  das  nichts  an ,  da  ich 
schon  lange  dies  ganze  capitel  für  interpoliert  erklärt  habe  (s.  Thukyd. 
forsch,  s.  29  ff.),  ich  werde  das  anderswo  weiter  begründen  und 
auch  den  einwurf,  wo  denn  der  interpolator  alle  seine  Weisheit, 
namentlich  über  die  eiKOCTTJ  herhabe,  beantworten,  denn  ich  glaube 
das  jetzt  zu  wissen,  vorläufig  mag  man  diese  und  andere  von  mir 
aufgestellte  behauptungen  etwa  als  die  thesen  ansehen ,  die  ja  einer 
rechtschaffenen  doctordissertation  nicht  fehlen  dürfen,  und  die  später 
verteidigt  werden  sollen.* 

*  im   ersten   artikel  dieser   abhandlung   sind  folgende  versehen  zu 
berichtigen : 

s.  592  z.  4  V.  o.  lies  ^um  den  20n  april'  statt  ^um  den  5n  april' 
s.  608  z.  19  V.  o.  lies  ^namen'  st.  ^annehmen' 
ebd.  anm.  z.  9  v.  o.  lies.EAA  st.  EUi^l 

London.  Hermann  Müller- Strübinq. 


103. 

ZU  XENOPHONS  ANABASIS. 


In  der  anabasis  III  4,  19 — 23  berichtet  Xenophon  von  den 
einrichtungen,  die  getroffen  wurden,  um  im  carr6  weiter  marschieren 
zu  können^  ohne  dasz  durch  terrainschwierigkeiten  Unordnung  hervor- 
gerufen würde,  diesen  bericht  behandeln  Büstow  und  Köchlj  'ge- 
schichte  des  griechischen  kriegswesens'  s.  187 — 189;  PVollbrecht  in 
diesen  jahrb.  1856  abt.  II  (bd.  74)  s.  76  ff.  und  in  seiner  ausgäbe  der 
anabasis  einl.  §  38 f.;  E Wahner  im  programm  des  gjmn.  zu  Oppeln 
1865;  LReinhardt  in  der  zs.  f.  d.  gw.  1879  s.  9 — is.  Eüstow  und 
Köcbly  gehen  gar  nicht  darauf  aus  alle  einzelheiten  zu  erklären ;  aber 
auch  von  den  andern  erklärem  läszt  sich  nicht  sagen  dasz  sie  die 
Schwierigkeiten  beseitigt  hätten,  hoffentlich  dient  die  folgende  ab- 
handlung zur  förderung  der  sache. 


714  RBünger:  zu  Xenophons  anabasis  [III  4,  19—23]. 

Zunächst  schildert  Xen.  in  §  19  und  20  die  beim  marsch  im 
gleichseitigen  viereck  sich  ergebenden  Schwierigkeiten,  dabei  schei- 
det er  zwei  föUe.  die  werte  f|v  fJifev  cuTKUiTTq  .  .  troXcfiiuiV  ^tro- 
jLi^vujv  bandeln  von  dem  falle,  dasz  bei  Verengerung  des  weges  oder 
beim  herantreten  von  bergen  die  flanken  zusammengedrängt,  da- 
durch die  einzelnen  leute  der  töte  eingepresst  und  aus  dem  gliede 
gestoszen  werden  und  die  ganze  töte  in  Unordnung  gerät,  während 
hernach ,  wenn  die  flügel  sich  wieder  seitwärts  ausdehnen ,  lücken 
entstehen,  die  bei  etwaigem  angriff  ebenfalls  die  kämpf tUchtigkeit 
des  heeres  beeinträchtigen,  daran  schlieszt  sich  am  ende  des  §  20 
mit  den  worten  Kai  ÖTTÖre  bioi . .  TOtc  troXcjLiioic  der  zweite  fall ,  in 
dem  beim  passieren  eines  defilees  an  marschieren  in  breiter  front 
überhaupt  nicht  mehr  zu  denken  ist  und  jeder  dem  andern  zuvor- 
zukommen sucht  und  dadurch  Unordnung  hervorgerufen  wird,  da 
der  übrige  text  sowohl  wie  die  sache  an  sich  diese  Scheidung  fordern, 
musz  das  derselben  widerstrebende  f^  Teqpupac  in  §  19  gestrichen 
werden,  zumal  sich  im  folgenden  dieselbe  Scheidung  findet 

Wie  bei  den  misständen  werden  nemlich  auch  in  der  Schilde- 
rung der  maszregeln  zur  abhilfe  (§  21 — 23)  beide  fälle  scharf  unter- 
schieden; vom  ersten  handeln  §  21  und  22,  vom  zweiten  §  23.  genau 
entspricht  Ö7t6t€  [xiv  cutkutttoi  toi  K^para  in  §  21  dem  f^v  fifcv 
cuTKUTTTf)  Td  K^paTa  ToC  TiXatciou  in  §  19,  und  el  bi  Kai  biaßiotivciv 
Tivd  Ö601  biäßactv  fi  T^9iJpav  in  §  23  dem  Kai  öttötc  biox  T^q>upav 
biaßaiveiv  fj  ä\\r\v  Tivd  bidßaciv  in  §  20. 

Zur  abhilfe  für  den  ersten  fall  werden  nun  6  lochen  zu  je 
100  mann  bestimmt,  wie  §  43  zeigt,  je  3  lochen  für  die  töte  and 
für  die  queue.  wo  das  carr6  in  der  gewöhnlichen  breite  marschieren 
kann,  marschieren  die  vier  enomotien  jedes  lochos  neben  einander, 
beim  zusammenschieben  der  flanken  aber  brechen  die  enomotien  je 
nach  bedürfnis  ab ,  so  dasz  eventuell  alle  4  enomotien  jedes  lochos- 
hinter  einander  marschieren,  vielleicht  brachen  unter  umständen 
sogar  eine  oder  zwei  ganze  lochen  ab.  bei  erweiterung  des  terrains 
marschieren  die  einzelnen  abteilungen  nach  möglichkeit  wieder  auf. 
vom  abbrechen  handelt  §  21,  vom  aufmarschieren  §  22.  obwohl 
nun  letzterer  §  auch  bisher  richtig  verstanden  ist,  wird  doch  all- 
gemein —  Rüstow  und  Köchly  handeln  nicht  ausdrücklich  von  dieser 
stelle  —  das  UTT^jLievov  ucTCpoi  in  §  21  so  aufgefaszt,  dasz  die 
3  lochen  der  töte  mit  denen  der  queue  vereinigt  hinter  dem  ganzen 
carre  zurückgeblieben  wären,  abgesehen  aber  von  der  Verkehrtheit, 
dasz  durch  eine  solche  maszregel  die  töte  gerade  von  ihren  besten 
truppen  entblöszt  worden  wäre  und  somit  einem  etwaigen  angriff 
der  feinde  nur  schlecht  hätte  begegnen  können ,  hätte  man  dal)ei  ja 
gar  nicht  die  dem  jedesmaligen  terrain  entsprechende  breite  her- 
stellen können ,  sondern  immer  gleich  die  ganzen  3  lochen  aus  der 
töte  weggenommen,  wie  wäre  dann  auch  umgekehrt  der  allmähliche 
auf  marsch,  wie  er  in  §  22  beschrieben  wird,  wieder  möglich  ge- 
wesen?  das  uTT^jLievov  ücrcpoi  kann  also  nur  vom  abbrechen,  db. 


RBünger:  zu  Xenophons  anabasis  [111  4,  19— 23j.  715 

dem  binterschieben  hinter  die  übrigen  abteilungen  der  töte  verstan- 
den werden. 

Aus  dem  eben  gesagten  ergibt  sich  dann  weiter  die  unechtheit 
der  Worte  tötc  be  trapfiTOV  f£iü9ev  toiv  KcpdTiuv  in  §  21.  diese 
Worte  werden  nemlich  auf  grand  der  eben  zurückgewiesenen  auf- 
fassung  yon  UTT^juievov  ucTCpoi  von  Rehdantz  und  Reinhardt  erklärt : 
'sie  rückten  auszerhalb,  dh.  hinter  den  flügelcolonnen  heran.'  damit 
stimmt  im  wesentlichen  Vollbrecht  überein :  'sie  rücken  auszerhalb 
der  flügelcolonnen  heran  und  marschieren  hinter  denselben  neben 
einander  auf.'  von  der  sachlichen  undenkbarkeit  abgesehen  kann 
hier  doch  aber  gar  nicht  von  einem  heranrücken  die  rede  sein,  da  die 
lochen  ja  zurückbleiben,  also  höchstens  nachrücken  könnten,  und 
der  gebrauch  von  fEujOev  für  'hinter'  wäre  mindestens  ein  sehr 
schlecht  gewählter  ausdruck.  die  sprachgemäsze  erklärung  könnte 
doch  nur  etwa  sein :  'äie  marschierten  auszerhalb  der  flügelcolonnen 
vorbei ,  oder  (nach  der  töte)  auf.'  die  worte  erscheinen  sonach  als 
zuthat  eines  interpolators,  der  utt^jülcvov  öcTCpoi  in  dem  erwähnten 
falschen  sinne  verstanden  hatte  und  nun  erklären  wollte,  wie  die 

3  lochen  der  töte  wieder  auf  ihren  platz  kamen,  ohne  das  gros  zu 
belästigen,  er  bedachte  nicht  dasz  bei  dem  hier  behandelten  falle 
ein  völliges  ausscheiden  der  3  lochen  gar  nicht  notwendig  war.  ver- 
mutlich ist  dies  also  derselbe  interpolator ,  von  dem  das  f\  Yeqpüpac 
in  §  19  herrührt,  da  beide  zusätze  nur  von  jemand  stammen  können, 
der  die  von  Xenophon  unterschiedenen  fälle  zusammenwarf. 

Der  §  23  gibt  dann  mit  den  worten  ei  bk  Kai  .  .  öUßaivov  an, 
wie  beim  passieren  der  engeren  defileen^  durch  die  man  nur  in 
schmälster  front  kommen  konnte,  die  einzelnen  abteilungen  hinter 
einander  folgten,  und  dies  bedarf  weiter  keiner  erklärung. 

Was  die  ganze  formation  des  carr6s  anlangt,  so  trefifen  Rüstow 
und  Eöchlj  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  das  rechte,  wenn  sie  die 
töte  und  queue  nur  aus  den  je  3  elitelochen  bestehen  lassen,  wunder- 
bar ist  eS;  dasz  Reinhardt  jene  sowohl  wie  Wahner  mit  der  bemer- 
kung  corrigieren  zu  können  glaubt,  dasz  neben  den  3  lochen  noch 
die  flankencolonnen  marschiert  seien,  ein  blick  auf  irgend  eine  der 
8  Zeichnungen  bei  Wahner  konnte  ihm  zeigen,  dasz  dieser  es  auch 
nicht  anders  gemeint  hatte,  und  so  ist  es  sicher  auch  bei  Rüstow 
und  Eöchly.  recht  dagegen  hat  Reinhardt  wahrscheinlich,  wenn  er 
als  normalaufstellung  der  3  lochen  8  mann  tiefe  und  36  rotten,  dh. 
bei  einem  räume  von  2  schritt  für  den  mann,  72  schritt  breite  an- 
nimt.  wenn  Rüstow  und  Eöchly  4  mann  tiefe  und  6inen  schritt 
räum  für  den  mann  rechnen,  so  können  sie  das  nur  für  die  gefechts- 
stellung  gemeint  haben,  obwohl  sie  dies  nicht  andeuten,  vielleicht 
hatten  überhaupt  auf  dem  marsche  alle  4  seiten  8  mann  tiefe,  wäh- 
rend für  das  gefecht  die  leute  der  4  inneren  glieder  neben  die  der 

4  äuszeren  traten,  wodurch  ohne  Zeitverlust  gleich  der  normale  ge- 
fechtsabstand  gewonnen  wurde. 

Oben  war  gesagt  dasz,  wo  die  flanken  sich  zusammenschoben, 


716  BBünger:  zu  Xenophons  anabasis  [III  4,  19 — 23]. 

vielleicht  auch  6in  oder  zwei  ganze  lochen  abgebrochen  wttren.  als 
sicher  kann  dies  nemlich  nicht  gelten,  da  man  es  bei  so  geringer 
breite  vorziehen  konnte,  analog  dem  fall  des  §  23  den  6inen  oder 
zwei  lochen  vorausmarschieren  zu  lassen,  und  wenn  in  §  22  erwähnt 
wird ,  wie  beim  auseinandertreten  der  flUgel  die  3  lochen  zunächst 
in  enomotiencolonne  eintreten,  so  konnte  dies  ebensowohl  durch 
zurücktreten  in  die  front  als  durch  aufmarschieren  geschehen,  auch 
aus  dem  oviTOi . .  uTT^jiievov  öcrepoi  in  §  21  läszt  sich  nichts  schlieszen 
über  das  zurückbleiben  ganzer  lochen,  streng  richtig  wären  ja  diese 
Worte  nur,  wenn  immer  die  ganzen  3  lochen  zurückgeblieben  wären. 
dasz  dies  nicht  der  fall  war,  bedarf  keines  beweises  mehr;  es  wird 
vielmehr  vom  ganzen  gesagt ,  was  immer  nur  für  diesen  oder  jenen, 
gröszern  oder  kleinem  teil  galt,  deshalb  wäre  es  auch  unberechtigt, 
aus  diesen  worten  etwa  zu  schlieszen,  dasz  die  töte  und  queue  noch 
aus  mehr  truppen  als  den  je  300  auserlesenen  bestanden  hätten, 
hinter  die  dann  die  3  lochen  hätten  abbrechen  können. 

Verdächtig  erscheinen  noch  die  werte  des  §  23  Kai  et  ttou  bloi 
Ti  Tfic  (päXaTTOC,  ^Trmapricav  outoi.  sie  besagen  dasz,  wenn  es 
irgendwo  im  carr6  nötig  war,  die  300  mann  der  töte  oder  queue  zu 
hilfe  kamen,  ein  beispiel  besonderer  Verwendung  finden  wir  auch 
wirklich  in  §  43.  eine  solche  Verwendung  kann  aber  beim  marsch 
im  carr6  kaum  häufiger  notwendig  gewesen  sein,  und  sie  konnte  die 
Ordnung  leicht  stören,  wenn  sie  trotzdem  in  §  43  angeordnet  wird, 
so  geschieht  das  wohl  nur,  weil  man  dort  schnell  ganz  besonders 
rüstiger  truppen  bedurfte,  der  satz  scheint  also  in  seiner  allgemein- 
heit  ansiöszig,  während  gßrade  der  später  erzählte  einzelne  fall  den 
Zusatz  veranlassen  konnte,  zu  diesem  sachlichen  bedenken  kommt 
das  formelle;  dasz  die  bemerkung  gar  nicht  hierher  gehört,  wo  die 
maszregcln  geschildert  werden ,  die  man  ergriff,  um  ohne  Störung 
der  Ordnung  den  terrainschwierigkeiten  gerecht  zu  werden,  was  soll 
da  die  bemerkung,  wie  man  den  feinden  entgegentrat,  zumal  un- 
mittelbar darauf  folgt  TouTip  toi  TpÖTTiu  iTrop€u9Ti.cav  craGfiOuc 
T^TTOpac  V 

Das  resultat  der  vorstehenden  abhandlung  würde  dahin  zu- 
sammenzufassen sein,  dasz  in  §  19  f^  T^cpupac,  in  §  21  tÖT€  bk 
TTapfiTOV  ^EuüOev  tuiv  Kcpdrujv  als  unecht  zu  verwerfen  ist  und 
OUTOI  .  .  UTT^^evov  öcrepoi  nur  das  abbrechen  bezeichnet,  während 
für  die  unechtheit  der  worte  des  §  23  Kai  el  ttou  .  .  OUTOI  nur  die 
höchste  Wahrscheinlichkeit  beansprucht  werden  kann. 

GÖRLITZ.  Richard  Bünqer. 


ESchirmer :  anz.  v.  FWecke  beitragen  zur  erkl.  Hom.  personennamen.  7 17 

104. 

BEITRÄGE  ZUR  ERKLÄRUNG  HOMERISCHER  PERSONENNAMEN  VON  FER- 
DINAND WeOK.  wissenschaftliche  BEILAGE  ZUM  JAHRES- 
BERICHT DES  LYCEUMS  ZU  METZ  1883.  Metz,  buchdruckerei  der 
gebrüder  Lang.    34  8.  4. 

Wir  sind  dem  vf.  auf  dem  gebiete  der  Homerischen  namen- 
erklärung  schon  einmal  begegnet  in  seiner  abh.  ^die  Homerischen 
Personennamen  auf  -euc'  (Saargemünd  1880.  43  s.  4).  dort  war  er 
der  erklärung  von  GCurtius  entgegengetreten,  welcher  ein  suffix 
-eu  statuiert,  das  dem  slav.  -ov  (verba  auf  -ovati)  gleichzustellen  wäre. 
Weck  war  nemlich  durch  die  beobacbtung,  dasz  die  ältesten  namen 
auf  -cuc  eine  lange  paenultima  haben,  zu  der  Vermutung  gekommen, 
dasz  hierin  die  ein  Wirkung  eines  folgenden  vocals  zu  erkennen  sei, 
und  da  eine  solche  einwirkung  nur  von  einem  ursprünglichen  t  {j) 
zu  erwarten  ist,  so  schlosz  er  sich  der  Pottschen  hjpothese  an,  dasz 
das  gr.  -euc  dem  skr.  und  lith.  -jus  entspreche:  in  dem  ursprüng- 
lichen i  habe  sich  nemlich  der  consonantische  und  der  vocalische 
bestand  teil  getrennt  und  jener  (das  j)  habe  sich  dem  vorhergehenden 
consonanten  assimiliert  und  so  positionslänge  der  vorhergehenden 
silbe  bewirkt,  während  dieser  (das  i)  sich  zu  €  getrübt  habe  und 
mit  0  oder  dem  damit  wechselnden  u  die  contraction  in  eu  ein- 
gegangen sei.  (im  weitern  hatte  Weck  dann  die  an  der  band  der  ety- 
mologie  und  lautgesetze  gefundene  theorie  auch  sachlich  zu  begründen 
versucht  durch  den  nachweis,  dasz  sich  so  eine  für  die  träger  der 
namen  höchst  angemessene  bedeutung  ergebe ,  wie  denn  'Obucceuc 
auf  die  wz.  buK  zurückgeführt  entweder  der  ^leuchtende',  also  die 
passendste  bezeichnung  für  den  alten  gott  des  frühlings,  oder  — 
nach  der  secundären  bedeutung  der  wz.  —  der  ^geziemend,  rühm- 
lich handelnde'  sein  würde.)  eine  besonders  interessante  beobach- 
tung  hatte  auch  schon  damals  den  vf.  belehrt,  dasz  die  in  der  ältesten 
zeit  so  beliebten  namen  auf  -euc  später  neuen  bildungen  haben  wei- 
chen müssen,  die  dann  die  Ursache  wurden  zur  annähme  auch  neuer 
Personen,  welche  zu  den  trägem  der  altem  namen  in  dem  Verhältnis 
einer  Jüngern  generation  gedacht  wurden:  vgl.  NiiXeuc  und  N^CTUjp 
(wz.  ned),  'AZeiic  und  *'Aktujp  usw. 

Einen  kühnen  vorstosz  und  zwar  einen  solchen  von  principieller 
bedeutung  macht  auf  demselben  gebiete  der  vf.  mit  seiner  neuesten 
programmabbandlung,  welche  in  jeder  beziehung  einen  erheblichen 
fortschritt  bezeichnet,  er  wendet  sich  hier  gegen  diejenige  erkltt- 
rungsweise,  welche  —  im  ganzen  den  alten  Griechen  folgend  und 
neuerdings  besonders  durch  AFick  vertreten  —  bei  den  griech. 
Personennamen  die  composition  als  die  regel  annimt  und  die  kurzen 
namen  als  kosenamen  auffaszt,  welche  erst  durch  Verstümmelung 
ursprünglicher  componierter  voll  namen  entstanden  wären,  er  ver- 
sucht dieser  erklärungsweise  gegenüber  den  nachweis  zu  führen, 
dasz  vielmehr  kurze  namen  das  ursprüngliche  und  die  umfang- 


718  ESchirmcr :  anz.  v.  FWecks  beitragen  zur  erkl.  Hom.  perBonennamen. 

reicheren  erst  aus  ihnen  durch  einen  process  natürlicher  entwicklung 
bzw.  cntartung  entstanden  seien. 

Urspiilnglich  war  —  das  ist  der  gedankengang  des  vf.  —  der 
Personenname  nichts  als  ein  adjectiv.  aber  natargemftsz  sucht  als- 
bald die  spräche  dies  adjectiv  als  personennamen  von  dem  in  der 
function  des  adjectivs  verbleibenden  zu  scheiden,  und  diese  Scheidung 
kann  entweder  dadurch  herbeigeführt  werden,  dasz  das  als  personen- 
name  fungierende  die  Weiterbildung  des  adjectivs  nicht  mehr  mit- 
macht, ^erstarrt',  oder  dadurch  dasz  es  selbst  zu  verändeningen 
schreitet,  die  es  von  dem  adj.  deutlich  unterscheiden;  und  ist  dann 
der  letztere  weg  einmal  beschritten,  so  thun  das  bedürfnis  der  indi- 
vidualisierung,  die  gesteigerte  nachfrage,  die  willkür  des  namen- 
gebcrs  das  ihre,  um  die  einmal  recipiertcn  personennamen  immer 
manigfaltiger  zu  gestalten,  die  art  nun,  wie  dies  geschah,  ist  ver- 
schieden gewesen  bei  den  verschiedenen  Völkern,  ganz  anders  zb.  bei 
den  Hörnern  als  bei  den  Griechen :  bei  jenen  bestand  sie  in  der  an- 
einanderreihung  einer  ganzen  anzahl  von  namen,  bei  diesen  wird  das 
eigentliche  nomen  proprium  nur  noch  höchstens  durch  den  genitiy 
des  vaternamens  begleitet,  indem  die  patronjmika  -ihre  urtiprQog- 
liche  function  selbst  bei  Homer  schon  einzubUszen  beginnen  durch 
übergehen  in  die  bedeutung  eigentlicher  namen.  vielleicht  aber 
zeigte  gerade  die  an  ihnen  deutlich  erkennbare  weiterwucherung  der 
ursprünglichen  namen  den  weg  für  die  weitere  entwicklung  der 
13crsonennamcn ,  nemlich  den  weg  der  suffixalen  erweiterung;  viel- 
leicht war  auch  nur  die  von  haus  aus  dem  adjectiv  eigentümliche 
fUhigkeit  sich  durch  suffixc  zu  erweitem  bei  den  als  personennamen 
fungierenden  adjcctiven  die  Ursache  ihrer  ausgestaltung  in  dieser 
rieht ung.  hierbei  aber  gerieten  die  an  sich  ganz  unschuldigen  suffixe 
bei  dem  phantasicvollen  Gricchenvolk  in  gefahr  xu  fthnlich  klingen- 
den nomina  umgedeutet  zu  werden,  der  Volksetymologie  zu  verfallen, 
und  das  so  fertig  gestellte  angebliche  compositum  rief  dann  auch 
zahlreiche  analogiebildungen  ins  loben. 

So  ist  es  nur  eine  ausgeburt  der  Volksetymologie,  wenn  der 
ausgung  -kXt^c  in  alten  namen  (der  übrigens  bei  Homer  gar  nicht 
vorkommt.)  von  kX^oc  abgeleitet  wird,  vielmehr  ist  der  bei  Homer 
vorwiegende  ausgang  -kXoc  das  ursprüngliche  und  nur  aus  -koXoc 
(lat.  culuSy  vgl.  Patcrctdus  —  TTdTpOKXoc  Hercules  Proculus)  unter 
dem  einflusz  des  verses  verkürzt,  nicht  anders  ist  es  mit  dem  aus- 
gang -iTTTTOc .  er  hat  mit  Yttttoc  ursi)rUnglich  nichts  gemein ,  auch 
Homer  denkt  daran  trotz  aller  ncigung  zu  etymologischen  Spielereien 
ebensowenig,  wie  er  bei  -kXoc  (  kXt^c)  an  kX^oc  denkt,  die  ursprüng- 
liche form  ist  vielmehr  das  suffix  -tt€TO,  welches  eine  ver«tftrkung 
des  begriffs  bedeutet  (vgl.  uipote^  cffomet  aus  egomple,  memei  aus 
nwmj^tCy  ipsc  aus  isptey  ja  in  doppelter  anwendung  ipsippc),  nur  so 
ist  es  bei  dem  Wortspiel  mit  Kti^cittttoc  (u  287  flF.) :  KTcdTCCCi  irc- 
TTOiOuüC  begreiflich,  dasz  Homer  nicht  von  den  Yttttoi  redet;  nur  so 
auch  die  lautspiegelung  erkennbar,  welche  in  KTcdrccci  den  ersten 


KScbirmer :  rtnss.  v.  FWecks  beitragen  zur  erkl.  Hom.  personennamen.  719 

und  in  7r€TTOi6(JüC  den  zweiten  teil  des  namens  wiedergibt;  so  erklärt 
sieb  aucb  das  feblen  der  aspiration  in  naroen  wie  Acukittttoc;  so 
scbeint  sieb  eine  möglicbkeit  zu  ergeben  das  unselige  monoptoton 
äXKi  aus  der  weit  zu  scbaffen,  wenn  n^mlicb  das  äXKi  TT6TTOt9üJC 
nicbts  als  eine  zeitgemäsze  Umgestaltung  eines  nicbt  mebr  verstan- 
denen dXKiTreT/icic  (vgl.  ötpmeTricic)  =  SXkijlioc  wäre ;  so  wird  aucb 
der  streit  über  die  natur  des  c  in  Ktiicittttgc  mit  Einern  male  be- 
graben (da  nicbt  KTdo|Liai,  sondern  Krf^coc  grundstock  ist);  so 
erklärt  sich  die  nebenform  MevdXiTnroc  neben  MeXdviTTTTOC  un- 
gezwungen als  die  ursprünglicbe  form ,  welche  zu  der  letztern  form 
erst  umgescbmolzen  wurde,  nachdem  man  nud. einmal  das  suffix 
-7T6TOC  mit  dem  vorhergehenden  i  zu  ^^ttttgc  zusammengearbeitet 
hatte ;  nur  so  wurde  auch  0  547  eine  lautspiegelung  mit  ciXiTTobac 
erzielt;  die  übrigens  noch  vollkommener  sein  würde,  wollte  man  statt 
des  unglückseligen  eiXiTTobac  ein  auXiir^rac  lesen ;  so  findet  endlich 
auch  6Ö17TTTOC  eine  erklärung  als  -  ableituhg  von  dem  adj.  diic.  das 
aus  -TTeTO  übrig  gebliebene  -ttto  hat  übrigens  noch  eine  merk- 
würdige erweiterung  erfahren  in  dem  ausgang  -7Tt6X€|lioc  (mittels 
eines  aus  -aXiinoc  umgemodelten  Suffixes  ^oXejLioc  oder  mittels  einer 
mittelstufe  -tttoXoc,  welche  dann  die  gedanken  auf  nTÖXejLioc 
brachte),  und  so  ist  denn  NconTÖXcjLiOC  nichts  anderes  als  der  *ganz 
junge',  Ar))LiOTTTÖX€|iOC  von  briinöc  =  crassissimus. 

Eine  neue  deutung  erföhrt  jetzt  auch  der  ausgang  -jiiaxoc :  er 
hat  mit  jiidxr)  nichts  zu  schaffen ,  wie  denn  die  träger  dieser  namen 
mehr  mit  der  kinderstube  als  mit  dem  schlachtfelde  zu  schaffen 
haben,  sondern  er  ist  in  zwei  bestandteile  jua-xo-c  zu  zerlegen,  von 
denen  der  erste  -jua-  ein  zur  bildung  dos  adjectivs'  odter  Personen- 
namens dienendes  suffix,  xo  aber  ein  nachträglich  angehängtes  hypo- 
koristisches  oder  deminutives  element  ist.  so  ist  TTiX^]tiaxoc  köseform 
zu TrjXc^oc (k  509),  eöpOjuiaxoczu GCpupoc (erhalten in  GupuiLifbTic), 
^Avbpojudxn  aber  zu  dbpöc  (alfio  die  'kleinfe  Überaus  holde'),  hypo- 
koristische  bildungen  sind  auch  diie  nänrnren  auf -ÖXOC  und -Xoxoc: 
so  ist  At)(oxoc  nicht  hostes  iemns\  was  eine  füi*  seinen  ti*öger  (0  34 1  f.) 
geradejiu  iixmisch  klingende benennung  wäre,  sondern  hypokoristikon 
zu  br\x6c  ^bit^ig',  also  eine  sehr  passende  befeeichnung  für  den,  der 
sich  unbedachtsam  unter  die  Vorkämpfer  gemengt  hat.  ebenso  ist 
'ApxAoxoc  als  köseform  «=  ''erstlirig*  {princep$){  wie  denn  der 
andere  Antenoride  *AKd|Liac  (wzi  dK  ödef  dK>=  5eg)  der 'folgende' 
(Secundus)  ist. 

Suffixal  sind  auch  die  ausgänge  auf -juevoc  (erweitert  jLi(e)viOC 
-)a€v€Öc  -)Li€vr|C);'sie  haben  mit  ji^voc  nichts  zu  thun,  sondern  stelldn 
das  bekannte  suffix  -)Li€vb  (das  auch  in  Picumnits  Vertumtiüs  tititu- 
mnus  vorliegt)  mit  seinen  Wandlungen  dar.  noch  weiter  angeschwol- 
len, neralich  durch  das  comparativsuffix  -T€pO  (wie  "AvTiqpoc  zu 
*AvTi(pOT€poc  —  'A|Li(poT€pöc  wird),  zeigt  sich  diese  bildung  in 
KXuiaijuivricTpri  (aus  KXuTaijiievric  —  RXiiiacoc  =  KXÜTaToc  —  kXu- 
TÖc),  während  der  name  ihres  gatten  'AyoM^MVUJV  dasselbe  suffix 


720  ESchirmer :  anz.  v.  FWecks  beiträgen  zur  erkl.  Hom.  personennamen. 

durch  anfügung  des  amplificativen  -UJV  (Curtius)  erweitert  zeigt 
und  somit  auf  "Ato^oc  —  AiYajiAOC  zurückweist,  also  mit  ATficGoc 
zusammenfällt,  mit  dem  suffix  -jLievo  hängt  endlich  vielleicht  auch 
der  ausgang  -r|vr]  ('AXK|Lir)VTi)  und  weiterhin  -rjvujp  zusammen,  das 
mit  ävrip  nichts  zu  thun  hat,  so  wenig  wie  der  ausgang  -avbpoc. 
ebenso  ist  es  ein  unbegründeter  aberglaube^  wenn  man  den  ausgang 
-Xaoc  (-Xeiuc)  mit  Xaöc  zusammenbringt,  obwohl  doch  die  neben- 
formen  -Xoc  -XXoc  vorliegen  (CG^veXoc  —  CGev^Xaoc),  und  Weck 
hatte  diesen  Zusammenhang  auch  schon  bei  den  personennamen  auf 
-Xeuc  (im  oben  besprochenen  programm)  sowie  in  einer  besondem 
abh.  «BaciXeuc»  (Philol.  XLI  s.  193  ff.)  widerlegt,  die  rätselhaften 
'Apxeci-  und  TTpujTeciXaoc  entpuppen  sich  jetzt  als  erweiterungen 
von  "ApKecoc  und  TTpiwTecoc  oder  TTpiiiiacoc  (=  TrpdrraTOC  vgl. 
beuTaTOc). 

Doch  wir  verzichten  auf  die  anführung  weiterer  einzelheiten; 
wer  im  dämmerlichte  der  tradition  mit  jenen  deuteleien  kopfschüttelnd 
sich  abzufinden  bemühte,  wie  sie  namen  wie  TiiX^juiaxoc  usw.  herbei- 
geführt ,  der  wird  zunächst  aufatmen  bei  der  einfachheit  dieser  dea- 
tungcn.  und  wer  dann  näher  beobachtet,  mit  welch  sicherer  methode 
der  vf.  arbeitet,  wie  er  nicht  im  luftigen  reiche  der  phantasie,  son- 
dern auf  dem  festen  boden  positiver  thatsachen,  welchen  die  Home- 
rischen gcdichte  darstellen,  sich  bewegt,  wie  er  dort  mit  vollendeter 
umsiebt  die  gesetze  der  spräche  und  metrik  handhabt  (ich  mache 
besonders  darauf  aufmerksam ,  wie  der  vf.  durch  die  thatsache,  dasz 
die  hauptsilben  des  vermeintlichen  zweiten  bestandteiles  der  angeb- 
lichen composita,  zb.  des  -ittttoc  in  KirjciTTTTOC ,  wenn  eben  möglich 
vom  ictus  gemieden  werden,  zu  dem  seiner  theorie  so  völlig  an- 
gemessenen Schlüsse  gelangt,  dasz  jene  silben  durch  synkope  aus 
zwei  kurzen  entstanden  sein  müssen),  wie  er  mit  umfassender  be- 
lesenbeit  ausgerüstet  die  namen  stets  in  lebendigem  Verhältnis  zn 
ihren  trägem  betrachtet  —  der  wird  die  Überzeugung  gewinnen, 
dasz  wir  hier  nicht  nur  einen  geistreichen  versuch,  sondern  solide 
rcsultatc  vor  uns  haben,  wenn  auch  nicht  alles  sich  als  stichhaltig 
erweist  —  wir  möchten  dem  vf.  wenigstens  nicht  überall  folgen  — 
so  wird  doch  das  verdienst  die  Homerische  namenforschung  in  neue 
und  riehtigere  bahnen  gelenkt  zu  haben  ihm  nicht  bestritten  werden 
dürfen,  es  kann  ja  auch  dem  vf.  an  der  nichtanerkennung  dieser 
oder  jener  deutung  um  so  weniger  gelegen  sein,  als  er  selbst  im 
eingang  anerkennt,  dasz  die  mis verstandenen  suffixalen  bildungen 
in  den  Jüngern  partien  selbst  schon  der  Homerischen  gedichte  zn 
analogiebildungen  geführt  haben,  in  denen  in  der  that  composition 
anerkannt  werden  musz  und  gegebenen  falls  auch  einmal  eine  der 
überlieferten  erkläru'ngen  ihr  recht  behält:  das  princip  des  vf.  wird 
dadurch  nicht  alteriert.  so  sei  denn  die  saubere  abhandlung,  die  auch 
durch  die  klarheit  und  frische  der  darstellung  sich  auszeichnet,  der 
beachtung  dringend  empfohlen. 

Metz.  Karl  Schirmbr. 


KFrey:  Homenscbes. 
HOMEBISCHES. 


1.  Die  sage  der  Odyssee  und  des  Nibelungenliedes,  die  sage 
hat  bekanntlich  die  historiache  tbatsache,  dasz  ein  teil  der  Burgnnder 
von  den  Hunnen  vernichtet  wurde  «htndicarium  Bttrgundionum 
regem  inter  GaUias  häbüarUem  Chunni  cum  populo  suo  ac  sUrpe 
dekverunt)  so  gedreht,  dasz  die  Burgunder  nicht  in  ihrer  heimat, 
BondBrn  im  saale  der  hofburg  Etzels  umkommen,  wenn  mau  annimt  ■ 
dasz  dieses  verfahreu  der  sage  vom  freiermord  zu  gründe  liege,  so 
ergibt  sich  für  diese  das  historische  factum,  dasz  Odysseus,  ein 
machtiger  mann  der  insel  Ithake,  dessen  barg  —  auf  der  zur  Ver- 
teidigung und  zum  angriff  geeignetsten  stelle  der  ineel,  nemlicb  auf 
dem  isthmos,  welcher  beide  hälften  verbindet,  prächtig  gelegen  — 
erstaunliche  trümmer  hinterlassen  hat,  die  Ä'eier  nicht  in  seinem 
Saale,  Rondem  in  ihrer  eignen  heimat,  also  auf  Dulichion,  Same, 
ZakyntboB  und  in  Ithake  umher  besiegte,'  dasz  er  Ithake  unterwarf 
und  von  hier  aus  Dulichion,  Same  und  Zakyntbos.  dem  freiermord 
liegt  dann  also  die  bildung  oder  entstehung  eiues  Eephallenerreiches 
zu  gründe,  und  daaz  diese  historische  thatsache  in  der  Odysseus- 
sage  wohl  vermutet  werden  darf,  daftlr  möchte  der  umstand  spre- 
chen, dasz  B  625  Odysseus  wirklich  als  der  fQrst  eines  Eephallener- 
reiches erscheint,  welches  wenigstens  aus  Ithake,  Rrokyleia,  Aigi- 
lips,  Zakyntbos,  Samos  und  Epeiros  besteht. 

2.  Die  nympbenbßble  auf  Ithake,  BHercher  bestreitet  mit  recht, 
und  die  jungen  aus  Vathy,  welche  mich  in  die  höhle  begleiteten,  be- 
stritten es  ebenfalb,  dasz  die  nymphengrotte  mehr  als  einen  ein- 
gang  habe,  einen  gegen  norden  und  einen  gegen  sQden.  und  wenn 
wir  auch  geneigt  wttren  Homer  als  eine  art  Bädeker  oder  geographie- 
buch aufzufassen,  so  würde  uns  diese  ansieht  doch  hei  der  betraoh- 
tuDg  der  vorhandenen  höhle  durchaus  im  stich  lassen.  Ja  es  ist  über- 
haupt unmöglich  sich  nach  der  Schilderung  Homers  eine  wirkliche 
höhle  vorzustellen. 

Was  hat  nun  Homer  mit  seiner  Schilderung  gewollt,  mit  den 
beiden  eingingen,  einem  für  die  menschen  und  einem  fUr  die  gStter? 
am  deutlichsten  gibt  uns  darüber  eine  stelle  des  Quintus  Smyrnaeus 
aufschlusz.  er  beschreibt  VI  469  eine  höhle  ganz  in  derselben  weise 
wie  Homer:  'zwei  eingSoge  sind  daran,  der  eine  gegen  den  Boreaa, 
der  andere  gegen  den  Notos :  durch  den  einen  gehen  die  sterblichen, 
der  andere  ist  der  weg  der  seligen,  und  menschen  betreten  ihn  nicht' ; 
fUgt  aber  bei :  'denn  ein  weiter  schwarzer  räum  geht  bis  zum  Hades.' 
offenbar  ist  mit  dieser  beschreibung  eine  endlose  böble  gemeint, 
dergleichen  der  Volksglaube  an  vielen  orten  vermutet,  und  sie  zeigt 
uns,  dasz  auch  mit  der  Schilderung  der  nympbengrotte  eine  solche 
gfmeint  ist.  natürlich  ist  auch  davon  auf  Ithake  nichts  zn  finden. 
Homer  spricht  noch  einmal  von  einer  endlosen  höhle:  nemlicb  die 

JjihrbUcIirr  dir  cliss.  pliilol.  1881  hfL  10  u.  11.  47 


722  KFrey:  Homerisches. 

der  Skylle  ist  gegen  das  dunkel  gewandt  zum  Erebos  fi  81;  er  sagt 
aber  nicht  dasz  sie  zwei  eingänge  habe,  weil  sie  von  menschen  nicht 
betreten  wird. 

3.  unbedeutende  persönlichkeiten  in  der  Ilias.  die  anhttnger 
der  liedertbeorie  pflegen  allzu  siegesgewis  die  Schediosstellen  (P  306 
und  0  515)  und  die  stellen  von  Apisaon  (A  578.  N  411  und  P  348) 
als  die  stärksten,  wenn  auch  neben  allen  andern  eigentlich  über- 
flüssigen beweise  der  buntscheckigkeit  der  Ilias  anzuführen  (s.  Lach- 
manns  betrachtungen  s.  77):  denn  was  macht  Homer  eigentlich? 
nichts  anderes  als  dasz  er  1)  einen  namen  mit  variierter  apposition 
und  2)  in  den  Apisaonstellen  überdies  eine  Verwundung  wiederholt, 
können  wir  aber  nachweisen ,  dasz  beides  hie  und  da  bei  Homer  in 
Ilias  und  Odyssee  vorkommt,  so  dürfen  jene  stellen  als  beweise  der 
zusaromenflickung  der  Ilias  nicht  mehr  gelten,  wir  wollen  es  ver- 
suchen. 

1)  Homer  erlaubt  sich  bisweilen  denselben  personen  verschie- 
dene namen  zu  geben,  in  der  Odyssee  haben  wir  einen  Melanthios 
und  einen  Melantheus,  und  ein  ithakesischer  greis  heiszt  zuerst  vater 
des  Antiphos  und  zuletzt  Antiphos  selbst;  in  der  Ilias  kämpft  zuerst 
N  792  ein  söhn  Hippotions  und  dann  E  514  fllllt  Hippotion  selbst, 
was  ist  ihm  Hippotion!  gegen  dergleichen  unbedeutende  Persön- 
lichkeiten glaubte  Homer  gleichgültig  sein  zu  dürfen,  ich  denke: 
auch  Alkimcdon,  der  freund  Automedons  P  500,  und  Alkimos,  wel- 
cher T  382  mit  Automedon  die  pferde  anspannt,  bedeuten  denselben 
mann,  sind  nur  verschiedene  namen  für  eine  und  dieselbe  person. 
umgekehrt  haben  verschiedene  personen  denselben  namen.  der 
herold  Agamemnons  heiszt  £urybates  und  der  des  Odyssens  Eury- 
bates;  der  diener  Agamemnons  Eurymedon  und  der  Nestors  wieder 
Eurymedon.  oder  sie  haben  eben  einen  nur  wenig  variierten  namen. 
A  145  fällt  ein  söhn  des  Antimachos  namens  Hippolochos,  und 
M  188  ein  söhn  des  Antimachos  namens  Hippomachos  (deutlich  ist 
die  absichtliche  kleine  Variation  des  namens,  damit  nicht  zweimal 
derselbe  falle).  A  423  lautet:  XepcibdjiiavTa  b'  fireiTa  Ka0*  Virtruiv 
äiHavia  und  Y  401  *l7T7Tobä|LiavTa  b  *  inexia  usw.  warum  sollte  also 
Homer  nicht  zwei  verschiedenen  persönlichkeiten  denselben  namen 
mit  variierter  apposition  geben  dürfen  ?  durch  die  Variation  ist  jeg- 
lichem mis Verständnis  vorgebeugt;  kein  mensch  kann  mehr  sagen: 
da  fällt  der  gleiche  zweimal!  dasz  beide  Schedios  auch  führer  der 
Phoker  sind,  macht  die  gleichgültigkeit  Homers  allerdings  straf- 
barer; doch  mag  es  nur  ein  höherer  grad  (nicht  eine  andere  art) 
von  gleichgültigkeit  sein  als  diejenige  bei  Hippolochos  und  -machos 
und  Cbersi-  und  Hippodamas. 

2)  das  unaufhörliche  wiederholen  von  versen  ist  eine  der  wunltler- 
liebsten  eigen tümlichkeiten  Homers,  wiederholt  er  aber  verse  Aber 
essen  und  trinken,  Sonnenaufgang  und  -Untergang,  fahren  zur  see 
und  zu  lande  usw.,  so  kann  er  auch  verse  von  kämpf  und  tod,  von 
Verwundungen  wiederholen,  natürlich  mit  verftnderung  der  namen 


KFrey:  Homerisches.  723 

der  verwundeten  persönlichkeiten,  and  das  kommt  in  der  Ilias  wirk- 
lich häufig  vor,  YgL  N  61  f.  mit  £  451  f.  und  A  143  mit  820.  in 
diesen  beiden  stellenpaaren  werden  zwar  Terschiedene  namen  ein- 
gefügt; nachdem  wir  aber  gesehen  haben,  dasz  Homer  sich  anch 
mit  bloszer  variierung  begnügt,  kOnnen  die  drei  Apisaonstellen 
nicht  mehr  als  beweise  der  nichteinheit  der  Hias  gelten;  sondern  ab 
übereinstimmend  mit  der  poetik  Homers  müssen  sie  zusammen  von 
diesem  dichter  stammen  und  beweisen,  dasz  wenigstens  A  577  — 
P  347  eigne  arbeit  Homers  ist. 

4.  Pylaimenes.  mit  der  erscheinung,  dasz  £  576  Men^laos  den 
Pylaimenes  erlegt  und  dasz  dieser  dennoch  N  658  der  leiche  seines 
sohnes  folgt,  mOge  man  vergleichen,  dasz  im  Bolandslied  XXX  Othon 
tot  und  zwanzig  yerse  nachher  lebend  erscheint,  es  gilt  dem  dichter 
zuerst  die  grösze  der  niederlage  zu  schildern;  er  bringt  also  alle 
namen  an,  die  ihm  aus  der  sage  bekannt  sind  (und  zwar  ohne  sich 
durchaus  um  X  zu  kümmern,  wo  er  schon  einmal  zwOlf  pairs  ge- 
nannt hat): 

Charles  s^^crie:  'oA,  Roland,  dtes-yous? 

oÄ  Tarchev^qae  et  le  comte  Olivier? 

oÄ  8ont  Q^rin  et  son  ami  G^rer? 

le  dnc  Othon,  le  comte  B^ranger? 

Ives,  Ivoire,  eux  que  j*ai  tant  aim^s? 

qa*eBt  deyenn  le  Qascon  Angelier? 

Sanche  le  dnc  et  le  brave  Ans^is? 

oA  sont  G^rard  de  Bossilon,  le  yieox, 

les  douse  pairs  qne  j'y  ayais  laisstfs? 

gleich  darauf  aber  braucht  er  diener  des  kaisers ;  er  wfthlt  sie  unter 
demselben  berühmten  personal ;  der  glänz  des  namens  verführt  ihn 
Othon  wieder  zu  nennen,  und  es  entsteht  ein  schneidender  logischer 
Widerspruch : 

le  roi  commande  Othon  et  Gibonin, 
Thibaat  de  Reims  et  le  comte  Milon: 

mit  einem  glänzenden  namen  hier  und  dort  effect  zu  machen  war  des 
dicbters  einziger  zweck,  und  dann  fragte  er  nicht  nach  der  logischen 
berechtigung.  und  diese  manier  scheint  mir  der  art,  wie  Homer  hie 
und  da  verföhrt,  ähnlich  zu  sein.  ^ 

Ein  herausgeber  meint  zwar  zu  der  zweiten  stelle:  'il  y  a  lä 
une  erreur  de  oopiste.'  indessen  was  hilft  das,  da  Othon  s(^on  X 
unter  den  zwölf  pairs  erscheint  und  am  ende  des  gedichtes  dennoch 
einer  derjenigen  ist,  welche  die  leichen  Bolands,  Oliviers  undTurpins 
begleiten : 

le  roi  commande,  et  Thibant,  Gibonin, 

Milon  le  comte  et  le  marqniB  Othon 

ont  transport^  les  corps  sur  trois  voitnres. 

Bern.  Karl  Fbbt« 


47' 


724  HStadtmüller:  zur  kritik  des  Aiscbylos. 

106. 

ZUR  KRITIK  DES  AISCHYLOS. 


Perser  114  fif.  Ddf.  TauTÖ  juiou  juieXaTxiTUJV  qppf|V  ä|Liucc6Tai 
qpößuj,  I  öä,  TTepciKOÖ  CTpaTeiijuaTOC  |  loöbe,  jLif)  ttöXic  TiuGriTai 
K^vavbpov  ji^T*  ficTU  Couciboc.  wer  in  diesem  satze  ttöXic  neben 
acTD  halten  will ,  wird  immer  genötigt  sein  zu  einer  gekünstelten 
Interpretation  seine  Zuflucht  zu  nehmen,  sicherlich  ist  äcTU  snbject 
und  das  object  zu  TTuOr]Tai  ist  durch  ttöXic  verdrängt  worden,  darum 
hat  Oberdick  in  der  sache  recht,  wenn  er  juiöpov  aufnahm;  das  wort 
aber,  das  Aisch.  geschrieben,  war  wohl  ein  anderes,  wie  folgende 
verse  lehren:  Perser  *254  Ojnujc  b*  dvdiTKii  Tiäv  dvarrTÜEai  TiäOoc, 
291  UTiepßdXXei  t^P  n^^  cujiqpopd  tö  |üif|T€  XÖai  jLirJT'  £pujTf)cai 
TTderi,  43G  TOidb'  ^tt*  auTOuc  fjXGe  cujucpopd  TidGcuc.  danach 
ist  obige  stelle  so  zu  schreiben:  ITepciKOÖ  CTpaieufJiaTOC  TOub€  fif| 
7Td9oc  7Tu9T]Tai  K^vavbpov  iLiet'  dcTU  Couciboc. 

In  der  tetrameterpartie ,  in  welcher  Atossa  sich  nach  volk  und 
land  der  Hellenen  erkundigt ,  ist  v.  239  fehlerhaft  überliefert  in  M: 
TTÖTCpa  Ydp  toHouXköc  alxixi]  bidxcpöcaÖT*  TTpeiret.  weil  x^pöc 
iambisch  sein  musz,  ist  es  nur  zu  halten  bei  consonantischem  an- 
laut  des  folgenden  wortes;  gewöhnlich  aber  ändert  man  (unter  her- 
zte! lung  des  pron.  auToTc)  den  sing,  in  x^poiv  mit  filroslej  oder  in 
den  plur.  mit  Brunck.  mir  scheint  es  sicherer  den  überlieferten 
numerus  beizubehalten,  dagegen  bqioic  für  auT*  oder  auToTc  zu 
schreiben:  aixjir)  bid  X^P^^  b(jiotc  Trp^TTCt.  Hellas  heiszt  eine 
bda  X^pot  V.  279,  zu  yergleichen  aber  sind  namentlich  folgende 
stellen:  OK.  699  drX^^J^v  (p6ßTi)ia  batu)V,  Prom.  424  bdioc 
cipaTÖc,  6£uTTpLUpoici  ßp^jLiujv  iv  aixiüiciTc,  Pind.  Nem.  8,  28 
bdoiciv  .  .  fe'XKea  {)f\Eav  7ToXe)Lii2^6|Lievoi  ütt'  dXeHijLißpÖTUJ  Xötx?» 

In  der  botcnscene  heiszt  es  obd.  391:  qpößoc  b^  TTdci  ßap- 
ßdpoic  Tiapfiv  I  Tvu>)üiiic  dTTOCcpaXeiciv.  vor  beginn  des  kampfes 
waren  zwar  die  Perser  über  den  unverhofften  widerstand  der  Grie- 
chen überrascht,  aber  immer  noch  voller  siegeshoffnung  und  in 
dem  glauben  den  feind  zu  vorderben;  dasz  sie  alle  schon  damals  in 
furcht  und  angst  gewesen  seien,  kann  der  böte  nicht  vor  der 
küni^nn  behaupten;  ebensowenig  darf  der  dichter  den  feind  vor  den 
sie^'orn  in  einer  weise  schildern,  dasz  dessen  besiegung  zu  einer  that 
oline  verdienst  herabsinkt,  in  erinnerung  an  das  Homerische  rdqpoc 
b*  t\e  irdviac  Iböviac  und  idqpoc  b'  eXev  dvbpa  ?KacTOv  hat  wohl 
Aisch.  an  obiger  stelle  den  boten  sagen  lassen:  Tdqpoc  bk  näci  ßap- 
ßdpoic  TTai^nv. 

ebd.  f)32  musz  statt  des  überlieferten  ui  ZcG  ßaciXeC,  vOv 
TTepcÜJV  ein  vollständiger  anapästischer  dimeter  stehen,  es  ist  anf- 
fiilli^^  dasz  unter  den  verschiedenen  ergänzungsversiuchen  (dXX' (Ii 
Turnebus,  vöv  tdp  Hermann,  ßaciXeö  titttc  cu  Dindorf)  derjenige 
noch  nicht  gemacht  worden  ist,  bei  welchem  sich  das  versehen  des 


HStadtmflller:  lar  kritik  des  Aitchjloa.  725 

abschreibera  am  leichteaten  erklKren  ISszt  and  auf  welchen  andi  die 
diction  des  dichterB  hinzufahren  scheint :  ea  heiazt  hier  TTcpciItv 
CTpaTiäv  ÖX^cac,  nun  vgl.  man  Perser  926  nävu  Tap<pi3cTiCftuptäc 
ävbpitiv  ££^<p9ivTai,  Ag.  1456  tüc  irävu  noXXäc  i|>ux&c  ÖX^- 
cac'  {in6  Tpoii;,  Cho.  661  nävu  d^icEiv  'ATafiEfivoviutv  otKiuv 
dXEdpbv.  ich  fUge  alao  nävu  nacb  vuv  ein  and  lese:  ib  ZeO 
ßaciXeO,  vöv  nävu  TTepciXiv  ubw.* 

Sieben  vor  Theben  365  f.  ateht  in  M  folgendea:  in'  dcni- 
boc  b'  dcdj  I  xdXKi'tXaTOi  xXdJIouci  Kt&butvec:  q>öftov.  die  hgg.  be- 
gnfigten  sich  zum  teil  mit  der  correctur  b'  ictu,  teile  Bohrieben  sie 
noch  andern  has.  bk  ti{j,  Dindorf  wollte  bi  toi,  Weil  bi  nou.  iah 
meine  daaz  hier  die  metapher  angewandt  war,  welche  dam  Aiscbjloa 
eigentümlich  ist  zur  bezeichnung  des  schitdea  und  scbildrandea.  bei 
Hesychios  beiazt  es:  ä\ujc'  i\  ToO  f|X(ou  f^  ccXr|Vr]C  nEpup^peia. 
AIcxüXoc  TTEpi9^pcia  Tf)c  dcniboc  kqI  kOkXoc,  und  so  lesen  wir 
auch  bei  Aisch.  Sieben  489  äXui  bi  TtoXXi^,  dcniboc  kökXov  Xiym. 
wollte  man  aber  aus  der  beifllgung  des  explicativen  dcniboc  KÜkXov 
Xifiu  scblieazen,  der  dichter  habe  das  wort  äXiuc  hier  znm  ersten 
mal  in  der  tragCdie  gebraucht,  es  kSnne  nicht  an  einer  frahern 
Btelle  ohne  erlfiaternng  vorg^ommen  sein,  wenn  ea  an  einer 
apStern  mit  einer  solchen  bedacht  werde,  so  ist  dieser  achlnaz 
falacb.  denn  erstlich  ist  t.  366  neben  dcniboc  jede  interpretation 
derart  überflüssig,  ja  unmöglich,  nnd  zweitens  ist  ea  gar  nicht 
gegen  die  weisb  des  Aiscbyloa,  dasz  ein  und  derselbe  ausdruck  das 
erste  mal  ohne  weitem  zusatz  gebraucht  wird,  während  er  spSter 
wiederkehrend  eine  entsprechende,  mit  \if\u  angeschlossene  be- 
Btimmnng  erhält,  oder  sollte  in  dieser  tragOdie  v.  690  TOia06'  6 
^ävTlc  dcnib'  cükukXov  vcVu)V  (ndrxoXicov  rfiba)  darum  nicht 
in  Ordnung  sein,  weil  nachher  bei  erwähnnng  desselben  Amphia- 
raos  {v.  609)  oötujc  Ö  pävTic,  ul6v  OIkX^ouc  X^fiu  gesagt  wird?  ea 
ist  also  meiner  meinung  nach  v.  366  f.  so  zu  sobreiben :  isxt '  dcnibOC 
b'  äXuj  I  xo^Kii^O'i^oi  KXdZIouci  xiIibiuvEC  (pößov.  in  v.  489  aber 
bat  man  TioXXi'iv  neben  äXuj  beanstandet,  gewis  mit  recht,  nur  hat 
Heimsoeth  mit  XEUKt^V  schwerlich  das  richtige  getroffen,  nenerdings 
hat  Lugebil  oben  a.  453  pEfdXTiv  vorgeschlagen  (indem  er fa^^£Tac 
im  vorhergehenden  verse  ^oxpöc  empfiehlt),  ea  ist  von  dem  Schilde 
die  rede:  da  ergibt  sich,  meine  ich,  die  correcte  bezeicbnung  an« 


*  dasselbe  wort  ist  nacb  meiDem  dafUrhaltea  iu  einem  roru  de* 
ArUtophanes  beriiutelleii.  in  den  Bittem  hat  der  Demos,  welcher  den 
Papbln^onier  za  darchschauen  anfangt,  keinen  sino  mebr  fflr  dessen 
liebesbeteuernngen,  t.  821  ÖTiV]  le  <piX(&;  f  TtaO',  ofrTocl  koI  (i^i  cnip- 
ßoXXe  novtipti.  dau  ttdO  ttuO'  oötoc,  worauf  Blmslay  kam  nnd  waa 
VOD  Bergk,  Ueineke,  Dindorf  anfgenommoD  wurde,  nnmägliob  ssi,  baben 
Kock  and  vTelsen  erkannt,  aber  ich  mQchte  weder  mit  Jenem  qnJUD; 
ili  naO'  oOtoc  nocb  mit  diesem  (piXiIii  vOv  ttoO'  oGtoc  schreiben;  anch 
hier  ist,  was  in  der  subrift  sehr  wenig  verschieden  ist  von  mO',  ein- 
ziuelien  ndvu  nnd  Kleons  warten  belsngeben,  a1«o>  &nii  CC  91X1D 
itdvu;  r  noO"  OÖTOC,    Tgl.  wdvu  tnteu^iQ  Lysias  IS,  80. 


726  HSiadtmüller :  zur  kritik  des  Aischylos. 

folgenden  stellen:  Sieben  496  KOtXoT<icTopoc  kukXou,  Theokr.24,24 
Ko{Xou  UTT^p  cäKeoc.  Aischylos  wird  also  nicht  &Xu)  bk  iroXXtiv, 
sondern  &Xuj  bk  KoiXriv  geschrieben  haben. 

ebd.  491  f.  ist  von  dem  Waffenschmied  die  rede,  welcher  das 
zeichen  auf  dem  Schilde  des  Hippomedon  fertigte:  ö  omQTOUpTÖC 
b*  ou  TIC  €UTeXf|C  dp*  fjv,  |  öctic  TÖb'  fpTOv  djTiacev  irpöc  dtcTribu 
man  hat  über  ujiracev  bis  jetzt  hinweggelesen ,  und  doch  ist  ÖTrdcai 
mindestens  kein  präciser  ausdruck  da  wo  es  sich  um  die  befestigung 
eines  bildwerkes  auf  dem  Schilde  handelt;  auszerdem  ist  die  Verbin- 
dung dieses  verbums  mit  Tipöc  meines  Wissens  nicht  zu  belegen,  in  der- 
selben sceue  finden  sich  in  fthnlichem  Zusammenhang,  bei  beschrei- 
bung  anderer  schildwerke,  die  Wendungen  7rpocfJi€|Lir)X0(Vim^Vl|V 
t6|üi901ci  (541),  kOtoc  TipocribdqpiCTai  (496);  diesen  entspricht 
nicht  ÖTtdcai,  sondern  dxii&cax:  vgl.  Prom.  4  f.  Tip  de  ir^Tpaic  . . 
6xM^^<^i  dbajuavTiviuv  b€C|Liuiv  ^v  dppr|KTOic  TT^baic.  demnach  ist 
in  V.  492  löxM^tcev  irpöc  dcTiibi  für  ujiracev  tt.  d.  zu  setzen. 

ebd.  520  liest  man  cujTf|p  T^voiT*  Sv  Zeuc  ^tt'  dctriboc 
TUXUJV.  es  hat  hier  die  glosse  tuxuüV  das  wort  des  dichters  ver- 
drängt; dies  ergibt  sich  aus  400  f.  Ka\  vOiaa  xaÜTTiv  f\v  \ij€\c  Ire* 
d  c  TT  i  b  0  c  { dcTpoici  jLiapMaipoucav  oupavoO  k  u  p  €  T  v ,  und  ans  Hesy- 
chios  KUpuü*  TUTXdvuj,  Kupei*  UTidpxet,  Turxdvei.  ich  zweifle 
nicht  dasz  Aischylos  geschrieben  hat:  C(JüTf)p  t^voit'  fiv  Zeöc  in^ 
dcTTiboc  KVjpÜüV. 

ebd.  576  ist  in  M  tiberliefert  Ktti  TÖv  cöv  aöOic  trpdc  fiöpav 
dbeXqpcöv.  eine  sichere  herstellung  des  verses  wird  wohl  bei  nn- 
sern  jetzigen  hilfsmitteln  nicht  gelingen.  Burgess  und  Blomfield 
schrieben  TrpocjLioXuiV  ö|LiöcTropov ,  was  Dindorf  aufgenommen  hat. 
grosze  Wahrscheinlichkeit  hat  ö|Liöc7ropov ,  wofür  das  dem  trimeter 
der  tragödie  fremde  dbeXqpeöv  als  glosse  in  den  tezt  kam ;  spnren 
jenes  Wortes  sind  sowohl  in  der  lesart  des  Mediceus  als  auch  in  der 
anderer  hss.  TrpöcTTopov  erhalten,  aber  unmöglich  ist  TTpoc|LioXt[iv, 
wie  Weil  gezeigt  hat:  denn  Amphiaraos  verläszt  nicht  das  homo- 
loische  thor,  sondern  wendet  sich  nur  nach  der  seite  des  andern 
thores ,  um  seine  an  den  abwesenden  Polyneikes  gerichteten  werte 
auszurufen,  da  nun  im  folgenden  von  einer  besondem,  absichts- 
vollen ausspräche  des  namens  die  rede  ist,  so  meine  ich  dasz  ans 
TTpöc  jüiöpav  ein  verbum  zu  entnehmen  sei ,  das  'anreden'  bedeutet, 
und  die  Zusammengehörigkeit  von  TrpocGpoiüV  und  ToCvo^* 
evbaTOUjuievoc  läszt  sich,  meine  ich,  aus  Aischylos  selbst  nachweisen: 
wenigstens  sind  in  der  loscene  des  Prometheus  6vofia  dTru€iv  nnd 
TTpocOpoeTv  mit  einander  verbunden  v.  593  ff.  TröGev  dfJioO  cu 
TTaipöc  ßvojLi*  dmicic;  .  .  Tic  uiv  .  .  Jbb'  Irv^xa  TrpocGpocic; 
ich  setze  also  TrpocGpouiv  ein,  so  dasz  der  vers  folgendermasxen 
lautet:  Kai  TÖv  cöv  aGGic  irpocGpoujv  öfiöcTropov. 

Den  Eteokles,  der  zum  kämpf  mit  dem  bruder  auf  leben  nnd 
tod  entschlossen  ist,  bitten  die  Thebanerinnen  abzulassen  von  seinem 
beginnen  ebd.  677  f.  jiAri,  (piXTax*  dvbp&v,  Olbinou  t^koc  ,  T^vq  | 


HStadtmüller :  zur  kritik  des  Aischylos.     <  727 

äpT^lv  ö|Lioioc  T(f)  KÖiKiCT*  aubujfji^vqj.  man  mag  das  letzte  wort 
medial  oder  passivisch  fassen,  also  an  die  drobungen  des  Poljneikes 
oder  an  die  Schmähungen  des  £teokles  denken :  in  beiden  fallen  ent- 
halten gedanke  und  ausdruck  etwas  ungehöriges ,  lassen  jedenfalls 
die  kunst  des  Aischylos  vermissen,  entschlusz  und  absieht  des 
Polyneikes  erfüllen  die  Jungfrauen  mit  angst,  und  sie  begehren  dasz 
Eteokles  nicht  nach  gleichem  trachte  wie  der  bruder.  man  hat  nur 
zwei  buchstaben  zu  verwandeln,  üb  in  fji,  und  lese:  öpT^v  öjiioToc 
Ttu  KdKicra  ixiuixivw,  vgl.  686  ri  jn^iiiovac,  t^kvov;  das  part. 
)Liu)^evoc  aber  findet  sich  Cho.  45  und  441. 

In  derselben  scene  heiszt  es  v.  716:  viktiv  fe  jH^VTOi  Kttl 
KaKf)V  TijLiqi  Oeöc.  sämtliche  interpretationsversuche  dieses  verses 
dürfen  als  mislungen  bezeichnet  werden.  Eteokles  hatte  erklärt 
(v.  715),  den  werten  der  frauen  werde  es  nicht  gelingen  seine 
Kampfeslust  zu  mindern,  ihn  umzustimmen,  wenn  darauf  der  chor 
von  einem  siege  spricht,  so  kann  nur  d^r  gemeint  sein,  den  die 
bitten  über  des  Eteokles  trotz  erringen  sollen,  diesen  sieg  be- 
zeichnet er  als  einen  gottgefälligen  im  gegensatz  zu  dem  blutigen, 
den  Eteokles  durch  den  brudermord  erlangen  will;  auch  erwächst 
aus  jenem  dem  besiegten  keine  schände ,  denn  der  herscher  weicht 
nicht  der  gewalt  des  starkem,  sondern  dem  flehen  der  schwächern. 
unmöglich  aber  kann  ein  solcher  sieg  eine  vikt)  KttKri  genannt  wer- 
den: es  ist  ein  ausdruck  erforderlich  ^  welcher  besagt  dasz  jener 
nicht  gewaltsam,  sondern  durch  Überredung  gewonnen  wird,  nun 
findet  sich  bei  Euripides  Or.  691  ff.  folgende  stelle,  in  welcher  der 
sieg  mit  waffen  und  der  sieg  durch  die  macht  des  wertes  einander 
gegenübergestellt  werden :  jüidxij  M^v  oöv  fiv  oux  ÖTr€pßaXoi)Li€9a  | 
rieXacTÖv  *'ApToc*  el  bk  jLiaXGaKoTcXÖTOic  |  öuvaijueO*,  ^v- 
Tau6'  ^XTriboc  7TpociiKO)Li6V.  damit  vergleiche  man  die  worte  des 
Aischylos  über  den  herscher  der  milde  walten  läszt  statt  der  ge- 
walt, Ag.  951  f.  TÖv  KpaToOvTa  ^aXOaKoic  Geöc  TipöcwOev 
eujLievuic  irpocb^pKeTai.  dieses  jiiaXGaKÖc  hat  meiner  meinung 
nach  auch  im  obigen  verse  gestanden,  welcher  demnach  so  her- 
zustellen ist:  viKTiv  TC  M€VTOi  |LiaXGaK]?|V  Tijiiqi  Geöc:  *du  wider- 
stehst meinen  bitten'  meint  der  chor  *und  doch  ist  den  göttem  der 
sanfte  sieg  genehm ,  der  durch  wohlmeinende  rede  errungen  wird.' 

In  den  schluszanapästen  der  Sieben  vergleicht  der  chor  die  ver- 
schiedenartige bestattung,  die  den  brüdern  zu  teil  werden  soll, 
V.  1062  ff.  cu  T€  M^v  TToXXdiv  nevGriTi^pujv  |  Teurer  kcTvoc  b'  6 
TÄXac  äTooc  |  jiiGVÖKXauTOv  ix\x)v  Gpfivov  dbeXqpfic  |  eTciv  xic 
&vo0vTd7TeiGoiTo;  so  ist  der  katalektische  dimeter  fehlerhaft 
in  M  überliefert,  den  sinn  der  frage  hat  Hermann  unter  hinweis 
auf  V.  1060  f.  im  ganzen  richtig  angegeben,  aber  die  herstelfnng 
des  verses  ist  ihm  nicht  gelungen ,  wenn  er  schrieb :  elci '  Tic  odv 
öv  TOt  TriGoiTO ;  ich  meine  dasz  die  lesart  des  M  beizubehalten  sei 
bis  auf  die  zwei  letzten  worte.  im  folgenden  tritt  der  eine  halbchor 
der  Antigone  zur  seite,  entscheidet  sich  trotz  des  eben  vernommenen 


728  HStadtmüller:  zur  kritik  des  Aischflos. 

Verbotes  für  diese  und  für  die  bestattung  des  Polyneikes;  der  andere 
halbchor  wagt  es  nicht  dem  gebeisz  der  bürgerschaft  sich  zu  wider- 
setzen, der  chor  hatte  zu  wählen  zwischen  den  beiden  möglich- 
keiten  und  bat  die  wähl  in  verschiedenem  sinne  getroffen ;  es  wird 
also  Td  TreiGoiTO  inräb'SXoiTOzu  ändern  sein :  ^wer  könnte  sich 
dazu  entschlieszen  ?'  sagt  der  chor,  nemlich  dasz  er  dem  Polyneikes 
der  Stadt  zum  trotz  die  letzte  ehre  erweise,  zu  vergleichen  sind 
namentlich  Cho.  933  T0Ö9'  öjuujc  aipou|Lie9a,  Theokr.  11,49  Tic 
Ktt  Tujvbe  GdXaccav  fx^iv  f\  KUjuaG'  ?Xoito;  Soph.  Trach.  1236 
TIC  TttÖT*  ÖV,  ÖCTIC  jLlfl  'H  dXacTopuJV  vocoi,  SXoiTo; 

In  der  parodos  des  Agamemnon  werden  die  verschiedenarti- 
gen gottheiten  aufgezählt,  deren  altäre  auf  gebeisz  der  £[ljtaimnestra 
mit  opfergaben  ausgestattet  sind,  v.  88  flf.  TrdvTUiv  bfe  0ۆjv  tiDv 
dcTuvöjLiuiV,  UTrdTUJV,  xöoviujv,  tujv  t*  oupaviujv  ti&v  t' dTO- 
paitüV  usw.  dasz  die  Wiederholung  von  UTidTUiV  durch  Tiöv  t'  oöpa- 
viiuv  unmöglich  sei,  wird  jetzt  wohl  allgemein  angenommen;  mehr 
als  tuüv  t'  dYpovöjLiuJV  oder  toiv  t'  oäbaiu)V  empfiehlt  sich  Engers 
TU)V  T€  Oupaiujv;  da  jedoch  auch  diese  conjectur,  welche  sich  im 
wesentlichen  auf  den  Apollo  Thyraeus  des  Tertullian  (de  idol.  15) 
stützt,  keineswegs  jedes  bedenken  ausschlieszt,  so  darf  wohl  noch 
ein  weiterer  Vorschlag  gewagt  werden,  bei  Pausanias  ist  zu  lesen 
IX  10,  2:  TTpüJTa  jLifev  br\  XiGou  KOTd  Tfjv  fcoböv  dcTiv  'AGiivd  Kai 
'€p|Lif]c,  övo|Lia2^ö|Li€VOi  Trpövaoi,  es  standen  diese  bilder  zu  Theben, 
am  eingang  in  den  tempel  des  ismenischen  Apollon;  bekannt  ist 
die  delphiscbe  TTpoviiir|,  vgl.  Herod.  192  mit  Aisch.  Eum.  21  TToXXdc 
Tipovaia.  es  gab  also  Geoi  npövaci  an  verschiedenen  orten,  und 
wenn  sich  dieser  ausdruck  bei  Aisch.  auch  nicht  findet,  so  werden 
von  demselben  (Hik.  494)  doch  ßuüjLioi  TTpövaoi  erwähnt,  in  der 
parodos  des  Agamemnon  aber  stehen  nach  den  obigen  versen  fol- 
gende Worte:  ßuj|Lioi  bu)poici  qpXe'TOVTai  (v.  91),  wahrscheinlich 
lautete  demnach  v,  90  tOüV  t€  TTpovduJV  TUiv  t'  dTopaiuiV. 

In  den  anapästen,  welche  dem  fesselhymnos  der  Eumeniden 
vorausgehen,  schreibt  man  v.  312  gewöhnlich  nach  Canters  und 
Hermanns  herstellung  euGubiKaiOi  b'  f)bö|LieG*  elvai.  an  der  rieh- 
tigkeit  von  euGubiKaioi  b*  (überliefert  ist  euGubiKai  G'  o\b*)  scheint 
ein  Zweifel  kaum  zulässig;  dagegen  halte  ich  f)bö|Li£G*  nicht  für  das 
ursprüngliche,  in  M  steht  oijLieG,  dafür  schreibe  ich  teVeG*  (-  ^  «) 
und  meine  dasz  dieser  ausdruck  bezeichnend  ist  für  den  leidenschaft- 
lichen eifcr,  mit  welchem  die  Eumeniden  an  die  Vollstreckung  ihres 
amtes  gehen,  die  Verbindung  dieses  verbums  mit  dem  infinitiv  hat 
Aisch.  dem  Homer  und  den  epikern  entnommen;  anführen  will  ich 
hier  nur  zwei  stellen  des  Hcbiodos,  an  welchen  dieser  von  wesen 
ähnlicber  art  mit  anwcndung  desselben  verbums  spricht,  von  den 
Keren  Schild  251  Trdcai  b'  dp'  levTO  aijLia  jH^Xav  ni^civ,  von  den 
Gorgoncn  ebd.  230  fopTÖvec  dTrXiiToi  t€  kqI  ou  qpaTai  ^ppiiiovTO 
tejLievai  juaTr^eiv. 

Hkidelberu.  Hugo  StadtmCller. 


UGlogl:  zu  Euripides.  729 

(6.) 

ZU  EURIPIDES. 


Elektra  545  f.  dem  greise,  welcher  die  auf  Agamemnon» 
grab  gefundene  haarlocke  für  die  des  Orestes  hält,  pflichtet  Elektra 
nicht  bei  und  sagt  schlieszlich : 

dX\'  f{  TIC  auTOu  idqpov  ^TTOiKTclpac  Hevoc 

^KCipai*  f^  TTicbe  CKOTTOuc  Xaßujv  xöovoc. 
der  zweite  von  diesen  versen  ist  in  seiner  überlieferten  gestalt  cäsur- 
los  und  ohne  sinn,  für  das  fehlerhafte  ckottouc  Xaßujv  schlug  Seidler 
CKÖTOC  XaßüüV,  Weil  wegen  der  cäsur  ^v  ckötuj  jlioXüüv  vor;  das 
richtige  fand  schon  Victoriua:  ckottouc  XaGiiv.  vgl.  93  XaGujv 
Tupdvvouc,  o'i  Kpaioöci  ificbe  ff]C  und  510  ^pruniac  Tuxiiv.  die 
erwShnung  der  ckotto(,  von  denen  schon  in  v.  97  die  rede  war,  ist 
hier  trotz  der  einwendungen  Fausts  'studien  zu  Euripides'  (progr. 
des  realprogymn.  in  Altkirch  1881)  s.  6  sehr  am  platze,  mit  der 
Veränderung  von  Xaßu)V  in  XaGuüV  sind  aber  die  Schwierigkeiten  noch 
nicht  gehoben.  Mau  'zu  Euripides  Elektra'  in  den  commentationes 
Mommsenianae  (Berlin  1881)  s.  291  £f.,  der  das  Satzglied  f^  Tfjcbe 
CKOTTOUC  XaOuJV  x^ovöc  für  unvollständig  hält,  nimt  zur  ergänzung 
desselben  dahinter  den  ausfall  eines  verses  an,  der  etwa  fjiioXcv 
'Op^CTTic  eic  qpiXuJV  cuJTiipiav  gelautet  habe,  legt  die  drei  verse  dem 
greise  in  den  mund  und  schlieszt  sie  nach  ausscheidung  von  518 — 544 
unmittelbar  an  517  an.  dabei  geht  er  jedoch  von  der  irrigen  Voraus- 
setzung aus,  dasz  mit  den  werten  f\  Tfjcbe  ckottouc  XqOujv  X^ovöc 
nur  Orestes  gemeint  sein  könne,  und  was  die  verse  518 — 544  betrifipt^ 
welche  Mau  wegen  der  kleinlichen  polemik  gegen  Aischylos  Choeph. 
157  fif.  für  spätem  zusatz  hält,  so  ist  zwar  zuzugeben,  dasz  dieselben 
manches  seltsame  enthalten,  trotzdem  sind  sie  jedoch  nicht  derartig, 
dasz  wir  sie  dem  Euripides  absprechen  müsten ,  in  dessen  stücken 
der  kritiker  bekanntlich  manches  was  seinen  beifall  nicht  findet 
stehen  lassen  musz.  auch  in  Dindorfs  athetese  der  beiden  verse 
545  f.  ist  das  richtige  mittel  der  heilung  nicht  zu  sehen,  eine  un- 
befangene betrachtung  der  stelle  lehrt,  dasz  hier  durch  fj  .  .  ff  (an 
das  fragende  äXX'  f\  ist  hier  ebensowenig  zu  denken  wie  Herakl. 
147  f.)  nicht^die  participia  ^TTOiKieipac  und  ckottouc  XaGi&v  ein- 
ander gegenübergestellt  werden,  sondern  dasz  vielmehr  die  alter- 
native gestellt  werden  musz:  entweder  sind  die  haare  von  irgend 
einem  fremdling  oder  von  einem  einheimischen  auf  das  grab  gelegt, 
die  letztere  annähme  ist  durch  v.  517,  wo  es  als  undenkbar  bezeichnet 
wird,  dasz  ein  Argeier  das  grab  Agamemnons  besucht  habe ,  keines- 
wegs ausgeschlossen,  denn  ou  fäp  'ApTeduv  T^  Tic  517  sind  worte 
des  alten,  545  f.  aber  spricht  Elektra.  Meklers  conjectur  ^KeipaT* 
f\  'ttic  (firic)  becTTÖiac  XaGujv  xöovöc  (jahresb.  des  akad.  gymn, 
in  Wien  1878  s.  36)  enthält  den  richtigen  gedanken,  ist  aber  wenig 
wahrscheinlich,     um  den  notwendigen  gegensatz  zu  S^voc  zu  er- 


730  HGlogl:  zu  Euripides. 

reichen,  bat  man  einfach  Triebe  x^ovöc  nicht  mit  ckottouc  ,  sondern 
mit  TIC  zu  verbinden,  diese  beziebung  wird  um  so  deutlicher  und 
die  hinzufügung  von  £k,  die  Pierson^  vornahm,  um  so  unnötiger*, 
wenn  wir  646  schreiben,  wie  ich  vermute,  ^KeipaT*  f|  T^Jc  7f\cbi  Tic 
CKOTTOUC  XaOüüV.  so  hat  der  vers  angemessenen  sinn  und  tadellose 
cäsur.  die  corruptel  ISszt  sich  durch  den  ausfall  von  THI  vor  THZAE 
unschwer  erklären;  ein  grammatiker,  der  ein  Substantiv  zu  ty^cöC 
vermiszte ,  ergänzte  sodann  x^ovöc  und  liesz  Tic  aus ,  um  einen  tri- 
meter  zu  erreichen,  den  er  wenigstens  für  correct  hielt.  —  Wenn 
Palej  545  f.  nach  531  stellt,  so  ist  zu  entgegnen,  dasz  es  durchaus 
unnötig  ist  die  stelle  an  die  verse  anzuschlieszen,  in  denen  ebenfalls 
von  den  auf  dem  grabe  gefundenen  haaren  die  rede  ist.  und  wenn 
Weil  die  Umstellung  durch  seine  conjectur  auTOUC,  das  er  auf  ßo- 
CTpuxouc  in  530  bezieht,  bestätigt  glaubt,  so  hat  er  auToO  verkannt. 
denn  diese  form  ist  hier  keineswegs  ein  beziehungsloses  pronomen, 
wie  er  glaubt,  sondern  localadverbium  'dort',  nemlich  auf  Agamem- 
nons  grabe,  nach  544  sind  die  verse  vielmehr  sehr  passend,  nach- 
dem Elektra  die  argumente  und  die  zum  teil  allerdings  recht  un- 
verständigen vorschlage  des  alten  einzeln  zurückgewiesen  hat,  bricht 
sie  das  gespräch  kurz  ab,  indem  sie  der  Vermutung  des  alten  mit 

dXX'  f{  TIC  auTOÖ  Tdqpov  ^TTOiKTeipac  H^voc 

^KcipaT'  f^  Y^c  Tf\cbi  Tic  ckottgüc  Xa6u)v 
ihre  eigne  ansieht  gegenüberstellt,  so  findet  die  scene  durch  646  f. 
kräftigen  und  um  so  wirkungsvollem  abschlusz,  da  die  zuschaner 
wissen,  dasz  der  greis  doch  recht  hat  und  dasz  die  dvaTvdipicic  bald 
erfolgen  wird,  durch  die  frage  des  greises  547  ol  bk  Üvox  noO ;  die 
sich  zwanglos  an  iivoc  in  545  anknüpft,  wird  dieselbe  eingeleitet 
Ion  483.  nachdem  der  chor  472  £f.  ausgeführt  hat,  dasz  kinder 
den  sterblichen  überschwengliches  glück  und  groszer  segen  sind, 
fügt  er  zur  nähern  begründung  seiner  werte  481  S,  hinzu : 

dXKÄ  T€  fäp  iv  KttKOlC 

CUV  T*  euTuxictic  qplXov, 

bopi  T£  T^  TiaTpicji  <p^p€i 

cujTrjpiov  dXKQV. 
dasz  der  dichter  dXKQ  qp^pei  cuJTrjpiov  äXKdv  gesagt  habe,  ist 
undenkbar.  Herwerden  ersetzte  daher  dXKdv  durch  altXav.  aber 
in  der  Verbindung  dXxf)  qp^pei  T^  naTpiqt  cuJTnpiav  t-  denn  mag  es 
cu)Tr)piov  dXKdv  oder  alxXav  heiszen ,  beides  ist  nur  eine  Umschrei- 
bung von  cu)Tr]piav  —  in  jener  Verbindung  ist  bopi  unpassend. 
eher  könnte  es  böpu  dXKi^  qp^pei  T^  7TaTpi(;i  cu)Tiipiav  heiszen.  und 
die  hUu6ge  Verbindung  von  böpu  und  dXKrj  bei  Euripides  (vgl.  Phoin. 
1097  f.  1363.  Herakl.  760  f.  fr.  300,  3  N.  Hei.  1152)  läszt  es  über- 
haupt nicht  ratsam  erscheinen  dXxdv  zu  ändern,  mit  änderung  6inee 
bucbstaben  möchte  ich  vielmehr  statt  bopi  schreiben  böpu,  das  dann 

^  ihm  folgte  Weil:  ^Kcipax*  f\  'k  Tf\cb*  iv  cköt^i  noXdiv  x^ovöc. 
»  zu  TIC  Tfjcfte  'xf\c  vgl.  Soph.  Aias  425  oÖTiva  crparoO  und  Mosgrave 
zu  Eur.  Tro.  468. 


HGlogi:  zu  Enripides.  731 

wie  öfter  die  Streitmacht  oder  wafPenstärke  bedeutet  und ,  da  diese 
auf  der  Jugend  des  landes  beruht,  zugleich  die  Verbindung  mit  dem 
vorhergehenden  (vgl.  477  vedvibec  fjßai  t^kviwv)  vermittelt,  die 
stelle  besagt  somit?  eine  stark  gesicherte  Stellung  ist  ja  in  mislichen 
und  in  glQcklichen  lagen  angenehm,  und  zwar  ist  es  die  wafPenstärke, 
welche  dem  vaterlande  sichernden  schütz  verleiht,  auch  fr.  362, 14  f. 
wird  mit  den  worten  IneiTa  T^Kva  Toöb'  ^kqti  TiKTOiLiev,  |  die 
OeOüV  T€  ßwjüioiic  TTQTpiba  T€  ßuu)|üi€9a  die  beschützung  des  Vater- 
landes als  hauptaufgabe  der  Jugend  hingestellt. 

Ion  1288.  als  Ion  die  Ereusa,  welche  einen  mord versuch  auf 
ihn  gemacht  hat,  zur  bestrafung  ziehen  will,  flieht  sie  an  den  altar 
Apollons  und  macht  geltend,  dasz  sie  daselbst  unverletzlich  sei.  von 
V.  1286  an  lautet  sodann  die  stichomythie : 

löN.  KäTreiT*  ?Kaiv€c  (so  Heath,  fKiavec  hss.)  qpapjüiäKOic  töv 

Tou  Geou; 

KP.  dXX*  ouK^T*  fjcGa  AoEiou,  naxpöc  bfe  coO. 

IßN.  dXX'  dT€VÖ|Li€c9a,  Trarpöc  b'  oi)c(av  X^t^w. 

KP.  ouKoOv  tot'  fjcGa-  vOv  b'  ^t^,  cu  b*  oök^t'  €l. 
während  also  Ion  der  Ereusa  vorwirft,  dasz  sie  den  Pflegebefohlenen 
desselben  gottes,  in  dessen  schütz  sie  sich  jetzt  stellt,  zu  vergiften 
gesucht  habe,  entgegnet  sie  dasz  ja  Ion  gar  nicht  mehr  dem  Apollon, 
sondern  vielmehr  nur  seinem  neugefundenen  vater  Xuthos  angehöre, 
der  folgende  vers  1288  ist  unverständlich  und  wird  durch  tilgung 
von  bi  nicht  geheilt.  Seidler  conjicierte  zb.  dXX*  dT€v6|üi€c9a,  naTpöc 
dtrouciav  \ifuj,  Eirchhoff  iraTpöc  dTiouciqt  XÖTqJ,  Badham  dXX* 
dT€v6|U€c9a  naTpöc,  oö  cu  vOv  X^y^i,  Musgrave  iraT^pa  b'  oöv  c* 
däv  Xe'YU),  Wecklein  (ars  Sophoclis  emend.  s.  194)  Trax^p*  ?u)C  elbov 
X^T^,  FWSchmidt  (analecta  Soph.  etEur.  s.  111)  dXX'  ^XeTÖjLiecGa, 
TTttT^pa  b'  ibc  icov  v^jiUJ,  Eock  (verisim.  s.  240)  dXX'  oö  T€v6|üi€9a 
TiaTcpa  AoEiav  XifiX).  keiner  von  diesen  vorschlagen  befriedigt, 
gehen  wir  von  s.  1089  aus.  welches  ist  das  gemeinsame  prädicat  zu 
vOv  b'  dYUi,  cu  b*  OUK^T*  €?  (Schmidt  vermutet  fälschlich  cü  b* 
oiK^Tiic)?  Ereusa  kann  mit  diesen  worten  nur  meinen:  'jetzt  bin 
ich  dem  Apollon  geweiht,  du  aber  bist  es  nicht  mehr.'  dieser 
gedanke  wird  durch  vOv  b*  zu  dem  unmittelbar  vorangehenden  in 
ausdrücklichen  gegensatz  gestellt,  daraus  folgt  dasz  nicht  OÜKOUV 
tot'  f)c9a  'du  warst  also  damals  nicht  dem  Apollon  geweiht',  wie 
Schmidt  wollte,  zu  lesen  ist,  sondern  oökoOv  tÖt*  f)c9a  'du  magst 
also  immerhin  damals  eigen  tum  Apollons  gewesen  sein.'  da  nun 
dieser  satz  durch  oukoCv  als  ergebnis  aus  den  vorhergehenden  worten 
Ions  hingestellt  wird,  so  musz  sich  Ion  in  1088  ausdrücklich  als 
eigentum  des  gottes  bezeichnen,  statt  ouciav  X^y^  ^^^^^  daher 
oucia  9€0U  zu  schreiben  sein.  TTQTpöc  aber  ist  daneben  nicht  am 
platze,  an  seiner  stelle  wird  vielmehr  ein  wort  vermiszt,  auf  das 
sich  t6t€  beziehen  k  ann.  Heath  vermutete  TÖ  Trdpoc ,  wofür  Her- 
werden 'np6c9€V  einsetzte,  was  nur  zu  billigen  ist.  somit  lautet 
V.  1088 


732  HGlogl:  zu  Euripides. 

dX\'  iT€vö^€cea  TTpöcGcv  oucia  Ocoö. 
TroadesÖGlf.  sagt  Helene  zu  Menelaos: 

na)c  oöv  2t'  fiv  GvncKOi^i'  Sv  ^vöikiüc,  tioci, 

Tipöc  coO  biKaiu)c; 
für  sich  ist  sowohl  dvbiKUiC  als  auch  biKaiu)C  passend,  zusammen 
sind  sie  indessen  nicht  zu  ertragen :  Matthiä  hat  sich  vergeblich  be- 
müht ihnen  verschiedene  beziehung  zu  geben,  von  den  conjectnren 
sind  zunächst  diejenigen,  welche  beide  werte  ändern,  zurückzuweisen, 
nemlich  Hermanns  dvbiKOic  biKQioic  *iusto  supplicio'  und  Bothes  ^v 
biKttic  btKaiaic.  Tjrrells  npöc  coO;  biKaioTc  (du  bestrafst)  ist  durch- 
aus nicht  annehmbar  und  auch  Herwerdens  irpöc  coO  biKac6€ic* 
gibt  keinen  passenden  gedanken.  an  Seidlers  biKatoc  ist  besonders 
auszusetzen,  dasz  ein  participium  (ouca)  fehlt,  ich  lasse  vielmehr 
biKaiUJC  unbeanstandet  und  vermute  oöc'  fvbiKOC  für&v  dvbiKWC 
nachdem  fvbiKOC,  vielleicht  unter  mitwirkung  von  ^vbiKUiC  970, 
in  ivbiKUJC  übergegangen  war^  wurde  oOc',  das  nun  keinen  sinn  mehr 
hatte,  in  fiv  verwandelt. 
Troades  1167—72 

iS  qpiXTaG',  üjc  coi  Gdvaroc  fjXGe  bucTuxnc. 

el  jLifev  Top  ?Gav€C  npö  TTÖXeu)c,  i^ßnc  tuxujv 

TÖjiWJV  T€  Kttl  TTIC  ICOG^OU  TUpaWlbOC, 

ILiaKdpioc  fjcG'  äv,  €i  ti  rdivbe  jLiaKdpiov* 
vOv  b'  aÖT*  Ibuiv  jüifev  Tvoüc  xc  Tf|  Miuxq,  tckvov, 
oÖK  oIcG',  ixpr\c{X}  b'  oubfev  iv  böjmoic  €x*J^v. 
in  diese  worte  bricht  Hekabe  beim  anblick  der  leiche  ihres  von  den 
Griechen  getöteten  enkels  Astyanax  aus.  die  hsl.  lesart  der  beiden 
letzten  verse  bietet  die  grösten  Schwierigkeiten,  was  soll  xvouc 
neben  ibiby  ?  es  als  synonymen  des  letztem  zu  fassen,  wie  gewöhn- 
lich geschieht,  verbietet  die  Wortbedeutung,  halten  wir  dagegen  an 
dieser  fest,  so  passt  es  nicht  auf  Astyanax.  denn  da  dieser  als  kleines 
kind  zu  denken  ist,  wie  570  f.  744—46.  752—54.  757—60.  1165 
zeigen,  so  kann  von  ihm  nicht  gesagt  werden ^  dasz  er  die  mit  aärd 
zusammengefaszten  guter  rißr],  TdjLioi,  Tupavvic  erkannt  habe 
(TVOUC)  oder  zum  Verständnis  derselben  gelangt  sei.  durch  das 
folgende  ouk  oTcGa,  das  überhaupt  in  der  anrede  an  einen  toten 
seltsam  ist,  wird  sodann  der  in  yvouc  liegende  begriff  wieder  auf- 
gehoben, auffallend  ist  ferner  der  zusatz  ti^  ipt^xQ)  zumal  \\i\JXf\  den 
verstand  oder  die  erkenntnis,  die  es  hier  bezeichnen  müste,  gar  nicht 
bezeichnen  kann,  die  gewöhnliche  erklärung  Widisti  quidem  ista, 
sed  nescis  te  vidisse ,  neque  iis  usus  es ,  cum  tamen  domi  haberes' 
(GHermann)  umgeht  die  Schwierigkeiten  der  stelle,  neuerdings  ver- 
bindet Tyrrell  in  seiner  ausgäbe  der  Troades  (Dublin  1882)  cQ 
i|iux4  >^^t  OÖK  oTcGa  und  übersetzt:  'du  hast  gesehen  und  erkannt, 
was  es  heiszt  könig  zu  sein,  hast  es  aber  nicht  an  deiner  per son 
erfahren',  wobei  er  an  die  durchaus  nicht  zu  vergleichenden  stellen 
wie  Hek.  87  denkt,  wo  i|iux^  *£X^vou  Umschreibung  für  die  person 
des  Helenes  selbst  ist.    es  bleibt  dabei,  die  Überlieferung  ist  un- 


HGloel:  zu  Euripides.  733. 

baltbar  (vgl.  HCron  in  der  zs.  f.  d.  Ost.  gymn.  XXV  [1874]  s.  338). 
für  OUK  oTcGa  setzte  Heatb  daber  oTxq  T*  ©in,  Härtung  cuvoicOa, 
wofür  Dindorf  KOiTOicOa  verlangte,  Musgrave  conjicierte  ficGiic  — 
^Xpiicu)  b'  oubfev  —  dv  bö|ioic  ?xwv,  Cron  vöv  b'  aöx'  ibuiv  jn^v, 
ou  bk  Tvouc  ipux^,  T6KV0V,  OUK  olcda.  keine  von  diesen  änderungen 
beseitigt  alle  scbwierigkeiten.  mir  scbeint  es  zunächst  nötig,  das 
anstöszige  ^voiic  T€  tQ  H^ux^l  durcb  boüc  t€  xfivipuxrjv  zu  er- 
setzen, genaue  beacbtung  des  zusAmraenbangs  wird  uns  noch  weiter 
führen,  nach  1167 — 70  würde  Hekabe  den  Astyanax  selig  preisen, 
wenn  er  als  streitbarer  beld  im  kämpfe  für  seine  Vaterstadt  gefallen 
und  nicht  schon  getötet  wäre ,  bevor  er  herangewachsen  war ,  ein 
ehebündnis  geschlossen  und  die  herschaft  angetreten  hatte,  danach 
ist  in  1171  f.,  in  denen  Hekabe  jenem  wünsche  mit  vCv  bi  die 
traurige  Wirklichkeit  gegenüberstellt ,  der  gedanke  ibujv  aurä  o  u  k 
olcOa  nicht  am  platze,  nicht  dasz  Astyanax  überhaupt  gestorben, 
sondern  dasz  er  schon  als  knabe  gestorben  ist,  musz  sie  beklagen, 
daher  möchte  ich  vorschlagen : 

vöv  b*  aöi'  ibujv  ixky  bovc  xe  xf)v  ipuxnv  x€kvov 
^x'  fSc0\  ^XP^Ciw  b*  oubfev  iv  bö|Lioic  fx^v. 
^so  aber  warst  du  noch  ein  kind ,  als  du  das  alles  sähest  und  als  du 
dein  leben  dahingabst,  und  gelangtest  nicht  zum  genusse  dessen  was 
dich  daheim  erwartete.' 

Phoinissai  983  ^tvujc.  [T  xi  bfjx'  ^pujüid  |Lioi  T^vricexai; 
Valckenaers  conjectur  xi  bfixa  pO^d  ^oi  T^vricexai ;  entfernt  zwar 
den  metrischen  fehler  der  Überlieferung,  läszt  jedoch  ebenso  wie 
diese  eine  locale  bestimmung  vermissen.  Musgrave  vermutete  xi  bf) 
xöb*  fpuMci  ^01  TCVrjcexai;  'quae  autem  tutela  hoc  mihi  erit?'  aber 
statt  xöbe,  das  sich  auf  C£)bivä  AujbiüViic  ßddpa  bezieht,  müste  es 
xdbe  heiszen,  und  auch  so  ist  die  fragestellung  noch  unrichtig«  denn 
nicht  welcher  schütz,  sondern  ob  ihm  überhaupt  schütz  inDodone 
gewährt  werden  wird,  müste  Menoikeus  fragen,  beachtet  man  aber 
seine  vorangehenden  fragen  ttoi  |li€  XPH»  ^rdxep ;  sc.  q)UT€iv  980  und 
^K  bk.  xf]cb€  TT  Ol  TT€p(jü;  981,  SO  liegt  die  annähme  nahe,  dasz  sich 
auch  die  frage  in  983  nicht  auf  den  aufenthalt  in  Dodone ,  sondern 
auf  die  Weiterreise  bezieht,  in  dieser  ansieht  werden  wir  noch  durch 
die  folgenden  worte  Kreons  ttö^ttiilioc  ö  bai|üiu)V  984  bestärkt,  denn 
diese  können  nicht  bedeuten  Mer  dodonäische gott  wird  dich  gast- 
lich aufnehmen',  wie  mehrfach  angenommen  ist,  sondern  nur 
'er  wird  dich  entsenden  und  geleiten.'  daher  wird  zu  schreiben 
sein  xi  bf)  xöx*  fpujud  |bioi  TCvr|C€xai;  'welcher  schütz  wird  mir  so- 
dann werden?'  der  scholiast  hat  also  recht,  indem  er  zu  983  be- 
merkt: qpüXaYMd  iiox  T€vr|C€xai,  ö  icxi  Tioia  jue  ttöXic  beHajui^vTi 
ciucei;  und  zu  984:  auxöc,  qpnciv,  6  ^vxaöGa  0€Öc  Zeüc  Trapan^impei 
ce,  XP^cjauj  bnXtucac  briXovöxi,  öttou  bei  ce  cxaX^vxa  cujGfivai. 

Berlin.  Heinrich  Gloel. 


734  JLey :  zu  CiceroB  Cato  maior. 

107. 

ZU  CICEROS  CATO  MAIOR. 


4,  11  Tarentum  vero  qua  vigilantiaj  quo  consüio  recepU!  cum 
quidem  me  audienie  Sälinatari,  qui  amissa  oppido  fugerat  in  aroem, 
glorianti  atque  üa  dicenti:  mea  opera,  Q.  Fabi,  Tarentum  recepisU^ 
certe,  inquit  ridens  usw.  dieses  cum  als  das  causale  aufzufassen,  waa 
doch  wenigstens  einen  sinn  gäbe,  gestattet  der  nachfolgende  indieativ 
nicht;  das  temporale  cum  aber  oder  gar  das  cum  der  identität  gftbe 
keinen  sinn,  da  Cato  unmöglich  die  einnähme  Tarents  als  gleichzeitig 
oder  gleichbedeutend  mit  dem  witzwort  hätte  bezeichnen  können. 
darum  ist  qui  quidem  zu  lesen:  dies  ist  bekanntlich  eine  bei  Cicero 
nicht  seltene  Verbindung,  um  eine  gelegentliche  bemerknng  an  eine 
thatsache  oder  behauptung  anzuknüpfen,  hier  also  in  dem  sinne :  *hat 
er  ja  doch  bei  dieser  gelegenheit  den  witz  gemacht' ;.  vgl.  Xael.  4, 14 
qui  quidem  .  .  triduum  disseruit  de  re  publica,  wo  Nauck  es  auch  sehr 
passend  Welcher  ja'  übersetzt;  ebd.  13, 48  quae  quidem  est  tenera  at- 
que tradabüis  Miese  ist  ja  weich  (mild)  und  nachgibig'  (Nauck).  das 
quidem  drückt  in  diesem  falle  weder  eine  begründung  noch  eine  be- 
schränkung  aus,  sondern  nur  eine  beiläufige  bestätigende  mitteilung» 

20,  75  quod  igitur  aduiescentes  et  ii  quidem  non  sötum  indoctij 
sed  eiiam  rustici  contemnunt,  id  docti  senes  extimescent?  statt  indocti 
musz  offenbar  docti  gelesen  werden,  denn  erstens  gibt  indocti 
keinen  gegensatz  zu  rustici]  ebensowenig  wie  im  deutschen  lente 
ohne  wissenschaftliche  bildung  in  gegensatz  zu  landleuten  gestellt 
werden  können,  wollte  man  auch  das  wort  rtAStiei  im  tadelnden 
sinne  für  agrestes  nehmen:  'bäuerisch,  plump',  wie  es  bei  Ovidiua 
öfter  vorkommt  (bei  Cicero  etwa  nur  de  off  l  35,  129:  denn  Phä.  X 
§22  ipsi  rustici  et  agrestes  beweist  eher  das  gegen  teil),  so  würde 
urbani^j  nicht  indoctus  als  gegensatz  erforderlich  sein,  abgesehen 
davon  dasz  zu  einem  solchen  tadelnden  epitheton  gar  keine  veran- 
lassung vorliegt,  zweitens:  sieht  man  auf  den  Zusammenhang  des 
ganzen,  in  welchem  von  der  aufopferungsföhigkeit  für  das  Vaterland 
die  rede  ist,  so  wäre  eine  solche  gegenüberstell ung  von  manierlichen 
und  unmanierlichen  leuten  fast  kindisch,  liest  man  jedoch  docti 
(männer  von  wissenschaftlicher  bildung),  so  passt  dieses  ebenso  für 
den  Zusammenhang  wie  für  den  gegensatz.  denn  docti  bezieht  sich 
dann  auf  die  zuerst  genannten  männer:  die  Scipionen,  L.  Paulos, 
M.  Marcellus,  rustici  dagegen  auf  die  zuletzt  genannten  legionen 
(wie  p,  Ärchia  p,  10,  24  nostri  iüi  fortes  rtrt,  sed  rustici  et  mHUes); 
aduiescentes  im  gegensatz  zu  senes  umfaszt  beide,  docti  und  rustici^ 
da  auch  die  genannten  männer  ebenso  wie  die  legionen  in  ihrer 
Jugendzeit  die  kriege  führten,  so  dasz  das  nachfolgende  docti  senes 
zu  aduiescentes  und  rustici  einen  chiastischen  gegensatz  bildet. 

Saarbrückkn.  Jüliü»  Lbt. 


FRühl:  vennischte  bemerkuDgen.  735 

108. 

VERMISCHTE  BEMERKUNGEN, 

(fortsetzung  yon  Jahrgang  1878  s.  809—820.) 


18.  unter  den  papieren  von  Karl  Lehre  fand  ich  einen  zettel 
mit  der  Überschrift  'miscelle*  und  der  bleistiftnotiz  ^dies  ist  fertig' 
am  rande,  den  es  mir  der  mühe  wert  scheint  hier  abdrucken  zu 
lassen. 

£iT€OiK^vai  und  £tt€01KÖc  wird  im  Thesaurus  (und  Pape  oder 
Passow-Rost  haben  nichts  eignes)  fast  nur  mit  dichterstellen  belegt, 
nur  drei  stellen  aus  prosaikem  werden  angeführt:  Arrian anab.  IV  9, 1 
uqp'  ÖTUiv  bf) . .  ouK  ^TT^oiKev  fivbpa  cuiqppovoOvTa  ^riTTäcGai  und 
ebd.  VII 15, 6  ovbk,  Tip  Tujjuaiujv  TroXiTeüjuiaTi  ^ttcoiköc  fjv  ^XeuO^ptii 
bf)  t6t€  ^c  toi  jidXiCTa  övti  napä  ßaciX^a  dXXöqpuXov  . .  Trp€cßeucai 
und  Plut.  de  anima  in  Timaeo  33,  5  (s.  1029  0  TÖ  jiiv  T^tp  äpi9|Li(|i 
ndvia  ^TreoiK^vai  Kaia  Tf|v  TTu9aT0piKf|v  diröcpaciv  Xcifou  beitai. 
es  fehlt  aber  die  wichtige  stelle  aus  Arrians  Indike  13,  1  TauTa  Td 
9Tipia  (die  elephanten)  ouba^oiciv  dXXoici  9iipioiciv  ^tt^oik€v.  unter 
diesen  umständen  ist  das  ^tt^oikc  ^ttcoikÖc  zweimal  in  der  anabasis, 
6inmal  in  der  Indike  als  eine  eigenheit  in  der  spräche  des  Arrian 
bemerkenswert,  und  um  so  mehr,  da  die  stelle  aus  Plutarch  gewis 
nicht  zu  den  prosaischen  stellen  zählt,  sondern  deutlich  genug,  denke 
ich,  auf  ein  dichterisches  äpi9|LiiD  bi  T€  TrdvT*  ^TreoiKev  zielt,  welches 
nachgebildet  war  dem  Homerischen  v^ip  bi  Te  TrdvT'  ^Ti^oiKev  II.  X 
71.  was  es  hiesz?  ^es  bedarf  der  erklärung*  sagt  Plutarch.  ob  so 
geradezu  und  rein  ^es  ist  ähnlich',  wie  in  der  stelle  aus  der  Indike, 
die  um  so  bemerkenswerter  bleibt,  ist  wohl  fraglich. 

19.  In  dem  auszuge  des  Photios  aus  Etesias  Persika  c.  23^ 
heiszt  es:  ArmäpaToc  be  ö  AaKebaijLiövioc  iTap€T^V€TO  fibr\  TTpOü« 
Tov  Ka\  cuvfiv  auTip  dv  Tr|  biaßdcei.  f{br]  irpOöTOV  wird  übersetzt 
tunc  demum,  und  Bfthr  sieht  darum  in  unserer  stelle  einen  wider* 
Spruch  mit  Herodotos,  der  Demaratos  bereits  zu  lebzeiten  des  Dareios 
nach  Susa  kommen  lasse,  das  ist  unhaltbar.  Einmal  kann  f^br)  TTpOjTOV 
nicht  wohl  heiszen  ^erst  damals',  und  dann  ist  nicht  anzunehmen  dasz 
Photios  einen  Widerspruch  gegen  Herodotos  constatieren  wollt« ;  er 
würde  sich  sonst  seiner  ganzen  art  nach  weitläuftiger  darüber  aus- 
gelassen haben,  es  wird  daher  zu  schreiben  sein  f{br\  TrpÖTepov^ 
was  in  den  Zusammenhang  sehr  gut  passt  und  mit  der  erzählung 
des  Herodotos  wohl  übereinstimmt. 

20.  Bei  Athen ai OS  XIÜ  s.  609^  ist  überliefert  und  steht  in 
den  ausgaben:  AeivuiV  b'  dv  T^  tt^jultttij  tOüv  TTepciKÄv  iflc  TTpiü- 
-nic  [Tplinc  Karl  Müller]  cuvidäeiic  qpriciv  öti  i\  BaTdZou  T^vii, 
T^Tic  fjv  6|LioTTdTpioc  EcpHou  dbeXqprj,  övojuia  *AvoOtic,  KaXXicni  fjv 
Tijüv  dv  T^  'Acict  T^vaiKuiv  Kai  dKoXacTOTdTTi.  dasz  BaTdZou  ver- 
dorben sei,  glaube  ich  mit  Casaubonus,  Schweighäuser  und  Karl 


736  FRühl:  vermischte  bemerkungen. 

Müller  (FHG.  II  s.  93)  annehmen  zu  sollen,  im  gegensatz  zu  Hemster- 
huys  zu  Lukians  Timon  c.  22  (I  8.  383  f.  Bip.)  und,  wie  es  scheint, 
Meineke.  man  wird  jedoch  mit  einer  sehr  einfachen  ändemng  aus- 
kommen können  und  hat  nicht  nötig  zu  gewaltsamkeiten  zu  greifen, 
wie  sie  Casaubonus  hier  vorgeschlagen  hat.  Deinon  ist  bekanntlich 
für  die  persische  geschichte  stark  von  Pompejus  Trogus  benutzt 
worden,  und  bei  diesem  lautet  der  name,  der  bei  Herodotos  die  form 
M€YäßuZ!oc,  bei  Ktesias  die  form  tAe'X&ßaZoQ  hat,  regelmftszig  Ba- 
gnhazus.  man  wird  also  auch  in  unserem  fragment  des  Deinon 
BaTOtßäZou  herzustellen  haben,  die  anderen  ab  weichungen,  welche 
die  erzählung  des  Deinon  von  der  des  Ktesias  darbietet,  geben  natür- 
lich zu  textesänderungen  keine  veranlassung.  Deinon  wich  ja,  wie 
aus  den  fragmenten  leicht  zu  ersehen  ist,  so  zu  sagen  mit  einer  ge- 
wissen verliebe  von  den  angaben  des  Et-esias  ab,  und  nicht  blosz  in 
den  Sachen ,  sondern  auch  in  den  namen ,  wie  Plut.  Artax.  c.  1  znr 
genüge  zeigt. 

21.  Bei  Plutarchos  de  exilio  c.  14  heiszt  es  in  einer  oft 
citierten  stelle:  0ouKubibr|C  *A0Tivaioc  cuv^TpciM'C  TÖv  Tr6X€)Liöv Tdiv 
TTeXoTTovvTiciwv  Kai  'AGiivafwv  dv  öpdKi]  nepl  Tr|v  CKa7TT#|v  öXtiv 
— evocpOüv  dv  CkiXXouvti  ir\Q  'HXeiac  ÖiXicTOc  dv  'Hireipi})'  Tifiiaioc 
ö  Taupo)bi€V€iTT]c  iy  'Aerjvaic'  'AvbpOTiuiv 'Aenvaioc  ^vMeTäpoiC 
BttKXuXibric  6  7roniTf|C  dv  TleXoTTOvvricu).  man  wird  in  diesem  zu- 
biiinmenhange  die  worte  TÖV  7röX€|iOV  tüjv  TTeXoTrovvTiciuiv  Kai  'A0n- 
vaiujv  doch  wohl  kaum  ertragen  können  und  sie  als  glossem  aus- 
scheiden müssen. 

22.  Bei  Zonaras  YII  25  ao.  (II  s.  94  Bonn.)  wird  gelesen: 
KaTTiXXdTncav  o\  cTaciäcavT€c,  vö|liu)v  xeG^VTwv  juif|T'  fiKOVid  nva 
Tou  KaiaXÖTOu  dTiaXeiqpccGai,  jir|T€  töv  x*^^cipxr|cavTa  ^Karovrap- 
Xeiv,  KOI  Touc  uTTÄTOuc  Kai  öjLiqpu)  Ööv  elvai  Kai  dK  tou  nXriGouc 
Ka8icTac6ai.  es  liegt  wohl  auf  der  band,  dasz  das  letzte  Kai  unsinnig 
und  daher  zu  streichen  ist. 

23.  Arnold  Schaefer  hat  in  diesen  Jahrbüchern  1870  s.  527  f. 
darauf  aufmi^-ksam  gemacht,  dasz  Xenophons  Hellenika  im  alter- 
timi  auch  in  neun  bücher  eingeteilt  wurden;  CWachsmuth  hat  damit 
im  rhoin.  museum  XXXIV  s.  334  die  Zählung  des  Lal'rtios  Diogenes 
11  57  cuv^TPavpe  hk  Zevocpiliv  ßißXia  irpöc  xd  TeTxapdKOVTa  in 
Verbindung  gebracht,  und  neuerdings  weist  Birt  Mas>  antike  buch- 
wesen'  s.  448  darauf  hin,  dasz  Stephanos  von  Bjrzanz  Hell.  VII 
4,  17  aus  buch  16  citiere,  so  dasz  man  vielleicht  mit  den  7  büchem 
der  anabasis  zu  ztthlen  anhub  und  mit  den  Hellenika  fortfuhr,  eine 
oiLft  ntUmliche  art  der  zUhlung  bietet  nun  der  codex  Musei  Britannici 
add.  5110  Chart,  fol.  saec.  XV  dar.  er  enthält  fol.  1'  Xenophons 
Hellenika.  die  Überschrift  lautet:  t  Eevoqpiövxoc  *€XXTiviKaiv  Trpdh 
Tov,  dann  folgen  die  übrigen  bücher  mit  den  zugehörigen  über- 
fcchriften,  endlich  fol.  71^ :  tH€NO0(ONTOC  '6AAHNIKWN  'GBAOMON:. 
dieses  siebente  buch  ist  verstümmelt;  es  schlieszt  fol.  84^  am  schlnsz 
tltr  Seite  mit  oubexepoi  dKiuXuov  veKpouc  öfe  djuiq>ö  (Xen.  Hell, 


Ffiühl:  vermisclite  bemerkungen;  737 

oc 
Yü  5,  26).   nun  aber  folgt  fol.  Sb^  von  derselben  band:  gevoqpdiVT 

oc 
^rJTopoc  iTTTrapxiKÖc.   Xötoc  d',  ferner  fol.  90^  t  E€Voq)(liVT  pryio* 

oc 
poc  lepuüv  f^  TupavviKÖc:  —  Xötoc  ß',  fol.  95^  t  Hevoqpujvx  ßrjTopoc 

- .  oc         oc 

irepi  iTTTTiKfic.    XÖTOC  r  ,  fol.  101  ^  t  Hevoqpüjvx  piiiop  XaKcbai- 

oc-,  oc  oc 

jioviuüv  7ToXiT€ia  XÖT  b ,  fol.  106  ^  t  Hevoqpaivx  pTixop  dTTO^ivii- 

|Liov€U)biäxuJV  irpüjxov/.  Xötoc  e'.    die  übrigen  btieber  werden  dann 

als  Xötoc  ^',  t',  ff'  bezeicbnet.    das  4e  buch  ist  verstümmelt,  es 

schlieszt  auf  fol.  ISe^"  am  ende  derseite  mit  äei  xoüc  i^xdi  cuvövxac 

oc 
(Xen.  apomn.  IV  8,  10).   fol.  137 «^  beginnt:  t  Hevoqpuivx  ßr\TOC  (so) 

>  %  /       -^  oc 

oiKOVO|iiKOC .-.  —  XÖTOC  0  V  f.    dann  kommt  fol.  152*^  t  HevoqpOüVX 

^,  oc  oc 

^riTopoc,  XÖTOC  i'v  t  CujLiTTÖciov  .*.  t»  fol.  160*^  tHevoqpujvx  ßnxop 

KUVTiT€XiKÖc  V  XÖTOC  [ä' :  f-  ^ies  stück  schlieszt  fol.  160""  mitten 
auf  der  seite  mit  den  worten  xa  öXXa  Traibeüjnaxa  (Xen.  kyneg.  c.  2). 
sonst  enthält  der  codex  nichts  Xenophontisches.  es  hat  also  danach 
zu  irgend  einer  zeit  ein  corpus  der  nichthistorischen  Schriften  Xeno- 
phons  gegeben,  in  dem  die  einzelnen  XÖTOi  durchgezählt  wurden,  und 
damit  gewinnt  Birts  Vermutung  an  halt,  dasz  man  auch  die  XÖTOl 
der  historischen  Schriften  durchgezählt  habe,  dasz  die  Zählung 
nicht  von  dem  Schreiber  unserer  hs.  herrührt,  ist  klar,  da  dieser  ohne 
zweifei  auch  die  bücber  der  Hellenika  in  die  Zählung  mit  einbegriffen 
hätte,  ob  sie  aber  dem  altertum  oder  dem  mittelalter  angehöre, 
werden  spätere  forschungen  zu  entscheiden  haben,  auffallend  ist  es, 
dasz  diie  'AGnvaiujv  TToXixeia  in  dem  codex  fehlt. 

24.  Der  codex  Laurentianus  55,  21  (L  bei  Dindorf,  Wachs- 
muth  und  Müller- Strübing)  ist  von  Ludwig  Dindorf  sehr  hochgestellt, 
meines  erachtens  überschätzt  worden,  die  hs.  stammt,  wie  ich  jetzt 
nach  erneuerter  Untersuchung  in  Übereinstimmung  mit  kennem,  mit 
denen  ich  vor  dem  codex  über  die  frage  verhandelt  habe,  glaube 
versichern  zu  können ,  aus  dem  fünfzehnten  jh.  und  ist  bekanntlich 
nahe  verwandt  mit  dem  beträchtlich  altern  Marcianus  511  (M  bei 
Wachsmuth  und  Müller-Strübing).  immerhin  schien  es  mir  wün- 
schenswert ,  das  stUck  von  XenophonsTTöpoi,  welches  sie  ent- 
hält, zu  vergleichen,  da  Zurborg  die  hs.  als  unvollständig  glaubte 
übergehen  zu  können,  das  resultat  der  vergleichung  war  sehr  merk- 
würdig, dasz  auch  die  TTöpoi  aus  einem  codex  der  classe  des  Mar- 
cianus abgeschrieben  seien,  ergab  sich  sofort;  auszerdem  aber  fand 
sich,  auch  abgesehen  von  orthographicis  und  kleinen  fehlem  oder 
Verbesserungen ,  eine  anzahl  von  interessanten  lesarten ,  welche  in 
der  von  Zurborg  veröffentlichten  coUatipn  des  Marcianus  fehlen, 
mein  erstaunen  stieg,  als  ich  bemerkte  dasz  der  codex  Laurentianus 
55,  22  (saec.  XV;  B  bei  Kirchhoff),  den  man  allgemein  für  eine  ab- 
sobrift  aus  dem  Marcianus  hält ,  an  verschiedenen  dieser  stellen  mit 

Jalirbücher  für  class.  philol.  1883  hft.  10  u.  11.  48 


788  'FBühl:  yermisohte  bemerkungen. 

L  übereinstimme,  ich  ersuchte  daher  meinen  freund  MOller-Sirtlbing, 
welcher  sich  ein  paar  tage  in  Venedig  aufhielt,  um  einö  neue  ver- 
gleichung  des  Maroianus  für  den  auch  in  L  ^ithaltenen  abschnitt 
und  für  die  stücke  welche  ich  aus  B  verglichen  hatte,  und  er  ent- 
i^pifaoh  mit  gewohnter  liebenswttrdigkeit  meinem  ansnchen,  yerglich 
sogar  ein  etwas  gröszeres  stück ,  als  ich  für  meinen  zweck  brauchte, 
da  ergab  sich  denn  freilich,  dasz  jenes  sonderbare  resultat  blosz  durch 
die  n»ngelhaftigkeit  der  Wilamowittschen  oollation  herbeigeführt 
worden  war.  es  mögen  daher  hier  zun  gemeinen  nutzen  die  wich"- 
tigeren  fruchte  unserer  beiderseitigen  collatioaen  mitgeteilt  werden* 
L  beginnt  TTöpoi  5,  4  mit  den  werten  Kai  co<piCTai  s.  16  z.  26  der 
Zurborgschen  ausgäbe,  nach  der  ich  citieren  werde. 

6,  4  8. 16)  29  f^  oö  Toutttiv  Sv  ^äXXov  Tuxouv  *A9/ivT|civ  L,  B 
Wie  M       5,  5  8.  17,  3  ^vvoTicaiTWcav  M,  dvvoncdTuicav  LB 
5,  6  8.  17,  6  ^Ti  b*  ine\  ö^iuic  ML'B,  Itx  b'  inex  diMOJC  L«      6,  7 
a*  17, 13  fittuic  ßoüXoivTO  M  L  B      5, 8  s.  17, 14  TrapaTieiTTOic^vai  L 

s.  17,  16  biaXdTT€iv  LB  s.  17,  18  cuvaXärreiv  B  5,  9 
8.  17,  20  €liiT6  imfieXoüfievoi  MLB  s.  17,  23  cuvoikouc  kqI 
CupM^XOuc  L,  B  wie  M        5,  11  8.  17 »  29  vofiUlei  L,  vomüIoi  MB 

5,  12  8.  18,  3  TQUTa  irdvra  MLB  TvubccTai  bi  MLB 
8. 18,  7  T^viiiai  L  d»  13  s.  18,  9  Tic  |A€  dttcpWTijit)  M  (ex  silentio), 
L  (ohne  spiritus)  B  s.  18,  12  dbiKoOvTa  MLB  6,  1  s.  18, 17 
€tJKX€€CT^pu)  L,  B  wie  M  s.  18 ,  20  ^€TaXoTrp€TT^CT€pov  L  B  und 
M  ex  silentio  äofüicv  L,  B  wie  M  6,  2  s.  18,  27  dicaipccdoi  L, 
iit^p€c6at  B      6, 3  s.  19, 2  oOc  b'  äv  iXoxev  L,  oOc  b"  äv^Xoiev  B. 

Viel  Staat  ist,  wie  man  sieht,  mit  den  beiden  hss.  L  und  B  nicht 
sn  machen;  was  aus  B  hier  nicht  notiert  iet  und  von  M  abweicht, 
weicht  nicht  gut  ab.  dasselbe  gilt  von  1,1  —  3,  8 ,  die  ich  probe* 
weise  verglichen  habe,  die  abweichungen  von  M  sind  in  der  regel 
nicht  der  rede  wert  oder  falsch  (ab.  1,  4  s.  3,  21  dviautOjv  oder  1, 6 
B.  4,  12  dn^xouciv).  beachtung  verdienen  höchstens  zwei  lesarten. 
li  1  8.  3^  8  steht  nemlich  in  B  VOfyiiZtti  wie  im  VaAicanus ,  aber  da- 
hinter ist  ein  buchstab  ausradiert,  es  stand  also  zuerst  vo|üiiZu)v  da, 
wie  in  M.  ebenso  steht  1,  3  s.  3, 16  büvaiVT*  äv,  wie  im  Vatioanu8| 
w&hrend  M  bövaiT*  fiv  hat.  es  wiLre  also  nicht  unmöglich,  dasz  der 
Schreiber  einen  codex  der  andern  dasse  zugezogen  hfttte.  im  vorbei- 
gehen möchte  ich  übrigens  noch  ein  paar  kleinigkeiten  der  von  Zur- 
borg  mitgeteilten  oollation  von  M  berichtigen,  selbatverstftndlich 
nur  an  stellen,  wo  mir  positive  angaben  vorliegen :  1,  6  s.  4,  6  steht 
da  öpucco)Li^v€i  (öpucco^evTi  B)  4,  46  s.  16,  3  biiXovÖTi  4,  46 
8.  16,  7  dpTUpiuJV  4,  47  s.  16,  11  dpTupia  4,  49  s.  16,  24 
idpTupia  4,  62  s.  16, 6  irpdccouv  6, 4  s.  16,  26  f.  X€ipoT^xv<xi 
T€  Kol  (so  auch  B).  

26.  Im  Philologus  XXXIII  8.  97.  127  hat  Ernst  von  Leutech 
es  wahrscheinlich  zu  machen  gesucht,  dasz  Eratippos  ein  Pseudo- 
nym für  Xenophon  sei,  der  unter  diesem  namen  die  vier  ersten  bücher 
der  Hellenika  herausgegeben  habe,  wie  die  anabasis  unter  dem  des 


FEühl:  yermischte  bemerkimgea.  739 

Themistogenes.  diese  ansieht  würde  in  der  that  ein  altes  kreoa  der 
Philologen  und  historiker  beseitigen  und  hat  daher,  obwohl  .es  aneh 
nidit  an  Widerspruch  gefehlt  hat,  mehrfach  beifall  gefanden,  andi 
Arnold  Schaefer  scheint  sie  für  beachtenswert  zu  halten,  denn  er 
verweist  in  seiner  quellenkunde  I'  s.  31  darauf,  während  er  sonst 
eine  uDgew()hnlich  strenge  auswahl  unter  der  litteratur  trifft,  da 
Schaefers  gutes  und  nützliches  buch  bei  der  jungem  generation  in 
dem  was  es  gibt,  wie  in  dem  was  es  verschweigt  eine  art  kanonischen 
ansehens  zu  genieszen  scheint,  so  ist  es  wohl  nicht  überflüssig  darauf 
hinzuweisen,  dasz  die  ansieht  von  Leutsch  im  allerhöchsten  grade 
unwahrscheinlich  ist.  sie  würde  nemlich  voraussetzen  dasz  weder 
Dionysios  noch  Plutarch  die  identität  der  suhrift  des  Eratippos  mit 
den  Hellenika  des  Xenophon  bemerkt  hätten,  während  doch  Plutarch 
im  leben  des  Alkibiades  c.  32  ausdrücklich  den  Xenophon  für  er- 
eignisse  die  im  ersten,  und  im  leben  des  Marcellus  c.  21  für  ereig- 
nisse  die  im  dritten  buche  der  Hellenika  erzählt  werden ,  citiert.  es 
kommt  hinzu  dasz  es  geradezu  lächerlich  wäre,  wenn  ein  Schrift- 
steller, der  von  den  ^r]Top€iai  des  Thukydides  behauptete,  oii  ^övov 
TttTc  TrpäHcciv  d^iirobwv  T€T€vficeai,  dXXd  Kai  toic  dKOUOuciv  ixM" 
pdc  elvai  (Dion.  Hai.  de  Thuc.  c.  16),  selbst  reden  und  gespräche 
eingelegt  hätte,  bei  den  Xenophontischen  reden  läszt  sich  zudem 
ganz  bestimmt  nachweisen  dasz  sie  fingiert  sind,  wir  werden  also 
fortgesetzt  wohl  thun,  Eratippos  für  einen  der  zahlreichen  griechi- 
sehen  historiker  zu  halten,  von  denen  wir  nichts  wissen,  was  der 
rede  wert  wäre,  aber  Dionysios  bezeichnet  ihn  als  dem  Thukydides 
cuvaKjLidcac,  und  da  könnte  man  sich  wirklich  ernstlich  wundem^ 
dasz  wir  von  einem  solchen  autor  nicht  mehr  fragmente  haben. 
Schaefer  scheint  aus  diesem  gründe  ein  kreuz  zu  den  werten  gesetzt 
zu  haben,  ohne  nötigung,  wie  ich  meine,  wenn  ein  litterarhistoriker 
nicht  wüste,  wann  Eratippos  gelebt  hatte,  so  war  es  am  einfachsten, 
seine  dK/Lirj*  in  den  anfang  des  peloponnesischen  krieges  zu  setzen. 

26.  Bei  Appianos  Miihridatika  c.  8  wird  gelesen:  qpaivCTai 
Tdp  (6  'AXÖavbpoc)  Kai  'Ajuicöv,  dv  TTövTip  iröXiv  'AttikoO  t^vouc, 
dni  bTijLiOKpaTiav  ibc  Traipiöv  cqpici  iroXiTeiav  dvaTaTt&v.  Mepiwvu- 
)üioc  bk  oub'  dini|iaOcai  tujv  dOvuiv  öXu)c,  dXX'  dvd  Tf)v  TrapdXiov 
TTic  TTafiqpuXiac  Kai  KiXiKiac  ixipav  6bdv  ttil  töv  Aapeiov  Tpa- 
TT^cGai.  das  läszt  sich  nicht  wohl  übersetzen,  entweder  ist  in  dem 
letzten  satze  ein  verbum  des  sagens  ausgefallen,  oder  man  hat  das 
punctum  in  ein  komma  zu  verwandeln  und  'l€puiVU)Liip  zu  schreiben« 
die  folgerungen,  welche  LOBröcker  ^moderne  quellenforscher  und 
antike  geschichtschreiber'  s.  26.  33  f.  neuerdings  aus  dieser  stelle  ge- 
zogen hat,  scheinen  mir  übrigens  unbegründet  zu  sein,  es  läszt  sich 
nicht  wohl  behaupten ,  dasz  Diodoros  und  Hieronymos  einer  quelle 
folgten ,  welche  den  marsch  Alexanders  über  Eelainai  und  Gordion 
nicht  anerkannte,  der  bericht  Diodors  im  17n  buche  ist  hier  un- 
gewöhnlich summarisch,  was  damit  zusammenhängt,  dasz  bei  Diodor 
die  Vorgänge  auf  persischer  seite  ebenso  einseitig  in  den  vorder- 

48* 


740  FRühl:  vermischte  bemerkungen. 

grund  treten ,  wie  bei  Arrian  die  auf  makedonischer,  wir  erfahren 
bei  Diodor  nicht  einmal,  in  welcher  stadt  Alexander  in  seine  ge- 
fährliche krankheit  verfiel,  und  ji^XPi  KiXiKiac  bei  Diodor  XVII 
27,  7  heiszt  ^bis  an  die  grenze  von  Kilikien'.  Appian  aber  scheint 
den  ausdruck  des  Hieronymos  etwas  zu  eng  verstanden  zu  haben, 
wir  haben  eine  betrachtung  des  Appian  vor  uns,  in  welcher  die 
fruchte  verschiedenartiger  lectüre  vereint  verwertet  sind;  es  kann 
sogar  zweifelhaft  erscheinen,  ob  die  erwähnung  des  marsches  Alexan- 
ders durch  Pamphylien  sich  bei  Hieronymos  überhaupt  fand.  Hiero- 
nymos musz  bei  gelegenheit  der  satrapienverteilung  von  der  sache 
geredet  haben,  und  er  braucht  nicht  viel  mehr  gesagt  zu  haben  als 
wir  jetzt  bei  Diodor  XVHI  3,  1  lesen  (€u|li€V€i  bh.  TTaqpXaifOvlav 
Kai  KttTTTiaboKiav  Km  rrdcac  xäc  cuvopiZoucac  lauiaic  x^P<^c,  Sc 
'AXeEavbpoc  ouk  dirfiXGev  ^KKXeicGeic  uttö  tu)v  Kaipujv,  öt€  bietro- 
XejLiei  TTp6c  Aapeiov)  oder  bei  Plutarch  Eumenes  c.  3  (Cu^^vrjc  Xa^i- 
ßdvei  KaTTTiaboKiav  Kai  TTaqpXaTOviav  kqi  ttjv  uiroKCifA^viiv  x^  TTov- 
TiKfj  GaXaTTij  ji^XP*  TpaTreZoOvToc  oöttuj  töt€  MaKcbövtuv  oöcav, 
"ApiapaGnc  fäp  amf\c  ^ßaciXeuev).  das  gibt  aber  auch  zu  keinerlei 
Schwierigkeiten  anlasz:  denn  Alexander  hat  auch  nach  den  andern 
quellen  Kappadokien  nur  berührt,  und  es  geht  aus  allem  deutlich 
hervor,  dasz  es  zu  einer  eigentlichen  Unterwerfung  des  landes  nicht 
kam.  die  stelle  Diodors  XVHI  16,  welche  Bröcker  gleichfalls  an- 
führt, hat  mit  der  sache  nichts  zu  thun. 

27.  Ulrich  von  Wilamowitz-MöUendorf  macht  ^aus  Kydathen' 
8.  99  einige  bemerkungen  über  die  sage  von  Kodros,  welche  kaum 
zu  verstehen  sind ,  wenn  man  den  von  ihm  nicht  citierten  aufsatz 
von  Frick  im  rhein.  mus.  XXX  s.  278  £f.  nicht  kennt,  und  erklärt 
dabei,  er  habe  'die  vulgäre  Eodrossage  selbst  auf  eines  Eteobutaden 
Zeugnis  nur  schüchtern  dem  fünften  jh.  vindiciert.'  wie  Lykurgos  — 
denn  den  meint  er  —  für  das  fünfte  jh.  zeugen  soll,  weisz  ich  nicht; 
wer  aber  beine  gewUhrsmänncr  nicht  nach  ihrem  Stammbaum  fragt, 
wird  völlig  beruhigt  sein,  wenn  er  die  übliche  fassung  der  Kodros- 
sftge  bereits  bei  Pherekydes  fr.  11  (Müller)  findet,  zu  wissen,  dasz 
sie  wirklich  mindestens  so  alt  ist,  ist  freilich  nicht  ganz  ohne  wert 

28.  In  seiner  abhandlung  über  die  abfassungszeit  der  schrift 
vom  staute  der  Athener  s.  4  ff.  hat  Adolf  Kirchhoff  eine  neue  ansieht 
über  die  beziehungen  zwischen  Athen  und  Boiotien  in  der  zeit 
zwischen  den  schlachten  von  Tanagra  und  Koroneia  aufgestellt  und 
dafür  auch,  wie  es  scheint',  bei  seinem  sonstigen  antagonisten 
Müller  StrObing  ('A0T]Vaiujv  TToXlieia  s.  173  f.)  beifall  gefunden. 
er  meint,  Theben  sei  zu  der  zeit,  als  es  den  versuch  unternahm  sich 
mit  spartaiiiächer  hilfe  der  in  den  Perserkriegen  verlorenen  hege- 
monie  in  Boiotien  wieder  zu  bemächtigen ,  demokratisch  regiert  ge* 

'  ich  glaube  uomlich  nicht  dasz  Mülior-Strübiufir  zb.  seine  aasfüh- 
ruiin^cD  'Aristophanes  und  die  historische  kritik'  s.  84  ernstlich  zuriick- 
iiohmeu  will,  und  seine  Zustimmung  zu  Kirchhoffs  ansichtcn  ist  sehr 
r'»8orviert. 


FBühl:  vermischte  bemerkungen.  741 

Wesen,  infolge  der  schlacht  von  Oinopbjta  und  ihrer  *aus  der 
niederlage  ihrer  Suszern  politik  resultierenden  Ohnmacht'  sei  die 
demokratie  gestürzt  worden.  Mie  autonomistische  Opposition  gegen 
die  hegemonie  Thebens ,  auf  welche  die  Athener  sich  zu  stützen  an- 
gewiesen waren',  sei  'durch  die  oligarchischen  elemente  in  den 
boiotischen  städten  vornehmlich  vertreten'  gewesen.  *so  lange  die 
boiotischen  oligarchen  sich  dem  athenischen  interesse  förderlich  er- 
wiesen', hätte  ^Athen  ihnen  freie  band  lassen  müssen,  und  so  führte 
die  intervention  in  Boiotien,  welche  Athen  zu  seiner  Sicherung  nach 
auszen  zu  unternehmen  genötigt  war,  durch  die  Theben  zugefügte 
niederlage  zur  discreditierung  und  zu  dem  völligen  stürze  der  dortigen 
demokratie ,  durch  die  Unterstützung  der  oligarchen  in  den  übrigen 
boiotischen  städten,  deren  hilfe  man  um  jenen  stosz  zu  führen  in 
anspruch  genommen  hatte,  zur  niederwerfung  der  demokratischen 
partei  auch  in  diesen,  es  hinderte  das  nicht,  dasz  oligarchen  uud 
demokraten  später  ihren  Waffenstillstand  oder  frieden  schlössen ,  als 
es  sich  darum  handelte  den  gemeinschaftlichen  feind,  die  Athener, 
aus  dem  lande  zu  werfen.' 

Das  ist  nicht  alles  vollkommen  scharf  und  klar  ausgedrückt, 
aber  man  sieht  leicht,  welch  ein  völlig  neuer  zug  durch  Eirchhoffs 
auffassung  dem  bilde  hinzugefügt  wird ,  welches  wir  uns  von  dieser 
zeit  zu  machen  pflegen.  Theben,  um  seine  hegemonie  wieder- 
zugewinnen ,  pflanzt  das  demokratische  banner  auf  und  stützt  sich 
auf  die  demokratie  in  den  andern  boiotischen  städten ,  und  Sparta, 
um  Athen  zu  schädigen,  verläszt  seine  sonst  streng  festgehaltene 
politik  und  tritt  auf  die  seite  der  demokratie.  die  Athener  dagegen, 
um  Boiotien  geteilt  und  schwach  zu  erhalten,  verteidigen  die  Oligar- 
chie, und  zwar  gerade  in  dem  augenblicke,  wo  sie  daheim  den  fdhrer 
der  aristokraten  verbannt  haben  und  an  eine  vollständige  Umformung 
des  Staates  in  demokratischem  sinne  herangehen,  das  ist  so  neu  wie 
nur  möglich,  aber  ist  es  auch  richtig?  das  brauchen  wir  nicht  so 
ohne  weiteres  zuzugeben. 

Rirchhofl  bezeichnet  die  gegenteilige  meinung,  wie  sie  in  den 
übereinstimmenden  darstellungen  der  neueren  ihren  ausdruck  ge- 
funden hat,  als  eine  hypothese.  das  ist  richtig,  aber  auch  selbst- 
verständlich: eine  zusammenhängende  Überlieferung  über  diese  Vor- 
gänge gibt  es  nicht,  und  was  Kirchhoff  vorbringt  ist  ebenfalls  eine 
hypothese.  es  fragt  sich  nur,  welche  hypothese  die  feststehenden 
tbatsachen  am  besten  erklärt,  und  da  können  denn  unseres  erachtens 
die  Vertreter  der  alten,  die  Wachsmuth,  Thirlwall,  Grote,  Cartius 
und  wie  sie  alle  heiszen,  sich  auf  eine  anzahl  von  überlieferten  daten 
berufen,  welche  Kirchhoff  nicht  zu  erklären  vermag,  aber  freilich 
auch  nicht  zu  erklären  versucht. 

Wir  wollen  kein  besonderes  gewicht  darauf  legen,  dasz  eine 
partei  in  Athen  vor  der  schlacht  von  Tanagra  hoffte  mit  hilfe  der 
Spartaner,  welche  ja  für  eine  demokratie  gekämpft  haben  sollen, 
den  athenischen  demos  zu  stürzen:  athenischen  oligarchen  kann  man 


742  FEiihl:  Termischte  bemerkungen. 

alles  zutrauen  und  der  spartanisohen  politik ,  wenn  sie  so  war  wie 
sie  Eirchhoff  erscheint,  ebenfalls,  bedenklicher  nrasz  es  sohoü  machen^ 
dsfiz  im  kämpfe  selbst  die  thessalisohe  reiterei  zu  den  Lakedaimoniem 
(Lbei^ieng.  indessen  anch  das  liesze  sich  erklären,  wie  steht  es  denn 
aber  mit  dem,  was  Thakydides  von  den  ereignissen  erzählt,  die  zur 
Schlacht  von  Koroneia  führten?  es  sind  die  (puTdbec  BoiuiTiiiV,  die 
Ton  irgend  woher,  wahrscheinlich  von  Thessalien  aus',  einen  einfall 
in  Boiotien  machen,  es  müssen  also  gegner  der  damals  in  den  boioti- 
sehen  städten  herschenden  partei  gewesen  sein,  es  vereinigen  sich 
aber  mit  ihnen  Lokrer  und  cpurdbec  ans  Euboia  Ka\  dcoi  Tiic  aurfic 
TVifafiilc  fjcav.  diese  Lokrer  hat  man  allen  grnnd  für  aristokratcdi 
zu  halten,  insbesondere  wenn  man  bedenkt  dasz  Myronides  nach 
Thuk.  I  lOB  von  dort  ^kotöv  ävbpac  öjüirjpouc  touc  irKouciurrdTOUC 
2Xa߀V :  die  Euboier  aber  waren  ganz  sicher  ariatokraten.  folglich 
müssen  auch  die  boiotisehen  flüohtlinge  aristokraten  gewesen  sem. 
die  übrigen  öcoi  tt^c  auTf)c  TVuiMilc  ficav  können  aristokraten  ans 
den  boiotisehen  städten  sein,  welche  nicht  verbannt  waren,  jetzt  aber 
zu  den  barsten  der  aufständischen  eilten,  es  können  sich  aristokraten 
aus  anderen  griechischen  städten  darunter  befunden  haben,  vielleicht 
sogar,  was  Müller* Strübing  ^Arisiophanes  und  die  historische  kritik' 
s.  291  nicht  für  unmöglich  hält,  auch  ausgetretene  athenische  aristo- 
kraten —  von  einem  bündnis  zwischen  boiotisehen  demokraten  und 
aristokraten,  um  den  gemeinsamen  feind,  die  Athener,  zum  lande 
hinauszuschlagen,  weisz  jedenfalls  weder  Thukjrdides  noch  sonst 
irgend  eine  quelle  ein  wort,  .waren  aber  die  boiotisehen  flüchÜinge 
aristokraten,  so  müssen  die  mit  Athen  verbündeten  boiotisehen  siädte 
demokratisch  und  nicht  aristokratisch  regiert  gewesen  sein. 

Wenn  das  aber  der  fall  ist ,  so  kann  Eirchhoff  auch  die  lücken- 
hafte stelle  der  'AOrivaiuiv  TtoXiTcia  3,  11,  an  welche  er  seine  ganze 
betrachtung  anknüpft,  nicht  richtig  erklärt  haben,  es  heiszt  dort: 
b\ä  Taura  cOv  'AOrivaioi  Td  c(p(civ  aöroic  npocrJKOVTa  alpouvraL 
ÖTTOcdKic  b*  ^Tr€X€ipTicav  atpekeai  Toöc  ßeXTicTouc,  oö  cuvr|V€TK€v 
auToTc*  «^otrdXX'  dvröc  öXiTOU  xpövou  6  bf)jiOC  dbouXeucev  6  iy 
BoiuiTOtc.  unter  diesem  bouXetjeiv  des  demos  in  Boiotien  kann 
unter  den  vorliegenden  umständen  nur  derjenige  zustand  verstanden 
sein,  welcher  nach  der  Schlacht  von  Eoroneia  eintrat. 

Die  eigentliche  grundlage  von  Eirchhoffs  argumentation,  durch 
welche  er  sich  zu  seinen  unhaltbaren  aufstellungen  hat  verleiten 
lassen,  ist  eine  stelle  des  Aristoteles,  politik  VIII  (V)  2,  6,  wo  es 
heiszt:  bid  KaTa<ppövTictv  bk  kqI  craciäZouci  kqI  dTTiriOcvTai,  oTov 
.  .  iv  Ttttc  bimcKpoTiaic  ol  eÖTTopot  KaTaqppovrjcavrec  Tf)c  droEiac 

'  68  ist  nach  der  ganzen  Sachlage  undenkbar,  dasz,  wie  Clatsen  zu 
Thuk.  1 113, 1  will,  Mie  den  Athenern  feindliche  partei  nach  der  schlacht 
von  Oinophjta  sich  in  dem  nördlichen  teil  von  Boiotien  behauptete', 
es  widerspricht  das  auszerdem  den  bestimmten  angnben  des  Thukydides 
I  108,  3  und  des  Diodor  XI  88,  1,  ebenso  der  erklärung,  welche  Classen 
selbst  zu  I  103,  3  nach  Curtius  von  ix<^vTUiv  gegeben  hat. 


FBühl :  TermiBchte  bemerkoDgeiL  743 

Kai  ävapxiac,  olov  Ka\  iv  difjßoac  fui€T&  Tf|v  iv  OtvcxpiiTOic  MdxY|V 
KOKuic  KoXiT€uo^^voic  (oder  iroXiTCUo^^vuiv)  f|  brmoKpaTCa  bi€« 
<pOdpii.  Eirohhofif  drückt  sioh,  wie  oft,  so  aas,  dasz  nun  meinaii 
könnte,  er  habe  diese  stelle  zuerst  hervorgezogen  oder  seine  yorgänger 
hätten  sie  absichtlich  ignoriert  oder  ihre  bedeutnng  abgeschwäiäit. 
das  ist  aber  nicht  der  foll.  die  stelle  wird  bekanntlich  oft  citiert  und 
nur  anders  erklärt  als  von  Eirchhofif.  auch  für  seine  erklär ung  hat 
dieser  Vorgänger :  Einmal  an  WWachsmuth,  der,  nach  einem  ftLr  mich 
nncontrolierbaren  citat  bei  Thirlwall  III  s.  30  zu  urteüen ,  die  stelle 
ilhnlich  aufgefaszt  haben  musa ,  aber ,  den  Zusammenhang  der  ereigi- 
Bisse  im  äuge ,  an  eine  Verwechselung  der  schlachten  von  Tanagra 
und  Oinophjta  dachte;  dann  aber  namentlich  auch  an  Eaton ;  der 
genau  wie  Eirchhoff  vermutet  haben  musz;  dasz  nach  der  schlackt 
von  Oinophyta  'der  hier  durch  xaKWC  iToXiT€ii€c6at  bezeichnete  za«> 
stand  der  Unordnung  und  anarchie  eingetreten  sei ,  welcher  die  oli* 
garchische  partei  zu  einer  erhebung  ermutigte,  die  von  erfolggekrönt 
war',  indessen  bei  der  mehr  als  laxen  Stilistik,  welche  in  der  Aristo- 
telischen Politik  herscht,  welche  insbesondere  auch  in  der  ganzen 
Periode  hervortritt,  der  jener  satz  über  Theben  entnommen  ist,  liegt 
kein  zwingender  grund  vor  die  werte  )ieT&  Tf)V  ^v  Olvoq)äTOic  ^dxi)V 
anders  denn  als  eine  Zeitbestimmung  zu  fassen ,  welche  diese  theba» 
nische  demokratie  von  andern,  welche  zu  anderer  zeit  bestanden, 
unterscheiden  soll,  auf  alle  fälle  liegt  nach  dem  Sprachgebrauch  des 
Aristoteles  kein  grund,  und  wenn  man  an  die  hier  erwähnte  äxoHa 
Kai  dvapxia  denkt,  kaum  die  möglichkeit  vor,  das  KttKUic  TToXi«- 
TeuecOat  auf  eine  ^aus  der  niederlage  der  äuszem  politik  resul- 
tierende Ohnmacht'  zu  beziehen,  aber  freilich  meint  Eirchhoff  (s.  ß\ 
es  könne  nicht  athenischej^  einflusz  gewesen  sein,  welcher  der  demo- 
kratie in  Theben  nach^dl^  schlacht  von  Oinophjta  'in  den  sattel  ge- 
holfen' habe,  da  sich  dieser  einflusz  der  Überlieferung  zufolge  nicht 
auf  Theben  erstreckt  habe,  diese  behauptung  aber  geht  3U  weit. 
Diodor  XI  83  sagt  freilich ,  dasz  Myronides  nacujv  TtJV  Kard  Tf|V 
BoiuiTiav  iTÖXeu)v  ^TKpaTfic  ^T^veTO  iTXf)v6nßa>v,  und  dasselbelesen 
die  neuereu  —  mit  ausnähme  von  Orote  —  aus  den  werten  des  Thu- 
kjdides  I  108  Tf)c  x^P^c  ^Kpdrricav  Tf\Q  BotuiTiac  heraus,  allein 
wie  weit  sioh  'der  einflusz'  von  Athen,  wie  weit  sich  die  politische 
Wirkung  seiner  siege  erstreckt  habe,  davon  wissen  wir  gar  niohtSi 
und  nirgends  sind  Schlüsse  aus  dem  schweigen  unserer  quellem 
weniger  angebracht  als  für  diese  Zeiten,  es  liegt  nichts  vor,  wi^ 
der  annähme  widerstritte,  dasz  sich  nach  der  schlacht  von  Oiapr- 
pbjta  auch  in  Theben  die  demokratische  partei  der  regiemng  be- 
mächtigte, wenn  nun  diese  demokratie,  welche  durch  die  Verhält- 
nisse gezwungen  war  sich  an  Athen  anzulehnen,  sich  ausschreitungen 
zu  schulden  kommen  liesz  und  nicht  zu  verwalten  verstand,  so  liegt 
es  keineswegs  auszer  dem  bereiche  der  möglichkeit,  dasz  die  aristo- 
kraten  sich  empörten  und  die  Athener  zu  ihren  gunsten  vermittelten, 
war  aber  die  aristokratie  —  wenn  auch  in  gemäszigter  form  —  in 


744  FRühl:  vermiechte  bemerkungen. 

Theben  hergestellt,  so  muste  das  allerdings  die  qpUT(ii>€C  der  Übrigen 
Städte  Boiotiens  und  ihre  angehörigen  ermutigen  auch  ihrerseits  los- 
zuschlagen, eine  solche  auffassung  des  Zusammenhangs  wird  da- 
durch gestützt,  dasz  die  in  der  oben  angeführten  stelle  der  *AOr)- 
vaiujv  TToXiTeia  erwähnte  begünstigung  des  milesischen  adels  durch 
die  Athener  nach  Kirchhoffs  eignen  ausführungen  ungefähr  in  die- 
selbe zeit  fällt. 

29.  Die  naturforscher  pflegen  mit  einem  gewissen  höhn  auf  die 
historiker  uüd  philologen  zu  blicken,  wenn  diese  in  irgend  einer 
naturwissenschaftlichen  frage ^  die  ihnen  bei  ihren  Studien  zufällig 
aufstöszt,  fehlen,  schön  ist  solches  fehlen  freilich  nicht,  am  wenigstem 
heute,  wo  es  verhältnismäszig  so  leicht  ist  sich  über  derartige  dinge 
zu  orientieren,  leider  aber  steht  es  nur  zu  oft  mit  den  naturforschem 
selbst  nicht  besser,  wenn  sie  sich  auf  das  historische  gebiet  wagen 
ocler  wagen  müssen,  ein  merkwürdiges  beispiel  davon  liefert  die 
geschieh te  des  wisant.  Eichwald  ^de  pecorum  et  pachydermomm 
reliquiis  fossilibus  in  Lithuania,  Volhynia  et  Podolia  repertis'  in  den 
Verhandlungen  der  Leopoldinisch-Carolinischen  akademie  der  natur- 
forscher IX  2  s.  686  sagt  vom  bos  urus  L.:  ^pristino  aevo  in  ipsa 
Chersoneso  Taurica  obviam  fuisse  videtur ,  quod  e  Byzantino  auetore 
Niceta  Choniate  colligimus,  qui  ita  narrat:  anno  MCLXXXU 
imperatorem  Andronicum  Comnenum  per  multum  temporis  ibidem 
vaeavissc  venationi  et  perforando  zumpro,  bestiae  ferae,  in  Tauro- 
scythia  praesertim  indigenae  moleque  sua  ursum  et  ieopardum 
excedenti.'  Eichwald  erklärt -gleich  darauf  noch  einmal  ausdrück- 
lich, dasz  unter  ^Tauroscythia'  die  Krim  zu  verstehen  sei.  Koppen 
in  seiner  instructiven  kleinen  schrift  über  ^das  fehlen  des  eichhöm- 
chens  und  das  Vorhandensein  des  rehs  und  des  edelhirsches  in  der 
Krim'  (St.  Petersburg  1882)  s.  27  gibt  das  mit  zwei  unangenehmen 
druckfehlern  wieder  und  bemerkt,  Eichwald  habe  in  seiner  II&ieOH- 
TOJloriÄ  PoccIh,  einem  mir  unzugänglichen  buche,  'Tauroscythia* 
mit  'Moldau'  übersetzt.'  Koppen  selbst  hält  die  nachricht  für  un- 
wahrscheinlich, da  ihm  die  terrainverhältnisse  der  Krim  für  den  bison 
nicht  geeignet  zu  sein  scheinen,  es  war  nicht  gerade  schwierig  die 
Sache  in  Ordnung  zu  bringen,  die  stelle  des  Niketas  lautet  in  Wirk- 
lichkeit (de  Andronico  Comneno  II  6  s.  433  Bonn.)  so:  fif|  fx^v  h* 
CUV  (6  'AvbpÖVlKOC)  iK  T&V  TTpOCCpttTUIV  KOI  vcapujv  auToO  Trp䣀U)V 

KaiaTTaTTeiv  toOc  bö|Liouc  tiu  tüjv  xpuJ^äiwv  cirpccpafmiu  f\  xaic 
XcTTTaTc  KaTaTTOiKiXXeiv  t&v  ipricpibujv  dvG^ccciv,  de  id  irpö  Tf\c 
ßaciXeiac  fßX€i|i€v  fpT^t,  kqI  fjv  \TT7TriXdcia  kqI  KuviiT^cia  ZuJTpot- 
(pou^eva,  kXu)t|li6c  ttttivüüv,  6ujücm6c  kuvoiv,  dXaqpnßoXtai  xal 
XaTu^v  6Tip€Üc€tc  Kai  xot^^iöbouc  cOc  biaKOVTtZ;ÖM€VOC  xat  Zoum- 
TTpoc  poü^TTOC  cod.  Monaccusis  93 ;  etwa  ZouMTTpouc  oder  Zoö^irpov 
zu  schreiben?']  bieXauvÖM^voc  böpart*  Züjov  bk  oiStoc  t6  ^^T^Ooc 


^  in  Feiner  Lethaea  Rossica  III  s.  379  geht  Eichwald  auf  die  sache 
nicht   näher  ein.  *  ich  sehe  wenigstens  keinen  grund  das  wort  als 


FBühl:  vermiBclite  bemerkangen.  745 

iinlp  dpKTOV  ^uOiKfiv  xai  iräpbaXtv  CTiicnfiv,  kotä  toöc  Taupo- 
ckOOqc  q)u6M€V0V  ^dXicra  Kai  Tp^90M€V0v  usw.  diese  Jagden 
müssen  sich  also  nicht  im  j.  1182,  sondern  vor  dem  regierungs- 
antritt  des  Andronikos  abgespielt  haben,  nnd  es  fr&gt  sich  nur,  wer 
die  Taoroskjthen  sind  und  ob  Andronikos  jemals  bei  ihnen  ge- 
wesen ist.  beide  fragen  sind  leicht  zu  beantworten,  bei  Johannes 
Einnamos  sind  die  TaupoCKuGai  unzweifelhaft  überall  Bussen ,  und 
dasselbe  gilt  von  Niketas  de  Alexio  III  5  s.  692 :  denn  die  beiden 
russischen  fürsten  Roman  und  Burik  werden  dort  so  bezeichnet, 
schwankend  könnte  man  freilich  wieder  durch  die  stelle  de  Andro- 
nicol  10  8.405  werden,  wo  es  von  Andronikos  heiszt:  Tic  Ka^ßOcric 
Maivö^ievoc  f\  dniivfic  TapKuvioc  f{  ''excTOc^Kal  OdXapic  ätpioi  xal 
8T]pia)b€ic  TOiaÖTa  cipTdcavTo;  f\  Tivec  TaupocKÜÖai  EevoKTOvlav 
V€VOMiKÖT€C,  iLv  Td  ffix]  6  TToXuTrXavf|C  oiStoc  dvefidSaTO  T^pujv 
[dvbpöviKoc  cod.  Mon.  93],  oötu)C  dir^GevTC  xai  bi€X€ipicavTo;  die 
Bussen  töteten  ja  damals  die  fremdlinge  nicht  gewohnheitsmftszig« 
man  darf  aber  nicht  vergessen,  wie  oft  die  rhetorik  und  die  classische 
reminiscenz  mit  Niketas  durchgiengen^  und  wenn  Andronikos  bei 
den  Tauroskythen  gewesen  sein  soll,  so  können  darunter  wieder 
nur  die  Bussen  verstanden  sein,  man  vergleiche  de  Manuele  IV  2 
s.  168  ÖT€  Kai  'AvbpöviKOC  irdXiv  dTrobpdc  Kai  irapatcvö^cvoc  eic 
rdXixZav  ^KCiGev  dnavÄeuEev.  Icn  bk  f|  fdXixZa  jila  tOüv  irapa 
TOic  *Pujc  TOTTapxdiv  oOc  Kai  CKuGac  Tncpßop^ouc  q)aciv.  und 
gerade  die  jagdabenteuer  des  Andronikos  spielten  sich  dort  ab  (ebd. 
s.  172):  TÖT€  b'  oöv  ÖTTiaic  dtKdXaic  npöc  toO  tt^c  TaXiTZric  ^m- 
TpoTTCuovTOC  'AvbpöviKoc  TrpocÖ€XÖ€lc  f^€iv€  TTCip*  ^Kcivqi  xpdvov 
cuxvöv.  oÖTUJ  bk  Trpöc  xöv  dauroO  ttöögv  öXov  ^kcivov  'AvöpöviKOC 
dvTipTrjcaTo,  übe  Kai  cuv6r)p€U€iv  Kai  cuvOuiKCueiv  £K€(v({i  ö^^ctiöc 
T€  eTvai  Kai  cuccitoc.  damit  stimmt  Johannes  Einnamos  V  10 
s.  232  Bonn,  vortrefflich  überein.  in  der  Krim  aber  ist  Andronikos 
niemals  gewesen ,  und  die  von  Eichwald  so  verunstaltete  stelle  des 
Niketas  da(f  lediglich  für  das  vorkommen  des  wisant  in  der  gegend 
von  Halicz  verwertet  werden,  wenn  Oibbon  IX  s.  96  cap.  48  (Lon- 
doner ausgäbe  von  1791)  und  Lebeau  ^histoire  du  Bas  Empire*  (6d. 
St.  Martin)  XVI  s.  216  f.  Andronikos  nach  Kiew  kommen  lassen,  so 
findet  das,  so  viel  ich  sehe,  in  den  quellen  keine  begründung,  und 
die  ganze  darstellung  ist  mit  der  russischen  geschichte  dieser  zeit 
nicht  zu  vereinbaren.^  beachtung  schiene  nun  freilich  noch  der 
codex  Monacensis  450  des  Niketas  zu  verdienen ,  welcher  de  Andro- 
nico  II  6  schreibt  ZoO|LiTTpov  Zujov  Kai  irdpbaXiv,  fiiiva  iy  Tok 


indeclinabel  zn  behandeln,  zumal  da  es  im  codex  Monacensis  460  wirk- 
lich decliniert  wird  (s.  unten). 

^  ein  höchst  amüsantes  beispiel  bei  Finlay  'hisVoiy  of  the  Bysan- 
tine  and  Greek  empires'  II  8.  268.  '  vgl.  zb.  Karamsin  II  8.  268  f.  der 
dentschen  Übersetzung,  direct  oder  indirect  wird  anch  Schade  im  alt- 
deutschen Wörterbuch  8.1182  auf  Gibbon  zurückgehen;  für  einen  artikel 
über  den  wisant  war  die  notiz  völlig  gleichgültig. 


746  FBühl:  TermiBohte  bemerkangen« 

öpeci  TU)V  Ko^dvu)V  £v^^ovTO  und  ebenso  I  10  K6^avoi  statt» 
TaupoCKuOai.  daraus  ist  vielleicht  der  wahn  entstanden,  es  handle 
eich  um  die  Moldau,  allein  es  genügt  ein  blick  in  den  apparat,  nia 
sich  zu  überzeugen  dasz  der  Schreiber  dieser  hs. ,  oder  wahrsoheiB-> 
lieber  der  ihrer  vorläge,  gi%ulioh  interpoliert,  er  hat  den  olassischen 
ausdruck  des  Niketas  misverstanden  und  dafür  den  des  volkes  ge«- 
setzt,  welches  zu  jener  zeit  in  dem  alten  Skjthenlande  lebte,  wena 
er  den  wisant  *in  den  bergen  der  Rumänen',  dh.  in  den  Karpathen 
leben  läszt,  so  hat  er  recht,  da  das  tier  dort  noch  im  achtzehntem 
jh.  nicht  ausgestorben  war;  ob  er  aber  aus  eigner  künde  schöpft, 
ist  um  so  zweifelhafter,  da  er  dort  auch  die  irdpbaXic  leben  Ittast, 
was  jedenfalls  nur  einem  misverstSudnis  des  echten  textes  des  Niketaa 
SU  verdanken  ist. 

30.  In  der  neuen  aufläge  seiner  ^geschichte  des  altertums'  YII 
8.  256  hat  Max  Duncker  ein  ungewöhnlich  hartes  urteil  über  die^ 
jenigen  ausgesprochen,  welche  den  heldentod  des  Leo  nid  as  mit 
den  seinen  als  'nutzloses  blutvergieszen'  oder  gar  als  ^Donquixotena' 
bezeichnet  haben,  so  weit  die  gesohichte  der  kriege  der  alten,  mitt«* 
leren  und  neueren  zeit  reiche,  seien  feldherren  von  entsohlusz  und 
einsieht  selten  davor  zurückgetreten,  die  nachhut  zu  opfern,  um  das 
beer  zu  retten,  diese  bemerkungen  sind  zum  teil  gegen  mich  ge* 
richtet,  denn  ich  bin  es  gewesen,  der  in  einer  eingehenden  recensioa 
von  Weckleins  'tradition  der  Perserkriege'  im  litt,  centralblatt  1877 
sp.  1095  folgendes  hat  drucken  lassen :  ^den  letzten  kämpf  an  den 
Thermopylen  und  den  opfertod  der  Spartaner  haben  wir  nie  fOr 
etwas  anderes  als  für  eine  Donquixoterie  halten  können;  selbst  offi- 
ciell  wüste  man  diesen  heroischen  kttmpfem  nichts  besseres  nacbzn* 
sagen  als  dasz  sie  gestorben  seien  ^n^act  it£i6Ö|li6voi.'  es  konnte 
mir  an  sich  nur  im  höchsten  grade  erfreulich  sein,  dasz  der  verehrte 
mann  meine  recension  sorgfältig  gelesen  und  wiederholt  mit  Zustim- 
mung benutzt  hat,  und  über  seine  scharfen  werte  in  bezug  auf  meine 
ttuszerung  über  Leonidas  könnte  ich  mich  mit  dem  bewustaein  trösten, 
dasz  Duncker  eben  meinen  gedankengang  nicht  verstanden  hat,  viel- 
leicht weil  ich  mich,  durch  die  enge  des  raums  gezwungen,  zu  kurz 
ausgedrückt  hatte,  von  der  moralischen  Wirkung,  welche  der  todes'- 
kämpf  der  Spartaner  bei  den  Griechen  hervorrufen  muste,  habe  ich 
nicht  geredet,  und  ich  hatte  auch  keine  veranlassung  dazu,  da  die 
absieht  einer  derartigen  Wirkung  schwerlich  vorgelegen  hat.  die 
Sache  hat  indessen  ein  mehr  als  persönliches  Interesse,  und  dieses 
mag  es  rechtfertigen,  wenn  ich  nochmals  darauf  zurückkomme,  ich 
constatiere  zunäxsbst,  dasz  ich  mich  in  guter  gesellschaft  befinde. 
QroiQ  musz  so  ziemlich  derselben  ansiebt  gewesen  sein  wie  ich.  er 
sagt  in  der  history  of  Greece  (1869)  lY  436 :  'it  was  evident  that 
Thermopylae  could  be  no  longer  defended.  there  was  however  ample 
time  for  tbe  defenders  to  retire,  and  tbe  detachment  of  Leonidas 
were  divided  in  opinion  on  the  subject.  the  greater  number  of  them 
were  inclined  to  abandon  a  position  now  beoome  untenable ,  and  to 


FBühl:  rezmischie  bemerkaagen.  747 


reterve  themaelYes  for  fatnre  ooeasions  on  which  thay  migkt 
yely  cootribnte  to  repel  the  inyader«  nor  ig  it  to  be  doubted  tbat 
Bach  was  the  natural  impulse,  both  of  brave  soldiers  and  of  pradent 
offioers,  ander  the  ciroomstances.  bat  to  Leonidas  the  idea  of  retreat 
was  intolerable.  bis  own  personal  honoor,  together  with  that  of  hii 
Spartan  companions  and  of  Sparta  herseif,  forbade  him  to  thiak  of 
jielding  to  the  enemy  the  pass  which  he  had  been  sent  to  defend. 
tbe  laws  of  bis  country  reqaired  him  to  conqoer  or  die  in  the  post 
assigned  to  him,  whateyer  might  be  the  saperiority  of  nnmber  on  the 
part  of  the  enemy:  moreover  we  are  told  that  the  Delphian  oracle 
had  declared  that  either  Sparta  itself,  or  a  king  of  Sparta,  must  fall 
victim  to  the  Persian  arms.'  and  kurz  nachher  sagt  Grote  von  de« 
Thespiem,  dasz  sie  'displajed  eyen  more  than  Spartan  heroism,  sinoe 
thej  were  not  ander  that  species  ofmoral  constraint,  which  arises  from 
the  necessitj  of  acting  ap  to  a  preestablisbed  fame  and  superioritj.' 
solche  gefühle,  wie  sie  Grote  hier  beschreibt,  kann  ich  nor  für  don«* 
qaixotifich  halten ;  ehrenhaft  war  der  ritter  yon  La  Mancha  doch  ganz 
gewis,  and  auch  ein  ganzes  volk  kann  donquixotisch  denken,  doch 
darüber  mag  man  yerschiedener  ansieht  sein;  der  mann,  an  welchen 
Dancker  hier  erinnert,  welcher  einen  lebendigen  haasknecht  für 
mehr  wert  erklärte  als  einen  toten  kaiser,  würde  anf  meiner  seite 
sein,  historisch  gilt  es  zwei  fragen  aaseinanderzuhalten :  1)  war  es 
geboten,  am  das  beer  za  retten ,  die  nachhat  aafzaopfem?  2)  ist 
diese  notwendigkeit  für  Leonidas  aosscblaggebend  gewesen?  Grote 
yemeint,  wie  wir  gesehen  haben,  die  erste  frage,  ja  er  meiitt  sogar 
(s.  437),  Leonidas  htttte  yielleicht  gewünscht  seinem  ganzen  beere 
den  entscblusz  za  sterben  einzuflöszen.  bejaht  ist  sie,  so  yiel  ich  sehe, 
zuerst  von  Büstow  und  Eöchlj  *griecb.  kriegswesen'  s.  60  f.  diese 
lassen  freilich  aus  ihren  erwttgungen  alle  die  'romantischen'  gründe 
fort ,  welche  Duncker  bei  Leonidas  mit  wirksam  findet,  sie  wollen 
die  dinge  praktisch  und  militärisch  erklären,  einen  eigentlichen  be- 
weis für  die  richtigkeit  der  ansieht,  dasz  der  rückzug  mit  dem  ganzen 
beere  nicht  mehr  auszuführen  war,  haben  sie  indessen  nicht  geliefert, 
der  rückzug  konnte  entweder  auf  Tithronion  oder  über  Skarpheia  auf 
Elateia  gerichtet  werden,  wenn  man  die  erstere  strasze  einsoblag, 
so  war  man  des  gebirgigen  terrains  wegen  yor  der  persischen  reiterei 
ziemlich  sicher;  aber  es  ist  schwer  zu  sagen,  ob  man  noch  mit  be- 
stimmtheit  darauf  rechnen  konnte,  dasz  der  weg  ganz  frei  war.  ver- 
folgte man  die  zweite  strasze,  so  hatte  man  vierzehn  kilometer  bis 
zum  eingang  des  thales  des  Boagrios  zu  marschieren;  von  dort  bis 
£lateiasind  einige  zwanzig.^  ich  wage  es  nicht  in  rein  militärischen 
dingen  ein  auch  nur  für  mich  maszgebendes  urteil  zu  fällen;  allein 
bis  auf  weiteres  möchte  ich  doch  glauben ,  dasz  es  möglich  gewesen 
wäre,  wenn  man  sofort  aufgebrochen  wäre,  nachdem  die  sichere 


^  welcher  weg  beim  rückzog  in  Wirklichkeit  eingeschlagen  worden 
ist,  ist  unbekannt. 


748  FKübl:  vermischte  Ijemerkungen. 

nachricht  von  der  Überrumpelung  der  Phoker  eingegangen  war,  die 
schützenden  defileen  der  Knemis  zu  erreichen,  ehe  die  persische 
reiterei  herankam,  denn  wenn  RUstow  und  Köchly  meinen,  es  seien 
bereits  auf  der  strasze  von  Therm opylai  persische  colonnen  im  an- 
zug  gewesen ,  um  die  Griechen  auch  in  der  front  zu  beschäftigen ,  so 
beruht  das  auf  einem  ofifenbaren  misverständnis  von  üerodotos 
VII  223,  lindem  ja  Xerxes  mit  dem  angriff  absichtlich  zögerte,  nun 
führt  freilich  Duncker  s.  257  der  analogie  wegen  den  ausgang  des 
kampfes  an  derselben  stelle  zwischen  Antiochos  und  M'.  Acilius 
Glabrio  an.  allein  die  dinge  lagen  damals  ganz  anders,  die  truppen 
des  Antiochos  waren  in  der  front  in  vollem  kämpfe  begriffen,  als  sie 
plötzlich  Cato  in  der  flanke  angnff.  dies  verursachte  eine  allgemeine 
panik  und  eine  vollständige  auflösung  des  heeres ;  die  gänzliche  Ver- 
nichtung scheint  dann  erst  dadurch  herbeigeführt  worden  zu  sein^ 
dasz  in  der  nacht  die  einzelnen  abteilungen  den  oberen  führem 
völlig  aus  der  band  gerieten  und,  des  terrains  unkundig,  ganz  ins 
blaue  hineinrannten;  so  dasz  sie  am  folgenden  tage  von  den  Römern 
mit  leichter  mühe  abgefangen  wurden  (Livius  XXXVI  19).  die 
Schlacht  von  Skarpheia  aber  hat  Duncker  doch  wohl  blosz  der  deco- 
ration  wegen  mit  angeführt;  aus  der  haltung  eines  mannes,  der  die 
gemeinsten  militärischen  maszregeln  versäumt,  darf  man  schwerlich 
auf  andere  fälle  einen  schlusz  ziehen,  übrigens  *  wichen'  nach  Pau- 
sanias  (VII 15,  3)  die  Achaier  nicht  ^aus  den  Therm opylen',  sondern 
sie  flohen  durch  die  Thermopylen. 

lüdessen  sei  dem  wie  ihm  sei  —  für  die  beurteilung  des  Leoni- 
das  ist  die  zweite  der  oben  aufgeworfenen  fragen  die  wichtigste, 
betrachten  wir  nun  die  Überlieferung,  so  weisz  diese  von  strategi- 
schen ideen  des  Leonidas  nichts,  nach  der  einen  version  ist  ein  teil 
der  Griechen  für  den  aufbruch,  ein  anderer  will  stand  halten,  offen- 
bar mit  dem  ganzen  beer;  von  erwägungen  über  die  gefahr  des  rück- 
zugs  kein  wort  (Her.  VII  219).  nach  der  andern  Version  schickt 
zwar  Leonidas  einen  teil  des  heeres  fort,  um  es  zu  erhalten;  er  selbst 
mit  den  seinigen  aber  bleibt  da,  nicht  um  den  rückzug  zu  decken, 
sondern  weil  es  für  die  Spartaner  oök  €U7Tp€K^UJC  sei,  dxXlTreiv  Tf|V 
idHiv  de  Tf|V  fjXeov  (puXd£avT€C  dpxi^v  (Her.  VII  220).  Herodotos 
selber  stellt  nun  allerlei  betrachtungen  darüber  an,  was  den  Leoni- 
das wohl  zu  seinem  verhalten  bewogen  haben  möge ;  aber  auf  deti 
gedanken  einer  aufopferung  der  nachhut  kommt  auch  er  nicht,  es 
ist  aber  auch  sonst  kein  Grieche  darauf  gekommen,  und  nicht  um- 
sonst habe  ich  an  das  epigramm  des  Simonides  erinnert,  wenn  irgend 
jemand  geglaubt  hätte,  die  Spartaner  hätten  durch  ihre  aufopferung 
den  rest  des  heeres  gerettet,  so  würde  man  nicht  verfehlt  haben  in 
dem  epigramm  auch  darauf  eine  anspielung  anbringen  zu  lassen.^ 
dasz  dann  die  paar  Spartaner,  die  sich  retten  konnten,  lieber  mit 

— 

«  ähnlich  denkt  Thirlwall  II  8.  289  f.:  ^be  himself  (Leonidas)  and 
bis  Spartans  no  doabt  considered  tbeir  persevering  stand  in  the  post 
entmsted  to  them,  not  as  an  act  of  high  and  heroic  devotion,  bat  of  simple 


FRübl:  yermischte  bemerkangen.  749 

ihren  genossen  sterben  wollten,  ist  ein  beispiel  edler  kameradscbaft- 
licbkeit,  und  dasz  die  Tbespier,  welche  jetzt  ihre  stadt  —  wie  sie 
glauben  mochten  für  immer  —  yerloren  sahen ,  den  Untergang  des 
Vaterlandes  nicht  überleben  wollten,  ist  echtes  und  wahres  beiden* 
tum.  vielleicht  werden  wir  wohl  thun  ähnlich  von  den  400  Thebanem 
zu  urteilen.  Leonidas  aber  hat  sich  und  seine  Spartaner,  was  immer 
die  militärische  und  politische  Wirkung  seiner  handlungsweise  ge- 
wesen sein  mag,  einem  falschen  kriegerischen  ehrgefühl  aufgeopfert, 
das  ihm  von  Jugend  auf  eingeimpft  war  und  das  noch  später  seinen 
landsleuten  mehr  als  Einmal  gefahr  gebracht  hat.  sollte  ihn  noch 
auszerdem  die  rücksicht  auf  das  orakel  bestimmt  haben,  so  mag  das 
den  subjectiven  wert  seiner  that  steigern ;  anlasz  zur  bewunderung 
kann  es  nicht  geben :  denn  der  aberglaube  eines  Griechen  ist  nicht 
mehr  wert  als  der  eines  Fidschiinsulaners,  der  rühm  der  kämpfer 
an  den  Thermopjlen  ist  durch  die  Jahrtausende  gegangen  und  wird 
weiter  durch  die  Jahrtausende  gehen;  unzählige  hat  er  angespornt 
und  wird  er  anspornen ,  das  leben  für  nichts  zu  achten  gegenüber 
einer  groszen  sache;  was  aber  Ghriechenland  gerettet  hat  und  was 
in  ähnlicher  läge  andere  Völker  gerettet  hat  und  retten  wird,  ist 
nicht  militärische  disciplin  und  gefühl  fdr  kriegerische  ehre,  sondern 
die  freie  that  von  männem,  die  sich  nicht  an  althergebrachte  gesetze 
halten  und  binden,  sondern  die  richtschnur  ihres  handelns  aus  dem 
eignen  heizen  und  dem  eignen  köpfe  schöpfen.  ' 

31.  Bei  Florus  I  22  [IL  6]  49  f.  steht:  nihü  actum  erat  tofUa 
virtute,  tanto  favare  etiam  deorum^  si  quidem  ab  Hispania  Hasdrubäl 
f rater  AnnihäLis  cum  exercUu  novo,  novis  viriJmSj  nova  heUi  möle 
veniebat,  actum  erat  procut  dubio  ^  si  vir  üle  se  cum  fratre  iunxisset, 
beide  male  wäre  actum  an  sich  wohl  verständlich,  aber  eine  derartige 
gegenüberstellung  wie  hier  ist  doch  wohl  unerträglich,  die  Schwie- 
rigkeit wird  gehoben ,  wenn  wir  eine  lücke  annehmen  und  in  §  50 
schreiben  actum  erat  procul  dubio  de  Romano  imperio,  wobei 
sich  der  ausfall  durch  die  gleiche  endung  von  dubio  und  imperio 
leicht  erklärt,  bestätigt  wird  unsere  Vermutung  durch  das  buch 
de  viris  illustribus  c.  48  acttimque  de  Bomano  imperio  erat,  si  itmgere 
se  Hannibali  potuisset  {Hasdrubal). 

32.  Oleichfalls  durch  die  annähme  einer  lücke  wird  sich  eine 
stelle  des  Pomponius  Mela  heilen  lassen.  I  12, 66  schreibt  nem- 
lich  Frick  nach  dem  Vaticanus:  in  ea  est  et  Tyros  äliquando  insuh^ 
nimc  adnexa  terris  deficit,  quod  ab  inpugnante  guondam  Alexandra 
iacta  opera.  vici  tenent  uUeriora  et  adhuc  opuHenta  Sidon,  a/ntequam 
a  Persis  caperetu/r  maritimarum  urbium  maxima,  die  früheren  hgg. 
setzten  das  punctum  nach  tenent  und  scheinen  auszerdem  in  ihrer 
mehrzahl  die  werte  für  corrupt  gehalten  zu  haben,  mit  Fricks 
Schreibung  ist  nichts  geholfen,  denn  sein  erster  satz  ist  vernünftiger 

and  indispensable  dutj.  their  spirit  spoke  in  the  lines  inscribed  upon 
their  monament,  which  bad  the  passenger  teil  their  countrymen,  that 
thej  had  fallen  in  obedience  to  their  laws.' 


750  FBühl:  ytimischte  bemerkungen. 

weise  nicht  zu  übersetzen,  es  wird  doch  hofifentlich  nieznuid  mehr 
mit  erklärungen  kommen,  wie  die  von  Weichert  zu  deficU:  Warie 
explicatur.  ex  re  ipsa  et  adiunctis  esse  videtnr:  insula  esse  deeiit, 
ut  gr.  ^KXmcIv.'  der  fehler  der  vorliegt  gehOrt  zu  den  nicht  gerade 
seltenen,  denen  ein  gewisser  humor  innewohnt,  dem  Schreiber  oder 
einem  leser  des  archetypus  schien  der  satz  lückenhaft  zu  sein ,  nnd 
er  schrieb  deshalb  deficit  an  den  rand,  was  dann  von  dem  Schreiber 
des  Yaticanus  oder  einem  seiner  Vorgänger  unsinnigerweise  in  den 
text  aufgenommen  wurde,  lassen  wir  deficU  fort,  so  ist  der  erste  teil 
der  Periode  in  Ordnung,  man  vgl.  Plinins  n.h.  V  §  76  Turas,  qu<m» 
dam  insula  praeaUo  mari  DCCpassihus  äivisay  nunc  vero  AUaimäri 
oppugnantis  operihus  continens.  veranlasst  ist  die  randbemerkung 
ofiPenbar  durch  das  folgende,  und  die  annähme  einer  Ittcke  ist  in  der 
that  nicht  ganz  ausgeschlossen,  sind  die  worte  intact,  so  hat  sich 
Mela  jedenfalls  nicht  sehr  deutlich  ausgedrückt. 

33.  Bei  Justinus  XII  2,  3  heiszt  es:  huc  accedehat  guod^  sienti 
Alexandra  Magno  Delphica  oractüa  insidias  in  Macedonia,  Ha  kme 
responsum  Bodonaei  lotns  urhem  Pandosiam  amnemque  AniterusiMm 
praedixerat,  hierzu  macht  Dübner  in  seiner  bei  Lecoffre  erschienenen 
ausgäbe ,  die  sonst  manches  gute  enthält  (mein  exemplar  führt  die 
Jahreszahl  1876),  folgende  bemerkung:  ^oracle  qui  nous  estinoonnu. 
si  Justin  ne  s'est  pas  tromp6  et  si  le  texte  est  correct,  il  foat  qne 
quelque  partie  de  la  ville  de  Babylone  ait  port6  le  nom  de  Mace- 
donia.'  ähnlich  scheint  er  schon  gedacht  zu  haben,  als  er  die  anmer- 
kung  zu  seiner  Leipziger  ausgäbe  von  1831  niederschrieb:  ^margoeod.. 
Periz.  «immo  in  Babylonia'^ ;  quod  huc  vocari  non  potest.  res  nobia 
ignota.'  allein  die  sache  ist  doch  sehr  einfach,  ob  der  orakelepmch 
historisch  ist,  mögen  die  götter  wissen;  dasz  aber  Trogus  glanbte» 
Alexander  sei  durch  insidiae  in  Macedonia  zu  gründe  gegangen,  unter* 
liegt  keinem  zweifei.  er  läszt  ihn  ja  (Just.  XII  14)  auf  veranlassung 
des  Antipater,  der  sich  in  Makedonien  befand,  vergiftet  werden. 

34.  Vor  einigen  jähren  hat  Julius  VOlkel  in  diesen  Jahrbüchern 
1877  s.  852  wieder  auf  seine  publication  über  den  Moskauer  codex 
von  Ciceros  briefen  ad  familiäres  hingewiesen,  da  ich  seit  langer 
zeit  durch  die  liebenswürdigkeit  von  Petersburger  freunden  im  besitz 
deräclben  bin ,  so  will  ich  nicht  länger  zögern  eingehender  darüber 
zu  berichten,  der  aufsatz  steht  in  den  MoCBOBCKiÄ  yHBSepCHTeTCKUI 
H3Bt»CTiÄ  von  1865  nr.  4  s.  193  flf.  und  führt  den  titel  HOBSä  pyBOnHCb 
^^^cpo^OBIIXl»  nnceifb  kl  jipjBUDFb,  ist  aber  in  lateinischer  spräche 
abgofaszt.  dasz  er  vielen  Abendländern  zu  gesiebt  gekommen  sei,  be- 
zweifle ich.  er  zeugt  leider  von  keiuem  hohen  Standpunkt  der  philo- 
lof^ie  an  den  ufern  der  Moskwa;  er  läszt  vieles  vermissen  was  man 
wÜDtichcn  möchte ,  und  gibt  dafür  anderes  das  sich  entbehren  läszt» 
die  hs.  ist  der  einzige  lateinische  pergamentcodex  der  Moskauer 
Universitätsbibliothek,  ^nuper'  gekauft,  grosz  quart,  aurata  fronte 
und  enthält  Ciceronis  epistolas  ad  familiäres  auf  292  Seiten  zu  je 
32  Zeilen.    Völkel  setzt  den  codex  aus  paläographischen  gründen  in 


FBühl:  Tenaisclite  bemerknDgen.  761 


das  ende  des  Idn  oder  den  anfang  des  14n  jh*  nnd  nimt  an,  er 
von  einem  unwissenden  Italiftner  geschrieben«  dasz  er  ans  lialiea 
stammt,  ist  allerdings  nach  einer  ansabl  von  sehreibübnngen  n&d 
namensinsobriften,  die  er  enthftlt,  unsweifelhaft;  sein  alter  wird  aber 
gewis  zu  hoah  gesohfttst.  ein  facsimile  ist  nicht  beigegeben,  aber  die 
bescbreibung  iSszt  einen  der  gewöhnlichen  renaissancecodices  ahnen : 
'Charta  pergamena,  tenuis,  mollis,  alba,  quum  multis  loois  perforata 
et  reyulsa  esset  >  frustis  mirum  in  modum  agglutinatis  resarta  et 
artificiose  restituta  est.  quum  vocabula  et  versus,  qui  in  Ulis  frustis 
leguntur,  prima  manu  inseripti  esse  videantur:  librarius,  nisi  fallor, 
eam  qua  usus  est  materiam . .  ipse  ad  oodioem  exsoribendum  operose 
resarsit .  .  principia  unius  cuinsque  libri  epistolarum  expressa  sunt 
litera  grandi,  penicillo  bellissime  picta,  ouius  et  maximi  ductus  aurati 
et  omamenta  rubro,  albo,  caemleo,  viridi  aliisque  distincta  coloribus 
nitent.  omnia  haec  librorum  prineipia  .  •  adhue  integros,  vivos 
hilaresque  ostendunt  colores  et  sex  versuum  altitudinem  explent. 
at  prima  quaeque  singularnm  epistolarum  litera  semper  est  maius- 
oula,  rubra  binosque  versioulos  alta.'  zwischen  d^i  seilen  und  am 
rand  sind  von  anderer  band  zahlreiche  correcturen  und.andere  les- 
arten  beigescbrieben ,  nach  den  mitgeteilten  proben  so  wertlos  für 
die  textkriük  wie  nur  je  solche  scholien  des  15n  jh.  gewesen  sind, 
das  achte  buch  fehlt,  und  das  erweckt  kein  gutes  verurteil  für  den 
tezt.  diesen  selbst  zu  beurteilen  ist  nicht  leicht,  da  VOlkel,  abge- 
sehen von  gelegentlichen  bemerkungen ,  blosz  aus  dem  ersten  buche 
Varianten  mitteilt  und  zwar  ^gravissimas  modo  priorum  librorum 
[soll  wohl  ^primi  libri'  heiszen]  quas  vocant  varias  lectiones  in  libro 
nostro  inventas  tanquam  exempli  caussa.'  irgend  welche  genauere 
Untersuchungen  lassen  sich  also  mit  dem  vorgelegten  material  nicht 
führen,  das  aber  Ittszt  sich  ktthnlich  behaupten,  dasz  keine  einzige 
der  angefahrten  lesarten  dem  codex  ansprach  auf  beachtung  ver- 
leiht, sich  dagegen  eine  unmasse  von  interpolationen  und  aus  dem 
Mediceus  zu  erklärenden  flüchtigkeitsfehlern  findet,  dasz  namentlich 
die  Wortstellung  von  den^  bekannten  echten  quellen  der  Überliefe- 
rung in  zahlreichen  fällen  unmotiviert  abweicht,  dasz  sich  auch  eine 
anzahl  von  wirklichen  Verbesserungen  der  Überlieferung  findet,  wie 
I  9,  15  gut  cum  Tüus  quidam  tribiinus  plebis  poenas  a  sedüioso  ewe 
usw.,  versteht  sich  von  selbst,  für  die  interpolationen  mag  das  eine 
beispiel  I  9,  23  scripai  etiam  carmina  quaedam  genügen,  dasz  die 
grundlage  des  textes  der  Mediceus  bildet,  mögen  zwei  stellen  be- 
weisen: XY  2,  5  hat  der  Mosquensis  dieselbe  lücke  wie  dieser,  und 
I  9,  20  schreibt  er  gar  mit  der  zweiten  band  des  Mediceus:  quas  spe 
nutu  significatumeque  appeUo,  aber  er  stammt  nicht  aus  dem  Medi- 
ceus allein:  es  ist  eine  contaminierte  hs.,  mit  der  wir  es  zu  thun 
haben,  darauf  führt  6inmal  die  abteilung  der  briefe..  der  Mosquensis 
teilt  nemlich  den  brief  I  9  in  drei,  indem  er  nach  §  3  eine  neue  Über- 
schrift gibt  {Marcus  T.  Oic,  Fullio  Lentülo  Procos.  sät.  dkä)  und 
ebenso  nach  §  22  (dieser  §  schlieszt  laetere  vaUj  und  dann  folgt 


752  FHühl:  vermisclitc  oenierkungen. 

Marcus  T,  Ci.  Pub.  Lentulo  Procos.  sah  die.  Quod  rogas  usw.).    da- 
mit stimmt  der  Parisinus  übercin,  welcher  zwar  keine  neuen  Über- 
schriften gibt,  aber  durch  einen  absatz  und  ein  groszes  buntes  initial, 
wie  auch  sonst,  den  anfang  eines  neuen  briefes  bezeichnet,  dasselbe 
thut  der  Turonensis  wenigstens  an  der  ersten  stelle,   im  Harleianus 
endlich  fehlt  I  9,  20  non  solum  praesenti  credo  iracundia  bis  II 
1,  2  dignüate  es  conseciäuSy  aber  zwischen  I  9,  3  und  I  9,  4  hat  er 
die  Überschrift  MARC  CIC  .SALVf  DIC  LENT  PCONSVLI.     ebenso 
teilt  der  Mosq.  den  brief  I  5  in  zwei ,  aber  nicht  wie  die  hgg.  seit 
Lallemand  bei  hie  quae  agantur^  sondern  erst  bei  posteaguam  Pom- 
peius,   das  könnte  auf  Vermutung  irgend  eines  gelehrten  beraben, 
aber  es  finden  sich  im  Mosq.  auch  unsinnige  lesarten,  die  vom  Me- 
diceus  abweichen,  dagegen  mit  den  nordeuropäischen  Codices  wenig- 
stens teilweise  übereinstimmen,    so  schreibt  der  Med.  I  8,  6  id  gue- 
cumgue  sentiam  seduliUäe  mihi  me  ipsum  satisfacere  non  possim^ 
Turonensis,  Parisinus  und  Harleianus  idque  cumgue  sentiam  sed  u/i- 
lüatem  mihi  me  ipsum  satis  facere  non  possim^  und  endlich  der  Mosq. 
id  quodcunque  sentiam^  sed  fdüitate  mihi  ipsi  satis  facere  non  poS' 
sum,  es  fttl^rt  uns  demnach  der  Mosq.,  wertlos  wie  er  allem  anschein 
nach  selbst  ist,  auf  ein  problem  in  der  geschichte  des  textes,  von 
der  wir  freilich  bis  jetzt  so  gut  wie  nichts  wissen  und  der  nachzu- 
gehen erst  möglich  und  angezeigt  wurde,  nachdem  der  bann,  den 
Orelli  auf  die  kritik  gelegt  hatte ,  gebrochen  war. 

35.  Wilhelm  Meyer  macht  im  Hermes  XV  s.  614  darauf  aufmerk« 
sam,  dasz  Cassiodor  vor.  VI  5  bei  Cicero  de  oratore  I  8,  30  gelesen 
habe  tenere  hominum  mentes,  adticere  voluntateSj  impeUere  quo  vdU, 
tmde  autem  vdit  deducere.  ebenso  läsen  beide  Erlanger  hss.,  und 
diese  lesung  sei  die  richtige ;  die  lesart  unserer  texte  tenere  hominum 
eoäus^  mentes  adlicerey  völuntates  impeUere  usw.  sei  zu  verwerfen. 
das  ist  ohne  zweifei  richtig,  und  ich  kann  zur  bestätigung  anführen, 
dasz  auch  der  codex  Harleianus  2736  saec.  X  coetus  ausläszt.  es  ist 
also  nur  noch  fraglich,  ob  die  interpolation  sich  schon  im  Laudensis 
vorfand  oder  von  einem  Italiäner  der  r6n|iissance  herrührt. 

36.  In  Frontin  US  strategemata  I  1,  10  heiszt  es:  Themistodes 
exhortans  suos  ad  suscitandos  fesiinanter  muros^  qtios  iussu  Lacedae- 
moniorum  deieceranty  legatis Lacedaemone missis,  qui interpeüarent^ 
respondU  venturum  se  ad  diluendam  hanc  existimationem,  dasz  das 
historischer  unsinn  sei,  wird  ja  wohl  allgemein  zugegeben  werden; 
beseitigt  wird  er,  wenn  man  deicerent  statt  deiecerant  schreibt, 
ebd.  I  3,  9  liest  Oudendorp^  angeblich  auf  die  autorität  seiner  hss. 
hin ,  Athenienses  ' .  classemj  qua  Pdoponnesum  infestarent,  miserunt. 
sehr  schön  ist  dieser  ausdruck,  wonach  die  Athener  das  subject  zu 
infestarent  wie  zu  miserunt  sein  würden,  gewis  nicht,  und  mit  der 
Überlieferung  ist  hier  auch  nicht  zu  prunken :  der  Harleianus  bietet 
quae  .  .  infestarent.  die  alte  vulgala  quae  .  .  infestarä  wird  daher 
wohl  das  richtige  treffen. 

KöNiasBBRO.  Franz  Bühl. 


KOhlert:  zu  Athenaios.  763 

109. 

ZU  ATHENAIOS. 


HL  123^^  ÖTi  bk  Kttl  x\6vCkC  fiTivov  iv  MavöpaTOpiZojLi^vij  i(pr\ 
''AXeHic.  bier  ist  xuSva  zu  schreiben,  in  den  versen  des  Alexis  selbst, 
die  hier  gemeint  sind,  lesen  wir  124^  kqI  x^öva  ixty  iriveiv  napa- 
€Keud2[o]Liev.  ebenso  in  den  darauf  folgenden  versen  des  Dexikrates 
124'^  ei  bk  ]Lie6uuj  ica)  xi<iva  nivui  Kai  iiiupov  |  ^itictq^'  ön  Kpd- 
Ticrov  ATtütttoc  noici.  den  genitir  x*övoc  gebraucht  Myrtilos,  einer 
ans  der  tafeirunde,  12ö*  ijwV  SiV  qpiXoTdpixoc,  (b  ^rmpoi,  xiövoc 
ineTv  ßouXo|Liat,  korrä  Ci]LiUJvibT]v.  kurz,  überall  wo  wir  lesen  dasz 
man  den  schnee  zur  ktthlung  gebraachte,'  finden  wir  den  singularis 
von  x»u)V,  zb.  Ath.  UI  124^««.  ÖTO^.  124**.  126«.  Plut  symp.  3. 
quaest.  6.  Xen.  apomn.  2,  1,  30.  vgl  A'sklepiades  anth.  Pal.  5,  169 
i\b\)  öepouc  bi^i&VTi  %\wv  Twytdv. 

XII  629*  ol  fi^  TioXXoi,  d/v  den  kqI  Aoöpic,  kiopoOciv  (mö 
TOUTOu  dTovaKTf^cavTOC  el  toioOtoc  auTiIiv  ßaciXeuei  cutkcytti- 
O^Ta  diToOaVeiv.  Meixieke  hat  hier  ßaciXeOcei  geschrieben,  aber 
diese  Änderung  würde  einen  argen  fehler  in  die  Überlieferung  hinein- 
tragen. Arbakeis,  einer  der  feldberm  des  Sardanapallos,  weisz  sich 
eingang  in  den  palast  de»  königs  zu  Verschaffen ,  und  als  er  hier 
den  kömg  inmitten  seines  weibischen  prunkee  sieht ,  tötet  er  ihn  in 
seinem  zome  darüber,  dasz  ein  solcher  könig  über  sie  hersche.  nach 
den  Verben  des  affects ,  besonders  auch  dach  dravaKTcTv ,  steht  zu- 
weilen ei  statt  ÖTi  mit  einem  feinett  unterschiede  des  gedankens: 
€i  wird  nemlich  gesetzt,  wenn  der  gegenständ^  der  den  affect  hervor- 
ruft ^  nicht  als  wirklich  bestehend,  sondern  ads  blosz  möglich  oder 
als  noch  in  frage  stehend  dargestellt  werdeki  soll  (Kühner  gr.  gramm. 
II  s.  887,  8):  vgl.  Piaton  Laches  194*  dTttVötKfirdi,  el  oötujcI  S  voui 
lii\  olöc  t'  elfii  eiTieiv.  Phaidon  95*  deaujuiaZcv,  et  xi  ?£ei  Tic  XPH- 
cacOai  Tip  XÖTU)  airroO.  Demosth.  21,  105  ovbk  ^cxOvGri,  €l  .  . 
^äT€t.  ßaciXeuei  steht  also  an  der  oben  angeführten  stelle  nicht 
etwa  für  ßaciXeucei,  sondern  einer  häufig  in  lebendiger  erzählung 
vorkommenden  erscheinung  gemSsz  für  dßctCiXeueV.  \ 

ni  82  ^  öcöcppacroc  ^v  beuti^p«}i  itepi  0uTütrv  IcTopiac  X^t^v 
Ttepl  iLv  6  KapiTÖc  ou  cpavepöc  Tpdq>€i  koI  Tdbe*  «^itei  t&v  T€ 
jLi€i2:övtüV  (povepd  ttqvtujv  f]  dpxVj,  KaOdirep  djLivrödXric  Kapuou 
ßaXdvou  Tuüv  dXXuiV  öca  TOiaöTa  .  . ».  hier  ist  diri  statt  ^nel  zu 
schreiben,  bei  den  verben  und- ausdrücken,  die  ein  zeigen,  wahr- 
nehmen, beurteilen  bezeichnen,  wird  der  gegenständ,  worauf  sich 
die  Wahrnehmung  oder  das  urteil  stützt  oder  an  dem  etwas  offenbar 
wird ,  regelmäszig  durch  im  m.  gen.  gegeben,  vgl.  Theophrast  de 
caus.  pl.  5,  5,  3  cxeböv  be  Kai  trapö^ioiov  toiitiü  kqI  inX  täv  |Liei- 
Zövujv  TiveTai  xai  jLidXicTa  im  tijüv  dTpiu)V  t^  (pucei.  ebd.  5,  4,  1. 
6,  17,  3.  de  ventis  49.  de  sensu  et  sensibil.  69.  so  ist  auch  bei 
Ath.  XI  488  <*  richtig  überliefert :  TÖ  bk  in\  Tuiv  buoiv  TTue^i^VOlV 
ZnTOUjLievov.    Meineke  hat  hier  mit  unrecht  irepl  statt  im  gesohrie- 

Jahrbücher  für  olass.  philol.  1883  hfl.  10  a.  11.  49 


754  EOhlerti  zu  Athenaios. 

ben ,  die  Überlieferung  bietet  das  richtige :  vgl.  Piatons  staat  597  ^ 
ßoiiXei  ouv  in*  aÖTojv  toutujv  töv  m^iiTfiv  toOtov  IryniCijj^eVj  Tic 
TTOT*  dcTiv;  Plut.  Titus  2  briXoOTai  im  t&v  irpoEcuiv.  so  findet  sich 
CKOTreTv  mit  im  verbunden  Isokr.  9,  34  nnd  16, 15.  Demosth.  19, 92. 
18,  233  und  210.  18,  294.  T^TVwcKeiv  mit  ini  bei  Lsokr.  8,  99 : 
8.  OScbneider  zu  Isokn  1,  50.  Behdantz  zu  Demosth.  ind.^  u.  dirf. 
Kühner  gr.  gramm.  11  431. 

in  109*  diTCicdTOuci  öiajpißfiv  töv  öidxpiiCTOV  dcxapitnv 
KaXou^evov,  8c  outuj  K^Kparai  toic  iieiXiTMOtci  xal  t^  fiaXaKÖniTi» 
Kai  ToiauTTiv  dvGpuTTTÖjievGC  ?x€i  iTpdc  TÖV  tXukuv  cuvauXiav» 
ÄcTC  öpoC  7rpocßiaZ;6M€VOC  Oaufiacröv  ti  cuvtcXcT*  KaOdirep  Top 
dvavriqKiv  iroXXdKic  T^veTai  töv  ^leOüovTa,  töv  aÖTÖv  Tpöirov 
UTTÖ  TTic  f|öovfic  dvaiteivfiv  t^vcTai  töv  dc6(ovTa.  in  diesen  worten, 
die  Lynkeus  aus  Samos  in  einem  briefe  an  Diagoras  schreibt ,  sind 
besonders  die  worte  i&CT€  ö|LioO  Trpocßia2Iö|ievoc  Oau^acTÖv  n  cuv- 
TcXei  verschiedenartig  erklärt  und  verbessert  worden.  djCT€  hat  die 
epitome  und  ö^oO  cod.  A  überliefert.  Schweighftuser  wollte,  um 
die  überlieferten  worte  verständlich  zu  machen,  eine  änderung  vor- 
nehmen, er  sagt  in  den  animadv.  zdst.:  'sed  fortasse  in  eandem 
quam  dixi  sententiam  rectius  hoc  loco  legetur  1Tpocßla2[o^^vOlC  (sc. 
auToTc)  Gau^acTÖv  ti  cuvtcXci,  bis,  si  vim  faciunt  sibi  (si,  quamvis 
fere  non  amplius  possint,  tarnen  se  ipsos  ad  hunc  etiamnum  panem 
comedendum  passo  intinctum  cogunt)  admirabile  aliquid  efficit.' 
Eorais  wollte  so  lesen:  npöc  TÖv  tXukuv  cuvauXiav,  öc^f|V  irpoc- 
ßaXXöjLievoc,  Obc  Oau^acrdv  ti  cuvtcXcTv.  ich  glaube,  7rpocßlo^6^€voc 
ist  richtig  überliefert,  doch  6)io0  aus  ö^ujc  verderbt,  die  Stellung 
von  öfiUJC  vor  dem  part.  ist  auch  in  der  prosa  vielfach  bezeugt ,  zb. 
Xen.  Kjrup.  5,  1,  26  oötuüc  Ixo|li€V,  ibc  cuv  col  6|liu)C  kqI  ^v  tQ 
iToX€^i()i  dvT€c  6appoG|bi€V  (Kühner  gr.  gr.  II  644  f.).  6pu)c  konnte 
der  epitomator  fortlassen ,  ohne  den  sinn  der  worte  wesentlich  zu 
stören,  nicht  aber  ö^oO,  dh.  an  dieser  stelle  cOv  oder  djna  Tip  tXuk6T 
'zugleich  mit  dem  rosinenwein'.  der  epitomator  hat  die  worte  des 
Lynkeus  in  folgender  weise  wiedergegeben:  AufKCUC  b'  6  Cd^iöc 
cpHCi  TTCpl  Toö  *A9iiviiciv  f\  iy  Pöbip  dcxopiTou,  6ti  oötu)  K^Kparat 
TOic  jüi€iXiY]Liaa  koV  t^  ^aXaKÖTriTi  Kai  TOiaÜTTiv  evöpuTTTÖMevoc 
TTpöc  TÖV  tXuköv  lx€i  cuvttuXiav  .  .  i&CTC  irpocßiaZöjLievoc  boiTU- 
fiöciv  oubfev  XciTrojuidvoic,  dneipriKÖci  bfe  KalTrcTrXiipuJM^voic,  f|bi- 
CTriv  ^Tr€icdT€i  biaTpißnv.  wenn  wir  von  oub^v  Xcmop^voic  absehen, 
müssen  wir  sagen  dasz  der  epitomator  die  worte  des  Lynkeus  rich- 
tig aufgefaszt  und  in  kürze  wiedergegeben  hat.  7Tpocßio£6|i€VOC 
fasse  ich  in  der  bedeutung  'aufgezwungen',  so  wie  der  epitomator 
das  wort  verstanden  hat.  die  Übersetzung  der  worte  des  Lynkeus 
würde  ungefähr  so  lauten :  'wenn  die  gaste  beim  essen  verzagen  und 
gesättigt  sind ,  bringen  sie  die  schönste  erquickung  herbei,  nemlich 
den  köstlichen  sogenannten  escharites.  dieser  zeigt  eine  solche 
mischung  von  süszigkeit  und  milde  und  hat  eingebrockt  eine  solche 
Übereinstimmung  im  geschmack  mit  dem  wein ,  der  aus  gedörrten 


EOhlert:  zu  Athenaios.  *    755 

trauben  bereitet  wird,  dasz  derselbe,  selbst  wenn  er  (den  gasten) 
aufgezwungen  wird ,  dennoch  eine  wunderbare  Wirkung  hervorruft, 
denn  so  wie  es  sich  oft  ereignet  dasz  der  trunkene  wieder  nüchtern 
wird,  ebenso  geschieht  es  dasz  derjenige,  der  davon  (von  diesem 
brote)  iszt,  in  folge  des  Wohlgeschmackes  wieder  hunger  empfindet.' 
der  vergleich  ist  in  seiner  kürze  kühn  genug,  vollständig  würde  der- 
selbe ungeföhr  so  lauten :  Vie  es  ofb  geschieht  dasz  ein  trunkener, 
wenn  er  von  einem  köstlichen  weine  trinkt ,  wieder  nüchtern  wird 
und  von  neuem  durst  bekommt,  ebenso  geschieht  es  dasz  derjenige, 
der  vom  eschaiites  iszt,  selbst  wenn  er  gesättigt  war,  wieder  hunger 
empfindet.'  diese  kürze  des  ausdrucks  ist  es  die  Meineke  veranlaszte 
zu  sagen :  ^sequentia  KaGdtrep  To^p  dvavrjcpeiv  TroXXdKic  T^vcTai  töv 
jueGuGVia,  töv  auTÖv  Tpöirov  uttö  tt^c  f|bovfic  dvaireivf^v  Tweiai 
TÖV  £c9iovTa  non  videntur  omnis  erroris  inmiunia  esse.'  trotzdem 
haben  wir  keine  berechtigung  die  überlieferten  worte  zu  ändern. 
I  25  <^  TTiKpdv  CTpaTciav  ö '  elbov,  oKTivec  nöXiv  |  jiiav  Xaßöv- 

T€C  eupU7rpUJKTÖT€pOl  TTcXu  |  TT^C  TTÖXeOC  dLTieX^9r]QaV  fic  elXoV  TÖT6. 

Meineke  com.  fr.  III  262  will  statt  elbov  lesen  eTxov  und  hält  auch 
in  seinen  anmerkungen  zu  Ath.  an  dieser  lesart  fest,  um  die  Verbin- 
dung eTbov  CTpareiav  leichter  verständlich  zu  machen,  könnte  man 
CTpaTcia  im  sinne  von  ^kriegsdienst'  auffassen;  in  dieser  bedeutung 
ist  CTpaT€ia  bezeugt  zb.  bei  Plutarch  probl.  Rom.  274  *  6  CTpaTeiac 
ä(p€i^^voc,  bei  Demosthenes  s.  568,  9  dTTÖbpacic  CTpaTeiac,  bei 
Polybios  6,  19,  1  f.  tt^vtc  ^viauciouc  ixeiv  f{br\  CTpaTeiac,  ebd.  4 
täv  fxf|  b^Ka  CTpaTeiac  ^viauciouc  fj  TeTeXeKU)C.  wie  man  aber 
CTpaTeiav  auch  immer  übersetzen  mag,  eTbov  ist  sicherlich  richtig, 
in  den  werten  TTiKpdv  CTpaTeiav  elbov  ist  TiiKpdv  proleptisch  auf- 
zufassen :  ^sie  sahen  eine  heerfahrt ,  die  für  sie  bitter  war*  oder  'sie 
empfanden  dasz  ihre  heerfahrt  eine  herbe  war',  ich  möchte  hiermit 
Aiscbylos  Sieben  881  vergleichen:  iu)  luj  b(Jü|LidTU)V  dpeii|iiTOiXOt  Kai 
TTiKpdc  jiovapxiac  IbövTec,  Ti  bi\  birjXXaxOe  cüv  cibdpip;  und  Aristo- 
phanes  Vö.  1468  TTiKpdv  Tdx'  öipei  CTpei|ioöiK07ravoupTiav :  so  ruft 
Peithetairos  dem  sykpphanten  zu :  'bald  sollst  du  erfahren  dasz  die 
rechtsverdreherkünste  für  dich  bittere  folgen  haben.'  Thesm.  85ii 
TTiKpdv  *ex^viiv  öi|iei  Tdx',  ei  |Lif|  KOC|Liiu)c  ?Heic. 

Auch  Ath.  III  124*»  ist  richtig  überliefert  TipoiTOC  jifev  elöev 
ei  x^^v  dcT'  ibvia.  Meineke :  «ex  P  rescripsi  oTbev.»  elöev  heiszt 
hier  so  viel  wie  *er  erfuhr,  er  bekam  zu  erfahren',  vgl.  Ath.  X  420*^ 
ifOj  be  KaGuXicai  irpoc^TaHa  dvGpuiTTijj  iiiri^^v  ^opaKÖTi  dtaGöv. 
in  der  bedeutung  Vissen,  erkennen'  finden  wir  elbov  zb.  bei 
Demosth.  4,  5  dXX'  etbev ,  (b  dvbpec  'AGnvaToi,  toOto  KaXuic  ^Kei- 
voc,  wo  Cobet  und  Spengel  ohne  grund  ^beiv  fordern.  Ath.  IX  378  * 
6  |Li4v  oöv  KaTe'xuJv  Td  ToiauTa  Tf|v  ujpav  ibwv  |  toütujv,  ^Kdcroic 
übe  TTpocrJKei  XPnceTai.  Demosth.  23,  156.  24,  184.  Behdantz  ver- 
weist Dem.  ind.'  u.  6pdv  auf  PBMüller  zu  Ljsias  (progr.  Merseburg 
1862)  s.  12.  cuvibeTv  findet  sich  oftmals  in  der  bedeutung  ^ein- 
sehen, durchschauen,  verstehen',  zb.  Ath.  VI  257  <=  cuvibiuv  TÖV  dv- 

49* 


756  EOhlert:  zu  Atbenäiotf. 

OpujTtov  biaßdXXovrd  tiva  tOuv  Xatiti&v  9(X(dv.  Meittcfk«  hat  InrUUa- 
lieh  Cuv€ibiüc  geschrieben :  tgl.  Ath.  IV  143  ^  cuvf^tv  itpisffiaTa.  JK 
406  *  cuvib€iv  töttov,  fSpav,  xdv  KaXoOvtft,  töv  ttdtXiy  |  bctTrYoOvTtt« 
iröt€  bei  Kai  t(v'  ixOäv  dtöpdcai.  Detflosth.  1,  28  trdvra  M|  t«Ot« 
bei  cuvibövtttt  fittavtac  ßor|Ö€lv.  Pöiybios  1, 4,  6^  d,  f^  9.  6, 4, 12. 
3,  66,  3.  1,  23,  a.  1,  25^  2.  12,  4, 4.  Tbeophraet  dcf  meh&tk  et  BtKBiWl« 
86  toOro  hi  o^^Ti  cuV€t^DV.  in  fthnlicher  b^deatttug  findet  b3A 
tcanbeiv ,  zK  Ath.  m  104  *>  elKÖtuic  ftv  £fraiWc€i€  tdv  käXäv  Xpt*- 
CiirtföV,  Katlbövtct  dKpiß(2fc  Tf|v  *67r!ieo^pou  qydciv.  Memek«:  'pro 
ttottbdvtoc  scribendum  yidetur  KOtCiÖöta.'  die  abevliefernng  igt 
nichtig:  Vgl.  Platotts  Staat  2,  372«'  t&X*  ßv  Kcrrt5m|Li€V  ttiv  te  &lMai»*- 
cuvtiv  Kai  dÖiKiav.  4,  432«  fipa  oöv  ic«t  ltpo8ü|ioaK«Ti5dv,  iAv 
ituk:  tfpörepöc  ^moö  tbijc  Kai  d|Liül  <ppdcijc- 

Ath.  III 83 «  Td  bt  tiöv  ^CTfcpibwv  X€Yc>p€va  HflXa  äti  tc  toöc 
Aiöc  Kai  ''Hpac  XcYom^yooc  xdMOuc  dvftK€V  f|  tf^  'AcK^n^i^HfC 
^YpTfc^V.  i^h  glaube  nicht  dasss  AtheWAies  oder  gar  Asklepiades, 
den  Ath.  hief  eitiett,  Von  einer  sogetvannten  Mochteit  d<»  Z^os  tMi 
der  Hera  gesprochen  haben  wird.  Ton  alter  zeit  her  haben  diebtir 
vitid  logographen  diese  hochzeitfeiei*  besangen.  Weil  de  ein  qndll  de« 
Segens  wurde  4n  den  seligen  gegenden  des  OkcfanofSf  WO  sotobroiiA 
flitfdzt  und  Wo  die  erde  den  bäum  des  lebens  mit  de»  gdtom 
hcisperidenltpfeln  zur  faöchzeit  der  Herd  hat  wachsen  lüsstfn'  (PNlkr 
gr.  myth.  I'  127.  Vgl.  ä.  31).  die  hocbzeitfeier  selbst  war  fOr  4m 
Alterinm  eine  thatsaehe.  wenn  die"  Oriecheu  ibber,  besonders  in  Pku 
taia^  auf  Euboia,  in  Athen,  auf  KtiUt  und  auf  Samos,  im  (Hlhlflijg 
ein  fest  feierten ,  bei  dem  man  die  Hers  im  brftntliohffn  scbdraoti 
timherfühtte  und  \ht  öin  brautbett  stüs  sarten  weidenzweigen  flocbti 
dann  konnte  mün  sagen ,  sie  feierten  'die  sogenannte  bochteit'  iiH 
Kens  und  der  Hera,  in  diesem  sinne  lesen  wir  bei  HesycMoe:  IcpdC 
YdjiOC-  ^oprrfl  Aide  Kai  "Hpac,  und  im  Etym.  M.  s.  468,  60:  kpAir 
Ydjaov  'AerjvaToi  ioprfiv  Ziiöc  dYOVCi  Kai  'Hpac  oör«)  KoXo^yvtiC 
ich  glaube,  in  den  oben  atigefClhrten  worten  ans  Atbenaios  ist  Xcyo« 
fi^vouc  aus  YCVOM^vouc  verderbt;  YCVOm^vguc  steht  für  YiYVOfi^VOVC 
im  isinne  der  bandidng  (dh.  der  hocbzeitfeier),  die  fQr  den  erifthler 
der  vergaugenheit  angehört,  'wo  das  part.  des  aor.  neben  enettl 
ind  im  aor.  eine  diesem  gleichzeitige  oder  znkünftige  handlong  zu 
bezeichnen  scheint,  ist  ihre  zeit  vielmehr  bemessen  nach  der  gogen- 
wart  des  redenden ,  dem  sie  als  vergangene  erscheint'  (OSchneid«t 
zu  Isokr.  4,  98).  Yh^^cOai  in  Verbindung  mit  Yd)yK)t  finden  wyt  itt 
Xbnlicbem  sinne  bei  Diodor  6,  72,  4  X^YOUCi  hk  Kai  TOiK  jitiOWC 
toO  T€  Aide  Kttl  Tf|c  *'Hpac  ^v  Tfl  Kvwciujv  xv*W  YcWcdai  mrcA 
Tiva  TÖTTOV  TiXriciov  toö  GfipTivoc  rroTaiüioö,  koO'  8v  vöv  Updt 
^CTiv,  iv  dl  Guciac  Kat*  iviaxrröv  dYiovc  önd  Ti&v  iYX^wp^v  cuv- 
leXeiceai  Kai  touc  yomouc  dTTOfiiiLicTcOai,  xaOdncp  Ö  dpxvK  Y€V<c9ai 
napeböGiicav.  Meineke  war  in  betreff  der  von  Ath.  83*  überlieferten 
steile  zu  einem  andern  rebultat  gekommen«  er  sagt:  ^post  "HpOC 
supplevi  quod  omitti  non  potuit  Upoöc' 


HM*  Tfiiiy  aSv  Xiirapäiv  dcpofpciToi  jö  Aiic^c  J|  vupiUJac*  fiof 
fäp  tioOso  o^ipiCTOV.  Jli^eke  hat  bixiter  tqOtq  den  artikißl  tö  ein- 
gasobfdtot,  er  sagt:  *Ubri  rd  oioittant,  #dieoit  Pobraßus.'  w«br^ 
Bobeinlicli  woUten  hmä»  gelehrta  toOto  a}p  prfldicat  gafg^faszt 
wissQi,  wi9  wir  «b.  bei  Piaton  Menex*  248^  las^n:  dTi)i  dvbp\  €ic 
lourdv  övifiPTiiTai  irdvia  rd  irpoc  ^ObaiMoviay  9^pov'Da^  ToOrip 
^€T«  irap€CKß^T«i  ZJ|v,^TÖc  4cTiv  6  CitKppujv  Kol  oOtm  6  dVT 
itpefoc  «Ol  <qppövi)ioc,  ee  scheint  ab^r  k^in  zwingender  gmnd  dazq 
Tonraliegfln,  in  4en  worten  dee  Aäi.  toOto  ute  ^dlcat  aofzufassNin, 
sondern  toCto  ist  subject,  vgl.  Kühner  gr*  gr.  II  s.  ^13  (g  461,  i 
anm.  S  mitte),  ieb  stdtzß  meine  j^woht  dwrcb  folgende  beispiele: 
!rheophn0t  hiat.  |d.  9,  20,  4  ipuerai  b^  k<A  ^dXtcia  ^y  Tok  opeci ' 
Ka\  auTii  ßeXTicTii.  3,  8,  4  tö  bi  £uXov  kxvpdv  m^v,  dcOev^cTcpov 
ft^  Tfjc  (priToO  •  TOÖTo  Tcip  kxvpÖTaTOV  Ka\  dtcair^cxaTov.  Ath.  Hl 
113''  TÖv  b^  ToiojDrov  äprov  o\  Cupoi  XaxMdv  iTpocaTOp€ÜouK4, 

Kcd  IcTiv  oGtoc  £v  Cup{<)l  XPYlCTi^WXOC  T^V^MCVOC 

II  65"^  t)  ofiv  äfopäu^',  ^ppdZe  tdp.  Meineke  bat  dTopdcu) 
geschrieben,  ich  halte  die  überlieferte  form  fttr  richtig,  wie  der 
Grieche  häufig  in  zweifelnden  fra^n  statt  des  coigunotiys  den  ind. 
fut.  setzte  (Kühner  gr.  gr.  §  394,  5  anm.  5  und  §  387,  4),  so  setzte 
«r  zuweilen  fineh  den  indicativ  eines  andern  tempus,  zb*  Piaton  l^org» 
480^  f|  tidbc  X^TO^v,  dii€p  rd  irpörepov  ^^vei  f^iv  öjLioXoT4M<XTa; 
symp.  214^tr«Iic  ouv  noioO^ev;  211^  tI  b^ra,  ^(pKi,  oi^M^o,  €{ 
Tif)  T^voiTO  otxn6  tö  xaXöv  ibeiv;  Ath.  Tin  3$0^  KaroXiirniV  tö 
O^oTpov  ^gf)XO€v  eirroiv,  6itou  tö  dbdiravov  oö  noxÖTe,  iriiK:  ^rdj 
(IXiriZlu)  irap'  täjiüjv  ^payov  XiiMiecOai;  der  conj.  praes.  findet  sieb  in 
folgenden  beispielen:  Ath.  XY  67T^  ri  Q0V  iroitu^ev;  .  .  $buijyt<Ey  ^c 
TÖV  becTTÖTiiv  dtKui^iov.  V  213  ^^  Ti  odv  cujLißouXeuui;  Piaton  Oprg. 
480  ^^  Ti  fdp  b^  qujüiLiev,  (b  CüÜKpaTCc;  Xen.  apomn.  2,  1,  1.  symp^ 
6,  3.  Aisch.  Sieben  1057.  Eum.  789.  £ur.  Ion  758.  Od.  o  509. 

XII  534^  .dq)ucö|Li€VOC  b'  'AGrjviiciv  Ü  'OXujiTiiac  büo  irivcucac 
deW8r|Kev.  Meineke:  'pro  'AOt'jviiciv  fortasse  ^Mi\VQle  scribendum, 
«usi  id  post  ii  'OXtijbtiriac  transponere  malis.'  die  ortsadverbia  wer* 
•den  zuweilen  in  prägnanter  bedeutung  gebraucht,  indem  das  verbum 
des  Satzes  'neben  dem  begriffe  der  bewegung  zugleich  auch  den  be- 
griff der  ruhe  inyolyiert  und  so  beide  begriffe  zuaammenfaszt  und 
mit  einander  versehmelet'  (KlUiner  gr.  gr.  n  473  anm.  4),  zb.  Thnk. 
3, 106  ibc  ^cGovTO  toik  ^v  "OXnaic  *A^Trpaittif)Tac  i^KOVTac.  2, 86 
Trap^irXeucav  eic  TTdvopMov  töv  *AxciiKÖv,  o6iT€p  aÖToic  6  Kord 
Tflv  CTpaTÖc  Tiüv  TTeXoTTOvvTicluJV  irpoceßeßoiid^Kei.  Ath.  XIII 
575 '  ouK  Iqpacav  eib^vat  önou  irenöpeuTai  (Meineke  wollte  öiroi 
schreiben).  XIII  585®  6aic  irpöc  TPdcwva  TTopeuo^^vri  dpacTiiv, 
£TT€i  TIC  aärfiv  i^puira  iroO  irop€i36Taty  cTttcv  (Meineke  hat  mit  un- 
recht statt  iToO  geschrieben  ttoi).  Xen.  anab.  6,  3,  23  kqI  touc  "CK- 
Xnvac  bk  ^qpacav  oTxecGai,  6ttou  bk  oi)K  cib^vai  und  Sehdantz  zdst. 

1 13  "^  oO  iLiövov  bk  ix9uciv  dXXd  icai  öcTpeiotc  ^xP^J^vto,  KaiTOt 
if\Q  TouTwv  dbuibnc  oii  iToXO  £xov»cr|c  TÖ  dKp^XtjLiov  Kai  f|bü,  dXXd 


758  EOhlert:  zu  Athenaios. 

xdv  Tijj  ßuOip  KttTOt  ßdOoc  K6i)idvu)v.  Meineke  bemerkt  dazu:  'in 
verbis  dXkä  KOtv  T(ji  ßu6i^  KttTa  ßddoc  K6i)i^vu)V  pro  dXX&  fortasse 
fi^a  scribendum  est.'  ich  halte  die  Überlieferung  für  richtig,  oö 
vor  TioXü  steht  hier  für  oö  fiövov  oö.  so  steht  oftmals  oö  .  .  &XXd 
Kai  in  nachdrücklicher  betonung  für  oö  jiiövov  oö  .  .  äWä  xai,  zb. 
Thuk.  1,  144,  4  oi  ToOv  Trai^pcc  fmOöv  ÖTTOCTavtec  Mtibouc  kolI 
OÖK  diTÖ  Tocujvbe  öpjLiu))i€voi  &\\ä  Kai  Td  ÖTidpxovTa  dKXiirövTCC 
.  .  TÖv  ßdpßapov  direubcavTO.  Demosth.  20,  10  örr^p  bk  b6ir\c 
oöb^va  TTU)7T0T€  Kivbuvov  dS^CTTicav,  dXXd  Ka\  Tdc  ibiac  oödac 
7rpocavaX(cKOVT€c  biei^Xouv. 

X  435^  NucaToc  ö  Tupavvrjcac  öcTcpov  CupaKodujv,  dicircp 
lii\  6avdT()i  cuveiXimii^voc  Kai  Trpoeibdjc  öti  jLif]vac  öXItouc  fifieXXe 
ßiüCicecGai,  facxpiCö^evoc  Kai  ^eOöuiV  bif^T^v.  Meineke:  ^aut  in 
post  ÖTi  excidit  aut  scribendum  dirißiidcecGai.'  die  angeftihrten 
Worte  des  Athenaios  würden  in  der  Übersetzung  etwa  so  lauten: 
'NysaioB ,  der  später  tjrann  von  Sjrakus  wurde ,  asz  und  trank  un- 
ausgesetzt, wie  jemand  der  festgenommen  ist  um  den  tod  zu  er- 
leiden, oder  wie  jemand  der  vorher  weisz  dasz  ef  nur  wenige  monate 
loben  soll.'  Kai  steht  hier  im  sinne  des  deutschen  'oder'  (s.  OSchnei- 
der  zu  Isokr.  9,  32).  statt  fiimeXXe  würden  wir  nach  unserem  Sprach- 
gebrauch jLi^XXci  erwarten  (s.  denselben  zu  Isokr.  4,  108).  )if)vac 
öXiTOuc  ßiObcecOai  heiszt  hier  'nur  wenige  monate  lei)en';  £ti,  das 
Meineke  vermiszt,  könnte  allerdings  dabei  stehen ,  so  wie  wir  es  bei 
Ath.  X  452  *»  finden :  q)av€pöv  oöv  tfiveTO  Träciv  ön  b^Ka  fm^poc 
in  KapT€pf|cai  buvavtai  ot  TioXiopKOÖjLievoi  bid  töv  Xijliöv.  not- 
wendig aber  ist  dieser  zusatz  von  Iti  nicht,  auch  an  dieser  zuletzt 
angeführten  stelle  heiszt  b^Ka  f|)i^pac  KapT€pf)cai  'nur  zehn  tage 
aushalten',  es  ist  bekannt  dasz  jiiövov  wie  söhtm  und  tantum  oft 
nicht  gesetzt  wird,  wo  wir  es  nach  unserer  ausdrucksweise  erwarten, 
ßiöuj  in  Verbindung  mit  dem  acc.  der  zeit  findet  sich  auch  sonst  im 
sinne  unseres  deutschen  'nur',  zb.  bei  Aristoteles  s.  552  ^  23  (bist, 
anim.  5,  19)  &^a  buofi^vou  dnoGv^CKei  ßiujcav  fm^pav  fiiav,  biö 
Kai  KaXeiTai  d9i^|ui€pov.  Ath.  Yin  352^  ttöGcv  b'  6ti  ö  jli^v  dppnv 
Ittttoc  Irji  irr\  tt^vtc  Kai  xpidKOvra,  f|  bk  Gi^Xeia  irXeiu)  täv  tecca- 
pdKOVTa ;  ebenso  steht  Ath.  X  437  ^  bbl  nXeicTOV  iriujv  Kai  viKi^- 
cac  ime.  jii^v  dKpdrou  x<^gi<:  T^ccapac  Kai  tö  rdXavrov  £Xa߀V, 
ißiuice  b^  f))i^pac  T^ccapac.  Meineke  wollte  auch  an  dieser  stelle 
£ßiu)C6  in  drrcßiujcc  geändert  wissen,  ich  halte  auch  hier  die  Über- 
lieferung für  richtig,  ßiöuj  heiszt  nicht  nur  'leben',  sondern  auch 
'leben  bleiben',  zb.  bei  Aristoteles  s.  585^  21  (bist.  anim.  7,  3)  TOÖ- 
TU)v  TÖ  jLifev  dteXcÖTTicc ,  Td  bk  dßiUJC€V. 

miOö» 

dXXd  Tiapelc  Xflpov  ttoXuv  dctüKÖv  d)voO 
TÖV  Tdc  X€ipac  ^xovTa  jiiaKpdc  dXXujc  t€  ßapeiac, 
Touc  bi  TTÖbac  fiiKpouc^  ßpabdujc  b*  inX  Taiav  öpou€i. 
WJBibbeck  'Archestrati  reliquiae'  (Berlin  1877)  n.  8  hat  dXXcuc  T6 
ßapeiac  in  xr\k&c  t€  ßapeiac  geändert:  'mihi  autem  saepe  cogitanti 


EOhlert:  zu  AthenaioB.  759 

videbatur  esse  scribendam  xvl^^^  '^^  ßapefac.  sunt  enim  toti  asta- 
corum  pedes  priores  X^^P^^i  <1^&  ^^^  primo  loco  hominis  braodua 
significari  constat;  horum  autem  partes,  qnae  sunt  hominis  dicpai 
X€ip6C,  astocornm  sunt  X^^<^(>'  ^^^  hslie  diese  änderung  nicht  für 
nötig,  auch  in  dem  fragment  des  Epicharmos  bei  Ath.  m  105^ 
werden  nur  iröbec  und  X^^P^c  vom  krebse  genannt:  Td  iröbi^  ^x^i 
)üiiKp&,  Toic  x^fpotc  bk  ^aKpdc•  unter  X^^P^^  ^üid  die  scheren  des 
krebses  zu  verstehen,  die  mitunter  lang  sind,  ohne  schwer  und 
wuchtig  zu  sein.  Archestratos  rät  seinem  freunde  nur  solche  krebse 
zu  kaufen,  deren  scheren  lang  und  auszerdem  wuchtig  sind.  äXXuic 
T€  in  Verbindung  zweier  attribute  in  der  bedeutung  'und  voUendSi 
und  überdies,  und  dazu'  ist  bezeugt,  zb.  Arist.  Thesm.  289  Ka\  Tf|V 
OuTOT^pa  xoipov  dvbpöc  ^0l  Tuxciv  itXodtoOvtoc  äXXujc  t*  i^Xi- 
Oiou  KdßeXT^pou.  Ath.  YI  257*  oi3  irpätMa  Tpuq)€pöv  bioupepöv- 
TUJC  fjv  ibciv  fiXXuJC  t'  fiTTiCTOV  (so  liest  Meineke  nach  Dindorfis 
Vorgang  für  fiXXujc  fe).  GKaibel  will  an  der  zuerst  angeführten 
•  stelle  in  den  werten  des  Archestratos  ebenfalls  fiXXuiC  T€  nicht  gelten 
lassen  und  schlägt  etwas  anderes  vor  wie  &(p&T\X)C  T€ ,  doch  ist  eine 
änderung  aus  dem  oben  angegebenen  gründe  ^icht  statthaft 

XTTT  667  ^  OlXnrTroc  bfe  6  Maiccbdiv  oök  dTn^T^TO  jiitv  de  toöc 
iToX^jLiouc  Tx^voiKac  &CTT6P  Aapeioc . .  Sc  mpl  tujv  6Xu)v  iroXefiiliv 
TpiaKOciac  äf^KOVTa  irepirJTCTO  TroXXaxdc.  Meineke  hat  iiniTCTO 
in  7TepirJT€T0  geändert;  er  sagt  ohne  einen  grund  für  die  änderung 
anzugeben  tcorrezi  oö  TtepirJTCTO».  die  Überlieferung  ist  durchaus 
wieder  herzustellen,  iuccfec^ai  heiszt  *mit  sich  führen',  vgl.  zb. 
Ath.  XIII  556  <^  Kttl  f)  KXuTQijLivyjcTpa  ik  nepiiraOfic  Tcvofidvr)  Tf|v 
Kacdvbpav  • .  dnoKT€(v€i,  f)v  eic  Ti\v  "EXXdba  ö  icpefuiv  diriiTdtcTO 
iv  £061  T^vöjLievoc  ßapßapiKuiv  Tdjii^v.  XTTT  592«  Kairoi  £0oc 
^XÖvTujv  TUJV  KpivojLi^viuv  Tdc  T^vaiKac  ^irdtccOau  bei  Poljbios 
1,  84,  8  und  5,  17,  3  lesen  wir  beide  male  iirdtccOat  nva  eic  iv- 
^bpav.  darum  halte  ich  auch  die  werte  für  richtig,  die  wir  bei  Ath. 
XIII  574 <*  lesen:  xai  ^T^pac  bk  buo  ^Totpac  £TniT€TO  del  ö  'AXki- 
ßidbr)C.  Meineke  hat  auch  hier  mikunrecht  irepirJTCTO  geschrieben.  — 
Wenn  es  in  den  zuerst  angeführten  werten  557  ^  von  Dareios  heiszt 
irepifiTCTO  TiaXXaKdc,  so  sollen  damit  die  kreuz*  und  querzüge  be- 
zeichnet werden,  in  denen  sich  Dareios  dem  Alexandres  zu  entziehen 
suchte.  irepidtccGai  heiszt  ebenso  wie  iirdtccOai  'mit  sich  führan', 
aber  bei  irepidTCcOai  ist  oft  noch  der  begriff  der  kreuz-  und  querzüge 
eingeschlossen,  während  ^TidirecOai  meist  da  gesagt  wird,  wo  ein  be- 
griff  mit  eic  oder  ^rri  steht  oder  sich  ergänzen  läszt.  als  beispiele 
für  den  gebrauch  von  irepidtecOai  führe  ich  aus  Ath.  an  XII  532* 
&c  Te  TrepirpreTo  CTpaTeuö|uievoc  aöXiirpibac  Kai  iiioXTpioc  xal  ireZdc 
^Tatpac.  XII  542  ^  btd  jii^v  tt^c  x^pac  TerpaicuKXouc  dirfjvac  irepi- 
aTÖjLievoc  Kai  tTtTTOuc  Kai  OepdTiovTac.  X  435  ^  XII  533*». 

n  64  ^  "^  ai  b^  ßoXßivai  KaXoüfievai  eöxuXdrepai  ^ev  eici  tAv 
ßoXßuüv,  DU  )if)v  o{rru)c  eöcTÖ^axol,  bid  tö  TXuKdZov  ^x^iv  iraxtS 
Ti  *  Kai  T£  iKavutic  elci  bid  Tf|v  7roXXf|V  CKXrjpÖTTira  Kai  eö^KKprroi. 


760  EOhlert:  zu  Athenaioft. 

Schweighftuser  sagt  zdst.:  'istud  Kai  T^  iKavuJC  eici  refeiandam 
putavi  ad  praeccfdens  €ÖCTÖ^axol:  quasi  dixisaet  Kai  toi  IkoviXic 
cöcTÖfiaxoi  eici,  Ka\  eu^KKpiioi.'  Meineke  sagt:  -^debebafe  opiaor 
bia  Tf)V  TTo\Xf)V  T^icxpÖTHTO,  praeterea  ec^cidisse  yidetor  adiQcti¥iui|, 
nisi  Kai  ante  eueKKpiTOi  delendam.'  ich  halte  .die  Hberlieferuiig  fllir 
richtig,  glaube  auch  nicht  daaz  die  ergfinBiuig  eines  a^J^o^'viuds 
hinter  acXripÖTTita  nötig  ist.  Kai  f€  in  der  bedeutu^g  'und  docb, 
und  dennoch'  ist  bezeugt:  so  erklärt  Hesjphios  Kai  T^  niit  Kai  TOi 
(Kühner  gr.  gr.  §  511,  9  b).  xai  und  rfk  waren  in  dieser  Auaammen- 
stellung  so  gefestigt,  dasz  selbst  ein  zweites  Kai  dai:aaf  folgen 
konnte:  vgl.  Galenos  bd.  lY  s.  645  Kai  t^  Kai  lyteiSouc  dvrec  ismü 
OepjLiÖTepoi,  das  zweite  Kai  hat  hier  intensiv^e  bedeutung.  in  den 
werten  des  Ath.  gehört  demnach  Koi  T^  iKOVitic  eia  iKai  cuäocpiTOi 
dem  gedanken  nach  zusammen,  dazu  tritt  die  nähere  bfistimmung  biet 
Tf)V  TToX\f)v  CKXnpÖTTiTa.  die  Stellung  von  kavOüCieriiBiei't  an  eine 
andere  stelle  bei  Ath. :  132^  iKavuic  bl  Kai  ö  Kt^oc  n:€6aXdTTU>TOU 
Tgl.  Aristoteles  s.  1449^  8  (poetik  c.  4)  tö  \ikv  oOv  diriCKoncSV  .ei 
dpa  lx€i  ffir]  f)  TpaTi^bia  toTc  cibeav  kavdfC  f{  ofi.  solche  Um- 
stellungen kommen  vielfach  vor:  Ath.  169^  i)  bk  CKXiipOT^pa  xal 
ipaGupd  TJTTÖv  den  Kai  'eöcröiiaxoc  Kai  euKoiXioc  öirvov  xe  itoi€i. 
Xni  590^  f)V  hk  ÖVTUJC  jiäXXov  f)  OpOvr)  xoXJ)  iv  toic  iii\  ßXe- 
irofidvotc.   vgl.  OSchneider  ;su  Isokr.  9)  39. 

U  64  <"  ßoXßivac  8',  a^i  Znvöc  'OXu^1Tiou  eiclv  äotboi, 
Sc  dv  x^pci^  Op^M^e  Aiöc  Traic  äcwcQC  ö^ßpoC; 
XeuKOT^pac  xiövoc  \bieiv  ä^uXolctv  6)ioiac' 
Tdiüv  q)uo^^vu»v  t^pdcjQaTO  irÖTvia  xacrrip. 
Meineke :  *fortasse  uofxdvujv  scribendum,  quanda  imbiihua  imganitir^ 
coli,  versu  tertio  Sc  dv  x^pcqi  6p^i|i£  Aiöc  naic  äcireroc  .d^ßpoc. 
nisi  quis  praeferat  Ouojiidviuv,  quando  madantwr^  ut  Horatius  dixit 
parrum  seu  caepe  tmcidas.*  Schweighäuser  übersetzt  den  letzten 
vers :  'quibus  nascentibus  (sc.  bulbinis)  bene  precatus  est  venerandus 
venter,'  ich  glaube,  9U0jüidvu)V  ist  richtig  überliefert:  9U€c6ai 
heiszt  nicht  nur  'entstehen',  sondern  auch  Sachsen,  gedeihen 
haben';  aber  i^pdccaro  ist  von  Sohweighäuser  nicht  richtig  abge- 
leitet: vctn  dpdojLiai  ist  die  form  i^pdccaro  überhaupt  nicht  bezeugt, 
wohl  aber  i^prjcaTO  und  i^pdcaTO  an  vielen  stellen ,  namentlich  bei 
epikem;  i^pdccaro  ist  vielmehr  von  Ipo^ai  abzuleiten:  vgl.  II. 
Y  223  rduiv  (sc.  iiriruiv)  Kai  Bop^nc  i^pdccaro  ßocKO|i€vdu)v.  diese 
stelle  hat  der  dichter  Matron  selbst  nachgeahmt  bei  Ath.  IV  134' 
oO  bf|  KaXXicTOuc  dprouc  ibov  i\bk  jiieTicTOuc,  |  XeuKOTdpouc  x^dvoc, 
IcOeiv  b*  djLiuXoiciv  ö^oiouc,  |  rduiv  Kai  ßopdiic  ^pdccaro  irecco^e- 
vdu)V.  vgl.  hymnos  an  Hermes  130  £v6'  öctiic  Kpedwv  i^pdccaro 
Kubi^oc  '€p^fic  ^Hermes  trug  verlangen  nach  dem  heiligen  brauch 
des  Opferfleisches'.  Archilochos  bei  Ath.  XY  688^  und  Hesjchios 
u.  dpafiai  und  dpdjievoc.  der  gedankengang  des  dichtere  Matron 
bei  Ath.  64^  ist  folgender:  Mer  regen,  den  Zeus  herabsendet,  gibt 
den  zwiebeln  in  der  erde  (dv  xific\Ji>)  gedeihen,  so  dasz  sie  weiszer 


EOhbtft:  zn  AüioMios.*  361 


«rsdhekieii  «Is  «ohnee  iimd  fihnli^di.dem  feintieni  gebttck  aus  geivten- 
medil.'  der  diofarfcer  illgt  hman :  ^tmd  weam  sie  emporwaQhMn  i(mm 
.^er  erde),  dann  irftgt  der  hehre  magen  heftigee  Terlangen üaoh 
.ihnen.'   ilpdccoTO  .halte  ich  für  den  gnomischen  aoriat . 

n  öQ^  .€!t€  TTüOttiv  £TroiT)€€V  ö  KarovaToc  1^  BuEävnoc  1^  Kdl 
ainöc  ö  ßaciXeiJC  ^AX^Sovbpoc.  Meinte:  'de  Pjthonie  notiasimi 
hominis  patria  cum  nnlla  omqnam  dubitatio  fnerit,  i^ertum  eit 
-int^rposito  articalo  aeribendum  esse  f{  6  Buülkvnoc,  qoemadmodum 
vest  i^II  596'.'  trotzdem  wir  an  dieser  stelle  6  KoravaToc  f\  {^ 
Bvl^Ytxoc  lesen,  glanbe  ich  doch  dasz  die  Hberlieferung  der  aoerat 
angegebenen  werte  s.  50  nicht  geändert  werden  darf,  der  artikel 
dient  oft,  aumal  bei  Athenaios,  zur  einleitnng  der  ganzen  apposition 
und  bezieht  sich  nicht  auf  einen  teil  derselben:  vgl.  II  ö8^<^Xapxoc 
ö  ''AOiivaToc  i\  NauKporriTiic.  III  ^8  <^  tö  )if)Xov  tö  irepctK&v  f\  vM*)bt- 
iKÖv  KaXou^evov.  ^I  234^  TToX^^ujv  toOv  ö  eheQi^xocti^CiKxy 
u)vioc  cIt"  'Adr)vaioc  övo^aZ6^€yoc.  590^  töv  tiXtv  T^vaiKd^v 
KaTdXoTOV  NiKQiveTQu  ToO  CoMiou  1^  'AßbiipiTou.  YII  821  ^  rröy 
AoKpöv  f\  KoXo9(i(ivK>v  Mvac^av.  VI  241®  Mdxwv  ö  KUipiiibto- 
Tioidc  ö  )KQpivdioc  M^v  T^  CiKuüavioc  ^oi6\xQfiOü.  VII  297  *  *H5üXoc 
^ '  ö  Cdjuiioc  f\  'A8r)vaioc.  XV  682  *  Ai^obä^ac  Tdp  i>  'AXiKopyac- 
C6UC  li  MiXi^oc.  VII  288^  'AiroXXu>vioc  bk  ö  'Pöbioc  f\  NauKpa- 
tIttic.  XIV  648  ^  'AHiömcrov  töv  €!t€  AoKpöv  T€VOc  f{  CiKudiviov. 
hierauf  gestützt  glaabe  ioh,  diksz  auch  XV  877^  -die  werte  KqX- 
Ai^voc  ö  Töbioc  jcal  aimbc  t^voc  richtig  ttberliefert  sind.  Meineke 
-hat  ö  fortgelassen  und  sagt  dazu:  'delent  articnlum;  sed  fortasse 
transponendum  est  ö  Kai  aÖTÖc  'Pöbioc  t^voc'  auch  an  dieser  stelle 
)leitet  der  artikel  die  gi^ze  apposition  ein  und  bezieht  sieh  nicht  auf 
Vöbioc  allein,  daher  halte  ich  auch  11  69  *  die  überliefect^i  wortß 
für  richtig:  Y^vii  b'  aÖTf)c  xpia,  tö  irXaxuKauXov  koI  crpoTfu- 
XÖKOuXov  Kai  TptTOV  TÖ  XoxujViKÖv.  der  breitatenglige  lattidi  und 
der  lattich  mit  rundem  stengel,  die  keine  andere  bezeichnung  führen, 
w.erden  durch  den  artikel  zu  einer  gesamtvorsteUung  verbunden  und 
der  dritten  art  des  lattichs,  dem  lakonischen,  gegenübergestellt. 
Meineke  hat  vor  crpOTY^XÖKauXov  irrtümlich  den  ai*tikel  tö  hinzu- 
gefügt, dasz  meine  auffassung  richtig  ist,  dh.  dasz  TÖ  fehlen  muss, 
beweisen  di^  werte  des  Theophrast  selbst:  bist.  pl.  7,  4,  5  fivr]  blk 
auinc  icTiv  äXXa  tpia  tö  t€  irXaiiuxauXov  Kai  cTpatT^XÖKauXoy 
Kai  tp(tov  tö  XaKUJVUcöv. 

I  6  *  brm!]TopoövT£C  dv  Tok  öxXoic  KaTaTpißouciv  öXiiv  Tfjv 
fm^pav  iv  Toic  Oau^aci  Kai  irpöc  Totjc  ^k  toO  Odciboc  f{  BopDcO^- 
vouc  KaiairX^ovTac,  äv€TVU)KÖT6C  oöbdv.  Meineke:  *in  hisprimnm 
Tf]C  Odciboc  scribendum  e  cod.  B.  Phasis  enim  et  Borysthenes  hoc 
loco  non  flu viorum ,  sed  urbium  sunt  nomina.'  unter  den  £k  toO  4>. 
f|  B.  KaTairX^ovTec  sind  hier  ganz  allgemein  leute  aus  fernen  gegen- 
den  zu  verstehen,  mit  denen  die  faulenzer  (in  Athen?)  verkehren, 
um  ihre  zeit  zu  verbringen,  der  Phasis  hatte  nach  Plinius  6,  4,  4 
viele  volkreiche  städte  an  seinen  ufern,  es  liegt  daher  hier  näher  an 


762  KOhlert:  zu  AthenaioB. 

solche  fremde  zu  denken,  die  von  den  ausgedehnten  ufern  des  Fhasis 
oder  Borjsthenes  her  ihre  fiahrten  bis  zu  fernen  grieohisohen  hftfen 
unternahmen,  als  an  die  bewohner  der  stKdte  Phasis  oder  Borjethenes 
allein.  o\  dnö  ToO  Odciboc  sind  nach  Suidas  u.  Oaci  beim  dichter 
Menandros  Söldlinge,  die  an  den  ufern  des  Phasis  ihre  heimat  haben, 
da  kein  zwingender  grund  zur  aufnähme  der  lesart  des  cod.  B  vor- 
liegt, so  ist  ToO  durchaus  beizubehalten. 

1 6  <^  MeXdvOioc  bk  tujv  äiroXauceuiv  ipuiv  r\ö€aro  ific  ^aKpau- 
X€VOC  6pvi6oc  TÖv  xpdxi^ov  ^x^iv,  !v'  öti  tiXcictov  toic  f|b^ctv 
ivbiarpißi].  Meineke:  'post  nXeiCTOV  fortasse  excidit  xpövov,  nisi 
malis  fv'  tili  TiXetCTOV.'  ich  halte  die  Überlieferung  für  richtig,  der 
Grieche  hatte  in  vielen  föllen ,  namentlich  bei  verben  die  ein  yer- 
weilen  bezeichnen,  bei  einer  allgemeinen  angäbe  der  zeit  den  zusatz 
von  xpövov  nicht  nötig,  zb.  Piaton  staat  6j  497^^  5coi  &v  im  91X0- 
C09(av  öp|uiVjcavT€c  jLif)  toO  ireirmbcOcOai  £v6Ka  äi|i(iM€voi  v^ot 
ÖVT6C  diraXXäTTUivrai,  dXXa  /laKpÖTepov  ^vbiaTphpuict.  Thuk.  1,  3 
Kttl  xaÜTTiv  Tfjv  cTparcCav  OaXdcoj  fjbii  TtXeiu)  xpw^€vol  £uvfiX6ov. 
Aristoteles  s.  357  *  4  (meteor.  2,  3)  irepi  toOtuiv  irXeiuj  Tf\c  diiac 
ivbiaT^Tpi9€V  ö  Xötoc.  Ath.  XIV  654  ^  ^XKpbv  ^Trijüicivac  irpoc- 
Tpix€U  oft  ist  diese  allgemeine  Zeitbestimmung  rein  adverbial  auf- 
zufassen, und  so  ist  auch  ÖTi  irXciCTOV  in  den  oben  angeführten 
Worten  des  Ath.  s.  6^  zu  verstehen:  vgl.  Piatons  6org.  484'  im 
irepaiT^pui  toO  bdovroc  dvbiarpiiiiir),  biaq)9opd  twv  dvOpuinuiv. 
Aristoteles  s.  909  ^  27  (metaph.  1,  8)  jiiäXXov  dv  Tic  dvbtaTpii|iei€ 
7r€pl  auTiDv.  so  konnte  der  Grieche  auch  bei  einer  allgemeinen  an- 
gäbe des  raumes  ohne  hinzufügung  eines  subst.  6ti  nXeiCTOV  adver- 
bial gebrauchen:  Aristoteles  s.  681  ^  27  (de  part.  anim.  4)  iid  bk  ttic 
fAUTiboc  TÖ  ^vrepov  SiuGev  Kai  ö  OoXöc  irpöc  rCji  ^vT^pqi,  ÖTtuic  öti 
irXciCTOV  dn^xq  Tflc  eicöbou.  vgl.  s.  1289**  2  (pol.  4,  2)  &ct€  ttjv 
Tupavvlba  X€ip(cTiiv  oCcav  ttXcictov  dit^x^^v  iroXiTeiac. 

1 18  ^  vOv  bi  in\  TOcouTov  iK7T€1m{)Ka^€v  übe  KaTOKcicOai  öai- 
vO^cvoi.  Meineke :  'post  tocoOtov  desidero  jnaXaKiac'  ^KTTiTTreiv 
heiszt  hier  schon  'sich  ändern,  entarten'  und  im  tocoOtov  ist  ad- 
verbial aufzufassen  ^in  solchem  grade,  so  weit' ;  bei  iKTTiTTTCiV  ist  ein 
ausdruck  wie  £k  toO  np^irovTOC  oder  ^k  toC  KaOi^KOVTOC  zu  ergänzen : 
vgl.  Ath.  I  ö«  XpucnriTÖc  (pr\civ  ^ifth  küt^x^  Tivd  öi|i09dT0V  iirl 
tocoOtov  ^KTTCiTTUJKÖTa  toO  ixi\  ^VTp^TiecOai  touc  TrXrjciov  dirl  toic 
Tivofi^voic,  (ijCT€  .  .».  die  vorhin  angeführten  werte  des  Athenaios 
18"  bilden  den  gegensatz  zu  der  17^  genannten  gewohnheit  der 
heroen:  KaOeZovrai  ö'  iv  toic  cuvbeiirvoic  ol  fipu)€c,  ou  xaTa- 
K^KXiyrai.  iiciTiirreiv  wird  ähnlich  gebraucht  bei  Poljbios  12,14,7. 
Piaton  Staat  6  s.  495*.  vor  allem  ist  zu  vergleichen  Ath.  IV  159*  ^ 
im  tocoOtov  tiv^c  ^KTiiTrrouct  npöc  tö  dpTupiov,  &ct6  kTopfjcOai. 
auch  hier  hat  Meineke  die  werte  nicht  riditig  aufgefaszt,  wenn  er 
sagt :  'apertum  est  ad  im  tocoOtov  aliquid  desiderari,  fortasse  scri- 
bendum  diciriirrouci  [irro^ccwc]  npöc  tö  dpTupiov.'  npöc  tö  dpTu- 
piov  £Kn(nT€iv  heiszt  'nach  der  seite  des  geldes  hin  entarten'  dh.  *in 


EOhlert:  zu  Athenaios.  763 

der  sucht  nach  dem gelde'.  vgl.  Aik.  Xlil  582 ^^  Xdpnröc  T€  vuiOpoO 
TC  övToc  Kai  ßpab^oc ,  Kairoi  t€  Kai  npöc  Tpu(pf|V  i\br\  Kbvroc. 

I  18<^  OeöcppacTOc  b'  oOrui  9r)ci  Tivac  öxcuriKdc  buvd)i€ic 
tTvai,  die  Kai  jüiexpi  ^ßbojiiriKOVTa  cuvouciiXrv  ^mTcXeiv  Kai  tö  tcXcu- 
Taiov  aÖTOtc  alpa  äiiOKp(v€c6ai.  Meineke  schlägt  folgende  £nde- 
rung  vor:  'malim  oÖTUi  9r)ci  beiväc  tivujv  öx€UTtK&c  buvä^€lc  elvot 
pro  edito  q>r\d  tivac  öxcuriKäc  buvdfieic  eTvai.'  M.  ist  offenbar  zu 
dieser  ftndenmg  gekommen,  um  aÖTOic  vor  al^a  za  erklären,  öx^u- 
TiKÖc  finden  wir  bei  Ath.  noch  mehrmals,  aber  wie  es  scheint  stets 
auf  eine  person  bezogen,  zb.  IX  391*^  öx€UTiKii)TaTOi  (ir^pbiK€c), 
391  •  öxcuTiKUJT^pouc  €lvai  (toOc  ÄTpiouc  töv  fm^pujv),  ebd.  Kai 
ol  crpouOoi  bi  elciv  öxcimKof.  391  ^  Kai  t^P  öxcutiköv  tö  IC^ov 
Kai  iToXuTOVOV.  derselbe  gebrauch  von  'Öx^utiköc  findet  sich  überall 
bei  Aristoteles,  denn  selbst  in  den  werten  s.  750*  1  f|  9OCIC  TOiou- 
TUiV  öx€UTiKf)  Kai  TroXuYOVOC  liegt  eine  bestätigung  dieses  gebrauchs. 
so  erwartet  der  leser  auch  in  den  werten  bei  Ath.  18^  nicht  ÖX£U- 
TiK&c  buvä^€lc  elvai,  sondern  öxcutikoüc  elvai.  doch  läszt  es  sich 
wohl  denken  dasz  Theophrast  geschrieben  hat  oöcui  qpiici  Tivac 
öxeuTiKoäc  Tdc  buväfieic  oder  oötu)  qpiici  Tivac  öxeimKoilc  buvd- 
jieic  €lvai,  dann  liesze  es  sich  leicht  erklären,  dasz  die  alten  ab- 
schreiber  des  Ath.  im  hinblick  auf  die  vorhergehenden  werte  dnaKTi- 
KÖv  fäp  clvai  TÖ  TOioijTOV  irpöc  dq)pobic(uiV  irXf)Ooc  und  im  hin- 
blick auf  die  weiterhin  folgenden  werte  dTTOCT€X€iv  Tivdc  buvd)i€ic 
CTUTiKdc  TOiauTac  meinten,  Theophrast  nenne  mittel  (medicamenta, 
buvdjLieic),  die  flir  die  d9pobicia  ^pta  ganz  besonders  geeignet 
wären,  und  dasz  sie  demgemäsz  öx€utikoijc  in  öxcuTiKdc  änderten, 
wie  dem  auch  sei,  die  epiteme  hat  richtig  öxcuTiKoOc  und  zwar  ohne 
l)uvd^€ic  da  die  lesart  der  epiteme  verständlich  und  klar  ist,  so 
haben  wir  ebenfalls  unter  forüassung  von  öuvd)i€ic  zu  schreiben: 
oÖTiü  (pr\c\  Tivac  öxcutikouc  cTvai.  so  verlangte  es  schon  Schweig- 
häuser suppl.  ad  I  18<^  s.  494. 

I  20*  1^apaT€v6^6voc  €ic  Grjßac  Kai  i&noZuivviijievoc  olvou 
Kucreic  jLiccTdc  koI  TdXaKTOc  Kai  Taurac  direOXißu/v  dvi^äv  i\e(€v 
dK  ToO  CTÖjLiaTOC.  Meineke:  ^legendum  videtur  ^k  toO  cüEifiaTOc' 
der  sinn  der  überlieferten  werte  ist  folgender :  Diopeithes  umgürtet 
sich  mit  blasen,  die  mit  milch  oder  wein  gefüllt  waren,  und  läszt 
die  flüssigkeit  so  geschickt  unterhalb  seines  kinnes  herausspritzen, 
dasz  es  den  anschein  hat,  als  bringe  er  diese  flüssigkeit  aus  dem 
munde  heraus,  was  den  mann  berühmt  machte,  das  war  die  ge* 
schicklichkeit,  mit  der  er  sein  kunststück  zu  stände  brachte  und  die 
Zuschauer  teuschte;  diese  sahen,  während  ihnen  das  kunststück  vor- 
geführt wurde,  dem  künstler  nach  dem  munde,  dh.  demjenigen  teile 
des  körpers,  durch  welchen  für  die  Zuschauer  die  teuschung  hervor- 
gerufen w^d ,  daher  lesen  wir  iK  ToC  CTÖfiaTOC  und  nicht  iK  ToO 
cuiMaTOC.  dasz  wir  übrigens  eine  kürzung  des  epitomätors  vor  uns 
haben  und  nicht  die  ursprünglichen  werte  des  Athenaios,  ist  selbst- 
verständlich, dvifiäv  heiszt  nicht  nur  'au&iehen,  in  die  höhe  ziehen', 


764  £01iieii:  sa  Atiienak». 

^OQdam  anoh  eu^faeh  'herauseieben,  herausbringen,  keraofibolen',  -vgL 
Tbeophrast  fr.  (Didot)  174,  8  ÖTi  o\  fuüec  IcxopoOyTai  Jcal  cibfiP^w 
KaT€C0i€iv  Kol  xP^c^iov«  öi6  KOI  ävaT^|ivovT6C  laäriAc  6\  iv  toic 
^'puccioic  TÖv  xpucöv  dvi|AU)VTai.  Saidcis  u.  >iBi\me :  cuYKflnojuci  bä 
T(j!i  dpTupiii  füiöXtßboy,  '{va  cuTKaid^€Voc  dvl^&l»ll  loat  livakxjiißayi) 

Cic  «UTÖV  TÖ  VÖ0OV. 

n  37  ^  veavicKOUc  Tivdc  ^v  airxi^  ^€0)(K}ico|tt6iOAic  <ik  tocoOtov 
iX6i^v  ^aviac  ^ioG€p^av6^VTac  dnö  Tf|c  fidOnc,  Ü)C  voMiZeiv  fiäy  ^l 
^pit^pouc  TrXeTV;  x^iM^^c3<>i  ^^  x^^^^^t^*  Meineke  bat  an  swei  «von 
diesen  werten  anstosz  genommMi,  er  sagt:  ^ynlgo  male  legitnr  &wd 
rfic  fit^Giic  et  vo^filctv  ]ul^v  ittU  itjsö  iftc  }iiQf^  beiszt  bder  'in  folge 
4les  etarken  trinken8\   in  äbnlicber  ^rerbkidjung  finden  «^r  im6  bei 
Ath.  n  46  *  ßXdTrrecOai  ditö  Tf}c  xiiiv  o!vuiv  dvato|iudc€u»c.   t^ 
X  434  ^  (bc  kqX  dTTÖ  ttic  m^t]c  cuv€X4£ic  KOifjacOoi  iböo  fiM^poc. 
Thuk.  1,  24  dnö  noX^^ou  >^q>6dpT)icav.   Arrian  £f»)kt.  4,  6,  ^  ^ipub 
^  X)i;T6  n€ivi&  ofire  btiiiui  oCre  ^tw  y  ^^  <i<P '  <&v  oeöroi  tc€tvä>av 
f|  biipiXtciv,  olovrai  icdjLi^.    Dien  Gbrys.  er.  7  (bd.  Ijb.  S23)  jäbkika 
ädi\r\y  Tivd  dcQ^veiav  toO  cdifiaTOC  liodcvciv  ^otxac  dnd  xf)c  kxvö- 
Tr)TOC.  die  durch  alle  hss.  überlieferte  steUjong  der  woote  übe  yop^i^ 
l€\v  ixkyf  in\  Tpi/jpouc  TrXciVy  x^^l^^^^^^^  ^  ^st  auffällig,  dock 
iEiiebt  ohne  beispiel.   sehr  oft  beruht  diese  umsteUnng  des  fi^v  und 
hi  auf  einer  ehiestisofaen  anordnung  der  werte;  auch  ist  dann  dabei 
niobt  ^der  gegensatz  einzelner  begriffe,  sondern  der  ganzer  gedanken 
ins  äuge  g^aszt'  (OSchneider  zu  Isokr.  5, 131),  zb.  Aük  III 155  ^  öte 
a  O^Xoiev  dvaXicKciv,  TicpieXövrec  t6v  xp^cöv  ä/ia  xcic  dXXotc 
iE^ßaXXov,  iva  Tf^  \xkv  iroXiJTeXeiac  ol  91X01  Bcaral  t^volvto,  ol 
h'  olK^Ttti  «oipioi  ^Meineke  bat  mit  unrecht  geschrieben  Sva  t^ 
iroXiireXeioc  ol  ^^v  91X01).  Xen.  anab.  4,  6,  8  dfiol  iiiy  o&y  boK^ 
ttapaTT^iXat  j^v  dpiCTOiTOieioOai  Taic  cTpanübratc ,  f))iäc  bk  ßou- 
XeiiecQai.    Xen.  Hieron  3,  S  €Öprjc€ic  ^y  touc  ibuiiTac  vnd  xoi^ 
TUiv  lidXicTa  9tXoujLi^vouc^  touc  bi  rupdwouc  iroXXouc  \iky  iratbcxc 
^uTdiv  d9reKT0vr)KÖTac.  Ath.  lO  91''  ürv  oi  fi^  rpdxn^^i  cöctö- 

fUXXOl,  buCKaTdpTOCTOl  b^. 

II  64^  dirijüi^vei  ydp  iiQ  Koxkxq,  nXetovac  xP<^vouc  xal  ^rrX&> 
KÖjuieva  irapaKaT^x^i  '^^  irfQ&.  Meineke  wollte  statt  iTTifi^vei  lesen 
^^fi^vei.  die  Überlieferung  ist  richtig:  Fgl.  Xen.  oik.  4, 7  ^irifudvouct 
T(]D  Mf|  dbiKCiv.  Tbeophrast  de  sensu  et  sensibil.  5,  29  ou  «oXuv 
Xpövov  büvacBai  toic  aÖTOic  (sc.  toic  Xajyiirpoic  xp^iC^M^^  ^al  toic 
iiTT€pßdXXouci  i|JÖ90ic)  dTTifi^vciv.  de  igne  4,  35  oi  fäp  icakt 
ii\  9X6E),  ei  fif)  im^iv€\  t(Sj  aÖTdi  XPÖvov.  ebd.  8,  61  irXeiu)  Tdp 
Xpövov  dTrijLi^vov  ^aXXov  cß^vvuciv.  daher  findet  sich  auch  jui^vciv 
mit  diri  und  dem  dativ;  zb.  Ath.  IV  167  ^^  ci  ^f)  /levoOciv  dirlTOÜ- 
TOtc.  Meineke:  ^nonne  iv  toütoic?'  die  Überlieferung  ist  richtig, 
vgl.  Od.  p  20  itii  craO^oici  jiidveiv.  Isokr.  8,  7  oöb'  ol  kcktidli^voi 
touc  )ii6TdXouc  ttXoutouc  jiidveiv  ^ttI  toötoic  ^O^Xouciv.  ebenso 
Isokr.  6,  69.  7,  52.  Demosth.  4,  33  im  rtS)  iroXd^ip  fi^vciv.  Piaton 
Staat  5,  466'.  6,496^ 


Kellert:  sn.Atheiudos.  786 

II  5A^  tfdrfm^  ipeßivOooc  dMirvitn  mqppuY^^vouc  in  dl«^ 
ses  woiteiK  <fa8  dicdKtevai  Phetiekratet' ImU)  ILeimtke  ipayikv  geaehrie«^ 
iMttf  doioh  isi  der  grundv  den  er  fllr  die^änderang  angibt,  nioh^ttb#»>> 
tBBgemä*  er  sagt  *sorapai-  iipaipdiV ».  nt  est  in  seqaente  Al^Lidie  loci» 
AW  oöiD  inemitq  itcrraqwTAvv'  idi  kalt»  tpiirfuiv  für  die  richtige 
5oarm<,  demA  es  bekat'hier 'er  eretiokte  beim  essen',  niclit  ^nachdemi 
^.  gege»inv  YmtöB*^  ebenso  Ibsen  wir  bei*,  isth^  XIII 667  ^ :  KdpivSoil^ 
f|X6iQtv '  i^b^G  dvTOuSd  TtuK  f  XdcXitvdi^  TiTpidtuiv  i&Ki^aV'bieqpOdpriv. 
toam  ioAim  idi  aueb  Ath..  IH.  80  ^  Tpi^Tuiv  fftr  richtig,  dort  heisst 
e8>:  i&v  W  y'  ipdnr  cCiofc  TIC  )i€cti)yi^(ac  [  Tp((rru>v  xadetftbq  x^u)päy, 
nqpperÖQ  eöÄdtuc  f  f^iact  tpilxuiv  oöic  d£iOG  rpiuißöXou.  Meineke  hat 
auch  am  dieser  stelle  tpdir^v  im  Tpoifiiiv  geftndert  aber  TpiiiruiV 
haiert  aneh"  hrer  ^beins  essen^i.  denn  KOOeiibciv  heiazt  nicht  nur 
'siehlaftn''y  sondern  aa weilen  auch  'einsehlafen',  zb.  Atk*  YIII M9* 
«(Kl  midOovc  TTorhXotlic  X)aßu)i>^  |  t^i^  0*'  f|Xii}i  Tf|v  icöXiKa  beiSoc,  cuv- 
TÖ|ucuc  I  irwir  KaOeObc,.  tSXX'  iiiiTp^i|iac  i^  tuxtI-  Ariat  Yö.  494  ic 
beKdTTiv  T^P  ^0T€  Tiaibapiou  KXii6ck  t&w^nivov  dv  äcrei  icSpTv 
KOSBubov  *  Koi  iiplv  betitvetv  touc  äXXöuc,  oiStoc  fip  *  ^€. 

Uh  SQf^  ^u)^cdbeuJT€pa  M  vStY  NOtX^Xtuiv  ^iidv  elvai  ö  Aio- 
id^c  listffxm,  ifop<piipac  Kvjpuicac  Meinehei:  ^scribendom  ^uijMi^ 
XeuJTara  vel  äXXtuv  addebdiun^'  die  ttberüeleraag  ist  richt^ :  ior 
griech.  wivd  aaweiien  auch  da  der  comparattv  i^fhvaoehty  wo  6inem 
gegenstände  mdnrera  andere,  ja*  alle  anderen  derselbemclasse  gegen- 
überstehen, zb.  Athr^ni  91^  ifpotr)WcT6poi  b'  aiki&v  ol  ipuOpol 
Kai  ol  jinXtvdtf  Kai  oi  naxiiTaTOtk  vgl.  Od.  f^  156  *(c%i)n\oc,  Sc  bf| 
^QnrJNiuv  dvbpukv  npoif€Vi4Ar€p(K  fjev  (im  vergleieh  mit  allen  zu« 
sennmen  genommen),  f  362  oloc  T^p  M€Tä  TOki  Tcpairepoc  60xÖM<>i 
cTvaw  Xen.  Kyrupv.  5, 1 ,  &  f|^vüv  6  TspoiTepoc  eine '  Bdppet,  Jy  fiüvoi. 
Thedkr.  15, 139  ^'EicTuip  'Gcdeßoc  &T€pa(T€pO€  ekon  tta(bu>v.  selbst 
Atb^  IV  1^1  <^  ist  die  ttberliefevnng  vichcig:  dXXä  Kai  t6  ndvTuiv 
XaXeirsbrrepov  XodXcitc  tt€pV  Oüv  ouk  ofbare,  Meineke  hat  irrtümlich 
]|SiX€irunraT0v  geschrieben,  wie  er  sagt  wegen  des  ^usns  loquendi^ 
v^  Atb.  XI  505  ^  TÖ  b^  TrdvTU^  cx€tXi((iTep0v.  Meineke  bemerkt 
dam 3  'maüm  com  PVL  cxeikwbiaxo^.*  doch  ist  cxcTXnuraTOV 
offenbar  eine  spätere  emendatiom.  IX  387^  lesen  wir  aas  einem 
Iwaohstück  des  Mnesimaehos:  K«l  TÖ  X6ip6^vov  ciraviuirepov,  ndp«« 
€cnv  äpVfdiüV  T<StXa.  Meineke  hat  mit  nnrecht  cimvidiTGrcov  g^ 
sdicieben.  XIV  661®  iet  uns  ein  brucbstüek  des  jungem  Eratinos 
ttberliefert:  ^60^61  bi  tf^  Tflc  (bc  f^um  d2:a  Kosrvöc  X*  Üif^tßX* 
eöuebäctcpoc.  Bergk  und  Meineke  haben  mit  unrecht  6ÖU)bäcT0T0C 
gesübrieben.  m  einem  bruchetttek  des  Sotades  lesen  wir  VII  293^ 
KoremnE'  ^v  äX|uii]  toOtov  euavdecT^qu  Meineke  add.  et  corr«: 
^praestare  yidetnr  €ÖavO€CT(iTir).'  Dikaiarchos  sagt  bei  Ath.  IV  141  <^ 
über  die  phiditien:  eTr"  ö£^u)C  f[br\  bebcmvTiKÖciv  öcrepa  nepi- 
q>^p6Tai  raöra  ra  ^iraiKXa  KaXou^eva.  auch  hier  wollte  Meineke 
irrtümlich  ucTaTa  schreiben.  VI  226^  sind  einige  yerse  aus  dem 
Emporos  des  Diphilos  erhalten,  dort  lesen  wir  richtig:  TTöccibov,  €i 


766  KOhlert:  zu  Athenaios. 

beKotTTiv  dXdjißavec  |  auruiv  dnö  Tfjc  Tl^ftc  ^Kdcnic  fijii^paCy  |  iroXu 
TUJV  OeOüV  äv  fjcGa  TTXouct(()T€poc.   Meineke  hat  irrtOmlich  irXou- 
ciu)TaTOC  geschrieben  und  sagt  add.  et  corr.:  'nescio  quid  facias 
viro  eximio  in  Diphili  loco  TT\ouciu)TaTOC  conicienti,  quamqaam  sie 
(ex  mea  emendatione)  iam  multos  ante  annos  Dindorfius  ediderat.' 
auch  XI  475^  ist  richtig  überliefert:   &Tdp  dp9(6€T0V  KCX^ßetov 
^XövTCc  I  ?|ui7tX€10v  ^^XiTOC,  tö  ^d  o\  npo9€p^cT€pov  fjev,  und 
ebenso  an  einer  andern  stelle  der  Thebais  des  Antimachos  XI  475  * 
Kai  äcKT]6^oc  K€X^߀tov  I  ^^ttX€10V  jLi^XiTOC,  t6  ^d  ol  Trpoq)6pdcT€pov 
€ir|.    auch  hier  bemerkt  Meineke  irrtümlich:  *iTp09€pdcTaT0V  pro 
Trpoq)€p^CT€pov  in  utroque  Antimachi  fragmento  recte  opinor  scrip- 
sit  Stollius.'   ebenso  richtig  ist  überliefert  XII  512^  Kai  ''O^iipoc 
bk  Tfjv  euq)pocuviiv  Kai  tö  €uq)pa(v€c6ai  t^Xoc  9Tidv  elvai  x^^P^^- 
CT€pov ,  ÖTav  baiTU)Li6v€C  \xk\  doiboG  dKOudZuiVTai ,  irapd  ik  ttXi)- 
OiüCi  TpdTTeZat.   Meineke  schrieb  mit  unrecht  x^tpi^CTarov ,  er  sagt: 
«XOtpi^crepov  ferri  non  potest,  quamvis  Homericos  locus  obiter  in- 
spectus  id  commendare  videatur.» 

Anderseits  wird  zuweilen  im  griech.  der  Superlativ  gebraucht,. 
wo  wir  nach  unserer  anschauungsweise  den  comparativ  erwarten 
würden.  Ath.  VII  284  *  teilt  uns  einige  verse  aus  der  Berenike  des 
Theokritos  mit,  der  anfang  des  bruchstückes  lautet: 

Kai  TIC  dvfjp  akeiTai  ^TiaTpocüvnv  t€  Kai  ÖXßov, 
dH  dXöc  iL  lwr\^  Td  bk  biKTua  K€ivui  dpoTpa, 
C9d2Iu)V  dKpövuxoc  TauTi]  Geuj  Upöv  ixOüv , 
öv  XeuKOv  KaX^ouciVy  ö  tdp  9iapdjTaT0c  dXXujv. 
Meineke  add.  et  corr.  wollte  9iapu)T6poc  geschrieben  wissen,  die- 
übcrlieferung  ist  durchaus  richtig:  denn  am  häufigsten  ist  dieser 
gebrauch  des  Superlativs  statt  des  comparativs  da,  wo  derselbe  in 
Verbindung  mit  dem  gen.  plur.  erscheint:  vgl.  II.  B  673  f.  Nipeuc, 
8c  KdXXicToc  dvfjp  iittö  "IXiov  fiX0€v  |  tiüv  dXXujv  Aavawv  per* 
d|Liu|Liova  TTT]Xeiujva.  A  505  ti|uit]cöv  juioi  uiöv,  öc  u)Ku^opiuTaToc 
dXXiüV  ^ttXct*.  Xen.  symp.  8, 40  iepoTrpeTidcTaToc  boKeic  eTvai  tüöv 
7TpOT€T€VTi)Lidvu)V.  Thuk.  6,  31.  Demosth.  8,  72  tOüv  dXXu)V  öcTatOl. 
ütl.  €  105.  Herod.  3,  119.  Tacitus  Ägr.  34  ii  ccterorum  Jiritannorum 
fttgacissimL  vgl.  Classen  zu  Thuk.  1,  1,  2.  aber  der  Superlativ 
findet  sieb  auch  in  Verbindung  mit  einem  gen.  sing.  Od.  X  463  ceTo 
b\  'AxiXXeö,  oÖTic  dvfjp  TTporrdpoiOe  imaKdpTaToc  oöt'  dp'  ötticcui. 
diese  worto  sind  bekanntlich  so  zu  verstehen,  als  ob  dastände  ccTo 
ouTic  )LiaKdpT€poc,  dT€  ^aKapTdTOu  ovroc ,  oder  'mit  dir  verglichen 
{prac  te)  ist  keiner  der  seligste*,  ähnlich  sind  auch  bei  Ath.  XIV 
630  *'  die  worte  zu  verstehen :  irptüTr)  bfe  evQtyvax  f|  iT€pi  Touc  iröbac 
KiVTicic  TTic  bid  tOüV  x^^P^V!  beim  tanze  wurde  die  bewegung  mit 
den  füszen  früher  erfunden  als  die  mit  den  bänden,  und  dies  (dh.  die 
bewegung  mit  den  fUszcn)  war  überhaupt  die  erste  bewegung  die 
man  beim  tanze  erfand.  Meineke  hat  rrpoi^pa  geschrieben,  ähn- 
lich fasse  ich  auch  die  worte  auf,  die  uns  Ath.  XI  505'  aus  Aristo- 
teles 7T€pi  TTOiiiTiüv  erhalten  hat:  oukoOv  oiibk  £|uijLi^Tpouc  TOUC 


AGemoll :  zur  erklärung  und  kritik  der  Homerischen  gedichte.  II.     767 

KaXouii^vouc  Cu)9povoc  juii^ouc  |Ltf|  9a)|ui€V  eTvai  Xötouc  xal  juiMti- 
c€ic,  f\  TOiic  *AX€£a|Li€VOÖ  TOö  TT]iou  Touc  irpurrouc  Tpa9^VTac  tujv 
CidlpaTiKuiv  biaXÖTUJV.  hier  ist  von  den  dialogen  des  Alezamenes 
die  rede,  die  früher  waren  als  die  Sokratischen  dialoge  und  über- 
haupt die  ersten  dialoge,  die  einem  wissenschaftlich  gebildeten 
Griechen  zur  zeit  des  Aristoteles  bekannt  waren.  Dobree  hat  hier 
TipoT^pouc  geschrieben  und  Meineke  ist  ihm  gefolgt,  auch  in  anderer 
Verbindung  findet  sich  der  Superlativ  statt  des  comparativs,  zb.  Ath. 
17*»  Kaplbac  dcOiiüV  TTcXuieXeTc,  a*i  fivovTai  auxöOi  urr^p  T€  toic 
^v  C)aupvr|  luteTittai  xai  toüc  i\  'AXeEavbpeiqt  dctaKoOc. 

Berlin.  Eonrad  Ohlert. 


(40.) 

ZUR  ERKLÄRUNG  UND  KRITIK  DER  HOMERISCHEN 

GEDICHTE. 


II.  M6C0AMH. 
Im  Hermes  XVII  s.  551  ff.  bespricht  EFabricius  den  jüngst  zu 
tage  gekommenen  baucontract  über  das  zeughaus  der  attischen  marine 
in  höchst  lehrreicher  weise,  derselbe  macht  s.  584  darauf  aufmerksam, 
dasz  wir  in  dem  dort  öfter  vorkommenden  worte  jiiecöjLlvr)  die  bis- 
her entbehrte  attische  form  für  das  Homerische  oder  besser  ionische 
|LX€CÖ&|LXTi  erhalten,  da  die  bauvorschrift  bis  ins  einzelnste  hinein  ge- 
nau ist;  so  sollte  man  meinen  dasz  jetzt  jeder  streit  über  das  viel 
besprochene  wort  schwinden  müste.  es  ist  aber  eine  wunderliche 
laune  des  geschicks,  dasz  gleich  bei  seinem  ersten  auftreten  im  atti- 
schen dialekt  das  wort  in  doppelter  anwendung  erscheint,  es  be- 
zeichnet 1)  z.  46.  48.  53  den  querbalken,  der  über  das  mittel- 
schiff  (bioboc)  hinweg  seule  mit  seule  verbindet,  die  juecöjiivr]  trägt 
eine  stütze  (uTTÖÖTUua)  für  den  firstbalken  (KOpU9aTov)  und  wird  mit 
demselben  durch  eisenstangen  (KCpKibec)  verklammert:  kurz,  die 
^ecöjuvai  bilden  die  bindeglieder  für  den  ganzen  dachstuhl,  bei 
einem  bau  ohne  seulen  würden  die  |ui€CÖ|uivai  unmittelbar  auf  den 
wänden  des  hauses,  parallel  dem  giebel,  zu  liegen  kommen,  wie  es 
Galenos  in  seinem  commentar  zu  Hippokrates  (bd.  XVIII  1  s.  738 
Kühn)  deutlich  genug'  angibt:  |Lxec6b|uiTi  TÖ  \xifa  SuXov  änö  toO 

^T^POU   TOixOU  7Tp6c    TOV    ?T€pOV    blflKOV   fv  T€  TOIC    TTavbOXetUJV 

oiKoic  ToTc  M€TaXoic  iy  olc  IctSci  xä  KTf\yr\  (gastställe)  Kai  Kar* 
dtpöv  iv  ToTc  T^ujpTiKoTc  oiKOic  (scheunen,  stalle),  sodann  aber  be- 
zeichnet juecöjuvri  2)  z.  74.  78.  85  ein  gerüst,  das  man  in  einer  ge- 

^  jetzt  deutlich  genug,  aber  vor  Fabricius  hat  niemand  diese  ein- 
fache lösung  gefunden,  s.  diu  gekünstelte  deutung  von  Rumpf  ^de 
aedibus  Homericis'  II  s.  38;  noch  schlimmer  ist  die  von  Protodicos  'de 
aedibus  Homericis'  s.  37  ff.  der  Wahrheit  am  nächsten  kam  Döderlein 
Hom.  gloss.  I  s.  233. 


768     AGemoU :  zur  erklärung  und  kritik  dor  Homerischen  gedichte.  H« 

wissen  höhe  anbrachte,  um  gegenstände  (hier  äTroStbjiiOTa  Kcd  t&XXdf 
CK€UTi)  darauf  zu  placieren,  dergleichen  gerttste  liefen  in  dem  PhilcK 
nischen  zeughaus  im  zweiten  stock  sogar  zwei  übereinander  an^mi> 
wänden  entlang  in  einer  breite  von  vier  fusz*  man  sieht  leicbt,  dasz 
diese  ^€CÖ|LXVai  grosze  ähnlichkeit  haben  mit  denen ,  welche  Bumpf  *' 
für  da»  haus  des  Odjsseus  ansetzte  (soupente). 

Es  gibt  aber  bekanntlich  noch  drei  andere  erklttmngen  voif 
^ccöbjLiTi-  Aristarch  (schol.  OHQ  it  37.  Bustathios  s.  1B55,  37. 
Hesychios  udw.)  faszt  die  ^€cöb|uiat  als  |1€c6ctuXhi.'  diese  aaf-- 
fassung  ist  in  ihren  gründen  nicht  klar,  da  die  scholien  gänzlich  da- 
von schweigen,  wie  Aristarch  zu  dieser  ansieht  kam.  jedenfalls  kann 
sie  den  beiden  ersten  gegenüber,  die  urkundlich  beglaubigt  sind,  sich 
nicht  mehr  behaupten,  dasselbe  trifft  auch  die  vierte  erklärung,  wo- 
nach die  juiecöb^ai  ni sehen  sein  sollen  (bia9päT|iaTa  f\  Ka\  bux* 
cxriiLiaTa  jueiaEu  tujv  kiövu)v,  oH,  q)aci,  irepi  Toiic  xoixouc  fjcav).* 
die  fünfte  erklärung  kommt  wieder  den  beiden  ersten  näher,  indem. 
danach  die  |ui€CÖb^ai  als  Td  ji€Ta£ij  tujv  öokOjv  (deckbalken)  bia- 
CTrijLiaTa  (schol.  BHQ  zu  t  37.  Eustathios  ao.  Hesychios  udw.),  also 
die  Zwischenräume  zwischen  den  deckbalken  wären. 

Wir  werden,  glaube  ich,  gut  thun  alle  diese  wohl  rein  ans  dem 
namen  heraus  erklärten  bedeutungen  gegenüber  unserer  Urkunde 
und  dem  Galenos  bei  seite  zu  legen  und  nur  zu  fragen,  welche  von 
den  dort  befindlichen  beiden  bedeutungen  auf  die  beiden  Homer* 
stellen,  an  denen  das  wort  vorkommt  (t  37.  \)  364t) ^  zu  übertragen* 
ist,  ob  also  die  |ui€CÖb^ai  bei  Homer  querbalken  oder  gerüste  (schftfte). 
sind.    Fabricius  hat  sich  (s.  586)  für  das  erste  entschieden,  wohl  mit' 
recht,   da  diese  bedeutung  die  ältere  zu  sein  scheint     dies  nach- 
zuweisen ist  der  zweck  gegenwärtiger  Zeilen. 

Der  etymologie  (s.  Lobeck  paral.  s.  466),  wonach  das  wort 
einen  zwischenbau  bezeichnet,  würde  gerade  die  zweite  bedeutung 
der  Urkunde  (gerüst)  scheinbar  nahe  liegen,  denn  als  ein  zwischen- 
bau zwischen  dach  und  lagerboden  geben  sich  ja  jene  gerüste.  aber 
sind  nicht  auch  die  querbalken  der  ersten  bedeutung  ein  zwischenbau 
zwischen  dach  und  fuszboden,  wie  jene  zwischen  dach  und  oberboden? 
niun  denke  sich  die  querbalken  mit  brettern  benagelt  und  man  hat 
gerade  so  ein  gerüst.  dasz  aber  die  bretter  hier  nebensache  und  die 
bulken  die  Hauptsache  sind,  das  könnte  zum  beispiel  die  analogie  des 
wortes)  ^balcon'  lehren,  welches  doch  auch  ursprünglich  weiter  nichts 
als  ^balken'  bezeichnet,  wenn  also  in  der  Urkunde  wie  bei  Galenos 
noch  ein  einzelner  querbalken  |Lt6CÖ^vr]  genannt  wird,  so  sehe  ich 
darin  den  altern  gebrauch  des  wortes. 

'  HO.  H.  39  ff.,  fi^ubilli^t  von  Winckler  Mie  wohiihftiiser  der  Hellenen' 
s.  31  und  neuurdinf^s  zu  lesen  bei  (Guhl  and)  Koner  'das  leben  der 
Gri(*('hen  und  Römer'  8.  97.  '  fcchilligt  ua.  von  Krause  Deinokratei 

8.  41)6.         *  Eustathios  ao.,  gebillif^t  von  Hentze  zu  T  37  nach  dem  Vor- 
gänge von  Gi'.rliiüh  Philol.  XXX  s.  511;  s.  auch  Autenrieth  udvr. 

Wohl  AU.  Albert  Gemoll. 


GHinchfeld:  Pausanias  und  Olympia.  769 

110. 

PAUSANIAS  UND  OLYMPIA. 


Dasz  der  ehrwürdige  heransgeber  des  Pausanias  meine  bemer- 
knngen  über  diesen  Schriftsteller  (arch.  ztg.  1882  sp.  97  ff.)  als  eine 
persönliche  kränkong  auffassen  würde,  habe  ich  nicht  voraussehen 
können;  dasz  er  es  gethan,  musz  ich  zu  meinem  aufrichtigen  be- 
dauern aus  der  form  seiner  auslassungen  (oben  s.  469  ff.)  schlieszen, 
die  mir  nur  dadurch  überhaupt  erst  einigermaszen  begreiflich  wird, 
die  hochachtung  vor  hm.  Schubart,  welcher  Treu  (oben  s.  631) 
einen  auch  für  mich  zutreffenden  ausdruck  gegeben  hat,  yeranlaszt 
mich  meine  starke  abneigung  gegen  die  so  übliche  form  gedruckter 
polemischer  correspondenz  einmal  zu  überwinden,  ich  möchte  auch 
nicht ,  dasz  Schubart  und  die  vielen ,  welchen  sein  urteil  in  Sachen 
des  Pausanias  mit  recht  etwas  gilt,  lediglich  unter  dem  eindrucke 
der  misverständnisse,  der  vielen  ausrufungs-  und  fragezeichen  bleiben, 
zu  welchen  ihm  meine  bemerkungen  anlasz  gegeben  —  ohne  dasz  ich 
denselben  eine  wesentliche  schuld  daran  beimessen  kann. 

Gerade  der  bisherigen  springenden ,  anklägerischen  und  leiden- 
schaftlichen behandlungsweise  gegenüber  schien  es  mir  pflicht,  an 
einem  punkte,  der  es  glücklicher  weise  verstattete  einmal  eine  zu- 
sammenhängende und  unparteiische  prüfungso  sicherer  zeugen, 
wie  inschriften  es  sind,  anzustellen :  d  as  sollte  der  sinn  jenes  zeugen- 
verhöres  sein,  eine  form  an  welcher  Schubart  so  groszen  anstosz  ge- 
nommen hat  und  die  auch  Treu  zu  einem  wunderlichen  aufwand 
von  werten  veranlaszt  hat.*  wenn  bei  diesem  ohne  jede  Vor- 
eingenommenheit angestellten  Werhör*  das  ^anklagemateriaP 
scblieszlich  zu  überwiegen  schien,  um  so  schlimmer  für  den  schrift- 
steiler, dessen  auszerordentliche  nützlichkeit  man  nicht  immer  von 
seiner  qualität  überhaupt  zu  trennen  scheint,  doch  an  der  form 
ist  mir  wirklich  wenig  gelegen ,  kann  ich  auch  in  dem  heftigen  an- 
griff auf  dieselbe  eher  eine  unfreiwillige  anerkennung  als  eine  Schä- 
digung der  von  mir  verfochtenen  Sache  erblicken,  auf  diese 
allein  kommt  es  mir  an,  nicht  darauf,  ob  schlieszlich  der  oder 
jener  recht  behält,  und  dieses  rein  sachliche  interesse  setze  ich  auch, 
so  lange  es  angeht,  bei  anderen  voraus,  da  ich  femer  die,  wie  es 
scheint,  nicht  allgemeine  ansieht  habe,  dasz  ausdrücke,  welche  im 
persönlichen  verkehr  ehrenrührig  sind,  es  auch  im  wissenschaftlichen 
bleiben,  so  spreche  ich  nicht  von  Verdunkelungen  (s.  470),  absicht- 
lichen irrtümem  (s.  475)  oder  fUlschungen  (s.  478  anm.  7),  sondern 
ich  spreche  nur  von  mis Verständnissen  Schubarts,  und,  was  mehr 
ist,  ich  glaube  auch  nur  an  solche,  diese  alle  aufklären  zu  wollen 
kommt  mir  nicht  in  den  sinn;  für  diejenigen,  welche  meinen  auf* 


*  die  bemerkung   von   Trea  b.  631  anm.  1  erledigt  sich,   wie  ich 
glaube,  dnrch  meinen  anfsats  selber. 

Jahrbfieher  für  dass.  philol  1888  hft.  10  n.  11.  50 


770  GHirschfeld:  Pausanias  und  Olympia. 

satz  kennen,  ist  das  zum  groszen  teil  unnötig,  und  für  andere  erst 
recht,  aber  die  aufklärung  über  eine  bauptstelle  ist  mir  wichtig  und 
interessiert  wohl  auch  hm.  Schubart  selber:  sie  betrifft  die  etwaige 
anwesenheit  des  Pausanias  in  Olympia  (oben  s.  473 — 477).  dasz 
ich  dabei  auf  so  billige  ausdrücke  wie  dq)aiv€TO  fmiv,  oTba  dvcupurv, 
OUK  olba  usw.  nicht  ohne  weiteres  gewicht  lege,  versteht  sich  bei 
dem  von  mir  verfochtenen  princip  von  selber,  aber  die  stelle  V  20, 
6— -8  ist  bedeutsamer:  Paus,  erwtthnt  auf  der  Altis  eine  seule,  einen 
rest  vom  verbrannten  hause  des  Oinomaos  Ka8&  XcTOUCiv;  aber  es 
macht  offenbar  eindruck  auf  ihn,  verstärkt  ihm  die  glaub  Würdigkeit 
der  Überlieferung ,  dasz  gerade  in  seiner  anwesenheit  bei  der  funda- 
mentierung  der  siogerstatue  eines  römischen  Senators  ganz  nahe  jener 
stelle  ÖTtXiüv  Kai  xciXivuJV  Kai  ipaXiujv  Gpauc^aTü  im  boden  gefunden 
worden  seien,  ich  betrachtete  diese  bemerkung  deshalb  als  ein  Zeug- 
nis für  eine,  wenn  auch  vielleicht  nur  flüchtige  anwesenheit  des  Paue« 
in  Olympia,  weil  'da  eine  unzweifelhafte  und  in  gr5stem  umfang  be- 
stätigte thatsache  —  das  Vorhandensein  von  bronzeresten  aller  art 
im  Altisboden  —  falsch  erklärt  wird.'  ich  gebe  zu,  ich  habe  mich 
kurz  ausgedrückt :  ich  liesz  mir  eben  zeit  bei  der  abfassung  des  anf- 
satzes,  setzte  aber  freilich  voraus,  dasz  das  auch  der  leser  thun  würde. 
jene  bcobachtung,  die  dem  einheimischen  geläufig  sein  muste,  durfte 
dem  vorübergehenden  besucher  sehr  auffallend  und  einer  besondem 
erklärung  bedürftig  oder  einer  auslegung  f&hig  erscheinen ;  der  ver- 
such zu  einer  solchen  liegt  in  den  werten  des  Pausanias,  und  daher 
meine  auffassung,  der  ich  —  vielleicht  zu  vorsichtig  —  nur  den 
wert  eines  subjectiven  eindrucks  beimasz.  'erkennt  man*  so  fuhr 
ich  fort  'diesen  (subjectiven  eindruck)  an  oder  teilt  ihn  (setzt  also 
mit  mir  eine  anwesenheit  des  Paus,  in  Olympia  voraus) ,  so  hätten 
wir  auch  die  bekannten  irrtümer  bei  der  Atlasmetope,  bei  den 
«Pferdeknechten»  des  ostgiebels  und  doch  wohl  auch  bei  der  mitte 
des  westgiebels  dem  Paus,  oder  seinen  ciceroni  zuzuschreiben,  aber 
wer  bürgt  uns  denn  dafür,  dasz  nicht  auch  schon  ein  oder  ein  paar 
Jahrhunderte  früher  bei  starker  beteiligung  mündlicher  tradition 
solche  legenden  —  um  milde  zu  sein  —  aufkommen  konnten?'  das 
heiszt  doch  einfach,  diese  irrtümer  fordern  an  sich  nicht,  dasz  Paus. 
in  Olympia  war,  können  auch  sehr  wohl  früher  entstanden  sein. 
Schubarts  bemerkungen  über  diese  sätze  und  die  folgenden  beruhen 
darauf,  dasz  er  sich,  wie  er  selber  sagt,  aufs  'erraten'  legte,  wo  es 
doch  nur  aufs  verstehen  ankam. 

Dasz  ich ,  mich  selbst  beschränkend ,  nur  getrachtet  habe  den 
wesentlich  compilatorischen  Charakter  der  periegese  des  Pausanias 
für  diu  beschreibung  Olympias  zu  erweisen,  mich  aber  auf  die  'quellen* 
nicht  eingelassen,  kann  ich  nicht  mit  Schubart  für  einen  raangel  oder 
nachteil  meiner  arbeit  halten,  ich  wollte  nichts  als  den  punkt  be- 
st itnnien,  an  welchem  wir  meiner  meinung  nach  stehen.  |Ltf|  vefidca 
ßaioici,  xop*c  ßaioTciv  ÖTiTibeT. 

Hr.  Schubart  hat  seinen  namen  mit  dem  Pausanias  auf  die 


ERoBsberg:  zu  Tiberianus  [II  24].  771 

rühmlichste  art  verbunden,  und  er  darf  keinen  Vorwurf  für  sich 
darin  erblicken,  dasz  für  die  sachliche  kritik  des  schriffcstellers  noch 
viel  zu  thun  übrig  bleibt,  und  dasz  andere  mit  ernst  und  eifer  die- 
selbe zu  fördern  suchen,  wenn  sich  aber  der  verehrte  mann  auch 
einmal  wieder  auf  dieselbe  einliesz ,  so  würden  ihm  gewis  viele  mit 
mir  dank  gewust  haben,  wenn  er  uns  seine  ansieht  über  gewisse 
hauptpunkte  nicht  vorenüialten  hätte  (s.  zb.  s.  476  anm.  6  und  s.  482 
über  die  ihm  so  wichtige  stelle  X  9,  1  f.). 

Das  letzte  argument  Schubarts  zur  erklftrung  der  zeitlichen 
grenzen  der  periegese  ist  wiederum  die  oft  betonte  abneigung  des 
Paus,  gegen  die  cu^90pä  &9Xf\c  Tf\c  Tuj|iaiujv.  hiergegen  hat  schon 
Treu  (oben  s.  632)  einiges  erinnert;  zumal  der  herausgeber  des  Paus, 
durfte  sich  dabei  nicht  auf  V  20,  1  berufen  und  nicht  aussprechen. 
Paus,  habe  bei  gelegenheit  des  Standbildes  des  römischen  Senators 
'die  spöttische  bemerkung'  hinzugefügt,  er  habe  sein  bild  aufrichten 
lassen  ^GeXujv  ÖTroXiTT&Oai  ifjc  viicT]c  ÖTrönvT]|Lia.  ich  bilde  mir 
noch  lange  nicht  ein  so  'genaue  bekann tschafk'  mit  Paus,  gemacht 
zu  haben  wie  Schubart;  aber  das  weisz  ich  doch,  dasz  es  dem  Paus. 
sehr  wohl  bekannt  war,  dasz  eine  siegerstatue  recht  eigentlich  ein 
xfjc  viKT]C  UTrÖMVT]|Lia  ist  und  nichts  anderes  (s.  VI  15,  2  vgl.  V  21,  1 
u.  Furtwfingler  in  den  mitt.  des  athen.  Inst.  Y  s.  29  f.). 

Und  so  wird  man  es  mir  nicht  verargen  können,  wenn  ich  den 
Pausanias  zunächst  auch  fernerhin  für  einen  compilator  halte,  eine 
bezeichnung  welche  andere  zu  der  eines  plagiators  verengem  wollen. 

Königsberg.  Gustav  Hirschpeld. 


111. 

ZU  TIBERIANUS. 


II  24  las  Baehrens  in  den  'unedierten  lat.  gedichten'  te  celent 
semper  uada  turhida^  te  uada  nigra ^  bezeigte  jedoch  schon  damals 
lust  eins  der  beiden  itada  zu  ändern  und  zwar  in  loca.  später  bei 
der  Wiederherausgabe  dieses  gedichtes  in  den  PLM,  III  s.  265  f. 
bietet  er  den  schlusz  des  verses  te  luta  nigra,  offenbar  hat  er  an 
der  Wiederholung  von  tuida  anstosz  genommen,  und  da  das  zweite 
mal  in  der  hs.  nuda  steht,  so  war  ja  die  möglichkeit  einer  gröszem 
Verderbnis  nicht  ausgeschlossen,  dasz  indessen  das  hsl.  nuda  sicher 
aus  dem  nächstliegenden  uada  entstellt  ist  und  Baehrens  also  in 
seiner  ersten  recension  das  richtige  getroffen,  wird  erwiesen  durch 
die  nachahmung  unseres  verses  in  Prudentius  ps^c^k>9n.  94,  wo  der 
durch  die  Pudicitia  besiegten  Libido  die  Verwünschung  nachgerufen 
wird :  te  uoluant  subter  uada  flammea^  te  uada  nigra, 

Norden.  Eonrad  Bossberg. 

60* 


772  LMejer:  zu  Vergilius  Aeneiß  [I  398—400]. 

112. 

ZU  VERGILIUS  AENEIS. 


I  393—400  aspice  bis  senos  Uietantis  agmine  cycnos^ 
aetheria  quos  lapsa  plaga  lovis  cHes  aperto 
turbahat  cado:  nunc  terras  ordine  longo 
aiU  capere  aut  captas  iam  despeäare  videntur. 
tU  reduces  Hdi  ludunt  stridentibus  alis 
et  codu  dnxere  pokim  cantusque  dedere, 
haud  älüer  puppesque  tuae  pubesqiie  tuorum 
aut  portum  tenet  aut  pleno  suW  ostia  vdo. 
dasz  die  schwttne  in  dem  augenblick  gerettet  sind ,  in  welchem  sie 
die  erde  erreicht  haben ,  hebt  der  dichter  ausdrücklich  dadurch  her- 
vor, dasz  er  die  rettung  der  vÖgel  und  der  schiffe  auf  doppelte  weise 
in  parallele  stellt:  wie  die  schwane  teils  schon  auf  der  erde  sitzen, 
teils  gerade  im  begriff  sind  sich  zu  setzen,  so  sind  die  schiffe  teils 
schon  im  hafen,  teils  laufen  sie  gerade  in  die  einfahrt  ein.  die  werte 
despedare  videntur  enthalten  einen  feinen  poetischen  zug.   dasz  die 
tiere  die  stelle,  auf  welche  der  zufall  sie  hingeführt  hat,  näher  an- 
sehen, zumal  ob  etwas  zu  fressen  vorhanden  sei,  versteht  sich  ja  von 
selbst.   Verg.  schildert  mit  diesen  werten  das  absolute  sicher- 
heitsgefühl  der  tiere,  die  es  nicht  einmal  mehr  der  mühe  für  wert 
halten  nach  ihrem  feinde  emporzuschauen,  der  doch  noch  drohend 
über  ihnen  schwebt. 

Bei  der  auslegung  dieser  stelle  musz  vor  allem  6ins  festgehalten 
werden:  Aeneas  ist  mit  Venus  im  walde.  mag  immerhin  ange- 
nommen werden  können,  dasz  sie  im  gespräch  vorwärts  gehen,  bis 
Venus  ihren  söhn  an  den  fuszsteig  gebracht  hat,  so  vergiszt  doch 
der  dichter  keinen  augenblick  die  Situation ,  dasz  die  baumkronen 
dem  Aeneas  den  blick  auf  den  himmel  entziehen ;  hierdurch  ist  moti- 
viert, dasz  Venus  das  recht  gewinnt  ihrem  söhn  das  zu  erzählen  und 
zu  schildern,  was  er  nicht  selbst  sehen  kann;  das,  was  sie  selbst 
beobachten,  wird  durch  das  wort  videntur  in  richtigen  gegensatz 
gegen  das  vorige  gestellt.  Aeneas  hat  den  adler  nicht  gesehen,  ist 
derselbe  nun  aber  so  plötzlich  und  so  völlig  verschwunden,  dasz  die 
schwane  in  völliger  Sicherheit  fortfliegen  können?  wäre  dies  die 
meinung  des  dichters  gewesen,  so  würde  er,  der  genaue  beobacfater 
der  natur,  es  um  so  mehr  haben  hervorheben  müssen,  weil  gewöhn- 
lich die  raubvögel  noch  längere  zeit  lauernd  die  stelle  umfliegen, 
wo  ihnen  eine  beute  entgangen  ist. 

In  V.397  kann  also  ludunt  stridentibus  aMs  nicht  bedeuten:  die 
schwane  fliegen  fort;  sonst  müßten  wir  Verg.  die  Ungeheuerlichkeit 
zutrauen:  wie  die  schwane  sich  aufs  neue  in  die  gefahr  begeben,  so 
sind  deine  schiffe  gerettet,  was  jene  werte  bedeuten,  das  kann  man 
jeden  tag  bei  einer  gänseherde  beobachten,  wenn  die  tiere  einen 
schrecken  gehabt  und  nun  gemerkt  haben ,  dasz  nichts  ernstes  zu 


LMejer:  za  YergiliuB  Aeneis  [I  898—400].  773 

gnmde  lag,  dann  besonders  pflegen  sie  ihren  körper  emporzurecken 
und  mit  sausenden  flügeln,  gewissermaszen  triumphie- 
rend, zu  schlagen,  ohne  dasz  sie  darum  daran  denken  empor- 
zufliegen, indem  der  dichter  danach  strebte  jedes  misverständnis 
auszuschlieszen,  wandte  er  nicht  allein  das  wort  ludufU  an,  im  gegen- 
satz  gegen  den  ernstlichen  gebrauch  der  flOgel ,  sondern  fügte  auch 
in  richtiger  einsieht,  dasz  Uidunt  hier  misverstanden  werden  könne, 
strideniibtM  oMs  bei,  um  anzudeuten  dasz  Aeneas  und  Venus  das 
sausen  der  flügel  so  lange  hörten,  als  die  vögel  die  flfigel  schlugen; 
vgl.  die  redensarten  strepüantibus  advdat  aUs  oder  drcumsonai  aUs 
udgl.  hätte  der  dichter  wirklich  vom  fortfliegen  sprechen  wollen, 
so  konnte  er  sagen  dasz  die  schw&ne  stridenttbus  alis  auf-  oder  über 
die  köpfe  der  drei  personen  hinwegflogen;  von  dem  übrigen  teile 
dieses  fluges  durfte  er  so  nicht  sprechen. 

Aber  trotz  aller  Sorgfalt  des  dichters  trat  das  misverständnis, 
dem  er  vorbeugen  wollte ,  schon  recht  früh  ein ;  er  fiel  in  die  bände 
der  grammatiker,  die  es  für  zu  gering  erachteten  die  natur  zu  beob- 
achten ;  und  so  ist  schon  sehr  frühzeitig  hinter  ludunt  stridentibus  (üis 
der  vers  et  caetu  cinxere  polum  cantusque  dedere  eingeschoben,  mag 
man  immerhin  glauben  den  gebrauch  des  perfectum  erklären  oder 
entschuldigen  zu  können :  man  kann  positiv  behaupten  dasz ,  wenn 
auch  im  übrigen  die  gewöhnliche  erklärung  dieser  stelle  in  völliger 
Ordnung  wäre,  Verg.  diesen  vers  hier  nimmermehr  geschrieben  haben 
kann,  soll  man  etwa  dem  naturkenner  und  naturbeobachter  Verg. 
zutrauen,  dasz  er  dieselben  vögel,  die  die  zeit,  in  welcher  Venus  vier 
verse  spricht,  brauchen  um  von  der  höhe  der  baumkronen  bis  zur 
erde  zu  gelangen ,  in  der  zeit  höchstens ,  die  Venus  zu  einem  halben 
verse  braucht,  nicht  nur  wieder  auffliegen  und  aus  den  äugen 
.verschwinden,  sondern  sogar  den  ganzen  himmel  umfliegen  läszt? 
oder  soll  man  dem  dichter  Verg.  den  albernsten  und  geschmack- 
losesten lückenbQszer  cantmgue  dedere  zutrauen? 

Alles  ist  in  vollständigster  Ordnung  und  klarheit,  wenn  wir 
diesen  vers  wieder  hinter  v.  393  einsetzen,  halten  wir  fest,  Aeneas 
sieht  die  schwane  erst  in  dem  augenblicke ,  wo  sie  unter  den  baum- 
kronen in  seinen  gesichtskreis  kommen,  was  sie  vorher  gethan 
hatten,  in  wie  groszer  gefahr  sie  gewesen  waren,  das  musz  Venus 
ihm  klar  machen,  dazu  genügen  die  werte  aperto  cado  —  im  gegen- 
satz  gegen  den  schütz  den  schon  die  bäume  den  vögeln  gewährten  — 
nicht,  um  Aeneas  klar  zu  machen,  dasz  die  rettung  der  schwane 
ebenso  wunderbar  war  wie  die  seiner  schiffe ,  muste  gesagt  werden 
dasz  sie  ^ohne  eine  ahnung  der  gefahr  singend  den  himmel  um- 
flogen', und  erst  wenn  dargelegt  wird,  was  die  seh wftne  vorher 
gethan  haben ,  ist  das  wort  nwic  vollständig  erklärbar. 

Hannover.  Ludwig  Mbjer. 


774       EBaehrena:  die  consonantengemination  im  lateinischen. 

113. 

DIE  CONSONANTENGEMINATION  IM  LATEINISCHEN. 


I. 
Es  ist  eine  feststehende  thatsache,  dasz  die  lateinische  spräche 
vor  Ennius  niemals  dieselben  consonanten  verdoppelte.  Festnss.  293*, 
10  ff.  sagt  über  söUtaurüia  handelnd :  per  unum  l  enuntiari  non  est 
mirum^  guia  nuUa  tunc  geminabaJtur  lUtera  in  soribendo.    quam  con- 
suetudinem  Ennius  mutavisse  fertur^  läpote  Chraecus  graeoo  more  tsst^^ 
quod  iäi  aeque  scribewtes  ac  legentes  dupUcabant  mtäas ,  semwooaies 
et  liquidas'^  femer  s.  218^,  11  'porigam*  dixisse  anti^i  videnturpro 
^porrigam^  propter  morem  non  ingeminandarum  UUerarutn',  endlich 
8.  355  *,  1  Harufn'  ut  significet  torridumy  aridtun^  per  unum  quiden^  r 
(mtiqua  cansuetudine  scnbüwr;  sed  quasi  per  duo  r  scribcUurj  pro- 
nuntiari  oportet,  nam  antiqui  nee  miUas  nee  semivocäks  Utteras  gemi- 
nahanty  ut  ßin  Ennio^  Arrio^  Ännio,  vgl.  auch  Qaintiiianos  I  7,  21 
and  Marius  Victorinas  s.  8,  1  ff.  und  9,  ä2ff.  E.    damit  stimmen 
die  inschriften  vollständig  überein,  indem  sie  ausnahmslos'  in  der 
vorennianischen  zeit  die  gemination  nicht  kennen:    vgl.  Bltschl 
PLME.  tab.  LX  A— H  und  Mommsen  CIL.  I  s.  602.    eine  richtige 
erklärung  dieser  thatsache  sowie  eine  Würdigung  der  intentionen 
des  Ennius  bei  der  einführung  der  gemination  in  die  lat.  spräche 
scheint  mir  bis  jetzt  nicht  gegeben  worden  zu  sein,    die  gangbare 
ansieht  ist  die,  dasz  die  Verdoppelung  allein  zur  graphischen  be- 
zeichnung  des  geschärften  consbnantischen  lautes  diene:  vgl.  zb. 
Corssen  ausspr.  I'  s.  13.   daraus  erklären  sich  auffassungen  wie  die 
von  Bitschi  opusc.  11 527  'bei  einfachem  consonanten  so  gut  wie  bei 
verdoppeltem  ist  die  silbe  lang,  weil  der  vorhergehende  vocal  eine 
naturlänge  ist' ;  ebd.  lY  771  'dasz  es  nicht  SäUustius  PoptlUus  P^Oio 
hiesz,  wie  man  heutzutage  ohne  ausnähme  hört,   weil  auch  ohne 
consonantengemination  Sälustvus  Foptlius  PöUo  .  .  also  auch  nicht 
vtUa^  sondern  vtUa  genau  wie  vtlicuSy  da  hier  die  gemination  oder 
nichtgemination  des  l  eine  sache  für  sich  ist.*   die  Unsicherheit  auf 
diesem  gebiete  wird  auch  charakterisiert  durch  eine  stelle  in  LMüllers 
'orthographiae  et  prosodiae  latinae  summarium',  worin  wir  s.  28 
lesen:  'ubi  geminatur  consona  in  vocabnlo,  aliquante  saepius  videtur 
fuisse  vocalis  brevis  quam  longa,  mazime  cum  in  verbo,  unde  descen- 
deret  illud ,  esset  brevis ,  ut  puiUa  propter  pu^ra.    unde  interdum 
subtracta  consona  priore  brevis  manet  vocalis,  ut  oportet  Persona 
pro  opportet  Porsenna.    contra  longa  fuit  in  quereUa  loqueUa  lueUa, 
in  miüe  propter  milia^  in närro  propter  narus^i  behauptungen  welche 
sich  sämtlich  als  falsch  erweisen,  und  nicht  besser  steht  es  mit  dem 
was  noch  unlängst  FBücheler  bemerkt  hat  auf  s.  VI  f.  von  Anton 
Marx  'hilfsbüchlein  für  die  ausspräche  der  lat.  vocale  in  positions- 

1  ein  singuläres  beispiel  Hinnad  rechtfertigt  Bltschl  opusc.  IV  166; 
ebenso  erledigt  sich  incurrere  im  Carmen  fratrom  Arvalium  von  selbst 
durch  die  späte  schriftliche  fixierang  dieses  Stückes. 


EBaebrenB:  die  consonantengemination  im  lateinischen.       775 

lai)gen  silben',  in  welchem  übrigens  nicht  nnnlitzen  schriftoheii  eine 
menge  hierher  gehöriger  w5rter  verbessert  werden  musz. 

Die  quelle  des  irrtoms  liegt  zum  grossen  teil  in  der  lehre  von 
der  angleichong  der  consonanten  im  inlaute.  wir  lassen  hier  wie  im 
folgenden  natürlich  jüngere  bildungen  {effMgio  statt  ecfugiOy  appeto 
statt  adpeto  usw.)  bei  seite;  aber  wenn  man  zb.  sagt»  seüa  sei  aus 
südla  —  sidela^  entstanden,  so  vergiszt  man  zweierlei,  erstlich 
ist  unbegreiflich,  wie  bei  solcher  adsimilation  die  kurze  erste  silbe 
über  die  zweite  lange  den  sieg  davontrug,  w&hrend  doch  stets  das 
schwerere,  vielmehr  das  leichtere  zu  überwältigen  pflegt,  zweitens 
wäre  es  in  diesem  falle  nicht  minder  unbegreifli<äi ,  dasz  die  lat. 
spräche  nicht  schon  längst  vor  Ennius  die  durchaus  natur* 
gemäsze  und  von  selbst  sich  darbietende  angleichung «Atta 
—  sSüa  nicht  nur  gefunden ,  sondern  auch  graphisch  ausgedrückt 
hätte,  die  richtige  erklärung  ist  meines  erachtens  die ,  dasz  aus  «^- 
dila  entstand  sela  (vgl.  sdiquasifum)  ^  wie  acda  aus  scandda^  mala 
aus  mandela^  nicht  ohne  einflusz  der  paroxjtonese,  wodurch  auch 
zb.  festra  aus  fenestra  ward,  überhaupt,  wenn  das  latein  Jahrhunderte 
hindurch  keine  gemination  kannte^  so  ergibt  sich  daraus.als  not- 
wendige folgerung,  dasz  die  theorie  von  der  angleichung  der 
consonanten  im  inlaut  für  das  älteste  latein  ganz  zu 
leugnen  ist,  und  als  feste  regel  musz  aufgestellt  werden  dasz  dies 
älteste  latein  seine  Wortbildungen  betrieb  allein  durch 
ausstoszung  sei  es  einzelner  consonanten  sei  es  ganzer 
Silben,  nicht  ohne  bestimmte  ein  Wirkung  des  accentes,  wobei  denn 
diese  ausgestoszenen  consonanten  oder  silben  in  der  Verlängerung 
des  vorhergehenden  vocals,  wenn  dieser  von  natur  kurz  ist,  eine 
spur  zurücklassen. « so  entsteht  zb.  aus  vtculu  zunächst  t^2a,  aus 
ünülus  ursprünglicfl  ü2ii5;  und  wie  aus  vtäeo  und  födio  durch  das  me- 
dium von  vid{8)i  fod{8)i  und  vi(d)sum  fo(d)stMn  wurde  vidi  focU  und 
Visum  fosum^  so  auch  presi  presum  durch  premsi  premsum  aus  prSmo ; 
weiter  ward  pu^nÜus  oder  wohl  besser  puerulus  durch  ptAerlus  zu  - 
püelus  (vgl.  supelex  statt  su^^lex)^  cSröniUa  zu  cSrola.  diese  wenigen 
beispiele  werden  genügen,  jene  ausstoszung  nun  liegt  ganz  im 
Charakter  des  lateinischen,  aus  der  gemeinsamen  Ursprache  hatte 
das  italische  noch  viele  längen  bewahrt  in  stammen,  welche  seit 
ihrem  ersten  auftreten  bei  den  beweglicheren  Griechen  als  kürzen 
erscheinen;  das  starre  und  steife,  das  dumpfe  und  dunkle  ist  so  in 
der  lat.  spräche  von  haus  aus  der  grundton,  ganz  in  Übereinstimmung 
mit  dem  Charakter  und  der  lebensweise  des  volkes,  welches  in  seinem 
ersten  beginnen  diese  so  beschaffene  spräche  sich  von  selbst  langsam 


'  natürlich  ist  es  fade  schul  Weisheit,  wenn  Servlas  sa  bue,  1,  9  und 
TerentiuB  Scaoras  s.  13,  14  K.  behaupten,  es  habe  ursprünglich  §edäA 
statt  sella  geheiszen:  schon  die  gemination  dd  macht  das  unglaublich. 

^  übrigens  war  dies  wohl  anch  bei  den  andern  italischen  dialekten 
der  fall,  wie  es  sich  noch  kürzlich  für  das  oskische  heransgestellt  hat 
(vgl.  Bücheier  im  rhein.  mus.  XXXIII  s.  74  f.). 


776        EBaehrens:  die  conBonantengemination  im  lateiniBchen. 

und  ihrer  natur  eiiitsprecbend  entwickeln  liesz  durch  ausstoszen  des 
hinderlichen,  nicht  durch  angleichung,  welche  stets  in  weicheren  oder 
mehr  vorgeschrittenen  sprachen  ihre  anwendung  findet,  so  litt  dexin 
das  älteste  latein,  wie  es  sich  im  wesentlichen  lange  vor  der  litte- 
rarischen Periode  heranbildete,  an  einem  überflusz  von  schwerea 
und  dumpfen  silben;  das  bestreben  denselben  mehr  flusz  und  ^- 
schmeidigkeit  zu  geben  konnte  erst  allmfthlich  aufkommen  mit  dem 
Zeitpunkte ,  als  gegenüber  dem  stillleben  Iftndlicher  zurückgezc^n- 
heit  sich  ein  öffentliches  leben  in  Bom  zu  entfalten  begann,  als  das 
forum  mit  seinen  kftmpfen  gewandtheit  im  sprechen  mehr  und  mehr 
zur  bedingung  machte,    in  einem  langsam  aber  sicher  sich  voll- 
ziehenden process  wurde  nun  das  schwere  leicht,  das  dunkle  hell 
gemacht,  nicht  allein  durch  die  in  jeder  Umgangssprache  übliche  ab- 
werfung  der  auslautenden  consonanten  und  die  Verkürzung    der 
langen  endvocale,  sondern  auch  indem  man  hier  und  da  durchdrangr 
in  das  innere  der  Wörter  und  an  dem  alten  bestände  der  silben  rat* 
telnd  denselben  ins  wanken  brachte,  diesen  zustand  der  dinge  zeigen 
uns  bekanntlich  die  ersten  reprftsentanten  der  römischen  litteratur, 
welche  vor  allem  bei  ihren  productionen  für  die  bühne  sich  natur- 
gemäsz  an  die  vorhandene  gewöhnliche  spräche  hielten,  sie  musten  die 
prosodie  erst  feststellen  durch  aufmerksames  erforschen  dessen  was 
als  das  gemeingültige  in  der  ausspräche  ihrer  zeit  angesehen  werden 
konnte;  der  zufällige  umstand,  wie  weit  jene  auflösung  des  alten 
im  einzelnen  schon  vorgeschritten  war,  beeinfluszte  auch  die  fixierung 
des  thatsftchlichen  bestandes ;  und  wenn  sich  für  alle  zeiten  solche  * 
unregelmftszigkeiten  wie  zb.  rex  rigis  und  r^go  r^gis  neben  düx  dücis 
und  düco  düds  oder  ambäges  und  indägo  neben  extgo  und  den  übrigen 
composita  von  ägo^  alt  ägo^  finden,  so  fällt  die  schuld  davon  allein 
der  inconsequenz  des  Zufalls  zu,  welcher  das  eine  verschont  und 
auf  das  andere  sich  wirft.    Livius  Andronicus  und  Naevins  haben 
sich  auf  diese  weise  durch  das  aufstellen  einer  im  groszen  und  ganzen 
gültigen  prosodie  Verdienste  erworben ;  aber  weiter  zu  gehen  und 
der  auf  abschüssiger  bahn  ihrem  ruin  entgegeneilenden  spräche  zu 
hilfe  zu  kommen  durch  eigne  gesetzgeberische  thätigkeit,  dazu  be- 
stand für  sie  keine  äuszere  veranlassung;  vielmehr  benutzton  sie 
wie  auch  die  zunächst  folgenden  scaenici  jenes  schwanken  ganz  nach 
bedür&is  des  verses  und  gebrauchten  zb.  üe  und  ese  bald  mit  (ur- 
sprünglich) langer  bald  mit  (misbräuchlich)  kurzer  ersten,    jene 
veranlassung  zu  energischem  vorgehen  fand  (zumal   die  sprach- 
verderbnis  unterdessen  wiederum  fortschritte  gemacht  hatte ,  zb.  in 
der  Verkürzung  von  auslautendem  a:  vgl.  Fleckeisen  krit.  miscellen 
s.  15)  erst  Ennius,  den  die  notwendigkeit,  für  die  unwandelbare 
thesis  des  hexameters  auch  unwandelbare  quantitäten  zur  Verfügung 
zu  haben,  von  selbst  zu  einer  Umgestaltung  des  bestehenden  Schlen- 
drians führte  und  dadurch  zum  reformator  der  lat.  spräche  machte; 
Vgl.  Bitschi  opusc.  II  583.    das  können  wir  hier  nur  mit  rücksicht 
auf  unser  thema  weiter  verfolgen. 


H 


EBaehrens:  die  conBonaniengemination  im  lateinischen.       777 

Es  ist  ganz  richtig,  wenn  Festns  sagt,  Ennina  habe  die  geminae 
eingeführt  u^pcie  Oraecus  graeco  mare  ustis:  in  der  that  bestand  in 
dem  in  seiner  Vaterstadt  Budiae  einheimischen,  dem  griechischen 
nahe  verwandten  messapischen  dialekte  verdoppelang  (vgl.  WDeecke 
im  rhein.  mus.  XXXVI  s.  577).  aber  die  anwendimg  derselben  auf 
das  lateinische  wird  durch  die  gangbare  auffassong  einer  verschftr- 
fung  der  consonanten  nicht  erklärt,  indem  man  weder  die  entstehung 
dieser  Verschärfung  noch  des  Ennins  absieht  begreift,  rückt  man  die 
Sache  als  ein  (and  zwar  recht  wesentliches)  glied  in  die  kette  der 
auf  die  abwehr  der  corraption  der  wOrter  bezüglichen  reformen  des 
dichtere  ein,  so  wird  sie  sich  leichter  erklären  lassen,  nicht  allein 
um  die  erlangung  von  kürzen,  wie  man  gewöhnlich  glaubt^  sondern 
mehr  noch  um  die  erhaltung  von  längen  war  es  ihm  zu  thun,  um 
die  für  die  neue  daktylische  poesie  geeigneten  wortformen  zu  finden, 
und  so  muste  sich  sein  augenmerk  in  gleichem  masze  richten  auf 
die  beseitigung  der  am  ende  wie  auch  der  im  innem  der  wOrter  statt- 
findenden entstellungen  der  Volkssprache :  dem  übermäszigen  triebe 
nach  Verkürzung  der  silben  im  inlaute  muste  entgegengearbeitet 
werden,  dazu  empfahl  sich  von  selbst  die  Verdoppelung  des  folgen- 
den consonanten:  die  positionslänge  bildete  für  zu  weit  gehende 
Verkürzungsgelüste  und  ihre  folgen  einen  wirksamen  dämm,  aber 
dies  allein  genügt  noch  nicht  zur  erklärung.  konnte  denn  Ennius 
nicht  von  seinem  vorbilde  eine  wenn  auch  langsame  verbesserang 
erhofien?  um  bei  dem  vulgärsten  beispiel  zu  bleiben,  so  liesz  sich 
doch,  wenn  er  fortan  stets  nur  ise  und  ile  gebrauchte,  die  allmäh- 
liche Verdrängung  des  volkstümlichen  ifse  und  tle  ebenso  gut  er- 
warten, wie  er  dies  in  anderen  fällen  mit  bestem  erfolge  hoffte, 
ohne  die  anwendung  weiterer  mittel  hat  sich  die  fiiierung  von  inde 
ipse  iste  nempe  usw.  als  trochäischer  wortformen  vollzogen,  hat  die 
abwerfung  der  schluszconsonanten  (mit  ausnähme  der  von  m  und  5, 
welche  als  ganz  allgemein  auch  Ennius  anerkennen  muste)  aufgehört 
allein  durch  das  gegebene  beispiel.  die  dichter  waren  damals  Sprach- 
lehrer ,  nicht  blosz  für  ihre  eigne  person ,  sondern  in  höherem  sinne 
für  die  nation:  ihr  vorbild  fand  in  den  gebildeten  und  nach  fort- 
schritt  strebenden  kreisen  allgemeine  nachfolge,  aber  dieser  einfiusz 
ist  ein  wechselseitiger  und  beruht  nicht  auf  einseitiger  dictatur  dea 
grammatikers,  welcher  eigenmächtig  seine  Vorschriften  macht,  daa 
aus  dem  ununterbrochen  auf  dem  gebiete  der  spräche  thätigen 
schaflfensdrang  des  Volkes  neu  zu  tage  kommende,  mit  dem  alten 
ringende  und  entweder  unterliegende  oder  mehr  und  mehr  feld  ge- 
winnende material  musz  er  prüfen  und  sondern ,  um  dem  was  sich 
als  berechtigt  erweist  zum  siege  und  zur  alleinherschaft  zu  verhelfen, 
die  allgemeine  aufnähme,  welche  mit  der  zeit  Ennius'  neuerung  hin- 
sichtlich der  consonantenverdoppelung  fand ,  würde  nicht  recht  be- 
greiflich sein,  wäre  dieselbe  allein  aus  dem  köpfe  des  dichtere  und 
nicht  aus  einem  tieHnnerlichen  bedürfhis  der  lat.  spräche  hervor- 
gegangen,   ohne  zweifei  hat  Ennius,  wie  einst  schon  Livius  und 


Mt^^   ^^*>*'  4!Jtfi3L  r^  1  y  ^»  *    u    ^^ •     Üi  r* * ^f "tSj ^^- 

^^a  f  Vg    4« 4«  —  /««  ^w.  iätt.  -    Ljt 


W.;  fte.wr  (•'.21.':  d^  v.^^z.iE.'jcs.Ttrdc-f  pel^s^  i^  &^  die  folge 


/. 


ak^*4;  ^,iksO£Ac:«;ii    :^:i  fcr,*rkrTg  ti-c  r    z^slllja 


es  Jet  TieLel-^L;  cJi;  S^^ri^-l?-  n-xh  tii:**  c-tiriiäc  :är 
v«ffaü.s:.c,^  be.r^r,ü^«n.  ^Jk  scl^i::^r  Ijcgi  z-.Llcrii  darä.  dA£z  die 
&i>fi  '^^JLftMilifx  i&  i^ec  Ti^l^  ti^r  dir  &cctc;cA£ic&  der  äücwa 
''■.;^;.  d>fe  •***tlitoiL4  bei  FS^hrj^i,  in  iLieö:!»  A«a  VI  ä.  lüO— 126} 
fcVrXA  r/«:i  gexLifiae  bleu  posi;l:iLsl2iuen  :i&:&:eneii.  andeim  nock 
;i^  ^ ithüfitni  2^^AsenisÄm  deraek-rc  werden  wir  ccien  bege^gnea. 
C^,':fi  bWlhx  CkT  h^zte  wsiKtii  der  folgende,  jener  Terk&muigstzieb 
bi.»;b  u;cb.  lä^cti^Ahm  Ennitu  inm  fesie  K^hrönken  gezogen  h*Ue,  im 
r^rril*«hen  roike  lebendig,  wenn  aacc  von  jetzt  an  ohne  nachteilige 
fo.:/en«  im  formblarprocesB  de&  römischen  pri?atrechies  bildet  für 
d;«:  iDt^fentio  und  ccndemnatlo  das  «i  js<ire^  und  si  non  paret  eine 
feV'hende  formel.  worin  eben,  weil  sie  äo  viel  gebraucht  wurde,  im 
gev*  ähnlichen  leben  />dr«/  TerkQrzang  erlitt  und  von  den  cn wissenden 
kcriba«  prt^Ujrii  geradezu  parrd  geschrieben  werde,  gegen  dieM 
d«'i  gewohnbeit  der  gebildeten  allzusehr  ins  geeicht  schlagende 
entst^ilung  waren  grammatiker  aufgetreten,  und  io  üeät  man  bei 
fVrtu-s  k,  233  \  25  ^parret\  quod  est  in  ßrmulis^  debuU  ei  producta 
f/rtr/re  »yllafja  pronuntiari  et  ncm  gemino  r  scrihi.  ut  fieret  Sparet* ^ 
ffUfßd  et  inveniaiur  in  ^comparet^  apparet*:  man  musz  lang  sprechen 
päret,  nicht  znit  geminalion  parrd  korz.  prüft  man  aber  das  alte 
hprachmaUsrial  Cinit  aufasonderung  der  bp&ter  erst  aufgekommenen 
und  iM^HonderH  mittelalterlichen  falschen  Schreibweisen),  so  gibt  es, 
dM  fiudttWßT  von  selbst  seine  ursprOngliehe  l&nge  guätuar  trotz  grie- 
chisch und  Sanskrit  bezeugt,  nur  6in  wort,  welches  der  von  mir  an- 
g«;nomrneneD  naturlttnge  des  betreffenden  vocales  direct  zn  wider* 
sprechen  scheint,  nemlich  cSiidie,  gewöhnlich  coitidie  geschrieben, 
d«;r hcn  kurze  erste  jedoch  über  allem  zweifei  feststeht  (Corssen  I' 
s.  17«0j.  aber  dii;  geschichte  dieses  Wortes  gibt  für  diesen  Wider- 
spruch eine  g<rnn^f-nde  erklärung.  schon  früh  hatte  ein  grammatiker 
(etwa  Knnius  sellist?;  wegen  des  c  die  etymologie  aufgestellt,  dasa 
colidie  aus  contincnti  die  entstanden  und  also  als  cötidic  aufzufassen 


EBaehrens:  die  consonantengemination  im  lateinischen.        779 

sei,  und  demgemäsz  aus  der  Verkürzung  der  ersten  in  der  ausspräche 
den  schlusz  auf  die  notwendigkeit  von  tt  gezogen,  und  ihm  stimmten 
viele  bei.  diejenigen,  welche  richtig  an  quöto  die  dachten,  schrieben 
und  sprachen  vielmehr  guötidie  oder  cötidie  (vgl.  die  stellen  bei 
Brambach  neugest.  d.  lat.  orth.  s.  236).  und  so  wechselt  denn  die 
Schreibung  dieses  wortes,  was  gegen  unsere  ansieht  natürlich  nichts 
beweist,  andere  scheinbare  beweise  dafür,  als  könne  auch  bei  gemi- 
nation  die  vorhergehende  silbe  entweder  ursprünglich  kurz  gewesen 
sein  oder  aber  die  länge  derselben  auch  in  der  ausspräche  bestehen 
bleiben,  werden  unten  ihre  erledigung  finden. 

Ehe  wir  Ennius'  theorie  im  einzelnen  verfolgen,  dürfte  es  sich 
empfehlen  einen  augenblick  stillzustehen  bei  einigen  für  etymo- 
logische fragen  wichtigen  schluszfolgerungen.  denn  man  musz  jetzt 
verlangen,  dasz  überall,  wo  geminae  auftreten,  die  ursprüngliche 
länge  des  vorhergehenden  vocals  angenommen  wird,  auch  wenn  wir 
in  folge  unsere^  trümmerhaften  materials  das  nicht  mehr  in  jedem 
falle  nachweisen  können.  Sälhistius^  alt  Sältistius^  zb.  leite  ich  ab 
von  Salus :  hier  zeigt  uns  die  ursprüngliche  länge  des  a  noch  zufällig 
der  alte  bauernspruch  bei  Varro  terra  pest6m  tenäOy  sdltis  ]i4c  manito 
(denn  an  LHavets  saliis  hice  glaube  ich  nicht),  sodann  aber  musz 
überhaupt  die  forderung  aufgestellt  werden,  welche  eigentlich  schon 
aus  der  einfachen  thatsache  der  nichtgemination  im  alten  latein  als 
unabweisbare  folgerung  sich  ergibt,  dasz  fortan  bei  allen  etymo- 
logischen erklärungen  lat.  Wörter  oder  wortformen,  wo  immer  wir 
es  nicht  mit  später  entstandenem  oder  importiertem  gute  zu  thun 
haben,  stets  nur  von  den  simplices  ausgegangen  wird,  so  bequem 
es  zb.  auch  ist,  oppidum  direct  von  ohpidum  (ohpedum)  abzuleiten^ 
80  nötigt  uns  CIL.  I  1166.  1555  doch  den  um  weg  obpidum  —  öpi- 
dum  —  öppidum  einzuschlagen,  es  herscht  in  dieser  beziehung 
grosze  Unsicherheit;  der  spuk  der  adsimilation  treibt  noch  allent- 
halben sein  wesen.  Corssen,  der  die  etymologische  Ungültigkeit  der 
geminae  sonst  auch  bei  gelegenheit  hervorhebt ,  läszt  doch  in  vielen 
anderen  fällen  dieselben  als  ursprünglich  zu.  so  entsteht  zb.  ausspr.  P 
s.  225  bei  ihm  ü  durch  adsimilation  aus  li  in  faUo  (er  vergiszt  fäUa^ 
alt  fäla,  das  gelegentlich  noch  von  Novius  fr.  12  R.  falsch  als  fäla 
gebraucht  wurde) ;  aus  Iv  in  pöllen,  dessen  ursprüngliche  form  polen 
noch  polenta  (vgl.  unten)  zeigt,  hier  ist  consequenz  nötig,  welche 
wir  auch  bei  den  linguisten  häufig  vermissen,  man  sieht  jetzt  dasz 
zb.  Chilis  aus  cölis^  sowie  cöUum  {-us)  aus  cöltim  {-us)  entstanden  ist 
und  dasz  auch  cölumna  nach  dem  unten  zu  besprechenden  gesetze 
damit  zusammenhängt  (anders  GCurtius  grundzüge^  s.  153);  ifrrare 
aus  erare  (Curtius  ebd.  s.  556  läszt  error  aus  ersor  entstehen); 
moUis  aus  mölis^  verwandt  mit  griech.  ^uüXuc;  päUeo  aus  päleo  (vgl. 
skr.  pal'i-ta-s  *grau');  s^rra  aus  sera  aus  secera»  vieles  wird  noch 
auf  diesem  wege  zu  erklären  sein,  wie  man  denn  zb.  desjenigen 
etymologien  von  CPauli  (Kuhns  zs.  f.  vergl.  sprachf.  XVIII  1  ff.), 
welche  von  den  simplices  als  dem  urspiilnglichen  ausgehen  (zb.  2t]p- 


780        EBaehrens:  die  consODantengeminatiozi  im  lateinischen. 

pus  —  Itpus,  stccus  —  sicus),  meist  seinen  beifall  schenken  kann. 
ich  lasse  hier  einige  wenige  derartige  bemerkungen  folgen: 

1)  annus  wird  von  Corssen  als  amnus  'umkreis'  aufgefaszt 
(beitr.  s.  316),  wie  ähnlich  schon  von  Pott  und  Mommsen  (onterit. 
dial.  s.  248).  aber  wenn  anuSy  anuus  usw.  stets  auf  den  vorenniani- 
sehen  (wie  gelegentlich  noch  spätem  plebejischen)  inschriften  steht 
und  man  nicht  begreift,  wie  dies  antis  aus  amnus  entstehen  konnte, 
da  die  Verbindung  mn  keineswegs  zu  den  lästigen  gehörte,  so  wird 
man  von  diesem  onus  notwendigerweise  bei  der  etymologischen  er- 
klärung  ausgehen  müssen :  vgl.  unten. 

2)  cällis^  aus  cälis^  bringe  ich  zusammen  mit  skr.  käl  'antreiben' 
(Curtius  grundz.  s.  146) :  es  ist  der  weg  wo  das  vieh  getrieben  wird« 

3)  ceUa.  weder  Curtius'  (ao.  s.  140)  ansieht,  dies  sei  deminutiv- 
bildung  für  celula ,  noch  die  von  Kuhn  (zs.  V  s.  454) ,  es  stehe  für 
celia^  tri£ft  das  richtige,  aus  celare  wurde  cela  (bergungsplatz;  ygK 
ceUa  penaria  und  Festus  s.  66  M.) ,  gerade  so  wie  zb.  von  volo  sich 
völus,  vorus  von  vorare^  bildete,  aus  cela  machte  die  volksaussprache 
cella^  was  Ennius  recipierte ;  späteres  deminutivnm  davon  ist  cSllük^ 

4)  classis,  über  dies  wort  hätte  wohl  Jordan  (Hermes  XVI 
s.  53  ff.)  sich  nicht  so  weitläuftig  ausgelassen ,  hätte  er  den  natür- 
lichen entwicklungsgang  sich  klar  gemacht,  cläsis  (CIL.  I  195)  ist 
cäläsis^  von  calare\  man  hat  es  richtig  durch  ^aufgebet'  erklärt, 
woraus  sich  die  späteren  bedeutungen  leicht  ergeben;  es  bedarf  jetst 
nicht  mehr  des  falschen  hinweises  auf  das  singulare,  unregelmässige 
und  späte  hassis  (vgl.  unten),  um  den  process  der  Verkürzung  däsaia 
sich  deutlich  zu  machen;  wenn  etwas,  so  hätte  man  zb.  cäsis  (aus 
cad&is)  —  cässis  'netz'  vergleichen  können. 

5)  ^cce  kann  nur  aus  urspr.  See  entstanden  sein,  wie  Corssen 
ausspr.  TP  635  f.  richtig  erkannte,  die  geschichte  dieses  ^,  dessen 
länge  blieb  in  dem  gedehnt  gesprochenen  eheii  der  trauer  und  ver- 
schwand in  dem  rasch  hingeworfenen  ^ho  und  ^hem ,  hat  Bibbeck 
(lat.  part.  s.  43)  in  guter  erörterung  verfolgt,  in  welche  sich  jetzt 
ece  —  ifcce  als  neues  glied  einreiht. 

6)  faciUumus,  von  den  beiden  formen  des  Superlativs  -umus 
{-imus)  und  -tsumus  —  -tssuinus  {-tssimus)  hat  sich  die  er^tere  be- 
kanntlich nur  noch  in  wenigen  fällen  erhalten;  gewöhnlich  nimt  man 
dafür  -rumus  (aus  -tumus  und  dann  -sumus)  an,  also  veter rumus* 
aber  wenn  Festus  s.  252  bezeugt  purime :  purissime ,  so  werden  wir 
vielmehr  -ume  {-itne)  als  die  reine  form  erklären  und  in  dem  alten 
adjectivum  veter  ursprüngliche  länge  der  zweiten  (wie  auch  pulch^^ 
iener  u^vi.)  erkennen  müssen ,  so  dasz  wir  folgende  entwicklung  er- 
halten: x^ctdr-umus  —  vct^rrumus.  danach  werden  wir  auch  für 
facilis  dif/icilis  similis  dissimilis  humilis  gracilis  dieselbe  endung 
'Uyntis  {'itnus)  ohne  angleichung  durch  t  oder  8  erblicken  müssen. 

*  fainch  schreibt  Löwe  prodr.  8.  430  vorti  :  etfaces,  helluones;  mit  den 
plossau  äiilomonis  wnr  vori  zu  lesen. 


EBaehreDs:  die  consonaotengemination  im  lateimicheii.       781 

auch  hier  ist,  wie  ich  meine,  die  Verdoppelung  so  zu  erklftren,  dass 
wir  darin  noch  älteste  formen  durchschimmern  sehen:  adjectiva  auf 
'tlis,  die  schon  früh  zu  -tlis  wurden,  wie  in  vetSrumuSj  so  hatte  auch 
in  facthimus  die  alte  länge  sich  noch  stehend  erhalten ,  während  im 
positiv  längst  jegliche  spur  davon  verloren  war,  und  erst  zu  schwan« 
ken  begonnen  in  Ennius'  zeit,  welcher  durch  vei'doppelung  zu  hilfe 
kam  und  so  der  daktylischen  poesie  einige  brauchbare  bausteine 
conservierte.  mit  diesem  alten  'iUs  hängen  auch  die  verba  auf  'tlare 
zusammen:  alt  sarhtlis,  wonach  sarhtlare,  in  diesen  verben  hat  sich 
die  länge  erhalten,  wenn  sie  auch  meist  als  -tüare  auftritt,  aber  nicht 
stets:  conscribtlo  hat  Catullus,  sarhilo  und  cantilo  noch  Apulejus, 
focilo,  auch  wohl  stigtlo]  vgl.  noch  JNOtt  jahrb.  1874  s.  860,  der 
freilich  nicht  von  einer  ^aufhebung  der  gemination'  sprechen  und 
überall  -tlo  annehmen  durfte,  wozu  auch  bei  Terentius  ad*  591  nichts 
nötigt. 

7)  ßüis  oder  alt  ßUs  ist,  wie  ich  glaube,  contraction  aus  ßviUs; 
vgl.  ßmetUum^  fomes  von  demselben  ßveo. 

8)  gaUus  aus  gäluSy  was  ich  ebenfalls  für  contrahiert  halte  aus 
gärükiSy  der  alten  form  von  gärruHus^  auf  dieselbe  weise  wie  ich  das 
bisher  nicht  genügend  erklärte  (Mdum  ableite  von  caendum:  der 
hahn  wird  xar'  dEox^v  der  redende  vogel  genannt  nach  der  ältesten 
bedeutung  von  gärire  —  garrire  (vgl.  dorisch  TOipöui);  auch  später 
noch  ist  garrire  und  garmlus  beliebtes  epitbeton  von  tieren,  und 
der  ales  gaUus  tritt  uns  stets  in  dieser  bedeutung  entgegen. 

9)  p^ccare  anspecaref  was  ich  als  &ns  pericare  zusammengezogen 
erkläre,  gemäsz  Cicero  parad.  3,  1  peecare  est  tamquam  iransüire 
lineas:  dasselbe  |>er  (vgl.  skr.  para-^n  und  gr.  ir^pa  «•  üUra)  haben 
wir  noch  in  oskisch  peru-m  'gesondert'  und  in  lat.  peregre^  periurus 
usw.:  vgl.  Corssen  ausspr.  I'  776,  üsener  jahrb.  1878  s.  75. 

10)  p^nna.  wenn  bei  Festus  s.  209  überliefert  ist  ^pennas* 
antiquos  ferunt  appeUasse  ^peenas*  exgraeco^  quod  iUi  tuvtivu  ea  quae 
sunt  völucria  dicunt.  item  easdem  ^pesnas*  ut  ^caesnas'y  so  ist  nach 
meiner  ansieht  für  peenas  weder  mit  Fleckeisen  (fünfzig  art.  s.  11) 
petnas  oder  päenas  noch  mit  Corssen  (ausspr.  1*181)  pesnas  zu  ver- 
bessern wegen  der  so  entstehenden  tautologie  mit  dem  folgenden ; 
was  sich  jedem  grammatiker  zunächst  darbieten  muste,  wslt  penas'j 
und  das  wird  mit  ausmerzung  des  dittographen  e  herzustellen  sein, 
wer  dann  sich  fragte,  wie  dies  pena  entstanden  sei,  konnte  mitver- 
gleicbung  von  cena  hinzufügen:  item  eosdem  (so  richtig  Corssen) 
^pesnas^^  tU  ^cesnas*  (so  Fleckeisen),  man  mag  nun  pena  direct  aus 
päena  oder  durch  die  mittelform  petna  oder  pesna  ableiten ,  jeden- 
falls haben  wir  ausstoszung,  keine  adsimilation  vor  uns:  ausjp^fia 
erst  ward  p^nna, 

11)  pöUeo  aus  pöleo  (wie  auch  p^üex  aus  noch  später  zuweilen 
üblichem  pölex:  vgl.  unten) :  es  ist  derselbe  stamm  wie  im  gr.  iriliXoc, 
skr.  pöias  potaJcas  püträs  (auch  lat.  pomum  'gewächs'  sowie  die  mit 
pü  gebildeten  Wörter  jpti^es  püsuSj  pülus  später  jptS^  usw.  hängen 


782        EBaehrens:  die  cODsonantengemination  im  lateinischen. 

damit  zusammen) :  der  begriff  des  heranwachscns  und  gedeihens  liegt 
darin,  interessant  ist  die  in  den  hermeneumata  Dosithei  (s.  335  ed. 
Boucherie,  notices  et  extraits  des  mss.  XXIII)  genannte,  unseren 
mythologen  unbekannte  Pda  matery  welche  nach  der  luventa  stehend 
im  griechischen  lemma  erklärt  wird  als  TTavdK€ta  2^uii]TrotiiTic  (?) ; 
schon  die  Wortbildung  zeigt  uns  eine  uralte  lateinische  gottheit  (vgl. 
zb.  dea  Suhiga^  Perfica  usw.) :  es  ist  die  göttin  der  kraft  und  stärke, 
des  Wachsens  und  gedeihens,  die  spätere  PoUentia.^  —  Und  so  wird 
manches ,  wobei  wir  mit  der  vergleichung  des  griechischen  und  des 
sanskrit  nicht  auskommen,  auf  diesem  wege  seine  erledigung  finden. 
Zu  Ennius  zurückkehrend  musz  ich  noch  eine  bemerkung  vor- 
ausschicken, er  wäre  kein  rechter  grammatiker  gewesen  ^  wenn  er 
von  seiner  neuerung  nicht  noch  einen  andern  praktischen  gebrauch 
gemacht  hätte,  bei  allen  römischen  grammatikem  treibt  das  be- 
streben der  differenzierung  reiche  bluten :  noch  im  mittelalter  machte 
man  so  einen  unterschied  zwischen  tempiis  'zeit'  und  dem  selbst- 
geschaffenen timpus  ^schlafe',  in  dem  nicht  allzu  umfangreichen 
lat.  Sprachschatz  hatten  mit  steigernder  entwicklung  des  lebens  und 
der  cultur  nicht  wenige  Wörter  mit  erweiterung  ihres  ursprünglichen 
begriffes  neue  bedeutungen  erlangt;  in  anderen  fallen  waren  von 
verschiedenen  stammen  aus  gleichlautende  Wörter  entstanden,  onti^, 
ursprünglich  jeder  kreis,  erlangte  allmählich  auch  die  bedentnng 
von  'kreis  der  monato*  (Varro  de  l.  L  VI  8  und  danach  Suetoniua 
rcl.  s.  169  B.)  mit  derselben  Vorstellung  wie  sie  dem  gr.  ^vtauTÖC 
zu  gründe  liegt:  ein  wort  für  den  schon  vorhandenen  begriff  hatte 
die  gemeinsame  Ursprache  nicht  (fvüc  oder  ^voc  ist  grammatiker- 
ßction).  während  nun  das  alte  äntts  sich  nur  in  wenigen  festen  be- 
deutungen erhielt  (bei  Plautus  noch  'fuszring',  allgemein  stets 
'after'),  andere  dagegen  an  das  deminutivum  äntUtts  abgab,  mag 
bei  änus  als  'jähr'  schon  im  volksmundo  die  Verkürzung  ännus  zur 
Unterscheidung  aufgekommen  sein ,  und  selbstverständlich  hat  das 
Ennius  herübergenommen  und  davon  auch  in  anderen  fällen  wohl 
selbständig  gebrauch  gemacht,  man  vgl.  noch  pänus  (päniadus  -la) 
und  das  daraus  erwachsene  pdnnus  {pänniculus),  worüber  vielleicht 
auch  Lucilius  IX  17  handelte,  der  capuchon  erhielt  vom  volkswitze 
wegen  der  durch  ihn  entstehenden  ähnlichkeit  mit  dem  kukuk  eben- 

-'  ioh  benutze  dicso  gelcfii^cDheit,  um  den  mytholog^en  <lie  iinter- 
snchunp^  dofl  orwühntcn,  offenbar  aus  trefflichster  quelle  stAininendcn 
nl>schiiitte8  jener  hermeneumata  zu  empfehlen,  dasz  darin  *A(ppo&iTT) 
als  renilia  (wie  ich  schreibe:  venaUa  die  ha.),  die  Nr]pilt&€C  als  Saiaciae 
iTkliirt  wcnlen,  ist  späterer  röniisclier  (auf  Vnrro  zurückgehender?)  auf- 
fns.sunp:  griiiiisz;  interessanter  ist  die  Übersetzung  des  'AttöXXujv  NÖMIOC 
als  ritihis  {rirhiuA  Hngcn,  etwa  ^'Wimä?),  der  AcuKoO^a  als  ^Ibucina  (etwa 
Alhunen'i),  mater  Matuta^  und  wichtiger  dasz  es  auch  bei  den  Kümem 
i'iiic  der  TTpaEi&iKf]  entsprechende  gottbeit  gab»  deren  name  sich  noch 
vorbirgt  unter  den  verdort)encn  zUgcn  iahtdena  {iurnndi  dea  zu  vermuten 
wäre  natürlich  reine  vcrwe;;i'nbcit);  die  *6voö{a  wird  durch  Viiica  inter- 
pretiert, was  Itoucbcrie  wohl  richtig  in   Vintira  änderte. 


EBaehrens:  die  consonantengemination  im  lateinisohen.       783 

falls  den  namen  cucülus  und  cucüUo  (letzteres  noch  bei  Cato  de  re 
rast.  2,  3);  doch  differenzierte  man  anch  hier  durch  gemination  im 
abgeleiteten  Worte  eucittlus  und  cucSUio.  der  volkswitz  mag  es  auch 
gewesen  sein,  der  die  weibliche  schäm  verglich  mit  dem  bügel,  worin 
der  helmbusch  befestigt  wird :  Conus  (und  daraus  schon  früh  cäwuSy 
wie  die  wohl  aus  Atellanen  stammenden  wOrter  cumre  und  ancwm^ 
lentae  zeigen)  ward  so  auch  bezeichnnng  für  die  muliebria;  später 
kam  dafür  distinguendi  causa  c^hmtts  auf  (vgl.  meine  bemerkungen 
Jahrb.  1882  s.  478)  und  daneben  cunmts^  was  seit  Augustus  zur 
alleinherschaft  kam.  —  Um  das  zum  adi^rbium  gewordene  tmo  vom 
reinen  ablativ  zu  unterscheiden ,  schrieb  und  sprach  man  es  tmfno ; 
und  um  ager  -ri  von  äger  -eris  (von  adgero^  eigentlich  adger)  zu 
trennen,  wurde  letzteres  zu  agger,  mensis  und  mensor  wurde  so 
ausgesprochen ,  dasz  es  von  mSsis  und  mesor  von  metere  schwer  ge- 
schieden werden  konnte;  letztere  werter  wurden  also  zu  m^ssis  und 
m^ssor.  das  läszt  sich  gleichfalls  noch  durch  viele  beispiele  ver- 
folgen. 

Ausgehend  von  dem  grundsatz,  dasz  die  Orthographie  auf  das 
innigste  zusammenhänge  mit  der  Orthoepie,  suchte  Ennius  die  durch- 
gängige ausspräche  seiner  zeit  schriftlich  zu  fixieren,  mit  wie  auf- 
merksamem ohr  er  dabei  zu  werke  gieng,  zeigt  gerade  die  unregel- 
mäszigkeit,  womit  die  gemination  auftritt:  ein  reiner  doctrinär 
würde  alles  nach  der  Schablone  gestaltet ,  also  zb.  nicht  giUia  und 
(Slhis  —  lUe  eingeführt  und  dagegen  güJtus  und  öUm  gelassen  haben, 
auf  diesem  gebiete  herscht  eben  der  zufall,  und  man  darf  sich  keines- 
wegs darüber  wundem,  dasz  bei  so  manchen  wOrtem,  worin  gemi- 
nation hätte  platz  greifen  können,  dieselbe  doch  unterblieben  ist 
(vgl.  Jordan  im  Hermes  XVI  s.  55) :  die  wege ,  welche  in  der  aus- 
spräche des  Volks  der  zufall  einschlägt,  sind  einmal  in  vieler  hinsieht 
unerfindlich ,  wenngleich  sich  einige  allgemeine  gesichtspunkte  auf- 
stellen lassen,  wie  zb.  dasz  bei  selten  gebrauchten  Wörtern  weniger 
als  bei  viel  gebrauchten ,  die  wie  Scheidemünze  mehr  abgeschlissen 
wurden,  Verkürzung  eintrat,  aber  dies  und  ähnliches  genügt  bei 
weitem  nicht  zur  erklärung.  aus  diesem  gründe  läszt  sich  auch  kein 
festes  System  aufstellen ;  und  wenn  ich  trotzdem  im  folgenden  einige 
allgemeine  regeln  festzustellen  suche,  so  ist  mir  der  unsichere  Charak- 
ter derselben  wohl  bewust;  auch  kann  ich  nicht  bei  jedem  einzelnen 
Worte,  das  ich  anführe,  beweisen  dasz  gerade  Ennius  seine  Schreibung 
fixierte:  ich  ziehe  blosz  aas  dem  später  allgemeinen  und  sichern 
einen  rückschlusz  auf  ihn  als  wahrscheinliche  quelle,  ohne  zweifei 
aber  hat  auch  auf  diesem  gebiete  die  gröste  rolle  in  der  ausspräche 
gespielt  der  wortaccent.  das  zeigt  sich  gleich  bei  der  zunächst  zu 
behandelnden  gruppe  von  zweisilbigen  Wörtern,  da  hier  der  accent 
mit  voller  wucht  auf  der  ersten  ruht,  so  war  diese  der  verküi*zung 
am  meisten  ausgesetzt  (vgl.  zb.  nSgo  aus  nigo  aus  nS-ägo  —  nS'ägo)\ 
hier  finden  sich  denn  auch  die  meisten  beispiele  von  geninationy 
welche  sich  für  alle  zeiten  behauptet  hat  (denn  es  ist  natürlich 


784        EBaehrens:  die  coDBonantengemination  im  lateiniBchen. 

bloszer  Schreibfehler,  wenn  zb.  der  palimpsest  des  Fronto  s.  222  N. 
von  erster  hand  bietet  de  hdo  parthico).  aber  wenn  Ennius  zb.  neben 
sella  und  rällus  doch  scäla  und  grälae  (so  besser),  neben  missum  doch 
mtsi^  ja  neben  hWnnus  doch  Ueno  (Löwe  prodr.  s.  266)  besteben 
liesz,  so  zeigt  sich  wiederum  seine  rein  empirische  Wirksamkeit, 
übrigens  hat  auch  gerade  hier  das  spätere  altertum  und  mittelalter 
vieles  verdorben:  die  richtigkeit  von  häca^  hräca^  sücus  ua.  hat  die 
neueste  pbilologie  gezeigt.  —  Von  nicht  ganz  so  starkem  einfiusz 
ist  der  accent  bei  dreisilbigen  Wörtern,  wenn  er  auf  der  ersten  ruht 
(±  ^  ^) :  die  beiden  folgen^n  brechen  seine  kraft  ein  wenig,  und 
so  verstehen  wir  ohne  mühe,  was  noch  Lachmann  (comm.  Lucr.  s.  33) 
so  unnatürlich  erklärte,  dasz  trotz  der  neuerung  viUa  von  dem  alten 
vTla  blieb  vtlicus  vtlica  vtlicari  (-re):  denn  vtlMa  und  vtUatictis 
sind  nachennianische,  an  das  recipierte  vtüa  sich  anschlieszende  bil- 
dungen.  ebenso  zb.  mtlia  trotz  mtüCy  hüdna  trotz  hücca :  es  ist  der- 
selbe fall  wie  wenn  in  tegula  die  länge  bleibt,  die  in  tifgo  verschwan- 
den ist.  in  anderen  Wörtern  mit  dem  Schema  ±  ^  ^  ist  auch  da,  wo 
man  zur  Verdoppelung  neigte,  diese  doch  nie  ausschlieszlich  geworden ; 
zb.  bestanden  nebeneinander  Polio  und  PoUiOy  stelio  (von  stela^  aus 
stcrtday  was  allgemein  zu  st^üa  ward)  und  st^lUo :  das  mag  Ennius 
selbst  schon  in  dubio  gelassen  haben,  in  anderen  fällen  freilich 
machte  sich  auch  hier  die  Verkürzung  so  gebieterisch  geltend,  dasz 
sie  nicht  abgewiesen  werden  konnte:  p^ssumus  von  pesumuSy  ItUera 
{litcra)  trotz  des  bleibenden  bisyllabums  litus  usw.  usw.  —  Noch  weni- 
ger veranlassung  zur  Verdoppelung  in  der  ersten  silbe  lag  vor  bei 
dem  Schema  ^  ±  s^^^  hier  bedurfte  es  aber  auch  des  feinsten  gehörs, 
um  zu  entscheiden,  wo  die  kürzung  absolut  war,  wo  sie  noch  schwan- 
kend mit  gemination  des  folgenden  consonanten  gepaart  gieng.  bei 
solchen  paroxytonierten  trisyllaba  herscht  bekanntlich  im  lateinischen 
die  Vorliebe  für  Verkürzung  der  ersten  rascher  gesprochenen  silbe: 
ein  sehr  belangreicher  punkt  in  der  lehre  von  den  quantiU&ten.  das 
ore  corupto  des  Lucilius  und  natura  coruptum  des  Lucretius,  was 
vergeblich  Lachmann  (comm.  Lucr.  s.  416)  angegriffen  und  LMQller 
(de  re  metr.  s.  360)  zu  erklären  gesucht  haben,  läszt  sich  nur  so 
verteidigen^;  und  stets  ist  accommodation  an  die  lässige  volksaus- 

^'  freilich  ist  die  Verkürzung  unter  der  angeführten  bedingung  wohl 
blosz  möglich  gewesen  durch  die  nebenform  rörumpere  zu  conrumpert^ 
wie  zh.  im  alten  Utein  rooentio  und  cnnventioy  coseniire  und  con*eniire  usw. 
ziigl(;ich  bestehen,  das  gibt  Anleitung  zu  der  frage,  bei  welchen  mit  prä- 
Positionen  zusammengesetzten  verbcn  schon  früh  dureb  die  Ennianische 
nriicrnn^r,  l^ü  weichen  erst  spUter  durch  adsimilation  Verdoppelung  ein- 
trat, bei  rönwipo ,  neben  rnnrumpo^  konnte  durch  einfache  gemination 
schon  früh  rbrruinpo\  aus  cöntittoj  neben  ronmitto^  schon  römmittOy  viel- 
lei<  ht  aueh  aus  cölcgo^  neben  conlcgoj  schon  rbtiego  entstehen,  bei 
anderen  prüpositionen  ist  die  adsimilation  sehr  spHt  eingetreten :  ad' 
partiiiis,  adnito  usw.  sind,  wie  man  woisz,  stets  die  besseren  Schreibweisen 
gewesen,  aber  f>s  gab  schon  vor  Knnius  einige  dem  ohr  unangenehme 
consoiiaiitenvorl»indnngcn,  vor  allem  zb.  bc  (vgl.  oquine$cere)\  und  hier 
ist  oben,  weil  das  alte  latein  keine  angleichung  kannte,  frühzeitig  ans- 


EBaebrene :  die  consonantengemination  im  lateimtchen«       785 

spräche  in  diesem  paukte  den  nicht  an  strenge  sucht  gewöhnten 
dichtem  eigen  geblieben:  sehr  viele  sttnden  gegen  die  prosodie  bei 
den  spfttem  dichtem  (namentlich  den  africanischen,  vgl.  auch  Con- 
sentius  s.  392, 11  E.)  erklären  sich  daraus,  schon  früh  wurde  zb. 
cämena  aus  cä{ß)menay  Smüto  aus  o{h)mittOy  SporUt  aus  ö(h)pafiä^ 
dtsertus  trotz  disero  —  dtssero.  so  bestand  hier  durchaus  kein  grund 
theoretischen  klttgeleien  zu  liebe  zb.  ichdim  in  Mhdim  zu  ändern 
wegen  des  recipierten  iSüo  (von  tölOy  womit  auch  te{l)lu$  zusammen- 
hängt), oder  wegen  färris  (von  fär^  färis)  ancfi  farrina  zu  schreiben, 
zumal  hier  der  gebrauch  die  kürzung  iSkiim  und  farina  endgültig 
festgesetzt  hatte;  daneben  aber  wird  wiederum  toüeno  und  farrago 
der  inconsequenz  des  Sprachgebrauchs  verdankt,  denn  nicht  durch- 
weg konnte  Ennius  Verkürzung  der  erstezaconstatieren:  gegenüber 
fnämiUa  von  mäma  —  mämma^  SfeUa  von  öfa  —  Sffa^  pSlwta  von 
polen  —  pSüen  blieb  doch,  um  etwas  unbekanntes  mitzuteilen,  scü- 
rilis  von  scüra  —  sciirra.''  schwanken  sehen  wir  väciüo  —  väcdUo: 
nach  Lachmanns  richtiger  auffassung  (comm.  Lucr.  s.  37)  zusammen- 
hängend mit  väcccky  alt  väcüj  deren  gange  das  wortbild  entlehnt  ist, 
wurde  es  erst  nach  Lucretius  zum  gewöhnlichen  väcülo.  —  Noch  ist 
bei  dem  Schema  ^  j.  o  zu  handeln  über  die  zweite  silbe,  wobei  gemi- 
nation  häufiger  stattfand,  wenn  eine  kürze  vorhergieng,  als  wenn 
durch  vorausgehende  länge  die  wucht  des  accentes  etwas  abgeschwächt 
war;  auch  läszt  sich  sagen,  dasz  die  nachbarschaft  von  hellen  oder 
dumpfen  vocalen  eingewirkt  hat.  also  Mesaäla  und  MessaUa  gleich 
gut  (die  abkunft  des  namens  ist  bekannt;  verwunderlich  freilich, 
dasz  man  noch  in  der  neuesten  ausgäbe  von  Seneca  de  brev.  vüae 
c.  18  liest  Messana  appeUatus  est  paulatmque  vuUffo  permutanie 
MessaUa  diättSj  während  doch  n  nur  in  2,  nicht  in  U  verwandelt 
wurde;  richtig  Macrobius  1 6,  26  MessaUa  cognaminaius)\  aber  lieber 
qu^r^Ua  mifdifUa  lü^Ua  sSqu^Ua  fugSUa  usw.  und  dagegen  caütela 
ttUela  custödela  usw.;  obgleich  auch  für  die  erstere  classe  dieser  auf 
'da  gebildeten  substantiva  (wovon  die  <}eminutiva  auf  »el/us  aus 
-erulus,  wie  castertUum  —  castilum  —  cast^ttumy  worin  U  zur  diffe- 
renzierung  allgemein  aufgenommen  wurde,  zu  sondern  sind)  Ennius 
wohl  noch  keine  festen  Vorschriften  angestellt  hatte ,  der  gebrauch 
auch  stets  unsicher  blieb  und  man,  wie  ich  jetzt  glaube,  am  besten 


stoszuDg  eingetreten :  so  CIL.  I  577  ocludUo,  196  oguoliod  («>  oeuUo), 
200  oqupatum;  bei  anderen  wechselt  es:  lilb  afleieta  und  198  ad/*enitKr, 
197  sufragium  and  1492  subfragia\  weiter  läszt  sich  das  verfolgen,  wenn 
man  aach  die  späteren  plebejischen  inschriften  hinzonimt,  zb.  CIL.  IV 
2106  acepif  X  826  oofpe,  wodurch  auch  in  acdpere  Verdoppelung,  nicht 
angleichung  sich  ergibt. 

^  gewöhnlich  schreibt  man  scurrüis;  aber  scwrüia  haben  die  hst.  bei 
Quintil.  VI  3,  29;  poet  lat.  min.  V  61,  84  [s.  365];  glossae  rhein.  mus. 
XXXI  8.61  anm.;  scuriHter  Plinius  epiit,  IV  25,  3  (Med.)  und  PorphTfio 
8.  290,  28  {scuralüer ;  sonst  bei  demselben  §eurrulU  in  Verwechslung  mit 
dem  allgemein  üblichen  currutis);  §cwrüiUu  Tacitus  dUU,  c.  22.  weitere 
nachforschung  wird  wohl  die  form  mit  Einern  r  als  die  richtige  erweisen. 

JalirbOcher  für  das«.  philoL  1882  hft.  10  a.  11.  61 


786        EBaehrcns:  die  consonantengemination  im  lateinischen. 

thut  der  jedesmaligen  besten  Überlieferung  zu  folgen ;  anders  urteilt 
darüber  bekanntlich  Lachmann  comm.  Lucr.  s.  204.  so  liebte  man 
auch  später  zb.  grahaitus  {-tiulm) :  Mart.  VI  39 ,  4 ,  stets  bei  Apu- 
lejus,  Dositbei  Ihermen,  s.  428  B.  usw.  vgl.  auch  noch  zb.  congero- 
neben  gerrae  von  gerae  (dazu  SBrandt  jahrb.  1878  s.  378).  —  Aus 
den  Verhältnissen  des  accentes  lassen  sich  auch  bei  den  mehr  als 
dreisilbigen  wertem  die  verschiedenen  erscheinungen,  wo  die  gemina 
entweder  recipiert  oder  doch  zugelassen  wurde ,  leicht  erklären,  in 
SäUustius  lehnen  gravis  und  acutus  sich  hart  aneinander,  daher  dies 
allzeit  lieber  als  das  alte  Sälustius]  aber  gleich  gut  suhs^lUum  und 
suhseUnm,  welch  letzteres  wir  noch  haben  bei  Catullus  39,  3  und 
Juvenalis  7,  45  in  den  «corruptelen  suhsellnm  und  suhsellaj  Orestis 
trag,  ins-,  anth.  lat.  487,  7  (PLM.  IV  s.  407),  CIL.  I  1341  sub- 
scUarhim.  in  Messalintis  dagegen  klafft  hinter  der  zweiten  silbe  das 
wort  und  besteht  somit  durchaus  kein  grund  für  Verdoppelung^ 
während  in  mercenarius  die  contraction  (nicht  adsimilation)  aus 
mcrccdenarius  der  zweiten  mehr  gewicht  verliehen  und  dadurch  die 
Schreibung  mcrc^nnarius  veranlaszt  hat.  das  gleichgewicht  der  bei- 
den teile  in  öportunus  hat  die  erste  silbe  vor  Veränderung  bewahrt; 
falsch  schreibt  man  noch  heute  es  meist  mit  pp ,  obwohl  die  besten 
bss.  (stets  der  Parisinus  des  Sallustius,  der  Florentinus  des  Apulejus, 
die  von  Quintil.  IX  4,  27  und  von  vielen  anderen)  nur  die  simplex 
kennen  und  die  gemina  nach  Hagens  anecdota  Helvetica  s.  295,  14 
niitt^lnltcrlich  ist.  in  diesem  teile  werden  sich  noch  manche  beob- 
acbtungen  anstellen  lassen.^ 

So  überall  mit  pjetät  lauschend,  wo  die  Verkürzung  endgültig 
sich  festgesetzt  hatte,  wo  sie  noch  kämpfend  im  folgenden  conso- 
nanten  eine  spur  zurückliesz,  wo  endlich  die  ursprüngliche  länge 
sieb  noch  behauptete,  muste  Ennius  viele  scheinbare  unregelmäszig- 
keiten,  inconsequenzen  und  doppelte  Schreibungen  zulassen,  die 
Verbalendung  -tmo  war  ursprünglich  überall  lang,  aber  in  vielen 
Wörtern  (jtayiurio  esurio  usw,)  zu  -tfno  geworden;  noch  schwankte 
der  gebrauch  in  scatürio  und  ligürio,  welche,  seitdem  Ennius  die 

^  den  acccnt  sühcint  Ennius  auch  berück  sichtigst  zu  haben  in  den 
mit  re  zusnmmonßesctzten  Wörtern,  aus  dem  alten  red  war  durch  die 
lüKti^^e  Verbindung  von  d  mit  einem  cons^onanten  re  ^worden  in  recido 
ipfluro  refero  und  vielen  anderen  verbon  nebst  derivaten.  hatten  die 
.-.cacnici  in  vielen  fällen  dies  rt  verkürzt,  so  stellte  auch  hier  Ennins 
(br  iiusspracbc  der  prebildeten  fol^rend  feste  normen  auf:  religio  und 
fPlif/uiae  aU  das  mebr^  übliche  blieben;  daj^egfen  bei  j.  ^  )^  wurden 
ipfjpcri  reccidi  rippuli  rPJtuli  rütludi  (und  von  den  meistgpebrauchteD 
•  Ireisilbi-jtMi  formen  aus  auch  in  den  übrigen,  reppulimtts  usw.)  für  immer 
durch  ihn  fixiert,  in  den  vielen  fällen  mit  ^  j.  o  hat  er  sich  für  Ver- 
kürzung de»  re  entschieden  (er  selbst  hat  zb.  r^.Hnguo)^  also  r¥.cXdi, 
le.prUo  usw.;  die  dichter  des  Ubcrganpfcs  schwanken  darin  noch,  Lucilins 
mit  r?{('  ceptns  und  r^{l)lictwi,  Lucretius  mit  re''d}ducit  und  re{l)latus;  aber 
in  der  folgezeit  wird  Knnius*  theorie  all|^emein.  Übrigpens  merkt  man 
'lubci  des  mannes  bemühen,  zugleich  fUr  den  daktylischen  vers  ge- 
fi^'ncte  wortformen  su  gewinnen. 


■ii 


EBaehrens:  die  consonantengemination  im  lateinischen.        787 

gemination  dafür  empfahl^  intact  blieb  (wenngleich  man  wechselte 
zwischen  -ürio  nnd  urrio).  —  Lang  ist  ebenfolls  -uHo  in  hälbutio 
caectäio  frigutio^  aber  in  letzterm  worte,  worin  eine  kurze  silbe 
vorhergeht,  ist  die  gemination  frigüUio  häufiger  geworden  als  in  den 
beiden  ersten  Wörtern  (vgl.  Jordan  im  Hermes  XVI  s.  52).  —  Auch 
in  den  schon  früh  aus  dem  griechischen  herttbergenommenen  Wörtern 
zeigt  sich  eine  feste,  wohl  gleichfalld  Ennius  verdankte  regelung:  in 
culktis  niifMnus  ptüeus  (vgl.  Fleckeisen  fünfzig  art.)  ist  durch  ihn 
die  gemination  ganz  allgemein  geworden;  er  liesz  sie  schwankend 
(wie  das  noch  später  der  fall  ist)  in  comtsari  und  camtssari]  zweifel- 
haft auch  phasiJm  —  phasSTUis.  aber  üblich  ward  es  in  allen  verben 
auf  -i2[ui,  graecisso  aUicisso  usw.,  während  zb.  glösa  glösema  usw. 
(wofür  LMüller  jahrb.  1868  s.  68  ua.)  und  glössa  gUSssema  usw. 
(wofür  GLöwe  prodr.  s.  1  f.  sich  entscheidet)  stets  gleich  gut  und 
gebräuchlich  waren,  wenn  bei  Servius  zu  Aen>  11 675  die  hss.  geben 
dilema  für  gr.  biXi]^^a,  so  ist  daran  vom  römischen  Standpunkte 
aus  nichts  zu  tadeln,    denn  im  allgemeinen  scheint  hier  die  länge 
beliebter  gewesen  zu  sein :  Pamäsus  findet  sich  häufiger  als  Far- 
nässuSy  ferner  Larisa  Crisa  Oresius  (aber  wohl  mehr  Crifssa)  JErinys 
usw.  usw.    in  den  mit  köX-  zusammengesetzten  eigennamen  scheint 
Ennius  selbst  die  simplex  bewahrt  zu  haben;  die  folgezeit  hat  bei 
neu  aufgenommenen  die  form  mit  koXX-  vorgezogen,    auszer  den 
von  Bitschi  (opusc.  m  s.  314  f.  336)  gesammelten  Plautinlschen 
beispielen  (wo  stets  die  form  mit  6inem  l  entweder  mit  den  hss. 
zu  lesen  oder  gegen  dieselben  herzustellen  ist)  und  dem  von  LMüller 
über  Lucilius*  gebrauch  (comm.  s.  240  f.)  bemerkten  konunen  hier 
in  betracht  zwei  seit  alter  zeit  auf  italischem  boden  bekannte  namen 
Cälisto  und  Cäliope,  die  überall  beste  Überlieferung  (CatuUus  66,  66 
cdliiäo\  Prop.  II  28,  23;  Ov.  fast.  II  156;  Bjgmifah.  ed.  MSchmidt 
s.  13,  10.  30,  9  und  16.  131, 14;  Hjgini  astron,  ed.  Bunte  s.  30  f.; 
scholia  Bemensia  ed.  Hagen  zu  georg.  1 138;  spuren  bei  Col.  XI 2, 15 
Sehn. ;  unbekannt  Probus  comm.  Yerg.  s.  35  K.)  erweist  Cküisto  als  die 
einzig  richtige  lat.  namensform  für  alle  zeiten.  weniger  durchgehends 
findet  sich  Cäliope^  sei  es  in  folge  unserer  auf  grammatikerrecensionen 
zurückgehenden  textesbeschaffenheit  bei  Horatius  Martialis  Juvenalis 
usw.,  sei  es  dasz  die  Schriftsteller  selbst  darin  schwankten;  doch 
lassen  sich  nicht  wenige  beispiele  für  die  simplex  anführen :  Yerg. 
Äen.  IX  525  Mediceus;  Yerg.  ed,  4,  57,  wo  Bibbeck  CaUopea  auf* 
nahm;  Prop.  I  2,  28  (DY).  U  1,  13  (DPY).  lY  6,  12  (F)  gegen  U 
in  III  2,  14.  III  3,  38  und  51;  Ov.  fast.  Y  80  und  Ibis  482  (Ellis); 
PLM.  lY  c.  276,  9;  ebd.  III  s.  244  usw.  — •  Mögen  diese  aus  einer 
groszen  anzahl  herausgegriffenen  fälle  zu  genauerer  beobachtung 
auf  einem  gebiete  veranlassen,  welches  noch  vielfacher  Observationen 
bedarf. 


61 


788       EBaehrens:  die  conBonanteogemination  im  lateiniBchen. 

IL 

Wir  verfolgen  jetzt  diegeschichte  der  Enniamscben  neueran^. 
ob  der  dichter  selbst  darüber  systematisch  in  einer  besondem  schiift 
gehandelt  bat,  wissen  wir  nicht  bestimmt;  aber  die  Vermutung  liegt 
nahe,  dasz  hierauf  zu  beziehen  ist  was  Suetonius  (degramm,  1)  ans 
berichtet:  guod  nonmiUi  tradunt  duos  libros  de  liUeris  syUäbisque^ 
item  de  metris  ab  eodem  Ennio  edUoSy  itfijf  arguU  L.  CoUa  tum  podae^ 
sed  posterioris  Enni  esse,  cuius  etiam  de  augurandi  disdpUna  vchnfnina 
ferantur,  ich  zweifle  nicht  dasz  Gotta  irrte;  wenigstens  ist  das  be- 
streben von  neueren  gelehrten,  diesen  doppelgänger  des  dichto-s 
aufzuspüren,  vergeblich  gewesen  (bei'Festus  s,  252^  M.  ist  die 
längst  gemachte  Verbesserung  Sinnius  evident) ;  und  leicht  erkllLr- 
lieh  ist  es,  dasz  jene  verschollene  und  nach  ihrem  inbalt  unbekannte 
Schrift  des  Ennius  sich  im  ersten  jh.  nach  Ch.  gefallen  lassen  muste 
für  unecht  gehalten  zu  werden,    ebenso  ist  alles  unbestimmt  hin> 
sichtlich  des  sicilicus,  welchen  nach  den  Zeugnissen  von  Marius  Victo- 
rinus  und  Isidorus  die  ^veteres'  zur  bezeichnung  der  gemination  an- 
wandten (einige  inschriftliche  beispiele  gab  EHübner  im  Hermes  IV 
s.  413  ff.),  obwohl  es  für  mich  sehr  viel  Wahrscheinlichkeit  hat,  dasz 
schon  Ennius  dieses  zeichen  in  Übereinstimmung  mit  seinen  übrigen 
stenographischen  noten  eingeführt  bat;  für  welche  fälle  und  in  wel- 
cher ausdehnung,  läszt  sich  freilich  nicht  einmal  mutmaszen. 

Ennius'  reform  fand  zunächst  zu  Bom  in  den  gebildeten  kreisen 
eingang;  mit  der  zeit  wurde  sie,  weil  sie  populär  war,  bis  zu  einem 
gewissen  grade  gemeingut  der  lat.  spräche,  den  process  dieser  re- 
ception  hat  Bitschi  näher  verfolgt  (vgl.  opusc.  IV  s.  88.  156. 165  f.); 
er  kommt  zu  dem  ergebnis,  dasz  kurz  nach  640  d.  st  die  gemination 
fast  allgemein  war.  das  musz  man  cum  grano  salis  verstehen:  er 
dachte  dabei  vor  allem  an  die  gewöhnlichen  fälle;  vieles  blieb  ja 
stets  schwankend,  vieles  wurde  erst  in  der  Ciceronischen  zeit  be- 
sifindig  (vgl.  unten),  ein  groszes  beförderungsmittel  dieser  reception 
sind  die  folgenden  grammatiker  gewesen;  mit  recht  hat  schon  Bitschi 
dafür  den  einflusz  des  Lucilius  geltend  gemacht,  freilich  ist  LMüUer 
(comm.  Lucil.  s.  251  f.)  davon  so  wenig  überzeugt,  dasz  er  vielmehr 
den  Lucilius  zum  anhänger  der  alten  gewohnheit  macht,  und  zwar 
aus  Opposition  gegen  Accius.  das  ist  unglaublich,  denn  entweder 
hatte  Lucilius  die  neue  Ennianische  Schreibweise  angenommen,  und 
dann  richtete  sich  sein  angriff  allein  gegen  die  Übertreibungen  und 
misgriffe  des  Accius  (Übertragung  der  gemination  auf  die  vocale) ; 
oder  er  war  von  seinem  Jugendunterricht  in  Gampanien  her  (um 
170  vor  Ch.)  noch  die  alte  manier  gewohnt,  wovon  er  auch  später 
sich  nicht  trennen  konnte ,  und  dann  wandte  er  sich  gegen  Ennius 
selbst,  aber  was  LMüller  überhaupt  für  seine  meinung  anführt,  ist 
doch  zu  geringfügig :  was  wollen  gegenüber  den  vielen  hunderten  von 
Wörtern  mit  geminae  die  wenigen'  mit  simplices  (zb.  cölum^  cacmus^ 

^  auch  geradezu  falsches  läuft  dabei  unter,  wie  flHcitam  XXVI  49, 
wo  freilich  LMüller  den  ersten  vocal  für  von  natur  knrz  hält  (de  re 


j 


EBaehrens :  die  consonantengemination  im  lateinischen.        789 

äger)  besagen ,  welche  teils  noch  später  übliche  Überreste  der  alten 
Sitte  sind  teils  auf  fehlem  der  Noniuscodices  beruhen;  letzteres 
wird  nach  dem  vorliegen  eines  reichem  hsl.  apparates  zu  erörtern 
sein,  auch  läszt  sich  Müllers  ansieht  durch  eine  andere  stelle 
direct  widerlegen,  nemlich  IX  14  seiner  ausgäbe,  dort  liest  die  Über- 
lieferung von  Terentius  Scaurus  (s.  18  f.  E.) :  Uemque  (so  schreibe 
ich;  item  quod  oder  itemque  quod  hss.)  iMciUus,  übi  i  exile  est^  per 
se  iuhet  scrihi,  at  uhi  plenum  est,  praeponendum  esse  e  credit  his 
versilms: 

miUe  hominum,  duo  müia.  item  huce  utroque  opus:  mitte 
müitiam.  tenues  i  pHam,  in  qua  lusimus;  püum 
quo  ipso  tenues,  si  phira  haec  feceris,  püa; 
quae  iadmus  adesse  pella  tU  pienius  fiat. 
schreibt  man  in  v.  1  mit  Scaliger  meüe  hominum,  duo  meiUaj  so  be- 
greift man  nicht,  weshalb  hier,  wo  gar  keine  Verwechselung  zu  be- 
fürchten war,  die  Schreibung  ei  verwendet  wurde :  sie  dient  ja  eben 
nur  zur  diflferenzierung.  um  pila  (plur.  von  pTlum  'mörserkeule') 
zu  unterscheiden  von  ptla  Vurfspeere',  will  er  letzteres  peUa  ge- 
schrieben wissen :  richtig  verbesserte  hier  Scaliger  addes  6,  peUa  ut 
pienius  fiat.  aber  sowohl  in  ptla  'ball*,  als  in  piltMn  (plur.  pila)  in 
der  erstem  bedeutung  ordnet  Lucilius,  wohlgemerkt  für  die  Ortho- 
graphie ohne  rücksicht  auf  die  ausspräche,  das  tenuare,  also  den 
gebrauch  von  einfachem  i  an.  die  worte  selbst  harren  noch  auf 
endgültige  Verbesserung,  für  huce  v.  1  schrieb  Scaliger  huic,  LMüller 
heice :  ich  kann  nur  hoce  mit  rücksicht  auf  utroque  für  richtig  halten, 
wiederum  überflüssig  ist  Scaligers  meiles,  meüüiam^  obwohl  er  was 
in  miUe  stecken  musz  richtig  erkannte;  aber  auch  der  accusativ 
müitiam  ist  nach  Dziatzkos  guter  bemerkung  (rhein.  mus.  XXXIII 
s.  105)  unstatthaft ;  sein  müitia.  i  nehme  ich  an ,  wenn  ich  auch  im 
folgenden  ihm  nicht  beipflichte,  wo  natürlich  schon  Scaliger  der 
bezug  auf  ptla  nicht  entgieng ,  ohne  dasz  er  und  seine  nachfolger 
etwas  überzeugendes  beibrachten,  mit  benutzung  von  Scaligers 
litdimtis  in  v.  2  und  seinem  trefflichen  quo  piso  in  v.  3  lese  ich  die 
stelle  so: 

^mtUe  hominum,  duo  mtlia^ ;  item  hoce  uiroque  opus  ^miles, 
mtlitia^.  i  tenuist  ^pila*  Uem^  qua  ludimus,  ^pUum*, 
quo  piso;  tenuest,  siplura  haec  feceris  *piUi\' 
quae  iadmus,  addes  e,  ^peila*  ut  pienius  fiat, 
dasz  es  sich  (und  zwar  blosz  für  den  letzten  fall)  um  eine  differen- 
zierung  handelt,  zeigt  deutlich  Velius  Longus  (s.  56  K.),  welcher 

metr.  s.  360).  an  sich  schon  ist  dies  flacitam  ungeheaerlich  (ein  parti- 
cipium  von  ßaccere  ist  unbekannt)  und  hervorgegangen  ans  schlechter 
conjeetar.  coniugem  infidamque  flaticam  famViam  inpuram  domum  geben 
die  hss  ,  und  BÖckh  bei  Lachmann  (Lucil.  597)  liest  coniugem  infidam  at- 
que  pathicam  famüiam,  richtig  mit  bezug  auf  infidamque;  aber  in  flaticam 
erblicke  ich  ein  dem  Satiriker  wohl  anstehendes  platicam  (die  auf  den 
plateae  sich  umhertreibende  familie).  also:  coniugem  infidam  dtque  pla- 
ticam fdmiliam,  inpuräm  domum. 


790        EBaehrens:  die  consonantengemination  im  lateinischen. 

nach  den  worten  idemqiie  (Lucilius)  pcila^  quihus  miliies  utuntury 
per  e  et  i  scribenda  existimat,  at  pihim ,  quo  pinsitur,  per  i  hinzufügt 
hoc  mihi  vidäur  supervacaneae  esse  ohservationis  und  weiter  gegen 
das  nutzlose  solcher  Unterscheidungen  zu  felde  zieht,  übrigens  habe 
ich  bei  Yelius  hergestellt  püum  quo  pinsUur  statt  der  an  sich  falschen 
Überlieferung  ^i2a  in  qua  pinsatuf,  LMüller  wollte  umgekehrt  und 
methodisch  falsch  in  den  ganz  ebenen  worten  des  Lucilius  bei  Teren- 
tius  Scaurus  püam  qua  pisunt  schreiben ;  aber  es  leuchtet  ein  dasz 
Scaurus  das  richtige  erhalten  hat,  da  sonst  die  ganze  Unterscheidung 
ins  wasser  fällt,  mit  recht  aber  stellt  (um  auf  unsere  frage  zurück- 
zukommen) Lucilius  von  seinem  orthographischen  Standpunkt  aus 
ptla  'bair  und  j>r2unt '^mörserkeule'  auf  6ine  linie  mit  mtlle  und 
mtlia;  über  diese  eine  bemerkung  hinzuzuftigen  mochte  ihn  wohl 
das  schwanken^  welches  darin  noch  immer  herschte,  veranlassen 
(^elleicht  auch ,  dasz  man  hier  wieder  zur  Verkürzung  mtüia  mtlles 
mtllitia  neigte);  aber  sein  anschlusz  an  Ennius  ergibt  sich  daraus 
deutlich. 

Trotz  solch  gewichtigen  beistandes  gieng  die  reception  langsam 
und  zunächst  nicht  ohne  misgriffe  von  statten,  wenn  wir  auf 
einer  inschrift  aus  dieser  zeit  bei  Bitschi  opusc.  IV  s.  355  lesen 
p.  popIllivs  ,  so  dürfen  wir  uns  durch  die  i  longa  nicht  zu  falschen 
Schlüssen  über  die  ausspräche  verleiten  lassen,  sondern  müssen  so 
zu  sagen  eine  doppelte  lesart  erkennen:  der  Steinmetz  sprach  noch 
Poptlius^  nicht  PoptUius ;  was  er  schrieb,  ist  eine  contamination  des 
ihm  vorliegenden  conceptes  mit  seiner  Sprechweise,  es  ist  bekannt, 
wie  oft  Steinmetzen  gesündigt  haben  (vgl.  zb.  Bitschi  opusc.  II  643); 
und  insbesondere  ist  das  richtige  setzen  der  apices  zu  allen  Zeiten 
ihre  schwache  seite  gewesen:  iXUa  statt  uUd  findet  man  CIL.  II 1473, 
Corona  vdüdri  müräli  ebd.  II  4509  statt  väUäri  (denn  välus^  mit 
gr.  fjXoc  zusammenhängend ,  ward  zu  väüus  und  vaüum) ,  MardUo 
ebd.  y  7678  mit  offenbarer  dittographie  des  apex  oder  statt  MdrceUö 
(natürlich  Marcelus  —  Marc^Uus^  wie  zum  überflusz  auch  andere 
Zeugnisse  beweisen :  vgl.  Marx  udw.) ;  auch  ndrrem  bei  Boissieu  inscr. 
de  Lyon  s.  136  und  einiges  andere  gehGrt  in  diese  kategorie  reiner 
fehler,  welche  gegenüber  den  vielen  hunderten  von  geminae  ohne 
apex  auf  dem  vorhergehenden  vocal  natürlich  keinen  besonnenen  zu 
verkehrten  folgerungen  verführen  werden,  am  allerwenigsten  ist  auf 
die  transcriptionen  späterer  Graeculi  etwas  zu  geben;  ganz  mit  un- 
recht nimt  Marx  zb.  fössa  an,  weil  griechische  schriftsteiler,  welche 
den  unterschied  zwischen  fösa  und  ßssa  nicht  begriffen ,  zwischen 
omikron  und  omega  schwanken.  —  Jenes  PopiUius  oben  kann  uns 
anleitung  geben,  noch  einen  augenblick  bei  den  namen,  zunächst  auf 
'tliuSj  zu  verweilen,  während  sich  dasselbe  bei  manchen  endgültig  zu 
'tlius  entwickelt  hatte  {AemtliuSy  Vergtlius usw.),  bleibt  in  anderen 
Unsicherheit  zwischen  -tlius  und  tUius:  so  Äqutlius  und  Äqutllius^ 
Pettlius  und  PetiUius.  das  interessanteste  beispiel  für  die  allgemein- 
heit  dieses  Schwankens  liefert  Suetonius  {de  gramm,  c.  6),  der  von 


EBaehrens:  die  consouantengemination  im  lateinischen.        791 

Aurelius  Opilius  uns  berichtet:  huius  cognomen  inplerisque  indicibus 
et  titulis  per  unam  l  Utieram  scriptum  animadverto^  verum  ipse  id  per 
duas  effert  in  parastichide  libelli^  qui  inscribiturpinax,  und  die  gleiche 
erscheinung  findet  sich  bei  vielen  anderen  namen,  wie  ein  durchblick 
der  indices  des  CIL.  leicht  ergibt;  vgl.  auch  zb.  das  zu  anderm 
zwecke  angelegte  Verzeichnis  bei  Bitschi  opusc.  IV  262  f.  ob  der 
dichter  Gratius,  wie  ihn  Ovidius  nennt,  nach  der  nicht  über  zweifei 
erhabenen  aufschrift  der  hss.  (denn  Gratti  kann  von  späteren  ab- 
schreibern  nach  der  in  ihrer  zeit  üblichen  namensform  umgemodelt 
sein)  und  gemäsz  den  auf  etlichen  Inschriften  sich  findenden  Grattii 
wirklich  in  Grattius  umzutaufen  ist,  ist  für  mich  nicht  so  sicher  wie 
für  ßücheler,  der  diese  umtaufung  kürzlich  verlangte,  denn  dasz 
auch  namen,  vielleicht  ebenfalls  zur  differenzierung  verschiedener 
familien,  sich  im  laufe  der  Zeiten  verändern,  dafür  haben  wir  nicht 
wenige  sichere  beispiele :  einen  vorfahren  des  Messius  bei  Horatius 
sai.  I  5,  54  erblickte  schon  Mommsen  (unterit.  dial.  s.  279)  in  dem 
Mesius  einer  Inschrift;  ebenso  werden  die  von  Livius  XXI fl  7  und 
XXVII  3  genannten  Blösii  später  zu  Blössii. 

Ein  beispiel  dafür,  wie  langsam  in  entlegneren  gegenden  die 
reception  von  statten  gieng,  liefert  uns  noch  heutzutage  der  text 
€ines  dichters,  der  in  einer  kleinen  provincialstadt  aufgezogen  da- 
selbst noch  gar  manches  wort  ohne  geminae  hörte  und  las ,  welches 
in  der  hauptstadt  schon  längst  in  dieser  gestalt  als  antiquiert  galt, 
und  die  au^  dem  Jugendunterricht  empfangene  gewohnheit  auch 
später  nicht  ablegte,  des  Catullus.  die  Überlieferung  seiner  ge- 
dichte  weist  an  sehr  vielen  stellen  simplices  auf:  vgl.  die  praef. 
meiner  ausgäbe  s.XLV  f.,  wo  allzu  rasch  die  schuld  davon  auf  einen 
recensierenden  grammatiker  der  archaisierenden  Frontonischen  zeit 
geschoben  wurde,  selbst  vorausgesetzt  dasz  dieser  eigenmächtig 
einiges  derart  eingesetzt  hat,  konnte  er  sich  dazu  nur  berechtigt 
fühlen,  wenn  er  in  den  ihm  vorliegenden  e^cemplaren  beispiele  dafür 
fand,  wie  ich  jetzt  die  sache  nach  nochmaliger  reiflicher  Überlegung 
ansehe ,  glaube  ich  dasz  in  der  that  Catullus  selbst  in  nicht  wenigen 
Wörtern  keine  geminalion  anwandte,  schon  seinen  namen  schrieb 
er  w  ohl  Catulus :  so  nennen  ihn  fast  alle  späteren  grammatiker  (vgl. 
praef.  s.  LVIII) ,  und  ob  allein  auf  die  autorität  jenes  herausgebers 
in  der  Frontonischen  zeit  hin,  bezweifle  ich  stark.  CatuUus  ist  wohl 
nicht ,  wie  man  gewöhnlich  glaubt ,  aus  Catönulus  entstanden :  das 
würde  Catölus  —  CaiöUus  geben,  wie  persönüla  wird  zu  persöla  — 
persoüa\  sondern  wie  cattnulus  wird  zu  cattlus  —  cattüus  (vgl. 
Varro  bei  Charisius  s.  79,  23),  so  wird  catütmlus  zu  catulus  — 
catullus:  an  den  stamm  cat  (wovon  catus  usw.)  hängt  sich  als  demi- 
nutivum  -unulus  an.  daraus  entwickeln  sich  zwei  namen :  Catüli4S, 
später  gewöhnlich  CatüUus,  und  mit  definitiver  Verkürzung  Catiäus. 
vgl.  übrigens  noch  Cattlus ^  wovon  das  gewöhnliche  Cattüus  und 
seltene  Cattlus  bei  Hör.  carm.  I  18,  2.  dasz  die  Veroneser  Catüli 
noch  um  80  vor  Ch.  so  sich  schrieben,   während  anderweitig  nur 


792       EBaehrens:  die  consonantengemination  im  lateinischen. 

Catulli  oder  Catuli  bestanden,  darf  uns  bei  dem  am  alten  festhalten- 
den Charakter  von  Verona  (vgl.  Catullus  68  %  27  ff.)  nicht  wundem, 
und  so  wird  man  auch  wohl  im  texte  des  dichtere  eine  anzahl  von 
Wörtern  ohne  geminae  anerkennen  müssen;  nicht  alles  was  die  hss. 
geben,  aber  zb.  63,  66  und  64,  283  corölis,  was  sich  aus  den  ztlgen  der 
hs.  ergibt  und  auch  bei  Petronius  c.  70  überliefert  ist;  dann  13,  8 
säculus]  23,  11  canscribüefU',  31,  14  und  64,  273  cachini;  36,  15 
Durachium-j  39,  3  rusam;  64,  294  sölerti;  64,  313  police\  66,  24 
solicitet'y  105,  2  furcilis  (natürlich  61,  129  v^Uice,  was  blosz  durch 
irrtum  keine  aufnähme  in  meinen  text  fand),  in  allen  diesen  fällen, 
wozu  vielleicht  weitere  erkenntnis  noch  einige  andere  hinzufügen 
wird ,  halte  ich  die  aufnähme  der  simplices  für  durchaus  berechtigt. 
Wie  wenig  überhaupt  in  der  ersten  hälfte  des  ersten  jh.  vor 
Ch.  die  gemination  schon  allgemein  war  (vom  vulgärsten  wie 
bellum  ferrum  usw.  natürlich  abgesehen),  zeigen  auch  die  glosso- 
graphen  dieser  zeit,  welche  stets  bei  ihren  erklärungen  mit  sim- 
plices operieren,  die  ihnen  noch  geläufiger  waren,  interessant  dafür 
ist  die  stelle  des  Charisius  s.  198,  24,  wo  die  lesart  des  Neapolitanua 
nicht  hätte  verwischt  werden  sollen :  ^examtASsim*.  Plautus  in  Am- 
phitryone:  'examusim  est  optima*  uhi  Sisenna:  ^pro:  examinato* 
inquity  ^amtisis  auiem  est  tabtUa  rtibricata*  usw.  man  sieht,  sowohl 
Charisius  im  lemma  als  auch  Sisenna  an  der  von  jenem  benutzten 
stelle  seiner  Plautinischen  glossen  schrieben  nach  ihrer  gewohnheit, 
letzterer  auch  den  Plautusvers  so  wie  er  ihn  in  seinem  exemplare 
vorfand.  '^  unrecht  that  Löwe ,  als  er  in  den  Plautinischen  glossen 
die  simplices  verdrängte:  prodr.  s.  261  persola:  persona  vilis\  8.  265 
hucones:  sttUti,  rustici;  s.  268  graedsat  (graeciscaths.):  ^XXr)vi2[€t; 
s.  271  patrisai:  patri  simüis  fit\  s.  274  cicum:  TpO,  kökkoc,  wo  über- 
all die  besten  quellen  keine  geminae  kennen :  ein  schöner  beweis 
nicht  allein  dafür,  dasz  unsere  Plautusüberlieferung,  welche  die  dem 
dichter  fremde  Verdoppelung  meist  aufweist,  aus  der  kaiserzeit 
stammt  (das  wüsten  wir  aus  anderen  anzeichen  längst),  sondern  vor 
allem  dafür  dasz  in  den  mittelalterlichen  glossarien  gar  manches 
auf  republicanische  glossographen  zurückgeht.  —  Durch  eine  ähn- 
liche beobachtung  bemerkte  übrigens  auch  Jordan  (krit.  beitrage 
3.  218),  dasz  die  glossatoren  in  ihren  citaten  die  nichtgemination 
bewahrten ;  dasz  dies  blosz  von  den  republicanischen  gelten  kann, 
wird  das  folgende  zeigen. 

'^  für  die  sclireibungr  amusis  tinden  sich  sparen  bei  Apulejus  IV  18 
(dapfcfreu  ss  II  30  und  XI  27),  bei  Placidus  8.  37,  13,  wo  die  hss.  mussis 
oder  mirns  (ebd.  8.  37 ,  1  möchte  man  da8  selbst  für  Placidus  unglaub- 
liche examussim  uno  m  in  antepaenuUima  verbessern  iu  uno  i  in  paen- 
ultimay  i\\\  fehlerhaftes  mm  in  diesem  worte  unbeg^reiflich  ist),  gut  be- 
grlaubip't  ist  ewnuitatuM  sowohl  bei  Placidus  s.  42,  6  als  auch  bei  Plautus 
mgl  63*2  in  den  hss.  (amwis  und  emuMiä  sind  wohl  blosz  dialektisch  ver- 
schiedene formen  desselben  wortes).  einfaches  i  hat  sich  endlich  stets 
erhalten  in  decuMi»,  deentalim  usw.,  welches  doch  auch  mit  amutU  zu- 
sammenhängt. 


*.  ] 


EBaebrens:  die  consonantengemination  im  lateinischen.        793 

Mit  der  Ciceronischen  zeit  beginnt  die  eigentliche  befestigung 
der  gemination ,  zeigt  sich  aber  auch  schon  gelegentlich  fehlerhafte 
Verwendung  derselben,    cuppes^  cuppedia  hatte  ein  grammatiker 
falsch  von  cupere  abgeleitet  und  deshalb  auch  cuppedo  an  stelle  von 
cupido  vorgeschlagen,  was  allein  Lucretius  angenommen  hat,  ein 
mann  von  viel  geist,  aber  wenig  spracbgefühl.  deutlicher  noch  tritt 
dies  zu  tage  in  einer  erscheinung,  über  welche  uns  Quintilian  I  7,  20 
berichtet:  quid  quod  Oceronis  temporibus  paülumqae  infra^  fere 
quotiens  s  littera  media  vocälium  longarum  vel  subieda  longis  essef^ 
geminahatuTj  iWcaussae\  ^cassus\  ^divissiones* ;  quomodo  et  ipsum 
et  Yergilium  quoque  scripsisse  manus  eorum  docent.   vgl.  auch  Cor- 
nutus  bei  Cassiodorius  s.  149,  12  K.,  wo  ich  herstelle:  *  causa*  per 
unum  s;  nee  quemquam  moveat  antiqua  scriptura:  nam  et  ^accusare' 
per  duo  ss  scripserunt ,  sicut  Husisse*  [fuisse  hss.] ,  *divisisse\  ^esus' 
[esse  et  hss.] ,  ^casus'  saepe  per  [causasse  per  hss.]  duo  ss  scriptum 
invenio,  in  qua  enuntiatione  quo  modo  du^arum  consonantium  sonus 
exaudiatur^  non  invenio,   man  musz  hier  wohl  unterscheiden,   nichts 
ungewöhnliches  liegt  an  sich  darin ,  dasz  man  zb.  wie  iiissi  so  auch 
lüssi,  wie  mtssum  so  auch  divtssum  sprach  und  schrieb;  der  ver- 
kürzungstrieb  blieb  stets  bestehen ;  aber  solche  von  einzelnen  aus- 
gehende neuerungen  fanden  deshalb  bei  der  mehrzahl  keine  dauernde 
aufnähme  (nach   der  Augustischen  zeit  hören  die  beispiele  daftlr 
auf),  weil  nun  die  gewohnheit  ihre  macht  austlbte,  welche  die  gemi- 
nation am  liebsten  auf  eine  feste  zahl  von  durch  Ennius  eingeftlbrten 
fällen  beschränkte  i  wie  denn  auch  Comutus,  weil  von  früh  auf  an 
lüsi  gewohnt,  sich  nicht  finden  kann  in  lOssi.    ganz  fehlerhaft  aber 
und  gar  nicht  zu  rechtfertigen  war  die  Verdoppelung  nach  einem 
diphthong,  die  sich  nicht  allein  in  caussa^  claussum  (mon.  Ancyr. 
II 42)  usw.  zeigt,  sondern  auch  in  pauHum^  PauUus  ua.    einige  leute 
glaubten  dasz  darin  durch  rasche  ausspräche  au  verkürzt  werde, 
glaubten  dasz  so  auch  eine  art  von  doppelconsonanz  entstehe ;  aber 
zu  der  richtigen  einsieht,  dasz  ein  diphthong  eigentlich  stets  un- 
verkürzt bleibt  und  nach  langem  vocal  nur  littera  simplex  folgen  kann 
(Velius  Longus  s.  80,  15  K.),  zurückkehrend  gab  man  jene  Verkehrt- 
heiten bald  wieder  auf.  länger  und  mit  besserem  rechte  hat  sich,  wenn 
auch  vorzugsweise  im  volke,  eine  andere  sorte  von  Verdoppelung  be- 
hauptet, deren  entstehung  ich  ebenfalls  in  diese  zeit  setze,  nemlich 
die  in  Wörtern  wie  zb.  formonsus  —  formosuSj  wofür  viele  beispiele 
WSchmitz  (beitrage  z.  lat.  sprach-  und  litt,  gesch.  s.  28.  34 — 37) 
gesammelt  hat.    freilich  nehme  ich  auch  hier  keine  directe  adsimi- 
lation  an,  sondern  zuerst  ausstoszung  und  dann  Verkürzung,  so  dasz 
ich  den  folgenden  weg  als  den  naturgemäszen  ansehe:  tönsiUae  — 
tösiUae  —  tossiUae;  vensica  —  vesica  —  v^ssica;  rürsus  —  riisus  — 
rüssus;  Peloponensus  —  Peloponesus  —  Peloponifssus  (über  letzteres 
und  ähnliches  vgl.  Fleckeisen  in  diesen  jahrb.  1872  s.  575  f.).   dasz 
diese  neuerungen  groszenteils ,  wie  im  volke  aufgekommen,  so  von 
grammatikern  aufgenommen  worden  sind,  ist  deutlich,    denn  diese 


794       EBaehrens:  die  coueonantengemination  im  lateinischezi. 

waren  es,  welche  die  Verdoppelung  weiter  auszubilden  und  überall 
einzuführen  suchten;  ihr  ansehen  war  es,  was  dieselbe  mehr  and 
mehr  zur  officiellen  Schreibweise  machte:  bei  ihnen  wirkte  die  sacht 
nach  gleichmacherei,  nach  uniformer  gestaltung  der  Orthographie, 
ein  schlagendes  beispiel  dafür  liefert  der  von  Seneca  rhetor  s.  18  K. 
erwähnte  grammatiker  Porcellus ,  tlber  den  es  in  den  'differentiae 
Suetonii'  (s.  310,  28  Both)  heiszt:  Forceüus  (so  Roth:  Proceüus 
hs.)  ait:  quae  l  liäera  finiuntur  in  dedinatione,  geminant  eandem 
litteram;  tamquam  *mel'  ^mellis^  et  ^feV  'feüis'  facU^  ita  Uribuna2^ 
Urihuncillis^  et  *animaV  ^animaUis*  (was  dann   dagegen  angefahrt 
wird,  ist  mittelalterliche  ignoranz,  welche  wiederum  zeigt,  wie  wenig 
antikes  gut  in  diesen  differentiae,  die  mit  Suetonius  nichts  zu  than 
haben,  steckt),   vor  allem  aber  sind  hier  Varro  und  Verrius  flaccos 
zu  nennen,    bei  diesen  begegnen  wir  nicht  wenigen  Wörtern  mit 
geminae,  wo  wir  bei  anderen  schriftsteilem  nur  simplices  haben. 
verfolgen  wir  zb«  gütum ,  so  treffen  wir  dies  wort  so  geschrieben  in 
den  besten  hss.  bei  Hör.  saU  16,  118;  Plinius  n.  h,  XVI 185;  Juve- 
nalis  3, 263  und  1 1, 158 ;  Gellius  XVII 8, 5 ;  glossae  Stephani  s.  105 ; 
Dosithei  hermen,  s.  440  B. ;  allein  Varro  de  2.  Z.  V  24  hat  a  guttis 
guttum  appeUanmt  ohne  allen  historischen  sinn,    derselbe  sagt  ebd. 
VII  102  ab  avertendo  averruncare ,  ut  deus  qui  in  eis  rebus  praeesi 
^Ävemmcus\  die  contraction  Äuruncus^  bei  Gellius  V  12,  14  über- 
liefert und  von  CyriUus  und  Philoxenus  bezeugt  (vgl.  Löwe  prodr. 
8.  365),  weist  auf  ursprüngliches  Äveruncus^  das  ich  in  der  that 
noch  bei  Dositheus  Hermen,  s.  332  B.  finde:  wiederum,  sehen  wir, 
hat  Varro  wegen  averruncare  (das  früh  allgemein  ward;  nur  bei 
Cato  de  re  rust.  141,  3  scheint  der  Marcianus  averuncare  gehabt  zu 
haben)  auch  dem  gott  ein  rr  gegeben,   es  erweckt  einen  eigentüm- 
lichen begriff  von  Varros  wissen  und  methode,  wenn  wir  ihn  auf 
der  andern  seite  zwar  das  Ittngst  recipierte  närrare  richtig  von 
gnarus  ableiten,  aber  deshalb  auch  die  Schreibung  närare  als  die  zu 
befolgende  aufstellen  sehen  (bei  Wilmanns  s.  179).  ganz  ebenso  ist 
es  bei  Festus :  wo  zb.  alle  andern  zeugen  carisa  bieten,  gibt  er  carissa 
(Löwe  prodr.  s.  305).  und  man  braucht  ja  auch  blosz  die  citate  aus 
früheren  dichtem,  die  keine  gemination  kannten,  anzusehen  (zb. 
topper  8.  352  M.  in  fragmenten  des  Livius  Andronicus),  um  die 
richtigkeit  davon  zu  begreifen,    es  wird  gut  sein,  sich  das  stets  vor 
äugen  zu  halten  bei  der  benutzung  der  durch  sie  erhaltenen  bruch- 
stücke,    von  Varro  aber  und  Verrius  Flaccus  hängen  nicht  wenige 
der  späteren  grammatiker  ab ,  welche  im  allgemeinen  keine  beson- 
dere neigung  für  die  beibehaltung  der  simplices  in  ihren  citaten 
hatten;  eine  illhmliche  ausnähme  scheint,  soweit  man  bis  jetzt  ur- 
teilen kann,  der  sogenannte  Philoxenus  gewesen  zu  sein ,  vielleicht 
auch  er  nur  da  wo  er  republicanische  glossographen  ausschrieb. 

Dasz  nach  den  forderungen  eines  Verrius  Flaccus  und  anderer 
auch  die  orthogi*aphie  in  officiellen  monumenten  geregelt  wurde, 
erklärt  sich  leicht  aus  dem  ansehen  welches  diese  männer  genossen. 


EBaehrens:  die  consonautengemination  im  lateinischen.        795 

auch  darauf  musz  man  achten,  um  solchen  inschriften  nicht  einen 
ungebührlichen  wert  beizulegen,  sie  bieten  ein  bild  der  einstimmig- 
keit  dar  in  vielen  fällen,  welche  andere  zeugen  nicht  anerkennen :  die 
Schreibweise  der  grammatiker  repräsentiert  eben   keineswegs  aus- 
schlieszlich  die  der  gebildeten  ihrer  zeit :  es  blieb  stets  auf  diesem 
gebiete  individueller  freiheit  Spielraum  bis  zu  einem  gewissen  grade, 
auch  dies  war  der  mode  unterworfen  und  daher  wechselnd ;  provin- 
ciale  gewohnheiten  kamen  dazu ;  persönliche  neigung  für  dunkle  oder 
helle  vocale  mögen  mitgewirkt  haben;  endlich  ist  es  nicht  unwahr- 
scheinlich daszy  wo  doppelte  formen  mit  simplices  und  geminae  vor- 
kamen ^  der  für  uns  so  schwer  zu  controlierende  wohllaut  bald  diese 
bald  jene  form  bevorzugen  liesz.  also:  hüten  wir  uns  vor  dem  fehler 
des  uniformierens,  in  den  die  alten  oft  verfielen ;  die  dfficielle  Ortho- 
graphie gibt  zb.  häufig  miUia ,  wogegen  selbst  die  meisten  gramma- 
tiker opponierten,    die  aufgäbe  unserer  Wissenschaft  kann  nur  sein, 
auch  mit  rücksicht  auf  die  verschiedenen  perioden  festzustellen,  wo 
entweder  geminae  oder  simplices  ausschlieszlich  und  wo  beide  neben- 
einander vorkommen;  und  dazu  genügen  die  inschriften  allein  nicht, 
es  musz  die  handschriftliche  Überlieferung,  wenngleich  unter  der 
nötigen  vorsieht,  mit  benutzt  werden,  freilich  ist  auch  im  mittelalter 
die  lust  zur  Verkürzung  und  Verdoppelung  stets  stark  gewesen  (vgl. 
Affncüi  occeanus  usw.  usw.) ;  ungleich  seltener  ist  der  umgekehrte  fall, 
um  auf  die  grammatiker  zurückzukommen ,  so  hat  die  ganze 
frage  behandelt,  wie  es  scheint,  in  seiner  ar$  (denn  auf  eine  solche 
schliesze  ich  aus  dem  attribut  artigraphus  bei  Cassiodorius  s.  155  K.) 
der  im   ersten  jh.  nach  Ch.  lebende  Nisus.  er  ist  deshalb  inter- 
essant, weil  er  den  einzigen  fall  berührt,  in  welchem  trotz  der  ge- 
mination  der  vorhergehende  vocal   seine  länge  in  der  ausspräche 
entweder  behalten  hat  oder  doch  hätte  behalten  müssen,   aus  ama- 
vtsem  -ses  usw.  wurde  amavissem  -ses  usw.,  aus  infinitiv  amavise 
wurde  amavtsse :  wie  aber,  wenn  diese  formen  wiederum  contrahiert 
wurden,  amasse  amassem  usw.?    hier  muste  auf  der  einen  seite  die 
contraction  durch  die  länge  amässem  amässe  angedeutet  werden; 
aber  auf  der  andern  seite  mochte  es  durch  die  gewohnheit,  bei  ge- 
minae zu  verkürzen ,  schwer  fallen  dieser  forderung  gerecht  zu  wer- 
den,  man  lernt  jetzt  erst  die  feinheit  des  Nisus  würdigen,  welcher 
den  in  diesem  falle  einzig  methodischen  weg  einschlug  und  simplices 
verlangte  nach  Velius  Longus  s.  79,  20  K.,  wo  ich  schreibe:  Nisus 
auctor  est  ut  *comese*  et  ^consuese'  per  unum  s  scribamus;  et  adidt 
diät  hs.]  rationemy  quia  iuxta  productam  vocakm  consona  duplex 
consonans  hs.]  progredi  non  söleat,    gewis ,  auf  langen  vocal  kann 
nur  ein  einfacher  consonant  folgen:   einen  schönern  nochmaligen 
beweis  für  die  richtigkeit  meiner  ganzen  auffassung  kann  ich  wohl 
zum  schlusz  nicht  beifügen,    den  andern  von  Nisus  beigebrachten, 
sehr  schwachen  grund  bei  seite  lassend  sehen  wir  uns  noch  des 
Longus  antwort  an,  welche  ich  so  herstelle:  geminari  cansonantes 
productis  vocalil>us  iunctas  usus  ostendU,  e  [in  hs.]  quo  dicirm^  eiiani 


796        EBaehrens:  die  conBonantengemination  im  lateinischen. 

^€rrasse\  'sältasse*,  'äbiss^^  ^cakasse*.    quis  aiUem  nescit   ^mälo* 

Emälum  bs.]  una  l  lUtera  scripta  [scriptam  hs.]  distare  a  ^tmälle* 
mälo  hs.],  eodem  demento  geminato?  überall,  wie  man  sieht,  con- 
trahierte  formen.    Schiedsrichter  in  diesem  streite  zu  sein  ist  wob) 
unmöglich,    es  scheint  mir  als  ob  die  von  Longus  zur  Widerlegung 
des  Nisus  herangezogenen  beispiele  nicht  ganz  zutreffend  sind  :  denn 
auch  an  sie  wird  wohl  Nisus  gedacht  haben,    ob  in  -asse  und  -isse 
in  der  that  wiederum  Verkürzung  platz  gegriffen  hatte ,  dagegen  in 
-esse  nicht,  so  dasz  man  hier  das  uralte  consuese^  camese  wirklich 
noch  hörte,  zum  mindesten  in  Nisus  zeit?  —  Die  folgenden  gram- 
matiker,  und  mit  ihnen  die  mehrzahl  der  gebildeten,  wandeln^  nach- 
dem sich  80  eine  feste  theorie  herangebildet  hat,  auf  dem  gebahnten 
wege  weiter;  man  findet  kaum  noch  etwas  bemerkenswertes  im 
zweiten  und  dritten  jh.  denn  wenn  zb.  Oellius  XX  3  sagt:  quos  ^sici- 
nistas^  vvHgus  dictt^  qui  redius  locuH  sunt  ^skinnistas*  Uttera  n  ge- 
mina  dixerunt,  so  ist  das  eben  der  alte  streit:  die  einen  nahmen  das 
griech.  ctKivvtc  als  sictnium,  die  andern  als  sktnmum  an,  und  der 
aus  Schultradition  mehr  die  gemination  begünstigende  grammatiker 
sieht  auf  die  ersteren  als  das  vulgus  herab. 

Es  bleibt  uns  endlich  noch  übrig,  auf  die  untern  Volksschichten 
und  ihr  verhalten  gegenüber  der  Verdoppelung  einen  blick  zu  wer- 
fen,  so  wenig  dieselben  auch  von  der  Ennianischen  neuerang  un- 
berührt geblieben  sind,  so  wird  es  uns  doch  unter  vergleichang 
derselben  thatsache  auf  dem  gebiete  des  Wortschatzes  keineswegs 
befremden  y  dasz  hier  auf  der  einen  seite  stets  viele  Überreste  der 
alten  nichtgemination  bewahrt  geblieben  sind ,  auf  der  andern  aber 
auch  viele  fölle  von  teils  ungewöhnlicher  teils  fehlerhafter  Verdoppe- 
lung uns  begegnen,   schon  ein  blick  auf  die  pompejanischen  wand- 
kritzeleien  (CIL.  IV )  belehrt  uns  darüber :  berechtigt  ist  zb.  schwanken 
zwischen  ßlare  und  ßUare  (letzteres  allein  litterarisch) ;  erklärlich 
heia  pupa  1234  (noch  heutzutage  hört  man  in  italiänischen  dialekten 
heia  mia  statt  des  h^Ua  mia  der  gebildeten);  falsch  zb.  uxxoH^  asseh 
Ims^  hassüica.  in  dem  Wortspiel  bei  Petronius  c.  62,  wo  ich  schreibe : 
ut  imus  [ü  imus  statt  uenimus  «»  üimus  der  hs.]  intra  monment{i^ 
homo  meus  coepü  ad  Stellas  facere^  sed  egopergo  cunäahundus  [sed 
ego  cantäbundus  hs.]  et  Stellas  numero^  kann  man  zweifeln  ob  slelae 
(aas  monimenta)  als  stiUae  oder  die  stSUae  («»  sidera)  als  stelae  aus- 
gesprochen wurden :  beides  ist  gemäsz  der  volksaussprache  möglich, 
und  diese  doppelte  Strömung  ist  unter  stetem  wachsen  auf  den  ple- 
bejischen inschriften  bemerkbar;  ihr  überhandnehmen  und  eindringen 
in  die  spräche  der  gebildeten  im  dritten  und  vierten  jh.  läszt  die 
grammatiker  vor  diesen  ^barbarismen'  warnen,    nach  alter  weise 
sprach  man  wieder  ^vtla* pro  ^vtUa*^  *inffe'  pro  *mtUe*  (Consentius 
s.  392,  8  K.),  gärulus  statt  garrulus  (Probus  s.  199,  4),  Ächtles 
statt  ÄchtUes  (Servius  in  Don.  s.  444,  23);  neu  ist  auf  der  andern 
Seite  tiSttus  für  töius  (Consentius  s.  392,  1),  caUigo  statt  caligo 
(Probus  s.  198,  21),  BSmrna  für  Borna  (Servius  in  Don.  s.  444, 14); 


EBaehrens :  die  consonantengemiiiation  im  lateinischen.        797 

geradezu  falsch  hassüica  für  häsüicay  dracco  für  dräco,  cammara  für 
Camera  (Probus  ebd.);  auch  entstanden  jetzt  durch  die  weiter  um 
sich  greifende  adsimilation  neue  doppelungen,  wie  grunnio  statt 
grundio  Probus  s.  199, 13  tadelt,  dies  läszt  sich  an  vielen  Inschrift- 
lieben  beispielen  weiter  verfolgen;  viele  mittelalterliche  verkehrt- 
heilen  (zb.  Uattero  statt  hläteroy  suppeUex^  Brütanni^  pedissequus 
usw.  usw.)  gehen  in  diese  zeiten  zurück,  natürlich  fehlt  es  nicht  an 
fällen,  worin  man  in  den  wiederum  mit  simplices  gebrauchten  Wör- 
tern ,  gerade  so  wie  dies  die  alten  scaenici  thaten ,  Verkürzung  der 
länge  eintreten  liesz:  zb.  wird  säcuhiSy  wie  einst  von  Plautus,  so 
von  dem  Verfasser  eines  inschriftlichen  gedichtes  in  Mommsens  inscr. 
Eelvet.  51  als  säcidus  gebraucht  (vgl.  jahrb.  1882  s.  477);  proso- 
dische  fehler  der  spätem  dichter  (zb.  päricida  und  anderes  bei 
LM  aller  de  re  metr.  s.  360)  gehören  auch  hierher,  die  provincialen 
traten  mit  ihrem  bastardlatein  jetzt  in  den  Vordergrund :  die  Griechen 
sprachen  tle  statt  tUe  und  iüsü  statt  iussü  (Consentius  s.  394,  25 
und  395,  14)  und  dagegen  vöwac  und  irX^vvtoc.  vorzugsweise 
waren  es  jedoch  die  Africaner,  welche  eine  völlige  umkehrung  des 
bestehenden  auf  diesem  gebiete  bewirkten  (klagen  über  die  Afri  be- 
gegnen uns  bei  den  letzten  grammatikem  mehrfach) :  man  sehe  CIL. 
Till  s.  1109  und  den  codex  Salmasianus  saec.  VII  der  um  532  in 
Karthago  zusammengestellten  lat.  anthologie  (in  meinen  PLM.  IV). 
nicht  allein  in  dem  schon  von  Pompejus  (s.  286 ,  34  ff.)  gerügten 
labdacismus  (cölegium^  cölaitis  und  dagegen  aUius  statt  älitAS^  con- 
tuUimtts)^  sondern  auch  bei  anderen  consonanten  tritt  diese  Verkehrt- 
heit zu  tage :  comendare,  comerda^  comiäere^  comune  (wie  noch  heute 
zb.  im  italiänischen)  und  dagegen  timmens,  ocadus,  eweUere,  iyr- 
rannus  und  anderes  bietet  der  Salmasianus  an  nicht  wenigen  stellen 
(derselbe  auch  stets  garulus),  dieselben  spuren  teils  von  uralter 
nichtgemination,  teils  von  neuer  und  fehlerhafter  Verdoppelung  zeigt 
denn  auch  das  romanische ,  nicht  constant  und  nach  festen  gesetzen 
in  allen  seinen  gliedern,  sondern  sporadisch  und  unregelmäszig.  das 
spanische  hat  so  zb.  chico  (=  äcam  —  ciccum) ,  flaco  (=  fläcus  — 
fläcciis) ,  pecar  (=  pecare  —  pSccare) ;  auch  hier  fehlt  es  nicht  an 
unregelmäszigkeiten,  wie  fuesa  =  fosa  statt  fösa  —  ßssa^  flueco  = 
flöcus  statt  flöcus  —  floccus. "  wenn  also  Marx  zb.  gthlyus  statuiert 
statt  des  richtigen  gihlms^  sich  berufend  auf  spanisch  giba^  so  über- 
sieht er  dasz  dies  auf  die  uralte  und  zugleich  vulgärlateinische  form 
gtha  (gihha  bei  Suetonius  und  Ammianus)  zurückgeht ;  gihattts  liest 
der  Salmasianus  AL.  383,  12.  dies  weiter  durch  die  romanischen 
sprachen  zu  verfolgen  liegt  auszcrhalb  unserer  aufgäbe,  zum  Schlüsse 
sei  nur  noch  darauf  hingewiesen ,  wie  zuletzt  anfang  und  ende  auch 
in  der  differenzierung  sich  wieder  nähern :  diese ,  bei  Ennius  auf  die 
gemination  zum  teil  sich  stützend,  wird  von  Isidorus  auf  die  sim- 

**  flöces  hat  bei  Caecilius  v.  190  B.,  wo  die  allitteration  flörem  — 
flöces  dafür  spricht,  richtig  Nonius  überliefert,  in  dessen  quelle  Gellins 
erst  mittelalterliche  abschreiber  flocces  eingesetzt  haben. 


798        EBaehrens:  die  consonantengemination  im  lateinischen. 

plices  gebaut:  was  bei  Agroecius  s.  124,  22  noch  einigermaszen 
vernünftig  steht,  lautet  bei  ihm  in  ganz  unverntlnftiger  weise  also: 
efferuntj  qui  exportant,  per  duo  ff;  eferunt  autem^  qui  luudandum 
(lies  laudando)  extöUtmt,  per  unum  f  (Isidori  differentiae  n.  191), 

Als  resultat  dieses  aufsatzes  ergibt  sich  die  richtigkeit  der  ge» 
wohnlichen  ausspräche,  welche  ohne  unterschied  vor  geminae  ver- 
ktlrzt.  dazu,  wird  mancher  meinen,  bedurfte  es  nicht  so  vieler  worte. 
aber  irre  ich  nicht,  so  haben  wir  doch  auf  dem  wege  zur  wissenschaft- 
lichen erkenn tnis  dieser  richtigkeit  das  eine  und  andere  gelernt. 

Nachschrift.  Das  oben  s.  792  zu  Catullus  bemerkte  erhielt 
rasch  einen  erwtlnschten  nachtrag  durch  ein  kürzlich  in  Pompeji 
aufgefundenes  graf6to  (rhein.  mus.  XXXVIII  s.  474) ,  das  ich  nach 
meinen  ergänzungen  (v.  4  nach  Bttcheler)  hersetze : 

Aed iUui^  me,  ocüleij posguam  deducxstis  in  iffnem, 

lump  hae  vim  vestreis  largificatis  geneis, 
vanum  :  nonpossunt  lacrumae  restinguere  ftamam: 
hae\c  OS  incendunt  tahificantque  animum, 
zu  anfang  von  v«  2  glaubte  Mau  NAD  zu  erkennen,  und  so  ergänzte 
Bücheier  Nan  ad  vim:  ein  ganz  geschraubter ,   aller  poesie  und 
spräche  'gewalt'  anthuender  ausdruck.    wie  der  des  Aetna  gluten 
in  sich  tragende  Catullus  einen  tbränenstrom  vergieszt,  so  dasz  der 
augensteme  glänz  erlischt  (68^,  16  neque  tristi  imhre  madere  genae)^ 
und  doch  keine  ruhe  finden  kann,  so  meint  auch  dieser  dichter,  dasz 
zu  spät  die  äugen,  die  wachsam  des  herzens  heiligtum  hätten  behüten 
müssen,  jetzt,  wo  durch  sie  einmal  der  brand  ausgebrochen,  reich- 
liches nasz  herabsenden  auf  die  wangen.    faszt  man  das  sicher- 
stehende mm  in  der  bedeutung  von  copiam ,  muUitudinem  (was  vor- 
trefflich zu  largificatis  passt)  und  erinnert  sich  an  das  Ciceronische 
vim  lacrimarum  profundere ,  so  bleibt  für  den  anfang  ein  wort  zu 
suchen,  das  gegenüber  dem  ignem  den  begriff  des  nasz  enthält,   ich 
glaube   dasz  nochmalige  revision  vielmehr  als  die  ersten  lesbaren 
buchstaben  HAE  ergeben  wird  und  dasz  zu  ergänzen  ist  lumphae. 
es  springt  in  die  äugen,  und  ist  auch  schon  von  Bücheler  ausgespro- 
chen ,  dasz  dies  [stück  zu  den  erzeugnissen  römischer  Ijrrik  gehört, 
wie  sie  zuerst  die  Sullanische  zeit  hervorbrachte  (Gellius  XIX  9) : 
etwa  um  70  vor  Ch.  mag  es  entstanden  bzw.  übersetzt  sein,   und 
wenn   wir  in  solchem  sicherlich  nicht  von  plebejischer  band  hin- 
geworfenen epigramm  die  form  flamam  finden  {flama  für  flagma^ 
wie  luna  für  lucna;  vgl.  auch  flamen)^  so  werden  wir  dieselbe  wohl 
auch  bei  Catullus  zulassen  dürfen:  flamea 64,  341  und  flameus  66,  3 
ist  Überlieferung  von  V;  flamati  64,  291  von  0;  flama  61,  171  und 
90,  6  und  100,  7  von  G  {flamina  öl,  10  V;  flammam  64,  92  V; 
flamma  62,  27  TV);  endlich  flameum  gibt  V  61 ,  8  {flamineum  61, 
115).   auch  sonst  erinnere  ich  mich  der  nicht  geminierten  form  be- 
gegnet zu  sein ;  die  Verdoppelung  mag  auch  bei  diesem  worte  erst 
am  ende  der  republik  begonnen  haben  stabil  zu  werden. 

Groningen.  ,  Emil  Baehrems. 


Philologische  gelegenheitsschriften.  799 

(50.) 

PHILOLOGISCHE  GELEGENHEITSSCHRIFTBN. 


Baden  (gymn.)  Anton  Müller:  zu  Piautas,  hofbnchdruckerei  von 
A.  V.  Hagen.     1883.    25  s.  gr.  4. 

Bamberg  (stndienanstalt)  M.  Zink:  biscbof  Viktors  von  Vita  ge- 
Bcbicbte  der  glaubensverfolgnng  im  lande  Africa  übersetzt.  W. 
Gärtnersche  bnchdrnckerei.     1883.    XI  n.  90  s.  gr.  8. 

Bar-le-Duc  (Ijc^e)  Ferdinand  Brnnot:  un  fragment  des  Histoires 
de  Tacite.  ^tnde  sur  le  de  moribus  Germanorum.  druck  von  Comte- 
Jacquet  (verlag  von  A.  Picard  in  Paris).     1883.     75  s.  8. 

Berlin  (univ.,  lectionskatalog  w.  1883/84)  loannis  Vahleni  disputa- 
tiones  Terentianae.  druck  von  G.  Voigt.  11  s.  gr.  4.  —  (doctordiss.) 
Paul  Weise  (aus  Straupitz):  de  Bacchidum  Plautinae  retractatione 
quae  fertur.  druck  von  A.  W.  Schade.  1883.  62  s.  gr.  8.  —  Bei- 
heft  zum  militär- Wochenblatt.  1883.  siebentes  heft.  Inhalt:  Cäsars 
kommentarien  und  ihre  litterarische  und  kriegswissenschaftliche 
folge  Wirkung,  vom  major  Max  Jahns,  verlag  von  £.  S.  Mittler 
u.  söhn.     s.  343—386.     gr.  8. 

Bonn  (univ.,  lectionskatalog  w.  1883/84  Eduard!  Luebberti  prolusio 
in  Piudari  locum  de  ludis  Pjthiis  Sicyoniis.     druck  von  C.  Georgi. 

22  s.  gr.  4.  —  (doctordiss)  Karl  Schueth  (aus  Bonn}:  de  Poenulo 
Plautina  quaestiones  criticae.     1883.     50  s.  gr.  8. 

Breslau  (univ.,  lectionskatalog  w.  1883/84)  Augusti  Reiff  erscheidii 
anecdotum  Fulgentianum.  druck  von  W.  Friedrich.  10  s.  gr.  4.  — 
(doctordiss.)  Julius  Brzoska  (aus  Ujest):  de  canone  decem  ora- 
torum  Atticorum  quaestiones.  druck  des  'Boten  a.  d.  Biesengebirge' 
in  Hirschberg  (verlag  von  W.  Köbner  in  Breslau).    1883.    104  s.  gr.  8. 

D Illingen  (Studienanstalt)  Anton  Bullinger:  Aristoteles^  nus-lehre 
(de  an.  III  c.  4—8  incl.)  interpretiert.    A.  Kolbsche  buchdruckerei. 

1882.  XVI  u.  73  s.  gr.  8. 

Donaueschingen  (progjmn.)  Adolf  Ausfeld:  über  die  quellen  zu 
Rudolfs  von  Ems   Alexander.     A.  Willibaldsche  hofbuchdruckerei. 

1883.  24  s.  gr.  4. 

Dorpat  (univ.,  magisterdissertationen)  Friedrich  Knauer:  über  die 
betonung  der  composita  mit  a  privativum  im  sanskrit.  druck  von 
C.  Mattiesen.  1882.  68  s.  gr.  8.  —  Oscar  Basin  er:  de  hello  civil! 
Caesariano.  quaestiones  Caesarianae.  pars  I.  druck  von  Liessner 
u.  Romahn  (verlag  von  J.  Deubner)  in  Moskau.  1883.  VI  u.  78  s. 
gr.  8. 

£  r  1  a  n  g  e  n  (univ.,  zum  prorectoratswechsel  3  nov.  1883)  AugustiLuchs 
commentationes  prosodiacae  Plautinae.    I.    druck  von  Junge  u.  söhn. 

23  s.  gr.  4. 

Güttingen  (univ.,  lectionskatalog  s.  1883)  Hermann!  Sauppii  com- 
mentatio  de  Atheniensium  ratione  suffragia  in  iudiciis  ferendi. 
Dietrichsche  univ.-buchdr.  13  s.  gr.  4,  —(desgl.  w.  1883/84)  Her- 
mann! Sauppii  emendationes  Plutarcheae.  15  s.  gr.  4.  —  (doctor- 
diss.) Friedrich  Mallet  (aus  Bremen}:  quaestiones  Propertianae. 
Verlag  von  Calvör.  1882.  68  s.  gr.  8.  —  Hermann  Dierks:  de 
tragicorum  histrionum  habitu  scaenico  apud  Graecos.  ebd.  1883. 
51  s.  gr.  8. 

Greifswald  (aniv.,  lectionskatalog  w.  1883/84)  Vdalric!  de  Wila- 
mowitz-Moellendorff  de  Ljcophronis  Alexandra  commentatiun- 
cula.     druck  von  J.  Abel.     15  s.  gr.  4. 

Groningen  (univ.,  doctordiss.)  Jan  Wibert  Beck  (aus  Amsterdam) r 
de  diflferentiarum  scriptoribus  Latinis.  verlag  von  P.  Noordhoff. 
1883.    95  8.  gr.  8. 


SOT'  Philologische  gelegenheitsschriften. 

Halle  ^uDiv.,  lectionskatalog  w.  1883'84]  HenriciKeilii  emendationes 
Varrooianae.     druck  von  Hendel.     X  s.  gr.  4. 

Heidelberg  (gymn.)  Karl  Pfaff:  de  diversis  manibus  qaibas  Ciceronis 
de  re  publica  libri  in  codice  Vaticano  correcti  sunt,  accedit  tabula 
heliotypa.     druck  von  6.  Mohr.     1883.     18  s.  gr.  4. 

Holm  (univ.,  doctordiss.)  F.  G.  Ljth:  de  asu  praepositionis  per  apnd 
Livium  libri  quattuor.  libri  secnndi  prior  pars:  de  per  cum  tem- 
poralibus  substantivis  coniuncto.    centraldnickerei.   1883.   38  s.  gr.  8. 

Jenafuniv.,  lectionskatalog  w.  1883/84)  Georgii  Goetz  de  compositione 
I'oenuli  Plautinae  commentariolum.  druck  von  A.  Neuenhahn.  8  s. 
^r.  4.  —  doctordissertationen:  die  'commentationes  philologae  le- 
nenseSf  ediderunt  seminarii  philologornm  lenensis  professores,  vol.  II, 
Lipsiae  in  aedibua  li.  G.  Teubneri,  MDCCCLXXXIII'  enthalten 
deren  fünf:  Walt  her  Böhme:  Dezippi  fragmenta  ex  lulio  Capi* 
toliuo  TrebulUo  Pollione  GeorgioSyncello  collecta,  s.l — 90;  August 
Hecker:  de  Khodiorum  primordiis,  s.  91 — 136;  Richard  Solbisky: 
de  codicibus  Propertianis,  6. 137 — 196;  Eduard  Leidolph:  deFesti 
et  Pauli  locis  Plautiuis,  s.  197—252;  Paul  Feine:  de  Aristarcho 
Pindari  Interprete,  s.  263 — 328. 

Königsberg  (univ.,  lectionskatalog  w.  1883  84)  Henrici  lordani 
obüervationes  Komanae  subsicivae.    druck  von  Härtung.    14  s.  gr.  4. 

Leiden  (univ.,  doctordiss.)  Nicolaus  Jacob  Andriessen:  de  fide  et 
nuctoritate  scriptorum  ez  quibus  vita  Tiberii  cognoscitur  dlsputatio. 
Verlag  von  M.  Nijhoff  im  Haag.     1883.     137  s.  gr.  8. 

Leipzig  (univ.,  zur  Verkündigung  der  preisaufgaben  für  1884)  Ludo- 
vici  Langii  de  sacrosnuctae  potestatis  tribuniciae  natura  einsqne 
ori(cino  commentatio.  druck  von  A.  Edelmann.  1883.  43  s.  gr.  4.  — 
(doctordiss.)  Friedrich  Hill  mann  (aus  Cammin):  de  arte  eritica 
in  Orphei  Argonauticis  factitanda  capita  duo.  druck  von  Sebuls  in 
Gräfcnhainichen  (verlag  von  H.  Matthes  in  Leipzig).  1888.  74  •• 
gr.  8.  —  Johannes  Ilberg  (aus  Magdeburg):  studia  Piendippo- 
cratea.     druck  von  B.  G.  Teubncr.     1&3.    63  s.  gr.  8. 

Mainz  (gymn.)  Moritz  Municr:  die  paläographie  als  Wissenschaft 
und  die  Inschriften  des  Mainzer  museums.  druck  von  H.  Prlckarts. 
1883.     30  s.  gr.  4. 

Malmcdj  (progymn.)  Deutschmann:  de  poesis  Graecorum  rhjthmicae 
primürdiis.     druck  von  witwe  H.  Seins.     1883.     24  s.  gr.  4. 

Man  11  heim  (rcalgymu.)  K.  Seidner:  das  Schlachtfeld  von Pharsalus.  mit 
kartenskizzen.  «druck  von  ISchatt  u.  Kaisbcrger.    1883.     10  s.  gr.  4. 

Marliiirg  (univ.,  Icctiouekatalog  w.  188384)  Theodor!  Birt  de  par- 
ticipÜH  latinis  quae  dicuutur  perfccti  passivi  disputatio.  druck  von 
K.  Fri(;drich.  XXIV  s.  (?r.  4.  —  (prekrünte  preisschrift)  Mazimilian 
K 1  (;  1  n  H  c Ii m i  t :  de  Lucili  saturarum  scriptoris  genere  dicendi.  verlag 
vouN.  G.Elwert.  1883.  VIII  u.  135  s.  gr.  8.  —  Ludwie  von  Sybe  : 
kritik  des  ägyptischen  Ornaments,  archilologische  Studie,  ebd.  1883. 
41  a.  gr.  8  mit  zwei  lithographierten  tafeln. 

München  (univ.,  doctordiss.)  Ernst  Appcl  (aus  Weil  bürg):  de  genere 
ncutro  iutereuntü  in  liugua  latina.  druck  von  E.  Junge  u.  söhn 
(virrlug  von  A.  Deichert)  in  Erlangen.     1883.     122  s.  gr.  8. 

Küätuck  (univ.,  lectionskatalog  w.  1883.84)  Georg  Kaibel:  de  Athe- 
nuci  cpitomc.     druck  von  Adler.     9  s.  gr.  4. 

Wien  (univ.,  doctordiss.)  Johannes  Andreas  Washietl:  de  simi- 
litudinibus  imaginibusque  Ovidianis.  druck  von  C.  Gerolds  söhn. 
1883.  VI  u.  193  H.  gr.  8.  —  (zum  25j.  profossorjubiläum  von  Karl 
Sfhenkl)  August  Engelbrecht:  studia  Terentiana.  1883.  908. 
gr.  S.  —  (staatsgymn.  im  II  bezirk)  Edmund  Eichler:  Demosthenes 
cr>t(>  Philippica  doch  eine  doppclrede?  druck  von  J.  B.  Wallis- 
huiiscr.     1883.     30  ».  lix.  8. 


ERSTE  ABTEILÜNa 

FUß  CLASSISCHE  PHILOLOGIE 

HERAUSGEGEBEN  VON  ALFRED  FlECKEISEN. 


114. 

ZU  SOPHOKLES  PHILOKTETES. 


Wer  ein  bild  von  der  Zerrüttung  erhalten  will,  in  der  uns  die 
tragGdien  des  Sophokles  überliefert  sind,  beschäftige  sich  mit  dem 
Philoktetes  und  namentlich  seinem  eingang.    mit  guten  gründen 
wurden  schon  von  EAEichter  die  verse  75 — 78  und  83—85  an- 
gefochten und  als  interpolationen  verdächtigt,    ebenso  bemerkt  der 
Naucksche  anhang  s.  140  zu  v.  50  ff. :  sie  seien  durch  interpolationen 
entstellt;  mindestens  seien  die  werte  bei  c'  .  .  ävuiifotc  wenn  nicht 
unecht,  so  doch  in  ihrer  jetzigen  fassung  bedenklich,    weiter  wird 
V.  63  mit  seinem  unverständlichen  KupiuiC  als  überflüssig  bezeichnet, 
V.  66  —  69  teils  aus  andern  gründen  teils  wegen  112  f.  verdächtigt, 
und  schlieszlich  unzweifelhaft  bewiesen,  dasz  von  den  versen  91.  92 
mindestens  der  letzte  ein  spätes  machwerk  sei,  aber  auch  am  Schlüsse 
von  V.  91  die  echten  worte  wohl  durch  fremde  flickereien  verdrängt 
seien,  man  würde  aber  gewaltig  irren,  wenn  man  damit  das  register 
auch  nur  der  schlimmsten  anstösze  für  geschlossen  ansähe  und  durch 
ausscheidung  der  beanstandeten  verse  einen  lesbaren  text  zu  erhalten 
dächte,  wo  interpolationen  in  solchem  umfange  platz  gegriffen  haben, 
fehlt  es  gewöhnlich  nicht  an  dem  weit  lästigern  Übelstande  der  vers- 
versetzungen ,  sei  es  nun  dasz  jene  durch  diese,  oder  letztere  durch 
erstere  hervorgerufen  sind,  so  auch  hier,    beleuchten  wir  zuerst  die 
rede  des  Odysseus  v.  54 — 85.    Neoptolemos  erhält  den  auftrag  bei 
seiner  demnächst  vorauszusehenden  begegnung  mit  Philoktetes  sich 
offen  als  söhn  des  Achilleus  vorzustellen,  als  grund  seiner  landung 
auf  Lemnos  aber  anzugeben,  dasz  er  auf  der  rückfahrt  von  Troja 
nach  Skyros  beginn  sei ,  da  er  sich  mit  den  Atreiden  überworfen 
habe,  weil  sie  ihm  die  waffen  seines  vaters,  als  bereits  in  Odysseus 
besitz  übergegangen,  auszuhändigen  verweigert  hätten,    es  werde 
nichts  schaden ,  wenn  er  dabei  möglichst  übel  von  ihm  (Odysseus) 

Jahrbaeher  für  class.  philol.  1883  hft.  12.  52 


802        Moriz  Schmidt:  zu  Sophokles  Philoktetes  [v.  50— tOO]. 

rede,  es  folgen  die  von  Richter  entfernten  verse  66 — 69.  darauf 
fuhrt  Odjsseus  fort:  er  selbst  könne  sich  keiner  begegnung  mit 
Philoktetes  aassetzen ,  Neoptolemos  kGnne  es  unbedenklich,  weiter 
folgen  die  von  Richter  beseitigten  verse  75 — 78 ,  und  schlieszlich 
die  Worte :  Odysseus  wisse  wohl ,  wie  sein  auftrag  der  ganzen  natur 
des  Neoptolemos  zuwiderlaufe,  aber  um  des  hohen  preises  willen, 
der  durch  seine  pünktliche  ausftlhrung  in  aussieht  stehe,  möge  er  ea 
einmal  wagen  sich  untreu  zu  werden;  heute  möge  er  dem  Odysseus 
folgen,  spftter  der  hellste  tugendspiegel  sein,  der  auftrag  des  Odysseus 
wird  y.  343 — 390  von  Neoptolemos  ausgeführt,  und  zwar  streng  nach 
den  V.  54 — 65  gegebenen  anweisungen.  gegen  diese  versgruppe  liegt 
also  kein  verdachtsgrund  vor.  natürlich  wäre  es  auch,  wenn  Odysseus 
nunmehr  anknüpfte,  was  gegenwärtig  auf  die  zweite  Eichtersche 
athetese  folgt:  79  fHoiba  piv  .  .  TOiaOxa  9UJV€Tv  —  denn  bis  v.  66 
war  ja  Odysseus  bemüht  gewesen  dem  genossen  eine  lügnerische 
rede  einzustudieren,  statt  dessen  unterbricht  Odysseus  diesen  Zu- 
sammenhang durch  eine  art  von  entschuldigung,  weshalb  er  den 
Neoptolemos  vorschiebe,  er  habe  zum  ersten  ctöXoc  gehört,  dh. 
Philoktetes  kenne  und  hasse  ihn  als  teilnehmer  jener  ersten  expe- 
dition,  und  wenn  er  bei  einer  begegnung  seinen  bogen  zur  band 
haben  sollte,  sei  es  um  sie  beide  geschehen,  diese  störende  stelle 
selbst  aber  ist  wieder  in  die  noch  restierenden  versgruppen  65 — 69 
und  77.  78  so  eingeschoben,  dasz  auch  ein  zwischen  ihnen  ursprüng- 
lich beabsichtigter  Zusammenhang  in  auffälliger  weise  gelöst  wird, 
denn  an  einer  Verbindung  der  zwei  verspaare 

ei  T&P  Td  ToObe  röHa  [xi\  XT]90iiC€Tai, 

69   OUK  &Tl  TT^pcai  CGI  TÖ  AapbdvOU  TT^bOV. 

77  dXX'  aÖTÖ  toOto  hex  coqpicOnvai,  KXoTreiic 
ÖTTUiC  T€vricij  Tuiv  dviKr|TUJV  öttXujv 
würde  man  an  sich  keinen  anstosz  nehmen,  obgleich  keines  von  beiden 
mit  den  mit  ihnen  verbundenen  versen  in  vernünftigem  zusammen- 
hange steht,  welche  bewandtnis  es  nun  mit  den  versen  66 — 78  hat, 
kann  gegenwärtig  auf  sich  beruhen,  fürs  erste  genügt  es  zu  wissen, 
dasz  ihr  ursprünglicher  platz  hier  nicht  war.  was  aber  v.  79  ff. 
angeht ,  so  wollen  wir  mit  dem  Zugeständnis ,  dasz  sie  im  anschlusz 
an  65  gedacht  werden  könnten,  noch  keineswegs  eingeräumt  haben, 
dasz  die  ßi^cic  des  Odysseus  wirklich  mit  ihnen  abgeschlossen  habe, 
wir  behaupten  vielmehr,  dasz  die  verse  79 — 82  an  ihrem  gegen- 
wärtigen platze  belassen  die  darauf  folgende  ßfjcic  des  Neoptolemos 
zu  einer  baren  absurdität  machen  würden.  Neoptolemos  erscheint 
nicht  gerade  geneigt  sich  zum  organ  des  ränkevollen  Odysseus  zu 
machen :  'solche  lügen ,  von  denen  ihm  schon  die  obren  weh  thun, 
mag  er  vollends  nicht  über  die  lippen  bringen.  Schleichwege  sind 
gegen  seine  natur,  wie  sie  der  seines  vaters  zuwider  waren.'  was 
bedurfte  es  dieser  bemerkung  noch,  wenn  ihr  schon  Odysseus  vorher 
die  spitze  abgebrochen  hatte,  indem  er  sie  selbst  machte?  die  verse 
83 — 85  aber   erscheinen  schon  darum  an  ihrer  stelle  verdächtig. 


Moriz  Schmidt:  zu  Sophokles  Philoktetes  [▼.  60—100].        803 

weil  1)  die  {ii\c\c  des  Odysseus  offenbar  ebenso  nachdmcksvoll  mit 
einer  hinweisung  auf  das  Kjf]\ia  y\Kf\c  geschlossen  hatte,  wie  die  des 
Neoptolemos  eine  durch  schlechte  mittel  errungene  viio]  verworfen 
hatte,  2)  Neoptolemos  doch  noch  keine  äuszerung  gethan  hatte, 
welche  seine  mitwirkung  aus  rücksicht  auf  eöc^ßeia  ablehnte,  alle 
diese  erwttgungen  nötigen  zu  dem  Schlüsse,  dasz  mit  den  zwei 
Bichterschen  athetesen  noch  wenig  gewonnen  ist,  dasz  vielmehr  der 
ganze  verscomplex  66 — 85  als  ungehörig  bezeichnet  und  die  ^f)cic 
des  Odysseus  mit  v.  65  abgebrochen  werden  musz.  geschieht  dies 
und  erfolgt  die  antwort  des  Neoptolemos  auf  sie  sofort  v.  86  ff.,  so 
gestaltet  sich  die  fassung  wesentlich  anders,  wenigstens  in  der  haupt- 
sache:  denn  im  einzelnen  fehlt  es  auch  in  dieser  ^fjcic  nicht  an  be- 
fremdlichen äuszerungen.  Neoptolemos  trifft  dann  doch  eine  ganz 
bestimmte  entscheidung :  *der  auftrag  des  Odysseus  bringe  ihn  in 
einen  conflict  zwischen  seiner  angeborenen  geradbeit  und  der  pflicht 
seinem  ivyepfaTr\c  den  gelobten  beistand  zu  leisten,  er  ziehe  jedoch 
eine  Verletzung  der  letztem  vor,  da  sie  immerhin  ehrenhafter  sei  als 
ein  durch  schlechte  mittel  erwirkter  erfolg  ihres  gemeinschaftlichen 
Unternehmens.'  das  ist  klar  und  deutlich  gesprochen  und  zeigt  dasz 
es  nicht  genügt  mit  leichter  Änderung  von  v.  91  den  92n  auszustoszen, 
sondern  dasz  v.  90 — 92  unserm  obelos  verfallen  müssen,  denn  die 
verse ,  in  denen  Neoptolemos  seine  bereitwilligkeit  zu  gewaltsamem 
vorgehen  gegen  Philoktetes  erklärt,  treten  in  jeder  fassung  störend 
zwischen  die  darlegung  des  dilemmas  und  berühren  überdies  einen 
punkt,  auf  den  erst  später  v.  103  näher  eingegangen  werden  konnte, 
wo  sich  die  begriffe  X€ip  und  yXuicca  in  die  begriffe  ßia  und  böXoc 
verwandeln,  doch  wie  gesagt :  in  der  hauptsache  enthalten  die  verse 
86 — 95  eine  runde  antwort  des  Neoptolemos  auf  die  ihm  v.  54 — 65 
von  Odysseus  gemachte  Zumutung,  und  auf  diese  antwort  hatte  letz- 
terer zu  replicieren.  that  er  dies  nun  in  den  versen  79 — 82,  so  ver- 
leugnet er  seine  schlaue  beredsainkeit  nicht,  er  unterschreibt  alles 
(iSoiba) ,  was  Neoptolemos  über  seine  angeborene ,  vom  vater  er- 
erbte geradbeit  gesagt  hatte  (79  f.);  dennoch  möge  er  seinem  herzen 
ausnahmsweise  einmal  einen  s^z  geben  (TÖX|Lia).  einmal  heilige  der 
zweck,  das  KTf]|Lia  viKr)C,  die  zui^  erreichung  des  sieges  verwendeten 
mittel,  und  der  tag  ihrer  rechtfertigung,  der  sie  in  ganz  a^iderm 
lichte  darstellen  müsse,  könne  nicht  ausbleiben  (81  f.).  dasz  Odysseus 
ein  guter  psychologe  ist ,  zeigt  sich  sofort :  denn  Neoptolemos  wird 
schwankend,  er  greift  aus  den  werten  seines  partners  das  TÖXjia 
auf,  natürlich  seiner  natur  gemäsz  in  seiner  grundbedeutung.  ^eine 
antwort  liegt  in  den  oben  von  uns  aus  86 — 95  entfernten  versen 
90 — 92,  natürlich  nicht  allen,  sondern  dem  ersten:  dXX'  €iji'  Stoijlioc 
TTpöc  ßiav  TÖv  ävbp'  äyeiv,  zu  welchem  91.  92  eine  ungeschickte 
erweiterung  bilden  —  das  ou  yotp  Ü  ^jucC  TpÖTTOU  Naucks  würde 
dasselbe  zum  dritten  male  sagen,  an  diese  werte  des  jungem  schlieszt 
sich  vortrefflich  die  väterlich  belehrende,  klug  berechnete  antwort 
des  altern  mannes  v.  96 — 99:  'liebes  kind,  ich  war  auch  einmal  jung 

62* 


804        'Moriz  Schmidt:  zu  Sophokles  Philoktetes  [v.  50—100]. 

und  mehr  zum  zuschlagen  als  zum  reden  bereit  aber  erfahrong' 
macht  klüger  und  lehrt  dasz  man  mit  werten  mehr  als  mit  gewalt 
erreicht.'  nur  fehlt  augenblicklich  dieser  antwort  noch  der  schlusz, 
der  Neoptolemos  bewog  sich  weitere  Instructionen  von  Odysseas 
geben  zu  lassen,  wie  von  v.  100  an  geschieht,  er  ist  uns  aber  auch 
erhalten  und  bereits  in  den  versen  83 — 85  begegnet:  Manun  über- 
lasse dich  einmal  auf  ein  kleines  Stündchen  meiner  führong  und 
werde  dann  wieder  der  gewissenhafteste  mensch  von  der  weit.* 
gerade  der  ton  väterlicher  Überlegenheit,  welchen  Odysseus  hier  an- 
schlägt ,  und  die  gemütliche  ironie  der  letzten  worte  verfehlen  ihre 
Wirkung  nicht,  mit  v.  100  erscheint  Neoptolemos  schon  mehr  bereit 
dem  Philoktetes  das  märchen  von  seiner  heimfahrt  und  seinem  zer* 
wUrfnis  mit  den  Atreiden  und  Odysseus  aufzutischen ;  er  sieht  nur 
nicht  recht  ein,  warum  er  ihn  nicht  lieber  gütlich  zur  mitfahrt  be- 
wegen solle. 

Als  resultat  springt  also  heraus  folgende  anordnung  der  verse : 
—66.  N.  86—89.  93—96.  0.  79—82.  N.  90  [91.  92].  0.  96—99, 
83 — 85.  N.  100,  und  es  erübrigt  nur  über  die  verse  66 — 78  ins  klare 
zu  kommen,  von  ihnen  sind  66 — 69.  77.  78  als  thörichte  inter- 
polationen  preis  zu  geben :  warum ,  bedarf  nach  Bichters  eingehen- 
den erörterungen  keiner  weitem  ausführung.  nur  musz  festgehalten 
werden,  was  schon  oben  hervorgehoben  wurde ,  dasz  in  der  tbat  die 
interpolation  durch  v.  66  hervorgerufen  auf  ihre  gegenwärtige  stelle 
berechnet  war  und  die  verse  77.  78  im  engsten  anschlusz  an  69  von 
demselben  interpolator  herrühren,  die  frage  ist,  wohin  v.  70 — 76 
gehören,  durch  welche  jetzt  die  interpolation  selbst  auseinander- 
gesprengt ist,  und  ob  sie,  wenn  dieser  platz  gefunden  ist,  als  Sopho- 
kleisch  in  anspruch  genommen  werden  können,  oder  ob  sie  ebenfalls 
als  emblem  ausgeschieden  werden  müssen,  inhaltlich  kommen  diese 
verse  der  frage  zuvor,  warum  in  einem  falle,  wo  es  sich  um  berückung 
des  Philoktetes  handelt,  der  redegewandte  Odysseus  sich  dieser 
aufgäbe  nicht  selbst  unterziehe,  sondern  eine  Vertretung  durch 
Neoptolemos  vorziehe,  der  schickliche  platz  ist  also  für  sie  nach 
V.  55  'du  muszt  versuchen  dich  schlau  in  das  herz  des  Philoktetes 
zu  stehlen,  ich  selbst  kann  aus  gewissen  gründen  nicht  persönlich 
mit  ihm  verhandeln,  was  du  ihm  zu  diesem  zwecke  vorreden  muszt 
ist  folgendes.'   aber  gesetzt,  wir  lesen: 

TfjV  OlXOKTfiTOU  C€  bCl 
56   ipUXf|V  ÖTTUJC  XÖTOICIV  dKKX^ipClC  X^T^IV. 

70  ibc  b*  &T*  ejLioi  fitv  oüxi,  cd  b'  öjiiiXia 
irpöc  TÖvbe  mcTf)  kqi  ß^ßaioc,  ^KpaOe. 
cu  fitv  TT^TTXeuKQc  oöt'  ^vopKOC  oubevi 
oöt'  eE  dvÄTKiic  oöie  toö  irpiÜTou  ctöXou, 
d|ioi  bt  TouTUiv  oub€V  dcT*  dpvrjciiiov. 

75  üjct'  €1  M€  t6Eu)V  dTKpanic  aic9r)C€Tai, 
öXu)Xa  KQi  ce  iTpocbiaq>G6piü  Suviüv. 

56  ÖTttV  c'  ipwrq.,  TIC  T€  usw., 


Moriz  Schmidt:  zu  Sophokles  Philoktetes  [▼.  50—100].        805 

könnten  wir  uns  damit  zufrieden  geben  ?.  haben  die  oben  angedeutb* 
ten  gedanken  einen  ausdruck  gefunden,  klar  genug  um  unsers  dich* 
ters  würdig  zu  erscheinen?  das  wird  niemand  behaupten  mögen, 
die  zwei  ersten  der  vorgebrachten  gründe ,  weshalb  Odjsseus  nicht 
ungefährdet  selbst  mit  Philoktetes  verhandeln  könne,  sind  geradezu 
abgeschmackt,  dasz  Odysseus  durch  den  Tyndareos  geleisteten  eid 
zur  teilnähme  am  zuge  gegen  Troja  genötigt  war,  konnte  ihn  doch 
dem  Philoktetes  nicht  verhaszt  machen,  wenn  derselbe  auch  nicht 
in  derselben  läge  mitzog;  nur  der  letzte  grund,  dasz  er  zu  jenem 
ersten  zuge  gehört  hatte,  der  einst  den  leidenden  schmählich  ver- 
liesz,  war  stichhaltig,  lächerlich  aber  ist  äpvrjctjLiov :  denn  wenn 
Philoktetes  sogleich  auf  Odysseus  schosz,  wenn  er  ihn  gewahr  wurde, 
so  kam  es  zu  gar  keiner  weitern  ausspräche  (öjLiiXia)  mit  ihm ,  in 
der  er  etwas  hätte  in  abrede  stellen  können,  die  verse  haben  also 
auch  als  Interpolation  zu  gelten,  gieichwohl  sind  sie  uns  von  nutzen, 
um  dem  echten  teile  der  ^f]Cic  zu  einer  bessern  fassung  zu  verhelfen, 
in  ihm  hat  v.  55  das  nach  XÖTOiciV  auftretende  X^T^V  anstosz  er- 
regt, in  V.  76  aber  ist  ebenfalls  das  schluszwort  SuviJüv  befremdlich, 
man  sollte  doch  mit  beziehung  auf  c^  umgekehrt  SuvoVTd  fioi  er- 
warten :  'ich  würde  dich  mit  ins  verderben  reiszen ,  weil  du  dich  in 
meiner  gesellschaft  befindest.'  da  nun  v.  56  zur  zeit  ganz  unver- 
bunden  auf  55  folgt,  auszer  dasz  cod.  Harl.  öiav  t*  für  öiav  c* 
schreibt,  hat  man  schon  den  Vorschlag  gemacht  ÖTav  b*  zu  schreiben, 
weit  wahrscheinlicher  aber  ist,  dasz  der  interpolator  nicht  EuvuüV 
geschrieben  hat,  sondern  das  vorgefundene  cu  b*  oöv  hinter  TTpoc- 
biacpOepdi  hier  beibehielt,  oben  aber  dafür  das  klägliche  X^tu)V  zur 
stütze  des  verses  einschaltete,  auch  in  v.  64  ist  X^y ^V ,  wofür  Ge« 
dicke  X^t'  oöv,  Nauck  \iiov  ö'  wollten,  wohl  nur  ersatz  für  das 
passende  irpocGeic.  hiemach  werden  die  verse  50 — 78  künftig  so 
zu  ordnen  sein:  0.  50—53.  N.  54.  0.  54.  55.  [70—76]  56—62  [63] 
64.  65  [66—69]  [77.  78]  N.  86  usw.  wie  oben. 

Die  hauptsache  wäre  damit  erledigt,  im  einzelnen  machen  sich 
noch  kleine  nachbesserungen  nötig,  vor  allem  in  v.  50 — 53.  hier 
dürfte  zuerst  ^XrjXuOac  in  dXiiXuGjiiev  zu  ändern  sein,  da  ja  Odysseus 
auf  Lemnos  die  gleichen  ziele  verfolgt  wie  Neoptolemos  und  die 
leitende  seele  der  expedition  war.  dasz  femer  T€VVaTov  tuj  cuüjLiaTl 
unsinnig  ist,  steht  fest,  die  besserung  aber  von  Tip  cuijuaTi  scheint 
nicht  allzu  schwierig,  bisher  hatte  sich  Odysseus  der  äugen  des 
Neoptolemos  bedient ,  um  die  identität  der  localität ,  wo  sie  sich  be- 
finden, mit  der  seinem  gedächtnis  vorschwebenden  zu  constatieren. 
bei  diesem  dienste  hatte  sich  Neoptolemos  zuverlässig  und  brauch- 
bar erwiesen;  es  konnte  also  von  einem  UTTOupteiv  TOic  djLijLiaci  ge- 
redet werden,  auch  das  verletzende,  was  in  (bc  vnr]piv:]C  Tidpet 
liegt,  ist  leicht  zu  beseitigen,  wenn  die  £uv€pTaTi;|  (£uviip^TT]C  Nauck) 
7Tp^7T€i  hergestellt  wird,  schwieriger  ist  die  beseiidgung  der  übrigen 
anstösze.  für  T^vvaTov  zwar  mag  crroubaiov  genügen,  aber  wie 
wir  ohne  annähme  einer  lücke  nach  kXui]C  in  v.  52  f.  durchkommen 


806        Moriz  Schmidt:  zu  Sophokles  Phüoktetes  [t.  60—100]. 

sollen,  wüste  ich  nicht,  da  an  eine  kürzung  hier  absolat  nicht  ge- 
dacht werden  kann,  wir  bedürfen  notwendig  eines  gegensatzes  za 
fif]  fiövov  Toic  djipacL  dasz  Odjsseus  dabei  die  TXuicca,  die  X6toi 
im  sinne  hat,  ist  klar;  nnr  konnte  er  nicht  gleich  mit  der  thflr  iiu 
haus  fallen ,  sondern  muste  mit  einigen  Umschweifen  den  genoaaen 
auf  seinen  neuen,  etwas  befremdlichen  aoftrag  vorbereiten,  er 
äuszert  ihm  also  zuerst  seine  Zufriedenheit  mit  dem  eifer ,  womit  er 
ihm  seine  äugen  bei  entdeckung  der  höhle  geliehen  hat,  wird  aber 
dann  fortgefahren  haben ,  der  jetzt  zu  erteilende  auftrag  werde  ihm 
zwar  etwas  befremdlicher  vorkommen,  aber  er  mOge  sich  demselbeii, 
eingedenk  seiner  pflichten  eines  EuvepVänic,  eben  so  eifrig  and 
pünktlich  unterziehen:  also 

dXX*  fiv  Ti  KQivöv  div  iTpiv  oÖK  diciiKoac 
kXutjc  <iMOö  X^TOVTOc,  ^k  navröc  xpönou 
Kai  Tou9*>  uiTOupT€iv,  d)C  Euvcpr^Tq  irp^irei. 

namentlich  eine  Wendung  wie  xal  ToCO'  halte  ich  für  durchaus  un- 
entbehrlich, y.  87  verlange  ich  mit  Bichter  irXdccctv.  v.  80  steht 
die  richtigkeit  von  TOiauTa  in  frage,  v.  83  ist  vCv  b*  eic  wohl  dnrch 
V.  98  hervorgerufen  und  durch  ToiTOtp  \iiac  T*  ^c  zu  ersetzen;  doch 
schrieb,  wer  dvaib^c  gab,  mit  bewustsein  in  bezug  auf  120,  wie 
auch  117  öuiprj^aTa  v.  81  KTf^Ma  viktic  erklftren  soll.  v.  84  istbodc 
wohl  nicht  gerade  nötig,  es  folge  nun  der  berichtigte  tezt  der  fünf- 
zig verse. 

^€v? 
50  0.  'AxiXX^wc  TiaT,  b€i  c'  icp*  olc  iXifiXueac 

CTToubaTov  elvai  jif)  pövov  toic  djniiiaciv, 

dXX'  t\y  Ti  Kaivöv  Äv  irpiv  oök  dKrJKoac 

kWijc  ^dfioO  X^TOVTOC,  ^k  TravTÖc  xpöirou 

Kai  ToOö  *>  uTTOupTe  IV,  djc  Euveptdnj  irp^iret. 
N.  Ti  bf]T*  fivuiTac;  0.  xriv  OiXoktiitou  t  C€  bei 
.05        ipuxriv ,  ÖTTUiC  XÖTOiciv  ^kkX^ip€IC  [Xiymv, 
70        cig  d'  iai*  ifjLol  fiiv  ovxiy  aol  6^  OfiiXla 

TCQog  xovÖB  niaxii  %ai  ßißctiog ,  Ixfuxde. 

ov  fiiv  ninXevuag  ovt'  ivo(fKog  ovSivl 

o{?t'  i^  avayxrjg  ovn  xoif  nQmxmt  axokov 

ifiol  6i  xovxcDv  ovöiv  icx^  aginjamov. 

(ufar*  st  fie  x6^(0v  iyn^xrig  aia^i^asxat^ 
7C        Skala  Hai  ah  n(^a6ia(p^€QdSy  cu  br), 
56        ßtav  C  *  ipUlTÄ,  TIC  T€  Kai  TTÖOev  7rdp€i , 

X^T€iv ,  *AxiXX^u)C  naic  (TÖb  *  ouxl  kXcitt^ov)  , 
ttXciv  b*  ibc  rrpoc  oIkov,  dKXiTTubv  tö  vauTiKÖv 
CTpÄTCUM*  *AxaiiüV,  fxöoc  dxOnpac  M^T«) 
60       Ol  c  *  i\  XiTaic  7T€icavT€C  ii  oIkwv  MoXciv 
MÖvnv  fxovT€C  Trjvb*  äXwciv  1Xiou, 
ouK  T^Eiuicov  TiüV  'AxiXXdwv  öirXuiv 

nidovxi  doiJvai  Tivglmg  alxoviUvm] , 

dXX'  oCt'  'Obuccci  irap^bocav,  VpocOek  6c'  &v 


Moriz  Schmidt:  zu  Sophokles  Philoktetes  [v.  50—100].        807 

66       e^Xqc  Ka9*  fmiüv  fcxox'  icxdxuiv  KttKd. 

[rovrcov  y&Q  oiöiv  fi  älyvvsig '   tl  d'  iifyäoy 

fiif  xttvza ,  XvTCYiv  nciciv  ^Agyeloig  ßceXsig, 

ei  yiiq  xa  ravSs  rö^cc  u^  Xrifp^cetcci , 
69        owc  laxi  nigCtti  aol  xo  JaQddvav  niöov, 
11        crAA'  avxo  xdjxo  det  CfHptC&ijvat^  Kkojtivg 

78  07to)g  yevi^üiii  x(Sv  avM'qxmv  SnltovJ] 

86  N.  if\h  ixkv  oOc  öv  T&v  XÖTUJV  dXTiü  kXuuiv, 
Aaepilou  irai,  Toucbe  Kai  nX6cc€iv  ctutä. 
?<puv  Tdp  oubfev  ^K  T^xvTic  Tipdcceiv  KUICf^C, 

89  oöt'  aÖTÖc  oöö',  übe  qpaciv,  oÖKqpucac  tixL 
93       TrejLiqpöelc  fe  jh^vtci  cgi  guvcpTÄTiic  ÖKvdi 

irpobÖTTic  KaXeTcOar  ßouXo)Liai  b\  £va£,  KaXuJc 
95       öpiüv  ^ajuapreiv  poiXXov  f\  viköv  xaKUJC. 

79  0.  ^Eoiöa,  irai,  qpucei  C6  pf)  ireqpuKÖTa 

ToiaOia  qpujveiv  pir]bk  Tcxväcöai  KttKd. 
dXX*,  f|bu  Tdp  TÖ  KTTiiLia  Tiic  vIktic  XttßeTv, 

82  TÖXjLltt '  blKttlOl  b '  ttSOic  £K(pavoii|Li€6a. 

90  N.  dXX'  elfi*  ^TOijLioc  npöc  ßiav  töv  fivöp'  äfexy 

[xal  (lij  doloiaiv,   ov  yuQ  i^  ivbg  noöog 
92        riiiäg  xoaovads  ngog  ßUxv  %eiQ€iasxai]. 

96  0.   ^C0XoO  TTttipÖC  Tlttl,  KttÖTÖC  fl)V  vfoc  nOlfe 

TXiüCcav  )Lifev  dpTÖv,  x^ipct  ö*  etxov  ipTdriv 
vOv  b  *  de  ?X€TXOV  Öiiüv  6ptD  ßpoTOic 
99       -rfiv  TXuJCcav,  oöxi  Tfipipa,  irdvO'  f|Tou|Li^vT]V. 

83  ToiTop  M^dc  t'  ^c  f|M^pttc  MCpoc  ßpttxu 

ÖÖC  MOl  CCttUTÖV,  K^Ttt  TÖV  XciTTÖV  XPÖVOV 
85  K&XnCO  TTdVTlüV  CUGeß^CTttTOC  ßpOTUJV. 

100  N.  t(  jLi*  oöv  dvuJTttc  dXXo  7rXf|v  ijieuöii  X^t«v; 

Wie  nach  v.  52  eine  lUcke  angenommen  werden  muste,  so  wer- 
den meines  erachtens  auch  die  verse  533 — 535  unter  dieser  annähme 
verständlich,  in  dem  glauben  dasz  Neoptolemos  nach  Skyros  segle 
hat  sich  Philoktetes  ein  plätzchen  auf  seinem  schiff  erbeten  und 
drängt  zur  abreise,  wünscht  aber  vorher  noch  von  der  statte  seiner 
leiden  abschied  zu  nehmen  und  dieselbe  auch  dem  Neoptolemos  zu 
zeigen,  damit  derselbe  sehe  was  er  ausgestanden  habe. 

lUijLieV,  d)  Tlttl,  7TpOCKUCttVT€  T^V  &W 

doiKOV  elcofKiiciv ,  djc  ^e  Ktti  jidOijc 
635  dq)'  O&v  öiÄuiv  die  t*  i(fw  eÖKdpbioc. 
was  Schneidewin  über  diese  stelle  sagt;  enthält  so  vortreffliche 
winke,  dasz  dieselbe  längst  in  Ordnung  gebracht  sein  könnte.  1)  steht 
die  notwondigkeit  der  trennung  von  elcoiKiiciv  in  €lc  oTKr)Civ  auszer 
zweifei ;  2)  ist  keine  frage,  dasz  ein  vers  ausgefallen  ist  und  der  ge- 
danke  der  von  Schneidewin  angegebene  war:  *lasz  uns  aufbrechen, 
nachdem  wir  hier  abschied  genommen,  doch  betritt  vorher  mit  mir 
die  höhle!'    natürlich  masze  ich  mir  nicht  an  den  ausgefallenen  vers 


808       Moriz  Schmidt:  zu  Sophokles  Philoktetes  [v.  533—535.  17]. 

genau  nach  seinem  Wortlaute  herstellen  zu  wollen,  aber  wenigstens 
glaube  ich  den  beweis  führen  zu  können,  dasz  sowohl  Wecklein  ars 
Soph.  em.  s.  45  im  irrtum  war,  wenn  er  für  ttjV  fcuj  vermutete  yhc 
iboc  (El.  1374  passt  nicht),  als  auch  Naucks  zweifei  an  der  richtig- 
keit  des  versausganges  unbegründet  sind,  wenn  uns  in  der  regel 
die  schollen  wenig  kritische  hilfe  leisten ,  in  diesem  falle  versagen 
sie  uns  einmal  ihren  beistand  nicht,  sie  umschreiben :  dcnacdjLievoi 
Tf)V  dcTiav.  Bergk  praef.  s.  LXXV  schlosz  daraus  auf  irpocKUcav- 
T€C  '€cT(av,  erwog  aber  nicht  dasz  ^CTiav  nicht  minder  paraphrase 
eines  oder  mehrerer  anderer  worte  sein  kann ,  wie  dC7Tacä)i€voi  für 
irpocK\JcavT€C,  und  dasz  in  Itüjiev  nicht  sowohl  eine  einladung  zum 
betreten  der  höhle  enthalten  ist  als  vielmehr  die  aufforderung  zu 
schiffe  zu  geben,  ich  meine,  der  einzige  zusatz  Gedv  reichte  aus,  um 
in  Tf)v  ^cui  Oedv  die  Hestia  erkennen  zu  lassen ,  und  supplieren  wir 
weiter  Icu)c  b*  Ittoi*  dv  är]TOU)Lievi)) ;  so  ist  auch  für  doiKOv  eic 
oTkiiciv  ein  passendes  abhängigkeitsverhältnis  gewonnen^  war  übri- 
gens, wie  Bergk  will,  der  name  der  gOttin  ausdrücklich  genannt,  so 
hindert  nichts  auch  so  fortzufahren :  Oedv  jueTicniv  'Ecriav  *  Sirou 
b '  djLioi  oder  ähnlich,  in  keinem  falle  bedarf  es  bei  dieser  auffassung 
der  Überlieferung  irgend  welcher  ttnderung  an  den  erhaltenen  teilen 
des  textes.* 

Schlieszlich  ein  paar  worte  über  die  vielberufene  stelle  v.  17. 
die  grotte  des  Philoktetes  war  eine  ir^rpa  bicTOjLioc, 

tv'  iv  Miux€i  M^v  f|Xiou  öittXti 

TidpccTiv  dv9dKTicic,dv  Ö^pei  ö'  öttvov 

bi'  dMq)tTpi)TOC  auXiou  Tr^^nei  TTVorj. 
ist  dvOdKiicic  ein  richtiges  wort,  so  kann  es  wenigstens  in  der  vor- 
liegenden Verbindung  nicht  einen  sitz  in  der  sonne  bedeuten,  ob- 
schon  wir  es  anderseits  wegen  irdpeCTtv  so  zu  fassen  genötigt  wären, 
sondern  nur  einen  rastplatz  der  sonne,  wo  sie  sich  besonders  lange 
niederläszt.  dagegen  spricht  aber  dasselbe  rrdpecTiv.  dvGdiCTicic  ist 
also  nicht  zu  halten.  £v9a  ist  wohl  ein  aus  einer  erklärung  zu  bm\r\ 
(f\  ^vGa  fj  fvOa)  stammendes  einschiebsei.  vermutlich  lautete  die 
stelle : 

IV '  tv  ipux€i  M^v  f|Xiou  <ßoXdiv> 

bmXf^  TüdpccTi  XPflcic  (oder  Tidpeci'  öviicic). 
auch  btrrXf]  in  biTrXoC  zu  ändern  scheint  nicht  nötig. 

*  auch  hinter  v.  29  vermntet  KSohenkl  wohl  richtig  den  ansfall 
eines  verses.  die  änderüDg  xal  crißou  *CT  *  oOx  elc  tOitoc  halte  ich  nach 
wie  vor  für  richtig;  war  dann  fortgefahren:  'von  dem  manne  selbst 
aber  ist  nichts  zn  hören  noch  zn  sehen',  so  wird  niemand  etwas  ver- 
missen; vielleicht  wird  auch  v.  425  unnützer  weise  an  den  werten 
ÖCTrep  fjv  T<^voc  hernmcorrigiert.  es  ist  doch  kaum  glaublich,  dasz  der 
schöne  tod,  den  Antilochos  für  den  greisen  vater  starb,  in  keiner  weise 
angedeutet  worden  sein  sollte:  und  so  hat  wohl  hier  der  Schreiber  zwei 
Verse  in  ^inen  zusammengeschmolzen. 

Jbna.  Moriz  Sohhidt. 


HKothe:  zur  Ökonomie  der  historien  des  TimaioB.  809 

115. 

ZUR  ÖKONOMIE  DER  HISTORIEN  DES  TIMAIOS. 


Vor  einiger  zeit  hat  JBeloch  (jahrb.  1881  s.  697—706)  eine 
anordnung  der  fragmente  des  Timaios  versucht,  welche  AHolm  in 
Bursians  Jahresbericht  (bd.  XXVIH  s.  159)  einer  beurteilung  unter- 
zieht, wenn  der  unterz.  der  anfforderung,  die  Holm  am  Schlüsse 
seiner  recension  an  ihn  als  den  Verfasser  einer  abhandlung  über  den- 
selben gegenständ  (de  Timaei  Tauromenitani  vita  et  scriptis,  Breslau 
1874)  richtet,  sich  über  Belochs  versuch  zu  äuszem,  hierdurch  nach- 
kommt, möchte  er  nicht  den  anlasz  zu  einer  unfruchtbaren  polemik, 
sondern  zu  einer  anregenden  discussion  gegeben  haben. 

Zunächst  musz  ich  es  in  abrede  stellen,  dasz  ein  schlusz  aus 
dem  verfahren  eines  Schriftstellers ,  der  den  Timaios  benutzt  haben 
kann,  für  die  constituierung  der  historien  desselben  in  formeller 
hinsieht  gültigkeit  habe,  erstens  nemlich  ist  es  sehr  schwer  den  nach- 
weis  zu  erbringen,  dasz  dem  betreffenden  Schriftsteller,  zb.  Diodoros, 
an  der  bezüglichen  stelle  Timaios  und  nur  Timaios  vorgelegen  habe : 
ein  blick  auf  die  bisherigen  resultate  der  quellenuntersuchungen  be- 
weist dies,  zweitens  aber  angenommen,  dieser  nachweis  wäre  er- 
bracht, so  bliebe  noch  zu  beweisen,  dasz  die  Unselbständigkeit  Dio- 
dors  grosz  genug  gewesen  sei,  um  ihn  auch  zum  formellen  anschlusz 
an  Timaios  zu  zwingen,  ebensowenig  sind  aprioristische  annahmen 
anderer  art  über^ugend.  die  ansieht,  dasz  es  eine  geschmacklosig- 
keit  sei,  welche  ein  hellenisches  publicum  nicht  ertragen  hätte,  wenn 
ein  historiker  seinem  werke  eine  geographische  einleitung  voraus- 
schicke ,  ist  von  Holm  treffend  beurteilt  worden,  etwas  ähnliches 
ist  es,  wenn  die  möglichkeit ,  dasz  das  werk  des  Timaios  68  bücher 
gehabt  habe ,  mit  der  behauptung  zurückgewiesen  wird ,  dasz  unser 
Schriftsteller  niemals  der  Weitschweifigkeit  geziehen  worden  sei.  aus 
der  bloszen  angäbe  der  bücheranzahl  liesze  sich  allenfalls  ein  schlusz 
auf  ausführlichkeit  ziehen;  wir  kennen  aber  den  umfang  der  ein- 
zelnen bücher  gar  nicht,  in  wie  viel  büchem  hat  wohl  Theopompos 
seine  OiXmniKä  geschrieben?  —  Man  wende  nicht  ein,  dasz  Timaios 
die  geschichte  des  Agathokles,  seines  Zeitgenossen  (317 — 289),  in 
nur  fünf  büchem  behandelt  habe,  diese  angäbe  gestattet  uns  durch- 
aus nicht  den  maximalumfang  der  Timäischen  Werkes  approximativ 
zu  berechnen,  diesmal  liegt  es  nemlich  in  der  natur  der  sache,  dasz 
gerade  die  ereignisse  der  eignen  zeit  dürftiger  behandelt  wurden  als 
die  des  vorausgehenden  Jahrhunderts.  Timaios  lebte  während  der 
regierung  des  Agathokles  als  verbannter  fem  von  Sikelien  in  Athen. 
Thukydides,  auf  den  man  hinweisen  könnte,  hat  zwar  auch  seine 
geschichte  in  der  Verbannung  geschrieben,  aber  hier  war  es  der  ein- 
zelne, der  von  Athen  fern  bleiben  muste:  seine  verwandten  und 
freunde  blieben  daselbst  ^  und  eine  Verbindung  mit  ihnen  war  leicht 
möglich,    mit  Timaios  aber  waren  alle  seine  Parteigenossen  von 


810  HKothe:  zur  Ökonomie  der  historien  des 

Agathokles,  soweit  sie  diesem  erreichbar  waren,  durch  tod  und  ver- 
bannimg  beseitigt  worden,  es  ist  klar,  dasz  somit  eine  regelmftszige 
Verbindung  mit  Sikelien  sehr  erschwert,  jedenfalls  für  den  in  Sike' 
lien  wohnenden  teil  während  der  regiemng  des  tyreauien  niit  grosser 
gefahr  verbanden  war.    die  auf  Agatholdes  tod   fol^fenden  partei- 
kftmpfe  änderten  wenig  an  dieser  Sachlage:  ein  tyrann  löste  den  an- 
dem  ab.  als  aber  Timaios  unter  Hieron  nach  funfzigjtthriger  Ver- 
bannung heimkehrte,  stand  er  im  höchsten  alter  und  v^ar  im  eignen 
vaterlande  fremd  geworden,   endlich  konnte  dem  Tünaioa  bei  dem 
tödlichen  hasse  (fr.  144),  welchen  er  gegen  Agathokles  als  den  ver- 
nichter seines  lebensglücks  heg^,  unmöglich  die  an^g^he  Interesse 
einflössen,  die  unleugbar  mit  ktlhnheit  und  glttck  ausgreführten  thaten 
jenes  tyrannen  ausführlich  zu  behandeln  und  somit  indirec^  densel- 
ben  zu  verherlichen.   sein  Interesse  coneentrierte  sich  vielmehr  auf 
die  zeit  der  Dionjse  und  des  Timoleon.    unter  Dionjsios  I  hatte 
seine  familie  gelitten ,  aber  das  recht  hatte  gesiegt,    sein  vater  An- 
dromaohos  hatte  an  der  spitze  der  vertriebenen  Naxier  Tauromem^ii 
gegründet,  sich  daselbst  behauptet  und  nachher  an  Timoieons  thaten 
ruhmvollen  anteil  genommen,  hier  flössen  ihm  die  quellen  am  reich- 
lichsten, nicht  nur  lagen  die  werke  des  Philistos  und  'ßphoroa  ror^ 
sondern  es  stand  ihm  auch  die  tradition  seiner  famüie  zu  geböte,  und 
so  schöpfte  Timaios  aus  dem  lebendigen  bom  der  zeitgeechichto. 

Haltlos  ist  femer  der  aus  den  Worten  des  Poljbios  XII 
(irepl  IraXiac  jliövgv  koI  CiKcXtac  TrpafjüiaTCuöjievoc)  gezogene     i 
sohlusz,  dasz  Timaios  nur  die  geschichte  des  westens  —  genau      I 
genommen  folgt  auch  dies  nicht  einmal  aus  den  Worten  des  P0I7-       / 
bios  —  geschrieben  habe,  wenn  Timaios  über  den  brand  des  tem- 
pels  zu  Ephesos  und  die  in  derselben  nacht  erfolgte  geburt  Alexan- 
ders des  grossen  (fr.  137),  über  die  herkunft  der  geldxnittel  fttr  ä^ 
Wiederaufbau  des  tempels  (fr.  136),  über  das  entgegengesetzte  ver- 
halten des  EaUisthenes  und  Demosthenes  dem  Alexander  gegen* 
über  (fr.  142),  über  die  rasche  eroberung  Asiens  durch  Alexander 
(fr.  138),  über  die  eroberung  von  Tyros  durch  denselben  (fr.  130) 
geschrieben  hat,  wenn  er  die  Wanderung  der  Herakliden  820  j^^ 
(fr.  153)  und  die  Zerstörung  Trojas  gerade  1000  jähre  vor  dem  fiber- 
gange Alexanders  nach  Asien  vor  sich  gehen  Iftszt:  so  ergibt  sio^ 
dasz  Poljbios  sich  ungenau  ausgedrückt,  dasz  Timaios,  wenn  auch 
weniger  ausführlich,  doch  auch  die  geschichte  des  Ostens  behandelt 
hat.  und  so  werden  wir  es  so  unglaublich  nicht  finden,  dasz  in  dem 
ersten  teile  der  historien  auch  einige  geographisch-historische  notizen 
über  Assyrien  (fr.  55  mit  der  conjectur  von  Hultsch)  sich  fand^Hi 
welche  zur  geschichte  von  Italien  und  Sikelien  sich  genau  so  ver 
hielten,  wie  die  erörterungen  über  die  bemsteingewinnung  auf  der 
ostseeinsel  Baltia  (fr.  34)  und  über  die  zinninsel  bei  Britannien 
(fr.  32). 

Den  anlasz  zu  dem  ganzen  Wirrwarr  hat  übrigens  nicht  die  be- 
kannte Suidasstelle  gegeben,  es  wäre  ein  leichtes,  über  die  angaben 


UEothe:  zur  Ökonomie  der  historien  des  Timaios.  811 

des  Saidas  zur  tagesordntmg  überzugehen,  wenn  nicht  in  den  über- 
lieferten bücherzahlen  das  läge,  was  den  angaben  des  Saidas  wert 
verleiht,  mit  willkürlichen  emendationen  der  zahlen  wird  nichts  er- 
reicht, wenn  Beloch,  um  das  lle  und  12e  buch  dem  Empedokles 
zuzuweisen,  in  fr.  88  die  überlieferte  lesart  £v  T^  A'  Kai  B'  in  ^v  T^ 
JA'  KQi  IB'  ändert,  wogegen  palttographisch  nichts  zu  erinnern  wäre, 
dann  aber  auch  die  erwähnung  des  Empedokles  im  18n  buche 
{fr.  94)  durch  einsetzung  der  zahl  12  beseitigt,  nachdem  er  kurz 
vorher  den  in  das  jähr  424  fallenden  frieden  des  Hermokrates  auf 
gleiche  weise  aus  dem  2 In  etwa  in  das  13e  buch  verlegt  hat,  so 
läszt  dieses  verfloJiren  in  bezug  auf  subjectivität  nichts  zu  wünschen 
übrig,  und  doch  stützen  sich  die  zahlen  gegenseitig,  wenn  im  18n 
buche  von  des  Empedokles  Wirksamkeit  die  rede  ist,  welche  wir  um 
die  mitte  des  fünften  jh.  setzen  dürfen,  so  passt  das  21e  buch  sehr 
gut  für  die  erzählung  der  ereignisse  des  j.  424.  dazu  kommt  dasz 
im  15n  buche  (fr.  93)  von  dem  groszvater  des  Empedokles  die  rede 
war.  es  ist  daher  nicht  unwahrscheinlich ,  dasz  dort  von  der  geburt 
und  gleichzeitig  von  der  herkunft  des  Empedokles  gehandelt  wurde, 
damit  stimmt  die  angäbe,  dasz  im  14n  buche  die  nachricht  von  dem 
frieden  Gelons  mit  den  Karthagern  (479)  enthalten  gewesen  sei 
(fr.  89).  im  lOn  buche  war  die  Schlacht  am  Heloros  (492)  erzählt 
(fr.  85),  in  welcher  Gelon  gegen  die  Syrakuser  kämpft,  dasz  die 
zwölf  jähre  von  492  bis  480,  welche  für  die  innere  geschichte  von 
Syrakus  so  wichtig  und  zugleich  für  Sikelien  so  ruhmvoll  sind,  nicht 
vier  bücher  gefüllt  haben  könnten,  ist  eine  unbegründete  behaup- 
tung,  zumal  hier  Timaios  von  Polybios  wirklich  der  Weitschweifig- 
keit geziehen  wird  (fr.  87  tocoutouc  dvidvei  Xötouc  usw.).  im 
9n  und  lOn  buche  war  die  Wirksamkeit  des  Pythagoras  behandelt, 
wie  man  sieht,  ergibt  sich  hier  eine  vollkommen  geordnete  Zahlen- 
reihe ,  welche  der  Chronologie  durchaus  gerecht  wird. 

Nun  stehen  aber  mehrere  bücherzahlen  in  schroffem  gegensatze 
zu  den  obigen,  ich  meine  damit  nicht  fr.  105  und  107  (dv  tQ  Tpic- 
KaibcKdri)  TiüV  IcTopiiLv) ,  in  welche  beide  die  Zeitbestimmung  erst 
hineingetragen  werden  musz.  denn  wenn  auch  in  einem  derselben 
von  der  Lais  gesprochen  wird,  so  ist  doch  nicht  von  deren  gefangen- 
nähme durch  die  Athener  im  peloponnesischen  kriege  die  rede,  zu- 
nächst kommt  fr.  1 11  in  anschlag,  welches  den  bericht  über  die  grösze 
und  pracbt  von  Akragas  vor  seiner  Zerstörung  durch  die  Karthager 
(406)  in  das  15e  buch  setzt,  während  doch  im  14n  buche  Gelon  nach 
dem' siege  bei  Himera  mit  den  Karthagern  frieden  schlieszt,  im  18n 
buche  Empedokles  auf  dem  höhepunkte  seiner  Wirksamkeit  steht,  im 
2 In  die  expedition  der  Athener  im  j.  424  erzählt  wird,  da  das  ändern 
der  zahlen  durch  emendation  jedem  freisteht,  könnte  man  auch  hier 
irgend  eine  gefügige  zahl  herstellen,  aber  die  Schwierigkeit  wäre 
damit  noch  nicht  gehoben,  abgesehen  von  der  durch  CMüllers  con- 
jeetur  hergestellten  angäbe,  dasz  im  16n  buche  die  grausamkeit  des 
Dionysios  durch  den  träum  einer  frau  im  voraus  angedeutet  wird, 


812  HKothe:  zur  Ökonomie  der  historien  des  Timaios. 

war  im  7n  buche  (fr.  57)  der  zug  des  Xerxes  gegen  Griechenland 
erzählt,  während  im  9n  und  lOn  buche  über  Pythagoras,  im  14n 
erst  von  dem  mit  dem  zuge  des  Xerxes  gleichzeitigen  kämpfe  des 
Gelon  mit  den  Karthagern  gesprochen  wird,  wenn  schon  dem  Ti- 
maios als  einem  Sikelioton  der  in  Sikelien  geführte  entscheidungs- 
kampf  zwischen  barbaren  und  Hellenen  dem  im  mutterlande  aus- 
gefochtenen  vorgieng ,  so  verlangte  doch  die  rücksicht  auf  die  Chro- 
nologie ,  dasz  der  zug  des  Xerxes ,  der  mit  demselben  rechte  wie  der 
zug  Alexanders  gegen  Persien  auf  einen  platz  in  dem  werke  des 
Timaios  anspruch  erheben  darf,  unmittelbar  angeschlossen,  also  im 
15n  buche  erzählt  war.  wenn  femer  im  21n  buche  das  jähr  424  be- 
handelt war,  so  muste  das  jähr  406,  in  welches  die  Zerstörung  Von 
Akragas  durch  die  Karthager  fällt,  in  einem  der  nächsten  bücher 
dargestellt  sein,  unter  diesen  umständen  erhält  die  notiz  des  Suidas 
Wichtigkeit,  dasz  Timaios  IraXiKd  xai  CiKeXtKot  dv  ßißXioic  r\'  ge- 
schrieben habe:  fügt  man  die  zahl  8  jenen  beiden  zahlen  hinzu,  so 
erhält  man  der  Chronologie  entsprechend  das  15e  und  das  23e  buch, 
es  müste  also  der  erste  teil  der  historien  des  Timaios  8  bücher  ent- 
halten haben,  in  dem  zweiten  fand  sich  dann  eine  doppelte  nume- 
rierung  der  bücher,  indem  sowohl  die  zahlen  des  gesamt  Werkes  als 
auch  die  um  8  niedrigeren  des  zweiten  teiles  angegeben  waren,  dies 
setzt  eine  gesonderte  herausgäbe  beider  teile  voraus  und  eine  darauf 
erfolgte  Zusammenfassung  zi^  6inem  werke,  dasz,  eine  derartige 
beschaffenheit  der  bücherzahlen  erst  einmal  vorausgesetzt,  eine  in- 
consequenz  beim  eitleren  leicht  möglich  war,  wird  einleuchten,  es 
ist  also  nicht  wunderbar,  wenn  bei  einem  und  demselben  Schrift- 
steller hie  und  da  die  zahlen  um  8  differieren. 

Der  erste  teil  behandelte  nach  dem  zeugnis  des  Polybios  die 
Wanderungen  und  städtegründungen ,  und  zwar,  wie  es  scheint,  auf 
geographischer  grnndlage.  denn  im  ersten  buch  erzählte  Timaios 
über  die  Tyrrhener  (fr.  18)  ÖTi  al  Oepärraivai  yu^val  toic  dvbpdci 
biaKOVoOvxai.  im  zweiten  buche  (fr.  26)  war  Korsika  geschildert 
als  voll  von  allerlei  jagdbaren  tieren,  deren  erlegung  die  haupt- 
thätigkeit  der  einwohner  bilde,  im  dritten  buch  erfahren  wir  von 
Korinth,  dasz  es  daselbst  460000  sklaven  gab  (fr.  48).  im  vierten 
buche  behauptet  Timaios,  dasz  das  grab  des  Empedokles  im  Pelo- 
ponnes  zu  suchen  sei  (fr.  98). 

Bis  hierher  reicht  das  gebiet  des  wahrscheinlichen;  jetzt  aber 
stellen  sich  dem  weitem  vordringen  Schwierigkeiten  entgegen,  deren 
beseitigung  in  bloszo  möglichkeiten  verläuft,  wie  schwer  es  ist,  bei 
dem  jetzigen  zustande  der  Überlieferung  zu  sichern  resultaten  zu  ge- 
langen, soll  ein  beispiel  lehren.  Suidas  berichtet,  Timaios  habe  über 
Syrien,  dessen  könige  und  stüdte  drei  bUcher  geschrieben,  ich  ver^ 
mutete  dasz  in  Syrien  Syrakus  stecke ;  die  corruptel  konnte  durch 
eine  falsch  aufgelöste  abkürzung  entstanden  sein,  das  Vorhanden- 
sein einer  tradition  im  altertum,  wonach  es  einstmals  könige  in  Sy- 
rakus gegeben  haben  soll,  ist  unbestreitbar,  die  städte  endlich  sind 


HEothe:  zur  Ökonomie  der  historien  des  Timaios.  813 

die  bekannten  Stadtteile  von  Sjxakus.  diese  deutung  empfiehlt  sieb 
sehr,  wenn  Cicero  in  Verrem  IV  §  117  sagt:  urhem  Syracusas 
maximam  esse  Graecarum^  pulcherrimam  omnium  saepe 
audistis.  ea  tanta  est  urhSj  ut  ex  quattuoi^  urhibus  maximis  constare 
dicatur  —  und  von  derselben  stadt  de  rep.  III  31:  urhs  tUa  prae- 
dara^  quam  ait  Timaeus'  Graecarum  maximam^  omnium 
autem  esse  pulcherrimam.  unter  der  Voraussetzung,  dasz  sich 
jene  notiz  des  Suidas  wirklich  auf  Timaios  bezieht,  wäre  die  Verbesse- 
rung evident,  doch  ist  dies  deshalb  noch  nicht  sicher,  weil  Suidas 
unter  vielen  andern  angaben  über  Timaios  auch  diese  bringt,  es 
bleibt  daher  auch  ungewis,  ob  unser  Schriftsteller  in  den  bUchern 
6 — 8  eine  beschreibung  der  stadt  Syrakus  gegeben  habe,  wie  ich 
unter  berufung  auf  das  aus  dem  6n  buch«  überlieferte  fragment  über 
die  Kallikyrier  (fr.  56)  vermutet  habe. 

Schlieszlich  noch  ein  wort  zur  Verständigung  über  den  wert  der 
geschichte  des  Timaios.  ich  halte  von  ihm  als  geschichtschreiber 
sehr  wenig  und  befinde  mich  in  dieser  beziehung  in  principieller 
Übereinstimmung  mit  seinem  'nachahmer'  Polybios,  welcher  die  Un- 
fähigkeit seines  Vorbildes  in  immer  neuen  Variationen  darzuthun  be- 
strebt ist.  die  nähere  begründung  meiner  ansieht  gehört  nicht  hier- 
her, doch  möchte  ich  fragen,  wie  eigentlich  fr.  125  aufzufassen  sei. 
Timaios  verspottet  dort  den  Ephoros ,  weil  er  dem  altern  Dionysios 
nur  63  lebensjahre  gebe  und  ihn  doch  42  jähre  regieren  lasse,  nach- 
dem er  als  dreiundzwanzigjähriger  die  tyrannis  erlangt,  die  angäbe, 
dasz  Dionysios  I  42  jähre  regiert  habe,  steht  meines  wissens  ganz 
isoliert  da;  nur  das  marmor  Parium  setzt  den  regierungsantritt  des 
altem  Dionysios  in  das  jähr  408.  da  das  marmor  Parium  und  das 
werk  des  Timaios  beide  mit  dem  j.  264  abschlieszen ,  so  hat  man 
eine  innere  beziehung  beider  zu  einander  angenommen  und  zwar 
mit  recht,  indem  das  zusammentreffen  in  der  zahl  264,  welches  auf 
dem  gebiete  der  römischen  geschichte,  wo  der  beginn  der  punischen 
kriege  epoche  macht ,  ganz  und  gar  nichts  beweisen  würde,  hier  auf 
dem  gebiete  der  griechischen  geschichte  sehr  auffallend  ist.  dazu 
kommt  dasz  die  gewöhnlichen  angaben  über  das  leben  des  Dionysios, 
wonach  er  25  jähre  alt  tyrann  wurde  und  38  jähre  regierte,  die  ge- 
samtzahl  des  Ephoros  (63)  ergeben. 

Breslau.  Hebmann  Kothe. 


814        GBusolt:  zu  den  quellen  der  Messeniaka  des  Pausanias. 

116. 

.  ZU  DEN  QUELLEN  DER  MESSENIAKA  DES  PAUSANIAS. 


Nach  erwähnung  der  sohlacht  im  fünften  jähre  des  ersten  messeni- 
sehen  krieges  heiszt  es  bei  Pausanias  IV  9;  1 :  TOic  bk  Mecoiviotc  )ui€T& 
Tf|v  jiäx^v  1T0V11P&  invecOai  tä  irpdTlnaTa  fjpxexo  •  baTrdvq  t€  t^p 
XpilJi<iTU)v  äTr€iprJK€cav,  &  tuiv  iröXeiuv  dviiXicKov  ic  läc  qppoupdc, 
kqI  o\  boOXot  napd  touc  AaKeöaifiOviouc  t]ÖtomöXouv.  das  erinnert 
an  die  bedr&ngnis  Athens  wfthrend  des  peloponnesischen  krieges.  und 
richtig  heiszt  es  dann  weiter:  TOic  bk  xal  vöcoc  ivinece.  xqil 
rapaxdc  fxiv  napecxcv  uic  oSca  Xoiiniübiic ,  ou  |Lif)v  ^c  äiravrdc  tc 
txdipT\C€,v.  wir  haben  also  auch  die  pest.  diese  beobachtang  legt  die 
yermatung  nahe,  dasz  der  auctor  der  kriegsgeschichte,  vielleicht  Fan» 
sanias  selbst,  auch  sonst  züge  aus  dem  peloponnesischen  kriege  oder 
der  spfttem  griechischen  geschichte  überhaupt  entlehnt  hat.  nach 
mehrjährigen  gegenseitigen  plttndemngszügen,  wobei  die  Messenier 
Td  liriOoXdccia  ific  AaKUiViicf^c  verwüsten,  kommt  es  im  vierten 
jähre  zu  einem  ersten  treffen,  das  unentschieden  bleibt:  icöppoiroc 
f)  ^dxil  cqpiciv  £t^V€TO.  die  Lakedaimonier  ziehen  nach  hause 
ab,  ^viauTtf»  bk  öcTcpov  KaKi2[övTuiv  cq)äc  tujv  tcipIP^i^^^^v  kqI 
•  beiXiav  *ie  öjioC  irpoqpepövruiv  usw.  (7,  7)  rücken  sie  wieder  aus. 
hier  haben  die  kämpfe  zwischen  den  Athenern  und  Korinthem  zum 
vorbilde  gedient,  es  fehlt  sogar  nicht  an  wörtlichen  Übereinstim- 
mungen mit  Thukydides.  man  vergleiche  Thuk.1105,5  Kai  jidxT)C 
T€VO|Li^viic  Icoppöirou  .  .  ol  bi  KopivOtoi  KaKi2[ö|Li6VOi  \mö 
TUJV  dv  TiJ  ^<iX€i  Trp€cßuT^pu)V  USW.  ein  teil  des  geschlagenen  korin- 
thischen heeres  kommt  von  der  strasze  ab  und  dc^TTCcev  £c  tou 
XUJpiov  IbiiÜTOU,  ijj  f Tuxev  öpuTMa  M^T«  irepicipTOV  usw.  über  den 
graben  können  die  hopliten  nicht  hinüber,  indessen  die  Athener 
lassen  die  eingeschlossenen  durch  leichtbewaffnete  beschieszen.  diese 
geschichte  wird  gleichfalls  benutzt  und  abenteuerlich  umgestaltet, 
aus  dem  öpxrfixa  wird  eine  x<xpdbpa.  die  h  o  p  1  i  t  e  n  können  nicht  mit 
einander  kämpfen,  denn  ou  irap^cxcv  dXOeiv  ic  X^^9^^  ^  x<xp<^^P<x 
buipTOUca.  vgl.  Thuk.  I  106,  2  elpTOV  toTc  ÖTiXiraic.  aber 
die  leichtbewaffiieten  cu|li|li(ctouci  Kard  tö  ÜTiip  -rfiv  xotpdbpav.  nun 
kommt  die  abenteuerliche  Umgestaltung,  der  messenische  könig  läszt 
das  ganze  lager  rings  qppoEacOai  toTc  craupoTc,  so  dasz  die  Lake- 
daimonier, die  keinen  angriffspunkt  finden,  abziehen  müssen. 

Es  folgt  die  grosze  schlacht  im  fünften  jähre,  dazu  hat  die  be- 
schreibung  der  schlacht  bei  Mantineia  im  j.  418  bei  Thukydides  den 
rahmen  hergegeben,  ehe  der  kämpf  beginnt,  halten  die  beiderseitigen 
heerführer  ansprachen.  Paus.  IV  7,  9  npöc  m^v  bf)  touc  AaKCbai- 
jioviouc  ßpaxeiav  KaTd  tö  dmxiöpiov  Tf|v  irapdKXiiciv  dTioiciTO  ö 
SeÖTTOjLinoc  .  .  übe  KaXöv  cq>tci  tö  qptXoTijLiiiiLia,  tujv  iraT^puiv  . . 
qpavfivat  XainnpÖTepa  eipTacjH^vouc  usw.  der  messenische  könig 
jiaKpÖT€pa  ji^v  eTirev  fj  ö  CirapTidTiic  usw.  bei  Thuk.  Y  69, 2  heis^ 


OBuBolt:  zu  den  quellen  der  Messeniaka  des  Paueanias.       815 

es,  nachdem  er  über  die  ansprachen  der  fUhrer  des  feindlichen  heeres 
berichtet  hat:  AaK6bat)Liövioi  bk  KaO'  ^KdcTOuc  t€  Kai  juerä  Tuh; 
iToXejLitKujv  vöjLiuJV  dv  cqpCciv  aÖTOic  div  i^TricTavTo  Tfiv  TiapaKÄcu- 
civ  TTJc  juvriimic  dTaOoic  oöciv  dTioioOvTO,  clböicc  f pTwv  ^k  noXXoO 
|Li€X^Tr]v  irXeiuj  cu)2[oucav  f\  XÖTUiV  hx*  öXixou  xaXujc  ßiiOeicov 
napaiveciv.  bei  Paus,  liest  man  IV  8,  3:  fxeX^Ti]  noXu  ol  AaK€- 
bai^övioi  TTpo^cxov,  TTpöc  bi  KOI  Tip  nXyjOci.  und  auch  Thukydides 
V  68  sagt:  tö  bi  cipaTÖirebov  Tuiv  AaKebaijuoviuiv  jiiettov  iqpdvTi. 
die  beere  gehen  nun  vor.  Thuk.  sagt  von  den  sonderbttndnem ,  sie 
wären  dvTÖviüC  Kai  öptQ  losgegangen,  die  Lakedaimonier  wftren  da- 
gegen langsam  und  im  takt  marschiert,  )Lif)biacTracOeiiiaÖTOiC 
fi  Tä£ IC.  Paus.  IV 8, 1  sagt:  Meccrivioi  jiifev  bpdjiiui le  ic  touc  AaK€- 
baijLioviouc  dxpÄVTO  . .  üttö  toö  9umoö,  Kai  auröc  ?KacToc  updiTOC 
Icireubev  dpHai  ^axiic,  die  Lakedaimonier  dagegen  irpövoiav  diroi- 
oOvTO  pf)  ^laXuOfivai  cqpici  Tf)V  Td£tv.  die  schlacht  verläuft 
so ,  dasz  der  rechte  flügel  der  Lakedaimonier  siegt ,  der  linke  aber 
von  dem  rechten  feindlichen  fiUgel,  wo  die  XoTdbec  tiüv  Meccr]- 
viuiv  kämpfen,  geschlagen  wird,  ebenso  siegen  die  sonderbündner 
mit  ihrem  rechten  flügel ,  wo  die  XoTdbec  der  Argeier  fechten,  über 
den  linken  der  Lakedaimonier.  die  schlacht  bei  Mantineia  war  im 
wesentlichen  eine  hoplitenschlacht,  reiterei  war  wohl  zur  stelle,  aber 
sie  schützte  doch  nur  die  Athener,  als  die  niederlage  des  linken 
flügels  der  sonderbündner  bereits  entschieden  war,  vor  den  schwer- 
sten Verlusten.  Paus.  IV  8, 12  lauTTiv  t^iv  judxnv  irap'  djnqpoT^puiV 
f|  MÖva  f\  jLidXicia  d^ax^cavTC  rd  ÖTiXiiiKd.  ol  bi  itii  tüjv  ItTriruiV 
öXiTOi  Te  fjcav ,  Koi  oubtv  i&cxe  Kai  MVTiM0V€u8fivai  bi€TTpd£avTO. 
über  die  Verfolgung  sagt  Thukydides  V  73,  4 :  oi  ydp  AaK€baijiövtoi 
ji^XP*  l^^v  TOÖ  Tp^ipai  xpoviouc  Tdc  jiidxac  Kai  ßeßaiouc  tijj  jn^veiv 
TTOioOvTai,  Tp^i|iavT€C  bk  ßpaxeiac  Kai  ouk  inX  noXu  x'dc 
biiiüHeic.  Pausanias  IV  8,  11:  fjv  bfe  auToTc  Kai  fiXXuiC  irdTpiov 
cxoXaiOT^pac  Tdc  bituHcic  TTOieicOai.  vor  Ithome  kommt  es 
dann  zu  einem  dritten  treffen,  dabei  sind  die  leichtbewaffneten  der 
Messenier  mit  den  lakonischen  hopliten  engagiert  und  bringen  ihnen 
wider  erwarten  eine  niederlage  bei:  Paus.  IV  11,  5 — 8.  ein  blick 
in  Xen.  Hell.  IV  5,  13  ff.  genügt,  um  sofort  zu  erkennen  dasz  die 
niederlage,  welche  die  pel tasten  des  Iphikrates  einer  lakonischen 
mora  bei  Lechaion  beibringen,  als  Vorbild  gedient  hat.  es  fehlt 
auch  wiederum  nicht  an  wörtlichen  Übereinstimmungen.  Paus. 
7T€picTdvT€c  ^kövhZov  ic  Td  TiXdTia.  Xen.  i^kövtiIov  Kai  dXXoi 
^K  TiXoTiou  TTopae^cvTec  €k  Td  T^jLivd.  Paus.  GpactiTepov  iv  t^ 
TOioibc  ToTc  KaTd  CTÖMa  auTiüv  dTr^KeiVTO.  Xen.  d)C  bk  toOto 
dt^veTO,  TToXii  f\br]  GpacÜTcpov  ^TT^KeiVTC  usw.  amüsant  ist  es,  wie 
dann  nach  Thuk.  V  68  und  74  hinzugefügt  wird:  TOÜc  bk  TWV 
AaKebaijLioviuJv  biaqpGap^VTac  iv  Tr|  jiidxij  cuXXaßeiv  jifev  oux  old 
T€  f\v  dpi0|iiu,  TT€i0O)Liai  bk  etvai  Kai'auTÖc  ttoXXouc. 

unter  diesen  umständen  kann  es  keinem  zweifei  unterliegen,  dasz 
auch  die  einnähme  von  Ampheia  (an  deren  geschichtlichkeit  selbst 


814       GBasolt:  zu  den  quellen  der  MeBseniaka  des  Pansanias. 

116. 

ZU  DEN  QUELLEN  DER  MESSENIAKA  DES   PAUSANIAS. 


Nach  erwähnung  der  sohlacht  im  fflnften jähre  des  ersten  mesfieoi- 
schen  krieges  heiszt  es  bei  Pansanias  IV  9;  1 :  TOtc  bk  Meccrfvioic  perd 
Tf|v  fxdxT)V  TrovT)pd  nivecOat  xd  irpaTMora  fipX€TO  •  öaTrdvq  t€  ToP 
Xprifidruiv  direipriKecav,  &  twv  iröXcuiv  dvrjXtacov  ic  rdc  q>povpac, 
Kai  oi  boOXoi  napd  toOc  AaKeöaifiOVtouc  t)ÖtomöXouv»  das  ennneit 
an  die  bedrängnis  Athens  wfthrend  des  peloponneai sehen  kri^ea.  vad 
richtig   heiszt  es  dann  weiter:  TOic  bk  Kai  vöcoc  £v^tt€C€.    koI 
Tapaxdc  jiiv  irapecxcv  die  oOca  Xot^uibnc ,  oö  )üif|v  ic  änconäc  n 
dX^pilC€V.  wir  haben  also  auch  die  pest.  diese  beobacfatang  legt  die 
Vermutung  nahe,  dasz  der  auctor  der  kriegsgeschichte,  vielleicht  Fan* 
sanias  selbst,  auch  sonst  züge  aus  dem  peloponnesiacdien  krie^  oder 
der  spfttem  griechischen  geschichte  überhaupt  entlehnt  hat.   nach 
mehrjittirigen  gegenseitigen  plttnderungszügen,  wobei  die  Messesier 
Td  liriOaXdccta  Tf\c  AaKU)VtKf)c  verwüsten,  kommt  es  im  vierten 
jähre  zu  einem  ersten  treffen,  das  unentschieden  bleibt:  icöppoiroc 
f|  MdxT)  cqpiciv  £t^V€TO.    die  Lakedaimonier  ziehen  nacii  hause 
ab,  dviauTijj  hk  öcTcpov  KaKtZövTuiv  cqpac  xaiv  T€T11Päk^**'^  *^ 
beiXiav  Te  6jiOÖ  npoqpepövTuiv  usw.  (7,  7)  rücken  sie  wieder  am* 
hier  haben  die  kämpfe  zwischen  den  Athenern  und  Korinthem  znm 
vorbilde  gedient,  es  fehlt  sogar  nicht  an  wörtlichen  übereinstzm- 
mungen  mit  Thukydides.  man  vergleiche  Thuk.1 105,5  xal  fidx^^ 
T€V0|Li^VTic  Icoppöirou  .  .  ol  bi  Kopiv8iot  KaKtZöiLievoi  ö7t6 
TUJV  Im  t^  iTÖXei  irpecßuT^puiv  usw.  ein  teil  des  geschlagenen  korin- 
thischen heeres  kommt  von  der  strasze  ab  und  dc^rrccev  £c  TOU 
XUJpiov  ibiibrou,  ^  f xuxcv  öpuTMa  \ktxti  irepteipTOV  usw.   über  den 
graben  können  die  hopliten  nicht  hinüber,  indessen  die  Athener 
lassen  die  eingeschlossenen  durch  leichtbewaffnete  beschieszen.  diafi^ 
geschichte  wird  gleichfalls  benutzt  und  abenteuerlich  umgestaltet 
aus  dem  6p\r^)jsx  wird  eine  xapdbpa.  die  h  o p  li  ten  können  nicht  mit 
einander  kämpfen,  denn  od  irap^qcev  ^XOeiv  de  X^^P^c  f|  xap&^9^ 
bieipTOuca.  vgl.  Thuk.  I  106,  2  elpTOV  to  ic  ÖTiXiraic.  aber 
die  leichtbewa&eten  cuji|Li(cTOuci  Kaxd  xö  vn^p  xf|v  xotpdbpav.  nun 
kommt  die  abenteuerliche  Umgestaltung,  der  messenische  könig  l&s^^ 
das  ganze  lager  rings  (ppdEacOat  xoic  cxaupoTc,  so  dasz  die  Lake- 
daimonier, die  keinen  angriffspunkt  finden,  abziehen  müssen. 

Es  folgt  die  grosze  schlächt  im  fünften  jähre,  dazu  hat  die  be- 
schreibung  der  schlächt  bei  Mantineia  im  j.  418  bei  Thukjdides  den 
rahmen  hergegeben,  ehe  der  kämpf  beginnt,  halten  die  beiderseitigen 
heerführer  ansprachen.  Paus.  IV  7,  9  irpöc  )ik\  bf)  xoOc  Ni%Aoi' 
jioviouc  ßpaxeiav  Kaxd  xö  diriXiApiov  xf|v  TTopdKXriciv  dTTOicito  6 
SeÖTTOiiTroc  .  .  ibc  KaXöv  cq)tci  xö  (piXcrijiTijia,  xdiv  irax^pivv  •  • 
qpavfjvai  XajUTipöxepa  eipTacindvouc  usw.  der  messenische  könig 
jiaKpöxcpa  lifev  clTrev  f\  6  CTrapxidxnc  usw.  bei  Thuk.  V  69, 2  heißÄ 


FReuss:  zu  Xenophons  anabasis. 


817 


(103.) 

ZU  XENOPHONS  ANABASIS. 


1.  1 10,  9  f.  inü  b*  fjcov  Kaxd  xö  eötüvujLiov  vSjv  'QXifivuiv 
Kepac,  fbeicav  o\  ''EXXiivec,  jLif)  irpocdTOiev  npöc  tö  K^pac  ical 

7T€ptTTTuSaVT€C    ä|Liq)0T^piü6€V     ttUTOUC     KaTaKÖl|l€iaV '    Kttl    dbÖKCl 

aÖToTc  dvaTTTÖccciv  tö  K^pac  kqI  noirjcacOai  dTiicdev  töv  TioTajiöv. 
dv  dl  bi  TaCra  dßouXeuovTO,  xal  bf|  ßaciXcuc  7Tapa)Li6ii|id|üi€VOc  eic 
TÖ  aÖTÖ  cxfljLia  KttT^CTTicev  dvTiav  Tf|v  qpdXaTT«»  djcirep  tö  Tipilrrov 
^axoufi€VOC  cuv^ei.  diese  stelle  bietet  der  interpretation  eine  reihe 
taktischer  Schwierigkeiten,  die  trotz  manigfacher  erklämngsversuche 
ihrer  beseitigung  noch  harren,  zun&chst  ist  es  erforderlich  die  Stel- 
lung beider  beere ,  des  hellenischen  wie  des  persischen,  sich  zu  ver- 
gegenwärtigen, nach  §  6  ßaciXeuc  öf)Xoc  fjv  TTpociujv  TrdXiv,  dic 
lbÖK6i ,  ÖTTicOev  steht  der  könig  im  rücken  der  Hellenen : 


Perser 


Hellenen 

.  ; 

da  diese  einen  angriff  desselben  erwarten,  machen  sie  kehrt  und 
rüsten  sich  demselben  zu  begegnen:  §  6  oi  jLifev  ^'GXXiivcc  CTpa- 
9^vt€c  irapecKCudZcvTC  djc  toütiti  npociövTOC  xal  öcHöjiievoi.  der 
könig  aber  unterliesz  den  angriff  und  suchte  den  weg  zu  gewinnen, 
auf  dem  er  bei  dem  ersten  zusammentreffen  mit  den  Hellenen  am 
linken  flügel  des  feindlichen  beeres  vorbei  marschiert  war:  ifj  bk 
TTapfJXeev  ßui  ToO  cuujvumou  K^paroc ,  Tatirij  Kai  diriiTCV.  indem 
er  die  front  gegen  die  Hellenen  beibehielt,  kam  er  dem  rechten 
(früher  linken)  flügel  derselben  gegenüber  und  parallel  zu  stehen: 
^7T€l  b'  fjcav  KttTot  TÖ  €inJuvu|Liov  Tujv  'EXXrjvujV  K^pac.  die  Stellung 
beider  beere  zu  einander  war  mithin  etwa  folgende : 


Perser 


T 


\ 


I 


Hellenen 


Behdantz  s.  XIX  anm.  33  meint  freilich,  die  Hellenen  hätten  zu  den 
Persem  rechtwinklig,  also  in  colonne,  gestanden: 


± 


Hellenen 


Jahrbücher  für  class.  philol.  1883  hfU  IS. 


s 


63 


818  FHeuBs:  zu  XenopbonB  anabasis. 

indessen  dann  haben  die  worte  ßaciXeuc  7rapaji€ii|idfi€V0C  ek  tö 
a\)TÖ  cxfiiia  keinen  sinn,  mit  recht  verwirft  nemlich  Yollbrecht 
Krügers  erklftrung,  irapafieiipdfievoc  bedeute  so  viel  wie  irapcXGiuv, 
und  verbindet  die  worte  eic  tö  auTÖ  cxf^^a  mit  demselben,  ebenso 
wenig  kann  ich  aber  auch  diesem  hg.  beistimmen,  wenn  er  das 
persische  beer  vollständig  an  dem  hellenischen  vorbeimarschieren 
und  auf  gleicher  höhe  mit  demselben  halt  machen  Iftszt : 

t  Perser 


Hellenen  ^ 

dieser  annähme  stehen  die  worte  xarä  (gegenflber)  to  eihbwjJiOV  Tu)v 
*€XXt^vu)v  K^pac  entgegen,  die  worte  |Lrf|  irpocdTOiev  irpöc  rd  Kipac 
Kai  TrcpiirruSavTCC  dficpoT^piuOev  scheinen  allerdings  darauf  hinzo- 
deuten,  dasz  die  Perser  in  der  rechten  flanke  anzugreifen  drohen,  vgl 
Xen.  Kyrup.  VIT  1, 26  Xaßdn^  nXctriouc  und  ol  bi  ircZoi  . .  lq>ei'novto 
Kttl  ircpiciTTOccovTO  fvOcv  Kai  iv0€V,    ficT€  TTOXU    ^TTXCOV^ICTei ' 
(pdXaTT*  TÄp  Kaid  K€pac  npoc^ßaXXcv.  Arrian  anab.  I  6,  10.  ID 
14,  6.  Polybios  1 40, 14  cufnT€cu)V  ^k  TrXaTiou  Kard  K^pac.  II 30, 9. 
II  34,  8  Kard  viftiou  xal  Kaid  x^pac.  V  85,  3  xard  TTpöcuiirov  wid 
Kaid  K^pac.  XI 1, 7.  Plut.  Pelop.  23  Trpocnccujv  dOpöwc  Kaxd  K^pac 
indessen  notwendig  ist  diese  annähme  nicht:  der  angriff  Kard  K^pcic 
kann  ebensowohl  von  der  frontseite  aus  wie  von  der  flanke  erfolgen, 
dies  geht  mit  notwendigkeit  aus  Thuk.  III  78  hervor:  qK)ßou^€VO( 
Tfiv  TtcpiKtiKXuiciv   dOpöaic  (dh.  qwiXaTYO  M^v  oö  Trpoc^ttiirrov 
avbfe  Kard  ^ccov  (oentrum)  xaTc  icp'  dauroüc  TcraT^^vaic,  irpoc- 
ßoXövTCC  bk  Kard  x^pac  usw.    die  Athener  werfen  sich  auf  den 
flttgel  (Ckssen  adst.);  dem  angriff  auf  die  gesamte  linie  sowie  dem 
angriff  auf  das  centrum  wird  also  der  angriff  xaxd  x^pac  gegenüber- 
gestellt, das  gleiche  dürfte  man  auch  an  unserer  stelle  gelten  lassen 
und  TipocdTCiv  npöc  t6  K^pac  von  dem  angriff  auf  den  rechten  flflg^ 
verstehen,   bei  diesem  angriff  sucht  der  überschieszende  teil  durch 
eine  Schwenkung  den  flügel  des  gegners  zu  umfassen  (Xen.  Kyrup* 
VII 1,  26  7T€pi€7mJccovTO  fvOcv  xal  ?v0€V.  anab.  1 10,  8  TTcpiTrru- 
EavT€C  d>Aq)OT^pu)0€V).    um  dieser  gefahr  zu  entgehen,  trafen  die 
Hellenen  die  von  Xen.  angegebenen  Vorkehrungen:  £böx€t  aÖTOiC 
dvaTTHJCceiv  tö  x^pac  Kai  iioiricacOai  ötticGcv  töv  noiafiöv.  Krüger 
bemerkt  zu  diesen  werten :  'den  flügel  sich  hinter  den  andern  ziehen 
lassen,   hierauf  sollte  der  eine  flügel  rechtsum,  der  andere  linksam 
mit  dem  flusz  parallel  fortmarschieren,  bis  beide  an  einander  schlosseSy 
dann  alle  gegen  den  feind  front  machen  und  dadurch  den  flusz  in 
den  rücken  bringen.'   er  ist  offenbar  beeinfluszt  durch  Eyrup.  VII 
5,  5 ;  indessen  *das  hier  beschriebene  manöver  bietet  zu  unserer  stelle 
keine  analogie'  (Yollbrecht);  dort  handelt  es  sich  nur  um  eine  Ver- 
kürzung der  frontlinie  und  unl  ausdehnung  nach  der  tiefe  hin.  xni^ 
dvairnicceiv  tö  x€pac  würde  blosz  die  bildung  der  colonne  aus  der 
linie  bezeichnet;  iJle  weiteren  Operationen  wftren  von  Xen.  über- 


FReass:  zu  Xenopbons  anabaBis.  819 

gangen ,  sie  sind  Krügers  eigne  zatbaten.  handelte  es  sich  nur  um 
eine  frontveränderung,  dann  war  diese  durch  weniger  nmstftndliche 
evolutionen  einfacher  zu  bewerkstelligen.  YoUbrecht  und  Rehdantz 
stützen  sich  zur  erklftrung  unserer  stelle  auf  Arrian  anab.  11  8,  2 
?u)c  fifev  irdvni  CTCVÖnopa  fjv  rd  xw^pia,  ^tti  K^pu)c  fJTCv  d)C  bi. 
biexifipci  ^c  irXdToc,  dv^nTuccev  dci  rö  K^pac  ^c  (pdXorrrai  SKK^y 
mx  &\\r]\  TUüV  önXiTÜJV  rdSiv  irapdirujv  und  nehmen  darauf  hin  an, 
dasz  die  Hellenen ,  einen  flankenangriff  von  seiten  der  Perser  be- . 
fürchtend ,  durch  einen  rechtsauf  marsch  nach  der  rechten  flanke  in 
die  phalanxstellung  übergegangen  seien.  *zu  diesem  zwecke'  meint 
Vollbrecht  'rückt  der  am  flügel  stehende  lochos  durch  eine  links- 
schwenkung,  wodurch  die  f|TOUfi€VOi  in  der  vordersten  linie  bleiben, 
in  die  frontstellung  gegen  die  Perser,  die  folgenden  lochen  machen 
zuerst  rechtsum,  rücken  dann  durch  rechtsaufhiarsch  in  die  schlacht- 
linie,  indem  sie  während  des  marsches,  wobei  die  folgenden  sich  immer 
weiter  rechts  ziehen  müssen,  durch  eine  nochmalige  Yg  wendung 
nach  rechts  dahin  streben,  dasz  auch  ihre  f)XOU|Li€VOi  in  die  vorderste 
linie  zu  stehen  kommen.'  bei  einem  rechtsaufmarsch  nach  der  rech- 
ten flanke  ist  es  indessen  unmöglich,  dasz  das  vorderste  glied  (ol 
f)TOÜ|Li€VOi)  seine  Stellung  behalten  könnte;  nur  bei  einem  linksauf- 
marsch  kommen  die  f)tOu^evoi  wieder  in  die  vorderste  linie  zu 
stehen,  um  letzteres  herbeizuführen,  ist  auch  die  von  Vollbrecht 
vorgeschlagene  linksschwenkung  des  ersten  lochos  gänzlich  irrele- 
vant, ein  blick  auf  Vollbrechts  eigne  Zeichnung  genügt,  um  dies  zu 
erkennen,  anders  steht  es  mit  Vollbrechts  zweitem  verschlag :  die 
Hellenen  machten  linksum,  marschierten  links  auf  und  nahmen  dann 
die  front  gegen  den  feind.  bei  dieser  erklärung  fällt  der  eben  ge- 
rügte mangel  weg ,  aber  damit  zugleich  auch  die  analogie  mit  der 
angeführten  stelle  Arrians.  bei  Xen.  soll  eine  frontveränderung 
durch  aufmarsch  aus  der  reihencolonne  bewerkstelligt  werden;  bei 
Arrian  dagegen  handelt  es  sich  um  das  deployement  und  den  auf- 
marsch der  marschcolonne  zur  linie.  auf  die  herstellung  der  linie 
aus  der  marschcolonne  haben  auch  die  von  Rehdantz  angeführten 
stellen  bezug:  Kyrup.  II  3,  21.  VIII  5,  15  Ik  K^poTOC  elc  cpdXaTTa 
KttTacTTicai.  anab.  IV  3,  26  irap*  dcnibac  TraparaTÖVTCC  Tf|V  ivu)- 
jLiOTiav  im  q)dXaTTOC.  IV  6,  6  X€ip{coq)oc  diraticaTO  Tiopcuö^evoc 
.  .  ha  |Lif|  KttTd  K^pac  dy^v  nXricidcij  toTc  TToXcjLiioic  •  itapiiTTCiXe 
bk  Kai  Toic  dXXoic  itapdTCiv  touc  Xöxouc,  öttu)c  iiA  cpdXarfoc 
T^voiTO  TÖ  CTpdT€U|Lia.  Kyrup.  II 3, 21  töv  öcTcpov  Xöxov  irapdreiv 
Kai  TÖV  TpiTOV  Kai  TÖV  T^xapTOV  €lc  fi^TU)TTOv.  Hell.  Vn  ö,  22.* 

Am  zutreffendsten  hat  über   die  bedeutung  des   ausdruckes 
dvaTTTUCCeiv  meines  erachtens  E Wahner  jahrb.  1861  s.  855  ff.  ge- 


^  LReinhardts  (z8.  f.  d.  gw.  XIII  s.  13)  erklärung:  'das  beer  so  auf- 
stellen,  dasz  es  eine  mit  der  front  dem  feinde  zugekehrte  phalanx 
bildet'  läuft  auf  Vollbrechts  'übergehen  in  die  phalanxstellung'  hinaus; 
gerade  hier  war  es  für  ihn  am  wenigsten  am  platze,  von  'Krügersohef 
und  Vollbrechtsoher  Unkenntnis'  zu  reden. 

W* 


820  FReuBs:  zu  Xenopfaoas  anabasis. 

urteilt,  indem  er  darunter  unser  deplojement  verstanden,  wissen  will 
und  alle  weiteren  nebenoperationen  abweist,  mit  recht  hebt  er  aoch 
hervor,  dasz  bei  Xenophon  sowohl  wie  bei  Plutarch  Pelop.  23  die  mit 
dvaiTTUCCCiv  bezeichnete  bewegung  nur  von  dem  rechten  fltigel  gilt. 
die  Hellenen  fürchten  eine  Umgehung  ihres  rechten  flügels  (Diod. 
XIY  24, 2  eöXaßciTO  fif|  .  .  kukXwOwci),  ein  manöver  dessen  Arriaa 
takCik  29  gedenkt:  Ka\  öircpcpaXdTTTI^^v  }xbf  övofidZouci  Tf|V  koS' 
.  dKdT€pov  TÖ  ir^pad  Tflc  cpäXaTTOc  töircpox^v  \mkp  toöc  iroXe^iouc, 
äircpKdpaciv  bk  Ti\y  Ka8*  ?v  öirÖTcpov  oi5v  K^pac.  dieser  gefahr  vor- 
zubeugen, wird  es  nach  Arrians  Vorschrift  notwendig  die  linie  auszn- 
dehnen  und  zu  verlängern,  ebd.  25  fiyerax  bk  TÖ  bmXaciäZeiv  dvcrr- 
Katov,  F|  öiTcpcpaXaTT^cai  fijiiujv  OeXncdvruüv  äir^p  lö  tujv  iroX€|üiiuiv 
K^pac  f|  KUjXOcai  uirepcpaXairr^cai  ^Keivouc,  vgl.  Xen.  anab.  IV  8, 11. 
das  bmXacidCciv  kann  nun  nach  der  tiefe  hin  (so  Xen.  Ejrup.  VII 5,  5) 
oder  in  der  front  stattfinden  (Arrian  ao.  25).  in  der  front  können 
entweder  die  hinteren  glieder  in  die  vorderen  eindubliert  werden 
(iTUKVOUTai  TÖ  fi^TUJiTOV  TTic  (pdXayTOc),  oder  die  linie  wird  nach 
rechts  oder  links  oder  nach  beiden  selten  hin  verlftngert.  das  aus- 
dehnen der  linie  kommt  für  uns  hier  in  betracht:  Arrian  ao.  25  ^ 
bi  Kai  Tifi  TÖiTip  bmXacidcai  iOdXoipev  tö  mhkoc,  die  dvTl  crabiuiv 
TT^vie  ic  biKa  iKxeivai  Tfjv  idjiv ,  touc  ^k  toO  ßdOouc  irapejiißXn- 
Odvrac  ic  tö  xard  jut^KOC  fi^cov  tujv  öitXituIv  bidcnma  ini  rä 
beiiä  KcXeucofiev  ££€Xiccec0ai,  touc  bk  Xdittouc  kqI  fmic^ac  aöxi&v 
^Tii  xd  eu(x»vu>Aa,  dirö  tu»v  irpöc  loTc  K^paci  beuT^puiv  Xöxuiv 
dpxö^evoi ,  Kai  oötu)  bmXdctov  i(p4iex  xujpiov  f)  iraca  rdEic.  das 
dKTciveiv  soll  also  dazu  dienen,  entweder  selbst  den  feind  zu  flan- 
kieren, oder  eine  flankierung  durch  den  feind  zu  verhüten,  vgl.  Plut. 
Anton.  66  *ATp(itTTOu  bk  Odrepov  K^pac  elc  kukXujciv  iKTcivovToc 
dvTavdyciv  IToTiXiKÖXac  dvaTKaZö>A€VOC.  Diod.  XIV  24,  1  Tflc 
(pdXaTTOC  iv:\  iroXu  TrapCKTCivoüciic  KUKXouficvoc.  in  diesem  sinne 
finden  wir  auch  häufig  dvaT€(v€iv  gebraucht:  Ejrup.  VII  1,  5  f. 
KaTavouüV  bk  d)c  irpöcu)  töv  Kafiirriipa  diroirjcavTo,  irepl  8v  Kd^ir- 
T0VT6C  dv^T€ivov  Ttt  K^paTO.  VII 1,  16  Ttt  TÜLiv  TToXe^iuiv  K^paxa 
öpw  icxupd  dvareivöfieva.  VII  1,  23.  Polybios  1 27.  die  verlange- 
rung  der  linie  wird  durch  ein  deplojement  der  hinteren  glieder, 
durch  das  dvairrOcceiv  bewerkstelligt,  deshalb  wird  dvaiTTiiccetv 
geradezu  dem  dvarefvctv  gleicbgeset<zt:  Plut.  Pelop.  23  dveirruccov 
iö  be^iöv  und  irplv  dvaxciveiv  t6v  KXcÖMßpoTOV  xd  K^pac  f|  cuv- 
ayaTcTv  irdXiv  de  tö  amö  Kai  cutKXcTcai  "rfiv  idEiv ,  wo  dem  dva- 
T€ivai  das  cuvoTateiv  und  cujKXeicat  gegenübersteht,  zweifellos 
wird  dies  durch  folgende,  bisher  unbeachtet  gebliebene  stellen 
Arrians:  taktik  9  oihoc  ydp  toi  ö  dpiO^öc  M^XP^  M^vdboc  bfxa 
T^fiveiai,  »SicTe  bmXacidZciv  aöxöv  ic  rö  ßdOoc  EuvdrovTa, 
Kai  aö  iKTe(v€iv  dvaiTTÖccovra  tiytapkc  Ka6(cTOc6at.  anab.  III 
12, 2  ic  i7tiKa|Li7rf|v  bi,  el  irou  dvdinai  KaTaXa^ßdvoi  l^dvanTugai 
fi  cuTKXeicai  Tf)V  (pdXatTOt.  auch  hier  bezeichnet  dvaTrrucceiv 
die  dem  cuvdteiv  elc  tö  ßdOoc  und  dem  cuTxXeicai  entgegen- 


FReass:  zu  Xenophons  anabaBis.  821 

gesetzte  evolution  und  kann  nur  von  einer  Verlängerung  der  front 
durch  deployement  verstanden  werden;  das  gleiche  gilt  von  Arrian 
anab.  II  7,  3  £ü|Li|Li€Tpov  TÖ  x^^piov  dvaTTTuHai  Tfjv  (pdXoTTGt.  es 
erhellt  von  selbst,  wie  eng  diese  erklärung  an  die  ursprüngliche 
bedeutung  von  dvairTUCCCiv  (entfalten)  sich  anschlieszt,  vgl.  Plut 
Demetrios  42  dvairruHac  t^v  x^<X)Liuba.  Brutus  20  Ti\v  dcdf)Ta 
Xaßujv  Tf)v  Kaicapoc  ai|LiaT|iA^VT]v  dv^irruScv.  ganz  entsprechend 
wird  im  lateinischen  explicare  gebraucht :  Caesar  h.  civ,  II  26  expH- 
care  legiones.  ni  93  equites  se  turmatim  explicare  aciemque  nostratn 
a  latere  aperto  circumire  coepenmt.  h.  Alex.  14.  15.  h.  Afr.  59.  ec^- 
care  =  in  frontem  derigere  Livius  XXXVII  23,  9  u.  10. 

Will  man  nun  selbst  den  flügel  des  feindes  umgehen,  so  läszt 
man  seinen  verlängerten  flügel  zur  bildnng  eines  Offensivflügels  vor- 
schwenken :  Plut.  Pelop.  23  TÖ  beSiöv  dv^TTTUccov  xai  ircpi^TOV  djc 
KUKXujcöjLievoi.  Xen.  Kyrup.  VII 1, 5  djcnep  Td|iA|iAa  ^KOT^pujOev  Tf|V 
^auTuiv  Td£iv  7roiricavT€C.  anab.  1 8, 24.  Hell.  IV  2,  20  tö  inepixov 
^TTiKd)Lii|iavT6C  clc  kukXwciv.  Arrian  anab.  II  9,  2  uö.  zur  defensive 
dagegen  ist  die  entgegengesetzte  maszregel,  die  zurücknähme  des 
verlängerten  flügels,  die  bildung  einer  defensivflanke  notwendig: 
Arrian  III  12,  2  u.  4.  II  9,  2  Kol  tujv  Itttt^ujv  tivöc  xai  xdiv  toEo- 
Tdrv  ic  dmKafiTTfiv  Tipöc  TÖ  öpoc  TÖ  KttTd  vurrou  liaiev.  Diod. 
XVII  57,  5  itp*  ^KttT^pou  bk  Toö  K^paToc  ^TriKdjLnnov  iiroiTice  Tf|V 
TdEiv,  ÖTTUJC  jLif)  buvujVTai  kukXoOv  o\  iToX^fiioi  T(J)  irXrjOei  twv 
CTpaTiurrdiv  Tf|v  öXitötiito  tOüv  Maxebövujv.  die  ausführung  dieser 
maszregel  wird  bei  Xen.  durch  die  werte  iTOirjcacOai  ÖTiicOev  töv 
TToraMÖv  angedeutet,  die  Hellenen  verlängerten  also  zum  schütz 
ihrer  rechten  flanke  den  rechten  flügel  und  nahmen  ihn  zurück ,  so 
dasz  er  zur  front  in  einem  winkel  zu  stehen  kam  und  den  flusz 
im  rücken  hatte,  der  Perserkönig  liesz  dagegen  seinen  linken  flügel 
vorschwenken ,  um  die  Hellenen  zu  umfassen : 


Perser 


die  Worte  TTapa)Li€ii|idfi€VOC  €ic  tö  auTÖ  cxHlna  sind  bei  dieser  auf- 
fassung  recht  an  ihrem  platze :  es  handelt  sich  in  der  that  um  ein 
taktisches  cxf^jüia ,  um  die  dniKdiLiTTioc  Td£ic. 

2.DieX6xoidp6ioi.  auch  nach  den  erörterungen  von  Eöchl j- 
Büstow  und  Vollbrecht  (Xen.  anab.  s.  21  anm.  2)  scheint  es  nicht 
überflüssig  der  frage  über  die  bedeutung  der  Xöxoi  öpOioi  noch  ein- 


822  FBeoH:  m  Xenopbou  nnaViiii 

mal  Dlhet  zn  treten,  die  frilhere  erklinmg  *&pdioic  Xöxoic  nit 
gereiheten  lochen,  aiao  100  mun  hinter  einander*  (Krflger  ta  anab. 
fv  3,  11)  haben  KOchlj  und  Bflstow  (geadi.  des  griech.  kriegsw. 
a.  165)  mit  recht  Terworfen;  sie  haben  nch  fltr  eine  sectiottaodlonBa 
von  6  mann  front  nnd  16  mann  tiefe  entichieden.  ToUbredit  mdit 
xwiscben  beiden  annchten  m  vermitteln  nnd  folgt  an  vier  steUea 
der  enabsais  EDchlj-BOstow,  «Ibrend  er  an  ri*ei  andern  fBr  den  aog. 
ginsemancb  sidi  aniapridit.  wir  dtirfen  indesaen  bei  der  nnter- 
tocbnng  aber  die  bedeotong  der  Vöxoi  äpOioi  uns  nicht  anf  dl« 
Interpretation  Xenophona  beachitnken,  sondern  mflssen  Ton  den  «r- 
klSrongen  der  alten  selbst  ansehen. 

Vor  allem  aind  hier  Arrians  werte  taktik  26(danuu  anch  Snidas) 
in  betracfat  zn  ziehen:  öpftia  («pdJurrf),  Atov  im  vipac  ■nofxöprnu. 
oCtw  bt  ad  TÖ  ßddoc  toö  ^^kouc  noXXanXiliciov  nop^xETot-  6Xuic 
TE  TiopäfuiKcc  ^v  j&j}ia  övofiöZETOi ,  S  Ti  Tnp  fiv  t6  fii[mc  ^XQ 
^TilnlielovToüßädouc-flpBiovb^  5-nnEp&VTÖßä(k>CT0Ü)diia>uc. 
die  phalanx  ist  also  6p6ia,  wenn  sie  liA  ulfKK  maischiert,  der 
marscb  im  K^puic  ist  ein  reibenmarscb.  die  rdbencolonne  wird  «na 
der  linie  dnrch  die  halbe  Wendung  nach  rechte  oder  links,  bei  rinor 
marschierenden  abteilung  auf  das  commando  'in  reihen  gesetzt  rechts 
(links)  um'  gebildet  KOchlj-Bfistow  meinen  dasz  der  reibenmarscb, 
wie  bei  uns ,  nnr  anf  korze  strecken  angewendet  worden  sei.  dies 
gilt  indessen  nur  von  dem  marsch  nach  der  seile,  bei  deßl&n  nah- 
men anch  wir  diese  marschformation  häufiger  an,  behalten  sie  aber 
nicht  bei,  weil  bei  der  geringen  tiefe  unserer  anfstellnng  die  marach- 
colonne  zn  lang  würde,  bei  der  grSszem  tiefe  der  griechischen  anf- 
stellnng flUt  dieser  gmnd  w^.  bei  angriffen  Korä  X^poc  handelt 
es  sich  um  eine  attackiemng  in  der  flanke:  TgL  oben  s<  818.  Ton 
einem  reibenmarscb  dh.  in\  Kiptuc  haben  wir  ein  beispiel  bei  Xen. 
T.  Staat  d.  Lak.  11,  8  ff.  hier  wird  nicht  in  der  sectionscolonne 
(enomotie)  marschiert,  wie  KOcbly-Btlstow  s.  122  den  aaadruck  ver* 
stehen,  dieser  annähme  widersprechen  gleich  die  ersten  worte  örav 
Hiv  Täp  in\  x^pujc  TTOpeütuvTSi ,  kot'  oOpäv  biinou  ^vwfiOTÜt 
IneTai.  Xenophon  bespricht  im  folgenden  die  bewegnngen,  welche 
beim  herannahen  des  feindes  fllr  die  ^ttI  K^puic  mai'schierenden  ab* 
teilungen  notwendig  werden,  znerst  wird  ein  angriff  von  vom  (££ 
^VOVTiOu)  TOraasgesetit.  in  diesem  falle  muez  die  rechts  abmar- 
schierte reibencolonne  zur  phalanx  links  au&narachieren  (eIc  ^^tui- 
irov  Tiap"  dcTiilw  KaflicrocÖoi) : 

I    II  m  IT          6    b    4   s    9    1 
1  .    .    .    .  I 


FRea88:  zu  Xenophons  anabasie.  828 

Erscheint  dagegen  der  feind  im  rücken,  dann  mosz  dieser  auf- 
marsch  erfolgen  (§  8  oÖTU)C  dx<^VTU)v),  daran  aber  der  lakonische 
contremarsch  sich  anschlieszen.  der  dpxwv  odefr  fffCfiUiv  kommt  da- 
bei auf  den  linken  flflgel  zu  stehen,  soll  er  seinen  platz  am  rechten 
flttgel  zurfickerhalten,  so  mosz  die  abteilung  noch  einmal  durch  eine 
halbe  Wendung  die  reihenformation  einnehmen  und  den  contremarsch 
Karä  Ixrxöv  ausführen:  §  9  CTp^t|iavT€C  tö  äyr^xa  tni  K^pac 
^EeXiTTOuci  Tf|V  cpdXcrrrai  fcr*  Sv  6  jutv  f|T€fiu)v  bcEiöc  5,  f|  bk,  oöpä 
€Ui{ivu)Lioc  T^VHTai.  auch  hier  kann  ird  K^pac  crp^cpeiv  nur  von 
der  bildung  der  reihencolonne  verstanden  werden,  die  oöpä  sind 
die  bei  der  phalanx  (IrA  ixetibnov)  auf  dem  linken  flügel  stehenden 
rotten,  welche  bei  der  rechts  abmarschierten  reihencolonne  (in\ 
Kdpu)c)  die  queue  bilden. 

t 
6     5     4     3     2     1 

^ I  R AI      AI 

II      m    in 

ni n      II 

VI    g I  1  H  I 1 

99t8SI  TS€f«9 

Wenn  drittens  ein  angriff  in  der  rechten  flanke  droht  {in\ 
K^pujc  iTop€UOfA^vu)V) ,  macht  jeder  lochos  rechtsum ;  der  lochos  an 
der  queue  erhält  dann  seinen  platz  auf  dem  rechten  flttgel  der  pha- 
lanx  (§  10  TÖv  Xöxov  ?KacTOv,  iScrrcp  TpiripTii  övriirpifipov  TOic 
^vaVTioic  crp^cpouciv).  auch  hierbei  musz  in  den  einzelnen  lochen 
der  lakonische  contremarsch  ausgeführt  werden,  ist  endlich  die  linke 
flanke  gefährdet,  dann  wenden  die  dnl  K^puüC  marschierenden  ab- 
teilungen  sich  links  um,  und  der  kot*  oupdv  marschierende  lochos 
bildet  den  linken  flügel:  dvavTiouc  ävTmäXoic  touc  Xöxouc  ctpi- 
90UC1,  Kai  ouTUJC  avi  6  kqt*  oöpdv  Xöxoc  irap'  dciriba  KaOlcTarai. 

Bei  allen  diesen  bewegungen  ist  die  enomotiencolonne  durch 
die  aus  §  8  und  9  hervorgehobenen  stellen  ausgeschlossen,  wir  haben 
es  mit  einem  reihenmarsche  zu  thun.  auch  der  ausdruck  CTp^q)€iv 
darf  nicht  befremden:  er  bezeichnet  ebensowohl  die  Wendung  des 
einzelnen  mannes  wie  die  Schwenkung  ganzer  glieder.  nur  von  der 
einzel Wendung  kann  §  9  CTp^i|iaVT€C  inX  K^pac  verstanden  werden 
(vgl.  Classen  zu  Thuk.  II  90).  die  reihenformation  finden  wir  auch 
Xen.  Hell.  VI  2,  28  iTxay/ryfafev  Sv  tö  K^pac  dird  iflc  Tflc  Kard  raOra 
Td  xvjpia,  ^TieiT*  dTricTp^ipac  Sv  Kai  dvmrpibpouc  KaTacnfjcac  tdc 
TpiVjpeic  dnö  ciiMciou  dcpiei  dvOajuiXXdcOai  €tc  Tf)v  T^v.  hier  kann 
^TncTp^ipac  gleichfalls  nur  von  der  wendung  des  einzelnen  schiffes  ge- 
sagt sein :  die  flotte  segelt  in  reihe,  oder  vielmehr  in  6iner  reihe,  die 
küste  entlang ,  macht  dann  rechts  oder  linksum ;  darauf  beginnt  der 
Wettstreit  der  einzelnen  schiffe,  in  reihen  führt  Alexandres  sein  beer 
über  den  Granikos :  Arrian  anab.  I  14,  7  auTÖC  bt  dt^iV  TÖ  b€{töv 


824 


FReuBs:  zu  Xenophons  anabasie. 


K^pac  . .  ^jLißaivci  cic  töv  iröpov,  Xo£f)V  &e\  irapaTcivuiv  Tfjv  rdEiv  ^ 
TtapeTXKe  tö  ßeCfia^  tva  bf)  jiift  ^Kßaivovn  aÖTijj  olü^pcai  Kord  K^pcKC 
TTpocTTiTTTOiev,  äXXot  kqI  auTÖc  d)C  dvucTÖv  T^  (pdXoTTi  irpoqiiEg 
auToTc,  vgl.  1 13,  5  dräKTUüC  oOv  xai  Kard  xepac,  i^irep  dcGhEV^cra- 
Tov ,  ^Kßaivouciv  dTTiKcicovrai  ^c  9dXorrroi  cuvT€TorrM^voi.  ebenso 
steht  es  mit  Herod.  VI  12  dvdTiuv  iiA  K^pac  rdc  vtec.  VI  14  dvrch 
vt^TOV  Tdc  v^ac  in\  K^pac.  Thuk.  II 90  Kord  fi(av  ird  K^pu)C  irapa- 
TrX^ovTttc  (kurz  vorher  ^m  T€ccdpu)V  ToEdMevoirdc  vflac).  VI  32,  50. 
Xen.  anab.  IV  6, 6  Kard  K^pac  &tu)V.  VI  5,  ö  Tf)v  oöpdv  ToC  K^puic 
Hell.  VII  4,  23  KttTd  Kepac  &t€  KaO'  öböv  iropcuöjiievoi.  Kyrap.  II 
4,  29.  VIII  5, 15  ^K  K^poTOC  eic  9dXaTT0i  KOTacrficai.  Arrian  anab. 
II  8,  2  Sujc  jLi^v  TTdvTTi  CT€VÖiTopa  fjv  Td  xujpia ,  inx  K^piuc  fit^v. 

Kehren  wir  nun  zu  Arrian  taktik  26  zurück,  so  erhellt  dasx 
öpOta  q)dXaT£  durch  den  zusatz  ÖTav  im  K^pac  iropeuriTai  als  ein 
in  reihen  marschierendes  beer  bestimmt  wird,  durch  den  marsch 
^TTi  K^pac  wird  die  phalanx  öpOia  und  bekommt  eine  grOszere  tiefe 
als  breite,  eigentümlich  ist  der  6pOia  q)dXaT£  also  das  nopeiiecOai 
im  K^pac,  daher  ist  in  Arrians  erklärung  auf  dieses  hauptsächlich 
zu  achten,  die  richtigkeit  dieser  definition  läszt  sich  aus  Poljbios 
XI  12,  4  darthun:  ö  bi.  Maxavibac  tö  jli^v  TtpOüTOV  än^beiSev  dbc 
dpeiqi  Ti5  <pdXaTTi  TrpocfiiHujv  Tipöc  tö  bcEiöv  tujv  iroXcfiiuiv.  inA 
b'  dirXiiciace,  Xaßibv  cu|li|li6tpov  dTTÖCTiniia  ncpt^icXa  ifjv  buva^iv 
^ttI  böpu  KQi  irapcKTcivac  Icov  ^Ttoince  tö  irap*  auroG  b€£töv  Ti|^ 
Toiv  'Axaiuiv  €uujvu)Li({j.  Machanidas  stOszt  mit  seinem  in  reihen 
rechts  abmarschierten  beere  auf  den  rechten  flügel  der  Achaier, 
Iftszt  dann  die  töte  rechts  schwenken  und  geradausgehen,  bei  der 
nun  erfolgenden  frontwendung  kommt  der  rechte  flügel  dem  feind- 
lichen linken  gegenüber  zu  stehen : 

Aehaier 


3  • 

4  • 

6  • 

6  • 


I  II  m  IV 


vgl.  Plut.  Lys.  28  .öp0 

T€lXOC. 


Hl  T^  (pdXcTTT»  itapd  Tf|V  öböv  i\j€  npöc  tö 


FBeasa:  zu  Xenophons  anabasis.  8S5 

Was  Yon  der  phalanx  gilt,  hat  man  aach  von  den  rdEeic  aaxa- 
nehmen :  6p0iai  rdSeic  sind  toEcic  in  reihenformation.  auch  hierfOr 
finden  wir  einen  beleg  bei  Poljbios  XI  22  und  23.  Scipio  hat  sein 
heer  juCTiUTniböv  den  Karthagern  gegenüber  aufgestellt,  dem  oentrum 
befiehlt  er  in  dieser  Stellung  zu  bleiben  und  den  anmarsch  gegen  den 
feind  —  weiter  besagt  hier  diraTUJinf)  nichts  —  zu  beginnen,  die 
beiden  flügel  dagegen  Iftszt  er  sich  rechts  bzw.  linksum  wenden 
(XI  22,  11  ^iTiCTp^cpetv  ^TTi  böpu).  diese  werden  erst  seitwftrts, 
dann  nach  erfolgter  hakenschwenkung  dpOioi  gegen  den  feind  ge- 
ftthrt:  XI  23,  2  ol  fi€v  in*  dciriba  irepiKXdcavTCC  toutouc,  ol  b* 
inl  böpu  irpof^TOV  öpOiouc  inX  touc  ttoXc^aiouc  und  §  3  TrpocdßaX- 
Xov  TOic  K^paciv  d^cpoT^poic  SjLia  toic  tOüv  uirevavxiwv  öpOiaic 
tqTc  Tujfia'tKaic  buvdjiieci  xaTd  Tf)v  Ü  dpxf)c  TipöOeciv.  die  einzelnen 
TdSeic  haben  dabei  natürlich  verschiedene  Schwenkungspunkte ;  jeder 
mann  di*eht  sich  da,  wo  dies  von  seinem  Vordermann  geschehen  ist: 
§  4  TOUC  ^TTOfi^vouc  ^TrntapCjLißdXXovTac  im  xiiv  aurfiv  €Ö9€Tav 

TOIC  flTOUfl^VOlC. 

Die  reihenaufstellung  wird  genommen,  wenn  ein  defil6  zu 
passieren  ist.  Poljainos  V  16  ^xovTa  6bouc  buo  crevdc  •  •  6  TTa)Li- 
M^viic  öpOiac  Tdc  rdEeic  ßaOüvac  Kai  iroirjcac  tö  crpaTÖTicbov 
eöoTKOv  Kttl  TTopeuTiKÖv  icxTlfidTicev  inX  tö  bcEiöv  übe  fvOcv  dEujv. 
Pammenes  trifft  anstalten  in  reihen  rechts  abzumarschieren,  teuscht 
aber  den  gegner  und  rückt  in  reihen  links  ab.  dasz  ihm  dies  manöver 
bei  der  reihencolonne  leichter  gelingt  als  bei  der  enomotiencolonne, 
liegt  auf  der  band,  beim  passieren  eines  engweges  bildet  öpOiac 
ciT€{pac  T.  Quinctius  Flamininus:  Plut.  Flam.  4  rpixQ  vci^ac  Tf|V 
buvajLiiv  auTÖc  jiifev  elc  tö  cievuiTaTOV  Tiapd  tö  (SeiOpov  öpOiac 
dvf\T€  Tdc  CTT€(pac.  mit  öpOiai  cneTpai  wird  hier  dieselbe  Stellung 
bezeichnet  wie  mit  xaTd  K^pac  Hell.  VII  4t,  23  und  Arrian  II  8,  2. 
ebenso  wie  bei  Arrian  I  13,.  5  und  14,  5  fluszübergftnge  Kard  K^pac 
ausgeführt  werden,  überschreiten  die  Griechen  den  Eentrites  öp9ioic 
Xöxotc:  Xen.  anab.  IV  3,  17  Xetpicocpoc  touc  XoxaTOUc  ^K^Xcuev 
dt^iv  TOUC  Xöxouc  öpOlouc,  TO\ic  fifev  iv  dpiCT€pql,  TOUC  b*  iw  beix^ 
fauToO.  Vollbrecht  hält  dafür  dasz  hier  locale  rücksichten,  die 
geringe  breite  der  fürt,  den  gänsemarsch  notwendig  gemacht  hätten, 
über  die  breite  der  fürt  sowie  über  die  art  des  Übergangs ,  zb.  wie 
viel  lochen  gleichzeitig  den  fiusz  überschritten,  erfahren  wir  nichts, 
dasz  die  lochen  mann  hinter  mann  marschiert  seien ,  halte  ich  für 
unmöglich,  da  feinde  in  der  front  und  im  rücken  drohten,  hätte  ein 
solcher  marsch  zu  viel  zeit  in  anspruch  genommen  und  die  truppen 
in  einer  unmöglichen  Stellung  dem  feinde  entgegengeführt,  einen 
solchen  rottenmarsch  beim  Übergang  eines  flusses  erwähnt  Plut. 
Lucullus  27  Kai  TdSiv  ai  cncTpai  Xafißdvoucai  xard  Xöxouc  irpöc 
*Tf)v  btdßactv:  hier  bezeichnet  Xöxoc  die  einzelne  rotte,  vom  zusatze 
ÖpOiouc  findet  sich  nichts,  ob  bei  Xenophon  die  Xöxoi  öpOtoi  die 
volle  breite  von  8  mann  besitzen,  lasse  ich  unentschieden;  möglich 
wäre  ja,  dasz  vor  der  reihenbildung  eine  eindoppelung  nach  der 


826 


FReosB:  zn  XenbphoiiB  anabasis. 


front  nnd  eine  verringenmg  der  tiefe  stattfand,   ab  Xenophon  mit 
der  nachhot  über  den  flaaz  setssen  wollte,  griffen  ihn  die  Eardaehen 
an.   ich  nehme  an  dasz  er,  um  in  steter  gefeohtsbereitsehaft  za  sein, 
mit  seiner  abteilung  in  kehrt  marschierte  (wie  §  29  f|T£tcOon  touc 
oöpOTOVic).   als  der  angriff  erfolgte,  hatte  er  schon  die  lochen  ^ch 
in  reihen  setzen  lassen;  die  naehhut  stand  also  in  reihen  links  gegen 
den  flusz*    dadurch  dasz  sie  gegen  den  feind  front  machte  (§  26 
crp^qiac  npöc  roiK.  Kapboiixouc)  kam  sie  in  reihen  rechts  sn  stehen. 
Xenophon  gab  alsdann  den  befehl  in  enomotien  links  anf^nrnnr- 
schieren  nnd  die  zeihenoolonne  in  eine  enomotienoolonne  zu  Ter- 
wandeln:  iraprJTTCiXe  toic  Xoxcrrok  Kar'  £vu))yiOTiac  iroi^acOoi 
iKacTov  TÖv  ^auToO   Xöxov,   irop*  &cn(ba  Traporrarövrac   tf^v 
^vul^OTiav  ini  q>&XaTTOC.    die  worte  ^irl  cpdXoTTOC  sollen  den 
gegensats  zu  irA  K^puic  oder  dpOioc  ansdrOdken  und  beziehen  sic^ 
nur  auf  die  einzelne  enomotie.    in  der  enomotien-,  nicht  lochen- 
colonne  (fiCTuiTniböv)  trat  Xenophon  den  feinden  entgegen;  darum 
werden  neben  den  lochagen  auch  besonders  die  enomotarohen  ge- 
nannt: Kai  ToOc  fi^v  XoxciToi^c  Ka\  to{»c  £vu)^OTäpxouc  irpöc  tuiv 
Kapbouxujv  Wvou ,  oöpaToöc  bk  KaTacnf)cac6at  itpdc  toO  iroTo^oO. 
fQr  diese  Interpretation  spricht  unzweifelhaft  Arrians  bemerkung  lu 
dieser  stelle :  taktik  6  Hcvoqxliv  bk  iröcTOV  fi^v  fi^poc  Tou  Xöxou  f| 
ivw\ioria  4cTiv,  oö  biacaqpet'  &n  bi  fidov  TrdvruK:  T€  ti^  flM^^^ 
bnXoi  iv  ib  Xiyex  Sri  o\  Xoxorrol  kot*  ^vuifioTiac  ^Kacroc  diroi^covro 
t6v  aÖToO  Xöxov.    auch  fOr  Xen.  anab.  in  4,  22  kann  ich  daher 
Köchly-Bttstow  und  Vollbrecht  nicht  beipflichten,  wenn  sie  kot' 
ivuJfAOTioc  auf  die  Stellung  der  enomotien  neben  einander  beziehen, 
nachdem  Xenophon  die  feinde  vertrieben  hatte ,  machte  er  mit  der 
naehhut  rasch  kehrt  und  überschritt  in  ^rechts  abmarschierter  sectLons- 
colonne  in  kehrt'  den  Eentrites. 


EentritoB 


12    3    4    6    6 


IV  III  n  I 


■-  e  in  kehrt 


!•     •     • 
ISS 

aei{onpj«]|| 


FReass:  zu  XeDophons  anabasis.  827 

Besonders  hervorgehoben  zu  werden  verdient  diö  anwendnng 
der  Xöxoi  6p6ioi  bei  erstürmung  von  anhöben,  so  vertreibt  Xeno- 
phon  die  Earduchen  von  den  bügeln  Xöxotc  öpOiotc:  anab.  lY  2, 11 
TTpocßdXXouci  irpöc  töv  Xöcpov  öpOtoic  toTc  Xöxoic,  cd  kukX((i, 
dXkä  KaTaXmövTCC  ficpobov  toTc  iroXcjLiiotc,  ci  ßouXotvTO  (pcOyeiv. 
genau  dasselbe  manöver  führt  Ptolemaios  bei  Arrian  anab.  IV  25,  2 
aus:  öpGiouc  Troiricac  toüc  Xöxouc riToXcfiaToc  7rpocflT€V  Qircp  im- 
liaxiWTaTov  toO  X6<pou  dq>aiv€TO,  oö  irdvni  TÖvXöcpovKUKXwcdfic- 
voc,  äXX'  dTToXmiiiv,  ei  (peuT^iv  dO^Xoi€V  o\  ßdpßapoi,  x^P<xv  auTOic 
^c  Tf)V  (pirpiv.  ein  drittes  beispiel  findet  sich  Xen.  Eyrup.  III  2,  6  ö 
KGpoc  fJTCiTo  öpdiouc  Troiiicd|Lievoc  touc  Xöxouc,  vgl.  §  5  mit  anab. 
IV  3,  17.  zur  erstürmung  der  feste  der  Mossynoiken  werden  Xöxot 
dpOioi  gebildet:  Xen.  anab.  V  4,  22  6p6iouc  touc  Xöxouc  TroiT]cd- 
ficvoi  Kai  TOUC  ßapßdpouc  in\  tö  cäiuvufiov  xaTd  TaÖTd  Ta£dfi€VOi 
^TTopeiiovTO,  TOUC  ToEÖTttC  )Li€Ta£u  TÄv  Xöxujv  ?xovT€c.  die  lochen 
gehen  in  gleicher  höhe  mit  einander  vor  und  sind  gewissermaszen 
auseinandergezogen;  in  die  intervalle  sind  die  schützen  getreten, 
hier  kann  man  die  allgemein  beliebte  Übertragung  des  modernen 
ausdrucks  * compagniecolonnen '  gelten  lassen,  musz  aber  daran 
festhalten,  dasz  er  an  vielen  andern  stellen  unrichtig  ist  und  zu 
gänzlich  irrigen  au^assungen  verleiten  musz.  die  formation  der 
compagniecolonnen  ist  grundsätzlich  unsere  gefechtsstellung ,  das 
bataillon  entwickelt  sich  nach  irgend  einer  seite  hin  durch  ausein- 
anderziehen der  vier  compagnien  zu  6inem  oder  zwei  trefifen.  letz- 
teres manöver  gehört  aber  durchaus  nicht,  wie  wir  gesehen  haben, 
zum  wesen  und  begriff  der  Xöxot  dpOtoi. 

Von  compagniecolonnen  darf  man  auch  Xen.  anab.  IV  8, 10 — 19 
reden,  da  auch  hier  die  Xöxoi  dpGtot  auseinandergezogen  werden, 
um  zur  Umgehung  der  feinde  eine  breitere  front  einzunehmen: 
§  12  boKcT  öpOiouc  TOUC  Xöxouc  TTOiiicaiLi^vouc  tocoOtov  xwpiov 
KttTttcxcTv  biaXiTTÖvTac  toTc  Xöxoic  öcov  ßuj  toöc  dcxdTOuc  Xöxouc 
T€V^c6ai  Toiv  TToXcfiiuJV  KCpdTUJV  (vgl.  Polybios  XI  23).  die  Hel- 
lenen rücken  erst  in  phalanxstellung  an  (§9);  Xenophon  schlägt 
darauf  die  bildung  von  Xöxoi  6p0iot  vor  und  begründet  in  verstän- 
diger und  einsichtsvoller  weise  seinen  verschlag  in  §  10 — 13 ,  vgl. 
darüber  Eöchly-Rüstow  s.  165  und  Vollbrecht  s.  19.  ich  hebe  daraus 
die  den  vorteil  der  Xöxoi  dpOioi  besonders  betonenden  worte  her- 
vor: §  13  xal  €ic  T€  TÖ  biaXeiTTOV  oö  ^dibiov  fcTai  Toic  TroXe^ioic 
eiceXOeiv  fvOcv  xai  f vOev  Xöxujv  6vtujv  ,  biaKÖt|iai  t€  oö  ß<jibiov 
fCTai  Xöxov  dpOiov  TrpociövTa.  daneben  kommt  noch,  wie  bei 
unsern  compagniecolonnen,  die  gröszere  beweglichkeit  der  nicht  zur 
linie  zusammengezogenen,  sondern  durch  intervalle  von  einander 
getrennten  Xöxoi  6p0ioi  in  betracht  (§  12).  eine  auf  Stellung  des 
XÖXOC  zu  8  mann  frontbreite  und  12  mann  tiefe  musz  hier  durchaus 
zweckentsprechend  erscheinen,  hiergegen  könnte  allerdings  §  12 
ÖpOiouc  dTOVTCC  o\  KpdTiCTOi  fifiÄv  TrpdiTOV  irpoclaciv  geltend  ge- 
macht werden,   indessen,  will  man  darunter  mit  Köchlj-Rüstow  die 


828  FR«aH:  zu  XenophoDB  anabaBiB. 

lente  des  ersten  Ivföw  der  ersten  durch  eindoppelung  der  numment 
5,  6,  7,  8  uacfa  der  front  verstärkten  fviu^oiia  verstehen,  dann  be- 
greift m&n  nicht,  weshalb  gerade  die  nummem  5  als  die  KpdmCTOl 
bezeichnet  werden,  wBhrend  die  nommem  1  ja  anch  bei  der  an& 
stellnng  in  der  phdanx  zunächst  auf  den  feind  stoszen  warden. 
die  flankenrotte  hatte  eine  exponierte  Stellung,  auch  bei  ihr  wird 
man  daher  auf  die  tflcbtigkeit  der  leate  geachtet  haben,  dies  gilt  iu 
erhehtem  masze  von  der  rechten  Sänke,  deren  glieder  dem  feinde  die 
vom  Schilde  nicht  gedeckte  seite  boten,  daber  beiszt  es  Xen.  v.  staat 
d.  Lak.  II,  9  dasz  man  es  fOr  keinen  schaden  halte,  wenn  nach  aos^ 
fahrung  des  contremarscbes  der  f]TCfiiIiv  auf  dem  linken  fitlgel  stBnde, 
da  man  bei  etwaiger  überflUgelang  in  dieser  Stellung  gegen  den  feind 
gedeckt  sei:  et  T<!ip  Tivec  KUKXbücSai  ^TTixeipoiEV,  oük  öv  Kaiä  t& 
Tu^vd,  dXXd  KOTÜTä  ibnXicp^va  ncpißdXXoiev  dv,  vgl.Thuk.III23. 
V  10  u.  71.  Xen.  Bell.  IV  2,  22.  der  rechte  flOgel  der  ph&lanx  war 
der  gefShrdetste  und  gebührte  den  tepfersten,  den  Lskedaimosiem. 
eetit  man  dos  gleiche  ftlr  den  einzelnen  locbos  voraus,  so  finden 
obige  werte  ihre  genügende  erklfirung. 

Auch  in  anab.  T  2,  11  haben  KSchly-RDstow  formation  dar 
Xöxoi  dp6ioi  angenommen;  Xenopbons  worte  bieten  indessen  für 
diese  annabme  keinen  anhält:  ^KäeuCE  töv  Xöxov  ^koctov  TTOtf^coi 
TLbv  XoxaTii>v  ibc  Öv  xpÖTiCTa  oIiiTai  ÖTUJviEk6ai.  noch  weniger 
berechtigung  hat  dieselbe  in  anab.  III  i,  22,  wo  nach  VoUbrecht  das 
einrücken  in  die  queue  des  Vierecks  X^x^"^  öpdioic  erfolgt. 

Wie  die  lochen ,  werden  auch  die  reiterilen  zuweilen  in  reihen 
zam  angriff  geführt.  Alezandros  sprengt  äp6iaic  raic  tXaic  des 
Skythen  am  Tanais  in  die  flanken :  Arrian  IV  4,  7  aÜTÖC  Tfjv  Xo(- 
Trf|V  titnov  fr(wv  cnouti^  ^v^ßaXXev  öpölaic  toTc  iXtiic.  in  der 
scblacbt  bei  ßaza  umfassen  Ptolemaios  und  Seleukos  auf  diese  weiae 
den  flügel  des  Demetrios:  Diod.  XIX  63,  3  f.  tö  M^V  TipürTOV  in* 
äKpuiv  TÜJV  Kepdtwv  iTcno^axia  cuv^ctt]  tiüv  TtpoTeTOTM^vujv 
inn^ujv,  iv  otc  no\ii  inpoxipovv  o\  nepi  töv  Ärmtitpiov.  ^CT' 
öXItov  bt  Tiüv  nepl  TTToXenatov  «al  ÖXeuKOV  ntpimireucdvTujv 
TÖ  K^pac  KOl  ß)ai<5TEpov  ^nevexö^VTiuv  6p0aic  xoic  iXaic  usw.  viel- 
leicht gehflren  hierher  auch  Arrian  V  15,  2  t6  inn^wv  ciTqKiC  oOk 
^ni  nexiIiTtou,  dXXd  kot'  iXac  ^fjßcßXTiKÖc  (anders  KOcbly-Itnetaw 
s.  301  anm.  39)  und  III  14,  6  o\  bi  in\  toC  K^pujc  Tuiv  TTepciIiv 
TiepiiTTireücavTSC  tö  'AXeSdvbpou  eöiüvunov  KOiä  K^poc  loic  djiqpl 
TTap^viujva  ^v^ßaXXov.  meine  auffassung  der  Xöxoi  dpdioi  als 
'reihencolonnen'  wird  auch  bestätigt  durch  Polyainos  III  4,  2  il>op- 
^iuiv  TpidKOVTa  vaOc  ixuiv  .  .  ^toSe  töc  Ihiac  ^nl  niviE  xal  Tiapä 
■rtiv  xdEiv  Tiüv  ivavTiujv  aürdc  ^Kefvac  iipociJTev  dp31oic  tät- 
^aclv  und  welter  iitKjpi^fat  t^v  dauToü  nEVTavatav  ^v^ßaXXe. 

Ich  scbliesze  hiermit  die  aufz&hlung  der  mir  bekannten  an- 
wendungen  der  fipOiai  Td£Eic.  in  allen  fBllen  entscheide  ich  mich 
fUr  eine  unseren  reihencolonnen  entsprechende  formation.  zum  be* 
griffe  der  Xdxoi  JpSioi  gebärt  daher  keineswegs,  dasz  sie  aneh  taa- 


FBeuss:  zu  Xenophons  anabaais.  829 

«inandergezogen  sind  und  auf  gleicher  höhe  operieren;  sie  können 
ebenso  gnt  als  dpOioi  einander  auf  dem  marsche  folgen,  die  dea- 
tong  derselben  als  ^compagniecolonnen'  trifft  znflillig  nur  anab.  IV 
2,  11  u.  13.  8,  10—19.  V  4,  22  und  Arrian  IV  25,  2  zu. 

3«  anab.  III  4,  19 — 23.  über  diese  für  die  erklärung  ftuszerst 
schwierige  stelle  handeln  EöchlyBüstow  ao.  s.  187--;89,  Vollbrecht 
Jahrb.  1856  abt.  11  s.  76  ff.,  Wahner  im  programm  von  Oppeln  1865 
und  neuerdings  BBünger  oben  s.  713 — 716.  obwohl  ich  die  von 
Eöchly-Rüstow  ausgesprochenen  ansichten  im  wesentlichen  als  rich- 
tig anerkennen  musz,  glaube  ich  doch  von  einer  besprechung  dieser 
stelle  nicht  absehen  zu  dürfen,  da  Bünger  zu  vielfach  abweichen- 
den resultaten  gekommen  ist^  denen  ich  nicht  beistimmen  kann, 
letzterer  will  zunächst  in  §  19  die  worte  f{  yecpüpac  als  unecht 
beseitigen;  dazu  liegt  meines  erachtens  kein  zwingender  grund 
vor.  die  beiden  von  Xen.  angeführten  misst&nde  sind  nicht  zwei 
scharf  gesonderte  fälle,  die  einander  ausschlieszen,  sondern  sie 
können  recht  gut  neben  einander  bestehen  und  beim  passieren  einer 
brücke  zugleich  eintreten,  die  ersten  Schwierigkeiten,  die  durch  die 
natur  des  weges  bedingt  sind  (vgl.  Bünger  s.  713),  verschlimmem 
sich  in  dem  besondem  falle,  dasz  eine  brücke  i^  dXXr)  Tic  bidßacic 
(vgl.  II  3,  10  diroioCvTO  biaßdceic  dx  q)oiviKU)v)  zu  überschreiten 
ist;  dann  eilt  jeder  als  erster  hinüberzukommen,  die  Verwirrung 
und  Unordnung  wird  in  diesem  falle  noch  gröszer.  der  aufzählung 
dieser  misstände  entsprechen  folgerichtig  die  in  §  21 — 23  erwähnten 
maszregeln  zur  Verhütung  derselben,  was  diese  betrifft,  so  stimme 
ich  Bünger  bei,  wenn  er  der  —  freilich  nicht  von  Köchlj-Rüstow 
geteilten  —  ansieht  derjenigen  entgegentritt,  die  in  §  21  ött^)li€VOV 
ijCT€pot  von  der  Vereinigung  der  drei  elitelochen  der  töte  mit  denen 
der  queue  verstehen,  aber  derselbe  einwand,  den  er  gegen  diese  er- 
hebt, läszt  sich  auch  gegen  ihn  erheben :  auch  nach  seiner  erklärung 
bleiben  die  drei  elitelochen  nicht  an  der  tdte,  sondern  schieben 
sich  hinter  die  übrigen  abteilungen  derselben,  auf  s.  715  will 
Bünger  freilich  diese  worte  vom  abbrechen  der  lochen  in  sich ,  vom 
auflösen  in  kleinere  teile  verstanden  wissen ;  allein  gegen  diese  auf- 
fassung  bemerkt  er  selbst  mit  vollem  recht:  'streng  richtig  wären 
ja  diese  worte  nur,  wenn  immer  die  ganzen  drei  lochen  zurück- 
geblieben wären.'  Köchly-Büstow  nehmen  an  dasz  an  die  stelle  des 
irXaictov  icöirXeupov  das  TiXatctov  iTep6}ir\K€C  getreten  sei.  bei 
dem  durchmarsch  durch  ein  defil6,  besonders  bei  dem  Übergang 
über  eine  brücke  musten  sich  die  flanken  zu  einer  mehr  oder  weniger 
breiten  marschcolonne  zusammenziehen,  es  galt  daher  dieselbe  wäh- 
rend der  auflösung  des  TTXaiciov  durch  eine  stets  schlagfertige  avant- 
nnd  arridregarde  gegen  feindliche  angriffe  zu  sichern,  also  etwa  die- 
selben Vorkehrungen  zu  treffen,  welche  Xen.  anab.  VI  5,  9 — 11  vor- 
schlägt (Xöxouc  cpuXaKac).  die  300  mann  bleiben  immer  an  der  tdte 
(KOchlj-Büstow  s.  188  figur  80^),  300  immer  an  der  queue  (figur 


830  PKeuss :  zu  XeoophonB  imabaaia. 

SC),  weiter  besagen  auch  Xenophons  wort«  sichte:  oGtoi  (dh. 
Xöxoi,  nicbt  Xoxa-rof)  hi  TTopeuÖMEVOt,  6iTäTE  ^v  cupclinTOt 
TÖ  K^paTU,  ÜT^^^cvav  ücTcpoi,  ilücTe  fxf)  ^voxXcTv  toTc  x^paciv.  ar 
bat  damit  nicht  ein  haltmachen  gemeint  —  denn  dann  wKre  iropEt^ 
d^EVoi  unversttlndlich —  sondern  will  vielmehr  sagen:  'diese,  weiter 
marschierend,  machten  erst  später  halt',  nemlich  als  di«  K^pOtni} 
ücTCpoi  ist  zeitlich,  nicht  local  zu  fassen,  daaz  auch  von  der  Uttt 
das  haltmachen  gilt,  wird  keinem  befremdlich  erscheinen,  der  selbst 
einmal  den  durchgang  einer  gröszem  truppenabteilung  dnrch  «m 
defile  mitgemacht  hat  und  die  Zeitdauer  kennt,  welche  derselbe  in 
ansprucb  nimt.  selbstverständlicb  bezieht  sich  dieser  aoadraok  nur 
auf  die  300  mann  der  t£te;  Xenophon  unterlSszt  es  in  erwähnen, 
daez  die  300  mann  der  qneue  hinter  der  marschcolonne  als  arriire- 
garde  zurOckblieben.  damit  ßllt  aber  auch  jeder  grund  die  worta 
Kai  naptitov  ££iuÖev  tU>v  KEpäriuv  zu  TerdScbtigen  fort  die  300 
mann  traten  aus  der  tSte  und  der  queue  heraus  und  marschierten 
(napn-fov,  vgl.  Arrian  taktik  30  TiopäTEiv  bk  önoT^pqi  oSv,  £iTEit>dv 
xä  TtXäTict  qioßiüfiESo,  c.  28  napaTUiTl^)  also  ^EluBev  tüiv  KEpÖTuiv, 
was  nicht  blosz  den  marsch  auf  den  beiden  flanken  zu  beieiohnen 
braucht  (Polyainos  UI  10,  7  von  den  vier  selten  gebraucht),  niobt 
einverstanden  bin  ich  mit  der  auch  von  KOckly-BUstow  yorgescUi^ 
geuen  erklärang  von  §  22  kotö  Xöxouc,  Korä  hevttikoctOc  und  kot' 
^VutMOTiac.  mit  kut'  ^vwpoTiac  wird  nicht  die  aufstellung  der  vier 
cnomotien  neben  einander,  sondern  hinter  einander  bezeichnet  (vgl. 
oben  3.826).  Xenophons  aasdmcksweise  gemSsz  mnsz  KOiä  Xäxouc 
von  der  aufstellung  der  Xdxoi  mit  voller  frontbreite  hinter  einander 
verstanden  werden  (I  2,  16  kqt'  IXac  Kai  Kaxct  Tä£eic,  vgl.  Arriju 
anab.  III  15,  2  ic  ßä6oc  te  tdp  oto  bi]  iXoböv  tetoth^voi);  eben» 
wenig  kann  an  eine  aufstellung  des  Xöxoc  mann  hinter  mann  bei 
Xenophon  gedacht  werden.  KttTÖ  X<3xouc  beiszt  hier  also;  dw 
3  lochen  folgten  einander,  Kaxä  nEvtriKOcrOc  ■=■  6  halboompagnien 
hinter  einander,  xar'  Ivui^iiac  •=  12  secüonen  (enomotien)  fainter 
einander,  ich  schlage  daher  eine  amstellung  der  werte  KOtd  XÖXOUC 
und  kqt'  £vlu^OTiac  bei  Xen.  vor;  die  veraetinng  derselben  kann 
von  einem  Abschreiber  herrühren,  dem  die  anßasBung  der  Xöxoi  >U 
rotten  (vgl.  Arrian  taktik  4)  gelttufig  war.  in  §  33  wird  dann  der 
specielle  fall  eines  brückenUbergangs  wieder  besprochen:  er  ist 
durchaus  nicht  aaf  die  ßOO  mann  zu  beziehen,  diese  nehmen  ihre 
Stellung  vor  und  hinter  den  truppen,  nnte;  ihrem  schütze  vottiiehea  ' 
dieselben  den  überg&ng.  die  aiuselnen  abtulungen  brechen  ab  und 
marschieren  in  einer  bestimmten  ordnnng,  fUr  deren  au  frech  terbtd- 
tung  die  lochagen  zu  sorgen  haben:  OÖK  £TapäTTOVto ,  äX\'  iv  ttp 
^^pEl  ol  XoxoTol  bi^ßaivov '  ud  el  nou  iitn  xi  xfjc  (pdXdTfoc  {f^ 
irgend  einem  punkte  der  phi  x),  jmitapfloav  ouroi.  diu  lochüen 
waren  sofort  zur  stelle,  i  i  irffendwo  ibre  anwesenheit  erfoTaiar> 
lieh  war  und  die  Ordnung  i      Brt  in  i  ndan  drohte. 

Auch  im  gleichMiti     i  '  am  vMlaulit.  dÜi^-i 


FRensB:  zq  Xenophons  anabasis. 


8S1 


Seiten  Kard  Xöxouc ,  dh.  je  drei  lochen  in  drei  staffeln  von  je  acht 
gliedern  aufgestellt,  das  TrXaiciov  IcönXeupov  ist  ein  cxfifio  rerpd* 
Tujvov ,  dessen  CTÖ^a ,  oäpd  und  irXeupai  gleiche  iSnge  haben  und 
bei  hopliten  von  der  gleichen  anzahl  Soldaten  gebildet  werden: 
vgl.  Arrian  taktik  10  Ka\  TÖ  iräv  cuvTaTjua  tc  T€TpdTU)VOV  cxf)MO 
TaxB^v  ic  dKKa(b€Ka  lx^\  tö  jutikoc  Kai  tö  ßdOoc,  von  der  reiterei 
dagegen  c.  16  al  rdp  TCiaGrai  TdEeic  tijj  jiiv  dpiOfiCj!!  iT€pofAif)K€i€ 
cici,  Tifi  be  cxifjfiaTi  ic  T6TpäTU)V0v  KaOicravTm.  Vollbrecht  rechnet 
daher  auf  töte  und  queue  je  2464,  auf  jede  flanke  2336  mann,  bei 
einer  aufstellung  von  acht  mann  tiefe  kommen  auf  die  tdte-  und 
queueseite  308  mann ,  auf  jede  flankenseite  292  -}~  ^  der  tdte-  -f*  ^ 
der  queuetiefe  =  308  mann,  mit  recht  fragt  hier  Wahner  (ao.  s.  2 
anm.  6):  *zu  was  brauchten  die  Qriechen  ein  so  grosses  viereck?' 
ich  lege  dieselbe  zahl  der  hopliten  meiner  berechnung  zu  gründe 
wie  YoUbrecht,  also  9600  mann  <=>  96  lochen,  12  mann  breit  und 
8  mann  tief  aufgestellt;  ich  schliesze  mich  aber  darin  Wahner  an, 
dasz  er  in  figur  I  seiner  abhandlung  die  flankenseiten  als  hauptrahmen 
der  aufstellung  annimt.  auf  die  flanken  rechne  ich  daher  je  30  lochen, 
auf  die  t^te  und  queue  je  18 ,  so  dasz  immer  je  3  lochen  hinter  ein- 
ander zu  stehen  kommen,  auf  den  flankenseiten  stehen  daher: 
10  X  12  >»  120  mann,  auf  der  tdte-  bzw.  queueseite:  6  X  12 
+  2X3X8  (tiefe  der  3  lochen  auf  den  beiden  flanken)  — 120 


mann. 


3X8  +  6X12  +  3X8  =  120 


o 

II 

X 

o 


Auf  den  mann  3  griechische  fusz  gerechnet  betrug  also  jede 
Seite  des  Vierecks  360  fusz  (110,96  m.),  der  flächeninhalt  desselben 
129600  D  fusz.  die  seite  des  hohlen  raumes  hatte  daher  eine  länge 
von  3  X  72  =  216  fusz,  und  als  flächeninhalt  desselben  ergeben 
sich  46656  D  fusz.  dieser  räum  genügte  vollkommen  zur  aufnähme 
der  leichtbewa&eten  und  des  trosses  (vgl.  Wahner  ao.  s.  2  anm.  6). 

Wetzlab.  Friedrich  Beuss. 


832        HFlacb:  zum  fßnfteD  boche  der  Ariitoteliicben  politik. 

117. 

ZUM  FÜNFTEN  BUCHE  DER  ABISTOTELISCHBN  POLITIK. 

DasE  uns  die  Aristotelische  politik  in  einem  anß'allend  unvoU- 
kommenen  zustand  Überliefert  ist,  bei  welchem  Dicht  nor  gtjae 
bUcher  fehlen ,  andere  an  eine  faleche  stelle  geraten  sind ,  sondern 
auch  einzelne  sStze  in  sonst  gut  Überlieferten  partien  aus  dem  in- 
samiDctibatig  gerissen  dastehen*,  daran  kann  heute  nach  den  kriti- 
schen bemübungen  Susemibls  und  seiner  vorgSnger  kein  verstBiitligier 
mehr  zweifeln,  nur  das  eine  wird  noch  vielleicht  einer  künftigen 
kritik  Überlassen  bleiben,  nachzaweiBen,  auf  velcbe  weise  bisweilen 
in  den  scheinbar  vollkommenen  und  abgerundeten  stellen  einerseits 
das  episodenbafte  und  excursierende ,  anderseits  das  misachten  einer 
schon  angedeuteten  disposition  und  abspringen  von  einer  bereife 
begonnenen  reihenfolge  der  argumente  (man  vgl,  zb.  V  1337*  ff. 
V  1339''  13  mit  15  und  1340*  6  ua.,  oder  die  Zurückweisung  der 
naibiä  als  unterrichtszweck  V  1339*  27,  der  bicrruilll  z.  29,  und 
dai»  fehlen  der  Zurückweisung  des  naibefa  z.  41)  oder  der  fragen  eo 
stOrend  zu  tage  tritt,  wenn  ich  in  den  folgenden  Zeilen,  in  denm 
ich  einige  schwierigere  stellen  des  fUnften  bncbes  bebandeln  will, 
bin  und  wieder  mit  der  auffassung  Susemibls  in  widersprach  trete, 
Bo  Koll  dies  nur  zeugnis  von  meinem  bestreben  ablegen,  deraelben 
in  jeder  beziebung  möglichst  gerecht  zu  werden. 

1337  '•  1 1  ßcai .  .  öxPItTOV  direpTCtCovTai  xö  cCüjin  tiüv  Acu- 
O^ptuv  f|  T^v  ifuxfiv  f|  Tfiv  biävoiav.  hier  bat  3.  f\  -rtiv  M'wx'iv  in 
beiden  ausgaben  eingeklammert  und  vermutet  iasz  HiUX^V  vielleiobt 
eine  andere  leeart  zu  biävoiav  sei.  ich  balte  die  Uberlieferong  fBr 
ricbtig,  da  eine  scfaHdigung  des  körpers  oder  der  seele  oder  des  7dr- 
standcK  durch  die  bandwerksmäszigen  bescbäftigungen  in  aussieht 
gestellt  ist,  wobei  man  vielleicht  an  die  thStigkeit  des  schneiden 
oder  scbuätcrs,  des  fleii>cberB  oder  feldarbeiters  zu  denken  hat.  die 
Kidi  auf  das  gemütalebcn  beziehende  beduutung  von  ipuxn  scheint 
durcb  13 10"  5  f.  ölW  öpfiv  et  nij  (sc.  f]  (louciKii)  Kai  Tipöc  t6  i\8oc 
CuvTElvei  KUl  Tipöc  Tf]V  ijiuxtiv  gesichert  zu  sein. 

133K»  9  üjcie  tpavEp6v  öti  btl  koI  trpöc  ifiv  ^v  Tfl  bia- 
TU)t4  (^XoXiiv  )iav6äv£iv  ärra  xal  naibtuecdai.  dasz  dieser  aua- 
driiik  sebr  auffallend  ist,  unterliegt  keinem  Zweifel,  wenn  man  einig« 
;!L'ilun  weiter  unten  liest  Tf|V  iv  tQ  cxo^^  biOTUifriv,  und  noch 
weitt-r  TaÜTJiv  dp(cTr|V  tivoi  biOfiUTi^V,  oder  IV  15  aa.  npdc 
Tf]v  cxoXf|V  Kai  biafuiTi^v  und  ähnlichee  vergleicht  atidermts 
ist  nicht  einzusehen,  warum  man  nicht  ebenso  gut  von  einer  'wflr- 
digen  geistesbefriedigung  wKhrend  der  motu*  wie  von  einer  'mnue 
bei  würdiger  geiateabefnedigtmg'  (Bu"miblr  'in  hSehatar  geiatae- 


HFlach :  zum  fünften  buche  der  Aristoteliachen  politik.        833 

befriedigung  hinzubringende  mnsze')  sprechen  kann,  was  wohl  der 
entscheidende  grond  war,  warum  S.  mit  Postgate  die  stelle  uiiTer- 
ändert  gelassen  hat.  danach  sind  die  vorgeschlagenen  ftndeningen 
von  Korans,  der  umgekehrt  Tf|V  iv  tQ  cxoXlJ  biatuiipiv  ('fttr  die 
höchste  geistesbefnedigung  innerhalb  der  musze'),  und  von  Spengel, 
der  ^v  tQ  biaTUJT^  streichen  will,  so  einfach,  dasz  sie  doch  vielleicht 
vor  der  seltsamen  Überlieferung  den  vorzug  verdienen,  möglicher 
weise  ist  aber  mit  der  der  angeführten  unmittelbar  folgenden  stelle 
Tipöc  Tf)V  dpicTiiv  (oder  KaXXicTiiv)  biaTUJTriv  zu  lesen,  was 
gerade  hier,  wo  die  notwendigkeit  des  Unterrichts  für  diesen  zweck 
betont  wird,  am  passendsten  zu  sein  scheint,  vgl.  unmittelbar  vorher 
6  b'  SpicTOc  Tf|v  dpicTr]v  Kalifiv  dird  tujv  KaXXicTUiv. 

1338*  15  oub'  ibc  xp^ci^ov,  i&cTiep  xä  Tp6|Ll^0Ta  irpdc  XPI- 
^QTicjiöv  Km  irpöc  oiKOVOMiav  KalirpöcjidOiiciVKai irpöc iroXi- 
TiKdc  TTpd£€ic  TToXXdc.  Susemihl  übersetzt  ^zur  erlangung  wissen- 
schaftlicher bildung',  ohne  anzugeben,  wo  sonst  fid9r]ac  ein  solche 
bedeutung  hat,  und  ohne  zu  berücksichtigen,  dasz  an  allen  vorher« 
gehenden  und  folgenden  stellen  ^d8T1ClC  nur  das  relative  ^erlernen' 
bedeutet  (vgl.  bes.  1337^  9.  1338«^  39  u.  40.  1339«^  29.  36  u.  38), 
oder  ^Unterrichtsmethode'  oder  ^erziehungsgegenstand'  (1337^  22), 
hier  aber  im  Zusammenhang  nun  an  etwas  concretes  gedacht  werden 
kann.  MSchmidts  versuch  [kqi]  irpöc  ^Tdc^  )Lia6r)C€ic  zu  lesen  und 
nach  dem  folgenden  irapdtoVTCC  zu  stellen  (vgl.  auch  Susemihl  add. 
s.  LXV)  ist  zu  gekünstelt  und  deshalb  undenkbar,  Susemihls  ein- 
klammerung der  Worte  in  der  zweiten  ausgäbe  überflüssig,  es  wird 
vielmehr  irpöc  if)V  jiaOimoiTiKrjv  zu  lesen  sein:  'für  geometrie 
und  astronomie'  (vgl.  Nik.  ethik  II  18),  welches  wort  auch  mis- 
verstandenes  compendium  zu  ^dOiiciv  wurde;  wobei  man  zb.  auch 
an  die  gleich  darauf  bei  gelegenheit  der  zeichenkunst  erwähnte  thtttig- 
keit  des  baumeisters  denken  kann,  ^schreiben,  lesen,  rechnen  ist 
nützlich  für  gelderwerb,  Verwaltung,  geometrie  und  für  viele  Staats- 
geschäfte.' 

1338»  37  muszmitrP*  geschrieben  werden  fxi  b^  Ktti  ÖTi  bei 
TtüvxpnciMWJV  Tivd  iraibeOecOai. 

1338^  5  musz  Kai  irepi  Tiu  cuj/üia  irpöiepov  i^  <ir€pl>  Tf|v 
bidvoiav  geschrieben  werden.  Moerbeka:  *et  circa  corpus  prius  aut 
circa  intellectum'. 

1338^  28  dXXd  Tiu  jiövov  |if|  irpöc  dcKOuviac  dcKCiv.  wenn 
man  schon  die  Stellung  von  jiiövov  ertragen  will,  musz  doch  wenig- 
stens irpöc  jLif)  dcKoOvTac  geändert  werden. 

1339*  18  Kai  d^a  ju^pijivav  irauci,  ibc  <pr/t\y  Eupiiribiic '  biö 
Kai  TaxTGuciv  oörfiv  Kai  xp^^vxai  iräci  toütoic  6|io(u)c,  öirvqi 
Kai  fi^Or)  Kai  jugucik^.  hier  liest  Bekker'  mit  F^W  dfia  irau€i  jji^pi- 
jivav  und  Bekker'  mit  Göttling  Kai  dvairaOei  ju^piMvav.  dann  sollte 
man  aber  eher  nach  der  citierten  stelle  Eur.  Bakebai  381  (diroiraCcai 
T€  jiepijLivac)  erwarten  diroirau€i,  trotzdem  an  allen  sonstigen  stellen 
dieser  partie  der  Aristotelische  terminus  ist  dvairaueiv  und  dvdirau- 

Jahrbücher  für  class.  philol.  1883  hft.  12.  54 


834        HFlach:  zum  fünften  buche  der  AriBtoteÜBcben  politik. 

cic  (1339^  lö.  16.  27.  28.  42)  oder  biavairaueiv  (1339^  30).  aber 
es  scheint  bei  der  Verdorbenheit  des  folgenden  satzes  geraten  von 
einem  äjLia  (welches  auch  Moerbeka  gelesen  hat)  dTTofoder  &va]- 
TTaÜ€i  auszugehen,  aber  &ixa  mit  Schmidt  als  verstellt  und  ursprüng- 
lich nach  biö  xal  gehörig  zu  betrachten  (so  dasz  erst  nach  der 
verätellung  die  prttp.  zu  iraOei  fortgefallen  ist),  nur  dasz  die  von 
Schmidt  restituierten  worte  biö  Kol  &^a  TdiTOUCiv  aM\y  allein 
noch  keinen  sinn  geben,  deshalb  mOchte  ich  aus  dem  folgenden  ent- 
weder die  Worte  iraci  toutoic  versetzen  und  schreiben  biö  Kai  5^a 
iräci  ToÜTOic  TdiTouciv  auTf|V  xal  xp^vrai  6|üioiuic  ÖTTVip  xal 
jLieGij  Ktti  juouciKq,  oder  &\xa  toutoic  TäTTOuci  Kai  xpu^vrai  irficiv 
öjioiujc.  die  vorschlage  von  Lambin  <€lc  TÄEiv  TaOra  T^v>  aörfjv, 
von  Reiz  auTf|v  <dv  iraibi^^ ,  und  Eora6s  <dv]>  auT^  (vgl.  c.  3  m. 
f{V  Tctp  oiovToi  biattwT^v  clvai  tujv  dXeuOdpujv,  iy  xauTij  rdr- 
Touciv)  scheinen  mir  teils  zu  umständlich  teils  weniger  verständ- 
lich zu  sein. 

1339*  21  j^  MdXXov  olr]T^ov  Trpöc  dpcTtiv  Ti  TcCveiv  t^v  mou- 
ciKriv,  Obc  buvaM^vr]V,  KaGdncp  f|  TW|ivacnKf|  tö  cdifia  irotöv  n 
TrapacK€\jdZ€i,  KalTf|VMouciKf|VTd  fjGoc  ttoiöv  ti  Ttoieiv,  £9{Zou- 
cav  buvacOai  xo^ipciv  öpOd^c.  ich  würde  mit  rücksicht  auf  c.  3  aa. 
ixf]  jLiövov  dcxoXeiv  öpOoic  dXXd  Kai  cxoXdZIeiv  buvacdat  koXiLc 
(wo  buvacOai  zu  beiden  infinitiven  gehört)  und  auf  1339^  1  dXX* 
oux  ^T^pujv  dKOuovTac  öpOuJc  T€  xot(p€iv  Kai  buvacOai  xpivctv 
(wo  entweder  mit  Spengel  x^ip^iv  buvacOai  Kai  oder  vielleicht  ein- 
facher xotip^iv  Kai  Kpiveiv  buvacOai  zu  lesen  ist)  an  dem  buvacOai 
keinen  anstosz  nehmen,  da  das  buvaM^vr^v  viel  zu  entfernt  steht, 
um  von  Aristoteles  als  Ungeschicklichkeit  des  ausdrucks  empfanden 
zu  sein,  auszerdem  aber  jeder  leser  doch  zunächst  an  die  Zusammen- 
gehörigkeit mit  TTOIÖV  Ti  iroicTv  und  nicht  mit  buva|üi^vr)V  denkte 
durchaus  unwahrscheinlich  dagegen  ist  mir  die  von  Susemihl  (add. 
s.  LXV)  gebilligte  Vermutung  Schmidts,  dasz  dieses  buvacOai  mit 
rticksicbt  auf  die  folgende  stelle  buvacOai  Kpivciv  entstanden  sei. 
wenn  man  hier  überhaupt  Moerbeka  und  der  bessern  Überlieferang 
folgen  darf,  was  mir  nicht  ausgemacht  scheint,  so  wird  es  eher  eine 
Variante  oder  interlinearerklärung  von  buvafi^vr]V  sein,  übrigens 
ist  mir  unbegreiflich ,  dasz  weder  Susemihl  noch  einer  der  frühem 
hgg,  an  dem  zweiten  Trjv  jLiouciKf)V  anstosz  genommen  hat.  dies 
scheint  mir  zweifellos  getilgt  werden  zu  müssen. 

1339»  25  f\  Trpöc  biaTUJirtv  ti  cujußdXXcTai  Kai  Trpöc  9pö- 
viiciv.  Susemihl:  'oder  endlich  trägt  sie  etwas  bei  zur  höchsten 
geistesbcfriedigung  und  intellectuellen  bildung?'  aber  abgesehen 
davon  dasz  q)pöviicic  so  wenig  identisch  ist  mit  *intellectaoller  bil- 
dung' wie  oben  pdOricic  mit  'erlangung  wissenschaftlicher  bildang', 
so  wird  durch  diese  unsinnige  zuthat  der  ganze  gedankengang  zer- 
stört, es  handelt  sich  darum,  ob  die  musik  nur  als  scherz  oder  spiel 
zu  behandeln  sei ,  oder  ob  sie  eine  ethische  tendenz  habe  und  aaf 
den  Charakter  der  musicierenden  eine  günstige  einwirkung  aasfiben 


HFlach:  zum  ixliiften  buche  der  AristoteliBchen  politik.        835 

könne,  oder  endlich  ob  sie  *die  beste  und  würdigste  ausftülung  der 
musze'  bezwecke,  wie  passt  hier  eine  *intellectuelle  bildung'  hinein, 
wie  kann  diese  zweck  der  musik  sein,  und  wo  ist  in  der  folge  jemals 
von  dieser  9pövT)cic  die  rede?  denn  die  natbcia  1339^  12  bezieht 
sich,  wie  der  Zusammenhang  verlangt,  allein  auf  die  ethische  er- 
ziehung.  damit  erledigt  sich  auch  Schneiders  Vorschlag  irpöc  ^T^ 
biaTUüTlJ.  das  einfachste  scheint  nun  die  letzten  worte  zu  streichen, 
wie  Döring  im  Philol.  XXVII  704  und  Heidenhain  wollen  (der  ganz 
unnützer  weise  an  ein  glossarisches  einschiebsei  nach  dp€Trjv  1339' 
22  denkt,  wo  es  doch  auch  sinnlos  ist),  wenn  wir  jedoch  stellen 
wie  1339*»  4  ei  npöc  €ÖriM€plav  kqI  biaTWTnv  und  1339*»  23 
cuXÖTUic  TTapaXajLxßävouciv  auTf)V  ibc  buva/üi^viiv  eiiqppaivetv 
ins  äuge  fassen ,  so  scheint  das  zweite  wort  ein  ausdruck  für  glück 
oder  Seligkeit  gewesen  zu  sein,  womit  ich  nur  sagen  will,  dasz 
Spengels  conjectur  €uq)pocOviiv  mir  evident  zu  sein  scheint. 

1339*  29  dXXä  fifjv  oubfe  biatojirriv  t€  naiciv  dp^öxTCi  Kai 
xatc  fiXiKiaic  ÖTTobibövai  xaTc  xciauTaic.  fttr  x€  hat  P '  oflfenbar 
nach  einer  conjectur  des  Chalkondjlas  T€.  X€,  welches  Bekker^  ein- 
geklammert hat,  zu  verteidigen  wird  keinem  einfallen,  aber  ebenso 
wenig  zu  billigen  ist  Göttlings  mit  rücksicht  auf  einen  vorausgehen- 
den fehler  vorgeschlagene  ftnderung  X€  <^Kal  9pöviiciv^  oder  Beiz' 
xoic  Tiaiciv  oder  gar  Schmidts  conjectur  dxeXeciv  (wegen  des  fol- 
genden oubevi  Tdp  dxeXet),  die  Susemihl*  seltsamer  weise  aufgenom- 
men hat.  es  wird  zu  schreiben  sein  Ttaici  x€  dp|üiöxx€i  Kai  xaTc  .  ., 
wobei  ich  bemerke  dasz  der  satz  auch  sonst  eine  geschraubte  und 
schwerlich  richtige  Stellung  der  einzelnen  Wörter  aufweist. 

1339*  36  bi'  dXXujv  auxö  TroioOvxuiV  fiexaXa/ißdveiv  xf^c 
f|bovfic  Kai  <fiv€\j>  xfjc  |üia6r)C€UiC  schreibt  Susemihl*.  ich 
glaube  dasz  Madvigs  KOu  xf)c  |ia6i^C€U)C  aus  paläographischen  grün- 
den den  Vorzug  verdient.    Spengels  [xal]  ist  frostig. 

1339*»  5  xi  bei  MavOdveiv  aöxouc,  dXX'  oiix  ^xdpuiv  XP*J^- 
ji^viüv  dTioXaOeiv;  Susemihl:  ^indem  andere  sie  ausführen.'  und 
so  verlangt  man.  aber  wo  steht  dies?  ich  schreibe  TTOiOUji^VlüV 
nachz.  36 bi'  dXXuiV  at&xö  ttoioüvxujv  undz.  37  xoüc  auxöxoOxo 
Tr€7roiri|i€Vouc  fpTOV  Kai  x^xviiv.  XPWiM^viwv  scheint  aus  dem 
vorausgehenden  xp^icx^ov  auxQ  entstellt  zu  sein,  und  kann  allerdings 
ertragen  werden. 

1339*»  12  Kai  xi  büvaxai  xtuv  biaTropriO^vxiJüv  xpiurv,  Tröxepov 
Tiaibeiav  fj  Traibidv  fj  biatcüTriv.  unmittelbar  darauf  beginnt 
Ar.  die  beantwortung  mit  f\  X€  fäp  iraibid.  demnach  scheint  mit 
Victorius  erster  ausgäbe  iraibidv  fj  Traibeiav  geschrieben  wer- 
den zu  müssen,  welche  reihenfolge  auch  genau  entsprechen  würde 
der  c.  5  aa.  vorgetragenen,  wobei  iraibeia  mit  dem  dortigen  irpdc 
dpexfjv  xe{v€iv  und  fjOoc  ttoiöv  xi  ttoicTv  identisch  wäre,  nun 
könnte  man  einwenden,  dasz  auch  an  jener  stelle  bei  der  Widerlegung 
der  isolierten  zwecke  des  musikalischen  Unterrichts  die  reihenfolge 
der  fragen  nicht  eingehalten  ist,  da  auch  dort  Ar.  z.  29  auf  die 

64* 


836        HFlach:  zum  fünften  buche  der  Ariitoteliaehen  politik. 

raibiä  sofort  die  biOTurpfj  folgen  Iftszt,  dh.  aaf  die  erste  fnge  die 
dritte,  aber  die&  geschieht  doch  nar  wegen  der  verwandtsdiaft  dieaar 
beiden  —  leicht  und  oft  von  den  menschen  verwechselten  and  idot- 
tlficierten  (133^J^  31)  —  zwecke,  wie  sie  deshalb  anch  an  nnserer 
»teile  neben  einander  behandelt  werden,  während  der  ganz  heterogow 
zweck  der  ethischen  erziehnng  erst  mit  1340  ^  6  in  der  argumentation 
an  die  reihe  kommt,  der  sich  doch  schlieszlich  in  der  Aristoteliacha 
darb  teil  ung  als  der  wichtigste  entpuppt,  wfthrend  also  diese  reihoB- 
folge  in  der  behan  dlung  der  einzelzwecke  naturgemfisz  geboten  war, 
wäre  die.'ie  an  der  mitgeteilten  stelle  absolut  unverstftndlich.  will 
man  aUo  nicht  iraibiäv  f)  biorfiuirfiv  fj  naibctov  (nach  der  ordnimg 
hei  der  unmittelbar  folgenden  behandlung)  Terbessem,  so  mnss  maa 
w  enigbtens  die  lesart  des  Victorius  aufnehmen. 

1339  ^'  29  KQi  xpufvrai  tqic  irmbiaic  oux  öcov  im  likioy,  äkkä 
K ai  b lä  TT) V  fibovr)V.  Spengels  bi'  airrfiv  ttjv  f)bovriv  ist  dem  ainaa 
nach  treffend ,  palftographisch  sehr  einfach ,  aber  es  ist  nicht  absolat 
notwendig,  dagegen  mu&z  Kai  mit  Spengel  gestrichen  werden,  daa 
zweite  glied  enthält  keine  Steigerung  im  vergleich  zum  ersten,  sob- 
dem  schlieszt  es  aus. 

1339  ^  38  bi'  fiv  M^v  ouv  alriav  liy^ovcx  t^v  eubai^oviav  tivc- 
cOai  bia  ToÜTwv  tuiv  f)bovu)V|  rauniv  dv  Tic  eUÖTUJC  öiroXdßoi 
Tf]v  aiTiav*  TT€pi  bi  Tou  KOivwveTv  TTJc  ^ouciicf]c,  QU  bia  Tau- 
TrjVMÖvriv,  dXXa  Kai  bid  tö  xpiicipov  elvat  irpöc  toc  dvanaä- 
C€ic,  uic  £oiK€V.  Susemihl:  ^hierin  dürfte  man  denn  also  mit  recht 
die  Ursache  finden,  weshalb  die  menschen  (so  oft)  in  diesen  gewöhn- 
lichen genUssen  ihre  glUckseligkeit  suchen;  was  aber  den  gennai 
der  musik  anlangt,  so  fühlen  sie  sich  zu  ihm  nicht  nur  in  folge  dieser 
teuäcbung  hingezogen,  bondem  anch  weil  (wie  gesagt)  dendbe 
allem  anfecliein  nach  von  wirklichem  nutzen  für  die  erholung  ist.' 
die  kritiker  haben  nur  anstosz  an  der  unvollbtändigkeit  des  zweiten 
kaiztü  genommen  und  ihn  mit  grüszerer  oder  geringerer  unwahr- 
bchcinlichkeit  ergänzt.  Schmidt  wollte  <q>ai€V  &v  b€iv^  vor  bid  tÖ 
einlüf/en,  Subcmihl  <9iXoüav  auTrjv)  nach  ^övriv,  oder  <9aUv  fiv 
üTi  cpiXouciv  a\jir\)//  (b.  add.  s.  LXV),  während  Lambin  eine  Ittcka 
nach  dvanaOceic ,  Korans  eine  solche  nach  £oiK€V  annahm,  neuer» 
ding»  glaubt  aber  ßubcmihl,  dabz  wohl  aus  dem  vorhergehenden  satza 
2[iiToOciv  (aiJTriv)  zu  ergänzen  bei.  zunächbt  btimme  ich  darin  bei, 
dabz  in  dem  satze  nichts  fehlt,  möchte  aber  bezweifeln,  dasz  aus  dem 
voraiiblchcnden  relativsatzü  das  prädicat  £t]T0uciv  mit  dem  dabei* 
hlehrnden  oliject  zu  ergänzen  möglich  sei,  und  dasz  irgend  ein  leser 
t'inu  hü  unerhörte  ellipse  richtig  aufgefaszt  haben  würde,  weit  ein- 
fuchor  ibt  dub  prädicat  des  hauptbatzes  zu  suppliei*en  UTToXdßOl  dv 
TIC  sc.  ZiireicGai  oder  fiYCcOai,  wobei  ich  die  Vermutung  nicht  unter- 
drücken kann,  dasz  die  dort  nach  dem  vorausgehenden  absolut  über» 
ÜUbHigen  Worte  Tf)V  aiTiav  ursprünglich  hier  nach  pövriv  gestanden 
haben,  übrigens  bekenne  ich  offen  dasz  mir  der  gedankenfortschritt 
im  letzten  mitgeteilten  satze  nicht  klar  iat,  und  dast  ich  in  diesen 


HFlach:  zum  ffinften  buche  der  AristoieliBchen  politiki       837 

eine  Verderbnis  anzunehmen  geneigt  bin.  denn  von  allen  nnscbid- 
liehen  Vergnügungen,  welche  die  menschen  leicht  mit  dem  eiidxwe^ 
verwechseln ,  hatte  Ar.  vorher  gesagt  oö  fiövov  dpfidTTCt  irpöc  xft 
T^Xoc  dXXd  Kai  irpöc  Tf|V  dvdnauctv.  was  hat  also  die  mnsik 
vor  diesen  voraus?  und  worin  besteht  die  Steigerung  6t&  t6  Jpi^ 
cifiov  cTvm  irpöc  tqc  dvairauceic  im  gegensatz  zu  den  andern 
genüssen?  dazu  kommt  dasz  das,  was  oben  mit  gewisheit  behauptet, 
hier  mit  einschränkung  (Obc  €otK€)  mitgeteilt  wird,  wobei  fireilidi 
möglich  ist  dasz  diese  worte  sich  nicht  auf  den  Inhalt  des  letzten 
Satzes  beziehen,  sondern  das  elliptisehe  btd  Ttturrpf  iiövnv  sc  Zitrei* 
cOai.  ich  glaube  daher  dasz  vor  xpi^^MOV  eine  Ificke  zu  statoierem 
ist,  in  welcher  ursprünglich  gestanden  hat,  dasz  die  musik  vorzogs- 
weise  oder  vor  den  andern  genüssen  am  meisten  zur  erholung  nach 
den  anstrengungen  der  arbeit  geeignet  ist,  dh.  dasz  6in  wori  oder 
zwei  ausgefallen  sind,  etwa  irdvTUiv  iidXtCTa,  oder  dasz  XP^^^M^* 
TttTOV  zu  schreiben  ist  (vgl.  Nik.  ethik  X  1,  4  oö  ^övov  irpöc  TÖ 
€ib^vai  xpnc^M^TaTOv). 

1340»  30  dXX'  iv  ToTc  öpaToic  Ap^ixol  (qcTjMaTa  Top  ^cn  toi- 
aOra,  dXX'  iji\  ^tKpöv,  kqI  irdvTCc  tt^c  toioutiic  cdcOrjceuic 
KoivuivoOciv*  ^Tt  bk  oäK^CTiTaura  6^old)|LlaTa  twv  i^Ouiv,  dXXd 
CTifieia  MäXXov  rd  Twöineva  cxr\ViOLTa  xal  xp^M<^<x  Tuhf  i)8uiv 
usw.  EdMüller  corrigierte  xal  <^oö^  Trdvrec,  Spengel  versetzt  dXX* 
^ttI  fiixpöv  nach  KOivuiVOOciv,  Susemihl*  billigt  Müllers  coigector, 
zieht  aber  Spengels  vor,  Susemihl*  schreibt  mit  Spengel,  corrigiert 
aber  auszerdem  ^TT€ibf|  für  ^Tt  bk  (Heidenhain  hatte  ineX  vorge* 
schlagen),  zunächst  verstehe  ich  nicht,  wie  Müllers  coigectur  beiftdl 
finden  konnte,  es  kann  doch  unmöglich  von  Ar.  gesagt  sein ,  dasi 
nicht  alle  menschen  an  den  sichtbaren  naohahmungen  der  Charak- 
tere und  gefühlsstimmungen  teil  nehmen  können :  denn  davon  dürften 
doch  nur  die  blinden  auszuschlieszen  sein,  ebenso  wenig  verstehe 
ich ,  wenn  man  allen  die  teilnähme  sichert,  warum  diese  nur  in  be* 
schrttnktem  masze  dem  einzelnen  zugestanden  wird,  da  ja  die  in  rede 
stehende  beschränkung  gar  nicht  auf  die  art  der  teilnähme  zurück* 
fällt ,  sondern  auf  den  schwachem  grad  der  nachahmung.  ich  ver- 
mute daher  dasz  xal  ^irl  fiixpöv  zu  schreiben  und  nach  l^^a  za 
stellen  sei  (^in  geringem  grade  und  in  geringer  zahl'),  nachher  aber 
das  dXX'  für  ^ti  bi  einzusetzen:  ^bei  den  sichtbaren  jedoch  gibt  es 
solche  nachahmungen  in  geringerer  art  und  zahl  (denn  hierzu  ge- 
hören die  gesten,  und  alle  sind  für  diesen  gefühlsausdruck  loging« 
lieh),  jedoch  sind  dies  keine  ^eigentlichen^  nachahmungen  (oder 
ähnlichkeiten) ,  sondern  vielmehr  symbolische  zeichen  und  ftarben 
der  Charaktere.'  wobei  ich ,  wie  man  sieht,  sowohl  das  überflüssige 
erste  tujv  i^GiXiv  (vgl.  zu  1339*  21)  wie  das  glossarische  Td  iivö^€va 
cxrijuaTa  streiche. 

1341»  ö  9av€pöv  toCvuv  öti  bei  Tf|V  ^d01lctv  ainf^  fiiVrc 
djLiTTobiZeiv  TTpöc  Tdc  öcTcpov  TrpdSeic,  ixiyit  tö  cOa^a  irotetv 
ßdvaucov  xai  dxP^CTOv  irpöc  Tdc  TroXefiixdc  xal  TroXiTixdc  dcxi^etc, 


838        HFlftchi  zum  fOnften  bucbe  der  ArietoteliBchen  politik. 

npdc  nkv  TÄc  [xpliceic]  flbn.  npöc  bt  idc  [Moßi'icctcl 
ücTepOV.  so  Bchreibt  Susemihl'  nach  OSttling,  ffShrend  Sneemihi* 
mit  Bojesen  ^aÖi^CEic  und  XPi^CEic  umetellt.  dagegen  glaubte  Beü, 
daez  die  IIoXE^lKai  dcKticeic  die  xpf\cac  seien,  die  TToXmKal  dagegen 
die  ^aöf|CEtc ,  mit  ttbnlicher  Terkennung  des  urBprünglichen  inhslti 
wie  Schneider,  der  äxpncTOV  npöc  töc  Xpil^EtC,  npöc  TtoXe^lxäc 
Kai  noXiTiKÜc  äcK^ceic  i\br\,  np6c  bk  täc  ^aÖi^CEic  ücTEpov  leaan, 
und  Spengel,  der  i\bj]  und  iicTEpov  verteuschen  wollte,  alle  erkllrar 
haben  weder  anf  die  einzige  stelle  geachtet,  nach  welcher  die  unsiigs 
verbessert  werden  musz,  noch  auf  das  was  in  unserm  satse  gestgt 
werden  soll,  ich  schicke  voraus,  dasz  nach  Ar.  die  beschlftignng 
mit  der  musik  die  kinderklapper  ablösen  soll  (vgl.  ISIO*"  29  aCTT| 
(jfev  oOv  icTW  dpfiÖTTouca  Toic  vT]Trioic  Tiiv  nai&iujv,  fi  bk  natbcCa 
nXataTfi  tote  ^eiZIoci  tüjv  v^iuv) ,  Aasz  also  in  jener  zeit  des  nuter- 
ricbts  von  kriegerischen  und  politischen  Übungen  gar  nicht  die  rede 
sein  kann ,  und  dasz  demgemSsz  gleich  der  anfong  unseres  satni 
Keigt,  dasz  es  sicfa  nur  um  zukünftige  thBtigkeiten  haadelt, 
welche  durch  die  musik  eine  schfidigung  erleiden  kSnnton.  eine 
trennung  von  i\br\  und  ficTEpov  ist  demgetnäsz  sinnwidrig  und  kann 
nur  dem  köpfe  von  glossatoren  entsprungen  sein,  oben  aber  1337''  8 
hiesz  es  ßävaucov  b'  fpTOV  «tvai  bfl  toOto  vo^i^ElV  xal  T^XV^ 
TaÜTTiv  Kai  ^ädriciv,  ficai  npöc  Täc  xP^cEic  Kai  TCtc  npdEEic 
TÖc  ific  dpEtf^c  äxpncTov  diTEpTäZovTai  tö  cüif^a  .  .  ft  Tf^v  tifu> 
Xr]V  f|  ti\v  biävoiav.  mit  rUcksicbt  darauf  sind  an  unserer  steUe  im 
ersten  gliede.TTpä£Eic  xpc  dpETfic  zn  verstehen,  nicht  mit  Susemihl* 
die  spätere  (geistige)  thtitigkeit,  die  ja  wohl  unter  den  noXiiiKal 
TTpö£EiC  enthalten  sein  musz,  und  es  wird  wohl  XPl'lCElC  kqI  iipd- 
Eeic  gelesen  werden  mOssen  ('thStigo  ausObung  und  anwendong 
der  tugend'),  dh.  es  ist  von  dem  möglichen  schaden  der  t^UXi^  dM 
rede,  dann  folgt  der  schade  fUr  tö  ciÜMa,  womit  eigenüioh  nor 
kriegerische  thtitigkeit  gemeint  sein  kann,  und  fUr  Tf|v  btdvoiav,  der 
sich  auf  staatsmSnnische  thtitigkeit  bezieht,  die  aber  hier  summarisob 
unter  den  körperlichen  sch&den  vereinigt  werden,  da  ja  schlieszlicb 
eine  geringe  entwicklung  der  verstände sthBtigkeit  auch  ein  körper- 
liches leiden  genannt  werden  kann ,  dCKrjcEiC  kann  aber  nur  auf  die 
kriegerische  thtitigkeit  und  fiaSncEic  auf  die  politische  sich 
belieben,  leb  lese  demnach:  pi^xE  ^MirobiZEiv  irpäc  TÖc  ucTepov 
XpiicEic  Kol  npä£Eic,  miVte  t6  cilifi'^ notciv  ßdvaucov  Kai  fixpih 
CTov  npöc  Tdc  noXE^iKäc  äcKi^ccic  Kai  läc  noXiTiKdc  pa- 
Ot^CELC.  zu  diesen  sind  zuerst  die  beiden  glossarischen  erklirungan 
TÖC  nk\  fibr],  räc  bi.  ucTEpov  getreten  durch  ein  misventBndnii 
der  ganzen  stelle  (vermutlich  nach  c.  4  ae.  fifia  fifi  tQ  tc  bwvolf 
Kat  Tip  ciüfiari  bujnoveiv  oö  bei),  da  hier  im  veigincb  in  der  iwt 
des  musikalischen  onterrichts  ittr  Ar,  beides  in  der  inknnft  K 
wenn  auch  nicht  gleichzeitig  (vgl.  u.  Srov  b'  dtt*  ^ 
npöc  ToU  dXXotc  ^aSt^Mact  T^vunrnn,  ton  < 
ToTc  ndvoic  xoi  rate  dvaTKOVBTfvic  l 


AGemolli  zur  erklärung  und  kritik  der  Homeriachen  g^edichte.  IIL     839 

^XOfi^viiv  f|XiK(av}.  erst  später  ist  der  schlaszsatz  vielleicht  durch 
ein  am  rande  nachgetragenes  wort  zu  der  heutigen  gestalt  um- 
gewandelt worden. 

1341  ^  16  (&CT6  Kai  Touc  tcxvCtoc  toöc  npöc  oiiTÖv  fieXenllfV- 
Tac  aÖTouc  t€  iroioiic  Tivac  iroiei  Kai  rd  abiiaxa  6t&  t&c  ki- 
vi^C€ic.  dasz  hier  ein  fehler  verborgen  liegt,  ist  zwisifellos.  schon 
Aretinus  übersetzte  ^illius  modi',  wollte  also  toioOtouc  für  troioOc 
Tivac.  sehr  unwahrscheinlich  vermutete  Lindau  tttoiouc  (Vogel- 
scheuchen) Tivac,  welches  wort  nur  Hesjehios  kennt.  Snsemihl*  er^ 
wartet  90PTIKOUC.  ich  schreibe  ToOc .  •  ^eXcTiIkVTac  £auT(!p£oiKÖ- 
xac  Tretet. 

1341  ^  30  dKptßoXoTtav  dTyobuico|üi€v  21iit€iv  toTc  ßouXojüi^votc 
irap'  ^Keivujv,  vöv  b^  vofiiKuic  btdXui/üiev.  was  soll  das  heiszen? 
'legaliter',  wie  Moerbeka  übersetzt?  man  könnte  sagen,  dasz  eigent- 
lich das  gegenteil  davon  geschieht,  da  die  folgende  Untersuchung 
nur  summarisch  ist.  auch  XoTtKODc,  was  Korans  vermutete,  passt 
nicht  (ebenso  wenig  tcvtKi£tc,  was  am  rande  einer  Baseler  ausgäbe 
steht),  nach  meiner  ansieht  ist  vOv  b^cuvTÖjüiuic  biAujjüicv  nahe- 
liegend. 

Tübingen.  Hans  Flach. 


(40.) 

ZUR  ERKLÄRUNG  UND  KRITIK  DER  HOMERISCHEN 

GEDICHTE. 


HI.   ZUR  NEUNZAHL. 

Oben.  8.  252  anm.  3  hätte  wohl  noch  ein  zweites  beispiel  der 
Zahlenspielerei  erwtthnt  werden  können:  X  311  heiszt  es  von  Otos 
und  Ephialtes,  sie  seien  neunjährig^  neun  eilen  breit  und  neun 
klafter  lang  gewesen. ' 

Ferner  findet  sich  eine  parallelstelle  zu  w  60,  wo  die  neun 
Musen  singen,  im  hymnos  auf  den  pythischen  Apollon  v.  1 1  ff.  dort 
singen  die  Musen  &ixa  iräcat  d)Li€iß6fi€vai  öirl  koXQ;  es  tanzen  aber 
dazu  die  Chariten,  die  Hören,  Harmonie,  Hebe,  Aphrodite  dXXi/jXuiV 
inX  KapTTip  X€ipac  fxoucat  (=  C  694).  nach  KOMttller  GLG.  I'  37 
wären  dies  zehn  götter.  er  rechnet  offenbar  vier  Hören ,  was  un- 
begründet ist :  denn  bei  Homer  finden  sich  weder  ihre  namen  noch 
ihre  zahlen,  diese  hat  zuerst  Hesiodos  theog.  902  ff.,  wo  ihrer  drei 
und  gleich  darauf  (909)  auch  die  drei  Chariten  erwähnt  werden. 
es  sind  also  neun  tttnzerinnen. 

Hieran  will  ich  —  ich  thue  es  zögernd  —  noch  einige  beispiele 
anschlieszen ,  in  welchen  die  neunzahl  nicht  ausdrücklich  erwähnt 


^  auch   bei   der    rinderherde  C  578  Bind   vier  hirten  und  neun 
hnnde. 


840     AGemoU:  zur  erkl&rung  und  kritik  der  Homerischen  gedieht«.  III. 

wird,  wie  yiel  kopfbrechens  hat  doch  die  anordnong  der  bilder  auf 
dem  Schilde  des  Achillens  schon  gemacht!  am  meisten  beifall 
hat  bisher  die  Welckersche  anordnung  gefunden ,  obwohl  man  sich 
sagen  moste,  dasz  der  dichter  mit  6iner  ausnähme  nicht  ein  wort  über 
die  läge  der  bilder  zu  einander  ttuszert.  er  beginnt  481  oöräp  bf 
aiyvS^  troiei  batbaXa  iroXXä  ibuigct  irpanibecctv.  und  non  zlüüt  er 
die  bilder  hinter  einander  immer  mit  demselben  anfang  auf:  482  dv 
\iiy  faxay  i-zevV  —  490  dv  bk  buui  iroiiice  iröXeic  —  641  dv  b' 
£ti9€i  V61&V  fiaXaicf|v  —  550  £v  b*  driOet  rdfiievoc  ßaOuXrjiov  — 
561  dv  b*  dxteci  CTOcpuXqci  —  573  dv  b*  dr^Xriv  Troince  —  687  dv 
hk  vojiöv  TTolnce  —  590  ivbi  xopöv  ttoikiXXc  —  607  iy  b*  dTi0€i 
uoTOjüiOio  — .  es  sind  also  im  ganzen  nenn  bilder.  die  zahl  erklärt 
sich  daraus  dasz  die  rhapsoden  doch  einen  anhält  haben  musten  für 
das  gedttchtnis,  damit  nicht  etwa  ein  bild  vergessen  wnrde.  nur  von 
dem  letzten  bilde  heiszt  es  dasz  der  Okeanos  &VTUTOt  iräp  7rufiäTi)V 
cdxeoc  irima  itoir|TOio  gebildet  war.  also  irdp  iTU|yidTr)V  dvTUTOt, 
nicht  iv  nujütdri;)  ävruifi-  von  diesem  rande  aber  lesen  wir  v.  480 
dasz  er  dreifach  gewesen  sei.  bei  den  übrigen  bildem  Ittszt  uns  der 
dichter  volle  freiheit  ihre  läge  uns  zu  denken  wie  wir  wollen,  nach 
allen  älteren  kunstwerken,  die  bis  jetzt  zu  tage  gekommen  sind; 
werden  wir  uns  wohl  die  bilder  in  streifen  unter  einander  vor- 
zustellen haben,  so  dasz  der  dichter  zu  oberst  himmel  und  erde,  za 
Unterst  den  tanzplatz  sich  denkt   doch  davon  ein  ander  mal.  * 

Dasz  bei  städtebünden  gern  eine  runde  zahl  genommen 
wurde,  weisz  jeder  der  mit  der  alten  geschichte  vertraut  ist.  was 
wunder  daher,  wenn  im  schifiiBkatalog  die  städte  der  Phoker,  Argeier, 
Lakedaimonier,  Arkader  gerade  neun  ausmachen? 

Schlieszlich  will  ich  noch  erwähnen,  dasz  nach  (FaesiO^i*^® 
zu  r  365  im  dritten  buche  dreimal  hintereinander  reden  von  neun 
Versen  vorkommen  (162.  172.  182).  indessen  ob  man  daraus  auf 
ehemalige  strophische  gliederung  der  betrefienden  partie  schlieszeo 
darf,  bleibe  für  jetzt  unerörtert. 


'  nur  anhangsweise  will  ich  hier  erwähnen  dasz  die  ftbentener  des 
Odysseus  gerade  zwölf  an  der  zahl  sind:  1)  Kikonen,  2}  Lotopbagen, 

8)  Kyklop,  4)  Aiolos,  6)  Laistrygonen,  6)  Kirke,  7)  Hades,  8)  Seireoeo, 

9)  Flankten,  Skylle,  Charybdie,  10)  rinder  dea  Helios,  11)  Ogyg'i^ 
12)  Phaieken.  man  kann  sich  leicht  dnrch  nachlesen  von  ^  SXO  ff* 
überzeugen,  dasz  der  dichter  wirklich  so  gezählt  hat. 

WoHLAu.  Albebt  Qkuolu 


CJacoby:  zu  Dionysios  von  HalikamasOB.  841 

(60.) 

ZU  DIONYSIOS  VON  HALIKARNA80S. 


Die  grosze  belesenheit  des  Dionysios  von  Halikarnasos  macht 
es  erklftrlich ,  dasz  wir  in  seiner  'Pu)|üiaiKfi  äpxoeioXotiot  eine  grosze 
zahl  von  stellen  finden,  diu  offenbar  anklänge  an  Herodotos,  Thnky- 
dides,  Demosthenes ,  Sophokles ,  Euripides  und  viele  andere  schrift- 
steiler enthalten,  derartige  nachahmungen  und  ttbereinstimmangen 
sind  natürlich  schon  früher  beobachtet  worden ,  und  namentlich  hat 
Cobet  in  seinen  ^observationes  criticae  et  palaeographicae'  (Leiden 
1877)  eine  reihe  von  einschlägigen  stellen  behandelt:  vgl.  s.  25  und 
267.  im  allgemeinen  bemerke  ich  dasz  ganz  besonders  die  in  der 
äpxoitoXoTioc  enthaltenen  reden,  auf  die  ich  ein  andermal  eingehen- 
der zu  sprechen  kommen  werde,  gelegenheit  boten  reminiscenzen 
aus  rednern  und  dichtem  der  classischen  zeit  anzubringen,  und  selbst- 
verständlich  hat  Dionysios  diese  gute  gelegenheit  nicht  unbenutzt 
vorübergehen  lassen,  ich  denke  übrigens  nicht  irre  zu  gehen,  wenn 
ich  behaupte  dasz  er  in  erster  linie  diejenigen  schriftsteiler  im  köpfe 
hatte  und  verwertete,  die  er  in  den  rhetorischen  Schriften  behandelt 
und  zum  teil  in  der  toiv  dpxaiujv  xpicic  aufzählt,  um  misverständ- 
nisse  zu  vermeiden ,  sei  gleich  hier  bemerkt  dasz  ich ,  wenn  ich  von 
nachahmung  spreche,  natürlich  nicht  meine  dasz  Dionysios  jedesmal 
beim  niederschreiben  diesen  oder  jenen  Schriftsteller  vor  äugen  ge- 
habt habe,  sondern  es  so  verstehe,  dasz  er  ausdrücke,  Wendungen, 
bilder  und  vergleiche,  die  ihm  im  gedächtnis  geblieben  waren,  an 
passender  stelle  verwendete,  so  ist  es  gekommen  dasz  wir  manche 
Wendung  zwei;  drei  und  mehrere  male  antreffen. 

V  27  (II 144,  25  E.)  und  Isokrates  Archid.  s.  138  \  wie  häufig 
Dion.  lieblingswendungen,  die  nicht  einmal  original  sind,  zu  ge* 
brauchen  pflegt ,  ersieht  man  recht  deutlich  aus  folgendem.  Mucius 
Scaevola  gibt  V  27  dem  senat  von  seinem  unternehmen  den  könig 
Persona  zu  ermorden  kenntnis,  indem  er  unter  anderm  folgende 
Worte  spricht:  elc  tocoOtov  bf|  Kivbuvov  dfiauTÖv  KaGidvai  fiAXwv 
ouK  dSiuj  XaOeTv  äiravTac  aiuipnOek  iitip  ^€T<iXuiV,  iäv  äpa  cujLißQ 
MOi  bia|üiapT€iv  ttjc  rreipac,  dXX*  ^tt\  KaXoic  fpxoic  |i€T6Xu)v  diral- 
vu)v  TUTX<iv€iv,  i£  dbv  dvxl  toö  GvtitoO  cuü^axoc  dSdvaTOV 
iiirdpSei  jici  kX^oc.  dieselben  werte  läszt  ihn  Dion.  V  29  spre- 
chen ,  als  er  von  den  Soldaten  des  Porsena  ergriffen  vor  diesen  ge- 
führt wird:  ifth  'Pui/üiaioc  \xiy  eljiii  .  .  ouk  dTVOÄv  ^ikv  ön  Kai 
KaTopGuücavTi  Kai  biaMapiövii  Tfjc  dXTtiboc  dTToGaveiv  öndpx^i 
^01,  xapicacGai  bfe  tt|  TCivain^vrj  Tf|v  d|üiauToO  ipux^v  irpcaipcij- 
H6V0C  Kai  dvxl  TOÖ  Gvr]Toö  ciüfiaTOC  dGdvaTOV  böSav 
KaTaXiTTcTv.  dieselben  worte  finden  wir  in  der  rede  des  C.  Clau- 
dius, die  er  im  senat  hält;  seinem  oheim  zurufend  fordert  er  ihn 
XI  13  (IV  107,  21)  auf:  dTtöboc  Tf|v  dpicTCKpariav  ifji  irorplöi  Kai 
Tijüidc  Xdfißav€  TTapd  tujv  icuiv  Kai  V\kov  Tutxove  irapd  tiDv  im- 


842  GJacoby:  zu  Dionysios  yon  HalikarnaBOB. 

TiTVO)Li^vujv  Kai  kX^oc  dGAvarov  dvxi  xoö  6vt|toö  ciAfyia- 
Toc  KaTdXi7T€  ToTc  ifföyoxc.  endlich  kehren  dieselben  worte 
auch  in  der  rede  des  CamiJlas  wieder,  mit  der  er  die  Soldaten  vor 
dem  kämpfe  mit  den  Galliern  anfeuert;  dort  XIY  9  (IV  204,  28) 
lesen  wir:  ^aicdpiGV  m^v  S£ovt€C  töv  dirö  TOÖbc  xpövov,  otc  ftv 
duT^viiTai  TÖV  diripav^CTaTOV  tQ  Traxpibi  cT^9avov  KCtroTttTciv, 
KaXfjv  bk  Kai  dOdvaTov  e&KXeiav  KaTaX€ii|iovT€C  dvrl 
ToC  6vT)ToG  ciAjüiaToc  viiTTioic  iraici  KaitnP^^io^  TOveOav. 
ich  füge  hier  zum  vergleiche  noch  die  worte  an,  welche  Maroioi 
Coriolanus  YIII  40  (lU  151,  23)  zu  seiner  mutter  spricht:  kqXÖC  6 
Kivbuvoc ,  H)  Ou€Toup(a  .  .  kX^oc  dp€Tf)c  dOdvaTOV  ^övotc  Tolt 
£co|Li^voic  KaTaXmeiv.  dasz  aber  die  oben  angeführten  worte  sob 
Isokrates  Archid.  s.  138^  stammen,  zeigt  schlagend  folgender  ver- 
gleich; hier  heiszt  es:  ixr\bk,  Tiepi  irXeiovoc  9aviJLifi€V  irotcujüicvoi  t6 
lf]y  Tou  irapd  irdciv  dvOpiJbiTOic  €ÖbOKi|Li€iv  £v8u^1l6^VT€C,  ön  icdX* 
Xiöv  dcTiv  dvxi  9vT]T0ö  ciIifiaTOC  dOdvaTov  böEav  dvrir 
KaTttXXd^acOai,  Kai  Miux^c,  f^v  oux  ^Sojiev  öXituiv  £tuiv,  nplaicBm 
ToiauTr]v  eÖKXeiav,  f\  ndvxa  töv  aitl^va  toic  ii  f|möv  T€vo^^- 
voic  Tiapafievei.  zugleich  aber  bitte  ich  noch  Isokrates  Paneg. 
s.  56  ^  zu  vergleichen :  outoc  dbÖKCi  ttXgCtov  dcqMxX^CTaTOV  K€icTf)- 
c9ai  Kai  KdXXtcTov,  öctic  ToiaOTa  Tirrxdvoi  irparruiv,  Ü  div  aöröc 
T€  jLiAXoi  jidXicT '  €uboKi^r)c€iv  KaiTOtc  iraicl  |ieTicTT)V  66£av 
KaTaXeii|i€iv.  dasz  jedoch  auch  bei  Isokrates  selbst  der  obig« 
gedanke  wiederkehrt,  zeigen  die  worte  welche  er  an  Philippoi 
(Phil.  [5]  s.  109<^)  richtet:  dXXd  fäp  ou  irpöc  Tdc  toijtujv  ich^mc 
dTToßX^ipac  TTOioO|üiai  touc  Xötouc,  dXX'  oiöfievoc  £k  toütujv  ^6- 
TiCTiiv  CGI  Kai  KaXXicTT|v  TCv/jcecOai  böEav.  IvOufüioO 
b'  ÖTi  TÖ  M^v  Cfjiixa  OviiTÖv  &TTavT€C  f  xo^ev  usw.  wenn  ioh 
nun  zum  schlusz  noch  erwähne  dasz  Dion.  in  seiner  schrift  trcpi  Tuiv 
dpxaiujv  ^YiTÖpujv  UTTOjLiviiMOiTic^Gi  (V  8.  546  und  562  Bsk.)  die  ana 
Isokrates  zuletzt  angeführten  worte  ausdrücklich  hervorhebt,  80 
wird  an  der  vorläge  nicht  zu  zweifeln  sein. 

V  27  (II  144,  23)  und  Herodotos  VUI  100.  die  von  Muciua 
Scaüvola  gebrauchten  und  oben  angeführten  worte  UTT^p  ^etdXuiv 
alujpriOeic  haben  ihre  vorläge  offenbar  im  Herodotos :  denn  VIII 100 
hci&zt  es  daselbst  vonXerxes:  Mapbövioc  . .  ppovTicac  npöc  £uiutAv 
(bc  . .  oi  Kp^ccov  etil  dvaKivbuveOcai  f\  KaTcpTdcacOai  Tf|v  *€XXdba 
f|  aifTÖv  KaXuiC  TcXeuTf^cai  töv  ßiov  ünip  ^cydXujv  aluipriO^vTa. 
übrigens  gebraucht  Dion.  das  verbnm  aluipeicOai  noch  an  zwei 
anderen  stellen  und  zwar  in  Verbindung  mit  iiii  fiiKpdc  ^oirf^c,  nem- 
lich  VIII  52  (III  166,  30)  in  der  an  poetischen  und  redneriachea 
reminiscenzen  reichen  rede  der  Veturia,  welche  Dion.  dort  sagen 
läszt:  ^v  olc  Tdp  dvOciv  ibÖKCic  TToXiT€UMaci  Kai  noXuc  £irv€ic 
^vavTiou|Li€voc  \mi.p  rf\c  dpicTOKpaTtac  toTc  bii|üiOTiKOtc,  laöt' 
^jLioi  cpößou  MCCTd  f)v  ^vOuMOUM^vq  töv  dvOpuiirivov  ßiov  die  dirl 
MtKpdc  alujpeiTai  ^oirfic ,  und  in  der  rede  des  Camillns  XII  14  (IV 
187,  15)  Ineij'  £v6u^ii6€ic,  djc  inX  piKpfic  aluipeiTQi  ^OTrf)c  f|  n&v 


CJacoby:  zu  Diony&ios  von  Halikarnasos.  843 

iivOpuiTTuiv  €ubou^ovia  xal  ß^ßaiov  oöb^v  biafi^vei  tuüv  dradt&v. 
dasz  Dion.  diese  werte  einer  vorläge  entnahm,  glaube  ich  bestimmt, 
wenngleich  ich  sie  nicht  nachweisen  kann.  iiA  jiiKpac  poitf\c  ist  ein 
häufiger  ausdruck,  der  sich  zb.  bei  Euripides  Hipp.  1163  ^IttttÖ- 
AuTOC  .  .  b^bopK€  in^VTOi  q)üjc  dni  CMixpäc  {ioiif\c  und  bei  Plutarch 
Artax.  30  f)v  irc\  ^OTrf)c  fiiKpäc  findet. 

V  4  (II  116,  20)  und  Euripides  fr.  796  Ddf.  als  Tarquinius 
aus  Rom  vertrieben  war,  schickt  er  gesandte  an  den  senat,  welche 
diesen  ersuchen  sollen  dem  könige  zu  verstatten  sich  zu  verteidigen. 
€l  bi.  ^KcivifJ  TauTTiv  oi)  ßouXovrai  boCvai  Tf|v  x<^piv,  heiszt  es 
weiter,  ttJc  beo/jidviic  xmkp  auioö  nöXeuJc  ?V€Ka  juerpidcai  . .  dv- 
6pumouc  bk  övrac  \xr\bkv  öirfep  Tf|v  9ÜCIV  Tf|v  dvGpwTtiviiv  9po- 
V€iv  }xr\bi  dOavdTouc  ^x^^v  tqc  öpxdc  £v  Bviitoic  cib/üiaciv.  zu 
diesen  werten  bemerkt  Gebet  observ.  s.  93 :  ^flosculum  ex  Euripide : 
dOdvQTOV  öpT^v  jifi  9uXacc€  Oviitöc  üjv.'  leider  gibt  Cobet  nicht 
an,  aus  welchem  stücke  des  Euripides  der  vers  stammt,  vergiszt 
auch  zu  erwähnen,  dasz  Dion.  dieselben  werte  die  Veturia  zu  ihrem 
sehne  sprechen  Iftszt ;  Ym  50  (III 164, 32  ß.)  nemlich  lesen  wir :  auTOl 
Top  bf|  Trpdrrov  ol  raOra  KaxacTiicd^evoi  Kai  napaböviec  fmiv  Geoi 
cuTTVii)MOV€C  ToTc  dvOpuiTTivoic  ciciv  dfiapTTJfiaci  xal  eubidXXaKTOi, 
Kai  iroXXol  i\br\  jucTdXa  eic  auTOUc  ^SaMaprövrec  euxaic  Kai  Ouciaic 
TÖv  xöXov  iSiXdcavTO*  ei  iii]cv,  H)  MdpKie,  d£ioic  Tdc  fi^v  tiXiv 
Gcujv  dpTdc  GvTiTOC  elvai ,  xdc  bk  tujv  dvGpu)TTU)V  dOavdTOuc.  es 
ist  Cobet  entgangen,  dasz  Euripides  im  Philoktetes  fr.  796  folgende 
verse  bietet,  die  wohl  als  vorläge  für  Dion.  gelten  können : 

i&CTiep  bk  GvTiTÖv  Ktti  id  cd»^ '  f\^wv  ((p\) , 

oÖTU)  TTpocriKei  ixr]bk  -rfiv  öpfi\y  (x^w 

dGdvaTov  Serie  cuiq)pov€Tv  dTtCcxaTai. 
Dindorf  fügt  hinzu :  Thalaridis  epist  24  GviiToOc  tdp  6vTac  dOd- 
VOTOV  öpT^v  f  X^iv,  ujc  9aci  xivec,  oö  irpociiKei.*  was  nun  den  obigen 
vers  anbelangt,  so  findet  sich  derselbe  aus  einem  ungenannten  alten 
dichter  bei  Aristoteles  rhet.  II  27,  2  angeführt;  für  öpTnv  heiszt  es 
bei  Menandros  monost.  4  £x^P<xv.  genaueres  in  Stephani  Thesau- 
rus I  s.  809  u.  dGdvaToc. 

IX  31  (m  272,  2)  und  Demosthenes  Olynth.  I  s.  13  (§  16). 
in  der  Verteidigungsrede,  die  der  consul  Servius  Servilius  von  den 
tribunen  angeklagt  h&lt,  gebraucht  er  IX  31  folgende  werte:  npo* 
XeipöxaTOV  ixkv  toOt*  fx^iv  dneiv,  8ti  xd  iikv  ^Triii^äv  xoic 
T€VojLi^voic irdvu  ^(jibiov  Kai  navxöc  dvGpiuTrou,  TÖbk,  Tiapa* 
ßdXXecGai  TTpdTjiaci  KaXoic  x^Xenöv  Kai  öXiTUiV.  ich  glaube  nicht 
irre  zu  geben ,  wenn  ich  behaupte  dasz  die  vorläge  hierfür  die  aus 
Demostbenes  oben  angeführte  stelle  ist,  woselbst  dieser  sagt:  xö 
ixkv  ouv  dnixijLiäv  Icujc  9iicai  xic  öv  ^(jibiov  Kai  iravxdc 
€lv a i,  xd  b'  vTikp  xujv  napövxujv  8  xi  bei  Ttpdxxciv  d7ro9aiv€cGai, 
xoOx'  elvai  cujLißouXou. 

III  9  (I  222 ,  30).  in  der  rede ,  welche  könig  Tullus  Hostilius 
an  Mettius  Fufetius  hält,  um  ihm  zu  beweisen  dasz  es  nicht  genüge 


844  OJacoby :  zu  Dionyeios  von  Halikarnasot. 

die  gegenwärtigen  zwistigkeiten  bloez  beizulegen ,  sondern  dass  ein 
dauernder  friede  zwischen  ihnen  geschlossen  werden  müsse,  finden 
sich  III  9  folgende  worte.  Tic  oOv  f|  ßcßaia  toO  iroX^füiou  KardXucic 
^CTai;  fragt  Tullus,  und  antwortet  darauf  im  verlauf  seiner  rede; 
€l  naOcaiVTC  fifev  'AXßavoi  cp8ovo0vT€C  TwfiaCoic  .  .  Traücaivxo 
bi  TujMaToi  bi'  örroiiiiac  fxovTCC  'AXßavoöc  die  imßouXeOovTOC 
dei  ccpici  Ka\  (puXaTTÖjLievot  KaGdirep  ix0i}ovc  *  ou  f&p  dv  t^voito 
ßeßaiujc  9iXoc  tijj  micoCvti  oubcic.  was  zuerst  die  Überlieferung 
betrifft,  so  bietet  der  Urbinas  ߀ßaiu)c,  was  Sintenis  spec.  emend. 
Dion.  111  und  Kiessling  auch  aufgenommen  haben ;  man  vgl.  ttbrigeni 
darüber  Cobet  ao.  s.  99.  214  und  Garrer  ^observationes  ad  DIonjsii 
Hai.  antiq.  rom.'  (Leiden  1877)  s.  28.  für  jLiicoOvTt  will  Bücheier 
dTTiCToCvTi  geschrieben  wissen ,  worin  ihm  Kayser  in  diesen  jahrb. 
1863  s.  9  beistimmt,  da  der  Zusammenhang  lehre ,  dasz  nicht  mit 
dem  hassenden,  Ttjj  ^icoCvTi,  sondern  mit  dem  mistrauendeni  T^^ 
dTTiCToCvTi,  niemand  feste  freundschaft  schlieszen  kOnne ;  jenes  Yor- 
stehe  sich  auch  von  selbst ,  sei  also  als  gnome  unbrauchbar,  ich  bin 
völlig  anderer  ansieht.  6inmal  heiszt  es  kurz  vorher  OÖb^v  ToOv 
7r€7Tov6ÖT€C  öq) '  i\ix6jv  oöxe  [xe\lo\  oöre  fXaTTOv  kqköv  bid  toOto 
|üiiC€iT€  fi)Liäc,  ÖTi  boKoOM€V  ä)Li€ivov  ÖMuiv  TTpdTTetv,  ond  zweitens 
hat  Bücheler  und  mit  ihm  Kayser  wohl  vergessen ,  dasz  der  gegen* 
satz  von  q)iXoc  und  ^iccTv  echt  griechisch  ist.  ich  erinnere  an  die 
bekannteste  stelle  in  Soph.  Aias  1134  /üiicoOvt'  £)Li(c€t*  xal  cO  toOt* 
i^TTicraco  und  verweise  dazu  auf  die  bemerkungen  Lobecks,  welcher 
auf  cpiXoOvT'  ^(piXouv  bei  Aristeides  I  s.  89,  auf  ^tceiv  fiicoOvTac 
bei  Dion.  VIII  32  und  auf  Piatons  gesetze  III 697  (nicht  677) <>  hin- 
weist; beim  letzten  heiszt  es:  dvacTdrouc  fi^v  iröXcic,  dvdcrara  bi 
^Ovr]  q)iXia  irupl  KaTaqpOeipavrec  dxOpuic  re  xal  dvTiXeÜLic  ^tcoOvrcc 
jUiccOvrai.  und  was  lesen  wir  an  der  mit  recht  von  Lobeck  aog 
Dion.  angeführten  stelle  ?  Marcius  Coriolanus  antwortet  dem  Spre- 
cher der  römischen  gesandtschaft  Minucins  und  fragt :  oÖKoCv  irpoc* 
flK^  ixox  TijiäcGai  filv  öttö  toiv  €u  TTeirovGÖTUiv,  /üiicetcGai  bi  ihrd 
TU)V  T)biKr]]Li^vujv ;  und  weiter  am  Schlüsse  von  c.  32  KaXrjv  T€  böEov 
oic€i  jioi  TTQpd  TTdciv  dvOptüTroic  TvuicGeTca  f|  iraXifiTTpobocia.  Tic 
b'  [oukJ  dv  iiiaivic^ii  |li€  dKoOcac,  8ti  toöc  jutv  (piXouc  Ö9*  Oüv 
€u  Tidcxeiv  inoi  TtpocflKe  TToXeMCouc  cöpijüv,  toüc  b'ixöpoücÖ9' 
(Lv  ixpnv  M€  dTToXuiX^vai  (piXouc,  dvxl  toö  hkcTv  ixky  xd  m- 
couvia,  cpiXeTv  bi  xd  (piXoGvxa,  xf|v  dvavxiav  tviIimt|v 
fcxov;  ich  kehre  zu  III  9  zurück:  dasz  die  oben  angeführten  worte 
eine  gnome  sind,  hat  Kayser  erkannt,  aber  nicht,  dasz  sie  folgenden 
vers  bilden: 

QU  Tdp  ßcßaiujc  dv  t^voir '  oubcic  «piXoc 

jüllCOUVTt. 

III  11  (I  227,  23).  in  demselben  gesprSche  zwischen  kOnig 
Tullus  und  Mettius  Fofetins  weist  der  erstere  aaf  die  (ptXavOpumia 
hin,  die  Bom  gross  gemacht  habe,  und  sehliesit  mit  den  allgemein- 
gültigen werten  iv  kxöt  T^p  AirXuiv  K^hrn  tö  ti&v  iröXcuiv  Kpdroc, 


CJacoby:  zu  Dionysios  von  Halikamasos.  845 

ouTTi  b'  £k  TToXXüiv  cuijidTiJüV  Tiv€Tai.    dasz  dieae  zum  teil  einem 
dichter  entnommen  sind,  ist  klar;  der  vers  lautete: 

ÖTiXuiv  dv  kxüi  top  TÖ  Toiv  nöXeuiv  Kpdroc 

KClTat. 

Zu  I  58  (I  72,  1),  woselbst  wir  in  der  rede  des  Aeneas,  die  er 
an  Latinus  richtet,  lesen :  U^rai  bi  ü/üiwv  tivö/jicOa  Mf|  npöc  öpirf|v 
Ta  TTCTTpaTfi^va  Xafißäveiv,  £v6uMii0^VTac  ibc  ou  cuv  ößpei,  dXX* 
vtt'  dvdTKTicTaOTaßiac0^VT€cl7roioO^€v  STtavbfccÜTTVuj^ov 
TÖ  &KoOciov,  findet  man  schon  bei  Eiessling  in  der  adn.  crit.  an- 
gemerkt :  c  cirnviiifiTi  libri  quod  correzi ;  imitatus  enim  est  Thucj- 
didem,  cf.  Thuc.  III  40  Suttvuj^ov  b'  icri  tö  dKOuciov.»  beiläufig 
sei  erwähnt  dasz  in  den  ausgaben  von  Sjlburg  und  Beiske  statt 
cuTTVUJ|Liov  vielmehr  cuTTVUüfiilC  d^iov  steht  und  dasz  mit  den 
gleichen  werten  der  scholiast  des  Thukydides  das  daselbst  über- 
lieferte SuTTVU^MOV  erklärt;  des  Thuk.  worte  aber  lauten  genauer 
also:  ouK  oöv  bei  irpoOeivai  dXTTiba  oöt€  XÖTip  iricrfiv  oöt€  xpn- 
paciv  dbvTiTriv,  Jjc  HuTTViIJ^nv  djuapTeTv  dvGpujTrCvujc  Xi^MJOVTai. 
ÖKoviec  ^fev  Tdp  ouk  fßXaipav,  elböiec  hk  dTreßouXeucav  Mtrviw- 
pov  b*  icTX  TÖ  dKoOciov.  Thuk.  legt  diese  worte  Kleon  in  den  mund, 
der  die  Athener  in  längerer  rede  auffordert  sich  durch  keine  rück- 
sieht  zu  einer  Umänderung  ihres  ersten  beschlusses  in  Sachen  der 
Mytilenaier  bewegen  zu  lassen ,  da  dieselben  nicht  unfreiwillig  die 
schuld  begangen  hätten,  da  ich  nun  in  den  reden  beider  Schrift- 
steller ,  von  den  schluszworten  abgesehen ,  eine  weitere  ähnlichkeit 
nicht  entdecken  kann,  so  glaube  ich  auch  nicht  an  eine  nachahmung 
des  Thukydides  durch  Dionysios ,  sondern  bin  vielmehr  der  ansieht, 
dasz  die  bewusten  worte  einem  dichter  entnommen  sind  und  fol- 
genden vers  gebildet  haben :  Huttvu)|üiöv  ^ct'  w  _  änav  TdKOUCiov. 
was  femer  Thukydides  anbelangt,  so  will  es  mir  scheinen,  als  ob 
auch  die  vorhergehenden  worte  aus  einem,  natürlich  demselben, 
dichter  herstammen  und  einen  zweiten  vers:  dKOVTec  oök  ^ßXaipav, 
€lbÖT€C  b*  w  -  ausmachen,  als  parallelstellen  zu  dem  in  diesen  beiden 
Versen  ausgesprochenen  gedanken  führen  die  hgg.  mit  recht  an 
Thuk.  IV  98,  6  ttSv  b'  cIköc  elvai  Ttu  TroX^/üiip  Kai  beivifi  Tivi  kqt- 
€ipTÖM€Vov  HiJTTVuJMÖv  Ti  TWv6c0ai  Ktti  Trpöc  ToO  GeoO.  Kai  tdp 
Ttüv  dKOuciujv  djLiapTiiMdTUJV  KaTaq)uif|v  elvai  touc  ßujjüiouc  usw. 
und  Dem.  kranzrede  s.  274  dbiKcT  Tic  £ku)V,  öpKf|V  xal  Ti^uipiav 
KaTd  toOtou.  ^HriiLiapT^  Tic  äkojv,  c\jtTvu»M1V  dvTl  ttJc  Ti/üiiwplac 
TOUTiu*  ich  füge  noch  Piatons  Phaidros  233"^  tuüv  ixiv  dKOuctuiV 
cuTTViüjLHiv  f xwiv,  TU  ht  ^Koucia  Tr€ipu)|üi€VOC  diroTp^TTCiv  hinzu. 

Ich  schliesze  hier  gleich  Dion.  VIII  60  (III  165,  1  ff.)  an.  Ve- 
turia  führt  ihrem  söhne  Marcius  zu  gemüte ,  dasz  alle  diejenigen, 
welche  in  ihrem  übermute  das  flehen  der  hilfesuchenden  verachten, 
durch  den  zorn  der  götter  ein  unglückliches  ende  nehmen,  und  fährt 
also  fort:  aviToi  ydp  bf|  TrpüüTOv  ol  TauTa  KaTacTr]cd|üi€VOi  Kai  napa- 
böVTCc  fjjLiTv  0€ol  c\JTYVU)juov€c  ToTc  dv6pu)Trivoic  clclv  d|üiapTri|Liaci 
Ka\  eöbidXXaKTOi,  Kai  ttoXXoI  fjbii  /üiCTaXa  cic  aOrouc  ^ajiapTÖv- 


846  CJacoby:  zu  DionysioB  von  HaHkamasoB. 

T€C  €uxaTc  Kai  Guciatc  töv  x^^ov  ^SiXdcavTO.  za  den  hier  von 
Yeturia  geäuszerten  ansicbten  verweise  ich  auf  Piatons  gesetse  X 
c.  13  (905^ ff.),  woselbst  die  frage  erörtert  wird:  fpipe  bf|  itpöc 
0€div  auTiIiv,  xCva  irpÖTrov  TrapaiTTjTol  t'tvoivt*  fiv  fmiv,  d 
TiTVoiVTC  aö;  vgl.  ferner  ebd.  906  ^^  toOtov  .bf|  töv  Xötov  ävcrr* 
KttTov  X^T€iv  TÖV  X^TOVxa,  d)c  elcl  cuTTViÖMOvec  del  Geol  toic  tiöv 
dvOptüTTUJV  äbiKOic  xai  dbiKoGciv  und  weiter  unten  909*  5coi  b" 
Sv  Gripidibeic  T^vwvxai  irpöc  tiu  Geoöc  [ixi\]  vo|li{2€iv  f|  djucXcic  fi 
TrapaiTTiTOuc  eTvai ,  KaTaq)povoOvT€c  bfe  ti&v  dvGp(()7TUJV  ^luxcrrui- 

TlÖCl  }XtV  TTOXXOUC  TÄV  CÜJVTUJV ,   TOÜC   bk  TcGvcüJTac    q>äCKOVT€C 

ipuxoiTUJTcTv  Kai  Geouc  utticxvoOjlicvoi  irciGeiv  d)C  Oudaic  t€  kA 
euxotic  Kai  ^iruibaTc  YoriTCucvTCC.  hierher  gehören  endlich  die  verM 
des  Euripides  bei  Stobaios  ekl.  I  3,  40: 

c\JTTVif)|iovdc  TOI  Touc  G60UC  elvai  boKeic, 
öiav  TIC  öpKUi  Gdvarov  ^Kq)UT€iv  G^Xij 
fj  bccjüiöv  f{  ßiaia  iroXcfiiujv  KaKd, 
f\  TTOiclv  auG^VTaici  Koivujvq  böjiiwv; 
f^Tfipa  GvTiTUJV  elciv  dcuveTiÜTepoi , 
f\  Td7Ti€iKfl  TTpöcGev  f|ToOvTai  blKIlC. 

Bei  filtern  griechischen  dichtem  und  bei  Herodotos  finden  wir 
dun  sprichwörtlichen  ausdruck  KÖpoc  TiKT€i  fißplV  ^überdrusz  macht 
Übermut',  ziemlich  gleichlautend  heiszt  es  bei  Selon  fr.  8  t{kT€1  T^ 
KÖpoc  lißpiv,  ÖTav  TToXiic  6Xßoc  inryiaxj  und  bei  Theognis  168 
TiKTei  TOI  KÖpoc  ößpiv,  ötov  KOKdi  6Xßoc  SiTiiTai  dvGptbitifi,  wo- 
gegen bei  Pindaros  Ol.  13,  10  in  den  Worten  ößptv  KÖpou  ^ai^pa 
GpacÖMuGov  und  in  dem  orakel  bei  Herodotos  VIII  77  bia  bim) 
c߀CC€i  KpaT€pdv  KÖpov  ößpioc  ulöv  dio  umgekehrte  Vorstellung, 
dasz  nemlich  der  überdrusz  (KÖpoc)  ein  söhn  des  Übermuts  (Ößpic) 
sei ,  zu  finden  ist.  dasz  auch  Dionysios  diese  sprichwörtliche  aus* 
drucksweise,  bzw.  die  genannten  stellen  gekannt  hat,  ersieht  mui 
aus  VII  20  (III  27 ,  5)  c\JV€icf)XG€V  &ixa  vjb  KÖpcp  twv  diaGuiv  f| 
Tujv  XPn^op^vuJV  auToTc  ußpic  und  VI  36  (II  255,  18)  biipKic|Lie6a 
Tcip  ibc  6päT€  Ktti  buG  nöXeic  f x^M^v ,  t^v  ^iv  |iiav  örrd  nevlac  tc 
Ktti  dvdTKTic  dpxop^vr]V,  Tf|v  b*  uttö  KÖpou  kqI  ößpcujc.  beilftafig 
sei  übrigens  bemerkt,  dasz  jiiiav  meiner  ansieht  nach  als  unecht  ans 
dem  texte  des  Dion.  zu  entfernen  ist,  da  es  dem  vorangehenden  ^tv 
seine  entstehung  verdankt:  denn  sonst  würde  Dion.  dem  Tf|V  fyiiv 
piav  entsprechend  Tf)V  b '  ^T^pav  gesagt  haben  wie  VII  3  (III  6,  6) 
liiqi  P^v  .  .  T^  b*  ^T^pcji  und  VII  8  (III 11, 16)  pia  pfev . .  iripa  bL 

XIX  15  (IV  214,  27)  und  Horatius  carm.  II  15,  13.  obgleich 
ich  mir  sehr  wohl  bewust  bin  dasz  die  nachfolgende  zusammenatelliuig 
manchem  kühn  erscheinen  dürfte^  will  ich  doch  nicht  damit  Eorflck- 
halten.  dasz  Dion.  fleiszig  die  werke  der  römischen  Schriftsteller 
gelesen  hat,  ist  bekannt;  wftre  es  also  an  und  fttr  sich  unnatttrlioh, 
wenn  sich  anklänge  an  den  dichter  in  seinen  Schriften  Anden ,  der 
damals  hochberühmt  und  sein  Zeitgenosse  war,  nemlich  an  Horatiu? 


CJacoby :  zu  Dionysios  von  Halikamasos.  847 

einen  solchen  anklang  glaube  ich  in  der  rede  des  Fabricins  gefunden 
zu  haben,  die  ihn  Dion.  bei  gelegenheit  der  bekannten  gesandtsohall 
an  Pyrrhos  halten  Iftszt.  Pyrrhos  hat  versprochen  Fabricins  mit 
reichtümem  zu  Überhäufen ,  wenn  er  ihm  ein  günstiges  bündnis  mit 
den  Römern  auswirken  würde;  hierauf  antwortet  Fabricins  und 
widerlegt  die  falsche  ansieht ,  die  Pyrrhos  in  bezug  auf  die  armut 
des  Fabricius  und  seine  Stellung  in  Born  zu  haben  scheint,  dort 
finden  sich  nun  folgende  worte :  ^TraivoOjLiai  t€  kqI  2!iiXoC)Liai .  .  Kai 
TTapdbeiTjLia  toTc  äXXotc  eTvai  boxA  KaXoKaTaOiac,  oihiy  iK  Tf\c 
i\xi\c  ouciac  ek  ToOra  bairavujv,  wcnep  oitbk  tu)v  äXXujv  oöbcic. 
QU  Top  ^voxXei  Toic  ^KdcTou  'ßioic  f]  ttöXic  f|  *Pu)|üiaiujv,  &C7r€p 
Tivk?T€pai,  dv  alc  6  koivöc  jh^v  tiXcOtoc  öXItoc  dcrlv,  6 
bi.  TUiv  ibiuJTUüV  TTcXuc.  wem  fielen  beim  lesen  dieser  worte 
nicht  sofort  die  bekannten  verse  des  Horatius  ein :  privattts  Ulis  (den 
Bömem  der  alten  zeit)  censtis  erat  hrevis^  commune  magnum  — ? 
auch  im  nächstfolgenden  finden  sich  gedanken,  die  vielleicht  anklänge 
an  stellen  des  Horatius  enthalten :  ich  denke  zb.  an  ^pist.  I  10,  32  f. 
fuge  magna:  licet  suh  paupere  tecto  reges  et  regum  vita  praecurrere 
amicos]  femer  an  epist.  I  12,  ^K  pauper  enim  non  est^  cui  rerum 
suppetit  usus,  si  ventri  hene,  si  UUeri  est  pedibusque  tuiSy  nü  divüiae 
poterunt  regales  aädere  malus, 

YIII  23  (III 128,  1).  als  die  römische  gesandtschaft  zu  Marcius 
Coriolanus  gekommen  ist,  hält  der  Sprecher  derselben  Minucius  eine 
rede,  in  welcher  er  eingesteht  dasz  Marcius  eine  unverdiente  be- 
handlung  vom  volk  erfahren  habe,  und  fährt  also  fort:  Kai  oi)hky 
oiöjLiced  C€  TTOieTv  GaujuacTÖv ,  el  xo^€Tra(v€ic  Kai  dTCtvaKTcTc  ^ttI 
TaTc  TÜxaic*  koivöc  fäp  bf|  ttjc  dTTdvTuuv  q)üc€iüc  oötoc  ö  vöjioc, 
^X^pöv  elvai  Tui  bpdcavTi  tö  ttcttovOöc  KaKdic.  der  bereits  bei  den 
alten  dichtem  unendlich  oft  wiederkehrende  gegensatz  von  bpäv 
und  TTdcx€iv  ist  auch  hier  zum  ausdruck  gebracht;  schon  bei  Aischy- 
los  Cho.  313  heiszt  es:  bpdcavTi  naGeiv  TpiT^puiV  |üi09oc  rdbe  qpw- 
veT,  Perser  813  KaKuöc  bpdcavT€C  oök  dXdccova  Trdcxouci,  fr.  282 
bpdcavTi  Tdp  ti  Kai  TiaOeiv  d9eiX€Tai.  vgl.  Soph.  OT.  1272  oöG' 
er  fTiacxev  oöG'  öttoi*  fbpa  KaKd,  OK.  266  dnel  id  t'  ^PT«  MOU 
7T€ttovG6t  '  dcTi  jüiäXXov  f\  bebpaKÖTa.  ganz  besonders  gehört  hierher 
die  bekannte  stelle  aus  Soph.  Aiac  AoKpöc  fr.  11  ei  beiv'  ^bpacac^ 
bcivd  Kai  TraGeTv  C€  bei. 

VIII  25  (III  130,  27  ff.),  im  weitern  verlauf  der  rede  läszt 
Dion.  den  Minucius  folgenden  rat  dem  Marcius  geben:  iv  ijj  lö 
büvacGai  coi  jiidXicTa  ündpxei  Kai  tö  GeTov  in  cuXXajißdvei  fiexpi- 
dcai  Kai  TajiiieOecGai  Tf|v  Tuxnv  dvGujüiiiG^VTa,  6ti  jueTaßoXdc  ix^i 
TTdvxa  rd  TTpdTMaia  Kai  oubfev  in\  tüüv  auxoiv  9iX€T  biaM^veiv^ 
V€jLi€colTai  T€  Tidvia  UTTÖ  Getüv  id  uTrep^xovia,  öiav  eic  dKpov  diri- 
(paveiac  dq)iKTiTai ,  Kai  Tp^Treiai  TrdXiv  eic  tö  jurib^v.  fidXicra  5% 
toGto  Trdcxei  xd  CKXripd  kcI  jueTdXauxa  9pov/j|iaxa  Kai  xouc  5pouc 
dKßaivovxa  xf^c  dvGpujTriviic  q)0ceujc.  indem  ich  für  diesmal  davon 
absehe  eingehender  die  anschauungen  des  Dionysios  von  dem  neide 


848  CJacoby:  zu  Dionysios  von  Tlalikamasos. 

(cpOövoc)  und  der  rächenden  Vergeltung  (v^fiecic)  der  götter  zu  be- 
handeln, bemerke  ich  nur  im  allgemeinen,  dasz  diese  anschanimgeii 
sich  den  bekannten  Herodotischen  eng  anschlieszen.  wer  die  oben 
angeführten  worte  liest,  wird  sich  ohne  zweifei  sogleich  der  worte 
des  Herodotos  YII 10  öpqic  rd  ärrep^xovTa  If^a  übe  K€pauvot  6  Ocöc 
o\)bk  iq.  cpavTdZecOai,  Ta  bi  cjuiKpä  ovhiv  fiiv  Kviltv  öp^c  bk  die 
^c  oiKriiLiaTa  Td  fi^Ticra  alel  Kai  b^vbpea  rd  ToiauTa  diiocicifiirr€i 
Td  ß^Xea '  cpiX^ei  Y^p  ö  6€Öc  Td  UTiep^x^VTa  TidvTa  KoXoOeiv  er- 
innern, der  schlusz  des  gedankens  enthält  anklänge  an  die  werte 
Kreons  Soph.  Ant.  473  fif.  dXX*  Ic6i  toi  Td  ocXrjp'  dtciv  (ppovifi|yicna 

TTITTTCIV  jLldXlCTa  USW. 

VIII  61  (III  177,  27).  nachdem  Dionjsios  das  traurige  ende 
des  Marcius  Coriolanus  geschildert  hat,  verweilt  er  noch  einige  zeit 
bei  dieser  hervorragenden  persönlichkeit,  um  seinen  Charakter  ge- 
nauer zu  schildern ;  c.  60  zählt  er  kurz  seine  tugenden  auf,  um  dann 
c.  61  seine  fehler  und  mängel  zu  besprechen,  die  ihm  zum  nnheil 
gereichten :  es  habe  seinem  Charakter  an  Sanftmut  und  frenndlioli-' 
keit,  an  gefäUigkeit,  Versöhnlichkeit  und  mäszigung  gefehlt,  am 
meisten  aber  habe  ihm  seine  übermäszige  und  unerbittliche  strenge 
in  allem,  was  das  recht  fordert,  geschadet;  dann  heiszt  es  weiter: 
ioxKi  T€  dXriOk  elvai  tö  öttö  toiv  dpxaiu)V  X€tÖ|li€vov  q)iXocöq)uiv, 
öix  |li6c6ttit^c  üqw,  dXX'  ouk  dKpÖTiiTec  a\  tujv  t^Gujv  dpefal,  fid- 
XicTQ  bk  f)  biKaiocuvri*  ou  ydp  fiövov  dXXeiirouca  toO  ^erpfou 
TT^q)UK€v,  dXXd  Kai  uTrepßdXXouca;  auToic  t€  ou  XucixeXii^c,  dXX* 
€cTiv  ÖT€  aiTia  |K€TdXu)v  cufiqpopiXiv  Kai  elc  OavdTouc  oiKTpouc  xal 
Xu|Liac  dvTiK^CTOuc  KaTacTp^qpouca.  dasz  unter  den  alten  Philo- 
sophen, die  Dion.  im  äuge  hat,  Aristoteles  gemeint  ist,  zeigt  ein 
blick  in  die  Nikomachische  ethik ,  in  welcher  er  II  c.  5  ff.  über  die 
)üi€CÖTnc  der  tugenden,  die  UTT€pßoXn  und  fXXeiipic  derselben  han« 
dclt.  ich  kann  hier  selbstverständlich  nur  auf  den  Inhalt  dieser 
capitel  im  allgemeinen  verweisen,  nicht  einzelne  stellen  anführen; 
was  aber  die  biKaiocuvr]  betrifft,  die  Dion.  ganz  besonders  hervor» 
hebt,  so  verweise  ich  auf  c.  7  ae.  TT€pi  bk  blKaiOCuvilC ,  ^iTCl  oOx 
dTiXuic  X^T^Tai,  |K€Td  TaGTa  bieXöjKCvoi  Tiepi  ^KaT^pac  £poOfi€V, 
ttOüc  |U6c6Tr)T^c  eiciv  und  auf  das  5e  buch,  das  eingehend  iTCp\  bl- 
KQiocuviic  handelt,  dasz  Aristoteles  fUr  Dion.  die  vorläge  war,  wird 
indirect  auch  dadurch,  wie  mir  scheint,  bestätigt,  dasz  Dion.  ffCpl 
cuvOeceujc  övojKdTUJV  c.  24  sagt:  fiecÖTiic  bk  f)  dpcTf)  Kai  ßiuiv  xal 
^PYUJV  Kai  T6XVUIV,  u)C  "ApiCTOT^Xci  boK€i  Kai  ToTc  dXXoic,  öcoi  kot* 
€K6ivTiv  Tf)V  aVpeciv  (piXococpoöciv.  freilich  darf  nicht  unerwlhnt 
bleiben,  dasz  uns  Stobaios  im  flor.  I  9,  27  (nr.  67  Meineke)  folgendea 
aus  dem  Pythagoreer  Theages  aufbewahrt:  d  b'  dp€Td  £SlC  tIc  Iyxi 

TU)  b^ovTOc*  biöirep  xaiäKpÖTac  KülfiecÖTac  eöB^uic  ^vri*  äKpöroc 
M^v,  biÖTi  TOI  b^ovTOc  ^X^iai,  pccÖTac  b^,  öti  M€Ta£u  xfic  äirepßoXfic 
Kai  Tdc  iXXehiiiöc  dvriv.  ofiruic  y&P  Kai  ^ccötotcc  tutx&vovti  mA 
dKpÖTaTcc  *  ^ecÖTOTCC  ',  An  ^vtöc  tSc  äirepßoXfic  xal  Tdc  älXcf- 
Miioc  niirrovn  •  '  — .^n^^.-^  q(j^  » dqKnp^aoc 


CJacoby:  zu  DionysioB  von  HalikarnasoB.  849 

b^ovrar  oötol  xäp  ^vtI  raOra  £t  bet  aöra  fijiiev.   endlich  sei  auch 
noch  auf  Plutarch  mor.  444^  hingewiesen. 

Ich  breche  für  heute  mit  diesen  nachweisen  ab,  um  noch  einige 
stellen  nach  eigner  Vermutung  zu  yerbessem.  V  29  (U  147^  20  ff.) 
l&szt  Dion.  den  Mucius  Scaevola  zu  könig  Forsena  £agen :  irpocibUiC 
odv  ÖTi  iToXXoi  Kai  dyaOol  Tf|v  ai)vr\v  fiioi  TÖXfiav  ££ouciv  iiriGujKia 
böEiic ,  d)v  €i  Kai  Tic  }if\  d^eivovi  tOxi)  XP^^crai  Tf\c  i^f\c ,  CKÖirei 
TIC  fcTai  CGI  TTpöc  fiiiavTac  dpKoCca  (puXaKti.  so  lauten  die  worte 
bei  Kiessling,  welcher  nach  dem  verschlag  von  Sintenis  emend. 
Dion.  I  21  :^r  das  hsl.  ttberlieferte  böSav  vielmehr  TÖXjiiav  und  mit 
Schnelle  Jiv  ci  Kai  Tic  }ii\  schreibt,  während  ABa  div  ei  Kai  Tic,  Bb 
div  €i9€  Kai  Tic  bieten,  die  stelle  ist  viel  behandelt,  die  alten  aus- 
gaben haben  nach  den  schlechtem  hss.  nur  Tf)V  auTf|V  SSouciv  ^tri- 
6u^iav  h6h\c'  für  eI  Kai  wollte  Sjlburg  cIk^,  Beiske  schrieb  «Lv 
fcuic  Kai  €lc  TIC  usw.  und  fügt  in  den  anmerkungen  hinzu:  «poterat 
quoque  sie  reformari :  d)V  €i  Kai  €k  Tic  ä^€{vovl  vixt]  xP^ccTai  rf\c 
i^f\Cf  dtröXuiXac» ,  Sintenis  ao.  schlug  vor  d)V  elc  t^  Tic,  Bücheier 
div  ctc  TIC  Kai.  Cobet  (ao.  s.  99) ,  ohne  sich  um  die  Überlieferung 
zu  kümmern  und  den  Sachverhalt  genau  zu  kennen,  glaubt  dasz 
Sintenis  die  stelle  vortrefflich  geheilt  haben  würde ,  wenn  er  noch 
fif|  gestrichen  hfitte.  aber  yir\  steht  ja  gar  nicht  in  den  hss.,  sondern 
ist  erst  auf  Schnelles  verschlag  von  Kiessling  in  den  text  gesetzt, 
obwohl  die  änderung  von  bö£av  in  TÖX^av  durch  Sintenis  sich 
auch  den  beifall  von  Eajser  (jahrb.  1866  s.  41)  erworben  hat,  kann 
ich  mich  doch  mit  der  vorgeschlagenen  heilung  nicht  einverstanden 
erklären,  dasz  Dion.  nicht  sagen  konnte  Tf|V  aöriiv  jKOi  böSav 
SSouciv  dTriGujLiia  böSnc,  ist  klar;  wenn  wir  nun  aberfragen,  was 
denn  die  anderen  mitverschworenen  Jünglinge  in  ihrer  ruhmbegierde 
mit  Mucius  gemeinsam  haben,  so  liegt,  wie  mir  scheint,  die  antwort 
auf  der  band:  die  absieht  den  könig  zu  ermorden;  also  musz  ein 
wort  wie  'absieht,  plan,  vorsatz'  das  object  zu  S£ouciv  bilden,  und 
ganz  von  selbst  ergibt  sich  dasz  Dion.  Tf|V  aÖT/jv  jiioi  bidvoiav 
SSouav  geschrieben  haben  musz.  für  die  richtigkeit  meiner  Ver- 
mutung spricht  noch  der  umstand  dasz  auch  bidvoiav  mii  b  anlautet, 
wodurch  die  verschreibung  um  so  leichter  herbeigeführt  werden 
konnte,  femer  sei  noch  erwähnt,  dasz  derselbe  Schreibfehler  sich 
I  57  (I  70,  19)  findet,  wo  B  f\v  fcx€  bö?av,  A  KaG*  ^v  icxe  Xoav 
bietet  und  Beiske  unzweifelhaft  richtig  das  böSav  oder  Xoav  in 
bidvoiav  verbessert  hat.  was  nun  den  fehler  an  der  zweiten  stelle 
anbelangt,  so  halte  ich  auch  hier  trotz  der  vielen  vorschlage  keinen 
für  gelimgen,  sondern  bin  der  ansieht  dasz  Dion.  «Lv  ^KacTOC  oder 
div  €lc  ^KacTOC  geschrieben  hat,  so  dasz  meiner  verbessemng  nach  die 
ursprünglichen  worte  lauteten :  Trpo€ibd)C  ofiv  ÖTi  ttoXXoI  xal  dtaOol 
Tf|V  auTrjv  ^ol  bidvoiav  Kouciv  iTrleu^i<jl  b6ir]C,  Jiv  ?KacT0c  djuci* 

VOVl  TUXq  XP^C€Tai  TflC  dflflC,  CKÖTTCl  USW. 

Bom  f  heiszt  es  XV  3 ,  geriet  unter  den  consuln  Quintus  Ser- 
vilius  und  C.  Marcius  Butilus  in  schlimme  gefahr.    ein  jähr  zuvor 

Jahrbücher  f&r  class.  philol.  1883  hfU  18.  && 


850  CJacoby:  zu  Dionysios  von  Halikamasos. 

* 

hatten  die  Römer  wSbrend  des  Samniterkrieged ,  nachdem  de  die 
feinde  in  drei  schlachten  besiegt,  die  tmppen  nach  Born  larfiek- 
führen  wollen,  auf  bitten  der  Campaner  dann  aber  besümmt,  dasz 
der  consul  M.  Yalerius  mit  einem  t«ile  des  heeres  in  Campanien  sum 
schütze  zurückbleiben  sollte,  da  die  Campaner,  die  reich  waren  und 
üppig  lebten,  sie  gut  yerpfiegten,  so  gefiel  es  ihnen  dort  so  gut,  dan 
sie  den  verruchten  plan  faszten  die  Campaner  aus  ihrem  besitz  zu  ver- 
treiben und  sich  des  landes  zu  bemächtigen,  sie  sprachen  aber  also  zn 
einander  (IV  211,  4 ff.):  Ti  bf|  Kai  öpdcofLiev  Ö€iv6v^  ddv  Kapirovodc 
dKßaXövT€C  Tdc  dKcivuiv  iröXeic  KaTacxu^fiev ;  outoi  tdp  oötoI  irpö- 

T€pOV  OUK  Ik  TOO   ßcXTtCTOU  KTTlC(i|i€VOl   TfjV  T^V  KaT^q(OV,  &XV& 

^TnE€VUü0^VT€C  TuppnvoTc  ToTc  KaTOiKoOciv  auTTiv  usw.  überliefert 
ist  diese  erz&hlung  in  den  excerpta  trepl  dmßouXuJV ,  die  aus  dem 
codex  Escorialensis  von  CMüller  FHO.  II  s.  XXXI  ff.  veröffentlicht 
und  von  Kiessling  ins  15e  buch  gesetzt  worden  sind,  nngeheilt  sind 
die  Worte  ^k  toG  ßeXTicTOU ,  wie  Kiessling  nach  eigner  vermatqng 
für  das  überlieferte  dK  toC  TT€b(ou  schrieb,  wofür  Feder  Ik  toO  im- 
Xaiou,  Müller  fragend  Ik  toO  Ibiou  schrieb,  keine  der  vorgeschlagenen 
änderungen  befriedigt',  weder  dem  sinne  nach  noch  palftographiach, 
wenn  auch  Eayser  jahrb.  1870  s.  727  Ik  toO  ßeXTicTOU  für  eine 
wesentliche  Verbesserung  erklttrt ;  auch  bringen  Livius ,  der  Vll  38, 
und  Appianos,  der  dK  rfic  CauviTiKnc  c.  1  dieselben  Vorgänge  kurz 
erwähnt,  keine  hilfe.  ich  bin  der  ansieht  dasz  Dion.  OÖK  dx  ToO 
biKaiou  KTT^cäiLievoi  Tf|V  TTIV  KOTdcxov  geschrieben  hat,  was  dem 
sinne  nach  gut  passt  und  von  irebiou  nicht  weit  abliegt,  so  erhftlt  man 
auch  einen  schönen  gegensatz  zu  dem  nachfolgenden  djCTC  cöv  biicq 
ireicovTai  irdv  ÖTi  &v  TräOiüciv  auToi.  ich  verweise  femer  auf  X  32 
(IV  50,  7)  dK  biKaiou  KTTicdfievoi ,  wo  Kiessling  mit  recht  dx  ToO 
b.  KT.  lesen  will;  auf  X  4  (IV  6,  29)  f^v  ouK  dK  ToO  biKaiou  .  .  dXd- 
ß6T€,  X  6  (IV  8 ,  29)  KQi  f|  THC  KaXoKaTa9(ac  böEa  ouk  dK  toö  bi- 
Kaiou CGI  uepiTdTOVCV ,  XI  17  (IV  113,  4)  fitravTa  dK  toO  biKaiou 
biaXucare,  VII  36  (in  45,  28)  dK  toö  biKaioidrou,  XIX  16  (IV 
240,  19)  Töv  dK  TOÖ  biKaiou  ttXoötov,  IV  31  (II  46,  31)  Tf|V  bi 
ßaciXeiav  . ,  ouk  dK  toö  biKOiou  XaßiJüV;  IV  34  (II  51,  4)  judpruc  hk 
Tf\c  iK  Tou  biKaiou  .  .  d£ouciac.  dem  sinne  nach  gehört  V  31  (11 
149,  12)  ebenfalls  hierher,  wo  es  heiszt:  STravTtt  öca  TapKUVtÖC  T€ 
6  TrpecßuTQToc  KaTdXmc  koi  auTol  cuv  Tip  biKaiuj  KTTicd|Li€voi  kot- 
6CX0V.  endlich  verweise  ich  auf  Ljsias  19,  9  KivbuvcuOjKCV  ircpl 
u)V  Ol  irpÖTOVOi  fijLiTv  KQTdXmov  KTT)cdfi€V0i  dK  TOÖ  biKatou.  wie 
liiiufig  der  ausdruck  dK  TOu  biKaiou  Wom  Standpunkte  des  rechts 
aus'  namentlich  in  Verbindung  mit  KTdcGai  und  icrf^cic  ist,  lehrt  die 
reihe  der  von  Frohberger  zu  dieser  stelle  beigebrachten  citate. 

XII  1  (IV  172,  7)  liest  Kiessling  wie  auch  die  anderen  hgg. 
dieser  excerpte  ol  bk  narpfKiot  raOra  itpairovra  öpiIiVTCC  aM^ 
UTTOipiac  T€  dXdMßavov,  wfthrend  Dion.  stets  bi '  äiroMiiac  Xa^ß^itvciv 
sagt:  man  vgl.  I  24  (I S9,  20).  1 81  (1 108,  20).  YDI  69  (HI  190, 9), 
ebenso  bi'  OpTf)c  ]  Till  I      (HI  170,  4),  bi'  cdcxdviK 


L- 


OTerwelp:  zu  Hieronymus  de  virifi  illuBtribus  [c.  59].         851 

XaMßdvciv  vn  46  (III  56,  17).  VII  62  (III  79,  32).  VII  68  (III 88, 
18),  bi'  €uXa߀iac  XaMßdvciv  IX  3  (III  228,  10).  ganz  fthnlich  ist 
die  hftnfige  yerbindang  von  ^x^W  mit  öid,  zb.  VIII  57  (III  173,  28) 
bi*  eövoiac  ixeiv. 

1 14  (1 17,  28  ff.)  ist  überliefert  bciKVurai  bi  Tic  xal  vflcoc,  ''Icca 
ainiji  dvo^a,  X(|uivir|  nepippuTOC,  f^v  x^P^c  ^pu^aTOc  ttoiiitoO  kotoi- 
Kficai  X^TOVTm  toic  T^X^aci  Tf)c  \l^vr\c  öiröca  t€(x€Ci  xP^M^voi, 
während  Eiessling  an  stelle  von  öiröca  in  den  text  aufgenommen 
hat  öcaiT€p;  fthnlich  wollte  für  das  I  58  fl  71,  28)  überlieferte 
öiröca  ßoOXecOe  Bücheier  vielmehr  öiriuc  ßouXccGe  schreiben,  schon 
Eajser  Jahrb.  1863  s«  4  erklärt  i>eide  ftnderungen  mit  recht  für  un- 
nötig; trotzdem  sucht  BTFBeudler  Hirocinia  critica  in  Dion.  Hai. 
antiq.  rom.'  (Leiden  1878)  s.  14  nachzuweisen,  dasz  hier  wie  an 
anderen  stellen  ÖTi  &v  ßoöXiicOc  zu  schreiben  sei.  aus  der  beob- 
achtung  jedoch  von  anderen  stellen  ergibt  sich  dasz  öiröca  faszt 
ganz  im  sinne  von  öiriuc  von  Dion.  gebraucht  wird ,  so  dasz  also  an 
den  obigen  stellen  nichts  zu  Sndem  ist;  vgl.  I  81  (I  104,  26)  Tf)V 
b*  tv  eipKT^  bebcjui^vnv  q)uXdTTUJV  t&  t€  äXXa  öiröca  becirörric 

XPi(l^€VOC  bOÖXip. 

Danzio.  Carl  Jaoobt. 


(78.) 
ZU  HIERONYMUS  DE  VIEIS  ILLUBTRIBUS. 


c.  59  s.  41  (Herding)  Gavus  .  .  in  eodem  volumine  ^stülas  quo- 
gue  PatUi  tredeckn  ttmtum  enumerans  quartam  decimam,  quae  fertur 
ad  Bebraeos^  dicit  nan  eius  esse;  sed  apud  Bomanos  usque  hodie  quasi 
Pauli  apostoli  non  habetur,  diese  der  Verbesserung  allerdings  be- 
dürftige stelle  will  WGemoll  oben  s.  Ö14  dadurch  emendieren,  dasz 
er  in  dem  mit  sed  beginnenden  satze  non  streicht  und  Hieronjmus 
sagen  Iftszt:  Gaius  erklärt  den  Hebräerbrief  für  unecht,  dagegen 
hält  die  römische  gemeinde  ihn  bis  heute  noch  für  ecbtpaulinisch. 
unsers  erachtens  ist  dieser  emendationsversuch  verfehlt,  dasz  wie 
in  der  africanischen  so  auch  in  der  rOmischen  kirche  der  Hebräer- 
brief in  den  ersten  Jahrhunderten  gar  nicht  dem.Faulus  zugeschrie- 
ben wurde ,  war  dem  mit  den  griechischen  kirchenschriftstellem  so 
vertrauten  Hieronjmus  ohne  frage  genau  bekannt,  nun  vergleiche 
man  mit  unserer  stelle  die  worte  des  Eusebios  in  seiner  kirchen- 
geschichte  VI  20.  dort  berichtet  dieser  dasz  Gaius  in  einem  dialoge 
gegen  Proclus  nur  dreizehn  briefe  von  Paulus  erwähne  und  den 
Hebräerbrief  nicht  mit  zu  den  übrigen  zähle,  und  dann  fügt  der- 
selbe Schriftsteller  bei,  dieser  brief  gelte  auch  noch  bis  zu  seiner  zeit 
bei  manchen  Römern  (elc  beCpo  irapd  'Puijuiaiujv  Tici)  nicht  für  ein 
werk  des  apostels.  nehmen  wir  noch  hinzu  die  stelle  des  Hieronj- 
mus in  seinem  cat.  script.  c.  5  s.  12  e^pistula  autem  quae  fertur  ad 

66^ 


852  HGilbert:  zu  OvidiuB  Fasti  fUI  497—600]. 

Uehracos  non  eins  (Pauli)  creditur,  so  werden  wir  das  von  GemoU 
gestrichene  non  wohl  nicht  yermissen  wollen,  uns  scheint  obige 
stelle  dadurch  verdorben  zu  sein,  dasz  hinter  sed  das  wörtchen  ei 
ausgefallen  ist.  fügen  wir  es  ein,  so  ist  der  sinn:  Gaius  hftit  den 
Hebräerbrief  für  unecht,  aber  auch  bei  den  Bömem  wird  er  bis  heate 
nicht  für  Paulinisch  angesehen,  ganz  ähnlich  ist  sed  et  von  Hierony- 
mus  im  caL  Script,  eccl.  c.  15  gebraucht,  wo  er  schreibt:  Clemems 
scripsit  ex  persona  romanae  ecdesiae  ad  ecdesiam  Corinthiorum  valde 
uiilem  e2)istülamy  quae  mihi  videtur  diaracteri  ^isttUae^  qu4ie  sub  Pauli 
nomine  ad  Ilehraeos  fertur^  convenire;  sed  et  tnültis  de  eadem  epislula 
non  sölum  sensihus  sed  iuxta  verborum  quoque  ardinem  ahditar. 
Andeknagu.  Gerhard  Terwelp. 


(45.) 

ZU  OVIDIUS  FASTI. 


III  497  ff.  wird  gelesen: 

Bacche,  fidem  praesta^  nee  praefer  amoribus  \iUam 

coniugis.   adsuevi  semper  amare  virum. 
ceperunt  matrem  formosi  cornua  tauri^ 

r>oo      me  tua,   at  hie  laudi  estj  ille  pudefidus  amor, 
so  schreiben  den  letzten  vers  die  neuesten  hgg.  Biese  und  Peter,  der 
lesart  von  Heinsius  folgend,    ich  glaube  die  überlieferten  worte  in 
6in  distichon  zusammenziehen  und  schreiben  zu  sollen: 

liacche,  fidem  praesta  ^  ncc  praefer  amoribus  uUam 
coniugis:  hie  laudi  est^  ille  pudendus  amor, 
natürlich  bezieht  sich  iUe  amor  nun  spcciell  auf  die  liebe  des  Baccbua 
zu  der  tochter  des  von  ihm  besiegten  Inderkönigs,  und  im  gegen- 
salz  zu  dieser  konnte  die  liebe  zur  rechtmäszigen  gattin  (vorher 
(onorihus  coniugis)  nunmehr  nur  durch  hie  (amor)  bezeichnet  werden. 
es  sind  somit  zwei  sinnstürende  gedanken  auszuscheiden,  deren  erster 
mir  nur  in  der  von  Heinsius  gegebenen  form  coniugis  assuctae  semper 
amarc  virum  allenfalls  erträglich  erscheinen  könnte,  während  der 
zweite  einen  durch  den  Zusammenhang  in  keiner  weise  veranlassten, 
liöclibt  geschmacklosen  vergleich  enthält,  mir  wenigstens  erscheint 
die  Zusammenstellung  der  hörner  des  Bacchus  mit  denen  des  stieres, 
der  rasii)hae  berückte,  im  munde  der  Ariadne  und  an  Bacchus  ge- 
richtet, mindestens  unpa^«scnd.  aus  der  spätem  hinzuHlgung  der 
von  mir  ^a'tilgten  worte  und  dem  bestreben  das  hie  laudi  est  mit 
dem  nie  tua  zu  verbinden  mögen  sich  nun  wohl  auch  die  manigfachen 
lesarten  der  hss.  in  v.  500  erklären. 

Meiszbn.  Hans  Gilbert« 


ThPlüss:  Horazische  allegori«  [carm.  I  14].  863 

118. 

HORAZISCHE  ALLEGORIE. 


Ist  das  Horazische  gedieht  0  navis^  referent  eine  allegorie  ?  von 
den  beurteilen!  ist  eine  kleine  minderheit  gegen  allegorie,  die  grosze 
mehrheit  für  solche/  da  die  frage  für  Horazische  wie  für  andere 
römische ,  für  griechische  und  für  moderne  dichtung  bedeutsam  ist, 
so  möchte  ich  ein  paar  gründe  in  die  wagschale  nichtallegorischer 
deutung  legen. 

Man  sagt ,  unter  dem  bilde  des  Schiffes  sei  der  römische  staat 
dargestellt,  nun  aber  erscheinen  wieder  die  einzelnen  teile  des 
Schiffes  unter  dem  bilde  der  teile  eines  menschlichen  wesens:  der 
mastbaum  ist  verwundet  wie  ein  menschliches  körperglied,  mast 
und  rahen  ächzen,  lassen  einen  klagenden  laut  vernehmen,  wie  er 
aus  der  gepressten  brüst  eines  menschen  kommt,  und  der  vordere 
teil  des  schiffes  ist  nackt  und  blosz  oder  wehrlos  und  schutzlos 
wie  die  brüst  eines  kämpfenden  menschen,  das  sind  einzelne  aus- 
drücke; durch  das  ganze  gedieht  aber  geht  die  Vorstellung  einer 
geistigen  persönlichkeit:  das  schiff  wird  angeredet  wie  ein  hören- 
des und  vernünftig  verstehendes  wesen ,  es  sieht  und  es  erkennt ,  es 
hat  den  freien  willen  zu  suchen  oder  zu  meiden  und  freie  thatkraft, 
es  zeigt  stolz,  es  hat  vielleicht  eine  schuld  gegenüber  dem  Schicksal, 
es  ruft  zu  den  göttern.  also  erstens  wird  der  staat  unter  dem  bilde 
eines  schiffes  dargestellt,  eine  moralische  menschengemeinschaft 
wird  ein  nichtmoralisches  ding;  aber  zweitens  wird  das  schiff  wieder 
unter  dem  bilde  ;piner  einzelnen  person  dargestellt,  das  nichtmora- 
lische ding  wird  eine  sittliche  persönlichkeit,  es  gibt  ja  genug  alle- 
gorische personificationen :  da  wird  ein  nichtpersönliches  wirk- 
liches ding  eben  durch  die  allegorie  zur  persönlichkeit  erhoben, 
hier  dagegen  wird  etwas  allegorisch  nichtpersönliches  durch 
allegorie  in  der  allegorie  persönlich  gemacht.  Uhland  zb.  stellt  die 
genossenschaft  der  schwäbischen  naturdichter  unter  dem  bilde  eines 
apfelbaums  dar ,  den  apfelbaum  aber  wieder  unter  dem  bilde  eines 
guten  Wirtes  —  das  wäre  eine  allegorie  zweiten  grades  wie  die  Hora- 
zische, wenn  sie  überhaupt  möglich  wäre. 

Das  schiff  ist  der  römische  staat.  gut,  was  sind  dann  mast, 
Segelstangen  und  taue  des  schiffes?  denn  vorausgesetzt,  der  hörer 
habe  in  den  ersten  Zeilen  des  gedichtes  die  allegorie  verstanden,  also 
im  bilde  des  schiffes  den  staat,  im  bilde  der  fluten  bürgerliche  un- 


*  für  allegorie  sind  Qulntilianus  VIII  6,  44  und  die  scholiasten  des 
Horatios;  von  den  neuem,  soweit  ich  sie  vergleichen  konnte,  Peerl- 
kamp,  Fürstenau,  Franke,  Lübker,  Dillenburger,  Düntzer,  Schtits,  Keller, 
Kayser,  I^auck,  Orelii-Hirschfelder,  LMüller;  Kraffert  verwirft  jahrb. 
1888  II  abt.  8.  15  f.  das  Staatsschiff,  erklärt  aber  aach  allegorisch, 
gegen  allegorie  ist  nach  Muretus  und  Fabers  Vorgang  Bentlej;  nicht 
ganz  entschieden  Rosenberg  'die  lyrik  des  Horaz*  s.  169  vgl.  s.  98. 


854  ThPlüBB:  Horaziscfae  allegorie  [carm,  I  14]. 

ruhen,  im  bilde  des  hafens  frieden  und  eintracht  erkannt,  dann  sieht 
er  eben  notwendig  den  bord  des  staatsschififes  ohne  rüder,  also 
so  zu  sagen  ohne  staatsruder,  ohne  die  mittel  sich  auf  dem  meere 
der  politik  selber  zu  bewegen  und  zu  lenken ;  er  sieht  den  mast  des 
Staats  Schiffes  halbgebrochen,  also  —  ja,  was  ist  der  mast  des 
staatsschiffes  ?  was  sieht  der  hörer  also  am  staatsschiff?  vorhin,  bei 
schiff,  flut,  hafen  gieng  die  deutung  noch  leidlich  von  statten:  die 
mctaphem  waren  der  phantasie  sonst  schon  geläufig  oder  doch  eine 
aus  der  andern  für  die  einbildungskraft  leicht  zu  bilden  und  für  den 
verstand  leicht  zu  deuten,  bei  bord  und  rudern  konnte  der  verstand 
noch  nachkommen,  wenn  die  einbildungskraft  nicht  zu  lebhaft 
tbäiig  war;  ähnlich  würde  es  nachher  etwa  noch  beim  kielboden  und 
bei  den  segeln  gehen,  aber  mast,  segelstangen ,  taue  —  welche  be* 
standteile  des  Staatswesens  pflegt  etwa  die  phantasie  in  der  gestalt 
dieser  dinge  zu  sehen  ?  und  was  soll  da  der  ratende ,  rfttsellösende 
verstand  in  der  eile  —  und  etwas  eile  ist  bei  der  auffassung  dichteri- 
schen Vortrags  nötig  —  raten  und  rätseln?  man  vergleiche  doch 
einmal  die  nahverwandte  darstellung  des  Theognis  v.  667  ff.:  da 
kann  man  jeden  bildlichen  ausdruck  in  den  unbildlichen  augenblick- 
lich zurückübertragen,  wie  bei  jeder  guten  metapher,  und  dabei 
sagt  der  dichter  doch  noch ,  er  habe  in  rätseln  geredet  I  Horatioa 
redet  aber  wirklich  in  unlösbaren  rätseln,  wenn  er  allegorisch  redet 
Man  müsse  in  unserm  gedieht  die  allegorie  nicht  bis  in  die 
einzclheiten  verfolgen  wollen,  sagt  man.  damit  sagt  man,  es  sei  eine 
schlechte  allegorie  oder  gar  keine,  verwechseln  etwa  unsere  ansleger 
allegorie  und  gleichnis?  allerdings,  bei  dem  herlichen  gleichnis  vom 
müdegearbeiteten  und  hungrigen  pflüger,  das  bei  Homer  durch  die 
mächtige  Vorstellung  hervorgerufen  wird,  welche  der  dichter  von 
dem  unruhvollen  drang  des  Odysseus  nach  der  heimfahrt  hat  —  da 
hat  kein  hörer  das  bcdürfnis  alle  einzelnen  züge  des  gleichnisses 
etwa  als  Sinnbilder  einzelner  dinge  und  Vorgänge  in  der  erzShlung 
von  Odysseus  zu  verstehen,  warum  nicht?  weil  dem  hörer  auch 
nicht  zugemutet  ist,  dabz  der  ackersmann  im  groszen  und  ganzen 
Odyssscus  sei  und  die  heimkehr  des  pflügers  zur  abendmahlzeit  eigent- 
lich die  heimkehr  des  holden  nach  Ithake.  dagegen  denke  man  sich, 
es  hieszc  bei  Uomer:  'Odysseus  sasz  beim  abscbieds mahle  in  der 
halle  des  Alkinoos,  und  der  sänger  Demodokos  spielte  und  sang  ihm 
zu  ehren,  aber  der  pflüger  wandte  oft  das  haupt  zur  sonne: 
denn  er  sehnte  sich  nach  der  abendmahlzeit.  den  ganzen  tag 
haften  ihm  durchs  ncubruchland  die  zwei  rotbraunen 
r  i  n  (1  ü  r  den  pflüg  gezogen.'  hier  würde  der  pflüger  eben  niemand 
anders  als  Odysseus  sein,  und  die  heimkehr  zur  abendmahlzeit  nichts 
anderes  als  die  heimfahrt  nach  Ithake;  also  es  wäre  eine  allegorie. 
dann  freilich  würde  unweigerlich  auch  alles  folgende  allegorisch  sein, 
und  der  hörer  müste  sich  anstrengen  zu  erraten,  was  das  neubrueb- 
land  bedeute,  was  die  zwei  rotbraunen  rinder  seien  usw.  mit  der- 
selben notwendigkeit  musz  ein  richtiger  hörer  bei  Horatius  verstehen 


ThPlOBs:  Horazische  allegorie  [oarm.  I  14].  855 

wollen,  was  der  mast  und  was  dessen  Verwendung  bedeute,  was 
beim  staatsschifif  die  taue  seien,  mit  denen  dasselbe  auf  ofifener  see 
den  geboten  des  wellendrangs  trotzen  könne  usw.,  vorausgesetzt, 
der  hörer  habe  die  eingangszeilen  des  gedichtes  auf  das  staatsschiff 
bezogen  und  sei  somit  allegorisch  angeregt. 

Dies  vorausgesetzt  —  aber  mit  welchem  rechte  können  wir  das 
voraussetzen?  in  dem  vorhin  gebildeten  beispiel  könnte  allerdings 
der  pflüger  gleich  von  vom  herein  eben  nur  Odysseus  sein,  weil  eben 
nur  von  Odysseus  erzählt  werden  sollte  und  müste.  ebenso  weisz 
bei  Theognis  ao.  jeder  beim  ersten  wort  von  der  Seefahrt,  dasz  diese 
allegorisch  sei  und  den  lauf  der  bürgerlichen  bewegungen  darstelle : 
denn  in  den  versen  vorher  und  noch  im  hauptsatze  der  allegorischen 
periode  ist  von  den  politischen  dingen  die  rede,  bei  Horatius  lautet 
das  erste  wort  eines  selbständigen  gedichtes:  ^o  schifif! '  woher  weisz 
da  der  hörer,  meinetwegen  des  Horatius  allernächster  freund,  dasz 
das  schiff  der  staat  sei?  blosz  zehn  nummern  weiter  zurück  steht  bei 
Hör.  ein  gedieht  das  anfängt:  ^so  wahr  dich  die  himmlische  herrin 
von  Eypros  lenken  soll,  mein  schifif — '.  dort  sollen  leser  oder 
hörer  unter  schifif  eben  ein  schifif  verstehen:  ebenso  gut  können  sie 
das  auch  hier,  aber  auch  angenommen,  es  habe  zur  zeit,  wo  unser 
gedieht  gedichtet  und  vorgetragen  wurde,  gerade  in  der  luft  ge- 
legen, solche  Worte  wie  schifif  und  Seefahrt  allegorisch,  also  meta- 
phorisch zu  verstehen  —  um  so  geföhrlicher!  denn  da  gerade  Hora- 
tius die  metaphem  schifif  und  Seefahrt  öfter  von  ganz  andern  dingen 
als  vom  staatsieben  gebraucht  (Krafifert  ao.  s.  15),  so  könnte  der  eine 
hörer  dies,  der  andere  das,  ja  ein  und  derselbe  hörer  nach  einander 
verschiedenes  verstehen,  das  würde  aber  die  allegorie  zum  rätsei 
und  zwar  zum  gemeinen  vexierrätsel  machen;  ein  gutes  rätsei  kann 
doch  schlieszlich  immer  nur  einen  einzigen  sinn  haben,  zur  ein- 
heit  der  allegorischen  form  gehört  es ,  dasz  durch  einen  Zusammen- 
hang mit  vorausgehenden  nichtbildlichen  gedanken  oder  aber  durch 
ausdrückliche  nennung  des  nichtbildlichen  dinges  gleich  zu  anfang 
die  bezüge  der  allegorie  gegeben  seien,  wie  sie  in  der  ersten  art  bei 
Theognis  in  der  schon  erwähnten  allegorie  vom  staatsschifif,  in  der 
andern  weise  etwa  in  Geibels  ^der  schnellste  reiter  ist  der  tod'  ge- 
geben sind ;  sonst  bekommen  wir  eine  wüste  mischung  mit  rätsel- 
formen. 

Man  könnte  einwerfen :  das  Horazische  gedieht  habe  in  der  that 
•ein  allegorisch  -  lyrisches  rätsei  sein  sollen  und  sei  durch  die  um- 
stände bei  seiner  entstehung  und  veröfifentlichung  ursprünglich  wohl 
lösbar  und  zu  lyrischer  Wirkung  geeignet  gewesen,  ein  rätsei  in  dem 
sinne,  in  welchem  zb.  Körner  das  Scbillersche  ^mädchen  aus  der 
fremde'  ein  liebliches  rätsei  nenne,  aber  solche  rätsei  lyrischer  art 
pflegen  auf  die  erkenntnis  ihres  sinnes  schon  dadurch  vorzubereiten, 
dasz  sie  gleich  anfangs  durch  andeutung  des  rätselhaften  oder  ge- 
heimnisvollen eine  sinnende  Stimmung  anregen  oder  geradezu  zum 
sinnen  und  zum  deuten  auffordern :  von  jener  art  ist  Schillers  'ein 


856  ThPlüBs:  Horazische  allegorie  [carm.  I  U]. 

mädchen  schön  und  wunderbar',  wenn  das  ganze  gedieht  überhaupt 
als  allegorisches  rStsel  zu  nehmen  ist;  von  der  zweiten  art  ist  zb. 
Schwabs  ^nenne  mir  die  stille  stadt'.  sodann  bringen  wie  andere 
allegorien ,  so  auch  allegorische  rätsei  nur  solche  züge  des  bildea, 
welche  sich  schlieszlich  alle  einzebi  ins  nichtbildliche  übertragen 
lassen:  man  mache  nur  die  probe  an  den  beiden  eben  genannten 
gedieh ten.  und  endlich  bringen  allegorische  rätsei  wie  die  genannten 
die  zUge  ihres  bildes  in  einer  ruhigen,  anschaulich  geordneten,  ver- 
ständig betrachtenden,  beschreibenden  oder  erzählenden  darstellung: 
so  kann  beim  hörer  die  phantasie  zug  um  zug  das  bild  ausgestalten 
und  zugleich  der  sinnende  verstand  ohne  unruhe  und  Verwirrung  zu 
immer  deutlicherer  erkenntnis  fortschreiten,  alle  diese  drei  merk» 
male  eines  allegorischen  rätseis  fehlen  dem  Horazischen  gedieht:  es 
fehlt  eräteuB  jede  andeutung  eines  andern  sinnes  als  des  wörtlicheni 
jede  anregung  zum  sinnen  und  deuten;  sodann  wollen  mast,  Btangen« 
taue ,  verzierter  hinterbord  sich  nicht  raten  und  enträtseln  lassen ; 
und  endlich  ist  die  darstellung  so  lebhaft  lyrisch  und  dramatisch, 
dasz  der  hörer  keine  zeit  hat  zu  sinnen  und,  statt  schrittweise  vom  ge- 
heimnisvollen dunkel  zur  ahnungsvollen  dämmerung  und  von  dieser 
zum  vollen  tage  der  erkenntnis  weiter  zu  wandeln,  vielmehr 
immer  mächtiger  zu  lebhaft  lyrischer  teilnähme,  zur  empfind ung 
angeregt  und  in  die  dramatische  Situation  des  kämpfenden  Schiffes 
als  in  eine  wirkliche,  das  heiszt  nichtallegorische  hineingezogen  wird. 

Können  denn  aber  überhaupt  die  zwecke  einer  allegorie,  von 
denen  man  bei  unserem  gedieht  redet,  erreicht  werden,  wenn  auf 
die  bisher  besprochene  weise  alle  formen  der  allegorie  fehlen?  es 
sei,  sagt  man,  der  zweck  der  allegorie  auch  in  unserm  falle,  das 
weniger  anschauliche  zu  veranschaulichen,  wenn  nun,  wie  zuletzt 
erörtert  worden  ist,  die  lebhaft  dramatische  darstellung  mich  au  der 
Situation  des  Schiffes,  ganz  als  wäre  dies  die  poetisch  wirkliche 
Situation,  stark  und  immer  stärker  teil  nehmen  läszt,  kann  mir  da- 
durch die  Situation  des  Staates  anschaulich  werden?  wenn  meine 
e  m p  f  i  n  d  u  n g  für  das  s c h  i f  f  immer  stärker  erregt  wird,  kann  meine 
anschauung  des  Staates  lebendiger  werden?  und  wenn  ich  mir 
immer  wieder  zum  bewustsein  bringen  soll,  dasz  dieses  schiff  kein 
schiti'  sei,  und  ich  plötzlich  die  teilnähme,  die  ich  für  das  kämpfende 
scbiif  fühle,  wieder  dem  gefährdeten  staat  zuwenden  soll,  kann  die 
Wirkung  auf  mich  eine  einheitliche,  ernsthafte  sein?  nein, 
im  besten  fall  eine  durch  Widerspruch  erheiternde,  gerade  wie  bei 
jenen  allegorischen  darstellungen  der  bildenden  kunst,  in  welchen 
die  dramatische  bewegung  stärker  ist,  als  sich  mit  dem  ästhetischen 
wesen  und  wirken  allegorischer  Vorgänge  verträgt  (vgl.  BlUmner 
Laokoonstudien  I  47  ff.). 

Vielleicht  dient  unsere  allegorie  der  charakteristischen  deutlich- 
keit  V  metaphem  sollen  uns  ja  besser  und  rascher  eine  bestimmte 
Vorstellung  von  der  besondem  art  des  eigentlichen  dinges  geben, 
als  es  irgend  ein  direct  darstellender  eigentlicher  ausdruck  kann. 


\ 


ThPlüBs:  Horazische  allegorie  [carm.  I  14].  857 

80  könnte  zb.  die  ganze  ausführung  von  bord,  rudern,  mast,  Btangeu 
usw.  uns  die  allgemeine  Vorstellung  von  dem  elenden  zustande  und 
der  augenblicklichen  gefahr  des  Staatsschiffes  charakteristisch  deut- 
lich machen,  ganz  recht !  wenn  wir  yon  vom  herein  wüsten ,  dasz 
überhaupt  das  staatsschiff  gemeint  sei,  so  könnten  wir  auch  von  der 
besondern  beschaffenheit  oder  läge  des  staatsschiffes  irgendwie 
eine  deutliche  Vorstellung  uns  geben  lassen ,  und  wenn  vorher  ge* 
sagt  wftre,  der  staat  befinde  sich  in  einem  elenden  zustande  der 
wehrlosigkeit  und  drohender  geföhrdung,  so  wie  ein  schiff,  das 
nach  einem  ersten  stürme  gefahr  laufe  einem  zweiten  anheimzufallen : 
dann  könnte  gerade  die  einzeldarstellung  der  wehrlosigkeit  des 
scbiäes  uns  eine  charakteristisch  deutliche  Vorstellung  von  der  läge 
des  Staates  geben,  dann  hätten  wir  eine  zweckmftszige  allegorie  oder 
aber  ein  zweckmftsziges  gleichnis;  so  aber  haben  wir  eine  zweck- 
widrigkeit in  schönen  versen. 

Oder  unsere  allegorie  dient  durch  anschaulichkeit  (und  anschau- 
lich ist  ja  an  sich  das  schiff  und  seine  läge)  mehr  dem  zweck  des 
Bchönheitsgefühls  als  dem  der  charakteristischen  deutlichkeit?  als 
schön  erscheint  die  darstellung  des  Horatius:  denn  sie  scheint  in 
jeder  beziehung  rhythmisch  bewegt  und  zieht  uns  unwillkürlich  in 
ihre  ebenmäszig  gegliederte  bewegung  hinein,  aber  wie  können  wir 
uns  dieser  rhythmischen  bewegung,  dem  schönheitsgefühl  hingeben, . 
wenn  wir  bei  allegorischer  deutung  unsem  ratenden  verstand 
hier  so  stark  anstrengen  müssen  und  zwischen  unmittelbarem  gefühl 
und  verstandesm&szigem  urteil  so  elend  unregelmSszig  hin  und  her 
geschleudert  werden? 

Aber.von  formen  und  zwecken  der  allegorie  abgesehen  —  das 
gedieht  des  Alkaios  dcuv^Timt  t&v  &yi}iwv  CTdciV-  nötigt  uns  die 
allegorie  bei  Horatius  anzunehmen.  Hör.  ^at  den  Alkaios  nach- 
geahmt oder  übersetzt;  des  Alkaios  gedieht  ist  allegorie;  folglich  —  1 
nun,  dasz  unser  gedieht  nachahmung  oder  Übersetzung  sei,  ist  ebenso 
ungenau  beobachtet  und  voreilig  behauptet  wie  beim  Horazischen 
Vides  ut  äUa  (s.  Horazstudien  s.  44  ff.),  die  Situation  des  sprechen- 
den und  sein  empfindungsverhftltnis  zum  schiffe,  die  form  und  der 
ton  der  darstellung,  die  augenblickliche  läge  des  Schiffes  —  also 
alles  worauf  es  am  ende  ankommt,  ist  völlig  verschieden  bei  den 
zwei  dichtem,  dasz  femer  das  All^ische  gedieht  allegorie  sei ,  ist 
zwar  die  meinung  des  sogenannten  Herakleides  Pontikos  in  den 
Homerischen  allegorien,  hat  aber  dadurch  eben  so  viel  oder  so  wenig 
gewfthr  wie  die  umdeutung  eines  Homerischen  mythos  von  dem  nem- 
lichen  gewfthrsmann ;  nur  unsere  zeitgemäsze  liebhaberei  für  histo- 
risierende auslegung  hegt  und  pflegt  heutzutage  noch  solche  irrtümer 
jener  alten  allegorisierenden  ausleger.  demnach  ist  unser  gedieht 
keine  nachahmung  des  Alkaios;  das  gedieht  des  Alkaios  ist  schwer» 
lieh  allegorie;  folglich  braucht  um  Alkaios  willen  Horatius  nicht 
allegorisch  zu  sein. 

Aber  Quintilianus  sagt,  das  Horazische  gedieht  sei  allegorisch« 


858  ThPlüss:  Horazische  allegorie  [camu  I  14]. 

ich  bezweifle  nicht  dasz  es  ihm  und  vielen  Zeitgenossen  allegorisch 
war.  gewis  bestand  eine  Überlieferung,  dasz  der  dichter  durch  zu- 
stände oder  ereignisse  im  römischen  Staate,  durch  drohende  bttrger- 
kriege  zu  diesem  gedichte  den  anstosz  bekommen  habe ,  und  diese 
Überlieferung  bestand  gewis  zu  recht,  wenn  nun  Quintilianus  aoa 
derselben  nichts  anderes  zu  machen  wüste  als  dasz  das  8chi£F  den 
Staat,  die  wogen  den  bürgerkrieg  und  der  hafen  die  eintracht  be- 
deute, so  war  ihm  eben  das  gedieht  nichts  als  eine  allegorie«  ao 
werden  ja  viele  schöne  dichtungen  der  deutschen  litteratur  von  hoch- 
gelehrten auslegem  allegorisch  erklärt,  weil  sie  diesen  nichts 
besseres  sind  und  weil  irgendwo  die  'historische'  nachricht  yon 
Wirklichen'  Verhältnissen,  die  der  dichtung  zu  gründe  liegen,  aaf* 
gestöbert  worden  ist. 

Gut !  formen  und  zwecke  sind  nicht  die  üblichen  der  allegorie, 
Alkaios  und  Quintilianus  nötigen  uns  nicht  zu  allegorischer  auf- 
fassung;  aber,  sagt  man,  die  lyrische  art  des  Horatius  selber  zwingt 
uns  hinter  dem  wortsinn  einen  andern  sinn  zu  suchen:  denn  ein 
schiff  mit  geknickten  rudern,  zerfetzten  segeln  usw.  ist  für  sich  kein 
gegenständ  Horazischer  lyrik.  —  Ist  etwa  eine  quelle  mit  reinem, 
kaltem  wasser,  das  dem  pflugvieh  gut  den  durst  löscht,  ein  fels- 
abhang  über  den  das  wasser  hinunterläuft,  nebst  einem  grünen  bäum 
der  schatten  gibt  —  ist  das  etwa  für  sich  Horazischer  lyrik  würdig? 
und  doch  scheint  uns  das  gedieht  auf  die  Bandusiaquelle  gut  Hora- 
ziscb,  und  noch  heutzutage  ist  die  Horazische  Bandusia  tauaenden 
von  menschen,  denen  die  historische,  wirkliche  Bandusia  Yoll- 
stäudig  gleichgültig  ist,  einer  empiindung  wohl  wert  warum?  weil 
Hör.  nicht  eine  historische  einzelne  quelle  mit  zufölligen  eigen- 
Schäften  für  sich  dargestellt  hat.  er  hat  vielmehr  in  seiner  Ban- 
dusia das  schöne  allgemein-  oder  idealbild  einer  art  idyllischer,  länd- 
lich-friedlicher quellenscenerie  gezeichnet ;  diese  Zeichnung  wiederum 
ist  ihm  nicht  zweck,  sondern  mittel  gewesen:  zweck  ist  dem  lyriker 
die  schöne  darstellung  eines  gemüts Verhältnisses,  eines  Stückes  ans 
dem  cmpfindungsleben,  wie  es  vom  dichter  und  vom  gleichgestimm- 
ten hörer  gelebt  wird;  da  nun  aber  dichter  und  hörer  nicht  zu 
einem  realen,  einzelnen  ding,  etwa  einer  quellenscenerie  als  solcher, 
in  einem  poetischen  gemütsverhältnis  stehen,  sondern  wieder  zu  dem 
allgemeinen ,  idealen  empfindungsgehalt  des  dinges  oder  Vorgangs, 
so  bat  Hör.  denjenigen  allgemeinen,  idealen  empfindungsgehalt  zum 
ausdruck  und  zur  Wirkung  gebracht,  welchen  eine  idyllische  soenerie 
für  ihn  und  seine  zeit  hatte  und  ähnlich  noch  für  uns  hat.  den  dich- 
ter verlangt  immer  wieder  nach  äuszerer  und  innerer  ruhe ,  die  Un- 
ruhe und  aufregung  des  Stadt-  und  hoflebens  ist  er  immer  wieder 
müde ;  das  ländliche  leben  hat  für  ihn  und  seine  genossen  einen  reiz 
und  ist  ihnen  durch  sitte  und  erfahrung  interessant;  besonders  wohl- 
tliuend  wirkt  auf  ihn  immer  der  anblick  der  Bandusiaquelle,  nnd  sie 
wird  fUr  seine  cinbildung^kraft  und  sein  gemüt  ein  Inbegriff  der 
ruhe,  des  äuszern  und  des  innern  friedens,  und  sein  gefUhl  des  ver- 


ThPlflsa:  HoraziBche  allegorie  [corm.  I  14].  859 

langens  nach  diesem  frieden  drttckt  sich  ihm  in  der  form  aus  ^  dasz 
«r  insbesondere  sein  gemütsverh&ltnis  zu  dieser  einzehien  l&ndliohen 
scenerie  darstellt,  also  der  Ijriker  stellt  überhaupt  nicht  dinge,  Vor- 
gänge für  sich  dar,  und  Horatius  hat  auch  nicht  das  schifif  oder  den 
Vorgang  mit  dem  schifife  für  sich  dargestellt,  der  dichter  zeichnet 
vielmehr  hier  ein  bild,  welches  Idealbild  einer  ganzen  menge  von  ein- 
zelnen, wirklichen,  unter  sich  verschiedenen  vorgingen  ist,  die  der 
dichter  beobachtet  hat  und  die  seine  hOrer  und  leser  immer  wieder 
beobachten  kOnnen,  das  bild,  wie  ein  schönes,  stolzes  schifif,  das  auf 
stürmischer  fahrt  fast  schon  zum  elenden  wrack  zerschlagen  ist,  an- 
gesichts des  bergenden  hafens  wieder  der  rollenden  see  imheimfallen 
will,  diese  Zeichnung  ist  nur  mittel  und  form ;  zweck  ist  die  dar- 
stellung  der  gefühle,  welche  dichter  und  hörer  für  das  kämpfende 
schifif  empfinden,  diese  gefühle  wiederum  gelten  nicht  einem  ein- 
zelnen, bestimmten  schifife;  auch  nicht  der  menge  von  schififen,  welche 
solche  sckicksale  erleiden ,  sondern  der  empfilndungs würdigen  idae, 
wie  ein  kSmpfer  voll  mut  und  kraft,  aber  schon  wund  und  hcJb  wehr- 
los, gegen  einen  Übermächtigen  gegner  etwa  noch  einmal  zum  kämpfe 
sich  wendet,  obwohl  ihm  der  Untergang  im  neuen  kämpfe  sicher  ist. 
gerade  jene  ausdrücke,  welche  das  schifif  zu  einem  verwundeten 
kämpfer  personificieren,  verraten  deutlich,  dasz  der  dichter  das 
kämpfende  schifif  mit  demjenigen  mitleid  und  derjenigen  mitfurcht 
anschaut,  mit  welchen  er  das  bild  eines  menschlichen  kampfes  gegen 
überlegene  schicksalsmächte  sehen  würde,  also  auch  mit  einer  ästhe- 
tisch idealen  art  derjenigen  furcht  und  desjenigen  leidens ,  mit  wel- 
chen er  eigne  kämpfe  gegen  solche  mächte  im  wirklichen  l«ben  be- 
steht, ist  es  nun  des  Hör.  unwürdig,  wenn  sich  ihm  seine  furcht  vor 
schweren  lebenskämpfen  in  der  form  ausdrückt,  dasz  er  insbesondere 
sein  gemütsverhältnis  zu  dem  besondem  Vorgang  des  seelebens  dar- 
stellt? wie  lebhaft  gerade  die  see  und  ihr  ge^JurvoUes  leben  die 
teilnähme  der  Horazischen  zeit  in  anspruch  nahm ,  zeigen  zahllose 
bezüge  auf  meer  und  Schiffahrt  in  der  zeitgenössischen  litteratur, 
bezüge  teils  stofinich-poetischer  teils  formal-poetischer  art  wie  die 
zahlreichen  metaphern.' 

Also  auch  die  unwürdigkeit  des  stofifes  zwingt  uns  nicht  zu 
allegorischer  deutung.  oder  ist  etwa  Ooethes  schöne  ^seefahrt'  eine 
allegorie,  weil  einerseits  erlebnisse  in  Weimar,  welche  durchaus 
nichts  mit  meer  und  schifif  in  Wirklichkeit  zu  thun  hatten,  dem  dich- 
ter Stimmung  und  grund  zu  dem  gedichte  gaben'  und  anderseits 
eine  seefahrt  für  sich  allerdings  noch  kein  gegenständ  lyrischer 
kunst  ist? 

Ich  vermute  dasz  ereignisse  des  politischen  lebens  den  dich- 


*  vgl.  unter  den  ersten  fünfzehn  öden  des  Horatius,  unter  denen 
unser  gedieht  steht:  I  1.  3.  5.  6.  7.  9.  11.  18.  15.  über  das  zeitgemäsze 
Interesse  am  seeleben  vgl.  mein  proeramm  ^der  reis  erzählender  dich- 
tung  und  die  Aenelde  Vergils'  (Basd  1882).  *  Hempelsche  ausgäbe 
I  159  mit  der  anm.  von  Strehlke. 


860  EBaehrens :  zu  Tiballns. 

ter  föhig  gemacht  haben,  das  allgemeine  Interesse  seiner  zeit  für 
schifif  und  meer  im  besondem  augenblicke  lebhafter  und  tiefer  zu 
empfinden  und  sein  gefdhl  für  ein  kämpfendes  schiff  zum  zeit* 
gemäszen  dichterischen  ausdruck  seiner  furcht  vor  neuen  Schicksals- 
kämpfen  zu  machen,  und  vermuten  darf  ich  das ,  weil  so  jene  alte 
Überlieferung  sich  erklärt,  nach  welcher  das  gedieht  sich  auf  die  ge- 
fahren des  bttrgerkrieges  und  den  römischen  staat  beziehen  soll,  die 
furcht  vor  neuem  bürgerkriege ,  zb.  nach  schlusz  des  sicilischen 
krieges,  könnte  sehr  wohl  ihr  ideales  oder,  richtig  verstanden,  sym- 
bolisches abbild  in  unserm  gedichte  gefunden  haben.  ^  den  ttuBzem 
anstosz  dazu,  dasz  gerade  die  idee  des  kämpfenden  schiffes  dem  dichter 
auftauchte,  mochte  der  zufällige  anblick  eines  schiffes  geben,  welches 
an  irgend  einer  küste  in  ähnlicher  gefahr  schwebte;  es  konnte  auch 
eine  zufällige  anregung  durch  das  lied  des  Alkaios  sein ;  der  gedanke 
an  Seekriege,  wie  der  sicilische  krieg  gewesen  und  der  actische  wer- 
den sollte,  konnte  die  erinnerung  an  früher  erlebte  seevorgänge  wach- 
rufen. 

Eine  grosze  zahl  schöner  gedichte  von  römischen ,  griechischen 
und  deutschen  dichtem  wird  leider  allegorisch  statt  symbolisch  aus- 
gelegt, möge  dieser  versuch  über  Horazische  allegorie  ein  beitrag 
zu  einer  psychologisch  richtigeren  und  ästhetisch  fruchtbareren  auf- 
fassung  dichterischen  Schaffens  sein ! 


*  über  'symboliBch'  im  unterschied  von   ^allegorisch'  vgl.  Horaz- 
studien  s.  65.  92  ff.  225  f.  243  f.  850.  jahrb.  1882  s.  408  f. 

Basbl.  Thsodob  PlOss. 


119. 

zu  TIBULLUS. 


Da  man  in  neuester  zeit  für  das  erste  der  beiden  TibuUischen 
Friapea  ViUicus  aerari  quondam  (s.  85  m.  ausg.)  mehrfach  auf  CIL. 
Vis.  274  verwiesen,  danach  zuletzt  auf  JScaliger  den  Vorwurf  der 
leichtfertigkeit  geworfen  hat  (EHiller  im  Hermes  XVIII  s.  349) ,  so 
soll  in  einer  sache,  welche  ich  als  selbstverständlich  nicht  einmal 
der  erwähnung  für  wert  hielt,  der  thatbestand  kurz  dargelegt  wer- 
den, aus  den  schedae  italiänischer  humanisten  des  Cinquecento, 
welche  das  gedieht  in  der  nähe  von  Padua  gefunden  sein  lassen, 
hat  es  Mommsen  ao«  als  unzweifelhaft  echte  inschrift  gegeben ,  in- 
dem er  lieber  seinen  Italiänern  als  Scaliger  glaubt,  welcher  es  in 
dem  bekannten  alten  und  vortrefflichen  fragmentum  Cuiacianum 
fand,  mir  war  und  ist  es  noch  heute  unglaublich,  dasz  in  einer  in- 
schrift der  Augusteischen  zeit  (denn  in  diese  gehört  das  in  jeder  hin- 
sieht tadellose  gedieht)  in  v.  1  mdice  statt  vüice  zu  lesen  stand;  und 
abgesehen  von  v.  5,  wo  der  'stein'  violabü^  die  membrane  besser 


EBaehrens:  xu  libollu«.  861 

vkiarü  liest,  ist  es  unmöglich  dasx  in  y.  6  wirklich  auf  einer  in» 
achrift  stand :  hunc  tu^  sed  tenio.  sds  puto  quod  sequäur.  denn  te9Uo 
ist  völlig  sinnlos,  dagegen  vortrefflich  die  lesart  des  fr.  Guiae.  taoeoi 
wer  die  Friapea  kennt,  weisz  sie  zn  wttrdigen.  Mommsen  freilich 
hält  taceo  fOr  'interpoliert' ;  wie  das  iento  des  'steines'  zu  erklären 
sei,  verrät  er  nicht,  ohne  leugnen  zn  wollen  dasz  taceo  ooi\jectur 
sein  kann,  scheint  es  mir  doch  zu  fein  und  gewählt  fUr  eine 
solche :  das  obschon  absurde  ienio  würde  man ,  weil  es  orass  sinn« 
lieh  scheint,  zn  verstehen  g^laubt  haben,  in  jedem  faU  ist  es 
unerhört,  dasz  eine  inschrift  eine  ganz  unverständliche  Verderbnis 
und  eine  der  zeit  nicht  entsprechende  Schreibweise  bietet;  und  da- 
nach habe  ich  die  sache  so  angesehen:  das  fr.  Cuiao.  ist  im  fünf- 
zehnten jh.  in  Italien  aufgefunden  (diese  dem  TibuUforscher  be- 
kannte thatsache  hat  Hiller  oben  s.  274  ausführlich  bewiesen)  {  dort 
war  vor  allem  das  erste  Priapeum  als  unbekannt  abgeschrieben  wor* 
den.  in  6iner  abschrift  las  man  fehlerhaft  v.  6  tento]  und  diese 
copie  benutzte  derjenige,  welcher  das  gedieht  als  ^in  agro  Patavino* 
(mit  noch  näherer  angäbe  zu  besserer  empfehlung)  gefunden  den 
inschriftensamlem  jener  zeit  aufschwatzte ;  aus  anderer,  besserer  ab- 
schrift war  das  richtige  taceo  auch  schon  in  Italien  bekannt,  und  so 
steht  es  in  der  ed.  Plantiniana,  mit  welcher  Scaliger  das  fr.  Cuiao. 
collationierte :  natürlich  hat  er  zu  taceo  nichts  angemerkt,  weil  seine 
hs.  mit  dem  druck  übereinstimmte.  —  Dasz  solchermaszen  hsl.  über- 
lieferte gedieh te  als  auf  inschriften  gefunden  ausgegeben  wurden,  lehrt 
ein  anderes  beispiel,  womit  es  Mommsen  ebenfalls  unglücklich  ge- 
gangen ist.  das  wohl  mit  recht  dem  Hadrianus  zugeschriebene  ge- 
dieht lue  ego  Pannoniis  (PLM.  IV  s.  113)  steht  in  guten  hss.  vom 
neunten  jh.  an;  nichtsdestoweniger  hat  es  Mommsen  aus  ungarischen 
inschriftensamlungen  (deren  unzuverlässigkeit  auch  das  folgende  ge* 
dicht  des  Hadrianus  Borysthenes Älanus  beweist ;  vgl.  die  anm.  meiner 
ausg.)  in  ziemlich  corrupter  gestalt  als  'inschrift'  CIL.  III  1  s.  40S 
aufgenommen. 

Ich  will  diese  gelegenheit  benutzen,  nicht  um  über  so  manohon 
rückschritt,  welchen  die  Tibullforschungen  neuesten  daiumi  auf* 
weisen,  zu  sprechen,  sondern  um  bei  einer  stelle,  welche  iob  einst 
als  'locus  conclamatus'  bezeichnete  und  unterdeiNsn  geheilt  zu  haben 
glaube,  kürzlich  vorgebrachte  thorheiten  zurückzu weiten.  II  1,  66 
— 58  heiszt  es  in  den  hss. : 

agricola  et  mimo  aufpuaus,  Bacche^  rubenii 
primus  inexpetia  duxit  ab  arte  choroa: 

huic  datus  a  pleno  ^  memorahüe  munus^  ovili 
dux  pecoris  hircus  hauserat  hircus  oves, 
higr  haben  die  conjecturen  früherer  kritiker  so  wenig  licht  gebracht; 
dasz  ich  (wie  ähnlich  Heyne  und  Dissen)  die  letzten  vier  werte  für 
fremde  ergänzung  hielt,  im  letzten  hefte  des  Hermes  (XYIII  s.  339  ff.) 
hat  EMaass  den  bock  als  verwüster  des  Weinberges  einzuführen  ge- 
sucht und  beispielsweise  vorgeschlagen  vite$  hauserat  hircus  olens, 


862  EBaebrens:  zu  Tibnllna. 

was  dann  freunde  von  ihm  (ebd.  s.  480)  etwas  duftender  umgestal* 
teten  in  vites  roserat  tue  navas.  hierbei  musz  man  protestieren  gegen 
die  vermengung  zweier  ganz  verschiedener  motive  der  sage,  wenn 
ein  bock  dem  gotte  zur  sühne  geschlachtet  wird  und  nun  mit  lusti- 
gem gesang  der  chor  um  den  altar  tanzt  (Hjginus  (istron.  11  4) ,  so 
hat  das  offenbar  einen  andern  inbalt  als  wenn  denen ,  die  des  gottes 
lob  verkünden ,  ein  bock  als  kampfpreis  ausgesetzt  wird,  wenn  za* 
gleich  mit  dem  ersten  auch  das  zweite  verbunden  wird  (Verg.  gearg. 
II  376  ff.) ,  so  sehen  wir  darin  die  älteste  gestalt  des  festes:  an  die 
Suszerung  ausgelassener  freude  und  tanz  um  das  opfertier  (ans  den 
dabei  gesungenen  liedern  gieng  das  satyrspiel  hervor)  knüpfen  sioli 
ernstere  gesSnge  um  den  preis  wohl  ursprünglich  des  feiles  des  ge- 
schlachteten bockes  (ihnen  verdankt  die  tragödie  ihr  dasein),  ein 
dichter  kann  nun  wohl  (und  in  diesem  falle  mit  gutem  rechte)  das 
untergeordnete  moment  zum  hauptmoment  erheben ,  aber  nicht  du 
diesem  zu  gründe  liegende  motiv  auch  jenem  unterschieben;  unmög- 
lich kann  also  Tibullus  verbinden:  der  landmann  bekam  als  preis 
seines  gesanges  einen  bock,  denn  derselbe  hatte  die  jungen  zeben 
zerstört,  für  das  letztere  wird  dieser  geschlachtet;  dafür  dasz  er  als 
praemium  dient,  ist  das  kein  grund.  tritt  zu  diesem  logischen  fehler 
noch  der  andere  poetische  hinzu ,  dasz  jene  alezandrinische  gelehr- 
samkeit  dieser  stelle  und  diesem  ganzen  gedichte  fremd  ist,  und 
hierzu  femer,  dasz  wir  damit  gar  keinen  richtigen  fortschritt  des 
gedankens  erhalten ,  so  ist  es  wohl  um  jenen  neuesten  einfail  ge- 
schehen, der  fortschritt  des  gedankens  ist  deutlich:  die  zuerst  kunst- 
losen chori  zu  ehren  des  gottes  erhob  der  spätere  wettkampf  auf  eine 
höhere  stufe,  machte  sie  zu  dem,  woraus  mit  der  zeit  die  tragOdie 
erwuchs,  diesen  begriff  nun  des  veranlassens  glaube  ich  zunftchst 
sicher  gefunden  zu  haben,  indem  ich  hauserat  ändere  in  causfrat 
=  causa  erat,  betrachten  wir  dann  femer  die  stelle,  so  ist  augen- 
scheinlich das  erste  hircus  glossem  zu  dux  pecoris:  wir  erhalten  da- 
mit die  freiheit  zu  stärkerer  änderung.  wenig  wahrscheinlich  da- 
gegen ist  es,  dasz  auch  das  zweite  hirctts  sollte  verdorben  sein;  dux 
pecoris  hircus  ist  bei  keinem  lateinischen  dichter  anstöszig.  es  bleibt 
somit  noch  oves  übrig,  das  ohne  sinn  und,  wie  ich  glaube,  aus  dem 
ovdi  des  vorhergehenden  yerses  entstanden  ist.  die  Verderbnis  wird 
erklärlich,  wenn  die  zUge  der  ursprünglichen  lesart  ganz  ähnlich 
aussehen,  auf  dieszen  Voraussetzungen  fuszend  und  mich  erinnernd 
nn  Vergilius'  werte  in  derselben  sache  (ao.)  et  veteres  ineunt  prO" 
scaenia  ludi  habe  ich  hergestellt,  was  hoffentlich  als  von  allen  selten 
unanstöszig  befunden  werden  wird : 

dux  pecoris  scaenae  causa  erat  hircus  avis^ 
Groningen.  Emil  Baberens« 


OEScbmidt :  die  zeit  der  lex  Antonia  Cornelia  de  perm.  proy.     863 

120. 

DIE  ZEIT  DER  LEX  ANTONIA  CORNELIA 
DE  PERMUTATIONE  PROVINCIARUM  (44  VOR  CH.). 


In  meiner  eben  erschienenen  abfaandlung  'die  letzten  kämpfe 
der  römischen  republik,  Ir  teil'  (jahrb.  suppl.  bd.  XIII)  s.  713  habe 
ich  mein  bedauern  darüber  ausgesprochen,  dasz  die  quellen  zur  vollen 
erkenntnis  des  wichtigen  gesetzes,  durch  welches  M.  Antonius  statt 
Macedoniens  die  gallischen  provinzen  erhielt,  insonderheit  zur  Chro- 
nologie desselben  so  spärlich  flieszen.  ich  habe  dann  s.  718  die  an- 
nähme des  gesetzes  nach  einigen  andeutungen  in  Ciceros  briefen  in 
die  zeit  zwischen  den  iden  des  juni  und  juli  yerlegt.  bald  nach  der 
drucklegung  meiner  arbeit  kam  mir  die  Untersuchung  von  Edmund 
Ruete  *die  correspondenz  Ciceros  in  den  jähren  44  und  43'  (Mar- 
burg 1 883)  in  die  bände ;  dort  fand  ich ,  was  ich  früher  vergeblich 
gesucht  hatte ,  eine  handhabe  zu  genauerer  datierung  des  genannten 
gesetzes.  Ruete  findet  nemlich  einen  hin  weis  auf  dasselbe  in  einer 
stelle  des  briefes  Ciceros  an  Matius  ad  fam.  XI  27,  7,  welche  den 
früheren  bearbeitem  der  epoche  und  auch  mir  entgangen  ist,  und 
nimt  an  dasz  das  gesetz  im  laufe  des  august  44  vor  Ch.  durchgesetzt 
worden  sei.  da  jedoch  dieser  ansatz  Ruetes  wie  die  dazu  gehörige  be- 
weisführung  (ao.  s.  29  f.)  nicht  ganz  zutreffend  ist,  so  erlaube  ich 
mir  in  dieser  sache  noch  einmal  das  wort  zu  nehmen. 

Mit  recht  bekämpft  Ruete  das  datum  der  hgg.  für  ad  fam.  XI  27 : 
'den  28n  mai  44.'  denn  die  in  §  1  des  briefes  erwähnte  ankunft 
Ciceros  auf  dem  Tusculanum  kann  nicht  mit  der  am  27n  mai  er- 
folgten (vgl.  ad  Att.  XV  3,  1.  4,  2)  identisch  sein,  da  nach  §  6  des 
antwortschreibens  des  Matius  ad  fam.  XI  28  at  ludos^  quos  Caesaris 
victoriae  Caesar  adulescens  fecit,  curavi  die  ludi  victoriae  Caesaris, 
welche  am  20n  juli  begannen,  bereits  vorüber  sind,  folglich  müssen 
wir  an  d6n  aufenthalt  Ciceros  auf  dem  Tusculanum  denken,  den  er 
im  Spätsommer  des  Jahres  auf  der  rückreise  von  Leucopetra  auf 
seiner  lieblingsvilla  nahm,  ehe  er  Rom  selbst  betrat.  Cicero  kam  am 
19n  august  auf  sein  Pompejanum,  folglich  war  er  frühestens  vom 
22n  august  an  auf  dem  Tusculanum;  am  31n  august  kommt  er 
nach  Rom.  demnach  müssen  Ciceros  worte  ad  fam.  XI  27,  7  ego  te 
suffragium  tiUisse  in  iUa  lege  primum  non  credidi  allerdings  mit 
Ruete  auf  die  lex  de  permutatione  provinciarum  bezogen  werden, 
leider  vermögen  wir  aus  Ciceros  brief  nicht  zu  erkennen,  was  früher 
fiel,  die  ludi  victoriae  Caesaris  oder  das  gesetz  de  permutatione  pro- 
vinciarum; auch  durfte  Ruete  nicht  den  Nicolaus  Damascenus  ala 
gewährsmann  dafür  anführen ,  dasz  das  gesetz  erst  nach  den  spielen 
gegeben  sei.  denn  die  worte  des  Nie.  c.  30  dXXaHä)i€VOC  faXaiiav 
iTrapxictv  irpöc  MaKCbovlav  usw.  enthalten,  wie  ich  in  meiner  oben 
citierten  abb.  s.  717  nachgewiesen,  nicht  den  eigentlichen  bericht 
des  Nie.  über  das  gesetz ,  sondern  greifen  nur  auf  diesen  yerlorenen 


864     OESchmidt:  die  zeit  der  lex  Antonia  Cornelia  de  perm.  prov. 

bericht  zurück,  wo  derselbe  im  original  gestanden  babe,  ist  nicht 
zu  ermitteln,  dagegen  bat  Appian  III  28 — 30  unzweifelhaft  die  Indi 
victoriae  Caesaris  zeitiger  als  die  annabme  der  lex  de  perm.  prov. 
angesetzt,  so  wenig  ich  sonst  diesem  autor  traue  (vgl.  ao.  s.  667 
— 669),  so  wenig  ist  doch  in  diesem  fall  ein  zwingender  grund  Yor- 
handen  seinen  detaillierten  bericht  zu  verwerfen,  danach  hat  Bnete 
das  fragliche  gesetz  in  den  monat  august  verlegt,  da  die  ludi  victoriae 
Caesaris  nach  CIL.  I  392  (soll  wohl  heiszen  397)  vom  2(>n— 30n  jnli 
dauerten,  anderseits  nach  Phü.  II  6  das  gesetz  vor  dem  2n  Septem- 
ber durchgesetzt  worden  sei. 

Dieser  ansatz  der  ludi  victoriae  Caesaris  '20 — 30  joli'  beruht 
auf  kalendarieu,  deren  älteste  (fasti  Pinciani  und  Allifani)  nach  der 
Schlacht  bei  Actium  abgefaszt  sind ;  eine  einfache  hertlbemahme  die- 
ser angäbe  aus  späterer  zeit  auf  das  j.  44  ist  unzulässig,  elf  Spiel- 
tage ,  darunter  vier  tage  ludi  in  circo  —  das  ist  wohl  für  die  casae 
des  ohnehin  durch  auszahlung  der  legate  Caesars  stark  in  ansprueh 
genommenen  Octavian  zu  viel,  zudem  bedenke  man  die  stürmische 
zeit,  in  der  sogar  die  altehrwürdigen  Cerealien  sich  eine  Verschie- 
bung bis  mitte  mai  gefallen  lassen  musten  (vgl.  odÄU,  XV  3,  2). 

Danach  werden  wir  wohl  nicht  irre  gehen ,  wenn  wir  eine  ge- 
ringere ausdehnung  der  ludi  victoriae  Caesaris  im  j.  44  annehmen, 
als  später  von  Octavian  dafür  festgesetzt  worden  ist.  vielleicht  be- 
gnügte sich  Octavian  damals  auszer  mehrtägigen  ludi  mit  eintägigen 
ludi  in  circo  nach  analogie  der  ludi  victoriae  SuUae  (ende  october 
bis  anfang  november).  demnach  blieben  im  j.  44  die  letzten  tage 
des  juli  als  dies  comitiales  zur  annähme  des  gesetzes  geeignet,  aber 
auch  durch  eine  andere  erwägung  werden  wir  veranlaszt  die  lex  de 
permutatione  provinciarum  eher  anzusetzen,  als  sie  von  Ruete  datiert 
wird,  aus  der  combination  von  ad  AiL  XVI  7,  1  VIII  idus  sexiües 
. .  Lcucopetram  . .  Begini  quidam  co  venerunt^  Borna  sane  recentes  .  • 
mit  Phil.  I  §  8  postridie  .  .  Ikgini  coniplures  ad  me  venerufU^  ex  eis 
quidam  Roma  recentes:  a  quibus  primum  accipio  M.  Äfttonii  con- 
iionem  .  .  lalendis  senatum  frequentem  fore;  Antonium  rcpudia^ 
malis'^ttasorihus^  retnissis  provinciis  GälUis,  ad  audoritatem  senaiMS 
esse  rcditurum  folgt,  dasz  am  7n  august  Keginer,  die  eben  von  Rom 
gekommen  waren ,  mit  Cicero  bei  Leucopetra  zusammentrafen  und 
ihm  berichteten,  in  Rom  stehe  ein  Umschwung  der  politik  des  An- 
toniud  bevor,  die  worte  remissis  provinciis  Oaüiis  lassen  nur  die 
deutung  zu,  dasz  Antonius  Gallien  durch  das  gesetz  de  permutatione 
])rovinciarum  bereits  erhalten  hatte,  als  die  Keginer  Rom  verlieszen 
(vf^'l.  m.  abb.  s.  714).  die  Reginer  aber  brauchten  zur  reise  von  Rom 
in  die  heimat  mindestens  neun  tage,  sind  also  etwa  am  30n  juli 
aui't^rebrochen ;  die  erwähnte  contio  des  Antonius  fand  also  wohl  am 
2*.hi.  die  annähme  des  gesetzes  am  28n  oder  27n  statt.*   der  zn- 

*  •l.iraiis  folgt  dasz  die  scnatssitziing,  in  welcher  die  republicaner 
einen  umscliwung  erwarteten,  nicht  am  In  scpt.  stattfand,  wie  LLange 
rüni.  ult.  III  8.  606  meint,  sondern  an  den  kaienden  des  august. 


FVogel:  zu  Ammianm  Maroellinas.  866 

sammenhang  der  thatsachen  war  also  vielleicht  folgender,  am  ersten 
comitialtage  nach  den  spielen  beriefen  Antonias  und  Dolabella  das 
Yolk  und  setzten  unter  militärischer  bewachung  des  forums  das  ge* 
setz  de  permutatione  provinciarum  durch ,  welches  dem  Antonius  die 
gallischen  provinzen  verlieh  und  zugleich  die  macedonischen  legionen 
unter  sein  commando  stellte  (vgl.  m.  abh.  s.  713  f.).  die  ungeheure 
aufregung  in  Born  jedoch  und  die  angst  der  bewohner  vor  einem 
bevorstehenden  blutbad  in  Italien  durch  die  macedonischen  legionen 
veranlaszten  den  Antonius  wenigstens  scheinbar  einzulenken,  er  be- 
ruhigte das  volk  in  einer  contio  und  gab  auch  den  Senatoren,  nach- 
dem die  hauptsache  (Gallien  und  die  legionen)  erreicht  war,  be- 
ruhigende Versicherungen,  deshalb  kam  am  In  august  eine  senats- 
sitzung  zu  stände,  und  L.  Calpumius  Piso  wagte  es  bis  zu  einem 
gewissen  grade  dem  oonsul  entgegenzutreten,  trotz  des  jubeis  der 
republicaner  hierüber,  der  aus  dem  erwähnten  briefe  Ciceros  ad  Att. 
XVI  7,  5  noch  herausklingt,  musz  doch  die  haltung  des  Antonius 
der  art  gewesen  sein ,  dasz  die  kaum  ins  leben  gerufene  Opposition 
alsbald  wieder  verstummte^  denn  am  2q  august  fehlte  Piso  bereits 
in  der  senatssitzung. 

Dresden-Neustadt.  Otto  Eduard  Schmidt. 


121. 

ZU  AMMIANUS  MARCELLINÜS. 


Die  doppelformen  densare  und  densere  (und  dem  entspre- 
chend auch  condensare  und  condensere^  aber  nur  addensere)^  welche 
bereits  die  alten  grammatiker  wie  Servius  Priscianus  Eutjches  be- 
sprechen, haben  auch  verschiedenen  hgg.  anlasz  zd  bemerkungen  ge- 
geben, so  handelt  darüber  Bentley  zu  Hör.  carm,  ^28,  19  (und 
Keller  epileg.  s.  100),  Heinsius  zu  Ov.  fast.  III  820,  Lachmann  zu 
Lucr.  V  491,  Wagner  zu  Verg.  georg.  I  419  ua.  von  besonderem 
interesse  wäre  die  frage  für  die  hgg.  des  Ammianus  gewesen,  wel- 
cher, wie  er  das  adjectivum  densus  etwa  40  mal  und  das  substanti- 
vum  densitas  1 2  mal  verwendete,  so  auch  das  verbum  dieses  Stammes 
nicht  selten  gebrauchte,  während  nun  die  altem  hgg.  gemäsz  der 
richtigen  beobachtung,  dasz  densere  mehr  der  dichterischen  spräche 
angehöre  (Kühner  lat.  gramm.  I  s.  501),  diese  form  überall  tilgten, 
hat  Gardthausen  dieselbe  aus  den  hss.  an  folgenden  stellen  auf- 
genommen: XIV  2, 10  denseta  scutorum  compage^  XXIV 2, 14  den- 
setisque  dipeiSj  XXV  1,  17  denseti  Eomani  pedUeSy  XXVI  8,  9 
densetis  cohaerentes  supra  capüa scutis^  XXXI 15,  2  EadrianopoUm 
agminibus petivere  densetis.  sonst  hat  auch  Gardthausen  die  form 
densare  bevorzugt;  und  wo,  wie  XVI  2,  9  densatis  agminibus  tm- 
debat  iUuc^  die  hsl.  angaben  schweigen,  vermag  man  dagegen  kaum 

J^hrbtteher  f&r  dass.  philol.  1888  hfl.  18.  66 


866  F Vogel:  EU  AmmianaB  MaroellinaB. 

anzukämpfen,  obwohl  die  angeführten  stellen  und  besonders  die 
letzte  (XXXI  15,  2)  mit  viel  mehr  recht  dagegen  als  etwa  das  pari. 
praes.  densantes^  das  sich  XVI  12,  20  findet,  dafür  in  aasohlag 
gebracht  werden  können,  jedenfalls  aber  war  die  form  deiMeUu  her- 
zustellen XXII  8,  46  aar  ex  umorum  spiramine  saepe  densaiua, 
denn  der  beste  der  erhaltenen  Codices,  der  Vaticanns,  samt  dem 
Petrinus  bietet  tenseius  (wie  dieselben  hss.  XIX  5,  5  tefw»e  statt 
densae  schreiben),  ebenso  sicher  ist  die  gleiche  correctar  XXVU 
5,  48  densatis  {desetis  Vat.)  lateribus scutisque  in testudmis  fMmam 
cohaerenter*  aptatis.  etwas  weiter  hat  die  Verderbnis  an  fblgendeA 
zwei  stellen  um  sich  gegriffen :  XXVII  4,  5  haben  die  aasgaben :  m 
summitatc  occidentaU  montibus  praeruptis  densitate  {densUaH  V) 
Suocorum  patescunt  cmgustiae,  hier  hat  gewis  schon  der  verdiente 
Gelenius,  sei  es  durch  conjectur  sei  es  mit  hilfe  seines  vetostum 
exemplar  Hersfeldense,  das  richtige  getroffen,  wenn  er  statt  detmtate 
schrieb  densatae]  nur  wird  man  aus  der  lesart  des  Vat  densUa  et 
vielmehr  die  form  densetae  herzustellen  haben,  und  dem  gleiohea 
Gelenius  gelang  die  Verbesserung  der  stelle  XIX  7,  3,  wo  die 
gaben  nach  dem  Petrinus  haben  densüataeque  acies ;  im  Vat.  dagegi 
steht  tensitate  quae  acies:  Gelenius  schrieb  densataeque.  die  vorher 
besprochenen  fälle  erklären  uns  schrittweise  die  Verderbnis:  de§^ 
setae  —  tensetae  —  tensitae.  das  verbum  densüare  ist  sonst  nirgends 
nachgewiesen  und  somit  aus  den  Wörterbüchern  auszuweisen,  densaii 
schrieb  Gelenius  auch  XXII  6,  2 ;  aber  die  erhaltenen  hss.  haben  dort 
nur  densL 


^  hieraus  ergibt  sich  ungesacht  eine  emendation  für  die  oben  ans* 
geschriebene  stelle  XXVI  8,  9  densetis  cohaerentes  supra  capüa  »cmHm,  — 
Nebenbei  bemerkt:  XVil  7,  14  wird  die  hsl.  lesart  conHdentUnu  ierri» 
fliegen  Gardthausens  conjectar  eoncidentibus  geschützt  durch  stelleQ  wie 
Heges.  II  9,  122  consedigse  monieSj  ebd.  V  46,  36  consedentni  moutet  (PUn. 
paneg.  16,  6.  Sali.  hist.  II  43.  Tac.  anu.  II  47).  —  XIV  7,  18  inter  dilan- 
cinaniium  (Lindenbrog,  dilatinantium  V)  manus  spiritum  efflaiurus,  die 
conjectar  Lifldenbrogs  verdiente  keine  aufnähme;  za  lesen  ist  diim- 
niantium^  wie  Augfustinus  de  civ.  dei  III  28  laniantiwn  manuM  und  Flons 
II  9,  26  inter  manus  lamaium  (vgl.  Amm.  XXII  11,  10.  XXVI  10,  18). 
diese  wendung  mag  aus  Kallustius  {hUt,  1  30)  stammen,  dagegen  war 
meine  Vermutung  betreffs  XIV  2, 13  maiora  viribut  aggressuri  (acta  Erlang. 
II  434)  falsch:  jene  phrane  geht  anf  Verg.  Aen.  X  810  zurück  und  findet 
sich  auch  Hymm.  s.  286,  18  S.  und  Ambroe.  iiex.  VI  16. 

ZWEIBKÜCKKN.  FRIEDRICH  VOOKL. 


122. 

Zu  GENNADIUS  DE  VIRIS  ILLÜSTBIBüS. 


c.  15  8.  77  (Uerding)  Commodianus  .  .  faäns  Uagm  CS^mU- 
anns  et  volens  aliquid  studiorum  suorum  muneris  Offerte  Chrith^ 
sniutis  audori,  scripsü  mediocri  eertnonc  quasi  versu  ^adversus 
nos\    et  quia  parum  nostrarum  aUigerat  UUerarum,  9na§m  ülensm 


«1 


WGemoll:  zu  Geimadios  de  viris  iUiutribas.  867 

destrtiere  potuU  dogmaia  qwxm  nosbta,  hinter  qucsm  nodra  ist  ein 
wort  ansgefallen  (etwa  firmare).  das  verlangt  der  sinn  dieses  satzes 
und  die  Wortstellung  des  letzten  teils  magis  iüorum  destruerep,  d,  q. 
nastra,  das  verlangt  femer  der  Zusammenhang.  Commodian  ist,  so 
zu  sagen,  ein  enfant  terrible  der  Christen:  s.  ebd.  s.  78  iUis  stuporem, 
nohis  desperationem  incuiiens]  er  will  sich  Christus  durch  eine  frucht 
seiner  Studien  dankbar  zeigen  und  sdbreibt  adverstts  paganas.  aber 
er  erreicht  nur  den  negativen  zweck  die  heidnischen  glaubenssätze 
zu  erschüttern ,  für  den  christlichen  glauben  bleibt  sein  guter  wille 
ohne  resultat.  daher  musz  hinter  nostra  ein  wort  wie  firmare  er- 
gänzt werden. 

c.  34  8.  86  Theophüus  .  .  adversum  anthropomorphäas  .  .  osten- 
dü  Deum  ineorporeum  üixta  patrum  fidem  credendum  neque  ülUs 
omnino  membrorum  Ivnheamentis  cwnposkumy  et  ob  id  nihü  ei  in  crea- 
ttms  simüe  per  suhstantiam^  ^ec  cuiquam  incofYuptibüüatem  vd 
immobüüatem  aut  incorpcralüatem  stMe  dediase  naturae;  sed  esse 
omnes  inteUecttudes  naturas  carporeas,  omnes  corrupiibäeSy  omnes 
mutabüeSy  ut  iUe  solus  eorrupiibüüati  nan  subiaceat  die  gesperrt  ge- 
druckten Worte  stehen  im  denkbar  schärfsten  gegensatz  zu  einander, 
sie  sind  der  negative  und  der  positive  ausdruck  desselben  gedankens. 
da  musz  es  befremden ,  dasz  zweimal  werte  von  demselben  stamm 
als  gegensätze  gewählt  sind:  incarrupUbüUatem  —  carruptibües,  in- 
carporalUatem  —  earporeaSy  das  dritte  mal  aber  sich  zwei  werte 
gegenüberstehen,  die  etymologisch  nichts  mit  einander  gemein  haben : 
immobüUatem  —  mtUäbües,  dazu  kommt  dasz  immobüitas  doch  nur 
durch  eine  gezwungene  erklärung  der  inmiuiabüäas  gleichgesetzt 
wird,  femer  fQgen  zwei  hss.  (Bamb.  und  Norimb.)  am  schlnsz  der 
ausgehobenen  stelle  hinter  carruptibüUati  non  stMaceat  hinzu  et 
fMUabüitati ,  ein  zusatz  der  offenbar  nach  der  stelle  nee  cuiquam  in- 
corruptibüitatem  vet  usw.  gemacht  ist,  so  dasz  wir  für  letztere  stelle 
aus  dem  falschen  zusatz  der  beiden  hss.  ein  imnmtabüiUis  ersohlieszen 
dürfen,  aus  diesen  gründen  schreibe  ich  immutabilitatem  statt 
immobilitatem.  das  wort  findet  sich  schon  bei  Cicero  de  fcUo  9,  17 
sed  in  fadis  immtäabüUatem  apparere. 

c.  40  s.  89  schreibt  Herding:  sane  in  pritno  Ubro  descripsU 
(Orosius  Presbyter)  posüionem  orbis  interfusione  et  Tanais  Umitibus 
interdsamy  situm  locerum,  nomina  ei  numerum  moresque  gentium^ 
qualitates  regionum,  initia  bellorum  et  tyrannidis  exordia  finitimorum 
sanguine  dedicata.  unverständlich  sind  hier  die  werte  interfusione 
et  Tanais  litnüibus  intercisam,  die  ausgäbe  des  Orosius  von  FFabri- 
cius  (Köln  1561)  enthält  in  der  praefatio  auch  c.  40  des  Gennadius, 
und  dort  lauten  die  fraglichen  werte  so:  posüionem  orbis y  oceani 
interfusione  et  Tanai  Umitibus  interdsum  (sie),  situm  locorum^  nomina 
urbium  moresque  gentium  usw.  wenn  nun  die  Variantenangabe  bei 
Herding  ganz  zuverlässig  ist,  so  beruht  im  text  des  Fabticius  Tanai 
auf  der  autorität  des  Vat.  saec.  VII  und  des  Bamb«,  urbium  aber  statt 
et  numerum  und  das  eingeschobene  oceani  ist  conjectur.    und  zwar 

66* 


868  WGomoll:  zu  Gennadins  de  viris  illuBtribas. 

ist  oceani  eine  falsche  conjectur,  obwohl  sie  dem  richtigen  gefBU 
entsprang,  dasz  hier  das  mittellttndische  meer  gemeint  seL  aber  aof 
dies  roeer  dehnt  Orosins  nie  den  namen  oceanus  ans,  er  nennt  et 
mare  nostrum  oder  mare  magnum  (vgl.  I  2,  1  mcMres  nostri  crhem 
totius  terrae  oceani  linibo  circamsaeptum  usw.,  12,3  sub  Aegppio 
vero  et  Syria  mare  nostrum^  quod  magnum  generalUer  dicimus,  häbeif 
und  besonders  I  2,  84  mare  hocsiquidem  magnum^  quod  ab  oceasu 
ex  oceano  oritur,  in  meridiem  magis  vergens  angusiiarem  int^r 
se  et  oceanum  coartatae  Äfricae  limUem  fecU.  man  darf  demnach 
nur  mar  IS  magni  (oder  nostri)  interfusione  ergftnzen.  nun  ist  ferner 
das  durch  alle  hss.  verbürgte  Tanais  (Yat.  and  Bamb.  Tanai)  limi* 
tihus  unmöglich  richtig:  ein  einzelner  flosz  bildet  keine  Umite$]  aber 
man  erkennt  durch  die  namentliche  anfühmng  des  Tanais,  dass  hier 
die  gliederung  der  alten  weit  in  erdteile  angegeben  werden  sollte: 
denn  der  Tanais  bildet  nach  Orosius  die  grenze  zwischen  Eoroptf 
und  Asien:  s.  I  2,  4  Europa  incipit  • .  a  flumine  Tanai  nnd  I  2,  61 
nunc  Europam  .  .  stilo  pervagabor.  ^incipüy  a  montibus  Biphaeis 
ac  flumine  Tanai  usw.  wie  viel  erdteile  nimt  aber  Gennadias  in 
unserer  stelle  an  ?  wie  wir  aus  Orosius  erkennen ,  erklärte  sich  die 
eine  annähme  für  zwei,  die  andere  für  drei  erdteile:  s.  1 2, 1  und  88« 
Gennadius  aber  hält  es  mit  denen  welche  drei  erdteile  annehmen : 

1)  er  nimt  als  grenzen  an  das  mittellfindische  meer  nnd  den  Tanaia. 
dann  mUsto  Africa  zu  Asien  gerechnet  sein,  factisch  wurde  es  aber* 
bei  der  annähme  von  zwei  erdteilen  zu  Europa  gerechnet:  TgL 
Orosius  I  2,  1  quamvis  aliqui  duas,  hoc  est  Asiam  ac  deinde  Afirksom 
in  Europam  accipiendam  putarint  und  I  2 ,  85  unde  etiam  aUqui  •  . 
inverccundum  arhiirati  tertiam  vocare  partem,  sed  potius  in  Europam 
Africam  deputantcs^  hoc  est  secundae  portionem  appdtare  maHuerumi. 

2)  Gennadius  wird  sich  bei  der  summarischen  inhaltsangabe  des 
ersten  buchs  des  Orosius  doch  nach  Orosius  gerichtet  haben,  nnd 
der  unterscheidet  drei  erdteile:  12,1  maiores  nostri  orbemtoiius 
terrae  .  .  triquetrum  statucre  eiusque  tres  partes  Asiam  Europam  et 
Africam  vocavcrunt  und  1 2, 12  d  quia  breviter gcncrales  MpertiH  orhis 
divisioiics  dcdi  und  I  2,  83  Africam  ut  dixi  cum  tertiam  orbispartem 
maiores  nostri  accipiendam  descripserint  usw.  aus  diesen  beiden 
gründen  scheint  mir  bei  Gennadius  eine  dreiteilung  des  erdkreisee 
vorzuliegen,  es  fehlt  aber  die  angäbe  des  dritten  limes^  nnd  diese 
lUcke  nimt  man  am  besten  hinter  Tanai  (Tanais)  an,  worauf  Umi- 
tibus  hindeutet,  aber  wie  ist  die  lücke  auszufüllen?  natürlich  musx 
die  bczei ebnung  der  grenze  zwischen  Asien  und  Africa  fehlen,  sehr 
verlockend  könnte  scheinen :  Tanais  et  Nüi  limitibus  intercisam]  aber 
nach  Orosius  I  2,  28  und  31  gehört  der  Nil  noch  zu  Asien,  vgl.  aooh 
§  H  Africae  p7inci2>iu7n  est  a  finibus  Aegypti  urbisque  Alexandriae^ 
uhi  Pareihonio  civitas  sita  est,  da  nun  nach  Orosins  I  2,  87  {lAh^ßa 
Ctfrcnaica  vt  PentapoUs  post  Aegyptum  in  parte  Afrieae  prima  esi) 
der  cr.^^te  teil  Africas  Libyen  ist,  so  schreibe  ich  an  unserer  stelle 
des  (iennndiu^>:   positionem  orbiSy   maris  magni  inierfuskme  et 


WGemoU:  zu  Gennadius  de  yiris  illaatribas.  869 

Tanai  et  Lihyae  finihus  intercisam,  wobei  Tanai  als  ablativ  zu 
fassen  ist.  ^ 

c.  46  s.  92  hie  luUanits  deemosynis  tempore  famis  et  angustiae 
indigentibus  prarogatis  muUis  miserationum  specie  nohüium  prae- 
dpueque  rdigiosarum  ifdidens  haeresi  stuie  sociavit,  es  ist  multo 8 
zu  schreiben ,  wenn  nicht  mtiUis  überhaupt  nur  ein  druckfehler  ist. 

c.  55  s.  94  Caelestinus^  urbis  Bomcte  ^nscopus^  decretum  synodi 
adversum  supra  didum  Nestarium  habitum  volumen  describens  ad 
Orientis  et  Ocddentis  ecdesias  dedü,  statt  volumen  setze  ich  volu- 
mine. 

c.  66  s.  98  Syagrms  scripsü  'de  fide*  adversum  praesumptuosa 
haeräicarum  vocabtUa  .  .  dicerUium  Fairem  non  debere  Fairem  did^ 
ne  in  Fatris  nomine  Füius  consonet^  sed  Ingenüum  et  Infedum  ac 
SoHtarium  nuncupandum^  ut^  quicquid  extra  iUum  sit  persona^  extra 
ütum  sit  d  natura^  ostendens  et  Fatrem^  qui  eiusdem  est  natu- 
rae,  posse  dici  Ingenitum  d  scripturam  dixisse,  ex  se  genuisse 
in  persona  Füiumy  non  fectsse^  d  exse  protutisse  in  persona  Spiriium 
sandum,  non  genuisse  neque  fecisse.  die  gesperrt  gedruckten  worte 
sind  sicher  falsch :  denn  1)  e^  («=  diam)  Fatrem  ist  als  er  widerung 
des  Syagrius  sinnlos ,  das  behaupten  ja  gerade  die  häretiker.  2)  qui 
dusdem  ed  naturae  hat  keine  beziehung.  ich  schlage  statt  d  Fatrem 
vor  et  Spiritum  s  an  et  um.  Syagrius  schreibt  doch  gegen  die 
welche  gott  den  vater  nicht  Fater,  sondern  Ingenüus  nennen  wollen, 
und  widerlegt  sie  so,  dasz  er  zeigt,  die  bezeichnung  IngenUus  passe 
nicht  blosz  auf  gott  den  vater;  da  bleibt  aber  nut  gott  der  heilige 
geist  übrig,  wie  es  ja  gleich  hinterher  heiszt  ex  seprotuUsse  in  per- 
sona Spiritum  sandum,  non  genuisse  neque  fedsse.  nun  hat  auch 
eiusdem  naiwrae  seine  beziehung,  da  im  vorhergehenden  immerfort 
von  gott  dem  vater  die  rede  war.  Fatrem  müssen  wir  aber  nach 
scriptu/ram  dixisse  einfügen;  Spiriium  sandum  hiaier  ostendens  d 
war  wahrscheinlich  abgekürzt  SF.  S.^  und  der  abschreiber  fand  die 
richtige  auflOsung  nicht,  so  dasz  pairem  von  seiner  stelle  gerückt 
wurde,  damit  nur  ein  erträglicher  sinn  herauskäme. 

c.  83  s.  105  iia  Verbum  carnem  fadum,  ui  manente  Verbo  in 
sua  substantia  d  homine  in  sua  natura  societate^  non  mixtione  unam 
Filii  Bei  reddidisse  personam,  statt  reddidisse  ist  zu  schreiben  red- 
didisset:  denn  von  zwei  hauptsätzen,  die  durch  Ua  —  at  verbunden 
wären,  kann  hier  gar  keine  rede  sein;  beide  sätze  handeln  von  6inem 
gegenstände,  der  fleisch  werdung  des  Wortes:  der  aatz  iia  Verbum  usw. 
behauptet ,  der  satz  u^  manente  usw.  sucht  die  behauptung  zu  er- 
klären, demnach  ist  ut  die  consecutive  coiyunction  und  reddidissd 
zu  schreiben,  oder  liegt  hier  wieder  nur  ein  von  Herding  nicht  an- 
gegebener druckfehler  vor,  wie  zb.  noch  c  93  s.  110  simul  d  impugnai 
aliquos  (statt  aliqu^is)  OyriUi^  Akxandrini  episcopi^  sententias^ 

Stbieqau.  Wilhelm  Gemoll. 


REGISTER 

DER  IM  JAHRGANG  1SS8  BEURTEILTEN  SCHRIFTEN  UND 

ABHANDLUNGEN. 

Mlto 
K.  Baedeker:  Griechenland,  handbach  für  reisende  (Laipiig  1888)  481 
Th.  liergk:  poetae  lyrici  graeci.     editionis  quartae  vol.  II    (ebd. 

1882) 1 

A.  Boetticher:  Olympia,  das  fest  und  seine  statte  (Berlin  1888)  .  81 
h^\  Engelmann:  bibliotheca  soriptomm  classicorom.   8e  aufläge  nen 

bearbeitet  von  E.  PreuM.   2e  abteilung  (Leipzig  1882)    •    .    .     821 

W.  H artet:  Ennodii  opera  omnia  (Wien  1882) 975 

0.  Hente:  s.  F,  W,  Schneide%Bin 

C.  Jacohy:  anthologie  ans  den  elegikem  der  Römer.    I.  11  (Leipiig 

1882)      

B»  Kluge:  die  consecutio  tempomm,  deren  gnuidgeseti  und  erschei- 

nuDgen  im  lateinischen  (Cöthen  1888) 185 

E,  Pais:  la  Sardegna  prima  del  dominio  Romano  (Rom  1881)  .  •  48 
T,  L.  Papiilon:  Yirgil  with  an  introdactlon  and  notes.    I.  II  (Oxford 

1882) 485 

E.  Preuns:  s.   W,  Engelmann 

F.  fV,  Schneidewin:  Aischylos  Agamemnon.    2e  aaflage  besorgt  Ton 

0.  Hense  (Berlin  1883) 441 

K.  Sittl:   die    looalen   Verschiedenheiten    der  lateinischen  epmehe 

(Erlangen  1888) ITT 

H.  Utener:  philoIogie  and  geschichtswiseenschaft  (Bonn  1882)  .  .  408 
F.  Weck:  beitrüge  zur  erklämng  Homerischer  personennamea  (Meti 

1883) 717 

^V.   Wecklein:  über  die  teehnik  nnd  den  vertrag  der  chorgesftnge 

des  ÄschyluB  (Leipzig  1882) 11 

(.'.   Weaely:  proiegomena  ad  papyrorum  graecorum  novam  coUec- 

tionem  edendam  (Wien  1888) 605 


BERICHTIGUNG. 


H.  185  z.  19  ▼.  u.  lies  I  125  statt  II  311. 


SACHREGISTER. 


ä  467  flf. 

aebüischer  bund  33  ff. 
afiicamscheB  l&tein  177  ff. 
Aischylos  724  ff.  (Agam.)  441  ff.  816 

(Sieben)  453.  455  f.  (Hik.)  463  ff. 

(tecbnik  der  cborf^esänge)  21  fL 
Aisopeia  225  ff. 
Alexaoderzug  535  ff. 
Alezandri  itinerariuni  663  ff.  - 
AmmiaDiis  Marcellinas  865  f. 
dvaTTiüccetv  619  f. 
dvaT€iv€iv  820 
animum  inducere  487  ff. 
annus  782 

anthologie  (lat.)  568 
Antiphon  105  ff.  379  ff. 
diraftUTTi  in  mordproceisen  106  ff. 
Appianoc  739  f. 
Archimedes  382 
Ariadne  (kröne)  115  ff. 
Aricia  (Dianahain)  169  ff. 
Aristophanes  (Frösche)  634  ff.  (Lysi- 

strate)  693  (Ritter)  725  (Wolken) 

685  f.  (Wespen,  hypothesis)  466  ff. 
Aristoteles    (Nikom.    ethik)    615  ff. 

(Politik)  742  f.  832  ff. 
Athenaios  736  f.  763  ff. 
athenischer  seeband,  zweiter  615  ff. 
Attika,      klimatische      Verhältnisse 

589  ff. 
Angustae  bist,  scriptores  284.  656 
Aurelius  Victor  217  ff. 
Babrios  225  ff. 
bibliographie  621  ff. 
Boethius  193  ff.  285  ff. 
Boiotien  und  Athen  740  ff. 
Brutus ,  M.  559  ff. 
Caliope  Calisto  787 
Cassiodorius  793 
Cassius  Dion  550 
catomum  211  ff. 
Catnllus  262  ff.  791  f. 
chollambea  (griech.)  244 
chronologisches  (griech.)  383  ff.  689,f. 
Cicero(<^e  ortUore)lB2  {Brutus)  208  ff. 

{in  Verrem)  132.  434  {p.  Müone) 

483  ff.  {epUU)  468.  750  ff.  {ad  Bru- 

tum)  559  ff.  {Tusc.)  421  f.  {de  not. 

deorum)  422 ff.  {de  dimn.)S^9, 425 ff. 

{Cato  m.)  734 
consecutio  tempomm  im  lat.  135  ff. 


coQsoaantengemioatioD  im  lat.  774 ff* 

Constantinusroman  503  f. 

continari  653 

Cornelius  Nepos  623 

coiidie  778  f. 

curvus  613  f. 

Demosthenes ,     attischer     Stratege 

693  ff. 
Demosthenes   (gegen   Aristokrates) 

105  ff.  (gegen  MakarUtos)  361  ff. 

(kranzrede)  16  ff. 
densare  densere  865  f. 
differentiae  sermonum  649  ff. 
Dionysios    v.  Halikarnaflos    418  ff, 

841  ff. 
Dodona  306  ff.  345  ff. 
Dosithei  hermeneamata  782 
elegiker,  griech.  1  ff. 
elutrmre  214  f. 
Empedokles  19  f. 
Ennius  427  f.  774  ff. 
Ennodins  275  ff. 
iir€otK^vai  736 
Epikuros  406  ff. 
imppileiv  242 
Euripides  29  ff.  729  ff. 
^Hui  und  cxif)cui  163  ff. 
fabel,  griech.  226  ff. 
flama  798 

Florus  48.  486.  749 
Frontinas  {strai,)  762 
Oellius  211  ff. 

Gennadius  {de  v.  ilL)  866  ff. 
geographisches  627  ff. 
glossographen  792 
grammatisches  (griech.)  163  ff.  (lat.) 

135  ff.  177  ff.  774  ff. 
Griechenland  (reisebandbach)  482  i. 
griechische    geschichte   ofid    alter- 

tOmer  33  ff.  105  ff.  266  ff.  346  ff. 

361  ff.  383  ff.  616  ff.  677  ff.  667  M, 

740  ff.  746  ff. 
Harmonia  (kalsband)  116  ff. 
Herodotos  265  f.  884  f. 
Hesychios  Mileeies  622 
Hieronymus  {de  v.  ilL)  613  f.  861  f. 
Homoros  250  ff.  717  ff.  721  ff.  767  f. 

839  f.  (II.)  526 
Horatius  {carm.)  493  ff.  863  ff.  (episL) 

612  ff. 
inducere  animum  487  ff. 


Sachregister. 


(erriech.)    46  f.    144. 
682  ff.  (lat.)  798 

539  ff. 

xandri  653  ff. 
750 

Sardinien  53  ff. 
knndc  a.  geschichte) 

40 

mposita  308  f. 


les  40">  ff. 

nelia  de  perm.  prov. 

1  ff. 


icht  386  ff.  522  ff. 

415  ff.  612  ff. 
c  452  f. 
IS  749  f. 
in      Griechenland 


cpe  814  ff. 
3  ff.  817  ff. 

551 

t  561  ff. 

115  ir.  243  f. 

IS  523 
ikor)  795  f. 

iVj  ff.  769  ff. 

61  ff. 

305  ff.  345  ff. 

;i  569  ff. 

1  ff. 

S  I'it.  774  ff. 

120   {fasti)   272.   852 

192 

I  (trriech.)  310  f. 


papyri  505  ff. 

parömiographen  230  ff. 

Paasanias   (perieget)    39  ff.  469  ff» 

631  ff.  769  ff.  814  ff. 
Peisiätratos  388  ff. 
peloponnesischer  krieg  677  ff.  657  ff» 
Petronius  796 
Philologie  40S  f. 
Philopoimen  33  ff. 
Piaton  (apol.)  267  ff. 
Plautus  133  f.  487  ff.  (irue.)  61  ff. 
Platarchos  (mor.)  736 
Polemon  631  ff. 
noXOc  und  ^^y^c  452  f. 
Proklos  735 
Propertius  65  ff.  271  f. 
Quintilianus  (inst,  or.)  412 
guod  458  f.  464  f. 
römische  geschichte   169  ff.  649  ff. 

863  ff. 
Sallustias  217  ff.  {hisi,)  440 
Sardinien  49  ff. 
cxf|CUi  und  ^Eui  163  ff. 
scurra  seurilis  786 

Seneca,  L..  141  ff.  (de  hrev.  viiae)  786 
CKavödXr]  =-  CKdvboXov  229  f. 
Solon  6  f. 
Sophokles  145  ff.  (Ant.)  108  f.  898  ff. 

(Kl.)  625  ff.  (Phil.)  801  ff.  (Trach.) 

351  (elegien)  14  f. 
Sparta  (thronfolgerecht)  266  f. 
stierhlut,  Vergiftung  damit  168  ff. 
Suidas  552 
Sjnkellos  890 

Tacitns  (ann.)  645  f.  (jigr.)  641  f. 
Tereutins  487  ff. 
Theognis  7  ff.  263  ff. 
Thnkjdides  577  ff.  657  ff.  (biogr.)  82 
Tiberianun  771 
TibuUus  269  ff.  273  f.  860  ff. 
Timaios  (historien)  809  ff. 
Timon  von  Phlius  113  f. 
Tjdeus  455  f. 
Tyrtaios  4 

Valerins  Maximus  637  ff. 
Vergilius  (//?«.)  436  ff.  772  f. 
wisant  744  ff. 
IViHtbada  SOI  f.  492 
Xenophancs  6  f. 
Xenophon  (anab.)  359.  718  ff.  817  ff. 

(Hell.)  79  f.  736  f.  (iröpoi)  787  f. 

['AOnv.  iroX.]  18.  742  f. 
zahlen  bei  Homeros  260  ff.  889  ff. 
Zenon  von  Kition  223  f. 
Zonaras  736 


I» 


% 


*